Archiv -Nr. 3848680
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1968 by Walter de Q-ruyter <k Co., vormals G. J. Gösohen’sche Verlagshandlung — J. Quttentag, Verlagsbuch-
handlung — Georg Beimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30, Genthlner Straße 13.
Prlnted ln the Netherlands
Alle Bechte, Insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, Vorbehalten. Ohne ausdrückliche Geneh-
migung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege
(Fhotokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen
TH£ J. PAUL GEHY CENTER
LIBRARY
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Seidlitz, W. v., Raphael und Timoteo Viti. Nebst einem Ueberblick über
Raphael’s Jugendentwicklurig ' . . \
Lehrs, M., Der deutsche und niederländische Kupferstich des fünfzehnten
Jahrhunderts in den kleineren Sammlungen. XIV. XV. XVI. XVII.
XVIII. XIX. XX. XXI. XXII • . 9. 102. 204. 884
Oettingen, W. v., Die sogenannte »Idealstadtc des Ritters Vasari 21
Zucker, M., Fragment eines Lorscher Sacramentariums in der Erlanger Uni-
versitätsbibHothek 34
Neuwirth, J., Notizen zur Geschichte zweier Dürerbilder 43
Galland, G., Der grosse Kurfürst von Brandenburg. Neues über sein Verhält-
niss zur bildenden Kunst 89
Clemen, P., Studien zur Geschichte der karolingischen Kunst. II. Beschrei-
bung des Aachener Münsters durch den Anonymus Aquensis vom
Jahre 1166 . UY
Wastler, J., Giovanni Pietro de Pomis. Nachtrag 123
Schmarsow, A., Excerpte aus Joh. Fichard’s »Italia« von 1636 .... 130. 373
Dobbert, E., Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst bis gegen den
Schluss des 14. Jahrhunderts I75. 451
Rieffel, Fr., Ein Jugendbild des Lionardo? 217
Hofstede de Ghroot, Corn., Der Maler Heeremans 221
Schmid, Alf., Der Meister des Rehlingersaltars in der Augsburger Galerie . . 226
Rieffel, Fr., Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie : Eusebio Ferrari und die
Schule von Vercelli 275
Neuwirth, J., Beiträge zur Kunstgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts . . 293
Staigmüller, Kannte Leone Battista Alberti den Distanzpunkt? 301
Koopmann, W., Die Madonna vor der Felsgrotte in Paris und in London . . 353
Riehl, B., Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen
Donauthal 3ßl
Neuwirth, J., Die Prager Karlsbrücke und ihr Einsturz arn 4. September
1890 463
Schnittger, D., Von dem Dom zu Schleswig 472
JV
Inhaltsverzeichniss.
‘Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen, über
staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
Belte
Eppingen i. B. Entdeckung von Wandmalereien 258
Frankfurt a. M. : Städel’sches Museum. Der neu angekaufte Correggio . . . 305
Hirschhorn a. N. Restauration 258
Karlsruhe. Fächerausslellung 491
Mainz. Geschichte der Galerie 140
Paris. Versteigerungen 147. 246. 410
Strassburg. Die neue Sammlung von Gemälden aller Meister 240
Wien. Gemäldesammlungen. III. IV. (Von Th. Frimmel) ...... 48. 232
Litteralurbericht.
Antoniewicz, J. v., Ikonographisches zu Chreslien de Troyes 270
(Barvitius), Katalog der Gemäldegalerie im Rudolphinum zu Prag .... 163
Beissel, St., Die Bauführung des Mittelalters. Studie über die Kirche des
hl. Victor zu Xanten. 2. A 436
Bertolotti, Ä., Le Arti minori alla Corte di Mantova 308
„ „ Architetti, Ingegneri e Matematici in Relazione coi Gonzaga . 308
„ ,, Figuli, Fonditori e Scultori in Relazione coi Gonzaga .... 308
Block, J. C., Jeremias Falck. Sein Leben und seine Werke . 327
Bongi, S., Annali di Gabriel Giolito de’ Ferrari 441
Bote, Fr., Raphael’s W^andgemälde: Die Philosophie, gen. die Schule von
Athen 345
Brun, C., Jacques-Louis David und die französisclie Revolution 437
Burckhardt, J., Geschichte der Renaissance in Italien. 3. A 529
Fahriczij, C. v., La Badia di Fiesoie 344
Ferri, N., Disegni antichi e moderni posseduli dalla R. Galleria degli Uffizi
di Firenze 172
Galland, G., Geschichte der holländischen Baukunst und Bildnerei .... 69
Gatti, A., La Fabbrica di San Petronio . 507
Gruyer, F. A., Voyage autour du Salon carre . 432
Gsell-Fels, Italien in 60 Tagen. 4. A 274
Gurlitt, C., Kunst und Künstler am Vorabend der Reformation 529
„ „ Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner des 16. Jahrhunderts 532
Hefner-Alteneck, J. H. v., Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften des 17.
und 18. Jahrhunderts 339
Hefner-Alteneck, J. H. v., Deutsche Goldschmiedearbeiten des 16. Jahrhunderts 522
Humann, G., Der Westbau des Münsters zu Essen 161
Jakobi, L., Das heilige Grab auf dem Friedhofe zu Homburg 345
Katalog der Gemäldesammlung im Ferdinandeum zu Innsbruck . . . . . 260
KekuU, B., Ueber die Darstellung der Erschaffung der Eva 269
Koeler, S. R., Catalogue of the Works of John Cheney 438
Kraus, Fr. X., La Camera della Segnatura 272
Laban, F., Der Gemüthsausdruck des Antinous ^ 497
Lautner, M., W’er ist Rembrandt? 429
Lehfeld, P., Die Saalfelder Altarwerkstatt 345
Lerniolieff, J., Kunstkritische Studien Ober italienische Malerei 314
Inhaltsverzeichniss.
V
Seite
Lühke, W. V., Die Wandgemälde in der Schlosscapelle zu Obergrombach . . 272
Lützow, C. V., Katalog der Gemäldegalerie in der k. k. Akademie der bilden-
den Künste 76
Mann, A'., Gabriel Max 533
Milanesi, G., Les Correspondants de Michel Ange. 1 420
Mittheilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses. II. 4 530
Müntz, E., Les Constructions du Pape Urbain V a Montpellier 87
„ „ Le Mausolee du Cardinal de Lagrange 273
„ „ Tapisseries, Broderies et Dentelles 340
Neumann, W. J., Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig 499
Neuwirth, J., Beiträge zur Geschichte der Malerei in Böhmen 271
„ „ Peter Parier von Gmünd 422
Oechelhäuser, A. v.. Der Bilderkreis zum Welschen Gast 318
Dettingen, W. v., Antonio Averlino Filarele’s Tractat über die Baukunst her-
ausgegeben von .312
Perez, J, <?. y, Sevilla monumental y artistica 157
Pfleiderer, R., Ulmer Münsterbüchlein 274
Rahn, R., Zur Statistik der schweizerischen Kunstdenkm.ale 310
„ „ Die schweizerischen Glasgemälde in der Vincent’schen Sammlung . 438
Ridolfi, E., I Discendenti di Matteo Givitali 73
Riehl, B,, Skizze der Geschichte der mittelalterlichen Plastik im bayerischen
Slammlande 272
Ritter, F., Katalog der Ornamentslichsammlung des k. k. Oesterr. Museums
für Kunst und Industrie ; 334
Rivista Nuova Misena. I — III. (1889 — 1890) 503
Roger-Miles, L., Corot 326
Rosenberg, M., Der Goldschmiede Merkzeichen 335
Saint-Simon, Scenes et Portraits, ed. Lhomme 439
Sarre, Fr., Der Fürstenhof zu Wismar und die norddeutsche Terracotta-
Architektur 259
Schadow, G., Aufsätze und Briefe, herausgegeben von J. Friedländer. 2. A. . 531
Schlie, Fr., Kurzes Verzeichniss der Gemälde im grossherzogl. Museum zu
Schwerin. 3. A 441
Schmarsotv, A., S. Martin von Lucca 510
Schmidkunz, II., Analytische und synthetische Phantasie 528
Schönermark, G., Wahrheit und Dichtung im Kestner-Museum zu Hannover . 440
Schulz, Joh., Der byzantinische Zellenschmelz 417
Szendrei, J., Catalogue de la Collection des Bagues de Mme G. de Tarnoczy . 440
Thode, H., Die Malerschule von Nürnberg im 14. und 15. Jahrhundert . . . 320
Thurmann, B., Galerie der decorativen Kunst . ’ 440
Uzielli, G., Sui Ritratti di Paolo dal Pozzo Toscanelli 273
„ ., Leonardo da Vinci e tre Gentildonne Milanese 532
„ „ Leonardo da Vinci e le Alpi 532
Wastler, J., Das Landhaus in Graz 426
Notizen.
Zu Nikolaus Manuel S. 167. 266. — Die Goslarer Rathhausgemälde stammen
nicht von Michel Wolgemiit S. 261. — Die Zvvetler Handschrift von Rabanus
VI
Inhaltsverzeichniss.
Maurus (J. Nemvirth) S. 264. — Der Maler Lorenzo de Luzo da Feltre S. 265. —
Vincent Sellaer und Vincent Geldersman {W. Schmidt) S. 342. — Ueber Chr. Am-
bcrger {'IV. Schmidt) S. 435. — Der Dom zu Mainz in frühromianischer Zeit S. 524.
— Der Meister des Doms zu Faenza {C. v. F.) S. 526. — Ein Bild von Cranach
d. Aelt. S. 528.
Verzeichniss der wichtigeren Besprechungen . . S. 173. 351. 534.
Bibliographie (von Dr. Ferdinand Laban in Berlin) S. I — XIV. XV— XXXVI.
XXXVII— LVI.
Raphael und Timoteo Viti.
Nebst einem Ueberblick über Raphael s Jugendentwicklung.
(Aus Anlass von Koopmann^s Raphael- Stiidim.)
Von W. V. Seidlitz.
Eine Kritik von Koopmann’s Ansicht über Raphael’s Jugendentwick-
lung Hesse sich nur in der Form einer vollständigen Gegendarstellung liefern,
da bei diesem Gegenstände jede Abweichung in Bezug auf Einzelheiten be-
stimmend auf den gesammten weiteren Verlauf der Darstellung einwirkt;
der Meinungsverschiedenheiten aber bei der Schwierigkeit des Problems
naturgemäss viele entstehen.
So seien denn hier nur zwei Behauptungen des übrigens mit warmer
Hingabe geschriebenen Buches , als den Widerspruch in besonders hohem
Grade herausfordernd, hervorgehoben und beleuchtet.
Die eine dieser Behauptungen — die nicht Koopmann angehört, sondern
von ihm aus Morelli’s Schriften herübergenommen worden ist — besteht darin,
dass Raphael, bevor er um 1500 zu Perugino gekommen, durch Timoteo
Viti in Urbino beeinflusst worden sei und dass der Traum des Ritters,
die Grazien und der hl. Georg des Louvre unter diesem Einfluss und noch
vor der perusiner Zeit entstanden seien.
Da Morelli die beiden letztgenannten Bilder vorsichtigerweise nicht
dieser Zeit, sondern erst einer späteren zu weist, so sei von ihnen hier vor-
läufig abgesehen.
Worauf gründet sich nun die Annahme, dass der Traum des Ritters
durch Timoteo beeinflusst und daher früh entstanden sei ? Lediglich auf die
Annahme, dass Timoteo s Madonna mit den Heiligen Vitalis und Crescentius
in der Brera^abgebildet bei Koopmann Nr. 2), die einen ausgesprochen ra-
phaelischen Charakter tragen soll, bald nach dessen im Jahre 1495 erfolgter
Dr, W, Koopmann : Raffael-Studien mit besonderer Berücksichtigung der
Handzeichnungen des Meisters. Mit 36 Abbildungen. Marburg, H. G. Elwerl’sche
Verlagsbuchhandlung, 1890. gr. 4®.
XIV
1
2
W. V, Seidlitz:
Rückkehr von Bologna nach Urbino entstanden sei. Da zu dieser Zeit der
zwölfjährige Raphael nicht im Stande gewesen sei, irgend welchen Einfluss
auf Timoleo auszuüben, der Traum des Ritters aber, wie behauptet wird, eine
grosse Verwandtschaft mit dieser Madonna habe, überdies in nichts an
Perugino erinnere, dagegen noch — wie weiter behauptet wird — von einer
gewissen Kindlichkeit zeuge, so ergebe sich die Schlussfolgerung von selbst,
dass das Bildchen unter dem Einfluss Timoteo’s daher noch während des letzten
Lustrums des 15. Jahrhunderts in Urbino entstanden sein müsse.
Nach dieser Lehre soll Raphael später, nachdem er den verderb-
lichen Einfluss Peruginos wieder abgeschüttelt, also erst etwa von 1504 an,
zu dieser guten frühen, nicht etwa ihm sondern dem Timoteo angehörenden
Manier wieder zurückgekehrt sein: da »erscheint wieder die Costa-Timoteosche
breite Hand in den Bildern des jungen Raphael, sowie auch die Fleischtöne
klarer, die Schatten statt schwarz wieder grau werden« (Lermolieff, Deutsche
Galerien S. 351); in Bezug auf die Hände auf dem Traum des Ritters wird
angemerkt, dass sie hier noch nicht »jene auffallenden Zeichenfehler hätten,
welche zum Theil dadurch entstanden seien, dass Raphael die Schwächen von
Peruginos Hand fühlte, dass es ihm aber nicht gelang, sie zu verbessern«
(Koopmann S. 20); was ihm erst viel später geglückt sein soll. Da Timoteo
durchaus als sein Lehrer gelten soll, wird Raphael nicht einmal die unnach-
ahmliche Kindlichkeit des Gesichtsausdrucks auf diesem Bilde als Eigenthum
belassen: »derselbe müsste raphaelesk genannt werden, wenn dieser Aus-
druck nicht auf dem Gesichte des hl. Vitalis von Tim. Vili schon ausgeprägt
wäre« (Koopmann ebendort).
Alle diese unserem Gefühl wie unserer Erfahrung ins Gesicht schlagenden
Folgerungen ergeben sich naturgemäss aus der Annahme, dass Raphael den
Traum des Ritters vor seiner perusiner Zeit gernalt habe und dass er darin
nicht seine eigene Sprache, sondern die eines anderen Meisters, und zwar die
des Viti, geredet habe.
Was nun die Verwandtschaft dieses Bildes und der Vitischen Madonna
betrifft, so ist das eine Jdee, deren Aufrechterhaltung in früheren, die Kunst-
werke weniger scharf ins Auge fassenden Zeiten wohl hätte erklärt werden
können, die aber jetzt nicht so zahlreiche Anhänger gefunden haben dürfte,
wenn nicht durch Morelli das Interesse von dem künstlerischen auf ein
logisches Moment übergeleitet worden wäre.
Morelli selbst hebt hervor (Deutsche Galerien S. 346), dass Viti in dem
Brera-Bilde »noch ziemlich von der Art und Weise seiner Lehrmeister Francia
und Lor. Costa beeinflusst sei; der inusicirende Engel erinnert an Costa, die
Heiligen Crescenzio und Vitalis an Francia, während gerade die reizende Gestalt
des Vitalis dazu beigetragen haben dürfte, dass dies Bild als ein Werk Raphaels
betrachtet worden ist«, wie das früher geschah. Koopmann andererseits gibt
(S. 18) zu, dass Viti in einem so bezeichnenden einzelnen Punkte, wie der
Bildung der Hände, Raphael nicht zum Vorbild gedient haben könne. »Timoteo,«
sagt er, »erweist sich als der schwache Meister, welcher er in der That ist,
indem er seine Hände verschieden zeichnet, die linke Hand des Vitalis hat
Raphael und Timoteo Viti,
3
stumpfe Finger und die Hände und Finger des Grescentius sind in der Ver-
kürzung so wenig wie in ihrer ganzen Haltung gelungen.«
Trotzdem soll er Raphaels Entwicklung beeinflusst haben — weil an-
genommen wird, dass er das betreffende Bild zu einer Zeit gemalt habe, da
Raphael noch nicht im Stande gewesen sei, etwas Aehnliches hervorzubringen.
Das ist, selbst wenn die Verwandtschaft der Kunstweisen beider Meister als
eine ausgemachte Thatsache anzunehmen wäre — was aber durchaus nicht
zugegeben werden kann und wogegen die eben angeführten eigenen Worte
der Verfechter dieser Ansicht zeugen — doch immer nur eine rein logische
Schlussfolge, bei der alles auf die Richtigkeit der Voraussetzungen an-
kommt. Und diese Voraussetzungen erweisen sich bei näherer Betrachtung
als auf völlig schwachen Füssen stehend.
Derselbe Vasari, dessen Viti-Biographie nach Morellis überzeugenden
Ausführungen (Deutsche Galerien S. 331 ff.) sich als durchaus unzureichend
erweist, wird hier als Zeuge dafür angerufen, dass Viti das Brerabild sehr
bald nach dem Jahre 1495 gemalt habe. Vaseri nämlich sagt (Ausg. Mila-
nesi IV, 494); Tornato dunque alla patria (aus Bologna, wo er bei Francia
gelernt) giä uomo di ventisei anni, vi si fermö per alquanti mesi, dando bonis-
simo saggio del saper suo ; perciocche fece la prima tavola della Madonna nel
duomo . . . (das Brerabild) . . . Appresso dipinse un’ altra tavola . . . (die hl.
Apollonia in S. Trinita in Urbino). Da er nun das Todesjahr Viti’s annähernd,
richtig auf 1524 angibt — Viti starb 1523 — und ihn ein Alter von 54 Jahren
erreichen lässt, wonach er um 1469 geboren sein müsste, so ergäbe sich ihm
als die Zeit, da der sechsundzwanzigjährige Timoteo seine Wirksamkeit in
Urbino begann, richtig das Jahr 1495, wie es auch durch andere Zeugnisse
bestätigt wird.
Dabei wird aber ganz übersehen, dass er unmittelbar darauf also fort-
fährt : Per queste opere ed alcune altre, delle quali non accade far men-
zione, spargendosi la fama ed il nome di Timoteo, egli fu da Raffaello con
molta instanza chiamato a Roma u. s. w. Mag nun Timoteo (in den Jahren
zwischen 1508 und 1518) nach Rom gegangen sein oder nicht: der Ansicht
Vasari’s nach ist das geschehen ; und da wird Vasari doch nicht die Berufung
dorthin mit der Anfertigung von Gemälden in Zusammenhang bringen, die
mehr als zehn Jahre vor diesem frühesten, ^Vasari jedenfalls gegenwärtigen
Termin (1508) entstanden wären. Einem Künstler wie Vasari standen sicherlich
die inneren künstlerischen Bezüge zwischen gewissen Meistern und deren
Schöpfungen klarer vor Augen, als die rein chronologischen Thatsachen. Es liegt
daher die Annahme durchaus nahe, dass er sich gar nicht erst ausgerechnet
hat, in welchem Jahre Viti nach Urbino zurückgekehrt sei; die Kenntniss
seines damaligen Alters genügte ihm vollständig und weiterhin kam für ihn
nur die Beziehung zu Raphael in dessen römischer Periode in Betracht. Beide
Thatsachen verknüpfte er mit einander und zwar offenbar mit dem Endzweck,
zu zeigen, dass Viti vor der Berührung mit Raphael, also zur Zeit der Ent-
stehung der beiden von ihm genannten Bilder, anders gemalt habe als nach
dieser Berührung , was auch aus dem Anblick der Werke selbst hervorgeht.
4
W. V. Seidlilz:
denn die Breramadonna z. B. trägt noch , nach dem Eingeständniss Morelli s
wie Koopmann’s, durchaus den Charakter der Bologneser Schule, während
die Empfängniss der Maria im Beisein des hl. Johannes d. T. und seoastian
(gleichfalls in der Brera) bereits jenen Stil zeigt, den man als den der römischen
Schule Raphael’s bezeichnen kann.
Die ganze Annahme von der frühen Entstehung der Madonna mit den
Heiligen Vitalis und Grescentius hätte übrigens dem Anblick des Bildes selbst
gegenüber gar nicht aufkommen dürfen, denn dieses weist schon durch seine
Costüme durchaus auf das 16. Jahrhundert und zwar weit mehr auf die zweite
als auf die erste Hälfte seines ersten Jahrzehnts. Den viereckigen Halsausschnitt
des Obergewandes bei den Männern, die vorn breiten Schuhe findet man m.
W. noch nicht auf Pinturicchio’s in den Jahren 1503—1506 entstandenen
Sieneser Fresken , die gerade auf die Darstellung solcher Aeusserlichkeiten
grosses Gewicht legen; auf den Fresken des Heliodorszimmers von 1512—14
dagegen treffen wir sie, sowie den gefälteten unteren Theil des Rocks bereits
an. In die Zwischenzeit, also etwa um 1510, muss somit das Brerabild fallen,
und hiermit stimmt auch der Umstand, dass es in seinem Charakter den
frühen Schöpfungen eines Andrea del Sarto einerseits und eines Sodoma
andererseits verwandt ist, die beide um 1510 als selbständige Künstler auftraten.
Damit wird aber die Lehre von Raphael’s Schülerschaft bei Timoteo
hinfällig; es besteht daher auch durchaus kein Grund, den Traum des Ritters
in eine Zeit zu versetzen, von der sich gar kein Uebergang zu Raphael’s
peruginesker Periode finden lässt. Der Beginn seiner künstlerischen Thätigkeit
bleibt dann freilich in das alte Dunkel gehüllt; das reizende Bildchen aber
kommt an den Platz, wo es sich ungezwungen einfügen lässt, nämlich an
den Anfang seiner eigentlichen selbständigen Florentiner Periode, da er den
Einfluss Perugino’s bereits völlig überwunden hatte (um 1505 — 1506).
Die zweite Behauptung Koopmann’s, gegen die ich mich zu wenden
habe, besteht darin, dass eine ganze Reihe von Zeichnungen ausdrücklich auf
Grund von Zeichen fehlem als Jugendarbeiten Raphael’s in Anspruch zu
nehmen seien (S. 29, 32, 42, 50). Fehler laufen ja bei jedem, auch dem
grössten Künstler mit unter: aber nur bei untergeordneten, mechanischen
Naturen können sie als Merkmal der Zuschreibung verwendet werden. Bei
einem grossen Meister, und stecke er noch so sehr in den Anfängen seiner
Entwicklung, lassen sie sich in solcher V^eise nicht verwerthen. Von den so
dem Raphael zugeschriebenen Blättern kann ich übrigens auch nicht eines als
echt annehmen und bedaure, dass Koopmann, der doch glücklicherweise wenig-
stens das Venezianische Skizzenbuch für Raphael ganz ausser Betracht lässt,
ihm ausser den übrigen bekannten , von Alters her fälschlich unter seinem
Namen gehenden Zeichnungen auch noch ein paar weitere, meines Wissens ihm
bisher nicht zugeschriebene, aufbürdet (Abb. 19 und 20). ^
Auf eine nähere Auseinandersetzung mag ich mich nicht einlassen, da
Gründe bei rein stilkritischen Fragen meist doppeldeutiger Natur sind: sie
lassen sich, je nach dem Standpunkt, den man einnimmt, eben so gut für
Raphael und Timoteo Viti.
5
wie gegen eine Behauptung verwenden. In solchen Fällen gilt es, die nicht
voreingenommenen Gegner durch eine richtige Zusammenstellung und An-
einanderreihung der Werke zu überzeugen. Ich führe desshalb die in Frage
kommenden Zeichnungen einfach nur an.
Ob die Madonna mit den beiden Heiligen in der Albertina (Br. 134,
Koopmann, Abb. 15) Pinturicchio angehört oder nicht, weiss ich nicht; da-
gegen halte ich mit Morelli die lesende Madonna im Louvre (Br. 250, K. 27),
sowie die aussergewöhnlich milde und anmuthige Madonna im Städel’schen
Institut (K. 21) für Werke Pinturicchio’s, und glaube das auch von der hl.
Katharina in Florenz (Br. Perugino 540, K. 19) und dem hl. Franciscus da-
selbst (Br. desgl. 541, K. 10). Wegen weiterer Zeichnungen Pinturicchio’s,
die Raphael zugeschrieben worden sind, sei auch Lermolieff’s Aufsatz in der
Lützow’ sehen Zeitschrift von 1887 verwiesen.
Das Doppelblalt in Berlin mit den Compositionen der Madonna Terra-
nuova und der Madonna Connestabile (K. 16 u. 17) kann ich mich nicht ent-
schliessen, ohne weiteres Perugino selbst zuzuschreiben; die Madonna im
Britischen Museum (Br. 86, K. 18) mag aber sein Vverk sein. Zu den von
Morelli ihm zugewiesenen Blättern kann ich noch zwei Federzeichnungen in
Grossfolio, bei J. G. Robinson, je einen stehenden Evangelisten darstellend,
anführen , die unter Raphael’s Namen gehen (Photographien im Berliner
Kupferstichcabinet). Uebrigens halte ich auch den von Koopmann (Abb. 11)
für Raphael in Anspruch genommenen Apoll und Marsyas irn Louvre für einen
schönen Perugino aus, dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts.
Bologneser Charakter tragen das schöne Jünglingsbildniss — das aber
ein zu kurzes Kinn zeigt, um Raphael darstellen zu können — in Oxford
(Br. 13, K. 1), das Brustbild der hl. Katharina daselbst (Br. 14), das Mädchen-
bildniss bei M. Malcolm (K. 31), sowie die beiden Frauenköpfe in Lille (Br. 63
und 83). Diese Arbeiten mögen von Timoteo Viti sein.
Die Bogenschützen in Lille endlich (Br. 64, K. 4) kann ich gleichfalls
nicht als ein Werk Raphael’s hinnehmen, wenn ich auch nicht im Stande
bin, anzugeben, wer es gemacht haben könnte.
Wer Zeichnungen, wie die genannten, für Arbeiten Raphael’s hält, der
sieht sich vielfach genöthigt, schwächere Blätter, die mit irgend einem wenn
auch nur annähernd datirbaren Gemälde in Beziehung stehen, später anzu-
setzen, als andere, die wesentlich freier und richtiger behandelt sind, aber
wegen einer ebensolchen und zwar allgemein anerkannten Beziehung in eine
frühere Zeit versetzt werden müssen, was sich mit Koopmann’s bei Gelegenheit
des Venezianischen Skizzenbuchs gemachter ganz richtigen Bemerkung (S. 14),
dass »kein Künstler, am wenigstens ein hochbegabter, zweimal von vorn an-
fangen könne«, durchaus nicht in Einklang bringen lässt. Reisst man gar
Zeichnung und Gemälde auseinander und trennt sie durch einen Zeitraum
von mehreren Jahren, so geräth man in das Gebiet, der Unwahrscheinlichkeiten,
abgesehen davon, dass bei einem wirklich bedeutenden Künstler die Annahme
einer anfänglichen Zeit stärkster Unselbständigkeit — in diesem Fall einer
bedingungslosen Abhängigkeit von Perugino und das bei einem 'Genie von
6
W. V. Seidlilz:
bereits 17 bis 18 Jahren — und eitles darauf folgenden plötzlichen Durch-
bruchs der Eigenart mehr als gewagt ist.
Hier sei noch der Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass doch recht
bald eines unserer zahlreichen kunsthistorischen Seminare sich entschliessen
möge, ein raisonnirendes Verzeichniss der unter Raphael’s Namen gehenden
Braun’schen Photographien auszuarbeiten und in Druck zu geben. Nicht etwa
unter Anwendung selbständiger Kritik, denn das könnte nur ein Einzelner
unternehmen : sondern bloss in Form einer Zusammenstellung aller in der
zahlreichen Litteratur über jedes einzelne Blatt geäusserten Bemerkungen;
und nicht in irgend einer systematischen, immer mehr oder weniger der
Willkür unterworfenen Ordnung, sondern einfach nach der Reihenfolge von
Braun. Die von Braun nicht reproducirten Blätter könnten dann hinten
angefügt werden.
Das Material ist namentlich in den letzten zehn Jahren so angewachsen,
dass nur noch ein Raphael-Specialist es völlig beherrschen kann. Die Frage
nach Raphael’s Jugendentwicklung, der eine solche Arbeit in erster Linie
entgegenkommen würde, ist aber eine so interessante und wichtige, dass jeder
Forscher und Liebhaber in den Stand gesetzt werden sollte, ihr näher zu treten.
Im Anschluss an das Vorhergehende hatte ich schon eine sehr ausführ-
liche Darstellung meiner Ansicht über Raphael’s Jugendentwicklung nieder-
geschrieben , sah mich jedoch dann veranlasst , auf den Verbrauch weiterer
Druckerschwärze zu verzichten, da ich gewahrte, dass ich dabei, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, im Ganzen zu demselben Ergebniss gelangt war, das
Passavant schon vor fünfzig Jahren veröffentlicht hatte.
Ich begnüge mich daher damit, hier die betreffenden Passavant-Nummern
1 — 55 nach der französischen Ausgabe, unter Ausschliessung der nicht Raphael
angehörenden Werke und mit Angabe der wenigen Abweichungen, hinzusetzen.
So lange man über diese Fragen der Zeitfolge noch nicht einig ist, bringt ein
Eingehen aus Raphael’s künstlerischer Eigenart wenig- Nutzen.
Passavant 6, der Gekreuzigte in der Sammlung des Earl of Dudley,
ist die früheste Schöpfung Raphael’s, die wir kennen. 1501 oder eher noch
1502, nicht 1500, wo er eben erst in Perugino’s Werkstatt getreten war. Der
Zusammenhang mit der Albertina-Zeichnung, die den Charakter einer späteren
Zeit trägt, erscheint fraglich.
Derselben frühen Zeit dürften die Zeichnungen: Louvre, Braun 246,
Pass. 333, sitzender Evangelist, und Oxford, Br. 12, ein Betender, angehören.
Ferner das Bildniss eines jungen Mannes in Pest. Fehlt Passavant.
Die Madonna Diotalevi. Passavant 274.
Die Zeichnung der Madonna mit dem Granatapfel, in der Albertina.
7. Madonna Solly. Koopmann gebührt das Verdienst, zwei herrliche
Zeichnungen zu diesem Bilde (Abbildungen bei ihm 25 und 26) nachgewiesen
zu haben.
Hierauf folgt die Madonnenzeichnung in Oxford, Br. 10, Pass. 486, die
jedoch keine Studie zu dem Bilde ist, sondern bereits auf die Zeit weist, da
Raphael und Timoteo Viti.
7
die ehemals Timbal’sche Zeichnung im Louvre, Madonna mit Sebastian und
Rochus, entstand. Letzteres Blatt bei Koopmann 33 abgebildet.
10. Madonna mit dem hl. Hieronymus und Franciscus. Wohl
erst unmittelbar nach dem Folgenden gemalU
11. Die Krönung Mariens. 1503.
Männliches Bildniss der Galerie Borghese. Fehlt bei Passavant.
Abgebildet in Minghetti’s Raphael.
Hierher ist der hl. Sebastian, P. 16, zu setzen, der jedenfalls vor
dem Sposalizio entstanden ist.
ln dieser Zeit mögen auch die beiden Zeichnungen in Oxford zu Pin-
turicchio’s Sieneser Fresken entstanden sein : Die vier Soldaten, Br. 33, P. 530,
Robinson 14, und die zwei stehenden Jünglinge, P. 531, Roh. 15.
12. Madonna Gonnestabile; vielleicht erst gleich nach dem
Sposalizio.
13. siehe hinter 30.
15. Das Sposalizio. Datirt 1504.
Zeichnung eines Frauenkopfs, Lille, Br. 48, Pass. 411b.
16, siehe hinter 11.
18. Der hl. Georg, im Louvre.
19. Der hl. Michael.
Hierher dürfte das Selbstbildniss der Uffizien, P. 41, gehören.
21, siehe hinter 31.
22. Madonna Terranuova.
Zeichnung eines Kinderturniers, beim Herzog von Aumale. Br. 118,
Pariser Ausstellung von 1879.
23, siehe hinter 32.
24. Madonna Ripalda, zur Zeit im South Kensington Museum. Um
1505, doch wohl erst unmittelbar nach dem Folgenden ausgeführt.
26. Madonna Ansidei. 1505.
27. Der Schmerzensmann, in Brescia. Vielleicht schon zur Zeit
des Sposalizio entstanden.
29. Die Freske von S. Severo. Gegen Ende 1505.
30. Madonna del Cardellino.
Der Traum des Ritters. P. 13.
In den nun folgenden Bildern erscheint der Einfluss Perugino’s vollends
abgeslreift,
31. Madonna im Grünen.
Madonna del Granduca, P. 21.
32. Madonna Tempi.
Die kleine Madonna des Earl of Cowper, P. 23.
33. Die hl. Familie mit dem Palmbaum.
34. Bildnisse Angelo Donis und seiner Frau.
Die Zeichnungen nach Michelangelo’s David im Britischen Museum,
Br. 79, und in Lille, Br. 88.
37. Der hl. Georg, in St. Petersburg. 1506.
W, V. Seidlitz: Raphael und Timoteo Viti.
39. Madonna Orleans.
41, siehe hinter 19.
42. Die drei Grazien.
45. Madonna Ganigiani, wohl erst nach P. 46.
Die Belle Jardiniöre, P. 53, 1507.
46. Heil. Familie mit dem Lamm.
47. Heil. Katharina.
48. Grablegung. 1507.
51. Die grosse Madonna des Earl of Cowper.
52. Madonna Golonna.
53. siehe hinter 45.
54. Madonna del Baldacchino.
1508.
Der deutsche und niederländische Kupferstich des fünf-
zehnten Jahrhunderts in den kleineren Sammlungen.
Von Max Lehrs.
XIV.
München.
König]. Bayerische Hof- und Staatsbibliothek.
Eine grosse Anzahl der seltensten Blätter, welche sich in Handschriften
oder Incunabeln fanden, gelangte nach und nach an das Kupferstichcabinet.
Die hier aufgeführten Stiche sah ich zuletzt im Juni 1888 in der Staatsbiblio-
thek. Es wäre sehr dankenswert!! , wenn auch sie dem Gabinet überwiesen
werden könnten, wo sie leichter aufzufinden und neben anderen gleichartigen
Blättern der Forschung nutzbringender sein würden, als in den Deckeln der
Manuscripte und Druckwerke. Zur leichteren Auffindung der Blätter ist die
Bibliotheksnuinnier des Codex, in dem sie sich finden, jedesmal hinter der
Ordnungsnummer in Klammern beigefügt.
A. Oberdeutsche Meister.
Meister von 146.2.
1. (Rar. 24.) Die hl. Dreifaltigkeit. P. II. 17. 18. und 62. 17.7. Vergl.
Lehrs, Spielkarten p. 1. und 40 ; Kunstfreund 1885. Sp. 145. und Der Meister
mit den Bandrollen 30. 3. Nachslich von Hess bei Dibdin, A bibliographical
antiquarian and picturesque tour in France and Germany, London 1821. III.
p. 278 nach dem Exemplar der Staatsbibliothek und Lichtdruck bei Schmidt,
Incunabeln, Taf. XI. Nr. 28. nach dem Abdruck des Kupferstichcabinets in
München. Der Stich findet sich in einem alten Buchdeckel, aus der Bibliothek
des Klosters Buxheim. Der tiefschwarze Druck ist besser als bei dem Exemplar
des Kupferstichcabinets. Einzelne Theile wie die Krone und Mantelbordüre
sind mit derselben dicken rolhen. Farbe bemalt, die für die in meinen Spiel-
karten facsimilirte Insehrift benutzt wurde.
2. * (Ggm. 403.) Die nackte Frau mit der Rose. Kunstfreund 1885.
Sp. 150. Der Stich findet sich zusammen mit Nr. 7 im vorderen Deckel einer
Handschrift des 15. Jahrhunderts: »Griseldis, Melibeus und Prudentia« eingeklebt.
10
Max Lehrs:
Wilhelm Schmidt 0 corrigirt die von mir im Kunstfreund ungenau
wiedergegebene Legende. Dieselbe lautet: Set ale her,.czo wor Ich disse
rose hin do. Er bestätigt meine Zuschreibung des Blattes an den Meister
von 1462 und hält den Stich für eine gegenseitige Copie nach einem ver-
schollenen Original des Spielkarten-Meisters. Daraus wäre, wie er weiter aus-
führt, auch das »zo« (zu) und das »do« (thun) erklärt bei der sonst ober-
deutschen Inschrift: der Copist übertrug die ursprünglich niederdeutsche
Schrift in sein heimatliches Oberdeutsch, Hess jedoch bei dem Reim die
kölnischen Formen.
3.* (20 Inc. c. a. 3478.) Der König von Frankreich. Ein König
mit langem Bart und Haar, auf dem Haupt die von einem Wulst umgebene
Krone, sitzt mit gekreuzten Beinen auf einem breiten mit grossem Kissen be-
deckten Thron ohne Lehnen. Er trägt einen reich gezaddelten gürtellosen
Rock und zeigt auf das Scepter in seiner Rechten. Vor den Stufen des
Thrones unter dem linken Fuss des Königs befindet sich das französische
Lilienwappen. 120 : c. 100 mm. PI. Die oberen Ecken der Platte sind stark
abgerundet. Unbeschrieben.
Dieser interessante Stich ist eine Copie nach dem Rosen-König des Meisters
der Spielkarten (L. 5. 3. und 25. 59.) mit Hinzufügung des Bartes und des
Scepters an Stelle des Ringes in der rechten Hand des Königs, sowie des
Lilienwappens vor den Thronstufen. Die letzteren sind an ihrer verticalen
Fläche mit einem wellenförmigen Linearornament überzogen, ganz wie beim
Thron der Dreifaltigkeit desselben Stechers, der ebenfalls einer Spielkarte,
nämlich dem Thier-König L. 24. 31. entlehnt ist ^).
Das Blatt findet sich in einer Ausgabe von Robertus Gagninus de origine
et gestis Francorum compendium. Lugduni 1497, aus Hartmann Schedel’s
Besitz. Derselbe hat nach seiner Gewohnheit einzelne Stellen bemalt, und
zwar die Lippen roth, das Wappen blau und gelb und Krone und Scepter
ebenfalls gelb. Den auf das Vorsatzblatt geklebten Stich umgab, er mit einer
zinnoberrothen Bordüre und schrieb darüber: VIVE • LA • ROIJ •’ und
darunter GR 1 STI ANISS I M VS REX • FRANCIE — in rothen Gapital-
buchstaben mit blauen Initialen. Auf der Rückseite steht ebenfalls von Schedel’s
Hand eine Notiz mit dem Datum: Mill. GCGGXGIIII (1494). Wenn das Vor-
satzblatt nicht älter als das Buch ist, muss es wohl XCVII oder XGVIII heissen.
4. (Clm. 14790.) Die kleine Madonna von Einsiedeln. B. VI. 18.
36. Holzschnitt bei Lübke, Grundriss der Kunstgeschichte II. p. 327. Fig. 619.
Lichtdruck im Katalog Durazzo. Hochätzung in der Zeitschrift f. bild. Kunst
XXIV. (1889.) p. 168. Fig. 1.
Der wohlerhaltene, schöne Abdruck findet sich eingeklebt auf Fol. 211
einer Handschrift aus St. Emmeram in Regensburg. Vergl. Zeitschrift f. bild.
Kunst XXIV. p. 169.
^) Repertorium X. p. 127.
^) Vergl. Kunstfreund 1885. Sp. 145 und ff.
Meister
Der deutsche u. niederliind. Kupferstich d. 15. Jahrh, i. d. kleineren Sammlungen. H
(4a.) (Glm. 716.) Der Heiland. Gegenseitige Gopie nach B. VI. 21. 50.
Dieser von Passavant (II. 149. 26.) erwähnte Stich befand sich ursprünglich
in dem Schederschen Sammelband auf p. 1 d verso. Jetzt bewahrt ihn das
Kupferstichcabinet, und aiT seiner Stelle ist ein moderner Nachstich von Mat-
thias Schmidt eingeklebt, der als ehemaliger Vorstand des Gabinets auch vier
Blätter von Jacopo de Barbarij aus derselben Handschrift durch selbstgefertigte
Facsimiles ersetzte, während er die Originale dem Kupferstichcabinet einverleibte.
Da in dem Schedel-Godex die eingeklebten Stiche nicht als Gopien, son-
dern als Originale aufgeführt sind, war ich im Frühjahr 1887, als mir der,
kostbare Band zu Händen kam, sehr erstaunt, von der Gopie nach dem Ghristus
des Meisters E S nicht das Original, sondern die nach meinen Notizen offen-
bar moderne Aftercopie eingeklebt zu finden, welche im Münchener/ Gabinet
neben dem Original bewahrt wird und sich von diesem durch das Fehlen der
Stichelkratzer ausserhalb der Einfassung, sowie durch die etwas kleineren Maasse
(154:72 mm. statt 155 : 73 mm. Einf.) unterscheidet. W. Schmidt klärte dann
den Sachverhalt auf. (Vergl. meine Bemerkungen im Repert. X. 265. Anm. 30.)
Für die Datirung der echten alten Gopie ist der Umstand nicht un-
wichtig, dass sie in dem 1504 gebundenen Godex Schedel’s gefunden wurde.
5* (Glm. 472.) Wappen-Sieben aus dem grösseren Kartenspiel.
L. p. 15. Sieben Wappenschilde: in der Mitte drei unter einander aufrecht
stehend, links und rechts je zwei nach der Mitte zu geneigt. Es sind die
Wappen der sieben Kurfürsten, nämlich: in der Mitte zu oberst: Mainz (ge-
vierter Schild: Feld 1 und 4 das Mainzer Rad, 2 und 3 dreimal getheilt von
Roth und Silber), darunter Bayern (gevierter Schild-: Feld 1 und 4 der ge-
krönte Löwe, 2 und 3 die bayerischen Wecken, in der Mitte das Herzschildchen
der Kurpfalz®). Zu unterst Sachsen (siebenmal getheilter Schild mit dem
Rautenkranz). Oben links Trier (Kreuz mit gewecktem Herzschildchen), da-
runter Böhmen (der zweischwänzige gekrönte Löwe). Oben rechts Köln
(Kreuz mit dem Herzschildchen, in dem ein Schrägbalken) und darunter
Brandenburg (der Adler). 131 : 83 mm. PI. Unbeschrieben. W. Fragment.
Die Plaltenecken sind abgeschrägt.
Diese bisher ganz unbekannte Karte ist mit vollem Papierrand, offenbar
nicht als Spielkarte, sondern der sieben Kurfürsten-Wappen wegen zwischen
Fol. 12 und 13 einer Nürnberger Ghronik von 1488 aus Schedel’s Besitz ein-
gebunden. Die Handschrift ist 1504 geschrieben.
Unter den neun Karten der Wappen-Farbe, welche sich in Bologna
befinden ^), fehlt gerade die Sieben, so dass deren Auffindung in München
besonders erfreulich ist.
Martin Schongauer.
6.* (Glm. 19870.) Der Auszug z um Markte. Gegenseitige Gopie nach
B. 88. Nur die Figur des Bauern. 82 : 48 mm. PI. Unbeschrieben.
®) Vergl. Lehr?, Spielkarten, p. 11. Anm. 1.
Zwei, Drei, Fünf, Sechs, Acht, Neun, Unter, Dame, König. Vergl. Zeitschr.
f. hild. Kunst XXIV. (1888) p. 16.
12
Max Lehrs:
Dies zart gestochene Blättchen findet sich mit Roth bemalt in einer
Handschrift aus Tegernsee. Oben steht von einer Hand des 16. Jahrhunderts
der Name; »Maccolfus vel ezopus«.
B, Niederdeutsche und niederländische Meister.
Meister der Spielkarten.
7. * (Cgm. 403.) Thier-Unter B. aus dem Gopien-Spiel. Lehrs 23. 28.
Das Blatt befindet sich zusammen mit Nr. 2 im vorderen Deckel der
Handschrift: Griseldis, Melibeus und Prudentia eingeklebt. Es ist sehr zart
gestochen und nicht retouchirt.
Meister des hl. Erasmus^).
8. * (Glm. 14865.) Maria mit dem Leichnam Ghristi. Die hl. Jung-
frau mit über dem Kopf gezogenem Mantel und doppelt umrandetem Scheiben-
nimbus sitzt, mit dem Gesicht etwas nach rechts gekehrt, vor dem offenen
Sarg und hält den Leichnam des Sohnes mit Schapel, Lendentuch und Kreuz-
und Scheibennimbus auf dem Schooss. Hinter ihr ragt das Kreuz. In einem
Rahmen aus drei oder vier Einfassungslinien, der links von den Füssen Ghristi
überschritten wird. 63 : 43 mm. Bl. Unbeschrieben.
Der oben verschnittene Stich findet sich auf Fol. 316. einer Handschrift
aus St. Emmeram in Regensburg.
9. * (Glm. 14937.) Ghristus wird dem Volke gezeigt. Aus dem
grossen Leben Ghristi. Lehrs, Kat. des German. Museums 15. i. Vergl. Reper-
torium XII. 259. (40.) Lichtdruck nach dem Exemplar des Münchener Kupfer-
stichcabinets bei Schmidt, Incunabeln Taf. VI. Nr. 11. Der Abdruck der Staats-
bibliothek klebt in einer Handschrift aus St. Emmeram in Regensburg.
10—11.* (Glm. 456.) Das Leben Ghristi. Zwei Blatt aus einer Folge
gleich- und gegenseitiger Gopien nach der Original-Folge Lehrs, Katal. des
German. Museums 15. 15 — 18. Repertorium XII. 253. 9 — 48.
Die Darstellungen sind von einem Rahmen aus vier Einfassungslinien
mit rhombischem Muster umschlossen.
Schmidt, Incunabeln bei Nr. 26. Lehrs, Kat. des German. Museums 62.
45 a. und Zeitschrift f. bild. Kunst XXIII. (1888) p. 147. Die drei mir ausser-
dem noch bekannten Blättchen dieser Folge sind mit Buchstaben eingeschaltet.
10. * Ghristus am Oelberg. Gegenseitige Gopie nach Lehrs, Kat.
p. 15. c. mit Hinzufügung eines Kreuzes über dem Kelch. Der Baum hinter
dem Gartenzaun ist belaubt. Am Boden verschiedene Grasbüschel. Oben links
das Zeichen H 68 : 48 mm. Einf. 74 : 54 mm. PI. (Schmidt, Incunabeln bei
Nr. 26. Lehrs, Kat. 62 a.)
Das Blättchen klebt im Vorderdeckel der aus Schedel’s Besitz stam-
, Dieser Stecher, welchen ich früher für einen Nürnberger hielt, und dessen
Blätter daher in den vorangehenden Verzeiclinissen bei den oberdeutschen
Stechern aufgeführt wurden, ist nach neueren Forschungen doch ein Niederrheiner,
vielleicht ein Kölner. Vergl. Repertorium XIII. S. 382 fg.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 13
menden Handschrift. Nimben und Kelch sind gelb getuscht und der Raum
zwischen Einfassung und Plattenrand mit Blau bemalt.
a. * Christus am Kreuz. Unbeschrieben. Wien, Hofbibliothek.
b. * Die Beweinung Christi. Schmidt, Incunabeln bei Nr. 26.
Lehrs, Kat. 62. 45 a, Nürnberg.
c. * Die Auferstehung. Unbeschrieben. Wien, S. Arlaria.
11. * Christus erscheint der Magdalena. Copie nach Lehrs, Kat.
p. 15. Nr. 16. mit Hinzufügung von Grasbüscheln zwischen den fünf Pflanzen.
Die Bäume sind belaubt, und Magdalena hat Strahlen im Nimbus. Auf dem.
Spruchband über Christi Haupt stehen die Worte: maria • ich ■ dyn • here ••
67 : 48 mm. Einf. Schmidt, Incunabeln bei Nr. 26. Lehrs, Kat. 62. b.
Der Stich klebt auf Fol. 54 verso derselben Handschrift. Er ist mit Bläu,
Schmutziggelb und Roth colorirt, der Raum zwischen Einfassung und Platten-
rand mit Blau bemalt und von einem breiten Ornamentrahmen in denselben
drei Farben umgeben.
12, (Clm. 14951.) St. Johannes Evang. Der Apostel neigt das von
einem Scheibennimbus umschlossene Haupt ein wenig auf die linke Schulter
und blickt nach rechts. Er hält in der vom Mantel verdeckten Rechten den
Kelch mit der Schlange und segnet denselben mit der Linken. 63:43 mm.
äussere Einf, Unbeschrieben.
Der Stich zeigt Spuren von Lackroth und Gelb. Er findet sich im
Vorderdeckel einer Handschrift aus St. Emmeram in Regensburg. Das Münche-
ner Exemplar ist bis an die innere Einfassungslinie verschnitten und misst
daher nur 56 : 35 mm. Bl. Ein zweites besser erhaltenes Exemplar befindet
sich in Berlin und stammt aus den Sammlungen Stengel und Nagler.
Aus dieser Folge mit doppelter Einfassung kenne ich noch die Apostel:
a. * Petrus. Lehrs, Kat. des German. Museums 24. 2. Berlin.
b. * Andreas. Lehrs, Kat. des German. Mus. 24.3. Berlin. Ebenda
auch eine unbeschriebene Variante in gestricheltem Rahmen.
c. * Bartholomäus, Unbeschrieben. Berlin.
13. (Clm. 19802.) S. Dorothea. Die Heilige mit einem Stirnband steht
etwas gegen links gewendet. Sie fasst mit der Linken ihren Mantel und hält
in der Rechten das Blumenkörbchen. 55 : 34 mm. äussere Einf. 75 : 55 mm.
PI. Lehrs, Kat. des German. Mus. p. 15. a.* Aus der Folge von Heiligen in
Blumenrahmen. Lehrs, Kat. 14. 10 — 14.
Der theilweise mit Roth bemalte Stich findet sich auf Fol. 235 einer
Handschrift aus Tegernsee. Ein zweites Exemplar besitzt die- Sammlung König
Friedrich August II. zu Dresden. Es stammt angeblich aus einer Münchener
Auction.
14, (Clm. 14951.) S. Ursula. Lehrs, Kat. des German. Mus. 14. 14.
aus derselben Folge.
Das Blättchen findet sich in einer Handschrift aus Sti Emmeram in
Regensburg. Es ist mit Saftgrün, Lackroth und Zinnober colorirt, so dass die
Pfeile, ursprünglich nicht sichtbar, erst bei genauerer Untersuchung zum Theil
durch Waschen zum Vorschein kamen. Ein zweites Exemplar in Nürnberg.
14
Max Lehrs:
15. (Clm. 7836.) Die Messe des hl. Gregor. P. II. 233. 159. Weigel
und Zestermann II. 393. 470. Schmidt, Incunabeln Nr. 21.) Lichtdruck nach
dem Exemplar des Kuprerstichcauinets ebenda. Ein dritter Abdruck in Berlin.
Der Stich ist mit Grün, Gelb und Roth colorirt und befindet sich auf
Fol. 14 verso einer Handschrift aus Kloster Indersdorf. Wilhelm Schmidt
schreibt ihn richtig dem Erasmus-Meister zu, irrt aber, wenn er ihn nach dem
gleichen Papier und der schon abgenutzten Platte, sowie der gleichen Grösse
für ein Gegenstück zu Nr. 20. St. Michael hält. Jenes Blatt ist sicher von
anderer Hand.
Meister der Berliner Passion.
16. (2.° Inc. c. a. 56.) Ornament mit dem Mann, der nach einer
Frucht greift. B. X. 63. 8. P. II. 278. 20. Blatt 7 aus der Ornament-Folge
B. X. 61. 1 — 12. P. II, 278. 13 — 24., die sich complelt im Berliner Cabinet
und in der Albertina befindet.
Der Stich ist eingeklebt in Petrus de Grescentiis. Augsburg, Schüssler
1471 aus Hartmann Schedel’s Besitz. Ein anderes Exemplar befindet sich
seit 1872 in der Wiener Hofbibliothek und eine Photographie davon im
Oesterreichischen Museum.
Meister mit den Bandrollen.
17. (Clm. 215.) Das Paris-Urtheil. B. X. 41. 5. P. II. 24. 44. W.
Scheere mit dem Kreuz. Lehrs ®) p. 5. Lichtdruck verkleinert bei Dehio, Kupfer-
stiche des Meisters von 1464, und in Originalgrösse bei Lehrs, Taf. III. Fig. 6.
Beide nach dem Münchener Abdruck. Ein zweites Exemplar besitzt die Wiener
Hofbibliothek.
Der Stich mit breitem Rande fand sich in einem Sammelband aus
Schedel’s Besitz zwischen Bl. 91 und 93 als Illustration zu der Historia Trojana
des Guido Golonna eingeklebt. Er ist auf der rechten Seite doublirt und hat
überhaupt etwas Verschwommenes und Unklares. Die Legenden sind wahr-
scheinlich von Schedel’s Hand — wie bei der Apostel-Folge im Münchener
Gabinet mit Tinte überzogen.
Tycho Mommsen sagt über den Codex 215 und die darin befindlichen,
neuerdings aber getrennt aufbewahrten Stiche des Bandrollen-Meisters Folgendes:
»Eine Handschrift der Münchener Staatsbibliothek, ein dicker Foliant,
war schon 1462 so, wie er jetzt ist, gebunden vorhanden, hatte aber damals
zwischen den einzelnen vielen historischen Bruchstücken, Notizen etc. etc. an
mehreren Stellen leere Blätter, welche der 1484 verstorbene Dr. med. Hart-
mann Schedel aus Nürnberg eigenhändig mit Notizen, Gopien von Briefen und
Actenstücken, seiner Zeit angehörig, ausfüllte. Er pflegte das Datum, wenn er
schrieb, darunter zu setzen, und demnach geschahen seine Einträge zwischen
1462 und 1468. Von einer anderen Hand ist eine kurze Chronik bis 1513
ungefähr fortgeführt. — Nun finden sich auch zwei Kupferstiche, welche frei-
®) Der Meister mit den Bandrollen. Dresden 1886.
’’) Naumann’s Archiv, III. p. 346.
Der deutsche u. niederländ, Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 15
lieh insofern nicht gleich mit- eingebunden scheinen, als der angeklebte Rand
einen Anfangsbuchstaben der Schrift überdeckt hat; aber dieser Anfangs-
buchstabe ist in der Weise ergänzt, als sei es von demselben (älteren) Schreiber
(der vor 1462 schrieb), oder doch von Hartmann Schedel um 1467 geschehen.
Denn später scheint er sich wenig oder gar nicht mit seinem Buche abgegeben
zu haben ; vermuthlich diente ihm dies als Gollectaneen-Heft für seine später
in Nürnberg abgedruckte Chronik. Demnach ist es immerhin wahrscheinlicher,
dass die Einfügung der Kupferstiche um 1462 — 1468, als dass sie später
geschehen.«
Paul Behaim beschreibt den Stich im handschriftlichen Verzeichniss
seiner Kupferstichsammlung von 1618. Es ist dies dasselbe etwas verschnittene
Exemplar, das v. Murr ®) im Gabinet Silberrad zu Nürnberg sah, und das sich
jetzt in der Wiener Hofbibliothek befindet. Auch Heinecken ®) meint wohl
den Abdruck bei Silberrad. Er hielt den Stich für eine Arbeit des 16. Jahr-
hunderts. Sotzmann ^°) ist der Erste, welcher ihn dem Meister mit den Band-
rollen zuschreibt. Momrnsen machte dann a. a. 0. auf den Zirkel im Schild
des Paris aufmerksam., den er .für die Marke des Stechers hielt. Passavant
folgt ihm darin , aber mit Unrecht , da der Zirkel auf keinem anderen Stich
des Meisters vorkommt. Auch das Wasserzeichen hat er nach Momrnsen als
den Buchstaben g oder y mit einem Kreuz copirt, während es eine Scheere ist.
Meine Datirung des Stiches vor 1467 ist nicht aufrecht zu erhalten, da
der Johannes Baptista B. X. 23, 41., von dem die Mehrzahl der Pflanzen und
das Bergschloss stammen, älter als der Johannes auf Pathmos des Meisters
E S mit dem Datum 1467 ist, während ich in meiner Schrift die Priorität
für letzteren in Anspruch nahm.
Die Darstellung dürfte eine der frühesten, vielleicht die früheste in Kupfer
gestochene des Parisurtheils sein. Es handelt sich hier um die mittelalterliche
Version der Sage, welche richtiger »Der Traum des Paris« genannt wird, wie
z. B. der Stich von Virgil. Solis B. 110 mit der Aufschrift »Traum Paris« be-
zeugt. Die drei GöttinneTi erscheinen dem von der Jagd ermüdet an einem
kühlen Bronnen eingeschlummerten Paris im Traum. Diese Version entstand
vermuthlich aus der Schilderung des höfischdn Epos, wie sich eine solche im
»Liet von Troye« des Herbart von F*ritzlar (vor 1210) erhalten hat. Aehnliche
Gompositionen finden sich im 15. und 16. Jahrhundert häufig mit denselben
charakteristischen Beigaben des in votier Rüstung schlafenden Paris, des
Brunnens, der meist nicht als einfache Waldquelle, sondern als Zierbrunnen
mit mehr oder minder reichem architektonischen Schmuck dargestellt wird,
u. s. w. “).
Rosenberg kennt nur den vorliegenden und einen von Passavant irrig
dem Bandrollen-Meister zugeschriebenen Stich (P. 43.) aus dem 15. Jahrhundert,
®) Journal zur Kunstgeschichte II. p. 195. 2.
®) Neue Nachrichten I. 342. 262.
1“) Kunstblatt 1850. p. 101.
”) Vergl. A. Rosenberg in der Kunstchrcr.ik 1873, Sp. 363 und 446,
16
Max Lehrs:
sowie eine Miniatur aus einer französischen Handschrift vom letzten Viertel
des Jahrhunderts. Ich möchte noch auf die sehr hübsche Malerei vom Deckel
einer runden Schachtel im Germanischen Museum hinweisen, welche viel
Berührungspunkte mit dem Stich des Bandrollen-Meisters bietet, obgleich sie
künstlerisch auf einer weit höheren Stufe steht. Sie findet sich übereinstim-
mend auch auf einem Lebkuchenmodell in gebranntem und glasirtem Thon
im Besitz des Fürsten Fugger-Babenhausen zu Augsburg ^®).
18. * (Glm. 215.) Die zehn Lebensalter. P. II. 25. 45. Lehrs 21. 13.
W. gothisches, i; mit dem Kreuz. Verkleinerter Lichtdruck bei Dehio, Kupfer-
stiche des Meisters von 1464.
Der Stich fand sich in demselben Sammelbande wie Nr. 17 zwischen
den Blättern 42 und 43 als Illustration einer kleinen Abhandlung: »De moribus
juvenum senumque divitum et nobilium«. Passavant hat die von Tycho Momm-
sen sehr ungenau wiedergegebenen Legenden copirt.
Israhel van Meckenem.
19. (Inc. c. a. 958.) St. Antonius. B. 85. Eine Photographie davon im
British Museum. Der Stich fand sich in einer Incunabel von 1480 ^®) und ist
an einzelnen Stellen von Schedel’s Hand mit Blau und Roth bemalt. Unter
der Darstellung stehen vier Zeilen Text.
20. (Glm. 386.) Der Heiland mit dem Passions wappen in einem
Initial-0. B. 216. Photographie nach dem Exemplar in Oxford, Lichtdruck
von Obernetter und Hochätzung in Hirth’s Formenschatz 1884. Nr. 77 nach
dem Exemplar des Münchener Gabinets. Der Abdruck ist mit Grün , Blau,
Roth und Gelb colorirt. Er findet sich in einer Handschrift aus Schedel’s
Besitz.
21. (Glm. 414.) St. Benedict. B. 223. Lichtdruck von Obernetter nach
dem Abdruck im Münchener Gabinet. Der Stich findet sich in einer Hand-
schrift aus Schedel’s Besitz. Auch das Exemplar des Kupferstichcabinets stammt
von Hartmann Schedel.
C. Unbekannte Meister.
22. * (Glm. 362.) Die Vermählung Mariä. In der Mitte eines gewölbten
Zimmers steht der Priester mit Mitra und Inful hinter Joseph und Maria und
legt ihre Hände ineinander. Joseph mit langem Bart, eine Tasche am Gürtel
und in der unter dem Mantel verborgenen Linken einen Stab, steht links.
Maria mit langem Haar, einen Mantel über dem gürtellosen Kleid, das sie mit
der Linken ein wenig aufhebt, steht rechts. Beide tragen Trippen. Rechts
hinter Maria sieht man vor einer offenen Thür, die in ein zweites Zimmer
Abgebildet bei Becker und Hefner, Kunstwerke und Geräthschaften des
Mittelalters etc., Bd. III. Taf. 60.
IS) Vergl. den Katalog der Schwäbischen Kreis- Ausstellung zu Augsburg 1886.
Nr. 637.
'*) Naumann’s Archiv III, p. 347.
’*) Königshoven, Chronica von allen keysern vnd künigen. Augsb«rg, Ant.
Sorg 1480.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrb. i. d. kleineren Sammlungen. 17
führt, zwei ihrer Begleiterinnen , links hinter Joseph zwei Begleiter desselben
im Gespräch am Fenster. Der eine von ihnen ist bärtig und trägt einen
hohen Turban. Gequaderter Fussboden. Die Darstellung schliesst oben ein
Stichbogen mit Zwickeln. Einfassungslinie, die oben nicht geschlossen ist.
207 : 126 mm. Einf. 220 : 142 mm. PI. Unbeschrieben. Vergl. Schmidt, In-
cunabeln bei (Nr. 31) und Zeitschrift f. bild. Kunst XXIII. (1888.) p. 148. (Lehrs.)
Dieser interessante Stich ist als Fol. 42 a. in die Handschrift Glm. 362 ^®) aus
Schedel’s Besitz eingebunden. Einige Stellen hat Schedel nach seiner Ge-
wohnheit mit Roth und Blau bemalt, und auf der Rückseite des Stiches ist
der Text der Handschrift fortgeführt.
W. Schmidt erkennt in diesem Blatt richtig die Hand desselben nieder-
rheinischen E S-Copisten, der das Martyrium des hl. Erasmus P. II. 231. 146.
im Münchener Gabinet und einige andere Stiche gefertigt. Sicher ist, dass
der Vermählung Mariä ebenso wie dem Erasmus-Martyrium ein verschollenes
Original des E S zu Grunde liegt, da alle Figuren, namentlich aber die Maria
deutlich dessen Formensprache zeigen. Vielleicht handelt es sich um eine
Compilation, denn das Zimmer, in dem sich die Scene abspielt, ist nach der
Verkündigung des Meisters ESP. II. 50. 114. und 212. 3. gleichseitig copirt. —
Seit meinen Bemerkungen in der Zeitschrift f. bild. Kunst hatte ich Gelegenheit,
die Vermählung Mariä und einige der von Schmidt demselben Stecher zuge-
schriebenen Blätter neuerdings zu untersuchen. Dabei gelangte ich zu dem
Resultate, dass wahrscheinlich jene ganze Gruppe aus Abdrücken verdorbener
und von Grund aus aufgestochener Platten Israhels van Meckenem besteht.
Mit Sicherheit ist dem Letzteren die Madonna mit dem anbetenden Mönch
P. II. 55. 146. und 224. 103. (Berlin und Wien , Hofbibliothek) und der hl.
Antonius P. II. 93. 56. (Berlin) zuzuweisen. Besonders der letztgenannte Stich
gleicht in der Mache dem Erasmus-Martyrium oder der Vermählung Mariä wie
ein Ei dem anderen. Er trägt aber unten deutlich die Spuren der aus-
geschliffenen Bezeichnung: »Israhel«.
Ich möchte mir Vorbehalten die Frage, ob auch die übrigen von Schmidt
dem »Meister der Vermählung Mariä« zugeschriebenen Stiche von Meckenem
herrühren, an anderer Stelle zu beantworten. Die Aufstiche der Platten
müssten dann freilich schon relativ früh stattgefunden haben , da die Ver-
mählung Mariä einer Abschrift Schedel’s nach F. Barbari, Liber de re uxoria
beigebunden ist, welche am 12. August 1466 beendet wurde ”). Möglich bleibt
es immerhin, dass Meckenem schon damals in der Werkstatt des Meisters
E S als junger Geselle thätig war.
23.* (Glm. 7836.) Die Grablegung. Der Leichnam Ghristi wird von»
dem rechts hinter dem Sarkophag stehenden Johannes und Joseph von Ari-
mathia, mit Kapuze und Tasche, ins Grab gelegt. Nicodemus hält die Füsse,.
Hinter dem Sarg steht Maria mit Petrus (?) und dahinter noch drei heilig^
Frauen, von denen die hinter Maria befindliche Strahlen im Nimbus hat. Aussei;
*®) Die Angabe Glm. 326 bei Schmidt beruht auf einem Druckfehler.
Gefl. Mittheilung von Dr. W. Schmidt.
XIV
2
18
Max Lehrs:
Christus haben nur Maria, Johannes und die drei hl. Frauen Nimben. Ein-
fassungsliriie. 67 : 63 mm. Bl. : Einf. Unbeschrieben. Vergl. Repertorium XII.
p. 846. b. Der Stich ist oben stark verschnitten. Er findet sich auf Fol. 254
einer Handschrift aus Kloster Indersdorf in Oberbayern.
Zu derselben in der Manier des Spielkarten-Meisters behandelten Passions-
folge, über welche ich bereits im Repertorium XII. 345 bei 142 berichtet habe,
gehören folgende drei Blätter:
1. Christus am Oelberg. Repertorium XII. 345. 142. Darmstadt.
2. Christus am Kreuz. B. X. 6. 10. P. II. 220. 73. Repertorium
XII. p. 346. a. Wien, Hofbibliothek.
3. Die Auferstehung. P. II. 222.88. Repertorium XII. p. 346. c.
Wien, Hofbibliothek.
24. * (Clm. 14911.) St. Paulus. Der Apostel mit langem Bart und
spärlichem Haar sitzt nach ’inks gewendet auf einem gothisclien Lehnsessel.
Er ist barfuss und in einen Mantel gehüllt, der vorn am Boden aufliegt. Mit
der Linken hält er zwei Bücher, mit der Rechten das Schwert. Hinter ihm
eine Balustrade, welche fast bis zur Schulterhöhe des Apostels reicht. Ein-
fassungslinie. 112 : 76 mm. Einf. 116 : 80 mm. PI. Unbeschrieben.
Dieser schöne Stich findet sich in einer Handschrift aus St. Emmeram
zu Regensburg. Er erinnert zunächst an die Manier des Meisters ist
aber minder kräftig gestochen und von einem gleichmässig silbergrauen Druck-
ten. Von derselben Hand rührt ein hl. Dionys P. II. 236. 172. im Berliner
Cabinet her. Da jener Heilige zu den Schutzpatronen von Regensburg zählt,
und der Paulus in einer Regensburger Handschrift gefunden wurde, ist der
Stecher beider Blätter vermuthlich in dieser Stadt ansässig gewesen. Ob die
Stiche zu einer Folge gehört haben, da sie im Format ziemlich genau über-
einstimmen, auch die Mauer hinter den Heiligen hier wie dort wiederkehrt,
muss vorläufig dahingestellt bleiben, bis weitere Stiche von derselben Hand
gefunden werden.
25. * (Clm. 19034.) S. Catharina. Die Heilige mit einer Krone auf
dem langen Haar, steht, in einen faltenreichen Mantel gehüllt, ein wenig nach
rechts gewendet, auf dem Kaiser Maxentius, der mit langem Bart, sein Scepter
in der Linken haltend, auf dem gemusterten Fussboden liegt (?). Sie stützt die
Rechte auf das Schwert und hält in der Linken das zerbrochene Rad. Doppelte
Einfassung^). 71 ; 49 mm. äussere Einf. Unbeschrieben.
Der Stich ist mit Hellviolett, Gelb, Roth, Grün, Braun, Grau und Fleisch-
farbe colorirt und befindet sich in einer Handschrift aus Tegernsee. Die Manier
erinnert an die des Erasmus-Meisters, aber die Zeichnung ist besser, besonders
bei dem liegenden Maxentius.
26. (Clm. 21725.) S. Catharina. P. II. 239. 188. Der Stich ist mit
breitem Rande in den vorderen Deckel einer von 1482 datirten Handschrift
geklebt und trägt ein Colorit von Zinnober, Schrnutzigroth , Gelb, Blau und
Grün. Passavant citirt das etwas verschnittene Exemplar der Wiener Hof-
*®) Auch zwei gezeichnete Einfassungslinien umgeben das Bild.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh, i. d. kleineren Sammlungen. 19
bibliolhek (78 : 62 mm. BI., das Münchener misst 82 : 54 mm. PL). Dasselbe
klebte nach Fr. v. Bartsch im Declj^el eines Einbandes aus dem 15. Jahr-
hundert. Der ehemalige Besitzer schrieb zur Seite des Stiches: presentem
libr. corisecrauit Reuerendus vir Seyfridus Weyerman de oppido impiali
Dinckelfpühel artiii liberaliü magifter Anno rc IxxiiJ® rc (1473). Den Band,
welcher fünf Incunabeln enthielt, besass 1844 der Antiquar Kuppitsch in Wien,
der den Stich der Hofbibliothek überliess.
Das Blatt ist. offenbar eine Copie nach einem verschollenen Original der
Frühzeit des Meisters E S. Zwei andere Copien vom Meister des hl. Erasmus,
welche die Heilige durch Einfügung eines Lammes an Stelle von Rad und
Schwert in eine S. Agnes verwandelt zeigen, gehen auf dasselbe Urbild zurück.
Die eine, zu unserem Stich gegenseitig (B. X. 33. 63. P. II. 94, 66.) befindet
sich in Darmstadt und Wien (Albertina), die andere gleichseitig und unbe-
schrieben in Berlin. Vergl, Repertorium XII. 271. 68.
27.* (Clm. 3941.) Die Macht des Weibes. Eine Dame in langem
Kleide, auf dem Haupt den Kopfputz der Zeit, am Gürtel Geldbeutel, Messer
und Rosenkranz, reitet auf einem Esel nach rechts, wo vier Narren mit langen
Röcken und Eselsohren an den Gugeln beisammen stehen. Drei davon zeigen
auf die Reiterin, und der ganz rechts befindliche in kürzerem Rock hat ein
Horn auf dem Rücken hängen. Die Dame hält auf der linken Faust einen
Kukuk und mit der Rechten einen Strick, an dem vier Affen befestigt sind.
Letztere stehen auf der linken Seite. Gleichzeitig fasst sie mit derselben Hand
ein langes Spruchband, welches über ihr, den Affen und den Narren drei
grosse Bogen bildet. Man liest darauf in gothischen Charakteren, die durch
verschiedene Ornamente getrennten Worte: Eynen essel reyden ich wan
ich weil ^°) — Eyn gauch ^0 dat is myn federspil da myt fangen ich
naren und affen vyl. Der Erdboden ist mit Rasen bedeckt, auf dem man
sechs Pflanzenbüschel zählt. 130 : 201 mm. PI. Repertorium X. p. 127, (W.
Schmidt.)
Der Stich findet sich in einer aus Augsburg stammenden Handschrift
auLFol. 139 verso eingeklebt. Oben im breiten Rande stehen zwei, unten
rechts- sechs kürzere mit dem Manuscript gleichzeitige lateinische Schriftzeilen.
W. Schmidt hält diesen Stich für eine Aiiieit des oberdeutschen Meisters
von 1462 und zwar für eine gleichseitige Copie nach einem verschollenen
Original des Meisters der Spielkarten. Er liest in der Legende: »da mit« statt
»da myt« und »md« statt »und« und sagt, dass ihr offenbar ein niederrhei-
nisches Original zu Grunde liege. Die Inschrift zeige jene Mischung von Ober-
und Niederdeutsch, wie sie in Köln stattgefunden hatte (vergl. a. a. 0): »Uebri-
Die Kupferstichsammlung der k. k. Hofbibliothek. Nr. 1510.
^°) Das Wort muss offenbar »wil« heissen. Es verlangt dies der Reim und
auch der Sinn :
»Einen Esel reite ich, wann ich will,
Ein Gauch das ist mein Federspiel,
Damit fang ich Narren und Affen vieüc
"=9 Kukuk.
20 Lebrs: Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrhunderts etc.
gens ohne Missverständnisse von Seiten des Gopisten , der hier die Original-
mundart nicht übertragen hatte, ging es nicht ab : in dem »weil« steckt
offenbar ein solches, und das kölnische »ind« (d. h. und) war ihm fremd und
er glaubte »md« zu lesen. Abgedruckt ist der Stich unrein und zwar genau
wie die Verkündigung und die Dreifaltigkeit im Kupferstichcabinet, während
das Exemplar der Dreifaltigkeit in der Staatsbibliothek und das besprochene
Blatt mit der stehenden Frau (Nr. 2) klar und rein gedruckt sind.«
Soweit W. Schmidt. Ich kann seiner Zuweisung des Stiches an den
Meister von 1462 nicht unbedingt folgen , finde vielmehr nur eine ziemlich
grobe anonyme Arbeit mit sehr dicken Gontouren und geradlinigen Quer-
schraffirungen. Die Zeichnung ist gut, und die saubere Schrift sehr sorg-
fältig gestochen.
Nach Mittheilung eines mir befreundeten Germanisten sind die Verse
auf der Bandrolle nicht, wie man glauben könnte, rein niederdeutsch, wie aus
den Worten: eynen, reyden, ich, affen statt enen, riden, ik, äpen
hervorgeht. Ebensowenig sind sie jedoch oberdeutsch wie das d in reyd^l
und das t in dat beweisen. Die Mundart ist die mittelfränkische, für
welche besonders das n in der ersten Person Präs. Sing, charakteristisch ist:
ich reyden, ich fangen für ich reite, ich fange. Das Gebiet des mittel-
fränkischen Dialektes umfasst die Hauptmasse der Rheinprovinz von Düsseldorf
bis Trier, von Westphalen den Kreis Siegen und den nordwestlichen Zipfel
von Nassau. Dort wird man also den Stecher des Blattes zu suchen haben.
28.* (Glm. 716.) Drei Landsknechte im Gespräch. Thausing, Dürer
(2. Aufl.) Bd. I. p. 238. Repertorium X. 264. 15. a. (Lehrs.)
Der Stich findet Sich in einem am 20. December 1504 gebundenen
Handschriftenband Hartmann Schedel’s auf Fol. 328 recto und ist wahrschein-
lich Gopie nach einem verschollenen Original des Meisters P W. Vergl. hier-
über wie über die Schicksale der anderen in demselben Godex enthaltenen
Stiche meine Angaben im Repertorium a. a. 0.
Die sogenannte „Idealstadt“ des Eitters Vasari.
Von Wolfgang von Dettingen.
Die theoretische Behandlung der Civilarchitektur beginnt im Laufe des
15. Jahrhunderts, seit der Wiederbelebung des Vitruv, sich der ungleich früher
entwickelten Litteratur über die Kriegsbaukunst anzuschliessen. Und alsbald offen-
bart sich an ihr eine gewisse Schwäche, die von der im Grunde unthunlichen
Herübernahme von Competenzen aus der theoretischen Militärarchitektur her-
rührt. Während nämlich letztere, als eine rein technische Wissenschaft, nach
Massgabe der in Frage kommenden Bodenbeschaffenheit ihre Vorschriften nicht
nur für die Befestigung, sondern sogar für die ganze Anlage von Ortschaften
mit vollem Recht aufs genaueste ertheilt, überschreitet jene- ihre Befugniss,
indem sie das Gebiet der praktischen Rathschläge nur zu oft verlässt, um den
ausführenden Meister mit derselben Strenge in der künstlerischen, wie in der
technischen Gestaltung seiner Bauten zu beschränken. Ein solches Bestreben
ist gerechtfertigt, wenn es sich damit begnügt, einen geltenden oder einen
neuen , gegen den zur Zeit vorhandenen sich noch durchsetzenden Stil zu
empfehlen und dessen Eigenthümlichkeiten systematisch darzulegen ; aber jene
älteren Tractate pflegen bedeutend weiter zu gehen und mit vollendeter Ein-
seitigkeit ihrer Forderungen auf das Einhalten bestimmter Schemata auszu-
dehnen. ■ So verlangt Alberti eine gewisse Form der Gebälke, einen bestimmten
Aufbau der Thürme; so Filarete für das Haus eines Edelmannes diese, für
das eines Handwerkers jene Masse. Wie die Luxusgesetze damals den ver-
schiedenen Ständen besondere Kleiderstoffe und Farben zusprechen , sollen
willkürliche ästhetische Normen die übrige künstlerische Ausstattung des Lebens
regeln, was zur Folge hätte, dass sie durch unendliche Wiederholung einer
bestimmten Gruppe von Motiven doctrinär und ermüdend gestaltet würde. Ihren
Gipfel erreichen solche Zumuthungen an die freie Schaffenslust der Künstler und
an die Aufnahmefreudigkeit des Publicums dann, wenn der Theoretiker gleich das
Schema einer ganzen Stadt aufstellt und neben hygienischen und technischen Ge-
setzen eine gleichartige Durchbildung auch der künstlerischen Elemente sämmt-
licher Gebäude der Stadt, nach ihren verschiedenen Classen abgestuft, durch-
führen will. Dies tritt vorzüglich in dem »Trattato dell’ Architettura« des
Antonio Filarete (vom Jahre 1464) hervor, welcher mit Leidenschaft seine Ideal-
22
Wolfgang von Oettingen:
Stadt Sforzinda als eine Mustcrleistung hinstellt und in vollständiger Regelmässig-
keit der radialen Strassenanlage im achtspitzigen Stern mit symmetrisch ein
gefügten Plätzen, sowie in der durchgängigen Anwendung der nämlichen antiki-
sirenden Pilaster- und Säulenordnungen mit eingefügten halbrund geschlossenen
Fenstern und schweren horizontalen Abschlüssen, der nämlichen Säulenhallen,
Kuppelbauten und Riesenthürme das einzig Erlaubte erblickt; nur die Hütten
der Proletarier verschont er mit seinen »modi e misure«.
In der Wirklichkeit sind solche Pedanterien freilich nur selten, und nie
ohne wesentliche Einschränkungen ausgeführt worden. Zwar erstehen in
nüchternen und betriebsamen Ländern noch heute zahlreiche Städte nach
einem im Voraus rein praktisch festgesetzten Plane ohne die geringste An-
muth, und ihre nummerierten Häusergevierte begegnen sich, was die künst-
lerische Ausstattung betrifft, in absoluter Formlosigkeit — aber diese Gemein-
wesen erheben auch eben keine Ansprüche auf irgendwelchen Kunstwerth. Aus
älteren Zeiten mag man allenfalls an die mediceische Anlage der Stadt Livorno
als an eine etwa entsprechende Erscheinung denken ; ferner an die hier und-
da in grossem Massstabe betriebene Einfassung der Strassen durch einförmige
Hallen. Der künstlerisch grossartige, freilich zur Realisirung nicht einmal in An-
griff genomm.ene Plan Papst Nicolaus’ V. für die leoninische Stadt ist die Krone
solcher Entwürfe und führt zugleich ihrer aller Existenzberechtigung ad absur-
dum. Ja es erheben sich sogar im 16. Jahrhundert Stimmen, die dergleichen
Unternehmungen schlechthin fü^- thöricht erklären: so sagt Messer Alvise Corner,
ein Venezianer, in der Vorrede zu seinem etwa 1550 entstandenen »Trattato
deir Architettura« ganz unumwunden, er wolle weder über Theater, noch
über Amphitheater, noch über Thermen, noch endlich über die Anlage
einer Stadt überhaupt reden — »perche questo mai auiene et quelli altri
edificj ; piü non si usano« ^). Indessen kommt es doch noch immer vor,
0 Ueberhaupt drückt sich C4orner über seine Scbriftstellerei sehr verständig
aus. »Jo tratlo di stantie da Cittadini«, sagt er, ebenfalls in der Vorrede zu dem
angefülirten Tractat, »et non da Principi. Ma non perö dico, che si debbi fare
tutte le stantie di una casa a questo modo, ma algune di esse ... et acciö che
li cittadini si disponino et inanimino al fabricare, gli prometto, di quest’ arte facil-
menle sarä imparata da loro per li loro bisogni leggendo questa mia scritlura . . .
tratterö solamente delle cose piü che necessarie, lassando le altre; e cercherö d’esser
piü facile che potrö, usando uocabuli et parole , le quali hora si usano; et cosi
misure, che s’intendono hora. Ne dechiarö, quäl sia i’opera dorica, ne la Jonica,
ne la Corinlhia; perche ne son hormai pieni li libri ; et oltre a ciö una fabrica
puü bene esser bella e commoda, et non esser ne dorica ne in alcuno di tali or-
dini ; come ü in questa cittä la griesia [chiesa] di S. Marco et in Padova quella
del Santo. Ma non perö per causa di breuitä lasserö alguno delli ueri fondamenti,
termini el regole di quest’ arte . . .« etc. — Das angeführte Citat ist aus einem
Sammelbande der Ambrosiana entnommen; Codex Ambros. Miscell. An. 71. Inf.
Nr. VII, Collectanea Pinelli. Unter diesen Gollectaneen befinden sich , als Nr. 10,
zwei Auszüge von zehn, resp. neun Bl. Umfang, aus der l^a und der 2^» edizione
des »Trattato d’Architeltura del Messer Aluise Cornei.« Es ist mir bisher nicht ge-
lungen, irgend einen Druck, geschweige eine Handschrift dieses Trattato zu finden.
Die sogenannte »Idealstadt« des Ritters Vasari.
23
dass phantasierende Architekten eine Reihe von Entwürfen zusammenstellen
und so eine »cittä ideale« redigieren, wobei sie sich allerdings gewöhnlich
auf Grundrisse beschränken.
Man könnte die verschiedenen Stadlgrundrisse bereits als solche »cittä
ideali« auffassen, die uns von der Hand von Baumeistern wie des Pietro Gattaneo
überkommen sind. Indessen handelt es sich bei diesem meist hauptsächlich
um die Anlage der Befestigung, oder die Verbindung der Stadt mit einem
Hafen, oder um die Berücksichtigung eines Flusses u. dergl.; die Plätze,
Strassen, Kirchen sind nur beiläufig und schematisch angegeben, und die Ab-
sicht, für die verschiedenen Gebäudegattungen Vorbilder zu liefern, ist von
vornherein ausgeschlossen.
Dagegen bringt eine Sammlung von architektonischen Entwürfen des
Bartolommeo Amrnannati (Handzeichnungen-Sammlung der Uffizien, Bd. 25,
Bl. 3382 — 3464) den Begriff der auch im Einzelnen componierten »cittä ideale«
uns schon näher. Wir haben hier — allerdings auch nur in Grundrissen und
bis auf die Unterschriften ohne jeden verbindenden Text, also vielleicht erst
nachträglich zu einer Art von Ganzem vereinigt — Pläne von Kathedralen
und von deren Thürmen, ferner von Gebäuden für den Clerus und verschiedene
Bruderschaften; von Spitälern, Schulen, Märkten, Verwaltungsbauten, könig-
lichen und herrschaftlichen Palästen und Villen, nebst deren Stallungen, Neben-
gebäuden und sonstigen Annexen ^); also von Bauwerken, welche in denselben
Kategorien und derselben Anordnung von L. B. Alberti in seiner »Baukunst«
durchgenommen werden.
Ein interessantes und genügendes Beispiel für ein durchaus conslruirtes,
abgerundetes Stadtbild ohne Anspruch auf obligatorische Mustergültigkeit bietet
uns dann die »Idealstadt« des jüngeren Vasari, welcher diese Zeilen gewidmet
sind. Um künstlerische und ästhetische Dinge handelt es sich hier zwar auch
nicht — die verschiedenen Stilarten wurden ja damals, am Ausgange des 16. Jahr-
hunderts, in so vielen Büchern hinreichend besprochen; es wird eine ver-
muthlich einförmige Ausbildung der Formen im frühen Barockstil angenommen,
und wir erhalten fast lediglich Grundrisse; aber desto ergiebiger an sachlichen
und characteristischen Bemerkungen ist der Text, welcher die einzelnen Blätter
begleitet. Wir finden in der bereits erwähnten Sammlung der Uffizien im
39. Bande unter den Nummern 4529 bis 4594 eine Folio-Mappe voll loser, wohl-
geordneter Blätter; die Vorderseite eines jeden derselben zeigt eine Architektur,
die Rückseite den zum nächstfolgenden Entwürfe gehörigen Text. Das Ganze
trägt den Titel: »Cittä ideale del Cav. Giorgio Vasari, inventa e disegnata
Fanno 1598«. Ein besonderes Titelblatt führt unterhalb einer im damaligen
Barockstil gehaltenen, nüchternen und einfachen Kirchenfagade mit Giebel und
Pilasterordnung, ohne Thürme, den Inhalt weiter aus: »Libro di diuerse
Piante, che possino occorrere nel fabbricare una Cittä, cosi Publiche come
Priuate, et cosi Chiese et Tempij; fatto . . .« etc.
Die Blätter des Ammannati sind in Copien von der Hand G. B. Nelli’s noch
einmal, und zwar als Nr. 3740—3830 des 30. Bandes in der Uffizien-Saramlung vorhanden.
24
Wolfgang von Oettingen:
Zunächst wendet sich eine Vorrede an Ferdinand Medici, Grossherzog
von Toscana. Verfasser habe vor zehn Jahren bei Ueberreichung eines »Ragio-
namenlo« des älteren Vasari, seines Oheims, so warme Gnadenbeweise von
Sr. Hoheit erhalten , und sei erst noch vor zwei Jahren von derselben durch
den Prinzen Giovanni wegen seiner Entwürfe für die Capelle bei S. Lorenzo
so gütig gelobt worden, dass er vor Begierde brenne, mit einer weiteren
Arbeit vor ihr zu erscheinen ®). Ein weiteres Wort an die geneigten Leser
— wonach zu schliessen wäre, dass das Werkchen zur Veröffentlichung be-
stimmt war — fügt hinzu , der Verfasser sei stets darauf bedacht gewesen,
seinem Oheim sowie seinen Lehrern Averardo de Filicaio (für Mathematik und
Kosmographie), und Gav. Lorenzo Sirigatti (für Perspective) Ehre zu machen;
und so lege er diesen bescheidenen Versuch dem Publicum vor.
Auf Blatt 4530 wird uns zunächst der Grundriss der projectirten Stadt
gegeben; er zeigt — im Anschluss an die moderne Befestigungskunst und im
Gegensatz zu den in Italien bis dahin üblichen Sternformen — ein regel-
mässiges Polygon , und zwar ein Achteck, dessen Ecken durch Bastionen mit
eingezogenen Flanken verstärkt sind. Ein Graben und eine mit Rücksicht
auf die vortretenden Eckbastionen leicht gebrochene Vormauer vervollständigen
die, wie man sieht, ganz nebensächlich behandelte Befestigung. In der Mitte
jeder Polygonseite befindet sich ein Thor; und von jedem Thore führt eine
Strasse durch den Mittelpunkt der Stadt zum gegenüberliegenden Thor, so
dass ein System von 8 radialen Hauptstrassen entsteht. Diese Radien (des
eingeschriebenen Kreises) werden von einem fast durchaus symmetrisch an-
gelegten Strassennetz übersponnen, welches im Wesentlichen 4 mit dem
Grundpolygon und unter sich concentrische Quadrate darstellt. Das innerste
derselben bildet den von Hallen umgebenen Marktplatz, auf dessen Mitte die
ebenfalls quadratische Residenz des Fürsten frei dasteht; das nächstgjnosse zeigt
an seinen 4 Ecken je einen Seckigen Platz, das darauf folgende in der Mitte
seiner Seiten je einen rechteckigen; das letzte endlich stösst an die Gourtinen
der Befestigung und wird durch diese abgestumpft. Ausserdem sind, wenn
wir die Ecken der Stadt von links nach rechts mit a, b u. s. w. bezeichnen,
2 Strassen von a nach f und von b nach e gezogen. — Der Text zu diesem
*) Einige Einzelheiten di( ser Dedicalion dürften im Originaltext willkommen
sein. ... Jo riceuai tanta grazia e fauore da V. A. l’anno 1588, quando io
le presentai il Ragionamenlo di M. Giorgio Vasari mio zio, fatto con la Serma,
Alt» di Vostro Fratello, felice memoria [Grossherzog Francesco Medici], sopra l’in-
uenzioni delle storie da lui dipinte nel suo Palazzo Reale; ne minore fu quella,
che Essa medesima, due anni sono, mi fece per mezzo dell’ 111™° et Ecc™° Sigre
D. Giovanni, il quäle per parte sua mi comandö, che io disegnassi e dimostrassi
quello, che fusse il pensier mio nella cappella, che V. Alta disegnaua e disegna
fare in S. Lorenzo; il che feci prontamente, piü per obbedirla, come conueniiia,
che per mostrarle, che io facessi professione d’Architettore, come in uoce Le dissi;
al che da Lei benignissimamente fu risposto, che hauemo fatto bene . . . etc, lieber
das »Ragionamento« cf. Vasari, le Opere, ed. Sansoni , VIII, 7. — Die Capelle Me-
dici wurde schliesslich nach Motiven des Prinzen Giovanni ausgeführt.
Die sogenannte >Idealstadt« des Ritters Vasari.
25
Blatte sagt klüglich, die Bodenbeschaffenheit sei als eine durchaus flache ge-
dacht. Die Gegend müsse gesund und fruchtbar sein ; ein in der Nähe vor-
beifliessender Strom sei sowohl als Wasserstrasse, wie für die Anlage von
Mühlen, für die Auffüllung der Stadtgräben, für die Bewässerung der Felder
erwünscht. Ein Fluss innerhalb der Stadt selbst säubere dieselbe zwar von
allerlei Unrath, bringe aber auch Ueberschwemmungsgefahren mit sich. Die
Anlage der Befestigungsthürme , fährt Vasari fort, sowie die Disposition der
kleineren Strassen, der Kaufläden und Herbergen überlasse ich dem Archi-
tekten. An der Geradlinigkeit der Strassen soll Niemand Anstoss nehmen:
wenn feindliche Truppen erst in der Stadt sind, so dringen sie doch überall
ein , und bei inneren Kämpfen mag man Ketten ziehen oder Barrikaden er-
richten. Vor Allem ist auf die dauernde Schönheit der Stadt zu sehen, mit
Rücksicht auf den Geschmack der Einwohner und vorzüglich der Fremden;
und die Schönheit besteht eben in der Breite und Geradlinigkeit der Strassen ^).
— In dieser Auffassung begegnet sich Vasari mit den meisten Bautheoretikern
aller Zeiten — das Malerische an Architekturanlagen dieser Art wird gewöhn-
lich nicht gesucht, sondern mehr oder weniger widerwillig mit in den Kauf
genommen ; aber das Schema , welches er aufstellt , ist doch ausserordentlich
dürftig. Anderthalb Jahrhunderte vor ihm besass Filarete wenigstens noch
Phantasie genug, um jede zweite seiner 16 radialen Hauptstrassen mit einem
schiffbaren Canal und sämmlliche Plätze mit gewaltigen Bassins und andern
Wasserwerken auszustatten: und gerade mit diesen Leistungen sucht er den
Fremden, auf deren Bewunderung auch ihm viel ankommt, zu imponiren —
Vasari, in jener traurigsten Periode florentinischer Architektur, glaubt den-
selben Zweck durch blosse Regelmässigkeit zu erreichen. Wir haben mit
seiner Anlage das nüchterne Bild eines modernen Strassen Viertels vor Augen.
Und indem er den Zug der »vicoli« ohne Weiteres dem Architekten überlässt,
verräth er, dass die Wichtigkeit desselben im Hinblick auf Sonne und Wind
ihm nicht mehr so gegenwärtig ist, wie dem umsichtigeren Mittelalter.
Obgleich er nun mit der Umwallung der Stadt sich nicht weiter befasst,
gibt er doch, auf dem nächsten Blatte, eine Gitadelle an, welche dem Fürsten
als Stützpunkt, den Kostbarkeiten der Stadt zur Bergung, der Gultur und den
Wissenschaften eine Bürgschaft der Ruhe sein soll. Er ordnet sie »accanto«
der Stadt und möglichst hoch gelegen — also genau wie das Forte di Belvedere
in Florenz — an; und gibt ihr die Gestalt eines fünfspitzigen Sternes, der
ein regelmässiges Courtinen-Fünfeck mit Eckbastionen umschliesst; denn diese
Form verlange die geringste Besatzung ®). Innerhalb des Fünfecks bilden
fünf rechteckige Gebäude miteinander ein freistehendes, ebenfalls regelmässiges
Fünfeck ; vier von ihnen dienen als Kasernen ; das fünfte, dem Eingang gegen-
*) , . . Si dee bene hauer cura alla bellezza perpetua d’una ciltä et al pia-
cere e gusto che se n’ha da tutti, e massimamente da forestieri, da uederla bene
ordinata e con lunghe, larghe e diritte strade. E se alcune non sono cosi, 6
auuenuto dall’ hauersi hauuto ad accomodare al uecchio ed essere slata fatta ed
accresciuta la cittä in piü uolte ...
Ob dieses Motiv bei den Entwürfen für Caprarola mitgesprochen hat?
26
Wolfgang von Oellingen:
überliegende, als Remise für die Artillerie. Sie umschliessen einen fünfeckigen
Säulenhof ; in den spitzen Winkeln zwischen je zweien von ihnen erheben
sich thurrnarlige runde Bauten für die Munition- und Waffeninagazine, Milten
auf dem Hofe steht die »casa del Castellano«. W^eitere Vorschriften werden
nicht aufgestellt, weil von dem Terrain Alles abhänge — eine Einsichtigkeit,
die im Gegensatz zu den doctrinären Künsteleien im Festungsbau der älteren
Italiener wohlthuend berührt, zugleich aber der Oberflächlichkeit dieses ganzen
Unternehmens einer »citlä ideale« und also Vasari selbst einen Verweis erlheilt.
Nachdem auf diese Weise ein Rahmen für die Stadt geschaffen ist,
nehmen nach der hergebrachten Ordnung der Tractate des 15. und 16. Jahr-
hunderts zunächst die Kirchen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Allen
voran die Kathedrale. Sie soll — eine Forderung, die theoretisch schon bei
Alberti und Filarete, in der Praxis noch viel früher auftritt, den ersten Platz
in der Stadt einnehmen , da sie als Stätte für hohe Feste und wichtige Gere-
monien den vornehmen Clerus und die Magistrate öfters zu versammeln hat.
Bei Filarete findet sie denn auch ihre Stelle gegenüber dem fürstlichen Palast,
an einer Schmalseite der Piazza grande; Vasari aber hat den Palast frei in
die Mitte seiner Piazza gerückt , und vergisst ganz , die Kathedrale überhaupt
anzugeben. — Im Uebrigen erklärt er, ihre Ausstattung müsse reich und
prunkvoll, die Anzahl ihrer Altäre eine sehr grosse sein, um die ansehnliche
Volksmenge, die besonders bei feierlichen Gelegenheiten zusammenströmen
werde, zu befriedigen. Der Grundriss zeigt dementsprechend ein dreischiffiges
Langhaus von sechs Traveen mit einschiffigem Querschiff und vorgelegter Halle;
die Länge des Ganzen beträgt 232 Braccia (zu c. 60 centim.), die Breite der
drei Schiffe nebst den unmittelbar angefügten Capellen 90 Br., die Länge des
Querschiffes 150, die Tiefe der Vorhalle 18 Br. Die drei Kreuzarme sind halb-
rund geschlossen ; der östliche wird mit den beiden andern durch je zwei halb-
runde, diagonal gestellte Capellchen verbunden ; auch die je sechs Capellen des
Langhauses treten nach aussen halbrund vor. Eine Kuppel erhebt sich über der
Vierung: rechts vom östlichen Kreuzarm steht, abgesondert, der Campanile;
ihm entsprechend links die Sacristei, auch sie »spiccata per piü bellezza«.
Die dahinter liegende Canonica kann durch einen Gang mit der Kirche ver-
bunden werden. — Sollte eine grosse Stadt neben dem Dome noch einer
zweiten Hauplkirche bedürfen, so wird ihr eine solche von 113 Br. Länge bei
66 Br. Breite vorgeschlagen , der soeben beschriebenen Kathedrale im Ganzen
ähnlich; nur dass alle Abschlüsse rechteckig sind und die Vorhalle in Wegfall
kommt. Und da wohl keine Stadt der Christenheit ohne eine reiche Ordens-
kirche ist, so mag sie eine solche von 150:60 Br. aufführen, dem obigen
Schema abermals entsprechend ; d. h. mit rechtwinkligen Abschlüssen der
Kreuzarme und ohne Vorhalle. Hierbei treten aber die Capellen des Lang-
hauses selbständig über die Fluchten vor, und der »discreto architetto« darf
allenfalls den Thurm und die Sacristei fest in die Winkel der Kreuzarme, an
Stelle der bisher daselbst vorgeschriebenen Capellen , einsetzen. — Parochial-
und ärmere Ordenskirchen sollen je nach den vorhandenen Mitteln 110:43,
oder 100:20 Br. weit, mit nui einem Schiffe, ohne Kuppel, mit Tonnen-
Die sogenannte »Idealsladtt des Ritters Vasari.
27
gewölben oder flacher Decke angenommen werden. Als Taufkirchen und
Mariencapellen werden regelmässige Achtecke von 80 Br. Durchmesser, mit
drei Thüren und einer rechteckigen Altarnische, und mit vier halbrunden
Nischen an den noch unbenutzten Seiten, also etwa dem Florentiner Baltistero
entsprechend, empfohlen. Nähere Angaben in irgendwelchem Sinne über
die weitere Ausbildung der Kirchen fehlen durchaus.
Nunmehr wird, auf Blatt 4539 und 4540, für die Findel- und Kranken-
häuser gesorgt. Ein Findelhaus für die Erziehung derjenigen Kinder, welche
die Eltern nicht selbst ernähren wollen oder können, sei für jeden Ort sehr
nothwendig. Man wird zu beiden Seiten einer Kirche je einen Hof für die
Knaben und die Mädchen, daranstossend einen grossen Garten zum Spielen,
und über dem Refectorium die Dormitorien anzulegen haben, ln kleineren
Städten ist freilich die Verbindung des Findelhauses mit dem Spital unerläss-
lich — eine Einrichtung, welche übrigens in dem reichen Mailand bei dem
Riesenbau von Filarete’s Ospedale Maggiore von vornherein getroffen war.
Das Spital des Vasari zeigt zunächst ein einschiffiges lateinisches Kreuz, das
nach altem Herkommen als Hauptkrankensaal dient ; unter seiner Vierung
steht der Altar für die tägliche Messe so, dass er von jedem Krankenbette
aus gesehen werden kann. Dem Fusse dieses Kreuzes liegt rechtwinklig ein
Querbau vor, dessen Maasse denjenigen des Querschiffes gleich sind; und
die Räume zu beiden Seiten des Langhauses zwischen den Armen dieser
Querbauten sind durch Wirthschaftsgebäude, die Apotheke, die Zellen für
Geisteskranke, die Capelle, die Wohnungen und Gärtchen der Geistlichen
und des Verwalters ausgefüllt. Leider wird über die Einrichtung des Kranken-
saales nichts Näheres mitgeteilt; der Vergleich mit den von Francesco Sforza
und Filarete in Mailand eingeführten Vorkehrungen müsste zur Feststellung
der Fort- oder Rückschritte auf dem hygienischen Gebiete interessant ge-
nug ausfallen.
Die Reihe der für die Religionsübung und die Wohlthätigkeit bestimmten
Gebäude wird dann durch einige Klöster u. dergl. beschlossen. Das zwei
Stockwerk hohe Nonnenkloster gruppirt sich um einen grossen Hof, dessen
Kreuzgang vom oberen Stocke aus als Terrasse benutzt wird. Die kleine,
rechteckige, einschiffige Kirche mit abgetheiltem Chore steht seitwärts. Gegen
den Garten öffnet sich eine Loggia; neben .den sonst nothwendigen Räumen
wird ausdrücklich ein bedeckter und ein offener Hühnerstall, sowie ein
Trockenplatz für Wäsche erwähnt. Das Mönchskloster wird reicher bedacht;
es erhält zwei Kreuzgänge, eine Kirche mit Querschiff und angeschlossenem
Friedhof, eine Fremden herberge. Im Uebrigen wird hier ausdrücklich bemerkt,
das Vorgeschlagene bedeute nur einen Typus, der nach Willkür und je nach
den vorhandenen Mitteln könne abgeändert werden. Ein Kinderasyl, wo Find-
linge und dergleichen eine christliche Erziehung erhalten, mit grossem Garten
und heizbaren Arbeitssälen , leitet dann zu einem Bruderschaftshause über,
deren es in Florenz besonders viele gebe. Es ist ein schmales, rechteckiges
Gebäude. An einem Ende betritt man das Auskleidezimmer (spogliatoio) und
gelangt dann in den Saal mit Sitzen an den Wänden und mit dem der Ein-
28
Wolfgang von Oettingeri ;
gangsseite gegenüber angelegten Altarraum zwischen zwei Sacristeien. Das
Gebäude dient zu frommen Versammlungen und »da ridursi i fanciulli«.
Zur Bequemlichkeit der Bürger, und vorzüglich solcher Auswärtiger,
welche mit den städtischen Behörden zu schaffen haben , sind die Sitze der
verschiedenen Magistrate, dazu die Dogana, das Archiv und andere Verwaltungs-
räume in 32 Abtheilungen an den quadratischen Platz im Mittelpunkte der
Stadt gelegt. Dieser Platz, auf welchem, wie erwähnt, der fürstliche Palast
ganz frei steht, hat an seinen Ecken und je in der Mitte seiner Seiten Zu-
gänge, und wird von Säulenhallen umzogen, unter denen die auf Audienzen
beim Pürsten oder auf Termine bei den Magistraten W^artenden sich gedulden
mögen. Auch bei Filarete werden fast sämmlliche öffentliche Gebäude um
einen Gomplex von drei an einander stossenden Plätzen im Centrum der
Stadt gruppirt. Und ebenfalls Filarete entsprechend umzieht Vasari seinen
Marktplatz, einen jener vier rechteckigen Plätze des dritten Strassenquadrates,
mit bedeckten Hallen , ordnet eine Fontaine in der Mitte an und weist den
Metzgern, Fischern, Gemüse- und Obsthändlern ihre Stände zu. Der nächste
Platz soll dann dem Adel und den grösseren Kaufleuten als willkommener Ver-
sammlungsort eingerichtet werden : ein Rechteck von doppelten Säulenhallen,
mit an den beiden Schmalseiten vorgelegten Terrassen, umzieht einen kleinen
freien Platz, auf dem ein Trinkbrunnen steht. Nunmehr sind noch zwei der
rechteckigen Plätze disponibel: den einen davon lässt Vasari für Volksfeste
(fiere), Jahrmärkte und — »in uece de’ teatri, che haueuano gli antichi« —
für Schauspiele dienen; den andern versieht er in der Milte mit einem Trink-
brunnen und mit vier grösseren Wasserbassins, zum Tränken der Pferde,
zum Waschen von Leinwand, zum Waschen von Wolle und zum Spülen von
Leder (purgare pelle). Eine umfassendere Verlheilung dieser Bassins durch
die Stadt wäre wohl weiser gewesen. Verfügungen über die vier achteckigen
Plätze trifft Vasari nicht.
Hierauf wenden wir uns zu den Bedürfnissen des Fürsten. Seine Be-
hausung, welche (wie bei Alberti und Filarete) »in un certo modo publica«
genannt wird, befindet sich nicht nur ehrenhalber, sondern auch mit Rück-
sicht auf die zahlreichen, den Zutritt verlangenden Bürger und Fremden bequem
im Mittelpunkt der Stadt. Der quadratische Palast umschliesst einen Hof mit
zwei Eingängen und vier Treppen; vier grössere und eine Anzahl unter einander
gleich grosser Gemächer sind im Grundriss angegeben. Dabei werden ausser
dem des Anstands und der Trockenheit wegen möglichst erhöhten Unter-
geschoss noch drei Stockwerke vorgesehen. In diesem Untergeschosse liegen
sämmtliche Wirthschaftsräume ; im ersten Stockwerke die Wohnung des Fürsten
und die vornehmsten Fremdenzimmer; im zweiten diejenigen der Damen und
geringere Fremdenzimmer; im obersten endlich die Garderoben und die Räume
für den Hofstaat. Neben dieser Residenz bedarf aber der Fürst noch eines
in der Stadt selbst gelegenen Gartenpalastes, damit er sich von den nie
mangelnden Mühseligkeiten seines Berufes erholen mag, ohnq die Villen vor
der Stadt aufsuchen zu müssen; wie man in Rom »nach seinem Weinberg
geht« (»come si dice: andare alla Vigna«), so soll er im Garten gelegentlich
Die sogenannte »Idealstadt« des Ritters Vasari.
29
speisen und sich belustigen können. Dem entsprechend besteht das Gebäude
dieser Anlage aus nur wenigen Räumen , die um einen Säulenhof liegen ;
eine Halle öffnet sich an der Rückseite auf den »giardino grande« , während
zwei kleinere Gärten, ein »giardinetto per fiori« und ein anderes »per semplici«,
das Haus flankieren. Sämmtliche Gärten, besonders die beiden letzteren, zeigen
künstliche Muster für .Blumenparterres u. dergl. — Eine kleine Villa ohne
Hof und Garten, für einen kurzen Landaufenthalt bestimmt, ein Marstall für
165 Pferde mit Reitbahn und Dienstwohnungen , ein Jagdhaus endlich mit
geräumigen Loggien an den vier Seiten , vervollständigen die Zahl der fürst-
lichen Privatgebäude.
Es folgen drei Paläste von halböffentlichem Charakter. Zunächst der-
jenige des Bischofs oder Erzbischofs. Er liegt neben der Kathedrale, und
muss sehr geräumig sein, da er ausser dem zeitweiligen Inhaber noch dessen
Vicar, ferner die Secretäre und häufig auch vornehme Fremde zu beherbergen
hat. Besonders der Vicar bedarf eines grösseren Saales. Seltsamerweise ist
der Pferdestall an ein Höfchen innerhalb des Hauptgebäudes, und zwar dicht
neben die Küche, gelegt. Die erzbischöfliche Villa, wird bemerkt, mag der-
jenigen des Fürsten nachgebildet werden. Die Mitglieder des Gerichtshofes
für Civilsachen (giudici di Ruota), welche immer Auswärtige sind und in
der Stadt nie Grundbesitz haben, müssen deshalb Dienstwohnungen erhalten,
und der Geschäfte wegen zusammen in einem Palaste residiren. Das Gebäude
nimmt auch die Notare und Procuratoren auf, und ist rings um das Erd-
geschoss mit offenen Loggien, an einer Seite mit zu vermiethenden Läden ver-
sehen. Im ersten Stockwerke befindet sich der grosse Gerichtssaal und eine
kleine Capelle. Nicht weit davon steht der Palast des »Capitano di Justitia«,
welchem die Criminalsachen an vertraut sind. Die verschiedenen Bureaux, ein
Archiv und umfassende Gefängnisse für alle Arten von Verbrechern , mit
Höfen und offenen Capellchen, werden zu einem Ganzen mit ihm verbunden.
Da schöne Privathäuser, besonders wenn sie mit fürstlichen Bauten
wetteifern, einer Stadt zu hoher Zierde gereichen, so mögen die Adeligen auf
würdige Wohnungen Bedacht nehmen. Der adelige Palast ist auf eine grosse
Familie und zahlreiche Gäste zu berechnen; ein Hallenhof schmückt ihn; im
Gebäudetrakt, der gegen den Garten liegt, befindet sich über der unteren
Loggia ein Salone. Der Garten wird links von einer Gallerie, rechts von Wirth-
schaftsräumen eingefasst. — Minder anspruchsvoll tritt der Landpalast auf;
statt des inneren Hofes hat er nur eine Halle. Doch schaut er auf einen
besonders grossen Garten, und ein Capellchen ziert seine Anfahrt. Immerhin
mag auch dieser Entwurf nach Belieben abgeändert werden.
Vornehme Kaufleute können anständig, doch bescheiden bauen; sie ver-
zichten beim Stadthause auf den innern Hof, bei der Villa auf den Garten,
bringen aber doch hie und da einen Brunnen, eine Capelle an.
Noch grössere Bescheidenheit in Stadt- und Landhaus wird wohlhabenden
Handwerkern empfohlen; ärmere freilich denken nicht an Villen und länd-
liche Erholung, sondern sind froh, wenn sie täglich ihr Brod haben, und be-
gnügen sich zu zwei Familien mit einem Doppelhause: jede der beiden
30
Woifgang von Oettingen ;
Wohnungen hat ihr abgelheiltes Gartenslück und enthält ausser dem Boden-
raum ein Sälchen, sowie 2 — 3 Kammern.
Bei dem Bauernhause ist vor Allem auf die Ställe Rücks’-^ht zu nehmen;
Rinder-, Schweine-, Esel- und Ziegenstall liegen um einen Keller herum im
Erdgeschoss; eine bedeckte Terrasse, zum Arbeiten im Freien geeignet, zieht
sich am Hause hin. Die Wohnung nimmt dann mit sieben Räumen das
Stockwerk ein. Ein kleineres Bauernhaus mag sich mit drei Räumen und
einem einzigen Stalle begnügen. Von Strohbütten redet Vasari nicht, weil
sie überall nach besonderer Welse aufgeführt werden; er sagt nur, man pflege
sie, der Feuersgefahr wegen , möglichst entfernt von anderen Bauwerken an-
zulegen.
So sind denn die verschiedenen Stände der Gemeinde versorgt; und es
bleibt nur noch übrig, einzelne besondere Bauwerke hinzuzufügen. Da denkt
Vasari zunächst an die »Sapienza«, die er als eine Bildungsanstalt mit Alum-
nat auffasst. Sie liegt so fern als möglich vom lärmenden Treiben der Stadt,
»in un luogo quieto e solitario«, und zeigt ein Quadrat von 100 Br. Seiten-
länge, das einen ebenfalls quadratischen Säulenhof umschliesst. An diesem
Hofe befinden sich zu ebener Erde 13 Hörsäle; zur Erholung in den Pausen
zwischen den einzelnen Vorlesungen dienen die Wandelgänge unter den Hallen.
Gorridore und Treppen führen in beträchtlicher Breite — denn die Schüler
»il piü delle uolte escano con gran furia e molti insieme« — nach den oberen
Stockwerken, die zur Aufnahme der vornehmen und geringeren Schüler, sowie
des Dienstpersonals dienen, auch einen Speisesaal, heizbare Räume, Disputier-
zimmer und eine Capelle enthalten.
Nicht minder erwünscht als eine Sapienza, ist jedem Verständigen eine
öffentliche Bibliothek. Zwar erscheint sie Manchem seit der Erfindung des
Buchdruckes nicht gar so nöthig; aber einmal dient sie aufgeweckten, dabei
jedoch mittellosen Menschen zum Vorwärtskommen auf geistigen Gebieten;
und andrerseits enthält sie häufig so seltene Bücher, wie auch die Reichsten
sie nicht anzuschaffen vermöchten. Der Grundriss der »Libreria« ist ein lateini-
sches, dreischiffiges Kreuz von 150 Br. Länge mit einem 30 Br. tiefen Vor-
raume, dem Eingangszimmer. Die Bücher sind so aufgestellt, dass in dem
Langhause die lateinischen, in den Kreuzarmen je die griechischen, hebräischen
und italienischen Platz finden. Zwischen je zwei der die Schiffe tred?ienden
Säulen stehen drei Bänke (vor denen wohl auf Repositorien die Bände an-
gekettet zu denken sind).
Auch auf ein Vorrathshaus (granaio) ist Bedacht zu nehmen. Es wird
am Besten von andern Gebäuden entfernt angelegt, als ein Rechteck von etwa
100 : 150 Br. Getreide und andere Lebensmittel lagern, für den Nothfall in
schlechten Zeiten, im unteren Stockwerke, zu dem auch Karren, mittels einer
Rampe, Zutritt haben. Darüber dient ein von Hallen umgebener, fünfschiffiger
Riesensaal als Waffenkammer (armeria).
Um die Alten nachzuahmen , welche in fast allen Städten Theater
hatten, wie die Ruinen derselben in Rom, Verona, Arezzo beweisen, entwirft
Vasari einen »Stanzone« (also wohl einen bedeckten Raum , wie das Theater
Die sogenannte >Idealstadt« des Ritters Vasari.
31
des Palladio in Vicenza) für Tragödien und Komödien; denn Turniere und
Reiterspiele, sagt er, gehören auf öffentliche Plätze und breite Strassen. £ •
denkt sich das Theater als ein aussen von Hallen und Nischen umzogenes
Rechteck mit abgestumpften Ecken. An der einen Schmalseite befindet sich
der Eingang, mit doppelten Treppen versehen, damit die Damen durch kein
Gedränge belästigt werden. Im Zuschauerraurn umziehen sieben Sitzreihen
übereinander ein geräumiges Parquet; die Bühne und die hinter ihr ange-
ordneten Räum.e für die Schauspieler nehmen die dem Eingang gegenüber-
liegende Schmalseite ein. Die Bühne ist aus drei Seiten des regelmässigen
Achteckes construirt; ihre Hinterwand ist geschlossen; dagegen hat jede Seiten-
wand vier Thüren. Eine Orchestra ist nicht angegeben.
Die Münze (Zecca) hat einen achteckigen Hof, um den sowohl die
Arbeiterwohnungen und Bureaux, als auch die Präge- und Aufbewahrungs-
räume für die Münzen liegen. Der besseren Aufsicht wegen wird nur ein
Eingang gestattet.
Sollte die Stadt im glücklichen Besitze von Heilquellen sein , so ist die
Anlage eines grossen Bades für Gesunde und Kranke sehr erwünscht. Ab-
weichend von dem sonstigen Gebrauch mag es der »prudente architetto« in
concentrischen Kreisen disponiren, deren Anzahl sich nach den localen Ver-
hältnissen zu richten hat. Den Mittelpunkt würde ein rundes Bassin bilden,
das den Aermeren zum gemeinsamen Bade dient; unter der dasselbe um-
gebenden Halle zieht man sich aus und an. Der erste Ring um dieses Gentrum
würde einzelne Bäder für Vornehme, dazu besondere Ankleidezimmer, endlich
Räume für die Aerzte und Apotheker enthalten. Auf einen Gorridor folgt
dann ein weiterer Ring, etwa mit 42 Badezellen u. s. w.
Nachdem Vasari nun die hauptsächlichen Gebäudegattungen bedacht hat,
welche in einer Stadt Vorkommen, besinnt er sich nachträglich auf noch
einige geistliche Bauten. Zunächst entwirft er die Canonica für das Dom-
capitel. Um einen ovalen Hof, in deren Mitte sich ein ebenfalls ovales Ge-
bäude für das Archiv, den Gapitelsaal u. s. w. erhebt, liegen zu ebener Erde
42 Wohnungen für ebensoviele Canonici; jede zu einem Saal, zwei Kammern,
der Küche und einem Gärtchen. Ueber jeder derselben befinden sich die
Wohnungen der Gapläne. Für etwaige Fälle ist eine grosse Küche in Bereit-
schaft; eine kleine Wiese dient den Herren zur Erholung und zu Spielen in
aller Ehrbarkeit (giuochi onesli). Ferner bringt Vasari Entwürfe zu einer
Pieue, einer Prioria und einer Rettoria auf dem Lande. Alle drei Anlagen
denkt er sich als milde Stiftungen von mehr und weniger Aufwand. Die
»Pieue« ist unter ihnen die vornehmste: eine dreischiffige Kirche (ohne Quer-
schiff), flankiert von einer Sacristei und einem Bruderschaftssaale einerseits,
andererseits von einem Glockenthurm und der Wohnung des »Vicepieuano«,
liegt an einem quadratischen Platz, den Säulenhallen umgeben; die Seite gegen-
über nimmt die geräumige Wohnung des »Pieuano« ein. Viel bescheidener
ist die »Prioria«: eine einschiffige Kirche mit Querschiff wird an der Ostseite
von Sacristeien und der Wohnung des »Priore« eingefasst, während von Kreuz-
arm zu Kreuzarm um das Langhaus herum eine »zu Vielem nützliche« Loggia
32
Wolfgang von Oellingen:
läuft. Bei der »Rettoria« endlich, die sonst entsprechend angelegt ist, fehlt das
Querschiff; die Loggia wird eine Vorhalle an der Schmalseite, die Masse sind be-
deutend geringer. Zu Mariencapellen auf dem Lande , auch zu Capellen an
Mirakelstätten, eignet sich ein ovaler Grundriss mit vier symmetrisch ange-
ordneten Gonchen. Nonnenklöster sollte man, der Kriegsgefahren wegen,
nicht auf dem offenen Lande gründen; geschieht es dennoch, so ist auf einige
Sicherheit zu denken. Die Anordnung der Räume entspricht im Ganzen dem
städtischen Kloster. Für ein Mönchskloster schlägt Vasari eine Kirche vor,
deren Eigenartigkeit er besonders betont; es handelt sich um einen einschiffigen
Bau ohne Querschiff, mit je sieben Capellen im Schiffe und einem von Sacri-
steien flankirten kreisrunden Mönchschor hinter dem Hochaltäre. Ein Haus
für unheilbare und gemeingefährliche Kranke weit ausserhalb der Stadt, mit
zwei Höfen, beschliesst die Reihe dieser Bauten.
Und um, seiner Meinung nach, dem Publicum nichts Wichtiges schuldig zu
bleiben, wendet sich Vasari endlich dem Hafenbau zu. Nachdem er uns eine
fünfbogige Brücke gezeigt, unter deren mittllerem Joch Schiffe hindurchgehen
können, beschreibt er ein »Arsenale«, d. h. eine Schiffswerft. Sie soll in
oder nahe bei der Stadt Ijegen, als ein Quadrat von etwa 300 Br. Seitenlänge.
Der fünfschiffige Hauptraum dient zum Schiffsbau; andere Hallen nehmen
Vorräthe und Rüstzeug auf; Arbeiterwohnungen und eine Capelle fehlen nicht.
Darauf kommt der Hafen selbst an die Reihe , angeblich einem Theile des-
jenigen von Marseille nachgebildet. Man sieht ein Oval , eine Art von Molo,
der auf der Landseite Lagerplätze und Hallen für die Douane trägt , auf der
Seeseite Standpunkte für Batterien bietet. Die Aus- und Einfahrt liegt seit-
lich, und wird durch vier Thürme und ein Vorwerk geschützt. Ein Bagno
(oder Serraglio) für die Galeerensclaven während des Ankerns ihrer Schiffe
schliesst sich natürlich an. Vasari gesteht, er habe noch keines gesehen,
und entwirft »al suo capriccio« ein von vier Eckthürmen überragtes Rechteck
mit grossem Hof. Die verschiedenen Gattungen der Sträflinge (schiaui, forzati,
schiaui di rispetto) werden in getrennten Räumen gehalten, und mit Weben,
Spinnen und sonstigen Arbeiten für die Schiffe beschäftigt. Lager von Biscotto,
Wein, Brennholz, ferner ein Spital und eine Wohnung für den Gapitano
werden nicht übergangen.
Hierauf beendigt Vasari sein »ragionamento« mit der Wendung, er
könnte noch eine »infinitä« von Tafeln liefern, für Tavernen, Gasthäuser u. s. w.
aber er wolle Anderen, vielleicht besser - begabten , auch etwas zu thun übrig
lassen. Nur soll man ihm glauben , dass er sich gerne Allen hilfreich be-
weisen würde. Ganz unorganisch sind dann noch vier Entwürfe für Theile
jener Capelle bei S. Lorenzo angehängt — Zeichnungen, die offenbar nur zur
Ausfüllung herangezogen werden , und nicht weiter von Interesse sind.
Aus unserem Referate, welches keine wesentliche Angabe, keinen Ge-
danken übergangen hat, ergibt sich die geistige Armuth des Vasarischen
Werkes, welches sein Bestes dem herrschenden Geschmacke verdankt.
Aber auch so würde es als etwas Originelles höheren Werth haben,
wäre es nicht offenbar nach den Tractaten des Alberti und des Filarete, was
Die sogenannte »Idealstadt€ des Ritters Vasari. 33
die Aufstellung und Anordnung der Gebäudegattungen betrifft, zusammengesetzt
worden. Immerhin ist es nicht ohne Interesse für uns. Wir finden einerseits
eine Reihe von Gesichtspunkten für architektonische Anlagen im Sinne des
16. Jahrhunderts klar und sachlich hervorgehoben, und erkennen andererseits
in dem spielerischen »ragionamento« den letzten, unscheinbaren, aber noth-
wendigen Ausläufer der oben gekennzeichneten , im Grunde verfehlten Be-
strebungen einzelner Tractate, an Stelle systematischer Belehrung und metho-
discher Deduction eine subjective, oft willkürliche Auffassung der Kunst
vorzutragen. Bei Vasari handelt es sich dann nicht mehr um die Kunst,
sondern nur um eine zwanglose üebung im Entwerfen von Grundrissen,
welche zu einem immerhin anspruchsvollen Ganzen nachträglich vereinigt
worden sind.
XIV
3
Fragment eines Lorscher Sacramentariums in der Erlanger
Uni V ersitätsbibliothek.
Von Dr. M. Zucker.
Das Pergamentblatt, von dem in Folgendem die Rede ist, war einst zum
Einbande eines aus dem Jahre 1589 stammenden Buches der Erlanger Uni-
versitätsbibliothek verwendet worden, wobei es an der einen Seite jiicht sehr
erheblich beschnitten wurde, während es an der anderen noch mehrere Buch-
staben des Textes einbüsste. Seine Höhe beträgt nicht ganz 0,25 m , die
Breite der intacteren Hälfte 0,21 m, die der anderen nicht ganz 0,16 m. Die
ganze erste Seite wird von einem in Deckfarben ausgeführten Initialenschmuck
eingenommen , dessen Motive fast durchaus dem Kreise rein karolingischer
Buchmalerei angehören, doch weist die Schrift bereits auf den Ausgang des
10. oder den Anfang des 11. Jahrhunderts. Das Fragment stammt aus einem
Sacramentarium, das nach sicheren, unten zu erörternden Merkmalen für das
Kloster Lorsch geschrieben worden war, und zwar bildete es das mittelste
Blatt einer Lage, so dass der Text ein zusammenhängendes Ganzes ergibt.
Es ist der Messcanon von den Worten Te igitur bis zu den fast unleserlichen
Worten omni benedictione des Gebetes, in welchem Gott angerufen wird, das
in der Messe dargebrachte Opfer durch die Hand seines Engels vor sich auf
den Altar in der Höhe bringen zu lassen.
Mit dem Wort Sacramentarium *) bezeichnet man bekanntlich die Mess-
*) Ducange citirt z. B. als Titel einer vor der Zeit Karls d. Gr. geschriebenen
Handschrift: *In nomine Domini incipit Sacramentarium de circulo anni . . .« ln
einem Bücherverzeichniss von S. Vandrille 787 — 806 (Becker, Catalogi bibliothe-
carum antiqui, p. 3) sind genannt; »sacramentaria Volumina triac. Daneben war
schon in früher Zeit der Name missalis üblich. In dem St. Gallener Katalog der
dortigen irischen Handschriften aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts steht
verzeichnet: »Missalis in vol. I.« Fd. Keller, Bilder und Schriftzüge in den irischen
Manuscripten der schweizerischen Bibliotheken, p. 61. Becker, Catalogi bibliothe-
carum antiqui lesen wir p. 28 in einem Verzeichniss von St. Riquier vom Jahre
831: missales Gregoriani tres etc. — Dieselbe Bezeichnung gebraucht der unten
p. 38 zu erwähnende Katalog der Lorscher Klosterbibliothek, der dem 10. Jahr-
hundert zugewiesen wird.
Dr. M. Zucker: Fragment eines Lorscher Sacramenlariums etc. 35
bücher des frühen Mittelalters, welche im Wesentlichen nur die von dem Priester
zu sprechenden Gebete enthielten. Vom 11. Jahrhundert ab gestalteten sich die-
selben zu dem umfänglicheren sogen. Missale aus, das durch das Tridentinum
dann seine endgültige heutige Form erhielt. In der jüngsten Zeit hat man nach-
drücklich auf die Bedeutung dieser Sacramentarien für die Kunstgeschichte hin-
gewiesen. Dieselben bilden neben den Psalterien und Evangeliarien eine be-
sondere Glasse der kirchlichen Ritualbücher mit eigenartigen Darstellungen,
und haben überdies den Vorzug, dass sich ihre Herkunft meist feststellen
lässt. So erscheinen sie besonders geeignet, der Forschung als Ausgangs-
punkte zu dienen. Leopold Delisle hat denselben besondere Aufmerksamkeit
zugewendet, und zuletzt in seinen »Memoires sur d’anciens Sacramentaires
1886« 127 ihm bekannt gewordene Exemplare beschrieben. Mit auf seiner
Arbeit fussend hat dann Springer in einer grundlegenden Besprechung »Der
Bilderschmuck in den Sacramentarien des frühen Mittelalters« (Abhandlungen
der Sächsischen Academie der Wissenschaften, 1889, XI. phil.»hist. Gl. p. 339 ff.)
die kunstgeschichtliche Seite jener Denkmäler eingehend erörtert.
Für die eigenartige Ausschmückung der Sacramentarien kommen be-
sonders zwei Stellen in Betracht, nämlich erstens die sogen. Praefatio: »Vere
dignum et justum est . . . nos gratias agere,« wo die Buchstaben V und D
von vere dignum in Folge mystischer Ausdeutung eine besondere, oft mono-
grammatische Auszeichnung erfuhren, und dann in noch höherem Grade der
Anfang des unmittelbar auf jene Praefatio folgenden Messcanons selbst. Nach-
dem im vorhergehenden Theile der Messe die Abendmahlselemente bereits
dargebracht sind, beginnt das erste Gebet des Ganons mit; Te igitur clemen-
tissime pater per Ghristum Jesum . . . rogamus . . . uti accepta habeas . . . haec
dona. Hier fesselte nun das erste Wort durch die Kreuzesform des Buchstabens
T die Aufmerksamkeit. Eines der ältesten bei Delisle beschriebenen Sacra-
mentarien N. 2, das aus Südfrankreich stammt und dem Ende des 7. oder Anfang
des 8. Jahrhunderts zugewiesen wird, kennt zwar jenes Motiv noch nicht, aber
von da ab hat die Kreuzgestalt des T die Anregung zu einer sehr mannig-
fachen Decoration dieser Stelle der Sacramentarien gegeben. Das dem 8. Jahr-
hundert angehörende Sacramentarium aus Gellone (Delisle Nr. 7), jet^ in der
Pariser Nationalbibliothek, eröffnet den Reigen mit einem Grucifixus an Stelle
des T. Irn 9. Jahrhundert war es bereits feststehende Uebung, den beiden
genannten Stellen künstlerischen Schmuck angedeihen zu lassen ^). Die Ganon-
bilder wurden sogar verehrt *).
Bei unserem Blatt nimmt die Miniatur am Anfang des Ganons, wie er-
wähnt, die ganze Seite ein. Bei der Wichtigkeit der Sacramentarien für die
Kunstgeschichte verlohnt es sich wohl, von allen derartigen Resten Nachricht
zu geben. Das vorliegende Beispiel wenigstens dürfte trotz der späten Zeit,
aus der das Fragment stammt, zu den interessanten Verzierungen an dieser
Stelle zählen.
Springer 1. c. 348 sqq.
1. c. 343 : »aliquantum coloris oscula deterserunt« Muratori.
36
Dr. M. Zucker :
Zunächst ist hervorzuheben, dass das fast ®/4 der Blatthöhe einnehmende
T in sehr ausgesprochener Weise als Kreuz gekennzeichnet ist, wie wir dies
z. B. bereits in dem Sacramentarium des Drogo finden^). Das dahinter ge-
stellte E zeigt bei schmalem Körper der Hauptlinien goldene, roth umränderte
Riemenverschlingungen, die an den Enden der Linien eine halbe und an den
Vereinigungspunkten eine volle Scheibe bilden. Gehoben ist dieses Geflecht
mehrfach durch dazwischengeschobenes Grün. Es nimmt sich diese Bildung
des Buchstabens aus wie eine Fortbildung von Formen, wie sie bei dem IN
des Johannisevangeliums in dem Wiener karolingischen Evangeliarium vor-
liegen (Adahandschrift Taf. 21).
Bei dem T dagegen ist jenes beliebte Element der Buchstabenverzierung,
das auch mehrfach bei dem T in anderen Sacramentarien wiederkehrt, durchaus
vermieden. Es besteht vielmehr aus einem fast zwei Finger breiten Haupt- und
Querbalken, welche beide, um die gerade Linie etwas zu brechen, zweimal
von beiden Seiten her stark eingebuchtet sind, eine Decoration, bei welcher
der Charakter eines Holzbalkens jedenfalls vollständig gewahrt bleibt. Durch
jene Einziehungen grenzen sich an den Balken wie von selbst viereckige Fel-
der ab, welche golden bemalt wurden, während die sie trennenden, eben bezeich-
neten Stücke ehemals Purpur aufwiesen, von welchem sich jetzt ganz ver-
blasste schematische Pflanzen mit eingerollten schmalen Blättern abheben.
Die Umränderung aller dieser einzelnen Abtheilungen ist roth, was bei sämmt-
lichen Einfassungslinien wiederkehrt. Auf dem Felde an der Verbindungsstelle
der beiden Balken sehen wir, was wohl selten verkommen dürfte, eine
Ghristusbüste in rothern Gewand mit grünem Kreuz-Nimbus. Das Haar war
golden. Die Fleischfarbe bildet hier wie bei einer zweiten noch vorhandenen
Gestalt das Pergament, auf welchem die Details mit einer bräunlichen Farbe
angegeben sind. In die übrigen vier Felder wurden die nächsten, auf Te
folgenden Worte des Textes igitur 1 clemen 1 tissime \ pater eingeschrieben.
Den Hintergrund für dieses T und E bildet eine grosse, jetzt schmutzig
blaue Scheibe, welche von einem breiten, aus schematischen grünen und
blauen Blättern gebildeten Kranze umschlossen wird. Damit Scheibe und
Kranz sich bestimmt von einander sondern, ist zwischen beide ein roth ein-
gefasster Goldstreifen gelegt, ein solcher umgibt auch den Kranz nach aussen.
Sehr ansprechend nimmt es sich dann aus, dass diese umschliessende Kreis-
linie rings mit zierlichen goldenen Blättchen besetzt ist , die aus grünem
Grunde aufsteigen. Dasselbe Motiv findet sich schon in dem Evangelium von
Soisson zur Verzierung eines Arkadenbogens (Adahandschrift Taf. 31).
Um an den Seiten des Blattes einen Abschluss zu gewinnen und die
frei gebliebenen Ecken passend zu decken, wurde eine auf zwei Säulen ruhende
rechteckige Einrahmung gewählt, deren Linien die Scheibe theilweise über-
schneiden. Dieser Rahmen über den Säulen zerfällt nach karolingischer Weise
in mehrere Abtheilungen, welche von Blattornament und Riemengeflecht in
etwas derben Formen gefüllt werden. Das Geflecht ist rechteckig, doch mischt
*) Springer 1. c. p. 355.
Fragment eines Lorscher Sacramentariums i. d. Erlanger Universitätsbibliothek. 37
sich einmal die Spirale in dasselbe. Es sind dies also noch rein irische Mo-
tive in allerdings nicht gerade feiner Ausführung. Die Säulen erinnern in
ihrem Goraposita-Capitell noch vernehmlich an die Antike. Die goldenen
Akanthusblätter stehen in doppelter Reihe auf Purpurgrund. Auffallend ist
der Körper des Capitells. Es nimmt sich aus, als wäre es aus zwei ineinander
gesteckten Trichtern gebildet; man erstrebte sichtlich eine classische Form,
aber die Blätterreihen über einander greifen zu lassen, war eine zu schwierige
Aufgabe. Man half sich mit obigem Auskunftsmittel. An den ionischen, von
sehr niedriger goldener Platte ausgehenden Voluten sind nicht die kleinen
Palmetten vergessen , welche die Winkel der Volute verzieren. Darüber liegt
ein feiner, jetzt schwarz aussehender Abacus. Die Basen zeigen zwischen einer
goldenen oberen und einer zweifachen unteren, gleichfalls goldenen Platte®)
ainen dicken rothen Wulst. Die dabei an den Ecken entstehenden leeren Stellen
sind oder waren oben wie unten durch eine Art Palmette in Grün ausgefüllt®).
Bemerkt ^u werden verdient, dass auch die unteren beiden Platten abgerundet
sind, also nicht an die abgetreppten, in der karolingischen Kunst so häufigen
Formen erinnern. Die Schäfte sind purpurn. Mit Purpur wurde auch der
untere frei gebliebene Theil des Blattes zwischen den Säulen in der Weise
gedeckt, dass in der Mitte noch Raum für eine kleinere grüne, goldumrän-
derte Scheibe gelassen wurde, welche in den Kranz darüber etwas einschneidet.
Sie dient als Hintergrund für eine wohl als herabschwebend zu bezeichnende
Engelsgestalt. Das Gewand und die schräg in die Höhe stehenden Flügel der-
selben heben sich roth von dem grünen Gewände ab. Die Arme sind kreuz-
förmig ausgebreitet.
Wie man sieht, war der Miniator auf fast überreichen Schmuck, zu-
gleich aber auch auf kräftige Hervorhebung alles Einzelnen und auf Brechung
der Monotonie durch gegensätzliche Linien wohl bedacht. Als die Malerei
noch frisch war, muss sie von recht guter Wirkung gewesen sein. Jetzt sind
die Farben an vielen Stellen abgerieben und schmutzig.
Die Verbindung eines viereckigen Rahmens mit einer Scheibe in der
gekennzeichneten Weise verräth eine Empfindung, die sich merklich von der
karolingischen Kunst entfernt hat; es ist eine Vergröberung der karolingischen
Weise, die Darstellungen auf künstlerisch umrahmten Blättern zu geben. Was
jedoch im übrigen die formelle Seite der Arbeit anlangt, so steht, wie bereits
erwähnt, alles noch auf rein karolingischem Boden. Farbe, Decorations-
formen, Behandlung der Gewänder und die karolingisch antikisirende Zeich-
nung der beiden Köpfe mit ihrem kräftigen, bei Christus nach unten breiten
Oval bei relativ natürlicher, etwas derber Auffassung sprechen dies sehr be-
®) Diese untere Platte zeigte möglicherweise zweierlei Farben, unten Gold,
oben Silber, wenn die jetzt wie an dem Abakus schwarze Farbe ursprünglich jene
Metallfarbe war.
*) Wir haben hier Vorläufer der Eckdeckblätter des 12. Jahrhunderts vor
lins, jedoch mit dem beachtenswerlhen Unterschied, dass die Blätter sich dem
Wulste anschmiegen.
38
Dr. -M. Zucker:
stimmt aus. üabsi muss man im Auge behalten, dass es in dem Kloster Lorsch
an älteren Vorbildern auf keinen Fall fehlte. Wir besitzen ein aus dem
10. Jahrhundert stammendes Verzeichniss der damals dort vorhandenen reichen
Bücherschätze ^). Jener Katalog zählt zu Anfang 17 Sacramentarien auf®),
die dort bereits »missales« genannt wurden. Dass darunter auch reich ver-
zierte sich befanden, ist bei einem von Karl dem Grossen an von den Kaisern
so bevorzugten Kloster selbstverständlich. Von dreizehn werden die ehemaligen
Besitzer oder Stifter angegeben, was auf reiche Ausstattung jener Handschriften
schliessen lässt. Sie mochten eine kleine Galerie karolingischer Malerei reprä-
sentiren.
Noch erübrigt ein Wort über das Figürliche und die beiden scheiben-
förmigen Hintergründe. Springer hat nachgewiesen, dass die Künstler für die
Ausschmückung der Sacramentarien ihre Anregung für die sonstigen Dar-
stellungen in der Regel dem Textinhalt entnahmen, während sie für den Anfang
des Canons fast durchgehends durch die Kreuzesgeslalt des T sich die Rich-
tung bezeichnen liessen, in der sich ihre Phantasie bewegte. Dies bestätigt
auch die vorliegende Miniatur, doch bringt sie für die Canonbilder, wie wir
oben gesehen haben, eine interessante Variante. Die Kreuzgestalt des T ist
in Uebereinstimmung mit vielen anderen Sacramentarien auf das bestimmteste
betont, aber der Künstler hat für die figürliche Zuthat nicht den Gekreuzigten
gewählt, was fast nicht zu umgehen scheint, wenn die Person Christi heran-
gezogen werden soll, noch hat er nach Analogie der dritten von Springer 1. c.
p. 364 aufgestellten Gruppe der Sacramentarien, bei welcher die frühere Tra-
dition bereits gelockert erscheint, Christus in der Glorie dargestellt, wir sehen
vielmehr am Kreuze eine Büste Christi, der, in der Linken wie es scheint ein
rothes Buch haltend, die Rechte mit der antiken Bewegung des Lehrens er-
hebt, ein Gestus, den man bekanntlich früher für die griechische Weise, den
Segen zu ertheilen, ansah®).
Wir haben hier einen bemerkenswerthen Fall, wie Vorbilder früherer
Jahrhunderte in der karolingischen Kunst nachwirkten. Jene Zeit, welcher
Christus am Kreuz keine fremdartige Darstellung war, konnte nicht mehr von
selbst auf ein Brustbild am Kreuze ‘®) verfallen. Es ist klar, dass man in
jenem Kreise die Darstellung Christi in Gestalt eines Brustbildes über dem
Kreuze kannte, wie sie z. B. in dem Mosaik von S. Stefano rotondo in Rom
(Ciampini mon. vet. II, tv. 32), oder auf den Oelfläschchen in Monza (Gar-
’) Becker, Gst., Catalogi bibliothecarum antiqiii, p. 82—120.
®) Reichenau besass zur Zeit Ludwigs d. Fr. deren 58. 1. c. p. 9: »libri sacra-
mentorum LVIII.«
®) Otte, Handbuch d. christl. Archäologie, 5. Auf!., I, p. 466. In karolingi-
schen Handschriften findet sich dieser Gestus z. B. bei dem bekannten jugendlichen
Christus des Gcdescalc-Evangelistariums und bei der Christusgeslalt in einem G des
Evangeliars von Soissons. Adahandschrift Tf. 34.
^®) Büsten Christi an sich waren der karolingischen Kunst nicht fremd. Eine
solche findet sich z. B. in einem 0 des Sacramenlariums von Gellone, Springer 1. c.
p. 348, ferner in einem V der Vivianbibel. Janitschek, Adahandschrift, p. 82.
Fragment eines Lorscher Sacramentariums i. d. Erlanger Universitätsbibliothek. 39
rucci tv. 433 ff.) vorliegt, wo Christus zwischen den Schächern am Kreuze
hl obiger Weise abgebildet ist. Auch Medaillen zeigen eine verwandte
Darstellung, cfr. Garrucci tv. 480, 6. Ob der Zeichner unserer Büste bei der
erhobenen Rechten an Lehren oder Segnen dachte, ist schwer zu entscheiden.
Für das letztere Hesse sich auf das Gebet des Messcanons verweisen , wo es
von Christus heisst: Per Christum dominum nostrum, per quem haec omnia
domine semper bona creas, sanctificas, vivificas, benedicis et praestas nobis,
wonach ein segnender Christus an der Spitze des Canons sich ungezwungen
erklären würde. Es würde dies auch zu der von Springer festgestellten Ge-
wohnheit stimmen, die Motive aus dem Inhalt der Gebete zu entnehmen.
Wodurch der Maler darauf kam, die Gestalt eines schwebenden Engels
auf dem Blatte anzubringen, liegt auf der Hand. Er wollte auf diese Weise
die Erhörung des oben erwähnten Gebetes versinnlichen, welches dahin geht,
dass Gott das in der Messe dargebrachte Opfer durch einen Engel zum Himmel
emportragen lassen möchte“). Der Engel schwebt hier herab, um dasselbe
zu holen.
Die hier wie sonst in der karolingischen Kunst vorkommenden Scheiben
erinnern an den unmittelbaren Zusammenhang jener Miniaturmalereien mit
antiken Vorbildern. Es gab dem Schmuck einen gewissen Nimbus, wenn man
antike Formen wiederholte. Zunächst erinnert man sich hierbei wohl an die
Darstellung von Porträts auf schildförmiger Unterlage, eine Form, die be-
kanntlich in der Renaissancezeit des 16. Jahrhunderts auch Dürer bei dem
Porträt des Kleberger in Wien wieder aufleben Hess. Dieselbe findet sich
ähnlich auf Diptychen, und diese kleinen Kunstwerke werden vor allem die
Anschauung vermittelt haben. Das Rund eines Diptichons im Louvre z. B.,
von dem sich ein Gonsularporträt abhebt, ist von einer langgezogenen Raute
umschlossen (Gazette archöol. 1884, Taf. 16), ganz so, wie dies in der Bam-
berger Alcuinbibel bei einem Rund wiederkehrt, welches das Lamm zeigt
(Leilschuh, Aus den Schätzen der Bibliothek zu Bamberg Taf. II). Gazette
archeol. 1884, S. 126 sind drei weitere Diptychen namhaft gemacht, auf
welchen die Büste des Gonsuls von einem solchen Rund umschlossen ist.
Daneben kann aber auch auf den dem 6. Jahrhundert angehörigen Codex
Rossanensis verwiesen werden , wo die Aufschrift für das Vorsatzblatt der
Evangeliencanons in eine von breitem Rand umgebene Scheibe einge-
schrieben ist. In verwandter Weise wird der Titel der Wiener Dioskorides-
Handschrift von einem Kranz umschlossen. In dem Sacramentarium von
Autun wurde reichlicher Gebrauch von diesen Scheiben gemacht ; auch den
Hintergrund für die Gestalt Gregor’s des Grossen bildet eine solche, und zwar
in Grün (Gazette archeol. 1. c. p. 158).
Erhöht wird der Werth unseres Fragmentes dadurch, dass der Ort,
woher dasselbe stammt, angegeben werden kann. In der Reihe der Heiligen,
welche am Anfang des Messcanons angerufen werden , findet sich zwischen
“) Ob etwa die blaue Farbe der oberen Scheibe den Himmel, die grüne der
kleineren unteren die Erde andeuten sollte, wage ich nicht zu entscheiden.
40
Dr. M. Zucker':
Laurentius und Ghrysogonus der heilige Nazarius genannt, und zwar ist er
durch goldene Capitalbuchstaben als der locale Hauptheilige ge-
kennzeichnet. Ferner lesen wir am Rande der zweiten Seile in einer mit
Goldtinte gezogenen Einfassung und gleichfalls goldener Minuskelschrift fol-
gende im Genitiv gegebene Namen: Hathonis, Adalberonis, theotolahi, theo-
trochi, Egilberti, Babonis, Fridagarii. Es sind dies' Namen von Personen,
deren bei der Messe gedacht werden soll. Zu diesen wurden etwas w'eiter
unten von zwei verschiedenen Händen etwa aus dem Anfang des 12. Jahr-
hunderts noch zwei weitere in sorgfältiger Schrift mit schwarzer Tinte zu-
gefügt: "Werinheri epi und Burchardi e^.
Diese am Rande stehenden Namen lassen füglich nur an deutsches
Gebiet denken, und innerhalb dieser Grenzen verweist uns deir Name des
Nazarius auf das einst hochberühmte Kloster Lorsch in Hessen, wo noch jetzt
die allbekannte Vorhalle aus karolingischer Zeit erhallen ist. Durch den Metzer
Bischof Ghrodegang kam der Leichnam jenes römischen Heiligen in das bereits
bestehende Kloster, das fortan dessen Namen führte. Bekannt sind in der
Annalistik des Mittelalters die Annales Nazariani; auch in philologischen
Kreisen lebt der Name in der Bezeichnung Godex Nazarianus fort.
Bestätigt wird die Zuweisung durch Folgendes. Man kennt noch drei
andere Lorscher Sacramentarien, die Delisle 1. c. unter Nr. 92, 93, 94 be-
schreibt. Eines derselben wird der Wende des X. und XI. Jh., die beiden
anderen dem XI. Jh. zugewiesen. Die Namen der Heiligen nun, die in Nr. 92,
dem ältesten der drei Exemplare, im Messcanon sich finden . . . Gornelii, Gy-
priani, Laurentii, NAZARII, Ghrisogoni, Johannis et Pauli, Gosmae et Damiani,
Hilarii, Martini, Augustini, Gregorii, Hieronimi, Benedicti, Uodalrici, Adalberti,
kehren genau in derselben Reihenfolge auf unserem Fragment wieder, bis auf
die beiden letzten. Diese sind indess, wie Delisle bemerkt, erst nachträglich
bei geschrieben, was auf unserem Blatte von noch sehr früher Hand nur mit
dem Namen Adalbertus geschah, der ohne Verweisungszeiclien arn Rande
steht. In beiden Sacramentarien finden wir also genau dieselben Heiligen bis
zum Namen Benedictus. Dass zu dieser Reihe in beiden Exemplaren ein
wenigstens zur Hälfte identischer Zusatz gemacht wurde, bezeugt überdies die
Benützung derselben an ein und demselben Orte.
Nach Lorsch weisen endlich in gleicher Weise die am Rande stehenden
Namen. Unter den sieben des älteren Eintrages treffen wir fünf in der Aebte-
reihe des Klosters: Eigilbert 857 — 863, Theotroch 863 — 875, Babo 875 881,
Adalbero, Bischof von Augsburg und Abt von Lorsch, 893 — 898, Hatto, Erz-
bischof von Mainz und Abt von Lorsch, 898 — 913 In dem Lorscher
Necrologium, abgedruckt Böhmer, Fontes rerum germanicarum III, p. 144 ff.,
kehren die fünf Namen wieder unter dem 23. August, 18. October, 29. Mai,
28. April, 18. Januar.
Was die ausserdem noch beigeschriebenen Namen der Bischöfe Werinher
und Burkhard anlangt, so wissen wir, dass der anfangs zu den Gegnern
Falk, V. Al. Fr., Geschichte des ehemaligen Klosters Lorsch, 1866.
Fragment eines Lorscher Saciamentariums i. d. Erlanger Universitätsbibliothek. 41
Heinrich’s IV. zählende Merseburger Bischof Werinher (1063—1093, f 1103)
von dem Kaiser, nachdem er sich unterworfen hatte, für einige Zeit nach dem
gut kaiserlichen Lorsch verwiesen worden war. Das Necrologium verzeichnet
seinen Namen unterm 12. Januar. Er hatte die Feier des Gedenktages des
hl. Maximus in Lorsch veranlasst und hierfür eine Stiftung gemacht. Falk
1. c. p. 202.
Dass auch das Andenken eines Bischofs Burkhard in Lorsch gefeiert
wurde, ergibt ein Eintrag in dem oben bereits genannten Lorscher Sacra-
mentarium Nr. 93, wo wir für den 12. April angemerkt lesen : Obiit Burchar-
dus frater et Basiliensis episcopus. Delisle 1. c. p. 241 (cfr. Necrologium bei
Böhmer p. 146), Es ist dies der Bischof Burkhard von Basel (1072—1105),
der, auf Seiten des Kaisers stehend, auf der Versammlung in Worms für Ab-
setzung Gregors gestimmt hatte.
Es sind nun noch zwei Namen des älteren Eintrages übrig: Theotolahi
und Fridagai’ii.
lieber Letzteren konnte ich nichts ausmitteln ^*) und auch für den iles
Theotolahus fand ich nur, dass ein Wormser Bischof dieses Namens (»Thiete-
lahus«) einmal mit dem Erzbischof Hatto zusammen als Zeuge bei einer
Schenkung auftritt, die der Augsburger Bischof und Lorscher Abt Adalbero
seinem Kloster macht (Mon. Germ. SS. XXI, p. 382, 17), sowie dass König
Konrad im Jahre 912 bei einer Schenkung an das Lorscher Tochterkloster
Heiligen berg bei Heidelberg eben diesen Bischof unter den Personen nennt,
durch deren Bitten er zu jener Schenkung veranlasst worden sei (Mon.
Germ. 1. c. p. 426, 7 [die dortige Namensform ist »Thiedelachus«]). Es ist
also recht gut möglich, dass jener Name dem Wormser Bischof angehört. Die
Reihenfolge, in der die Personen eingeschrieben wurden, steht dem zum min-
desten nicht entgegen. Bei Aufzählung derselben war der geistliche Rang
massgebend. Hatto war von den dort genannten Aebten der Zeit nach der
jüngste, als Erzbischof steht er aber an der Spitze. Auf ihn folgt sein Vor-
gänger in der Abtswürde, Adalbero, der zugleich Bischof von Augsburg war,
und an dritter Stelle steht dann der Name des Theotolahus , dem sich die
dreier älterer Aebte des Klosters anschliessen. Die Reihenfolge der Namen
hindert also nicht, ihn als Bischof zu betrachten, ja sie fordert fast, irr ihm
gleichfalls einen solchen zu vermuthen. Doch wie dem auch sei, da auf jeden
Fall von den auf unserem Blatte stehenden neun Namen sieben mit solchen
von Personen Zusammentreffen, die zu dem Lorscher Kloster in näherer oder
fernerer Beziehung standen, so ergibt sich der Schluss von selbst, dass unser
Fragment jenem Kloster zugewiesen werden muss.
Für die genauere Datirung des Blattes bin ich auf paläographische
Gründe angewiesen. Der malerische Schmuck selbst könnte vielleicht bei
eingehenderem Vergleichen Anhaltspunkte ergeben. Das ist mir mit den hie-
sigen Mitteln nicht möglich. Da die Darstellung einfach aus einer älteren
^*) Möglicherweise findet sich der Name in dem nicht vollständig publicirten
Necrologium in Würzburg Mp. Theol. f. 132 (cfr. Falk 1. c. 171).
42 Dr- M. Zucker: Fragment eines Lorscher Sacramentariums etc.
Handschrift herübergenomnien sein kann, würde ein darauf gegründeter Schluss
überdies leicht irreführen. Die Nennung des Erzbischofs Hatto, der am spä-
testen von den ursprünglich an den Rand geschriebenen Personen lebte, ist
für unseren Zweck werthlos, da die Schrift bestimmt einer späteren Zeit als
dem Anfang des 10. Jahrhunderts angehört. Es ist eine ziemlich grosse
schöne Minuskel. Die Schäfte der über oder unter die Zeile sich erstreckenden
Buchstaben sind sehr kurz und nur noch hie und da unmerklich keulenförmig.
Der rechte Strich des a steht noch durchaus schief, die beiden rechten Striche
des m sind mitunter ziemlich gerade, in den meisten Fällen jedoch mehr oder
weniger stark gekrümmt, mehrere Male sinkt i am Ende etwas unter die
Zeile, unciales N kommt gleichfalls vereinzelt vor, einige Male auch noch die
an die Gursive erinnernde Ligatur von r und e, aber in ihrem Gesammt-
charakter entfernt sich die Schrift schon leise von der vollen, breit ausladenden
Rundung der früheren Zeit. In dem den letzten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts
angehörigen Codex Egbert! in Trier finden wir ähnliche Züge. Ein Vergleich
mit einer Reihe anderer Blätter bestätigt, dass das Sacramentarium um die
Wende des 10. und 11. JahrhundeHs entstanden ist.
Notizen zur Geschichte zweier Dürerhilder.
Von Joseph Neuwirth.
Bei der Sammlung und Verarbeitung des Stoffes für meine Monographie
über »Albrecht Dürer’s Rosenkranzfest« war es mir nicht möglich gewesen,
die Richtigkeit der Angabe Woltmann’s, dass Waagen 1837 in Folge eines
Anbotes ^n das Berliner Museum im Aufträge der preussischen Regierung nach
Prag kam, um mit dem Prälaten des Stiftes Strahow über die Erwerbung des
Bildes zu unterhandeln, aus urkundlichen Belegen des genannten Klosters zu er-
weisen. Erst vor Jahresfrist theilte mir der allzeit gefällige Stiftssecretär P. Lohe-
lius Schmidt mit, dass der Strahower Prälat P. Sigismund Stary bei Durchsicht
alter Briefschaften auch auf einen Briefwechsel gestossen wäre, in welchem Ver-
handlungen, den Verkauf des »Rosenkranzfestes« nach Berlin betreffend, nach-
weisbar seien. Auf meine Bitte, mir zu ermöglichen, diese für die Geschichte des
Dürerbildes wichtigen Briefe kennen zu lernen, erhielt der erwähnte Secretär die
Weisung, vorher dem Prälaten einen Bericht über den Briefwechsel und das, was
aus demselben veröffentlicht werden könnte, vorzulegen. Derselbe eröffnete mir
in einem Briefe vom 22. Januar 1889 in dieser Angelegenheit Folgendes:
»Der hochwürdigste Herr Prälat sah sich nämlich in Folge meines
Referates über den besagten Briefwechsel bestimmt, von einer weiteren Mit-
theilung abzustehen; und somit beschränke ich mich bloss auf die (freilich
hauptsächlichste und jedenfalls ausreichende) Notiz, dass zwar in den Jahren
1836 und 1837 Verhandlungen, angeregt durch den Grafen Brühl als General-
intendant der königlichen Museen, im obgedachten Sinne stattfanden, jedoch
einerseits wegen der gerechtfertigten Bedenken, dass es doch schwer hält, ein
solches Kunstwerk ausser Land zu schaffen , andererseits aber in Folge der
von der betreffenden Berliner Commission ausgesprochenen Befürchtung, dass
das Bild auf der weiten Reise von Prag nach Berlin noch mehr leiden könnte,
als es bereits der Fall war, zu keinem Ziele führten.«
Durch diese Angaben ist zweifellos sicher gestellt, dass man in Berlin
gesonnen war, das »Rosenkranzfest«, trotz der bedeutenden Beschädigungen
des Werkes, zu kaufen; die von der Berliner Commission ausgesprochene Be-
fürchtung wegen weiterer Beschädigung beim Transporte geht offenbar darauf
zurück, dass Waagen das Bild zu dem erwähnten Zwecke besichtigt und ein
Gutachten abgegeben hatte. Leider ermöglichen die kurzen Angaben keine
Klarheit über den Gang der Verhandlungen, die für die Geschichte des Dürer-
bildes, für die klare Beurtheilung seines damaligen Zustandes, seiner Schäden
44
Joseph Neuvvirlh:
und seines Werthes in jenen Tagen von grosser Wichtigkeit bleiben. Jedenfalls
können die beiden oben angeführten Gründe für die Erfolglosigkeit der Verhand-
lungen nicht maassgebend gewesen sein, da man ja gerade beim »Rosenkranz-
feste« — freilich als es noch gut erhalten war — sich nicht durch Bedenken be-
treffs der Transportfähigkeit abhalten Hess, das herrliche Meisterwerk von Venedig
nach Prag zu übertragen; die Transportverhältnisse an der Wende des 16. und
17. Jahrhunderts waren aber im Vergleiche zu jenen des vierten Jahrzehnts im
19. Jahrhunderte weit misslichere, so dass die Möglichkeit der Grösse einer
Beschädigung der Tafel in beiden Fällen fast gleich bleibt, da einmal das Bild
intact und auf schlechteren Wegen fortzuschaffen, das andere Mal aber schon
beschädigt und die Verkehrsmittel weit bessere waren. Die eigentlichen Gründe,
an welchen sich die Verhandlungen zwischen Strahow und Berlin zerschlugen,
müssen offenbar anderer Natur gewesen sein; hoffentlich gelingt es noch ein-
mal, sie zuverlässig nach dem Einblicke in die urkundlichen Belege festzu-
stellen. Vielleicht regt die Constatirung der Thatsache, dass briefliche Auf-
zeichnungen über die zwischen Strahow und Berlin gepflogenen Abmachungen
vorliegen und an ersterem Orte noch erhalten sind, auch dazu an, an dem
anderen Orte nach dem ergänzenden Materiale zu forschen und aus letzterem
den Sachverhalt klarer zu stellen, als es derzeit möglich ist.
Wie durch das Rosenkranzfest hatte Dürer seinen Ruhm als Maler auch
zu sichern gehofft durch den Heller’schen Altar; allein während das erstere
nach der Restauration, welche die schweren Beschädigungen forderten, den
Geist des grossen Meisters gleichsam nur hinter einem die Feinheit der Theile
verdeckenden Schleier wahrnehmen lässt, vermittelt die dürftige Copie des anderen
bloss eine Ahnung von der Grösse des Verlustes, welchen die Kunstgeschichte
durch den Untergang des Dürer’schen Meisterwerkes erlitten hat. Als solches
wurde der Ileller’sche Altar, solange er in Frankfurt stand, vielfach bewundert,
und die verschiedenen Notizen, welche sich in den Geschichtsquellen Frankfurts
über denselben finden, werden zu hochinteressanten Belegen, an welchen sich
der wachsende Ruhm des Meisters und die gesteigerte Werthschätzung seiner
Schöpfungen erweisen lässt. Da sie bei allen jenen sich finden, welche über-
haupt auch hie und da ein Wort über die Denkwürdigkeiten der altehrwürdigen
Krönungsstadt verlieren, so ergibt sich daraus, dass Dürer’s Ältarwerk ein Ge-
genstand allgemeinen Interesses und eines gewissen Stolzes der Frankfurter war.
Die Angaben der Frankfurter Gewährsmänner vermitteln jedoch auch
noch andere Thatsachen, denen bisher noch wenig Beachtung geschenkt wurde,
so wichtig sie auch für die Geschichte des Heller’schen Altares sind.
Der erste Frankfurter, welcher über den Heller’schen Altar berichtet,
ist der 1524 geborene Johannes Latomus, der später Dechant des Bartholomäus-
stiftes wurde und als 74jähriger Greis am 8. August 1598 starb. Seine »Acta«
und »Antiquitates« gehen, wie stellenweise ausdrücklich betont ist, auf ältere
schriftliche Aufzeichnungen, auf Angaben von Augenzeugen und sonst glaub-
würdiger Gewährsmänner seiner Zeit zurück ') ; diese Thatsache lässt Ange-
Grotefend, Quellen zur Frankfurter Geschichte. Frankfurt a. M. 1884.
Notizen zur Geschichte zweier Dürerbilder.
45
sichts der Lebensstellung des Geschichtsschreibers das, was er über das Werk
Dürer’s meldet, doppelt beachtenswerth erscheinen, Job. Latoraus weiss be-
treffs desselben Folgendes zu berichten »Anno 1509 erecla est crux in coemi-
terio sancti Bartholomaei a Jacobo Heller scabino, singulari benefactore eccle-
siarum et pauperum. idem condidit domum eX opposito parvae portae Prae-
dicatorum , in qua hypocauslum constituit publicum, in quo pauperes se
calefacerent bieme. fecit tabulam insignem Alberti Dureri manu pictam in
eodem monasterio, quam marchio Brandenburgensis emere voluit mille thaleris.
Nostra aelate quidam mercator 3000 florenis emere voluit.« Die letzteren
beidefi Angaben, deren Zuverlässigkeit sich aus der Würde des Job. Latomus
unbedenklich ableiten lässt, zeugen von der Werthschätzung des Bildes während
des 16. Jahrhunderts.
Es ist nicht anzunehmen, dass noch bei Lebzeiten des Stifters Jakob
Heller, der am 28. Januar 1522 starb, der Markgraf von Brandenburg den
Mönchen ein den Verkauf des Altarwerkes betreffendes Anbot gemacht habe,
dessen Zurückweisung unbedingt erfolgt wäre, da der fromme Stifter nach
Allem, was sonst über seine Religiosität und die Bethätigung derselben be-
kannt ist, gewiss nicht die Einwilligung zum Verkaufe eines Werkes gegeben
hätte, dessen Erwerbung und gediegene Ausführung ihm selbst Gegenstand
umsichtigster Fürsorge gewesen war. Das Anbot des Markgrafen von Branden-
burg kann also erst nach Heller’s Tode gemacht worden sein. Fasst man
die Markgrafen von Brandenburg in’s Auge, welche bis zum Niederschreiben
der Notiz des Joh. Latomus in Betracht kommen können, so- ist es schwer,
letztere Angesichts der knappen, jeden näheren Anhaltspunkt ausschliessenden
Fassung auf eine bestimmte Persönlichkeit zu beziehen.
Hinter dem Sammeleifer der Fürsten, welcher namentlich in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts die Erwerbung manches guten Stückes in’s Auge
fasste und durchführte, stand jener des reichbegüterten Bürgers, dessen Wohl-
stand erst die Stürme des dreissigjährigen Krieges in den Grundvesten er-
schüttern und vernichten sollten, keineswegs zurück. Darum ist es nicht zu
verwundern, dass nach dem erfolglosen Bemühen des Markgrafen von Branden-
burg ein reicher Kaufherr durch eine höhere Summe die Tafel, deren Werth-
schätzung durch das Wörtchen »insignem« trefflich hervorgehoben und be-
leuchtet erscheint, für sich zu erwerben traohtete. Aus der Verschiedenheit
der gebotenen Summen ergibt sich unzweifelhaft die interessante Thatsache,
dass in der zwischen beide Erwerbungsversuche fallenden Zeit der Werth der
Schöpfungen von Dürer’s Hand gestiegen war und der Ruhm und die Bedeutung
des heimgegangenen Meisters von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wuchsen,, ein schönes
Zeichen, wie spätere Geschlechter es sich angelegen sein Hessen, den eigen-
artigen Geist eines der grössten Künstler des deutschen Volkes zu erfassen
I. Band: Chroniken des Mittelalters, S. 100. Quidam ex nostris ante annos centum
eum hic consecratum scribit, quod alioquiri non legi. — S. 104. Anno 1504. De-
scriptio belli Bavarici ab oculato teste. — S. 109. Hoc a plurimis fide dignis
habeo, qui ex ore eius audierunt.
Ebendas. S. 110; desgleichen Huber, Font, rer. Germ., IV. S. 428.
4G
Joseph Neuwirth:
und an seinen Darbietungen sich zu erheben. Vielleicht darf man aus dem
Anbote des reichen Handelsherrn, falls derselbe nicht nur als Unterhändler
auftrat, sondern die Erwerbung des Dürerwerkes für seine eigene Person beab-
sichtigte, eine Bestätigung dafür ableiten, dass unter den wohlhabenden Bürgern
jener Tage nicht bloss ein Sammeleifer, sondern auch wirkliches Verständniss
für grossartige Kunstwerke und das Bestreben bestand, solche selbst für ver-
hältnissmässig hohe Summen zu erwerben. Verbürgen doch so viele Werke
der Profankunst, die sich aus jener Zeit in die Gegenwart herübergerettet
haben, unwiderleglich, dass der deutsche Bürger ein für Kunst empfängliches
Auge hatte und dieselbe in seinem Hause nicht missen wollte.
Die zweite Nachricht über das Himmelfahrtsbild Dürer’s kommt gleich-
falls von einem Angehörigen des Barlholomäusstiftes, nämlich von dem 1601
verstorbenen Philipp Schurg, Ganonicus und Gustos des Stiftes. In seinen
Collectaneen, deren Notizen besonders für die ersten zwei Jahrzehnte des"
16. Jahrhunderts von Wichtigkeit sind, erwähnt er nach 1518 das Bild also®):
»Francofordiae ad Moenum in caenobio Praedicatorum est praeclarissima pictura
Alberti Dureri, excellentis picloris Norinbergensis, qua expressa est assumptio
beatae Mariae virginis cum ornamentis flosculorum. hic obiit 6 aprilis 1527
aetatis 56 Noribergae. hanc tabulam Jacobus Heller fieri curavit pro 400 florenis.
nobilis quidam pro hac pictura priori et conventui voluit dare noningentos coro-
natos.« Bei dieser Angabe ist die Thatsache von Interesse, dass die drei letzten
kurzen Sätze von »hic« bis »coronalos« später hinzugefügt, sowie lihks und
rechts am Rande nachgetragen sind; dessgleichen wurde das »excellentis« hinter
dem Namen des Künstlers »über der Zeile stehend später eingefügt Diese
Art und Weise der Eintragung verbürgt aber, dass Philipp Schurg Dürer und
seinem Werke die wärmste Theilnahme entgegenbrachte; er begnügte sich
nicht mit einer blossen Erwähnung desselben, sondern näherte sich dem Bilde
noch durch genaue Angabe des Gegenstandes der Darstellung und die Be-
merkung »cum ornamentis flosculorum«. Die »tabula insignis« des Job. Latomus
ist bei ihm zur »praeclarissima pictura« geworden; -mit der darin liegenden
Steigerung bewundernder Anerkennung, die man dem Heller’schen Altäre
zollte, hielten die wachsende Bedeutung der Werthschätzung Dürer’s und das
verständnissvollere Erfassen der Künstlerpersönlichkeit gleichen Schritt. Die
Kenntniss der Lebensverhältnisse des grossen Meisters hatte sich in weitere
Kreise verbreitet; denn sie klingt gegen Joh. Latomus in dem Beisatze »pictoris
Norinbergensis« hinter dem Künstlernamen, in der allerdings nicht ganz rich-
tigen Angabe seines Todestages und Lebensalters ebenso durch, wie sie gleich
dem später vor »pictoris« eingefügten »excellentis« auf die vermehrte Beach-
tung Dürer’s als wahren Künstlers hindeutet. Die Angabe der Summe, welche
Jakob Heller für die Anschaffung des Altarwerkes gezahlt haben soll, ent-
®) Grotefend, Quellen zur Frankfurter Geschichte. Frankfurt a. M. 1888,
II. Band: Chroniken der Reformationszeit nebst einer Darstellung der Frankfurter
Belagerung von 1552, bearbeitet von Dr. R. Jung, S. 494. — Ifeber den Werth
seiner Nachrichten : Einleitung p. XXVIII und XXIX.
Thausing, Dürer, II. S. 295 und 296.
Notizen zur Geschichte zweier Dürerbilder.
47
spricht zwar nicht den Thatsachen ®) , die sich aus Dürer’s Briefen rücksicht-
lich seiner Entlohnung ergeben; -wäre es aber nicht denkbar, dass der Ge-
sammtbetrag von 400 fl. nicht bloss der eigenhändigen Arbeit des Meisters,
sondern auch der seiner Gehilfen an den Flügeln und den Kosten des Trans-
portes sowie der Aufstellung gelten? Jedenfalls bezeugt er, dass Schurg weitere
Erkundigungen über den Heller’schen Altar einzog und getreulich das Ergebniss
derselben verzeichnete. Den Namen des kauflustigen »nobilis« erwähnte er
leider ebenso wenig, als Joh. Latomus den des »mercator«.
Auf die Angabe des Latomus kommen zurück die »Notizen aus der Chronica
Francofurtensis pars terlia des Stadtschreibers Adam Schile über die Zeit von
1500 bis 1551«; sie fügen der Uebersetzung der betreffenden Stelle noch bei®):
»Georg Bewerlin von Augsburg hat im namen kaiser Budolphi II 10 000 gülden
geboten, in anno 16 . . ist diese tafel nach München transferirt und eine
copie an deren statt gemacht worden«. Die Aufzeichnungen dieses Gewährs-
mannes, der als Raths- und Stadtschreiber am leichtesten wichtigere Dinge
erfahren konnte, enthalten für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts über-
haupt manches Interessante^); für das Dürerbild setzen sie, sich auf ältere
Quellen zurückbeziehend, bei der bekannten Thatsache ein, dass Kaiser Rudolf II.
und Maximilian von Bayern sich um die Erwerbung der Tafel bemühten, das
bedeutende Anbot des ersteren erfolglos blieb und letzterem das Original für
München überlassen wurde ®), während Frankfurt nur eine Copie behielt. Die
Vervollständigung dessen, was man über den Heller’schen Altar wusste, durch
Schile und seine Zeitgenossen verbürgt als sicher, dass in Frankfurt der Ruf
des Dürerwerkes nur noch gestiegen war; denn wenn Schile’s Notizen, die in
der Erzählung von Feuersbrünsten so langathmig werden, einer Kunstschöpfung
so viel Beachtung und Raum gönnen, muss sie für Stadt und Zeit eine ganz
besondere Bedeutung gehabt haben.
Das ergibt sich auch aus der Art und Weise, mit welcher Carel van
Mander®) des Heller’schen Altares gedenkt; seine Angaben werden von Sandrart
sozusagen wörtlich herübergenommen und sind nur durch den Zusatz^®): »Ist
aber nachmalen dem durchleuchtigsten Churfürsten in Bayern, Maximiliane,
überlassen worden und stehet nun in der Galeria zu München« den geänderten
Verhältnissen entsprechend erweitert worden.
®) Ebendas. II. S. 11 u. f. — Thausing, Dürer’s Briefe, Tagebücher und
Reime, nebst einem Anhänge von Zuschriften an und für Dürer, S. 30 u. f.
®) Quellen zur Frankfurter Geschichte, II, S. 501.
’’) Ebendas. Einleitung p. XXIX und XXX.
®) Ebendas. S. 501, Anm. a wird die Uebertragung auf 1613 angesetzt. —
Eye, Leben und Wirken Dürer’s. Nördlingen 1869, S. 257 gibt dieselbe Jahres-
zahl; Thausing, Dürer, II. S. 12 dagegen 1615. Ist letzteres nicht einfach ein
Druckfehler statt 1615, so muss wohl noch genauer festgestellt werden, welches
Jahr als das der Uebertragung nach München zu gelten hat.
®) Garei van Mander, Hel Schilder-Boeck. Haeriem 1604, Fol. 209.
Sandrart, Teutsche Akademie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste.
Nürnberg, 1675, I, S. 224.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen,
neue Funde.
Oemäldesammlungen in Wien.
III. 0
1870.
Am 28. und 29. Januar: Auction Dr. Jos. Neudorf (abgehalten von
Frdr. Schvirarz); ca. 70 moderne und 85 alte Gemälde werden versteigert. Unter
den letzteren befand sich ein Altdorfer (Landschaft mit Stadt), ein Brouwer,
Both, ein Claude Gelee (der durch Baranowsky’s und Petzold’s Hände ge-
gangen war), ein Cranach, Flink, Guardi, P. de Laar, ein Mabuse (der
an Herbeck kam), ein Miereveld t, N. Poussin, Poelenburg, Perugino,
Ruisdael, Rubens u. s. w.
Artaria in Wien besitzt ein Exemplar des Auctionskataloges mit hand-
schriftlichen Eintragungen.
Am 7. März und an den folgenden Tagen: Versteigerung 221 moderner
Gemälde durch Miethke und Wawra im Künstlerhause.
Am 10. und 11. März: Auction Dr. Carl Esterle (abgehalten von Alex.
Posonyi). Moderne und alte Bilder.
Am 21. und 22. März: Versteigerung der Sammlung Rauter und Develey
aus München durch Fr. Schwarz im Wiener Künsllerhaus. Der kleine, elende
Katalog verzeichnet 99 Gemälde von älteren Meistern und bemerkt, dass viele
davon im Jahre 1869 zu München in der »Ausstellung von Gemälden älterer
Meister« gewesen seien.
Am 26. April: Versteigerung der Sammlung des Secretärs Jos. Carl
Lauer aus Brünn. Katalog bei Artaria. 90 alte Gemälde, worunter ein
monogrammirter Brosamer und zwei Rutharts.
Am 16. und 17. November: Auction Marc. Amodeo aus Triest (ab-
gehalten von Friedr. Schwarz).
Am 28. und 29. November: Versteigerung von 160 modernen Bildern
im Künstlerhause durch Friedr. Schwarz.
Vergl. Repertorium XIII, S. 293 ff.
Berichte und Mittheilungeii aus Sammlungen und Museen etc.
49
Am 5. und 6. December: Auction Dr. Max. Jos. Schüler. Der Katalog
verzeichnet 51 alte und ungefähr ebensoviele moderne Bilder. Ein Gornelisz
V. Haarlem und ein Asselyn gingen an Henkl, zwei Brand an Herbeck, ein
J. Brueghel an Stängl (so nach den Eintragungen im Exemplar bei Artaria).
1871.
Im Januar wurde die Galerie des Grafen Brunetti (in Wien?) verstei-
gert. So nach Angabe des Katalogs der Auction Gsell (S. 23, Anm. zu Nr. 98),
wo folgende Gemälde aus der Sammlung Brunetti wieder auftauchen : ein
sehr bedeutender Ruisdael »Landschaft mit Wasserfall«, ein Gemälde, das
vordem eine Zierde der Esterhazy-Galerie gewesen sein soll. Gsell kaufte es
von Brunetti um 20,000 fl. (Abbildung im Katalog Gsell); — ein Giov. Bel-
lini: Heilige Familie, ein »Battista di Bonifacio«: »Heilige Familie mit
Hieronymus, Antonius und Magdalena«, einLucaGiordano: Sturz der Engel,
ein C. Dughet: italienische Landschaft mit Gebäuden.
Im März: Versteigerung zahlreicher moderner und einiger alter Gemälde
aus den Sammlungen »des Herrn Baron v. Limborch in Haag und des
Herrn Ed. Hirschler in Wien« (durch Miethke und Wawra). Das bedeutendste
Bild scheint ein Gerrit Dow »aus der Sammlung der Familie van Limborch
van der Meersch in Holland« gewesen zu sein, das im Katalog folgendermassen
beschrieben ist: »Eine vornehme Dame, ganze Figur ... an einem Spinett
stehend. Die eine Hand lehnt auf einem . .. . Notenhefte, die andere auf den
Tasten des Spinetts.« Der Katalog verzeichnet auch den weissen Fuchs von
J. Weenix, der aus der Sammlung Fries stammen soll und der sich gegen-
wärtig bei Ed. Hirschler in Wien befindet (siehe oben im Abschnitt über die
Galerie Fries).
Im April wurde die reiche Kunstsammlung Heinr. Adamberger ver-
steigert. (Alex. Posonyi’s XXVIl. Wiener Kunstauction.)
Die Sammlung enthielt neben vielen und sehr bedeutenden kunstgewerb-
lichen Arbeiten nur 26 Gemälde von älteren und noch weniger von modernen
Meistern. Der illustrirte Katalog behandelt sie als Nr. 1 bis 40. Vorangestellt
erscheint Fr. Francia s Altobellus Averoldus,^ der uns bei Festetics bekannt
geworden und den wir bei Gsell wieder finden werden. (Abbildung von mäs-
siger Güte im Katalog Adamberger.) Ausserdem waren vorhanden : ein' deutscher
Monogrammist AL von 1515 mit einer Anbetung durch die Könige, der als
Altdorfer im Katalog steht, ein Gerrit Cuyp: Vornehmes Paar in einer
Landschaft (später bei Klinkosch ?), ein Ph. Hammilton , ein M. Hondekoeter,
ein Poelenburg: Elias in der Wüste, endlich vier Amerling’s, ein Füger,
ein Halauska u. s. w.
Am 8. Mai und den folgenden Tagen : kleine von Georg Plach ver-
anstaltete Auction von 87 alten und mehreren modernen Bildern.
Am 5. Juni und an den folgenden Tagen: Auction der Sammlung
Erasmus von Engert. Vergl. den Katalog der »Collection des verstorbenen
Er. v. Engert, Directors der k. k. Gemäldegalerie « Das Vorwort gibt
emen knappen Lebensabriss des Malers und Restaurators. Dem Katalog ist
eine W. Ungersche Radirung nach einem Kopfe von Tizian vorangestellt.
50
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
einem Bildchen, das uns wieder bei Herbeck begegnet. Aufgezählt und be-
schrieben werden u. A. ein monogrammirter Avercarnp; Winterlandschaft
mit Schlittschuhläufern, ein signirter Craesbeck: Bauernschlägerei, ein be-
zeichneter Brouwer, ein Elsheimer; »Christus auf dem Meere, von Petrus
geweckt« (von Agricola radirt), zwei v. Goyen, zwei bezeichnte J. A. D. Gryef:
»Geflügelhof, in welchem ein Luchs eingefallen ist« und, »Federvieh, im Vorder-
grund ein Paar kämpfende Hähne«, ein ^weibliches Bildniss von Fr. Hals
(von 1635), ein W. Kalf, van der Meulen: »Reiterschlacht«, ein sogen.
Gertgen v. Haarlem und ein dem Memling zugeschriebenes Bild, ein bezeich-
neier Moiron, eine Mondlandschaft von A. v. d. Neer, E. v. d. Poel: »An-
sicht von Delft nach der grossen Pulverexplosion im Jahre 1654.« J. v. Ros-
sum: Vornehmer Herr auf dem Spaziergang; bezeichnet und datirt mit 1665,
einige Teniers jun. u. s. w.
Einen ausführlichen Bericht über die Versteigerung der Engcrt sehen
Sammlung brachte die Zeitschrift f. bild. Kunst (Bd. VI, S. 278 ff. u. 311 ff.),
die auch später noch (Bd. VII, S. 218 und X, S. 256) auf Gemälde aus der
Engert’schen Sammlung zurückkommt. Die Radirung nach Tizian s Brustbild
ist auch in die Zeitschrift übergegangen (Bd. VI.). Vergl. auch R. v. Eitel-
berger’s Ges. Schriften I. 191.
Von den versteigerten Bildern kamen folgende ins Belvedere: A. Brou-
wer: trinkender Bauer (neu Nr. 724) und J. v. Rossum; Spaziergang (neu
Nr. 1149). Bei Dintl (1873) findet sich ein van Goyen wieder.
Ein Egb. v.d. Poel kam an R. v. Epstein und war 1873 im Oesterr. Museum
ausgestellt (als Nr. 152), ein Avercarnp an Jos. R. v. Lippmann (ausgestellt als
Nr.\74), ein Fr. Hals an Alb. Fr. v. Rothschild (ausgestellt als Nr. 100).
Bei Artaria tauchen vier Bilder aus Engert’schem Besitz wieder auf:
männliches Bildniss von A. Brouwer, Bauernschlägerei von Graesbeck,
Landschaft von Hobbema "), eine Feuersbrunst von E. v. d. Poel.
Zu Herbeck kamen der oben erwähnte Geflügelhof von-Gryef und das
Brustbild eines jungen Mannes von Tizian (siehe weiter unten bei 1878).
Am 19. und 20. December: Versteigerung von alten und modernen 'Bil-
dern »aus dem Nachlasse des Herrn B. v. Schweriner nebst der II. Serie
der Sammlung des Herrn Marcus Amodeo in Triest« durch Fr. Schwarz.
Nach den Angaben des Kataloges scheinen unter den 106 modernen und 33
alten Bildern mehrere interessante gewesen zu sein, »Gassei: Christus heilt
Krüppel. Holz, H. 18^', B. 23“, signirt Ano Dni 1538 LG« — Stalbemt:
»Motiv aus Holland . . . Kupfer, H. 8“, B. 11“ signirt: A. Stalbent«, auch ein
signirter Esaias v. Velde (Landschaft mit räuberischem Ueberfall von Kauf-
leuten). Auch der Anhang und Nachtrag zum Katalog ist zu beachten.
1872.
Am 5. Februar und an den folgenden Tagen : Versteigerung der Sammlung
Wilhelm Koller, in der Wohnung des (ehemaligen) Besitzers, Wien, Maria-
Ueber diese vergl. Zeitschrift f. bild. Kunst X, S. 256. Im Katalog der
Audion Engert als R. de Vries (Nr. 84).
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde,
51
hilf, Windmühlgasse 2, durch Al. Posonyi. Vergl. den illustrirten ziemlich
ausführlichen Katalog, der neben der grossen Sammlung von Stichen, Zeich-
nungen und »Antiquitäten«* 102 Gemälde von alten und 64 von modernen
Meistern verzeichnet. Unter den letzteren war eine lange Reihe von M. Neder-
sehen Arbeiten, deren Beschreibung von einer kurzen Biographie des Künstlers
begleitet ist. Unter den alten Gemälden waren zwei N. Berghems, deren
einer von Danckerts und von Hertzinger gestochen ist (nach Angabe des
Kataloges stammt das Bild aus der Sammlung Viczay), eine »frivole Bauern-
gesellschaft <* von A. Brouwer (aus der Sammlung Gollalto), ein sogen. Hol-
bein »Porträt einer älteren Frau«, eine Madonna von Innocenzo da Irnola,
eine Skizze von Rubens »Anbetung der Hirten«, Jac. Ruisdael (Landschaft^
die ehemals bei »Baron Weber« — wohl Josef Weber — gewesen sein soll)!
Tizian: Studie zu einer Ehebrecherin vor Christo, Tizian: »Porträt des
Bastiano Sangallo«. Ausserdem enthielt die Sammlung mehrere sehr seltene
Meister, so (nach Angabe des Kataloges) einen mit J. P. bezeichneten Per-
cellis und ein Stillleben von Ca. Semmens (»Schmucksachen , Fayencen,
ein Gemälde von Höllenbrueghel . . . zerstreut auf einer Tischplatte«). Irre
ich nicht, so besitzt dieses interessante Bildchen gegenwärtig Hr. Dr. v. Maren-
zeller in Wien.
Einen kleinen monogrammirten Ostendorfer aus Koller’s Besitz (Nr. 72)
fand ich vor einiger Zeit bei H. 0. Miethke wieder. Das Bildchen stellt Judith
mit dem Haupt des Holofernes vor und zeigt rechts oben die Hälfte des Mono-
grammes und der Jahreszahl (15 . .). H. 0,265, Br. 0,215. Zu Miethke kam
das Bild aus der Sammlung Fr. Lippmann.
Eine Skizze von Bramer: Musiker mit Musikinstrumenten werden wir
bei Herbeck 1878 wieder finden.
Ein Gemälde Adam und Eva, später dem Aldegrever zugeschrieben,
taucht 1884 wieder auf einer A. Posonyi’chen Auction auf,
Netscher’s Selbstbildniss kam aus der Sammlung Koller an Dr. Edm.
Posonyi, der es 1873 im Oesterreichischen Museum ausstellte (Ausstellungs-
Katalog Nr. 55). ®
Ueber den älteren Bestand der Koller’schen Sammlung sind Waagen’s
vorn. Kunstdenkmäler in Wien (I, 338 f.) zu benützen.
1872.
Am 4. März und an den folgenden Tagen: Auction der hochbedeutenden
Sammlung F. J. GselP), veranstaltet von G. Plach. Vergl. den grossen, aber
unkritischen illustrirten Katalog: »Versteigerung der grossen Galerie und der
u rigen Kunstsammlungen des am 20. September 1871 verstorbenen Herrn
t. J. Gsell zu Wien in den Sälen des Künstler hauses . . .« Im Vorwort heisst
es von der Sammlung: »Den Grund zu dieser legte der verstorbene Kunst-
freund, der, von Geburt ein Elsässer, sehr bald in Oesterreich seine zweite
Heimat fand, im Jahre 1849 gelegentlich der Versteigerung der Baronowsky-
) Ich komme bei Gelegenheit ausführlicher als hier auf diese
Versteigerung zurück.
bedeutende
52
Berichte und Mitlheilungen aus Sammlungen und Museen,
sehen Galerie« (sic!) ». . . bald darauf erfolgte der Verkauf der gräflich Feste-
tics’schen Galerie, deren höchst werth volle Hauptbilder zum weitaus grössten
Theil in die Hände Gsell’s und Dr. Sterne’s übergingen«. Die Jahreszahl 1849
ist höchst wahrscheinlich unrichtig. Es soll vermuthlich 1855 heissen (siehe
oben), wodurch auch die zeitliche Beziehung zur Auction Festetics von 1856
erklärt wird. Waagen, der 1821, 1839 und 1860 in Wien Studien gemacht
hat, meint offenbar das Jahr 1839, wenn er sagt: »Schon bei meinem letzten
Besuche in Wien hatte Herr Gsell . . . etwa zwanzig ältere Bilder von mehr
oder minder ausgezeichnetem Werthe erworben.« (Die vornehmsten Kunst-
denkmäler von Wien 1, 315.) Demnach reichen wohl die Anfänge der Samm-
lung Gsell weit vor 1849 zurück. Die Entwicklung der stetig anwachsenden
Galerie hatte Waagen im Jahre 1860 beurtheilen können, öeber den Zuwachs
während der Zeit von 1860 bis ca. 1865 unterrichteten ihn Weltmann und
Mündler, deren Diagnosen er bei vielen Gemälden verzeichnet.
Heber die Auction berichteten Bode und G. v. Lülzow in der Zeitschrift
f. bild. Kunst von 1872 (Bd. VII, S. 181 ff. und 218 ff.). Vergl. auch Kunst-
chronik Sp. 54, 169 ff., 291, 467 desselben Jahrganges (und Bd. VI, S. 199).
Den gegenwärtigen Aufbewahrungsort der vielen Gemälde jetzt von Fall
zu Fall nachzuweisen, ist wohl sehr schwierig. Ich gebe einige Andeutungen ;
Der kleine Benozzo Gozzoli, der aus der J. D. Böhm’schen Sammlung zu
Gsell gekommen war, hängt gegenwärtig im Belvedere, ebenso die Sägemühle
von Everdingen. Das kleine runde Solbstbildniss des jüngeren Holbein
vom Jahre 1533 (worüber zu vergl. Weltmann, Holbein, 2.Aufl. I, 3/0, 11, 154
und Waagen a. a. 0.) ist im Besitz von Fräulein Gabriele Przibram in Wien
(Parkring 18). Das grosse Gonversationsstück, das als P. de Grebber im Gsell-
sehen Auctionskatalog beschrieben, aber nach Bode’s sehr bestechender An-
nahme von P. de Godde gemalt ist (vergl. Zeitschrift f. bild. Kunst VII, 183),
befindet sich seit einiger Zeit in der Galerie der Akademie der bildenden Künste.
Bode’s Studien erwähnen es noch als Bestandtheil der Liechtensteingalerie
(vergl. hiezu einen Vortrag von G. v. Lützow im Wiener wissenschaftlichen
Glub »Die Gemäldegalerie der k. k. Akademie der bildenden Künste«. Einen
Auszug aus dem Vortrage brachten die Monatsblätter des Glubs in der Nummer
vom 15. December 1888). Das bedeutende Gemälde kam als Geschenk des
Fürsten Liechtenstein in die Akademie.
Das Vanitasbild des Pieter Potte r, irn Gsell’schen Katalog als Nr. 83
verzeichnet, habe ich vor Kurzem bei Eugen Miller von Eichholz in Wien
gesehen. Dort ist auch der schon erwähnte Studienkopf von Rubens.
In der Galerie des Städel’schen Instituts zu Frankfurt begegnen wir aus
der Galerie Gsell einem unbekannten Umbrier (Nr. 15), einem Florentiner
(Nr. 13), einem Al. Baldovinetti (Nr. 10) und einer Skizze von Rubens
(Diogenes — Nr. 129).
Ludwig Lobmeyr kaufte bei Gsell drei Oelgemälde: einen Wynants,
einen Poelenburg und einen Pettenkofen, sowie viele Aquarelle von Ru-
dolf Alt; ferner drei Blätter von Fr. Gauerrnann: Lämmergeier, verendeter
Fuchs und Wasserfall.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
53
Bei Flach sah man im Jahre 1885 einen Amberger, der aus Gsell’s
Besitz stammte.
Mehrere aus der Galerie Gsell stammende Bilder waren vor drei Jahren
auf der Auction Artaria. Es waren: Wouwermann’s Reitschule, Tenier’s
jun.; der Raucher, ein Adr. v. Ostade, ein Gemälde vom Monogrammisten
G L und Granach’s Gastmahl des Herodes.
1872 (?) fand auch die Versteigerung der Kotzian’schen Sammlung
statt, auf der mehrere Landschaften des älteren Marko »bis über 4000 fl. das
Stück verkauft worden sind« (Zeitschrift f. bild, Kunst, 1872, im Bericht über
die Auction Gsell). Einige moderne Bilder aus der Kotzian’schen Sammlung
fand ich 1890 bei H. Director Rogge in Wien (F. Verheyden »Die Rückkehr
des Bräutigams«, Th. Fetter: »Alpenblumen«).
1872.
Am 6. Mai und an den darauf folgenden Tagen : Versteigerung von
modernen Bildern »aus dem Besitze des Herrn Baron Andrioli in Venedig«
(veranstaltet von Fr. Schwarz).
18 72.
Am 8., 9. und 10. November: Versteigerung der Galerie »des verstorbenen
Herrn Baron Heinrich von Mecklenburg« (veranstaltet von Miethke und
Wawra. XXVIII. Auction). Meines Wissens war die Sammlung vorher in Berlin.
Der Katalog verzeichnet 113 interessante alte Gemälde von seltenen
Meistern und enthält einige kleine Radirungen von W. Unger. Die Bildertaufen
soll noch Waagen beaufsichtigt haben. (Die Auction ist kurz erwähnt in
Lützow’s Kunstchronik VIII, 12.)
Ein Vanitasbild nach einem Beham’schen Stich taucht später (1889)
wieder bei J. G. v. Klinkosch auf. Ein sogen. Rubens, »Hirt, ein Mädchen
umarmend«, kam an Dr. Figdor.
1872.
Am 29. und 30. November: Versteigerung von modernen Gemälden »aus
dem Nachlasse des Herrn Grafen Francesco Raniero in Venedig« (durch
Fr. Schwarz).
Im November (?): Versteigerung von modernen Gemälden durch G. Flach.
(Vergl. eine Notiz in Lützow’s Kunstchronik VIII, 110 f.)
Am 20. und 21. December: Versteigerung von alten und modernen Ge-
mälden im Künstlerhaus, grösstentheils aus dem Besitz Sedelmeyer’s in Faris.
Vergl. Lützow’s Kunstchronik VIII, Sp. 141 ff., wo ein Bericht über diese
Auction gegeben wird, dem die folgenden Angaben entnommen sind. Nr. 140
war ein Rernbrandt: junge Frau neben einem Tisch, auf dem ein Schmuck-
kästchen steht, (8000 fl.) »Dasselbe stammt aus der 1828 in Amsterdam
versteigerten Galerie Six, gehörte dann dem Dr. Leroy in Faris und wurde
in dessen Katalog von W. Bürger beschrieben.« Von Jacob Ruisdael wird
ein sonniges Erntefeld und ein imposanter Eichenwald hervorgehoben. Letzterer
(Nr. 142) erzielte 25,000 fl. »Auch Ter bürg ... ist durch ein berühmtes
Bild repräsentirt, durch den zuletzt in Mündler’s Besitz gewesenen »Briefboten«
(Nr. 156, 12,000 fl.), den Smith (IV, S. 129, Nr. 33) beschreibt und der von
54
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen
Romanet in der Galerie Lebrun II, 33 gestochen wurde.« Noch werden einige
van Goyens erwähnt und mehrere Italiener, worunter »Raphael’s Porträt
des Mare Anion aus der Sammlung des Herrn J. Reiset in Paris, des Bruders
von Fr. Reiset, Conservators am Louvre«.
Versteigerung der Sammlung moderner Gemälde von Morocutti aus Graz.
(Kurz erwähnt in der Kunstchronik a. a. 0.)
1873.
Am 21. März: Auction H. F. Heidi. Der von Miethke und Wawra
ausgegebene Katalog verzeichnet nur moderne Bilder.
Am 31. März und 1. April : Versteigerung der Sammlung »Fischer in
Triest« (nur moderne Meister) durch Fr. Schwarz.
Am 21. und 22. April: Auction moderner Bilder aus den Sammlungen
der Frau Solly Hertz, geh. von Hofmannsthal, und des Herrn »J. F. in
Wien« (veranstaltet von Miethke und Wawra).
Am 28. April: Versteigerung der Sammlung Josef Dintl (127 alte
Gemälde) durch Miethke und Wawra. Der Katalog ist verhältnissmässig sorg-
sam verfasst und nennt einige Provenienzen, die weiter oben schon benutzt
worden sind (hei Kaunitz, Festetics). Von den zahlreichen Bildern bei Dintl,
die sich eines guten Rufes erfreut hatten, ist die Gewitterlandschaft m.it dem
Schloss Perg des jüngeren Teniers gegenwärtig in Wien beim kaiserl. Rath
Preyer zu finden (auf Holz, Br. 0,54, H. 0,42). Wie ich aus handschriftlichen
Eintragungen im Katalog der grossen Kaeser’schen Auction vom Mai 1868 ent-
nehme (Exemplar bei Dr. A. Figdor), kaufte Dintl auf jener Versteigerung
einen Klomp, einen sogen. Sah v. Ruisdael und einen Wynants.
1874.
Am 30. und 31. März: Versteigerung von 122 modernen Bildern durch
Fr. Schwarz.
1875.
Am 8. April und an den folgenden Tagen : Versteigerung der Sammlung
des Regimentsarztes Dr. Carl Joh. Beer (durch A. Posonyi im Gebäude der
Gartenbaugesellschaft). Der Katalog stellt 24 moderne Gemälde voran, worauf
11 alte Bilder folgen, die nur sehr obeiflächlich beschrieben sind. Hierauf
werden die »Antiquitäten« verzeichnet und Kunstwerke »aus dem Besitze
mehrerer Kunstfreunde«. Darunter sind nun wieder etliche alte Gemälde.
Als »Eigenthum eines Pisaner Kunstfreundes« wird ein A. Altdorfer be-
schrieben: Madonna mit dem Christkinde, das eine rothe Frucht hält. Nach
Angabe des Kataloges steht oben folgende Inschrift: »1522 COLOMANO •
RAPPF • REVER • ILL • PRINCIPIS ■ ERNESTI BAVARIE • DUCIS • A •
DM1 • PAT • ASACRCIS RDO • P • LUDOVICO • FRÖSCHE • SALUTATIO-
NIS • MARIE ■ FUNDATOR AC ■ SIBl PIE • P • P ANNO • 1531.« Weiter
heisst es: »Oberhalb die 'Jahreszahl (NB. welche?) und das Monogramm (das
doppelte A).« Holz, H. 16", Br. 12’/2". Es lässt sich annehmen, dass die
Inschrift in ebenso oberflächlicher Weise wiedergegeben, wie der ganze Katalog
verfasst ist, wesshalb ich nicht die mindeste Verantwortung für deren Richtig-
keit übernehmen möchte.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
55
Nach dem Altdorfer werden noch Gemälde von J. C. Brand, von Col-
lier (ein Stillleben), Diepenbeck, Elsheimer »(Mondlandschaft, Räuber-
überfall, Holz, Br. 12'', H. 8'|2")«, ein monogrammirter Percellis (wohl
derselbe, der schon oben bei Koller (?) erwähnt wurde), ein Salom. Ruis-
dael, ein Ahr. Stork, ein E. v. d. Velde u. A. erwähnt.
Am 22. und 23. April: Versteigerung von 256 modernen Gemälden
durch Fr. Schwarz.
Am 26. April und an den folgenden Tagen : Auction einer »Sammlung
alter Meister aus dem Wiener Privatbesitze« durch Schwarz. Ein Exemplar
mit handschriftlichen Eintragungen bei Hirschler lässt erkennen, dass die er-
zielten Preise sehr mässige waren. Als Nr. 2 wird verzeichnet: »Altdorfer,
Englischer Gruss. Holz, signirt A. A.«, hoch 95, breit 80 cm.
1875.
Eine Auction von wenig bedeutenden alten und modernen Gemälden
aus der Sammlung des Taschenspielers Herrmann. Ein N. Berghem »Land-
schaft mit tanzender Hirtin« (gestochen von J. Vischer) soll aus der Esterhazy-
galerie stammen.
1876.
Ende Januar: Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Jacob
Alt (Oelgemälde, meist Aquarelle) durch Schwarz im Schönbrunnerhaus. Der
Katalog bringt eine kurze Biographie des Künstlers. Der Nachlass enthielt
viele datirte Arbeiten.
Am 9. März und an den folgenden Tagen: Versteigerung des k. Nach-
lasses von Thomas En der durch Schwarz im Künstlerhause. Auch diesmal
enthält der Katalog eine kurze Lebensbeschreibung des betreffenden Künstlers.
Am 27. April und an den folgenden Tagen: Auction Th ad. Devide
(veranstaltet von Fr. Schwarz). Der Katalog verzeichnet nur moderne Gemälde.
Am 8., 9. und 10. Mai: Versteigerung von 149 älteren und 173 modernen
Gemälden aus dem Besitz eines Herrn König und »aus der Heydner’schen
Goncursmasse« (veranstaltet von M. Löscher). Der Katalog ist fast ganz
unbrauchbar.
Im November: Versteigerung einer »ausländischen Sammlung« von alten
und modernen Gemälden (veranstaltet von Alex. Posonyi). Der Katalog stellt die
40 modernen Bilder voran ; es folgen 14 ältere Meister, von denen ich einen
Pieter Molyn notirt habe: Winterlandschaft. Bezeichnet links: »P Molyn«
(das P über dem M), auf Holz, Br. 0,54, H. 0,36. Ein W. v. d. Velde: hol-
ländische Ganallandschaft trug eine (echte?) Bezeichnung auf dem darge-
slellten Kahn.
Eine zweite Abtheilung des Kataloges verzeichnet »Gemälde aus dem
Besitze Oesterreichischer und Wiener Kunstfreunde«. Unter den modernen
war (durch seine Grösse) ein Kiörboe: »Tartarenhunde« auffallend-, sowie
zwei Canons, um nur einige zu nennen. Die alten Gemälde waren in auf-
fallend kühner Weise getauft.
Ein Nachtrag verzeichnet den interessanten Danhauser, der Liszt am
Clavier vorstellt und mehrere Tonkünstler aus den vierziger Jahren.
56
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
1877.
Am 7., 8, etc. Mai: Versteigerung von 401 modernen Gemälden aus dsm
»Nachlasse des Alex. Kaiser« durch Schwarz.
Am 11. Mai: Versteigerung von 108 alten Gemälden durch Schwarz.
Bei Hirschler ein Katalog mit Preisen , die meist sehr niedrige waren. Ein
M. V. Helmont aus der Galerie Gsell taucht hier wieder auf (»Spielende
Bauern«). Der Katalog gibt die Provenienzen.
1877.
Im October: eine zusammengewürfelte Versteigerung alter und moderner
Bilder (veranstaltet durch A. Posonyi).
Der Katalog setzt die modernen voran, unter denen ich eine Natur-
studie von A. Galame aus dem Jahre 1850, einen Kuyten brou wer von
1865, einen Mozin und Munkaczy’s »la mere nourrice« von 1877 hervor-
heben möchte. Die Beschreibungen sind sehr oberflächlich. Dasselbe gilt
bezüglich der wenigen alten Gemälde, unter denen sich ein Stillleben von
A.v. Beyeren, ein misshandelter Veronese (?), ein wohl echter van Goyen
(von 1632, Nr. 58), ein falscher van Goyen (Nr. 63), eine Angel. Kauff-
mann (Nr. 62), ein gutes männliches Bildniss von einem Spanier des 17. Jahr-
hunderts, ein Poelenburg, ein F. Post, zwei J.v. Rossums (deren Signatur
ich nicht prüfte) befinden. (Es ist zu berücksichtigen, dass durch den Rossum,
der wenige Jahre vorher für’s Belvedere angekauft worden war, der Name des
seltenen Holländers im Wiener Kunsthandel sehr bekannt geworden war.)
1878.
Am 25. Februar und an den folgenden Tagen: Versteigerung des künst-
lerischen Nachlasses von Josef Höger, dem bekannten Landschaftsmaler
(abgehalten im Künstlerhause).
1878.
Vom 12. bis zum 15. Februar: Versteigerung des künstlerischen Nachlasses
von G. F. Waldmüller aus dem Besitz der Wittwe Anna W. (veranstaltet
von A. Posonyi). Der Katalog verzeichnet neben vielen Gemälden anderer
moderner Meister auch eine Reihe interessanter, zum Theil unvollendeter Bilder
von Waldmüller: ein Selbstbildniss von 1828, ein Porträt von Waldmüller’s
Mutter aus dem Jahre 1830, mehrere Sittenbilder und viele Landschaften.
1878.
Am 18., 19. und 20. Februar: Versteigerung der Sammlung Joh. Ritters
V. Herbeck ^). Der Katalog verzeichnet 55 Gemälde von alten Meistern,
darunter sind L. Bramer: »ein Musiker mit musikalischen Instrumenten . ..
Skizze zu dem Bilde im Belvedere« (aus der Sammlung Koller), Vinkboons:
grosse Landschaft mit Abigail und David, A. v. Gelder: Halbfigur einer jungen
Frau, Gryef: »Federvieh in einem Hofe, von einem Fuchs beschlichen« (aus
der Sammlung Engert), Tizian: Brustbild eines jungen Mannes mit rother
^) lieber diesen hauptsächlich zu henützen : Ludwig v. Herbeck, Johann Her-
beck, ein Lebensbild, Wien, Gutmann 1885, v/o auch gelegentlich von Herbeck’s
Geschmack auf dem Gebiete der bildenden Künste die Rede ist.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde,
57
Mütze. Das Haar rothbraun, Auge braun ; Kleidung violett mit gelben Streifen
(aus der Sammlung Engert). Der Tizian kam nach Frankfurt in die Städel-
sehe Galerie.
1878.
Vom 21. bis 24. März: Versteigerung der Sammlung des Grafen Stefan
Keglevich (Wien I. Kohlmarkt 18). Vergl, die 1. Abtheilung des Auctions-
kataloges. Im Vorwort wird erwähnt, dass die Sammlung schon in der
österreichischen National-Encyclopädie erwähnt ist. Graf Johann Keglevich
(1786—1856) wird als Gründer der Sammlung genannt ^). Von alten Gemälden
werden im Katalog nur 61 verzeichnet : Die Hauptstärke der Sammlung lag
in den »Antiquitäten«. Ein bezeichneter B. Gael, ein F. de Hammilton, ein
M.v. Helmont, ein Kupetzky, ein Klas Molenaer, zwei Nimmegen, ein
Ruthart ®), ein Salomon Ruisdael, ein Th. Wyek wären etwa zu nennen.
Einen M. v. Helmont, der dem Bilde bei Keglevich genau entspricht,
habe ich unlängst (Febr. 1889) bei R. Hirschler in Wien im Laden gesehen.
Das Bild Avird im Katalog folgendermaassen beschrieben : »Ein alter Mann vor
einem Tische sitzend, auf welchem sich aufgeschlagene Bücher, eine Sanduhr
und ein Todtenkopf befinden. Leinwand, H. 44, Br. 38 cm. Signirt M,
V. Helmonl«.
Am 18. und 19. November: Versteigerung der Sammlung A n t. R.
V. Oelzelt. Vergl, den illustrirten Katalog für die von Käser geleitete Auction.
Das Vorwort sagt, dass Oelzelt den Grund für seine Sammlung bei der Auction
Arthaber legte. Fernere Erwerbungen seien gemacht worden aus den Samm-
lungen: Galvagni, Eckmayer, Fellner, Gsell, Kolowrat, Kotzian. Die Oelzelt-
sche Sammlung enthielt nur moderne Gemälde, deren viele für den Auctions-
katalog radirt sind, und zwar ein A, Achenbach, ein A. Galame, ein Fr.
Gauermann, ein L. Knaus, ein C, F. Lessing (der oben im Abschnitt
über die Arthaber’sche Sammlung erwähnte »Klosterbrand«), ein Makart,
ein Troyon, ein Willems.
1878.
Am 21. etc. November: Versteigerung moderner Bilder durch Fr. Schwarz
im Kunstverein, darunter viele Waldmüllers.
1879.
Am 26. Februar: Versteigerung einer nicht genannten gräflichen Samm-
lung und der Sammlung E. Goldschmid (durch Löscher und Flach). Wenige
Gemälde werden vom Katalog aufgezählt, dagegen viele kunstgewerbliche
Gegenstände,
Am 25. und 26. April: Versteigerung der Sammlung Dechamps (mo-
derne Bilder).
^) Dieselbe Mittheilung macht Böckh (1821, S. 319). Bei C. v. Wurzbach (im
Biograph. Lexicon) heisst es von Graf Johann Keglevich von Buzin : »Auch seine
Gemäldesammlung, 1813 gegründet, obwohl nicht sehr zahlreich, enthielt manches
kostbare Gemälde von berühmten Meistern.«
®) Vergl. Repertorium IX, S. 144. Das Bild kam an einen H. Binder.
58
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen und Museen,
Am 28. und 29. April: Versteigerung der Galerie Henri Lustig (im
Schönbrunnerhause). Vergl. hiezu den 292. Ausstellungskatalog des Oesterr.
Kunstvereins und den viel ausführlicheren Auctionskatalog. Die Galerie Lustig
enthielt nur moderne Gemälde und ist wohl hauptsächlich in Paris und Brüssel
zusammengebracht worden. Hervorzuheben wären vielleicht ein A. Achen-
bach von 1858, ein Gerome (Phryne) von 1857, ein Koekkoek und Ver-
boekhoven von 1827, ein guter H. Leys (Dudelsackpfeifer), zwei Madous
aus den sechziger Jahren, ein Th. Rousseau, mehrere Ary Scheffer, Ten
Kate (Rembrandt’s Atelier), Tschaggeny (Schimmel im Stall), Willems
(Liebeserklärung).
1879.
Am 9. und 10. Mai : Versteigerung etlicher moderner Gemälde durch
Fr. Schwarz im Kunstverein.
Am 12. und 13. December: Versteigerung der Gemäldesammlung des
Realitätenbesitzers Eduard St rache (im Grabenhof). Der überaus dürftige
Katalog verzeichnet 142 Gemälde von alten Meistern. Es wäre zu gewagt,
die offenbar etwas kühnen Taufen des Kataloges hier zu wiederholen. Ein
»Rombouts (van der Meer?)« wird angegeben mit der Provenienz Gsell, ein
Stoop mit der Provenienz Kaunitz. Ich habe gar keine eigenen Notizen
über diese Sammlung gemacht.
1879.
Vom 12. bis 14. December: Versteigerungder Gauermann- Sammlung von
Friedrich Schauta im Künstlerhause. Meist waren es Skizzenbücher, einzelne
Zeichnungen und Aehnliohes, aber nur wenige Oelgemälde, die zum Verkauf
kamen. Unter den Gemälden war ein Jugendwerk des Künstlers von 1827
interessant (»Mittagsruhe«), da es ziemlich deutlich das Studium Paul Potters
•erkennen liess.
1880.
Am 30. Januar: kleine Versteigerung von alten und modernen Gemälden
im Grabenhof durch A. Posonyi.
Am 20. und 21. Februar: Versteigerung von modernen Gemälden aus
dem »Nachlasse von Herrn S . . . .« und aus anderem Besitz (durch Fr.
Schwarz im Künstlerhause).
Am 3. und 4. März: kleine Versteigerung von modernen Gemälden durch
Löscher und Schnell. Ein A. Rotta von 1878 »Jugenderinnerung« (eine Alte
sucht ihr Brautkleid aus dem Schrank hervor) wäre etwa hervorzuheben, so-
wie zwei Landschaften von Emil Schindler, ein feiner G. Zasso: »Maria
Stuart’s Urtheil-Verkündigung«, ein grosses Waldinneres von Alb. Zimmer-
mann. Der angeführte Gabr. Max war falsch.
Am 22. und 23. März: zusammengewürfelte Versteigerung im Saale der
Gartenbaugesellschaft. Dabei kam auch die Sammlung des Baron Reischach
zur Auction (durch Löscher). Der unkritisch und flüchtig zusammengeschriebene
Katalog verzeichnet mehrere B. Breenberghs: »Joseph wird von seinen Brü-
dern verkauft«, Br. 1,05, H. 0,61. — »Joseph empfängt seine Brüder im Palast«
Gegenstück zum Vorigen. — »Josephs Triumphzug«, Br. 1,10, H. 0,64. Diese
über slaaUiche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
59
drei Bilder sollen nach Angabe des Katalogs signirt sein. Ich erinnere mich
nur mehr wenig an sie und habe leider keine Notizen über diese 4uction zur
Verfügung. Im Katalog sind ferner zu finden; zwei bezeichnete E. v. Heems-
kerk und ein J, Meerhout »sonnige Landschaft« mit Figuren, B. 0,19, H.0,17
u. s. w. (92 Gemälde von alten Meistern, an die sich noch etliche moderne
anschlossen).
1881.
Am 10. Februar und an den folgenden Tagen ; Versteigerung des künst-
lerischen Nachlasses von J. Selleny und Fr. Eybl (durch C. J. Wawra) im
Künstlerhause.
Am 18. und 19. Februar: Versteigerung der Gemäldesammlung von
Arthur Mayer von Alsö-Russbach (durch C. J. Wawra) im Künstlerhause.
Der reich mit Lichtdrucken ausgestattete Katalog verzeichnet 47 vortreffliche
moderne Gemälde. Ein Brun et-Houard : »Bärentreiber auf der Rast« kam
um 680 fl. an J. Herzog in Wien, ein Heilbuth: »die Gardinalskutsche« wurde
um 950 fl. verkauft, eine Rheinlandschaft von Koekkoek um 2605 11., ein
J. Lies um 2500 11., ein Madou: »bedenkliche Herberge« um 1500 11., ein
A. Seitz: »Geflügelhändler« ging mit 2100 11. an Königswarter.
1881.
Am 21. Februar und an den folgenden Tagen : Versteigerung des künst-
lerischen Nachlasses von Wilh. August Rieder (durch Wawra) im Künstler-
hause. Rieder’s Bildniss von Franz Schubert (Aquarell von 1825) war vielleicht
die bedeutendste Nummer.
Am 25. und 26. Februar: Versteigerung der Sammlung Friedrich
Ehr mann zugleich mit anderen kleineren Sammlungen (durch Fr. Schwarz)
im Künstlerhause. Moderne Meister. Auf dem Umschlag des Kataloges wird
für den 28. Februar die Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von
Kurzbauer angekündigt. Der Katalog des Kurzbauer’schen Nachlasses ver-
zeichnet keine fertigen Gemälde.
Am 19. April und an den folgenden Tagen: Versteigerung des künst-
lerischen Nachlasses von Professor P. J. N. Geiger in der Wohnung des Künst-
lers, Neubau, Lindengasse 4, 2. Stock (durch Ruf). Vorangestellt sind im Katalog
»biographische Notizen«. Der Oelgemälde waren wenige. Zu beachten viel-
leicht eine Copie von Geiger’s Hand nach dem Boreas des Rubens in der
Akademiegalerie.
1882.
Am 25. Februar und an den folgenden Tagen: Versteigerung der Galerie
Friedrich Schey von Korornla (durch Wawra) im Künstlerhause. Der
hochbedeutende A. Achenbach: »Wildbach« von 1854 wurde um 9000 fl. ver-
kauft, Ganon’s »moderne Judith« erzielte 1020 11., ein Tito Conti ging um
905 fl., ein F. Gauerman n um 3400 fl., Hasenpflug’s »Klosterhof im Winter«
(ein offenbar durch C. F. Lessing’s Klosterhof im Schnee inspirirtes Bild) um
735 fl., ein Kinderkopf von L. Knaus um 3500 fl., ein A. Seitz »Dorfquartett«
um 4370 fl., ein M. Ranftl’s »Zechgelage« von 1851, ein Bild von vorzüglicher
Farbengebung, um 545 fl., ein Strassgsch wandtner um 2650 fl. Unter den
60
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen
wenigen alten Gemälden erzielte ein (sogen.) Fr. Guar di 300 fl. Vergl. hiezu
auch Lützow’s Kunstchronik.
Am 27. und 28. März; Versteigerung etlicher moderner Bilder durch
Fr. Schwarz im Schönbrunnerhause.
Am 4. Mai und an den folgenden Tagen : Versteigerung der Sammlung
Emile Gerard »in der Wohnung des Verstorbenen, Zelinkagasse 11« (durch
H. 0. Miethke). Der Katalog verzeichnet in der I. Abtheilung die »Antiquitäten«,
in der II. die Gemälde, unter denen mehrere aus der Esterhazygalerie stammen.
Den höchsten Preis erzielte eine »Stadtansicht« von Hobbema, die 14,250 fl.
erzielte. Ein Flussufer von Simon de Vlieger ging auf 1400 fl. Vergl.
hiezu auch Lützow’s Chronik.
1882.
Im Juni: Versteigerung der Sammlung des Oberbauralhes J. Romano
vom Ringe (durch G. J. Wawra); unter den hundert meist modernen Ge-
mälden ist wohl kaum viel Bedeutendes gewesen.
1882.
Im December: Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Lud-
wig Halauska (durch Wawra) im Künstlerhaus.
1883.
Am 29. und 30. Januar; Versteigerung moderner Gemälde durch J. C.
Wawra im Künstlerhaus. Gut vertreten waren G. F. Waldmüller, Fr. Gauer-
mann, Ed. Ritter und A. Gala me.
1883.
Am 12. Februar: Versteigerung moderner Gemälde aus den Sammlungen
von Louis Bignio und EmmaWürth. Nicht uninteressant war ein Figuren-
bild: »Gharfreitag« von A. Achenbach aus dem Jahre 1879. Makart’s
unklar gedachtes, schlecht rnodellirtes »Gretchen vor dem Bilde der Mater
dolorosa« erzielte 3451 fl.
1883.
Am 14. und 15. März: Versteigerung von alten Gemälden »aus Privat-
besitz« durch Wawra im Gebäude der Gartenbaugesellschaft. Der etwas dürftige
Katalog verzeichnet einen »byzantinischen« Tod der Maria, der wohl nicht
vor’s 18. Jahrhundert zurückreicht. Hervorzuheben ist wohl »der Eremit«
von Q. Brecklenkamp (erwähnt in Iramerzeers Lexicon), der M. v. Helmont
(»der Philosoph«, H. 0,43, Br. 0,39), der wahrscheinlich aus der Sarnmlung
Keglevich stammt (siehe bei 1878) und gegenwärtig bei R. Hirschler in Wien
sein dürfte. Ein männliches Bildniss der Bart. v. d. Heist bezeichnet und
datirt mit 1648 habe ich für echt gehalten, wogegen die zwei folgenden Num-
mern den Namen v. d. Heist nicht mit Recht geführt haben (was auch der
Katalog andeutet). • »Hondekoeter (zugeschriehen)« war eine Gopie. Ein
bezeichneter J. Horemans »das Maleratelier« konnte den Kunsthistoriker in-
teressiren, ebenso eine bezeichnete Gebirgsgegend von J. Looten. Die Karten-
spieler von J. M. Molenaer und ein Gonversalionsstück von A. Palamedez
habe ich damals für echt gehalten. Ein E. v. d. Poel: Stillleben (»holländisches
Bauerngehöft, vor demselben viele Wirthschaftsgeräthe. Staffirt«). Rechts im
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
61
Mittelgründe ein arbeitender Bauer war ganz gut erhalten. Die volle Bezeich-
nung findet sich rechts unten. Poelenburg’s »Andromeda« war wohl unver-
dächtig, dagegen hat man gut gethan, zum Paul Potter ein Fragezeichen zu
setzen. Nr. 66, ein bezeichneter Jillis Rombouts von 1671, »holländisches
Kirchweihfest«, Br. 0,54, H. 0,39, soll aus der Sammlung Giethoorn in Amster-
dam stammen. Die Bezeichnung lautet: »ROM Bovts«, darunter 1671. Der
Verticalstrich des R ist nach obenhin verlängert, wesshalb ich auf Jillis schliesse,
umsomehr als die Malweise nicht auf Theodor Rombouts passt, welchem das
Bild vom Katalog zugeschrieben wird. Der Salom. Ruisdael (Nr. 70) war falsch.
V. Steen’s »Austernbude« war echt und gut erhalten (H. 0,32, Br. 0,25).
Ein Tiepolo, zwei Vertangens seien noch genannt. Der eine Vertangen
(Nr. 82) stellte eine Landschaft mit zwei halb nackten Hirten links im Vorder-
gründe vor (»Hirten mit Vieh. Holz, Br. 0,39, H. 30«). Etwas rechts von der
Mitte im Mittelgründe eine Steinpyramide. Links unten eine Spur von Be-
zeichnung, die mit: »D v« beginnt. Ein feines und weiches Bildchen von
goldigem Ton besonders im Mittelgründe.
1883.
Am 27. und 28. März: Versteigerung von alten und modernen Gemälden
»aus dem Nachlasse des Herrn Dr. Emil Pfeiffer« und aus anderen Samm-
lungen (durch Schwarz). Ich habe die Bilder nicht gesehen und verzeichne
nach dem Katalog einen Backhuisen, bezeichnet L B 1673, »Landschaft . . .
im Mittelgründe ein Schloss mit Ziergarten«; einen signirten M. Miereveit:
Bildniss einer Dame. Im Ganzen sind nur 30 alte Gemälde im Katalog be-
schrieben.
1883.
Am 9. April und an den folgenden Tagen: Versteigerung der Sammlung
Friedrich v. Rosenberg (durch H. 0. Miethke). In der XIV. Abtheilung des
Kataloges, der alle möglichen Erzeugnisse des Kunstgewerbes voranstellt, werden
die 46 Gemälde von alten Meistern aufgezählt. Ein bezeichneter BeughoU
von 1709 war nicht uninteressant. Ein Pieter Godde (Nr. 329, als A. Duck
im Katalog beschrieben) war von einiger Bedeutung (erwähnt von Bode in
den »Studien« S. 147). Eine Maria mit dem Ghristusknaben mit Johannes,
Joseph und Martha von Hemessen (bezeichnet und datirt mit 1541), ein
Schlachtenbild von Hughtenburgh, zwei bezeichnete Mu scher, eine dem
Ottn Venius zugeschriebene Allegorie und ein bezeichneter Mathias Withos
wären noch hervorzuheben. Ich habe die Bilder nur bei ungünstiger Be-
leuchtung gesehen.
1883.
Vom 23. bis zum 26. April: Versteigerung der Galerie aus dem Nachlasse
von Franz Klein von Wiesenberg im Palais Klein, Theresiengasse 2 1 (durch
G. J. Wawra). Unter den alten Gemälden war das interessanteste eine Tafel
von einem, den Behams verwandten deutschen Meister, der aber um eine
Generation etwa jünger sein dürfte, da sich auf dem Bilde die Jahreszahl 1558
findet. Dargestellt ist eine Allegorie der »MELANGOLIA«, die als sitzende
Figur mit halb ausgebreiteten Flügeln in der Mitte einer weiten Landschaft
62
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen
bemerkt wird, lieber ihr eine Bandrolle mit der erwähnten Bezeichnung.
Unten in der Mitte sitzt ein bärtiger Greis , der eine Kugel vor sich hat und
mit einem Zirkel hantirt. ln der Landschaft sind unzählige fein durchgebildete
Figürchen vertheilt, die mit allerlei Spielen und mit Tanz beschäftigt sind;
rechts ein Badhaus mit vielen nackten Frauen ; links im Mittelgrund ein Turnier-
platz u. s. w. In der Ferne spannt sich mitten über einen breiten Fluss ein
kleinerer Regenbogen aus. Rechts oben in den Wolken eine Figur (Apollo?),
die mit einem Bogen gegen die Erde herab zu zielen scheint. Alles von sorg-
samer Ausführung, in goldigem Ton. Im Ganzen ist die Färbung hell ge-
halten, besonders in der Carnation. Der dunkelgrüne Wolkenhimmel scheint
nachgedunkelt. Ein Lichtdruck nach diesem interessanten Bilde war dem
Katalog beigegeben.
Unter den modernen Bildern war ein sehr bedeutender Jarosl. Gzer-
mak »die geschändete Braut« mit interessanter Landschaft in der Art des
Rousseau, eine biblische Landschaft von Decamps, ein vorzüglicher Diaz
(Nr. 15), ein Fromentin »arabische Pferdehändler«, ein F. Gauermann:
»Bärenhatze« von 1835 (Nr. 20). Nr. 21 war eine Copie nach Gauermann.
Bedeutend waren auch H. v. Hove’s »Antiquitätenhändler«, mehrere Markos,
Pettenkofen: »Transport von Verwundeten«, eine Landschaft von Roque-
plan, eine von Rottmann, von Rousseau, eine Dame von Stevens, eine
Schmiede von Troyon, ein Willems, ein Waldmüller.
Anfangs December: Versteigerung der unbedeutenden Gemälde (und
Kunstgegenstände) aus der Sammlung W. Prückel (durch Löscher) im Arcaden-
hof der alten Börse in der Herrengasse. Hauptsächlich waren moderne Wiener
Maler vertreten. Die sogen, alten Gemälde waren grösstentheils Gopien.
1884.
Anfangs Februar: Versteigerung moderner Gemälde »aus Privatbesitz«
(durch Wawra) im Künstlerhause. Hervorzuheben etwa: Fr. Gau er mann »Der
Schiffzug« (Holz , Br. 0,58, H. 0,45), von Brunner lithographirt. »Aus der
Sammlung des Herrn J. Imredy Edlen von Omorovitza« und von demselben
Maler unter einigen Naturstudien auch »der Krimifall«.
Am 5. Februar: Versteigerung der Sammlung Moriz Ritter v. Az, die
wenig Gemälde enthielt (durch Wawra).
Am 4. März und an den folgenden Tagen : Versteigerung der Galerie Gon-
rad Bühlmeyer. Der reich illustrirte Katalog verzeichnet 142 Gemälde von
modernen Meistern und viele Aquarelle und Zeichnungen (durch H. 0. Miethke).
Vorzügliche Stücke waren die Rud. Alts, ein Jacob Alt »Domplatz in
Regensburg« (der Dom zeigt noch die unvollendeten Thürme), mehrere gute
Amerlings, ein hübscher Barbarini, Danhauser’s »Stiegenweibchen«
von 1845 und sein »Künstler im Dachstübchen« von 1831, sowie ein Studien-
kopf, aus dem eine Hingabe an Rubens und v. Dyck klar ersichtlich ist, zwei
langweilige, aber vielbewunderte Fr. Ey bis, gute Fendis und Gauermanns.
Von letzterem waren auffallend treffliche Naturstudien bei Bühlmeyer zu
finden, unter denen ein Waldsaum mit alten Buchen (»Gegend bei Miesen-
bach«) zu den besten Leistungen der Altwiener Landschaftsmalerei gehört.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
63
Zu nennen sind noch ein vortrefflicher H. Gude, der Hasenpflug’sche
»Klosterhof im Winter«, Makart’s »Siesta am Hofe der Medici«, mehrere
ältere Markos, ein Pettenkofen und Waldmüller’s »Ruine im Park zu
Schönbrunn«, die im Repertorium (1888 im Bericht der Jubiläumsausstellung
im Künstlerhause) schon erwähnt worden ist.
Viele der Gemälde aus der Sammlung von Bühlmeyer sind von Unger
für den Katalog radirt. Aus der Sammlung Bühlmeyer kam ein Fr. Gauer-
mann (Kampf zwischen Bär und Stier) an L. Lobmeyr.
Am 8. März: Versteigerung von modernen Gemälden aus der Sammlung
B. Krzisch und anderen Sammlungen (durch Fr. Schwarz) im Künstlerhause.
Gut vertreten waren die Altwiener Z. B. Gauermann durch »Fische im
Kampf mit einem Steinadler — aus dem Besitze des Herrn Fürsten Friedrich
Liechtenstein«, F. Waldmüller durch ein sorgsam ausgeführtes kleines Bild
von 1823 »Ein Arbeiter mit seinem Sohne beim Abendbrod«, durch ein
Damenbildniss von 1839 (»Die entblätterte Rose«) u. s. w. Auch einige
moderne Florentiner aus der Vinea- Gruppe waren vorhanden.
Gegen Ende Aprils: Versteigerung im Hause von Alex. Posonyi
(Metternichgasse 7). Unter den im Katalog verzeichneten Gemälden waren
auch einige gute ältere Stücke, so: Aldegrever: Adam und Eva zu beiden
Seiten des Baumes der Erkenntniss. Beide aufrecht stehend. Im Hinter-
gründe weite Landschaft. Holz H. 0,58, Br. 0,48. Das Bild stammt aus der
Sammlung Koller (s. oben bei 1872). Eine »Toilette nach dem Bade«, dem
Jan V. Galcar zugeschrieben, wurde schon im Abschnitt über die Kaunitz-
galerie erwähnt. Von Bedeutung war ein echter Fr. da Gotignola, eine
Tafel (H. 0,75, Br. 0,55) mit der Madonna auf Wolken. Unten stehen
St. Franciscus von Assisi und Hieronymus. Rechts unten an der Brüstung
(nicht auf einer Tablette, wie der Katalog sagt) die Bezeichnung: »Xhs«,
darunter »france/cho da cotignola di pinse a di . 8 de setenbre-. 1512«.
Ein B. V. d. Heist (Nr. 33) war für mich nicht überzeugend, wie auch einige
andere Namen, die der Katalog verzeichnet. Eine Madonna von Penni soll
vormals bei Esterhazy gewesen sein.
[Unter den Zeichnungen war ein gutes Blatt (Nr. 68) etwa vom Meister
M A des Gebetbuches in Besannen »der hl. Sebastian am Baume, Feder auf
rothem Grunde. Gab. Gigoux«, und eine gute Federzeichnung aus der Rich-
tung des Hirsvogel (Johannes mit dem Osterlamm). Der sogen. Raphael
war wohl ein altes Blatt, aber nicht vom Urbinaten.]
1885.
Am 7. Januar: Versteigerung der Galerie Weber (aus Prag?) Im Wiener
Künstlerhaus (durch Wawra). Die Galerie bestand aus 47 meist guten mo-
dernen Gemälden.
Am 9. Februar u. a. d. f. T.: Versteigerung von alten und modernen
Gemälden aus mehreren Privatsammlungen, u. a. aus der des H. J. A. Steg-
herr und der Frau G. Edlen von E... (durch G. Posonyi) im Grabenhof-
saal. Neben ca. 100 modernen Bildern (davon viele im Nachtrag) werden
nur etwa ein Dutzend alte verzeichnet.
64
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Am 8. und 9. April: Versteigerung der Galerie Julius Trenkler (durch
C, J. Wawra) im Künstlerhause. Die Sammlung enthielt ausgezeichnete Ge-
mälde von modernen Meistern. Die Altwiener waren besonders gut vertreten.
Vergl. den illustrirten Katalog. Waldmüller's »Mädchen im Walde« ist im
Repertorium von 1888 in meinem Bericht über die damalige Jubiläumsaus-
stellung im Künsllerhaus schon genannt worden. Neben diesem waren noch
viele andere gute Bilder dieses trefflichen Malers vorhanden, darunter auch
einige Landschaften. Auch die Fendis und Fr. Gauermanns waren her-
vorragend, ebenso wie die Aquarelle von R. Alt.
Am 13. April: Versteigerung moderner Gemälde durch Schwarz (dar-
unter die Sammlung F. Richter).
Am 28. April: Versteigerung der Galerie Ad. Jos. Bösch (durch Flach,
Kohlbacher und Kaeser) in der Villa Bösch zu Döbling bei Wien, Grinzinger-
strasse 18
Ich habe die Sammlung Bösch niemals gesehen und verweise desshalb
auf die Litteratur: den »Katalog der Sammlung Gemälde alter Meister ersten
Ranges der holländischen und flämischen Schule aus dem 17. Jahrhundert
des verstorbenen Herrn Ad. Jos. Bösch, Stadtbaumeister in Wien . . .« Der Titel
bringt eine seltene Unkenntniss der deutschen Sprache zum Ausdruck ; hoffentlich
waren die Bilderbestimmungen nach einer besseren kunstgeschichtlichen Gram-
matik gemacht worden. Vergl. über die Auction Thode’s »Kunstfreund« Sp. 184,
Gazette des beaux arts 1885, I, S. 365, und Lützow’s Zeitschrift f. bild. Kunst
(Chronik Sp. 575 ff., wo auch die Preise und in den meisten Fällen die Käufer
angegeben sind). Versteigert wurden nur Gemälde von alten Meistern.
Einen schönen N. Berghem von 1654 (Felsgrotte) aus der Sammlung
Bösch sah ich 1889 bei Dr. Schubart in Dresden (über dieses Bild: Schlie im
Repert. XIII, S. 158, und Bredius in der Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., I,
S. 130). Ein vorzüglicher J. v. d. Heyden kam zu Baron Königswarter (vergl.
meinen Bericht im Repert. XIII. Bd. über Königswarter’s Sammlung). Der
neuerworbene Ph. d. Koninch der Berliner Galerie ist (wenn ich nicht irre)
ebenfalls bei Bösch gewesen.
Am 9. December und an den folgenden Tagen: Versteigerung des Nach-
lasses von Georg Plach (durch Wawra), IV., Theresianumgasse 2. Plach
besass bis zu seinem Tode (im Sommer 1885) eine überaus labile Sammlung,
aus der er unzählige Mal einzelne Bestandtheile verkaufte. Oben wurden schon
einige Plach’sche Auctionen erwähnt. Bei der Nachlassauction fand man
viele gute moderne Gemälde und einige wenige alte. Der sogen. Tizian
Nr. 190 war stark überschmiert. Indess Hess sich so viel sagen, dass an
Tizian gar nicht zu denken war, wogegen Polid.oro Veneziano sehr wahr-
scheinlich der Autor des Gemäldes ist. Ein dem Amberger zugeschriebenes
»Porträt eines Rathsherrn« stammte aus der Gsell’schen Sammlung. Die
Tagesblätter Wiens brachten einige Notizen über die erzielten Preise.
') Döbling hängt so innig mit Wien zusammen, dass ich keinen Anstand
nehme, diese Auction in mein Thema einzubeziehen.
Ober staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
65
Im selben Jahre wurde auch Makart’s künstlerischer Nachlass zugleich
mit seiner Kunstsammlung- versteigert®). Auch H. Canon’s hinterlassene
Gemälde, Skizzen u. s. w. wurden nicht lange nach dem Tode des Künstlers
(der am 12. September 1885 plötzlich eingetreten war) versteigert.
1886.
Am 12. Januar und an den folgenden Tagen: Versteigerung der Galerien
Artaria, Dr. F. Sterne und Prof. Dr. L. M. Politzer (durch Miethke) im
Künstlerhaus. Oben wurde schon wiederholt von der Sammlung Artaria ge-
sprochen. Ihre Zersplitterung war eines der bedeutendsten Ereignisse auf
dem Gebiete des Wiener Kunsthandels in den letzten Decennien. Waagen hat
die Galerie Artaria sowie die von Dr. Sterne gekannt und bespricht mehrere
der besten Bilder (Die vornehmsten Kunstdenkmäler von Wien, I, 333 ff.),
so das Triptychon des Gerard David, damals noch Horebout genannt, den
Previtali u. s. w.
Die Sammlung Artaria gehörte unter den bürgerlichen Wiener Galerien
zu den ältesten. Wie das Vorwort des Auctionskataloges sagt, wurde die Firma
1769 gegründet, und schon im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts der Anfang
mit dem Sammeln von Gemälden gemacht. Die im Katalog verzeichneten
Provenienzen nennen eine Menge von hervorragenden Wiener Sammlungen
(siehe oben bei Kaunitz, Gsell, Engert). Bei Sterne und Politzer finden wir
Bilder aus den ehemaligen Wiener Sammlungen, Festetics und Gsell, Pas-
qualati, Jäger, Fries. In alle drei Galerien waren aber auch Gemälde aus
zahlreichen bedeutenden Galerien des Auslandes übergegangen. Aus Artaria-
schem Besitz werden 110 alte und viele moderne Gemälde im Katalog ver
zeichnet, aus dem Besitz von Sterne und Politzer 59.
Berichte über das Ergebniss der Auction brachten die Wiener Tages-
blätter sowie Thode’s »Kunstfreund« Sp. 376 ff. und die Zeitschrift für bil-
dende Kunst (XXI, 19 ff.). Das Triptychon des Gerard David kam um
20,010 fl. ins Belvedere. Der grösste Theil der versteigerten Bilder scheint
zunächst in Wien verblieben zu sein. Manches gute Stück blieb auch in der
Familie Artaria zurück. Aus der Sammlung Sterne kamen viele gute Bilder
zu Prof. Adam Politzer in- Wien.
Am 22. Januar und an den folgenden Tagen : Versteigerung der Samm-
lung Ernest Weyden (durch G. Posonyi). Der Katalog verzeichnet haupt-
sächlich kunstgewerbliche Gegenstände und nur 15 alte Gemälde, die ober-
flächlich genug beschrieben sind. Darunter waren; Ein monogrammirter
Drochsloot von 1645 (»Holländische Landschaft mit Baulichkeiten beider-
seits. Im Vordergründe viele Figuren«. Holz, Br. 0,57, H. 0,38), eine Land-
schaft mit Hirten von J. H. Boos, die aus der Galerie Festetics stammen
soll, ein signirter D. Ryckaert (welcher?) »Zwei Männer im Gespräche an
einem Tische. Daneben ein Kind. Rechts eine Magd butternd. Links Einblick
in einen Stall«, Holz, Br. 0,55, H. 0,43, eine »Dorfansicht« vom älteren
®) Vergl. Lützow’s Kunstchronik XX, Sp. 525 ff. und 557 ff.
XIV
5
G6
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Teniers (die um 335 fl. verkauft wurde), ein N. Verkolje, »Dame und Ga-
valier«, und ein todter Hase und Jagdgeräth von J. Weenix,
Zugleich mit der Sammlung E. Weyden wurden auch moderne und
alte Gemälde sowie »Antiquitäten«, »aus Wiener und Provinz-Privatbesitz«
versteigert (durch G. Posonyi), Unter den alten Gemälden wird ein Bildniss
von Hans Baidung verzeichnet: »430 Frauenporträt ... im Pelzrock und mit
Pelzmütze«, »die Hände gekreuzt und mit Ringen geziert«. Auf grünem
Grunde »Oben in grossen weissen Lettern: Anna Leisnerin, links das be-
kannte Monogramm (H B G), darunter 1532«. Holz H. 0,45, Br. 0,32.
Am 10. Mai und an den folgenden Tagen: Versteigerung aus der
Sammlung Giuseppe Bossi (durch H. 0. Miefhke). Die Galerie bestand
hauptsächlich aus italienischen älteren Gemälden, denen sich mehrere Spanier
und Niederländer anschlossen. Das als Jan Brueghel in den Katalog ge-
setzte und dort in Lichtdruck wiedergegebene Bildchen (eine sehr figurenreiche
Kreuzigung Christi in weiter Landschaft) hat viele Analogien mit dem be-
zeichneten A. Mozart in der Augsburger Galerie und ist vielleicht eine Copie
von Mozarl’s Hand nach dem Jan Brueghel Nr. 681 in der Münchener Pinako-
thek. Zwei grosse Gemälde von Ossenbeck (Nr. 160 und 161) schienen mir
gut bestimmt. Hervorzulieben sind noch: »Atelier einer Malerin« (offenbar
der Rachel Ruisch) mit der Bezeichnung J. Pool 1729 und ein mit L L
(Lambert Lombart) bezeichneter St. Sebastian, der den Zusammen-
hang des Meisters mit Franz Floris recht deutlich macht (leider nicht gut
erhalten). Die gute niederländische Copie nach Andrea del Sarto dürfte als
Hem essen richtig bestimmt gewesen sein. Unter den Italienern war ein
interessantes, dem Garofalo nahe verwandtes Bild zu finden (Lichtdruck im
Katalog), dessen allegorische Darstellung mit dem Gekreuzigten in der Mitte sich
in allen wesentlichen Stücken an das grosse Wandgemälde des Garofalo an-
schiesst, das aus St. Andrea zu Ferrara in die dortige Pinacoteca gekommen ist
(Nr. 59). Sehr werthvoll war meines Erachtens auch das männliche Bildniss
von Sebastiano del Piombo (halbe Figur lebensgross, ein Lichtdruck danach
im Katalog). Eine »Venus, auf einer Muschel übers Meer schwimmend«, von
Elisabetta Sirani war bezeichnet und mit 1664 datirt (Nr. 212). »Die spin-
nende Alte«, die der Katalog dem Tizian beilegt, ist höchstens von Bartolo-
men Manfred!. Der abgekürzte Name in der alten Inschrift ist sehr undeut-
lich und passt eigentlich weder zu Tizian noch zu Manfred!, an den mich die
Malweise lebhaft erinnerte (Lichtdruck im Katalog). Der als Morales in den
Katalog gesetzte »Christus wird von Maria beweint« war ein vorzügliches
Bild (Lichtdruck im Katalog).
Die Wiener Tagesblätter brachten einige Notizen über die Preise und
die Käufer.
Am 1. December und an den folgenden Tagen: Versteigerung der Samm-
lung M. Newlinski (durch H. 0. Miethke) im Künstlerhause. Neben den
zum Theil ^ehr bedeutenden kunstgewerblichen Gegenständen kamen die
Gemälde kaum in Betracht, wesshalb sie der Katalog auch in den letzten
Winkel verbannt hat. Vertreten waren die beiden Achenbachs, R. Ambros,
ober staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde,
67
die drei Blaas, Canon, Carl Hoff, Lier, Losson, Makart, der jüngere
Schleich, Al. Schönn. Von älteren Gemälden verzeichnet der Katalog nur
wenige, so einen bezeichneten Vermeulen, an den ich mich nicht mehr er-
innere, einen Eglon v. d. Neer, Otto Marcellis und Abr, Bloemart.
Ein kleines, sauber ausgeführtes Gouachebild trug die Bezeichnung: »Io: Wilh:
Baur Fecitt« und darunter die Jahreszahl 1640. Ich habe versäumt, bei Zeiten
nachzusehen, ob die dargestellte »Schlacht auf dem weissen Berge« auch in
Baur’s Radirungen vorkommt. Das Bildchen war 0,29 breit und 0,19,5 hoch.
»Ferdinand III. mit seinem Stab zu Pferd auf einer Anhöhe. Ringsum in der
Tiefe Heerhaufen«.
Am 6, und 7. December: Versteigerung von »Antiquitäten und Ge-
mälden aus dem Besitze eines Wiener Sammlers« (durch die Brüder Egger)
im Grabenhof. Unter den Gemälden war nichts, das besondere Aufmerksam-
keit verdient hätte. Mehrere italienische Temperabilder seien erwähnt.
1887.
Am 22. Februar und an den folgenden Tagen: Versteigerung »aus dem
Nachlasse des Kunstfreundes und Experten H. Jos. Al. Ruf«. Unter den
Gemälden war meines Wissens nichts Hervorragendes.
Vom 17. bis 19. April: Versteigerung »aus dem Nachlasse der Frau
Antonia Schindler und verschiedener Beiträge aus Privatbesitz« (durch
Wawra) im Künstlerhause. Die alten Gemälde habe ich nicht gesehen. Der
kleine Katalog verzeichnet 34 Nummern zum Theil von guten Meistern. Die
Aquarelle und Zeichnungen waren nicht ohne Interesse (meist Blätter von
älteren Wiener Malern).
Am 19. November und an den folgenden Tagen : Versteigerung der
Sammlung Daniel Penther (durch H. 0. Miethke). Penther war in seinen
Diagnosen stets etwas kühn gewesen. Das kam auch noch im Katalog seiner
nachgelassenen Sammlung zum Ausdruck. Der sogen. Tizian (Madonna)
war ein bis zur Unkenntlichkeit verdorbenes Bild. Die Gorregios waren
recht interessant, aber nicht von dem berühmten Italiener. Dagegen dürften
die zwei Dosso Dossis richtig bestimmt gewesen sein. Der sogen. Lio-
nardo war eine niederländische Gopie nach dem Johannes im Louvre.
Interessant und vorzüglicherhalten warein »Ecce homo« von Hemessen,
eine Tafel mit deutlicher Bezeichnung und datirt mit 1540. Der kleine Poelen-
burg: »ein Hirt und drei Ochsen auf der Weide bei einer Ruine« war gut und
echt, auch bezüglich der Signatur, die im Katalog nicht angegeben war.
Das dem Matthias Grünewald zugeschriebene »jüngste Gericht« war aus
L. Gr an ach des Aelteren Werkstatt. Irre ich nicht, so habe ich diese Tafel
in der Galerie von Dr. Stross vor Kurzem wiedergesehen.
Unter den modernen Gemälden befand sicheln guter Böcklin: »Venus
und Amor in einer Landschaft« und mehrere Lenbachs.
Laut Zeitungsnotizen über die Auction kam der eine Dosso Nr. 36,
»Jupiter, Mercur und Flora« genannt, um 3395 fl. an den Grafen Lancko-
ronski. Den sogen. Pollajuölo: »Marter des hl. Sebastian« sah ich unlängst
in der Galerie der Akademie der bildenden Künste zu Wien, den zweiten
68
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen etc.
Dosso (Nr. 37) und den Christus von Hemessen (Nr. 71) bei Geritsch.
Von den Lenbachs sollen einige nach Berlin an Gurlitt und einer an den
Herzog von Oldenburg gekommen sein.
1888.
Am 25. April und an den folgenden Tagen : Versteigerung der Gemälde-
sammlung Theodor Eggers (durch H. 0. Miethke), Opernring 10. Das Vorwort
des reich ausgestatteten illustrirten Kataloges erwähnt, dass die Sammlung
auf einem Landsitze in Leesdorf bei Baden aufgestellt war. Die Eggers’sche
Gemäldesammlung enthielt nur moderne Werke. Andreas Achenbach
war durch mehrere Bilder vertreten , darunter auch durch eine vorzügliche
Landschaft aus dem Jahre 1852. Zwei wirkungsvolle Oswald Achenbachs
schlossen sich an. R. Alt, Jos. Brandt, P. J. Clays, T. Conti, Ch. Dau-
bigny, W. Dietz, E. Eichel, Ed. Hildebrandt, E. Isabey, L. Knaus,
E. Kurzbauer, C. F. Lessing, Makart, Gabr. Max, A. v. Pettenkofen,
T. Schmitson, A. Seitz, A. Stevens, B. Vautier, Ferd. Waldmüller,
Fl. Willems, H. Zügel und Andere waren durch gute Bilder vertreten.
Unter den Aquarellen und Gouachebildchen waren unzweifelhaft die Jacob
Alts die interessantesten, besonders zwei Landschaften, die mit 1817 datirt
waren (Nr. 177 und 178) und die uns den Meister noch in den Fesseln der
Schule zeigen , sowohl bezüglich der Composition , als auch bezüglich der
Technik. Es sind kleine Landschaften mit mythologischen Figuren (Nr. 177 »mit
zwei badenden Nymphen, die von einem Faun belauscht werden«, Nr. 178
mit »Amor und Psyche«). Zwei Aquarelle desselben Künstlers von 1835 zeigt
ihn schon ganz als Vorkämpfer des modernen Realismus und als Vorläufer
seiner beiden Söhne, besonders des Rudolf Alt (Nr. 169 und 176). Auch hat
Jacob Alt hier schon vollkommen jenen zarten kühlen Ton gewonnen, der
seine reifen Werke auszeichnet.
Am 6. November: Versteigerung der kleinen Galerie Alfred Skene
(durch Gabr. Posonyi). Der kleine Katalog umfasst 53 Nummern, einige
Stiche und Lithographien mit einbegriffen. Von einiger Bedeutung waren nur
wenige Bilder, etwa: H. v. Angeli’s »Jeane Gray’s letzte Momente« von 1867,
Arn. Böcklin’s Frühlingsluft, welche die schlafenden Blumen erweckt, der
grosse Danhauser »Wein, Weib und Gesang« von 1839, ein H. Gude von
1869 und Sch wind’s »Erlkönig«. Skene scheint hauptsächlich in den sechziger
Jahren gesammelt zu haben, wenn man so nach der Datirung der meisten
Bilder schliessen darf. Von späteren Jahreszahlen kommen 1871, 1872, 1877
vor; 1883 ein einziges Mal.
Wie die Zeitungen berichten, ist Danhauser’s grosses Bild um 2635 fl.
an Herrn Frohner gekommen, A. Dieffenbach’s »Heimweh« an denselben
um 925 fl. Der Böcklin ging um 1785 fl. »nach Berlin«.
Gegen Ende des Jahres wurde im Künstlerhause auch der künstlerische
Nachlass von Leopold Munsch versteigert.
(Fortsetzung folgt.)
Dr.' Th. Frimmel.
Litteraturbericht.
Architektur.
Georg Galland: Geschichte der holländischen Baukunst und Bild-
nerei im Zeitalter der Renaissance, der nationalen Blüthe und
des Classicismus, 635 S. mit 181 Abbildungen. Frankfurt a. M., Hein-
rich Keller, 1890.
Eine Geschichte der holländischen Renaissancekunst ist durchaus zeit-
gemäss. Seit Jahren schon hat sich das Interesse des kunstliebenden Publi-
cums — ganz abgesehen von wissenschaftlichen Kreisen — mehr und mehr
der Renaissance und insbesondere auch der nordischen Renaissance zugewendet.
Und gerade jetzt, wo das ganz einzige topographische Aufnahmewerk über die
niederländische Renaissance, das der- verstorbene, höchst verdiente Franz
Ewerbeck geleitet hatte, vollendet vor uns liegt, musste es doppelt wünschens-
werth erscheinen, diese Fülle herrlicher Denkmale, die Holland birgt, nach
ihrer historischen Bedeutung geordnet und erklärt zu sehen. — Andererseits
war auch für den Forscher die Aufgabe, die sich ihm hier bot, lockend genug,
mehr als bei der deutschen Renaissance. Er konnte hier ein abgerundeteres
und in sich geschlosseneres Bild schaffen ; denn was wir in Deutschland ver-
geblich erstrebten, eine zugleich volksthümliche und monumentale Renaissance-
architektur, in Holland wurde es erreicht.
Ausgerüstet mit einer umfassenden Kenntniss . der Denkmale und der
einschlägigen Litteratur alter und neuer Zeit hat sich Galland dieser Aufgabe
unterzogen. Sehen wir nun , in welcher Weise er dieselbe gelöst hat. Er
theilt sein Buch in zwei Hauptabschnitte. Der erste grössere enthält die kunst-
historische Erzählung, der zweite, von dem wir zunächst absehen wollen, eine
Topographie der Renaissancekunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Die drei
Perioden in der Geschichte der Renaissance : Frühzeit, Reife und Spätzeit, die
auch Galland annimmt, bieten sich ganz natürlich dar. Nur befremden an-
fänglich die Namen, die er ihnen beilegt: Renaissance, nationale Blüthe und
Classicismus. Denn diese drei Begriffe sind doch nicht correlat und unter
ersterem Namen pflegt man gemeiniglich den gesammten Stil zusammen-
zufassen. Aber das sind schliesslich nur Worte, an denen man sich nicht
mehr stösst, wenn man weiss, welche Bedeutung der Autor ihnen beilegt.
In eine jede dieser Perioden führt der Verfasser den Leser durch eine
historische und culturhistorische Betrachtung ein , um sodann zunächst die
70
Litteraturbericht.
Architektur zu schildern. Von derselben geht er hierauf durch das verbindende
Gapitel der decorativen Sculptur, oder wie er sie nennt, Kleinarchitektur, zur
Sculptur im eigentlichen Sinne über.
Jedes Gapitel — von den historischen abgesehen — bietet uns eine
reiche Fülle neuen und wohl durchgearbeitelen Materials. Ueberall merkt
man die eigene Anschauung des Verfassers und man darf wohl annehmen,
dass kein irgendwie erhebliches Denkmal der Renaissance gegenwärtig in Hol-
land exislirt, das nicht in den Seiten dieses Buches seinen Platz gefunden
hätte. Mehr als- das, es sind auch, soweit verständige alte Aufnahmen vor-
handen waren, die gegenwärtig verschwundenen, stilgeschichtlich bedeutenden
Monumente berücksichtigt. Zahlreiche und beinahe durchgängig gute und
deutliche Abbildungen veranschaulichen den Text. Besonders willkommen sind
sie natürlich für jene nicht mehr vorhandenen Kunstwerke. So nennen wir
z. B. das ehemalige Portal des Zuiderkirchhofes in Amsterdam (Fig. 78), das
prächtige alte Marethor in Leiden (Fig. 89) und das Osterthor zu Hoorn (Fig. 161),
nicht zu reden von dem Utrechter Rathhause und dem wiederhergestellten
zu Arnheim, die beide bereits durch Ewerbeck’s Aufnahmen bekannt gemacht
sind. — Der gründlichen Monumentalkenntniss entspricht diejenige der Litte-
ratur. Namentlich hat sich der Verfasser bestrebt, eine Lücke in seiner Erst-
lingsarbeit über das gleiche Thema (die Renaissance in Holland, Berlin 1882)
auf die auch in einer Besprechung in dieser Zeitschrift hingewiesen wurde,
auszufüllen, indem er die alte topographische Litteratur des 16. und 17. Jahr-
hunderts in umfassender Weise heranzog. Von den einzelnen Abschnitten
möchten wir namentlich den über Lieven de Key, den Schöpfer der köst-
lichen Haarlemer Fleischhallc, hervorheben. Eingehend hat sich Galland mit
ihm beschäftigt, und ihm bereits vor dem Erscheinen dieses Buches verein-
zelte Artikel in Zeitschriften gewidmet. Es ist sein Verdienst, diesem genialsten
unter den Bildhauer-Architekten Hollands den gebührenden Ehrenplatz in der
Kunstgeschichte angewiesen zu haben. Jetzt ist ein hinreichendes Licht über
seine Person und Thätigkeit verbreitet. Glücklich ist insbesondere die Zu-
weisung der Haarlemer St. Jorisdoele an Lieven, deren nahe Verwandtschaft
mit seinem Stile jedem Kenner holländischer Renaissancebauten längst in die
Augen fallen musste. Weniger überzeugt als Galland sind wir dagegen noch
von der Urheberschaft Lievens bei der Haarlemer Stadtwaage am Spaarne.
Dies nüchterne Gebäude scheint uns doch zu wenig in den Rahmen seiner
übrigen beglaubigten Werke (Leidener Rathhaus, Rheinlandhausprojecte, Fleisch-
halle) hineinzupassen. Doch müssen wir immerhin zugeben, dass die äusseren
Gründe Gallands auch hier triftig genug sind. Als ein öffentliches Gebäude
hätte die Waage freilich vom »Stadsmetselaer« Lieven de Key errichtet werden
müssen. Vielleicht wird ein günstiger Zufall noch einmal eine archivalische
Notiz an den Tag fördern, welche die hier noch bestehenden Zweifel beseitigt.
Es würde wohl vergebliche Mühe sein , in den thatsächlichen Angaben
des Verfassers nach Unrichtigkeiten zu suchen. Kleine Fehler (die ich übri-
gens nicht gefunden habe) mögen ja hier, wie in jedem Buche unterge-
laufen sein.
Litteraturbericht.
71
Bis so weit hätten wir nur Lobendes zu sagen gehabt. Nun aber dürfen
wir auch nicht verhehlen, dass das Buch in seiner Anordnung einige Mängel
aufweist, die geeignet sind, seinen sonstigen Werth zu schmälern.
Zuerst einmal ist die zwiefältige, historische und topographische Be-
handlung des Stoffes nicht hinreichend begründet. Sie nöthigt zu vielfachen
Wiederholungen. Der topographische Theil ist an sich angenehm geschrieben
und belehrend, aber es steht nichts in ihm, was nicht entweder im ersten
Theile seinen Platz hätte finden können, oder was überhaupt zu entbehren
gewesen wäre.
Sodann haben die historischen Capitel ihr Bedenkliches. Eine historische
Einleitung in grossen Zügen wird allerdings das Verständniss der kunsthisto-
rischen Entwicklung nur fördern können; sie wird das kunstgeschichtliche
Bild wirksam ergänzen. Nur muss man dabei im Auge behalten, dass die
Perioden der politischen Geschichte sich mit denen der Kunstgeschichte selten
decken, so sehr sie die letzteren mittelbar beeinflussen.
Gerade Holland gibt uns ein gutes Beispiel hierfür. Der Befreiungs-
kampf der Niederlande ist das bedeutendste Capitel ihrer Geschichte. Aber
für die Kunst bedeutet die Insurrectionszeit so gut wie gar nichts. Erst nach-
dem der Kriegslärm verstummt ist, gleichsam als friedlicher Rückschlag gegen
denselben, erhebt das Kunstschaffen wieder sein Haupt. Die Denkmale der
Baukunst und Bildnerei, die Galland aus der »Insurrectionszeit« anführt, ge-
hören ihrem Stil nach theils der von ihm vorher behandelten, theils der nachher
geschilderten Periode an. Keinenfalls bilden sie eine Gruppe, die mit der In-
surrection als solcher in irgend welchem Zusammenhang stünde. Auf die
Jahre, in denen sie entstanden sind, kommt es doch erst in zweiter Linie an.
Das ist ein äusserlicheres Moment. So hätte die Kanzlei von Leeuwarden,
deren Plan, wie Galland nachweist, bereits 1545 vollendet war, in dem Capitel
der »Zeit des Ueberganges« erledigt werden müssen. Galland erwähnt sie
auch da, aber nur um später (S. 125), weil sie in den Jahren ' 1566— 1571
ausgeführt wurde, eingehender auf sie zurückzukommen. Das Hoorner St, Jans
Gasthuis trägt entschieden den Charakter der classischen Frühzeit und wäre
demgemäss an die Utrechter Baugruppe (I. Buch, Gap. 2) anzureihen gewesen. —
Das gleichzeitig entstandene Rathhaus im Haag dagegen, das bei Galland un-
mittelbar auf dieses Hospital folgt, Hesse sich als Ausgangspunkt 'für die Schil-
derung der Reifezeit holländischer Renaissancearchitektur betrachten. — Ferner
M^eist Galland z. B. bei der prächtigen Kanzel der Kathedrale von Herzogen-
busch ganz richtig auf die enge Verwandtschaft ihrer Ornamentik mit der-
jenigen des Dordrechter Ghorgestühls hin. Sie hätte dann aber auch in dem
gleichen Capitel mit jenem ihren Platz finden müssen. Denn auch ihr archi-
tektonischer Aufbau, so originell wie er ist, zeigt keineswegs eine höhere
Entwicklungstufe des Stils als die im ersten Buche besprochenen Bilderwerke
des Kampener Rathhauses, wenn dieselben auch zwei Jahrzehnte früher
vollendet wurden.
Eine weitere Frage der Anordnung ist die, ob es vorzuziehen sei, zuerst
die Architektur der einzelnen Perioden zu betrachten , und darauf die deco-
72
Litteraturbericht .
rative Sculptur, wie es Galland thut, oder aber umgekehrt von der decora-
tiven Kunst zur Betrachtung der Bauten überzugehen. Wir möchten letzteres
Vorschlägen. Durch die Decoration, das Ornament ist die Renaissance in die
Länder diesseits der Alpen eingezogen. Maler und Bildschnitzer waren längst
in den Renaissanceformen zu Hause, als die Baumeister anfmgen, sie auf die
Gebäude anzuwenden. Und so können wir es bis in die Zeiten des Barock
verfolgen, dass die Stilentwicklung in den decorativen Künsten immer um
eine gute Strecke der Architektur voraus ist. Ganz richtig beginnt Galland
sein Buch mit einer Schilderung der ersten Renaissanceformen bei Malern und
Stechern, bei Lukas von Leiden, Jakob Cornelis, denen er vielleicht auch
noch einige Belgier, wie Mabuse, Barend van Orley und Lancelot Blondeel,
deren Werke doch auch in Holland bekannt waren, hätte anreihen können.
Anstatt dann aber hieran einige frühe Beispiele aus der decorativen Plastik zu
knüpfen , führt er uns gleich vor die Schlossbauten des Adels. Und doch
muss er bei einem dieser Paläste, dem Marquisenhof bei Bergen up Zoom,
darauf hinweisen, wie in dem noch spätgothischen Bau bereits ein Kamin der
Renaissance errichtet wurde , ein schlagendes Beispiel für das geschilderte
Verhältniss der Decoration zur Architektur.
Dasselbe Verhältniss bemerken wir bei der zweiten Hauptperiode der
niederländischen Renaissance. Diese wird eingeleitet durch die Ornament-
stiche des Cornelis Floris, ausgebildet durch die umfassenden decorativen Publi-
cationen des Vredeman de Vriese. Diese beiden bedeutendsten niederländischen
Decorations- und Architekturmeister jener Zeit sind in Galland’s Buch nicht
eingehend genug behandelt, namentlich Floris, der nur mit wenigen Sätzen
abgethan ist. Der »classischen Frührenaissance« , unter der Galland ihn an-
führt, gehört Cornelis Floris schon nicht mehr an. Der ornamentale Stil seiner
Stiche und der von ihm abhängigen Werke bildet eines der Merkmale der
Reifezeit niederländischer Renaissance. Bildwerke, wie die des Kampener
Rathssaales, die späteren der Bredaer Epitaphien, in denen ^wir die ersten
Spuren von einem Einfluss des Floris gewahren, das Nimwegener Schöffen-
gestühl, in dem der Meister deutlicher zu Tage tritt, hätten an die Spitze des
zweiten Abschnittes, der »nationalen Blüthe« gehört.
Was sodann Vredeman betrifft, so spielt er zwar, äusserlich genommen,
eine ansehnliche Rolle in dem vorliegenden Buche — ein grosser Theil der
Illustrationen ist aus seinen Werken geschöpft — , wir vermissen aber eine
eingehende Charakteristik seines Stiles, eine nähere Definition seines Einflusses
auf die holländische Renaissance. Namentlich sein Verhältniss zu Lieven de Key,
das Galland wohl erkannt hat und hie und da berührt, hätte schärfer be-
zeichnet werden können.
Wie schon bemerkt, weichen die hier geäusserten Ansichten von denen
Galland’s kaum ab; es ist nur die Gruppirung des Stoffes, die wir anders
wünschen möchten. —
Noch einen Punkt möchte ich hier zur Sprache bringen. Wäre es nicht
richtig, die ostfriesische Renaissance in den historischen Darstellungen mit der
niederländischen zu verbinden ? — Ostfriesland liegt ja allerdings innerhalb
Litteraturbericht.
73
der deutschen Grenzen , aber die Grenzen der Stilgebiete fallen nicht immer
mit den politischen zusammen. Mit seiner einen Hälfte gehörte Friesland von
je dem niederländischen Staatsverbande an, und auch in seiner östlichen Hälfte
sind die Beziehungen zu Holland, zumal in der Cultur, stets die lebhaftesten
gewesen. Die Renaissancedenkmale Ostfrieslands, Bauten wie Schnitz werke,
sind niederländischen Stils, zum Theil nachweislich von Niederländern errichtet.
Wie eins sich im, übrigen West- und Ostfriesland trotz verschiedener Staats-
angehörigkeit fühlten, beweisen schon die Werke des Ubbo Emmius. —
In Bezug auf die äussere Gestaltung des vorliegenden Buches haben wir
schliesslich noch zwei gewiss berechtigte Wünsche zu äussern. Wenn, was
wir aufrichtig hoffen, in nicht zu ferner Zeit eine zweite Auflage nothwendig
werden sollte, so mögen doch die Illustrationen, die jetzt ziemlich planlos ver-
streut sind, in die Nähe der betreffenden Textslellen gerückt werden, und
zweitens möge bei dieser Gelegenheit dem Buche ein ausreichendes Register
angehängt werden. Das gegenwärtige Ortsregister ist nur eine sehr schwache
Hülfe beim Nachschlagen. Wenn ich z. B. über das Amsterdamer Ralhhaus
etwas erfahren möchte, so habe ich sämmtliche Stellen, an denen Amsterdam
vorkommt, aufzusuchen, um vielleicht an der zehnten oder zwölften am Ziele
zu sein.
Wir möchten aber diese Besprechung nicht ohne ein abermaliges Wort
der Anerkennung schliessen. Eine so fleissige und auf so vieler Anschauung
beruhende Arbeit wird immer ihren Werth behalten. Und zumal, da sie die
erste brauchbare Darstellung der holländischen Renaissance ist, wird sie eine
der Grundlagen für alle ferneren Studien auf diesem Gebiete sein.
Gustav Pauli.
Plastik.
Enrico Ridolii, I Discendenti di Matteo Givitali (Archivio storico ita-
liano, Jahrgang 1889, Bd. II, S. 202 — 247). Florenz 1889.
Der um die Erforschung der Biographie Givitali’s vielfach verdiente
Verfasser gibt in der vorliegenden Studie auss§r dem durch ihren Titel an-
gedeuteten Hauptinhalt auch einige werthvolle Ergänzungen zu dem Werke
des Meisters. Die erste bezieht sich auf das heute im Museo nazionale zu
Florenz befindliche weibliche Porträt in Relief, wofür schon Yriarte die Autor-
schaft Givitali’s in Anspruch genommen hatte (Phot. Alinari Nr. 5558). Laut
urkundlichem Zeugniss wurde 1676 von dem Gapitel der Kathedrale von
Lucca ein Reliefbildniss der Markgräfin Mathilde (!) aus dem Besitze eines ge-
wissen Fr. Gampi um 3 Scudi erworben. Da das Gapitulararchiv noch heute
einen Gypsabguss, sowie die Form, aus der dieser genommen wurde, nach
dem Relief des Bargello bewahrt , und zwar noch immer unter dem obigen
falschen Namen , so ist kein Zweifel , dass dies letztere das in der Urkunde
angeführte Werk ist, das später — ob durch Kauf oder Entwendung bleibt
ungewiss — nach Florenz gelangte. Seine auf diese Weise sicher gestellte
Provenienz stützt nun aber die sonstigen Argumente, die für dessen Zu-
74
Litteraturbericht.
Weisung an Givitali sprechen. — Sodann gibt Ridolfi eine Beschreibung des
durch eine Notiz im Testament des Meisters als Werk desselben beglaubigten
Grabdenkmals des hl. Pellegrinus vom Jahre 1484, das sich in der dem Hei-
ligen geweihten Kirche auf der nach ihm benannten Alpe des Appennins (im
Thal der Lima über Gutigliano) befindet. Es gleicht im Aufbau den altchrist-
lichen Altartabernakeln , indem auf hoher altartischförrniger Basis der Sarko-
phag des Heiligen auf Gonsolenfüssen und reich gegliedert mit Gesimsen, Fül-
lungen und einer durchbrochenen Rose auf jedem seiner Felder ruht. Dar-
über erhebt sich auf vier cannelirten compositen Säulen, die ein vollständiges
reich verziertes Gebälke mit polychrom intarsirtem Fries tragen, ein flaches
Zeltdach, das ein Kuppelchen krönt, und an dessen vier Ecken über den Säulen
nackte, wappenhallcnde Putten stehen. Leider ist der Sarkophag jetzt an einer
der Seitenwände der Kirche hoch oben auf Gonsolen aufgestellt, während ein
hölzerner Schrein im Geschmack des Barocco seine Stelle einnimmt. — Ferner
nimmt Ridolfi für Matteo Givitali in Anspruch ein graziöses, mit Fruchtfestons
geschmücktes Tabernakel in S. Maria de Servi zu Lucca, das als Sacraments-
häuschen diente, ehe zu diesem Zwecke das jetzige Tabernakel, ein Werk
seines Sohnes Niccolö, angefertigt wurde; ebenso auch im Dom zu Pisa
die vier schönen Marmorcandelaber auf den Ghorschranken, die in Stil und
Arbeit ganz die Hand des Meisters erkennen lassen , wie auch das Lesepult
im Ghor, in Gestalt eines reich gegliederten, von einem Adler gekrönten
Gandelabers, dessen Formen denen der Ständer an den Weihwasserbecken im
Dom zu Lucca — bekanntlich Arbeiten unseres Künstlers — ganz nahe ver-
wandt sind, und schliesslich auch ein kleines Weihwasserbecken in der Kirche
von Mutigliano bei Lucca von sechseckiger Form, auf einem von Fruchtfestons
umzogenen Säulchen ruhend, eine in ihrer zierlichen Ornamentik unverkennbar
seinen Meissei verrathende Arbeit.
Was die Nachkommen Givitali’s betrifft, die sich in der Kunst einen
Namen gemacht haben, so ist es — ausser dem Neffen Mas^eo, der uns bisher
schon als sein Schüler und als tüchtiger Holzbildhauer und Intarsiator be-
kannt war — , vor Allem sein im Jahre 1482 geborener drittältester Sohn
Nicolao, über den uns der Verfasser neue Nachrichten mittheilt. Zuerst wird
er urkundlich im Jahre 1513 als Genosse des bekannten florentinischen Bild-
hauers Donato Benti bei der ihm übertragenen Ausführung eines reichen
Baptisteriums für die Kirche S. Martine in Pietrasanta genannt, das jedoch
bei dessen Tode in unvollendetem Zustande zurückblieb. Die Jahreszahl 1516
trägt sodann das elegante Sacramentstabernakel in S. Maria de Servi zu
Lucca, das uns Niccolö im Geschmack des Entwurfs und der Feinheit der
Ausführung als ebenbürtigen Schüler seines Vaters zeigt. Leider ist bei der
Umsetzung des Werkes im vorigen Jahrhundert und bei seiner neuen Be-
stimmung als Sacramentsaltar. die ursprüngliche Gestalt und Zusammensetzung
desselben geändert, namentlich sind dabei auch die Statuen, die dazu ge-
hörten, verschleudert worden. Ridolfi spricht die Vermuthung aus, die knieende
Madonna im South-Kensington-Museum, die sich ja als ein den authentischen
Arbeiten Givitali’s sehr nahe stehendes Werk erweist, möchte einst zu seinem
Li tleraturberich t.
75
Altartabernakel gehört haben, das ja, wie uns quellenmässig überliefert ist,
eine Verkündigungsgruppe enthielt. — Einige architektonische Werke werden
unserem Künstler nur durch die litterarische Tradition zugeschrieben , ohne
dass urkundliche Zeugnisse für seine Autorschaft vorhanden wären , wie der
Palazzo Bernardini auf dem gleichnamigen Platze im linken Mittelbau und Hof-
tract, ein zweiter Palast der gleichen Familie auf der Piazza S. Giusto, der noch
von Matteo begonnen worden war, und einige andere. Ebenso wird er auch
als Schöpfer der Villen Santini zu Gattaiola und Sinibaldi zu Massa Pisano, wie
auch der einfach edlen Sängertribünen in der Kirche S. Paolino zu Lucca
namhaft gemacht. Dagegen sind andere Arbeiten von ihm, worüber wir ur-
kundliche Zeugnisse besitzen, heut nicht mehr nachzuweisen; so wissen wir
nicht, worauf sich ein im Jahre 1531 an ihn ergangener Auftrag zu einer
Arbeit in der Capelle des Pal. pubblico bezog, und ob er der 1539 eingegan-
genen Verpflichtung, für die Kirche zu Villa Gollemandina in der Garfagnana
ein Tabernakel zu fertigen, nachgekommen sei. Die letzte urkundliche Nach-
richt, die wir über ihn besitzen, stammt aus dem Jahre 1560.
Eine noch vielseitigere Thätigkeit entfaltete Nicolao’s ältester, 1523 ge-
borener Sohn Vincenzo. Seine Lehrzeit scheint er bei einem Goldschmied
durchgemacht zu haben, denn es werden ihm — wie wir gleich sehen werden —
noch in reifem Aller bedeutende Arbeiten dieses Faches übertragen ; im Uebrigen
aber liegt der Schwerpunkt seines Wirkens in seiner Thätigkeit als Bildhauer
und besonders als Festungsbaumeister. Schon im Jahre 1546 hat er ein Gut-
achten über die Wiederherstellung des Castells von Nozzano abzugeben. Bald
darauf finden wir ihn in Rom mit Bildhauerarbeiten — namentlich einigen
Petrusstatuen — für die apostolische Kammer beschäftigt, und dann im Interesse
ihrer Ausführung Jahre lang in Carrara anwesend, woher er noch 1556 Zah-
lungen für seine bezüglichen Arbeiten in Empfang nimmt, sowie diese nach
Rom befördert. Im Jahre 1557 ist er wieder in Rom und wird von dort zur
Abgabe eines Gutachtens betreffs einer im Bau begriffenen Fortifikation in
seine Heimathsstadt berufen und zwei Jahre darauf als Ingenieur in ihre
Dienste genommen. Differenzen bezüglich der Zweckmässigkeit der nach den
Plänen des berühmten urbinatischen Festungsbaumeisters Fr. Paciotti aus-
zuführenden neuen Befestigungen der Stadt Lucca veranlassen ihn jedoch, im
Jahre 1562 auf seine Stelle zu verzichten. Da er trotzdem mit seiner Kritik
des begonnenen W’erkes nicht an sich halten konnte, wird ihm 1565 auf die
Dauer von drei Jahren geradezu verboten , sich mit irgend Jemand in eine
Discussion darüber einzulassen. — Aus diesen Jahren datiren auch die oben
erwähnten Goldschmiedearbeiten, die er für die Domverwaltung ausführte, und
zwar ein grosses silbernes Altarkreuz im Werth von 300 Dukaten (1560) und
zwei silberne Einbanddecken für Messbücher (1566 und 1567). Im letzteren
Jahre wird er zur Leitung der Arbeiten an der Sacramentscapelle in S. Martino
berufen ; es ist also anzunehmen , dass die zierliche Architektur, welche zwei
Seiten der genannten Capelle schliesst, in ihren unteren Partien von ihm
herrührt (die oberen gehören einer viel späteren Zeit an). Inzwischen hatte
er ein Jahr zuvor in Diensten des Herzogs von Ferrara an dem Feldzug gegen
76
Lilteraturbericht.
die Türken in Ungarn theilgenommen und nach seiner Rückkehr an der Be-
festigung von Monte Alfonso in der Garfagnana gearbeitet, war aber aus
Patriotismus aus den 'Diensten des Herzogs getreten, als das gute Einver-
nehmen zwischen ihm und der Stadt Lucca aufgehört hatte. Von 1579—1583
sehen wir ihn vorzugsweise mit Wasserbauarbeiten beschäftigt, doch findet
er dazwischen (1582) noch Zeit, die Punzen für ein neues Stadtsiegel, sowie
für verschiedene Münzen und Medaillen zu liefern. Zwei Exemplare dieser
letzteren mit Darstellungen des hl. Martinus und des. Bettlers , sowie der des
hl. Petrus werden noch heute im Archiv zu Lucca aufbewahrt. Das Jahr 1584
bringt neue Befestigungsarbeiten, das Jahr 1587 Wasserbauten und das fol-
gende den Auftrag, die Loggia des Pal. Pretorio zu erweitern, dessen er sich
zu voller Zufriedenheit der Behörde entledigt. In dasselbe Jahr fällt auch
seine neuerliche Bestallung als Festungsingenieur der Republik. Doch ver-
anlassen ihn erneuerte Anfeindungen und Differenzen mit seiner Vorgesetzten
Behörde, auf dieses Amt schon im nächsten Jahre zu verzichten. — Darüber,
dass Vincenzo Givitale auch nach seiner Rückkehr aus Rom im Jahre 1559
Arbeiten als Bildhauer ausgeführt habe, fehlt uns jede urkundliche Nachricht.
Da indess in der Aufnahme seiner Verlassenschaft »85 Figuren, Köpfe und
Stöcke verschiedener Art von Thon und Gyps« angeführt werden, worunter ohne
Zweifel die Modelle zu Bildhauerwerken gemeint sind , so muss angenommen
werden, dass er auch noch während seiner Luccheser Periode diesen Zweig
seiner Thätigkeit cultivirte. Als tüchtigen Architekten endlich offenbart er
sich im Pal. Guidiccioni, als etwas schweren Decorateur in dem triumph-
bogenartigen Altar von S. Maria Forisportam. Mit seinem 1597 im Alter
von über 73 Jahren erfolgten Ableben erlischt die männliche Nachkommen-
schaft Matteo Civitali’s.
Gleichzeitig mit Vincenzo lebten noch zwei andere Mitglieder seiner
Familie desselben Vornamens. Der eine, ein Neffe des alten Matteo, war
auch als Bildhauer thätig. Von ihm stammt die heute in S. Frediano be-
findliche bezeichnete und datirte (1506) Statue des hl. Petrus. Dem zweiten,
einem 1545 geborenen Sohne Masseo’s, des Neffen Matteo’s, werden von
Tom. Trenta (Memorie e documenti etc. t. VIII, p. 1. p. 78) fälschlich mehrere
Arbeiten zugetheilt, die er aus chronologischen Gründen nicht ausgeführt haben
konnte, die im Gegentheil unserem Vincenzo angehören. Urkundliche Nach-
richten, dass er auf künstlerischem Gebiete thätig gewesen sei, sind überhaupt
nicht vorhanden, dagegen ist erwiesen, dass er schon in früher Jugend mit
seinem Vater nach Lyon auswanderte. C. v. F.
Kataloge.
Carl von Lützow; Katalog der Gemäldegalerie in der k. k. Aka-
demie der bildenden Künste, bearbeitet »im Aufträge und auf Kosten
des hohen k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht«. Wien, 1889, Ver-
lag der Akademie der bildenden Künste. 8°, VIII und 438 Seiten.
Von unscheinbaren Anfängen ausgehend, ist im Laufe von etwa andert-
halb Jahrhunderten in der Wiener Akademie eine bedeutende Gemäldesamm-
Litteraturbericht.
77
lung entstanden, die längst den Blick und das Interesse der Kunstwissenschaft
auf sich gelenkt hat. Zu den ältesten Preisarbeiten und Aufnahmewerken
der ehemaligen Schüler und Mitglieder der Akademie kam im Jahre 1821 die
gräflich Lamberg’sche Schenkung (741 Bilder), die aber erst seit 1835 öffent-
lich sichtbar gemacht wurde ^).
Später traten die Schenkungen Kaisers Ferdinand (1838) und neuerlich
die Föger’schen und Fürst Liechtenstein’schen Gaben hinzu , sowie endlich
einige Ankäufe. Im Ganzen sind heute 1135 Bilder vorhanden.
Nachdem seit der ersten Aufstellung von 1835, soweit ich unterrichtet
bin, die Galerie jahrelang ohne gedrucktes Verzeichniss geblieben war, bildete
seit 1866 der Heinrich Schwemminger’sche Katalog ^) ein gutes Hilfsmittel, sich
über die Galerie zu unterrichten. Sechszehn Tafeln mit guten Nachbildungen
der Monogramme waren beigegeben. Eine spätere Auflage (ohne Tafeln) von
1873 brachte eine andere Nummernfolge. Die Galerie war bis 1877 in den
Räumen von S. Anna (wie ich noch aus Erfahrung weiss) herzlich schlecht
aufgestellt, so wenig dies auch Vielen zum Bewusstsein gekommen sein mag ®).
Endlich aber kam die Zeit der Uebersiedelung in den neuen Hansen’schen
Akademiepalast auf dem Schillerplatz, wodurch allerdings die Bilder wieder
für längere Zeit so gut wie unzugänglich wurden. Nach der neuen Aufstellung
schienen aber bessere Zeiten heranbrechen zu wollen. Wenigstens waren viele
Bilder an gut beleuchteten Wänden ausgebreitet; auch erhoffte man einen
neuen Katalog, der dem neuen Stande der Dinge gerecht werden sollte. Er
kam aber nicht und war noch nicht gekommen, nachdeni zehn Jahre ins Land
gegangen, obwohl Gustos Schäffer vor seiner Berufung ans Belvedere einen
ernst gemeinten Anlauf genommen hatte. Penther, sein Nachfolger, war nicht
der Mann dazu, einen wissenschaftlichen Katalog zu verfassen ^). Da nun ein
solches Verzeichniss unerlässlich erschien, erhielt C. v. Lützow den ministeriellep
Auftrag, sich dieser Arbeit zu unterziehen. Um Weihnachten 1889 ist der
lang erwartete Katalog endlich erschienen. Jedenfalls wird das neue, mit
vieler Umsicht und Fachkenntniss gearbeitete Verzeichniss das Studium der
alten , vielfach unterschätzten Galerie wesentlich erleichtern. Sie war uns
während ihrer kataloglosen Zeit geradewegs zum Aergerniss geworden. Nun-
mehr aber kann man sich in bequemerer Weise als früher der schönen Bilder
0 In Pietznigg’s Mittheilimgen aus Wien 1835, T. S. 202 heisst es in der
Rubrik »Zur Geschichte des Tagesc; »Lamberg’sche Gemälde-Galerie. Diese von
dem früheren Präses, Grafen Anton von Lamberg, der k. k. Akademie der bildenden
Künste vermachte Gemälde-Sammlung, ist nun im Akademiegebäude aufgestellt und
seit dem 17. Januar zu sehen.««
Dessen »Drucklegung« laut Vorwort dem bekannten Kunstforscher Gust.
Heider verdankt wird.
®) »Die Sammlung ist auf eine sehr sinnreiche Art in dem Locale der Kunst-
ausstellung aufgestellt«-, (Annagasse Nr. 980) heisst es 1837 bei A. Schmidl »Wien,
wie es ist«, 2. Auf!., S. 225.
^) Obwohl er in einem Artikel der Lauser’schen Kunstchronik seinen Lesern
weiss machen wollte, dass er alle europäischen Galerien studirt habe.
78
Litteraturbericht.
und ihres Studiums erfreuen , soweit das überhaupt Sache des Kataloges ist,
welcher nach einem gut gearbeiteten Register das Aufsuchen einerseits der
Inventarnummern leicht macht, andererseits durch die alphabetische Anordnung
der Künstlernamen das Nachschlagen sehr einfach gestaltet. Die alten Meister
und die modernen Bilder sind getrennt behandelt. Bezüglich der geringen
Ausdehnung, welche Lützow den biographischen Angaben über die Künstler
gegeben hat, wird er gewiss allgemeine Zustimmung finden, ebenso bezüglich
der knappen Form der Beschreibungen, die aber trotzdem selten etwas Wesent-
liches übersehen. An kleinen Irrthümern, die sich ja in allen Katalogen finden,
will ich nicht nergeln. Im Vorwort konnte vielleicht erwähnt werden , in
welchem Sinne »rechts« und »links« bei den Beschreibungen zu verstehen
ist. Irre ich nicht, so hat der kunstgeschichtliche C4ongress von 1873 diese
Forderung ausgesprochen. Die Wiedergabe der Künstlerinschriften gehört zwar
nicht zu den besten, die ich kenne, ist aber wenigstens nicht schlechter als
im alten Schwemminger’schen Katalog.
Was die Bestimmung der Bilder anbelangt, so hat sich der Katalog hin-
reichend vorsichtig gehalten, um vor ernstlichen Angriffen sicher zu sein.
Wenn ich hier einige Bemerkungen machen muss, so trete ich gewiss nicht
in. einer Weise auf, die belehren will. Ich veröffentliche einfach, was ich im
Laufe der letzten Zeit durch Vergleichung auf einigen Studienausflügen und
durch das Hervorsuchen lange versteckt gebliebener Notizen, Skizzen etc. etc.
gefunden habe ®).
Bei meinen Bemerkungen schliesse ich mich an die Reihenfolge an, die
im Katalog gewählt ist Zu W. v. d. Aelst: Blumenstück (Nr. 692, bei
Schwemminger 470), hätte ich die Bemerkung gesetzt, dass hier die Diagnose
nicht vollkommen sicher ist. Bei Assel yn: Ein Reiter (Nr. 709) vom Jahre
1634 wäre wohl auf das Braunschweiger Bild mit derselben Schreibung des
Künstlernamens und mit derselben Jahreszahl hinzuweisen (Facsimile in Riegel’s
Beiträgen zur niederländischen Kunstgeschichte). Asselyn’s Bilder, selten
datirt, lassen sich nicht in allen Fällen mit Bestimmtheit einer gewissen Zeit
zuweisen. Bei der grossen Flusslandschaft aber mit d.em schreitenden Hirten im
Vordergründe (Nr. 810, alt 102) lässt sich die Vermuthung aussprechen, dass
es um 1647 gemalt ist. Ein datirtes Bild in Schwerin, das derselben Stil-
periode des Künstlers angehört, leitet auf diese Vermuthung. Nr. 811 ist als
Asselyn nicht ganz sicher, wogegen ich Nr. 764 mit dem Monogramm »I A F«
nicht anzweifeln möchte. Das Bild dürfte aus der frühen Zeit des Meisters
sein, als er seine bekannte Signatur noch nicht festgestellt hatte. Beim sogen.
Genlile Bellini (männliches Porträt, Nr. 1098) dürfte das beigesetzte Frage-
zeichen sehr gerechtfertigt erscheinen. Das folgende Bild »nach Giovanni
Bellini«, von dem es bei Growe und Cavalcaselle (A history of painting in
Ich muss hier, um Missdeutungen zu entgehen , ausdrücklich bemerken,
dass ich im Frühsommer 1889 , als ich über Aufforderung meine Notizen über die
Bilder der Akademiegalerie zusammenstellte, dem Verfasser des Kataloges nichts
Wesentliches vorenthalten habe.
Litteraturbericht.
79
north Italy , I. 190, Anm.) heisst: »This is an old schoolpiece by some fol-
lower of the master«, halte ieh für eine Arbeit des Bissolo, die von vorn-
herein auf Täuschung angelegt war. Zu dem bekannten Bilde von Vittore
Belliniano aus der Scuola di San Marco, das bei Vasari, bei Ridolfi , und
anderwärts beschrieben ist, und von dem man beim Studium des genannten
Künstlers ausgehen muss, bemerke ich, dass es mir zu dem sogenannten
Vittore Belliniano in der Galerie Lochis zu Bergamo (Nr. 180) nicht recht zu
passen scheint. Die Lesung der Inschrift auf dem Gemälde zu Bergamo ist
ja überaus unsicher ®). Das Bild in Bergamo ist von einem guten Tizianesken,
der mich an die Hand des Brocardobildnisses in Pest erinnert (bei dem, nebst-
bei bemerkt, an Giorgione nicht zu denken ist). — Belliniano wird, was ich
zur Ergänzung seiner Biographie erwähnen will, 1517 in einer rnariegola der
Gonfraternitä dei pittori als Sindaco angeführt neben Rocco Marconi und Seb.
Zuccato (Molmenti: 11 Carpaccio ed il Tiepolo, S. 48).
"Wir kommen zu N. Berchem. Nr. 829 ist vielleicht von Goog; viel-
leicht auch Nr. 712 und 832. Ich meine jenen Abraham Goog, der in »Oud
Holland« (VI. 21) nach einer Urkunde in einer etwas zweideutigen Angelegen-
heit genannt wird
Die Bezeichnung auf Nr. 829 ist augenscheinlich falsch , weshalb das
Facsimile wegbleiben konnte. Nr. 882 ist vielleicht Soolmacker. Dagegen
muss ich bemerken, dass mir die Vermuthung Eugen Obermayer’s zu Nr. 886,
als wäre diese Nummer von Soolmacker, nicht im Mindesten »ansprechend«
vorkommt, ebensowenig als merkwürdige Dinge, das Herr E(ugen) O(bermayer)
unlängst in der Zeitschrift für bildende Kunst über G. A. Ruthart, L. Rys-
braeck und Poelenburg mitgetheilt hat. Nr. 701 ist vielleicht H. Mommers.
Bles: Nr. 548 dürfte wohl in seiner Echtheit von Niemanden bestritten wer-
den, N. 551 dürfte eine alte Copie sein. (Scheibler, Rep. X. 287, hält dieses
Bild für »unecht«.)
Bonifazio Veneziano (Nr. 9, 10, 11) stammen wohl aus den »magi-
strati molti a Rialto«, in denen Boschini (»Descrizione di Venezia«) so viele
Bonifazio’s beschreibt. Ich bin übrigens dieser Sache noch nicht weiter nach-
gegangen.
Zu Andrea Busati (Nr. 14). Auf den ikonographischen Zusammen-
hang dieses Bildes mit dem bezeichneten Andrea Busati in der Academia zu
Venedig habe ich zuerst in einem Vortrag des wissenschaftlichen Clubs in
Wien hingewiesen (vor zwei Jahren).
Zu Garn et 0 Nr. 41 (St. Paulus). Bei Boschini ist der Name: Garneto
geschrieben. Nun war aber ehemals das Gegenstück zu unserem St. Paulus ein
®) Trotz Mündler (Jul. Meyer’sches Künstlerlexik. Artikel Belliniano).
’) Bredius nennt den A. Goog »Schilder, plaatsnijder, plateelbakker en kunst-
handelaar«. Als Kunsthändler hatte er, wie es scheint, ein etwas weites Gewissen,
da er ein minderwerthiges Bild als Parcellis verkauft hatte. Die Urkunde, in
welcher Goog erwähnt wird, bringt ihn mit Delft in Verbindung. In Pest findet
man ein grosses Breitbild des genannten Malers, nach welchem schon Garlo Pulszky
einige Berchems der Wiener Akademie angezweifelt hat.
80
Litteraturberichl.
St. Petrus bekannt, auf welchem Franc. Zanotto noch vor 1858 folgende In-
schrift gelesen hat: »Stephano Cernoto, a labiis iniquis et a lingua dolosa
MDXXXVI.« Dieses Gegenstück und unser Paulus befanden sich ehedem im
Magistrate del Monte Novissimo a Rialto. (Vergl. Pinacoteca Veneta I. (1859),
Taf. 26). Unser St. Paul ist gestochen von Rud. Kirchhoffer.
Zu P. Co dde’s Hauptwerk, gelegentlich ungenau »der grosse Ball« ge-
nannt (Nr. 1096). Das Bild ist als P. Grebber ehemals in der Galerie Gsell
gewesen (hiezu W. Bode in der Zeitschrift für bild. Kunst, VII. 183 f.). Später
finde ich es im Katalog der Auction Scharf zu Paris radirt (1876). Das Bild
kam an den Fürsten Liechtenstein (vgl. Bode: Studien, S. 141 und 146), der
es der Akademie schenkte. Dass ich in diesem Bild ein Gegenstück zu dem
unrichtig benannten Duc der Münchener Pinakothek (Nr. 365) vermuthe, habe
ich in der Neuen freien Presse vom 10. Mai 1889 ausgesprochen.
Jac. Gerritsz Cuyp. Das weibl. Brustbild (Nr. 617, alt 240) ist durch
Unger’s Radirung und durch eine Photolypie in Wörmann’s Geschichte der
Malerei, III. 849, in den weitesten Kreisen bekannt geworden.
Die Benennung Dirk v. Deelen bei Nr. 164 und 165 ist wohl etwas
gewagt. Die beiden Bilder sind allzu stark mitgenommen.
Zur »heimkehrenden Heerde« von S. v. d. Does (Nr. 871) wäre zu be-
merken gewesen, dass dieses Bild formatisirt ist. Oben und rechts ist es an-
gestückelt. Der Hintergrund ist versudelt, die Bezeichnung verdächtig. Ich
möchte sogar die Möglichkeit offen halten, dass man es hier mit dem Thier-
maler Jan V. d. Meer zu thun hat. Bei J. A. Duck: »Das Düett« (Nr. 696),
zweifle ich an der Richtigkeit der Diagnose. Unser Bild stimmt so auffallend
mit dem bezeichneten Pieter Godde der Dresdener Galerie von 1628 über-
ein, dass hier eine Umtaufung wünschensvverth erscheint. Van Dyck (Nr. 651,
alt 276) ist wohl Gegenstück zu dem Grafen Joh. v. Nassau in der Liechten-
steingalerie. Nr. 686 dürfte ein halbmodernes englisches Bild sein. Elsheimer’s
»Venus« (Nr. 726) kommt nach Bode’s »Studien« (S. 284 f.) noch einmal vor
und zwar im Fizwilliam-Museum zu Cambridge. Die Signatur des B. Fabritius
ist stark verkleinert wiedergegeben , was jedenfalls hätte in der Beschreibung
bemerkt werden sollen. Dasselbe gilt von vielen anderen Signaturen.
Dirk Hals (Nr. 684), Hauptwerk mit Darstellung einer zahlreichen vor-
nehmen Gesellschaft, bezeichnet und datirt mit 1628, ist durch Unger’s Ra-
dirung für den X. Bd. von Lützow’s Zeitschrift und durch Vosmaer’s kurzen
Text (S. 383) in weiteren Kreisen bekannt geworden. Der Gellospielqr (Nr. 734,
alt 438), der ehemals Duc genannt wurde, ist von Bode mit gutem Recht dem
Dirk Hals gegeben worden (vgl. Zahn’s Jahrbücher, IV. 37; radirt von Unger
für den X. Bd. der Zeitschrift f. bildende Kunst).
Zu dem sogen. Hobbema (Nr. 802) habe ich schon vor einiger Zeit
bemerkt, dass er im besten Fall ein matter Joris van der Hagen sein dürfte ®).
*) So nach einem bezeichneten J. v. d. Hagen in Amsterdam. Nach diesem
Bilde glaube ich auch ein dem Gerrit Berck Heyde zugeschriebenes Bild in Pest
(Nr. 258) umtaufen zu müssen.
Litteraturbericht.
81
Der neue Katalog setzt wenigstens ein fettes Fragezeichen neben den grossen
Namen. Auch in Schwejnminger’s Katalog wird es nur als »Art des« Hobbema
erwähnt, wogegen Penther uns mit diesem Bilde einen wirklichen Hobbema
hatte auf binden wollen, Nr. 834 (als P. v. Laer) ist vielleicht Goubow nach
dem bezeichneten Bilde in Braunschweig (Nr. 664).
Den Abschied Christi von seiner Mutter (Nr. 30), der vom Täfelchen
an dem Rahmen Polidoro Lanzani genannt wird, habe ich vor Jahren dem
Jacopo de Barbari zuschreiben wollen. Ich kann diese versuchte Diagnose
desshalb nicht ganz aufrecht erhalten, weil sich das Bild seit lange in einem
unglaublich verschmierten Zustand befindet und eine bestimmte Zuschreibung
wohl kaum erlaubt. Polidoro Veneziano lässt sich allerdings fast mit Sicher-
heit ausschliessen und was noch alt ist an dem Bilde, deutet wirklich auf Ja-
copo de Barbari. — Dejr neue Katalog sagt: »Nach G. Morelli von deutscher
Hand«. Dass bei der »Sibylle von Tibur« (Nr. 568) endlich die Benennung
Lucas V. Leyden als sehr fraglich hingestellt wird, kann nur die Zustim-
mung aller Fachgenossen finden, die sich mit Lucas v. Leyden beschäftigt
haben. A, Bredius und , wenn ich nicht irre , L. Scheibler schreiben das
interessante Bild mit einiger Wahrscheinlichkeit dem H. Bl es zu. In der
Albertina findet sich eine Zeichnung im I. Band der Niederländer (Nr. 44, 53),
die mir von dem Künstler der Sibylle herzurühren schien. Eine alte Hand
vermerkte auf jener Zeichnung: »Nicasius Gossart van Mabuse«. Die Sache
wäre zu prüfen. Zu der kleinen heiligen Familie des Meisters vom Tode
der Maria (Nr. 556) sind Scheibler’s Notizen im Repertorium (X. 301
und XI. 387) nachzulesen. Auf der Auction Klinkosch in Wien (1889)
sah man eine alte Copie nach einer sehr verwandten heiligen Familie des-
selben Meisters. Pieter Molyn (Nr. 730) ist ein gutes Bild aus der mitt-
leren Zeit des Meisters. Die späteren Molyn’s sind mehr braun im Ton und
flüchtiger in der Mache (z. B. das Bild von 1659 im Leipziger Museum); die
frühen Werke des genannten Haarlemers (er ist freilich zu London getauft
nach A. Bredius) weisen dagegen eine viel feinere Durchbildung auf (so die
datirten Bilder bei Nostitz in Prag und in der Galerie der Amalienstiftung zu
Dessau®). Zu dem Murillo (Nr. 515) will ich bemerken, dass sich eine
mittelmässige Copie danach in Braunschweig als Nr. 333 vorfindet. Nr. 577 und
578, Oberdeutsche Gemälde, die Bildnisse des Moritz Welzer von Eberstein
und seiner Gemahlin sind schon mehrfach besprochen worden. Derselben Hand
schreibe ich zu: als möglich: im Belvedere neu Nr. 1482 und 1483 (im
zweiten Stock, erstem Saal), ferner die Bildnisse in Dresden Nr. 1901 und 1902
(alt 1899 und 1898), ferner zwei Brustbilder im gothischen Hause zu Wörlitz
(Nr. 1502 und 1506 mit den Inschriften: »Rex Ferdinandus aet. 17 1521« und
»Anna regina aetat. 20 1523«), endlich vielleicht auch Nr. 592 A im Berliner
*) Ich widerspreche hiemit der Ansicht Ol. Granberg’s, der den Molyn der
Wiener Akademie als ein spätes Bild des Malers verzeichnet. Vergl. den übrigens
sehr werthvollen Artikel des Genannten in der Zeitschrift f. bild. Kunst, XIX. Bd.
82
Litteraturbericht.
Galeriedepöt, Bildniss der Königin Anna von 1525 Ein kleiner Kopf und
kleine Hände scheinen diesen bisher unbenannten Meister auszuzeichnen,
der mir eine entfernte Vei'wandtschaft mit ß. Strigl zu haben scheint. Auch
Roh. Vischer hat diese Verwandtschaft bemerkt. Das eine der Welzerbild-
nisse in Wien (Nr. 577) ist als Cranach gestochen von Ferdin. Schirnböck.
Den wahren Namep des Künstlers wird man wohl unter den Hofmalern Karls V.
oder Kaiser Ferdinand’s zu suchen haben. Siehe den Nachtrag zu diesem Artikel.
Zu den Copien nach A. v. Ostade (Nr. 902 ff.) kann ich, einer Be-
merkung Carl Pulszky’s folgend, mittheilen, dass sie eine Reihe von Sitten-
bildern zur Illustration der fütif Sinne bilden. Von den Originalen dieser Bilder
kenne ich einstweilen nur eines. Es hängt in der Fester Galerie und versinnlicht
in sehr auffallender Weise den Geruch. Die Copie in Wien führt die Nummer 903.
Die »Göttergruppe auf Wolken« von C, Poelenburg (Nr. 666) scheint
ein Gegenstück zu dem »festin des dieux dans l’Olymp« zu sein , das 1867
aus der Pommersfeldener Galerie versteigert und damals in Burger’s Katalog
genau beschrieben ,wurde. Ein viel grösseres Bild dieser Art von Poelenburg
befindet sich im Schloss zu Wörlitz. Bei Quadal’s »Actsaal der Wiener
Akademie« kommt mir eine Stelle in L. Fischer’s »Brevis notitia urbis Vindo-
bonae« (Suppl. I. S. 116 ff.) in den Sinn, wo von den vier Classen der Aka-
demie die Rede ist und von der vierten gesagt wird: »denique in quarta cae-
teris peritiores exercentur, qui vivi hominis situs, motusque varios, uti et om-.
nem corporis humani structuram vel calatno depingunt, vel scalpro figurant,
quod fit horis vespertinis, musaeo multis luminaribus illustrato . . .« Quadal’s
Bild könnte eine Illustration zu dieser Stelle sein, so sehr passt es dazu. Dar-
stellungen von Actsälen kennt man auch von Job. Heiss (Braunschweig Nr. 378
und 379) und von Gochin (vgl. H. Havard’s Dictionnaire de Tameublement
Fig. 118). Quadal’s Bild ist von Unger für Lützow’s Geschichte der Wiener
Akademie radirt. ln diesem Werk sind auch noch andere Darstellungen von
Actsälen namhaft gemacht. (S. 82.)
Eine kleine Studie über Nr. 626: »Boreas entführt die Oreithyia«,
von Rubens, habe ich in der »Chronique des arts« (1887, Nummer vom
19. März) veröffentlicht, wo die Stiche und die ehemals in Salzdahlen vor-
handen gewesene gleiche Darstellung kritisch besprochen sind. Dabei ergab
sich, dass die Copie von Agricola, die ebenfalls von der Wiener Akademie be-
wahrt wird, noch vor einer Verkleinerung der grossen Tafel angefertigt ist.
Wenn der Katalog zu dieser Copie (Nr. 779) bemerkt: »mit einigen Ver-
änderungen«, so ist das unrichtig, weil sicTi aus den alten Stichen nachweisen
lässt, dass in dieser Copie die ursprüngliche Composition des Bildes vollständig
erhalten ist“). Die drei Grazien des Rubens (Nr. 646) kennt man aus (Ingers
Diese Zusammenstellung ist ganz unabhängig von Sclieibler geschehen,
der diesem Meister, wie ich, das Belvederebild Nr. 1483 und die zwei Dresdener
Bildnisse zuschreibt. Er fügt noch einige hinzu, die ich nicht kenne (Reperl. X.
80 und 301).
“) Auch wird es aus dem Stich von Spruyt sehr wahrscheinlich, dass die
Wiener Tafel des Rubens im Jahre 1745 beim Advocaten Verspecht in Brüssel ge-
Litteraturbericht.
83
Radirung für die Zeitschr. f. bild. Kunst, X. Bd. (^u S. 96). Lützow’s dazu
geschriebener Text berichtigt einen Irrthum Waagen’s.
Zu Lazaro Sebastian! (Nr. 53), die Heilige Veneranda: Bezüglich der
Schaffenszeit des Malers ist die Grenze 1470—1498 zu eng angegeben, da
Sebastian! noch 1508 mit Carpaccio zugleich die Malereien am Fondaco dei
Tedeschi in Venedig zu schätzen hatte (vgl. Molmenti: II Carpaccio ed il Tie-
polo, S. 62 f.). Das signirte Bild in der 'Wiener Akademie ist in Milanesi’s
Commentar zu Vasari (III. 643) besprochen, ebenso von Eitelberger in den
Berichten und Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereines (I. 121 ff.). Nach
Ridolfi (Maraviglie IP, 67) war das Bild ehemals im Kloster del corpo di
nostro Signore.
Die Ruhe auf der Flucht nach Aegypten, die als Spranger im Katalog
steht (Nr. 253), ist vielleicht von Gondolach. Die als Spranger geführten
»badenden Nymphen« sind wohl von Heintz (Nr. 475). »Der zufriedene
Zecher« (Nr. 826) hat mir niemals den Eindruck eines Steen gemacht. Auch
bei iVaagen finde ich ein Fragezeichen beigesetzt. Ob wohl Thomas Wyck
dergleichen Bilder gemalt hat? Bei Nr. 653, einer Allegorie zur Verherr-
lichung der vereinigten Niederlande, vermisse ich in der Beschreibung die An-
gabe der zahlreichen Inschriften. IVarum ist bei 654 das Monogramm des
L. V. Uden nicht in Facsimile beigegeben? Das vlämische Bild (Nr. 592) wird
sich vermuthlich als frühes Werk des A. Staelbemt heraussteilen. Mit dem
monogrammirten Hieronymus Franck in Aachen hat es übrigens ebenfalls eine
gewisse Familien Verwandtschaft. Bei Nr. 761 würde sich der Titel: Hafen
oder dergl. empfehlen. Das dem Giov. B. Weenix zugeschriebene Bild (Nr. 855)
ist eine alte Copie des Verlorenen Sohnes, der in der Akademie zu Venedig
noch immer als »Festino« aus der Scuola fiaminga hängt (Nr. 170), der aber
ein Hauptwerk des interessanten Jan Lys ist (gestochen von Monaco als
»figliuol prodigo« mit der Bemerkung: »pitlura di Giovanni Lys, posseduta dal
N. H. Gostan^*^ tranceschi a SS. Gio. e Paolo«). Eine alte Copie oder eine
Wiederholung des Gemäldes findet sich in den Uffizien (Nr. 849). Das Bild
m Cassel (Nr. 162), »Italienische Landleute, welche in einer Sommerlaube
alla mora spielen«, dürfte aus derselben Stilperiode des Künstlers sein
Das venezianische Bild »Pilatus« (Nr. 27) ist wohl aus C. Grivelli’s
Richtung.
Hoffentlich ist es mir vergönnt, über die schöne Galerie in der Wiener
wesen. — Zu meinem Artikel in der Chronique des arfs füge ich heute hinzu, dass
der alte Galeriestempel, den ich damals beschrieben, aber nicht gedeutet habe, die
Kaunitz’sche Marke ist. Auch das geschabte Blatt von Christian Meyer nach dem
Boreas trage ich hier nach.
'2) In Murr’s Journal XIII. (1784) S. 112 finde ich als ein Gemälde der Joh.
Georg Friedrich von Hagen’schen Sammlung erwähnt »Der verlorene Sohn unter
einem Haufen lustiger Brüder« von Jan Lys. lieber Lys vergl. auch Boschini :
Riehe minere II Sestier di dorso duro (chiesa di padri Teatini) über ein Hieronymus-
bild. Vergl. auch desselben Descrizione di Venezia und Zanetti : Descrizione di
Venezia, 580.
84
Litteraturbericht.
Akademie noch einmal z« sprechen. Dann soll noch von Diesem und Jenem
die Rede sein, das hier übergangen werden musste, wo es sich hauptsächlich
darum handelte, die Leser des Repertoriums von dem Erscheinen eines neuen
guten Galeriekataloges in Kenntniss zu setzen.
Nachtrag.
Seitdem ich die Besprechung des neuen Kataloges an’s Repertorium
abgeschickt habe, ist mir die Frage nach dem Meister der Welzerbild-
nisse soweit klar geworden, dass ich schon heute einige begründete Ver-
muthungen äussern kann. Es soll in knappster Form geschehen.
Mein versuchter Beweis setzt zunächst voraus , dass die zwei oben er-
wähnten Bilder in Wörlitz und das Bildniss der Königin Anna im Berliner
Vorrath bestimmt von derselben Hand gemalt sind, wie die Welzerbildnisse in
Wien ^®). Auch halte ich es für sicher, dass die dargestellte Königin Anna
jedesmal Anna von Böhmen und Ungarn, die Gemahlin Kaisers Ferdinand I. ist.
Ueber beide genannte Persönlichkeiten werde ich noch sprechen. Be-
trachten wir vorher noch die Bildnisse in der Wiener Akademie. Sie stellen
dar: 1) Moritz Welzer, Herrn zu Eberstein (Frauenstein und Nussberg),
kaiserlichen Rath und Landesverweser 1518, 1537. Er gehört einer kärntner
Familie an (nach gütiger Mittheilung von J. Klemme); 2) Martha Welzer,
geborene Tänzel (auf dem Bilde Maria genannt). Diese stammt aus einer
tiroler Familie (Vater: Simon Tänzl von Tratzberg — nach J. Klemme).
Was nun König Ferdinand und seine (im Mai 1521 ihm angetraute)
Gemahlin Anna betrifft, so ist es hier jedenfalls von Wichtigkeit, zu ermitteln,
wo sie sich in jenen Jahren aufgehalten haben, aus denen ihre Bildnisse von
der Hand des Meisters der Welzerbilder stammen, also in den Jahren 1521,
1523 und 1525. Beide Persönlichkeiten können hier gemeinsam behandelt
werden, da ihre Aufenthaltsorte meist gemeinsame waren ^^). Aus dem Itinerar
13) Das Bildniss der Königin Anna in Berlin (592 A) stammt aus der Samm-
lung Solly und zeigt (nach gütiger Mittheilung H. Dr. H. v. Tschudi’s) die Inschrift
ANNA BEGINA / 1525 Anno Etatis 22 und zwar in Gold. In Waagen’s Katalog
als Bildniss der Anna Boleyn bezeichnet. Auf Lindenholz, h. 0,34, br. 0,27.
Die zwei Bildnisse in Wörlitz (die ich schon in einem Artikel der Wiener
Zeitung vom 5. October 1889 auf den Meister der Welzerbildnisse bezogen habe),
zeigen die Inschriften »REX FERDINANDVS etatis 17 Anno 1521«, und »ANNA
REQINA Anno etatis (?) 1523«. In gelber (?) Schrift. Auf Kiefernholz , h. 0,25,
br. 0,21. (Die Jahreszahlen sind hier richtig wiedergegehen, ebenso wie die Namen,
doch hin ich hezüglich der Anordnung und Farbe der Schrift nicht vollkommen sicher.)
Die beiden Welzerbildnisse in der Wiener Akademie stammen aus dem
Jahr 1524. (Vergl. Lützow’s Katalog.)
Die übrigen, die ich oben in der Besprechung angeführt habe, gehören nicht
ebenso sicher, wie die Bilder in Wörlitz und das in Berlin demselben Meister zu,
wesshalb ich hier von jenen weniger zuverlässigen Bildnissen absehe.
^*) Buchholz, Kaiser Ferdinand I., VIII. Bd., S. 695: »Die Königin Anna be-
gleitete ihren Gemahl auch häufig auf seinen Reisen. Wir finden sie zu Linz,
Lilteraturbericht.
85
Kaisers Ferdinand werden sich diese Aufenthaltsorte mit einiger Sicherheit
bestimmen lassen (soweit solche Itinerare eben zuverlässig sind und soweit
das Ferdinand’sche eben zurückreicht). Freilich fehlen die ersten Monate von
1521 bis zum Reichstage von Worms, für die ich einstweilen etwas willkür-
lich annehmen will, dass Ferdinand durch die Vorbereitungen für den für
ihn so wichtigen Reichstag zu sehr in Anspruch genommen war, um an’s
Porträtiren zu denken ^®).
Von all den Aufenthaltsorten, die man (bei Gevay) für jene Jahre ver-
zeichnet findet, sind für alle drei Jahre nur gemeinschaftlich : Innsbruck und
Ulm. Sieht man von der ünwahrscheinlichkeit eines Malers ab, der als be-
ständiger Reisebegleiter bei Ferdinand gewesen wäre, so wird man den Meister
der Welzerbildnisse wohl nur in Ulm oder Innsbruck suchen dürfen. Da nun
Moritz Welzer und seine Frau aus Kärnten und Tirol stammen , werden wir
deutlich genug darauf hingewiesen, die Innsbrucker Urkunden auf alle Maler
hin zu durchsuchen, die in den zwanziger Jahren mit dem Hofe in Verbindung
gestanden haben. Durch die Forschungen über die Geschichte des grossen
Maxgrabmals in Innsbruck wurde uns der Name Jörg Kölderer näher gebracht.
Nun belehren uns aber die Urkunden, dass Kölderer in jenen Jahren (1521 ff.)
kaum mehr als Maler , sondern nur als eine Art Landesbauinspector thätig
war. Dagegen tritt gerade zu jener Zeit Ulrich Tieffenbrunn und dieser
allein in den Vordergrund so dass man wohl annehmen darf, dass er die
Bildnisse Ferdinands und Annas gemalt habe, und dass Moritz Welzer und
seine Frau sich 1524 bei Gelegenheit eines vorauszusetzenden Innsbrucker
Aufenthaltes, dort von Ulrich Tieffenbrunn hätten malen lassen.
Der genannte Maler tritt in den Innsbrucker Urkunden zuerst am 3. Dec.
1520 auf. Bis zu seinem Tode (im October 1526) hat er offenbar sehr in
Gnaden gestanden, da er grosse und viele kleine Aufträge auszuführen hatte.
Von 1523 auf 1524 malte er einen hl. Georg für die Georgskirche bei Ambras.
(Vergl. Reg. Nr. 1482, 1518, 1528, 1551 und 1554 im II. Bd. des erwähnten
Jahrbuches.) Auf diesen Tieffenbrunn möchte ich also die Welzerbild-
nisse der Wiener Akademie beziehen.
Innsbruck, Prag, Regensburg. Bei weiten Entfernungen blieb sie als Regentin
der deutschen Erblande zurück, so 1522, als Ferdinand zum Kaiser nach Brüssel
reiste (I. 495) und ebenso 1539 . . . .«
'*) Dass er auf dem Bildniss von 1521 »Rex« genannt wird, was er erst
später wurde, deutet vielleicht auch darauf hin, dass unser Bildniss erst nach den
Entschlüssen des Reichstages gemalt (vielleicht aber auch nur vollendet) worden
ist, nach welchen man den neuen Landesherrn in den Erblanden wohl gelegentlich
König nennen mochte.
^®) Vergl. „Jahrbuch der Kunstsammlungen des A. H. Kaiserhauses«, II. Bd.
Regesten, passim. Vor 1521 werden erwähnt die unbedeutenden Hofmaler Wolf-
gang Reisacher, Peter Rieder, Martin Enzenberger. Neben Kölderer und Tieffen-
brunn wird auch ein Hans Gumperger genannt. Nach Tieffenbrunn’s Tode finden
wir die Maler Silvester Hinterhofer und Peter Spitzer erwähnt. Von einiger Be-
deutung war aber offenbar später erst Valentin Lindner, der um 1529 auftaucht.
8G
Litteralurbericht.
Soweit der Aufbau der Verinuthungen. Nun die Bedenken: wir kennen
kein sicheres Werk des Ulrich Tieffenbrunn. Von den urkundlich erwähnten
Arbeiten ist bisher keines als noch vorhanden nachgewiesen worden. Denn
wenn Schönherr (im Führer durch das Schloss Ambras von 11g und Boeheim,
S. 74) einen Schnitzaltar zu Ambras mit den Documenten in Einklang zu
bringen versucht, so hatte er dabei (damals 1882) übersehen, dass in den
Urkunden mehrmals von einer tafl und von Sant Jörgen-tafl die Rede
ist, womit doch nur ein Gemälde mit Darstellung eines hl. Georg gemeint
sein kann. Eine geschnitzte Figur hätte man wohl »pild« oder »pildwerch«
oder wie immer genannt, nur nicht »tafl«. Vermuthlich ist Schönherr seither
längst selber von seiner älteren Ansicht abgegangen. Es muss aber doch ein
Versuch gemacht werden, jene Urkunden über ein Gemälde mit St. Georg
von 1523 — 24 mit irgend einem vorhandenen Werke in Verbindung zu bringen.
Die Georgsbilder der Ambraser Sammlung, an die man hier zunächst denkt,
sind zwei Tafeln, die sich gegenwärtig im Belvederedepot befinden. 1) Das
grosse Georgsbild, das die Kunstgeschichte schon mehrfach beschäftigt hat ^’)
und das gegenwärtig in Photographie zugänglich ist, und 2) eine kleinere *®),
viel einfachere Darstellung mit St. Georg auf einem plumpen Schimmel und
wie Georg mit dem Schwert gegen den Lindwurm ausholt. Im Hintergrund:
Landschaft (links gänzlich übermalt). Sehr derbe Arbeit, die den Typus des
deutschen Werkstattbildes um 1530 vertritt. Es steht an Kunstwerth bedeutend
unter dem grösseren Georgsbilde (1), das eine überaus vollendete Landschaft
aufweist (der Kopf Georgs, die grosse Burg und kleine Partien anderwärts
sind übermalt. Der schwebende Engel ist um 1600 hineingemalt worden).
Beide Bilder lassen sich heute kaum genauer bestimmen, denn als oberdeutsche,
vielleicht tirolische Bilder. Von keinem der beiden weiss man, ob es aus der
Georgskirche bei Ambras stammt, ob es also mit Grund für ein Werk Tieffen-
brunn’s angesehen werden darf. Das kleinere finde ich in dem Inventar jener
Bilder verzeichnet, die 1663 aus Innsbruck ins Schloss Ambras kamen. (Hand-
schrift der Wiener Hofbibliothek). Mit den Welzerbildnissen zeigen beide nur
eine recht allgemeine Uebereinstimmung in der Malweise. In der Behandlung
der Stoffe ist der grosse Georg sogar von den Welzerbildnissen sehr merklich
verschieden. Eher noch Hesse sich der kleinere Georg mit den Bildnissen in
der Wiener Akademie zusammenreimen.
Sollte sich aber auch bei nochmaliger, unter günstigeren Umständen
angestellten Vergleichung dieser Werke eine bestimmte Stilverschiedenheit
heraussteilen, so könnte diese doch keinen Gegenbeweis dafür abgeben, dass
die Welzerbildnisse von Tieffenbrunn seien. So bleiben denn meine Gründe
^0 Primisser, S. 154, Nr. 80, »altniederländisch«; Sacken II. S. 66, Nr. 25,
»Niederdeutsche Schule« ; Waagen II. S.334, Nr. 25, »Niederdeutsche Schule«, mahnt
ihn aber auch an Matthäus Grunewald. Rep. VI, S. 165. Rep. X, S. 302. Rep.
XII, S. 199 über die Löwy’sche Photographie.
^®) Primisser, S. 152, Nr. 68; Sacken II. S. 69, Nr. 63; Waagen II. S. 335,
Nr. 63. Das Bild ist, wie es scheint, auf Kiefernholz gemalt. Sehr dünnes Brett,
das itj seiner ganzen Ausdehnung auf ein anderes dickeres aufgeleimt ist.
Lilteralurbericht.
87
für Tieffenbrunn zu Recht bestehen , ohne dass ich die Sache damit über-
zeugend nachgewiesen haben will. Ich gab eben die Gombinationen , wie sie
sich heute geben lassen, als Anregung zu weiteren Forschungen.
Zweiter Nachtrag.
Bei Gelegenheit eines Besuches im Depot der Belvederegalerie, den mir
Herr Director E. v. Engerth und Gustos Schaffer freundlichst gestatteten , sah
ich ein grosses venezianisches Gemälde, das hier nachgetragen werden soll
und zwar als ein bisher unerkanntes Werk von Gernoto. Das Bild, von dem
ich einige Figuren in der Nähe sehen konnte, stellt im Wesentlichen fünf
grosse heilige Gestalten etwa in Lebensgrösse dar: mitten Ghristum, links den
Jacobus und Petrus, rechts den Johannes Baptista und Paulus. Kaum ist
daran zu zweifeln, dass wir hier jene Leinwand vor uns haben, die in Zanotto’s
»Pittura Veneziana« (1771) S. 32 als Jacopo Bello beschrieben ist und die zu
Zanotto’s Zeiten im »magistrato de Gamarlinghi di Gomune a Rialto« zu
Venedig war und zwar »situata sopra il tribunale«. Z’ Rappesenta,« heisst es
weiter, »Gristo Redentore, S. Giambattista, S. Pietro, S. Paolo e. S. Marco in
un gran paese.« Der Abweichung dieser Beschreibung vom Wiener Bilde,
wonach statt Jacobus Marcus genannt ist, ist wohl kaum irgendwelche Be-
deutung beizumessen. Vor Kurzem fand ich nun eine Beschreibung dieses
Depötbildes, das im neuen Museum eine würdige Aufstellung finden soll, im
neuen Engerth’schen Katalog unter Nr. 553 (»Venezianisch um 1500«) be-
schrieben. Die Erwähnung einer Bandrolle, auf der steht: »a labiis iniquis et
a lingua dolosa libera nos Domine Jesu Ghriste« bestärkt mich nun in der
Ueberzeugung, dass unser Bild wirklich von Gernoto gemalt ist und nicht von
Jacopo Bello. Auf einem signirten Bilde Gernoto’s, das ich oben (bei »Ger-
noto«) erwähnt habe, findet sich fast genau dieselbe Formel. Dazu kommt
noch die zweifellose nahe Stilverwandtschaft des Belvederebildes mit dem Paulus
der Wiener Akademie. Bezüglich der Provenienz sagt Engerth’s Katalog, dass
sich das Bild in Venedig als »Giovanni? Bello« befunden habe und im Jahre
1838 für die Wiener Galerie erworben worden sei. Wir werden, um rasch
Alles zusammenzufassen, also im Depötbilde sicher den sog. Jacopo Bello des
Zanotto aus Venedig wiedererkennen, müssen ihn aber mit guten Gründen als
ein Werk des Gernoto ansehen. Dr. Th. Frimmel
Bibliographische Notizen.
Unter dem Titel »Les Gon str uctions du Pape Urbain V. ä Mont-
pellier (1364 — 1370) d’apres les archives secretes du Vatican« ver-
öffentlicht Eugene Müntz in einer bei Gelegenheit der sechshundertjährigen
Gründungsfeier der Universität von Montpellier dieser gewidmeten kleinen Fest-
schrift die Resultate seiner Forschungen über den genannten Gegenstand. Es
88
Bibliographische Notizen.
handelt sich hier in erster Reihe um die vom Papste zum Andenken seines
längeren Aufenthaltes in jener Stadt gestiftete Kirche und Kloster der heil.
Benedict und Germanus. Seit dem Jahre 1364: berichten die Urkunden von
Zahlungen für den Bau, die erst mit dem Jahre 1369 aufhören. In dem-
selben Jahre gründet Urban V. durch eine aus Viterbo vom 25. September
1369 datirte Bulle das medicinische Collegium zu Montpellier, bekannt unter
dem Namen College de Mende, und nennt bei diesem Anlass die Stadt
»arnoenum scienciarum pomarium«. Aus den mitgetheilten Urkundenauszügen
erhellt, dass die in der Biographie des Papstes von Baluze für seine Bauten
in Montpellier ausgesetzte Summe von 7000 Frs. sich thatsächlich mindestens
auf das Zehnfache belief. Wie alle von den avighonesischen Päpsten unter-
nommenen Bauten, wurden auch jene zu Montpellier mit grosser Beschleu-
nigung ausgeführt, was bei den ausserordentlichen finanziellen Hilfsquellen,
über die sie verfügten, nicht Wunder nimmt. Die Pläne zu den Bauten von
Montpellier waren aller Wahrscheinlichkeit nach unter der Leitung der Archi-
tekten des Avignoneser Palastes dort ausgearbeitet. Sie hatten auch, wie aus
ihrer Anwesenheit in Montpellier hervorgeht, die Oberaufsicht bei der Bau-
ausführung, die im Uebrigen nach dem Zeugniss der mitgetheilten Rechnungs-
vermerke einheimischen Werkleuten überlassen wurde. Eine Reihe der von
Müntz aufgefundenen Belege betrifft sodann die Ausstattung der päpstlichen
Stiftung mit Werken der Kunst und Wissenschaft. So erhalten wir z. B.
Kunde über 66 von dem am Hofe von Avignon vielfach thätigen Matteo di
Giovanotto da Viterbo gemalte Bilder auf Leinwand, die das Leben des heil.
Benedict zum Gegenstand hatten, ferner über zwei Reliquiare, die der Papst
durch seinen Banquier und »serviens armorum«, den Florentiner Giovanni
Baroncelli beschaffen liess, die also höchst wahrscheinlich durch Goldschmiede
von Florenz geax'beitet worden waren ; über die in Avignon hergestellten Ghor-
stühle, über Stickereien und Paramente, die von Avignon und Florenz be-
zogen wurden, endlich über die in Montpellier selbst gegossenen Glocken, so-
wie über Anschaffungen für die Bücherei der Universität. Leider ist von den
durch den Papst gegründeten Bauwerken nicht eines in seiner ursprünglichen
Gestalt erhalten. Das Kloster diente nach manchen Umgestaltungen seit 1660
als Residenz des Bischofs und beherbergt seit der Revolution, wieder wesent-
lich verändert, die medicinische Facultät der Universität. Die Kirche — heute
Dom Saint-Pierre — hat wohl ihr einziges Schiff behalten, ihr Chor ist aber
zweimal restaurirt, der Glockenthurm erst neuerlich wieder aufgerichtet wor-
den. Das Gollöge de Mende hat seit langem einem Privatbau Platz gemacht,
in dem nicht eine Spur des alten Baudenkmals aufzufinden ist. Auch das
von dem Bruder des Papstes 1368 gegründete Gollöge de Saint-Ruf hat anderen
Baulichkeiten weichen müssen. C. v. F.
Der grosse Kurfürst von Brandenburg.
Neues über sein Verhältniss zur bildenden Kunst.
Von Georg Galland.
In einem Portefeuille, welches aus der Manuscriptensammlung der Ber-
liner Kgl. Bibliothek in das Preussische Geheime Staatsarchiv gelangt ist und
hier noch immer den falschen Titel : »Handzeichnungen des grossen Kur-
fürsten etc.« trägt, befindet sich ein Blatt (Nr. 1) mit der Inschrift »Ghurfürst-
liche Handzeichnung«, das möglicherweise aus einem Skizzenbuche der Louise
Henriette, ersten Gemahlin Friedrich Wilhelms und Tochter der kunstliebenden
Amalia von Solms ^), stammt. Die noch unvollendete Zeichnung stellt das sogen.
»Haus im Busch« dar, ein Lustschloss in der Nähe des Haag, gebaut von
Pieter Post kurz vor der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der mächtige, mit
Kuppel gekrönte Centralraum dieser holländischen Villa Farnesina, der Ora nien-
saal, enthält an den Wänden Malereien flandrisch-holländischer Meister, lob-
preisende Schilderungen des Lebens Friedrich Heinrichs von Oranien im antik-
allegorischen Gewände. Den Geschmack an derartigen Historien verdankte die
Wittwe Friedrich Heinrichs augenscheinlich dem Vorbilde der Maria von Medici,
Königin von Frankreich, die im Jahre 1626 Rubens nach Paris berief, um
ihn mit Schilderungen der Thaten ihres verstorbenen Gemahls, Heinrichs IV.,
zu beauftragen ; dieser Auftrag sollte freilich nicht über einen Theil der Skizzen
hinaus Erledigung finden. Aber dafür waren wenige Jahre zuvor die in völlig
gleichem Geiste geschaffenen 21 Bilder vollendet, auf welchen die kunst- und
ruhmbegehrliche Mediceerin von Ruben’s Hand ihre eigenen Lebensschicksale
hatte verherrlichen lassen. Dieser berühmte Gemäldecyclus des Louvre
schmückte ehedem den Palast Luxembourg und entsandte von hier aus seine
Strahlen bis nach England, Holland und — Brandenburg.
Es lässt sich wohl begreifen, dass Friedrich Wilhelm, der schlichte
Hohenzoller, vorbereitet durch die schwelgerischen Feste des Haag, bei denen,
wie uns Groen van Prinsterer erzählt, aus goldenen Tellern und Gefässen
gespeist wurde , allmählich Gefallen daran fand , die Kunst gelegentlich auch
b Die Mappe enthält sonst noch mehrere Festungspläne und einzelne archi-
tektonische Studien von Nicolaus Goldmann (f 1665).
XIV
7
90
Georg Galland :
als einen Zauberspiegel zu betrachten , durch welchen die gewöhnlichen Er-
eignisse des fürstlichen Lebens einen erhöhten, übersinnlichen Glanz, eine
Potencirung ihrer Bedeutung empfingen. Diesem künstlerischen Zeitge-
schmack der Grossen konnte sich seine in der Regel freilich strenge, nüch-
terne Wahrheitsliebe in festlichen Stunden um so lieber ergeben, als derselbe
seinem früh entflammten Ehrgeiz entsprach und nicht zum Wenigsten auch
durch eine machtvolle Persönlichkeit 4jnd körperliche Wohlgestalt unterstützt
wurde. Man rufe sich seine imponirende Figur mit dem energischen Schnitt
des kräftigen, lockenumwalllen Hauptes ins Gedächtniss, man denke an seine
kühnen entschlossenen Thaten, seinen Unternehmungsgeist auf allen Gebieten,
seine hochherzige Gesinnung, und man wird bekennen, dass die Phantasie des
Künstlers nicht viel hinzuzufügen brauchte, um solche Erscheinung in die
Sphäre des Heroischen zu erheben.
Die Geschichte kennt nicht viele Persönlichkeiten von ähnlich gross-
artiger Harmonie körperlich und geistig bedeutender Eigenschaften. Manche
dieser Heroen hatten indess das besondere Glück gehabt, die richtigen künst-
lerischen Ingenien vorzufinden, die ihnen aus gewissermassen natürlichem
Antriebe und aus wirklicher Begeisterung ihre Dienste weihten. Deren für
die Nachwelt unschätzbare Werke repräsentiren darum ein hervorragendes
Verdienst nicht bloss der betreffenden Meister, sondern auch der Kunst jener
Zeit, welche die Bildnissschöpfungen entstehen sah. Kurfürst Friedrich Wil-
helm hatte dagegen dieses Glück jedenfalls nicht in dem Maasse getroffen,
als er es verdiente. Er hatte sich seine Künstler so eifrig wüe nur je ein
Fürst suchen müssen, um sie in Folge dessen ziemlich auswahllos zu nehmen,
wie und wo er sie bekommen konnte. Er hatte sie nur durch reichliche
Honorare oder feste Anstellung als Hofkünsler fesseln können; und Angesichts
der für Kunstzwecke geopferten Summen erscheinen uns die pecuniären Schwie-
rigkeiten , mit welchen der Nachfolger Georg Wilhelms so oft zu kämpfen
hatte, fast unglaubhaft. Maler, Bildhauer, Architekten, Ingenieure und Kunst-
handwerker standen dauernd in seinem Dienst und diesen Leuten gegenüber
schien seine sonstige Sparsamkeit, durch die er einer der besten Haushalter unter
den Hohenzollern gewesen war, mitunter die Geltung verloren zu haben. Aber
seine Kunstliebe war frühzeitig in den Niederlanden entzündet, sie verlangte
nach Nahrung,, nach mäcenatischer Bethätigung, und dazu trat eben jenes
mit Ehrgeiz verschwisterte Selbstbewusstsein, das bei grossartig angelegten
Persönlichkeiten zwar nicht zu kleinlicher Selbstgefälligkeit, wohl aber zu
einem Gultus des eigenen, künstlerisch veredelten Abbildes führen kann. Der
kurfürstliche Zeitgenosse Rembrandt’s übertraf in der Neigung sich porträtiren
zu lassen, die meisten Herrscher seines Jahrhunderts. Ein Theil seiner Bild-
nisse ging an fremde Höfe, Manches ist verschollen, Anderes schmückt noch
heute die Räume der königlichen Schlösser Berlins und Potsdams und ent-
9 Vergl. F. Nikolai, Nachricht von den Baumeistern, Bildhauern etc. Beflin
und Stettin 1786 (noch immer eine reiche, meist sehr zuverlässige Quelle für die
Brandenburg. Kunstgeschichte).
Der grosse Kurfürst von Brandenburg.
91
zückt hier immer von Neuem alle diejenigen , welche dem Reiz der grossen
und edlen Gestalten der Geschichte zugänglich sind.
Die Kunst in der Umgebung des grossen Kurfürsten erwuchs also ledig-
lich seiner persönlichen Initiative, und desshalb kommen erst in zweiter Linie
die Männer für uns in Betracht, welche dazu berufen und fähig waren, seine
Persönlichkeit greifbar wahr und fesselnd auf die Leinwand oder in Stein zu
bannen : die Bartholomäus Eggers, Franz Dusart, Govaert Flinck, Willem van
Honthorst, Theodor Willeboirts, Jakob Vaillant, Pieter Nason, Dirk Stoop und
wie sie sonst noch heissen mögen. Denn diese Künstler, die ihrer Herkunft
nach überwiegend Holländer resp. Flanderer, zum kleinen Theil Italiener,
Franzosen, Deutsche, Schweden und Dänen waren, dienten dem ausgezeichneten
Fürsten mit keinem höheren Interesse, als andern gleichzeitigen Auftraggebern,
von denen sie ebenso reichlich und nicht weniger pünktlich bezahlt wurden.
Sie haben ihn im Porträt dargestellt, wie er sich ihnen gab in seiner erhabenen
Natürlichkeit, sie haben gelegentlich sein Leben und seine Thaten heroisirt,
weil diese Art von Verherrlichung, die ihre Ausdrucksweise der antiken Ge-
schichte oder den Wolken des Olymps entnahm, damals zeitgemäss war, für
die Thaten kleiner und grosser Potentaten, für Fürstinnen wie Fürsten. Und
wenn das hoheitsvolle Wesen Friedrich Wilhelms solche Potencirung wohl ver-
trug, so hat das unzweifelhaft den Effect und Erfolg der künstlerischen Arbeit,
aber darum nicht das Verdienst jener fremden Meister besonders erhöht.
Die im Frühjahr 1890 in der Reichshauptstadt stattgehabte Ausstellung
von Werken altniederländischer Kunst aus Berliner Privatbesitz hatte uns nicht
allein init mehreren charakteristischen Bildnissen des grossen Kurfürsten,
darunter Zwei lebensgrossen Figuren von dem bisher wenig geschätzten Haager
Maler Pieter Nason, bekannt gemacht, sondern auch mit einigen Darstellungen,
in welchen wir fröhliche und traurige Ereignisse des brandenburgischen Fürsten-
hauses durch allegorische und mythologische Beziehungen verherrlicht, poetisch
verklärt fanden. Zwei der letzteren Bilder haben die Vermählung des Kur-
fürsten mit der Prinzessin von Oranien (27. November 1646) zum Vorwurf
und sind von einem holländischen Anonymus und Th. Willeboirts, einem
Nachahmer van Dyck s, gemalt worden. Interessant erscheint uns auch, dass
diese beiden Gemälde etwa gleichzeitig mit jenen nahe verwandten allegorischen
Schilderungen des Oraniensaales entstanden. Auf der einen Leinwand
(1,48 : 1,36 m) sehen wir Mars und Venus* im idealisirten Modecostüm der
Zeit mit den Gesichtszügen Friedrich Wilhelms und Louise Henriettes, ferner
Eioten, welche die Waffen des kurfürstlichen Gemahls zu verbergen suchen.
Auf dem andern Kolossalgemälde (3,11 ; 2,51 m), inschriftlich von 1646, be-
schränkt sich die Antikisirung derselben Scene auf das E rotengefolge, während
die beiden Windhunde des Bildes eine gewöhnliche Lieblingsbeigabe flandri-
scher Meister sind. Zwei weitere Malereien von kleinerem Umfang und ge-
ringerer Qualität haben auf den frühen Tod der beiden ältesten Söhne des
kurfüi stlichen Paares Bezug. Wir sehen den schon in der Wiege gestorbenen
Wilhelm Heinrich (f 1649j und den als Jüngling dahingerafften, auf einem
Paradebette aufgebahrten Karl Aemil (f 1674). Durch gefühlvolle, zum Theil
92
Georg Galland ;
sinnbildlich gedachte Hinweise hat der Pinsel dieser anonymen Maler' wohl
dem Schmerz der Eltern, aber nicht den hohen Ansprüchen wirklicher Kunst
zu entsprechen vermocht.
Jenes gespreizte Pathos des französischen Classicismus hätte man freilich
vergeblich in der damaligen Kunst am Berliner Hofe gesucht. Auch die
frühesten historisch-allegorischen Deckengemälde des Potsdamer Stadtschlosses,
welche die van Thulden, Va'nloo und Vaillant zum Urheber haben, reden
keine eigentlich schwülstige Formenspiache. Sicherlich entsprach der etwas
kühle Idealismus der holländischen Meister am besten dem erst in letzter Zeit
veränderten Wesen des grossen Kurfürsten . . . Aber hatte denn solcher Idealis-
mus damals nicht im Lande Rembrandt’s sein Heimatsrecht eingebüsst? Keines-
wegs. Er gedieh dort in Wahrheit jederzeit und man kann beinahe sagen,
allerwärts, trotz der dominirenden nationalen Richtung der Malerei und selbst
abgesehen von den Utrechter Meistern (zu denen ja die an der Spree so
wohl accreditirt gewesenen Brüder G. und W. van Honthorst gehörten), die
allesammt in der That stets idealistisch angehaucht waren. Als die hol-
ländische Malerei den Gipfel ihrer Eigenart erreicht, war das Interesse an
Allegorien und antiken Historien in den Kreisen des gebildeten Publicums
mehr, als man gemeinhin glaubt, verbreitet, sowohl durch die von den Hooft und
Vondel beherrschte Literatur, wie durch die Sculptur , welche Grabmäler und
Rathssäle mit Sinnbildern schmückte, und indirect auch durch die zum Classicis-
mus drängende Baukunst. So kam es, dass die Maler-Decorateure in den
Prachtsälen Haags, Amsterdams, Leidens u. s. w., von der Zeit eines Abraham
van den Tempel an bis zu den Terwesten, van der Werff, van der Schnur u. A.
hin, ununterbrochen mit der Geschmacksrichtung der Bildhauer und Archi-
tekten wetteiferten; zumal im Rathhaus zu Amsterdam (1655), in dessen
mit weissem Marmor ausgelegten Sälen und Hallen die Jan Livens, G. 1 linck,
F. Bol, Slockade u. A. dem Idealismus eines Artus Quellinus d. Ae,, dieses
damals berühmtesten Statuarius’ der Niederlande, nicht nachstehen wollten.
Hier offenbar erfuhr Friedrich Wilhelm mächtige Anregung zu späteren künst-
lerischen Unternehmungen: die imposanten, reich sculpirten Tempelgiebel, die
vornehm ernsten Pilasterreihen und die kostbaren Marmorsäle mit ihrer
schneeigen, formenschönen Plastik scheinen ihm oft genug vor Augen ge-
standen zu haben.
Später hat der sogen. Schweizersaal des Berliner Schlosses eine Aus-
stattung erhalten, die uns den Sitzungssaal der Herrenstaaten im Haager
Binnenhofe ins Gedächtniss ruft. D.er 1681 — 85 von Michael Matthias Smids
und Arnold Nering gebaute Alabastersaal aber lässt das architektonische
Vorbild der Amsterdamer Ralhhausräume , trotz nur entfernter Aehnlichkeit,
erkennen. Seine Wände erhielten gleichfalls eine Bekleidung mit kostbarem,
weissem Steinmaterial, gleichfalls korinthische Pilasterstellungen und Gebälk-
abschluss. Zwischen den Pilastern sieht man indess noch heute abwechselnd
hohe viereckige Fenster und kleinere runde Flachnischen,, sowie kreisförmige
Vertiefungen über den letzteren, vielleicht zur Aufnahme von Büsten. Die
reichen Capitelle der Pilaster erinnern uns nicht wenig an die entsprechenden
Der grosse Kuifürt von Brandenburg.
93
Theile jenes Rathhauses, welche Symon Bosboom gemeisselt hat. Der
Name des Obersteinmelzen der holländischen Metropole ist auch für uns nicht
ohne Interesse, bezeichnen doch alte Autoren wie Cornelis de Bie und J. van
Sandrart übereinstimmend diesen ihren Zeitgenossen als einen von dem Kur-
fürsten von Brandenburg beschäftigten und protegirten Künstler ®). Dieses
Dienstverhältniss Bosboom’s gehört vermuthlich der Zeit an , als der Friede
von Oliva (1660) die Souveränität Preussens gegenüber Polen besiegelte, einer
Zeit, die wohl geeignet war, zu nicht gewöhnlichen Bauplänen anzuregen.
Hält man letzteres fest, nimmt man ferner die Beziehungen des Kur-
fürsten zu jenem Künstler als die Folge der Bewunderung an, die der Monarch
für das Rathhaus und das Ruhraesgefühl der Amstelstadt empfunden, dann
liegt es gewiss auch nahe zu vermuthen, dass Friedrich Wilhelm sich damals
schon entweder mit dem Berliner Schlossneubau oder doch wenigstens mit
einem monumentalen Festraum von der Art des späteren Alabastersaales getra-
gen haben dürfte. An die Stelle Bosbooms aber trat sehr bald ein anderer
Amsterdamer Bildhauer, Bartholomäus Eggers, vielleicht auf Empfehlung des
Fürsten Johann Moritz von Nassau. Bereits aus einem Schreiben 9 vom
2. Juli 1663, das an den zu Cleve residirenden kurbrandenburgischen Statt-
halter gerichtet ist, erfahren wir von Bildhauerarbeiten des Eggers, für welche
dieser damals honorirt sein wollte, obwohl sie ȟber die maassen hoch ange-
setzet« waren. Ara 7. Januar 1664 wird der Statthalter, auf Drängen und
Drohen des Künstlers, abermals vom Kurfürsten zur Bezahlung aufgemuntert,
und die Schlussstelle des Briefes, dass »vorstehender Bildhauer ohne eintzigen
ferneren Vertzug befriedigt und nicht langer auffgehalten werden möge«,
weist darauf hin, dass noch weitere Aufträge ertheilt waren. Ein Nachweis,
dass dieselben mit der Ausschmückung eines projectirten Festsaales zusammen-
hingen, lässt sich natürlich nicht liefern, da man Eggers’ frühere Arbeiten für
den Berliner Hof nicht kennt®).
Ungleich wichtiger für unsere Betrachtung ist ein späterer Auftrag, der
aus einem nach Amsterdam gerichteten Schreiben der kurfürstlichen Kanzlei
(5. Juni 1680) hervorgeht. Dieses Schreiben lautet: »Se. Churfürstliche
C. de Bie, Het gülden Kabinet etc. 1661 ; v, Sandrart, Akademie (1675 — 79)
II. p. 352.
*) Goncept des Kurfürsten im königl. geb. Staatsarchiv zu Berlin. Die auf
Eggers’ Berliner Thätigkeit bezügliche Correspondenz von mir publicirt in der Kunst-
chronik (Nr. 6) vom 20. Nov. 1890.
®) Nachdem die Redaction des Repertoriums bereits im Besitz dieses Auf-
satzes war, erfährt der Verfasser nachträglich aus einem Artikel im Jahrb. der
preuss. Kunslsamml. III. 1890, dass Eggers vom Kurfürsten u. a. noch im Jahre 1674
mit zwölf Kaiserbüsten beauftragt wurde. Auf diese Sculpturen scheint sich folgende
Notiz in dem Ausgabebuch der kurfürstlichen Kunstkammer (K. Bibliothek zu Berlin,
Manuscript) zu beziehen: »Den 4. July 1689. Zwölf Röm, Kayser und ein Ala-
baster Kindlein aus Sr. Excellentz des Herrn Geheimbten Estat Rath Von Dankei-
manns Hauss, in die Kunst Cammer tragen zu lassen — 6 Gr.« (Vergl. auch
die Abbildung der Kunstkammer bei Begerus, Thesaur. Brandenb. 1695.)
94
Georg Galland :
Durchlaucht zu Brandenburg Unser Gslr. Herr, remittiren dieses an den
Raht und Geheimen Cärnmerer Hauptmann Sigissmundt Hyderkampf gdst.
befehlend, dem Bildhauer zu Ambsterd^ui Bartholomäus Eggers wegen Ver-
fertigung der hierauf erwähnten Marmorsteinernen Bilder, diese hier in
drey gedachten Termine, alss auf Jeden 866 Thlr. 16 Gr., so wie Sie specifi-
ciret, an gutem Reichs- oder holländischen Gelde gegen seine Quittung aus-
zuzahlen; Vierhundert Rthlr. aber, so ihm, Eggers, auf abschlag des ersten
Termins gezahlet zu decortiren (?), sich aber auch Vorher erkundigen, ob
Eggers auch dem Contract eingenügen thut«. Der hierauf bezügliche Gontract
mit dem Künstler scheint verloren zu sein. Und nicht minder ungern ver-
missen wir das an Hyderkampf remittirte beschreibende Verzeichniss der
fraglichen Reliefs: auf solche allein dürfte die obige Benennung hinweisen!
Was waren das wohl für' Reliefbilder, die der unermüdliche Kriegsherr
nach seinen Zügen , die bald nach Westen , bald nach Norden über das Eis
des Kurischen Haffs gingen, in Holland bestellte? Was waren es für »Mar-
morsteinerne Bilder«, bestellt um die Zeit, als der Friede von St. Germain (1679)
die freilich nur zum kleinen Theil in Erfüllung gegangenen Hoffnungen er-
weckte, dass man jetzt endlich auf dem Sandboden der Mark Zeit und Mittel
gewinnen werde, grossartige künstlerische Pläne zur Ausführung zu bringen?
Wir glauben darauf unten eine richtige Antwort geben und gleichzeitig dar-
legen zu können, dass die Idee eines hohenzollernschen Ruhmessaales bereits
um die Zeit jenes Friedensschlusses mit Frankreich eine feste Form an-
genommen hatte. Aber wer weiss, ob dieser Saal vom Kurfürsten nicht
ursprünglich in einem andern Theil des Berliner Schlosses gewünscht war,
als in dem um 1580 gebauten Flügel, der später die beiden Schlosshöfe trennte?
Die Nordhälfle dieses Mittelflügels, der damals im unteren Geschoss die kur-
fürstliche Küche enthielt, wurde endlich 1681 erhöht, um dem Alabaster-
saal eine beträchtliche Höhe und Ausdehnung zu geben. Grosse Massen
des kostbaren Steinmaterials, aus weiter Ferne herbeigeschafft, standen den
beiden holländischen Baumeistern zur Verfügung.
R. Dohme, der es in seiner kurzen Geschichte des Berliner Schlosses ®)
versucht hat, einen Grundriss der Schlossanlage, wie diese sich kurz vor Schlü-
ter’s Auftreten präsentirte, zu entwerfen, hat offenbar die einzige alte Abbil-
dung’) des vorliegenden Saales nicht berücksichtigt. Ausserdem kennen wir den
Alabastersaal aus folgender Notiz des Localhistorikers Küster'’); »Es hat auch
hochgedachter Churfürst den prächtigen Saal über der Churfürstlichen Küche,
so mit sinnreichen Gemählden, vortreflicher Stuccatur Arbeit, und den künst-
lichen Marmornen Statuen der Churfürsten von Brandenburg, von Friedrich I.
an, versehen war . . . erbauen lassen (S. 6)«. Doch fügt er S. 14 noch hin-
zu: »Weil auch dieser Saal dem Vorsprung am Schlosse dritter Seite im
Wege stund, so wurde ein Theil desselben weggerissen, jedoch decket
®) Das königl. Schloss zu Berlin. Leipzig 1876. Fol. u. 4®.
') Bei Begerus a. a. 0. p. 227.
®) G. G. Küster, Altes und neues Berlin, 1756, III, p. 6.
Der grosse Kurfürst von Brandenburg.
95
der Saal die erste und zweite Etage des Vorsprungs«. Erst diese Verkleinerung
des Alabastersaales von fünf auf vier Fensterachsen (veranlasst durch Schlüter’s
Neubau) machte den einst imposanten kurfürstlichen Ehren- und Festraum
für die Bedürfnisse des königlichen Hofes unzureichend. In der freilich recht
ungenauen Abbildung bei ßeger sehen wir ausserdem sechs Nischen an jeder
Langwand des Saales. Da hier weitere sichere Aufschlüsse betreffs der Aus-
schmückung nicht geboten werden, so muss uns der, auf Thatsachen und
Muthmassungen beruhende. Versuch einer Reconstruction genügen.
Den Hauptbestandtheil der plastischen Decorationen bildeten die wenig
überlebensgrossen Statuen der brandenburgischen Kurfürsten (Friedrich I.,
Friedrich II., Albrecht Achilles, Johann Cicero, Joachim I., Joachim II., Johann
Georg, Joachim Friedrich, Sigismund, Georg Wilhelm, Friedrich Wilhelm,
Friedrich III. ®) und offenbar auch die Statuen von vier »Kaisern« (Julius
Cäsar, Konstantin, Karl der Grosse, Rudolf von Habsburg). Aus dieser Wahl
erkennen wir, dass es dem Sieger von Fehrbellin hier darauf ankam, an seiner
Seite seine kurfürstlichen Vorfahren, sowie einzelne Persönlichkeiten, die ihm
wie leuchtende Sterne am Himmel der Geschichte vorbildlich vor Augen stan-
den, monumental verherrlichen zu lassen. Also ihm selbst, seinen leiblichen
und seinen geistigen Vorfahren galt die Glorificirung, die uns an ganz ähn-
liche, wohlbekannte Ideen der kirchlichen Kunst, an die ehemals beliebte Ver-
herrlichung der Person Christi erinnert.
Und w'oraus schliessen wir nun, dass die erst von Friedrich III. be-
stellten vier »Kaiser« schon zu dem Programm des grossen Kurfürsten ge-
hörten? Nach der Vollendung der elf Kurfürsten im Jahre 1687 ^°) kam Eggers
persönlich nach Berlin, wo seine Anwesenheit, von. der auch Nikolai redet,
urkundlich beglaubigt ist**); unterm Datum des 29. Octobers 1687 erhielt er
nämlich den kurfürstlichen Befehl, gemeinsam mit Nering und dem Kammer-
herrn von Lüderitz eine Beschwerde des Bildhauers Jeremias Süssmer' gegen
den Hofbildhauer Döbeler*^) zu prüfen. Im Frühjahr 1688 starb Friedrich
Wilhelm nach langen schweren Leiden. Bald nach Regierungsantritt des Nach-
folgers richtete Eggers, der noch immer nicht seine Rückreise nach Holland
angetreten, qin deutsch verfasstes Gesuch an den derzeitigen Minister: »Bey
des Churfl. würcklichen Geheimen Etats Rath, Herren von Dankeimanns
Excellence erinnert der Holländische Bildhauer Eggers gehorsamst Bittende
Ihm anzu Verdingen nachfolgende Statuen: 1. Sr. Ghurfürstl. Durchl. Statue.
2. Julius Cäsar mit einem Adler. 3. Constantinus Magnus mit einem Kinde
oder Engel. 4. Carolus Magnus auf einem Drachen stehend. 5. Rudolphus
Nachträglich hinzugefügt.
*“) Näheres darüber in meinem oben citirten Artikel der Kunstchronik.
**j Geh. Staatsarchiv. — Die gegentheilige Angabe des Jahrb, der preuss.
Kunstsamral. ist mithin unrichtig.
*^) Man ersieht daraus auch, dass es dem Fürsten an Bildhauern nicht fehlte.
Eine ganze Reihe heimischer und fremder Kräfte stand ihm damals zur Verfügung.
Offenbar ertheilte der kunstverständige Monarch Jedem bestimmte Aufgaben;
Eggers’ Domäne war anscheinend der Alabastersaal und die Kunstkammer.
96
Georg Galland;
die Welt haltend«. Für jede der Statuen gab er 700 Thlr., im Ganzen also
3500 Thlr., als Honorar an. Die schleunige Erledigung der Sache (Contract-
abschluss 13. Juli 1688), die eigenthümiiche Fassung des Gesuchs, die grosse
Reise, der lange Aufenthalt in Berlin — machen es wahrscheinlich, dass es
sich hier um eine alte Vereinbarung betreffs Wahl, Auffassung und Preis der
Objecte gehandelt, um ein Project, an das bei der Aufregung, die dem Thron-
wechsel folgte, »erinnert« werden musste, und dass allein die Statue des
jungen Regenten als etwas Neues, doch Selbstverständliches hinzutrat.
Die zweite für uns ebenso wichtige Frage würde sein, ob schon jene
Sculpturen von 1680 mit der Ausschmückung des Alabastersaales zusammen-
hingen, wie oben angedeutet wurde. Wenn diese Bildwerke die sechs 2,07 m
langen und 1,41 m hohen Reliefs sind, welche heute die Seitenwände der
Diplomatenloge des weissen Saales schmücken, dann müssen sie, meines
Erachtens, aus innern Gründen zu den Statuen gehören. Denn sie preisen die
Thaten und Tugenden der hohenzollernschen Kurfürsten oder vielmehr den
Ruhm Friedrich Wilhelms in jener damals zeitgemässen Verschleierung durch
historische Beispiele der Antike und des Mittelalters. Schade , dass diese
trefflichen Arbeiten in neuerer Zeit so arg übertüncht wurden ! Eine nähere
Bezeichnung der sechs Tafeln liegt, wie erwähnt, heute nicht mehr vor.
Können auch die unten versuchten Erklärungen nicht Anspruch auf voll-
kommene Richtigkeit erheben, so glauben wir uns doch nicht im Kern der
Sache zu irren.
Vorher sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass uns diese Darstellun-
gen des Eggers lebhaft an einen Panegyrikus erinnern, mit dem damals der
Schüler jenes Gerard van Honthorst, Joachim van Sandrart zu Nürnberg, den
zweiten Theil seiner »Teutschen Academie« (1679) dem grossen Kurfürsten
dedicirte. Die Widmung lautet nach Guhl (Künstlerbriefe): »Nachdem die tau-
sendzüngige Fama von der Göttin des Ruhmes aus dem Hjmmel entsendet
worden, um Ew. Ghurf. Durch), hohen Ruhm mit dem Schall ihrer Silber-
Drommeten zu verkündigen, hat sie eine gute Weile gezweifelt, was für einen
Heldennamen sie in die daran hangenden Purpurfahnen sollte sticken lassen.
Sie glaubte zwar anfänglich, als sie Ew. Ghurf. Durchl. im Feldlager unter
den Zelten und zwar siegprangend erblickte, sie könnte Demselben keinen
andern Namen, als den eines deutschen Mars zueignen .... Als sie nun
aber E. Ch. D. aus dem Felde nach Ihrer fürstlichen Hofburg begleitete und
allda wahrnahm, wie nicht allein die Zeughäuser und Rüstkammern mit aller
Waffengezeug, sondern auch die Kunstkabinette und Bücherzimmer mit allen
nur ersinnlichen Kunstschätzen und Seltenheiten angefüllt waren und da sie
dabei auch E. Gh. D. von solchen Dingen, gleichwie sonst von Kriegssachen,
mit hochvernünftigem Urtheil reden hörte: da kam sie sofort auf den Schluss,
dass Ihnen der Ehrenname eines deutschen Phoebus oder Apollo besser
anstehen würde. Und in diesem Gedanken wurde sie abermals bestärkt, als
sie in der Kabinette einem, an einer Statue des Phoebus ersah, dass derselbe
nicht allein Pfeile und Bogen, einen Python damit zu fällen, sondern auch
die Leyer der Kunst im Arme hatte, und sich zugleich erinnerte, dass der
Der grosse Kurfürst von Brandenburg.
97
Lorbeerkranz auf seinem Haupte ihn nicht allein zu einem Kriegshelden,
sondern auch zu einem Helden der Kunst gekrönet. Wie nun E. Ch. D.
als ein rechter wahrer Apollo und hoher Gönner aller Künstler und Kunst-
freunde sich in stetem Wechsel dem Berufe der Kriegsführung und der
Kunstliebe zu widmen pflegen, so scheint es jetzt, als wenn Sie, da nun . . .
Germania den Freudenport des langersehnten Friedens vor Augen sieht
die siegreichen Waffen bei Seite legen und hingegen zur Kunstleyer
greifen wollten . . .«
Gleich Tafel 1 liefert zu obigen Worten Sandrart’s eine Art Illustration;
sie ist an der Westwand der Loge sichtbar und ein Hochrelief wie die übrigen
Bildwerke. Hier dürfte die Erziehung AlexandersdesG rossen geschildert
sein, der, nachdem er theils im Feldlager seines Vaters Philipp, theils von
Philosophen wie Aristoteles herangebildet, zwanzigjährig -- genau in dem
Alter Friedrich Wilhelms — die Zügel der Regierung ergriff. Der junge
makedonische König (im Profil) schreitet würdevoll nach rechts, er trägt, gegen
die Schulter gelegt, einen Gommandostab. Sein Kriegsgefolge steht links,
hinter ihm. Alexanders Blick fällt auf das Werk eines vor ihm sitzenden
griechischen Bildhauers (Lysippos), der einen Hercules mit der Leyer im Relief
gemeisselt hat. Ganz rechts steht der Philosoph Aristoteles, der wie ein, vorn
links, gebückt und unbekleidet dargestellter Jüngling an Figuren der raphaeli-
schen »Schule von Athen« erinnert (ein Beweis vielleicht dafür, dass Eggers
Italien besucht hat). Ausser der Bezeichnung »Hercules Musarum« über jenem
Relief liest man an der Tafel noch den Namen »Kalliope«. Mit einem
Worte: wir haben hier einen Hinweis auf die Erziehung Friedrich Wil-
helms, der seine für künftig entscheidenden Jugendjahre theils im Dienste
der »Kalliope« an der Universität zu Leiden, theils im Heerlager Friedrich
Heinrichs, bei der Eroberung von Breda, verbrachte und der desshalb als
»Hercules Musarum« gefeiert wird. Tafel 2 führt uns einen antiken Feld-
herrn vor, dessen behelmtes Haupt die Züge des grossen Kurfürsten erkennen
lässt; er ist im Begriff, den von Rossen gezogenen Streitwagen zu besteigen,
um an der Spitze seiner Krieger in die Schlacht zu eilen ; vorn links schliesst
ein hingelagerter antiker Gott (ä la Quellinus) das Bild ab. Tafel 3 scheint
dagegen auf die Friedensbereitschaft des Hohenzollers hinzuweisen , denn sie
schildert einen auf seinen Schild gestützten römischen Heldenjüngling (Marc
Aurel?), der sich, während ihm zwei Männer eine Rüstung auf einer Stange
zutragen, der lieblich gestalteten Friedensgöttin zuwendet; hinter ihm steht
Pallas Athene, gleichsam als Beratherin.
Wenden wir uns der Ostwand der Diplomatenloge zu, so erblicken wir
auf Tafel 4 das mit Büsten und Statuetten angefüllte Atelier eines antiken
Bildhauers und Architekten, dessen Person hinter dem Sessel eines Fürsten
auffällt. Der letztere betrachtet die Zeichnung eines Tempels auf einem
grossen Carton, den ein Jüngling im Hintergründe aufgerollt hat. Zur Rechten
steht auch hier bewaffnetes Gefolge. Vermuthlich soll dieses Relief den Be-
such des Kaisers Augustus bei Vitruv vorstellen. Weniger befriedigt die
folgende Tafel 5, deren Mitte ein lorbeerbekränzter Fürst einnimmt. Er
98
Georg Galland:
wendet sich mit lebhafter Armbewegung einem vorn rechts gelagerten greisen
Wassergott zu, hinter welchem eine anmuthige Nymphe zum Vorschein kommt.
Er scheint des Gottes Hilfe für die zur Linken unbekleidet und gebückt dar-
gestellten Männer anzuflehen, die mit den heftigen Schlägen ihrer knüttelähn-
lichen Werkzeuge den unfruchtbaren Sandboden bearbeiten. Den Hintergrund
nimmt eine antike Festung ein, vielleicht die Hauptstadt K'onstantins, welcher
Konstantinopel nicht bloss gegründet, sondern auch (wie der grosse Kurfürst
seine Residenz und dies mit Hilfe holländischer Ingenieure) befestigt hat.
Aus der Antike führt uns die letzte, wieder sehr schöne Composition, Tafel 6,
in das Mittelalter. Wir sehen einen König vor einer Landkarte des nordöst-
lichen Deutschlands stehend und auf die Stelle weisend, wo Brandenburg
liegt. Hinter ihm, links, bildet sein greiser Rathgeber das Haupt eines theil-
weise bewaffneten Gefolges. Zu Füssen des Herrschers erkennt man das Modell
einer doppelthürmigen Kirche, als deren Schöpfer wohl der Mönch gedacht
ist, der mit einem Zirkel in den Händen, rechts vor dem Fürsten hockend,
gleichfalls die Karte mustert. Im Vordergründe, dessen Figuren fast ganz
plastisch heraustreten, sieht man ausserdem noch einen Bdelknappen, der
einen Helm trägt, sowie einen Jagdhund. Im Hintergründe aber, und zwar
oben rechts, erscheint ganz klein die Gestalt eines andern . mit kaiserlichen
Insignien geschmückten Fürsten. Die Tafel dürfte wohl auf die Gründung der
Altmark durch Heinrich I. und die Belehnung Friedrichs I. mit Brandenburg
durch Kaiser Sigismund hinweisen. Interessant ist jener Helm tragende
Edelknappe und der Hund im Vordergründe desshalb, weil dieses Motiv
auch an einem bekannten Sculpturwerk, das den Chor der Marienkirche zu
Berlin schmückt, vorkommt
Glaube ich nun durch obige Erklärungen der sechs Reliefs ihren innern
Zusammenhang mit den Statuen der »Kurfürsten« und »Kaiser« nachgewiesen
zu haben, so bleibt doch noch immer der Beweis für Eggers’ Autorschaft
übrig. Nun besitzen aber die von mir als Heinrich I. und K*onstantin be-
zeichneten Figuren (auf Taf. 6 und 5) das unverkennbare Gepräge der Schö-
pfungen des Amsterdamer Meisters und ähneln überdies den auch heute in
nächster Nähe befindlichen Statuen Karls des Grossen und Konstantins. Ferner
will ich nicht versäumen, auf die stilistische Uebereinstimmung hinzuweisen,
welche zwischen diesen Arbeiten und dem mächtigen, ideal behandelten, von
mir als sein Werk erkannten Marmorrelief an der Waag zu Gouda (1669)
besteht. Und endlich kann wohl das für die »marmorsteinernen Bilder« in
drei Raten gezahlte beträchtliche Honorar von 2600 Thlrn. als ein Aequi-
valent für die vorliegenden Tafeln betrachtet werden. Durch diese erleidet
allerdings die bisherige, auch von uns festgehaltene Meinung über die künst-
Ueber das 1663 vollendete Grabmal des Feldmarschalls Otto Christoph
von Span- (abgeb. in d. Berliner Bauwerken, herausg. von dem Verein f. d. Gesch.
Berlins, Taf. 10), vergl. meinen Artikel im »Bär« 1890, S. 319.
19 Geschichte der holländischen Baukunst und Bildnerei etc., 1890, p. 358
und 421.
Der grosse Kurfürst von Brandenburg.
99
lerischö Qualität des holländischen Bildhauers, der nach schlechter bezahlten
Arbeiten beurtheilt zu werden pflegt, eine gewisse Modification ; tritt er uns
doch in obigen Leistungen als ein Künstler entgegen, dessen Reliefplastik auf
dem Studium trefflicher, vielleicht sogar altrömischer Vorbilder beruht und
dessen ursprüngliche Zugehörigkeit zur Amsterdamer Werkstatt des älteren
A. Quellinus annehmbar erscheint. Diese Zugehörigkeit würde in der That
eine Erklärung dafür sein , wesshalb grade Eggers vom Kurfürsten als ein
vollgiltiger Ersatz^®) für Bosboom, den notorischen Mitarbeiter des Quellinus
am Rathhause zu Amsterdam, betrachtet wurde.
Auf gleicher Höhe mit den Reliefs stehen weder die »Kurfürsten« noch
die »Kaiser«. Die ersteren waren, wie bemerkt, zum Schmuck der Nischen
des Alabastersaales bestimmt und beanspruchten, als Bestandtheile der Archi-
tektur, nur eine decorative Behandlung. Dementsprechend betrug das Honorar
für acht der »Kurfürsten«, wie aus jenem Briefe von 1686 hervorgeht, bloss
2109 TWr. 9 Gr. d. h. pro Stück etwas über 263 Thlr. Sie sind sämmtlich
6 holl, Fuss hoch, an der Rückenseite fast gänzlich unbehauen gelassen und
interessiren allerdings, trotz formaler Flüchtigkeit und Unfeinheit der Modelli-
rung , durch die Keckheit, mit der hier ein fremder Künstler zehn fürstliche
Persönlichkeiten der brandenburgischen Vergangenheit in idealer Charakteristik
historisch glaubhaft vorzuführen versucht hat. Gewiss, an Geist, Grazie und
Schönheitssinn steht der derbe Holländer den besten flandrischen Meistern
der voraufgegangenen Periode erheblich nach. Damals aber dürfte schwerlich
ein zweiter Niederländer Gestalten, wie den lebhaft vortretenden Albrecht
Achilles (Nr. 3), den Johann Cicero (Nr. 4), den stattlichen Sigismund und
den würdevollen Georg Wilhelm, statuarisch und zugleich decorativ wirksamer
gemeisselt haben. Abweichend allein ist die Auffassung der Statue des
grossen Kurfürsten. Zeigt sich dort der Holländer ungeschminkt in seiner
derben Naivität, eigenartig in seiner individualisirenden Gestaltungslust, so ver-
räth sich hier deutlich der Nachahmer der Franzosen. Friedrich Wilhelm ist
ä la Louis XIV. in antiker Weise heroisirt; gebieterisch doch apathisch steht
er da in der Pose eines Jupiters, der den Commandostab als Speer markirt
in der Rechten hält gradeaus blickend , während seine Vorfahren mit
kleiner Körperdrehung, theilweise sogar mit lebhaften Gesten dargestellt sind.
Dadurch wird der Eindruck hervorgerufen, als wenn vom Künstler ursprüng-
lich die elfte Statue nicht in der Reihe der Uebrigen, sondern für sich allein
stehend gedacht wäre, als wenn Eggers etwa die Schilderung eines Fürsten-
rathes vor^eschwebt hätte, bei welchem — wie Jupiter im Olymp — Einer,
Friedrich Wilhelm, das präsidirende Haupt vorstellte, dem sich die Uebrigen
zuwendeten. Schon unter dem Nachfolger, Friedrich III., aber hat man, ent-
weder weil man die Intention des erlauchten Stifters des Alabastersaales nicht
kannte oder nicht respectiren wollte und um die zwölfte Seitennische nicht
Ich bemerke, dass damals auch andere Holländer, wie Artus Sitte,
der am 25. October 1666 sein Patent als Hofbildhauer ohne Gehalt erhielt, im
kurfürstlichen Dienste standen.
100
Georg Galland:
leer zu behalten'®), kein Bedenken getragen, den grossen Kurfürsten seitlich
einzureihen. Wie fehlerhaft diese später im weissen Saale nachgeahmte
Parallel'Anordnung ist, erkennt man schon daraus, dass drei der Lekfiguren
(1, 6 und 7) jetzt in die Winkel des Saales hineinschauen.
Umgekehrt zu ihrem ausgezeichneten Rang in jenem Saal ist also der
künstlerische Werth dieser Statue Friedrich Wilhelms des Grossen. Vergleicht
man sie mit einem ältern niederländischen Werke, der damals im Berliner
Lustgarten befindlichen Statue des F. Dusart (1651), die einst in charakteri-
stischer Weise mit einem frommen Bibelspruch geschmückt war, so hat man
Gegensätze, wie sie grösser kaum zu denken sind. Dort eine einfache, rea-
listische, höchst individuell behandelte Figur "), die ganz das Gepräge der alten
Oranierzeit besitzt, hier ein conventioneller Fürstentypus, ein Perrücken-Jupiter
mit der Maske des grossen hohenzollernschen Patriarchen. Und doch wird
der tiefere Beobachter in beiden niederländischen Schöpfungen die eigenthüm-
lichen Elemente erkennen, aus welchen . später ein deutscher Genius, Andreas
Schlüter, den wunderbaren Ausdruck des Heroisch-Individuellen zu gewinnen
vermochte . . . Nach meinem Gefühle ist die letzte Kurfürstenstatue nicht
Eggers’ Werk, sondern eine manierirte Nachbildung der elften Figur von un-
bekannter Hand; sie steht auch technisch auf niedrigster Stufe, da hier selbst
die Perrücke ganz roh belassen ist. Sie kann daher auch nicht identisch mit
der 1688 bei Eggers bestellten Arbeit sein, für welche ein fast zwei Mal höheres
Honorar (700 Thlr.), als für jede der ältern Sculpturen contractlich festgesetzt
war. Eine unbezeichnete Statue Friedrichs III., die den Fürsten barhaupt,
ohne Perrücke, im Panzer und Mantel darstellt, eine derbe barocke Erschei-
nung, steht im Park zu Gharlottenburg neben jenem Werke Dusart’s: ob sie
Eggers’ Werk ist, wage ich nicht zu behaupten. Aus dem Contract von 1688
und aus der sorgfältigen Technik der vier »Kaiser« geht deutlich hervor, dass
es sich bei dem letzten Aufträge des Meisters nicht um decorative Machwerke,
sondern um Arbeiten von vollendeter Durchführung handelte. Trotzdem stehen
die »Kaiser«, was Erfindung und Proportion der Formen betrifft, also künstle-
risch, nicht auf der Höhe der ältern Sculpturen ; besonders Kaiser Konstantin
mit seinen Attributen *Kind« und »Kreuz« ist eine recht schwache Leistung.
Um Eggers Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wird man diese Figurenvier-
zahl auf der hintern Brüstung der Diplomatenloge, am Treppenhaus des weissen
Saales, bloss als Product seiner Amsterdamer Werkstatt betrachten dürfen.
Zwar sind sie mit dem abgekürzten Namen des Meisters, doch nicht mit der
charakteristischen Künstlerinschrift der »Kurfürsten«, sondern mit ganz con-
ventioneilen Buchstaben bezeichnet'®). Zu meinem kritischen Urtheil stimmt
1«) Der fürstliche Bauherr halte ja nicht ahnen können, dass die Zahl der
brandenburgischen Kurfürsten nicht zwölf überschreiten würde.
") Vergl. die Abbildung in v. Lützow’s Zeitschrift, Jahrgang 1890/91, S. 25,
und meinen Artikel daselbst.
'®) Die Signirung ist verschieden, mit vier, fünf oder sechs Buchstaben, z. B.
BE* EGG; die Inschrift der »Kurfürsten« lautet dagegen: B*EGGERS*.
Der grosse Kurfürst von Brandenburg.
101
übrigens eine aus den Urkundea geschöpfte Notiz in Königs Collectaneen
wonach am 23, April 1692 ein kurfürstlicher Befehl an einen gewissen Kuf-
felaar nach Amsterdam erging, aus der Nachlassenschaft des inzwischen ver-
storbenen Eggers einige Modelle von Statuen, die für den Kurfürsten be-
stimmt waren, herauszufordern. Der greise Künstler kann also sehr wohl
schon kurze Zeit nach seiner Rückkehr aus Berlin erkrankt und vor Erfüllung
seiner contractlichen Verpflichtung gestorben sein
Dadurch findet auch die Angabe F. Nikolai’s, dass die Sculpturen des
holländischen Bildhauers erst 1694 im Alabastersaal aufgestellt wurden,
ihre Erklärung. Also weder der kurfürstliche Stifter noch Eggers hatten die
eigentliche Vollendung des denkwürdigen Werkes erlebt. Bis 1728 bestand
der Saal als Mittelpunkt der Geremonien des Berliner Hofes ; dann ward, nach-
dem der im westlichen Hauptflügel gebaute »Weisse Saal« dessen Erbschaft
angetreten, aus dem mittlerweile verkleinerten Fest- und Ehrenraum des
grossen Kurfürsten ein bescheidenes Hoftheater »zur Darstellung von Inter-
mezzos und Komödien«, Französischer Geschmack verdrängte unter König
Friedrich II. den holländischen vollends, und der seines kostbaren Materials
beraubte Alabastersaal sank schliesslich zu einem Möbelmagazin herab, an
dessen ruinenhaften Wänden heute kaum noch Spuren der einstigen Schön-
heit und Pracht zu erkennen sind. Aber es reizt uns die Macht der Erinne-
rung diese längst vergangene Herrlichkeit im Geiste wieder erstehen zu lassen ;
gewinnen wir doch dadurch werthvollen Aufschluss über des grossen Kur-
fürsten Verhältniss zur bildenden Kunst, einen vollen Begriff von
seiner Kunstgesinnung, die mit seinem wachsenden Ruhmesgefühl schliesslich
eine Idealität annahm, zu deren Höhe sich der derbe Sinn der holländischen
Meister nicht mehr aufzuschwingen vermochte,
’®j Manuscript (Anfang dieses Jahrhunderts), königl. Bibliothek zu Berlin;
Quelle der Notiz ist offenbar das k. geh. Staatsarchiv (nach der beigefögten Titel-
angabe R. 9 L. 7 lit. 7 zu schliessen).
Vergl. auch (a. a. 0.) meine Bemerkungen zu den kurfürstlichen Briefen
über Eggers ... . Sollte sich vielleicht folgende, Ende Mai 1691 geschriebene
Notiz des Ausgabebuches der kurfürstlichen Kunstkammer auf Eggers beziehen?
»Der Bild Houwer (N. N.) Hat die Famma Stehend auf einem Fuss auf eipem
Trophe d’armes, ist auf Seiner Churfl: Ducchl. gnäd. Befehl angegeben und ge-
macht worden , Davor würd begehrt 12 Rthlr. Darauf aber noch nicht mehr als
Zwei rthlr, bezahlt worden, und Hat sich zeit Hero der Bild-Houwer nicht
angegeben (d. h. gemeldet). Dises Bild stehet auf dem Schrank darunter dass
Eyhen pfert Steht.«
Der deutsche und niederländische Kupferstich des fünf-
zehnten Jahrhunderts in den kleineren Sammlungen.
Von Max Lehrs.
XIV.
München.
König). Bayerische Hof- und Staatsbibliothel?.
(Nachtrag.)
Durch ein Versehen habe ich auf p. 16 des laufenden Jahrganges das
Alphabet des Meisters mit den ßandrollen, von dem die Staatsbibliothek zwei
Exemplare besitzt, anzuführen unterlassen. Dasselbe wäre nach Nr. 18 a. a.
0. einzuschalten.
Meister mit den Bandrollen.
19—21. (Glm. 266 und 451. 4®.) Das Figuren-Alphabet. B. X. 68.
1 — 6. P. II. 28. 49. Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen p. 6 — 10. Zeit-
schrift f. bild. Kunst, XXIV. p. 16.
Lichtdruck nach dem Münchener Exemplar aus Glm. 451 bei Dehio,
Kupferstiche des Meisters von 1464. Lichtdrucke von A K und P bei Lehrs,
Taf. IV. Pig. 10 — 12. nach den Buchstaben in Dresden und München.
Von den beiden Exemplaren der Staatsbibliothek findet sich das eine
in dem Schedel-Godex (Glm. 451. 4°), welcher »Ars litteraria« betitelt, eine
grosse Anzahl von Alphabeten, geschrieben, gemalt, in Holzschnitt und Kupfer-
stich enthält. Es ist dies das von Dehio publicirte Exemplar. Die 23 Buch-
staben und das Schlussornament sind einzeln ausgeschnitten und in richtiger
Reihenfolge auf Fol. 98 — 109 recto und verso geklebt. Die Abdrücke sind
sehr schwach, und nur -beim Buchstaben D ist das Wasserzeichen eines Ochsen-
kopfes theilweise zu erkennen.
Das andere Exemplar, im Druck etwas besser, aber immerhin geringer
als in Dresden, ist in einem Register zur Naturalis historia des Plinius (Glm. 266)
verwendet. Die Buchstaben sind silhouettirt und jedem neu beginnenden
Max Lehrs: Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrhunderts etc. 103
Buchstaben vorgeklebt 'j. Schedel, welcher die Handschrift am 8. Mai 1478
beendete, hat die Stiche mit Zinnober umzogen und Einzelnes nach seiner
Gewohnheit, namentlich die Lippen der Figuren mit derselben Farbe bemalt.
XV.
Köln.
a. Museum Wallraf-Richartz.
Die dem 15. Jahrhundert angehörenden Blätter sind sämmtlich seit
Decennien in ungenügend staubdichten Rahmen ausgestellt und daher durch
Licht und Staub in einen traurigen Zustand gebracht, dem die neue Direction
des Museums hoffentlich bald ein Ende macht. In dem Chaos der meist un-
geordneten Mappen war es mir nicht möglich, weitere in den Rahmen dieser
Arbeit gehörige Stiche zu finden ^). Die niederrheinische Schule ist natur-
gemäss weit besser vertreten als die oberdeutsche. Sehr viele Blätter haben
vollen oder doch breiten Papierrand, stammen also wohl aus Buchdeckeln.
A. Oberdeutsche Meister.
Martin Schongauer.
Originale dieses Meisters besitzt die Sammlung nicht, dagegen findet
sich zweimal eine unbeschriebene gegenseitige Gopie der Geburt Christi (B. 5)
von Urs Graf 161 : 128 mm. Einf. 167 : 130 mm. PI. Dieser auch Eduard His
unbekannt gebliebene Stich gehört offenbar wie die ebenfalls nach Schongauer
copirte Taufe Christi (P. II. 140. 1.) und die thörichte Jungfrau (B. VI. 390. 1.
P. II. 140. 4.) zu den Jugendarbeiten des Baseler Künstlers.
Monogrammist
1. Die Höllenfahrt Christi. Betrügliche Copie nach VI. 348. 12.
aus der Passion B. VI. 345. 2 — 13. Repertorium IX. 378. 11.
Meister J\
2. Die Madonna am Brunnen. B. 2.
3. Das reitende Paar. B. 19.
B. Niederdeutsche und niederländische Meister.
Meister der Liebesgärten.
4. * Die Ruhe auf der Flucht nach Egypten. Die hl. Jungfrau mit
langem Haar, das Haupt von einem Strahlen- und Scheibennimbus umgeben,
sitzt in ihren Mantel gehüllt links und hält mit beiden Händen das nackte
Jesuskind mit Lilienkreuz- und Scheibennimbus auf dem Schooss. Der Knabe
*) Auch die iri dem Register nicht vertretenen Buchstaben sammt dem
Schlussornament sind in der richtigen Reihenfolge eingeklebt auf Fol. 5 recto,
13 r, 21 verso, 22 r, 25 r, 27 r, 29 r, 31 r, 33 v, 34 r, 37 r, 41 v, 43 r, 44 v,
49 v, 50 r, 51 v, 56 r, 58 v, 61 r, 61 v (Y und Z) 62 r.
Auch Herr Dr. v. Ubisch hatte die Güte, vergebliche Nachforschungen für
mich anzustellen.
®) Beschreibendes Verzeichniss des Werkes von Urs Graf (Zahn’s Jahrbücher
VI. [1873] p. 145).
104
Max Lehrs:
streckt das linke Händchen nach dem bärtigen, mit Mantel und Kappe be-
kleideten Joseph aus, der — mit der Linken den Zügel des Esels haltend —
aus einem zwischen ihm und Maria befindlichen Brunnen Wasser geschöpft
hat und trinkt. Sein Stab liegt hinter dem Esel am Boden, der aus dem
Abfluss der Quelle trinkt. Letztere entspringt aus einem Baum, dessen Zweige
verschiedenartige Blätter und Blüthen (man zählt sechs grössere) tragend, sich
oben theilen und den ca. 20 mm. breiten , aus vier Kreislinien gebildeten
Rahmen füllen. Am Boden Gras und Blattpflanzen , rechts einige Felsen.
98 mm. Durchmesser der äusseren Einf. 105 mm. Durchmesser einer ursprüng-
lich vorgerissenen sehr zarten fünften Einf. 129 : 102 mm. PI. Unbeschrieben.
Ein Exemplar dieses Stiches befand sich beim Herzog von Buckingham und
wurde 1834 für 2 £“. 2 sh. an Tiffin verkauft. Ueber seinen Verbleib ist
mir nichts bekannt. Der Stich wird im Katalog Buckingham (111. 3109) dem
Meister E S zugeschrieben, ist aber eine charakteristische Arbeit des Meisters
der Liebesgärten, mit dessen übrigen Stichen fer auch den grünlichen Druckion
theilt. — Der Kölner Abdruck mit breitem Rand, nur links etwas defect,
klebt auf einem Blatt aus einem lateinischen Manuscript.
Meister des hl. Erasmus.
5. Christus erscheint den Jüngern. Repertorium Xll. 262. 45. aus
der Folge des Lebens Christi ohne Einfassungslinie.
Der Kölner Abdruck ist wie der in Darmstadt mit Zinnober und Grün
colorirt und klebt auf dem Pergamentblatt einer lateinischen Handschrift. Im
Unterrande liest man wie in Darmsladt eine Schriftzeile mit der Anrufung
Christi beginnend, und in verso des Pergamentblättchens findet sich ebenfalls
handschriftlicher Text. Die Aehnlichkeit in der Art der Erhaltung mit dem
Darmstädter Abdruck ist so gross, dass man eine ganz fabrikmässige An-
fertigung dieser kleinen Breviere mit eingeklebten Stichen vermuthen möchte.
Meister der Berliner Passion.
6. St. Franciscus. P. II. 94. 60.
Abdruck mit vollem Rand.
Passavanl beschreibt diesen Stich nach dem Berliner Exemplar unter
den Arbeiten der Schule des Meisters E S, und Wessely^) führt ihn als
»unbeschrieben« auf. Das Blättchen ist offenbar eine treffliche Arbeit des
Meisters der Berliner Passion und ein Gegenstück zur hl. Clara P. II. 95. 73.
Meister
7. Der Pferdestall. B. VI. 63. 25. Blatt 2 aus den Kriegs- und
Lagerscenen B. VI. 63. 24—31.
Abdruck mit breitem Rand. Es existirt eine Photographie nach dem
Exemplar in Oxford. Der Stich befindet sich auch in Paris und Pavia (Samm-
lung Malaspina).
8. * Gothisches Blatt. Aus einer turbanartigen Rosette unten rechts
entspringt ein gothisches Blatt und krümmt sich in zahlreichen Biegungen
0 Die Kupferstichsamnilung der königl. Museen zu Berlin, Nr. 107.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 105
zunächst nach links, dann senkrecht nach oben. Man zählt etwa sieben drei*
theilige Blätter, die in zackige Spitzen endigen. Unten rechts gerade unter
dem Ausgangspunkt des Blattes steht die ungewöhnliche Bezeichnung W/X
209 : 142 mm. PI. Unbeschrieben. ▼ ^
Abdruck mit breitem Rand, besonders links und rechts.
Monogrammist ftüg . —
9. Der Schmerzensmann in Halbfigur. Der dornengekrönte Hei-
land steht in Halbfigur, ein wenig gegen rechts gewendet, und neigt das von
einem Strahlenkreuz umschlossene Haupt nach derselben Seite. Sein Mantel
ist auf der rechten Schulter geknüpft und lässt Brust und Arme frei. Die
Hände sind gebunden und die Rechte hält den Palmzweig. Oben zu beiden
Seiten vertheilt stehen die Worte : Ecce homo. Unten in der Mitte noch
innerhalb der Einfassungslinie das Monogramm. 94:62 mm. Einf. 97:66 mm.
PI. Der Stich ist mit Roth, Grün und Fleischfarbe colorirt. Stirn und Brust
des Erlösers sind dicht mit rothen Blutstropfen bedeckt. Ziemlich gute Arbeit
und vielleicht das Urbild zu Israhel’s van Meckenem gegenseitiger Darstellung
B. 134, wenn nicht beiden ein gemeinsames Original zu Grunde liegt.
Ein ebenfalls gegenseitiger colorirter Holzschnitt im Berliner Gabinet
(Nr. 90 des Inventars) scheint nach dem Kölner Stich copirt, da er wie dieser
oben die Worte ECCE HOMO trägt. Der Heiland hat dort einen Lilienkreuz-,
Scheiben- und Strahlennimbus. Die Inschrift oben ist in Majuskeln abgefasst,
und unten stehen vier Zeilen niederdeutscher Text: 0 mensche siet an my"
liden | dracht m v eherte alle tide j my bitter passie en pine groot | sal v
bistan in alle iube noot. 79 ; 52 mm. Einf.
Meister P W von Göln.
10—17. Acht Blätter aus dem runden Kartenspiel. Lehrs, p. 27.
10. Rosen-Dame. L. 36. 14.
11. Rosen-König. L. 36. 15.
12. Agley-König. L. 37. 29.
13. Papageien-Ober. L. 37. 41.
14. Papageien-König; L. 37. 43.
15. Hasen-König. L. 38. 56.
16. Nelken-Dame. L. 38. 63.
17. Nelken-König. L. 38. 64.
Diese acht Karlen befinden sich sämmtlich auch in London, Oxford und
Wien (Albertina), Nr. 10 — 15 auch in Dresden, 12—17 auch in Bologna, 13
auch in Berlin und in der Wiener Hofbibliothek. Von allen sind jedoch die
Kölner Drucke weitaus die schönsten und kräftigsten; auch haben sie sämmt-
lich viereckigen Rand.
Israhel van Meckenem.
18—22. Die Passion. Fünf Blatt aus der Folge B. 10—21.
18. Die Gefangennah me, B. 11. ohne Buchstaben im Unterrande.
19. Christus vor Caiphas. B. 12. I.
XIV
8
106
Max Lehrs :
20. Die Dornenkrönung. B. 14. sehr beschädigt.
21. Die Beweinung Christi. B. 19.
22. Christus in Emmaus. B. 21. ohne Buchstaben im Unterrande.
23. St. Christoph. B. 90. nach dem Meister des Hausbuches. Das
seltene Original, leider aber ruinirt. Oben fehlt ein grosses Stück. Der Stieb
zeigt Spuren von Violett und Grün.
24. St. Georg. B.,98. II. Etat mit der Horizontal-Schraffirung an den
Giebelseiten der Häuser im Hintergründe. Die zarte gleichfalls horizontale
Strichlage auf den vier den Felsen rechts zunächst stehenden Baumstämmen
ist nur noch schwach sichtbar.
Willshire ®) erwähnt zwei verschiedene Plattenzustände im British Mu-
seum, ohne indess ihre Merkmale anzugeben.
Dieser Stich gehört zu den frühesten Arbeiten Israhel’s. Schon Ottley
betont dies und sagt, er sei ganz im Stile des Meisters E S behandelt, be-
sonders in den Bäumen deg Hintergrundes. Dies gilt auch für die Pflanzen
am Boden und es ist wohl möglich, dass dem Stich ein verschollenes Original
des E S, und zwar aus dessen Frühzeit, zu Grunde liegt.
Eine verkleinerte gegenseitige Darstellung vom Monogrammisten B 0 io* *
der Sammlung Angiolini zu Mailand geht vielleicht auf dasselbe Urbild zurück,,
wenn es nicht eine Aftercopie nach Meckenem’s Stich ist. Von diesem
unterscheidet sich das übrigens ziemlich mässige Blättchen dadurch, dass es
um mehr als die Hälfte kleiner ist, das Pferd nur eine Feder (statt drei)
auf dem Kopfe trägt und eine achteckige Einfassungslinie ausserhalb der
kreisrunden hinzugefügt wurde.
25. Der Tanz um den Preis. B. 186. Hochätzung bei Henne an>
Rhyn, Deutsche Kulturgeschichte I. p. 295. Holzschnitt nach einer etwas
späteren lavirten Zeichnung im British Museum in L’Art 1882. I. p. 89.
Heinecken ®) findet dies Blatt so schlecht gezeichnet und gestochen, dass
er es »Israel dem Vater« zuzuschreiben geneigt war. Renouvier ®) lobt es im
Gegentheil und beschreibt die Darstellung, welche er für eine Vorlage zum
Graviren einer Schüssel oder dergleichen hält, sehr ausführlich. Dass er dabei
von vier Bewerbern spricht, beruht auf einem Missverständniss. Der Narr ist
nicht zu den Tänzern zu rechnen , sondern parodirt nur , wie auf zahlreichere
analogen Darstellungen des 15. Jahrhunderts, die Sinnlichkeit der Jugend.
Ganz ähnlich erscheint er in Israhel’s Ornament mit dem Tanz der Verliebten,
B. 201 , dem der gleiche Sinn zu Grunde liegt. Auch dort umtanzen sechs
Jünglinge ein Mädchen. Ein Musikant mit Trommel und Pfeife spielt auf und
der Narr sieht lachend zu.
“) Gat. II. 460. 70.
®) Inquiry 11. 666. 98.
’) Nagler (Monogr. 1. 1589), der die Uebereinstimniung mit Israhel’s Stich
nicht bemerkt hat, rätli auf Andreas Baumhauer, der Kirchner bei St. Sebald zu
Nürnberg war und 1499 starb.
*) Neue Nachrichten I. 461. 107.
®) Histoire, p. 166.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrb. i. d, kleineren Sammlungen. ] 07
Auch dieser Stich ist wohl unzweifelhaft auf ein verschollenes Original
vom Meister E S zurückzuführen , und zwar dürfte Israhel jenes ältere Blatt
von der Gegenseite copirt haben. — Die Figur des Musikanten rechts mit
Pfeife und Trommel findet sich gegenseitig in der linken unteren Ecke der
Arabeskenbordüre eines Missale der Kathedrale zu Agram ^®). Diese Bordüre
umschliesst die Darstellung des hl. Georg nach dem Stich des Meisters von
Zwolle, B. 13, und enthält im Ranken werk Figuren aus den Buchstaben p
und q vom Meister E S. Da diese Figuren natürlich vom Miniator immer
gleichseitig nach den Stichen copirt sind, so ist anzunehmen, dass dem
Maler auch das gegenseitige Original zu Israhel’s Musikanten vorlag.
26. Querfüllung mit Papageien und anderen Vögeln. B. 198.
P. 198. nach Schongauer. Lichtdruck bei Wessely, Das Ornament, Bd. I. Bl. 14.
Nr. 29 (Berlin) Zinkographie im Katalog der Ornamentstichsammlung des k. k.
österreichischen Museums von Franz Ritter (Erwerbungen seit 1871). II. Etat
mit der Querschraffirung links am Beginn des Hauptastes und mit vielen
anderen Retouchen im Laubwerk. Der Abdruck hat breiten Rand.
Fr. V. Bartsch“) beschrieb zuerst beide Plattenzustände und erkannte
die von seinem Vater übersehene Abhängigkeit des Stiches von Schongauer.
27. Querfüllung mit dem Liebespaar. B. 205. Sehr verdorbenes
Exemplar mit Spuren von Grün. Die Rückseite ist mit kleiner, sehr enger
Schrift ganz bedeckt.
28. Drei Schädel. B. VI. 302. 105. P. 256. nach dem Meister
Lichtdruck bei Wessely, Das Ornament Bd. I. Bl. 14. Nr. 31.
Bartsch erwähnt diesen Stich nur nach Heinecken“), welcher ebenso,
wie nach ihm Passavant und Nagler “), die Bezeichnung irrlhümlich: I V M
gibt. Fr. V. Bartsch “) und Willshire “) lesen richtig I M, und die mir be-
kannten Exemplare in Berlin, Bologna, Köln, London, Mailand und Wien
(Hofbibliothek) tragen sämmtlich diese Bezeichnung. Willshire erwähnt zwei
verschiedene Plattenzustände im British Museum, ohne sie jedoch zu beschreiben.
Dass der Stich eine gegenseitige Gopie nach dem älteren des Meisters
B. VI. 59. 15. sei, scheint nur Nagler bemerkt zu haben.
29. Die Madonna in Halbfigur auf der Mondsichel (Ablassbild).
B. X. 14. 9. P. II. 224. 99. und IV. 273. 153b.
Von diesem schönen und für Meckenem ungemein charakteristischen Blatt
war bisher nur ein Exemplar in der Sammlung' Friedrich August II., zu Dresden
bekannt, wo es sonderbarerweise unter den ältesten Italienern aufbewahrt
wird. Bartsch beschreibt den Stich bei den anonymen Deutschen des 16. Jahr-
hunderts, wahrscheinlich nach dem jetzt in Dresden befindlichen Exemplar,
das damals wohl in einer der grossen Wiener Privatsammlungen aufbewahrt
“) Dasselbe war im Mai 1876 in Budapest ausgestellt.
“) Die Kupferstichsamrnlung der k. k. Hofbibliothek in Wien, Xr. 1097.
Neue Nachrichten I. 460. 105.
“) Monogrammisten III. Nr. 2806. 14.
“) Die Kupferslichsammlung der k. k. Hofbibliothek in Wien, Nr. 1065.
>’) Cat. II. 474. 151.
108
Max Lehrs;
wurde. Passavant citirt Bartsch im II. Band, ohne den Stich gesehen zu haben;
im IV. beschreibt er das Dresdener Exemplar unter den Anonymen des
16. Jahrhunderts. Der Abdruck in Dresden ist sehr schwarz und scheint
kein ganz früher, sondern von der retouchirten Platte gezogen , wie dies bei
vielen Blättern Israhel’s der Fall ist. — Das Kölner Exemplar ist ein matter
Abdruck mit vollem Rand. Es trägt ein Colorit von Grün, Braun und Rosa
und stammt aus einem Manuscript, dessen Abdrucksspuren man auf der Rück-
seite wahrnimmt. Der Stich scheint übrigens eine kleine Ausgabe des Ablass-
bildes B.42. Wie jenes trägt er einen Ablass Papst Sixtus IV. auf 11,000 Jahre
und dürfte, wenn Zani Recht hat, ebenfalls aus Anlass der päpstlichen
Ablassbulle vom 1. März 1476 in diesem Jahre erschienen sein.
30. Die Sibylle und Kaiser Augustus. P. II. 41. 8. Cop. Lehrs,
Kat. des German. Mus. 40. 222. nach dem Meister E S. Nachstich nach dem
Exemplar in Göttingen von Lödel in dessen Beiträgen zur Kunstgeschichte.
Der Kölner Abdruck mit vollem Rand ist theilweise mit Lichtgrün und
Braun bemalt und trägt unten sieben Zeilen Schrift.
Monogrammist
31. * Die Madonna im Hofe mit dem Vogel. P. H. 200, 1.
Dürftige Arbeit. Passavant vermuthet wohl mit Recht, dass der schönen
Gomposition ein älteres Original zu Grunde liege. Der Hof mit dem Thor-
thurm und der dürre Baum sind nach Schongauer’s Madonna im Hofe copirt.
Der Abdruck ist theilweise mit Roth bemalt und klebt auf einem Blatt aus
einem lateinischen Manuscript.
C. Anonyme Meister.
32. Die hl. Fämilie. P. II. 102. 106. Verkleinerter Lichtdruck des
II. Etats im Katalog Heimsöth und im Katalog Amsler & Ruthardt XXIX.
II. Etat mit den Namen in den Nimben, welche hier einen Doppelrand
haben, links und rechts stark verschnitten, so dass die Säulen fehlen. Der
I. Etat, welchen Passavant in der Sammlung Heimsöth zu Bonn sah, wurde
auf der Auction dieser Sammlung 1877 für 1410 Mark von Eugen Felix in
Leipzig erworben, fand jedoch 1885 bei der Auction belix für nur 510 Mark
keinen Käufer.
Passavant rechnet das Blatt unter die häufig vorkommenden Copien
unbekannter Stiche des Meisters E S. Et meint, dass Gomposition und Einzel-
heiten die Schule dieses Stechers deutlich verrathen , das Blatt aber von so
ungeschickter Mache und mit so wenig Kenntniss von Zeichnung und Stichel-
führung gefertigt sei, dass man es höchstens für den Versuch eines Lehrlings
halten könne. — Der Verfasser des Katalog Heimsöth findet dagegen nicht die
mindeste Beziehung zwischen der hl. Familie und den Arbeiten der Schule
des Meisters E S, erklärt das Blatt vielmehr für niederdeutsch und hält es für
höchst wahrscheinlich, dass es kölnischen Ursprungs sei, weil das Exemplar
Materiali p. 21.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 109
der Sammlung Heimsöth in Köln gefunden wurde '9 und ein zweiter Abdruck
sich im Museum jener Stadt befinde. Willshire schliesst sich dieser Mei-
nung an.
Die Wahrheit scheint mir in der Mille zu liegen. Die beiden Papageien
sind nämlich gegenseitig der Maria Magdalena des Meisters E S P. 179 ent-
lehnt,' nach welcher auch die sieben Pflanzenböschel am Boden — bis auf
die Zahl der Blätter genau — copirt sind , ebenso der Falke auf dem Baum
links in der Ferne. Zwei von den sechs Engeln, welche dort die Heilige
tragen , sind ferner für die beiden den Teppich haltenden Engel in freier
Weise benützt. Darauf beschränken sich aber die von Passavant betonten E S-
Anklänge, und der Verfasser des Katalog Heimsöth behält vollkommen Recht,
wenn er das Blatt für niederrheinisch, vermuthlich kölnisch anspricht.
Offenbar von derselben Hand rührt ein fast gleich grosser Stich mit
St. Bruno von Köln zwischen den beiden hl. Hugo her '* *). Derselbe dürfte die
Vermuthung, dass der Stecher ein Kölner sei, bestätigen. Sehr stark erinnern
beide Sliöhe auch an jene zwitterhaften Blätter aus dem Kloster St. Trudo auf
der Universitätsbibliothek zu Lüttich; St. Agatius P. II. 32. 56. und S. Felicitas
P. II. 165. 1., welche in Wahrheit viel jünger sind, als es nach der ungeschickten
Mache und der Benützung älterer und besserer Vorbilder den Anschein hat. —
Die hl. Familie ist trotz des hohen Preises, den sie auf der Auction Heimsöth
erzielte, ein jämmerliches Machwerk, und sehr wahrscheinlich sogar erst ein
Product des 16. Jahrhunderts, wie man nicht nur aus der technischen Be-
handlung, sondern auch aus gewissen kostümlichen Einzelheiten schliessen
kann. Das Barett des hl. Joachim ist z. B. von der Art, wie es zuerst um
1500 beim Meister P W von Köln , dann aber auch bei dem ebenfalls sehr
wahrscheinlich kölnischen Meister S vorkommt.
33. Die beiden hl. Hugo. P. II. 94. 61.
Abdruck mit vollem Rand. Passavant beschreibt diesen Stich nach dem
aus der Sammlung von Nagler stammenden, schon von Duchesne erwähnten
Exemplar in Berlin unter den Arbeiten der Schule des Meisters E S und ver-
muthet in den Heiligen SS. Guthbert und Nepomuk, Wessely ^9^ SS. Cuthbert
und Swibert. Beides ist irrig. Es sind die beiden Hugo, wie sie mehrfach
auf niederdeutschen Stichen, z. B. der Madonna mit der Traube vom Mono-
grammisten
P. II. 200. 2. und auf dem oben bei Nr. 32 erwähnten
unbeschriebenen Stich des Kat. Rosenthal verkommen, nur mit dem Unter-
schiede, dass St. Hugo von Lincoln dort neben dem Schwan noch einen Kelch
mit dem Jesuskinde als Attribut führt. — Der Druck des offenbar nieder-
rheinischen , wohl wie Nr. 32 kölnischen Blattes ist blassgrau , ähnlich einer
'9 Es stammt aus einem gedruckten Buche, wie man aus den auf der Rück
Seite klebenden Resten eines Blattes noch erkennen kann.
'9 Gat. II. 73. G. 53.
'•) L. Rosenthal’s Kat. XLII. Nr. 512. Lichtdruck ebenda.
*9 Voyage d’un Iconophile, p. 222.
*9 Die Kupferstichsammlung der königl. Museen zu Berlin Nr. 181.
110
Max Lehrs;
Silberstiftzeichnung. Die Schraffirungen gehen meist nach rechts abwärts.
Mit der Schule des Meisters E S hat die Arbeit nichts gemein. Sie steht
noch dem israhel van Meckenem am nächsten.
34.* St. Johannes Gapist ranus. Der bartlose Heilige in Halbfigur
ist im Profil nach rechts gewendet. Er trägt die Kapuze im Nacken, unter
dem rechten Arm ein Buch und in der Linken das Sacrament mit dem Mono-
gramm Jesu. Ein Scheibennimbus mit dreifachem Rand umschliesst sein Haupt,
und ein rhombisch gemusterter Rahmen um'gibt das Bild auf drei Seiten, wäh-
rend er unten nur durch eine Doppellinie geschlossen wird. Unten links in
der Ecke innerhalb des Rahmens das Zeichen: \ 68:47 mm. Einf. 74:53
mm. PI. Unbeschrieben.
Abdruck mit vollem Rand. Der Stich ist offenbar von derselben Hand,
welche das Leben Christi vom Erasmus-Meister in sehr ähnlichen Rahmen
copirt hat. Auch die Maasse der Einfassungslinie und der Platte stimmen
ganz mit jenen Blättchen überein, welche zum Theil auch in einer Ecke figür-
liche Zeichen (Oelberg und Auferstehung: II ) tragen ^0- Zeichnung ist
sehr schwach und kindisch, der Kopf des Heiligen viel zu gross.
b. Stadtarchiv.
Meister des hl. Erasmus.
1 — 11.* Ars moriendi. Folge von elf Blatt Copien nach dem Original
des Meisters E S in Oxford. P. II. 95. bei 76.
1. * Versuchung im Glauben. 88:68 mm. Einf. 92:72 mm.
PI. “*). Im Unterrande handschriftlich die Worte: Tentatio
contra fidem rectam.
2. * Ermuthigung im Glauben. 87 : 68 mm. Einf. 91:72 mm. PI.
3. * Versuchung durch Verzweiflung. 87 : 67 mm. Einf. 91:
72 mm. PI.
4. * Trost gegen Verzweiflung. 86: 67 mm. Einf. 91:72 mm. PI.
5. * Versuchung durch Ungeduld. 87:67mm. Einf. 91 : 72 mm. PI.
6. * Trost gegen die Versuchung der Ungeduld durch Ge-
duld. 87 : 67 mm. Einf. 91 : 71 mm. PI.
7. * Versuchung durch Hoffahrt. 87 : 68 mm. Einf. 91:72mm. PI.
8. * Eingebung der Demuth gegen die Hoffahrt. 87:68mm.
Einf. 91:72 mm. PI.
9. * Versuchung durch Geiz. 87 : 68 mm. Einf. 91: 71 mm. PI.
10. * Eingebung der Freigebigkeit gegen den Geiz. 86:67
mm. Einf. 90: 71 mm. PI.
11. * Der Triumph über alle Versuchungen in der Todes-
stunde. 87 : 68 mm. Einf. 90:71mm. PI.
Vergl. Lehrs, Kat. des German. Museums 62. 45a., Zeitschrift für bild.
Kunst, XXIII. p. 147. und Repertorium XIV. 12. 10—11.
Da ich bisher nur sechs Blätter dieser Folge mit den Originalen ver-
gleichen konnte, unterlasse ich es lieber, die Abweichungen der Copien hier auf-
zuzählea und begnüge mich mit der Angabe der Maasse.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d, 15. Jahrh. i, d. kleineren Sammlungen. Hl
Passavant erwähnt das Kölner Exemplar dieser Folge bei der Beschreibung
<ier Ars moriendi in der Wiener Hofbibliothek, gibt aber als Aufbewahrungsort
irrthümlich das Museuin Wallraf-Richartz an. Ein drittes Exemplar citirt er
in Oxford. Dass letzteres jedoch die Originalfolge des Meisters ES sei, habe
ich bereits im XI. Band dieser Zeitschrift, p. 51. Nr. 5., festgestellt, und Wil-
helm Schmidt wies ebenda, Bd. X. p. 137. Anm. 9., nach, dass die Exemplare
in Köln und Wien vom Erasmus-Meister herrühren, also blosse Gopien seien.
An diesem Sachverhalt hielt ich a. a. 0. und später auch, nach Autopsie der
Folgen in Köln und Wien, im Jahrbuch der königl. preussischen Kunstsamm-
lungen Bd. XI. p. 162 fest. Erst im Frühjahr 1890 theilte mir Wilhelm Schmidt
von Wien aus mit, dass er durch einen Vergleich der ihm von mir zuge-
schickten Photographien des Kölner Exemplares mit dem Wiener sich über-
zeugt habe, auch diese beiden seien nicht miteinander identisch, sondern
•das Kölner müsse als eine gegenseitige vergröberte Gopie nach dem Wiener
betrachtet werden. Die Stiche der Wiener Hofbibliothek seien bei aller Rohheit
doch besser und feiner als jene in Köln.
Es kann indess meines Erachtens nicht zweifelhaft äein , dass beide
Gopien die gleichseitige in Köln wie die gegenseitige in Wien von der
Hand des Erasmus-Meisters herrühren, da man auch von vielen anderen Blät-
tern dieses handwerksmässigen Stechers mehr oder minder gut behandelte
Varianten — von den Bildern aus seinem grossen Leben Ghristi mitufiter fünf
bis sechs verschiedene — kennt Dass man die Gegenseitigkeit beider Folgen
nicht früher erkannte, liegt wohl an Friedrich v. Bartsch, der in seinen aus-
führlichen Beschreibungen der Wiener Blätter — mit Ausnahme von Blatt 10
— merkwürdigerweise niemals angibt, was im Bilde links oder rechts sei, so
■dass also seine Beschreibungen — mit der erwähnten einen, auch dujch^ein
Versehen zu erklärenden Ausnahme — genau auf die Kölner Stiche passen.
Die Kölner Folge ist somit wie die Wiener ein Unicum. Auch habe
ich aus keiner von beiden jemals einzelne Blätter angetroffen. Die elf Stiche
finden sich in einer Handschrift des Stadtarchivs (V, 15.* 207.), welche aus
zwölf Blättern (im Format c, 137 : 102 mm.) besteht. Sie sind mit vollem
Rand eingeheftet und auf ihrer Rückseite beschrieben, so zwar, dass die elf
ersten Blätter der kleinen Handschrift recto den lateinischen Text mit rothen
Initialen und in verso einen der Stiche tragen. Das zwölfte ist auf lieiden
Seiten beschrieben. Die Reihenfolge der mitunter ziemlich schief eingehefteten
Stiche auf p. 2, 4, 6, 8 u. s. w. bis 22 ist durch Umbinden in späterer Zeit
verändert worden. Die Blätter folgen jetzt so aufeinander: 1, 4, 5, 6, 11, 10,
5, 2, 7, 8, 9. Einzelne Theile, namentlich die Teufel auf allen elf Stichen,
sind mit Grün, Roth, Gelb, Blau und Fleischfarbe colorirt. Ein Wasser-
zeichen findet sich nirgends.
Vergl. Repertorium XII. 253. 9 — 48.
112
Max Lehrs:
XVI.
Düsseldorf.
Kunst- Akademie.
Die wenigen dem 15. Jahrhundert angehörigen Blätter dieser Sammlung
sind sämmtlich von Th. Levin im Repertorium der bei der königl. Kunst-
Akademie zu Düsseldorf aufbewahrten Sammlungen (Düsseldorf 1883) auf-
geführt. Die werthvolleren Blätter (Nr. 1, 3, 4, 7) befinden sich unter Glas
und Rahmen, die übrigen zusammen mit einer grösseren Anzahl von Photo-
graphien nach seltenen Stichen des 15. Jahrhunderts — darunter die nicht
häufig anzutreffenden Aufnahmen von H. Buttstädt nach den Rarissimis des
Gothaer Cabinets — in den Mappen.
A . Oberdeutsche Meister.
Meister des Hausbuches.
1. Die Madonna mit dem Kinde, das eine Frucht hält. P. 11.
256. 8. Nachstich bei Boland, Choix d’estampes rares etc., Fig. 11. Schöner,
leider unten durch einen abscheulichen Stempel entstellter Abdruck mit ringsum
sichtbarem Plattenrand: 177:96 mm. PI. Passavant erwähnt zwar das Düssel-
dorfer Exemplar, gibt aber die Maasse nach dem verschnittenen in Amsterdam.
Ein dritter Abdruck, aber gleichfalls verschnitten, befindet sich in Basel.
Martin Schongauer.
2. Christus am Kreuz mit vier Engeln. B. 25. Schlechterneuerer
Druck. W. Bischöfliches Doppelwappen.
3. Der Tod Mariä. B. 33.* I. Zum Pausen durchstichelt und stark
restaurirt. Der Abdruck stammt nach den auf der Rückseite befindlichen Ini-
tialien F D vielleicht aus der Sammlung FraiKjois Debois , bei deren Auction
(Paris 1845) er für 405 fr. verkauft wurde.
(3a.) St. Antonius von Dämonen gepeinigt. 'B. 47. Gopie von
Raphael de Mey.
Blätter mit Schongauer’s Zeichen.
4. Der segnende Heiland von sechs Engeln verehrt. B. VI. 169.
6. und 179. 34. P. II. 113. 6. P. V. p. 55. und 56. 1. II. Etat mit Schon-
gauer’s Monogramm in der linken unteren Ecke. Ausführlicheres über dies
merkwürdige Blatt wird der Artikel: »Amsterdam« unter Nr. 160 enthalten.
Meistery^\^
5. Das Martyrium der hl. Barbara. B. 9.*
6. Der Ball. B. 13. W. Wappen.
B. Niederdeutsche und niederländische Meister.
Meister IAH von Zwolle.
7. Die Anbetung der Könige. B. VI. 90. 1. Photographie in Gute-
kunst’s Perlen mittelalterlicher Kunst Nr. 56, Autotypie von der Autotype
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 16. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 1 13
Company Nr. 362 nach dem Londoner Exemplar als »Meckenem« und Licht-
druck in Prints and Drawings in the British Museum. Part Hl. PI. XVI.
Ringsum, besonders links, stark verschnitten und restaurirl. W. p ohne Blume.
XVII.
Aachen.
a. Suermondt-Museum.
Die dem Museum geschenkte Schiffers-Krauthausen’sche Sammlung ent-
hält nur ein einziges Blatt aus dem 15. Jahrhundert.
Meister
1.* Sechs Darstellungen in Runden: Sf. Michael, die Madonna,
das Gotteslamm, das hl. Schweisstuch von einem Engel gehalteh. St. Martin
und St. Georg. P. II. 92. 48. Vergl. Repertorium XII. p. 355. Lichtdruck
von H. Hammers im Dresdener Cabinet.
Dieser äusserst schwache Stich ist von der Gegenseite copirt nach einem
verschollenen Original vom Meister E S. Die Gegenseitigkeit der Copie ersieht
man schon aus dem Umstande, dass SS. Michael, Martin und Georg ihre
Waffen mit der Linken führen und das Jesuskind auf dem Schooss der
sitzenden Madonna den Segen mit der Linken ertheilt. Nur zu diesem letz-
teren Rund hat sich das gegenseitige Original — ein Fragment des verlorenen
Urbildes — in Basel erhalten. Vergl. Repertorium XII. p. 355. Anm. 11. Der
ganze Stich gehörte als siebentes Blatt zu einer Folge, aus welcher das Dres-
dener Gabinet sechs andere mit je sechs Runden , wahrscheinlich Vorlagen
für Goldschmiede, bewahrt Passavant hat die Folge aus Versehen zweimal
beschrieben , einmal unter den Stichen der Schule des Meisters E S und das
anderemal unter den anonymen Niederdeutschen Zu derselben Copien-
Folge wie der Aachener Stich gehört auch ein Blatt mit den zwölf Aposteln,
P. II. 88. 35 E. Cop., im Dresdener Cabinet. Heinecken **) erwähnt auch
gegenseitige Copien nach Blatt 1 — 4 der Originalfolge, schliesst aber jedenfalls
nur nach der Dresdener Copie von Nr. 5 auf das Vorhandensein der ganzen
Folge. Abgesehen von ihrer Gegenseitigkeit, sind die Copien leicht an ihrer
sehr dürftigen Zeichnung und daran zu erkennen, dass die Einfassungslinien
der sechs Medaillons nicht völlig kreisrund wie im Original sind.
b. Sammlung Strätör.
Diese den Kunstfreunden wohlbekannte Privatsammlung enthält zwar
vorwiegend die Werke der grossen holländischen Radirer des 1 7. Jahrhunderts,
aber zugleich auch ein prächtiges Dürer-Werk und eine grössere Anzahl Schon-
gauer’scher Stiche, meist von hervorragender Schönheit des Abdrucks. Wem
*0 P. II. 87. 35. und 214. 17 — 22. Das fünfte Blatt der Folge mit den zwölf
Aposteln (B. X. 16. 14. P. II. 88. 35 E. und 215. 21.) befindet sich auch in Gotha,
London und Wien (Albertina) , ein Fragment von Blatt 2 (Die Gefangennahme)
auch in Bologna.
**) Neue Nachrichten T. 299. 16a.
114
Max Lehrs :
es je vergönnt war, diese Schätze unter der sachkundigen Anleitung ihres
Besitzers kennen zu lernen, wird sich gleich mir der genussreichen Stunden
in dem stillen Hause der Aureiiusstrasse freudig erinnern. Dr. Sträier ist
wohl neben Adalbert v. Lanna der letzte Vertreter der Sammler alten und
grossen Stiles in Deutschland, von welchen uns Jüngeren nur noch die Namen
bekannt sind. Eduard v. Liphart lebt seit Jahren, von wenigen Freunden und
Verehrern seiner umfassenden Kenntnisse von Zeit zu Zeit besucht, in den
beiden mit Mappen, Bildern und Gipsen vollgestopften Zimmern seines Floren-
tiner Pathmos draussen bei Porta Romana. Die jüngeren Kunsthistoriker wissen
nichts von ihm. Er gehört einer vergangenen Epoche an.
So besitzen wir denn in Dr. Sträier einen Sammler und Liebhaber jener
guten alten Zeit, wo wahre Kennerschaft nur aus innerer Neigung zur Kunst
erworben wurde. Sträter sagte einmal, als ihn Jemand fragte, wie er denn all die
subtilen Einzelheiten seiner Blätter so genau sehe und kenne, w^ährend andere
Augen achtlos darüber hinwegglitten; »Kaufen Sie die Blätter mit Ihrem
Gelde, so werden Sie auch lernen sie anzusehen.« Und es liegt viel Wahres
in diesen Worten. Ist es doch eine Freude, die jugendliche Begeisterung zu
sehen, welche den achtzigjährigen alten Herrn beim Anblick seiner Lieblinge
überkömmt. Er kennt die Geschichte und die Geschicke jedes Blattes, weiss,
wo es sich in besserem oder schlechterem Abdruck befindet. Die zahllosen
Bartsch-Nummern für Rembrandt, Ostade, Everdingen, Waterloo, Dürer und
Schongauer sind ihm geläufig wie die Vocabeln der Muttersprache und er ver-
bindet mit einer jeden die klare Vorstellung eines bestimmten Blattes.
Wenn man unter solcher Anleitung und im behaglichen Zwiegespräch
mit einem solchen Sammler die Denkmale betrachtet, dann kommt auch
jenes gewisse künstlerische Empfinden zu seinem Rechte, ohne das es
keine wahre Kunstkennerschaft gibt und ohne das es keine Kunsthistoriker
geben sollte. Nicht für diese, sondern für den Kunstfreund und Liebhaber
sind ja Dürer’s und Rembrandt’s Meisterwerke entstanden.
Aber zu welchem Excurse habe ich mich da verleiten lassen? Wollte
ich doch nur ein Verzeichniss der Schongauer-Stiche in Dr. Sträter’s
Sammlung geben. So sei denn hier nur bemerkt, dass ich bei Angabe der
Provenienzen die freundlichen Mittheilungen des Besitzers verwendet habe,
was die durch Sternchen gekennzeichnete Qualität des Abdrucks anlangt,
mich aber an die eigenen Beobachtungen hielt, welche sich auf wiederholte
Durchsicht der meisten grossen Sammlungen, besonders des Berliner Schongauer-
Werkes, des schönsten von allen, stützen. Dass ich mich dabei mitunter in Wider-
spruch mit Dr. Sträter’s eigener Werthschätzung einzelner Abdrücke setzen
musste, wird^mir dieser gewiss verzeihen; bekenne ich mich doch, was die W’erth-
schätzung des inneren Gehaltes der Blätter anbetrifft, gern als seinen Schuldner.
Von Stichen anderer Meister des 15. Jahrhunderts besitzt Dr. Sträter nur
einen modernen Abdruck des Allianz-Wappens der Rohrbach-Holzhausen vom Mono-
grammisten t}Q<,8 P-IL 123. 40. Vergl. Lehrs, Kat. des German. Mus. 28. 85.
2®) Vergl. darüber Repertorium XI. p. 54.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d, 15. Jahrh. i, d. kleineren Sammlungen. H5
Martin Schongauer.
1. Die Verkündigung. B. 3.** W. p mit der Blume. 1849 auf der
Auction Brisart in Gent für 43 fr. erworben.
2. Die Anbetung der Könige. B. 6.*** I. Etat. ’W. Kleiner Ochsen-
kopf mit Stange und Stern. 1849 auf derselben Auction für 140 fr. durch
Weber erworben.
3—8. Die Passion. Sechs Blatt aus der Folge B. 9—20.
3. Die Gefangennahme. B. 10.***. 1879 auf der Auction Knowles
in Frankfurt a. M. für 270 Mk. gekauft.
4. Christus vor Annas. B. 11.*** W. Profilkopf. 1889 beiCoppen-
rath in Leipzig mit 310 Mk. bezahlt.
5. Die Dornenkrönung. B. 13.^ 1855 Auction Weber in Leip-
zig: 46 Thlr.
6. Die Kreuztragung. B. 16.** 1879 Auction Enzenberg in
Wien: 77 fl.
7. Die Grablegung. B. 18.*** I, Etat, nach Galichon (Gazette des
B.-A. 1859. II. 329. 18.) Von einem Kunsthändler gekauft.
8. Die Höllenfahrt. B. 19.*** W. Profilkopf., 1855 Auction We-
ber: 60 Thlr.
9. Die Kreuztragung. B. 21.** Nicht von bester Erhaltung. W.
Kleiner Ochsenkopf mit dem Antoniuskreuz. 1862 Auction von Liel, München.
10. Christus am Kreuz. B, 24, W. Grosser Ochsenkopf mit Stange
und Blume, sowie Blumen an den Spitzen der Hörner. 1873 Auction Durazzo
in Stuttgart: 273 fl.
Dr. Sträter betrachtet dies Blatt als I. Etat vor der Retouche, ich kann
jedoch nur einen schwachen Abdruck darin erkennen, glaube auch nicht, dass
der mir bis dahin gänzlich unbekannte Ochsenkopf in einem der von Schon-
gauer selbst benützten Papiere vorkommt. Drucke von erster Kraft und
Schönheit befinden sich u. a. in Basel , Berlin , Rouen (Sammlung Dutuit),
Wien (Albertina) und Wolfegg.
11. Die Madonna auf der Rasenbank. B. 30.* Sammlung Esdaile.
Von Gutekunst er'Ä^orben.
Nach Dr. Sträter I, Etat vor den Retouchen am Kleid der Maria. Ich
muss leider auch dies Blatt für einen mittelmässigen Abdruck halten, da mir
solche von höchster Schönheit und sicher ganz frühe in Berlin, Brüssel, Frank-
furt a. M., London, Paris und Wien (Albertina) bekannt sind. Ein Vergleich
der beiden späten Abdrücke in Dresden mit Reproductionen der frühen in
Brüssel, London und Paris Hess keinerlei Verschiedenheiten des Zustandes
der Platte erkennen.
12. Der Tod Mariä. B. 33.*** I. Etat. W. Kleiner Ochsenkopf mit
Stange und Stern. Von Gutekunst für 500 Thlr. erworben.
Es ist dies vielleicht das schönste Exemplar dieses herrlichen Blattes,
)
Sehr ähnlich findet sich derselbe, wie ich nachträglich bemerke, in einem
schlechten Abdruck der Geisselung B. 12 im Städel’schen Institut.
llß Max Lehrst Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrhunderts etc.
tadellos erhalten und von einer Kraft und Gleichmässigkeit im Ton, wie sie
auch in den besten Drucken selten zu finden sein dürften. Die mir nächst
dem Sträter’schen Exemplar bekannten schönsten Abdrücke des Todes Mariä
befinden sich in Berlin, Brüssel, London, München, sowie im Goethehaus zu
Weimar und in der Albertina zu Wien.
13. St. Johannes. B. 37.** Blatt 4 aus der Apostelfolge B. 34— 45.
14. St. Antonius von Dämonen gepeinigt. B. 47.**=' I. Etat. W.
Kleiner Ochsenkopf mit Stange und Stern. 1862 Auction Archinto: c. 850 fr.
durch Ch. le Blanc.
15. St. Georg. B. 50.*** Von einem anderen Sammler erworben. Nur
im Berliner Gabinet ist mir ein ebenso schöner Abdruck dieses seltenen Blätt-
chens bekannt.
16. St. Johannes auf Pathmos. B. 55.*** W. Kleiner Ochsenkopf
mit dem Antoniuskreuz. 1862 auf der Auction von Liel in München für
250 fl. erworben.
17. Der Heiland krönt die Jungfrau. B. 72.*** W. Lilienwappen
mit angehängtem Buchstaben. 1880 auf der Auction Schlösser in Frankfurt a. M.
für 1550 Mk. erstanden.
lg — 21. Die vier Evangelistensymbole. Folge von vier Blatt, ß. 73
bis 76 (B. 74.**). Der Engel des Matthäus B. 73 hat als W. den grossen Ochsen-
kopf mit Stange und Herz, von dem jedoch nur das letztere sichtbar ist. Er-
worben 1877 auf der Auction Firmin-Didot in Paris für 250 fr. B. 74 und 75
tragen ausserdem den Stempel der Sammlung des Fürsten Paar, aus welcher
vielleicht die ganze Folge stammt ’®).
22. Wappenschild mit dem Leoparden von einem Engel ge-
halten. B. 96.** Von Ch. le Blanc erworben, der den Stich kurz zuvor
(1855) auf der Auction Weber für 47 Thlr. gekauft hatte.
23. Wappenschild mit dem Windhund, gehalten von einem
wilden Mann. B, 103.*** Der Abdruck stammt aus den Sammlungen R.
Balmanno, Esdaile und Weber, wo ihn Ch. le Blanc für 17 Thlr. erwarb.
Von letzterem kaufte ihn Dr. Sträter. Er trägt die Signatur: Rob. Bal-
manno 1836.
24. Ornament mit Hopfenranken. B. 115.*** Abdruck mit ringsum
sichtbarem Plattenrand. W. Grosser Ochsenkopf. 1875 auf der Auction Kalle
in Frankfurt a. M. für 750 Mk. erworben.
s«) Vergl. Kat. Paar, London 1854, Nr. 1842.
Studien zur Geschichte der karolingischen Kunst.
Von Paul Clemen.
II.
Die Beschreibung des Aachener Münsters durch den Anonymus Aque^isis
vom Jahre 1166,
Bevor Kaiser Friedrich Barbarossa sich zu seinem vierten Römerzuge
rüstete, liess er, unterstützt von Heinrich II. von England, am 28. December 1165
durch Papst Paschalis III. die Ganonisation seines erhabenen Vorbildes und
Vorgängers auf dem Kaiserthrone , Karl’s des Grossen , aussprechen ’). Es
vkrar zunächst ein Act der politischen Klugheit, seinen Plänen vor den Augen
der Völker eine erhöhte Weihe zu geben und an die Stellung der Päpste den
Karolingern gegenüber zu erinnern *). Seine erste Sorge war es, den Gebeinen
des neuen Heiligen eine würdige Ruhestätte zu bereiten. Die aufgefundenen
Reste wurden zunächst in einem hölzernen Katafalk in der Mitte der Pfalz-
capelle aufgestellt®), bis am 27. Juli 1217 die endgültige Uebertragung der
Reliquien stattfand ^). Aber der Act der Ganonisation allein genügte dem
Kaiser nicht, er sah voraus, dass bei der umstrittenen Stellung des Gegen-
papstes Paschalis dessen Amtshandlungen nicht das volle Gewicht beigelegt
werden würde: so beauftragte er noch 1166 einen , ungenannten Aachener
Kleriker, eine neue vita Garoli zu verfassen, die deren Einreihung in die Legen-
') Acta Panctorum Januarii, Antwerpen 1643, If, 888: De Iranslatione S. Ca-
roli Imperatoris Magni; Migne, Scriptores'Ciarolini II, (Palrologia, ser. II, tom 98.)
1367. Vgl. Walch, Historia canonizationis Caroli Magni variis observationibus il-
lustrata. Jena 1750, p- 8. Das Diploma Frederici I. imperatoris de elevatione et
canonizatione, gedruckt Acta SS. II, 889; Migne II, 1360.
Acta SS. Jan. II, 875: Vere enim speramus, eum huius canonizationis
auetorem a Deo ad id praelectiirn, quem a primo illo iustissimo Carolo Magno alte-
rum Carolum Magnum mundo credimus illuxisse.
®j Sigeberti Continuatio Aquicinctina : MG. SS. VI, 411.
^) Acta SS. Jan. II, 887; Chronicon Lemovicense: Pagi, Breviarium III, 82.
Miracula S. Henrici : SS. IV, 815. Vgl. Aus’m Weerth , Kunstdenkmäler d. Ma. in
den Rheinlanden II, 108; Fr. Bock, Karls d. Gr. Pfalzcapelle, 98; Aus’m Weerth:
Bonner Jahrbücher XL, 265. Ueber die Reliquien vgl. den Moniteur 19. August,
25. August 1804, Aachener Anzeiger 12. Jan. 1849. Siegbote 1888, Nr. 79, 80, 81.
118
Paul Giemen :
darien gestattete. Der Anonymus machte sich die Arbeit leicht; ausser Ein-
hard’s Lebensbeschreibung und den karolingischen Annalen benutzte er die
Chronik des falschen Turpin, die damals in den Rheinlanden noch ungekannt
war und hier zum erstenmal erwähnt wird sowie die Erzählung von den
morgenländischen Reliquien, die Karl nach Aachen geführt ®), und verquickte
Beides mit den heimischen Traditionen.
Die Bollandisten ’) und nach ihnen Migne®) hatten nur den Prolog der
Vita und die Gapitelüberschriflen abgedruckt. Das Werk findet sich jedoch
vollständig, nur unter anderem Titel und dem Turpin beigesellt, in einer
Reihe von Handschriften, unter dem Titel: Brevis historia de sanctitate meri-
torum et gloria miraculorum Caroli Magni im God. lat. 17656 saec. XII; Cod.
lat. 6187 saec. XIII. und God. lat. 4895 a saec. XIV. der Bibi. nat. zu Paris,
im God. lal. 4372 (theol. 258) und 13402 (suppl. 1389) der k. k. Bibliothek
zu Wien®), im Cod. lat. 14279 der Staatsbibliothek zu München'®). Benutzt
ist die Vita in den Handschrilten Cod. 8 der Bibliothek zu Epinal, Cod. 1173
(Th. 11) der Bibliothek zu Rouen, God. 3 der Bibliothek zu Verdun, God. 328
der Bibliothek von S. Marco in Venedig.
Die älteste Pariser Handschrift, die für den folgenden Abdruck zu
Grunde gelegt ist, stammt aus der Diöcese von Paris, der zweite Pariser Go-
®) Vgl. Gaston Paris, de Pseudo Turpino. Paris 1865. 15. Ders. , Histoire
poetique de Charlemagne, 58. Erst in der im Jahre 1225 entstandenen Chronik
von St. Denys findet sich die nächste Erwähnung, vgl. Natalis de Wailly, Examen
de quelques questions relatives ä l’origine des chroniques de Saint-Denys: Mem.
de l’Acad. des inscriptions et belles-lettres XVII, 1. 379.
®) Descriptio qualiter clavutn et coronam Domini a Constantinopoii attulerit
Carolus Magnus; entstanden 1050—1080. Der historische Kern Annal. Lobiens.
800, SS. XIII, 230, ebenso Chron, Moissiac. und Annal. Lauriss. (Vgl. Abel-Simson,
Jahrbücher des fränk. Reichs unter Karl d. Gr. II, 233, Anm. 2. 3; Forschungen
zur deutschen Geschichte XX , 401.) Lebeuf, Histoire de l’Ac. des Inscript. XXI,
126. Die älteste Handschrift Cod. lat. 1085 der Bibi. nat. zu Paris, andere Ueber-
lieferungen im Cod. 1173 der Bibi, zu Rouen (Henri Omont, Cat. des mss. I, 294)
und Cod. 280 der Ecole de Mödecine zu Montpellier. Benutzt zuerst von Guido
de Bazochiis (ungedruckt, lebte um 1200, über die Handschriften vgl. Riant, Exuviae
sacrae Constantinopolitanae. Genf 1871. I, XXI). Vgl. E. Koschwitz , Karls d. Gr.
Reise nach Jerusalem und Constantinopel in der Altfranzösischen Bibliothek ed.
Förster II. 1880 ; Joseph Hansen , Beiträge zur Geschichte von Aachen. I. Zur
Kritik sagenhafter Beziehungen Karls d. Gr. zu Aachen. Bonn 1886. 12.
Acta SS. Jan. II, 891.
®) Migne, II, 1362.
®) Vgl. Lambecius, Gommentarii de augustissima bibl. Gaes. Vindobonensi.
Wien 1669, II, 329; Kollar, Analecta monum. omnis aevi Vindobon. Wien 1761,
I, 468, Analyse bei Reiffenberg, Chronique de Philippe Mousket, I, 625.
'“) God. Em. D. 4. Vgl. Coloman Sanftl, Gatal. vet. cod. ms. ad. S.‘ Em-
meram Ratisbonae II, 628 (Cod. Monacens. bav. Cat. 14). Die Handschrift stammt
vielleicht aus der oberen Pfalz, auf Fol. 56 findet sich : P. Brevis historia de capite
S. Sigismundi ex monasterio Agavensi ad Ensdorfense.
Studien zur Geschichte der karolingischen Kunst,
119
dex ist nach Eintragung auf Fol. 220 in Köln geschrieben worden ^
der Münchener Handschrift schliessen sich an die Chronik des Turpin und
das Officium de beato Garolo Magno mit Musiknoten , nächst der Handschrift
A, V. 39 der Universitätsbibliothek zu BaseP^ und Cod. lat. 14511 der ,Bibl.
nat. zu Paris hier am vollständigsten erhalten. Auch dieses Officium geht
wahrscheinlich auf die Initiative Kaiser Friedrich’s zurück es wird bereits
1267 in einer Inschrift der Aachener Pfalz erwähnt *0-
Mitten unter sagenhaften Notizen findet sich nun in der Vita ein Ab-
schnitt »de oxcellencia aquensis ecclesiae« mit Aüfzeichnungen über das
Aachener Münster, von Interesse sowohl durch das, was der Autor erwähnt,
wie das, was er nicht erwähnt.
Ich gebe den Text der ältesten Pariser Handschrift Cod. lat. 17656 mit
den Lesarten von Cod. lat. 6187 (bez, P. 1), Cod, lat. 4895 a (bez. P. 2) zu
Paris und Cod, lat. 14279 (bez. M) zu München.
De excellencia aquensis ecclesiae.
Digne autem nec immerito inter haec et similia Imperatoriae sanctitatis
Opera communicari emeruit et illa egregiae pulchritudinis et admirandi de-
coris basilica, quae aquis grani sub titulo et honore beatae Dei genitricis
semperque virginis Mariae praedicatur fundata. Gum enim religionem chri-
stianam, qua ab infantia fuerat imbutus, sanctissirne et cum summa pietate
coleret, miri decoris et formae admirandae perfectionis ecclesiam praedictam
in loco praefato exstruxit , quam auro et argento luminaribusque et vario
ornatu solidi eris, cancellis quoque (M: cancellisque) et ianuis magnifice et
mirifiee adornavit. Guius summam vigilantiam in eiusdem operis edificio quis
non stupeat, cum illius basilicae materiam et formam diligentius attendat et
musivum (M: inusitatum) opus oculis et animo advertat. Quae omnia, ut
certissime credimus, divina sibi sunt (P. 2: ex) ordinatione compacta et ad
*9 Eine Abschrift im Archiv der Münsterkirche zu Aachen, nach der ein
völlig ungenügender Abdruck hergestellt von Käntzeler in den Publications de la
societe histoiique et archeologique dans le duche de Limbourg XI, 1874, 1. Vgl.
Leon Gautier, Les 4popees franqaises I, 101 und Gaston Paris, Histoire poetique de
Charlemagne 63; Kessel, Geschichtliche Mittheilungen über die Heiligthümer der
Stiftskirche zu Aachen 17. Ausführlich Jof. Hansen a. a. 0. 15. Eine Ausgabe
von G. Rauschen in Vorbereitung. Vgl. Paul Giemen, Die Porträtdarstellungen
Karls d. Gr. Aachen 1890. 96, Anm. 3.
*9 Aelteres Archiv cl. Ges. f. d. Geschk. VII, 175.
Zuerst Canisius, Lectiones antiquae, ed. Basnage. Antwerpen 1725, VI,
438, Migne II, 205. Jo Casp. Orellius, Helperici Kar. Magnus. Zürich 1832, 42.
G. V. Wyss, Neujahrsblatt der Stadtbibi, zu Zürich 1861, 14,
K. Rhön, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins III, 87. Ergänzt von
H. Theissen , Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein XXXV, 83. V'gl.
Scheins in der Aachener Volkszeitung 1886, Nr. 205. Das älteste Zeugniss für das
Bestehen des Hymnus bildet ein im Archiv des Aachener Münsterstifts befindliches
Lütticher Graduale (nach Böckeler, Gregoriusblatt VII, 15 vor 1246 geschrieben).
Vgl. Kessel, Der kirchliche Hymnus auf Karl d. Gr.: Der Friedensbote, Beil, zur
Aachener Volkszeitung 1888, Nr. 5, 34, 37.
120
Paul Giemen :
unguem consummata. Ad cuius eliam (M : sanctae ecclesiae) fundationis
strucluram cutn columpnas et marmora aliunde habere non posset, Roma
atque Ravenna devehenda curavit. Ut enim dignam dignissimae virgini fun-
darel, ecclesiam, nullum laborem et sumptum recusavit. Ad laudem etiani
bealissimae virginis (P 1 : multum at) multis eandem basilicam animo inhyanti
decoravit ornamentis. Quorum lurbam, ut puto, infinitam pertranseuntes
unum de mullis in publicum producere dignum duximus. Quodam namque
tempore rex Persarum praefato Augusto Cesari magnifica transmisit munera,
papilionem scilicet et tentoria vario colore respersa mirae magnitudinis et
pulchritudinis. Erant autem omnia tarn tentoria quam funes eorum diversis
tincta coloribus. Fuerunt (P 1 : Fuerant) autem pallia et munera praefati
regis oloserica multa et valde preciosa et odoramenta et balsamum atque un-
guenta. Misit propterea borologium ex auricalco arte mecbanica mirifice com-
positum, in quo XII borarum cursus ad clepsidram vertebantur, cum totidem
ereis pullulis, qui ad completionem borarum decidebant et casu suo subiec-
tum sibi cymbalum resonare faciebant, additis (M; additur) in eodem horo-
logio eiusdem nurrieri equitibus, qui per XII fenestras completis horis exibant
et in cursu egressionis suae totidem fenestras, quae prius erant apertae, clau-
debant (fehlt in P 1). Insuper aliä multa magnifice et laudabiliter disposita
in eodem horologio fuisse memorantur. Fuerunt propterea inter praedicta
munera' duo candelabra mirae proceritatis et formae praecellentis. Quae
omnia praefatus christianissimus imperator in ipsa aquensi basilica virgini
virginum consecravit .... Eadem namque illius ecclesiae celeberrima dedi-
catio sub praesencia metropolitanorum et episcoporum trecentorum et sexaginta
quinque excepta innumerabili infinitate ducum, marchionum, coraitum et ba-
ronum multitudine gloriosissiine est sollempnizata et sub honore beatissimae
virginis virginum choro angelorum applaudente et gloriam in excelsis Deo
concinente (M : continuante) est tytulata. Basilicam igitur eandem inclitus eius
fundator mane et vespere item nocturno et sacrificii tempore quoad valitudo
eius corporis et sarcina imperii permittebat, in spiritu Dei et sacrificio cordis
contriti et bumiliati incessanter frequentabat. Quoad enim licuit et potuit,
locum eundem et eius babitationem sibi specialiter elegerat.
Der Aachener Mönch, von dem als einem steten Augenzeugen der
Aachener Herrlichkeit am ehesten eine ausführliche Schilderung der Pfalz zu
erwarten wäre, zeigt sich hier so unselbständig wie wenige der zeitgenössischen
Historiographen. Schliesst er sich in den ersten Worten der Vita Garoli des
Einhard^') und dem Ghronicon Moissiacense theilweise wörtlich an, so
entlehnt er den Bericht über die Geschenke Harun Alraschid’s, dessen Ge-
sandten im Jahre 807 nach mancherlei Fahrnissen in Aachen eintrafen”),
den Annales Einhardi. Ueber die Beschreibung der turba infinita ornamentorum
Einh. Vita Garoli, cap. XXVI. Poeta Saxo V, 439. Alcuini ep. 100.
(Jaffe, p. 425.)
**) Ghron. Moissiac. 796.
”) Abel-Sirason, Jahrbücher II, 365‘.
Studien zur Geschichte der karolingischen Kunst.
121
der Kirche, deren äussere Schönheit er zu rühmen doch nicht müde wird, hilft
er sich mit einer rhetorischen Lehrbuchsphrase hinweg. Zu bemerken ist, dass
nach dem vorliegenden Bericht das Zelt in der Capelle selbst angebracht
gewesen war, entweder in dem rechteckigen karolingischen Chor über dem
Altar oder in der Herrschernische über dem Eingänge^®). Die erwähnten
ehernen Thüren und Schranken sind die noch jetzt im Münster befindlichen^'’).
Von besonderer Wichtigkeit ist die Bemerkung über die malerische Aus-
schmückung des Münsters: musivum opus erwähnen die Pariser Handschriften.
Es geht hieraus mit Sicherheit hervor, dass im Jahre 1166 die Wölbungen
noch mit Mosaiken geziert waren. Die Berichte des Turpin und Karolellus
werden hierdurch bestätigt. Ob diese Mosaiken mit den Gemälden des Meisters
Johannes identisch^®), die unter Otto III. eingefügt wurden, ist durchaus nicht
In der Kirche nach der ausdrücklichen Bemerkung des Anonymus auch
die Wasseruhr aufgestellt. Vgl, dazu Marquardt und Mommsen, Handhuch der
Röm. Alterthömer VII, II, 373.
Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler, 60. 73, Anm. 37, Taf. XXXII. Mertens
in Förster’s Bauzeitung V, 1840. Nach Eusebius’ De vita Constant. lib. IV, c. 99
bestanden die Chorschranken der Apostelkirche in Constantinopel aus einem ähn-
lichen netzförmigen vergoldeten Gitter. Aehnliche durchbrochene Steingitter in den
Katakomben: Agincourt, Sculpt. VIII, 32. Ganz entsprechendes Flechtwerk als
Mauerdecoration in Trümmern, gefunden in der Genfer Römermauer (Blavignac,
Recherches sür quelques fragments d’architecture döcouverts ä Genöve in den Mem.
de la Societö d’hist. et d’arch^ol. de Gen^ve V, 88) und in der Innendecoration der
Kirche St. Pierre -en-liens (Blavignac, Histoire de l’architecture sacröe dans les
anciens övöches de Geneve, Lausanne et Sion. Paris 1853, pl. IV, 1).
*®) Vita Balderici, ep. Leod. c. XVIII, SS. IV, 729. Vgl. H. Janitschek,
Strassburger Festgruss an A. Springer, 21. Ders,, Gesch. der deutschenMalerei, 20,
Anm. 1. Leitschuh, Der Bilderkreis der karolingischen Malerei, 55. Vgl. Böthune
d’Ydewalle, Restauration de la mosa'ique carlovingienne dans la coupole du d’öme
d’Aix-la-Ghapelle im Bulletin de la Gilde de Saint-Thomas et Saint-Luc, ser. II, 1.
und Barbier de Montault, La mosalque du döme d’Aix-la-Chapelle in den Annales
archeologiques XXVI, 285, 308. Gegen die völlige Verwerfung der Nachricht des
Turpin habe ich mich bereits an anderem Orte (Porträtdarstellungen Karls d. Gr.
131) ausgesprochen. Auch die Fassung des Turpin im Cod. lat. 14511 der Bibi,
nat, zu Paris (Gesta Rotolandi) enthält Fol. 66a die Notiz: Beatae virginis basili-
cam, quam ibi aedificaverat, auro et argento cunctisque ornatibus ecclesiasticis de-
center adornavit veterisque et novae legis hystoriis eam depingi iussit. Cod. lat.
12090, Fol. 97 b derselbe Text. Cod. 467 der königl. Bibliothek zu Brüssel (Ottonis
scabini Nussiae chronicon) enthält Fol. 17a die Nachricht: Basilicam in honorem
sanctae Dei genitricis aquis grani construxit, auro et argento atque luminaribus
atque ex ere solido cancellis ianuis adornavit. In der Urkunde des Martinus von
1417 aus Constanz im Cod, lat. 9317 der Bibi. nat. zu Paris heisst das Münster:
ecclesia inter alias collegiatus ecclesias civitatis et diocesis Leodiensis per divae
memoriae Carolum primum Romanorum imperatorum semper augustum opere con-
structa magnifico et magnificis per eum possessionum largitionibus illustrata. Im
Cod. lat. 14511 zu Paris finden sich die Verse:
XIV
9
1 22 Ps-ul Giemen ; Studien zur Geschichte der karolingischen Kunst.
gesagt; der scharfe Gegensatz zwischen musivuni opus und picturae, den auch
der Chronist Peter a Beeck hervorhebt ’O , scheint vielmehr das Gegentheil
zu beweisen.
Letare pia mater aquensis ecclesia,
Exultat tarn sancti principis habere suffragia,
Qui sua regali munificencia
Te ditavit et beavit in gloria,
Cuius labore impensa et opere
Meruisti universis precellere.
Der Bericht über das Tentorium und Horologium endlich findet sich in derselben
Fassung im Chron. nobil. ducum Lotharingiae et Brabanliae von Edmund de Dynter
(ed. Fr. X. de Ram, I, 177 in der Coli, de Chroniques Beiges. Brüssel 1854).
Peter a Beeck, Aquisgranum. Aachen 1620, p. 93.
Giovanni Pietro de Pomis.
(Nachtrag.)
Von Josef Wastler.
Seit VeröfTentlichung meiner Monographie über den genannten Barock,
meister im Repertorium Band VI ist cs mir gelungen, noch einige Daten ans
Tageslicht zu bringen , welche hier zusammengestellt werden mögen. Von
Gemälden des Künstlers konnte ich noch folgende feststellen :
a) EinGedächtniss- oder Grabbild der gräflichen Familie Herberstein, 4,55 m
hoch, 2,55 m breit, in der Capelle neben der Pfarrkirche zu Lankowitz in Steier-
mark. Das Gemälde ist spitzbogig abgeschlossen und war offenbar in eine ent-
sprechende Nische der damaligen Grabcapelle eingelassen ; auch der Piahmen des
Bildes ist spitzbogig , aber im Renaissancecharakter ornamentirt. Die heutige
Capelle ist ganz modernisirt, zeigt keine Spur von ehemaliger Gothik, und das
Bild hängt einfach an der Wand. In der Mitte desselben ist Christus am Kreuz
dargestellt, das Kreuz auf einem rothen Postament stehend. Links (vom Be-
schauer gerechnet) kniet Graf Sigmund Friedrich von Herberstein, der Gründer
der Lankowitzerlinie dieser Familie, zwischen ihm und dem Grucifixus knieen
seine fünf Söhne: Georg Friedrich, Christoph Moriz, Otto Heinrich, Michael
und Georg Sigmund, sämmtlich in eisernen Rüstungen, die Helme zu Füssen.
Auf der rechten Seite kniet Herbersfein’s Gemahlin Maria Magdalena'), um-
geben von den vier Töchtern: Anna Margareih, Salome, Sibylle und Esther,
und fünf Enkelinnen. Die Scene vollzieht sich in einer Architektur, wo auf
vier korinthischen Säulen ein gothisches Rippengewölbe aufsitzt, ein Zu-
geständniss, das Peter de Pomis der gothischen Grabcapelle machte.
Da Graf Sigmund Friedrich Herberstein im Jahre 1621 starb, so dürfte
das Bild um diese Zeit gemalt sein; das matronenhafte Aussehen der Gräfin
entspricht dem Alter von 67 Jahren, welches dieselbe um 1621 gehabt haben
muss. Besonders schön sind die Köpfe der jugendlichen Söhne und der der
Matrone gemalt. Das Bild ist nicht signirt, aber die Technik der Malerei
entspricht so vollkommen der unseres Künstlers, dass über die Autorschaft
') Sie war als geborene Baronin v. Weltz Protestantin und emigrirte bald
nach dem Tode ihres Gatten, 1629, nach Nürnberg, wo sie 1642 im Alter von
88 Jahren starb.
124
Josef VVastler;
kein Zweifel herrschen kann. Das Lendentuch Christi z. B. ist im Faltenwurf
ganz ähnlich dem fliegenden Mantel auf dem Ignatiusbilde des Grazer Domes.
Der Zinnober an den Kleidern und Polstern ist stark ausgewachsen, sonst ist
das Bild wohlerhalten, was um so auffallender ist, als die Capelle nur durch
ein Eisengitter geschlossen , das Bild also im Winter grosser Kälte aus-
gesetzt ist.
b) Zwei Porträts von Erzherzog Ferdinand (nachmals Kaiser Ferdinand II.)
und seiner ersten Gemahlin Marianna von Bayern, jedes 56 cm hoch, 48 cm
breit. Die Bilder machen den Eindruck, als wären sie früher grösser ge-
wesen und beim Aufziehen auf neue Blindrahmen zugestutzt worden. Beide
Persönlichkeiten sind in jugendlichem Alter, also wahrscheinlich kurz nach
deren Verheirathung, 1600, gemalt. Beide tragen die breite Halskrause der
damaligen Zeit, der Erzherzog einen mit Perlschnüren besetzten Sammt-
cylinderhut auf dem Kopfe. Die Bilder, welche offenbar aus der Kunstkammer
der Grazer Burg stammen und bei deren Auflassung 1765 verschenkt wurden,
tauchten vor circa 20 Jahren am Grazer »Fetzenmarkt« (Trödelmarkt) auf
und wurden vom Grafen Anton von Lamberg erworben. Sie sind ebenfalls
nicht signirt, tragen aber unverkennbar den Stempel der Arbeiten unseres
Künstlers, welcher einzelne Mitglieder des erzherzoglichen Hofes bekanntlich
wiederholt malte.
c) Oelgemälde in der Galerie der Burg Schleinitz bei Marburg in Steier-
mark, darstellend eine Allegorie: Erzherzog Ferdinand, an seiner Hand die
»Weisheit«, zu seinen Füssen die »Lüge«, von der »Wahrheit« und »Zeit«
(Saturn) entlarvt. Wer unsere oben erwähnte Arbeit über Peter de Pomis,
»den exoffo Maler der Gegenreformation«, gelesen, wird die Tendenz dieses
Bildes verstehen; es ist eine Gloriflcatiön Ferdinands II., des Helden der
Gegenreformation, also ein, wenn auch räumlich kleineres Seitenstück zu dem
Altarbilde von St. Anton zu Graz. Die Figuren sind ^js Lebensgrösse, Ferdi-
nand in noch jugendlichem Alter. Das wohlerhaltene Bild , zwar nicht sig-
nirt, zeigt alle Vorzüge und Schattenseiten des Künstlers. Der Erzherzog und
die weibliche Figur, welche die Weisheit darstellt, tragen ganz das tintoreske
Gepräge, das den guten Werken de Pomis’ eigenthümlich ; der in der Luft
schwebende Engel , wie so häufig bei unserem Künstler, ist schlecht in den
Raum hinein componirt und drückt die ganze Gomposition.
Das Bild befand sich in den ersten Decennien unseres Jahrhunderts in
der Galerie der Grafen von Brandis im Schlosse Windenau bei Marburg.
Ein von Dr. Puff herrührender, im landschaftlichen Archiv zu Graz befind-
licher Katalog ^) dieser Sammlung gibt den oben angeführten Titel und be-
merkt dazu: »Wahrscheinlich von Peter de Pomis«. Der Katalog sagt weiter
aus, dass das Bild »früher in Obermarburg im Besitze des unter Ferdinand 11.
mächtig gewordenen Grafen von Khysel sich befand«. Da der 1699 verstorbene
Graf Adam Wilhelm von Brandis eine Gräfin Khysel zur Frau hatte, so dürfte
das Bild durch diese in den Besitz der Grafen von Brandis gelangt und beim
Handschriften Nr. 149.
Giovanni Pietro de Pomis.
125
Verlassen des heute gar nicht mehr existirenden Schlosses Obermarburg nach
Schloss Windenau gekommen sein. Beim Verkauf dieses Schlosses an den
Fürstbischof von Lavant gelangte das Bild mit den meisten anderen der
Windenauer Galerie nach Burg Schleinitz, wo es sich heute noch befindet.
lieber Arbeiten unseres Künstlers für die Kirche Maria Hilf zu Graz
brachte der »Kirchenschmuck« (XIV. Bd. S. 67) folgende Notizen aus den
Rechenbüchern des Minoritenklosters : Anno 1626 erhält de Pomis für Male-
reien in der Merspergcapelle 190 fl.; am 12. Juni 1627 für die Zeichnung,
das Malen und Vergolden eines Engels im Presbyterium 27 fl.; für Arbeiten
in der Capelle des hl. Karl: im Jahre 1627 15 fl., 1628 11 fl., 1631 61 fl.
und 1632 nach Vollendung der Malerei daselbst (wahrscheinlich nicht mehr
erhaltene Fresken) 30 fl.
Nachdem ich unserem Künstler oben vier Gemälde zugeschrieben habe,
muss ich ihm leider ein anderes nehmen, und zwar das ihm von jeher ohne
Widferspruch zugeschriebene grosse Votivbild im Chore des Domes zu Graz.
Es ist darauf die ganze Familie des Erzherzogs Carl II. dargestellt, er selbst,
seine Gemahlin Maria von Bayern und deren 15 Kinder knieend vor dem
Crucifix, hinter jeder Person der betreffende Schutzheilige stehend, zu Füssen
des Kreuzes die hl. Magdalena, oben in den Wolken Gott Vater und der
hl. Geist und Inschrifttafeln haltende Engel. Dass das Bild nach dem Tode
des Erzherzogs, der 1590 erfolgte, gestiftet wurde, beweist die Inschrift, und
da Peter de Pomis 1596 nach Graz kam, so hatte die Angabe des Jesuiten
Macher, der in seiner Topographie : »Graecium . . . 1700« ausdrücklich Pietro
de Pomis als den Maler des Bildes nennt, so viel Wahrscheinlichkeit für sich,
dass alle späteren Schriftsteller dieser Angabe beipflichteten. Das sehr nach-
gedunkelte Bild hängt übrigens so hoch und in so schlechtem Lichte, dass
eine Vergleichung mit anderen Werken von de Pomis sehr schwierig ge-
macht ist.
Der Künstler dieses Votivbildes ist, wie gleich gezeigt werden soll , der
kaiserl. Kammermaler Jakob de Monte, und zwar aus folgenden zwingenden
Gründen. Im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien befinden sich unter
Nr. 30 vom Januar 1592 der innerösterr. Hofkammeracten folgende drei
Stücke *) :
a) Eine Eingabe des innerösterr. Hofkammerpräsidenten in Graz vom
31. December 1591 an den Erzherzog Ernst (nach dem Tode des Erzherzogs
Karl II. Gubernator von Innerösterreich) mit der Anfrage, ob folgende Aus*
gabeposten zu passiren seien:
1. 350 fl. für einen Meister, der 40 Stück »alter Tapezereyen« in Repa-
ratur genommen ; 2. 100 fl. für den Transport einer Wagenladung voll Effec-
Im Index der innerösterr. Hofkammeracten der k. k. Statthalterei zu Graz
findet sich die Angabe, dass Jakob de Monte im Januar 1592 100 fl. für Malerei
empfangen habe; der Act selbst kam mit vielen anderen, den kaiserlichen Hof
betreffenden nach Wien. Als ich um eine Abschrift beim k. k. Haus-, Hof- und
Staatsarchiv ansuchte, erhielt ich die Copien von obigen drei Stücken.
120
Josef Wastler:
ten, welche die Erzherzogin Witwe Maria für den in Ingolstadt studirenden
jungen Erzherzog Ferdinand abschickte, dann »fürs dritte, ist unlängst ein
Gontrafeter von Wien herein khommen , allerley E. Für. Durchlaucht selbs
(wie man sagt) gnedigist berufte gemäll zuerrichten vnd zumahlen, der vns
yezo inligende verzaichnus, da sich auf 36 h. 31 kr. erstreckt, seiner gethanen
Zerung halben, übergeben, und Ime dieselben bezallen zulassen begert. Nach-
dem wir aber desswegen kain Verordnung empfangen, so haben von Eur. Für.
Durchlaucht wir vns, dero gnedigisten beschaidts gleichfals erhellen, vnd der-
selben beynebens souil gehorsamist anzaigen wellen, als hechst ermelte vnser
gnedigisle Fraw mir Presidenten mündlich vermeldet, das dises mallers monat-
liche vnderhallung, neben sonderbarer erkauffung der fürnembisten Farben,
nach ainhundert Taller seye, vns solches etwas zuvil vnd ratsamber zu sein
bedunckte, do mit Ime die ganze Arbait vberhaubt verdingt, dann wie wir
berait yezo im anfang spüren vnd wahrnemmen, das Er etwas langsamb mit
der Arbait vmbgeet, des Er dann villeicht künfftig, vmb der so stattlichen
Imer fortlaulTenden besoldung wegen , nach Continuiren , vnd wais Gott auf
diese weiss, was entlieh hiebei Ime für vortl schaffen würde; doch gewarten
wir hierüber allein Eu. F. Durchlaucht gemessenen genedigisten beschaidts.«
Darauf erfolgt vom Erzherzog dd. Wien 12. Januar 1592 nachstehende
Erledigung:
b) Resolution an die Hofkammer. Die oben genannten beiden ersten
Posten werden bewilligt, dann heisst es:
»Euch zum dritten gnedigelich bevelhend, das Ir eusseristen vleiss
fürwenden wellet, damit Ir bey der eingefuerten geschaffenheit dem d(r)innen
wesenden maller, sein vorstehende arbeit eines Epitaphigemähls, welches Er
in der hofkirchen aldort, negst neben des grossen Altars, weiland vnsres
freundlichen lieben herrn Vettern seliger gedechtnus verlassner Verordnung
nach, zuuerrichten hat, vberhaupt aufs genawist, solches Immer geschehen,
andingen könd, mit weitterm gnedigisten auferlegen Ime, Gontrafeter, die zur
hinein Zörung aufgewenten Sechsund dreissig gülden sechzehn kreuzer, wider-
umben erstatten zu lassen. . . .
Geben in der Statt Wien, den 12. Jänner anno etc. Zwaiundneunzig.
Ernst etc.«
Ein beiliegendes drittes Actenstück lautet:
c. »Verzaichnus was Ich Jacob de Monte Für: del: Camermaller von
Wien bis gehn Gräcz verzert hab.
Erstlich dem Gutschn von wegen der Fuehr herein zu fügen 23 fl. 20 kr.
Mehr für zwo Truhen herein zu füren, geben . . . . 4 » 20 »
Mehr auf der Raiss verzert • •
Summa 36 fl. 16 kr.«
Die drei Schriftstücke lassen keinen Zweifel zu. Jakob de Monte '*),
Jakob de Monte wird von Schlager (Archiv für Kunde österr. Geschichts-
quellen V) erwähnt als ein vom Wiener Hofe beschäftigter Maler, der 1587 aus
Gnaden 100 Thaler erhielt.
Giovanni Pietro de Pomis.
127
Kammerrnaler in Wien, kam, wahrscheinlich über Auftrag der Erzherzogin
Witwe Maria, Ende des Jahres 1591 nach Graz, um daselbst gemäss der
letztwilligen Verordnung des verstorbenen Erzherzogs Carl II. das Epitaphium-
bild in der Hofkirche (dem jetzigen Dom) nächst dem Hochaltar zum Gedächt-
nisse des sei. Erzherzogs zu malen. Er bekam die Reisekosten per 36 fl. 16 kr.
vergütet und w'ährend der Arbeit, ausser dem Ersätze der vornehmsten Farben,
ein Monatsgehalt von IQO Thaler. Als Peter de Pomis im Jahre 1596 nach
Graz kam, war das Epitaphienbild bereits auf seinem Platze, den es noch
heute einnimmt, und Peter de Pomis hatte daher mit dieser Arbeit nichts zu
schaffen
Als archivalische Nachricht aus einem anderen Act der innerösterr.
Hofkammer vom März 1618 (k. k. Haus- , Hof- und Staatsarchiv in Wien)
über Peter de Pomis ist noch nachzutragen: Erzherzog Ferdinand beauftragt
dd. Graz 16. Februar 1618 das Pfennigamt, dem Künstler »wegen etlicher
unterschiedlicher für weiland Erzherzog Max Ernst ®) gemachter Gemähl«
205 fl. zu bezahlen.
In meiner ersten Arbeit über Peter de Pomis habe ich angeführt, dass
der vielseitige Künstler sich auch mit Wachsbossiren befasste. Heute bin ich
in der Lage, zwei Medaillen namhaft zu machen, welche von ihm herrühren.
Nach der Veröffentlichung der genannten Monographie theilte mir Herr
Dr. Robert von Schneider, Gustos des k. k. Münz- und Antikencabinetes in
Wien, mit, dass sich in der kaiserlichen Sammlung daselbst zwei Medaillen
von Peter de Pomis befinden , und war so liebenswürdig , mir Gypsabgüsse
derselben einzusenden. Jede dieser Medaillen hat 46 mm Durchmesser. Die
eine, von Silber, ist eine Gedächtnissmedaille auf den Sieg am Weissen Berge
bei Prag; sie zeigt auf der Aversseite das Brustbild des Kaisers Ferdinand II.,
mit der Jahreszahl 1622 und der Randschrift: FERDINANDVS II. ROM. IMP.
SEM. AVG. Auf der Reversseite befindet sich folgende Darstellung: Die ge-
flügelte Siegesgöttin , ein kurzes römisches Schwert an der Seite , setzt den
rechten Fuss auf den Nacken eines vor ihr knieenden gekrönten Jünglings,
während sie mittelst Griffel auf einem runden Schilde schreibt. Einem
anderen , neben dem ersten knieenden Jüngling legt eine Frauengestalt
(Religio?) die Hand auf den gebeugten Nacken. Im Hintergründe Kriegs-
trophäen und die aufrechte Standarte mit dem kaiserlichen Adler. Auf ei-
nem am Boden liegenden Schilde stehen die Worte : »Anno 1620 Novem-
bris 8«. Als Randinschrift steht der Psalm Cap. 118, Vers 16: DEXTERA •
®) Eine Besichtigung des Bildes mit Operngucker an einem sehr hellen Tage
ergab, soviel man in dem durch die gemalten Glasfenster des Chores dunkel ge-
machten Raum ausnehmen konnte, dass Jakob de Monte in der Zeichnung härter
und nüchterner ist als Peter de Pomis, aber besonders mit seinem trockenen Colorit
weit hinter der venetianischen Leuchtkraft der Farben des de Pomis zuröcksteht.
®) Bruder des Erzherzogs Ferdinand, geboren 17. November 1583, gestorben
19. Februar 1616 als Comthur des deutschen Ordens.
128
Josef Wastler:
DOMINI • FECIT VIRTVTEM ; endlich im Abschnitt : lOANN • PETRVS •
DE POMIS F • 0.
Die zweite Medaille ist aus Bronze und scheint ebenfalls eine Gedächtniss-
medaille auf den Sieg über den Protestantismus vorzustellen. Die Aversseite
ist genau der vorigen gleich. Auf der Reversseite ist der Sturz der Giganten
dargestellt. Oben in den Wolken Jupiter, aber jugendlich, wie ein Apollo
gebildet, die Strahlenkrone um das Haupt, in der Rechten den Blitz, neben
ihm die Gerechtigkeit mit der Waage. Unten ein Durcheinander von Giganten-
leibern. Die Randinschrift lautet: LEGITIME CERTANTI. (Legitime certantibus
ist der Wahlspruch Ferdinands 11.) Diese zweite Medaille ist etwas stumpf
in den Formen , aber die erstere ist ganz vorzüglich gearbeitet , die figurale
Darstellung schwungvoll componirt. Der Kopf Ferdinands, welcher auf beiden
Medaillen von demselben Stempel herrührt, ist mit grösster Feinheit modellirt
und gehört sicher zu den besten , ausdrucksvollsten Porträtdarstellungen des
Kaisers. Und so hätten wir denn den vielseitigen Künstler auch als tüchtigen
Medailleur kennen gelernt.
Zum Schlüsse können wir den Familienstand des Künstlers vervollstän-
digen, allerdings nur theilweise, da die Matriken der Stadtpfarre Graz aus
jener Zeit sehr lückenhaft sind. In der genannten Monographie konnte ich
acht Kinder des Meisters constatiren, heute gelangen wir zur Zahl zwölf.
Dieselben sind:
Johanna, erstgeborene Tochter, welche am 2. März 1620 Maximilian
Ottavio, Sohn des Hofapothekers Clemens Ottavio in Graz heirathete;
Katharina, ehelichte einen gewissen Zöllner, dann als Witwe, und
zwar am 19. Februar 1645 den Dr. med. Caspar Job ®) ;
Johann Baptist;
Johann Nikolaus, war 1626 Bauzahlmeister in Triest. Diese beiden
Söhne blieben in den dreissiger Jahren als kaiserliche Krieger vor dem
Feinde;
Ferdinand, getauft 2. August 1598;
Mathilde, bestattet 29. Juli 1611.
Hierauf folgen zwei Kinder, ein Söhnchen und ein Töchterchen, von
denen das erstere am 12. April 1615, das zweite am 15. Mai 1616 bestattet
wurde. Da in den Matriken kein Taufname angegeben erscheint , so werden
diese wahrscheinlich neugeborene Kinder gewesen sein.
Maxentia Katharina, getauft 7. April 1617. Dieselbe heirathete am
2. August 1637 den Caspar Rath aus Oy in Tirol;
Felicitas Polyxene, getauft 11. März 1619;
Die Medaille, als in den Schaukästen der k. Hofsammlung befindlich, be-
schrieben bei: Sacken und Kenner, Die Sammlung des k. k. Mönz- und Antiken-
Gabinets, 1866, S. 385.
*) Siebe: Zahn, Miltheilungen, des historischen Vereines für Steiermark,
Heft XXXII, S. 67.
Giovanni Pietro de Pomis.
129
Bianca Maria, bestattet am 2. Januar 1622;
Petrus, bestattet 2. Oktober 1622.
Sämmtliche Kinder waren von der einen Mutter Anna Judith.
Ueber die im ersten Artikel kurz erwähnte Adelsverleihung des Künst-
lers ist durch Herrn Albert Heilmann, Vorstand des Adelsarchivs in Wien,
erhoben worden, dass Peter de Pomis am 2. Juli 1605 von dem damaligen
Landesfürsten von Steiermark, Erzherzog Ferdinand, geadelt wurde, und dass
letzterer als Kaiser Ferdinand II. mit Diplom dd. Regensburg 10. Februar 1623
»den Adel des besagten Johann Peter de Pomis bestättiget, ihm hiebei das
Wappen gebessert, auch das Prädicat Treuberg (nicht Treuburg) verliehen,
nebst mehreren anderen Privilegien (freien Gerichtsstand, Freisitzrecht, kaiserl.
Schutz, Schirm und Salva Quardia etc.)«.
Dass Peter de Pomis eine persona gratissima bei Kaiser Ferdinand II.
war, habe ich schon im ersten Artikel erwähnt. Einen neuen Beweis dafür
liefert die von mir vor Kurzem entdeckte Thatsache, dass Ferdinand II.
am 21. Mai 1622 die Bauzahlmeisterstelle zu Triest mit 72 fl. Jahresgehalt
dem Sohn des Peter de Pomis, Jacob Nicolaus ®), verlieh, obgleich letzterer da-
mals noch ein unmündiger Knabe gewesen sein musste. Diese in niederen
Beamtenkreisen gewiss seltene Sinecur wird durch das Bestallungsdecret *°)
constatirt, welches aussagt, dass der Kaiser die betreffende Stelle dem Hof-
kammermaler Peter de Pomis für seinen Sohn Jacob Nicolaus verleiht,
»also dass er, der junge Pomis, nun hinfüro unser Bauzahlmeister sein soll.
Weilen er aber noch zur Zeit vnnuzbar, biss dorthin, zu Erlangung seines
rechten Alters und seiner Selbstbedienung, einen anderen, inmassen uns
Joh. Jacob Porno dazu fürgeschlagen worden, wir uns auch denselben ge-
fallen lassen, substituiren , welcher nun im Namen und anstatt seiner sich
allenthalben soll gebrauchen lassen.« Wer dieses Substitut Joh. Jacob Porno
war, wissen wir nicht, aber wie der Name sagt, war auch er aus dem Ge-
schlechte der »Apfel«.
®) In diesem Schriftstück wird er Jacob Nicolaus, in früheren Johann
Nicolaus genannt.
^®) Statthalterei-Archiv in Graz: Reverse von 1622.
Excerpte aus Joh. Fichard’s „Italia“ von 1536.
Von August Schmarsow.
Im »Frankfurtischen Archiv für ältere deutsche Litteratur und Geschichte«,
herausgegeben von J. C. v. Fichard, genannt Baur von Eyseneck, Theil III
Frankfurt a. M. 1815 S. 1—130 steht fast völlig vergessen der Abdruck eines
Manuscriptes in lateinischer Sprache, das der Frankfurtische Rechtsgelehrte
Johann Fichard im Jahre 1536 über seine italienische Reise niedergeschrieben
hat. Neuerdings hat Professor A. Teichmann in der Basler Festschrift zum
Jubiläum der Universität Bologna (Basel 1888, S. 45) auf diese »Italia« Fichard’s
aufmerksam gemacht und urtheilt: »Iter Italicum . . . optirne adumbravit atque
elegantem artis operum existimatorem sese exhibuit, non ut alii verborum
ampulla contentus.«. Auf seinen Wunsch zunächst habe ich die Reisebeschrei-
bung des deutschen Rechtsgelehrten, die in Anbetracht ihrer Abfassungszeit
schon das Interesse des neueren Kunsthistorikers in Anspruch nehmen musste,
einer genaueren Prüfung unterzogen, und hebe im Folgenden das Wichtigste
heraus, dessen nochmaliger Abdruck an bequem zugänglicher Stelle auch heute
willkommen sein dürfte. Die Handschrift ist nach dem Bericht des ersten
Herausgebers unleserlicher geschrieben als manche andre desselben Verfassers.
»Auf dem weissen Rande befinden sich viele eigenhändige mit der Feder ge-
zeichnete Umrisse der merkwürdigsten Gegenstände, die der Reisende sah, der
Triumphbogen des Septimius Severus, Titus, Constantin, des Colosseums, der
Ueberreste bei Puteoli, Baiae, des Gamposanto und des schiefen Thurmes zu
Pisa u. s. w., die das geübte Auge des Zeichners beurkunden.«
Es sind flüchtige, offenbar auf Notizen während der Reise beruh»^nde
Bemerkungen, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Ein Epigramm
auf dem Titelblatt sagt sogar, dass Fichard sie selbst nicht einmal zur Auf-
frischung seines Gedächtnisses wieder durchgesehen. Häufige Verwendung der
nämlichen Ausdrücke, vernachlässigter Satzbau, der zwischen Umständlichkeit
und Wortkargheit wechselt, beweisen, dass keine nachträgliche Redaction statt-
gefunden. So entschuldigen sich manche Versehen und erhöht sich der Werth
der Urtheile. Diese sind zuweilen sogar humoristisch gefärbt, ja bei einzelnen
Eindrücken reicht ihm die lateinische Sprache nicht aus ; ein paar deutsche
Worte müssen ergänzen. Die sprachliche Schwierigkeit muss man auch an
August Schmarsovv: Excerpte aus Joh, Fichard’s »Italia« von 1536. l.Sl
Stellen in Betracht ziehen, wo der alte Jurist, oft bei sichtlich lebhafter
Empfindung, in der Häufung abgebrauchter Eigenschaftswörter stecken bleibt.
Besonders landschaftliche Reize zu schildern ist sein Latein nicht fähig; aber
man merkt doch, wie er ringt und kämpft. Unleugbar besitzt er eine ent-
schiedene Empfänglichkeit für die Schönheiten der Natur und Kunst, vornehm-
lich für Gartenanlagen und architektonische Raumwirkung. Von den Werken der
bildenden Kunst fesseln ihn fast ausschliesslich die Werke der Plastik, und
bei diesen behält auch noch das archäologische, oder sagen wir antiquarische
Interesse die Oberhand über das eigentliche Kunstverständniss , wie dies bei
der Mehrzahl damaliger Liebhaber der Fall war. Der Kunsthistoriker stösst
auf einige krasse Irrthiimer, dass z. B. eine Statue Michelangelo’s für eine
Leistung Bandinelli’s genommen wird, oder die ganze Wand- und Decken-
malerei der Cappella Sistina auf Rechnung Raphael’s kommt. Die Künstler
und ihre Namen kümmern ihn wenig, wahrscheinlich hat er auch einen David
für Orpheus angesehen, ebenso wie er die Nacht am Medicäergrab als Pallas
Athene anspricbt. Doch diese Schwächen, die wir auch bei hochgebildeten
italienischen Kennern von damals finden , und eine gewisse Trockenheit der
Berichterstattung schliessen nicht aus, dass Fichard’s Notizen manchen will-
kommenen Wink zur Ergänzung unserer historischen Vorstellungen beibringen,
ja mehrfach ganz Neues enthalten. So bedaure ich, nicht schon bei der
Herausgabe Albertini’s diese Quelle gekannt und was sie für Rom und Florenz
ergibt, benutzt zu haben, so z. B. bei den Malereien Pinturichio’s in der
Engelsburg. Die Schilderungen von Neapel, wo das Lustschloss Poggio Reale,
jener auch bei Serlio besprochene und abgebildete Bau des Luciano da Laurana,
ausführlicher behandelt wird, von Siena, Bologna, Pavia u. s. w. sind ohnehin
etwas Seltenes aus jenen Tagen. Seine Urtheile befremden uns freilich oft:
geringschätzig wird das Verfallene abgethan, wo wir heute mit eifrigster Andacht
eher zum Ueberschätzen geneigt sind, und das höchste Lob wird glänzenden
Prunkstücken zu Theil, in dem wir den nahenden Barockgeschniack erkennen.
Bestimmend für seinen Maassstab ist, dass er in Rom zuerst und am längsten
verweilt hat; die römische Grossartigkeit hat’s ihm angethan, aber auch seine
Sinne abgestumpft, so dass sie nicht mehr fähig sind, die zarteren Reize des
Quattrocento zu geniessen. Es ist die Cullur der Hochrenaissance und ihre
Durchsetzung mit römischem Allerthum, die diesen deutschen Rechtsgelehrten
gefangen nimmt.
Roma.
I. De novae Urbis viis, plateis, fontibus.
Strala viarum et lapide coctili ut sunt Venetiis breviori crassiorique.
Viae ipsae communiter angustiores sunt quam latiores. Omnium autem cele-
berrima, frequentissima est, quae a Ponte S. Angeli ad campum Florae usque
perducit, nam cum ipsa in tres subdividatur vias, omnes mercimoniis plenae
sunt. Bibliopola in iisdem multa, in quibus doclos istic animi causa quotidie
quasi convenire et conferre inter se variis de rebus observavi. Eodem modo
et ea platea quae recta ex campo Florae descendit prope aedes Pompei habi-
132
August Schmarsow:
tatur. Islic vero et Jiidaei agunt et numismata cuduntur. Via quae a Burgo
S. Angeli in palalium Pontificis ducit omnium maxime regalis. Via Julia
auteni (a Julio pontifice facta) reliquarum rectissima longissima et amoenissima
videlur. Ea prima est a ripa Tybris, et ad pontem Xysti usque descendit.
Fora sunt diversis in locis, potissimum apud palatium S. Georgii, cir-
caque campum Florae , et circa pontem S. Angeli cis Tybrim. Item ad Ma*
riam rotundam. Forum piscariurn est ad templum S. Angeli, ubi omnes
mensae marmoreae quadrae sunt. Vivi autem pisces ad predictum pontis
S. Angeli locum venduntur. Gaeterum est etiam forum in Agonico campo,
istic die Mercurii singulis septimanis venduntur vestes, panni, gladii et reliqua
omnis generis, etiam cibaria. Quemadmodum in campo Florae equi omni die.
Fontes istic rarissimos vidi, aqua enim cysternali et Tyberina (quae
quottidie per urbem circumfertiir) utuntur ‘). In eo tarnen campo , quod est
ante palatium in Vaticano, fontem habet praealtum, pluribus salientibus aquam
suppeditantem, nec memini me alium Romae vidisse eins generis.
II. De rtonnullis ecclesiis.
Templum S. Petri ascenditur pluribus gradibus latissimis, semper
post denos (puto) interiecta planitie. Primae portae pronai sub adventum
Caroli [V] Imperatoris reparatae exornataeque sunt columnis marmoreis et in-
crustationibus. Itaque jam prius aspectus splendidus est , cum olim fuerit
humilliraus. Hac ingressis hypaethriurn occurrit quadratum mediocriter am-
plum. In eo iacent rudera quaedam ex antiquis statuis. In medio vero arca
quaedam videtur aenea concava , inclusa est et septa cancellis ferreis , tecto
etiam quod ,quatuor columnulis sustinetur super imposito. Circa hoc tectum
aenei pavones inaurali videntur.
Inde ad porticum verarn templi pervenitur, in cuius summo antiquissima
quaedam Petri imago conspicitur. (Navicula S. Petri super vestibulo primi
ingressus facta cernitur cx opere musivo , vel mosaico , tesselatim composita,
est vetustissima.)
Templum portas habet tres, parvo intervallo distantes, quarum superior
aurea vocatur et muro (ex more) tota est obstructa, vilissimi aspectus. Neque
enim licet per illam ingredi, nisi tempore Jubilaei, quod superiori anno XXV
(si bene memini) sub Clemente fuit, quo aperta fuit, et deinde, ad certum
quoddam altare muro obturata, prout habet inscriptio, tum temporis eidem
portae imposita. Media autem porta est communis illa, per quam omnibus
patet accessus. Inferior ad sinistram, ipsa aperitur quidem, sed rarius. Utrius-
que portae valvae sunt aeneae, sculptae eleganter ^).
Sicher eine, dem wasserreichen Rom von heute gegenüber, sehr erstaun-
liche Notiz, die wohl nur in den systematischen Zerstörungen der Aquäducte während
der Belagerung der Stadt 1527 eine Erklärung findet, da die früheren Päpste, wie
Sixtus IV. besonders, für die Reinigung und Regelung der Wasserleitungen gesorgt
hatten. Dieser Zustand um 1536 konnte also nicht als normaler gelten.
2) Dass beide Thören eherne Flügel gehabt, ist ein Irrlhum. Nur das
Hauptportal hatte die Bronzethören des Antonio Filarete, das seitliche Nebenportal
Excerpte aus Joh. Fichard’s »Italia< von 1536.
133
Ipsum templum quem admodum et Lateranense oblongum est, colum-
narum recte utrinque ordine posito, plus tarnen dimidio detectum et imper-
fecturn est, ut possis in medio templo herbatum ire. Julius Papa magnifi-
centissime et amplissime eam partem, que sub die est aedificare coeperat, ab-
solutis jam aliquot arcubus mirae altitudinis, totum templum restauraturus
splendidissime, si vixisset, sed mortuus ejus curae successorem nullum habuit.
Leo X. tarnen altare summum, quod est S Petri, cooperuit mediocri sumptu.
Aedificium est rotundum et circumquaque sessiones sunt, pro S. Pontifice et
Cardinalibus. (Sihet eym Gapittelhauss gleich.) In eodem sunt aliquot co-
lumnae marrnoreae elegantissimae obliquis flexibus elaboratae, quas dicunt ex
templo Salomonis olim per Vespasianum translatas. Sed breviores sunt quam
ut credam ®).
Redeundo ad principium ternpli: ad sinistram primo sacellum S. Andreae
occurrit, in quo sunt duo magnifica monumenta Pii secundi et Pii tertii Se-
nensium, Extra illud positae sunt sedes VII poenitentiariorum quorum quili-
bet propter peregrinorum diversitatem separatam exercet linguam. Super sedes
illas chorus in recessu quasi est neque amplus neque rnagnificus.
E regione in sinistro latere monumenta sunt primum Innocentii VIII,
quod totum est aeneum. Sedet ipse etiam mortuus. Est enim Integra ipsius
imago, dextra manu sublata, tanquam fulmen iaculaturus, in solio sedens,
aere expressa. Inde Leonis X , post Glementis VII monumentum , utrumque
negligentissime, Glementis praesertim, quod a vulgaribus prorsus nihil differt.
In eodem latere prope altare quoddam extat effigies aenea S. Petri sedentis
pervetusta sed mediocris. Nicolai V monumentum splendidum extat super
chorum, sed extra ecclesiae tectum.
Lateran. Baptisterium, ubi baptizalus fuit Gonstantinus , appellatur
nunc S. Joannis in fonte; est locus sphaericus in circuitu quasi porticus
columnis excellentibus, quarum quaedam sunt ex solido .porphyro, testudinem
sustinentibus. In inferiori circumferentia columnarum descenditur aliquot
gradibus in Baptisterium, quod sphaericum est, X passuum plus minus ampli-
tudine, marmoreum. Adhaerent etiam huic aliquot veneranda sacella.
Ecclesia est amplissima, longa lataque. Suntque duo utrinque altarum
columnarum ordines longissimae. In parietibus superioribus quibusdam locis
restant antiquissimae picturae, in quibus quodam loco obiter ostenditur cae-
ruleus color, qui inter obsoletos reliquos antiquissimos colores, ipse tarn
nitidus est , ac si heri pictus fuisset , quod sane mirabamus * *). Pavimentum
satis est ornatum, non per totum tarnen. Incendii etiam in eo restant vestigia.
die holzgeschnitzten Pforten des Fra Antonio di Micchele da Viterbo, beide unter
Eugen IV. gearbeitet. Vergl. Müntz, Les Arts ä la Cour des Papes, I. p. 41—45.
Vergl. die Ansiebt der Chorpartie im Hintergründe der »Schenkung an
Papst Sylvester< in der Sala di Costanlino im Vatican, sowie die Säulen auf Ra-
phael’s »Heilung des Lahmen« unter den Teppichcarions.
*) lieber diese Wandmalereien des Gentile da Fabriano und Vittor Pisano
vergl. Müntz, Les Arts ä la Cour des Papes, I. p. 46 f.
134
August Schmarsow :
Extra templiim Lateranense in area stat aerea equeslris statua niulto
elegantissima , quam alii M, Aurelii Antonini alii L. Veri, alii Septimii [Se]
Veri putant fuisse. Itaque nescitur cujus. (Es ist sehr ein schön stück.)
S. Maria in Aracoeli. Ab altero latere Montis Gapitolini, in monte
est Ara Coeli . . . Templum hodie est Franciscanorum oblongum, in medio
splendide stratum , utrinque negligentius. In eo est sepulcrum S. Helenae.
Item Reginae Bosniae. Item ante fores priores sepulchrum Blondi [Faroliviensis].
In templo Arae Coeli maximae columnae marmoreae extant, per quarum unam
foramen transit, cui per jocum aiires admotae sentiunt sibilum ab altero ad
aliud foramen inspirante, quem dicunt a vespis in columna dam inclusis edi,
ad quod festiviter, logus, immo non dubito, inquam, quin vespas illas in cerebro
luo dam habeas inclusas. (Ich will wol glauben, dass du Wespen im Hirn
habst.) Circa sepulchrum Helenae columnae IIII marmoreae versicolores pul-
cherrimae, instar vilri resplendentes, tum leves sunt; et tabula istic appensa
vult ipsum altare omnium fuisse primum, quod Christo fuerit excitatum. Ara
coeli ascenditur CXXVIII gradibus, semper inter octenos interposita aliqua
planitie. Ad sinistram multae sunt marmoreae imagines, quasi in tabulis
sculptae, eo modo et ordine, quo videmus in veterum sarcophagis. Tempore
autem passim collectae, ad ascensum istorum graduum , tanquam in locum
conspicuum positae sunt.
S. Maria sopra Minerva. Templum ... est elegans et amplum.
Ipsius autem antiqui extant in coenobio fratrurn parietes, oblongam et qua-
dratam formam templi ostendentes, sed non magnam. In eo coenobio est
bibliotheca satis quidem spatiosa, sed non optima, inter comunes tarnen Romae
praestantior est. Praeter enim Vaticanam, bibliothecas istic paucas habet
excellentes, haec igitur Minervae et fratrurn Mariae de populo quae tarnen
longe minor est, sed ordinatissima, in primis laudantur.
S. Gostanza. Extra portam Nomentanam, nunc S. Agnelis, circa
secundum lapidem extat vetustissimum templum Bacchi, forma circulari, intus
duplicibus in circuitu columnis (sed iis tenuioribus) sustinetur uterque fornix.
Fuit intus opere Mosaico ornatissimum, quod plerisque in locis adhuc videtur.
Superius ex eodeni opere etiam picturae gestorum et sacerdotum ipsius Dei,
visu dignissimae adhuc apparent. In medio stetit sepulcrum quoddam , quod
est porphyreticum augustum vitibus et uvis puerulisque insculptum, omnium
quae vidi ego ornamentissimum, sed jam post altare summum repositum est,
quo templum esset spatiosius, quod iam S. Glementi dedicatum est
S. Agnese fuori. Inde prope extat ecclesia S. Agnetis, a nostris
condita olim, sed et ipsa antiquissima. Opere mussivo et maximis mar-
moreis crustis exornata, ita tarnen ut ornatus ille iam supra modum
consenuerit. Extat adniodum profunde in terra, plurimisque gradibus, in-
teriecta duplici lata planitie, descenditur. Angusta tarnen est et pauca habet
altaria. In summo situm est corpus S. Agnetis. Fuit istic ante L annos
*) Wohl ein Gedächtnissfehler für S. Gonstantiae. Vergl. Fr. Albertini,
Fol. 50b, 63 b. Der Porphyrsarkophag jetzt im Vatican.
Excerpte aus Job. Fichard’s »Italia< von 1536.
135
monasterium virginum, sed propter earum corruptissimam vitam monachae
translatae sunt et census istius monasterii (quod alias amoenissimuin fuit)
alteri ecclesiae collati.
III. De Palatiis.
Palatia passim per urbem habet magnificentissima , quae porticus suas
non foris, ut Bononiae, sed intus habent, altis conspicuis que ex niarmore colum-
nis conspicuas ®). Omnium vero magnificentissimum et amplissimum Palatium
S. Geoi’gii prope Gampum Florae, ubi habitavit olim Cardinalis de Medices
et nunc est Cancellaria. Extructum est illud Julii temporibus a Cardinale
S. Georgii, maxime tarnen ex spoliis Amphitheatri quod eo latere, quo respicit
urbem, fere in totum non modo nudatum est, sed fere disiectum, et Tyburtini
lapides ad hoc palatium transportati. Habet autem hoc palatium inclusum
latere sinistro, templum S. Laurentii in Damaso, quod est inter insigniora;
reliquis autem lateribus circumquaque Tabernas pene innumerabiles. Et in
ipsa ad ingressum suae porticus, statuae duae sunt, humana statura non paulo
longiores, muliebres, integrae, faberrimeque sculptae, in eum locum nescio
unde translatae. Elegans splendidumque est et Farnesiorum palatium (ex qua
familia praesens pontifex est) sed nec media dum sui parte absolutum.
Capitol. Praetoris palatium nihil, quod ego viderim vel ex aliis audi-
verim, memorabile continet. Oblonga quadrataque forma est. Intus aulam
habet admodum amplam, in qua causae civiles criminalesque aguntur, ipso
Praetore iudicio praesidente. Nihil ornati conspicitur. Picturae quae paucae
in ea fuerunt, iam senio obliteratae sunt. Breviter, et intus et foris vetustate
tantum , veterique Romano nomine conspicuum est. Ascenditur intus clivo
continuo, mulis potius quam hominibus facto. F’oris parietes superiorum prae-
torum insigniis oppleti sunt.
Palatium vero Conservatorum et amplius multo et splendidius est. Habet
enim tarn foris quam intus porticus 0- Habet in medio aream sub die ele-
gantem , habet adiunctos hortos etc. Primum igitur ante porticum istius pa-
latii foris duo pari forma marmorea fluviorum simulacra, seminuda, et invicem
se respicientia , mirandae magnitudinis videntur, quorum alterum Sphynga,
Aegypti peculiare animal, alterum tygridem, Armeniae truculentam feram,
cui dextri innituntur cubito, habent, sinistris autem utrumque cornu copiae,
rerum affluentiam significans tenet. Uhde quidem volunt hoc Tygrim, illud
®) Diese lorm des römischen Palaslbaues kommt offenbar erst zur Geltung,
seit Sixtus IV. energisch gegen die Vorbaue eingeschritten war, zur Verbreiterung
der Strassen. Nicolaus V. will noch nach bolognesischer Weise mit fortlaufenden
Laubengängen officiell bauen lassen ; aber schon Palazzo Venezia kehrt die Loggien
nach innen. Ein Anlauf im Pal. del Governo vecchio. Classische Vollendung durch
Bramante. "Dann wieder Zusammenschrumpfen des Säulenhofes im Barockstil.
’) Wichtig für die spätere Umgestaltung dieses aus den Zeiten Nicolaus’ V.
und Sixtus IV. stammenden Baues durch Michelangelo, an dessen Fassade die
Gedrücktheit des Untergeschosses auffallt. — Die saugenden Knäblein unter der
alten Wölfin sind ersichtlich Arbeit eines Quattrocentisten.
136
August Schmarsow:
vero Nilum esse . , . Praeterea in frontispicio ipsarum aedium aeneum lupae
siraulacrum videtur, quod condilores urbis lupa enutriti sunt.
In superiori Palatii parte priinum variae marraoreae et viriles et mu-
liebres statuae occurrunt, faberrime '’aboralae. Ad sinistram vero scalarum
palet aula quaedam elegantissima. In eius superiori parte, ad medium parietis
posita videtur maxima quaedam statua Leonis [X] Pontificis sedentis; puicher-
rime exque solido et uno marmore facta. Irnposita autem est quasi allari
cuidam cum hac inscriptione ®). Ad sinistram sedentis illius Leonis,
paulo tarnen inferius est pulpitum vel suggestum quoddam, unde cives Romani
creantur et promulgantur, cum hac inscriptione
ROMANVM VIRTVS NON NOMEN EFFICIT.
Neque tarn humile est opinione ipsorum, civem Romanum esse, quam Eras-
mus facit, nam et dignitatis habetur, neque omnibus fernere confertur, quan-
quam re ipsa non multo est amplius aliis.
In ista autem aula adjunctisque conclavibus et aulis praestantissimae
sunt ex veteribus Romanorum historiis picturae , in quibus cernere licet
antiquorum Romanorum togas (Venetorum Senatorum similes) item nuda mili-
tum brachia et genua, tibialia, succinctoria , calceos multis cordis incruciatis
circa pedem ligatos, quae tarnen expressius in statuis marmoreis undique
apparent. Ibidem quis modus fuerit feriendi securi, caedendi virgis, alli-
gandi palo etc.
Post palatium hoc per hortos recta itur ad rupem Tarpeiam prope con-
junctam, est autem illa, ubi nunc quoque facinorosi cives Romani puniuntur.
Ex illa pulcherrimus patet in urbem prospectus.
Palazzo Vaticano. Palatium Pontificis multo amplissimum est et
quasi multa conjuncta palatia. Ascendilur variis arearum anfractibus. In par-
tibus inferioribus inclusae sunt integrae habitationes, in quibus agunt officiales.
In mediis (intellige, solum ipsum distinguere, nam in monte situm est) habi-
tant digniores, etiam Gardinales aliquot, inter quos praecipuus est Episcopus
Capuanus iam Cardinalis S. Sixti, est Germanus Misnensis ex familia Nobilium
de Schauenberg, vocatus Nicolaus . . . Breviter autem Palatium totum amplum,
magnificum , superbum, porticubus columnis cubiculis aulis et viis usque ad
summum tectum equitari commodis. In eo pontifex habitat.
Potissima sunt in ipso palatio (nam aularum magnificentiam et copiam
tanquam communia palatiorum omittamus) sacellum pontificis et bibliotheca.
Sacellum forma quadrata est sed longa. Latitudinis est mediocris. Locus ille,
quem Pontifex, Gardinales et Episcopi cum familiaribus ingrediuntur , in qr.o
et ipsorum consessus et altare ipsum est, septis et cancellis ferreis inargen-
tatis paulo ultra tertiam pavtem a reliquo, in quo hospites vulgusque consistit.
Die Statue Leo’s X. befindet sich jetzt in der Kirche S. M. in Aracoeli.
®) Diese Gemächer, mit (stark restaurirten) Wandmalereien aus der antiqua-
rischen Uebergangsperiode zwischen Mantegna , Filippino Lippi , Pinturicchio und
Raphael sind erhaltene Theile des alten Palastes.
Excerpte aus Joh. Fichard’s »Italiac von 1536. 137
separatus est. Ad eius dexteram prope in alto, quasi in moeniano consistunt
symphoniaci supra modum vocales. Pavimentum huius sacelli ornatissimum
est, vario marmore, diversis circulorum anfractibus et aliis vermiculationibiis.
Reliqua inferius annotabo. Celeberrimum est hoc sacellum, omnium pictorum
judicio, propter incomparabiles picturas Raphaelis Urbinatis ^®), quarum tarnen
colores nunc non mediocriter obfuscati videntur, quod haud dubie propter
quottidianas accidit suffumigationes. Totimi autem pictum est.
Bibliotheca Vaticana amplissima est, humi posita, pulpitis et ordine
conspicua. Est autem duplex exterior et interior; interior est illa secreta,
quae conclusa est, nec nisi per Gustodem inspici potest. Gustos Bibliothecae
eius est Faustus Sabaeus Poeta, homo severus et senex. Atrium Bibliothecae
domus ipsius Sabaei est ").
Ex palatio itur in hortos latissimos, post quos est locus ille » Belle viderc,
qui aedificiis, ambulacris, fontibus, arboribus, statuis antiquis, positu et pro-
spectu est ornatissimus et incomparabilis. Habet cochleam per quam as-
cenditur ad summum. usque, unde potissimum patet loci amoenitas et pro-
spectus, qualem nusquam esse puto amoeniorem.
Gastello S. Angel o Superius in duas partes aedificia dividun-
tur, quarum altera pontifici destinata est, altera a custodibus et familia habi-
tatur. Pontificis conclavia pauca sunt et angusta. In porta harum legitur
hoc distichon:
Haec aulam, haec thermas, gelidos haec ducit in hortos
De tribus hanc quamvis, tu tibi carpe viam.
Hac porta ingressus (quae parvula est) vides statim hortos angustissimos sed
amoenissimi aspectus, picturis ornatos. Inde pervenis in balneolum, quod et
ipsum angustum est, sed conchis marinis et picturis inauratis admodum ele-
gans. Istic sedens sanctissimus in labro quodam ovato lavat calida, quae per
nudam quandam aeream puellam subministralur. Sunt et plures inibi nudae
puellae depictae. Ex quibus dubito quin magna devotione tangatur.
Aula et ipsa angusta est, habens adjunctum sacellum, paucorum homi-
num capax.
ln suprema parte (Burgi) angeli stant duo, strictis gladiis, alter humi,
alter deauratus in altissima pertica collocatus. Inde nomen habet burgum.
Inferius prope ingressum primarum portarum adjunctum habet amoe-
nissimum hortum , sed non admodum et ipsum amplum. In eo Sphinges II
masculus et foemina, forma solita sculpti videntur. In eodem porticus est,
antiquis Alexandri VI picturis (quoties ille a Garolo VIII puto osculo pedum
Dieser Irrthum, den Namen Raphael’s, der ihm in den Stanzen genannt
■war, hier in der Sixtinischen Capelle zu nennen, statt den Michelangelo’s, und die
Malerei von oben bis unten als Eins zu betrachten, ist bezeichnend !
**) Es handelt sich nur um die Schöpfung Sixtus’ IV. (vergl. Schinarsow,
Melozzo da Forli, S. 37 f.). Die >bibliotheca pensilis« Julius’ II. (vergl. Albertini,
Fol. 90 a) erwähnt er nicht.
Die Wendeltreppe des Belvedere, ein Werk Bramante’s.
XIV
10
138
August Schmarsow:
honoratus sit) ornatus. Eodem adjuncla conclavia duo, quarum interius orna-
tissimum est, labidatis supernis in totum deauratis
Palazzo Venezia. Palatium S. Marci est amplum et magnifice coep*
tum, sed nec ex dimidio perfectiim. Habet spaciosissimas aulas, in quarum
altera interiori videtur mappa mundi (ut vocant) maxima et ornatissime picta.
Est longitudinis hybernaculi mei inferioris Francofordiae , altitudinis fere eius-
dem. Septa est ligneis cancellis ne prope accedentium manibus contaminetur.
Pontifex hic Paulus plerumque hic in aestivis agit
Prope hoc palatium extat arcus asseritius Garolo [V.] urbem ingredienti
excitatus, tumque totus inargentatus. Est etiam nunc ornatissimus et elegantis-
simus, sed tempestatibus imbribusque in dies magis et magis corrumpitur.
Palazzo della Valle. Hic verus est omnis Romanae vetustatis the-
saurus. Nam tota superior aedium pars intus in circuitum ornatissima est
exquisitis veterum marmoreis statuis. Ibidem etiam lupa cum conditoribus
Urbis ex porphyro ....
E regione post illam domum hortus est, attinens ad domum; in eam
ingressus tantum statuarum vides, ut credas in eum locum unum, quicquid
usquam Romae fuerit inventum, esse congestum. Inferius in curia plurima
jacent neglecta. Superius in porticu utrinque in loculis suis positae sunt
lectiores statuae marmoreae. Lectissimae autem in liorto pensili, proxime
ad’’incto, qui elegantissime extructus ita insuper istis monumentis ornatus est,
ut nihil sit istic sculpti marmoris fere, quod non ex antiquitate repositum
adaptatumque sit. Locus est quadratus in latitudine, utrinque porticus;
’*) Diese Notizen sind sehr wichtig; denn sie bringen uns einen Schritt
weiter in der Reconstruction dieser bei einer Piilverexplosion untergegangenen
Räume und ergänzen die bisherigen Quellen (Vasari und Lorenz Behaim) über die
Malereien des Pinturicchio. Nach Vasari’s Ausdrücken: »ln Castello Sant’ Angelo
dipinse infinite stanze a grottesche; ma nel torrione da basso nel giardino fece
istorie di papa Alessandro, e vi ritrasse Isabella regina Catlolica, Niccolö Orsini
conte di Pitigliano , Gianiacomo Triulzi , con molti altri parenli ed amici di detto
papa, ed ln particolare Cesare Borgia, il fratello e le sorelle, e molti virtuosi di
que’ tempi« (Opp. III, p. 499 f.) und (V, 202): »In quel tempo che il Pinturicchio
per Alessandro VI dipingeva le camere papali [Appartamento Borgia], e in Castel
Sant’ Angelo le logge e stanze da basso nel torrione, e sopra altre camere« . . .
hatte ich mit Hülfe der Inschriften bei Lorenz Behaim ein achtseiliges Thurm-
gemach für diese Geschichten Alexanders VI. annehmen zu müssen geglaubt (vergl.
meinen Pinturicchio in Rom, S. 64 f.). Jetzt stellt sich heraus, dass »torrione« die
ganze thurmähnliche Bastion bezeichnen soll, in deren Inneren sich »le loggie e
stanze« befänden, und dass die sechs Historien, die Behaim’s Epitaphien schildern
in der »Porticus«, offenbar auf den Wandfeldern an der Innenseite der Arcaden
gemalt waren. An den Kreuzgewölben darüber waren unter Anderem acht Medail-
lons mit römischen Kaiserporträts und zugehörigen Sinnsprüchen gemalt. Die
Innendecoration des Prunkgemaches, das Fichard erwähnt, wird nach Art des
Appartemento Borgia zu denken sein.
Paul III. folgte also dem Beispiel seines Namensvorgängers, der den
Palast gegründet hatte und dort gestorben war.
Excerpte aus Job. Fichard’s »Italiac von 1536.
139
latera löngitudinis habent statuas in loculis suis, superius interpositae quasi
tabulae . . .
Ad dextrum latus descendebatur in conclave quoddam, cui erat adjunctum
balneolum elegantissimis lascivissimisque nudarum puellarum lavantium etc.
picturis ornatissimum , Pontificis in Burgo Ängeli et amplius et sumptuosius,
more Romano extructum
Das Badezimmer des Cardinais Bibbiena im Vatican , das Fichard nicht
gesehen zu haben scheint, stand also nicht so allein da! Der Erbauer des Palazzo
S. Andrea della Valle war der Sohn des Leibarztes Sixtus’ IV., früher Bischof von
Cortona und Mileto, unter Julius II. apostolischer Geheimschreiber, unter Leo X. 1517
Cardinal geworden. Ueber die erwähnten Theile des Palastes vergl. Vasari, Leben
des Lorenzetto (Opp. IV, p. 579) »fece il disegno (pel palazzo) della Valle la facciata
di dentro , e cosi il disegno delle stalle ed il giardino di sopra , per Andrea cardi*
nale della Volle, dove accomodö nel partimento di quell’ opera colonne, base e
capitegli äntichi ; e spart! attorno, per basamento di tutta quell’ opera , pili antichi
pieni di storie; e piü alto fece sotto certe nicchione un altro fregio di rollami di
cose antiche, e di sopra nelle delte nicchie pose alcune slatue pur antiche e di
marmo, le quäle sebbene non erano intere .... l’accomodö nondimeno benissimo.
(Schluss folgt.)
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen,
neue Funde.
Mainz. Greschichte der Galerie.
Unsere deutschen Gemäldegalerien haben fast sämmtlich ihren Ursprung
in den fürstlichen Privatsammlungen. Manche von ihnen lässt sich bis in
die Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts zurück verfolgen. Erst später,
bisweilen erst im Laufe dieses Jahrhunderts , wurden aus den fürstlichen
Kunstsammlungen (welche doch eigentlich mehr Curiositäten*Cabinette waren),
die Bilder als ein zusammengehöriges Ganzes ausgeschieden. Ueberweisungen
aus den fürstlichen Schlössern , bisweilen auch grosse Ankäufe bereicherten
den Bilderbestand. Wie auf diese Weise noch in unserem Jahrhundert aus
einer massigen fürstlichen Privatsammlung eine grosse Galerie erwachsen
konnte, in welcher keine Hauptrichtung der Malerei unvertreten ist, das zeigt
uns die Geschichte der k. Gemäldegalerie in Berlin.
Abweichend von diesen mit reichen Mitteln versehenen fürstlichen Gale*
rien gestaltet sich die Geschichte der wenigen, durchgängig auch minder be-
deutenden städtischen Galerien Deutschlands. Es ist vielleicht nicht ohne
Reiz, nachdem Bode vor Kurzem’) die Entwicklung der sämmtlichen deut-
schen Galerien während der letzten Jahrzehnte in grossen Zügen skizzirt hat,
die Geschichte einer der städtischen Galerien , nämlich derjenigen der Stadt
Mainz, etwas eingehender zu betrachten ^).
Die Geschichte der Mainzer Gemäldegalerie reicht nicht über die Zeiten
der französischen Besitzergreifung zurück. Allerdings war die Stadt bereits
zu den Zeiten des Kurstaats nicht arm an guten Bildern; denn sie beher-
bergte damals die Sammlungen der Kurfürsten, des reichen Kurmainzer Adels
(z. B. der Domherren Eltz und Stadion) und die Künstschätze der Klöster und
Stifter. Allein die Sammlungen waren grossentheils vor dem ersten Ein-
dringen der Franzosen (October 1792) mit ihren Eigenthümern auf das rechte
’) Juliheft (X.) der Deutschen Rundschau 1889.
*) Das dazu benutzte urkundliche Material entstammt dem städtischen Archiv
zu Mainz.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen etc.
141
Rheinufer flüchtig gegangen, zu einem geringeren Theile aber in den Wirren,
welche der ersten französischen Besitzergreifung (October 1792 bis Juli 1793)
folgten, die Beute einheimischer und französischer Plünderer geworden. Dies
Schicksal widerfuhr namentlich auch den Gemälden, welche sich in den Kirchen
und in den Wohnräumen der zahlreichen und begüterten Klöster und Stifter be-
funden hatten. Als im Jahre 1802 die Klöster und Stifter endgiltig aufgehoben
wurden (seit 1798 hatten sie unter einer Art von Sequester gestanden), war
von ihren Bildern nur noch Weniges vorhanden ; nur einige zwanzig Gemälde,
zumeist Werke der altdeutschen Schulen, darunter recht tüchtige, hatte der
Geschmack der zugreifenden »Kunstfreunde« verschmäht. Der Maire der Stadt,
Macke, trotz der rauhen Zeiten ein verständnissvoller und wahrer Freund der
Kunst, nahm sie für die Stadt Mainz in Besitz und brachte sie in Sicherheit *).
Sie bilden den ältesten Bestandtheil der heutigen städtischen Sammlung ®),
Doch konnten sie vorerst nicht öffentlich ausgestellt werden , nicht nur weil
es an Platz fehlte, sondern auch weil sie einer Restauration dringend be-
dürftig waren. Sie blieben daher noch in vorläufiger Verwahrung in der
Behausung des Maire ®).
Kurze Zeit darauf, im Jahre 1803, wurde die Stadt Mainz auch von
Staats wegen, d. b. von Seiten der französischen Republik, welcher sie seit
dem December 1797 angehörte, mit einer Ueberweisung von Gemälden be-
dacht ^).
Der Grundsatz, Alles, was die Republik bei der Confiscation der könig-
lichen und herrschaftlichen Schlösser, bei der Säcularisation der kirchlichen
Anstalten, besonders aber auch auf ihren erfolgreichen Kriegszügen an Bildern
erworben hatte und stets noch dazu erwarb, in dem Musee Central in Paris
zusammenzubringen , erwies sich nämlich auf die Dauer als undurchführbar.
Um den Ueberfluss, an welchem das Musee Central geradezu erstickte, los zu
werden, regte der Minister des Innern, Ghaptal, in einem Bericht an den- ersten
Gonsul®) die Vertheilung einer Anzahl von Bildern an 15 Departementshaupt-
städte an, unter welchen sich auch Mainz befand. Ein Decret des ersten
®) Vgl. K. G. Bockenheimer, Geschichte der Sta'dt Mainz während dei zweiten
französischen Herrschaft (1798 — 1814). Mainz 1890.
^) Vgl. Rheinisches Archiv für Geschichte und Litteratur. Herausgegeben von
N. Vogt und J. Weitzel, Bd. X, Wiesbaden 1813, p. 88.
®) Es ist also nicht gerechtfertigt, wenn Bode (1. c. p. 132) die Mainzer Samm-
lung mit dem etwas odiösen Stigma einer »Galerie von Napoleons Gnaden< behaftet;
wenn auch die Zurückführung ihres Ursprungs auf einen besonderen Gnadenact
Napoleons der älteren Ortsüberlieferung entspricht. In Wahrheit verdankt vielmehr
die Stadtgemeinde die ersten Anfänge ihrer Sammlung der Initiative ihres eigenen
Vorstandes, des Maire Macke.
®) U. 14, Jetzt Petersstrasse Nr. 14. — Vgl. Rheinisches Archiv X, p. 88.
^) Vgl. zum Folgenden auch: Clement de Ris, Les musees de Province
(2. Aufl. Paris 1872), und Woermann, Die Provinzial-Galerien Frankreichs (Zeit-
schrift f. büd. Kunst, Bd. XVI, p. 56 fl'.).
®) Abgedruckt bei C!. de Ris, p. 441—442.
142
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Gonsuls vom 14, Fructidor Vlll ®) genehmigte den Vorschlag des Ministers.
In Ausführung dieses Decrets wurde eine Commission eingesetzt mit der Auf-
gabe, unter den Gemälden des Musee Central, nämlich den oben genannten
Gruppen, und ausserdem den Akademiepreisen aus den Jahren 1649 — 1793,
eine Ausscheidung vorzunehmen. Die ausgeschiedenen Bilder wurden sodann
den einzelnen Städten zugetheilt. Nachdem 1802 die Thätigkeit der Commission
beendet war’®), durfte endlich gegen Ausgang des Jahres 1803 die Stadt Mainz
— freilich nur gegen Erstattung der für die damalige geldarme Zeit nicht
unbeträchtlichen Restaurations- und Transportkosten von 3297,75 Francs”) —
die ihr anheim gefallenen Bilder durch einen Bevollmächtigten in Paris in
Empfang nehmen. Die Gemälde, 35 an der Zahl, gingen in zwei Trans-
porten ab, deren zweiter am 18, Frimaire XII (10, November 1803) an seinem
Bestimmungsort ankam”).
Seiner geschilderten Provenienz entsprechend, bestand dies französische
Staatsgeschenk meist aus Werken von grossem Umfang; Antwerpener, Lüt-
ticher und französische Meister des 17, und 18, Jahrhunderts waren besonders
vertreten.
Als die Bilder in Mainz ankamen, war für sie die geeignete Unterkunft
natürlich noch viel schwerer aufzutreiben , als für die bereits vorhandenen,
weniger umfangreichen altdeutschen Bilder, Sie waren aber unter der aus-
drücklichen Bedingung sofortiger Auf- und Ausstellung überwiesen worden.
Der stets hilfsbereite Maire Macke gab darum auch für sie vorläufig einen
Raum seiner Privatwohnung her. Die Bilder wurden jedoch, da der Platz
nicht dazu ausreichtc, sie neben einander aufzuhängen, auf Leisten und
Rollen, wie Theatercoulissen verschiebbar, hinter einander, so gut es eben
gehen wollte, aufgestellt”).
Bei diesem Provisorium blieb es bis 1815. In diesem Jahre wurden
auf Betreiben Justus Gruner’s, des Gouverneurs des Mittelrh^ins ”), die beiden
Bestandtheile der Sammlung, die altdeutschen und die von Frankreich über-
wiesenen Bilder vereinigt und aus ihrem traurigen Aufbewahrungsort erlöst;
®) Abgedruckt bei CI. de Bis, p. 2.
”) Erlass Chaptars vom 30. Thermidor X mit dem Looszettel »Lot IX« in
Anlage.
”) Miltheilung des Generaldirectors des Musee Napoldon Vivant-Denon vom
1. Fructidor XIII.
’®) Jedoch nach einer sehr unglücklichen Reise. Auf der Fahrt über die
Mosel fielen die Bilderkisten ins Wasser und konnten erst nach mehreren Tagen
gehoben werden; die Farbenschicht der Bilder drohte infolge davon sich loszu-
lösen ; die meisten derselben waren mit einer Kruste feinen Wassersandes über-
zogen. (Protokoll vom 18. Frimaire XII des Notars Lothar Drey.)
”) Vgl. Rheinisches Archiv, Bd. VII, Mainz 1812, p. 90—91. Zugänglich
wurden sie trotz der bei der Ueberweisung hinzugefügten Bedingung erst zwischen
1809 und 1812 gemacht; vgl. Annuaire Statistique du Departement du Mont-Ton-
nerre pour TAn 1809. Mayence chez F. Kupferberg, p. 150; Rhein. Archiv VII, 1. c.
”) Erlass vom 31. März/ 12. Juni 1814.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde. 143
die Räume der damaligen Sladthibliothek, die sogenannte »Burse« nahmen
nunmehr die Sammlung auf. Dort lebte sie ihr Stillleben weiter. Abgesehen
von einem Verkauf und einem Tausch einiger Bilder^'’), abgesehen von ge-
ringfügigen Schenkungen und abgesehen von einer leider nur zu durchgrei-
fenden Restauration der meisten Bilder in den Jahren 1817—1820 ereignete
sich nichts für die Galerie Bemerkenswerthes. Von Besuchern wurde sie
jedenfalls auch nicht viel belästigt, denn sie war regelmässig verschlossen
und wurde nur auf Verlangen vom Bibliothekdiener geöffnet ’ ^). Die An-
fechtungen einiger Revindikanten , welche ihre Rechte auf einzelne Bilder
des französischen Staatsgeschenkes aus der vorfranzösischen Zeit her geltend
zu machen suchten, so des niederländischen Staates und der Stadt Nürnberg,
wurden ohne grosse Schwierigkeiten überwunden^®).
Neues Leben und Wachsthum brächte der Sammlung erst das Jahr 1841.
Am 27. April dieses Jahres verstarb in Mainz der früher in London, sodann
in Frankfurt a. M. und Baden-Baden wohnhaft gewesene Kunsthändler Martin
von Metzler, nachdem er sein Lager an Kunstwerken der Stadt vermacht
hatte. Nach längeren Verhandlungen mit Erbschaftsprätendenten und -gläubigem
gelangte die Stadt im Jahre 1842 in den Besitz. Damit war der Bestand der
Sammlung von ungefähr 60 Bildern auf rund 240 gestiegen ^®). Besonders
zahlreich in der von Metzler’schen Zuwertdung waren niederländische Cabinets-
stücke, welche in der Galerie vorher nicht vertreten gewesen waren, so dass
der Zuwachs zugleich eine glückliche Ergänzung bedeutete. Auch Italiener
fehlten nicht.
Die grosse Vermehrung der Sammlung veranlasste ihre Ueberführung
in würdigere Räume. Es wurden für sie mehrere Säle des ehemaligen kur-
fürstlichen Schlosses hergerichtet, welches bis zu dieser Zeit als Lagerhaus
gedient hatte. Die Uebersiedlung war im Winter 1843 auf 1844 vollendet.
Seit dieser Zeit ging die Entwicklung langsam , aber stetig vorwärts.
Grössere und kleinere Schenkungen bekunden das Interesse, welches die
Bürgerschaft an ihrer Galerie nimmt. Aus den letzten Jahren sind hervor-
zuheben die Schenkung der Veit’schen Gartons zu den Wandbildern im Mainzer
Dom durch die Wittwe des Malers, der viele Jahre lang der Galerie als
Director vorgestanden hatte, sowie die Vermächtnisse zweier Mainzer Bürger,
des Buchdruckereibesitzers Joseph Mayer (gest. April 1889) und des Rentners
J. B. Hofmann (gest. Mai 1889), die der Galerie einen Zuwachs von fast
hundert Bildern der niederländischen Schulen, darunter Namen, wie Adriaen
E. 39, jetzt Neubrunnengasse 1.
Vgl. hierzu insbesondere: Rescript der k. k. Oesterreichischen und k.
Preussischen vereinigten Administration der Stadt und Festung vom 19. September
1814; Bericht des Bibliothekars Lehne vom 9. September 1815.
^3 Brühl, Mainz, geschichtlich, topographisch und malerisch dargestellt,
Mainz 1829, p. 348.
Vgl. u. a. : Administrationserlass vom 17. November 1815; Bericht des
Bibliothekars Lehne an den Kreisdirector vom 3. Januar 1815 (V 1816).
Vgl. Nachlassinventar vom 7., 8,, 10. u. 11. Juni 1841 mit den Nachträgen
144
Berichte und Millheilungen aus Sammlungen und Museen,
van Ostade, Goijen, Dirk Hals, Palamedes Palamedesz, Salomon van Ruys-
dael gebracht haben.
Zur Zelt zählt die Galerie etwa 400 Nummern Gemälde und Kartons "®).
Am stärksten sind dabei die holländischen Maler vertreten. Ausser den be-
reits genannten holländischen Meistern würden Lievensz, Michiel Jansz. Miere-
veit, ein bezeichneter Dirk van Baburen und ein bezeichnetes Bild des ebenso
seltenen Bildmalers Geraerd Pietersz van Zyl (1665 in Amsterdam gestorben)
zu erwähnen sein. Unter den vlämischen Malern ragt Jordaens hervor, von
welchem die Galerie ein gutes Werk der späteren Zeit ,, ein grosses Altarbild
mit dem zwölfjährigen Christus im Tempel, von 1663 besitzt. Auch von Otto
van Veen, dem Lehrer des Rubens, ist ein tüchtiges Werk vorhanden. Von
vlämischen Cabinetstücken ist ein zierlicher Staelbent nennenswerth.
Die belgischen Maler des französischen Sprachgebiets vertritt Lairesse
und — wenn der Katalog recht hat — auch Jacques d’Arthois, der letztere
mit einer umfangreichen Landschaft.
Von italienischen Malern des Quattrocento finden sich eine Madonna
von Lorenzo di Gredi und ein interessantes oberitalienisches Altarbild, welches
der Katalog irrigerweise dem Bazzi zuschreibt ; von den späteren Italienern
sind Barbieri und Domenichino hervorzuheben , sowie das jedenfalls einem
Meister der römischen Schule des 17. Jahrhunderts zugehörige markige Gardi-
nalsbildniss ; Justi denkt an Sacchi oder Maratta; der Katalog versieht die
frühere Bestimmung Velasquez mit einem Fragezeichen.
Unter den Deutschen zieht ein Anonymus, vom Katalog behutsam
»Deutscher Meister um 1500« genannt, den Blick auf sich; sein Werk, der
Rest eines Flügelaltars mit der Anbetung der Könige und dem Martyrium
des hl. Stephanus, würde es wohl verdienen, der Anonymität entrissen zu
werden. Ausserdem ist ein Altarflügel vom Meisters des Thomasaltars be-
merkenswerth. Von den in der Regel wenig beachteten Deutschen des 17. Jahr-
hunderts, deren mehrere in der Galerie vorhanden sind, sei Johann Garl Loth
(1632—1698) genannt. Auch die nicht sehr erfreuliche deutsche Kunst des
18. Jahrhunderts weist eine Anzahl von Proben auf.
Von französischen Meistern ist weniger da: ein altfranzösisches Bild,
vom Katalog mit Vorbehalt dem Jean Gousin zugeschrieben, sowie je ein Bild-
niss von Nattier und von Pesne wären wohl hervorzuheben.
Die spanische Schule ist nach dem Katalog mit einem , allerdings an-
zweifelbaren, Murillo vertreten.
Von modernen Malern findet sich nicht viel, und auch dies ist zum gros-
sen Theil Eigenthum des Vereins für Kunst und Litteratur, welcher die ihm
gehörigen Bilder statulengemäss der Galerie zu dauernder Aufstellung einverleibt
2®) Nicht einbegriffen sind hierbei die Bilder des sogen. Mainzer Saales der
Galerie; dieser enthält Darstellungen aus der Mainzer Geschichte, Bildnisse Mainzer
Persönlichkeiten und Ansichten aus dem alten und neuen Mainz lediglich nach
stofflichen Gesichtspunkten geordnet.
*') Justi, Velasquez II. p. 83.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
145
hat. Unter den Gemälden ist ein vorzügliches Bildniss Thorwaldsen’s von
Eduard von Heuss (1808-1881), der Erzbischof Willigis in der Klosterschule
von dem jüngeren Wilhelm Lindenschrait und ein Aquarellencyklus »die
Rolandsknappen« von dem früh verstorbenen begabten Schüler Steinle’s, Ferdi-
nand Becker (aus Gonsenheim bei Mainz, 1846 — 1877), besonders anziehend.
Unter den Kartons diejenigen des älteren Lindenschmit (1806—1848) mit
Darstellungen aus der thüringischen Geschichte, die Veit’schen Kartons zu
den Wandbildern im Dom — beide Cyklen hängen leider im Treppenhaus — ,
sowie ein gemalter Karton des in Mainz verstorbenen Düsseldorfer Malers
Aug. Gustav Lasinsky (1811 — 1870).
Da die Mainzer Galerie sich wesentlich durch Schenkungen und Ver-
mächtnisse entwickelt hat, so sind mit guten und mittelraässigen Werken der
Malerei natürlich auch manche durchaus untüchtige herein gekommen ^*).
Dass Bilder der letzteren Art geeignet sind, einem den Genuss der leidlichen,
besseren , ja guten , neben welchen sie sich breit machen , gründlich zu ver-
derben, ist keine Frage. Eine Ausscheidung der schlimmsten dieser Gesellen
im Jahre 1888 ist der Sammlung nicht nachtheilig gewesen; immerhin sind
noch genug Bilder öffentlich ausgestellt, welche verdienten , in das Magazin
verwiesen zu werden. Andererseits ist es allerdings richtig, dass man in
einer kleinen Galerie keine hervorragenden Werke erster Meister zu finden
erwarten kann; es wäre unbillig, wenn man eine so strenge Ausmusterung
verlangte , wie sie grosse Galerien vornehmen können ; eine Galerie wie die
Mainzer darf sich wohl damit begnügen, ordentliche Werke der Meister zweiten
und dritten Ranges zu enthalten, und wird auch so ihrer Bestimmung, den
Geschmack und das Auge der Besucher zu erziehen, gerecht werden können.
Aber das darf erwartet werden, dass die Bilder der Sammlung geschmackvoll
angeordnet und gut beleuchtet aufgestellt seien. Und dass dies bei der Mainzer
Galerie durchweg zutrifft, wird man nicht sagen können. Mit dem römisch-
germanischen Centralmuseum, mit den anderen städtischen Sammlungen und
mit der Stadtbibliothek befindet sie sich nämlich zur Zeit noch in dem ehe-
maligen kurfürstlichen Schlosse. Dies gibt nun zwar für die übrigen Samm-
lungen, welche in Bezug auf die Beleuchtung der Räume nicht so anspruchs-
voll sind, wie eine Gemäldesammlung,^ eine prächtige Behausung ab; da-
gegen taugen seine liefen Säle und mächtigen Fensternischen zu nichts we-
niger als zur Aufnahme einer Bildergalerie. Von Cabinetten für die kleinen
Holländer, von Oberlichträumen für die grossen vlämischen und italienischen
Bilder ist natürlich keine Rede. Freilich hat man 1888 versucht — und
es soll für die Zukunft in noch ausgedehnterem Maasse geplant sein — ,
Zum Ankauf von auserlesenen Bildern sind erklärlicherweise die Mittel
nicht vorhanden; es ist zu wünschen, dass die Localmeister der Rhein- und Main-
gegend besonders dabei berücksichtigt werden , deren es zu allen Zeiten ganz
ordentliche gegeben hat. Namentlich wären Erwerbungen von Bildern der mittel-
und oberrheinischen .Schule des 1.5. und 16. Jahrhunderts (Schongauer- und Grüne-
waldgruppe!) dringend anzurathen, wozu sich freilich die Gelegenheit spärlich
genug bietet.
146
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
durch Einziehen von schrägen Wänden eine bessere Beleuchtung und mehr
Platz zu gewinnen. Jedoch ist dem Uebelstand kaum etwas abgeholfen, weil
die tiefen Fensternischen überhaupt nur kurze Zeit im Tage ein ruhiges, ge-
sammeltes und gleichrnässiges Licht einlassen. Derartige Einflickungen sind
zudem eine Sünde gegen die Architektur, und besonders gegen die reizende
Stuck-Plafonddecoration des Schlosses, welche dadurch für das Auge schmäh-
lich zerrissen wird. Möge man sich doch vielmehr dazu entschliessen , das
Schloss den übrigen eng genug zusammengepferchten Sammlungen zu über-
lassen und für die Gemäldegalerie (welcher die im Entstehen begriftene Samm-
lung von Kupferstichen und photographischen Reproductionen und von Hand-
zeichnungen anzuschliessen wäre) einen bescheidenen, nicht »monumentalen«,
aber zweckmässigen Neubau mit zwei oder mehreren Oberlichtsälen und einer
Anzahl von Cabinetten aufzuführen. Ein entsprechender Um- und Ausbau der
den Schlosshof nach dem Schlossplatz zu begrenzenden hässlichen Lagerhalle
wäre vielleicht ausreichend, ohne erhebliche Kosten zu verursachen. Eine der-
artige Lösung der Platz- und Lichtfrage würde einerseits den Pflichten genügen,
w'elche der bereits vorhandene Bilderbesilz der Stadt auferlegt; für die im Laufe
des Jahres 1889 erworbenen schier 100 Bilder ist bereits kein Raum mehr
vorhanden ; des älteren Lindenschmit und Philipp Veit’s Kartons müssen zu
ihrem Verderb an den Wänden verschiedener Treppenhäuser hängen. Anderer-
seits würde eine bessere Aufstellung der Gemälde nach Ausscheidung der
schlechten in passend beleuchteten Zimmern — die Etiqueltirung mit dem
Namen der Meister, die Abfassung eines ordentlichen Katalogs ergibt sich
dann schon von selbst — das Interesse der gemeinsinnigen und kunstfreund-
lichen Mainzer Bürgerschaft an ihrer Gemäldesammlung neu beleben, ein
Erfolg, welcher sich in der Vermehrung des vorhandenen Besitzes durch
weitere Schenkungen und Vermächtnisse praktisch aussprechen würde. An
Stoff dazu mangelt es in Mainz ja nicht; manche Privatsammlung hat Dank
dem Verständniss und dem Glück des Eigenthümers eine stattliche Zahl guter
Bilder aufzuweisen.
Was die Leitung der Mainzer Galerie angeht, so steht sie augenblick-
lich wieder, wie die grösste Zeit ihres Daseins hindurch, mit der Stadtbiblio-
thek unter einheitlicher Verwaltung. Nur einige Jahre lang war sie von
dieser Anstalt getrennt unter einem eigenen Vorstand, nämlich als Philipp
Veit von 1853 — 1877 Galeriedirector war. Vorher, von 1805 bis in die
vierziger Jahre, war der Zeichenlehrer und Gemälderestaurator Nicolaus Müller
ihr als Conservator vorgesetzt gewesen; wie man zu vermuthen Grund hat,
nicht sehr zum Vortheil der Bilder; denn diese haben unter seiner Verwaltung
zwei grosse Restaurationen durchmachen müssen, die erste, bereits erwähnte
zwischen 1817 und 1820 durch zwei eigens dazu bestellte Maler; die zweite,
welche er selbst, und zwar grossentheils an den bereits »restaurirten« Bildern
vornahm, um 1843.
Ein genügender Katalog der Galerie existirt bis jetzt, nicht. Das im
Jahre 1888 herausgegebene provisorische Verzeichniss der Gemälde beschränkt
sich auf die kurze Bezeichnung der Bilder nach Meister und Gegenstand, ohne
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
147
sich auf eine Beschreibung einzulassen; Angaben über Grösse, Material u. s. w.
fehlen. Allerdings ist eine Anzahl ganz unhaltbarer Benennungen der früheren
Kataloge beseitigt. Ein ausführlicher beschreibender Katalog, welcher alle er-
forderlichen Daten über die Bilder beibringt, thut daher noth. Einzelne Be-
stimmungen des jetzigen Verzeichnisses zu verbessern wird sich in der Folge
Veranlassung finden. Franz Rieffel.
Paris. Versteigerungen im Hotel Drouot.
I. Collection de M"'® V'"® R. V., 23. April 1890.
Diese Sammlung von Gemälden erreichte wohl nicht die hohen Preise
wie die des Herzogs von Durcal oder gar die Rothan’sche, die später im
Frühjahr stattfand, sie enthielt aber einige seltene vBilder von speciell kunst-
geschichtlicher Bedeutung. — Auch wurden gleichzeitig einige Porträts, die
aus dem Schloss Rohan in Prag herrühren sollten, verkauft.
Nr. 1. »Nicolos Berchem. Flussübergang.« Bezeichnet und datirt 1657.
3555 fr.
Nr. 47. »Michel de Corneille. Porträt einer Prinzessin.« Es gibt
indessen zwei Meister dieses Namens, Vater und Sohn. Dieses schöne Bildniss
war wahrscheinlich von dem jüngeren Corneille (1642—1708), dessen Werke
selten sind. Angeblich stammte es aus dem Palast Rohan in Prag. Mit
vollem Namen bezeichnet. 3550 fr.
Nr. 48. »Französische Schule. Porträt einer Prinzessin.« Dieses vor-
zügliche Bildniss aus dem 18. Jahrhundert stand Nattier am nächsten. An-
geblich auch aus dem Palast Rohan in Prag. 3400 fr.
Nr. 17. »Hals. Der frohe Zecher.« Am Kopf trägt er ein Barett
mit einer langen , rothen Feder. Er reicht lachend dem Beschauer ein
Seidel entgegen. Dieses lebenstrotzende und breit gemalte Bild stand dem
älteren Franz Hals sehr nahe. Es war mit einem J, das mit einem anderen
Buchstaben verschlungen war, bezeichnet. Der letzte Buchstabe war schwierig
zu deuten. Danach ein Zeichen in Form eines Sterns und das Datum 1679.
Bode erwähnt (Studien p. 102) ein Bild mit einem Monogramm, das ein
ähnliches sternförmiges Zeichen enthält, und das er Johannes Hals zuschreibt.
Betreffendes Bild, das zweifellos einem Mitglied der Familie Hals angehörte,
mag wohl von demselben Maler sein. Leinwand. H. 88 cm, Br. 83 cm. 2800 fr.
Nr. 39. »Terburg. Ruhende Jäger.« Mit dem gewöhnlichen Mono-
gramm des Meisters GTB in einander bezeichnet; doch mit der Eigenheit,
dass der erste Buchstabe einen Schwung nach links hatte und dadurch Aehn-
lichkeit mit einem umgekehrten S bekam. Das etwas leere Bild mit der zer-
streuten Composition gehörte zu den schwächeren Leistungen des Künstlers,
wenn es auch, wie ich glaube, von seiner Hand war. Der verworrene, kalli-
graphische Schwung in der Signatur deutete doch wahrscheinlich auf deren
Echtheit. Ein Fälscher, der z. B. ein P. van Anraadt mit dem Monogramm des
Terborch versehen wollte, würde sich doch vor einer solchen Absonderlichkeit
gehütet haben. 2475 fr.
148
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Nr. 33. »Jacob von Ruisdael. Landschaft mit einem Wasserfall.« Sehr
nachgedunkelt und von zweifelhafter Echtheit. Eine Bezeichnung war nicht
mehr sichtbar. 1750 fr.
Nr. 52. »David Ledere. Die Hebräer sammeln das Manna.« 1400 fr.
Nr. 15. »Claude Lorrain. Architekturbild aus dem alten Rom.« Gopie
oder Pasticcio. Die Figuren angeblich von Philipp Lauri (?). 1300 fr.
Nr. 16. »Jan van Goyen. Stadt an einem Ufer.« Bezeichnet J v G 1651.
810 fr.
Nr. 4. »J. Breughel d. Aelt. Vogeljagd. Mit Figuren von Helmont und
die Vögel von J. v. Kessel.« Helmont war indessen nur zwei Jahre alt und
Jan von Kessel noch nicht geboren, als Breughel starb, welcher Umstand diese
Gemeinschaft unmöglich macht. Doch auch die Landschaft war nicht von
Breughel. Das ganze Bild mit. Figuren und Vögeln kann man meiner Mei-
nung nach mit Recht Roland Savery zuschreiben. Ein ähnliches Bild , be-
zeichnet, in der Galerie zu Turin (Nr. 399). 765 fr.
Nr. 26. »Wilhelm Mieris. Die verfolgte Nymphe.« Ein kleines, schwa-
ches und spätes Bild ganz in der Manier von van der Werff. Wurde hoch
bezahlt mit 740 fr. Bezeichnet und datiit 1720.
Nr. 56. »Snyders (nach). Stillleben.« Das Original, glaube ich, in
Dresden. 740 fr.
Nr. 34. »Salomon Ruisdael. Stillleben.« Dieses Bild, das einen Trut-
hahn, drei Enten und anderes todtes Geflügel in einem Korbe darstellt, und
das in malerischer Schönheit und in der Kraft des Golorits den ersten Meistern
in diesem Genre nichts nachgibt , ist das einzige mir bekannte Stilllebensbild
dieses Meisters. Mit vollem Namen schön und gross bezeichnet und 1661
datirt. 715 fr.
Nr. 3. »Bout und Baudewyns(?). Landschaft mit einem Fluss.« 600 fr.
Nr. 36. »Hermann Saftleven. Vieh in einer Landschaft.« 510 fr.
Nr. 32. »Roland Roghman. Landschaft mit Hirten.« Dieses Bild war
nicht von R. Roghman. Es war mit einer vorzüglich nachgeahmten Rem-
brandt’schen Signatur versehen. Es dünkte mir eine englische Fälschung vom
Anfang dieses Jahrhunderts zu sein. 455 fr.
Nr. 42. »R. de Vries. Die Wassermühle.« Undeutlich bezeichnet.
490 fr.
Nr. 5. »J. Bylert. Das Austernfrühstück (Bordellscene),« Eins von den
seltenen Bildern, die mit vollem Namen versehen sind. 430 fr.
Nr. 58. .»Simon de Vlieger. Kleine Marine«. Bezeichnet. 380 fr.
Nr. 51. »Gillot. Scene aus der italienischen Komödie.« Dieses geist-
reiche und flott gemalte Bild stimmte so sehr mit bekannten Zeichnungen
von dem Lehrer Watteau’s überein, dass es möglicherweise mit Recht
diesem Künstler zugeschrieben wurde, von welchem man übrigens kein sicher
beglaubigtes Bild kennt. 360 fr.
II. Gollection Sabatier. 31. März bis 4. April.
Die Versteigerung der Gollection Sabatier, die mehrere Tage dauerte,
war selbst in Paris ein Ereigniss. Die reichhaltige Sammlung enthielt haupt-
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
149
sächlich egyptische Kunstsachen von theilweise sehr bemerkenswerther Art,
darunter mehrere Kolossalstatuen aus Granit und Basalt, ehrwürdige Kunst-
erzeugnisse, wie man sie nur selten in dem Besitz von Privaten findet. Trotzdem
hätten sich die französischen Kunstliebhaber, die bei Weitem das 18. Jahrhun-
dert nach dem 18. vor Christi Geburt vorziehen, nur sparsam eingefunden.
Um den Ankauf wetteiferte hauptsächlich das Louvre, der Herzog von
Aumale und die neue Glyptothek zu Kopenhagen. Diese letztere Sammlung
trug den Sieg davon und erwarb die schönsten und bedeutendsten Gegen-
stände.
Die wichtigsten Gegenstände seien hier genannt:
Nr. 1. Statue von Anubis , sitzend. Schwarzer Basalt. Aus der Zeit
Amenophis III. (XVIII. Dynastie). H. 1,57 m. 13,000 fr.
Nr. 2. Gruppe von schwarzem Granit, einen Mann, neben seiner Mutter
sitzend, darstellend. Gut erhalten. Saitischer Stil. H. 1,10 m. 16,500 fr.
Nr. 12. Sitzende Mannesstatue. Schwarzer Basalt. Die frische und
charaktervolle Arbeit könnte an die vorzüglichen Porträt-Sculpturen der V. und
VI. Dynastie erinnern. H. 0,90 cm. 10,500 fr.
Diese drei Werke wurden sämmtlich von der Glyptothek zu Kopen-
hagen gekauft und sicherlich nicht mit zu grossem Opfer, wenn man die
Seltenheit dieser edlen Kunstwerke, die im unvergänglichem Materiale die
Urtypen der Menschheit gross und einzeln darstellen, bedenkt.
Nr. 252. Anubis sitzend. Bronze. Die Augen mit Gold eingelegt. Schöne
Arbeit und vollständig conservirt. H. 0,57. 21000 fr. (Glyptothek in Kopen-
hagen).
Nr. 258 ter. Kopf und Büste von Ammon. Granit. H. 0,75 m. 1550 fr.
258 quint. Kopf Ammons. Granit. 1080 fr.
Nr. 332. Nofre-Toum. Bronze, mit Gold eingelegt. 1000 fr.
Nr, 328. Khnurn stehend. Bronze. H. 0,245 m. 565 fr.
Nr. 334. Nofre-Toum auf einem Löwen sitzend. Emaillirte Thonarbeit.
H. 0,13 m. 400 fr.
Nr. 374. Ptah. Bronze, vergoldet. Schöne Arbeit. H. 0,305 m. 870 fr.
Nr. 453. Gruppe, einen knieenden König und eine stehende Kuh dar-
stellend. Die zwei Theile der Gruppe scheinen in einer späteren Periode ver-
eint worden zu sein, da sie augenscheinlich nicht von derselben Hand her-
rühren. 690 fr.
Zuletzt wurden einige Mumienkisten, mit Malereien und Inschriften reich
bedeckt und vorzüglich bewahrt, verkauft. Die eine enthielt noch die Mumie.
Schliesslich nenne ich zwei schöne griechische Vasen , die für das
Antikencabinet zu Kopenhagen erworben wurden :
Nr. 659. Stamnos mit Deckel. Scenen aus dem trojanischen Kriege
darstellend. 720 fr.
Nr. 660. Stamnos • mit Deckel. Pendant zum vorigen. Triptolemos
und Demeter. 790 fr.
150
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen und Museen,
Versteigerung in der Galerie Georges Petit.
Collection Seilliere, 5, bis 10. Mai 1890,
Die Collection Seilliere eröfl'nete die Reihe der reichhaltigen und kost-
baren Sammlungen (die Collectionen Rolhan, Piot, May, Crabbe etc.), die in
der Frühlingsaison zu Paris in den Galerien Georges Petit und Sedelmayer
versteigert wurden, und deren Verkauf einige Millionen Francs in Umlau,
brachten.
Dem Katalog folgend fange ich mit einigen glasirten Terracotta-
Werken aus der Schule der Deila Robbia an:
Nr. 1. Luca della Robbia (Werkstatt): Madonna mit dem Kinde, dem
heiligen Geist und vier Engeln. Hochrelief. H. 82 cm, Br. 50 cm. 11,500 fr.
Nr. 2. Luca della Robbia (Werkstatt): Maria den Sohn anbetend. Flach-
relief. Diam. 1,15 m. 4800 fr.
Nr. 8 und 9, Luca della Robbia (Werkstatt): Zwei schöne emaillirte
Friesen: Cherubim, Palmetten, Füllhörner, Vögel. H. 37 cm, Br. 1,60 cm.
13,200 fr.
Nr. 15, Luca della Robbia (Werkstatt): Die Jungfrau vor dem Jesus-
kinde knieend. Hochrelief. H. 76 cm, Br. 50 cm. 14,100 fr.
Diesen Arbeiten standen indessen Andrea und dessen Söhne näher als
Luca. Sie gehörten sicherlich alle dem Cinquecento.
Von italienischen Fayencen nenne ich folgende:
Nr. 21. Die Fabrik von La Frata. Prachtvolle decorirte Schale. H. 30 cm,
Diam. 38 cm. 8250 fr.
Nr. 36. Fabrik von Caffagiollo. Runde Schüssel. In dessen Mitte das
Wappenbild der Familie Gonzaga. Diam. 35 cm. 4400 fr.
Nr. 48. Die Fabrik von Faenza. Grosse, runde Schüssel. Mucius Seä-
vola vor Porsenna darstellend. Datirt 1526, Diam. 47 cm. 5010 fr.
Nr. 41, Fabrik von Urbino. Elegante Vase mit Henkeln und Fussstück.
Mit einer reichen farbigen Decoration, den Triumph Amphitrites darstellend.
Auf dem Fussstück folgende Inschrift: Fato in Botega De Mestero Oratio
Fontana in Orbino. H. 43 cm. 8000 fr.
Nr. 44. Fabrik von Urbino. Grosse, runde Schüssel. Mit Darstellung des
Evangelisten Johannes von seinen Schülern umgeben das Evangelium schreibend.
Eine der Figuren hatte Aehnlichkeit mit Raphael. Diam. 52 cm. 4700 fr.
Nr. 49. Grosse emaillirte Schüssel mit einer Decoration, den Kampf vor
einer Stadt darstellend, vielleicht von Oratio Fontana. Diam. 46’|2 cm. 8000 fr.
Von einer Reihe schöner französischer Fayencen werde ich folgende,
alle von Bernard Palissy, nennen:
Nr. 93. Runde Schüssel mit einer Decoration , die Temperantia dar-
stellend. Auf dem Rande acht Medaillons, allegorische Darstellungen der
Künste, mit Mascarons und Fruchtguirlanden verbunden. Diam. 42’|2 cm.
12,500 fr.
Nr. 94 und 95. Zwei runde Schüsseln mit Fussstücken mit den Chiffren
Henris II., Katharina von Medicis und (angeblich) Diana von Poitiers (?) inein-
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
151
ander geschlungen. Durchbrochene Arbeit mit eniaillirten Ornamenten. Früher
in Coli. Preaux und Rattier. Diam. 24 cm. 23,000 fr.
Nr. 96. Grosse ovale Schüssel mit einer Decoration, die Fruchtbarkeit
darstellend. Früher in der Collection Soltykoff. H. 41 cm, ßr. 48 cm. 4000 fr.
Von Limoger-Emails fanden sich in dieser Sammlung mehrere be-
sonders schöne und auserlesene Exemplare, und sie wurden sehr hoch be-
zahlt. Im Ganzen werden hier die Limoger-Emails, in welchen das Kunst-
handwerk sich der eigentlichen Kunst zu nähern bemüht und fast dieses
mehr, als das gar zu prachtvolle und decorative Material es erlaubt, in höherem
Grade als irgend ein anderer Kunstartikel von den Amateuren gesucht und
verschwenderisch bezahlt.
Nr. 203. Leonard Limosin. Ovales Medaillon , Ludwig von Gonzaga,
Herzog von Nevers darstellend. Dreiviertel-Ansicht. Gr. Diam. 43 cm, kl. Diam.
30 cm. 97,000 fr.
Nr. 204. Leonard Limosin. Porträt von Katharina von Medici, ein Col-
lier mit den Chiffren Henris II. tragend. Dreiviertel Ansicht. Gr. Diam. 43 cm,
kl. Diam. 32 cm. 60,000 fr.
Nr. 205. Leonard Liniosin. Porträt von Franz I. Bezeichnet L L und
datirt 1550. Früher in der Collection Debruge und Soltykoff. H. 19 cm,
Br. 14 cm. 25,000 fr.
Nr. 206. Leonard Limosin. Porträt der Königin Claudia, die Gemahlin
Franz I. Auf der Rückseite das Monogramm des Künstlers und die Jahres-
zahl 1550. Aus den Collectionen Debruge und Soltykoff. H. 18 cm, Br. 16 cm
32,000 fr.
Nr. 208. Leonard Limosin (?). Triptychon. Das Mittelbild: Die Ver-
kündigung. Rechtes Flügelbild : Moses. Linkes Flügelbild : Die Sibylle Asponcia.
5000 fr.
Nr. 211. Jean III. Penicaud. Runde emaillirte Platte, die Kreuzabnahme
darstellend (nach Schiavone), en grisaille gemalt. Sehr schöne Arbeit. Aus
den Collectionen Brunet-Denon und Rattier. Diam. 22 cm. 30,000 fr.
Nr. 212. Jean III. Penicaud. Runde Schüssel mit Deckel en grisaille
decorirt. Unter Anderem mit Scenen aus der Geschichte Josefs. H. 20 cm,
Diam. 21 cm. 8600 fr.
Nr. 214. Martin Didier. Runde emaillirte Platte en grisaille auf schwarzen
Grund gemalt, das Urtheil Paris’ darstellend. Die Lichter mit Gold gehöht.
Bezeichnet M D. Diam. 26 cm. 9000 fr.
Nr. 215. Jean Gourtois. Ovale Schüssel, den Uebergang über das rothe
Meer darstellend. En grisaille und mit Gold gehöht. Auf der Rückseite ein
Cartouche mit Karyatiden und phantastischen Masken. Bezeichnet IC. H. 40cm,
ßr. 53 cm. 24,500 fr.
Nr. 218. Martial Courtois. Grosse, ovale Schüssel, die Rache Apollons
über Niobe darstellend. En grisaille gemalt, mit Gold gehöht und mit gefärbter
Garnation. Bezeichnet M C. In der Mitte eine Inschrift : Vengeance contre
Niobe. Gr. Diam. 51 cm, kl. Diam. 37 cm. 23,500 fr.
Nr. 220. Pierre Raymond. Runde Schüssel, einen Kampf zwischen zwei
152
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen >und Museen,
Heeren darstellend. En grisaille gemalt, mit Gold gehöht und mit gefärbter
Garnation. Bezeichnet P R und datirt 1569. Diam. 47 cm. 28,000 fr.
Nr. 221. Pierre Raymond. Ovale Schüssel, eine Scene aus dem 18. Ca-
pUel des Exodus darstellend. En grisaille gemalt, mit Gold gehöht und mit
gefärbter Garnation. Auf der Rückseite ein Porträt von Heinrich IV. und das
Dalum 29 Aoüt 1576. H. 40 cm, Br. 55 cm. 9500 fr.
Nr. 222. Pierre Raymond. Runde Schüssel mit Deckel und Fussstück.
Scenen aus der Geschichte Josefs, en grisaille gemalt. H. 25 cm, Diam. 17 cm.
12,500 fr.
Nr. 223, Pierre Raymond. Runde Schüssel mit Deckel. Auf der Innen-
seite das Gastmahl Aeneas’ und Dido’s. En grisaille gemalt, mit Gold gehöht
und die Fleischtheile gefärbt. Bezeichnet P. Rexmon und datirt 1546. H. 20 cm,
Diam. 20 cm. 9000 fr.
Von einer Anzahl schöner Metallarbeiten hebe ich hervor:
Nr. 303. Ein schöner Degen aus dem 16. Jahrhundert, mit sehr feinen
Ornamenten geschmückt und mit Gold damascirt. 2550 fr.
Nr. 304. Ein anderer schöner Degen vom Schluss des 16. Jahrhunderts.
Aehnliche Arbeit. Auf der Parierplatte der Buchstabe M in Relief. Angeblich
soll er dem Connetable von Montmorency zugehört haben. 4500 fr.
Nr. 305. Schlüssel aus Eisen mit Karyatiden, Mascarons und Delphinen
geschmückt. Schöne Arbeit. Ende des 16. Jahrhunderts. 4500 fr.
Von den Marmorsculpturen, die verkauft worden, waren die her-
vorragendsten :
Nr. 332. Maria mit dem Kinde. Flachrelief. Zwei Engel halten eine
Krone über ihrem Kopf. Auf jeder Seite Gandelaber mit Guirlanden aus Lor-
beeren verbunden. Theilweise vergoldet auf blauem Grund. — Diese Arbeit,
die von mehr decorativer als künstlerischer Bedeutung war, wurde von dem
Auctionskatalog mit Unrecht Donatello beigelegt. H. 90 cm, Br. 51 cm. 5200 fr.
Nr. 333 — 334. Maria m.it dem. Kinde. Angeblich in der Art des Do-
natello, hatte aber eine ausgeprägte Stilverwandtschaft mit einem Flachrelief
im Louvre in der Abtheilung der Renaissance-Sculpturen. Dieses gehörte der
Florentinischen Schule und stammte von der Mitte oder der letzten Hälfte des
15. Jahrhunderts. (Vergoldeter Stuck. Ohne Nummer, in dem kleinen, inneren
Locale aufgestellt.) Sollten nicht diese drei Werke von dem Atelier Rosellino’s
ausgegangen sein? In London in dem South-Kensington Museum findet sich
ein sehr ähnliches Relief, Maria mit dem Kinde, das man Rosellino zuschreibt ^).
1000 fr. 800 fr.
Nr. 335. Lorbeerbekränzte Büste eines jungen Mannes, eine reiche
Rüstung tragend. Die Nase war restaurirt. Auch dieses interessante Hoch-
relief wurde Donatello zugeschrieben, ohne Zweifel mit grösserem Fug als
1) Indem ich den Katalog von Bode und v. Tschudi: »Beschreibung der Bild-
werke der christlichen Epoche« durchsehe, finde ich daselbst Reproductionen von
Madonnadarstellungen (Nr. 70 — 72) von ganz demselben Typus. Den \ erfassern des
Katalogs zufolge gehen diese auf ein Original von Rosellino zurück.
über staatliche Kunstpftege und Restaurationen, neue Funde.
153
die vorigen. Es hatte nämlich eine ausgeprägte Verwandtschaft im Typus
mit einer Reihe Donatelli’scher Werke, in welchen die eingehende Kraft im
Ausdrucke, verbunden mit einer höchst entwickelten Technik, mit der Zufälli«^-
keit des Typus und dessen Mangel an Adel versöhnt. — Die Echtheit war
mir aber nicht einleuchtend. Es fehlte der Arbeit zu viel an Frische, die
Modellirung war zu schwach, die Züge für Donatello zu stumpf, und ich bin
zu der Annahme geneigt, dass sich hier eine spätere Nachahmung des bekannten
Donatelli’schen Typus fand. In »L’ecole des Beaux-Arts« findet sich ein Gips-
abguss dieser Reliefbüste, den Namen : Julian Apostata tragend. — H 59 cm
Br. 48 cm. 16,500 fr.
Nr. 338. Büste eines Geistlichen. Italienische Arbeit aus dem 17. Jahr-
hundert. 680 fr.
Nr. 339. Büste eines römischen Kaisers. Angeblich italienische Arbeit
aus dem 16. Jahrhundert. Nichts charakterisirt indessen dieses Werk als
Renaissancearbeit. Es war, wenn auch die Oberfläche viel gelitten hatte, eine
vorzügliche Marmorbüste aus der Zeit Hadrians, welchen Kaiser sie auch dar-
stellte. H. 94 cm. 2500 fr.
Von Silberarbeiten nenne ich folgende:
Nr. 340. Eine Wasserkanne, getriebenes Silber. Persische Arbeit aus
dem 8. oder 9. Jahrhundert. Publicirt von Odobesco in »la Gazette archeo-
logique 1886 pl. X«. Von dem Museum in Lyon gekauft. H. 36 cm. 2400 fr.
Nr. 341 — 344. Vier Evangeliendeckel. Getriebenes Silber, theilweise ver-
goldet. 1. Christus in seiner Herrlichkeit. II. Die Kreuzigung. III. Die Jungfrau.
IV. Die Verkündigung. 14. Jahrhundert. H. 48 cm, Br. 28 cm. 7350 fr.
Nr. 345. Rauchfass aus Silber, gothischer Stil. Deutsche Arbeit. Schluss
des 15. Jahrhunderts. H. 25 cm, Diam. 15 cm. 3800 fr.
Nr. 348. Becher aus vergoldetem Silber. Getriebene Arbeit und ver-
goldet mit Fussstück versehen. Mit Deckel, worauf ein Krieger in aufrechter
Stellung. Deutsche Arbeit (gebuckelt) aus dem 16. Jahrhundert. H.45cm. 1820 fr.
Nr. 349. Kleine, runde Schaale (gebuckelt) aus vergoldetem Silber.
Getriebene Arbeit mit Fuss.stück. Deutsche Arbeit aus dem 16. Jahrhundert.
H. 13 cm, Diam. 14 cm. 1000 fr.
Nr. 351. Sehr grosser »Vidrecome« von getriebener Arbeit und vergoldet
(gebuckelt). Auf dem Deckel eine kleine Figur, eine Lanze haltend. Die
Namenszüge Christi und Mariä auf dem Deckel gravirt. Deutsche Arbeit aus
dem 17. Jahrhundert. H. 60 cm. 1580 fr.
Nr. 352. Ein »Vidrecome« aus getriebenem und theilweise vergoldetem
Silber. Mit einer Darstellung von dem Triumph Davids decorirt. Der Deckel
ist mit einem Medaillon verziert und sein Henkel aus einer Karyatide gebildet.
Schöne, deutsche Arbeit aus dem 17. Jahrhundert. H. 20 cm. 1700 fr.
Nr. 354. Pokal mit Becken aus Silber, theilweise vergoldet, mit Rand-
verzierungen aus ciselirten Ornamenten geschmückt. Deutsche Arbeit aus dem
17. Jahrhundert. Die Höhe des Pokals 22 cm. Diam. des Beckens 48 cm. 1500 fr.
Nr. 356. Grosse, runde Schüssel aus ciselirtem und vergoldetem Silber.
Italienische Arbeit aus dem 16. Jahrhundert. Diam. 49 cm 3000 fr
XIV • •
154
Berichte und Mitlheilungen aus Sammlungen und Museen,
Nr. 369. Zwei Leuchter aus der Zeit Ludwigs XV. mit ciselirten Rococo-
ornamenten geschmückt. H. 25 cm. 3800 fr.
Nr. 372. Zwei Leuchter mit Eichenzweigen und ciselirten Rococoorna-
menten geschmückt. Schöne und charakteristische Arbeit aus der Zeit Lud-
wigs XV. H. 29 cm. 9000 fr.
Von den vielen bemerkenswerthen und kostbaren Porzellanen nenne ich:
Nr. 374. Schöne eiförmige Vase von altem Sevres-Porzellan (päte tendre)
mit apfelgrünem Grund, worauf Medaillons en grisaille. Die eine Ludwigs XV.,
die andere eine Trophäe darstellend. Aus der Collection Demidoff. H. (ohne
Fuss) 41 cm. 11,300 fr.
Nr. 391. Zwei cylindrische Kannen mit Drachenhenkeln aus altem
Chantilly-Porzellan (päte tendre). Mit Thieren und Blumen in japanesischem
Stil decorirt. 2500 fr.
Nr. 392. Zwei Vasen aus altem chinesischem Porzellan mit vergoldeten
Bronzemontirungen aus der Zeit Ludwigs XVI. H. 54 cm. 22,000 fr.
Nr. 393. Zwei grosse chinesische Vasen mit Bronzegarnitur aus der
Zeit Ludwigs XVI. H. 16 cm. 27,500 fr.
Die Collection Seilliere besass einen besonderen Reichthum an inter-
essanten, ja theilweise hervorragenden Bronzen:
Nr. 429. Taufbecken aus Bronze von cirkelrunder Form von vier Engeln
getragen, Wappenbilder haltend. Mit dreizehn Figuren von den Aposteln und
den Heiligen geschmückt, nebst einer Darstellung von der Kreuzigung in Flach-
relief. Das Datum 1483 in Römerzahlen. Deutsche Arbeit aus dem 15. Jahr-
hundert. — Mit dieser seltenen und vorzüglichen Bronzearbeit soll der junge
Baron Seilliere als Kunstsammler debutirt haben, und den Keim der später
so berühmten Sammlung kann man vielleicht in dieser glücklichen Erwerbung
suchen. H. 1,02 m, Diam. 92 cm. 19,000 fr.
Nr. 433. Bronzestatuette des jungen Herakles, nackt in stehender Stellung,
sich an seiner Keule stützend. Anfang des 16. Jahrhunderts. H. 33 cm. 3100 fr.
Nr. 434. Statuette Venus , nackt , in knieender Stellung darstellend.
Italienische Arbeit aus dem 16. Jahrhundert. H. 25 cm. 3700 fr.
Nr. 435. Eine Pieta, den todten Christus, der über den Knieen Mariä
liegt, darstellend. Aehnlichkeit mit der Pieta von Michelangelo in der Peters-
kirche zu Rom. Italienische Bronzearbeit des 16. Jahrhunderts. H. 30 cm.
8100 fr.
440—441. Zwei kleine Bronzefiguren, Engeln mit Füllhörnern,
Kandelaber haltend. H. 40 cm. 6500 fr.
Nr. 443. Statuette eines jungen, nackten Weibes. Sie hält in ihrer
linken Hand verschiedene mathematische Instrumente. Schöne Bronzearbeit
vom Schluss des 16. Jahrhunderts. H. 39 cm. 8000 fr.
Nr. 445. Schöne, kleine Büste eines Kindes in vergoldeter Draperie.
Aus dem 16. Jahrhundert. H. 32 cm. 4300 fr.
Nr. 448. Büste eines römischen Kaisers, natürliche Grösse. Die Chlamys
aus Marmor. Arbeit des 16. Jahrhunderts. H. 75 cm. 7400 fr.
Nr. 451. Statuette, einen nackten Mercur darstellend. — In Stellung
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
155
und Auffassung grosse Aehnlichkeit mit dem berühmten fliegenden Mercur von
Grovanni da Bologna. H. 83 cm. 7000 fr.
Nr. 452. Diese Nummer enthielt ein interessantes Bronzewerk von dem
seltenen Adriaen de Friess.
Es stellte eine allegorische Gruppe dar, im Katalog genannt: La gloire
terrassant le vice. Ein nacktes Weib mit Lorbeeren geschmückt, trägt in ihrer
erhobenen Linken einen Kranz, während sie mit ihrer Rechten ein anderes
nacktes Weib, das über einem Sack, aus welchem Goldstücke rollen, ruht,
zur Erde beugt. Diese schöne Arbeit war bezeichnet: Adrianus Friess 1610.
H. 76 cm. 66,000 fr.
Nr. 457. Bronzegruppe: Ein junges, nacktes Mädchen sitzt auf einem
Felsenstück; eine Ziege, die sie an einem Bande hält, labt sich ihr zu Füssen.,
Im Katalog wurde diese Gruppe Gumberworth zugeschrieben. Sie ist indessen
eine kleine Bronzewiederholung einer bekannten Marniorgruppe, die sich in der
französischen Sculpturabtheilung im Louvre findet: Amalthea von Pierre Julien
(1731-1804). H. 56 cm. 1600 fr.
Nr. 458. Zwei grosse und schöne Feuerböcke aus dem 16. Jahrhundert.
H. 1,20 m. 15,000 fr.
Nr. 461. Ein Thürhammer aus einer geflügelten Sirene geformt. Sie
hält in ihren Klauen ein Wappenbild: Bronze aus dem 16. Jahrhundert.
2300 fr.
Nr. 467 — 468. Vier Leuchter mit geflügelten Karyatiden mit Löwen-
krallen geschmückt. Auf jedem findet sich folgende Inschrift: Del M. Misier
Pietro Rolla et Gompagni 1567 soto il Guadianado. Italienische Bronzen aus
dem 16. Jahrhundert. H. 42 cm. 10,000 fr.
Von den vielen prachtvollen Meubeln im Stil der Renaissance, Barock
und Rococo nenne ich die schönsten und charaktervollsten:
Nr. 540. Grosses, französisches Meubel aus Holz; reich geschnitzt; vor-
zügliche Arbeit. Lyonerstil aus dem 16. Jahrhundert. H. 3 m, Br. 1,55 rn.
40,000 fr.
Nr. 541. Ein anderes kleineres, französisches Renaissancemeubel aus
geschnitztem Holz. 16. Jahrhundert. H. 2,40 m, Br. 1,26 m. 15,500 fr.
Nr. 544. Schöne italienische Truhe aus geschnitztem Holz mit Dar-
stellungen von Scenen aus der Geschichte Gäsar’s. H. 72 cm, L. 1,85 in,
Br. 62 cm. 11,000 fr.
Nr. 546. Grosser, viereckiger Tisch, getragen von zwei Säulen von
Karyatiden mit weiblichen Formen, die in Löwenköpfen und Löwenkrallen
endigen. L. 1,42 m, Br. 91 cm. 8000 fr.
Nr. 551. Zwei »Pliants«, ganz mit reicher, venetianischer Mosaik aus
Rosenholz, Zinn und Elfenbein bedeckt. Schöne und seltene norditalienische
Arbeit vom Ende des 15. Jahrhunderts. H. 95 cm, Br. 70 cm. 9200 fr.
Nr. 552 — 553. Vier Stühle reich in Holz geschnitzt und theilweise ver-
goldet mit Karyatiden, Masken und Laubwerk geschmückt. Italienische Arbeit
aus dem 16. Jahrhundert. 11,600 fr.
Nr. 555. Grosse und schöne Boule-Meubel aus der Zeit Ludwigs XVI.
156
Berichte und Mitlheilungen aus Sammlungen und Museen etc.
mit Reliefs aus vergoldeter Bronze geschmückt. H. 2,60 m, Br. 1,55 m.
18,000 fr.
Nr. 561. Besonders prachtvoller Schrank ganz mit eingelegter Arbeit
in Schildpatt und Zinn bedeckt. Was diesem Meubel specielles Interesse ver-
lieh, war eine reiche Decoration von eingravirten Figuren : Kämpfende Krieger,
Genien von Laubwerk umschlungen, Trophäen etc., alles flott, geistvoll und
mit künstlerischer Freiheit ausgeführt. Deutsche Arbeit aus der Mitte des
17. Jahrhunderts. H. 2,60 m, Br. 1,47 m. Dieses interessante Meubel er-
reichte nur 4100 fr.
Nr. 595. Secretär aus Rosenholz mit vergoldeter, ciselirter Bronzearbeit
garnirt und mit drei Platten aus altem Sevres-Porzellan (päte tendre) geschmückt,
auf welchem sich Medaillons mit einem Monogramm, dem Maler Evans an-
gehörend, fanden. Aus der Zeit Ludwigs XVI. 45,000 fr.
Nr. 616. Diese Nummer, bestehend aus einem Salonmeublement im
Rococostil: 2 Kanapees und 6 Fauteuils in geschnitzter und vergoldeter Holz-
arbeit mit alten Tapisserien aus Beauvais bezogen, erreichte den übertriebenen
Preis von 93,000 fr. und wurde nach London verkauft. Emil Jacobsen.
Litteraturbericht.
Archäologie. Kunstgeschichte.
Sevilla monumental y arli'stica. Historia y descripcion de todos los edi-
ficios notables . . . . y noticia de las preciosidades artisticas y arqueolögi-
cas etc. por Jose Gestoso y Perez. Tomo I. Sevilla 1889. 4«. XX
709 pp.
Dieser erste Theil des auf drei ansehnliche Quartanten berechneten
Werks wird gewiss von allen willkommen geheissen werden, die einmal Anlass
gehabt haben, das weitverzweigte Feld der künstlerischen Alterlhümer von
Andalusiens Hauptstadt forschend zu betreten. Beachtenswerth erscheint es
auch als Zeichen der dort jetzt wieder hervortretenden Richtung auf Hebung
der noch so reichen verborgenen Urkundenschätze, als Hauplweg, unsere
Kenntnisse wirklich zu erweitern, ja auf eine neue Grundlage zu stellen. Auch
die Anerkennung, welche man dem Verfasser für seine mühevolle Arbeit
schuldet, ist eine Absicht dieser kurzen Mittheilung, der ich einige Bemer-
kungen über die spanische Kunstlitteratur des zu Ende gehendenden Jahr-
hunderts vorausschicken möchte.
Jeder, der heute sich über irgend einen Punkt spanischer Kunstgeschichte
aufzuklären unternimmt, wird gar bald auf eine Thür stossen , die ohne den
Schlüssel der Urkunden nicht zu öffnen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser
Schlüssel in der Nähe, aber mit sieben Siegeln verwahrt wird , kann dann
wohl die weitere Beschäftigung mit dem Gegenstand verleiden. Nämlich die
Kathedralen und Gollegiaten haben meist noch alle ihre alten Archive der
Obra, Manuale, lihros becerros, aber selbst die durch Stand und Stellung be-
günstigten finden oft erhebliche Schwierigkeiten der Benutzung, während die
meisten freilich, welche einen Begriff vom Werth solcher Untersuchungen
haben , nicht zu diesen Begünstigten gehören.
So war man bis vor Kurzem auf die bekannten Werke angewiesen, die
noch unter dem überall Licht und Leben verbreitenden Einfluss der Regierung
Carl III. entstanden waren; Antonio Ponz’ Reise in Spanien (18 Bände, Madrid
1776—94), Gean Bermudez’ Künstlerlexicon (ebenda 1800, 6 Bde.), und die
Geschichte der spanischen Architekten von Llaguno, ebenfalls von Gean her-
ausgegeben (4 Bde., 1829), durch die zahlreichen und lehrreichen Documente
eines der nützlichsten und erfreulichsten Bücher zur Geschichte der Baukunst.
158
Lilleraturbericht.
Diese Werke waren auf eine, wenigstens für die Malerei der neueren Zeit bis
jetzt in Vollständigkeit noch nicht wieder erreichte Autopsie gegründet, ge-
wonnen auf vieljährigen Wanderungen, die Gean auch zur Befragung der
Archive benutzt hatte. Für Toledo und Sevilla, deren künstlerisches Inventar
allein dem einer Provinz gleichkommt, schlossen sich ihnen an die fleissigen
und brauchbaren, freilich nur auf gedruckte Quellen gegründeten Stadtbeschrei-
bungen von Rcinon Parro (Toledo en la mano 2 Bde., 1857) und Gonzalez
de Leon (Noticia arti'stca de Sevilla, 2 Bde. 1844).
ln den letzten fünfzig Jahren warf sich die rührige Thätigkeit vornäm-
lich auf grosse, zum Theil luxuriös ausgestattete Denkmälerpublicationen. Der
Löwenantheil fiel hiebei der mittelalterlichen, besonders frühmittelalterlichen
Baukunst zu, in den unvollendet gebliebenen Monumentos arquitectönicos (seit
1859) mit ihren trefflich gestochenen Aufnahmen, zu denen der Text freilich
meist ausgeblieben ist. Das Museo Espanol de antigüedades , herausgegeben
von De la Rada y Delgado (seit 1872) hatte sein Programm etwas weit ge-
steckt: auch prähistorische, ja zufällig nach Spanien verschlagene italienische,
flandrische, altgriechische, buddhistische Stücke füllen die Bände in buntem
Wechsel. Des Malers Valentin Carderera spanische Ikonographie (1855—64)
gab die trefflichen Aufnahmen meist der Porträtplastik angehöriger Denk-
mäler leider in charakterlosen Lithographien, aber der Text verräth den Kenner
und Archäologen. Die Zeitschrift El Arte en Espana (8 Bde. 1862—69) von
Gregorio Cruzada Villaamil ging aus Mangel an Theilnahme bald ein ; die
Wiederabdrücke der älteren Litteratur, der Malerbücher Vicencio Garduccho’s
(1865), Pacheco’s (1866), von demselben veranstaltet, und des Jusepe Martinez
(von Garderera 1866) wurden nicht fortgesetzt; die Schriften des 16. Jahr-
hunderts, wie Diego de Salcedo’s Medidas del Romano (Toledo 1526), Juan
de Arfe’s Varia comensuracion para la escuUura y arquitectura (Sevilla 1585)
sind jetzt fast unauffindbar, und es ist zu bedauern, dass die Gesellschaften
der Bibliophilen nie auf diese nicht bloss durch Rarität werthvollen Bücher
verfallen sind.
Die wissenschaftliche Litteratur, wie die Texte zu jenen Prachtwerken,
bestand meist in monographisch breiten fast immer gut stilisirten Beschrei-
bungen, verbrämt mit einer ad hoc gesammelten, nicht immer noth-
wendigen Gelehrsamkeit und mit ästhetisch -geschichtsphilosophischen Aus-
führungen. Die dort noch einen gewissen Reiz der Neuheit und Tiefe mit
sich führenden Erörterungen der Kunstwerke als Ausdruck des Geists der
Zeiten, die Ableitungen der Asceridenz und Descendenz nach der Entwicklungs-
lehre (die Worte desarrollo, desenvolvimiento haben einen besonders bedeuten-
den Klang), können den Wissbegierigen nicht dafür entschädigen, dass er auf
die ihm am Herzen liegenden Fragen meist die Antwort vergebens sucht.
Einen Beweis, wie viele Aufschlüsse noch zu bekommen wären, lieferte
vor 24 Jahren ein unscheinbares Büchlein, das eine neue Aera anzukündigen
schien. Es ist die Historia del templo catedral de Burgos, von Dr. Manuel
Martinez y Sanz, Ghantre der Kathedrale, Burgos 1866. Gegründet auf jahre-
lange, geduldige und vollständige Ausnutzung des reichen Archivs, ist es
Litteraturbericht.
159
musterhaft durch Zuverlässigkeit und Reichthum der Ergebnisse, gute Ordnung
und Knappheit der Darstellung,* einsichtige Auswahl der abgedruckten Docu-
mente, es hat eine Menge Irrthümer, Ungewissheiten und Räthsel für immer
beseitigt. Leider ist es ohne Nachfolge bei seinen Standesgenossen geblieben.
Aber wie kann man den Geistlichen hier einen Vorwurf machen , wenn an
der Gentralstelle für diese Dinge in Madrid, d. h. bei den hier massgebenden
Persönlichkeiten (wie man jüngere Gelehrte klagen hört), wenig Ermunterung,
ja eher Missgunst für solche Unternehmungen zu finden ist, wie denn z. B.
ein lorbeerbekränzter Akademiker das an der Spitze dieses Artikels aufgeführte
Werk als »Ameisenarbeit« herabzusetzen suchte!
Unter den Schriftstellern Madrids ist jedoch einer zu nennen, der sich
auf dem Gebiet der Urkundenveröffentlichung in der uneigennützigen Art
echter Gelehrten verdient gemacht hat: der Bibliograph Manuel Zarco del Valle,
Chef der königlichen Bibliothek, der 1870 in den Documentos ineditos einen
ganzen Band von ihm gesammelter Actenstücke mittheilte, freilich nur einen
kleinen Theil seines ansehnlichen Vorraths von Originalen und Abschriften,
deren Gesammtheit vielleicht ein spanisches Gegenstück von Gaye’s Garteggio
gegeben hätte.
Ein nachahmenswerthes Beispiel stellte seit 1876 Barcelona auf durch
die damals gegründete Associaciö Caialanista d’excursions cientificas. Diese
Gesellschaft veranstaltet Ausflüge in die Provinz, auf denen die Denkmäler
gezeichnet, photographirt , beschrieben und die bezüglichen Urkunden gesucht
werden. Die Veröffentlichungen bestehen in Memorias (seit 1880) und in
einem Album pintoresch monumental de Catalunya. So ist Gatalonien jetzt die
bestdurchforschte Provinz geworden.
In diesem Jahrzehnt jedoch hat der Ghantre von Burgos auch in Süd-
spanien Nachfolger gefunden. Seit Jahren widmet sich der Maler Manuel
Gomez Moreno der Erforschung der Denkmäler und Archive seiner Vaterstadt
Granada, über dessen künstlerische Vergangenheit er jetzt die bestunterrichtete
Person ist. Ueber die von ihm begonnenen Mittheilungen habe ich in der
Deutschen Rundschau (Octoberheft 1890) eine Notiz gegeben.
Und so kommen wir endlich zurück auf den Verfasser der Sevilla mo-
numental. Jose Gestoso y Perez gehört zu denen, welche die Neigungen und
Eigenschaften des Liebhabers, Kritikers und Kenners mit denen des eifrigen
Documentenforschers vereinigen. Bereits im Jahre 1883 führte er sich als
glücklichen Entdecker ein, durch seine Schrift über den Bildhauer Pedro Millan
{aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts), dessen Signatur er an einem der West-
portale der Kathedrale sowie an dem Portal von Santa Paula auffand. Aus
der letzteren ergab sich dass der Pisaner Ornamentist Niculoso Francisco, der
das Werk in der Robbiatechnik ausführte, sich der Modelle Millan’s für die
Statuetten und Gruppen der Medaillons bedient hatte. Um dieselbe Zeit er-
kannte er in einer grossen Altartafel, die damals in S. Julian zum Vorschein
kam, ein Werk des Juan Sanchez de Gastro, des »Patriarchen der Sevillaner
Maler«, von dem bisher nur ein übermalter hl, Ghristoph daselbst bekannt
war. Es folgte der nach Stilperioden geordnete Führer durch Sevilla (Guia
160
Litteraturbericht.
artistica, 1886), das beste Handbuch dieser Art durch die Umsicht und Reife
des Urtheils und die klare bündige Darstellung.
Seine archivalisclien Streifzüge begann er in dem Ayuntamienlo, dessen
Papieren er einige wichtige Aufschlüsse entnommen hat, z. B, die Entdeckung
des Architekten des plateresken Prachtbaus der Gasas consistoriales : es ist
derselbe Diego de Riafto, der u. a. das Hauptwerk dieses Stils dort, die grosse
Sacristei des Doms, entworfen hat.
Der oben aufgeführte erste Band seines Hauptwerks, unternommen im
Auftrag des Ayuntamiento , ein Ergebniss elfjährigen Fleisses, umfasst nach
einer Uebersicht des Wenigen, was in Sevilla von prähistorischen und römischen
Alterthümern , westgothischer und arabischer Kunst zu verzeichnen ist (S. 1
bis 67), die maurischen Denkmäler (bis 166) bis zur Eroberung der Stadt
durch Ferdinand III. (1248). Den grössten Raum nimmt dann der christlich-
maurische {mudejar) und der Spitzbogenstil ein , die hier der Zeit nach und
oft in demselben Gebäude nebeneinander herlaufen.
Der umfangreichste Abschnitt ist dem königlichen Schloss, dem Alcazar
(S. 293 ff.) gewidmet. Er hat dessen Archiv, d. h. seine Trümmer, und diese
reichen nicht über 1479 zurück, zuerst erschlossen, fast entdeckt. Denn er
hat die 360 Actenpäcke, aus denen es besteht und in deren Wust sich noch
kein Kunstfreund hineingewagt hatte, gelesen und geordnet. Seine Ausfüh.
rungen schliessen sich an die Ergebnisse des Arabisten Josö Amador de los
Rios und des kürzlich verstorbenen, auch in Deutschland und München be-
kannten edlen Francisco Maria Tubino, welche die früheren Ansichten über
die Entstehungszeit des jetzigen Palastes endgültig beseitigt hatten. Das
weltberühmte, mit der Alhambra wetteifernde Schloss ist ein Neubau Don
Pedro’s von Castilien von der Hand christlicher Mauren (1353 — 64). Richtig
aber ist, dass dieser spanische Königspalast sich innerhalb der Mauern des
Alcazar des Abdul Aziz, wie die Almohadenresidenz auf der Stelle des römi-
schen Prätoriums erhob. Von dem arabischen Bau ist es dem Verfasser
gelungen, Reste in den auf seinen Trümmern errichteten Häusern nachzu-
weisen, darunter einen Kuppelbau, von dem ein Riss (S. 324) mitgetheilt ist.
Aus mancherlei merkwürdigen Einzelheiten , worunter die noch nicht
ganz aufgeklärten Umbauten des Cuarto real im Stil der italienischen Renais-
sance unter Carl V., will ich hervorheben die mitgetheilten Documente über
das Bau- und Kunslgewerbepersonal des Alcazar, die Francos del Alcazar, so
genannt wegen ihrer Befreiung von den üblichen Abgaben und der Heeres-
folge durch ein königliches Decret Juan II. In der ältesten Liste (von 1479)
der an der Spitze dieser Francos stehenden Maestres albafiies (Maurermeister)
finden sich noch ausschliesslich arabische Namen. Darunter als Oberbaumeister
(Maestro mayor) Mahomad Agudo und dann sein Sohn Hamete, ferner (^aide,
Alisahar, Hamete Sahar, Bucar, Ali und zwei Mahomad. Danach lag also das
königliche Bauwesen noch 231 Jahre nach der Eroberung Sevillas durch den
christlichen König, 126 nach der Gründungsinschrift des jetzigen Alcazar und
78 nach dem Anfang der neuen golhischen Kathedrale, in den Händen ge-
taufter Mauren. An sie schliessen sich die castilischen Zimmerleute {car-
Litteraturbericht.
161
pinteros), xMaler (darunter jener Sanchez de Gastro), Erzgiesser, Waffen-
schmiede, sowie Drechsler u. a. In den folgenden Listen freilich verschwinden
die arabischen Namen ganz.
Für den zweiten Band des Werkes, welcher die Kathedrale behandeln
wird, ist Gestoso die fast unerhörte Gunst freier Benutzung des Archivs der
Kathedrale zugesagt worden. Hier darf man sich auf reichen Ertrag besonders
für die Malerei und Sculptur des 15. und 16. Jahrhunderts Aussicht machen.
Er bereitet auch ein sevillanisches Künstlerlexicon vor, für das er bereits vier-
tausend Zettel gesammelt hat und das betitelt sein wird: Diccionario de
artistas y artifices Sevillanos ö que ftorecieron en esta Ciudad desde el
Siglo XllL hasta nuestros dias. C. Justi.
Architektur.
Der Westbau des Münsters zu Essen. Aufgenommen, gezeichnet und
erläutert von Georg Humann. Essen, im Selbstverlag des Verfassers. 4®,
44 S., 3 Taf.
Warum ist die Litteratur der deutschen Baugeschichte an Einzeldarstel-
lungen, die höheren wissenschaftlichen Ansprüchen genügen könnten, so arm?
Sicherlich nicht desshalb, weil solche Arbeiten etwa unbedankt bleiben würden.
Sie sind die unentbehrliche Grundlage jedes soliden Fortschrittes, aber leider
ist ihre Ausführung an Bedingungen geknüpff, die nicht eben häufig eintreffen.
Denn ausser der allgemeinen Sachkunde im Technischen und Geschichtlichen
muss der Bearbeiter eine Vertrautheit mit dem Denkmal besitzen, wie sie in
einmaliger Untersuchung, auch der gründlichsten, nicht zu gewinnen ist, som
dem nur in jahrelanger Beobachtung, ja völlig in der That nur dann , wenn
sie in die Zeit einer das Gebäude bis ins Innerste blosslegenden Restauration
fällt. Alles dieses musste Zusammentreffen, damit eine so musterhafte Mono-
graphie, wie die von Fr. Schneider über den Dom von Mainz, entstehen
konnte. Eben derselben günstigen Voraussetzungen hat sich auch Humann’s
Arbeit zu erfreuen. Der Verfasser ist Architekt von Fach , von tüchtiger
kunstgeschichtlicher Bildung, in Essen ansässig.
Bei Benennung des heute weit über Europa hinaus bekannten Namens
Essen denkt man gewöhnlich an alles eher, als an die ehrwürdige Münster-
kirche des Ortes. Selbst in Deutschland (wo ja die vaterländische Denkmäler-
kunde noch nicht zur »allgemeinen Bildung« gehört) weiss es nur ein Dutzend
Fachgelehrter, dass hier, mitten im Walde von Fabrikschornsteinen, eines der
merkwürdigsten Incunabelwerke der deutschen Baukunst verborgen ist. Der
kunstgeschichtliche Entdecker desselben war Ferdinand von Quast. Seine im
Jahre 1856 veröffentlichte Abhandlung, von der bis jetzt alle Handbücher ge-
zehrt haben, machte indess eine erneute Untersuchung nicht überflüssig.
Vermuthlich waren Quast’s Zeichnungen recht ungenügend. Die ersten zu-
verlässigen (nach den mir gefälligst zur Verfügung gestellten Aufnahmen des
Bauinspectors Zindel) vermochte ich im Jahre 1884 in der von mir und
G. V. Bezold herausgegebenen »Kirchlichen Baukunst des Abendlandes« mitzu-
theilen. Nun bringt Humann auf 3 Tafeln und 22 Textfiguren ein erschöpfend
1G2
Litteraturbericht.
reichhaltiges Material. Aber auch die Geschichte des Bauwerks ist durch Hu-
mann wesentlich gefördert. Zunächst durch den Nachweis, dass die Grund-
mauern des Lang- und Querhauses älter sind, als der Weslbau. Der letztere
ist sicher nach dem Brande von 946 entstanden, die ersteren — mindestens
mit grosser Wahrscheinlichkeit darf es angenommen werden — vor diesem:
sie rühren also wohl von dem c. 873 vollendeten Stiftungsbau her. Die Reihe
der hypothetischen Karolingerbauten ist damit um ein interessantes Stück ver-
mehrt; man beachte u. a. die noch unentwickelte Kreuzesgestalt des Planes.
Der Erneuerungsbau nach 946 halte Emporen, die überhaupt für den deutschen
und nordfranzösischen Frühromanismus bezeichnend sind. Für die Entstehungs-
zeit des Westwerks fehlen feste chronologische Stützpunkte, sie ist innerhalb
des Jahrhunderts 946 — 1051 zu suchen: am ehesten, wie Humann mit guten
Gründen vermulhet, unter der Regierung der Aebtissin Mathilde, einer Enkelin
Ottos des Gr. (974?— 1011). Während die übrige Kirche einem gothischen
Umbau zum Opfer fiel, ist das Westwerk im Innern wie im Aeussern ziem-
lich unversehrt geblieben. Veränderungen von einiger Wichtigkeit hat nur
der obere Abschluss der Treppenthürme und der Abseiten erfahren. Humann’s
mit umsichtiger Deutung der vorhandenen Indizien vorgenommene Herstellung
(Taf. 1) kann ich nur gutheissen.
Dagegen fordert mich der Schlussabschnitl »Künstlerische und kunst-
geschichtliche Bedeutung« zu einigen Einwendungen heraus. Der Satz: »es
kann wohl nicht dem geringsten Zweifel unterliegen , dass der Entwurf und
die Bauleitung des von grosser Geschicklichkeit und Erfahrung zeugenden
Westwerks nicht einheimischen , sondern ausländischen Kräften zuzuschreiben
ist« — entbehrt jeder positiven Begründung; ich finde ihn auch nicht inner-
lich wahrscheinlich. Es sind ja namentlich im 10. und 11. Jahrhundert gal-
lische und lombardische Maurer nicht ganz selten zu deutschen Bauten heran-
gezogen worden; aber dass sie auch Entwurf und Bauleitung wesentlich be-
einflusst hätten, dafür habe ich bis jetzt gerade für die frühromanische Epoche
keine Beweise gefunden und finde sie auch in Essen nicht. Humann s Ansicht
scheint unter dem Einfluss einer doppelt irrigen Voraussetzung zu stehen.
Einmal, verführt durch das unkritische Buch von Mothes, das^ schon so viel
Schaden gestiftet hat, stellt er sich den Zustand der lombardischen Baukunst
im 10.' Jahrhundert viel zu günstig vor. Sodann schiesst er mit seinem Be-
streben, die Beeinflussung des Essener Westwerks durch die Pfalzkirche von
Aachen als ganz geringfügig darzustellen, doch recht sehr über das Ziel hinaus.
Es ist gewiss höchst oberflächlich, wenn viele kunstgeschichtliche Autoren
vom Westbau des Münsters von Essen weiter nichts, als dass er eine Nach-
ahmung von Aachen sei, zu sagen wissen. Die Unterschiede sind beträchtlich.
Aber gerade die ganz verschiedene Natur der zu lösenden Aufgabe lässt die
Bemühungen des Essener Meisters, Anklänge an Aachen, man muss sagen zu
erzwingen, doppelt merkwürdig erscheinen. Er hat den wahrscheinlich von
der Bauherrin ihm so gestellten Auftrag überraschend geist- und erfindungs-
reich durchgeführt. Dass darin mehr läge, als man einem Deutschen jener
Zeit Zutrauen könne, verneine ich.
Litteraturbericht.
163
Ich kann nicht schliessen, ohne über eine bedenkliche Erscheinung im
gegenwärtigen Zustande unserer Kunstwissenschaft Klage zu führen. Die Zahl
ihrer Jünger nimmt zu, aber zugleich deren Einseitigkeit; insbesondere zieht
sich das Interesse an der Architekturgeschichte in einen immer enger werden-
den Kreis zurück. Das wissen auch die Verleger. So hat Herr Humann
seine trefflich und sicher allgemein interessante Arbeit auf eigene Kosten im
Selbstverlag erscheinen lassen müssen. Ich spreche sicher nicht nur in meinem
Namen, wenn ich ihm dafür doppelten Dank sage. G. Dehio.
Kataloge.
Katalog der Gemälde-Galerie im Künstlerhause Rudolphinum zu
Prag. Prag 1889. 331 Seiten. 8°.
Die Gemälde-Galerie des Prager Rudolphinums bat nunmehr einen Katalog
bekommen , der auf der Höhe der modernen Anforderungen steht. Aus der
geschichtlichen Einleitung desselben entnehmen wir, wie sonderbar und ver-
schlungen die Pfade waren, auf denen die Sammlung sich schliesslich zu-
sammenfand. Der Gründung der »Privatgesellschaft patriotischer Kunstfreunde«
im Jahre 1796 war die Geburtsstunde. Allerdings waren die durch die Ge-
sellschaft damals zusammengebrachten Kunstwerke noch Privateigen thum,
und sie konnten nach einer bestimmten Zeit gegen halbjährige Kündigung von
den Eigenthümern zurückgenommen werden. Begreiflicherweise war der
Bestand der Galerie desshalb ein sehr schwankender. Um diesem Zustande
ein Ende zu setzen, erfolgte in der Generalversammlung des Jahres 1835 der
Beschluss, dass die Gesellschaft künftighin auch für ihre Galerie Eigenthum
erwerben und besitzen könne. Somit war die Sammlung stabil geworden,
und es folgten sich Ankäufe und Schenkungen (Dr. Hoser, Fr. Graf Sylva-
Tarouca, J. Kanka etc.). Ganz neuerdings hat der Fürst Liechtenstein eine
bedeutende Zuwendung gemacht , indem er zwei Pendants Mann und Frau
von G. Terburg, ein männliches Porträt von Fr. Hals und einen G. Dou ge-
schenkt hat (diese Bilder stehen noch nicht im Kataloge). Auch die Platz-
frage, die einen wunden Punkt der Sammlung gebildet hatte, fand durch den
am 22. Mai 1872 aus Anlass ihres 50jährigen Bestehens gefassten Beschluss
der Böhmischen Sparkasse, ein der Tonkunst, der bildenden Kunst und dem
Kunstgewerbe gewidmetes monumentales Gebäude zu errichten, eine ausgezeich-
nete Lösung. So entstand das Künstlerhaus »Rudolphinum«, das am 7. Februar
1885 feierlich eröffnet wurde. Die Gemälde-Galerie hat darin ein würdiges
Heim gefunden. Sie umfasst jetzt ca. 800 Nummern, alte und neue Meister
inbegriffen, ein immerhin günstiges Resultat nach den vielen Auf Plünderungen,
die das ehedem mit Kunstwerken angefüllte Böhmen erlitten h t.
Der Katalog ist von dem Inspector Victor Barvitius sorg itig gearbeitet.
Voraus geht eine belehrende geschichtliche Einleitung, dar folgt das Ver-
zeichniss der Kunstwerke, das in alphabetischer Anordnung der Künstler ge-
halten ist. Diese Anordnung ist heutzutage sehr beliebt, hat jedoch ihre
grosse Schattenseite, die allerdings in einer kleinern Galerie, W’ie der Prager,
1G4
LilleraturbericLt.
gemildert ist. Es ist für den Besucher schrecklich zeitraubend, immer und
immer wieder umblättern zu müssen. Man betrachtet ja die Gemälde nach
ihren Standpunkten, und ein jeder Kenner verfährt beim Studium einer Galerie
nicht anders. Für die paar Kenner, denen eine Sammlung schon so vertraut
ist, dass sie sofort auf die sie gerade interessirenden Bilder loslaufen können,
schreibt man keine Kataloge. Für das Publicum ist nur ein Katalog, der die
Gemälde, wie sie hängen, aufführt, der einzig praktische, und ich selbst habe
schon unzählige Male den Zeitverlust verwünscht, den das ewige Umblättern
mir- verursachte. Ein kleines Verzeichniss am Schlüsse, das die Nummern
nach ihren Verfertigern zusammenstellt, genügte vollständig für denjenigen, der
wissen will, wie viel Gemälde gerade von Einem Meister, bezw. Einer Schule
da sind. In der Beschreibung der Kunstwerke hält unser Katalog die richtige
Mitte zwischen zu knapp und zu ausführlich, so dass er noch immer in hand-
lichen Grenzen geblieben ist, die Bezeichnungen sind sorgföltig im Facsimile
wiedergegeben, und die Holzarten, die bekanntlich bezüglich des Entstehungs-
ortes der Bilder eine wichtige Rolle spielen, genannt. Auch ist ein illustrirter
Katalog ausgegeben, in dem 30 Gemälde durch Lichtdrucke versinnlicht sind.
Die Firma J. Löwy in W^ien hat diese nach ihren photographischen Auf-
nahmen hergestellt. Uebrigens glaube ich, dass die Auswahl dieser Nach-
bildungen in einer künftigen Auflage in etwas geändert werden solle; wer
bekümmert sich denn um die betreffenden Darstellungen von Brandl, Grenze,
Screta und J. Vernet? Allerdings sind das nur Ausnahmen, und die grosse
Masse der Abbildungen ist an ihrem Platze. Wie sehr überhaupt der Aus-
schuss der Gesellschaft bestrebt war, dem Katalog eine möglichste Vollkommen-
heit zu sichern, ersieht man daraus, dass Wilhelm Bode veranlasst wurde, die
allen und neuen Namensgebungen eingehend zu prüfen und die Meister zu
bestimmen. A. Bredius stellte mit gewohnter Liebenswürdigkeit von ihm neu
ermittelte Daten über holländische Künstler zur Verfügung. So ist in der That
ein musterhafter Katalog zu Stande gekommen.
Was speciell die alten Gemälde anbelangt, so lässt sich leicht erkennen,
dass die altdeutschen und die niederländischen Schulen unverhältnissmässig
den Werth der Sammlung ausmachen. Von den Italienern ist besonders das
ausdrucksvolle Altarbild des Domenico Campagnola (vom Jahre 1525), das
unter dem Einflüsse Tizian’s entstanden ist, zu nennen. Ein vorzügliches
Bildniss eines Mannes (Nr. 702) wird dem Bruder Tizian’s Francesco Vecellio
zugeschrieben. Ich hätte dasselbe nach seiner Behandlung — grünliche Töne
im klaren, hellen Fleische — für einen Paris Bordone gehalten; da mir je-
doch die Kunstweise des Francesco ein Buch mit sieben Siegeln ist, und die
Bezeichnung möglicherweise doch einer richtigen Tradition entstammt, so
lasse ich die Sache dahingestellt.
Weit interessantere Bilder weist die altdeutsche Schule auf. Ein Haupt-
werk der böhmischen Bilder vor dem Einflüsse der van Eyck ist das dem
Meister Theoderich von Prag zugeschriebene Votivbild des Prager Erzbischofs
Olschko von Wlaschim (1364—1380). Sehr interessant sind auch die beiden
von Einem Meister herrührenden , ebenfalls böhmischen Bildchen Nr. 55 und
Litteraturbericht.
165
56, doch ist die Datirung um 1500 verfehlt ; sie scheinen etwa den kölnischen
Bildern zeitverwandt zu sein, die man Schule des Meisters Wilhelm zu nennen
pflegt. Zu der Madonna mit der Schwertlilie hat der Katalog mit Recht ein
Fragezeichen hingesetzt. Zur genauen Beurtheilung hängt das Bild allerdings
zu hoch, doch ist bei der Stumpfheit aller Theile kaum an ein Original von
Dürer selbst zu denken, zudem ist es sehr misshandelt. Das Urbild dazu mag
die Madonna von 1508 sein, welche Dürer an den Bischof von Breslau um
72 Gulden verkaufte. Einen echten Dürer könnte die Galerie allerdings be-
kommen, wenn sich die Stiftsherren von Strahow entschliessen könnten, das
in ihrem Besitze befindliche Rosenkranzfest ihr zur Aufbewahrung zu über-
lassen; die kunstsinnige Welt würde ihnen dankbar sein. Ganz ist ja doch
auch — abgesehen von der Gomposition — der Stempel des grossen Meisters
aus dem Gemälde nicht verschwunden; obwohl viele Stellen übermalt, aus-
gebrochen und verputzt sind, gibt es dennoch andere, die noch die Dürer’sche
Hand zeigen. Merkwürdig ist der Martertod der hl. Dorothea von Hans Bai-
dung durch die versuchte Schneelandschaft; doch sieht man deutlich, wie
wenig der Künstler sich seiner gewohnten Schablone entziehen konnte: die
Pflanzen des Vordergrundes sind grün, und es nimmt sich das Ganze aus wie
eine Landschaft, die etwa Ende April plötzlich von Schnee wieder bedeckt
wurde ; auch ist das Gebirg im Hintergrund , das seinen Ursprung von den
Kalkalpen nicht verleugnen kann, ganz weiss gefärbt, was in der Wirklichkeit
nicht vorkommt. Ob auf der Vermählung der hl. Katharia (Nr. 177), die
richtig »in der Art des Altdorfer« benannt ist, die sorgfältig in Stein ein-
gemeisselten Buchstaben I M (vielleicht Jesus Maria??) wirklich das Zeichen
des Künstlers bedeuten , ist fraglich. Ein anderes der Regensburger Schule
nahestehendes oder ihr direct angehöriges Bild ist der König David (Nr. 675);
es bietet grosse Analogie mit der Bathseba im historischen Verein zu Regens-
burg, die Peuchel für einen Altdorfer gehalten hatte. Ob die lebensgrossen,
stupfigen Figuren des Kaisers Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde
(Nr. 128, 129) richtig H. Burgkmair genannt sind? Ich würde sie nach der
glasartigen Farbe und den unruhigen manirirten Falten eher an die Dürer’sche
Schule anschliessen. Dagegen hat der Katalog recht, die Krönung Mariä
Nr. 131 als Burgkmair verwandt hinzustellen. Hans Holbein, der Vater, ist
durch 2 vorzügliche Altarflügel (Nr. 377, 378) vertreten. Als »Süddeutscher
Meister von 1517« erscheint Nr. 673, die Darstellung eines noch nicht genügend
erklärten Vorganges. Ich habe mich darüber bereits früher ausgesprochen,
dass wir hier ein Werk des Landshuter Hofmalers Hans Wertinger vor uns
haben , von dem ein Altarbild zu Moosburg in Bayern und Bildnisse in der
Pinakothek und dem Nationalmuseum zu München , ferner in der Galerie zu
Schleissheim und dem Ferdinandeum zu Innsbruck Vorkommen. Ein gutes
Bild der niederrheinischen Schule besitzt das Rudolphinum in dem Flügelaltar
des Meisters vom Tode Mariä (Nr. 462). Bei der hl. Anna selbdritt (Nr. 514)
würde ich den Einfluss des Bart. Bruyn, den der Katalog findet, streichen,
und das männliche Bildniss (Nr. 515) der niederländischen Schule zuschreiben.
Umgekehrt erinnert mich das Bildniss Nr. 625, das Scorel benannt ist, eher
106
Litteraturbericht.
an Bruyn, doch ist bei dem verputzten Zustande desselben Vorsicht geboten.
Von den späteren Deutschen ist besonders eine reizende Landschaft von A. Els-
heimer bemerkenswerth.
Sehr gut sind die Niederländer vertreten , und wir finden bereits aus
der alten Schule vortrefTliche Gemälde. So besonders der bedeutsame
Flügelaltar (Nr. 222 — 224) von Geertgen van Haarlem, welcher Bezeichnung
ich durchaus zustimme. Die Grablegung Christi (Nr. 70) kann ich wegen
der harten Ausführung nur für eine alte Copie nach D. Bouts halten. Ob
die Nrn. 499, Kreuzabnahme, und 500, Beweinung Clirisli, wirklich »aus den
nördlichen Provinzen der Niederlande« herstammen, ist wohl zweifelhaft;
sie dürften eher nach Oberdeutschland gehören ; allerdings hat der Katalog
Recht, den Einfluss des R. van der Weyden in ihnen zu finden. Auch bei
bei Nr. 502 ist der niederländische Einfluss ja sichtbar, das Bild muss aber
nicht gerade von einer niederländischen Hand selbst stammen. Höchst in-
teressant ist der Tod Mariä Nr. 501, welche Composition bekanntlich auch in
der Nationalgalerie und der Galerie Sciarra vorkommt. Von Mabuse finden
wir hier sein Hauptwerk der mittleren Zeit, den hl. Lukas die Madonna zeich-
nend, mit Flügeln von Michel van Goxcyen, das berühmte sogenannte »Prager
Dombild«. Es stand ursprünglich in .der Kirche des hl. Romuald zu Mecheln
auf dem Altar der Malergilde, wurde nach der Plünderung der Stadt 9. April
1580 aus der Kirche entführt, später vom Erzherzog Matthias, dem nachmaligen
Kaiser, nach Prag gebracht und schliesslich von ihm dem Prager Dom ge-
schenkt. Als Nicolaus Neufchatel, aber mit Fragezeichen, erscheinen die vor-
trefflichen Bildnisse des Nicolaus und der Katharina Goeswein. Das Frage-
zeichen ist meiner Ansicht nach unberechtigt; die richtige Bestimmung als
Neufchatel geht wohl schon auf Woltmann oder gar Mündler zurück.
Unter den Niederländern des 17. Jahrhunderts finden wir gleichfalls
viele vortreffliche Werke: G. Metsu, J. Steen, F. Millet etc. sind würdig ver-
treten. Allerdings fehlt Rembrandt; von Rubens ist zwar eine geistreiche
Skizze, die Vertreibung aus dem Paradiese, vorhanden, dagegen ist das andere
ihm zugeschriebene Bild, Mariä Verkündigung (Nr. 585), sicher nicht von ihm
selber. Der Katalog hat auch Unrecht, das Knabenbildniss des Johann Wil-
helm von Oranien (Nr. 196) dem A. van Dyck selbst zuzutheilen, dazu ist es
zu flau, es kann nur eine Copie sein. Früher prangte auch ein »Rembrandt«,
Vertumnus und Pomona, Nr. 225, in der Galerie; es ist ein zweifelloser
A. van Gelder, wie der neue Katalog ebenfalls annimrat. Auch den falschen
A. Cuyp (Nr. 395) hat Bode mit Recht unter Frans de Hulst unterbringen
lassen. Dagegen ist mir bei der Flusslandschaft Nr. 229 der Name van Goyen
sehr zweifelhaft; es ist vielleicht eine Copie nach ihm, kaum von seiner Hand
selber. Wer sich unter dem Monogrammist B D versteckt, der das ausdrucks-
volle Porträt einer alten Spinnerin gemalt hat, ist noch zu ermitteln. Auch
die holländische Flusslandschaft Nr. 705 bietet vorläufig noch ein Räthsel.
Das Bild ist E. v. d. Velde fecit 1632 bezeichnet; nun kann es aber von dem
bekannten Esaias van de Velde nicht herrühren, da dieser schon 1630 starb.
Den 14. April 1616 wurde zwar ein gleichnamiger Sohn des Esaias getauft;
Notizen.
167
ob der aber Maler wurde und dann gerade dieses Bild malte, wie der Katalog
glaubt, ist doch noch sehr die Frage. Letzteres schliesst sich an Salomon
van Ruysdael an und hat besondere Verwandtschaft mit Frans de Hulst; viel-
leicht ist die Bezeichnung einmal verändert worden.
Erwähnenswerth ist noch, dass das Rudolphinum neuerdings durch die
hochherzige Stiftung des kunstsinnigen Herrn A. Ritter von Lanna in den
Besitz eines Kupferstichcabinets gekommen ist, nachdem bereits 1863 die
Weber’sche Sammlung der Blätter des in Prag gebornen Kupferstechers
W. Hollar (2819 Stück) angekauft worden war. Wilh. Schmidt.
Notizen.
(Zu Nikolaus Manuel.) Antwort auf die Kritik des Herrn H. J. im
Repert. f. K. XIII. Bd. (1890), 6. Heft, p. 483 — 487 über meine Schrift: Niko-
laus Manuel genannt Deutsch als Künstler.
— — »Für eine Beziehung zwischen Manuel und Fries finde ich gar
keinen Anhaltspunkt — auch fehlt jeder äussere Anhaltspunkt für ein solches
Lehrverhältniss.« Zur Berichtigung dieses letzten Theiles der Behauptung des
Herrn »H. J.« verweise ich auf His, Zahn’s Jahrb. II. und meine Monographie
von H. Fr., Jahrb. d. k. pr. Kunstsamml. 1890, wie auf meine Arbeit über Manuel.
Dass Herr »H. J.« keine Beziehung zwischen Manuel und Fries entdecken
kann, bedaure ich lebhaft, was aber ein solches »nicht finden können« be-
deutet, mag folgendes Factum lehren. Herr »H. J.« schreibt: »Wer aber ver-
möchte den Dürer-Einfluss in dem Altarflügel mit der Darstellung des hl. Lucas
als Marienmalers und der Geburt Marias zu erkennen? Wer schon nach
Einflüssen bei diesem Werke sucht, könnte am frühesten den paduanischen
entdecken und zwar ebenso in der Ornamentik — die ein paar Zeilen tiefer
als eine »reiche« bezeichnet wird — wie in der Perspective (die gut verkürzte
Figur des Farbenreibers im Hintergrund) des Lucasbildes.« Die »reiche Re-
naissance-Ornamentik« besteht nun, jedes kunstgewerbliche Product inbegriffen,
einzig aus zwei Gonsolen oder Capitellen auf der Aussenseite, welche gothisch
in der Grundform gedacht sind als bauchige, kelchförmige Drehkörper mit
rundem Abakus; das eine Mal sind sie mit plastisch behandelten Tauben (?)
und kleinen Scheiben , das andere Mal mit schmalen Akanthusblättern und
einem kleinen Rundbogenfries verziert auf d. r. ob. e. Putto. Eine Blattguir-
lande, d. a. d. o. Kreisausschnitt gezeichnet ist, verbindet d. Capitelle, eine
kleinere, nach unten gebogene hängt von dieser grösseren herab. Das ist die
»reiche Renaissance-Ornamentik« des Herrn »H. J.«! Und paduanisch soll sie
sein? Warum wohl? Wahrscheinlich der Guirlanden wegen. Die selbständige
Verwerthung dieses der ganzen italienischen Kunst ungemein geläufigen Motives
einerseits, wie die völlige Abwesenheit einer nur etwas genaueren Kennt-
niss der Zierformen der Renaissance andererseits, verbietet aber diesem Ge-
danken an paduanische Einflüsse Raum zu geben. Und wegen des in ganz
168
Notizen.
einfacher Haltung »gut verkürzten« Farbenreibers nach Padua weisen zu müssen,
wird bei dem doch nicht gar zu auffälligen Motiv nicht absolut nothwendig
sein! Den »Dürer-Einfluss« kann Herr »H, J.« auch in dem Bilde »Geburt
Mariä« nicht entdecken und doch ist die Gomposition, wie in meiner Ar-
beit zu lesen ist, zum Theil Dürer’s Marienleben entlehnt!! Die Folge-
rung des Herrn Recensenlen, welche er gerade im Anschluss an dies Gemälde
ausspricht: »was rechtfertigt es also, von einer Entwicklungsperiode Manuel’s
unter Dürer’s Einfluss zu sprechen« ist damit gerichtet. Doch nein, er be-
hauptet auch noch, meine Datirung der »Fortuna«, die Manuel nach Dürer’s
grossem Glück copirt hat, sei willkürlich ca. 1505 — 11 gesetzt. Da Herr »H. J.«
meine Datirung des soeben nochmals als unter Dürer’s Einfluss entstanden
nachgewiesenen St. Lucasbildes für ca. 1513 — 15 angenommen hat, die Hand-
zeichnung der »Fortuna« auch dem blödesten Auge als nicht noch später —
auch die Handzeichnung von 1513 wäre noch heranzuziehen — gezeichnet
erscheinen kann, so ist sie vor 1513 und da sie nach Dürer’s Stich gearbeitet
ist, auch unter seinem Einfluss geworden. Die erste Periode Manuel’s steht
al^o unter dem Zeichen »Dürer’s«: quod erat demonstrandum. Dass die For-
tuna vor 1511 entstanden ist, beweist die geringere Vollkommenheit gegenüber
dem Blatt St. Anna Selbdritt, welches ich im grossen Original kenne, Herr
»H. J.« wohl nur aus der kleinen Nachbildung im Repertorium f. K. (Vergl.
zu der Frage Cap. I. meines kleinen Buches.) Dass sämmtliche in Betracht
kommende Zeichnungen und Bilder Jugendarbeiten sind, wird wohl auch Herr
»H. J.« nicht bestreiten — sein Satz »und damals war Manuel ungefähr 30 Jahre
alt« wird belanglos , da er selbst (S. 484) mit mir übereinstimmend , Manuel
»sicher erst spät« zur Malerei kommen lässt. — »Nicht viel günstiger steht es
mit dem Nachweis vom Einfluss Baldung’s,« sagt Herr »H. J.« Beweis: Herr
»H. J.« schreibt zunächst, ich wolle den Einfluss Baldung’s beweisen, durch
»technische Eigenthümlichkeiten — und zwar besonders sofern Manuel die
malerischen Effecte der Helldunkelschnilte Baldung’s in seine Zeichnungen zu
übertragen sucht.« Dies ist ungenau. Ich habe an verschiedenen Stellen
meiner Schrift eine detaillirte Angabe der technischen Ueberein-
stimmungen, wie der Verwandtschaft in den Proportionen der Ge-
stalten gegeben und schreibe in Beziehung auf den Holzschnitt S. 26: »Vor-
nehmlich trafen sie sich in der Liebe zu malerischen Effecten — sehr
wahrscheinlich ist Manuel zuerst durch die Holzschnitte Grien’s beeinflusst
worden. Der ganz besonders von Baidung bevorzugte Clair-obscure-Schnitt
gibt den Eindruck einer gelb oder weiss gehöhten Zeichnung, wodurch der-
artige Holzschnitte noch directer zur Nacheiferung anspornen und dieselbe
auch erleichtern.« Herr »H. J.« behauptet, ich hätte gesagt, Manuel sei zu
seinen Todesdarstellungen von Baidung angeregt worden; ich aber
sage nur S. 30: »wohl mag sich Manuel an die ältere Bildung des Knochen-
mannes angeschlossen haben, zum Theil wahrscheinlich zum grösseren, hat
er sich von malerischen Gesichtspunkten leiten lassen, wie dies auch
Baidung that.« Wo steht da etwas von »Anregung« zum Stoff?! Herr
»H. J.« stellt die Behauptung auf, ich hätte geschrieben, Manuel habe sich
Notizen.
169
2U seinen »weiblichen Acten« durch Baidung anregen lassen — jn Wahr-
heit habe ich aber gesagt S. 55: »Die bedeutendste Anregung erhielt natür-
lich unser Künstler von sich aus, einen Theil derselben, den mehr äusseren
aber von Hans Baidung gen. Grien«!! Geradezu komisch wirkt es, wenn
Herr »H. J.« seine Aufstellung, ich hätte meine Annahme, dass bei Manuel
die Bildung der ßaldung’schen Frauen wiederkehre, gleich bis »auf einen
nicht mehr zu prüfenden Rest eingeschränkt«, durch Gitirung eines Salzes
beweisen will, in dem ich sage, dass wenn Manuel selbst nach der »Natur«
gezeichnet habe, er von seiner »Vorlage« — d. h. doch wohl der »Natur« —
in soweit abgewichen sei, »als es ihm für sein inneres — doch wohl das
Grien’sche — Ideal nothwendig erschienen sei!« Hätte Herr »H. J.« doch
nur noch den nächsten Satz gelesen, der folgendermaassen lautet: »im änderen
Falle hat er (Manuel) sich sklavischer an sein Modell gehalten.« Es ist ja auch
nicht so auffallend, dass ein Künstler, sobald er nicht gerade Actstudien
macht, selbst wenn er nach der Natur zeichnet, seinem Ideale folgt und ab-
weicht, wo es ihm gut dünkt. — (Cf. Bode’s und Justi’s Auseinandersetzungen
über Rubens als Porträtist.) Wie sieht es mit der »Zucht des Denkens« seitens
des Herrn »H, J.« aus? Dass ich Manuel als Landschafter überschätzt habe,
gestehe ich gerne zu; dass der Herr Recensent aber so ausser sich geräth,
beweist nur seine mangelhafte Kenntniss der Landschaft Manuel’s. Für die
zweite thatsächliche Berichtigung auf fast vier Druckseiten bez.
meines Irrlhums in der Datirung der grossen Kanone danke ich Herrn »H. J.«
— ich meinerseits füge hinzu, dass ich Bd. U. 6. 28 Manuel ein Blatt irr-
thümlich zugewiesen habe.
Ich constatire noch, dass ich die Holbein-Periode, S. 85, bereits als im
Jahre 1522 bemerkbar anführe, was der Recensent natürlich übersehen hat;
bemerke ferner, dass ich alle Perioden mit »circa« bestimmt habe, was Herr
»H. J.« auch verschweigt!!
Es mögen diese Sätze genügen zur Darlegung dessen, was man von
dieser »wissenschaftlichen« (?) Kritik zu halten hat.
Bern, 6. Dec. 1890. Dr. B. Haendcke.
Diese »Antwort« erhielt die Redaction unter Hinweis auf § 11 des
deutschen Pressgesetzes und unter Androhung eines Offenen Briefes, im Falle
der Abdruck verweigert oder verzögert werden sollte. Wenn nun auch Herr
Dr. Berlhold Haendcke mit solchen Drohungen nur bewies, dass er von der
Tragweite des § 11 eine wenig klare und von der Bedeutung eines Offenen
Briefes des Dr. Berthold Haendcke ganz gewiss eine nur ganz dunkle Vor-
stellung habe, so wollte die Redaction doch den Willen des Herrn Einsenders
erfüllen , weil in dem besonderen Falle Berichterstatter und Redacteur eine
und dieselbe Person war. Der Raum des Repertoriums ist aber doch zu eng
bemessen, um ihn auf Worte ohne neuen Inhalt zu verschw'enden; so habe ich
auf die Antwort des Herrn Dr. Haendcke nur sehr wenig zu erwidern. Herr
Dr. Haendcke theilt die Entwicklung Manuel’s in drei Perioden , die erste
habe unter dem Einfluss Dürer’s, die zweite unter dem Baldung’s, die dritte
XIV 12
170
Notizen.
unter dem Holbein’s gestanden und ausserdem habe er von Hans Fries das
Malen erlernt. In meiner Besprechung heisst es nun (S. 484); »Im Allge-
meinen hat der Verfasser ja recht, dass weder Dürer noch Hoibein, noch die
oberrheinische Coloristenschule (mag dafür der Name Baldung eintreten) auf
Manuel ohne Einfluss geblieben sind, aber gewiss nicht in der zeitlichen
Aufeinanderfolge, wie der Verfasser annimmt, und ebenso auch nicht ganze
Perioden der Entwicklung bestimmend. Ich zweifle überhaupt an einer folge-
richtigen künstlerischen Entwicklung Manuers.« Und weiter: »Vermittler
solcher Anregungen aus der Fremde waren sicher zumeist Stiche und Holz-
schnitte; enger war die Beziehung zur Coloristenschule am Oberrhein, wie am
deutlichsten sein (Manuel’s) Bild der Enthauptung des hl. Johannes beweist.«
Darauf ging ich auf Einzelheiten ein. Und für diese dort vertretene An-
schauung hat die »Antwort« keinen Gegenbeweis erbracht. Was das Lehrver-
hältniss zu Hans Fries betrifft, so ist hier wie an anderer Stelle jede Beweis-
führung — Beweisführung im wissenschaftlichen Sinne unterblieben. _,In
der Manuelschrift heisst es; »Als Unterweiser in dem Handwerk des Malens
möchte ich nämlich Hans Fries annehmen« und in dem Aufsatz über Hans
Fries; »(Hans Fries) gewinnt für die nachkommende Periode dadurch, dass er
der Lehrer des Nicolaus Manuel, gen. Deutsch, wurde.« Also, Herr Dr. Berthold
Haendcke möchte es annehmen, und nimmt es dann an, aber was würde
denn aus der Kunstgeschichte werden, wenn uns das Pressgesetz dazu zwingen
könnte, Alles als erwiesen zu betrachten, was Herr Dr. Haendcke »annimmt« I
Dieser Gedanke ist zu schrecklich, um ihm weiter nachzuhängen 0*
Noch siegreicher stellt sich Herr Dr. Haendcke da, wo er den Einfluss
Dürer’s auf die erste Entwicklungsperiode Manuel’s beweisen will. Da möchte
er mich der Unterschlagung eines besonders beweiskräftigen Satzes bezichtigen.
Dieser Satz nun lautet (S. 19): »Die Rückseite dagegen (des Lucasbildes*m
Bern) hat ihr Vorbild in dem betreffenden Holzschnitt (Geburt Mariens) in
Dürer’s Marienleben zu suchen. Manuel hat jedoch fast einzig den Engel und
das Bett beibehalten, das Uebrige ist seine Hinzufügung.« Jawohl, die »Rück-
seite« hat ihr »Vorbild zu suchen«. Mir erschien der Satz so unwesentlich,
dass ich ihn nicht unter die Lupe nehmen wollte. Doch zugegeben, dass Engel
und Bett ihr Vorbild in dem Holzschnitt Dürer’s wirklich gefunden, so kommt
als Beweismaterial zusammen ; Ein Engel, eine Bettstelle und die Fortuna,
wenn Jemand aus Angst »blödester Augen« geziehen zu werden, der Zeifbestim-
*) Herr Dr. Berthold Haendcke weist auch auf den Aufsatz von His in Zahn’s
Jahrbücher II. Das ist ein Missbrauch des Namens, für welchen die richtige Be-
zeichnung zu finden, ich den Lesern überlasse. Der Aufsatz von His fijidet sich
von S. 51 ff. und Nachträgliches S. 241 ff. Die einzige Stelle, welche dort den
Namen Manuel erwähnt lautet: »Auch Grüneisen erwähnt diesen Namen (Hans-
Fries) in seinem verdienstlichen Werk über Nikolaus Manuel, S. 71 und 157, indem
er berichtet, dass dieser Maler um das Jahr 1470 einen Todlentanz im Prediger-
kloster seiner Vaterstadt auf die Kreuzgangsmauer gemalt habe, eine Angabe, die
indess auf einem Irrlhum beruhen muss, da es in Freiburg nie ein Dominikaner-
kloster gab.« (S. 53.)
Notizen.
171
mung des Herrn Dr. Bertliold Haendcke folgt. Sein Selbstbewusstsein konnte
es nicht erschüttern , dass er den Einfluss der »Kanone« Dürer’s schon zehn
Jahre vor ihrer Entstehung in einer Zeichnung Manuel’s vermuthete. Doch
ernsthaft gesprochen, auch wenn Herrn Dr. Haendcke’s Datirung der Fortuna-
zeichnung bewiesen und wenn in dem Bilde der Geburt Mariens nicht bloss
Bett und Engel, sondern die ganze Composition dem Holzschnitt Dürer’s ent-
lehnt wäre, seine Hypothese schwebte nach wie vor in der Luft. Da er nicht
ganz Dilettant auf dem Gebiete kunstgeschichtlicher Forschung ist, so sollte
es ihm klar sein, dass man doch nur dann von der Herrschaft des Einflusses
eines Künstlers auf einen anderen während einer ganzen Entwicklungsperiode
sprechen darf, wenn der Nachweis geliefert ist, dass die Naturauffassung und
damit die Formensprache einschliesslich der zeichnerischen Technik in der be-
stimmten Entwicklungsperiode von jenem beeinflussenden Künstler abhängig ist.
Ob dagegen irgend ein fremdes Gompositionsmotiv mehr oder weniger frei be-
nutzt worden ist, ist eine sehr gleichgiltige Sache. Oder meint vielleicht Herr
Dr. Haendcke, Raphael’s römische Periode stehe unter Dürer’s Einfluss, weil
von Raphael’s Spasimo-Composition Fäden zu dem entsprechenden Holzschnitt
in Dürer’s Grosser Passion hinüberführen? — Meinen Ausführungen über das
Verhältniss Manuel’s zu Baidung und Holbein habe ich nichts hinzuzufügen ;
alles Hin- und Herreden Herrn Dr. Haendcke’s entkräftet nicht ein Wort an dem
von mir.i Gesagten — die Leser des Repertoriums mögen die Probe selber
machen. Das Gleiche gilt von meiner vorsichtigen Aeusserung über die Mög-
lichkeit des Einflusses der oberitalienischen, näher bezeichnet paduanischen
Schule auf Manuel ; nur dem Lajen hätte ich Beweise dafür zu erbringen, dass
in dieser Zeit auch die oberdeutsche Ornamentik noch unter dem Einfluss des
gothischen Geschmacks' stehe, und die Künstler in Folge dessen für die orna-
mentalen Anregungen Oberitaliens die sie im Uebrigen gierig aufnehmen, nur
ein mangelhaftes Verständniss besitzen. Ich zweifle auch, dass es n^eine sach-
lichen_, in ruhigem Ton vorgetragenen Einwürfe gewesen sind, welche Herrn
Dr. Haendcke so zornmülhig stimmten; wie mir dünkt, vertrug er es nicht, dass
ich ihn aufforderte, ein besseres Deutsch zu schreiben und diese Aufforderung
mit Stilproben aus seinem Buch begründete. Ich habe aber auch dies nicht leich-
ten Herzens gethan, denn mir fehlt wahrlich alle Neigung, Schulmeisterdienste
ohne Noth zu verrichten. Es war eine Art Standesbewusslsein, das sich in mir
gegen die grausanie Misshandlung auflehnte, welche Herr Dr. Berthold Haendcke
der deutschen Sprache unausgesetzt zu Theil werden lässt. Ich spreche noch-
mals die Meinung aus, dass jenen, welche über Kunst schreiben, es doch
zunächst obliegt, die Sprache künstlerisch zu meistern. Von Sprach- und Stil-
sünden sind wir keiner gänzlich frei, denn schon durch unsere Schulbücher
werden wir dazu verleitet; aber wir, die Gelegenheit und Pflicht haben, un-
unterbrochen unsern F'ormensinn zu entwickeln und zu verfeinern, müssten zu
den ersten gehören, welche aus Achtung vor der Muttersprache gegen die
Sprachbarbarei ankämpfen, walte sie auf eigenem oder fremden Boden. Und
nun lese man die Böcklin-Rede, die Manuel-Biographie und auch noch den letzten
Aufsatz in dem Jahrbuch der k. preuss. Museen über Hans Fries. Es ist ja
172
Bibliographische Notizen.
wahr, Stilblüthen wie folgende: »Das lebenswahre Heulen der rothglühenden
Verdammten im Fegefeuer, welches rechts im Hintergründe sichtbar ist« (Jahrb^
XI, S. 173), werden jeden Leser erheitern, aber ist es denn Aufgabe der Wissen-
schaft, der Lachlust zu dienen ? Und damit erkläre ich die Auseinandersetzung
zwischen Herrn Dr. Haendcke und mir ini Repertorium für abgeschlossen.
flubert Janitschek.
Bibliographische Notizen.
Dem vor einigen Jahren zusammengestellten Verzeichniss der architek-
tonischen Handzeichnungen der Uffizien (s. Rep. IX, 506) lässt der verdiente
Gonservator der betreffenden Abtheilung des florentinischen Kunstinstituts,
Gav. Nerino Ferri, nun einen Katalog sämmtlicher Handzeichnungen der
genannten Sammlung folgen. Die erste Lieferung davon ist kürzlich als Beginn
des XII. Bandes in der Reihe der von dem Ministerium für öffentlichen Unter-
richt herausgegebenen »Indici e Gataloghi« italienischer Museen und Bibliotheken
unter dem Titel »Disegni antichi e modern! posseduti dalla R. Galleria
degli Uffizi di Firenze, Roma 1890« erschienen. Sie enthält nach einer
kurzen Geschichte des Ursprungs und des allmählichen Anwachsens der in Rede
stehenden Sammlung, aus der wir neben andern interessanten Daten auch die
Anzahl der darin verwahrten Handzeichnungen erfahren (sie beträgt 44 018
Blätter, übertrifft also die entsprechende Abtheilung des Louvre um fast
10 000 Nummern), den Beginn des in 16 Rubriken nach den verschiedenen
Schulen angeordneten Verzeichnisses, und zwar reicht sie in der ersten Rubrik,
den Zeichnungen der Meister der florentinischen bez. der toscanischen Schule,
in der alphabetischen Folge der letzteren von Agnolo di Donnino bis Dom.
Ghirlandajo. Für jeden Meister ist zuerst die Anzahl der Handzeichnungen
angegeben, und sind darauf die bedeutendsten Blätter in der Reihenfolge der
Inventarnuraraern unter Angabe des Gegenstandes, der Art der technischen
Ausführung und der Dimensionen des Blattes aufgezählt. Wo ein Bezug der
Zeichnung zu einem Gemälde, einem Werke der Sculptur oder der Baukunst
bisher nachgewiesen wurde, ist er — z. Th. unter Angabe der Quelle — ver-
zeichnet. Dabei hat es sich der Verfasser zur Regel gemacht, was die Meister des
Quattrocento und die Häupter der Schulen auch in den folgenden Jahrhun-
derten betrifft, möglichste Vollständigkeit in der Specificirung ihrer Zeichnungen
anzustreben. Für die architektonischen Handzeichnungen ist selbstverständlich
auf den früher erschienenen Specialkatalog verwiesen. Sorgfältige Register
der Künstlernamen, der Orte, wo sich die mit den katalogisirten Blättern irgend
in Zusammenhang stehenden Kunstwerke befinden, sowie der unter den Hand-
zeichnungen befindlichen Porträts sollen dem eigentlichen Verzeichnisse folgen
und dessen praktische Brauchbarkeit erhöhen. Wir — und mit uns gewiss
alle Freunde der Kunst — begrüssen die ungemein fleissige Arbeit des uner-
müdlich für die ihm anvertrauten Schätze besorgten und thätigen Verfassers
mit Freuden und gedenken nach ihrer Vollendung ausführlicher auf sie zurück-
zukommen. C. V. F.
Verzeichniss von Besprechungen.
Ada-Handschrift, die Trierer. Herausge-
geben von K. Menzel, P. Corssen u.
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Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst bis gegen
den Schluss des 14. Jahrhunderts.
Vun Eduard Dobbert.
(3. Fortsetzung.)
Zweites Capitel.
Das Abendmahl in der byzantinischen Kunst,
1. Bis ins 9. Jahrhundert.
1. Umgestaltung der christlichen Kunst seit dem Aufhören der
Christen Verfolgungen.
Nachdem die Ghristenverfolgungen ihr Ende erreicht hatten, nachdem
die früher verfolgte Religion zur heri'schenden geworden war, trat naturgemäss
auch in der christlichen Kunst eine Veränderung ein. Nun w'urden stattliche
Kirchen aufgeführt und es galt dieselben mit Werken der Malerei zu schmücken.
Dass es Kirchenmalereien bereits vor Constantin dem Grossen gegeben
hat, ersieht man aus dem Verbot der Synode zu Elvira vom Jahre 306: »placuit
picturas in ecclesiis esse non debere, ne quod colitur aut adoratur in parietibus
depingaturt. Wäre es nicht vorgekommen, dass die Wände der Kirchen mit
religiösen Darstellungen ausgestattet wurden, so hätte es dieses Beschlusses
nicht bedurft, welcher wohl »durch die Furcht, die Aufmerksamkeit der Ver-
folger auf die Kirchen zu lenken«^), erzeugt war.
Nachdem den Christen im Jahre 313 durch das Mailänder Edict Duldung
zugesichert und bald darauf das Christenthum zur Staatsreligion erhoben
worden war, gab es für die Kirchenmalerei kein derartiges äusseres Hinderniss
mehr ; sie konnte sich nun den herrschenden religiösen Anschauungen und der
ihr von der Kirchenarchitektur gestellten Aufgabe gemäss entfalten. Was
Wunder, dass nun an die Stelle jener abkürzenden symbolisirenden Kata-
kombenbilder, die sich auf das Allernothwendigste beschränkten, figurenreiche
Geschichtsbilder sowie feierliche Darstellungen heiliger Gestalten traten.
Spielten, wie wir sahen, die Katakombenmalereien immer wieder auf
') Vergl. Holtzinger, Die altchristliche Architektur in systematischer Darstel-
lung. Stuttgart 1889, S. 192, n. 1.
XIV
13
176
Eduard DoUbert:
das Leben der Seele nach dem Tode an, verfolgten sie vor Allem das Ziel,
den Ueberlebenden Trost zu spenden, so tritt in der Kirchenmalerei durchaus
die religiöse Belehrung als Hauptzweck in den Vordergrund, wie dieses der
berühmte Ausspruch des Nilus (f um 450) so deutlich sagt, wonach
an den Kirchenwänden Bilder aus dem alten und neuen Testamente zu malen
seien, damit diejenigen, welche nicht lesen und also auch die heilige Schrift
nicht lesen können, durch Betrachtung der Gemälde an die christliche Tugend
derer, welche dem wahren Gott auf die rechte Weise gedient haben, erinnert
und erweckt werden zur Nacheiferung ihrer grossen Werke, durch welche sie
die Erde mit dem Himmel vertauschten, indem ihnen das Unsichtbare mehr
als das Sichtbare galt®).
Man wird wohl mit der Annahme nicht irren, dass bereits in der Zeit
Constantin’s die Wandelung im Charakter der christlichen Malerei sich zu
vollziehen begann ‘‘), wenn es auch noch lange währte, bis das Wesen der-
selben gänzlich umgestaltet war.
Vergleicht man die Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts, die in Rom
und Ravenna auf uns gekommen sind, mit den Katakombenmalereien der
vorangegangenen Zeit, so wird man sich der Umformung des Gesammt-
charakters der christlichen Kunst bewusst. Nicht nur, dass jene bereits inner-
halb der symbolischen und decorativen Kunst der ersten christlichen Jahrhunderte
wirkende historisirende Tendenz in vielen Fällen bis zum wirklichen Geschichts-
bilde durchgedrungen; es ist an die Stelle des heiteren, milden Wesens, das
der Katakombenkunst eigen war, ein ernster, strenger, geflissentlich würdevoller
Charakter getreten, der nur zu bald eine Beimischung starren, asketischen
Wesens erhielt.
®) Nili episl., eJ. Allatius, Rom 1668, lib. IV, ep. 61, pag. 491. — Augusti,
Beiträge zur christl. Kunst-Geschichte und Liturgik II, 92. — Der Brief des Nilus
wurde neuerdings wieder abgedruckt bei Holtzinger a. a. 0. S. 265.
®) In entsprechender Weise heisst es bei Gregor dem Grossen, Epp. lib. VII,
ep. 111: »Idcirco pictura in ecclesiis adhibetur, ut hi, qui litteras nesciunt, saltem
in parietibus videndo legant, quae legere in codicibus non valent«, und lib. IX,
ep. 9: ». . . quod legentibus scriptura, hoc idiotis praestat pictura cernentibus«.
Aehnliche Aussprüche über den lehrhaften Charakter der Malerei finden sich hei
Basilius d. Gr. in der 17. und 19. Hom. — Gregor von Nyssa , Orat. de laudibus
Theodori Martyris c. 2. — • Gregor von Nazianz, Orat. XIX; epist. ad Olymp. —
Chrysostomu.s, de Lazaro III, 1. 2. — Ambrosius in Psalm. 118, 19. 28. — Augustinus,
de doclr. ehr. 4, 7. Siehe Augusti, Beiträge zur christl. Kunstgeschichte u. Liturgik
I, 34, 137. — Mone, Zeitschrift f. d. Gesch. des Oberrheins III, 1852, S. 111. n. 14.
— Noch in einer Erklärung der Synode von Arras (1025) heisst es: >Illiterati,
quod per scripturam non possunt intueri, hoc per quaedam picturae lineamenta
contemplantur.« E., Müntz, Etudes sur l’hist. de la peint. et de l’iconographie ehret.
Paris 1882, p. 44.
*) Ueber die Umgestaltung der christlichen Kunst in der Zeit Constanlins
vergl. Bayet, Hecherches pour servir ä I’histoire de la peinture et de la sculpture
ehret, en Orient avant la querelle des iconoclastes. Paris 1879, p. 44 sq. ; sowie
meinen Aufsatz: Zur Gesch. der Elfenbeinsculpt. im Repert. Bd. VIII, S. 165 f.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
177
Bei einer früheren Gelegenheit habe ich es für wahrscheinlich erklärt,
dass die soeben angedeutete Umgestaltung der christlichen Kunst von Byzanz
ihren Ausgang nahm, da sich hier sowohl der Zug zum Realistisch-Historischen
wie auch zum Feierlich- Würdevollen schon früh bemerkbar macht.
Hier war es, wo bei dem Bestreben, die heiligen Gestalten durch im-
ponierende Haltung auszuzeichnen, die Kunst in Abhängigkeit von der Hof-
sitte gerieth. Schon vor Constantin hatten einige Kaiser begonnen sich mit
orientalischem Pomp zu umgeben. Seit der Gründung von Constantinopel
nimmt dieses Bestreben einen mächtigen Aufschwung. Eusebius schildert die
Kaisertracht Constantin’s als überaus prächtig. Es bildet sich eine streng geregelte
höfische Etikette aus. Vom Hofe aus dringt das pomphafte Ceremoniell in die
Kirche und in die kirchliche Kunst.
Jetzt lag es nahe, die Gestalt Christi vor Allem würdevoll erscheinen zu
lassen und somit an die Stelle des freundlichen Katakombentypus einen ernsten,
strengen zu setzen, wie denn auch Johannes Damascenus (8. Jahrhundert)
berichtet, Constantin habe Christus mit Brauen, die sich vereinigen, schönen
Augen, einer langen Nase, gelocktem Haupthaar, schwarzem Bart, getreide-
farbenem Incarnat dargestellt ®). Dem feierlich dastehenden oder thronenden
Christus wurden Apostel und andere Heilige, vor Allem auch Engel gleichsam
als Hofstaat beigegeben ’).
Das ceremoniöse Element spielt fortan neben dem erstarkten historischen
eine überaus grosse Rolle in der byzantinischen Kunst und macht sich be-
sonders in der malerischen Ausstattung der Apsiden bemerkbar. Für die nun
angestrebte Prachtentfaltung bot die mit steigendem Eifer' betriebene Mosaik-
technik mit ihren glänzenden Farben das geeignete Mittel dar. Ohne Zweifel
hat der auf Wirkungen in die Ferne angewiesene Charakter der Mosaiken
dazu beigetragen, die Monumentalität der christlichen Kunst zu befördern.
Was das oben erwähnte realistisch-historische Element betrifft, so hatte
dasselbe, wie es scheint, bereits in der Zeit Constantins die Kraft, die malerische
Ausstattung der Kirchenschiffe zu beherrschen. Ganz bezeichnend ist es,
dass es ein früherer Statthalter von Constantinopel, jener bereits genannte
Nilus, später Mönch auf dem Berge Sinai, war, welcher dem Eparchen Olym-
piodoros den Rath ertheilte, bei der Ausschmückung einer zu Ehren eines
Märtyrers neu zu erbauenden Kirche das Schiff derselben mit Geschichten aus
dem alten und neuen Testament durch die Hand eines ausgezeichneten Malers
äusschmücken zu lassen, nicht aber durch die ursprünglich beabsichtigte Dar-
In dem in der vorigen Note genannten Aufsatze.
•) Bayet, L’Art byzantin, 16.
’) In einer der fälschlich unter dem Namen des Areopagiten Dionysius aus
Athen gehenden Schriften, wahrscheinlich aus dem Ende des 5. Jahrhunderts, der
Abhandlung »üspl rrj? o5(>av(oo,« Migne, Patrologiae cursus completus,
graec. tom. III, Spalte 101 f., wird von den Engeln, sowie deren mannigfachen
F unctionen eingehend gehandelt. Siehe Strzygowski, Ikonographie der Taufe Christi.
München 1885, S, 16.
178
Eduard Dobberl:
Stellung eines Fischzuges, einer Jagd u. dergl. (doch wohl in der mehr spielen-
den decoratir-symbolisirenden Weise der Katakombenkunst) das Auge des
Gläubigen umherschweifen zu lassen. In Gonstantmopel wird Nilus bereits
biblische Historienbilder in chronologischer Reihenfolge an Kirchenwänden
gesehen haben, soll doch schon Constantin, nach einer Angabe des Johannes
Damascenus ®), verordnet haben, dass die Geburt Jesu, die Hirtenscene, die
Anbetung der Könige, der Stern, der sie leitete, die Darstellung im Tempel,
die Taufe, die Wunder Christi, sein Leiden, die Auferstehung, die Himmelfahrt
und die von den Aposteln bewirkten Wunderthaten in den Kirchen dargestellt
würden. Freilich schrieb Johannes Damascenus erst im 8. Jahrhundert und
kann desshalb für die Zeit Gonstantin’s nicht als eine Quelle im strengen Sinne
des Wortes benutzt werden. Immerhin aber ist es von Bedeutung, dass im
8. Jahrhundert eine Ueberlieferung bestand, wonach schon zu Zeiten Gonstantin’s
die Hauptvorgänge aus dem Leben Jesu in chronologischer Reihenfolge an den
Kirchenwänden dargestellt worden. Auch ist es an sich durchaus nicht unwahr-
scheinlich, dass gleichzeitig mit dem mächtigen Aufschwung, den der Kirchen-
bau unter Constantin nahm, die neue Art der malerischen Ausstattung der-
selben einsetzte. So erinnern denn auch auf der siebenten ökumenischen Synode
zu Nicaea 787, Actio IV, die Legaten des Papstes Hadrian daran, dass die
unter Constantin in der Basilika des Lateran ausgeführten Mosaiken eine Reihe
von Scenen aus dem alten und neuen Testament boten
In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts scheinen biblische Geschichts-
bilder als Wandschmuck der Kirchen schon etwas liebliches gewesen zu sein,
denn wiederholt wird in der Litteratur der Zeit solcher Darstellungen Erwäh-
nung gethan; so erfahren wir aus einem Gedichte des Paulinus von Nola
(354_431) 10)^ (jass in der von ihm um die Wende des 4. und 5. Jahrhunderts
zu Ehren des Märtyrers Felix zu Nola erbauten Kirche ein historischer Bilder-
cyclus aus dem alten Testament: dem Pentateuch, dem Buche Josua, dem
Buche Ruth, in strenger Reihenfolge (serie fideli) gemalt war. An einer
anderen Stelle redet Paulinus von Bildern, welche den Zusammenhang zwischen
dem alten und neuen Testamente andeuten sollten’*). Auch die von Pru-
dentius (348 — c. 410) in 49 Tetrastichen geschilderten Scenen aus dem alten
und dem neuen Testament haben wir uns als kirchliche Wandgemälde zu
denken’^). Wenn Augustin, De consensu Evangelistarum, lib. 1, c. 10 aus
Anlass einer seltsamen Tradition, wonach Christus eine für die Apostel Petrus
und Paulus bestimmte Schrift hinterlassen habe, über Irrthümer klagt, die
durch Wandbilder Christi und der Apostel entstünden, so hat er wohl feier-
Epist. ad. Theophilum imp. c. 3; ed. Migne t. III, p. 349. Bei Bayet,
Hecherches, 53.
®) Bayet ebenda. — Garrucci, St. dell’ arte er. I, 442.
Wiederabgedruckt bei Holtzinger a. a. 0. S. 266 f. — Vergl. Augusti a. a.
0. I, 147 f.; II, 124 f.
*') Vergl. Augusti a. a. 0. II, 128.
Prud. Ditlocb. bei Garrucci 476.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
179
liehe Apsidendarstellungen im Sinne, welche Christus zwischen Petrus und
Paulus zeigten
Die ältesten erhaltenen historischen Wandbilder einer Basilika sind
diejenigen in S. Maria Maggiore zu Rom (432 — 440): vierzig zum Theil
zerstörte Mosaiken aus dem alten Testament an den Langwänden des Mittel*
Schiffes ^9, wozu dann noch die Christus und Maria verherrlichenden Bilder
zu den Seiten des Triumphbogens kommen. Wohl noch in die Schlusszeit
des 5. Jahrhunderts gehören die chronologisch angeordneten 26 Scenen aus
dem Leben Jesu im Mittelschiffe der Basilika S. Apollinare nuovo zu Ravenna
Wahrscheinlich in demselben Jahrhundert, bald nach 440, entstanden die zur
Zeit des Bilderstreites im Jahre 760 auf Befehl des Kaisers Constantin Cop-
pronymus beseitigten Malereien in der Kirche der Theotokos in den Blachernen
bei Constantinopel, in denen man Darstellungen der Geburt, der Wunder und
Thaten Christi bis zur Himmelfahrt und Ausgiessung des heiligen Geistes
sah^®). Aus dem Ende des 5. Jahrhunderts stammen die Verse des Elpidius
Rusticus, in denen er eine Reihe von alttestamen tlichen und denselben ent-
sprechenden neutestamentlichen Darstellungen aufführt, die doch wohl in
solcher Weise zu seiner Zeit in Kirchen gemalt wurden ^9* ln der Regierungs-
zeit des Kaisers Justinian wurde die neuerbaute Kirche des hl. Sergius in Gaza
mit Darstellungen aus dem Leben Christi geschmückt, die, was die Gegenstände
betrifft, nach der Beschreibung des Ghorikios'®) zu schliessen, mit geringen
Ausnahmen den von Johannes Damascenus für die Zeit Constantin’s genannten
entsprochen haben müssen.
Vergl. Augusti a. a. 0. U, 106.
Diese Mosaiken an den Langwänden stammen vielleicht sogar noch aus
der Zeit des Stifters der Kirche, des Papstes Liberius (352-366). Vergl. Garrucci,
Storia dell’ arte cristiana IV, 17, und meinen oben genannten Aufsatz im Reper-
torium VIII, 163, n. 3.
Vergl. Rahn, Ein Besuch in Ravenna in v. Zahn’s Jahrbüchern f. Kunst-
wissenschaft I, 1868, 279-281. — Bayet, Recherches, S. 98. — J. P. Richter, Die
Mosaiken von Ravenna. Wien 1878, S. 42. 53. — Wegen der nahen Verwandtschaft
der in diesen Mosaiken zum Ausdruck kommenden Auffassungsweise mit dem Cha-
rakter der Katakombenbilder und der Reliefs frühchristlicher Sarkophage bin ich
geneigt, für dieselben mit Richter das Ende des 5. Jahrhunderts als Entstehungs-
zeit anzunehmen.
^®) Vita S. Stephani junioris, monachi et martyris. Auctore Stephano, Dia-
cono ecclesiae Gonstantinopolitanae. Interprete Domno Jacobo Loppia. Analecta
graeca. Paris 1688. t. I, p. 453. — Vergl. R. L. Stark, Gaza und die philistäische
Küste. Jena 1852, S. 629, n. 2. — Piper, De la representation symbolique la plus
ancienne du crucifiement etc. bei de Caumont, Bulletin monumental XXVII (1861)
p. 465. — Unger (Christl.-griech. oder byzantin. Kunst, bei Ersch und Gruber, Allg.
Encykl. d. Wiss. u. K. I. Sect., Th. 84, >S. 373) hält es allerdings für sehr wahrschein-
lich, dass die Bilder in der Kirche der Theotokos von jüngerem Datum waren.
^9 Bei Garrucci I, 521.
’®) Ghoricii Gazaei orationes, declamationes, fragmenta, ed. Boissonadr, p. 91
bis 98. Vergl. dazu Stark a. a. 0. S. 628, 629. — Bayet, Recherches, S. 60—62.
180
Eduard Dobbert :
2. Die ältesten Abendmahlsbilder geschichtlichen Charakters,
wahrscheinlich aus dem 5. Jahrhundert.
Von den soeben genannten neutestamentlichen Bilderreihen weist die-
jenige in St. Apollinare nuovo zu Ravenna eine Darstellung des Abendmahls
auf, wie auch nach der Angabe des Ghorikios unter den Bildern der Seigius*
kirche zu Gaza eine solche Darstellung vorhanden war.
Dort, wo Johannes Damascenus die durch Gonstantin vorgeschriebenen
Gegenstände nennt, wird das Abendmahl nicht erwähnt. Allerdings könnte
es nach Analogie späterer Fälle, in denen die Reihe der Passionsbilder mit
dem Einzuge in Jerusalem oder auch dem Abendmahle beginnt , unter der
Gesammtbezeichnung xä sxouGia 7ta8"fj[ji.axa mit begriffen sein ; wie es aber durcli-
aus unwahrscheinlich ist, dass bereits in so früher Zeit die Kreuzigung in
realistisch-historischer Weise dargestellt worden , so ist aus dem im ersten
Capitel angegebenen Grunde an eine unverhüllte Darstellung des Abendmahles
in. der Zeit Gonstanlins schwerlich zu denken ; die disciplina arcani stand eben
damals noch in Blüthe.
Wenn die dem Ambrosius zugeschriebenen Distichen, welche einst die
Beischriften von Wandmalereien in der von ihm in den Jahren 379—386 er-
bauten Basilika zu Mailand gebildet haben sollen, wirklich von ihm herrühren,
so dürfen wir bereits in der Reihe dieser, wie vorausgesetzt wird, gleichzeitig
mit der Kirche entstandenen Wandbilder auch das Abendmahl annehmen ;
denn das Distichon :
»Aspice Johannen! recumbantem in pectoce Christi,
Unde Deum verbum assumpsit pietate fateri«
nimmt offenbar auf eine Abendmahlsdarstellung Bezug, in welcher Johannes
an der Brust Jesu ruhend dargestellt war.
Dieses in späterer Zeit besonders in der abendländischen Kunst so sehr
beliebte Motiv wäre also bereits gegen Schluss des 4. Jahrhunderts auf einem
im Aufträge und nach Angabe des Ambrosius gemalten Abendmahlsbilde
zu sehen gewesen.
Doch vermag ich nicht meine Zweifel an dem Ambrosianischen Ur-
sprünge der betreffenden Distichen zu überwinden. Diese Verse sind zum
ersten Mal im Jahre 1589 in der in Paris von Margarinus de la Bigne heraus-
gegebenen Bibliotheca patrum, Bd. VIII, Spalte 1203—1206 erschienen. Nach
einer einleitenden Bemerkung (Spalte 1195 — 1196) habe Franciscus Juretus
(Ganonicus von Langres) diese Verse, sowie ein ebenfalls hier veröffentlichtes
und dem Tertullian zugeschriebenes Gedicht aus alten Godices gesammelt
(»qui ea ex veteribus codicibus collegit restituitque«). Aus De Rossi’s Inscript.
Christ. Urbis Romae II. ist zu ersehen, dass in den auf uns gekommenen schon
früh veranstalteten Sammlungen altchristlicher Inschriften sich nichts von
diesen Versen vorfindet, ein Umstand, der mir bei der Berühmtheit und Be-
liebtheit des Ambrosius die Zurückführung der Distichen auf ihn selbst sehr
zu erschweren scheint.
Wohl hat L. Biraghi, Jnni sinceri e carmi di Sant’ Ambrogio Vescovo
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
181
di Milano 1862> in den Anmerkungen S. 144 f. mit grossem Fleisse solche
Stellen aus beglaubigten Werken des Ambrosius zusammengetragen, welche
der Tendenz und zuweilen auch dem Ausdruck nach mit den Distichen nahe
verwandt sind; diese Uebereinstimmung beweist aber noch keineswegs, dass
nun auch die Distichen wirklich von Ambrosius herrühren, sind doch die Ge-
danken und Worte des berühmten Kirchenlehrers von Späteren immer wieder
benutzt worden, so hat z. B. Maximus in seinen Predigten Verse des Ambro-
sius paraphrasirt (vergl. Biraghi a. a. 0. S. 57), so scheinen mir auch die von
De Rossi a. a. 0. S. 296 (vergl. ebenda Prooemium II, XXXVI) aus einer
spanischen Sylloge beigebrachten und wohl mit Recht für die Unterschrift
eines Bildes des Johannes gehaltenen Verse:
»Transgrediens celos verbum patris (i)ste Johannes
repperit et reserat qui (qüae) Xpi pectore sumpsit«
von Aussprüchen des Ambrosius nicht weniger abhängig zu sein, als die auf
das Abendmahl bezügliche angebliche Basiliken-Inschrift ^®).
Biraghi sagt, der Titel der von Juretus benutzten Codices sei gewesen;
»Incipiunt disticha sancti Ambrosii, de diversis rebus; quae in basilica Am-
brosiana scripta sunt.« Nun aber geht aus der betreffenden Stelle auf S. 1195
der Bibliotheca von de la Bigne, der einzigen Quelle für die angeblichen
Basilika-Inschriften, keineswegs hervor, dass der obige Titel aus d^ von
Juretus gefundenen Codex herrühre; er kann ganz ebenso gut von Juretus
oder von dem Herausgeber der Bibi. patr. stammen und auf bloss subjectiver
Ueberzeugung dieser Gelehrten beruhen.
'Ich würde gegen den so frühen Ursprung der Verse nicht so miss-
trauisch sein, wenn nicht das Vorkommen einer Abendmahlsdarstellung, in
welcher bereits das innige Verhältniss des Johannes zu Christus in der Weise
or spätem Kunst betont ist, gegen Schluss des 4. Jahrhunderts sehr unwahr-
scheinlich und ganz ohne Analogie wäre. Die älteste mir bekannte unter
den auf uns gekommenen Abendmahlsdarstellungen mit dem an der Brust
**) Von hier in Betracht kommenden Stellen bei Ambrosius fand ich nach-
stehende :
Epist. LXV (an Simplicianus) : »Sapientia Dei Christus: in cujus pectore
recumbebat Johannes , ut de principali illo secretoque sapientiae hausisse divina
proderetur mysteria.« S. Ambrosii opera omnia, ed. P, A. Ballerini, Mailand, V, 589,
4. — Diese Stelle auch von Biraghi, 150, beigebracht.
Expositio Evangelii secundum Lucam, Lib. VII. ». . . . quando erat Jo-
hannes in sinu Jesu, cervice recumbens reflexa, et ideo Verbum apud Deum vidit,
quia erectus est ad superna.« ed. Ballerini, III, 255.
In psalmum David CXVIII, sermo II. ». . . . Constitue Dominum Jesum recum-
bentem in convivio, reclinantem se Johannem supra pectus ejus, mirantes alios
quod servus se supra Dominum reclinaret . . .« ed. Ballerini, II, 450.
De incarnationis Domin. sacramento, lib, unus, cap. IV, 29. ». . . . id enim
addidit (Christus), ut Jegeres quod in Christi pectore recumbebat (Johannes), et
intelligeres quod ejus caput, in quo principale omnium sensuum est, arcano quo-
dam sapientiae replebatur.« ed. Ballerini, IV. 883.
182
Eduard Dobbert:
Jesu ruhenden Johannes ist diejenige zu Ferentillo, etwa aus dem 8. Jahr-
hundert (s. unten).
Ob unter den Malereien der Muttergotteskirche in den Blachernen das
Abendmahl sich befand, ist aus der in der Anm. 16 angegebenen Quelle nicht
ersichtlich. Dass aber bereits vor der Mitte des 5. Jahrhunderts Christus mit
seinen Jüngern beim Abendmahl dargestellt wurde, wird durch nachstehende
Schriftquelle wahrscheinlich gemacht:
ln einem Schreiben der Patriarchen von Alexandria, Antiochia und
Jerusalem an den Kaiser Theophilus (829 — 842)^°) wird eine Darstellung des
geheimnissvollen Mahles Christi mit den zwölf Aposteln auf einem vom Kaiser
Theodosius II. (408 — 450) gestifteten Discus (== Patene) erwähnt: ». . . tSs
xbv «5x00 otaxov il<; ovnsp e-^xauaiixoi? x«XXtepYY|[iaatv o [xuGxtxöi; xoö Xpioxoö
SeiTXVO«; [iex« xwv StoSsx« diioaxoXcuv s~fv.sv.oka.nxoi'.
Dass das betreffende Abendmahlsgeräth wirklich aus der Zeit des
Theodosius II. stammte, lässt sich allerdings nicht erweisen, doch sei hier
bemerkt, dass man damals bereits bei der Abendmahlsfeier sich reich ver-
zierter Gefässe bediente. Sind für den Anfang des dritten Jahrhunderts
Abendmahlsgefässe aus Glas bezeugt (Tertullian redet von Bildern, die den
Kelch durchleuchteten; Papst Zephyrinus (202 — 219) befiehlt den Diakonen
gläserne Patenen vor dem Priester in die Kirche zu tragen), so gab es doch
etwa um dieselbe Zeit auch schon Abendmahlsgeräthe aus edlem Metall, wie
denn Papst Urban I. (f 230) goldene und silberne Gefässe für den Altar-
gebrauch anfertigen liess. Aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts erfahren
wir durch Chrysostomus (347 — 407) von goldenen und mit Edelsteinen ge-
schmückten Kelchen, welche von den Gläubigen für den Altar dargebracht
wurden, sowie von goldgewirkten Decken, mit denen der Tisch geschmückt
ward, und durch Augustin (354 — 430) : dass die beim Abendmahl gebrauchten
Gefässe heilige Gefässe genannt und die Altäre mit Blumen geschmückt wurden.
Derselbe Kirchenlehrer berichtet über die Ausgrabung von zwei goldenen und
sechs silbernen Kelchen in der Krypta zu Girta^^). So hat denn die Stiftung
eines kostbaren Discus mit einem gravirten und farbig behandelten Bilde in
der Zeit Theodosius’ II. an sich nichts Unwahrscheinliches.
Wohl das älteste unter den bisher zu Tage getretenen byzantinischen
Abendmahlsbildern ist dasjenige auf der einen der beiden schönen, als Deckel
einer Evangelienhandschrift zusammengehörenden Elfenbeinplatten im Dom-
schatze zu Mailand '^^). Meine Gründe für die Annahme des oströmischen
Ursprunges und des 5. Jahrhunderts als der Entstehungszeit dieses Kunstwerkes
habe ich im Repertorium VIII, 172 auseinandergesetzt. Es sei hier noch
hinzugefügt, dass auch de Rossi, Bull. d. arch. er. 1865, p. 25, eher das 5.
denn das 6. Jahrhundert als Entstehungszeit anzunehmen geneigt ist.
'®) Gombefis, Orig. rer. Gonstant., p. 141. Bei Garrtcci I, 493.
Vergl. Augusti, Beiträge zur christl. Kunst-Geschichte u. Liturgik I, 113,
128; II, 72, 82, 84, 105, 119. — Otte, Handb. d. kirchl. Kunstarchäologie, 4. Auf!.,
S. 162. — Kraus, Die christl. Kunst in ihren frühesten Anfängen. Leipzig 1872, S. 139.
^^) Abbildung bei Garrucci, Tav, 454 u. 455.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
183
Wir sehen hier (Fig. 18) nur vier Personen zum Mahle gelagert, was
uns bei dem beschränkten Raum, den das betreffende Feld der Platte bot,
und bei der abkürzenden Darstellungs weise der altchristlichen Kunst, der dieses
Werk noch ganz nahe steht, an der Deutung der Scene als Abendmahl Christi
nicht irre machen kann. Der Tisch ist halbkreisförmig und, wie bei den
Mahlesdarstellungen an den Wänden der Katakomben und auf Sarkophagreliefs,
längs der Rundung von einem Polster umgeben, auf welches sich die in antiker
Weise zum Mahle gelagerten Tischgenossen mit den Ellenbogen stützen. Auf
dem Tische liegen Brode und
auf einer Schüssel ein Fisch,
der uns hier, wie immer wie-
der bei byzantinischen Abend-
mahlsbildern an die im 1. Ca-
pitel erörterte eucharistische
Deutung des erinnert.
Christus, der, ohne Nimbus,
an der linken Ecke des Tisches
liegt, scheint mit der Rechten
auf den Fisch zu weisen, eine
Bewegung, welche den Ge-
danken an die Einsetzung des
Abendmahles nahelegt. An-
dererseits scheint der mittlere Apostel eine abwehrende Gebärde zu machen und
mithin als Judas bei der Ankündigung des Verrathes durch Christus gedacht
zu sein. Bestimmtes über die Absicht des Künstlers lässt sich nicht sagen.
Das Abendmahlsbild in S. Apollinare nuovo zu Ravenna (Fig. 19) gehört
zu den Mosaikdarstellungen aus dem Leben Jesu, die das Mittelschiff dieser
Basilika dicht unter der Decke schmücken. Mit demselben beginnt die Reihe
der Passionsbilder *^). Christus, dessen Haupt mit dem Nimbus versehen ist.
Abbild, auch bei Garrucci, Bd. IV, Tav. 250. Fig. 19 ist auf Grund einer
Photographie mit Benutzung der Abbildung 'bei Garrucci angefertigt. Die modernen
Gesichtstypen finden sich selbstverständlich nicht am Mosaikhilde, welches in der
Photographie für eine treue Wiedergabe der Köpfe zu wenig Anhalt bot. Für den
Zusammenhang dieses Abendmahlsbildes mit der oströmischen Kunst spricht schon
der Umstand, dass die Anordnung der Tischgesellschaft auf dem Sigma, wie sie
sich hier findet, uns immer wieder bei byzantinischen Abendmahlsdarstellungen
begegnen wird. Dazu kommt, dass auch die Architektur der Basilica St. Apollinare
nuovo oder, wie sie damals hiess, S. Martinus in Coelo aureo frühbyzantinische
Elemente aufweist, wie denn die Marrnorcapitelle der aus prokonnesischem Marmor
gefertigten Säulen und die Kämpferaufsätze über denselben, deren einer das
Zeichen /\ 6 (die griechische Zahl 35) trägt, die echt byzantinische Form zeigen.
Vergl, Rahn, Ein Besuch in Ravenna in v. Zahn’s Jahrb. für Kunstwiss. I. (1888).
Was die Mosaiken aus dem Leben Jesu betrifft , zu denen unser Abendmahl
gehört, so erkenne ich die Verwandtschaft vieler dieser Darstellungen mit früh-
christlichen weströmischen Denkmälern an, diese Verwandtschaft spricht aber
134 Eduard Dobbert:
Fig. 19
und elf Jünger liegen auf einem halbkreisförmigen Lager, dem Sigma, um den
halbrunden Tisch, welcher mit einem Tuche bedeckt ist, das in der Weise
von Altardecken mit Fransen und in den Ecken mit jenem Ornament in Form
des griechischen Buchstaben F, der sogen. Gammadia, ausgestaltet ist*^). Auf
nicht gegen den oströmischen Ursprung derselben in einer Zeit, da die beiden
Hauptzweige der christlichen Kunst ihrem Scheidungspunkte noch so nahe waren. In
der That liegt nichts gegen die Annahme vor, dass in dem in so nahen Beziehungen
zu Constantinopel stehenden Ravenna bereits im 5. Jahrhundert wie für den Bau
so auch für die malerische Ausstattung der Kirchen oströmische Künstler verwendet
wurden, ist doch für eine andere Stadt Italiens, Siponto, die Berufung byzantini-
scher Meister in der Zeit des Kaisers Zeno (474 — 491) verbürgt (vergl. Müntz,
Etudes sur l’hist. de la peint. et de l’iconogr. ehr. Paris 1882, p.'41), und hat doch
die Untersuchung de Rossi’s (L’Abside deli’ antica basilica di S. Giorgio Maggiore
in Napoli, Relaz. d. Commiss. municip. p. 1. conservaz. dei monum. Nap. 1881, und
Bull. d. arch. er. 1880, p. 144 sq. Vergl. HoUzinger, Die Basilica des Paulinus
zu Nola, in der Zeitschrift f. bild. Kunst, XX. [1885] S. 138) die Thäligkeit eines
oströmischen Architekten an der Basilica Severiana in Neapel , einem Baue aus
dem Beginne des 5. Jahrhunderts, wahrscheinlich gemacht. Bezüglich des ost-
römischen Charakters der ravennatischen Kunst sei auf Müntz a. a. 0.; Bayet,
Recherches, p. 80 sq. ; Labarte, Hist, des arts ind. IV, p. 177 und meinen Aufsatz
»Zur Geschichte der Elfenbeinsculptur« im Repert. VIII, 163 verwiesen. Dass auch
die ravennatische Sarkophag-Bildnerei mit oströmischer Kunst zusammenhängt, wird
durch den ceremonielleri Charakter jener so häufig in Ravenna anzutreffenden Dar-
stellung Christi zwischen den Aposteln erwiesen. Es sind meist echte Devotions-
oder Repräsentationsbilder. Vergl. J. Ficker, Die Darstellung der Apostel in der
altchristl. Kunst. Leipzig 1887, S. 76, 88; V. Schnitze, Ueber d. altchrisU. Bildhauer--
kunst in Ravenna, Chr. Kunstblatt 1889, S. 102 f.
Neuerdings ist der Nachweis versucht worden, dass es in altchristlicher
Zeit auch Altäre in Gestalt halbrunder Tische gegeben habe und dass die Urbeber
solcher Abendmahlsbilder, wie das hier besprochene, eben diese Form der Altäre
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
185
dem Tische sehen wir Brode und eine Schüssel mit zwei Fischen. Christus
scheint mit der Bewegung seiner Rechten eine Rede zu begleiten , auf welche
die Apostel hinhören. Da die Zahl der Jünger hier nur elf beträgt, liegt der
Gedanke nahe, dass der Urheber unseres Bildes die Einsetzung des Abend-
mahles nach stattgehabter Verkündigung des Verrathes im Sinne gehabt und
den Judas als bereits zur Ausführung seines Verbrechens fortgegangen sich
gedacht habe.
Weiter unten ^wird eine Miniatur ans dem 6. Jahrhundert im syrischen
Evangelien-Codex des Rabula beigebracht werden, welche die Darreichung des
Abendmahlsbrodes durch Christus an die Jünger zum Gegenstand hat, und in
welcher ebenfalls nur elf Apostel sich finden, während wiederum in einer
anderen Miniatur desselben Jahrhunderts — im Codex Rossanensis — und später
immer wieder zwölf Jünger das Abendmahl aus der Hand Christi empfangen.
Das geflissentliche Fortlassen des Judas bei der Einsetzung des Abend-
mahles- ist um so auffallender, als die Annahme seiner Betheiligung an der
Communion der Ueberlieferung der älteren Kirche entspricht; heisst es doch
in der Rede des Augustin über Luc. XIV, 161 : »Judas der Verräther war (bei
dem hl. Mahle) zugegen. Wie viele essen und trinken sich auch noch jetzt
an dem Mahle das Gericht«, und in einer anderen Rede desselben Kirchen-
lehrers: Judas, der Verkäufer und gottlose Verräther des Herrn, habe das von
des Herrn Händen selbst vorher erst zubereitete Sacrament seines Fleisches
und Blutes mit den übrigen Jüngern, wie Lucas der Evangelist deutlicher
erkläre, gegessen und getrunken^"’). Aehnlich sagt Ghrysostomus in seiner
Rede über den Verrath des Judas: »Als Christus dies (die Einsetzungsworte)
sprach, war Judas gegenwärtig« . . ., »er theilte das gemeinschaftliche Opfer« . . .,
und bezüglich des würdigen Empfanges des Abendmahles : »Hier sei kein Judas,
der Betrug gegen seinen Nächsten im Herzen beherbergt, hier sei kein Böse-
wicht, keiner, der in seiner Seele das Gift des Lasters verbirgt!«^®).
Ja selbst durch die Erzählung des vierten Evangeliums von der An-
kündigung des Verrathes, wo der Einsetzung des Abendmahles nicht erwähnt
wird, scheint, wie unwillkürlich, hindurchzuschimmern, dass der dem Judas
gereichte Bissen das Abendmahlsbrod sei. »Und nach dem Bissen fuhr der
Satan in ihn«, heisst es im Vers 27, wodurch wir aufs lebhafteste an die
paulinische Warnung (1. Korinth. XI, 29) erinnert werden: »Denn, welcher
unwürdig isset und trinket, der isset und trinket sich selber das Gericht«^").
nachgeahmt hätten. Siehe Rohault de Fleury, La Messe, Bd. I, S. 164 f., wo auf
einen halbkreisförmigen Altar im Museum zu Clermont hingewiesen wird.
^®) Auserlesene Reden der Kirchenväter für die Sonn- und Festtage des ehr.
Jahres. Cohlenz 1829 f. II, 218; III, 391.
^®) Siehe Engelhardt, Die künstlerische Darstellung des hl. Abendmahles, im
Christi. Kunstblatt 1871, S. 7. — Piper, Einleitung in die monumentale Theologie,
S. 168. — Auserlesene Reden etc. III, 470—472.
Vergl. Strauss, Leben Jesu für d. deutsche Volk bearbeitet, S. 546. — In
einer am Gründonnerstag auf das Abendmahl gehaltenen Rede Cyprian’s heisst es:
186
Eduard Dobberl :
3. Die Anordnung der Tischgesellschaft beim Abendmahle nach
den Schriftquellen.
Wie weit hat sich der Urheber unseres Bildes in S. Apollinare nuovo
bei der Anordnung der Mahlesdarstellung an die zu seiner Zeit sowie zur Zeit
Christi herrschende Sitte gehalten?
Es giebt mehrere litterarische Zeugnisse dafür, dass man noch im 4., 5.
und 6. Jahrhundert n. Ghr. auf dem Sigma zu Tische lag ^®). So findet sich
diese Sitte erwähnt: in der Schilderung, welche Sulpicius Severus von einem
Gastmahle bei dem Kaiser Maximus in Trier aus dem Jahre 386 giebt ^®);
ferner in dem Berichte des Sidonius Apollinaris®®) über ein Mahl, zu welchem
ihn im Jahre 461 der Kaiser Majorianus in Arelate eingeladen hatte, so wie
in der Beschreibung eines Mahles durch Gregor von Tours (540 — 594)®^).
Diese Schilderungen in Verbindung mit einer Stelle in der um 330 von
Juvencus verfassten Historia Evangelica, bei Migne, lat. XIX, p. 266, in welcher
Christi Rath, sich beim Hochzeitsmahl nicht obenan zu legen, Luc. XIV, 7 — 11,
in poetischer Form vorgetragen ist®®), geben uns auch Aufschluss über die Rang-
ordnung der Plätze beim Mahle. Die Ehrenplätze auf dem Sigma waren die
Eckplätze (cornua), und zwar galt als erster Platz, an welchem der Gastgeber
»So lange jene Speisen, die zum Feste bereitet worden waren, von den zusammen-
speisenden Aposteln genossen wurden, ward das Andenken an das alte Pascha ge-
feiert; Judas, zum alten Leben gehörend, war vom Satan noch nicht angefallen,
seine Seele noch nicht ergriffen und hinausgeführt worden ; sobald aber die heilige
Speise seine treulose Seele berührt und das heilige Brod in seinen bösen Mund
gekommen war, konnte sein Mördergeist die Gewalt eines solchen Sacramentes
nicht ertragen , sondern wurde wie Spreu von der Tenne in die Höhe getrieben
und hingestürzt zum Verralh, zum Lohne, zur Verzweiflung, zum Strange.« Aus-
erlesene Reden etc. I, 580. — Chrysostomus, »lieber den Verrath des Judas« knüpft
an das Eingehen des Bösen in das Herz des Verrätbers nach vollendetem gemein-
schaftlichen Mahle die Warnung, dass jener Geist gerade über diejenigen komme,
welche unwürdig und heuchelnd an den göttlichen Geheimnissen Theil nehmen.
®®) Vergl. zu dem Folgenden: Petrus Giacconius Tolelanus, De triclinio sive
de modo convivandi apud priscos Romanos. Amsterd. 1689. — Sirmondus, Opera
Varia. Paris 1696, 1, 871, n. b, IV, 665 sq. — L^mbecius, Commentarii de Biblio-
theca caes. Vindob. 1670, IV, 309 sq. — Marquardt, Das Privatleben der Römer.
2. Aufl., 1886, S. 307.
®*) Sulp. Sev. de vila beati Martini, c. 23.
®“) Sidon. Apoll, epist. I, 11.
®') Miraculorum lib. I c. 80, Maxima biblioth. palrum. Lugd. 1677, Vol. XI,
p. 852.
®®) Si vos quisque vocat, coenae convivia ponens,
Cornibus in summis devitet ponere membra
Quisque sapit : veniet forsan si nobilis alter,
Turpiter eximio cogetur cedere cornii.
Quem tumor inflati cordis per summa locarat.
Sin contentus erit mediocria prendere coenae
Inferiorque dehinc si mox conviva subibit.
Ad potiora pudens transibit strata tororum.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
187
zu liegen pflegte, der in dexlro cornu, als zweiter der in sinistro cornu (rechts
und links sind hier objectiv, nicht vom Beschauer aus, zu verstehen); von
diesem (dem zweiten Platz) wurden die folgenden Plätze gezählt, so dass der
letzte Theilnehmer am Mahle an der linken Seite des ersten lag. Bei dem
von Sulpicius Severus geschilderten Gastmahle lag der Kaiser Maximus, bei
dem von Sidonius Apollinaris beschriebenen der Kaiser Majorianus an der
(objectiv) rechten Ecke. Bei dem letzteren Mahle lag an der linken Ecke der
Consul Severinus, an unterster Stelle aber, also zur Linken des Kaisers,
Sidonius Apollinaris. (»Ultimus ego jacebam, qua purpurati latus laevum
margine in dextro porrigebatur«.)
So hat sich denn der Urheber des Abendmahlsbildes in S. Apollinare
nuovo (wie auch derjenige der Abendmahlsdarstellung am Elfenbeindeckel
zu Mailand) an eine Sitte seiner Zeit gehalten, indem er Christus die (objectiv)
rechte Ecke des Sigma einräumte, eine Stelle, an der, wie wir weiter unten
sehen werden, auch in späteren byzantinischen Abendmahlsbildern Christus
immer wieder erscheint. Der Ehrenplatz an dem entgegengesetzten Ende der
Tafel ist allerdings nicht, wie so häufig in späteren byzantinischen Darstellungen,
dem Petrus gegeben, welcher vielmehr in dem Jünger neben Christus gemeint
zu sein scheint.
Die halbkreisförmige Anordnung der Speisenden in der ravennatischen
Darstellung entspricht im Allgemeinen auch derjenigen, die wir uns gegenüber
den evangelischen Erzählungen von dem letzten Mahle, welches Christus mit
seinen Jüngern einnahm, denken.
Dass Christus und die Jünger auf einem Stibadium oder Sigma lagen,
ist schon an sich wahrscheinlich, da diese Sitte damals die herrschende
war®^). Den Verfassern der Evangelien scheint denn auch eine solche Anord-
nung der Tischgesellschaft vorgeschwebt zu haben; denn die Worte, die das
Marcus-Evangelium XIV, 15 (und in ganz ähnlicher Weise das Lucas-Evan-
gelium XXII, 12) Christus zu den beiden in die Stadt vorausgeschickten
Jüngern reden lässt; »xal äoxbq (nämlich der Hauswirth) 6p.’ v
Ij-sfa £0'tf/(up.r/ov £To;pLoy* bedeuten: er wird euch ein grosses oberes gepolstertes
(d. h. mit Polstern, Lagern versehenes, nicht, wie in der Uebersetzung Luthers,
gepflastertes) zubereitetes Gemach zeigen, und das ävaxstfAevojv a-koiv in Vers 18 *^)
ist nicht nach Luther mit »als sie (zu Tischp) sassen«, sondern mit »als sie (zu
Tische) lagen« zu übersetzen, sowie auch die Worte im 4. Evangelium XIII, 23:
»YjV Ss ävay.siiJ.2Wi; tiq xoiv iJ-ctD-riTojv abxoö hy xo) v.oItm toö ’Itjgoüc zu Übersetzen
sind: »Es war aber einer unter seinen Jüngern, der (zu Tische) lag an der
Brust Jesu«.
Die frühen Kirchenlehrer dachten sich denn auch die Theilnehmer am
Abendmahl auf dem Sigma liegend, heisst es doch bei Tertullian (um 160 bis
um 230), decorona: Agnoscam necesse est recumbentem in lectulo Christum,
ln Palästina soll auch noch gegenwärtig liegend gespeist werden. Rohault
de Fleuiy, L’Evangile 11, 182.
Vergl. Matth. XXVI, 20. '(^yrJ^s.^vr^z avsy.j’xo (».etö; xo>v oojosxx.
188
Eduard Dobbert:
und redet doch auch Ghrysostomus (um 347 — 407) Homilia XXVII ia 1 ad
Corinthios vom Stibadium. Petrus Chrysologus, von 433—451 Bischof von
Ravenna, lässt (Sermo XXIX) Christus bei dem Mahle des Zöllners Matthäus
auf einem Sigma liegen: »discumhebat Jesus plus in Matthaei mente quam in
sigmate«, und in: Sermo XXCIII heisst es von dem Mahle der elf Apostel
nach dem Tode Christi: ». . . et soli discipuli alto sigmate toro uno, toto
otio securi epulantur.«
Dass Christus, der herrschenden Sitte gemäss, die erste Stelle an der
(objectiv) rechten Ecke des-Sigma einnahm, liegt auf der Hand *’). In welcher
Reihenfolge haben wir uns aber die Apostel gelagert zu denken?
Bei Lambeck a. a. 0. findet sich ein an der Hand d^er Aufzählung der
Apostel im Lucas-Evangelium VI, 14—17, wie folgt, entworfenes Schema®®):
Die Stelle im Lucas-Evangelium XXII, 24, welche unmittelbar nach der
Einsetzung des Abendmahles und der Ankündigung des Verrathes einen Streit
unter den Jüngern darüber erwähnt, welcher unter ihnen für den grössten
gehalten werden sollte, scheint allerdings darauf hinzuweisen, dass dem Evan-
gelisten eine durch die Platzvertheilung bei der Mahlzeit zum Ausdruck
kommende Rangordnung nicht vorschwebte. Andererseits spricht der Umstand,
dass das vierte Evangelium XIII, 23 den Lieblingsjünger an der Brust Jesu
liegen lässt, dafür, dass sich die Jünger bei ihren mit Christus eingenommenen
Mahlen nicht, wie es etwa der Zufall wollte, sondern, wie dies die Sitte der
Zeit mit sich brachte, in einer gewissen Reihenfolge niederliessen ®’). Entsprach
die letztere vielleicht der Zeitfolge in der Berufung der Jünger? Und begann
sie hiernach wirklich mit Petrus, welcher in allen Apostel Verzeichnissen der
Dass der Gastgeber an dieser Stelle des Sigma zu liegen pflegte, sahen
wir bereits oben. Hier sei noch hingewiesen auf Petr. Ghrysol. Sermo XCII, wo
gesagt wird, der Pharisäer, welcher Christus zum Mahle empfangen habe, sei der
erste auf dem Sigma gewesen : »Dum pharisaeus veste clarus primus in sigmate.<
Das ist jener Platz, welchen nach den Worten Christi bei Matthäus XXIII, 6. die
Pharisäer lieben : »cfiXoüat xs xyjv Tipcuxov-Xiaiav ev xohi osi7ivot<;.« Ganz deutlich ist
in dem Worte TtpcuxrjxXi-ia das Liegen auf dem ersten Platze bei den Mahlen be-
tont, im Unterschied^ von den darauf folgenden 7cpu)xo-/cc/.9'E5p''a'., den ersten Sitz-
plätzen in den Synagogen.
®®) Zu der Anordnung der Tischgesellschaft beim Abendmahle vergl. auch
Garrucci I, 384 f.
®^) Man erinnere sich wieder des Rathes Christi bei Lucas XIV, 7—11, sich,
wenn zur Hochzeit geladen, nicht auf den ersten Platz zu legen.
Thomas.
Simon gen. Zelotes.
Judas Jacobi Sohn.
Judas Ischarioth.
Christus.
Johannes.
Jacobus d. J.
Matthäus.
Bartholomäus.
Philippus.
Jacobus d. Aelt.
Andreas.
Petrus.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
189
Evangelien an der Spitze steht und in dem Namensverzeichniss Matth. X, 2
ausdrücklich alsr Tcp&xo? bezeichnet wird?
Eine solche Anordnung Hesse sich mit der oben genannten Stelle : Luc. XXII,
24 in Einklang bringen ; denn sie enthielte noch keineswegs einen eigentlichen
Werthunterschied in sich. Trefflich passt auch was Christus, Vers 26, bezüglich
jenes Rangstreites sagt, zu einer solchen Anordnung nach dem Alter im Aposto-
lat: >6 ev u|jL’v y£veo9’(u ü)^ 6 vsojtspoi;«', »der Grössere unter Euch wird sein
wie der Jüngere«, geht doch aus dem Worte b vEtutepoi; hervor, dass jener
Rangstreit gerade von dem Altersunterschiede im Apostolat ausgegangen war ®®).
Wenn in dem oben mitgethpilten Schema dem Apostel Johannes, ab-
weichend von der Reihenfolge im Lucas-Evangelium, nicht zwischen Jacobus
und Philippus, sondern zur Rechten Christi der Platz angewiesen wurde, so
geschah dies in Rücksicht auf Joh. XITI, 23, 25, wonach der Jünger, den
Christus lieb hatte, an der Brust Jesu lag (iv xw x6Xt:ü), resp. snl xö ox-^ö-o?), sowie
im Hinblick auf eine alte Sitte, wonach Personen, die dem Gastgeber besonders
nahe standen: die Gemahlin, der Sohn, an besonderer Stelle ganz vorne
(objectiv) rechts neben ihm Platz zu nehmen pflegten. Das Liegen auf dem
Sigma beim Mahle bringt es mit sich, dass derjenige, der an der Brust seines
Nachbars ruht, den Platz zu der Rechten des letzteren einnehmen muss,
denn man lehnte sich mit dem linken Ellenbogen auf das Polster, wandte
also dem Nachbar zur Linken nicht die Brust, sondern den Rücken zu. In
einer ähnlichen Lage, wie hier Johannes zur Rechten Christi, ist wohl der
arme Lazarus neben Abraham gedacht, wenn es Lucas XVI, 22 von ihm heisst:
er sei von den Engeln getragen worden in Abraham’s Schooss (oder an Abra-
ham’s Brust) elc xöv -/.oXteov xoö 'Aßpczaft, und im Vers 23: der Reiche habe ihn
von der Hölle aus in Abraham’s Schooss >ev xoi(; xoXxro'; aoxoös gesehen. Offenbar
hat sich hier Lucas eines sprichwörtlich gewordenen Ausdrucks bedient, welcher
beweist, wie verbreitet und bekannt damals die Sitte war, die Stelle zur Rechten
des Hausherrn einem besonders auszuzeichnenden Gaste einzuräumen
Wir werden weiter unten byzantinische Miniaturbilder des Abendmahles
kennen lernen, auf welche diese alte Sitte, wie es scheint, nicht ohne Einfluss
gewesen ist. Hier sei einer analogen Darstellung aus dem alten Testament
gedacht. In einer lateinischen Handschrift, wahrscheinlich aus der 2. Hälfte
des 7. Jahrhunderts, dem Ashburnham Pentateuch, gegenwärtig in der Pariser
National-Bibliothek ^®), findet man bei dem Mahle, zu welchem Joseph, an der
Ecke links seinen Brüdern auf dem Sigma gelagert ist, Benjamin vor
dem Tische zur Rechten Joseph’s.
Vergl. auch Matth. XVIII, 1, Marcus IX, 34, Lucas IX, 46. Auf einen
solchen Streit bezieht sich ja auch das Gleichniss von den Arbeitern im Weinberge,
Matth. XX, wonach zwischen den Arbeitern der ersten, dritten, sechsten und
neunten Stunde hinsichtlich des Lohnes kein Unterschied sei.
^®) Vergl. Garrucci I, 385.
■“’) Fol. 44a (ed. von Gebhardt, London 1883, pl. XII).
Die Bezeichnungen rechts und links, wenn nicht das Wort »objectiv«
hinzugefügt wird, immer vom Beschauer aus zu verstehen.
190
Eduard Dobbert :
Die Stelle, welche dem Petrus in dem Schema und in zahlreichen Abend-
mahlsbildern an dem rechten Ende des Sigma zugewiesen ist, verträgt sich
aufs Beste mit der Angabe des vierten Evangeliums Xlli, 24., wonach Petrus
dem (ihm nach dem Schema gegenüberliegenden) Johannes winkte (veuEt)
(nicht sagte!), dass er forschen solle, wer der Verräther sei.
Judas pflegt allerdings, wie weiter unten gezeigt werden wird, in byzan-
tinischen Abendmahlsdarstellungen nicht, wie das Schema will, links neben
Christus zu liegen, sondern an höherer Stelle, ja einige Mal sogar an dem
Ehrenplätze am (objectiv) linken Ende des Sigma; doch wird man Lambeck^’*)
wohl Recht geben können, wenn er darauf hin weist, wie die Worte Christi bei
Matthäus XXVI, 23: »6 ejxßai/»«? jasx’ efiou ev xü) tpoßXtu) x-J^v oux6(; |jls nap&-
»der mit mir die Hand in die Schüssel getaucht, der wird mich ver-
rathen« (vgl. auch Marcus XIV, 20) trefflich zu dem Liegen des Judas neben
Christus passen. Auch wird es byzantinische Bilder gegeben haben, auf denen
Judas neben Christus lag. Wie wäre sonst die Stelle in der Beschreibung des
Abendmahles im Handbuch der Malerei vom Berge Athos^®) zu erklären:
»Und zur linken Seite liegt Johannes an seiner (Christi) Brust; und zur rechten
hat Judas seine Hand nach der Schüssel ausgestreckt und schaut auf Christum«.
Aber auch die Stelle im vierten Evangelium XIII, 26: »y.al x& «];o[j.’ov
5i8ü)Giv ’loüSa Stjx(ovo<; ’lGyapiüJXY]«. »Und nachdem er den Bissen eingetaucht
hatte, gab er ihn Judas Simonis Ischariot« sdieint darauf hinzuweisen, dass
Judas in Christi Nähe liegend gedacht ist und lässt sich wohl auf das Unge-
zwungenste gerade mit der unmittelbaren Nachbarschaft desselben vereinigen.
Ja der ganze Vorgang der Ankündigung des Verrathes, wie derselbe im vierten
Evangelium geschildert wird, dürfte diese Nachbarschaft voraussetzen; denn
die Stelle XIII, 28, 29, wonach Keiner der (übrigen) zu Tische Liegenden
wusste, wozu Christus dem Judas die Worte sagte: »Was du thust, das thue
bald«, setzt doch wohl voraus, dass nur Judas die vorangegangene Unter-
redung Christi mit dem sich zu seiner Brust neigenden Johannes, die Worte:
»Der ist es, dem ich den Bissen, nachdem ich ihn eingetaucht, reichen werde«
gehört hatte. Diese Auffassung setzt freilich voraus, dass Johannes den Sinn
der Worte Jesu: »Was du thust, das thue bald« verstand. Nimmt man die
Worte; »xoüxo 8e o68sli; £yvu} xüiv &vaxst[j.evu)v Tcpö(; xt eIixev aüxw*. »Es wusste aber
Keiner der zu Tische Liegenden, wozu er es ihm sagte« (Vers 28) buchstäb-
lich, dehnt man sie also auch auf Johannes aus, so fällt freilich die ganze
Beweisführung ins Wasser, dann aber ist auch die Situation durchweg uner-
klärlich, denn wie ist es denkbar, dass Johannes, welchem Jesus auf seine
Frage die Antwort gegeben hatte: »Der ist es, dem ich den Bissen, nachdem
ich ihn eingetaucht, geben werde« noch Zweifel haben konnte an dem Sinne
der auf die Darreichung des Bissens an Judas folgenden Worte: »Was du
thust, das thue bald!« Engelhardt (die künstlerische Darstellung des hl. Abend-
mahls, im Christi. Kunstblatt 1871. S. 14) will freilich das Nicht verstehen dieser
^2) A. a. 0. S. 314.
■‘®) Herausgegeben von Schäfer. Trier 1855, S. 199.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
Worte auch auf Johannes ausgedehnt wissen und hält trotzdem den Vorgang
in folgender Weise für psychologisch motivirt: »die Jünger fühlen es wohl,
dass er (Judas) der Verräther sei, Johannes hat es gehört, hat es sicher dem
Petrus mitgetheilt, und die auffallende Darreichung des Bissens hat die ängst-
lichen Augen auf Judas gelenkt, aber dass der Verrath so nahe sei und dass
dieses Wort schon in unmittelbarer Beziehung zu ihm stehe, das fassen sie
nicht«. Mir scheint dieser Erklärungsversuch nicht überzeugend zu sein.
Treffend sagt Keim, Geschichte Jesu von Nazara III, 265: »Hatte Jesu dem
Johannes den Verräther eröffnet, so musste doch im Voraus Johannes den
Sinn des Wortes Jesu verstehen oder ahnen: was du thust, das thue bald«.
Die nun folgende Stelle bei Keim : »Und hatte Jesus in so auffallender Weise
gegenüber dem Vertrauten auf Juda gedeutet, wahrhaftig, so konnte nicht
Einer der horchenden Jünger das dunkle Geheimniss verkennen, das auf Juda
mündete«, trifft ja allerdings den Punkt in dem Berichte des vierten Evan-
geliums, welcher am dunkelsten ist. Denn auch bei meinem Erklärungs-
versuche bleibt es auffallend, dass die übrigen Jünger die Meinung haben
konnten, Christus habe vielleicht sagen wollen, Judas solle für das Fest Ein-
käufe machen oder den Armen etwas geben. Doch wird man nicht in Abrede
stellen können , dass das Maass der IJnwahrscheinlichkeit am geringsten ist,
wenn der Vorgang von Johannes, der ausser Judas allein die vorangegangenen
Worte Jesu vernommen, wohl verstanden worden, während die übrigen Jünger
desshalb auf so ganz weit abliegende Gedanken kamen, weil sie von dem
sich zwischen Jesus, Johannes und Judas abspielenden Gespräch nichts ver-
nommen hatten. Dass es in späterer Zeit eine solche Auffassungsweise gab,
geht aus folgender Stelle in einem Passional aus dem 13. Jahrhundert (ed.
Hahn, Frankfurt a. M. 1845, S. 59) hervor, wo es heisst:
»niman dit an im (Judas, in den der Teufel fuhr) merkte
ane ihc (Jesus) unde Johannes. c
Strauss, Leben Jesu 1837, II, 428 meint: »War die Verhandlung laut,
so konnten die Jünger nicht, wie Johannes erzählt, das 8 itoist? TTOiTjcov ta)^'.ov
auf so wunderliche Weise missverstehen«, die leise Verhandlung aber lasse
sich nicht wohl denken, »wenn man nicht das Unwahrscheinliche voraussetzen
will, dass Judas auf der andern Seite wie Johannes auf der einen neben Jesu
gelegen habe.« Aus dem oben über die Sitte der Zeit Mitgetheilten geht nun
aber hervor, dass, auch ganz abgesehen von der Erzählung der Ankündigung
des Verrathes, Christus, nach der Auffassung des vierten Evangeliums, zwischen
Johannes und Judas geruht haben wird, und so dürfte es sich auch erklären,
wesshalb der Verfasser dieses Evangeliums nicht noch besonders hervorhebt,
dass das Gespräch zwischen Jesus, Johannes und Judas von den übrigen nicht
vernommen wurde. Es mochte ihm dies als selbstverständlich erscheinen.
Dass man im 3. Jahrhundert sich Judas neben Christus liegend dachte, scheint
daraus hervorzugehen, dass Ammonius von Alexandrien (Fragm. in S. Johann,
c. 13, V. 4, vergl. Garrucci I, 385) es für wahrscheinlich hält, dass Jesus die
Fusswaschung der Apostel mit Judas begonnen.
XIV
14
- 192
Eduard Üobbert:
4. Zwei Abendmahlsbilder aus dem 8. Jahrhundert.
Eine nahe Verwandtschaft mit den bisher besprochenen Abendmahls-
bildern zeigte die Darstellung, welche sich einst unter den im Anfänge des
8. Jahrhunderts entstandenen Wandmosaiken aus dem neuen Testament im
Oratorium S. Maria ad Praesepe des Papstes Johannes VII. befand. Wie die
von Garrucci auf Taf. 280 (danach unsere Fig. 20) veröffentlichte, vor der
anderen Mosaiken zeigt, erklärt sich leicht, wenn man der Abstammung des
Papstes Johannes^ aus Rossano, welches sich damals unter griechischer
Herrschaft befand, gedenkt
Es sei hier auch das leider fast ganz zerstörte Abendmahl unter den
Wandmalereien der Abtei in Ferentillo (zwischen Terni und Spoleto) genannt.
testamentlichen Bildern der andern Wand gegenüberstehen , und zeigt uns
wieder das byzantinische Schema; der Tisch, hinter welchem die Jünger an-
geordnet sind, hat die halbrunde Form; Christus befindet sich an der linken
Vergl. Garrucci IV, S. 98. Auf Taf. 279 bat Garrucci auch noch eine
im Anfang des 17. Jahrhunderts im Aufträge von Jac. Grimaldi angefertigte Skizze
der Mosaiken veröffentlicht. — Siehe auch Eug. Müntz, Notes sur les mosalques
chröt. de l’Italie IV, in der Revue archeol. 1877, II, p. 146—162, und PI. XVII:
ein Facsimile der Grimaldi’schen Zeichnung. — Job. F-cker, Die altchristl. Bild-
werke im Christi. Mus. des Laterans, S. 20.
“) Bull, di arch. er. 1875, p. 155 sq.; 1879, p. 135; 1880, p. 55. — Auch
Tikkanen , welchem ich die der Fig. 21 zu Grunde liegende Durchzeichnung einer
ihm vom Commendatore G. B. de Rossi freundlichst mitgetheilten Photographie ver-
danke, ist laut brieflicher Mittheilung der Meinung, dass die Malereien in Ferentillo
dieser Frühzeit angehören. — Vergl. auch Tikkanen , Die Genesismosaiken von
S. Marco in Venedig u. ihr Verhältniss zn den Miniaturen der Cottonbibel. Helsing-
fors 1889, S. 30, wo darauf hingewiesen wird, dass die Wandmalereien in Ferentillo
im Stile und den Ornamenten starke Anklänge an die Kunst aus der Mitte des
ersten Jahrtausends bewahren; wie denn auch die jugendliche Bartlosigkeit des
Schöpfers bei der >Erschaffung Adamsc für die Annahme alter Vorbilder spricht
(vergl. ebenda S. 143).
Fig. 20.
Zerstörung des Werkes gefertigte Zeichnung (im
Archiv des vaticanischen Gapitels) erkennen lässt,
ruhte auch hier Christus am linken Ende des
Sigma, während fünf Apostel sich längs der Run-
dung desselben niedergelassen hatten. Dass das
Mahl am Abend stattfand, war durch einen
Leuchter angedeutet. Der byzantinische Charakter
des Bildes , welcher sich auch in einigen der
welche de Rossi geneigt ist in die
Entstehungszeit der Kirche, das
^ 8. Jahrhundert, zu setzen ^®). Das
Fig. 21.
'-f Bild (Fig. 21) gehört zu einer Reihe
neutestamentlicher Darstellungen,
welche an der einen Wand alt-
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
193
Ecke desselben, doch, wie es scheint, nicht liegend, sondern sitzend. An
seine Brust schmiegt sich Johannes, wie wir es auf späteren Abendmahlsbildern
sehr oft wieder ^treffen wei^n. Die zu dem Gemälde gehörende Inschrift
lautet: ANNVA POS GELEBRA COENAM ET GONVIVIA PASGHAE ^«).
Konnten wir oben das von Johannes beim Abendmahle handelnde, dem
Ambrosius zugeschriebene Distichon nicht als eine sichere Quelle für eine
Abendmahlsdarstellung des 4. Jahrhunderts anerkennen, so ist es für uns doch
von Bedeutung, dass in demselben das der Darstellung in Ferentillo ent-
sprechende Liegen des Johannes an der Brust Christi betont ist. Noch wich-
tiger aber sind hier die oben in' Anmerkung 19 beigebrachten, ähnlich lauten-
den Stellen aus sicher beglaubigten Werken des Ambrosius; darf doch nun
die Vermuthung ausgesprochen werden, dass die Einführung dieses Motivs
damit zusammenhängt, dass Ambrosius es wiederholt betont hat.
5. Die Ankündigung von Judas’ Verrath nach den Berichten der
Evangelien.
Ehe wir zur Betrachtung solcher Abendmahlsbilder übergehen, in denen
die Ankündigung des Verrathes dargestellt ist, vergegenwärtigen wir uns die
Schilderung dieses Vorganges in den Evangelien.
Von den drei ersten Evangelien beschreibt das Matthäus-Evangelium
XXVI, 21—25 den Vorgang am ausführlichsten: Nachdem Christus verkündet,
einer der Anwesenden werde ihn verralhen und die Jünger, sehr betrübt ge-
worden, zu fragen angefangen: »Doch nicht ich, Herr?« antwortet Christus:
»'0 cfxoö xw xpoßXi'w tt]v ouxoi; [xs TiapaScoxsi.« »Der die
Hand mit mir in die Schüssel getaucht hat der wird mich verrathen«.
Es folgt darauf das: Wehe dem Verräther! Dann der Ausruf des Judas:
Doch nicht ich, Rabbi? und die Antwort Christi: Du hast es gesagt!
Das Marcus-Evangelium XIV berichtet den Vorgang im Ganzen überein-
stimmend, nur mit dem Unterschiede, dass es erstens Christus Eingangs nicht
nur (wie das Matthäus-Evangelium) sagen lässt: »einer von euch wird mich
verrathen,« sondern ihn noch die Worte hinzufügen lässt: »der mit mir isst,«
»6 icö-iüjv fxsx’ £|xoö,« dass zweitens die Worte Christi nach den Ausrufen: »Doch
nicht ich! Doch nicht ich!« hier lauten: »Ei? hv, xäv Swosy.«, 6 l(j.ßa7rx6|i.evo?
fxst’ £p.oö £t(; xö xpoßX'ov.« »Einer von den zwölfen, der mit mir in die Schüssel
taucht!« und dass drittens Judas nicht irgend zu Worte kommt.
Iin Lucas-Evangelium XXII, 21 — 23, spricht Christus: »Doch siehe, die
Hand meines Verräthers ist mit mir am Tische.« Dann folgt das: Wehe
^«) De Rossi, Bull. 1875, p. 159.
*’’} Beim jüdischen Passahmahle war es Sitte, bittere Kräuter, Endivien,
Lattich u. dergl., sowie auch das ungesäuerte Brod, »das Brod des Elends«, die
Mazzoth, das man zum Andenken an die eilige Flucht aus Aegypten ass, in einen
Brei, die sogen. Charoseth zu tauchen, welcher aus Mandeln, Nüssen, Feigen und
ähnlichen Früchten bereitet war und durch seine Farbe an die Ziegel Aegyptens
erinnerte, unter deren Last die Väter geseufzt hatten. Hausrath, Neutestamentliche
Zeitgeschichte I, 2. Aufl., 1873. S. 454.
194
Eduard Dobbert:
dem Verräther! worauf es heisst: Und sie fingen an sich unter einander i.u
besprechen, wer es doch von ihnen wäre, der das thun würde?
Während also im Lucas-Evangelium der Verräther von Jesus nicht irgend
näher bezeichnet wird, hat doch wohl die Aussage Christi im Marcus-Evange-
lium: »Einer von den zwölf, der mit mir in die Schüssel taucht« die Absicht
einer solchen näheren Bezeichnung: der Verräther sei ein Jünger, der so nahe
bei ihm liege , dass er seinen Bissen in diejenige Schüssel tauche , deren er,
Christus selbst, sich bediene. Eine solche Deutung ist allerdings wiederholt
bestritten worden. So meint z. B. Engelhardt^®), der Ausdruck: »der mit
mir in die Schüssel taucht« sei nicht so zu verstehen, als habe Christus sagen
wollen: »der ist es, welcher mir so nahe sitzt, dass er . mit mir aus der
gleichen Schüssel isst,« denn diese nähere Bestimmung hätte gar keinen Zweck
gehabt, da ja doch Mehrere aus derselben Schüssel assen. Vielmehr wolle
Christus energisch die Schlechtigkeit des Menschen im Anschluss an die
Psalmstelle: »Der mein Brod isset, der tritt mich mit Füssen« aussprechen.
Früher^®) hatte ich diese Stelle auch so interpretirt , bin aber von einer
solchen Deutung aus folgendem Grunde abgekommen :
ln den Berichten des Matthäus- und des Marcus-Evangeliums scheint bei
den betreffenden Aussagen Jesu eine Steigerung beabsichtigt. Zuerst wird ganz
im Allgemeinen verkündet, dass einer der Tischgenossen den Verrath ausüben
werde. Auf die darauf voller Staunen ergehende Frage: »Doch nicht ich,
Rabbi?« erfolgt sodann, wenn auch nicht eine ganz bestinimte Angabe des
Verräthers, so doch eine nähere Bezeichnung desselben als eines Solchen,
der sich ganz in der Nähe Christi befinde. Zu einer solchen näheren , aber
noch immer nicht ganz bestimmten Bezeichnung passt auch am besten der
nun folgende Ausruf des Judas (bei Matthäus): »Doch nicht ich, Rabbi?«
worauf erst die ganz bestimmte Bezeichnung: »Du hast es gesagt!« folgt.
Diese Erklärung ist doch wohl psychologisch wahrscheinlicher als jene
andere, bei welcher Christus, nachdem die Jünger das »Doch nicht ich?« zu
rufen begonnen, einer Antwort geflissentlich ausweicht, indem er nur dasselbe
wiederholt, was er Eingangs gesagt, dass nämlich einer der Tischgenossen
der Verräther sei. Auch erscheint mir meine Erklärung näher liegend , als
die so oft gegebene, wonach bei Matthäus und Marcus der Verräther dadurch
kenntlich wurde, dass er gerade in einem Augenblicke zu gleicher Zeit mit
Jesus nach der Schüssel griff.
Der Bericht des Lucas-Evangeliums steht damit keineswegs im Wider-
spruch, denn in demselben ist nicht sowohl »eine kürzere Zusammenfassung
des bei den Uebrigen Erzählten« zu sehen, sondern eine Schilderung nur des
ersten Theiles des Vorganges; bei Lucas bricht die Erzählung mit der Be-
sprechung darüber, wer denn wohl den Verrath vollführen werde, ab.
Im vierten Evangelium Xlll, 21 — 30, wird die Ankündigung des Ver-
rathes ausführlicher, aber auch anders als bei den Synoptikern erzählt. Nach
Christi. Kunstblatt 1871, S. 10.
49) Die Darstellung des Abendmahles durch die byzantinische Kunst, S. 41.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
195
dem bereits oben über den Bericht des Johannes-Evangeliums Ausgeführten
lasse ich hier denselben im ganzen Umfange folgen: »Da Jesus solches ge-
sagt hatte, ward er betrübt im Geist und zeugte, und sprach: Wahrlich,
wahrlich, ich sage euch, einer unter euch wird mich verrathen. Da sahen
sich die Jünger unter einander an und wussten nicht, von welchem er redete.
Es war aber einer unter seinen Jüngern, der lag an dem Busen Jesu, welchen
Jesu lieb hatte. Dem winkt Simon Petrus : er möge fragen , wer es sei,
von dem er rede. Jener neigt sich nach der Brust Jesu und spricht zu ihm :
Herr, wer ist es? Jesus antwortet: Der ist es, dem ich den Bissen, nach-
dem ich ihn eingetaucht, gebe. Und er taucht den Bissen ein, und giebt ihn
dem Judas Simons Sohn Ischariot. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in
ihn. Da spricht Jesus zu ihm: Was du thust, das thue bald. Das aber ver-
stand Niemand von denen, die (zu Tische) lagen, wozu er es ihm sagte.
Denn etliche meinten, weil Judas den Beutel hatte, so sage Jesus zu ihm:
Kaufe, was uns noth ist auf das Fest, oder, er wolle den Armen etwas geben.
Da nun jener den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Es war
aber Nacht.«
6. Abendmahlsbilder, in denen die Ankündigung des Verrathes
nach dem Matthäus-Evangelium angedeutet ist.
Offenbar regen die Schilderungen im Matthäus- und im Johannes-Evan-
gelium, wo Judas schliesslich als der Verräther bezeichnet wird, mehr zur
künstlerischen Darstellung an, als die betreffenden Stellen bei Marcus und
Lucas, in denen es nicht bis zu einer solchen entschiedenen Bezeichnung kommt.
In meiner Schrift über die Darstellung des Abendmahles durch die
byzantinische Kunst 1872 hatte ich an der Hand zahlreicher byzantinischer
Abendmahlsbilder nachgewiesen, dass mindestens seit dem 10. Jahrhundert
die byzantinische Kunst bei der Darstellung der Ankündigung der Verrathes
vom Matthäus-Evangelium ausging, während die abendländische Kunst des
Mittelalters der Schilderung dieses Vorganges in der Regel den Text des
vierten Evangeliums zu Grunde legte.
Gegenwärtig ist durch eine im Jahre 1879 zu Tage getretene Miniatur
eines griechischen Evangeliars, erwiesen, dass die Darstellung nach dem
Matthäus-Texte bereits im 6. Jahrhundert eine Eigen thümlichkeit der byzan-
tinischen Kunst war. Die Miniatur, (Fig. 22) befindet sich im Codex von
Rossano, Fol. 3a®°)> vvelcher wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 6. Jahr-
hunderts in Alexandrien entstanden ist ®').
®°) V. Gebhardt und Harnack, Evangeliorum codex graecus purpureus Rossa-
nensis. Leipzig 1880, Taf. VIII. Danach die Abbildung im Christi. Kunstblatt 1881,
5. 108: daraus unsere Fig. 22.
Entdecker der Handschrift, v. Gebhardt und Harnack, sind nach
näherer Prüfung der paläographischen Merkmale zu dem Resultate gekommen, dass
die Entstehung der Handschrift eher in der ersten als in der zweiten Hälfte des
6. Jahrhunderts zu suchen sei, a. a. 0. S. Kill. — Der Moskauer Professor der
196
Eduard Dobbert:
Hier liegt Christus am
linken Ende des Sigma. An ihn
schliessen sich um das Halbrund
die zwölf Apostel, deren erster
(ohne Zweifel Petrus) am rech-
ten Ende der Tafel in einer dem
Erlöser entsprechenden Weise
gelagert ist. Judas, die siebente
Gestalt vom rechten Ende an
gerechnet, beugt sich über Pol-
ster und Tisch , um in die
Schüssel zu greifen. Wir denken
ihn uns in demselben Momente
die Frage an Christus richtend :
»Doch nicht ich, Rabbi?« worauf
Jesus , mit der Rechten seine
Worte begleitend, ausruft: »Dp
hast es gesagt!« (Matth. XXVI,
25.)
Hängt vielleicht der Um-
stand, dass in dieser ersten auf
Zoologie, Ussoff, hat in einer Ab-
handlung über den Codex von
Rossano, in den Memoiren der
Moskauer Archäologischen Gesell-
schaft (DpeBHOCTH, TpyAH Mock.
Apx. oöin,.) Band 9 (1881) S. 37 f.
den Beweis geführt, dass die in
den Miniaturen dieses Codex dar-
gestellten Thiere in Unterägyplen
heimisch sind. Dass in Aegyp-
ten schon frühe eine bedeutende
christliche Malerschule vorhanden
war, geht aus einem 374 an den
Statthalter Africas gerichteten Edict
der Kaiser Valentinian, Valens
und Gratian hervor, in welchem
von gewissen, den Malern (pic-
turae professores) dieser Provinz zu gewährenden Privilegien gehandelt wird. Ussoff
a. a. 0. S. 78. Auch Kondakoff, Histoire de l’art Byzantin etc. p. 120 ist ge-
neigt, die Entstehung der Handschrift in Unterägypten anzunehmen. Als Ent-
stehungszeit derselben sieht Ussoff das Jahr 527 an, weil die seiner Meinung
nach auf den Bannern beider Tribunalsbilder (Fol. 8a und Fol. 8b, bei v. Geb-
hardt und Harnack Taf. XIV und Taf. XVI) dargestellten Kaiser Justin I. und
Justinian nur in diesem Jahre (vom April bis zum August) gemeinschaftlich
regierten.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
197
uns gekommenen Darstellung der Ankündigung des Verrathes, und dann in
der byzantinischen Kunst immer wieder der Matthäus-Text zur Grundlage
dient, damit zusammen, dass in frühchristlicher Zeit bei den Gottesdiensten
in Alexandrien das Lesen der Matthäus- Passion sich so sehr eingebürgert
hatte, dass, als eine Aenderung in dieser Beziehung eingeführt wurde, Wirren
entstanden?
Dass in frühchristlicher Zeit der Matthäus-Text auch die dichterische
Phantasie anregte, geht daraus hervor, dass die früheste auf Uns gekommene
epische Bearbeitung des Lebens Jesu nach den Evangelien, die Historia evan-
gelica des Juvencus, der Schilderung des Abendmahles und der Ankündigung
des Verrathes (Lib. IV, v. 429 sq., bei Migne, XIX, Spalte 314) die Erzählung
bei Matthäus zu Grunde legte.
Die Auffassung des Matthäus-Textes ist in unserer Miniatur wie auch
in den bei weitem meisten der späteren byzantinischen Darstellungen dieses
Gegenstandes eine sehr äusserliche. Es kam dem Künstler offenbar nur darauf
an, den Judas durch das Greifen nach der Schüssel erkenntlich zu machen.
Es sei hier sogleich bemerkt, dass mir kein einziges byzantinisches
Abendmahlsbild bekannt geworden ist, in welchem Christus und Judas gemein-
sam die Schüssel berühren, so dass wohl der Schluss berechtigt ist, jene oben
erwähnte Auffassung, wonach Judas gerade dadurch als Verräthei- kenntlich
geworden, dass er in einem Augenblicke zugleich mit Jesus nach der Schüssel
griff, habe ^der byzantinischen Kunst ganz ferne gelegen. Dafür , dass meine
oben versuchte mit dem Liegen des Judas neben Christus zusammenhängende
Deutung der Ankündigung des Verrathes bei Matthäus der byzantinischen Kunst
nicht fremd war , kann ich freilich nur die schon erwähnte Stelle im Maler-
buche vom Berge Athos: »und zur rechten Seite (Christi) hat Judas seine
Hand nach der Schüssel ausgestreckt« beibringen, eine Stelle, die aber Von
nicht geringer Bedeutung sein dürfte, da die Vorschriften des Malerbuches auf
sehr alten Ueberlieferungen der byzantinischen Kunst beruhen. Zu verwundern
bleibt es freilich, dass kein einziges dieser Vorschrift entsprechendes Beispiel
unter den byzantinischen Denkmälern zu Tage, getreten ist®9> während wir
®^) Augustin, Serm. 144 de temp. p. 320: Passio (i. e. historia passionis)
quia uno die legitur, non solet legi, nisi secundum Matthaeum, Volueram aliquando
ut per singulos annos secundum omnes Evangelistas etiam passio legeretur; factum
est, non audierunt homines, quod consueverunt , et perturbati sunt. Bei Augusti,
Denkwürdigkeiten aus der christl. Archäologie, VI, 205.
Der Meinung Lamprecht’s, Jahrh. des Vereins v. Alterthumsfr. im Rheinl.
LXIX, S. 94, dass der Urhebe?; der Miniatur im Cod. Ross, sein Abendmahlsbild
genau nach Lucas XXII, 21: 4) /elp toö KapaStSovtoi; p,e (Xet’ Ipoü fenl ttji; xpaTclCY)?
gegeben habe, kann ich nicht zustimmen, da hier, wie in den späteren byzan-
tinischen Darstellungen dieses Gegenstandes das Greifen des Judas nach der Schüssel,
von welchem Marcus schweigt, aufs stärkste betont ist.
J. Mourier, L’Art religieux au Gaucase, Paris 1887, p. 57, erwähnt aller-
dings einer Abendmahlsdarstellung an der Einfassung eines Heiligenbildes in der
Kirche von Antchiskhati zu Tiflis, in welcher von links her Johannes auf Christi
198
Eduard Dobbert :
weiter unten abendländische Abendmahlsbilder kennen lernen werden , auf
denen Judas neben Christus sitzt.
Ob die drei Tauben am Podium des Sigma in der Miniatur des God. Ross,
nur ornamental oder aber sinnbildlich aufzufassen sind, mag dahingestellt
bleiben; doch sei daran erinnert, dass die Gefässe, welche, zur Aufbewahrung
der Eucharistie dienten, bisweilen die Gestalt von Tauben hatten, welche über
dem heiligen Tische aufgehängt wurden
Dass in dem Abendmahlsbilde in der zur Zeit Justinians errichteten
Sergiuskirche zu Gaza die Ankündigung des Verrathes in ähnlicher Weise nach
dem Matthäus-Texte dargestellt gewesen, wie im Codex von Rossano, halte ich
aus folgenden Gründen für wahrscheinlich; Ghorikios berichtet in seiner oben
bereits erwähnten, bei der Einweihung dieser Kirche gehaltenen Rede, in
welcher die Wandmalereien in rhetorischer Weise geschildert werden, dass in
dem betreffenden Gemälde Christus mit den Tischgenossen speisend dargestellt
sei, und fährt dann fort: »Ich vermuthe, dass er den gegen ihn bevorstehenden
Anschlag verkündet; denn nachdem das Mahl ein Ende genommen , verrieth
ihn einer der Gespeisten, wenig gedenkend des Salzes und des Mahles«
(d. h. des in dem gemeinsam eingenommenen Mahle zum Ausdruck kommenden
innigen freundschaftlichen Verhältnisses). »Oi?ev 4] ■9-söv ev övS-pantou
Tcpoo)(4]|J.öt'CC •^pd’^aOa' Ixstfl-ev abibv o5x hTzrjps tot? xaxopd’cujj.ajtv , aXXa fxexä xtüv
a?)Xüiv Etaxtaxs Saiiup-oviov. Tsxjjia'pofxat 8e tYjv (jLeXXooodiv Iq o.5töv 7cpop.f]VüeLV ext-
ßooX4]v, Y“P Trepct? etXYjCpE xö Seixvov, xü)v Eaxia^Evxu)v x:(j, ßpax“ ’fpovzlaaq
dX(jüv xal zpa.Ksl^'fiq, TC£p'.Trxo^dp.Evoi; xöv TcpooxdcxYjv .... :xapa§i8u)atv« ^®).
Wir werden durch diese Schilderung an das Wort Jesu im Matthäus-
Evangelium erinnert: »Der die Hand mit mir in die Schüssel getaucht hat,
der wird mich verrathen.« War auf dem von Ghorikios beschriebenen Bilde
einfach das gemeinschaftliche Mahl ohne jede Andeutung des bevorstehenden
Verrathes, also etwa wie in S. Apollinare nuovo zu Ravenna dargestellt, so
hätte der Rhetor kaum eine Veranlassung gehabt, jene Vermuthung in Betreff
der Ankündigung des Verrathes auszusprechen; wäre die Judas-Episode nach
dem vierten Evangelium dargestellt gewesen, so also, dass Christus dem Judas
den Bissen reicht, dann hätte Ghorikios die Darstellung der Verrath-Ankündigung
nicht als eine Vermuthung, sondern als eine Thatsache hingestellt; jene
Wiedergabe des Abendmahles aber, bei welcher Judas, mitten unter den
Schoos gelehnt ist, rechts aber Judas die Hand nach einer Schüssel ausslreckt
und dabei Christus anschaut. Es ist aber aus der Beschreibung nicht ganz deut-
lich zu ersehen, ob Judas dicht neben Christus sich befindet. Nach Kondakoff,
Inventar der Denkmäler des Alterthums in einigen Kirchen und Klöstern Grusiens,
St. Petersburg 1890 (russisch) S. 173, sind die biblischen Darstellungen, zu denen
dieses Abendmahl gehört, mit einem Ornament grusischen Stiles des 12. — 13. Jahr-
hunderts umrahmt.
^®) Kraus, Real-jEncyklop. d. Christ). Alterthümer, II, 821. — Schnötgen, Eine
neuentdeckte eucharist. Taube, Jahrb. des Vereins v. Alterthumsfr. im Rheinlande,
LXXXIII, 201 f.
®®) Choricii Gazaei orationes etc., ed. Boissonade. Paris 1846, p. 97.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
199
übrigen Jüngern gelagert, von denselben nur durch das Ausstrecken des Armes
nach der Schüssel unterschieden wird, ist so recht geeignet, bei Betrachtern,
die diese Darstellungsweise nicht bereits als die schon früh typisch gewordene
Bezeichnung des Verräthers kennen, eben blos die Vermuthung zu erwecken,
dass hier die Ankündigung des Verrathes gemeint sei. Dazu kommt, dass
Ghorikios mit seiner Bildung und litterarischen Thätigkeit der antiken Welt
näher stand als der christlichen und somit der kirchlichen Darstellung -kein
tieferes Verständniss entgegenbringen mochte.
Die Zahl der auf uns gekommenen byzantinischen Abendmahlsbilder
aus der Zeit bis zum 9. Jahrhundert scheint eine sehr beschränkte zu sein.
Von historischen Darstellungen dieses Ereignisses kann ich nur noch
eine sicher byzantinische und eine zweite, jedenfalls unter starkem byzan-
tinischen Einflüsse entstandene belbringen, und beide gehören bereits in den
Schluss unserer Epoche.
Es handelt sich erstens um eine Miniatur in dem Fragment des Evan-
geliarium Nr. XXI der Kaiserlichen öffentlichen Bibliothek zu St. Petersburg
aus dem 8. oder 9. Jahrhundert ^®). Die Miniaturen dieser Handschrift zeigen
einerseits eine nahe Verwandtschaft mit Darstellungen aus dem 5. oder 6, Jahr-
hundert -5®), andererseits mit Erzeugnissen der byzantinischen Kunst des 10.
Vergl. Stark, Gaza und die philistäische Küste. Jena 1852, S. 639.
®'*) S. Catalogue des manuscrits grecs de la Bibliothöque Imperiale publique.
St. Petersbourg 1864, Nr. XXI, p. 13.
Kondakoff, Gesch. der byzant. Kunst und Ikonographie nach den Min. gr.
Handschriften. Russische Ausgabe S. 133, französische Ausgabe S. 193, 194 weist
200
Eduard Dobbert ;
und 11. Jahrhunderts. So finden wir hier bereits an manchen Stellen jenen
düsteren Ausdruck der Köpfe, jene Magerkeit der Gestalten, die conventionelle
Behandlungsweise der Gewänder, wie dieses alles der späteren byzantinischen
Kunst eigen ist ®°). Die Abendmahlsdarstellung gehört zu den bedeutendsten und
besterhaltenen byzantinischen Miniaturen , die ich kenne. In meiner Abhand-
lung über die Darstellung des Abendmahls durch ' die byzantinische Kunst
S. 38 f. habe ich eine eingehende Schilderung der Miniatur gegeben, der ich
an dieser Stelle durch die Beifügung der Abbildung (Fig. 23) überhoben bin.
Ein Vergleich dieser Darstellung mit den bisher besprochenen byzantinischen
Abendmahlsbildern lässt uns sofort einen wesentlichen Unterschied wahr-
nehmen: Judas ist von den übrigen Jüngern abgesondert vor dem Tische
sitzend dargestellt, während Christus und die anderen Jünger, entsprechend
dem Mosaikbilde in S. Apollinare nuovo, dem Elfenbeindeckel in Mailand, der
Miniatur im Codex zu Rossano, auf dem Sigma gelagert sind Mit dem
Judas der Miniatur in Rossano hat der Verräther hier nur dieses gemein, dass
auch er nach der Schüssel, auf welcher, wie in St. Apollinare nuovo, zwei
Fische liegen, greift. Christus, der in der Linken ein rundes Brod (oder die
Hostie?) hält, begleitet mit der Rechten die lebhafte Rede, welche er an Judas
zu richten scheint: er bezeichnet doch wohl den letzteren als den künftigen
Verräther. In meiner früheren Abhandlung, S. 39, erklärte ich es für wahr-
scheinlich, dass diese Ankündigung sich hier nach dem Johannes-Texte voll-
ziehe: der Verräther, in dessen Wesen eine gewisse Unruhe angedeutet sei,
scheine auf Christus zuzugehen, um aus seiner Hand den Bissen zu empfangen.
Nach einer erneuten Prüfung des Originales musste ich aber diese Meinung
aufgeben ; Judas schreitet nicht auf Christus zu , er sitzt und wird nicht nur
durch seine isolirte Stellung und den Ausdruck des schlechten Gewissens in
seinem Antlitz, sondern auch wieder in jener oben von mir charakterisirten
äusserlichen Weise durch das Ausstrecken der Rechten nach^ der Schüssel als
der künftige Verräther kenntlich gemacht. Bereits in meiner frühem Abhand-
lung hatte ich darauf hingewiesen, dass fünf Jünger in jener Weise die Hände
nach dem von Christus zu empfangenden Abendmahlsbrode ausstrecken, wie
es der Ritus bei der Abendmahlsfeier vorschrieb, und dass dadurch bewiesen
sei, der Urheber der Miniatur habe sich den Judas am Genüsse der Eucharistie
Theil nehmend gedacht. Ohne Zweifel ist auch der Fisch, nach welchem
Judas greift, hier wie in zahlreichen, weiter unten zu erwähnenden Bildern,
auf die Aehnlichkeit der Darstellung der Verwandlung des Wassers in Wein mit
der Schilderung desselben Gegenstandes auf dem Elfenbeindeckel im Mailänder
Domschatz hin, sowie auf die Verwandtschaft der Behandlung des menschlichen
Körpers mit derjenigen in dem syrischen Evangeliarium des Rabula und gewisser
Eigenthömlichkeiten im Costöm mit denjenigen in der Wiener Genesis.
®®) Kondakoff a. a. 0. russ. S. 132, franz. S. 193.
Dass die Sitte, in halbliegender Stellung zu speisen, selbst noch im
10. Jahrhundert vorkam, geht daraus hervor, dass Liutprand, Bischof von Gremona,
derselben gelegentlich eines Festmahles im Kaiserpalaste zu Gonstantinopel im
Jahre 949 erwähnt. Liutprand, Antapodosis VI, 8, bei Bayet, L’Art byzantin, 120.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
201
nicht als eine einfache Speise, sondern wie schon in S. Apollinare nuovo und
auf dem Mailänder Elfenbeindeckel in seiner sinnbildlichen Beziehung auf
Christus zu verstehen. Eine derartige Verquickung der historischen und rituellen
Darstellungsweise des Abendmahles, wie sie uns diese Miniatur bietet, ist mir
innerhalb der byzantinischen Kunst nur dieses eine Mal begegnet. Dass aber
der betreffende Gestus der fünf Apostel nur in der angegebenen Weise, nicht
aber, wie Kondakoff meint, als Protest (gegen den Verdacht der Verrätherei)
X
Fig. 24.
gedeutet werden kann, davon werden wir uns bei der Betrachtung der rituellen
Darstellungs weise des Abendmahles überzeugen.
Das zweite hier zu besprechende Abendmahl gehörte zu jenen zerstörten
Wandmalereien aus dem Leben Jesu in der Kirche S. Sebastiane (alla Pol-
veriera) in Rom, wahrscheinlich etwa aus dem 8. Jahrhundert ®*), von denen
man sich aus den daselbst befindlichen Aquarell-Gopieen eine Vorstellung
machen kann. Das Abendmahl war, wie die Skizze Fig. 24 lehrt, folgender-
maassen dargestellt:
Russ. Ausgabe S. 133, franz. Ausgabe S. 195.
®®) De Rossi, Bullettino 1869, p. 7, ist geneigt, die noch erhaltenen Apsis-
Bilder dieser Frühzeit zuzuweisen. So weit die Gopieen einen Schluss gestatten,
scheinen die übrigen Malereien in derselben Zeit entstanden zu sein.
Diese nach der Aquarell-Copie angefertigte Skizze, sowie zahlreiche weiter
unten beizubringende Abbildungen, welchen ich den Buchstaben T beifüge, rühren
202
Eduard Dobbert:
Links vor der Ecke der halbkreisförmigen Tafel sitzt der mit dem
Kreuznimbus versehene Gliristus, die Rechte erhebend, in der Linken wahr-
scheinlich eine Schriftrolle haltend, auf einem Klappstuhle. An der sich
rundenden Seite der Tafel sitzen elf Jünger, Judas hat seinen Platz vor dem
Tische und steckt in zurückgeworfener Stellung sich einen Bissen in den
Mund. In seiner Nähe steht eine Schüssel auf der Tafel. Am Halbkreise
entlang liegen Brode. Im Hintergründe sieht man links und rechts je ein
Haus, in der Mitte einen Leuchter. Allen Jüngern fehlt der Nimbus. Wen
stellt die Gestalt hinter Christus vor? Dass wir es hier mit einem mindestens
unter starkem byzantinischen Einflüsse entstandenen Werke zu thun haben,
geht aus der Gesammtanordnung des Bildes hervor ®*). Ob wir uns den Bissen
in der Hand des Judas als von Jesus erhalten, oder vom Tische genommen
zu denken haben, lässt sich nicht mit voller Sicherheit entscheiden. Im Hin-
blick auf die Haltung Christi und auf die soeben besprochene Petersburger
Miniatur bin ich geneigt, auch hier die Handlung so zu verstehen, dass Judas
sich den Bissen von der, wie dort, am vordem Rande der Tafel stehenden
Schüssel mit dem Fische gelangt hat. In ähnlicher Weise, wie in jener
Miniatur, scheint auch hier Christus sich mit Rede und Handbewegung an
den Verräther zu wenden.
7. Das Verhältniss der byzantinischen Historienbilder des Abend-
mahles zu der altchristlichen und der antiken Kunst.
Ehe ich zu der Besprechung der zweiten Hauptgattung byzantinischer
Abendmahlsbilder, de^r rituellen Darstellungen übergehe, sei hier der Zu-
sammenhang der bisher betrachteten historischen Schilderungsweise dieses
Gegenstandes mit der altchristlichen, sowie der antiken Kunst betont. Inhalt-
lich stellt sich dieser Zusammenhang als eine Fortentwicklung jenes inner-
halb der Symbolik der altchristlichen Kunst wahrgenommenen historisirenden
Zuges zu dem wirklichen Geschichtsbilde dar. Wir sahen im ersten Capitel
dieser Abhandlung, wie bereits in den Katakomben und an den Sarkophagen
jene schüchterne Andeutung der wunderbaren Speisung, die uns nur Fische
auf einem von Brodkörben umgebenen Tische zeigt, abgelöst wurde durch
Historienbilder zwar noch nicht des Abendmahles selbst, aber eben jener
von meinem Freunde Dr. Tikkanen in Helsingfors her, welchem ich hiemit meine.i
herzlichen Dank ausspreche für die Freundlichkeit, mit welcher er während seines
Aufenthaltes in Paris, London und Italien wiederholt Nachforschungen im Interesse
meiner Arbeit anstellte und hiemit das bei meinen früheren Reisen an den be-
treffenden Orten gesammelte Material ergänzte.
**) Auch an einigen der anderen unter den Copieen befindlichen Darstellungen
fielen mir byzantinische Anklänge auf, so die liegende Maria in der Geburtsscene f
die Gesammtanordnung bei der Auferweckung des Lazarus mit den am Boden
liegenden Schwestern und dem Manne, der einen Streifen der Leichenumhüllung
des Lazarus hält und sich durch das vor die Nase gehaltene Gewand vor dem
Modergerüche schützt; die beiden dicht hinter einander knieenden Christusgestalten
in dem Gethsemane-Bilde.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
203
wunderbaren Speisungen mit wenigen Fischen und Broden , welche als Hin-
weise auf das Abendmahl betrachtet wurden, ln byzantinischen Denkmälern
wahrscheinlich des 5. Jahrhunderts — S. Apollinare nuovo, Elfenbeindeckel
in Mailand — fanden wir sodann das Abendmahl selbst dargestellt. Hier aber
schien noch kein gajiz bestimmter Moment aus dem Verlaufe dieses Ereignisses
hervorgehoben zu sein. Nur durch den Fisch auf der Tafel wird auf die
mystische Bedeutung dieses Mahles hingewiesen. Bald aber bemächtigte sich
die Kunst der in diesem Ereignisse liegenden dramatischen Momente, die das-
selbe ja zugleich auch vor Allem denkwürdig machten : der Ankündigung des
Verrathes — Codex von Rossano — und der Einsetzung des Gedächtniss-
mahles, verbunden mit der Ankündigung des Verrathes — Petersburger Codex.
Bald werden wir sehen, wie die Einsetzung des Gedächtnissmahles auch
noch in anderer Weise in den rituellen Darstellungen gegeben wurde.
Der formale Zusammenhang mit der altchristlichen Kunst ergiebt sich
ohne Weiteres bei einem Vergleiche der bisher besprochenen byzantinischen
Abendmahlsbilder mit jenen Mahlesdarstellungen der altchristlichen Epoche,
in denen die Speisenden im Halbkreise gelagert sind.
Das Schema aller dieser Bilder findet sich aber bereits in der heidnisch-
römischen Kunst, wie ein Blick auf das pompejanische Gemälde, das wir
hier (Fig. 25) nach Niccolini mittheilen ®®), oder auch auf die Mahlesdarstel-
lung der Sammlung Gampana im Louvre ergiebt.
®*) Niccolini, Le case ed i monumenti di Pompei, Descriz. generale, Tav. III.
— Helbig, Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Gampaniens Nr. 1481.
®0 Vergl. Cataloghi del Museo Campana, classe VI, p. 5, Nr. 7. Abbildung:
Carapana, Illustrazione di due sepolcri romani del secolo di Augusto. Roma 1841,
T. XIV A.
Der deutsche und niederländische Kupferstich des fünf-
zehnten Jahrhunderts in den kleineren Sammlungen.
Von Max Lehrs.
XVIIL
Venedig.
Museo civico ^),
Der im ersten Saal, Schrank 16, unter’ Glas ausgestellte Band I. enthält
neben vielen späteren Kupferstichen unter Nr. 225—226 nur die folgenden
zwei in den Rahmen dieser Arbeit gehörigen Blätter,
A. Oberdeutsche Meister.
Martin Schongauer.
1. Die Anbetung der Könige. B. 6. Fragment eines geringen
Abdrucks.
(la.) St. Antonius von Dämonen gepeinigt. Radirte gegenseitige
Gopie nach B. 47 mit Dürer’s Monogramm unten links und dem Monogramm
auf einem Täfelchen unten rechts. Unten in der Mitte der Name :
S. ANTHONIVS. 300 : 229 mm. Einf. Nagler, Monogr. I. Nr. 1332. Der Stich
findet sich auch in Berlin und ein Gegendruck in Oxford. Heller 0 Brui* *
liot halten die Gopie für modern und das Monogramm in betrügerischer
Absicht aufgesetzt. Nagler’s Angabe, dass Heinecken diesen Stich in den
Neuen Nachrichten (I. p. 433) für alt hält, während er wahrscheinlich dem
18. Jahrhundert angehöre, beruht auf einem Irrthum. Heinecken erwähnt
a. a. 0. nur die Gopie von Raphael Mey. Dass letztere die Vorlage für den
Gopisten mit dem Monogramm A T gebildet habe, wie Nagler *) sagt, ist ganz
Die Sammlung Moschini im Seminario Patriarcale enthält laut freundlicher
Mittheilung des Directörs des Dogen-Palastes Cav. Com. Nicolö Barozzi meist Por-
träts und Aehnliches.
Dürer Nr. 2551.
2) Diel. I. Nr. 66.
*) Vergl. auch den Kat. Meyer-Hildburghausen (Leipzig 1858) Nr. 59, der die
Aftercopie wohl irriger Weise einem modernen Stecher zuschreibt.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 205
richtig. Die Radirung scheint noch dem 16. Jahrhundert anzugehören und
unterscheidet sich — von der Technik abgesehen — namentlich dadurch
von Raphael Mey’s gestochener Copie, dass die Schriftzeile über der Darstel-
lung wie die Verse unter derselben fehlen, ebenso der lateinische Spruch
unten rechts. Der Name des Heiligen steht nicht über seiner Klause, sondern,
wie erwähnt, im Unterrand des Blattes.
XIX.
Bassano.
Museo civico®).
Diese, namentlich was die Vertretung der italienischen Stecher betrifft,
ausserordentlich reiche Sammlung wurde im Jahre 1849 vom Grafen Giov.
Battista Remondini der Stadt geschenkt und bildet heute, als Raccolta Remon-
diniana nach ihrem Stifter benannt, einen der werthvollsten Bestandtheile des
Museums. Die Blätter sind sämmtlich fest aufgezogen , so dass man die
Wasserzeichen nicht feststellen kann. Die hinter der Ordnungszahl in Klam-
mern beigefügten Nummern beziehen sich auf das Inventar vom October 1867.
A. Oberdeutsche Meister.
Martin Schongauer.
1. (2191.) Der Engel Gabriel. B. 1.*
2. (2192.) Die hl. Jungfrau. B. 2.*
3. (2195.) Die Geburt Christi. B. 4.
4. (2196.) Die Anbetung der Könige. B. 6.*** I.
5. (2186.) Die Flucht nach Aegypten. B. 7.
6—17. (2204.) Die Passion. Folge von 12 Blatt. B. 9 — 20. Ge-
ringe Abdrücke, nur B. 16*, B. 10, 12 und 18**, B. 11.***
18. (2203.) Christus am Kreuz mit vier Engeln. B. 25.
19. (2193.) Die Madonna mit dem Apfel. B. 28.**
20. (2197.) Der Tod Mariä. B. 33. I.
21. (2202.) St. Bartholomäus. B. 39 aus der Apostelfolge B. 34 — 45.
22. (2209.) St. Paulus. B. 45 aus derselben Folge, unten verschnitten
und ohne Monogramm. Der Stich wird daher irrthümlich unter den Copien.
von Israhel van Meckenein als B. 63 aufbewahrt. Vergl. Nr. 23 — 25. ^
23. * (2209.) St. Jacobus major. Gegenseitige Copie nach B. 36.
88 : 53 mm. Bl. Unbeschrieben. Der Stich ist an folgenden Merkmalen zu
erkennen : Ueber der linken Schulter des Apostels geht in der Richtung des
Knopfes auf seinem Pilgerstab ein nach links geneigter Kratzer. Ein zweiter,
fast horizontaler, schneidet den rechten Fuss, und zu beiden Seiten bemerkt
®) Vergl. über diese Sammlung den Artikel von Alfredo Melani in der Chronik
für vervielfältigende Kunst I. (1888) p. 109. Auch T. Roberti bespricht in der Zeit-
schrift Arte e Storia VII. (1888) p. 268 ein grosses Clair-Obscur : Die Beweinung
Christi (Di un incisione assai rara di Andrea Andreani) , welches sich auch in
Berlin und Florenz (Uffizien) befindet.
206
Max Lehrs:
man in einer Entfernung von 43’/2 mm. zwei sehr zarte Verticallinien. Die
Gopie hat technisch viel Aehnlichkeit mit jener vom Monogrammisten W H,
ist aber nicht mit derselben identisch.
24. * (2209.) St. Philippus. Gegenseitige Gopie nach B. 38. 85:53 mm.
Bl. Unbeschrieben. Zu erkennen an folgenden Merkmalen : Unten links neben
dem Gewand des Apostels laufen zwei stark nach links geneigte Kratzer, auch
rechts bemerkt man mehrere. Ganz unten rechts durchschneidet ein kleiner
horizontaler Strich der Bodenschraffirung den Kreuzstab. Sehr harte Arbeit,
wahrscheinlich aus derselben Folge wie die gegenseitige Gopie nach dem Paulus
B. 45 in Dresden. Ob der Stich mit einer im Katalog Zettler etc. (München
1873) I. Nr. 1636 erwähnten gegenseitigen Gopie des Philippus (87 : 51 mm.)
identisch sei, vermag ich nicht zu sagen, da mir über den Verbleib derselben
nichts bekannt ist.
25. * (2209.) St. Simon. Gegenseitige Gopie nach B. 43. Die Säge
hat 14 Doppelzähne (im Original 17). 89 : 53 mm. Bl. Unbeschrieben. Kenn-
zeichen dieser Gopie, welche nicht, wie man glauben könnte, mit der vom
Monogrammisten W H identisch ist , sind folgende : Oben durchschneidet
ein verticaler Strich von der Schraffirung auf der Säge die rechte Hand
des Apostels, und am Griff geht der untere Gontour ein wenig über den
oberen hinaus.
Die drei Gopien Nr. 23 — 25 werden mit dem verschnittenen Original
Nr. 22 in Bassano irrthümlich unter Meckenem als B. 54, 56, 61 und 63 auf-
bewahrt. Von Israhel’s Gopien ist aber thatsächlich nur der Thomas, B. 62,
vorhanden.
26. (2200.) St. Antonius von Dämonen gepeinigt. B. 47. (Ein-
gerahmt.)
27. (2199.) Der Schmerzensmann zwischen Maria und Johan-
nes. B. 69. I. Etat.
28. (2201.) Der Heiland segnet die Jungfrau. B. 71.***
29. (2187.) Der Adler des Johannes. B. 76. aus der Folge der
Evangelistensymbole B. 73—76.
30. (2194.) Der Auszug zum Markte. B. 88.
81. (2190.) Wappenschild mit dem Einhorn, von einer Dante
gehalten. B. 97.*** Abdruck mit breitem Rande.
32. (2188.) Wappenschild mit dem Flug, von einem Bauern
gehalten. B. 102.*** Abdruck mit breitem Rande, bei dem unten rechts
noch der Stichelglitscher an der Kreiseinfassung sichtbar ist.
33. (2189.) Wappenschild mit dem Hirsch, gehalten von einem
wilden Mann. B. 104.*
Monogrammist y\(3
34—45. (2205.) Die Passion. Folge von 12 Blatt. B. VI. 345. 2-13.
Repertorium IX. 6. 9 — 20. und 378. 9—20. I. Etat.
46—47. (2205.) Ghristus vor Pilatus B. 6. und Die Dornenkrö-
nung B. 8. aus derselben Folge. III. Etat.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 207
48. (2198.) Der Tod Mariä. B. VI. 351. 17. Repertorium IX. 10. 24.
und 379. 24-. nach Schongauer.’
Monogrammist W ^ H
49. (2206.) Die Kreuztragung. II. Etat mit der Chiffre AG. B. VI.
350. 15. Repertorium IX. 14. 10. und 380. 10. nach Schongauer. Vergl.
Lehrs, Wenzel von Olmütz Nr. 98.
Wenzel von Olmütz.
50. (2316.) Hercules. B. VI. 339. 53. Lehrs 73. nach Dürer. Alter
Abdruck, aber ziemlich schwach und verschnitten, so dass die Chiffre fehlt.
Meister /\
51. (2212.) Die Madonna am Brunnen. B. 2.
52. (2213.) Das Turnier. B. 14.**
53. (2214.) Die Frau mit der Eule. B. 21.*
B. Niederdeutsche und niederländische Meister,
Meister IAH! von Zwolle.
54. (2185.) Die Gefangen nähme Christi. B. VI. 92, 4. Sehr schöner
Abdruck, bei dem jedoch die Bezeichnung oben und unten abgeschnitten ist.
Meister FVB
55. (2183.) St. Christoph. P. II. 188. 46. Von diesem unbezeichneten
Blatt waren bisher nur zwei Exemplare in Frankfurt a. M. und London be-
kannt. Ersteres scheint oben verschnitten und die Einfassung dort ergänzt.
Letzteres ist ringsum verschnitten. Da auch in Bassano die Einfassung nicht
sichtbar ist (der Abdruck misst 201 : 159 mm. Bl.), so wäre es nicht unmög-
lich , dass die Chiffre wie bei anderen Stichen des Meisters unten ausserhalb
der Einfassung stand und nur abgeschnitten wurde.
Israhel van Meckenem.
56. (2211.) Christus wird dem Volke gezeigt. B. 16, Blatt 7 aus
der Passion B. 10 — 21.
57. (2209.) St. Thomas. B. 62. Blatt 12 aus der Apostelfolge B.
51 — 63. nach Schongauer. Vergl. oben Nr. 22—25.
58. (2208.) Die zweite der thörichten Jungfrauen. B. 164. Blatt 7
aus der Folge B. 158 — 16 7. nach Schongauer.
59. (2207.) Der Besuch bei der Spinnerin. B. 183.
60. (2209.) Der Greif. B. 193. nach Schongauer.
C. Anonyme Meister.
61. * (2184.) Die Gefangennahme. Der Heiland, etwas gegen rechts
gewendet und das Haupt auf die rechte Schulter neigend, wird von dem rechts
hinter ihm stehenden Judas, der den Beutel in der Linken hält, geküsst. Ein
Scherge zur Rechten bindet seinen Arm, ein zweiter Gepanzerter, vom Rücken
gesehen, links im Vordergründe fasst ihn am rechten Arm und zieht seinen
Krummsäbel, den er an der rechten Seite trägt. Ein dritter Knecht mit einer
XIV 15
208
Max Lehrs:
Laterne zerrt ihn schreiend an den Haaren, und ein vierter mit einer Fackel
erhebt die rechte Hand zum Schlage. Dahinter drängt die Menge mit Schwer-
tern, Knütteln, Gabeln, Fahne, Hellebarde, F’ackein und Lanzen nach. Von
den zahlreichen Köpfen sieht man nur sieben Gesichter. — Rechts im Vorder-
gründe haut Petrus dem mit seiner Laterne am Boden liegenden Malchus, den
er mit der Linken am Schopf fasst, das Ohr ab, welches Christus bereits in
der linken Hand hält. Links davor liegt die Fackel des Knechtes. — Auf
der rechten Seite führt weiter hinten ein Brett über den Bach Kidron. Jenseit
desselben sieht man Christus (hier mit Strahlenkreuz-Nimbus) nach links ge-
wendet im Gebet vor dem Oelberg, auf dem der Kelch mit der Hostie steht.
Vor ihm schlummern die drei Jünger mit Scheibennimben : links Jacobus, rechts
Petrus und Johannes. Neben Petrus liegt sein Schwert. Dahinter dringen die
Schergen, von Judas geführt, durch’s Thor in den Garten. Links in der Ferne
die Mauern und Thürme von Jerusalem. 284 : 210 mm. Einf. Unbeschrieben.
Dieser Stich gehört als zweites Blatt in die Passionsfolge P. II. 217.
56—58. Repertorium XI. 62. 132—133, von welcher bisher vier Blätter mit
je zwei zu einer Darstellung vereinigten Passionsscenen bekannt waren. Ich
sprach im Repertorium a. a. 0. die Vermuthung aus, dass nur noch ein
Blatt an der Folge fehle, welches die Gefangennahme und Geisselung enthielt.
Das Blatt in Bassano zeigt aber als Nebenscene das Gebet am Oelberg, und
so muss die Folge wohl aus sechs Blättern bestanden haben, so dass nunmehr
noch das dritte: Dornenkrönung und Geisselung enthaltend, fehlt.
XX.
Eavenna.
Biblioteca Glassense.
Ueber die in dieser altberühmten Bibliothek aufbewahrten , aus Hand-
schriften gelösten Bilddrucke, meist italienische Holzschnitte des 15. Jahr-
hunderts, habe ich bereits im Archivio storico dell’ Arte ®) ausführlich berichtet.
Sie sind jetzt grösstentheils, zwischen je zwei Glasplatten geklebt, in den
Schränken der Bibliothek aufgehängt und stammen aus einer Handschrift des
15. Jahrhunderts: »Consilia et Allegaciones Diversarum juris consultarum.«
138. — 6.— A. I— IV. und B. I— II. Einige, die sich nicht ohne Verletzung des
Manuscriptes ablösen Hessen, kleben noch darin. Um hier nur noch der
deutschen Blätter zu gedenken, nenne ich von den letzteren ein im II. Band
der Handschrift befindliches sehr grosses Schrotblatt mit St. Rochus, das Mar-
tyrium des Kindes Simon (silhouettirter ’’) Holzschnitt) und das Abendmahl,
einen grossen Holzschnitt ; von den unter Glas ausgestellten : S. Gatharina auf
dem überwundenen Maxentius stehend (Holzschnitt) und das jüngste Gericht
®) Una nuova incisione in rame del Maestro alle Banderuole in Ravenna.
Vol. I. (1888) p. 444 und II. (1889) p. 165.
') Nicht »a semplice contorno«, wie die ungenaue Uebersetzung im Archivio
lautet.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 209
(blassbrauner Reiberdruck um 1460). Von Stichen, die in den Rahmen dieser
Arbeit gehören, findet sich nur ein Blatt vom
Meister mit den ßandrollen.
1.* * Die säugende Madonna. Archivio storico I. (1888) p. 444 und
II. (1889) p. 165 ®). Hochätzung in halber Originalgrösse ebenda p. 445 ®).
Dass diesem Stich höchst wahrscheinlich ein italienisches Urbild zu
Grunde liegt, habe ich bereits hervorgehoben. Nicht nur Haltung und Typen
sprechen dafür, sondern auch das lange Hemd des Jesuskindes, die Verschnü-
rung des Kleides der Maria und ihr über den Kopf gezogener Mantel, costüm-
liche Eigenthümlichkeiten, die wir in Deutschland nur aus den Darstellungen
der Lucas-Madonna in Rom und den Bildern der schönen Maria von Regens-
burg kennen. Gehen doch diese gleichfalls auf italienische Vorbilder zurück.
Der Stich ist, mit Schonung der unleserlichen Schrift zu beiden Seiten
des Nimbus, oval ausgeschnitten. Wahrscheinlich war die Madonna in ganzer
Figur dargestellt (jetzt ist es nur ein Kniestück), denn ein Loch unter dem
linken Arm ist mit einem Stück vom Untertheil des Gewandes aus demselben
Stich geflickt. Das Blatt wurde dann auf anderes Papier geklebt, dessen ge-
schwärzter Grund die Schrift überdeckt, so dass sie nicht mehr zu ent-
ziffern ist.
XXI.
Florenz.
a. R. Galleria degli Uffizi.
Die wenigen noch dem 15. Jahrhundert angehörigen deutschen Stiche
der Sammlung sind an der Südseite des nach dem Palazzo Pitti führenden
Verbindungsganges ausgestellt.
A. Oberdeutsche Meister.
Martin Schongauer.
1. Die Flucht nach Egypten. B. 7.** Photographie von Niccolö
Torrini, Nr. 53. (Rahmen 236. Nr. 1.)
2 — 9. Die Passion. Acht Blatt aus der Folge B. 9 — 20. (Rahmen
235. Nr. 2-9.)
2. Die Gefangennahme. B. ip.
3. Christus vor Annas. B. 11.
4. Die Geisselung. B. 12.
5. Christus vor Pilatus. B. 14.**
6. Die Kreuztragung. B. 16.
Der Beschreibung a. a. 0. ist nur hinzuzufügen, dass das Wort maia
rechts vom Nimbus der Madonna steht, nicht »sul lato sinistro«, wie im
Archivio irrig angegeben.
*) Die Reproduction ist sehr mangelhaft, schon der starken Verkleinerung
wegen. Von der Schrift zu beiden Seiten des Nimbus und der Flaramenglorie ist
nichts zu erkennen.
210
Max Lehrs:
7. Christus am Kreuz. B. 17.
8. Die Grablegung. B. 18.
9. Die Auferstehung. B. 20.
10. Die Kreuztragung. B. 21.*** Photographie von Torrini, Nr. 37.
(Rahmen 236. Nr. 21.)
11. St. Antonius von Dämonen gepeinigt. B. 47. Photographie
von Torrini, Nr. 36. Ringsum verschnitten und defect, das Monogramm ein-
gezeichnet. (Rahmen 236. Nr. 22.)
12. Eine der thörichten Jungfrauen in Halbfigur. B. 87.***
(Rahmen 235. Nr. 23.)
Meister
i.3. Das Liebespaar. B. 16.** (Rahmen 242. Nr. 27.)
B. Niederdeutsche und niederländische Meister.
Meister ß
14. Die Anbetung der Könige. B. VI. 394. 1. P. II. 148. 1. Dieser
seltene Stich findet sich noch in Berlin, Wien (Albertinaj und Wolfegg, Vergl.
Repertorium XI. 59, 107. (Rahmen 241. Nr. 533.)
Israhel van Meckenem.
15. SS. Maria Aegyptiaca und Maria Magdalena. B. 130.***
P. 130. I. Etat vor den Versen. Vergl, Zeitschr. f. ehr. Kunst 111. (1890) Sp. 390.
Lichtdruck im Kat. Goppenrath I. (Leipzig 1889.) (Rahmen 242, Nr. 25.)
16. Der Lautenschläger und die Sängerin, B. 174.* 1. Etat.
(Rahmen 242. Nr. 26.)
b. Biblioteca Marucelliana ^®).
Alle Blätter sind im Klebeband fest aufgelegt, so dass man die Was&er-
zeichen nicht erkennen kann. Wie ich hörte, ist die Sammlung arg bestohlen.
A. Oberdeutsche Meister.
Martin Schongaue r.
1. Die Verkündigung. B. 3.*
2. Die Geburt Christi. B. 4.*
3. Die Anbetung der Könige. B. 6. I.
4. Die Flucht nach Egypten, B. 7.**
5 — 12. Die Passion. Acht Blatt aus der Folge B. 9 — 20.
5. Das Gebet am Oelberg. B. 9.*
6. Die Gefangennahme. B. 10.**
7. Christus vor Annas. B. 11.**
*°) Ueber eine Copie nach Dürer’s Verlorenem Sohn mit undeutlich aufge-
slempeltem W in dieser Sammlung vergl. Lehrs, Wenzel v. Olmütz (Dresden 1889)
p. 30.
Der deutsche u, niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 211
8. Die Geisselung. B. 12.**
9. Die Dornenkrönung. B. 13.
10. Christus wird dem Volke gezeigt. B. 15.***
11. Die Kreuztragung. B. 16.
12. Christus am Kreuz. B. 17.*
13. Die Kreuztragung. B. 21,
14. Christus am Kreuz mit vier Engeln. B. 25. W. p mit Blume.
15. Der Tod Mariä. B. 33.* I.
16. St. Antonius von Dämonen gepeinigt. B. 47.
17. St. Stephan. B. 49.
18. St. Johannes auf Pathmos. B. 55.*
19. Das segnende Jesuskind. B. 67.
(19a.) Der Schmerzensmann zwischen Maria und Johannes.
Runde italienische Copie. Die drei Figuren stehen hinter einem Sarkophag,
an welchem vorn das Schweisstuch hängt. 157 mm. Durchmesser. PI. P.
V. 56. 2.
Der Stich, hier dem Robetta zugeschrieben, wird von Passavant für den
Meister Gherardo in Anspruch genommen. Die Arbeit ist jedenfalls italienisch,
wofür auch das Motiv des vorn am Sarkophag hängenden Schweisstuches
spricht. Dasselbe kommt in dieser Weise mehrfach auf italienischen Bildern
vor, z. B. auf der Predella der Verkündigung von Botticelli in den Uffizien
(Nr. 1316). Ein Exemplar findet sich auch in Bologna “).
Zani (Enciclop. II. 7. p. 248) führt das Blatt als anonyme Arbeit der
venezianischen Schule auf. Er sah es in der Sammlung Bianconi zu Mailand,
wo es keinem Geringeren als Mantegna zugeschrieben wurde, und vermuthet,
dass es von da an Storck und del Maino in Mailand oder später nach London
gekommen sei. Danach handelt es sich wohl um dasselbe Exemplar, welches
1824 auf der Auction Sykes für 5 £ 5 sh. an Ottley und 1837 auf der Auction
Ottley für 2 £ 8 sh. an White verkauft wurde, um schliesslich in das British
Museum zu gelangen, wo es Passavant fand. Ein vierter Abdruck trug 1875
auf der Auction Galichon in Paris 100 fr.
Passavant scheint die Abhängigkeit des Stiches von Schongauer’s
Schmerzensmann nicht erkannt zu haben, obwohl er schon im Katalog Ottley
(Nr. 1843) und später bei Galichon (Nr. 339) als Copie nach Schongauer
aufgeführt und dem Gherardo zugeschrieben wird.
20. Der Heiland segnet die Jungfrau. B. 71.
21. Die Fünfte der thörichten Jungfrauen. B. 86.*** Blatt 10
aus der Folge B. 77 — 86. Etwas verschnitten.
22. Der Greif. B. 93.
23. Zwei Wappenschilde mit Greifenfuss und Hahn von einem
Türken gehalten. B. 101.**
24. Wappenschild mit dem Hirsch, gehalten von einem wil-
den Mann. B. 104.**
“) Fase. 28° der Stampe staccate.
212
Max Lehrs :
Meister A'S
25. Salomos Götzendienst. B. 1.
26. Die Enthauptung Johannes des Täufers. B. 3.**
27. Das Martyrium der hl. Katharina. B. 8.*
28. Das Martyrium der hl. Barbara. B. 9.*
29. Das Liebespaar. B. 16.
jB. Niederdeutsche und niederländische Meister.
Israhel van Meckenem.
30. Die Geburt Christi. B. 6. nach Schongauer. III. Etat.
31. SS. Bartholomäus und Philippus. B. 82. Blatt 4 aus der
Folge B. 79—84.
32. Wappen mit einem Löwen. B. 195.
c. Biblioteca Riccardiana
Unter den Handschriften dieser reichen Bibliothek befindet sich ein
vormals dem Francesco di Nicholo di Teri di Lorenzo Teri Fiorentino ge-
höriger Sammelband (God. 1052), mit dem Credo Dante’s, der Legende der
hl. Cäcilie und Betrachtungen über das Leben Christi. Dieser Codex, welchem
sechs blattgrosse eingeklebte Kupferstiche des 15. Jahrhunderts eine hervor-
ragende Bedeutung verleihen, wurde für die Kenntniss der Fachgenossen zuerst
1850 von Harzen entdeckt, der aber leider nichts darüber publicirte, sondern
sich nur in einem ebenfalls in der Riccardiana aufbewahrten handschriftlichen
Bericht vom 20. März 1850 dahin äussert: die sechs eingeklebten Stiche rührten
von einer Hand her und zwar von der des seit Duchesne sogen. »Meisters
mit den Bandrollen«, der etwas später als um die Mitte des 15. Jahrhunderts
in Frankreich oder Burgund gearbeitet habe, und von dem kürzlich zwei Blätter
in dem alten Einbanddeckel des »Miroir de Farne« auf der Königl. Bibliothek
im Haag gefunden wurden. Diese Handschrift rührt von Jean Miellot, dem
Schreiber des Herzogs Philipp von Burgund her, von welchem ein anderer
Codex in derselben Bibliothek das Datum 1457 trägt.
**) Die Biblioteca Laurenziana besitzt keine deutschen Stiche. In einer Aus-
gabe von Dante’s Göttlicher Gomödie (Strozz. 148) ist indess ein florentinischer
Kupferstich des 15. Jahrhunderts eingeklebt. Es ist die Darstellung Dante’s als
Dichter der Göttlichen Gomödie neben der Stadt Florenz stehend. P. V. 43. 101.
Vergl. die Puhlication der Internationalen Ghalcographischen Gesellschaft, Jahrgang
1889, wo der Stich nach dem Abdruck der Wiener Hofbibliothek unter Nr. 7 re-
producirt ist. Das Florentiner Exemplar ist colorirt und trägt handschriftlich die
Bezeichnung »Pellegrino di San Daniele.«
In der Biblioteca Nationale fand ich nur ein Schrotblalt: St. Hieronymus
nach links gewendet, am Lesepult im Zimmer sitzend, zieht mit der Linken dem
Löwen den Dorn aus der linken Tatze. Eine Wolkenbordöre mit den Evangelisten-
symbolen in den vier Eck-Medaillons umgiebt die Darstellung. 238 : 178 mm. Einf.
mit der Bordüre. Das Blatt klebt im Vorderdeckel einer Handschrift des 15. Jahr-
hunderts: F. Simon de Cascia, della Vita Cristiana II. IV. 51.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 213
Den wesentlichsten Inhalt jenes Harzen’schen Schriftstückes in der
Riccardiana druckte G. Frey in einer Anmerkung seines Buches über die
Loggia dei Lanzi ab. Aus Unkenntniss des Gegenstandes liess er jedoch
den wichtigsten Punkt, dass Harzen die Stiche dem Meister mit den Band-
rollen zuschreibt, unerwähnt, von anderen üngenauigkeiten ganz zu ge-
schweigen. Leider verliess ich mich in meiner Schrift: »Der Meister mit den
Bandrollen« p. 15 auf Frey’s Wiedergabe des Harzen’schen Berichtes und er-
kenne erst jetzt die Unzuverlässigkeit derselben, wo mir eine genaue Abschrift
des Documentes vorliegt Ich folgte a. a. 0. der Zuweisung aller sechs
Blätter an einen Künstler, da mir damals nur eine Heliogravüre der Madonna
Nr. 2 , nicht aber der Florentiner Codex aus eigener Anschauung bekannt
war
Dass Nr. 5 »Der Baum des Lebens« wahrscheinlich von anderer Hand
sei, hatte mir schon früher Dr. P. Jessen mitgetheilt, dem ich überdies Skizzen
aller sechs Blätter verdanke. Die Autopsie bestätigte dies Urtheil vollkommen.
Aber auch die unbeschriebene Verkündigung auf Fol. 4 recto des Riccardiana-
Codex (in meiner Schrift a. a. 0. unter Nr. 2 nach Harzen und Frey dem
Meister mit den Bandrollen zugewiesen) kann nicht einmal als deutsche oder
niederländische Arbeit angesprochen werden, sondern ist offenbar italienischer,
wahrscheinlich florentinischer Herkunft. Nicht nur die technische Behandlung
mit ungemein zarten Querschraffirungen, sondern auch die grosse Delikatesse
der Zeichnung, die feine Empfindung in der Pose des knieenden Engels,
endlich das Antlitz Christi auf den fünf für die frühen italienischen Stecher
so charakteristischen , den Nordländern fremden horizontalen Wölkchen be-
weisen es ^®).
Um nun auf die übrigen Stiche des Codex 1052 zurückzukommen, so
sind dies die folgenden:
Meister mit den Bandrollen.
1.* (Fol. 3 recto.) Die VermählungMariae. In der Mitte des gewölbten
Tempels steht der Hohepriester mit Mitra und Inful auf dem bartlosen. Haupte
und legt die Hände von Maria und Joseph in einander. Erstere rechts stehend,
Die Loggia dei Lanzi p. 96 — 97. Anm.
**) Der mit »E. H.« Unterzeichnete Bericht : »Notizie attorno alcune stampe
nella Biblioteca Riccardiana« findet sich im Cod. 3243: »Illustrazioni di vari Codici
Riccardiani«. Eine genaue Abschrift verdanke ich der Güte des Fräulein Mathilde
Jacobson in Florenz.
Erst ganz neuerdings erfahre ich durch einen Zufall , dass der bekannte
Sammler Eugene Piol alle sechs Stiche bereits im Jahre 1859 für die französische
Regierung durch Alinari photographiren liess. Die Blätter sind eigentlich »fuor di
commercio« , aber doch noch heute von Alinari zu beziehen , und es bleibt nur
merkwürdig , dass sie zur Zeit der Entdeckung der berühmten Madonna von 1451
keinem Fachmann zu Gesicht kamen , der sich mit der Echtheitsfrage der Jahres-
zahl beschäftigte.
Photographie von Alinari, Nr. 291.
214
Max Lebrs;
trägt eine Krone auf dem langen Haar und hebt mit der Linken ihr Kleid,
Letzterer mit spärlichem Haar und kurzem Bart steht links und hält in der
Linken den Stab, an dem eine Rose blüht. Hinter ihm links bemerkt man
die vier anderen Freier, jugendlich bartlos und mit kurzen Röcken. Einer von
ihnen ist ganz vom Rücken gesehen, zwei andere halten ihre dürren Stäbe.
Der Vorderste trägt Trippen an den Füssen und einen Dolch am Gürtel. Hinter
Maria stehen rechts noch zwei Tempeljungfrauen , die Vorderste mit Turban
und Rissentuch, die andere in langen Haaren, und zw^i Engel. Den Hinter-
grund bildet ein mit Lilien gemusterter Teppich, den drei kleinere Engel
schwebend halten. Nur Maria hat einen Scheibennimbus mit punktirtem
Doppelrand. Die Darstellung umrahmt ein Portal mit zwei nur zum Theil
sichtbaren Säulen, die das Kreuzgewölbe tragen. Der Fussboden ist schwarz
und weiss gemustert. Einfassungslinie. 216 : 160 mm. Einf. 220 : 165 mm. PI.
Unbeschrieben. Vergl. Frey, Die Loggia dei Lanzi p. 96 — 97 Anm. und Lehrs,
Der Meister mit den Bandrollen p. 15 Nr. 1 und 21. 16. Photographie von
Alinari Nr. 292.
Vielleicht liegt der Gomposition ein italienisches Original zu Grunde.
2. (Fol. 5 recto.) Die Madonna mit dem schreibenden Kinde auf
der Mondsichel, von zwölf Engeln umgeben. Naumann’s Archiv IV. 1.
(Passavant.) P. I. p. 201. und II. 7. 1. Nagler, Monogr. IV. 2723. Weig. u. Zest.
II. 335. 406. Willshire, Introduction p. 287. Willshire, Cat. I. p. 31. und II. 137.
H. 2. Dutuit, Manuel I. p. 3. Lehrs, Spielkarten p. 8. Anm. 1. Frey, Die Loggia
dei Lanzi p. 96. Anm. Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen p. 13. Reper-
torium X. p. 135. (W. Schmidt.) Chronik f. vervielf. K. I. (1888.) p. 3. (Lehrs.)
Nachstich von J. G. Loedel in Naumann’s Archiv IV. vor p. 1., bei Weig.
und Zest. II. vor p. 335., im Auctionskatalog der Weigeliana vor p. 205 und bei
Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie I. vor 587. Hochätzung da-
nach bei A. Schultz, Kunst und Kunstgeschichte II. p. 210. Fig.84 und in dessen
Einführung in das Studium der neueren Kunstgeschichte p. 510. Fig. 337. Licht-
druck nach einem Ausschnitt bei Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen Taf. V.
Fig. 14. sämmtlich nach dem Abdruck der Weigeliana. Photographie von
Alinari Nr. 293. Heliogravüre bei v. Lützow, Geschichte des deutschen Kupfer-
stiches und Holzschnittes nach dem Florentiner Abdruck.
Das Exemplar der Riccardiana ist besser erhalten als das auf der linken
Seite und unten stark verschnittene der Sammlung Weigel und Felix. Der
Plattenrand (222:167 mm.) ist voll erhalten, und der Druck von blaugrauer
Farbe zwar nicht besonders schön , aber doch kräftiger als der des Abdrucks
mit der falschen Jahreszahl 1451. Letzterer, noch im Jahr 1872 von Eugen
Felix für 3950 Thlr. erworben, irrt seit 1885 im Kunsthandel umher. Im
October 1889 tauchte er in New-York auf, ohne indess auch in der neuen Welt
einen Käufer finden zu können.
Wilhelm Schmidt bestätigte seinerzeit im Repertorium meine Zuschrei-
bung des Stiches an den Bandrollen-Meister, meinte aber, dass derselbe für
seine Madonna ein verlorenes Original des Spielkarten-Meisters benutzt und
nicht die Tauben-Krone und Hände von der Cyclamen-Dame entlehnt habe.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 215
Die beiden Kronen stimmen seiner Ansicht nach nicht im Einzelnen genau
überein, sondern mehr im allgemeinen Motiv, und da sich bei den einzelnen
Künstlern die Motive zu wiederholen pflegen, werde der Spielkarten-Meister
die Tauben-Krone auch nicht nur bei der Löwen- oder Cyclamen-Dame seines
Kartenspiels angewendet haben.
Nachdem ich dieser Ansicht in der Chronik für vervielfältigende Kunst
widersprochen und die meinige aufrecht erhalten hatte, fand ich einen, wie mir
scheint, untrüglichen Beweis dafür, dass die Krone der Madonna nicht nach
demselben Vorbild wie diese selbst, sondern nach der Spielkarte copirt sei,
im Münchener Cabinet. Ein Schrotblatt daselbst zeigt nämlich die Madonna
von der Gegenseite auf der abwärts gekehrten Mondsichel stehend, die mit
einem Gesicht versehen ist, mit etwas veränderten Legenden, namentlich aber
mit einer anderen Krone und anderem Nimbus. Es unterliegt somit wohl
keinem Zweifel, dass beiden Blättern ein gemeinsames Original zu Grunde lag,
und dass sich der Künstler des Münchener Schrotblattes genauer an die Vor-
lage hielt, während der Bandrollen-Meister, seiner compilatorischen Eigenart
gemäss, die Krone anderswoher nahm.
3. (Fol. 6 recto.) Christus am Kreuz von vier Engeln umgeben.
P. II. 15. 11. Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen 15. 3. und 21. 3. Photo-
graphie von Alinari, Nr. 294. Ein zweites Exemplar befindet sich in Berlin.
Nach dem bei beiden Abdrücken sichtbaren Plattenrand rnass ich in Berlin
237 : 167 mm., in Florenz aber 219 : 182 mm. Da sich diese Differenzen nicht
durch eine Verkleinerung der Platte erklären lassen, dürfte die Richtigkeit der
in Florenz genommenen Maasse noch zu prüfen sein.
4. (Fol. 7 recto.) Die Kreuzabnahme. Hymans, Les commencements
de la gravure aux Pays-Bas: Roger van der Weyden (Bulletin des Commissions
d’art et d’archeologie). Willshire, Cat. 11. 145. H. 6. Lehrs, Der Meister mit
den Bandrollen p. 1. und 15. 2. Photographie von Alinari, Nr. 290. Heliogravüre
bei Hymans a. a. 0. und im Verzeichniss der Kupferstichsammlung in der
Kunsthalle zu Hamburg vor p. 261. II. Et. von der ausgedruckten, grob re-
touchirten Platte. Von den am Kreuz beschäftigten Männern sind fast nur
die Contouren übrig, die in der ganzen Darstellung verstärkt wurden. Auf den
Rockfalten des breitbeinig dastehenden Nicodemus ist eine derbe Horizontal-
schraffirung hinzugefügt. Der Florentiner Abdruck hat wie der sehr frische
I. Et. in Hamburg noch seinen vollen Plattenrand.
Unbekannter Meister.
5. * (Fol. 8 recto.) Der Baum des Lebens. Ein mit dem Vordertheil
nach rechts gewendetes Schiff trägt als Mast den Baum des Lebens, in dessen
Zweigen zwei Reihen geistlicher und weltlicher Würdenträger sitzen, alle nur
mit dem Oberkörper sichtbar. In der Mitte der oberen Reihe sieht man den
’’') Das Blatt stammt aus einer Handschrift der Staatsbibliothek (Clm. 588).
Es misst 181:125 mm. Einf. und ist mit Gelb, Lackroth, Fleischfarbe und Matt-
grün colorirt.
216 Max Lehrs: Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrhunderts etc.
Segen spendenden Papst mit Kreuzstab und Tiara, rechts Cardinal und Bischof,
links den Kaiser mit Scepter und Schwert und den Herzog mit der Sendelbinde.
ln der zweiten Reihe von links beginnend : zwei Fürsten , ein bärtiger Mann
mit einer Kappe, ein Mönch und noch ein bärtiger Kopf. — Die Wurzeln des
Baumes benagen links eine schwarze, rechts eine weisse Ratte (Nacht und
Tag). Um den Stamm ist ein Seil geschlungen , das der vor dem Schiff im
Sarg liegende Tod, in ein Leichentuch gehüllt, mit beiden Händen hält. Zu
seinen Füssen bemerkt man im Wasser einen Korb, rechts zu Häupten die
Sense. Ein Rahmen aus drei an den Ecken verbundenen Einfassungslinien
umgibt die Darstellung. 202 : 157 mm. Einf. 241 : 176 mm. PI. Unbeschrieben.
Vergl. Frey, Die Loggia dei Lanzi p. 96 — 97 Anm. Lehrs, Der Meister mit
den Bandrollen p. 15. Photographie von Alinari, Nr. 295.
' Wie bereits oben erwähnt, kann ich der Ansicht von Harzen und Frey,
dass auch dieser Stich vom Meister mit den Bandrollen herrühre, nicht bei-
stimmen. Die Arbeit ist zwar auch sehr mittelmässig, doch müsste, wenn sie
wirklich vom Bandrollen-Meister herrühren sollte, die Platte total überarbeitet
sein. In Einzelheiten erinnert das Blatt an den retouchirten Abdruck der
Kreuzabnahme (Nr. 4), besonders durch die derben Punktirungen des Fleisches,
Am besten ist noch das Schiff gestochen, während die Figuren im Baum
mit plumpen Querschraffirungen sehr roh und flüchtig behandelt sind.
Ein Jugendbild des Lionardo?
Von Franz Rieffel.
. Während von den grossen italienischen Meistern bisher Raphael den
Mittelpunkt des Interesses und der Forschung eingenommen hat, scheint seit
den letzten Jahren Lionardo ihm diese Stellung streitig machen zu wollen,
vielleicht nicht nur darum, weil er jenen durch seine mächtige, tiefe, um-
fassende Persönlichkeit überragt, sondern auch weil er als Mensch und als
Künstler problematischer, moderner ist. Leider, so lebhaft das Bestreben auf-
tritt, das Wesen des Lionardo aus seinen Werken zu ergründen, so wenige
sind ihrer. Die Behauptung eines hervorragenden Lionardo-Kenners, die Zweifel-
losen Tafelbilder Hessen sich an den Fingern einer Hand bequem aufzählen,
muss schier wörtlich verstanden werden. Ist es also verwunderlich, dass
Werken gegenüber, welche einzelne lionardeske Züge tragen, die Kritik ihrer
berufsmässigen Unerbittlichkeit bisweilen vergisst und sich erweichen lässt,
dass der Wunsch einer Gemäldegalerie, ein Bild und gar ein Jugendbild des
Lionardo zu besitzen, zum Vater des Gedankens wird?
Das ist, glaube ich, auch der Fall bei dem jüngsten Zuwachs des lio-
nardischen Werkes, bei der Madonna der Münchener Pinakothek. Wenn ich
bezüglich dieses Bildes, dessen Taufe bis jetzt bei den Kunstgelehrten nur Zu-
stimmung erfahren hat , die Gründe für meine abweichende Ansicht hier
darzulegen versuche, so will ich von vornherein einräumen, dass es wenigstens
wissenschaftlich ein höchst interessantes Stück ist.
Aber ein Lionardo?
Wie durchaus fremd, wie unlionardesk ist schon der in schüchterner Ge-
ziertheit geneigte Kopf der Madonna. Lang, mit hoher breiter herausgewölbter
Stirn, rundlichen Augen unter tief gesenkten Lidern, länglicher Nase, kleinem
fleischigem, knospenhaft zugespitztem Mund erinnert er mehr an die
*) W. Koopinann, Die Madonna mit der schönen Blumenvase. Repert. f.
K. XIII (1890), p. 118 — 122. — H. de Geymüller, La vierge ä l’oeillet, Gaz. des
B.-Arts 1890. Augustheft, p. 97 — 104. — W. Lubke, Altes und Neues. Breslau
1891, p. 280 — 283. — (Als der Aufsatz in Druck gegeben wurde, waren Lermo-
lieff’s Kunstkrit. Studien, B. II, 1891, noch nicht erschienen; nunmehr vergl. da-
selbst p. 353—355.)
218
Franz Rieffel :
Madonnen der vlaemischen und kölnischen Schule als an Lionardo’s Typen.
Auch von denen zeitgenössischer italienischer Meister weicht er ab. Man ver-
gleiche ihn z. B. mit den Typen der von W. Bode dem Verrocchio und seiner
Werkstatt zugeschriebenen Gruppe. Besonders lehrreich ist die Vergleichung
mit der Kopfbildung auf der in der Gaz. des B.-Arts publicirten Zeichnung des
Dresdener Cabinetts (»Lionardo«). Wenn diese auch von einer anderen Hand
ist, so liegt sie doch dem Münchener Bild sicherlich zu Grunde; wie auffallend
eben darum die Verschiedenheit des Typus, der Rasse — um es gerade heraus
zu sagen — in diesen beiden Madonnenköpfen.
Auch der Kopf des Ghristuskinaes mit dem sentimentalen, himmelnden
Blick ist unlionardisch. Lionardo bildet die Kinder , auch die heiligen , stets
kindlich und naiv. (Siehe die Madonna in der Grotte, die Madonna mit der
hl. Anna, beide in Paris, und den Carton in London, sowie seine Kinder-
studien). Die ein wenig an den Bambino di bronzo gemahnende Kopf- und
Körperform kommt weniger auf die Art des Lionardo, als etwa die des Lorenzo
di Credi hinaus; man beachte z. B. die übermässig tief einschneidenden Fett-
falten, die Hängebacken.
Gegen Lionardo zeugen ferner die harten leblosen Finger der Madonna
mit den stark angeschwollenen Gelenken ®) und das Ohr des Kindes; nicht
minder die ungeschickte Verkürzung des rechten Fusses, die fehlerhafte Zeich-
nung des linken Armes.
Die ganz verwirrt angeordnete Gewandung der Madonna ist im einzelnen
auch schwach mofivirt; z. B. sind die Falten auf dem linken Busen ein Wunder
von Unklarheit und Unbeholfenheit. Wie einfach und sicher ist dagegen der Falten-
wurf auf der Dresdener Zeichnung. Sollte Lionardo denn in Bezug auf Em-
pfindung für natürlichen Faltenwurf so sehr hinter sein Vorbild zurückgegangen
sein, während er sich doch sonst allerorten durch die durchsichtige Motivirung
und — wenn mir das Wort gestattet ist — durch die Logik seiner Gewand-
anordnung auszeichnet?
Auch die gesuchte und , wie ich wenigstens finde , kleinliche und nicht
sehr geschmackvolle Haartracht steht einzig da; nur geringe Nachahmer des
Verrocchio (vgl. P. Müller-Walde, Lionardo Abb. 6) haben diesen copirend ähn-
liches, aber besseres geleistet.
Der Vorgang ist auf dem Münchener Bild in ein Zimmer verlegt. Dass
das Zimmer sich zu beiden Seiten der Madonna durch zwei Fenster auf die
Landschaft öffnet, ist nichts ungewöhnliches. Die Anordnung vor einem Pfeiler,
der nach beiden Seiten Fensteröffnungen hat, ist weder der italienischen.
*) P. 101. Lermolieff schreibt sie wohl mit Recht dem Verrocchio zu.
W. Koopmann kom.mt (p. 121) durch die Vergleichung mit der Handstudie
in Windsor (abgebildet bei J. P. Richter, The literary works of Leonardo da
Vinci I. XXXIII. — P. Müller-Walde, Leonardo da Vinci, Abbild. 17) zu dem
entgegengesetzten Schluss, wie ich glaube, nicui, mit Recht. Denn die Handform
auf dieser Studie "Weicht, wenn ich mich nicht täusche, von der Handform der
Münchener Madonna erheblich ab.
Ein Jugendbild des Lionardo?
219
noch der germanischen Kunst fremd. Sie findet sich beispielsweise bei Lorenzo
di Credi (Rundbild der Madonna mit dem Kind und Johannes in der Borghese-
Galerie zu Rom; Madonna zu Mainz), auf dem viel umstrittenen (übrigens ganz
übermalten) Bild der Monaca zu Florenz , auf der Madonna Aldobrandini
(Garvagh) des Raphael zu London , auf der Madonna Litta des Bernardino
de’ Conti zu St. Petersburg. Ungewöhnlich ist auf unserem Bild nur die Archi-
tektur der Fenster, Während dort die Fenster stets ungegliederte, breite,
viereckige Ausschnitte mit oder ohne Bogenabschluss zeigen, schliesst hier die
Fensternische zwar auch mit einem Bogen, aber innerhalb der Nische ist jedes
Fenster durch ein schwächliches Säulchen noch einmal in zwei lange rund-
bogig geschlossene Oeffnungen getheilt. Inmitten des von dem Fenster- und
den Nischenbogen eingegrenzten Lünettenfeldes befindet sich ein kreisrunder
Ausschnitt. Die Fensternische bildet beiderseitig am unteren Ende eine Art
von Sitzbank. Vergleicht man diese Gestaltung des Fenstermotivs mit dem
auf den vorhin erwähnten Bildern des Lorenzo di Credi u. s. w., so wird man
das Kleinliche und Spitzfindige des architektonischen Gedankens erkennen: es
ist dabei von Bedeutung, dass in Folge der Zweitheilung des Fensters die bei
der nordischen Kunst beliebtere verticale Linie die bei den südlichen Völkern vor-
herrschende horizontale zurückgedrängt hat. Dasselbe eigenartige Fenster wie
auf dem Münchener Bild begegnet uns, soweit mir bekannt, noch auf dem
früher Lionardo, jetzt Lorenzo di Credi getauften Dresdener Madonnenbild und
auf dem sogen. »Lippo« ^) der Galerie Colonna in Rom. Der Unterschied ist nur
der, dass auf den zuletzt genannten Bildern sich bloss ein Fenster, nämlich auf
der rechten Seite befindet und dass das Dresdener Bild die gekuppelten Rund-
bogen, aber nicht das Säulchen aufweist. Es sei mir gestattet, darauf hinzu-
weisen , dass die vlaemischen Maler besonders die Neigung haben, die hintere
Wand des Innenraumes vermittelst zwei- oder mehrfach gekuppelter
Fenster- oder Thüröffnungen zu durchbrechen und einen Ausblick auf
die Landschaft zu bieten. (Vgl. z. B. die Madonna mit dem Stifter des Jan
van Eyck zu Paris; die Madonna mit dem hl. Lukas des Roger van der Weyden
zu München).
Die Landschaft des Münchener Bildes ist eine Alpengegend und zwar eine
Ansicht von der Ebene aus, wie man sie im Mailändischen vor sich hat. Auf
zwei Bildern des Lionardo finden sich gleichfalls Alpenlandschaften; beide-
male verleihen erst sie, phantastisch und realistisch zugleich, wie nur Lionardo
sie schauen und wiedergeben konnte, der Darstellung den ihr eigenen traum-
haften Reiz^ einer weltfernen Oede. Beide Bilder, die Madonna mit der heiligen
Anna und die Mona Lisa sind nach dem ersten Aufenthalt des Lionardo im
mailändischen Gebiet entstanden. Wo hätte er auch während seiner frühen
florentinischen Periode eine Alpenlandschaft kennen lernen sollen und nun
gerade diese charakteristische lombardische Alpenlandschaft? Das Münchener
Bild kann aber nur in die früheste florentinische Zeit gesetzt werden, wenn
^) Vergl. darüber Lermolieff, Kunstkritische Studien über italienische^
Malerei, Leipzig, 1890, p. 115.
220
Franz Rieffel: Ein Jugendbild des Lionardo?
es von Lionardo sein soll ®). Von dem Reiz der lionardischen Alpenansichten
hat seine trockene, nüchterne Landschaft übrigens gar nichts; selbst wenn man
sie nicht mit den erlebten, sondern den erdichteten Fels- und Berglandschaften
des Lionardo zusammenhält (Madonna in der Grotte), ist sie immer noch weit
weniger, als diese, naturwahr und empfunden.
Nun zu dem Blumenstrauss. Vergleichen wir ihn mit den zahlreichen
echten Blumenstudien des Lionardo, mit dem blumigen Rasen der Madonna in
der Grotte zu Paris, etwa auch mit den Blumensträussen auf Bildern seines
Mitschülers Lorenzo (z. B. auf dem Rundbild der Borghese-Galerie, welches ja
lang als das von Vasari erwähnte Gemälde des Lionardo galt, auf der Mainzer
Madonna), so sehen wir, meine ich, sofort den Unterschied in dem Zug und
in den Linien der Zeichnung; hier überall gerade und klar, dort unruhig,
vibrirend, trüb. Der Blumenstrauss ist für mein Empfinden geradezu das Stil-
compendium des Münchener Bildes und soll dem Gegenstand das vorzügliche
Charakteristikum den Namen geben (a potiori fit denominatio) , so würde die
Münchener Madonna eher nach dem Blumenstrauss als nach der Blumenvase
benannt zu werden verdienen.
Sie kann also nicht die von Vasari beschriebene Madonna des Lionardo
mit der »caraffa piena d’acqua con alcuni fiori dentro« sein.
Aber von wem ist sie, wenn Lionardo sie nicht gemalt hat? Darauf
wage ich nicht eine bestimmte Antwort zu geben. Nur das scheint mir
zweifellos, dass sie der Gruppe niederländisch-niederrheinischer Maler entstammt,
die in Italien zu Anfang des 16. Jahrhunderts sich von den italienischen
Meistern (in unserem Fall besonders von Verrocchio, Lionardo, Lorenzo di
Credi) zum Theil nur anregen Hessen, die zum Theil aber auch die Studien
dieser Meister unmittelbar verwertheten , wie es der Maler der Münchener
Madonna mit der Zeichnung im Dresdener Cabinett gethan hat. Unserem
Bild nah verwandt, vielleicht aus derselben Werkstattsgemeinschaft ist die
Dresdener Madonna, »Lorenzo di Credi« genannt®), von deren Urheber auch
die Zeichnung der Uffizien (vergl. P. Müller-Walde Abb. 6) herrühren mag.
Der »Lippo« der Galerie Colonna dagegen wird wohl nur eine Copie nach
einem dieser nordischen Anempfinder sein.
®) Diesen Widerspruch hat H. v. Geymöller wohl empfunden; s. 1. c. p. 101.
*) Vergl. Lermolieff 1. c.
Der Maler Jkms>
Von Corn. Hofstede de Groot.
Unter den holländischen Malern niedern Ranges ist der Obengenannte
einer der fruchtbarsten gewesen. Es muss daher auffallen, dass wir von
seinem Leben, dem Orte seiner Thätigkeit, seinem Lehrer so gut wie gar
nichts wissen. Sogar die Vornamen Frederik H., die ihm jetzt in der Regel
beigelegt werden, trägt er erst seit Kramm (1860), der im Register des Ter-
westen’schen Kataloges (vom Jahre 1770) Fredericus Mans verzeichnet fand,
und selbst in den Bezeichnungen der Gemälde ausser dem F ein H für den
zweiten Vornamen zu erkennen glaubte. Aber auch der Vorname Fredericus
ist nicht älter als das erwähnte Werk von Terwesten, da dessen Quelle, der Ver-
steigerungskatalog vom 5. Juni 1765, den Meister nur F. Mans nennt. Hieraus
geht zur Genüge hervor, mit wie wenig Recht ein Frederik H. Mans in unsern
Sammlungs- und Auctionskatalogen aufgeführt wird.
Nicht zuverlässiger ist die Grundlage, worauf die zweite landläufige Mit-
theilung über den Meister beruht, nämlich die, dass seine Heimat Utrecht ge-
wesen sei. Auch diese Angabe datirt seit Kramm, der behauptet, »sicher
mehr als fünfundzwanzig seiner Bilder in Utrecht angetroffen zu haben« und
daraus den Schluss zieht, dass er in dieser Stadt oder Provinz ansässig ge-
wesen seiO. Sie hat in jüngster Zeit eine Stütze dadurch erhalten, dass Bode
(Bilderlese aus kleineren Sammlungen Deutschlands I, Oldenburg S. 56) auf die
Ortsangabe auf einem Bilde der Sammlung von Mumm in Frankfurt am Main
aufmerksam gemacht hat, welche terhayde lautet und nach Bredius’ Ver-
muthung einen Ort in der Nähe Utrechts bezeichnet. Sehen wir zu, wie es
sich mit diesen beiden Angaben verhält.
In älterer Zeit, noch bei Lebzeiten oder kurz nach dem lude eines
Künstlers mag es ja seine Berechtigung haben, aus dem häufigen Vorkommen
0 Auf eine zweite Vermuthung Kramms, dass er bloss Dilettant gewesen sei,
da in den Katalogen von 1684 bis 1765 nur einmal Werke von ihm vorkämen,
brauche ich hier nicht weiter einzugehen. Bekanntlich stellt Kramm dieselbe jedes-
mal auf, wenn er von einem Meister nur wenige Bilder kennt.
222
Corn. Hofstede de Groot:
seiner Bilder an einem bestimmten Orte Schlüsse zu ziehen auf seine sonst
unbekannte Heimat, aber dies 150 bis 200 Jahre später noch zu thun, hat
doch sein Bedenkliches, solange es sich nicht nach weisen lässt, dass die
Bilder eben für die Stätte, an der sie sich befinden, gemalt worden sind. Die
Möglichkeit, dass die Bilder sich im Laufe der Jahrhunderte durch Zufall an
einem Orte zusammengefunden haben, ist zu gross, um auf die daraus hervor-
gehenden Folgerungen grosses Gewicht zu legen. Es kommt im vorliegenden
Falle noch hinzu, dass Kramm, der in Utrecht lebte und wirkte, durch seine
Berufsthätigkeit und durch sein bekanntes Interesse für die Kunst den grössten
Theil des dortigen Privatbesitzes kannte. Aber nur wenn er eine ebenso ge-
naue Kenntniss des Bildervorrathes an anderen Orten besessen hätte — was
nachweislich nicht der Fall war — hätte er mit einigem Recht folgern dürfen,
wie er es that. Endlich fällt gegen ihn ins Gewicht, dass die Utrechter Gilde-
bücher über einen Maler dieses Namens schweigen. Doch will ich hierauf
wegen analoger Fälle keinen zu grossen Werth legen.
Wie steht es nun aber mit der Ortsangabe auf dem von Mumm’schen
Bilde? Zunächst ist da zu bemerken, dass dieses Bild, wie Herr Director
Thode die Liebenswürdigkeit hatte mir mitzutheilen, eine Strandansicht dar-
stellt. Da nun jener Ort Namens tef Heyde, welcher in der Provinz Utrecht
liegt, stundenweit von der Seeküste entfernt ist, sind zwei Möglichkeiten offen:
entweder nimmt man an, dass die betreffende Inschrift sich nur bezieht auf den
Ort, wo der Maler wohnte und sein Bild malte, oder es wäre zu suchen nach
einem gleichnamigen Dorfe, das an der Meeresküste läge und demnach auf
dem Gemälde dargestellt sein könnte. Und solch ein Dorf giebt es in der That.
Es ist das einige Stunden südlich von Scheveningen in den Nordseedünen ge-
legene Terheyde, hauptsächlich bekannt durch die Seeschlacht vom 11. August
1653 gegen die Engländer, in welcher der Admiral Maerten Harpertsz Tromp
das Leben verlor. Die Wahrscheinlichkeit, dass eben dieses Terheyde durch
die erwähnte Bezeichnung gemeint sei, nimmt zu, wenn man in Erwägung
zieht, dass eine im Stockholmer Museum befindliche Landschaft (Kat. Nr. 1306)
sich durch die Aufschrift Eghmont op ze als eine Ansicht dieses ebenfalls
an der Nordseeküste, einige Stunden westlich von Alkmaar, gelegenen Fischer-
dorfes zu erkennen giebt. Wenn man dagegen den weniger wahrscheinlichen
Fall nimmt, dass die von Mumm’sche Inschrift nicht den dargestellten Ort,
sondern die Stelle der Entstehung des Bildes bzw. den Wohnort des Künstlers
angebe, dann darf man sie doch nicht mehr für die Beweisführung der Utrechter
Heimat des Meisters verwenden, es sei denn, dass man zu gleicher Zeit aus
der Stockholmer Inschrift den Schluss zöge, dass er etwa auch in dem Eg-
mont naheliegenden Alkmaar ansässig gewesen sei. Auch will ich hier nicht
unerwähnt lassen, dass im Schlosse zu Ansbach sich ein Bild vom Jahre 1684
befindet, worauf ich das Dorf Scheveningen zu erkennen glaube. Eine Be-
zeichnung wie auf dem von Mumm’schen und Stockholmer Bilde ist hier aller-
dings nicht vorhanden.
Aus dem Vorhergehenden folgt, dass die bisherigen Angaben über unsern
Meister wenn auch nicht als erwiesenermassen falsch, denn doch als
Der Maler T, Heeremans.
223
auf höchst unsicherer Grundlage ruhend anzusehen sind. Versuchen
wir dafür etwas Besseres zu bieten.
Ich gehe hierbei aus von der befremdenden Thatsache, die auch schon
Kramin aufgefallen war, dass in sämmtlichen drei Bänden der Hoet-Terwesten-
sehen Katalogsammlung, welche den Zeitraum von 1676 bis 1768 umfasst,
nur ein einziges Mal der Name F. Mans vorkommt. Diese Seltenheit, so sehr
in Widerspruch stehend mit unserem jetzigen Besitzstand, Hess bei mir die
Vermuthung aufkommen, dass wir die Bilder unter anderem Namen zu suchen
haben. Nun ist es bekannt, dass die holländischen Maler ihre Werke öfters
statt mit dem vollen Namen nur mit dem ersten Buchstaben des Vornamens,
des Familiennamens und der ausgeschriebenen letzten Silbe des letzteren be-
zeichneten. Beispiele sind : M v. WBroeck für Moses van Wttenbroeck, J. v. HBurgh
für Jan bzw. Jacob van Huchtenburgh, E HKerk für Egbert Heemskerk, und
dergleichen mehr ^). Diesen Grundsatz auf unsern Meister anwendend, müssen
wir also nach einem Maler H mans suchen mit einem Vornamen, dessen
Anfangsbuchstabe jetzt allerdings allgemein F gelesen wird, der aber ebenso-
gut für J oder T gelten kann. In der That finden wir in alten Katalogen
einen solchen Maler Namens Heeremans, dessen Bilder gegenständlich mit
den F. H. Mans’scben übereinstimmen. Es sind dies:
Hoet I S. 343®) Nr. 39: »Eine Landschaft von Heeremans« (Auction vom
Jahre 1729).
Hoet I S. 441 Nr. 72: »Eine Canallandschaft mit Figuren und Schiffen;
sehr gefällig von Heremans« (Audion vom Jahre 1735).
Terwesten S. 50 Nr. 63: »Eine Winterlandscbaft voll Figuren und Bei-
werk, sehr gefällig von Frans Heermansz, aus seiner besten Zeit, Anno 1670«
(Auction vom Jahre 1747).
Kramm S. 661: »Zwei Strandansichten bei Scheveningen, reich staffirt
mit einer Menge Spaziergänger und Fischer, die ihre Fische feilbieten, ferner
einige Boote und Wagen, und ein Blick aufs Meer mit Schiffen am Horizont,
natürlich abgebildet von F. Heeremans« (Auction vom Jahre 1803),
Kramrn S. 662: »Eine Strandansicht reich staffirt mit Fischern«, und
»Eine Dorfansicht, natürlich und ausführlich mit Tusche behandelt von J. Heere-
mans« (Auction vom Jahre 1785),
®) Verwandte Schreibweisen sind die Monogramme J(J. DS. für Joost Cornelisz
Droochsloot; J Wb für J. Westerbaen, HSL und GSL für Herman und Cornelis
Saftleven, FML bzw. P.MLier für Pieter Mulier den altern, und die Bezeichnungen:
C. G. van HaarLern , J. LingelBach, Gorn. DuSart, Sa). RomBouts, H. Berck
Heyde, ,J. v. ByLert, RemBrandt, Gibt es doch in Holland sogar eine Familie,
deren Mitglieder sich noch heutzutage VerLoren van Theraaat schreiben!
»Die Stube einer Wöchnerin« riebst Gegenstück, welche S. 145 erwähnt
werden , , können wir füglich ausser Betracht lassen , da Heeremansz hier wohl
Druckfehler für Hooremans ist. Dasselbe gilt von den auf S. 584 erwähnten Bil-
dern, welche im Register ebenfalls dem Heeremans, im Texte aber richtig dem
J, Horremans zugeschrieben werden.
XIV
16
224
Gorn. Hofsiede de Groot :
Dies sind eine Anzahl von Gemälden, welche bezüglich der Darstellung:
Dorf-, Canal-, Strand- und, Winteransicht genau zu den sogenannten Mans-
schen Bildern passen. Auch die Jahreszahl 1670, welche auf einem Bilde
vorkommt und als Blüthezeit des Künstlers angegeben wird, stimmt zur Lebens-
zeit unseres Malers, von dem datirle Bilder zwischen den Jahren 1660 und 1692
bekannt sind^). Eine Verschiedenheit ist jedoch .beim Vornamen zu constatiren.
In den Jahren 1729 und 1735 fehlt er ganz; 1747 lautet er Frans, 1785 J.
und 1803 F. Hierauf möchte ich aber kein zu starkes Gewicht legen, da die
Genauigkeit der Kataloge in dieser Beziehung nie eine sehr grosse gewesen
ist. Adriaan de Pape, Reinier Brakenburg, Reinier van Vries, Jan van
der Lisse sind einige Beispiele fehlerhafter Lesarten, welche erst durch die
ürkundenforschung der Neuzeit beseitigt worden sind. Da nun wirklich der
erste Buchstabe der von mir als Heeremans gedeuteten Bezeichnungen sich
meistens ebensogut als J, F oder T lesen lässt, liegt die Vermuthung sehr
nahe, dass in allen Fällen derselbe Meister gemeint ist.
Jetzt noch ein kurzes Wort über die vermuthliche Heimat des Künstlers,
als welche ich, wie oben bereits gesagt, Utrecht nicht gelten lassen kann.
Ein Vergleich seiner Bilder mit denen des Nicolaes Molenaer zeigt einen so
nahen Zusammenhang des Gegenständlichen und eine so grosse Verwandtschaft
der Malweise, dass ein Abhängigkeitsverhältniss zwischen beiden anzunehmen
dringend geboten erscheint^). Als Vorbild wird wohl Molenaer, als Schüler
bzw. Nachahmer Heeremans hinzustellen sein, sowohl wegen der grösseren
Vortrefflich keit jenes Meisters, als wegen der früheren Daten auf seinen Bildern.
Dies angenommen, suchte ich in Haarlem, Molenaer’s Vaterstadt, nach Spuren
eines Künstlers Namens Heeremans. Einen solchen hat uns Vincent Lzn. van
der Vinne, der eifrige Sammler von Allem, was sich auf die Haarlem sehe
Künstlerschaft bezog, aufbewahrt. Nach ihm (v. d. Willigen, les Artistes de
Harlem S. 175) trat ein Thomas Heeremans 1664 in die Haarlemer Lucas-
gilde ein. Wegen des Vornamens muss ich jetzt wieder an das oben Gesagte
erinnern, dass der erste Buchstabe der Bezeichnung TM ans ebensogut T
wie F gelesen werden kann. Erstere Lesart kommt mir sogar, wenn man auch
das H annimmt, viel wahrscheinlicher vor. Nichts steht daher der Vermuthung
— aber einstweilen auch nur der Vermuthung — im Wege, dass sämmt-
liche bis jetzt dem Fred. H. Mans zugeschriebene Bilder von dem Harlemer
Maler Thomas Heeremans herrühren.
Zum Schlüsse eine persönliche Bemerkung: Im neuen Oldenburger Kata-
log wird unser Meister genannt Frederik Heere Mans, und es befindet sich
'*) Vergl. z. B. Granberg, Les collections privöes de la Suede, S. 54, 108,
233, 281, 294. — Parthey, Deutscher Bildersaal, in voce F. H. Maes erwähnt
sogar zwei Bilder aus dem Jahre 1699.
Ihre Aehnlichkeit ist so gross, dass eine Verwechslung häufig ist. In der
Oldenburger Galerie wird sogar ein echt, allerdings etwas schadhaft bezeichnetes
Bild Heeremans’ dem Claes Molenaer zugeschrieben (Kat. Nr. 257 ; alt Nr. 222).
So schon Bode a. a. 0.
Der Maler T. Heeremans.
225
hinter der biographischen Notiz das eingeklammerte W, welches andeutet, dass
dieselbe auf Waagen zurückgeht. Dass dies im vorliegenden Falle nicht richtig
ist, beweist die vorige Auflage des Katalogs, welche den Meister noch Frederik
Hendrik Mans nennt. Meine Vermuthungen sind ganz unabhängig von dieser
Naniengebung des Oldenburger Katalogs entstanden, was daraus hervorgehen
möge, dass ich dieselben dem Hauptinhalte nach bereits Mitte Januar vorigen
Jahres Herrn Dr. A. Bredius mitgetheilt habe.
Nachschrift.
Schneller, als ich zu hoffen gewagt hatte, sind die oben aufgestellten
Vermuthungen wenigstens zum Theil bestätigt worden. Den Herren Director
Bredius und Geh.-Rath Bode verdanke ich die gütige Mittheilung, dass am
1. Juni 1890 auf einer Versteigerung im Hotel Drouot zu Paris ein charakte-
ristisches Bild des Künstlers vorkam, welches die Bezeichnung T. Heere-Mans
trug. Dieses Bild befindet sich noch in Privatbesitz in Paris. 'Dr. M. Wasser-
mann daselbst besitzt ein sehr hervorragendes Bild des Meisters, T. H. Mans
1671 bezeichnet. Ein anderes, welches unter Hobbema’schem Einfluss ge-
malt scheint, besitzt dort Herr Bähr. Dr. Bredius ist mit mir bestimmt der
Ansicht, dass der erste Buchstabe des Namens als T, nicht als F zu
lesen ist.
Der Meister des Rehlingeraltars in der Augsburger Galerie.
Von Alf. Schmld.
In Heft 4 Bd. XIII dieser Zeitschrift bekämpft Dr. Wilh. Schmidt in
seinen »Varia« meinen Artikel in der Allgem. Zeitung 1889 Nr. 325, worin ich
die Ansicht aussprach, dass eine Gruppe von Bildern, welche früher Altdorfer
hiessen, von einem Gliede der Malerfamilie Apt in Augsburg und zwar wahr-
scheinlich von dem älteren Ulrich Apt herrührt, hiezu gehören : der sog. Reh-
lingeraltar in der Augsburger Galerie Nr. 47—51, mit der Kreuzigung Christi
auf Haupttafel und Innenseiten der Flügel und der Verkündigung auf den
Aussenseiten , sowie eine kleine Beweinung Christi Nr. 292 in dei Münchener
Pinakothek und der Universitätsaltar Nr. 292a ebenda, bei diesem auf der
Haupttafel Bischof Narcissus und Apostel Mattheus, auf den Innenseiten der
Flügel links Maria, rechts Johannes Ev., auf den Aussenseiten links Christo-
pherus, rechts St. Margaretha, endlich eine Verklärung Christi in der Casseler
Galerie. Die Art, in welcher Schmidt von seiner Ansicht, dass die Bilder
nämlich von Scorel seien, spricht, nöthigt mich, die Gründe anzugeben, welche
mich zur entgegengesetzten Ansicht veranlassten , damit ich mich nicht dem
Verdacht aussetze, unverkennbare Thatsachen zu übersehen.
In Augsburg wurde das Zunftrecht so streng gehandhabt, dass, es einem
Fremden beinahe unmöglich war, sein Handwerk oder seine Kunst dort aus-
zuüben; wohl gab es Ausnahmen: so konnte natürlicherweise Kaiser Maxi-
milian unbeanstandet in Augsburg dem Dürer sitzen, und noch mehr als der
Kaiser setzte gelegentlich die damals besonders übermüthige Geistlichkeit durch,
welche sich auch um andere Gesetze der Stadt wenig kümmerte; so lässt es
sich erklären, dass Werke der Ulmer Schule, z. B. solche von Zeilblom notorisch
aus einer Augsburger Klosterkirche stammen. Aber noch später, als die Gene-
ration der bedeutenden Augsburger Maler dahingestorben war, wurde der
jüngere Pordenone, welcher in Augsburg eine Faqadenmalerei ausführte, be-
ständig von den zünftigen Malern gequält, bis er schliesslich das Bürgerrecht
der Stadt erwarb, um sein Werk ungestört vollenden zu können. Nun weist
Dr. Hugo Thoman (Studien zur Kunstgeschichte über Jan von Scorel, Seemann
1889, S. 20) nach, dass Scorel erst im Jahre 1517, in welchem der Rehlinger-
altar gemacht wurde, zu Jan von Mabuse nach Utrecht ziehen konnte, weil
dieser sein Meister, damals bei Philipp von Burgund beschäftigt, erst 151
Der Meister des Rehlingeraltars in der Augsburger Galerie.
227
mit seinem Herrn dorthin übersiedelte, als Philipp Bischof von Utrecht wurde.
Ausserdem erwähnt Thoman (a. a. 0. S. 40 Anm.), dass laut brieflicher Mit-
theilung dortiger Gelehrter Scorel auch noch 1518 sich in den Niederlanden
befand. Dass nun eine Augsburger Patrizierfamilie in den Niederlanden bei
einem noch unbekannten Meister ein grosses Altarwerk für Augsburg bestellt
habe, ist unter den oben angeführten Verhältnissen so viel wie ausgeschlossen.
Damit fällt die Scorelhypothese von W. Schmidt schon aus äusseren Gründen
dahin. Es bleibt mir nur noch übrig zu zeigen, welche äusseren Umstände für
meine Annahme sprechen, und dass auch der Charakter der Gemälde dieselbe
nur unterstützt, indem er durchaus kein dem Scorel verwandter niederländischer,
sondern ein oberdeutscher ist. Ich unterlasse es dabei, auf diejenigen stilistischen
Eigenthümlichkeiten hinzuweisen, welche den Charakter des Rehlingeraltars
noch insbesondere von den Scorel’schen Bildern in Oberwellach unterscheidet.
Wir haben also den Urheber des Rehlingeraltars zuerst unter den
Augsburger Malern zu suchen. Es existirt nun aber in Augsburg eine Maler-
famiüe Apt, welche laut den Urkunden zu den hervorragendsten der Stadt
gehörte; der ältere Ulrich Apt, welcher 1486 — 1532 in Augsburg die Gerech-
tigkeit hatte, war Zweiter, also einer der Vorstände seiner Zunft, und hatte
neben G. Giltlinger den grössten Zulauf an Lernknaben, er wird auch in noch
erhaltenen Rechnungen wegen grösserer Beträge erwähnt; er malte vor 1496
in der Capelle der hl. Afra auf dem Lechfelde die Passion der hl. Afra um
28^/2 fl.; 1496 auf Befehl des Abtes Martin eine Kreuzfahne auf Leinwand um
2 fl.; 1506 u. and. werden ihm 600 fl. zu den 300 vorher eingenommenen
für die Malereien am Rathhaus gezahlt; 1517 erhielt er 23 fl. für drei Tafeln
für St. Leonhard, item 32 fl. für vier Tafeln zu der neuen Rathstube.
Dies einige von den Notizen, die mir Herr Dr. Hofmann in Augsburg die Güte
hatte mitzutheilen, kleinere Beträge finden sich schon bei Vischer (Studien zur
Kunstgeschichte) verzeichnet. Dieser ältere Ulrich Apt hatte drei Söhne,
welche ebenfalls Maler waren, und trotzdem kannte man bisher kein Bild von
einem Apt. Nun aber steht auf einem von einer Augsburger Familie ge-
stifteten, aus der Augsburger Dominicanerkirche stammenden Gemälde an dem
Rehlingeraltar der Name Apt, in erhabenen Majuskeln auf einem goldenen
Schildchen am Geschirr eines Maulthiers gemalt, und diese Art, seinen Namen
gleichsam als Ornament an einem im Bilde befindlichen Gegenstand anzu-
bringen, ist in Augsburg gerade damals Sitte. G. Giltlinger bezeichnet sich
auf dem Bilde' bei Dr. Hofmann in Augsburg ebenfalls in erhabenen Gold-
buchstaben an einem goldenen Gefässe, und Holbein der Aeltere bringt seinen
Namen öfters an Gefässen, Glocken, Sarkophagen ganz analog an. Was
hindert uns, in dem Schöpfer des Rehlingeraltars ein Mitglied der Familie Apt
zu sehen? Schmidt wendet einmal ein: dass APT (nämlich ohne Vornamen)
den Namen des Künstlers bezeichnen könne, widerspreche den damaligen epi-
graphischen Gewohnheiten; nun gibt es ja allerdings Gewohnheiten auch in
der Namensbezeichnung; ich würde z. B. kaum wagen, Apt mit Bestimmtheit
als Malernamen anzusehen , wenn nicht Zeit- und Zunftgenossen sich ganz
analog bezeichnet hätten, aber schliesslich steht es doch im Belieben jedes
228
Alf. Schmid :
Malers, sich kürzer oder ausführlicher zu bezeichnen; Holbein selbst hat sich
ja auf dem Bilde in Eichstädt auf einer Vase und auf einer Federskizze in
Basel auf einer Glocke auch bloss mit seinem Geschlechtsnamen bezeichnet.
Man kann sich ja den Vornamen des Apt ebenso auf der andern Seite des
Maulthierzaumes, als den des Holbein auf der abgekehrten Seite einer Vase
denken. Der weitere Einwand, dass ein Maler wie der Meister des Rehlinger-
altars in Augsburg nicht hätte vergessen werden können, widerspricht aber
Thatsachen, welche sich der allgemeinen Kenntniss der Kunsthistoriker er-
freuen dürftet; klagt doch schon Sandrart,, dass Burgkmair in Vergessenheit
gerathen ; von Stetten weiss nichts von dem genialen älteren Breu, nichts von
dem jüngeren Breu, als dass er die Zunftstube des Weberhauses gemalt, und
auch dies nur, weil es dort zu lesen war; er weiss nicht, ob Holbein der
Jüngere in Basel oder Augsburg geboren wurde, und von demjenigen Zeichner
für den Holzschnitt, der, obwohl ursprünglich wahrscheinlich aus Nürnberg
stammend, doch heutzutage den Namen Burgkmair’s hauptsächlich populär
gemacht hat, weil seine bei Augsburger Druckern ehemals erschienenen Holz-
schnitte unter Burgkmair’s Namen neu reproducirt werden, ich meine den
Illustrator des Petrarca, von diesem weiss man heute den Namen noch nicht.
Uebrigens glaube ich selbst nicht, dass Einwände wie die eben ange-
führten den Verfasser der »Varia« gegen meine Ansicht eingenommen haben,
sondern es waren wohl stilkritische Bedenken , und hiemit komme ich zu
demjenigen Punkte, welcher auch mir der entscheidende zu sein scheint.
Schmidt betrachtet den Rehlingerallar als ein durch und durch nieder-
ländisches Werk, mir scheint er durchaus oberdeutsch.
Bevor ich mich aber auf die stilkritische Erörterung dieses und der
verwandten Bilder einlasse, muss ich mir vorerst einige principielle Ausein-
andersetzungen gestatten. Beim Stilcharakter eines Bildes kommen haupt-
sächlich zwei Factoren in Betracht: Auffassung und Technik, d. h. es kommt
einerseits darauf an, welche Züge der Aussenwelt dem Künstler hauptsäch-
lich schön und malenswerth erscheinen und wie er sich desshalb die Scenen,
die er zu malen hat, vorstellt (die individuelle Eigenart der künstlerischen
Phantasie wird ja im Sprachgebrauch meist auch mit Auffassung bezeichnet),
anderseits welcher Mittel er sich bedient, diese Vorstellungen auszudrücken.
Der Stil ist das Product beider Factoren.
Da nun jede selbständige Auffassung in den Naturanlagen eines Künst-
lers ihren tiefsten Grund hat, soviel auch sein Geschmack durch Lehrer und
andere Zeitgenossen ausgebildet wird, so haben wir aus der Auffassung auf
Nationalität und Stammesangehörigkeit zu schliessen.
Die Technik, liier im weitesten Sinne zu verstehen, ist mehr durch zufällige
äussere Umstände bedingt: einmal durch den eigentlichen Lehrmeister, mehr
aber noch durch die epochemachenden älteren und gleichaltrigen Zeitgenossen
und durch die gesammte künstlerische Umgebung. Aus der Technik also können
wir auf Lehrer, Vorbilder und Aufenthaltsort eines Malers Schlüsse ziehen.
Allerdings wirkt auch auf die Anwendung der äusserlichen angelernten
Mittel der individuelle Geschmack mehr oder weniger zurück. Meister aller-
Der Meister des Rehlingeraltars in der Augsburger Galerie.
229
ersten Ranges schaffen ihren Stil oft bis ins rein Handwerkliche der Technik
neu, anderseits giebt es wieder unbedeutende Maler, welche ihre gesammte
Ausdrucksweise von ihrem Meister übernommen haben, also gar keine eigene
Auffassung besitzen.
Bei den meisten Malern werden wir Angelerntes neben Eigenem zu be-
obachten haben. Was wir heute Schule nennen, ist meist ebenso sehr bedingt
durch gemeinsame Stammesangehörigkeit als gemeinsame Abhängigkeit von
denselben Meistern und Vorbildern.
Bei der grossen Verschiedenheit der uns schon bekannten Künstler-
naturen , welche beim Beginn des 16. Jahrhunderts in Augsburg zusammen-
lebten und den verschiedenartigen Einflüssen, welche von allen Seiten auf das
dortige Kunstleben eindrangen, kann man nun allerdings nicht gerade von
einer Augsburger Schule sprechen, der der Meister des Rehlingeraltars ange-
hörte, hingegen wird es auch genügen, wenn es mir gelingt, zu zeigen, dass
seine Auffassung eine oberdeutsche und seine Malweise in der Hauptsache die
der Niederländer nicht ist.
Was nun den ersten Factor betrifft, haben wir zunächst zu beachten,
wie es auf den vom Meister des Rehlingeraltars dargestellten Scenen zugeht.
Ich weise darauf hin, dass der Künstler in der Kreuzigung, wie es die schwäbi-
schen Meister überhaupt, insbesondere Schongauer und beide Holbein liebten,
eine Menge portraitartig indivualisirter Personen in die Handlung einführt und
zwar, ohne dass die Handlung sich in einzelne Episoden auflösen würde. Die
Kreuzigung ist im Gegentheil, wie auch^die kleine Beweinung Christi von ge-
schlossener dramatischer Wirkung. Das Hauptinteresse nehmen durchaus die
Menschen in Anspruch; im Gegensatz zu den in der Freiheit der Gomposition
weiter fortgeschrittenen Niederländern stehen die Figuren möglichst weit im
Vordergrund, und wo im Hintergrund eine zweite Darstellung sich befindet,
verlangt es das malerische Gefühl unseres Künstlers nicht, dass Figuren im
Mittelgrund die Verbindung von vorne nach hinten herstellen und die räum-
liche Vertiefung markiren. Die Affecte sind derb und gewaltig und der Aus-
druck der Gesichter auch scharf und bestimmt gezeichnet, während die Ge-
sichter der Niederländer bei ihrer grösseren Weichheit oft etwas Verschwomme-
nes, die Augen sogar etwas Schläfriges haben. Finden wir nun auch von eben
berührten Vorzügen, welche der Meister des Rehlingeraltars mit den meisten
Oberdeutschen gemein hat, Aehnliches bei einem Lucas von Leyden, der sich
übrigens an Dürer bildete, so sind doch die Typen bei ersterem durchaus ober-
deutsch : bäurisch, breitknochig, bieder, aber öfters auch roh, sogar bei heiligen
Personen, wie wir es namentlich bei Strigel so oft finden, ähnlich hie und da
auch bei Holbein dem Aelteren, dann auf dem Orgelflügel der St. Annakirche
in Augsburg, bei Giltlinger und auch vereinzelt bei Burgkmair. In dieser
Beziehung ist doch ein Meister wie der Schöpfer des Oberwellacheraltarbildes
viel feiner; einen Johannes wie den des Rehlingeraltars wird man wohl ver-
geblich bei Niederländern suchen.
Weil aber solche Unterscheidungen Sache des individuellen Gefühls sind,
weise ich hier darauf hin, dass die Gemälde, welche Schmidt jetzt dem Scorel
230
Alf. Schmid :
zuschreibt, von j’eher allgemein und früher auch von ihm selber — für ober-
deutsch gehalten vvurden.
Handgreiflicher ist der Abstand, welcher diese Gemälde im Golorit von
den Niederländern trennt. »Wo findet man in Augsburger Bildern dieser Zeit
eine solche haarscharfe metallene Modellirung, solche Farbenzusammenstellungen,
solche Typen , solche Behandlung des einzelnen Goldschmucks der steinernen
Falten?« ruft Schmidt aus. Bei den Niederländern am wenigsten, wohl aber
bei vielen Oberdeutschen ! Haarscharfe metallene Modellirung findet sich schon
bei Schongauer’s spätem kleinen Bildchen in der Pinakothek, dann bei Dürer’s
frühen Bildern und denjenigen kurz vor seiner niederländischen Reise, wie der
Lucretia, dann bei Baidung, Beham und andern mehr. Auch sind bei dem
Christopherus auf dem Universitätsaltar die einzelnen Muskeln in ganz ana-
loger Weise zu stark herausraodellirt, wie bei dem Sebastian auf dem Burgk-
mair’schen Bilde von 1505 in Nürnberg. Ebenda wie auch noch bei Strigel
und andern Oberdeutschen ,ist der Faltenwurf noch im 16. Jahrhundert zu hart,
während bei den Niederländern der Faltenwurf fliessend ist, auch wo sie
Steinfiguren darstellen wollen, und die Carnation stets von grosser Weichheit.
Farbenzusammenstellungen wie die, welche in den streitigen Gemälden domi-
niren, . finden sich in ganz frappanter Weise bei andern Oberdeutschen wieder.
Nur ein Beispiel: Gerade über der kleinen Beweinung Christi hängt in der
Münchener Pinakothek ein Strigel, wir finden unten wie oben dasselbe grelle
Roth neben demselben Gelbgrün und daneben wieder das nämliche Tiefblau,
oben bei Strigel, bloss etwas nachgedunkelt.
Die Farbentöne aber, welche das ganze Bild der Beweinung Christi be-
herrschen, sind auch die herrschenden Farbentöne in einem Altdorfer’schen
Bilde, welches in demselben Gabinet der Pinakothek hängt, ich meine die
Susanna im Bade Nr. 289.
Die »Behandlung des Einzelnen« ist aber etwas, was ein Maler am ehesten
von andern, seinem Lehrmeister oder auch landesfremden Malern, annimmt,
doch weise ich darauf hin, dass Gras und Kräuter des Vordergrundes auf der
Beweinung und dem Universitätsaltar ganz gleich wie bei Burgkmair gezeichnet
sind. Schwer ins Gewicht fällt aber gegen die Ansicht von Schmidt, dass
unser Meister auf der Rückseite des Universitätsaltars Blattgold anwendet, was
schon die van Eyk nicht mehr thun und, wie mir Herr Gonservator Bayers-
dorfer versichert, bei den Niederländern dieser Zeit überhaupt nicht vorkommt.
Entscheidend ist aber nicht dies, sondern der coloristische Gesammt-
charakter.
Bei unserem Meister ist die Farbe hart und fast grell. Nebensächliches
tritt zu stark heraus, die Landschaft nicht genügend zurück. Bei den Nieder-
ländern wirkt dagegen das Erbe der grossen Goloristen im 15. Jahrhundert
noch fort. Das Einzelne zerfliesst schon bei geringer Entfernung des Be-
schauers in den Gesammtton, selbst bei einem Zeichner wie Lucas van Ley-
den, die Töne stufen sich gegen den Hintergrund ab, trotz aller Bestimmtheit
gehen die Farben weich in einander über und es scheint die Luft zwischen den
einzelnen Gestalten zu vibriren. Nun zeichnet aber zu allen Zeiten ein feines
Der Meister des Rehlingerallars in der Augsburger Galerie.
231
Farbengefühl die Niederländer aus, wir haben also dies als eine Naturanlage
dieses Volksstammes anzusehen. Gerade aber diese Feinheit des Farbengefühls,
wie auch die grosse Technik der Niederländer fehlt dem Meister des Rehlinger-
altars, ich halte es demnach für ausgeschlossen, dass er ein Niederländer war.
Ganz anders verhält sich die Frage, ob die besprochenen Bilder nicht
etwa von einem Augsburger herrühren, der in den Niederlanden oder vielleicht
eher in Köln gelernt hat. Es finden sich wirklich Einzelheiten, welche an die
Mal weise jener Gegenden erinnern. Schmidt erwähnt die Spuckhöhle auf dem
Universitätsaltar, man könnte noch hinzufügen, dass die Bäume des Hinter-
grundes ähnlich gezeichnet sind wie bei Niederländern und Kölnern. Speciell
bei den Kölnern finden sich auch die »steinernen Falten«, auch ist die Ver-
suchung von Jan Joest in Kalkar etwas auffallend der auf den Aussenseiten
der Flügel des Rehlingerallars verwandt.
Nach Schmidt ist es unmöglich, dass ein Maler, der, wie Jacob Apt,
schon 1480 seine ursprüngliche künstlerische Ausbildung erhielt, das Bild von
1517 gemalt habe. Ausgeschlossen ist dies denn doch nicht; Ulrich Apt hätte
dann eben nur eine ähnliche Entwicklung durchgemacht wie Holbein der Aeltere.
Nichts steht aber der Annahme im Wege, dass einer der Söhne von Ulrich
Apt in den Niederlanden oder in Köln gelernt habe. Schmidt wendet zwar
ein, im Anfänge des 16. Jahrhunderts seien die deutschen Künstler nach Italien
gezogen. Im Allgemeinen ist dies ja allerdings damals schon die Regel gewesen.
Schaffner, Burgkmair, Leonhard Beck, Dürer, auch Holbein d. J. waren dort ;
aber warum sollte es dann unmöglich sein, dass ein Augsburger im Anfänge
des 16. Jahrhunderts, wie es in der vorhergehenden Generation noch Sitte
war, nach den Niederlanden zog, damals, wo sich die Weltherrschaft der ita-
lienischen Kunst erst entschied und Holbein wie Dürer notorisch viel in den
Niederlanden gelernt haben. Auf dem Bilde der Basilika St. Groce in Augs-
burg von Burgkmair befindet sich eine getreue Abbildung von St. Apostel in
Köln, auf einem zweiten Augsburger Bilde, dem Ursulaaltar in Dresden, dort
Burgkmair geheissen, welches ich vielleicht etwas zu voreilig dem Breu vin-
dicirte, befindet sich eine Ansicht von Köln; beidemal scheint die Kenntniss
der Stadt dem eigenen Augenschein zu entspringen. Da wo zwei Augsburger
hingekommen sind, kann sehr wohl ein dritter Zeitgenosse gelernt haben. Es
scheint mir demnach nichts der Annahme zu widersprechen, dass die be-
sprochenen Bilder von einem Mitgliede der Malerfamilie Apt herrühren. Es
hat auch die Galeriedirection der Pinakothek die Bilder längst nach meinem
Vorschläge benannt, und auch Herr Professor Hauser pflichtet meiner Ansicht
vollkommen bei.
Vielleicht identificirt sich der Meister des Rehlingeraltars noch mit demjeni-
gen Künstler, welcher sich nach Waagen (Kunstwerke und Künstler Deutschlands
1845 II, S. 67) an den- Fresken des Fuggerhofes mit bezeichnet hat. Einige
noch erhaltene Figuren im Fuggerhofe scheinen die Annahme zu begünstigen,
doch habe ich die Frage noch nicht genügend geprüft, um eine Ansicht äussern
zu können.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen,
neue Funde.
Gemäldesammluiigen in Wien.
IV. »)
1889..
Am 25. und 26. Februar fand die Versiejgerung »von Gemälden alter
und mmderner Meister aus dem Nachlasse des Herrn Professor Paulus und
des Freiherrn von B « statt. Sie bot aber kaum Etwas, das für
diese Studie von Belang werden könnte.
Am 2. April und an den darauffolgenden Tagen: Versteigerung der
»Oelgemälde, Miniaturen und Antiquitäten« aus dem Nachlasse von Jos.
Gfirl Ritter v. Klinkosch durch H. 0. Miethke. Der reich illustrirte
Katalog beschreibt 222 Gemälde von alten und 16 von modernen Meistern,
189 Miniaturen und mehr als 1000 kunstgewerbliche Gegenstände. [Ein ab-
gesonderter grosser illustrirter Katalog behandelte die Handzeichnungen.] Be-
zügliph der Gemälde bemerke ich Folgendes: Nr. 1 »Fische« war bezeichnet:
»Alex. Adrieanssen fesit A° 1646.« Sie hatte dieselben Abmessungen und
bot dieselbe Darstellung wie ein Adrianssen aus demselben Jahre, der 1869
auf der Auction Steiger von Amstein vorgekommen war. Vermuthlich ist’s
jedesmal dasselbe Bild. Nr. 5 Avercarap: »Winterlandschaft« war ein äus-
serst feines Bildchen von schöner Luftperspective und guter Erhaltung. Das
echte Monogramm fand sich in weissen Zügen auf einem kleinen Schlitten
(erzielte 1650 fl.). Nr. 6 »Flusslandschaft« von St. della Bella. Das Bildchen
ist zwar alt und wirklich mit . . . della Bella . bezeichnet , kann aber doch
von anderer Hand nach einem Stiche des Genannten gefertigt worden sein.
Nr. 7 »Strand von Scheveningen« bezeichnet mit D. Belt. (Gutes Bildchen
des seltenen Goyenisten.) Der signirte gute Dirck v. Bergen (Nr. 9) ist mir
in seiner Provenienz so weit bekannt, dass ich wenigstens seinen Ankauf im
Jahre 1872 mittheilen kann. Damals kaufte Klinkosch das Bild auf einer
Sedelmeyer’schen Auction in Wien um 331 fl. (Handschriftliche Notiz in einem
Exemplar des Sedelmeyer’schen Kataloges von 1872.) Nr. 10 L. Beugholt
Vergl. Repertorium XIII, passim und XIV, S. 48 ff.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen etc.
233
»Heilige Familie« war bezeichnet und trug das Datum 1709. Nr. 11 Bl es
»Stadt an einem Canal«. Das obere Drittel ist angestückelt, aber auch die
alten recht gut erhaltenen Theile des Bildes haben sich bei guter Beleuchtung
als Werk eines Nachahrpers von Bles herausgestellt. Die Benennung Dierick
Bouts bei Nr. 16 einer vorzüglichen alten niederländischen »Kreuzabnahme«
war sicher vergriffen. Nr. 17, eine »lustige Gesellschaft in einer Schänke« von
R. Brakenburg war ein verhältnissmässig hervorragendes Bild. — Nr. 18,
L. Bramer »Die Versuchung« (auf dem Pulte des hl. Antonius bezeichnet
mit B). Das hübsche Bildchen befindet sich jetzt bei H. 0. Miethke in Wien.
— Nr. 22 und 23 von Adam Braun zeigen diesen alten Wiener Maler als
einen Nachtreter der Richtung von Gerrit Dov. Bezüglich der fünf Bilder
Nr. 27 bis 32 muss ich mich einstweilen sehr vorsichtig äussern. Ich habe
sie für unbedingt alte und gute Gemälde gehalten, die man wohl dem Jan
Brueghel und vielleicht Hendrik v. Baien zuschreiben darf. Sie stellen
die fünf Sinne dar und zeigen dieselben Darstellungen, wie die fünf kleinen
Radirungen auf Taf. 6 und 7 im »Prodromus« von Stampart und Prenner,
und wie die grösseren im Teniers’scben Theatrum , woselbst fünf solche Ge-
mälde als Bestandtheile der Galerie des Erzherzogs Leopold Wilhelm wieder-
gegeben sind. Die erwähnte Galerie kam, wie bekannt, später ins Belvedere,
woselbst aber jene Suite mit Darstellung der fünf Sinne längst nicht mehr
vorhanden ist. Es ist immerhin möglich, dass jene Reihe, die ehemals bei
Erzherzog Leopold Wilhelm war, auf irgend einem Wege schliesslich zu
Klinkosch gelangt ist. Leider habe ich bisher nicht Gelegenheit gefunden, die
(im Katalog nachgebildete) Reihe bei Klinkosch mit jenen Bildern ähnlichen
oder gleichen Inhalts zu vergleichen, die in Madrid bewahrt werden. Letztere
sind von Braun in Dörnach reproducirt. Erzielt wurde für die Bilder ein
Preis von 7000 fl. Nr. 32 »Vertumnus und Pomona« von Jan Brueghel
und H. V. Baien ist ein gutes altes Bild, das man als freie Wiederholung
des gleich grossen Bildes im Louvre bezeichnen kann (Nr. 32 kam um 725 fl.
an Baron Wodianer). Nr. 33 war vom jüngeren Peter Brueghel, nicht vom
älteren, wie der Katalog angibt. Dagegen war der »Perlenhändler« von J. By-
laert ein echt signirtes glänzendes Stück (ging um 235 fl. an Baron Wodianer).
Der sog. Granach »Sancta Regina« von 1524 war ein Schulbild von mässiger
Güte. Nr. 43 »Der Spaziergang« hatte wohl mit Jac. Gern Cuijp nichts zu thun,
war aber ein vortreffliches Bild, das um 1000 fl. an Baron Wodianer kam.
Nr. 44: fränkisches Bild mit der Jahreszahl 1518, eine Aussendung der Apostel.
Nr. 49 ein bezeichneter, nicht sehr feiner J. Dubbels von 1717. Nr. 51
Die Zeit enthüllt die Wahrheit von Louis Dorigny war gut erhalten, brachte
es aber nur auf 230 fl; Nr. 52 bis 56, vier Flügel eines Altarwerkes, scheinen
in Dürer’s Werkstätte entstanden zu sein. Zwei Flügel zeigen aufrechte
männliche Gestalten, die denen auf dem Paumgärtner’schen Altarwerk in
München entsprechen und zwar bezüglich der Haltung und der Gesichtszüge.
Dagegen zeigen die Münchener Flügel im Hintergrund Landschaft, wogegen
der Grund hier ganz dunkel ist. Noch andere Unterschiede ergeben sich aus
der Beschreibung und der Abbildung im Katalog. Was die vier Flügel bei
234
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Klinkosch interessant macht, ist der Umstand, dass sie wahrscheinlich auch
jene Gomposition Dürer’s, eine Verkündigung, enthalten, die auf dem Paum-
gartner’schen Werk bei geschlossenen Flügeln sichtbar gewesen sein dürfte,
aber nicht erhalten ist. Das Mittelbild des Paumgartner’schen Altars befindet
sich bekanntlich in München; das Hauptbild zu der Wiederholung in Wien
bleibt zu suchen. Die Mache der Wiener Flügel erinnerte mich lebhaft an
Leonh. Schäuffelein, wogegen ich von Dürer’s Hand keine bestimmten Spuren
entdecken konnte. Hervorzuheben sind noch Nr. 72 eine signirte wohl er-
haltene Landschaft von Jacob Grimmer, die um 160 fl. an Graf Thun ab-
ging ^), ein bezeichneier M. Gundelach (kam um 141 fl. an Kraus), ein etwas
trockener Hoogstraeten (?), mehrere feine Jan van Kessel (Nr. 91, 93, 94, 95)
und ein Jerom van Kessel (Nr. 92), der von Jan Brueghel mit Figuren ver-
sehen zu sein scheint. Die Malweise und die Art der Bezeichnung auf dem
letztgenannten Bilde lassen es durchaus nicht zu, auch dieses dem Jan v. Kessel
zuzuschreiben, wie es der Katalog thut, der auch die Bezeichnung unrichtig
wiedergibt. Sie lautet »v. Kessel« (nicht: J. v. Kessel). Nr. 100 und 101, als
»Lautier« im Katalog, sind zwei gute Stillleben mit Küchengeschirr und
vermuthlich von der Hand N. Dichtl’s. Die Bildchen sind gegenwärtig bei
H. von Ephrusi in Wien. Der kleine Herman n van Lin (Hirt in der Gam-
pagna, Nr. 104) war gut erhalten , echt bezeichnet und für den Meister cha-
rakteristisch. Das Bild stammt, wie ein altes Siegel auf der Rückseite mit
leider sehr undeutlichem Wappen beweist, aus dem Besitz einer allen Adels-
familie (Hackelberg-Landau nach J. Klernme’s Vermuthung). Nr. 108, das Bild-
niss eines Herrn Arnout v. d. Borch aus dem Jahre 1634 (nicht 1684) war
sicher kein Niel. Maes, aber doch das Werk eines interessanten Holländers.
Ein gutes Bild war der Mailänder Quattrocentist Nr. 110. Der Rocco Mar-
coni »Ehebrecherin vor Ghristo« ist leider sehr verrieben. (Ein ähnliches
Bild war früher bei Gsell; im Katalog der Auction Gsell ist es unter dem
Namen »Rocco« zu suchen). Die Bezeichnung ist sehr gut erhalten, besser fast
als alles Uebrige, und lautet: »ROGHVS DE M(A)RGHONIB(VS)P.«. Das
E ist in den Bauch des D hineingeschrieben, das A in der zweiten Hälfte
des M durch einen Querbalken zum Ausdruck gebracht. In der Ablativenduhg
ist das VS durch einen welligen Kürzungsstrich vertreten, der den unteren
Bauch des B durchschneidet und sich nach aufwärts krümmt.
Nr. 117, ein wohlerhaltener monogrammirter Glaas Moeyaert. Die
Benennung Piet. Molyn für 121 war gewagt. Nr. 118 Klaas Molenaer,
eine fein gestimmte Landschaft, und 120 »Bauernbelustigung« von Jan
M iense Molenaer waren beide vortrefflich erhalten. Den J. M. Molenaer
kannte man schon seit der Ausstellung von Gemälden alter Meister im öster-
reichischen Museum von 1873 als hervorragendes Bild. Nr. 124 Aart v. d. Neer
klein, aber echt. Nr. 127 »Gräberplünderung» von einem Maler aus der
Utrechter Gruppe (Descendenz Poelenburg). Nr. 138 eine Vanitas, die 1872
als B. Beham auf der Auction Mecklenburg war. An Beham kann nicht ge-
^) Vergl. Ghronique des arls 1889, Februar, und »Kunstchronik« XXIV, Nr. 36.
Ober staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
235
dacht werden. Nr. 140 Landschaft vielleicht von Hulst. Nr. 144 »Seestrand
bei Mondlicht« von Egb. v. der Poel war auf der Auction Mecklenburg ge-
sehen worden, wo Klinkosch ausserdem ein Stillleben mit der Inschrift »Vita
brevis, ars longa« (H. 1S'\ Br. 9’|2") als G. Dou gekauft hatte neben einem
R. V. Groot (Marine) und zwei Klengel’s. Nr. 145 gute Thierstudie fast
bestimmt von Adr. v. d. Velde und nicht von Paul Potter, auf dessen
Gemälden ich nie so weich behandelte Köpfe gefunden habe, wogegen sie
bei Adr. v. d. Velde oft genug wiederkehren. Nr. 146 tadellos erhaltene
Vanitas von Pieter Potter, vielleicht aus der Sammlung Gsell. Die schwer,
aber doch sicher leserliche Bezeichnung findet sich rechts unter dem
Leuchterfuss. Nr. 151 und 152 zwei gute Rombouts. Nr. 153 modernes
Bild. Nr. 155 »Reigentanz« , eine wenig variirte Wiederholung des Joh.
Roltenhammer in München (eine andere alte Copie oder Wiederholung
findet sich in Kremsir). Nr. 158 zeigte sich bei guter Beleuchtung nicht
als Ruisdael. Nr. 159 R. Savery, treffliches Bildchen, das an Lanna
nach Prag ging und von diesem dem Rudolfinum geschenkt wurde. Nr. 163
nicht Schäuffelein (siehe weiter unten). Nr. 174 D. Teniers d. j. echt und
gut. Nr. 175 ist vom älteren Teniers. Der jüngere mag aber an der
Ausführung Antheil genommen haben. Leider ist von der Jahreszahl nur die
erste Hälfte leserlich. Die unbestimmten Reste der letzten Ziffern erlauben
nicht einmal eine Vermuthung. Nr. 185 Heilige Familie vom Meister des
Todes der Maria; gute alte Copie. Nr. 203 Babylonischer Thurmbau; ge-
wiss nicht von Mart. v. Valkenburg, vermuthlich aber von A. Mozart^).
(Die authentischen M. v. Valkenburg’s im unteren Belvedere, das Dresdener
Bild und eine feine bezeichnete Miniatur in der Sammlung Klinkosch, Nr. 203,
geben genügende Anhaltspunkte für die Verwerfung der Diagnose Valkenburg.
Der monogrammirte A. Mozart in Augsburg aber zeigt mit dem Wiener Bilde
die grösste Verwandtschaft.) Nr. 286 »Kämpfende Hähne« von N. v. Veren-
dael (gingen um 350 fl. an Weber), sehr interessant, desgleichen Nr. 208
»Haustauben« von Jacob Victor, die man ehemals in der Sammlung Gsell
bewundern konnte (vergl. den Auctionskatalog Nr. 117 und Bode in der Zeit-
schrift für bildende Kunst VII, S. 186). Das hübsche Bild ging um 510 fl.
an Weber. J. M. Vien’s »Susanna« war beachtenswerth. Auf 214 Water-
loo »Waldlandschaft« ist die Bezeichnung höchst verdächtig. Nr. 218 Th.Wyck
Hexenküche und 219 Stillleben von M. Wytmanns waren schliesslich sehr
gute Bilder. Letzteres war 1872 bei Gsell gekauft worden. Vorher war es
bei Festetics (Nr. 35), noch früher hei Adamovics.
Unter den modernen Gemälden nenne ich Makart’s »Sommernachts-
traum«, weil die Ausführung im Grossen mit dem Wiener Stadttheater vor
einigen Jahren verbrannt ist. Bezahlt wurden dafür 3000 fl.
Zu einem Brustbild eines Mannes, das bei der Klinkosch’schen Ver-
steigerung für die Wiener Akademie erworben wurde, wo es jetzt als Nr. 1132
verzeichnet steht, will ich die Vermuthung äussern, dass dieses breit und
') Vergl. Kunstchronik XXIV, Nr. 36.
236
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen und Museen,
flüssig gemalte Bild ein Werk des Kölners Joh. Hülsmann sei, wie ich nach
den sicheren Bildern in Pommersfelden schliessen möchte. (Ueber die letzteren
will ich mich in den »Kleinen Galeriestudien« aussprechen, die noch im Laufe
von 1891 erscheinen sollen.)
Ein sogenannter Schäuffelein Nr. 163: St. Johannes und Sta. Clara hat
seit der Auction Klinkosch seinen Besitzer zum mindesten schon einmal wieder
gewechselt. Ich sah das Bild auf der kleinen Versteigerung im März 1890 im
Gebäude der Gartenbaugesellschaft wieder (dort als Nr. 172).
Mittheilungen über die Versteigerung der Sammlung Klinkosch brachten
die Wiener Tagesblätter und der »Archivio storico dell’ arte« (II, 168).
Einige Mittheilungen über die Provenienzen mehrerer Gemälde der
Klinkosch’schen Sammlung, die nicht in den Auctionskatalog aufgenommen
wurden oder zur Zeit der Auction gar nicht mehr in Klinkosch’ Besitz waren,
dürften hier wohl am Platze sein. Aus handschriftlichen Eintragungen in
einem Katalog der Kaeser’schen Versteigerung vom Mai 1868 entnehme ich,
dass Klinkosch damals zwei Oarpione’s um geringe Preise erworben hat:
Nr. 26 »Scene aus der Sintflut« (Leinw. H. 1,07, Br. 1,36) und Nr. 27 »Ver-
kündigung der Sintflut«.
Bei Gsell hatte Klinkosch ein L. Cranach’sches Urtheil des Paris mit
des Künstlers Handzeichen gekauft (Nr. 194), ferner den schon erwähnten
Wytmann (Nr. 132), einen Schmidtson (Nr. 344), einen P. Lely (Nr. 469),
der vielleicht trotz der abweichenden Abmessungen mit dem Lely des Auctions-
kataloges Klinkosch identisch ist, und einen Venezianer (Nr. 518). (Nach
handschriftlichen Eintragungen.)
Am 29. April und an den folgenden Tagen wurde im Wiener Kunst-
verein eine Versteigerung von zahlreichen modernen guten Gemälden und
einigen alten Bildern abgehalten. Unter den letzteren war nichts eigentlich
Hervorragendes. Ich vermag nicht zu sagen, woher die Gemälde kamen und
wohin sie gingen. Von einem einzigen frühen Werk des R. v. Haanen weiss
ich, dass es von Herrn Ingenieur Alfred Collmann in Wien erstanden wurde.
Am 26. November: Versteigerung aus dem Nachlass des Schätzmeisters
Löscher. Vergleiche den kleinen Katalog, wo 71 theils alte, theils moderne
Bilder verzeichnet stehen. Ich war verhindert, dieselben zu besichtigen.
Am 3. Dezember und an den folgenden Tagen: Versteigerung »aus
dem Nachlasse der Herren Henri Lustig, Alex. Freih. v. Warsberg, der
Frau Elise Hertz und aus dem Besitze des Herrn Eduard Föst in Wien«.
(Im Künstler haus durch H. 0. Miethke.) In dem glänzend ausgestatteten
Katalog werden zunächst verzeichnet und zum Theil abgebildet 34 moderne
Gemälde: ein A. Achenbach’scher »Strand von Ostende« (von 1858), ein vor-
züglicher Ferd. de Braekeleer (»Liebeserklärung eines Alten«), ein J. B.
Brascassat (»Auf der Weide«), eine Marine von P. J. Glays, eine Skizze
von 1857 zu Gerome’s »Phryne«, ein ganz vorzüglicher Hendrik Leys, ein
Madou, Palizzi, van Schendel, Fl. Willems’ »stürmische Liebesbewer-
bung« von 1859, ein Hafenbild von Ziem, und andere.
In der Abtheilung für die Sammlung E. Hertz werden 51 moderne Ge-
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde. 237
mälde verzeichnet, unter denen mehrere Adams, viele van Haanens und
ein Ranftl (Hunde) genannt werden sollen.
Als ßestandtheile der Sammlung Föst werden nur acht moderne Bilder
bezeichnet, unter denen übrigens mehrere bedeutende auffallend waren, wie
Paul Meyerheim’s »Schafschur« von 1871, Leop. Müller’s »In der Scheune«
von 1872 und Alois Schön n’s »Vorhalle der Synagoge in Krakau« von 1869.
In der Sammlung des Baron Warsberg fand man 22 Oelgemälde und
viele Aquarelle und Zeichnungen. Eine Ansicht von San Giovanni in Laterano
in Rom aus dem Jahre 1853 von Jacob Alt war von Interesse, wie auch
mehrere Aquarelle von Franz Alt. Ich habe nicht Zeit gefunden, die ganze
Sammlung zu studiren.
Am 9._ Dezember wurde die Sammlung von Miniaturen, Oelgemälden,
Zeichnungen, Aquarellen und ostasiatischen Kunstgegenständen »aus dem Nach-
lasse des Herrn Adolf Kohn, ehemaligen Kunsthändlers in Newyork«, ver-
steigert. Die 240 Miniaturen waren sowohl für die Porträtkunde als auch für
die Kunstgeschichte der Feinmalerei von hohem Interesse, so dass ich bedauere,
bei wenig Zeit und schlechter Beleuchtung an ausführlichen Aufschreibungen
gehindert gewesen zu sein. Namen wie Sicardy, J. Isabey^ Andreoli,
Kanz, Füger, Vestier sind mir aufgefallen. Dass ein sogenanntes Beet-
hovenbildniss von Langlais nicht authentisch war, habe ich an anderer Stelle
schon ausgesprochen.
Die grösseren 43 Oelgemälde, meist Werke moderner Künstler, waren
ebenfalls schlecht beleuchtet, wesshalb ich keine weiteren Studien anstellte.
1890.
Am 13. Januar und an den folgenden Tagen wurde im Wiener Künstler-
hause der künstlerische Nachlass von Aug. R. v. Pettenkofen durch H. 0.
Miethke versteigert. Im Katalog findet man eine ziemlich umfangreiche Lebens-
geschichte des Meisters, zu deren Abfassung ich mich hier nachträglich selbst
bekennen muss, da ich diese Arbeit nur mit meiner Chiffre bezeichnet hatte.
Auch auf die Entwicklung von Pettenkofen’s Stil und auf seine hervor-
ragenden Arbeiten habe ich im Vorwort des Kataloges aufmerksam gemacht^).
Eine grosse Anzahl von Illustrationen bildet die wichtigsten Typen des Malers
ab, seine Zigeuner jung und alt, seine sonnenbeschienenen ungarischen Märkte,
seine Pusztalandschaften, seine unzähligen P/erde, seine Italienerinnen und
mehr. In der Abtheilung der Gemälde und Oelskizzen werden 99 Nummern
verzeichnet, denen sich in den Abtheilungen der Aquarelle und Zeichnungen
noch mehrere Hundert interessante Nummern anschlossen.
Unter den wenigen Arbeiten anderer Künstler, die im Nachlass vertreten
waren, dürften eine kleine Gostümstudie von Meissonier (Nr. 565) mit einer
Widmung an Pettenkofen und eine Oelskizze von Fl. Willems die bedeutend-
sten gewesen sein.
Nachzutragen wäre hier etwa, dass ich Pettenkofen’s Duell aus den frühen
fünfziger Jahren 1881 im Museum Fodor zu Amsterdam gesehen habe (als Nr. 158),
sowie ebendort ein ungarisches Sittenbild von unserem Künstler (Nr. 157).
238
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Die Wiener Tagesblätter brachten kurze Notizen über die hohen Preise,
die auf dieser Versteigerung erzielt wurden.
Am 28. März und an den folgenden Tagen: Versteigerung der »Kunst-
sammlungen des Herrn Dr. L. Heidhier bei Graz (Nachlass), des Herrn
Baron E , des Banquiers H . . . . und aus einem anderen bedeutenden
Kunslbesitz« abgehalten im Gebäude der Gartenbaugesellschaft von Gabriel
Posonyi.
Der Katalog verzeichnet zunächst 113 moderne Gemälde, unter denen
ich einen Braekeleer von 1848 (»Einkehr bei der jungen Wirtbin«), einen
grossen Th. Gudin (»Nach dem Schiffbruch«), zwei frühe B. van Haanen
(Nr. 34, »Waldlandschaft mit Teich«, und 37, »Nordischer Strand bei Sonnen-
untergang«), ein Sittenbild von H. Lossow, ein feingestimmtes Stillleben von
Dav. de Nölre, einen schlecht rnodellirten Ran ft 1, eine grosse Landschaft
von Rob. Russ (Nr. 90) und einen Waldmüller nennen möchte.
Interessanter als die Modernen waren die Alten, deren 76 verzeichnet
werden. Ein monogrammirter guter C. Bega mit einer Liebesscene, deren
Auffassung durchaus nicht für Töchterschulen passt, ein monogrammirter
Pieter v. Bioemen (Lagerscene mit scheckigem Pferde in der Mitte) aus der
besten Zeit des Meisters müssen zunächst genannt werden. Ein Berghemisti-
sches hübsches Bildchen mit der Signatur »M. L. Court« verdiente Beach-
tung, ebenso wie zwei Strandlandschaften in der Art des H. de Meyer
(Nr. 133 u. 134). Nr. 135 »Soldaten in einer Scheune« war vielleicht mit
Recht dem Benj. Guyp zugeschrieben. Ein J. C. Droochsloot von 1654
gehört zu den besseren Arbeiten des fruchtbaren Künstlers (monogrammirt).
Nr. 143 war nicht von einem Francken, sondern irgend eine alte Copie
nach einer Gruppe aus Dürer’s Marter der Zehntausend. 146, ein Kreuzi-
gungsbild von einem Niederdeutschen. 150, Stillleben aus der Richtung der
De Heem. 151, Egb. v. Heemskerk (»Abschiedsbesuch beim sterbenden
Bauer«). 152, vermuthlich Kalf (gutes Stillleben). 154, interessante Wald-
landschaft von Al. Keirinck (bezeichnet unten halb rechts bei der Eidechse).
Das Bild kam an Fr. Schwarz. 157 von A. Meyer, einem sehr späten Berg-
hem Nachahmer. 159 Winterlandschaft von Klaes Molenaer. 161 H. Mom-
mers, 162 ein Dämmerungsbild von A. v. d. Neer, 164 von Jan Olis
(»Sitzende ältere Holländerin . . ., die Nadel einziehend«), rechts unten be-
zeichnet. Einige Zeit vor der Auction habe ich das feingestimmte Bildchen
bei Fr. Schwarz in Wien gesehen. 167 Ant. Palamedes (»Kartenspieler
beim Kamin . . .«), ein gutes Bildchen, wenngleich die Signatur nur mehr das
A zweifellos erkennen lässt. 170 Sah v. Ruisdael, wohl mit Recht zuge-
schrieben (»Waldige Dorfstrasse«). 172 nicht von Schäuffelein (Johannes der
Täufer und Sta. Clara), war ehedem bei Klinkosch (siehe dort Nr. 163). 173
G. Schalcken, »Concert bei Kerzenlicht«, hat sehr gelitten. 175 »Waldige
Landschaft mit spielenden Kindern« bezeichnet »C. Snellinck« und »J v 0«
(diese drei Buchstaben in einander geschoben). 179 nicht Jan Steen, eher
Vereist. 188 scheint eine Landschaft aus der späten Zeit des Jan Wynants
zu sein, obwohl das Mongramm fast sicher falsch ist. 189 ein guter sicherer
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
239
H. M. Zorgh mit drei Bauern in einer Stube. Oben auf der Bretterwand die
alte, echte, wenngleich nicht mehr ganz scharfe Bezeichnung: »H. Sorgh«
(Holz, H. 0,23, Br. 0,19). Das Bildchen stimmt im Stil vollkommen mit den
kleinen Darstellungen bei Graf Harrach in Wien überein, die dort (auf Grund
einer falschen Bezeichnung) als Teniers geführt werden, die ich aber schon
vor einiger Zeit (auf Grund einer alten, echten Bezeichnung) für Werke des
H. M. Sorgh erklärt habe ®).
In der III. Abtheilung des Kataloges sind Aquarelle und Zeichnungen
zusammengestellt. Darunter waren bedeutend Nr. 195 (wie es scheint, eine
Ansicht des, jetzt Piazza Carlo Emanuele genannten Platzes zu Turin — be-
zeichnet »J. Alt 1836«) und zwei Aquarelle von Rud. Alt, eine »Küste von
Amalfi« (Nr. 192) aus der frühen Zeit des Künstlers und eine spätere Arbeit
(Nr. 191) mit der Bezeichnung: »Rom 18. Dec. 865 Via Gaccina«. Ein Aqua-
rell von Lüttich v. Luttichheim, das als Nr. 224 feilgeboten wurde, war
dasselbe, das vor mehreren Jahren in Lützow’s Kunstchronik beschrieben
worden war: »Ein reitender Edelmann hält im Walde vor einer blond-
haarigen Jungfrau«.
Am 22. April: Versteigerung zweier Gemäldesammlungen (deren eine
als »Nachlass des Herrn M « bezeichnet wird) durch J. G. Wawra im
Gebäude der Gartenbaugesellschaft. 160 moderne Gemälde werden im Ganzen
vom Katalog verzeichnet, unter denen mehrere von Bedeutung waren. Zwei
Andreottis, ein H. Bellange (»Strand in der Normandie«), ein Calame
(»Waldlandschaft«), F. Cassioli (»Pornpejanisches Gemach«), G. Ducros
(»Nach dem Souper« beim Maskenball), Rob. Fleury (»Rembrandt im Atelier«),
drei weiche blasse Guillemins, eine Idylle vom französischen Böcklin Heul-
lant, E. Jettei (»Holländische Landstrasse«), Raffet (»Soldaten der ersten
französischen Republik« — das Bild war ehedem bei Gsell), Schmitson
(»Steinträgerinnon in Neapel« — war früher bei Gsell), zwei F. Waldmüller
(»Tempel bei Girgenli«). Auch diese zwei Bildchen waren bei Gsell, dort als
Nr. 405 u. 406. Es sind Gegenstücke, deren eines den Namen »Waldmüller«,
deren anderes neben dem Künstlernamen überdies die Jahreszahl 1849 (nicht
1845) trägt.
Auch seien noch zwei gute Bildchen von F. Willems genannt (»Der
gefiederte Liebling« und »Heimkehr vom Spaziergang«). Einige Aquarelle von
R. Alt und A. v. Pettenkofen schliessen sich an.
Es ist sicher, dass sich die Reihe von Auctionen, wie ich sie hier ge-
geben habe, durch Einschaltung von unbedeutenden Erscheinungen des Kunst-
handels in Wien noch sehr erweitern Hesse. Ob damit auch eine wesentliche
Bereicherung zu erzielen wäre , ist aber einigermassen fraglich. Dagegen
bietet die Gommentirung des vorstehenden Verzeichnisses noch ein reiches
Feld der Arbeit. Ich habe zunächst den Regestencharakter in diesem Theil
meiner Arbeit festgehalten, da ein commentirendes Eingehen auf alle Einzel-
heiten das Abschliessen der Arbeit ins Unabsehbare verschieben würde. Als
^) Vergl. Monatsblalt des Wiener Alterthumsvereins 1889 (November).
XIV 17
24Ö Berichte und Mitlheilungen aus Sammlungen und Museen,
vorbereitendes Gapitel dürfte mein Auctionsverzeichniss trotzdem seinen Zweck
erfüllen.
Die Kenntniss von dem Gemäldereichthum des Alten Wien wird noch
weiter gefördert durch eine Betrachtung der Sammlungen, nicht wie sie sich
der Reihe nach aufgelöst haben , sondern wie sie zu bestimmten Zeiten noch
unversehrt in zahlreichen adeligen und bürgerlichen Familien zu finden waren.
Dahin zielt die Bemühung der nunmehr folgenden Mittheilungen.
Dr. Th. Frimmel.
Strassburg i. E. Die neue Sammlung von Gemälden alter Meister.
In der Nacht vom 24. auf den 25. August 1870 wurde die Gemälde-
galerie der Stadt Strassburg, die in der Aubette aufgestellt war, ein Raub^ der
Flammen. Der letzte Katalog derselben aus dem Jahre 1869 verzeichnete
19 Nummern (1—19) aus italienischen und spanischen Schulen, 40 Nummern
(20—59) aus niederländischen und deutschen Schulen, 32 (60—91) aus fran-
zösischen Schulen und dazu dann noch 57 Nummern von Malern des 19. Jahr-
hunderts. Von Italienern nannte der Katalog zunächst eine Sainte Apolline
von Pietro Perugino (auch der Katalog von 1840 eignete sie schon diesem
Meister zu, nicht mehr Raphael, der Waagen als Künstler genannt worden);
Crowe und Gavalcaselle haben diese Apollonia als Annunziata erkannt und als
ein Bruchstück jenes Altars nachgewiesen , den Perugino zwischen 1512 und
1517 für S. Agostino in Perugia gemalt hatte. Eine Magdalena zu Füssen
Christi von Dosso Dossi, ein hl'. Hieronymus in der Wüste von Correggio, eine
Krankenheilung von Jacopo Tintoretto wurden von Kennern für Copien oder
schwache Schulwerke erklärt, wogegen eine Berufung Abrahams von Jacopo
Bassano den Ruf eines echten und guten Werkes genoss. Die übrigen Namen,
welche hier der Katalog verzeichnete, waren Gennari, Reni, Turchi, Tassi,
Sassoferrato, Ribera, de Matteis, Mola. An der Spitze der nordischen Meister
stand der Name Schongauer (Dornenkrönung), doch haben sowohl Kugler wie
Waagen das Bild nur als Schulgut gelten lassen und leicht könnte man nach
der Beschreibung W'^aagen’s an Kaspar Isenmann denken. Besser stand es
mit einer Vermählung der hl. Katharina, welche der ältere Katalog (1840) als
ein Werk des Lucas von Leyden, der spätere aber richtig als Hans Memlinc
bezeichnete. Passavant hatte es zuerst als Werk dieses Meisters erkannt
(Kunstblatt 1843) und Kugler und Waagen waren ihm in dieser Bestimmung
gefolgt. Dieser Memlinc scheint das hervorragendste Bild der Sammlung ge-
wesen zu sein. Bezeichnet soll gewesen sein ein Bildniss des Jean de Boul-
logne von Hans von Aachen, als gut und echt galten dann ein Frauenporträt
von Miereveit, Streit im Wirthshause von Ostade, Orpheus die Thierwelt durch
seine Musik bezaubernd von Roelandt Savery (vom Katalog in der französischen
Abtheilung aufgeführt), Gruppe von Bacchantinnen und Satyren von Jordaens;
dagegen liess man die Taufe weder bei einem »Schulmeister« von Pieter
de Hooch noch bei einer Landschaft (Venus mit Blumen) von Claude Lorrain
als richtig gelten; hier und -dort wurde nur die Hand eines Nachahmers er-
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde,
241
kannt. Philippe de Champaigne war mit zweien seiner Kirchenbilder, Ver-
kündigung und Anbetung der Könige, vertreten, Oudry mit einer sehr guten
Hirschjagd, Lebrun mit einer Skizze zu dem Michael im Louvre, dann
Largilliere mit dem Bildniss des Marschalls de la Feuillade und Rigaud mit
einem männlichen und weiblichen Bildniss. Unter den Bildern, die dem
19. Jahrhundert angehörten, kam die Mehrzahl auf Elsässer Künstler; von
guten französischen Namen führt der Katalog nur Flandrin mit einer Allegorie
an (La Religion dans la douleur enfante la Resignation). Unter den Strass-
burgern erscheinen auch zwei der begabtesten Schüler Gleyre’s, Schützen-
berger (Pygmalion seine Statue umarmend) und Ehrmann (die Syrene)').
Man sieht, die Zahl hervorragender Gemälde war nicht gross, aber der
Verlust derselben wurde nichtsdestoweniger schmerzlich empfunden. Und
Mittel, Ersatz su schaffen, fehlten ja nicht. Das Reich hatte eine Entschädigung
von ungefähr 300000 Mark geleistet, die allmählich durch Zins und Zinses-
zins bis auf 550000 Mark angewachsen waren. So wurde denn vor etwas
mehr als Jahresfrist beschlossen, die Anlage einer neuen Sammlung in Angriff
zu nehmen und Bode mit dieser Aufgabe zu betrauen. Der Gemeinderath
hat zunächst auf eine Anregung des Fürsten Statthalters und auf Vorschlag
des Bürgermeisters 200 000 Mark für Ankäufe bestimmt. Und für diese Summe
hat Bode im Laufe eines Jahres eine Gemäldesammlung geschaffen , welche
schon heute, wenn auch nicht der Nummernzahl nach, so doch in Bezug auf
Vielseitigkeit und Gewähltheit mit angesehenen Sammlungen deutscher Mittel-
städte in die Schranken treten kann. 68 Nummern kann der Katalog schon
aufzählen und unter diesen kaum ein halbes Dutzend unbedeutender, wohl
aber schon eine Reihe von "Werken ersten Ranges. Am schwächsten steht es
noch mit den Werken deutscher Meister, am besten sind die niederländischen
Schulen vertreten.
Von drei Gemälden, welche dem italienischen Trecento angehören, führt
eine kleine Kreuzigung den Namen Giotto; ich weiss nicht, ob sie dem Meister
selbst angehört, aber die Hoheit des Ausdrucks, die Würde der Gestalten, der
monumentale Wurf der Gewandung lässt doch nur an Giotto’s unmittelbare
Nähe denken. Die Perle quattrocentistischer Malerei ist eine Geburt Christi
von Carlo Crivelli , ein echtes und sogar sehr charakteristisches Werk dieses
nervösen , herben und wieder milden Meisters — dabei von miniaturarliger
Feinheit der Ausführung und von entzückender Harmonie der kräftigen Färbung.
Eine bezeichnete Madonna (Rocus de Marchonibus ganz unten am Rande) hat
Lermolieff, als er sie 1888 bei Guggenheim in Venedig sah, als Copie jenes
Bildes des Giovanni Bellini erklärt, das in einer Copie Bissolo’s auch in
der Galerie Borghese hängt (vgl. Lermolieff, Kunstkritische Studien, Die Ga-
lerien Borghese und Doria Panfili in Rom. Leipzig, 1890, S. 311); und dies
wohl mit Recht, denn aus eigener Natur heraus ist Rocco nie zu solcher
D Ueber die alte Strassburger Sammlung vgl. G. F. Waagen, Kunstwerke
und Künstler in Deutschland (Leipzig 1845) II. S. 355 ff. und E. Obermayer bei
Kraus, Kunst und Alterthum in EIsass-Lolhringen I. S. 667 ff.
242
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Weichheit der Formen und Milde der Empfindung gekommen. Eine heilige
Pamilie — Hintergrund Felsenlandschafi mit dem Zug der heiligen drei Könige
jgt 0ifj gutes, nur leider nicht gut erhaltenes ^Verk des Bartholommeo
Montagna; es wurde aus dem Palazzo Golleoni-Porta in Thiene erworben.
Das wichtigste Bild des italienischen Cinquecento ist ein Frauenbildniss aus
der Schule Raphael’s. Dasselbe Modell ist hier dargestellt, welches als die
Fornarina Raphaefs im Palazzo Barberini hängt. Das Strassburger Bild stellt
jenes Mädchen ungefähr in gleichem Alter dar, aber in prunkvoller Zeittracht.
Ein Leibchen aus Purpursammet mit weitgebauschten Aermeln aus dunkel-
gelbem Damast, aus dem ein weisses Hemd mit Spitzenbesatz bis zum Ansatz
des Halses emporsteigt, verhüllt die kräftigen und doch gefälligen Formen;
um die Taille legt sich ein Perlengürtel; ein w'eisses, gelb- und goldgestreiftes
Tuch schlingt sich turban förmig um das braune Haar Der Hintergrund ist
dunkelgrün. Das Gesicht ist in dreiviertel Profil gesteift; die grossen, braunen
unschuldigen Augen heften sich auf den Beschauer. Die Stirne (die »fronte
serena«, die Firenzuola preist) ist von goldig schimmernden, braunen Löckchen
umgeben, die Nase ist regelmässig, der Mund edel und von keuschem Lieb-
reiz. Milde, Reinheit, Bescheidenheit spricht aus diesem Antlitz mit zwingen-
der Beredsamkeit zu dem Beschauer. Die Hand, welche das Mädchen mit
ähnlicher Gebärde wie auf dem Barberinibild an die Brust legt, hat durch Ab-
reibung und Retouchen gelitten. Das Bruchstück eines Rades im Hintergrund
(Symbol der hl. Katharina von Alexandrien) enthüllt den Namen der Darge-
stellten; also Catarina nicht Margherita, wie der anonyme Glossator Vasari’s
anmerkte (vgl. E. Müntz, Raphael, 2^^ ed., p. 665). Der dunkelgrüne Hinter-
grund steht über einem ursprünglichen helleren, das macht cs, dass die Gon-
touren der Formen jetzt zu scharf hervortreten. Zahlreiche Pentimenti weisen
darauf hin, dass vom Künstler selbst die ursprüngliche Profilstellung und die
Anordnung des Gewandes (das Hemd wurde weiter emporgezogen) günstig
verändert wurde; hat Raphael an diesen Gorrecturen Antheil, da doch Alles
zur Annahme drängt, dass das Bild noch vor 1520 von einem Schüler
Raphael’s (Penni?) gemalt wurde? — Ein bezeichncter Tintoretto (Tentoretto p.)
Werbung des Bacchus um Ariadne, eine grosse heilige Familie in der Art
des Paris Bordone, ein kleiner Hieronymus von Basaiti (?) seien nur genannt,
dagegen sei ein in Beleuchtung und Farbe köstliches und ganz charakteristisches
Bild von Jacopo Bassano (Verkündigung an die Hirten), ein Kniestück Petrus
und Paulus (bez. Joseph Ribera Hispanus Valentinas civitatis Setabis acade-
inicus Romanus) von Spagnoletto und dann das prächtige Porti ät eines
Augustiner-Generals von Andrea Sacchi (aus der Sammlung Rothan, seiner Zeit
im Palais Bourbon ausgestellt und damals von Braun photographirt) rühmend
hervorgehoben. Doch noch höher als all die genannten Werke steht an künst-
lerischer Bedeutung dis grossartige, aber in der Farbe selten milde und klare
Landschaft mit Tobias und dem Engel von Salvator Rosa. Das Gegenstück
war nach Bode’s Mittheilung bezeichnet. Eine Ansicht des Ganal Grande mit
der Rialto-Brücke von Guardi spricht durch den stimmungsvollen Ton der Farbe
besonders an.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
243
Die altvlämische Malerei ist sehr gut durch sechs Täfelchen eines Reise-
altärchens vertreten , die als ein voller Nachklang der Kunstweise der
van Eijcks erscheinen. Sie gehören zu jener kleinen Gruppe von Werken,
die ursprünglich unter dem Namen Memlinc gingen , jetzt aber für Simon
Marmion in Anspruch genommen werden. Es ist Aussicht vorhanden , dass
bald volles Licht in diese Sache gebracht wird. Die Strassburger Täfelchen
stellen dar: Gott Vater zwischen Engeln thronend, den Satan mit Verdammten,
den Tod, die Eitelkeit (ein anmuthiges, nacktes Weib mit einem Spiegel
in der Hand in köstlicher Landschaft) , dann einen Todtenkopf und ein
Wappen mit der Devise Nul bien sans peine. Das Brustbild einer klagen-
den Magdalena ist ein ausgezeichnetes Werk der Richtung Massijs, ja nach
dem Berliner Bild zu schliessen dem Quinten selbst angehörig. Die Brust-
bilder eines dorngekrönten Christus und einer betenden Maria, mit reichem
landschaftlichem Hintergrund, sind gute niederländische Werke vom Ende
des 15. Jahrhunderts, die ganz der Halbfigur der Maria in der Uffizien-Galerie
(Nr. 762), datirt 1495 und im Katalog fälschlich als Justus van Gent an-
geführt, entsprechen. Eine figurenreiche Kreuzabnahme rührt von einem Aus-
läufer der Schule des Rogier van der Weyden her. Das prächtige Porträt
eines Mannes in mittleren Jahren von derben Formen, aber überwältigender
Lebensenergic ist jedenfalls das Werk eines hervorragenden niederländischen
Meisters des zweiten Drittels des 16. Jahrhunderts, ob aber des Joost
van Gleef ist schwer zu behaupten und schwer zu läugnen bei der geringen
Kenntniss, die wir von diesem früh dem Irrsinn verfallenen Meister besitzen.
Das bedeutendste deutsche Bild ist das Porträt eines Gelehrten oder doch vor-
nehmen Mannes von Baidung. Es ist bezeichnet H. B. 1538. In Sebaldus
Büheler’s Chronik (hgg. von Dacheux im Bulletin de la Sociötö pour la Con-
servation des Mon. hist. d’Alsace IR särie, XIlI«ie vol. 1.) heisst es auf das
Jahr 1545, wo Büheler den Tod des ihm befreundeten Baidung meldet »hat
gemalt den Bischof Erasmum 1538, so in Capituli Thomani conclavi majore
steht«. Erasmus wurde 1541 zum Bischof von Strassburg gewählt. Es wäre
immerhin möglich, dass das vom deutschen Kaiser geschenkte Bild das sei,
welches sich einst im Thomascapilel befand, ln jedem Falle ist es ein aus-
gezeichnetes Werk Baldung’s. Es vereinigt die höher entwickelte malerische
Anschauung der Spätzeit des Künstlers mit der sorgfältigen Formenbehandlung
der früheren Jahre. Ein Sündenfall — bezeichnet mit der geflügelten Schlange
mit aufrechtstehenden Flügeln — und eine figurenreiche Kreuzigung sind tüch-
tige Werkstattsbilder Cranach’s vor 1530. Barthel Bruyn ist durch die Bild-
nisse eines Ehepaars von 1532 gut vertreten. Die Stärke der Sammlung
bilden aber die Niederländer des 17. Jahrhunderts. Von Rubens sind zwei
Skizzen da; eine heilige Familie von lodernder Glut der Farbe und eine sehr
edle Heimsuchung. Von van Dijck ist ein lebensgrosses Damenbildniss seiner
genuesischen Zeit vorhanden ; es wurde von der Familie Durazzo erworben,
lür welche es van Dijck seiner Zeit gemalt hatte und es stellt wohl auch eine
Dame des Hauses Durazzo dar. Das weiche, etwas lockere Fleisch der Wangen,
die gesunde Röthe derselben weisen noch auf den Einfluss des Rubens , nur
244
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
die Hände sind schon so fein, nervös, überschlank, wie sie van Dijck in der
Regel seinen Frauen gab. Das Bild ist von jeder Restauration verschont ge-
blieben, nur einer vorsichtigen Reinigung bedarf es, um es als ein Prachtwerk
erscheinen zu lassen. Von Jordaens ist der sogenannte ßreiesser da, von
dem eine Replik das Museum in Cassel (Nr. 96) besitzt. Am Tischbein neben
der Ziege findet sich die echte Bezeichnung: J. Jordaens 1652. Der blond-
gelockte Knabe am Boden, der auf dem Casseler Exemplar ungenirt seine
Wasserkünste spielen lässt , hat hier im vorigen Jahrhundert von einem zart-
fühlenden Maler einen Rebenzweig erhalten, welcher das Feigenblatt ersetzt.
Die vlämische Landschaftsmalerei ist mit Bildern von Lucas van Uden (ein
Zettelchen auf der Rückseite in der Schrift des späten 1 7. Jahrhunderts datirt
es auf 1627), R. van Hoecke (bez. links unten R. van Hoecke) und Huysmans
vertreten. Die von Bode einem elegant gemalten Gesellschaftsbild gegebene
Bezeichnung Ghristoffel van der Laenen hat urkundliche Bestätigung erhalten.
Bei einer genauen Untersuchung des Bildes gelegentlich einer Neueinrahmung
fand ich oben links die Reste einer Bezeichnung G van de . La . n . . f . . 1638.
Von dem jüngeren Teniers besitzt die Sammlung eine bezeichnete Bauern-
kneipe, die schon durch die Feinheit des Tons den besten Bildern des Meisters
sich anreiht. Von Peter Neefs d. ält. sind zwei sehr feine kleine gothische
Kircheninterieurs — mit vollem Namen und dem Datum 1654 bezeichnet —
vorhanden. Es sind Gegenstücke, das eine in bräunlichem, das andere in
bläulichem Ton gehalten. Ein bezeichnetes Stillleben von J. van Kessel —
Blumen, Früchte, Vögel, Schmetterlinge, Fische u. s. w. um eine mit einer
Gartouche verzierte Steinnische herum — entzückt durch die fröhliche Laune,
mit der hier das Thierleben geschildert wird. So lange der Sammlung ein
Rembrandt fehlt, nimmt die erste Stelle unter den Holländern das grosse
Regentenstück von Thomas de Keyser ein. Es sind die sechs Regenten der
Goldschmiedegilde dargestellt : in schwarzen Atlas gekleidet, mit Erzeugnissen
und Werkzeugen ihrer Kunst in den Händen. Ein Wunder von Erhaltung
und künstlerischer Vollendung! Unten rechts findet sich die Bezeichnung, die
verschlungenen Buchstaben TDK und die Jahreszahl 1627, dazu noch ein
zweites Datum unter der einen stehenden Figur in der Mitte 1636 und Aet.
26. Der Fleischton des Gesichts dieses jungen Mannes ist etwas röthlicher,
die Halskrause weist auf einen Wechsel der Mode; es muss also in Folge
eines Vorkommnisses innerhalb der Gilde neun Jahre nach Anfertigung des
Bildes an Stelle des einen Regenten jener andere eingefügt worden sein. Von
deutschen Galerien kann keine mit einem ähnlichen Regentenstück in die
Schranken treten. Zwei schlichte Bildnisse von Ravesteyn — ein männ-
liches und ein weibliches, aber nicht als Gegenstücke gemalt, seien auch nicht
vergessen. Daran reihen sich ein frühes Bild des Pieter de Hooch (bezeichnet
PH verbunden^, doch aber schon mit den feinen, auch etwas raffinirt aus-
geklügelten Lichtreizen und der feurigen Färbung dieses Rembrandtverehrers,
dann ein voll bezeichnetes Bild von G. Metsu mit der Darstellung der Parabel
vom reichen Prasser und armen Lazarus ; der zu grossen Derbheit des Spottes
des Dieners, welcher hinter dem Tragbett des Lazarus steht, begegnete wohl-
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
245
meinend die Restauration, indem sie die Rücklehne des Tragbettes erhöhte,
so dass nur noch die Haltung der Hand andeutet, was hier vorging. Ein
keck gezeichnetes, im Helldunkel ausserordentlich feines Gesellschaftsbildchen
dürfte Bramer und eine »belebte Heerstrasse« (Vor der Zollschranke?) ein be-
sonders farbenkräftiges und im Luftton sehr feines Bild dem Philipp Wouwerman
zugehören. An der Spitze der holländischen Landschafter steht der seltene
Gillis Hondecoeter (Geschenk des Consuls Thieme in Leipzig) mit einer Land-
schaft, die den Uebergang von der Brueghelschule zu der modernen hollän-
dischen Richtung ganz trefflich charakterisirt. — Van Goyen ist durch eine
im Tone ganz von modernem Farbengefühl erfüllte Dünenlandschaft (Geschenk
des Dr. Martin Schubarth in Dresden) und durch eine sehr fein gestimmte
Flusslandschaft (Haager Meer) vertreten. Eine norwegische Landschaft von
Everdingen ist derb in der Mache, aber von guter Wirkung; zwei Jagd-
ausflüge von Gerrit Berck-Heyde — beide echt, bezeichnet G. Bergk Heyde —
sind tüchtiges Mittelgut. Eine römische Landschaft mit San Steffano Rotondo
im Vordergrund, ist eigentlich zu fein in der Zeichnung des Baumschlags, zu
zart im Luftton für Moucheron , dessen Namen sie noch führt; die ausge-
zeichnete Staffirung im Vordergründe weist aber mit Entschiedenheit auf A. van
de Velde. Dagegen zeigt eine andere Landschaft, auch ein Motiv aus der
Umgebung Roms, das Durchschnittsmass von Moucheron’s Können. A, van
Borssom, der Rembrandt-Nachahmer, ist durch ein sehr wirksames Nacht-
stück (Kanal und Windmühle, ira Hintergrund eine brennende Stadt) ver-
treten. Eine Flusslandschaft bei hereinbrechendem Abend, die bei ihrem
früherer) Besitzer als Saftleven galt, ist in der Art des H. Saftleven, aber
noch feiner und stimmungsvoller, als dessen Landschaften im Durchschnitt
sind; ein Monogramm, unten, in der Mitte, ist nicht leicht sicher zu deuten;
in Uebereinstimmung mit Bode lese ich die verschlungenen Buchstaben als
M D. Von holländischen Stilllebenmalern ist zunächst der bedeutendste Jan
Davidsz de Heem mit einem bezeicbneten Stück (J. D. Heem) vorhanden ; das-
selbe ist nicht ersten Rangs, aber doch durch den kräftigen Goldton der Farbe
ausgezeichnet. Den Mittelpunkt des Stilllebens bildet ein bis zur Hälfte mit
Wein gefüllter Römer, in dem sich die Früchte von Land und See, die um
ihn herum angeordnet sind, spiegeln. Das gedämpfte Licht fällt von einem
hoch angebrachten Seitenfenster herein. — Ein bezeichnetes (Kalf) Stillleben
von Willem Kalf (mit Gartengemüsen und einer Giesskanne auf dem Boden
im Vordergrund, dahinter ein Ziehbrunnen und ein verwahrlostes Bauern-
haus), ist wesentlich durch die warme und klare Färbung beachtenswerth,
dagegen kann das grosse Blumenstück von Jan van Huysum (bezeichnet Jan
van Huysum fecit) mit den besten Bildern, welche sich von diesem Meister
in den öffentlichen Sammlungen finden, in die Schranken treten. Die Fran-
zosen, deren zum Schluss gedacht sei, sind noch nicht reichlicher als die
Deutschen vertreten. Den ersten Rang nimmt unter ihnen ein Gaspard Poussin
mit der »Klosterkirche am Waldsee«, ein besonders feines und stimmungsvolles
Werk dieses in deutschen Sammlungen so selten anzutreffenden Künstlers;
I : an schliesst sich Franqois Millet mit einer piquant gemalten kleinen Flucht
246
Berichte und Mittbeilungen aus Sammlungen und Museen,
nach Aegypten. Die Malerei des 18. Jahrhunderts vertritt Watteau mit einer
»Köchin am Brunnen«, eines der selten vorkommenden Bilder, welche noch
ganz im Geiste seiner vlämischen Künstlervorfahren , besonders des jüngeren
Tenier’s , gemalt sind , dann Lancret mit einer für die Zeit und den Meister
recht charakteristischen Gartengesellschaft in den Masken der italienischen
Komödie.
Absicht und Mittel sind vorhanden , die Sammlung weiter auszubauen ;
ein charakteristisches Bild von Rembrandt muss zunächst das Ziel der weiteren
Bestrebungen bilden, an den sich andere noch nicht vertretene hervorragende
Niederländer zu schliessen hätten. Auch die florentinische Schule des 15. Jahr-
hunderts muss ins Auge gefasst werden und dann — in erster Linie — muss
das Augenmerk auf die alten deutschen Schulen,, besonders die oberrheinische
und schwäbische gelenkt werden. Die deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts
soll zunächst in Künstlern wie Böcklin , Uhde, Thoma und Liebermann be-
rücksichtigt werden.
Die Sammlung ist im Ausstellungssaal des kunstgeschichtlichen Instituts
der Universität untergehracht ; wenn nach zwei bis drei Jahren das Rohan-
sche Schloss, in welchem jetzt die Universitäts- und Landesbibliothek sich
befindet, frei wird, ist es zur Aufnahme der städtischen Sammlungen bestimmt
(die Sammlung des Frauenhauses, das städtische Kupferstichcabinet, die Samm-
lung der Gesellschaft für Erhaltung vaterländischer Alterthümer, das Kunst-
gewerbemuseum). Dann wird Strassburg ein Gentralmuseum besitzen, das
bald neben den besten und reichsten deutschen Sammlungen mitgezählt wer-
den wird. H. J.
Paris. Salle Georges Petit. Versteigerung der Collection Rothan.
29. Mai bis 1. Juni 1890.
Es waren sehr gemischte Gefühle, mit welchen man die berühmte Ro-
than’sche Sammlung nach allen Weitenden sich zerstreuen sah. So vielseitig
war sie, dass sie den Geschmack eines Jeden befriedigen musste, während sie
durch künstlerische Seltenheiten speciell für den Forscher eine eigene' Würze
besass. Welche Privatsammlung entgeht aber mit Sicherheit diesem Loos?
Es war eine seltsame Ironie des Schicksals, dass Herr Paul Mantz die Vorrede
zu dem Auctionskatalog schrieb, derselbe, der vor einer Reihe von Jahren
einen bewundernden Artikel über diese Collection veröffentlichte, welche er
mit den stolzen Worten abschloss, dass die Sammlung ausser den anderen
trefflichen Eigenschaften noch eine besässe »une singularite supreme: eile ne
se vend pas«.
Dem Kataloge folgend, nenne ich :
Nr. 1. Christoph Amberger, »Porträt von Joost van Bornckhorst«, Herr
von Bleyswyck. Dieses besonders interessante Bild war sicherlich nicht von
Amberger. Wie bekannt, ist es erst in den letzten Jahren in Deutschland,
dass man seine Bildnisse aus der grossen Masse von verwandten Meistern
rangirt hat; in Frankreich ist er in seiner Eigenthümlichkeit kaum noch be-
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
247
kannt. Dieses Bild schien mir übrigens ganz das Gepräge des 15. Jahrhunderts
zu haben. 3300 fr.
Nr. 2. Jacques van Arthois, »Landschaft«. Die Figuren möglicherweise
von Teniers. 900 fr.
Nr. 3. H. van Avercamp, »Die Schlittschuhläufer«. Ein Bild mit vielen
geistreich gezeichneten, lebhaft bewegten, kleinen Figuren. 2200 fr.
Nr. 4. Averkamp, »Winter in Holland«. 2400 fr.
Nr. 5. L. Backhuysen, »Stürmiges Meer«. 800 fr.
Nr. 6. David Beck, »Männliches Porträt«. David Beck (vielleicht rich-
tiger Beek) ist zu Delft 1621 geboren, obwohl Holländer, wurde er Schüler von
van Dyck und starb in Haag 1656. Ein selten vorkommender Künstler. 330 fr.
Nr. 7. Cornelius Bega, »Holländisches Interieur«. Mit vollem Namen
bezeichnet. 2000 fr.
Nr. 8. G. Berck-Heyden, »Der grosse Markt zu Haarlem«. Gutes Bild.
Bezeichnet: Gerrit Berck-Heyden ft 1675. 10 000 fr.
Nr. 9. Dirk van Bergen, »Das Vieh wird getränkt«. 2000 fr.
Nr. 10. F. Bol, »Mannsbildniss«. 1600 fr.
Nr. 11. Jan Both, »Landschaft«. Mit Figuren, die dem Katalog zu Folge
von dem Bruder A. Both sein sollen. Es ist, wie bekannt, eine allgemeine
Annahme, dass die Gebrüder Both zusammen gearbeitet haben. Bredius
bestreitet indessen dieses. Ihm zu Folge findet man Bilder von A. Both,
die Quast und Codde ähnlich sind, während J. Both seine Figuren selbst
malte. 1700 fr.
Nr. 12. B. Breenbergh, »Die Ruinen«. 420 fr.
Nr. 13. J. Breughel d. ält. , »Der Markttag«. Bezeichnet / und 1613
datirt. 2600 fr.
Nr. 14. J. Breughel d. ält., »Landschaft«. 1450 fr. < ,
Nr. 15. P. Breughel d. ält., »Die Sprüche«. Vier kleine Bilder, in
welchen wahrscheinlich die vier Jahreszeiten dargestellt sind. Voll von Leben,
geistreich gezeichnet, miniaturartig ausgeführt. Bezeichnet: P. BREVGHEL.
Holz. Rund. Diam., 18 cm. 3100 fr.
Nr. 16. J. van Calcar. »Porträt eines Venetianers«. 2200 fr.
Nr. 17. Jan van der Capelle, »Der Maasstrom«. Dieses Bild zeugte von
der einzig grossen coloristischen Fähigkeit des Meisters in der Behandlung der
Marine. Die Abspiegelung der röthlichen Wolken in dem Fluss mit überaus
grosser Feinheit dargestellt. 7700 fr.
Nr. 18. Philip de Champaigne, »Porträt von dem Herzog von Roan-
nais«. 3000 fr.
Nr. 19. Ph. de Champaigne, »Porträt von dem Cardinal Richelieu«
(Mazarin). 2200 fr.
Nr. 20. Ph. de Champaigne, »Porträt von dem Cardinal Mazarin«
(Richelieu). 2900 fr. Der Katalog hatte sich hier ein Quid pro quo zu
Schulden kommen lassen.
Nr. 21. Pieter Codde, »Die Conversation«. Gutes kleines Bild dieses
seltenen Meisters. Mit seinem Monogramm bezeichnet. 2300 fr.
248
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Nr. 22. Gonzales Goques, »Porträt einer holländischen Dame«. Ganz
in der Manier van Dyck’s. 4100 fr.
Nr. 23. Lucas Grauach, »Bildniss von Luther«. Leicht verständlich ist
es, dass Granach oftmals Bestellung auf das Bild Luthers, ebenso wie auf
diejenigen der Ghurfürsten bekam. Zahlreiche Lutherbildnisse gingen desshalb
aus seiner Werkstatt hervor, von welchen jedoch nur wenige eigenhändig
waren. Zu diesen gehörte sicherlich nicht das Auctionsbild. Mit dem bekannten
Monogramm und der Jahreszahl 1545 bezeichnet. 5600 fr.
Nr. 24. Lucas Granach, »Porträt von Dietrich Veit«. Diese interes-
sante und tüchtige Arbeit kann ich weder Granach noch seiner Schule zu-
schreiben. 1800 fr.
Nr. 25. Aalbert Guyp, »Marine«. Bezeichnet. 8500 fr.
Nr. 26. A. Guyp (?) »Weibliches Porträt«. 1800 fr.
Nr. 27. S. F. van Daei, »Blumen«. Bezeichnet: van Daei 1811. Diese
bunte und disharmonische Arbeit erreichte 9400 fr.
Nr. 28. Dirk van Delen, »Das Innere einer Kirche«. Bezeichnet: D. V.
DELEN Ft 1648. 1105 fr.
Nr. 29. W. G. Duyster, »Der Page«. Bode schreibt dieses Bild (Studien,
p. 157) dem Monogrammisten FP (H. Pot?) zu, einem mit Duyster verwandten
Meister. Indessen scheinen doch die Ueberreste der Signatur auf Duyster selbst
zu deuten. Von diesem seltenen Meister nennt der Katalog ein Bild in St. Peters-
burg, ausserdem ist mir eines in Stockholm und ein zweites in Dresden be-
kannt. Holz. Ovale Form. Hoch 51 cm, br. 37 cm. 5700 fr.
Nr. 30. Anton van Dyck, »Der Tanz der Amorinen«. Geistvolle und
graziöse, kleine Skizze, in feinstem Silberton, en grisaille gemalt. Möglicher-
weise die Skizze zu der Engelgruppe in dem Bild »Madonna mit den Reb-
hühnern« in St. Petersburg. 830 fr.
Nr. 31. A. van Dyck, »Der Organist«. Skizze en grisaille. Wahrschein-
lich als Vorlage für einen Kupferstich bestimmt. 1300 fr.
Nr. 32. A. van Dyck, »Weibliches Porträt«. En grisaille gemalt. 830 fr.
Nr. 33. A. van Everdingen, »Norwegische Landschaft«. 1750 fr.
Nr. 34. Everdingen, »Norwegische Landschaft«. 2100 fr.
Nr. 35. Franck d. ält. (?), »Dame und Gavaliere«. 1100 fr.
Nr. 36. Johannes Fyt, »Obst mit Wildprett«. Bezeichnet. 4200 fr.
Nr. 37. J. Fyt, »Früchte«. 2700 fr.
Nr. 38. Hugo van der Goes (?), »Maria mit Engeln«. 2800 fr.
Nr. 39. Hugo van der Goes (?), »Maria mit dem Kinde«. 2100 fr.
Wann soll dieser Meister, dessen Hauptwerk, und zwar einziges beglaubigtes
Werk, sich in der Galerie S. M. Nuova zu Florenz befindet, damit aufhören
Lückenbüsser und ein in den Auctions- und auch Galeriekatalogen beliebiges
Versteck für Unwissenheit zu sein? Steht doch manche Künstlerindividualität,
die vor einem Jahrzehnt im Dunkeln lag, jetzt in der Kunstgeschichte in be-
stimmten Zügen gezeichnet, mit scharf geschnittenem, leicht zu erkennendem
Profil! Möchte die Reihe bald an Hugo van der Goes kommen? Wohl weiss
ich, dass mehrere Kunstgelehrte Ihm in den letzten Jahren verschiedene Werke
über staatliche Kunstpflege und. Restaurationen, neue Funde.
249
zugeschrieben haben, unter Anderem die interessante ^Beweinung Christi« in
der Kaiser). Gemäldesammlung zu Wien. Doch obwohl man in Bezug auf
mehrere von diesen ihm zugeschriebenen Werke wesentliche Uebereinstim-
mungen mit seinem berühmten Hauptwerk in Florenz findet: das Ueb er-
zeugende in dieser Synthese fehlt doch noch.
Es sei mir hier erlaubt — wohl nicht eine Beschreibung des bekannten
Bildes zu Florenz zu geben — so doch einige Wahrnehmungen einzuschalten,'
die möglicherweise nützlich sein können, und die jedenfalls das Verdienst haben,
unmittelbar dem Bild gegenüber niedergeschrieben zu sein.
Der ernste, ja düstere Eindruck, den diese Arbeit beim ersten Blick auf
den Beschauer macht, stammt hauptsächlich von dem blaugrauen Ton, der
das ganze Bild beherrscht und durchdringt: die Architektur, das Landschaft-
liche, doch namentlich das Nackte bei den weiblichen und männlichen Figuren
(in der weiblichen Carnation bisweilen ins Weissliche fallend). Dieser Eindruck
aber verstärkt sich durch die ernsten und strengen Typen. Die Frauen und
Engel haben scharf geschnittene, strenge Gesichter, die Stirn ist kräftig
auswärts gebogen und man beobachte die typische, doppelte Einbiegung
der Nasenjinie, die dem Profil einen eigenthümlich herben Ausdruck gibt.
Sie haben hagere, busenlose, asketische Körper, die fast ganz unter den
reichen, mit Goldstickerei (pastös, beinahe reliefartig angesetzt) geschmückten
Brocat-Gewändern verschwinden. Die Falten sind feierlich geordnet und zu
recht gelegt — in gothischer Art — wie bei den Gebrüdern van Eyck. Die
Männer sehen ernst, mürrisch, mitunter fanatisch aus, die meisten
haben grobe, bäuerische Züge und grosse, plumpe Hände. Auch die
Kinder scheinen bleich, ernst und düster, nur über dem neugebornen Ghristus-
kind, dessen kleiner Körper, auf der Erde in einer Glorie liegend, den
Mittelpunkt in dem ganzen Werke bildet, breitet sich, die grauliche Garnation
überströraend, ein schwacher Rosenschimmer.
Der grauliche Ton im Bilde vermag doch nicht den Gianz der Localfarben
zu dämpfen, hauptsächlich tritt das Blaue (in mehreren Nuancen und im weib-
lichen Gewand ins Weissliche changirend), das Rothe und das Grüne hervor.
Man beobachte ferner insbesondere die Hände. Sie sind grob, mit her-
vortretenden Gelenken, auch bei den Frauen unfein aber überaus detail-
lirt, mit eingehender anatomischer Kenntniss ausgeführt. Der
Knochenbau tritt deutlich hervor, und für die Falten und Runzeln in der
ältlichen Haut gibt er erstaunlich genaue Rechenschaft. Die Nägel beson-
ders, mit ihrem fein berechneten Reflexlichte und deutlich weisseri
Halbmonden, sind mit grosser Sorgfalt behandelt. Man beobachte auch die
weich modellirten Vertiefungen in den gefalteten runden Kinderhändchen.
Die energische Individualisirung und die gründliche Vertiefung im Detail bei
Van der Goes wurde mitunter von italienischen Zeitgenossen nachgeahmt. Auf
einer Tafel von Domenico Ghirlandajo »Die Anbetung der Hirten« Nr. 50 in
der Akademie zu Florenz, beobachtete man die gefalteten Hände bei den
Hirten, der letzt rechts steht. Die Nachahmung, die doch nicht das Vorbild
erreicht, ist unverkennbar.
250
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
In der Landschaft ist der Mittelgrund (auf den Flügelbildern) gelbbraun,
das Ferne blau. Sie ist im Ganzen gut aufgefasst. Die Felsen naturtreu auf-
gethürmt, die Bäume fein gezeichnet, blätterlos oder mit sparsamem Laub,
wie auf umbrischen Bildern. Auch das Beiwerk ist mit grosser Meisterschaft
ausgeführt, so das Roggenbündel im Vordergründe, die Blumen etc.
Nr. 40. Jan van Goyen, »Die Kirche und die Mühle«. Mit diesem, in
einem klaren bräunlichen Ton breit gemalten Bild wurde die Reihe der
vorzüglichen und grossentheils signirten und datirten Bilder , die eine der
interessantesten Specialitäten dieser Collection war, eröffnet. Nach Herrn P.
Mantz soll Rothan einer von den ersten französischen Sammlern gewesen
sein, der Interesse für diesen Künstler hatte, wenigstens war er es, der den
Anfang machte, ihn hoch zu bezahlen. Doch war es weniger seine erste
Periode, in welcher er noch unter dem Einfluss Esajas van der Velde’s als
seine mittlere und letzte, die mit charakteristischen Werken auf der Auction
repräsentirt war. — Obiges Bild war mit dem Monogramm des Meisters be-
zeichnet und 1644 datirt. 5100 fr.
Nr. 41. J. van Goyen, »Die Kirche am üfer des Meeres«. 3900 fr.
Nr. 42. J. van Goyen, »Marine«. Frischer Wind. 2900 fr.
Nr. 43. J. van Goyen, »Die Hütten«. Bezeichnet und 1655 datirt.
3600 fr.'
Nr. 44. J. van Goyen, »Der Brunnen«. Eine für Goyen ungewöhnliche
Composition, die an Molyn erinnert. Mit vollem Namen bezeichnet und 1633
datirt. 2350 fr,
Nr. 45. J. van Goyen, »Meeresstille«. Dieses Bild war in einem zarten
Silberton gemalt und von der feinsten Stimmung. Mit seinem Monogramm
bezeichnet und datirt 1633. Früher in der Collection Etienne Arago, die
1872 verkauft wurde. 10000 fr.
Nr. 46. J. van Goyen, »Das Innere einer holländischen Stadt«. Be-
zeichnet und 1641 datirt. 2500 fr.
Nr. 47. J. van Goyen, »Die Fähre«, Bezeichnet und 1642 datirt. 4900 fr.
Nr. 48. Anton Grieff, »Hunde und Wildprett«. Schöne, kleine Arbeit,
vollständig bezeichnet. 1600 fr.
Nr. 49. Frans Hals, »Bildniss einer jungen Frau« (La femme au gant).
Bode zu Folge gegen 1630 gemalt und früher bei Pereire, Epstein und Sirot
radirt von Boilvin. Leinwand. H. 99 cm, Br. 81 cm. 38 000 fr.
Nr, 50. F. Hals, »Der Mann im grauen Mantel«. Brustbild. Dreiviertel-
ansicbt. Holz. H. 35 cm, Br. 26 cm. 6500 fr.
Nr. 51. F. Hals, »Die Zechbrüder«. Dieses flott gemalte Bild machte
den Eindruck von einem Meister, der Adriaen Brouwers nahe stand, zu stam-
men und schien mir nicht ganz zweifellos Frans Hals anzugehören. Es war
auch nicht, wie der Katalog berichtet, mit einem H. bezeichnet (welches auch
abweichend sein würde, da die Signatur Hals’ in der Regel ein zusammen-
gezogenes FH ist), sondern mit H L bezeichnet, eine Signatur, die der ältere
Fr. Hals nicht benutzt hat. Bode indessen führt dieses Bild zwischen den
Werken von Hals auf. Holz. H. 22 cm, Br. 18 cm. 5100 fr.
öber staatliche Kunslpflege und Restaurationen, neue Funde.
251
Nr. 52. Dirk Hals, »Die Sänger«. Ein echtes und gutes Bild dieses
nicht häufig vorkommenden Meisters. Holz. H. 48 cm, Br. 40 cm. 2150 fr.
Nr. 53. Jan Davidz de Heem , »Früchte und Insecten«. Mit vollem
Namen bezeichnet. 1200 fr.
Nr. 54. Willem de Heusch , »Landschaft mit Felsen«. Mit vollem
Namen bezeichnet. 1100 fr.
Nr. 55. Willem de Heusch, »Italienische Landschaft mit Sonnenunter-
gang.« 900 fr.
Nr. 56. Melchior de Hondecoeter, »Vögel in einem Park«. Mit vollem
Namen bezeichnet. 10 600 fr.
Nr. 57. Gornelis Huysmans, »Waldbild«. 2000 fr.
Nr. 58. G. Huysmans, »Landschaft mit Reitern«. Früher in der Gol-
lection Escudero. 1800 fr.
Nr. 59. C. Huysmans, »Der Hohlweg«. Schöne, kleine Arbeit. 2100 fr.
Nr. 60. G. Huysmans, »Im Walde«. 1150 fr.
Nr. 61, Jakob Jordaens, »Porträt eines Bürgermeisters«, Meisterhaftes
Bild in natürlicher Grösse; zeigend, zu welcher Höhe Jordaens in seinen besten
Bildern gelangt ist. Von Waltner radirt. Leinwand. H. 1,16 m, Br. 98 cm.
58 000 fr. (Hr. E. Andre.)
Nr. 62. J. Jordaens, »Kinder mit einem Lamm«. Gute Kinderporträts.
3200 fr.
Nr. 63. W. Kalf, »Kücheninterieur«. 2000 fr.
Nr. 64. W. Kalf, »Stillleben«. 1020 fr.
Nr. 65. Thomas de Keyser, »Porträt eines jungen Herrn«. Knieslück
in natürlicher Grösse. Mit dem Monogramm des Künstlers bezeichnet. 8300 fr.
Nr. 66. Th. de Keyser, »Porträt eines holländischen Herrn«. Fälschlich
Guyp bezeichnet. Jedenfalls mit Keyser verwandt. Früher Gollection Beur-
nonville. 2400 fr.
Nr. 67. Ph. de Koningk, »Aus der Gegend Haarlems«. Schöne Land-
schaft mit weiter Perspective, falsch mit dem Buchstaben R bezeichnet.
Sollte ohne Zweifel Ruisdael bedeuten; der Schüler Rembrandt’s erinnert hier
mehr an Ruisdael als an seinen Lehrer. Früher in der Gollection Viardot.
6300 fr.
Nr. 68. Lely, »Mannsporträt«. 330 fr.
Nr. 69. J. Lingelbach, »Die Falkenjäger«. Dieses feine, kleine Bild
hatte eine täuschende Aehnlichkeit mit Wouwermann. Es wurde indessen
1867 auf der Versteigerung Pommersfelden verkauft und hatte damals (Bürger
zu Folge) die Signatur Lingelbach’s. Später ist es mehrmals als ein Wouwer-
mann verkauft worden. Hiebei geschieht aber Lingelbach unrecht. Man muss
ihm seine wenigen guten Bilder lassen. 1050 fr.
Nr. 70. Nicolai Maas (?), »Kircheninterieur«. 2600 fr.
Nr. 71. N. Maas, »Männliches Porträt«. 3500 fr.
Nr. 72. N. Maas, »Weibliches Porträt«. Pendant zum vorigen. Diese
beiden kleinen Bildnisse gehörten seiner ersten guten Rembrandt’schen Periode.
(Ob nicht das bekannte Porträt einer alten Frau in der La Gaze Gollection
252
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
im Louvre, Nr. 155, die zu vielen Conjecturen Anlass gegeben hat, ein Jugend-
bild von Maas sein sollte?) 1500 fr.
Nr. 73. A. van der Meulen, »Schlacht zwischen den Türken und den
alliirten Oesterreichern und Franzosen«. 2100 fr.
Nr. 74. Willem van Mieris, »Der Weinkenner«. (Porträt.) Lezeichnet
W van Mieris A° 1699. 4000 fr.
Nr. 75. Abraham Mignon, »Obst«. Mit vollem Namen bezeichnet. 4050 fr.
Nr. 76. Peter Molyn, »Landschaft während dem Gewitter«. Schien mir
sehr von Molyn abzuweichen und war eher einem Isack von Ostade ähnlich ;
hing aber nicht gut für eine genauere Untersuchung. 1200 fr.
Nr. 77. Frederik Moucheron, »Italienische Landschaft«. Bezeichnet
Moucheron 1685. 1450 fr.
Nr. 78. Aart van der Neer, »Winter in Holland«. Schönes Bild mit dem
Monogramm des Künstlers. Früher, in der Collection Jwan Turgenieff. 8800 fr.
Nr. 79. Caspar Netscher, »Porträt eines Edelmannes«. Bez. 1600 fr.
Nr. 80. Adrian van Ostade, »Der lustige Vläme«. Der Bauer am
Fenster, die Weinkanne in der Hand (den der Katalog »den Vlämen« nennt),
kommt häufig vor, mit geringen Abweichungen. Mit vollem Namen be-
zeichnet. 8500 fr.
Nr. 81. A. van Ostade, »Die Schule«. Bezeichnet; A. v. Ostade 163. .
Die letzte Ziffer nicht lesbar. Das kleine Bild ist wahrscheinlich in der letzten
Hälfte der Dreissiger gemalt, als Rembrandt anfing seinen Einfluss geltend
zu machen. 2500 fr.
Nr. 82. A. van Ostade, »Bauerninterieur«. Bezeichnet. 1450 fr.
Nr. 83. Jsack van Ostade, »Eisbelegter Fluss«. Bezeichnet mit vollem
Namen. 1700 fr.
Nr. 84. Oudenrogge, »Holländische Ansicht«. Interessante Flussland-
schaft dieses seltenen und recht bedeutenden Meisters. Bezeichnet und 1649
datirt. 1400 fr.
Nr. 85. Antoni Palamedes, »Porträt von Jan Niclaesz Gael.« Sicherlich
das beste der seltenen Porträts dieses Meisters. Halbfigur. Oben ein Wappen.
Darunter Signatur: A° 1644. A. Palamedes pinxit. 15 500 fr.
Nr. 86. Egbert van der Poel, »Der Keller«. Bezeichnet: E. van der
Poel 1641. 1300 fr.
Nr. 87. E. van der Poel, »Die Fähre«. Bezeichnet. 1900 fr.
Nr. 88. Frans Pourbus d. j., »Porträt von Marie von Medicis«. Natür-
liche Grösse. Im Katalog wird dieses Bild als »tres rare« bezeichnet. Findet
sich aber mit geringen Abweichungen zweimal im Louvre. 17 200 fr. (Von
H. Vion gravirt.)
Nr. 89. Frans Pourbus d. j., »Porträt von Marie von Medicis«. Brust-
bild. 2600 fr.
Nr. 90. F. Pourbus d. j., »Porträt von Elisabeth von Oesterreich«. Ich
bezweifle, dass dieses vorzügliche Bildniss von Pourbus ist, von dem ich kein
Bild von so zarter Behandlung und so vornehmer Charakteristik kenne. Von
L. Rat radirt. 3900 fr.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde. 253
Nr. 91. Pourbus d, j., »Anna von Oesterreich«. Gravirt von L. Lucas.
5700 fr.
Nr. 92. Franz Pourbus d. ält. (?), »Der Herzog von Alba«. 3000 fr.
Nr. 93. Schule Rembrandt’s, »Weibliches Bildniss«. Ich sollte sehr im
Irrthum sein^ wenn dieses Bild nicht die Wiederholung eines Porträts in der
Kaiserl. Gemäldesammlung zu Wien ist (Belvedere I. Stock, niederländische
Schule Nr. 40), in der ersten Amsterdamer Periode Rembrandt’s gemalt; mög-
licherweise eine bestellte Gopie aus der Werkstatt des Meisters. Es schien
mir wenigstens keine moderne Gopie zu sein. 1700 fr.
Nr. 94. P. P. Rubens, »Allegorie«. Der Tugend wird von der Zeit;
zum Siege geholfen. Echte und geistvolle Skizze. En grisaille mit einzelnen
colorirten Partien. Holz. Höhe 36 cm, Br. 46 cm. 1950 fr.
Nr. 95. Jacob van Ruysdael, »Das Getreidefeld. Stimmungsvolles Bild.
Motiv von den flachen Wiesen um Haarlem, mit weitem Horizont. Mit vollem
Namen bezeichnet. Früher in der Gollection Vlardot. Radirt von Maxime La-
lanne. Leinwand. H. 48 cm, Br. 56 cm. 24000 fr.
Nr. 96. J. van Ruysdael, »Der Winter«. Bezeichnet. 8000 fr.
Nr. 97. Salomon van Ruysdael, »Holländische Aussicht«. Bezeichnet
und 1655 datirt. 7500 fr.
Nr. 98. S. V. Ruysdael, »Dordrecht«. Mit dem Monogramm des Meisters
versehen. 8000 fr.
Nr. 99. S. V. Ruysdael, »Marinebild«. 4900 fr.
Nr. 100. S. V. Ruysdael, »Marine«. Alle vier hervorragende Bilder des
Meisters. 2600 fr.
Nr. 101. David Ryckaert, »Die Küche«. In einem dem Künstler un-
gewöhnlich röthlichen Ton. Bezeichnet und 1656 datirt. 1900 fr.
Nr. 102. Daniel Seghers und Gornelius Schut, »Die hl. Familie von
einer Fruchtguirlande umgeben«. 1400 fr.
Nr. 103. Frans Snyders, »Korb mit Früchten«. 1900 fr.
Nr. 104. Jan Steen, »Junge Frau bei ihrer Toilette«. Von diesem feinen,
kleinen Bild habe ich in einer deutschen Galerie eine Wiederholung gesehen.
Mit vollem Namen bezeichnet und 1654 datirt. Holz. H. 23 cm, Br. 17 cm.
6800 fr.
Nr. 105. Jan Steen, »Ghrislus die Verkäufer aus dem Tempel jagend«.
In diesem späten Bilde ist der Künstler nicht in seinem rechten Element und
macht vergebens Versuche eine ernste Wirkung zu erzielen. Sein Ghristus
besonders ist missglückt, die Gomposition verworren und die Färbung dis-
harmonisch. Bezeichnet und 1675 datirt. 6000 fr.
Nr. 106. Justus Sustennanns, »Bildniss einer venetianischen Dame«.
Ich darf nicht garantiren , dass dieses Porträt von diesem ausgezeichneten
Bildnissmaler war, von dem ich in der Galerie zu Turin, im Pal. Pitti und in
den Uffizien zu Florenz hervorragende Bilder gesehen habe. 1750 fr.
Nr. 107. D. Teniers d. j., »Der Raucher«. Gutes, kleines Bild. Be-
zeichnet. 1 1 500 fr.
Nr. 108. D. Teniers d. j. und Gorn. Saftleven, »Bauerninterieur«. Dem
254
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Katalog zufolge sollten die Figuren von Teniers, das Stillleben (der Kessel, die
Kupferkanne, die Thonschüssel), von Saftleven sein. Teniers indessen ge-
brauchte nicht Saftleven , um kupfernes Geschirr darzustellen , hauptsächlich
findet sich diese Art von Gegenständen (Bode zu Folge) häufig in seinen
Jugendarbeiten. 8100 fr.
Nr. 109. D. Teniers d. j. und van Uden, »Allee nach dem Schloss
führend«. Eine Gesammtarbeit hier zwischen Teniers und van Uden ist nicht
unwahrscheinlich. 5100 fr.
Nr. 110. D. Teniers, »Der Majordomus«. Bezeichnet mit dem Mono-
gramm des Meisters, 3100 fr.
Nr. 111. J. F. A. Tischbein, »Bildniss des russischen Kaisers Paul des
Ersten«. 900 fr.
Nr. 112. Adrian van de Velde und Frederik Moucheron, »Herrschaften
in einem Park«. Das Landschaftliche für Moucheron sehr gut, die Figuren
vorzüglich. Wird im Katalog als signirt angegeben. Das ist auch der Fall,
aber nur von Moucheron. 7100 fr,
Nr. 113. Simon de Vlieger, »Das Ufer von Scheveningen«. Gehört zu
seinen besten Bildern. Bezeichnet mit vollem Namen und 1643 datirt. Früher
in der Collection Roxard de la Salle. Gravirt von G. Greux. 11000 fr. (Das
Museum zu Berlin, Gourrier de l’Art zu Folge.)
Nr. 114. Martin de Vos (?), »Bildniss eines jungen Prinzen«. 880 fr.
Nr. 115. Cornelius de Vos, »Bildniss einer jungen Frau«. 2100 fr,
Nr. 116. J. B. Weenix, »Goncert auf der See«. Bezeichnet. 4000 fr,
Nr. 117. J. B. Weenix, »Ruhe auf der Jagd«. 4100 fr.
Nr. 118. J. B. Weenix, »Die Umgegend von Genua«. Mit vollem
Namen bezeichnet. 2550 fr.
Nr. 119. Emmanuel de Witte, »Das Innere von der Kirche St. Ursula
in Delft«. Gute Arbeit dieses nicht häufig vorkommenden, in seiner Art
grossen Meisters. Die Figuren gehören dem Künstler selbst und sind nicht,
wie der Katalog andeuten will, von Jan Steen. Mit vollem Namen bezeichnet
und 1656 datirt. 8900 fr.
Nr. 120, Jan Wynants, »Die Sandhügel«, Die Figuren erinnern sehr
an Lingelbach. Bezeichnet: J. Wynants 1667. 5700 fr.
Französische Schule.
Nr. 122 u. 123. Frangois Boucher, »Die Musik« und »Die Malerei«.
Diese zwei charakteristischen Proben von dem decorativen Talent Boucher’s
wurden dem Katalog zu Folge seiner Zeit für den bayerischen Hof gemalt
und nach Frankreich im Anfang dieses Jahrhunderts gebracht. Bezeichnet:
F. Boucher 1764. 49 000 fr.
Nr. 124. F. Boucher, »Die Mühle«. Ungewöhnlich gutes Landschafts-
bild, fein in den Lichtwirkungen und tageshell. Bezeichnet: F. Boucher
1755. 12 500 fr.
Nr. 125. F. Boucher, »Die Odaliske“. Charakteristisch für Boucher
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
255
und für die Richtung der ganzen Periode nach dem Lasciven. Bezeichnet:
F. Boucher 1744. 7500 fr.
Nr. 12ü. F. Boucher, »Illustration zu La Fontaine (A femme avare,
galant escroc)«. En grisaille gemalt, wahrscheinlich als Vorlage für eine Re-
production. Bezeichnet und 1745 datirt. 3300 fr.
Nr. 127. F. Boucher, »Sonnenaufgang«. Bezeichnet und 1741 datirt. 4700fr.
Nr. 128. F. Boucher, »Wohlgeruch«. Ein kleines Pastell, eine junge
Frau, welche den Wohlgeruch einer Blume einathmet, darstellend. Bezeich-
net. 3900 fr.
Nr. 129. Marie-Genevieve Bouliar, »Bildniss eines jungen Mädchens«.
Niedliches Bildchen. Bezeichnet B’^ 1785. 7500 fr.
Nr. 131. J. B. S. Chardin, »Gemüse und Küchengeschirr«. Eine recht
gute, wenn auch nicht hervorragende Probe seiner Stilllebenbilder. Bezeichnet
mit vollem Namen. 6100 fr.
Nr. 132, Nicolas-Toussaint, »Napoleon 1. Abends bei Waterloo«. Skizze.
5400 fr.
Nr. 134. Glouet (Schulbild), »Bildniss einer jungen Prinzessin«. 3900 fr.
Nr. 141. Jean-Louis de Marne, »Der Viehmarkt zu Poissy«. 7100 fr.
Nr. 143. Francois - Hubert Drouais, »Das kleine Mädchen mit der
Katze«. 8100 fr.
Nr. 144. Joseph Duereux, »Das Porträt des Künstlers«. 2150 fr.
Nr, 147. Honore Fragonard , »Junges Mädchen«. Brustbild. 5300 fr,
Nr. 148. H. Fragonard, »Fanchon auf der Leier spielend«. 12000 fr.
Nr. 149. H. Fragonard, »Die Cascade«. 3100 fr.
Nr. 153. J. B. Grenze, »Die kleine Grollende«. 10 000 fr.
Nr. 154. J, B. Grenze, »Selbstbildniss«. Etwas jünger als das Porträt
in der Collection La Caze im Louvre. 3150 fr.
Nr. 159. Nicolas Lancret, »Die Dame mit dem Sonnenschirm«. Her-
vorragende Arbeit des Künstlers. Radirt von Boilvin. 20000 fr.
Nr. 161. N. de Largilliere, »Das Porträt des Künstlers«. 6400 fr.
Nr. 166. N. B. Löpicie, »Der Brei«, Dieses niedliche, kleine Bild, das
eine junge Mutter, die ihren Kleinen das Essen reicht, darstellt, ist ohne Ver-
gleich das Beste, was ich von dem Künstler kenne. Früher in der Collection
Boitelle. 12000 fr.
Nr. 167. N. B. Lepiciö, »Der alte Musiker«. 4000 fr.
Nr. 168. Jean -Bapliste Le Prince, »Die Schaukel«. Bezeichnet: Le
Prince 1765. 3900 fr.
Nr. 169. J.-B. Le Prince, »Russischer .Tanz«. Pendant zum vorigen.
Bezeichnet: Le Prince 1764, 3900 fr.
Nr. 176. Jean-Marx Nattier, »Das Porträt BufTons«. 11200 fr.
Nr. 177. J.-M. Nattier, »Porträt der Herzogin von Chäteauroux«. 7500 fr.
Nr. 178. Jean-Bapliste Oudry, »Porträt eines Edelmannes«. Bezeichnet
mit vollem Namen. 6000 fr.
Nr. 179. J.-B. Oudry, »Entenjagd«. 3000 fr.
XIV
18
256
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Nr. 183. Jean-Bapliste-Joseph Pater, »Die Schauspieler«. Es sind Schau-
spieler aus der italienischen Gomödie: Arlecchino, Pantalone etc., die hier
dargestellt sind. 24 500 fr.
Nr. 184. Jean-Baptist Perroneau, »Männliches Bildniss«. Skizze. 2350 fr.
Nr. 186. P. P. Proudhon, »Der Fürst von Talleyrand«. Schöne, kleine
Skizze. 7500 fr.
Nr. 191. Hyacinthe Rigaud, »Das Porträt des Regenten«. 6400 fr.
Nr. 214. Antoine Watteau, »Ruhe auf der Landpartie«. Ein ziemlich
schwaches, aber echtes Bild des Meisters. Ich fand hier eine Gruppe wieder,
die mehrmals auf dieselbe Weise bei Watteau vorkommt. Es ist dies die
Gruppe von »Le faux pas« im Louvre, die sich auch in »La dance paysanne«
von Audran gestochen, damals in der Collection Monmerque, wiederfindet :
einen Mann und eine Frau, die den letzten Act der Gomödie der Liebe ein-
zuleiten scheinen, darstellend. 3400 fr.
Italienische und spanische Schule.
Nr. 215. Alessandro Allori, »Porträt einer jungen venetianischen
Däme«. 1400 fr.
Nr. 216. Francesco Appiani, »Amor«. 820 fr.
Nr. 217. Antonio da Ganale, »Der Dogenpalast zu Venedig«. Dieses
schöne Bild war eher von Bernardo Bellotto, für den eine gewisse manierirte
Behandlungsweise in der Zeichnung der Wellen charakteristisch ist. 15 000 fr.
Nr. 218. A. S. Coello, »Muthmassliches Porträt von Donna Juana, die
Schwester Philipp II.« 7000 ft*.
Nr. 219. Fra Vittore Ghislandi, »Ein junger Bergamaske«. Von diesem
interessanten, kleinen Porträt findet sich eine Reproduction in Gazette des
Beaux-Arts 1873. 450 fr.
Nr. 220. F. Goya, »Porträt«. 3100 fr.
Nr. 221 — 229. Diese Nummern umfassen einige kleine Prospecte aus
Venedig, alle von Francesco Guardi. G. ist, wie bekannt, jetzt sehr in der
Mode in Paris. Seine Bilder werden sehr hoch , sogar übertrieben , bezahlt,
und es ist unschwer zu begreifen. Klar in der Färbung, von Leben sprühend,
in einem strahlenden Licht gemalt, mit kleinen geistreichen Figuren bevölkert,
in breiten , kühnen Pinselstrichen hingeworfen , erinnern eben diese kleinen
Bilder an das Beste, was die moderne Pariser Kunst vermag.
Am höchsten wurde Nr. 224 »Die Piazzetta in Venedig« mit 18 000 fr.
(H. 18 cm, Br. 32 cm) bezahlt. Darauf Nr. 221 10 000 fr., Nr. 222 u. 2z3
9000 fr., Prospecte aus Venedig von derselben Grösse wie Nr. 224. Die
fünf anderen waren Architekturbilder und gingen weniger hoch von 1550
bis 5500 fr.
Nr. 231. Palma d. j. (?), »Weibliches Porträt«. 400 fr.
Nr. 237. Sebastiano del Piombo, »Männliches Porträt«. Bedeutendes
und interessantes Bildniss , das wohl den Gedanken auf Sebastiano hinleiten
konnte. Die Behandlung hatte einige Aehnlichkeit mit einem schönen Porträt
Nr. 409 in der Galerie Pitti zu Florenz, und das Motiv mit dem nach innen
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
257
ausgestreckten Zeigefinger findet man mehrmals bei diesem Meister, z. B. in
dem schönen Frauenporträt zu Berlin, sowie auch in dem damit verwandten
in der Tribuna in den Uffizien, dort Raphael genannt (die sogen. Fornarina).
Es weicht aber in anderen Beziehungen so wesentlich von den echten Werken
dieses Meisters ab, dass ich mich nicht der Zuweisung des Katalogs (auch
derjenigen des Herrn P. Mantz) anschliessen kann. Der Dargestellte hatte
absolut keinen italienischen Typus, wesshalb vielleicht ein französischer Kunst-
schriftsteller, Galichon, gemeint hat, dass es von einem deutschen Meister, in
Italien ausgebildet, herrühren könnte. Von Le Rat gravirt. 8500 fr.
Nr. 233. J. Ribera, »St. Peter und St. Paul«. Mit folgender Inschrift
versehen: Joseph Ribera Hispanus valentinus, civitatis Setabis , academicus
Romanus. Gravirt von Masson. 4300 fr.
Nr. 234. Andrea Sacchi, »Porträt eines Prälaten«. 480 fr.
Nr. 235. Sassoferrato , »Madonna mit einem weissen Schleier«. Eine
von den zahlreichen Wiederholungen dieses Sujets. 1600 fr.
Nr. 236. G. Ti^olo, »Allegorische Composition«. 1450 fr.
Nr. 237. G. Tiepolo, »Ein heiliger Bischof«. 2000 fr.
Nr. 738. Spanische Schule, »Männliches Bildniss«. 620 fr.
Englische Schule.
Nr. 239. J. Reynolds, »Porträt eines Edelmanns«. 1950 fr.
Von einer Reihe von Miniaturporträts nenne ich folgende:
Nr. 240. Gerard Dou, »Bildniss eines jungen Edelmanns«. Obwohl
nicht von Dou, doch nicht ohne Feinheit. 2600 fr.
Nr. 242. P. Moreelse, »Weibliches Porträt«. Dieses schöne, kleine Bild
war 1626 datirt. 4600 fr.
Nr. 243. Henri Pot, »Bildniss eines jungen Edelmannes«. Dieses Porträt
war etwas verwandt mit dem Bildniss von Karl I. im Louvre »H. P.« be-
zeichnet und diesem Meister zugeschrieben. 1800 fr.
Nr. 244. Guilio Glovio, »Pieta«. Miniatur auf Velin, mit Gold erhöht.
1550 fr.
Nr. 246. Adam Elsheimer, »Die Flucht nach Aegypten«. Die Bedeutung
Elsheimer’s als Künstler scheint noch nicht den hiesigen Liebhabern klar zu
sein. Dieses echte und sehr feine Bildchen, des auf dem Pariser Kunstmarkt
so selten vorkommenden Meisters, wurde mit — 160 fr. bezahlt.
Nr. 251 u. 252. Pourbus (zugeschriebenes) »Damenporträt« 1250 fr.
»Herrenporträt« 1350 fr.
Nr. 255. Mignard (zugeschriebenes) »Bildniss eines Edelmannes«. 850 fr.
Nr. 259. Vlämische Schule, »Porträt einer Dame mit ihren zwei Töch-
tern«. Vom Anfang des 17. Jahrhunderts. 900 fr. Emil Jacobsen.
258 Berichte und Mittheiiungen aus Sammlungen und Museen etc.
Karlsruhe.
Bei der Restauration der katholischen Pfarrkirche zu Eppingen an der
Elsenz im Grossherzogthum Baden haben sich alte Wandmalereien vorgefunden.
Im Langhause ergab sich unter der Tünche ein ganzer Cyclus von Bildern
aus der heiligen Geschichte, welche mit der Verkündigung Mariä beginnen
und mit der Himmelfahrt Christi abschliessen. Im Chore der gothischen Kirche
befinden sich Wandbilder aus der Leidensgeschichte Christi ausgeführt; alle
dürften in der Zeit des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Leider haben ein-
zelne Darstellungen sehr gelitten und sind nur noch schwer zu erkennen.
Mit Hilfe eines Beitrages der badischen Staatsregierung beabsichtigt man diese
interessanten mittelalterlichen Wandgemälde völlig aufzudecken und ihre Er-
haltung sicher zu stellen. =
Hirschhorn am Neckar.
Unsere so malerisch am Bergabhange südöstlich von der Burg gelegene
Carmeliter-Klosterkirche, welche 1406 zu Ehren der Madonna geweiht wurde,
soll nunmehr restaurirt werden. Das Innere des gothischen Bauwerkes zeigt
überall Spuren alter Wandmalereien und darunter namentlich eine neben der
Kanzel befindliche Jagdscene, welche zwei Personen zu Ross und vor ihnen
zwei Jäger in Begleitung von Hunden darstellt. = tt.
Litteraturbericht.
Architektur.
Der Fürstenhof zu Wismar und die norddeutsche Terracotta-
Architectur im Zeitalter der Renaissance. Von Fritz Sarre. Mit
einem Anhänge, urkundlichen Belegen und 17 Tafeln. Berlin, Verla» von
Trowitzsch und Sohn, 1890. ^
Das vorliegende Buch von Dr. Fritz Sarre gehört zu denjenigen, welche,
von einem Einzeldenkmal ausgehend, Aufklärung geben über Kunsterscheinungen
eines ganzen Landgebietes und daher ein weiteres Interesse beanspruchen
können , als es vielleicht dieses eine im Titel genannte Werk hervorrufen
würde. Mecklenburg und die angrenzenden Gebiete, von Holstein, Lübeck,
Lüneburg und der Mark sind es, in denen sich um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts an Schlössern und reicheren Bürgerhäusern eine Decorationsweise
verbreitete, die im Anschluss an den Backstein bau das fehlende Steinmalerial
auch in den Zierstücken ersetzte. Es sind dies die Terracotten, die allerdings
nicht erst dem 16. Jahrhundert ihre Entstehung verdanken, wie es das Lübecker
Holstenthor (1477) und andere Bauten dort, in Wismar und Rostock beweisen,
welche aber dadurch in Aufschwung kamen, dass sich in Lübeck, dem Central-
ort der ‘Kunst und des Handels jener Gegend, um die Mitte des Jahrhunderts
eine Kraft befand, welche die Herstellung von Terracottareliefs besonders pflegte,
und sich ferner an zwei vornehmen Bauten , dem Schweriner Schloss und
dem Fürstenhof zu Wismar, die Gelegenheit zur Anbringung reichen künst-
lerischen Schmuckes darbot. Das Vorbild dieser beiden Höfe reizte vielfach
zur Nachahmung, durch wiederholte Anwendung derselben Matrizen wurde
die Herstellung erleichtert, und so werden uns vom Verfasser in einer ganzen
Reihe von Ortschaften Reste von einander eng verwandten Terracottaverzie-
rungen vorgeführt.
Auch über die Thätigkeit des hauptsächlichen Herstellers derselben, des
Statius von Düren aus Lübeck, erhalten wir ein deutlicheres Bild. Neben
Steinmetzarbeiten formt er in Thon, brennt denselben, benutzt für feinere
Arbeiten aber auch Hohlformen, die ihm von Bildschnitzern oder Stempel-
schneidern geliefert werden. Er ist derjenige, welchem der Fürstenhof zu
Wismar seinen künstlerischen Schmuck verdankt, während Valentin von Lira
als Unternehmer des Baues selbst auftritt, und endlich Erhard Altdorfer als
260
Litteraturbericht.
Freimeister im Dienste des Herzogs Johann Albrecht gemeinsam mit diesem
den ganzen Plan des Schlosses entworfen und die Oberleitung in Händen hat.
Darin, dass der Verfasser die Thätigkeit der einzelnen mitwirkenden Männer
durch Belege klar voneinander zu trennen und ihr Verhältniss zu einander
festzustellen sucht, liegt ein weiterer Nutzen des Buches, denn wir dringen
dadurch tiefer ein in die Kenntniss der äusseren und geschäftlichen Vorgänge
bei derartigen Unternehmungen, die nichtsdestoweniger mit den Kunstproducten
selbst im engsten Zusammenhang stehen.
Es wird ferner der Darstellungskreis der Reliefs besprochen, antik mytho-
logischer und biblischer, die Beziehung einzelner zu gleichzeitigen Holzschnitten,
das Verhältniss zu Oberdeutschland und den Niederlanden, und dabei der
directe Einfluss oberitalienischer Terracottendecoration, wie er von andrer Seite
angedeutet war, gänzlich abgewiesen.
Ein Anhang bringt Nachrichten über ungefähr 70 Künstler und Werk-
meister in Mecklenburg von 1550 — 1600, worunter sich aus den Archiven
ausserordentlich viel Neues angeführt findet, besonders über die Baumeister-
familie Parr, über den Festungsbaumeister Ghiaramella, den Bildhauer Brandin
und viele Andere, so dass dieses Verzeichniss das engere Gebiet der Terracotta-
Architectur, welche den eigentlichen Gegenstand der Arbeit bildet, nach allen
Seiten weit überschreitet und somit eine wichtige Ergänzung zum Mithoff
bildet. Endlich folgt noch eine Reihe von Documenten, Briefen, welche das
Verhältniss von Fürsten und Werkmeistern deutlich vor Augen führen.
Man findet also in dem Buche Aufklärungen auf einem noch wenig be-
arbeiteten Gebiet, die der wissenschaftlichen Forschung nur durchaus will-
kommen sein können. 17 Tafeln, grösstentheils mit sehr guten Lichtdrucken,
bieten das Material zum Belege des Textes und vervollständigen den Nutzen
der Arbeit. Adolph Goldschmidt.
Kataloge.
Katalog der Gemälde-Sammlung im Ferdinandeum zu Innsbruck.
Innsbruck 1890.
Die Galerie des Ferdinandeums hat nunmehr einen neuen Katalog er-
halten, in welchem jetzt auch die Schenkungen bezw. Hinterlassenschaften der
kunstsinnigen Brüder Wieser und des k. k. Ministerialsekretärs L. Rigel auf-
genommen sind. Das Verzeichniss giebt ein deutliches Bild von dem raschen
Anwachsen der Sammlung in den letzten Jahren. Wohlthuend berührt, dass
endlich eine durchlaufende Nummerirung eingeführt worden ist ; doch hätten
die alten Nummern vorläufig in Parenthese . beigefügt werden können, da sie
in der Litteratur Eingang gefunden haben. So auch in meinen Bemerkungen
über die Sammlung im Repertorium 1888, XII, S. 45. Nochmals hier kritisch
die Galerie zu durchmustern, habe ich keine Veranlassung, doch muss noch
mitgetheilt werden , dass der Amsterdamer Landschaftsmaler Jan Blom , der
Verfertiger des schönen Bildes Nr. 667, unterdessen durch Bredius aus dem
Dunkel hervorgezogen worden ist. Im vorliegenden Kataloge galt übrigens
Notizen.
261
das Bild nicht mehr als F. Moucheron, sondern bereits als Jan Blom, wenn
auch die Verfasser noch nichts von der Entdeckung des holländischen Gelehrten
wissen konnten. Bredius hat seine Notiz im »Oud-Holland«, VIII, 1890, S. 219,
veröffentlicht. Danach war Blom um 1622 geboren und 1685 gestorben. Ich
hatte im erwähnten Aufsatze des Repertoriums die Staffage dem A. van de Velde
zugeschrieben, was Bredius nunmehr bestätigt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf die fast unbekannte Samm-
lung altdeutscher, besonders tirolisch er Bilder, welche sich im Prämonstratenser-
stifte W^ilten bei Innsbruck befindet, aufmerksam machen. Besonders hervor-
zuheben ist eine figurenreiche Darstellung Christus am Kreuz aus dem Anfänge
des 15. Jahrhunderts. Interessant ist auch ein grosses Gemälde, Maria mit
dem Einhorn, von 1521, das ich dem B. Strigel zuschreibe.
W. Schmidt.
Notizen.
[Die Goslarer Rathhausgemälde stammen nicht von Michel
Wolgemut]. Kratz hat in einer Notiz der Hildesheimer Allgem. Zeitung und
Anzeiger vom 3. September 1858 die Mittheilung gemacht, er habe gefunden,
wer der Maler der Gemälde im Rathhaussaal zu Goslar gewesen sei: Michael
Wolgemut (Mekel Wolgemoet), der Lehrer Albrecht Dürer’s. Mitthoff nahm
diese Notiz in sein Archiv für Niedersächs. Kunstgeschichte III. 33 ff. zugleich
mit der Nachricht auf, dass Wolgemut dafür 1501 zum Ehrenbürger und
Mitglied der Brauergilde ernannt worden sei. Da die Kämmereirechnungen des
Stadtarchivs als Quelle genannt wurden , so musste bei dem Ruf grösster
Gewissenhaftigkeit, deren sich beide Localforscher erfreuten, die urkundliche
Thatsache als unanfechtbar hingenommen werden, auch wenn für spätere
Nachforschungen jene Urkunde in Verstoss gerathen war. So kam es, dass von
da an kein Kunsthistoriker mehr, der über Wolgemut schrieb, die Zuweisung
der Goslarer Malereien an Wolgemut gänzlich von der Hand weisen konnte. Die
Stilkritik allerdings fing an, sich widerspänstig zu zeigen. Seidlitz hob hervor:
die vorwiegend decorative Bestimmung der Malereien liesse sich nur »bis zu
gewissem Grade« für eine Charakteristik des Meisters verwenden (Zeitschr. f.
bild. Kunst XVIIl, S. 169 ff.). R. Vischer schrieb: »Ich fand sie sehr deco-
rativ, geradezu schwerfaustig und konnte mich nicht überzeugen, dass sich
hier Wolgemut selber einlässlich betheiligt hat« (Studien zur Kunstgeschichte,
S. 378). Ich selber, unter dem urkundlichen Dogma stehend, fand, dass
besonders an den Deckenbildern »Wolgemut’s Antheil wohl ein geringer sei«
(Gesch. d. d. Malerei S. 290). H. Thode hatte dann den Muth zu erklären,
dass die Goslarer Gemälde zwar von dem Geist der Nürnberger Kunst beseelt
seien, dass der Stil aber ein über Wolgemut und Pleydenwurff weiter vor-
262
Notizen.
geschrittener sei, »Der Künstler, welcher sie entworfen hat, kannte bereits
die Jugendwerke Dürer’s« — es ist nur ein Schüler Wolgemut’s gewesen
(Die Malerschule von Nürnberg im 14. und 15. Jahrhundert, S. 200 ff.). Und
er dachte daran, dass möglicherweise ein Glied der in Goslar heimisch ge-
wesenen Familie Wolgemut der Maler gewesen sei. Nun aber haben wir
durch die Forschung des Dr. R. Engelha,rd in Duderstadt, der dabei durch
den Bibliothekar an der Bibliothek Beverina in Hildesheim unterstützt wurde,
über die Quellen der von Kratz gemachten Mittheilung erwünschtes Licht er-
halten (Abdruck aus dem Osterprogramm 1891 des kgl. Progymna-
siums zu Duderstadt. Beiträge zur Kunstgeschichte Niedersachsens).
Da die von Kratz angezogene Urkunde durch keine Nachforschung erreicht
werden konnte, so war einzig aus dem Manuscripten-Nachlass von Kratz Licht
zu erwarten. Und da fand sich denn in der That folgender Zettel :
»Nach Angabe eines Kämmerei-Registers vom Jahre 1501, in welchem
Meckel (Mechel) Wolgernoet ünter die Goslarischen Bürger und Brauer auf-
genommen wird, lässt sich schliessen, dass er derzeitig in Goslar gewesen
und die fraglichen Malereien gearbeitet hat. Denn was sollte ihn anders nach
Goslar geführt haben, als die Ausführung dieser Bildwerke, und warum sollte
er sich -gerade in Goslar unter die Bürger und Brauer haben aufnehmen
lassen. Mitglied dieser Brauer-Gilde — Collegii zu sein, wurde vor Zeiten als
ein hohes Ehrenamt angesehen, Nürnberg und Goslar standen in engster
Verbindung, und desshalb lässt es sich auch erklären, wesshalb W. von
da nach Goslar berufen, um die Ausmalung des genannten Saales zu über-
nehmen (Kratz’sche Sammlung 111. Abth., Heft 203). Nun findet sich auch
von dem angezogenen Kämmerei-Register in der Beverina eine Abschrift (Aus-
zug) von Kratz, wo es heisst (Abth. III, Heft 139) :
Van inkomenden bruweren
5 M. mekel wolgernoet.
Genügend scharf hebt Engelhard die Willkürlichkeit der Schlüsse auf
Grund einer Notiz, die nichts für sich hat, als dass der darin genannte Name
mit dem des Nürnberger Malers sich deckt, hervor. Angeregt durch Engel-
hard’s Nachforschungen suchte nun Dr. Hölscher im Kämmerei-Register in
Goslar nach dem Wortlaut der von Kratz ausgezogenen Stelle. Nach einer
kurzen Mittheilung, die darüber der Hannover. Courier vom 9. Februar d. J,
bringt, findet sich dort die Stelle so:
Van inkomenden Bruweren 5 M. Nickel (nicht Mickel oder Mechel)
Wolgernoet; dieser Nicol Wolgernoet ist nun, wie es weiter in der Hölsch-
schen Notiz heisst, nach vorliegenden Urkunden Goslarischer Burger und Vor-
steher der Frankenberger Gemeinde gewesen.
ln dieser Richtigstellung der Lesart Nickel statt Mickel ist ein Finger-
zeig gegeben, was Kratz zu seiner Annahme anregte, aber des Vorwurfs leicht-
sinniger Hypothesenmacherei kann in diesem Falle Kratz nicht entlastet werden.
Aus diesen Mittheilungen geht nun als sicheres Ergebniss hervor : der Name
des Malers Michel Wolgemut findet sich nicht im Goslarer Archiv; der Wol-
gemut, welcher in die Gilde der Brauer aufgenommen wurde, hiess nicht
Notizen.
2G3
Michel, sondern Nickel und steht ausser jeder Beziehung zu den Goslarer
Gemälden. Die stilkritische Untersuchung hat darnach ziemlich allein nach
dem Maler zu suchen. Schon R. Vischer hat auf den Zusammenhang, welcher
zwischen dem unter Raphon’s Namen in der Galerie zu Braunschweig hängen-
den Altarwerk und einen grossen Bestandtheil des Bilderschmuckes im »Rath-
haus zu Goslar« hingewiesen und Thode hat dies (a. 0.) vollinhaltlich be-
stätigt. Ich selber habe zwar im Frühling 1890 das Braunschweiger Bild
wieder eingehend studirt, kam aber nicht mehr zu einer neuerlichen Prüfung
der Goslarschen Gemälde, so dass ich mir zunächst ein Urtheil über das
Verhältniss des Werkes in Braunschweig und der Malereien in Goslar nicht
gestatten darf. Dagegen bin ich Frühling 1890 zur rückhaltlosen Ueberzeugung
gekommen, dass das Braunschweiger Altarwerk mit Raphon, wie er mir durch
bezeichnete Rüder bekannt ist, nichts zu thun habe. Eisenmann, dem ich
davon Mittheilung machte, hegt, wie er mir darauf schrieb, die gleiche Mei-
nung. R. Vischer hat schon früher seinen Zweifeln an der Urheberschaft
Raphon’s dem Braunschweiger Altarwerk gegenüber Ausdruck gegeben (a. 0.
S. 380). Thode hat unumwunden erklärt, dass der Name Raphon unter dem
Braunschweigef Altar gestrichen werden müsse (a. 0. S. 201), und Dr. Engel-
hard hat nach eingehenden Prüfungen der echten Werke Raphon’s das Urtheil
Thode’s vollinhaltlich bestätigt. Wer der Künstler des Braunschweiger Altars
war, gelingt vielleicht der Localforschung festzustellen, wenn erst andere Werke
des Künstlers gefunden sind, was bei der ausgesprochenen Eigenart, wie sie
jenem Altarwerk von 1506 anhaftet, nicht allzuschwer werden dürfte. Die
coloristische Eigenart desselben hat Vischer richtig bezeichnet ; es sei bemerkt,
dass ich keinen deutschen Maler jener Zeit kenne, der die Perspective so meister-
haft beherrscht und so sehr mit ihr Staat macht, wie jener. Einen stärker
hervortretenden Zusammenhang mit Nürnberg oder der Schule Wolgemuts
konnte ich bei dem Braunschweiger Altarwerk nicht entdecken. Die Buch-
staben auf der Hausmarke der Stifter lese ich: L. B. R. mit einem quer durch-
schlungenen S. Das R dürfte wohl zur Bezeichnung Raphon’s geführt haben.
Dr. Engelhard, der sich mit Forschungen über Raphon beschäftigt, legt uns
hoffentlich bald die Ergebnisse derselben vor. H. J.
(E. F. A. Münzenberger fO Am 22. Dezember 1890 starb in Frank-
furt a. M. der katholische Stadtpfarrer E. F. A. Münzenberger, Domcapitular
und Mitglied des bischöflichen Ordinariates in Limburg a. d. L.; geboren 1833
in Düsseldorf, seit 1870 in Frankfurt und von 1872 ab mit dem Referat aller
Kunstangelegenheiten der Limburger Diöcese betraut, wirkte derselbe in viel-
seitiger Weise als Kunstsammler und als Kunstkenner. 1876 erschien von
Münzenberger die Brochure: »Der Kreuzgang am Dome zu Frankfurt a. M.,
was er war und was aus ihm werden soll«. Der mit der Restauration des
Domes betraute Baurat Denzinger hatte die Demolirung eines Theiles vom
alten Kreuzgange projectirt und da sich gerade hier zwölf aus dem 15. Jahr-
hunderte herrührende Wandgemälde mit umfänglicher Darstellung der Leidens-
geschichte Christi sammt dem jüngsten Gerichte befanden, so war es begreif-
264.
Notizen.
lieh, dass Münzenberger die Erhaltung derselben anstrebte. Professor Eduard
von Steinle äusserte sich hierüber durch ein Schreiben vom 29. Mai 1876 in
folgender Weise: »Vor etwa zwanzig Jahren hat mein ehemaliger Schüler, Herr
Martin , im Kreuzgange des Domes in zwei Feldern desselben alte Malereien
entdeckt. Er hatte von denselben nur einzelne Stellen des KalkOberzuges los-
gemacht und es zeigten sich da fast lebensgrosse Köpfe von ausgezeichneter
Meisterschaft. Es war uns kein Zweifel, dass Aehnliches unter allen Malereien
des Domes nicht mehr existire, besonders seitdem die von einem Kölner
Meister herrührenden Legendenbilder des heiligen Bartholomäus im Chor durch
eine Restauration ruinirt worden sind. Die blossgelegten Stücke der Malereien
im Kreuzgang wiesen auf einen bedeutenden Meister und ihrem Style nach
ist es mir höchst wahrscheinlich, dass sie von Holbein dem Aelteren her-
rühren. Es ist bekannt, dass Holbein der Aeltere längere Zeit in Frankfurt
bei den. Dominicanern beschäftigt war und dort die Passionsbilder, welche sich
jetzt in der Galerie des Stäcjel’schen Kunstinstituts befinden, gemalt hat. Ein
vergleichendes Auge wird nicht umhin können, dieselbe Hand zu erkennen.
Ich unterliess damals nicht, auf diesen Fund aufmerksam zu machen, aber es
fand sich Niemand, der einiges Interesse an der Sache hatte. Da nun die
blossgelegten Stücke sich vorzüglich gut erhalten zeigten, und somit der Kalk-
überzug sich als das beste Mittel der Erhaltung erprobt hatte, so war Schweigen
und Abwarten einer besseren Zeit am Platze. Da nun aber gewissem Ver-
nehmen nach davon gesprochen wird, den Kreuzgang niederzureissen und
dann zu einem Theile wieder aufzubauen, so scheint dies mir, abgesehen da-
von, dass sich ein solches Verfahren in baulicher Beziehung nicht rechtfertigen
lässt, schon aus dem Grunde unzulässig, weil man dadurch einen seltenen
Schmuck von einem seltenen Meister in barbarischer Weise vernichten würde«.
— Leider erfolgte dennoch die Zerstörung des betreffenden Theiles vom alten
Kreuzgange und damit auch der daran befindlichen hochinteressanten alten
Wandmalereien. — Die Sammlung liturgischer Gewänder stellte sich Münzen-
berger zur speciellen Aufgabe, in Gleichem waren es gothische Altarwerke,
die er namentlich im Norden Deutschlands erwarb und womit er nachher den
Frankfurter Dom und viele Kirchen des Limburger Bisthums zu schmücken
wusste. So gab er denn auch das Werk heraus: »Zur Kenntniss und Wür-
digung der mittelalterlichen Altäre Deutschlands. Ein Beitrag zur Geschichte
der vaterländischen Kunst. 1. — 6. Lieferung, Folio, mit 60 Lichtdrucktafeln.
Frankfurt a. M. 1885 — 1888. F. J. Schmitt.
[Die Zwettler Handschrift von Rabanus Maurus »De laude
sanctae Crucis«]. Giemen hat in seinen »Studien zur Geschichte der karo-
lingischen Kunst« (Repertorium XIII., S. 128) eine übersichtliche Zusammen-
stellung der Handschriften gegeben , in w'elchen des Rabanus Maurus Werk
»De laude sanctae Crucis« erhalten ist. Zu derselben ist die Zwettler Hand-
schrift God. 86 nachzutragen, deren Darstellungen auf Fol. 2', 5', 16' und 29'
von Interesse sind; dieselben entsprechen dem Christus in der Darstellungs-
form des Triumphans in cruce, den vier Engeln, dem von den Evangelisten-
Notizen.
265
Symbolen umgebenen Lamme und dem Bilde des Verfassers. Sie sind mit
augenscheinlicher Sorgfalt gearbeitet und stehen offenbar im Zusammenhänge
mit einem besseren Repräsentanten des Werkes ; der Umstand, dass das Bild
des Kaisers fehlt, spricht für Beziehungen zu einem Texte der ursprüng-
lichen, 806 fallenden Abfassung, die Hattö gewidmet war. Vielleicht wäre
für die Zusammenstellung der auf Fulda zurückgehenden Handschriften ausser-
dem zu berücksichtigen God. 73 der Bibliothek des Cistercienserstiftes Zwettl,
der die Eintragung enthält (Fol. 1') »Hunc librum contulerunt ex precepto
Rabani abbatis Lupus et Gerolfus et in quantum permisit (Fol. 2) angustia
temporis, pro captu intelligentie correxerunt«. Die Handschrift bietet »Rabani
Mauri super librum Numeri.« Joseph Neuwirth.
[Der Maler Lorenzo de Luzo da Feltre], dessen Existenz bisher
ganz geleugnet, bezw. der auf die Autorität des Localchronisten Cambruzzi
hin mit Pietro Luzo, dem Doppelgänger von Vasari’s Morto da Feltre iden-
tificirt wurde (vergl. Growe und Gavalc. deutsche Ausgabe Bd. VI, S. 273 ff.),
wird durch sein von M. Gaffi im Archiv zu Venedig aufgefundenes Testament
vom 12. December 1526 nunmehr als unbezweifelbare Persönlichkeit der
Kunstgeschichte einverleibt (s. M. Gaffi, 11 Morto da Feltre e Lorenzo de Luzo
da Feltre im Arch. stör. lombardo Jahrgang 1889, S. 939 ff.). Infolgedessen
wird nun aber die Existenz Pietro’s Luzo, bezw. Morto’s da Feltre proble-
matisch, insofern sich die Einführung desselben in die Geschichte der italie-
nischen Malerei durch Ridolfi und später durch Lanzi auf eine Nachricht in
der Ghronik des zu Ende des 16. Jahrhunderts lebenden Localhistorikers
Bonif. Posale di Feltre gründet, worin diesem Meister neben anderen zürn Theil
heute noch existirenden Malereien in Feltre und dessen Umgebung an erster
Stelle ein heute im Museum zu Berlin befindliches Bild aus der Kirche S. Ste-
fano beigelegt wdrd, das sich aber durch seine unzweifelhaft echte (nicht wie
Growe und Gavalcaselle annehmen, gefälschte) Bezeichnung »Laurentius Lu-
cius feltrensis« als Werk des nunmehr nicht anzuzweifelnden Lorenzo de Luzo
ausweist. Da nun aber dasselbe mit den übrigen noch vorhandenen Bildern
des vermeintlichen Pietro Luzo die grösste stilistische Aehnlichkeit zeigt —
weshalb es ja auch bisher allgemein, auch noch von Growe und Gavalcaselle,
als Arbeit desselben und nicht des Lorenzo de Luzo angesehen wurde, —
so werden nunmehr auch diese dem letzteren zurückzugeben, — wird über-
haupt Pietro Luzo, dessen Existenz durch ein gleichzeitiges urkundliches Zeugniss
nicht beglaubigt erscheint, aus der Kunstgeschichte der Renaissance zu streichen
sein. Freilich wird damit das Dunkel, das die räthselhafte Individualität von
Vasari’s Morto da Feltre umhüllt, nicht erhellt, seine Identificirung mit Lorenzo
de Luzo nichts weniger als glaubwürdig gemacht: denn alle Züge, die wir aus
dem aufgefundenen Testament des letzteren für seine Gharakteristik schöpfen, —
er verlebte seine letzten Lebensjahre in Venedig, war ein besorgter Ehegatte, ein
gottesfürchtiger , wohlthätiger Mensch, — wollen ganz und gar nicht zu der
abenteuerlichen, leichtfertigen Figur Morlo’s, bezw. Pietro Luzzo’s stimmen, wie
sie uns Vasari’s und Ridolfi’s Nachrichten vor Augen führen. C. v. F.
266
Notizen.
(Zu Nicolaus Manuel.) Antwort II. Herr Prof. Dr. Hubert Jani-
tschek schreibt p. 170 (Anin.) des letzten Heftes des Repertoriums, dass die
Nennung des Namens His von meiner Seite ein Missbrauch des Namens sei,
für den die richtige Bezeichnung zu finden er den Lesern überlasse. Prof.
H. Janitschek hat nicht das geringste Recht, mich mit dieser Beschuldigung
zu belasten. Herr Prof. H. Janitschek hatte in seiner Kritik meiner Schrift
über Manuel im Repert. f. K. Xlll. Band, p. 483 ff., gesagt, es fehle »jeder
äussere Anhaltspunkt« für ein Lehrverhältniss des Fries zu Manuel. Zur Ab-
weisung dieser Behauptung verwies ich in meiner »Antwort« auch auf His’
Aufsatz in Zahn’s Jahrb. II. His sagt p. 56: »im Jahre 1508 bei Anlass des
berüchtigten Hetzerhandels wurde Fries vom Rath von Bern als Experte be-
rufen«; dann p. 57: »im Jahre 1512 scheint .... entstanden zu sein, die
er für Bern und wahrscheinlich in dieser Stadt selbst ausführte.« Endlich
begründet His p. 58 ausführlich, »dass Fries 1518 in Bern ansässig war«.
Diese wiederholte Anwesenheit von Fries in Bern darf wohl als ein Ȋus-
serer Anhaltspunkt« gelten und ich war somit vollkommen berechtigt, His’
Arbeit heranzuziehen.
Herr Prof. Dr. Hubert Janitschek behauptet des ferneren p. 170: »Was
das Lehrverhältniss zu Hans Fries betrifft , so ist hier, wie an anderer Stelle
jede Beweisführung — Beweisführung im wissenschaftlichen Sinne — unter-
blieben. In der Manuelschrift heisst es: »Als Uriterweiser — möchte ich
nämlich H. Fries annehmen.« — »Also, Herr Dr. B. H. möchte es an-
nehmen und nimmt es dann an etc.« Es ist diese Behauptung des Herrn
Prof. Dr. Janitschek völlig unrichtig. Ich habe p. 21 geschrieben: »Fries
zeichnete, wie dies besonders stark in dem Antoniusbild von 1506 — aber
auch noch 1512 in den Marienbildern — hervortritt, muldenförmige, rund-
liche weiche Falten, ganz, wie in dem Gewand der sitzenden Amme auf der
Rückseite des St. Lukasbildes von Manuel. . . . Wir finden auf der Palette des
Fries dasselbe im Schatten schwärzliche Ziegelroth, das schmutzige Kirschroth
besonders und das bräunliche Carnat mit den violetten Schatten.« Eine solche
»Beweisführung« ist im wissenschaftlichen Sinne gehalten, cfr. Morelli, Ita-
lienische Meister etc. p. 316, Bode, Holländ. Malerei p. 44, 338, Lützow, Raf-
fael (Graph. Künste XI.) p. 67, Janitschek, Gesch. d. deutschen Malerei, p. 430
... die besonders in der Färbung den innigen Anschluss an Burgkmair zeigt.
Herrn Prof. Dr. H. Janitschek’s Aufstellung, dass ich den Einfluss Dürer’s
auf Manuel nur durch das St. Lukasbild und die Fortuna hätte beweisen
wollen, ist vollkommen irrig. Im Cap. I. meiner Schrift erwähne ich noch
sieben Handzeichnungen, welche in einer mit der nach Dürer copirten Fortuna
übereinstimmenden Manier gezeichnet oder in einer dieser sehr nahe stehenden
Weise behandelt sind. (Bei einigen stimmt sogar die Farbe des Papiers mit dem
genau überein, auf welchem die Fortuna gezeichnet ist, cfr. p. 6 und 9, Cap. I.).
Bern, 14. Febr. 1891. Dr. Berthold Haendcke.
Gerne nehme ich von Herrn Dr. B. Haendcke die Belehrung entgegen,
wie er seinen Hinweis auf His aufgefasst haben wolle; doch habe ich wohl
Notizen.
267
nicht allein in jener Abhandlung von His eine Andeutung gesucht, dass der
für 1508 sichergestellte kurze Aufenthalt des Fries in Bern und der von His
für ungefähr 1512 »wahrscheinlich« gemachte längere Aufenthalt des Fries in
gleicher Stadt (1518 kommt nicht mehr in Betracht) auch His als ein äusserer
Anhaltspunkt für ein Leh rverhältniss zwischen Fries und Manuel
erschienen sei. Wählte Herr Dr. Haendcke nun aber schon eine bis zum
Dunkel gehende Knappheit des Ausdrucks, so hätte er auch dann noch, min-
destens für den Nachspürenden, jedes Missverständniss ausgeschlossen, wenn
er nach wissenschaftlichem Brauch citirt hätte, d. h. nicht bloss auf den Band,
sondern auch auf die Seiten, wo sich jene »äusseren Anhaltspunkte« finden,
verwiesen hätte. Möglich, dass es an Beispiefen für seine Art zu citiren nicht
fehle, aber das sind doch nur abschreckende Beispiele.
Die nun von Herrn Dr. Berthold Haendcke gegebenen »thatsächlichen
Berichtigungen« war ich entschlossen abzuweisen, trotzdem mein Gegner mir in
solchem Falle durch den Fürsprech mit gerichtlichem Vorgehen drohte. Den
Paragraph 11 des deutschen Reichsgesetzes als letztes Auskunftsmittel, um
wissenschaftliche Zweifler zum Glauben zu zwingen, sollte man über einen
solchen Gedanken sich entrüsten oder lachen? Schade, dass die »peinliche
Frage« unmöglich geworden , das wäre ja ein noch wirksamerer Schutz un-
bewiesener Behauptungen. Aber dann dachte ich mir, mein Gegner ist sehr
jung, und so ist es menschlicher, ihn zu belehren, als ihn — pathetisch zu
nehmen. Und das geschehe nun, aber recht vorsichtig, denn eine dritte
Antwort möchte ich den Lesern des Repertoriums doch gern ersparen; war-
um soll ihnen der Manuel ganz verleidet werden ?
Zunächst also wnll Herr Dr. Berthold Haendcke »bewiesen« haben,
dass Fries den Manuel im Handw'erk des Malens unterrichtet habe. Dafür
führt er nun die »muldenförmigen, rundlich-weichen Falten«, das im Schatten
schwärzliche Ziegelroth, dann schmutziges Kirschroth und dasCarnat als Beweis-
material an. Sollte Herr Berthold Haendcke nicht wissen, dass eine »Beweisfüh-
rung«, die auf zwei Augen beruht, überhaupt nicht verbindlich ist? sie nimmt
unseren guten Willen in Anspruch, deutlicher gesagt, den Autoritätsglauben;
den aber bringen wir doch nur dem entgegen, dessen richtigen und scharfen
Blick wir bereits erprobt haben. Wenn ich den Wahrnehmungen Bode’s oder
Morelli’s Glauben entgegen bringe, zwingt mich dies auch, den Wahrnehmungen
des Herrn Dr. Haendcke Glauben entgegen zu bringen? Hier gilt es nun
einmal: Duo quum faciunt idem non est idem. Und hätte ich auch guten
Willen, mich der Autorität des Manuelbiographen zu unterwerfen, wie schwer
wird es mir durch ihn selber gemacht. Auf der Palette des Fries und Ma-
nuel findet sich »das bräunliche Carnat mit den violetten Schatten.« Dieses
Beweisglied lässt sich nun durch die Wahrnehmungen meines Gegners selbst
controlliren. »Das Carnat ist beim hl. Lukas ein warmbraunes mit dunkel-
braunen Schatten, in die sich ein violetter Ton einmischt.« (Vögelin fand,
dass das Gesicht des Lukas gänzlich übermalt sei; Dr. Haendcke »con-
statirt das genaue Gegentheil« ; ist kein Fürsprech da?); »die Carnation bei
den Frauen ist grau-weiss mit dunkleren grauen Schatten«; die F'leischfarbe
268
Notizen.
der Pulti und Engel ist mit »gelblich-braunem Ton angegeben«; »die Gesichts-
farbe der alten Wehmutter ist warmbraun« (S. 20) — freilich , was nicht
stimmt, ist leicht weggeschafft, »Eigenarten dürfen uns nicht weiter auffallen«
(S. 21). Aber wo bleibt denn dann der wissenschaftlich geführte Beweis?
Wenn kein Neger zu malen war, hat doch auch sonst noch mancher andere
Meister des 15. und 16. Jahrhunderts ein »bräunliches Incarnat«, auch mit
violettem Schatten verwendet ! Und so richte ich an Herrn Dr. Haendcke
die Bitte, mir zu gestatten, mit eigenen Augen zu sehen, ich gestatte ihm
dafür, meine Wahrnehmung, dass Jörg Breu in der Färbung sich dem Hans
Burgkmair anschliesse, anzuzweifeln; »gerichtliches Verfahren« drohe ich ihm
solcher Zweifel wegen nicht an.
Die zweite thatsächliche Berichtigung ist von gleichem Werthe. Den
Einfluss Dürer’s auf jene sieben Handzeichnungen findet Herr Dr. Haendcke
bewiesen durch die Uebereinstimmung der technischen Behandlung derselben
mit der Fortunazeichnung. Was ist denn nun aber an der technischen Be-
handlung der Fortunazeichnung Dürerisch? Die unbeholfene Imitirung der
Strichmanier mit kurzen , engen Kreuzschraffirungen in der Strichlage , und
das sichtliche Bemühen , theils durch den scharfen Contur das metallische
Aufliegen der Linien nachzuahmen, wie dies bei guten Kupferdrucken statt-
findet, theils durch die Höhung mit weisser Farbe diesen Effect anzustreben.
Kann der Verfasser in der That solche unbeholfene, bäurisch-plumpe Nach-
ahmung der Kupferdrucktechnik, zu der ein Dürerblatt zufällig anregte, für
mehr als einen Hinweis verwenden, dass jene Blätter zeitlich in die Nähe des
Fortunablattes fallen? Aber was hat dies mit einem künstlerischen Einfluss
Dürer’s auf Manuel zu thun? Ich bitte die Leser, den Stich Dürer’s neben
die Abbildung des Manuel’schen Blattes (in der Manuelschrift) zu legen , und
ein Blick wird genügen, das Urtheil des Herrn Dr. Haendcke geziemend zu
schätzen. Das Fortunablatt hatte nichts als das Motiv von Dürer entlehnt,
und nun sollen jene sieben Handzeichnungen, die nur die rohe technische
Behandlung mit dem Fortunablatt gemein haben, den Einfluss Dürer’s be-
weisen. Das ist eine wunderliche Logik. Da schenke ich mir die P'rage, ob
das Blatt, Die Türken, »in Holzschnittmanier ohne jede Höhung mit der Feder
gezeichnet«, in der Behandlung auch unter Dürer’s Einfluss stehe. Wenn
Herr Dr. Haendcke darnach wirklich der Meinung ist, er habe »Beweise«
geliefert, so hat er damit zu meinem Bedauern bewiesen, dass er von der
kunstgeschichtlichen, ja von einer wissenschaftlichen Methode überhaupt keine
Ahnung habe; aber in solchem Falle würden Vermuthungen auch durch keinen
Rechtsspruch zu Beweisen gestempelt. Nun aber darf ich doch wohl die
Manuelschrift in einer verborgenen Ecke meines Bücherschranks bergen, hoffend,
meinen Gegner nicht wieder missverstanden zu haben ; andernfalls wäre ja
die Lectüre der Apokalypse Kinderspiel im Vergleich zur Lectüre eines Artikels
von Dr. Berthold Haendcke. H. Janitschek.
Bibliographische Notizen.
269
Bibliographische Notizen.
Im dritten Heft des Jahrbuches des kaiserl. deutschen archäol. Instituts
(Bd. V. 1890) gibt ein Meister archäologischer Forschung und feinsinniger
Stilkritik, R-einhard Kekule, in einer Abhandlung: lieber die Darstel-
lung der Erschaffung der Eva einen Beleg, in welcher Weise die christ-
liche Kunst in den Dienst der classischen gestellt werden kann. Es handelt
sich um den Ostgiebel des Parthenon. Es war dort der Mythos von
der Geburt aus dem Haupte des Zeus dargestellt. Doch in welcher Form?
Darüber gehen die Hypothesen auseinander. Besonders: wie war die Mittel-
gruppe zu denken? Gerhard vertrat die Ansicht, dass das Wunder in völlig
unzweifelhafter Deutlichkeit erkennbar gewesen sein müsse. Welcker dagegen
verfocht, dass nur die Thatsache des Wunders — also Athena erwachsen,
neben Zeus, Brunn endlich, dass nur die Vorbereitung des Wunders —
also Zeus allein — hier dargestellt gewesen sei. Nun fasste Kekulö den Ver-
such einer Lösung des Problems von einer ganz neuen Seite an ; einen
»Einfall« nennt er es, aber es war doch ein genialer Einfall, der wahrschein-
lich nicht ohne fortwirkende Bedeutung auf die Methode archäologischer
Forschung bleiben wird. Er fasst das entsprechende Motiv in der christlichen
Kunst — die Erschaffung der Eva — ins Auge und verfolgt seine Gestaltung
durch den ganzen Verlauf christlicher Kunstentwicklung von den Anfängen
auf Sarkophagen und in Miniaturen bis zu Michelangelo’s Sixtina-Malereien.
Welches Stadium der ikonographischen Entwicklung würde nun aber hier
zum Vergleich heranzuziehen sein? Doch nur jenes, welches in eine Epoche
der Stilentwicklung fiele, deren Kunststufe jener, in welcher die Parthenon-
sculpturen entstanden, entspräche. »Keinesfalls wird die den Parthenon-
sculpturen entsprechende Stufe der italienischen Kunst in den mittelalterlichen
Mosaiken von Morreale, sie wird überhaupt unmöglich rückwärts hinter Ghi-
berti zu suchen sein; nach der zeitlichen Stufe der kunstgeschichtlichen
Entwicklung werden sie eher mit Ghiberti als mit Michelangelo und Raphael,
nach dem persönlichen Ideal eher mit Ghiberti und Raphael als mit Michel-
angelo zusammenzustellen sein. Wir werden also im Parthenongiebel eine
Athenageburt vermuthen, welche, wie Ghiberti und Raphael — und im We-
sentlichen auch Michelangelo — Eva so Athena in voller Gestalt zeigte.«
Und weiter: »Unter allen Umständen muss sich Athena, durch keine andere
Figur getrennt, dicht bei Zeus befunden haben, so dass man schon aus der
Stelle, die sie einnahm, auf eine körperliche Zusammengehörigkeit schliessen
musste.« Nach Analogie von Ghiberti und Raphael ist ferner zu vermuthen,
dass die in voller Gestalt dicht neben Zeus am Boden stehende Athena
wenigstens mit einem Fuss und einem Theil des Unterkörpers hinter Zeus
verschwand. Auch der Kopf des thronenden Zeus musste durch seine Haltung
und die Handbewegung der nächsten Figuren bedeutsam bezeichnet sein. Es
wird abzuwarten sein, wie die Fachgenossen Kekulö’s sich zu den positiven
270
Bibliographische Notizen.
Ergebnissen dieser Untersuchung verhalten ; wie immer das Uriheil darüber
ausfalle, der Weg, auf dem Kekule zu den Ergebnissen kam, ist — man möchte
es meinen — der am meisten zuverlässige, der zu gehen war. Der Kunst-
historiker aber verzeichnet mit Freude, dass hier nicht eine zufällige Analogie
angerufen wurde, sondern dass methodisch die christliche Kunstgeschichte für
die Lösung eines Problems classisch - archäologischer Forschung angewendet
wurde. Wie der Kunsthistoriker längst das Studium der classischen Archäo-
logie als den Anfangspunkt seiner eigenen Studien betrachtet, so wird mit
solchen Untersuchungen es auch dem classischen Archäologen dringend nahe
gelegt, dass sein Fach des eindringlichen Studiums der christlichen Kunst-
geschichte nicht entralhen kann. Was die von Kekule angezogenen Denkmäler
betrifft, so konnte es sich nicht darum handeln, jede einzelne Behandlung des
Motivs heranzuziehen, soweit ich aber den Denkmälerschatz überblicken kann,
ist kein Stadium der ikonographischen Entwicklung des Motivs der Erschaffung
der Eva dem Verfasser entgangen.
Dr. Jüh. V. Antoniewicz: Ikonographisches zu Chrestien de
Troyes. Erlangen und Leipzig, Andr. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung 1890.
Auch hier ein energischer Mahnruf gegen die geistlose Absperrung der ein-
zelnen Fachdisciplinen. Die Ikonographie ist eine Nebendisciplin der Kunst-
geschichte und in dem letzten Jahrzehnt findet sie auch wieder einige eifrige
Arbeiter. Aber im Wesentlichen beziehen sich diese Studien nur auf die
Ikonographie religiöser Stoffe. Die profane Ikonographie des Mittelalters da-
gegen liegt noch völlig im Argen. Hier ist ein Grenzgebiet, das der Kunst-
historiker nur schwer gründlich zu bebauen vermöchte. Dazu wäre in erster
Linie der Romanist und Germanist berufen. Aber der Verfasser betont mit
Recht, wie die neuere Philologie das Studium der gleichzeitigen Kunsterzeug-
nisse völlig vernachlässige, ja ausschliesse. Was kümmert sich auch der
Philologe und selbst der Historiker um die Kunstdenkmäler ! Um Worte allein
handelt es sich für den Einen , um geschriebene Urkunden für den Zweiten,
in welcher Weise die Kunstdenkmäler in den Geist einer Epoche einführen,
das scheert den Einen wie den Andern blutwenig. Die vorliegende Unter-
suchung knüpft an ein am 8. März 1881 wieder aufgefundenes Elfenbein-
kästchen in der Schatzkammer der Krakauer Schlosskirche. Zeit der Ent-
stehung: etwa Mitte des 15. Jahrhunderts; der Ursprung wohl französisch.
Sein Bilderschmuck zeigt eine typische Zusammenstellung der bekanntesten
und beliebtesten Motive jener Zeit. Der Verfasser deutet sie: Erstürmung der
Liebesburg (acht Bilder), der Schwank von Alexander d. Gr., seiner Geliebten
Phyllis und dem Meister Aristoteles. Wenn der Verfasser aber aus dem ju-
gendlichen, halb kindlichen Gesicht Alexanders irgend weiche Schlüsse ziehen
will auf die Fassung der Quelle, so ist dies ein Irrthum; das jugendliche
Aussehen Alexanders gehl nicht auf eine Quelle, sondern auf die höfische
Aesthetik jener Zeit zurück , die verlangt vom Ritter und Helden stets das
jugendliche Aussehen (zwei Bilder). Es folgt dann die Geschichte von Pyramus
und Thisbe (nach dem Verfasser in der Fassung bei Barbazan und Meon) in
Bibliographische Notizen.
27J
zwei Bildern, dann Tristan und Isolde von König Marke belauscht und Erlegung
des Einhorn (»typische Zusammenstellung«) in je einem Bild. Zwei Bilder auf
der linken Schmalseite vermag der Verfasser nicht bestimmt zu deuten. Auf der
Rückseite: zwei Darstellungen mit dem Abenteuer Lancelots auf der Schwert-
brücke und dasjenige Gäwans auf dem Wunderbette. Hier nun weist der Verf.
eingehend nach , dass diese Bilder vollständig mit den entsprechenden Stellen
der beiden grossen Romane Lancelot und Parcival von Ghrestien de Troyes
übereinstimmen, so dass er aus dieser Quelle heraus jede Einzelheit zu deuten
vermag. Zugleich weist der Verfasser nach , wie gerade diese Serie von Bil-
dern in typischer Wiederholung bei einer ganzen Reihe von Elfenbeinkästchen
angetroffen wird. Dies damit in Beziehung zu setzen, dass Troyes der Aus-,
gangspunkt der Kunstentwicklung der französischen Elfenbeinplastik gewesen
sei, dafür reichen meiner Meinung nach die Beweise noch nicht aus. Jeden-
falls hat der Verfasser der mittelalterlichen profanen Ikonographie mit diesen
Untersuchungen erheblich genutzt ; der Kunsthistoriker zum mindesten ist
dankbar dafür, zumal er ganz mit dem Verfasser darin einig ist, dass gerade
die Gestaltung profaner Stoffe die mittelalterliche Kunstentwicklung in neue
Bahnen gelenkt, die Anfänge eines nationalen Stils in Frankreich und Deutsch-
land begründet habe.
Auf welche Weise der Unterricht an Gymnasien vorzuarbgiten hätte,
damit die Kunstgeschichte später befruchtend und verlebendigend in die ein-
zelnen Disciplinen, Philologie und Geschichte eingreifen könnte, hat erst vor
Kurzem G. Dehio in einem sehr beachtenswerthen Artikel der Beilage zur
Allgemeinen Zeitung (1890, Nr. 336) dargethan.
Der auf dem Gebiete der Kunstgeschichte Böhmens rastlos thätige For-
scher Joseph Neuwirth gibt in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte
des Deutschthums in Böhmen (29. .Jahrg. S. 49 ff.) zwei Beiträge zur Ge-
schichte der Malerei in Böhmen während des 14. Jahrhunderts. In
dem ersten bringt er ergänzendes Material zu dem von Pangerl und Wolt-
mann herausgegebenen Buch der Malerzeche in Prag (Quellenschriften Xlll) ;
derselbe liefert den über allem Zweifel stehenden Beweis, dass die Malerzeche
deutsch war, deutsch waren deren Satzungen von 1348, deutsch das Privileg
Karls IV. für die Neustädter Schilder am 16. Januar 1365 und die Erneuerung
desselben durch Wenzel IV. am 6. Januar 1380, deutsch endlich die am
30. März 1392 erlassenen Bestimmungen, welche den geistlichen Malern der
Altstadt ebenso wie den Schildern der Neustadt galten. Das konnte aber nur
der Fall sein, wenn das Deutsche sowohl den Altstädter wie den Neustädter
Malern In gleicher Weise nahestand. Der zweite Beitrag handelt über Nicolaus
Wurmser von Strassburg und Meister Theodorich von Prag. Auf Grund scharf-
sinniger Urkundeninterpretation macht es der Verfasser wahrscheinlich, dass
Nicolaus Wurmser, der ja die Tochter eines- Saazer Bürgers geheiratet hatte,
aber sein Strassburger Bürgerrecht beibehielt (»civis in Strazburk« heisst es
in der Urkunde von 1357), nach 1360 und vor 1367 Böhmen wieder verlassen
habe und nach Strassburg zurückgekehrt sei. Ebenso w’ahrscheinlich ist des
XIV 19
272
Bibliographische Notizen.
Verfassers Annahme, dass Theodorich gegen 1380 gestorben sei; beides sind
Folgerungen aus der in Urkunden vorliegenden Geschichte des Besitzes des
Hofes Morin.
Ein interessantes Denkmal deutscher Wandmalerei führt W. Lübke in
seiner Abhandlung : Die Wandgemälde in der Schlosscapelle zu Ober-
grombach (Zeitschrift f. Gesch. des Oberrheins, N. F., VI. 1.) in die Ge-
schichte der deutschen Malerei ein. Mit überzeugenden Gründen stellt der Ver-
fasser die Zeit 1464 — 1467 als Datum der Erstehung fest. Darauf folgt die
ikonographische und technische Erläuterung. Auch mit der künstlerischen
Abschätzung des Verfassers — als das Werk eines hinter dem Fortschritt der
Zeit zurückgebliebenen Localkünstlers — wird man sich völlig einverstanden
erklären.
Ueber di Camera della Segnatura hat F. X. Kraus in der Rassegna
Nazionale (1890) eine sehr feinsinnige und in den geistigen Gehalt dieses
Bildercyclus tief eindringende Studie veröffentlicht. Erfreulich ist es, dass der
gelehrte Theologe in der Hauptsache zu derselben Auffassung kommt, wie die
Mehrzahl hervorragender Raphael forscher, zuletzt Springer, Müntz, Hettner etc.
Die Herrschaft der Philosophie, in der Versöhnung der beiden grössten
Vertreter ihrer Hauptrichtungen, ist in der Schule von Athen dargestellt.
Gerne lassen wir dabei als verbindenden Faden zwischen dieser Darstellung
und den anderen das Wort des Pico della Mirandola gelten: Philosophia veri-
tatem quaerit; theologia invenit; religio possidet. Die geistvolle Abhandlung
sei den Fachgenossen auf das Wärmste empfohlen.
Berth. Riehl hat in der Zeitschrift des bayer. Kunstgewerbevereins
München (1890) eine Skizze der Geschichte der mittelalterlichen
Plastik im bayerischen Stammlande geboten. Er findet die oft auffallende
Rohheit in den plastischen Werken des 12. Jahrhunderts in der untergeord-
neten decorativen Stellung derselben begründet. Ein Fortschritt zu feinerer
Durchbildung ist erst im 13. Jahrhundert nachzuweisen. Die Entwicklung wird
durch die drei grossen Cyclen, den aus Wessobrunn, den bald nach Mitte des
13. Jahrhunderts entstandenen an der Brüstung der Empore der Schlosscapelle
auf der Trausnitz und den in die Frühgothik überführenden Sculpturencyclus
in Seeligenthal bei Landshut dargelegt. Als das beste und vollständigste Bild
einer plastischen Schule des 14. Jahrhunderts wird die von Regensburg ein-
gehender behandelt. In der Darstellung der Plastik des 15. Jahrhunderts tritt
München in den Vordergrund. Diese Skizze, auf reicher Denkmälerkenntniss
beruhend — wohl eine Frucht der Inventarisationsarbeiten — und mit guten
Illustrationen ausgestattet, ist als ein Beitrag zur Geschichte der deutschen
Plastik — sofern sie eine breitere Behandlung für besondere provincielle Grup-
pen bietet — recht willkommen.
In einem Aufsatz des Mainzer Journal vom 26. November 1890 bringt
Dr. Friedrich Schneider den sehr interessanten Wahrscheinlichkeitsbeweis,
dass die Urheberschaft am Mainzer Marktbrunhen dem Peter Flötner zukomme.
Bibliographische Notizen.
273
Der Auftraggeber, Cardinal Albrecht, legt es schon nahe, an einen Nürnberger
Künstler zu denken ; und nun weist auf Peter Flötner nicht nur die stilistische
Uebereinstimmung mit beglaubigten Zeichnungen, sondern auch das Meister-
zeichen, aus Schlägel und Stecheisen bestehend, das Flötner bald allein, bald
in Verbindung mit Anfangsbuchstaben des Namens oder der Jahreszahl auch
in den Holzschnitten gebraucht hat.
E. Müntz gibt im Ami des Monuments et des Arts (1890) die Ge-
schichte und Stilanalyse des Grabmals, das Cardinal de Lag ränge sich
in Avignon errichten liess (ein zweites hatte er sich in der Kathedrale von
Amiens gestiftet, zerstört 1751). Jedenfalls wurde damit schon vor 1402 be-
gonnen, da das Testament am 12. April 1402 von dem Grabmal als im Ent-
stehen befindlich spricht. Dieses Denkmal wurde während der Revolutions-
zeit zerstört und Theile des Bildwerkes verkauft; die Reste werden jetzt im
Museum zu Avignon aufbewahrt. Zum Glück hat der Verfasser in der Bibliothek
Barberini in Rom eine Zeichnung des Monuments aus dem 17, Jahrhundert
entdeckt, wodurch der ganze Aufbau klar wird. Der Verfasser bringt eine
Abbildung der Zeichnung und analysirt die einzelnen Theile. Das berühm-
teste Stück des Ganzen — Le Transi wie es der Volksmund nennt — das
den Körper des Todten zwar nicht als Skelett, doch aber schon in mumienhafter
Austrocknung (trockene Fäulniss) vorführt, ist, wie das von Müntz beige-
brachte Gutachten der Aerzte Charcot und Richer bezeugt, mit viel Wahrheit
und unzweifelhaftem anatomischem Wissen wiedergegeben. Dieser Realismus
in Darstellung des Schrecklichen hat reiche Nachfolge bis in das 16. Jahr-
hundert hinein gefunden. Der Verfasser lässt es nicht an Beispielen zur Be-
stätigung dieser Behauptung fehlen.
G. Uzielli bringt im Bolletino della Societä Geografica Italiana (Juni
1890) eine Studie über die Bildnisse des Paolo dal Pozzo Toscanelli
von Alessio Baldovinetti und Vittor Pisani. Schon früher (Bollettino
di Bibliografica e die Storia delle Scienze Mat. e Fisiche 1884) hatte der Ver-
fasser den Nachweis erbracht, dass Vasari, als er an der Decke des Saales,
genannt Camera di Cosimo il Vecchio im Palazzo Vecchio in Florenz die
Bildnisse des Marsilio und des Paolo dal Pozzo Toscanelli malte, dafür das
von Alessio Baldovinetti, zwischen 1471 und 1476 gemalte, nicht mehr vor-
handene Bildniss des Paolo in der Kirche Sta. Trinita benützte. Der Verfasser
bringt nun eine Abbildung in Zinkographie von dem Fresco Vasari’s und
knüpft daran eine kurze kritische Biographie des Pisanello, eines und das
Andere um Anhaltspunkte zu geben, zum mindesten etwa die Zeichnung
zu der Medaille, welche Pisanello von Paolo machte, aufzufinden. Die Zeit,
da die Medaille entstand, setzt der Verfasser ungefähr auf 1450 — zu welcher
Zeit Paolo ungefähr 50 Jahre zählte. Mit Recht bemerkt der Verfasser, dass
darnach eine starke Aenderung der Physiognomie nicht mehr eintritt, zumal
wenn sie so charakteristische Formen besitzt, wie es nach dem Bildniss des
Baldovinetti-Vasari bei Paolo der Fall war. Mag die Absicht des Verfassers
274
Bibliographische Notizen.
in Erfüllung gehen, in jedem Falle aber freuen wir uns der kleinen biogra-
phischen Studie, welche die dem Verfasser eigene scharfsinnige Kritik und
Auslegung vorhandener Quellen in hohem Maasse zeigt.
Von Katalogen und Führern ist hier zunächst hervorzuheben die
neue (vierte Auflage) von Th. Gsell-Fels »Italien in sechzig Tagen«
(Leipzig, Bibliogr. Institut 1891), mit 16 Karten, 32 Plänen und Grundrissen.
Der Verfasser ist rastlos bemüht, die praktische Brauchbarkeit seines Reise-
buches zu erhöhen, ohne der vornehmen und geschickten Art, den Reisenden
wirklich mit Cultur und Kunst und Geschichte Italiens bekannt zu machen,
irgendwie Abbruch zu thun. Doch wir Leute von Fach betrachten Gsell-Fels
ja längst als einen zur Zunft Gehörigen und ich habe desshalb nur zu sagen,
dass auch alles das, was sich auf den Comfort des Aufenthaltes bezieht, vom
Verfasser eine gründliche Durchsicht, die der Wandel mancher Verhältnisse
nothwendig machte, erfuhr. Die Verlagshandlung -trug das Ihrige durch Ver-
mehrung des kartographischen Theils bei.
Der Vollendung des Ulmer Münsterbaues zu Ehren ist ein Münster-
büchlein vom Stadtpfarrer am Münster, Dr. R. Pfleiderer, erschienen (Ver-
lag von J. Ebner in Ulm). Die Geschichte des Münsters, die uns der Verfasser
erzählt, die Beschreibung der Kunstschätze desselben, zeigt nicht bloss Liebe
zur Sache, sondern auch gründliche Kenntniss des einschlägigen Materials.
Und welche Arbeit steckt schon in der genauen Beschreibung des Bauwerkes
und des ganzen reichen plastischen Schmuckes desselben. Dies kann nur von
dem geleistet werden , der in täglichem Umgang mit dem Werke lebt. Auf
einzelne Erörterungen komme ich vielleicht noch bei anderer Gelegenheit zu-
rück. Hervorgehoben sei auch die reiche Illustration, die unter Anderem
auch, was besonders willkommen, Schaffner’s Porträt des Itel Besserer in
der Besserer-Gapelle bringt.
Von L. V, Donop liegen wieder zwei seiner sorgsam redigirten und
mit Lebensskizzen der betreffenden Künstler versehenen Ausstellungs-Kata-
loge vor: der eine gilt der Ausstellung Bendemann, der andere den Aus-
stellungen von Wilhelm Gentz und Carl Steffek (3. Nov. bis 15. Dec.). Ber-
lin, Mittler 1890.
Der Aldenhoven’sche Katalog der herzogl. Gemäldegalerie zu Gotha
sei einstweilen nur genannt; eine eingehende Besprechung wird folgen.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
Von Franz Rietfel.
Eusebio Ferrari und die Schule von Vercelli,
In der städtischen Gemäldegalerie zu Mainz befindet sich ein dreitheiliges
Altarbild, welches in dem provisorischen Verzeichniss der Gemälde aus dem
Jahre 1888 folgendermassen aufgeführt wird;
Giovanni Antonio de’Bazzi, genannt il Sodoma.
(1477 — 1549. Mailand, Siena. Rom. Siena.)
108. Mittelbild : Geburt Christi.
109. Linker Flügel: Der hl. Hieronymus.
110. Rechter Flügel: Der Engel Raphael und Tobias.
Die nebenstehende Reproduction giebt das Bild wieder. Es ist auf
Pappelholz in Tempera gemalt ; die Maasse (innerhalb des Rahmens genommen)
sind. Mittelbild 158 cm hoch, 71 cm breit; linker Flügel 115 cm hoch, 50 cm
breit; rechter Flügel 115,5 cm hoch, 50 cm breit. Zur Veranschaulichung
der Färbung mögen folgende Bemerkungen dienen: Hieronymus trägt ein
hellblaugrünes, an den Lichtstellen weissliches Gewand und einen rothen
Mantel; Josef ist mit blaugrauem, an den Lichtstellen weisslichem Untergewand
und rothem Mantel, Maria mit rothem Untergew’and und blauem, wenig in’s
Grüne stechendem, goldgemustertem Mantel bekleidet ; auf dem Hinterkopf hat
sie ein schleierartiges rosa Tuch, über die Stirn ufid an der Brust eine Schleier-
binde von grauweissem Seidenflor. Von den anbetenden Engeln hat der links
vom Beschauer knieende blau , der auf der Rechten rosa schillernde Flügel ;
um den Leib tragen sie orangefarbne Binden. Der Engel Raphael hat ein
blassrosa, an den Lichtstellen weissliches Gewand mit orangefarbnen Aermeln
und einen rothen Mantel an, um die Brust und am Gürtel schmale blaugraue
Binden. Tobias trägt einen dunkelgrünen Reiserock. Die Landschaft hat
überall einen saftiggrünen, in der Ferne sich in’s Blaue auf hellenden Ton.
Die Farbenstimmung ist frisch und zart.
Das Gemälde stammt von dem im Jahre 1841 zu Mainz verstorbenen
Sammler und Kunsthändler Martin von Metzler, welcher die Stadt Mainz zur
Erbin seiner grossentheils aus Kunstwerken bestehenden Hinterlassenschaft
XIV 20
276
Franz RiefTel:
eingesetzt hatte. In dem Nachlassinventar heisst es »Schorel«. Bei der Auf-
stellung in der Mainzer Galerie erhielt es den Namen »Gaudenzio Ferrari«,
welche Benennung sich bis vor einigen Jahren auf dem Rahmen in folgender
Weise ausgedrückt fand:
Gaudentio Ferrari da Valdugio
1498-1500
Mitschüler des Rafael Sanzio bei Perugino.
Römisch-florentinische Schule.
Unrichtiger konnte die Inschrift allerdings nicht gut abgefasst sein, so-
wohl formell in Bezug auf ihre Orthographie, als auch materiell in Bezug auf
die darin enthaltenen biographischen Daten. Als Levin in seinem Kampfes-
ruf gegen die Missstände in der Städel’schen Galerie gelegentlich auf die
Mainzer Gemäldesammlung aufmerksam machte 0. entging denn auch die an-
greifliche Inschrift seinem Eifer nicht. (Dabei hat er sich nun freilich etwas
versehen, indem er das Datum 1498 — 1500 auf Gaudenzio s Lebensdauer bezog,
während es klärlich zur folgenden Zeile gehörte und die Dauer seines Schüler-
verhältnisses angeben wollte.) Zu dieser Zeit war übrigens die Entfernung der
Inschrift längst beabsichtigt. Es waren Zweifel an der Richtigkeit der Be-
stimmung ausgesprochen worden ; von hervorragenden Kunstforschern wurde
die Zutheilung an Bazzi befürwortet, und dieser Name fand schliesslich in das
provisorische Verzeichniss von 1888 Eingang.
Welche von beiden Benennungen, Gaudenzio Ferrari oder Bazzi, der
Wahrheit am nächsten kommt, darüber wird sich streiten lassen. Dass ein
so grosser Meister, wie Gaudenzio Ferrari oder Bazzi, überhaupt nicht in Frage
kommen kann, sondern nur eine weit geringere Kraft, zeigt meines Erachtens
die Betrachtung der klotzigen Hände Josefs, der Madonna und der anbetenden
Engel; der Hände und Füsse des Christkindes; des ganz missbildeten Daumens
an der linken Hand Raphaels der fast durchgängig verzeichneten Augen; der
recht ungeschickten Stellung und Verkürzung des rechten Beins des knieenden
Tobias. Die sorgfältige Ausführung des Bildes im Uebrigen beweist, dass an
diesen Schwächen nicht Nachlässigkeit des Malers die Schuld trägt, sondern
dass es Fehler des Geschmacks und der Geschicklichkeit sind. Der süssen
Innigkeit des Madonnenkopfes hätte sich freilich auch Bazzi nicht zu schämen
und die vollendete Anmuth des Ganzen wird gerade durch die Thatsache, dass
bedeutende Kenner das Werk seiner werth erachteten, am besten bezeugt.
Sollten wir übrigens zwischen einem von beiden Namen wählen müssen,
so würde, glaube ich, Gaudenzio derjenige sein, auf welchen das Bild zumeist
hindeutet. Denn nicht bloss in solchen Stileigenthümlichkeiten , welche indi-
viduellerer Natur sind, wie z. B. in der Ohrenbildung, weicht es von der
Weise des Bazzi ab; es fehlt ihm auch anderes, was der Schüler oder Nach-
ahmer von dem Meister eher annimmt, so die biegsame und geschmeidige,
fast knöchellose Bazzi’sche Hand mit den etwas zugespitzten Fingern; das
mandelförmige, von schmalen, scharf hervortretenden Lidern umschlossene.
1) Levin, Eine gefälschte Gemäldesammlung. Kunstchronik XXII, p. 676.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
277
wie feucht schimmernde Auge des Bazzi; die bestimmt gezeichneten, dünnen,
langen, bogenförmigen Augenbrauen ; der etwas fahle Fleischton ; die Schlängel-
falten ; die reiche, offene (meist wasserdurchströmte) Landschaft. An Gaudenzio
dagegen klingt der Kopftypus an ; die Handbildung mit den scharf abgesetzten
Gelenken (nämlich an den Gaudenzio von 1510 und den darauf folgenden
Jahren ; später wird seine Hand weicher und fleischiger) ; das rundliche Auge
mit den schweren Lidern und den hohen, schwachen Brauen ; die Landschaft
mit den grossen, quaderartigen Felsblöcken; die Schillerfarbe der Gewänder.
Während aber die Betrachtung des Einzelnen zu Gaudenzio hinführt, entfernt
die Betrachtung des Ganzen wieder von ihm : denn da ist nicht sein energisches
Leben und die Frische seiner Auffassung, sondern eine beschauliche Ruhe,
welche ihm ganz fremd ist. (Man vergleiche nur die innerliche Bewegtheit der
Gestalten auf seinen Darstellungen gleichen Inhalts in Arona, Varallo und
S. Gaudenzio zu Novara.) Ueberhaupt: der Maler unseres Bildes ist stilistisch
noch durchaus ein Angehöriger des Quattrocento ; das beweist nicht allein eine
gewisse Herbe und Befangenheit der Geberden und Formen, sondern auch die
Malweise, die spitzpinslige Behandlung der Haare, die harte, trockne Beleuch-
tung der Bäume.
Das Ergebniss dieser stilkritischen Erwägungen würde also leider nur
negativ sein. Erfreulicher Weise hat jedoch ein günstiger Zufall im Sommer
1889 auch einen positiven Aufschluss über den Künstler gebracht.
Bei dem Durchsuchen der Galerieacten fand sich ein Gorrecturbogen
für den Katalog, welcher nach Aufnahme der von Metzler’schen Sammlung
in die Galerie im Jahre 1844 entworfen, aber nicht, wenigstens nicht in der
Fassung des Correcturbogens , veröffentlicht wurde. Hier heisst es von un-
serem Altarbild:
Diese drei Gemälde sind von Eusebio Ferrari, richtiger gesagt von Gau-
dentio Ferrari da Valdugio, Raphaels Mitschüler bei Pietro Perugino 1498
bis 1500. Römisch-florentinische Schule.
Dass der Vorname »Eusebio« auf einem Schreibfehler beruhe, war nicht
zu denken, da sofort der Vorname »Gaudenzio« als der richtigere zur Aus-
wahl präsentirt wurde. Andererseits war ein Maler Eusebio Ferrari sowohl
Lanzi’s Geschichte der italienischen Malerei, als auch Nagler’s Künstlerlexikon
fremd. Es musste daher die italienische Specialforschung um Belehrung an-
gegangen werden. Diese Hess auch nicht im Stich. Zunächst fand sich in
des Padre Colombo Vita ed opere di Gaudenzio Ferrari (Torino 1881) nicht
nur auf Seite 42 ein Maler Eusebio Ferrari erwähnt, sondern es waren dort
auch Urkunden mitgetheilt, welche den Eusebio in naher, persönlicher Be-
ziehung zu seinem Namensvetter Gaudenzio zeigen. (Auch unser Bild ist in
der Monographie p. 55—56 und p. 224 besprochen, jedoch dem Gaudenzio bei-
gemessen.) Weitere Nachforschungen Hessen in einem älteren Werke', De-
Gregory, Istoria della Vercellese letteratura ed arti (parte seconda, Torino 1820,
p. 232—233), auf folgende Stelle stossen :
Ferrario Eusebio, pittore Vercellese II Bellini ed il Ranza
dicono, che sussisteva nella Chiesa di San Paolo in Vercelli una tavola
278
Franz Rieffel:
tripartita di questo nostro pittdre rappresentante la nascitä del bambino
Gesü con le mani in bocca; vicino alla culla stavano tre angeli in adora-
zione, a destra San Giuseppe, a sinistra la B. V. Maria colle mani giunte.
In mezzo ad una fabbrica diroccata si vedeva l’angelo annunziare ai pastori
la nascitä del Messia ; nella parte destra della tavola stava dipinto San
Girolamo ginocchione nella spelonca e nella sinistra tavola l’angelo custode
conducente un fanciullo ed un cagnolino a’ suoi piedi.
Si leggeva sotto la tavola »Eusebius Ferrarius Vercellensis operabatur
penicillo apelleo« in caratteri greci. —
Es ist klar, dass diese Beschreibung des Gemäldes, wenn links und rechts
in heraldischem Sinn verstanden wird, Wort für Wort auf unser Bild passt
— abgesehen von der nicht mehr vorhandenen Unterschrift. Nachfragen an
Ort und Stelle nach der Persönlichkeit des Schriftstellers De-Gregory, seiner
Gewährsmänner Bellini und Ranza, der Richtigkeit der von ihm mitgetheilten
Daten wurden dort zuerst mit dem Hinweis auf ein späteres Werk des Padre
Colombo, »Documenti e notizie intorno gli artisti Vercellesi« (Vercelli 1883),
beantwortet, worin unser Bild (p. 79) bereits dem Eusebio Ferrari zugeschrieben
ist. Dieses Buch enthält einen kurzen Abriss der Geschichte der vercellesischen
Malerschule von Padre Colombo, vor Allem aber eine grosse Anzahl werth-
voller Urkunden und Urkundenauszüge zur Geschichte der ^vercellesischen
Kunst, welche der auch durch sein Schriftchen über Bazzi bekannte Epigra-
phiker Padre Bruzza ^) mit grossem Fleiss aus den Archiven zusammengelesen
hat. Wenn man erfährt, dass das höchst verdienstliche Werk im Auftrag und
auf Kosten des Istituto di Belle Arti der etwa 30 000 Einwohner zählenden
Stadt Vercelli unternommen worden ist, so wird man in Deutschland einen
solchen Ausdruck des Stolzes auf eine an Kunstübung reiche Vaterstadt mit
einigem Neide betrachten können. Ausser dem Hinweis auf Colombos »Artisti
Vercellesi« sind meine Erkundigungen in Vercelli durch die Mittheilung mancher
wissenswerthen Daten belohnt worden ®).
Um zunächst von der Zuverlässigkeit der von De-Gregory überlieferten
Nachricht zu reden , so ist freilich dieser , der Schriftsteller und Staatsmann
Giovanni Gaspare De-Gregory erst 1769 geboren worden und ,1846 zu Turin
gestorben. Er hat auch nach seiner eigenen Angabe das Bild in Vercelli nicht
mehr gesehen. Wohl aber sein Gewährsmann, der Rechtsgelehrte und Archäolog
Carlo Amedeo Bellini. Dieser ist gegen 1598 zu Vercelli geboren und gegen
1672 daselbst gestorben. Aus dem Jahre 1652 rührt sein Werk her »Serie
degli illustri Vercellesi«, welches aber nicht zum Druck gelangte, sondern hand-
lieber diesen gelehrten Barnabiten vgl. den warmen Nachruf, welchen
Fr. X. Kraus ihm p. 130 — 133 des Januarheftes von 1885 der D. Rundschau ge-
widmet hat.
®) Dies verdanke ich insbesondere der entgegenkommenden Gefälligkeit der
Herren Gonte Ettore Olgiati, Gav. Alberto Arborio Mella, Directors des Istituto di
Belle Arti, Avv. Francesco Marrochino, städtischen Archivars und Francesco Parolo,
Priors und Pfarrers zu S. Paolo in Vercelli.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
279
schriftlich noch in dem Archiv der Stadt Vercelli auf bewahrt wird ^). Hier
heisst es von Eusebio Ferrari in vol. 3, fol. 66®);
E che fosse tale (nämlich ein tüchtiger Maler) ne fanno testimonianza
molte incone d’altari esistenti nelle chiese di Vercelli, ma principalraente
una nella chiesa di San Paolo tenuta dai Padri Domenicani, ove sopra la
njedesima incona si legge il suo proprio norne e cognome.
Da das Gemälde dem Giovanni Antonio Ranza noch bekannt war, so
ist es wohl erst Ende des vorigen Jahrhunderts im Verlauf der Kriegsereig-
nisse von seinem alten Standort verschwunden und nach Deutschland verkauft
worden, wo es in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts im Besitz von
Metzler’s wieder auftauchte, um 1841 in die Mainzer Galerie zu gelangen.
Dass aber weder Nagler noch Lanzi des Eusebio Ferrari Erwähnung thun,
ist schuld daran, dass der Verfasser des Katalogs vom Jahre 1844, welcher
von dem Namen des Meisters noch Kenntniss erhalten haben muss, den un-
bequemen Vornamen schliesslich unterdrückte und das Gemälde dem grossen
Gaudenzio unterschob.
Wenn wir uns jetzt von der Geschichte des Altarblattes der Persönlich-
keit seines Urhebers zuwenden , so wird es eines Umblicks in der vercellesi-
schen Schule bedürfen, um das Lebensbild des Meisters aus den Kreisen,
welche ihn umgeben, hervortreten zu lassen. Freilich ist es mehr ein kurzer
Abriss der Geschichte der vercellesischen Maler, als der vercellesischen Malerei,
welchen ich auf Grund des Urkundenbuchs des Padre Colombo zu entwerfen
versuche; denn so zahlreiche Denkmale dieser namentlich im 15. und 16. Jahr-
hundert blühenden Schule in den Kirchen und in dem Istituto di Belle Arti von
Vercelli und in den benachbarten Dörfern und Städten, namentlich in dem unver-
gleichlich schönen Thale der Sesia bis nach Varallo hinauf und weitem erhalten
sind, so wenige davon sind urkundlich beglaubigt und es bedürfte daher eines
eindringenderen Studiums, als es mir möglich gewesen ist, diese Bilder mit
bestimmten, überlieferten Namen in Verbindung zu bringen. Freilich begegnen
uns die grössten Meister der italienischen Kunstgeschichte in Vercelli nicht;
dessenungeachtet würde es von Interesse sein, den Verzweigungen einer Schule
nachzuspüren, welcher Macrino d’Alba seine Ausbildung, Giovanni Antonio
Bazzi, vielleicht auch Gaudenzio Ferrari den ersten Unterricht verdankt.
Die Schule von Vercelli ist eine der kleineren lombardischen Schulen,
welche sich um die mailändische schaarten und welche zwar mit dieser, ihrer
natürlichen Führerin , sowie unter einander in regem Austausch der künst-
lerischen Kräfte standen, welche jedoch eine gewisse Eigenart und Unabhängig-
keit behielten. Durch den frischen Luftzug, welchen das Kommen und Gehen
9 Der von De--Gregory genannte Archäolog Giovanni Antonio Ranza (geb.
1740 zu Vercelli, gest. 1801 zu Turin) hat dieses Manuscript stellenweise mit Rand-
bemerkungen versehen, jedoch nicht bei dem hier in Frage stehenden Passus.
Wahrscheinlich hat er dem De-Gregory eine Bellini’s Angaben bestätigende münd-
liche Mittheilung gemacht.
®) Ich citire nach der Abschrift, welche Herr Marrochino, Archivar der Stadt
Vercelli, für mich anzufertigen die Güte hatte.
280
Franz Rieffel:
der fremden und einheimischen Künstler mit sich brachte, blieb auch in diesen
kleineren Schulen die Kunst vor Versumpfung und dem völligen Versinken in
handwerklichen Betrieb bewahrt; sie folgte, wenn auch von ferne, den Spuren
der führenden mailändischen Meister. Unter diesen Localschulen war die
vercellesiscbe im 15. und 16. Jahrhundert die ansehnlichste. Vercelli, welches
erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts piemontesisch geworden war, hatte als
Grenzland der lombardischen Kunst den besonderen Beruf, das an eigenen
künstlerischen Leistungen arme Piemont mit Kunstwerken und Künstlern zu
versorgen. Es waren vorzugsweise wenige, weit verzweigte Familien, in
welchen die üebung der Kunst (freilich auch des Handwerks) der Malerei sich
vom Vater auf den Sohn vererbte. Unter ihnen war diejenige der Oldoni
die älteste.
Der Begründer dieser Dynastie von Malern, Boniforte Oldoni, war in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von Mailand nach Vercelli gezogen; dort
wird er im Jahre 1462 zuerst ervyähnt. Als angesehener Maler starb er zu
Anfang des Jahres 1478. Er war in zwei Ehen verheirathet gewesen und
hatte aus jeder drei Söhne, welche sich sämmtlich der Malerei widmeten. Die
drei ältesten waren noch in Mailand geboren; von einem derselben, Eleazar
Oldoni (geb. um 1450, gest. zwischen 1518 und 1521), befindet sich ein be-
zeichnetes Bild bei der Gräfin Castelnuovo in Turin ®) die Anbetung des Christ-
kindes darstellend. Eusebio Oldoni, der Sohn des Eleazar, war gleichfalls ein
beschäftigter und geschätzter Künstler. Im Jahre 1544 erhielt er von dem
savoyischen Herzog Karl III. den Auftrag über den Thoren der piemontesischen
Städte und Festungen das herzogliche Wappen wieder anzubringen, welches
die Kriegszüge der Franzosen dort verdrängt hatten. Karls III. Nachfolger,
Emmanuel Philibert, dehnte diesen Auftrag, im Jahre 1559 auf die inzwischen
in seine Herrschaft zurückgelangten übrigen Gebietstheile des Herzogthums aus
und zog zur Ausführung noch des Eusebio Oldoni befreundete Kunstgenossen
Bernardino Lanino und Giuseppe Giovenone (einen Bruder des Gerolamo Gio-
venone) hinzu. Eusebio Oldoni starb bald nach 1562. Von einem Sohne
zweiter Ehe des alten Boniforte, Giosue (zwischen 1461 und 1471 zu Vercelli
geboren; letztes bekanntes Datum 1518j, hat sich eine beglaubigte Probe der
Kunst in der Pfarrkirche zu Verrone bei Biella erhalten ’). Dort liest man in
der Nähe eines Freskenrestes mit der Darstellung zweier Heiligen die Worte:
1518 Die 28
Junii Magister Josue
de Oldonib. P.
Der älteste Sprosse der zweiten Ehe, Efraim Oldoni (geb. zwischen 1453
und 1460; gest. zwischen 1519 und 1522), gab seinen jüngeren Sohn Ercole
(1510 — 1570|1574) im Jahre 1517 zu Eusebio Ferrari in die Lehre. Aber
bereits irn folgenden Jahr verliess Ercole seinen Lehrherrn und trat in seines
*) Lermolieff, Die Werke italienischer Meister in den Galerien von Mün-
chen, Dresden und Berlin, p. 455. — Colombo, Artisti Vercelli, p. 72.
’) Vgl. auch Lermolieff 1. c. p. 455.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
281
älteren Bruders Caspare Werkstatt ein. Irn Jahr 1527 übernahmen beide die
Ausmalung der Marien -Capelle in S. Maria del Carrnine für die confraternitä
dieses Namens. Da der Vertrag über den Gegenstand der Malerei nichts be-
stimmt, sondern nur auf die Art und die Farben der Fresken einer Capelle
von S. Paolo als Muster verweist, so lässt sich nicht sagen, ob die in dem
Istituto di 'Belle Arti befindlichen Freskenbruchstücke aus S. Maria del Car-
mine, musicirende Engel in orangefarbnen Gewändern auf blauem Grund,
welche wie ein schwacher Nachhall der Kunstweise des Macrino d’Alba an-
muthen, der Werkstatt dieser Künstler entstammen. (Orange in allen Nüancen
nach roth, braun und gelb ist eine von der älteren Schule, von Vercelli be-
sonders bevorzugte Farbe.) Nach Gaspare’s Tod, etwa um, 1550, trat sein
Sohn, der jüngere Boniforte Oldoni, an seine Stelle. Er war noch bis nach
1581 thätig und bis zuletzt mit Aufträgen überhäuft. Ein mit der Aufschrift
»Boniforte de li Oldoni da Vercelli Inventore« bezeichnetes Gemälde seiner
Hand, welches die Himmelfahrt Mariä darstellt, zeigt uns den Maler als einen
Mann, der aus dem Quattrocento unmittelbar in den Manierismus herein-
getreten ist, ohne durch das Zeitalter der grossen Meister gelangt zu sein.
Die etwas blöden Kopftypen lassen an eine Einwirkung des bekanntesten
vercellesischen Localmeisters, Gerolamo Giovenone, denken. Das Bild wird im
Istituto di Belle Arti zu Vercelli aufbewahrt.
Waren die Oldoni von Mailand eingewandert, so kam der Stammvater
des Künstlergeschlechtes der Giovenoni, der Zimmermann Amedeo Giovenone
zu Anfang des 16. Jahrhunderts von Novara nach Vercelli. Er brachte drei
Söhne mit, welche Maler wurden ; die beiden Jüngeren, Giuseppe und Giovanni
Pietro, betrieben daneben noch das Gewerbe des Vaters. Giuseppe trat 1521
auf 6 Jahre als Gehülfe und Lehrling in die Werkstatt des Gaudenzio Ferrari
ein. Doch nicht um dort die ersten Anfangsgründe der Kunst zu lernen ;
denn er hatte mit seinen beiden Brüdern bereits 1519 eine grössere Arbeit
auszufuhren unternommen. Wahrscheinlich zog er bald nach dem Jahre 1521
mit Gaudenzio nach Mailand ®) und blieb auch wohl nach Ablauf der ver-
®) Denn der letztere hat, glaube ich, nicht erst nach dem Jahre 1534, als er
die grossen Fresken in S. Cristoforo zu Vercelli vollendet hatte, seinen Wohnsitz nach
Mailand verlegt, wie meist angenommen wird, sondern bereits früher. In einer vercel-
lesischen Urkunde vom 24. Juli 1528 wird er »Gaudentio f. q. mTI lanfranchi de fer-
rariis de mediolano genannt; damals muss er also bereits in Mailand fest gewohnt
haben. (Darauf, dass er um das Jahr 1500 sich als Schüler in Mailand kurze Zeit
aufgehalten haben mochte, kann dies »de mediolanoc im Jahre 1528 natürlich
nicht mehr bezogen werden.) Auffallend ist ferner, dass er in den älteren Urkunden
aus Vercelli, Arona, Novara nur mit dem Familiennamen und dem Zusatz »de
varali« oder »habitator vallis siccidae«, wohl auch »de varali vallis siccidae« ge-
nannt ist; nie führt er den Zusatz pictor oder habitator oder civis Vercellarum,
welcher anderen Malern , die auch von auswärts ,nach Vercelli gezogen waren,
aber dauernd dort wohnten, ausser der Bezeichnung des Geburtsortes (z. B.
de Novaria, de Mortara) regelmässig beigelegt ist; in allen Urkunden dagegen,
welche in Vercelli errichtet sind , während er mit den Malereien in S. Cristoforo
282
Franz Rieftel :
tragsmässigen Lehrzeit bei ihm; es ist anzunehmen, dass er von 1528—1534
mit seinem Lehrer wieder in Vercelli war und mit Bernardino Lanino an den
Fresken in S. Cristoforo geholfen hat. Nach Gaudenzio’s Tode 1546 oder
1547 trat er, wenigstens eine Zeit lang, an dessen Stelle in« das Societäts-
vorhältniss zu Battista della Cerva in Mailand ein. Dort starb er vermuthlich
bald nach dem Jahre 1553., Seines Bruders Giovanni Pietro Sohn, Giovanni
beschäftigt war, also von 1529 bis 1534 einschliesslich, und in der in Mailand er-
richteten Urkunde aus demselben Jahr (vom 28. September 1534) heisst er »Gau-
denzio Ferrari de Varali vallis siccidae pinctor habitans in civitate Vercel-
larumc oder ähnlich; bei den früheren aus dieser Zeit (vom 27. Juni und 3. Juli
1529 und noch vom 2. November 1532) sogar »nunc habitator Vercellarum«. Auch
hieraus würde zu schliessen sein, dass er vor 1529 anderswo, als in Vercelli, und
zwar, wie die Urkunde vom 24. Juli 1528 berichtet, in Mailand gewohnt hat.
Zwischen der Urkunde vom 9. Januar 1521 — Lehrlingsvertrag über den Giuseppe
Giovenone — und der mehrfach genannten vom 24. Juli 1528, welche beide in
Vercelli errichtet sind, liegt nun allerdings noch eine ebenfalls in Vercelli errichtete
vom 9. M^i 1525. Hier heisst der Meister »G. de Ferrariis f. q. Franchini de varali
pictore«. Aber abgesehen von der Möglichkeit, dass Gaudenzio erst nach diesem
Datum sich in Mailand niedergelassen hätte, widerspricht diese Benennung auch
nicht der Annahme, dass ÄGaudenzio schon vorher, zwischen 1521 und 1525,
dauernd in Mailand gewohnt habe; denn >de Varali^ könnte zwar auch den Wohn-
sitz bezeichnen, wird aber der Regel entsprechend (welche jedoch von Brun in
seiner eingehenden und ergebnissreichen Besprechung des Golombo’schen Gaudenzio
Ferrari im Repertorium f. Kunstwiss. VI, p. 413 meines Erachtens mit Unrecht als
ausnahmslos angesehen wird),^ eher als Angabe der Herkunft zu deuten sein.
(Varallo, welches Hauptort der oberen Valsesia war, galt allgemein als Heimat des
Valsesianers Gaudenzio.) Der urkundlich bezeugte Aufenthalt in Vercelli (1508,
1509, 1521, 1525, 1528, 1529—1534) war also wohl immer nur vorübergehend, von
dem Maass der dort erhaltenen Aufträge bestimmt, ebenso wie der in Arona und
in Novara. Gaudenzio’s Wohnsitz aber war in der früheren Zeit seiner selbständigen
Thätigkeit in Varallo, woselbst er sogar noch bis zum 5. August 1539 ein Haus
hatte, in der späteren Zeit in Mailand, wo ihn der Vertrag über den Verkauf des
in Varallo gelegenen Anwesens bereits im Besitz des Hauses *pr. p. s. Nazarii in
brolio Mli^ (d. h. Portae Romanae parochiae S. Nazarii in brolio Mediolani) bezeugt.
In Vercelli wohnte er selbst in den Jahren 1529 bis 1534 nur zur Miethe; vergl.
die Urkunde bei Colombo, Gaudenzio Ferrari, p. 126,_vom Jahre 1530 (oder 1531?):
in domo .... quam tenet ad fictum mägr Gaudentius de Varali.
Die ausführliche Erörterung dieser Frage, ist, wie ich glaube, für die Kenntniss des
Eptwicklungsgangs des Gaudenzio Ferrari nicht so nebensächlich , als man meinen
könnte. Wenigstens scheint mir die Annahme eines vor 1529 zu setzenden längeren
Aufenthaltes in Mailand den gründlichen Stilwechsel zu erklären, welcher zwischen
seinem letzten der Entscheidungszeit nach beglaubigten Werke vor den Fresken
in S. Cristoforo zu Vercelli, nämlich der Ancona in S. Gaudenzio zu Novara (1514
bis 1521) und und diese Fresken selbst (begonnen 1529) liegt. Zu der Grossheit und
Macht der Formen, zu der voOj^ keiner Tradition beengten Freiheit der Auflassung,
zu der leidenschaftlichen Energie des Ausdrucks, welche uns in diesen Fresken
entgegen treten , hat sich Gaudenzio nicht in dem stillen Kunsttreiben von \ei’celli
aufgeschwungen.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
283
Battista Giovenone, hatte aus der Ehe mit der Tochter des Malers Otlaviano
Cane von Trino (von dem die Turiner Pinakothek einige Bilder hat) mehrere
Söhne, welche gleichfalls Maler wurden. Von ihnen war Raphael Giovenone
(gest. 1604) in und ausserhalb Vercellis besonders gesucht. Ein Fresco von
ihm in der Sacristei des Doms zu Novara, dalirt 1572, mit der thronenden
Madonna und zwei Heiligen verräth jedoch nur einen durchaus im herkömm-
lichen Schulgeleise arbeitenden Künstler. Das Bild ist ziemlich flüchtig aus-
geführt. Die Färbung ist blass ; die Gesichter haben in ihrer breiten und
matten Gutmüthigkeit noch Verwandtschaft mit den Typen seines Grossoheims
Gerolamo Giovenone.
Dieser, der älteste Sohn des Amedeo und das bekannteste Glied der
Familie, ist um 1490 zu Novara geboren; sein frühestes datirtes Werk, eine
Madonna mit Heiligen im Istituto di Belle Arti zu Vercelli, ist von 1513.
Bedeutendere Aufträge wurden ihm bald zu Theil. 1519 wurde er mit seinen
Brüdern Giovanni Pietro und Giuseppe berufen , für S. Marco und die Kathe-
drale S. Eusebio je eine Altartafel zu malen und die zur Aufnahme des Bildes
bestimmte Capelle in S. Eusebio mit Fresken zu schmücken. In der späteren
Zeit malte er allein. Mit dem acht bis zehn Jahre älteren Gaudenzio Ferrari
lebte Gerolamo in naher Freundschaft. Wichtigen Rechtsacten in der Familie
des Gerolamo, so der Theilung des väterlichen Vermögens unter die Brüder
(1525) wohnte Gaudenzio als Zeuge bei und als dieser sich 1529 verpflichtete,
die eine Capelle und das Altarbild in S. Cristoforo zu malen , verbürgte sich
Gerolamo für ihn. Auch ein , freilich geringer , künstlerischer Einfluss des
Gaudenzio auf Gerolamo ist zu merken ; wenigstens klingt in dem 1527 da-
tirten Bild in der Galerie zu Bergamo »Madonna mit Heiligen und Stiftern«
die kv( des Gaudenzio leise an. Die früheren Werke dagegen, das von 1513
und mehrere aus der nächstfolgenden Zeit in der Turiner Pinakothek mit
ihren freundlichen, blöden Gesichtern, matten Bewegungen und in ihrer
kräftigen, fast bunten Färbung in ungebrochenen Tönen haben gar nichts von
dem Stile des Gaudenzio. Auch mit Bernardino Lanino war Gerolamo nah
befreundet ; im Jahre 1540 gab er ihm seine Tochter Dorotea zur Frau. Im
Jahre 1557 starb er. Von dem grossen Cinquecento, in welchem er lebte,
ist in seinen Bildern wenig zu spüren; er ist, um einen bezeichnenden Pro-
vinzialismus zu gebrauchen , ein durchaus »altfränkischer« Maler. Seine drei
Söhne trieben ihre Kunst bis zum Jahre 1583 gemeinschaftlich ; dann trennten
sie sich und theilten das väterliche Vermögen. Streitigkeiten blieben dabei
nicht aus; denn Giuseppe, der älteste, wollte als »fratello maggiore e piü
esperto nell’ arte« den Löwenantheil. Was es mit seiner Kunsterfahrenheit auf
sich hat, lehrt jedoch ein bezeichnetes Bild (Nr. 60) der Turiner Pinakothek, die
Auferstehung darstellend, eine in ihrer Verworrenheit und Unruhe sehr unglück-
liche Vermischung des älteren und des neuen Stiles. Er starb gegen 1600.
Der Begründer eines dritten Malergeschlechtes in Vercelli ist Gaudenzio’s
Schüler und Gehülfe Bernardino Lanino, geboren zu Mortara um 1510, ge-
storben 1582—1583 zu Vercelli. Er trat um 1529 in Gaudenzio’s Werkstatt
und verliess sie gegen 1534. Um diese Zeit malte er für die Kirche in Ter-
284
Franz Rieffel :
nengo ein Altarbild, Madonna mit Heiligen und dem Stifter, jetzt in der
Pinakothek zu Turin; 1539 ein ähnliches, eines seiner vollendetsten Werke,
für die Kirche San Pietro e Paolo zu Borgo Sesia (bei Varallo). Nachdem ihm
Leoria, die Ehefrau des Giovanni Pietro della Sgurara, zwei Kinder geboren
hatte, darunter Cesare, den späteren Maler, wurde er, wie erwähnt^ 1540 des
Gerolamo Schwiegersohn. Doch erkannte er im Jahre 1542 seine natürlichen
Kinder förmlich an. 1546 schuf er in Mailand mit Battista della Cerva das
Martyrium der hl. Katharina in S. Gaterina presso S. Nazzaro, ein Werk,
welches sich wie eine Uebersetzung von Gaudenzio’s Darstellung des gleichen
Vorgangs (Galerie der Brera) in die gröbere Sprache der Schüler ausnimmt.
(Den brandigen Ton hat wohl Battista zu verantworten ; die Färbung des Ber-
nardino in seinen Fresken ist feiner und kühler.) Sein Hauptbild in Vercelli
ist die erst 1568 vollendete grosse Altartafel hinter dem Hochaltar von S. Paolo,
die Madonna mit acht Heiligen von spielenden Engeln umgeben. Den hl. Pau-
lus hat der Maler ohne Bedenken aus Raphael’s hl. Cäcilia abgeschrieben.
Aus dem Jahr 1565 bewahrt das Istituto di Belle Arti in Vercelli ein schönes,
aber ganz verdorbenes Fahnenbild einer Leichenbrüderschaft. Im Uebrigen
finden sich ausser in den oberitalienischen Sammlungen viele Bilder des Malers
in den Kirchen in und um Vercelli. Aeusserlich schliesst sich Bernardino
ziemlich eng an die Weise der mittleren Zeit das Gaudenzio an, so wie sie
uns aus den mächtigen Fresken in S. Gristoforo entgegenklingt ; allerdings sind
es eben auch meist nur die leeren Formen, die er wiedergiebt; die Energie
und die Begeisterung seines Meisters gehen ihm ganz ab. Ebenso fehlt seinen
Tafelbildern das tiefe und glühende Golorit des Gaudenzio. In den späteren
Bildern kündigt sich die Stilverwilderung der Zeit deutlich an. Ganz aus-
geglichen und erfreulich ist er nur in seinen Fresken. Zu den schönsten ge-
hören die leider theilweise zerstörten sechs Darstellungen aus dem Leben
Mariä in der Sacristei des Doms zu Novara. Gharakteristisch für Bernardino
ist darin das rothe Haar und der längliche, weiche, in der Mitte etwas nach
innen gebogene Daumen. Ein Werk aus der früheren Zeit (etwa 1535 — 1540)
sind vielleicht auch jene Deckengemälde der Gasa Mariani (jetzt Istituto di
Belle Arti) zu Vercelli mit der grossen Darstellung einer Götterversammlung
im langen Mittelfeld und den Gestalten der Musen und Putten in den an-
grenzenden kleineren Seitenfeldern. Die blühende Schönheit und die zarte
Grazie einzelner Gestalten übersteigt freilich fast die Grenzen der Begabung
des Lanino®). Die Gasa Mariani gehörte früher der Familie de’ Tizzoni, für
welche Bernardino beglaubigtermassen thätig war ^®). Mit Gaudenzio und mit
seinem Mitschüler Battista della Gerva hat sich Bernardino auf dem Fresco
des Martyriums der hl. Katharina abgebildet, wie er der lebhaften Unterredung
dieser beiden aufmerksam zuhört.
®) Conte Carlo Emmanuele Arborio Mella vermuthete in einer kleinen Ge-
legenheitsschrift (1842) hier die Hand des jungen Bazzi ; mir scheint eine Stil-
verwandtschaft mit den Fresken in Novara zu bestehen.
Urkunde vom 14. März 1561.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
285
Sowohl Gesare, des Bernardino natürlicher Sohn, als auch die ehelichen
Söhne Gerolamo und Pietro Francesco wurden Maler ; die letzteren übten ihre
Kunst in Gemeinschaft aus. Das helle, farbige, aber charakterlose Bild der
Himmelfahrt Mariä (Nr, 61 b der Turiner Pinakothek) ist von ihnen. Noch
im Jahre 1691 kommt ein Lanino in Vercelli als Maler vor, Francesco Ber-
nardino, ein Nachkomme des Gesare.
Von geringerer Bedeutung ist die Familie der Tresseni, welche gegen
Ende des 15. Jahrhunderts von Lodi eingewandert war. Ihr hervorragendster
Vertreter war Giovanni Tresseno, welcher 1509 starb. Sein Hauptwerk bildete,
wie es scheint, die Ausmalung zweier Gapellen in S. Paolo um 1492.
Von den übrigen Malern, welche in den nächsten Jahrzehnten vor und
nach 1500 in Vercelli blühten, tragen manche bekannte Namen ; so Gristoforo
Moretto von Gremona, 1472 und 1474; Lodovico de Donato »de mediol . . .
f. q. Johis« (wohl ein Sohn des Giovanni Donato Montorfano, von dem die
Kreuzigung im Refectorium von S. Maria delle Grazie Lionardo’s Abendmahl
gegenüber herrührt), 1491, 1494, 1495; Martino Spanzotti von Gasale, Bazzi’s
erster Lehrer um 1490; Francesco Morseo von Mailand, 1504 (von ihm ein
bezeichnetes Bild im bischöflichen Palast zu Vercelli, vergl. Lermolieff, 1. c.
p. 455); Francesco »f. q. Antonini de Preda sancta de Mediol. habit. Vercell.«
(Ist »Antonini« ein Lesefehler für »Ambrosii«? lieber Ambrogio de Predis
vergl. Lermolieff, 1. c. p. 456 ff. und besonders Kunstkritische Studien über
italienische Malerei, Leipzig 1890 p. 230 ff,, sowie Bode, Jahrb. der k. preuss,
Kunstsamml. X, p, 71 ff. und Gr. Gemälde-Galerie zu Oldenburg, Wien, Verlag
der Ges. f. vervielf. Kunst, p. 11 — 13) 1530. Viele hat jedenfalls der Aufent-
halt des Gaudenzio nach Vercelli gezogen ; wenigstens tauchen Ende der
zwanziger und Anfang der dreissiger Jahre des 16. Jahrhunderts eine Menge
neuer Namen auf.
Sollte es nun noch der Nennung des Gaudenzio Ferrari selbst und des
Giovanni Antonio Bazzi bedürfen, um das Bild der vercellesischen Schule zu
vervollständigen? Ich glaube nicht. Mögen diese Meister auch (was ja bei
Bazzi urkundlich bezeugt ist) ihre erste Unterweisung in der Malerei zu Ver-
celli empfangen haben, die bestimmende Richtung hat ihre künstlerische Natur
erst in Mailand in den Kreisen des Lionardo gefunden. Jedoch hatte Gaudenzio,
als er nach dem Jahre 1534 Vercelli für immer verliess, vielen der dortigen
Kunstgenossen, soweit sie nicht geradezu seine Schüler waren, seines Geistes
einen Hauch mitgetheilt.
Auch Eusebio Ferrari hat diesen Hauch verspürt.
Die Familie der Ferrari, welcher er angehörte, kom.mt in der Kunst-
geschichte der Lombardei und des lombardischen Piemont häufig vor. Ausser
Gaudenzio ist ein bekannter Träger dieses Namens noch Defendente Ferrari
von Ghivasso. Wir finden ferner einen Maler Franciscus de Ferrariis um
1480 in Genua, identisch mit dem bereits genannten, am 9. Mai 1504 in
Vercelli erwähnten Francesco Morseo (»Mro Francisco de Morseo f. q. Johis
de Ferrariis de Mio«); weiter wird in vercellesischen Urkunden aufgeföhrt ein
Francesco Ferrari von Desana, einem etwa eine Stunde von Vercelli entfernten
286
Franz Rieffel:
Dorfe (»Francisco de Ferrariis de Dezana pictore teste« — Urkunde vom
10. December 1538; »Francisco de Ferrariis de Deciana f. q. mag. Georgii
pictore« — Urkunde vom 30. Januar 1549). Auch in Momo bei Casale, also
gleichfalls nahe bei Vercelli, war ein Maler des Namens Ferrari thätig; unter
einem Fresco in S. Pietro Martire daselbst liest man die Worte : Opus fecerat
Zaninus Finacius et Jacobinus Ferarius.
Eusebio’s Vater, Bernardino Ferrari, war in der letzten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts von dem zwei Stunden entfernten Dorfe Pezzana nach Vercelli ein-
gewandert. Dort wird er am 23. October 1504 erwähnt. Er gehörte dem
in Italien damals sehr verbreiteten sog. dritten Orden des hl. Franciscus an
(»Frater Bernardinus ferrarius de Pezana civis Vercell. frat. Tertii Ordinis
S. Francisci« — Urkunde vom 23. October 1504). Auch Eusebio war, wie
seine grossen Kunstgenossen Raphael und Michelangelo, Tertiarier. Die Ur-
kunden nennen ihn daher öfter »Fra Eusebio«. Ob er in Pezzano oder Ver-
celli geboren ist, ergeben die mitgetheilten Urkunden nicht“); ebensowenig
wann er geboren ist. Colombo (p. 76 ff.) lässt ihn ohne Angabe von Gründen
für seine Annahme in Vercelli geboren sein. Er hatte vier Geschwister, zwei
Brüder, Benedetto und Giovanni Antonio und zwei Schwestern, Gaterina und
Clara. Fra Bernardino Ferrari starb zwischen 1504 und 1508. In dem
letzteren Jahre erwähnen die Urkunden den Eusebio zum ersten Mal und zwar
in naher Verbindung mit Gaudenzio Ferrari. Als dieser am 26. Juli 1508
mit der Confraternitä di S. Anna in Vercelli den Vertrag über Herstellung
einer Altartafel in S. Anna abschloss, verbürgte sich Eusebio für ihn und
wurde seinerseits von Gaudenzio bevollmächtigt, den bedungenen Preis von
240 Flor, in Empfang zu nehmen :
... ad ipsius magri Gaudentii partes et instantiam fideiussit et se princi-
paliter constituit Eusebius f. q. magri Bernardini Ferrari) frater tercii ord.
scti Francisci . . .
. . . quem Eusebium nunc instituit ipsum procuratorem ad recipien-
dum dictos florenos ducentum et quadraginta . . .
Wenn Eusebio nicht sehr nah von väterlicher Seite her mit Gaudenzio
verwandt war“), muss er hiernach zum mindesten eng befreundet mit ihm ge-
wesen sein. Ferner hatte er zu dieser Zeit bereits einen gewissen Ruf, wenn
er als Bürge für Gaudenzio auftreten konnte, der sich wahrscheinlich mit dieser
Arbeit als selbstständiger Künstler in Vercelli einführte; diese Urkunde ist
wenigstens die erste, welche uns von einer Thätigkeit des Gaudenzio in Ver-
celli berichtet. Dasselbe Jahr zeigt uns den Eusebio auch mit den Giovenoni
“) Colombo hat nämlich einige der von Padre Bruzza gesammelten Urkunden
nicht publicirt, weil er sie für unwichtig erachtete (vergl. Artisti Vercellesi , Vor-
wort p. 2). Vermuthlich hat er auch einige auf Eusebio bezügliche Documente
für sich behalten. Doch scheint er sie in seiner kurzen Biographie des Eusebio
(p. 76 ff.), deren Daten übrigens den mitgetheilten Urkunden mehrfach wider-
sprechen, benutzt zu haben.
“) Herr Senator Giovanni Morelli hatte die Güte, mich hierauf aufmerksam
zu machen.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
287
in Verbindung. Zunächst ist es freilich nur ein geschäftlicher Verkehr: am
30. Juli 1508 verspricht des G^lamo Vater »magr Amedeus carpentarius et
eius filius Jo. Petrus . . . magro Eusebio f. q. Bernardini Ferrari facere et
intaglare unam anchonam pretio floren, sexaginta«. Das Altarwerk, zu wel-
chem die Holztafel dienen sollte, war, wie wir aus dem Preise von 60 flor.
für diese allein muthmassen können, ein ziemlich umfangreiches. Näheres
darüber ist uns nicht überliefert.
Die Beziehungen, in welche Eusebio als Bürge und Bevollmächtigter des
Gaudenzio zu der Confraternitä di S. Anna trat und welche uns ausser durch
den besprochenen Vertrag vom 26. Juli 1508 auch durch das Protokoll über
eine Theilzahlung von 20 flor. an Eusebio als Bevollmächtigten des Gaudenzio
(am 30. Juli 1509) bezeugt sind, brachten es wohl mit sich, dass im Jahr 1511
Eusebio gleichfalls mit einer Arbeit in S. Anna betraut wurde. In dem Ver-
trag vom 26. August dieses Jahres verpflichtete er sich,
. . . pingere capellam sce Anne iuxta designum factum et datum et per-
bonis pincturis et coloribus hinc ad festa paschalia et citius, si fuerit pos-
sibile . . .
Dafür waren ihm 225 flor. verheissen ; er sollte aber seine Malerei nach
einer seltsamen Bestimmung des Vertrags so vorzüglich ausführen , dass die
Bilder bei der Abschätzung sich nicht bloss 225, sondern 250 flor. werth er-
weisen sollten. Wenn der Vertrag in der That zur Erfüllung gekommen ist,
so muss Eusebio die Ausführung ganz seinen Werkstattsgehülfen überlassen
haben; denn die handwerksmässig gearbeiteten Fresken, deren Reste in der
jetzigen Sacristei, der ehemaligen Gapelia die S. Anna, auf zwei durch Spitz-
bogen eingeschlossenen Wänden zu sehen sind, können dem Urheber des Bildes
in Mainz nicht zur Last gelegt werden. Auf der einen Wand thront in einer
Landschaft die Madonna mit dem Kind, welches in der Linken einen Vogel
hält, mit der Rechten segnet, zwischen den stehenden Gestalten des hl. Bene-
dict und der hl. Clara. Beide schärfen die Pflicht des Silentium durch die
in die Höhe gestreckten linken Hände ein ; in der rechten tragen sie ein Buch.
Die Landschaft hat sehr gelitten; links ist ein Felsen zu erkennen. Die Ge-
berden sind ausserordentlich steif und unbeholfen, Zeichnung und Färbung
roh. Noch schwächer ist das Bild gegenüber. Ein von der Spitze des ein-
schliessenden Bogens herabhängendes Blattgewinde theilt die Bildfläche in zwei
Hälften; auf der linken stehen Johannes mit einem Buch und Antonius mit
der Lilie; auf der anderen Hälfte kniet links Franz von Assisi befangen und
starr lächelnd, während er die Wundmale empfängt; Landschaft: links ein
Baum, rechts etwas Gesträuch.
Von 1509—1517 sind wir ohne urkundliche Nachricht über Eusebio;
durch eine Urkunde aus dem letztgenannten Jahr erhalten wir zugleich ein
Zeugniss für das Ansehen, in welchem Eusebio als Künstler in Vercelli stand.
Efraim di Boniforte Oldoni nämlich, welcher vielleicht selbst des Eusebio
Lehrer, möglicher Weise auch sein Mitschüler bei einem der älteren Brüder
Oldoni gewesen war, gab ihm am 27. März 1517 seinen Sohn Ercole auf
8 Jahre in die Lehre:
288
Franz Rieffel :
. . . quod dictus M' Eusebius durante tempore dictor. octo annorum te-
neatür et debeat pro posse predictum Herculem docere artem picture . , .
. . . quod pro tribus primis annis teneatur et debeat ipse Eufreim
alimentäre cibo et potu dictum herculem eius filium ac eum induere con-
decenter. pro vero aliis quinque et ultimis annis teneatur et debeat ipse
Eusebius dictum herculem solum alimentäre cibo et potu condecenter
secundum eius qualitatem . . .
Item quod dictus hercules sit et esse debeat ipso Eusebio durante
dicto tempore fidelis et obediens prout convenit.
Aber bald erhoben sich Zwistigkeiten und schon am 13. April 1518
wählten Efraim und Eusebio Schiedsrichter zur Schlichtung des Streites. (Was
die Uneinigkeit hervorgerufen hatte, das sagt uns die Urkunde nicht ; Colombo
hat sie nur bruchstückweise mitgetheilt.) Der Streit wurde schliesslich da-
durch erledigt, dass Efraim dem Eusebio 50 flor. zahlte und dass die Parteien
sich gegenseitig ihrer vertragsmässigen Verpflichtungen entliessen. (Urkunde
vom 4. Januar 1519.)
Ob das gute Verhältniss Eusebio’s zu den Oldoni durch den Weggang
des Ercole aus seiner Werkstatt eine Aenderung erlitt, ist nicht zu sagen.
Dagegen sind uns freundschaftliche Beziehungen zu der Familie der Giovenoni,
mit. welcher wir ihn 1508 im geschäftlichen Verkehr fanden, durch eine Ur-
kunde aus dem Jahre 1523 bezeugt. Am 5. Mai d. J. zahlte Eusebio dem
Gatten seiner Schwester Caterina, dem Ubertino Lisca von Vercelli, deren
Mitgift mit 300 flor. aus. Zu diesem Acte hatte er als Zeugen den alten
Amedeo Giovenone zugezogen.
Von Eusebio’s häuslichen Verhältnissen ist uns sonst noch mancherlei
überliefert. Am 7. März 1520 setzte er sich wahrscheinlich wegen des väter-
lichen Vermögens mit seinen Brüdern Benedetto und Giovanni Antonio aus
einander; am 22. Mai desselben Jahres miethete er ein Haus mit einer Werk-
statt in Vercelli. Aus der Ehe mit seiner Frau Maria Galandra, welche gleich-
falls einer Künstlerfamilie entstammte, hatte er drei Söhne, welche ihm aber
nicht in der Kunst folgten, sondern Gerber oder Fellhändler wurden. Eusebio
lebte noch am 18. September 1526; an diesem Tag machte er mit seiner Frau
eine Schenkung. Zwischen dem 18. September 1526 und dem 28. Juni 1533
ist er gestorben ; wahrscheinlich jedoch nicht vor 1530. Wenigstens behauptet
De-Gregory ein Bild des Malers mit dieser Jahreszahl gesehen zu haben
(siehe weiter unten), ln einer Urkunde vom 28. Juni 1533 verkaufen seine
drei Söhne »fili q. magri Eusebi de Ferrariis de pezana cives et pelliparii Ver-
cellarum« ein Stück Landes.
Von Zeugnissen seines künstlerischen Wirkens ist ausser dem bis jetzt
mitgetheilten nicht viel erhalten. Carlo Amedeo Bellini, der bereits erwähnte
im Jahre 1598 zu Vercelli geborene Schriftsteller bespricht in seinem
'*) Warum Colombo seinen Tod in die ersten Monate des Jahres 1533 ver-
legt (Colombo, Art. Verc., p. 79) ergeben die von ihm veröffentlichten Urkunden
nicht.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
289
Manuscript »Serie degli illustri Vercellesi« am angeführten Ort den Maler
wie folgt:
Eusebio Ferrari, cittadino di Vercelli, uoino bene spiritoso e vivace,
vedendo che nel suo secolo fioriva la virtü della pittura e massime nel suo
ciel vercellese anch esso si deliberö di applicarsi a si nobil arte e dopo lungo
Studio ne riusci con grand onore, poiche divenne si valente e bravo che fu
stimato da grandi e chiamato in diverse parti ad esercire la sua virtü.
Zur Charakteristik des Künstlers tragen diese Worte Bellini’s nun frei-
lich nicht viel bei. Etwas eingehender ist seine Würdigung bei De-Gregory:
Ferrario Eusebio, pittore vercellese, artista pieno di vivacitä e di fran-
chezza il quäle deve essere stato scolaro di Girolamo Giovenone di cui tenne
l’eleganza nei puttini ed il brio nel colorito e sopra tutto lo imitö nel costun>e
di pingere nelle sue composizioni de’ pezzi d’architettura essendo anche piü
corretto del maestro nel disegno e di maggior forza e robustezza.
Es folgt die bereits mitgetheilte Stelle über unser Bild und De-Gregory
fährt sodann fort:'
Nella Galleria del fu Marchese Francesco Mercurino Gattinara in Ver-
celli noi'abbiamo ammirato un quadro di Ferrario Eusebio in data del 1530
che rappresenta il Padre Eterno che sostiene il Grocifisso, in capo di cui
fu posto la Spirito Santo formando cosi la Triade. Nella parte inferiore del
quadro si vede la Beata Vergine ed un guerriero.
Der Irrthum, dass Eusebio des etwa 20 Jahre jüngeren Gerolamo Gio-
venone Schüler gewesen sei, bedarf keiner Widerlegung; die Werkstatt des
Gerolamo war eben für die vercellesischen Localgeschichtschreiber die Schule
aller Welt; auch Gaudenzio Ferrari musste ihr erst durch Lermolieff ent-
rissen werden. Eher möchte umgekehrt eine Einwirkung des Eusebio auf den
jungen Gerolamo zu behaupten sein. Es befindet sich nämlich in der Samm-
lung des Istituto di Belle Arti zu Vercelli ein kleines Temperabild des letzteren,
welches mir dies glaublich macht. Das auf Holz gemalte Bildchen stellt die
Verehrung des Christkindes durch die Madonna, Josef und eine Schaar von
Engeln vor. Rechts kniet Maria mit gefalteten Händen in rothem Gewand
und blauem Mantel; auf dem weit ausgebreiteten Mantelzipfel liegt das Kind.
Links kniet Josef in gelbem Gewand und rothem, grüngefüttertem Mantel. Den
Zwischenraum zwischen beiden füllen fünf Kiiiderengel aus, deren roth und
gelb schillernde Flügel nach vorn deckend überschlagen. Ein schalkhafter
sechster Engel lugt rechts hinter dem Mantel der Madonna hervor. Weiter
hinter dieser zurück stehen Ochs und Esel. Hintergrund: rechts ruinenhafte
Palastarchitektur, nach links ein Haus mit Thurm. Die Nimben sind durch-
scheinend. Josef gleicht in Kopftypus und Haltung dem Josef auf dem Mainzer
Bilde des Eusebio; der Kopf der Madonna ist schmäler, als ihn Gerolamo
sonst hat ; er bildet ein sich nach unten zuspitzendes Oval und erinnert an
den sehr charakteristischen Kopftypus der Madonnen des Defendente Ferrari
mit dem spitzen Kinn und der nach oben und vorn sich verbreiternden Stirn.
Lermolieff I. c. p. 481.
290
Franz Rieffel :
Die liebenswürdigen und anmuthigen Engel dagegen mit ihren schillerfarbigen
Flügeln sind denen auf der Mainzer Tafel in der Bildung verwandt, so dass
also De-Gregory wenigstens insoweit Recht behält, als er die Aehniichkeit der
Puttini des Eusebio und Gerolamo hervorhebt. Das Bild unterscheidet sich
auch durch den gedämpften, trüberen Ton der Farbe von den aus 1513 und
den späteren Jahren datirten Werken des Gerolamo. In seiner bescheidenen
Weise hat er es auf einem Cartellino zur Linken bezeichnet: Hieronymi Ju-
venonis Opificis, aber nicht datirt.
Wenn ich meine, dieses Bildchen als ein frühes, die Einwirkung des
Eusebio auf den Gerolamo verrathendes Werk ansehen zu dürfen, so ist frei-
lich die einzige Urkunde über den Stil des Eusebio , welche dabei zu Rath
gezogen werden kann , sein Bild in Mainz. Denn die dem De-Gregory noch
bekannte »hl. Dreifaltigkeit« von 1530 bei dem Marchese Gattinara ist ver-
schollen. Ebensowenig habe ich von einem dritten Bild erfahren können,
welches nach der Angabe Colornbo’s mit Eusebio’s Namen bezeichnet, vor
einigen Jahren von Turin in eine Münchener Privatsammlung verkauft worden
ist. Die Irrigkeit der von Colombo ausgesprochenen Vermuthung, dass es mit
dem Mainzer Gemälde identisch sei, ergibt sich daraus, dass das letztere seit
fast 50 Jahren in städtischem Besitz ist.
Was uns dieses nun über den künstlerischen Charakter des Eusebio
berichten kann, ist, wie ich glaube, zunächst, dass sein Meister im wesent-
lichen noch der Kunstweise des Quattrocento angehörte, sodann dass er in
einer nahen Beziehung zu Macrino d’Alba 'gestanden hat. Anklänge an dessen
Art in Typen, Faltenwurf, Landschaft lassen sich leicht finden ; am grössten
scheint mir die Stilverwandtschaft nicht mit späteren Bildern in Pavia und
Turin zu sein, sondern mit dem Bilde der früheren Zeit — nach Lermolieff
aus den Jahren 1490—1495 — im Städel’schen Institut zu PTankfurt (Nr. 19
des Katalogs; Mittelbild: Madonna mit Christkind; linker Theil: Joachim und
Anna; rechter Theil: Joachim mit dem Engel). Ich möchte hier die Ver-
muthung wagen, ob manche Stileigenthümlichkeit des Macrino, welche die
jüngere vercellesische Generation mit ihm theilt, nicht bis auf die Oldoni zu-
rückgeht, so dass Macrino nicht als Lehrer, sondern als älterer Mitschüler der
stilverwandten Vercellesen anzusehen wäre. (Als Schüler des Boniforte Oldoni
betrachtet ihn Herr Senator Giovanni Morelli, wie ich aus seiner gütigen Mit-
theilung weiss.) Es würde dadurch erklärt, dass Macrino d’Alba in den ver-
öllentlichten Urkunden aus Vercelli kein einzigesmal genannt wird; eine sehr
auffallende Thatsache, wenn man berücksichtigt, wie stark die Stilverwandt-
schaft mancher Vercellesen , ja auch des jungen Gaudenzio mit Macrino ist.
(Man vergleiche den Madonnentypus des Gaudenzio auf den Fresken in Varallo
aus den Jahren 1512 — 1513 mit Macrino’s Madonnen, z. B. in Pavia und
insbesondere auf dem Bild von 1493 in Turin ; auch die männlichen Heiligen
beider; den Faltenwurf; die Landschaft; die Architektur; die Beleuchtung.)
Colombo, Art. Verc. p. 79.
^®) Lermolieff 1. c. p. 455.
Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie. 291
Dass aber diese Maler von Vercelli zu Macrino nach Pavia, Alba oder Lu-
cedio (bei Casale) gewandert sein sollten, ist doch kaum anzunehmen. Ja,
um noch weiter zu gehen, sollte nicht eher des Gaudenzio älterer Verwandter
und Kunstgenosse Eusebio der Lehrer gewesen sein , welcher ihn zu Vercelli
in die Kunst einführte, welcher ihm die alte Weise zu sehen, zu zeichnen, zu
malen , die er selbst einst von den Oldoni erlernt hatte , damals mittheilte.
Betrachtet man die enge Verbindung, in der Gaudenzio 1508, als er zum ersten
Mal als selbständiger Maler in Vercelli auftritt, mit seinem Vetter Eusebio er-
scheint, so ist diese Vermuthung gewiss nicht unglaubhaft. Und Eusebio’s
Bild in Mainz spricht mehr dafür, als dagegen. Doch es möge diese Ver-
muthung bei der Dürftigkeit stilistischer Beweisgründe auf sich beruhen. Das
ist jedenfalls sicher, dass der gereifte Gaudenzio seinerseits den Eusebio beein-
flusst hat. Ob diesen unabhängig von Gaudenzio bereits der Wellenschlag
berührt hatte, der von den Kreisen des Lionardo ausging, ist nicht zu sagen.
Durchaus lionardesk muthet freilich der süsse, holdselige Kopf der Madonna
und das feine Profil des Tobias auf unserem Bilde an. Aber Gaudenzio ist
wohl auch hier der Vermittler gewesen. Der gütigen Mittheilung des Herrn
Senator Morelli verdanke ich die Kunde, dass das Urbild des Madonnenkopfes
in Gaudenzio’s »Verehrung des Christkindes mit dem Cardinal Taverna« bei
Herrn Holford in London zu finden ist. (Der Stich darnach in Bordiga-
Pianazzi’s Gaudenziowerk ist mir leider nicht zugänglich geworden.) Un-
zweifelhaft spricht Gaudenzio’s Art auch aus dem Engel Raphael, dessen Kopf
ganz und gar an Typen Gaudenzio's aus den Jahren um und nach 1515 er-
innert. Und Alles in Allem zeigt unser Bild die grösste Verwandtschaft mit
Gaudenzio’s herrlicher Ancona in S. Gaudenzio zu Novara, welche aus den
Jahren 1514 — 1521 herrührt. Von den sechs in zwei Stockwerke vertheilten
Tafeln dieses Altarwerks stellt die mittlere der oberen Reihe die Anbetung
des Kindes dar; die Gomposition ist von der des Mainzer Bildes insofern ver-
schieden, als die rechts knieende Madonna mit auf der Brust gekreuzten Händen
das ihr von links durch zwei Engel entgegengehaltene Kind verehrt, während
Josef weiter nach links andächtig gebeugt dasteht. Uebereinstimmend mit
unserer Tafel ist dagegen die Scene der Verkündigung an die Hirten fern im
Hintergrund ; auch sonst besteht nicht allein in der Auswahl der Typen, son-
dern bisweilen selbst der Farben und in den Einzelheiten der Kleidung die
grösste Aehnlichkeit. Am wenigsten kann'der Engel Gabriel auf der angrenzen-
den Tafel links (welcher zu der knieenden Madonna auf der rechts an
schliessenden Tafel als Engel der Verkündigung gehört) die Pathenschaft zu
unserem Engel Raphael verleugnen. Freilich übersetzt Eusebio die markige
und bewegte Ausdrucksweise des Gaudenzio in das etwas klanglose, matte,
alterthümliche Idiom Vercellis. Wenn nun aber auch die Sicherheit der Zeich-
nung, die Feinheit und Kraft der Färbung und die innere Belebung der Ge-
stalten auf Eusebio’s Werk nicht an sein Vorbild heranreicht, weil ihm seines
Vetters Genius fehlt, so ist er doch in Allem seinem fleissigen, aber schwachen
Landsmann Gerolamo Giovenone weit überlegen , dessen zähes und phleg-
XIV 21
292
Franz Rieffel: Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie.
malisches Temperament in Fluss zu bringen selbst das Beispiel des feurigen
Gaudenzio nicht mächtig genug gewesen zu sein scheint.
Ist es richtig, dass Eusebio sich an Gaudenzio’s Altarwerk in Novara
begeistert hat, so haben wir — in Ermanglung eines anderen — einen An-
halt zur Datirung des Mainzer Bildes. In Ermanglung eines andern : denn das
Archiv der Dominicanerkirche S. Paolo, welches einst die Urkunde über den
Vertrag zwischen Eusebio und dem Kloster barg, ist in den Wirren zu Ende
des vorigen Jahrhunderts' zerstreut worden. Unser Bild wird also jedenfalls
nach 1514, wahrscheinlich aber erst nach Vollendung der Novareser Tafel,
also in oder kurz nach 1521 gemalt worden sein. Zu untersuchen, ob dem
Eusebio auf die Autorität des einzigen Mainzer Bildes hin hoch andre Werke
zugeschrieben werden können, ist eine missliche Sache, noch misslicher als
der vorhin unter Anwendung aller erdenklichen Vorsicht unternommene
Versuch, den Maler in künstlerische Beziehungen zu dem jungen Gerolamo
Giovenone zu bringen. Es würde dazu der eingehendsten und sorgfältigsten
Vergleichung des Mainzer Bildes mit den in Vercelli und der Umgegend
vorhandenen verwandten Werken bedürfen. Wenn ich mich nicht täusche,
würden einige Gemälde im Istituto di Belle Arti zu Vercelli, darunter ins-
besondere mehrere stehende Heiligenfiguren eine Prüfung nach dieser Rich-
tung verdienen. Freilich sind dies alles weniger ansprechende und in ihrer
Art vollendete Bilder, als das Altarwerk in Mainz, welches darum auch von
jeher nach dem Zeugniss des Carlo Amedeo Bellini als das Meisterwerk des
Eusebio Ferrari betrachtet worden ist.
B*eiträge zur Kunstgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts.
Von Joseph Neuwirth.
I. Regensburger Künstler des 15. Jahrhunderts.
Im August 1889 vermittelte mir Herr Dr. Rübsam, Archivar des Fürsten
Taixis in Regensburg, freundlichst die Einsicht in die alten Bürgerrechts-
veirzeichnisse der Stadt Regensburg, welche der Herr Bürgermeister zuvor-
kommend gestattete. Die beiden ältesten Verzeichnisse tragen die Signatur
DXXVIII und DXXIX ; das erste beginnt mit Eintragungen von 1419 an, das
zw/eite im unmittelbaren Anschlüsse an dasselbe mit Einzeichnungen von 1486
himauf. Die Bedeutung solcher urkundlicher Quellen für die Kunst- und
Küinstlergeschichte wird von den Forschern unserer Zeit immer mehr ge-
sclhätzt. Wird doch durch den Nachweis der Bürgerrechtserwerbung eines
Meisters an einem bestimmten Orte nicht nur der zuverlässigste Anhaltspunkt
ge'wonnen, um genau festzustellen, wann ein Künstler in einer Stadt und in
eimer bestimmten Gegend gearbeitet hat, sondern auch damit, wenn es sich
vielleicht um einige aus der Ferne zugewanderte Meister handelt, manchmal
die verhältnissrnässig sicherste Gewähr gefunden, um auffallende, von der
Lotcaltradition abweichende Züge zu erklären und den Zusammenhang mit den
Kuinstanschauungen anderer Schulen verständlich zu machen.
Aus den Eintragungen des Regensburger Verzeichnisses DXX VIII dürften für
die Kunstgeschichte des 15. Jahrhunderts folgende von grösserem Interesse sein :
14-33. Item Heinrich maler von Weinsperg ist meiner herren burger worden *)•
14-44. Item Michel maler ist meiner herren burger worden.
14-44. Item Heinrich maler der jung von Weinsperg ist meiner herren burger
worden.
1448. Item Mathes Brews maler ist meiner herren burger worden.
14-57. Item Ludwig Dürr der maler ist meiner herren burger worden.
1458. Item Peter maler von Aystet ist meiner herren burger worden.
Da die Eintragungen nach den Jahren gleichmässig erfolgt sind, so dass
eime leichte Orientirung in dem Verzeichnisse möglich ist, wurde von dem Folio-
citiate abgesehen.
294
Joseph Neuwifth:
1460. Briefdrucker.
Item Margko Rotnfeld der aufdrucker ist meiner herren burger worden.
1461. Item Jeronimus Haller maler ist meiner herren burger worden.
1461. Maler drucken
Item Wenczl maler aufdrucker ist meiner herren burger worden und
swur burgerrecht feria 6 post Corporis Christi.
1463. Briefdrucker.
Item Görg priefdrucker und Linhart Wolff desselben wercks habent
burgerrecht gesworn feria 2 post Viti anno 63.
Briefmacher.
Item Johannes Schreiber van der Werfen stat hat burgerrecht ge-
sworn am Erchtag nach Udalrici anno 63.
1464. Callmaler.
Item Henricus Vennd hat burgerrecht gesworn feria vor Pfingsten.
1466. Item Hanns Schranner maler hat burgerrecht gesworn feria 4» post
Letare; ausserdem mit andern »Michel Angkerl maler« und »Rup-
recht« maler.
1467. Item Hans der Jung moler von Haitzenhofen sitzt in ’/2 stewr, gibt daz
erst iar 1 armbst, hat 1 brief geben ante Elizabet im 7® iar.
1471. Briefmaler.
Item Johannes Eysenhut aufdruckter hat burgerrecht gesworn feria
6®- post Martini.
1473. Am Freytag vor Oculi im 73 iar haben burgerrecht gesworn Hans
Tübinger maler . . . Henricus Frankenberger maler.
1477. Hanns Lanndskron maler (hat burgerrecht gesworn).
Johannis Petri vor. Gemingen, verfürt di druckten pücher, hat burger-
recht gesworn die Galli 77 anno.
1478. Hans Schickwitz maler (hat burgerrecht gesworn) feria 3 post Ambros.
1478 (sabbato post Alexii anno 78) Item Ulricus Altorffer der maler hat
burgerrecht gesworn eodem die et anno.
1479. Hanns Rot maler (hat burgerrecht gesworn).
1480. Hanns Rab maler (hat burgerrecht gesworn).
1481. Ulrich Ketner briefmaler (hat burgerrecht gesworn).
1484. Item Jörg Awracher illuminist von Passaw ist burger worden feria 3
post Judica anno 84.
1485. Hans Mechinger maler (ist burger worden).
1485. Hans Schonga glaser von Ulm ist burger worden und hat gesworn
feria 3®' ante Nativitatem Marie.
Die Angaben sind für die Geschichte der Malerei und des Bilddruckes
nicht ohne Werth. Sie zeigen, dass von 1433 bis 1485 eine recht beachtens-
werthe Anzahl Maler sich in der altberühmten Bischofsstadt niederliess, gewiss
aus keinem anderen Grunde, als weil sich hier und in der Diöcese ein Feld
für reiche Thätigkeit bieten mochte. Manches noch erhaltene Werk aus oder
in der Umgebung, sowie in Regensburg selbst, wird sich bei den Fortschritten
erhellender Quellenforschung und vergleichender Bilderkritik noch auf einen
Beiträge zur Kunstgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts.
295
oder den andern Meister zurückführen lassen und für die Deutung bisher
namenloser Monogramme vielleicht eine zuverlässige Gewähr gewonnen werden.
Die Zusätze, welche sich auf die Herkunft der Meister beziehen, als Weinsberg,
Eichstädt, Haitzenhofen, Tübingen, Frankenberg, Passau, Ulm, können Fingerzeige
für gewisse Einflüsse auf die Anschauungen der in Regensburg arbeitenden Meister
abgeben ; sie deuten auf ein Hereindringen schwäbischer Einflüsse. In dem
Maler Ulrich Altorffer ist vielleicht die Persönlichkeit gefunden , von welcher
für die Beurtheilung des Lebensganges und der Arbeiten des für Regensburg
so wichtigen Meisters Albrecht Altdorfer der Ausgangspunkt genommen wer-
den muss. Der Glaser Hans Schonga von Ulm erweist sich unzweifelhaft
als ein Angehöriger der für die deutsche Kunstgeschichte so wichtigen Familie
Schongauer, wahrscheinlich ein Bruder des berühmten Martin und des Lud-
wig Schongauer, welch letzterer ja 1479 das Bürgerrecht in Ulm erwarb und
1486 sich in Augsburg niederliess, mithin ein Jahr später, als der genannte
Glaser oder Glasmaler in Regensburg sesshaft geworden war, von Ulm fortzog.
Für die Geschichte des Briefdruckes gewähren die Regensburger Bürger-
rechtserwerbungen dankenswerthe Aufschlüsse, indem sie 1463 ausdrücklich
Briefdrucker und Briefmacher unterscheiden. Letzterer besorgte offenbar den
Text für den herzustellenden Druck, dessen Ausführung und Ausstattung man
nicht dem Schreiber und Briefmacher Johann von Werfen, sondern nur den
Briefdruckern und Briefmalern zuweisen kann.
Von den Briefdruckern ist Linhart Wolff, der im Juni 1463 das Bürger-
recht zu Regensburg erwarb, besonders beachtenswerth ; er ist gewiss identisch
mit dem Meister der 14 Blätter des Salve Regina, der sich »auf dem siebenten
Bogen« ausdrücklich als »lienhart czv regenspurk« bezeichnet hat. Ob er
dieselbe Persönlichkeit ist, wie der 1442 in Ulmer Steuerbüchern genannte
Lienhart 0, wäre wohl weiterer Erwägung werth. Die schwäbische Sprache
des Textes, welche dafür zu sprechen scheint, kann dafür kaum allein Aus-
schlag geben, da diese Eigenthümlichkeit auch auf den »Briefmacher« bezogen
werden darf. Wichtiger bleibt der Umstand, dass das Colorit der Arbeit auf
Beziehungen zu Ulmer Eigen thümlichkeitcn deutet und von Ulm wie aus
andern schwäbischen Städten Künstler nach Regensburg zogen. Da der
Meister der Salve-Regina-Folge sich bereits als »lienhart czv regenspurk« be-
zeichnet, so muss die Arbeit nach der Bürgerrechtserwerbung in Regensburg,
also nach dem Juni 1463 ausgeführt worden sein, was zu der Annahme^)
ziemlich stimmt, dass die Herstellung des Werkes zwischen 1460 — 1470 falle.
Als Maler und Aufdrucker begegnet 1461 in Regensburg ein Meister
Wenzel. Durch die scharfsinnigen und streng wissenschaftlichen Unter-
suchungen von Lehrs ist erwiesen worden, dass die mit W bezeichneten, viel-
umstrittenen Blätter von der Hand des Wenzel von Olmütz stammen , der
Weigel-Zestermann, Die Anfänge der Druckerkunst in Bild und Schrift.
Leipzig 1866, It, S. 104.
Ebendas. S. 109.
9 Ebendas. S, 103 und 110.
296
Joseph Neuwirth:
Vorlagen des Martin Schongauer sowie des »Meisters des Hausbuches von
1480« und später solche von Dürers Hand copirte. Diese Thatsache bekundet
ein besonderes Anlehnen an süddeutsche Meister, das wahrscheinlich darauf
zurückgeht, dass Wenzel von Olmütz an einem Orte lebte, an welchem ein
Hereinfluthen solcher Einflüsse leichter möglich war und in stärkerem Grade
stattfinden konnte als in dem entlegenen Olmütz. Die Frage des Wirkungs-
kreises und Aufenthaltsortes dieses vielgenannten Mannes scheint demnach
einen Blick nach einer andern Richtung, nach jenem Boden zu fordern, auf
welchem die künstlerische Eigenart der Vorbilder erblühte und zunächst am
stärksten einwirken musste. Die Vermuthung, dass der in Regensburg 1461
sesshaft werdende Meister Wenzel seine Arbeiten mit W zeichnete, ist gewiss
naheliegend. Lässt sie sich, was nicht unmöglich ist, als dem Thatbestande
wirklich entsprechend erweisen oder aus anderen Regensburger Quellen fest-
stellen, dass nach 1461 ein Meister Wenzel und ein Wenzel von Olmütz in
Regensburg demselben Kunstzweige angehörten, mithin wohl auch identisch
waren, so wäre damit die Gewissheit gewonnen, dass Wenzel von Olmütz®)
1461 in Regensburg Bürger wurde. Das würde vielleicht auch einzelne Fragen
seines Schaffensganges in neues Licht rücken ; jedenfalls wird die Untersuchung
über die mit W gezeichneten Blätter und den Meister Wenzel von Olmütz
nfcht achtlos an dem Regensburger »Malerdrucker« Wenzel vorübergehen
dürfen.
Endlich ist noch beachtenswerth der 1477 in Regensburg das Bürgerrecht
erlangende Johannes Petri von Gemingen, dessen Beruf der Zusatz »verfürt
di druckten pücher« feststellt. Die Persönlichkeit desselben bleibt für den
Vertrieb und die Ausfuhr der durch die Regensburger sowie andere Meister
geschaffenen Arbeiten, für die Einfuhr der Kunstblätter fremder Länder von
Bedeutung. Sie vervollständigt das System, welches in der Theilung der Arbeit
bei der Herstellung und dem Verkaufe der Druckwerke bereits in der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts sich entwickelt; Briefmacher, Briefdrucker, Briefmaler
und Verkäufer der Drucke erscheinen in Regensburg bereits gesondert, Brief-
drucker und Briefmaler freilich mehrfach auch identisch.
II. Die Beziehungen des Malers Zacharias von Gross-Glogau zu Prag.
In dem »Liber actorum consilii Novae civitatis Pragensis ab anno 1446
usque ad annum 1455«, welcher in dem Prager Grundbuchsamte als God. 16
aufgestellt ist, findet sich auf Fol. 44 und 44' eine Eintragung, welche auf
den Maler Zacharias von Gross-Glogau Bezug nimmt. Derselbe erschien im
Juni 1447 in Prag mit einer Vollmacht der Schöffen von Gross-Glogau, laut
welcher ihn seine Gattin Anna, die Tochter des verstorbenen Prager Bürgers
Hanus Krumforn, am Dienstag vor Christi Himmelfahrt ermächtigt hatte, in
Angelegenheiten ihres väterlichen Erbtheiles vor Gericht oder ausserhalb des-
®) Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Stiche desselben sind mit W ge-
zeichnet, eine Marke, deren sich auch Meister Wenzel nach dem Brauche jener
Zeit zum Schutze seines Eigenthums bedient haben müsste.
Beiträge zur Kunstgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts.
297
selben zu interveniren. In seiner Gegenwart und in Anwesenheit seiner beiden
Schwäger Johannes und Mates, der Brüder Frau Annas, erfolgte der Verkauf
des nach Hanus Krumforn hinterbliebenen Besitzes um 99^/2 Schock an den
Neustädter Bürger Zigl mit dem ausdrücklichen Verzichte auf alle Rechte für
immer. Das Auftreten des Malers Zacharias von Gross-Giogau in Prag, seine
Heirath mit der Tochter eines Prager Bürgers, die wahrscheinlich aus der
Thatsache sich ergab, dass Zacharias früher als Geselle oder vielleicht gar
als Meister in Prag gearbeitet und hier sich vermählt hatte, seine Reise
nach Prag zur Ordnung der Erbschaftsangelegenheiten liefern einen Beweis
dafür, dass auch nach den Husitenkriegen die Kunstbestrebungen in Böh-
men die Fühlung ,mit den Künstlern benachbarter Landstriche nicht ver-
loren hatten und auswärtige Maler in Prag Arbeit fanden und zur Be-
gründung ihres Hausstandes schritten. Die Eintragungen, welche dies ver-
bürgen, lauten also:
[Fol. 44] Zigl emit dornum cum area, brasiatorio, braxatorio et aliis
Omnibus pertinenciis ad ipsam pro se , heredibiis et successoribus suis erga
Johannem et Matesonem fratres germanos et Annam uxorem eorum pueros ac
orphanos olim^ Hanussii Krumforn sitis in circulo inter domos Nicolai patriarche
et Biete piscatricis eo omni iure quo prescripti orphani vendentes tenuerunt,
habendum tenendum et hereditarie possidendum pro centum sexagenis minus
media sexagena iam eisdem vendentibus orphanis pro dicta domo brasiatorio
braxatorio et aliis pertinenciis ac circumferenciis ipsius integraliter persolutis
[Fol. 44'] disbrigant prenominati orphani ad annum et diem secundum ius
civitatis, ad quod forum ac resignacionem Johannes et Mates fratres predicti
heredes predicate domus et cum eis Zacharias pictor socer eorum nomine
Anne coniugis sue sororis predictorum fratrum constituti personaliter in con-
silio dederunt suam plenariam voluntantem, promittentes in solidum cum here-
dibus et successoribus suis ad . . . glonem (?) nec ad predictam dornum per
amplius ullam racionem habere per tempora affutura. Actum feria III post
Viti anno et presentibus quibus supra.
Hannes Schulteis voit im namen der stadt Grossin Glogaw, Niclas Sachse,
Petir wechtir, Niclas Cunczel, Niclas Ganienz, Niclas smed, Hanus Hofeman
und Niclas Lyncke, scheppin am teile unsers gnedigin hern herczugen Wlod-
kon bekennen und tun kunth offintlich mit desem brife allen, dy en sehin,
hören adir lezen , das vor uns in gehegten dinge gestandin hod rogelich
und gesund Anna, Gromphornynne genand, atczund Zacharien des molers
elich weib und hod gekoren czu eynem Vormunden Micheln Hoensteyn und
hod drach (!) und mit demselben irem Vormunden gegebin und gebit dem
genanten Zacharien irem ehlichen manne gancze und wollkomene macht zu
furdern ire gerechtikeit dy sy hod an eynen hofe in der stad Praga, docu
alle ander gerechtikeit dy sy hod von wegin ires väterlichen gutes, is sey an
erblichem adir an farndem gute, das alles mechtig ist czu forndern vor gerichte
adir awswendig gerichtes an allen steten, wo sich das gehöret und und (!) uf
worlust in aller macht sam sy das selbes keginwartiglich tete. Czu urkunde
und geczugnisse habin wir beide gerichtes und unsir , scheppin insigele an
298
Joseph Neuwirlh :
desin brief hengin lassen. Gesehen und gegebin am dinstage vor dem tage
der hymmelfart unsers hirren noch Cristi unsers herren gebort vierezhenhun-
dert iar und im sebin und virczigisten iare.
Superacta litera theutonicalis pro maiori evidencia et retificacione (!) fori ac
contractus domus predicte Zigloni vendite mandato tocius consilii inserta
est in hunc librum.
[Prag, Grundbuchsamt, God. 16 Fol. 44 — 44^]
111. Die Apostelfolge des Daniel Dindtmayer zu St. Paul in Kärnten.
Haendke hat die Persönlichkeit des zu Schaffhausen geborenen Meisters
Daniel Lindtmayer®) der Forschung in anziehender und dankenswerther Weise
nahe gerückt. Für die Thätigkeit des Künstlers, die auch Rahn 9 jüngstens
berührte, bleibt ein dabei nicht berücksichtigtes Werk von Wichtigkeit, das
sich heute in der Handschriftensammlung des berühmten Benedictinerstiftes
St. Paul in Kärnten befindet.
Dasselbe bietet auf schwarz geränderten Papierblättv in von 24,5 X 15,7 cm
ausser der Darstellung Christi eine Apostelfolge. Das Vorhandensein derselben
in den Sammlungen zu St. Paul findet seine Erklärung in den Beziehungen,
in welchen das genannte Stift zu der alten Benedictinerabtei St. Blasien stand.
Für den Abt Kaspar 11. von St. Blasien hatte Daniel Lindtmayer ein grosses
Wappen gearbeitet ®) ; eine ähnliche Arbeit für den Abt Bernhard von St. Gallen
bezeugt, dass der Meister in den Benedictinerklöstern der Umgebung seiner
Heimath geschätzt war. Aus dieser Werthschätzung des Künstlers erwuchs
wohl auch der Auftrag, welchem die St. Pauler Apostelfolge ihre Entstehung
zu verdanken hat; ob diese Arbeit als ein selbständiges Werk zu betrachten
ist oder vielleicht nur die Grundlage für einen Bildereyklus werden sollte, den
der Abt von St. Blasien von Lindtmayer ausführen zu lassen gedachte, wäre
noch eingehender zu untersuchen. Dass die heute in St. Paul aufbewahrte
Apostelfolge unzweifelhaft für St. Blasien gearbeitet wurde, dessen Abt Kaspar II.
dem Künstler die erwähnte Wappenausführung übertragen hatte, kann keinem
Zweifel unterliegen, weil die Existenz in St. Paul auf ein früheres Vorhanden-
sein in St. Blasien hinweist. Das Werk wurde gleich anderen aus St. Blasien
stammenden Kunstdenkmalen nach St. Paul übertragen , wo sein Vorhanden-
sein somit gar nichts Auffälliges hat, sondern in der Natur der Verhältnisse
begründet ist.
Die Apostelfolge Lindtmayer’s in St. Paul gewinnt dadurch an Interesse,
dass fast sämmtliche Aposteldarstellungen mit dem Zeichen des Meisters und
der Jahreszahl 1586 versehen sind. Das Zeichen des Meisters zeigt folgende
®) Haendcke, Daniel Lindtmayer. Jahrbuch der königl. preussischen Kunst-
sammlungen, Berlin 1889, X. Band, 4. Heft, S. 217 u. f.
9 Rahn, Die schweizerischen Glasgemälde in der Vincent’schen Sammlung
in Gonstanz. Leipzig 1890. (Mittheil, der antiquarischen Gesellschaft in Zürich,
XXII. Band, 6. Heft), S. 31, Nr. 155, S. 33, Nr. 165 und S. 76.
®) Haendcke a. a. 0. S. 224.
Beiträge zur Kunstgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts,
299
Variationen ^ und ®); die letztere überwiegt und enthält zu-
gleich auch den Hinweis auf die Heimath des Künstlers »Daniel Lindtmayer
von Schaflfhausen«. Die einzelnen Darstellungen bieten folgende nennenswerthen
Details.
Die erste, auf grauem Grunde ausgeführte zeigt Christus in weitem
purpurrothem Gewände über einem violetten Unterkleide, das ins Graue hin-
überspielt; die Rechte ist segnend erhoben, die Linke trägt den mit einem
Kreuze gezierten blauen Reichsapfel. Die Haltung ist würdig und ernst, der
gehäufte Faltenwurf etwas lebhaft bewegt, die Landschaft des Hintergrundes
flott behandelt. Die Signatur des Meisters fehlt.
Die Apostelfolge zeigt alphabetische Anordnung. Sie wird daher eröÖ'net
durch S. Andreas, dessen Rechte auf dem Kreuze ruht, während er sich in
den Inhalt des von der Linken gehaltenen Buches vertieft; neben letzterem
erscheint rechts oben die dritte Variation der Künstlermarke, die auch bei den
Darstellungen des Jacobus minor, Johannes, Matthias, Philippus und Simon
begegnet. Das Blatt ist ausserdem wie die Blätter mit den Gestalten der
Apostel Bartholomäus, Jacobus maior und minor, Johannes, Judas Thaddäus,
Matthäus, Matthias, Paulus, Petrus, Philippus, Simon und Thomas mit der
Jahreszahl 1586 gezeichnet.
Der hellrolhe Mantel des hl. Bartholomäus, der ein Messer in der Rechten
und ein schwarzes Buch in der Linken trägt, flattert wie im Winde und zeigt
zerfahrenen, geblähten Faltenwurf; die links im Vordergründe erscheinende
Ruine lässt gleich der Ruinen Staffage der Matthäusdarstellung genauere Durch-
bildung der Details vermissen, während das der folgenden Gestalt des älteren
Jacobus beigegebene Landschaftliche, die Kirche, der Baum und die in den
Lüften streichenden Vögel sorgfältiger durchgebildet sind. Das Meisterzeichen
fehlt dieser Darstellung.
Kräftig und energisch zeigt sich die Gestalt des älteren Jacobus, dessen
schwarzer Mantel und Hut mit der Pilgermuschel geziert sind ; die in letzterem
Symbole zu Tage tretende Beziehung erscheint auch in der Pilgertasche, die
nebst einem rothen Rosenkränze an dem braunen Gürtel hängt, sowie in dem
von beiden Händen umfassten Pilgerstabe abermals betont. Hier allein be-
gegnet die erste Variation des Meisterzeichens, das rechts oben unter den
Heiligennamen und die Jahreszahl gesetzt ist.
Die folgende Darstellung des Jacobus minor, dessen Rechte den Walker-
baum hält, während in die Linke wie bei Matthäus, Matthias, Paulus und
Petrus ein offenes Buch gelegt ist, leidet in der Behandlung des Faltenwurfes
an den Mängeln der Bartholomäusflgur , die auch bei Matthias und Paulus
wieder durchklingen. Das Meisterzeichen erscheint rechts oben unterhalb der
Jahreszahl 1586.
Zu dem Antlitze des in die traditionellen Farben gekleideten Johannes
Das mit dem Vorderschenkel des M verbundene L klingt bei den Dar-
stellungen des Andreas, Philippus und Simon an die untere Schlinge des L an;
vergl. dazu die Signaturen des Meisters bei Haendke a. a. 0. S. 219, 220, 221, 223.
300 Joseph Neuwirth: Beiträge zur Kunstgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts.
schiesst aus dem Kelche die grünlich schillernde Schlange empor, gegen welche
das Zeichen des Segens Schutz gewähren soll. Die bergige Landschaft ist
wie jene der Petrusdarstellung mit Details reicher ausgestattet, welchen freilich
liebevolleres Eingehen von Seite des Meisters mangelt. Oben links begegnet
die Jahreszahl, rechts unter dem Heiligennamen die Marke des Künstlers.
Roher ausgeführt ist die stark beschädigte Figur des Judas Thaddäus,
der Buch und Hellebarde trägt; zwischen letzterer und dem Kopfe des Apo-
stels ist die Jahreszahl eingestellt, das Meisterzeichen fehlt aber wie bei Paulus
und Thomas.
Grössere Sorgfalt durchdringt die Matthäusdarstellung, die sich über-
haupt fast über alle früheren erhebt ; doch bleibt die Durchbildung der Hände,
deren rechte Beil und Winkelhaken hält, immer noch derb und flüchtig. Das
links oben stehende Meisterzeichen zeigt die zweite Variation , die mit mehr
schiefer Stellung der M-Schenkel auch bei Petrus begegnet.
Dagegen sinkt die Auffassung und Behandlung bereits in der Gestalt
des- Matthias, dessen Rechte eine Lanze hält, sofort wieder herab.
Markig und fest präsentirt sich der mit der Rechten das Schwert um-
fassende Paulus. Die Haltung und Bewegung, die allerdings etwas Hastiges
an sich hat, deutet gleich dem Gesichtsausdrucke auf Entschiedenheit und
Thatkraft.
Feuereifer durchdringt auch die Gestalt des Petrus, der in der Rechten
den auf seine besondere Stellung hinweisenden Schlüssel trägt. Hier sind
Jahreszahl und Meisterzeiclien in Weiss auf den unteren Rand gesetzt.
Weniger charakteristisch ist Philippus mit dem Kreuze in der Linken
durchgebildet; neben dem Kopfe sind links und rechts Jahreszahl und Meister-
zeichen ebenso wie bei der Darstellung des Apostels Simon angeordnet.
Letzterem verleiht der langherabwallende Bart etwas besonders Würde-
volles; in der Linken ruht die nach abwärts gerichtete Säge.
Thomas trägt gleich Judas Thaddäus und Philippus in der Hechten
ein Buch, in der Linken die Lanze; die Jahreszahl ist unter den Heiligen-
namen gesetzt.
Die bärtigen Gestalten mit weissem oder lichtbraunem Haare sind durch-
schnittlich würdevoll erfasst, der Gesichtsausdruck zeigt überwiegend verständ-
nissvolle Betonung der wichtigen Details, die Bewegung eine manchmal an
Hast streifende Energie und der Faltenwurf wiederholt unruhige, geblähte
Motive. Die Zeichnung ist flott und sicher; sie legt aber nur auf die Haupt-
sachen Nachdruck und deutet das minder Wichtige mehr an. Aehnliches
gilt vom Farbenauftrage. Die Modellirnng des Gesichtes und der Hände ist
mehrfach flüchtig und derb und strebt nur bei Matthäus, noch mehr aber bei
Paulus wirklich einer durchgeistigten Belebung zu. Diese Thatsachen lassen
vielleicht darauf schliessen, dass in der St. Pauler Apostelfolge Daniel Lindt-
mayer’s Skizzen für einen grossen Auftrag erhalten sind, den das Benedictiner-
stift St. Blasien dem Meister zuwenden wollte.
Kannte Leone Battista Alberti den Distanzpunkt?
Studie von Prof. Dr, StaigmiiWer.
Es ist vor Allem Prof. Dr. Janitschek, der in seiner Ausgabe von Leone
Battista Alberti’s »Deila pittura libri tre« diesem Künstler die Kenntniss des
Distanzpunkts zusprechen zu müssen glaubte, welche Ansicht auch sonst in
Lehrbüchern etc. weit verbreitet ist. Eine eingehende Beschäftigung mit
der betreffenden Stelle * *) aus Alberti’s »Drei Bücher über die Malerei«, zu
welcher ich aus Anlass anderweitiger Studien genöthigt war, zeigte mir jedoch
bald, dass diese Ansicht sich nicht halten lässt. Es möge mir desshalb ge-
stattet sein, meine Auffassung der umstrittenen Stelle hier darzulegen.
Hiezu soll zunächst die Stelle
Uebersetzung folgen.
Ma nelle quantita transverse come
l’una seguiti l’altra cosi seguito. Prendo
uno picciolo spatio nel quäle scrivo
una diritta linea, et questa divido in
simile parte, in quäle divisi la linea
che giace nel quadrangolo. Poi pongo
di sopra uno punto alto da questa
linea, quanto nel quadrangolo posi el
punto centrico alto dalla linea che
giace nel quadrangolo; et da questo
punto tiro linee a ciascuna divisione
segniata in quella prima linea. Poi
constituisco quanto io voglia distantia
dair occhio alla pictura, et ivi segnio,
quanto dicono i mathematici, una
perpendiculare linea tagliando qua-
lunque truovi linea. Dicesi linea per-
pendiculare quella linea dritta quäle
tagliando un’ altra linea diritta fa ap-
selbst mit einer möglichst getreuen
Was aber die aufeinanderfolgenden
Querstreifen anbelangt, so verfahre
ich folgenderraassen. Ich nehme ein
kleines Flächenstück, auf welchem ich
eine gerade Linie zeichne, und theile
dieselbe in gleiche Theile wie die
Grundlinie des (Bild-)Vierecks, Dann
nehme ich über dieser Linie einen Punkt
ebenso hoch an, als ich den Augpunkt
über der Grundlinie des Vierecks an-
nahm, und von diesem Punkte aus ziehe
ich Linien nach jedem auf erster Linie
bezeichn eten Theil punkte. Dann setze
ich fest, welche Entfernung der Bild-
fläche vom Auge ich haben will und
dort ziehe ich eine — wie die Mathe-
matiker sagen — senkrechte Linie,
welche die Linien, die sie trifft, schneidet.
Ich nenne eine Gerade dann eine Senk-
Vergl. Quellenschriften für Kunstgeschichte, herausgegeben von R. Eitel-
berger v. Edelberg, XI, S. 231 u. 232.
*) Z. B. Wiener Lehrbuch der darstellenden Geometrie, Bd. I, S. 12.
®) Vergl. Quellenschriften XI, S. 83.
302
Prof. Dr. Staigmüller;
rechte, wenn sie mit einer andern Ge-
raden, welche sie schneidet, nach beiden
Seiten rechte Winkel bildet. Diese senk-
rechte Linie wird mir so, da wo sie von
den andern geschnitten wird, die Auf-
einanderfolge aller Querstreifen liefern.
Und auf diese Weise finde ich mir alle
Parallelen festgelegt, d. h. die Quadrat-
fussfelder des Estrichs im Bilde; und
dafür, wie richtig dieselben gezeichnet
seien, wird es mir ein Merkmal sein,
wenn eine und dieselbe gerade Linie
für mehrere der im Bilde beschriebenen
Vierecke Diagonale bleiben wird.
Diese Stelle interpretirt nun Janitschek (mit Zuhilfenahme der Fig. 1)
folgendermassen :
»Thatsächlich werden die Transversalen so gefunden, dass man von den
Theilpunkten der Basis gerade Linien nach dem seitwärts vom Augenpunkt
abgetragenen Distanzpunkte zieht; die
Lage der Transversalen ist dann mit den
Punkten bezeichnet, wo die zum Distanz-
punkt gezogenenGeraden die zum Central-
punkt gezogenen Fluchtlinien schneiden.
Die nach dem Distanzpunkt gezogenen
Geraden stehen also nicht lotrecht auf der
Horizontallinie, sondern sind vielmehr als
parallel mit der Diagonale des Quadrates
der Distanz zu betrachten. Die Punkte a, b, c, d geben mir die Aufeinanderfolge
der Transversalen an. Es leuchtet also ein, dass das, was Alberti als Beweis
der Richtigkeit angesehen wissen will, ursprüngliche Gonstruction sein soll.«
Zunächst ist nun, wie ja auch Janitschek angibt, die Gerade a D gar
keine Senkrechte auf einer der sonst gezeichneten Linien, es müsste also ein
grober Verstoss Alberti’s vorliegen , der an dieser Stelle um so undenkbarer
ist, als ja Alberti gerade die Gelegenheit ergreift, um das Wort »Senkrechte«
zu erklären. Hiezu kommt ferner, dass, bei einem mathematisch geschulten
Denker wie Alberti, es geradezu unmöglich ist anzunehmen, er habe als
Probe für die Richtigkeit seiner Gonstruction etwas angegeben, was in der
Gonstruction selbst, eben so und nicht anders zu machen, vorgeschrieben
wurde. Wollte man aber doch nicht aus dieser Stelle allein schon die Un-
richtigkeit der Auffassung Janitschek’s folgern, so müsste diese Stelle als voll-
ständig corrumpirt angesehen werden , was aber Janitschek nicht ausspricht
und was auch, wie meine unten ausgeführte Erklärung der Stelle zeigt, voll-
ständig unnöthig ist. Zudem geht aus obiger Stelle in gar keiner Weise hervor,
dass Alberti wusste, dass alle diese Diagonalen durch einen Punkt gehen ; er
wusste nur, dass ein und dieselbe Gerade zu mehreren der Quadrate Diagonale
Fig. 1.
presso di se di quä et di quä angoli
retti. Questa cosi perpendiculare linea,
dove dalf altre sara tagliata, cosi mi
darä la successione di tutti le tra-
verse quantitä. Et a questo modo
mi truovo descripto tutte e paralleli,
cioe le braccia quadrate del pavimento
nella dipintura; quali quanto sieno
dirittamente descripti ad me ne sara
inditio se una medesima ritta linea
continovera diametro dipiü quadran-
goli descripti alla pictura.
Kannte Leone Baltista Alberti den Distanzpunkt?
303
ist. Wenn dann weiterhin Alberti in Bezug auf diese Gonstruction sagt: »chi
non le comprende al primo aspetto costui appena mai con quanta sia faticha
la aprendera^)«, so folgt doch klar, dass sein Verfahren ein durchaus anschau-
liches und kein abgeleitetes sein kann. So könnte Alberti nicht sprechen,
benützte er den Distanzpunkt, nein, aus dieser Stelle allein folgt schon
dass Alberti’s Gonstruction nur die »costruzione legitima« sein kann ®), deren
Definition er mit folgenden Worten gibt: »dicemmo la pictura essere interci-
sione della piramide (visiva) ®). Zu alledem kommt noch, dass bei Janitschek’s
Auffassung es in keiner Weise einzusehen ist, warum Alberti zur Bestimmung
der quantita tranverse zu einer Nebenconstruction greift.
Der Auffassung Janitschek’s entgegen, geht H. Ludwig in seinem Gom-
mentar zu Lionardo da Vinci’s Buch von der Malerei von dem richtigen Ge-
sichtspunkte aus, dass die jener obigen Stelle meist beigefügten Figuren späteren
Ursprungs seien, und Alberti’s Verfahren sich nur dadurch von dem »legitimen«
unterscheide, als Alberti in umgekehrter Weise zuerst den Gentralpunkt in die
Aussicht einsetzt und
dann erst den Bildab-
stand vom Auge, das
sieht , feststellt. Die-
jenige Schwierigkeit in
obiger Stelle jedoch,
weicheaugenscheinlich Fig. 2.
die bisherigen falschen Deutungen verursachte, übergeht er im Texte voll-
ständig und seine zur Erläuterung beigezogene Figur verstösst direct gegen
Alberti’s Wort. ^Alberti nämlich sagt ausdrücklich, dass in der Nebenfigur
die Strahlen vom Augpunkt nach den Theilpunkten gezogen werden sollen,
ehe über die Distanz etwas bestimmt ist, während die Figur Ludwig’s die
Festsetzung der Distanz vor dem Ziehen jener Strahlen fordert.
Um diese Schwierigkeit zu heben, glaube ich, dass Alberti’s Verfahren
folgendermassen zu denken ist. Alberti trägt zunächst in einer Nebenfigur
(vergl. Figur 2) auf einer Geraden Stücke ab, gleich den Theilen, welche er
auf der Basis des Bildvierecks sich festlegte; über dieser Geraden nimmt er
in der Höhe des Augpunkts über der Basis des Bijdvierecks einen Punkt an,
von dem aus er Strahlen zu den Theilpunkten der Geraden zieht. Nun erst
legt er sich die Distanz fest und errichtet in diesem Abstand vom Augpunkt
der Hilfsfigur eine Senkrechte auf der erstgezeichneten Geraden. So ist »al
primo aspetto« klar, dass die Abstände der Schnittpunkte a, b, c, d etc. von
einander der Reihe nach die Breiten der Querstreifen ergeben.
*) „Wer sie nicht beim ersten Anblick begreift, der wird sie kaum je mit
noch so viel Mühaufwand verstehen. Vergl. Quellenschriften XI, S. 85.
®) Und nicht, wie Wiener in seiner darstell, Geometrie, Bd. I, S. 12, will, dass
Alberti seine eigene Gonstruction nicht vollständig durchschaut habe.
®) Wir sagen, das Bild sei der Schnitt der (Seh)Pyramide. Quellenschriften
XI, S. 69—71.
’’) Vergl. Quellenschriften XVII, S. 182 u. ff.
304 Prof. Dr. Slaigmüller: Kannte Leone Battista Alberti den Distanzpunkt?
Fig. 3.
Hiezu möchte ich zunächst bemerken , dass nur diese Figur vollständig
dem Texte entspricht, so z. B. haben nur bei ihr die Worte »tagliando qua-
lunque truovi linea« einen Sinn, da sowohl in Janitschek’s, als auch in Ludwig s
Figur alle Strahlen getroffen werden. Nicht unmöglich ist ferner, dass Alberti
zu dieser Gonslruction dadurch bestimmt wurde, dass ihm durch nachträgliche
Festlegung der Distanz die Wahl der Breite des ersten Querstreifens annähernd
frei stand und er dadurch seine Methode wenigstens einigermassen mit dem
vorher von ihm als üblich, aber falsch bezeichneten Verfahren in Einklang
bringen konnte. Die beliebige Annahme der Breite des ersten Querstreifens
blieb , dagegen trat an die Stelle der
falschen Abstufung der Breiten der fol-
genden Streifen nach festem Verhältniss
(3 : 2) eine perspectivisch richtige Ab-
stufung. Ja nicht einmal so weit kann
ich gehen mit Ludwig anzunehmen, dass
Alberti vielleicht ein dunkles Gefühl von
der Verwendung des Distanzpunktes hatte.
Nein, jene Probe für die Richtigkeit sei-
ner Methode sollte vor Allem direct die Unrichtigkeit des von ihm getadelten
Verfahrens beweisen. Alberti hatte ja sozusagen vorher das andere Verfahren
nur indirect dadurch als falsch nachgewiesen, als es ja von der Distanz un-
abhängig sei. Da nun Alberti einerseits wusste, dass gerade Linien sich
immer wieder als gerade Linien projiciren, andererseits, dass bei einem
quadratisch getäferten Boden gewisse Reihen der Quadrate dieselbe Gerade
als Diagonale besitzen , so konnte er ohne jede Spur einer Kenntniss des
Distanzpunktes jenes Kriterium finden, das die Unrichtigkeit des alten Verfah-
rens jedermann »ad oculos« demonstrirte (vergl. Figur 3, in welcher die
Breitenabstufung der Querstreifen im Verhältniss 3 : 2 erfolgte).
Hiemit glaube ich, dass es mir gelungen sein sollte, nachgewiesen zu
haben, dass Alberti’s Verfahren nicht auf mathematisch abgeleiteten Regeln
beruhte, sondern auf directer Raumanschauung; wie es auch bei ihm, der in
erster Linie nicht Mathematiker, sondern Künstler war, nicht anders erwartet
werden konnte. Bin ich doch selbst der festen Ueberzeugung , und ich stehe
in ihr nicht allein®), dass gerade das Ueberwuchern abgeleiteter Regeln über
anschauliches Verfahren in der Perspective mit die Vernachlässigung dieser
Disciplin bei so vielen Künstlern heute verschuldet ®). Ist es doch nur zu leicht
begreiflich, dass gerade ein Künstler keine Befriedigung in der Anwendung
auswendig gelernter Regeln finden kann , während eine Behandlung der Per-
spective, welche in erster Linie sich an seine Raumanschauung wendet, ihn
sicher fesseln wird.
®) Vergl. z. B. die treffenden Bemerkungen Ludwig’s in Quellenschriften
XVII , S. 187-189.
®) Als Beispiel, wie weit diese Vernachlässigung gehen kann, vergl. man das
tausendfach vervielfältigte Titelbild der naturwissenschaftlichen Monatsschrift »Gaea«.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen,
neue Funde.
Frankfurt a. M. Städel’sches Museum. Der neu an&rekaufte „Cor-
reggio“.
Die »Zeitschrift für bildende Kunst« eröffnete ihren neuesten Jahrgang im
Beiblatt mit einem anonymen Artikel über die erste von dem Director des
Städel’schen Museums gemachte Erwerbung, eine Madonna unter dem Namen
des Antonio Correggio, einen Artikel, der in einem so wegwerfenden Tone von
diesem angeblich elenden Machwerke und seinem Käufer sprach, dass ich mit
einiger Neugierde bei der ersten Gelegenheit, die mich nach Frankfurt führte,
vor dieses Bild hintrat. Mit banger Neugierde: denn ich wünschte nicht, dass
der Städel’schen Galerie, ohne Frage die gewählteste Bildersammlung in Deutsch-
land, eine solche »Groute« einverleibt sein sollte, und ebensowenig wäre es mir
erwünscht gewesen, meinen Freund Thode mit einem solchen faux pas debütiren
zu sehen. Auch musste mir für mich selber bange sein, denn der Verfasser
des Artikels hatte darin einen Helfershelfer des armen Thode denuncirt, in
dem die Freunde jenes »Anonimo des Morelli« meine Wenigkeit wiedererkennen
wollten. Freilich hatte ich mich sehr verdächtig gemacht, da ich kurze Zeit
vor dem Ankauf jenes Bildes in Mailand mich mit Thode in einem Cafe auf
dem Marcusplatze in Venedig hatte sehen lassen! Nach jenem Aufsatze war
ich zum Mindesten darauf gefasst, ein sehr zweifelhaftes oder ganz frühes
Jugendwerk kennen zu lernen , bei dem erst eine lange aufmerksame Be-
trachtung zu einer Entscheidung über echt oder unecht führen könnte. Ich
war daher nicht wenig überrascht, in dem bescheiden, in einer Ecke des
italienischen Oberlichtsaales aufgestellten Madonnenbilde ein ziemlich statt-
liches Gemälde vor mir zu sehen , das seinen Meister Correggio schon von
Weitem dem Beschauer verräth und bei näherer Betrachtung auch nicht einen
Augenblick zweifelhaft werden lässt. Nicht etwa eines yener kleinen Jugend-
werke unter ferraresischen Einflüssen, wie sie uns Frizzoni und Morelli zuerst
nachgewiesen haben, die aber noch heute ein nicht speciell mit dem Künstler
bekannter Forscher nicht als solchen erkennen wird; vielmehr ein Bild des
306
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen und Museen,
Correggio, so wie ihn auch jeder Laie kennt , wie wir Deutsche ihn nament-
lich aus der Dresdener Galerie voll im Gedächtniss haben. Freilich, als ich
es sah, war das Bild durch Retuschen verunstaltet; viele Stellen namentlieh
waren durch einen oder mehrere Restauratoren nach jener in Italien bis in
die Mitte dieses Jahrhunderts beliebten Art übertupfelt — und dennoch hatte
das Bild noch jene eigen thümliche Leuchtkraft, jene wunderbare Farben-
harmonie, jenen feinen Ton der Luft, den Correggio dem Claude vorausnimmt :
Eigenschaften, an denen man den Correggio so leicht erkennen kann und die
niemals einer Copie eigen sind , auch der besten nicht, ln der Berliner
Galerie kann man sich am leichtesten ein Urtheil darüber bilden, da hier
eine der besten fast gleichzeitigen Copien nach der Io von Correggio neben
dem Originalbilde der Leda hängt.
Diesen Eindruck hat das Bild nicht etwa auf mich allein gemacht; jeder
Urtheilsfähige , den ich darüber gesprochen habe, hatte denselben Eindruck
von dem Bilde. Auch unser Restaurator, A. Hauser, den G. Frizzoni in einer
Zuschrift an das Archivio Storico dell’ arte (III. S. 408 f.) in die Discussion
über das Bild nach blossem »Hörensagen« hineinzieht. Das Bild war ihm
keineswegs »verdächtig« vorgekommen; im Gegentheil erschien dasselbe Herrn
Hauser bei genauer Prüfung als ein zweifelloses Werk des Cinquecento und
ein echtes Werk des Correggio. Wenn er noch für eine Zeitlang von einer
Restauration abzusehen bat, so geschah es, um nicht noch mehr Staub über
dieses vielgeschmähte Bild aufzuwirbeln !
Nun ist das Bild aber doch restaurirt worden, und zwar — wie ich
von verschiedenen Seiten höre — mit dem besten Erfolge. Der italienische
Restaurator hatte den Correggio verbessern wollen, aber hatte zum Glück das
Bild nicht vorher geputzt; bis auf geringe Beschädigungen soll das alte Bild
in verhältnissmässiger trefflicher Erhaltung zu Tage gekommen sein. Die
Städel’sche Galerie kann sich gratuliren , für eine so geringe Summe
(12000 fr.) ein nicht nur echtes, sondern höchst charakteristisches, schönes
Werk Correggio’s aus dem Anfänge seiner Blüthezeit erworben zu haben,
ein Bild, das sich würdig den zahlreichen Meisterwerken der verschiedensten
Schulen in dieser Galerie anreiht. Der. Verfasser jenes Artikels der »Zeit-
schrift für bildende Kunst«, zu dem sich nachträglich der Redacteur be-
kannt hat, wird hoffentlich jetzt nach der Restauration sich das Bild noch
einmal ansehen und wird zweifellos mit dem ganz neuen Resultate dem so
rücksichtslos angegriffenen Director des Städel’schen Museums eine glänzende
Genugthuung geben. Denn der Redacteur eines Blattes wie die Seemann-
sche Kunstzeitschrift kann doch , nachdem er ein Vierteljahrhundert dieses
Blatt geleitet hat, nur durch einen — diesmal leider übel angebrachten Feuer-
eifer für Wahrheit und Echtheit zu einem so über alles Maass hinausgehenden
Angriff verleitet worden sein. Der Ausspruch des Polonius; »ist es gleich
Tollheit, hat es doch Methode«, den ich in Bezug auf diesen Artikel citiren
hörte, würde nur gerechtfertigt sein, wenn wirklich eine Entschuldigung nach
erneuter Prüfung des Bildes nicht gegeben würde, wenn ähnliche Angriffe
folgten, die gerade da, wo neue Kunstsammlungen sich bilden, wo aufopfernde
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde. 307
Mäcene die öffentlichen Sammlungen in reichster Weise bedenken und die
eigenen Schätze in freiester Weise zugänglich machen, Misstrauen zu säen
und ein glückliches Zusammenwirken zu verhindern berechnet wären , eine
Wirkung, die leider jener Artikel in Frankfurt bereits gehabt hat! —
Wenn man mir einwendet, dass jene Angriffe aus Mailänder Quelle
keineswegs die einzigen gegen den »Correggio von Gasal-Maggiore« gewesen
sind, dass in Frankfurt von vornherein das Bild wenig beachtet oder gar
schlecht beurtheilt worden ist, so sagt das gegen die Echtheit und selbst
gegen die Güte des Bildes noch gar nichts. War das Bild damals schon
durch das Uebermalen sehr beeinträchtigt, so möchte ich überhaupt bezweifeln,
dass heutzutage irgend ein Correggio, und wenn es die »Danae« der Galerie
Borghese oder die »Nacht« in Dresden wäre, begeisterte Aufnahme finden
würde, wenn er plötzlich auftauchte und in irgend einer Galerie seinen Platz
fände. Die Bewunderung für Correggio, die im vorigen Jahrhundert wohl ihren
Höhepunkt erreicht hatte und auf die Malerei des Rococo mitbestimmend ein-
gewirkt hat, aber auch noch bis über die Mitte unseres Jahrhunderts sich
geltend machte, hat einer entschiedenen Gleichgültigkeit, einem Mangel an
Verständniss für den Künstler Platz gemacht. Unserer realistischen Empfin-
dung, die ja in der heutigen Kunst wie auf dem Kunstmarkt ihren schärfsten
Ausdruck findet, widerstrebt die Richtung auf das sinnlich Reizende, jene
nervöse Beweglichkeit in Form und Ausdruck, jene vertriebene Malweise in
Correggio’s Gemälden. Dass also das Publicum von dem neuen Correggio in
Frankfurt nicht sogleich entzückt war, ist gar nicht zu verwundern und ist
wahrlich kein Vorwurf gegen das Bild. Dem Director " der Städel’schen
Sammlung kann man es vielleicht als einen diplomatischen Fehler vorwerfen,
dass er trotzdem mit einem solchen Ankauf debütirt hat; aber dass er es
gethan hat, macht seinem Eifer und seinem Muth alle Ehre und hat der
Sammlung einen dauernden Gewinn gebracht. Hoffentlich wird man auch
in Frankfurt, nach Wiederausstellung des so trefflich restaurirten Bildes, zu
dieser Erkenntniss kommen und dem neuen selbst gewählten Director das
volle Vertrauen entgegenbringen, das er verdient U- W, Bode.
Dem Vernehmen nach haben die in obigen Zeilen erwähnten Umtriebe
leider schon den Erfolg gehabt, dass sich Thode' bestimmt findet, mit Beginn
October von seinem Amt zurückzutreten. Im Interesse der schönen Sammlung des
Städel’schen Instituts ' kann dieser Entschluss nur auf das Lebhafteste beklagt
werden. Hoffentlich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, A. d. R.
XIV
22
Litteraturbericht.
Archäologie. Kunstgeschichte.
A. Bertolotti, Le Arti minori alla Corte di Mantova nei Secoli XV,
XVI e XVII. Ricerche storiche negli Archiv! Mantovani. Milano, Tipografia
Bertolotti di Giuseppe Prato, 1889. 8°, 257 S.
A. Bertolotti, Architetti, Ingegneri e Matematici in Relazione coi
Gonzaga, Signori di Mantova nei Secoli XV, XVI e XVII. Ricerche
archivistiche Mantovane. Genova, Tipografia del R. Istituto Sordo-Muti, 1889.
8«, S. 140.
A. Bertolotti, Figuli, Fonditori e Scultori in Relazione con la Corte
di Mantova nei Secoli XV, XVI e XVII. Notizie e Documenti raccolti
negli Archiv! Mantovani. Milano, Tipografia Bortolotti di Giuseppe Prato,
1890. 8°, S. 115.
Ergänzend treten diese drei Publicationen zu dem im Jahre 1885 er-
schienenen Buche Artist! in Relazione coi Gonzaga Signori di Mantova (vgl.
Repertorium f. K. IX, 1886, S. 234 (T.); in Aussicht gestellt ist nun noch
eine Veröffentlichung über die Maler, welche mit dem Hof der Gonzaga im
15., 16. und 17. Jahrhundert in Beziehung standen. Dann wird für einen
der sympathischsten und kunstsinnigsten Fürstenhöfe Italiens ein unvergleichlich
reiches Quellenmaterial wohlgeordnet vorliegen, das es gestattet, mit aller Ge-
nauigkeit die Stellung der Kunst während dreier Jahrhunderte im Haushalt des
Hofes aber auch im geistigen Haushalt der Menschen jener Zeit auf das Ge-
naueste zu bestimmen. Auch in den vorliegenden Publicationen staunt man
über die reiche Nachlese, welche Bertolotti nach Carlo d’Arco, Campori, Ar-
mand Baschet, Braghirolli, noch zu halten vermochte. Vor Allem trifft dieses
auf die Beziehungen zur Kunstindustrie (Arti minori) ein; wie denn überhaupt
die Geschichte der italienischen Kunstindustrien noch keine ihrer ausserordent-
lichen Bedeutung entsprechende Behandlung erfahren hat. Wer einmal daran
gehen wird, welchen Zweig immer derselben eingehend zu behandeln, der wird
dafür in Bertololti’s Arti minori einen Schatz kostbarer Nachrichten finden.
Nur einzelne Proben kann ich geben. — Für die Biographie der Christoforo
Geremia ist es zunächst nicht ohne Belang, dass ein Goldschmied Geremia di
Nicolino als Zeitgenosse jenes Geremia nachgewiesen wird; .in Bezug auf
Christoforo Geremia wird durch die Mittheilung einiger Briefe des Künstlers und
des Marchese der Beweis erbracht, dass Vasari Recht hatte mit seiner Angabe,
Litteraturbericht.
309
dass Geremia in Florenz gearbeitet habe. Was den Goldschmied Anichino
betrifft, von welchem die feinsinnigste Kunstkennerin der Zeit, Isabella, sagt:
»essendo el miglior maestro d’Italia« , wird durch die mitgetheilten Urkunden
sicher gestellt, dass sein Vorname nicht Ludovico (so Vasari, Pietro Aretino),
sondern Francesco war. Von deutschen Goldschmieden tritt Heinrich Exler
aus Augsburg in den Vordergrund, der in Venedig, Mantua und nach einem
Aufenthalt in Augsburg (1504) seit 1508 wieder in Venedig ansässig war. Auch
für Garadosso bringt das Buch noch eine kleine Nachlese; Federigo, der Sohn der
Isabella, bewundert die Agraffe am Barett des Tebaldeo, die den Kampf des
Hercules mit Antaeus zeigt — ein Werk des Garadosso — und möchte von
dem gleichen Künstler eine Agraffe für seinen Hut — Laokoon in Relief —
besitzen; Isabella muss leider wegen augenblicklicher Ebbe in der Gasse dem
Sohne die Bitte abschlagen. Sehr interessant ist ein Brief des Benedetto
Gapilupi an Isabella (7. Juli 1516), worin er mittheilt, dass die augenblicklich
in Mantua weilenden Herzoginnen von Urbino durch Geldnoth gezwungen
wären, »far rompere et battere alcuni pezi di argento fra quali erano dui
bacilli con dui bronzi da mano molto belli de desegno et fogia antiqua desig-
nati per Raphael, hanno del oblongo sono dorati« etc. Sie würden sehr gerne
diese Sachen gegen Gold oder prägbares Silber Umtauschen , statt so schöne
Kunstwerke (tanto bella opera) zu zerstören. Zwei Tage darauf benachrich-
tigte er Isabella, dass er Vorsorge getroffen habe, dass jene Kunstsachen ihm
zur Ansicht vorgelegt würden ; da dürften sie wohl gerettet worden sein.
Sehr reich sind die Mittheilungen über die Zecca in Mantua. Von den ur-
kundlichen Nachrichten über die einheimischen und fremden Waffenschmiede
und Plattner hebe ich die Nachrichten über Anchise della Guaina von Bologna,
der auch in Deutschland hochgeschätzt war und dann über den Augsburger
Kolman hervor 1506, 1511, 1512, 1520, 1530. Die Mittheilungen hier er-
geben, dass der Vorname Kolman’s Laurentius war. Das von Stetten ange-
gebene Geburtsdatum 1470 Kolman’s dürfte sich darnach auf diesen und nicht
auf Desiderius Kolman beziehen, wie W. Boeheim meint (vgl. Repertorium
f. K. VIII, 1885, S. 193) und in Desiderius dürfte man wohl den Sohn
des Laurentius sehen; in der letzten Zeit hat dann Gurlitt (Deutsche Turniere,
Rüstungen und Plattner des 16. Jahrhunderts. Dresden 1889, S. 98) neben
anderen auch jene 1599 bezeichnete Prunkrüstung Ghristian II. im Dresdener
historischen Museum dem Desiderius auf Grund stilistischer Merkzeichen zu-
gewiesen; das geht chronologisch nicht an, selbst wenn man Desiderius als
Vertreter einer zweiten Generation dieser Plattnerfamilie nimmt und sein Ge-
burtsdatum auf ca. 1500 ansetzt. Die Nachrichten der Vertreter der Schnitz-
und Einlegearbeit sind für das 15. Jahrhundert spärlich; 1425 erhält Magister
Johannes de Trigulis Bezahlung »qui fecit sedilia chori ecclesiae scti Francisci«.
Auch später bleiben die einheimischen Arbeiten selten im Vergleich zu dem,
was von Florenz, Venedig, Reggio an Künstlern und Kunstwerken in diesen
Techniken kam. Ueber Gemmenschneider und verwandte Künstler sind die
Nachrichten wieder recht reichlich, für die Geschichte jener Kunstzweige müssen
sie aber erst nutzbar gemacht werden — ich hebe hier nur einen Brief des
310
Litteraturbericht.
von Vasari hochgefeierten Valerio di Belli hervor. — Spärlich sind die Nach-
richten über die Teppichweber, was aber doch begreiflich ist, da bereits
W. Braghirolli die darauf bezüglichen Nachrichten mit grossem Fleiss gesam-
melt und veröffentlicht hat (Sülle Manifatture di Arazzi in Mantova 1879.
Vgl. Repertorium f. K. II. 1879 S. 402 ff.).
Die Nachrichten über Architekten, Ingenieure und Mathematiker bringen
trotz der früheren Veröffentlichungen auch noch für die gefeierten Namen
manchen kleinen Nachtrag, so für Luca Fancelli, Luciano da Laurana, Giulio
Pippi und den grossen Ingenieur Giovanni da Padova. Dann aber verdienen
die reich fliessenden Quellen für die Architekturgeschichte Mantuas nach dem
Tode des Giulio Romano volle Berücksichtigung. Sehr reich an neuen Nachrich-
ten ist endlich der Band, welcher den Vertretern der Töpferei, Giesserei und der
Marmorbildnerei gewidmet ist; in letzterer Abtheilung befinden sich auch die
Nachrichten von Ankäufen von Antiken, soweit sie nicht von Bertolotti schon in
dem W^erke »Artisti in Relazione coi Gonzaga« Veröffentlichung gefunden haben.
Die Majolicatechnik fand in Mantua schon Pflege seit der Mitte des 15. Jahr-
hunderts, was aber die reiche Einfuhr von Erzeugnissen der berühmten italie-
nischen Fabriken nicht ausschloss. Auch der Metallguss war, schon wegen
der militärischen Bedürfnisse, früh in Mantua heimisch, markgräfliche Giess-
hütten fehlten nicht. Von Marmorbildhauern treten die venezianischen Lom-
bardi, besonders Tullio hervor und eine kleine Nachlese ergiebt sich auch noch
-für Alfonso Gittadella (W. Braghirolli, Alfonso Cittadella, Mantova 1878; vgl.
Repertorium f. K. II, 1879, S. 381 ff.). Sehr interessante Nachrichten finden
sich über Antikenkäufe. Man erfährt hier, dass 1528 (nach dem Sacco) in
Rom grosse Noth an Antiken war, da Alles, was bewegliches Gut war, nach
Neapel gesandt worden war; man lernt Tizian als Sachverständigen bei An-
käufen von Antiken kennen ; bei Gelegenheit eines Verkaufsangebotes sendet
Giac. Aloisi Cornari das Inventar sämmtlicher Antiken, die sich im Studio
des Pietro Bembo damals noch befanden (1628) nach Mantua, das hier nun
gleichfalls veröffentlicht wird. Doch nicht bloss diese reichen kunstgeschicht-
lichen Mittheilungen fesseln unser Interesse, eine Fülle eigentlichen bio-
graphischen Materials liegt hier geborgen, nicht bloss für die Künstler, son-
dern noch mehr für die edelsten Kunstfreunde der grossen Zeit, allen voran
Isabella von Mantua; der umfassende Interessenkreis derselben, ihr ge-
läuterter Geschmack, ihre jugendliche Empfänglichkeit für alles Schöne noch
in höchsten Jahren lassen immer mehr diese Frau als die edelste unter
den edlen Frauen ihrer Zeit erscheinen. In dem Buche Le Arti minori ist
sie die wahre Heldin. H. J.
J, E. RüMii, Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler. (Bei-
lage zum »Anzeiger für schweizerische Alterthumskunde«. Jahrgang 1890.)
Seit dem Jahre 1872 ist Rahn an der Arbeit, der Schweiz eine in Be-
zug auf wissenschaftliche Verarbeitung des Stoffes zum Mindesten mustergiltige
Statistik seiner Kunstdenkmäler zu geben. Wiederholt ist an dieser Stelle bei
Gelegenheit der Besprechung des Anzeigers auf sie hingewiesen worden. Früher
Litteraturbericht.
311
erschien sie als Bestandtheil des Anzeigers selbst, ohne Abbildungen im Text;
vom Jahrgang 1888 an wurden dem Texte Abbildungen eingefügt und nun
soll die Statistik regelmässig — früher nur in Ausnahmefällen — als besondere
Beilage des Anzeigers erscheinen. Diese Aenderung in der Form der Ver-
öffentlichung kann man nur willkommen heissen. Mag immerhin später eine
Sonderausgabe der Statistik veranstaltet werden, man hätte schon von Anfang
an die praktische Nutzbarkeit durch die jetzige Form der Veröffentlichung er-
heblich erleichtern können; schade, dass nicht auch die Paginirung der Bei-
lage vom Anzeiger losgelöst wurde. Nicht minder willkommen sind die Ab-
bildungen, welche uns den Text erläutern; die bescheidenen Mittel, welche
zur Verfügung stehen, drängen zur bescheidensten Technik, aber da die meisten
Vorlagen dafür auf jene Hand zurückführen, welche die Feder führt, so spielt
bei der Auswahl der Zufall keine Rolle, und die Art der Ausführung hat vom
Anfang an nur das Wesentliche im Auge. Es wird nicht leicht wieder der
Fall eintreten, dass ein Forscher von der Bedeutung Rahn’s so geschickt den
Zeichenstift zu führen versteht (in anderem Falle steht uns der methodisch ge-
schulte Forscher höher als der Zeichner-Architekt, wenn es die Leitung einer
Kunststatistik gilt). Der Jahrgang des Anzeigers 1888 brachte Fortsetzung und
Schluss der Statistik von Ganton Neuen bürg und den Beginn der Statistik
des Gantons Schaffhausen, der Jahrgang 1889 Fortsetzung und Schluss von
Ganton Schaflfhausen. Die Statistik der Gantone Schwyz (XIII) und Solothurn
(XIV) ist zunächst für spätere Lieferungen verschoben worden, statt dessen
brachte die Beilage zum Anzeiger von 1890 und zum . ersten Heft von 1891
den Beginn der Statistik des Gantons Tessin (XV) von Airolo bis Ghironico.
Wir alle wissen, wie viel schon die Kunstgeschichte des Tessin Rahn zu
danken hat, wie viel Denkmäler dieses an Denkmälern reichsten Landestheiles
der Schweiz durch ihn der kunstgeschichtlichen Betrachtung überhaupt er-
schlossen wurden; ich erinnere nur an die auf den Tessin bezüglichen Ab-
schnitte im Anzeiger 1873 und 1877, ganz besonders aber an die Kunst- und
Wanderstudien aus der Schweiz, Wien 1883 und an die Studien über die
Malereien aus dem Renaissancezeitalter in der italienischen Schweiz, Reper-
torium XII. S. 1 ff., S. 115 ff. Jetzt aber gewinnt man erst die volle Ueber-
sicht — .nur Süd-Tirol kann an Fülle und Werth des Erhaltenen mit der
italienischen Schweiz wetteifern. Man braucht nur das für Ascona oder Bellin-
zona Beigebrachte in Betracht zu ziehen. Die Behandlung des Denkmäler-
bestandes durch Rahn ist mustergiltig. Die Litteraturangaben erschöpfen gewiss
Alles, was an Bedeutung für die einzelnen Denkmäler existirt. Die Beschrei-
bung ist knapp, aber völlig ausreichend — bei den Bauwerken fehlt nirgends
die Angabe der Orientirung und der Hauptmaasse. Bei der Zeitt)estimmung
wird kein urkundlicher Beleg übergangen, wo es der Stilkritik überlassen bleibt,
das Urtheil zu fällen^ zeigt sich der vielerfahrene Praktiker von beherzigens-
werther Vorsicht. Als Muster sachlicher Beschreibung und Erläuterung — der
überdiess an dieser Stelle noch besonders zahlreiche Abbildungen zu Hilfe
kommen — hebe ich die von Bellizona mit ihren Gastellen hervor. Die Statistik
schweizerischer Kunstdenkmäler, die Rahn in überbescheidener Weise nur wie
312
Litleralurbericht.
Beiträge »zur Statistik« angesehen wissen will, wird nach ihrer Vollendung
nicht bloss ein glänzendes Denkmal des Forschers, sondern auch des Patrioten
Rahn bilden. H. J.
Architektur.
AntonioAverlinoFilarete’sTractat über die Baukunst nebst seinen
Büchern von der Zeichenkunst und den Bauten der Medici. Zum
ersten Mal herausgegeben und bearbeitet von Dr. Wolfgang von Oet-
tingen. (Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittel-
alters und der Neuzeit, begründet von Rudolph Eitelberger, fortgesetzt von
Albert Ilg.) N. F. III. Band. Wien, C. Gräser 1890. 8«, XII und 751. S.
Gaye hat durch seine Mittheilung von Textproben aus dem Tractat des
Filarete (Carteggio, 1, pg. 200—206) den Wunsch nach vollständiger Ver-
öffentlichung desselben geweckt. Als dann durch Eitelberger das Unternehmen
der »Quellenschriften« gegründet wurde, schien die Erfüllung solchen Wunsches
auch in die Nähe gerückt. Doch vergiengen darüber noch Jahre. Als auf
Betreiben des E. Müntz eine vollständige Abschrift des Tractats für die Ecole
des Beaux-Arts ausgefertigt wurde, hoffte man auf eine Publication desselben
durch Müntz oder einen anderen französischen Forscher, dann tauchte die Nach-
richt auf, der ausgezeichnete Vertreter baugeschichtlicher Forschung, R. Dohme,
bereite eine Ausgabe vor, und in der That hatte man auch schon mit dem
Druck der ersten Bogen begonnen — als auch da wieder die Sache stockte.
Es war eben unmöglich, ohne hervorragende materielle Unterstützung einer
wissenschaftlichen Körperschaft das umfangreiche Werk mit seinen Abbildungen
in würdiger Weise zu publiciren. Nun nahm sich aber die Leitung der Neuen
Folge der Quellenschriften der Sache an. Ein junger Gelehrter hatte auf eigene
Faust an eine Ausgabe des Tractats gedacht: der Originaltext sollte mit philo-
logischer Genauigkeit nach der autoritativsten Handschrift reproducirt und
allen wichtigen Lesarten vervollständigt werden , eine deutsche Uebersetzung,
ein reichhaltiger Gommentar sollte sich dem Originaltext anschliessen. Das
hätte wohl drei Bände gefordert. Die Leitung der Quellenschriften konnte
bei der Ueberfülle an Material und bei der Beschränktheit der ihr zur Ver-
fügung stehenden materiellen Mitteln den Wunsch des Forschers nicht dem
ganzen Umfang nach erfüllen, aber nach gegenseitigen Zugeständnissen ist
doch Filarete in einer Form an die Oeffentlichkeit getreten, mit der man
sich zufrieden stellen kann. Von dem Bearbeiter forderte diese Form nicht
bloss Entsagung, sondern auch eine starke Vermehrung der Arbeit. Es galt
bald wegzulassen, bald zusammenzuziehen — doch aber auch der Forderung
streng Rechnung zu tragen, dass nirgends ein bis dahin nicht vorgetragener
Gedanke, ein Name oder eine Zahl auf diese Weise wegfalle. Im Wesent-
lichen wurde also durch Kürzungen und Weglassungen nur die unbeholfene,
oft sehr schwülstige Rhetorik des Verfassers betroffen. Doch stellen knappe
Angaben des Inhalts der weggelassenen Stellen den Gang des Originaltextes
her. Alle sachlichen Erörterungen dagegen werden im Originaltext, von Ueber-
setzung begleitet, wiedergegeben, so dass die Forschung stets mit dem Original-
Litteratiirbericht.
313
text selbst sich befassen kann. Da auch die Wiedergabe von Abbildungen
sich auf eine geringe Zahl beschränken musste, so giebt auch hier wieder der
Bearbeiter am Anfang eines jeden Buches die Beschreibung der im zu Grunde
gelegten Text befindlichen Abbildungen. Die Handschrift, welche der Verfasser
als Haupttext für seine Ausgabe benützte, ist der Cod. Magi. XVII. I. 30
(mit der Widmung an Piero dei Medici); im Ganzen weist der Heraus-
geber acht alte Handschriften nach, von welchen fünf dem 15. und drei dem
16. Jahrhundert angehören und wovon wiederum Vier den italienischen Original-
text und vier die im Auftrag des Königs Mathias Gorvinus von Antonio
Bonfini von Ascoli hergestellte lateinische Uebersetzung enthalten, lieber die
kunstgeschichtliche Bedeutung des Traotats giebt sich der Herausgeber keiner
Täuschung hin; die Kritik^ welche er auf S. 37 ff. giebt, wird man Satz für Satz
unterschreiben können. ' Was den Tractat populär machte, war, dass er der
Bauphantasie des Durchschnittsmenschen entgegen kam und die Mitte nahm
zwischen die von einem hohen Geist verkündeten Bauideale Alberti’s und die
von echter Künstler-Phantasie gezeugten Bau-Visionen des Verfassers der Hyp-
nerotomachia. Es ist eine unanfechtbare Thatsache, über die letzten Ziele der
italienischen Renaissancearchitekten orientiren in nur geringem Maasse die vor-
handenen Denkmäler, man muss sich darüber bei den Theoretikern von Alberti
bis Palladio Raths erholen. Wie viel Filarete Alberti schuldet, auch darüber
erhalten wir vom Herausgeber genügende Rechenschaft, und auch darüber,
wie sehr Filarete’s Mittheilungen an Werth verlieren, wenn er einmal eigene
Wege geht. Die Spuren Filarete’s werden desshalb auch in der kunstgeschicht-
lichen Litteratur nicht so kräftige werden, wie sie Alberti durch sein Werk
De re adificatoria geübt und in noch vermehrtem Maasse üben würde, wenn
von diesem Werke eine Ausgabe zur Hand wäre, die neben dem auf Grund
der vorhandenen Handschriften von seinen Druckfehlern gesäuberten Original-
text einen eingehenden Gommentar und vollständige Uebersetzung brächte;
aber Ueberschätzung und Unterschätzung Filarete’s wird mindestens von jetzt
an ausgeschlossen sein. Dass der Herausgeber trotz der geistigen Oedheit
ganzer Strecken mit gleicher Energie die Arbeit vom Anfang bis zu Ende
förderte, dass er mit Tact und Sorgfalt dem Leser über solche Strecken hin-
weghilft, dafür gebührt ihm ganz besonderer Dank. Ueber das Leben Filarete’s
hat der Herausgeber schon früher eingehend gehandelt und an jener Stelle auch
eine eingehende Darlegung und Erläuterung des Inhalts des Tractats gegeben.
(Ueber das Leben und die Werke des Antonio Averlino, gen. Filarete. Leipzig,
E. A. Seemann 1888. Vgl. Repertorium f. K. XII. S. 217 ff.), so bildet
in der Einleitung zum Tractat die Besprechung der Handschriften, ihr Ver-
hältniss zu einander die Hauptsache. Die Anmerkungen beschränken sich auf
nothv.'endige Erläuterungen besonders dunkler Stellen, in wichtigeren Fällen
tritt dazu die Angabe der Quellen, aus welchen Filarete schöpfte oder die Be-
richtigung falscher Gitate Filarete’s. Wer einmal eine ähnliche Arbeit machte,
ermisst leicht, welcher Aufwand an Zeit und geistiger Spannkraft in einem
solchen Gommentar steckt, der nicht bloss zu sklavischer Gefolgschaft auf den
verworrensten Gedanken pfaden des Verfassers herausfordert, sondern auch zur
314
Litteraturbericht.
Durchstöberung von dessen Bibliothek und dessen nicht selten falsch notirten
Mittheilungen von gelehrten Freunden zwingt. Alles in Allem kann man sagen;
Was die kunstgeschichtliche Forschung dem Theoretiker Filarete noch zu thun
schuldig war — und das war ziemlich viel — hat der Herausgeber gethan. Jetzt
lässt sich genau überblicken , in welchem Verhältniss er zur Baupraxis und
zu seinem grossen Vorbild Alberti stand, was er entlehnte und was er aus
Eigenem bot, aber auch wie hoch oder phantastisch seine Absichten über dem,
was er zu leisten berufen wurde, standen. Dabei kommt freilich heraus, was
der Herausgeber als Ergebniss in wenige Zeilen zusammenfasst: sein Schaffen
und Lehren charakterisirt sich als das »eines Mannes, der, vielseitig begabt,
in mannigfacher Weise beschäftigt ist, aber nirgends im höchsten Sinn sich
zur Geltung bringt.« Ein Genie war er nicht, aber ein Talent von Mittel-
maass, dem die Phantastik nur manchmal den Gedankengang und den Ge-
schmack in Unordnung brachte. Wir aber sind dem Herausgeber der Quellen-
schriften und dem Herausgeber des Filarete-Tractats im Besonderen dankbar,
dass nun einmal die nicht kurzweilige Arbeit gründlich abgethan wurde,
gründlich und so gediegen, dass der vorliegende Band zu den am sorgfältigsten
gearbeiteten Bänden der Sammlung der Quellenschriften gerechnet werden
muss. H. J.
Malerei.
lyan Lermolieff; Kunstkritische Studien über italienische Malerei.
Die Galerien zu München und Dresden. Mit 41 Abbildungen. Leipzig, F. A.
Brockhaus, 1891. 8°.
Der Ton des Verfassers hat sich erfreulicher Weise in diesem zweiten
Theil seiner kunstkritischen Studien wesentlich gemässigt, wohl in Folge des
Umstandes, dass er hier- Veranlassung hat, mehrmals einzugestehen, er habe
sich bei manchen Bilderbestimmungen der ersten Auflage geirrt. Mit Rücksicht
auf das grosse Publicum, das so gerne Propheten annimmt, ist die zugestandene
Thatsache, dass die vielgepriesene Experimentalmethode nicht unfehlbar sei,
ja ganz erwünscht: wobei nicht verschwiegen sein soll, dass Lermolieff vor-
sichtig genug gewesen ist, eine solche Unfehlbarkeit für seine Methode nicht
zu beanspruchen; durchaus anzuerkennen aber ist der Freimuth, womit der
Verfasser seine begangenen Fehler eingesteht und berichtigt. Dadurch bestätigt
er nur die Annahme, dass es ihm thatsächlich um die Sache zu thun sei.
Im Folgenden soll nun, soweit es mir aufzufinden möglich war, das
Neue, was diese Auflage gegenüber der ersten enthält, herausgehoben werden.
In der Münchner Pinakothek wird die Beweinung Christi (Nr. 1032)
nicht mehr wie früher und wie vom neuen Katalog dem Basaiti zugesprochen,
sondern für die Gopie eines Vlamen erklärt. — Ebenso als vlämische Copie
nach Moretto oder Moroni des hl. Hieronymus (1088), wobei früher unent-
schieden gelassen worden war, ob hier ein Original von Moroni oder eine Gopie
nach ihm vorliege, während der italienische Ursprung des Bildes jedenfalls nicht
in Frage gestellt wurde. — Auch das Gesellschaftsstück unter Florigerio’s Namen
(1084) wird jetzt einem Niederländer gegeben, wie die Gesare da Sesto be-
Litteraturbericht.
315
nannte Madonna (1048). — Die hl. Sippe (1086) wird nun dem Gir. da
S. Croce abgesprochen, ebenso wie es scheint dem Paolo Veronese die beiden
früher ihm noch belassenen Bilder: das Frauenporträt (1135) und die hl. Familie
(1137). — Das männliche Bildniss unter Capriolo (1119) wdrd nun wie im
Katalog für eine Copie erklärt; so auch die Conti' genannte Madonna (1044).
Bei letzterem Bilde wäre übrigens die sonst so freigebig vertheilte Bezeichnung
als »niederländisch« durchaus am Platz gewesen. — Für die dem Leandro da
Ponte gegebene Madonna mit Heiligen (1151) wird mit Nachdruck der alte Name
Giacomo Bassano zurückverlangt. — Der kleine Faun (1094), den Lermolieff
früher mit Entschiedenheit dem Lotto zuschrieb, wird jetzt dem Galeriekatalog
entsprechend als Correggio anerkannt, — Die Madonna mit Heiligen und
einem Donator (1096) wird nicht mehr der Schule Correggio’s im Allgemeinen,
sondern mit Bestimmtheit dem Anselmi zugeschrieben ; die Filippino benannte
Beweinung Christi (1009), wie mir scheint mit Recht, dem Raffaellino del
Garbo. — Die beiden Predellen bilder mit der Taufe und der Auferstehung (1037,
1038) gelten ihm nun nicht mehr als Spagna, sondern mit dem Katalog als
Perugino. — Das Exemplar der Madonna della Tenda (1051) wird für Giulio
Romano erklärt, dieser Name aber für den sogenannten Altoviti (1052) nicht
angenommen.
ln der Dresdener Galerie wird jetzt bei der Madonna mit Heiligen
(Nr, 54), die Lermolieff ehemals dem Bartolommeo Veneziano gab, der italienische
Ursprung in Zweifel gezogen ; dagegen wird nun diesem wenig charaktervollen
Künstler nach Frizzoni’s Vorgang die räthselhafte d. h. auch nicht sonderlich
charaktervolle Salome (292) zugeschrieben, die doch mehr aus der Richtung
Boltraffio’s hervorgegangen zu sein scheint. — Eine andere wenig verständliche
Taufe ist die der feinen, aber in den Farben aussergewöhnlich blassen und
kühlen Madonna (295), die in den alten Katalogen dem Vincenzo Tamagni da
S. Gimignano gegeben wurde, auf Lotto. — Das von Bode als A. Mor bestimmte
männliche Bildniss (267) wird jetzt nicht mehr wie früher für einen Moroni,
sondern für ein Originalwerk der niederländischen Schule gehalten. — Die
Kreuztragung Sebastiano’s del Piombo (102) wie die hl. Gonversation Lotto ’s (195)
werden als Copien bezeichnet, wogegen nicht wohl zu protestiren ist. — Für
die kleine Verkündigung aus der Schule des Fra Angelico (7) wird mit
Entschiedenheit der Name Gozzoli genannt, die Madonna mit Heiligen nicht
der Schule des Raffaellino de’ Gapponi, sondern der des Raffellino del Garbo
di Bartolommeo zugewiesen ; endlich werden die Pilasterdecorationen (36, 37)
nicht als Werke Signorelli’s, sondern nur als solche seiner Werkstatt be-
zeichnet. — Die kleine unter Lionardo’s Namen angekaufte Madonna (13), die
in der ersten Auflage als eine niederländische Copie nach Credi galt, wird
jetzt als eine solche nach Verrocchio angegeben, wovon weiter unten,
Ueber Bilder an anderen Orten werden die folgenden Bemerkungen ge-
macht. Im Wiener Belvedere: der Ritter, der einen mit Weinlaub be-
kränzten jungen Mann an der Schulter packt, angeblich Giorgione, von Ga-
riani. — Städel’sches Institut: das weibliche Bildniss, genannt Sebastiane
del Piombo, von Sodoma. Diese Zuschreibung würde vielleicht verständlicher
316
Litteralurbericht.
sein, wenn sie mit dem Hinweis auf bestimmte Bilder Sodoma’s begründet
würde, während die hier gegebene Verweisung auf Lieblingsformen des Meisters
bei einem Bildniss doch zu wenig Anhaltspunkte bietet. — Die hl. Katharina
daselbst, angeblich Gesare da Sesto, wird dem Bartolomraeo Veneziano gegeben.
— Der neuerworbene Münchner Lionardo wird ohne Grund für eine vlämische
Gopie und zwar nach Verrocchio erklärt; auch die unter Solario’s Namen gehenden
Bilder in Oldenburg und Lützschena, die Lermolieff früher für echt hielt,
gelten ihm jetzt als niederländische Gopien. — Für die grossen Donatoren-
bilder bei Kestner in Hannover wird der Name Gossa’s nicht belassen.
In der Londoner Nationalgalerie wird die Madonna Nr. 586 dem
Fra Filippo genommen und einem Nachahmer gegeben, was ganz zu unter-
schreiben ist. Auch die Gatena’s daselbst, Nr. 694, 1160 und namentlich die
majestätvolle Anbetung der Madonna durch einen Ritter (234), dort bloss als
Schule Bellini’s bestimmt, kommen zu ihrem Rechte. — Die Figur der Mässigung
in der Londoner Akademie, Giorgione genannt, Gopie nach Palma. — Im
Louvre wird die Fra Filippo genannte Geburt Ghristi (Nr. 220) als aus der
Schule Baldovinetti’s stammend bezeichnet; Dr.Ullmann gab sie dagegen kürzlich
dem Fra Diamante. — Befremdlich wirkt die Benennung des Frauenbildnisses
Nr. 522 als Bartolomrneo Veneziano, gegen den die warmbraune Modellirung
des Fleisches zu sprechen scheint. — Sehr glücklich dünkt mich die Zurück-
führung des grossartigen, Signorelli genannten Fragments mit den vier stehenden
Männern auf Ercole Roberti. — Das schöne und berühmte Goncert daselbst
hätte ich aber lieber nicht wieder unter den Hauptwerken Giorgione’s aufgeführt
gefunden; wenn man die zu S. 376 abgebildete Malcolm’sche Zeichnung richtig
als Domenico Garapagnola bestimmt, so sollte man auch nicht zaudern, den
Namen dieses Künstlers mit jenem farbentiefen Gemälde in Verbindung zu
bringen, das alle aus den Zeichnungen bekannten Merkmale seiner Kunstweise
enthält. — Die Nachricht, dass die Moretto genannte Figur des Glaubens in
der Eremitage möglicher Weise von Giorgione sei, dürfte mit grosser Vor-
sicht aufzunehmen sein ; ebenso wie der angebliche Giorgione in Palazzo
Borghese hier besser nicht mit reproducirt worden wäre.
Italien. Das Stefano da Ferrara genannte majestätische Altarbild der
Brera ist nun auch hier als Ercole Roberti anerkannt. Aus der Borromei’schen
Sammlung werden mehrere Bilder publicirt. — Bei Poldi wird der fälschlich
als Garpaccio bezeichnete Simson mit Delila als Michele da Verona bestimmt;
die Pieta unter Botticelli’s Namen als eine Gopie nach dem Münchner Bilde.
Die Lionardo genannte Madonna in Vaprio ein Sodoma. — Der kreuztragende
Ghristus in Turin nicht Oggionno, sondern Giovan Pietrino. — In Neapel der
Schlaf des Ghristkindes nicht von Gorreggio, sondern von Anselmi.
Von Zeichnungen werden angeführt: in der Albertina der Lionardo
genannte Ghristuskopf (Br. 90), als Sodoma; ebendort ein Raphael genanntes
männliches Portrait gleichfalls als Sodoma. — Der Jünglingskopf mit langem
Haar und spitzer Kappe, bei Herrn Habich in Kassel , wird als Barbari zu
S. 259 abgebildet, erinnert aber mehr an Melozzo; der andere Jünglingskopf
daselbst, in Röthel, wird gleichfalls Barbari gegeben , dürfte aber eher von
Litteraturbericht.
317
Bartolommeo Veneziano sein. — Im Britischen Museum wird der Timoteo Viti
genannte Jünglingskopf, angeblich von Raphael (Br. 94), Sodoma gegeben.
Ebenso eine Lionardo benannte Zeichnung in Ghatsworth (Br. 51); eine andere
dortige Zeichnung, das Martyrium eines Heiligen, wird zu S. 292 als Giorgione
abgebildet, ohne dass das überzeugend wäre, da die Stellungen der Figuren
zu gespreizt, zu wenig natürlich sind. — In Windsor eine Röthelzeichnung
Gesare’s da Sesto zur Hand des Schergen auf der Salome des Belvedere
(Br. 242), dort fälschlich Lionardo genannt. — Der vortreffliche Männerkopf
bei Malcolm (abgeb. zu S, 254) wird , wie mir scheint, durchaus irriger
Weise für eine Studie zu Antonello’s Gondottiere des Louvre gehalten und
somit diesem Meister gegeben; er scheint viel mehr Verwandtschaft mit
Buonsignori zu haben. — Die Händestudie unter Raphael (Br. 19) in Oxford
wird der Schule Holbein’s zugewiesen. — Im Louvre erscheint die Judith
(Reiset 436) als Ercole Grandi; in Lille werden die Giacomo Francia ge-
nannten kleinen Zeichnungen einem Schüler Grandi’s gegeben. — Die Lio-
nardo genannte Madonna mit der Katze in den Uffizien (Br. 418) von So-
doma; die angeblichen Giorgione’s daselbst von Domenico Gampagnola. , —
In der Ambrosiana die Giorgione genannte hl. Familie mit dem kleinen Jo-
hannes und Tobias mit dem Engel von Bonifacio I.
Im Dresdener Kupferstichcabinet werden nun mit Recht sämmtliche
Raphael benannte Zeichnungen diesem genommen, während in der früheren
Auflage mehrere noch als echt bestehen blieben. Dass die schöne Tellerver-
zierung von Pierin del Vaga sein soll, wirkt freilich befremdend, da sie nichts
von dem ihm eigenthümlichen weichen Fluss an sich hat. — Das Pollajuolo
genannte Gewühl von Männern wird jetzt mit Bestimmtheit Genga gegeben,
während der Autor früher unbestimmt gelassen war. — Die Federzeichnung
mit den zwei Putten , unter Gorreggio, scheint Gaud. Ferrari zu sein. — Die
grosse Tizian genannte Landschaft wird nun mit Recht dem Domenico Gam-
pagnola gegeben, wie das auch mit den unter Tizian ’s Namen gehenden Blättern
im Louvre, bei Bonnat, mit dem ländlichen Goncert bei Malcolm (Br. 191) und
der Raphael benannten Landschaft der Albertina (Br. 197) geschieht. Dann
hätte aber folgerichtig auch die Landschaft mit dem hl. Hieronymus im Bri-
tischen Museum zu S. 378 nicht als Tizian reproducirt werden dürfen, da sie
gleich den vorgenannten entschieden Gampagnola 'angehört. — In Bezug auf
die zu S. 350 abgebildete Silberstiftstudie zu der Gredi’schen Madonna in
Dresden kann ich Lermolieff durchaus nicht folgen, wenn er sie jetzt auf ein-
mal dem Verrocchio zuweist. Den abgebildeten Engelskopf der Uffizien, wohl
auch die Kinderstudie im Louvre halte auch ich für Verrocchio’s, keineswegs
aber den Frauenkopf bei Malcolm. Die Dresdener Studie nun unterscheidet
sich sowohl durch die grössere Weichheit des Ausdruckes wie in der mehr
dem Körper folgendefi Strichführung von der Florentiner Zeichnung.
Grössere Excurse sind den folgenden Künstlern neu gewidmet, zum
Theil mit zahlreichen sehr dankenswerthen Abbildungen: Basaiti S. 19, Ga-
riani 28, Tizian, Jugendwerke 76, Anm. 1, Moroni, Kirchenbilder 87, Anm. 1,
Michele da Verona 91, Ercole Roberti, wohl durch Jacopo, weniger direct
318
Litleraturbericht.
durch Giovanni Bellini beeinflusst, 178 Anm. 2, seir.^ Zeichnungen 183 Anni.,
Correggio, frühe Werke, darunter neu der Abschied Christi von seiner Mutter
bei Mr. Benson in London und die hl. Familie mit Elisabeth und Johannes
bei Herrn Benigno Crespi in Mailand, 196; seine Zeichnungen 220 und 369,
Bartolommeo Veneziano 220, Antonello 235, Jacopo de’ Barbari 255, Giorgione
270, seine Zeichnungen 292, Bevilacqua 334, Verrocchio’s Zeichnungen 349,
Dom. Campagnolas 372.
Zum Schluss sei noch bemerkt, dass die Angabe der 1. Auflage, der dem
Pellegrino da S. Daniele znqeschriebene Stich »Triumph der Selene« möge wohl
einem eminenten ferraresischen Künstler angehören, nunmehr dahin ergänzt
wird, dass die Zeichnung zu diesem Stich von einem dem Ercole Roberti
nahestehenden Künstler herzurühren scheine. — Auf dem Melzi’schen Frauen-
bildniss des Bartolommeo Veneziano dürfte die Bezeichnung : Sfoza de la Ebra
nicht, als Tracht der Ebra, sondern als Tracht der Ebräerin zu deuten sein.
Der Gesichtstypus spricht zu Gunsten einer solchen Erklärung.
W. V. Seidlitz.
Der Bilderkreis zum Welschen Gaste des Thomasin von Zer-
claere. Nach den vorhandenen Handschriften untersucht und beschrieben
von Ad. V. Oechelhauser. Mit 8 Tafeln. Heidelberg, Verlag von Gustav
Koester, 1890. 4".
Die Filiation spielt bei Untersuchung einer bestimmten Handschriften-
gruppe nicht bloss philologisch eine bedeutsame Rolle; auch der Kunsthistoriker
gewinnt aus ihrer Erkenntniss ein gutes Stück Einsicht in die Bedingungen
und Verhältnisse künstlerischer Production im Mittelalter. Es ergiebt sich,
dass die Feststellung, Entwicklung und Verkümmerung eines bestimmten
Bilderkreises an die Verhältnisse jener Filiation geknüpft sind. Bis zu einem
bestimmten Grade ist dies schon bei den biblischen und liturgischen Hand-
schriften der Fall, am deutlichsten tritt uns dies aber doch bei den profanen
oder mindestens nicht officiell kirchlichen Handschriften entgegen. Wir haben
demnächst eine Arbeit zu erwarten , welche dies für die frühmittelalterlichen
Prudentiushandschriften nach weisen wird; ich bin überzeugt, dass dies sich
auch bei den frühmittelalterlichen Aratus-Handschriften bewähren wird. Hier
und dort wird man bis zu antiken Handschriften-Typen gelangen, mögen auch
einzelne Zwischenglieder verloren gegangen sein. Literarischen Erzeugnissen
des Mittelalters gegenüber stellt sich die Sache noch einfacher, aber auch ein-
dringlicher. Bei Gelegenheit der Anzeige der Veröffentlichung der Bilder der
Manesse-Liederhandschrift durch H. Kraus habe ich darauf hingewiesen, wie
sich das festgestellte textliche Verhältniss der Weingartner-Handschrift zur
Manesse-Handschrift auf dem Gebiet der Illustration wiederholt (Litter. Central-
blatt, 1888, Nr. 26) und Karl Lamprecht hat in seiner eingehenden Besprechung
von Ad. V. Oechelhauser’s Miniaturen der Universitätsbibliothek zu Heidelberg
(Westdeutsche Zeitschrift, VII, 1888, S. 73 ff.) auf ein solches Verhältniss
bei den Illustrationen des Rolandsliedes mit aller Entschiedenheit hingewiesen.
So kommt denn die vorliegende Arbeit, die es unternimmt, den Bilderkreis
eines bestimmten Werkes einmal möglichst erschöpfend durch die erhaltenen
Litteraturbericht.
319
Handschriften desselben zu verfolgen., sehr gelegen. Der Gegenstand der
Untersuchung ist sehr glücklich gewählt; ein sehr populäres Buch, das durch
drei Jahrhunderte seine Anziehungskraft bewährt hat. So kann denn auch der
Verfasser zehn Bilderhandschriften seiner Arbeit zu Grunde legen, von welchen
die Heidelberger Pergamenthandschrift (A) dem verlorenen Original am nächsten
steht. An A schliessen sich dann am nächsten die in der Bibliothek zu
Gotha (G) und die zu Dresden — nicht etwa der Zeit nach, sondern eben
was das Familienverhältniss betrifft. Als Glieder einer zweiten Familie weist
der Verfasser die aus Ulm stammende Handschrift in München (wahrscheinlich
gegen 1408) und die Wolfenbütteier nach; auch zwischen den übrigen Hand-
schriften sind nähere Beziehungen unter einander erkennbar, ohne dass — wahr-
scheinlich in Folge zahlreicher verloren gegangener Zwischenglieder — das Ver-
wandtschaftsverhältniss in eine bestimmtere Formel gefasst werden könnte. Das
Ergebniss der Untersuchung, welche Bild um Bild in den verschiedenen Hand-
schriften vornimmt, geht dahin, dass der Bilderkreis aller Handschriften auf ein
gemeinsames Vorbild mehr oder minder unmittelbar zurückzuführen sei, dass
die Auswahl und die Reihenfolge der Bilder in allen Handschriften dieselbe
und dass die Uebereinstimmung der Bilder in den verschiedenen Handschriften
nicht nur in der allgemeinen Anordnung der Figuren und Gegenstände,
sondern selbst in den Einzelheiten nachweisbar sei; es ist dann nicht un-
wesentlich, dass auch die Beischriften und Schriftzettel- der Bilder in allen
Handschriften gleichlautend sind. Es liegt auf der Hand, dass an eine directe
Benutzung einer und derselben Vorlage — der Original-Handschrift — für
sämmtliche Handschriften nicht zu denken ist, ja es kann von dem vorhandenen
Bestand nicht eine einzige Handschrift als die unmittelbare Copie des Originals
bezeichnet werden. Eine graphische Darstellung des Verhältnisses der vor-
handenen Handschriften zu einander würde auf eine erhebliche Anzahl ver-
lorener Zwischenglieder Weisen müssen. Auf den äusseren Zusammenhang
engerer Gruppen weisen manchmal Text und Bilderausstattung nicht allein
hin; wenn z. B. in der Erbacher Handschrift, die vom Verfasser mit über-
zeugenden Gründen als im Auftrag des Bischofs von Trier Guno von Falken-
stein (1362—1388) entstanden nachgewiesen wird, das Datum 1248 gefunden
wird, und wenn das gleiche Datum in der Hamilton-Handschrift, die Ende
des 14. Jahrhunderts entstand, erscheint, so liegt der Schluss nahe, dass
beide Handschriften das Datum ihrer Vorlage oder einer jüngeren Copie dieser
Vorlage wiederholten, und das Gleiche gilt von der Wolfenbütteler und Ulmer,
die beide das Datum 1408 aufweisen. So ist für die Heidelberger Pergament-
handschrift auch dies ein Beleg für ihr nahes Verhältniss zum Original, dass
sie das Datum 1215/16 zeigt, welches zugleich das Datum der Entstehung
der Dichtung ist, sich also gewiss in der ersten illustrirten Niederschrift,
beziehungsweise der Originalhandschrift fand. Auch die Schlüsse, welche
der Verfasser von den vorhandenen Abschriften auf die Originalhandschrift
macht, wird man nur billigen können; darnach waren die Bilder in der
Originalharidschrift Randzeichnungen in der Art der Illustrationen der Hand-
schrift A, von denen sie auch im Stile nicht wesentlich abgewichen sein
320
Litleraturbericht.
werden. Der Verfasser nimmt als Entstehungszeit von A die zweite Hälfte
des 13. Jahrhunderts an; ich denke mir, man wird dies Datum recht nahe
zur Mitte des 13. Jahrhunderts herabsetzen können, ohne den Thatsachen
Gewalt anzuthun , auch wenn man den Einfluss des Originals auf den Go-
pisten, selbst in Bezug auf Stil, sehr hoch anschlägt. Im üebrigen sei hier
bemerkt, dass Zeit und Ort die Illustratoren der Handschriften stets ausgiebig
beeinflussten, dass sie sich in Stil und Einzelheiten der Ausgestaltung des
Stoffes die volle Freiheit gegenüber der Vorlage wahrten. Der Erfinder des
Bilderkreises war ganz sicher ein Laienkünstler und aller Wahrscheinlichkeit
hieng er ebenso wie die Illustratoren der übrigen Handschriften mit einer
Werkstätte zusammen, die gewerbsmässig die Abschrift und künstlerische
Ausstattung populärer Bücher betrieb. Nicht Dilettantismus, sondern Hand-
werk ist der Charakter der Illustrationen aller dieser Abschriften. Das er-
scheint mir auch der Heidelberger Pergamenthandschrift gegenüber der Fall
zu sein, bei welcher der Verfasser die nicht ungeübte Hand eines kunstfrohen
Dilettanten erkennen möchte. Am Schlüsse weist der Verfasser auf die litterar-
geschichtliche Bedeutung solcher vergleichenden Bilderstudien hin ; die Vortheile,
welche die Textkritik daraus ziehen kann, sind nicht gering anzuschlagen,
noch höher aber die Behelfe, welche die Stilkritik , für die Datirung der Hand-
schriften bietet. Wenn z. B. H. Rückert die Erbacher Handschrift wegen des
darin vorkommenden Datums 1248 als die älteste des welschen Gastes nahm,
so wäre der Kenner der Kunstentwicklung des Mittelalters in diese Falle, welche
das Datum stellte, sicherlich nicht gegangen. Die Erfolge, welche die Forschung
auf dem Gebiete der Buchmalerei in den letzten Jahren zu verzeichnen hatte,
sind vielleicht das beste Mittel, Philologie und Geschichte von dem Werthe
der Kunstgeschichte als Hilfsdisciplin zu überzeugen. So sorgsam und scharf-
sinnig geführte Untersuchungen wie die vorliegende werden den Sieg einer
solchen Ueberzeugung sicherlich beschleunigen. H. J.
Henry Thode: Die Malerschule von Nürnberg im XIV. und XV. Jahr-
hundert in ihrer Entwicklung bis auf Dürer. Frankfurt a. M., Hein-
rich Keller, 1891.
Bevor hier die einzelnen Ergebnisse des Buches angeführt und beleuchtet
werden, sei ausgesprochen, dass das Ganze unsere’ Kenntniss der bisher
zu wenig beachteten älteren Nürnberger Malerschule wesentlich fördert
und zugleich durch die Selbständigkeit der Forschung wie die Sorgfalt und
Lebendigkeit der Darstellung der deutschen Wissenschaft durchaus zur Ehre
gereicht. Ohne Hypothesen konnte es freilich auf diesem so wenig Anhalts-
punkte bietenden Felde nicht abgehen; ohne die hiefür erforderliche Kühn-
heit hätte aber auch die Darstellung nicht über ein dürres und lückenhaftes
Knochengerüst, das wenig genützt hätte, hinauskommen können. So aber
tritt dem Leser eine nicht bloss anschauliche, sondern auch in ihrem wesent-
lichen Zusammenhang überzeugende Schilderung unter die Augen.
Von der Kunst des 14. Jahrhunderts in Nürnberg, die überhaupt erst
mit der Mitte dieses Jahrhunderts beginnt, ist nicht viel Anderes zu berichten,
als dass sie von der Zeit der Wandmalerei zu der der Tafelmalerei hinüberleitet.
Litteraturbericht.
321
Den eigentlichen Inhalt des Buches bildet das 15. Jahrhundert, das sich
nach seinen beiden Hälften gliedert.
Und auch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts scheint sich erst
seit dem dritten Jahrzehnt das künstlerische Leben kräftiger zu regen. Der
Meister des Imhoffschen Altars ist es, der durch die Verbindung des über-
lieferten architektonischen Stils mit schärferer Naturbeobachtung einen Wende-
punkt anzcigt. Thode gelangt auf Grund sorgfältiger stilistischer Untersuchung
zu dem Ergebniss, dass eher noch als der von Einigen mit Nie. Wurmser
identificirte »Meister von Wittingau« der »Meister der Przibram’schen hl. Fa-
milie«, jedenfalls also ein Maler, der gleich jenem durch die Prager Schule
bestimmt war, dessen Lehrer gewesen sein wird. Eine Beeinflussung durch
Italien, insbesondere durch Grentile da Fabriano, bleibt dabei nicht ausge-
schlossen. Auch wird die Vermuthung aufgestellt, dass er daneben Bildhauer
gewesen sei und zwar als Schüler des Meisters, der den Schönen Brunnen
geschaffen. Die Annahme, dass er mit einem zwischen 1423 und 1430 er-
wähnten (jüngeren) Meister Berthold identisch sei, der damals der hervor-
ragendste Maler des Orts gewesen zu sein scheint, ist freilich kühn: es hätte
eben so gut bei der alten Benennung als eines Unbekannten bleiben können.
Als sein einziger bedeutenderer Nachfolger im zweiten Viertel des
Jahrhunderts wird der Meister des Wolfgangsaltares angeführt.
An Lebendigkeit gewinnt die Darstellung bei dem nun folgenden Meister
des Tucher’schen Altars. Hier wird in mustergültiger, aus begeisterungsvoller
Vertiefung hervorgehender Weise der Charakter des Künstlers nicht bloss,
sondern der des ganzen Mannes aus seinen Schöpfungen heraus entwickelt
und aufgebaut. Die Sympathie mit dieser gährenden und ungestüm ringenden
künstlerischen Kraft, die sich in mächtigen Gestalten mit heissem brennendem
Blick und wie krampfhaft im ersten Anlauf zurückgehaltenen Bewegungen
äussert, theilt sich dem Leser mit. Der Meister, dessen Name nach einer
bezeichneten Kreuzigung von 1449 im Wiener Belvedere als D. Pfenning be-
stimmt wird, während urkundliche Erwähnungen fehlen, erscheint als ein
Schüler des Meisters des Imhof’schen Altars, jedoch als einer, der bereits die
Individualitäten schärfer nach Charakter und Lebensalter unterscheidet und
hierin eine der gleichzeitigen niederländischen Kunst analoge Entwicklung
bekundet, wenn es auch nicht wohl glaublich erscheint, dass er — wie Thode
anzunehmen geneigt ist — einen directen Einfluss von dorther erfahren habe.
Die Thätigkeit dieses Künstlers, der sich als der gewaltigste aus der ganzen
Epoche darstellt, wird hier in die vierziger Jahre hinaufgerückt, während früher
dafür die Zeit um 1430 angenommen wurde.
Als Nachahmer Pfenning’s werden erwähnt: der Meister des Altars in
der Reglerkirche zu Erfurt, ein Mann, der Pfenning an Leidenschaftlichkeit
noch zu übertreffen suchte, übrigens auch einige Tafeln des Wolgernut’schen
Altars in Zwickau von 1479 ausgeführt hat, wo sich in der Ueberlieferung
der Name H. Heflein oder Hoflein für ihn erhalten zu haben scheint; der
Meister des ungewöhnlich edlen Breslauer Barbara-Altars von 1447 und der
Meister der Kreuzigung in der Münchener Frauenkirche.
322
Litteraturbericht.
Stehen schon die letztgenannten Künstler unter niederländischem Ein-
fluss, so ist das bei allen, die der zweiten Hälfte des Jahrhunderts angehören,
erst recht der Fall. Mit Recht hebt Thode hervor, dass es nicht angehe, wie
bisher alles, was in dieser zweiten Periode in Nürnberg geschafi'en worden
ist, einfach Wolgemut in die Schuhe zu schieben. Seinen Forschungen haben
wir eine ungemeine Klärung dieser Fragen zu verdanken, die, wenn auch
noch nicht für alle Einzelheiten, so doch für die wesentlichen Punkte als eine
völlig ausreichende betrachtet werden kann.
Vorerst ist es nöthig, innerhalb dieser Zeit zwischen einer älteren und
einer jüngeren Generation zu unterscheiden. Von jener gehen freilich Valentin
Wolgemut und Hans Beurlein, von dieser Sebald Baumhauer bei Thode leer
aus. Doch kommt es ja nicht so sehr darauf an, für bestimmte Namen die
mit ihnen zu verbindenden Werke zu finden, als unter diesen Werken die
Hauptgruppen festzustellen. Die Individualitäten sind dann Umrissen, einerlei
ob mit einem Namen belegt oder nicht.
Als den Hauptvertreter der älteren Generation stellt Thode den Hans
Pleydenwurff hin (erwähnt seit 1451, t 1472), dessen Wittwe Michael Wol-
gemut heirathete. Ihm wird hier die Wolgemut genannte grosse Kreuzigung
der Münchener Pinakothek (Nr. 233) zugeschrieben. Wenn aber dieses Bild
an die Spitze des dem Meister gewidmeten Abschnitts gestellt wird , so er-
scheint es fast, als sei diese Zuschreibung auf Grund der doch von Thode
selbst als problematisch zugegebenen Bezeichnung erfolgt, die sich auf dem
Turban eines der Dargestellten befinden soll und als J. P. gedeutet wird. Das ist
aber nicht der Fall. Denn den eigentlichen Ausgangspunkt bildet ganz richtig
der Altar, den Pleydenwurff im Jahre 1462 für Breslau geliefert hat (wie hier
überzeugend nachgewiesen wird), und von dem sich 1 heile, wie z. B. die auf
Taf. 17 abgebildete Kreuzabnahme, zum Glück noch erhalten haben. Danach
ist es durchaus einleuchtend, dass er für alle späteren Maler, den schwächeren
und kälteren Wolgemut einbegriffen, das Vorbild abgegeben habe, seinerseits
aber wiederum in einem gewissen Zusammenhang noch mit Pfenning stehe.
Ob freilich die Schönborn’sche Kreuzigung im Germanischen Museum, sowie
die übrigen Werke derselben Hand (s. S. 108 fg.) hierher gehören , erscheint
fraglich, wie denn auch Thode nicht ohne Zagen seine Behauptung vorbringt.
Der LandaueFsche Altar dürfte aber sicher nicht hierher gehören. Dagegen
zeigt der Auszug der Apostel in München (Taf. 30) manche Verwandtschaft
mit dem Meister.
Als Zeitgenosse Pleydenwurff’s wird noch der Meister des Löffelholz’schen
Altars von 1453 angeführt, bei dem aber von dem behaupteten niederlän-
dischen Einflüsse wenig wahrzunehnien ist.
Um von.WolgemuPs künstlerischer Persönlichkeit ein Bild zu gewinnen,
schlägt Thode den ganz richtigen Weg ein, dass er die Merkmale feststellt, die sich
sowohl auf seinem frühen gesicherten Zwickauer Altar von 1479 wie auf der
Staffel des Schwabacher Altars von 1506, also seinem spätesten nachgewiesenen
Werk, finden. Das Ergebniss ist freilich, dass der Meister sich in dieser langen
Zeit kaum weiter entwickelt hat, dass er seine Kunst im Wesentlichen von
Litteraturbericht.
323
Hans Pleydenwurff überkommen hat ,• ohne jedoch diesen in der Empfindung
auch nur annähernd zu erreichen ; dass ihm ein ausgesproch 3ner Sinn für
die Realität wohl innewohnt, so dass er dort, wo er sich unmittelbar an die
Natur halten kann, entschieden an Kraft gewinnt, aber im Uebrigen doch ein
trivialer handfester Geselle bleibt, der durch die »Kunst seiner Regie« den
Bedürfnissen der Menge zu genügen weiss, aber nur wenig Seelengehalt in
seine Gestalten zu legen vermag. »Er ist nur einer von den Vielen, die zu
allen Zeiten aufgetaucht sind und stets einen verderblichen Einfluss auf den
Geschmack ihrer Zeitgenossen gewonnen haben, weil der Geist der Lüge,
nicht der Geist der Wahrheit aus ihnen sprach. Geschickt die Errungen-
schaften grosser Vorgänger verwerthend, deren herbe Strenge zu gefälliger
Trivialität herabmildernd , haben sie es immer verstanden , dem Geschmack
des nur oberflächlich gebildeten und trägen grossen Publicums zu entsprechen
und recht eigentlich demselben sich dienstbar gemacht. Der Philister hasst
tiefe seelische Erregung, Anspannung seiner geistigen Kräfte; er hasst das
Starke, Unerbittliche, weil es ihm absolut unverständlich ist, dagegen fühlt er
sich mächtig von Allem angezogen, was ihm gestattet, sich einem unklaren,
die seelische und geistige Kraft benebelnden Gefühlsrausche hinzugeben. Dieses
bringt ihm nun der Philister-Künstler, der ihm zu gleicher Zeit durch Ent-
faltung eines grossen Apparates technischer Mittel imponirt: das ist etwas
Handgreifliches, Verständliches, was das oberflächliche Publicum zu bewundern
im Stande ist« (S. 132 fg.)
Auf Grund dieser Erkenntniss des Künstlers stellt es sich nun heraus,
dass gerade eine Anzahl der bei ihm bestellten Hauptwerke von ganz anderen
und zwar wiederum unter sich verschiedenen Händen ausgeführt worden ist,
darunter namentlich der Peringsdörfer’sche Altar. Wolgemut selbst aber
werden der Hofer, der Hersbrucker, der von Einflüssen Schongauer’s zeugende
Kreuzaltar belassen , so wie ihm ein bisher nicht berücksichtigter Altar in
Crailsheim, der noch vor den Zwickauer versetzt wird, und eine ganze Reihe
von Bildern in der Lorenzkirche zugeschrieben werden. In Bezug auf seinen
Entwicklungsgang wird die Vermuthung ausgesprochen, dass er, dessen Name
zuerst 1473 auftaucht, ein Mitschüler des Ulmers Schülein bei Hans Pleyden-
wurff gewesen und dabei von Schülein mit beeinflusst worden sei. Als un-
bestrittener Leiter und Mittelpunkt des künstlerischen Lebens in Nürnberg im
letzten Viertel des Jahrhunderts wird er übrigens anerkannt. Von seiner Be-
theiligung an den grossen Holzschnitt werken Jener Zeit wird sogleich die
Rede sein.
Als Verfertiger des Peringsdörfer’schen Altars tritt hier, wie gesagt,
nicht Wolgemut, der wohl den Auftrag dazu übernommen, sondern ein anderer,
bedeutenderer Meister auf, der besser als Wolgemut die neuen Darstellungs-
formen beherrscht, daher freier sein eigenes Wesen zur Geltung bringen kann ;
ein Mann von zarter Innigkeit des Empfindens, harmloser Kindlichkeit und
dabei tiefem Ernst; offenbar ein Schüler Hans Pleydenwurffs , mehr noch
vielleicht des Meisters des Löffelholz’schen Altars, der aber mit VVolgemut nur
Weniges gemein hat. Wer ist dieser Meister, der in der zweiten Hälfte des
XIV 23
324
Litteraturbericht.
Jahrhunderts in meiner Art eine ebenso bezeichnende Rolle spielt, wie Pfennimg
in der ersten?
Thode gibt zur Antwort: Wilhelm, der Sohn des Hans PleydenwurtT.
Zu diesem Ergebniss aber gelangt er durch eine eingehende Untersuchung dies
Antheils, den einerseits Wolgemut, andererseits Wilhelm PleydenwurtT an dier
Illustrirung der Schedel’schen Weltchronik, die in ihrem Schlusssatz die Namten
der beiden Künstler enthält, und weiterhin des Schatzbehalters gehabt haben.
Ein bestimmter Theil dieser Holzschnitte, gerade die zweifellos besseren uim-
fassend, erinnert ihn an die Bilder des Peringsdörfer’schen Altars; mit dler
schon vorhin festgestellten Kunstweise Wolgemut’s aber stimmen nur die
schwächeren dieser Holzschnitte, also der übrig bleibende Theil. Somit ergäbt
sich, dass die epsteren und daher auch der Peringsdörfer’sche Altar Wilhellm
PleydenwurtT angehören müssen. — Wenn hierin Thode im Allgemeinen voll-
kommen beizustimmen ist, so wäre im Einzelnen nur zu bemerken, dass in
der Weltchronik auch die Patriarchen und die Sibyllen von PleydenwurtT uind
nicht von Wolgemut zu sein scheinen, sowie überhaupt so gut wie alle Hallb-
figuren ; weiterhin das Titelblatt, das Weltsystem (V verso), M. Gurtius (LXÄ),
und die Geschichte Jesu (XGIV verso, XGV verso); als Wolgemut’s Anthieil
aber wären weiterhin anzusprechen die Martyrien Petri und Pauli (GIV vers(o),
den Simon Magus (gegen den Schluss), die tiburtinische Sibylle (XGIII versto),
letztere entgegen Thode’s Zuschreibung. Bei dem Tanz der Skelette (GGLXI.II)
scheint mir die Entscheidung schwierig, da die Grossartigkeit der Gompositäon
wohl für PleydenwurtT spricht, die derbe Behandlungsweise aber doch auf
Wolgemut hinweist. — Von den angeführten Schnitten Pleydenwurft’s im
Schatzbehalter muss ich Fig. 57, 84 und 86 (so ist offenbar statt 85 zu lesen)
streichen, dagegen hinzufügen: Fig. 1 bis 5, 7, 13, 23, 35 und 71.
Dr. Lehrs macht mich noch auf die interessante Thatsache aufmerksam,
dass auf den Wolgemut’schen Bildern der Weltchronik sich ungewöhnlich wiel
directe Entlehnungen aus Schongauer’schen Stichen finden, ebenso wie solc;he
durch Thode für seine Gemälde nachgewiesen worden sind; bei den Pleyden-
wurffschen Bildern ist das aber nicht der Fall. Im Schatzbehälter sind üb.er-
haupt keine solchen Entlehnungen nachweisbar.
In der Weltchronik betrifft dieses die folgenden Darstellungen (nach der
deutschen Ausgabe): Erschaffung der Vögel (IV verso): die Eule, die den Vojgel
frisst und der Vogel auf dem obersten Zweig gegenseitig nach Schongauer
B. 108; Erschaffung Adams (V): Hirsch und Reh nach B. 94; Sündentfall
(VII): Dattelpalme und Brotbaum nach B. 7; Bileam’s Eselin (XXX) naich
B. 89; Tanz ums goldene Kalb (XXXI): der Mann mit dem Stab, der links
hinter dem Zelt hervortritt, gegenseitig nach B. 21; Paris (XXXVIl) gegen-
seitig nach demselben Vorbilde (vergl. XLIX v., LX, LXIX, LXXVIII, CXIIIl v.
GXXXVIII); Ghristus und die Apostel (Gl v.) : die Evangelistenzeichen nach
ß. 73—76; der Antichrist (GGLIX v.) : die drei Teufel in der Luft nach B. 47;
Papst und Kaiser (GGLXVIII v.) mit freier Benutzung von B. 72. — Beim
Urtheil Salomonis (XLVII v.) sind einige Motive dem Stich des Meisters FTB,
B. 2, entlehnt.
Litteraturbericht.
325
Von Gemälden werden Pleydenwurff weiterhin u. a. zugewiesen: das
Bildniss des Konrad Imhof in der Rochuscapelle und das Doppelbildniss in
Dessau (wonach er, falls es sein Selbstbildniss ist, gegen 1450 geboren wäre).
Thode betrachtet ihn überhaupt und zwar nach dem Vorhergehenden ganz
folgerecht als den gleichsam officiellen Vertreter der Malerei in Wolgemut’s
Werkstatt. Und ebenso folgerecht ist es, wenn er sagt, Pleydenwurff und
nicht Wolgemut habe in des Letztem Werkstatt den bestimmenden Einfluss
auf Dürer gewonnen. Der anerkannte Lehrmeister bleibt ja Wolgemut, schon
um der Aufschrift Dürer’s willen auf dem Bildniss Wolgemut’s in der Münch-
ner Pinakothek; aber die Notiz auf Dürer’s früher Zeichnung der Frau mit
dem Falken im Britischen Museum, auf deren Inhalt schon Vischer hinge-
wiesen , erscheint in einem neuen und schärfern Licht ^). Wenn angeführt
wird, dass in den Landschaften, in der Gewandbehandlung, auch in der Auf-
fassung eines Bildnisses wie z. B. desjenigen von Dürer’s Vater vom Jahre
1490 in den Uffizien der Einfluss des Meisters des Peringsdörfer’schen Altars
bemerklich sei, so stimmt das durchaus mit den Wahrnehmungen auch der
früheren Forscher.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass auch von den Bildern aus dem Leben
des hl. Veit (auf dem Peringsdörfer’schen Altar) nur ein Theil als nicht von
Pleydenwurff, sondern von dem Meister R. F. herrührend betrachtet wird.
Einige andere Maler dieser Zeit traten nicht als so greifbare Persönlich-
keiten hervor ; auch bleibt eine ganze Reihe von Bildnissen , darunter die
Wolgemut zugeschriebene Ursula Tücher in Kassel, noch unbestimmt.
Von sonstigen Wolgemut zugeschriebenen Werken bleiben als bereits in
den Anfang des 16. Jahrhunderts fallend noch die Goslarer Wandbilder, der
Heilsbronner und der Schwabacher Altar übrig, die als drei wiederum ganz
verschiedenen Meistern angehörend bestimmt werden.
Die Wandbilder in Goslar rühren wohl Von einem Schüler Wolgeraut’s
her, verrathen aber bereits den Einfluss Dürer’s. Sie bekunden dieselbe Hand,
die auch den ehemaligen Altar des Braunschweiger Doms von 1506 (in der
dortigen Galerie) geschaffen hat und von der die Predigerkirche zu Erfurt ein
anderes Werk besitzt. Aus dem Vergleich mit den Werken Raphon ’s in Han-
nover folgert Thode mit Recht, dass der Name dieses Künstlers hier keine
Anwendung zu finden hat. — Für den Schöpfer des Heilsbronner Altars von
1502 oder 1503 hält er Hans von Speyer, den er mit Hans Trautt identificirt.
— Den Maler des Schwabacher Altars (mit Ausnahme der, wie gesagt, von
Wolgemut gemalten Staffel) hält er für einen Schüler Schäufeleins und
charakterisirt ihn in seinem ohnmächtigen Streben nach Lebendigkeit ganz
vortrefflich.
Somit wäre denn das Werk des Wolgemut, das durch seine Reichhaltig-
keit und Vielseitigkeit lange Zeit so sehr imponirt hat und so viel Kopf-
*) Uebrigens dürften die Worte: »in des wolgemuts hus« doch nur auf den
»maler« zu beziehen sein, da sonst die folgende Angabe: »uff dem obern Boden
in dem bindern hus« nicht wohl verständlich wäre.
326
Litteraturbericht.
zerbrechen bereitet hat (ich gestehe das gerne zu, nachdem ich selbst versucht
habe, mich mit der bisher üblichen Auffassung abzufmden), vollständig zer-
pflückt, aber offenbar zum Vortheil einer klareren Erfassung dieses bedeutungs-
vollen Stückes deutscher Kunstgeschichte. Auf eine Kritik der einzelnen
Bilderbestimmungen konnte ich mich hier nicht einlassen; das erfordert ein-
gehende Nachprüfung an Ort und Stelle. Wie auch deren Ergebniss ausfallen
mag, durch die Anlegung eines wirklich künstlerischen Massstabs ist die Richt-
schnur für weitere Untersuchungen gegeben und sind fruchtbare Gesichtspunkte
dafür aufgestellt.
Sehr zu loben ist die reichliche Beigabe zinkotypischer Abbildungen
direct nach Originalphotographien. Beigegeben sind: ein chronologisches Ver-
zeichniss der urkundlich genannten Nürnberger Maler des 14. und 15. Jahr-
hunderls; eine Uebersicht der in dem Buche behandelten Gemälde nach den
Meistern geordnet, dann eines nach den Orten der Aufbewahrung; weiterhin
ein Verzeichniss der verschollenen oder untergegangenen Bilder (nach Gegen-
ständen); ein Litteraturverzeichniss ; und endlich ein Gesammtregister.
Zu bemerken ist noch (S. 19) : die beiden Apostel sind in der Be-
schreibung verwechselt: Simon (mit dem Kreuz) befindet sich rechts, sein
Bruder Judas Thaddäus (mit der Walkerstange, nicht mit einer Säge) links
vom Beschauer. — (S. 20 oben) der graubärtige Apostel mit Speer und Buch ist
Thomas, nicht Philippus, der immer den Kreuzstab führt. — (S. 101 fg.) das
Bildniss des Hans Beurlein von Häublin ist nach Heinecken’s handschriftlichem
Dictionnaire ein Stich, kein Holzschnitt (Häublin war Stecher zu Frankfurt a. M.
im 17. Jahrhundert); das Schabkunstbildniss Hans Trautt’s, bezeichnet Georg
Fen., ist nach demselben Dictionnaire von Georg Fenitzer gefertigt; darauf
scheint das Jahr 1488 nicht als das Jahr der Erblindung Trautt’s, sondern als
sein Todesjahr angebracht zu sein; — (S. 175) für die Vermuthung, dass in
der Bezeichnung R. F. der zweite Buchstabe fecit bedeuten könne, dürfte jede
Analogie fehlen; — (S. 226) die in Heilsbronn copirten Darstellungen des
Dürer’schen Marienlebens gehören zu den bereits 1504 einzeln veröffentlichten,
nicht zu den erst 1511 als Folge herausgegebenen. W. v. Seidlitz.
Corot par L. Roger-Milös. Ouvrage accompagnö de 30. Gravures Paris.
Librairie de l’Art. 1891.
Den Menschen Corot haben uns Henri Duinenil’s Souvenirs intimes
sehr nahe gebracht. Charakteristiken des Künstlers besitzen wir von Ch. Blanc,
Ch. Bigot, Jean Rousseau, Albert Wolf, um nur die eingehendsten und fein-
sinnigsten zu nennen. Nun erhalten wir eine Monographie, welche in der
von der Sammlung der Artistes Celebres festgehaltenen knappen Fassung ein
fest umrissenes Charakterbild des Menschen und des Künstlers Corot zu geben
und dessen geschichtliche Stellung zu bestimmen versucht. Und dieser Ver-
such ist gelungen. Man muss es offen gestehen: unsere Geschichtschreiber
und Kritiker moderner Kunst könnten noch recht viel bef den Nachbarn
lernen. Welche innige Verbindung von l^iographischer Schilderung und Analyse
der künstlerischen Individualität, von Kritik des Werkes und liebevollem Er-
Litteraturbericht.
327
forschen der Absichten des Künstlers; intime Züge und hie und da eine offen-
kundige Anekdote, Aeusserungen des Künstlers und die Urtheile bedeutender
Gegner und Freunde — und so sieht man am Ende das Bild des Künstlers
und des Menschen klar und bestimmt vor sich und weiss von selbst, wo er
in der Schaar der Genossen seiner Kunst den Platz nimmt. Mit solchen
Mitteln hat auch hier Roger-Miles das biographische Denkmal Gorot’s errichtet.
So artet auch die Wärme der Schilderung nie zu leerem Enthusiasmus aus;
ein feinsinniges Auge war die Vorbedingung jener Schätzung und nicht dieses
allein ; auch die Fähigkeit, die dichterischen Stimmungen , welche einen so
wesentlichen Bestand von Corot’s Naturauffassung bilden, nachzufühlen oder
mindestens zu errathen. Ein feines Wort Gh. Blanc’s sagte von der Natur-
auffassung Gorot’s: »Adoucissant l’äprete des sites les plus sauvages, ils les
humanisait du regard.« Des Verfassers Urtheil gleicht diesem »c’est que le
Sentiment dans ses oeuvres l’empoite sur la main; il est un sublime evocateur
de po6sie, et la magie de son pinceau a fait mieux que copier la nature,
eile en a ecrit l’inepuisable feerie.« Und in wenigen Sätzen giebt der Verfasser
auch damit die Gharakteristik der Stellung Gorot’s zu den Vertretern der
historischen Landschaft, die der junge Corot noch antraf, und zu jener anderen
Richtung des Naturalismus, die in ihrem Entstehen in Gabat einen Führer
und dann in Künstlern wie Jules Dupre und Theodore Rousseau ihre Meister
hatte. Auch die Bedeutung mythologischer Staffirung für Corot, im Gegen-
satz zu der Richtung Rousseau’s — obgleich beide von einem Punkt ausgehen —
für den Ausdruck seiner Absichten und Sensationen wird vom Verfasser treff-
lich dargethan. Am Schlüsse giebt der Verfasser die Ikonographie und die,
wie schon angedeutet, noch wenig umfangreiche Bibliographie; der Katalog
der Werke musste sich, bei der reichen Production Gorot’s und der Zerstreut-
heit der Bilder, auf die Angabe derer beschränken, welche von 1827 an bis
1875 im Salon und auf den Weltausstellungen Paris (1855, 1867, 1878, 1889)
erschienen; die wichtigste für das Urtheil über Corot war die Weltausstellung
1889; in dieser Exposition Gentennale war Corot mit vierzig Bildern vertreten.
Der Verfasser spricht die Meinung Aller aus, wenn er sagt, dass erst von
diesem Zeitpunkt an der Ruhm Gorot’s nicht mehr ein Versprechen enthu-
siastischer Freunde seiner Richtung, sondern unangefochtene Wirklichkeit ge-
worden ist. k.
Schrift, Druck, graphische Künste.
Jeremias Falck. Sein Leben und seine Werke. Mit vollständigem alpha-
betischen und chronologischen Register sämmtlicher Blätter sowie Repro-
ductionen nach des Künstlers besten Stichen. Herausgegeben von J. C. Block,
Stadtrath a. D. Danzig, Leipzig, Wien. Carl Hinstorff’s Verlagsbuchhdl. 1890.
Erst den Archivforschungen in den allerletzten Jahrzehnten ist es ge-
lungen, einige sichere Daten in dem Leben dieses angesehenen Künstlers fest-
zustellen. Uebrigens erstreckt sich die Kenntniss davon nur auf die knappen
Aufschlüsse, welche Unterschriften und Jahreszahlen auf seinen Stichen geben
328
Litteraturbericht,
können. Ein Wanderkünstler der alten Art suchte er das Glück in vielen Län-
dern — ubi bene ibi patria — ohne irgendwo eine bleibende Stätte zu finden.
Sein Leben endet, wie es begonnen, in Dunkel. Sein Geburtsjahr ist nicht mit
Sicherheit anzugeben; vorschlagsweise hat man 1609, 1610, 1619, 1620 an-
genommen. Sein Geburtsort ist aller Wahrscheinlichkeit nach Danzig. Ums
Jahr 1640 finden wir ihn in Paris thätig, wo er unter Mitarbeiterschaft von
Anderen für den unternehmenden Kunstverleger J. le Blond eine ganze Menge
Costümblätter mit allegorischen Titeln und Motiven ausführt: die zwölf
Monate, die vier Jahreszeiten, die vier Elemente, die fünf Sinne u. s. w., eigentlich
eine Art Modetafeln im Geschmack jener Zeit. Hier in Paris kommen auch
verschiedene Porträte von Mitgliedern des französischen Königshauses zur Ausfüh-
rung. Gegen Ende desselben Jahrzehnts hält sich Falck in seiner Vaterstadt
auf und ist mit Arbeiten ungleicher Art beschäftigt, mit Porträten, Festdecorationen
und Büchertiteln. Ums Jahr 1649 kommt er zum ersten Mal nach Schweden,
welches bis 1655 sein hauptsächlicher Aufenthaltsort verbleibt, und wo er nun
eine stattliche Reihe schwedischer Porträte hervorragender Persönlichkeiten
ausführt. Von Stockholm scheint er sich über Dänemark nach Hamburg be-
geben zu haben und in einem der folgenden Jahre nach Amsterdam, wo er
nebst G. Vischer, Theod. Matham und Anderen den Auftrag hatte, die Ge-
mälde aus verschiedenen Schulen, welche dem Bürgermeister Gerhard de Reynst
gehörten, in Kupfer wiederzugeben. Hierauf hält er sich wieder in Hamburg
auf und zuletzt in Danzig, wo er nach seinem letzten Biographen im Jahre 1677
seine Tage beschliesst.
Eine Schilderung von Falck’s Leben und ein kritisches Verzeichniss
seiner Arbeiten wären sonach schon lange erwünscht. Vorarbeiten zu einer
Beleuchtung von Falck’s Thätigkeit fehlen auch nicht. Schon Marolies besass
im Jahre 1666, nach Angabe des Kataloges von diesem Jahr, 93 Stiche von
der Hand des Danziger Stechers. Später haben verschiedene deutsche
Schriftsteller: Seidel, Hagen, Verzeichnisse über seine Arbeiten geliefert. Le
Blanc hat in seinem bekannten »Manuel« die Anzahl derselben bis auf 153
gebracht; der polnische Schriftsteller E. Rastawiecki zählt eine weit grössere
Menge auf, Heinrich Bukowski führt in »Album rnuseum Narodowego w
Rapperswyllu, 1876« Falck’s schwedische Stiche an und giebt verschiedene
Aufschlüsse über dessen Aufenthalt in Schweden. Auch Schweden und Dä-
nemark haben zur Falck-Litteratur ihre Beiträge geliefert, dieses in Strunk’s
»Samlinger« und dessen Verzeichniss über Porträte von Mitgliedern des dä-
nischen Königshauses; jenes in Arbeiten von Klemming und vorn Verfasser
dieses ’).
Man hat also der ausführlichen Darstellung von Falck’s Leben und
Wirken , mit welcher Herr J. C. Block in Danzig schon lange beschäftigt ge-
Klemming, G. E., Ur en antecknares samlingar. 1. uppl. 1868, 2.
1880—82. — Upmark: J. Falck, Droltning Christinas hofkopparstickare, i Medde-
landen fr. Nationalrauseum Nr. 4. 1884, und »J. Falck in Schweden und seine
schwedischen Stiche«, im Repertorium für .senschaft, 1885.
Litteraturbericht,
329
wesen, mit einer gewissen Spannung entgegengesehen. Herr Block ist ein
Landsmann von Falck und hat darum unmittelbaren Zutritt zu dem Archiv
seiner Vaterstadt gehabt. Ihm ist es verhältnissmässig ein leichtes gewesen, die
bedeutenden Sammlungen von Falck’s Arbeiten in Krakau, Lemberg, Posen,
Danzig und verschiedenen anderen Plätzen zu studiren , und überdies
haben ihm alle die genannten Vorarbeiten zur Verfügung gestanden. Seine
Monographie ist vor ungefähr einem Jahr erschienen. Es ist ein stattlicher
Band’ von 262 Seiten gross 8°, versehen mit einer Anzahl Abbildungen in
Lichtdruck von hervorragenderen Arbeiten von J. Falck, und überhaupt schön
und solid in seiner Ausstattung.
Das Buch entspricht indessen nicht den Hoffnungen, welche man mit
Grund darauf hat stellen können.
Es entbehrt allerdings nicht aller Verdienste. Es theilt nach den Danziger
Archiven verschiedene bisher nicht bekannte Daten aus Falck’s Leben mit, und
stellt dieselben mit den spärlichen Angaben zusammen, die man bisher vom ihm
besessen. Das Buch enthält ein reichhaltiges Verzeichniss über seine Arbeiten,
und diese sind ausführlicher als je beschrieben; recht viele Abdrucksarten
sind angegeben, und der Verfasser hat augenscheinlich den grössten Theil der
Kunstblätter, die er beschreibt, selbst gesehen. Aufstellung und Anordnung
haben alle äusseren Zeichen der Ordentlichkeit, die Behandlung des reichen
Materials aber ist in hohem Grade nachlässig und unkritisch, und fast auf
jeder Seite oder jedem Blatte findet man Ursache zu einer Bemerkung oder
zu Widerspruch, wenn nicht anders, so in der Form eines Schreib- oder
Druckfehlers.
Dies ist ein harter Ausspruch, leider aber nicht unbefugt, wie eine Be-
sprechung des Buches nach seinem Inhalte ergeben wird.
Was zunächst die biographische Einleitung betrifft, so beweist der Ver-
fasser mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit, dass Jeremias Falck einer
Danziger F^amilie angehört hat. Ein Grund aber, wesshalb er, wie J. G.
Block behauptet, 1609 oder 1610 geboren sein sollte, ist dagegen nicht
angegeben. Falck sollte demnach nicht einen einzigen datirten Stich vor
seinem 31. oder 32. Lebensjahre ausgeführt haben und erst mit 40 Jahren
in die Ehe getreten sein. Die alte Annahme, dass er ungefähr 1619 oder
1620 geboren sei, erscheint mindestens ebenso wahrscheinlich. Gestützt auf
vorhandene Urkunden wird dagegen gezeigt, dass Jeremias Falck den 18. Sep-
tember 1646 und den 25. Februar 1649 als Gevatter in Danzig eingeschrieben
ist, dass er sich den 9. Juni 1650 daselbst mit einer Tochter des Geographen
Arnold Mercator verheirathete, und dass sein Leichnam den 7. Februar 1677
vor dem Altar in dem Chore der St. Peterskirche zu Danzig begraben wurde.
Seine Angaben über Falck’s Aufenhalt in Schweden hat Block aus dem oben
angeführten Aufsatze von H. Bukowski geholt, und dessen polnische Ueber-
setzung der schwedischen Urkunden sehr ungenau ins Deutsche übertragen.
Hätte der Verfasser von den anderen von schwedischer Seite herausgegebenen
Archivurkunden über Falck Kenntniss genommen , so hätte er zu diesen noch
einige andere Daten legen können, welche, obwohl an und für sich ohne
330
Litteraturbericht.
grössere Bedeutung, doch über seine bürgerliche Stellung, seinen Umgangskreis
und seinen Aufenthaltsort während einer Reihe von Jahren Nachricht geben.
Auch ist es Block nicht gelungen, klar und deutlich zu zeigen, in welcher
Reihenfolge Falck von dem einen Ort zum anderen verzogen ist, noch wie
sich seine damit im Zusammenhang stehende künstlerische Entwickelung ge-
staltet hat. Er lässt sich hier mehrmals Widersprüche und unrichtige An-
gaben zu Schulden kommen. In der biographischen Einleitung sagt er z. B.,
dass Falck noch Anfang 1646 in Paris gewesen sein muss, da das Porträt
von König Ludwig XIV. als Kind diese Jahreszahl trägt. In chronologischen
Registern steht aber, dass dieses Kunstblatt in Danzig ausgeführt worden ist.
In der Wirklichkeit aber dürfte dies sich so verhalten haben, dass die Platte bereits
1643 fertig war, welche Jahreszahl sich auf einem Blatte in dem königlichen
Kupferstichcabinette zu Kopenhagen vorfindet. Beim Berichte über Falck’s
Uebersiedelung nach Schweden wird allerdings Michael le Blon als Vermittler
genannt, und das mit Recht. Dieser Michael le Blon war aber weder Kunst-
händler in Paris — er wird nämlich offenbar mit dem Buchverleger J. le
Blond verwechselt, für welchen Falck früher arbeitete — noch Franzose,
sondern in Frankfurt a. M. geboren, naturalisirter Holländer, künstlerischer
Dilettant und Kunstfreund und in der fraglichen Zeit (1648—1649) schwedi-
scher diplomatischer Agent oder Gorrespondent in London. Falck begiebt sich
gemäss Block 1656 (von Hamburg) nach Amsterdam; gleich darnach heisst
es, dass er in den Jahren 1655 — 1657 in Holland beschäftigt war. Auf
einen Versuch zu einer Charakteristik über Falck’s Künstlerthätigkeit hat sich
der Verfasser nicht eingelassen; auch hat er nichts berichtet über die Mit-
arbeiterschaft von Falck und änderen Künstlern theils bei dem le ßlond-
schen Kunstverlage in Paris zu Anfang der 1640er Jahre, theils in G. de
Reynst’s Galeriewerke zu Amsterdam, zwei Punkte in Falck’s Geschichte,
welche in hohem Grade eine kritische Untersuchung erheischen.
Geht man zu einer Beurtheilung des beschreibenden Theiles der Arbeit
über, so sind die Fehler noch zahlreicher. Gegen die Gruppeneintheilung an
und für sich ist nichts einzu wenden, wohl aber gegen die Weise, in welcher
die einzelnen Arbeiten in die verschiedenen Gruppen eingeordnet sind. Johannes
der Täufer als Kind wird an einer Stelle (Nr. 13) zu den »Gegenständen aus
dem neuen Testament« und an einer andern Stelle (Nr. 25) zu »Heilige Männer
und Frauen« hingeführt. Diana u. a. antike Damen in französischem Gostüm
aus den 1640er Jahren werden zur Gruppe »Mythologie« geführt, die erstere
aber auch nebst Venus, Aurora, Proserpina zur Gruppe der »Allegorien« oder
richtiger Costümbilder. Der »Grossmogul« figurirt unter Porträten, an der Seite
der ehrwürdigen norddeutschen Geistlichen Mockinger und Müller. Auch lässt
es sich nicht leicht einsehen, warum verschiedene Grabmale zu der Gruppe
»Genre« gezählt werden sollen, zusammen mit einer Menge junger Hirtinnen,
welche offenbar auch als Gostüm bilder zu betrachten sind.
In der Vorrede giebt der Verfasser an, dass er unter 296 Nummern
472 Stiche von Falck aufgeführt hat. Die letzte Nummer des Katalogs ist
295, rechnet man aber vier eingeschobene Doppelnummern, so wird die An-
Lilteraturbericht.
331
zahl thatsächlich 299. Am richtigsten wäre es ohne Zweifel gewesen, jedem
Blatte seine besondere Nummer zu geben , und das hat der Verfasser auch
in den allegorischen Suiten gethan, während er innerhalb anderer Gruppen
(Kunstgewerbe, Bücherillustrationen) unter einer Nummer, ohne Nebennummer
oder Litterirung bis 26 kleinere Blätter aufgenommen hat. Dies trägt nicht
zur Klarheit und Uebersichtlichkeit bei.
Es ist indessen ganz klar, dass der Local Patriotismus den Verfasser
verleitet hat, ebenso wie früher die polnischen Schriftsteller, die Anzahl der
Blätter mit aller Macht »in majorem Falckii gloriam« so hoch wie möglich
zu bringen. Er hat desshalb aus höchstens traditionellen Gründen — welche
in einzelnen Fällen wohl die Wahrscheinlichkeit für sich haben — seinem
Helden eine ganze Menge anonymer Arbeiten zugeschrieben. Wenn Falck
in vielen Folgen von Stichen mit anderen Künstlern zusammengearbeitet,
sind alle unsignirten Blätter ohne Bedenken diesem zugeschrieben worden,
obgleich sie ebensogut von einem der anderen Kameraden hätten ausgeführt
sein können. In gewissen Fällen ist dies ganz bestimmt der Fall gewesen;
so z. B. in der grossen Folge »Die zwölf Monate«, wo drei Blätter (69,
74, 80) den Namen G. de Geijn tragen, vier (71, 73, 75, 78) den Namen
Falck, und die übrigen unsignirt sind. Nr. 223 Christina von Schweden
ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Exemplar vor der Schrift von der Gopie
nach Falck’s gleichnamigem Stich von 1649, welcher in der Geschichte des
dreissigjährigen Krieges von Chemnitz aufgenommen und von J. van Meurs
ausgeführt ist. Von derselben Hand ist auch Nr. 263 Ludwig XIV. als
Jüngling (nach einem in Graf von Hermanson’s Sammlung, Schweden, befind-
lichen Exemplar), obgleich van Meurs dieselbe Umgebung zu seinem Bilde
wie Falk’s Stich 262 benutzt hat. Das Porträt von Maria von Mantua-Nevers —
später Königin von Polen — ist von einem andern Falck’schen Mitarbeiter,
H. David ausgeführt. Einige Blätter, z. B. die Porträte von Craatz und Engelke,
sind nach den alten uncontrollirten Katalognotizen aufgenommen. Das erstere
gehört in der Wirklichkeit zu der von mehreren holländischen Stechern ausge-
führten Serie der westphälischen Friedenscommissäre. Auch über die Echtheit der
andern Bildnisse können berechtigte Zweifel gehegt werden. So über »Charles
de Lorraine, duc de Guise«, Kaiser Ferdinand III., Erzherzog Leopold Wilhelm
und ein paar andere. Ein Stich dagegen ist dem Verfasser entgangen, nämlich
das im Stockholmer Nationalmuseum befindliche signirte Bild des heiligen
»Franciscus«.
Hier ist also eine bedeutende Menge theils offenbar falscher, theils
höchst zweifelhafter Arbeiten. Um die Anzahl der Kunstblätter in die Höhe
zu schrauben, hat sich der Verfasser auch einer andern, noch fataleren Weise
bedient und dieselben Stiche unter verschiedenen Namen zwei- bis dreimal
aufgenommen. Dies ist in der Porträtabtheilung wenigstens in acht Fällen
geschehen und auch in den übrigen Abtheilungen mehrmals. Esther mit
»Mardachai«, wie der Verfasser ihn nennt, ist dasselbe Blatt wie die Königin
Semiramis. Nr. 18 und 19, »Christus trägt sein Kreuz«, sind augenscheinlich
identisch, wahrscheinlich auch 22 und 23, Christi Begräbniss; mit Sicherheit
332
Litteraturbericht.
58 Diana und 177 Diana le Soir. Die beiden Porträte 216, 217 von Karl X.
Gustav sind von derselben Platte genommen , welche vor den späteren Ab-
drücken gewisse Veränderungen erlitten hat. Ebenso verhält es sich mit den
Porträten von A. Wittenberg. In beiden Fällen sind es Veränderungen im
Titel der Personen, welche zur entsprechenden Umarbeitung der Platten Ver-
anlassung gegeben haben : Karl X. Gustav, welcher 1649 Pfalzgraf war, wurde
1654 König von Schweden, A. Wittenberg, welcher 1651 Freiherr war, wurde
den 3. Januar 1652 in den Grafenstand erhoben. Ein ähnlicher Irrthum
ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem oben erwähnten Porträt der Maria
Prinzessin von Mantua-Nevers begangen worden und mit dem der Ludovica
Maria Gonzaga, Königin von Polen. Dass die beiden Namen dieselbe Person
bezeichnen, scheint der Verfasser nicht gewusst zu haben. Die offene Krone
auf dem Porträt der Prinzessin ist nach ihrer Thronbesteigung zu einer ge-
schlossenen verwandelt worden, Blumen und Fächer sind gegen Reichsapfel
und Scepter vertauscht, und die Unterschrift ist verändert worden. Das ist Alles!
Noch fataler aber ist es, dass die Platte (nach einem Exemplar im National-
Museum Stockholm), wie oben angedeutet wurde, von H. David, einem von
Falck’s Kameraden bei le Blond, gestochen ist. Falck kann also höchstens
die Veränderungen ausgeführt haben.
Der Verfasser ist indessen noch schwereren Irrungen anheimgefallen, indem
er vergessen hat, die von ihm selbst bei verschiedenen Gelegenheiten gemachten
Beschreibungen mit einander zu vergleichen. So figurirt zunächst in der Porträt-
abtheilung (207) das Bild von Adolf Johann, Karls X. Gustav’s in Schweden
wohlbekanntem halsstarrigem Bruder, hier mit dem etwas sonderbaren Titel
»Prinz Palatin, Herzog von Baiern«. Weiter hinten (248) finden wir einen »Jo-
hannes Adolphus Gomes Palatinos«. Beschreibung und Unterschrift sind bis auf
einige Druckfehler fast identisch. Es ist jedenfalls dieselbe Person, beschrieben
nach Exemplaren in verschiedenen Sammlungen. Unter Nr. 108 finden wir den
stolzen Namen »Abu Ben Alhazen, Astronom«. Die Beschreibung giebt einen
Mann im Costüm des 17. Jahrhunderts an, mit Schnurrbart, faltenreicher Klei-
dung und breitem, mit Spitzen besetztem Kragen. Der beigefügte lateinische Vers
»Contemplare virum« etc. kommt bekannt vor. Sehr richtig. Er findet sich
wieder unter Nr. 245 vor, dem Porträt des Danziger Astronoms J. Hevelius,
welcher also zweimal vorkommt. Der Irrthum beruht darauf, dass der Ver-
fasser des Gedichtes sich im dritten Verse auf den ehrwürdigen Araber als
Zeuge von der Tüchtigkeit des Hevelius bezieht, — quod testareris
Alhazen — während dieser selbst erst im sechsten genannt wird, dort aller-
dings mit dem ausdrücklichen Zusatze, dass »Falck’s weit berühmte Hand«
Hevelius mit dem Grabstichel gezeichnet hat.
Das kleine seltene Porträt von Gustav Adolf von Mecklenburg, welcher
mit der Schwester der Königin Hedwig Eleonora von Schweden und der
Tochter des Herzogs Friedrich’s III. von Schleswig-Holstein verheirathet war,
hat zu nicht weniger als drei verschiedenen Nummern Veranlassung gegeben,
von welchen keine ihn richtig nennt. Der Stich, welcher einen Mann in mitt-
leren Jahren mit Lockenperücke und kleinem Schnurrbart darstellt, und
Litteraturbericht.
333
dessen Identität unter anderem durch des Herzogs von Ehrenstrahl gemalten
Porträt in der Gripsholmer-Galerie in Schw'eden bewiesen wird, hat keinen
Titel und hat zufolge dessen auch älteren Katalogverfassern Kopfzerbrechen
verursacht. Alle ihre Fehler hat sich Herr Block ohne Bedenken ange-
eignet. Dies Bild figurirt bei ihm als Karl XI. (219) , König von Schweden
— ein Knabe von neun Jahren, als Falck seinen letzten datirten Stich aus-
führte — , als David Cloegker von Ehrenstrahl (225) und endlich als »Prinz
Gontrand, Herzog von Mecklenburg« (226), eine Persönlichkeit, in Bezug auf
welche die Geschichte, ja sogar die genealogischen Tabellen ein hartnäckiges
Stillschweigen beobachten. Das Schlimmste aber kommt zuletzt. Durch ein un-
richtiges Lesen der Worte »Urbs recolet nomen Stuvii« — : die Stadt (Danzig)
ehrt Stuve’s Namen, in dem lateinischen Gedichte unter dem Porträt des Raths-
herrn Stuve hat er die mystische Persönlichkeit S. Luvy (264) erhalten, die
ausserdem durch den Buchstaben S vor dem Namen ein gewisses »Odeur de
saintete« erhalten hat. Stuve’s Porträt mit demselben Vers findet sich sehr
richtig etwas weiter hinten ordentlich beschrieben vor (283); unter 288 »Porträt
eines Unbekannten« aber spuckt es zum dritten Maie, wie man aus dem An-
fang des lateinischen Gedichtes ersehen kann: »Aedibus hic coluit«, w'as sich
auf Stuves Thätigkeit für Erweiterung und Verschönerung der Stadt Danzig
bezieht, wie auch ferner aus der richtig citirten Signatur.
Der Laie stellt sich gefn vor, dass ein Katalog eine recht trockne und
langweilige Arbeit ist; das aber braucht nicht der Fall zu sein. Der Bücher-
freund, der Kunstfreund, der Forscher, der Sammler in jeder beliebigen Richtung
setzt auf einen guten Katalog grossen Werth und geniesst bei dessen Lesung wie
der Feinschmecker von einer Speisekarte oder der Musiker von einer Partitur.
Mit seinen Beschreibungen, seinen Daten, seinen historischen Ausflügen, seinen
Hinweisen auf verwandle Gebiete giebt der Katalog neben seiner eigentlichen
Aufgabe eine Menge anderer Aufschlüsse von Interesse, er setzt die Phantasie
in Bewegung, giebt Impulse, ermuntert zu neuen Untersuchungen und kann
so auch dem Laien F’reude bereiten. So breit angelegt, wie das hier er-
wähnte Verzeichniss ist — 89 Porträtsbeschreibungen nehmen z. B. 81 Seiten
ein — hätte man eine Menge Aufschlüsse über geschilderte Personen , deren
Geburts- und Todesjahr, Lebensstellung u. s. w. erwarten dürfen ; man hätte
auf einige Mittheilungen über die Maler, nach welchen der Graveur gearbeitet,
über noch existirende Originalgemälde, über die Thätigkeit von Verlegern,
z. B. J. le Blond, G. Förster u. s. w. man hätte bibliographische und museo-
logische Notizen u. s. w. hoffen können. Von dergleichen aber kommt nichts
vor, statt dessen aber eine ganz unnöthige Weitschweifigkeit in den Be-
schreibungen, ein Ueberfluss in der Anwendung von verschiedenen Schrift-
arten, eine neue Zeile oder ein neuer Abschnitt für jede kleine Notiz, alle
die äusseren Kennzeichen einer pedantischen Ordentlichkeit, aber nichts von
deren innerem gediegenen Wesen. Die bei Falck im Allgemeinen recht
langen gravirten Unterschriften sind äusserst nachlässig wiedergegeben mit
falscher Zeileneintheilung und einer Menge Flüchtigkeitsfehlern verschiedener
Art, zum grossen Theil auf des Verfassers augenscheinlich vollständiger Un-
334
Litteraturbericht,
bekanntschaft mit der lateinischen Sprache und deren Abkürzungen beruhend.
Es muss jedoch billiger Weise zugegeben werden , dass auch die deutschen
und französischen Citate an grosser Mangelhaftigkeit leiden. Es dürfte genügen,
als Beispiel anzuführen, dass in der siebenzeiligen Unterschrift unter Jacob
de la Gardie’s Porträt ausser einer unrichtigen Zeileneintheilung 16 grössere
und kleinere Fehler Vorkommen. Und dies Beispiel steht nicht allein da.
Diese Menge von Fehlern giebt Herrn Block’s Arbeit eine äusserst un-
zuverlässige Haltung und macht, da^s man dessen Angaben überall bezweifeln
muss, wo man die Richtigkeit derselben nicht mit einem Stiche controliren
kann. Hiermit aber hat das Buch auch seine Aufgabe verfehlt, ein Wegweiser
beim Studium von Falck’s Arbeiten zu sein. Das Buch des Herrn Block kann
allerdings mit Vorsicht benutzt, dem Fachmann von einigem Nutzen sein, da
es ihm die eine und die andere recht werthvolle Auskunft giebt, im Ganzen
aber macht es eine Monographie über Falck mehr als je wünschenswerth.
Stockholm, 1890. Gustaf Upmark.
Illustrirter Katalog der Ornamentstichsammlung des k. k. Oesterr.
Museums für Kunst und Industrie. Erwerbungen seit dem Jahre 1871.
Im Aufträge der Museurnsdirection bearbeitet von Franz Ritter. Mit 130
Illustrationen. Wien, 1889. Druck und Verlag von R. v. Waldheim. 8®.
Die Anzeige dieses Katalogs kommt etwas spät, doch nicht zu spät, da
es gilt, auf eine wissenschaftliche Leistung von dauerndem Werth hinzuweisen.
Franz Schestag hat mit seinem 1871 erschienenen systematisch geordneten
Katalog der Ornamentstichsammlung des Oesterreichischen Museums ein Werk
von damals wegweisender und noch heute mustergiltiger Art geschaffen; die
Fortsetzung desselben, welche hier geboten wird, schliesst sich würdig jenem
Vorgänger an. Nicht bloss darin, dass das dortige Eintheilungssystem in der
Hauptsache beibehalten wird, sondern auch in der gewissenhaften Sorgfalt
der Beschreibung der einzelnen Blätter und in den immer aus den zuverlässigsten
Quellen geschöpften biographischen oder bibliographischen Notizen. Die Litte-
raturangaben beweisen schon in ihrer Auswahl, auf wie vertrautem Fuss der
Verfasser mit der vergangenen und der fliessenden Forschung steht. Bei sorg-
fältiger Durchsicht des Bandes fand ich eigentlich keine Unterlassungssünde;
wohl erscheint S. 58 der Traum noch als Werk eines unbekannten Mono-
grarhmisten, doch die Lehrs’sche Monographie erschien eben einige Wochen
später im Jahre als der Katalog. Höchstens bei Jean Cousin hätte die Aus-
gabe von dessen Livre de fortune durch L. Lalanne wegen ihrer kritischen
Notice Nennung gefordert (Paris Rouam, 1883). Die Eintheilung des Katalogs
schliesst sich wie gesagt in ihren Hauptlinien an das von Schestag angewendete
System; sie ist zunächst sachlicher Art und schreitet vom Allgemeinen zum
Besonderen vor; der locale und chronologische Gesichtspunkt bestimmt dann
die weitere Gruppirung. Die erste Abtheilung bot die grössten Schwierigkeiten
für eine systematische Anordnung. Immerhin darf man fragen, ob zum Zwecke
leichterer Uebersicht die unter B. a, b angeführten Blätter nicht die Abthei-
lung VII hätten zugewiesen werden sollen — Verzierungen für Goldschmiedearbei-
ten zu den Goldschmiedearbeiten, zumal die speciellen Ornamente ja auch sonst
Litteraturbericht.
335
nicht mit Rücksicht auf eine besondere Technik, sondern, wie es der Sache
entspricht, auf ihre Motive hin geordnet sind. So folgen denn auch auf die
Allgemeine und Specielle Ornamentik als weitere Classen: Textile Kunst, Mo-
bilien, Schmiede- und Schlosserarbeiten, Wehr und Waffen, Uhren, Goldschmied-
und Juwelirarbeiten, Gefässe und Geräthe, Heraldik (und Buchzeichen), Archi-
tektur, Schrift und Druck, Zeichenbücher, Perspective und Anatomie. Ein
sorgfältig gearbeitetes Künstler-Verzeichniss und Sachregister erleichtert die
praktische Verwendbarkeit des Buches. Ich muss es mir versagen, auf die
zahlreichen und glücklichen Erwerbungen, die jede einzelne Abtheilung ver-
zeichnen kann, besonders hinzuweisen, dagegen hebe ich die in jenen Jahren
fast ganz geschaffene neue Abtheilung der Buchzeichen besonders hervor,
welche schon jetzt in ihrem Reichthum an Blättern fast einzig in ihrer Art
ist. Man braucht nur die auf Basel, Frankfurt a. M., Köln, Lyon, Strassburg
u. s. w. entfallenden Nummern ins Auge fassen. Eitelberger’s Initiative, sein
weiter und scharfer Blick für jede echte Aeusserung künstlerischen Vermögens
offenbaren sich noch ganz in den hier verzeichneten Neuerwerbungen; um
so erfreulicher desshalb auch, dass der berufene Hüter derselben, dem wir
die treffliche Fortführung des Katalogs danken, gleich seinen ausgezeichneten
Vorgängern, Schestag und Ghmelarz, durch den Scharfblick Eitelberger’s an
jene Stelle gestellt worden ist, wo seine Kraft am Günstigsten sich entwickeln
und reifen konnte. Ritter, im Wesentlichen Autodidakt und durch die Praxis
gebildet, hat sich rasch als einer der tüchtigsten und fähigsten Kräfte des
Opsterreichischen Museums erwiesen. H. J.
Kunstindustrie. Costüme.
Der Goldschmiede Merkzeichen. — 2000 Stempel auf älteren Gold-
schmiede-Arbeiten in Facsimile, herausgegeben von Dr. Marc Rosenberg.
Frankfurt a. M., Heinrich Keller 1890. gr. 8°.
Wenn das treffliche Buch von Marc Rosenberg erst jetzt an dieser Stelle
Erwähnung findet, so liegt die Schuld einzig und allein an dem Referenten.
Die mit leichtem Sinne vielleicht auch etwas Leichtsinn — übernommene
Verpflichtung, das Buch anzuzeigen, erwies sich bald als besonders drückend,
weil Referent dem Werke nicht ganz fern steht. Trotzdem soll so unbefangen
wie möglich ein Urtheil gefällt werden.
Eine Arbeit, deren die Engländer seit einem Jahrzehnt über ihre Silber-
stempel mehrere besassen , war lange ein pium desiderium der deutschen
Kunstwissenschaft. Die Schwierigkeiten , die sich einer solchen entgegen-
stellten, waren aber verschiedener Art. Abgesehen von der geeigneten kritisch
und historisch geschulten Person waren sie besonders finanzieller Art. Denn
wollte man als Basis der ganzen Arbeit eine Sammlung aller oder wenigstens
möglichst vieler Silberstempel veranstalten, so musste man eben jede öffent-
liche und private Sammlung, jede Kirche und Capelle, jedes Rathhaus, wo
überhaupt das Vorhandensein deutschen Silbers zu vermuthen war, durch-
stöbern und den Bestand feststellen. Eine derartige Arbeit erfordert natürlich
336
Litteraturbericht.
ganz gewaltige Summen , deren Opfer von einem Privatmann nicht zu er-
warten war. Der Staat, der heute alles machen soll, pflegt derartige bezüg-
liche Anträge an die Akademien zu verweisen und mit Recht. Die Verpflich-
tung, derartige Arbeiten aus ihren Mitteln zu unternehmen, ist aber diesen
hochgelehrten Körperschaften bisher noch nicht klar geworden ; abgesehen da-
von , dass die Kunstgeschichte von den Akademikern überhaupt kaum für
»voll« angesehen zu werden pflegt, so ist die Geschichte der Kleinkunst, der
deutschen Kleinkunst noch heute in ihren Augen eine durchaus verwerfliche
Sache. Dagegen werden aber grossartige Sammelwerke griechischer und rö-
mischer Kunstdenkmäler veranstaltet — ein »Vasen-« und »Statuen-Gorpus« soll
sogar in Sicht sein — , ungeheuer schwillt der Etat des archäologischen Instituts
an, so dass man kaum erstaunen dürfte, wenn der Reichstag gegen die riesigen
Forderungen einmal aufmucken würde. Für deutsche Kunst bleibt da nicht
viel übrig: hie und da einmal ein Stipendium, was besonders zu erpetitioniren
ist, oder ein Zuschuss zu einer Publication.
Man sollte glauben , dass ein Werk wie die Goldschmiede-Merkzeichen
längst als eine einer Akademie würdige und ihr allein zufallende Aufgabe ins
Auge gefasst wäre; denn im Grunde steht ein derartiges Sammelwerk nicht
hinter dem »Corpus inscriptionum« zurück. Aber es blieb einem Privat-
mann Vorbehalten, dies Riesenwerk zu unternehmen, auf eigene Kosten
und allein zu Ende zu führen. Und diese Kosten sind ganz ungeheure ge-
wesen ; sie stellen den Träger derselben , der in selten günstiger Vereinigung
der Umstände zugleich der Herausgeber ist neben die grossen Mäcenaten
vergangener Zeiten.
Etwa ein Jahrzehnt lang hat Rosenberg in Begleitung eines Zeichners
alle Kirchen und Sammlungen Europas, von Madrid bis Moskau, von London
bis Neapel auf den Bestand an alten Silberarbeiten durchgesehen ; alle Aus-
stellungen besucht, die irgend Aussicht auf Ausbeute boten und dazu an den
betreffenden Orten archivalische Studien angestellt. Die Frucht dieser müh-
seligen Arbeit war die Sammlung von über 10000 Silberstempeln. Aus dieser
Collection liegt nun eine Auswahl von ca. 2000 Stempeln in »Der Gold-
schmiede Merkzeichen« vor und damit die Basis für die Kenntniss der Ge-
schichte der deutschen Edelschmiedekunst.
Der Verfasser spricht sich in der Vorrede kurz über die Anlage seines
Buches aus. Eine Auswahl war schon aus äusseren Gründen geboten : sie
Hess sich bei der Beschaffenheit des Materials auch gut durchführen. Es sind
ferner die Stempel nicht mit allen Zufälligkeiten und Unklarheiten, weiche
das Einschlagen der wohl oft mehr oder minder vernutzten Stanzen mit sich
brachte, sondern als Typen behandelt und in doppelter Grösse gegeben. Da
das Buch wesentlich praktischen Zwecken-, als Nachschlagewerk für Sammler
dienen soll, so darf man sich ohne Weiteres mit diesem Verfahren einver-
standen erklären. Ob es sich nicht empfohlen hätte, den oder die best-
erhaltenen Stempel jeder Stadt in diplomatischer Treue und in Original-
grösse — vielleicht in einem besonderen Verzeichniss — zu geben, mag dahin-
gestellt bleiben, könnte ja auch in einem der nothwendig werdenden Nach-
Litteraturbericht.
337
träge geschehen. Denn wenn man bedenkt, dass allein von Augsburg 89
verschiedene Stadtstempel zum Abdruck gekommen sind , so wird man schon
daraus ersehen können, welch feine Differenzen dabei in Frage kommen.
Die deutschen Marken nehmen natürlich den breitesten Raum ein: die
Stempel von 93 Städten lernen wir kennen mit 1734 Zeichen, von denen
nur eine verhältnissmässig ganz geringe Zahl bisher bekannt und gedeutet
war. Mustert man diese Stempel, so wird man überrascht, wie ausserordentlich
verbreitet die edle Silberschmiedekunst war, und findet bei Prüfung der Ob-
jecte selbst, in welch entlegenen Nestern wirklich künstlerisch vollendete
Arbeiten gefertigt wurden. Ist auch die Erfindung fast nie auf dem eigenen
Boden der Goldschmiede erwachsen — das Verständniss, mit dem sie ihre Vor-
lagen benutzten und verarbeiteten und die technische Vollendung der meisten
Stücke muss auch heute noch unsere ganze Bewunderung erregen. Was
früher als Arbeiten aus grossen Werkstätten ging, das ergibt sich heute
als Erzeugniss eines Meisters irgend einer kleinen unbedeutenden Stadt. Und
doch ist mit Rosenberg’s Sammlung erst der Anfang gemacht: denn unter
den nicht zum Abdruck gelangten Stempeln findet sich eine grosse Anzahl
vorläufig unbestimmbarer, die wohl ausschliesslich kleinen Städten angehören
dürften und künftig weiter Zeugniss ablegen werden von der weiten Ver-
breitung guter Werkstätten in Deutschland. Dass diese Stempel recht bald in
irgend einer Stelle zum Abdruck gelangen möchten, ist uns dringender Wunsch.
Gerade hier hat die Forschung weiter einzusetzen, um allmählich das Material
zu erweitern. Lessing hat in seiner Anzeige der Merkzeichen schon Stralsund
und Rostock beigebracht; Gottbus (mit dem Krebs als Stadtstempel) mag hier
hinzugefügt sein.
In der Anordnung des Buches steht Deutschland voran , die Städte
folgen einander alphabetisch ; innerhalb derselben zunächst die Beschauzeichen,
dann die Meister möglichst chronologisch. So ist es möglich, in den grössern
Städten, aus deren Nachlass uns genügendes Material erhalten ist, eine Ueber-
sicht über die Entwicklung der Edelschmiedekunst, oft sogar eine lebendige
Anschauung der Leistungen einzelner Werkstätten zu erhalten.
Da bei den einzelnen Stücken auch stets der heutige Aufbewahrungsort
angegeben ist, unter denen meist leicht zu entscheiden, ob es noch der ur-
sprüngliche ist, oder ob später ein Besitzwechsel stattgefunden hat, so ergibt
sich auch mancher lehrreiche Wink für die Verbreitung des deutschen Silbers
in früherer Zeit. Namentlich der ungeheure Export von Augsburger Silber,
der ja auch sonst bekannt genug ist, findet hier von neuem Bestätigung;
besonders auch nach Italien müssen von dorther Massen eingeführt sein.
Den deutschen Werkstätten folgt das Ausland, die Staaten gleichfalls
alphabetisch, so dass Oesterreich von den deutschen Werkstätten durch andere
Staaten getrennt ist. Ungarn ist besonders behandelt, die Arbeiten sind ganz
deutsch, ebenso die in Fülle erhaltenen Arbeiten von Riga. Die Schweiz,
deren heutiger Besitz an altem Silber in den Innungs- und Zunftstuben noch
ein ganz bedeutender ist, zeichnet sich besonders durch die Stellung zahl-
reicher Goldschmiedenamen aus : hier sind einzelne Baseler Werkstätten recht
338
Litteraturbericht.
gut zu übersehen. Eine grössere Anzahl Städte sind aus Holland und Belgien
angeführt, Ergebniss der wiederholten Ausstellungen zu Amsterdam und Brüssel.
Von England, über welches wir die trefflichen Arbeiten von Ghaffers
und Gripps besitzen , sind nur die drei Hauptstädte London , Edinburgh und
Dublin zu schneller Orientirung aufgeführt. Von Frankreich: Paris in ziem-
licher Ausführlichkeit und klarer Darlegung der complicirten Stempel-Steuer-
Verhältnisse. Schweden und Norwegen , Russland und Dänemark sind mit
einigen wichtigeren Städten kurz abgethan ; für letzteres besitzen wir die gute
Arbeit von Sick. So ist das Buch nicht nur für die deutschen Verhältnisse
von grundlegender Bedeutung, sondern bietet sich auch als bequemes Nach-
schlagebuch für Sammler dar. Dabei macht sich, um mit einem frommen
Wunsche zu schliessen, wiederum das Fehlen einer festen Nomenclatur für
die Formen der Geräte überhaupt geltend, ein sehr grosser Uebelstand, der
namentlich in der Verwaltung von Sammlungen und bei Herstellung von
Katalogen besonders fühlbar sind. Eine Einigung über die Benennung der
einzelnen Geräthformen, womöglich unter Wiederaufnahme der alten Bezeich-
nungen ist ein dringendes Bedürfniss. Es wird sich dabei wesentlich nur um
die Typen handeln, aber das wäre schon ein grosser Gewinn. Im Kunsthandel
hat sich für alle Geräthe und Mobilien schon eine Art Jargon herausgebildet,
der zwar manche bezeichnende Benennung geliefert hat, aber doch im Allge-
meinen nicht zu brauchen ist. Eine wirkliche und endgiltige Feststellung der
Nomenclatur dürfte wohl nur durch eine gemeinsame Besprechung aller In-
teressenten zu erzielen sein.
Für die Geschichte der deutschen Kunst bezeichnet das Buch von
M. Rosenberg eine Epoche. Erst jetzt ist der gesicherte Boden gewonnen,
auf dem ein Theil derselben sicher und fruchtbringend angebaut werden
kann. Rosenberg hat entgiltig die Methode festgestellt, in welcher Weise
eine derartige Arbeit anzufassen resp. fortzuführen ist, vor allem die Klippe
der Breitspurigkeit glücklich umschifft. Namentlich verdient die kurze und
präcise Anführung der einzelnen Geräthe, wo oft aus zwei Worten die
Form erkennbar ist, alles Lob. Recht dringend wäre zu wünschen, dass
das Werk ganz allmählich weitergeführt werden könnte. Der Verfasser hat
bereits wieder ein grosses Material, zu umfassend, um in Zeitschriften pla-
cirt werden zu können — und neue Opfer zu bringen, kann man ihm
kaum zumuthen. Es ist ein Denkmal echt deutschen Fleisses, ausdauernder
Beharrlichkeit und dazu in diesem Fall grossartiger Opferfreudigkeit, nicht bloss
an materiellen Opfern, sondern auch nach anderer Hinsicht. Die fortwährenden
Reisen von einem Ende Europas zum anderen gehören gerade nicht zu den
Annehmlichkeiten eines Gelehrten , der die Ruhe des Studierzimmers liebt ;
und diese Leistung ist auch auf das Gonto des Herausgebers zu schreiben.
Aber er darf sich sagen, dass alle diese Mühe und Opfer lohnen; so lange
deutsche Kunstgeschichte geschrieben wird, wird sein Buch als ein Haupt-
rüstzeug gelten und nur wenige Bücher so oft citirt werden, wie »Der Gold-
schmiede Merkzeichen«. A. Pabst.
Litteraturberichl.
339
Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften des siebzehnten und
achtzehnten Jahrhunderts nach gleichzeitigen Originalen von
Dr. J. H. von Hefner- Alteneck, Separatausgabe aus dem Werke:
Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften vom frühen Mittelalter bis Ende
des achtzehnten Jahrhunderts nach gleichzeitigen Originalen, zweite ver-
mehrte und verbesserte Auflage. Zugleich Supplement zu den beiden Werken
der ersten Auflage: Trachten des christlichen Mittelalters und Kunstwerke
und Gerätschaften des Mittelalters und der Renaissance. Frankfurt a. M.
Verlag von Heinrich Keller, 1889.
Als die Trachten des christlichen Mittelalters und die Kunstwerke und
Geräthschaften des Mittelalters in zweiter zu einem Werke vereinigter Auf-
lage erschienen, wurde gleich Anfangs nicht bloss die Vermehrung der Tafeln
und die vervollkommnete Technik in der Ausführung derselben dankbar begrüsst,
man hiess auch das Versprechen willkommen, das Werk nun 6is zum Ende des
18. Jahrhunderts fortführen zu wollen. Man braucht heute nicht mehr die
bahnbrechende Bedeutung dieses Werkes für unser Kunstgewerbe hervorzuheben,
man braucht höchstens wieder in Erinnerung zu bringen, dass dieses Werk
keine Publication im gewöhnlichen Sinne, sondern dass es eine That war
und dass darin die Arbeit und die wissenschaftlichen und künstlerischen/
Bestrebungen eines ganzen langen Lebens geborgen sind. Die erste Auflage
(Trachten 1840, Kunstwerke und Geräthschaften 1848) war das Werk eines
Kenners, aber auch Sammlers und Liebhabers, der mindestens in Deutschland
noch auf sehr wenig begangenen Wegen wandelte; die Renaissance war für
das Kunstgewerbe noch zu entdecken; darüber noch hinauszuschweifen, war
weder Zeit noch Grund vorhanden. Seitdem hat die nervöse Hast, welche
die Entwicklung unseres Kunstgewerbes kennzeichnet, schon längst in das
Barock und Rococo getrieben, und ein Werk, das dauernd den Ruhm behaupten
wird, die vielseitigste und solideste Mustersammlung für die Kunstindustrie der
Vergangenheit zu sein, musste diesem Gang der Entwicklung Rechnung tragen.
Indem es dies that, hat es erst seine Abrundung erhalten. So wird es zu-
nächst den Besitzern der ersten Auflage willkommen sein, sich diese durch
den Erwerb der Separatausgabe vervollständigen zu können. Der Band ent-
hält 72 Tafeln, von welchen die grössere Hälfte Trachtenbilder bringen. Sehr
gut vertreten sind auch die Denkmäler der Goldschmiedekunst in diesen beiden
Jahrhunderten; etwas spärlich vorhanden sind Erzeugnisse der Möbeltischlerei.
Was die veröffentlichten Denkmäler betrifft, so befindet sich die Mehrzahl der-
selben in Privatbesitz und werden damit erst jetzt einem grösseren Kreise von
Liebhabern bekannt werden. Am Meisten hat die Sammlung des Herausgebers
selbst beigesteuert, und man staunt, mit welchem Erfolg, aber auch mit welchem
Geschmack derselbe auch für diesen Zeitraum gesammelt hat. So gehören
z. B. zwei Ofenkacheln (Taf. 17) von der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts
zu dem Schönsten, was auf diesem Gebiete in jener Zeit hervorgebracht worden
ist. Hervorgehoben sei auch der Apostelkrug von 1666 und der Krug aus
der Fabrik Kreussen aus der Mitte des 17, Jahrhunderts, beide gleichfalls im
Besitze des Herausgebers. Für Trachtenbilder bot gleichfalls die Sammlung
des Herausgebers in Stammbuchbildern und seltenen colorirten Kupferstichen
XIV 24
340
Lilteraturbericht.
viel treffliche Vorbilder. Einzelne Stücke — hervorgehoben seien ein ver-
goldeter Silberhumpen auf Taf. 4 und zwei Pokale auf Taf. 19 — vom Ende des
16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts bot die Sammlung Eisenhart in München.
Die Erläuterung, mit welcher der Herausgeber die einzelnen Tafeln begleitet,
giebt Alles, was zum technischen und künstlerischen Verständniss nöthig ist,
mit gewohnter Knappheit und Sachlichkeit, wie sie eben nur ein Mann von
der ungewöhnlich reichen Erfahrung, wie sie der Herausgeber besitzt, zu geben
vermag. Als Muster solcher Erläuterung möchte ich die zu Taf. 26 und 27
(Piadschlosspistole und Gewehrradschloss) anführen. Die Zeitbestimmung ist
auch io diesem Band hie und da ein wenig weit gefasst, doch entspricht das
ganz der gewissenhaften Art des Herausgebers, welcher wohl weiss, wie schwer
gerade bei Werken der Industrie das Datum haarscharf zu bestimmen ist,
wenn besondere Nachrichten mangeln. Eine Mittheilung des Herausgebers,
die über den Gegenstand der Veröffentlichung hinausgeht, hebe ich hier her-
vor: die über den ursprünglichen Zustand des Schlosses Aschaffenburg, die
sich auf Seite 6 des Textes findet. Auf Taf. 58 hat der Herausgeber — des
Costüms wegen — das Bild seines Urgrossvaters und seines Grossvaters ge-
geben. Da hören wir, dass der erstere 102, der letztere 96 Jahre alt wurde;
so haben wir Hoffnung, dass auch dem Enkel, dem Nestor kunst- und cultur-
geschichtlicher Forschung, noch recht viele Jahre der Arbeit beschieden sein
werden. Was die Ausführung der Farbendrucktafeln betrifft, so wurde schon
bei Anzeige der ersten Lieferungen dieses Schlussbandes darauf hingewiesen,
(Repertorium, XIII. 1890, S. 445), worin ihre besondere Stärke liegt. Sie
erfüllen den Zweck ihrer ersten Aufgabe -- - ein kunstgewerbliches Vorlagen-
buch zu sein — ausgezeichnet; Textilarbeiten (z. B. Taf. 20 Stickerei in rothem
Garn auf weissem Grund), dann Werke der Goldschmiedetechnik, Geräthschaften
in Holz und Thon werden mit bewundernswerther Treue im Farbenton wieder-
gegeben. Die Handilluminirung der colorirten Tafeln der ersten Auflage wird
so kaum vermisst. Man kann der Leistungskraft der Firma Osterrieth nur un-
eingeschränkten Beifall zollen. Der Verleger aber, der den Muth und den
Unternehmungsgeist hatte, das umfassend angelegte Werk in seiner neuen
Gestalt in verhältnissmässig kurzer Zeit zu gutem Ende zu führen, hat sich
ein dauerndes Anrecht auf den Dank der Vertreter des Kunstgewerbes und
der kunstgeschichtlichen Forschung erworben. H. J.
Tapisseries, Broderies et Dentelles. Recueil de Modelles anciens et
modernes. Precede d’une Introduction par Eugene Müntz, Conservateur
de l’Ecole des Beaux-Arts. Ouvrage enrichi de 150 Gravures. Paris, Librairie
de l’Art, 29, Gitö d’Antin, 29, 1890. (Bibliotheque internationale de I’Art). 4°.
Eigentlich giebt dieser Band einen durch zahlreiche Abbildungen er-
läuterten Abriss der Geschichte der Teppichweberei ; die Einleitung von Eugene
Müntz beschäftigt sich allein mit dieser, und mehr als zwei Drittel der Abbil-
dungen sind diesem Zweige der textilen Künste gewidmet. Es wäre im Inter-
esse der wissenschaftlichen Einheit der Publication gewesen, sich auch in den
Abbildungen allein auf Modelle der Teppichweberei zu beschränken, in jedem
Falle that der Verf. der Einleitung gut daran, dies zu tliun. So erhallen wir
Litteraturbericht.
341
auf achtunddreissig Seiten von ihm einen inhaltreichen, trefflichen Abriss der
Geschichte der Teppichweberei verbunden mit einer verhältnissmässig eingehenden
Analyse ihrer Meisterwerke. Das zu bieten vermochte freilich nur ein so gründ-
licher Sachkenner, wie es der Verfasser der Histoire Generale de la Tapisserie
und d es geschichtlichen Handbuches der Tapisserie ist. Einmal bemerkt der Verf.,
dass die Zeit nicht mehr fern sein könne, da man nicht bloss die Geschichte
der Malerei in ihren officielien Hervorbringungen schreiben werde, sondern
auch die Geschichte der Nebenzweige derselben, welche uns dann zwar minder
hohe Absichten, einen weniger erhabnen Stil, aber doch auch hundertmal reicheren
Inhalt und daneben noch eine Fülle wunderlicher und picanter Enthüllungen
machen wird. »Ich spreche nicht von den kostbaren Urkunden, welche ein
solches Studium für die Kenntniss der berühmtesten Meister des Pinsels von
Raphael bis Boucher geben wird, eine viel stärkere Ueberraschung wird es
sein, dass man bisher ganz unbekannte Schulen für das Ende des 15. und den An-
fang des 16. Jahrhunderts wird wieder feststellen können, unbekannt bisher, weil
sie inn Wesentlichen sich auf die Ausführung von Teppich-Car tons beschränkten.«
Schon eine der grossen Teppichausstellungen, wie man sie in dem letzten
Jahrzehnt in Florenz, Rom, Paris durchmustern konnte, legten solche Erwä-
gungen nahe; wenn sie nun der beste Kenner des Denkmälerbestandes dieser
Kunstgattung zur Aussprache bringt, so wird dies hoffentlich recht schnell zu
thatsächlichen Erfolgen führen. Ganz sicher ist es, dass die Kenntniss des
mittelalterlichen Stoffkreises die Malerei durch das Einbeziehen der Teppich-
weberei in dies Studium erheblich sich erweitern wird, andererseits aber er-
bringen sie infolge ihrer stilistischen Uebereinstimmung mit den Werken der
Buchmalerei den Beweis, dass die Buchmalerei in der That in den Stil der
Monumentalmalerei einzuführen vermag, was so gerne geleugnet wird. Ich
hebe dann hervor die eingehende Analyse der Teppiche Raphael’s, die mit Zurück-
weisung des Vorwurfs beginnt, als habe Raphael bei der Anfertigung des Gar-
tons die Rücksichtnahme auf Bestimmung und Technik der Teppiche ausser Acht
gelassen. Für das Urtheil nach dieser Richtung mussten allerdings die Origi-
nale im Vatican allein zur Unterlage genommen werden. In den Bordüren
findet sieh hier aller Reichthum, aller Pomp und auch die richtige Art im
Ausdruck desselben, welche der Wandteppich fordert. Mit besonderer Liebe
analysirt darnach der Verf. Inhalt und Stil dieser Bordüren. Folgen, welche
dann noch von dem Verf. eingehender behandelt werden, sind die mit der Ge-
schichte von Mars und Venus, des Vertumnus und der Pomona (der Künstler der
Gartons hält die Mitte zwischen Raphael’s Stil und dem des Giulio Romano)
und von Eros und Psyche. Die classische Zeit der Teppichweberei in Frank-
reich unter Ludwig XIV., die Nachblüthe unter Ludwig XV. und Ludwig XVI.
findet gleichfalls eingehende Würdigung auch nach der technischen Seite hin.
Am Schlüsse giebt der Verf. einige statistische Daten. Er schätzt den in öffent-
lichen und privaten Sammlungen noch vorhandenen Bestand an Wandteppichen
auf 25000 — 30000. Davon kommen auf den Vatican 1500—2000 Stück. In
Florenz besitzt der königliche Palast und die Museen ungefähr 600, der Garde-
Meuble national de france inventarisirt bis jetzt 1121, ungefähr gleichviel ist
342
Notizen.
Kronbesitz in Spanien und Kronbesitz in Oesterreich. Dann kommen die Besitz-
stände der Privaten; ein Antiquitätenhändler in Paris besitzt z. B. 600. Dieser
noch vorhandene Reichthum ist um so staunenswerther, als man noch im ersten
Drittel unseres Jahrhunderts oft ganz barbarisch mit den Leistungen besonders
mittelalterlicher Teppichweberei verfulir; auch hiefür bringt der Verf. Beispiele.
Die Abbildungen genügen billigen Anforderungen, sie geben ein anschauliches
Bild der Hauptwerke der Teppichweberei, aus den verschiedenen Perioden der
Blüthezeit dieser Technik, und sie nehmen dabei auch darauf Rücksicht, auch
weniger bekannte Denkmäler der Forschung und der kunstgewerblichen Ver-
wertung zugänglich zu machen. Ich nenne da z. B. die Folge von fünf Teppichen
mit der Geschichte von Mars und Venus, die Folge von acht mit der Geschichte
von Eros und Psyche (Schloss von Pau), zwei Teppiche mit der Geschichte
von Aurelius und Zenobia im Museum von Aubusson (Cartons von Jan Snel-
linck d. Ae.) die Teppichfolge nach Cartons von Ch. Le Brun, einzelne Teppiche
nach Cartons von CI. Audran, Breughel, Boucher. So darf man diesen neuen
Band der Biblioth^ue internationale de l’Art zunächst als ein selbständiges
Hilfsmittel zur Einführung in die Kenntniss der Teppichweberei und deren Ge-
schichte, dann aber seiner zahlreichen Abbildungen wegen als eine wünschens-
werthe Ergänzung zu des Verf. Handbuch La Tapisserie (Bibliotheque de
l’Enseignement des Beaux-Arts) willkommen heissen. k.
N 0 t i z e n.
[Vincent Sellaer und Vincent Geldersman.] In der alten Pinako-
thek zu München befindet sich unter Nr. 172 ein Gemälde, welches Christus
unter den Müttern und Kindern darstellt »Lasset die Kindlein zu mir kommen«.
Es ist bezeichnet; VINCENT: SELLAER. F. 1588 und rührt oßenbar von einem
flämischen Meister her, der in Italien gewesen ist und hier einen starken
Einfluss der raphaelischen Schule empfangen hat — ein etwas älterer Zeit-
genosse von Frans Floris.
Diesen Sellaer, von dem sonst kein bezeichnetes Bild bekannt ist, glaube
ich in dem bei E. Neeffs, Histoire de la Peinture et Sculpture ä Malines, 1876,
p. 503, vorkommenden Maler Vincent Zellaer vermuthen zu dürfen. Vincent
Zellaer wohnte in Mecheln am Kirchhofe St. Rombout; er findet sich in einem
gemeindlichen Steuerregister vom 23. Juli 1544 vor. Das Z der einen Bezeich-
nung und das S der andern können nichts dagegen beweisen, da beide Buch-
staben früher in den Niederlanden häufig mit einander vertauscht wurden.
Der Name kommt in Mecheln bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts vor;
ein Maler van Zellaer oder Zeelare erscheint in den 70er Jahren des 15. Jahr-
hunderts daselbst. Einem Bildhauer Peeter van Sellaer (Sohn oder sonst Ver-
Notizen.
343
Wandler von Vincent?) begegnen wir zu Antwerpen in der zweiten Hälfte des
16, Jahrhunderts.
K. van Mander führt unter den Mechelner Künstlern keinen Vincent Sel-
llaer, wohl aber einen Vincent Geldersman auf. Es fragt sich nun, ob nicht
Ibeide Namen identisch sind. Wenn Geldersman allerdings, wie die neueren
Biographen angeben, 1539 geboren wäre, so könnte selbstverständlich nicht
(daran gedacht werden. Jedoch van Mander gibt keine Daten an , ordnet ihn
•vielmehr einfach unter die alten Mechelner Künstler ein, die zu seiner Zeit
(Schon verstorben waren. Das »Geburtsjahr« 1539 scheint erst auf den unzu-
'verlässigen Bryan zurückzugehen, der es nach beliebter Manier einfach aus
(den Fingern sog. Wir stehen ihm mit grossem Misstrauen gegenüber. Seinen
•Geldersman nennt van Mander einen sehr guten Künstler; er habe gemalt
(eine Leda, eine Susanna, eine Kleopatra und ähnliclie Sachen, ferner in der
Rittercapelle von S. Rombout in Mecheln eine Magdalena, die Füsse des Herrn
waschend. Von diesen Werken ist nichts mehr bekannt. Nun hat das Münche*
mer Kupferstichcabinet eine äusserst feine Federzeichnung erworben, welche
(eine zur Hälfte nackte Frau versinnlicht, anscheinend eine Susanna. Sie
ischlägt also in das Genre, das Geldersman lieble. Bezeichnet ist sie mit anderer
'Tinte und von etwas späterer Hand: Meester Vincent Inuentor. Vielleicht ist
:sie sogar besagte Susanna des Vincent Geldersman. Ein Vergleich mit dem
Pinakothekbilde des Sellaer ergibt so viel, dass die Wahrscheinlichkeit der
gleichen Hand sich nicht leugnen lässt. Es hat ja immer etwas Missliches,
eine Zeichnung mit einem Gemälde in Beziehung zu setzen und mahnt zur
Vorsicht, aber man kann doch nicht leugnen, dass das weibliche Gesicht im
Hintergründe links des Bildes denselben Typus aufweist, wie die Susanna, dass
(die Anordnung und Verknotung der Haare eine auffallende Verwandtschaft
Ihaben und dass auch in der Gewandung u. s. w. Analogien sich finden. Be-
irücksichtigt man, dass beide Maler in Mecheln waren, beide Vincent hiessen,
dass die Zeichnung in die bei Geldersman beliebte Richtung gehört und un-
streitig Verwandtschaft mit dem als Sellaer bezeichneten Gemälde aufweist,
so ist wohl ein, wenn auch zaghafter, Schluss gestattet, dass Vincent Sellaer
und Vincent Geldersman Eine Person bilden. Sellaer kann ja schliesslich den
Beinamen Geldersman geführt oder van Mander in dem Namen sich auch ge-
irrt haben. Wilh. Schmidt.
Bibliographische Notizen.
Les Constructions du Pape Urbain V a Montpellier (1364 — 1370) par
Eugene Müntz, Paris, Ernest Leroux Edileur, 1890.
Auch ein Ergebniss der Forschungen des Verfassers in den Archiven
(des Vaticans. Die Bautbätigkeit Urbans V. in Montpellier hängt mit der Bau-
thätigkeit der Päpste in Avignon zusammen. Urban V. hatte lange Zeit zu
344
Bibliographische Notizen.
Montpellier gewohnt und als Zeichen des Dankes erbaute er Kirche und Kloster
zu Ehren der Heiligen Benedict und Germanus. Für den Plan des Baues,
sowie für die Leitung desselben werden Namen genannt, welche schon aus
der Baugeschichte Avignons bekannt sind, so Bernard de Manso, Bertrand
Nogayrol , Albricus Gluselli; der erste Werkmeister dürfte Guillaume Cumbas
gewesen sein. Auch die künstlerische Ausstattung kam zu grossem Theile
aus Avignon. So 56 (nicht 66, v/ie wohl in Folge eines Druckfehlers es im
Text heisst — im Gegensatz zu der Angabe der Urkunde auf S. 12) Leinwand-
bilder (CVI pecias panni linei pictas continentes vitam sancti Benedicti), welche
der aus seinen Arbeiten in Avignon wohlbekannte Matleo di Giovanotto da
Vilerbo mit mehreren Gehilfen gemalt hatte. Das Betabulum dagegen mit den
Heiligen Benedict und Germanus aus vergoldetem Silber und Email wurde in
Montpellier selbst hergestellt. Die von Urban V. aufgewendeten Mittel betrugen
gegen 70,000 Lire. Interessant sind auch die Notizen über die von Urban
angekauften Bücher für die eingerichtete medicinische Schule. Von dem ur-
sprünglichen Klosterbau, später bischöfliches Palais, jetzt Ecole de Medecine,
sind nur mehr Reste der sehr dicken Mauern erhalten, von der Kirche — jetzt
Kathedrale — nur mehr die um eine Travee verkürzten Schilfe; der Chor
wurde schon zweimal erneuert.
La Badia di Fiesoie. Nuovi documenti concernenti la storia della
sua fabbrica (Arte e Storia, 1891, Nr. 3). C. v. Fabriczy war so glücklich,
die ganzen Bauacten (nur ein Band mit den Eintragungen von Sept. 1464 bis
Sept. 1466 ist in Verlust gerathen) für die Badia in dem Archiv von Santa
Maria degl’ Innocenti aufzufmden. Der plangebende Architekt bleibt nach wie
vor im Dunkeln, nur so viel ist jetzt gesichert, dass es Brunellesco nicht
gewesen ist. Der Bau wurde 1456, zehn Jahre nach dem Tode Brunellesco’s
begonnen; mit Recht bemerkt der Verfasser, dass jeder Grund für die An-
nahme mangelt, Cosmo Medici habe sich den Plan von Brunellesco entwerfen
lassen, dann aber den Bau mindestens ein Jahrzehnt bei Seite geschoben, ob-
gleich der frühere Bau schon im Jahre 1439 in trostlosem Zustand sich be-
fand. Entschiedener als früher wird damit die Aufmerksamkeit auf L. B. Alberti
gelenkt, der gerade in jenen Jahren 1456 bis 1459 in Florenz sich befand und
mit Bauentwürfen für Giovanni Rucellai beschäftigt war. Seine Stellung würde
es wie sonst erklären, dass sein Name in den Zahlungsbüchern nicht erscheint.
Der Umbau begann mit dem Kloster; das Refectorium war schon April 1458,
der Umbau der Kirche war in den ersten Monaten 1466 vollendet, da damals
die Einsetzung der Glasfensler vor sich ging. Sehr ergiebig sind die Rechnungs-
bücher, soweit die Bildhauer- und Steinmetzarbeiten in Frage kommen. Als
Künstler des fein decorir-ten Pergamo im Refectorium weist der Verfasser den
Piero di Gecco aus Fiesoie nach, hervorragend thälig für andere Decorations-
arbeiten in Stein waren Bruoso di Benedetto und Benedetto di Benedetto aus
Fiesoie; auch Giulio da Majano erhielt erhebliche Summen aasgezahlt. Fran-
cesco Ferrucci, der Schüler des Verrocchio, erscheint hier mit Werken, welche
wohl zu seinen frühesten gehören ; sie sind erhalten und gehören zu den an-
bibliographische Notizen.
345
muthigsten Decorationsstücken der Zeit. Freudig sei schliesslich davon Kennt-
niss genommen, dass der Verfasser die Vollendung seiner Monographie über
ßrunellesco, das Werk vieler Arbeitsjahre, in nahe Aussicht stellt.
Das Heilige Grab auf dem reformirten Friedhofe zu Homburg v. d.
Höhe (früher in Gelnhausen) von L. Jacobi, Architekt. (Separat-Abdruck
aus den Mittheil, des Vereins f. Geschichte und Alterthumskunde zu Hom-
burg V. d. H. Viertes Heft 1891.) Homburg, Steinhäusser 1891.
Das Heilige Grab, das sich in Gelnhausen auf dem lutherischen Fried-
hof befand, sollte 1825 auf den Abbruch verkauft werden. Der Landgraf
von Homburg, Friedrich Joseph, erwarb es, indem er statt der geforderten
300 Gulden 500 für die Armen Gelnhausens erlegte. Wir erfahren nun hier,
mit welcher Sorgfalt man beim Abbruch und bei dem Wiederaufbau verfuhr.
Der Grundstein für den letzteren wurde am 23. Juni 1825 gelegt. Es war
dies auch der alte Grundstein , auf dem man nun auch in letzter Stunde das
Entstehungsdatum — 1490 — entdeckte, zu dem auch die spätgothischen
Formen ganz gut stimmten. Der Verfasser führt den Nachweis, dass das
Heilige Grab zu Gelnhausen, jetzt Homburg, eine in Maassen und Verhältnissen
genaue Nachbildung des Heiligen Grabes zu Jerusalem ist. Mit dem »Heiligen
Grab« zu Nürnberg und Görlitz bildet es eine besondere Gruppe von Nach-
ahmungen der Heiligen Stätte — da diese drei Copien als Freibauten aus-
geführt sind. Wer der Stifter des Baues zu Gelnhausen war, konnte nicht
nachgewiesen werden. Fünf Tafeln erläutern die interessante und fleissige
Studie.
Rafael’s Wandgemälde: Die Philosophie, genannt die Schule von Athen.
Von Franz Bole. Mit einer Abbildung. Brixen, Weger 1891.
A. Springer hat in seiner Abhandlung über die. Schule von Athen
(Graphische Künste, 1883) an die Spitze seiner Erläuterung des Inhalts des
Wandgemäldes den Satz gestellt: Die Webekette bildet in der Schule von
Athen die Darstellung der sieben freien Künste, die Einschlagsfäden die Ver-
herrlichung griechischer Philosophen. Der Verfasser der vorliegenden Schrift
spricht den gleichen Grundgedanken aus, ' nur sucht er daneben auch noch
nach Vorgang früherer Deuter zu beweisen, dass auch der historische Ver-
lauf der antiken Philosophie hier künstlerische Darstellung gefunden habe.
Auch das Bestreben, für die einzelnen Persönlichkeiten Namen zu finden, er-
neuert sich hier und viel Scharfsinn gibt sich dabei kund. Wie die Angelegen-
heit steht, dünkt mir, dass in Springer’s Erläuterung Alles gegeben ist, was
als wissenschaftliche Thatsache gegeben werden kann. Daneben wird die
Vermuthung immer wieder gerne an dieses inhaltreichste Denkmal der Malerei
der Renaissance anknüpfen. Und so als Zeugniss liebevollen Versenkens in
den Künstler sei die vorliegende Schrift willkommen g'eheissen.
Die Saalfelder Altarwerkstatt. Von Prof. Dr. P. Lehfeld. (Separat-
Abdruck aus der Zeitschrift für Thüringische Geschichte und Alterlhumskd.,
N. F., VI. Band.)
Drei Altäre, im Schloss Landsberg (1498), zu Gorndorf (1490), Neusitz
(1515), tragen als Namen ihres Herstellungsortes Saalfeld ; dazu kommen noch
346
Bibliographische Notizen.
eine Reihe anderer Altäre oder Fragmente von solchen, welche stilistisch auf
die gleiche Werkstatt weisen. Der Name des Meisters dieser Werkstatt war
noch nicht aufzutinden. Bei allen diesen Altären steht der künstlerische Werth
der Schnitzereien hoch über dem der Malereien. Der Verfasser gibt eine ein-
gehende Analyse des Stils, die zunächst klar macht, dass in Bezug zu den
Erfurter Arbeiten dieser Zeit eine Verwandtschaft, wie man annahm, nicht vor-
handen ist, und dass auch die Verwandtschaft mit den Arbeiten der Werkstatt
des Wolgemuth nur eine sehr ferne ist. Dagegen weist der Stil auf die künst-
lerische Richtung, wie sie in Unterfranken, Würzburg, Aschaffenburg anzu-
treffen ist, und am nächsten steht nach Dafürhalten des Verfassers der Meister
der Saalfelder Werkstatt dem Meister von Greglingen. Auch die Malereien dürften
von Gesellen, die in Würzburg und Aschaffenburg zu Hause waren, herrühren.
Es stärkt diese auf stilkritischen Erwägungen beruhende Vermuthung, dass
Saalfeld in kirchlichen Beziehungen zu dem Erzbisthum Mainz und zu Aschaffen-
burg stand. Zwei Lichtdrucke — der Mittelschrein des Altars in der Kirche
zu Löbstedt und der Mittelschrein des Altars in der Kirche zu Neusitz — sind
der inhaltreichen und für die Kunstgeschichte Thüringens so wichtigen Ab-
handlung beigegeben.
Der Hochaltar in der St. Kilianskirche zu Heilbronn a. N. ist
von H. Schüler in Heilbronn in neun Folio-Photographien veröffentlicht worden.
Am Relief der Auferstehung Christi ist das Datum der Entstehung angegeben;
1498. W. Lübke, welcher den Photographien eine kurz gefasste Erläuterung
beigab, führt aus, dass an Tilmann Riemenschneider als Künstler des Werkes
nicht gedacht werden könne, er vermulhet als Urheber desselben einen schwä-
bischen und wahrscheinlich der Ulmischen Schule angehörigen Meister. »Jeden-
falls handelt es sich um einen Meister, der unter seinen Zeitgenossen eine
besonders hohe Stellung einnahm.« Von den Gemälden, die sich sicher auf
der Aussenseite der Flügel befanden, ist keine Spur mehr vorhanden.
Holbein’s Madonna des Bürgermeisters Meyer im königl. Schloss
in Darmstadt ist seit der neuen Aufstellung dem Publicum ohne jede Schwierig-
keit zugänglich. Es war darum ein guter Gedanke Friedrich Schneider’s, eine
kurz gefasste Erläuterung des Werkes zum Gebrauche für die Besucher zu
schreiben. Die gestellte Aufgabe ist trefflich gelöst. Die Geschichte des Bildes,
die Studien, welche demselben zu Grunde liegen, die malerische Technik wird
anspruchslos, aber in jeder Einzelheit unanfechtbar erzählt und so der Be-
schauer geschichtlich und künstlerisch orientirt , ohne ihn in selbständiger
Stellungnahme zu dem künstlerischen Gehalt des Bildes zu behindern.
Giovanni Morelli f.
Am 1. März 1891 ist der italienische Senator und Kunslforscher Gio-
vanni Morelli, unter dem Kampfnamen Iwan Lermolieff weiten Kreisen bekannt,
in seiner Behausung zu Mailand gestoiben. Im Gegensatz zu dem nur zwei
Wochen früher erfolgten Tode des allverehrten Nestors der Kunstforscher,
Karl Ed. von Liphart in Florenz, ist dieses Ereigniss ganz unerwartet einge-
treten, nachdem der Dahingeschiedene noch zwei Monate vorher einen neuen
Band seiner Kunstkritischen Studien über italienische Malerei in die Welt ge-
sandt und dadurch das Erscheinen des Schlussbandes dieses Werkes in nahe
Aussicht gestellt hatte. Wie es heisst, erlag er den Folgen der Influenza, die
ihn im Vorjahre heimgesucht hatte. Die fünfundsiebzig Jahre, die er zurück-
gelegt — er war am 25. Februar 1816 in Verona als Spross einer Schweizer
Familie geboren — machten sich hier also geltend, obwohl der Geist noch
seine volle Rüstigkeit bewahrt hatte.
Wirkt ein solcher Hingang schon erschütternd, so noch mehr, wenn es
sich um einen Mann handelt, der inmitten der heftigsten litterarischen Fehden
stand. Doch so viel der Gegner er sich auch durch seine ausfahrende Kampfes-
weise geschaffen : angesichts des offenen Grabes werden sie wohl alle mit den
Anhängern des Dahingeschiedenen in der aufrichtigen Trauer darüber sich zu-
sammenfinden, dass die Welt eines so eigenartigen und insbesondere für die
Kunstforschung so wohl ausgerüsteten Geistes verlustig gegangen ist.
Denn wie Wenige ist Morelli durch sein ganzes Leben hindurch ein
Strebender geblieben, hat stets sein Auge neuen Eindrücken offen gehalten
und ist ebenso wenig davor zurückgescheut, begangne Irrthümer einzugestehen
und zurückzunehmen, wie er es sich hat verdriessen lassen, nach neuen For-
mulirungen für die geänderte Erkenntniss zu suchen.
Es war etwas- Kerniges, Frisches, Naturwüchsiges in dem Mann; ange-
borne Neigung, ein innewohnender künstlerischer Trieb hatten ihn zur Be-
schäftigung mit der Kunst hingeführt. Wer das Glück hatte, mit ihm in
Berührung zu kommen , der fühlte sich durch die ' Abgeschlossenheit und
Durchbildung seiner Persönlichkeit auf’s wohlthuendste berührt. Ohne etwas
vom Sonderling zu haben, gehörte er doch einer sehr seltenen Gattung des
Menschengeschlechts an : er war ein Wesen für sich, eine Sondernatur.
348
Giovanni Morelli f.
i
Seinen tief in das Wesen der Künstler eindringenden Untersuchungen
hat die Wissenschaft vielfache Förderung zu verdanken; ein freier, seiner selbst
■ sicherer Geist bot ihm die Richtschnur für die Beurtheilung des Werths der "
Kunstwerke; über seinen Darlegungen waltete ein Ton liebenswürdigen, leicht
skeptisch angehauchten Humors. . |
So einfach und rein freilich gestaltet sich nicht das Bild des Mannes, i
das sich aus seinen Schriften gewinnen lässt. Da ist es vielfach durch Starr- ,
heit, Unduldsamkeit, Gereiztheit getrübt. Diese Misstöne aber waren weit
; weniger in seinem Wesen begründet, als durch äussere Umstände veranlasst.
j Als Politiker Hess er sich dazu hinreissen, seine Abneigungen auf das Bereich
i der Wissenschaft zu übertragen, wie solches sein Verhalten gegen Cavalcaselle
zeigte. Dann aber beging er den grossen Fehler, sich durch eine Schar be-
k- geisterter Anhänger als deren Anführer auf den Schild heben zu lassen. Zum
j Vertreter einer bestimmten, daher nothwendiger Weise eng begrenzten Geistes-
I richtung war er aber nicht geschaffen. Sein Element war die Freiheit. Im
, Interesse seiner Anhänger nun musste er um jeden Preis sein Ansehen zu
? behaupten trachten; die sogenannte Experimentalmethode gewann die Bedeu-
tung eines Schibboleths, und doch widersprach die Beschränkung auf einen
so schmalen und fest bestimmten Weg durchaus seiner Eigenart. Denn in i
^ sich selbst, in seiner abgeschlossenen Persönlichkeit besass er den
' sichern Maassstab für den Werth oder Unwerth der Kunstwerke.
1 Wo er irrte, da geschah es zumeist, weil er zu sehr auf die äussern Merkmale
geachtet und sich nicht unbefangen genug der Leitung seines durch die Er-
fahrung entwickelten Gefühls überlassen hatte.
^ Die Persönlichkeiten dieser Art sterben nicht gerade aus, aber sie werden
unter dem Drucke der vielfältig gesteigerten Ansprüche des praktischen Lebens
t immer seltener. Es gilt also festzuhalten, was von ihnen in der Erinnerung
: geblieben ist, um so mehr, als sie vorwiegend durch das Ganze ihres Wesens
' und erst in zweiter Linie durch ihre einzelnen Leistungen zu wirken pflegen.
Giovanni Morelli (nach den Münchener Neuesten Nachrichten vom 3. März ,
•' eigentlich Morel) besuchte anfangs die Schule in Bergamo (diese Angaben
I entnehme ich namentlich einem Artikel des Dresdener Aiizeigers vom 5. März),
I dann die in Aarau. Hier legte er den Grund zu seiner deutschen Bildung. (-
In München studirte er darauf Medicin, nahm 1836 an der Section der ersten )
Choleraleichen theil, wandte dann aber, wie es heisst, durch Genelli angeregt, j
sein Interesse der Kunst zu, worin er durch die Bekanntschaft mit dem Berliner )
Kunstforscher Waagen, sowie durch einen Aufenthalt in Paris bestärkt worden i
zu sein scheint. Weiterhin nahm er an den Untersuchungen über Bau |
und Bewegung der Gletscher durch Agassiz theil und betrieb germani- ^
stische Studien, seine Kunstkenntnisse aber vertiefte er auf zahlreichen Reisen ^
innerhalb Italiens, wobei er mit einer Reihe der hervorragendsten, an der Eini- i
gung des Landes arbeitenden Männer in Berührung kam. So vorbereitet be- |
trat er die politische Laufbahn, die die besten Jahre seines Lebens in Anspruch ;
nahm. Als leidenschaftlicher italienischer Patriot nahm er 1848/49 thätigen
Antheil an den Kämpfen gegen die österreichische Herrschaft. Nachdem er
:5sj
Giovanni Morelli f-
349
dann eine Zeit lang zurückgezogen gelebt, vertrat er von 1860 bis 1870 bis
1870 seinen Wohnsitz Bergamo als Abgeordneter, wobei er eine der festesten
Stützen des Königthums bildete; 1873 aber wurde er bei Gelegenheit eines
Pairschubs zum italienischen Senator ernannt. Als Kunstkenner wurde er
bis zum Jahre 1886 vielfach mit officiellen Commissionen hei der Verwal-
tung der Kunstdenkmale des Königreichs betraut. Als Schriftsteller trat er
erst 1875 mit seinen in der Lützow’schen Zeitschrift unter dem Pseudonym
Iwan Lermolieff veröffentlichten Aufsätzen über die Galerien Roms hervor,
denen er 1880 das Buch über die Werke italienischer Meister in den Galerien
von München, Dresden und Berlin nachfolgen liess. In zahlreichen Artikeln
dieses Repertoriums, sowie der Lützow’schen Zeitschrift, die sich namentlich
mit Raphaels Jugendentwicklung beschäftigten , erwies er sich dann als ein
äusserst fruchtbarer, zugleich aber auch als ein sehr streitlustiger Schriftsteller.
Ein Jahr vor seinem Tode endlich begann er seine älteren Schriften in wesent-
lich vermehrter und umgearbeiteter Gestalt als kunstkritische Studien über
italienische Malerei wieder herauszugeben. Alle diese Werke schrieb er in
einem vortrefflichen kernigen Deutsch.
Neben dieser publicistischen Thätigkeit ging aber eine andere weit stillere
einher, nemlich die des Bildersammlers. In dem Museum, das Morelli in seiner
Mailänder Wohnung vereinigt und das nun, wie es heisst, der Galerie von
Bergamo laut letztwilliger Verfügung einverleibt werden soll, hatte er sich das
Rüstzeug für seine Forschungen, zugleich aber auch das Mittel geschaffen, das
ihm bei den vielen litterarischen Fehden, die er selbst heraufbeschworen, die
Ruhe und Sammlung und Ausspannung zu gewähren vermochte, deren er seiner
ganzen nach innen gekehrten Anlage nach dringend bedurfte. Ueberschritt
man den lichten geräumigen Hof und erstieg die zwei hohen Stiegen, so be-
fand man sich in der nicht grossen, aber behaglichen Wohnung, deren beide
Zimmerreihen, die eine nach dem Hofe zu, die andere nach dem geräumigen
Galten hin gelegen, vortrefflich erhellt und daher zur Aufnahme von Bildern
besonders geeignet waren. An den Wänden des Corridors hingen die zahl-
reichen Zeichnungen, die Morelli gesammelt. Unter den Gemälden aber waren
seine Lieblingsmeister vertreten, Sodoma durch eine frühe Madonna, Moretto
durch das kleine feine Bild Christi mit der Samariterin, Viti durch die hl. Mar-
garita, Giovanni Bellini durch eine Madonna 'von noch mantegnesker Herbig-
keit. Dazwischen ein paar Thonmodelle, von Jacopo della Quercia das Relief
einer Madonna, von Benedetto de Majano ein knieender Engel. Das Speise-
zimmer war mit einer Anzahl auserwähller Bildnisse von Basaiti (datirt 1521),
Romanino, Moroni, Pontormo (der junge Bandinelli) geziert, woran sich in
den anstossenden , dem Quattrocento gewidmeten Räumen das Bildniss Lio-
nello’s d’Este von Pisanello sowie das des Giuliano de’ Medici von Botticelli
schlossen. Die Mailänder Schule war durch eine schöne Heiligenfigur Bor-
gognone’s, eine reizende kleine Madonna von Luini, den segnenden Christus-
knaben Boltraffio’s und ein Jünglingsportrait Ambrogio de’ Predi’s vertreten;
die Veroneser stellten ihre Buonsigndri und Caroto (beides Predellen), ihre
Giolfino, Franc. Morone und Gir. dai Libri; die übrigen Oberitaliener Defen-
350 Giovanni Morelli f.
■
dente Ferrari, Bartolommeo Montagna (Hieronymus), Giverchio, Sophönisba
Anguissola (hl. Familie von 1559). Weiterhin sind zu erwähnen die Floren-
tiner Botticelli, ausser dem genannten Bildniss, mit der Geschichte der Vir-
ginia und einem segnenden Christus, Pesellino, Bacchiacca (Kain und Abel),
unter dem Namen Baldovinetlis ein Kopf in Fresco, aus Verrocchio’s Atelier
ein kleiner Tobias mit dem Engel; endlich die Sienesen Malleo di Giovanni,
Neroccio und Balduccio (Glölia) und die Ferraresen Ercole Grandi und Atichele
Coltellini (Darstellung im Tempel). Im Arbeitszimmer aber hingen , um das
Auge durch den Anblick einer ganz verschiedenen Kunstweise frisch zu er-
halten, nur Niederländer und zwar durchaus mit feinem Geschmack ausge-
I wählte, wie die Namen Maes, B. Fabrilius, Flinck, Bäcker, Molenaer, A. Pala-
medes, Jobst Berck-Heyde beweisen.
Durch diese Aufzählung wird für die Eingeweihten die Geistesrichtung
des Mannes schon genügend gekennzeichnet. Er war in erster Linie Forscher,
vergass aber darüber nicht der Anforderungen des Geschmacks. Auch seinen
Bildern gegenüber war er nicht von blinder Voreingenommenheit, sondern von
wahrer, aus bester Erkenntniss fliessender Liebe erfüllt. Es war eine FTeude
sich hier mit ihm, der gern seine Photographien zur Hand nahm, über Fragen
der Kunstgeschichte zu unterhalten. Dann blitzten seine scharfen Augen im "
Ueberredungseifer hell auf, den Mund mit dem martialischen Schnurr- und
Knebelbart umspielte ein feines Lächeln, seine ganze übrige Erscheinung aber
bewahrte den Stempel des ruhigen, kühlen Welt- und Menschenkenners.
Ueber die Ergebnisse seiner Forschungen wird erst eine spätere Zeit
endgiltig aburtheilen können. Dass er die Kunstforschung vielfach weiter ge-
fördert und namentlich nach vielen Richtungen anregend gewirkt hat, steht ^
schon jetzt fest. Durchaus berechtigt war sein Widerspruch gegen eine zu
weite Ausdehnung der sogen. Beeinflussungstheorie, wie andrerseits seine Be-
tonung der örtlichen Bedingungen , unter denen die Künstler aufzuwachsen
pflegen. Eine solche Betrachtungsweise aus den Bedingungen der Zeit und
der Landschaft heraus ist als eine echt organische zu bezeichnen; dass daneben
aber auch der schöpferisch-persönliche Factor zu seinem Rechte kam, dafür
sorgte in Morelli die poetische Ader, die ebenso seiner Erscheinung wie seinen
Schriften das Gepräge gab. IF. v. Seidlitz.
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Wie sich in den letzten Jahren dank einer genaueren Bilderkenntniss
und glücklicher archivalischer Funde fortwährend die Zahl der uns bekannten
Schüler Rembrandt’s mehrt, wodurch es möglich wird, manchem trefflichen
Werk gerecht zu werden, das namenlos oder unberechtigter Weise unter dem
Namen des Meisters die Qual der Forscher bildete, so taucht ein Künstler nach
dem anderen aus der Vergessenheit auf, dessen Werke Zeugniss. dafür ab-
legen, dass der unmittelbare Einfluss Leonardo’s dauernd oder vorübergehend
massgebend für dieselben gewesen ist. Sicherlich wird der Künstlercharakter
der einzelnen Schüler Leonardo’s noch festere Gestalt gewinnen, oft schwanken
die Begriffe und ein neu entdeckter Name muss dann für verwandte Arbeiten
eintreten, bis sich auch für ihn die Merkmale klären ; aber man kommt vor-
wärts, nur so viel stellt sich mit immer grösserer Gewissheit heraus, dass die
Zahl der eigenhändigen Gemälde Leonardo’s verschwindend klein ist.
Ein Blick in die kunstwissenschaftliche Litteratur und in die Galeriekataloge
genügt, um die weitere Erfahrung zu machen, dass das Urtheil über eigenhän-
dige Werke Leonardo’s, den doch Alle den grössten Künstler der italienischen
Hochrenaissance nennen, weit davon entfernt ist, ein abgeschlossenes zu sein.
Bei allen grossen Meistern wiederholt es sich, dass mancher Schüler,
der nicht selbstständig genug war, um selber leuchten zu können, ein ver-
hältnissmässig starkes Licht reflectirte, solange es ihm vergönnt war un-
mittelbar unter den Augen des Meisters zu arbeiten, dessen man nicht mehr
achtete und der vergessen wurde, sobald er auf sich selber angewiesen war.
Auf diese Art können Schülerarbeiten entstehen, welche den Namen des
Meisters mit einem Scheine des Rechtes tragen , deren Beurtheilung noch
schwieriger wird, wenn der Meister an irgend einen Theil selber Hand an-
legte. Werke in der Art des Rembrandt, des Raphael, des van Dyck und be-
sonders des Rubens wird jeder kennen, welche in diese Kategorie fallen. Der
Fachmann wird sich bemühen, den wirklichen Sachverhalt zu ergründen, dem
grossen Publicum gegenüber sind die meisten Fälle eine rein wissenschaftliche
Frage. Solange derartige Gemälde Kunstwerke von Bedeutung sind, können
sie ohne Bedenken in öffentlichen' Galerien aufgestellt werden , weil sie für
XIV 25
354
W, Koopmann:
den unbefangenen Beschauer nicht die Gefahr einschliessen , dass er sich vor
etwas Werthlosem zur Bewunderung zwingen muss.
Anders liegt die Sache, wenn künstlerisch unbedeutende Schularbeiten
mit volltönenden Namen ausgestattet werden, weil dadurch eine Irreleitung
des guten Geschmackes begünstigt wird, welche für eine gesunde Kunstpflege
geradezu bedrohlich geworden ist. Mit jedem Jahr wächst die Zahl derer,
welche in Italien für ihren Kunstsinn die richtige Nahrung suchen und ge-
rade in Italien gehen die berühmtesten Galerien voran, das Ansehen der
hervorragendsten Künstler auf das Aeusserste zu gefährden, unter anderen
auch das des Leonardo.
Tausende machen in jedem Jahr vor dem Christuskopf in der Brera
halt, einer Zeichnung, welche durch schlechte Behandlung ein unbestimmtes
Etwas geworden ist, so dass es ganz unmöglich ist, sagen zu wollen, ob
Leonardo jemals Antheil an demselben gehabt habe oder nicht; die Wahr-
scheinlichkeit spricht dagegen. Dies Blatt hängt mit anderen, gleichwerthigen
Zeichnungen, welche mit den Namen Raphael’s und anderer erster Künstler geziert
sind, in einem Raum, in welchem die vorzüglichsten Kunstwerke der Brera
zusammengetragen und so aufgestellt sind, dass besonders helles Licht auf sie
fällt. In den Uffizien wird der Gorgonenschild nicht nur als echtes Werk des
Leonardo gefeiert, der Katalog fühlt sich sogar verpflichtet, ausdrücklich auf
die grosse Seltenheit eines Werkes aufmerksam zu machen, das je eher je
lieber entfernt werden sollte. Bei solchen Vorbildern kann man es kleineren
Sammlungen nicht übel nehmen, wenn sie gleichfalls Werke Leonardo’s zu
besitzen vorgeben, wie das denn auch durch ganz Europa üblich ist.
Die rastlose Thätigkeit dieses Meisters würde die geringe Zahl seiner
Werke unverständlich machen, wenn man nicht wüsste, dass der Gelehrte in
Leonardo den Künstler aufgehalten hätte; der Hieronymus und die Anbetung
der Könige sind trotz zahlreicher Studien nie über den Zustand der Untermalung
hinausgekommen. Es ist desshalb sehr glaubwürdig, wenn Herr von Seidlitz
in Bezug auf das Berliner Auferstehungsbild die Vermuthung ausgesprochen
hat, dass Leonardo andere Werke hinterlassen habe, welche in einzelnen
Theilen von seiner Hand mehr oder weniger vollendet waren und die dann
aus irgend einem Grunde unvollendet liegen blieben. Leonardo selber wird
schwerlich einem Schüler die Vollendung eines seiner Werke überlassen haben,
um so wahrscheinlicher ist es, dass irgend ein unverständiger Besitzer um
jeden Preis ein fertiges Bild anstatt eines unfertigen haben wollte. Das könnte
z. B. auch die Entstehungsgeschichte der Verkündigung in den Uffizien sein,
deren figürlicher Theil, besonders in der Darstellung der Madonna, allem ent-
spricht, was man von einem Werke Leonardo’s erwarten möchte, während
die Landschaft, die hölzernen Grashalme des Wiesengrundes, das Gemäuer
mit hartabsetzenden rothen und weissen Steinen eine geringere Hand ver-
rathen. Dahin mag der fascinirende Frauenkopf der Galerie Lichtenstein ge-
hören mit seinen metallisch harten Haarlocken und der kleinlichen Landschaft
und andre Werke, welche alle der Kritik die Aufgabe stellen, genau festslellen
zu müssen, wie weit die Hand des Meisters nachweisbar ist.
Die Madonna vor der Felsgrotte in Paris und in London.
355
Widerstreitende Ansichten über den Werth unbeglaubigter Werke gleichen
sich langsam aus; es wird immer Kunstwerke zweiten Ranges geben, über
die sich nie eine Einigung erzielen lässt, wenn denselben in gewissem Grade
künstlerische Vorzüge eigen sind; über gut oder schlecht aber sollten keine
Meinungsverschiedenheiten möglich sein.
Kürzlich ist die Madonna vor der Felsgrotte im Louvre nicht nur als
die geringere Ausgabe der beiden vorhandenen Exemplare dargestellt, es ist der-
selben sogar jeder Vorzug eines bedeutenden Kunstwerkes abgesprochen worden.
Eine solche Frage würde am schlagendsten beantwortet werden, wenn
beide Gemälde neben einander hingestellt werden könnten. Bis die diploma-
tischen Schwierigkeiten erledigt sind, ob diese Zusammenstellung der Gemälde
in Paris oder in London stattfinden solle, werden einige in die Augen fal-
lende Verschiedenheiten derselben Beachtung verdienen.
Das Folgende ist vor Braun’schen Photographien niedergeschrieben, vor-
läufig die einzige Möglichkeit, genaue Vergleiche anstellen zu können. Aller-
dings ist eine Besichtigung der Originale vorausgegangen, Autopsie heisst das
neuerdings, ein schreckliches Wort, das vom Leichentisch in die Kunstgeschichte
hinüber gewandert ist. Wenn man aber von London nach Paris fahren muss,
ehe man Vergleiche anstellen kann, genügen weder das treueste Gedächtniss
noch gewissenhafte Noten, um die letzten Schlüsse ziehen zu können, das wird
Jeder zugeben, der weiss, wie schwierig es ist, zwei Gemälde derselben Galerie
genau zu vergleichen, auch wenn sie nur durch eine einzige Wand von ein-
ander getrennt sind. Die Berechtigung dieser Erörterungen wird sich vor den
Originalen ausweisen müssen.
In seiner Abhandlung von der Malerei (Ausgabe von Heinrich Ludwig) hat
Leonardo den Fragen über Licht, Schatten und reflectirtes Licht fast den dritten
Theil eingeräumt, kein Problem hat den Scharfsinn des Meisters mehr be-
schäftigt. Wenn sich nun auf dem einen oder dem anderen dieser beiden
Madonnen vor der Felsgrotte grössere Feinheiten der Beleuchtung erkennen
liessen, würde das schon zu Gunsten des betreffenden Gemäldes sprechen.
Man wird nun finden, dass das für Leonardo charakteristische, in der
technischen Ausführung die grösste Meisterschaft voraussetzende Spiel von
Licht und Schatten im Fleisch auf dem Louvrebilde in vorzüglicher Weise
durchgeführt ist, während in London (wie der Kürze wegen wohl gesagt werden
darf) verhältnissmässig breite Licht- und Schattenmassen ziemlich unvermittelt
in einander übergehen und — was besonders auffallend ist — grell von ein-
ander abstechen, ln Paris liegt auf allen Gesichtern eine mittlere, in den feinsten
Uebergängen abgeslufte Beleuchtung, während in London Licht und Schatten
flächenweis neben einander liegen. In Paris bringen die um Augen, Nase,
Mund, die im Haar spielenden Halbschatten und Lichtreflexe eine lebensvolle
Wirkung hervor, welche dem von einer Figur zur anderen wandernden Blick
wirkliche Bewegung des Mienenspiels Vortäuschen kann, während die Gesichts-
züge in London starr und unbeweglich sind.
Man beachte ferner die gesenkten Lider beider Madonnen. Es gibt
Schulbilder und Zeichnungen in der Art des Leonardo, auf denen die Lider
356
W. Koopmann :
krankhaft geschwollen erscheinen, z. B. auf der dem Francesco Napolitano
zugeschriebenen Madonna in der Mailänder Akademie, auf dem Männerbildniss,
welches als Gegenstück zu dem schönen Frauenkopf im Profil nach links in
der Ambrosiana hängt, auf der Silberstiftzeichnung einer nach links blickenden
Frau mit verhülltem Kopf in Turin, Das Augenlid der Pariser Madonna ist
breit und hoch und markirt in einer für Leonardo charakteristischen Weise
die Falte zwischen dem oberen und dem unteren Theil des Lides; in London
ist das Lid ähnlich gebildet, hier ist dasselbe aber schwer, dick gerandet, starr,
in Paris ist es dagegen zart, weich, lebensvoll; in London mehr die Art des
Schülers, in Paris die Art des Meisters.
Man vergleiche Sie ausgestreckte linke Hand der Madonnen. Es mag
wahr sein, dass diese Haltung etwas studiert erscheint, doch damit haben wir
nicht zu rechten. Dem Künstler kam es darauf an, Schwierigkeiten der Ver-
kürzung aufs Höchste zu steigern. So angesehen ist doch zweifellos die ganz
von vorn gezeichnete Hand in Paris eine schwieriger zu lösende Aufgabe als
die seitwärts gewendeten und von einer Seite hell beleuchteten Finger in London.
Namentlich an den beiden Zeigefingern ist es erkennbar, dass der des Pariser
Bildes grösseres Geschick zur Voraussetzung hat; auch die anatomische Gliede-
rung ist in Paris eine vollkommen sichere, in London trotz der leichteren Stellung
eine mehr unbestimmte, knochenlose.
Die Bedeutung der ausgestreckten Hand ist doch ferner die, dass durch
sie der innige Zusammenhang zwischen Mutter und Kind auch in der augen-
blicklichen räumlichen Trennung zur Anschauung gebracht wird; die Pariser
Finger befinden sich in einer Stellung, als hätten sie eben vorher auf dem
Kopf des Kindes geruht, in London ist die Richtung der Finger durch die
vereinfachte Zeichnung gleichzeitig mehr seitwärts geleitet, die intime Beziehung
zum Kopf des Kindes hat aufgehört.
Von meisterhafter Durchführung ist auf dem Louvrebilde die Hand des
Engels mit dem ausgestreckten Zeigefinger durch ihre Gliederung, durch Licht
und Schalten in reichster Abwechslung. In London ist diese Hand ganz fort-
gelassen; abgesehen von der Störung der Gomposition, welche dadurch her-
vorgerufen wird und von welcher noch die Rede sein wird, hat der betreffende
Künstler eine Schwierigkeit aus dem Wege geräumt anstatt sie zu überwinden
das spricht nicht für den grösseren Meister.
Die linke Hand dieses Engels ist sichtbar und befindet sich ganz im
Schatten, während sie in Paris wirkungsvoll zur Geltung kommt. Der helle
Lichlstreifen am inneren Rand des Zeigefingers der sonst auch in Paris ganz
beschatteten Hand hebt diese selber wie die feine Linie hervor, welche an
dieser Stelle den Arm des Christuskindes um das Ellenbogengelenk herum be-
grenzt. Der helle Punkt , welcher den Ellenbogen des Kindes in London be-
leuchtet, ist durch Nichts motivirt, man weiss nicht woher er kommt.
Man sehe ferner die gefalteten Hände des kleinen Johannes. Die Finger
des Pariser Bildes sind genau gegliedert wie die des Londoner Bildes; doch
ist in Paris das erste Fingerglied von der Hand aus, wie es sein muss, bei
Weitem das längste der drei Fingerglieder. In London ist der Unterschied
Die Madonna vor der Felsgrotte in Paris und in London.
357
zwischen erstem und zweitem Fingerglied mehr ausgeglichen, am Mittelfinger
ist das zweite Glied sogar länger als das erste. Das sind kleine Unterschiede,
welche aber schwer ins Gewicht fallen, wenn es gilt, einen grossen , in jeder
Kleinigkeit wohl überlegten Meister von seinem tüchtigen aber weniger gut
unterrichteten Schüler zu unterscheiden.
Man sehe auf das Christuskind. Der Oberkörper ist in starker seitlicher
Verkürzung gezeichnet; es kam darauf an, die verkürzte Fläche der Brust über-
zeugend darzustellen. Mit grosser Kunst ist das durch geschickt vertheiltes
Licht- und Schattenspiel in Paris gelungen, von dieser Feinheit ist in London
aber auch gar nichts übrig geblieben; ein dunkler Schlagschatten trennt die
rechte und linke Seite von oben bis unten.
Man sehe ferner die Vertiefung über dem linken Schultergelenk des
Kindes und am linken Ellenbogengelenk desselben, die Zeichnung der Finger,
der Füsse, wie bestimmt in Paris mit den leisesten Uebergängen alles modellirt
ist, während in London gröbere Zeichnung und der Mangel an feinerer Ver-
mittlung von Licht und Schatten auffällt. Das Fleisch des linken Oberschenkels
ist schwammig, wulstig in London (vergl. auch in dieser Beziehung das Kind
des schon ervvähnten Bildes von Francesco Napolitano in der Mailänder Aka-
demie), stramm und fest in Paris; hier beruhen alle Formen auf sicherster
Kenntniss der anatomischen Grundlage, dort wird unbewusst nach einem guten
Vorbild gearbeitet.
Die beste Wirkung macht in London der Engel mit seinen leuchtenden
Augen, welche aber auch hier unter schwereren Lidern hervorsehen. Ausser-
dem aber sieht dieser Engel seitwärts, nirgendwo hin; der Engel im Louvre
sieht zum Bilde hinaus, sieht den Beschauer an und bringt denselben mit dem
Vorgang auf dem Bilde in Beziehung.
Man vergleiche die Behandlung des Haares; so sorgfältig sie in London
ausgeführt ist, sie ist schablonenmässig gegenüber dem natürlich fallenden,
abwechslungsvoll behandelten Haar aller Köpfe auf dem Louvrebilde.
Betrachtet man die Figurengruppe auf beiden Gemälden als Ganzes, wird
man bemerken, dass in London jede einzelne Gestalt freier und selbstständiger
bewegt ist, als in Paris, dass hier dagegen nicht nur in der Stellung der Hand
der Madonna, sondern auch in der Hand des Engels mit dem ausgestreckten
Zeigefinger wie in der Haltung des Johannes ein gewisser Zwang liegt, welcher
der ganzen Gomposition etwas Herbes und Strenges gibt.
Dieser Unterschied beruht darauf, dass der Pariser Gomposition die Linien
einer geometrischen Figur zu Grunde liegen, welche in London nicht berück-
sichtigt wurden. Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass der kleine
Johannes, die Madonna und der Engel von den Schenkeln eines Dreieckes ein-
geschlossen sind, des.sen Spitze über und zwischen den Augen der Madonna
ungefähr in der Mitte der Stirn liegt. Der linke Schenkel verläuft über den
rechten Arm der Madonna und über den Rücken des Johannes bis zum kleinen
Zeh desselben. Der ganze rechte Fuss des Johannes ist in Paris so gedreht,
dass man ihn deutlich sieht; in London ist er fast versteckt und kommt in
358
W. Koopmann.
aer malerischen Darstellung so wenig zur Geltung wie als Endpunkt des linken
Dreieckschenkels.. Die Lage des Armes der Madonna, die Stellung des Johannes
ist so durchgeführt, dass sie sich dieser Linie unterordnen. In London ist die
Stellung des Johannes verändert, sie hat eine Richtung mehr von rückwärts
nach vorn als von links nach rechts bekommen, welche ohne Rücksicht auf
die Grundlinie gebildet ist; dieselbe wird durch das Rohrkreuz vollständig auf-
gehoben.
Der rechte Schenkel des gedachten Dreiecks geht von der Stirn der
Madonna über ihre linke Schulter bis zum Ende der geraden Linie, welche
der Rücken des Engels bildet. In Paris ist die Richtung auch dieser Linie
für die Bildung der Figuren maassgebend gewesen: die linke Schulter der
Madonna geht in einer leise abfallenden Richtung zum äusseren Rand der
linken Hand, bis zur Spitze des kleinen Fingers derselben, welche etwas nach
auswärts gedreht ist und dadurch zur Schulter des Engels überleitet, von wo
die Falten des über dem Rücken verlaufenden Gewandes die weitere Führung
übernehmen.
Legt man ein Lineal in der Richtung dieses rechten Dreieckschenkels,
wie sie die Gomposition in eben beschriebener Weise angibt, dann wird es
den .äusseren Rand des Bildes an einer Stelle in der Höhe der Hüfte des
Engels schneiden, zu dem die Gewandfalten des Rückens nach abwärts, die
Gewandfalten des Oberschenkels nach aufwärts führen. Man findet den End-
punkt dieses rechten Dreieckschenkels, wenn man rechts vom unteren Rande
des Gemäldes dieselbe Entfernung abmisst, welche links den kleinen Zeh des
Johannes vom unteren Rande des Gemäldes trennt.
Man versuche die rechte Seite des Dreiecks auf dem Londoner Bilde zu
construiren: die Schulter der Madonna fällt steil nach abwärts, die Rücken-
linie des Engels ist' verschwunden, die linke Schulter desselben drängt sich
vor und zerstört die Grundlinie vollends. Die Gewandfalten des Engels ver-
laufen in London von oben nach unten in einer Weise, welche nirgends auf
eine Grundlinie Rücksicht nimmt.
Ausserdem lässt sich noch eine dritte, hellbeleuohtete Linie erkennen,
durch welche das Dreieck räumlich vertieft, zur Pyramide erweitert wird.
Diese Linie geht vom Scheitelpunkt des Dreiecks auf der Stirn der Madonna
über ihre hellbeleuchtete Daumenspitze zur Spitze des ausgestreckten Zeige-
fingers des Engels, streift das Profil des Christuskindes und endet am hell-
beleuchteten Arm desselben da, wo die aufgestützte Hand dem Kinde wie der
vorderen Spitze der Pyramide zum Ruhepunkt dient.
Der Punkt, an dem sich die Hand fast rechtwinklig vom Unterarm abbiegt,
ist vom unteren Rand des Gemäldes gerade halb so weit entfernt, wie die
Entfernung vom kleinen Zeh des Johannes bis zum unteren Rande des Ge-
mäldes beträgt; dieser Punkt an der Hand des Kindes ist von der seitlichen
Begrenzung des Gemäldes annähernd einerseits ein Drittel, andererseits zwei
Drittel der ganzen Breite entfernt.
Sollte das alles Zufall sein? Das wäre doch wohl eine gezwungene
Annahme.
Die Madonna vor der Felsgrotte in Paris und in London.
359
Die queren Maasse ^/s : ^/s werden sich in London auch nachweisen
lassen; das Verhältniss der Höhenmaasse von der Hand des Kindes und vom
kleinen Zeh des Johannes bis zum unteren Rande des Gemäldes ist aufgehoben,
weil der Johannes jene Drehung gemacht hat, durch welche auch die Gon-
struktion des Dreiecks zerstört ist.
Erst wenn man die Pyramide als Grundlage der ganzen Composition
anerkennt , dann versteht man , wie wichtig der ausgestreckte Zeigefinger des
Engels auf dem Louvrebilde für die Oekonomie des Ganzen ist, wesshalb
man das Fehlen dieser Hand in London unwillkürlich als klaffende Lücke
empfindet. Durch diese feste Unterordnung unter eine geometrische Form
wird das Louvrebild als das der Zeit nach frühere charakterisirt , hierdurch
allein wird es sehr unwahrscheinlich, dass Leonardo ein zweites Mal und zwar
nach schwächlicheren Grundsätzen dasselbe Bild gemalt haben könne.
Das Londoner Exemplar ist ein werth volles Gemälde, aber der Geist
Leonardo’s ist nicht mehr in demselben zu spüren.
Der Geist des Künstlers, wie er in seinen Werken zu uns redet, leitet
noch zu einem anderen Gesichtspunkt über, bei dem es sich allerdings nicht
um messbare Werthe handelt, bei dem das subjective Empfinden in seine
Rechte tritt, aber auch in Pflicht genommen wird.
Man vergleiche den intellectuellen Ausdruck aller Köpfe. Gleichgültig
lächelt und schaut der Londoner Engel seitwärts, ins Unbestimmte; der andere
hält den Beschauer fest durch seinen Blick und zwingt ihn förmlich, auf das
ungewöhnliche Ereigniss hinzusehen; die Madonna hat ihm das Kind anver-
traut und führt den kleinen Johannes dem Kinde zu, der zu seinem künftigen
Berufe die Weihe erhält. In überströmender Empfindung ist Johannes in die
Kniee gesunken, anbetend erhebt er die Hände und sieht verehrungsvoll auf
das Kind herab. Lächeln und Blick des Londoner Johannes sind verhältniss-
mässig blöde und leer.
Der grösste Unterschied liegt, wie billig, im Ausdruck der Madonna und
des Kindes; ist doch der Kopf des letzteren in London bei aller Gutartigkeit
fast einfältig gegenüber dem anderen Kinde, welches eine Welt von Gedanken
in seinen ganz und gar kindlichen Zügen zu' bergen scheint. Ebensogross
ist der Unterschied zwischen den Madonnengesichtern; hier mildert ein sanftes
Lächeln verklärten Mutterglückes den Ausdruck ahnender Sorge — dort bilden
derbere Massen ein Gesicht, das unser Mitempfinden nur so lange zu fesseln
vermag, als wir das Pariser Madonnenbild vergessen können.
Der dringende Wunsch, schützend die Hand über dem Haupt ihres
Kindes halten zu wollen , löst die Bewegung aus , welche die Madonna mit
ihrer linken Hand macht; die Function des Segnens übernimmt auf diesem
Bilde das Christuskind.
Zum Nachtheil des Londoner Exemplars müsste noch ein Vergleich
sämmtlicher Gewänder ausfallen, sowohl in der Behandlung der Stoffe wie in
der Kunst, den nackten Menschen durch die Gewänder hindurch erkennen zu
lassen. In beiden Beziehungen ist der Pariser Engel ein Meisterwerk , man
360 W. Koopmann : Die Madonna vor der Felsgrotte in Paris und in London.
braucht nur die Schulter und den Arm seiner linken Seite anzusehen. Hier
richten sich die Falten nach den Umrissen des Körpers, in London bilden die
Falten die Form des Körpers, sie sind steif und einförmig gegenüber dem
Reichthum lebendiger Motive in Paris.
Für die vertrauten Beziehungen Raphael’s zu Leonardo kann man einen
neuen Beweis auf dem Louvrebilde finden, nicht auf dem Londoner Exemplar.
Der Kopf des Ghristuskindes findet sich, in RaphaeFs F'ormen umgewandelt,
auf dem köstlichen Rundbild in Bridgewaterhouse wieder (Madonna unter dem
Palmenbaum) dessen Besichtigung mit so grossen Schwierigkeiten verknüpft
ist. Der Entwurf zu diesem Madonnenbild Raphael’s wird im Louvre aufbe-
wahrt (Braun 259); auch diese Silberstiftzeichnung beweist in der Durch-
führung des Kinderkörpers die Selbstständigkeit des Künstlers gegenüber seinem
gelehrten Vorbild.
Alles dies lässt sich an den Braun’schen Photographien verfolgen und
prüfen; weitere Aufklärung müssen die Originale geben, die Farbenwirkung
und Farbenbehandlung, die Ausführung der Landschaft mit Felsen, Wasser,
Blumen, die Ausführung des Nahegelegenen und der Ferne; schliesslich sind
Uebermalungen zu berücksichtigen, welche auf dem Louvrebilde den Fleischton
im Körper des Johannes zum Theil undurchsichtig gemacht haben.
Leider stehen einer Zusammenstellung örtlich weit von einander entfernter,
kostbarer Kunstwerke grosse Bedenken entgegen. Da jedoch oft die wichtigsten
kunstwissenschaftlichen Fragen nur auf diese Weise zur Entscheidung gebracht
werden können, wird man sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen,
dass berechtigte Vorsicht nicht schädliche Aengstlichkeit zur Folge haben darf.
Selbst nationale Schranken müssen fallen , wenn es gilt , dem Werk eines
grossen Meisters seine richtige und unbestrittene Stellung zu geben.
^) Siehe die Abbildung im ersten Heft von Lord Gower’s »The great-historic
galeries of England«.
Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im
bayerischen Donauthal.
Von Berthold Riehl.
Im 11. Jahrhundert wurde Regensburg in erster Linie durch die von
Heinrich II. unterstützten, grossartigen Neubauten St. Emmeram und Ober-
münster die Stätte bedeutenden, künstlerischen Schaffens, das sich aber abge-
sehen von dem Einfluss, den es auf Bamberg übte, entsprechend dem höfischen
Charakter der Kunst des 11. Jahrhunderts wesentlich auf Regensburg selbst
beschränkte. Im 12. Jahrhundert aber, das gerade im Gegensatz zum 11.
das grosse Verdienst hatte, die Kunst, vor allem die Architektur überall im
Lande auszubreiten, dadurch allenthalben das Kunstbedürfniss zu wecken und
eine wirklich volksthümliche Kunst zu begründen, beherrscht der Einfluss der
Regensburger Bauthätigkeit direct oder indirect das ganze bayerische Donau-
thal und lässt sich weit in die Seitenthäler verfolgen. Einer der wichtigsten
Factoren dieser Bewegung war die Hirsauer Congregation, die in der Regens-
burger Gegend hauptsächlich durch Bischof Otto den Heiligen von Bamberg
Eingang fand und ihre künstlerische Thätigkeit in epochemachender Weise
mit dem Bau der Kirche von Prüfening (1109 — 1119) eine dreiviertel Stunde
westlich von Regensburg begann. Diese historisch bedeutsame Stellung von
Prüfening wird auch in keiner Weise alterirt durch die bisher wenig beachtete,
eine halbe Stunde südlich von Regensburg gelegene Kirche zu Prül, obgleich
diese vier Jahre früher begonnen wurde; dagegen aber bereichert die Kenntniss
dieses Baues das Bild des jugendlichen, frischen Aufschwunges, den das
architektonische Leben in Regensburg und Umgegend hauptsächlich durch
die Hirsauer Schule nahm, um einen höchst interessanten Zug.
Die Kirche des Klosters Prül zerfällt in zwei Theile, nämlich das roma-
nische 1105 — 1110 ausgeführte Schiff und den spätgothischen zwischen 1454
und 1484 gebauten Chor. Das Schiff der Kirche zu Prül ist eine dreischiffige,
romanische Hallenkirche, in der je fünf quadrate Pfeiler die Schiffe trennen, an
den Wänden der Seitenschiffe entsprechen den Pfeilern Pilaster. Der östlichste
Arcadenbogen sitzt an der Ostwand auf einer den Kämpfern gleichgebildeten
Console auf ; zwischen dem westlichsten Pfeilerpaar und der Westwand befindet
sich eine westlich auf Pilastern ruhende Empore. Ueber die romanische Anlage
des Chores kann wegen des spätgothischen Neubaues nicht einmal eine Ver-
362
Berthold Riehl:
muthung ausgesprochen werden. Im Westen besass die Kirche eine Vorhalle ^),
deren Gestalt sich jedoch zunächst irgend mit Sicherheit nicht feststellen lässt,
die Thürme gehören im wesentlichen der spätgothischen Bauperiode an.
Die dreischiffige Hallenkirche war durch ein zwischen Gurte gespanntes
Kreuzgewölbe gedeckt, wobei auffäljt, dass die schlanken Pfeiler jeder Vorlage
entbehren; diesen Gewölben wurden im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts
Rippen aus Stuck aufgelegt, die Stern -Netzgewölbe und ähnliches schön
ausgeführt in den mannigfaltigsten Formen zeigen, zwischen den Rippen
wurden Engelsköpfe eingesetzt.
Von den romanischen Details haben sich nur die Kämpfer und Basen
der Pfeiler und Pilaster erhalten, sie sind aus Platten, Wülsten und Hohl-
kehlen in sehr feiner Profilirung zusammengesetzt und entsprechen genau denen
in Prüfening und anderen Bauten des 12. Jahrhunderts in der Regensburger
Zone. Die Basen der Pilaster wechseln willkürlich in der Zusammensetzung
des genannten Gliedes, denen an der Südwand ist ein hoher Sockel unter-
stellt. Reicheres, ornamentales Detail werden wohl Vorhalle und Kreuzgang
besessen haben, von dem sich aber, soviel ich wenigstens in Erfahrung
bringen konnte, keine Spur mehr erhalten hat.
Das Kloster Prül wurde als Benedictinerkloster durch Bischof Gebhard
von Regensburg 997 gegründet^). Im Jahre 1105 wurde das Kloster zerstört,
dann durch Abt Ruthard wieder aufgebaut und 1110 durch Bischof Hartwich
von Regensburg geweiht. Diesem Bau gehört wohl das erhaltene Langhaus
an, da sein Charakter entschieden auf das 12. Jahrhundert deutet und ein
grösserer Neubau nach diesem im Beginne des 12. Jahrhunderts ausgeführten ®)
für die nächstfolgende Zeit gewiss wenig wahrscheinlich ist. Der siebente
Abt des Klosters Wernher (um 1143) war unter Gottfried von Admont zur
Reform nach Prül gesandt worden ^). Von weiteren Bauten in Prül hören
wir erst unter Abt Christoph Welser (1454 — 1483), der die spätgothischen
Umbauten, besonders den Neubau des Chores ausführte. 1484 wurde das
Kloster den Karthäusern übergeben. Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts
wurden — wie schon erwähnt — die hübschen Stuccaturen ausgeführt, 1605
w'urde der im Aufbau höchst interessante Hochaltar vollendet und gleicher
Zeit gehört das vorzüglich erhaltene, äusserst elegante Chorgestühl an. 1803
erfolgte die Aufhebung des Klosters.
0 Auch die Kirche zu Prüfening besass einst Vorhalle und Paradies, über
das letztere siehe Abhandl. d. hist. Ver. Oberpfalz XXXVI, 273 u. ff.
Historisches Material. Mon. boic, XV. — Andreas Ratisbonensis Clironicon
1602, p. 191. — Das Königreich Bayern in seinen Denkwürdigkeiten. — Stumpf-
Bayern. — Kunstgeschichtlich wurde der Bau noch nicht besprochen, ich danke es
der Güte des Herrn Domvicar Dengler in Regensburg, dass er mich auf denselben,
sowie auf die Kirchen zu Walderbach, Hof, Kreuzhof, Schönfeld aufmerksam machte.
— Eine Aufnahme bringen Dehio und v. Bezold, Taf. 169 u. 185.
®) Andreas Ratisb. sagt: »Monasterium reaedificatum et (ut ernitur) venuste
restauratum.«
*) Puschius und Froelichius: Diplomata Sacr. Styr. II. 240.
Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen Donauthal, 363
Das Kloster Prül war also zur Zeit der Erbauung der Kirche im Besitze
der Benedictiner und die Bauzeit fällt in jene Periode, in welcher die Hirsauer
Bauschule besonders auch in der Regensburger Gegend als die leitende
auftritt. Dass auch die Kirche in Prül mit der Hirsauer Schule zusammen-
hängt, dafür sprechen die Behandlung und die charakteristischen Verhältnisse
der schlanken, quadraten Pfeiler, ferner die Form der Basen und Kämpfer,
die entschieden auf die gleiche Schule hinwiesen wie bei Prüfening, dem
nahe gelegenen »echt hirsauischen Baue. Dagegen scheint dieser Schul-
zusammenhang zunächst keine Erklärung zu bieten für die merkwürdige An-
lage der Kirche als Hallenkirche und für die dadurch bedingte vollständige
Wölbung der Schiffe, um so mehr, als man auf den ersten Blick wenig
geneigt sein wird, der Hirsauer Schule in der Geschichte der Wölbung eine
hervorragende Bedeutung einzuräumen. Das Normalschema der Hirsauer
Schule, wie es in dieser Gegend Prüfening, Biburg, Windberg besonders
klar vertreten, lässt allerdings die Lösung eines so kühnen Experimentes auf
diesem Gebiete durch die Hirsauer wenig wahrscheinlich erscheinen. Bei
genauerer Kennttiiss der Schule aber und zumal bei eingehender Prüfung
ihrer Denkmale innerhalb der Regensburger Architekturzone scheint mir die
Sache jedoch anders zu liegen und gerade dieser Schulzusammenhang die
einzig wahrscheinliche Lösung des vorliegenden archäologischen Räthsels zu
bieten. Die Hirsauer wenden allerdings in der Regel die Wölbung nur in
bescheidenem Masse an, die Chorpartie manchmal, die Seitenschiffe nicht,
aber Quer- und Mittelschiff werden gewölbt. Das scheint nun - allerdings
gegen eine besonders bedeutende Stellung der Schule in der Geschichte der
Wölbung zu sprechen , man muss aber bedenken , dass diese Wölbungen in
der Regel die ersten grösseren Versuche sind, die in den Gegenden, wohin
die Hirsauer kamen , gewagt wurden ; ferner ausserdem auch beachten, dass
die Hirsauer, obgleich sie gerne, trotz mannigfaltiger Variationen an dem tra-
ditionellen Grundrisse der Schule und an gewissen einheitlichen Zügen der
Austattung festhielten, doch keineswegs durch eine so bestimmte Tradition,
wie beispielsweise die Cistercienser für Anlage und Durchführung ihrer Bauten
gebunden waren und dass sich in Folge dessen unter den Denkmalen der Schule
Bauten finden, die ganz aus dem Schulzusammenhange herauszufallen scheinen,
deren Eigenthümlichkeiten aber trotzdem bei eingehender Prüfung in demselben
ihre Erklärung finden. Eines der merkwürdigsten Beispiele hiervon ist die
einen Tagmarsch nordwestlich von Regensburg gelegene Klosterkirche von
Kastei, deren Eigenthümlichkeiten die von Prül einigermassen erklären.
In der 1103—1129, in der hier in Betracht kommenden Ghorpartie
wohl 1103 — 1106, ausgeführten Klosterkirche zu Kastei besitzen wir einen
Bau der Hirsauer Schule, der angeregt durch die 1089 begonnene Abteikirche
Cluny, eine höchst merkwürdige, für diese Zeit und Gegend hochstehende
Wölbung besitzt. Der Chor der Kirche zu Kastei ist fünfschiffig, die Seiten-
schiffe sind hallenartig, d. h. die inneren und äusseren Seitenschiffe besitzen
gleiche Höhe, auch das Gewölbe des Mittelschiffes setzt in gleicher Höhe mit
dem der Seitenschiffe an, steigt aber, da es ein Tonnengewölbe ist, höher
364
Berthold Riehl:
auf, selbstständiges Licht besitzt aber auch das Mittelschiff nicht. Die Wölbung
der Seitenschiffe bilden einfache Kreuzgewölbe, die zwischen Gurte gespannt
sind, die viereckigen Pfeiler besitzen keine Vorlagen. Zwischen dem Schiff
der Kirche zu Prül und dem Chor zu Kastei finden sich also folgende. Aelin-
lichkeiten: beide sind Hallenkirchen, das Motiv in Kastei durch die Tonne
des Mittelschiffes allerdings frei variirt, die Wölbung in den Seitenschiffen von
Kastei entspricht der in Prül, ebenso die Pfeilerbehandlung. Wie nun aber
die Wölbung und die fünfschiffige , hallenartige Anlage des Chores zu Kastei
angeregt wurde durch das Vorbild der Abteikirche zu Cluny, deren Bauweise
dem Kloster in der Oberpfalz durch die Bauleute, speciell wohl durch einen
Bauleiter der Hirsauer Congregation übermittelt wurde, so werden wohl auch
die wenigstens verwandten Eigenthümlichkeiten der Kirche zu Prül, die zu
gleicher Zeit und in derselben Schule entstand, aus dem gleichen Zusammen-
hang zu erklären sein : das heisst die in Süddeutschland im Beginne des
12. Jahrhunderts einzig dastehende Anlage der Kirche zu Prül wurde ange-
regt durch die burgundische Baukunst, deren Einfluss die Hirsauer Congre-
gation nach Süddeutschland vermittelte ®). So viel mir bekannt wurde, wird
sich wohl kaum ein französischer Bau nachweisen lassen ®) , von dem man
sagen könnte, dass er der Kirche in Prül als Vorbild gedient habe:
es ist dies aber auch gar nicht nöthig, denn gerade darin liegt, wie
zahlreiche Beispiele beweisen, einer der fruchtbarsten Züge der Hirsauer
Schule, dass sie gegebene Anregungen sehr frei verwerthet und nicht in einem
ängstlichen Copistenthum erstarrt. Nur in dem allgemeinen Gedanken, das
Schiff der Kirche zu Prül als Hallenkirche anzulegen, beruht der Einfluss
burgundischer Kunst auf diesen Bau, die Ausführung ist eine völlig selbst-
ständige. Die technische Möglichkeit zur Ausführung des Gedankens, alle
drei Schiffe und zwar in gleicher Höhe zu wölben, bot dann die Hirsauer
Schule, das Ganze aber erscheint durch die für diese Zeit überraschend kühne
und originelle Idee und deren glückliche Durchführung als das Werk eines
hochbedeutenden, eigenartigen Meisters, der durch seine persönliche Begabung
weit über das normale Können der Zeit hinausgreift. Darin liegt nun aber auch
neben dem Umstande, dass die Basilika entschieden die günstigere und ent-
wicklungsfähigere Anlage für den romanischen Kirchenbau bot, der Grund,
warum der stattliche Bau nur von sehr geringem Einflüsse auf seine* Um-
gebung war und der grosse Aufschwung der Baukunst dieser Periode in und
®) Irgend einen Zusammenhang mit den lombardischen Kirchen weist Prül
nicht auf. Die Kirche unterscheidet sich vielmehr auf das Bestimmteste von den-
jenigen bayerischen Bauten, die durch derartige Einflüsse bedingt sind, mit den
spärlichen Resten von Hallenkirchen in der Lombardei hat sie gar keine Verwandt-
schaft, noch weniger Walderbach. Bei diesen bedeutendsten Hallenkirchen Süd-
deutschlands dürfte die Vermuthung von Dehio und v. Bezold, p. 452, dass sie auf
lombardische Anregungen zurückzuführen seien, also wohl kaum zutreffen und auch
für St. Leonhard in Regensburg ist dies höchst unwahrscheinlich.
®) Ueber die Hallenkirchen Frankreichs siehe besonders Dehio und v. Be-
zold : Kirchliche Baukunst p. 358 u. ff.
Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen Donauthal. 365
um Regensburg sich nicht an ihn, sondern an die vier Jahre später (1109)
begonnene Kirche von Prüfening anlehnte, die eben vollkommen dem nor-
malen Können der Zeit entsprach. Die Kirche von Prül steht da als das
vereinzelte, geistreiche Experiment eines hervorragenden Künstlers, ein inter-
essantes Denkmal für die Geschichte der Wölbung in Deutschland, ein merk-
würdiges Zeugniss der Entwicklung der Individualität unserer Baumeister.
Ganz ohne Einfluss auf seine Umgebung scheint der Bau übrigens doch nicht
gewesen zu sein , denn im Zusammenhang mit ihm steht wohl die der Mitte
des 13. Jahrhunderts angehörende Hallenkirche St. Leonhard in Regensburg,
und es ist immerhin möglich, dass durch ihn vielleicht auch die Abteikirche
zu Walderbach in ihrer Anlage bedingt wurde.
Einen kleinen Tagmarsch nordöstlich von Regensburg liegt im Regen-
thaie das Cistercienserkloster Walderbach. Das Aeussere der Kirche wurde
durch die späteren Umbauten vollständig verändert und auch nicht der lei-
seste Zug verräth mehr das hoch bedeutende Innere. Dieser Umstand wie
die zurückgezogene Lage des Klosters sind wohl die Hauptgründe, warum die
im Innern trefflich erhaltene Kirche, die zu den interessantesten Gistercienser*
bauten Deutschlands gehört und als sie noch vollständig erhalten, jedenfalls
zu den bedeutendsten und schönsten Kirchen des Ordens zählte, in der kunst-
geschichtlichen Litteratur bisher noch keine Erwähnung fand’). Es bestätigt
sich hier wieder die in der bayerischen Kunstgeschichte häufig wiederkehrende
Thatsache, dass in Folge des unbedeutenden Aeussern das bedeutende Innere
nicht die gebührende Würdigung findet, dass aber gerade mit in Folge davon
sich 'bei sorgfältigem Studium der bayerischen Denkmale eine überraschende
Fülle bedeutender, neuer Züge enthüllen.
Von der Kirche in Walderbach ist — und zwar vorzüglich — erhalten :
das Langhaus, in das man von dem Westportale aus sechs Stufen abwärts steigt,
ein Querschiff war nach Analogie der übrigen Gistercienserbauten ®) wohl sicher
vorhanden, welche Ausdehnung es aber besass, lässt sich ebenso wenig wie die
Anlage des Chores vermuthen, da diese ganze Partie vor dem Bau des jetzigen
Chores demolirt wurde; möglich wäre jedoch, dass hier vielleicht Nachgrabungen
einiges Licht brächten, da das Querschiff mit der jedenfalls stattlichen Choranlage
entschieden eine grössere Ausdehnung als der jetzige Chor besessen haben muss.
Die Kirche zu Walderbach bietet für die -Datirung und für die Fest-
stellung des historischen Zusammenhanges eines der schwierigsten, zugleich
aber auch eines der interessantesten Probleme in der Architekturgeschichte
Bayerns. Das Langhaus der Kirche zu Walderbach ist eine Hallenkirche,
deren drei Schiffe durch je sechs Pfeiler getrennt werden , im westlichsten
Joche ist eine Empore angeordnet. Die Kirche ist durchgehends mit Kreuz-
gewölben gedeckt. In den Seitenschiffen sind die einfachen Kreuzgewölbe
Nur Lotz, Kunsttopographie, erwähnt das Portal und die Kirche als sehr
verzopft unter Berufung auf Niedermayer Diöcese p. 253.
8) Siehe hierüber Dohme : Die Kirchen des Cistercienserordens in Deutschland.
Leipzig 1869.
306
Berthold Riehl :
zwischen Quergurte gespannt, die einerseits auf der rechteckigen Vorlage der
Pfeiler, andererseits auf Wandpfeilern ruhen. Die Gewölbe des Mittelschiffes
sind gleichfalls zwischen Quergurte gespannt, weiche auf den Pfeilern ruhen,
die Kreuzgewölbe besitzen hier abgekantete Diagonalgurte, die auf Dreiviertel-
säulchen aufsitzen, welche in die Ecke der Pfeiler gestellt sind, die durch die
Vorlage der Pilaster für die Arcadenbogen gebildet wird. Von den Arcaden-
bogen sind die vier westlichen ebenso wie die entsprechenden Quergurte der
Seitenschiffe im Spitzbogen, die zwei östlichen dagegen, wie auch wieder die
entsprechenden Quergurte der Seitenschiffe im Rundbogen ausgeführt.
Das Detail in Walderbach ist sehr präcis, ja elegant garbeitet, zeigt
aber durchgehends nach den Bestimmungen der Cistercienser einen schlichten,
regelmässigen Charakter. Die Pfeiler haben einfachen Sockel, die Dreiviertel-
säulen attische Basen mit Eckknollen, an den Seitenschiffwänden läuft unter
dem Pfeilerfuss ein durchgehender Sockel hin. Die Kämpfer sind fein pro-
filirt, aus einer sets gleichmässig wiederholten Zusammensetzung aus Platte,
Wulst und Hohlkehle mit feineren Zwischengliedern gebildet. Die Gapitelle
der Drei Viertelsäulen zeigen schlichtes, jedoch stets wechselndes Ornament
aus Flecht- oder Blattwerk, wiederholt ist das verzierte Würfelcapitell ange-
wendet; an den Capitellen des westlichsten Pfeilers der Nordseite finden sich
Löwenköpfe mit Schlangen und zwei Hühner, in diesen Capitellen allein, die in
einer Gistercienserkirche befremden mögen, macht der Bau, der sonst so
streng den schlichten Charakter des Ordens wahrt, ein kleines Zugeständniss
au die locale Tradition der Freude an reichem, phantastischem Ornament.
Die Architektur erhält dann noch weiteren Schmuck durch die Malerei, die
jedoch wieder streng der Sitte des Ordens folgt. Bemalt waren, wie die jetzt
von der Tünche befreite westliche Partie zeigt, nur die Gurte, und zwar
mit schlichten, jedoch mannigfach wechselnden und sehr wirkungsvollen
Ornamentmotiven, während im übrigen das prächtige Material, der rothe, stark
mit Quarz durchsetzte Sandstein, offen lag.
Im Gegensatz zu den sonst so reich decorirten , romanischen Portalen
Bayerns erscheint das Westportal in Walderbach sehr bescheiden, aber
geschmackvoll und ausserordentlich fein ausgeführt. Das Portal, dessen Tym-
panon ausgebrochen wurde, besitzt nur ein Säulenpaar. Die Basen der
Säulen sind durch die spätere Erhöhung des Bodens verdeckt, die Schäfte be-
sitzen Theilungsring und sind theils spiralförmig, theils gerade cauelirt, das
linke Gapitell zeigt drei Reihen gezackter Blätter, während das rechte nur zwei
solcher Reihen aufweist, zwischen denen drei Kinderköpfchen hervorsehen, die
Ausführung ist durchweg sehr sorgfältig.
Die geschichtichen Nachrichten über Walderbach sind äusserst dürftig ®),
®) Handschrift um lElOO in Melk im Archiv für österreichische Geschichts-
quellen XII. 249 u. ff. — Oefelii, rer. boic. script. II. 503. — Zimmermann : Geist-
licher Kalender V. 331. — Ertl: Kurbayerischer Atlas II. 265. — Histor. Verein
der Oberpfalz VII. 302. — Sulzbacher Kalender für katholische Christen 1877. —
Bavaria II. 611. — Werthlos soll die mir nicht zugängliche Schrift von Röhrer,
Abtei Walderbach 1843, sein.
Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen Donauthal. 367
was wohl ein weiterer Grund war, wesshalb die interessante Kirche bisher
unbeachtet blieb. Abgesehen von den übereinstimmenden Berichten über die
Neubesetzung des Klosters beginnen sie erst nach 1260 und auch da noch
recht spärlich, weitere Nachrichten scheinen bereits den Schriftstellern des
17. Jahrhunderts völlig gefehlt zu haben. Das Kloster Walderbach, das früher
im Besitze von Augustiner Chorherren gewesen sein soll , wurde durch Otto
Markgraf von Riedenburg, dann Burggraf von Regensburg und dessen Mutter
Richarde im Jahre 1143 den Gisterciensern übergeben und mit dem Abte
Maximin und zehn Mönchen aus Maulbronn besetzt; der Sohn des Stifters
Otto Minor trat selbst in das Kloster und starb hier 1150 als Mönch. Um
1185 scheint Walderbach in voller Blüthe gestanden zu haben und seine
Besitzverhällnisse wurden allmählich sehr günstige. Aus der späteren Ge-
schichte des Klosters mag erwähnt werden, dass es 1428 geplündert und
niedergebrannt wurde, wobei wahrscheinlich schon Querhaus und Chor der
Kirche zu Grunde gingen und das Langhaus als einziger Zeuge der ehemaligen
Grösse des Klosters stehen blieb ; wahrscheinlich gingen auch schon bei diesem
Brande die Documente für die ältere Geschichte des Klosters verloren. 1556
wurde das Kloster geschlossen, 1629 den Jesuiten übergeben, während es von
1669 bis zur Aufhebung im Jahre 1803 wieder im Besitze der Gistercienser war.
Die Kirche in Walderbach ist eine Gistercienserkirche , obwohl die für
das sichere Erkennen der Kirchen dieses Ordens so belangreiche Ostpartie
nicht mehr vorhanden ist, kann dies mit voller Bestimmtheit ausgesprochen
werden, weil: 1) der gesammte Charakter der Durchführung sowohl im pla.
stischen Ornament als auch in der decorativen Malerei vollkommen den
Kirchen dieses Ordens entspricht; 2) eine Eigenthümlichkeit der Gistercienser-
kirchen darin festgehalten ist, dass der Chor in das Langhaus übergreift,
desshalb liegen die zwei östlichen Joche um eine Stufe höher als die vier west-
lichen und auch in den Arcadenbogen spricht sich dieser Unterschied aus,
da die zwei östlichen rund, die vier westlichen dagegen spitzbogig sind, bei
dem östlichsten Pfeiler, wo der Uebergang in das Querschiff war, steigt der
Boden nochmals um eine Stufe, was sich gleichfalls bei andern Gistercienser -
kirchen wiederfindet; 3) schliesslich weist auf die Gistercienser die Wölbung,
die besonders im Mittelschiff mit den Diagonalgurten für die Erbauungszeit
der Kirche auffallend hoch steht und sehr organisch aus den Pfeilern ent-
wickelt ist; auch die Spitzbogen im westlichen Theile des Langhauses, die in
dieser frühen Zeit doch offenbar auf französische Anregungen deuten , sind
am erklärlichsten in der Schule der Gistercienser.
Da die Kirche in Walderbach eine Gistercienserkirche ist, so kann ihre
Bauzeit nicht vor 1143 fallen, was auch der Bau selbst bestätigt; es ist nach
den geschichtlichen Nachrichten über das Kloster vielmehr wahrscheinlich,
dass in Walderbach wie bei anderen Gistercienserklöstern einige Jahre nach
der Besetzung durch den Orden mit dem Bau der stattlichen Kirche begonnen
wurde und derselbe scheint von dem rasch emporblühenden Kloster ohne
bedeutende Unterbrechung nach einheitlichem Plane ausgeführt worden zu
sein. Die Kirche in Walderbach gehört demnach der zweiten Hälfte des
368
Berthold Riehl:
12. Jahrhunderts an, welcher Zeit auch der stilistische Charakter des Baues
vollkommen entspricht. Dass die Wölbung in Walderbach auf höherer Stufe
steht als die anderer, gleichzeitiger, ja auch späterer Kirchen dieser Gegend
ist bei einem Cistercienserbau nicht auffallend, zumal bei einem, der sowohl
durch seine originelle Anlage als Hallenkirche, als auch durch seine treffliche
Ausführung und eleganten Details beweist, dass er das Werk eines ganz beson-
ders begabten Architekten war, der bei der Ausführung durch trefflich geschulte
Werkleute unterstützt wurde. Befremdend erscheinen dagegen in dieser Zeit
die Spitzbogen der vier westlichen Arcadenbogen und der entsprechenden
Quergurte der Seitenschiffe ; es liegt nahe wegen diesen an den so häufigen
Fall einer Unterbrechung des Baues und spätere Fortsetzung durch einen
anders geschulten Bauleiter zu denken, aber die gleiche Ausführung, das
völlig übereinstimmende Detail machen diese Annahme unmöglich, der Bau
ist aus einem Gusse. Die Spitzbogen, die in dieser Zeit in Deutschland
allerdings abnorm erscheinen, sind wohl aus den directen Beziehungen des
Cistercienserordens zu Frankreich zu erklären und sprechen nicht dagegen,
dass der Bau einheitlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus-
geführt wurde. Trotz alledem bleibt an der merkwürdigen Kirche in Walder-
bach noch manches unerklärt, vor allem ist die Anlage als Hallenkirche
räthselhaft, die unter den deutschen Cistercienserkirchen romanischen Stiles
ganz einzig dazustehen scheint. Zwei Erklärungsversuche sind wahrscheinlich ;
es erscheint möglich, dass die Kirche des Klosters Prül die Anregung zur
Hallenanlage in Walderbach geboten, welche die Gistercienser auf höherer
Entwicklungstufe besonders in der Wölbung des Mittelschiffes und den Pfeiler-
vorlagen durchführten ; die Gistercienser liebten es ja gleich den anderen
Orden, die Anregungen der localen Baukunst aufzugreifen und selbstständig
zu verwerthen; andererseits ist aber auch keineswegs unmöglich, dass zwischen
den beiden, bedeutenden Hallenkirchen Bayerns, obgleich sie so nahe bei
einander liegen, gar kein Zusammenhang besteht, sondern dass die Hallenanlage
in Walderbach ebenso wie in Prül auf directe Anregung der französchen Bau-
kunst zurückzuführen ; in beiden Fällen aber hat der. Meister die gegebenen
Anregungen völlig selbstständig verwerthet, ein directes Vorbild, an das sich
der Bau enger anschloss, scheint sich zunächst nicht nachweisen zu lassen.
Einfluss auf die Baukunst der Umgebung scheint die Kirche in Walder-
bach in keiner Weise geübt zu haben , es ist das aus dem ganzen Charakter
des Baues leicht erklärlich und eine Thatsache, die wir bei särnmtlichen
mittelalterlichen Cistercienserkirchen in Bayern, Franken und der Pfalz wieder-
fmden. Die Gistercienser bauten stattliche Klosterkirchen, die besonders
technisch in der Regel weit über das Kunstvermögen ihrer Umgegend hinaus-
greifen, aber, wie der Vorschrift des Ordens gemäss, ihre Klöster gewöhnlich
im stillen Seiten thale zurückgezogen vom grossen Verkehre liegen, so hatten
sie auch meist keinen oder doch nur einen höchst unbedeutenden Einfluss
lieber die häufige Anwendung der Hallenkirche hei den französischen
Cistercienserbauten siehe Dehio und v. Bezold, p. 359.
Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen Donauthal. 369
auf die Architektur ihrer Umgebung und trotz Aufgreifens localer Züge in
Anlage und Decoration haftet ihnen doch stets etwas Fremdartiges an.
Im schärfsten Gegensätze zu dieser Eigenart der Gistercienser steht die
ältere Bauschule der HirSauer, sie liebte es, ihre Kirchen an marcanten
Punkten, am liebsten auf Anhöhen, zu erbauen und wie die Kirche weit ins
Thal hinein sieht, so wirkte ihr Bau anregend auf die Umgebung und auch
die bescheidenste Dorfkirche lässt häufig noch deutlich den Einfluss der grossen
Klosterkirche erkentien. Es gruppiren sich daher um die meist aus dem Be-
ginne des 12. Jahrhunderts stammenden Klosterkirchen der Hirsauer Schule
in der Regel eine sehr stattliche Anzahl kleinerer Bauten aus dem 12. und
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als die beredtsten Zeugen des echt
volksthümlichen Einflusses, den die Hirsauer auf die Entwicklung der deutschen
Architektur übten. Eine höchst charakteristische Gruppe dieser Art findet
sich an der Donau oberhalb Regensburg mit den ungefähren Grenzpunkten
Abensberg und Ingolstadt, den Mittelpunkt derselben bilden die Klosterkirchen
von Biburg (1125 — 1133) und Münchsmünster (nach 1120), von denen die
erstere durch ihren nahen Zusammenhang mit Prüfening auf die Verbindung
mit Regensburg hinweist, Münchsmünster aber, von dem leider nur mehr das
Portal und einige ornamentale Details erhalten sind, sicher von massgebendstem
Einfluss auf den meist auffallend reichen, ornamentalen Schmuck der umlie-
genden Landkirchen war.
Etwa gleichzeitig mit Biburg und Münchsmünster wurde wahrscheinlich
die Kirche zu Pföring erbaut, die wie jene zu Bamberg gehörte und wohl
gleich ihnen Bischof Otto von Bamberg ihren Ursprung verdankt. Daran reihten
sich dann die Kirchen zu Tollbath und Weissendorf mit ihren höchst merk-
würdigen, reich decorirten Apsiden, sowie die durch ein hübsches Portal aus-
gezeichnete Kirche zu Ainau und auch die Kirche zu Göcking mit ihrem
seltsamen Portale aus dem Anfänge des 13. Jahrhunderts ist entschieden
durch den Einfluss der nahe gelegenen Kirchen von Biburg und besonders
Münchsmünster, dagegen wohl nicht durch St. Jakob in Regensburg, bedingt.
An diese Bauten schliessen sich dann westlich noch eine Reihe kleinerer,
romanischer Dorfkirchen, die dem 12. oder dem Anfänge des 13. Jahrhunderts
angehören. Die Kirchen Klein-Mehring, Manching und Nieder-Stimm sind
einschiffig und haben den quadraten Chor im Untergeschosse des östlich an-
gelegten Thurmes. Das Portal, in der Regel einfach abgestuft, befindet sich
am Westende der Süd- oder Nordseite. An der Kirche zu Gross-Mehring —
wo nur das Portal erhalten — wird dasselbe durch einen mit Kreisornamenten
gezierten Bogen über der Archivolte geschmückt; in Klein-Mehring zeigen die
Kämpfer des Portales das in der Hirsauer Schule beliebte Schachbrettmotiv;
auch am Thurm und an der Westseite finden sich hier noch einige rohe
romanische Sculpturfragmente; am Portal zu Nieder-Stimm ist in der Ab-
stufung ein Kopf angebracht; die Kirche zu Manching besitzt auf der Süd-
seite zwei kleine Löwen und einen sehr primitiven Kopf. So unbedeutend
diese Arbeiten künstlerisch sind, sind sie historisch doch von grossem Interesse,
weil sir 'eigen, wie der sculpturale Schmuck von Biburg und der jedenfalls
Xi ■ 26
370
Berthold Riehl:
noch reichere von Münchsmünster, welche die merkwürdigen Portale von
Pfaring, Ainau und Göcking sowie die reiche Apsidenzier von Tollbath und
Weissendorf veranlassten, in den bescheidenen Kirchen von Klein- und Gross-
Mehring, Manching und Nieder-Stimm ausklingen. Wie die Uebereinstimmung
mancher Details, z. B: besonders auffallend zwischen Tollbath Weissendorf und
Biburg lehrt, ist sogar — was ja durch die Verhältnisse an und für sich schon
wahrscheinlich wird — wohl anzunehmen, dass die Bauleiter und auch die
Handwerker häufig dieselben wie bei jenen Klosterbauten waren.
Den innigen Zusammenhang der Bauten einer Gruppe zeigen in der
Regensburger Zone auch die romanischen Capellen von Kreuzhof, Hof und
Schönfeld, die zugleich dadurch interessant, dass sie einen bisher noch nicht
beachteten, wahrscheinlich aber ziemlich häufigen Typus der Schlosscapellen
vertreten. Das Vorbild für die Anlage dieser Capellen scheint St. Stephan
der sogen, alte Dom in Regensburg geboten zu haben. Dies hilft uns auch
auf die Spur, die ursprüngliche Bestimmung von St. Stephan als Schloss-
capelle oder wie man bei dem zum bischöflichen Palaste gehörigen Bau
wohl besser sagt, als Hofcapelle zu ermitteln. Dass St. Stephan nicht der
alte Dom ist, steht fest; diese Bezeichnung ist eine späte, ganz willkürliche.
Die Kirche wird schon 994 St. Stephan genannt, während der Patron des
Domes wohl immer St. Peter war; vor allem aber lehrt der erste Blick auf
die Kirche, dass dieser bescheidene Bau neben den gerade durch Gross-
räumigkeit ausgezeichneten Klosterkirchen St. Emmeram und Obermünster
unmöglich Regenburgs Kathedrale gewesen sein kann, während die Dimen-
sionen für eine bischöfliche Hofcapelle nach Analogie der Regensburger Haus-
capellen völlig entsprechend erscheinen.
St. Stephan gehört zwei Bauperioden an; von der ersten, die wahr-
scheinlich in den Beginn des 11. Jahrhunderts fällt, haben sich die Um-
fassungsmauern mit den Nischen erhalten, im 12. Jahrhundert dagegen wurde
das Schiff gewölbt, die Pilaster, welche den Gurt tragen, der die zwei Kreuz-
gewölbe trennt, theilen das Schiff in zwei quadratische Felder; in dieser Zeit
wurde auch das Portal auf der Südseite angelegt, das jetzt vom Kreuzgange
in die Kirche führt. Der Stil des Portales, der Gapitelle und Basen der Pi-
laster, die auch aus anderem Materiale wie die Nischen sind“), weisen sicher
auf den Beginn des 12. Jahrhunderts, in dem wohl auch die Empore ihrer
jetzige Gestalt erhielt. Die Empore und das Schiff hatten jedes einen selbst-
ständigen Eingang in der südlichen Nische der Westseite “), an welche wahr-
scheinlich der bischöfliche Palast stiess. Die Empore, die ursprünglich vom
Schiffe aus nicht zugänglich, diente offenbar dem Bischof und seinem nächsten
Gefolge zum Aufenthalt, die direct aus dem Palaste hierher gelangen konnten.
Die Fenster, welche nur wenig Licht zulassen, sind je eines in dem Schild-
bogen angebracht. In dieser Gestalt, die St. Stephan im Beginn des 12. Jahr-
hunderts erhalten, diente es als Vorbild für die Schlosscapelle von Kreuzhof
”) Walderdorff: Regensburg, 1874, p. 102.
Gütige Mittheilung des Herrn C. Th. Pohlig in Regensburg.
Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen Donauthal. 37 X
eine Stunde östlich Schönfeld, einen halben Tagmarsch nordöstlich von Hof,
und einen guten halben Tagmarsch nördlich von Regensburg.
Diesen Bauten, die dem 12. Jahrhundert angehören, ist daher gemeinsam,
dass sie einschiffig und durch zwei Kreuzgewölbe gedeckt sind, zwischen denen
sich der von Pilastern getragene Gurt befindet; im Osten ist diesem Raum
die halbrunde Apsis vorgelegt, die in Kreuzhof nach aussen vertritt, in
Hof dagegen, wo zwischen sie und das Schiff noch ein tonnengewölbter Raum
gelegt ist, nur aus der starken Ostmauer ausgetieft ist. Die Empore im
Westen, die in Kreuzhof wie in St. Stephan die Hälfte des westlichen Wöl-
bungsquadrates, in Hof dagegen das ganze schmale westliche Wölbungsfeld
einnimmt, wird vorne in der Mitte durch einen Pfeiler unterstützt und durch
zwei Kreuzgewölbe getragen, sie ist vom Schiff aus, das seinen Eingang am
Westende der Nord- oder Südseite besitzt, nicht zugänglich, sondern nur direct
aus den anstossenden Wohnungsgebäuden, die in Kreuzhof westlich, in Hof
nördlich lagen ; ohne Zweifel war sie für die Herrschaft bestimmt , während
Dienerschaft und Volk im Schiffe dem Gottesdienste beiwohnten. Neben dem
Zugang zur Empore führt eine Treppe in der Mauer zu dem Raum über der
Kirche. Dass sich hier Wohn- und Versammlungsräume befanden, wird schon
durch die dem ursprünglichen Bau angehörenden Treppen, wahrscheinlich, die
unmöglich bloss als Zugang zum Speicher angelegt sein könnnen ; in Hof haben
sich auch noch zwei Stockwerke über der Capelle erhalten, wobei auffällt,
dass das über dem Tonnengewölbe befindliche Gemach durch ein Kreuzgewölbe
gedeckt ist; in Kreuzhof finden sich nur mehr Spuren der Balkenlage vom
Boden des Oberstockes. Das Aeussere dieser Kirchen ist ganz ohne Zier, da
es eben das Untergeschoss eines Burgthurmes ist, wesshalb diese Capellen auch
keinen Glockenthurm besitzen. Die Fenster sind in Kreuzhof rundbogig und
wie bei St. Stephan in Regensburg im Schildbogen und zwar hart unter dem
Gewölbscheitel angelegt, in Hof dagegen bestehen sie, abgesehen von dem
rundbogigen Fenster der Apsis, bloss aus schmalen, rechteckigen Schlitzen,
die nur spärliches Licht einfallen lassen wegen der Mauerdicke von 1,70 Meter,
die bei der nur etwa 12 Meter langen Capelle durch den Burgthurm bedingt
ist. Das architektonische Detail beschränkt sich ausschliesslich auf die Kämpfer
der Pilaster, die in Kreuzhof aus Schräge und Platte, in Hof dagegen aus
einer Art Wulst und Platte gebildet werden, während der Kämpfer des Pfeilers
unter der Empore in Kreuzhof aus einem Stein gefertigt Schräge, Holzkehle
und Platte zeigt. Von weiterem Schmuck sind in Hof noch Reste alter Wand-
malerei zu entdecken, die im Chor, der gegen das Schiff um eine Stufe er-
höht Apsis und die Hälfte des tonnengewölbten Raumes umfasst, etwa bis zu
1 Meter Höhe ein rohes Teppichmuster zeigen.
Der Charakter dieser Kirchen wird durch die massigen Mauern, die be-
scheidenen Fenster, das dürftige Detail ein hochalterthümlicher, gleichwohl darf
Schönfeld, das ich leider nicht aus eigener Anschauung kenne, soll nach
gütiger Mittheilung des Herrn Domvicar Dengler die gleiche Anlage wie Kreuzhof
besitzen.
372 Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen Donautha.1.
ihre Entstehungszeit sicher nicnt früher als nach Beginn des 12. Jahr-
hunderts angesetzt werden. Es erhellt dies schon daraus, dass Kreuzhof und
somit wohl auch Schönfeld offenbar nur eine Copie von St. Stephan in Re-
gensburg ist und zwar in 'der Gestalt, die dieses zu Beginn des 12. Jahr-
hunderts erhielt. Das Detail besagt hier gar nichts, am allerwenigsten bei Ho f,
wo sich die Unbeholfenheit auch aus dem schwer zu bearbeitenden Granit-
material erklärt; dass die Kirchen nicht vor das 12. Jahrhundert gesetzt werden
können, beweist übrigens schon die Wölbung, die bei so bescheidenen unid
zum Theil abgelegenen Bauten gewiss nicht ihrer Zeit vorauseilte.
Im wesentlichen denselben Typus vertritt in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts noch die Galluscapelle in Regensburg Auch diese besteht
aus zwei annähernd quadratischen Jochen, welche durch einen Quergurt, der
auf Pilastern sitzt, getrennt werden. In dem westlichen Joche befindet sich die
Empore, deren Existenz die jetzt wie Blendbogen erscheinenden Mauervorsprünge
der Nord- und Südseite, sowie die kleinen Halbsäulen an den Pilastern sicher
stellen. Der Abschluss der Kirche ist wohl wegen anstossender Gebäude ge-
rade, den Haupteingang bildet das schöne Portal, das auf der Nordseite unter
der Empore liegt; Weiteres lässt sich über die Anlage wegen späterer Um-
bauten nicht mehr ermitteln. In Folge des Umstandes, dass der Bau erst
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört und im Centrum des bayerischen
Kunstlebens entstand, ist das Detail weit reicher, es zeigt in den Basen
und Gapitellen besonders an dem hübschen Portale, die eleganten Formen des
entwickelten Stiles der ersten Hälfte des 13, Jahrhunderts.
Bei der äusserst einfachen und praktischen Anlage, welche diese Schloss-
capellen zeigen, ist es natürlich, dass sich der gleiche Typus auch ausserhalb
der Regensburger Gegend findet und es werden sich vielleicht noch manche
Beispiele nach weisen lassen, die bisher unbeachtet blieben, weil sie, wie Ja
auch die genannten Bauten, sehr abgelegen und wohl gleich Hof und Kreuz-
hof nicht selten profanirt wurden. Zunächst kann ich ausserhalb der Regens-
burger Gegend wenigstens ein Beispiel namhaft machen, nämlich die Kirche
von Unterschondorf am Ammersee, gleichfalls aus dem 12. oder Anl^ng des
13. Jahrhunderts. Das Aeussere der Kirche ist etwas reicher als das obiger
Bauten, die Apsis besitzt Lisenen und Rundbogenfries, das Portal auf der
Südseite einfach abgestuft war ursprünglich sicher durch ein Säulenpaar
belebt. Das Innre zeigt hier ebenfalls zwei durch einen Gurt getrennte
Kreuzgewölbe, der kleine Pfeiler unter der Empore fehlt. Die Empore, die
hier durch eine Treppe in der Nordmauer auch mit dem Schiff in Verbindung
steht , hatte den Hauptzugang von einem westlich anstossenden Gebäude aus,
dem entsprechend befindet sich in der Westwand die Treppe zu den
Räumen über der Kirche, von denen sich noch die Fenster eines Stockwerks
erhalten haben.
Aufnahme in dem sehr verdienstvollen Aufsatze: Hauscapellen in Regens-
burg von G. Th. Pohlig, in Lützow’s Zeitschrift 1889.
Excerpte aus Job. Fichard’s „Italia“ von 1536.
Von August Schmarsow.
II.
N e a p 0 1 i s*).
Ecclesias habet mediocriter splendidas . . . Ornatissimum omnum est
tempium Mor.tis Oliveti, in amoenissinio peraltoque intra urbem loco po-
situm intus ferje totum marmoreis incrustatum, sed tarnen angustum est ^).
Frequentatissimum autem relligione S. Mariae de Carmo (est monasterium
fratrum), quae plusquam referta intusque tota obscurata est donariis votivis.
Est autem illa non procul a foro. Est etiam ecclesia S. Loi, sed tarn tene-
brosa ut ex officina sua erectam putare possis.
Ecclesia S. Martini est Garthusianorum, in monte urbi conjuncto, loco
admodum alto sito. Prospectus istic ex hortis et quibusdam cellis supra ur-
beni totumque mare amoenissimus, sed praeterea nihil admodum magnificum.
Gastei vecchio. In arce veteri, quae ad viam Gapuanam est sita, ab
ipso prioris vicereginae (quae vidua jam in hac commoratur) curiae praefecto
humaniter sum acceptus, conviviolo apparato. Erat autem is Brabandus, vir
perhumanus. Inde me per potiora conclavia duxit, quae ad superiorum saecu-
lorum continentiam aedificata videbantur, omnia autem iam senio erant fere
*) Ich hätte in meinen Vorbemerkungen über Rom nicht unerwähnt lassen
sollen, dass die Hauptstelle über S. Peter sich bei Springer, Raff, und Mich. II.®
p. 364 abgedruckt findet, und dass die Zuweisung der Gemälde in der Sixtina an
Raphael bei Springer, Die Schule von Athen, p. XXXIII. Anm, erwähnt worden.
Die Kirche lag also wohl damals noch wirklich innerhalb eines Oliven-
gartens mit Cypressenallee wie Monte Olivefo bei Florenz u. a.
®) Es sei gestattet, hier gelegentlich darauf aufmerksam zu machen, dass die
von N. Barone im Archivio storico per le provincie napolitane (Annali 1884 e 1885)
■publicirte Zahlungsnotiz, wonach Guido Mazzoni im Jahre 1492 für Herzog Alfons
von Calabrien ein »Sepolcro« geliefert hat, doch nicht auf ein »Grabmale bezogen
werden kann, wie auch G. von Fabriczy in »Arte e Storia« (VII, 22. vom 5. August
1888) gethan, sondern eben »ein heiliges Grab« d. h. die Bestattung oder Beweinung
Jesu Christi bedeutet , von der sich noch die Hauptfiguren erhalten haben. Sie
sind aus Terracotta, bemalt aber unglasirt. Das Grabmal, das Luca della Robbia
laut Vasari gearbeitet, — gleich gut für welchen Prinzen des Hauses Aragon —
war eine »sepoltura di marmo con molti ornamenti d'invetriati«.
374
August Schmarsow :
squalida. Jucundum tarnen fuit vetusta aedificia contemplari et praesertim
antiquissimas in iisdem picturas. Adduxit etiam in eam cameram, ubi armaria
sunt, interque caetera arma panopliam Francisci regis Gallorum, in qua apud
Paviam captus esl, ostendit. Erat illa quidem elegantissimi et optimi ferri,
sine tarnen omni ornatu auri, ut in aliis panopliis videbam. Thoraculus ille
Superior librandus mihi aliisque manibus porrigebatur, mire gravis. Istae
exuviae ad memoriam servantur. Ex arce transitus est ad hortos multo maxi-
mos atque etiam amplissimos. In arce quoque hortulus est pensilis, in quo
tarnen praeter late amoeneque patentem prospectum nihil est memorabile.
Gastei nuovo. Arx nova ad ipsam urbis ingressum in plano maris
littore sita est. Forma quadrangulari, ex lapide Tiburtino, moenibus et turri-
bus elegantissime extructis. Prae se fert itaque et forlissimam et pulcherrimam
structurae speciem. Gingitur eo latere, quo urbem respicit, profundissima
fossa. Est autem duplex, nam ingressus, ipsam veram arcem vides, quae
simili fossa moenibus, turribusque munita est, ipsius pavimentum tarnen ita
alte positum est, ut per clivum ad eam porro ascendatur. In eo loco ante
steterat monasterium praedicatorurn , Rex permutato loco istuc, ubi nunc est,
transtulit. — Porta interior huius arcis est omnium quae vidi splendidissima,
tota ex. marmore elaborato. Inde in aream ipsam pervenitur, quae valde
spatiosa est, quadrata oblonga. Ad sinistram in amplissimam illam aulam
ascenditur, in qua quotannis conventus regni celebratur.
Poggio reale®). Est ejusdem generis, cuius Romae et Ferrariae Bel-
vider, id est locus aestivus, aedificiorum hortorum, rivulorum, prospectus,
situsque amoenitate elegantissimus. Palatium majus quadratum et oblongum
est, habitationes in singulis angulis; antiquae picturae; media area sub coelo
ad lavandi usum solum est destinata. Descenditur tribus gradibus, aqua in-
tromittitur, quoties et quantum volunt; porticu ornatissima circumdatur. Sed
Galli in obsidione postrema, misere non hanc solum porticum, sed totum fere
locura tractarunt. Quod si ad pristinum suum nitorem reduceretur aliquando,
non puto in tota Italia et amplius et magnificentius et amoenius lavacrum
esse posse. — E regione istius palatii est aliud Hypaithrion cum porticu.
Ibi locus, ubi derivatur aquaeductus in urbem. — Inde descenditur in hortos,
ubi rursum alterae porticus, e regione lacus admodum amplus, sed neglectus
iam et arundinibus oppletus; inde in alios atque alios hortos, tandem ad
ipsum rivum, patrem omnium istarum aquarum et fontium, qui et limpidissi-
mus et amoenissimus. Istic cellae avium diversarum, quae erant secundum
sua genera distinctae olim, et ibi conclusae, sed et illae a Gallis confractae. —
Inde per aedificia, quae olim erant familiae, reditur ad primum locum.
Ubique fonticuli et blandissima prolaben tium aquarum murmura, sylvarum,
arborum, fructuumque gratissimus aspectus.
®) Fichard nennt diesen Namen nicht; ein Vergleich mit Serlios Plan und
Beschreibung (Lib. III.) lässt aber keinen Zweifel, dass das Lustschloss Poggio Reale
gemeint sei, dessen anschauliche Vorstellung durch diese Notizen eines Augenzeugen
immerhin an Lebendigkeit gewinnt, und uns in den Stand setzt, dies Meisterwerk
des Luciano da Lauranna besser zu beurtheilen.
Excerpte aus Job. Fichard’s »Italiac von 1536.
375
Lorettum.
Situm est loco amoenissimo , sed valde excelso. Ambitur moenibus
pulcherrimis, hat lustige Zinnen. Sub ingressum portae habet puteum quen-
dam elegantem, altum, ex albo marmore; est puteorum Italiae pulcherrimus.
Ipsum Templum S. Mariae est amplum et altum, prima parte oblongum,
crassis quadratisque utrinque columnis sustentatum. Superior autem pars in
aliquot circulos et sacella dividitur et late extenditur, ad instar Florentini
templi ^). Cum ego istic essem incrustabant exornabantque pilas , partim
ex marmore, partim ex politiore lapide ®). Camera B. Virginis intus est ni-
gerrima, rudis et vetustissimi muri. Foris autem ex albo marmore sumptuo-
sissime exornata, tota incrustata, cum magnificis epistiliis, statuis et artificiosis-
simis sculpturis. Opus omnino splendidum et memorabile ®).
Proxime ad templum aedificabatur tum magnificum Palatium, mire
prospectus gratia amoenum, in gratiam Cardinalium, Episcoporum et Prin-
cipum, ut in eo advenientes digne recipi possent, — omnibus hospitiis vulgo
oppletis, — et erat tum maiori ex parte perfectum Nec dubito quin ipsa
etiam ecclesia, si pergunt ut cepere, post decem annos, magnificentissima
sit futura.
Ancona.
Habet potiora haec: Arcem praealtam, quae iam ex novo ad urbis in-
gressum aedificatur. Portum maris ipsa loci natura elegantissimum et com-
modissimum omnium fere in Italia portuum, qui optime spectari potest ex
loco ubi conveniunt mercatores in Realto, qui instar aulae est, superius habi-
tatus ®). Templa istic vetustae figurae , ut illud quod ad portum ®), item
quod in foro est et gradibus ascendilur multis ^°). — Mihi urbs ista nescio
quomodo visa est melancholica.
Pisa.
Urbs est satis ampla, aedificia omnia obsoleta quodammodo, magnifica
autem vel splendida nulla, et miratus sum in potentissima olim civitate, tarn
vulgariter habitasse ipsum etiam senatum, tot urbium externarum dominum.
*) Vergl. meinen Aufsatz »Bramante a Lorette« im L’Art 1881, Mai 29. und
Melozzo da Forli, S. 122 f.
Meint wohl die Incrustation der Vierungspfeiler.
®) Der Marmorschmuck ist von Andrea Sansovino begonnen und unter Bei-
hülfe von Raffaello da Montelupo, Francesco di Vincenzo da San Gallo, d’Amia
(nicht Aimö), Tribolo, Baccio Bandinelli, Girolamo und Aurelio Lombardi, Giov.
Batt. della Porta, Tommaso della Porta und Simone Cioli zu Ende geführt.
’) Vergl. die Zeichnungen des Jüngern Antonio da San Gallo für diese An-
lage in Loreto (nach Bramante’s Entwurf) in den Uffizien Nr. 609. 610 fl.
®) Loggia de’ Mercanti, ein Bau spätgothischen Uebergangs in die Renaissance»
mit spätem Malereien von Pellegr. Tibaldi, an dem Giorgio da Sebenico Antheil
haben dürfte.
•) Er meint wohl S. Ciriaco auf der Höhe des Vorsprungs oder S. Maria in
piazza, zur Gruppe pisanischer Kirchenbauten romanischen Stils gehörig.
^®) S. Domenico?
376
August Schmarsow:
Palatium enim fere nullum istic videtur, quod sit memorabile. Plateae ple-
risque locis virent, plures domus ampliores vacant, tota nobilitate istinc (quod
servitutem sustinere nequeant) emigrata. Dividitur et ipsa per Arnum fluvium,
ad cuius ripas non injucundam habet deambulationem. Ibidemque etiam fere
omnium mercatorum tabernae et mercatus est. Urbs ipsa nec moenibus ad-
modum nec fossis satis inunita est, exceptis quibusdam locis periculosioribus.
Itaque hodie praeter ipsius urbis vetustissimam frugalissimamque aedificiorum
formam haec tantum istic conspectiora sunt:
Templum summum perquam amoeno loco situm, mire elegans est,
solerterque conprimis extructum. Quinque aut sex gradibus undiquaque as-
cenditur in ambilum ejus, qui sex passuum est circumquaque marmore stralus,
templum foris et ipsum marmore incrustato sed jam obsoleto. Portae aeneae
sunt, sed non elaboratae admodum. Major porta templi, quae Baptisterium
respicit, elegantissime columnis marmoreis vetusto opere exornatissima. Inte-
riora templi minus splendida sunt; suggestum ex quo Evangelium cantatur,
marmoreum est, et ipsum slatuis exquisitissime ornatum et sane conspicuum ”).
Prope hoc templum stat turris rotunda inclinata, a principio ita in
specimen artificii extructa; habet circuitus quattuor et hanc inscriptionem :
ANNO DOMINI M.G.LXXIIII. CAMPANILE
HOC FVIT FVNDATVM MENSE AVG.
E regione templi recta est Baptisterium rotunda figura, tecto alto et
mire eleganti, spectatuque dignissimum. Intus minus exornatum aliquanto
Ex latere autem extat Cimiterium publicum vulgo »Campo Santo« dic-
tum, aedificium memorabilissimum. In medio habet aream viridam, secundum
qualitatem huius loci extensam, in qua plurima consistunt sarcophaga, veterum
specie, et ea quidem secundum ordinem suum. Item memento ejus raarmorei
praegrandis poculi, quod ad angulum graduum prope priorem portam Templi
in columnula quadam porphyrea extat cum quadam circumscriptione. In hoc
olim tributum populi collectum Imperatorique oblatum mihi referebant. Est
monumentum memorabile
Luc ca.
Est civitas libera, parva quidem sed egregie munita, fossam aquatilem
circumquaque, fortalitia VIII Palatium Signoriae mediocriter amplum
et splendidum est. Alioqui egregias aedes, et quaedam magnifica palatia
habet, plateae tarnen ubique sunt angustae. Ecclesia Cathedralis S. Martini
mediocriter elegans est. In ea multorum sanctorum Integra Corpora, qui magno
numero in fornice super primam ipsius templi portam depicti sunt.
Marraorkanzel des Giov, Pisano, jetzt zerstückelt im Dorn und Gamposanto.
1*) Vergl. O» Mothes, Die Baukunst des Mittelalters in Italien, Jena 1884,
p. 736.
“) Er vergisst die Marmorkanzel des Niccola Pisano.
Die bacchische Vase steht noch heute als eine Hauptzierde im Gampo-
santo.
Excerpte aus Joh. Fichard’s »Italia« von 1536.
377
Siena.
Givitas elegantissima , alte sita, montes circumquaque habens, sed eos
planiores humilioresque et ine"? omnes cultos et in agros reductos. In ipsa
urbe aedificia, vetustiori quidem forma, sed tarnen inprimis elegantia, et
nonnihil angusta. Palatia habet plurima, quae ampla et superba omnino sunt,
inter quae palatium Cardinalis Senensis et illius qui Tyrannus vulgo dictus
est, potiora sunt. Sed istic in communi aedificia pulchra praestantiaque
videntur. Forum amplissimum est ovata forma, pene caldario simile, ita con-
cavum ad defluxum aquarum. Sed, quod mireris, in ipso foro aedificia minus
splendida sunt, paucis exceptis. In eodem foro fons marmoreus oblongus,
multis imaginibus virtutum et quorundam veterum ornatissimus aquae salubris
copiösissimus ^®). In eodem foro est Palatium amplissimum, intus summe
magnificum variis aulis et cubiculis. Illi adjuncta est turris elegans, alta sed
non crassa.
Templum habet vetustissimum , et supra quam dici potest exornatum.
Omnia intus marmoreis incrustata, Pavimentum totum tesselatum, variis figuris
et historiis ex utroque testamento splendidissimum. Prope portam habet cir-
culum, in quo Italiae potentiorum civitatum insignia ordine locata sunt, ea
autem pleraque animalia habent, elephantes, leones, lepores, grues etc. Supe-
rius tabulatum sub tecto augustum, veneto colore et aureis stellulis exor-
natum. In cireuitu autem omnium Pontificum qui aliquando fuerunt, capita
circumposita. Ante portas templi humi ficta, historia Publicani et Pharisaei
orantium.
Florentia.
Haec vulgo »Bella« cognominatur, quod ego -quidem non urbis ipsius
caussa, quam eorum quae foris sunt palatiorum et possessionum innumera-
bilium, quibus omnes Italiae urbes superat, gratia dictum putarim. Est urbs
araplissima, plateas habet aliquot mire longas, sed non perinde latas. Fora
habet tria distincta, sed singula pro tanta urbe angusta. Palatia, quae sint
magnifica, opinione multo pauciora habet ”). Sunt autem ex his potissima
Palatium Medicum ad S. Laurentium, Pacaeorum, Strozarum (quod tarnen
nondum est absolutum, nec ex integro tectum), Spinolarum quod est regione
Templi Trinitatis, vetustae formae, et ideo parum magnificum ^®).
Palatium Medicum (in eo iam habitat dux Alexander) post primum
vestibulum, quadrangulärem habet porticum, columnae quibus aedificia susti-
nentur omnes inargentatae, reliqua in aurata omnia bracteis auri pictorii. In
media area (quae exigua est) statua stat marmorea, Orphei puto ^®). Ex por-
ticu transitus in aliam aream, qualem curiam nos vocamus, in qua pila ludi-
tur. In eo vides Laoeoonta integre cum duobus filiolis, ad illum Romanum
Palazzo del Magnifico (Petrucci).
'®) Fonte gaja von Jacopo della Quercia.
*') Man merkt, dass] die Eindrücke römischer Grossartigkeit vorangegangen.
Er meint den Pal. Spini. Wir vermissen den Pal. Pitti.
Davidis? Dann wäre allerdings »aenea«, statt > marmorea« zu lesen.
378
August Schmarsow:
tarn feliciter effictum, ut felicius et propius non possit. Est autem ex mar-
more candidissimo sculptus cum inscriptione BACGIVS BANDINELLVS FLO-
REN. FAGIEBAT. Non procul inde extant et aliquot statuae veterum, paucae
tarnen, inter caetera autem et caput aeneum equi cum cervice mediocris
magnitudinis , sed multo illo Neapolitano minus *®). Item ad eam portam,
qua in viam publicam egredimur, utrinque est posita Marsii excoriati simula-
crum marmoreum, et sinistrum quidem ex brachiis dependet, (quäle vidisti et
in pensili horto Gardinalis de la Valle Romae) dextrum vero sedet, brachiis
tarnen sursum delegatis. Et est ex lapide porphyro quo colore mire refertur
ipsius excoriati Marsiae forma
Strozarum palatium ceptum est aliquante magnificentius, quadrangulare,
quatuor habens portas, hinc inde sibi^ respondentes, altum splendidum.
Sed ex altere latere nondum plene tectum est. Pulse enim urbe altere
Strozarum (puto Philippe), quod cum iis fuerat qui Medices antea urbe
eiecerant, Dux Alexander de Medicis mediam eins Palatii partem occupavit,
et ita opus cessat.
" Palatium Signoriae altum est et admodum amplum, sed ut vetusta so-
lent, non splendidum. ln eo est memorabile illud opus Gursus Planetarura
Magistri Laurentii Vulpiani, quod superiori anno reficiebat filius ejus Gamillus
opus insignibus Medicum simile VII pomis. Ante portam duae hinc et inde
statuae Parii marmoris sunt , praegrandes , et mire, expolitae , altera Herculis
intra pedes prostratum gigantem illum, fuste occidens; altera Orphei
Utraeque habent superiorem inscriptionem in basibus »BAGGIVS BANDINEL-
LVS . . . .€ Ille fuit quantum ex his statuis et Laocoonte licet judicare
statuaria arte inprimis absolutus. Sed tarnen hoc tempore multo magis com-
mendatur et celebratur Michael Angelus Bonaroti cuius aliquot statuae mar-
moreae Herculis, Minervae etc. nondam tarnen absolutae ad S. Laurentium
in Camera prope chorum videntur Ille iam Romae agit, statuariae et
pictoriae ut dicunt omnium absolutissimus et ex iisdem artibus «tiam ad-
modum ditatus.
E regione dicti palatii aliud est, et ipsum Reipublicae. Sub cuius porticu
stat columnula quaedam, impositam sustinens feminam quae in nudum sub
se sedentem virum gladium intentat, tanquara caput (quod a laeva altera per
capillos tenet) abscissura In superiori circulo columnae haec est inscriptio;
EXEMPLVM SAL. PVB. GIVES POS. ANNO MGGGGXGV.
Jetzt unter den Bronzen der Uffizien.
Jetzt in den Uffizien Nr. 155 u. 156. Vom ersteren eine Replik im Louvre.
Uebrigens ist der zweite nicht aus Porphyr, sondern fleischfarbenem Marmor.
•*) Seltsamer Weise steht im Text »Orphei«, wo wir »Davidis« erwarten,
ebenso wie oben bei Beschreibung des Pal. Medici. Ganz überraschend ist freilich,
dass Bandinelli statt Michelangelo als Autor genannt wird, während von Buo-
narroti doch sofort die Rede ist.
Die Nacht mit der Eule gilt damals also für .Minerva u. s. w.
Die »Judith« Donatello’s in der Loggia dei Signori.
Excerpte aus Job. Fichard’s »Italia« von 1536.
379
Ante utrumque palatium area (vulgo Piaza) est ampla et stratarum tota urbe
amoenissima.
Tempi a habet non plurima, et ea mediocriter extructa. Magnificentis-
simae et spien didissimae omnium quae in Italia sunt formae est templum
maius quod S. Mariae de flore vel Reparatae dicitur, foris totum nigro
alboque marmore incrustatum, statuisque superius in circuitum iustae staturae
(hae tarnen multis locis deficiunt) exornatum. Formam habet minime vul-
garem vel communem, sed quod nobis referre videatur illud Salomonicum.
Ghoro late in tres circulares sinus, subsacella habentibus (!) extenso. Su-
perius pergrandi cupula imposita, opus profecto summa admiratione dignum.
Intus ecclesia negligentissima, et plane sui dissimilis videtur, nullum habet
ornatum , tenebricosa est. Circa chorum tarnen lithostrato marmoreo non-
nihil conspicua.
Prope adjunctum habet Campanile (ut vocant) mediocris altitudinis,
quadratum, varii coloris marmore variegatum, et undique ad summum in-
crustatum, sine tecto. Non potest esse elegantius.
E regione hujus templi est Baptisterium, templum S. Joannis Baptistae,
ante cujus medias portas (habet autem tres in triangulum) stant Pisanae illae
columnae, ex porphyro lapide, multis locis disruptae, sed ferreis vinculis rur-
sum constrictae. Illae mediae portae ex aere sunt, crassae et historiis biblicis
venustissime exornatae. Opinio vulgi est et has ex Pisana praeda Florentiam
relatas. Sed aliter habet Palmerii historia, qui has quinquagesimo tandem
anno absolutas tradit. Vide eundem ! — Reliquae duae portae et ipsae aereae
sunt, sed simpliciores neque artis neque operae tantum habent. Limina etiam
singularum portarum aerea sunt. Templum angularis rotunditatis angustum
est. Intus pavimentum elegantissimum habet, nec vidi quod esset maiori cura
variatum. In medio Baptisterium est quadratum. Istic pueri ipso tantum
S. Joannis Baptistae die, si qui tum nati sunt, baptisantur
Praeterea est templum S. Mariae Novellae. Item S. Grucis, est Francis-
canorum. Item citra Arnum Sancti Spiritus, quod est simillimum et uniforme
cum Templo S. Laurentii, quod ipsum tarnen absolutius et elegantius est, et
post maius Templum reliquorum pulcherriraum. In hoc est sepultura Medi-
cum. Habet in adjuncto quasi circuilu habitationes Ganonicorum. Ibidem
etiam celebris illa Bibliotheca Medicum est, cuius indicem habes, optimis
vetustissimisque tum graecis tum latinis autoribus referta . . . Est et monaste-
rium fratrum dictum all’ Angelo (si bene memini) in quo sunt amoenissimi
totius Florentiae horti, ambulacris et topiariis et sessionibus mire amoeni.
Ductus sum in aliud quoque fratrum monasterium, quod noviter per quen-
dam istius ordinis (sunt autem Praedicatores) locupletatum restauratumque
est, quod et ipsum hortos amplos amoenosque habet, sed amoenitate su-
perioribus cedunt.
Dies alte Immersionsbecken, von dem Dante, Inferno XIX. spricht, wurde
1577 beseitigt. Die Mitte des Fussbodens ist dann nur mit Ziegeln gepflastert.
Degli Angel i.
380
August Schmarsow:
Omnium autem Templorum devotione celeberrimum est »Alla Nunciata«,
quod non ita quidem magnum est, sed tarnen scatet miraculorum testimoniis.
Nec in ullo loco vidi digniorem hominum votiva simulachra. Integri istic in
solemni ornatu suo ex summo labulato dependent Papa Leo X., Clemens VIL,
Papa item Alexander VI. in uno, ipse dux Alexander altero latere, adorant
altare Nunciatae, duo item reges, regina una, et reliqui infiniti. Altäre Nun-
ciatae ad levam est ingredientibus in ipso portae quasi contactu. Inclusum
est sacello perspicuo. Dicunt istic imaginem Divae Virginis ab angelo salutatae
depictum esse, cui picturae caput celitus adaptatum est, quod quidem tan-
quam sculptum extra tabulam supereminet et devotis suo tempore ostenditur.
Hinc illa tot miracula, tantusque hominum concursus, quem praedicti ponti-
fices suis simulachris etiam amplius instigant.
Super Florentiam Gartusia est in monte instar arcis amoenissime sitß.,
ita muris. clausa, ut etiam arcis speciem omnino procul referat, et totus ipse
fere mons, qui altus undique Cst, ab ipsa occupatus. Puto hanc esse amoenis-
simam omnium Gartusiarum, quae usquam sint, si situm requiras.
Pistorium.
Urbs elegans. Amplas habet plateas, multa imo plurima habet palatia,
sed tarnen pleraque non ita splendida. Habet monasteria XI, ecclesias multas,
inter quas et Cathedralis est satis elegansv In eo argenteum illud altare
S. Jacobi, omnium quae in Italia sunt sumptuosissimum et celeberrimum.
XII Apostolos habet ex solido argento cubitales. Forum major est ipse Ja-
cobus, sedetque, est enim in regno suo. Reliquum altare laminis argenteis
undique tectura. Ante hoc summum templum priori et transversali latere
habet aream planam, amplam et amoenam. Circa illam Palatia sunt Capitanei,
Potestatis, Senatus urbani, Episcopi. E regione Templi est Baptisterium,
rotunda forma, ad imitationera aliorum, foris nigro alboque marmore undique
incrustatum. Sed prae Florentino et Pisano in aestimatione esse non potest.
Domus quoque Sapientiae noviter constructa istic extat, elegans est curn
amoena porticu.
B onon ia.
Amplissima civitas. Porticus habet hinc inde frequentes et elegantes.
Palatia multa et magnifica, inter quae praestantia, Pompei Gampegii . . .
quod mire splendidum est , sed nondum absolutum , et alia plurima. Aedes
quoque ditiorum in communi intus elegantissimae sunt, pleraeque hortos
habent et areas. Pepulorum Palatium vetustissimum est et incultissimum , in
quo quidem ipsi gloriantur, itaque neque ornant neque immutant.
Habet autem Bononia haec eximia et visu digna: Aream vel Piazam
amplissimam et planissimam, cui nulla ex tota Italia conferri potest. Ad eam
Palatium Gubernatoris situm est, in quo Caesar in coronatione egit ^0* Hoc
amplissimum est, Gonsiliariorumque sirnul aedes includit. E regione Palatium
”) Karl V. 1529.
Excerpte aus Joh. Fichard’s »Italia* von 1536.
381
Potestatis. Ex opposito huius ecclesia S. Petronii quae praeter priores
gradus, quibus ascenditur, quique item circumduci debebant, nihil habet
magnificum. Est alioquin ampla et magna. Momento ejus loci, cum Papa
Julius post primam occupationem, sui simulachrum imposuisset, Bentivoli
recuperata urbe istud dejicientes Salvatorem reposuerunt, cum inscriptione:
COGNOSCITE QVONIAM IPSE EST DOMINVS.
Item Templum S. Domin ici elegantius omnium quae istic vidi. In
eo autem sacellum S. Dominici, in quo marmoreum eius sepulchrum *®), (ibi
enim requiescit) elegans recensque super altare. Item ligneas istic picturas
historiae suae, in tabulis, stupendi artificii. Item tabulae lignearum pictura*
rum eiusdem magistri (qui fuit frater in eodem conventu; puto vivere adhuc,
picturae enim ipsae recentes sunt) in choro ®°). Inibi altare maius, et mar-
moreum splendidissimum monumentum Alexandri Imolensis ®^), et plura monu-
menta Doctorum, praecipue autem Grotti quod prope fores est, et solum cum
Alexandri monumento raagnificentia certat. Extant et foris in cirniterio maxima
et vetustissima monumenta, quae pleraque Doctorum sunt, qui istic olim
docuerunt. f Sed et aliae ecclesiae earumque cimiteria hisce repleta sunt.
Breviter nulla urbs Italiae monumentorum studiosior fuit, itaque nusquam vel
crebriora vel praestantiora reperiuntur.
Item Collegium hispanicum magnificum et elegantissimum , cum biblio-
theca. Item ruinas Palatii Bentivolorum , qui in collem excreverunt. Anti-
quitatum thesaurus, qui ex numismatis, statuarum fragraentis, multisque aliis
vetustissimis et eximiis rebus collectus, asservatur a Domino Joanne de Achil-
linis, et inspicere cupientibus humanissime atque ordine ostenditur. Mihi
maxime placuerunt duo illa capita, Senecae, quod senile est et calvum, et
alterum puellare, quod ipse dicit Tulliolae esse, quo nihil neque amabilius
neque vividius unquam vidi. Ephomius utraque sibi depingi fecit.
Turres illae, altera perlonga et tenuis, altera obliqua, quasi casura.
Sacellum S. Mariae, nescio cognomen, ego vocarem de viridario, nuper ex-
tructum templum, cum amoenissima porticu*®); utrinque sunt horti. Ecclesia
S. Laurentii vetustissima omnium quae Bononiae sunt; et proxime conjuncta
ecclesia S. Stephani, ubi sepulchrum quodd^ crate ferrea obductum iuxta
altare. Extra urbem proxime aliquot habes monasteria et paulo longius in
monte S. Michaelis monasterium elegantissimum et amoenissimum. Ecclesia
parva sed tota marmorea intus. Elegans istic bibliotheca et in ea orbis globus
grandis et singularis praestantiae.
®®) Bronzestatue von Michelangelo.
Die berühmte Area di S. Domenico, an der Niccolö Pisano mit Fra Gu-
glielmo (1267), dann Niccolö dell’ Area (bis 1494), Michelangelo, und später Alfonso
Lombard! u. A. gearbeitet.
®°) Holzintarsien des Fra Damiano da Bergamo 1528—1554.
®^) Alessandro Tartagni, Grabmal von Verrocchio’s Schüler, Francesce di Si-
mone (1477), der auch am Portal des Pal. Bevilacqua zu erkennen ist.
Mad. di Galliera? (um 1470).
382
August Schmarsow:
Papi a.
Miris modis haec urbs superiorum annorum bellis devastata est plurimis
locis , maxime ubi viciniora sunt portis. Itaque pleraeque plateae virent,
quemadmodum Pisis. Alioqui urbs amoena et magna. Monumentum ex
alabastro S. Augustini est egregium et elaboratissiraum, sed nonnihil obsolete
opere In eadem ecclesia monumentum Boetii. Statua equestris in foro
asportata est olim Ravenna Castellum cum cittadella, in qua fuerunt olim
habitationes omnium curialium quae adhuc pleraeque restant. Et ibidem aula
ad pilae lusum aedificata, longissima. Turris Boetii, in qua scriptam Philo-
sophiae dicunt consolationem. — Extra urbeni hortus (der Thiergart) unius
in longitudinem et alterius in latitudinem germanici miliaris undique moenibus
circumdatus. Prope illum in extreme Garthusia sita est, cuis ecclesia, et
intus, post Senensium ornatissirna est, et foris, ubi absoluta erit, incornpara-
bilis futura. Marmoreis enim elaboratissimis operibus toti parietes obducuntur,
et prius quidem latus iam perfectum est. Galeatii, ipsius fundatoris, monu-
mentum elegantissimum, albissimi marmoris in ipsa ecclesia extat. In sacrario
monstrant fratres duas arcas ex ebore subtilissime et artificiosissime sculptas
opere antiquo, quas permagno aestimant. Eiusdem materiae est et tabula in
summo altari.
Ravenna.
Habet pauca eximia. Tum urbs obsoletae vetustatis; sunt et istic do-
mesticae turres, sed tarnen haud ita frequentes. Habet Piazam mediocriter
amplum et el^antem, in qua est Palatium Gapitanei. Templa istic fere nulla
sunt, quae videri merentur. Sunt autem S. Apollinaris, Francisci, Dominici,
Nicolai, Vitalis etc. Templum Vitalis pulcherrimum omnium est, totumque
rotundum. Ecclesia cathedralis praeter vetustatem nihil vere habet conspi-
cuum. Ad urnam aquae benedictae in marmore albo quadrato sculptus est
Hercules in cursu cornibus apprehendens cervum, clava inter pedes iacet.
Deinde est monasterium regularium Ganonicorum S. Mariae in Portu. In eo
duplex est circuitus, inferior et superior, multo elegantissimi et magnificentis-
simi. Superior ex ea parte, qua hortos (qui amplissimi sunt) respicit aulam
habet valde amoenam. In cuius sinistro pariete depicta est magna et ex-
plicata pictura: urbs Venetiarum in mari iacens ^®). In dextro vero effigies
Insulae S. Mariae de Tramite quam ipsi monachi possident in mare Adriatico.
Ferraria.
Haec urbs cum pulcherrimis atque munitissimis urbibus totius Italiae
connumeranda est. Magnificentissima istic Palatia, eaque creberrima. Plateae
latae et rectissimae longissimaeque. Aquae autem fontanae inopia laborat, quod
intellige de aqua salubri. Prope summum Templum, qui vetustum est, ele-
^’) Area di St. Agostino im Dome (c. 1365 — 75).
^^) Der sogenannte Regisol.
^^) Ich erinnere an den grossen Holzschnitt der Stadtansicht von Jac. de’
Barbarj.
Excerpte aus Joh. Fichard’s »Italiac von 1536.
383
gans area est, in qua crebrae nobilium deambulationes. Arcem habet elegantem,
non fortem tarnen sed civilem. Templa mediocriter exornata extructaque,
Gartusiam tarnen mire elegantem. Foris in Pado insulam habet, ubi est hortus
principis, vulgo Belvidere, ubi elegantissima aedificia, topiaria, lavacrum ingens
rotundum, sub dio. Memento historiae in bortis depictae.
Verona.
Urbs est elegans cum primis. Arces habet tres. Templa et monasteria
pulchra et multa. Inter monasteria primarium est illud ad S. Zenonem, in
quo ex fundatione ipsius primi Episcopi soli sunt Germani (qui omnes erant
ex inferiori Germania) nec recipitur in eo quisquis Italus alteriusve nationis.
Hoc monasterium pervetustum et perdives est. Est alterum monasterium
parvum quidem sed elegans, vocant »Nostra Donna all’ Organo«.
Der deutsche und niederländische Kupferstich des fünf-
zehnten Jahrhunderts in den kleineren Sammlungen.
Von Max Lehrs.
XXII.
Frankfurt a. M.
a. Städel’sches Kunst-Institut.
Diese reiche Sammlung ist eigentlich kaum zu den kleineren zu
rechnen. Sie gehört vielmehr zu den wenigen in Deutschland, welche nach
Maassgabe der vorhandenen Mittel planmässig vermehrt werden. Der Um-
stand, dass sie eine Reihe wichtiger und wenig bekannter Unica enthält, be-
wog mich indess, sie dennoch aufzunehmen. Für die zahlreichen Nachweise
der Provenienz vieler Blätter bin ich Herrn Dr. Pallmann zu besonderem
Danke verpflichtet.
A. Oberdeutsche Meister.
1. Die Verkündigung. P. II. 69. 3. Vgl. Repertorium Xll. 272. 70.
1873 auf der Auction Durazzo für 400 fl. erworben *)•
2. Die Verkündigung. P. II. 50. 114. und 212. 3. Der sehr schwache
Abdruck mit dem handschriftlich aufgesetzten Monogramm Schongauer’s ist
ein Geschenk Passavant’s, der ihn 1860 auf der Auction v. Quandt für 81 Thlr.
erwarb. Das Blatt wurde im Städel’schen Institut bis 1890 für eine Copie
gehalten und dieser Irrthum scheint noch von Passavant herzurühren, da der-
selbe (Bd. III. p. 498 Addit.) eine gleichseitige Copie erwähnt, welche sich nur
durch die geringere Ausführung und besonders durch den schlecht gezeich-
neten Kopf des Engels vom Original unterscheiden soll. Eine gleichseitige
Copie des Stiches ist indess nicht bekannt und Passavant liess sich jedenfalls
durch das veränderte Aussehen des sehr schlechten Abdrucks im Gegensatz
zu den guten in Dresden und München irreführen. Im Katalog v. Quandt Nr. 8
ist das Blatt richtig als P. 114 bezeichnet. Passavant beschreibt aber das
Der Stich wird im Katalog Durazzo II. Nr. 189 irrthümlicher Weise als
P. 114 aufgeführt, welches Blatt (Nr. 2) das Institut schon früher besass.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 385
Quandt’sche, jetzt Frankfurter Exemplar unter den Anonymen, ohne seine Iden-
tität mit dem Stich des Meisters E S zu bemerken, den er in Dresden und
München sah. Von Letzterem abhängig zeigen sich folgende Gopien:
a) Gegenseitige Gopie von Israhel van Meckenem B. X. 1. 2. P. II. 50.
114 Gop. P. II. 195, 237. Berlin, Breslau, London, München, Paris, Wien;
Hofbibliothek.
b) Gegenseitige Holztafeldruck-Gopie ohne das Liliengefäss wie bei a),
ohne den Durchschuss der Altardecke, mit verändertem Engel und anderem
Hintergrund. Links ein Garten, rechts einige Donatoren und im Grunde die
Heimsuchung. Unter der Darstellung ein lateinisches Gebet an die hl. Jung-
frau. 379 : 245 mm Einf. Unbeschrieben. Berlin.
c) Freie Gopie unter den Miniaturen eines französischen Horariums o. J.
auf der Kgl. Bibliothek im Haag. (AA 130) Fol. 19 verso. Trotz vieler Ver-
änderungen ist die Abhängigkeit doch evident, da der Faltenwurf bei beiden
Figuren genau übereinstimmt.
d) Noch 1535 lässt sich in einer Verkündigung vom Monogrammisten
P M. P. IV. p. 111 (Dresden, Sammlung F’riedrich August II.) die Abhängig-
keit vom Stich des E S erkennen.
3. Die kleine Madonna von Einsiedeln. B. VI. 18. 36. Vgl. Zeit-
schrift f. b. K. XXIV. p. 169 und Repertorium XIV. 10. 4. 1851 auf der Auction
V. Kirschbaum in München für 201 fl. erworben.
4. St. Marcus. B. VI. 25. 68. Blatt 2 aus der Folge der Evangelisten
im Rund B. VI. 25. 67—70. und 182. 87. Geschenk von Passavant. Photo-
graphie von Braun nach dem Dresdener Abdruck Nr. 199. Die Folge findet
sich complett in Dresden und Wien (Albertina).
5. * SS. Simon und Judas Thaddäus. P. II. 44. 72 c. Blatt 6 aus
der Apostelfolge B. VI. 26. 71 — 72. P. II. 44, 72 a — c. Vgl. Lehrs, Der Meister
mit den Bandrollen p. 11. Der Stich wurde 1873 auf der Auction Durazzo
in Stuttgart für 255 fl. erworben. Wohin ein zweites — das von Passavant
beschriebene — Exemplar gekommen, welches 1858 auf der Auction Meyer-
Hildburghausen in Leipzig um 20 Thlr. verkauft wurde, ist mir unbekannt.
6. -8. Die zwölf Apostel sitzend. 3 Blatt aus der Folge B. X. 20.
28 — 39. P. II. 59. 160. und 90. 40. Vgl. Repertorium X. p. 99 und XI. 61
bei 130.
6. Jacobus major. B. X. 20. 30.
7. Johannes. B. X. 21. 31. Der späte und matte Abdruck ist ein Ge-
schenk Passavant’s.
8. Simon, B. X. 21. 35. Bartsch verwechselt diesen Apostel mit Judas
Thaddäus.
9. St. Joh annes auf Pathmos. B. VI. p. 48. P. II. 59. 161. Autotypie
von der Autotype Gompany Nr. 350 nach dem Londoner Exemplar. Lichtdruck
bei Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen Täf. II, Fig. 4 nach dem Abdruck
in Dresden. Abdruck mit vollem Rande, von Passavant gestiftet. Acht an-
dere Exemplare befinden sich in Berlin, Dresden, London, (Mailand Sammlung
Angiolini), München, Oxford, Paris und Rouen (Sammlung Dutuit). Ein neuntes
XIV 27
88Ö
Max Lehrs:
ging 1870 beim Bombardement von Strassburg mit der dortigen Universitäts-
bibliothek zu Grunde * *).
10. St. Veronika. P. il. 62. 178. 1. Et. Vgl. Repertorium XII. 27. 8 — 4.
Der Abdruck stammt nach einer Notiz auf der Rückseite aus den Sammlungen
J. D. Böhm und Enzenberg. Auf den Auctionen Böhm und Enzenberg (Wien
1865 und 1879) kam das Blatt jedoch nicht vor.
11. Die Sibylle und Kaiser Augustus. B.X. 37. 70. P.Il. 68. 1. Vgl.
Jahrbuch der preuss. Kunstsammlungen XI. p. 85. Autotypie von der Auto-
type Company Nr. 345 nach dem Londoner Exemplar als »Glockenton«. Licht-
druck in Prints and Drawings in the British Museum Part III. PI. III. und
Heliogravüre ebenda New Series Part 11. PI. VII. Photographie von H. Butt-
städt nach dem Abdruck in Gotha, Photographie in Choix d’estampes rares
etc. de la collection M. Drugulin. Der Frankfurter Abdruck mit dem W. des
gothischen p ist unten verschnitten.
Ueber die im Louvre befindliche Originalzeichnung des Meisters für
diesen seinen grössten und muthmasslich zugleich ältesten Stich vgl. Jahrbuch
der preuss. K.-S. XI. p. 85.
12. Der Ritter und die Dame mit Helm und Lanze. B. VI. 36. 91.
und 307. 167. P. II, 45. 91. Vgl. Lehrs, Spielkarten p. 10.
Der Abdruck ist links verschnitten und hat als W. einen bekrönten
Ochsenkopf, wie er sich auch in dem prachtvollen Exemplar des Dresdener
Gabinets findet. Bartsch beschreibt das Blatt zuerst im Werk des Meisters
E S und ein zweites Mal nach Heinecken im Appendix zu Israhel van Mecke-
nem. Er erkannte indess richtig die Identität beider Blätter.
13. Die Dame mit Helm und Bindenschild. B. VI. 36. 92. P. II.
45. 92. Vgl. Lehrs, Spielkarten p. 10. Photographie nach dem Abdruck in
Oxford. Lichtdruck bei Warnecke, Heraldische Kunstblätter Lief. 1, Bl. 4,
Fig. 17 und bei Wessely, Das Ornament Bd. I, Bl. 2, Nr. 2 nach dem Berliner,
Hochätzung in der Zeitschrift f. b. K. Neue Folge I, p. 325, Fig. 1 nach dem
Dresdener Exemplar.
Willshire^) beschreibt die Photographie nach dem Abdruck in Oxford
unter den Anonymen, führt aber das Original richtig beim Meister E S an ®).
Ueber die wiederholte Benutzung des flatternden Schleiers der Dame durch
den italienischen Stecher der Sibyllen vgl. meine Bemerkungen im Reper-
torium X. p. 99 und die Abbildungen der betreffenden Stiche in der Zeit-
schrift f. b. K. a. a. 0.
14. Der Buchstabe r. Gopie nach B, VI. 40. 100. P. II. 49. r. aus dem
Figuren-Alphabet. Das rechts stehende chimärische Thier hat im Oberkiefer
nur drei sichtbare Zähne, während man im Original deren sechs zählt.
143 : 113 mm PI. Unbeschrieben.
Vergl. Zeitschrift f. bild. Kunst, XXIV. p. 15.
*) Neue Nachrichten I. 472. 167.
*) Cat. II. 109. G. 139.
Ibid. 199. H. 93.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i, d. kleineren Sammlungen. 387
Der Frankfurter Abdruck hat wie jener der Albertina das W. des go-
thischen p mit der Blume. Eine -Photographie danach erschien in Gute-
kunst’s »Perlen mittelalterlicher Kunst« Bl. 25. Er stammt aus der Auction
Durazzo, wo er 1873 für 300 fl. als Original verkauft wurde. 1877 gelangte er
bei der Auction Knowles in Frankfurt a. M. für 710 Mk. an das Städel’sche
Institut, und galt daselbst früher für das Original des Meisters E S. Vgl. über
diese seltenen Gopien, von denen mir bisher 15 Buchstaben bekannt sind:
Duchesne, Voyage p. 109. Willshire, Gat. II. 212. 100. Lehrs, Der Meister
mit den Bandrollen p. 12, Anmerkung 5 und Repertorium XIII. 42 bei 1.
15. Vogel-Zwei aus dem grösseren Kartenspiel. P. II. p. 77. Lehrs
16. 7. Lichtdruck nach dem Dresdener Abdruck bei Lehrs Taf. XI, Fig. 27.
Sehr schöner, aber leider verschnittener Abdruck, Geschenk Passavanl’s. Ein
drittes Exemplar fand ich nach Erscheinen meines Buches in Bologna unter
den dort befindlichen 34 Karten des grösseren E S-Spieles®). Die von mir aus
technischen Gründen vorgenommene Zuweisung der Karte in eben dieses
Spiel findet dadurch ihre Bestätigung. Passavant betrachtet sie als dem Spiel
des Meisters der Spielkarten zugehörig.
Monogramm ist
16. Das Liebespaar. B. VI. 76. 21. nach dem Meister des Hausbuches.
Photographie in Gutekunst’s Perlen mittelalterlicher Kunst Nr. 60 nach dem
Abdruck der Sammlung Durazzo. Autotypie von der Autotype Gompany
Nr. 363 als »Bocholt« nach dem Londoner Exemplar. W, p mit der Blume.
Renouvier'^) erkannte zuerst, dass das Urbild dieser und der übrigen
Gopien derselben Darstellung der Stich vom Meister des Hausbuches sei.
Willshire ®) bezeichnet die Gopie vom Monogrammisten ^ g irriger Weise
als gleichseitig mit dem Original und gegenseitig zu den Gopien von Wenzel
von Olmütz und Israhel van Meckenem. Sie ist wie jene beiden im Gegen-
sinne des Originals gestochen.
17. Der Bauer mit dem leeren Schild und dem Knoblauch. B. VI.
74. 17. Heinecken®) beschreibt den Stich unter Nr. 8, und unter Nr. 9 »einen
Bauer, welcher sich im Kopfe kratzet, und zwischen seinen Beinen ein alles
leeres Wappenschild hält«. Nagler '®) hat diese Beschreibung aufgenommen,
spricht aber von einer Frau. Jedenfalls ist der Stich identisch mit B. 17
und nur aus Versehen von Heinecken doppelt aufgeführt. Der sonderbare
Ausdruck: »sich im Kopfe kratzet« legt die Vermulhung nahe, dass es heissen
sollte: »sich im Busen kratzet«, und dann würde die Beschreibung voll-
kommen passen. Die P’undort- Angabe: »Dresden« bei Harzen beruht auf
einem Irrthum.
®) Vergl. Zeitschrift f. bild. Kunst, XXIV. p. 16.
^) Histoire p. 154.
®) Gat. II. 388. 3.
®) Neue Nachrichten I. p. 367.
Monogrammisten II. 2079. 32.
”) Naumann’s Archiv VI. 116. 140.
388
Max Lehrs :
18. Die Bäuerin mit dem leeren Schild und dem Glas. P. II. 121.
30. Lichtdruck bei Warnecke, Heraldische Kunstblätter Lief. I, Bl. 18, Fig. 19
(verkleinert) und bei Wessely, das Ornament Bd. I, Bl. 9, Nr. 23 nach dem
Berliner Abdruck. Gegenstück zu Nr. 17 und wie jenes offenbar Copie nach
einem verlorenen Original vom Meister des Hausbuches.
lieber eine gegenseitige Holzschnitt ■ Copie des 16. Jahrhunderts in
Wolfegg vgl. Repertorium XL 53. 8.
19. Die Wappen der Familien v. Rohrbach und v. Holzhausen.
P. II. 123. 40. Lehrs, Kat. des Germ. Museums 28. 85. Moderner Abdruck.
Martin Schongauer.
20. Der Engel Gabriel. B. 1.** Von Prestel erworben.
21. Die hl. Jungfrau. B. 2.*** 1819 auf der Auction Hohwiesner in
Frankfurt a. M. gekauft.
22. Die Verkündigung. B. 3.*** W. Profilkopf. Sammlung Loftie.
1881 auf Gutekunst’s Auction XXV in Stuttgart durch Prestel für 2060 Mk.
erworben.
23. Die Geburt Christi. B. 4.*** W. Ochsenkopf mit Stange und
Stern. 1857 auf der Auction Schenk und Gerstäcker in Leipzig für 46 Thlr.
erworben. Der Abdruck stammt aus der Sammlung Weber.
24. Die Geburt Christi. B. 5.* 1839 auf der Auction Cicognara in
Wien für 15 fl. gekauft.
25. Die Anbetung der Könige. B. 6. Zwei Exemplare, beide von
Harzen erworben.
a) I. Etat.*** W. kleiner Ochsenkopf mit Stange und Stern.
b) III. Etat. Die Jahreszahl 1482 ist ausradirt. W. Reichsadler. Aus
der Sammlung Reinermann.
26. Die Flucht nach Egypten. B. 7.** W. kleiner Ochsenkopf mit
Stange und Stern. Angeblich aus der Sammlung Böhm.
27. Die Taufe Christi. B. 8. W. breites p mit der Blume. 1838
auf der Auction Sternberg -Manderscheid in Dresden für 12 Thlr. 4 Ngr. er-
worben.
28 — 39. Die Passion. Folge von 12 Blatt B. 9 — 20.
28. Das Gebet am Oelberg. B. 9.** Das Monogramm ist abge-
schnitten. W. D mit dem Kreuz. 1871 auf der Auction der Berliner Doubletten
für 124 Thlr. erworben, aus der Sammlung Weber.
29. Die Gefangennahme. B. 10.** Geschenk Passavant’s, aus der
Sammlung Weber.
30. Christus vor Annas. B. 11.** W. kleiner Ochsenkopf mit dem
Antoniuskreuz. Geschenk Passavant’s.
31. Die Geisselung. B. 12. W, breiter Ochsenkopf mit Stange und
Blumen an den Hörnern. 1838 Auction Sternberg-Manderscheid: 11 Thlr. 8 Ngr.
32. Die Dornenkrönung. B. 13.**
33. Christus vor Pilatus. B. 14.*** 1869 von Prestel erworben.
W. D mit dem Kreuz.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh, i. d. kleineren Sammlungen. 389
34. Christus wird dem Volke gezeigt. B. 15.** W. Profilkopf.
1843 auf der Auction Würtemberg in Dresden erworben.
35. Die Kreuztragung. B. 16.*** W. D mit dem Kreuz. 1871
Auction der Berliner Doubletten: 124 Thlr. durch Delisle-Prestel.
36. Christus am Kreuz. B. 17.** W. Profilkopf. 1855 auf der
Auction W^eber in Leipzig für 43 Thlr. 15 Ngr. erworben.
37. Die Grablegung. B. 18.* Von Prestel gekauft.
38. Die Höllenfahrt. B. 19.** 1865 auf der Auction Böhm in Wien
für 104 fl. erstanden.
39. Die Auferstehung. B. 20.* W. bekrönter Schild mit einer Sonne.
Von Harzen erworben.
40. Die Kreuztragung. B. 21.** W. Profilkopf. 1869 auf der Auction
Alferoff in München für 760 fl. durch Prestel gekauft.
41. Christus am Kreuz. B. 22.** Stark restaurirt und aufgezogen.
1839 Auction Cicognara: 18 fl.
42. Christus am Kreuz. B. 24.** Total restaurirt. 1819 Auction
Hohwiesner.
43. Christus am Kreuz mit vier Engeln. B. 25. Stark restaurirt.
W. grosses p mit der Blume. Sammlung Benucci.
44. Christus erscheint der Magdalena. B. 26.** S. v. Bermann.
45. Die Madonna mit dem Apfel. B. 28.** 1839 Auction Cicog-
nara: 23 fl. 30 kr.
46. Die Madonna mit dem Papagei. B. 29. Restaurirt. 1839 eben-
da: 9 fl. 3 kr.
47. Die Madonna auf der Rasenbank. B. 30.*** 1885 auf der
Auction Eugen Felix in Berlin für 295 Mk. durch Franz Meyer erworben. Der
Abdruck stammt aus der Auction Firmin-Didot , wo er 1877 mit 255 Fr. be-
zahlt wurde.
48. Die Madonna auf der Mondsichel von zwei Engeln gekrönt.
B. 31. Von Harzen erworben.
49. Die Madonna im Hofe. B. 32.* Von Weber gekauft.
50. Der Tod Mariä. B. 33.** I. Et. W. kleiner Ochsenkopf mit Stange
und Stern. Von Prestel erworben.
51 — 62. Die zwölf Apostel. Folge von 12 Blatt B. 34 — 45. Nur
B. 44**, die übrigen gering. B. 34 von Linck, B. 39 von Börner, B. 36 u. 45
von Artaria erworben, B. 37 und 40—44 aus der Sammlung Hohwiesner,
B. 35 und 38 aus der Sammlung Hodges.
63. St. Antonius. B. 46.** Von Prestel gekauft.
64. St. Antonius von Dämonen gepeinigt. B. 47.*** W. kleiner
Ochsenkopf mit Stange und Stern. Von demselben.
65. St. Antonius von Dämonen gepeinigt. P. II. 111. 47. Cop. Vgl.
Repertorium XII. 275. 88. Zwei Exemplare.
a) Guter älter Abdruck, W. grosse Lilie.
b) Neuerer Abdruck, W. grosses bekröntes Wappen. Ein Exemplar aus
der Sammlung Brönner.
390
Max Lehrs:
66. St. Christoph. B. 48.** W. Ochsenkopf mit dem Antoniuskreuz.
Von Prestel erworben.
67. St. Stephan. B. 49.** 1868 von demselben für 70 fl.
68. St. Georg. B. 50.** 1873 auf der Auction Durazzo iu Stuttgart
durch Prestel für 405 fl. gekauft.
69. St. Georg. B. 51. Von Harzen erworben.
70. St. Johannes Bapt. B. 54.*** 1863 auf der Auction Endris in
München durch Prestel für 110 fl. erstanden. Der Stich trägt den Fagan
unbekannten Stempel: ^
71. St. Johannes auf Pathmos. B. 55.** 1851 auf der Auction
V. Kirschbaum in München für 40 fl. gekauft.
72. St. Laurentius. B. 56. W. p mit der Blume. Geschenk Passa-
vant’s. Der Abdruck trägt einen Fagan unbekannten Sammlerstempel.
' 73. St. Martin. B. 57.*** 1855 Auction Weber: 74 Thlr. 10 Ngr.
74. St. Michael. B. 58.* Sehr stark restaurirt. W. kleiner Ochsen-
kopf. Sammlung Benucci.
75. St. Sebastian. B. 59.* W. p mit der Blume. 1868 von Prestel
für 80 fl. erworben.
• 76. St. Augustin. B. 61.*** Remargirt. Angeblich aus der Samm-
lung Böhm.
77. S. Agnes. B. 62.** 1873 Auction Durazzo: 380 fl. durch Gutekunst.
78. S. Gatharina. B. 64.*** 1871 auf der Auction Keller in Stutt-
gart für 410 fl. erworben.
79. S. Gatharina. B. 65.** Geschenk Passavant’s.
80. Das segnende Jesuskind. B. 67.* Die oberen Ecken ergänzt.
Sammlung v. Nagler. 1886 auf der Auction der Berliner Doubletten durch
Franz Meyer für 1000 Mk. erworben.
81. Der segnende Heiland. B.68. Restaurirt. 1819 Auction Hohwiesner.
82 Der Schmerzensmann zwischen Maria und Johannes. B. 69.
11. Berliner Doublette, aus der Sammlung von Derschau. Von Amsler und
Ruthardt erworben.
83. Der thronende Heiland. B. 70.*** I. Et.
84. Der Heiland segnet die Jungfrau. B. 71.** W. kleiner Ochsen-
kopf mit dem Antoniuskreuz. 1851 Auction v. Kirschbaum: 59 fl. 50 kr.
85. Der Heiland krönt die Jungfrau. B. 72.* Restaurirt. Von
Harzen erworben.
86 — 89. Die vier Evangelistensymbole. Folge von vier Blatt. B. 73
bis 76. Die beiden ersten Blätter B. 73 und 74**, B. 75 und 76 gering,
'ersteres von Börner, letzteres von Harzen erworben.
90—99. Die fünf klugen und thörichten Jungfrauen. Folge von
10 Blatt. B. 77-86. B. 80 und 81,*** B.77— 79, 82, 83, 85, 86.** B. 84.*
B. 77 von Harzen erworben. W. bei B. 79 der Stern vom kleinen Ochsen-
kopf, bei B. 81 grosser Ochsenkopf.
100. Eine der thörichten Jungfrauen in Halbfigur. B. 87.**
Berliner Doublette. Von Prestel erworben.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 391
101. Der Auszug zum Markte. B. 88. Restaurirt, und die rechte
untere Ecke ergänzt.
102. Der Müller. B. 89. W. ? Fragment. 1873 Auction Durazzo:
100 fl. durch Gutekunst.
103. Der Elephant. B. 92.** Remargirt. 1886 Auction der Berliner
Doubletten: 306 Mk. durch Franz Meyer. Aus der Sammlung v. Nagler.
104. Der Greif. B.93. Berliner Doublette, aus der Sammlung von Nagler.
1876 auf der Auction v. Liphart in Leipzig durch Prestel für 150 Mk. erworben.
105. Die Schweine. B. 95.*** Von Weber erworben.
106. Wappenschild mit dem Leoparden, von einem Engel
gehalten. B. 96.*** Sammlung Hodges.
107. Wappenschild mit dem Einhorn, von einer Dame gehal-
ten. B. 97.*** W. Dreiberg. Abdruck mit breitem Rand. Sammlung Hodges.
108. Wappenschild mit dem Schwan, von einer Dame ge-
halten. B. 98.** *1839 Auction Cicognara: 17 fl.
109. Wappenschild mit drei Sternen, von einer Dame ge-
halten. B. 99.** Sammlung Hodges.
110. Wappenschild mit dem Löwenkopf, gehalten von einer
wilden Frau. B. 100,*** Sammlung Hodges,
111. Zwei Wappenschilde mit Greifenfuss und Hahn, von
einem Türken gehalten. B. 101. 1839 Auction Cicognara: 10 fl.
112. Wappenschild mit dem Flug, von einem Bauern ge-
halten. B. 102.** Abdruck mit vollem Rand. Sammlung Hodges.
113. Wappenschild mit dem Windhund, gehalten von einem wil-
den Mann. B.103.*** Ebenfalls mit vollem Rand. W.? Fragment. Samml. Hodges.
114. Wappenschild mit dem Hirsch, gehalten von einem wil-
den Mann. B. 104.*** Abdruck mit vollem Rand. Sammlung Hodges.
115. Zwei Wappenschilde mit dem Hasen und Mohrenkopf,
gehalten von einem wilden Mann. B. 105. Sammlung Hodges.
116. Der Bischofstab. B. 106.** Von Harzen erworben.
117. Das Rauchfass. B. 107.*** W. kleiner Ochsenkopf mit Stange
und Stern. 1864 von Prestel für 466 ft. 40 kr. erworben.
118. Ornament mit einer Eule. B. 108.** Geschenk Passavant’s.
Sammlung Fürst Paar.
119. Gothisches Ornamentblatt. B. 110.*** W. ? Fragment. 1886
Auction der Berliner Doubletten: 700 Mk. Aus der Sammlung v. Nagler.
120. Gothisches Ornamentblatt. B. 112.*** Von Harzen erworben.
121. Querfüllung mit Papageien und anderen Vögeln. B. 114.*
Stark restaurirt. 1873 Auction Durazzo: 150 fl.
122. Ornament mit Hopfenranken. B. 115.*** 1876 Auction v. Lip-
hart: 990 Mk, durch Prestel.
Blätter mit Schongauer’s Zeichen.
123. St. Jacobus major besiegt die Ungläubigen. B. VI. 143.53.
und 180. 62. P. II. 112. 53.
392
Max Lehrs:
Prachtvoller Abdruck des I. Etats. 1867 auf der Auction Harrach in
Paris für 1450 Fr. erworben.
124. Die Kupplerin. B. VI. 174. 15. und 180. 60. Nachstich bei
Ottley, Collection PI. 42. Vgl. Repertorium XI. 233. 6. Moderner Abdruck.
Meister BM
125. Das Urtheil Salomonis. B. VI. 392. 1. P. II. 124. 1. Reper-
torium XII. 30. 27. I. Et. W. Hohe Krone. Geschenk Passavant’s.
126. Die Madonna auf der Rasenbank nach rechts gewendet.
P. II. 125. 7. Geschenk Passavant’s.
Monogrammist
127—137. Die Passion. Folge von 12 Blatt. B. VI. 345. 2—13. Re-
pertorium IX. 6. 9—20 und 378. 9 — 20 und XII. 32. 41 — 48. II. Etat. B. 12 fehlt.
138. Die Höllenfahrt. Betrügliche Gopie ‘nach B. 12 der vorstehen-
den Folge. Repertorium IX. 378. 11.
139. Christus am Kreuz. B. 14. Repertorium IX. 6. 7. und 378. 7.
und XII. 339. 100. Restaurirt. Photographie von Braun Nr. 179 (Dresden).
Autotypie von der Autotype Company Nr. 346 (London).
Dieser schöne Stich scheint nach einer Zeichnung oder einem Gemälde
Schongauer’s gefertigt zu sein.
140. St. Georg. B.VI. 142.52. Repertor. IX. 5. 6. Geschenk Passavant’s.
141. Wappen des Fürstbischofs Rudolph II. von Scherenberg
und des Domkapitels zu Würzburg. B. X. 56. 34. P. II. 128. 32. Reper-
torium IX. 2. 2. und 377. 2. und XII. 21. 1. Abdruck aus dem Würzburger
Missale von 1484 mit 15 Zeilen Text über der Darstellung.
Monogrammist W /K H
142. St. Simon. B. 22. P. 22. Blatt 11 aus der Apostelfolge. B. VI.
403. 13—24. P. II. 129. 13-24. Repertorium IX. 18. 13—24 und 381. 13—24
nach Schongauer. Moderner Abdruck.
143. Wappen des Domkapitels zu Eichstädt und des Bischofs
Wilhelm von Reichenau. P. II. 131. 33. Repertorium IX. 13. 2. und 379, 2,
Abdruck aus dem Missale von 1484 mit dem siebenzeiligen Privileg des
Bischofs vom 20. März über dem Stich.
Wenzel von Olmütz.
144. Die Geisselung. B. 7. P. 7. Lehrs 18. Blatt 4 aus der Passions-
folge B. VI. 321.4 — 15. Lehrs 15 — 26 nach Schongauer. Moderner Abdruck
in lichtgrüner Farbe, Geschenk Passavant’s.
145. Das Martyrium des hl. Bartholomäus. B, VI. 330. 25. P. II.
133. 25. Lehrs 45. Alter Abdruck. Geschenk Passavant’s.
146. Das Martyrium des hl. Sebastians. Die betrügliche Gopie.
Lehrs 53 a.
147. Die Zigeunerfamilie. P. II. 136. 73. Lehrs 60 nach dem
Meister des Hausbuches. Lichtdruck nach dem Exemplar der Albertina bei
Lehrs Taf. II. Fig. 5. Moderner Abdruck, von Passavant geschenkt.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh, i. d. kleineren Sammlungen. 393
148. Die Wirthin und der Koch. P. II. 137. 76. Lehrs 64 nach
Dürer. Alter Abdruck, restaurirt.
149. Der Spaziergang. B. VI. 337. 50. Lehrs 69 nach Dürer. Licht-
druck nach dem Abdruck des Dresdener Gabinets bei Lehrs Taf. XI. Fig. 22.
Moderner Abdruck.
150. Der Traum. B. VI. 337. 49. Lehrs 70 nach Dürer. Moderner
Abdruck.
151. Die vier nackten Weiber. B. VI. 338. 51. Lehrs 71 nach Dürer.
Moderner Abdruck.
Monogrammist M
152. Der Raub der Amymone. P. II. 208. 9 und IV. 132. 18 nach
Dürer. I. Etat. Chronik für vervielfältigende Kunst II. (1889) 92. 12.
Mair von Landshut.
153. Dalila scheert dem schlafenden Simson die Haare. B. VI.
363. 3. P. II. 157. 3. Wohl das schönste Exemplar dieses anmuthigen Stiches
auf grün grundirtem Papier mit gelben und weissen Lichtern. Der Himmel
ist blau angedeutet, und ein rothgelber Streif am Horizont verkündet die
Morgendämmerung. W. grosser Ochsenkopf mit der Schlange am Kreuz. 1851
der Auction v. Kirschbaum in München für 66 fl, 6 kr. erworben.
154. Die Geburt Christi. B. VI. 364. 4. P. II. 157. 4. Autotypie von
der Autotype Company Nr. 359 (London). Heliogravüre Amand-Durand Nr. 37
(Rouen, S. Dutuit). Lichtdruck im Katalog Goppenrath. Geschenk Passavant’s.
155. Die Begrüssung an der Hausthür. B. VI. p. 370. P. II. 157. 13.
Die betrügliche Gopie. Vgl. Repertorium XII. 33. 54,
Meister /\
156. Salomo’s Götzendienst. B. 1. Sammlung Fries.
157. Die Madonna am Röhrbrunnen. B. 2. Sammlung Esdaile.
158. Die Königssöhne, welche nach dem Leichnam ihres Va-
ters schiessen, B. 4.
159. Dieselbe Darstellung. Betrügliche Gopie. P. II. 170.4. Cop.
Passavant gibt die Merkmale dieser sehr genauen Gopie nicht an Man
erkennt sie am Fehlen des Fensters am Kirchthurm links unter den Federn
des Baretts. Auch ist im Kahn ganz links noch ein Mann hinzugefügt.
170 : 239 mm PI. Der Druck ist, wie gewöhnlich, von bräunlicher Farbe.
160. St. Christoph. B. 7.** Geschenk Passavant’s.
161. Das Martyrium der hl. Gatharina. B. 8.
162. S. Ursula. B. 10,
163. S. Ursula. B, 10. Die betrügliche Gopie.
164. S. Gatharina. B. 11. Geschenk von G. Malss.
165. Der Ball. B. 13.
166. Das Turnier. B. 14.
) Nagler (Künstlerlexikon XXII. 178. 4.) meint vielleicht die Copie, wenn
er von neuen Abdrücken der Originalplatte spricht.
394
Max Lehrs:
167. Die Umarmung, B. 15.**
168. Das Liebespaar. B, 16.**
169. Memento mori. B. 17.*
170. Aristoteles und Phyllis. B. 18. Remargirt.
171. Das reitende Paar. B. 19.
172. Die vier Krieger. B. 20.***
173. Die Frau mit der Eule. B. 21.
174. Die Frau mit der Eule. B. 21. Die betrügliche Copie.
B. Niederdeutsche und niederländische Meister.
Meister der Liebesgärten.
175. * Die Auferstehung. P. II. 16. 15, Lehrs, Der Meister mit den
Bandrollen p. 20, Anm. 2 und 30. 2 und p. 34, Anm. 3. Lehrs, Kat. des
Germ. M. p. 12. Der, wie es scheint, retouchirte Abdruck stammt aus der
Sammlung Kindlinger in Mainz, aus der ihn Sotzmann erwarb. 1861 kaufte
ihn Passavant für 34 Thlr. auf der Auction Sotzmann in Leipzig und schenkte
ihn dem Städel’schen Institut.
Sotzmann schrieb das Blatt mit grosser Entschiedenheit dem Meister
mit den Bandrollen zu. Passavant nahm es in dessen Werk auf, sagt aber,
die Arbeit sei gröber und rühre vielleicht von einem seiner Schüler her.
Ich kann keinerlei Zusammenhang mit den Stichen des Bandrollen-Meisters
entdecken und erkenne darin vielmehr eine charakteristische Arbeit des
Meisters der Liebesgärten. Schon der schwarze Druck spricht gegen die
Autorschaft des Bandrollen-Meisters, während man die Manier des Meisters
der Liebesgärten in Technik, Typen und Zeichnung mit untrüglicher Deut-
lichkeit erkennt. Es sind seine Pflanzen, seine Bäume mit ihren stark
markirten Stämmen, und die Tracht und Bewaffnung der Wächter entspricht
genau der auf seinen anderen Stichen. Man vergleiche z. B. die Schuhe mit
ihrer seitlichen Verschnürung. Auch kleben die Figuren, wie bei allen Stichen
des Meisters, am Grunde. Die vom herkömmlichen Typus abweichende Idee,
dass Christus aus dem geschlossenen und versiegelten Grabe steigt, entspricht
ebenfalls dem Hang zum Originellen, den wir z.B. in der Kreuztragung der Nürn-
berger Passion finden, wo das Gewand Christi mit Bleigewichten beschwert ist.
Eine Schrotschnitt-Copie nach dem Stich mit kleinen Veränderungen
(100 : 75 mm) findet sich in der von Pfister gedruckten Incunabel der Mün-
chener Staatsbibliothek P. I. p. 89 auf Bl. 16. Lichtdruck bei Muther, Bücher-
illustration II. Taf. 1. Vgl. Lehrs, Kat. des Germ. M. p. 12.
Eine ebenfalls veränderte Copie sah ich ferner auf einem achteckigen
Perlmutter-Relief im bayerischen Nationalmuseum (Erdgeschoss rechts Saal VII,
Schrank. 3). Dort fehlt der vierte Wächter links hinter dem Grab, und statt
dessen sieht man auf dem abgenommenen Sargdeckel einen betenden Engel.
Meister des hl. Erasmus.
176—178.* Die Passion. 3 Blatt aus einer Folge. P. III. 500. 264 bis
266. Geschenk Passavant’s.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 395
176. * Christi Einzug in Jerusalem. P. III. 500, 264.
177. * Die Kreuztragung. P. III. 501. 265.
178. * Die Kreuzabnahme. P. III. 501. 266. Auf der Rückseite dieses
links etwas defecten Blattes, das sich von den beiden anderen auch durch das
Fehlen der Einfassungslinie unterscheidet, fand sich ein fünfzeiliger lateinischer
Vers, der jetzt darunter geklebt ist.
Die Folge, aus welcher mir bis jetzt keine weiteren Blätter bekannt
sind, trägt ganz den Charakter der übrigen Stiche des Erasmus-Meisters und
wird auch von Passavant richtig um die Mitte des 15. Jahrhunderts angesetzt.
Die technische Behandlung ist aber zarter als sonst, und der Maassstab der
Figuren etwas grösser. Trotzdem entspricht die Plattengrösse ziemlich genau
den anderen Passions- und Heiligen-Folgen des Meisters.
179. Das Martyrium des hl. Erasmus. B. X. 26. 48. P. II. 231. 145
und III. 501. 267. I. Lehrs, Kat. des Germ. M. 13. 8. Moderner Abdruck.
Meister
180. St. Petrus. B. VI. 57. 1 und 308. 172. Blatt 1 aus der Folge
B. VI. 56, 1 — 12'. Photographie in Gutekunst’s Perlen mittelalterlicher Kunst
Nr. 75. Heliogravüre in Prints in the British Museum. New Series Part. II.
PI. XVIII. 1864 von Prestel erworben.
Heinecken citirt die Folge, aus welcher nur fünf AposteF'*) bekannt,
vielleicht auch nicht mehr gestochen sind, summarisch p. 385 und beschreibt
p. 473 die Apostel Petrus und Johannes, ohne der Chiffre zu gedenken (wahr-
scheinlich also nach verschnittenen Exemplaren), als »zweydeutige Blätter,
welche ebenfalls Israel von Mecheln zugeschrieben werden«. Bartsch hat sie
daher am Schluss seines Appendix zu Meckenem aufgeführt, den Petrus aber
als sitzend beschrieben, was zu Irrungen Anlass geben könnte. Heinecken
sagt richtig, dass der Apostel steht. Einen zweiten Irrthum hat v. Murr
verschuldet, wenn er schreibt: »Die Blätter mit WA dergleichen eines in
der Silberradischen Kunstsammlung mit dem hl. Petrus, und 9 Zoll hoch,
breit ist, sind ebenso wenig von Jakob Walch« (d. h. wie jene mit
)• Hier ist offenbar nur das Meisterzeichen für ein A gehalten, und
der fabelhafte Monogrammist W A spukt nach Murr’s Vorgang mit seinen
zwölf Aposteln zuerst bei Heinecken dann bei Heller ^9, Brulliot und
Nagler ^®)-
181. * St. Johannes Bapt. P. II. 280. 35. Der Abdruck trug auf der
Auction Ottley 1837: 1 £* 19 sh. und wurde 1850 auf der Auction Hawkins
'9 Neue Nachrichten I. p. 385. Nr. 1.
19 Petrus B. 1, Andreas B. 2, Johannes B. 4, Jacobus minor B. 9 und Bar-
tholomäus B. 6.
^9 Journal zur Kunstgeschichte II. p. 228.
^9 Neue Nachrichten I. p. 387.
^9 Monogr. p. 354.
^9 Dictionnaire II. Nr. 2709.
Monogrammisten V. Nr. 1527.
396
Max Lehrs:
für 1 £“ 6 sh. an Weber verkauft, von dem er wohl für das Städel’sche In-
stitut erworben wurde- Ein zweites Exemplar ist wenigstens bis jetzt nicht
bekannt. Ottley^®) beschreibt das Blatt irrig als Johannes Evang. und als
Arbeit des Meisters
182. St. Hieronymus. P'. II. 18.23. Lehrs, der Meister mit den Band-
rollen 29. 1 und p. 35.
Der Stich fand sich in einem Neuen Testament von 1499 in Würzburg
eingeklebt. W. grosser Ochsenkopf mit Stange und fünfblättriger Blume.
183. Das jüngste Gericht. B. VI. 356. 2. Meyer’s Künstler-Lexikon I.
96. 2. (W. Schmidt). Photographie von Braun Nr. 40 (Dresden, Sammlung
Friedrich August II.).
Geschenk PassavanPs.
184. Die Anbetung der, Könige. B. VI. 90. 1. Restaurirt. Photo-
graphie in Gutekunst’s Perlen n\tttelalterlicher Kunst, Nr. 56. Autotypie von
der Äutotype Company Nr. 362 '(als Meckenem). Lichtdruck in Prints and
Drawings in the British Museum Part. III. PI. XVI.
185. Der Galvarienberg. B. VI. 93. 6. III. Etat matt und restaurirt.
Photographie in Gutekunst’s Perlen mittelalterlicher Kunst Nr. 1. (S. Durand),
Heliogravüre Amand-Durand Livr. 18. (S. Dutuit) , Lichtdruck in Prints and
Drawings in the British Museum Part III. PI. XVII.
186. Der Kampf mit dem Centaur. B. VI. 307. 169. B. X. 60, 42.
P. II. 185.77. Abdruck von besonderer Schönheit, 1867 für 200 fl. von
Prestel erworben.
187. Die Versuchung Christi. B. VI. 361. 1. P. II. p. 288. Vgl. Re-
pertorium XI. 59. 109 und XII. p., 87.
Abdruck auf Papier mit der hohen Krone, 1871 auf der Auction Keller
in Stuttgart für 338 fl. erworben,
188. Christi Einzug in Jerusalem. B. VI. 361. 2. Lichtdruck im
Katalog Durazzo und in Prints and Drawings in the British Museum Part III.
PI. X. W. eine Art Wappen mit verkehrtem Türkenhut. Geschenk Passavant’s
aus den Sammlungen Ackermann und Weber. Auf ersterer Auction 1853
erzielte der Stich 72 Thlr., auf letzterer 1855: 97 Thlr.
189. Die säugende Madonna von zwei Engeln gekrönt. Copie
nach P. II. 289. 5. Der linke Flügel des links schwebenden Engels kreuzt
den rechten Flügel des and.eren, was im Original nicht der Fall ist. Am
Boden nur links eine einzelne Blattpflanze. 65 mm Durchm. Bl. P. II. 84. 17.
Weigel und Zestermann II. 369. 432.
Meister mit den ßandrollen.
Alart du Hameel.
Meister lAS von Zwolle.
Inquiry II. 264. 12.’
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 397
Mittelmässige Arbeit von magerer Zeichnung, die Passavant und Weigel
ohne ersichtlichen Grund der Schule des Meisters ES beizählen, da sie die
Abhängigkeit von dem Stich des Meisters L. • • nicht erkannten. Viel-
leicht gehört die Gopie schon dem 16. Jahrhundert an. Sie zeigt wenigstens
auffallende Aehnlichkeit in Zeichnung und Technik mit der Manier des Mono-
grammislen PM, besonders mit dessen Passionsfolge P. IV. p. 111 aus der
Sammlung Sternberg-Manderscheid, jetzt in der Sammlung Friedrich August II.
zu Dresden.
Der unregelmässig rund ausgeschnittene Abdruck mit dem W. eines
kleinen Ochsenkopfes stammt wie die anonymen Blätter Nr. 247, 248 und 251
aus einer oberdeutschen Handschrift. Er ist mit Violettbraun, Grün, Blau,
Roth, Gelbbraun und Fleischfarbe colorirt und von einem zinnoberrothen Rand
umgeben.
Weigel spricht auch von einer zweiten Pflanze mit acht Blättern rechts,
welche in Frankfurt fehlt. Ueber den Verbleib des ebenfalls colorirten Exem-
plares der V/eigeliana ist mir leider nichts bekannt. Es wurde 1872 auf der
Auction Weigel für 61 Thlr. an Amsler verkauft und trug 1877 bei der Auction
Heimsöth in Frankfurt a. M. 65 M.
Meister PM
190. Der Kindermord zu Bethlehem. P. II. 81. 1 und 213. 12. Vgl.
Repertorium X. p. 103 und XIII. p. 41.
Dass dieser und der folgende Stich (Nr. 191) vom Meister PM her-
rühren, obwohl sie beide nicht dessen Monogramm tragen, habe ich bereits
im Repertorium a. a. 0. ausgesprochen. Wie beim Schmerzensmann (B. VI.
415. 1) ist auch im Kindermord die Zeichnung vortrefflich, namentlich bei
den Kindern. Dagegen macht sich in der Composition auch hier eine ge-
wisse Steifheit und Ungelenkigkeit bemerkbar, sie ist wenig bewegt und der
Ausdruck der Köpfe ziemlich leblos, Schongauer’s Einfluss im Uebrigen un-
verkennbar. Der Abdruck im British Museum trägt an der Mauer bei dem
Knie des Herodes das mit Tinte hinzugefügte Monogramm . Passa-
vant beschreibt ihn daher unter dieser Chiffre zusammen mit einer ebenso oder
ähnlich bezeichneten gegenseitigen Gopie nach Schongauer’s Jacobus major
B. 36^') und Willshire der das Monogramm gleichfalls für eingestochen
hielt, führt den Stich gar im Werk des Meisters ES auf^^). Das Frankfurter
^9 Diese Gopie ist sehr roh und kann unmöglich von derselben Hand her-
rühren wie der Kindermord. Sie gehört vielmehr wahrscheinlich schon ins 16. Jahr-
hundert.
29 Cat. II. 164. H. 24.
) Willshire meint, das Blatt sei vielleicht eine Gopie von der Hand eines
E S-Schülers, der die Chiffre seines Meisters in dieser ungenauen Form darauf ge-
setzt habe. Das Monogramm mit verkehrtem E findet sich aber auf einem Stich
des E S, nämlich der Madonna mit dem Apfel (B. 29) und nach diesem hat es
wohl ein ehemaliger Besitzer des Kindermordes auf seinen Stich gesetzt.
398
Max Lehrs:
Exemplar, ein Geschenk Passavant’s, muss dieser selbst bei Abfassung seines
Peintre-Graveur noch nicht gekannt haben, denn er führt es offenbar nach
Quandt’s Verzeichniss unter den Anonymen auf und giebt die Breite wie
dort irrig mit 11" an, ohne der Höhe zu gedenken und ohne die Identität
des Stiches mit dem im British Museum zu erkennen. Das Exemplar trägt
unten rechts die Bezeichnung »Qdt«, ist also das gleiche. Passavant erwarb
es 1860 auf der Auction v. Quandt in Leipzig für 26 Thlr. Ob das derselbe
Abdruck sei, welcher 1825 auf der Auction Lloyd für 2 £ 17 sh. an Wood-
burn verkauft wurde und 1828 wieder auf der Auction Wilson vorkam, weiss
ich nicht zu sagen.
191. * Der Calvarienberg. Der dornengekrönte Heiland mit ein
wenig nach links flatterndem Lendentuch hängt an dem egyptischen, mit dem
Majuskeltitulus versehenen Kreuz. Links, ihm zugewendet, der gute, rechts,
abgewendet, aber sich nach Christus umblickend, der böse Schächer. Beide
sind mit den Armen über die Querhölzer ihrer Naturkreuze gebunden, auch
die Füsse sind mit Stricken befestigt. Der Erdboden und der untere Theil
der drei Kreuze fehlt. Unbezeichnet. 223 : 170 mm Bl. Repertorium X.
p. 103 und Xlll. p. 41.
Köstliche Arbeit, wahrscheinlich nur Fragment einer grösseren Com-
Position, und von derselben silbergrauen Druckfarbe wie die übrigen Blätter
des Meisters. W. V mit der Blume. Der Stich wurde 1872 auf der Auction
Durazzo für 293 fl. erworben.
Monogrammist
192. * Die Vorbereitungen zur Kreuzigung. P. II. 166. 1.
1853 auf der Auction Sprickmann-Kerkerinck in Leipzig für 2 Thlr.
erworben. Das Monogramm ist im Katalog Sprickmann-Kerkerinck (Nr. 25)
als B mit einem Schmetterling gegeben, scheint aber aus den Buchstaben B
und W zu bestehen. Leider ist die Form des zweiten Zeichens nicht mehr
festzustellen, da gerade an dieser Stelle der Museumsstempel durchgewachsen
ist. Die Platte hat eine unregelmässig achteckige Form. Prof. Sprickmann
fand den Stich in einem Missale von 1488 eingeklebt. Nagler ergeht sich
in allerlei Vermuthungen über die Technik des Blättchens und dessen Stecher,
den er bald für einen schwachen Nachahmer Schongauer’s, bald für älter als
Schongauer hält. Sprickmann, Nagler und Passavant haben aber nicht be-
merkt, dass sich die Darstellung genau im Gegensinne zu dem ersten Rund
auf Israhel’s van Meckenem Stich B. 151 verhält Wahrscheinlich liegt
beiden Stichen ein unbekanntes besseres Original zu Grunde.
Verzeichniss meiner Kupferstichsammlung Nr. 2.
“) Die Maasse betragen 162:263 mm. Bl.
*®) Monogrammisten 1. Nr. 1537.
”) Dass die Seitenwunde Christi auf dem Frankfurter Stich schon vor der
Kreuzigung vorhanden, während sie bei Israhel van Meckenem naturgemäss fehlt,
könnte als eine unüberlegte Zuthat des Copisten aufgefasst werden.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh, i, d. kleineren Sammlungen. 399
Meister FVB
193. Das Urtheil Salomonis. B. VI. 81. 2. Photographie von Braun
Nr. 204 (Dresden, Kab.). Heliogravüre Amand-Durand Livr. 7. (Rouen, S.
DutuiO. Autotypie von der Autotype Company Nr. 368 (London). Lichtdruck
in Prints and Dra\vings in the British Museum Part III. PI. XIII.
Die Gomposition lehnt sich stark an den älteren Stich des Meisters
ES (B. 7) an. Besonders haben dem Stecher die beiden Mütter mit ihren
Kindern im Vordergründe zum Vorbild gedient. Auch Typus und Haltung des
Königs bieten mancherlei Analogien. Den Einfluss des Dirk Bouts, welchen
Waagen"") in den Köpfen und den etwas langen Verhältnissen beobachtet
haben will, vermag ich aber nicht darin zu erkennen. Einige Motive, wie die
Haltung des Salomo, die Frau mit dem lebenden Kind, der grüssende Henker
sind für den Holzschnitt in der Schedel’schen Weltchronik Bl. 47 verso benutzt.
194. Die Verkündigung. B.Vl. 81. 3. Photographie von Braun Nr.205
(Dresden). Autotypie von der Autotype Company Nr. 364 (London). Licht-
druck in Prints and Drawings in the British Museum Part III. PI. XIV.
1876 auf der Auction v. Liphart in Leipzig für 1550 M. erworben.
Waagen"®) macht bereits darauf aufmerksam, dass sich der Meister bei
diesem Stich unter dem Eindruck des rechten Flügels vom Lucas-Altar des
Rogier van der Weyden in der Münchener Pinakothek (Nr. 102) befunden
habe. Und in der That zeigt besonders der Engel und einiges Beiwerk wie
das Bett am Fenster auffallend starke Beziehungen zu dem Bilde®”). Wenn
Rathgeber® 9 aber direct behauptet, der Stich sei nach einem Bilde der
van Eyck’schen Schule copirt, so ist das ein Irrthum.
195—197. Christus und die zwölf Apostel. 3 Blatt aus der Folge
B. VI. 82. 5— 17.
195. Der Heiland. B. 5 mit dem Sammlerzeichen Mllgn.
196. Paulus. B. 13. 1874 Auction Marx in Leipzig: 202 Thlr durch
Prestel.
197. Jacobus major. B. 8. Geschenk Passavant’s, der das Blatt 1851
auf der Auction Kirschbaum in München für 50^2 fl. erwarb.
198. St. Christoph. P. II. 188.^46. Repertorium XIV. 207. 55.
Der Abdruck ist oben verschnitten und die Einfassungslinie ergänzt.
Er wurde 1866 von Prestel erworben.
Passavant, der nur das Londoner Exempjar kannte, — ich fand ein
drittes in Bassano — schrieb den Stich ebenso wie Evans®") dem Meister mit
aller Bestimmtheit zu, und man kann dem nur beistimmen. Vielleicht stand
"") Kunstdenkmäler in Wien II. 249. 890 a.
"9 Ibid. II. 250. 891.
”j Dass die sehr ausgebildeten Einzelheiten der Zimmereinrichtung Dürer
für seinen Hieronymus im Gehaus zum Vorbild dienten , wie derselbe Autor will,
scheint mir etwas gesucht.
®9 Annalen p. 24.
) Additional notes to Bartsch Nr. 288. Zuerst wird das Blatt von Waagen
(Treasures of art I. p. 289) erwähnt und aus stilistischen Gründen, sowie wegen
400
Max Lehre:
das Monogramm wie bei anderen Stichen des FVB unten ausserhalb der
Einfassung. Die Exemplare in Bassano und London sind verschnitten.
Israhel van Meckenem.
199. Judith. B. 4.* II. Et. W. p mit der Blume. Sammlung Durand.
200. Die Enthauptung Johannes des Täufers. B. 8. 1. Et. ringsum
verschnitten. W. Wappen mit einem Kreuz darüber.
201— 201b. Die Passion. Drei Blatt aus der Folge B. 10—21.
201. Christus vor Gaiphas. B. 12. I. Et. Restaurirt. W. p mit
der Blume.
201a. Christus vor Pilatus. B. 15. I. Restaurirt. Erworben 1891
auf Gutekunst’s Auction XLllI in Stuttgart für 72 Mk.
201b. Die Beweinung Christi. B. 19. II. mit dem Sammlerstempel
Fagan 354. Ebenda für 89 Mk. gekauft.
202. Christus am Kreuz mit vier Engeln. B. 28.** II. Etat. W.
Hand mit Blume. Bartsch kennt nur zwei Plattenzustände, es gibt aber
ihrer drei.
I. Der dunkle Grund wird durch zwei Strichlagen, eine horizontale
und eine nach rechts geneigte gebildet, auf welche die Figuren ihre Schlag-
schatten werfen.
II. Der Grund ist mit einer dritten, derben, nach links geneigten Schraf-
firung gedeckt, die ihn gleichmässig überzieht und die Schlagschatten rechts
neben den Figuren noch schwach erkennen lässt.
III. Eine brutal gezogene vierte, vertikale Strichlage bedeckt den ganzen
Grund. Die Schlagschatten sind nicht mehr sichtbar.
Auf allen drei Etats erkennt man, dass Israhel den Titulus zuerst ver-
kehrt stach und dann die beiden mittleren Buchstaben änderte, indem er aus
dem R ein N und aus dem N ein R machte.
203—205. Das Leben Mariä. 3 Blatt aus der Folge B. 30—41 nach
Hans Holbein dem Aelteren.
203. Mariä Tempelgang. B. 32.* W. p mit der Blume.
204. Die Vermählung Mariä. B. 33.** W. Lilienwappen. Remargirt.
205. Die Geburt Christi. B. 35.** W. p mit der Blume. Remargirt.
Dabei ein zweiter ganz moderner Abdruck der angeblich noch in Frankfurt
befindlichen Platte, Geschenk von Gustav Stofferan. Es scheinen nur wenig
neuere Abdrücke gemacht worden zu sein. Ich habe wenigstens nie einen
anderen als den Frankfurter gesehen.
206. Die Madonna auf der Mondsichel von fünf Engeln um-
geben und von den Ständen der Christenheit verehrt (Rosen-
kranzbild). B. 48. \V. p mit der Blume. 1873 auf der Auction Durazzo für
205 fl. erworben. Autotypie von der Autotype Company Nr. 331 (London).
Nach dem im Unterrand stehenden fünfzehnjährigen Ablass Papst Sixtus IV.
seiner compositionellen Aehnlichkeit mit einem Bilde von Memling in der Galerie
Arenberg zu Brüssel für niederländisch erklärt.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 401
muss dieser Stich wohl wie ß.42 und B. X. 14. 9. in die Jahre 1471 bis 1484
fallen, während welcher Zeit der Genannte auf dem päpstlichen Stuhle sass.
207. Der Tod Mariä, B. 50** nach Schongauer. Stark restaurirt. W.
Hand mit Blume.
Der Abdruck stammt nach dem Stempel Papst Benedict XIV. aus Bologna,
aber nicht aus dem Diebstahl von 1868, da sich der Stich schon im Inventar
des StädePschen Instituts vom October 1861 findet.
208. St. Antonius mit drei Dämonen. B. 86.** W. grosse Hand
mit der Blume.
Willshire®®) erwähnt zwei verschiedene Plattenzustände im British Mu-
seum, ohne sie jedoch näher zu beschreiben.
Diesem Stich liegt jedenfalls ein verschollenes Original vom Meister
E S zu Grunde. Er ist copirt auf einem Becher mit dem Monogramm B : H
1512, ausgestellt 1884 in Budapest (Zimmer IV, Schrank 3) 3^). Die Gravi-
rungen enthalten ausserdem die Taufe Christi nach Schongauer B. 8 und den
hl. Hieronymus nach Dürer B. 61. Apfelbaumzweig und Papagei sind frei
nach Dürer’s Adam und Eva B. 1 copirt.
209. St Christoph. B. 90. Die betrügerische Copie.
210. St. Stephanus. B. 93. Abdruck auf grauem Papier.
Heinecken hält diesen Stich irriger Weise für übereinstimmend mit
Schongauer’s Stephanus B. 49.
211. St. Franciscus. B. 96. Eines der seltensten Blätter Israhel’s,
das ich nur noch in Amsterdam, London und Wien (Albertina) sah, aber nie
in einem Auctionskatalog fand.
212. St. Laurentius, B. 106* nach Schongauer.
213. St. Augustinus, Fragment vonB.113,** Der vierte der Kirchen-
väter.
214. St. Hubertus. Fragment von B. 114.* Das zweite Viertel des
Stiches. W, p,
215—222, Die fünf klungen und thörichten Jungfrauen. 8 Blatt
aus der Folge B. 158 — 167 nach Schongauer. B. 161.**, die übrigen gering.
B. 160 36) und 165 fehlen. Mit Ausnahme von B. 164 sind die Blätter 1839
auf der Auction Gicognara in Wien für 42 fl. erworben.
223. Das Mädchen und der Greis. B. 170. P. 180 3^) und 263. 55. Cop.
nach dem Meister des Hausbuches. Photographie von Braun Nr. 21 (Dres-
den, Sammlung Friedrich August II.).
I. Etat vor der Horizontalschraffirung unter den Händen der Figuren
über der Chiffre, vor der vertikalen links zwischen den Schnüren im Kleid-
33) Gat. II. 458. 59.
3^) Photographie und Abreibungen theilte mir 1888 Prof. Marc Rosenberg in
Karlsruhe freundlichsL mit.
36) Neue Nachrichten I. 455. 72.
36) Die Nummern 160 und 161 sind durch einen Druckfehler bei Bartsch
vertauscht.
3^ Druckfehler für P. 170.
XIV
28
402
Max Lehrs:
ausschnitt des Mädchens und vor vielen anderen Arbeiten in den Gesichtern,
Gewändern und Bandrollen. Geschenk Passavant s. Passavant erkannte zuerst
die Abhängigkeit vom Meister des Hausbuches. Zani®®), welcher den Stich
in Paris und in der Sammlung des Sign. D. Ciccio de’ Luca zu Neapel sah,
hält ihn oder die analoge Darstellung von Hans Baidung Grien in Dresden
für den von Sandrart erwähnten, angeblich ältesten datirten Stich. Sandrart
hat jedenfalls das letztere Blatt gemeint und Chiffre und Jahreszahl ungenau
als M 1455 gelesen.
Eine angeblich »alte schöne Copie oder Wiederholung« des Stiches
führt R. Weigel im Katalog der Auction Meyer-Hildburghausen auf. Wahr-
scheinlich handelt es sich nur um einen späteren Plattenzustand des Originals.
224. Das ungleiche Paar. B. 171.* W. Herz mit dem Kreuz.
225. Der Gaukler und die Frau. B. 172.** W. bekröntes Lilien-
wappen. Der Unterrand ist zu beiden Seiten der Chiffre abgeschnitten.
226. Der Lautenschläger und die Sängerin. B. 174. II. Et. Ohne
den Unterrand.
227. Der Orgelspieler und sein Weib. B. 175.***
Nach Willshire findet sich im British Museum ein früherer Platten-
zustand als der von Amand-Durand ^0 reproducirte. Dies ist jedoch nicht gut
möglich, da die Heliogravüre eben nach dem Londoner Abdruck gemacht
wurde. Die Ueberarbeitung wird wohl dem Retoucheur der heliographischen
Platte zuzuschreiben sein, wenigstens könnte man häufig bei den für die wissen-
schaftliche Benutzung ganz unbrauchbaren Heliogravüren von Amand-Durand
an Plattenzustands-Verschiedenheiten denken, die in Wahrheit nicht existiren.
228. Der Mönch und die Nonne. B. 176.*
Das Blatt hat entschieden einen stark satyrischen Beigeschmack, wie
man aus den Mienen des Mönches und der Nonne, die sich anblinzeln, er-
sieht. Die Deutlichkeit der Darstellung wurde mitunter wohl auch durch
Inschriften auf den hierzu bestimmten Spruchbändern erhöht. So findet sich
ein mit Lichtgrün und Roth colorirter Abdruck in Wolfegg, der auf der Rück-
seite 13 Zeilen in roth und schwarzer Schrift von einer Hand des 16. Jahr-
hunderts trägt Ein anderer, in der Auction Paelinck^®) an Clement ver-
kaufter, trug in den Bandrollen einige Worte von alter Hand und in verso
ein französisches Gedicht. Die Bezeichnung »Martin Luther and his Wife«,
welche der Katalog Hawkins'^^) dem Stich beilegt, stimmt jedenfalls schlecht
zu seiner reformatorischen Tendenz.
229. Der Lautenschläger und die Harfenspielerin. B. 178.
Wessely 206. I. Et. W. Lilienwappen. Geschenk Passavants.
Materiali p. 102. (7).
Leipzig 1858. .Kat. I. 111.
Gat. II. 468. 116.
■«i) Nr. 8 und im Portfolio 1877 nach p. 24.
Vergl. Repertorium XI. 61. 124.
Brüssel 1860. Kat. I. Nr. 118.
London 1850. Kat. 649.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 403
230. Das auf dem Bette si tzen de Paar. B. 179.*'*' Dabei ein zweiter
geringerer Abdruck. W. Wappen mit Blume darüber. Beide Exemplare ohne
Unterrand.
231. Der Ritter und seine Schöne. B. 182.* 1889 auf der Auction
Goppenrath in Leipzig durch Prestel für 555 Mk. erworben. W. bekrönte Lilie.
Bartsch nennt das Blatt: »L’officier et sa maitresse.« Diese etwas anachro-
nistische Bezeichnung hat sich leider eingebürgert.
232. Die vier nackten Weiber. B. 185 nach Dürer. Stark restaurirt
und remargirt, die Schrift im Unterrande eingezeichnet.
233. Der Tanz um den Preis. B. 186.* Vgl. Repertorium XIV. 106.
25. 1873 auf der Auction Durazzo für 190 fl. erworben. W. Lilienwappen.
234. Die spielenden Kinder. B. 188. I. Etat vor der nach links
geneigten Schraffirung des dunkeln Grundes rechts neben dem Kind im
langen Rock, welche bis an die Einfassung reicht. Dieselbe kehrt im II. Etat
an verschiedenen Stellen, z. B. links zwischen dem rechten Bein und dem
flatternden Zipfel der Leibbinde des trinkenden Knaben, und zwischen dem
Baumstumpf und dem links daneben stehenden Knaben mit dem Näpfchen
wieder. W. Lilienwappen. Erworben 1875 für 280 Mk, auf der Auction Kalle.
235. Kampf zweier wilder Männer zu Pferde B. 200.* P. 200
nach dem Meister des Hausbuches. 1889 auf der Auction Goppenrath für
590 Mk. durch Prestel erworben. Der Abdruck stammt aus den Sammlungen
Esdaile, Beckford, Smith und Griffiths.
Erst Passavant erkannte die Abhängigkeit des Blattes von dem Stich
des Hausbuch-Meisters, der Bartsch unbekannt blieb.
236. Querfüllung mit dem Tanz der Verliebten. B. 201. 11. Et.
Der Unterrand zu beiden Seiten des Stechernamens fehlt. W. Lilienwappen.
237. Querfüllung mit der Wurzel Jesse. B. 202. 1. Etat vor der
dritten verticalen Schraffirung des Grundes. Der Abdruck ist remargirt, der
Name des Stechers aber erhalten.
238. Querfüllung mit dem Liebespaar. B. 205.* W. Pokal. 1887
auf der Auction Meixmoron de Dombasle in Frankfurt a. M. erworben. Berliner
Doublette (1886 für 440 Mk. an Gutekunst verkauft) aus der Samml. v. Nagler.
239. Hochfüllung mit acht nackten Menschen. B, 207." W. Krug
mit der Blume.
240. St. Bernhard. B. 224.*
241. Die hl. Familie mit der Heuschrecke. B. VI. 299. 33. P, 240*
nach Dürer. Aufgezogen.
Mariette^**) hielt dies seltene Blatt noch für das Original zu Dürer’s
Stich. Bartsch citirt es nur nach Heinecken. Ottley^®) erkannte darin zuerst
richtig eine Gopie nach Dürer. Sehr confus sind die Angaben von Nagler.
Im Künstler-Lexikon ■‘D erklärt er den Stich für eine Gopie nach dem »Meister
Abecedario II. p. 158.
'**’) Inquiry II. 664. 49.*
‘0 Bd. VIII. 558. 241.
404
Max Lehrst
mit der Heuschrecke« , nach dem auch Dürer seine Composition gestochen
habe, und hält diese verkehrte Ansicht auch Passavant gegenüber in den
Monogrammisten ^®) aufrecht. Letzterer nennt die Abdrücke in Berlin und
Frankfurt. Ein drittes Exemplar, vielleicht das von Ottley beschriebene, be-
findet sich im British Museum. Heinecken sah den Stich auch in Bologna,
wo er im Verzeichniss der gestohlenen Blätter (Documento F Nr. 165) als
»Mecken , La vergine col Bambino e S. Giuseppe« unmittelbar vor Dürer s
Original aufgeführt wifd.
242. Das Rauchfass. B. VI. 304. 141. P. 257 nach Schongauer. Vgl.
Repertorium XIII. 41. 11. Abdruck mit dem sichtbaren Platten eindruck, welcher
von sehr unregelmässiger Form, den Contouren des Rauchfasses folgt ^®). W.
Hand mit Blume. Geschenk Passavant’s.
243. St. Judas Thaddäus. P. II. 89. 38. Blatt 11 aus einer Folge
von meist gegenseitigen Copien nach den grossen stehenden Aposteln vom
Meister E S. B. VI. 21. 51—62. mit Hinzufügung der Namen zu beiden Seiten
des Kopfes. Der Fussboden ist überall gequadert. Unbezeichnet. Vgl. P. II.
44. 50—62. Cop. und Repertorium XI. p. 62 bei Nr. 130.
Die Copie ist ausnahmsweise gleichseitig nach B. 59 gestochen. Auf
der rechten Schulter des Apostels zählt man nur drei (statt sechs) Knöpfe.
Die Säge hat nur 32 (statt 34) Zähne. Zwischen dem ersten und zweiten
von oben steht ein schlüsselartiges Zeichen, und neben dem untersten Zahn
befindet sich ein rundes Loch. Der rechte Kappenzipfel endet nicht in einen
Knopf. Der Bart des Apostels fehlt und sein Mund ist geschlossen. S Juda.
148 : 84 mm Bl. Geschenk Passavant’s, der den Stich 1855 auf der Auction
Weber in Leipzig für 14 Thlr. erwarb. Ein zweites Exemplar in der Tri-
vulziana zu Mailand.
Aus derselben Folge sind bis jetzt ferner bekannt:
a) Andreas. Gegenseitig nach B. 52. Mailand, Trivulziana.
b) Jacobus major. Gegenseitig nach B. 53. B. VI. 22. 53. Cop. Mai-
land, Trivulziana. Paris. Wien, Albertina®®).
c) Johannes. Gegenseitig nach B. 54. Mailand, Trivulziana.
d) Philippus. Gegenseitig nach B. 55. P. II. 44. 55. Cop. Dresden.
Mailand, Trivulziana. Paris.
e) Bartholomäus. Gegenseitig nach B. 56. Mailand, Trivulziana.
^«) Bd. III. Nr. 2806. 2. Wenn er übrigens sagt, die Maassangabe bei Passa-
vant 9" 2,'“ : 7" (250 : 190 mm) könne nur richtig sein, wenn Israhel die Darstellung
zweimal gestochen habe, denn er (Nagler) messe 8^'^ : 4^^ 2"* (180:113 mm),
so kann ich nur die Richtigkeit der Angaben Passavant’s bestätigen. Nagler muss
ein sehr verschnittenes Exemplar vor sich gehabt haben. Die Maasse betragen
236 : 183 mm Einf. und 249 : 192 mm PI.
^®) Alle übrigen Exemplare (Berlin, Bologna, Dresden : S. Friedrich August II.,
London, Wien: Albertina und Ambraser Sammlung) sind dreieckig ausgeschnitten
oder silhouettirt.
®®) Das Wiener Exemplar, welches Bartsch als anonyme Copie aufführt, ist
silhouettirt, so dass der Name des Apostels fehlt.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 405
f) Rathaus. Gegenseitig nach B.' 57. Mailand, Trivulziana.
g) Simon. Gegenseitig nach B. 58. Mailand, Trivulziana,
h) Mathias. Gegenseitig nach B. 62. Mailand, Trivulziana.
Schon 1747 sagt Christ in seiner Anzeige und Auslegung der Mono-
grammatum p. 164: »Ein D, vermuthlich mit einem E, auf gothische Weise
verschlungen, wird gefunden auf gar alten Blättern in Kupferstich, welche
die Apostel vorstellen,« und p. 173 heisst es dann, das Monogramm E und
D könne vielleicht David Engelharten bedeuten.
Heinecken erwähnt unter demselben Zeichen die Apostel 12 Blätter
in 8, nennt aber nur den Philippus (d), der ihm in Dresden vorlag, während
er die übrigen offenbar nicht kannte. Auch Heller®^) gibt das vermeintliche
Monogramm wieder mit der Erklärung: »Deutscher Kupferstet;her um 150Ö.
Soll David Engelhard geheissen haben.«
Im Kunstblatt von 1832 (p. 30) berichtigt Massrnann auf Grund einer
Mittheilung von Brulliot diesen sich forterbenden Irrthum , indem er darauf
aufmerksam macht, dass von einem Stechermonogramm nicht die Rede sein
könne, der Buchstabe aber offenbar ein S sei und »Sanctus« bedeute. Die
Apostel habe er mit diesen Zeichen freilich nicht gesehen, sondern nur
Heilige, z. B. St. Antonius etc.
Brulliot^®) äussert sich in demselben Sinne und fügt noch hinzu, dass
sich diese Abkürzung des Wortes »Sanctus« gewöhnlich auf Heiligenbildern
von Israhel van Meckenem finde, u. A. auf dem hl. Antonius B. 86 und
St. , Martin B. 108 Nagler nahm die Buchstaben trotzdem in seinen »Mono-
grammisten« unter D auf, berichtigt aber die falsche Deutung von Christ und
Heller. Auch macht er wenigstens ein Blatt der Apostelfolge, nämlich den
Judas Thaddäus, im Katalog Weber (I. Nr. 9), jetzt in Frankfurt, namhaft,
freilich mit der unzutreffenden Angabe, die Folge sei nicht von Meckenem,
sondern von einem Anonymus gestochen. Brulliot war also auf der rechten
Spur und hätte nach der technischen Uebereinstimmung der Apostel mit dem
Antonius und Martin Israhel’s wohl auch die Urheberschaft des Letzteren für
die Apostelfolge erkannt, wenn ihm diese zu Gesicht gekommen wäre.
Uebrigens ist es nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob Christ gerade
die Folge der grossen stehenden Apostel gemeint habe, da Meckenem auch
die sitzenden Apostel des E S und eine dritte kleinere Folge®®) stach, welche
beide mit dem verzierten S vor den Apostelnamen versehen sind.
Passavant citirt die Folge als anonym und nennt nur den Philippus (d)
in Dresden. Den Judas Thaddäus, welchen er selbst dem Städel’schen In-
®^) Neue Nachrichten I. p. 370.
®^) Monograrnmen-Lexicon p. 98.
®*j Dictionnaire I. Nr, 1520 b,
9 Vergl. meine übrigens hiervon unabhängigen Bemerkungen im Repertorium
XI, p. 62, wo u. A. 16 weitere Stiche IsraheJ’s unter Anm. 44 verzeichnet sind,
auf denen das »S< für Sanctus vorkommt.
®®) Bd. II. Nr. 1051.
®®) Vergl. Repertorium XIT. 342. bei 134.
406
Max Lehrs:
stitut schenkte, beschreibt er an anderer Stelle (p. 89, Nr. 39) als Arbeit der
Schule des Meisters ES®0 dem Bemerken, dass die sorgfältige Ausführung
an den Meister erinnere, welcher die sitzenden Apostel gestochen hat. Dass
dies der Meister E S selbst sei, hat er wie Bartsch nicht erkannt. Ebenso
wenig bemerkte er die Abhängigkeit des Judas von B. 59 des Meisters E S
und konnte ihn daher auch nicht zu der p. 44 citirten Folge von gegenseitigen
Copien rechnen, in die er trotz seiner Gleichseitigkeit gehört. Ein drittes Blatt
der Folge, den Jacobus major (b), führt Bartsch als anonyme Gopie nach dem
silhouettirten Exemplar der Albertina auf, weshalb er des Namens nicht gedenkt.
Neuerdings wurden von den bei Bartsch und Passavant citirten drei
Blättern andere Exemplare in der Trivulziana zu Mailand bekannt und ausser-
dem sechs weitere Apostel (a, c, e, f, g, h) derselben Folge. Diese 9 Blätter
finden sich in jenem kostbaren Codex Nr. 2143 der Trivulziana (Fol. 26—35),
welcher eine grosse Anzahl deutscher und italienischer Stichinkunabeln, u. A.
die 24 dem Baccio Baldini zugeschriebenen Propheten und sechs der Sibyllen
enthält^®). Wie jene haben auch die Apostel ihren vollen Rand (c. 300:210 mm)
bewahrt, und die Drucke sind von erster Schönheit^®). Der Katalog der
Trivulziana spricht von zehn Blättern , nennt aber nur neun , während es
nach den Seitenzahlen (Fol. 26 — 35) eigentlich zehn sein müssten. Obwohl
der Katalog von keinem Kupferstichkenner abgefasst ist, wird die Folge richtig
unter dem Namen Israhel van Meckenem aufgeführt. Dennoch ist nicht an-
zunehmen, dass der Name des Stechers auf irgend einem Blatte angegeben
sei, weil Meckenem in der Regel seine ES-Copien nicht signirte ®®). Wahr-
scheinlicher dürfte die richtige Benennung eine rein zufällige sein, da man in
Italien die deutschen Stecher des 15. Jahrhunderts gern mit dem Gattungs-
namen »Israel Mecken«, wie die des 16. Jahrhunderts mit »Luca d’Ollanda«
oder »Alberto Durero« bezeichnet. Die mir bekannten Blätter in Dresden,
Frankfurt und Wien sind leider so stark verschnitten, dass man Israhefs Ur-
heberschaft nur aus der Technik und Druckfarbe, wie eben auch aus der
Zierschrift erkennt.
C. Anonyme Meister.
244. Christus am Kreuz. Willshire, Cat. II. 65. G. 35.
Die beiden Abdrücke in Berlin und London sind neueren Datums und von
der total ausgedruckten und aufgestochenen Platte gezogen. Derbe geradlinige
Querschraffirungen folgen den Gontouren. Die Platte ist verschnitten, so dass
man nur links die Einfassung und oben ein Stück der Tafel vom Titulus sieht.
Das von Passavant (II. 89. 38 Cop.) als gegenseitige Copie aufgeführte
Blättchen der Sammlung Friedrich August II. zu Dresden ist eine andere Darstellung
desselben Apostels und gehört zu der kleineren Folge Israhel’s. Vergl. B. VI. 297.
33. P. II. 193. 33. und Repertorium XII. 342 hei 134.
Catalogo dei Godici Manosoritti della Trivulziana (Torino 1884) p. 182.
^®) Alle Angaben verdanke ich der Güte W. v. Seidlitz’, da mir die Bibliothek
leider, weil der Fürst verreist war, unzugänglich blieb.
®®) Vergl. Repertorium XI. p. 62.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen, 407
Willshire hält das Blatt für identisch mit dem Stich P. II. 221. 77. Es
ist dies aber ein Irrthum, und er führt den von Passavant citirten Stich auf
der vorhergehenden Seite unter G. 32 ganz richtig, sogar mit Angabe der
Passavant-Stelle auf. Die Platte wurde 1889 von W. Bode in Rom beim
Kunsthändler Ottilio Simonetti gefunden, der sie unter Plaketten aufbewahrte.
Sie gelangte gegen Ende desselben Jahres für 57 Mark (70 Lire) an das Dres-
dener Cabinet. Im December wurden vier neue Abdrücke davon gemacht, von
denen je einer an das Dresdener, Frankfurter und Münchener Gabinet kam.
Der vierte blieb in meinem Privatbesitz.
245. Christus am Kreuz mit vier Engeln. P. II. 220. 72. Lehrs,
Kat. des German. Mus. 59. 289. Moderner Abdruck der in Wolfegg befind-
lichen Platte.
246. Votivblatt zu Ehren der hl. Jungfrau. (Rosenkranzbild
in 24 Abtheilungen.) P. II. 226. 114. Moderner Abdruck.
247. Die Madonna auf der Mondsichel. Lehrs, Kat. des German-
Mus. 60. 292.
Der Stich ist achteckig ausgeschnitten und mit Grün, Braunroth, Gelb,
Fleischfarbe und Zinnober colorirt. Er stammt aus einer oberdeutschen Hand-
schrift. Andere Exemplare in Dresden und Nürnberg.
248. Die Madonna auf der Mondsichel von zwei Engeln getra-
gen. Weigel und Zestermann II. 387. 458. Lehrs, Kat. d. Germ. Mus. 60. 293.
Oval ausgeschnitten und stark verschnitten. Der Abdruck ist mit Blau,
Lila, Gelb, Roth und Fleischfarbe colorirt und stammt aus derselben Hand-
schrift wie Nr. 247. Andere Exemplare befinden sich in Dresden, Nürnberg
und Wien (Sammlung Artaria). Ein fünftes besass T. 0. Weigel.
249 — 250. Die zwölf Apostel. Zwei Blatt aus der Folge P. II. 90.
42 a — g. Vergl. Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen, p. 5, Anm. 2.
249. * Philippus. P. II. 90. 42c.
250. Bartholomäus. P. II. 90. 42d. Ein zweites Exemplar befindet
sich in der Sammlung des Grafen v. Maltzan zu Militsch i. Schl. Beide Blätter
sind silhouettirt und in modernes Papier eingelegt. Sie wurden der Sammlung
von Passavant geschenkt. Aus dieser Folge sind bis jetzt nur die sieben
bereits von Passavant beschriebenen Apostel bekannt, ausser Philippus und
Bartholomäus also die folgenden :
a) Petrus. P. II. 90. 42a. Berlin.
b) Andreas. P. II. 90. 42 b. Auction Bammeville (London 1854) und
Weber (Leipzig 1855) ®^).
c) Jacobus minor. P. II. 90. 42e, von Passavant irrig. Judas Thad-
däus genannt. Auct. Bammeville und Weber ®^).
d) Matthäus, P. II. 91. 42g, von Passavant Thomas genannt. Dres-
den. Wien, Hofbibliothek.
e) Judas Thaddäus. P. II. 90. 42 f., bei Passavant als Simon auf-
geführt. Dresden. London,
®‘) lieber den Verbleib dieses Blattes ist mir leider nichts bekannt.
408.
Max Lehrs:
Passavant führt die Folge unter den Arbeiten der Schule des Meisters
E S auf, erkannte aber bereits, dass sie von derselben Hand wie der Johannes
Baptista gestochen sei. Sie ist somit älter als die Arbeiten des Meisters E S.
—r Die Gestalten sind kurz und gedrungen mit knochigen Köpfen. Der Druck
ist von guter Schwärze, und das Gepräge der Blätter sehr alterthümlich. Die
Platten scheinen sämmtlich beschnitten zu sein, und zwar nicht auf den Gon-
touren der Apostel selbst, aber doch denselben im Allgemeinen folgend, so
dass sie sich am Kopfe verengen.
251. Die M esse des hl. Gregor. Weigel und Zestermann II. 388.
460. Lehrs, Kat. des Germ. Mus. 61. 297.
Der Abdruck ist mit Zinnober, Grün , Gelb , Braun , Blau und Fleisch-
farbe colorirt und stammt aus derselben oberdeütschen Handschrift wie
Nr. 247 und 248.
252. St. Wolfgang. P. II. 61. 174. und 234. 161. Weigel und Zester-
mann II. 344. 416. Nacbstich von J. G. Loedel ebenda. Geschenk Passavant’s,
der das Blatt wahrscheinlich 1825 auf der Auction v. Stengel in München
oder 1834 auf der Auction Popp ebendaselbst erwarb. Zwei weitere Exem-
plare befinden sich in Berlin, ein viertes in Paris und ein fünftes in der
Wiener Hofbibliothek. Ein sechstes in R. Weigel’s Kunstlagerkatalog (Nr. 8724)
mit 10 Thlr. bewerthet, erzielte 1858 auf der Auction Meyer-Hildburghausen
34 Thlr., 1861 bei der Auction Sotzmann 32 Thlr., 1872 bei T. 0. Weigel
60 Thlr., 1882 bei Beresoff 220 Mk. und 1884 bei der VIII. Auction von
V. Zahn und Jaensch in Dresden 410 Mk.
Passavant führt diesen Stich doppelt auf und beschreibt ihn das erste
Mal unter den Arbeiten des Meisters E S und seiner Schule, mit denen er
jedoch nichts gemein hat. Die Technik ist viel primitiver, die Strichlagen
sind unsicher, die Querschraffirungen kurz und geradlinig, und der sehr un-
gleichmässige Druck von lichter Farbe. Der weiche flüssige Faltenwurf zeigt
nirgends Knicke und erinnert noch an die Manier der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts. Die Zeichnung ist ziemlich gut bis auf die Landschaft, welche sich
noch ganz conventioneil an ältere Vorbilder anlehnt.
Das Berliner Gabinet besitzt siwei Exemplare, von denen das eine colorirt
ist. Der gleichfalls colorirte Abdruck der Wiener Hofbibliothek enthält oben
links ausserhalb der Einfassungslinie die Aufschrift: Sancte vuolfg(ange ora)
pro nobis. Fr. v. Bartsch hält diesen und zwei andere, offenbar von der-
selben-Hand herrührende Stiche der Wiener Hofbibliothek für Arbeiten kunst-
treibender Mönche des Klosters Mondsee, aus dessen Handschriften die Blätter
stammen. Vergl. Repertorium XII. 27. 18.
253. Jagd und Landleben. P. I. 332. 711. und III. p. 498. Add. zu
II. 123. 40 B.
Neuerer Abdruck, 1861 auf der Auction Sotzmann in Leipzig für 1 Thlr.
15 Ngr. erworben. Passavant sah das Blättchen in der Sammlung des Grafen
v. Enzenberg zu Innsbruck und schrieb es dem Monograramisten ? zu,
Die Kupferstichsammlung der k. k. Hofbibliothek zu Wien Nr. 1507 — 1509.
Der deutsche u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jahrh. i. d. kleineren Sammlungen. 409
wie mir scheint jedoch ohne hinreichenden Grund. Richtiger führt er es wohl
im I. Bd. als neueren Abdruck eines Niello des 16. Jahrhunderts nach dem
Exemplar der Sammlung Sotzmann auf, das sich jetzt im Städel’schen In-
stitut befindet.
Die Abdrücke dürften nicht so modern sein, wie es auf den ersten Blick
den Anschein hat. Sie gehören mindestens dem Anfang des 17., vielleicht
noch dem 16. Jahrhundert an. Paul Behaim führt den Stich nämlich im
handschriftlichen Katalog seiner Sammlung von 1618, p. 60, unter »Martin
Schön« auf als: »Ein Landschäftl darinne ein iagt Visch, Vnd Vogelfang, rundt
in 12 mö«. Unmittelbar dahinter citirt er: »Zwen bauren mit schilten. rund
in 12 mö« und »Zwen bauren so einander mit feusten schlagen. 12 mö« ®®).
Diese vier Blätter sind nur in neueren Abdrücken bekannt, und die Behaim-
schen Exemplare dürften dieselben sein, welche sich später in der Sammlung
Enzenberg befanden und von da in die Sammlung E. v. Rothschild in Paris
gelangten. Sie scheinen von einer Hand herzuröhren.
254. Denari- Valet. B. X. 79. 37. P. II. p. 247. Repertorium XI. 230.
106. aus dem im Repertorium (XI. 221. 73—121) beschriebenen Kartenspiel.
Der Stich, fand sich auf der Rückseite des Bildchens : Die Einsiedler von
Adam Elsheimer, das im Mai 1869 vom Städel’schen Institut auf der Auction
P. F. Gwinner erworben wurde.
b. Stadtbibliothek.
In dem sogenannten Kunstbuch Heinrich Kellner’s von 1588 findet sich
zusammen mit vielen eingeklebten Stichen des 16. Jahrhunderts, besonders
solchen der deutschen Kleinmeister unter Nr. 78 ein wichtiges älteres Blatt von
Wenzel von Olmütz.
1. Der Papstesel. P. II. 135.71. Lehrs 66. Vergl. Chronik f. verviel-
fält. Kunst III. (1890) p. 23. und die eben erschienene, den Gegenstand nach
jeder Richtung erschöpfend behandelnde Schrift von Konrad Lange ®^), welche
auch einen Lichtdruck nach dem Braunschweiger Exemplar enthält. Der
Frankfurter Abdruck ist etwas matt.
Vergl. Lehrs, Kat. des German. Mus. Nr. 86, 132, 187.
®‘‘) Der Papstesel. Eki Beitrag zur Cultur- und Kunstgeschichte des Refor-
mationszeitalters. Göttingen 1891.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Eestaurationen,
neue Funde.
Paris. I. Versteigerung in der Galerie Georges Petit. Sammlung
E, May. 4. Juni 1890*).
Von Werken der Meister aus älteren Schulen hebe ich folgende hervor:
•Nr. 87. Arthois und Guyp, »Muthmassliches Bild von D’Arthois und
seiner Familie«. — Die Landschaft möglicherweise von D’Arthois, die Figuren
aber sicherlich nicht von Guyp. 1400 fr.
Nr. 88. N. Berghem, »Ruhe auf der Jagd«. — Von einem Nachahmer
von Wouwerman. 1050 fr.
Nr. 89. F. Bol, »Bildniss eines Bürgermeisters«, Mit der Jahreszahl
1651 bezeichnet. 1450 fr.
Nr. 90. Ganaletto, »Prospect von Venedig«. 7000 fr.
Nr. 91, Ganaletto, »Prospect von Venedig«. — Nicht Antonio Ganale,
eher B. Belotto. 920 fr.
Nr. 92. Ph. de Ghampaigne, »Porträt eines protestantischen Priesters«.
— Vorzügliches Bildniss. 7000 fr.
Nr. 93. Ph. de Ghampaigne, »Porträt von Lemaistre de Sacy«. 1750 fr.
Nr. 94. Ghardin, »Porträt von M^^® de Nanteuil«. 3050 fr.
Nr. 95. Grayer, »Männliches Bildniss«. 1450 fr.
Nr. 96. De Troy, »Die Ruhe Dianas«. 1650 fr.
Nr. 97. Drouais, »Guitarrenspielerin«. 1550 fr.
Nr. 98. Drouais, »Porträt eines Bildhauers«. 1380 fr.
Nr. 99. Garei du Jardin , »Kleines Bildniss«; wahrscheinlich Selbst-
porträt. Unter dem Bild die ohne Zweifel echte Signatur: Garei du Jardin
fec. 1670. 850 fr.
Nr. 100. G. Flinck, »Kleines Porträt von einer jungen Frau«. 450 fr.
Nr. 101. J, van Goyen, »Winter in Holland«. Bezeichnet und datirt
1643. 3250 fr.
*) Kommt verspätet in Folge einer längeren Studienreise des Herrn Bericht'
erstatlers. D. R.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen etc.
411
Nr. 102. Greuze, »Porträt von dem Schwager des Künstlers«. 1600 fr.
Nr. 104. Janssens, »Die Toilette des Neugeborenen«. 850 fr.
Nr. 105. Frans Hals, »Das Fischermädchen«. — Das junge Fischer-
mädchen hat einen Hering, den sie lachend dem Beschauer zeigt, aus der
Tonne genommen. Im Zwischengrunde Klitten, im Hintergründe das Meer.
Silbergrau und Rothbraun sind die herrschenden Farben, die erste im Himmel,
in den Dünen, in der Schürze des Mädchens und in den glänzenden Heringen,
die zweite im Kleiderärmel und in den sonnenverbrannten Wangen der jungen
Dirne. Ein frisches und reizendes Bild. Bezeichnet F H vereint. Früher in
der Collection Bernonville. Von Goujean gestochen. 11000 fr.
Nr. 106. Hans Holbein, »Porträt eines Mannes mit einer Nelke in der
Hand«. — Nicht Holbein. Niederländische Einwirkung. Vielleicht von dem
Meister vom Tode der Maria. 13 000 fr.
Nr. 108. Lancret, »Bildniss eines Architekten«. 1000 fr.
Nr. 109. Largilliere, »Porträt eines französischen Edelmannes«. 3150 fr.
Nr. 111. Lenain, »Bauerninterieur«. 800 fr.
Nr. 112. Longhi, »Die Tanzstunde«. 880 fr.
Nr. 113. J. van der Lys, »Soldaten und Gourtisanen«. — Voll von Leben
und in prächtigen Farben. Starkes Licht und schwarze Schatten. — Vorzüg-
liches Bild dieses Nachfolgers Caravaggio’s, der nicht hinter Honthorst oder irgend
einem Anderen dieser Gruppe zurücksteht, und den man selten trifft. 2000 fr.
Nr. 114. A. Moro, »Bildniss einer jungen Dame«. 4100 fr.
Nr. 115. Nattier, »Muthmassliches Porträt von einer der Töchter Lud-
wig XV.« 2000 fr.
Nr. 116. Nattier, »Bildniss des Malers Kapeller«. 2150 fr.
Nr. 117. Aart van der Neer, »Mondscheinbild«. Mit dem Monogramm
des Meisters. 1020 fr.
Nr. 118. A. van Ostade, »Bauerninterieur«. 2050 fr.
Nr. 119. A. van Ostade, »Ein zechender Bauer«. Mit dem Monogramm
des Meisters. 2000 fr.
Nr. 122. Raguenet, »Pont-Neuf unter Ludwig XV.« 3100 fr.
Nr. 123 u. 124. Schall, »Zwei kleine Porträts von Sophie Arnould«.
3050 fr.
Nr. 125. Solimena, »Die Anbetung der Könige«. — Vielleicht eher
Castiglione. 480 fr.
Nr. 126. Terborch, »Porträt des van Goyen«. Von Carel de Moor ge-
stochen. — Dieses Porträt stellt wohl van Goyen dar, es war aber nicht von
Terborch, von dem es auch nicht bekannt ist, dass er Goyen gemalt hat.
Dagegen hat Garei de Moor ihn zweimal radirt. Das eine Mal, so viel ich
weiss, nach einem Porträt von Barth, v. d. Heist, das andere Mal nach dem
Selbstbildniss des Meisters. Es war möglicherweise dieses Porträt, das hier
vorlag. Das feine, kleine Bild in dem gelblichen Ton könnte sehr gut von
Goyen selbst sein. Der Käufer, der 7200 fr. für einen echten Terborch, von
Carel de Moor garantirt, bezahlte, durfte sich in diesem Falle damit trösten,
ein seltenes Porträt erworben zu haben.
412
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Nr. 127. D. Teniers, »Der Operateur des Dorfes«. — Ein sehr zweifel-
haftes Bild. Bezeichnet (ob echt?). 4900 fr.
Nr. 129. Velasquez, »Bildniss von P. Bustos de Lara«. Nicht Velasquez.
Möglicherweise ein schwaches Bild von Mazo. 800 fr.
Nr. 130. H. Vernet, »Marine«. 400 fr.
Nr. 131. Watteau, »Die Wahrsagerin«. Dieses Bild scheint mir von
derselben Hand zu sein wie »L’Escamoteur«, Salle Lacaze im Louvre Nr. 264,
welches noch Watteau angerechnet wird, das aber von Edmond de Goncourt,
an welchen P. Mantz sich anschliesst, einem Nachahmer von Watteau, Paul
Mercier, zugeschrieben wird. Paul Mercier ist in Berlin 1689 (von franzö-
sischen Eltern) geboren und Schüler von Pesne. Dieselbe Kälte und Trockenheit
in der Nachahmung Watteau’scher Typen kennzeichnet auch dieses Bild. 2150 fr.
Es wurde auch eine Anzahl moderner Bilder von Bedeutung verkauft,
darunter einige kleinere Gemälde von Corot und einige Porträts und Zeich-
nungen von Millet, die hoch bezahlt wurden. So Corot: »Die Engelsbrücke
in Rom« 21000 fr.; »Das Dorf« 16500 fr.; »Das Wirthshaus« 15 700 fr.;
»Die Frau der Fischer« 13 700 fr.; »La Rochelle« 12100 fr. Von Millet,
dessen Pastelle und Zeichnungen noch höher bezahlt wurden: »Der Hirt mit
seiner Heerde« 29 600 fr.; »Der Tag neigt« 25 000 fr.; »Der Weinbauer«
17 600 fr. etc. Beinahe alle die bekannten Impressionisten waren repräsentirt.
Es fanden sich Bilder von Rafaelli, Manet, Monet, Nittis, Pisarro, Sisley,
Beraud, Boudin, Gazin und »last not least« Degas. Dieser letzte wurde am
höchsten bezahlt. Seine »Balletprobe« 8400 fr. und »Die Stunde im Foyer«
8000 fr., beide ganz kleine Bilder. Danach Cazin mit 6300 fr. für »Der Teich«
und 5900 fr. für »Theocrit«.
II, Galerie Sedelmeyer. Versteigerung der Sammlung Grabbe.
12. Juni 1890.
Diese vornehme Collection, die mit lauter grossen Namen prangte, war
das »Evenement« der Saison und zeigte die höchsten Preise, die noch dieses
Jahr bezahlt worden.
Nr. 32. Franqois Boucher, »Pastorale«. Mit vollem Namen bezeichnet.
Früher in der Sammlung D’Alcantara. 15 000 fr.
Nr. 33. Jan van Goyen, »Winter in Holland«. Lebhafte, reiche Gompo-
sition. J. van Goyen 1646 bezeichnet. Gravirt von G. Greux. Früher in der
Galerie im Palais San Donato. 9000 fr.
Nr. 34. Greuze, »Junges Mädchen«. Ein Exemplar des schönen Kinder-
kopfes, das man in mehreren Sammlungen sieht, unter anderen in der Aka-
demie-Galerie zu Wien. 17500 fr.
Nr. 35. Greuze, »Brustbild eines kleinen Mädchens«. Weniger an-
sprechend. 4250 fr.
Nr. 36. Guardi, »Die Bucenlauer-Feier«. — Breit, decorativ und in einem
kräftigen, goldigen Ton gemalt. Früher in der Sammlung Febvre. 16000 fr.
Nr. 37. Frans Hals, »Der Violinspieler«. — Das Bild stellt einen jungen
Mann dar, der munter eine Geige streicht, während ein junges Mädchen ihm
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
413
lächelnd ein Glas Wein anbielet. Es ist breit und flott gemalt in einem
Manier, die mehr an Dirck als -an Frans Hals erinnert. Gelbe, rothe und
weissliche Töne spielen unvermittelt in der Carnation, der gelbe Ton ist do-
minirend. Die Lippen sind stark roth. Die Farbenwirkung ist überaus originell
und pikant. Wie schön steht die klare, blaue Tischdecke zu den herrschen-
den gelben, grünlichen und olivenfarbigen Tönen. Das Ganze ist klar, kühl
und frisch. Im Auctionskatalog wird fehlerhaft angegeben, dass das Bild F H
bezeichnet ist. Es ist JH bezeichnet. Ich glaube desshalb, dass dieses vor-
zügliche Bild, welches offenbar der Familie Hals angehört, Johannes Hals
zugeschrieben werden muss, dessen Bilder seiner Zeit ebenso hoch geschätzt
und bezahlt wurden, wie diejenigen des Vaters. Holz. H. 60 cm, B. 63 cm.
46 500 fr.
Nr. 38. Largilliere, »Bossuet und der Grand-Dauphin von Frankreich«.
Schöne Porträtgruppe von der Kunst des van Dyck beeinflusst. N. de Lar-
gilliere 1685 bezeichnet. 20 000 fr.
Nr. 39. N. Maes, »Der Prinz von Oranien«. — Dieses Knabenporträt
war eine späte Arbeit des Meisters und hatte ganz den Charakter seiner Spät-
zeit. Welcher Abstand von den kleinen »Rembrandt’schen« Porträts in der
Sammlung Rothan! Obwohl die Identität des früheren und späteren Maes
sich nicht gut bezweifeln lässt, da die Veränderung in seinem Stil schon von
Houbraken bemerkt ist, so erwähne ich doch, dass seine Signatur auf den
Bildern aus seiner Frühzeit von der Signatur aus seiner letzten Periode ab-
weicht , jedenfalls auf allen den von mir beobachteten Bildern. Das N ist in
diesen in dem M aufgenommen, so dass die Innenstriche sich mit einem
Schwung rechts und links verlängern. So in dem vorliegenden Bild und so
auch in einem Bild in der Dresdener Galerie aus seiner Spätzeit, das ich
erwähne, weil man in dem dortigen Katalog die Signatur facsimilirt findet.
Man vergleiche hiemit die bekannte Signatur aus seiner Frühzeit. 6000 fr.
Nr. 40. J. M. Nattier, »Porträt von Mademoiselle de Flesselles«. — Eins
von den besten Bildern des Meisters. 75 000 fr. (Vente de Bernonville 45000 fr.)
Nr. 41. A. van Ostade, »Trinkende und rauchende Bauern«. — Echt,
aber nicht besonders hervorragend. 5100 fr. (Vente de Narischkine 3300 fr.)
Nr. 42. Paulus Potter, »Die Schweine«. — Ein merkwürdiges Bild
Potter’s in einem warmen goldenen Ton, von seltener Kraft, von seinen übrigen
Werken sehr abweichend. Nicht bloss die Schweine, von denen das eine,
rund und satt, flach auf der Erde liegt, indem es sich von der Sonne auf den
gespannten Bauch bescheinen lässt, sondern auch die Umgebung in all ihrer
Verwitterung und Unordnung: die rothen Dachsteine, das alte Stroh, die
verfaulten Bretter, alles ist mit leuchtender Kraft in der Färbung und mit
sicher charakterisirender Hand gemalt. Es ist Paulus Potter f. 1647 bezeichnet.
Bode erwähnt einen wenig bekannten Nachfolger von Polter und Rembrandt,
der hauptsächlich Schweine malte: Adriaen Verdoel. Die Vereinigung von der
Manier Potter s und Rembrandt’s in diesem Bild leitet den Gedanken auf diesen
Künstler hin, dem dieses vorzügliche Bild als Vorbild gedient haben kann.
Sollte das ähnliche Bild im Louvre »Der Schweinestall«, das sicherlich mit
414
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen und Museen,
Unrecht an Isack van Ostade gegeben ist (Salle Lacaze Nr. 89), nicht von
diesem Verdoel gemalt sein? Das Auctionsbild wurde für die Rechnung der
belgischen Regierung gekauft. Holz. H. 56 cm; B. 51cm. Aus den Sammlungen
J. Danser-Nyrnan, Amsterdam (1797) und Baronin Roell, geb. Hodshon 1872.
32200 fr.
Nr. 43. Rembrandt, »Bildniss eines Admirals«. — Dieses grosse und
wirkungsvolle Porträt (man meinte früher, dass es Admiral Tromp darstellte)
gehört der späteren Periode des Meisters und ist ausführlich bei Bode (Studien,
S. 535) erwähnt. Die jetzt entdeckte, undeutliche, aber doch lesbare Signatur,
Rembrandt 1655, bestätigt die Vermuthung Bode’s, dass es ungefähr derselben
Zeit angehört, als das Bildniss von einem »jungen Mann« im Louvre (von
1658). Es gehörte früher dem Marquis de Bausset und M. Allard. Leinwand.
H. 1 m 14 cm; B. 87 cm. 106 500 fr.
Nr. 44. P. P. Rubens, »Die hl. Familie«. — Max Rooses erwähnt nicht
dieses strahlende, lichte Bild unter den »hl. Familien« in seinem »L’oeuvre de
Rubens«. Sieht er es nicht als echt an, oder ist es ihm unbekannt? Es hat
hauptsächlich im Kindesfleische etwas Süssliches, das sich öfters bei Diepen-
beck als bei Rubens findet, die Typen aber gehören ganz dem letzteren. In
seiner beherrschten Gomposition scheint es unmittelbar an ein italienisches
Vorbild hinzuweisen. Doch muss man erinnern , dass die Darstellungen Ru-
bens von der hl. Familie alle sehr stilvoll componirt sind. Sie entfernen
sich wenig von der italienischen Tradition. Das Golorit mit dem milch-
artigen Ton in der weiblichen Garnation und dem Rosenschimmer in dem
Kindesfleisch und ohne die bläulichen Schatten deutet nicht auf die erste Zeit
nach der italienischen Reise, sondern auf eine spätere Periode. Ich nehme an,
gegen 1620. Die Aehnlichkeit der hl. Jungfrau mit Helene Fourment muss
uns nicht dazu verleiten, das Bild noch später zu setzen. Helene verwirklicht ein
Ideal, das Rubens lange vorgeschwebt hatte. Früher bei De Villeroud, Röhn,
Marquis de Gouvello. Leinwand. H. 1 m 41 cm; B. 1 m 36 cm. 112 000 fr.
Nr. 45. P. P. Rubens, »Bildniss eines Rectors der Universität in Löwen«.
Nr. 46. Rubens, »Bildniss einer Frau Van Parys«. — Diese beiden aus-
gezeichneten Porträts hatten ganz das Gepräge von dem Rubens’schen Geist,
wogegen seine Hand sich nicht so deutlich darin kund gab. Die minutiös '
ausgeführte und sorgfältige Behandlungsweise weicht sehr von der gewöhn-
lichen breiten und flotten Rubens’schen ’Malweise mit den dünnflüssigen und
leuchtenden Farben ab. Die schwachen Hände gehörten sicherlich nicht Ru-
bens. Waren diese zwei Bildnisse vielleicht Jugendarbeiten von van Dyck?
Diese Frage ist berechtigt, jetzt da die neuere Forschung van Dyck eine Reihe
Bildnisse, die man bisher als Meisterwerke Rubens betrachtete, zuschreibt.
Sie scheinen indessen von solchen Porträts in der Galerie zu Dresden und in
der Liechtenstein’schen zu Wien abzuweichen.
Das weibliche Bildniss, das sich durch seine Noblesse auszeichnete, wurde
mit 25 000 fr., das männliche mit 15 000 fr. bezahlt. Früher in den Samm-
lungen Huybrechts und J. Allard.
Nr. 47. Rubens, »Hygäa«. — Atelierbild, aber von der Hand des Meisters
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
415
übergangen. Früher in den Sammlungen Nieuwenhuys, D’Hane de Steen-
huyse, J. Allard. 14 500 fr.
Nr. 48. Rubens, »Martyrium des hl. Levinus«. — Angeblich die Skizze
zu dem grossen Bild Nr. 411 im Museum zu Brüssel (von ungefähr 1635).
Trotz des grossen Talents, das auf dieses effectvolle Bild verschwendet war,
fehlte doch etwas von der Gluth und dem Fluge, das sich in den echten
Skizzen von Rubens findet, etwas von diesem Glanzvollen und Leuchtenden,
das schon die Pracht des Vollführten ahnen lässt. Max Rooses erwähnt in
seiner grossen Arbeit »L’oeuvre de Rubens«, Bd. 2, S. 321, eine sogenannte
Skizze zu dem Bilde in Brüssel, die auf einer Auction zu Gent 1777 ver-
kauft wurde. Diese war doch kleiner als das Auctionsbild. Er erwähnt ferner,
dass er noch eine andere falsche Skizze von grösseren Dimensionen gesehen
hat. Wahrscheinlich war diese die vorliegende Arbeit. Holz. H. 83 cm;
B. 58 cm. 27500 fr.
Nr. 49. Rubens, »Die Löwenjagd«. — Diese kleinlich ausgeführte und
trockene Arbeit in der Rubens’schen Manier gehört nur seiner Schule. Früher
in der Sammlung Denon. 15 000 fr.
Nr. 50. Jacob v. Ruisdael, »Der Sturm«. — Man trifft in diesem Bild
einen Effect, der sich oft in den Marinen von Ruisdael findet, nämlich den
Kahn mit den rothbraunen Segeln, die einen rothen Reflex über die Wellen
werfen. So in der prächtigen Marine im Museum zu Berlin. Mit dem Mono-
gramm des Meisters bezeichnet. Früher in der Sammlung Simonet. 13 000 fr.
Nr. 51. D. Teniers d. ]., »Kücheninterieur«. — Nicht besonders hervor-
ragend. Bezeichnet: D. Teniers f., 1644. Früher in der Sammlung Kann und
Narischkine. 7000 fr.
Nr. 52. G. Terborch, »Bildniss einer älteren Dame«. — Das Modell ist
nicht vortheilhaft. Es ist eine ältere, ziemlich hässliche, holländische Dame.
Die noble Auffassung des Künstlers, der feine graue Ton, in welchem das
Bild gemalt ist, macht es aber zu einem sehr fesselnden Werk. Mit dem
Monogramm des Meisters bezeichnet. 10100 fr. (Vente Narischkine 5700 fr.)
Nr. 53. L. Tocque, »Porträt einer jungen Dame«. 12 800 fr.
Die modernen Bilder waren auserlesene Exemplare von den meist an-
gesehenen Künstlern. Es wird ein Interesse haben, diese »Fin de Siede «-Preise
für moderne Bilder, auch zum Zwecke der Vergleichung kennen zu lernen.
Nr. 1. Corot, »Der Morgen«. (Weltausstellung 1889.) 63 000 fr.
Nr. 2. Corot, »Der Abend«. (Weltausstellung 1889.) 60000 fr.
Nr. 3. Alex. Decamps, »Die Bettler«. 9800 fr.
Nr. 4. Eug. Delacroix, »Die Tigerjagd«. (Weltausstellung 1889.) 76000fr.
Nr. 5. N. Diaz, »Die Jagdhunde«. (Weltausstellung 1889.) 27 500 fr.
Nr. 6. Jules Dupre, »Der Wald«. 24000 fr.
Nr. 7. Eug. Fromentin, »Arabische Reiter machen Halt«. — Hervor-
ragend. 42 000 fr.
Nr. 8. Louis Gallait, »Johanne, die Wahnsinnige«. 3050 fr.
Nr. 9. Gericault, »Die Artillerie greift an«. 12 500 fr.
Nr. 10. H. Leys, »Eine Runde«. 8500 fr.
416
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Nr. 11. J. Madou, »Wirthshausinterieur«. 7800 fr.
Nr. 12. Meissonier, »Der Guide«. — Dieses bedeutende Bild des hoch-
bezahlten Meisters war auf der Weltausstellung 1889 und ist wohl kaum der
Aufmerksamkeit irgend eines Besuchers entgangen. Es stellt eine Episode von
dem Krieg 1797 dar, und ob es auch hart gemalt ist und an Harmonie feh-
lend, so ist es doch hervorragend durch seine durchgeführte und eindringliche
Charakteristik. Es zeichnet sich durch seine ungewöhnlich grossen Figuren
aus. Diese haben im Vordergründe 46 cm Höhe. Es ist 1883 gemalt. 177 000 fr.
Nr. 13. Meissonier, »Der Liebesbrief«. 43 500 fr.
Nr. 14. Meissonier, »Moliere lesend«. 35 000 fr.
Nr. 15. J. F. Millet, »Eine Bauernfamilie«. 20 500 fr.
Nr. 16. G. Ricard, »Brustbild einer jungen Frau«. 3600 fr.
Nr. 17. Th. Rousseau, »Landschaft«. — Gutes Bild, einen prächtigen
Sonnenuntergang mit grosser Wahrheit und doch originell und effectvoll
darstellend. 30 500 fr.
Nr. 18. Th. Rousseau, »Die Eichen«. (Weltausstellung 1889.) 34000 fr.
Nr. 19. Th. Rousseau, »Die Felder bei Barbizon«. 13 600 fr.
Nr. 20. Alfred Stevens, »Ophelia«. 22 100 fr.
Nr. 21. Alfred Stevens, »Fedora«. 13 000 fr.
Nr. 22. Alfred Stevens, »Die japanische Maske«. 20 000 fr.
Nr. 23. Alfred Stevens, »Die Heimkehr«. 9600 fr.
Nr. 24. Joseph Stevens, »Der Hund mit dem Spiegel«. 10 500 fr.
Nr. 25. C. Troyon, »Der Förster mit seinem Hund«. 40 000 fr.
Nr. 26. C. Troyon, »Abreise zum Markt«. 65000 fr.
Nr. 27. C. Troyon, »Die weisse Kuh«. — Eins von den Hauptwerken
des Künstlers, vielleicht sein bestes Bild. 85 000 fr.
Nr. 28. Florent Willems, »Der Botschafter«. 6800 fr.
Nr. 29. Meissonier, »Am Ufer des Zuidersees«. Aquarell. 9000 fr.
Nr. 30. Meissonier, »Junger Florentiner vom 15. Jahrhundert«. Aqua-
rell. 3550 fr.
Nr. 31. Meissonier, »Die Briefträgerin«. Aquarell. 3550 fr.
Emil Jacobsen.
Litteraturbericht.
Theorie und Technik der Kunst.
Der byzantinische Zellenschmelz. Von Johannes Schulz. Als Manu-
script gedruckt. Mit 22 Tafeln. Frankfurt a. M. 1890. gr. 8°. Gedruckt
in 300 Exemplaren. Nicht im Handel.
Seit den Untersuchungen von Labarte und Darcef hat Niemand die
schwierige Frage der Geschichte des byzantinschen Emails aufgenommen. Es
war bekannt, dass der Kaplan Schulz in Aachen auf Anregung und unter dem
Eindruck der wiederholt daselbst ausgestellten Sammlung byzantinischer Email-
len des kaiserl. russischen Staatsraths v. Swenigorodskoi, eingehende Unter-
suchungen über diesen Kunstzweig anstellte und man durfte dem Erscheinen
des 'in Aussicht gestellten grossen Prachtwerkes über die Sammlung mit Span-
nung entgegensehen. Schulz hat dieses lange vorbereitete Werk seines Lebens
nicht zum Abschluss bringen können: am 18. August 1889 schied er, fast
48 Jahre alt, aus diesem Leben. An ihm ging ein Forscher heim, der nicht
nur die eingehendsten Kenntnisse auf dem Gebiete alter kirchlicher Kunst,
für deren Wiederbelebung im alten Geiste er unausgesetzt thätig war, besass,
sondern der beste Kenner der Emaillirkunst der Byzantiner, der je gelebt hat.
Um so dankbarer müssen wir es hinnehmen, dass ein grosser Theil des
Textes zu dem oben erwähnten grossen Werk bei seinem Tod vollendet vorlag,
und zwar die wichtigsten Partien: es fehlen nur die Beschreibungen der auf
den letzten 13 Tafeln publicirten Objecte. So isehr das zu bedauern ist, so
sind uns doch in den ersten Capiteln alle Resultate der Schulz’schen For-
schungen erhalten und diese sind von grösster Bedeutung.
Die Objecte, an denen Schulz seine Studien machte, waren in erster
Linie die byzantinischen Emaillen der Sammlung des kaiserl. russischen Staats-
raths A. V. Swenigorodskoi'. Derselbe hat ein langes Leben daran gesetzt,
mit unerhörter Ausdauer, unter den grössten Opfern an Geld und Gut, alles
an byzantinischen Emaillen zu erwerben, dessen er habhaft werden konnte.
Diese als Privatsammlung ganz einzig dastehende Collection war gelegentlich
wiederholter Anwesenheit des Besitzers in Aachen ausgestellt und bot hier
dem Verstorbenen Gelegenheit zu eingehenden Studien und praktischen Ver-
suchen. Studienreisen, welche Schulz mit Unterstützung des Besitzers nach
418
Litteraturbericht.
den Orten unternahm, an denen sich noch byzantinische Emails befanden, die
Benützung der kostbaren und schwer zugänglichen russischen Publicationen
führten Schulz ein Material zu, wie es kein Gelehrter vor ihm zur Verfügung
gehabt hat. So durfte er denn getrost an die von dem Besitzer mit fürst-
licher Freigebigkeit unternommene Publication wohl vorbereitet herangehen.
Um sich über die Technik genau zu informiren, erlernte Schulz das
Emailliren und stellte das Email im Sinne der Byzantiner dar. Er fand da-
bei die Lehren des Theophilus als vollständig richtig und zweckmässig, wenn
auch manche der alten Emailleure sich gelegentlich kleine Abweichungen erlaubt
haben. Von grossem Werthe für die Praxis sind hier die Resultate, die Schulz
über die Veränderung der Farben, durch grössere oder geringere Hitze, die
durch gleichzeitiges Aufschmelzen mehrerer bei verschiedenen Hitzegraden in
Fluss kommenden Farben u. a. m. gewonnen hat. Zunächst stellt Schulz fest,
dass die Byzantiner nur auf Gold emaillirten ; er weist nach, dass alle Stücke,
die man bisher als auf Kupfer oder Silber emaillirt ansah, entweder doch auf
Gold mit starkem Zusatz von Silber emaillirt oder nicht byzantinisch sind.
Auf die im Budapester Museum befindliche Fälschung aus Silber geht er gar
nicht ein. Sodann widerlegt er überzeugend die Annahme, dass die Herstellung
der Emaillen ein Monopol gewesen sei.
Zur Geschichte der Emailfabrication des Alterthums nimmt der Ver-
fasser an, dass dieselbe mit dem Ende der weströmischen Kaiser und der
römischen Cultur zu Grunde gegangen sei. Im Osten dagegen beginnt im
6. Jahrhundert zur Zeit Justinians die Kunst des Emaillirens neue Schösslinge
anzusetzen. Aus den z. Th. sehr unklaren, z. Th. ganz thörichten Nachrichten
der byzantinischen Schriftsteller über die Herstellung des Emails hat Schulz
mit besonnenem Urtheil festgestellt, wo es sich um Email handelt und es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass die Byzantiner das Email mit
{AsuGii;) bezeichneten. Vom 6. Jahrhundert an wächst der Gebrauch des Email
namentlich für den kaiserlichen Hof schnell , mit den ihnen gestellten Auf-
gaben erstarkte das Können der Emailleure , selbst vor grossen Aufgaben
schrecken sie nicht zurück und etwa um die Mitte des 9. Jahrhunderts er-
reicht die Kunst ihre Höhe, auf der sie bis etwa zum Jahre 1000 bleibt.
Den Anlass zu diesem plötzlichen Aufblühen sieht Schulz in dem 842 wieder-
hergestellten Bilderdienst. Die dadurch gesteigerte religiöse Begeisterung kam
auch den Emailleuren wie überhaupt der Kunst zu Gute, die nun auch an
die Darstellung der göttlichen Personen und der Heiligen, des Kaisers und
seiner Beamten, mit einem Wort an Figurenvorwürfe sich heranwagten.
Die Blüthe hielt an bis etwa zum Jahre 1000, wo mit dem Sinken des Reiches
auch der allmähliche Verfall der Künste eintritt.
Betreffs Herkunft des Zellen-Emails kommt der Verfasser zu dem Re-
sultat, die Kunst sei ganz selbständig in Byzanz entstanden. Es ist nicht zu
leugnen, dass die Kunst des Zellenschmelzes ziemlich plötzlich auftritt. Man
hat sich mit der Annahme beholfen, dass die Kaiser Emailleure aus Asien
hätten kommen lassen, die diese Kunst mitgebracht hätten. Abgesehen davon,
dass wir von diesen alten Künsten in Asien nichts Sicheres wissen wahr
Litteraturbericht.
419
scheinlich ist allerdings, dass sie in Asien geübt worden — , so sind für diese
Heranziehung nicht die geringsten Beweise zu erbringen. Auf die Kunst, mit
Kupferzellen zu arbeiten , in der sogen. Verroterie-Technik zu arbeiten , weist
auch Schulz hin ; vor allem werden es ökonomische Gründe gewesen sein,
insofern das kostbare Gold eine sparsamere Verwendung von selbst zur Pflicht
machte. Das wird man überall gethan haben, wo Goldemail hergestellt wurde;
wie uns die ägyptischen Funde beweisen. Es ist daher doch wohl anzu-
nehmen, dass da irgend welche Traditionen vorhanden waren. In der neuen
Hauptstadt der Welt vegetirten doch sicher die Künste auch in der Zeit po-
litischen Verfalls weiter fort und es brauchte eben nur eines Anstosses, um
sie zu einer Blüthe zu entfalten. So erklärt sich auch ohne Zweifel das
Emporkommen des Grubenschmelzes am Niederrhein, das keinesfalls bloss
aus byzantinischen Einflüssen — es mögen derartige Arbeiten, wie in Trier,
mitgewirkt haben — , sondern aus der alten römischen und barbarischen
Technik entstanden ist.
In einem besondern Gapitel gibt der Verfasser dann einen Ueberblick
über den heutigen Bestand des Zellenschmelzes, wobei nur zu bedauern ist,
dass nicht auch über die etwaige Publication der betreffenden Stücke, soweit
solche vorhanden, Angaben gemacht sind. Uebersehen hat der Verfasser eine
kleine runde Platte — ca. 5 cm Durchmesser — aus dem Besitz des Prinzen
Carl von Preussen, zur Zeit im Kunstgewerbemuseum zu Berlin ausgestellt, mit
Darstellung eines Heiligen in halber Figur, in bunten Farben auf Goldgrund.
Ferner besitzt Freiherr Albert v. Oppenheim in seiner ausgewählten Collection
kirchlicher Kunstwerke einen kleinen Reliquienkasten mit Schiebedeckel, dessen
innere Eintheilung zeigt, dass darin ehemals ein Stück vom hl. Kreuz auf-
bewahrt wurde. Der Kasten ist 10 cm lang, 7,5 cm breit und 2 cm hoch.
Die Darstellungen erscheinen sämmtlich auf durchsichtigem smaragdgrünem
Email von prachtvoller Wirkung. Zur Verwendung bei den Figuren und
Gewandungen sind folgende Farben gekommen: ein schmutziges Weiss (an
Stelle des prächtigen Fleischtones der früheren Zeit); schwarz für Augen,
Haar, Bärte; hellblau opak, gelb opak, tiefblau und kirschroth translucid
für Gewänder, Heiligenscheine etc. Der Deckel zeigt im rechteckigen Mittel-
felde die Kreuzigung mit den Figuren der Maria und Johannes; ohne Sonne
und Mond mit Beischriften. Das Mittelfeld ist eingeschlossen von vier Platten,
welche die Brustbilder der Evangelisten und anderer Heiligen nebst Bei-
schriften zeigen, oben und unten je drei, an den Seiten je vier, sämmtlich
ohne Heiligenscheine. Die Kastenwände sind mit kleinen rechteckigen Platten
belegt, deren jede je einen Heiligen mit Beischrift zeigt, um das Haupt den
Heiligenschein, die Linke vor der Brust erhoben. Die mittlere Platte der vor-
deren Seite ist später, um ein Schloss anzubringen, entfernt. Die Unter-
seite des Kastens zeigt eingravirt ein griechisches, nicht byzantinisches Kreuz
und vier beschlagartige Eckstücke. Im Innern des Deckels finden sich vier
Darstellungen in Niello mit erklärenden Beischriften : die Verkündigung , die
Geburt, die Kreuzigung und die Höllenfahrt (?). Da eine Publication des
Stückes mit Abbildungen in der »Zeitschrift für christl. Kunst« vorbereitet wird.
420
Litteraturbericht.
beschränke ich mich auf diese kurzen Angaben. Hier interessirt uns ohnehin
nur das Email, welches nach Schulz in das 9. Jahrhundert zu setzen wäre.
Den Schluss sollte dann die eingehende Beschreibung der Sammlung
Swenigorodskoi bilden, die nur bis zu Nr. 9 fertig geworden ist. Dagegen
bietet das Buch auf 22 Tafeln den ganzen Bestand dieser ganz einzigen Col-
lection, die, wie verlautet, inzwischen in den Besitz der Eremitage übergegangen
ist. Im Wesentlichen sind es Figuren der göttlichen Personen , der Evan-
gelisten, Apostel und Heiligen der orientalischen Kirche; dann eine Anzahl
Fragmente von Figuren, Heiligenscheinen und Aehnliches, endlich eine Gruppe
von Ohrgehängen und Halsschmuck. Letztere sind desshalb besonders inter-
essant, weil Schmuckstücke aus byzantinischer Zeit kaum bekannt sein dürften :
es sind wohl die einzig erhaltenen Reste dieses Zweiges der Goldschmiede-
kunst.
Kunstgeschichte. Archäologie.
Les Correspondants de Michel-Ange. I. Sebastiane del Piombo. Texte
italien publie pour la premiere fois par le Commandeur Gaetano Milanesi,
Surintendant des Archives de Florence. Avec Traduction franqaise par le
Docteur A. Le Pileur. Paris, Librairie de l’Art. 1890. 4°, S. XII u. 120.
Schon im Herbste 1875 hatte Milanesi die Arbeiten für eine Ausgabe
der Briefe an Michelangelo inv Wesentlichen abgeschlossen (vgl. Repertorium
f. K. W. I. S. 305); es handelte sich nur darum, einen Verleger zu finden.
Das ist nicht leicht für ein Werk, das nur an den kleinen Kreis von Forschern
und ernsten Kunstfreunden, nicht an das grosse Publicum sich wendet. Und
besonders nicht leicht in Italien, dem Lande sehr selbstloser Gelehrter und
sehr unbeholfener und wenig selbstloser Verleger. Und so vergingen dar-
über — man sollte es kaum meinen — 16 Jahre, bis eine der reichsten und
wichtigsten Quellen für Kunst- und Gulturgeschichte des 16. Jahrhunderts in
Italien der Forschung zugänglich gemacht werden konnte. Die von E. Müntz
geleitete Bibliotheque Internationale de l’Art, welche uns schon die Hymans-
sehe Ausgabe von Manders und den ersten Band von Kondakoff’s Geschichte
der Byzantinischen Malerei brachte (ich rede gerade von diesen Bänden der
Bibliotheque, weil ihre Ausgabe den Forschern zu grösstem Nutzen gereicht,
von einem Privat Verleger aber auch den grössten Wagemuth heischt), hat
man auch mit der Publication der Briefe des Correspondenten Michelangelo s
begonnen. Eine rasche Fortsetzung wird sicher nicht fehlen, wenn dieser
grosse, der kunstgeschichtlichen Forschung geleistete Dienst bei den Vertretern
des Fachs und bei den ernsten Kunstfreunden gebührendes Verständniss findet.
Wenn Akademien für die Veröffentlichung auch der wichtigsten kunstgeschicht-
lichen Quellen keine Mittel zur Verfügung haben, so verpflichtet uns private
Initiative zu um so entschiedenerem Entgegenkommen — aus eigenem Interesse.
Der vorliegende erste Theil der Briefe der Gorrespondenten Michelan-
gelo’s bringt die Briefe des Sebastiane del Piombo, des leidenschaftlichsten
Parteigängers Michelangelo’s, des Rufers im Streit zwischen den Anhängern
Michelängelo’s und Raphael’s. Eine Einleitung von E. M. (doch wohl Eugene
Litteratarbericht.
421
Müntz) orientirt in knappen Zügen über Üen wesentlichen Inhalt der Briefe,
dann folgen diese im Originaltext und in gegenüberstehender französischer
Uebersetzung. Die Anmerkungen sind leider! etwas spärlich; über einzelne,
in den Briefen zur Erwähnung kommende Namen und Werke wünschte man
kurze Nachweise, um langwierigen und dabei manchmal fruchtlosen Durch-
suchens der einschlägigen Litteratur überhoben zu sein. Der sachliche Inhalt
der Briefe, soweit er Michelangelo betrifft, ist zwar nicht unbekannt, da Gotti
für seine Biographie Michelangelo’s die von Milanesi schon . damals gesichteten
Correspodenzen benutzen durfte, aber so viele Einzelheiten, die für die Cha-
rakteristik Michelangelo’s und Sebastiano’s, aber auch der Cultur jener Zeit
von hervorragender Bedeutung sind, werden hier mitgetheilt, dass dies vollauf
genügt, schon in rein materieller Beziehung der Publication eine hervorragende
Bedeutung zu geben. Die erste Serie der Briefe — aus dem Jahre 1520 —
führt unmittelbar in die Kämpfe zwischen den Anhängern Raphael’s und
Michelangelo’s, vor Allem nach Raphael’s Tod, wo es sich darum handelte,
die Erbschaft der päpstlichen Gunst den Schülern Raphael’s zu entreissen.
Der Constantinssaal soll für Michelangelo und seine Anhänger gewonnen wer-
den, das ist das Ziel der Bestrebungen Sebastiano’s, trotzdem der Papst gesagt
hatte, die Schüler Raphael’s besässen die Zeichnungen der vier Gemälde, die
hier ausgeführt werden sollten (die jetzt vorhandenen Gemälde beweisen, dass
das Programm Raphael’s erheblich verändert wurde): Et con mezo vostro far
le vendete vostre et mie a un trato et dare ad intendere a le persone maligne
che’l c’e altri semidei che Rafael da ürbino con e soi garzoni« heisst es in
dem Briefe vom 7. September 1520. Und in einem Briefe vom Tage vor-
her — Michelangelo möge sich regen, es gäbe keine ehrenvollere Unterneh-
mung, als die Ausmalung des Gonstantinssaales — »qui ve vendichate de tutte
le inzurie v’e state facte, et farete tacere le cichale che non cridarano piu.«
Des Pietro Urbano Verhältniss zu dem Christus der Minerva haben schon die
Auszüge Gotti’s dargelegt, durch die vollständigen Briefe aber wird der Ein-
blick in die Sachlage noch klarer; Pietro Urbano wird in der allerdings nicht
liebenswürdigen Schilderung Sebastiano’s zu einer greifbaren Persönlichkeit;
warnend schreibt Sebastiane auch dem Michelangelo, dass die öffentliche Mei-
nung nicht ihn, sondern den Pietro Urbano als Urheber des Werkes be-
zeichne: »Advertite che bisogna che la paia di mano vostra, aciö ch’e poltroni
et cichaloni crepino.« Aus dem Jahre 1521 ist nur ein Brief vorhanden
(6. September), der sich auch noch mit dem Christus in der Minerva beschäf-
tigt; dann folgt eine Lücke bis 1525, aus welchem Jahre zwei Bfiefe vor-
handen sind — vom 22. und 27. April — aus welchen die Thatsache her-
vorgeht, dass die Geisselung in Viterbo , die als »alte Copie« des Bildes in
S. Pietro in Montorio angesehen wurde (z. B. Burckhardt’s Cicerone 5. A.
766), von Sebastiano für den Curialen Giovanni da Viterbo gemalt worden
ist; der Besteller will, dass Michelangelo den von Sebastiano geforderten Preis
begutachte. Es folgt dann wieder eine Lücke in der Correspondenz bis 1531.
Dazwischen fällt die Katastrophe Roms. Die furchtbaren Schrecken jener
Zeit, die Umwandlung, welche durch sie Individuen und Gesellschaft erfuhren.
422
Litleraturbericht.
sprechen vernehmlicher in einigen Sätzen des Briefes vom 24. Februar 1531
als in der langathmigsten Geschichtserzählung: »Hora, Gompar mio, che siamo
passati per aqua et per fuoco et che havemo provato chosse che mai se lo
pensasemo, rengratiamo Dio di ogni cossa et questa pocca vita che ne resta,
consumaraola almanco in quella quiete che si po ; che in vero e da far pochis-
simo conto de le acione de la fortuna, tanto e trista e dolorosa. Io mi son
ridutto a tanto, che potria ruinare l’universo, che non me ne curo et me la
rido de ogni cossa.«
Das Jahr 1531 ist mit zehn, 1539 mit neun, 1533 mit fünf Briefen
vertreten ; mit dem Briefe vom 23. August 1533 bricht die Correspondenz ab.
Unterdessen war Michelangelo in der Angelegenheit des Grabmals Julius II.
in Rom gewesen (April 1532). Der wesentliche Inhalt der Briefe aus den
Jahren 1531, 1532 und 1533 betrifft die Grabmalangelegenheit, und man muss
sagen, Sebastiane lässt es weder an Energie noch an Schlauheit fehlen, das
Interesse .seines Gevatters zu wahren (Michelangelo hatte wirklich die Gevatter-
schaft für den einen Sohn Sebastiano’s , Luciano, angenommen, Brief vom
29. ‘December 1520). Die Hauptpunkte der Unterhandlungen sind seit den
von Golti gegebenen Auszügen bekannt. Aber wie viel kommt ausserdem von
diesen Briefen der Biographie Sebastiano’s und der Kenntniss des persönlichen
Gharakterß Michelangelo’s zu Gute! Man weiss es, dass dann, als Michelangelo
dauernd sich in Rom niedergelassen hatte (seit September 1534), die Freund-
schaft zwischen Michelangelo und Sebastiano bald ein plötzliches Ende fand.
Die materiellen Gründe sind unbekannt, die misstrauische und dabei meistens
heftig aufbrausende Art Michelangelo’s werden dabei nicht ohne Schuld sein.
»Vorrei — schreibt einmal Sebastiano an Michelangelo — ve conoscesti e
non degnasti cussi a ogni minima cossa et che ve arecordasti che le aquile
non degna di mosce . . .« Wie sich Sebastiano in den Briefen offenbart, war
er keine harmonisch oder gar fein gestimmte Menschennatur, auch seine
Parteigängerschaft für Michelangelo hat in dem rücksichtslosen Zuschlägen —
selbst noch auf den Schatten Raphael’s — etwas vom Landsknecht an sich,
aber soweit man die Freundschaft in den Briefen verfolgen kann, hat er in
der Treue gegen Michelangelo nie geschwankt. Einzelheiten hebe ich nicht
hervor, man möge sie in dem Buche selbst suchen, die Ausbeute wird nicht
gering sein, so z. B. die Gorrespondenz über die Geburt Mariens (Ghigi Ga-
pelle in S. M. del Populo) u. s. w. Zur Anmerkung auf S. 50 bemerke ich,
dass H. Grimm dem dort angezogenen Brief längst die richtige Datirung
— November 1531 — gegeben hat. H. J.
Architektur.
Dr. Joseph Neuwirth, Privatdocent der Kunstgeschichte an der deutschen Uni-
versität in Prag: Peter Parier von Gmünd, Dombaumeister in Prag,
und seine Familie. Prag, Galve, 1891, 146. S.
Als in dieser Zeitschrift B. XIII, S. 320 ffg. »die Wochenrechnungen und
der Betrieb des Prager Dombaues in den Jahren 1872 — 1378« einer Besprechung
Lilteralurbericht.
423
unterzogen wurden, bot sich mehr als einmal Gelegenheit, darauf hinzuweisen,
welch’ eine grosse Anzahl wichtiger Nachrichten über die Kunstentwicklung des
14. Jahrhunderts in diesem allerdings nur acht Jahre umfassenden Quellen-
werke enthalten sind, da nicht nur die Zahlungen einfach verzeichnet erscheinen,
sondern auch oft solche Notizen eingetragen wurden, welche scharfe Streif-
lichter über das Getriebe in der Bauhütte, die Stellung des Baumeisters u. s. w.
werfen, die Neuwirth mit kundiger Hand zusammenfasste. Durch dieselben
wurde das Bild der Thätigkeit Peter Parler’s und seines Antheiles an dem Dom-
baue, über dessen Einzelheiten bis dahin eigentlich noch recht wenig bekannt
war, vervollständigt. Die fleissigen Forschungen Neuwirth’s in den Archiven
Prags, die von ihm behufs Sammlung von Materialien für eine »Geschichte
der Kunst in Böhmen von dem Aussterben der Premysliden bis zum Tode
K. Wenzels IV.« angestellt wurden, waren von dankenswerthem Erfolge gekrönt»
da zunächst über Peter Parier und dessen Sohn Johann, den dritten Dombau-
meister Prags, mehrere neue Urkunden aufgefunden wurden, welche, wiewohl
sie sich meist nur auf die Privat- und Familien Verhältnisse beziehen, doch eine
solche Fülle von Beiträgen zur Kenntniss über deren sociale Stellung enthalten,
wie sie keine Künstlerfamilie des Mittelalters aufweisen kann. Durch das neu
aufgefundene Material haben aber die beiden Abhandlungen von Grueber und
Chytil über Peter Parier an Werth verloren, da sie schon dess wegen nicht
mehr vollständig dem gegenwärtigen Stande der Forschung entsprechen. Gegen
Grueber hat man von allen Seiten mit Recht den Vorwurf erhoben, dass ihm
ein gründliches Verständniss für die Quellen abgehe. Chytil giebt ein unserer
Ansicht nach leider etwas zu knappes Bild der Bedeutung Peter Parler’s und
seiner Familie und erörtert schliesslich auch die Frage über die anderen Meister
von Gmünd, ohne in Bezug auf diese eine endgiltige Lösung zu bieten ; über-
dies ist die in böhmischer Sprache geschriebene Studie einer grossen Gruppe
von Kunstforschern, denen die Kenntniss des slavischen Idioms abgeht, unzugäng-
lich. Neuwirth hat somit eine schwer empfundene Lücke auf dem Gebiete
der kunstgeschichtlichen Forschung ausgefüllt, wenn er sich in der vorliegenden
Arbeit der dankenswerthen Mühe unterzog, dem genialen Baumeister der Zeit
Karls IV. eine Monographie zu widmen, in welcher die neuesten archivalischen
Forschungen zur Verwendung kommen, in welcher auch gleichzeitig vom tech-
nischen und ästhetischen Standpunkte eine würdige Besprechung der Richtung,
der Werke und der Bedeutung dieses Künstlers für Böhmen unternommen wird.
Gleichzeitig hat er durch diese anziehende Schrift sich auch eine gründliche
Vorarbeit für die Kunst in der luxemburgischen Epoche geschaffen, wenigstens
in Rücksicht auf Architektur und Plastik. — Im Anhänge S. 114—142 werden
die neu aufgefundenen Urkunden veröffentlicht, zum Theile auch jene vollin-
haltlich wiedergegeben, welche bei Tomek, Zdklady stareho mi'stopisu Prazskdko,
nur im Auszuge oder gekürzt mitgetheilt werden.
Grueber, Peter von Gmünd, genannt Parier, Dombaumeister in Prag,
1333 — 1401. Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgesch., I. Jahrg. 1878.
Chytil, Peter Parier a mistri gmündsti'. Prag 1886, S. 41.
424
Litteraturbericht.
Ein näheres Eingehen auf die bei Neuwirth S. 113 entworfene Stammtafel
scheint nicht nothwendig. Der Vergleich derselben mit dem, was Ghytil S. 7 ffg.
über den Familienkreis des Künstlers berichtet, zeigt eine bedeutende Erwei-
terung durch einige bisher selbst dem Namen nach unbekannte Mitglieder,
während bei anderen der Verwandtschaftsgrad genauer bestimmt wird, als dies
bisher möglich war. Eine gründliche Erörterung erheischte die Frage über
den Familiennamen und die Heimath des Künstlers, die Neuwirth nach einer
streng sachlichen und kritischen Untersuchung dahin entscheidet, dass die An-
sicht, er habe Arier geheissen und stamme aus Polen, auf Grund der mangel-
haft überlieferten Inschrift über der Büste Peter Parler’s auf der Triforiuras-
galerie des Prager Domes entstanden sei, und dass, wie auch schon früher
von Woltmann u. a. behauptet wurde, sein Namen Parier gewesen sei und
er aus Cöln stamme. Dass er wirklich Parier geheissen, zeigt eine übersicht-
liche Zusammenstellung seines Namens aus den verschiedenartigen Eintragungen
(vergl. S. 116), während auf Cöln als seine Vaterstadt die richtige Gonjectur
aus (c)olonia und die vielen Beziehungen hinweisen, welche er zeitlebens mit
dieser Stadt unterhalten hat. Wir haben es also mit einem aus Göln am
Rhein stammenden Künstler zu thun, der vor seiner Berufung nach Prag mit
seinem Vater an dem Bau der Heiligenkreuzkirche zu Gmünd in Schwaben
beschäftigt war. In dem ersten Abschnitte S. 1 — 33 folgt die Darlegung der
Lebens- und Familienverhältnisse des Meisters, bei denen stets an der Hand der
urkundlichen Ueberlieferung bis in die feinsten Einzelheiten eingegangen wird.
Eine Reihe neuer Gesichtspunkte eröffnet sich daselbst, namentlich in Bezug
auf seine sociale Stellung und sein Ansehen unter der Bürgerschaft der Prager
Städte. Manche Ansicht muss fallen, die man bisher als ganz zuverlässig ge-
halten hat, so kam er z. B. erst 1353 nach Prag, wo ihm, wie schon in den
Wochenrechnungen S. 409 ff. gezeigt wurde, in Folge eines leider verloren
gegangenen Vertrages, der jedoch in einzelnen Punkten wiederhergestellt werden
kann, die Leitung des Dombaues übertragen wurde. Es entfällt seine Reise
nach Göln im Jahre 1373, da er dieses Jahr hindurch fortwährend in Prag nach-
weisbar ist. Nur zweimal war er verheirathet, denn seine erste Gemahlin Ger-
trud ist mit der in einer anderen Urkunde genannten Ludmila identisch. . Sehen
wir von seinen Brüdern Michael und Heinrich, welcher von Markgraf Jodok
für eine Zeit nach Mähren berufen wurde, ab (S. 46 ff.), so ist entschieden
nach dem Vater das bedeutendste Mitglied der Familie sein Sohn Johann, der
nach dem 1396 oder 1397 erfolgten Tode Peter Parler’s Dombaumeister in
Prag wurde. Die letzte Nachricht über die Parler-Familie in Prag fällt in das
Jahr 1417.
Ein wesentlicher Vorzug dieser Arbeit ist darin zu suchen, dass Neuwirth
die Aufstellung von Hypothesen sorgfältig meidet und im biographischen Theile
wie auch in der künstlerischen Würdigung nur solche Betrachtungen anstellt,
welche sich auf sicher beglaubigte Aussagen stützen. Ruhig und mit Würde
werden kühne und grundlose Ansichten zurückgewiesen, deren Aufstellung ohne
alle Berechtigung erfolgte, z. B. S. 9 ff. die Versuche, Peter Parler’s polnische
Abkunft zu retten. Mit Recht wird auf die anderen Meister aus Gmünd und
Litteraturbericht.
425
auf die Junker aus Prag, die sich an dem Thurmbau des Strassburger Münsters
betheiligten, nicht eingegangen, weil diese Fragen auf Grund der gegen-
wärtig bekannten Quellen mit der Parler-Familie in keine Verbindung gebracht
werden können.
Wir bewundern vor Allem die Vielseitigkeit der grossartig angelegten
Künstlernatur Peter Parlers’, dessen Ideenkreise Böhmen die herrlichsten Schö-
pfungen der gothischen Baukunst verdankt, der auch in gleich meisterhafter
Weise den Meissei führte und durch den realistischen Hauch, mit dem er den
Stein zu beleben verstand, weit dem Geiste seiner Zeit voraneilte. Die meisten
seiner Werke haben sich erhalten und sind die beredten Zeugen seiner Genia-
lität, deren Sprache Neuwirth mit innigem Verständniss erfasste und würdigte
(S. 58-113).
Peter Parier leitete den Ghorbau des Prager Domes, der 1385 vollendet
wurde, worauf man die Ghorstühle in Angriff nahm. Unter seiner Leitung
wurde 1392 der Grundstein zum Ausbau des Domes gelegt und mit dem Quer-
haus begonnen. In der Zeit bis 1385 vollendet er den Chor der Allerheiligen-
kirche auf dem Hradschin ; seit 1357 ist er mit dem Bau der Moldaubrücke
betraut. Er errichtet von Grund aus den Chor der Bartholomäuskirche in
Kolin, zu dem am 20. Januar 1360 der Grundstein gelegt wurde (S. 73 ff.),
der aber 1385 noch nicht ausgebaut war, wodurch es fraglich wird, ob der
Meister selbst denselben vollendete (S. 73—78). In der Reihe dieser Bauwerke,
welche durch Inschriften und Urkunden als Arbeiten Peter Parler’s beglaubigt
sind, gehört nicht die Burg Karlstein, zu deren innerer Ausschmückung er viel-
leicht (?) herbeigezogen wurde (S. 61). Nur die Karlsbrücke schreibt man
gewöhnlich Peter Parier zu, den Altstädter Brückenthurm versetzt man mit
Rücksicht auf die Behandlung des gothischen Beiwerkes in eine jüngere Zeit,
doch auch dieser natürliche Abschluss der Brücke gehört seiner Idee an, wie
aus einer Notiz über den Brand von 1431 ersichtlich ist, und erst später wurde
der Oberbau in einer der ursprünglichen Anlage fremden Art durchgeführt
(S. 64 — 73). Rein technische Gründe, wie insbesondere das die Bauten Parler’s
charakterisirende Einstellen eines Pfeilers der Choranlage in die Mittellinie des
Schiffes, dann namentlich die feine Behandlung der decorativen Ausstattung
sprechen dafür, dass die folgenden Bauwerke von ihm selbst herrühren oder
wenigstens unter seinem Einflüsse entstanden : die Kirche des Augustiner-
chorherrenstiftes Karlshof auf der Neustadt, die Barbarakirche in Kuttenberg,
die Teynkirche in der Altstadt und die kleine, aber im Netzwerk reizend ge-
haltene Klosterkirche der heiligen Maria im Grünen (Slup). Beim Karlshofe
erregt unser Staunen die kühne Kuppel des Oktogons, ein Anklang an die Aachener
Grabeskirche Karls des Grossen, deren Formen der Künstler der Gothik sinnig
angepasst hat (S. 80 — 86). Ein grosses Verdienst hat sich Neuwirth erworben,
indem er auf Grund der Urkunde vom 27. Juli 1388, die auf Seite 88 abge-
druckt ist, den Nachweis liefert, dass die Barbarakirche jin Kuttenberg von der
dortigen Frohnleichnamsbruderschaft gegründet wurde, und dass vor diesem
Tage der Bau nicht in Angriff genommen sein konnte, wodurch die von Branis
vertretene Ansicht, dass die Gründung derselben sogar noch vor 1350 erfolgte
426
Litteraturbericht.
und die daran geknüpften Folgerungen allen Werth verlieren (S. 87 ff. Vrgl.
Zach-Branis, Ghräm sv. Barbory v Hofe Kntne S. 9, 11). Petrus Smelczer
und Otto Schaufler, die man bisher als die Meister des Neubaues der Teyn-
kirche angesel^en hat, waren thatsächlich nur die von der Pfarrgemeide er-
nannten Rechnungsführer und Bauaufseher (S. 98).
Von dem gesunden Geiste, der in der Prager Dombauhütte unter Peter
Parlers Leitung die Mitglieder anregte, nach dem Vorbilde des Meisters Tüchtiges
zu schaffen, zeigen die zahlreichen Sculpturen, die sich erhalten haben. Das
Werkzeichen Peter Parler’s, den doppelt gebrochenen Winkelhaken, finden wir
an dem Standbild des heil. Wenzel, der ursprünglich für die Wenzelscapelle
im Dome bestimmt war, und an dem Bildniss der hl. Maria an der Aussenseite
des Chorschlusses (S. 99 ffg.) Seine eigenhändige, vorzügliche Arbeit ist das
Grabdenkmal für K. Pfemysl Ottokar I., für dessen Herstellung ihm 15 Schock
Prager Groschen gezahlt wurden, da er nach seinem Vertrage zu solchen ausser-
ordentlichen Leistungen nicht verpflichtet war, wie aus den Wochenrechnungen
ersichtlich ist. (Das. S. 394, 498.) Im Aufbau und der feinen Ausführung
zeigt der Sarkophag Ottokar’s II. im Dome so viel Verwandtschaft mit diesem,
dass wahrscheinlich auch er von derselben kunstfertigen Hand angefertigt
wurde. »Eine feine Beobachtung, seltene Naturtreue und besonders durch-
geistigte Ausführung« begegnen wir bei mehreren der musterhaften Büsten
auf der Triforiumsgalerie, deren Durchführung zum Theile dem Meister selbst
anvertraut war, während die anderen jedenfalls unter seiner Aufsicht geschaffen
wurden, ohne dass sich mit Bestimmtheit feststellen lässt, in wie weit wir es da
mit eigenhändigen Arbeiten zu thun haben (S. 102). Ebenso wahrscheinlich ist
es, dass er auf die Ausführung der Sculpturen Einfluss genommen, welche in
den Kirchen angebracht wurden, mit deren Ausbau sein Namen in Verbindung
gebracht wird. Der Prager Domschatz verwahrt eine 65 cm hohe Reliquienmon-
stranz, auf deren Fusse sich das Werkzeichen Peter ParlePs findet. Dieselbe wurde
wahrscheinlich nach der Zeichnung oder dem Modell des Meisters von einem Gold-
schmied durchgeführt und von ihm aus unbekanntem Grunde dem Dome gestiftet.
Die vielseitige Thätigkeit Peter Parler’s ist der beste Zeuge dafür, dass
in Böhmen seine künstlerische Begabung vollauf gewürdigt wurde, in ihr liegt
aber auch der Beweis, dass er auf die Entwicklung der Gothik in diesefm Lande
einen tonangebenden Einfluss genommen hat. Das Bild, welches Neuwirth in
der vorliegenden Arbeit über die Bedeutung dieses Künstlers entwirft, entspricht
in allen Punkten dem thatsächlichen Verhalte und lässt, was die Vertiefung
des Wissens und die Form der Darstellung anbelangt, nichts zu wünschen übrig.
Dr. Ad. Horcicka.
Das Landhaus in Graz. I. Entstehung, Baugeschichte und künstlerische
Bedeutung von Prof. Joseph Wastler. II. Politische Geschichte von Joseph
V. Zahn, Director des st. Landes- Archives. Herausgegeben mit Subvention des
h. Landes-Ausschusses von Steyermark von Joseph Wastler. Mit 36 Text-
bildern und 6 Tafeln. Wien, Verlag von Carl Gerold’s Sohn, 1890. 4®.
Ein Musterstück monographischer Darstellung wird hier geboten. Sorg-
fältige Quellenforschung, auf reicher Erfahrung beruhende Stilanalyse und
Litteraturbericht.
427
Stilkritik, schliesslich eine glückliche Verbindung von Wort und Bild, das sind
Eigenschaften, welche nicht oft in so engem Verein auftreten, wie hier. Und
die Sache war der Mühe werth; unter den Renaissancebauten Süd-Deutschlands
nimmt das Landhaus in Graz nicht bloss einen ganz hervorragenden künst-
lerischen Rang ein, es hat auch seine bedeutende Stellung in der Geschichte
der Anfänge dieses Stils. Das letztere wird erst durch die vorliegende Unter-
suchung recht klar. Das Landhaus, wie es jetzt vorhanden, ist kein Bau
aus einem Gusse ; von einem alten Kern ausgehend, hat sich die Anlage immer
mehr erweitert, entsprechend den wachsenden Bedürfnissen, und wieder-
spiegelt so die Schicksale deutscher Baukunst von den ersten Anfängen der
Renaissance bis in die Zeit des Rococo hinein. Der erhaltene älteste Theil
des Baues, der sogenannte Prueschinkh’sche, der dem ersten Jahrzehnt des
16. Jahrhunderts angehört; wie der Verfasser völlig überzeugend dargethan
hat, zeigt schon den neuen Stil an; aus der Formenanalyse aber des erhal-
tenen Portals und des einen Fensters folgert der Verfasser mit Recht, dass
der Baumeister kein Italiener, sondern ein Deutscher gewesen sei, der sehn-
süchtig nach den Formen neuer italienischer Baukunst strebte, aber die gothische
Lehrüberlieferung, in der er aufgewachsen war, doch nicht ganz verläugnen
konnte. So tritt zu der Fuggercapelle bei St. Anna in Augsburg (1512), zu
dem Damenhof des Fuggerhauses ebendort (1515), zu dem Portal der Salva-
torcapelle in Wien (1515) nun noch jener Theil des Landhauses in Graz als
viertes der Denkmäler — und wahrscheinlich das früheste von allen — welche
das endliche Ende der Agonie der Gothik bezeugen. Es folgte der Neubau
des Rittersaaltractes (begonnen 1527), von dem noch die Säulenhalle unter
dem Rittersaal erhalten ist. Die Gapitelle zeigen schon reinere Formen, es
war auch kein Deutscher, der den Bau leitete, sondern ein »wellischer Maurer«,
dessen Namen aber unbekannt geblieben ist. Der Neubau des Haupttheiles
des Landhauses, der Tract gegen die Herrengasse, wurde 1555 beschlossen
und 1556 begonnen; 1561 wurde er unter Dach gebracht. Der Architekt des-
selben war Domenico de Lalio (ursprünglich wohl Dell’Aglio). Mit de Lalio
beginnt die starke Einwanderung italienischer Architekten, die nun in Steyermark
und Kärnten die weitern Schicksale der Bauentwicklung bestimmen. De Lalio
stammte aus der Gegend von Lugano; aber seine Schule machte er in Venedig
durch; das beweist seine Fassade des Landhauses, welche sich mit aller Treue
an den Palasttypus venezianischer Frührenaissance anschliesst. Nur das rund-
bogige Portal mit seinen kräftigen , verkröpften , stark verjüngten kannelirten
dorischen Pilastern und dem schweren von Consolen getragenen Gebälk macht
dem deutschen Geschmack einige Zugeständnisse. Als ein charakteristisches
Ausdrucksmittel de Lalio’s und seiner Schule bezeichnet der Verfasser die
durch unterbundene Säulchen oder Halbsäulen gekuppelten oder dreigetheilten
Rundfenster (gekuppelt an , der Passade des Landhauses), welche sich über
ganz Steyermark ausbreiteten. Die Hoffassade wird durch dreifach überein-
ander ruhende dorische Arcaden gebildet, und zwar am Herrengassentract
mit sieben, am Landhausgassentract mit fünf Bogenöffnungen. Eine merk-
würdige Verbindung italienischer und nordischer Baugewohnheit zeigt der in
428
Litteraturbericht,
die eine Ecke des Hofes gelegte Uhrthurm, durch welchen die Stiege in den
Rittersaal führte. Wird man doch nicht irre gehen, bei dem Urthurm an den
Treppenthurm nordischer Schlossanlagen zu denken, während doch wieder die
Treppe keine steile Wendelstiege, sondern eine sachte aufsteigende Treppe mit
vornehm ausgestattetem Geländer war. Die Vollendung des Baues kann auf
1565 bestimmt werden (die Rechnungen bezeichnen von da an nur Gegen-
stände innerer Einrichtung) ; Domenico de Lalio war schon 1563 gestorben,
doch hatten Benedict della Porta, de Riva, Peter Tadei, de Lalio’s »ehemalige
Poliere«, die Bauleitung übernommen. So hat de Lalio mit diesem Werke
einen Bau geschaffen, welcher es verdiente, wegweisende Bedeutung für die
Verpflanzung des neuen Stils auf nordischen Boden zu erhalten und welcher
mit dem Belvedere in Prag das Köstlichste bezeichnet, was italienische Archi-
tekten auf deutschem Boden in jener Zeit geschaffen haben. Bevor man den
Zeughausbau — verbunden mit dem Landhausbau — begann, fällt noch die
Verlängerung des de Lalio’schen Baues um vier Doppelfenster an der Fassade
und drei Arcaden im Hofe ausgeführt 1581 — 1584 durch Anton Marbl (Antonio
Marmoro de Pone), dann der aus unbekannten Gründen 1586 vorgenommene
Abbruch des Urthurms, ferner 1590' die Aufstellung der Brunnenlaube im
Hofe von den Rothgiessern V/ening und Auer, ein Werk, das unbestritten zu
den' schönsten Schöpfungen der Renaissance auf deutschem Boden gehört, und
endlich 1630 und 1631 der Bau der Capelle (an der Stelle des Urthurms) mit
aussen herumgelegter Freitreppe zu dem Rittersaal (Architekt: Bartolomeo di
Bosio). Der Bau des Zeughauses wurde 1639 geplant und der Baucontract
mit Meister Antonio Sollar 1642 abgeschlossen. (Antonio Sollar scheint Vene-
zianer gewesen zu sein.) Der Stil ist der des nordischen Barocco, der Ver-
fasser möchte dies so erklären, dass Antonio Sollar nur der Bauleiter ge-
wesen, dass aber der Bauschreiber Adam v. Wundegger den Plan entworfen
habe. Liest man den »Spannzedl«, so drängt sich allerdings die Ueberzeugung
auf, dass der »bestellte, Pau Pallier Maister Anthonien Sollar Maurern« nicht
der Plan gebende Architekt gewesen und darnach ist es dann zum mindesten
wahrscheinlich, dass der Vorstand der Baukanzlei das im Gontract erwähnte
»aufgericht : verglichene : und unterschriebene Model« geliefert habe. Die
prächtigen Fassaden figuren Bellona und Mars, welche das von Ruslicapilastern
eingefasste, mit mächtigem Giebelbau versehene Portal flankiren, sind der grösste
Schmuck des Gebäudes; sie dürften das Werk eines italienischen Bildhauers
sein. In den Jahren 1740 und 1741 endlich fand der Umbau der Landstube
durch Georg Kräxner statt, der selbstverständlich in der Decoration des Innen-
raums sowohl wie am Aussenbau dem Geschmack der Zeit volle Rechnung
trug, also das französische Rococo den verschiedenen Entwicklungsstufen der
Renaissance hinzufügte. Was darnach geschah, war — soweit sich die Thätig-
keit nicht auf nothwendige Reparaturen beschränkte — Verunstaltung des Baues ;
seit dem Jahre 1886 ist man bestrebt, das, was Geschmacksbarbarei der beiden
letzten Jahrhunderte sündigte, wieder gut zu machen. Das Schlechte wird
entfernt, das vorhandene Gute pietätvoll gewahrt, und so »entsteht ein ge-
schlossenes Ganzes, das in der Mannigfaltigkeit der Stile die Einheit des histo-
Litteraturbericht.
429
rischen Gedankens wahrt«. Die so sorgfältige geschichtliche und technische
Erforschung des Denkmals, wie sie hier in der Arbeit des Vertreters der
Kunstgeschichte an der technischen Hochschule in Graz vorliegt, war aller-
dings geeignet, der Restauration die sichersten und besten Wege zu weisen.
Die Abhandlung Zahn’s, wiederum die Arbeit eines ausgezeichneten Fachmannes,
gibt die Geschichte der politischen Körperschaft, die im Landhaus ihr Heim
hatte. Sehr interessant sind darin die neuen Mittheilungen über den ältesten
Theil des Landhauses, die »Kanzlei«, welche seit 1494 der officielle Versamm-
lungsort der Stände wurde und dann dem Neubau de Lalio’s weichen musste.
H. J.
Malerei.
Max Lautner: Wer ist Rembrandt? Grundlagen zu einem Neubau der
holländischen Kunstgeschichte. Breslau, Kern 1891.
Eine energische Zurückweisung dieses als Leistung höchsten wissenschaft-
lichen Wcrthes ausposaunten Werkes wird zur Pflicht, seitdem sich herausstellt,
dass es in einem Theil der Presse Zustimmung erfährt und sein Inhalt von
einem sensationsbedürftigen Publicum als Wahrheit aufgenommen wird. Den-
noch dürfte selten ein in allen seinen Theilen so werthloses Machwerk, eine so
anspruchsvolle Hypothese mit so mangelhafter Begründung als »Grundlage zu
einem Neubau« hingestellt worden sein, als in diesem Fall. Es lohnt sich nicht,
hier einen Auszug des ganzen Inhalts des Lautner’schen Buches zu geben, um so
weniger, da wir ihn nach den vielen Ankündigungen in der Tagespresse als be-
kannt voraussetzen dürfen. Der Verfasser wittert in jedem Rembrandt ein Werk
des F’erd. Bol, dessen Bezeichnung er in tausenden (!) von Fällen aufgefunden
haben will. Selbstverständlich sind ihm die bis jetzt allgemein für echt ge-
haltenen Rembrandtbezeichnungen sammt den Datirungen Fälschungen; die
urkundlich beglaubigten Rembrandt’s sind verloren gegangen, denn die jetzt
vorhandenen, ihnen allerdings täuschend ähnlichen Bilder, tragen ja die Be-
zeichnung Bol’s! So z. B. die berühmte »Nachtwache«. Lautner fühlt sehr
wohl, dass er dieses Meisterwerk von der Urheberschaft jenes Stümpers, den
die Welt als Rembrandt verehrt, ablösen muss, da sonst sein ganzer Neubau
in sich zusammenfällt. Er widmet daher diesem Bilde ein 48 Seiten langes
Gapitel. Zur Widerlegung desselben genügt es, den Lesern die Urkunden ins
Gedächtniss zurückzurufen, woraus mit unumstösslicher Sicherheit hervorgeht,
dass Rembrandt im Jahre 1642 das jetzt unter dem Namen »Nachtwache«
bekannte Bild des Amsterdamer Museums gemalt hat.
I. Im Jahre 1659 erklären Jan Pietersz und Nicolaes van Cruysbergen
mit wahren christlichen Worten und an Eidesstatt, dass sie mit 15 andern
von Rembrandt gemalt worden sind in einem damals im grossen Saale des
Gloveniersdoelen befindlichen Bilde. (Oud Holland, III. 91.)
^) Herr A. Weiske spricht im Leipziger Tagblatt vom 14. Juni sogar vom
»classischen Buche Lautner’s, mit seinen völlig unwiderleglichen und bestürzend
wirkenden Nachweisen«, vom »schweren Lautner'schen Geschütze« u. s. w.
430
Litteraturbericht.
Diese beiden Namen befinden sich, ebenfalls mit 15 andern auf dem
Schilde, welches auf der Nachtwache am Thore des Hintergrundes angebracht
ist, und welches aus ornamental-stilistischen und paläographischen Gründen
kaum später als 1660 von fremder Hand ins Bild hineingemalt worden ist.
Jan Pietersz steht an elfter, Glaes van Gruysbergen an letzter Stelle. (Dyse-
rinck, in der Zeitschrift de Gids 1890, IV. 250.)
II. Im Monat Februar 1653 beschreibt der Amsterdamer Gelehrte und
Staatsmann Mr. Gerard Pietersz Schaep die Gemälde des Gloveniersdoelen,
und erwähnt im grossen Saale des ersten Stocks das Bild mit »Frans Banning
»Gock als Kapitän und Willem van Ruytenburg als Lieutenant; gemalt von
»Rembrandt Anno 1642« 0- (Amstels Oudheid, VII. 135.)
Auch diese beiden Namen finden sich als diejenigen der beiden Anführer
auf dem oben erwähnten Schilde unserer Nachtwache wieder: »Frans Banning
Gocq Heer van Purmerland en Ilpendam Gapiteyn« an erster und »Willem
van Ruytenburch van Viaerding, Heer van Viaerdingen Leutenant« an zwei-
ter Stelle.
III. Unter der bekannten zeitgenössischen ^) Aquarellcopie der Nacht-
wache im Banning-Gocq’schen Familienalbum (publicirt in Oud Holland, IV.
S. 204 und in Bredius, Meisterwerke des Rijksmuseums, S. 25) lesen wir die
Worte:' »Skizze des Gemäldes im grossen Saale des Gloveniersdoelen, auf
»welchem der junge Herr von Purmerlandt als Gapitän seinem Lieutenant
»dem Herrn van Viaerdingen den Befehl ertheilt, seine Bürgercompagnie
»marschiren zu lassen.«
IV. Aus Schaep’s Verzeichniss wissen wir, dass sich im Gloveniersdoelen
nur ein Bild von Rembrandt befand. Auf dasselbe muss sich daher die vor
kurzem von Herrn Dyserinck entdeckte Urkunde beziehen , laut welcher die
Thesauriere Pancras, Velters und Hooft am 23. Mai 1715 den Befehl erliessen:
»das grosse Gemälde Rembrandt’s, welches sich im Saale des Gloveniersdoelen
»befindet, zu reinigen, und demselben darauf einen Platz zu geben im Kriegs-
»rathszimmer des Rathhauses.« Dieses Zimmer ist die Stätte, an der van Dyk
das Bild 1758 sah und beschrieb und die es erst verliess, um Anfang dieses
Jahrhunderts ins Rijksmuseum überzusiedeln.
Es wird gewiss wenig Bilder geben , deren Geschichte durch so viele
Urkunden beglaubigt, dessen Urheber durch so viele Zeugnisse festgestellt
wird. Dennoch wagt Lautner es, daran zu rütteln. Allerdings kannte er das
von Dyserinck im December vorigen Jahrs publicirte Document über den
Transport der Nachtwache ins Rathhaus und die verbesserte Lesart des Namen-
*) Aus seinem Verzeichniss geht mit Sicherheit hervor, dass sich in den
drei Schützenhäusern Amsterdams: Handboogs-, Voetboogs- und Gloveniersdoelen
nur dies eine Bild von Rembrandt befunden hat.
®) Zeitgenössisch auch trotz Herrn Lautner’s nicht einmal auf Au-
topsie gegründeten Verdächtigungen schon desshalb, weil das Album als
Ganzes vor 1655 abgeschlossen gewesen sein muss, da es nachträgliche Be-
merkungen des oben erwähnten Mr. Gerard Schaep enthält, der im Juni 1655 starb.
(Amstels Oudheid, VII. 126; Dyserinck a. a. 0.)
Litteraturbericht.
431
Verzeichnisses auf dem Bilde noch nicht. Er konnte in Folge dessen mit
einem gewissen Rechte behaupten: »Es bestand und besteht eine Lücke in
der Geschichte der Nachtwache; es fehlt die Antwort auf die Frage, wann
sie auf das Rathhaus gekommen ist.« Seitdem aber diese Antwort gegeben
worden ist, seitdem steht die Identität mit dem Rembrandt’schen Bilde des
Gloveniersdoelen felsenfest, ist die ganze Lautner’sche Bol-Hypothese über den
Haufen geworfen, und es bleibt auf sämmtlichen 470 Seiten seines
Buches keine einzige Thatsache von Belang übrig, die neu wäre
und zugleich wahr.
Aber nicht nur die Nachtwache ist uns durch zeitgenössische Zeugnisse
als ein Werk Rembrandt’s beglaubigt. Abgesehen von der jetzt in München
befindlichen Passionsfolge, über die wir den Briefwechsel Rembrandt’s mit
seinem Auftraggeber besitzen, abgesehen auch von dem Dresdener Simson-
bilde vom Jahre 1638, von dem eine ausführliche Beschreibung aus dem Jahre
1641 vorliegt, bestehen von etwa einem Dutzend Bilder aus seiner ersten
Periode (vor 1640) zeitgenössische Stiche von der Hand eines J. G. van Vliet,
W. de Leeuw, P. de Bailliu, S. Savry, J, Suyderhoef, A. Gonradus u. A.
Nach Lautner sind selbstverständlich die Bezeichnungen , welche Rembrandt
als Maler der betreffenden Bilder ■*) nennen , gefälscht. Seite 360 ff. stellt er
sogar die ganze Thätigkeit van Vliet’s als Rembrandtstecher in Abrede. Hätte
er Recht, dann wäre auch das Inventar Rembrandt’s vom Jahre 1656 ge-
fälscht, denn darin wird verzeichnet (Vosmaer S. 442): »Ein Schrank (!) mit
»Stichen van Vliet’s nach Gemälden Rembrandt’s«.
Lautner erklärt uns nicht, zu welchem Zwecke auf denjenigen Bildern,
welche nie in Händen von Kunsthändlern waren, die Bezeichnung des be-
rühmten Ferdinand Bol getilgt und die des obscuren Rembrandt substituirt
sein sollte. So z. B. auf den beiden Anatomiebildern im Haager und Amster-
damer Museum, welche erst in diesem Jahrhundert von der Ghirurgengilde
veräussert, dagegen bereits von Gomraelin (1691) als Werke Rembrandt’s er-
wähnt wurden. Ferner auf den Staalmeesters, der Nachtwache und den
Six’schen Familienporträts, letztere bekanntlich noch heute an der Stelle, wo-
für sie gemalt wurden ! Und auch jene Zeichnungen im Six’schen Familien-
album, welche ebenfalls die Unterschrift Rembrandt’s tragen, zu welchem
Zwecke dürften sie wohl gefälscht sein? Oder sollte die ganze, wichtige Six-
sche Sammlung unserem »Grundleger eines Neubaues« unbekannt sein? Sollte
dasselbe der Fall sein mit den urkundlich beglaubigten Bildern Ferd. Bol’s
im Amsterdamer Palast und Rathhause, welche in der Auffassung, im Colorit,
in der Pinselführung so grundverschieden sind von den Werken Rembrandt’s,
dass an eine Identität der Urheber gar nicht gedacht werden kann ! Sollte
derselbe mit geschlossenen Augen durch die Sammlungen zu Dresden, Leip-
zig, Cassel, Göttingen, Düsseldorf, Hannover, Mannheim, Wien (Liechtenstein)
gegangen sein, er, der behauptet, es gebe heutzutage keine Bilder von Lundens
■*) Dieselben befinden sich heutzutage in den Sammlungen zu Antwerpen,
Frankfurt a. M., Gotha, Innsbruck, Oldenburg, Petersburg und Stockholm.
432
Litteraturbericht.
mehr? Sollte derselbe überhaupt unempfindlich sein für wahre künstlerische
Meisterschaft, ind^m er die Lundens’sche Gopie der Nachtwache für ein Werk
derselben Hand erklärt, die das Amsterdamer Meisterwerk schuf? Sollte . . .
Doch wir wollen nicht weiter fragen, sondern nur noch mit einem kurzen
Wort Rechenschaft darüber ablegen, wesshalb wir die Frage der angeblichen
Boibezeichnungen, welche Lautner in tausendfacher Zahl aufgefunden haben
will, bis jetzt mit Stillschweigen übergangen haben. Viele Leser des Buches
haben diese Frage angesichts der fünf Tafeln für die Hauptsache gehalten
und namentlich in einem Theil der Tagespresse ist in nicht genug zu be-
dauernder Weise auf diese als »völlig unwiderlegliche Beweise« qualificirte
Abbildungen hingewiesen worden. Dieselben beweisen aber auch nicht
das Geringste. Einmal sind sie nach einem geheimgehaltenen Verfahren®)
und grösstentheils in retouchirler Gestalt gegeben, sodann weichen sie sowohl
unter sich, als in ihrer Gesammtheit von dem aus Dutzenden und abermals
Dutzenden von Bildern und Schriftstücken bekannten Namenszug Bol’s so
beträchtlich ab, dass an ihre Echtheit nicht zu glauben ist. Hätte Herr
Lautner den Muth gehabt, auch nur ei ne, allseitig anerkannte Namensunter-
schrift Bol’s zur Vergleichung daneben zu stellen, so hätte sich jeder Leser
davon überzeugen können! Und selbst wenn man zugeben müsste, dass eine
gewisse Aehnlichkeit mit den Schriftzügen Bol’s vorhanden wäre, so würde die
Verschiedenheit der künstlerischen Qualität, des Stiles und der Malweise als
ein nicht zu überbrückender Abgrund zwischen den beglaubigten Bildern
Rembrandt’s und Bol’s bestehen' bleiben. Dies zu empfinden war aber offen-
bar nicht Sache Lautner’s ®). Corn. Hofstede de Groot.
Voyage autour du Salon carre au Musöe du Louvre, par F. A. Gruyer,
Membre de l’Institut. Ouvrage illuströ de quarante Heliogravures executöes
d’apres les Tableaux originaux par Braun. Paris, Librairie de Firmin-Didot
et Cie. 1891. 4°. SS. 496.
Die Monographien über die Werke der Renaissancekunst im Baptisterium
in Florenz, über die Madonnen Raphael’s und über Raphael als Bildnissmaler
haben den Namen Gruyer’s auch in Deutschland zu einem wohl bekannten
gemacht. Nun liegt ein prächtig ausgestatteter Quartband vor, in dem sich
der Verfasser als wohl unterrichteter, feinsinniger Cicerone durch den Salon
carre uns zur Verfügung stellt; Kenner und Historiker verbinden sich in
®) Dieses Verfahren soll inzwischen von Lautner in einem Breslauer Photo-
graphenverein veröffentlicht worden sein.
®) Es sei hier aufmerksam gemacht auf den ausgezeichneten Artikel »Rem-
brandt’s Radirungen und Max Lautner« in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung
(28. Juni 1891) von dem .tüchtigen Rembrandt-Kenner und Rembrandt-Forscher
Dr. A. Jordan (J) der dort den Nachweis erbringt, mit wie wenig Kenntniss des
Werkes Rembrandt’s Lautner an sein himmelstürmendes Werk ging; sein Verhältniss
zu Quellenforschung und Quellenkritik hat trefflich J. Janitsch in .der Schlesischen
Zeitung (2. Juni 1891) beleuchtet. Diese beiden gehaltreichen Artikel werden hier
besonders angeführt , weil sie an etwas entlegener Stelle erschienen sind , aber die
volle Beachtung des Fachgenossen verdienen. A. d. R.
Litteraturbericht.
433
ihm, und so viel er zu sagen, hat, der anmaassend lehrhafte Ton, der
Unfehlbarkeitsdünkel bleibt ihm ferne, und der Reife des Urtheils gesellt
sich die Milde, als die Form eines Skepticismus , der gewöhnlich da vor-
handen, wo dem Forscher der Weltmann sich gesellt. Der Verfasser be-
ginnt seine Wanderung vor den Bildern italienischer Meister; er lenkt aber
öfters seine Schritte auch nach anderen Sälen, denn es liegt ihm daran,
ein, wenn auch skizzenhaftes, so doch in den Hauptzügen vollständiges Bild
der Malerei in den einzelnen Ländern zu geben, soweit eben die Louvresamm-
lung in ihren Denkmälern dazu Anlass bietet. So nimmt er das Bild des
Simone Martini zum Anlass einer Einführung in die Malerei des Trecento,
als Repräsentant der florentinischen Kunst des Quattrocento wird Domenico
Ghirlandajo eingehender behandelt, darauf kommt der Verfasser gleich auf
Lionardo zu sprechen. Das Frauenbild im Louvre möchte der Verfasser, was
Entstehung betrifft, bis ungefähr 1482 herabsetzen; dass darnach weder an
die Geliebte Franz L, noch an Lucrezia Grivelli als die Dargestellte gedacht
werden kann, liegt auf der Hand; und zwingend hat .ja auch erst ganz kürzlich
Uzielli den Nachweis erbracht, dass weder ein Bildniss der Beatrice Sforza,
noch der Grivelli, noch der Galerani von Lionardo’s Hand bis jetzt nach-
gewiesen werden konnte. Die Vierge aux rochers möchte der Verfasser (in
ungefährer Uebereinstimmung mit Bode und Morelli, wie mir dünkt) schon
1485/87 ansetzen; A. Springer hat vor nicht langer Zeit in seinen »Lionardo-
fragen« in Lützow’s Zeitschrift f. bild. Kunst die Datirung dieses Bildes in
scharfsinniger Weise behandelt; schade dass die Ergebnisse dieser Untersuchung
dem Verfasser unbekannt geblieben sind. Dasselbe gilt für seine Besprechung
der Anna selbdritt. Er datirt die Anna selbdritt zwischen 1507 und 1512,
während Springer dieses Bild zeitlich der Vierge aux rochers vorausgehen
lässt. Springer’s Abhandlung hätte den Verfasser auch davor bewahrt, den
Carton der Akademie in London mit dem von Vasari beschriebenen ohne Be-
denken zu identificiren. Den Johannes weist der Verfasser dem florentinischen
Aufenthalte zu, als die Mona Lisa und die Schlacht von Anghiari entstand.
Bei der Heftigkeit, mit der heute um Leonardo herum gekämpft wird, wollte
ich es nicht unterlassen , auch auf die Urtheile des Verfassers besonders zu
weisen. Darüber hinaus führe ich nur noch einzelne Bestimmungen, die auf
viel umstrittene Bilder gehen , an. Das Bildchen Apollo und Marsyas bringt
heute der Verfasser nur mehr mit einem »vielleicht« mit Raphael in Beziehung;
der Name Timoteo della Vite ist »unannehmbar«, dessgleichen Francia, aber
warum so viele Bedenken Perugino gegenüber? — Das Doppelporträt, das der
Katalog dem Gentile Bellini zuweist, gibt der Verfasser dem Giovanni Bellini.
Das Goncert, für welches jüngsthin der Name Gampagnola in Vorschlag ge-
bracht wurde, lässt er, wie mir dünkt mit vollem Recht, dem Giorgione.
Der Zuweisung der kleinen Madonna an Schongauer steht der Verfasser nicht
eigentlich ablehnend, doch noch zweifelnd gegenüber, so belässt er es noch
bei dem alten Namen Rogier van der Weyden. ln einer zweiten Auflage
berichtigt wohl der Verfasser das Geburtsdatum des Tintoretto; es ist ja längst
XIV 30
434
Litteraturbericht.
statt 1512 das Spätjahr 1518 oder Frühjahr 1519 urkundlich sichergestellt
worden. Doch von dem Einzelnen fort weise ich auf das Ganze. Nicht
für den kleinen Kreis der Fachgelehrten ist das Buch berechnet, sondern für
den nicht gerade kleinen Kreis ehrlicher, w'armherziger Kunstfreunde. Für die
schreibt der Verfasser in seiner angenehmen und dabei so gründlichen Art. Da
er kein einseitiger Fachgelehrter ist, interessirt ihn am Kunstwerk nicht bloss die
Technik, die Form, und am Künstler nicht bloss die an äusserliche Bedingun-
gen und Verhältnisse geknüpfte Entwicklung , er bringt Künstler und Kunst-
werk mit den Ideen der Zeit in Verbindung, sieht in dem Kunstwerk den
vertieften und gesammelten Ausdruck von Stimmungen, welche in den verschie-
densten Aeusserungen der Zeit zerstreut zum Ausdruck kommen. Ebenso
geht er über das Stoffliche der Bilder nicht leicht hinweg; und die Porträts
geben nicht selten Anlass zu einem künstlerisch abgerundeten biographischen
Denkmal; ich nenne nur das des B. Casliglione und das der Elisabeth von
Oesterreich. Bemerkt sei dann, dass der Verfasser auch der deutschen Kunst
gerecht zu werden sucht und seine Charakteristik Dürer’s ist nicht bloss geist-
voll, sondern in den Hauptzügen auch richtig. Dabei möchte ich eine kurze
Bemerkung pro domo machen, die nur für meine französischen Fachgenossen
bestimmt ist. S. 284 heisst es: MM. Hotho, Scheibler, Henry Thode ont
reuni de pröcieux materiaux, ä l’aide desquels M. H. Janit^chek a pu ecrire
un livre. Thode’s Buch erschien ein Jahr später als meine Geschichte der
Malerei, so dass ich es zu meinem Bedauern für meine Darstellung der
Nürnberger Schule nicht mehr benützen konnte; dagegen sage ich dem Ver-
fasser, dass unsere deutsche Kunstgeschichte, im Besonderen unsere Geschichte
der deutschen Malerei, seit Kugler’s, Waagen’s und Schnaase’s Zeiten her
durchaus nicht so im Argen lag, als er und mein wohlwollender Referent in
der Revue des deux Mondes seiner Zeit meinte. Man braucht nur die Namen
Thausing, Woltmann, Springer, W. Schmidt zu nennen oder von den Jüngeren
R. Vischer, W. v. Seydlitz, um zu wissen, dass die Bestrebungen, zu einer
richtigen Kenntniss und Würdigung der deutschen Malerei zu gelangen, nicht
von gestern sind. Wären die Vorarbeiten für meine Geschichte der deutschen
Malerei so spärliche gewesen, wie der Verfasser meint, so hätte ich die Arbeit
nicht in sieben, aber auch nicht in zwanzig Jahren unter ein Nothdach brin-
gen können.
Die vierzig Heliogravüren, mit welchen der Band ausgestattet ist, rühren
aus der Kunstanstalt A. Braun in Dörnach her. Man ist gewohnt, diese Kunst-
anstalt stets an der Spitze jener Bestrebungen und Arbeiten zu sehen, welche
den nie geahnten Aufschwung der photographischen Techniken angebahnt
haben. Auch die Heliogravüren dieses Bandes sind der Firma würdig; Be-
stimmtheit der Zeichnung, Klarheit und Abstufung des Tons fehlt niemals
und nichts kann besser bekunden, bis zu welcher Leistungsfähigkeit die Helio-
gravüre bereits vorgeschritten ist, als das Blatt mit der Madonna des Kanzlers
Rolin von van Eijck , mit dem blitzenden Fluss und der lichten Ferne im
Hintergrund, wo bis zum Horizont hin keine Ton- und Formnuance durch
die Photographie unterschlagen worden ist. Und will man sehen, in welchem
Notizen.
435
Maasse die Heliogravüre hier den eigentlich zeichnenden Meistern und den
Coloristen gerecht wird , so vergleiche man/ Ghirlandajo’s Heimsuchung oder
Holbein’s Erasmus mit den Rubensblättern. Das neue Buch von Gruyer ge-
hört somit zu jenen, welche Belehrung und Genuss'^in einer Schale credenzen.
K J.
Notizen.
[lieber Chr. Amberger.] Im Repertorium XIII, S. 274, habe ich
mich über Bilder von Amberger in der k. Galerie zu Wien ausgesprochen; als
ich L. Scheibler die Correctur sandte, erklärte er für wünschenswerth, dass ich
mich auch über die dem Amberger dort zugeschriebenen Bilder ausspreche, die
ich nicht erwähnt hatte. Diesem Wunsche trage ich nun hiermit Rechnung.
Zufolge Scheibler sind die Bildnisse eines Ehepaares vom Jahr 1525,
Nr. 1509 und 1510, die im Kataloge allgemein als »Deutsche Schule« be-
zeichnet werden, von Amberger. Diese Ansicht dünkt mir sehr beachtens-
werth, wenngleich ich in Anbetracht der Thatsache, dass der Künstler erst
1530 in die Malergilde aufgenommen wurde, einige Reserve üben möchte.
Sollte sich Scheibler’s Ansicht bestätigen, was ich für sehr möglich halte, so
käme vielleicht auch das 1523 gemalte, noch streng gezeichnete Porträt eines
jungen Mannes, Nr. 652, in der Augsburger Galerie in' Frage. Auch das
Bildniss des Anton Welser von 1527 bei Frhr. Karl von Welser in Ramhof
würde herbeizuziehen sein. Ehe ich aber diese Bilder aufs Neue mit einander
genau verglichen, wage ich keine endgiltige Entscheidung. Bei dem Bildniss
des Herzogs Ludwig von Baiern Nr. 1431 theile ich jedoch bestimmt nicht
die Ansicht Scheibler’s, dass es von H. Mielich sei. Meiner Ansicht nach ist
es entweder ein untergeordnetes Werk des Amberger, oder, was wahrschein-
licher, eine alte Gopie nach ihm. Auf Arnberger dürfte es auf jeden Fall
zurückgehen. Noch weniger Originale sind die Wiederholungen in Schleisheim
und Augsburg; an das Karlsruher Bild erinnere ich mich nicht mehr, nach
Scheibler ist es eine Copie. Das Urbild ist vielleicht nicht mehr erhalten.
Die kaiserliche Sammlung besitzt übrigens echte Amberger genug: die beiden
sogen. Scorels Nr. 1229 und 1230, das treffliche Bildniss des Martin Weiss
Nr. 1432, das leider verputzte Bildniss des Ulrich Sulczer, Nr. 1433 und das
Bildniss des Christoph Baumgartner, bei dem ich mit Scheibler das Fragezeichen
des Kataloges streichen möchte. Die Ausführungen von Scheibler über die kleinen
Bildnisse Nr. 1435, 1436, 1437, 1438, 1519 theile ich vollkommen, sie sind von
einem französischen oder doch längere Zeit in Frankreich thätigen Meister.
Sollte nicht das Porträt des Pfalzgrafen Philipp’s des Kriegerischen in
Schleisheim (Nr. 78 der Ahnengalerie) dem Amberger zuzuweisen sein ? Es
ist auch schon dem Hans Mielich zugeschrieben worden , was mir weniger
wahrscheinlich dünkt. Die weiche, von Tizian beeinflusste Malweise deutet
eher auf den Augsburger Meister. Leider ist das Bild einmal einer Restauration
436
Notizen.
unterzogen und dabei hässlich übersaucet worden, so dass die Farben sich stumpf
präsentiren; ursprünglich muss es jedoch eine brillante Farbe gehabt haben.
In der Staatsbibliothek zu München wird ein handschriftliches Exemplar
der Waldburg’schen Familienchronik (ein anderes in Wolfegg) aufbewahrt.
Darin sind 83 Holzschnitte eingeklebt, von denen der erste den Verfasser des
Manuscriptes Matthäus von Pappenheim darstellt und die Jahreszahl 1530 trägt.
80 dieser Holzschnitte sind von Hans Burgkmair, die letzten drei dagegen von
dir. Amberger und es stellen dieselben die Ritter Georg, Christoph und Jacob
von Waldburg vor. Auf dem Blatte des Ritters Georg liest man unten rechts
die Initialen G A, die füglich bloss auf Ghr. Amberger bezogen werden können.
Man wäre ja vielleicht auch versucht anzunehmen, die drei Blätter seien wie
die vorausgehenden von Burgkmair gezeichnet und das G A bedeute nur den
Formschneider. Diesem steht jedoch entgegen , dass die Zeichnung der be-
treffenden Nummern in der That von der der vorausgehenden abweicht.
Zuvörderst sind die Beine im Verhältniss zum Oberkörper länger gedehnt als
bei Burgkmair, der sich mehr an die Normalbildung anschloss, besonders aber
ist der Boden, auf dem die Figuren stehen, ganz anders behandelt. Dies kann
nur durch einen verschiedenen Zeichner erklärt werden. Vermuthlich wurde
Burgkmair über der Arbeit krank, oder er starb darüber, und man übertrug
die Beendigung dem Amberger. Das Zeichen G A war ja dem Letzteren über-
haupt nicht fremd, es findet sich auch auf dem schönen Marienaltar im Dom
zu Augsburg von 1554. Wilh. Schmidt.
Bibliographische Notizen.
St. Beissel, S. J.: Die Bauführung des Mittelalters. Studie über die
Kirche des hl. Victor zu Xanten. Mit Abbildungen. Zweite vermehrte und
verbesserte Ausgabe. Freiburg i. B., Herder’sche Verlagshandlung 1889.
Der erste Theil dieser längst gut gekannten und rühmlich genannten
Studie über die Kirche des hl. Victor zu Xanten : die Baugeschichte der Kirche
hat seiner Zeit im Repertorium eine eingehende Besprechung erfahren (VII.
1884, S. 470 ff.). Die beiden anderen Theile: Geldwerth und Arbeitslohn und
Ausstattung, die in den Jahren 1884 und 1887 als Ergänzungsheft zu den
»Stimmen aus Maria-Laach« erschienen, sind gleichfalls an dieser Stelle schon
angezeigt worden (X. 1887, S. 196). Es genügt darum, hier der Freude Aus-
druck zu geben, dass diese einzeln erschienenen Studien nun zu einem Bande
vereinigt wurden, welcher als Muster einer baugeschichtlichen Monographie
bezeichnet werden darf. Freilich nicht leicht steht dem Forscher das Urkun-
denmaterial in so vollständiger Weise zur Verfügung, wie in diesem Falle,
bewahrt doch das Archiv der Victorkirche fast alle seine alten ^Baurechnungen,
die mit dem Jahre 1356 anheben und fast ohne Unterbrechung bis zum Jahre
1807 reichen. Damit war die Möglichkeit gegeben, hier die Bauführung, ja
Bibliographische Notizen.
437
das gesammte Leben auf dem Bauplatz, und nach Vollendung des Baues die
künstlerische Ausstattung desselben in einer so eingehenden Weise zu schil-
dern, dass der Einzelfall zur Bedeutung des Typischen sich steigert und diese
Monographie über die Kirche des hl. Victor für die Baugeschichte des Mittel-
alters weit über das localgeschichtliche Interesse hinauswächst. Und nicht
bloss der Kunsthistoriker hat für diese Gabe zu danken, der Forscher auf
volkswirthschaftlichem Gebiete wird im zweiten Abschnitte des zweiten Theils
(die Taglöhne beim Bau der Victorkirche und das Verhältniss zu den Nahrungs-
mitteln) in den zusammengestellten Tabellen über damalige Münzwerthe, Ge-
treidepreise, Preise für andere Nahrungsmittel, Meister- und Gesellenlöhne,
kostbare und dabei sorgsam gesichtete Mittheilungen finden. Von gleich
starkem Interesse sind die Berechnungen über die Kosten der künstleri-
schen Ausstattung, welche die Freigebigkeit des Capitels in das hellste Licht
stellen, wie denn z. B. der Schrein des Hochaltars allein, mit den Malereien
Bruyn’s, ungefähr 18000 Mark nach unserem Geldwerth (ca. 1500, die Um-
rechnung Beissel’s beruht auf den Getreidepreisen von damals und jetzt) kostete.
Aus diesem dritten Theil seien auch die eingehenden ikonographischen Unter-
suchungen, an die Bildwerke der Kirche sich anschliessend, hervorgehoben.
Der Anhang bringt zum ersten Theil Nachträge und Berichtigungen zur Bau-
geschichte der Kirche; zum zweiten Theil dann eine Abhandlung über rhei-
nische Münzwerthe seit dem 13. Jahrhundert, in welcher sich der Verfasser
mit Lamprecht auseinandersetzt, der in seinem Buche »Deutsches Wirthschafts-
leben im Mittelalter« die Umrechnung der Werthe auf Gramm Silber befolgte,
während, wie erwähnt, Beissel dies mit Zugrundelegung der Getreidepreise
that. Der Verfasser bekennt, dass auch die Umrechnung Lamprecht’s ihre Vor-
theile hat und so gibt er mehrere Tabellen, worin die Münzwerthe in Gramm
Silber umgesetzt sind ; damit ist die Möglichkeit gegeben , die Xantener Preise
überhaupt leicht in Gramm umzurechnen. Ebenso hat der Verfasser, auf Lam-
precht’s Buch fussend, die Tabellen über die Werthe der Lebensmittel bereichert.
Jacques-Louis David und die französische Revolution. Von
Carl Brun. (Ein akademischer Vortrag, gehalten im Rathhaus zu Zürich am
5. December 1889.) Schon sprachlich hat dieser »Vortrag« die gute Eigen-
schaft, dass keine falsche Rhetorik stört, dass er vom Vortrag nur die ein-
drucksvolle Gruppirung der Thatsachen und die scharfe Sonderung des Wesent-
lichen vom minder Wichtigen besitzt. Dann aber ist es ein Genuss, den
Verfasser, der in der französischen Kunst wie in der französischen Litteratur
gleich heimisch ist, über den grossen, viel gelobten und viel verketzerten Künstler
sprechen zu hören. Mit wenigen Meisterstrichen wird das Bild des Zustandes
der Kunst vor David skizzirt, dann dargelegt, wie weit David in der Vergangen-
heit wurzelte und was er aus seiner Persönlichkeit heraus Neues zubrachte. Ihm
war das Römerthum Gesinnungssache, mit der falschen Gräcomanie der Aka-
demie hatte er nie etwas zu thun gehabt. Welches wuchtigen Naturalismus
er im Uebrigen fähig war, bewies sein Lepelletier und noch mehr sein Marat,
ein Werk, durch welches er die Bewunderung der Gegenwart noch so heraus-
488
Bibliographische Notizen.
fordert, wie einst die der Zeitgenossen, Vor Marats Tod frägt man sich, ob die
Geschmackströmung der Epoche die künstlerische Natur Davids nicht tyrannisirt
habe? Doch nicht bloss der Künstler, auch der Mensch erfährt eine Charakte-
ristik, die der Wahrheit die Ehre gibt, ohne wohlthuende Wärme zu entbehren.
Es ist mit Freude zu begrüssen, dass der Verfasser sein reiches Wissen und
sein treffliches Lehrtalent nun vom Universitätskatheder aus verwerthen kann.
J, R. Rahn: Die schweizerischen Glasgemälde in der Vincent’schen
Sammlung in Gonstanz. (Mittheil, der Antiquar. Gesellschaft in Zürich
LIV.) Zürich 1890.
Ein beschreibendes Verzeichniss der schweizerischen Glasgemälde der
Vincent’schen Sammlung (die demnächst zur Versteigerung kommt) giebt
der Verfasser, so eingehend und sorgfältig, dass die Arbeit jeder vom Fach-
mann zu stellenden Anforderung Genüge thut. In der Einleitung orientirt
der Verfasser über den Sammler und den Charakter der Sammlung. Die
Glasmalerei der Deutschen, Niederländer, Franzosen und in einigen wenigen
Scheiben selbst die der Italiener ist darin vertreten, die Hauptschätze aber ge-
hören doch der Kunst der Schweiz an. Der Verfasser zählt und beschreibt
491 Nummern, darunter nahezu 50 mit Namen und Monogrammen der Meister.
Die ältesten Stücke sind Fragmente eines Glasfensters der Klosterkirche Hauterive
bei Freiburg um 1320. Doch sind die Scheiben aus dem vierzehnten, fünfzehnten
und auch noch aus dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in der Sammlung
spärlich vorhanden. Für das Bestreben, spätgothische und Renaissanceformen
mit einander zu verschmelzen, besitzt die Sammlung in zwei grossen und
Doppelscheiben des Jahres 1517 charakteristische Proben. Die grosse Masse der
Scheiben führt den Höhepunkt der Entwicklung der Glasmalerei seit Mitte
des sechzehnten Jahrhunderts vor. So sind hier Nikolaus Bluntschli, Karl
von Aegeri, Andreas Hör von St. Gallen ausgezeichnet vertreten. Aus der
Zeit, da auch in der Glasmalerei der Geschmack des Barock sich ankündigte,
fehlt fast kein bekannter Name. Allen voran Ghristoph und Josias Murer,
Daniel Lindtmayer, Hans Jakob Nüscheler I., Jakob Weber II., Hans Ulrich Jegly,
die Monogrammisten G. S. und H. G. G. u. A. Nach Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts gewann die Grisaille den Vorrang vor den bunten Scheiben und
auch diese Richtung weist in der Sammlung meisterhafte Leistungen auf.
Die Beschreibung berücksichtigt das Ikonographische, Technische, Kunstge-
schichtliche und den Zustand des Werkes mit gleicher Sorgfalt. Künstler-
inschriften und Monogramme sind in Facsimiles wiedergegeben. Am Schlüsse
des Verzeichnisses gibt der Verfasser eine Uebersicht der Monogramme und
Künstlernamen, dann ein Orts- und Namenregister und die Bibliographie der
Schweizer Glasmalerei. Als künstlerische Beigabe bringt das Verzeichniss die
farbige Wiedergabe einer der Doppelscheiben von 1517 (Katalog W. 31 — 31a).
S. R. Koehler: Gatalogue of the Engraved and Lithographed Work
of John Gheney and Seth Wells Cheney. Boston, Lee and Shepard,
1891.
John Cheney (1801 — 1885) ist in Deutschland heute wenig und sein
Bruder Seth Wells Cheney (1810 — 1856) so viel wie gar nicht bekannt.
Bibliographische Notizen.
439
Immerhin hat John Cheney in den dreissiger und vierziger Jahren seiner weib-
lichen Ideal-Bildnisse wegen auch in Deutschland eine gewisse Popularität
besessen. Seiner Heimath Amerika war und ist er mehr. Doch der sorg-
fältig gearbeitete Katalog Koehler’s wird auch in Deutschland sehr willkommen
geheissen werden. Der Verfasser beschreibt 103 Blätter von John und
10 Blätter von Seth Cheney. Es folgt dann die Beschreibung des gemein-
samen Stichwerks der Brüder Outlines and Sketches by Washington Allston,
Boston 1850, 21 Blätter (davon zwei Lithographien). Besondere Tabellen
nennen die Künstler, welche mit John Cheney gemeinsam gearbeitet; dann
die Künstler, nach welchen die beiden Cheney gestochen und lithographirt
(ein deutscher Meister befind'et sich darunter nicht), ferner die Liste der
Porträtirten, in welcher die Frauen besonders zahlreich vertreten sind, da sie
John Cheney so geschickt zu drapiren und zu idealisiren wusste. Darauf folgt
das Verzeichniss gedruckter Werke, welche Lithographien oder Stiche der
Brüder enthalten, und schliesslich noch das alphabetisch angeordnete Ver-
zeichniss der Werke unter kurzem Schlagwort. Der Anhang bringt einige
Briefe John Cheney’s. So ist der Mechanismus des Katalogs von nachahmens-
werther Trefflichkeit; in Amerika vergisst man eben nie, dass Zeit Geld ist.
Saint-Simon: Seines et Portraits. Paris, Librairie de l’Art (1890).
Diese von M. F. Lhomme redigirte Auswahl der glänzendsten und werth-
vollsten Capitel aus den Memoiren Saint-Simon’s beanspruchen auch hier eine
kurze Erwähnung, da der Text von 38 Bildnissen begleitet ist, welche die
Stiche zeitgenössischer hervorragender _Meister wiedergeben, die wieder in der
Mehrheit der Fälle Werke der gefeiertsten Bildnissmaler der Zeit Ludwig’s XIV.
zur Grundlage hatten. Vanloo, Mignard, Rigaud, la Grange, Vivien, Largilliere,
Nattier, Lemoieu u. A. sind von den Malern vertreten. Will, Edelinck, P. Drevet,
van Schuppen, Nanteuil, G. F. Schmidt, J. Audran, Tschemesoff, Crespy,
Desrochers, Picart u. A. von den Stechern jener Zeit. Und so ist es denn
sehr interessant zu sehen, welche Schärfe der Beobachtung damals Gemein-
gut höher entwickelter Geister war, denn sie eignet eben so dem Porträtisten
in Worten, wie dem in Farben und mit dem Grabstichel. Aber diese Schärfe
der Beobachtung ist auch hier und dort mit »Stil« verbunden, d. h. der
Aeusserung eines gewissen Gemeingefühls der Zeit, das sich in diesem beson-
deren Falle als kühle Gelassenheit, mit einem leichten Zug pathetischer Idea-
lität äusserte. Nicht bloss die Bildnisse Ludwig’s XIV., sondern auch die aller
Wortführer des künstlerischen, politischen und religiösen Lebens und selbst
jener, welche nur in den Künsten der Galanterie ihren Ruhm erwarben, sind
classische Zeugnisse solcher Auffassung. Schliesslich sei bemerkt, dass auch
in Bezug auf die redactionelle Arbeit die vorliegende Ausgabe grossen Lobes
werth ist. Eigentlich sind doch nur Theile der Memoiren weggelassen, welche
eher das Interesse erlahmen als anspannen machen; genealogische Nachweise
und Auseinandersetzungen, die sich daran knüpfen, blieben fort, dagegen
erhalten wir Alles, was auf Beobachtung der Zeit und deren Menschen —
natürlich im Bannkreis der »Gesellschaft« — Bezug nimmt. Eine kurze Ein-
440
Bibliographische Notizen.
leilung charakterisirt trefflich Saint-Simon’s Persönlichkeit und den geschicht-
lichen Werth seiner Aufzeichnungen; Anmerkungen am Schlüsse, in nicht
spärlicher Anzahl , erläutern oder stellen auch aus anderen Quellen einzelne
Angaben Saint-Simon’s richtig. Der Preis des 496 Seiten starken schönen
Octavbandes beträgt nur 6 Francs ; — wann wird man in Deutschland so gut
ausgestattete Bücher zu solchem Preise kaufen ?
Gallerie der decorativen Kunst. Ausgewählte Sammlung origineller
Decorationsmotive als Vorlagen für Architekten, Bildhauer, Maler und für
die Kunstindustrie. Gesammelt und gezeichnet von B. Thurmann, Architekt.
I. Band, 1. und 2. Abtheilung. Zürich, Grell Füssli & Cie.
Jede Abtheilung bringt 24 Tafeln, auf beiden Seiten bedruckt, mit
Mustern der Decoration aus den verschiedenen Stilepochen. Die meisten der-
selben sind bestimmt, den Architekten und Bildhauern zu Gute zu kommen.
Doch findet auch der Decorationsmaler , der Möbeltischler, der Schlosser und
Schmied, der Textilarbeiter, und selbst der Kalligraph manche dankbare Vor-
lage. Die autographirten Zeichnungen, die wmhl meist auf Photographien
zurückgehen, kommen dem leichteren Verständniss durch die Bestimmtheit
der Umrisse und die durch gute Vertheilung von Licht und Schatten erreichte
plastische Greifbarkeit der Formen sehr entgegen. Das ist den Photographien
gegenüber ein Vorzug, wenn man den Kreis der Arbeiter im Auge behält, an
welche diese Vorlagen in erster Linie sich wenden. Aergerlich ist es, dass
der Herausgeber in der Anordnung der Tafeln an gar keine Ordnung sich
hält und noch ärgerlicher, dass er die Herkunft der vorgeführten Musterstücke
nirgends bezeichnet.
Jean Szendrei; Gatalogue descriptif et illustre de la Collection de
Bagues de Madame Gustave de Tarnöczy. Paris, A. Levy, 1889,
Die vom Verfasser beschriebene Ringsanimlung der Madame Tarnöczy
in Pest dürfte wohl die umfangreichste sein, die im Privatbesitz und vielleicht
auch in Museen existirt. Die Sammlung zählt 4157 Ringe, die der Verf, des
Katalogs in dreizehn Gruppen geordnet hat. Dem Bronzezeitalter weist er 49 zu,
der Zeit der Völkerwanderung 55, griechische Ringe zählt er 40, römische 103,
byzantinische 10, egyptische 33, andere orientalische 74, Gameenringe 451, Gem-
raenringe 393, Ringe mit Münzen 48, Metall- und Siegelringe 654, Siegel-
ringe mit Steinen 1129, emaillirte Ringe 148, Ringe aus Edelsteinen 356,
Ringe mit besonderen Zwecken oder Kräften (z. B. Zauberkräften) 360, endlich
Ringe, die ausserhalb dieser Gruppen stehen, 238. Die wichtigste und zahl-
reichste Gruppe ist die der Siegelringe, wegen der zahlreichen Wappen die
sie bringen. Der vorliegende Katalog beschreibt 1100 Ringe und bringt von
einer grossen Anzahl derselben Abbildungen. Als Einleitung gibt der Verf.
eine kurze Geschichte des Rings, seiner Bedeutung im Gulturleben und seiner
künstlerischen Entwicklung.
Wahrheit und Dichtung im Kestner-Museum zu Hannover von Gu-
stav Sc^hönermark. Mit Abbildungen. Hannover-Linden, G. Manz 1890.
Der Titel der Brochure und das Vorwort klingt herausfordernd, man
vermuthet einen Fehdebrief an die neue Direction. Der Inhalt überrascht
Bibliographische Notizen.
441
angenehm. Der Verfasser gibt eine kritische Erörterung der hervorragendsten
Gegenstände in Bronze und edlen Metallen , welche den einen Glasschrank
im Hauptraum der Culemann’schen Sammlung füllen. Dabei werden einzelne
Angaben der erklärenden Zettel angezweifelt, beziehungsweise richtig gestellt.
In welchem Maasse letzteres der Fall ist, lässt sich natürlich nur vor den
besprochenen Objecten selbst entscheiden. Der Schreiber dieser Zeilen hat
im Frühling 1890 das Kestner-Museum besucht und den Eindruck empfangen,
dass die Direction rüstig an der Arbeit ist. Aber selbstverständlich im Laufe
kaum eines Jahres lässt sich die wissenschaftliche Katalogisirung nicht be-
wältigen, und so ist die Bezeichnung sehr vieler Gegenstände nur als eine
aus dem alten Inventar übernommene und damit auch nicht endgiltige anzu-
sehen. Solche Untersuchungen wie die vorliegende können die Katalogisirung
nur erleichtern und werden desshalb auch der Direction willkommen sein.
Kurzes Verzeichniss der Gemälde im Grossherzoglichen Museum
zu Schwerin. 3. Aufl. Schwerin 1890.
Das Vorv.'ort berichtet, dass seit der ersten Ausgabe des Katalogs 68 Num-
mern der Sammlung neu eingefügt worden sind (darunter 18 Cartons von
Schumacher und Schlopke, welche anfänglich als Zeichnungen in den Gemälde-
katalog nicht aufgenommen waren) ; 24 von den 68 Nummern gehörten schon
ursprünglich der Sammlung an, waren aber wegen Restaurationsbedürftigkeit
zurückgestellt worden. Bei neuen Erwerbungen war es maassgebend, die
Richtungen im Auge zu behalten, welche der Sammlung ihr eigenthümliches
Gepräge geben; also die Richtung auf gute holländische Werke des 17. Jahr-
hunderts und die Richtung auf zeitgenössische Werke, besonders von Künst-
lern, die mecklenburgischem Boden entstammen. Ueber die Sorgfalt der Arbeit
ist nichts zu sagen, nachdem der kundigste Beurtheiler an dieser Stelle sich
darüber ausgesprochen (Bode, Repertorium VI. S. 208 ff.). Bemerkt sei nur,
dass von dem, was die kunstgeschichtliche Forschung der letzten Jahre zu
Tage förderte, dem Verfasser nichts “"entgangen ist, und nun auch in dieser
Handausgabe vollständige Verwerthung gefunden hat.
Indici e Gataloghi. Annali di Gabriel Giolito de’ Ferrari. Vol. I, Fase. 1.
Roma 1890.
Der Geschichte der Buchdruckerkunst und der Bibliographie würde durch
solche Annalen der grossen Verlagsfirmen Italiens im Zeitalter der Renais-
sance ein grosser Dienst erwiesen werden. Das italienische Ministerium des
öffentlichen Unterrichts scheint eine solche Sammlung von Annalen mit dem
vorliegenden Bändchen eröffnen zu wollen. Der Bearbeiter der Annalen des
Giolito ist Salvatore Bongi. In umfangreicher Einleitung gibt er zunächst die
Geschichte der Begründung und der Entwicklung der Firma Giolito in Venedig.
Die Annalen selbst betreffen in dem vorliegenden Theile nur die Jahre 1536
bis 1543, wovon die Jahre 1536 — 1540 auf die gemeinsame Leitung der Firma
durch Gabriel Giolito und seinen Vater Giovanni fallen. Nach Abschluss des
Werkes soll darüber eingehend an dieser Stelle gehandelt werden.
Anton Springer.
Geboren am 13. Juli 1825 zu Prag, gestorben am 31. Mai 1891 zu Leipzig.
Der Letzte der Altmeister kunstgeschichtlicher Forschung in Deutschland
ist lodt. Nicht bloss ein grosser Lehrer und Gelehrter ist mit ihm gestorben,
sondern' auch eine Persönlichkeit in des Wortes höchstem und bestem Sinne.
Hinter dem Lehrer und Gelehrten stand jein ganzer Mann, und mehr als diess,
ein ganzer. Mensch. Die Wissenschaft war für ihn ein Ausschnitt aus Welt
und Leben, doch nicht Welt und Leben ganz. Die Schicksale des Volkes, dem
er angehörte, zwar nicht durch Geburt, aber im höheren Sinn durch freie
Wahl des Geistes, verfolgte er mit stürmischem und wieder ängstlichem Herz-
schlag. Die Zeit erzog ihn, aber Gunst und Ungunst des Schicksals be-
stimmten ihn nicht. Er war ein immer Lernender, und er wurde sich selber
doch nie untreu. Plan und Klarheit lag in diesem Leben von Anfang bis Ende
und jene Würde, welche Erfolge verleihen, die nicht der Kameradschafteiei
oder äusseren Glücksfällen, sondern bloss eigener JCraft zu danken sind.
Springer’s Jugend fiel in die Zeit starker Gährung der Geister und seine
Studien zogen ihn zu einem Philosophen hin, dessen Dogmatik uns heute fremd
geworden sein mag, der aber für die wissenschaftliche Methodik dieses Jahrhun-
derts fortwirkende Bedeutung gewann. Der Universalismus der Bildung, zu dem
der Kerngedanke Hegel’s trieb, musste, wenn er auf eine starke Natur traf,
das Studium jedes Zweiges der Wissenschaft befruchten; er kämpfte gegen
enggeistiges Isolirsystem zusammengehöriger Disciplinen und forderte den Zweck
nicht über die Mittel zu vergessen. So ist denn auch Springer’s Anschauung
der Kunst, mochte er auch gegen Hegel’s Rangstellung von Kunst und Staat
polemisiren, auf dem Boden Hegel’scher Weltanschauung erwachsen. »Ohne
innige Beziehung zum Volksgeiste, ohne die stäte Berührung vom Hauche der
Geschichte giebt es keine wahrhafte Kunst. Indem wir von der Kunst reden,
stehen wir im mittelsten Grunde der menschlichen Geschichte, haben wir es
mit dem Kern der Entwicklung der Menschheit zu thun.« Mit dieser Auffassung
vom Wesen der Kunst war auch die Auffassung vom Wesen der Kunstgeschichte
gegeben, wie sie Springer von seinen kunsthistorischen Briefen an bis zu den
Grundzügen der Kunstgeschichte vertrat. Die schroffe Forderung aber, die er
daraus für sich und Andere zog, war: die Kunstgeschichte ist eine Wissenschaft,
Anton Springer f.
443
von den anderen historischen Disciplinen durch den Gegenstand, aber nicht durch
die Methode unterschieden. Den Gegenstand kunstgeschichtlicher Forschung und
Darstellung hat er in unanfechtbarer Weise umgrenzt: »Zwei Aufgaben hat die
Kunstgeschichte vornehmlich zu lösen. Sie soll von den Trägern der künst-
lerischen Bewegung und Entwicklung ein lebendiges und anschauliches Bild
entwerfen, welche Gedanken in der Phantasie der Künstler walteten, in welche
Formen sie dieselbe kleideten, welchen Gang sie während ihrer Wirksamkeit
einschlugen und welchen Zielen sie nachstrebten, klarlegen. Neben dieser psy-
chologischen Charakteristik hat die Kunstgeschichte auch die Luft, welche die
Künstler und Künstlergeschlechter athmen, die Umgebung, in welcher sie sich
bewegen, die Einflüsse, von welchen sie getroffen werden,. das Erbe, welches
sie verwalten und vermehren, zu schildern. Das Letztere freilich nicht in
herkömmlicher Weise. An die Stelle des allgemeinen, ideal gehaltenen Bildes
von den weltherrschenden geistigen Mächten müssen zahlreiche, nach der Natur
ausgeführte Zeichnungen treten, welche darstellen, wie sich die Phantasie-
stimmungen der auf einander folgenden Künstlergeschlechter und der ver-
schiedenen, wenn auch gleichzeitigen, doch auf verschiedene Landschaften und
Stämme vertheillen Künstlergruppen vorbereiten und allmählich entwickeln.«
Es ist einleuchtend, dass allen diesen Forderungen zu genügen, es eines be-
sonders veranlagten Naturells bedürfe. Und so hat denn Springer auch er-
klärt: Wäre das Studium der Kunstgeschichte so leicht und bequem, wie es
vielfach angesehen wird, so wäre es der auf dasselbe verwendeten Mühen nicht
werth. Auf ein so hochgestecktes Ziel den Blick gerichtet, musste er das
strenge Urtheil fällen, dass die kunstgeschichtliche Forschung noch in den
Anfängen ihrer Arbeit stehe. Vielleicht ein zu strenges Urtheil, denn verglich
er seine kunsthistorischen Briefe und seine Grundzüge der Kunstgeschichte,
die durch den Zeitraum von dreissig Jahren getrennt, beide den Höhepunkt
der Forschung ihrer Zeit vertreten, so durfte er sich wohl bekennen, dass die
Kunstgeschichte in jenem Zeitraum nicht gefeiert habe, dass namentlich die
Arbeit, welche unterdessen die Specialforschung geleistet hatte, nicht hinter
jener der verwandten Zweige geschichtlicher Studien zurückgeblieben war.
Und er selbst war ja darin mit leuchtendem Erfolg vorangegangen. Die Ikono-
graphie des frühen Mittelalters hat erst durch ihn die Stellung einer kunst-
geschichtlichen Hilfsdisciplin erhalten, und von welcher Bedeutung, das er-
wiesen gleich seine Untersuchungen, wo er sie zur Lösung der byzantinischen
Frage im Abendland und wieder zur Feststellung bestimmter Ortsgruppen von
Denkmälern heranzog. Die Forschung über die Kunst der Karolingerzeit
kam durch ihn wieder in Fluss und den Kunstdenkmälern des zehnten Jahr-
hunderts hat er zuerst ihren Platz in der organischen Entwicklung der Kunst
auf deutschen Boden, die mit der Karolingerzeit anhebt, zugewiesen. Doch
nicht bloss an abgeschlossenen Ergebnissen w'aren alle diese methodisch meister-
haft geführten Untersuchungen reich, sie waren ebenso reich an Anregungen,
die sie allenthalben gaben, an Richtungspunkten, welche die Forschung der
Fachgenossen zuzusteuern hatte. Die Wege, welche hier die Forschung zu
gehen hatte, waren allerdings mühsame, aber die Erfolge doch ungeahnt be-
444
Anton Springer f.
deutend. Als er über den karolingischen Untersuchungen sass, schrieb er (irn
Februar 1882): »Ich bin in den Studien der karolingischen Dichter tief be-
graben, möchte, was sich aus denselben für die Kunstgeschichte, Kunstan-
schauung des karolingischen Zeitalters ergibt, Zusammentragen. Das ist eine
langstielige, aber ich hoffe, fruchtbare Arbeit. Einzelne Resultate habe ich
bereits gewonnen. Mehr als die Resultate fesselt mich das Methodische. Es
muss doch endlich der Versuch gemacht werden, die Kunstgeschichte auch
durch das Studium der gleichzeitigen Poesie in helleres Licht zu setzen. Je
geringer die Zahl der Monumente in einer Periode, desto wichtiger sind die
Zeitstimmen.« Wenn heute namentlich junge Fachgenossen bei vollem Be-
wusstsein alter Schwierigkeiten sich wieder der Erforschung der deutschen
Kunst des Mittelalters zuwenden , so ist dies nicht zum Wenigsten den Mah-
nungen und Anregungen, welche Springer gab, zu danken. Will man Springer’s
souveraine Beherrschung der kunstgeschichtlichen Arbeitsmethode ganz erfassen,
dann wende man den Blick von jenen Studien und Forschungen zu dem
Meisterwerk biographischer Darstellungskunst, zu dem Buche Raphael und
Michelangelo. In welcher Weise er die Kritik der litterarischen Quellen hand-
haben werde, darauf hatte schon seine Studie Michelangelo in Rom 1508 — 1512
vorbereitet, in dem vollendeten Werke überraschte es, wie der Entwicklungs-
process jeder einzelnen Schöpfung vom ersten nachweisbaren Phantasiekeim
bis zur Vollendung des Werkes dargelegt wurde ; so folgerichtig und in so
umfassender Weise war das ganze Handzeichnungsmaterial für eine so weit
umgrenzte Aufgabe bisher nicht ausgenützt worden wie hier. Und wenn der
Leidende dabei öfters auf die Autopsie verzichten und mit der photographischen
Nachbildung sich begnügen musste, so fordert die Schärfe und Sicherheit seines
Blickes zu um so grösserer Bewunderung heraus, da er trotz solcher Hemm-
nisse in die künstlerische Entwicklung Raphael’s so tief eingedrungen war, wie
nur wenige vor oder neben ihm, und da, soweit der schwierigste Abschnitt
von Raphael’s Entwicklung, die seiner Jugend bis zum Jahre 1504, in Frage
kommt, neben ihm nur Morelli als von gleicher Bedeutung für die Förderung
unserer Kenntniss dieser Periode genannt werden kann. Sobald aber Springer
an die Gestaltung des Stoffes herantrat, verschwand der Forscher hinter dem
Künstler, alle Mühsamkeit vorbereitender Arbeit war überwunden, die feine
Sinnlichkeit, welche das Kunstwerk vom Geniessenden fordert, kam zu ihrem
Rechte und wiederum die Herbheit des Künstlers sich selbst gegenüber dem
Werke zu Ehre und Liebe. Der Specialist und der Geistreiche traten nicht
dem künstlerisch gestaltenden Geschichtschreiber in den Weg, der nur die
Harmonie des Ganzen vor Augen halten darf, aus dem die Bedeutung des
Einzelnen unbekümmert um die Kraft persönlicher Neigungen oder den
Umfang besonderer vorbereitender Arbeiten, umgrenzt werden muss. Wie
gesagt , Raphael und Michelangelo ist ein Meisterwerk geschichtlicher
Schilderungskunst; aber eine noch stärkere Anspannung solcher gestaltender
Kraft forderten die Grundzüge der Kunstgeschichte, ein Buch, das in der
Handbücherlitteratur nicht seines Gleichen hat. Bringt man auch in Anschlag,
dass Lernzeit und Lehrerfahrung eines Menschenalters demselben zu Grunde
Anton Springer f.
445
liegt, immer noch bleibt das Gruppiren einer Unsumme sorgfältig ausgewählter
und gesichteter Thatsachen um grosse leitende Gesichtspunkte , der gleich-
bleibende Stärkegrad künstlerischer Empfindsamkeit, der einheitliche Zug der
Darstellung, der weder durch ruckweise einsetzende Rhetorik noch durch fahr-
lässiges Sichgehenlassen in Gedankenbau und Satzbau entstellt wird, Eigen-
thum einer ganz persönlichen Begabung, in der Fähigkeiten, die meistens nur
getrennt sich finden, zu seltener Harmonie sich zusammenschliessen. Aber
gerade dies Gleichmaass von Phantasie- und Verst.andeskraft, von analytischem
und synthetischem Vermögen , das auch wieder gleichmässig die Thätigkeit
der Phantasie und des Verstandes regelte, haben Springer’s Bedeutung als
Kunsthistoriker bestimmt. Bei dem Lehrer kam dann noch ein Anderes hinzu:
die Macht der Beredsamkeit, Beredsamkeit in jenem Sinne, welche für ein
mächtig arbeitendes, nichts destoweniger unter strenger logischer Zucht stehen-
des Gedankenleben ohne Mühe und ohne Suchen den bezeichnendsten und
knappesten sprachlichen Ausdruck zur Verfügung hat. Zu welcher Harmonie
mussten Gedanken- und Empfindungsleben, Verstand und Phantasie sich zu-
sammenschliessen, um jene mächtige Wirkung auf Geist und Phantasie der
Hörer zu üben, wie sie von Springer’s Vorträgen ausging. Und wer aus Er-
fahrung alle die Versuchungen und Verlockungen kennt, welche bei dem auch
auf das Sorgfältigste vorbereiteten und disponirten freien Vortrag den Geist
auf Nebenwege zu ziehen suchen, der hört mit Neid oder Bewunderung, wie
Springer in jedem seiner Vorträge ein nicht bloss dem Gegenstände, sondern
auch der Form nach abgeschlossenes Ganze zu geben vermochte. Diese Gabe
mündlicher Mittheilung verbunden mit den Eigenschaften, welche Springer als
Forscher auszeichneten, verwirklichten in ihm das Ideal eines akademischen
Lehrers, So war es seine Persönlichkeit, welche nicht wenig dazu beitrug,
dass die Kunstgeschichte sich die Stellung erwarb, welche ihr neben den ge-
schichtlichen Schwesterdisciplinen an den Universitäten zukommt. In Bonn
klang der Name Springer’s gleich hell wie der Jahn’s und Ritschl’s — das war
ein Sieg, der nicht bloss dem Mann, sondern auch der durch ihn vertretenen
Disciplin zu Gute kam. Und so hat auch Springer dem kunstgeschichtlichen
Lehrstuhl in Strassburg die Weihe gegeben und er war dann der Erste, der
die Kunstgeschichte an der Universität Leipzig zu vertreten hatte. Wo immer
er hinkam, da hatte es mit einer leichtfertigen Auffassung der Kunstgeschichte
ein Ende. Bald lernte er allerdings auch di-kennen, wie viel Verschuldung an
der Missachtung der Kunstgeschichte Vertreter derselben selber hatten. Gegen
solches wissenschaftliche Freischärlerthum ist er im Kampfe nicht ermüdet.
Leichtherziges Hypothesenspiel, auch wenn es mit allem Flitter der Geist-
reichigkeit ausgeStattet war, phantasievollen Subjectivismus, auch wenn er von
der Volksgunst getragen ward, hat er zu bekriegen nie aufgehört. Das war
ein Zorn, aus lautersten ethischen Motiven heraus, 'denn Springer wusste,
was in Frage stand. Doch auch wenn er tadeln musste, kam ihm der
Tadel nicht leicht. »Es ist ein bitteres Handwerk, das Kritisiren — seufzte
er einmal — wenn man nicht loben kann.« Das Recensiren im gewöhn-
lichen Sinne »mit seinen rothen Strichen, seinen schulmeisterlichen Einzel-
446
Anton Springer f.
ausstellungen« entsprach ihm wenig, immer schritt er dabei zur Formulifung
neuer fruchtbringender Gesichtspunkte vor, man lese Berichte wüe die über
die Ausgabe der Adahandschrift in den Göttinger Gelehrten Anzeigen, oder
über die bei Grote erschienene Geschichte der deutschen Kunst im Reper-
torium. Sein unbestechlicher Wahrheitssinn machte ihm freilich oft ganz
unvermuthet den Freund zum Feinde, bitter klagte er dann über das Ver-
kennen seiner Absichten, aber die Würde der Wissenschaft hat er doch nie
persönlichen Beziehungen geopfert. Und so über manche Erscheinung der
Gegenwart verstimmt, hat er gerne den Blick der Zukunft zugewendet.
»Mit . . . der jüngeren Genossen Hilfe — schrieb er einmal — wird es
hoffentlich noch besser werden und die Kunstgeschichte vollständig auf-
hören, an Universitäten nur als Zierpflanze zu gelten, das war das grösste
Hemmniss ihrer raschen Entwicklung. Denn mögen die Herren , die
aussen stehen, sagen, was sie wollen, nur wenn die Kunstgeschichte Univer-
sitätsdisciplin bleibt, kann sie sich als Wissenschaft erhalten.« Solche Hoff-
nung stand auf festem Boden; als er ihr Ausdruck gab, feierte er das Fest
einer fünfundzwanzigjährigen oder besser gesagt vierunddreissigjährigen Lehr-
thätigkeit und die Festschrift, die ihm ehemalige Schüler überreichten, gab
ihm den Beweis, auf wie fruchtbarem Boden Lehre und Beispiel fortwirkten.
Und wie diese Festschrift, so bewies die fortlaufende Reihe der Disser-
tationen , die unter seiner Leitung entstanden , dass er in Leipzig eine feste
Lehrüberlieferung und Lehrmethode geschaffen hatte, an deren Grundsätzen
nicht zu rütteln sein wird. Hat man aber die Vorzüge des Forschers und
Lehrers dargelegt, so kommt noch Eins, um die Ursachen von Springer’»
Erfolgen zu übersehen, was ganz Eigenthum seiner sittlichen Persönlichkeit
war: seine Pflichttreue. Man staunt es wie ein Wunder an: zuneh-
mendes Siechthum scheint seine Arbeitskraft und seine Arbeitsfreudigkeit
eher zu erhöhen als herabzusetzen. »Mir stockt der Athern — schrieb er
vor fast zehn Jahren — wenn ich daran denke, was ich noch zu thun
habe, dabei steht es mit meiner Gesundheit nicht sonderlich.« Und ge-
legentlich jener Feier im Mai 1885: »All die Theilnahme . . . muss mich an-
spannen, was ich noch an Lebensjahren übrig habe, recht intensiv im Dienste
der Wissenschaft zu verwenden.« Und dann klingt es nochmals wie ein
Siegesruf des Geistes über den Körper Ende Januar dieses Jahres, als schon
schweres Siechthum ihn quälte: »Zum Glück hat mich die Arbeitslust und
Arbeitskraft nicht einen Augenblick verlassen. Ich habe zu Weihnachten zwei
Manuscripte auf meinemSchreibtisch legen können« (die Selbstbiographie und
die Dürermonographie). Bei der Arbeit wurde er vom Tod ereilt. — Und
als er noch am Tage vor seinem Tode in die Grosse Passion sich versenkte,
da hat gewiss nicht bloss der Forscher, sondern auch der leidende Mensch
mit dem tiefsinnigsten deutschen Künstler, der immer sein Liebling gewesen,
Zwiesprache gehalten.
Nur dem kunstgeschichtlichen Forscher und Lehrer, sollten zunächst
an dieser Stelle, wo auch er daheim war, einige Worte der Erinnerung
geweiht werden. Des deutschen Patrioten, des Politikers, des Geschichts-
Anton Springer f.
447
Schreibers soll gedacht werden, wenn wir erst sein eigenes Bekenntniss
vernommen haben werden, »wie ich ein Deutscher wurde.« Wir Alle aber,
die wir uns in dem von ihm hihterlassenen Erbe theilen, wollen es nicht
bloss geniessen, sondern auch nach Kräften mehren. Kaum eine andere Wissen-
schaft birgt so viel Verlockung in sich, der geistreichen Paradoxie, der pikanten
Hypothese, dem von Augenblicksstimmung abhängigen Urtheil zu unterliegen,
wie die Kunstgeschichte ; streben wir ihm nach an wissenschaftlicher Redlich-
keit, an strenger, auch der Härte gegen uns selbst fähigen Zucht des ürtheils,
und halten wir wie er fest an methodischer nüchterner Forschung — Alles in
Allem — an seinem Glaubensbekenntniss : die Kunstgeschichte ist eine Wissen-
schaft, von den anderen historischen Disciplinen durch den Gegenstand, aber
nicht durch die Methode unterschieden. Dann werden wir nach einem Menschen-
alter nicht mehr die Grundlagen unserer Disciplin vor inneren und äusseren
Feinden darzulegen und zu vertheidigen haben , und die wissenschaftlichen
Unthaten eines undisciplinirten Freischärlerthums, die auf keinem Gebiete
wissenschaftlicher Thätigkeit fehlen, werden nicht mehr Veranlassung geben,
auf die Wissenschaft selber, sondern wie es Recht und Billigkeit heischt, nur
auf den missrathenen Vertreter derselben mit dem Finger zu weisen. Das
wird die würdigste Ehrung sein, die wir seinem Andenken bringen können.
— Der machtvolle Redner eifert nicht mehr an, aber der grosse Forscher und
der grosse Mensch ist unter uns geblieben, das genügt, dass wir seiner Führer-
schaft sicher bleiben. Hubert Janitscheh.
Karl Eduard von Liphart f.
Wenige deutsche Kunstfreunde und Künstler, die in den letzten drei
Jahrzehnten auf einige Zeit Florenz besucht haben, werden nicht persönlich
ergriffen worden sein durch die Nachricht vom Tode des »alten Liphart«,
der am 23. Februar in seinem geliebten Florenz seinem langen glücklichen
Leben ein Ziel setzte. Für die kleine Colonie deutscher und deutsch empfin-
dender Reisender, die in Florenz italienische Kunst an ihrer Quelle geniessen
und studiren wollten, war sein gastliches Haus mehr als ein Vierleijahrhundert
lang der Mittelpunkt. Gastlich freilich in einem ganz eigenen , im besten
Sinne. Nicht zu Gastereien fanden sich hier die Gäste zusammen: wer zeitig
genug kam, durfte noch am runden Tisch des Vorzimmers eine Tasse Thee
mit den alten Herrschaften zusammen einnehmen; aber schon die erste Frage
gab eine Discussion, Bücher und Mappen wurden herangeschleppt , der Thee
musste verschwinden, der »Liphart’sche Abend« begann. Diese ungezwun-
genen Unterhaltungen über alle Gebiete der Kunst und Wissenschaft, in denen
Liphart selbst bis in die achtzigsten Jahre stets den Mittelpunkt bildete , die
durch seine nervöse Lebendigkeit angeregt und belebt wurden und aus seinem
ganz ungewöhnlichen, ebenso vielseitigen wie gründlichen Wissen den über-
reichen Stoff zogen, sind für manche jüngere und nicht wenige ältere Kunst-
historiker und Kunstfreunde von bleibendem Einfluss für ihr Verständniss und
ihre Auffassung der alten Kunst geworden; und mancher Künstler verdankt ihnen
die Anregung zu einem lebendigen Verhältniss zur älteren Kunst, namentlich zur
Florentiner Kunst. So lange Liphart noch seine ausserordentliche körperliche
Rüstigkeit in vollem Maasse besass — und diese nahm erst in den letzten
sieben oder acht Jahren durch wachsende Schwäche der Füsse allmählich
ab — , waren diese Abende nur der kritische Abschluss, gewissermaassen das
Repetitorium für das, was am Tage oder in verschiedenen Tagen vorher auf
Ausflügen in und um Florenz, gelegentlich selbst in Mittel- und Oberitalien
unter Liphart’s Führung gesehen und genossen war.
Karl Eduard von Liphart war der Sprosse einer alten livländischen Fa-
milie, deren grosser Fideicommissbesitz bei Dorpat noch wenige Jahre vor
seinem Tode in seine Hand überging. Eine ungewöhnlich sorgfältige Erzie-
hung, die ihm seine Eltern angedeihen liessen, fand bei ihm den besten Bo-
den. Schärfe der Auffassung vereinigte sich' in Liphart mit Wissensdurst und
Karl Eduard von Liphart f.
449
Gründlichkeit. Auf den Universitäten Dorpat, Königsberg und Berlin studirte
er Mathematik, Anatomie und Naturwissenschaften. Zu seinem Landsmann
Bär, zu Diffenbach, Joh. Müller u. A. trat der junge Student in nähere Be-
ziehungen. In Berlin erschloss sich ihm zuerst das Gebiet der Kunst, für
das sich sein Herz bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Italien und durch
den Umgang mit Rumohr, Passavant, Graf Schack voll erwärmte. Aus Italien
zurückgekehrt, liess sich der junge Liphart zunächst wieder in Berlin nieder;
nach seiner Verheirathung mit einer Gräfin Bylandt 1839 zog er auf mehrere
Jahre nach Bonn, wo er mit Schlegel befreundet wurde und durch ihn zu
philologischen Studien , namentlich zur Beschäftigung mit neueren Sprachen
angeregt wurde. Aus dieser Anregung entsprang der Plan zu einer spanischen
Reise, welche er 1843 in Begleitung eines jüngeren Bruders ausführte. Auch
in Spanien war wieder die Kunst, waren namentlich die Schätze der Madrider
Galerie der Hauptanziehungspunkt für seine Studien.
Von dieser Reise kehrte Liphart mit seiner Familie für eine Reihe
von Jahren nach seiner Heimath zurück. Erst im Anfang der sechziger Jahre
kam der alte Plan, im Süden seinen dauernden Wohnsitz aufzuschlagen, in Folge
der Kränklichkeit eines seiner Kinder zur Ausführung. Liphart siedelte nach
Florenz über, wo er in der bescheidenen Wohnung in Via Romana sein Heim
gründete.
Diese Wohnung, mit dem köstlichen Ausblick in den Giardino Boboli
auf der einen und den Giardino Toriigiani auf der anderen Seite, ist bei
uns Jüngeren mit der Erinnerung an den »alten Liphart« unzertrennlich.
Innen sah es eigenthümlich genug aus, namentlich im Arbeitszimmer.
Mappen voll der werth vollsten alten Stiche und Handzeichnungen, untermischt
mit Photographien, Gipsabgüssen und Büchern, die in den Repositorien und
Schränken keinen Platz hatten, lagen auf und unter den Tischen und Stühlen,
und an den Wänden hingen gerahmte Photographien, Gipsabgüsse und Copien
alter Bilder von der Hand seines Sohnes Ernst und Lenbach’s in bunter
Reihe neben werthvollen alten Bildern und Sculpturen. Alle diese Schätze
schienen in solcher Unordnung, dass man eine Benutzung derselben unmöglich
hielt. Und doch kannte der Besitzer sich so genau darin aus, hielt er so
peinliche Ordnung in dieser anscheinenden Unordnung, dass seine jungen
Freunde sich manchen derben Verweis zuzogen, bis sie es beim Durchblättern
der Bände, beim Auf- und Abhängen der Photographien u. s. f. dem muster-
haften Ordnungssinne des Besitzers recht zu machen verstanden.
Dieses eigenartige Heim Liphart’s war das treue Abbild seines Geistes:
ein riesiger Vorrath des vielseitigsten Wissens in anscheinender Unordnung,
aus dem er aber jederzeit uj d für jeden das Wissenswerthe herauszuholen
verstand. Liphart war ein Original im besten Sinne des Wortes. Seine
hagere Gestalt mit dem scharfen Profil ist durch Lenbach’s treffliches Porträt
in Aller Gedächtniss. In seinem Wesen gab er sich gelegentlich ebenso
scharf: einen Neuling, der ihn durch irgend eine leichtsinnige Bemerkung
reizte, konnte er in seiner heftigen, polternden Weise, mit seinem scharfen
hohen livländischen Organ so tüchtig zurechtsetzen, dass ihm angst und bange
XIV
31
450
Karl Eduard von Liphart f.
dabei werden musste. Aber das waren nur gut gemeinte Aeusserungen seines
nervösen, sprudelnden Wesens, seiner offenen Natur: Liphart hatte in Wahrheit
das gutherzigste, kindlichste Gemüth! Wer ihn näher kennen gelernt hat,
wird ihm für die zahlreichen Beweise seiner Gefälligkeit, seines hilfreichen, mit-
theilsamen Sinnes stets dankbar sein. So abgeneigt er jedem Dociren, jedem
lehrhaften Thun war, so bereit war er jederzeit, von seinem Schatz des viel-
seitigsten Wissens rückhaltlos abzugeben. Dadurch dass er dies nicht in
docirender Weise that, sondern in die feine Form der Selbstforschung kleidete,
war seine Belehrung so überaus anziehend und wirkungsvoll; sie wurde dies
in noch höherem Grade dadurch , dass Liphart vor den Monumen ten selbst
und durch Vergleichung mit Hilfe seines reichhaltigen Materials an Repro-
ductionen jeder Art mit seinen alten und jungen Freunden alle einschlägigen
kunsthistorischen und historischen Fragen behandelte.
Auf diese Weise hat K. E. von Liphart, obgleich schriftstellerisch so
gut wie gar nicht thätig, auf die neuere deutsche Kunstwissenschaft, nament-
lich in der Richtung der Exegese der Kunstwerke und der Bildung des Ge-
schmacks, stärker und bedeutsamer eingewirkt, als mancher Lehrer der
Kunstgeschichte oder Kunstschriftsteller; dadurch hat er zugleich manchem
deutschen Künstler das Verständniss für die alte Kunst eröffnet und so auch
auf die Entwicklung unserer neueren Kunst einen glücklichen Einfluss aus-
geübt. In dem Herzen Aller, die mit ihm in nähere Berührung gekommen
sind, hat sich Liphart ein bleibendes Denkmal gesetzt. W. Bode.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst bis gegen
den Schluss des 14. Jahrhunderts.
Von Eduard Dobbert.
(4. Fortsetzung.)
ZwöitöS Gapitsl.
Das Abendmahl in der byzantinischen Kunst.
I. Bis ins 9, Jahrhundert.
8. Die frühesten rituellen Darstellungen des Abendmahles.
Kommt in den bisher besprochenen byzantinischen Abendmahlsbildern
wesentlich der oben (S. 176, 177) erwähnte, der frühbyzantinischen Kunst
eigene Zug zum Historischen zum Ausdruck, so bietet uns bereits das 6. Jahr-
hundert auch solche Abendmahlsbilder, in denen jenes andere wichtige Mo-
ment der byzantinischen Kunst vorherrscht, welches ich als das feierlich
würdevolle oder ceremoniöse bezeichnete.
Es sind zwei Miniaturen, die hier in Betracht kommen : die eine befindet
sich in dem Codex Rossanensis (vergl. oben S. 195), die andere in der 586
vollendeten syrischen Evangelienhandschrift des Rabula in der Bibi. Lauren-
tiana zu Florenz.
Die Miniatur des Codex Rossanensis füllt die oberen Theile zweier
Seiten desselben auf Fol. 3 v. und Fol. 4 r. (Fig. 26 und Fig. 27)^). Auf
Fol. 3v. nahen von rechts her sechs Jünger, deren letzter als Judas erkannt
worden ist^), demüthig ihrem Meister, um aus seiner Hand das Brod zu
empfangen, auf Fol. 4r. reicht Christus den übrigen sechs Jüngern — der
erste ist als Petrus, der vierte als Johannes, der fünfte als Jacobus erkannt
worden ®) — den Wein. Im Hinblick auf spätere, weiter unten zu besprechende
Denkmäler haben wir uns die beiden Darstellungen als ein Bild zu denken.
Nach V. Gebhardt und Harnack, Evangeliorum Codex graecus purpureus
Rossanensis, Taf. IX und Taf. X.
*) Ebenda S. XXXIX. Vergl. auch J. Ficker, Die Darstellung der Apostel in
der altchristlichen Kunst, Leipzig 1887, S. 132, Anm. 1.
®) v. Gebhardt und Harnack, S. XXXIX.
XIV
32
452
Eduard Dobbert:
auf welchem die beiden Ghristusgestalten , einander den Rücken zukehrend,
neben einander stehen.
In der Miniatur des syrischen Codex (Fig. 28) sind elf Jünger —
unter dem fehlenden haben wir uns ohne Zweifel Judas Ischarioth zu denken —
von links her auf Christus zugeschritten. Dieser reicht mit der Rechten dem
demüthig die Hand danach ausstreckenden Petrus das Brod, die Hostie, in
der Linken aber hält er eine Schale, die Trinkschale ®). Wir haben uns wohl
das Brod zuvor in diese Trinkschale getaucht zu denken, im Hinblick auf
einen alten Gebrauch der orientalischen'Kirche, wonach Brod und Wein durch
das Eintauchen des ersteren in den letzteren gemeinsam genossen wurden,
um durch diese Vermischung ivtooi?, unio , commixtio) die Zusammen-
gehörigkeit, die Einheit von Leib und Blut zu betonen. So liest man bei
Sophronius (7. Jahrhundert), dass die Märtyrer Cyrus und Johannes häufig
den Kelch trugen , angefüllt mit dem heiligen Leibe und Blute des Herrn %
Auch kam die Sitte auf, das vom Wein durchtränkte Brod den Commum-
canten mittelst eines Löffels zu reichen ’).
*) Nach Rohault de Fleury, L'Evangile, T. II, PI. LXXIII.
») Vergl. Kondakoff, Histoire de l’art byz. 130, russ. Ausgabe 80; Ussoff,
Das syrische Evangelium der Bibi. Laurent, in den Memoiren der Kais. Moskauer
Archäol. Gesellschaft: »JlpeBHOCTH«, XI, 1886, S. 22 u. S. 51. (Russisch.)
6) S. Sofron. bei Mai, Spie. rom. III, p. 175; bei Garrucci, St. dell’ arte er. I, 554.
Siehe weiter unten. Vergl. Herzog und Plitt, Real-Encykl. für Protestant.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
453
In den Miniaturen des Codex Rossanensis und der syrischen Evangelien-
handschrift ist die Einsetzung des Abendmahles durch Christus zur Darstellung
gebracht, doch nicht in der Weise, wie die Evangelien diesen Vorgang schil-
dern, nicht als eine Episode bei dem letzten Passah-Mahle, das Christus mit
seinen Jüngern einnahm, sondern in der Form jener gottesdienstlichen Hand-
lung, welche sich aus Anlass der Evangelienberichte in der frühchristlichen,
beziehungsweise der griechischen Kirche herausgestaltet hatte.
Den Genuss des Abendmahles in den ersten Christengemeinden haben
wir uns sehr einfach zu denken. Die Gemeinde kam wohl täglich am Abend
zusammen und hielt eine ge-
meinsame Mahlzeit, aifait-r], zu
welcher die Vermögenden für
die Aermeren von ihrem Vor-
rathe beisteuerten. In Nach-
ahmung des Passahmahles Christi
Hess man dieser Mahlzeit die
Eucharistie folgen : es wurde
gebrochenes ßrod und der Kelch
herumgereicht, wobei vielleicht
schon damals die bei den Sy-
noptikern und Paulus (1. Ko-
rinth. XI, 23 f.) angeführten
Einsetzungsworte Christi ange-
wendet wurden ®). Bereits im
2. Jahrhundert nahm aber die
Handlung einen feierlicheren
Charakter an. Unordnungen,
wie sie schon 1. Korinth. XI,
20 f. gerügt werden und wie sie Fig. 28.
im Laufe der Zeiten sich natur-
gemäss immer stärker einstellen mussten, führten zu einer Trennung der
Abendmahlsfeier von der Agape. Wohl schon seit dem 2. Jahrhundert ward
es Sitte, das Abendmahl nüchtern zu empfangen, wodurch die Verlegung der
Communion auf den Morgen von selbst gegeben war. Sie wurde nun mit
dem Morgengottesdienste verbunden, nur am Gründonnerstag bestand eine
Zeit lang die Verbindung der Communion mit der Agape zur Erinnerung
an die Einsetzung des Abendmahles fort ®).
Die Feier des Abendmahles gestaltete sich allmählich zu einem überaus
Tlieol., 2. Aufl., Bd. I, S. 53; Real-Encykl. d. christl. Alterth. II, 340; K. Weiss,
in den Jahrb. der Wiener Gentral-Comm., Bd. IV, S. 9.; Rohault de Fleury, La
Messe I, 43.
?) Vergl. Haseraann, Griecb. Kirche, in der Allg. Encykl. d. Wiss. u. K. von
Ersch und Gruber, Sect. I, Th. 84, S. 34.
*) Vergl. Kraus, »Agapen« in der Real-Encykl. d. christl. Alterth., I, 25.
454
Eduard Dobbert:
feierlichen Act, bei welchem die Functionen des Presbyters und der Diakonen,
sowie das Verhalten der Gemeindeglieder (fideles, Tuaxot) streng vorgeschrie-
ben waren.
Von besonderem Interesse ist nachstehende Schilderung einer Gom-
munion, wie sie um die Mitte des 2. Jahrhunderts gefeiert zu werden pflegte,
bei Justinus Martyr, Apol. I, 65 : Dann wird demjenigen, welcher den Brüdern
vorsteht, Brod und ein Kelch mit Wasser und Wein gereicht. Nachdem er
dieselben ergriffen, bringt er Preis und Ruhm dem Vater des Alls durch den
Namen des Sohnes und des heil. Geistes und spendet in reichem Maasse den
Dank dafür, dass wir von ihm jener (Gaben) gewürdigt sind. Nachdem er
Gebete und Danksagung vollendet, stimmt die ganze anwesende Menge »Amen«
sagend zu, »Amen« aber bedeutet im Hebräischen ; »es geschehe!« Nachdem
nun der Vorsteher die Danksagung vollzogen und die ganze Menge zugestimmt
hat, geben diejenigen, die von uns Diakonen genannt werden, jedem der
Anwesenden von dem gesegneten Brod und Wein und Wasser zu geniessen
und den Abwesenden bringen sie es
Unsere beiden Miniaturen stellen nun gleichsam eine Mustercommunion
dar, bei welcher Christus selbst das Amt des Priesters oder des Diakon ver-
sieht, die Apostel aber die communicirende Gemeinde bilden. Wie bereits die
oben mitgetheilte Stelle der Apologie des Justinus Martyr nicht etwa bloss
einen Diakon das Abendmahl austheilen lässt, vielmehr daselbst berichtet wird,
dass die Diakonen jedem der Anwesenden von dem gesegneten Brod sowie
von dem Wein und Wasser zu geniessen geben, so dass wir uns doch wohl je
zwei Diakonen, den einen fnit dem Brod, den andern mit dem Kelche die
Handlung vollziehend denken dürfen ; wie ferner nach dem aus dem 4. Jahr-
hundert stammenden 8. Buch der apostolischen Constitutionen (VIII, 13) Brod
und Kelch durch verschiedene Personen, jenes durch den Priester, dieser durch
den Diakon gereicht wurde ^^): so ist in der Miniatur des Codex Rossanensis
und in zahlreichen späteren, weiter unten zu besprechenden Fällen die Gestalt
Christi als Brod- und Weinspender verdoppelt, während in der Darreichung
des weindurchtränkten Brodes auf dem Bilde der syrischen Handschrift, wie
bereits oben erwähnt wurde, sich ein Gebrauch der griechischen Kirche bei
der Laiencommunion spiegelt.
’'E7lElXa TZpO-'fSpSZUl X& TTpOEXXCÜXt XOJV (5’OEXcpWV UptOQ v.al TZOv'qplOV uoaxo?
xal ■/.pdjj.C/.zoi;' xal oüxci^ Xaßüiv oivov xal 86^av xu) 'ixaxpl xdüv oXa>v otä xoö övöfj.ocxo^
xoü oioö, xal xoö Tiviöjiaxo? xoö djioo 8cvaKE|X7x$i ' xal eö/apioxlav öTtlp xoö xaxY]^tö)G'8’ai
xoüxcjuv Ttap’ aSxoö £7x1 txoXö Tioislxai • oö auvxsXsGavxog xä? xal xyjv £?)-/ap'.Gxlav,
Txä? 6 Txapüjv Xaö; E7X£ucpY]}j,£l Xijiuv ' x6 0£ Oep.“)jv, x'q 'EJipalox <pu)v^ x6
GY]fJ.alvet . E5-/^apiGXYjGavxo? 5s xoö ixpOEGxJixo? , xal £;x£ü'pYjp.YjGavxo(; Txavxo? xoö Xaoö,
ol xaXo6|X£voi Txap’ oiaxovoi, oiooaGiv exaGXü) xwv Txapövxcuv p.£xaXaße'v aTtö
xoö Eü)(ap'.GXYji)’£vxoi; apxou xal ol'voü xal uoaxo? , xal xolc ou TxapoÖGiv 3t7xo'pEpouGi.
Migne, Palrol. gr. VI, p. 428.
Vergl. den Artikel: »Communion« von Peters in der Real-Encykl. der
Christi. Alterth. I, S. 316, und den Artikel »Liturgie« von Bickell , ebenda II,
S. 318.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
455
Dem Ritus der Gommunion in altchristlicher Zeit und der später von
der griechischen Kirche zum Gesetz erhobenen Sitte entspricht in den beiden
Miniaturen auch dieses, dass Christus den demüthig nahenden Aposteln das
Abendmahlsbrod nicht in den Mund, sondern in die Hand reicht, denn auf
den Ruf: »Das Heilige den Heiligen« traten die Gläubigen zum Altar, um
stehend, aber tief gebeugt, den Leib des Herrn in die hohle rechte, von der,
linken unterstützte Hand zu empfangen Ist diese Haltung der Hände in
den beiden hier besprochenen Bildern noch nicht wahrzunehmen, küsst viel-
mehr in der Darstellung des Codex Rossanensis der erste Apostel in tiefer
Verehrung, voller Begeisterung, die ihm das Brod in die Hände legende Rechte
Christi, während sein Nachbar die Hände flehend emporhält, der dritte Apostel
aber mit gewandbedeckten Händen auf Christus zugeschritten ist, so dürfen
wir hier wohl noch eine gewisse Unabhängigkeit der byzantinischen Kunst
von der kirchlichen Vorschrift annehmen, wie sie in späteren Jahrhunderten
nicht mehr bestand. Vorläufig sei hier daran erinnert, dass die oben S. 199,
Fig. 23 abgebildete Miniatur der Petersburger Handschrift aus dem 8. oder
9. Jahrhundert die von der Kirche bei der Gommunion vorgeschriebene Hal-
tung der Hände bereits aufweist.
Im Hinblick auf den eminent monumentalen Charakter des rituellen
Abendmahlsbildes im Codex Rossanensis, sowie wegen des Umstandes, dass
wir dieselbe Composition in späterer Zeit immer wieder als Wandbild in
den Apsiden byzantinischer Kirchen antreffen , darf hier wohl die Ver-
muthung ausgesprochen werden, dass diese ceremoniöse Darstellungsweise
des Abendmahles schon im 6. Jahrhundert als malerische Ausstattung der
Sanctuarien byzantinischer Kirchen vorkam. Es ist wahrscheinlicher, dass
diese feierliche Schilderung der Abendmahlsspende von den Kirchenwänden
in die Handschriften gedrungen ist, als dass sie den umgekehrten Weg
eingeschlagen.
Die Art, wie in der Gommunionsdarstellung des Codex Rossanensis
Christus zweimal vorkommt, bestärkt mich in der soeben vorgetragenen Mei-
nung. Dem Urheber der Miniaturen scheint die Verdoppelung der Gestalt
Christi, welche in einem feierlichen Wandbilde der Kirchenapsis im Hinter-
gründe des Altares, vor dem die Gemeinde zu communiciren pflegte, nichts
Störendes hat, ästhetische Bedenken erregt zu haben, die er nun dadurch zu
umgehen suchte, dass er die Darstellung auf zwei Blätter vertheilte, wodurch
er allerdings auf die Abgeschlossenheit, die Vollständigkeit jedes der beiden
Bilder verzichtete.
Dass Apsiden-Malereien oder -Mosaiken schon früh ihren Einfluss auf
Siehe Peters a. a. 0., wo Dionys. Al. ap. Eus. H. e. VII, 9; Tert. De
idolol. c. 7 ; De or. c. 14; Chrys. Horn. 20 in ep. 2 ad Cor. X, 539 citirt w'erden.
Siehe auch Cyrill v. Jerusalem, ed. Rupp, Bd. II, S. 393 f. Mystagogica catechesis
quinta § 20 f. Es sei hier auch an jene, im Repert. XIII, 430 mitgetheilte Stelle
der Inschrift zu Autun erinnert, in welcher der Gläubige eingeladen wird, den
Fisch zu essen, den er in den Händen hallen würde.
45G
Eduard Dobbert:
andere Kunstwerke ausübten, ist durch de Rossi gelegentlich der Veröffentlichung
der bei Ain Beida gefundenen silbernen Kapsel aus dem 5. Jahrhundert be-
wiesen worden
9. Das Verhältniss der rituellen Abendmahlsdarstellungen zu der
altchristlichen Kunst.
Habe ich es soeben als wahrscheinlich bezeichnet, dass die Abendmahls-
spende an die Apostel schon im 6. Jahrhundert in den Apsiden byzanti-
nischer Kirchen dargestellt wurde, so möge nun der Versuch folgen, einen
Zusammenhang dieser Darstellung mit der altchristlichen Kunst zu finden.
Ich gehe von den im 1. Capitel dieser Arbeit besprochenen Darstellungen
der Brodvermehrung und der Hochzeit zu Kana aus, welche ja, wie wir sahen,
als Hinweise auf das Abendmahl betrachtet wurden. Vor allen anderen kommt
hier jenes Wandgerhälde in Betracht, welches eine Apsis der Katakomben zu
Alexandria schmückt (Repert. Xlll, 375, Fig. 8). Der Uebergang von dieser
Darstellung der beiden soeben genannten Wunderthaten Christi zu dem rituellen
Abendmahlsbilde in den Apsiden byzantinischer Kirchen erscheint in der That
als ein leicht zu bewerkstelligender, finden wir doch daselbst bereits Christus
in doppelter Gestalt auf einem und demselben Bilde, diejenigen Wunder wir-
kend, welche auf die beiden Elemente des Abendmahls bezogen wurden. Auch
ist es wohl für unsere Frage von Bedeutung, dass die älteste unter den bisher
bekannt gewordenen ceremoniösen Abendmahlsdarstellungen, diejenige des Codex
Rossanensis, wahrscheinlich in Alexandrien entstanden ist Auch dieses
hat das Wandbild in Alexandrien mit einer Anzahl weiter unten zu besprechen-
der byzantinischer Communionsbilder gemein, dass dort bei der Brodvermeh-
rung an die Stelle eines weniger bedeutenden Jüngers (Philippus), den das
vierte Evangelium an dieser Stelle nennt, der angesehenere (Petrus) getreten
ist, wie hier bei der Abendmahlsspende Paulus, Marcus und Lucas die Stelle
dreier Jünger einnehmen, welche wir uns nach den evangelischen Berichten
am Abendmahl Theil nehmend zu denken haben. Hier wie dort erscheint
also das historische Moment durch das eminent kirchliche in den Hindergrund
gedrängt.
Einen Zusammenhang sehe ich ferner zwischen dem rituellen Abend-
mahlsbilde und jenen häufigen Sarkophagdarstellungen der wunderbaren Spei-
sung, wo Christus in der Mitte steht und zwei Jünger ihm Brode und Fische
bringen, auf die er dann weihend seine Hände legt ^®), eine Haltung, die, wie
wir oben Repert. Xlll, 287 sahen, wahrscheinlich dem Ritus entnommen ist,
nach welchem in der alten Kirche der administrirende Geistliche die Conse-
cration der Abendmahlselemente vollzog. Auch sei hier daran erinnert, dass
De Rossi , La Capselia argentea Africana offerta al Sommo Pontefice
Leone XIII dall’ Emmo sig. Card. Lavigerie, arcivescovo di Cartagine, Roma 1889,
p. 21 f. Vergl. auch Kraus im Repert. XII, 409.
‘^) Vergl. oben S. 195.
^®) Vergl. Repert. XIII, 372, Fig. 6; 379, Fig. 9.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
457
ja an einem der hierher gehörenden Reliefs Christus durch den neben ihm
angebrachten Altar doch wohl als Priester charakterisirt ist, das Priesterthum
aber für seine Functionen im rituellen Abendmahlsbilde vor Allem bezeich-
nend ist.
In formaler Beziehung mochten auf die Entstehung der Apsidendarstel-
lung der Gommunion auch jene Apsidenbilder einen Einfluss gehabt haben,
in denen Christus voller Würde in der Mitte von Aposteln und anderen Hei-
ligen steht oder thront, welche von beiden Seiten auf ihn zustreben, in der
unmittelbaren Nähe Jesu fast immer Petrus und Paulus. Eine Anzahl solcher
Bilder ist bekanntlich in römischen Kirchen auf uns gekommen. Vor Allem
sei auf das Mosaikbild hingewiesen, welches spätestens im Jahre 472 in der
Apsis der Kirche S. Agata in Subura entstand, gegen Ende des 16. Jahrhun-
derts zwar zu Grunde ging, aber in leicht colorirten, aus dem 16. Jahrhunderte
stammenden Gopieen der 13 Gestalten, welche die Darstellung bildeten, auf
uns gekommen ist^^). Auf den in der Mitte auf der Weltkugel thronenden
Christus streben von rechts und links her je sechs Apostel hin, Petrus rechts,
Paulus links an ihrer Spitze. Dieses Einschreiten auf Christus zu beherrscht,
auch die ceremoniösen Communionsdarstellungen. In dem Mosaikbilde von
S. Agata und in zahlreichen verwandten Darstellungen römischer Apsiden
aus dem 6. und den folgenden Jahrhunderten wenden sich Apostel und
Heilige Christus als dem Endziel der Erlösung zu, denn durch den Glauben
an ihn haben sie das ewige Leben errungen, in den rituellen Communions-
bildern schreiten die Apostel auf Christus zu, um aus seiner Hand im geseg-
neten Brod und Wein die Gewähr dieses ewigen Lebens zu empfangen. Wenn
in einigen der betreffenden Mosaiken die Heiligen mit den Opfergaben (Obla-
tionen) in den Händen dargestellt sind, »durch welche sie während ihres Erden-
lebens ihre lebendige Theilnahme an der heiligen Abendmahlsfeier und somit
ihre engste Anschliessung an Christus den Erlöser äusserlich bethätigt hatten« ^®),
so erscheint der Schritt von solchen Darstellungen zu dem rituellen Gom-
munionsbilde erst recht als ein nicht allzu grosser. Dort haben wir es mit
einem der Gommunion vorangehenden, von den alten Kirchenschriftstellern
oft erwähnten Acte der Frömmigkeit, hier mit der gottesdienstlichen Handlung
selbst zu thun.
Den Keim wiederum zu jenen Apsidenbildern, in denen die Apostel
von beiden Seiten auf Christus zustreben, bilden doch wohl altchristliche
*0 Repert. XIII, 370, Fig. 3.
Abbild, bei Garrucci, Storia deü’ arte er., IV, Tav. 240. — Giampini,
Vetera Monimenta, t. I, tab. LXXVII, hat auf Grund der Stellung und Gebärde
der einzelnen Gestalten eine recht zuverlässige Reconstruction des Bildes geliefert.
Vergl. Eugene Müntz, La decoration d’une hasilique arienne au V™e si^cle, in dessen
Etudes iconogr. et archeolög. I, s6rie 1887, p. 65 ff.
J. G, Müller, Die bildlichen Darstellungen im Sanctuarium der christlichen
Kirchen vom 5. bis zum 14. Jahrhundert, Trier 1835. Vergl. auch die Zusammen-
stellung der hierher gehörenden Mosaiken in meiner Schrift über die Darstellung des
Abendmahls durch die byzantinische Kunst, S. 14 und S. 60, Anm. 32.
458
Eduard Dobbert:
Darstellungen , in welchen . das Lamm Gottes inmitten von zwölf von beiden
Seiten auf dasselbe zu schreitenden Lämmern steht, Bilder, die sich wieder-
holt in den Mosaikstreifen römischer Apsiden unterhalb jener feierlichen
Darstellungen Christi zwischen Aposteln und Heiligen finden, so, der be-
kannten alten Copie gemäss^®), in der Apsis der ehemaligen Petersbasilika,
wo das Christuslamm aus Brust und Füssen blutet, so ferner in S. Cosma e
Damiano, S. Prassede, S. Cecilia, S. Marco®®), wie auch innerhalb der Male-
reien in der Apsis der Kirche S. Sebastiane (alla Polveriera). Mögen nun
diese Lämmer, wenn sie aus den Städten Jerusalem und Bethlehem hervor-
treten, Juden und Heiden bedeuten, welche berufen sind, die Heerde Christi
zu bilden®^), oder die zwölf Apostel, eine Deutung, welche durch jenes Relief
nahe gelegt wird, auf dem unterhalb der Gestalten Jesu und seiner Jünger
ein Lamm mit sechs Lämmern auf jeder Seite dargestellt sind®®), oder durch
jenes andere Relief von S. Marco in Venedig (nach de Rossi aus dem 7. Jahr-
hundert), wo über den zwölf Lämmern Ol AIIOSTOAOI zu lesen ist®®); das
allen diesen Darstellungen zu Grunde liegende Motiv ist wieder das Hinstreben
von beiden Seiten auf Christus zu, wie in den oben erwähnten feierlichen
römischen Mosaikbildern, wie in der rituellen Abendmahlscomposition. Ein
besonders inniger geistiger Zusammenhang scheint mir zwischen der ehe-
maligen Apsisdarstellung der alten Peterskirche, welche das für die Mensch-
heit blutende Gotteslamm zwischen den darauf hinstrebenden zwölf Lämmern
zeigte, und den byzantinischen ComiPunionsbildern zu walten, welche ja den
seinen Leib und sein Blut den zwölf Aposteln darreichenden Christus zürn
Mittelpunkt haben.
Dass die Apostel um das Jahr 400 auch durch' Tauben symbolisirt
wurden, ersehen wir aus Paulinus von Nola, Ep. ad Severum XXXll, Migne
Patrol. lat. t. LXI p. 336 » Apostoli, quorum figura est in columba-
rum choro.« Wenn wir nun an der Vorderseite eines dem 5. Jahrhundert
zugeschriebenen Altars aus Auriol (Bouches-du-Rhone) ®^) das Monogramm
Christi zwischen je sechs danach hingewendeten Vögeln, die doch wohl Tauben
’*) Abbild, in der Real-Encykl. der Christ). Alterth. I, 71, Fig. 41.
®®) Abbild, bei Garrucci IV, Tav. 253, 286, 292, 294.
®*) Vergl. De Rossi, La capsella argent., 22. — Vergl. auch das Goldgefäss
in der Vatican. Bibi., welches unterhalb der Darstellung Chfisti zwischen Petrus
und Paulus das Christuslamm auf dem Hügel zwischen je drei aus Jerusalem und
Bethlehem hervorkommenden Lämmern zeigt. Abbild, in der Real-Encykl. I, 612.
®®) Siehe den Artikel »Apostel« von Krüll in der Real-Encykl. der christl.
Alterth. I, 64.
®*) J. Ficker, Die Darstellung der Apostel, S. 150, Anm. — Garrucci, Stör,
dell’ arte er., t. IV, p. 35.
Abbild, in der Real-Encykl. der christl. Alterth. I, 38, Fig. 24, nach
Martigny, aus Barges, Notice sur un autel chretien antique orne de basreliefs et
d’inscriptions latines, Paris 1861. Der Altar befindet sich gegenwärtig im Museum
Borelly zu Marseille. Siehe Barges, Notice sur quelques autels chrötiens, Paris
1890, p. 55, N. 1.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst. 450
bedeuten sollen, sehen, so darf wohl auch diese Darstellung, besonders da sie
ein Altar schmuck ist, als eine Vorstufe des ceremoniösen Gommunionsbildes
betrachtet werden.
10. Sinnbildliche Andeutungen der Eucharistie.
Die symbolische Richtung der Kunst, welche in der altchristlichen Epoche
vorherrschte, wird auch in den späteren Jahrhunderten nicht gänzlich aufge-
geben. Sie lässt sich denn auch an einigen auf das Abendmahl bezüglichen
byzantinischen Darstellungen nachweisen.
Für die früh-byzantiniscKe Kunst kommen namentlich nachstehende Bilder
der Opfer des Abel, des Abraham und des Melchisedek in Betracht.
Während das Mosaikbild in der Kirche S. Maria Maggiore zu Rom, wel-
ches die Begegnung Abraham’s und Melchisedek’s zum Gegenstände hat^®), diesen
Vorgang noch einfach als solchen, ohne symbolische Anspielungen, zur Dar-
stellung bringt, finden sich solche bereits in der entsprechenden Miniatur der
Wiener Genesis aus dem 5. Jahrhundert hier steht der reichgekleidete
Melchisedek mit einem Brod in der Rechten, einem Gefäss mit Wein in der
Linken neben dem unter einem Giborium aufgestellten Altar, der demüthig
niedergebeugte Abraham aber nimmt mit verhüllten Händen die Opfergaben
an. Offenbar haben hier jener Vergleich Ghristi mit Melchisedek im 7. Gapitel
des Hebräerbriefes sowie die weiter unten zu erwähnenden Stellen der kirch-
lichen Litteratur bereits ihre Wirkung gethan.
Ganz entschieden weisen zwei Mosaiken in Ravenna aus dem 6., be-
ziehungsweise dem 7. Jahrhundert die sinnbildliche Beziehung des Opfers
Melchisedek’s auf das von Ghristus für die Menschheit gebrachte und in der
Abbild, bei Garrucci, _Stor. dell’ arte er., IV, tav. GGXV.
*®) Abbild, bei Garrucci III, tav. GXIII. Vergl. dazu: Kondakoff, Hist, de
l’art. byz., 84.
460
Eduard Dobbert :
Eucharistie ausgedrückte Opfer auf, und in dieselbe Beziehung sind hier auch
die Opfer Abel’s und Abraham’s gebracht.
Auf dem einen Bilde (Fig. 29), in S. Vitale, sieht man, wie Abel und
Melchisedek in der Weise von Priestern ihre Opfer, jener das Lamm, dieser
ein Brod oder eine Hostie, an einem Altartische emporhalten. Der Altar ist
mit zwei Tüchern bedeckt: einem unteren fast bis zum Boden herabreichenden
purpurnen und einem oberen kürzeren weissen, das mit schwarzen Gammadien
und Fransen verziert ist. Ohne Zweifel haben wir hier einen christlichen
Altar des 6. Jahrhunderts vor uns^O- Auf dem Tische steht ein goldener mit
weissen Perlen und Edelsteinen verzierter Kelch zwischen zwei Broden; aus
den Wolken ragt die Hand Gottes hervor. Dass hier der priesterliche Charakter
Melchisedek’s und der vorbildliche Opfercharakter seiner Handlung ausgedrückt
werden soll, zeigt auch seine Kleidung: er trägt das Pallium nicht wie in den
alten Darstellungen die Propheten und Apostel auf der Schulter, sondern wie
die Bischöfe und Priester nach Weise des jetzigen Pluviale auf der Brust zu-
sammengefaltet ^®).
Auf dem zweiten Bilde, in S. Apollinare in Glasse bei Ravenna (Fig. 30),
bricht der hinter einem Altar stehende Melchisedek als Priester wie Christus
^0 Vergl. Rohault de Fleury, La Messe, I, 63. Zu den Gammadien vergl.
oben S. 184.
**) Heuser im Artikel »Melchisedech« in der Real-Encykl. der Christ). Alterth.
II, 390. — Vergl. auch Garrucci, Stör, dell’ arte er. I, 277, und IV, 70.
Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
461
beim Abendmahle das Brod, während Abel sein Gott wohlgefälliges Opfer, das
Lamm, und Abraham seinen Sohn Isaak zum Altar bringen. Links die Hand
Gottes. Die Scene ist in eine Kirche versetzt; die (auf unserer Abbildung nicht
mit dargestellte) Muschelwölbung über dem mittleren Theile des Bildes deutet
auf die Apsis, die zurückgeschlagenen Vorhänge auf den Eingang^®)-
Clemens von Alexandrien nennt Brod und Wein^ welche Melchisedek,
der König von Salem und der Priester des höchsten Gottes, darbrachte, ein
Vorbild des Abendmahls. Cyprian setzt aus einander, dass Melchisedek insofern
ein Vorbild Christi sei, als er ein Priester Gottes gewesen, Brod und Wein
dargebracht und Abraham gesegnet habe. Verwandte Aussprüche finden sich
u. A. auch bei Hieronymus und Augustinus®®).
Das Opfer Abels hatte bereits Irenaeus zur Eucharistie in Beziehung ge-
bracht ®').
Vergl. J. P. Richter, Die Mosaiken von Ravenna, 105, 106, wo der Be-
weis geführt wird, dass dieses Bild nicht vor dem 7. Jahrhundert entstanden sei.
®°) Clemens Alex. Stromat. lib. IV, c. 25 (ed. Dindorf II, p. 410): Scs:X%
Yap 8p(j.Y]ve6exat elpY]VYj, y]? b au>TY)p Y|[xoüv avayp&fezai ßaotXeix;, ov (pYjat McuuoTi?
„MsX)(^to£Slx ßaoiXEU? SaX-)][j. b lepsuc toö O-eoü xoö u'jiiOTOt)“, b „xöv oivov v.al xöv apxov“
XY)V Y|Ytaap.EVYjv 8t8ou<; xpocp-i^v eii; xüt^ov E^y^aptoxta?’ v.cd S*)] EppLYjvEüExai b MsXyiosbkv.
ßaoiXEu? 8iv.aioi;, auvcuvuixia 8e eox: SixaiooüvY)? xal slpYjvYj;. — ‘Cyprian. Ep. 63 ad
Caecilium, bei Migne Patrol. lat., T. IV, p. 387: Item in sacerdote Melchisedech
sacrificii Dominici sacramentum praefiguratum videmus, secundum quod Scriptura
divina testatur, et dicit: Et Melchisedech, rex Salem, protulit panem et vinum
(Gen. XIV, 18). Fuit autem sacerdos Dei summi , et benedixit Abraham. Quod
autem Melchisedech typum Christi portaret, declarat in Psalmis Spiritus sanctus
ex persona Patris ad Filium dicens: Ante luciferum genui te. Tu es sacerdos in
aeternum secundum ordinem Melchisedech (Psal. CIX (CX), 4). Qui ordo utique
hic est de sacrificio illo veniens et inde descendens, quod Melchisedech sacerdos
Dei summi fuit, quod panem et vinum obtulit, quod Abraham benedixit. Narii
quis magis sacerdos Dei summi, quam Dominus noster Jesus Christus, qui sacrifi-
cium Deo Patri obtulit, et obtulit hoc idem quod Melchisedech obtulerat, id est
panem et vinum, suum scilicet corpus et sanguinem ?
Hieronymus (siehe den Artikel »Melchisedechc von Heuser in der Real-
Encykl. der christl. Alterth. II, 390): Melchisedech . . . qui tune in lypo Christi
panem et vinum obtulit et mysterium christianum in Salvatoris sanguine et cor-
pore dedicavit.
August. De civ. Dei XVI, c. 22 (ebenda 391): Ibi primum apparuit sacrifi-
cium, quod nunc a Christianis offerlur Deo toto orbe terrarum.
In seiner Rede: In decollatione beali Joannis Baptistae (bei Migne, Patrol.
lat. T. XXXVIII, p. 407) sagt Augustin: Itemque in Psalmis de Domino Jesu Christo
prophetatum est, Juravit Dominus, et non poenitebit eum : Tu es sacerdos in aeter-
num secundum ordinem Melchisedech (Psal. CIX, 4). Qui noverunt Scripturas,
sciunt quid protulerit Melchisedech sacerdos Dei excelsi, quando benedixit Abraham.
(Gen. XIV, 18 — 20). Non oportet ut hoc memoremus propter catechumenos. Fideles
tarnen agnoscunt, quemadmodum ante prophetatum sit, quod modo videmus impleri.
®^) Siehe Heuser’s Artikel: Abel und Kain in der Real-Encykl. der christl.
Alterth., daselbst citirt: Iren. lib. IV, c. 18, 3.
462 Eduard Dobbert: Das Abendmahl Christi in der bildenden Kunst.
Bezüglich des Zusammenhanges des Opfers Abraham’s mit der Eucharistie
sei auf meine Bemerkungen im Repert. Bd. XIII S. 368 n. 10 hingewiesen,
wo sich auch jenes Gebet des Messcanons findet, welches die drei, in S. Apol-
linare in Glasse zusammen dargestellten Opferhandlungen mu der Eucharistie
in Verbindung bringt: »Herr, schaue mit gnädigem und freundlichem Antlitz
auf diese Gaben (d. h. Brod und Wein) und nimm sie an, wie Du die Gaben
des gerechten Abel, das Opfer unseres Patriarchen Abraham und dasjenige
annahmst, welches Dir Dein Hohepriester Melchisedek darbot, das heilige un-
befleckte Opfer.«
Berichtigung zur 3. Fortsetzung:
Seite 191, Zeile 4 von oben sind die Worte: in Alexandrien zu streichen.
Die Prager Karlsbrücke und ihr Einsturz am 4. September
1890.
Von Joseph Neuwirth.
Eine der populärsten Brücken, welche die Gothik geschaffen hat, ist un-
zweifelhaft die Prager Karlsbrücke; sie lebt in dem Vorstellungskreise Vieler,
die sie niemals gesehen, aber wenigstens von dem darauf »postirten Nepomukc
gehört haben. Wer immer jedoch die Landeshauptstadt Böhmens besuchte,
hielt vor Bewunderung angesichts des herrlichen Baues, durch welchen deutsche
Kunst den Moldaustrom in Fesseln schlug und Sage wie Dichtkunst manche
bereichernde Anregung empfingen ; übte er ja einen gleich mächtigen Eindruck
auf den Gelehrten und den Künstler, auf den Dichter nicht' minder als auf
den schlichten Arbeiter und den Landmann aus, der an den Tagen des hl.
Johannes von Nepomuk oder des hl. Wenzel nach Prag pilgert, um sein Herz
an der Grösse und Schönheit der böhmischen Metropole zu erheben. Gross
war daher die weite Kreise der Bevölkerung des In- und Auslandes erfassende
Bestürzung, als die Nachricht sich verbreitete, dies herrliche Werk mittelalter-
licher Brückenbaukunst sei am 4. September 1890 einer furchtbaren Hoch-
wasserkatastrophe theilweise zum Opfer gefallen.
Ein ähnliches Schicksal hatte am 1. Februar 1342 ’) die Vorgängerin der
Karlsbrücke, die im 12. Jahrhunderte auf Befehl der Königin Judith erbaute
Moldaubrücke, betroffen ; dieselbe stürzte bei dem verheerenden Eisgänge zu-
sammen, der nahezu zwei Drittel des Werkes vollständig zerstörte. Die hohe
Bedeutung, welche man letzterem beilegte, erhellt am deutlichsten aus der
Bemerkung des Chronisten, es sei mit dem Zusammenbruche der Brücke gleich-
sam eine Königskrone gefallen. Da die Bevölkerung empfindlich fühlte, welch
grosses und nothwendiges Gut sie verloren, betraute Karl IV. die neben der
Brücke residirenden Kreuzherrn mit dem rothen Stern mit der Wiederher-
stellung des Baues und sicherte ihnen Abgabenfreiheit für die Zeit der Bau-
führung zu Sie führten zunächst parallel mit der alten Judithbrücke eine
Chronicon Francisci Pragensis. Fontes rerum Bohemicanim IV,
S. 433-434.
Emler, Regesta Boheraiae IV, S. 481, Nr. 1208.
464
Joseph Neuwirth ;
hölzerne Nothbrücke auf, welche bei dem Hochwasser im Jahre 1367 *) an
mehreren Stellen durchbrochen wurde. Noch 1348 bestand die ausgesprochene
Absicht, die alte Brücke zu restauriren, zu welchem Zwecke die auf der Prager
Holzbrücke eingehenden Zölle verwendet werden sollten. Erst nach 1350
tauchte die Idee eines vollständigen Neubaues auf, vielleicht eine Folge der
trefflichen Bewährung der Baudnitzer Elbebrücke bei dem Hochwasser des
Jahres 1342.
Wie bei dem Dombaue suchte man auch für die Herstellung einer neuen
Moldaubrücke in Prag das ganze Land zu interessiren und zu materieller För-
derung des Unternehmens zu gewinnen ®). Der Aufruf, den der Prager Erz-
bischof nach 1355 erliess, widerlegt sofort die landläufige Ansicht, dass Karl IV.
allein die Baukosten bestritten habe, die man mit zwei Tonnen Goldes be-
ziffern zu können vermeinte. Denn die kirchliche Behörde trat auch noch
1373 mit scharfen Verfügungen für die Förderung des Brückenbaues ein®), dem
selbst 1386 ein Theil der bei einem Rechtsstreite in Aussicht genommenen
Strafsumme zufallen sollte ^). Dass die Bewohner des Landes und vor Allem
die der Landeshauptstadt ihr Scherflein zur Ausführung des Brückenbaues bei-
trugen, bestätigen die der Bauhütte der Prager Brücke zugewendeten Zinsbeträge
aus den Jahren 1406®), 1409®) und 1413^®), die aus Prager Bürgerkreisen
T 0 m e k , Zäklady stareho mi'stopisu Prazskeho, III, S. 68.
■‘j Chronicon Benesii de Weitmil. Fontes rerum Bohemicarum IV,
S. 535.
®) Tadra, Cancellaria Arnesli. Archiv f. österreichische Geschichte, LXI. Bd.
2. Hälfte, S. 395—400. Der nach 1355 von dem Erzbischöfe Ernst von Pardubitz
an die gesammte Geistlichkeit gerichtete Aufruf galt den Sammlungen für den
Dombau und die Aufführung der Moldaubrücke,
®) Tomek, Zäklady III, S. 68. 1373. Acta consist. 26 (1. Jun.): Ibidem
etiam (magister Borsso generalis vicarius) senlentias excommunicationis latas in
monitionibus pro fabrica pontis Pragensis dalis omnibus et sirigulis decanis sustulit.
’’) Ebendas. 1386. Acta consisl. 71 : pronuntiatio facta in causa inter Nico-
laum plebanum de Zwolinawess et Procopium dictum Seydl ibidem sub poena
50 sxg. de quibus 20 pro fabrica pontis Pragensis.
®) Prag, Grundbuch samt, Cod. 33, Fol. 9P. (Sab. prox. ante festum
s. Mathei apostoli 1406.) Adelheydis relicta olim Herlini glaser dat et condescen-
dendo resignat duas sexagenas grossorum Pragensium census annui et perpetui
solummodo ad fabricam pontis Pragensis, quas habere dinoscitur super domo olim
Jessconis Tychawa sila in acie inter domos Hassconis pannicide ex iina et Johannis
de Sacz parte ex alia eo iure, sicut ipse habuit. Si quis habet loqui , ipsa wlt
disbrigare secundum ius civitatis et publicavit iudicio 1® 11®.
®) Ebendas. Fol. 197. (Feria V. in die decollacionis s. Johannis baptiste 1409.)
Ticzo doleator emit pro se et pro heredibus suis domum cum suis pertinenciis, que
fuit olim Jesskonis Tychawa, erga Hassconem pannicidam, pro census onere infra-
scripto et sita est in acie inter domos Johannis de Sacz ex una et aliam domum
ipsius Hassconis parte ex altera eo iure sicut ipse habuit. Et tenetur de ipsa domo
videlicet II sexagenas grossorum ad fabricam ecclesie Pragensis, item II sexagenas
grossorum ad fabricam pontis et octo grosses et II sexagenas grossorum dicto
Die Prager Karlsbrücke und ihr Einsturz am 4. September 1890. 465
angewiesen wurden und zugleich feststellen, dass damals der Bau offenbar
noch nicht abgeschlossen war“).
So erstand demnach der gewaltige Brückenbau unter Antheilnahme der
verschiedenen Bevölkerungsschichten des ganzen Landes; das vermindert durch-
aus nicht die Verdienste Karl’s IV. um die Ausführung des Werkes, welches
ausschliesslich auf seine Anregung in Angriff genommen und durch seine reichen
Beiträge insbesondere gefördert wurde.
Legte doch der Kaiser selbst am 9. Juli 1357 “) den Grundstein zu der
mit Recht nach ihm benannten Moldaubrücke auf dem Altstädter Ufer in der
Nähe des Clemensklosters; um eine kürzere Verbindung mit der Kleinseite zu
erzielen, wurde der Brückenkopf etwas oberhalb die alte Judithbrücke gerückt,
deren mit der Karlsbrücke fast parallel gehende Richtung bei den Restaurations-
arbeiten nach der Ueberschwemmung im Jahre 1784 genauer festgestellt wurde.
Schon 1367 wurde der Neubau von einem Hochwasser beschädigt, das einen
Pfeiler zerstörte “). Die Vollendung des Werkes zog sich durch Jahrzehnte
hin, da die bereits erwähnten Jahreszinse für die Bauhütte der Prager Brücke
als gewiss ergeben, dass der Bau noch wenige Jahre vor dem Ausbruche der
Husitenkriege im Betriebe stand.
Die schwerste Beschädigung erlitt die neue Brücke bei der Ueberschwem-
mung des Jahres 1432, welche fünf Joche vernichtete“). Die Restaurations-
Hassconi, quas sibi desuper reservavit, totum census perpetui annis singulis cen-
suare. Quam domum ipse Hasco promisit disbrigare secundum ius civitatis, publi-
cavit iudicio 1» 11« III« IIIl«.
“) Ebendas. Fol. 340'. (Sab. prox. a. f. s. Valentin! 1413.) Johannes Wül-
czihrdlo e mit pro se et suis heredibus domum cum ipsius area , que pridem fuit
Jessconis Scheri, erga Elizabeth olim Pesoldi linicide relictam pro triginta sexagenis
grossorum, que sita est ex opposito monasterii sancti Clementis inter domos olim
Jessconis ligatoris librorum ex una et domum Beginarum de Aula Regia parte ex
altera omni eo iure, sicut ipsa eandem domum habuit. Et tenetur de ipsa domo
unam marcam gravem grossorum, sexaginta quatuor grossos pro ipsa marca com-
putando, ad pontem civitatis Pragensis annis singulis et perpetue censuare. Quam
domum ipsa Elizabeth promisit disbrigare secundum ius civitatis et publicavit iu-
dicio 1« n« 111« IIlI«.
“) Palacky, Geschichte von Böhmen, II. 2, S. 344, Anm. 475, behauptet
demnach ganz unrichtig, dass die Brücke schon im 14. Jahrhundert vollendet war.
Ghron. Benessii de Weitmil a. a. 0. S. 526. — Grueber, Peter von
Gmünd, genannt Parier, Dombaumeister in Prag. Württemb. Vierteljahrshefte für
Landesgeschichte, I. Jahrg., S. 67, gibt den »9. Juli 1358'< an, und sucht S. 68,
Anm., seine Angabe zu begründen. Dieselbe ist jedoch haltlos gegen Palacky,
Gesch. von Böhmen II. 2, S. 344, Anm. 474, und Huber, Regesten des Kaiser-
reichs unter Kaiser Karl IV., S. 228 — 230 und S. 640.
'«) Ghron. Benessii de Weitmil a. a. 0. S. 535.
“j Bartossius de Drahonicz, Dobner Mon. hi.^t. Boh. I. S. 175 — 176. —
Palacky, Starj letopisowA cesstj od roku 1378 do 1527, S. 84. — Ghron. Tr e-
boniense bei Höfler, Geschichtschreiber der husitischen Bewegung in Böhmen.
Fontes rerum Austriacarum, Scriptores, I. S. 63.
466
Joseph Neuwirth:
arbeiten schritten nur langsam vorwärts; ihr wichtigstes Ergebniss war die
1451 erfolgte Fertigstellung des Altstädter Brückenthurrnes Als in Folge
des 1496 furchtbar verheerenden Hochwassers neuerlich ein Brückenbogen ein-
gestürzt war’®), sah man endlich ein, dass man es nicht bei den alljährlich
wiederkehrenden Flickarbeiten bewenden lassen dürfe, sondern eine vollständige
Behebung aller Beschädigungen sofort in Angriff nehmen müsse. 1503 stand
die Brücke in alter Pracht da’^) und hat in der damals erhaltenen Gestalt
ziemlich unverändert die Wetter- und Ki-iegsstürme überdauert, da durch die
allerdings umfassenderen Reparaturen nach der Ueberschwemmung am 28. Febr.
1784 die äussere Erscheinung des Gesammtwerkes nicht beeinflusst wurde.
Für die Führung des Brückenbaues bestand eine eigene Bauhütte, deren
in mehreren der oben angeführten Nachweise des 14. und 15. Jahrhunderts
ausdrücklich gedacht ist. Mit der Leitung derselben war, wie die Inschrift
bei der Büste des zweiten Prager Dombaumeisters Peter Parier auf der Tri-
foriumsgalerie des Veitsdoms hervorhebt ’®), der genannte Architekt betraut,
den Karl IV. selbst nach Böhmen berufen hatte; ihm darf demnach der Plan
und die Anlage des imposanten Werkes zugerechnet werden. Doch hat Peter
Parier wohl nur die massgebende Aufsicht über den planmässigen Fortgang
der Arbeit geführt, deren Detailausführung einem besonders aufgenommenen
und jenem untergeordneten Meister zugewiesen war. Als solcher ist wenigstens
1372 der auf der Neustadt sesshafte Ottlinus nachweisbar ’®); denn sein Attribut
Benessius minorita, Dobner Mon. hist. Boh. IV. S. 75. Der Wort-
laut »Anno Domini MCCCCLI turris Nove civitatis fundata est . . . et eciam
turris nova in pede pontis eodem anno edificata est« bestätigt, dass es sich
nicht wie beim Neuslädler Rathhauslhurme um den Beginn, sondern um die
Vollendung des Brückenthurmes handelte. Für letztere spricht auch der
die Grundsteinlegung hervorhebende Nachdruck bei dem 1464 begonnenen Klein-
seitner Thurme; vgl. Appendix chronici Bartossii de Drahonicz, Dob-
ner, Mon. hist. Boh. I. S. 218, sowie Emler, Kamenny most Prazsky a iiekdejii
üfad mostecky. Pamätky archaeolog. a rnistopisne, VIII, S. 208.
Palacky, Staij letopisowe, S. 251.
Ebendas. S, 261 und 264. — Monum.enta historica uni versitatis
Garolo-Ferdinandeae Pragensis, I. 2. Abtb., S. 199. Qui multos annos
ruptus aquarum quondam inundatione indecoris instaurationibus reparabatur fere
quotannis ad pristinam dignitatem est instauratus ad perfectum opus memoria
dignum et laude plurima, quod stuporem et admirationem movere solet. Ferme
enim huius magnitudinis, tantarum impensarum ac sumtuum magnificentis.simorum
pons cum turri speciosissima super aquas sita nusquam gentium invenitur. Unde
merita laude nequaquam fraudandus est Johannes ille Lepusculus, princeps con-
sulum, et totius civitatis Pragensis ornarnentum ac praesidium, sub cuius piincipatu
divino munere datum est, tantum, tarn splendidum tamque magnificum pontis opus
consummari etc.
Petrus Henrici [Pjarleri de [Cjolonia . . . rexit pontem Multavie.
’*) Prag, Metropolitancapitelarchiv XIV. 15. Am 22. Jänner 1372 erklären
die Vertreter der Prager Neustadt »quod honestus vir Ottlinus, magister pontis Pra-
gensis, noster concivis . . . fassus est, se super curia sua et ipsius curie sex laneis
Die Prager Karlsbrücke und ihr Einsturz am 4. September 1890. 467
»magister pontis Pragensis«, das auf keine andere als die Karlsbrücke ver-
weist, scheint ini Vergleiche zu dem für Peter Parier verwendeten »magister
fabrice Pragensis ecclesie« nur zu besagen, dass er in der Bauhütte der
Prager Brücke dieselbe Stellung bekleidete, welche Peter Parier in der Dom-
bauhütte einnahm. Darf der Name einen Anhaltspunkt für die Feststellung
der Nationalität des genannten Brückenmeisters abgeben, so ist wohl zunächst
an die deutsche Herkunft desselben zu denken. Damit erscheint nachgewiesen,
dass während der Regierung Karl’s IV. der mit der Oberaufsicht betraute und
den Plan liefernde Architekt wie der die Ausführung des Werkes unmittelbar
überwachende und regelnde Baumeister Deutsche gewesen sind. Diese That-
sache vermindert durchaus nicht den Anlheil, welchen Werkleute und Meister
tschechischer Herkunft an der Fertigstellung des Baues haben müssen. Denn
da Meister Wilhelm aus Avignon, den der letzte Prager Bischof Johann IV.
zur Inangriffnahme des Baues der Raudnilzer Elbebrücke berufen, einheimische
Werkleute in der Kunst des Brückenschlages unterwiesen hatte und letztere
nach der Entfernung des nur ein Jahr in Böhmen sich aufhaltenden fremden
Meisters den Raudnitzer Brückenbau vollendeten, so kann gar kein Zweifel
darüber bestehen, dass einheimische Arbeitskräfte mit entsprechender Schulung
gleich beim Beginne des Baues der Prager Moldaubrücke zur Verfügung standen.
Sichert dieser Umstand schon der tschechischen Bevölkerung Böhmens einen
nicht unwesentlichen Antheil an der Ausführung des Werkes, so geschieht dies
zweifellos in noch höherem Grade durch die nach der Ueberschwemmung von
1432 ausgeführten, bis 1503 sich hiriziehenden Restaurationsbauten, welche
alle die äussere Erscheinung des imponirenden Brückenbaues durch Jahrhunderte
bestimmenden Details abschlossen. Während dieses Zeitraums übte aber die
tschechische Bevölkerung den so ziemlich allein Ausschlag gebenden Einfluss
auf die Verhältnisse des Landes und mithin auch auf den Kunstbetrieb, nament-
lich auf die Baukunst aus, so dass den aus ihrer Mitte hervorgegangenen
Werkleuten und Meistern die Fertigstellung der Karlsbrücke zugerechnet werden
darf. Demnach präsentirte sich diese Meisterleistung mittelalterlicher Brücken-
baukunst, deren geniale und kühne Anlage ein deutscher Architekt entworfen,
durch Jahrzehnte überwacht und zunächst einem deutschen Werkmeister zur
Ausführung übertragen hatte, zugleich auch^als ein Denkmal, zu dessen Voll-
endung mehrere Jahrzehnte hindurch tschechische Arbeiter und Meister das
Ihre beigetragen; die grossartige Idee des Werkes ist und bleibt aber die Kund-
. . . in villa Jencz . . . duas sexagenas grossorum Pragensium denariorum census
annui perpetui et liheri . . . pro viginti sexagenis grossorum Pragensium denario-
rum vendidisse.«
Prager Stadtarchiv, Liber contractuum seu venditionum civitatis Hrad-
czanensis I, Fol. 4P, 50, 58', 64, 65, 81, 8P, 85, 87, 90', 92', 115, 12P.
^0 Chron. Francisci Pragensis a. a. 0. S. 385. — Eine mit diesem
Berichte im Ganzen übereinstimmende Nachricht bringt nach einer Handschrift der
Wiener Hofbibliothek Patera, 0 zalozeni klästera panny Marie v. Roudnici, Pa-
roälky archaeologicke a mistopisne, XI. S. 478.
XIV
33
468
Joseph Neuwirth:
gebung eines deutschen Künstlergeistes, dessen Anschauungen durch nahezu
ein halbes Jahrhundert die Bauthätigkeit Böhmens und die damit verbundene
Heranbildung neuer, einheimischer Arbeitskräfte massgebend beeinflussten und
durch letztere, soweit sie noch nach den Husitenstürmen thätig waren, auch
in gewissem Sinne bei der Bauführung des 15. Jahrhundertes nachwirken
konnten.
Spätere Zeiten, namentlich das 18. und 19. Jahrhundert, haben die
Karlsbrücke mit reichem Statuenschmucke geziert, welcher dem malerisch
Wirksamen des Bauwerkes wesentlich zu Statten kam, wenn auch der Mehrzahl
der Standbilder kein hoher Kunstwerth beigelegt werden kann. Vor der Kata-
strophe am 4. September 1890 standen rechts (von der Altstadt ausgehend):
der hl. Bernhard (Jäckel) Dominicus und Thomas von Aquino (Jäckel),
Crucifix mit hebräischer Umschrift zwischen Maria und Johannes, Johannes
Bapt. (J. Max), Ignaz v. Loyola, Dreifaltigkeit (beide von F. Brokoff), Norbert,
Sigmund und Wenzel (J. Max), Johann v. Nepomuk (Brokoff-Rauchmüller),
Anton V. Padua, Judas Thaddäus (beide von Ul. Mayer), Augustin (Kohl),
Cajetan (Brokoff), Philipp Ben. (v, Mendeln), Veit (Brokoff), Cosmas und
Damian (Ul. Mayer). Ihnen gegenüber befanden sich links: Iwo (Matth. Braun),
Barbara, Margaretha und Elisabeth (Brokoff), Mater Dolorosa (E. Max), Joseph
(E. Max), Franz Xav. (Brokoff), Christoph (E. Max), Franz Borgia (Brokoff),
Ludmila, Franz Ser. (E. Max), Vincenz und Prokop (Brokoff), Nicolaus Toi.
(Kohl), Lutgardis (M. Braun), Adalbert (Brokoff), Johann v. Matha, Jwan und
Philipp V. Valois (Brokoff), Wenzel (Böhm) ^^). Die Standbilder der Heiligen
Ignaz V. Loyola und Franz Xav. stürzten von dem vernichteten Pfeiler in die
Fluthen; ihre Trümmer wurden bei den Abräumungsarbeiten gehoben.
Die zu den hervorragendsten Leistungen mittelalterlicher Brückenbau-
kunst zählende Brücke ^^), welche vollständig aus mächtigen Sandsteinquadern
aufgeführt wurde, ist mit zwei prächtigen, an ihren Endpunkten angeordneten
Thürmen geziert. Die Länge der Fahrbahn betrug 496.88 m, die Breite der-
selben durchschnittlich etwas über 10 m. Zwischen den beiden Brücken-
thürmen spannten sich fünfzehn Bogenöffnungen von der Altstadt zur Klein-
seite; ein sechzehnter Bogen überbrückt den Mühlkanal. Die Spannungsform
der Brückenbogen, welche, von der Linie des Kreissegmentes ausgehend, gegen
die beiden Ufer zu flacher gehalten ist, erhob sich mit der Steigung der Fahr-
bahn fast zu einem vollständigen Halbkreise. Die Spannweite beträgt durch-
schnittlich 23 m, die Breite der Joche 9.5 m. Die Gewölbesteine, welche in
zwei Lagen über einander geschichtet erscheinen, weisen verschiedene Breiten-
masse aus; die Höhe der oberen Lage beträgt 0.65 m, jene der unteren da-
Die in der Klammer stehenden Namen bezeichnen die Künstler, von
deren Hand die Statuen stammen.
^®) Rudi, Die berühmte Prager Karls-Brücke und ihre Statuen. Prag 1846,
bietet unzulängliche Abbildungen der damals bestehenden Standbilder.
Grueber, Kunst des Mittelalters in Böhmen, III. S. 100 f. — Derselbe
Peter von Gmünd a. a. 0. S. 67 — 68.
Die Prager Karlsbrücke und ihr Einsturz am 4. September 1890. 469
gegen 0.8 m. Den Jochen wurden spitzige, aus dem gleichseitigen Dreiecke
construirte Vorhäupter vorgelegt; gerade dadurch, dass man die auf letzteren
aufgesetzten strebepfeilerartigen Postamente während des 18. und 19. Jahr-
hunderts mit Standbildern und Figurengruppen der vorwiegend dem Jesuiten-
orden angehörigen Heiligen zierte, gewann der imposante Brückenbau wesent-
lich an malerischer Wirkung.
Die Oonstruction des Werkes ist für die Bauzustände des 14. Jahr-
hunderts ebenso genial und kühn als solid zu nennen. Die Bearbeitung der
keilförmig geschnittenen Wölbungssteine und das Einsetzen derselben zeigt eine
ausserordentliche Sorgfalt, die auch in der horizontalen Schichtung der Qua-
dern des übrigen Mauerwerkes begegnet; das Material dazu wurde aus den
östlich von Prag gelegenen Steinbrüchen, welche auch für den Dombau im
Betriebe standen, bezogen.
Als man am 26. October 1890 durch Sachverständige — Professor R.
V. Rziha an der technischen Hochschule in Wien und Baurath Hlavka — den
Zustand der Brücke prüfen liess, wurden interessante Wahrnehmungen über
die Fundamentirung des Baues festgestellt. Die Fundamentirung der Pfeiler ist
eine seichte, was auch bei anderen mittelalterlichen Brücken begegnet; die
Stabilität wurde dagegen durch eine ausserordentlich massive Bildung des
Pfeilerkörpers erreicht. Da die Pfeilerfundamente zwei Vorsprünge haben,
stellt sich die gesammte Fundamentbreite auf 12 m. Diese Fundamente ruhen
auf Piloten; letztere tragen einen Rost, auf welchem zunächst grosse Quadern
liegen, weshalb thatsächlich eine Beschädigung des Pfeilers nur durch weit-
greifende, bis unter den Schwerpunkt des Pfeilers sich erstreckende Unter-
spülungen erfolgen kann. Die damit erreichte ausserordentlich günstige Ver-
theilung des Druckes gleicht die Mangelhaftigkeit der Fundirung durch Gon-
structionsprincipien aus, deren Stichhaltigkeit erst die Wissenschaft unserer
Tage klargelegt hat; in ihr liegt das Geheimniss der mehrere Jahrhunderte
dauernden Erhaltung mittelalterlicher Brücken erschlossen. Alle Pfeiler rühren
aus der ersten Bauzeit her, womit festgestellt ist, dass die Anlage des Werkes
trotz aller späteren Beschädigungen die ursprüngliche blieb.
Die Perle der Karlsbrücke, welche bis jetzt alle Stürme glücklich über-
dauert hat, bleibt der vor nicht zu langer Zeit verständnissvoll und glücklich
restaurirte Altstädter Brückenthurm eines der hervorragendsten Denkmale
gothischer Profankunst in ganz Böhmen. Ueber dem gewaltigen, die Fahrbahn
der Brücke überspannenden Thorbogen, der mit Krabben besetzt ist, steigt
der Oberbau leicht und gefällig empor; die Wappen der von Karl IV. be-
herrschten Länder, die Statuen Karl’s IV., Wenzel’s IV. und einiger Heiligen
zieren die der Altstadt zugekehrte Seite des Thurmes, dessen Stockwerke kräftig
gegliederte Gesimse niarkiren. Auf frei vortretenden Säulchen entwickeln sich
die zierlichen Eckthürmchen , deren Anordnung auch bei anderen Thürmen
böhmischer Bauten, aber nirgends wieder so leicht und so gefällig begegnen ;
^0 Gr ueber, Kunst des Mittelalters in Böhmen, III. S. 145. — Dohme,
Geschichte der deutschen Baukunst, S. 256.
470
Joseph Neuwirth :
auch heute erscheint das dem Altstädter Brückenthurme im 16. Jahrhundert
zugetheilte Attribut »turris speciosissima« noch vollkommen begründet.
Die furchtbaren Ueberschwemmungen, welche während der ersten Sep-
tembertage des Jahres 1890 im Oberlaufe der Moldau und ihrer Nebenflüsse
einlraten, führten zu jener gewaltigen Hochwasserkatastrophe, die das ehr-
würdige Denkmal mittelalterlicher Brückenbaukunst in Böhmens Hauptstadt
als Opfer forderte. Sorglosigkeit und Mangel an entsprechender Bedachtnahme
auf eine zweckmässige Erhaltung des Bauwerkes haben unzweifelhaft das Un-
glück theilweise mit verschuldet.
Die für Verkehrsverhältnisse des 14. und 15. Jahrhunderts berechnete
und gewiss vollständig geeignete Brücke wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts
zur wichtigsten Verkehrsader zwischen der Altstadt und Kleinseite; Gasleitung
und Pferdebahn führten über sie hinweg, ohne dass man entsprechende Siche-
rungsmassregeln für den Bau für nothwendig hielt. Soll auch nicht direct
behauptet werden, dass gerade die letztgenannten Anlagen dem Bestände der
Brücke Gefahr gebracht haben, so kann doch nicht geleugnet werden, dass
fast nichts veranlasst wurde, was im Verhältnisse zu dem Anwachsen des
modernen Verkehrs die Sicherheit der Stabilität der Karlsbrücke erhöht oder
zu vollständig klarer Anschauung geführt hätte, ob das alte Baudenkmal den
Anforderungen der Neuzeit gewachsen und nichts für seinen Bestand zu fürchten
sei. In den 70er Jahren nahm man zwar bei einigen Pfeilern eine Recon-
struction der Fundamente vor, welche durch Eisböcke und Betonkränze zwischen
den Piloten der Fangdämme und dem Mauerwerke geschützt wurde; diesem
anerkennenswerthen Schritte zum Bessern folgte leider kein zweiter von ähn-
licher Bedeutung. Und doch hätte schon der hohe Kunstwerth des herrlichen
Brückenbaues jede noch so kostspielige S.icherungsmassregel vollauf gerecht-
fertigt. Es kann keinem Zweifel unterliegen , dass man dem Schlimmsten
hätte Vorbeugen müssen, wenn man die F'undamentirung wiederholt genau
untersucht, die den Brückenkörper treffenden Veränderungen insgesammt durch
mehrere Jahre aufs Sorgfältigste beobachtet, die daraus sich als nothwendig
erweisenden Schutzvorkehrungen sofort veranlasst und periodisch wiederkehrende
Revision des Bestandes angeordnet hätte. Weit schwerer als diese Unter-
lassungen fällt der Umstand in die Wagschale, dass im Hauptstrome der
Wasserabfluss nur durch acht Bogenöflnungen erfolgen konnte; die Verminde-
rung der Anzahl der Wasserdurchlässe bewirkte natürlich, dass die Vertheilung
der anstürmenden Wogengewalt und die Widerstandsbedingungen andere wurden,
als von dem Erbauer der Brücke, der mit mehr Wasserdurchlässen gerechnet
hatte, ins Auge gefasst waren. Die durch Eisböcke geförderte Anstauung los-
gerissener Flösse, Schwimmschulen, weggeschwemmten Brennholzes u. dergl.
erschwerte den Abfluss des Wassers durch die acht Hauptöffnungen ungemein,
so dass die Hauptanstürme der wilden Fluthen und der von denselben pfeil-
schnell dahingejagten Mauerbrecher sich fast ausschliesslich auf drei Joche
beschränkten. Am Morgen des 4. September stürzten der fünfte und sechste
Brückenbogen und der zwischen ihnen stehende Pfeiler, einige Stunden darauf
der siebente Bogen mit donnerähnlichem Krachen zusammen. Die Thatsache,
Die Prager KarlsbrOcke und ihr Einsturz am 4. September 1890. 471
dass sowohl der vollständig vernichtete fünfte Pfeiler sich gegen die Rich-
tung des tosenden Stromes neigte als auch der Körper des sechsten in der
gleichen Weise, nämlich nicht in der Richtung des gewaltigen Wasserabflusses,
sondern gegen dieselbe, sich setzte, liefert die unbestreitbare Bestätigung, dass
die Unterwaschung der Pfeilerfundamente die Ursache des Zusammenbruches,
beziehungsweise der Senkung der Pfeiler und des Einsturzes der Brücken-
bogen war.
Schon sind die beiden von den Fluthen beschädigten Pfeiler nahezu
ganz abgetragen, und eine weite Kluft gähnt zwischen den beiden übrig ge-
bliebenen Partien der Brückenruine. Hoffentlich wird von berufener Seite beim
Eintritte der günstigeren Jahreszeit sofort in entschiedener Weise das Nöthige
veranlasst, um das noch Bestehende des herrlichen Brückenbaues vor weiteren
Unfällen zu sichern und die nothwendiger Weise neu aufzuführenden Theile
so stilgemäss und harmonisch mit dem Alten zu verbinden, dass nicht bloss
kommende Geschlechter, sondern auch die Gegenwart sich bald wieder erfreuen
können an dem Anblicke der — neugewonnenen Karlsbrücke.
Vom Dom zu Schleswig.
Von Doris Schnittger-Schleswig.
Man nimmt an, dass erst gegen 1100, zugleich mit Errichtung eines
Domcapitels die Domkirche — dem hl. Petrus geweiht^) — als romanischer
Steinbau errichtet sei. Bei Saxo Gramm aticus findet sich eine Erwähnung
derselben vom Jahre 1134. Chroniken theilen mit, dass von 1260 an Restau-
rationen vorgenommen wurden, dass aber schon 1275 beide Thürme wieder
einstürzten und dadurch einen grossen Theil der Kirche zerstört hätten. Um
1309 soll der Bau von Feuer gelitten haben und wieder ein Jahrhundert später
so baufällig gewesen sein, »dass der Bischof den Geistlichen und Kirchen seines
Sprengels eine Schatzung zu seiner Wiederherstellung auflegen musste«. Wie-
derum wurde 1440 durch Brand der Dom Jahre lang ausser Gebrauch gesetzt.
Darauf bewilligte das Goncil zu Basel eine Sammlung, gegen einen reichen
Ablass durch die ganze Christenheit ausgeschrieben^), deren Ertrag den Um-
bau in eine gothische Hallenkirche, im Wesentlichen in der jetzigen Gestalt,
ermöglichte.
So oft und viel auch am Dom gebaut wurde — Thürme hat man der
Bischofskirche des Herzogthums Schleswig niemals wieder gegeben. Ein trau-
riges Thürmlein mit Laterne und Zwiebelspitze wurde 1746 als Dachreiter auf
den niedrigeren Chor — nicht über der Vierung — aufgesetzt. Die Errich-
tung eines Westthurms soll damals geplant worden sein, glücklicherweise ohne
Erfolg. Dasselbe wird man sagen müssen von dem einschlägigen wohlmeinen-
den Project des letzten unbeanstandeten Dänenkönigs Christian VIII., welches
durch seinen Tod und den Krieg von 48 zu nichte wurde. Eine damals durch-
»Dem hilgen heren sunte Petere, des stichts hovetheren , derm himels-
fursten sunte Feiere«.
Bemerkenswerth ist der Indulgenzbrief vom Jahre 1441, in dem es heisst:
»Nachdem wir vernommen, dass die Kirche in Schleswig, die unter den Kirchen
in Dänemark eine der vornehmsten und mit Geprängen , herrlichen und kostbaren
Mauern u. s. w. eingerichtet gewesen, durch einen unverhofften Zufall vom Feuer
ergriffen und erbärmlich eingeäschert sei , so dass wegen ihrer verwüsteten Dächer
die übrigen Mauern und andere Theile des Gebäudes bereits grossen Ruin und
böse Risse erlitten haben« u. s. w.
Doris Schnittger-Schleswig: Vom Dom zu Schleswig.
473
geführte »gründliche« Renovation des Innern ist übergenug als Andenken an
jene im Bauen so wenig glückliche Zeit. Da vor Alters die damalige dänische
Regierung das sehr bedeutende Kirchen vermögen ein gezogen hat, liegt es der
jedesmaligen Regierung ob, nach allen Seiten hin für das ungeheure Gebäude
zu sorgen *). In diesem Fall konnte fast von einer Nöthigung die Rede sein,
ihm einen Thurm zu geben. Das westliche Gewölbejoch hatte seit lange
müssen mit hässlichen Gerüsten unterstützt und die prächtige Orgel von ihrem
gefährdeten Platze entfernt werden. Die ganze Gegend unter dem stark ruinen-
baften Westgiebel — also auch das dortige Portal — war längst als lebens-
gefährlich abgesperrt. Der massive, an der Nordostecke freistehende, malerisch
ausgeflickte Glockenthurm aber will vor Altersschwäche sterben; trotz aller
Strebebalken kann er kaum bei den Schwingungen der mächtigen Glocken sich
aufrecht halten. All dies Elend hat — seitdem vom Süden her die Hülfe kom-
men musste, also seit 1866 — unzählige Hülferufe nach Berlin hin, eben so
viele Abschläge oder Vertröstungen zurück zur Folge gehabt. Dass man dort
oft ernstlich einen Thurmbau ins Auge gefasst, haben wir jedesmal dankbar
anerkannt, aber eben so oft hat die folgende Enttäuschung schwer auf uns
gelastet. Da — während der 99 Tage Friedrich’s III. kam die Freudenbot-
schaft, der todtkranke Kaiser habe den Befehl zur sofortigen Ausführung des
letzten Bauplanes, desjenigen vom Geh. Oberbaurath Adler, unterzeichnet 0-
Und nun ist uns »wie den Träumenden« — so hiess es in der Weihrede der
Grundsteinlegung — uns, die wir seit fast einem halben Jahrhundert es ersehnt
haben, die Mauern ragen zu sehen, welche jetzt täglich vor unsern Augen
wachsen. Wer in baulich reicher Umgebung lebt, wird nicht entfernt die
Wichtigkeit verstehen, die hier, sogar für nüchtern Denkende, der Dom, unser
»Ein und Alles«, behauptet.
Dem Thurmbau voran ging der Abbruch der baufälligen westlichen Theile;
neben ihm her sind Vorarbeiten gegangen für Säuberung des Inneren von den
entstellenden Zuthaten früherer Erneuerungen. Die Ausführung des Ganzen
ist unter Leitung des Bauraths Hotzen in die Hände eines noch jugendlichen,
in Berlin gebildeten Reg.-Baumeisters gelegt, des Architekten Ernst Ehr-
hardt aus Westphalen. Derselbe unterzieht sich der ehrenvollen Aufgabe
mit einem Ernst und Eifer, wohl geeignet, auch hier in weiteren Kreisen die
Theilnahme für das schöne Werk lebendig zu erhalten. Wer lernen mag,
wird hier zu lernen finden, hier wo fast ein Jahrtausend deutscher Bau-
geschichte aus dem alten Gemäuer herausredet. Von dieser Baugeschichte soll
■^) Es schien oftmals unmöglich, etwas über den Umfang jenes Vermögens
zu erfahren. Nun gibt folgende Notiz, die jetzt von Berlin aus durch die Blätter
geht, in Etwas einen Massstab dafür. Es heisst da über Helgoland: >1470 gibt
dann König Christian I. von Dänemark die Insel an die Domkirche zu
Schleswig to ewigen tyden to besittende, brukende und to hebbende to erem
bestenc. Später verfällt sie dann an die Herzöge von Schleswig, die Nachkommen
Christians.
Aus dem kaiserlichen »Dispositionsfond« fliessen die Mittel für den Thurm-
bau, während der Fiscus für Instandhaltung des Kirchengebäudes zu sorgen hat.
474
Doris Schnittger-Schleswig :
hier die Rede sein, wie sie immer deutlicher sich erkennen liess, meistens
in Uebereinstimmung mit den z. Th. schon erwähnten Ueberlieferungen.
Das Querschiff zeigte sich von jeher als zum ältesten Bau gehörig am
auffälligsten im südlichen Hauptportal des Domes, der »Petrithür«. In dem
höchst primitiv aus Granit gehauenen Relief des Tympanons überreicht der
zwischen den Evangelistensymbolen thronende Christus dem Petrus mit der
Rechten den Schlüssel, mit der Linken einem Geistlichen ein Spruchband®).
Ein Kirchenmodell, welches der hinter Petrus stehende König trägt, zeigt auf
seinen zwei Thürmen byzantinisirenden flachen Kuppelabschluss. Schlichte Granit-
säulen, drei an jeder Seite, Monolithe mit Würfelcapitell und romanischem Eck-
blatt an der Basis, flankiren die Thür. Die Rundbogen, welche darüber an-
setzen, und der niedrige Spitzgiebel waren höchst genau scharfkantig mit dem
hier so beliebten Gement verputzt, bis man unter demselben neuerdings gute
Profilirungen aus Haustein herausgeschält hat. Ebenso wird der kräftig ge-
gliederte romanische Sockel aus der Erdaufschüttung wieder zu Tage gefördert,
lieber dem Portal erhebt sich bis dicht unter das horizontal aufsetzende Dach
des Querschiffes ein spitzbogiges Fensterpaar. Eine Untersuchung der Umrah-
mung ergab jetzt, dass diese Fenster weit niedriger und rundbogig waren, als
Theil der vielleicht flachgedeckten Basilika, deren ursprüngliches Vorhanden-
sein sich mehrfach scheint herausgestellt zu haben. Der nördliche Kreuzarm
zeigt aussen Blendenwerk mit romanischem Bogenfries und sonstigem einfachen
Ziegelornament. Die zum Theil zugemauerten Fenster mit rundem Abschluss,
die einer zweiten romanischen Bauzeit angehören sollen , welche Baumeister
Ehrhardt annimmt, werden, wie eine grosse Anzahl, die dasselbe Schicksal
getheilt, jetzt ihrem Beruf wiedergegeben. Dieser älteste Theil des Gebäudes
ist zum grossen Theil aus rheinischem Tuffstein errichtet, wie er, auch nach
aussen hin sichtbar, sich malerisch zwanglos mit dem Granit und dem späteren
Ziegel mischt.
Hier möchte ich mittheilen, wie ich kürzlich den Vorzug genoss, einem
in Privatkreisen gehaltenen Vortrage unseres Baumeisters beizuwohnen, der
eingehend mit den in Schleswig-Holstein während des Mittelalters benutzten
Baumaterialien sich beschäftigte. Eine Untersuchungsreise, die er nach dem
nördlichen Schleswig und Dänemark, besonders Ripen gemacht, bildete den
Ausgangspunkt. Die vom dortigen Dom vorgelegten Bilder — gedruckte Blätter
und prächtige Zeichnungen — ergaben überall, dass mehr noch als das ver-
wendete Material eine Parallele ziehen lässt zwischen den beiden bedeutendsten
Kirchenbauten des damaligen dänischen Festlandes. Nicht nur für beinahe
20 Landkirchen, die bis auf etliche Meilen von Ripen entfernt liegen, ist sein
Dom vorbildlich gewesen, auch mit der etwas früher begonnenen südlicheren
Schwesterkirche der schleswigschen Bischofsstadt hat Wechselwirkung bestan-
den. Es ist im »Repertorium« mehrfach mitgetheilt, dass im Mittelalter in
®) »Mit einer unleserlichen Inschrift« sagt Sach. Den Figuren legt man
mancherlei Deutung unter. Der König soll Knud als Kirchenbauer sein oder gar
Kaiser Konstantin u. dergl. mehr.
Vom Dom zu Schleswig.
475
den Elbherzogthümern in Ermangelung an Bruchsteinen, besonders eines leicht
zu bearbeitenden Hausteines, die Einfuhr eine sehr starke gewesen ist, nach-
dem der endlich gesicherte christliche Gultus eine grosse Menge von Gottes-
häusern erforderte. Rheinabwärts brachten über Holland unsere seegewohnten
Leute auf zahlreichen Fahrzeugen den leichtwiegenden Trass oder Tuffstein
des Brohlthales, ihn landend in dem damaligen Hafenorte Hollingstedt,
jetzt einem stillen Dorfe der Westküste an der nicht mehr fahrbaren Tr eene.
Das Schiff der dortigen Kirche aus dem 12. Jahrhundert zeigt — nach Haupt
»Bau- und Kunstdenkmäler« — noch den rheinischen Stein, der von hier auf
gut gepflegter Handelsstrasse durchs Land zog. Augenfällig ist auch während
der romanischen Periode der Einfluss rheinischer Architektur auf unser Land,
welches sicherlich mit dem Baustein oft auch den Baumeister aus dem geseg-
neten Rheingau mag bezogen haben. Das gilt besonders von jener Gruppe,
die sich örtlich und baulich, oder wie unser Dom nur letzteres, an die Ripener
Bischofskirche lehnt, die so wohlthuend an St. Gereon und ihm Verwandtes
erinnert.
Um so lieber geben wir der Hoffnung uns hin, dass ein von der Bau-
leitung eingereichler Plan bewilligt wird, nachdem der jetzt so nichtssagende
Unterbau der »Petrithür«, also nach Lage des Gebäudes der Mittelpunkt der
Schauseite, als hochragender Giebel sich gestalten würde, ausgestattet mit den
reichen Zierformen, wie das dänische Vorbild sie zeigt. Theilte dann das Portal
diesen Schmuck mit manchem ähnlichen Bauwerk, so würde noch ein seltsames
Etwas hinzukommen, was dasselbe in Deutschland annähernd zu einem Unicum
machte. In allen Veröffentlichungen über schleswigsche Baulichkeiten finden
sich mehrere zusammengehörige aus Stein gehauene Löwen verzeichnet, ein-
gemauert über dem Sockel des südlichen Querschiffes und am Westende des
Doms, dann an der alten Michaeliskirche und im Hofe der nahen früheren
Domschule (jetzt Archiv). Diese granitenen Ungeheuer (etwa 70 cm in der
Höhe messend) verfehlen, verstümmelt wie sie zum Theil sind, doch als Wür-
ger von Kindern, als Besieger von Drachen, die sie untertreten, nicht eines
gewissen grotesk imposanten Eindrucks. Man fand es drollig, dass sie vom
Volke »Elephant« genannt wurden, bis jetzt in Ripen an entsprechender Stelle
sich eben solche Geschöpfe vorfanden, wohlerhalten und klar als Elephanten
charakterisirt. Mit Löwen wechselnd, tragen sie die Säulen der Portalgewände
auf ihrem breiten Rücken. Für diesen Zweck sollen auch jene hiesigen wilden
Thiere wieder eingefangen werden, nachdem ihre einstige Verwendung sicher
gestellt ist®). Als allmählig mit dem Sockel der Kirche auch die Säulenträger
®) Bei Haupt — auf dessen zum Theil aus alten dänischen Werken ent-
nommenen guten Abbildungen für den Dom ich hinweisen möchte — sind die
beiden mitgetheilten Figuren als »Löwen« bezeichnet; doch wird man auch nach
diesen Bildern zugeben, dass die unbelesenen Leute richtiger gesehen haben, —
Als Relief an der Säulenbasis sah ich im nahen Kirchdorf Norderbrarup Thiere,
von Haupt als »affenartige Wesen« bezeichnet. In der gleichfalls romanischen
Landkirche zu Ulsnis finden sich den hiesigen ähnliche Löwen, welche Menschen
zerreissen, neben viel anderem rohen Figurenwerk. Bei der Vorliebe der nordischen
476
Doris Schnittger-Schleswig :
in der Erdanhäufung verschwanden, mögen sie bei irgend welchem Umbau
entfernt worden sein. Einige haben zeitweilig als Eingangswächter in der
alten Kirchhofsmauer fungirt, die den einstigen Friedhof umgab.
Der Tuffstein, soweit er für den Dom verwendet wurde, könnte augen-
blicklich, nachdem er so vielerwärts blossgelegt ist, auch im Innern für die
Zeitbestimmung fast als Führer dienen. In den Theilen nämlich, welche die
gothische Zeit hinzufügte, findet sich nur Ziegel und Granit, während Trass
der ersten Anlage und den folgenden Aenderungen angehört. Doch mag es
im Einzelnen schwer sein, alle Epochen jetzt noch ganz reinlich auseinander
zu halten. Während der Uebergangszeit des 13. Jahrhunderts hat das damals
erhöhte Querschiff seine drei grossen Kugelkappen erhalten. Zugleich ist das
dreischiffige Langhaus mit vier Gewölbejochen, alles in grossem Maassstabe’)
ausgebaut worden. Im Mittelschiffgewölbe zeigte sich beim Abbruch im oberen
Theil nur Tuff in verschiedenem Format, oft plattenartig; nach unten hin ein
Gemisch dieses Steines mit den kolossalen Ziegeln jener Zeit (bis zu 28 cm
Länge). Die massigen Pfeiler und Mauern bergen einen oder zwei Steine unter
der jetzigen Oberfläche, die gut profilirten, gepaarten Spitzbogen-Oberfenster
der Basilika des Uebergangsstiles, sodann Gesimse, ganze Pfeiler und Ansätze
niedriger Bögen aus Granit, welche einstmals die Schiffe verbanden. Die Gapi-
telle des Mittelschiffes zeigen theils noch den altromanischen Würfel, theils
enthüllten sie sich als hübsche lebendigere Bildungen des Uebergangs. Eine
prächtige Wirkung ist dadurch erzielt, dass nach Abschlagen des Putzes die
kräftig gegliederte Pfeilerstellung — mit Pilastern, starken Halbsäulen, einige
mit Dreiviertelsäulchen u. s. w. — die Gurten und die Rippen der achtthei-
ligen Kreuzgewölbe wieder in dem leuchtenden Roth und Schwarz, resp. Roth
und Gelb ihrer breitgeschichteten Glasursteine, dazwischen weisse Fugen sich
sehen lassen. Auch Bemalung von Schlusssteinen und einer Pfeilerfläche ist
blossgelegt — ■ schlankes Rankenwerk von teppichartiger Wirkung — sowie
Blattwerk zu Seiten der Gewölberippen entlang laufend und unenträthselte In-
schriften in gothischen Schriftzügen. — »ln der Westfront lagen über dem
(noch erhaltenen) Portal drei Fenster mit ausgeschrägten Laibungen. Danach
ist zu schliessen, dass die Kirche keinen Westthurm in der Hauptaxe hatte.
Eine Treppe in der Südwestecke des Baues führte vielleicht zu einem dort,
wie auch in der andern Ecke wahrscheinlich früher vorhandenen Westthurm« *)•
Kunst für Thiersymbolik ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass hier im Norden
sich dergleichen vorfindet. — Gelegentlich der Besprechung der Pisaner Kanzel
spricht Dobbert (»Kunst und Künstler«) von dem »romanischen Brauch, die Säulen
auf Löwen zu stellen«; von irgend einer andern Thierart ist auch hier nicht
die Rede.
’) Sach gibt ungefähr Folgendes an: Breite des Mittelschiffes 11 m, Seiten-
schiffe ohne Emporen 6,45 m, mit denselben 9,65 rn, Langhaus bis zur Vierung
40,2 m, Länge des Chores 25 m, Breite 10,36 m, Höhe des Mittelschiffes 18,93 m,
der Seitenschiffe 16,23 m.
®) Eine interessante schmale Wendeltreppe von, wie mir scheint, ganz der-
selben Anlage findet sich in der grossartigen Ruine des Klosters Hude bei
Vom Dom zu Schleswig.
477
So urtheilt unser Baumeister in der für uns so wichtigen Thurmfrage in dem
Schriftstück, das, aus seinem Tagebuch zusammengestellt, in dem Grundstein
vermauert worden ist.
Als das Mittelalter im 15. Jahrhundert zum letztenmal die Hand an den
Dom legte, machte es also annähernd eine Hallenkirche daraus — annähernd,
da die Seitenschiffe mehr als 2 m unter der Höhe der Mitte blieben. Doch
ist dieser Procedur des Guten genug zum Opfer gefallen, Dutzende von Fenstern
sind damals vermauert worden. Auch hat das Einbrechen sehr hoher Rundbögen
in die Zwischenmauern der Schiffe eine Gefährdung des ganzen Gewölbe-
systems zur Folge gehabt, welche im folgenden Jahrhundert die Verstärkung
der ausgewichenen Westwand durch zwei massige Strebepfeiler nöthig machte.
Doch war’s noch eine Nachwirkung jenes gefährlichen Vorgehens, dass jetzt
das westliche Joch musste abgetragen werden und dass man die zahlreichen,
oft sehr breiten Gewölberisse der zwei folgenden Joche mittelst Cementguss von
oben her dicht machen musste. Ein schlichtes Satteldach von ungeheurer
Breitenausdehnung aus Ziegeln bedeckt von damals her den ganzen, im Aeus-
sern durchaus ungegliederten Koloss des Langhauses, ungegliedert um so mehr,
als die Strebepfeiler nach innen gezogen wurden, indem man die Nord- und
Südmauer nach aussen rückte. Dadurch gewann man Raum für Anlage hoher
Capellen und gab dem Innern die reichere Erscheinung eines fünfschiffigen
Baues. Auf den schlichten Mauern, hinter denen die Capellenreihen sich hin-
ziehen, ist ein Emporenumgang, über welchem zwischen den weit hereinragenden
Pfeilern die vier Paar hohen Spitzbogenfenster heraufsteigen, von zierlichen sechs-
theiligen Gewölben überragt, bei denen, wie im Mittelschiff, die Zwischenrippen
aufConsolen aufsetzen. Bis zur Reformation haben die Capellen direct kirchlichen
Zwecken gedient; eine Anzahl der 46 Altäre »an denen 34 Geistliche fungiren
sollten«, hat hier ihren Platz gehabt. Seitdem dann von 1532 an der Dom dem
evangelischen Gultus gehörte, kamen sie in den Besitz der zahlreichen Adelsge-
schlechter des Landes, deren oft überaus kostbare Marmor- und Metallsärge, bis
ins vorige Jahrhundert hinein, allmählig die Räume füllten, von denen einzelne
später zugemauert wurden. Einige dieser Sarkophage sind von wirklicher Schön-
heit, besonders in dem pflanzlichen, mitunter auch im figürlichen Ornament, wenn
auch viele Motive sich öfter wiederholen. Edelmetall oder kräftige Vergoldung findet
sich fast überall. Vielleicht würde sich hier, ausser dem einzigen von Sach , später
in seiner »deutschen Renaissance« von Lübke als »Prachtwerk der Me-
trllarbeit« gerühmten Reventlo w’schen Sarge, noch manches Nennenswerthe
finden. Die Eingänge zu den Grüften sind durch schwere Eichenthüren ge-
schlossen, deren reiche Eisenbeschläge einen grossen Schmuck unserer Kirche
bilden, obgleich das volle Geranke meist nur aus immer andern Variationen
der Spirale sich zusammensetzt. Mitunter sind Namen und Zahlen in die
Zeichnung mit verwebt, häufiger ist das reizvolle oder groteske Spiel mit leichten
Andeutungen thierischer oder menschlicher Körperformen — so besonders am
Delmenhorst. Auch sie läuft, wie hier, als rechter Schlupfsteg innerhalb der
kolossalen Mauerecke empor
478
Doris Schnittger-Schleswig :
Marmorportal der Arenstorff’schen Gruft. Oft recht herausfordernd sind
diese Thürumrahmungen mit ihrem mannigfachen Figurenschmuck, Emblemen
und allem Zierwerk des Barock, wie es auch an den etwa 20 Epitaphien an
Wand und Pfeiler sich zeigt. Mitunter sieht man, wie Michelangelo’s Gross-
thaten in den Köpfen seiner kleinen Nachtreter spuckten. Doch gibt es auch
eine Fülle grossartiger und hochfeiner, auch in der Farbe gut abgestimmter
Gebilde darunter.
Jedenfalls bilden die Grufteingänge in der kahlen Wandfläche einen
kümmerlichen Ersatz für die ursprüngliche architektonische Gliederung dieses
Bautheiles, damals als noch die Capellen sich mit Arkaden nach den Seiten-
schiffen hin öffneten. Es lassen sich diese Bogenstellungen reconstruiren mit
Hülfe einer Anzahl romanischer Architekturtheile, die sich beim Abbruch des
Westendes theils noch zusammenhängend und tragend, theils als Trümmer
innerhalb der Mauern fanden: u. A. als Gewölbträger achteckige Säulen, Pfeiler
aus Tuff mit Maskencapitell und einem Thierfries; die Basis hat gleichfalls
Köpfe zwischen profilirten Stäben. Eines der entdeckten Gapitelle ist durch
eine männliche Figur gebildet, welche in der Rechten ein Buch, in der Linken
einen Gegenstand trägt, den man für einen Rost hält®). Ein Schlussstein
trägt das Lamm, auf einem andern fand sich ein Ghristuskopf. — Ein Ver-
gnügen ist’s schon jetzt dem, der den Neubau passirt, dass man an der Süd-
westecke in der Ahlefeld’schen Capelle ein schlankes Pförtchen, das ins
Freie führt, mit Spitzbogen überm Thürsturz unter sorgfältiger Vermauerung
entdeckte und es uns als Eingang erhalten will. Ebenso sind die hier wie
vielerwärts blossgelegten hübschen spätgothischen Gewölbornamente durch
Copien für künftige Verwendung erhalten. Wie man im Dom vielerwärts über
zugemauerte Gräben schreitet — es zeigt sich das auch an bedeutenden Sen-
kungen — so ergab es sich beim Abbruch, dass auch unter dem Orgelchor
und den benachbarten Capellen noch Untergrüfte lagen, zum Theil überwölbt
und grosse alte Steinsärge bergend. Ein unterirdischer Raum mit Tonnen-
gewölbe aus Ziegeln, mit Vorrichtungen, um das Ganze mit einem Baldachin
zu umkleiden, Hessen denselben als die wahrscheinlich vorläufige Grabcapelle
des Dänenkönigs Friedrich I. — gestorben 1533 in Schleswig — erscheinen.
Sein Sarkophag ist später in der Krypta des Chores, wo vom 13. Jahrhundert
an viele Särge von Fürsten, Bischöfen und Domherren stehen, beigesetzt; über
ihr steht noch jetzt sein bekanntes Marmordenkmal. Die Krypta ist mehrmals
ausgeraubt und 1847 zugemauert worden. Doch ergaben sich in jener Gegend
noch andere, auch für das grosse Publicum aufregende Dinge. Ein angeneh-
mes Grauen hatte den Dombesucher beschlichen, wenn, bei dem Günthe-
rode’schen Grufteingang angelangt, der Führer unfraglich auf die lateinische
Inschrift hinwies: eine Verwünschung dessen, der es je wagen werde, das
Grab zu zerstören. Der Bann ist gebrochen, unsere ruhigen Arbeiter legten
unverzagt Hand an. Es ist aber doch etwas Sensationelles herausgekommen :
®) Der untere Theil der Kirche ist dem hl. Laurentius geweiht gewesen;
doch ist wohl dieser Fund in einer Capelle kaum darauf zu beziehen.
Vom Dom zu Schleswig.
479
In einer vermauerten engen Nische in der westlichen Gapellenwand fanden sich,
ohne Särge oder Reste von Einhüllungen, die Gerippe eines Mannes und einer
Frau; natürlich Anlass zu Vermuthungen die Fülle. — Bis in die letzten Jahre
hinein ist das im 16. Jahrhundert gebaute Mausoleum des Gottorp-Glücks-
burg’schen Fürstenhauses benutzt. Während die andern Erbbegräbnisse
innerhalb der Umfassungsmauern des Doms liegen, bildet dieses an der Nord-
seite des Chores einen eigenen reizlosen Anbau. Die schlichten Kreuzgewölbe
werden von einem achtseitigen Pfeiler getragen. Von Consolen sehen lebens-
grosse Büsten von Fürsten und Fürstinnen — darunter zwei von Quellinus
stammend, wie es heisst, für ihre Zeit vortrefflich mit charakterischen Köpfen
und Händen — auf die Särge herab, in denen ihre Urbilder ruhen. Ihrer
nicht wenige sind bis in die Jetztzeit hinein der Stadt Schleswig in gegen-
seitiger Liebe verbunden gewesen.
Die Erbauungszeit des Chores wird in das 13. Jahrhundert gesetzt. In
schlanken Verhältnissen steigen die Gewölbe der zwei Joche, welche mit dem
geräumigen fünfseitigen Chorpolygon abschliessen, auf Pfeilerbündeln mit ein-
fachem Capitellkranz auf. (Der Nordarm des Kreuzschiffes zeigt an seiner Ost-
seite Spuren von einer einstigen Nebenapsis.) »Im Untertheile der die F’enster
enthaltenden Blenden ist ein Umgang, welcher, die Wandpfeiler durchbrechend,
in Höhe von 3 m, in den Seitenschiffen des Chores von 4 m, von einem Ghor-
thurm zum andern um das Ghorhaupt sich herumzieht und von den breiten,
vortrefflich gewölbten Treppen aus zugänglich ist« (Haupt). Von diesem Um-
gang, welcher einer Brüstung entbehrte, wusste Niemand etwas, bis Baurath
Hotzen ihn herausfand und die ehemaligen vermauerten Thürchen durch die
dicken Pfeiler brach, denen die schmalen düstern Oeffnungen ganz gut stehen.
Kräftig vorspringende, einmal ahsetzende Strebepfeiler legen sich aussen zwischen
die hohen Spilzbogenfenster des Chorhauptes. Ausserdem sorgen Treppen-
thürrne mit überwölbten Aufgängen — denen man jetzt entsprechende Spitz-
thürmchen aufzusetzen denkt — dafür, dem Ostabschluss des langgestreckten
Baues mit seinem niedrigen Dach ein wenig mehr Gliederung zu geben, welche
der westlichen Hälfte um so mehr fehlt, als die nach aussen gerückte Mauer
des Langhauses die ursprüngliche Kreuzform im Grundriss fast aufgehoben hat.
Das Chormittelschiff war früher von der Vierung durch einen Lettner ge-
schieden: einer Säulenslellung mit reichverzierter Brüstung — daran Brustbilder
des Ansgar, Luther und Melanchton — welche seit 1847 in zwei Theile zer-
stückt die Kreuzarme gegen die Seitenschiffe abschliesst. Auf dem Lettner
haben St. Peter und ein Geistlidier die Glocken einer grossen Uhr geschlagen.
Das Ganze ist von einem Kruzifix von 1661 überragt gewesen, von dessen
Wiederaufrichtung auf einem Triumphbalken neuerdings die Rede ist. An der
Scheidewand zwischen dem Haupt- und den schmalen Nebenschiffen — im
südlichen wird das zweite Gewölbe durch das Arenstorff’sche Begräbniss aus-
gefüllt — ziehen sich an beiden Seiten je 19 Sitze für das Gapitel mit hoch
sich überwölbender, reich geschnitzter Rückwand (von 1512) und alterthümlich
geschnitzten Brüstungswangen — Gestalten von Bischöfen, St. Peter und Paul,
Symbole, ungeheuerliches Gethier u. dergl. — his zur Chornische hinauf.
480
Doris SchniUger-Schleswig ;
Aus dieser führt nördlich ein reiches Portal mit schönem Eisengitter, an dem
ausserdem einige feine Marmorköpfchen sich dem Beschauer einprägen, in die
Fürstengruft. Ihr gegenüber ist in die Südwand ein ursprünglich dreisitziger
Bischofsstuhl von höchst anmuthigen Verhältnissen eingefögt; jetzt zweisitzig,
in der' Mitte ein Wandtischchen, für die fungirenden Prediger eingerichtet.
Das leichte, baldachinartige Kreuzgewölbe wird an der Vorderseite von zwei
freistehenden schlanken Marmorsäulchen mit zierlichem Blättercapitell und Eck-
blättern an der Basis, sowie von Halbsäulchen getragen, denen im Inneren
reichere Gliederungen entsprechen. Die Profilirungen zeigen, wie fast überall
ini Chor, den Birnstab zwischen Kehlungen. Wäre es nicht von glaubwürdiger
Seite versichert, man hielte es für unmöglich, dass auch dieses Schmuckstück
der Barbarei nicht hat entgehen können. In den vierziger Jahren merkte ein
Arbeiter bei Berührung der Mauer an dieser Stelle, dass sie einen Hohlraum
bergen müsse: man entdeckte in ihr hinter Verschalung das vornehme Capell-
chen. Auch jetzt könnte dasselbe dem flüchtigen Besucher entgehen, weil das
Kenotaph Friedrich’s I. den Einblick fast entzieht. Es dürfte fürs Ganze
von Vortheil sein, wenn, wie das jetzt angeregt ist, nach Fertigstellung der
Kirche das Monument aus dem ohnehin reichbesetzten Chore in den weiten,
sonst ganz leeren Raum am Westende des Mittelschiffs umgestellt würde, wo
es einst soll gestanden haben und wo man anderswo gewohnt ist, monumental
ausgestattete Grabstätten zu finden. Haupt nimmt nach dem Bericht eines
dänischen Schriftstellers an, dass es nach seiner Aufstellung 1555 ursprünglich
unter einem Baldachin, »Himmel«, gestanden habe. Ausserdem hat Biernatzki
die Rechnung eines Hofanstreichers vom Jahre 1616, auf 10 Thaler lautend,
gefunden für Renovirung des »Gadderwerks« um König Friedrich’s »Gedächt-
niss«. Dass man dies deutsch-niederländische Meisterwerk der Marmorbildnerei —
nach J. Binks’ Entwurf in Antwerpen ausgeführt — für italienische Arbeit
hielt, bis das Gegentheil erwiesen war, ist verzeihlicher, als oft in solchen
Fällen.
In letzter Zeit ist aber öfter darüber geschrieben (u. A. in einer Mono-
graphie von Rob. Schmidt), mehr aber noch über den Brüggemann’schen
Hochaltar^®). Da ich mehr als ein Vierteljahrhundert lang sonntägig einen
Platz im Schleswiger Dom einnahm, möchte ich nur hervorheben, wie mächtig,
Jetzt ist Brüggemann’s Altar weltberühmt; aber zu Anfang des Jahr-
hunderts hat man sich auch hier nicht allzuviel aus ihm gemacht. Da kam 1819
Thorwaldsen, um seines Freundes Carstens Vaterstadt zu sehen (Sach in
»Asmus Jacob Carstens Jugend- und Lehrjahre«). Carstens Vetter, der Mechanikus
Jürgensen — der Einzige, der in der Heimat ihn verstanden — führte den
grossen Gast in den Dom vor die Oven’schen Gemälde, welche Asmus Jacob,
seine Jugendeindrücke wieder durchlebend, in Briefen an Jürgensen besungen hatte.
Vor dem Hochaltar — den Carstens nicht besungen hatte — that dann Thor-
waldsen den Schleswigern die Augen auf für die Grösse dieser Schöpfung; seitdem
ist sie in der öffentlichen Schätzung fortwährend gestiegen. Eine gründliche Re-
stauration, vor wenigen Jahren durchgeführt, hat hoffentlich für immer die recht
schadhaft gewordene Riesenarbeit dem Üntergang entrissen.
Vom Dom zu Schleswig.
481
trotz- der Kleinheit jeder der 400 Figürchen, der Gesammteindruck des ganzen,
gewaltigen, 50 Fuss in der Höhe messenden Aufbaues ist. Vor allem ist es in
höchster Höhe auf leichtem Bogen thronend, die Weltenkugel zu Füssen, der
Erlöser, der weithin die Gemeinde beherrscht. »Haften in seinem Heiligen-
schein die Schwerdler« (nach Fr. Eggers), so predigt doch die erhobene
Rechte, ja die ganze feierlich milde Gestalt noch mehr vom Segnen. — Man
sollte uns den Einblick in dies Allerheiligste nicht wieder zubauen ; die im
Plane der Bauvorsehung liegende Wiederherstellung des Triumphkreuzes dürfte
hier bedenklich erscheinen. — Nach Entfernung des Lettners (1847) ist der
hohe Chor, in den man über eine Anzahl Stufen hinaufgelangt, noch durch
ein prächtiges Eisengitter, — das gleichfalls mehrfach reproducirt worden ist —
abgeschlossen. Die spätgothische Enlstehungszeit zeigt sich vielleicht in der
Weise, wie das Flächenmuster mit den Fischblasen umgeht; auch fischähnliche
Gestalten spielen hinein. Mustergiltig scheint mir das reichliche, lebendig be-
wegte Blattwerk, besonders im obern Abschluss, der mit schön zusamrhen-
gefügten Blattkronen prangt. Bemalung und Vergoldung macht das Ganze zu
einem trefflichen Vorbild auf diesem jetzt so eifrig durchsuchten Gebiete. >
Bis Brüggemann ’s Werk 1666 aus Bordesholm hierherkam, hat seinen
Platz ein sehr kleiner geschnitzter Giborienaltar mit »Anbetung der Wei-
sen« aus dem 13. Jahrhundert eingenommen, der jetzt auf einem Mauerabsatz
unter einem Fenster des südlichen Seitenchores steht. Unter leichtem, säulen-
getragenem Baldachin mit Spitzgiebeln steht die Maria mit dem Kinde. Links
von ihr stehen mit geradem Ausblick in strenge abgemessenen Zwischenräumen
zwei der Fremdlinge, ein dritter, eine gut bewegte Gestalt, kniet rechts, die
Hand zu ihr erhebend. Das bemalte Schnitzwerk wirkt bei grosser Strenge
tüchtig und feierlich in die Ferne. Dasselbe kann man unserm in der nörd-
lichen Ghorabseite stehenden »Grossen Ghristopher« nachrühmen, 4 m hoch
und, wie man sich immer erzählt, mit fliegendem Mantel und allem Zubehör
aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt, trägt er nun fast 4 Jahrhunderte
lang an seinem winzigen Ghristkindchen auf der linken Schulter so treu und
so schwer — das sieht man Mienen und Haltung bis ins Einzelnste an — dass
kaum der grosse Baumstamm als Stütze ausreichen will“).
Die hölzerne Kanzel der Hauptkirche unseres Landes vom Jahr 1560 ist
eine würdige Vertreterin aller andern, deren es in Stadt und Land viele ganz
ähnliche und gleichwerthige gibt. 1847 vom ursprünglichen Standorte am
dritten Südpfeiler des Mittelschiffes nach der Vierung, an dem Grenzpfeiler des
Ghores, verlegt — was doch einmal eine Verbesserung, nicht Aenderung allein
ist — hat sie freilich von ihren sieben Seiten zwei eingebüsst, veranlasst durch
den veränderten Aufgang. Die fünf Füllungen zeigen in sehr flachem Relief
gute Darstellungen der Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt, Ausgiessung
des (leistes und — als Schluss seltsam genug — der Gesetzgebung. (Ob früher
“) Anfangs hat das Standbild des Heiligen, dem man in Schleswig-Holstein
überall grosse Verehrung bewiesen hat und der besonders in Zeiten der Pest, die
auch hier oft hauste, als Helfer galt, am Eingang der Petrithör gestanden.
482
Doris Schnittger-Schleswig :
die Anordnung logischer gewesen, weiss hier Niemand.) Da malerische Wir-
kung angestrebt ist, mehr, als bei so flacher Behandlung in der Perspective
sich durchführen lässt — hinter schönen Vorgrundfiguren zeigen sich z. B. auf
Golgatha sehr ferne Reitergruppen noch fein durchgeführt, und am Horizont
Jerusalem — so erinnert mich das Ganze mehr an die vielleicht je benutzten
Kupferstiche guter alter Bilderbibeln, als an die landläufigen derberen Holz-
arbeiten mit kräftigen Schlagschatten und dem Verzicht auf Tiefe des Relief-
bildes. Hübsche, reich mit holländischem Ornament in Gold und Farben ge-
schmückte Säulenpaare sind über dem verkröpften Sockel an den Ecken an-
geordnet. Auf einer starken Säule, zu welcher der Uebergang durch geschweifte
Träger vermittelt wird, baut sich das bis ins Kleinste reichgeschnitzte Ganze
auf. So schön der breite Schalldeckel in dem untern Theil, dem eigentlichen
Deckel, ist, — der hohe, oft gerühmte Aufsatz, 1847 mitrenovirt, scheint mir
fragwürdig, besonders in der langweilig mager sich thürmenden Bogenarchi-
tektur. Auch ist unter den Figuren — in der Mehrzahl auf hohen Sockeln
stehend — der in der Mitte abschliessende, auf der Kugel thronende Christus
wirklich »hölzern«.
Wüsste man es nicht, dass Schleswig-Holsteins Kunst von den Nieder-
landen her stark beeinflusst war, man sähe es den meist für Epitaphien ver-
wendeten Gemälden des Schleswiger Doms, oft auch ihren Einrahmungen an. ln
der nördlichen Chorabseite ist noch der Gemäldeaufsatz des 1664 gestifteten Kiel-
mannseck e’schen Altars an seinem alten Platz. »Der Sieg des Christentums über
die Sünde« ist der Vorwurf dieses grossen allegorischen Bildes. Sein Meister ist
Rembrandt’s Schüler Ovens. Das dürfte ihm schon eine Beachtung sichern,
die es dui-ch interessant erfundene Composition, wirkungsvolle Lichtvertheilung
und lieblich feine Einzelheiten in den vielen Engelsfiguren lohnt. Doch wurde
über dieses Bild und die »heilige Familie« desselben Malers, des bedeutendsten,
den wir je gehabt, schon eingehender hier gesprochen (1887). Erwähnt wurde
später (Bd. XllI S. 185) eine »Kreuzigung« des Joh. de Kempene, auf dem
die edle Erscheinung des Heilandes mich so oft erbaut hat, wie die gewagt
durchgeführte Anatomie in den Schächergestalten mich in Erstaunen setzte,
besonders im Gegensatz zu den in ihrer derben Vermummung ziemlich hölzern
anmuthenden, treuherzig zu Füssen des Kreuzes knieenden Donatoren. In
ihnen war der Maler ganz solider Nordländer, in jenem mögen seines
Meisters de Vriendt Michelangelostudien nachgewirkt haben. Die Land-
schaft mit weithin abziehenden Kriegern ist reizlos grün im Ton, vertieft sich
aber recht gut.
Sonst wurde meines Wissens in deutschen Werken keines der Gemälde
beschrieben. Für einige besonders interessante möchte ich den Dienst ver-
richten. In der überaus reich mit phantastisch polychromenen Schnitzwerk
bedeckten Soltau’schen Gedenktafel vom Jahre 1610 ist oben das »Gesicht des
Hesekiels« (Hes. 37) vortrefflich gemalt, angebracht. Im Profil gesehen, kniet
der Prophet, die Hände über der Brust gekreuzt, den Kopf stark nach oben
gewendet. Nicht auf das grausig Wunderbare um ihn — die Menge leichen-
farbener Ungestalten, die, von der Erde emporwachsend, den Vordergrund
Vom Dom zu Schleswig.
483
füllen, unter ihnen eine prächtige, dem Leben schon wiedergegebene Mannes-
gestalt — nicht auf sie schaut er, sondern nach oben, woher das Wunder
käm, wo Engelsköpfchen die Verbindung zwischen Himmel und Erde her-
stellen. Die wolkig graue Luft stimmt fein mit der weich grünlichen Ebene
zusammen. Seltsam dagegen contrastiren zu dem tiefen Ernst des Bildes die
weiblichen Karyatiden, welche interessant morgenländisch costümirt — u. A.
mit weissen, weiten, türkischen Beinkleidern — dasselbe flankiren. Das grössere
Gemälde des untern Geschosses »Christus erweckt Lazarus« scheint mir, ob-
gleich nicht schlecht, doch mindestens coloristisch nicht gleichwerthig zu sein:
-die Farbengebung ist magerer und bunter, die vielen Gestalten scheinen zum
Theil alte italienische Bekannte zu sein. Das Originelle daran ist leider nicht
italienisch: die Einfügung dreier Bildnissköpfe, ein Mann und zwei Frauen,
mit Ringkragen, in glatter Ovalfassung, die wie ein breitgedrückter Korb aus-
sieht, unten am Rande in die Darstellung hineingemalt. Maria und Martha
knieen rechts und links neben diesen Bildnissen. Die lateinische Inschrift pflegt
bei diesen farbenfrohen, oder aus edlem Gestein hoch sich aufbauenden Ge-
bilden immer den Ernst des Zweckes zu betonen
Aus demselben Jahre stammt das Epithaph des Rechtsgelehrten und
fürstlichen Raths Gypräus. Auf dem umfangreichen Gemälde kniet vorne
das Eltern paar mit fünf Söhnen, daneben liegt das Haushündchen. Wie sehr
die Anordnung' isokephal ist, zeigt eine Mauer, die sich quer durchs Bild, ge-
nau über den Köpfen der Knieenden hinzieht. Bis soweit ist alles in bester
Ordnung, ich glaube kein Fältchen dürfte schief sein. Auf und über der
Mauer aber geht’s unruhiger her, da hat der Maler thun dürfen, was ihm
beliebte. Drei Posaunenengel aus grauem Stein sind auf der Mauer in stärkster
Bewegung. Hoch in den Lüften oben fährt inmitten schwarzer und glutrother
Wolkenballen der Prophet aufwärts, während sein stark rother Mantel, in
mächtigen Schwingungen zur Erde flatternd, hier von Elisa, in gelbem Gewände,
aufgefangen wird. Wenn Haupt dieses — von Püschel gestochene — Bild
als »trefflich« bezeichnet, soll das nicht bestritten werden. Ebenso gewiss aber
ist es recht seltsam, zumeist durch den Gegensatz zwischen der oberen und
unteren Hälfte, den auszugleichen kein Versuch gemacht ist. Aehnliches findet
sich freilich auf Stiftungsbildern, 'auch auf hiesigen, öfter. Die Bildnissgruppe
der Familie Jugerth’s — Hofrath Johann Adolf’s — mit Frau und sieben
Kindern, alle stehend und nach dem Geschlecht gesondert, 1645 errichtet, hält
sich von einer Vermengung mit Historischem fern. Schlicht, tüchtig wie’s
die Dargestellten sind, ist die Darstellungsart. Den Glanzpunkt bildet der vor-
nehm, sicher repräsentirende Hausvater. Ihm werden die Söhne nacharten,
während die Töchter wohl der Alten beschränktere Art geerbt haben. Für
Bernhard! Soltovii — Vivent mortui tui etc. Esai 26, ego sum resur-
rectio etc. Joh. 11, anno 1610, ßernhardus Soltovius, Haniburgensis, capituli Sles-
vicensis senior et iilustriss. Hols. principuni Adolphi, Friderici, Philippi et Johannis
Adolphi quaestor, imhecillitatis humanae et suae imprimis fragilitatis memor vivens
posuit. Phil. 1. Mihi vivere Christus est, et mors lucrum.
XIV
34
484
Doris Schnittger-Schleswig ;
kostbar derbe Bekleidung hat übrigens die Mutter gesorgt; sogar das Baby ziert
der breite, steifgefältelte Halskragen, der auf wenig Gemälden jener Zeit fehlt.
Unter den Einzelporträts wird das des verdienten Gelehrten Adam
Olearius, der hier eine so grosse Rolle spielte, dem grössten Interesse be-
gegnen, das es auch künstlerisch rechtfertigt. Die zwei Paar Putten aus Sand-
stein, welche in feiner Anordnung, unten stehend, oben lagernd, nebst Wappen
und Emblemen die Tafel zieren, zeigen bessere Verhältnisse als viele um sie
herum. Unter ihnen fasst goldener Lorbeer das vortreffliche Bildniss des geist-
reichen Alten mit schwarzem Käppchen auf dem langen ergrauenden Haare
ein”), — Ein Liebling Aller, deren Augen das sehr hoch an einem der süd-
lichen Pfeiler hängenden Gemälde, lebensgrosses Brustbild, erreichen können,
müsste der ehrwürdige Kahlkopf sein, der dort so einfach schön betend die
Hände erhebt, dass ein Anschauen des tüchtigen Bildes direct in sein Thun
mit hineinzieht. Es ist Pabricius, einer der ersten Generalsuperintendenten
nach der Reformation. — In der jetzigen Sacristei — bis 1847 Erbbegräbniss
der Familie Schacht — verbergen im Halbdunkel zwei lebensgrosse stehende
Bildnisse die Vorzüge der feingemalten Köpfe, Hände und Stoffe. Der ener-
gische Biedermann, in schwarzer spanischer Tracht, reich mit Spitzen besetzt,
steht, den Rohrstock herkömmlich aufstützend, breit vor uns; die Frau mit
prächtig wiedergegebenem Geschmeide behängen schaut mit etwas blöden Augen
unter der schlichten Haube aus dem recht holländisch geformten Gesichte heraus.
Bemerkenswerth ist noch ein Bildniss des streng vornehm auftretenden,
inmitten des Domes mit gebieterischer Handbewegung stehenden Superinten-
denten Adler, gemalt von dem Schleswiger Goos”), bemerkenswerth be-
sonders, weil dasselbe, vor der 1847er Restauration entstanden, Einzelheiten
des damaligen Baues wiedergibt, deren nur alte Gemeindeglieder sich erinnern.
Der Lettner war noch an seinem Platz, dahinter führte der Aufgang in den
hohen Chor, nicht wie jetzt über eine zusammenhängende Reihe von Stufen,
sondern in sehr breiten Absätzen, auf denen sich die Functionen der Liturgie
vollzogen. Wunderbar ist’s, dass der Maler die Architektur so gibt, wie sie
jetzt wieder vor uns ersteht, als farbenkräftigen Rohbau. Es ist, als habe der
Mann, beeinflusst durch mittelalterliche Neigungen, eine Vision gehabt. Lange
vor seiner Zeit, vielleicht Jahrhunderte lang, hatten alle Bautheile des Innern
unter Verputz geruht, der dann 1847 statt des weissen Kalks einen mattfarbig
gelblichen, in den Gewölbekappen aber bläulichen Anstrich bekam.
”) Adami Olearii, f 1671. — C. S. Adaino Oleario V. C. L. qui cum
orbem bis lusträsset ad orientern , inde inter Sereniss. Cimbriae ducum ministeria
descripsisset, quas viderat regiones ingentisque automati machina terras, coelum,
sidera spectanda miraculo dedisset, ipse tandem terrarum orbisque hujus, quin et
gloriae satur sidera super et orbes mentem elevatus in Christo beatus excessit.
Anno MDCLXXI aelat. LXXII. Socero B. M. ob pietatem H.M.F.G. Burchardus
Niedersledt I.V.D.
”) Haupt nennt keinen Meister des Bildes. Es war G. A. A. Goos, von
uns, wegen seiner recht hübschen Arbeiten, der »gute Goos« genannt; daneben
gab es einen künstlerisch missethälerischen »bösen Goos«.
Vom Dom zu Schleswig.
485
Von wenig Bildwerken und Gemälden des Domes kennen wir die Meister.
Aus welchen Werkstätten die Menge von Zeugnissen jener allgemeinen Kunst-
blüthe stammen, welche mit der Blüthe des schleswig-holsteinischen Hofhaltes
zusammenfiel und desshalb hier so viel Werthvolles zurückliess — wer mag
das sagen? Eine vor wenigen Jahren vorgenommene Wiederherstellung sämmt-
licher Gemälde hat nur für ein Bild des Domes Namen zu den früher be-
kannten gefügt, ßiernatzki’s Archivforschungen haben hierfür kein Resultat
ergeben, was auch bei privaten Stiftungen kaum durfte erwartet werden. Die
Inschriften, so vielerlei sie sagen — über den Meister sagen sie nichts^®).
Augenblicklich ist die Mehrzahl aller Schmuckgegenstände, durch den
Umbau veranlasst, in zeitweiliger Verbannung. Man ahnt kaum, wie Vieles
ursprünglich mag die Kirche geziert haben. Vielleicht nach unsern Begriffen
reichlich Vieles, z. ß. an Fahnen — darunter der historische Danebrog —
kriegerischen und sonstigen Emblemen und Wappen; von letzteren z. B. 77
allein aus dem Geschlecht derer v. Sehested. Doch ist fürs Aufräumen oft
genug gesorgt worden. Schon 1252 »sollen bei Plünderung der Stadt kost-
bare Metallbilder, die zu Knud’s Zeit aus England gekommen sind, geraubt
sein«. Manches ist dann seit 1847 verschwunden oder es hat weniger geeig-
nete Plätze erhalten. Was der Dom 1885 eingebüsst hat, kann man seitdem
in einer Anzahl illustrirter Kunstschriften sehen, wo unter dem Besten, was
an Holzschnitzereien aus dem 16. Jahrhundert raitgetheilt wird, Bruchstücke
vom Gestühl des Schleswiger Domes obenan stehen. Durch Adel und
Schwung der Linien, wie feine, lebensvolle Durchführung des pflanzlichen und
thierischen Ornaments führen sie auf die Höhe der Renaissance zurück. Im
Berliner Gewerbe museum sind von den werth vollen Stücken — meistens
Stuhlwangen — die mehrsten zu finden. Einiges liess man in Flensburg; in
Schleswig, wo die Sache erst nachträglich bekannt wurde, kein Stück. Da-
mals hatte freilich unsere Kirche keinen directen Gebrauch für diese seit lange
(vermuthlich auch seit 1847) in die »Materialienkammer« gewanderten Reste.
Aber hätten wir dieselben jetzt für die Neuausstattung ! Einzelnes an schönem
alten Stuhlwerk findet sich ohnehin hie und da zerstreut, ohne eigentliche
Gruppen zu bilden. — Zur Mittheilung kommen musste diese Thatsache, wo
von der Geschichte des Schleswiger Domes gesprochen werden sollte; aber
es ist der Dank für das, was von Berlin aus jetzt in so reichem Maasse für
unsere Kirche geschieht, der die Bitterkeit bei dieser unliebsamen Erinnerung
zurückdrängt.
Ein glücklicher Gedanke der Bauleitung ist die Einrichtung einer geräu-
migen Kunstkammer, welche einstweilen oder für die Jetztzeit unbrauchbar
Man hat sich gewundert, so wenig plattdeutsche Inschriften zu finden,
um so mehr lateinische. Dies scheint mir das Gegebene zu sein , weil die Denk-
mäler nicht Bürgersleuten galten, sondern Personen, welche »die Kirche und den
herzoglichen Hof zierten und hier ihre Ruhestätte fanden«. — Eine kurze, seit
lange verschwundene Runeninschrift aus Eisenstäben an der früheren Capitelthür —
von H. Rantzau erwähnt und oft von den Dänen besprochen — hat nur den
Verfertiger dieser Thür genannt.
486
Doris SchniUger Schleswig :
Gewordenes aufnimmt: alte Statuen, Bruchstücke feiner Marmor- und Metall-
arbeiten, Todtenschilde von ungeheurer Ausdehnung u. dgl.
Noch ist der Kreuzgang, jetzt unser Stolz, nicht erwähnt. Zu Anfang
des 14. Jahrhunderts angelegt, hat er, später ausgebaut, zwei Stockwerke ge-
habt, deren oberes, die Zellen der Vicare enthaltend, 1743 abgetragen wurde.
Von bedeutender Grösse, legt er sich an die Nordseite des Langhauses, im
Grundriss ein verschobenes Rechteck beschreibend, da der Ostflügel acht, der
westliche nur sieben Gewölbjoche enthält. Eine etwas abweichende Detail-
bildung lässt den östlichen Theil als den älteren erkennen. Die Aussenwand
des langen Nordganges ist stark ausgewichen. — Es gab hier früher keine
offene Halle, wie in andern Kreuzgängen. Unser »Schwahl« (»d. h. der be-
deckte, kühle Gang, denn; svale = kühl; sval = kühler Gang«) hatte eine lange
Reihe grosser, verbleiter Fenster. Wände und Gewölbe, alles steckte in Kalk.
Die Freude war gross, als vor etlichen Jahren Baurath Hotzen unter dem-
selben viel Hochbedeutsames entdeckte. Nach Jahre langer Arbeit sieht es hier
jetzt sehr lebendig aus. Die reichlich 20 grossen Wandflächen den Fenstern
gegenüber sind mit einem Gyklus biblischer Darstellungen bemalt. Dazwischen
setzen an breiten gegliederten Pilastern die Gewölbrippen aus rothen Form-
steinen (Birnstab, wie hier überall) auf sehr leuchtend bemalten Gonsolen auf,
welche, aus Trassmörtel geschnitten und ursprünglich bemalt, die verschieden-
artigsten Motive haben: Masken, Blattwerk, allerlei Thierisches, u. A. einen
Hirsch vom Hunde verfolgt. Die Bemalung der untern Pilasterfüllungen zeigt
auf weisslicheni Grunde aufsteigendes Ranken werk in ziemlich matten, meist
gebrochenen Farbentönen. Es schliesst sich in Farbe und Zeichnung an die
Füllungen der Gewölbekappen an, wo gut stilisirte gothische Lilien, Rosen
u. s. w. entweder in hübschen Einzelgruppen aus den Rippen hervorwachsen
oder als fortlaufende Ranken an ihnen sich hinziehen. Dazwischen aber be-
wegt sich eine bunte, eine schier wahnsinnige Gesellschaft, in jedem Gewölbe-
joch noch anders, noch unkluger als im vorhergehenden; immer aber mit
recht geschickter Ausfüllung des gegebenen Raumes: Affen, geflügelte Fische,
langgeschweifte Thiere, aus allen möglichen Gattungen zusammengesetzt mit
scheusslichen Weiberköpfen auf dem langen Halse; geflügelte Ungeheuer, Fische
mit Krallen, mit grossen Männerköpfen und einen furchtbaren Stosszahn im
breiten Maul; dann kommen hübsche, ziemlich zahme Vögel. Stark ist das
Jagen, das Bogenschiessen vor allem vertreten — darunter wieder eine Hirsch-
jagd — und das Musiciren mit allem, was Lärm macht. Weibliche Figürchen,
auf geschwänzten Wesen mit Riesenköpfen reitend, blasen die Flöten, hantiren
mit Trommel, Harfe, Violine u. s. w. Stark bewegte, langhaarige Figuren
wachsen aus geflügelten Fischen heraus. Fast bei jeder Figur ist etwas Ge-
wandung, oft weniger als Bekleidung, denn als Draperie zur Verwendung ge-
kommen. Zur Deutung manches Motivs hat mir in Band XII des »Reper-
toriums« , der Artikel über den »griechischen Mythus in den Kunst-
werken des Mittelalters« Aufschluss gegeben, auch durch die Fülle von
Beispielen, von denen Vieles sich hier zu wiederholen scheint.
Von tiefstem Ernste erfüllt sind dicht daneben die, gewiss aus der Er-
Vom Dom zu Schleswig.
487
bauungszeit des Ganges stammenden Wandmalereien. (Jene Deckenmalereien
hält man für jünger, schon der Renaissance sich nähernd.) In spitzbogigen
Feldern von 3 — 4 m an der Basis und ebenso viel Höhe sind die zum Theil
figurenreichen Bibelbilder in schlicht braunrothen Umrisslinien ausgeführt. Eine
streng gezeichnete Weinlaubbordüre fasst jedes der Felder ein, unter denen,
in immer wechselnden Mustern, vortrefflich stilisirte Wappen- und Fabelthiere,
gut in Medaillons hineingezeichnet, durch romanisches Blattwerk verbunden,
sich hinziehen. Mit den Nachbildungen der »Gemälde altdeutscher lyri-
scher Dichter« (von der Hagen 1844) verglich ich an Ort und Stelle die
neutestamentlichen Darstellungen, die, bei geringerer Weichheit auch in den
Köpfen, ziemlich an derselben Stelle ihre Verzeichnungen, mitunter Verren-
kungen zeigen, dieselbe Art haben, gefühlvoll zu sein und dabei den traditio-
nell ansprechenden Faltenwurf aufweisen. Der häufig vorkommende Ausdruck
von Schmerz oder Trauer ist stehend durch reichlich stark nach der Mitte hin
in die Höhe gezogene Augenbrauen wiedergegeben. Die Nebenpersonen* sind
mitunter zwergenhaft klein. Es fehlt natürlich nicht an Herbheiten, an ge-
wollten und ungewollten Garricaturen; dennoch wurden die Bilder ihrem tiefen
Inhalt innerhalb der hergebrachten Formen durchaus gerecht. — Es ist hier
derselbe Gang durch das Erdenleben Christi, den die kirchliche Kunst uns so
oft gehen Hess. Zu Anfang und Ende sind wegen baulicher Veränderung und
wegen gänzlichen Fehlens sichtbarer Farbenreste einige Felder zu ergänzen.
Bis jetzt bildet daher der »Ritt der drei Könige« den Anfang; einer derselben
trägt den Falken auf der Hand. Bei der »Anbetung« steht das sehf schlanke
Christkind auf dem Schoss der Maria, welche den in die Ecke gerückten, mit
gothischen Fialen geschmückten Thron einnimmt. Der »Kindermord« Hess
viel Wildheit zu. Reichlich mordlustig erscheint’s, wenn die Kinder wie Käfer
gemüthlich gespiesst werden. Bei der »Flucht nach Egypten« schreiten zwei
ungeflügelte Frauengestalten dem Zuge nach. Bei der »Taufe« trägt ein Engel,
hinter dem unbekleideten Christus stehend, dessen Gewand. Füllten diese
Bilder die Westwand, so beginnt auf der Nordseite mit dem »Judaskuss« die
Leidensgeschichte, die hier auf neun Feldern mit den »Engeln am Grabe«
ihren Abschluss findet. In dieser Bilderreihe gibt’s natürlich Unmenschen und
Teufelsgestalten in Menge, dabei seltsame Bekleidungsstücke, noch seltsameres
Baumwerk, unmögliche Verkürzungen, besonders der-nackt«n Körpertheile u. dgl.
Dabei aber verfehlt die Innigkeit der Empfindung in Gebärde und Haltung ihres
Eindruckes nicht; das Ganze wirkt, wie befremdlich immer, doch in gewissem
Grade erbaulich. Auf der Ostwand war nur der »Tod Mariä« zu finden. An
den schmalen Mauerflächen zu Seiten der Fenster entdeckte man unter spitz-
bogigen Baldachinen Spuren von Propheten- und Apostelgestalten. Sie zeigen
die Malweise der Decken, also Ausfüllung der Flächen.
Ausgeführt wird in anerkannt mustergiltiger Weise diese grosse und
höchst schwierige, ja verantwortliche Herstellungsarbeit von dem jungen
Maler Olbers - — Schüler des Professors Schaper in Hannover — der
schon mehrfach in Kirchen und Capellen ähnlich gewirkt hat. Jetzt, nach-
dem die Fenster entfernt sind, sieht man aus unserm Kreuzgang, wie’s
488
Doris Schnittger-Schleswig:
sonst bräuchlich ist, durch die hohen Spitzbogenöffnungen — die leider
keine Säulchen und Maasswerk aufzuweisen haben — aus dem Düster des
Ganges hinaus in den hchtgrünen Garten des einstigen »Freithof« oder
»Frithof«. Der Fussboden des reichlich 5 m breiten Schwahls — der spä-
ter theilweise farbige Fliesen erhalten soll, nach hier Vorgefundenen Bruch-
stücken gefertigt — ist vielerwärts mit Leichensteinen bedeckt, was früher
im Langhause des Domes auch der Fall war. Diese Steinplatten, von kolos-
salem Umfange und zum Theil guter, leider recht abgetretener Steinmetzarbeit
in Wappen und Bildnissen, wurden später an der Innenwand des Kreuzganges
befestigt, ehe man ahnte, dass sie bemalt sei. Jetzt geben sie im Friedhof,
an die nördliche Aussenwand der Kirche und die niedrigen Strebepfeiler des
Kreuzganges gelehnt, wechselnd mit Steinfiguren — Resten eines grossartigen
Epitaphs mit Symbolen der Auferstehung — dem Gartenraume ein stimmungs-
volles Aussehen. Von hier aus sieht man an der mächtig aufsteigenden Nord-
wand des Domes nahe unterm Dach eine Anzahl grosser, blendenartiger Nischen,
welche von guter Wirkung sein würden, wenn der Vorschlag ausgeführt würde,
sie mit Sgraffitos auszufüllen.
Wichtiger freilich wäre die Frage, ob und wann den vielen grossen,
schlicht dreitheiligen Fenstern der Schmuck der Glasmalerei, und wäre es nur
der farbigen Verglasung in Teppichmustern, zu Theil wird. Diese Frage hat
hier zu Zeiten aufregend gewirkt; doch sind noch keine greifbaren Erfolge
erzielt.
Die Vorgeschichte des Thurmbaues wurde zum Theil mitgetheilt. Es blieb
unerwähnt, dass wir zu Zeiten' sogar den ehrgeizigen Wunsch hatten, zu zwei
Thürmen hinaufsehen zu dürfen. Ein Doppelthurm — meinte man — käme
der ehemals bischöflichen Kathedrale zu; war doch auch das Kirchenmodell
über der Petrithür zweithürmig, wie das mit der Tradition stimmt. Auch fand
Ehrhardt seine, oben ausgesprochene, baugeschichtliche Annahme dadurch
bestätigt, dass sich arn Westende »im Grunde kolossale Fundamente aus Granit-
steinen, in Erde und Sand gepackt, wahrscheinlich für zwei Eck-Westthürme«
vorfanden. Dass man an maassgebender Stelle einen derartigen Bau erwogen,
aber wegen zu grosser Kosten aufgegeben hat, scheint sicher. Ein sehr reicher
doppelthürmiger Plan wurde vor Jahren von einem hiesigen Bauinspector ent-
worfen. Doch sah ich schon vorher in einem hochinteressanten Manuscript,
das leider jetzt verschollen scheint, unter einer grösseren Anzahl von ein-
schlägigen Domentwürfen verschiedener Architekten — es waren Meister ersten
Ranges darunter, die vielleicht aber lieber nicht genannt sind — mehrere
doppelthürmige Restaurationen unserer Kirche. Auffallend war es mir, wie
verschiedenartig bei den einthürmigen Plänen die Lösung der gewiss nicht
leichten Aufgabe ausgefallen war, a>n Westgiebel mit dem breiten Koloss des
Schiffes den so viel schmälern Thurm in ansprechend vermittelnder Weise zu
verbinden. Am wohlthuendsten schienen mir die Entwürfe zu wirken, welche
die Westfront durch nicht zu unansehnliche Nebenthürmchen flankiren Hessen,
was einer zu grossen Isolirung des Riesenthurms vorbeugte. Bei dem schö-
nen, jetzt in der Ausführnng begriffenen Entwürfe — dessen sich einzelne
Vom Dom zu Schleswig.
489
Leser wohl von der Berliner Jubiläumsausstellung her erinnern werden —
ist zu Seiten des Thurmes die durch ein Fenster durchbrochene Wandfläche
wie an der Langseite belebt durch die wechselnden Farben der Glasursteine
(schwarz und roth), sonst aber bis zur Dachhöhe ganz schlicht. Die abge-
schrägten Flächen von da bis zur Firsthöhe wurden ungemein zierlich ge-
gliedert durch je drei kleine Wandpfeiler, die in Thurmspitzen mit Kreuzblumen
endigen; die dazwischenliegenden Felder mit Maasswerk und Blenden laufen
in Ziergiebeln aus, welche, mit den Thürmchen über das Satteldach der Kirche
aufsteigend, dort eine freistehende Giebelbekrönung bilden. Diese Parthie
scheint sich an klassische Vorbilder des Backsteinbaues anzuschliessen , z. B.
an die.Fa^ade des Rathhauses in Brandenburg und besonders diejenige
der Frohnleichnamscapelle an St. Katharinen ebendort *®). Der Thurm,
aus meist rothen Ziegeln mit wenig Sandstein wird eine Höhe von 112 m
haben, bei ca. 13 m unterer Breite des Thurmkörpers, ohne die Strebepfeiler,
und bei 43 m Breite und Höhe des Westgiebels. Er ruht auf vortrefflichem
Baugrunde und einer 2 m starken Betonplatte, zu deren Herstellung man, wie
im Mittelalter, den Trass, jetzt in gepulvertem Zustande, vom Rhein zu Schiff
kommen liess. Ueber dem Thurmgemach und dem Hauptportal steigt er, durch
Zurücktreten der Strebepfeiler sich allmählig verjüngend, in drei mit Giebeln,
Reihen von Blendarcaden u. s. w. geschmückten Geschossen bis zu der gegen
50 m messenden, mit gewelltem Kupferblech gedeckten Pyramide empor. Eck-
thürmchen, dazwischen schlanke Spitzgiebel mit Zifferblatt vermitteln den Ueber-
gang. Nach wenig Jahren hoffen wir ihn so dastehen zu sehen. Die Ge-
meinde freut sich auf das weithin über Stadt und Land schallende mächtige
Geläute ihrer alten Glocken, deren Vollklang erst zur Geltung kommen wird,
wenn er aus den 12 hohen Schaltöffnungen der Glockenstube herausströmt ^®).
Auch der eingefleischte Kunstgelehrte wird zugeben, dass gerade das
Bauwerk am wenigsten um seiner selbst willen da ist und Schmuck erhält.
Unsere Kirche wirkt als Mittelpunkt allgemeinen Interesses schon während ihrer
Bauzeit künstlerisch erziehlich. Es geht viel Anregung von diesem Werke aus,
um so mehr, als das meiste, auch feinere Material, z. B. viele Formsteine,
Siehe das herrliche farbige Blatt in AdlePs »Backstein-Bauwerken der
Mark Brandenburg«. St. Katharina scheint mit unserem Dom Verschiedenes ge-
mein zu haben, wenigstens die innen liegenden Strebepfeiler und genau dieselben
Fenster.
Die schönen Sculpturen: Gapitelle für' die Portale, Kreuzblume, Consolen
der Gewölbrippen im restaurirten Westjoch — diese aus Köpfen gebildet, wie die
im Dom befindlichen , zum Theil aus Porträts des Bauraths und Baumeisters —
werden von dem Bildhauer Hart mann, einem Schüler unseres Landsmannes
Lürssen in Berlin, gearbeitet.
^*) Die Marienglocke hat folgende Inschrift: »A dom. MCCCLXXXXVI ego.
vocor . Maria . signum . dono . choro . fleo . funera . festa . lecoro.« — »Die
grosse Betglockc, die früher nur bei grossen Festtagen und vornehmen Leichen
geläutet wurde, ist 1661 auf Befehl Christian Albrechts umgegossen«. Ausser-
dem gibt's noch mehrere Glocken.
490 Doris Schnittger-Schleswig ; Vom Dom zu Schleswig,
nicht aus fremder Ferne kommt, sondern von Landeskindern hergestellt wird,
denen man den Stolz gönnt, einmal eine künstlerische Aufgabe lösen zu dürfen.
Der wunderbare Schwahl mit seinen hochmalerischen Durchblicken —
besonders in der Diagonale nach Südost hinüber, wo der dort noch zwei-
geschossige Theil des Kreuzganges, mit Querschiff und Dachreiter der Kirche
ein köstliches Architekturbild bietet — der Schwahl hat schon jetzt täglich
Gäste, wie auch der Dom nie aufhörte, deren zu haben. War aber früher neben
dem Gottorfer Betstuhl der Brüggemann’sche Altar fast das Einzige, was den
Kunstfreund nach Schleswig zog, so wird bald der St. Peters-Dom —
»St. Peters-Münster binnen Schleswig« heisst es in einem alten Schriftstück —
in seiner Grossheit und hoffentlich harmonischen Ganzheit eine noch mächtiger
nach Norden ziehende Wirkung ausüben.
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen,
neue Funde.
Karlsruhe. Fächer-Ausstellung,
Am 28. Juni wurde die Fächerausstellung eröffnet; ihr Schluss ist auf
den 30. September bestimmt. Am Tage der Eröffnung lag auch gegen alle
Gewohnheit unserer Ausstellungs-Commissionen der treffliche Katalog vor, ver-
fasst von Dr. Karl Kölitz. Die Ausstellung ist in der grossherzoglichen Orangerie
untergebracht, in Folge der decorativen Meisterkünste des Professor Götz ein
Ausstellungsraum, wie er schöner und dabei bequemer kaum gedacht werden
kann. Die Anordnung der Ausstellungsgegenstände ging nach dem Grundsatz
vor: Abwechslung ergötzt, dabei galt es ferner, dass einzelne ausgestellte
Privatsammlungen möglichst zusammengehalten wurden. Immerhin möchte
ich die Vermuthung aussprechen, die geschichtliche Anordnung hätte die Be-
lehrung erheblich erleichtert und das Vergnügen in kaum nennenswerther
Weise vermindert. In jedem Falle aber ist die Ausstellung von grösstem Inter-
esse und jenen Herren, welche die Hauptlast des Sammelns, Sichtens, Organi-
sirens auf sich genommen haben , gebührt der wärmste Dank. Prof. Marc
Rosenberg ist da an erster Stelle zu nennen, dann Dr. G. J. Rosenberg, dessen
eigene grosse Sammlung von alten Fächern und modernen Fächerentwürfen
neben anderen Bibelots zugleich den Kern der Ausstellung bildet. Mit den
Bibelots zählt die Ausstellung gegen 3500 Nummern, die Fächer selbst er-
reichen mindestens die Zahl 3000. Die classische Zeit des Fächers, von der
Zeit Ludwig’s XIV. bis Ludwig XVI., ist glänzend vertreten ; gänzlich fehlt der
Fächer des Mittelalters, da die erhaltenen Stücke äusserst selten sind und
desshalb zu den Kostbarkeiten öffentlicher und privater Sammlungen gehören.
Hätte die Commission die geschichtliche Anordnung durchgeführt, so wäre sie
wohl auch darauf gekommen, die Lücken der Entwicklung auszufüllen, in-
dem sie sowohl den Fächer des Alterthums als auch den des Mittelalters in
seinen verschiedenen Formen in guten Abbildungen oder gar Nachbildungen
vorgeführt hätte. Das Wichtigste der Fächerlitteratur steht allerdings dem
Besucher in dem Ausstellungsräume zu Gebote, damit weiss aber nur der
Kundige etwas anzufaugen. Doch der Zweck der Ausstellung ist eben in erster
492
Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Linie nicht der , geschichtlich aufzuklären , sondern praktisch zu wirken , das
heisst, der modernen Fächerindustrie gesunde künstlerische Anregungen zuzu-
führen; aus diesem Grunde war mit der Ausstellung zugleich ein Preisaus-
schreiben für Fächerentwürfe verbunden.
Der Fächer der Naturvölker ist durch einige sehr charakteristische Proben,
welche das Berliner Museum für Völkerkunde sandte, zur Anschauung ge-
bracht. Das natürliche Palmblatt und das in Bastgeflecht nachgeahmte zeigt
hier die primitivsten Formen des Fächers, eigentlich Wedel; doch an dem
Bastgeflecht hat sich sofort der Ziersinn, der keinem Naturvolke fehlt, ge-
äussert, wie dies Bastfächer von Tonga (schwarzes Zierband, das um den Rand
läuft) oder Samoa (ähnlich) beweisen. Ein Bastfächer der Haussa-Länder ist
fahnenförmig, der Bastwedel mit rothem und violettem Zierrath versehen. Ein
Rinderfellfacher aus Gentral-Afrika ist mit aufgenähten rothen Ornamenten
ausgestattet. China und Japan haben die grösste Zahl von Fächerformen ent-
wickelt, man kann auch heute noch das ursprüngliche Palmblatt neben dem
künstlerisch ausgestalteten Faltenfächer aus kostbarsten Stoffen in Verwendung
selben. Auf der Ausstellung sind beide Länder sehr reich vertreten, besonders
durch die Stücke, welche die Sammlung G. J. Rosenberg enthält. Ein seltenes
Prachtstück ist der allchinesische Hoffächer, Elfenbeingeflecht in Schildpatt-
rahmeh, die Verzierung darauf (Blumen, Insekten) aus farbigem Elfenbein,
Perlmutter und Speckstein; der Griff Kupferemail mit Streublumendecoration in
Lapis Lazuli und Amethyst verziert (Nr. 2493); seltene Stücke sind auch ein
altchinesischer Autographenfächer, nur dass sich die Autographen nicht so
geschmacklos vordrängen wie auf den modernen Sammelfächern, und ein
Gommandofächer zum Ballspiel mit Inschriften, welche die Spielregeln geben.
Sonst ist vom Orient, besonders in der Sammlung Rosenberg, auch noch Indien
und die Türkei durch sehr schöne und interessante Stücke vertreten. Mittel-
alterliche Stücke fehlen, wie ich schon erwähnte 0; dagegen ist ein Fahnen-
fächer eine prächtige Probe venezianischer Fächerindustrie des 16. Jahrhunderts
^) Es kann nicht bezweifelt werden , dass der Fächer auf dem Toileltetisch
der Frau des Mittelalters selten anzutreften war. Nur so erklärt es sich, dass man
ihm auf Denkmälern der Malerei gar nicht begegnet und dass er in der höfischen
Dichtung obtie Erwähnung bleibt. Nichts bezeichnender, als dass der Bilderschalz
der Manesse-Handschrift , der das Gesellschaftsleben nach allen Richtungen hin
schildert, den Fächer in der Hand der Dame nicht kennt, und A. Schultz, der mit
solcher- Sorgfalt die Quellen für das höfische Leben im Mittelalter durchstöberte,
traf auf eine einzige Stelle, die vielleicht des Fächers gedenkt, im Guill. d’Orange
III, 664: Et Rosiane, la ni^ce Rubiant, le vent li fat ä un plalel d’argent. Und
ebenso sucht man ihn vergebens in bildlichen Darstellungen Italiens, auch noch
in solchen des 15. Jahrhunderts. Und mehr als dies, er kommt auch nicht in den
zahlreichen Pasquillen der Humanisten auf die Frauen vor, die kein Toiletlestöck der
Frauen ihrer strengen kritischen Durchsicht entgehen Hessen. In dem Brief z. B.,
den L. B. Alberti an Paolo Codagnello schrieb, um ihn vor der Gefahr der Ehe
zu warnen, heisst es einmal: E dal lato gli pende quella bella merceria, chiavi,
borse, agbieri, coltellini, e insieme quel pannicello tanto bianco e mondissimo.
Man sieht, der Fächer fehlt in dieser Merceria.
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde. 493
(No. 599). Die Fahne bildet Elfenbeingeflecht mit aufgesetztem , ausgeschnit-
tenem Ornament von Pergament mit Goldfaden Verzierung, der Griff besteht
aus Elfenbein. Wie lange diese Form in Italien sich erhielt, beweist ein an-
derer italienischer Fächer mit Malereien auf der Fahne (Papier, Gouache, der
Stiel aus Schildpatt mit Silbereinlagen), welcher der Spätzeit des 17. Jahr-
hunderts angehört (Nr. 2414). Von der Zeit Ludwig’s XIV. an führt die Aus-
stellung die Entwicklung des Fächers bis in die Gegenwart hinein fast lücken-
los und in glänzenden Beispielen vor das Auge. Der stiellose Faltfächer ist in
dieser Zeit in den europäischen Culturländern zu unbedingter Herrschaft ge-
langt. Man weiss, der Fächer im Domschatz zu Monza, welcher Eigenthum
der Theodelinde war, ist ein Faltfächer aus Purpurvelin, mit Gold und Silber
verziert und einer jetzt nicht mehr lesbaren Inschrift versehen; ebenso er-
kannte Viollet-le-Duc in den bei Nachgrabungen auf dem Schlosse Pierre--
fondes gefundenen Fächerfragmenten Reste eines Faltfächers, welcher der Zeit
vor 1422 angehörte (Mobilier fran<jais II, S. 103). Dennoch muss der Falt-
facher während des ganzen Mittelalters äusserst selten gewesen sein , nicht
bloss, weil Denkmäler dieser Art mangeln, sondern weil auch die schriftlichen
Nachrichten darüber fehlen; erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als die
Verbindung zwischen der pyrenäischen Halbinsel und dem Orient eine äusserst
lebhafte wurde, hat sich der stiellose Faltfächer durch den Einfluss Chinas und
Japans (die Erfindung des stiellosen Faltfächers räumt China Japan ein) von
Spanien aus über ganz Europa verbreitet. In dieser Form konnte er auch
erst ein bequemes Toilettestück werden und in den Dienst weiblicher Koketterie
treten. So erscheint er auf spanischen Damenbildnissen schon in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts als glückliches Auskunftsmitlel für die Anordnung
der Hände, und in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts kommt er
auch schon auf nichtspanischen Trachtenbildern vor, z. B. auf Jacques Gallot’s
Trachtenbildern lothringischen Adels von 1625. Allerdings hat daneben auch
noch der Federfächer sich behauptet, so besitzen wir für solche Federwedel
zwei prächtige Entwürfe von Hans Müelich und so hält einen Federwedel
z. B. noch van Dijck’s Anna Wake in der Hand. Das Faltblatt des Fächers
wurde am liebsten der Malerei zur Verfügung gestellt und so kommt es, dass
man die ganze Entwicklung der Malerei der zweiten Hälfte des 17. und des
ganzen 18. Jahrhunderts auf den Fächerblättern verfolgen kann. Die Malerei
beschränkt sich aber nicht bloss auf die Fächerblätter aus Schwanenhaut,
Pergament, Seide, Papier; der Firniss, welchen der Wagenbauer Martin er-
funden hatte, hat auch die Bemalung der Elfenbeinblätter oder Stäbe sehr
erleichtert. — • Vernis Martin henennt man diese bemalten Elfenbeinfächer, unter
welchen sich einige der schönsten Stücke aus der Zeit Ludwig’s XIV. finden.
Die Stoffe, welche das Zeitalter Ludwig’s XIV. behandelt, gehören, wie in der
Monumentalmalerei, vorwiegend der classischen Welt an. Götter und Helden
müssen sich allerdings eine Umwandlung gefallen lassen — sie machen alle den
Eindruck, als ob sie gepudert und geschminkt wären. In der Formengehung
kann man auch hier den Einfluss des älteren Poussin sehen, daneben dann
die unmittelbare Einflussnahme der bolognesischen Akademiker. Götterdar-
494
Berichte und Miltheilungen aus Sammlungen und Museen,
Stellungen überwiegen , aus der antiken Geschichte sind beliebte Motive Ale-
xander und die Frauen des Darius (z. B. Nr. 2430, Poussin’sche Formen-
sprache) und Coriolan vor den Mauern Roms (Nr. 666). Gegen Anfang des
18. Jahrhunderts mehren sich gesellschaftliche und ländliche Scenen. Bib-
lische Scenen kommen äusserst selten vor, mir fielen nur zwei Motive
auf. Mosis schlägt Wasser aus dem Felsen (Nr. 1136), und Simson , der die
Säulen des Tempels der Philister bricht (Nr. 668), doch aber wohl beide
schon der Zelt Ludwig’s XV. angehörig. Dagegen traten die Ghineserien
schon unter Ludwig XIV. in die Fächerdecoration, wenngleich sie erst unter
Ludwig XV. häufiger wurden. Mit dem Sinn für das Exotische, der dem
ganzen 18. Jahrhundert in hohem Maasse eigen war, wird dies besser in Zu-
sammenhang gebracht, als mit dem isolirten Einfluss chinesischer Fächer-
industrie auf die französische — man denke an die Ghineserien Gillot’s,
Watteau’s und noch Boucher’s (für Gillot und Watteau bezeichnend der so-
genannte grosse und kleine AfTenkönig zu Ghantilly); auch die unmittelbare
Einwirkung von japanischem und chinesischem Porzellan, mit dem damals
starker Luxus getrieben wurde, wird nicht zu unterschätzen sein. Schöne
Stücke dieser Art sind Nr. 2009 (Besitz des Breslauer Museums), dann das
Prachtstück dieser Art Nr. 2422 (Besitz des Dr. Rosenberg). Durch Watteau
hat die Umwandlung, welche die Gesellschaft in der Periode der Regentschaft
erfuhr — ein Jahrhundert von acht Jahren nannte sie Michelet — künstle-
rischen Ausdruck erhalten. Puder und Fontange verschwinden, steifes Olym-
pierthum weicht einer — man m,öchte sagen — spirituellen Grazie. Die clas-
sische Zeit der Galanterie und Koketterie beginnt — und dem Fächer fällt in
dem System dieser hochentwickelten Koketterie keine geringe Rolle zu. So
erhielt er auch damals die reizvollste künstlerische Ausgestaltung — hat ja
der Rococostil an sich gerade in diesem Reich des Kleinen sein Grösstes ge-
leistet. Die echt nationale Blüthe der Malerei jener Zeit kam auch der Fächer-
malerei zu Gute; nicht hloss der StofTkreis des Malers der galanten Feste —
wie Watteau von der Akademie officiell benannt wurde — , auch jene Formen-
gebung, welche nun ohne Vorbehalt und Glauseln das moderne Ideal an Stelle
eines antikisirenden im Stile Poussin’s oder eines eklektischen im Stile der
Bolognesen setzte, wurde in der Fächermalerei heimisch. Unter dem Einflüsse
Boucher’s gewann die Mythologie wieder stärkere Anziehungskraft, aber aller-
dings nur um einen Vorwand zu haben , das Nackte oder Halbnackte darzu-
stellen. Die pikanten, aber durchaus nicht plastisch vollendeten Formen
Watteau’s erhielten sich, der Olymp Boucher’s und seiner Richtung war das
Toilettezimmer der Modedamen. Erst die Veröffentlichung von Funden zu
Herculanum und Pompeji hat die antikisirende Richtung wie in der Malerei
überhaupt, so auch in der Fächermalerei wieder in das Leben gerufen. Selbst
die decorativen Motive pompejanischer Wandmalerei fanden in der Fächer-
malerei Verwendung, wie z. B. ein Faltfächer der Ausstellung beweist (Nr. 3320).
Der Geschmack Frankreichs war — wie in allen Modedingen* — selbstver-
ständlich auch für die ganze europäische Fächerindustrie tonangebend. Es
würde desshalb nicht leicht werden, an Fächern von besonderer künstlerischer
über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde.
495
Ausführung die Herkunft zu bestimmen. Drei Fächerentwürfe z. B. von dem
Tyroler Johann Holzer — der eine (Nr. 596) datirt 1734 — sind sicherlich
ausgezeichnet in der Anordnung, in der Wahl des Motivs, im Golorit, aber
sie verleugnen auch in nichts die Richtung, welche Watteau oder Laueret ver-
treten. Die selbständigsten Leistungen deutscher Fächerindustrie des vorigen
Jahrhunderts sind unbedingt die sogen. Sulzerfächer. Sie sind in der Regel
bezeichnet: Feint et raonte par J. Sulzer auHossignol (oder ä l’aigle) ä Winter-
thur; einer der ausgestellten Fächer (Nr. 3424) trägt das Datum 1780. In
feingezeichneten, wirksam gemalten Vignetten werden Schweizeransichten oder
Scenen aus dem Schweizer Landleben vorgeführt, dazu treten reizende orna-
mentale Einzelheiten, einige in Malerei, andere aber, z. B. Blumenkörbe, Vogel-
käfige, durchbrochen und mit einem ganz feinen Drahtgitter geschlossen; das
war jedenfalls ein trefflicher Künstlereinfall — nun kann die kokette Eigen-
thümerin sich hinter dem Fächer verbergen und doch Alles überschauen.
Mit dem Ausbruch der Revolution ist das goldene Zeitalter der Galanterie und
das goldene Zeitalter der Fächerindustrie vorbei; auch der Fächer wird voji
der Politik mit Beschlag belegt. Ein Vexirfächer (Nr. 1259) muss für ver-
botene Königstreue Zeugniss ablegen: nur wenn man ihn scharf gegen das
Licht hält, erblickt man König Ludwig XVI. und Maria Antoinette; ein Hund
erscheint als Symbol der Treue. Das Jahr 1789 ist mit Assignatenfächern
vertreten (Nr. 1787, Besitz des Strassburger Kunstgewerbemuseums). Dann
findet der Cultus Napoleon’s I. sein Echo — z. B. auf einem gleichfalls vom
Strassburger Gewerbemuseum ausgestellten Faltfächer Napoleon Buonaparte als
triumphirender Gonsul und die Unterschrift: Paix glorieuse au VI ^Friede von
Gampo Formio); aber auch die Feinde Napoleon’s bedienen sich des Fächers
als Agitationsmittel und Reclame (z. B. Nr. 2638, 2836, 2837). Die Blätter
solcher Fächer sind nicht in Aquarellmalerei ausgeführt, sondern es sind ent-
weder colorirte oder uncolorirte Stiche. Entwürfe für Fächerblätter in Kupfer-
stich kannte man ja schon früher; aber sie blieben selten; ein so 'seltenes
Blatt z. ß. aus der Sammlung Rosenberg findet man auf der Ausstellung
(Nr. 2622); es ist von Abraham de Bosse und datirt 1638. Jetzt aber warf
namentlich England solche Fächer blattstiche massenhaft auf den Markt. Von
deutschen Stechern hat Dan. Ghodowiecki Entwürfe geliefert, so z. B. auf der
Ausstellung Apotheose Friedrich’s d. G. (Nr. 2640), oder Krönung der Büste
Friedrich Wilhelm’s IV. durch den Genius des Lichts, datirt 1787 (Nr. 2641).
Der tiefe Stand des Kunstgewerbes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
zeigt sich auch in der Fächerindustrie; sofern nicht Stücke des 18. Jahr-
hunderts nachgeahmt werden, kann dies durch keine Kostbarkeit des Materials
verhehlt werden. Die Ausstellung bietet genug .Beispiele. Erst der Auf-
schwung des Kunstgewerbes in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts kam
auch unserer Fächerindustrie zu Hilfe. Immerhin macht sich in der Fabrik-
industrie noch grosse Rathlosigkeit sowohl in der Wahl der Stoffe wie in der
Art der Verzierung der Blätter und in der Montirung bemerkbar, doch könnten
einige Spitzenfächer durch den Geschmack und die Pracht der Montirung die
Begehrlichkeit aller Modedamen reizen , so die von den Firmen Hessen-
496 Berichte und Mitlheilungen aus Sammlungen und Museen etc.
berg & Cie. und Schürmann & Cie. in Frankfurt ausgestellten. Von gestickten
Fächern hat Treffliches die Stickereischule der Frau Kar. Baumann in Strass-
burg und die Kunststickereischule in Karlsruhe ausgestellt. Bei den Fächer-
malereien nehmen Blumen die erste Stelle ein; Blumenmalerei ist ja das Lieb-
lingsgebiet malender Frauen und die Blumendecoration überwindet auch am
frühesten die Schwierigkeit, welche das Fächerblatt der Composition stellt;
ich hebe da hervor die Fächerblätter von Frl. Irene Braun, Frl. Strohmeyer,
Frau Kallmorgen, Frau Hess. Wie schwer aber Künstler von Namen und
Ruf der Eigenartigkeit der Aufgabe gerecht zu werden vermögen , das zeigen
zahlreiche Fächerentwürfe, nicht bloss solche, die dem vom Comite der Aus-
stellung ausgeschriebenen Wettbewerb ihren Ursprung danken, sondern auch
solche, die für festen Besitz gemacht worden sind. Ein unvollendeter Fächer-
entwurf von Makart, das vielgerühmte Fächerblatt von F. A. von Kaulbach
(Zephyr) erscheinen für die Bestimmung zu anspruchsvoll; auch die im Ton
ebenso feine als wahre Marine von G. Schönleber »Brise« — wird einen
prächtigen Wandschmuck geben, aber für einen Faltfächer taugt sie nicht.
Und was sollen auch düster und monoton gefärbte Stimmungslandschaften
auf einem Fächer (z. B. Kampmann: Distel und Waldschlucht) oder impres-
sionistisch gemalte Farcen (z. B. Paul Schulze-Naumburg: Frühlingsträume
eines Klausners). Paul Meyerheim’s Eisbär gibt sich als Künstlerscherz und
als solcher wird er seine Wirksamkeit behalten. Da waren Maler wie Koppay,
Papperitz, Lossow, die wir sonst wenig ernst nehmen, in ihrem Element.
Papperitz’ Bacchantinnen, Lossow’s Eros und Psyche, Koppay’s Nest der Putten
(alle drei im Besitz von Dr. G. J. Rosenberg) sind nach meinem Dafürhalten
die vollendetsten modernen Fächerblätter der Ausstellung. Glänzende und
glückliche Lösungen der Aufgabe haben auch beigesteüert Karl Gehrts, Putten
und Zwerge, voll heiterer Phantastik und in hellem wirksamem Ton gemalt,
Norbert Schrödl (Ländliches Fest), Hugo Löffler (Der Frühling verscheucht
den Winter). Moderne Motive in trefflicher Weise für den Zweck behandelt
sind Friedrich Fehr’s Ballettänzerin nen und Armbruster’s Gostümballscene.
Sammel- oder Albumfächer habe ich hier nicht zu erwähnen ; sie sind auch
auf der Ausstellung vertreten — die interessantesten hat der »Münchener
Schauspieler Konrad Dreher ausgestellt; fast sämmtliche hervorragende Mün-
chener Maler haben für dieselben ihre künstlerische Visitkarte abgegeben.
Den ausgestellten Bibelots bin ich nicht naehgegangen. Schliesslich sei be-
merkt, dass die hervorragendsten Fächer der Ausstellung in Lichtdruck und
Heliogravüre veröffentlicht werden sollen. Das Werk führt den Titel : Alte
und neue Fächer; es wird unter dem Patronat des Badischen Kunstgewerbe-
Vereins bei Gerlach u. Schenk in Wien erscheinen. H. J.
Litteraturbericht.
Theorie und Technik der Kunst.
Der Gemüthsausdruck des Antinous. Ein Jahrhundert angewandter
Psychologie auf dem Gebiete der antiken Plastik. Von Ferdinand Laban.
Berlin, 1891. Verlag von W. Spemann.
Es ist kein Geheimniss, dass die speculative Aesthetik heute weder viel
Lehrende noch Lernende mehr findet ; in der Wissenschaft haben Geschichte
und Naturwissenschaft die Geister zu gründlich umgepflügt. Kein Zweifel,
der Neubau der Aesthetik muss auf ganz anderen Grundlagen als den bis-
herigen, d. h. eines metaphysischen Systems, errichtet werden. Die Physiologie
wird manche Richtungslinie geben, aber zu viel darf man sich von ihr nicht
versprechen. Auch, wenn wir wüssten, welche Schwingun^szahlen von Licht-
und Tonwellen ganz bestimmte Empfindungen unserer Gesichts- oder Gehör-
nerven auslösen, so würde uns das noch herzlich wenig helfen, die ästhetische
Wirkung eines Bildes oder Thonstückes gesetzlich festzustellen. Viel reicherer
Stoff ist zu erwarten von dem Studium productiver und receptiver Kunst-
äusserungen der Naturvölker und von dem psychologischen Verhalten der
feingestimmten Individuen, Völker und Zeiten gegenüber den Kunstwerken.
Studien und Forschungen liegen für beide Gebiete noch recht spärlich vor,
mit um so mehr Freude begrüsse ich die kleine Schrift Laban’s. Eigentlich
ist sie nur ein Beitrag zur Kenntniss der Bedingungen, unter welchen sich ein
Urtheil formulirt — aber weiter zugleich , unter welchen Bedingungen eine
künstlerische Wirkung überhaupt zu Stande kommt. Der Verfasser stellt die
Urtheile der Wortführer archäologischer Forschung von Winkelmann bis auf
die Gegenwart über den Antinous- zusammen ; zunächst erscheinen diese als
ein Wirrwarr von Meinungen, die jeder Einheit des Urtheils über den Ge-
müthsausdruck des Antinous widersprechen. »Der eine spricht von Unschuld,
der andere von Wollust, von Naivetät der eine, von Koketterie und bewusster
Scham der andere, dieser von Leidenschaftslosigkeit, jener von Wildheit.
Sanftmuth und Milde erblickt der eine in seinen Zügen, etwas Kühnes, Rohes,
Stolz, Bosheit, ja Grausamkeit der andere. Süsses Behagen findet man aus-
geprägt auf seinem Gesicht, stille Gemüthsruhe, Träumerei, Entzücken und
Liebeswonne, dann wieder etwas Ernsthaftes, Nachdenkliches, eine leise
Melancholie, einen Zug von Schwermuth, tiefe Traurigkeit, ziellose Sehnsucht,
498
Litleraturbericht.
schmerzliche Resignation, etwas Düsteres, Todesstarres, eine Hoffnungslosig-
keit, innere Zerrissenheit, Lebensüberdruss, die wirkliche Verzweiflung, den
Weltschmerz, Entsagung und Abtötung, düsteren Fanatismus« (S. 68). Dem
aufmerksamen Hinhorchen des Verfassers aber löst sich dieser Wirrwarr von
Stimmen; er vermag scharfgesonderte Gruppen zu unterscheiden, innerhalb
welcher Harmonie — zum Mindesten soweit das Wesentliche der Aussage in
Frage kom.mt — vorhanden ist. Jene Gruppirung aber wird nicht durch
Willkür oder System des Verfassers vorgenommen, sondern sie ist durch die
Zeit gegeben. Innerhalb bestimmter Zeitabschnitte, welche ungefähr der Zeit-
dauer einer Generation entsprechen, werden übereinstimmend besondere Züge
aus dem Gesichtsausdruck des Antinous herausgelesen , das aber , was diese
bezeichnen, ist im letzten Grunde durch den Stimmungsgehalt oder die Welt-
anschauung der betreffenden Periode bedingt. Der Optimismus des Humani-
tätszeitalters hat aus dem Antinouskopfe etwas anderes herausgelesen, als das
im Banne idealistisch-pessimistischer und realistischer Weltanschauung stehende
19. Jahrhundert. — Allerdings stellt man nun die Frage; Beweist der ver-
schiedene Inhalt dessen, was die einzelnen Zeitalter aus dem Werke heraus-
lesen, nicht doch Mangelhaftigkeit der Beobachtung? Der Verfasser verneint
dies, wie mir dünkt, mit vollem Recht. Nahe läge es dann allerdings, auf
mangelnde Präcision psychologischer Charakteristik in den Werken antiker Plastik
zu schliessen. Der Verfasser weist nun nach, dass dem nur scheinbar so sei,
dass man hier vielmehr auf eines der grössten Geheimnisse, welche die künst-
lerische Wirkung der Antike bedingen, stosse. An die Stelle der Sache setzt
der antike Künstler den Schein der Sache, aber wie er diesen Schein zuwege
bringt, das ist sein grosses Geheimniss. Nur das nimmt man wahr, dass die
antike Kunst mit Mitteln arbeitet, welche der Wirklichkeit nicht entsprecheri, ihre
Schöpfungen stehen über dem Leben ; die productive Phantasie des Beschauers
hat desshalb dem Künstler auf halbem Wege entgegen zu kommen, dann wird
das Uebernatürliche wieder zu einem Natürlichen, und zwar in gesteigerter Kraft.
Damit aber wurden die Werke antiker Plastik allerdings mehr oder minder viel-
deutig. »Das bis zum Extrem getriebene physiognomisch Typische, verbunden mit
einer wie ein schlaffes Netz durch das ganze Antlitz ausgebreiteten Andeutung
des Psychologischen, umsponnen von einem System von Licht- und Schatten -
Wirkungen, von Reflexen, leuchtenden Flächen und Geheimnissen: dies alles,
zu einer Gesammtwirkung verknotet , muss an die Stelle der nackten Natur-
wahrheit treten. Ein grosser Spielraum für die geniessende Phantasie ist
dabei unvermeidlich.« Also die Wirkung des antiken Kunstwerkes war im
Vorhinein berechnet auf Schöpfung und mitschöpfendes Geniessen; für die
eigene Zeit aber war der letztere Factor kein unbekanntes X der Künstler
kannte seinen Inhalt — aber in folgenden Perioden musste dieser Inhalt sich
ändern, und damit sich auch ^ das Kunstwerk gleichsam wandeln. Was die
verschiedenen Zeitalter Verschiedenes aus dem Gesichtsausdruck des Antinous
herauslesen, ist ihr Eigenthum an dem Kunstwerk, das ihnen der Künstler
eingeräumt hat, und darum ihr Recht. Was also zunächst wie ein Mangel
des Kunstwerkes erscheint, ist ein Vorzug desselben, denn nicht zum Geringen
Lilteraturbericht.
499
liegt darin eine Ursache des unvergänglichen Reizes desselben. Nur angedeutet
habe ich den Gedankengang des Verfassers — ich bemerke aber, dass die
wenigen Seiten (74 — 84), welche die physiologisch-psychologische Begründung
für die Verschiedenheit der Charakteristik des Antinous geben, durch die
Fülle feinsinniger und scharfsinniger Beobachtungen einen ganz seltenen Ge-
nuss gewähren. Vielleicht findet Jemand, es sei doch nicht neu die Erkennt-
niss, dass verschiedene Zeitalter, abgesehen von dem verschiedenartigen Urtheil
über das Künstlerische eines Werkes, auch den psychologischen Inhalt eines
solchen verschieden fassen; die Probe aber auf ein einzelnes Kunstwerk
gemacht und damit die Beobachtung als wissenschaftliches Gesetz formulirt
zu haben, das bleibt das Verdienst des Verfassers. Die Forlwirkung bleibt
hoffentlich nicht aus. Die Darstellung ist lebendig, pointirt, von grosser Klar-
heit, auch wo es sich um die Darlegung von Problemen handelt, die nicht
auf dei Oberfläche liegen ; Polemik stört nicht den Gang der Untersuchung,
höchstens dass sich einzelne sarkastische Bemerkungen unter die Anmerkungen
verlieren. Ich wünsche sehr, dem Verfasser bei einer Untersuchung ähnlichen
Gegenstandes bald wieder zu begegnen ; er bemerkt einmal, wie fruchtbar ihm
die Laokoon-Gruppe für eine Behandlung, wie er sie dem Antinous zu Theil
werden liess, zu sein dünke. Auch ich bin dieser Ansicht; wie wäre es,
wenn der Verfasser an diese allerdings viel umfangreichere und schwierigere
Aufgabe sich machte? Der rechte Mann wäre er dazu, wie seine vorliegende
Untersuchung lehrt. jj j
Kunstgeschichte. Archäologie.
Ger Reliquien schätz des Hauses Braunschweig-Lüneburg. Beschrie-
ben von Prof. Dr. W. A. Neuman 0. Cist. Mit 144 Holzschnitten von
F. W. Bader. Wien, Alfred Hölder, 1891. Fol. SS. X und 368.
Ein Heilthumbuch vom Standpunkt des Forschers aus geschrieben. Der
Reliquienschatz des Blasiusdoms in Braunschweig wurde vom Gapitel schon
1671 an den Herzog Johann Friedrich abgeliefert und von diesem nach
Hannover übertragen. Das ganze 18. Jahrhundert wurde er in der dortigen
Schlosskirche aufbewahrt; 1803 nach England geflüchtet, hat man ihn dann
nach der Rückkehr im königlichen Archiv geborgen. Nach der Katastrophe von
1866 kam der Schatz nach Wien, wo er vom Könige dem k. k. österreichi-
schen Museum zur Aufbewahrung anvertraut wurde. Jetzt nach vollständiger
Publication wird er in die Verwahrung des Eigenthümers zurückkehren.
Die älteste mit Sachkenntniss ahgefasste Beschreibung des Reliquienschatzes
verdankt man Gerhard Molanus (1697 in 4«j; die vierte umgearbeitete Auflage
dieses Werkes gab J. H. Jung 1783 heraus. Ein vollständiges Abbildungswerk
fehlte bisher; die ältesten Abbildungen einiger Hauptstücke brachten die Ori-
gines Guelficae; in unserem Jahrhundert fanden dann Abbildungen der her-
vorragendsten Stücke Aufnahme bei Vogell, Kunstarbeiten aus Niedersachsens
Vorzeit (1849), Bethmann, die Gründung Braunschweigs (Westermann’sche
Monatshefte 1861), in Otte’s Handbuch der kirchlichen Archäologie und Bucher’s
500
Litteralurbericht.
Geschichte der technischen Künste; eine chromolithographische Wiedergabe der
Hauptstücke des Schatzes, die auf Veranlassung des Königs Georg von Han-
noveV seit 1860 vorbereitet wurde, kam in Folge der Ereignisse von 1866 nicht
zur Ausgabe. Mit um so grösserer Freude begrüsst nun die archäologische
und kunslgeschichtliche Forschung das vorliegende glücklich vollendete Werk;
wenn auch einzelne Stücke den Wunsch erregen, sie in farbiger Wiedergabe
vor sich zu sehen, so sind die Abbildungen im Ganzen in der Zeichnung doch
von solcher Treue und Deutlichkeit, dass die höchsten Anforderungen, welche
an den Holzschnitt als erläuternde Abbildung gestellt werden können, hier
erfüllt sind. Sie verbinden die Treue der Photographie mit der Deutlichkeit,
welche allein die Wiedergabe von Künstlerhand zu gewähren vermag. Die
Beschreibung des Schatzes konnte einer geeigneteren Kraft kaum an vertraut
werden. Mit ausgebreiteter theologischer und archäologischer Gelehrsamkeit
verbindet der Verfasser eine geradezu seltene Kennlniss der kunstgewerblichen
Techniken des Mittelalters, was gerade für die Lösung der hier gestellten Auf-
gabe von besonderer Bedeutung war. Für die Beschreibung der einzelnen Ge-
genstände fand der Verfasser allerdings ausgedehnte handschriftliche Vorarbeiten
von dem Wiener Galvanoplasliker und steirischen Landesarchäologen Karl Haas
vor, die auch ausgiebige Verwerthung fanden, aber die Hauptsache zu thun
blieb doch dem Verfasser überlassen, der auch für das Uebernornmene die
wissenschaftliche Grundlage oder Begründung zu schaffen hatte. Dem beschrei-
benden Theil geht ein geschichtlicher Theil voran, der nach Beiträgen zur
Geschichte des Döms (das Wichtigste: die kritische Erörterung der Patrons-
frage) und zur Geschichte des Collegiatcapitels, die Geschichte der Sammlung
des Reliquienschatzes und der Aufbewahrung desselben erzählt. Der Spender
des ältesten Stückes, des berühmten Weifenkreuzes, ist nicht nachweisbar (auf
Vermuthungen des Verfassers komme ich später noch zurück), dann folgen
zwei Vortragskreuze, Geschenke Gertrud’s L, der Gemahlin Luidolfs des Bru-
nonen, und der prachtvolle Tragaltar Gertrud’s 11. Es schliesst sich daran der
Tragaltar des Adeloldus. Heinrich der Löwe, der Gründer des jetzigen Blasius-
domes, wird erst durch Erbvermächtniss seines Sohnes Otto s IV. Bereicherer
des Reliquienschatzes. Fasst man den künstlerischen Charakter und Werth
des ganzen Heilthums ins Auge, so steht die romanische Gruppe weitaus im
Vordergrund. Das Material ist gediegener, die Formen zeigen grösseren Reich-
thum, wie denn der Individualismus in der Kunst des romanischen Stils (Archi-
tektur und Kunstgewerbe) eine weit bedeutendere Rolle spielt als in der
gothischen Stilepoche. Was die Werkstätten betrifft, so sind es in diesem
Zeitraum zumeist noch Dom- und Klosterwerkstätten. Dabei tritt das Bene-
dictinerstift Helmwardhausen an der Diemel in den Vordergrund. Dorthin
weist der Verfasser nicht bloss die beiden Gertrudenkreuze (Gertrud II) und das
Gertrudenaltärchen, sondern auch den vielbesprochenen Eilbertus- Altar. Die
Inschrift desselben: Eilbertus Goloniensis me fecit, sagt nur, dass der Verfertiger
aus Köln stammte (der Punkt hinter Goloniensis hat dabei jedoch keine Bedeu-
tung); dabei ist die Annahme, dass Eilbertus in einer rheinischen Werkstätte
gelernt, immerhin noch zulässig und wenn der Verfasser dahei an Siegburg
Litteraturbericht.
501
denkt, wo gerade im 12. Jahrhundert die Emailtechnik in hoher Blüthe stand,
so hat dies viel für sich. Zweiflerischer stehe ich der Vermuthung des Ver-
fassers gegenüber, dass schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus
Goldschmiedewerkstätten Braunschweigs selbst einzelne Schatzstücke höheren
Stils hervorgegangen seien. Den Schluss des allgemeinen geschichtlichen Theils
bildet die Besprechung der bei der Herstellung der Reliquiarien angewendeten
Techniken, die besondere Aufmerksamkeit verdient. Die Beschreibung gliedert
die vorhandenen Gegenstände in zehn Gruppen. Die wichtigsten sind die vier
ersten: Kreuze, Tragaltäre, Reliquienschreine (dazu Kistchen, Büchsen) und
Tafeln (mit Buchdeckeln). Die sechs anderen Gruppen schliessen ein: Büsten,
Arme, Ostentorien, ciborienartige Gefässe, Agnus Dei und Diversa. Sehr werth-
voll sind die Einleitungen zu den einzelnen Gruppen mit ihren liturgischen
und ikonographischen Erörterungen, so besonders die zu den Gruppen Kreuze
und Tragaltäre. Gleich die Besprechung von Nr. 1, das Weifenkreuz, wird
zu einer archäologischen Studie von besonderer Tragweite durch Einbeziehung
des Kreuzes von Velletri in die Untersuchung. Die innere Verwandtschaft des
Velletrikreuzes mit dem Weifenkreuz bezweifelt man nicht mehr, wenn man
die Abbildungen beider nebeneinander sieht. Dabei ist allerdings das Velletri-
kreuz von künstlerisch vornehmeren und reineren Formen als das Weifenkreuz.
Der Ursprung des Velletrikreuzes wurde bisher zu früh angesetzt, der Ver-
fasser nimmt als Entstehungsdatum für beide Kreuze das 11. Jahrhundert an,
doch so dass das Weifenkreuz um einige Jahrzehnte jünger als das Velletri-
kreuz ist. Die Füsse beider Kreuze hält der Verfasser für mit den Kreuzen
gleichzeitig. Als Ort der Entstehung vermuthet er Oberitalien ; näher bezeichnet
Tuscien, das Reich der Mathilde. Der Datirung des Weifenkreuzes wird nicht
zu widersprechen sein; will man das ungefähr gleiche Entstehungsdatum auch
für das Velletrikreuz bestehen lassen — und der Fuss, ebenso wie manche Eigen-
thümlichkeiten drängen dazu — so wird man für die edle antikisierende Zeichnung
des Emails die Hand eines byzantinischen Künstlers verantwortlich machen
müssen, während die am Weifenkreuz einem einheimischen (italienischen) zu-
gehören dürfte. Dass es an byzantinischen Künstlern und Kunsthandwerkern
aber damals weder in Oberitalien (Venedig) noch in Rom, noch Pisa mangelte,
ist ja genugsam bekannt. Der Versuch, die Entstehungszeit beider Kreuze
noch genauer zu bestimmen (Velletrikreuz gegen 1058, Weifenkreuz 1089/1095)
und sie mit bestimmten Namen als Auftraggeber in Beziehung zu setzen, hat
bei dem Mangel aller urkundlichen Anhaltspunkte eben nur den Werth einer
zur Prüfung und Erörterung gestellten Hypothese. In der Besprechung der
beiden Gertrudenkreuze (Nr. 2 und 3) hebe ich hervor den völlig gelungenen
Nachweis, dass die Spenderin Gertrud I., nicht aber Gertrud II. gewesen ist,
wodurch die Zeit der Entstehung zwischen 1039 und 1077 bestimmt ist. Das
Standkreuz aus vergoldetem Kupfer (Nr. 4), welches, wie erwähnt, der Ver-
fasser auf eine Braunschweiger Werkstätte zurückführen möchte, setzt er in das
13. Jahrhundert; dieser Datirung kann ich nicht zustimmen; das Ikonogra-
phische wie das Stilistische lässt, auch wenn man die Roheit der Arbeit in
Betracht zieht, über die Mitte des 12. Jahrhunderts nicht hinausgehen. Unter
502
Litteraturbericht.
den Tragaltären nimmt der des Adeloldus (2. Hälfte des 11. Jahrhunderts) eine
hervorragende Stelle ein; als Ursprungsstätte möchte der Verfasser eine Werk-
statt Magdeburgs annehmen, was viel für sich hat. Zuzustimmen ist auch dem
Verfasser, wenn er den Gertruds-Tragaltar mit Gertrud II. (f 1117) statt Ger-
trud I. in Beziehung setzt. Der Stil spricht durchaus für diese Zeitbestimmung.
Den Schrein-Tragaltar (Nr. 14) setzt der Verfasser mit vollem Recht nicht
später an als höchstens Anfang des 12. Jahrhunderts; er hätte bis in das elfte
hinabgehen können schon wegen der engen Verwandtschaft des Stils mit dem
Schrein-Tragaltar Nr. 15, den der Verfasser richtig in das 11. Jahrhundert ver-
weist. Ueber den Schrein-Tragaltar des Eilbertus handelt der Verfasser wieder
besonders ausführlich; die Hypothese vom Orte der Entstehung wurde schon
angeführt; mit der Zeitbestimmung zwischen 1180 bis 1200 kann man einver-
standen sein, de Mely’s Datierung 1160 ist in der That eine zu frühe. Neben
der sorgfältigen ikonographischen Beschreibung ist hier die Erläuterung der
Technik besonders hervorzuheben, welche ein sehr wichtiger Beitrag zur Charak-
teristik der Siegburger Schule ist. Auf die Argumentation über den tafel-
förmigen Tragaltar Nr. 20, die für südslavischen Ursprung des Rahmen Werkes
der Tafel eintritt, lenke ich die Aufmerksamkeit der Fachgenossen, welche mit
der alten südslavischen Kunst besser vertraut sind, als ich; dagegen aber ist
der Schluss auf Frankreich als Heimat der Gravüre sehr verständlich. Wieder-
um einen Beitrag zur Kenntniss der Siegburger Werkstatt giebt auch die
Besprechung des grossen Kuppelreliquiars (Nr. 23) (in Zusammenhang mit
dem Kuppelreliquiar im Kensington-Museum), das der Verfasser an das Ende
des 12. oder den Anfang des 13. Jahrhunderts setzt. Die Elfenbeintafeln
auf beiden Reliquiaren gehören der gleichen Zeit an , sind nicht aus eigent-
lichem Elfenbein, sondern aus Wallrosszahn gemacht. Der Verfasser knüpft
die Frage daran, ob nicht das Aufhören der Elfenbeinplastik vom Ende des
11. Jahrhunderts an trotz der aufsteigenden Entwicklung, welche die Plastik
in dieser Zeit in Deutschland nimmt, mit dem Versiegen der Bezugsquellen
für grössere Elfenbeinstücke zunächst in Folge der veränderten Stellung Aegyp-
tens zu den Ghristenstaaten im 13. Jahrhundert Zusammenhänge? — Zur Be-
sprechung der Gassette Nr. 26 sei bemerkt, dass der Verfasser ganz im Recht
ist, wenn er der Ansicht entgegentritt, dass der knittrige Faltenwurf der Bild-
chen auf England als Ursprung des Kistchens weise. Die rheinische und
westfälische Wandmalerei jener Zeit bietet dazu genug der Analogien. Ich weise
dafür auf die Reste der Wandgemälde in der Kirche zu Methler (vgl. Lübke,
Atlas zu M. K. in Westfalen, Taf. XXVIII— XXX). Ebenso stimme ich völlig
mit dem Verfasser überein, wenn er die Elfenbeintafel des Reliquiars Nr. 37
für das 11. Jahrhundert in Anspruch nimmt und an Sachsen als Ursprungs-
ort denkt; für diese Annahme liegen Analogien in Miniaturen thatsächlich
vor. Ich hebe dann hervor die nach jeder Richtung hin ergebnissreiche Unter-
suchung über das Plenarium des Herzogs Otto des Milden von 1339; wenn
die ikonographische Untersuchung der Bildchen des Deckels ein Schach-
brett war dazu hergerichtet worden — auf Pergament unter Bergkrystall, ein
non liquet bekennen musste, so liegt das an dem Mangel an Vorarbeiten für
Litteraturbericht.
503
die Profanikonographie des Mittelalters. Nur an Venedig, oder überhaupt Ita-
lien als Ursprungsort zu denken, wird mir schwer — Byzanz kann natürlich
gar nicht in Frage kommen — , am meisten weist stilistische Vergleichung nach
Frankreich. Von den Ostensorien beansprucht besondere Beachtung das mit
dem Finger des hl. Johannes d. T. (Nr. 56) wegen seines edlen Aufbaues
(Anfang des 15. Jahrhunderts) und das mit der Patene des hl. Bernward. Der
Verfasser hält die Ueberlieferung, welche die Patene auf den hl. Bernward
zurückführt, für richtig. Stilistische Kennzeichen sprechen mindestens nicht
gegen die damit gegebene Datirung. Die Ikonographie der Gardinaltugenden
kann weder Beweis noch Gegenbeweis dieser Behauptung liefern; schon in
der karolingischen Zeit erscheinen die Gardinaltugenden mit und ohne Embleme.
Der Bericht konnte nur einige wenige Punkte streifen, aber es wurde doch
schon damit eine Andeutung gegeben, wie vielgestaltig der in dem mächtigen Folio-
band behandelte Stoff ist; wie die Forschung, die daran knüpft, nach den ver-
schiedensten Richtungen hin auszugreifen hatte, so wird nur allmählich der
Inhalt des Bandes kritisch ganz bewältigt werden können. Der Hauptantheil
des wissenschaftlichen Ertrags kommt dabei allerdings der Geschichte des
Kunstgewerbes zu gute, aber bei der Bedeutung, w'elche gerade im frühen
Mittelalter das kunstgewerbliche Schaffen für die Kenntniss der künstlerischen
Absichten und des künstlerischen Vermögens jener Zeit hat, wird die kunst-
geschichtliche Forschung überhaupt dem Verfasser zu grossem Dank verpflichtet.
Schliesslich sei nicht vergessen von dem Versprechen freudig Kenntniss zu
nehmen (S. 45), dass eine würdige Veröffentlichung des Evangeliars Heinrichs
des Löwen in Aussicht genommen ist. H, J.
Nuova Rivista Misena. Periodico marchigiano di erudizione sto-
rico-artistica, di letteratura e d’interessi locali, diretto da
Anselmo Aiiselmi. Anno I, II e III. Arcevia 1888—1890.
Die vorliegende Monatsschrift ist das Unternehmen eines für die Ge-
schichte der Kunst, namentlich derjenigen seiner Heimathsprovinz begeisterten,
opferfreudigen Mannes, dessen Name in den Kreisen der Fachgenossen in
Folge einiger glücklichen Entdeckungen auf dem von ihm durchforschten Ge-
biete sich bereits guten Klanges erfreut. Die Ziele, die er damit verfolgt, sind
in ihrem Titel gekennzeichnet. Da darunter in erster Reihe die Aufhellung
der Kunstgeschichte der Marken auf urkundlicher Grundlage zählt — eine
Aufgabe, wozu bislang kaum die ersten Anläufe genommen worden waren, —
so wird es gerechtfertigt erscheinen, wenn wir in Folgendem von dem Inhalt
der nunmehr abgeschlossenen drei Jahrgänge, §oweit er das obige Gebiet be-
rührt, etwas ausführlicher berichten, als es in Anbetracht der Beschränkung
auf eine specielle Epoche der Kunstgeschichte in den wenigen Zeilen geschehen
konnte, die eine berufene Feder ihnen schon im letzten Bande des Reperto-
riums (XIII, S. 453) gewidmet hat.
Gleich einer der ersten Beiträge der neuen Monatsschrift ist von grossem
Interesse für die Kunstgeschichte. Er bringt den Wortlaut der von Bischof
A. Zonghi im Archiv zu Fabriano entdeckten und von ihm als Hochzeitsgabe
(»Per nozze«) veröffentlichten, somit bisher nur Wenigen zugänglich gewesenen
504
Litteraturbericht.
Urkunde, wodurch das Todesdatum Gentile’s da Fabriano in den Zeitraum
zwischen Juli 1427 und Nov. 1428, also gegen die seither angenommene Be-
stimmung um fast ein Vierteljahrhundert zurückgerückt wird. Es ist der vom
22. Nov. 1428 datirte notarielle Act, womit Maddalena de Bizochis, die Nichte
des Meisters »nuperrine ab intestata in nobe (Rom) defuncti«, die ihr als nächster
Blutsverwandten zustehenden Erbschaft nach demselben anzutreten sich bereit
erklärt. Der Superlativ obiger Zeitangabe lässt es unter Berücksichtigung des
Zeitpunktes der Aufnahme der Urkunde viel wahrscheinlicher erscheinen,
Gentile sei erst 1428, nicht schon 1427 gestorben. Der Umstand ferner, dass
er kein Testament hinterliess, lässt darauf schliessen, er sei plötzlich vom Tode
überrascht worden ; dass endlich eine Nichte in die Erbschaft eintritt, bezeugt,
dass er keine Leibeserben hinterliess — vielleicht also nie eine Familie ge-
gründet hatte. — ln einem nächsten Beitrag führt Anselmi einen bisher un-
bekannten Maler, den peruginer Meister Sebastiane di Rodolfo, in die Kunst-
geschichte e'in, indem er aus dem Notariatsarchiv von Sassoferrato den zwischen
ihm und Rafaele di Malavolta von Monterosso betreffs der Lieferung eines Altar-
bildes geschlossenen Vertrag vom Jahre 1487 mittheilt. Das Werk ist, wie
Anselmi sich durch eigenen Augenschein überzeugte, in S. Onofrio zu Mon-
terosso (bei Sassoferrato) noch heute, jedoch in völlig übermalter, ja iheilweise
verstümmelter Gestalt vorhanden. Sonst kennt man bisher keine andere Arbeit
des Meisters, dessen Name indess in einem Kaufvertrag vom Jahre 1506 im
Notariatsarchiv seiner Vaterstadt nochmals vorkommt. — Eine Reihe von Mit-
theilungen betrifft die in den Marken vorfindlichen Robbiawerke. Zuerst einen
bisher unjpekannten Hochaltar in der Gapuzinerkirche bei Gamerino, ein Werk
von bedeutenden Maassen (2,6 auf 1,85 m), die Madonna auf dem Thron mit
dem hl. Franciscus und der hl. Agnes darstellend, von einem leidensgeschicht-
liche Embleme enthaltenden Rahmen umschlossen, das in Stil und Corapo-
sition von den übrigen gleichartigen Erzeugnissen in den Marken abweicht,
und die Arbeit irgend eines die Kunst als Dilettant betreibenden Klosterbruders
sein dürfte (urkundliche Nachrichten sind über das Werk nicht vorhanden).
Dann die Robbiawerke in Cupramontana: einen grossen Altar in der Kloster-
kirche der Padri Riformati (S. Giacomo delle Mandriole), die Madonna mit den
hl. Franciscus und Jacobus in reicher architektonischer Umrahmung darstellend;
die Einzelgestalten der Madonna und des hl. Joseph, aus einem nicht mehr
existirenden Presepio stammend, in derselben Kirche; und zwei Madonnen-
statuen über dem Porticus des Pal. comunale und über dem alten Thoreingang.
Diese Werke haben das Eigen thümliche, dass die Figuren in denselben nur
bemalt, nicht auch glasirt sind, während die architektonische Umrahmung der
an erster Stelle genannten Altartafel durchaus die Technik der Robbiawerke
zeigt. Anselmi möchte jene wegen ihrer Vortrefflichkeit dem Pierpaolo Agabiti
selbst, die figürlichen Theile aller aufgezählten Werke aber, da sie weit unter
dem Niveau der beglaubigten Arbeiten des Meisters stehen, nur seiner Schule
zutheilen. Endlich gibt Anselmi noch einen Wiederabdruck der durch ihn
aufgefundenen und schon früher in Archivio storico dell’ Arte I, 370 veröf-
fentlichten Urkundenbelege, die escausser Zweifel stellen, dass der bisher dem
Litleraturbericht.
505
Agabiti zugeschriebene Altar, der aus dem Kloster S. Girolamo bei Arcevia
stammend jetzt in der Kirche S, Medardo daselbst aufgestellt ist, ein Werk
Giovanni’s della Robbia ist (s. das hierüber von uns Bd. XIII, S. 190 des Re-
pertoriums Ausgeführte).
Ein von A. Rossi im Notariatsarchiv von Fabriano aufgefundenes, Docu-
ment vom Jahre 1384 führt uns einen bisher unbekannten Künstler in der
Person des Frate Giovanni di Bartolomeo vor, der die Ausführung eines in Holz
geschnitzten und bemalten Presepio für 25 Goldgulden im Aufträge eines Giov.
Mainardi aus Monterubbiano übernimmt. Leider ist an Ort und Stelle nichts
mehr von dieser Arbeit erhalten. — Derselbe Forscher gibt sodann urkundliche
Belege für die Thätigkeit des Malers Ercole Siderio da Fermo in Perugia, die
sich indess bloss auf die Vergoldung der Altarzusätze am Ghorgestühl von
S. Pietro (einer Arbeit Benedetto’s da Montepulciano vom Jahre 1556), des
steinernen Altarrahmens in der Capelle der Compagnia del Gorpo di Gristo im
Dom, endlich auf die Vergoldung und Bemalung der Orgeln im Kloster und in
der Kirche S. Francesco beziehen, und uns auch nichts Näheres über das künst-
lerische Können oder die malerischen Arbeiten dieses bisher nur dem Namen nach
bekannten Meisters (er findet sich unterm 2. März 1533 in die Liste der Aka-
demiker von S. Luca in Rom eingetragen) enthüllen. — Einen Meister deutscher
Abstammung lernen wir in dem, laut Anselmi’s Funden im Archiv zu Arcevia
daselbst von 1475 — 1490 vielfach, namentlich mit Holzarbeiten (Decken, Dach*
Stühle, Jlolztabernakel u. dergl.) beschäftigten, aber in den Urkunden stets
als Architekten qualificirten Mo. Gorrado Teutonico kennen, als dessen her-
vorragendstes noch heute existirendes Werk das Chorgestühl in S. Medardo
(1487—1490) urkundlich erwiesen wird. — Endlich gibt P. Gianuizzi urkund-
liche Auszüge aus den Archiven von Macerata und Recanati über die in diesen
Städten in den Jahren 1492—1520 ausgeführten Arbeiten des Malers Lorenzo
da Matelica, alias Giuda. Dieselben sind leider heute nicht mehr vorhanden.
Interessant ist der Nachweis, dass dem Meister, als er seinen Wohnsitz von
Macerata nach Recanati verlegte, auf sein Ansuchen sechs Goldgulden als
Beitrag zu den Uebersiedelungskosten vom Rathe der Stadt angewiesen wurden,
unter der Bedingung, dass sie ihm bei den für die Stadt auszuführenden Ar-
beiten eingerechnet würden.
Nicht minder reich an interessanten Beiträgen kunsthistorischen In-
halts als die beiden ersten Jahrgänge, ist auch der dritte. G. Gantalamessa
gibt eine ausführliche Beschreibung der Fresken in einer Capelle der Benedic-
tinerkirche zu S. Vittoria in Matenano, die schon in einer Anmerkung der
neuesten Vasari-Ausgabe (III, 19, Nota 3) erwähnt und als der Art Gentile's da
Fabriano sehr nahestehend bezeichnet werden. Der Verfasser gesteht den
Mangel absoluter Beweisgründe für die Zuschreibung an den genannten Meister
zu, führt aber eine Reihe von Wahrscheinlichkeitsgründen an, die dafür sprechen,
dass wir hier eine Arbeit aus der ersten noch dem Stil des Trecento folgenden
Epoche Gentile’s vor uns haben, deren übrige Erzeugnisse bekanntlich alle
untergegangen sind. Derselbe Forscher gibt Nachricht über die Fresken einer
unterirdischen Grotte in der Kirche der Abtei S. Rufino bei Amendola (viel-
506
Litteraturbericht.
leicht der Eingang zu einer Katakombe), rohe Producte einer sinkenden Kunst,
die nach der Ansicht des Berichterstatters dem 11. Jahrhundert angehören, —
sowie über jüngst in S. Vittoria zu Ascoli aufgedeckte .^Vandgemälde, die sich
als das Werk zweier verschiedener Meister kennzeichnen, deren einer der
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (in der der Bau selbst entstand) angehört
haben dürfte, während der zweite der Wiedergeburt der italienischen Malerei
durch Giotto viel näher steht und etwa am Ausgang desselben Jahrhunderts
gewirkt hat. — G. Bevilacqua macht uns mit der Gistercienser-Abteikirche von
Chiaravalle bei Jesi bekannt, einer dreischiffigen Säulenbasilika, deren Grün-
dung in das Jahr 1172 (nach einem zweiten inschriftlichen Zeugniss, dessen
Entzifferung indess nicht ganz sicher ist, gar in das Jahr 1119) fällt, und die
mit Kreuzgewölben im Spitzbogen eingewölbt erscheint, während sie in An-
lage und Formensprache sonst durchwegs dem romanisch-lombardischen Stile
angehört. Es wäre dies sonach der früheste Bau mit consequenter Anwen-
dung des Spitzbogengewölbes, — früher als die grossen Abteikirchen desselben
Ordens in der Sabina (deren älteste, Fossanuova, nicht vor 1179 begonnen
wurde), und wohl auch wie diese , wenigstens was die Anwendung des ge-
nannten Gonstructionselements betrifft, durch die Anlagen der französischen
Mutterklöster beeinflusst. Ein von F. Raffaeli mitgetheilter Vertrag vom Jahr 1471
macht uns mit zwei Lombarden Petrus und Johannes als Erbauern der Loggia
vor dem Pal. comunale zu Gingoli bekannt, und eine lange Reihe von durch
Anselmi den archivalischen Quellen entnommenen Daten, die dieser der Mit-
theilung Raffaelli’s folgen lässt, zeigt, welche Bedeutung die aus der Lombardei
eingewanderten Meister auch in diesem Theile der Halbinsel bis tief ins
16. Jahrhundert hinein als Architekten oder Unternehmer der bedeutendsten
Bauausführungen behaupteten. — L. Maraschino berichtet über die Existenz
einer Majolicafabrik zu Osimo seit Mitte des 17. Jahrhunderts, von deren Er-
zeugnissen sich einzelne Beispiele noch erhallen haben; A. Rossi über einige
in Perugia ausgeführte Malereien des pesareser Cinquecentisten Gianantonio
Pandolfi; Anselmi lenkt die Aufmerksamkeit der Forscher auf ein Gemälde
L. Signorelli’s, das bis 1810 in der Capelle Filippini der Franciscanerkirche
zu Arcevia aufbewahrt, damals von den Franzosen entführt ward und seither
verschollen ist. Da der Gegenstand (Madonna in trono mit den Heiligen
Simon, Judas, Bonaventura und Franciscus), die Maasse (2,36 m Höhe auf
1,70 m Breite), und ausserdem die auf die Familie Filippini bezügliche Inschrift
der Tafel (Jacobi Simonis de Philppinis aere deo et B. V. dicatum Fr. Ber-
nardino Vignato Guardiano procurante 1508) bekannt sind, wird es vielleicht
möglich werden, sie in einem wahrscheinlich unter anderem Namen gehenden
Werke irgend einer öffentlichen oder Privatsammlung wiederaufzufinden. —
Endlich führt G. Scipioni einen bisher vergessenen florentinischen Bildner,
Domenico Rosselli da Rovezzano , von dem indess noch einige Arbeiten in
Toscana vorhanden sind, als urkundlich in den siebziger Jahren des 15. Jahr-
hunderts an der Ausschmückung des Pal. prefettizio zu Pesaro beschäftigt
auf, und A. Gianandrea stellt in einer längeren Studie die von ihm in dem
anconitaner Notariatsarchiv über den bisher nur aus einer beiläufigen Notiz
Litteraturberichl.
507
bei Ricci bekannten Maler Olivuccio di Ciccarello aufgefundenen Daten zu-
sammen, woraus wir neben der Lebenszeit desselben — ca. 1360 bis 1439 —
über einige heute leider nicht mehr vorhandene Werke seines Pinsels Näheres
erfahren. C. v. Fdbriczxj.
Architektur.
Angelo Gatti, La Fabbrica di S. Petronio, indagini storiche con
18 disegni. Bologna 1889. gr. 8°. 140 S.
Die vorstehende Arbeit verdankt ihre unmittelbare Entstehung dem
Wunsche des für den Ausbau der Fassade von S. Petronio niedergesetzten Gomites,
den an der in Kurzem bevorstehenden zweiten Preisbewerbung um den letzte-
ren theilnehmenden Künstlern eine sichere historische und technische Grundlage
für die zu lösende Aufgabe zu gewähren. Der Verfasser, selbst Architekt, hat
zu diesem Zwecke das gesammte ihm zur Verfügung gestellte Urkundenmate-
rial sorgfältig durchforscht und gibt uns zuerst die documentarische Bau-
geschichte des in Rede stehenden Denkmals. Er theilt seine Arbeit in drei
Abschnitte, deren erster die historische Uebersicht des Baus , der zweite die
technisch-ästhetische Analyse des Monuments gibt, während der letzte die
Regesten der auf den Bau bezüglichen Urkunden, in 280 Nummern den Zeit-
raum vom Beschluss der Erbauung (20. Oct. 1388) bis zur Schliessung des
Chorgewölbes (24. April 1659) umfassend, enthält, Urkunden, von denen drei
Viertheile jetzt zum erstenmale veröffentlicht werden, um als Belege für den
ersten Abschnitt der Arbeit (worin stets Berufung auf sie geschieht) zu dienen.
Hiernach schon wird der Leser die Wichtigkeit der letzteren ermessen ; die-
selbe wird durch die Gründlichkeit und die Sorgfalt, die der Verfasser daran
gewendet hat, noch gesteigert.
Dass Antonio di Vincenzo, von Andrea Manfredi, dem bekannten bau-
verständigen General der Serviten unterstützt, zu Beginn 1390 den Plan für
S. Petronio entworfen, wussten wir schon aus einer zu Ende des vorigen
Jahrhunderts aufgefundenen Urkunde. Ueber den Meister selbst erfahren wir
auch aus den neuerschlossenen Quellen nicht viel mehr, ausser dass er auch
der Erbauer des schönen Campanile von S. Francesco war. Auf das durch ihn
in '/i2 natürlicher Grösse aus Backstein und Gyps gefertigte Kolossalmodell
der Kirche hin wurde er am 3. Juni 1390 zum Leiter des Baues ernannt und
vier Tage darauf feierlich der Grundstein zu letzterem gelegt. Zwei Jahre
darauf wird die Marmorlieferung zum Sockel vergeben, der nach einem an
die Vorderfront des Palazzo degli Anziani gezeichneten Entwurf zur Fassade
hergestellt wurde; im Jahre 1401 waren schon je zwei Gewölbfelder der beiden
Seitenschiffe sammt ihren je vier Capellen hergestellt (die entsprechenden
Traveen des Mittelschiffs blieben vorläufig uneingewölbt), doch setzten sich
jetzt schon pecuniäre Schwierigkeiten der Fortführung der Arbeiten entgegen,
wesshalb 1402 ein Meister Jacopo di Paolo pittore den Auftrag erhielt, ein
neues Modell zu fertigen, worin der ursprüngliche Entwurf zwar in seinem
Wesen beibehalten , sein äusserer Schmuck jedoch vereinfacht werden sollte.
508
Litteraturbericht.
Das neue Modell wird dann auch zur Ausführung angenommen , dasjenige
Antonio’s aber, der 1405 gestorben war, im Jahre 1406 zerstört. Jedoch war
nach dem letzteren der Fassadensockel inzwischen schon hergestellt worden. —
lieber den Fortgang des Baues in den beiden ersten Decennien des
15. Jahrhunderts wissen wir wegen Verlust der meisten auf diese Zeit bezüg-
lichen Urkunden nur so viel, dass die Arbeiten nie ganz ins Stocken geriethen,
wenn sie auch aus dem oben angegebenen Grunde sehr schwach betrieben
wurden. 1425 wird Jacopo della Quercia zur Ausführung des Hauptportals
berufen; über die Phasen seiner Thätigkeit in Bologna waren wir schon durch
die Veröffentlichung des sie betreffenden Materials in Milanesi’s Documenti per
la storia dell’ arte senese früher unterrichtet worden und hat Gatti hiefür
nichts Neues beizubringen vermocht. Von 1441 an concentrirt sich die Bau-
thätigkeit in die Weiterführung der Seitenschiffe und ihrer Capellen unter dem
Dombaumeister Orazio di Jacopo pittore. Bei dieser Gelegenheit wurde die
Zeichnung, die Jacopo della Quercia von dem Hauptportal auf einer provi-
sorischen Abschlusswand entworfen hatte, mit dieser zerstört und damit jedes
authentische Document für die von ihm beabsichtigte Art der Ausführung
dieses wichtigen Theils der Fassade vernichtet. Im Jahre 1463 wird an die
Herstellung dieser letzteren gedacht und zu diesem Ende dem bekannten
Florentiner Bildhauer Agostino di Duccio der Auftrag zu einem Holzmodell
dafür ertheilt. Leider sind als einzige Spur dieser Arbeit des Künstlers, von
der wir bisher nichts wussten, bloss drei Rechnungsvermerke übrig geblieben,
die an ihn geleistete Honorarbeträge von zusammen 49’/2 Lire verzeichnen.
Zugleich wird an der Ausschmückung der Capellen mit Malereien und Bild-
werken , der Fenster mit Glasgemälden durch Fra Jacopo von Ulm , an der
Bemalung der Seitenschiffsgewölbe gearbeitet, das Chorgestühl 1468 an Ago-
stino de’ Marchi aus Crema, den Vater der bekannten Intarsiatorentrios Gia-
como, Biagio und Pantaleone vergeben, der auch einen Osterkerzenleuchter
(1474) und das Orgelgehäuse (1476), dieses — wie ausdrücklich angegeben
ist — in gothischem Stile fertigt. 1479 — 1481 wurden die beiden vorletzten
Capellen der Seitenschiffe hergestellt und im letzteren Jahre auch schon mit
der Aufmauerung des Glockenthurmes über der einen (der westlichen) be-
gonnen ; der östliche Glockenthurm kam nie über die Dachhöhe der Capellen
hinaus. Ein interessanter Vermerk aus dieser Zeit (18. März 1480) betrifft
eine Zahlung an einen zweiten Florentinischen Bildner Francesco di Simone
Ferrucci für Reliefs an den Fenstern eben dieser Capellen. Was dies für
Reliefs gewesen, wüssten wir nicht anzugeben. Zu derselben Zeit dürfte Fer-
rucci auch erst das Grabmal für den schon 1477 verstorbenen Tartagni für
S. Domenico (ob in Florenz oder Bologna bleibt ungewiss) gearbeitet haben. —
Wir schliessen hier gleich auch die Nachricht über die Betheiligung eines
andern bekannten Künstlers an dem Baue an : 1490 wird der Bildner und Me-
dailleur Sperandio für das Modell der Spitze des Campanile mit 3 Lire bezahlt.
Sie wurde auch nach demselben ausgeführt und ist die heute noch existirende.
Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts wird endlich ernstlich an die
Herstellung der Fassade geschritten. Der seit 1507 dem Bau vorstehende
Litteraturbericht.
509
Arduino Ariguzzi veranlasst auf den Rath von Sachverständigen die aus
statischen Gründen sich als nöthig erweisende Verstärkung der Frontmauer
(soweit sie aufgeführt ist) und dies zieht auch das Vorrücken des Mittelportals
um etwa 60 cm nach sich. Die letztere Arbeit wird vom April 1510 bis
Juli 1511 vorgenommen und damit hören alle weiteren urkundlichen Ver-
merke, das Hauptportal betreffend, auf, so dass wir annehmen müssen, das-
,selbe sei dazumal in der Form, wie es heut besteht, hergestellt worden. Dass
man dabei nicht dem Plan Quercia's folgte, ergibt sich aus dem oben über
dessen Schicksal Beigebrachten. In der That sind die Durchführung des
Fassadensockels auch unter den Laibungspilastern des Portals, sowie die
Krönung der letzteren durch die Spitzbogenlunette Zuthalen , die — nament-
lich die erstere — in keinem Falle auf Rechnung des Sieneser Meisters zu
setzen sind und die die einheitliche Wirkung seines Werkes wesentlich be-
einträchtigen, Als ausführender Künstler der Sculpturen in der Laibung des
Lunettenbogens (Halbfiguren von Propheten und Patriarchen) aber tritt uns
neben einigen sonst unbekannten Bildnern in erster Reihe Antonio Minello
aus Padua entgegen, der daran mit seinem Genossen Antonio da Ostiglia
vom Mai 1510 bis Juli 1516 beschäftigt erscheint. Es ist derselbe Meister,
der 1503-— 6 am Grabmal Ben. Pesaro in den Frari und vor 1512 das erste
der grossen Reliefs in der Capelle des Heiligen im Santo zu Padua arbeitete.
In den Jahren 1512 und 1513 führt man die beiden vorderen Vierungs-
pfeiler auf, in den folgenden fertigt Ariguzzi das Modell zur Kuppel, zu wel-
chem Ende er sich 1515 nach Florenz begibt, um den Riesenbau Brunelleschi’s
zu studiren, — und Domenico da Varignana liefert einen Entwurf zur Fassade,
nach welchem auch bis 1520 das linke Seitenportal ausgeführt, nachträglich,
jedoch da es nicht den Beifall der^Operai fand, zum grossen Theil wieder
abgetragen, und Ercole Seccadenari ein anderes Modell dafür zu fertigen be-
auftragt ward. Nach diesem wurden dann thatsächlich beide Seitenportale
1524—31 hergestellt, unter Mitwirkung von Girol. Penacchi da Treviso (dem
wir hier zum erstenmal als Bildhauer begegnen), Tribolo, Zacchi, Alfonso
Lombardo, Aspertini, Properzia de’ Rossi, Francesco und Simone da Firenze
(der erste wahrscheinlich einer der Söhne, der zweite der Grossnetfe Francesco
Ferrucci’s und Schöpfer des Papstgrabes Pius II.), Solosmeo da Firenze (Vasari
VII, 513) und andern uns unbekannten Künstlern für die Sculpturarbeiten
daran. Seccadenari selbst wird an Stelle Ariguzzi’s zum Capomaestro er-
nannt (1524 — 1540). In diese Zeit oder wenig früher fällt auch die Berufung
Bald. Peruzzi’s, um von ihm Entwürfe für die Fagade, Kuppel und das Innere
zu erhalten, welche alle jedoch als zur Ausführung nicht geeignet erachtet
werden. (Juli 1522 bis April 1523.) Auch der Concurs des Jahres 1543, an
dem ausser den beiden damaligen ingegneri della fabbrica Giac. Ranuzzi und
Giac. Barozzi da Vignola sich Giulio Romano und ein Cristofano Lomhardo be-
theiligen, führt zu keinem andern Ergebniss, als dass nach manchen Peripetien
unter dem Capomaestro Ant. Morandi, gen. Tribilia oder Terribilia (Giac.
Ranuzzi war 1549 gestorben, Vignola das Jahr darauf seines Amtes entsetzt
worden), der Beschluss gefasst wird, die Fassade ^ach Domenico’s da Varignana
510
Litteraturbericht.
Plane auszubauen (1556), ein Beschluss, der denn auch bis 1570 soweit, als
wir die Arbeiten daran heute zur Ausführung gebracht sehen, verwirklicht
wird. Jedoch erhalten nach dem Tode Morandi’s seine Nachfolger Franc.
Terribilia und Dom. Tibaldi neuerlich den Auftrag, Entwürfe für die Fassade
zu liefern, die dem Palladio zur Beurtheilung eingesandt — diesen auch zur
Ausarbeitung eines solchen veranlassen (1577). Auch sein Plan findet indess bei
der Baubehörde keinen Anklang, ebensowenig hat eine neuerliche Concurs-
ausschreibung wegen der inzwischen hereingebrochenen Theuerung irgend
ein Folge (1580). Nachdem diese vorüber ist, werden im Jahre 1587 die
Arbeiten zur Einwölbung des Mittelschiffs nach den Plänen Franc. Terribilia
in Angriff genommen , und ist nach zwei Jahren das Gewölbe der vorletzten
Travee (unter der heute der Hochaltar steht) vollendet. Da bricht der Streit
um die Höhe des Mittelschiffes aus, in welchem an der Spitze der Gegen-
partei, die das von Terribilia angegebene Gewölbe für zu niedrig erachtet,
der bekannte »gothische Schneider von Bologna« Carlo Garazzi, gen. Gremona,
steht, und dem — da man sich nicht zu einigen vermag — durch die päpstliche
Resolution ein Ende bereitet wird, der zu Folge alle Arbeiten einzustellen
und die aufgehäuften Baumaterialien zu veräussern sind (1594). Erst im Jahre
1625 wird die Frage wieder aufgenommen und beschlossen , nach dem Rath
des römischen Architekten Gir. Rainaldi das Mittelschiffsgewölbe um drei
Meter höher zu machen. Man bleibt indess wieder in den Vorbereitungen
zur Ausführung stecken, bis diese endlich 20 Jahre später unter Leitung Franc.
Martini’s mit der Einwölbung der ersten Travee begonnen und im Jahre 1659
mit der des Chors beendet wird, nachdem das von Franc. Terribilia über
das vorletzte Feld gespannte Gewölbe durch das entsprechend höhere war
ersetzt worden. — An den Ausbau der Stirnfront aber wurde seither nicht
wieder gedacht, bis sich im Jahre 1886 das Gomite bildete, das diese Aufgabe
neuerdings aufnahm. Hoffentlich wird sie nun nach dem ersten ohne Erfolg
gebliebenen Versuch durch den bevorstehenden zweiten Wettbewerb eine be-
friedigende Lösung finden. C. v. Fabriczy.
Plastik.
S. Martin von Lucca und die Anfänge der toscanischen Sculptur
im Mittelalter. Von August Schmarsow. Erster Band der italienischen
Forschungen zur Kunstgeschichte. Breslau, Schottländer 1890. 8“, S. 253.
Die von Arcaden und bunten Säulenreihen belebte Schmuckfassade der
Hauptkirche von Lucca, die Reliefdarstellungen an den Wänden und über den
Thüren der Vorhalle, endlich die oben in einem Bogenzwickel des Atriums
freiragende Gruppe des heiligen Reitersmannes, der mit dem Schwerte seinen
Mantel theilt, um damit den flehend neben ihm stehenden Bettler zu bedecken
— das bildet ein Ganzes, wie es so glanzvoll und einheitlich das 13. Jahr-
hundert in Italien kaum ein zweites Mal geschaffen hat. Schon um desswillen
wird eine ästhetisch nachfühlende und historisch kritische Betrachtung des
Werkes ein mehr als gewöhnliches Interesse erwecken. Aber es werden
Litleraturbericht .
511
sich auch bei der Frage nach der Entstehungszeit der einzelnen Theile, bei
dem Versuch, sie dem übrigen gleichartigen Denkmälerkreis stilistisch ein-
zuordnen, Ausblicke nach vor- und rückwärts eröffnen, die weit über die locale
Bedeutung des Monumentes hinaus führen. Es erscheint daher nur natür-
lich, dass der Verfasser seine Betrachtungen auf die Anfänge der toscanischen
Sculptur im Mittelalter ausdehnte. Hiebei konnte er um so mehr auf eine
dankbare Aufnahme rechnen als bisher gerade die ersten Jahrhunderte einer
selbständigen italienischen Bildnerei eine im Vergleich mit dem Quattrocento
mehr als stiefmütterliche Behandlung gefunden haben. Er betrachtet die Beste
der frühromanischen Plastik in Pistoja, in Lucca und die Ueberbleibsel einer
Provincialkunst in Brancoli, Berceto, S. Casciano am Arno. Dann wieder lässt
er die florentinische Trecentosculptur von Niccolö Pisano bis auf Orcagna
Revue passiren und mustert die gleichzeitigen Reitermonumente von Verona
und Mailand. Endlich kehrt er nochmals zum 12. Jahrhundert zurück und
prüft die Bildwerke, die in Florenz, in Arezzo, Spoleto, Calci, Pisa, Volterra,
Siena und dann jenseits der Apenninen in Parma, Ferrara und Forli ent-
standen sind. Immer aber steht ihm sein Held, der hl. Martin mit seiner
Kirchen fassade, im Mittelpunkt der Geschichte, von ihm geht die Betrachtung
aus und zu ihm leitet sie nach noch so langen Abschweifungen wieder zurück.
Indess lässt sich nicht leugnen , dass diese Anordnung mehr einem gewiss
berechtigten künstlerischen Bedürfniss nach einheitlicher Zusammenfassung,
als dem Streben nach klarer historischer Gliederung entspricht. Die Martins-
kirche in Lucca bildet für die mittelalterliche Plastik Toscanas keineswegs
einen Ausgangspunkt der bildnerischen Phantasie, noch stellt sie sich als das
Resultat einer bestimmten Entwicklungsreihe dar. So erhält denn die Gompo-
sition von Schmarsow’s Buch etwas eigenthümlich Complicirtes und Ge-
zwungenes und die vielen, vielfach wirklich Neues bringenden Detailbehand-
lungen wirken, in einen künstlichen Zusammenhang hineingepresst, mehr ver-
wirrend als erläuternd. Der Reichthum des vorgebrachten Materiales — das
allerdings stellenweise noch Rohmaterial geblieben ist — hätte eine mehr
chronologische und den Schulzusammenhang festhaltende Gruppirung erfordert.
So aber, wie das Thema einmal gestellt war , wäre es nur im Interesse der
Klarheit und Wirksamkeit des Buches gewesen, alle von der Hauptfrage ab-
irrenden Untersuchungen möglichst einzuschränken.
Drei Fragen sind es vor allem, die eine eingehendere Berücksichtigung
erfordern. Alle drei knüpfen unmittelbar an die Martinsfassade an und sie
alle weichen in ihren Ergebnissen nicht unerheblich von den bisherigen An-
nahmen ab. Die erste Frage gilt der Identität des Bauleiters an S. Martin,
Guidetto, mit dem Bildhauer Guido da Como, die zweite beschäftigt sich mit
der Entstehungszeit der Martinsgruppe, die dritte endlich sucht den Antheil
Niccolö Pisano’s an den Reliefs der ersten Seitenpforte links zu ergründen.
Ueber einer mächtigen Vorhalle, die sich, den Kirchenthüren entsprechend,
in drei weiten Bogen öffnet, wird die Fassade von S. Martin durch drei Zwerg-
galerieen in reichem romanischen Stil gegliedert. Incrustirte oder glatte Säul-
chen in buntem Marmor wechseln in regelmässiger Folge mit plastisch ver-
512
Litteraturbericht.
zierten. Einige der letzteren sind durch überquellenden Schmuck von Thier-
bildern und Grotesken ausgezeichnet. Die äusserste Säule rechts des ersten
Geschosses aber zeigt das Bildniss eines Mannes mit einem Blatt in der Hand,
auf dem die Inschrift steht: MILL.CC.IIII. CONDIDIT ELEGTI TAM PVLGRAS
D EXTRA GVIDEGTI. Schmarsow ergänzt mit Schnaase GOLVMNAS und
beschränkt demgemäss die Thäligkeit des Guidetto auf die Errichtung der
Zwerggalerieen, zunächst der untersten. Im Gegensatz zu dem verdienten
Luccheser Localforscher Enrico Ridolfi, der die Hand des genannten Meisters
schon an den Sculpturen der Vorhallenpfeiler erkennen will. Schmarsow
weist das wichtigste plastische Stück daran, die Dreiviertelssäule mit dem
Stammbaum Jesse einer älteren Hand zu, die mit anderen Arbeiten des 12. Jahr-
hunderts, wie sie sich noch in Lucca, Pistoja und Pisa finden, Verwandtschaft
hat. Die wulstförmigen Gesimse der Galerieen sind ähnlich wie einzelne
Säulen mit plastischem Blattwerk übersponnen, während die Wandflächen über
den Arcaden mit einem Muster weiss in schwarz eingelegter Ornamente,
Thier- und Menschenbilder bedeckt sind. Ist es diese Flächendecoration nun
oder ist es die Bildnerarbeit an den Säulenschäften, die wir als Guidetto’s
Werk anzusprechen haben, frägt Schmarsow — nach seinem Ergänzungs-
vorschlag für die Bezeichnung — einigermassen überraschend.
Die Antwort wird nun bei den übrigen Werken gesucht, die mit mehr
oder weniger Wahrscheinlichkeit auf Rechnung dieses Guido zu setzen sind.
In Lucca selbst ist es die Prachtfassade von S. Michele in Foro, die in ihrer
oberen Hälfte durch dasselbe System der architektonischen Anordnung und
der decorativen Details auf die gleiche Hand deutet. Zeitlich ginge sie wohl
sogar der Martinsfassade vor, denn die maasslos über den Kirchenkörper hinaus-
strebende Wanddecoration von S. Michele hat es vielleicht verschuldet, dass
jene unvollendet blieb. Hier aber so wenig wie an der Kathedrale von Prato,
an der er seit 1211 als marmorarius Sti. Martini, d. h. ohne seine Luccheser
Stellung aufzugeben, beschäftigt war, finden wir eine weitergehende Auskunft
über Guido’s Kunstvermögen.
Eine solche bringt nach Schmarsow ein freilich erst aus sehr viel
späterer Zeit stammendes Werk, das Taufbecken im Baptisterium zu Pisa. Es
trägt eine Inschrift, die ausser dem Datum 1246 auch noch den Namen des
Künstlers giebt : Guido Bigarelli de Cumo. Und somit erführen wir auf einen
Schlag nicht nur, welcher Sippe und welcher Heimath der kleine Guido von
S. Martin angehörte, das Becken selbst zeigt uns auch, wess Geistes Kind er
gewesen. Er ist ein Meister, der mit der bunten Marmorintarsia im »byzan-
tinisch-sicilischen Modegeschmack« den üppigen Schmuck romanischen Blatt-
werkes verbindet. Nur ganz nebenher geht die Verzierung mit mehschlichen
Köpfen in Profil und von vorn. Obschon sie nicht viel individuelles Leben
zeigen , erkennt Schmarsow doch in dem einen der Profilköpfe die Züge des
Inschriftträgers an der Martinsfassade — nur wie sich nach einem Zeitraum
von 42 Jahren von selbst versteht, einigermassen gealtert. Hier haben wir
nun in der That dieselbe Mischung von Marmorkünstler und Bildhauer wie
an der Domfassade in Lucca, wobei freilich der gestaltenschaffende Bildner
Litteraturbericht.
513
neben dem virtuosen Decorateur kaum zu Worte kommt. Um so verwunder-
licher, dass an dem nächsten Werk, das Schmarsow für seinen Guido in An-
spruch nimmt, dieses Verhältniss in sein Gegentheil gekehrt ist und der orna-
mentale Schmuck völlig neben den figurenreichen Historien verschwindet. Was
aber motivirt die Zuschreibung der bekannten Kanzel von S. Bartolommeo in
Pantano zu Pistoja an den Lucchesen Guido? Zunächst der Umstand, dass
die Kanzel inschriftlich 1250 von einem Guido da Gomo angefertigt wurde.
Dann aber will Schmarsow in dem sitzenden Mann, auf dessen Schulter die
mittlere Säule ruht »sehr deutlich an die Porträtfigur des Bildhauers am
Dom zu Lucca, noch mehr aber an das Profil des Gealterten am Taufbecken
in Pisa erinnert« werden. Ja, er erkennt »in diesen figürlichen Leistungen
überall den Virtuosen der Flächenornamentik in eingelegter Arbeit wieder« und
findet, dass »sicher in allen Figuren, besonders in der Gewandung des Guido
da Corao die schablonenhafte Präcision, aber auch die stumpfe Oberflächlich-
keit eines für Aussendecoration architektonischer Bestandtheile geschulten
Marmorarbeiters verräth,«
Immerhin, die Beliefs zeigen den Künstler seiner Aufgabe wohl ge-
wachsen. Er versteht es, klar, selbst eindringlich zu erzählen. Die Figuren
sind, ohne Gedränge, wohl über die Fläche vertheilt. Die Hauptpersonen ver-
fügen durchaus über eine ausdrucksvolle Gebärdensprache und nur bei dem
Statistenvolk mit seiner schablonenhaften Action macht sich der Mangel indi-
vidueller Belebung fühlbar. Denn die Köpfe bewahren durchgängig eine
maskenhafte Starrheit, die Hände sind ohne Empfindung gebildet. Darüber
hinaus war aber die italienische Plastik jener Tage kaum irgendwo gekommen.
Hält man Umschau unter den Zeit- und Kunstgenossen Guido’s, so sieht man,
dass er keineswegs zu den schlechtesten gehört.
Darum wird auch die Annahme, dass er erst am Abend eines wesent-
lich anderem Kunstbetrieb gewidmeten Lebens sich der figuralen Plastik zu-
gewandt habe, wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben.
Schmarsow weist nun in der That zwei Werke des Meisters nach, in
denen er frühe Vorstufen zur Kanzel in S. Bartolommeo sieht. Am Oratorio
S. Giuseppe in Pistoja einen hl. Michael als Drachentödter und, was von grösster
Wichtigkeit ist, am Dom von Lucca den Reliefschmuck über dem Mittelportal der
Vorhalle. Die erstere Arbeit setzt er, wenn ich ihn recht verstanden habe,
in das zweite Decennium, die letztere noch vor 1233.
Es lässt sich nicht leugnen, dass dieser dergestalt von Schmarsow con-
struirte Meister Guidetto- Guido für den ersten Blick viel Bestechendes hat.
Für ihn spricht zunächt der gleichlautende Name, der lombardische Stil-
charakter der Werke, endlich die sich immerhin innerhalb möglicher zeitlicher
und räumlicher Grenzen abspielende Thätigkeit. Sieht man aber näher zu, so
wird man doch einige Bedenken gegen diese Identificirung nicht abweisen
können.
Darm allerdings hat Schmarsow gewiss Recht, dass der Gomaske Guido,
der seinen Namen auf die Kanzel in S. Bartolommeo setzte, auch den Michael
in Pistoja und die Reliefs an der mittleren Domthüre in Lucca verfertigt hat.
514
Litteraturbericht.
Der Erzengel steht stilistisch den Kanzeldarstellungen durchaus nahe. Aber
auch die Luccheser Reliefs verrathen trotz der etwas abweichenden strafferen
Faltenbildung, die Schmarsow an ein in Metall getriebenes Vorbild denken
lässt, dieselbe Hand. Ich möchte noch besonders auf die auffallende Flügel-
bildung bei den die Mandorla haltenden Engeln und dem Engel des Matthäus
hinweisen, die sich ganz übereinstimmend bei dem Adler unter dem Lesepult
der Kanzel wiederfindet. Auch zeigt der Mantel der beiden Evangelistenengel
in Lucca und an der Kanzel dasselbe Gefälte,
Ebensowenig wird sich gegen die Identificirung des Guido Bigaralli, des
Meisters des Taufbrunnens in Pisa, mit dem Guido da Gomo etwas Ernstliches
einwenden lassen. Weniger wohl in Folge der obenerwähnten etwas über-
subtilen Beweisführung Schmarsow’s, als, weil sich an der Kanzel Platten
finden, die in ihrer decorativen Behandlung eine unleugbare Verwandtschaft
mit jenen am Taufbecken zeigen.
Wie aber verhält es sich mit dem Guidelto, der 1204 die erste Zwerg-
galerie am Dom von Lucca vollendet hat? Es wird schwer sein, die Unmög-
lichkeit, dass dies derselbe Künster ist, der später die Pistojeser Kanzel arbeitet,
zu erweisen. Wahrscheinlich ist diese Annahme aber keineswegs und sie
bedürfte zu ihrer Stütze ganz anderer Beweise, als sie Schmarsow vorzubringen
vermag. Selbst wenn wir mit ihm vermuthen, dass das Diminutiv des Namens
in der Jugend des Künstlers und nicht vielmehr in seiner körperlichen Be-
schaffenheit oder nur durch den Reim der Inschrift begründet sei, so würde
sich die Thätigkeit dieses Meisters über einen zum mindesten ungewöhnlich
langen Zeitraum erstrecken. Aber auch die Aehnlichkeit der decorativen Arbeit
an der Kanzel und dem Taufbecken mit jener der Domfassade scheint mir
durchaus nicht zwingend. Sie lässt sich völlig befriedigend aus der gemein-
samen Stammesart der Meister und der verwandten Schulung erklären. Welche
Beweiskraft die beiden Künstlerporträts von 1204 und von 1246 haben, ver-
mag ich freilich nicht zu entscheiden. Ich möchte aber daran erinnern, dass
Schmarsow von dem ersteren sagt, dass es »durch Abputzen und Ueberarbeiten
neuerdings so charakterlos geworden, dass überhaupt sein Werth als Docu-
ment für den Stilcharakter sehr fraglich wird.« Und von dem zweiten ist
überdies nicht einmal erwiesen, dass es den Künstler darstellen soll. Dazu kommt
endlich noch der lange Zeitraum zwischen den Arbeiten an der Schmuckfassade
von S. Martin und dem Taufbecken zu Pisa, in dem kein Werk des Guidetto-
Guido mit Sicherheit unterzubringen ist. Auch Schmarsow fühlt die Nothwendig-
keit , diese Kluft zu überbrücken. Wenn er aber zu diesem Zweck den hl.
Michael in das zweite Decennium setzt, weil Guidetto damals auf seinen häu-
figen Reisen zwischen Prato und Lucca die beste Gelegenheit gehabt hätte,
die Bestellung in Pistoja entgegenzunehmen und seine Arbeit daselbst abzu-
liefern , so scheint mir diese Annahme doch mehr die Identität der beiden
Meister zur Voraussetzung zu haben , als dass sie geeignet wäre, sie festzu-
stellen. Stilistische Gründe sind es gewiss nicht, welche die frühe Datirung
dieses, den Kanzelreliefs so ausserordentlich nahe stehenden, Werkes recht-
fertigten. Nicht viel besser ist es um die Zeitbestimmung des Mittelportales
Litteraturbericht.
515
am Dom zu Lucca bestellt, obgleich dieses allem Anschein nach wesentlich
früher fällt als die Kanzel. Hier bedarf es einer kurzen Abschweifung.
Rechts neben dem Hauptportal von S. Martin befindet sich in halber
Thürhöhe eine Inschrift, welche besagt, dass »dieses Werk unter den Opera-
Vorstehern Belenatus und Aldibrandus im Jahre 1233 begonnen ward.« Das
Nächstliegende wäre wohl, diese Worte auf die Ausschmückung der ganzen
Kirchenwand unter der Vorhalle zu beziehen. Schmarsow schlägt dagegen
vor, gestützt auf eine andere, freilich auch wesentlich anders lautende Inschrift,
die Stelle, an der die Bezeichnung steht, als Grenze für den Beginn der Thätig-
keit unter den neuen Opera-Vorstehern anzusehen. Nur das, was oberhalb der
Inschrift steht, wurde nach 1233 ausgeführt. Für unsere Frage ist es indess
gleichgültig, zu welcher Ansicht man sich bekennt. Denn Architrav, Tympa-
non und Evangelistenzeichen der Mittelthür liegen doch auch oberhalb jener
Grenze. Dass die Seitenthüren erst unter Belanatus und Aldibrandus aus-
geführt wurden, unterliegt keinem Zweifel, warum sollte für das Hauptportal
eine Ausnahme gemacht werden. Diese Ausnahme macht aber Schmarsow.
Er hält es für wahrscheinlich, dass die Ausstattung der Kirchenwand mit dem
Hauptportal begonnen habe, dieses im Jahre 1233 also schon in seinem vollen
Schmucke stand. Sein Hauptgrund aber ist der, dass Guidetto, den wir als
Leiter beim Bau der Prachtfassade kennen gelernt, sich schwerlich dazu be-
quemt haben wird, unter seinen Nachfolgern, den neuen Opera-Vorstehern, in
untergeordneter Stellung weiterzuarbeiten.
Also hier dieselbe Petitio principii wie oben beim hl. Michael. Nur
werden jetzt Umstände zu Gunsten der Identitätstheorie herangezogen, die
bei vorurtheilsloser Betrachtung gerade gegen dieselbe sprechen. Eben weil
das Mittelthor aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach 1233 hergestellt wurde,
ist die Urheberschaft Guidetto’s daran so ausserordentlich unwahrschein-
lich. Diese Ansicht ist nicht ohne weitere Stütze, denn mir will scheinen,
als wären die Portalreliefs nicht das einzige Werk des Guido da Gomo unter
der Vorhalle von S. Martin, Ich glaube, seine Vorliebe für den kleinen Guido
hat Schmarsow ungerecht gemacht gegen den grossen. Er würde sich sonst
nicht so mit aller Macht dagegen sträuben, dieselbe Hand, die das Mittel-
portal geschmückt und die Kanzel in Pistoja gemeisselt, auch in den Reliefs
mit der Martinslegende, den Monatsdarstellungen und der Regulusthür zu er-
kennen. Der Mittelthür am nächsten stehen die Regulusdarstellungen über
dem Seitenportal rechts. Das Relief des Architravs zeigt die nämliche Rahmen-
profilirung wie dort. In der Gewandung ist die metallisch scharfe Behandlung
noch nicht völlig überwunden. Sie ist sogar noch ausgesprochener als an
dem Mathäusengel links über dem Bogen des Hauptportals. Ebenso ist die
Uebereinstimmung in der Bildung der Köpfe und der Hände nicht zu ver-
kennen. Manche der Typen erinnern aber, wie auch Schmarsow bemerkt,
wieder lebhaft an Figuren der Kanzel. Im Ganzen schliessen sich aber doch
die Historien der Kanzel enger an die Martinslegende und die Monatsbilder
an. Auch hier wieder dasselbe Profil der Reliefrahmen und die gleichartige
Behandlung der erklärenden Inschrift. Selbst die Faltengebung zeigt trotz
XIV 36
516
Lilteraturbericht.
der ganz vverschiedenen, nun zeitgenössischen Gewandung einen ebenso über-
einstimmenden Charakter wie die Bildung der Typen. Ich kann mich hier
nicht auf einen in’s Einzelne gehenden Nachweis einlassen. Nur die Frauen-
gestalt auf der Darstellung der Auferweckung des Todten soll erwähnt werden.
Sie trägt das Haar in breiten zu beiden Seiten des Hauptes herabhängenden
Flechten, wie die Magd auf dem Bild der Verkündigung in Pistoja. Endlich
zeigen die sämmtlichen genannten Werke die nämliche überaus saubere
Marmortechnik, Reihen von Bohrlöchern zwischen den Strähnen an Haar und
Bart und den entschiedenen Hinweis auf die Beihilfe der Polychromie zur
vollen künstlerischen Wirkung.
Es muss hervorgehoben werden, dass Schmarsow die grosse Verwandt-
schaft aller dieser Werke bei seiner eingehenden und sorgfältigen Analyse
derselben keineswegs übersehen hat. Indess hält er die stilistische Ueber-
einstiramung den verschiedenen Abweichungen, namentlich dem höheren künst-
lerischen Werth, den die Martinsreliefs im Vergleich mit der Kanzel bean-
spruchen, gegenüber nicht für hinreichend, um nur eine einzige Hand anzu-
nehmen. Ja er scheint sogar für die Darstellungen aus der Legende des
Localheiligen, für die Monatsbilder und die Regulusthür drei verschiedene
Meister annehmen zu wollen, die mit Guido da Como freilich in einem un-
leugbaren Schulzusammenhang stünden.
Ich denke, diese Ungleichheiten erklären sich ungezwungener und über-
zeugender aus dem Schwanken und dem Wachsthum einer einzelnen künst-
lerischen Kraft. Einem bald siebzigjährigen Mann allerdings kann man eine
solche Entwicklungsfähigkeit nicht mehr Zutrauen und so alt wäre Guidetto,
billig gerechnet, gewesen, als er die Kanzel in Pistoja anfertigte. Guidetto
hätte aber auch nach 1233 nicht mehr unter der Vorhalle von S. Martin in
Lucca gearbeitet! Gilt es also nicht mehr, den Guidetto mit dem Guido in
eine Person zusammenzuschweissen, so ergiebt sich für den Letzteren eine
durch etwa drei Jahrzehnte sich erstreckende, naturgemäss fortschreitende
Thätigkeit. Bald nach 1233 wäre Architrav und Tympanon des Mittelportals
zu setzen, an das sich die Reliefs der Regulusthüre anschlössen. Erst nach
dieser fallen wohl die beiden Evangelistensymbole über dem Hauptthor. Den
Erzengel in Pistoja möchte ich in nächste Nähe der Kanzel, die Guido für
dieselbe Stadt geschaffen hat, rücken. In den beiden Friesen mit der Martins-
legende und den Monatsbildern hätte dann der Künstler, wie er von dem anti-
kisirenden Gostüm zur Tracht seiner Zeit fortschreitet und sich von fremden
Vorbildern freimacht, seine eigenste Kraft zur Entfaltung gebracht.
Es wurde schon erwähnt, dass Schmarsow, der Hypothese Ridolfi’s ent-
gegen, die Säule mit dem Sündenfall und dem Stammbaum Jesse an dem
Vorhallenpfeiler von S. Martin mit Fug und Recht seinem Guidetto-Guido ab-
sprach. Gewiss, der Meister, der 1250 die Kanzel für Pistoja liefert, kann
nicht diesen Säulenschaft mit Sculpturen verziert haben, die noch völlig im
Charakter des 12. Jahrhunderts gehalten sind. Indess denkt. Ridolfi bei dem
Guidetto eben nur an den marmorarius, der sich inschriftlich 1204 als den
Bildner der schönen Säulen der Zwerggalerieen bekennt. Dass dieser aber
Litteraturbericht.
517
nicht auch schon an der Vorhalle des Pfeilers im figuralen Schmuck be-
schäftigt gewesen, scheint mir nach den Schmarsowschen Ein würfen — im-
mer abgesehen von den Argumenten, die er aus seiner Identitätsannahme
herbeiholt — doch keineswegs ausgeschlossen. Darüber indess herrscht kein
Zweifel, dass die Säule selbst in’s 12., wahrscheinlich in die letzten Jahre des
12. Jahrhunderts zu setzen ist. Um so weniger begreife ich, wie Schmarsow
dann die Kanzel von Volterra , die in den Typen nahe damit verwandt und
in der Faltengebung so wenig ducentistisch ist, erst um 1250 — 1260 setzen
kann und in ihr den Einfluss der Pistojeser Kanzel des Guido entdeckt. Ich
vermuthe, dass hier weit eher eine gewisse Classe byzantinischer Elfenbein-
reliefs , deren bekanntes Beispiel die Marter der 40 Heiligen im Berliner
Museum ist, als Vorbild gewirkt hat. In auffallendster Weise unter dem Ein-
fluss dieser Werke der Kleinkunst stehen die alten Ghorschranken im Dom
von Neapel. Man vergleiche nur den guterhaltenen Simson hier mit den
Aposteln und dem Christus in Volterra, um sich von der Aehnlichkeit der Typen,
der gleichen Haarbehandlung, ja selbst dem verwandten Faltenwurf zu über-
zeugen. Ob freilich die Kanzel desswegen, wie bisher geschehen, noch in’s
12. Jahrhundert zu setzen oder nicht schon dem Anfang des 13. angehört,
ist bei solchen Werken einer zurückgebliebenen Provincialkunst schwer zu
entscheiden. —
Dasjenige Werk, welches in seiner anziehenden und doch so räthsel-
haften Erscheinung wohl in erster Linie Anlass zur Entstehung des vor-
liegenden Büches gegeben hat, die Gruppe des heiligen Reitersmannes mit
dem Bettler , ist bisher von der kunsthistorischen Litteratur entweder über,
sehen oder mit offenbarer Ungerechtigkeit behandelt worden. Growe und
Gavalcaselle, die den künstlerischen Werth der Gruppe völlig unterschätzen,
schreiben sie dem Guidetto zu und halten sie für gleichzeitig mit der 1204
entstandenen Prunkfassade. Ein offenes Auge für die Schönheit des Werkes
hat der Localforscher von Lucca, Enrico Ridolfi, er rückt dasselbe aber in
die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Mit diesen beiden sich wider-
sprechenden Ansichten sucht sich Schmarsow zunächst auseinanderzu-
setzen. — Es braucht wenig stilkritische Einsicht, um sich von der Un-
möglichkeit der erstgenannten Datirung zu überzeugen. Den freilich sehr
äusserlichen Einwand, dass die Aufstellung des Namenspatrons der Kirche
doch wohl den Reliefs des Atriums, die überdies nur die späteren Momente
der Heiligenlegende schilderten, zuvorgegangen sei, glaubt Schmarsow mit dem
Hinweis auf das Fragment einer älteren Martinsstatue, das noch auf den
Gonsolen dicht neben dem Campanile erhalten sei, entkräften zu können.
Eine eingehendere Widerlegung wird Ridolfi’s Bestimmung zu Theil.
Den Beginn macht eine Darstellung der ferneren Baugeschichte des Domes
bis gegen Ende dea 14. Jahrhunderts. Sienesische, florentinische, lombardische
Bauleiter wechseln ab oder wirken neben einander , immer aber überwiegen
noch diese letzteren. Erst um 1372 erfolgt der definitive Sieg der toscanisch-
gotischen Richtung über die comaskisch-romanische. Während dieser ganzen
Zeit nimmt die innere Ausgestaltung der Kirche, vor allem der Bau des Quer-
518
Litteraturbericht.
Schiffes und des Chores alle Kräfte in Anspruch. Die Sculptur wird kaum
irgendwo zur Mitwirkung herbeigezogen und die wenigen erhaltenen Beispiele
geben einen überaus geringen Begriff von ihrer Leistungsfähigkeit. In solcher
Gesellschaft also wäre ein Werk von dem künsterischen Maass des hl. Martin
schwerlich unterzuhringen.
Aber auch bei der frisch aufblühenden toscanischen Sculptur dieser
Zeit findet Schmarsow keinen Raum für seine Gruppe. Von Giovanni Pisano
bis Orcagna hinauf wird das Wesen und die künstlerische Eigenart eines jeden
der führenden Meister geschildert. Diese Gharakterzeichnungen gehören mit
jener des Niccolö Pisano in ihrer prägnanten Erfassung des Persönlichen bei
einem zugleich freien Blick für dasjenige, was Ausdruck der treibenden Kräfte
der Zeit ist, zu den glücklichsten Parthieen des Buches. Als Resultat der
Betrachtung ergiebt sich , dass der Heilige und der Bettler in der schlichten
Wahrheit' ihres Gebahrens weder formal , noch in der Auffassung mit irgend
einer der verschiedenen Erscheinungsformen der toscanischen Trecentoplastik
in Einklang zu bringen sind.
Ist nun aber an einen toscanischen Bildhauer nicht zu denken, so wäre
es noch immer möglich, dass ein im Gefolge eines der comaskischen Bauleiter
nach Lucca gekommener marmorarius seine Hand hier im Spiel gehabt hätte.
In der That bemerkt Schmarsow, dass der hochbeinige, langgestreckte Gaul
des hl. Martin, im Gegensatz zu den kleinen und gedrungenen, mehr an die
Antike sich anlehnenden Pferdebildungen, wie man sie diesseits des Apennin
antrifft, seine unverkennbaren Verwandten bei den Reitermonumenten im
nördlichen Italien hat. Indess erscheint ihm doch, trotz dieser Aehnlichkeiten,
die Gruppe in Lucca den geringwerthigen Leistungen auf den Veroneser und
Mailänder Grabmonumenten weit überlegen und »getragen von der gewalti-
geren Auffassung der romanischen Zeit«, so dass auch hier die Annahme
einer gleichzeitigen Entstehung abzu weisen ist.
Darf der hl. Martin also nicht, wie Ridolfi will, in die zweite Hälfte
des 14. Jahrhunderts gesetzt werden, wohin gehört er dann? Auch darauf
weiss Schmarsow Antwort. Nach seiner Ansicht steht die Gruppe in nächster
Beziehung zu den Reliefdarstellungen neben dem Hauptportal, sowohl was die
Tracht und die Typen, als was Auffassung und Technik betrifft. Der Reiters-
mann erinnert ihn an Figuren aus der Legende, der Bettelmann an solche
aus den Monatsbildern. Ja er ist nicht abgeneigt, dem Künstler der beiden
Reliefreihen — früher nahm er deren zwei an — auch den hl. Martin zuzu-
schieben. Auf alle Fälle, meint er, muss er in der Zeit nach 1233 und vor
dem ersten Auftreten des Niccolö Pisano entstanden sein.
Man kann einen Beweis nicht umständlicher vorbereiten und gewissen-
hafter durchführen, als es hier geschehen. Trotz alledem scheint mir die
Argumentation keinesw'egs zwingend zu sein. Zunächst ist eß mir nicht mög-
lich, bis auf eine allgemeine Verwandtschaft des Costüms die behauptete Ueber-
einstimmung der Gruppe mit den Reliefs zu erkennen, ja der antikisirende
Kopf des Martin entfernt sich soweit als möglich von den knorrigen Typen
der Legende. Am entscheidensten gegen Schmarsow’s Datirung spricht aber
Litteraturbericht.
519
meines Erachtens die Durchbildung der Formen, die alles im 13. Jahrhundert
Geschaffene hinter sich lässt. Eine Fähigkeit der Wiedergabe des Stofflichen,
wie sie der Mantel des Heiligen und dessen rechter Aermel zeigen, dürfte
sich vor Giovanni Pisano schwerlich irgendwo finden. Weder Niccolö noch
auch Giovanni vermögen eine Hand zu zeichnen, wie die Rechte des Martin
(falls diese nicht überhaupt einer späteren Restauration angehört), noch
Beine so durchzubilden, wie diejenigen des Bettlers. Nicht als ob der Meister
der Luccheser Gruppe der grössere Meister wäre. Weit entfernt. Wie der
Heilige den Oberkörper um seine Axe dreht, ohne dass die Beine von
der Bewegung berührt werden, wie er starr hinausschauend sein Geschäft ver-
richtet, ohne den Hülfesuchenden eines Blickes zu würdigen , sind Züge be-
sonderer Unbeholfenheit. Gerade sie aber verrathen, dass das fortgeschrittene
Verständniss der Form hier ein Gemeingut einer fortgeschritteneren Kunst ist
und nicht das Eigenthum einer ihre Zeit überragenden Individualität. —
Von den Bildwerken der Fassade von S. Martin sind es einzig die
Reliefs über der linken Seitenpforte, die bisher mit einem bestimmten Namen
in Verbindung gebracht wurden. Freilich gingen auch da die Ansichten stark
aus einander in wie weit man die Arbeiten dem Meister selbst und dann
welcher Periode seiner Thätigkeit , in wie weit man sie Schülerhänden zuzu-
schreiben habe. Schmarsow nun spricht sich unbedingt für den Meister selbst,
für Niccolö Pisano, aus. Eine geschickte, wenn auch etwas kühne Emen-
dation einer nicht ganz klaren Stelle bei Vasari lässt ihn auch hier schon
ein Zeugniss für seine Ansicht finden. Die genaue Analyse der Werke giebt
ihm dann hinreichende Anhaltspunkte, die Entstehung derselben im unmittel-
baren Anschluss an die Pisaner Kanzel, »um 1263«, zu vermuthen. Damit
stimmen auch die dürftigen Indicien , die sich aus der Baugeschichte vom
Dom zu Lucca gewinnen lassen. — Mit einem Beschluss von 1261 wendet sich
die Bauthätigkeit andern Theilen der Kirche, zunächst dem Campanile zu.
Von der Vorhalle ist nicht mehr die Rede. Es ist also anzunehmen, dass
die Arbeiten für dieselbe damals, wenn nicht schon zum Abschluss gebracht,
so doch in festen Händen waren und der Vollendung enigegengingen. Aus-
geschlossen ist damit freilich nicht, dass die linke Seitenthüre schon um
mehrere Jahre früher entstanden und wir hier also, wie manche annehmen,
ein Erstlingswerk Niccolö’s zu sehen hätten. Selbst wenn sie, wie mit Sicher-
heit behauptet werden darf, das letzte Glied im figuralen Schmuck der Martins-
fassade war, könnte ihre Fertigstellung in das Decennium 1250 — 1260 fallen.
Hier eben setzt Schmarsow mit seiner Stilkritik ergänzend ein. Nach ihm lässt
sich in den Bildwerken über der Thür ein deutliches Hinauswachsen über die
pisaner Kanzelreliefs erkennen und während er in der complicirten Darstel-
lung auf dem Architrav Elemente findet, die schon sichtlich auf die spätere
Kanzel in Siena hinweisend), so »scheint ihm bei dem Tympanon der Hinblick
d) Wie aber erklärt sich das Vorkommen eines völlig gothischen Fensters
im Hintergrund zwischen Verkündigung und Geburt, während Niccolö sonst doch
immer und auch in der Sieneser Kanzel sich noch an wesentlich romanische
Formen hält?
520
Litleraturbericht.
auf die Area di S. Domenico zu Bologna geboten«. Ueber die Urheberschaft
an dieser letzteren herrschen bekanntlich noch starke Meinungsverschieden-
heiten. Schmarsow hält dafür, dass der Antheil, den Niccolö und Fra Gu-
glielmo an der Arbeit gehabt, mit Sicherheit nicht zu scheiden sei. Die Compo-
sition aber möchte er doch dem Hauptmeister gewahrt sehen, während er in
einigen Einzelfiguren den Stil des mönchischen Bildhauers erkennt. Meines
Erachtens liegt indess die Sache hier doch wesentlich einfacher. Documen-
tarisch ist Niccolö’s Urheberschaft wohl verbürgt, aber auch eine genaue stil-
kritische Untersuchung wird zu keinem anderen Ergebniss gelangen. Manches
Fremdartige ist sicher nur auf die glatte Ausführung in dem wenig monu-
mentalen Material, dem Alabaster, zu schieben. Für die Typen wird man die
Analogieen eher bei der Kanzel von Siena, der das Werk auch zeitlich ganz
nahe steht, als bei derjenigen in Pisa suchen müssen. Dem Fra Guglielmo
einen irgend kenntlichen Antheil an dem Werke zuschreiben zu können,
scheint mir ausgeschlossen. An lebensvollem individuellem Ausdruck, in der
klaren, nicht überladenen Gewandanordnung, endlich in der verständnissvollen
Formdurchbildung stehen die Reliefs an der Area des Dominicus nicht nur
über den Kanzeldarstellungen in S. Giovanni fuorcivitas, sie zeigen überhaupt
einen anderen Stilcharakter. Um noch auf eine bezeichnende Einzelheit auf-
merksam zu machen : das Ohr Niccolö’s hat durchgängig eine breite Muschel
mit auffallend grosser Oeffnung, während es bei Fra Guglielmo vielfach eine
verkümmerte Gestalt, nirgends aber den ausgesprochenen Typus aufweist, wie
er sich in den Dominicusreliefs findet. Ich vermag auch keinen stilistischen
Unterschied zwischen den Reliefs der Vorder- und denen der Rückseite zu
entdecken. Die Letzteren sind nur, dem dem Beschauer abgewandten Stand-
ort entsprechend, roher und oberflächlicher behandelt.
Dagegen kann man Schmarsow wohl unbedingt beistimmen, wenn er
andeutet, dass das Weihwasserbecken in S. Giovanni fuorcivitas, das viel-
fach dem Fra Guglielmo zugeschrieben wird, für Niccolö Pisano in Anspruch
zu nehmen sei. — Statt dessen möchte ich dem Ersteren einen Marmorengel
in der Galerie zu Lucca geben, der meines Wissens mit ihm noch nicht in
Verbindung gebracht wurde.
Für die Kreuzabnahme des Tympanon , die an Geschlossenheit der
Gomposition und Grossartigkeit des Ausdrucks immer die erste Stelle unter
Niccolö’s Werken einnehmen wird, sucht Schmarsow den Zusammenhang mit
byzantinischen Schulvorlagen glaubhaft zu machen. Dies im Gegensatz zu
der von andern Forschern behaupteten Abhängigkeit der Darstellung von einem
der Kanzelreliefs in S. Leonardo in Arcetri zu Florenz. Indess sind die Bei-
spiele, die er zur Begründung seiner Ansicht beibringt, wenig überzeugend.
Sowohl das Recept aus dem Malerbuch vom Berge Athos als die Dar-
stellung auf der Thür des Barisanus in Ravello lassen die Mutter das Antlitz
des vom Kreuz genommenen Christus küssen. Bei Niccolö aber schmiegt
Maria ihr Gesicht an den herabhängenden rechten Arm ihres Sohnes, ganz
ebenso wie es der unbekannte Bildner der florentiner Kanzel schildert.
Die byzantinische Tradition ist ja auch hier gewiss nicht zu leugnen.
Litteraturbericht.
521
aber es spricht doch Alles dafür, dass sie Niccolö auf dem Umweg über jenes
Werk aus S. Leonardo kennen lernte. Bei einem Meister, dessen Entwick-
lung noch so vielfach umschleiert ist, sollten jene Momente, die geeignet sind,
Licht auf die Quellen seiner Bildung zu werfen , nicht ohne Noth in Frage
gestellt werden ^). —
Ich kann nicht umhin , hier einer litterarischen Fehde Erwähnung zu
thun, die auf abgelegenem Gebiete (Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissen-
schaft) geführt, den Fachgenossen wohl nur durch Zufall bekannt wurde. Sie ist
erwähnenswerth, weil sie sich um einen Punkt dreht, dem seiner Zeit eine über-
triebene Bedeutung beigemessen wurde. Bei einer Besprechung des Berliner Sculp-
turenkataloges sagt Prof. G. Frey gelegentlich der biographischen Notiz über Niccolö
Pisano, die sich auf Milanesi’s Forschungen stützte: »Eine Ortschaft Puglia hat
niemals existirtc. Darauf erwidert Schmarsow, der sich in dem vorliegenden Buche
gleichfalls Milanesi’s Deutung zu eigen gemacht hatte, dass Ripetti in seinem Dizio-
nario geografico-fisico-storico della Toscana etc. ausdrücklich von einem Apulia
oder Puglia di Lucca spricht, dass sich ferner in einer Anzahl von Documenten der
Zusatz de Apulia, der auch in der berühmten Urkunde vom 11. Mai 1265 — 66
hinter dem Namen von Niccolö’s Vater Petrus steht, zweifellos auf diese im Sub-
urbium Lucca’s gelegene Gegend beziehe, nie aber das süditalienische Apulien
bedeuten könne, in welchem Fall der mittelalterliche Sprachgebrauch (wieder nach
Milanesi) . den Ausdruck de parübus Apuliae verlangte. Aus den sich daran an-
knüpfenden, mit viel Gelehrsamkeit, aber um so weniger Verbindlichkeit geführten,
Repliken und Dupliken scheint 'sich nun Folgendes als Resultat zu ergeben. Eine
Ortschaft Puglia hat allerdings niemals existirt. Es muss vielmehr heissen Pulia
mit dem Accent auf dem 1. Auch de Apulia in Luccheser Urkunden muss gelesen
werden de Apuh'a. Wann das a ausfiel, lässt sich mit Sicherheit nicht nachweisen.
Dagegen ist die Angabe, zur Bezeichnung einer Provinz oder einer Landes »müsste
dem Namen derselben de partibus vorgesetzt werden , durch eine lange Reihe
gegentheiliger Beispiele, die Frey anführt, hinfällig. Die Ortsbezeichnung de Apulia
hinter dem Namen von Niccolö’s Vater kann sich also ebensowohl auf das Reich
im Süden wie auf die Gegend bei Lucca beziehen , so lange wir nicht wissen , auf
welche Silbe in diesem Fall der Ton zu legen ist. Aber braucht es da selbst das
Hilfsmittel, zu dem Schmarsow neigt, die Ortsangabe in dem erwähnten Docu-
ment nur auf den Vater zu beziehen, was allerdings wider den Gebrauch geht, und
nicht auf den Sohn, der sonst freilich stets als Pisaner genannt wird? Was uns
interessirt, ist doch nur die künstlerische Herkunft, und zum Nachweis, woher Nic-
colö seine antikischen Figuren geholt, genügen die Antiken Pisas vollauf. Wie
wenig bei dieser Controverse für die Sache j um die es sich handelt , heraus-
kommt, beweist Frey, der doch den Streit vom Zaune gebrochen hatte, selbst, in-
dem er seiner anfänglichen Behauptung : die Frage über Nicola Pisano’s künst-
lerische Herkunft ist von der nach seinem Geburtsort nicht zu trennen , zum
Schluss die Versicherung entgegensetzt, dass es ihm persönlich höchst gleichgültig
ist, woher Nicola Pisano stammt. Das möge ihn aber doch nicht abhalten, die
dem süditalienischen Denkmälerbestand entnommenen Beweise für seine so oft
wiederholte und nie begründete Behauptung, dass Niccolö nur ein decadirender
Ausläufer der grossen staufischen Kunst sei, recht bald zu veröffentlichen und so
die Angelegenheit aus dem Bereich philologischer Haarspalterei in den der kunst-
historischen Kritik, dem sie allein angehört, zu erheben.
522
Litteralurbericht.
Jm Uebrigen sieht auch Schmarsow in Niccolö Pisano den letzten und
höchsten Vertreter einer Kunstperiode, deren Tage gezählt sind. Der Anblick
antiker' Formenschönheit weckt das Echo in seiner Seele und mit unbehol-
fenen Händen, aber »des Gottes voll« schafft er Werke, in denen der Drang
einer Zeit, die noch Freude hat an der sinnlichen Erscheinung um ihrer
selbst willen, zu vollem Ausdruck gelangt. Wie bei jeder ihre Umgebung
überragende Gestalt wird aber auch hier ein geheimnissvoller, rein persön-
licher Rest übrig bleiben, für dessen Erklärung kein Schulzusammenhang,
auch wenn er bis in seine letzten Fäden hinein verfolgt werden könnte,
ausreicht.
Ich muss es mir versagen, auf die übrigen hier und da eingestreuten
Bestimmungen und Forschungsresultate näher einzugehen. Hoffentlich finden
wir sie bald, in einen systematischen Zusammenhang gebracht, in dem ersten
Band einer Geschichte der italienischen Plastik, die Schmarsow uns in Aus-
sicht stellt. V. Tschudi.
Kunstgewerbe.
Deutsche Goldschmiede-Werke des sechzehnten Jahrhunderts. Von
Dr. J. H. von Hefner-Altenek. Frankfurt a. M. Verlag von Heinrich
Keller. 1890.
Die Vorlagen für diese Veröffentlichung boten ein Band der Hof- und
Staatsbibliothek in München und dann ein Pergamentband im Besitze des
Herausgebers. Hier und dort sind theils Abbildungen in Miniaturmalerei nach
Werken der Goldschmiedekunst enthalten, wie sie sich im Schatz des bayrischen
Herzogshauses um die Mitte des 16. Jahrhunderts befanden, theils Entwürfe
für solche. Der Maler des einen wie des andern war Hans Müelich, doch führ-
ten auch die meisten Entwürfe für die ausgeführten Werke, die er in Abbildung
gab, auf ihn als Urheber zurück. Auf mehreren der Blätter findet sich sein
Monogramm, einzelne sind datirt 1546, 1554 (vgl. Taf. VI, VII, XVI, XXIV,
XXX). Es waren Herzog Albrecht V. und dessen Gemahlin Anna von Oester-
reich, welche den glücklichen Gedanken hatten, für ihren Schatz an Meister-
werken der Goldschmiede- und Juwelierkunst durch Hans Müelich eine Art bild-
liches Inventar anfertigen zu lassen — ein glücklicher Gedanke, denn von dem
damals gesammelten Schatz ist heute so viel wie nichts mehr erhalten, Geld-
noth und Geschmacksbarbarei haben an der Vernichtung desselben in gleicher
Weise theilgenommen. Der eine Theil dieses Bildinventars befindet sich, wie
erwähnt, in der Hof- und Staatsbibliothek, der andere, wie es scheint kost-
barere, im Besitze des Herausgebers, der ihn, wie er erzählt, 1846 von dem
Antiquar Kronacher in Bamberg um 225 Gulden erwarb. Aus dem herzog-
lichen Besitz in München muss dieser Band früh fortgekommen sein, da die
alte Lederdecke' des Einbands das Bibliothekzeichen der Kurfürstin Magdalena
Sibylla von Sachsen (t 1659) trug. Ueber die künstlerische Ausführung Müe-
lich’s schreibt der Herausgeber: »In geradezu wunderbarer Naturtreue, wie
soeben aus der Schatulle genommen, liegen' die Kleinodien da, mit aller ihrer
Lilteraturbericht.
523
Farbenpracht an Gold, Email, Perlen und edlem Gestein, darin sich der Glanz
des Tages, durch das Fenster herelnfallend, spiegelt. Trotzdem die Malerei
dem oberflächlichen Blick mit minutiöser Feinheit ausgeführt zu sein scheint,
entdeckt man bei genauer Betrachtung eine erstaunlich mühelose Pinselführung
und eine Vernachlässigung aller genauen Maasse, denn durch Nachmessungen
zeigt sich, dass der Meister bei seiner Arbeit kaum einen Zirkel gebrauchte.«
Da der Herausgeber nun aber bei allen seinen Veröffentlichungen in erster
Linie den Zweck verfolgt, Vorlagen dem Kunstgewerbe zu bieten, und erst
in zweiter Linie kunstgeschichtliche Belehrung beabsichtigt, so hat er mit Recht
die Zeichnung regulirt und klargestellt, um dem Goldarbeiter und Juwelier die
Aufgabe zu erleichtern. Doch ist dies mit der liebevollsten Vorsicht geschehen,
und die farbige Wiedergabe ist nicht bloss in Bezug auf das Material von
grösster Treue, sondern auch der Glanz der farbigen Erscheinung der Vor-
lagen, der malerische Reiz, den Müelich seinen Abbildungen zu geben wusste,
scheint in den von der Firma Osterrieth in Frankfurt hergestellten Tafeln voll-
kommen gewahrt zu sein. Die 30 Tafeln der Publication bringen 122 Ab-
bildungen. Nur einige Prachtstücke seien hervorgehoben: Auf den Tafeln 1
und 15 je ein Federwedel mit Spiegel; beide Stücke beweisen, erstens dass
man in Deutschland um diese Zeit noch an dem Federwedel festhielt, und
zweitens, mit welcher Pracht die Griffe der Wedel ausgestattet wurden. Taf. 6,
monogrammirt und datirt 1546, der prächtige Henkelpokal; von diesem Pracht-
stück findet sich nur mehr der grosse bimförmige ungeschliffene Smaragd,
der den Deckel krönte, in der k. bayrischen Schatzkammer vor. Ein Damen-
schmuck mit wunderlicher Bestimmung ist auf Tafel 20 abgebildet: er besteht
aus dem Pelze eines Edelmarders, an welchem sich Kopf und Tatzen des
Thiers aus Gold gearbeitet befinden. Der Kopf ist mit einem emaillirten und
mit Edelsteinen besetzten Zaume versehen, mittels dessen Kette das Ganze an
dem Gürtel der Dame befestigt war. Dieser kostbare Luxusartikel, der von den
vornehmen Damen als Schmuck getragen wurde, hatte den Zweck, kleines Un-
geziefer zu fangen, das aus den feinen Haaren des Pelzes den Ausweg nicht
fand. Auf Tafel 22 ein Pokalentwurf (A) von besonderem Adel der Form und
Ornamentik, wie der Herausgeber vermuthet, von Müelich nicht für das bay-
rische Herzogshaus, sondern für einen Patrizier der Stadt Augsburg oder Nürn-
berg entworfen. Auf Tafel 24 ein Prachtkrug mit einer Charitas, die in
der Rechten ein Herz von Rubin mit einem goldenen A hält, auf dem Deckel.
Das A deutet wohl auf Herzog Albrecht als Besteller hin. Auf Tafel 27 die
prachtvolle Dolchscheide, bei deren Ornamentik Müelich, wie der Verfasser
wohl richtig vermuthet, durch ähnliche Entwürfe Holbein’s beeinflusst worden
sein mag. Endlich Tafel 30 mit einer Prachtkette (Umlege-), bezeichnet H. M.
und 1554, die die ganze Frische und Originalität, welche Müelich den Ent-
würfen solcher Schmuckstücke zubringt, in hellstem Lichte zeigt. Es ist sehr
zu wünschen, dass diese Entwürfe der Abbildungen Müelich’s in den Werk-
stätten der Goldschmiede heimisch werden; für den Kunsthistoriker haben sie
ausserdem ein Interesse, weil sie zeigen, dass Müelich, der in seinen Tafel-
bildern, besonders religiösen Inhalts, von Manierismus nicht frei ist, in seinen
524
Notizen.
kunstgewerblichen Entwürfen den Hauptmeistern der deutschen Renaissance
auf diesem Gebiete sich würdig anschliesst. So ergänzt diese neue Gabe Hef-
ner’s in willkommener Weise sein Monumentalwerk »Kunstwerke und Geräth-
schaften etc.« H. J.
Notizen.
[Der Dom zu Mainz in frühromanischer Zeit.] Im Karlsruher
Alterthumsverein hielt Architekt Franz Jacob Schmitt am 23. April 1891 einen
Vortrag »über den Mainzer Dom in frühromanischer Zeit« und versuchte den
Nachweis zu erbringen, dass im Ostchore und Mittelschiffe sich heute noch
die Grundlinien des ursprünglichen Baues vorfänden , wie derselbe von Erz-
bischof Willigis 978 gegründet und von seinen nächsten Nachfolgern, nament-
lich Bardo (1031 — 1051), fortgesetzt wurde. Noch jetzt schliesst sich an die
beiden östlichen Rundthürme im Aussenbaue ein Querhaus, das im Innern
durch die Einbauten von Kuppel, Durchgängen und darüber befindlichen Ora-
torien den Charakter dos Querschiffes total verloren hat. Denkt man sich das
Querschiff ohne diese Einbauten, so erhält man ein crux commissa, die Tform,
wie sie die alten Basiliken Roms von St. Peter und von St. Paul fuori le
mura aufgestellt, wie dieselbe von da auf den Urbau der Abteikirche zu Saint-
Denis, das Münster und St. Stephan in Strassburg, die Benedictiner-Kloster-
kirche zu Eschau im Eisass und den Westchor des Augsburger Domes über-
gegangen ist. Das Motiv der Kuppel kannte der ursprüngliche Mainzer Dom
noch nicht, mit der Aufstellung desselben hing aus constructiven Gründen
der Umbau des Ostchores zusammen. Als man sich in Mainz zum Aufbau
der achteckigen Ostkuppel direct an der Goncha entschloss, da gab man das
bis dahin bestandene Querschifif im Innern auf, weil die zwei nothwendigen
Gurtbogen der Längenachse wohl gegen das Mittelschiff, nicht aber auch
gleichzeitig gegen die Concha das erforderliche Widerlager, um dem Seiten-
schube zu begegnen, besessen hätten. So entstanden die zwei Mauern unter
der Kuppel nach Nord und Süd, es entstand die zweigeschossige gewölbte
Anlage in den beiden Armen des ursprünglich ungetheilten östlichen Quer-
schiffes. — Franz Mertens sagt im Texte seiner Denkmalkarte, Berlin 1864,
S. 18: »Der Einfluss der römischen Baukunst des Locals ist am Milteirhein
nicht weniger wie anderwärts^ und am Niederrhein zu bemerken. Die Ar-
caden des Domes zu Mainz sind in der Gestaltung ihrer Figuren ganz eben
solchen einer Wasserleitung bei Mainz nachgeahmt.« Dies hat seine Richtig-
keit, und da die römische Wasserleitung, welche in einem oberen steinernen
Leitungscanale auf circa 500 Pfeilern das Trinkwasser einer Quelle aus der
Gegend bei Finthen am Dorfe Zahlbach vorüber nach dem Mainzer Gastrum
brachte, heute nur noch in dem aus unregelmässigem Gussmauerwerke be-
stehenden Pfeilerkerne erhalten ist, so empfiehlt es sich, einen ähnlichen
Notizen,
525
römischen Aquäduct diesseits der Alpen zu suchen, der gleich dem bei Mainz
Aussenflächen von Quadersteinen besessen. Bei Saintes an der Charente
findet man eine römische Wasserleitung, welche Merian, Topographia Galliens,
1661 abgebildet hat. Auch hier war ein Thaleinschnitt, wie solcher nächst
Zahlbach bei Mainz, zu überschreiten, und lösten die Römer ihre Aufgabe
derart, dass sie den gleichen Pfeilerquerschnitt von unten bis oben , unbe-
kümmert um die Pfeilerhöhe, beibehielten. Wie dies bei dem Werke in Saintes,
so war es wohl ganz ebenso bei dem in Mainz, Ein so mächtiges Bauwerk,
wie dieser römische Aquäduct bei Mainz, stand sicher zur Karolingerzeit noch
wohlerhalten aufrecht und hat erst in späteren Jahrhunderten für Neubauten
als Steinbruch gedient. Ein solches Riesenwerk musste Eindruck machen
und zeigen bereits die Arcaden der 827 vollendeten Einhardt-Basilika in
Steinbach bei Michelstadt einen Anschluss an das Mainzer Vorbild aus der
Römerzeit; Pfeiler von quadratischem Grundrisse, die Lichtweite 2^/4 der Pfeiler-
stärke, Proportionen , welche schon beim Aquäducte erscheinen ; auch das
Kärapfergesims nur nach der Tiefe, da wie dort. Die St. Michaelis-Basilika
auf dem oberen Heiligenberge bei Heidelberg hat wohl ganz ähnliche Bogen-
stellungen aus der Zeit von 883 — 891 gehabt. Betrachtet man das Langhaus
des Mainzer Domes, so findet man das erste östliche Joch des Mittelschiffes
wiederum genau in der Gestaltung der römischen Wasserleitung, gleiche Pro-
portionen und das Fehlen des Kämpfergesimses in der Vorderfront der Pfeiler,
und zwar bei dem auf der Nord- wie auf der Südseite. Dazu kommt noch,
dass das Fenster genau in der Achse der Pfeileröffnung erscheint, was bei allen
folgenden nicht mehr staltfindet, da sind immer zwei Fenster zu einem Paar
zusammengerückt, und geschah dies aus dem constructiven Grunde, um die
Orthogen für die Kreuzgewölbe des Mittelschiffes bequem und solid hersteilen
zu können. Endlich fehlt im ersten Joche das Arcadengesims im Innern und
die Lisene mit zugehörigem Rundbogenfriese aussen. Als Resultat ergibt sich,
dass wir im Ostjoche des Mainzer Domes das primitive Bausystem heute noch
besitzen, welches dem flachgedeckten Basilikenbau entsprach; dagegen in allen
folgenden Jochen das auf Ueberwölbung berechnete System der Pfeiler mit
vorgelegten Halbsäulen, mit den Blendarcaden nebst Arcadengesims innen,
den Lisenen und Rundbogenfriesen aussen. — Die Pfeiler der römischen
Wasserleitungen bei Mainz und bei Saintes hatten quadratischen Grundriss,
und bei den drei mittelrheinischen Domen wählte man den gleichen Quer-
schnitt, womit man aber sicherlich von Anfang an die Absicht, die Seiten-
schiffe einzuwölben, verbunden hat. Ohne diese ursprünglich beabsichtigte
und ausgeführte Einwölbung der Seitenschiffe anzunehmen, wäre nämlich
eine Pfeilerstärke von rund 2 m Länge und 2 m Breite, also eine Grundfläche
von 4 Qm ganz undenkbar. Wenn man um das Jahr 1030 die Scheidebogen
und die darüber aufsteigenden Mittelschiffmauern mit nur 1 m in der Bene-
dictinerabteikirche zu Limburg an der Haardt zur Ausführung brachte, so
kann man gleichzeitig im nahen Speyer, Worms und Mainz unmöglich Pfeiler,
Scheidebogen und Obermauern mit rund 2 m planen und ausführen , wenn
in allen vier Kirchenbauten mit ungefähr gleich breiten Mittel- und Seiten-
526
Notizen,
schiffen hätten flache Holzdecken im ganzen Langhause gemacht werden
sollen. Die Mittelschiffmauern in der Abteikirche zu Limburg haben eine
Stärke im Verhältnisse zu ihrer Höhe gleich 1 : 20; dasselbe im Mainzer
Dome gemessen ergibt gleich 1 : 13. Aus diesem grossen Unterschiede geht
hervor, dass die von Erzbischof Bardo (1031 — 1051) im Jahre 1036 geweihte
Mainzer Domkirche ohne Zweifel Gewölbe in den Seitenschiffen besass; dass
sie aber nur eine getäfelte Holzdecke über dem Mittelschiffe hatte, ist ur-
kundlich festgestellt.
[Der Meister des Doms zu Faenza.] Durch ein vom Domherrn
Biasoli im Archiv zu Faenza aufgefundenes und von J. Graus (zuerst im
»Kirchenschmuck« Jahrg. XIX, Nr. 7 und später in der »Zeitschrift für bild.
Kunst« Jahrg. XXIV, S. 164 fT.) publicirtes Document sind wir jüngst über
den Erbauer des Domes jener Stadt in authentischer Weise aufgeklärt worden.
Als solcher wird in der vom 18. Mai 1481 datirten Urkunde »magister Julianus
de Florentia« angegeben, ein Name, der von ihrem obengenannten Herausgeber
als Guiliano da Majano erklärt wurde, obwohl er sich auch auf irgend einen
andern florentinischen Architekten gleichen Namens jener Zeit hätte beziehen
und vor allem auf Giuliano da Sangallo deuten lassen, von dem wir ja wissen,
dass er in einer späteren Epoche seines Lebens auch in jenem Theile Ita- ‘
liens, nämlich bei der Einwölbung der Kuppel von S. Maria in Loreto be-
schäftigt w’ar (1499 — 1500). Jeder Zweifel an der Richtigkeit der Graus’schen
Deutung wird nun aber durch das Zeugniss eines gleichzeitigen Documentes
behoben, das — obwohl dieseg seit geraumer Zeil gedruckt vorliegt — bisher
der Aufmerksamkeit der Forscher entgangen zu sein scheint, denn sonst wäre
die Frage nach dem Urheber des Faentiner Doms schon lange entschieden.
Es findet sich in dem ersten der drei von C. Milanesi im »Giornale storico
degli Archivi toscani« t. III, p. 233, 234 veröffentlichten Briefe Anton Giacomo
Veniero’s, Cardinais von Cuencha, an Lorenzo de’ Medici. In diesem vom
1. Februar 1478 aus Rom datirten Schreiben ersucht der Cardinal den letzteren
um seine Intervention bei »Maestro Giuliano Majano«, auf dass er das ihm bei
seiner Abreise von Recanali gegebene Versprechen, zu Beginn des Frühlings
dorthin zurückzukehren und die Arbeiten an seinem Palast wieder aufzunehmen,
erfülle. »Et per che dubitarno — so lautet die für uns entscheidende Stelle
des Schreibens — che non sia inviluppato nella opera della chiesa de Faenza,
et in altri lavori costi (d. h. in Florenz) vi pregamo . . . Et se lui dubita delle
cose de Faenza, noi alla venuta sua qua gli faremo tal favore, che serrä ben
satifatto (sic) ecet.« — Dass hier unter »chiesa de Faenza« der Dom gemeint
ist, kann keinem Zweifel unterliegen, wenn wir die urkundlich feststehende
Thalsache uns vor Augen halten, wonach am 26. Mai 1474 der Grundstein
zu dem Bau gelegt , in den nächsten drei Jahren die Chorpartie sammt
.QuerschifT und Kuppel, in den folgenden aber die erste Travee des Lang-
schiflfes sammt ihren vier Seitencapellen aufgeführt, die übrigen drei aber erst
1511 — 13 vollendet wurden (Montanari, Guida storica di Faenza 1882, p. 44 ff.)
Es fällt also das Schreiben des Cardinais gerade in eine Periode reger Bau-
Notizen.
527
thätigkeit am Dom, und seine Besorgniss, Giuliano da Majano möchte dadurch
von der Weiterführung seines Palastbaues abgehalten werden, erscheint ganz
gerechtfertigt. Was der Cardinal indess unter den im Schlusssatz seines
Briefes berührten Zweifeln oder Besorgnissen Giuliano’s um die Angelegenheit
des Faentiner Baues, sowie unter der als Heilmittel dagegen ihm von Seiten
des Briefschreibers in Aussicht gestellten Gunstbezeugung gemeint habe, sind
wir nicht im Stande sicher aufzuklären. Eine Handhabe zu einer ganz ver-
muthungsweisen Deutung scheint sich uns in dem Schlusssätze des von Biasoli
entdeckten Documents zu bieten: »Et quod dictus mag. Mariottus (der einige
Zeilen vorher schon als Bauführer Giuliano’s genannt wird) si volet laborare
circha dictam ecclesiam, debeat laborare sub Juliano et usque quod ipse Ju-
lianus duxerit laborandum etc.« Offenbar hatte Giuliano, der in der zweiten
Hälfte der siebziger Jahre eine Anzahl bedeutender Arbeiten zu gleicher Zeit
zu fördern hatte (Bau des Domes von Faenza und des Palastes Veniero in
Recanati seit 1474^ Thüre der Sala dell’ Udienza im Pal. vecchio zu Florenz
seit 1475, Dreisitz im Dom zu Pisa, für den er 1477 bezahlt wird, Decke in
der Sala del Gonsiglio des Pal. Vecchio seit 1479, vielleicht auch schon in dem-
selben Jahre Berufung zu dem Dombau von Loreto) den Genannten zu seinem
Stellvertreter in Faenza bestellt, und dieser scheint sich im Laufe der Jahre
bei der häufigen Abwesenheit des Meisters einigermaassen emancipirt zu haben,
vielleicht unter Mithilfe einiger der Mitglieder des Capitels, unter denen er
sich Gönner erworben haben mochte. Sollte dies vielleicht die Ursache der
Besorgnisse Giuliano’s gewesen sein, und sollte die Gunst des Cardinais darin
bestanden haben , dass er auf die Faentiner Bauherrn in der Richtung der
Wahrung der Stellung Giuliano’s als bauleitenden Architekten einwirken wollte,
worauf diese — allerdings erst drei Jahre später — ihren obigen Beschluss
in diesem Sinne fassen und dem Maestro Mariotto ganz entschieden zu ver-
stehen geben, sich jenem unterzuordnen, wenn er weiter an dem Bau be-
schäftigt werden wolle. Dem Namen des letzteren begegnen wir übrigens
nochmals in einer Urkunde aus der Zeit des Faentiner Dombaues, — jenem
von G. Malagola aufgefundenen Vertrag zwischen dem Herrn von Faenza und
dem Medailleur Sperandio, womit sich dieser am 7. Juni 1477 für die folgen-
den fünf Jahre in den Dienst Manfredi’s verpflichtet (s. Atti e memorie della
R. Deputazione di Storia Patria per le Provincie di Romagna III. Serie Vol. I.
fase. 5 und Kunstchronik Bd. XXII, S. 199). Unter den bei Abschluss des
Pactes gegenwärtigen Zeugen findet sich auch: »Magister Mariottus quondam
Johannis, murator capelle sancti Laurentii« angeführt. Nun ist die Capelle
des hl. Lorenzo die den Südarm des Querschiffes abschliessende, gehört also
in der That jenem Theil des Baues an, den wir oben als in den ersten drei
Jahren nach dessen Beginn aufgeführt gekennzeichnet haben. Und hieraus
kann wohl die nicht unbegründete Folgerung gezogen werden, dass Maestro
Mariotto von Anfang beim Bau, und gerade zur Zeit jenes Vertragsabschlusses
mit der Arbeit an genannter Capelle beschäftigt war. Was seine Persönlich-
keit betrifft, so möchten wir in ihm den Vater jenes Domenico di Mariotto
vermuthen, den Giuliano da Majano laut Vasari’s Aussage in der Kunst der
528
Notizen.
Intarsia unterwies und der ihn bei seinen Arbeiten für den Dom zu Pisa
unterstützte. Von Domenico steht es fest, dass er Florentiner war (Vasari II.
469, nota 2), und die Annahme, Giuliano werde sich für den Dom zu Faenza
seinen Bauführer auch aus der Heimat mitgebracht haben, hat zum mindesten
nichts Unwahrscheinliches. Auch der Todesdatum Domenico’s (nach 1519)
lässt sich mit der Annahme, sein Vater sei um 1475 in voller Thätigkeit ge-
wesen, während der Sohn zur selben Zeit als junger Lehrling oder Geselle
bei Giuliano in Pisa arbeitete, ganz gut vereinigen, und für das Verhältniss
des Sohnes zu Giuliano in dem gleichzeitigen des Vaters zu demselben ganz
ungezwungen ein Anknüpfungspunkt vermuthen. C. v. F.
[Ein Bild von Cranach d. Aelt.] In der katholischen Kirche in
Königsberg wurde ein Bild aufgefunden, das Cranach d. Aelt. Zeichen und
das Datum 1532 trägt. Prof. Dr. Dittrich hat darüber in der Zeitschrift für
christliche Kunst (III, S. 326), Propst Johannes Szadowski in der Altpreuss.
Monatsschrift, Bd. XXVIll, Heft 1 u. 2 (1891) in dankenswerther Ausführlich-
keit- berichtet. Darnach behandelt das Bild die Gegenüberstellung von Gesetz
und Evangelium in der Art, wie auf den aus der Granach’schen Werkstatt
herrührenden Altar- und Andachtsbildern in der Stadtkirche zu Schneeberg,
im Museum zu Weimar, im Germanischen Museum, in der Galerie zu Gotha,
im Rudolfinum zu Prag, in der Stadtpfarrkirche zu Weimar anzutreffen ist.
Inschriften erklären die einzelnen Darstellungen. Da die katholische Gemeinde
in Königsberg in Pr. sich in Geldnoth befindet, die Kirche aber dringend der
Ausbesserung und neuer Kirchenmöbel bedürftig ist, so gedenkt die Kirchen-
verwaltung nach Einholung der Genehmigung der Vorgesetzten Behörden das
Cranachbild zu verkaufen. Es ist zu wünschen , dass eine deutsche Galerie
das Bild erwirbt.
Bibliographisclie Notizen.
Analytische und synthetische Phantasie. Von Dr.Hans Schmidkunz.
Halle, Pfeffer 1889, SS. VII, 103. 8».
Der Verfasser macht hier den Versuch, den Gegensatz von Analyse und
Synthese auch in der Phantasiearbeit klarzustellen; Aussprüche der Künstler
über ihr Schaffen, Aussprüche von Kunstgelehrten über Kunstwerke haben
ihn wohl zunächst angeregt, dem Wesen solcher gegensätzlicher Phantasie-
thätigkeit nachzuforschen. Als analytische Phantasie bezeichnet der Verfasser
jene Richtung der Phantasie, welche von dem Ganzen zu dem Theile, von
der Idee zur Erscheinung fortschreitet , als synthetische Phantasie jene Rich-
tung, welche durch Aneinanderreihen der einzelnen Formen oder Glieder zu
dem natürlichen Aufbau des Kunstwerkes gelangt. Diese doppelte Richtung
findet sich ebenso bei dem Schöpfer des Kunstwerkes, wie bei dem Geniessenden
Bibliographische Notizen.
529
vor. Dass eine der beiden Richtungen streng isolirt auftrete, behauptet der
Verfasser nicht; er hätte wohl sagen können, dass die analytische Phantasie
bei dem Künstler, die synthetische bei dem Geniessenden vorwalte. Es be-
gründet dies ganz gut die Werthbestimmung des Verfassers, welcher der
analytischen Phantasie eine höhere Rangstellung als der synthetischen zuzu-
weisen sucht. Mir scheint, dass der Verfasser aus den Arbeiten von G. Fiedler
über den Werth der Kritik und besonders über den Ursprung der künstle-
rischen Thätigkeit noch manche fruchtbare Anregung für seine Arbeit hätte
erhalten können.
Geschichte der Renaissance in Italien von Jakob Burckhardt. Dritte
Auflage. Unter Mitwirkung des Verfassers bearbeitet von Prof. Dr. Heinrich
Holtzinger. Mit 288 Illustrationen. Stuttgart, Verlag von Ebner & Seu-
bert (Paul Neff) 1891.
Die neue (dritte) Auflage der Geschichte der Renaissance- Architektur in
Italien, auf die an dieser Stelle schon gewiesen wurde (XIII. S. ,416), liegt
jetzt vollendet vor. Man darf nun unbeschränkt der Freude Ausdruck geben,
dass es eine pietätvolle Hand war , welche Aenderungen und Ergänzungen
an dem Werke vorgenommen hat. Die Ergänzungen beschränken sich auf
Einfügen von den geschichtlichen Thatsachen, welche die Forschung in
den letzten Jahren ans Licht förderte — so gewannen besonders die Para-
graphen 41, 47, 57, 63, 66, 67, 70, 77, 96, 155. Neu hinzugetreten ist
nur ein Paragraph (46a), Fenster und Thüren der Frührenaissance. Para-
graph 57 wurde erheblich erweitert durch die Heröbernahme der Ausführungen
von August Thiersch über ein Proportionsgesetz der Renaissance-Architektur;
mit diesen Ausführungen fällt auch aufhellendes Licht auf einige früher
schwer zu deutende Stellen in Alberti’s De re adificatoria. Ab und zu ist ein
Satz fortgeblieben, man vermisst ihn ungern, wenn darin ein Urtheil des Ver-
fassers über eine zeitgenössische Erscheinung sich birgt, so der Schlusssatz
von Paragraph 62. Bei Anführung der Hauptfeste im 16. Jahrhundert (Para-
graph 189) blieb unerwähnt das von der Stadt Rom 1515 dem Giuliano ge-
gebene Fest, das bedeutendste jener Jahre, über das nun schon zwei sehr
ausführliche Berichte veröffentlicht wurden (der des Altieri ed. Pasqualucci,
Rom 1881, und der des Paulo Palliolo aus Fano, ed. Bologna, Romagnoli
1885; dazu Repertorium V. 259 ff.); die Seena des Festtheaters wird nach
Vasari in Paragraph 193 erwähnt. Die Zahl der Abbildungen, welche in der
ersten Auflage 160, ist nun in der dritten auf 288 angewachsen. Eine äusser-
liche Aenderung ist es, dass die Anmerkungen in den Text gezogen wurden —
dort aber alle historische Erläuterung durch kleineren Druck von der eigent-
lichen Darstellung gesondert wurde.
Kunst und Künstler am Vorabend der Reformation. Ein Bild aus dem
Erzgebirge. Von Cornelius Gurlitt. Mit 16 Abbildungen. Halle 1890,
Niemeyer (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Nr. 29).
In anziehender lebendiger Weise berichtet der Verfasser über die Cultur-
und Kunstzustände in den Städten des Erzgebirges, Freiberg, Annaberg, Schnee-
530
Bibliographische Notizen.
berg. Für den Fachmann liegt der Schwerpunkt der Schrift in dem Nach-
weis, dass die Gothik gerade an diesen Stellen noch kurz vor ihrem Erlöschen
enlwicklungskräftige Keime getrieben habe. Der Grundriss der Kirche er-
leidet insofern eine Aenderung, als die Streben in die Kirche hineingezogen,
die Mauern zwischen den Streben von deren innerem zum äusseren Ende
hinausgerückt wurden. Die gewonnenen Zwischenräume wurden als Gapellen-
anlagen verwerthet. Dazu trat ein entwickeltes System von Emporen, welche
über den Capellen hinlaufen. Es war damit mehr Raum für die Gemeinde-
mitglieder geschaffen und die Gemeinde trat in ihrem Verhältniss zum Glerus
entschiedener hervor. Da auch die Seitenschiffe in ihrer Breite nur mehr um
ein Geringes von der Breite des Mittelschiffes ahweichen, so tritt der Charakter
des Saalartigen, des Gemeindebaues, der Predigerkirche noch deutlicher her-
vor. Auch im Profanbau sieht der Verfasser Tendenzen sich ankündigen,
welche jenen der Renaissance parallel gehen , nicht aber von ihnen abhängig
sind: grössere Regelmässigkeit in der Gliederung des Grundrisses, im Aufriss
kräftigere wagrechte Theilung der Mauerflächen. Den Beweis dafür liefert
vor Allem das Schloss zu Meissen von Meister Arnold von W'estfalen. Diese
Vorgänge selbst sind nicht zu leugnen, aber ihre Bedeutung scheint mir der
Verfasser zu überschätzen — eine nationale Renaissance der Baukunst dürften
wir doch ohne Dazwischentreten transalpiner Einflüsse kaum erlebt haben.
Dagegen waren ganz andere Ursachen und Kräfte wirksam.
Mittheilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses. Heraus-
gegeben vom Heidelberger Sohlossverein. Bd. II, Heft 4. Mit 20 Tafeln.
Heidelberg, K. Groos 1890.
Den Hauptinhalt dieses Heftes bildet die Abhandlung von A. v. Oechel-
häuser: Sebastian Götz, der Bildhauer des Friedrichbaues. Jeder Beitrag zur
Geschichte der deutschen Plastik ist hochwillkommen; während die deutsche
Kunstforschung schon auf den entlegensten Pfaden der Geschichte italienischer
Plastik sich wohl orientirt zeigt, vernachlässigt sie — man möchte sagen
grundsätzlich — auch die glänzendsten Perioden unserer einheimischen Bild-
nerei. Das gilt vom frühen und späten Mittelalter und gilt vom 15. und
16. Jahrhundert. Die Ahnenstatuen am Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses
können, hält man die Zeit ihrer Entstehung im Auge, mit dem Besten in
Vergleich gesetzt werden , was die damalige Plastik in Italien leistete — und
der Verfasser der vorliegenden Abhandlung kann sagen: »Vergeblich wird
man in den Kunstgeschichten und in den Künstlerlexicis den Namen dieses
Künstlers suchen.« Was der Verfasser über den Künstler erforscht hat, ist
folgendes: In den ersten Tagen des Jahres 1604 zog Sebastian Götz aus Ghur,
ein junger Meister, in Heidelberg ein ; vorher war er als Geselle in der
Münchener Residenz und- in Würzburg beschäftigt. Schon am 27. Januar
wurde der Gontract mit ihm geschlossen. Darnach wollte er mit sechs bis
acht Gesellen »in Jahresfrist mit den 16 Bildern fertig werden.« Andere Ar-
beiten für den Friedrichsbau schoben die Frist hinaus, so das*s erst im Ver-
laufe des Jahres 1607 sämmtliche Statuen an Ort und Stelle waren. Darnach
verlässt Götz Heidelberg, um 1614 durch Kurfürst Friedrich V. zurückgerufen
Bibliographische Notizen.
531
T.\x werden ; damals befand sich der Künstler in Aschaffenburg, wohin er wohl
•schon Anfang 1608 übergesiedelt sein wird. Der Verfasser ist geneigt, vor
Allem in den Bildhauerarbeiten der 'Schlosscapelle — Altarwand, Kanzel, Por-
tal — die Hand des Götz zu erkennen. Der Auftrag, der ihn nach Heidelberg
zog, betraf das Grabmahl Friedrich IV. ; die lange Dauer der Ausführung und
■die grossen Kosten zwingen zur Vorstellung, dass das Grabmal besonders
prächtig gewesen sein müsse; einige dürftige Fragmente im Schlossmuseum
sind alles, was von ihm erhalten blieb. Die letzte urkundliche Nachricht über
den Künstler datirt vom 21. April 1621 ; darüber hinaus fehlen alle Nach-
richten. In der Abhandlung Oechelhäuser’s ist noch hervorzuheben die ein-
gehende Analyse der 16 Ahnenbilder, sowohl in geschichtlicher wie künst-
lerischer Beziehung. Von grossem Interesse ist der Nachweis, dass Götz zehn,
wahrscheinlich elf seiner Statuen nach Vorlagen , die er in Jost Ammann’s
'Bildnissen der Mitglieder des bayerischen Hauses fand, gearbeitet habe. Doch
beschränkte sich diese Anlehnung nur auf Aeusserlichkeiten. Auf die Ab-
handlung Oechelhäuser’s folgt eine von Rockinger mitgetheilte Urkunde vom
17. August 1303, in welcher die beiden Burgen Heidelbergs ihre älteste
Erwähnung finden. Das Heft wird beschlossen durch die Fortsetzung der
Abhandlung Zangemeister’s Heidelberger Ansichten. Er kann diesmal auf eine
schon dem Jahre 1526 angehörige Abbildung hin weisen , welche sich in Seb.
Münster’s Kalendarium Hebraicum (Basel, Froben, 1527) findet.
Gottfried Schadow: Aufsätze und Briefe nebst einem Verzeichniss
seiner Werke. Zur hundertjährigen Feier seiner Geburt, 20. Mai 1764.
Herausgegeben von Julius Friedländer. Zweite vermehrte Auflage (be-
sorgt von Emil Hübner). Stuttgart, Verlag von Ebner & Seubert (Paul
Neff) 1890. *
Sechsundzwanzig Jahre vergingen , bis eine zweite Auflage des liebens-
würdigen inhaltreichen Buches nothwendig wurde. Und wir sind an Künstler-
Selbstbiographien und Aufzeichnungen grosser Künstler über ihre Kunst doch
nicht so reich. Die zweite Auflage kommt nicht unverändert. Zunächst er-
scheint die kurze Selbstbiographie, welche Schadow 1805 und 1806 nieder-
schrieb, in der ursprünglichen Fassung, während sie in der ersten Auflage
<lie Form behalten hatte, in der sie in Meusel’s Archiv für Künstler und Kunst-
freunde gedruckt worden war. Einzelne Aenderungen sind von biographischer
Wichtigkeit. Die Briefe an seine Frau über seine Reise nach Schweden und
Russland sind um drei vermehrt worden. Die wichtigste Bereicherung aber
bildet die Mittheilung des Tagebuchs vom Jahre 1805 bis 1824, das von
gleich starkem Interesse für die Biographie des Künstlers wie für die Charak-
teristik der Stimmung Berlins in der aufgeregten Zeit der Kriegsjahre ist. Hier
findet sich auch eine wichtige Stelle für die Klarstellung des Verhältnisses
von Goethe und Schadow zu dem Blücher-Denkmal in Rostock; die Grimm-
sche Auffassung der Sachlage (Fünfzehn Essays, 4. Folge: Goethe und der
Bildhauer Gottfried Schadow) wird dadurch im Wesentlichen bestätigt. Man
vergleiche jetzt dazu auch Dobbert’s Artikel in der National-Zeitung vom
ol. August 1890. Das Tagebuch einer Reise nach Weimar. 1802, und der
XIV 37
532
Bibliographische Notizen.
Bericht über Thorwaldsen’s Ehrenfeier haben gleichfalls nach der Handschrift
kleine Ergänzungen und Berichtigungen erfahren. Das sorgfältig gearbeitete
Verzeichniss der Werke Schadow’s der ersten Auflage hat insofern Aenderungen
erhalten, als es mit einzelnen Angaben vermehrt und den geänderten Besitz-
verhältnissen Rechnung getragen wurde. Einen willkommenen Schmuck des
Buches bilden fünf Abbildungen.
Cornelius Gurlitt: Deutsche Turniere, Rüstungen undPlattner des
16. Jahrhunderts. Archivalische Forschungen. Dresden 1889. Gilbers-
sche Verlagsbuchhandlung.
Zu einer Geschichte der deutschen Platlnerei wird hier ein grundlegender
Beitrag geliefert, lieber 24 Plattner wird hier in einer mehr oder minder
ausführlichen Weise gehandelt. Die Quellen dafür sind wesentlich aus den
Dresdener Archiven geschöpft. Dem Verfasser ist es dabei gelungen, für eine
Reihe hervorragender Werke der Plattnerkunst den Meister sicher zu stellen,
bei anderen mindestens gut begründete Vermut hungen aufzustellen. Peter von
Speyer, Siegmund und Hans Rosenberger, Wolf von Speyer, Valentin Sieben-
burger, Kunz Lochner d. Jüngere, Antonius Peffenheuser, Franz Grossschedel,
Desiderius Golman treten als die vielbeschäftigten Meister mit einer grossen
Liste von Werken hervor. Was Desiderius Colmann betrifft, so wurde an
dieser Stelle schon erwähnt (XIV, S. 309), dass es chronologisch nicht angeht,
ihm die Prunkrüstung Christian’s II. von 1599 im Dresdener Historischen Mu-
seum auf Grund stilistischer Merkzeichen zuzuweisen, da das Geburtsdatum
dieses Colmann nicht über 1500 hinaufgerückt werden kann. Den Künstler-
nachrichten voraus geht eine sachkundige Schilderung der Turniere. Auf
Seite 73 findet sich die Mittheilung, dass dem Verfasser von dem Director des
Dresdener Waffenmuseums Dr. Erbstein der Einblick in die älteren Inven-
tare verweigert wurde; aus welchen Gründen trat man ernster Forschung in
solcher Weise entgegen?
Uzielli, Gust.: Leonardo da Vinci e tre gentildonne milanese del
secolo XV. Turin, 1890. Loescher.
Uzielli, Leonardo da Vinci e le Alpi con sette carte antiche in
facsimile. Turin, 1890. Clup alpino italiano.
Zwei neue Studien des wohlbekannten Leonardoforschers. Die erste
Studie bringt den Nachweis, dass keines der unter dem Namen Leonardo gehen-
den Frauenbildnisse mit einiger Sicherheit als das Porträt der Beatrice d’Este,
Cecilia Galerani, Lucrezia Crivelli bezeichnet werden könne. Was Beatrice
d’Este betrifft, so macht es der Verfasser wahrscheinlich, dass sie überhaupt
nie von Leonardo gemalt worden sei. Das Bild der Galerani, spätestens 1491
gemalt, wurde 1498 der Isabella, Markgräfin von Mantua, zur Ansicht zuge-
sandt; es ist seitdem verschollen. Ebenso fehlt jede Nachricht über das Schicksal
des Bildnisses der Lucrezia Crivelli; dass es mit der Belle Ferroniere im
Louvre nichts zu thun habe, setzt der Verfasser ausser jeden Zweifel. Die
zweite Studie Uzielli’s ist ebenso interessant für den Kunsthistoriker wie für
den Geographen. Der Verfasser liefert den zwingenden Beweis für die über-
Bibliographische Notizen.
583
raschende Thalsache, dass Leonardo einen der höchsten Gipfel der Monte Rosa-
Gruppe, wenn nicht den eigentlichen Monte Rosa bestiegen habe. Leonardo
nannte den Berg Monboso. Der Verfasser zeigt nun dass einerseits die Phänomene,
welche Leonardo dort beobachtete, nur auf einer Höhe von mehr als 3000 m
beobachtet werden konnten, dann aber führt er den Nachweis, dass der Monte
Rosa damals in der That den Namen Monboso trug. Auch die übrigen
Alpenreisen Leonardo’s, die er namentlich vom Gomosee aus unternahm, be-
spricht der Verfasser; sie galten besonders dem Val Sassina, Val die Troggik,
dem Veltliner Thal, dem Thal von Ghiavenna und dem Bergeller Thal. Der
Naturforscher ging hier immer mit dem Maler Hand in Hand; interessirten
den Maler die überraschenden Farbenphänomene der Hochgebirgswelt, so suchte
der Forscher nach der physicalischen Ursache derselben und der Ingenieur
suchte ausserdem die Bodenbeschaffenheit zu praktischen Zwecken zu ergrün-
den. Die Umrisse von Leonardo’s Wesen wachsen immer mehr ins Riesen-
hafte.
Gabriel, Max. Von Nicolaus Mann. Mit 21 Abbildungen. Leipzig, J. J.
Weber 1890.
Man gewinnt den Eindruck, dass diese Schrift von einem sehr sachkun-
digen, auch mit den persönlichen Verhältnissen des Künstlers vertrauten Ver-
fasser herrühre. Der künstlerischen Eigenart des Gabriel Max wird ebenso
verständnissvoll wie liebevoll nachgespürt; in der Charakteristik der Bilder gibt
sich ein gleich feines Verständniss für deren eigenthümlichen geistigen Gehalt
sowie für ihre malerische Eigenart kund; allem Superlativen geht der Verfasser
geflissentlich aus dem Wege. Und wozu bedurfte es solcher, da es sich um
einen Künstler handelt, der wie wenige der Zeitgenossen für eine ganze Reihe
von Stimmungen und Seelenregungen der Zeit neuen und künstlerisch voll-
endeten Ausdruck gewonnen hat. Im Anhang enthält die Schrift ein Ver-
zeichniss der Werke des Künstlers in chronologischer Reihenfolge von 1854
bis Mitte 1890. 21 Abbildungen in guter Zinkographie frischen die Erinne-
rung an die Hauptvverke des Künstlers auf, geben auch einzelne Werke wieder,
die sehr schwer zugänglich sind, so die erste Madonna des Künstlers von 1862
und die Zeichnung Faust und der Erdgeist (erste Reproduction).
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Mit 1 Taf. 80, 70 S. Aachen, Cremer. M. 1. 20.
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(Süddeut. Architektur u. Ornamentik, 18. Jahi'-
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80 Bl. Lichtdruck. München, Buchholz & Wer-
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blatt d. Bauverwaltnng, 29a. 30.)
Barberot, E. Histoire des styles d’architecture
dans tous les pays, depuis les temps les plus
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avec 928 grav. Baudiy. fr. lo. — .
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dans les environs de Nirnes. .8", 12 p. et .i pl.
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gl'. 80, HI , 38 S. Mün"’'''n . T. Ackermann.
M. — . 60.
Kiiackfiiss , H. Neuemcieckte spätgothische
Wandgemälde in d. Kirche zu Niederzwehren.
(Zeitschr. f. christl. Kunst, III, 3.)
Michel, E. .Jacob van Ruysdael et les paysa-
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Librairie de TArt. fr. 3.
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introduction frangaise par le Dr. A. Le Pileur.
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compense par l’Academie des inscriptions et
belles-lettres (Paris) et publie aux frais de
l’Asscmblöe des Cretois. Premiere partie :
Description des monnaies, hist, et geographie
suivie de trentecinq planches en phototypie.
Macon, Protat fieres, 1890. l«, IX u. 358 S..
35 Taf. Zwei Ausgaben zu fr. 80. — . u. lOO. — .
Terrlen de Lacoiiperle. Une monnaie bactro-
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van de weduwen, en weezenkas van de Ko-
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belangi-ijke Krijgsverrichtingen“ te ’sHage.)
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XLIV u. 252 S. mit 39 Taf. London , printed
by Order of the tmstees, 1889.
VII. Schrift, Druck u. graphische
Künste.
Alphabet illustre. Gent vignettes et lettres or-
n6es dessinees par Girardet, Grandville, Sagot,
Werner. 18«, 144 p. Tours, Marne et fils.
Bedetti, A. Di alcuni incisori monogrammisti
italiani e stranieri dei secoli XV e XVI ; sag-
CTO. 160, 400 p. con tavola. Bologna, Nicola
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simile; par ün bibliophile. Üuvrage ornc d'un
portrait et accompagne de reproductions en
fac-simile. 8», 48 p. Paris, Labittc, Em. Paul
et Cie.
Iteqnin, l’abbe. L’Iinprinieric ä .Vvignon on
144t. RO. Paris, A.' Picard, fr. 3. — .
Salon de isoo. Onvrage d’art de grand luxe,
contenant loo planches en photogravure Gou-
pil et Cie. ä l’eau forte. Texte par Armand
Dayot. Livr. 1 et 2. 4®, p. 1 ä 16 et pl. Paris,
Boussod, Valadon et Co. 12 livr. ä fr. 5. — .
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et 40 pl. Paris, Hachette et Cie. fr. bo. — .
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Modell! d'arte decorativa. Fase. ,'>, con i tav.
in colori. Roma. L. 1. üo.
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Pavie. (L’Art, 620.)
— L’orfevrerie civile ä l’Exposition universelle
de 1889. (L’Ail, 620.)
Müller, S. Nogle halsringe fra slutningen af
bvonze-alderen og fra den aeldste jernalder
(Colliers de la fln de Füge de bronze et du
Premier äge de fer). (Nordiske Fortidsminder
udgivne af det Kgl. Nordiske Oldskriftsel-
. skab, H. 1.)
ilJaHer, W. Ein Einband von Petit in Paris.
(Monktaßchr. f. Buchbind. u. verw. Gewerbe, 7.)
Muster für ^Majolica-Malerei. l. Heft, gr.-f«.
4 färb. Taf. mrt-Contour-Abdr. Budapest, Re-
vai. M. 5. — .
Nachahmung eines berühmten Porzellan-Lusters
(Berlin). (Fachblatt f. Innendecoration, 11.)
Nfibllng, E. Ulms Baumwollweberei im Mittel-
alter. Urkunden und Darstellung. Ein Beitrag
z. deutschen Städte- u. Wirthschaftsgeschichte.
(Staats- und sozialwissenschaftl. Forschungen.
Hrsg, von G. Schmoller. 9. Bd., 5. Heft.) gr. 8«,
X, 207S. Leipzig, Duncker & Humblot. M.5.— .
Pabst, A. Die Krugsammlung des Freiherrn
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werbeblatt, 'N. F., I, 8.)
Pasque, E. Die (Jobelin-Manufactur in Paris
(Fachbl. f. Innendecoration, 13.)
Philippi, F. Die ältesten Osnabrückischeu Gilde-
urkunden mit einem Anhänge über das Raths-
silber zu Osnabrück. 8», Vllf, 92. S. Osna-
briiek, Rackhorst. M. 2. 50.
Plafond-Malerei. (Decorationsmal., 1 If.)
Porret, J. A. Bernard Palissy (1510 — 1590).
Esquisse de sa vie, de son caractere et de ses
Oeuvres. 12”, 56 p. Lausanne, Payot. fr. 1. — .
Itaab, J. u. J. Ludwig. Moderne Motive für
Schmuck waaren, gezeichnet u. hrsg. l.Jahrg.
12 Hefte. 2 Farbendr. gr. 4”. Gablonz, Röss-
1er. ä M. 2. — .
Keiiiesch , W. Die Schlag- oder Holzpunzir-
Technik. (Wieck’s Gewerbe-Ztg. , 26.)
Revue de la reliure frangaise, bulletin mensuel
des reliures d’art, commerciale et particiüiere,
Papeterie , cartonnage, brochure, dorure, et
des specialites s’y rattachant, traitant les
questions d’esthetique, d’economie, de biblio-
graphie, connaissances utiles etc. 1« annee.
N” 1, 5 mai 1890. 4”, ä 2 col. 8 p. Impr. Bol-
bach. Abonn. : France, un an fr. 6. — ; 6 mois
fr. 3. — . ; etranger un an fr. 7. — . ; 6 mois
fr. 3. .50. Un Numöro fr. — . 60.
Rossi, J. A. de. La Capselia d’argent africaine
Offerte au souv. pont. L6on ^'lll. par S. E. le
Cardinal Lavigene, arehevöque de Carthage.
Trad. de l’italien par S. de Lauriöre. 8”, 88 p.
et pl. Paris, Picard.
Both, C. Anleitung zur Kerbschnitzerei. 8”,
28 S. mit 42 eingedi’. Abbildungen. Leipzig,
Seemann. M. — . 50.
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Schenk zu Schweinsberg, G. Freih. Die älteste
Beschreibung des Hohenlohe 'sehen Wappens.
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Blatt, 7.)
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des 18. Jahrhunderts. (Monatsschrift f. Buch-
binderei, 5.)
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piaceri degli antichi veneziani. 16«, 186 p.
Venezia, stab. tip. lit. succ.M. Fontana. L. 2. — .
Tavole 25 riproducenti il sacro tesoro Rossi,
con-edate da 3 tavole di storici cimell che ne
confortano l’epoca opinata, pubblicato il 1« ge-
maio 1888 ricorrendo il sacerdotale giubileo
di Papa Leone XIII. 2. edizione. 4”, 28 tav.
Roma, fototipia Danesi.
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Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Im Auf-
träge der Regierungen von Sachsen -Weimar-
Eisenach, Sachsen-Meiningen-Hildburghausen ,
Sachsen - Altenburg , Sachsen - Coburg - Gotha,
Schwarzburg-Rudolstadt, Reuss ält. Linie u.
Reuss jüng. Linie bearb. von P. Lehfeldt.
Heft 7: Herzogth. Sachsen-Meiningen. Amts-
gerichtsbezirk Kranichfelde u. Comburg. Mit
7 Lichtdruckbild. u. 43 Abbild, im Texte. IV
u. S. 139-206. Jena, Fischer. M. 3. — .
Beiträge zur Kimsttopographie von Kämthen:
l)M.(3rösser, Drei unbekannte Weltgerichts-
bilder; 2) F. G. Hann, Ein Flügelaltar in
der Filialkirche Rabendorf. (Neue Carinthia,
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Bericht der k. k. Central-Commission für Er-
forschung u. Erhaltung der Kunst- u. histor.
I
XII
Bibliographie
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Böttger, L Die Bau- und Kunstdeiikinäler des
Reg.-Bez. Köslin. Hrsg, von der Gesellschaft
f. pommer'sche Geschiehte ii. Alterthumskde.
2. Heft. gr. 8«. Stettin, Saunier ’s Bnchhdlg.
in Gonnn. M. 2. — . Inhalt: Kreis Bel gard u.
Nachträge zum Kreise Colberg-Köslin.
Bulletin des niusees , revne mensuelle publiee
SOUS la patronage (le la direction des beau.x-
arts et de la direction des musees nationaux
par Kd. Garnier, sous-commissaire des e.\-
positions des beaux-arts, etLeonce Be n edit e,
attache des musees nation. (musee du Luxem-
bourg). N" 1. lö fevr. 1890. 8", 40 ]>. Baris,
L. Cerf. Abonn. annuel: Baris et departem.
fr. 12. — . ; etranger fr. IS. — .
Busl, K. A. Die ehemalige Benedictiue.r- Abtei
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vensimrg. Dorn. M. — . lO.
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land. I. Berlin iS.si). 0. Buchstein: .Samm-
lung der griechisch-römischen Seulptaren vind
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wesen. (Sammler, 7.)
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-bearb. Atlas. 2.— lo. Lfg. qu.-f«. (ä ti Taf, in
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Vereins des Cantons Glarus. Verzeichniss der
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Bel fort.
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Kunstausstellung. (Centralbl. der Bauverwal-
tung, 29 a. 80.)
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(Spreelisaal, 21.)
— Bahr, H. Die 02. akailemiseiie Kunstausstel-
lung zu Berlin. (Der Kuustwart, III, 22.)
— lluchliol/. I!.. Verzeielmiss d. im märkischen
Provinzial-Museum der Stadtgeineinde Berlin
he.tiudlichen herliuischen -Altei'thümer von der
iiltesteu Zeit his zum Ende der Regierungszeit
Friedrichs d. Gr. Mit kurzen Beschreibungen
u. Erläuterungen, nebst 248 .Abbild. Im .Auf-
träge d. Direction bearb. gr. 8", löO S. Ber-
lin, AVinckelmami. M. l. 2-i.
— Dietrich, W. Die Berliner Kunstausstellung.
(Die Nation, 42.)
— Donop, L. -Ausstellung der Radirungeu von
Benib. -Alannfeld in der National-Galerie , er-
läuteri. gr. S", IV, öo S. mit 8 Radirmigen.
Berlin. R. Wagner. M. 1.
— Giirlitt. Die akademische Kunstaus.stellung
in Berlin. I. (Die Gegenwart, 28. 81.)
— Jessen. Die Bibliothek des königl. Kunst-
gewerbemuseums als Bildungsstätte d. jungen
Handwerkers. (Gorrcsp.-Bl. f. den D. Maler-
bund, 82.)
— Klein, U. Kritische Betraebtungen eines
Berliner .Ausstelluugsbesucliers. (Der Kiinst-
wart. Hl, 22.)
— Küustleriselies auf der Bfei’dc-Ausstellung
(Berlin), (Der Kunstwart. 20.)
— Kosciiberg, .A. Die akademische Kunstaus-
stellung in Berlin. (Zeitschr. f. bild. Kunst,
.Tuli. — Die Grenzboten, 81—33.)
— Scbmuckausstellung. die, im Berliner Kuust-
geworbemuseum. (Kunstgewerbeblatt, .luli. i
Seidel, P. Die -Ausstellung von Werken der
niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts
in Berlin I. iJahrb. d. köngl. preuss. Kunst-
saimulungcu, XL 8.)
Der Lustgarten am Schlosse in Berlin bis
zu seiner Auflösung im .lahre 1715. (Forsch,
zur brandenburg u. preuss. Geschichte. Hrsg,
von R. Koser, Bd. 8, l. Hälfte.)
Bremen.
— Bauten der Nordwestdciitschcu Gewerbe- und
Industrie- Ausstellung in Bremen. (Centralbl.
d. Bauvevwaltuug, 29a. 8o.)
— Eröffnung, zur, der Nordwestdeutsebeu Ge-
w'crbe- u. Industrie-.Ausstclluug Bremen 1890.
(Mittheil, des Gew. -Museums zu Bremen, .'>.)
— Gewerbe- und Industric-.Ausstellung ,
westdeutsche , iu Bremen. (CoiTcsp.-Bl. f. d.
D. Malerbuiid, 21. 27. — Die Gegenwart, 28.
— Deutsche Bau-Ztg., 78. 71.)
— Vp. Bremer -Ausstclluugs -Briefe. (-Allgem.
Ztg., 1.57 ff.)
Budapest.
Diner, .1. Die Sammlung Käsäsz. (Kunst-
• gewerbebl., N. F., I, 9.)
Bibliographie.
XIII
Clam ecy.
— Catalogne <le la bibliotheque de la Sociöte
scientiftque et artistique de Clamecy. s», ä
2 col., 22 p. Olameey, impr. Staub.
Florenz.
— Fcrri l*as. Nerino. Catalogo riassuntivo della
raccolta di disegni antichi e raoderni posseduta
dalla r. galleria degli ufflzi di Firenze, com-
pilato ora per la prima volta. Fase. 1. 8«,
p. 1— 80. Iloma, presso i principali Librai.
(Ministero della pubblica istruzione : indici e
cataloghi N» XII.)
— Ridolft, E. Dei provvedimenti e lavori fatti
per le rr. gallerie e inusei di Firenze negli
anni 1886—1889. 8«, 3.6 p. Firenze-Rouia, tip.
dei fratelli Bencini, 1890.
— Riegl, A. Die Ausstellung weiblicher Hand-
arbeiten in Florenz. (Mitth. des k. k. OesteiT.
Museums, N. F., V, 9.)
Frankfurt a. M.
— Ausschmückung, die bildnerische, des Frank-
furter Kaiserdomj^s. S«, 22 S. init i Lichtdr.
Frankfurt a. M., Fösser Nachf. M. — . .50.
— Lntlimer, F. Führer durch die Freih. K.
V. Rothschild’sche Kunstsammlung. 120, 90 s.
mit Abbild. Frankfurt a. M., .Tügel. M. 1. — .
Glasgow.
— Exhibition, the international, of Glasgow
and Edinburgh. (The Athenasum, 3207.)
Grenoble.
— Musee de peiniure et de sculpture de Gre-
noble. (CouiTier de l’Art, 30.)
H a n n 0 V e. r.
— Reimers. Ausstellung von Ornamentstichen
in Hannover. (Kunstgewerbebl., Juli.)
— Schöuermnrk, G. WEdirheit und Dichtung
ini Kestner-Museum zu Hannover, gr. 80, 20 S.
mit 8 Abb. Hannover l.inden, Manz. M. —.80.
K lagenfurt.
— Hauser , K. Führer durch das historische
.Museum des Rudolfinums in Klagenfurt. 3.
verb. Aufl. lo", 88 S. Klagenfuit, v. Klein-
mayr. M. — . 50.
Köln.
— Ausstellung von Erstling.serzeugnissen dev
Buchdi-uckerkunst. (Monatsschi*, f. Buchbind,
u. verw. Gewerbe, 7.)
— Besuch, ein, der Kölner Kriegs- Ausstellung.
(Allg. Militär-Zt.g., 61—03.)
Kopenhagen.
— Musöe royal de Copenhague. (Coumer de
l’Art, 2s.)
London.
— British .Museum Reports for 1889. (The Athe-
näum, 3276.)
— Cook , E. T, populär handbook to the
National Galleiy. With Preface by John Rus-
kin. Srded., revis., re-arranged and enlarged.
8®, 748 p. London, Macmillan.
— Erwerbungen des British Museum im .Jahre
1.SS9. (Jahrb. des k. d. archiiolog. Inst., V, 3.)
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(Courrier de l’Art, 27.)
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rier de l’Art, 27.)
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L on d 0 n.
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Mailand.
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nel Museo iiatrio di archeologia in Milano nel
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Anno 17, 1890, Fase. 2.)
— Frizzoni, G. Recenti acquisti de .Museo Poldi
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maggio— giugno.)
— Melani, A. Courrier de Milan. (Courrier de
l’Art, 28.)
Le Musöe Poldi-Pezzoli ä Milan. (Revue
des arts decor., 9. 10.)
M a n c h e s t e r.
— Lücke u. Jansseii. Die Gemäldeausstellung
in Manchester 1887. (Nord u. Süd, Juli.)
Mar b ur g i. H.
— Führer durch d. .\usstellung über alle Zweige
des Buchgewerbes im Tjande Hessen, gr. 8'*,
HI, 75 S. Marburg i. H., Ehrhardt. M. — . 30.
Marseille.
Duplessls, G. Association des artistes mar-
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rier de l’Art., 31.)
München.
— Architektur, die , auf der Münchener .Tahres-
ausstellung. (Deutsche Bati-Ztg., 80. 81.)
— Ehrenbezeigungen an Architekten gelegent-
lich der diesjährigen Münchener Jahresaus-
stellung. (Deutsche Bau-Ztg., 07. 08.)
— Exposition de, Munich. (Chron. des arts, 30.)
— Habet Acht! Ein Vorwort zur Münchener
Jahresausstellung 1890 von Apelles d, Jünge-
ren. gr. 8", 12 S. München, Scherzer. M.— ..50.
— Hngcr, G. Die romanischen Alterthümer des
Bayerischen Nationalniuseums. (Allgeni. Ztg.,
Beil. 137—142.)
— .Miitlicr. Der Münchener Salon. (Die. Gegen-
wart, 33.)
— Nissen, M. Zweite Münchener Jahresausst.el-
lung. (Der Kunstwart, III, 21.)
— Plastik, die, auf der zweiten Münch. Jahres-
ausstellung. (Beil. z. 1). Steinbildhauer, 22.)
— Rosenberg, A. Die. Kunstausstellungen in
München und Dresden. (Die Grenzboten, 40.)
N ürnberg.
— Ausstellung spätrömischer Kleidungsstücke
ini Hörsaal des Bayer. Gewerbe-Museums zu
Nürnberg. (Bayer. Gewei'be-Ztg., 11.)
P a 1 e r m 0.
— Bauten der nationalen Ausstellung von 1891
in Palermo. (Centralbl. der Bauverwaltung,
31. 32 a. 3.3.)
Paris.
— Albert, M. Le. Salon des Chanips-JJysees.
(Gaz. des B.-Arts, juillet.)
— Haigiieres, A. Die diesjährigen Pariser Sa-
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— Beiiedite, L. Les Ecoles d’Art decoratif ä
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nan,t ä la ville de Paris, dresse par le serviee
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et grav. Paris, Ohaix.
— Joiirdaln, M. F. Construetions elevees du
Champs-de-Mars par M. G. Garnier pour servir
ä Phistoirc de l’habitation humaine ; texte par
M. F. Lourdain accomp. de nombreux croquis
et illustre de 2b pl. gravees. 1", 21 p. Bru-
xelles. Claesen. fr. .^>0. — .
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rijs in 1889. Verslag uitgebracht door de com-
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Nederlandsehe belangen bij de tentoonstelling
te Parijs in 1889. 8" en 96 p. inet 6 plat. Haar-
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Rudolphinum zu P. (Allg. Ztg., B. 150—164.)
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zione di Roma. H", XXX u. 905 S. Mit Karten.
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kaiserl. deutsch, archäol. Instituts, gr. 8", V,
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Album archöologique des musees de province,
publ. SOUS les auspices du ministere de l’in-
struction publique et sous la direction de Rob.
de Lasteyrie. ler üvr. 4“, XL , 48 p. Paris,
Leroux.
Altertümer von Pergamon. Hrsg, im Aufträge
d. königl. preuss. Ministers der geistl. etc. An-
gelegenheiten. (In 8 Bdn.) 8. Bd 1. Hälfte,
gr. 40. Berlin, Spemann. M. 40. — . Inhalt:
Die Inschriften von Pergamon. Unter Mitwir-
kung V. E. Fabricius u. C. Schuchhardt
hrsg. von M. Fränkel. 1. Bis zum Ende der
Königszeit. XII, 176 S. mit 1 färb. Karte.
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tures, illustrations , eaux-fortes. Premifere
annöe. No i. 15 oct. 1890. 4», 4 p. et planche.
Paris, impr. Menard et Co. Abonn. : anuel:
Paris, 15 fr.; depart. et union postale, 18 fr.
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80, 8 S. mit Abbild. Napoli 1890.
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Text, qu.-gr. 40, 24 S. Kiel, Lipsius & Ti-
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Eed. : W. Eosenhagen. l. Jahrg. Nov. 1890
bis Oct. 1891. 24 Nm. (2 ß.) gr. 4». Berlin,
Amelang. M. 2. — .
Aus der Anomia. Archäologische Beiträge. Carl
Eobert zur Erinnerung an Berlin dargebracht,
gr. 80, III, 214 S. mit eingedr. Abbild., 3Licht-
drucktafeln u. 1 Beilage. Berlin, Weidmann.
M. 7. — .
Barbier de Montault, X. Traitö d’iconographie
chretienne. Omö de 36 planches comprenant
894 dess. par H. Nodet. 2 vol. 80. T. 1er, 414 p. ;
2nd, 517. Paris, Vives.
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und römischen Alterthum für Schüler. 7. u. 8.
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compl. M. 10. — . Inhalt: Kunstentwicklung.
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Senor Gral. Carlos Pacheco, secretario de
Fomento, siendo presidente de la Republica
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panada de 2 volumenes de läminas. gr.-f8.
ITT, ISO; III, 108 u. in, 108 S. in span., franz.
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Zur Gedächtnissfeier für den Senator Philipp
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mit 23 Steintaf. Budapest, ifiliän. M. 8. — .
(Ungar. Revue, 9.)
Yriarte, C. Autour des Borgia. Les monuments,
les portraits, Alexandre VI, Cösar, Lucrfece,
l’Epee de Cösar, I’oeuvre d’HercuIe de Fideli,
18 pl. et 156 illustr. Rothschild, fr. 50. — .
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in Berlin. (Kunstchronilt, N. F., II, 12.)
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(Kunstchronik, N. F., II, 13 )
Lami, Eugen, Aquarellmaler in Paris. (Kunst-
chronik, N. F., II, 12. — Chron. des arts, 41.)
Leiioir, Albert, französischer Architekt. (Chron.
des arts, 8.)
Luerssen, Eduard, Bildhauer, Lehrer an der
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(Kunstchronik, N. F., II, 17.)
Marcke, Emile van, französischer Maler. (Chro-
nique des arts, 41. — Kunstchrouik , N. F.,
II, 12.)
Meissonier, Emest, Maler in Paris. (A. de L. :
Chron. des arts, 6. — Kunstchronik, N. F.,
II, 15.)
Merlo, Johann Jakob, Kupferstecher in Köln.
(Kuustchronik, N. F., II, 5.)
Millet, Airaö , Bildhauer in Paris. (Kunstchro-
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Mücke, Heinrich, Historienmaler und Professor
in Düsseldorf. (Kunstchronik, N. F., II, 14.)
Ottin, Augustin Louis Marie. Bildhauer in Pa-
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Palm, Gustav Wilhelm, Landschaftsmaler und
Professor an der Kunstakademie in Stockholm.
(Kunstchronik, N. F., II, 1.)
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zu Stockholm. (Kunstchronik, N. F. , II, 3.)
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Schnltz-ßriesen , Eduard, Porträt- und Geure-
maler zu Düsseldorf. (Kunstchronik, N. F.,
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maler in Kopenhagen. (Kunstchronik, N. F.,
H, 3.)
Stauffer, Karl, Maler und Radierer in Florenz.
(Kunsfchronik, N. F.. II, 15.)
Süssnapp, Karl, Porträtmaler u, Steinzeichner
zu Berlin. (Kunstchronik, N. F., II, 15.)
Toulmonche, Auguste, Genremaler in Paris.
(Chron. des arts, 33. — Kunstchronik, N. F.,
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Ilchard, Frangois, französ. Architekt. (Chron.
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Yerlaf, Charles, Maler, Director der Kunstaka-
demie zu Antwerpen. (Chron. des arts, 33. —
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Wredow, August, Bildhauer, Professor in Ber-
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jusqu’ä nos jours. Ouvr. orne de 928 dessins
dans le texte. 2 vol. 8«, T. Ut, XII, 378 p. ;
t. 26, 380 p. Paris, Baudry et Cie.
Baukunst der Renaissance. Entwürfe von Stu-
dierenden der technisch. Hochschule zu Berlin
unter Leitung von J. C. Raschdorff. 4. Jahrg,
fo. 64 Lichtdr. -Tafeln mit 3 S. Text. Berlin,
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compiuti dal maggio 1847 al luglio 1849 : cenni
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medailles de la Bibliothfeque nation. p. M. Ar-
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publie selon ses voeux. 8<>, XVIII, 70 p. et
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milie A. Reproductionen nach den Originalen
der Maler Albrecht Adam, Benno A., Emil A
Eug. A., Frz. A., Jul. A. Hrsg. v. S. Soldan.
Mit Text von H. Holland. In unveränderl.
Lichtdr. ausgef. von F. Bruekmann. 1. Abth.
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Guide de Pamateur d’estampes modei’nes. X.
Meissonier-Piguet. s», 324 p. Paris, Conquet.
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von Carl Fröschl. &. Mit 4 S. Text. Leipzig,
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engl., deutscher u. spanischer Ausg.) fr. 7. 50.
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(Mitth. d. österr. Mus., N. F., V, 10.)
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Schnütgen, A. Ceremonienschwert des 15. Jahr-
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Kunst, 10.)
— Durchbrochener Metalldeckel als romanische
Buchverzierung. (Zeitschr. f. christl. Kunst,
III, 6.)
— Entwurf zu einem Kaselkreuz nebst Stolen
in Aufnäh-Arbeit. (Zeitschr. f. christl, Kunst,
III, 8.)
— Gestickter Behang des 15. Jahrhunderts im Dom
zu Xanten. (Zeitschr. f. christl. Kunst, III, 9.)
— Holzgeschnitzter Baldachin, flandrisch, An-
fang des 16. Jahrhunderts. (Zeitschr. f. christl.
Kunst, 11.)
— Renaissance - Monstranz im Privatbesitz zu
Köln. (Zeitschr. f. christl. Kunst, 10.)
— Spätgothischer Zeugdruck als Futterstoff für
liturgische Gewänder. (Zeitschr. f. christl.
Kunst, III, 6.)
— Spätromanische gestickte Mitra. (Zeitschr.
f. christl. Kunst, III, 4.)
Schultz, A. Alltagsleben einer deutschen Frau
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Stein, H. L’öbeniste Boulle et Porigne de sa
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Stella, G. Cornice in legno nella Sagrestia
della chiesa di S. Giobbe in Venezia. (Arte
ital. decorat. e industr., I, l.)
— Ornato in bronzo della campana della Torre
delP Orologio in Venezia. (Arte italiana de-
corativa e industr., I, 1.)
Tapisseries, Broderies et Dentelles. Recueil de
modeles anciens et modernes, precede d’une
introduction par Eugfene Müntz. 4«, 48 p. et
150 grav. Paris, libr. de PAit. fr. 20. — .
Thonindustrie, die, im Alterthume. (Centralbl.
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Ujfalvy, C. E. Les biscuits de porcelaine. (Rev.
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bronzo in Santa Maria della Salute in Venezia.
(Arte italiana decor. e industr., I, l.)
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italiana decor. e industr., I, l.)
Wignier, C. Carreaux vemisses du Ponthieu du
Xlle au XVIie siöcle. 8<>, 22 p. et 9 pl. col.,
dess. et retouchees ä la main par Pauteur.
Abbeville, Picard-Josse. Tire ä 50 exempl.
Zabel, H. Geschichte d. Serpentinstein-Industrie
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Rev. T. G. Bonney. Illustr. 2>"i ser. 4^, VIII,
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Ausstellungskalender für 1891. (Kunstchronik,
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Cobausen, A. Die Altertümer im Rhemland.
Ein Wegweiser durch das Alte zum Neuen f.
Geistliche, Lehrer, Forst- u. Landwirthe. 8»,
80 S. mit 170 Abbildgn. auf 19 Taf. Wiesbaden,
Bechtold & Co. M. l. 50.
Erwerbungen d. Antikensamralungen in Deutsch-
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Hg, A. Kunsttopographische Mittheilungen aus
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in Südböhmen. (Mitth. d. k. k. Central-Comm.,
XVI, 3.)
Kunstausstellungen, über., (Unsere Zeit, 11.)
Kunst denkmäler im Grossherzogthum Hessen.
Inventarisirung u beschreib. Darstellg. der
Werke der Architektur, Plastik, Malerei u. d.
Kunstgewerbes bis z. Schluss d. XVIII. Jahrh.
Hrsg, durch eine im Aufträge Sr. kgl. Hoh.
d. Grossherzogs zu diesem Zweck bestellte
Kommission. Prov. Oberhessen. Kreis Bü-
dingen. Von H. Wagner. Mit 150 Textill,
u. 10 Taf. Lex. -80, 288 S. Darmstadt 1890,
Bergsträsser. M. 12. — .
Melani, A. Ein Brief aus Italien. (Chronik €
vervielfält. Kunst, 11 u. 12.)
Musöes et collections archeologiques de PAlgerie,
publiöes par ordre de M. le Ministre de Pin-
struction publique et des Beaux-Arts, sous la
direction de R. de La Blanchöre. Premiöre
Bibliographie.
XXXIII
livraison: Musee d’Alger, par Georges Doublet.
40, avec 17 planches. Leroux. fr. 12. — .
Pereira, G. Inventario dos objectos de arte e
de arcbeologia em Portugal. (Revista archeo-
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Rahn, J. R. Zur Statistik schweizerischer Kunst-
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Rothpletz, E. Die Organisation d. Kunstpflege.
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Swarte, V. Les flnanciers amateurs d’art aux
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Paris, impr. Pion, Nourrit et Cie.
Tscharner, B. Die bildenden Künste und das
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Uebersichtl. Darstellung. 80, 85 S. mit 1 Licht-
druck. Bern, Schmid, Franke & Co. M. 1. 60.
Franz. Ausg. 98 S. M. 1. 60.
Verbesserung, zur, des Gesetzes über das Ur-
heberrecht an Kunstwerken. (Kunstchronik,
N. F., II, 15 u. 16.)
Wavre, W. FalSiflcation d’antiquites lacustre
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bildenden Künste in Steiermark. (Mittheil. d.
hist. Vereines f. Steiermark, XXXVIII, S. 181.)
Aix.
— La Tour-Keyrie, A. M. Curiosites particu-
liäres de la ville d’Aix, objets d’art, chapelles,
maisons historiques, etc. Avec le concours de
plusieurs collaborateurs. 16“, p. 101 ä 168.
Aix, Makaire. fr. 1. 25.
Antwerpen.
— V. E. W. Das neue Museum zu Antwerpen.
(Kunstchronik, N. F., II, 10.)
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— Meyer, Fr. Geschichte d. öffentlichen Kunst-
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Beaufort.
— Denais, J. Les vitraux, statues et tableaux
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Germain et Grassin. (Extr. de la Revue de
r Anjou.)
Berlin.
— Ausstellung von Initialen und Miniaturen.
(Corresp.-Bl. f d. D. Malerb.’, 48.)
— Ausstellung von Schülerarbeiten [der königl.
Kunstgewerbeschule u. Kunstschule J (Corrsp.-
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— Bode, W. Ausstellung von Werken d. nieder-
ländischen Kunst in Berlin. II. (Jahrb. d. k.
preuss. Kunstsammlgn., 4.)
— Dahnis , G. Das Hohenzollern - Museum im
Schlosse Monbijou zu Berlin, (üeber Land u.
Meer, 46.)
— Exposition, 1’, de Berlin. (Chron. des arts, 8.)
— Führer, kurzer, durch die Sammlung des
Museums f. deutsche Volkstrachten und Er-
zeugnisse des Hausgewerbes [in Berlin, C.,
Klosterstr. 36]. 12», 39S. Berl., Möser, M. — .40.
XIV
Berlin.
— Llppniann, F. Ausstellung von Werken der
niederländischen Kunst, veranstaltet durch die
kunstgeschichtl. Gesellsch. in Berlin. VI. Die
Delfter Fayencen. (Jahrb. d. k. preuss. Kunst-
sammlgn., 1.)
— R., A. Aus den Berliner Kunstausstellungen.
(Kunstchronik, N. F., II, 5.)
— Rembrandt-Ausstellung, die, im Berliner
Kupferstichcabinet (Die Grenzboten, 44 fg.)
— Robert-tornow, W. Ferdinand Robert-tornow,
der Sammler und die Seinigen. (D. Rund-
schau, 3.)
— Rosenberg, A. Ausstellung in der Berliner
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— Sallet, A. Die Erwerbungen des k. Münz-
cabinets vom 1. April I888 bis l. April 1889.
(Zeitschr. f. Numismat., XVII, 3.)
— M'inckler, H. Der Thontafeltünd von El
Amarna. II. 2. Hälfte. Nach den Originalen
autogr. von L. Abel. (Mitth. aus den Orient
Sammlungen der k. Museen zu Berlin. 3. Heft,
fo. Berlin, Spemann.) M. 26. — .
Boston.
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year 1890.
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ings, etc. by William Blake ptr. 7 to march
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Bremen.
— Ahrens, H. Die Steinindustrie auf der Nord-
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lung in Bremen 1890. (Der d. Steinbildh., 24.)
— Ausstellung, die nordwestdeutsche, in Bre-
men.^ (Nordwest, 42.)
— Focke, J. Bremische Werkmeister a. älterer
Zeit. Als Beitrag zur nordwestdeutschen Ge-
werbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen.
Hrsg, von der histor. Gesellsch. d. Künstler-
vereins. gr. 80, XXVII, 268 S. mit 2 Taf. Bre-
men, Müller. M. 6. — .
— Gewerbe-, Industrie-, Landes- etc. Ausstellung,
die nordwestdeutsche. (In ca. 20 Lfg.) l.Lfg.
16 S. mit Abbild, und 1 färb. Plan. Bremen,
Emmerich, Romen. M. 2. 60.
— Xeisser. Nordwestdeutsche Gewerbe-Ausstel-
lung in Bremen. (Heb. Land u.Meer, 64.Bd.,5l.)
Brüssel.
— C. L. Le Salon de Bruxelles. (Chron. des
arts, 37.)
Chicago.
— Weltausstellung in Chicago. (Centralbl. für
Glasind. u. Keramik, 172.)
— „World’s Colombian Exposition“ in Chicago.
(Centralbl. f. Glasind. u. Keramik, I81.)
Constanz.
— Katalog der Glasgemälde- und Kunstsamm-
lung der Herren Vincent in Constanz.
Dresden.
— H. A. L. Das neue Museum der Gipsabgüsse
im Albertinum zu Dresden. (Kunstchronik,
N. F., II, 16.)
— Rosenberg, A. Die Kunstausstellungen in
München und Dresden. (Die Grenzboten, 40.)
— Y. Dresdener Aquarellausstellung. (Kunst-
chronik, N. F., II, 1.)
Edinburgh.
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Elberfeld.
— Fachausstellung, die, d. Maler- u. Anstreicher-
meister-Innungen von Rheinland u. Westfalen
[zu Elberfeld]. (Coivesp.-Bl. f. den D. Maler-
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III
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Bibliographie
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Landkreis. Beschreibende Darstellung d. ält.
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angrenzender Gebiete. Hrsg, von d. hist. Comm.
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Hendel, I89n.) X, 412 S. mit über 80 in den
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Florenz.
— Matini, ü. Nel regno della tavolezza: ap-
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di Firenze, anno 1889. 160, p. 44. Firenze,
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— Katalog der Thurgauischen histor. Sammlung
in Frauenfeld. Weinfelden, Schlüpfer.
Genua.
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Gizeh.
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Glarus.
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Gran.
— Györflfy, L. Geschichte u. Beschreibung der
Graner Basilika. Geschichte der alten Burg
и. der ältesten Domkirchen, mit ein. Beschrei-
bung der sonst. Denkwürdigkeiten von Gran.
120, 56 s mit Abbildungen, Gran, Buzärovits.
M. — . 50.
Graz.
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Hamburg.
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u. Gewerbe zu Hamburg. (Kunstgewerbebl.,
N. F., II, 1.)
— Lichtwark, A. Kunsthalle zu Hamburg^. Zur
Wiedereröffnung am 23. Decbr. 1890. Führer
durch die Geschenke u. Erwerbungen 1889—90,
besonders die Sammlung älterer hamb. Meister
und die Sammlung hamb. Landschaften. 80,
60 S. München, Verlagsanstalt f. Kunst und
Wissenschaft. M. — . 90.
Hannover.
— Kestner-Museum in Hannover. (Centralbl. d.
Bauverwaltung, 31a,. 32.)
Karlsruhe.
— Fächerausstellung, deutsche, in Karlsruhe
1891. (Bad. Gewerbe-Ztg., 49.)
— Schumacher, K. Beschreibung d. Sammlung
antiker Bronzen der grossherzogl. vereinigten
Sammlungen in Karlsruhe. Mit zahlreichen
Abbild, im Text, 16 zinkograph. u. 13 Lichtdr.-
Taf. Lex. -80, VII, 231 S. Karlsruhe, J. Biele-
feld’s Verlag. M. 8. — .
Köln.
— Bredins, A. Kölner Auctionen. (Kunstchro-
nik, N. F., II, 8.)
— Gerber, A. (Köln a. Rh.) Sculpturensamm-
lung. Preiskatalog 1 : Original-Gips-Abgüsse
antiker u. mittelalterlicher Bildwerke (illustr.).
80, -42 S. [Die frühere Vanni’sche Sammlung.]
— Katalog ausgewählter und hervorragender
Kunstsachen, Waffen, Mobilien, Einrichtungs-
gegenstände u. Gemälde etc. aus dem Nach-
lasse Sr. Durchl. des Herzogs v. Osuna und
Infantado auf Schloss Beauraing bei Dinant
[Belgien]. Versteigerung zu Köln den 24. Nov.
bis incl. den 2. Dec. 1890 durch J. M. Heberle
[H. Lempert’s Söhne], gr. 40, VIII, 126 S. mit
15 Taf. inPhototypie. Köln, (Heberle). M. 5. — .
— Museum Walraff-Richartz de Cologne. (Cour-
rier de l’Art, 45.)
K or opi.
IIoXvKQdrovg. Al iv KoQconiq} dQxai6n]TEs xai
‘fj övofiacia xov %aQiov. Athen 1889.
L an gr e s.
— Brocard, H. Une visite ä la ville et au musee
de Langres. 80, IV u. 172 S. Langres, Rallet-
Bideaud.
Leipzig.
— Altendorf, H. A. Abbildungen einiger alter-
thümlicher Gegenstände aus den Sammlungen
der deutschen Gesellschaft zur Erforschung
vaterländischer Sprache u. Alterthümer in Leip-
zig. (Mittheilungen, Bd. 8, 2. u. 3. Heft. gr. 8®.
Leipzig, Hiersemann in Comm.) 23 S. mit 10
Lichtdr.-Taf. 1886 M. 3. und III, 192 S. mit
1 Karte u. 12 Abbild. M. 4. — .
— Vogel, J. Leipziger Kunstsammlungen des
vorigen Jahrhunderts. (Zeitschr. f. bild. Kunst,
N. F., II, 5.)
London.
— Buch- und Papiergewerhe-Ausstellung, inter-
nationale, in London. (Handels-Mus., 46.)
— C. P. Recent Additions to the South Kensing-
ton Museum. (The Academy, 966.)
— Champeanx, A. Sir Richard Wallace et ses
Collections. (Rev. de Part döcor., XI, 1. 2.)
— Exner, W. Zur Geschichte der industriellen
Arbeit. (South Kensington Museum.) (Wiener
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— Guelph Exhibition, the. (The Athenseum,
3297. 3300.)
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(Art Journal, Nov.)
— Wedmore. Two Winter Exhihitions. (The
Academy, 967.)
Lyon.
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en 1892. 80, 19 p. Lyon, impr. Pitrat ainö.
— Pariset, E. Les Beaux-Arts ä Lyon. 80,
397 p. Lyon impr. Vingtrinier.
Mailand.
— Frizzonl, G. Acquisitions röcentes du Musee
Brera ä Milan. (Chron. des arts, 5.)
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Marburg.
— Burger, K. Gutenberg-Ausstellung im Ritter-
saale des Schlosses zu Marburg, Juli 1890.
(Monatsschr. f. Buchbind., 10.)
Magdeburg.
— Gang , ein , durchs alte Magdeburg vor der
Stadterweiterung unter besond. Berücksicht,
d. aus diesem Anlass gefallenen Baulichkeiten.
In 86 Cabinets in Glanzlichtdr. mit erläut. Text
von Carl Nielsen, fo, 15 S. mit 22 Tafeln.
Magdeburg, Greutz’ Verl. geb. M. 20. — .
Bibliographie.
XXXV
Hecheln.
— Caster. Malines Guide historique et description
des monuments. (Collection des Guides Beiges.)
120, 165 p. Soc. Saint-Augustin. fr. 2. — .
München.
— Beissel, S. Die zweite Münchener Jahres-
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(Stimmen aus Maria-Laach, 6.)
— Berlepsch, H. E. Die Münchener Jahres-Aus-
stellung von Kunstwerken aller Nationen 1891.
(Allg. Ztg , Kunstheil., 4.)
— Jahres-Ausstellung, Münchener, von Kunst-
werken aller Nationen. 2. Jahrg., 1890. Text
von Bierbaum. 2 Thle. 1. Thl. f». 24 S. mit
22 Vollbild, u. 22 Textabbild. München, Albert
& Co. M. 3. 50.
— Katalog, illustr., der Münchener Jahres-Aus-
stellung von Kunstwerken aller Nationen im
k. Glaspalaste 1890. 80, IV, 64 S. mit 144 Abb.
München, Hanfstängl. M. 2. 60.
— Rosenberg, A. Die Kunstausstellungen in
München und Dresden. (Die Grenzb.oten, 40.)
New-York.
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arts,-8.)
N ürnberg.
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vom 15. Sept. bis 5. Oct. (Bayer. Gewerbe-
Ztg., 20.)
— Bösch, H. Das germanische Nationalmuseum
zu Nürnberg. (Vom Fels z. Meer, 1890/91, 2.)
— Führer durch das Bayer. Gewerbemuseum in
Nürnberg. 8», loi S. mit 31 Abbild, u. 3 Plänen
Nürnberg, Verlagsanst. des Bayer. Gew. -Mus.,
M. — . 50.
— Gegenstände, die, der decorativen Malerei im
Bayer, Gewerbe-Museum zu Nürnberg. (Deut.
Maler-Journal, XIII, 2.)
Oldenburg.
— Verzeichniss der Gemälde, Gypse u. Bronzen
in der grossherzogl. Sammlung zu Oldenburg.
Mit einem Anhänge der auf den Gemälden be-
findlichen Monogramme, Bezeichnungen und
Inschriften. 6. vervollst. Aufl. 120, VIII, 191 S.
mit 3 Taf. Oldenburg, Schulze. M. l. 50.
Oldesloe.
— Bangert, F. Ein Inventar der Oldesloer
Kirchenkleinode. Progr. d. Real-Gymnasiums.
40, 11 S.
Olmütz.
— Nowak , A. Kirchliche Kunst-Denkmale aus
Olmütz. Hrsg, vom Kaiser Franz Josef-Gew.-
Museum in Olmütz. fo, IV, 36 S. mit Abbild,
u. 25 Lichtdr.-Taf. Olmütz 1890 , Hölzl. In
Mappe. M. 18. — .
Paris.
— Ausstellungs-Project, ein Pariser: „La Plante“.
(Mitth. des k. k. Oesterr. Museums, N. F., V,
11. — Sprechsaal, 48.)
— Battandier, V. et L. Naton. Rapport de MM.
V. Battandier et L. Naton, döleguös bijoutiers
de la ville de Lyon ä l’Exposition univ. de
Paris en 1889. 80, 7 p. Lyon, impr. Plan.
— Bessiere, M. Le musee Spitzer et son cata-
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— Brlncourt, M. L’Exposition universelle de
1889. Ouvrage orne de 67 gravures. 8», 256 p.
Paris, Firmin-Didot.
— Catalogue de la Societe nationale des beaux-
arts , des ouvrages de peinture sculpture et
gravure, exp. au Champ de Mars le 15 mai 1890.
160, 231 p. Paris, Lemercier.
— Catalogue des monnaies grecques de la Biblio-
theque nationale. Les Rois de Syrie, d’Ar-
m6nie et de Commagene, par E. Babeion. 8“,
CCXXII, 268 p. avec fig. et 31 pl. Paris, Rol-
lin et Feuardant.
Paris.
— Catalogue illustrd de la 13« Exposition de la
Societe d’aquarellistes fran^ais (1891). gr. 80.
Paris, Nilsson.
— Catalogue officiel illustr. de l’Exposition in-
temat. de Blanc et Noir. (4e annee.) 80, 132 p.
et grav. Bemard et Cie. fr. 3. 50.
— Champier, V. Les ouvriers anglais ä l’Expos.
univ. de 1889. Rapport des delegues. (Rev.
des arts ddcor., 11. 12.)
— Champury, E. Exposition univers. de 1889:
La crise de l’architecture et l’avenement du
fer. (L’Art, 636 u. 637.)
— Chennevieres, H. Exposition univers. de 1889 :
Cent ans de gravure (1789—1889). (L’Art, 634.)
— Collectien Eug. Berard. (Chron. des arts, 9.)
— Collection, la. Spitzer. (L’art pour tous, juill.)
— Coorajod, L. Recents enrichissements du
musöe de la sculpture moderne au Louvre. 80,
12 p. avec grav. Versailles, Cerf et Cie. (Extr.
du Bull, des musees, 15 juin 1890.)
— Delessard, E. Les Grands Etablissements
industriels ä l’Expositions universelle de 1889.
La Maison Blazy freres (ancienne maison Pe-
rillieux-Michelez). Industrie de laines fllees,
tissus de canevas, tapisseries ä l’aiguille etc.
80, 15 p. avec grav. Paris, Chaix.
— Diner, J. Die Sammlung Spitzer. (Zeitschr.
d. Kunstgew.-Vereins München, 7. 8.)
— Du Sommerard, E. Catalogue et Description
des objets d’art de l’antiquite, du moyen-äge
et de la Renaissance exposees au musee des
Thermes et de l’hötel de Cluny. 80, XXXIV,
702 p. Paris, ä l’hötel de Cluny.
— Exner, W. Das „Musee Guimet“. (Wiener
Ztg., 242.)
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bis 1890. gr. 8", VII, 112 S. mit 2 Taf. Karls-
ruhe, Th. Ülrici in Comm. M. i. 50.
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d’archeologie par L. Noe, dessinateur-directeur.
Publication mensuelle. Documents sur les
styles d 'architecture et de sculpture qui se
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analytique et descriptive.) N» i. fo, 8 pl.
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gesondert : M. 1. 20.
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Vortrag, gehalten in der Gesellschaft zur Be-
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nuar 1891. gr. 80, 34 S. Lübeck, W. Gläser.
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Bie, 0. Altattische Kunst. (Westermann’s Mo-
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Für höhere Lehranstalten u. zum Selbstunter-
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Porträts, griechische und römische. Nach Aus-
wahl u. Anordnung von H. Brunn u. P. Arndt,
hrsg. von F. Bruclimann. (In 80—100 Lfgn.)
l. Lfg. gr.-fo, 10 Lichtdr.-Taf. mit 3 Bl. Text.
München, Verlagsanst. f. Kunst u. Wissensch.
M. 20. — .
Recherches des antiquites dans le Nord de
l’Afrique. Conseils aux archeologues et aux
Voyageurs Gr. in -80 avec fig. Leroux. fr. 6.—.
( - Tome III des Instructions adressees par le
Comite des travaux historiques et scientifiques
aux correspondants du Ministöre de l’Instruc-
tion publique.)
Reisch. Vasen in Cometo. (Mitth. d. k. deutsch,
archäol. Instit., Röm. Abth., V, 3. 4.)
Kheinhard , H. Album des classischen Alter-
thums zur Anschauung für Jung u. Alt, be-
sonders zum Gebrauch in Gelehrtenschulen.
Eine Galerie von 76 Taf. in Farbendruck nach
der Natur und nach antiken Vorbildern mit
beschreibendem Text. 3. unveränd. Aufl. (in
12 Lfgn.) 1. Lfg. qu.-gr.-40‘, 8 S. mit 8 Taf.
Gera, Griesbach. M. 1. — .
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Richter, 0. Die älteste Wohnstätte des Rö-
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des königl. Gymnasiums zu Schöneberg-Ber-
lin W. 40, 13 S., mit 1 Plan. Berlin 1891.
Robert, K. Der Pasiphae-Sarkophag. 14. Halli-
sches Winckelmannsprogramm. gr. 40, 24 S,
mit 4 Taf. u. 1 Portr. Halle a. S., Niemeyer.
M. 2. -.
Ruderi di un tempio ionico e frammenti d. scul-
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„Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss.“] Lex.-8f.
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80, 33 S. Halle 1891.
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Als Manuscript gedruckt. 80, 104 S. mit 22 Taf.
Frankfurt a. M., Druckerei von A. Osterrieth.
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als Suppl. zur allgem. Kunstgeschichte, gr. 80,
76 S. mit 26 lith. Taf. ■ Dresden, W. Hoffmanri
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V. gr. 80. Frankfurt a. M., Keller. M. 1. — .
Inhalt: Helldunkel. 3. Chiaroscuro — Camai’eu
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Inhalt : Das Etschmiadzin-Evangeliar. Beiträge
zur Geschichte der armen., ravennat. u. s3rro-
ägyptischen Kunst. Mit 18 Illustr. im Text
и. 8 Doppeltaf. (in Lichtdruck). VIII, 127 S.
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Fache, Renö, französischer Bildhauer. (Chron.
des arts, 13!)
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Höre, Victor van, Bildhauer in Koekelberg bei
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(Kunstclmonik , 20.)
Lafollye, Joseph Auguste, Architekt in Paris.
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in Paris. (Chron. des arts, 19.)
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München. (Kunstchronik, 21.)
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Michael, Max, Professor und Lehrer an der
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arts, 11. — The Portfolio, April.)
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des arts, 20.)
Oesterley, Karl, Maler zu Hannover. (Kunst-
chronik, 22.)
Reiset, Frederic, Director am Louvre. (Chron.
des arts, 10.)
Schmidt, Friedrich FreUietr v., Architekt in
Wien. (Helfert: Mitth. d. k. k. Centr.-Comm.,
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Wien, 2.)
SeilTert, Karl, Landschaftsmaler in Berlin.
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Senrat, George, Malei'. (Chron. des arts, 14.)
Springer, Anton, Professor der Kunstgeschichte
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Gelis'Didot, P., et T. Lambert. L 'Architecture
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sifecle (moyen-äge et Renaissance). Recueil de
documents classes methodiquement, avec tous
details servant ä la restitution complöte de
l’architecture civile et domestique du moyen-
äge et de la Renaissance, 600 pl. dess. par
P. Gelis-Didot et T. Lambert, architectes. Pu-
bliees par E. Rouveyre. T. ifi-; lerfasc. 4 p.
et 42 pl. ; 2- fase. 38 pl. Paris. Dujardin et Co.
L ouvr. sera publ. en 5 vol. de 3 fase, chacun.
Piix de chaque vol.: fr. 60. — . ; de chaque
fase, de 40 pl. : fr. 20. — .
Gotch, J. A. and W. T. Browu. Architecture
of the Renaissance in England. Illustrated
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Todtentanz, der, der St. Michaelscapelle auf dem
alten Friedhof zu Freiburg im Br. 14 Abbild,
mit erläüt. Text von A. Poinsignon. Hrsg,
vom Breisgau- Verein „Schau-ins-Land“. qu.-4c,
7 S. Freiburg i. Br., Herder. M. 1. — .
Trenta, G. L’Inferno di Andrea Orgagna, af-
fresco che trovasi nel Campo Santo Pisano,
in relazione coli’ Inferno di Dante. 120, 36 p.
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VIII, 332 p. Paris, Ollendorf. fr. 3. 50.
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biblioteca del principe Trivulzio in Milano,
trascritto e annotato da Luca Beltrami, ri-
prodotto in 65 tav. eliograflche da Angelo
Della Croce. 4", 310 p. Milano. L. 35. — .
Volbehr, T. Rembrandt’s Paulus im Gemache.
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alten Copien. Eine ikonographisehe Studie.
fJ, XII, 81 S. mit 28 Taf. in Lichtdr. Frei-
burg i. Br., Herder. M. 20. — .
Wiederbelebung, die, der Mosaiken in Frank-
reich. (Keim ’s Techn. Mittheil, für Malerei,
114—116.)
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Bildnissmalerei. (Deutsche Rundschau, Aprul.)
— Meisterwerke niederländischer Maler in der
Galerie Weber zu Hamburg. (Die graphisch.
Künste, XIV, 2.)
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de l’Allemagne, de la France (periode con-
temporaine), de l’Espagne et de l’Angleterre,
suivis de l’Histoire sommaire de la peinture
japonaise. Guvr. illustr. de 320 gi-av. 4", 578]i
Paris, Firmin-Dido't et Co.
Zahn. Die Malerconfraternität zu Graz wider
den landschaftlichen Maler Joh. Miessl (Mitth.
des histor. Vei'eins f. Steiermark. XXXVIII.)
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New and Revised ed. by George C. Williani-
son. 2 vols. 8«. E. Stock.
Catalogo delle monete greche, romane primitive,
consolari, imperiali . . . possedute dal dott.
Tommaso Capo. — Prezzi di vendita della
collez. Capo, fatta in Roma dal 9 all 18 marzo
1891. gr. 8", ‘VUI u. 127, G S. mit 10 Tafeln.
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IV
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Als. fr. 1. 50.
Bilderraappe f. Kunstfreunde. Eine Sammlung
der vorzüglichsten Holzschnitte nach Zeich-
nungen u. üelbildern zeitgenössischer Maler
aus der „Gartenlaube“. (In 10 Lfgn.)- l. Lfg.
gr.-f>. (5Taf.) Leipzig, Keil’s Nacnf. M. 1. — .
Bouchot, H. Des livres modernes qu’il convient
d’aequerir. L’art et l’Engouement; laBiblio-
folie contemporaine ; les Proeödös de deco
ration. 180, 102 p. et grav. Paris, Rouvejrre.
— Les Ex-Libris et les Marques de possession du
livre. 180, los p. avec grav. Paris, Rouveyre.
Brown, H. F. The Venetian Printing Press; an
Historical Study based upon Documents for
the most part hitherto unpublished. With 22
facsimiles of early printing. 40. London, Nim-
mo. 42 sh.
Bücherschatz , elsässischer. Photographische
Nachbildungen von Titelblättern seltener und
werthvoller altelsässischer Drucke. Hrsg, von
P. Gerschel. 1. Lfg. gr. 40. 10 Bl. Strass-
burg i. E., M. Gerscnel, Meisengasse 3. In
Mappe. Subscript. -Preis: M. 6. 40.
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1889 : Cent ans de gravure (1789 — 1889).
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parisien de 1512 ä 1560. 8®, 20 p. Paris,
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2. gänzl. umgearb. u. sehr verm. AuA. 1. Heft.
[1. Bds. l.Heft.]. gr. 80. Halle a. d. S., Knapp.
M. 3. 60. Inhalt: Geschichte der Photochemie
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wart. V, 147 S. mit 2 Holzschn u. 4 TaMn.
— Lippmann’s Photographie in natürlichen Far-
ben. (Allgem. Kunstc^ronik, 9.)
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u. e. Kupferstich-Incunabel d. Sammlung Forrer.
7 photogr. Tafeln, Facsimile in Orig. -Grösse,
nebst erläut. Text. gr.40, 7 S. Strassburg i.E.,
M. Gerschel, Meisenstr. 3. In Mappe. M. 15. — ;
mit Handcolorit M. 24. — .
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Zeichnung u. Schnitt von Tob. Stimmer, Hans
Bocksperger, Christoph Maurer, Jost Amman,
C. van Sichern, Ludwig Frig u. A. Aus den
Strassburger Druckereien der Rihel, Christoph
V. der Heyden, Bernhard Jobin, Jost Martin,
Niclauss Waldt, Casp. Dietzel, Lazarus Zetz-
ner u. A. Mit erläut. Text hrsg. fo. 73 Taf.
mit XI S. Text. Strassburg i. E. 1890, Heitz.
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Schmidt. M. — . 80.
Initialen, Rahmen, Titel und Vignetten aus dem
Verlag von J. J. Weber in Leipzig, gr.-f®,
IV, 271 S. mit Abbildungen. Leipzig, J. J.
Weber. M. 20. — ,
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Hrsg. u. bibliographisch beschrieben, gr. 4«,
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Burnt-wood Etching. With 52 Original' and
Specially Designed Illusts. by W. Freemann,
gr. 80, 88 p. L. U. Gill.
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gravings of Twelve of the Choicest of his
Pamtings, with Descriptions. fo. Virtue.
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Tirage d’epreuves photographiques en Cou-
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Lichtdruck und Holzschn. 4<>, 60 S. Berlin.
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Weisskunig, der. Nach den Dictaten u. eigen-
händigen Aufzeichnung. Kaiser Maximilians I.
zusammengestellt v. M. Treitzsauerweln
V. Ehrentreitz. Hrsg, von A. Schultz.
Mit 238 Holzschn. nach Zeichnungen von Hans
Burgkmair, Leonh. Beck, Hans Springinklee
und Schäufelein, abgedruckt unmittelbar von
den Originalholztafeln vom Jahre 1516, und
19 zinkographischen Tafeln. Imp. -4«, XXVIII,
558 S. Wien, Tempsky in Comm. M. 60.
Wessely, J. E. Geschichte der graphischen
Künste. Ein Handbuch f. Freunde des Kunst-
drucks. Mit vielen Abbildungen in Lichtdruck
nach Originalen der betreffenden Künstler.
Lex. -80, XVI, 299 S. Leipzig, T. 0. Weigel
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et 80 grandes planches hors texte. 40, 702 S.
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(Arte e storia, 10.)
Armorial, ancien, equestre de la Toison-d’Or et
de l’Europe au XVe siede. Facsimile conte-
nant 942 ecus, 74figures equestres, en 114 pl.
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M. — , 50.
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con 4 tav. Milano, Ulrico Hoepli. L. 9. — .
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Bronzeringe , typische. (Mitth. d. anthropolog.
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Buchbinderfamilien, deutsche. I. Die Vogt’s in
Berlin. (Monatsschr. f. Buchbinderei, l.)
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f. Glasind. u. Keramik, 187. — Sprechsaal, 6.)
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Chamotte- und Thonwaarenfabrik, Wokowitzer.
(Centralbl. f. Glasind. u. Keramik, 185.)
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Peinture, la Sculpture, le Decor. 4", IV, 4sl p.
avec 282 ill. de le texte exec. d’apres les des-
sins de Boudoir, 28 pl. se repart. comme suit:
4 eauxforts nar MM. Gaujean, H. Guerard et
P. Laurent, *2 chromolith., 12 heliogr. de Du-
jardin dont 4 tirees en coul., 4 photogr. ty-
pogr. Paris, May et Motteroz. fr. lOO. — .
Guiffrey, J. Documents inedits sur Antoine Cie-
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photographischen Aufnahmen von 0. Schmidt
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Melaiii, A. Svaghi artistici femminili, ricami,
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Mc Millan, W. G. A Treatise on Electro-Metal-
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With numerous Illustrations. 8», p. 398. Lon-
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Mengelberg. Muster für die innere Ausstattung
einer Sacristei. (Zeitschrift f. christl. Kunst,
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Metal Worker’s Handy-book of Receipts and
Processes: being a Collection of Chemical
Formulas and Practical Manipulations for the
Working of all the Metals and Alloys, incl.
the Decoration and Beautifying of Articles
manufactured therefrom, as well astheirPre-
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T. Brannt. Illustrated. 8”. London, Low.
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Daupeley-Gouverneur. Paris.
Möbel aus dem Herrenhause der Altern, land-
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f’o. 14 Lichtdruck-Taf. Wien , Schroll & Co.
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LU
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Compositionen z. Verzieren von Kunstgegen-
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Berlin, Claesen & Co.' M. 14. — .
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fang des 16. Jahrhunderts. (Zeitschr. f. christl.
Kunst, III, 11.)
— Neue Vorbilder für Kirchenausstattung im
alten Geiste. (Zeitschr. f. christl. Kunst, IV, 1.)
— Seidenstickerei auf Leinen, deutsch, 14. Jahr-
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Stockbauer, J. Der bayerische Wald und seine
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Stoffe, alte mustergiltige. Photographische Re-
productionen nach Originalen. loTaf. gr. 40.
Berlin, Claesen & Co. M. 45. — .
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T(öpfer). Ein Bremer Altarkelch. (Mittheil. d.
Gewerbemuseums z. Bremen, 3.)
Töpferkunst , japanische. (Mittheil, des Mähr.
Gewerbemus. in Brünn, 3.)
Tonndorf, E. Der Gold-, Rfelief- u- Blinddruck.
Ein praktisches Hand- und Hilfsbuch, mit ei-
nem Anhang : Die Herstellung von Imitations-
drucken.- (Aus: „Arbeiten d. Vergoldepresse“.)
gr. 80, 92 -S. mit Abbildung. Stuttgart, Leo.
M. 2. 50.
Vorbilder-Hefte aus dem königl. Kunstgewerbe-
Museum zu Berlin , hrsg. und mit Text von
J. Lessing. 12. Heft, gr.-fo. Berlin, Was-
muth. M. 10. — . Inhalt: Italienische Truhen.
xV.— XVI. Jahrhundert. (14 Lichtdr.- u. lith.
Taf. mit 2 Bl. Text.)
Wein- und Biergeschirr (Wappengläser) im Be-
sitze des Alex, von Dachenhausen in Rudol-
stadt. Mit 1 Taf. (Der deutsche Herold; 2.)
Welsse, R. Dresdner alte Schmiedearbeiten des
Barock u. Rococo. Zeichnerische u. photogr.
Aufnahmen. (In 3 Lfgn.) l. Lfg. fo. (10 Taf.
in Lichtdr.) Dresden, Gilber’s Verl. M. lo. — .
Wernicke, E. Das Zeitglöcklein. (Christlich.
Kunstblatt, 3.)
Zschille, R. u. R. Forrer. Der Sporn in seiner
- Formen-Entwicklung. Ein Versuch zur Cha-
rakterisirung u. Datirung der Sporen unserer
Culturvölker. gr.-fo, 25 S. mit 188 Abbild, auf
20 Taf. Berlin, P. Bette. M. 24. — .
IX. Kunsttopographie, Museen,
Ausstellungen.
Bach. Ausgrabungen, Entdeckungen u. Restau-
rationen in den Jahren 1878—87. (Württemb.
Vierteljahrshefte f. Landesgesch., XIII, 1—3.)
Bädeker, K. Palästina und Syrien. Handbuch
für Reisende. 3. Auflage. Leipzig, Bädeker.
M. 12. —.
Barelli. Monumenti comaschi. Parte I (La cat-
tedrale di Como), disp. X; parte II (Altri mo-
numenti), disp. IX. (fo, 10 tav.) Como, Fusti-
noni. L. 2. 50.
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Im Auf-
träge der Regierungen von Sacmsen- Weimar-
Eisenach etc., bearbeitet von P. Lehfeldt.
Bi^)liographie.
LIll
8. Heft. Lex.-80. Jena, Fischer. M. 6. — .
Inhalt : Herzogthum Sachsen-Coburg u. Gotha.
Amtsgerichtsbezirk Gotha. Mit 8 Lichtdruck-
Bildern u. H8 Abbild, im Texte. V, 191 S.
Gauthier, P. Pays de France. (L’Art, C40.)
Godeffroy, R. Streifzüge durch d. Ausstellungen
des Jahres -1890. (Wochenschr. des n.-österr.
Gewerbe-Vereins, 10.)
Handbuch der Kunstpflege in Oesten’eich. Auf
Grund amtlicher Quellen hrsg. im Aufträge d.
k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht.
80, IX, 333 S. Wien (Manz). M. 4. — .
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(Kunstchronik, N. F., II, 13.)
Näher, J. Die Baudenkmäler d. unteren Neckar-
gegend u. des Odenwaldes. Aufnahme, Auto-
graphie und Beschreibung. 1. u. 2. Heft, qu.-
hoch 40. (ä 8 Taf.) Heidelberg, vorm. Weiss’
Sort. ä M. 2. — .
Petersseu, F. K. Die bildende Kunst in Frank-
reich. (Unsere Zeit, 0.)
Renan, A. L’Art arabe dans le Maghreb: Kai-
rouan. (Gaz. des B.-Arts, mai.)
M'ankeL Archäologische V7anderungen in der
Umgebung von Olmütz. (Mitth. d. k. k. Centr.-
Comm., N. F., XVI, 4.)
Wyzewa, T. Le mouvement des arts en Alle-
magne-et en Italie. (Gaz. des B.-Arts, avril.)
Agram.
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lUustr. Wiener Gewerbe-Ztg., 9. — Centralbl.
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— X. Kunstausstellung in Agram. (Kunst-
chronik, 20.)
A 1 g e r.
— Marye, G. Les Musees d’Alger. Exppsit. per-
manente. Sociöte des beaux-arts, Bibliotheque-
Musee. 8“, 8 p. Paris, Cerf.
Amsterdam.
— Goiise, L. Les Chefs-d’oeuvre du Mus6e
d’Amsterdam. (Gaz. des B.-Arts, avril.)
Antwerpen.
— Rooses, M. Het nieuw Antwerpsch Museum.
(De Gids, Juni.)
Bamberg.
— P. Die Sammlung Büchner in Bamberg.
(Kunstchronik, 26.)
Bar-le-Duc.
— Liste des dons et acquisitions du musee de
la ville de ßar-le-Duc du Dr janvier 1890 au
31 dec. 1890. 80, 22 p. Bar-le-Duc, impr. de
rindep. de l’Est.
Basel.
— Meyer, F. Geschichte d. öffentlichen Kunst-
sammlungen zu Basel. (Basler Jahrb., 1891.)
Benevento.
— Meoiiiartini , 0. I monumenti e le opere
d’arte delle cittä di Benevento. Benevento
1889—1890.
Berlin.
— Ausstellung dps Raschdorffschen Doment-
wurfes. (Centralbl. d. Bauverwaltung, 9 a. 10.)
— Besuch, ein neuer, im Hohenzollern-Museum
zu Berlin. (Allg. Militär-Ztg., 10. 11.)
— Correspondance , la, des peintres francais et
allemands au sujet de l’exposition de Berlin.
(Chron. des arts, 13.)
— Dietrich, W. Berliner internationale Kunst-
Ausstellung. .(Die Nation, 30 ffg.)
i Berlin.
— Eröffnung, zur, der internationalen Kunst-
Ausstellung in Berlin. (D. Kunstwart, IV, 16.)
— Führer, praktischer, durch die internationale
Kunst-Ausstellung Berlin 1891. 120, 62 S. mit
Abbild. Berlin, J.H. Maurer-Greiner. M. 50.
— G., C. Die französische Kunst-Ausstellung
bei Gurlitt. (Die Gegenwart, 16.)
— Innen-Ausstattung, von der, des Reichstags-
gebäudes in Berlin. (Illustr. kunstgewerbl.
■ Zeitschr. f. Innendecor., 4.)
— Jubilee Art Exhibition at Berlin. (The Athe-
nseum, 3315. 3316.)
— Kunst- Ausstellung , die Berliner. (Preuss.
Jahrbücher, 5.)
— KunsGAusstellung, die internationale, in Ber-
lin. (Wips. Beil, der Leipziger Ztg., 68.)
— Kunst- Ausstellung, zur Berliner. (Die Grenz-
boten, 9.)
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(Kunstchronik, 19. — Zeitschr. f. bildende
Kunst, März.)
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Ausstellung in Berlin. (Kunstchronik, 26 ^g.
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Blandford.
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Bochum.
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Bologna.
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Bonn.
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— Schrattenholz. Das Beethoven-Museum in
Bonn. (Die Gegenwart, 7.)
Brünn.
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1889. (Mitth. d. k. k. Mähr.-Schles. Gesellsch.
f. Ackerbau, Natur- u. Landeskde. in Biünn,
1890, 9.)
Budapest.
— Stefnitzer, M. Das Ungarische Handels-
museum. (Handelsmuseum, 8.)
— Thon-, Cement-, Asphalt- und Steinindustrie-
Ausstellung, temporäre, in Budapest. (Central-
blatt f. Glasind. u. Keramik, 185.)
Chicago.
— Weltausstellung, die, in Chicago 1893. (Han-
delsmuseum, 8.)
Dresden.
— Ausstellung, die keramische, des Gewerbe-
vereines zu Dresden. (Centralbl. für Glasind.
u. Keramik, 192.)
— Ausstellung für Keramik in Dresden. (Cen-
tralbl. f. Glasind. u. Keramik, 189.)
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— Treu, G. Antiken im Privatbesitz zu Dres-
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zu Dresden. (Archäol. Anzeiger, 1.)
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— Jahresausstellung , die, der Düsseldorfer
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Edinburgh.
— Ausstellung, heraldische, in Edinburgh. (Der
deutsche Herold, April.)
Florenz.
— Catalogo delle pitture nella r. galleria degli
ufflzi a Firenze riprodotte col sistema isocro-
matico, con l’aggiunta degli aifreschi e scul-
ture, pubblicate per cura dei fratelli Alinari.
40, p. 28. Firenze, tip. di G. Barbfera.
Frankfurt a. M.
— H., U. Neue Erwerbungen des Städel’schen
Kunstinstitutes zu Frankfurt a. M. (Allgem.
Ztg., 104 ff.)
F r e i b u r g (Schweiz).
— Notre musee cantonal. (Etrennes nouv. Fri-
bourg. Fribourg 1891.)
Graz.
— Verein, der Steiermärkische, zur Förderung
der Kunstindustrie in Graz. (Mitth. d. Oesterr.
Museums, N. F., VI, 6.)
Hamburg.
— Ausstellungen, Hamburgische , seit 100 Jah-
ren. (Adressbuch d. Kunstgewerbevereins- zu
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— Museum, das, f. Kunst u. Gewerbe. (Adress-
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In Mappe. M. 21. — .
Mailand.
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Mailand.
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Prima esposizione triennale di Brera. II
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Mars le 15 mai 1891. (Exposition nationale des
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arts, 15.)
— Collection de M. le baron de Menasce. (Chro-
nique des arts, 10.)
— Collection de M, de Valpingon. (Chronique
des arts, 19.)
— Collection J. Ilaüptmann. (Chron. des arts, 19.)
— Collection Julien Greau. Terres cuites
recques, vases peints et marbres antiques
ont la vente aura lieu etc. (11.— 16. Mai.)
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— Collection, la, Baur au musee Camavalet.
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— Collection L. Watelin. (Chron. des arts, 14.)
— Collection Paul Rattier. (Chron. des arts, 17.)
— Collection Ph. Burty. Objets d’art japonais
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texte et hors texte. Paris, impr. Charmerot.
— Collection Ph. Burty. Tableaux, aquarelles,
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Avec 40 phototypies. In-80. Bernard. fr. 7, 50.
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ville de Lyon ä l’Expos. univ. de Paris en
1889. 80, 12 p. Lyon, impr. Plan.
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de la ville de Lyon ä l’Expos. univ. de Paris
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— Henärd, E. Exposition universelle de 1889.
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40, 38 p. Paris, impr. Davy.
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Paris en 1889. 80, 23 p. Lyon , impr. Plan.
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80, 8 p. Lyon, impr. Plan.
— Rapport du jury de la classe 10 de la deu-
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pareils, prod.) 8», 20 p. Paris, impr. Imbert.
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ouvrier de la garniture de la ville de Lyon
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Lyon, impr. Plan.
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— Silvestre, A. Le Nu au Salon de 1891. Avec
32 phototypies. In-80. Bernard. fr. 5. — .
— Spitzer, la collection. Tome 2 : Les fimaux
pemts, notice par C. Popelin; les Meubles et
Bois sculptös, notice par E. Bonnaffe ; les
Fa'iences de Saint-Porchaire, notice par E. Bon-
naffö; les Fa'iences de B. Palissy, notice par
E.Moliniex; la Serrurerie, notice par H. d’Alle-
magne; les Cuirs, notice par A.Darcel. 231p.
avec grav. et 57 pl. Paris, May et Motteroz.
— Troisiörae^ exposition de la Soc. des peintres-
graveurs frangais, ouverte galeries Durand-
Ruel, du 4 au 30 avril 1891, de dix heures du
matin ä six heures du soir. 160, 72 p. Paris,
impr. M6nard et Co.
— 'Valat, M. Rapport du d616gue des ouvriers
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Die Photograph. Ausstellung im OesteiT.
Museum. (Mitth. des Oesterr. Mus., N. F., VI,
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Handelsmuseum. (Die Presse, 92. — Oesterr.
Monatsschrift f. d. Orient, Jan.)
Wiesbaden.
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Zürich.
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lichen Fortbildungsschulwesens in Zürich 1890.
Verhandlungen d. Sclilussconferenz, Protokoll,
allgemeine Berichte der Facliexperten u. Voten.
Auf Veranstalten des Schweiz. Industrie-Dep.
veröffentlicht von d. Ausstellungs-Commission.
4U, 71 S. Zürich 1891.
— Katalog der Sammlungen der antiquarischen
Gesellschaft in Zürich. I — II. Tlieil. gr. 40,
Zürich, 1890. (Leipzig, Hiersemann.) M. 10. 40.
— Katalog der Sammlungen der antiquarischen
Gesellschaft in Zürich. I— III. Theil. gr. 40.
Zürich 1890. (Leipzig, Hiersemann.) M. 8. — .
Inhalt : I. Vorrömische Abtheilung, von R. Ul-
rich. (XIV, 21.5 S. mit 17 Liclitdr.-Taf.) — II.
Griechisch-italienisch-römische Abtheil. Assyr.-
ägyptische Abtheil., von R. Ulrich u. A. Heiz-
mann. (IV, 156 S. mit 12 Lichtdr.-Taf.) — III.
Alamanisch-burgundische Gräberfunde. Mittel-
alterl. Abtheil. (IV, 107 S. mit 15 Lichtdr.-Taf.)
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