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Full text of "Die Cultur der Renaissance in Italien : ein Versuch"

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Ute Cultur ber Kcttaiffan 
in Jtfllien. 



r 

Die 

(Kultur ber tteuaiffauct 

tn 3talten. 

©in i'crjnrti 

von 

3acob 49urdil) arirt 

3toette burdjgefeljene Auflage. 



£et^tg 1869. 

SS e r t a g oon Gs. 21. Seemann. 




bem greifen Center, Collegett unb Jreimb 

gerotbmet. 



3Me $eränberungen, metöje btefeö 23ud? in ber neuen 
Auflage erfahren f)at, befcf)ränfen fty auf lauter einzelne 
Seilen im £ejt unb 3ufäje in ben Slnmerfungen, mät)renb 
eine üoüftänbtgc Umarbeitung be§ ©anjen münfcfjbar ge= 
mefen märe. 3u einer folgen fef)It bem 33erfaffcr bie nötige 
9Ku§e unb bie 9Jcögltcf)feit eine§ nochmaligen längeren 2lufent* 
t;atte§ in Italien, unb ftatt nun blo§ einzelne Partien §u 
änbern unb neue einrieben, magt er e§ e$er, ba3 2öerf 
in betreiben ©eftalt, in melier e§ einfi Mang gefunben, 
mteberum erf^einen ju laffen. 23ieUei$t mürben au$ manche 
9tnftcf)ten unb Urteile, meiere jefct bem $erfaffer bereit« etmaä 
jugenblicr) etföemen, in berjenigen @$attirung, bie fte nun* 
mef)r ermatten mürben, geringere Bufttmmung ftnben. 

OJtöge bie Arbeit ben greunben ber gegenmärtig in fo 
fcr>ungt;aftem gortfc^ritt begriffenen (Mturgefc^te üon 
Beuern empfohlen fein. 



(Erper %hfämtt 



Der Staat ab Ämt|toeriL 

m wahren Sinne beö Portes ftt&rt biefe ©djrift ben Stitet Einleitung 
eines bloßen $erfud)e«, uttb ber SJSerfaffer ift fidj beutüd) genug 
bewußt, baß er mit fetyr mäßigen SWittetn unb Gräften fid) einer 
überaus großen Aufgabe unterzogen Ijat. 2lber aud) wenn er mit 
ftärferer 3uöerfid)t auf feine gorfdjung f)inblicfen fönnte, fo wäre 
it)m ber Beifall ber tenner faum fixerer, £)ie geiftigen Umriffe 
einer Sultuxepodje geben »iefieidjt für jebe« 2Iuge ein berfdjiebene« 
33ilb, unb wenn e« fid) boltenb« um eine ©bilifatton tjattbett, 
wetdje als nädjfte äflutter ber unfrigen nod) jefct fortwirft, fo muß 
fid) ba« fubjeftibe Urzeiten unb (Smpfinben ieben Slugenbtid beim 
©arfteüer wie beim £efer einmifdjen. Stuf beut weiten äfteere, 
in wetdje« wir uns IjinauSiuagen, finb ber möglichen Sßege unb 
^tajtuugen biete, unb teidjt tonnten biefetben ©tttbien, welche für 
biefe Arbeit gemadjt würben, unter ben $änben eine« 2lnbern 
nid)t nur eine ganj anbere 33enüfcung unb 23et)anblung erfahren, 
fonbern aud) ju wefentlid) berfd)iebenen ©djlfiffen Stntaß geben, 
©er ©egenftanb au ftdf) wäre wichtig genug, um nod) biete 23ear* 
beitungen wünfd)bar $u machen, ^orfajer ber berfct)iebenften Staub* 
punfte jum SHeben aufeuforbern. (Sinftweiten finb wir aufrieben, 
wenn uns ein gebulbtge« ®et)ör gewährt unb biefe« 23ud) af« ein 
©an$e« aufgefaßt wirb. (£« ift bie wefentiidjfte ©djwierigfeit ber 
(Suiturgefd)ict)te, baß fie ein große« geiftige« ßontinuum in einzelne 
fdjeinbar oft wittfürtidje Kategorien ^erlegen muß, um e« nur 

SBurrffjarbt , Sultuv ber SHenaiffance. 1 



2 



©er ©tactt al§ ^unftrwerf. 



1. Mbfdmitt. trqenbtt)te jur ©arftettung ju bringen. — ©er größten Sücfe beß 
33ud)ea geborten tütr eitift burd) ein befonbereS SBerf über „bte 
^unft ber töenaiffance" abhelfen; ein SSorfofe welcher nur ge* 
ringerntl)eit$ fjat ausgeführt werben tonnen 1 )- 



foiuif^e^uttanb ©er ®ampf jrutfdjen ben Zapften unb ben ^ofyenftaufen 
im xin. saw. ^ ntcr ( ic ^ JU ( c ^ t hatten in einem politifcrjen ^uftanbe, welcher bon 
bem beö übrigen SlbenbtanbeS in ben wefentttd)ften ©tagen abnridj. 
Senn in ftranfreid), «Spanien, (Snglanb ba$ Sef)n«foftem fo ge* 
artet war, ba& e8 nad) Ablauf feiner SebenSjeit bem monardjifdjen 
(Sinljeitsftaat in bie tote fatten mußte, roenn e« in ©cutfdjtanb 
wenigfienS bie (Sinfjeit be$ SKeidjeS äufjerüd) feftt)atten tjalf, fo 
fjatte Statten fid) tym faft böüig entzogen, ©ie $aifer beö XIV. 
3at)r!)mtberta mürben im günftigften gaüe nicf)t meljr als Ober* 
lef)n3f)errn, fonbern al« mogüctje £äupter unb Verhärtungen fcb,on 
borfjanbetter 3Äädjte empfangen unb geartet; baS ^apfttfutm aber 
mit feinen Kreaturen unb ©tü^puntten roar gerabe ftart genug, 
jebe lünftige iStatjeit ju berljtabern, obme boct) felbft eine fdjaffen 
punommmP können 2 ). £wifd)en ben beiben waren eine Spenge potitifdjer 
»iciiKit. ©eftattungcn — ©täbte unb ®eroattl)errfd)er — tfjeilö fcf)on öor* 
tjanben, tt)ei(8 neu emporgekommen, beren ©afein rein tf)atfäd)ttcber 
9lrt war 3 ). 3n itjnen erfd)etat ber moberne europäifd)e «Staats* 
geift jum erftenmat frei feinen eigenen Antrieben Eingegeben; fie 
jeigen oft genug bie feffettofe ©etbftfudjt in iljren furdjtbarften 
£ügen, jebeS fttedjt oerljölnienb, jebe gefunbe SÖÜbung im $eim 
erfticfenb; aber roo biefe 9?id)tung übertounben ober irgcnbwie auf* 
gewogen wirb, ba tritt ein neue« SebenbigcS in bie ®efd)id)te: 
ber Staat at« berechnete, bewußte ©djöpfung, ata toftwerf. 
3n ben ©tabtrepubttren wie in ben £t)rannenftaaten prägt fid) 
bieg Seben tjunbertfättig au«, unb beftimmt iljre innere ®eftaft 
fowobjt at« itjre ^oütif nad) außen. Sir begnügen uns mit ber 

1) ©efdEjtdjte ber »aulunft »on granj fugler (be§ eierten »anbeS 
erfte §Mfte, bie 2trc£)itectur unb SDecoration ber ttalienifdjen Sftenaiffance 
entfyaltenb). 

2 ) Macchiavelli, Discorsi L. I. c. 12. 

3) 2)ie §errfdE»enben unb if)x 2ln|ang fjeifjen jufammen lo stato, unb 
btefer Sftame burfie bann bie SBebeutung beö gefammten ©afeinä etne§ 
Territoriums ufurpiren. 



Ser Staat aß Jtunftwetl. 



3 



Betrachtung be« bottftänbigem, beutttdEjer au«gefprod)enen £t)pu« 1. mt ünitt. 
beffetben in ben Soranuenftaaten. 

£)er innere 3uftanb ber öon ©ctt>aftf}errfcf)ern regierten %tt* 3>r «Staat 
ritorien hatte ein berühmtes 23orbilb an bem ^ormannenreictje Don Sric6li( ^ 
Unteritalien unb Sicilien, rote Saifer grtebridj U. e« umgeftattet 
hatte % Slufgewachfen unter Herrath unb ©efafjr in ber SRctye 
bon ©aracenen, fjatte er jtdj frühe gewöhnt an eine boHig objec* 
tioe Beurteilung unb Befjanblung ber £>inge, ber erfte ntoberne 
Oflenfd) auf bem £t)rone. ©aju fam eine nahe, bertraute Sennt* 
nifc Don bem Ämtern ber faracenifdjen (Staaten unb ihrer 23er* 
tuattung, unb jener (Sriften^rieg mit ben Zapften, welcher beibe 
Parteien nötigte, alle benf baren Gräfte unb bittet auf ben 
Sampfplafc ju führen. griebrid)«. ^erorbnungen (befonber« feit 
1231) raufen auf bie böllige Vernichtung be« Sc^nftaate«, auf bie 
SSerroanblimg be« Botfe« in eine willentofe, unbewaffnete, im 
fyöcfjften ®rabe fteuerfähige SWaffe f)tnau«. @r centratifirte bie 
gan^e richterliche Gewalt unb bie Berwattung in einer bisher für 
ba« Slbenbtanb unerhörten Seife; fein 2Imt mehr burfte burcl) 
23otf«wahl befefct werben, bei ©träfe ber SBerwüftung beS betreff 
fenben Orte« unb £)egrabation ber Bürger $u porigen, £)ie 
Steuern, beruhenb auf einem umfaffenben Satafter unb auf mo* TOol , ammeKinifd , 
hammebanifo)er Routine, würben betgetrieben mit jener quetferifdjen wn»M*«8. 
unb graufamen Slrt, ofme meiere man bem Orientalen freilief) fein 
(Selb au« ben Rauben bringt. £>ier ift fein SJolf mehr, fonbern 
ein controlirbarer £mufe bon Untertanen, bie 3. B. ofme befon* 
bere (Srtaubniß nicht au«wärt« heiraten unb unbebingt nicf)t au«* 
wärt« ftubiren burften; — bie UniDerfität Neapel übte ben frühen 
befannten @tubien3wang, währenb ber Orient feine tfeute wenig* 
ften« in biefen fingen frei ließ. Grdjt motjammebanifcf) bagegen 
mar e« wieberum, baß griebrief) nach oem ganzen TOtetmeer 
eigenen gmnbet trieb, Diele ©egenftänbe fict) öorbefjiett unb ben 
$anbet ber Untertanen hemmte. Die fatimibifdjen tfjalifen mit 
ihrer ®ef>eimtet)re be« Unglauben« waren (wenigften« Anfang«) 
tolerant gewefen gegen bie Religionen ifjrer Untertanen; ftrteb* 
rieh bagegen frönt fein 9tegierung«fbftem burch eine Se&erinquifttion, 
bie nur um fo fdmtbDoller erfcheint, wenn man annimmt, er habe 
in ben Sehern bie Vertreter freifinnigen ftäbtifdjen Seben« berfolgt. 
511« ^olijeimannfchaft im Innern unb af« Sern ber Slrmee nach 

0 £öfter: ßaifer $rtebrid) II. S. 39 u. ff. 

s 

1* 



4 



SDer (Staat al§ ßunftroetf. 



1. mmmtu außen bienten iljm enblid) jene au« ©tcilien nad) Suceria unb 
nad) 9?ocera itbergefiebetten iSaracenen, weldje gegen allen Cammer 
taub unb gegen ben firdjlidjen Sann gleichgültig waren. £)ie 
Untertanen, ber Saffen entwöhnt, liefen fpäter ben <Stur§ 3ftan= 
freb« unb bie JBefifcnafjme be« Slnjou leid)t unb wiltenlo« über 
fid) ergeben; teuerer aber erbte biefen 9?egierwtg«mecf)ani«mu8 
unb benü^te itjn weiter. 

sieben bem ccntraüfircnbcn ®aifer tritt ein Ufurpator ber 

^ «i^eiinos. e igentf)ümttd)fteu Strt auf: fein Sßicariu« unb @d)wiegerfoI)n <Sj$e* 
ttno ba Romano. @r repräfentirt fein Regierung«* unb SBerroal* 
tung«fpftem, ba feine £t)ättgfeit in tauter kämpfen um bie $err* 
fdjaft im öftlidjen Dberitalien aufging, allein er ift als politifebe« 
Sßorbttb für bie golgejeit ntdjt rainber wichtig al« fein faiferlidjer 
JBefdjtifcer. Mt bisherige (Sroberung unb Ufurpation be« üDWttel« 
alters war entweber auf wirflidje ober vorgegebene (Srbfdjaft unb 
anbere 9?ed)te l)tn ober gegen bie Ungläubigen ober @$communi* 
cirten rjottbradjt worben. per jum erftenmal wirb bie ©rünbung 
eine« £l)rone« berfitdjt burdj äftaffenmorb unb enblofe @d)eußüd)* 
feiten, b. 1). burd) Stufwanb aller bittet mit alleiniger töiuffidjt 
auf ben ^meef. deiner ber (Spätem f)at ben (S^eltno an Gtotof» 
falität be« Verbrechen« irgenbroie erreicht, aud) • (Sefare Sorgia 
nidjt, aber ba« Seifpiel mar gegeben, unb (Sjjelino'ö @turj roar 
für bie Golfer feine ^erftellung ber ©eredjtigfeit unb für fünftige 
grebter feine Sarnung. 

einftufe www Umfonft ftellte in einer folgen £eit @. £l)oma« öon Slquino, 

um> «ajetinö'ä. fc er geborene Untertan griebrid)«, bie £l)eorie einer conftitutio* 
nellen §errfd)aft auf, wo ber gttrft burd) ein tion itym ernannte« 
Obernau« unb eine Pom SBotf gewägte ^epräfentation unterftttfet 
gebad)t wirb. ©ergleiajen üerrjallte in ben £örfälen, unb ftrieb* 
rid) unb (Sjjelhto waren unb blieben für Italien bie größten po* 
titifdien (5rfd)einungen be« XIII. 3af)rf)unbert«. 3f)r#iU>, fdpn 
halb fabelfjaft wiebergefpiegelt, ift ber widjtigfte Snfjaft ber „rmn* 
bert alten Lobelien", beren urfprüngttdje ^ebaction gewiß nod) in 
bieß 3a(jrr)unbert fällt 1 )- %etmo wirb tjter bereit« mit einer 
ferjeuen (gtjrfurdjt gefdjilbert, weld)e ber ^ieberfdjlag jebe« ganj 
großen (Sinbrucfe« ift. dixtt ganje iHteratur, bon ber (Sijronit ber 



i) Cento novelle antiche, Nov. 1, 6, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 45, 56, 
83, 88, 98. 



35er ©taat al§ ^unftroerf. 5 

Stugenjeugen bis mr I) atb m^tt) oto gif dt) en STragöbie, fdjlofj ftcf) an t.,mmain. 
feine ^ßerfon an J ). 



Die großem unb fleinem ©erüaltfyerrfdjaften be§ XIV. 3a!)r* 
r)unbert« berratljen e8 häufig genug, baft (Sinbrücte btefer 2lrt ntdjt X1V - 2am ' 
bertoren waren. 3t)re Üüctffetljaten fctjrtett laut imb bie ®efd)idite 
ijat fie umftättbttd) uerjeidmet, aber als ganj auf fid) fetbft ge* 
ftellte unb banadj organifirte Staaten t)aben fie immerhin ein 
höheres Ontereffe. 

Die betuußte ^Berechnung alter üDättet, iuobon fein bamatiger 
au^eritatiferjer gürft eine 3bee hotte, berbunben mit einer inner* 
halb ber «Staatsgrenzen faft abfoluten äftachtbollfommenheit, brachte 
hier ganj befonbere 3ftenfd)en unb Lebensformen tjertior 2 ). Daß 
$auptgef)etmntfj ber $errfdjaft tag für bte »eifern Surannen barin, 
baß fie bie ©teuern möglichft fo liefjen, rote fie btefelben angetroffen ginanjen. 
ober am Anfang eingerichtet Ratten: eine ©runbfteuer, bafirt auf 
einen Satafter; beftimmte Sonfumofteuern unb ^ölle auf (Sin« unb 
2tu8fuf)r, tt)oju nod) bie (Sinnahmen bon bem ^ribatbermögen 
be$ ^errfdjenben §aufe« tarnen; bie einige mögliche Steigerung 
^ing ab bon ber Zunahme be$ allgemeinen 2öof)Iftattbe« unb 23er = 
fehreS. 3Son Anleihen, roie" fie in ben @tä'bten borfamen, mar 
t)ier nicht bie S^ebe ; eher ertaubte man fid) ru'er «nb ba einen 
irjot)lberecf)neten ©etüaltftreid), borauSgefefet bafe er ben ganzen 
3uftanb imerfcrjüttert ließ, töte 5. 33. bie ed)t futtanifdje Slbfe^ung 
unb SluSplünberung be$ oberften ^inanjbeamtcn 3 ). 

2Kit biefen (Sinfttnften fud)te man ausreichen, um ben fteinen *>« 4* 
£of, bie Seibraadje, bie getuorbene 9ttannfd)aft, bie bauten — 
unb bie «Spaßmacher forool)l als bie Leute bon latent ju bejahen, 
bie jur perfontietjen Umgebung beö dürften gehörten. Die 3lle= 
gitimität, bon bauernben ©efahren umfdjiuebt, bereinfanit ben 
£)errfd)er; ba$ ehrenbotlfte 33imbniß, welches er nur irgenb fd)liejjen 
faun, ift bas mit ber höljern geiftigen Begabung, ol)ne SHücffidjt 
auf bie ^erfunft. Die Liberalität (ÜRUtefeit) ber norbifdjen dürften 
beS XIII. 3ahrhunberts f»atte fid) auf bie bitter, auf bas btenenbe 

») Scardeonius, de urbis Patav. antiqu., im £E)efauru§ beä ©räoiuS 
vi., in., p. 259. 

2 ) Sisraondi, Hist. des rep. italiennes, IV, p. 420; VIII, p. 1. s. 

3) Franco Sacchetti, Novelle. (61, 62). 



6 



©er ©toat als Äunftroerl. 



1. Mbft&nitt. unb fingcnbe 2lbel«bolf befchränft. Slnber« bcr monumental ge* 
finnte, ruhmbegierige itatienifdt)e £tiramt, ber ba« STatertt als foldje« 
braucht. SWit bem SDidjter ober (Seiehrten Rammen fü()tt er ftdj 
auf einem neuen «oben, Ja faft im ©efifc einer neuen 8egi* 
timität. 

Söeltbefamtt ift in biefer JBejiefyung ber ©emaltherrfdjer tion 
Serena, (San ©raube betfo ©cala, tuetcfjer in ben ausgezeichneten 
Verbannten an feinem $ofe ein ganzes Italien beifammen unter* 
f)ielt. (Die ©djriftfteller waren banfbar; Petrarca, beffen 23efud)e 
rag »amai< fl e Ott biefen fwfen fo ftreuge £abter gefunben hoben, ftf)ilberte ba« 

Sfiert ibeaIe mh ehteS $ ür f ten be§ XIV 3ahrl)unbert«. l ) (ix berlangt 
uon feinem Slbreffaten — bem £errn öon $abua — SBieleS unb 
©roße«, ober auf eine Seife, al« traute er es ihm ju. „Du mußt 
"nicht §err beiner Bürger, fonbern Vater beS 23aterlanbe« fein 
unb jene wie beiue tinber Heben, 2 ) ja wie ©lieber beine« 8etbe«. 
©äffen, .Trabanten unb ©ötbner magft bu gegen bie geinbe 
roenben — gegen beute Bürger fommft bu mit bem bloßen 2öohl< 
motten au«; freiließ meine icf) nur bie Bürger, welche ba« $e* 
fteljenbe lieben, benn wer täglich auf Veränberungen finnt, ber ift 
ein Nebelt unb «StaatSfeinb unb gegen foldje mag ftrenge ©ered> 
tigfeit matten!" 3m (Sinjelnen folgt nun bie ed)t moberne giction 
ber ©taatSallmacht; ber ftürft folt für Sitte« forgen, ^iretjen unb 
öffentliche ©ebäube Ijerfteßen unb unterhatten, bie ©affenpolizet 
aufregt halten, 3 ) (Sümpfe auStrocfnen, über Söein unb (betreibe 
roadjen; bie Steuern gerecht bertheilen, §ülflofe unb ®ranfe unter* 
ftü^en unb ausgezeichneten ©elehrten feinen @d)u£ unb Umgang 
mibmen, inbem biefelben für feinen 9cad)ruf)m forgen mürben, 
©cfatjren bei 216er welche« auch bie allgemeinen Stafetten unb bie 33er* 
scannt*, bienfte (Stnjetner gewefen fein mögen, fo erfannte ober ahnte bod) 
fchon ba§ XIV. Oafyrfjunbert bie geringe Dauer, bie ©arantie* 



») Petrarca, de rep. optime administranda, ad Franc. Carraram. 
(Opera, p. 372, s.) 

2 ) @rft fjunbert ^atyre fpäter wirb bann audf) bie $ürftin ^ur Sanbe3= 
mutter. Sgl. §ieron. SrioeUVS SetdEjenrebe auf Stanca 3ftarta SiSconti, 
bei Stturatori, XXV, Col. 429. ©ine foöttifdje Uebertragung f)ier»on ift 
eS, wenn eine ©djtoefter $apft ©ijtu§' IV. bei 3ac. SSoIaterramtS (Murat. 
XXIII. Col. 109) mater ecclesiae genannt loirb. 

8 ) 3Jlit betn beiläufigen 2ßunfd£j, e§ mödjte ba§ Sagern ber ©djtoeine 
in ben ©äffen tum $abua oerboten werben, ba ber Stnblitf an fief» uner-- 
freultd) fei unb bie (ßferbe baoon fd)eu mürben. 



2>er ©toat al§ Äunftroerf. 



7 



tofigfeit ber meiften biefer £t)rannien. SDa aus innem ©rttnbenj^wf 
potitifdje 23erfaffungen wie biefe genau um fo ötet faltbarer finb, 
ais baS ©ebiet größer ift, fo waren bie mächtigem ®eroattf)err* 
fdjaften ftets geneigt, bte Keinem ju üerfdjüngen. 2öetd)e £efa* 
tombe fleiner £errfd)er ift nur allein ben Visconti in biefer 3eit 
geopfert worben! tiefer äußern ®efaf)r ober entfprad) gewiß faft 
jebeSmal eine innere ©äinmug, uttb bte töüdroirfung biefer Sage auf 
baS®emiu1) beS #errfdjer8 mußte in ben meiften gdüen überaus ber* 
berbüd) fein. £)iefa(fd)e 2tÜmad)t, bie Slufforberung jum^enuß unb 
$u ieber %xt bon ©elbftfudjt Pon ber einen, bie fteinbe unb 33er* 
fdjwörer pon ber anbern (Seite matten it)rt faft unPcrmeiblid) 
jum Savannen im übetn @inne. 2öäre nur weuigftenS ben eige* 
nen nädjften 33IutSPermanbten ju trauen gewefen! Allein wo Miltes 
illegitim war, ba fonnte fid) aud) fein fefteS @rbred)t, tneber für 
bie ©ucceffion in ber $errfd)aft, nod) für bie Shilling ber ®üter 
bitöen, unb bollenb« in brotjenben ^ugenbücfen fd)ob ben wtmün* 
bigen ober mttüdjttgen gürftenfofjn ein entfcfjtoffener Setter ober 
Obeim bei ©ette, im Ontereffe beS $aufeS fetbft. 2iud) über 2luS* 
fd)tuß ober Slnerfeunung ber «aftarbe mar beftänbiger ©treit. 
©o fam e§, baß eine ganje 8lnjaf)I biefer gamifien mit unjufrie* 
benen, rad)füd)tigen 33erwanbten t>eimgefud)t waren; ein 23erl)äft* 
niß, baS nid)t eben fetten in offenen SBerratf) unb in witben ftamiiten* 
morb auSbrad). Rubere, als giüdjtlinge augmärt« tebenb, faffen 
fid) in ©ebutb unb betjanbeüt aud) biefe @ad)lage objectiö, wie 
$. Sö. jener Visconti, ber am ©arbafee gifdme^e auswarf ; ») ber 
$ote feincö (SegnerS fragte itm ganj bireft : wann er wieber nad) 
äftaüanb jurüdjufefjren gebenfe? unb erhielt bie Antwort: „nid)t 
erjer als bis bie ©d)anbtt)aten 3eneS über meine 23erbred)en baS 
Uebergewidjt ertaugt f)aben werben", «isweifen opfern aud) bie 
SSermanbten ben regierenben §errn ber aü>fel)r befeibigten öffent» 
ticken SWorat, um baburd) baS ©efammt^auS $u retten. 2 ) $ie 
unb ba ruf»t bie £errfd)aft nod) fo auf ber ®efatmntfamilte, baß 
baS £aupt an beren Seiratt) gebunben ift; aud) in biefem gälte 
üerantaßte bie Rettung beS Sefii^eS unb beS (SinftuffeS leidet ben 
bitterften §aber. 

1) Petrarca, Rerum memorandar. liber III. p. 460. — ©3 ift Stak 
teo I. Visconti unb ber bantatä in Staitanb fjerrjdienbe ©uibo bella Zoxxe 
genteint. 

2) Matteo Villani, V, 81: bie gemeinte @rmorbung be§ Statte« 11, 
93i3conti buref) feine Srüber. 



8 



©er Staat aß Jtunftroerl. 



i. an>f<*mttt. Sßd ben bamaligen ftorentirtifd^en Tutoren begegnet man 
5Dev %hm V . einem burdjgefjenben tiefen £>aß gegen biefeS ganje Söefen. ©djon 
^ ba$ pomphafte Slufetetjen, bas ^rad)tcoftüm, woburdj bie ©ewalt* 
>rrfd)er üielleidjt weniger if»rer (Sttelfeit Genüge tljun als nie!* 
mefjr @inbru<f auf bie ^tjatttafte be§ 23olfe§ machen wollten, erwecft 
ü)ren ganzen ©arcasmu«. 2Bef)e wenn ifjnen gar ein Gmtpor* 
fömmüng in bie $änbe fällt wie ber neugebacfene £)oge Slgnelto 
öon ^3ifa (1364), ber mit bem golbenen ©cepter anzureiten 
pflegte unb fid) bann wieber jit §aufe am ftenfter jeigte „wie man 
Reliquien geigt", auf £eppid) unb Riffen öon (Mbftoff geleimt; 
fnieenb mußte man if>n bebienen rote einen ^ßapft ober ®aifer. *) 
ab^eiibcr ©efter aber reben biefe alten Florentiner in einem erhabenen, 
»torentiner. @nt ^ £) ante 2) erfemtt unb benennt öortre p^ ba s Unabeüdje : 

©emeinoerftänbige ber neufttrfttidjen $ab^ unb |>etrfd)gier. ,,Sq« 
tonen Üjte ^ofaunen, ©gellen, Börner unb glöten aitbcr« als 
herbei $u uns, ifjr genfer! tyr föaubüögel!" 3ftan matt fid) bie 
33urg be« Zuraunen f)od) unb tfotirt, twller Werfer unb Saufa> 
röhren, 3 ) als einen Slufettt&att ber 33oSf)eit unb be$ <51enbs. 
Rubere roetffagen Sebent Unglücf, ber in £nrannenbienfte gelje 4 ) 
unb bejammern am (£nbe ben ^rannen felbft, weldjer unber* 
metblio) ber $einb aller ®uten unb £üd)tigen fei, fid) auf Wt* 
wtattben uerlaffen bürfe, unb ben Untertanen bie (£rroartung feine« 
Sturzes auf. bem ®efid)t lefen tonne. „<So wie bie Snrannien 
entfielen, road)fen nnb fictj befeftigen, fo wädjft aud) in ir,rem 
Snnern Erborgen ber «Stoff mit, welker i[)nen Verwirrung unb 
Untergang bringen muß." 5 ) £>er tieffte ©egenfafe wirb mdjt 
beutlid) f)eroorgel)oben: $loren$ war bamals mit ber reichten 
(Sntroicflung ber 3nbtoibualttäten befdjä'ftigt, wdl)renb bie Gewalt» 
f)errfd)er feine anbere Snbioibualität gelten unb gewähren ließen 

1) Filippo Villani, Jstorie XI, 101. — 2lud) Petrarca finbet bie % 
rannen gepu|t „wie Stltare an $e[ttagen". — ®en antifen Xriumpfoug 
be§ Saftracane in Öncca finbet man utnftanblidj befdjrieben in beffen geben 
oon £egrimo, bei SWurat. XI, Col. 1340. 

2 ) De vulgari eloquio, I, c. 12: . . . qui non heroico more, sed ple- 
beo sequuntur superbiam etc. 

3 ) SieS jiüar erft in ©d&rtfien be3 XV. 3a£)rb-, aber geiüift nad) 
früheren ^antaften: L. B. Alberti, de re aedif. V, 3. — Franc, di 
Giorgio, Trattato, bei Deila Valle, Lettere sanesi, III., 121. 

4 ) Franco Sacchetti, Nov. 61. 
s) Matteo Villani, VI, 1. 



Ser ©taat als ßunftroerf. 9 

aU bie ttjrtge unb bie ifjrer näd^ften £)iener. SBar bod) bie (Son* 1. «»f amtt. 
trole beö einzelnen 3iftenfcf)en bis auf« ^ßaßwefen fyerab fdjon toöHig 
burd) geführt. ? ) 

£)a$ Unheimliche unb ©ottöertaffene biefer ^^iftenj befam 
in ben ©ebanfen ber ^ettgenoffen nod) eine befonbere $arbe burd) 
ben notorifdjen ©terngfauben unb Unglauben mancher §errfd)er. 
2Uö ber te^te (Sarrara in feinem peftü er ö beten ^3abua (1405) bie 
dauern unb £t)ore ntdjt me^r befe|en tonnte, wäbrenb bie 
Sßenetianer bie @tabt ttmsingeften, hörten ifjn feine ßeibwadjen 
oft beö 9iac£)t§ beut teufet rufen: er möge ttjn tobten! 



Sie boüftänbigfte unb betehrenbfte Slusbilbung biefer £t)rannis &u Visconti ; 
be§ XIV. SotyrljunbertS ftttbet ftd) wot)f unftreitig bei beu Visconti ® ernatö - 
in äftailanb, bon bem £obe be8 (Srjbtfchofs ©iobanni (1354) au. 
®teidj melbet fid) in 33ernabö gan$ unberfeunbar eine Familien* 
äljnltdjfeit mit ben fdjredlidjften römifdjen Imperatoren; 2 ) ber 
wichttgfte ©taatSjwed ift bte @berjagb be8 prften; wer ihm 
barein greift, wirb utarterboft Eingerichtet ; ba« jittentbe SSolf muß 
ihm 5000 Sagbljunbe füttern, unter ber fdjärfften SBerantroort* 
Udjfeit für bereu Sotjtbeftubeu. £)ie Steuern werben mit aöen 
beufbaren 3wang§mittein emporgetrieben, fieben £öd)ter jebe mit 
100,000 ©olbgulbcn ausgerottet unb ein enormer @d)a^ gefam* 
melt. 33euu £obe feiner ©emafytm (1384) erfd)ien eine 9?otifi* 
cation „an bie Untertanen", fte foüten, wie fouft bie greube, fo 
jefct baS Öeib mit itjm ttjeiten unb ein Oat)r lang Stroiter tragen. 
— UttDerQteidjtid) bejeidjnenb ift bann ber ^anbftretd), womit ihn 
fein 9ceffe ©tangatea^o (1385) in feine ©ewatt befam, eines Jener 
gelungenen Komplotte, bei bereu ©djilberung nod) fpäten <® efc^idt)t= 
fdjreibem ba§ §erj fd)iägt. 3 ) «ei ©iangaleajjo tritt ber edjte wmww. 
£branncnftnn für ba§ (Sotoffate gewaltig herbor. @r t)at mit 
Stufwanb bon 300,000 ©otbgutben rieftge ©ammbauten unter* 
nommen, um ben üKtncto bon 9Kantua, bie 23renta bon ^obua 



1) Sa3 $a£bureau von «ßabua um bie jJRitte beS XIV. Safjrfj. als 
quelli delle bullette Bejeic^net bei FraUco Sacchetti, Nov. 117. %n ben 
legten jetjn Sauren $riebrttt)S IL, al§ bie perfönltdjfte (Sontrole fjerrfdjte, 
mufj baS ^afstDefen fd)on feljr auägefiilbet geroefen fein. 

2 ) Corio, Storia di Milano, Fol. 247, s. 

3 ) 2tud) 93. bem Sßaolo ©iomo: Viri illustres, Jo. Galeatius. 



10 



2>er ©tactt als ßunftroerf. 



1. atbfdmitt. nad) belieben ableiten unb biefe ©täbte wehrlos machen 31t fön* 
neu, J ) ia eS wäre nid)t unbenfbar, baß er auf eine £rocfenlegung 
ber Lagunen bon 23enebig gefonnen f)ätte. @r grünbete 2 ) „baS 
wunberbarfte aller Softer", bie Sertofa Don ^abia, unb ben £)om 
bon äftatfanb, „ber an ©röße unb ^ßradjt alte tirdjen ber &fyxu 
fteitljett übertrifft", ja bielleid)t ift aud) ber Sßataft in sßabia, ben 
fdjon fein 33ater ©aleajjo begonnen unb ben er boüenbete, weitaus bie 
t)errüd)fte prftenrefibenj beS bamaligen (Suropa'S gewefen. Dorthin 
üertegte er aud) feine berühmte ©tbtiotljet unb bie große (Samm- 
lung bon Reliquien ber fettigen, welchen er eine befonbere 2lrt bon 
Dcffcn le^te ©lauben toiomete. 33ei einem dürften bon biefer ©inneSart wäre 
mne ' es befremblid), wenn er tridjt aud) im politifd)en ©ebiet nad) ben 
l)5d)ften fronen gegriffen hätte, tönig Sendet madjte if)« (1395) 
imn $erjog; er aber fjatte nid)ts geringeres als baS tönigt^um 
bon Statten 3 ) ober bie Äaiferfrone im ©inne, atS er (1402) 
erfranlte unb ftarb. ©eine fämmtlicfjett Staaten follen if)tn einft 
in einem 3al)re außer ber regelmäßigen ©teuer bon 1,200,000 
©olbgulben nod) weitere 800,000 an außerorbentlidjen ©ubfibien 
bejaht fyaben. 9fad) feinem £obe ging baS föeid), baS er burd) 
jebe 2lrt bon ©ewattttjaten 3ufammengebrad)t, in ©tücfen unb bor 
ber §anb fonnten faum bie altern 53eftanbtl)eite beffetben behauptet 
werben. SBaS aus feinen ©ölmen ©ioban äftaria (f 1412) unb 
ftilippo 3)?arta (|1447) geworben wäre, wenn fie in einem anbern 
Sanbe unb otjne bon ifyrem £mufe ju wiffen, getebt Ratten, wer 
weiß eS? ©od) als (Srbeu biefeS ©efd)ted)teS erbten fie aud) 
baS ungeheure Kapital bon ©raufamfeit unb $eigl)eit, baS fid) 
l)ier bon ©eneration ju ©eneration aufgefammelt tjatte. 

mwan anaria. ©ioban äftaria ift wieberum bitrd) feine $unbe berühmt, aber 
nid)t mehr burd) 3agM)itnbe, fonbern burd) Spiere, bie gum 3er* 
reißen bon 2ßenfdjen abgeridjtet waren unb beren Eigennamen 

1) Corio, Fol. 272, 285. 

2 ) ©agnota, im Archiv, stor. III, p. 23. 

i) ©o Corio, Fol. 286 unb Poggio, Hist. Florent. IV, bei Murat 
XX., Col. 290. — 33on glätten auf baS ßaifert§um rebet (Sagnola a. o. 
D. unb ba§ ©onett bei Trucchi, Poesie ital. inedite II, p. 118: 

Stan le cittä lombarde con le chiave 
In man per darle a voi .... etc. 
Roma vi chiama: Cesar mio novello 
Io sono ignuda, et l'anima pur vive : 
Or mi coprite col vostro mantello etc. 



2) er ©taat als Jfunftroerf. 



11 



uns überliefert ftnb wie bie ber Mren ®aifer MentintanS I. *) 1. gibfdmitt. 

im Sftai 1409 nmfyrenb beS nod) bouernben Krieges ba§ ber* 
Ijungernbe $otf ifjm auf ber «Strafe jurtef: Pace! Pace! ließ er 
feine @ötbner einbauen, bie 200 äftenfdjen töbteten; barauf raor 
bei ©algenftrafe berboten, bie 2öorte Pace unb Guerra auSju* 
f prec^en uttb fetbft bie ^ßriefter augeroiefen, ftatt dona nobis 
pacem, ju fagen tranquillitatem ! Grnbltdj benü^ten einige 23er* 
fdjraorene ben Stugenbttdf, ba ber ©roßconbottiere beö tbafynfimti* 
gen £)erjog§, gacino (Saue, tobtfrant ju ^ßabia tag, unb matten 
ben ©ioban 3ttaria bei ber Sirdfje @. ©ottarbo in Sttaitanb nie* 
ber; ber flerbenbe gacino aber tte^ am fetbigen Sage feine £)fft* 
eiere fdjroören, bem @rben gttippo Waxia $u fjelfen, unb 
fdjlug fetber 2 ) nod) bor, feine ©ematjtin möge ftd) nad) feinem 
£obe mit biefem bermähten, mie benn aud) batbigft gefdjal); es 
mar £3eatrice bi £enba. 23on gitippo ättarta mirb nod) meiter 
ju reben fein. 

Unb in folgen Reiten getraute fidE) Sota SRtengt auf ben f)ttt* 
fälligen CmtfjufiaSmu« ber bekommenen ©tabtbebötferung bon 
9?om eine neue §errfd)aft über Statten ju bauen. s J?eben 
^errfdjern mie jene ift er bon Anfang an ein armer, bertore* 
ner SHjor. 



£)ie ©eroattfjerrfdjaft im XV. Oat)rf)unbert jeigt einen ber* $enf*er t>e<* 
änberten Sfjaralter. 33iete bon ben Meinen Abrannen unb aud) xv 3 fl M- 
einige bon ben großem, brie bie (Scata unb ßarrara, finb unter* 
gegangen; bie mächtigen tjaben fid) arronbirt unb innerlich dja* 
ractertfttfdjer ausgebitbet; Neapel erbätt burd) bie neue aragonefifd)e 
£)bnaftie eine fräftigere 9?id)tung. 23or$ügtid) bejeidjnenb aber ift 
für btefe§ Oafjrfyunbert baö (Streben ber Sonbottieren nad) un* 
abhängiger Sperrfcbaft, ja nad) fronen; ein weiterer @d)ritt auf 
ber 33ah,n be§ rein £f)atfäd)tid)en unb eine E>of)e Prämie für ba§ 
latent mie für bie 8fiud)tofigt'eit. £)ie tteinern Abrannen, um 
fid) einen Mcftjatt ju fiebern, getjert je^t gern in ©ienfte ber 
großem (Staaten unb merben (Sonbottieren berfetben, ma8 ifynen 
etwa« ©elb unb aud) wob,t @traf(ofigfeit für manage äfttffetfyatcn 



1) Corio, Fol. 301 u. ff. Ammian. Marcellin. XXIX, 3. 

2 ) ©o Paul. Jovius: Viri illustres, Jo. Galeatius, Philippus. 



12 



2)er ©taat at§ ßunftroerl. 



1. aibfdmht. oerfcftafft, toietfeirfjt fogar Vergrößerung ifyreS (Gebietes. 3m ©an- 
jen genommen mußten ®roße unb steine fidj mefjr anftrengen, 
befonnener unb beredjneter öerfafjren unb ftd^ ber gar ju maffen* 
tjaften ©räuet enthalten; fie burften überhaupt nur fo üiet 33öfeö 
üben als nadfywcigbar ju ifyren gwecfen biente — fo tuet üerjiet) 
tfjnen aud) bie Meinung ber Unbeteiligten. 33on bem (Kapital 
oon ^ietdt, weldjeS ben legitimen abenblänbtfdjen gürftenfyäufern 
ju (Statten fam, ift f)ter feine ©pur, f)ödjften$ eine 5lrt Oon 
fyauptftäbtifdjer Popularität; was ben dürften Otalieng wefentlidf) 
sontiaft mit weiter fjelfen muß, ift immer latent unb f iifjle 33eredjnung. Sin 

saribeni«ft^nen.g^ ara | tcr roie derjenige daxU be§ Sfifjnen, ber fic^ mit wütfjen* 
ber ßeibenfdjaft in oöllig unpractifdje gwecfe hinein Oerbiß, war 
ben Italienern ein wafyreg töfitfjfet. „£)te ©djroetjer feien ja lauter 
dauern, unb toeun man fic aud) alle tobte, fo fei bieß ja feine ®e* 
nugtfyuung für bte burgunbtfdjen Magnaten, bie im Kampfe um* 
fommen mödjten! Gefäße aud) ber iperjog bie ©cfjweij ot)ne 
SBiberftanb, feine 3al)reöeinfünfte mären beßfyalb um feine 
5000 £)ucaten größer :c." ') 3Ba§ in Sari 9!ttittelaltertidje8 war, 
feine rttterlidjen ^fyantaften ober Obeale, bafür Ijattc Italien 
längft fein SSerftdnbniß meljr. SBcnn er aber Oottenb« ben Unter* 
anftttjrern Ohrfeigen erteilte 2 ) unb fie bennod) bei fic£> behielt, 
wenn er feine Struppen mißfyanbelte, um fie wegen einer lieber* 
tage ju ftrafen, unb bann wieber feine (SMjeimrätlje bor ben <SoU 
baten blamtrte — bann mußten it)n bie (Diplomaten be§ @üben§ 
Oertoren geben. imbwig XL aber, ber in feiner ^olttif bie ita* 
tienifdjen dürften innerhalb ifjrer eigenen $lrt übertrifft, unb ber 
Oor Altern fidj als 33ewunbcrer be§ $rance§co ©forja befannte, 
ift im ®ebiet ber £Hlbung burd) feine outgäre 9?atur weit oon 
jenen £)errfd)ern gefajieben. 

3n ganj merfroürbiger äftifd)itng liegt ©ute« unb 33öfcg in 
ben italieuifd)en (Staaten bes XV. 3al)rl)iinbert3 burdjeinanber. 
£)ie Ißerföntidjfeit ber dürften Wirb eine fo burdjgebilbete, eine 
oft fo t)otf)bebeutenbe, für it>re Sage unb Stufgabe fo dmracteriftifdje, 3 ) 
baß ba§ fütlidje Urtfjeit fdjwer ju feinem 9^ecr)te fommt. 

!) De Gingins : Depeches des ambassadeurs milanais, II. p. 200 
(N. 213).' SSgl. II, 3 (N. 144) unb II, 212 (N. 218). 

2 ) Paul. Jovius, Elogia. 

3 ) SDtefer herein tum Sraft unb latent ift e§, ma$ bei Sßac^tanell 
virtü fjeifjt unb auef) mit scelleratezza uertrcigltdE) gebadet nürb, j. 33. 
Discorsi I, 10, bei 2lnlafj be3 ©ept. ©eneruä. 



2)er Staat als ßunftmerf. 



13 



©runb unb Robert ber ^errfdjaft finb uttb bleiben illegitim 1. sibftfrwttt. 
unb ein $(ud) haftet baran unb mitt ttidjt baoon meinen, $aifer* saegitimität; 
Itdje (Sutheißungen unb Meinungen änbern biefj ntdjt, weit ba$ ^"^"^ 
Spolf feine SGotij baoon nimmt, wenn feine §errfd)er fid) irgenb* 
mo in fernen Öanben ober oon einem burcfjretfenben $remben ein 
@tücf Pergament gefauft Ijaben. *) 2Bären bie ®aifer etwas 
nü^e gewefen, fo fyätten fie bie ©ewattfyerrn gar nic&t empor* 
fommen (äffen, — fo lautete bie Sogif be« unwiffenben 9Jienfd)en* 
öerftanbeS. (Seit bem 9?ömer$uge (Sarfä IV. fjaben bie IMfer in 
Statten nur nod) ben oljne fie entftanbenen ®ewatt$uftanb fanc* 
ttonirt, oljne ihn jebod) im ©eringften anber« als burd) Ur- 
funben garantiren jtt fönnen. dar!« ganjeS Auftreten in 
Italien ift eine ber fdjmäfylidjften potttifdjen (Somöbien; man mag 
im äftatteo Sßiflani 2 ) nadjtefen, toie ihn bie 23i$conti in ifyrem 
©ebiete Ijerum unb enbtitf) barauS weg eScortiren, wie er eilt 
g(eicf) einem äflepaufmann, um nur red)t balb für feine 2Baare 
(bie ^rtütfegien nämlid)) ©etb ju erhalten, wie ftägücfy er in 
9?om auftritt, unb wie er enblidj, ohne einen @chwertftreid) getljan 
ju haben, mit feinem Döllen (Selbfacf wieber über bie 2Ilpen 
5iet)t. 3 ) ©igiSmunb fam wenigftenö baö erftemal (1414) in ber guten 
Slbfidjt, Sodann XXIII. jur £heilnahme an feinem (Eoncil ju be- 
wegen; bamals mar e$, als ®aifer unb $apft auf bem fjofyen 



!) hierüber Franc. Vetori, Arch. stor. VI, p. 293, s. „Sie 33eIeE)= 
nung burd) einen Wann, ber in ®eutfd)fanb mofint unb non einem römi- 
fdjen Äaifer nicbtS al€ ben eitetn tarnen f)at, ift nicf)t im ©tanbe einen 
Söferoicfit jum roabren ©ignore einer ©tabt machen." 

2) M. Villani, IV, 38. 39. 56. 77. 78. 92 ; V, 1, 2. 21, 36, 54. 

3 ) ©in StaHener mar e3, %a%io begli Uberii (Dittamondo, L. VI., 
cap. 5, um b. 3- 1360), meldjer ßarl IV. nocb, einen Äreu^jug nadji bem 
^eiligen Sanbe jumutljen raollte. Sie ©tefte ift eine ber beften in bem 
betreffenben ©ebidEjte unb aud) fonft bejeidjnenb. ©er Sicfjter roirb burd) 
einen troijigen Satrcomannen »om E)eU. ©rab meggcroiefen : 

Coi passi lunghi e con la testa bassa 

Oltre passai e dissi: ecco vergogna 

Del cristian che'l saracin qui lassa! 
Poscia al pastor (ben ^abft) mi volsi per rampogna: 

E tu ti stai, che sei vicar di Cristo 

Co' frati tuoi a ingrassar la carogna? 
Similimente dissi a quel soflsto (©arl IV.) 

Che sta in Buemme (33öbmen) a piantar vigne e fichi, 

E che non cura di si caro acquisto: 



14 



SD er Staat als SSunffroerf. 



l. 9ibf*nitt. ST^urm bon (Sremona baS Panorama ber Sombarbie genoffen, 
roätjrenb tfjren SBtrtf), ben ©tabtttirannen ©abrino gonbolo, baS 
(Selüfte anfam, beibe herunter ju werfen. £)aS groeitemat erfchien 
©igismunb böttig als Abenteurer; mefjr als ein halbes 3af)r 
fjirtburd) faß er in (Stena rote in einem ©dmlbgefängniß, unb 
fonnte nachher nur mit 9Zotf> jur Krönung in SRom gelangen. 
Srietrid) iii. 2BaS foll man bollenbS oon grtebrid) IH. beuten? ©eine 33efud)e 
m Staden. ^ Italien haben ben (Sfyarafter bon Herten* ober (SrfyolungS* 
reifen auf Unfoften berer, bte ifyre 5Rec£)te bon iljm verbrieft 
fyaben rooßten, ober fotdt)er , beneu es fchmeidjelte einen taifer 
recfjt pomphaft ju beroirtfyen. @o nerfjtctt es fid) mit Alfons 
bon Neapel, ber fid) ben faiferlichen 33efud) 150,000 ©otbgulben 
fofteu ließ. l ) 3n $errara 2 ) hat griebrid) bei feiuer jroetten 
9?üctfef)r öon 9?om (1469) einen ganjen £ag lang, otjne baS 
Limmer ^u Perlaffen, (auter 33eförberungen, adjtjig an ber gaty, 
auSgefpenbet; ba ernannte er cavalieri, conti, dottori, Notare, 
unb jroar conti mit üerfdjiebenen ©djatttrungen, als ba roaren: 
conte palatino, conte mit bem SRecfyt dottori, ja biß auf fünf 
dottori ju ernennen, conte mit bem $Hed)t SSaftarbe ju legiri* 
miren, Notare ju creiren, mtef)rtid)e Notare et)rttdt) ju er* 
flären u. f. ro. üftur uerlangte fein ® analer für bie Ausfertigung 
ber betreffenben Urfunben eine (Srfenntlichfeit, bte man in gerrara 
etroaS ftarf fanb. 3 ) SBaS $erjog ^ or l° ^ a ^ ei badete, als fein 
fatferlidjer ©onner bergeftatt urfunbete unb ber ganje ffeine £of 
fidj mit £iteln berfaf), roirb nid)t gemelbet. £>ie ^umaniften, 
roeldje bamals bas große Sföort führten, roaren je nad) ben 3n* 
tereffen geseilt. SBätjrenb bte einen 4 ) ben ®aifer mit bem con- 
uentioneflen Oubet ber £>id)ter beS faiferlidjen $RomS fetern, roeiß 
^ßoggio 5 ) gar nid)t mefjr, roaS bie Krönung eigentlich, fagen 

Che fai? perche non segui i primi antichi 

Cesari de' Komani, e che non siegui, 

Dico, gli Otti, i Corradi, i Federichi? 
E che pur tieni questo imperio in tregui V 

E se non hai lo cuor d'esser Augusto. 

Che nol rifluti? o che non ti dilegui? etc. 

1 ) 2)aS yitym bei 3Se§pafiano $iorent. p. 54. Sögl. 150. 

2) Diario Ferrarese, 6ei Murat. XXIV, Col. 215. s. 

3 ) Haveria voluto scortigare la brigata. 

4 ) Annales Estenses, 6et Murat. XX, Col. 41. 

5 ) Poggii Hist. Florent. pop., L. VII, bei Murat. XX, Col. 381. 



£)er Staat at§ ftunftroerf. 15 

forte ; bei ben Sitten fei ja nur ein fiegreidjer Imperator gefront i « bfeftni tt. 
worben unb jwar mit ßorbeer. 

UKit 3JJajrimittan I. beginnt bann eine neue faiferttdje ^olt« Das-Äaifert&um 
tif gegen Statten , in SBerbinbung mit ber aftgemeitren Sntertien* 3n S e J , l , t j 0n 
tion frember S3ötfer. ©er Anfang — bie 2Mefmung beö £obo* 
Dtco SDforo mit Söefeitigung ' feines ungtticfttdjen Neffen — war 
nid)t tion ber 2trt, wetdje «Segen bringt. 9kd) ber mobernen 
3ntertiention«tf)eorie barf, wenn gmk ein £anb jerreißen wollen, 
aud) ein ©ritter tommen unb mithatten, unb fo fonnte aud) ba$ 
$aifertt)um fein @tü<f begehren. Stber tion SKeajt u. bg(. mußte 
man ntdjt mefyr reben. Sttö ßubroig XII. (1502) in ®enua er* 
wartet würbe, a(8 man ben großen 9?eid)§abter tion ber fronte 
be$ §auptfaa!cS im ©ogenpataft wegttfgte unb aüeß mit Sitten 
bematte, frug ber ®efd)td)tfd)veiber ©enarega ] ) überall fjerum, 
was jener bei fo tiielen SRetiottttionen ftets gefrfjonte 2tbter eigent* 
lid) bebeute unb was für Slnfprüdje ba8 SKeid) auf ®enua fyabe? 
^temanb raupte etwas anbcreS als bie atte $Kebe: ©enua fei eine 
cameraimperii. üftiemanb wußte überhaupt in Statten irgenb wetajen 
fidjern 23efd)eib über fötale fragen. (5rft alö (Sart V. Spanien unb 
bas SReict) jufammen befaß, fonnte er mit fpanifdjen Gräften aua) 
faiferttdje Slnfprüaje burdjfefcen. 2lber was er fo gewann, fam 
befanntttdj md)t bem 9?eid)e, fonbern ber fpanifdjen 3ftad)t ju 
©ute. 

9Jiit ber potttifdjen Sttegitimität ber £)tinaften beö XV. Safjr* a>u \ma,m* 
tjunberts f)btg wieberum jufammen bie ©tetdjgüttigfeit gegen bie er6foIfle - 
legitime ®eburt, wetdje ben 5tuSlä'nbern , 23. einem ©omineS, 
fo fel)r auffiel, ©ie ging gteidjfam mit in ben ®auf. Säfyrenb 
man im Horben, im £auS ^ßurgunb etwa, ben SSaftarben 
eigene beftimmt abgegrenzte Apanagen, 33istl)ümer u. bgt. juwieS, 
wätjrenb in ^ortugat eine 23a[tarblinie fid) nur burdj bie größte 
Slnftrengung auf bem SC&rone behauptete, war in Statten fein 
fürftttcfyeS |>aus meljr, wetdjeS mct)t in ber £aupttinie irgenb 
eine unedjte ©eScenbenj gehabt unb rutjig gebutbet t)ätte. £)ie 
SIragonefen tion Neapel waren bie 33aftarbfinie beö Kaufes, benn 
Aragon fefbft erbte ber trüber beS SltfonS I. £>er große $ebe- 
rigo tion Urbino war tiieüeidjt überhaupt fein Ottontefettro. 2ltS 
^ßius II. jum Kongreß tion Sftantua (1459) reifte, ritten ifym bei 
ber (Sintjotung in gerrara it)rer adjt SSaftarbe tiom £auS (Sfte 

l ) Senarega, de reb. Qenuens., fcet Murat. XXIV, Col. 575. 



16 



©er ©taat alä Sunfttoerl. 



1. 9tbfd?nitt. entgegen, *) barunter ber regierenbe $erjog 33orfo fetbft unb jwei 
unehelidje ©öf>ne feine« ebenfalls unehelichen ©ruber« unb 23or* 
gängerS Seonelto. Sefeterer hatte außerbem eine rechtmäßige ®c* 
mahlin gehabt, unb jwar eine uneheliche SToc^ter 2llfon« I. öon 
Neapel Don einer 5lfricanerin. 2 ) £)ie ©aftarbe würben auch 
fchon be«f)atb öfter jugetaffen, roett bie ehelichen «Söhne minorenn 
unb bie (Gefahren bringenb waren; e« trat eine 2lrt üon ©eniorat 
ein, ol)ne weitere 9?ücffid)t auf echte ober unechte ®eburt. £>ie 
^wecfmäßigfeit, bie (Rettung be8 Onbitoibuum« unb feine« latentes 
finb hier überall mächtiger als bie ®efe£e unb ©räudje be« fon= 
ftigen Slbenblanbe«. 2öar e« bodt) bie &it, ba bie ©ohne ber 
SDetitocife m "ißäpfte ficf) gürftenthümer grünbeten ! 3m XVI. 3ahrl)unbert 
xvi. saöt^. untev j )em (§ittfiu§ ber gremben unb ber beginnenben (Segen* 
reformation würbe bie ganje Slngelegenheit ftrenger angefehen; 
SSarcf)t finbet, bie ©ucceffion ber ehelichen ©ohne fei „twn ber 
Vernunft geboten unb Don ewigen Reiten her ber 2öiüe be« 
Rimmels". 3 ) ßarbinat 3ppolito Gebiet grünbete fein Anrecht 
auf bie ^>errfd^aft über glorenj barauf, baß er au« einer ütelleidjt 
rechtmäßigen (5E)e entfproßt, ober boch ruenigften« ©ofm einer 
Ibligen unb nicht (wie ber |)erjog Slleffanbro) einer ©iettftmagb 
fei. 4 ) 3e£t beginnen auch bie morgattatifdjen (SefühlSehen, wetdje 
im XV. Sahrhunbert aus fittlichen unb politifcljeu ©rünben faum 
einen @inn gehabt hätten, 
ßoubottieren «« £>te f»öd)fte unb metftbewunberte $orm ber Illegitimität ift 
©taatenartoev. aUv {m xy 3^^^ ber (g on botticre, ber fic£> - welche« 
aud) feine Slbfunft fei — ein ftttrftentfyum erwirbt. 3m (Srunbe 
war fd)on bie 33efi|nal)me oon Unterhalten burd) bie Normannen 
im XI. O'ahrhunbert nidjts anbere« gewefen; jefet aber begannen 
^rojecte biefer 5lrt bie ipatbinfet in bauernber Unruhe ju erhalten. 

£)ie fteftfefcung eine« @olbfül)rer« at« £aube«herrn fonnte 
aud) ohne Ufurpation gesehen, wenn ihn ber 33robherr aus 



1) 3tufgejä$It im Diario Ferrarese, bei Murat. XXVI, Col. 203. «gl. 
Pii II. Comment. II, p. 102. 

2 ) Marin Sanudo , Vita de' duchi di Venezia, bei Murat. XXII 
Col. 1113. 

3 ) Varchi, Stor. Fiorent. I, p. 8. 

4 ) Soriano, Relaz. di Roma 1533, bei Tommaso Gar, Relazioni, 
p. 281. 



S)er ©taat al§ SUmftroerf. 



17 



fanget an ©elb unb beuten abfanb; 1 ) ofjnebtn beburfte ber i. gtbfd wttt. 
(Sonbottiere, fctbft wenn er für ben Slugenbticf feine metften £eute 
entließ eine« fiebern Orte«, wo er Winterquartier Ratten unb bie 
nou)wenbigften S3orrätfje bergen fonnte. £)as erfte 23eifpiet eine« 
fo ausgeftatteten $Battbettfüf)rer8 ift 3of)n £arofwoob, weldjer oon 
^ßapft ®regor XI. ^öagnacaöallo unb Sottgnola erhielt. 2H« aber 
mit Sltberigo ba Sarbiano ttalicmfdje |)eerc unb £>eerfül)rer auf 
ben @d)auota£ traten, ba fam aud) bie ©etegenbett ötel nciljer, 
gürftentfjümer ju erwerben, ober wenn ber (Sonbottiere fdjon 
irgenbwo ©eroaltljerrfdjer war, ba§ (Srerbte ju üergrößern. £)a§ 
erfte große 2tacd)anar biefer fotbatifdjen £)errfdjbegier würbe ge* 
feiert in beut ^erjogtljum 3Kai(anb nad) beut STobe be§ ©ian= 
galea^o (1402); bie Regierung feiner beiben ©öfjne (®. 10) 
ging (jauptfadjltd) mit ber Vertilgung biefer friegerifdjen Scan- 
nen babin, unb ber größte berfetben, gacino ßane, würbe fammt 
feiner Sßittwc, fammt einer SReifje öott (Statten unb 400,000 ®olb* 
gutben ins §au§ geerbt; überbieß 30g 23eatricc bi £enba bie @oI* 
baten trjreö erften ©emafjts nadj fid). 2 ) Von biefer JJeit an bitbete 
fid) bann jene« über alle 972a^en unmoraltfdje Vertjältniß jtütfdjett 
ben Regierungen unb ifjren ßonbottieren au«, weldie« für baS set$fta«t6 ber 
XV. 3al)rl)unbert d)aracteriftifd) ift. (Sine alte Sutecbote, 3 ) bon ^^tticren 
jenen, bie nirgenb« unb bodj überaß wafyr finb, fcfjitbert baffetbe sum SSl0t, ^ eluu 
ungefähr fo: (Stuft Ijattcn bie Bürger einer @tabt — e§ fott 
@iena gemeint fein — einen fjetbfjerrn, ber fie bon feinbüdjem 
£)ruct befreit fyatte; täglich, beriefen fie, wie er gu betofjnen fei 
unb urteilten, feine ^öeto^nung, bie in ttjren Gräften ftctnbe, 
wäre groß genug, felbft nidjt wenn fie ttm jum §errn ber @tabt 
madjten. (Snbttd) erljob fid) (Inner unb meinte: Saßt un8 ifjn 
umbringen unb bann af§ (Stabtfyeitigen anbeten. Unb fo fei 
man mit tfytn Oerfabren ungefähr wie ber römifdje @enat mit 
SRomutuS. On ber S£f>at tjatten fid) bie (Sonbottieren bor 9?ie* 
manb mefyr $u bitten at§ bor ttjren 23robl)erren; tämpften fie mit 
(Srfotg, fo waren fie gefäfjrlid) unb würben aus ber Sßett gefdjafft 

1) %üv ba3 $otgenbe ugl. ©anefirini, in ber (Einleitung ju Tom. XV. 
be§ Archiv, stor. 

2 ) Cagnola, archiv. stor. III, p. 28 : et (Filippo Maria) da lei 
(Beatr.) ebbe molto texoro e dinari, e tutte le giente d'arme del 
dicto Facino, che obedivano a lei. 

3 ) Infessura, 6ei Eccard, scriptores II, Col. 1911. Sie Sltternatioe, 
meldte 5Tiaccf;taoeIt bem ftegreidjen ßonbotttere ftellt, f. Discorsi, I, 30. 

SBuvfflwvtt. Suttuv bev Oienaiffancc. 2 



18 



2>er Staat als Äunftoerf. 



1. Mbfcfrnitt. wie Roberto Sftatatefta gtetd^ nad) bcm ©iege, ben er für ©ij> 
tuS IV. erfochten (1482); beim erften Ungtütf ober rädjte man 
fid^ biswetten an irjnen rate bie Sßenejianer am Sarmognota 
(1432). 1 ) @« §eicf)net bie (Sachlage in moratifdjer $e* 
jtefjung, baß bic (Sonbottieren oft 2Beib unb tinb als ®eißetn 
geben mußten unb bemtodj Weber Zutrauen genoffen nod) 
fetber empfanben. (Sie Ijätten §eroen ber Gsntfagung, (Sfjaractere 
raie 33etifar fein muffen, wenn fidj ber tieffte £>aß niait in iljuen 
fjätte fammetn fotten; nur bie oottfornmenfte innere ©ttte tjätte 
fie baöon abmatten tonnen, abfotute $reüter ju werben. Unb ate 
fötale, voller §of)n gegen bas Zeitige, öoöcr ®raufamfeit unb 
SSerratt) gegen bie Eßenfcfjen, lernen mir manche bon tfjnen fenneu, 
faft tauter 8eute, benen es nidjts ausmalte, im papfttidjen 
33anne ja fterben. 3ugteid) öber entwictett fief) in mannen bie 
$erfönlid)fett, ba§ latent, bis jur höd)ften 33trtuofttdt unb wirb 
auch in biefem «Sinne oon ben ©otbaten anerfannt unb beroun* 
bert; e8 finb bie erften Armeen ber neuern ®efd)id)te, wo ber 
perföntidje Srebit beS 2tnfüt)rer8 otjne »eitere ^ebengebanfen bie 
bewegenbe Äraft ift. ®tän$enb jeigt fieb bieß j. 33. im geben 
Die gamilic beS grancesco ©forja; 2 ) ba ift fein <Stanbe§üorurtt)eit, baS iljit 
sforja. ^ tte ^ noertt fönnen, bie aüerinbiöibueüfte Popularität bei jebem 
(Sinjetnen ju erwerben unb in fdjwierigen 9lugenbticfen gehörig 
in benü^en; e3 fam oor, baß bie fteinbe bei feinem Stnbücf bie 
Sßaffen weglegten unb mit entblößtem $aupt ifm ehrerbietig 
grüßten, weit irjn jeber für ben aemetnfamen „SSater ber fhieger* 
febaft" fyiett. ©iefes ®efcbtecbt ©forja gewährt überhaupt ba$ 
3ntereffe, baß man bie Vorbereitung auf baS gärftentljum öon 
saco»o Stnfang an gtaubt burdjfdjimment $u fefyen. 3 ) £)aS gunbament 
©f^ja. btefeö ®tücfe8 bitbete bie große ftrucfjtbarfeit ber gamitie; ftran* 
ceSco'S bereite bocbberübmter 53ater 3acopo fyatte ^wanjig ©e» 
febwifter, alte rauf) erlogen in (Sotignota bei $aen$a, unter bem 

0 Db fie aud) ben 2ll»iano 1516 oergiftet, unb ob bie bafür ange= 
gebenen ©rünbe richtig finb? »gl. $rato im Archiv. Stor. III, p. 348.— 
SSon (Solleoni ßefj fiefj bie SRepublif jur @rbin einfefcen unb naf)tn nad) 
feinem £obe 1475 erft nod» eine förmliche SonfiScatton »or. »gl. Mali- 
piero, Annali Veneti, im Archiv, stor. VII, I, p. 244. ©ie liebte eS, 
wenn bie ©onbottieren t^r ©eib in »enebig anlegten, ibid. p. 351. 

2 ) ©agnora, im Archiv, stor. III, p. 121, s. 

3 ) äßenigftenS bei $aul. ^oüiuö, in feiner Vita raagni Sfortise (Viri 
illustres), einer ber anjieb.enbften non feinen ^Biographien. 



Ser (Staat al§ ftunftroerf. 



• 19 



Ginbrud einer jener enblofen romagnotifd)en SSenbetten gtpifdjett 1. mamitt. 

ihnen unb bem £aufe ber ^afotim. £>ie ganje Söorjmmg mar 

(auter Slrfenat unb 2Bad)tftube, aucfj Butter unb £öd)ter böülg 

friegerifd). @d)on im bretjeljnten 3arjre ritt Oacopo heimlich bon 

bannen, junädjft nad) ^ßanteate 311m päpftttdjen Sonbotttere $8oU 

brtno, bemfetben, melcher bann nod) im Stöbe feine (Schaar an* 

führte, inbem bie ^arote bon einem fa^nenumfteeften 3ette au« 

gegeben mürbe, in metdjem ber einbatfamirte £eid)nam tag — bi« 

fitf) ein mürbiger Nachfolger fanb. Sacopo, at« er in oerfa)iebe* 

nen £>ienften attmaEjüct) emporfam, 50g aud) feine Slngeljörigen 

nad) fid) unb genoß burd) biefelben bie nämtidjen SSorttjette, bie 

einem dürften eine ^afyiretdje ©nnaftie üerfeifjt £)iefe 23erraanbten 

finb e«, metd)e bie 5trmee beifammen Ratten, methrenb er im 

(Saftet betf uobo ju Neapel liegt; feine ©ajmefter nimmt eigen* 

fyänbig bie fönigüdjen Unterhctnbter gefangen unb rettet ilm burd) 

biefe« ^ßfanb bom £obe. @« beutet fd)on auf 2lbfid)ten öon «eine amnuten. 

£)auer unb Sragmeite, baß Sacopo in ©etbfadjen äußerft ju* 

bertäffig mar unb beßhalb aud) nad) 9?iebcrtagen ßrebit bei ben 

23anquier§ fanb ; baß er überall bie dauern gegen bie ßicenj ber 

©otbaten fdjttfcte, unb bie ^erftörung eroberter ©täbte nidjt 

liebte; oottenb« aber, baß er feine ausgezeichnete (Soncubine Sucia 

(bie Butter grance«co'«) an einen Slnbern t>erf)etrathete, um für 

einen fürftlidjen ©hebunb oerfügbar ju bleiben. Slud) bie 93er* 

mdijtungen feiner 33ermanbten untertagen einem gemiffen ^ßtan. 

23on ber ©otttofigfeit unb bem müften Sebeu feiner gachgenoffen 

hielt er fid) ferne; bie brei £el)ren, momit er feinen grance«co 

in bie 2Bett fanbte, tauten: rüfjre feines 5tnbern SEßeib an; 

fditage feinen oon beinen Seuten ober, menn e« gefd)etjen, fd)icfe 

itm meit fort; enbtid): reite fein hartmäulige« $ferb unb feine«, 

ba« gerne bie (Sifen bertiert. SSor 2lflem aber befaß er bie ^3er* 

föntidjfcit, menn nidjt eine« großen getbfjerrn, bod) eine« großen 

©otbaten, einen mddjttgen, allfettig geübten Körper, ein popu* 

täre« 23aucrngefid)t, ein munbermürbige« ®ebäd)tniß, ba« alle 

©olbaten, alte ihre $fcrbe unb tf)re @otboerl)cUtmffe öon bieten 

5al)ren f)er fannte unb aufbewahrte. «Seine ©Übung mar nur 

itaüenifa) ; alte äftuße aber manbte er auf tenntniß ber ©efd)id)te 

unb tieß gried)ifd)e unb tateinifdje Tutoren für feinen ©ebraud) granc. ©for. 5 a 

überfein. grance«co, fein noa) ruhmoolterer «Sohn, hat oon mi • ® iacDm ° 

Anfang an beuttid) nach eine ^ großen £errfd)aft geftrebt unb ba« ?,mmno - 

9 * 



20 * 



35er «Staat al§ Stunftroetf. 



1. midynitt. cteioatttQe SDJaitanb burcf) gtänjenbe S?cerfüf)rung unb unbebenf* 
ürfjett SSerratlj aud) erhalten (1447—1450). 

©ein Setfpiel locfte. Slcnea« ©tjfoiuö 1 ) fdjrteb um biefe 
3eit: „in unferm rjeränberung§luftigen Stalten, wo mdjtö feft ftefyt 
unb leine atte §errfdjaft ejäftirt, fönnen tetc^t au« $ned)ten 
Könige werben." einer aber, ber fid) fetber „ben 9)?ann ber 
gortuna" nannte, befdjdftigte bamat« tior aßen bte ^tjantafie bc« 
ganzen tfanbe«: ©iacomo ^icciuino, ber Sol)n be« 9ftcolö. @8 
war eine offene unb brennenbe grage: ob aud) ilmt bie ®rün* 
buug eines gürftentfyume« gelingen werbe ober triebt? £)ie großem 
(Staaten Ijatten ein einteudjtenbe« Sntercffe e« gu uerljmbern, unb 
aud» $rance«co Sforza fanb, c« wäre öort^ciltjaft, wenn bie 
9fetf>e ber fouoerän geworbenen Sotbfüfirer mit il)tn fetber ab* 

unter ß an 9 *« fc^löffc. 2lber bie Gruppen unb £auptleute, bte man gegen W> 
Septem, dntno abfanbte, als er 3. $8. Siena Ijattc für fid) nehmen wollen, 
erfannten 2 ) if)r eigene« Sntereffe barin, ifm ju galten: „SBemt 
e« mit iljm ju @nbe ginge, bann fönnten wir wieber ben Siefer 
bauen." SBctyrenb fie itjrt in Drbetello eingefd)loffen Welten, ber* 
prouiantirten fie tfm jugteief» unb er fam auf ba« (Stnenttollfte 
au« ber stemme, (Snbticf) aber entging er feinem 33erl)ängnif3 
bod) nid)t. ©anj Italien wettete wa§ gefd>el)en werbe, at« er 
(1465) öon einem Sefud) bei Sfoqa in 3Äattanb nadj Neapel 
jum ®önig gerrante reifte. 2rofe alter <8ürgfd)aften unb l)ot)en 
SSerbinbungen ließ tf)n biefer im Saftet nuoöo erworben. 3 ) Slud» 
bie (Sonbotticren, wetaje ererbte Staaten befafjen, füllten fid) bod) 
nie fieser; als Roberto 2Matefta unb geberigo Don Urbino 
(1482) an (gittern £age, jener in töom, biefer in Bologna ftarben, 
fanb e« fid), baß 3eber im Sterben bem Slnbern feinen Staat 
empfehlen liefe! 4 ) ©egen einen Staub, ber fid) fo 23iele« erlaubte, 
fd)ien Sitte« erlaubt. ftrancc«co Sforza war nod) ganj jung mit 
einer reiben catabrefifdjen (Srbin, ^ßoliffena töuffa, ©räfin öon 
ÜKontatto, uerf)eiratl)et worben, weldje if)trt ein £öd)terd)en gebar; 

1) Aen. Sylvius: De dictis et f actis Alphonsi, Opera, Fol. 475. 

2) Pii II. Comment. I, p. 46, »gl. 69. 

3) Sismondi X, p. 258. — Corio, Fol. 412, roo ©forga aß mitfdjulbtg 
gilt, toeil er von %'ä friegerifc^er Popularität ©efatjren für feine eigenen 
©öf)ne gefürchtet. — Storia Bresciana, bei Murat. XXI, Col. 902. — 
SBie man 1466 ben Denegianifcfjen ©ro^conbottiere ©olteoni in $erfuä)ung 
führte, erjagt Malipiero, Annali veneti, arch. stor. VII, I, p. 210. 

Allegretti, Diarii Sanesi, bei Murat. XXIII. p. 811. 



» 



35 er ©taat alä Äunftroevf. 



21 



eine £ante vergiftete bie ftrau unb ba§ tinb uttb jog bie @rb* 1. «bfanttt. 
fäaft an fiel). *) 

23om Untergang *ßtccinmo'8 an gatt ba§ Sluffommen bon spätere «B«fu$e 
neuen (Sonbottierenftaaten offenbar al« ein nicht mehr ju bulben* »« Cot * ottie « n - 
ber «Scanbat; bie üter „®roßftaaten" Neapel, 9ttatlanb, ®ird)e 
unb 23enebig fdjienen ein Stiftern be« (^tetdfjgetDtdEjteö ju bilben, 
roeterjeö feine jener Störungen mehr tiertrug. 3m Sirdjenftaat, 
mo eö bon fteinen ^rannen wimmelte, bie jum Streit (Sonbot* 
tieren gewefen ober e$ nod) waren, bemächtigten fief) feit Si$tu§ 
IV. bie Stfepoten be8 2tüeinred}teS auf fold)e Unternehmungen. 
Slber bie SMnge brausten nur trgenbwo in'S Schmanfen ju ge* 
ratfjen, fo metbeten fidf) auef) bie Sonbottieren lieber. Unter ber 
flägtid)en Regierung ^nnocenj VIII. war e$ einmal nahe baran, 
baß ein früher in burgunbifd)en ©ienften gemefener Hauptmann 
Soccalino ftet) mit fammt ber Stobt Dfimo, bie er für fitfj ge* 
nontmen, ben Stürfen übergeben l)dtte ; 2 ) man mußte froh fein, 
baß er ft<fj auf Vermittlung beS Sorenjo magnifico mit (Selb 
abfinben ließ unb abjog. -3m 3ahre 1495, bei ber @rf Fütterung 
aller £)inge in gotge beö Krieges (Sartö VIII., berfud)te jtdfj ein 
ßottbottiere SSibotiero bon *Sre8cia ; 3 ) er hatte fdjon früher bie 
Stobt (Sefena burd) 2ftorb bieler (Sbeln unb Bürger eingenommen, 
aber ba§ Safteü hielt fict) unb er mußte wieber fort; jefct, be* 
gleitet bon einer Gruppe, bie ihm ein anberer böfer 35ube, ^5an* 
botfo 3ttatatefta tion 9ttmini, Sohn be$ ermähnten Roberto unb 
tienejianifcher ßonbottiere, abgetreten, nahm er bem Gsrjbifdjof 
Don föatienna bie ©tobt (Saftetnuotio ab. SDte 3Senejianer, 
roeldje (Größeres beforgten unb ohnehin Pom ^ßapft gebrängt 
mürben, befahlen bem ^ßanbolfo „wohlmeinend", ben guten gretmb 
bei (Gelegenheit ju berhaften; e3 gefdfjat», obwohl „mit Schmerlen", 
morauf bie Obre fam, ibn am (Satgen fterben $u taffen. $an* 
bolfo h^tc bte 9?üct'ftd)t, ihn erft im ©efängniß ju erbroffeln 
unb bann bem SBolf ju geigen. — £)a8 te^te bebeutenbere $özu 
fpiet folcher Ufurpationen ift 'ber berühmte (Safteltan öon ÜJiuffo, 
ber bei ber Verwirrung im üftail&nbifdjen nach ber Schlacht bei 
^ßabia (1525) feine Soutieränetät am (Somerfee improtiifirte. 



1) Orationes Philelphi, Fol. 9, in ber Sddjenrebe auf $rance§co. 

2) Marin Sanuclo, Vite de' Duchi di Ven. , bei Murat. XXII, 
Col. 1241. 

s) Malipiero. Ann. Veneti, Archiv, stor. VII, I, p. 407. 



22 



©er Staat al§ ßunftroerf. 



i. 3»>ftftni tt. 3m Allgemeinen ragt ftd^ Don ben ®ewattl)errfd)em be8 XV. 

Heineren SaOrfyuttbertS fagen, baß bie fdjtimmften £)inge in ben Keinem 
setr^aften. unb Hein f tcn £ e rrfcbaften am meiften fid) Ruften. Sftamentlid) 
tagen Ejier für jafitreic^e gamilien, beren einzelne 3ftitgtieber alte 
ranggemäß leben wollten, bie (grbftreitigfeiten naf)e; Söernarbo 
SBarano Don (Samerino [Raffte (1434) gwei trüber aus ber 
SBett, !) weit feine ©öljne mit beren @rbe auägeftattet fein wollten. 
SBo ein btoßer ©tabtyerrfdjer fict) au^etdjnet burd) prafttfd)e, 
gemäßigte, unblutige Regierung unb (gifer für bie (Sultur sugteid), 
ba wirb e§ in ber SRegel ein foldjer fein, ber ^u einem großen 
§aufe gehört ober bon ber «ßottttf eines folgen abfängt, £)iefer 
2trt war 3. 33. Slteffanbro ©forja,*) gürft oon ^efaro, «ruber 
be§ großen granceSco unb ©ajwiegeröater beS geberigo Don 
Urbtno (f 1473). 2lte guter Verwalter, at§ geredeter unb ju* 
gängtiajer Regent genoß er nad) tangem ^riegsleben eine ruhige 
Regierung, fammette eine herrliche 33ibtiotl)ef unb brachte feine 
2Jhtße mit gelehrten unb frommen ©efprädjen ju. 2ludj ©iobanni 
II. 23entitwgtio bon Bologna (1462—1506), beffen ^otitif bon 
ber ber Grfte unb ©forja bebingt war, läßt fid) tjie^er jagten. 
2öetd)e blutige SSerroitberung bagegen finben wir in ben Käufern 
ber Sßarani oon ßamerino, ber SMatefta oon 9ftmtni, ber 
Sftanfrebbi bon ftaenja, bor 2ltlem ber «agtioni oon Perugia, 
lieber bie (Sreigniffe im £aufe ber lefctern gegen (Snbe beS XV. 
3af)rl)unbert§ ftttb wir burd) auSge^eidmete ®efd)id)t§quetlen — 
bie (Strömten be§ ©rajiaui unb be§ SJcatarajjo *) — befonberö 
anfdjautid) unterrichtet. 
Die sBasitotien $)te 33aglionen waren eines bon jenen Käufern, beren 
t>on (peutßia. ^^^q^ ^ ^ e j ncm ^ rm {{^ ett gürftentt)um burdjgebtlbet 
^atte, fonbern mehr nur in einem ftäbtifchen Primat beftanb unb 
auf großem gamilienreitf)tt)um unb tljatfädjltdjem Einfluß auf bie 
Stemterbefe^ung beruhte. innerhalb ber Familie würbe (giner 
atg @efammtoberl)aupt anerfannt; bod) Ijerrfdjte tiefer, verborgener 
£aß gwifdjen ben SDfttgttebem ber oerfdjiebenen Steige. Ot)nen 
gegenüber hielt fidt) eiue gegnerifdje Slbetspartei unter Einführung 
ber Familie Obbi; SllleS ging (um 1487) in Waffen unb alle 
Käufer ber ©roßen waren boller 23raöi; täglich gab e§ ©ewatt* 



!) Chron. Eugubinum, Bei Murat. XXI, Col. 972. 

2 ) Vespasiano Fiorent. p. 148. 

3) Archiv, stor. XXI, Parte L et II. 



©er ©taat aß Äunftwerl. 



23 



traten; bei litlaS ber Söeerbtgung eine« crmorbeten beutfdien 1. suMd>nitt. 
(Stubenten [teilten fid) jwei (Sollegien in SBaffen gegeneinanber 
auf; ja bisweiten lieferten fict) bie 33raoi t)erfd)iebener £äufer 
(Schlachten auf offener Sßiajja. Vergeben« jammerten taufteute 
unb £anbwerfer; bie papftlidjen ®ot>ematoren unb Sftepoten 
f abwiegen ober matten fid) batb wieber baoon. Gmbtid) müffen »ettwttuna 
bie Obbi Perugia berlaffen unb nun wirb bie ©tabt eine be* i,erDbln - 
lagerte gefte unter ber oollenbeten ®ewaltberrfd)aft ber 53a* 
gtionen, melden aud) ber £)om als (Saferne bienen muß. (Som* 
ptotten unb Ueberfätlen wirb mit furchtbarer 9fodje begegnet; nad)* 
bem man (im 3. 1491) 130 (Singebrungene jufammengetjauen 
unb am @taat«pataft gehenft, würben auf ber ^ßiajga 35 Altäre 
errietet unb brei £age taug Steffen gelefen unb ^ßroceffionen ge* 
Ratten, um ben fjtudj oon ber Stätte wegzunehmen. (Sin Sftepot 
Sunoceuä' VIII. würbe am Ivetten £age auf ber (Stoffe erftod)en, 
einer Slte^anberö VI, ber abgefanbt war um $u fdjlidjten, 
erntete nidjt« afe offenen fwlm. £)afür 'tjatten bie beiben 
|>ciupter beö regierenben gmufeö ®uibo unb 9?iboIfo Ejäufige 
Unterrebungen mit ber fettigen wunbertl)dtigen Dominicaner* 
nonne @uor (Solomba oon SKieti, welche unter 2lnbrof)ung großen 
fünftigen Unzeit« jum ^rieben rietl), natürlich t-ergebenS. 3mmer* 
hin macht ber (Etjronift bei biefem 2lntaft aufmerlfam auf bie 
2lnbad)t unb grömmigfett ber beffern ^eruginer in biefen 
@d)recfenSia^ren. 2öäf)renb (1494) (Sari VIII. heranzog, führten 
bie SSagtionen unb bie in unb um Slffifi gelagerten Verbannten 
einen trieg t»on folget* 2trt, bafj im 3:t)at alle ©ebäube bem 
«oben eben, bie gelber unbebaut lagen, bie dauern ju füt)nen 
Räubern unb äftörbern uerwilberten, unb #trfdje unb SBölfe ba$ 
empornmdjernbe (Seftrüpp bebölferten, wo leitete fid) an ben 
«eichen ber Gefallenen, an f( (5l)riftenfleifa)", gültig traten. Site 
Slle^anber VI. oor bem oon Neapel gurücffel)renben Sari VIII. surften t>a 
(1495) nach Umbrien entwich, fiel e8 üjm in Perugia eiu, er * a * Ui - 
fönnte fid) ber Söaglionen auf immer enttebigen; er fcfjlug bem 
©uibo irgenb ein $eft, ein furnier ober etwas bergtetdjen oor, 
um fie irgenbwo alle beifammen ju haben, aber ®uibo war ber 
Meinung, „baö atlerfd)önfte ©djaufpiel wäre, alle bewaffnete 
9flannfd)aft oon Perugia beifammen 31t fehen", worauf ber ^ßapft 
feinen $lan fallen lief?. 33atb barauf machten bie Verbannten 
wieber einen Ueberfall, bei welkem nur ber perfönlid)fte gelben* 



24 



Der (Staat at§ Äunftroerf. 



i. wfrt.tt. mutf) ber $3agtionen ben (Sieg gemann. £)a mehrte ficf) auf ber 
^tajja ber ad)tjef)nläf)rige (Simonetto «agtione mit Senigen gegen 
mehrere §unberte, unb ftür^te mit mefjr als stoanjig 2Öunben, 
erfjob fid^ aber mieber, a(ö ifmt Slftorre «agtione $u £>ülfe fam, 
l)od) au 9?o^ in bergolbeter (gifenrüfturtg mit einem ftatfen auf 
bem £e(m: „bem äftars öergteidjbar an Slnbtict unb an £f)aten 
fprengte er in ba$ ©emüftf." 

£)amat« war SRafaet ats smö(fictf)riger tnabe in ber Sefjre 
bei ^ietro ^ßerugino. Sßteü'eidjt finb (ginbrücfe biefer £age oer* 
emigt in ben frühen «einen 33itbd)en beS fjeir. ©eorg nub beS 
yil SDftdjaet; oieiteiajt lebt nod) etmas baPon unPergäng(id) fort 
in bem großen <St. 3fltd)ael$btfbe, unb wenn irgenbroo Stftorre 
«agtionc feine SBerflärung gefunben f)at, fo ift es gefd)ef)en in 
ber ©efiaft be§ tjimmtifc^eu Deiters im §etiobor. 

3 «SÄ™ m ^ e9ner mxm ti)dU «mQefommen, tyeils in panifc^em 
<Sd)retf'en gemidjen, unb fortan feines fötalen Angriffes me^r fäfjig. 
Wad) einiger 3eit rourbe ifjtten eine partielle SBerföfjnmtg unb 
mdtyv gemährt. 3Iber Perugia mürbe ntdjt fixerer nod) rutjiger; 
bie innere 3roietrad)t beö fjerrfdjenben £aufe§ brad) jefet in ent* 
fepdjen Saaten au«. (Gegenüber ©uibo, 9?ibolfo unb ifjren 
@öf)nen ©ianpaoto, (Simonetto, SIfrorre, ©iSmonbo, ©entile, 
äftarcantonio u. 2t. traten fid) jmei ©roßneffen, ©rifone unb 
(Sarfo «arciglta jufammen; teuerer sugtetct) «Neffe beö dürften 
Sßarano Pon (Samerino unb ©djroager eines ber früheren 23er* 
bannten, Seronimo batfa ^enna. Vergebens bat Simonetto, ber 
fcbtimme 2lf)nuugen Fjatte, feinen Ofjeim fntefäüig, biefen «ßenna 
tobten gu bürfen, ©uibo Perfagte es t|m. £)aS Komplott reifte 
?petu ß inet plö^lid) bei ber ^oc^jeit beS Wftorre mit ber Sabinia (Soronna, 

ZMMitit 2Ri tte @ ommer § 1500 . © o8 na f, m | e t nen unb ' 

bauerte einige £age unter büftern 2in$eid)en, beren 3unaf)me bei 
ÜÄatara&o bor^üglicf) fd)ön gefdjilbert ift. ©er anmefenbe $arano 
trieb fie Rammen; in teuflifdjer SBeife mürbe bem ©rifone bie 
2Weini)errfdmft unb ein erbid)tete$ 23erf)öttni& feiner ©emafjlin 
3enobia mit ©ianpaolo Porgefpiegeft unb enbtid) jebem $er* 
fdjmorenen fein beftimmtes Opfer jugetfjetft. (SDic «ogtionen 
Ratten lauter gefdjiebene SBofjttungen, meift an ber (Steife beS 
je^igen (Softetts.) S3on ben öortjanbenen 53raPi befam 5eber 
15 Sttann mit; ber 9?cft mürbe auf 2Bad)en auggefteüt. Sn ber 
9?ad)t Pom 15. Ouli mürben bie STpren eingerannt unb ber 



Der ©taat als Äunftwerf. 



25 



3ftorb an ®uibo, SXftorre, ©imonetto imb ©iSmonbo tootUogett ; i. mwnitt. 
bic Slnbern fonnten ettttneitfjen. 

2lftorre'§ Seiche mit ber be« ©tmoneito auf ber ©äffe 
(aß, üergüdjen ifm bie Bufajauer „unb befonberä bic frembett 
@tubcnten" mit einem alten Börner; fo mürbig unb groß war 
ber Stnbüct; in ©imonetto fanben ftc nod) bag £ro|igtüf)ne, aU 
t)ätte ü)tt fetbft ber STob nid)t gebänbigt. £)ie Sieger gingen 
bei ben greunben ber gamiüe fyerum unb wollten fid) empfehlen, 
fanben jebod) 2lUeS in Streuten unb mit ber Slbreife auf bie Öanb* 
güter befd)äftigt. Iber bie entronnenen ©agüonen fammetten 
brausen üttamtfdjaft, unb brangen, ©ianpaolo an ber @pt£e, be§ 
fotgenben £ages in bie Stabt, wo anbere Intjänger, fo eben 
öon 23arctgtia mit bem £obe bebrof)t, fd)(eunig ju ifym [tiefen; 
ate bei @. ©rcotano ©rifone in feine fwnbe fiel, überliefe er es 
feinen Seuten, if)n nieberjumadjen; «arcigtia unb ^ßenna aber 
pd)teten fid) nad) (Samerino jum £auptanftifter be§ Unzeit«, 
33arano ; in einem Slugenbücf, faft ofme Sertuft, mar (Sianpaoro 
iperr ber Stabt. 

3ttalanta, ®rifone'3 nod) fd)öne unb junge SKutter, bie fid) ataianta®«- 
STagö gutior fammt feiner Gattin ^enobia unb gtoei ^inbern 9lione- 
©ianpaoto'8 auf ein Sanbgut juriicfgejogen unb ben if)t naa> 
eitenben Sofm mehrmals mit itjrem SD^utterfluctje bon ficf) ge* 
wiefen, laut jcfet mit ber Sd)Wiegertod)ter gerbet unb fudjte ben 
fterbenben @ofm. TOe« mid) bor ben beiben grauen auf bie - 
(Seite; «Riemattb moüte aU ber erfannt fein, ber ben ©rifone 
erftodjen fjdtte, um tiidjt bie SSerrottnfdjung ber Butter auf fict) 
$u sieben. Slber man irrte fid); fie felber befdjraor ben Solm, 
benjenigen ju üerjeil)en, tüetcfje bie töbttidjen ©treibe geführt, 
unb er öerfdjieb unter it)ren (Segnungen. (gi)rfurci)töboü fafjen 
bie ßcute ben beiben grauen nad), ate fie in ifjren blutigen 
Kleibern über ben $tafe fdjritten. £)iefe Itatanta ift eö, für 
toeldje fpäter föafael bie weltberühmte ®rab(egung gematt f)at. 
£)amit legte fie ifjr eigenes Mb bem fyödjften unb fyeiügften 
3Kutterfd)mer3 ju güßen. 

©er £)om, raeldjer ba$ meifte bon biefer £ragöbie in feiner 
SRälje gefeljen, mürbe mit Sein abgeraafdjen unb neu gemet'nt. 
SKod) immer ftanb bon ber ^ocfoett t)er ber £riumpt)bogen, bemalt 
mit ben Saaten 2lftorre'8 unb mit ben ßobberfen beffen, ber uns 
biefeS »3 erjagt, beö guten Ottatarajjo. 



26 



SDer ©taat a(8 ^unftroerf. 



1. aibfiftititt. (£« entftanb eine gonj fagentjaftc 23orgefcf)icf)te ber «agltonen, 
wetaje nur ein 9f eflex tiefer brauet ift. 2ltle bon biefem £aufe 
feien bon jefjer eine« böfen Stöbe« geftorben, einft 27 mitetnanber; 
fdjon einmal feien i^rc £>äufer gefcfjteift unb mit ben Riegeln babon 
bie ©äffen gepffaftert korben it. bgt. Unter <ßaul III. trat bann 
bie ©cbleifung ttjrer jßaläfte wirHicf) ein. 
gortoirfcn m (gtnftwetlen aber fc&einen fie gute Sßorfafce gefaxt, in i^rer 
Blu * e8 ' eignen Partei Drbnung gefcfiafft unb bie Beamten gegen bie 
abiigen «öfewtdjter gefdjüfet ju f)aben. Allein ber ftlud) bracf) 
fpäter bod) wieber wie ein nur fcr)etnbar gebämpfter «ranb Ijeröor; 
©ianpaoto würbe unter Seo X. 1520 naa) SKom getocft unb ent* 
Rauptet; ber eine feiner @öfme, Oratio, ber Perugia nur gett* 
weife unb unter ben gewaltfamften Umftdnben befaß, nämtief) als 
Parteigänger be« ebenfalls bon ben Zapften bebroljten £>er$og« 
bon Urbino, wütljete noa) einmal im eignen §aufe auf ba« ®rä> 
tiefte. @in £%im unb brei Oettern würben ermorbet, worauf 
ifmt ber $er$og fagen lieg, e« fei jefct genug. 1 ) ©ein «ruber 
SWatatefta «aglione ift ber florentinifcfje gelb&err, tnelctjer burd) 
ben 23erratJ) bon 1530 unfterbtieb geworben, unb beffen @ot)n 
föibolfo ift jener lefete be« §aufe«, weldjer in Perugia burd) (Sr* 
morbung be« Segalen unb ber Beamten im 3af)r 1534 eine nur 
fur^e aber fcbrecfltaje §errfa>ft übte, 
©ie anaiateften £)en ©ewaltfyerrfdjern bon 9ftmini werben mir noefy f)te unb 
»onsümim. ba f, egegtten> ftrebelmutf), (Sottlofigfeit, frtegerifcr)eö STalent unb 
Ijöfjere Silbung finb feiten fo in einem Stteufdjen bereinigt ge* 
wefen wie in @igi«monbo äÄalatefta (f 1467). Slber wo bie SWtffe* 
traten fidj Raufen, wie in biefem grnufe gefdjaf), ba gewinnen fie 
ba« ©cfjwergewicfit aud) über alle« Talent unb gießen bie £brannen 
in ben Slbgrunb. £)er fetjott erwähnte ^anbotfo, @igi«monbo'8 
Sttfet, hielt fia) nur nodfj, weit Sßertebig feinen (Sonbottiere trofc 
aller SBerbredjen ttterjt wollte fallen taffen; als it)it feine Unter* 
tränen (1497) au« fyhtreidfjenbett ©rünben 2 ) in feiner 23urg 
3U SRimini bombarbirten unb bann entwiftfjen ließen, füljrte ein 
benejianifcfjer Sommiffctr ben mit «rubermorb unb allen ©räueln 
unteraong ba «eflecto wieber jurüd. 9?adj brei ^aft^elmben waren bie 3#ata* 
«leinen. te f ten arme Ser 5 atmte> <£> u ft t i t um 1527 mVf ^ ftt be« ßefare 



») Varchi, Stör, fiorent. t p. 242, s. 

2 ) Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stor. VII, I, p. 498. 



Ser ©taat al§ ßunftroerf. 



27 



23orgia, eine (gpibemie für biefe fteinen SDrjrtaftten, nur fel)r tnentae 1. gtbfdmitt. 
überlebten fie unb nidjt einmal $u if)rem ®tüct 3n Sftiranbola, 
roo ftetne prften aus bem £mufe <ßico t)errfct)ten, faß im 3af)r 
1533 ein armer ®etef)rter, $ilio ®rigorio ©tralbi, ber au§ ber 
SScrtoüftutig bon SKom fidt) an ben gafttidjett £eerb beS fyoajbejafjrten 
©ioban §rance«co ^ico (Neffen beö berühmten ®iobanni) ge* 
pajtet fyatte; bei Maß tfjrer Sefpredjungen über baS ©rabmat, 
tuelajeä ber $ürft für ftdj bereiten roollte, entftanb eine Slbfyanb* 
tttng, *) beren ©ebication bom Slpril jenes Oaijreß batirt ift. Slber 
tüte tt)et)mütf)ig lautet bie 9?ad)fd)rift: „im £)ct. beffelben 3af)re§ ift 
ber unglüctlid)e prft bura^ nddjtlidjen Ttovb bon feinen} trüber* 
fotm beS Sebent unb ber §errfa)aft beraubt morben, unb tdj fetber 
bin in tiefem @lenb faum mit bem Seben babongelommen." 

(Sine djarafterlofe £)albtbrannie, tute fie ^anbolfo ^etrucci ^auöoifo 
feit ben 1490er 3af)ren in bem bon ftactionen jerriffenen @iena "S^T 
ausübte, ift faum ber nähern 33etrad)tung roerti). Unbebeutenb 
unb böfe, regierte er mit §ülfe eines ^rofefforS ber SKedjte unb 
eines 2lftrotogen unb verbreitete t)te unb ba einigen Sdjrecfen 
bura} 9#orbtf)aten. ©ein Sommerbergnügen roar, (Steinbtöde 
bom äftonte Slmiata herunter ju rotten, ofyne töüdftd)t barauf, 
toa« unb tuen fie trafen. 9iad)bem tfjm gelingen mußte, rua§ ben 
<Sd)tauften mißlang — er entzog • fid) ben £ücfen beS (Sefare 
^orgia — ftarb er bod) fpciter berlaffen uub berad)tet. ©eine 
<Söfme aber gelten fid) nod) lange mit einer Slrt bon $albf)errfcfjaft. 

S3on ben tmajtigern £>mtaftien finb bie 2lragonefen gefonbert Die vtqpm 
in betrauten. £)a§ 8ef)ngttefen, toeldjeS l)ier feit ber Normannen» ™"fono« 
jeit als ®runbf)errfd)aft ber Marone fortbauert, färbt fd)on ben 
(Staat etgentf)ümlid) , nmfjrcnb im übrigen Statten, ben fübtid)en 
^iretjertftaat unb toenige anbere ©egenben auggenommen, faft nur 
nod) einfacher ©runbbefife gilt unb ber (Staat feine «efttgniffe 
melir erblid) werben laßt. Sobann ift ber große SHfottS, weldjer 
feit 1435 Neapel in 23efi^ genommen (f 1458), bon einer anbern 
5lrt als feine tmrflidjen ober borgeblidjen ^aa^tommen. ($tän$enb 
in feinem ganzen ©afein, furchtlos unter feinem SSolfe, bon einer 
großartigen gtebenstöürbigfett im Umgang, unb felbft tuegen feiner 
fpäten Seibenfd)aft für 8ucre$ta b'Sltagna nid)t getabett, fonbern 

i) Lil. Greg. Giraldus, de \ario sepeliendi ritu. — ©djon 1470 
not in biefem §aufe eine 2Jtimatur!ataftrop§e uorgefallen, ogl. Diario 
Ferrarese, bei Murat XXIV, Col. 225. 



28 



3>er Staat aI3 Äunftwetl. 



1. Mbfftnitt. bewunbert. fjatte er bie eine übte (Sigenfdjaft ber 23erfd)wenbung, l ) 
an meiere fid^ bann bie unoermeibltdjen folgen fingen, greüet» 
hafte ginansbeamte würben juerft altmäd)tig t bis fie ber banferott 
geworbene Äötttg il)reS Vermögens beraubte; ein ^reugjug rourbe 
geprebigt, um unter biefem Sßorwanb ben (SleruS gu befteuern; 
bei einem großen (Srbbeben in ben ^brujjen mußten bie Ueber* 
lebenben bie ©teuer für bie Umgefommenen weiter bejahen. Unter 
fötalen Umftänben mar SItfonö für f)of)e ®äfre ber pruuffjaftefte 
SSirti) fetner 3eit (<S. 14) unb frol) beS unaufhörlichen ©penbenS 
an Obermann, aud) an fteinbe; für titerarifd)e Bemühungen hatte 
er bollenbs feinen attaßftab mehr, fo ba£ ^oggio für bie lateinifche 
Ueberfe^ung pon £enopf)on'S (Spropäbie 500 ©otbftücfe erlieft. 
Semite. ^errante, 2 ) ber auf if)n tarn, galt ats fein Baftarb Pon 
einer fpanifdjen £)ame, war aber üielteicht bon einem batencia* 
nifchen ätfarranen erzeugt. 2öar es nun mehr baS ©eblüt ober 
bie feine ^iftenj bebrohenben (Komplotte ber Barone, was ihn 
büfter unb graufam mad)te, jebenfallö ift er unter ben bamatigen 
prften ber fchrecflidjfte. Saftlos thätig, als einer ber ftärfften 
politifchen ®öpfe anerfannt, babei fein Süftling, richtet er alte 
feine Gräfte, aud) bie eines unberfö'hnlichen ®ebäd)tniffeS unb 
einer tiefen SSerfteüung auf bie Vernichtung feiner ©egner. Be* 
leibigt in alten fingen, worin man einen dürften beteibigen fann, 
inbem bie Anführer ber Marone mit ihm berfdjwägert unb mit 
alten auswärtigen geinben berbünbet waren, gewöhnte er fidj an 

m %mt n ° baS ^"W^ ot§ att ein SHMgtidjeg. ftür bie «efdjaffung ber 
ÜKtttel in biefem Kampfe unb in feinen auswärtigen Kriegen 
würbe wieber etwa in jener mof)ammebanifcf)en SBeife geforgt, bie 
griebrid) II. angewanbt hatte: mit ®orn unb Del hanbelte nur 
bie Regierung ; ben £>anbet überhaupt l)atte fterrante in ben §änben 
eines Ober* unb (Sropaufmanns, granceSco (Soppota, centra* 
tifirt, wetdjer mit iljm ben 9?u^en teilte unb alte 9?f)eber in 
feinen £)ienfi natun; 3wangSanteif)en r Einrichtungen unb (Sonfis* 



0 Jovian. Pontan.: de liberalitate, unb: de obedientia, 1. 4. SßgL 
Sismondi X, p. 78, s. 

2) Tristano Caracciolo : de varietate fortunae, Bei Murat. XXII. — 
Jovian. Pontanus: de prudentia, 1. IV; de magnanimitate, 1. I.j de li- 
beralitate, de immanitate. — Cam. Porzio, Congiura de' Baroni, passim. 
— Comines, Charles VIII, chap. 17, mit ber altgem. ©rjaractertftt! ber 
Slragonefen. 



®er (Staat als ftunftroerf. 



29 



cationen, grelle Simonie unb Söranbfdjafcung bei* getfttidjen (Sorpo* 1 . ^ubimat. 
rationcn berufen ba$ Uebrige. 9?un überliefe fid) $errante außer 
ber 3agb, bie er rücffid)tSlo$ übte, zweierlei Vergnügungen: feine 
©egner entweber tebenb in wohtberwahrten Werfern ober tobt unb 
etnbalfamirt, in ber SCradjt, bie fic bei ßebjeiten trugen J ), in fetner 
g^ätje ju haben. @r fidjerte, wenn er mit feinen Vertrauten bon 
ben ©efangenen f praef) ; aus ber SKumiencottection würbe nidjt 
einmat ein ®el)eimnife gemacht, ©eine Opfer waren faft lauter 
Männer, beren er fid) burd) Verratl), ja an fetner fonigtfdjen 
STafet bemächtigt. Völlig infernal war ba§ Verfahren gegen ben 
im £)ienft grau unb franl geworbenen ^remterminifter Stntoneüo 
*ßctrucci, bon beffen madjfenber £obe«angfl $errante immerfort 
®efcf)ettfc annahm, big enblid) ein Slnfc^cin bon 2:i)eilnal)me an 
ber legten SSaronenberfdjroörung ben Vorwanb gab ^u feiner Ver- 
haftung unb £inrtd)tung , jitgleidj mit (Soppola. Sie Strt wie 
btefe 2ltte§ bei (Saraccioto unb <ßor$io bargeftellt tft, macht bte 
<paare fträuben. — Von ben «Söhnen bes Königs genofe ber «ifonfo »o« 
ältere, Sllfonfo £er$og Don (Satabrien, in ben fpätern fetten mc * mn - 
eine Slrt Mregierung; ein wilber, graufamer SBüftttng, ber bor 
bem Vater bie größere Offenheit boraus natte unb fid) aud) nid)t 
freute, feine Verachtung gegen bie Religion unb itjre ©rauche an 
ben Sag ju legen. 3Me beffern, lebenbigen £üge beö bamaligen 
SbrannenthumS mufe man bei biefen gürften nid)t fudjen; roa« 
fie bon ber bamaligen fünft unb Vitbung an fid) nehmen, ift 
SujmS ober Schein. ©d)on bie echten ©panier treten in Statten 
faft immer nur entartet auf; uoüenb« aber geigt ber StuSgang biefeS 
ÜRarranenljaufeg (1494 unb 1503) einen augenfd)einlid)en fanget 
an 9face. gerrante ftirbt bor innerer (Sorge unb Qual; 5llfonfo 
traut feinem eigenen trüber geberigo, bem einigen ®uten ber 
Familie, Verrath ju unb beleibigt ihn auf' bie unwürbigfte 
Seife; enblid) flicht <5r, ber bisher al« einer ber tüchtigften £eeiv 
führer 3tatienS gegolten, beftnnungStoS nadj Sictlien unb lajjt 
feinen Sohn, ben Jüngern ^errante, ben granjofen unb bem allge* 
meinen Verrath jur 23,eute. Sine ©tmaftie, welche fo regiert 
hatte wie biefe, hätte alterminbeftenS ihr Seben treuer berfaufen 
muffen, wenn ihre tinber unb ^ad)!ommen eine ^Keftauration 
hoffen fottten. 2lber: jamais homme cruel ne fut hardi, wie 

i) Paul. Jovius, Histor. I, p. 14, in ber 9tebe eine§ tnailanbifd&en 
©efanbten; Diario Ferrarese, M Murat. XXIV, Col. 294. 



30 



£>er (Staat als Äunjtwerf. 



i. «frfflmtt. (SomineS bei biefem 2lntaß etwas einfeitig unb im ®an$en bod> 
ridjtig jagt. 

fc« 1 «*»«®«- @cf)t italienifd) im Sinne beö XV. Oahrfjunberts erfd^eint 
conti baS ftürftentyum in ben £>erjogen öon 2Watfanb auSgebilbet, beren 
£errfd)aft feit ©iangafeagjo fchon eine twttig auSgebilbete abfolute 
üflonärdjie barfteüt. 23or Altern ift ber tefcte Visconti, ftitippo 
30?aria (1412—1447) eine üjöc^ft merfwürbtge, gtücfti^er Seife 
oortrefflicb gefdjilberte i) «ßcrföttlicftfett. Saß bie $urd)t au« einem 
3ftenfd)ett toon bebeutenben Anlagen in hoher (Stellung machen 
famt, geigt fid) hier, man fönnte fagen, mathematifcb öoüftänbig; 
alle üßtttel unb 3wecfe bes (Staates concentriren fid) in bem einen 
ber (Sicherung feiner ^erfon, nur baß fein graufamer Egoismus 
bod) nid)t in $3lutburft überging. 3m (Saftelt Don äRattanb, baS bie 
herrtidjften ©arten, Saubgdnge unb £ummelplä£e mit umfaßte, 
ftfct er, ohne bie Stabt in öteten Oaijren aud) nur 3U betreten; 
feine Ausflüge gehen nad) ben 8anbftäbten, ido feine prächtigen 
Scblöffer liegen; bie ©arfenftottitte, bie if)n, twn raffen «ßf erben 
gebogen, auf eigens gebauten (Sanälen babin führt, ift für bie 
£anbf)abung ber ganjen (Stifette eingerichtet. 2öer baS (Saftelt 
betrat, war l)unbertfadt) beobachtet; Sfrcmanb follte auch nur am 
ftenfter flehen, bannt nidjt nach außen gewinft würbe. <5tn fünft* 
tiches Softem tum Prüfungen erging über bie, welche jur perfön* 
liehen Umgebung beS dürften gebogen werben foltten; biefen öer* 
traute er bann bie fjödjftcn btptomattfchen wie bie Safaienbienfte 
an, benn Leibes war ja hier gleich ehrenootl. Unb biefer äftanu 
führte tange, fdjwierige Kriege unb hatte beftänbig große poütifche 
£)inge unter ben Rauben, b. h- er mußte unaufhörlich Seute mit 
umfaffenben 33oltmad)tett auSfenben. ©eine «Sicherheit tag nun 
barin, baß feiner Pon biefen feinem traute, baß bie (Sonbottieren 
buref) Spione unb bie Unterf)änbter unb f)öf)ertt Beamten bitrdj 
fünftüch genährte Zwietracht, namentlid) burch 3ufammenfoppe* 
lung je eines ®uten unb eines S3öfen irre gemad)t unb auSein* 
onber gehatten würben. 3tudj in feinem Onnerften ift gilippo 
2ftaria bei ben entgegengefefcten ^olen ber 2Bettanfcbauung per* 
fichert; er glaubt an ©eftirne unb an blinbe ^othwenbigfeit unb 
betet zugleich ju allen ^othhelfern; er lieft alte Tutoren unb 



!) Petri Candidi Decembrii Vita Phil. Mariae Vicecomitis, bei 
Murat. XX. 



Ser ©taat alö ßunfttoerf. 



31 



fran&öftfdje Ütfttcrromane. Unb jute^t fjat berfetbe Sttenfd), ber 1. aibftftnitt. 
ben STob nie wollte erwähnen pren ') unb fetbft feine fterbenbcn 
©ünftlinge aus bem (Saftetl fd^affen tief?, bamit ^iemanb in biefer 
SSurg beS ®tücEeö erbteid£)e f burd) ©djttejjuttg einer SBunbe unb 
Verweigerung beS 5lbertaffeS feinen Stob abfic^tttdE) bcfdjleunigt 
unb ift mit Slnftanb unb SBürbe geftorben. 

©ein ©djwiegerfoljn unb enbtidjer @rbe ber glücEIidfje (£on* srancessco 
bottiere granceSco @for$a (1450—1466, @. 19) war bielleicht ® foräa ' 
oon atlen Italienern am meiften ber Dftann nad) bem §erjen 
beS XV. 3aljrl)unberts. ©länjenber als in ihm war ber ©ieg 
beS ®enieS unb ber inbibibuellen traft nirgenbs ausgefprodjen, 
unb wer baS nidjt anzuerkennen geueigt mar, burfte bod) immerhin 
ben Liebling ber Fortuna in it)m oerehren. üJJiailanb empfanb es 
offenbar als Grljre, wenigftenS einen fo berühmten ^errfajer ju 
ermatten; t)atte ihn. bod) bei feinem Einritt baS bichte VolfS« 
gebränge ju ^3ferbe in ben £)om hineingetragen, ohne baß er ab* 
fteigen tonnte. 2 ) £)ören wir bie 23ilans feines SebenS, wie fie 
^ßapft 'ißius II., ein dei ner in folgen £)ingcn, uns uorretfjnet. 3 ) 
„3nt 3ahr 1459, als ber §erjog jum gürftencongrejj nad) 3ttantua ©ein ®rücf. 
fam, war er 60 (eher 58) Oafjre alt; als Leiter einem Oüngling 
gteid), hoch, unb aufecrft impofant an ©eftalt, twn ernften 3ügen, 
ruhig unb leutfetig im Sieben, fürfttich im ganzen benehmen, ein 
®anjeS bon leiblicher unb geiftiger ^Begabung ohne ©leiten in 
unferer $eit, im gelbe unbefiegt — baS war ber äftann, ber öon 
niebrigem «Staube jur £eri*fchaft über ein 9?etdj emporftieg. ©eine 
©emahltn war fdjön unb tugenbhaft, feine Äinber anmuthjg wie 
(Sngel bom Gimmel; er war feiten Iranf; alle feine wefentlidjen 
SBünfche erfüllten fid). ©od) hatte aud) er einiges äftifjgefdjicf; 
feine ©emahlin tobtete il)m aus (Siferfudjt bie ©eliebte; feine alten 
Sßaff engenoffen unb greunbe £roito unb #3runcro verließen tr)n 
unb gingen ju tönig Alfons über; einen anbern, ßiarpoltone 
mußte er wegen 23erratl)$ henfen laffen; Don feinem trüber 
Slleffanbro mußte er erleben, baß berfetbe einmal bie granjofen gegen 
ihn aufftiftete; einer feiner ©ohne jettelte ^änfe gegen ihn unb 



1) 5sf)n ängftigte, quod aliquando „non esse" necesse esset. 

2 ) Corio, Fol. 400; — ©agnola, im Archiv, stor. III, p. 125. 

3) Pii II. Comment. III, p. 130. Sgl. II. 87. 106. @tne anbere, 
nodfj mel)r tn§ £>üftere fallenbe Ration vom ©lütfe be§ ©forga giebt 
(Saraccioto, de varietate fortunae, bei Murat. XXII, Col. 74. 



32 



©er (Staat als ^unftroerf. 



1. gibfcftmtt. fam in £>aft; bie Wlaxt 2lncona, bie er im ®rieg erobert, berlor 
er attd) roieber im $rieg. 9?temanb geniest ein fo ungetrübtes 
®lüct, baß er nicf)t irgenbwo mit ©chwanfungen ^u färnpfen 
t)ätte. ©er ift glüctlidj, ber wenige Sibenoärtigfeiten t)at." SJiit 
biefer negatiöen Definition beS ©lücfeS entlaßt ber geteerte ^ßapft 
feinen Sefer. SBenn er tjätte in bie ,3ufttnft b liefen fönnen ober 
attd) nur bie (Sonfequen^en ber böllig unb efcfyr duften gürftenmadjt 
überhaupt erörtern wollen, fo märe if)tn eine burd)gel)cnbe 2Bal)r= 
nefjmung ntd)t entgangen: bie © ar anti ei oft gleit ber gamilte. 3ene 
engelf ebenen, überbteß forgfctlttg unb bielfeitig gebübeten ®inber 
untertagen, als fie Männer würben, ber ganzen SluSartung beS 
©aieasjo fdjranreulofen (£goi§mu$. ®atea^o 3ttaria (1466— 1476), ein 
2«ana. g3 irtuo f e ber aufoxn @rfd)einung, mar ftoTj auf feine fdjöne £anb, 
auf bie Ijofyen 23efolbungen, bie er bejahte, auf ben ©elbcrebtt, 
ben er genoß, auf feinen @d)a£ bon jtoei Simonen ©otbftücfen, 
auf bie namhaften Seute, bie ifyn umgaben, unb auf bie Slrmee 
unb bie SBogeljagb, bie er unterhielt. £)abei f)orte er fid) gerne 
reben, weil er gut rebete, unb bielleidjt am allerfließenbften, wenn 
er etwa einen benejtanifajen ®efanbten frönten fonnte. x ) £)a* 
3tt>ifd)ett aber gab e$ Saunen wie j. 33. bte, ein Limmer in einer 9?ad)t 
mit Figuren ausmalen ju (äffen; e§ gab entfe£lid)e ©raufamfeiten 
gegen ^iatjeftetjenbe unb befinnungglofe Sluöfcfyweifung. (ginigen 
^bantaften fcf)ien er alle (Sigen^djaften eines Abrannen gu befi^en; 
fie brauten itnt um unb lieferten bamit ben (Staat in bie £änbe 
fetner trüber, beren einer, £obobtco il Woxo, nad)t)er mit lieber* 
getjung beS eingeferferten Neffen bie ganje §errfd)aft an fid) riß. 
2ln btefe Ufurpation i)ängt fid) bann bie Snterocntion ber gran* 
sobopko jofen unb baS böfe @d)icffal bon gan^ Italien. £)er Wloxo ift 
moxo - aber bie bollenbetfte fürftltdje (Sfjaraftcrfigur biefer 3eit unb er* 
fcfjeint bam.it roieber wie ein ^aturprobuet, bem man nid)t ganj 
böfe fein fann. Äßei ber tiefften Ommoralität feiner Littel er* 
fcr)etnt er in beren Slnwenbung oöllig naib ; er roürbe tüafjrfcfjemüdt) 
fid) fet)r oenounbert fjaben, roenn il)m Semaub fyätte begreiflid) 
madjen wollen, baß nid)t nur für bie ^roecte fonbern aud) für 
bie Littel eine fittlidje Verantwortung erjftirt; \a er würbe biet* 
leid)t feine möglichste SSermetbung aller $31uturtf)eilc als eine ganj 
befonbere Sugenb geltenb gemad)t fjaben. £)en {)albmbt()ifa>tt 
SRefoect ber Otaliener bor feiner bolttifdjen gorce nafym er wie 



!) Malipiero, Ann. veneti, Archiv, stör. VII, I, p. 216. 221. 



2>er (Staat al§ ßunftroerf. 



33 



einen fdjulbigen Tribut *) an ; nodj 1496 rühmte er fiel) : flSapft 1. Mbftfrnttt. 
2Ue£cmber fei fein (Saplan, ®aifer 9ftar fein (Sonbottiere, 33enebig 
fein Kämmerer, ber ®önig oon ftranfreid) fein (Sourrier, ber ba 
fommen unb gefyen muffe, mie it)tn beliebe. 2 ) üMt einer erftoun* 
lidjen 23efonnen£)eit vudgt er nod) in ber testen Wott} (1499) bie 
möglichen Ausgänge ab, unb Oerläp fid) babei, maS ifjm (Sfjre 
mad)t, auf bie ®üte ber menfdjlidjcn 9iatur; feinen trüber (Sar* 
biuat SlSccmio, ber fidt) erbietet, im (Saftell bon üflailanb auS$u* 
Ijarren, lueift er ab, ba fie früher bittern (Streit gehabt Ratten: 
„Sttonfignore, ntd)ts für ungut, (£udj traue tdt) nidjt, wenn 3f>r 
fdjon mein trüber feib" — bereits blatte er fid} einen @omman= 
bauten für baS Saftet!, biefe „33ürgfdjaft feiner föücffcfyr" auSge* 
fud)t, einen 2)hnn, bem er nie UebleS, ftets nur ©uteS erliefen. 3 ) 
©erfelbe berrietb, bann gteidr)rüotjI bie 23urg. — 3m Sunern mar snnere 
ber üttovo bemüht, gut uub nü£ltd) ju malten, ruie er benu in me 8 <etun a- 
lanb unb aud) in (Somo nod) gulet^t auf feine 35eliebtl)eit redjnete; 
bod) l)atte er in ben fpätern Sauren (feit 1496) bie ©teuerfraft 
feinet Staates übermäßig angeftreugt unb 3. 23. in Sremona einen 
angefeuerten Bürger, ber gegen bie neuen Auflagen rebete, aus (auter 
3roecfmäf3igfeit insgeheim erbroffettt laffen; aud) fjtelt er fid) feitbem 
bei 3lubienjen bie Seute burdj eine SJarre weit üom Scibe, 4 ) fo baß 
man fetjr taut reben mußte, um mit ifym ju oerfyanbeln. — tu 
feinem £ofe, bem glanjöoflften öon (Suropa, ba fein burgunbifd)er 
nteljr borfjanben mar, ging eS äußerft unfittüd) b,er; ber 2?atcr 
gab bie £oci)ter, ber ©arte bie ©artin, ber -©ruber bie ©djtoefter 
^ßreiS. 5 ) Mein ber gürft raenigftens blieb immer tfyättg unb fanb 
fid) als ©ofnt feiner Saaten denjenigen öermaubt, meiere ebenfalls 
aus eignen geiftigen Mitteln eriftirten, ben ©elefjrten, £id)tern, 
üWufiferu unb ^ünftlern. Sie oon üjm geftiftete Slcabemie 6 ) ift 



!) Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 65. 

2) "Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stor. VII, I, p. 492. Sgl. 481. 561. 

3) ©eine lefcte ttnterrebung mit bemfelben, ed^t imb tnerfnmrbig, Bei 
Seneraga, Murat. XXIV, Col. 567. 

") Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 336. 367. 369. ®a3 
SSoII glaubte, er t^efaurire. 

5 ) Corio, Pol. 448. Sie ■ftacrjroirftingen biefeö 3 lt f tan ' :)eä finb &efotu 
berä lenntlid) in ben auf Söiailanb bezüglichen 5RooeIfen unb Sntrobucttonen 
be§ Sanbeßo. 

6 ) Amoretti, Memorie storiche sulla vita ecc. di Lionardo da Vinci, 
p. 35, s. 83, s. 

SBurtftyarfct, SuIUir fcet Oicuaiffance. 3 



34 Ser Staat als Äunftwerl. 

1. Mbftftnüt. in crftcr Sinie in 53e$ug auf tl)n, md)t auf eine ju unterrtdjtenbe 
<Sd)ülerfdjaft üorljanben; aud) bebarf er nidjt beS 9tuljme& ber 
betreffenben SJMnner, fonbern i^reö Umganges unb ifjrer Stiftungen. 
(5S tft gewiß, ba§ 33ramantc am Slnfang fdjmal gesotten würbe; *) 
aber Sionarbo ift bod) bis 1496 richtig befolbet roorben — unb 
was t^iett it)n überhaupt an biefem §ofe, wenn er nidjt frettütötg 
blieb? £>ie Sßelt ftanb ilnn offen wie totelleidjt überhaupt feinem 
tion allen bamaligen «Sterblichen, unb tt)enn irgenb (StwaS bafür 
fprid)t, baß in Soboüico Sftoro ein pfyereS Clement lebenbig ge* 
wefen, fo ift es biefer lange Slufentfjalt beS rätselhaften SD^etfterS 
in feiner Umgebung. Senn Stonarbo fp&tcr bem (Sefare SBorgia 
unb granj I. gebient Ijat, fo mag er aud) an biefen baS aufjerge* 
wöfmlidje Naturell gefa)ä|t haben. 
Die testen 23on ben Söhnen be§ äftoro, bie nad) feinem ©tuvs Don 
sfor ä a. f re mben beuten fd)lcd)t erlogen waren, fiel) t ifym ber ältere, 3Jiaf* 
fimiliano, gar nidjt mefjr äijnüd); ber Jüngere, $ranceSco, mar we= 
nigftens beS 2luffd)wungcS nidjt unfähig. SDiailanb, baS in biefen 
Reiten fo Diele 3J?ale bie Gebieter wed)fclte unb babei unenblid) 
litt, fudjt fid) wenigftens gegen bie Dfeacttonen ju fidtjern ; bie im 
Oatjrc 1512 tior ber fpanifdjcn 21rmee unb üDZaffimiliano abziehen* 
ben granjofen werben bewogen, ber @tabt einen Feuers barüber 
austüftelten, bafj bie 2Mlänber feinen Xl)txi an iljrer 33er* 
treibung [jätten unb, ohne Rebellion ^u begeben, fiel) einem neuen 
(gröberer übergeben bürften. 2 ) (SS ift aud) in polttifdjer 33e$iel)ung 
ju beadjten, baß bie unglückliche ©tabt in foldjen 21ugenblicfen 
beS UebergangeS, gerabe wie 3. 38. Neapel bei ber g!ud)t ber 
Stragonefen, ber ^tünberung burd) Kotten oon 33öfewid)tern (aud) 
feljr üornetjmcn) anheimzufallen pflegte. 
£>ic ©onjagen B^i befonbers wol)l georbnete unb burd) tüchtige dürften 
»onOTautua. Vertretene £>errfd)aften finb in ber ^weiten £älfte beS XV. 3at)r* 
hunberts bie ber ©onjagen uon -iDiantua unb ber üBZontefeÜro tiou 
Urbino. £5ie ®onjagen waren fdjon als Familie siemlidj ein* 
trächtig; es gab bei ii)nen feit langer ^eit feine geheimen SJiorb* 
traten unb fie burften ihre lobten geigen. SD^ardjefe grancesco 
©onjaga 3 ) unb feine ©emal)ltn 3fabella üon (Sfte finb, fo locfer 



0 @. beffen Sonnette bei £vucd)i, Poesie inedite. 
2) <ßrato, im Archiv, stor. III. p. 298, cgi. 302. 
s) ©et. 1466, uerlofct mit ber fed)3jäf)rigen SfabeUa 1480, fuccebirt 
1484, uermäfjlt 1490, f 1519; SfabetfenS Xob 1539. Sfjre ©öfjne geberigo, 



S>er (Staat aß Äunftiocrf. 35 

eö bisweilen f)ergcl)cit mochte, ein würbeDoüeS unb einiges (Sfre* 1. m bmmt t. 
paar geblieben unb Ijaben bebeutenbe unb giücHidje ©ötjne erlogen 
in einer £t\t, ba iljr fleiner, aber I)od)Wtd)tiger Staat oft in ber 
größten (Sefaljr fcfjwebtc. £)a£ ftrattceSco als prft unb als £on* 
botticrc eine befonberS gerabe unb reblidje ^ßolitif fyätte befolgen 
fotlen, baS würbe bamals weber ber Äatfer, nod) bie Könige Don 
granfreid), nod) Sßcnebtg Derlangt ober gar erwartet Ijaben, aHein 
er fül)lte fid) wentgftenS feit ber ©djladjt am £aro (1495), foweit 
eS bie SÖaffcncljre betraf, als italieuifdjen Patrioten unb tfjeifte 
biefe ©efinnung aud) fetner ®emal)lin mit. @ie empfinbet fortan 
jebe Sleujjerung l)elbenmütl)igcr £reue, wie j. 33. bie 2krtt)etbigung 
Don gaenja gegen (Sefare £5orgia als eine (Sljrenrettung Italiens. 
Unfer Urtfjeil über fic brauet fid) nidit auf bie Stünftler unb 
@d)rijtfteüer gu ftü^en, roeldje ber frönen prfltn ü)r üßäcenat 
reidjtid) Dcrgalten; ifjre eigenen Briefe fdjitbern uns bie uner* 
fd)üttcrltd) ruhige, im 23eobad)ten fcfjatf t)afte unb tiebcnSmürbige 
grau t)in(änglid). 33embo, 4Banbello, 3Iriofto unb 23ernarbo £affo 
fanbteu itjre Arbeiten au biefen <pof, obfd)on berfelbe fletn unb 
madjtloS unb bie Äaffe oft fcfjr teer war; einen feinern gefelligen 
SreiS als biefen gab es eben feit ber Sluflöfung be§ alten urbi* 
natifdjen £ofeS (1508) bod) ntrgenbs rnetjr, unb aud) ber f errare- 
ftfdje war wot)t fjier im Sefentlidjen übertroffen, nämtid) in ber 
$reil)eit ber Bewegung. ©pejtefre Sennerin war 3fabella in ber 
Shtnft, unb baS SSerjetdjmß ifjrer flehten, pd)ft auSgefudjten 
«Sammlung wirb fein Äunftfrcunb ofnte Bewegung lefen. 

Urbino befaß in bem großen geberigo (1444 — 1482), mod)te sebengo von 
er nun ein ed)ter 9Jiontefeltro fein ober niefit, einen ber Dortreff* lttbino * 
tidjften ^epräfeutanten beS $ürftentl)itmS. 2Itö ßonbottiere I)atte 
er bie polittfcfje 3ftoralität ber Sonbottiercn, woran fie nur jur 
Raffte Scfiulb jinb; als gürft feines Keinen SanbeS befolgte er 
bie ^ülitif, feinen auswärts gewonnenen @otb im #anbe 3U Der» 
gefyren unb baffelbe mögtid)ft menig 31t befteuern. 23on il)m unb 
feinen beiben ^adjfolgern ©uibobalbo unb ftranccSco 33?aria fictfjt 
eS: „fie errichteten (Sebäube, beförberten ben SInbau beS £anbeS, 
lebten an Ort unb (Stelle unb befolbctcn eine Spenge &eute; baS 



1519—1540, jum §ergog erhoben 1530, unb ber Berühmte gerrante ©on= 
jaga. ®a§ gotgenbe au3 ber ©orrefponbertj 3faBeQen§, nebft 33eüagen, 
Archiv, stor. Append. Tora. II, mitgeteilt von b'Slrco. 



3* 



30 



£>er ©tctat al§ Äunftroer!. 



i. 9ibfdmitt. S3oH liebte fie". l ) SIber utd)t nur bcv ©taat war ein tuoljt 
beregnetes unb orgartifirteö tunftwerf, fonbern aud) ber §of, unb 
a>er»onfom. 3)0 ar in jebem ©inne. geberigo unterhielt 500 ^opfe; bie $of* 
mene *of. ^ argcn j 0 D oüftanbig tüic faum an bett £öfen ber großen 
Monarchen, aber es würbe nid)tS üergeubet, 2tüeS Ijattc feinen 
3wect unb feine genaue (Sontrote. £>ier wuroe 9 e fa iett ' 3 e * 
täftert unb gepraßt, benn ber §of raupte jugteief) eine miütarifdjc 
(grjtcl)ung«anftatt für bie ©öfme anbercr großer Herren barftetten, 
beren «Übung eine @r>renfad)c für ben £>eqog war. £>er ^ßataft, 
ben er fid) baute, war nid)t ber präd)tigfte, aber claffifcf) burd) bie 
Mfomtttenljett feiner Anlage; bort fammette er feinen größten 
©d)a£, bie berühmte Sibliotljef. £>a er fid) in einem Sanbe, wo 
3eber u>on tf)m 23ortt)ei( ober SSerbienft 50g unb SJctemanb bettelte, 
tooöfommen fid)er füllte, fo ging er beftänbig unbewaffnet unb faft 
unbegteitet; feiner fonnte tt)m baS nad)mad)en, baß er in offenen 
©arten wanbelte, in offenem ©aale fein frugales 3Diaf)t f)iett, 
wäljrenb aus SiüiuS (jur gaftenjeit aus 21nbad)tsfd)riften) oorge* 
tefen würbe, 2In bemfetben ^ad^mittag fjörte er eine SJortefung 
aus bem Gebiet beS StttertljumS unb ging bann in baS SHofter 
ber ©ariffen um mit ber Oberin am ©pradjgttter uon Zeitigen 
Singen ju reben. SbenbS leitete er gerne bie Leibesübungen ber 
jungen Seute feines £ofeS auf ber Sßiefc bei ©. ftranceSco mit 
ber f)errüd)en 2IuSfid)t, unb fat) genau ju, baß fie fid) bei ben 
gang* unb Sunffpieien oottfommen bewegen lernten, ©ein streben 
ging beftänbig auf bie fjödjfte Seutfeügfeit unb ^ugdngtidjfeit; er 
befugte bie, wetd)e für it)tt arbeiteten, in ber SBertftatt, gab be* 
ftänbig mtbienjen, unb erlebigte bie Wiegen ber (Sh^etnen wo* 
mögUd) am gleiten £age. ®ein Sunber, baß bie Beute, wenn 
er burd) bie (Straßen ging, nieberf nieten unb fügten: Dio ti man- 
tenga, Signore! £>ie £)enfenbcn aber nannten ttm baS 2id)t 
«hrtbojaibo. Stöttens. 2 ) — ©ein ©ofm ©uibobalbo, bei l)ot)en (gigenfdjaften 
toou ßranlljeit unb Ungtttä aller SCrt Verfolgt, t)at bod) autefet 
(1508) feinen ©taat in fixere §änbe, an feinen fteffen ftranceSco 
9ttaria, jugtetd) ftepoten beS «ßapfte* SuliuS IL, übergeben tonnen, 
unb btefer wieberum baS 2anb wenigftenS bor bauernber fjremte 
fjerrfcfiaft geborgen. ÜKerfroürbtg ift bie ©id)erf)eit, mit weldjer 

1) Franc. Vettori, im Archiv, stor. Append. Tom. VI, p. 321. — 
lieber ^eberigo htSbefonbere : Vespasiano Fiorent. p. 132. s. 

2 ) Castiglione, Cortigiano, L. I. 



£>er ©taat als Äunftroerf. 



37 



biefe dürften, ©uibobatbo tior (Sefare 33orgia, granceSco Sparta 1. 3ibf<ftnitt. 
oor bcn Gruppen £eo'S X. unterbuden uttb fliegen ; fic Imben baS 
^öewufjtfein, bafj tFjre 9?ücffehr um fo letzter unb erwünfdjter fein 
werbe, je weniger baS 8anb burdj frudf)ttofe 2Sert{)eibtgung 
geütten hat. 2öenn Öobooico Qftoro ebenfalls fo regnete, fo oer* 
gafj er bie tüeien anbern ®rünbe beS |)affcS, bie tljm entgegen* 
wirrten. — (Suibobatbo'S ipof ift als hohe ©dmle ber feinftcn 
®efe£(igfeit burdj 35albaffar Saftiglione unfterblid) gemacht worben, 
ber feine (Scloge £irft (1506) oor jenen Seuten ju ihrem £obe 
aufführte, unb fpäter (1518) bie ©efprädje fetne§ ßortigicmo in 
ben treis ber rjocfjgebilbeten |)er$ogin ((Süfabetta ©onjaga) 
neriegte. 

Sie Regierung ber (Sfte in gerrara, Qftobena unb 9faggio ©ie*fi«in 
f)dlt swifd)en ©ewaltfamfett unb Popularität eine merfwürbige JJJJSSet 
Dritte. 1 ) 3m Innern beS ^alaftes gehen entfe£ltd)e £inge öor; 
eine $ürftin roirb wegen Porgebticr)en (Slje&ritdje« mit einem ©tief* 
fofjn enthauptet (1425); ctjettcTje unb uneheliche ^rin^en fliegen 
Dom |)of unb werben aud) in ber grembe burdj nadjgefanbte 
Sftörber bebrorjt (tc^tereö 1471); baju beftäubige Komplotte Pon 
au^en; ber SBaftarb eines 33aftarbeS wiß bem einzigen red)tmäf;igen 
(Srben ((Srcote I.) bie |)errfd)aft entreißen; fpäter (1493) foil ber 
te^tere feine (Semahtin oergiftet fyabm, uad)bem er crfunbet, baf? 
fie i^n öergiftcn wollte, unb jwar im Auftrag ihres 33ruberS ger= 
rante r>on Neapel £)en Sdjlufs biefer Stragöbien macht bas 
(Somplott jroeicr 33aftarbe gegen ihre -SBrüber, ben regierenben 
^erjog SllfonSl. unb ben Sarbinat 3ppolito (1506), welches bei 
fetten entbecft unb mit tebenslänglidjem Werfer gebüßt imtrbe. — 
ferner ift bie giScalität in biefem Staate pdjft ausgelüftet unb gtscantät. 
muß cS fein, fdjon weit er ber bcbrohtefte unter allen großen unb 
mittlem Staaten tion Italien ift unb ber Lüftungen unb 33efefti* 
gungen in fiebern ®rabe bebarf. 3llIerbingS foflte in gteid)em 
ÜJttafse mit ber Stcucrlraft auch ber natürliche Sßoijtftanb beS 
SanbeS gefteigert werben, unb SO^ardjefe 9ftcolö (f 1441) wünfdjte 
auSbrücflidj, bafj feine Untertanen reicher würben als anbere 
Völler. $3enn bie rafch wad)fcube $et>ölferung einen 33eteg für 
ben wirflidj erreichten Söohlftanb abgibt, fo ift es in ber 5Tt)at 
ein wichtiges factum, baß (1497) in ber außerorbentlidj erweiterten 



!) ©a§ $oIgenbe bef. nadj ben Annales Estenses ßei Huratori, XX. 
unb bem Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV. 



38 Ser ©tctctt als Äunftroerf. 

i. gibfdnutt. gmuptftabt feine Raufet* tnefjr $u bermietljen waren. ') Ferrara ift 
bie erfte moberne @tabt Gntropa'S ; t)ier juerft entftottben auf beu 
2ßinf ber dürften fo große, regelmäßig angelegte Quartiere; i)ier 
fammefte fic^ bitrct) GEoncentration ber Söeamtenfdjaft unb fünftüd) 
Ijerbeigejogene 3nbufrrie ein ^efibenjüolf; reidje gtüdjtlmge aus 
ganj Italien, jumal Florentiner, würben üeranfaßr, fid) E)ier an* 
jufiebetn unb ^ßaläfte 3U bauen. Mein bie inbirefte 23efteuerung 
weuigftenö muß einen eben nur nod) erträglichen ®rab üon 21uS* 
bilbung erreicht fyaben. ©er gürft übte woijt eine Fürforge, wie 
fie bamafe aud) bei anbern italienifdjen © ein a(tl) err fcr) er n, 5. 35. 
bei (Salea^o äftaria ©forja Dorf am: bei £mnger8nötl)en ließ er 
(Setreibe aus ber Ferne fommen 2 ) unb tfycifte e8, wie e§ fdjetnt, 
umfonft au§; allein in gewö'fmtidjen Reiten t)iett er fid) fdjablos 
burdj ba§ Monopol wenn nidjt be3 ©etretbes bodj uieler anbern 
SebenSmittet: ©atjfleifdj, gifdje, grüdjte, ©emüfe, meld) teuere 
auf unb an ben SBäHen üon fjerrara forgfäftig gepflanzt würben. 

MemtetBeriauf. £)ie bebenf ücrjfte (Einnahme aber mar bie üon bem SSerfauf ber 
jäf)rlid) neu befehlen Remter, ein ©cbraudj, ber burd) ganj 3ta* 
tten üerbrettet mar, nur baß mir über $errara am beftcn unter* 
ridjtet ftnb. 3um Neujain* 1502 l)eißt e§ 3. 33.: bie Reiften 
fauften ifjre Stemter um gefallene greife (salati); e§ werben $ao 
toren uerfdjiebener 2lrr, r 3°^ e i nne ^ mer / ©omänenüerwatter, (mas- 
sari), Notare, ^obeftäs, Stifter unb fctbft (Sapitani, b. f). l)er* 
3 0 g(i d)e£)b er beamte üon Sanbftäbtcn eingeht angeführt. Slfß einer 
üon ben „öeutefreffern", roefcfje ifjr Slmt treuer be§at)tt haben unb 
Wetd)e ba§ S3oIf t)aßt „mehr als ben Steufet", ift Sttto ©trojja 
genannt, {joffentfidfj nidjt ber berühmte Iateintfct)e £)id)ter. Um 
biefetbe 3ahre§jeit pflegte ber jeweilige ^erjog in *ßcrfon eine 
SKunbe burd) gerrara ju madjen, baS fog. Andar per Ventura, 
wobei er fidj wenigstens üon ben 3öoI)Ifjabenbern befdjenfen ließ. 
£)odj mürbe babei fein (Mb, fonbern nur Naturalien gefpenbet. 

Drbnuns uns ©er @totj be§ ^erjog« 3 ) war e§ nun, wenn man in gang 

»ercri)mm 3 . Valien wußte, baß in gerrara beu ©ofbaten it)r @ofb, ben ^ro* 
fefforen ber Uuiüerfität if)r (Sefyatt immer auf ben Sag ausbezahlt 
würbe, baß bie <3ofbaten fid) niemals etgenmädjtig am ^Bürger 
unb Sanbmann erboten burften, baß gerrara uneinnehmbar fei 

1) Diario Ferr. 1. c. Col. 3-17. 

2 ) Paul Jovius: Vita Alfonsi ducis, in ben viri illustres. 

3 ) Paul Jovius 1. c. 



S)er ©taat al§ Äunftroer!. 



39 



unb baß im ßafteü eine gewaltige «Summe gemünzten ®elbe§ liege. 1. 9 ibft &nitt. 

23ou einer ©Reibung ber Waffen mar feine 9?ebe; ber gtnansmi= 

nifter roar sugteidj £mu3minifter. $)ie Routen be§ SSorfo (1430 

biö 1471) ercole I. (big 1505) unb SllfonS I. (big 1534) maren 

fct)r äafjtretcf), aber meift bon geringem Umfang; man erfennt 

barin ein $ürftenl)auö, ba§ bei alter ^rad^ttiebe — Söorfo erfdjien 

nie anberö aU in ©olbftoff unb Suroeten — fid) auf leine unbe= 

redjenbare 2lu£gabe einlaffen rattt. SItfonfo mag bon feinen jier= 

lidjen fteinen Stilen oljnefytn gewußt fyaben, baß fie ben Gsreig* 

niffen unterliegen würben, 33etbebere mit feinen fdjattigen ©arten, 

rcie ÜKontana mit ben fdjönen greifen unb Springbrunnen. 

£)ie bauernb bcbrofyte Sage entroicMte in biefen dürften un= Kuittffimtjj ux 
läugbar eine große perfönlid)e Stttdjttgfeit; in einer fo fünfttidjen ?«fi«ö*wt 
Cg^tftertg fonnte fid) nur ein 23irtuofe mit (Srfolg bewegen, unb 
■Seber mußte fid) rechtfertigen unb erroeifen aU ben, ber bie £)err= 
feijaft berbiene. 3f)re (Sljavactcre Ijaben fdmmttid) große ©Ratten* 
feiten, aber in Gebern mar etroaS bon bem, ma$ ba$ 3bea( ber 
Italiener ausmachte. 9BeId)er gürft be§ bamaligen (Suropa'« rjat 
fid) fo fefjr um bie eigene 2tu§MIbung bemüht, roie g. 33. 3Hfonfo L? 
©eine Steife nad) granfreid), (£ng(anb unb ben Sxteberlanben 
mar eine eigentliche Stubienreife, bie ifjm eine genauere taut* 
niß bon Raubet unb ©croerben jener Sauber eintrug. *) @8 ift 
t()örid)t, U)tn bie £)red)8(erarbett feiner Grrf)oIung«ftunben bor* 
jumerfen, ba fie mit feiner ÜÄeifterfdjaft im Hanonengteßen unb 
mit feiner borurtrjeitslofen Slrt, bie SWeifter jebe§ gad)e§ um fid) 
ju Ijaben, jufammenl)ing. ÜDte itatienifdjen dürften finb nid)t 
mie bie gleichzeitigen norbifdjen auf ben Umgang mit einem Stbet 
angeroiefen, ber fid) für bie einige beachtenswerte Gftaffe ber 
Söett fyalt unb aud) ben dürften in biefen ®ünfet Ghtehtjiefyt; 
hier barf unb muß ber gürft 3ebcn fennen unb brauchen, unb 
ebenfo ift aud) ber 2lbet fleoox ber ©eburt nad) abgefd)loffen, aber 
in gefeüiger ©ejteljung burd)au3 auf perfönttdje, ntdjt auf haften* 
geltung gertdjtct, roorjon unten meiter $u Ijanbeht fein wirb. 

£)ie Stimmung ber ^errarefen gegen biefeS ^erufdjerfjaus ift z m nm. 



!) Sei biefem 2lnla£ mag aud) bie 9ietfe Seo'3 X. al§ ©arbinal er; 
erroa^nt werben. S3gl. Paul. Jovii vita Leonis X, Lib. I. Sie 2tt>fid£)t 
mar ntinber ernft, met)r auf gerftreuung unb allgemeine SBeltfenntmfj ge= 
rietet, übrigen^ nöllig ntobern. $ein -ftorblänber reifte bamalS roefentltcfj 
8u fotdjen ßmäm. 



40 



25er ©taat al§ ßunftrocrf. 



l, n&bmmtt. bie merfroürbigfte äßifdjung au§ einem ftitten (brauen, au§ jenem 
edjtitaüenifdjen ®eift ber tbobiauSgefonnenen 3>monftration, unb 
au§ böttig moberner Untertljanentobaütät; bie perfönticfie 4Se= 
ttmnberimg fdjlägt in ein neue§ *ßflicf)tgefü(jt nm. £)ie ©tabt 
$errara fetjte 1451 bem (1441) beworbenen dürften 9?ico(ö eine 
eherne 9?eiterftatue auf ber ^ta^a; JBorfo gentrte ftd) (1454) 
tttdjt, feine eigene fi^enbe 33ronjeftatue in bie 9?äl)e $u fe^en, unb 
überbieß becretirte ifmt bie ©tobt gteict) am Anfang feiner 9fa* 
gierung eine „marmorne £riumpl)fäute". (Sin gerrarefe, ber im 
SluStanbe, in Venebig, über 33orfo öffentlich fdjtedjt gerebet, roirb 
bei ber £)eimfef)r benuncirt unb Dorn ©eridjt ju Verbannung 
unb ©ütereinjiefyung berurtfjeitt, ja beinahe fyätte tf>n ein loyaler 
Bürger bor bem Tribunal niebergeftoßen; mit bem ©trief um 
ben $afö get)t er jum $er$og unb erfleht böttige Veqeüjung. 

Spoitjei unt sscUeberljaupt ift bieß gürftentfjum mit ©päijern gut berferjen, 

amtcncontvde. ^ {„ ^ er f on prü f t täß(id j bm g rem bcn* 

rapport, auf tüetdjen bie 2Birtl)e ftreng öerpflidjtet fiub. SQd 
33orfo 1 ) roirb bieß nodj in Verbinbung gebracht mit feiner ®aft« 
freunbfdjaft, bie feinen bebeutenben 9?eifcnben uttgeefjrt mofite 
Stefjen laffen; für (Srcote L 2 ) bagegen roar e8 reine (Sidjerfyeitg* 
maßregel. Stuct) in Bologna mußte bamat«, unter ®tobanni II. 
•Ventiboglio , jeber burdjpaffirenbe grerabe an bem einen £t)or 
einen &tttd töfen, um mieber $um anbern t)tnau§äubürfen. 3 ) — 
$öd)ft populär rairb ber gürft, wenn er brücfenbe Beamte plöfe* 
lidj ju 33oben fdjmettert, menn SBorfo feine erften unb geijeimften 
Geithe in ^3erfon berfjaftet, rnenn Srcole I. einen Gsinneljmer, ber 
fict) lange 3ai)re binburd) bottgefogen, mit @d)anben abfegt; ba 
jünbet ba§ Volf greubenfeuer an unb tautet bie ®(ocfen. 3Kit 
(Sinem ließ e8 aber (Srcote ju »ett fommen, mit feinem ^otijei* 
birector ober mie man itjtt nennen Witt (capitaneo di giustizia) 
©regorio ^ampante aus Succa (benn für Stetten biefer 2trt eig* 
nete ftd) fein @ini)eimifd)er). ©elbft bie ©öljne unb trüber be8 
§er$og§ gitterten bor bemfelben; feine SBußen gingen immer in 
bie Rimberte unb Staufenbe bon ©ucaten unb bie Tortur begann 
fcfjon bor bem Vertjör. Von ben größten Verbrechern ließ er ftd) 
beftedjen unb 'berfefiaffte tfjnen burd) Sägen bie f»er^ogttcr)e 35e* 



!) Joviaa. Pontan., de liberalitate. 

2 ) Giraldi, Hecatommithi, VI, Nov. 1. 

3) Vasari XII, 166, V. di Michelangelo. 



£>er Staat aß Äunftwerl. 



41 



gnabigung. 2ßie gerne Ijcttten bie Untertanen bem feenog 1. g>bf«»witt> 

10/000 Silicaten unb trüber bejaht, wenn er biefen $einb 

©otte« unb ber Seit caffirt fjätte! 91ber (Srcote tiatte ttm ju 

feinem ©eüatter unb jum Saöattere gemacfjt, unb ber ^ampante 

legte 3?af)r um 3al)r 2000 ©ueaten bei Seite; freitief) aft er nur 

noef) Sauben, bie im <paufe gebogen mürben unb ging nidjt meljr 

über bie ©äffe olme eine Sdjaar üon Slrmbruftfdjü^en unb 

Sbirren. @§ märe 3eit gewefen, ifyn ju befettigen; ba machten 

tfjn (1496) jwei Stubeuten unb ein getaufter Oube, bie er tobt* 

tief) beteibtgt, in feinem §aufe wäfjrenb ber Siefta nieber unb 

ritten auf bereit gehaltenen erben burd) bie Stabt, fingenb: 

,,|)erau«, Seute, laufet! wir fmben ben 3ampantc umgebracht." 

£)ie uadjgefanbte läftannfcijaft fam ju fpeit, als fie bereits über 

bie nalje ©renjc in Sid)erl)eit gelangt waren. Sftatürltdj regnete 

e§ nun sßasqmHe, bie einen als (Sonette, bie anbern at« (San* 

jonen. — SInbererfeitö ift e« ganj im (Seifte biefe§ gürftentljum«, s$euiia$me *a 

bajj ber Souverän feine ^odjadjtung bor nü^fiajen Wienern aud) j^JJJJ J" r 

bem £>of nnb ber ©eüölferung btetirt. Site 1469 iöorfo'ö ®c= surften. 

Ijcimratf) Sobooico (Safcöa ftarb, burftc am JSSegräbnifetagc fein 

Stribunat unb feine 33ube in ber Stabt unb fein §örfaat in ber 

Uniberfttät offen fielen; Oebermann fottte bie Öcic^e nad) S. £)o# 

menico begleiten, tuet! aud) ber ^erjog mitjieljen würbe. 3tt ber 

5EI)at fdjritt er — „ber erfte Dom §au« (Sfte, ber einem Unter* 

ifyan an bie 8etd)e gegangen" — in fcfjwarjcm ©ewanbe weinenb 

fjinter bem ©arge fjer, fjinter if)tn je ein 33erwanbter (SafeUa'ß 

toon einem <perrn öom fwf geführt; 2fbüge trugen bann bie 

Seidje be« 33ürgerfid)en au« ber Äirdje in ben Sreujgang, wo fie 

betgefefct würbe. Ueberfyaupt ift ba« offteteüe SDxitempfinben fürft* 

üdjer ©emüti)«beroegungen jiterft in biefen itatienifdjen Staaten 

aufgefommen. ') £)er Äern fyieüon mag feinen fd)önen mcnfa> 

fidjen SBertI) fyabcn, bie Slcujjerimg, jumaf bei ben SDidjtern, ift 

in ber 9?egel jiceibcuttg. (Sine« ber Sugenbgebtdjtc Striofto'«, 2 ) 

auf ben Stob ber Sianora bon Slragon, ®emal)lin bc§ (Srcole I, 

entfjäft, außer ben untiermeibfidjen STrauerbfumen, wie fie in aüen 

Oafyrfmnberten gefpenbet werben, fdjon einige böllig moberne 



1 ) ©in früt)e§ Seifpicl, 93evnabö SBtSconti, <5. 9. 

2 ) 2113 ©apitolo 19, unb in ben opere minori, ed. Lemonnier, Vol. I, 
p. 425 al§ ©tegia 17 Betitelt. Dfjne groeifel raar bem 19jäfjrigen Siebter 
bie ttrfacfje biefeö £obesfatte3 (©. 37) nidjt befannt. 



42 SDcr (Staat als föunftroevf. 

1. gtbfd>nitt. „Rüge : „btefer StobesfaH t)abe gerrara einen @d)tag berfe^t, ben 
e§ in bieten 3al)ren ntcJjt Perwinben werbe; feine äöofjltfyäterm 
fei Je|t $ürbittertn im Gimmel geworben, ba bie @rbe ifyrer ntd)t 
würbtg gewefen; fretlid), bie STobeSgöttin fei ü)r nid)t wie un§ 
gemeinen ©terblidjen mit blutiger @cnfc genaljt, fonbern ge* 
jiemenb (onesta) unb mit fo freunblicfyem 21ntli£, baß iebe 
se^evritdnma gurdjt Perfdjwanb." 816er wir treffen nod) auf gan$ anberc ÜDHt* 
m mlt b ' 9*W r > ^obeffiften, mtym an ber ®unft ber betreffenben 
Käufer alles liegen mußte unb weldje auf biefe (Stonft rechnen, 
erjagen uns bie £iebeSgefdjid)ten ber dürften jum Stfjett bei beren 
Sevelten, *) in einer Seife , bie f patent 3al)rl]unberteu als ber 
©ipfet aller 3nbi$cretion, bamals als Ijarmlofe 33erbtttbltd)feit 
erfaßten. 3a Iprifdjc ©idjter bebtdjteten bie beiläufigen 'tßafftonen 
ifyrer fjoljen, babei legitim ucrmäfylten £>crrn, 21ngelo *ßoli$iano 
bie beS Sorenjo magnifico, unb mit befonberem $cccnt ©iopiano 
^ontano bie beS Sllfonfo bon (Salabrten. £)aS betreff cnbe 
bid)t 2 ) uerrätl) wiber SBittett bie fd)eußlidje ©eele beS 2lragonefen; 
er muß audj in biefem (Gebiete ber ©likftidjfte fein, fonft wefye 
betten, bie glücflidjer ludreit! — £)aß bie größten Qttaler, 
3. 23. Stonarbo, bie Üßaitrejfctt ifjrev §errn malten, üerftetjt fid) 
bon felbft. 

©« «Pom» ber T)q§ efteuftfdjc $ürftentljum wartete aber nidjt bie Sßeffyerr* 
lidjung burdj Slnbere .ab, fonbern es üerljerrltdjtc fid) felbft. 
33orfo ließ fid) im ^alaj^o @d)tffanoja in einer 9?etl)e pon 9?e* 
gentcnfjanbütngen abmalen unb (Srcole feierte (juerft 1472) ben 
3alireStag feines Regierungsantrittes mit einer ^roceffion, weldje 
ausbrüeflid) mit ber beö groIjnletdjnamSfefteS Perglidjen wirb; 
alle SÖuben waren gefd)loffcn wie an einem (Sonntag; mitten im 
3uge marfdjirten alle Pom SpauS (Sfte, aud) bie 33aftarbe, in 
©olbftoff. ©aß alle 3ttad)t unb SBürbe Pom dürften ausgebe, 
eine perfönüdie §lu§jeid)nung Pon feiner ©eite fei, war an biefem 
£ofe fdjon längft 3 ) Perfinnbilblid)t burc§ einen Drben 00m got* 
benen ©porn, ber mit bem mittelalterlichen Rittertfjum nidjt« 

*) 3n ben Jpecatommitljt beä ©tralbi tyanbeln I, Nov. 8 unb VI, Nov. 
1, 2, 3, 4 unb 10 üon ©rcote I, Sllfonfo I, unb ©rcole II, SlITeä üerfa^t 
bei Sevelten ber beiben le^tern, — SSieleö über fürftlidje ßeitgenoffen audj 
im SanbeHo. 

2 ) lt. a. in ben Delicise poetar. italor. 

3 ) Serettä 1367 bei 9UcoIö bem 2leltern ernmljttt, im Polistore, Bei 
Murat. XXIV, Col. 848, 



35er ©taat aB Äimftraeri 



43 



tneljr 3U trjun hatte. (Srcole I. gab 3um (Sporn nod) einen 1. Mbfdmitt. 
SDegen, einen gotbgefticften kantet unb eine Dotation, wofür 
orme Bttjctfet eine regelmäßige Aufwartung tierlangt würbe. 

Da8 üftäcenat, wofür biefer §of weltberühmt geworben tft, 
fnüpfte fid) Ü)eilS an bie Untoerfttat, welche ju ben botlftänbtgften 
3tatienS geborte, foeils an ben §of* unb ©taatsbienft; befonbere 
Opfer würben bafür laum gebracht. 23ojarbo gehörte als reifer 
Sanbebetmann unb hoher Beamter burdjauÄ nur in bicfe @pl)äre; 
als Slrioft anfing etwa« 3U werben, gab es, wenigftens in ber 
wahren 23ebeutung, deinen matlänbifdjen unb feinen florentinifdjen, 
balb aud) feinen urbinatifdjen §of mef)r, uon Neapel nicl)t pt 
rcbeu, unb er begnügte fid) mit einer (Stellung neben ben 2Jcu* 
füerrt unb ©auflern beS Sarbhtat« 3ppolito, bis i()n Sllfonfo in 
feine ©ienfte naljm. StnberS war es fpäter mit Torquato £affo, 
auf beffen 35cft£ ber $of eine toatjrc (Siferfudjt geigte. 



Gegenüber bon biefer concentrirten gürftenmadjt war jeber «dt« 
SBiberftaub innerhalb be§ (Staates erfolgtos. Sie (demente gut * arteUtt * 
£erfteüung einer ftäbttfdjen 9tepublif waren für immer aufgegellt, 
illleS auf Wladjt unb ©ewaltübung orientirt. Der 2lbel, po= 
ütifd) red)tloS, aud) wo er nod) feitbalen SBeftfc Ijatte, modjte fid) 
unb feine 33rabi als ©uelfen unb ©hibellinen einteilen unb co= 
ftumtren, fie bie geber am Barett ober bie Söaufdjen an ben 
£wfen J ) fo ober anbers tragen laffen — bie Denfenben, wie 
3. 33. 2)?acd)iabell, 2 ) wußten ein für allemal, baß üftailanb ober 
Neapel für eine 9?epublif ju „corrumpirt" waren. @S fommen 
wunberbare ©eridjte über jene oorgcblicben groei Parteien, bie 
tctngft nidjts mehr als alte, im ©chatten ber ©eroalt am Spa* 
lier gezogene gamiliengehäffigfeiten waren, (Sin italienifd)er $ürft, 
roeldjem Slgrippa bon Nettesheim 3 ) bie Aufhebung berfetben an- 
rtett) , antwortete: ifjre £)ä'nbel tragen mir ja bis 12000 Ducaten 
33ußgelber jährlich ein! — Unb als 3. 33. im Oafyre 1500 weih* 
renb ber furgen 9tücffehr beS 9ttoro in feine Staaten bie ©uelfen 
bon STortona einen Ütfjctl beS nahen franjöfifdjen §eeres in itjrc 
(Stabt riefen, bamit fie ben ©hibellinen ben ©arauS madjten, 



! ) SBurtgo^o, im Archiv, stor. III, p. 432. 

2 ) Discorsi I, 17. 

3 ) De incert. et vanitate scientiar. cap. 55. 



44 



35cr Staat atä Äunftwerf. 



i. Mbfdmitt. plünberten unb ruinirten bie gran^ofen junadjft allerbingS biefe, 
bann aber aud) bie ©uelfcn fetbft, bis Stortona Völlig üermüftet 
war/ 1 ) — 2lud) in ber SRomagna, wo jebe £eibeufdjaft unb jebe 
Sftadje unfterbltd) waren, Ijattett jene beiben tarnen ben potitifetjert 
■3nf)alt öollfommen eingebüßt. G?S gehörte mit jum poKtifdjen 
Strfinn beS armen Solr'eS, baß bie ©uclfen Ijte unb ba fid) §ur 
(Smupatfyie für granfreidj, bie ©IjibeÜmen für Spanien öer* 
pflichtet glaubten. 3dj fefje rtid)t, baß bie, wetd)e btefen 3rrfinn 
ausbeuteten, befonberS weit bamit gekommen wären, granf'reidj 
fjat Italien nad) allen Interventionen immer wieber räumen 
müffen unb was aus ©panien geworben ift, nad)bcm es Italien 
umgebracht rjat, baS greifen wir mit ben £änben. 

©ie jßetf^wß. £)od) wir teuren jum gürftentt)iim ber SRenatffattce juriief. 
ningen. gj ne üottfommen re { ne <g ee ( e ptte t>iefleid)t aud) bamals raifon- 
nirt, baß ade (Gewalt Von ©ort fei, unb baß biefe dürften, wenn 
3eber fie gutwillig unb aus reMtdjem §erjcn unterftü^e, mit ber 
3eit gut werben unb ifyren gewattfamen Urfprung vergeffen 
müßten. 2lbcr von tetbcnfdjaftttdjen, mit fdjaffenber ©luti) be= 
gabten ^ßljantafien unb ©emütfjern ift bieß ttidjt ju Verlangen. 
@ie farjen, wie fdjlecljte Siebte, bie ipebung ber Äranfljctt in ber 
SBcfettigung beS ©timptoms unb glaubten, wenn man bie dürften 
ermorbe, fo gebe fid) bie $reit)ctt Von fetber. Ober fie badjten 
aud) tttdfjt fo weit, unb wollten nur bem allgemein verbreiteten 
£aß 8uft madjen, ober nur eine 9tad)e für ^amilienunglücf ober 
perfönlidjc £3eleibigungen üben. (So wie bie §errfdjaft eine im* 
bebingte, alter gefe^lidjen «Sdjrcmfett entlebigte, fo ift aud) baS 
Littel ber ©cgner ein unbebingteS. (3djon Boccaccio fagt eS 
offen: 2 ) „(Soll id) ben ©cwaUfjerrn tonig, gürft Reißen unb 
if)m breite bewahren als meinem Obern? ^ein! beun er ift 
geinb beS gemeinen SBcfens. (Segen irm famt ttf) SBaffcn, 23er* 
fdjwörung, ©pärjer, Spinterljalt, 8tft gebraudjen; bas ift ein 
rjeiligeS, notf)WenbigeS 2öerf. @S giebt fein licblidjcreS Opfer 
als £t)ranuenblut". £>ie einzelnen Hergänge bürfen uns bjier 
nid)t befdiäftigen; 9)cacd)iavetl bat in einem allbefannten (Sa* 
ptrel 3 ) feiner ©iscorft bie antifen unb moberneu 33erfd)Wörungen 
von ber alten grtcdjifdjen SDjramtenjeit an bebanbelt unb fie nad) 



O $rato, im Archiv, stor. III, p. 241. 

2 ) De casibus virorum illustrium, L. II, cap. 15. 

3 ) Discorsi, III, 6. Sßomit storie flor. L. VIII. 31t »era,leid;en. 



©er (Staat al§ Äunfiroetf. 



45 



ifyrer uerfdjiebcnen Einlage mtb iljren (Sfjancen gan$ Mtblütig be* 1. w<&nttt 
urtfjeitt. 9fur jroei SBeinerfimgen: über tue 2J?orbtljatcn beim 
©ottesbienft mtb über bie ßmtroirfung beß 2tltertl)um$ mögen |ier 
geftattet fein. 

(§3 war faft unmögtid), ber wofylbewadjten ©cid attlj errf d) er ©er mx$m* 
anberÄwo l)abf)aft 311 werben a(3 bei fetertidjen tirdjgangcn, motb - 
tjoUcttbö aber war eine ganje fürftlidje f^amitic bei feinem anbern 
2ttttafj beifammen^utreffen. @o ermorbeten bie gabrianefen 0 
(1435) tt)r £l)rannenl)au8, bie (Sf)iat>eUi, wäljrcnb einc§ §od> 
amteS, unb jwar taut Slbrcbe bei ben Sorten bed ßrebo: Et 
incarnatus est. 3n ÜKaitanb würbe (1412) $er$og ©toban 
3Äarta Visconti am (Eingang ber Stirdje <S. ©ottarbo, (1476) 
Sper^og 6)atea^o Sparta ©forja in ber SHrdje @. Stefano er* 
morbet, unb Soboüico 9Jioro entging ein[t (1484) ben £>o(d)en 
ber Slttljänger ber uerwittweten §cr$ogin 33ona nur baburd), bafj 
er bie Sirdje ©. ?Imbrogio burd) eine anbere £l)ür betrat, als 
biefelben erwartet tjatten. (Sine befonbere 3mpietät war babei 
nid)t beabftdjttgt; bie ÜWörber ©atea^o'ö beteten nod) uor ber 
Stljat §u bem fettigen ber betreffenben StHrdje unb Nörten nod) 
bie erfte 2fteffc bafetbft. ©od) war e§ bei ber SSerfdjwörung ber 
^ajji gegen Soren^o unb ©iuliano 5D?ebici (1478) eine Urfadje 
bes tfjettroctfcn SDHpngenö, bajj ber 33anbit äftontefeeco fief) jwar 
für bie Qrmorbung bei einem ©aftma()t Werbungen f)attc, ben 
SSoüjug im £)om Don Ötorenj bagegen Verweigerte; an feiner 
@teüe Derftanben fid) bann ©eiftlidje baju, „wctdjc ber Zeitigen 
Orte gewohnt waren unb fid) bejjljalb nid)t freuten." 2 ) 

2öa§ bas ^(tertfyum betrifft, beffen (Sinirirfüng auf bie fttt* 
Iid)en unb fpecieü auf bie politifdjen fragen nod) öfter berührt m ^ ümi - 
werben wirb, fo gaben bie £>errfd)er fclbft ba§ 23eifpiet, inbem 
fie in ifjrer Staatsibce fowofyl afö in iljrem 33enel)men ba$ alte 
römifdje Imperium oft auöbrücfUd) jum Sßorbilb nahmen. (Sbenfo. 
fd)(offen fid) nun ifjre ©egner, fobatb fie mit ttjeoretifdjer Se* 
finnung ju SSerfe gingen, ben antifen SDjrannenmörbertt an. 
(53 wirb fa)wcr jn beweifen fein, ba§ fie in ber ^auptfadje, im 
(Sntfdjlujj jur Sljat fclbft, burd) biej3 SSorbitb feien beftimmt 
worben, aber reine <ßl)rafe unb @tt)(fad)C blieb bie Berufung 
auf baS SHtertljum bod) nidjt. £)ie merfwürbigften Stuffd)tüffe 



1) Corio, fol. 333. 2>a§ folgenbe ibid. fol. 305, 422, s. 440. 

2 ) So ba§ ©itat au§ (SaHuS, Bei Sisraondi XI, 93. 



4G 



3)er Staat al§ Ätmftroerf. 



1. wftmt t. finb über bie üftörber ©ateajgo ©for$a'3, Sampugnani, Otgiatt 
unb Visconti oorljanben. ') @te Ijattcn alle brci ganj pcrföitüc^e 
äftotiöe unb bod) fam ber (5ntfd)lu§ oiclleidjt au§ einem aö* 
gemeinem ©runbe. (Sin £)umanift unb 8ef)rer ber (Sloquen^, 
Sota be' ÜJftontani, Ijatte unter einer ©djaar öon fel)r jungen 
maitänbifdjen Slbligen eine unftare Regier nad) SRufym unb nad) 
großen Saaten für ba£ 25atcrianb entjünbet unb mar cnblid) 
gegen bie jraet erftgenannten mit bem ©ebanfen einer Befreiung 
3ftailanb§ fjerauggerücft. 53alb fam er in üßerbadjt, mürbe aus* 
gemiefen unb mußte bie Jünglinge iijrem fobernbeu ftanattSmuö 
©er übertaffen. (Sttua jel)n 5Tage uor ber Zfyat üerfdjtöoren fie fid> 

©tabtpatro,,. {m m ^ kv ^ 2i m brogto; „bann, fagt ©Igtati, in einem 

abgelegenen SRaum bor einem 23i(be bcö Zeitigen Slmbrofiu« er* 
tjob id) meine Stugen unb fte£)te tt>u um £>ülfe für uns unb fein 
ganzes 23olf." ©er f)immtifdje ©tabtpatrott foll bie STfjat fcrjüljcn, 
gerabe rote nadjfyer ©. ©tepfjan, in beffen ®ird)e fie gefd)iel)t. 
9?mt jogen fie nodj Diele Slnbere fjalb in bie ©adje hinein, ijatten 
im §aufe Sampugnani if)r aünäd)tlid)e§ Hauptquartier unb übten 
fid) mit £)o(d)fdjeibett im ©teeren, ©ie £f)at gelang, aber 8am* 
pugnani mürbe gfetet) öon ben Begleitern be8 $erjog8 nieber* 
gemalt unb bie anbern ergriffen. Visconti geigte 9?eue, Dlgtati 
blieb trofe aller Stortur Dabei, ba§ bie £l)at ein ©ott rooljt* 
gefälliges Opfer gemefen unb jagte nod) roätjrenb if)m ber genfer 
bie 33ruft etnfcfjlug: SRunm bid) jufammen, ©irotamo! man mirb 
lange an bid) benfen; ber £ob ift bitter, ber töufjm emig! 

ßatiiinartev. @o ibeal aber bie 23orfä£c unb 2lbfid)teu l)ier fein modjten, 
fo fdjimmert bod) aus ber 2lrt unb Seife, löte bie SBerfdjtuörung 
betrieben mirb, baS 33ilb gerabe beö beillofeften aller ßonfpt* 
ratoren fjerbor, ber mit ber greif)eit gar utdjts gemein, ^at: beö 
(£atitina. ©ie Öatjrbücfer oon ©iena fagen auSbrücf lid) , bie 
SBerfdjroörer Ratten ben ©alluft ftubirt, unb aus Dlgiati'S eige* 
nem 33efenntnifj crljellt es mittelbar. ') Slud) fonft werben mir 
biefem furchtbaren tarnen mieber begegnen. $ür ba« geheime 

i) Corio, fol. 422. — Allegretto, Diari Sanesi, bei Murat. XXIII 
Col. 777. — ©. oben ©. 32. 

0 Man nergfetdje in bem eigenen 93erid)t DIgtati'3, Bei ©orio, einen 
<Sa| rote fotgenben : Quisque nostrum magis socios potissime et infinitos 
alios sollicitare, infestare, alter alteri benevolos se facere eeepit. Ali- 
quid aliquibus parura donare ; simul magis noctu edere, bibere, vigilare 
nostra omnia bona polliceri, etc. 



Ser ©taat al§ Äunftmerl. 47 

(Somplottiren gab es eben bodj, wenn man Dom 3rce<f abfab, 1. Wbmmtt. 
fein fo eintabenbeS SWufter mel)r wie biefe«. 

23ei ben Florentinern, fo oft ftc fid) ber Gebiet enttebigten Biotena unt> tie 
ober entlebigen wollten, galt ber £t)ranncnmorb als ein offen ** mxim " 
jugeftembene« 3beal. 9rad) ber gtud>t ber Üttebtct im 5. 1494 
naljm man au« tyrem ^ßalaft £>onatefto'e 35ron$egruppe 0 ber 
Subitf) mit bem tobten £)olofcrnc$ imb fefctc fie oor ben ©tgnoren* 
palaft an bte ©teile, wo jefct 9)cid)elangeIo'3 £}arüb ftebjt, mit 
ber 3nfdjrift: exempluin salutis public« cives posuere 1495. 
©ans befonberS aber berief man fiel) jefct auf ben Jüngern 23rutuS, 
ber noef) bei ©ante 2 ) mit SaffiuS imb OubaS Ofdjariotf) im 
unterften ©cfjlimb ber £ölte fteeft, weit er bas Imperium ber* 
ratzen, ^ictro ^ßaolo 23o§coli, beffen 23erfa>örung gegen ©tu* 
liano, ©ioüamti unb ©iulio SDtebict (1513) mißlang, Ijattc im 
t)öd)ften ©rabe für 33rutu3 gefdjwärmt unb fid) uermeffen ifm 
nad)suat)men, wenn er einen Saffiuö fänbe; als fotrfjer fjattc fxcf) 
ifym bann SIgoftino gapponi angefd)loffen. ©eine testen Gebert 
im Werfer, 3 ) eine« ber wtdjtigften Stctenftücfe über ben bamatigeu 
JRctiQiongjuftanb, jeigen mit Welcher 21uftrengung er fidt) jener 
römifdjen *ßf)antafien wieber enttebigte> um djriftlid) ä u fterben. 
(Sin greunb unb ber 33etd)tt>ater müffen if)tt t>erfid)ern, @. £()o* 
mag üon Slquino berbamme bte SBerfdjroörungcn überhaupt, aber 
ber 23eid)tüater Ijat in fpäterer 3eit bemfelbcn greunbe insgeheim 
eingeftanben, @. Stomas madje eine SDtfttnctton unb ertaube bie 
93erfd)Wörung gegen einen £tiranncn, ber fidt) bem Sßoit gegen 
beffen ^Bitten mit ©ewalt aufgebrungen. W ßorengino üUcebtct 
ben £)er$og SUeffanbro (1537) umgebracht unb fid) geflüdjtct 
Ijatte, erfaßten eine irjaf)rfd) einlief) ed)tc, minbeften« in feinem Sluf* 
trage uerfajjte Ipologie 4 ) ber SDjar, roorin er ben Stgrannenmorb 
an fid) als ba$ ücrbienftlid)ftc Serf preift; fid) felbft bergleid)t 
er, auf ben ftatt, baft SUcffanbro wirt'lid) ein ed)ter $cebici unb 
atfo (wenn aud) weitläufig) mit ii)iu oerwanbt gewefen, unge* 
fd)eut mit Stimoleon, bem Sörubermörbcr autf Patriotismus. Rubere 



1) Vasari, III, 251, Nota jur v. di Donatello. 

2) Inferno XXXIV, 64. 

3) 3lufgegei<f)net uon bem D^rcnjeugeu Suca bellet 3to£>£>ia, Archiv, 
stor. I, p. 273. Sßgl. Paul Jovins, vita Leonis X, L. III, in ben Viri 
illustres. 

4 ) Sei Koscoe, Vita di Lorenzo de' Medici, vol. IV, Seilage 12. 



48 



Ser (Staat als Äunftroerf. 



1. wbwnitt. I)aben aud) fiter bcn 23ergteid) mit 23rutu§ gebraust, imb baß 
fcfbft 9ttid)etangcto nod) gang fpat ©ebanfen biefer 2trt nad)ge* 
fangen hat, barf man mot)t aus feiner JörutuSbüfte (in ben 
Uffijicn) fd)tießen. @r tie^ fic unuoltenbet, tute faft alte feine 
Seile, aber gemiß uidjt, meit U)m ber 2ttorb ßäfar'a gu fdjmer 
auf ba« £erg gefallen, mie bag barunter angebrachte £)iftid)on meint. 

oo« so» imb Die (Sinai Sftaff enrabicatismug, wie er fidt} gegenüber ben neuern 
sjerföwor«. gß ottQr ^| en auögcbitbct fjat, mürbe man in ben gürftenftaateu 
ber ^enaiffance oergebenö fudjen. Oeber Gringetne proteftirte moht 
in feinem Innern gegen ba8 gürftenthum, aber er fudjte biet 
efer fid) teibtid) ober öortt)ätf)aft unter bemfetben einzurichten 
als e8 mit üereinten Gräften angugretfen. (Ss mußte fdjon fo 
toeit fommen, wie bamals in (üamerino, in gabriano, in 9ttmini 
(ß. 26), big eine ^öcüötferimg ihr regierenbeS $auö gu bertiigen 
ober gu uerjagen unternahm. Sluctj raupte man in ber 9?eget gu 
gut, baß man nur bcn £errn med)fetn mürbe. £)a$ ©efttrn ber 
Sftepubtifen mar entfd)ieben im ©infen. 



untcr 9 an 8 ber @inft Ratten bic itatienifd)en ©täbte in l)öd)[tem ©rabe jene 
fvden ©tnbte. $ ra f t entmidelt, metd)e bie <3tabt gum (Staate madjt. @S be* 
burfte ntajtS weiter, atS baß fid) bieje ©täbte gu einer großen 
göberatton oerbünbeten; ein ©ebanfe, ber in Italien immer 
miebertc()rt, mag er im (ätngelnen batb mit biefen batb mit jenen 
gönnen befteibet fein. 3n ben kämpfen beö XII. unb XIII. 3a£)r* 
fyunberts fam eS mirftid) gu großen, friegerifd) gemaltigen ©täbte* 
bünbeu, unb ©tSmonbi (II. 174) glaubt, bie $eit ber legten 
Lüftungen beS SombarbenbunbeS gegen iöarbaroffa (feit 1168) 
märe mo£)I ber Moment gemefen, ba eine allgemeine italienifd)e 
göberation fid) hätte bitben tonnen. SXber bie mädjtigern ©täbte 
hatten bereite (5l)araitergüge entmictett, meldje bieß unmöglich 
machten: fic ertaubten fid) als £anbelSconcurrenten bie äußerften 
bittet gegen einanber, unb brüeften fdjwädjere 9iad)barftäbte in 
rechttofe 2tbf)ängtgfett nieber; b. t). fic glaubten am Gaibe bod) 
eingetn bnrcbgufommen unb beS (Sangen nicht gu bebürfen, unb 
bereiteten ben -Öoben üor für jebe anbere ®emattt)errfd)aft. £)iefe 
fam, afö innere kämpfe gnnfd)en bcn SlbetSparteien unter fid) 
unb mit ben ^Bürgern bie ©el)nfud)t nad) einer feften Regierung 
med ten unb bie fdjon borfycmbenat Sotbtruppcn jebe <Sad)e um ®etb 



Sev Staat atö ÄmtftiuevL 



1 ( J 



imtcvftü&tcn, nadjbeut bie einfettige ^arteiregierung fdjou tängft 1. a^fdutitt. 
baS allgemeine 33ürgeraufgcbot unbrauchbar ju ftnben geroolmt 
mar. 1 ) Die STnranniS ocrfd)tang bie Freiheit ber meiften ©table; 
t)ie unb ba oertrieb man fie, aber nur halb, ober nur auf für je 
3eit: fie laut immer mieber, weit bie tnnern 33ebtngungen für 
fie üorhanben unb bie entgegenftrebenben Gräfte aufgebraudjt roaren. 

Unter ben ©täbten, rocldje ttjre Unabhängigkeit bewahrten, 
finb groei für bie ganje ®efd)id)te ber s D2enfd)t)eit oon f)öc±)fter 
33ebeutung: gioren^, bie ©tabt ber beftänbtgen 33eroegung, raelcfje 
uns auc^ ®unbe ^intertaffen tyat Don aßen ©ebanfen uitb 2lb* 
fid)ten ber Gsinjcfaen unb ber ©efammtheit, bie bret 3ahrhunberte 
f)inburd) an tiefer 23eroegttng thetfnahmen; bann ä>enebig, bie 
©tabt beS fd)einbaren ©tiÜ'ftanbeS unb beö poüttfdjen ©djroei* 
gcnS. @e finb bie ftärfften ©egenfä^c, bie ftd) benfen (äffen, 
unb betbe finb roieberum mit nichts auf ber SBett ju Dergleichen. 

SBenebig erfannte ftd) felbft ats eine nmnberbare, geheimnifc »enebig. 
üofte ©d)öpfung, in welcher nod) etwas Ruberes als äftenfdjen* 
roi^ oon jeher mirffam gewefen. @S gab einen SJiothuS oon ber 
feierlichen ©rünbttng ber ©tabt: am 25. üftärj 413 um äJiittag 
hätten bic Ueberftebter aus ^ßabua ben ©runbftein gelegt am 
Sctatto, bamit eine unangreifbare, Ijeitige g-retftätte fei in beut 
Oon ben ^Barbaren jeriffenen Otalien. ©pätere fyabm in bie 
©eele biefer ©rünber alte ^Ijnungen ber fünftigen ©röjje hinein* 
gelegt; Antonio ©abettico, ber baS (ÜEretgnijü in prächtig ftrö* 
menben £)er_ametern gefeiert hat, läjjt ben Ißrtefter, ber bie ©tabt* 
roeihe ooü^icht, $um Hümmel rufen: „2Bemt toir einft ©rofjeS 
roagen, bann gieb ©ebenen! jefct fnien mir nur oor einem armen 
Slitar, aber toenn unfere ©clübbe nicht umfonft finb, fo fteigen 
Dir, o ©ott, hier einft tjunbert Stempel oon Marmor unb ©otb 
empor!" 2 ) — Die 3nfetftabt felbft erfchien ju (Snbe beS XV. 3af)r* ® taM - 
hunberts roie bas ©dunucffäfldjen ber bamatigen SEBett. Derfelbe 
©abettico fd)itbert fie als fotdjeS 3 ) mit ihren uralten kuppet* 
firmen, fdjiefen Stürmen, incruftirten üDformorfaffaben, mit ihrer 

!) lieber Ie|tern ^punift f. Jac. Nardi, Vita di Ant. Giacoraini, 
p. 18. 

2 ) ©enetf)ltacon, in feinen carmina. — 33gl. (Sanfooino, Venezia, 
fol. 203. — Sie ältefte Denejian. Glfjronif, bei Pertz, Monum. IX, p. 5. 6. 
üertegt bie ©rünbung ber ^nfelorte erft in bie tongofiavbifcfye Qeit unb bie 
oon 9tiatto au§brücftid) nod) fpäter. 

3 ) De situ venetse urbis. 



SBurtftiatfct, Gultur t>cv SRcnäiffanee. 



4 



50 



25er ©toat als Äunftroerf. 



i. <mmmu. gan* engen sßradjt, roo bie 23ergotbung ber Dccfen unb bic SBcr* 
mietljung jebeS SBhtfel« fidj mit einanber bertrugen. üx füfyrt 
uns auf ben bidjtrooßenben Sßta^ bor ©. ©iacometto am föialto, 
roo bte ©efdjäfte einer SBctt fidj nidjt burd) lautes 9?ebcn ober 
©djreien, fonbern nur burdj ein bietftimmiges (Summen berrattjen, 
mo in ben ^ßortilen l ) ringsum unb in benen ber anftoßenben 
©äffen bie SSedjSter unb bte Rimberte bon ©olbfdjmteben fi^en, 
über iljren §äuptem Reiben unb £Dtaga$ine olnie <5nbe; jenfeitö 
bon ber 35rücfe befdjreibt er ben großen gonbaco ber ©eutfdjen, 
in beffen Raffen iljre SBaaren unb ifjre Seute motten, unb bor 
meinem ftets @d)iff an ©djiff im Sana! liegt; bon ba weiter 
aufmärts bie SBein* unb Oetflottc unb paraüet bamit am ©tranbe, 
too es bon gfacdjincn roimmett, bie ©emötbe ber §änbler; bann 
bom 9tiaÜo bis auf ben 9ttarcuSpta£ bie ^arfümeriebuben unb 
Sirtf)Sl)äufer. @o geleitet er ben Sefer bon Quartier ju Ouar* 
tier bis hinaus ju ben betben Sajaretfjen, ruetct)e mit ju ben 3n* 
ftituten t)ot)er ^roecfmctfjigfett gehörten, bie man nur tjier fo aus* 
gebitbet borfanb. gürforge für bie Seute mar überhaupt ein 
^enn^eidjen ber 33ene$ianer, im ^rieben tüie im Kriege, mo ifrre 
Verpflegung ber SBernmnbeten, fetbft ber feinbtidjen, für Rubere 
ein ©egenftanb beS (SrftaunenS mar. 2 ) 2BaS irgenb öffentliche 
Slnftatt t)ie§, fonnte in 93enebig fein ÜJrufter finben; auch baS 
^enfionsmefen mürbe fbftematifd) gerjanbtjabt, fogar in betreff ber 
£intcrtaffenen. töeidjtljum, potitifdje ©idjerijeit unb SÖeltfenntnijj 
Ratten rjier baS 9xad)bcnfen über folcEje ÜDtnge gereift. üDiefe 
Die fdjlanfen, btonben Öeute mit bem teifen, bebäcfjrtgen ©djrttt unb 
«in»»«»«. ber b e ^ onnenen ^ cbe/ unterfdjteben fid) in £rad)t unb Auftreten 
nur roenig bon einanber; ben <ßufc, befonberS perlen, tjingen fie 
itjren grauen unb äftäbcfycn an. damals mar baS allgemeine 
©ebenen, tro£ großer SSertufte burd) bie dürfen, nod) roatyrljaft 
glänjenb; aber bie aufgefammette (Snergic unb baS allgemeine 
33orurtI)eit (Suropa's genügten aud) fpäter nodj, um 93enebig 
fetbft bie fd)merften @d)lage tauge Überbauern ju taffen: bie 



!) ®iefe ganje ©egenb mixte bann burd) bie Neubauten be§ beginn 
nenben XVI. S a fyif)- »eränbert. 

2) 58enebictu<S : ©arot. VIII, Bei Eccard, Scriptores, II, Col. 1597. 
1601. 1621. ^- Chron. Venetum, Murat. XXIV, Col. 26. finb bie 
poltttfdjen 2atgenben ber SSenejianer aufgejagt : bontä, iimocenza, zelo di 
caritä, pieta, misericordia. 



SDer ©taat al§ Äunftroerf. 



51 



(intbectung beS (Seeraege§ nach iDftinbien, bett @tur$ ber 3fta* l.aibfd mitt. 
metufenljerrfdjaft Don Stegtjptett unb ben $rieg ber Siga bon 
(Sainbrat). 

©abelltco, ber au§ ber ©egenb Don £iboli gebürtig unb alt SDcr ©taat. 
ba§ ungenirte 9?ebewerf ber bamaligen ^ßljttologen gewöhnt mar, 
bemerft an einem anbern Orte ') mit einigem (Srftaunen, bag bie 
jungen 9?obili, welche feine äßorgenborlefungen Nörten, fief) gar 
nidjt auf ba§ ^ßolitifiren mit if)m eintaff en wollten: „wenn id) 
fie frage, mag bie Seute bon biefer ober jener Bewegung in 
Italien backten, fpradjen unb erwarteten, antworteten fie mir atte 
mit (Siner ©timme, fie wüßten nichts". 9Jfon fonnte aber bon 
bem bemoratifirten Zl)t'd beS 21bel3 irofc atter ©taatsinquifition 
mandjertei erfahren, nur nidjt fo wohlfeilen Kaufes. 3m festen 
Giertet be« XV. 3af)rlnmbert8 gab es 33erräther in ben työdjften ©ie SJerrätljev. 
^etjorben; 2 ) bie köpfte, bie italienifd)en dürften, ja ganj mittel 
mäßige Sonbottieren im £>tenft ber 9?epublif Ratten tfjre Zuträger, 
pm Streit mit regelmäßiger IBefoIbung; e$ war fo weit gefommen, 
baß ber 9?att) ber 3ehn für gut fanb, bem SHatfy ber ^ßregabi 
wichtigere politifche ^adjrichten ju tierbergen, ja man nahm an, 
baß Sobobico StRoro in ben ^regabi über eine ganj beftimmte 
©timmen^a^I tierfüge. £)b ba§ nächtliche 3luff)enfen einzelner 
@d)utbigen unb bie l>ot)e Belohnung ber Angeber (j. SQ. fedjsjig 
£)ucaten lebenslängliche ^enfion) biet fruchteten, ift fdjwer ju 
fagen; eine §aupturfadjc, bie Slrmutt) bieler 9?obili, ließ fid) 
nicht plö£(id) befeirigen. -3m 3. 1492 betrieben gwei Sßobtti 
einen $orfd)lag, ber (Staat fotlc jährlich 70,000 £)ucaten jur 
SBertröftung berjentgen armen Slbligen auswerfen, wetdje fein 
5lmt hätten; bie @ad)e war nahe baran bor ben großen 9fatf) 
ju f'ommen, wo fie eine Majorität tjätte erhalten tonnen, — als 
ber 9?att) ber $ehn noch h n «djter 3^it eingriff unb bie Reiben 
auf Sebens^ett nach 9?icofia auf Sbpern berbannte. 3 ) Um biefe 
3eit würbe ein @oran30 auswärts als ®ird)enräuber geheult, unb 
ein (Sontarini wegen Qsinbrudjs in Letten gelegt; ein anberer 



1) Epistclse, lib. V, fol. 28. 

2 ) Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stor. VII, I, p. 377. 431. 481. 
493, 530. II, p. 661, 668, 679. — Chron. venetum, frei Murat. XXIV. 
Col. 57. — Diario Ferrarese, ib. Col. 240. 

3) Malipiero, im Arch. stor. VII. II. p. 691. »gl. 694. 713 unb 
I, 535. 

4* 



52 



2)ev (Staat als Sümftoerf. 



i. aitMcftuitt. oon berfelben gamilie trat 1499 bor bie Signorie uttb jammerte, 
er fei feit ttielen Oafjren ohne 8tmt, £)abe nur 16 £mcaten (Sin* 
fünfte uttb 9 tinber, baju 60 £mcaten <2d)utben, ücrftcljc fein 
©efdiäft uttb fei neulid) auf bie ®affc gefegt raorben. 90can be* 
greift, baß einzelne reiche 9Mili $äufer bauen, um bie armen 
barin gratis roofjnen ^u (äffen, ©er §äuferbau um ®otteStt>illett, 
felbft in galten töeihen, fommt in Seftamentert afö gutes Söerf 
uor. *) 

Die gefunben SBenn bie geinbe 23enebigS auf Uebelftänbe biefer 9lrt jemals 
Äräfte. erufttidje Hoffnungen grünbeten, fo irrten fie fid) gteidjrooljt. 
SJian tonnte glauben, baß fd)on ber @djiöung beö £>anbels, ber 
aud) bem ©eringften. einen reidjüd)en Gemittn ber Arbeit fidjerte, 
baß bie (Kolonien im öftltd)en Üttittetmeer bie gefährlichen Greifte 
üott ber sßolitif abgeteuft l)abcn motten. £)at aber nidjt Genua, 
tro£ ähnlicher SSortJjeUe, bie fturmoollfte politifdje ©efcf)id)te ge* 
habt? ©er Grunb oott $>enebigS Unerfd)ütterlid)f'ett liegt efjer in 
einem 3 u f a ntmettiüirfen Don Umftänben, bie fid) fonft ttirgenbs 
bereinigten. Unangreifbar als ©tabt, tyattz es fid) won ieljer ber 
auswärtige« $3erf)äümffe nur mit ber fünften Ueberlegung an* 
gcttommett, baS ^arteimefen beö übrigen Italiens faft ignorirt, 
feine Allianzen nur für oorübergehenbe ^meefe uub um mögüd)ft 
hohen ^ßretö gefdjloffen. Der ©runbton beS bene$ianifd)Ctt ®e= 
mütheS mar baher ber einer ftotjen, \a beradjtungsuoü'ett 3folirung 
unb folgerichtig einer ftärfern ©olibarität im Innern , rooju ber 
£>aß bog ganzen übrigen Italiens nod) baS Seine tl)at. 3n ber 
©tobt fetbft h aitett ocmn a ^ e Einwohner bie ftärfften gemein« 
fchaftüdjett Ontereffen gegenüber ben Kolonien fowoljl als ben 
53efi^uugett ber Sterraferma, inbem bie 33ebölferung ber le^tern 
(b. I). ber <3täbte bis Bergamo) nur in 33enebig laufen unb Der* 
laufen burfte. (Sin fo fünftlicher Sßörth«il fonnte nur burd) 
Sftuhe uub (Sintradjt im Sttttern aufred)t erhalten werben — baS 
fühlte getoiß bie übergroße 3ttef)rsahl unb für 23erfd)tt)örer war 
fd)on beßhotb hier ein fdjledjter 4Soben. Unb wenn eS Unjufriebene 
gab, fo mürben fie burd) bie Trennung in Slblige unb Bürger 
auf eine SSeife auSeinattbergehalten, bie jebc Annäherung fetjr er= 
fdjmcrte. innerhalb beS Slbels aber mar ben mögüdjerroeife 
Gefährlichen, nämüd) ben deichen eine ^auptquefle aller 23er= 



i) Marin Sanudo, Vite de' Duchi, Murat. XXII, Col. 1194. 



©ev ©taat aB £unftn>erf. 



53 



fdjmörungen, ber Mffiggang, abgefrfjntttett burdf) ihre großen i. Mbfdwttt. 
<panbet§gefdjäfte unb Reifen unb burd) bie £heünabme an ben 
ftet§ mieberfetjrenben Sürfenfrtegen. Die Sommanbanten fronten 
fic babei, ja bismciten in ftrafbarer Seife, unb ein rjene$ianifd)er 
§ato toeiff agte ben Untergang ber Sftacbt, menn biefe Sdjeu ber 
^iobitt, einanber irgenb mebe jn tfyun, auf Unfoftcn ber ©eredjtig* 
feit fortbaucm mürbe. l ) immerhin aber gab btefer grofec 23er= 
fcrjr in ber freien 8uft bem 2lbel bon 23enebtg eine gefünbe 
§Rtct)tung im ®anjen. Unb menn S^eib unb ©tjrgeij burdmuS sccr ofati, t>ev 
einmal ©enugthuung begehrten, fo gab. e§ ein officietfeö Opfer, st- 
eine 33el)örbe unb legale Littel. Die tiietjährige moralifdje 
harter, meldjer ber Doge granceSco $o§cari (ft. 1457) tior ben 
öligen bon ganj 23enebig untertag, ift trietteic&t ba§ fd)recfticf)fte 
Seifpiet biefer nur in Slriftorratien mogtidjen 9?ad)e. Der 9?atb 
ber gtyn, metdjer in 21tte8 eingriff, ein unbebingte« Sftedjt über- 
leben unb Stob, über Waffen unb Strmeebefebl befafj, bie 3n= 
quifitoren in fiefj enthielt, unb ben goScari mte fo manchen 
SJiäcbtigen ftürjte, biefer Stfatl) ber ^ebn mürbe altjabrlid) toon 
ber ganzen regierenben ®afte, bem ®ran = coufigtio neu gemä'bit, 
unb mar fomit ber unmittelbarfte 21u§bruct berfetben. ®rofje 
3utriguen mögen bei biefen Sabtcn faum üorgetommen fein, ba 
bie fuqe Dauer unb bic fpätere 23erantmorttid)feit ba§ 2Imt nid)t 
fet)r begehreuSmerth. madjten. Allein bor biefen unb anbern 
benesianifdien Söebörben, mochte ihr SDjun nod) fo unterirbifd) 
unb gemaltfam fein, pdjtete fid) bod) ber echte SSenejianer nidjt, 
fonbern er fteflte fid); nicht nur weit bie 9?epubtif tauge tote 
fyatte unb ftatt feiner bie gamitie plagen fonnte, fonbern meit 
in ben meiften Ratten menigften§ nach ©rünben unb uid)t aus 
Sßtutburft ^erfahren mürbe. 2 ) Ueberhaupt l)at moht fein @taat 
jemals eine größere moratifdje 9ttad)t über feine Angehörigen in 
ber gerne auggeübt. Senn e§ 5. 23. Serrätljer in ben ^regabi 
gab, fo mürbe bieft reidtjtict) baburd) aufgewogen, bafs jeber 
23ene$taner in ber grembe ein geborner ^unbfdjafter für feine 
Regierung mar. 23on ben benejianifdjen Sarbinaten in 9?om ber* 
ftanb e§ fief» bon felbft, bafc fie bie SSerhanblungen ber geheimen 



1) Chron. Venetum, Mur. XXIV. Col. 105. 

2 ) Chron. Venetum, Murat. XXIV. Col. 123, s. unb Malipiero, a. a. D. 
VII, I, p. 175, s. ersten ben fpredjenben %aU be§ Slbnüratö Antonio 
©rhnant. 



54 



2)er Staat aB Äunftroerf. 



1. mitritt, frobftticben ßonfiftorien nad) §aufe metbetcn. (£arbinal £)omenico 
®rimani liefe tu ber S^dfje bon SKom (1500) bie ©ebefdjen roeg* 
fangen, metdje SlScanio «Sforja an feinen trüber Sobobtco 3ftoro 
abfanbte, unb fdjidte fie nach 23enebig; fein eben bamat« ferner 
angesagter 23ater machte bieß S3erbienft beS ©offnes öffentlich 
bor bem ©ran*config!io # b. % bor ber ganjen Seit gettenb. J ) 
Sie SSenebig feine (Sonbottieren hielt, ift oben (@. 18) an* 

scnbottteren. gebeutet toorbeu. SBenn es nod) irgenb eine befoubere (Garantie 
ifjrei: Streue fudjen toollte, fo fanb e« fie etwa in ihrer großen 
Sln^ahl, welche ben Herrath ebenfofef)r erfdjtoeren, al§ beffen dnU 
becfung erleichtern mußte, ©eint Slnbttcf benejiantfcher 2Irmee* 
rotten fragt man ficf) nur, tote bei fo bunt jufammengefe^ten 
©djaarett eine gemeinfame Stetion möglich getoefen ? Sn berjenigen 
be« Kriege« bon 1495 figurtren 2 ) 15,526 ^ erbe in lauter deinen 
Soften; nur ber ®onjaga bon 3Jiantua hatte babon 1200, ®iof= 
frebo 25orgta 740; bann folgen fecf)§ Anführer mit 700—600, 
5ehn mit 400, jraötf mit 400—200, ettoa üierjefjn mit 200—100, 
neun mit 80, fett> mit 60—50 :c. @§ finb theil« atte bene* 
jtanifdt)c Struöpenförper, theils fotehe unter b enejianif djen @tabt* 
abtigen unb Sanbabügen, bie meiften Anführer aber finb dürften 
unb ©tabttjaupter ober 23ertoanbte Don fotetjen. ®agu fommen 
24,000 3ft. Infanterie, über bereu 4Beifct)affung unb Rührung 
nicht« bemerft toirb, nebft wettern 3,300 SJiamt toahrfcheinlich 
befonberer Waffengattungen. 3m ^rieben toaren bie ©täbte ber 
STerraferma gar nicht ober mit unglaublich geringen ©arnifonen 
befe^t. Sßenebig tierließ fidj nicht gerabe auf bie ^ietät, wol)t 
aber auf bie (Sinftdjt feiner Unterthanen; beim Kriege ber £iga 
siusmärtige bon (Sambrab (1509) fprach e« fie befanntlidj bom £reiteib Io8, 
^ ohM ' unb ließ e3 barauf anfommen, baß fie bie ^(nnehmlidjfeiten einer 
feinblichen Occupatton mit feiner milben £>errfchaft bergleid)en 
mürben; ba fie nicht mit Herrath bon @. Sftarcu« abzufallen 
nötfjig gehabt hatten unb alfo feine ©träfe ju fürchten brauchten, 
fehrten fie mit bem größten gifer mieber unter bie getoohnte 
$errfdmft juritet £)iefer ®rieg mar, beiläufig gefagt, ba« 9?e* 



1) Chron. Ven. 1. c. Col. 166. 

2 ) Malipiero, 1. c. VII, I, p. 349. SCnbere Serjeid&niffe biefer Strt bei 
Marin Sanudo, Vite de' Duchi, Mur. XXII, Col. 990 (oom 3. 1426), 
Col. 1088 (oom 3. 1440), bei Corio, fol. 435—438 (von 1483), bei Guazzo, 
Historie, fol. 151, s. 



2)er ©taat atö Shtnftroerf. 



55 



futtat eine« ijunbertid^rtgen ®efd)reie« über bie Vergrößerung«* ±wbiämtt 
fudu Venebig«. ße|tere« beging bi«weiten bte genfer afläuftuger 
&eute, meiere aud) iljren (Gegnern feine naef) iljrer 2lnfid)t tf)örid)ten, 
redjnungSroibrtgen ©tretdje jutrauen motten. *) 3n biefem Dp* 
timiSmu«, ber üietteiajt ben Strtftofratien am elften eigen Ift, 
Ijatte man einft bie Lüftungen 9M)ammeb« II. gur (Sinnatjme 
üon (Sonftantinopet, ja bie Vorbereitungen jum 3uge @arf« VIII. 
böflig ignorirt, bie ba« Unerwartete bod) gefct)at). 2 ) (Sin fotdje« 
(ürreignifj mar nun aud) bie &iga Don (Sambratj, infofern fie beut 
Haren 3ntereffe ber £auptanftifter, Subtuig« XII. unb 3utiu« II., 
entgegenlief. 3m $apft mar aber ber alte Spaft öon ganj Italien 
gegen bte erobernben Venezianer aufgefammett, fobafj er über ben 
(Sinmarfa) ber gremben bie Slugen fdjIoj$, unb raa« bie ^ßotitif 
be« tabinat« Stmboife unb feine« Honig« betraf, fo f)ätte Venebig 
beren bösartigen -Vtöbfinn fd)on lange at« folgen erfennen unb 
fürdjten fotten. £)ie meiften Uebrigeu nahmen an ber Siga Streit 
au« jenem 9?eib, ber bem 9faid)rt)um unb ber 9ftad)t at« nü^ 
lidje 3ud)trutf)e gefegt , an fid) aber ein ganj jdmmerttd)e« Sing 
ift. Venebig jog fid) mit (Sljren, aber bod) nicfyt otme bteibenben 
©djaben au« bem Kampfe. 

(Sine SWadjt, beren ©runbtagen fo compticirt, beren STljätig* £>ie setmatt 
feit unb Sntereffen auf einen fo meiten ©djaupta£ au«gebelmt tev ® tat,ft,f - 
maren, ließe fid) gar nidjt benfen ofjne eine großartige Ueberfiäjt 
be« (Ganzen, otme eine beftänbige IBilQttj ber Gräfte unb Saften, 
ber gunafyme 2lbnaf)me. Venebig möd)te fid) rooljt al« ben 
(Geburtsort ber mobernen «Statifttf geltenb madjen bürfen, mit 
iijm ötettetdjt gtoreng unb in jroetter Strtte bie entunefeftern ita* 
üenifdjen gürftetttfjfimer. ©er 8ef)n«ftaat beö 9ttittetatter§ bringt 
fjödjften« ®efammt*Ver$eid)ttiffe ber ffirftftdjen 9ied)te unb 9?u£* 
barfeiten (Urbarien) fyeröor; er faßt bie ^robuetion at« eine 
ftefyenbc auf, um« fie annätjerunggroeife aud) ift, fo lange e« fid) 
roefenttidj um ©runb unb 23oben Jjanbett. ©iefem gegenüber 
fyaben bie ©täbte im ganzen Stbenbtanbe watjrfajeinüa) öon früf)e 
an ifjre ^ßrobuetion, bie fid) auf 3nbuftrie unb Raubet be$og, 
at« eine l)öd)ft benieglictye erfanut unb banad) befyanbett, allein e« 

0 ©uicetarbini (Eicordi, N. 150) bewerft »iclfetc^t guerft, baf5 baä 

politifdje 9tadje6ebütfmfi aud) bie beutUcfje ©timme be§ eignen SntereffeS 
übertauben fonne. 

2) Malipiero, 1. c. VII, I, p. 328. 



56 



Ser (Staat at§ Äunfhoerf. 



«tremtt. blieb — fe!6ft in ben £lütfje$ctten ber $anfa — bei einer et«* 
fettig commerciellen 33ilan$. Rotten, Speere, potitifc^er 2)rucf 
unb (Einfluß tarnen einfach unter ba§ (Soll unb £aben eine« 
taufmänmfd)en Hauptbuches ju ftetjen. @rft in ben italtentfdjett 
Staaten Dereinigen ftd) bie (Sonfcquenjen einer Pölligen Politiken 
Bewußtheit, ba§ 33or6tü> mohammebamfdjcr Slbminiftration unb 
ein uralter ftarfer betrieb bcr sßrobuetton unb be§ #anbcl« 
felbft, um eine wahre Statiftit 51t begrünben. *) ©er untcritalifdie 
3ang«ftaat ®aifer grtebric^S II. (@. 3) war einfeitig auf (Jon* 
centratton bcr 3ttad)t sunt ^roeefe eines tatnpfc« um Sein ober 
Sßidfjtfeht organifirt gewefen. 3n 35enebtg bagegen finb bie testen 
3wec?e ©cnuß ber äßadjt unb bes geben«, SBeitcrbilbuttg be« Pon 
ben 2$orfaf)ren (Srerbten, SInfammlung ber gcwinnreid)ften 3n* 
buftrien unb Eröffnung ftet« neuer 2Ibfa|wege. 
ojjtttationiiuf. £)ie Tutoren fpredjen fief» über btefe £>iuge mit größter 
Unbefangenheit au«. 2 ) Sßtr erfahren, baß bie Söebßlfenmg ber 
Stabt im 3abr 1422 190,000 (Seelen betrug; oiclleidjt hat man 
in Stalten am frühen angefangen, ntdjt mehr nacr) Feuerherben, 
naa) Waffenfähigen, nach ©oldjen, bie auf eigenen deinen gehen 
tonnten u. bgl, fonbern nad) anime ju jagten unb barin bie 
neutralfte SSaft« aller weitem JBeredjttungett anjuerfennen. 311« 
bie Florentiner um biefelbe 3ett ein Bünbniß mit 23enebig gegen 
Filtppo ÜKarta Visconti toünfdjten, wie« man fie einftwetlen ab, 
in bcr ftaren, per burdj genaue Spanbel«bilan$ belegten Ueber* 
geugung, baß jeber Äricg atmfdjett Sftailanb unb SSenebig, 
b. I). jtoifdjen Abnehmer unb Sßerfaufer, eine 3T^orI)ett fei. 
Sdjon wenn bcr Sperjog nur fein £eer üermeljre, fo werbe ba« 
#erjogtl)um wegen fofortiger (Srfjöhung ber ©teuern ein fd)led)terer 
Sonfument. „Keffer man raffe bie Florentiner unterliegen, bann 



1) 9todj in jiemltd) Befcfiränftem (Sinne entworfen unb boefj fdjon fe&r 
mistig ift bie ftatift. Ue&erfic^t oon SJlailanb, im Manipulus Florum (Bei 
Murat. XI, 711, s.) vom Safyxe 1288. Sie jä§It auf £au§t&üren, 58evöU 
terung, 2ßaffenfaf)tge, Soggien ber Slbligen, Brunnen, Defen, Sdjenfen, 
gleifd) erBuben, gifd)er, Slorn&ebarf, §unbe, ^agboögel, greife von §o!j, 
£eu, Sßein unb Saig, — ferner 3iid)ter, «Rotare, Sierße, ScfjuUefjrer, 216= 
f ^reibet, SßaffenfcBmiebe, £uffd)miebe, £ofpitcttcr, Softer, Stifte unb getft= 
Iid)e Korporationen. — @ine tuelteicfjt nod) ältere au<3 bem Liber de 
magnalibus Mediolani, Bei Heinr. de Hervordia, ed. Potthast, p. J65. 

2) Sßorgüglid) 3Karin Sanubo, in ben Vite de' Duchi di Venezia, 
Murat. XXII, passim. 



SD er (Staat als iSunftwerf. 



57 



fiebeln fic, beS fretftäbtifdjett £ebenS geruolmt, ju uns über itnb 1. gifcfdmi tt. 
bringen tfjrc Seiben* unb SBoßentoeberci mit, mie bie bebrängtcn 
£ucd)efen getrau imben." £)aS atterfroürbtgfte aber ift bte 9?ebe 
beS (terbenben Sogen 9ftocenigo (1423) an einige (Senatoren, bie 
er tjor fein SQttt fommcn ließ. 1 ) <Sie enthalt bie micfjtigften 
(demente einer ©tattfttf ber gefammten Sraft unb §abe 23enebigs. 
Qä) meiß nidjt, ob unb tuo eine grünbltdje (Erläuterung biefeS 
fdjnnerigen SlctenftütfeS ejctfttvt; nur als (Surtofität mag gol* 
genbeS angeführt werben, ^cad) gefdjeljener Slbbejafjlmtg üon ©oa unt> 
4 Millionen ©ucaten eines SriegS^Iulel)enS betrug bie Staats* ** at,e "' 
fdmlb (il monte) bamals nod) 6 ÜDM. ©ucaten. ©er (Sefammt* 
umlauf beS |>anbels (tote es fdjeint) betrug 10 Witt., rceldje 
4 TOI. abmarfen. (So fieißt es im Stejt.) Stuf 3000 9?abigli, 
300 toi unb 45 ©alere fuhren 17,000, refp. 8000 unb 
11,000 (Seeleute, (lieber 200 fffl. pr. ®atcro>. ®a^u famen 
16,000 ©djtffgjtmmerlcute. 3>ie §äufer öon SSenebtg Ratten 
7 üfttü. Sdja^ungSuiertf) unb trugen an 9J?ietf)e eine fjalbc 9ttil* 
üon ein. 2 ) (SS gab 1000 SIblige üon 70 bis 4000 £)ucaten 
©nfommen. — 2ln einer anbern ©teile wirb bie crbentlicfje 
StaatSeinnafyme in jenem felben Oafjre auf 1,100,000 £mcaten 
gefdjafct; burdj bie £)anbelsftörungen in golge ber Kriege mar fie 
um bie SÖHtte beS Oa^rljunbcrt« auf 800,000 £>ttcaten gefunfen. 3 ) 

Sßenn SSeuebig burd) berartige 33ercd)nungen unb bereu Serftätung ber 
practtfdje Slnttenbmtg eine große (Seite beS mobernen Staats* 9}enm '' ailcc - 
njefenS am früljften üotffomntett barftefite, fo ftanb es bafür in 
berjenigen Kultur, tocldje man bamals in Statten als baS £)öd)fte 
fd)ä^te, einigermaßen jurüct @S fefytt fjter ber literarifdje STrteb 
im Allgemeinen unb tnSbefonbere jener Staunte! ju (fünften beS 
claffifd)en 2lltert!jumS. 4 ) Die Begabung $u $Ijilofopf)te unb 23e* 
rebfamfeit, meint Sabelltco, fei l)ier an fidj fo groß als bie jum 



1) SBei-Sanudo 1. c. Col. 958. £>a3 auf bm Sanbet Bejügticfie ift 
barauS mitgeteilt Bei ©euerer, 2lltg. ©efef). be3 2Beltr,anbeI§, I, 32«. Stnm. 

2 ) §iemit finb boefj raof)l bie fämmttidjen Käufer unb nid)t blofj bie 
bem ©taat geprenben gemeint. Severe rentirten btäroeilen allerbingä 
enorm; »gl. Vasari, XIII, 83. V. d. Jac. Sansovino. 

3) Sief} bei Sanudo, Col. 963. ©ine ©taat§red£jnung von 1490 
Col. 1245. 

4 ) Sa biefe Stoneigung fott in bem $enegianer Sßaul II. bi§ &um £af5 
auögeBitbet gemefen fein, fo bajj er bie öumaniften fantmtltd) Ee^er nannte. 
Piatina, Vita Pauli, p. 323. 



58 



Ser ©taat ali Äunftioerf. 



1. gibfftnitt. Raubet unb «StaatSwefen ; fcbon 1459 legte @eorg ber £rape* 
juntier bie tateinifdje Ueberfefcmtg bon "»ßtato's 33ud) über bie 
®efe£e bcm £)ogen 31t pjjert itnb würbe mit 150 £)ucaten ja^r* 
fid) als £ef)rer ber ^Ijilologie angeftellt, bebtcirte aud) ber <BU 
gnorie feine ^betorif. ') ©urd)gel)t man ober bie benesianifdje 
Siteraturgefdjidjte, wefdje ftranceSco ©anfobino feinem befannten 
33ud)e 2 ) angehängt Ijat, fo ergeben fid) für baS XIV. 3al)r* 
Rimbert faft nod) lauter tljcotogifcbc, juribifdje unb mebicinifd)e 
ftaebwerfe nebft £iftorien, unb aud) im XV. Sal)rf)imbert ift ber 
Humanismus im SSerljältniß jur ißebeutung ber @tabt bis auf 
(Srmolao 33arbaro unb 2llbo äftanucci nur entwerft fpärlid) ber* 
treten, £)ie 33ibliotbet, weldje ber Sarbtnat SBeffarton bem 
©taat bermadjte, würbe faum eben bor .Bestreitung unb 3er* 
ftörung gefrfjüfet. pr gelehrte «Sachen fjatte man ja *ßabua, wo 
freilief) bie üttebiciner unb bie Suriften als SSerfaffer ftaatSrecbt* 
lieber ®utad)ten weit bie pafften Skfotbungen (jarten. Sind) bie 
£l)eilnal)ttie an ber italienifdjen tunftbidjtung ift tauge >$eit eine 
geringe, bis bann baS beginnenbe XVI. 3al)rf>unbert alles 33er* 
fäumte nad)l)ott. ©clbft ben Äunftgeift ber taaiffance f>at ftdj 
SSenebig bon außen tjer jubringen laffen, unb erft gegen (Snbe 
bcS XV. Sabrljunberts ficEj mit botler eigener äftacbtfülte barin 
bewegt. Sa es giebt fjter nod) be^eidjnenberc geiftige ^ögerungen. 

ßff SSt m " ® er f ett,e @ taa ^ weta^er feinen (SleruS fo botlfommcn in ber ®e* 
watt f)atte, bie 25efe£ung aller wichtigen ©teilen fid) norbel)ielt, 
unb ber (Surie einmal über bas anbere £ro£ bot, jeigte eine 
officielle Stnbadjt bon gan$ befonberer Färbung. 3 ) ^eilige Seidjen 
unb anbere Reliquien aus bem bon ben iürfen eroberten 
©riedjentanb werben mit ben größten Opfern erworben unb bom 
&ogcn in großer ^roceffton empfangen. 4 ) pr ben ungenauen 
Woä befebloß man (1455) bis 10,000 £mcateu auf^uwenben, 
tonnte il)n aber niebt erhalten. @s rjanbette fiel) f)ier nid)t um 
eine populäre 33egetfterung , fonbern um einen füllen 33efcbluß 
ber pbern @taatsbef)örbe, weiter ohne alles Sluffeljen f)ätte 

1) Sanudo, 1. c. Col. 1167. 

2 ) Sansovino, Venezia, Lib. XIII. 

s) S3gL Heinric. de Hervordia ad a. 1293 (pag. 213, ed. Potthast). 

<) Sanudo, 1. c. Col. 1158. 1171. 1177. 2113 bie 2eid)e be§ ©. 2uca3 
au§ Q?o3men fam, gab e§ Streit mit ben SBenebictinern t>on ©. ©iuftina 
31t Sßabua, roeld)e biefelbe fd)on ju beft^en glaubten, unb bev päpftlicße ©tubl 
mufjte entfcfieiben. SSgl. ©uicciarbint, Eicordi, Nr. 401. 



®er Staat al§ ßunftroexf. 



59 



unterbleiben fönnett unb in glorenj unter gleiten Umftanben 1. Mbfättitt. 

gewiß unterblieben wäre. ©ie 2lnbad)t ber Äffen unb ihren 

feften ©tauben an ben 2lbtaß eine« 2tlej:anber VI. taffen wir 

ganj außer 33etrad)tung. ©er «Staat fetber aber, nadjbem er bie 

^irije mehr als anberSwo abforbtrt, hatte wirtlich t)ter eine Slrt 

t>on geiftlidjem Clement in ficf) r unb baS StaatSfmnbot, ber ©oge, 

trat bei jtoölf großen Sßroceffioncn 0 (andate) in JjatbßetftK^er 

Function auf. GsS waren faft tauter $efte gu @hren polttifcher 

Erinnerungen, welche mit ben großen Sirdjenfeften coneurrirten; 

ba$ gtänjenbftc berfetben, bie berühmte Vermählung mit bem 

Speere, jebeSmal am <pimmelfahrt$tage. 

©ie t)öa)[te politifche Bewußtheit, ben größten 9?eid)tl)um an sfotn» 
(SntwicflungSformen finbet man bereinigt in ber ©efd)id)te t>on 
Florenz, welches in biefem Sinne wol)l ben tarnen beS erften 
mobernen Staates ber Söelt tierbient. £)ier treibt ein ganzes 
SSot£ baS, was in ben gürftenftaaten bie Sadje einer $amilie ift. 
©er wunberbare florentinifdje (Seift, fdjarf raifonnirenb unb 
fünftlerifd) fdjaffenb pgletch, geftaltct ben potitifdjen unb focialen 
3uftanb unaufhörlich um unb befdjreibt unb richtet ilm eben fo 
unaufhörlid). So würbe $lorenj bie ^eimatl) ber politifdjen 
©octrinen unb S^Ejeorien , ber Experimente unb Sprünge, aber 
aud) mit Venebig bie Speimath ber Statiftif unb altein unb öor 
allen Staaten ber SBelt bie §eimatl) ber ßefdjidjttidjen ©arftellung 
im neuern Sinne, ©er Stnbticf beS alten 9^omS unb bie tont* 
niß feiner (Sefdjidjtfdjteibcr fam ijinju, unb ©ioüaimt SStEani 
gefteljt, 2 ) baß er beim Jubiläum beS 3af)reS 1300 bie Anregung 
ju feiner großen Arbeit empfangen unb gleid) nad) ber Speimfehr 
biefelbe begonnen habe; altein wie mand)e unter ben 200,000 9iom= 
pilgern jenes Lahres mögen ihm an Begabung unb 9ftd)tung 
ähnlich gewefen fein unb haben bodj bie ®efd)id)te ihrer Stäbte 
nid)t gefdjrieben! ©enn nidjt 3eber tonnte fo troftootl beifügen: 
„Sftom ift im Sinfen, meine Vaterftabt aber im Sluffteigen unb 
jur Ausführung großer ©inge bereit, unb barum habe ich ^ re 
gan^e Vergangenheit aufzeichnen wollen unb gebenle batnit fort* 
Sufaljren bis auf bie ©egenwart unb fo weit ich ttoct) bie Sreig* 
niffe erleben werbe." Unb außer bem Beugniß oon feinem 

1 ) Sansovino, Veuezia, Lib. XII. 

2) G-. Villani, VIII, 36. — 35a3 %af)X 1300 ift augletcf) ba3 feftge* 
rjaltene Saturn in ber Siüirta (Sommebia. 



v 



GO 



Ser ©taat al§ ßunftwerf. 



i. mmmtt. Sebenggartcte erreichte $torcnj burdj feine ©efd)id)tfd)reiber nod) 
etraag 2Öeitere§: einen größeren föuljm afö irgenb ein anberer 
' (Staat bon Italien. *) 

Sfttdjt bie ®efdjid)te biefeS benfiuürbigen (Staates, nur einige 

^oiiHfÄe« ffie« sftibeutuugen über bie geiftige Freiheit unb Dbiectimtät, metdie 
burd) btefe ©cfajidjte tn ben fjlorcnttncrn roadj geworben, ftnb 
t)ier unfere Aufgabe. 

Um ba$ 3ai)r 1300 befdjrieb £)ino (Sompagm bie ftäbtifdjen 
kämpfe feiner Sage, SDie pofitifdje Sage ber Stabt, bie innern 
STriebfebern ber Parteien, bie dfjaractere ber $üljrer, genug ba§ 
ganje 65eiuebe bon näljern unb entferntem Urfadjen unb 2©ir* 
fungen finb fyier fo gefd)i(bert, baß man bie allgemeine Supe* 
riorttät be§ florcntinifdjen Urtf)etfen§ unb (Sdjitbern§ mit Rauben 
greift, llnb ba§ größte Opfer biefer ®rifen, ©ante Aügfyieri, 
meld) ein ^oütifer, gereift burd) £>eimatf) unb (£rtf! dx Ijat ben 
§otm über ba« befiäubige Sienbern unb ^perimentiren an ber 
Sßerfaffung in eherne Seinen gegoffen, 2 ) metdje fpridjmörtüdj 
bleiben merben, rao irgenb 2lel)nlid)e§ borfommen miß; er f)at 
feine Jpeimatlj mit £ro£ unb mit Sef)nfud)t angerebet, baß ben 

unb angemeincö Florentinern ba$ |)er$ beben mu|!e. Aber feine ®ebanfen befynen 

Maifonnement. ^ au§ ü f, er ^tattert unb bie SÖetr, unb menn feine Agitation 
für ba8 Imperium, mie er e§ auffaßte, nid)tö als ein Srrtlmm 
mar, fo muf man befennen, baß ba« jugenbftdje £raummanbe(n 
ber faum geborenen potitifd)en (Specufation bei itjm eine poetifcfye 
®röße f)at. (§r ift ftotj, ber erfte ju fein, ber biefen ^fab be= 
tritt, 3 ) atferbingö an ber £)anb beö AriftoteleS, aber in feiner 
SBeife fefjr fefbftänbig. (Sein 3bcalfatfer ift ein gerechter, menfdjen* 
liebenber, nur bon ®ott abfyängenbcr £)berrid)tcr, ber (Srbe ber 
römifd)en 2Mti)errfd)aft, meiere eine bom 9fed)t, bon ber 9?atur, 
unb bon ®otte§ 9<iatf)fd)iuß gebilligte roar. £)ie Eroberung be8 
(£rbf reifes fei nämlid) eine rechtmäßige, ein ©otteSurtfyeil jtiüfd)en 
SRom unb ben übrigen Golfern gewefen, unb ®ott fyabe btefeö 
9?cidj anerfannt, inbem er unter bemfetben äftenfd) raurbe unb 
ftd) bei feiner ©eburt ber (Sd)a£ung be« ^aiferö AuguftuS, bei 
feinem Stöbe bem ©eridjt beg ^ontiu§ Pilatus unterzog u. f. ra. 
SBenn mir biefen unb anbern Argumenten nur fdjwer folgen 



1) SHefj fdjon um 1470 conftatirt bei Sespaftano giorent. p. 554. 

2 ) Purgatorio VI, (Snbe. 

3 ) De Monarchia I, 1. 



Ser Staat als> ßunftroerf. 



61 



fönnen, fo ergreift ©ante'S £eibenfdiaft immer. Qn feinen 1. wbwnitt. 
Briefen 1 ) ift er einer ber frütjfteit aller '»ßublicifteu , oielleiap ber 
frii|fte 8ate, ber Stctibettjfdjriftcn in Briefform auf eigene £)anb 
ausgeben liefe. <5r fing bamit bei fetten an; fdjon nad) beut 
Stöbe -^öeatrice'S erliefe er ein ^ßainpl)(ct über ben 3uftanb mn 
^lorenj „an bie ©rofeeu beS (SrbfreifeS'', unb aud) bic fpätern 
offenen ©djretben aus ber 3eit feiner Verbannung finb an lauter 
$aifer, dürften unb Sarbinäle gerietet. 3n biefen ^Briefen unb 
in bem 35ud)e „oon ber 23ulgärfprad)e" ttfytt unter oerfapebenen 
formen baS mit fo dielen ©djmerjeit bellte ©efül)l raieber, bafe 
ber Verbannte aud) aufeerl)alb ber Vaterftabt eine neue gei)tige 
^eimatl) finben bürfe in ber @prad)e unb £Mlbung, bie ifjm tridjt 
mep genommen werben fönne, unb auf biefen ^unft werben mir 
nodj einmal jurücffommen. 

£)en Villani, ©iooanni fomol)! als ülftatteo, öerbanfen mir sforentint^e 
niep fomot)! tiefe politifdje 33etrad)tungcu als oielmep frtfdje, ® tatifUf - 
practifdje Urteile unb bie ©runblage jur ©tattftif oon glorenj, 
uebft unapigen Angaben über anbere ©taaten. Raubet unb 3iu 
buftrie fjatten aud) per neben bem poüttfcfjen ©enfen bas ftaats* 
öconomifcp geiuecft. lieber bie ©elboerl)ältniffe im ©rofeen mufete 
man nirgenbs in ber Sßelt fo genauen SÖefcpib, ansufangen oon 
ber päpftlidjen (Suric ju Sloignon, beren enormer ^affenbeftanb 
(25 WIM. ©olbgulben beim £obe 3ol)ann'S XXII.) nur aus fo 
guten Quellen 2 ) glaublid) mirb. per erhalten mir Vefdjeib 
über coloffale 2Meipn j. 23.: bes Königs oon (Snglanb bei ben 
florentinifdjen Käufern 23arbi unb ^eru^i, luelap ein ©utpben 
oon 1,365,000 ©olbgulben — eigenes unb (Sompagnie*©elb — 
einbüfeten (1338) unb fid) bennod) mteber erholten. 3 ) £>as 2Bia> 
tigfte aber finb bie auf ben ©taat bejügltdjen eingaben 4 ) aus 
jener nämlichen &it: bie ©taatSeinnapuen (über 300,000 ©olb* 
gulben) unb Ausgaben; bie -^eoölferung ber @tabt (per noa) 
fep unoollfommen nad) bem -Vrobconfum in bocche, b. p Sftäu* 
lern, bereeptet auf 90,000), unb bie beS «Staates; ber Ueberfd)ufe 

1) Dantis Alligherii epistolae, cum notis C. Witte. Sßie er ben 
ßatfer burdf)au§ in Italien ^aben roollte, fo auef) ben $apft, f. b. Stief 
<3. 35 raä^renb be§ Gonclaue'3 oon ©arpentraä 1314. 

2) Giov. Villani XI, 20. %l. Matt. Villani IX, 93. 

3j Siefe unb äfjnlidje Zotigen bei Giov. Villani XI, 87. XII, 54. 
4) Giov. Villani XI, 91, s. — 21bn>etd£)enb baoon Macchiavelli, Stor. 
fiorent. lib. II. 



62 



2)er (Staat al3 Sfunftroer!. 



1. 9ibfj»nitt. fron 300 bis 500 männlichen ©eburten unter ben 5800 big 6000 
alljährlidjen Stauf Ihtgen bc8 33attiftero *) ; bie ©djultinbcr, öon 
melden 8 bis 10,000 tefen, 1000 bis 1200 in 6 (Spulen rect)* 
nen lernten; baju gegen 600 @d)üler, toetcfje in üier ©dmlen in 
(lateinifcher) ©rammatif unb ?oßif unterrichtet würben. (§3 folgt 
bie ©tatiftif ber Sirdjen unb Iiiöfter, ber (Spitäler (mit meljr 
alö 1000 Letten im ©attjen); bie 2Boüen-3mbuftrie, mit anwerft 
werthnollen Grutjel angaben; bie Süftünje, bie Sßerprouiantirung 
ber ©tobt, bie SSeamtenfdjaft u. 21. m. 2 ) AnbereS erfährt man 
beiläufig: wie g. 33. bei ber (Einrichtung ber neuen ©taatsrenten 
(monte) im 3af)r 1353 u. f. auf ben Sandeln geprebigt würbe, 
üon ben $ranct$canern bafür, üon ben Dominicanern unb 
©er fd>»ar4« sot.^uguftinem bagegeu 3 ); vottenbs fyabm in ganj (Europa bie öco* 
nomifdjen folgen beS fdjwarjett £obe§ nirgenbö eine foldje 23e* 
ad)tung unb Darftellung gefunben, nod) ftnben fönnen wie hier. 4 ) 
S^ur ein Florentiner fonnte uns überliefern: wie man erwartete, 
ba£ bei ber Senigfeit ber 2ttenfd)en Alles wohlfeil werben fottte, 
unb wie ftatt beffen £ebenSbebürfntffe unb Arbeitslohn auf bas 
Doppelte fliegen ; wie baS gemeine 23olf Anfangs gar nidjt mel)r 
arbeiten fonbern nur gut leben wollte; wie jumat bie Unechte unb 
äftägbe in ber Otabt nur noch «m feljr I^otjen 8of>tt ju haben 
roaren; wie bie dauern nur nod) bas allerbefte Sanb bebauen 
mod)ten unb baS geringere liegen Heften u. f. w.; wie bann bie 
enormen ^ermäcrjtniffe für bie Armen, bie mährenb ber *ßeft ge* 
mad)t würben, nad)her jweclloS erfdjienen, weit bie Armen theits 
geftorben theils nicht mehr arm waren. (Snblidj wirb einmal bei 
©elegenheit eine« großen $ermächtniffes, ba ein finberlofer 2öohI* 
thater allen ©tabtbettlern je fecfjS Denare hinterließ, eine um- 
faffenbe ©ettetftatiftif 5 ) Don Floren^ oerfudjt. 
setbtnbung »on Diefe ftatiftifd^e Betrachtung ber Dinge hat fidj in ber Folge 
@tati|tuu.euituv. bei ben g lorciUincrn bag ^ ci£ fjf te Qu g ö ebilbet; baS @d)one 



£>er Pfarrer legte für jeben Knaben eine fdjroarge, für jebeS 9)iab= 
cb>n eine weifse 33of)ne bei ©eite; biefj mar bie gange ©ontrote. 

2 ) gab in bem folib gebauten gtorenj bereits eine ftef»enbe £öfa> 
ntannf$aft, ibid. XII. 35. 

3) Matteo Villani, III, 106. 

i) Matteo Villani, I. 2—7, »gl. 58. — pr bie ^eftgeü felBer fteljt 
in erfter Sinie bie berühmte ©tijilberung be£ Boccaccio am Slnfang be3 
SDecatnerone. 

s) Gio. Villani X, 164 



Ser (Staat als Äunfirocr!. 



03 



babei tft, ba§ fic ben 3ufammen[)ang mit beut ©cjd^id^tfic^ctt im i. mmitt. 

Ijöfjern (Sinne, mit ber aligemeinen (Suftur unb mit ber ßunft 

in ber ^eget bürdenden (äffen, (Sine 2luf 3 eicf>nimg Pom 3abr 

1422 *) berührt mit einem unb bemfetben ftebequg bie 72 SBedjfel* 

buben ring« um ben Sttercato nuobo, bie «Summe bes «aar* 

PerferjreS (2 3Rlfl. ®otbgutben), bie bamats neue Snbufrrte beS 

gefponnenen (MbeS, bie ©eibenftoffe, ben ftntippo «mneöeSco, 

ber bie alte SIrdjitectur lieber aus ber (Srbe fyerborgräbt, unb 

ben Sionarbo Stretino, ©ecretär ber 9?epubtif, melier bie atttife 

Literatur unb Serebfamfeit wieber erttjedt; enblid) baS allgemeine 

2Bof)ferge[)en ber bamats potttifd) rufjigen Stabt unb bog ©tücf 

Statten«, baS ftdj ber fretnben ©olbtruppen entfebigt &atte. 3ene 

oben (©. 56) angeführte Statiftif oon iöenebtg, bie faft aus 

bemfetben Oafjre ftammt, offenbart freiließ einen biet großem öe* 

flfc; Erwerb unb <Sd)aupIa£; Sßenebtg bel)errfd)t fdjou fange bie 

Speere mit feinen ©Riffen, wätjrenb gtorenj (1422) feine erfte 

eigene ©ateere (nad) SKeffanbria) ausfenbet. SMein wer erlennt 

nicfyt in ber florentmtfdjen Slufjcidjnung ben I)öl)ern ®eift? 

@old)e unb äf)nücfje ^ot^en finben ftdj l)ier oon Safjrjeljnb 3U 

3af)r$efmb, unb jioar fd)on in Ueberficfjten georbnet, wäijrenb 

anberwärts im beften ftallc einzelne StuSfagen oorf)anben finb. 

SBir lernen baS Vermögen unb bie ©efdjäfte ber erften äftebici 

approrjmatio lernten; fic gaben an Sllmofen, öffentlichen bauten 

unb (Steuern Oon 1434 bis 1471 nidjt weniger als 663,755 (Mb* ©et- M&m 

gutben aus, wooon auf (Sofimo allein über 400,000 famen 2 ), tet£KeMci - 

unb Sorenjo magnifico freut fid), baß baS ®e(b fo gut aus* 

gegeben fei. 9?acr) 1478 folgt bann wieber eine Ijödjft widrige 

unb in ifjrer 2lrt Ooöftänbigc tleberfidjt 3 ) bcS £anbel§ unb ber 

©ewerbe ber <Stabt, barnntcr mehrere, njetdje tyatb ober ganj jur 

tunft gehören: bie ©otb* unb Sitberftoffe unb £)amaftc; bie 

£oi$fcr;ni£erei unb 3Warfetterte (Intarsia); bie STrabeSfenfcutptur 

in 39?armor unb ©anbftein; bie ^orträtfiguren in SBadjS; bie 

©otbfdjmieb e« unb Ouwefterfunft -3a bas angeborene latent ber 

0 Ex annalibus Ceretani, bei Fabrom, Magni Cosmi vita, Adnot. 34. 

2 J Eicordi beä Sorenjo, bei Fabroni, Laur. Med. magnifici vita, 
Adnot. 2 unb 25. - Paul. Jovius: Elogia, Cosmus. 

3 ) 33on Senebetto Sei, bei Fabroni, ibid. Adnot. 200. £>ie 3eit= 
beftmmumg ge^t auS Varchi III, p. 107 fjerüor. — 3)o8 gmangproject 
eines gereiften Sobooico ©tjetti, mit mistigen Angaben, bei Koscoe, Vita 
di Lor. de Medici, Bd. II, Seilage 1. 



64 



25er ©taat al§ ftunftroevf. 



vbfmit t. fflorenttnet für bie 23ered)nung beß ganzen äußern £)afciu3 jeigt 
fid) aud) in iljren $au«*, ®efd)äft3* unb 8anbmirtf)fd)aft§büd)ern, 
bie ficf> wollt oor bcncn bcr übrigen Europäer bcö XV. 3al)r* 
fjunberts um ein nanttjaftcö ouggcidjncn mögen, üftit SKedjt tjat 
man angefangen, ausgewählte groben baoon ju publiciren '); 
nur wirb cö nod) Diel er ©tubien bebürfen, um ftüre allgemeine 
SRcfuCtatc barau« 51t sieben. ^ebenfalls giebt fid) aud) l)ier ber* 
jenige «Staat su erfenuen, 100 fterbenbc 23äter teftamentarifd) 2 ) 
ben «Staat erfud)ten, tfyre <Söime um 1000 ©olbgulben 3U büßen, 
roenn fie fein regelmäßiges ©eroerbe treiben würben. 

ftür bie erfte Hälfte be§ XVI. 3af)rl)unbert§ befi&t bann 
oielleid)t feine ©tabt ber SLÖett eine foldjc Urfuube wie bie t)err* 
tid)e ©d)ilberung oon glorenj bei 23ard)i ift 3 ). 21ud) in ber be* 
fdjreibcnben ©tatiftif wie in fo mannen anbern Regierungen 
wirb f)ier nod) einmal ein ÜKufter fyingeftellt, ef)e bie greifjeit 
unb ®roße biefer ©tabt ju ©rabe gefjt 4 ). 

1) 3. 33, im Archivio stor. IV. 

2) Libri, Histoire des sciences mathem. II, 163, s. 

3) Varchi, Stor. fiorent. III, p. 56, s. ju @nbc beä IX. 93ud)eS. 
einige offenbar irrige Bahlen motten woljl auf ©djreib* ober £)rud"= 
feiern berufen. 

Mbwttti) in 4 ) Heber 2Bertf)üerf)aliniffe unb Steinum in Italien überhaupt fann 
Stalten. icE), in ©rmangetung »eiterer £ülf3mittet, l)ier nur einige gerftreute Sata 
3ufammeuftellen, wie id) fie ^fällig gefunbeu f)abe. Offenbare ttebertrei= 
bungen finb bei Seite ju laffen. Sie ©olbmünjen, auf reelle bie meiften 
Angaben lauten , finb : ber ©ucato, ber 3ecdji.no, ber giorino b'oro unb 
ber Scubo b'oro. gföt 2öert£) ift annäfjerungSweife berfelbe, eilf bis jroölf 
granten unfereS ©elbeS. 

Sn SSenebig galt 3. SB. ber Soge Stnbrea »enbromin (1476) 
mit 170,000 Sucati für fel)r reid). (Malipiero 1. c. VII, II, p. 666). 

3n ben 1460er Saljrm Ijetfjt ber ^atriard) oon Slquileja, Sob. Sßaia* 
mno, „faft ber reichte aller Italiener" mit 200,000 Sucaten. (Gasp. 
Veronens., Vita Pauli II, bei Mur. III, II, Col. 1027.) Slnberäwo fabeU 
fjafte 2lngaben. 

Slntonio ©rimani (S. 54) lief} fid) bie ®rl)ebung feinet Sofme§ SDo= 
menico jum ©arbmal 30,000 SDuc. foften. ©r felbft würbe bto£ an SBaar* 
fdjaft auf 100,000 ®uc. gefdjafct. (Chron. Venetum, Mur. XXIV, 
Col 125.) 

Heber ba§ ©etreibe im Raubet unb im ättarftpreiS ju SBenebig f. bef. 
Malipiero 1. c. VII. II, p. 709, s. (^otij »Ott 1498.) 

Sdwn um 1522 gilt nid)t metjr 33enebtg, fonbern ©enua nädjft 9tom 
als bie reidjfte Stabt Statten^. (3lux glaublitt) burd) bie Autorität ettteS 
granc. Sßettori; f. beffen Storia, im Archiv, stor. Append. Tom. VI, 



2)er ©taat als Äunftraerf. 



G5 



9?eben biefcr jöeredjnung beö äußern £)afem£ gef)t aber jene 1. aibfdmttt. 
forttaufenbe ©djitberung beö potitifcf)en Sebent einher, bon weiter ©iesetfaffungeR. 
oben bie Diebe war. gforenj burd)tebt nidjt nur mefyr po!itifdt)e 
formen unb ©djatttrungen, fonbern e§ giebt aud) uuüer£)ältni$* 
mäßig mefyr 9ied)enfd)aft bauon ati anbere freie (Staaten Italiens 
unb beS Slbenbtanbeö überhaupt. (£8 ift ber uoüftänbigfte ©pieget 
be$ Si3er£)ältniffeö uon äftenjdjenf (äffen unb einzelnen -äflenferjen 
ja einem manbclbaren Slügemetnen. ©ie iöitber ber großen 
bürgertidjen Demagogien tu granfreid) unb glanbern, raie fie 
f^roiffart entroirft, bie @rjdt)Iungen unjerer beutfdjen (Sfyronifen 
be3 XIV. Oot)rf)unbertö finb mat)rlid) bebeutunggüott genug, allein 



p. 343.) 33anbello, Parte II, Nov. 34 unb 42, erraäijnt ben reid)ften ge= 
nueftfd)en Kaufmann feiner Qext, Stnfalbo ©rimatbt. 

graifdjen 1400 unb 1580 nimmt granc. ©anfonino ein ©infen be3 
©elbraertl)e§ auf bie £alfte an. (Venezia, fol. 151, bis.) 

Qu ber Sombarbei glaubt man ein SBerfjältnifj ber (Setreibepreife 
um bie SKitte be§ XV. ju benjentgen ber SJiitte unfereä ^a^fuwbertg an= 
nehmen ju muffen raie 3 ju 8. (Sacco di Piacenza, im Archiv, stor. 
append. Tom. V, ytota be3 £erau§geber§ ©carabelli.) 

$n $errara gab e§ $ur geit bes> Jper-jogä öorfo reid)e Seute biä 50 
unb 60,000 ©ucatt. (Diario Ferrarese, Mur. XXIV, Col. 207, 214, 218; 
eine fabelhafte Slngabe Col. 187.) 

gür $lorenj fommen 2lngaben gang esceptioneller 2lrt nor, roeldjje 
nicfjt ju burchfa)ntttlid)en ©djlüffen führen, ©o jene 2lnlei^en frember 
dürften, bie tdoEjI nur auf ein ober roenige Käufer lauten, factifet) aber 
große ©ompagniegefd)äfte roaren. ©o aud) jene enorme 33efteuerung unter= 
liegenber Parteien; raie 3. 33. non 1430 bis 1453 tum 77 Familien 
4,875,000 ©olbgulben bejaht raurben. (Varchi III, p. 115, s.) 

®a§ Vermögen beä ©ionanm SJlebici betrug bei beffen Sobe (1428) 
179,221 ©olbgulben, aber uon feinen beiben ©öfjnen ßofimo unb £orenjo 
hinterließ ber legiere allein bei feinem £obe (1440) bereite 235,137. (Fa- 
broni, Laur. Med., Adnot. 2.) 

3Son bem allgemeinen ©dfjraung be3 ©rraerbeS jeugt e§ 3. 33., baß 
fttjon im XIV. 3af)rlj. bie 44 ©olbfdjmtebebuben auf ^ßonte neceb^io bem 
©taat 800 ©olbgulben Qaljre<§mietlje eintrugen. (Vasari II, 114, V. di 
Taddeo Gaddi.) — £)a§ STagebud) bes 33uonaccorfo Sßitti (bei Delecluze, 
Florence et ses vicissitudes, vol. II.) ift noll 3af)lenangaben, raelclje tnbeß 
nur im Slltgemeinen bie f)of>en greife aller Singe unb ben geringen ©elb-- 
raerttj beroeifen. 

$ür3iom geben natürlid) bie Gsinnafjmen ber (Eurie, ba fie europatfä) 
raaren, gar feinen ÜKaßftab; aud) ift ben Slngaben über r«är>ftltc£)e ©dja£e 
unb ©arbinalsoermbgen raenig gu trauen. 2)er befannte 53anquier 2lgoftino 
©bigi hinterließ (1520) eine ©efammtt)abe im SBerttje uon 800,000 SDucati. 
(Lettere pittoriche, I. Append. 48.) 

SBurcfl)avt>t, kultuv Der Sfcnaiffance. 5 



66 



Ser Staat al§ ßunjlrcerf. 



1. mfcftwitt. an geiftiger SMftänbtgfcit, an ütelfetttger 33egrünbung beö £>cr^ 
ganges finb bie Florentiner aßen unenblid) überlegen. 2lbelS* 
f»err[c^aft r grannig, kämpfe beS SDiittelftanbes mit bem $rote* 
tariar, Uolle, Jjatbe unb ©djeinbemocratie, Primat eines Kaufes, 
£[)eofratie (mit Sauonarola), bis auf jene äJctfd)formen, tueldje 
bas mebiceifdje ©etualtfürftentfyum üorberetteten, 2UleS tuirb fo 
befdjrieben, baß bie innerften SBefteggrünbe ber ^Beteiligten bem 

©ic ®mw> 8id)te ^ e ö en ') @nbtid) faßt 9ftacd)iauetli in feinen floren* 
Weit«, tinifdjen ®efcbid)ten (bis 1492) feine SBaterftabt öoUfommen als 
ein tebeubtgeS Sefen unb tfjren (SntiutcfdtngSgang als einen in* 
biutbuelt naturgemäßen auf; ber erfte unter ben 2J?obernen, ber 
biefes fo üermodjt tjat. GsS liegt außer unferm 35ereid), 31t unter* 
fudjen, ob unb in tuetc&en fünften Sftacdüauell tutllfurltch uer* 
fahren fein mag, tute er im Seben beS (Saftruccio (Saftracane — 
einem uon ifjm eigenmächtig colorirten £urannenttypus — no* 
torifdjer Sßeife getrau fyat. Ge$ tonnte in ben ©torie fiorentine 
gegen jebe 3eile irgenb ettuaS einjutuenben fein unb ifyr fjofjer, 
ja einiger Sßertf) im ©anjen bliebe bemtod) beftefyen. Unb feine 
^eitgenoffen unb gortfefcer: 3acopo ^ßitti, ®uicciarbint, @egni, 
23ard)i, SSettori, rc-etd) ein $ran$ uon ertaubten Tanten! Unb 
roetdje ©efdu'djte ift es, bie biefe ÜReifter fchilbern! Die testen 
Safjrjebnbe ber florentinifdjen 3?epublif, ein unuergeßlicft großes 
©djaufpiet, finb uns f)ier Uellftänbtg überliefert. 3n biefer 
ntaffcnljaften STrabitton über ben Untergang beS l)öd)ften, eigen* 
tfyümlidjften Gebens ber bamatigen 3Bett mag ber (Sine nid)ts er* 
fennen ats eine (Sammlung uon (Suriofitäten erfreu langes, ber 
Stnbere mit teuflifdjer $reube ben öanferott bes (Sbeln unb (5r* 
fyabenen conftatiren, ein Dritter bie @ad)e als einen großen ge* 
ria)tlid)en ^ßroceß auseinanderlegen — jebcnfaüs tuirb fie ein 
©egenftanb nadjbenfticfjer Söetradjtung bleiben bis ans @nbe ber 
»ae Sage. DaS ©runbungtiUf , tueld)eS bie ©adjlage ftets uon 

en ®t«te« fcrt ^ eucm trübte, tuar bie §errfd)aft uon $loren$ über unterworfene, 
ehemals mäd)tigc geinbe tuie bie ^ifaner, was einen beftänbtgen 
©ewattjuftanb jur nottjtuenbigen gotge batte. £>aS einzige, frei* 
lief) fefjr f}eroifdt)e bittet, baS nur ©auonarola hätte burd)fübren 



!) 2Ba3 (Eofimo (1432 — 1465) unb feinen ©nfel Sorengo magnifico 
(f 1492) betrifft, fo ferstet ber Serfaffer auf jebeä Urteil über bie 
innere ^ßolitif berfelben. ©ine anffagenbe «Stimme von ©eroidCjt (®ino 
(Sapponi) f. im Archiv, stor. I, p. 315, s. 



2)er (Staat at§ ftunftroer!. 



67 



formen unb aud) nur mit §ü(fe befonberS glüdlidjer Umft&nbc, i. gibtowitt. 

märe bie rechtzeitige 2luf(öfung StoScana'3 in eine $öberarion 

freier ©table gewefen; ein ©ebanfe, ber erft aU weit Verspäteter 

Sieb erträum einen patriotifdjen Sucd^efen *) (1548) auf baö 

Sd)affot bringt. 93on biefem Unl)ett unb von ber ungliUflidjen 

®uelfenft)rnpatr)ie ber Florentiner für einen fremben dürften unb 

ber batjerigett ®eraöt)nung an frembe 3nteroentionen fjangt at(e3 

©eitere ab. 5lber wer muß nid)t biefeö Voll bewuubern, baö 

unter ber Leitung feine« ^eiligen 9K5ncf)c« in einer bauernb er* 

t)öi)ten Stimmung baS erfte itafienifdje 33eifptel oon Sdwnung 

ber befiegten ©egner gießt? wäfyrenb bie ganje 33orjett it)m nidjts 

als SRadje unb Vertilgung prebigt! £)ie ©tutf), welche t)ier 

triottömu« unb ftttttdj*reltgiöfe Umfehr in ein ©an^eS fdjmiljt, 

fiet)t Oon 2£citem iuo()I balb wieber wie eriofdjen au§, aber ihre 

beften 9?efuftate teuften bann in teuer benftoürbtgen -^Belagerung 

Oon 1529 — 30 wieber neu auf. 8Öol)I waren c§ „Marren' 1 

metd)c biefen Sturm über fjjfotehg herauf befdjworen, wie ®uic= 

ciaröini bamals fdjrieb, aber fdjon er geftefjt ju, baß fte baö 

unmöglich, (Geglaubte auöridjteten; unb wenn er meint, bie äöetfen 

waren bem Unfjeit au£gewid)en, fo tjat bieö feinen anbern Sinn 

at« baß fidj gforenj oöüig rufymfoö unb lautlos in bie ipänbe 

feiner $einbe t)ätte liefern fotten. (£« t)ätte bann feine prächtigen 

SSorftäbte itnb ©arten unb ba§ ?eben unb bie SBotjtfal)rt un* 

gäriger Bürger bewahrt unb wäre bafür um eine ber größten 

fittüdjeu (Erinnerungen ärmer. cie 

£)ie Florentiner firtb in mandjen großen !£)ingen 33orbilb a3cifafjun 8 gän. 
unb frühster SluSbrucf ber Italiener unb ber mobernen (Europäer £,cvu " 8eH - 
überhaupt, unb fo finb fie e3 aud) mannigfadj für bie Schatten* 
feiten. Senn fd)on £)ante baS ftet« an feiner 33erfaffung beffembe 
^forenj mit einem franfen Oergfid), ber beftänbig feine Sage 
wedjfeft, um feinen Sdjmerjen ju entrinnen, fo jeidjnete er bamit 
einen bfeibenben ©runbsug biefe£ StaatsfebenS. ©er große mo* 
berne Strtfyum, baß man eine 23erfaffung machen, burd) 35erect> 

!) $ranc. Surtanacajt, ben $ater be§ £>au:pte3 ber lucdjefifcöen ^ßrote* 
ftanten Sttidfjele 33. Sgl. Archiv, stor. Append. Tom. II, p. 176. — SBie 
SJtaüanb buref) feine ftärte gegen bie ©eftmefterftäbte im XI. bi§ XIII. 
Safjrfjunbert bie Stfbung etne§ großen ©eäpotenftaateä erletc&terte, ift bt- 
lannt genug. 9fodE) Beim 2lu3fterben ber Stöconti 1447 oerfefiergte SOZoilanb 
bie $reit)eit Dberiiaüenö t)auptfdct)ticr) baburcö, bafj e3 oon einer göberation 
gleichberechtigter ©täbte nid)t3 roiffen rooUte. Sgl. Corio, fol. 358, s. 



68 



55er (Staat als SUmftroerf. 



1. Mbfdmitt. nung ber uorf)anbenen Äräfte unb 9tid)tungen neu probujtren 
tonne 0. taudjt §u glorenj in bewegten Seiten immer raieber auf 
unb aud) ^lacdjiaoett ift baoon nid)t frei gemefen. <5s bitben 
fid) ©taatsfünftter, meiere burd) fünftlidje Verlegung unb 23er» 
Leitung ber 9ftad)i, burd) fjödjft ftttrirte 2öaf)larten, burd) ©d)ein* 
beworben u. bgl. einen bauerfyaften 3«P^b begrünben, ®roß unb 
Stein gleichmäßig gufriebenfteüen ober audj tauften motten, ©ie 
qemptiren babei auf bas 9caiofte mit bem 2lltertl)um unb ent= 
lehnen jutefct aud) ganj offiziell oon bort bie ^arteinamen, 3. 25. 
ottimati, aristoerazia 2 ) u. f. xo. ©eitbem erft tjat fid) bie 
Seit an biefe Sluöbrücfe gewöfmt unb il)nen einen conoentionellen, 
europäifd)en ©tun oerlieljen, wäbjenb alle frül)ern ^ßarteinamen 
nur bem betreffenbeu öanbe gehörten unb entmeber unmittelbar 
bie ©ad)e begeidineten ober bem ©piel beS BufallS entftammten. 
Sie fet)r färbt unb entfärbt aber ber 9?ame bie @ad)e! 
üKacd)ia«ni. 23on allen jebod), bie .einen Staat meinten conftruiren ju 
fönnen 3 ), ift äKacdjtabett ob,ne 23ergtetd) ber ©roßte, dx faßt 
bie oorf)anbenen Gräfte immer als lebenbige, actioc, ftellt bie 
2llternatiüen richtig unb großartig unb fudjt Weber fid) nod) 2ln* 
bere ju täufdjen. (S8 ift in il)m feine ©pur Don (Sitclfcit nod) 
sßluömadjerei, aud) f abreibt er ja nid)t für baS *ßublifmn, fonbern 
entraeber für 23el)örben unb dürften ober für greunbe. ©eine 
(Sefafyr liegt nie in falfdjer Genialität, aud) nid)t im falfdjen 
SluSfpinnen üon -^Begriffen, fonbern in einer ftarfen ^fyantafie, 
bie er offenbar mit Sftüfye bänbigt. ©eine politifd)e Objecttoität 
ift aflerbing« biSroetten entfefclidj in il)rer 2lufrid)tigfcit, aber fie 
ift entftanben in einer &zit ber äußerften 9cotl) unb ©cfa^r, ba 
bie üttenfdjen ol)nel)in nid)t mein* teid)t an ba§ $Red)t glauben 
nod) bie £Hüigfeit öorau«fefcen founten. £ugenbf)aftc Empörung 
gegen biefelbe madjt auf uns, bie mir bie 3)iäd)te oon redjtö unb 

J ) Slm britten 2lbuentfonntag 1494 prebigte ©aoonarola über ben 
2Jlobu§, eine neue SSerfaffung ©tanbe gu bringen nie folgt: 55ie 16 
©ompagnien ber ©tabt füllten jebe ein ^ßroject aufarbeiten, bie @onfalo= 
nieren bie »ier beften auöiuäljlen, unb au§ biefen bie ©ignorie bie allere 
befte ! — tarn bann bodj 2Xlte3 anberS, unb jroar unter bem ©influjj 
be§ $rebiger§ felbft. 

2 ) £e|tere§ juerft 1527, nadj ber 33er jagung ber 3)iebtci; f. Varchi I, 
121 etc. 

3) Macchiavelli, Storie flor. 1. III. „Un savio dator delle leggi" 
!önnte $(oreng retten. 



3)er ©iaat al§ Äunftroerf. 69 

ImU in unferem 3at>rl)unbert an bcr Arbeit gefcbjen haben/ fei* i. «bfftnitt. 

nen befonbern (Sinbrucf. aftaccrjiatjett mar menigftenS im (Staube, 

feine eigene ^erfon über ben @ad)en 51t bergeffen. Xlebertjaupt 

ift er ein Patriot im ftrengften Sinne beS 2Borte§, obmol)! feine 

Sdjriftcn (wenige SBorte ausgenommen) affe§ birecten @ntf)ufia£* 

muß bar unb lebig ftnb unb obwohl tt)tt bie Florentiner fetber 

§ute^t a(8 einen 23erbred)er anjagen 1 )- 9Btc fefjr er fid) and), 

nad) ber 2trt ber Reiften, in Sitte unb 9?cbe gefyen tief?, — baS 

§ett beS Staates mar bod) fein erfter unb lefeter (Sebattfc. ©ein 

üoöftanbtgfte« Programm über bie (Sinridjtung eine« neuen floren* Seine % eT , 

tinifdjen StaatsraefcnS ift niebergetegt in ber ©enffdjrift an £eo X. 2 ), faffung. 

üerfaßt nad) bem STobe bcö jüngern Soren^o Sftebici, Jper^ogS toon 

Urbino (ft. 1519), bem er fein $ud) Horn prften gemibmet fyatte. 

©ie Sage ber £inge ift eine fpätc unb fcf)on total berborbene, 

unb bie tiorgefdtfagenen SKittct unb 2Bege finb tridjt atte mora* 

tifd); aber es ift f)öd)ft intereffant ju fef)en, mie er als (Srbin 

ber 9ftebici bie 9?epuMif unb jroar eine mittlere ©emoeratie ein* 

jufdiicbcn Ijofft. (5tn funftreidiereS ©ebdube üon Sonceffionen 

an ben *papft, bie fpecieflen 2lnl)dnger beffetben unb bie toerfdjie* 

benen florentutifdjett Sntereffen ift gar nid)t benfbar; man giaubt 

in ein Ufyrmerf Ijineinjufetjen. 3af)treicf)e anbere sßrineipien, (Sin* 

Setbemerfungen, parallelen, potitiftfje ^erfpectiüen u. f. ro. für 

gtorenj finben fid) in ben £)iScorfi, barunter £id)tbücfe bon erfter ©eine ©fScptjt. 

Sd)önl)eit; er erfennt 5. 33. baS ®efe£ einer fortfdjreitenben, unb 

$mar fto^meife fid) äufsernben (SntmicMung bcr ÜfepubUfen an 

unb bedangt, bafs baS Staatsmefen bemeglid) unb ber beraube* 

rung fdljig fei, inbem nur fo bie plö|tid)en 23tuturtl)eiie unb 

Verbannungen üermieben mürben. 2luS einem dtmltd)en ©runbe, 

nämlid) um ^rinat^emattttjaten unb frembc 3ntcrt>ention („ben 

£ob aller $retf)eit") ab$ufd)neiben, münfd)t er gegen nertja^tc 33ür* 

ger eine geriditttcrje Wtage (accusa) eingeführt ju fefyen, an 

bereu Stette glorenj bon je^er nur bie Uebelreben gehabt tjabe. 

Sftcifterfjaft cfyaracterifirt er bie unfreimiüigen, oerfpdteten (§nt* 

fd)(üffe, meterje in 9?epubtifen bei fritifdjen^citett eine fo große 

$Mc fpiclcn. '£>a$mifd)en einmal üerfüfyrt ifjn bie *>ßt)atttafie unb 

ber £)rucf ber geiten ju einem unbebingten 80b beS 23oIfeS, roefc 

1) Varchi, Stor. fiorent. T, p. 210. 

2 ) Discorso sopra il riformar lo stato di Firenze, in ben Opere 
minori p. 207. 



70 



25er ©toat at§ ftunftiverf. 



1. 9ibf«i)ttttt. d)e3 feine Seute beffer mäfyle als irgenb ein $ürft nnb fidf) „mit 
^uveben" öon Strtpmern abbringen laffe 1 ). 3n betreff ber 
^>errfct)aft über £o§cana jiueifett er nidjt , baß biefefbe feiner 
@tabt gehöre, nnb fyält (in einem befonbern ©iöcorfo) bie 3öie- 
berbe^tuingung sßifa'8 für eine Lebensfrage; er bebauert, baß man 
Irejjo nad) ber Rebellion öon 1502 überhaupt fyabe fielen laffen; 
er giebt fogar im Slügemetnen ju, italienifdje 9?epub(ifen müßten 
fid) lebhaft nad) außen bewegen unb vergrößern bürfen, um ntct)t 
felber angegriffen $u werben unb um SRufye im Innern gu fyaben; 
atiein Dörens l)abe bie @ad)e immer t>erfet)rt angefangen unb fidE) 
^ifa, @iena unb Succa öon jefjer töbtltdj berfeinbet, roäfjrenb ba§ 
„brüberlid) beljanbeftc" Pftoja fid) freiwillig untergeorbnet fyabe. 

etena. (2$ wäre unbillig, bie wenigen übrigen 9tepubtifen, bie im 

XV. Saljrljunbert uod) erjftirten, mit liefern einigen glorcnj auaj 
nur in ^ßaraltete fefcen ju wollen, weld)e8 bei 23eitem bie widj* 
ttgfte SBcrlftätte be§ ttalienifdjen, ja beö mobernen euwpatfdjen 
@eifteg überhaupt war. ©iena titt an ben fd)werften organifdjett 
Uebetn unb fein retatiueö ©ebenen in ©ewerben unb fünften 
barf hierüber nid)t tauften. 2lenca§ ©rjlötuS 2 ) fdjaut öon feiner 
SSatcrftabt aus wal)rl)aft felmfüdjtig uaef) ben „fröl)lid)en" beut« 
feljen 9?eid)3ftäbten fyinüber, wo feine SonfiScationen öon £>abe 
unb (Srbe, feine gettialttfyätigcn Söefyörben, feine ^actionen bas 

©niua. £>afein öerberben 3 ). ©enua gehört faum in ben SreiS unferer 
©etradjtung, ba e§ fid) an ber ganzen 9?enaiffance oor ben gzitm 
be$ Slnbrea ÜDorto faum beseitigte, weßfyalb ber ^ibierefe in 
Italien aU 33eräd)ter aüer fyötyern SBitbung 4 ) galt. £)ie Partei* 
fdmpfe getgert fyier einen fo wilben (5£)aracter unb waren öon fo 
heftigen @djw anhingen ber ganzen (Sjciftenj begleitet, baß man 



J) ^Diefelbe Slnftdjt, oljne Qroetfel fijer entlehnt, finbet fid) bei 9ftonte§= 
cjuieu wieber. 

2 ) Aen. Sylvii apologia ad Martinum Mayer, p. 701. — 2ler)nlid) 
nod) Maccbiavelli, Discorsi I, 55 u. a. a. D. 

3) 2Bie r-ößig ntoberne §albbilbung unb Slbftraction bisweilen in ba3 
polittfcfje Sßefen l)tnetngriffen , geigt bie s }5arteiung »on 1535, Deila Valle, 
Lettere sanesi III, p. 317. ©ine SCngaf)! r>on Krämern, aufgeregt burd) 
Siüiuä unb 3ftacd)iat)eü"3 Siäcorfi, oerlangen oUeö @rnfte§ SolfStribunen 
u. a. römtftfje Sftagtftrate gegen bie 9)tif?regterung ber $Borner)men unb 
Beamten. 

4 ) Pierio Valeriano, de infelicitate literator., bei 2ln[af5 bes> 33ar= 
tolommeo bellet 9toüere. 



Ser ©tctat al3 Äunftroerf. 



71 



faum begreift, tüte bie ©enuefen es anfingen, um nadj allen 9?e* 1. Mbfdmitt 
Dotationen unb Dccupationen immer wieber in einen erträgüdjen 
3uftanb ein^utenfen. 23ietteid)t gelang eS, weit alle, bte fid) beim 
©taatswefen beteiligten, faftotmeSluSnafune gugtetct) ats Üaufteute 
tfyättg waren 1 ). 2Md)en ®rab Pon Unfid^erfjett ber (Srmerb im 
(Srofjen unb ber föeidjtljum aushalten tonnen, mit wetdjem 3 Us 
ftanb im Innern ber 38efi£ ferner (Sotonien nerträgtict) ift, tefjrt 
©enua in überrafdjenber SBeife. 

Succa bebeutet im XV. Satjrbmtbert nicht Piet. 



SBte nun bte meiften italienifdjen «Staaten in ifyrem Onnern 
Shmftwcrfe, b. I). beraubte, Don ber SKeflerjon abhängige, auf * OIiti! - 
genau beredjneten fidjtbaren ©runbtagen rufyenbe @d)öpfungen 
waren, fo muffte aud) ifyr Sertjättnt^ gu einanber unb jum 2IuS== 
taub ein Söerf ber tunft fein, £)afs fie faft fämmttid) auf jiem* 
tid) neuen Ufurpationen berufen, ift für ihre auswärtigen Söesiefyun* 
gen fo PerljängntfjPott wie für baS innere, deiner erfennt ben 
anbern ohne SHücfhalt an; baffetbe @lücfsfpiet, wetdjes bei ®rün* 
bung unb Befeftigung ber eigenen §>errfd)aft gewaltet tjat, mag 
aud) gegen ben Sftadjbar matten. £)ängt es bod) gar nidjt immer 
üon bem @ewaltf)errfd)er ab, ob er rul)ig fi^en wirb ober nidjt. £)aS 
©ebürfnift fid) ju Pergröfjern, fid) überhaupt ju rühren ift atten Site' 
gitimett eigen. @o wirb Statten bie §eimath einer „auswärtigen ^J3o* 
titif ", wetd)e bann attmähtidj aud) in anbern Säubern bie @tette eines 
anerfannten 9fed)tsjuftanbeS Pertreten fyat. £)ie Pöttig objectibe, 
pon SBorurtheilen wie Pon fitttid)en 33ebentett freie 23el)anbtung ber 
intentationaten £)inge erreid)t bisweiten eine 23ottenbung, in 
metd)er fie etegant unb großartig erfdjehtt, wäl)renb baS ®anje 
ben (Sinbrucf eines bobeutofen SlbgrunbeS herPorbringt. 

£)iefe föänte, Siguen; Lüftungen, Befleckungen unb 33er« ae6r ^ un9 s$e. 
rätfyereien machen jufammen bie äußere ®efdjid)te bes bamattgen neti 9*- 
Italiens aus. Sange &tit war befonbers SSenebig ber ©egenftanb 
attgemeiner Stnttagen, ats wottte es ganj Italien erobern ober 
attgemadj fo herunterbringen, baft ein ©taat nad) bem anbern 

i) Senarega, de reb. Genuens. bei Murat. XXIV, Col. 548. Heber 
bie Unftcberbeit »gl. bef. Col. 519. 525. 528 etc. Sie feb)r offenherzige 
fHebe ber ©efembten bei ber Uebergctbe be§ <5taate§ an $rance§ca (Sforza 
1464 f. bei Cagnola, Archiv, stor. III, p. 165, s. 



72 



Ser Staat aK Äunftroerf. 



%*ÜUMtoim i hm ofjmnädjtig in bic 2lrme fallen müffe 1 ). 23ei näljerm 3u= 
fefjen wirb man jcbocf) irnte, baß btefcr SBetjeruf ftdj nidjt aus 
bem 33otf fonbern aus ber Umgebung ber dürften unb Regierungen 
ergebt, toetdje faft fämmtlid) bei ifyren Untertanen fdjrocr berfyafct 
finb, roäfjrenb Sßenebig burd) fein leiblich milbeS Regiment ein 
allgemeine« Zutrauen geniest 2 ). Slucf) ^torenj, mit feinen fmr* 
fd)enben Unterttjancnftäbten, fanb ftdj SScnebig gegenüber in meb,r 
als fdiiefer «Stellung, fetbft wenn man ben £anbel§neib unb ba8 
$ortfd)reiten 25enebig§ in ber Romagna nidjt in ^3ctracr)t 30g. 
Qmbttdj braute c8 bie Siga r-on Sambrat) (@. 55) roirHid) babjin, 
benjenigen (Staat 31t fdjtoädjett, ben ganj Italien mit tiereinten 
Gräften f)ättc ftüfcen foüen. 

Die ffremben. STUeitt aud) alle übrigen berfeljen ftdj bc§ ^llerfajtimmften ju 
einanber, raie ba8 eigene böfe ©eroiffett es jebem eingiebt, unb 
finb forttt>ät)rettb jum 2lcujjerften bereit, Sobotüco SDioro, bie 
Stragonefcn bon Neapel", ©ijrtu« IV. hielten in gan$ Italien bie 
aUergefäfyrKdjfte Unrufje toadj, ber kleinem ju gefd)tt>cigcn. §ätte 
ftdj btefeS entfe^lidic Spiel nur auf Italien befdjränft! allein bic 
Statur ber ©inge brad)tc es mit fidj, baf$ man fid) natf) frember 
■Sntcrbention unb §ütfc umfaf), ljauptfäd)lid) nad) gransofen unb 
dürfen. 

granjöftfdie ^mtäctjft finb bie 33ebölfcrungcn felber burdjweg für granf* 
emm^rt. rei( ^ eingenommen, üWit einer grauenerregenben Raiöetät geftefjt 
glorens bon jet)er feine alte guelfifdje ©bmpatbie für bie grau* 
jofen ein 3 ). Unb als gart VIII. mirflia) im ©üben ber Sllpen 
erfaßten, fiel tt>m ganj Stalten mit einem Subet 51t, weldjer ilmt 
unb feinen beuten felber gan^ routtberltdj Dorf am 4 ). 3n ber 

9 ©0 nod) gartj fpat Varchi, Stor. florent. I, 57. 

2 ) ©alea^o 3Jtarta ©forja fagt 1467 bem üenejian. Slgenten rcof)I ba3 
©egentfjeil, allein bieg ift nur ergö£ttd)e $raf)Ieret. SSgt. Malipiero, An- 
nali veneti, Arch. stor. VII, I, p. 216 u. f. Sei jebetn Stntafj ergeben 
fid) ©titbte unb Sanbfd)aften freiroiEftg an Senebig, freilief) meift fotd)e, 
bie aus tt)rannifd)en §änben Jommen, roäbrenb glorenj freitjettSgeraofinte 
■Kadjbarrepublifen barnieber galten mufj, mie ©uicciarbini (Kicordi, N. 29) 
bemerft. 

3) Stetfeidjt ba§ ©tärffte biefer 2lrt in einer Qnftruction an bie 311 
(Sari VII. gefienben ©efanbten im % 1452, bei Fabroni, Cosinus, Adnot. 107. 

4 ) Comines, Charles VIII, chap. 10: man bielt bie ^ranjofen comme 
saints. — Sgl. Chap. 17. — Chron. Venetnra bei Murat. XXIV, Col. 
5, 10, 14, 15. — Matarazzo, Cron. di Perugia, arch. stor. XVI, II, 
p. 23. gatjllofer anberer 2tu3fagen nidjt ju gebenfen. 



T>er Staat aI3 $unftroerf. 



73 



^fjantafie ber Italiener (man benfe an SaPonarota) lebte baS i . mmnitt. 

Sbeaibilb eineö großen, weifen unb geregten Detters unb §err* 

fdjer«, nur war es nidjt mefyr tüte bei ©ante ber Haifer, fonbern 

ber capetingifdje Hönig t>on granfreid). üJftit feinem SRücfjug war 

bie £äufdutng im ®an$cn baf)tn, bodj Ijat eS nod) fange gebauert, 

big man eittfat), wie Poflftänbig (Sari VIII., Subroig XII. unb 

^ranj T. ifjr wafjrcs 23crl)ättmj$ 51t Italien öerfannten unb Hon 

weldj untergeorbncteniSeweggrünbcn fie fidj leiten liefen. Stnberö 

als baS SSotf fuebten bie dürften fid) granfreid)« 51t bebienen. 

2HS bie fran3Öfifa>engüfcf)cn Kriege ju (5nbe waren, als 8ubmig XI. 

feine bipfotnatifdjen 9ie#e nad) atten (Seiten f)in auswarf, als 

ttotfenbs (Sari uon Surgunb fid) in abenteuerlichen planen wiegte, 

ba tarnen ifjnen bie italienifd^en Kabinette Pon allen (Seiten ent* 

gegen unb bie franjöfifcfje Ontcröention raupte früher ober fpäter 

eintreten, audj ofme bie Slnfprüdje auf Neapel unb 2ftai(anb, fo 

gewiß at« fie 3. 33. in ®enua unb ^iemont fcfjon tängft ftott* 

gefunben batte. £>ie SSenejianer erwarteten fie fdjon 1462 ^ 

33Md)e £obeSangft ^erjog ©ateaj^o üDtoria öon SWatfanb wa> 

renb be§ £htrgunberfriegeS ausftanb, als er, febjeinbar fowoljl mit 

8ubwig XI. als mit Sari berbünbet, ben Ucberfatl Leiber fürditen 

mußte, 3eigt feine Gorrefponbettj 2 ) in fd)lagcnber 2öeife. £)aS 

©Aftern eines ©feicbgewidjtcS ber Pier italienifdjen |)auptftaaten, stam* eine« 

wie ßorenso magnifico cS berftanb, war bodj nur baS ^oftulat 

ehteS lichten, optimiftifdjen ©eifte«, metdjer über frcttcltibc @rpe= 

rimental»^ßoIitif wie über florentinifdjen ©uelfen-Stbcrgtauben bin* 

auS war unb fid) bemühe, bas 23efte 31t tjoffen. 2US Subwig XI. 

if)m im Kriege gegen gerrante Pon Neapel unb Sixtus IV. |)ütf8* 

truppen anbot, fagte er: „tdj Permag nod) nidjt, meinen s Jht£en 

„ber ©cfafjr gang Staltcnö ttorju^ieljcn; wollte ©ort, cS fiele ben 

^fran^öfifdjen Königen niemals ein, itjre Gräfte in biefem Sanbe 

,,ju berfudjen! wenn es baju fommt, fo ift Statten berloren." 3 ) 

$ür anbere dürften bagegen ift ber Honig öon granfreid) abwedj* 

felnb bittet ober ©egenftanb bcS SdjrecfcnS, unb fie broljcn mit 



1) Pii II. Commentarii, X, p. 492. 

2 ) Gingins, Depeches des ambassadeurs Milanais etc. I, p. 26. 153. 
279, 283. 285. 327. 331. 345. 359. II, p. 29. 37. 101. 217. 306. ©ort 
f»rad) bereits einmal baütm, äRatfanb bem jungen Subrotg tum Orleans 
ju geben. 

3 ) Nicolö Valori, Vita di Lorenzo. 



4 



74 



2)er (Staat al§ $unftn>erf. 



i. ^t.fdinitt. ü)iu fobalb fie aus irgcnb einer Verlegenheit feinen bequemern 
Ausweg tuiffen. Vollenbs glaubten bie ^ßäpfte, oljne alle eigene 
©efaljr mit granfreid) operiren gu bürfen, unb Onnocenj VIII. 
meinte nod), er fönne fdjmollenb fict) nad) bem Horben surüd* 
gießen, um Don ba mit einem franjöfifdjen §eere als Eroberer 
uad) Italien surücfjufeljren 
£>ie 5leva i>cv ©enfenbe üßenfdjen faljen atfo bie frembe Eroberung fdjon 
3ntt»e«ti 0 nen. Iange ßor bcm ^ m gar{g vm ^ xm tfy vinb als (Sari wieber 

über bie 2Ilpen jurücf war, lag cS erft redt)t tTar Dor aller Slugen, 
baj? nunmef)r eine 21era ber 3nterDcntionen begonnen fyabe. fortan 
üerflidjt fiel) Unglücf mit Unglücf, man wirb <m fpat inne, baß 
granfreitt) unb Spanien, bie betbett gmuptinterüenienten, in^ruifcJjen 
moberne ©roßmädite geworben finb, bafe fie fid) nid)t mef)r mit 
oberflädjücrjen ^utbigungen begnügen fönnen, fonbern um (Sinfluß 
unb 4Beft^ in Stalten auf ben £ob fämpfen müffen. Sie fyabeu 
angefangen, btn centratifirten itatienifd)en Staaten ju gleichen, ja 
biefelben nac^jual)meu, nur in coloffatem 9^a^ftab. Die 2lbfid)ten 
auf Sänberraub unb Sänbertaufd) nehmen eine Zeitlang einen 
glug in« Unbebingtc IjinauS. Dag (*nbe aber war befanntlid) 
ein totale^ Uebergewid)t «Spaniens, welches als Scfywert unb 
Sdjilb ber (Gegenreformation and) baS ^5apfttf)um in eine lauge 
2lbl)ängigfeit brad)te. Die traurige Üteflerjon ber ^ßfjilofopljen 
beftanb bann einzig barin, nadjjuweifen, wie alle bie, weldje bie 
^Barbaren gerufen, ein fd)led)teS (Snbe genommen l)ätten. 
ajctbintmiißen Offen unb ol)ue alle Sd)eu fefcte man fid) im XV. 3al)r= 

mit ben siufcu. ijutibevt aud) mit ben STürfen in Verbinbuug; es fd)ien biefj ein 
SKittct polittfdjer äöirfung wie ein anbercs. Der begriff einer 
foltbarifdjen „abenbfänbifd)en ßtjriftenljett" fjatte fdjon im Verlauf 
ber ^reu^üge bisweilen bebenflid) gewanft unb griebrid) II. 
mod)te bemfelben bereits entwad)fen fein, allein baS erneute Vor* 
bringen beS Orients, bie S'cotl) unb ber Untergang beS gried)i* 
fd)en 9?etd)eS fyatte im (Ganzen wieber bie frühere Stimmung ber 
Slbenblänber (wenn aud) nidjt ü)ren Sifer) erneuert. £)ieDon 
madjt Stalten eine burdjgängige Slusnatjme; fo grofj ber Sdjrecfcn 
Dor ben dürfen unb bie wtrflidje ©cfafyr fein mod)te, fo tft bod) 

Die .;.o 8 ievuii 9 cH.faum eine kbeittenbere Regierung, weld)e nid)t irgenb einmal 



!) Fabroni, Laurentius magnificus, Adnot. 205, s. 
2 ) Q- 33- Soüian. ^iontanuS in feinem (Sharon. 21m ©nbe erwartet 
er einen ©inljeitgftaat. 



Set Staat al§ ßunftroerf. 



75 



freüclljaft mit üDioIjammeb II. unb feinen 9?ad)folgern einberftanben 1. <m>ftfenitt t 
gewcfen wäre gegen anbere itaüemfdje Staaten. Unb wo c§nid)t 
gefdjat), ba traute e« bod) jeber bcm anbern — e« mar nod) 
immer itict)t fo fdjütmtt at« wa«j. 23. bie SScnejianer bem Stroit* 
erben 2Ufon« bon Neapel ©djutb gaben, baf$ er £eute gefdjidt 
t)abe, um bie ßifternen bon 23enebtg 3U bergigen 1 ). 33ou einem 
S3erbred)er rote <Stgi«monbo SDialatcfta erwartete man nidjt« 33ef* 
fercS, als baß er bie Stürfeit nad) Stalten rufen möd)te 2 ). Stber 
aud) bie togouefen bon Neapel, we(d)en SKotjammcb — angeb* 
lid) bon anbern itatienifdjen Regierungen 3 ) aufgereiht — eine« 
Stagcs Otranto wegnabm, fyetjten Ijernadj ben ©uttan Jöaiajetl) IL 
gegen ißeuebig 4 ). Grüenbaffelbe ließ fid) Sobobico 2Jioro ju 
Sdmtbcn fommen; f ,ba« 33tut ber (Gefallenen unb ber Sammer 
„ber bei ben Stürfen befangenen fdjreit gegen il)n ^u ©Ott um 
,,9?ad)e", fagt ber 3lunalift be« «Staate«. 3n SBenebig, wo man 
Sitte« wußte, war e« aud) befannt, baß ©iobanni Sforza, Surft 
bon ^efaro, ber Detter be« Sftoro, bie nad) üftaitanb reifenben 
türtifdjen ©efanbten beherbergt tjatte 5 ). $on ben Zapften bc« ^ wwtt. 
XV. Safyrfyunbert« fiub bie beiben efyreu wer tieften, 92icolau« V. 
unb *J$tu« IL, in tiefftem Kummer wegen ber Stürfen geftorben, 
legerer fogar unter ben Slnftaüen einer Äreujfaljrt, bie er fetber 
leiten wollte; tfwe Sftadjf olger bagegen beruntreuen bie au« ber 
gangen Sfyriftenfyeit gefammelteu fürten gelber unb entweihen ben 
barauf gegrünbeten Slbtaf? $u einer (Selbfpcculation für fid) G ). 
3nnocen$ VIII. giebt fid) jum tertermeifter bcS gepd)teten ^ringen 
£)fd)em l)er, gegen ein bon beffen Araber •^ajajeti) IL 31t gab,* 
tenbe« Safjrgetb, unb Sltcjaubcr VI. unterftü^t in ßonftantinopet 
bie Schritte be« Sobobico SWoro jur görberung eine« türfifdjen 



!) Comines, Charles VIII. chap. 7. — 333 te 2llfon§ im Kriege feinen 
©egner bei einer ttnterrebung toegsufangen fitdfjte, erjagt 9tantiporto, bei 
Murat. III, II, Col. 1073. @r ift ber rotere Vorläufer be3 defare SBorgia. 

2 ) Pii II. Commentarii X, p. 492. — 3ßa3 ©alea^o SDtaria von 
SRailanb 1467 einem renejian. STgenten fagte, mar mofy nur ^rafjlerei. 
SSgt. Malipiero, Ann. veneti, archiv. stor. VII, I, p. 222. — lieber 33oc= 
calino f. ©. 21. 

3 ) Porzio, Congiura de' baroni, 1. I. p. 4. Safe Sorengo magnifico 
bie £anb im «Spiel gehabt fjabe, ift fdjroer gtaublid). 

*) Chron. Venetum, bei Murat, XXIV, Col. 14 unb 76. 
5 ) Malipiero, o. a. D., p. 565. 568. 

G ) Trithem., Annales Hirsaug. ad a. 1490, Tom. II, p. 535, s. 



76 



®er Staat al3 Äunftroerf. 



i._ w*nf«._ Angriffe« auf 2>enebtg (1498), worauf i()m bicfe« mit einem 
(Sonett brotjt 1 ). 3J?au ficf)t, baß ba« berüchtigte 33ünbnif3 grangl. 
mit ©oliman II. nidu« in feiner 2lrt 9ieue« unb Unerhörte« mar. 

smc 8e»Mfe< Uebrigen« gab e« and) einzelne 33eüö(fcrungen, toefdjett fo* 
rungen. 9Qr ^ x Hergang au bic dürfen ntcEjt mefjr a(« etma« befonber« 
@djre<fUd)e« erfdjien. ©etbft toenn fie nur gegen brMenbe 9fa* 
gierungeu bamit gebrofjt fjaben füllten, fo märe bieß bod) ein 
3citf)en, baß man mit bem |®cbanfen fyatbenmege« üertraut ge* 
morben mar. ©d)on um 1480 giebt ^attifta Sttantotiano beut* 
lid) ju tierftefyeu, bafi bie meiften Inrootjner ber abriatifdjen Stifte 
etwa« ber 2Iit tmrau«fäf)en unb bafs namentüd] Slncona e« 
münfd)c 2 ). 2U« bie SRomagna unter £eo X. fict) fefyr bebrüeft 
füllte, fagte einft ein Stbgeorbneter tion SRaoenna bem Legaten 
(Sarbinat ©iutio SCTJcbici in« ®efid)t: „^ttonfignore, bie er(aud)te 
„^Repubtif SScnebig miß un« ntd)t, um feinen «Streit mit ber 
„$ird)e ju befommen, wenn aber ber £ürfe nad) 9?agufa tommt, 
„fo roerben mir un« tr)m übergeben 3 )." 
(Sine Shtfgabc lugefidjt« ber bamal« fd)ou begonnenen Unterjodjung 3ta* 
@pamcn§. ^urd) fe ie ©panier tft e« ein letbiger aber bod) gar nid]t 

gruuMofer £roft, baß nmtmefyr ba« £anb menigfteu« t>or ber 
^arbarifirung burd) bie £ürfen*|>errfd)aft gefd)ü|t mar 4 ). <Sid) 
fetber £)ätte e« bei ber @nt$roeiung feiner ^errfdjaft fdirocrttd) oor 
biefem ©djieffat bemaf)rt. 

DbjectiBttät ber Senn man nad) aü ©iefem üon ber bamatigen itatienifcfyen 
müih @taat«funft etroa« ®ute« fagen foll, fo fanu fid) bie« nur auf 
bic objectiüc, DorurtbeiI«Iofe 23et)anblung fold)er fragen bejiefjen, 
mctdje nid)t burd) $urd)t, Seibenfdmft ober 33o«f)eit bereit« ge* 
trübt maren. |)ier gtebt e« fein Sefynömefcn im norbifd)en (Sinne 

1) Malipiero, a. a. D. p. 161. 2>gl. p. 152. — £>ie Sluölieferung 
be3 23ftf>em an (Sari VIII. f. p. 145, n>o e§ flar wirb, bajj eine ©orre= 
fponbenj ber fd)impflicf)ften 2lrt jnüfdjen 2lleranber unb Sajajet^ e^iftirte, 
wenn aud) bie 9Ictenftitcfe bei 33urcarbu§ untergefdjoben fein fofften. 

2 ) Bapt. Mantuanus, de calamitatibus temporum, 511 ©nbe beä 
jweiten 4 -Hud)e§, im ©efang ber -Jlereibe 2)ori§ an bie türfifdje flotte. 

3 ) Tomraaso Car, Relazioni della corte di Eoma, I, p. 55. 

4 ) 9?anfe, ©efdjiditcn ber romanifc^en unb gerntamfdjen SSölfer. — 
aWtdjelet'S 2JCnftcf)t (Reforme, p. 467), bie Surfen mürben ftd) in Italien 
oeetbetttalifirt fjaben, überzeugt mtd) nicfjt. — 93ielleid)t jum erftenmal ift 
jene SBeftimmung ©panienS angebeutet in ber geftrebe, rocldje gebra $n* 
gtjirami 1510 cor 3utiu§ H. fy^t, jur 'geier ber (Einnahme von Sugia 
burd) bie flotte $erbinanb§ b. Äatf). SSgl. Anecdota litteraria II, p. 149. 



Sev ©taat a(S Äunftwerf. 



77 



mit fünftUd) abcjeteitetcn 9?ed)ten, fonbern bie 2)2ad)t, welche jeber 1. Mbmmtt. 

befi^t, befi^t er (in ber Reget) lücnigftenS factifd) gang. §icr 

giebt es feinen (SeleitSabet, wel'djer im ®emütl) ber §ür[teu ben 

abftracten (Sfyrenpunft mit atl feinen wunberttdjen Folgerungen 

aufregt fytelte, fonbern dürften unb Rattjgeber finb borin ein«, 

baß nur nad) ber Sage ber £)inge, nad) ben $u erreidjenben 

3wecfen ju tjanbetn fei. (Segen bie üftenfdtjen, bie man benüfct, 

gegen bie 33erbüubeten, ir>ol)er fie aud) fommen mögen, crjfttrt 

fein $aftenf)od)mutb, ber irgenb 3emanben abfd)recfen fonnte, unb 

^n aßem Ueberfluß rebet ber @tanb ber (Sonbottieren, wo bie 

§erfunft uoÜtg gleichgültig ifi, tiemefjmtid) genug uon ber wirf* 

fidlen 9#ad)t. (Snblidj fennen bie Regierungen, als gebilöete £>eß* 

poten, ifjr eigenes £anb unb bie Sänber if)rer ^adjbarn ungteid) 

genauer, als itjre norbifd)en ^eitgenoffen bie irrigen, unb bered)* 

nen bie öeiftungsfät)igfeit Don greunb unb geinb in öconomifdjer 

wie in moralifdjer §infid)t bis ins (Sinjetfte; fie erfdjeinen, trofc 

ben fcfjwerften Srrttjümern, als geborene ©tatiftifer. 

SD^it foldjen DJicnfdjen fonnte man unterljanbetn, man fonnte Die unttrftant» 
fie 3u überzeugen, b. I). burd) tljatfädjlidje (Srünbc ju beftimmen Iu " 8 - 
hoffen. 2Hs ber große SUfonfo Don Neapel (1434) befangener 
beS ^tftppo SO^arta Visconti geworben war, wußte er biefen ju 
überzeugen, baß bie £errfd)aft beS ipaufeS Slnjou über Neapel 
ftatt ber feinigen bie -granjofen zu §errn oon Italien machen 
würbe, unb 3ener ließ tfyn of)ne ßöfegelb frei unb fdiloß ein 
Söünbnifj mit üjm 1 ). ©djmerlid) l)ätte ein norbifd)er ftürft fo 
gefyanbelt unb gewiß fetner oon ber fonftigen SO^oratttät beS 53is= 
conti. (Sin fefteS Vertrauen auf bie 9ftad)t tt)atfäd)lid)er ©rünbe 
beweift aud) ber berühmte 33efud), wefdjen ßorenjo magnifico — 
unter allgemeiner Scftürjung ber Florentiner — beut treufofen 
Ferrante in Neapel abftattete, ber gewiß in ber SSerfud)ung unb 
nid)t ju gut baju war, ttm als befangenen ba ju behalten 2 ). 
£)enn baß man einen mäd)tigen Fürften uerljaften unb bann nad) 
Sluefteüung einiger Unterf driften unb anbern tiefen tränfungen 
wieber lebenbig entlaffen fönne, wie $arl ber ®ütme mit £ub= 
wig XI. gu gerönne tfjat (1468), erfd)ieu ben Italienern als 



lt. a. Corio, fol. 333. Sgl. ba§ Seneljmen gegen ©forja, fol. 329. 
2 ) Nie. Valori, Vita di Lorenzo. — Paul. Jovius, Vita Leonis X, 
L. I.; legerer genüfj naef) guten Quellen, o&n>o£)I nic£)t of)ne 9lf)etonf. 



78 



©er (Staat als Äunftwevf. 



. gibf&nitt. gfrorljeit 1 ), fo baß Sorenjo entweber gar nirf)t metjr ober ruljra» 
bebecft jurücf erwartet würbe. (£» ift in btefer Seit gumal öon 
üenesianifdjen ©efanbten eine taft ber potitifd)cn Ueberrebung 
aufgewanbt uwrbcn, üon wetdjer man bieffeitö ber Sllpen eift 
burd) bte Italiener einen begriff Mam, unb welche ja nidjt nad) 
ben cfficteUen (SmpfangSreben beurteilt werben barf, benn biefe 
gehören ber f)umaniftifd)en ©d)itlrf)etorit an. 2In ©erbitten unb 
^aiüetdten fehlte eS im biplomatifd)en SScrfeljr aud) nid)t 2 ), trofc 
aller fonft fetjr entwickelten ISttfette. gaft rül)renb aber erfcfjeint 
unö ein ©eift wie 20^acct)iaüeU in feinen „Öegajioni". Langel* 
fyaft tnftrutrt, fümmerlid) auögeftattet, alö untergeorbneter 2tgent 
befjanbelt, ücrliert er niemals feinen freien, f)ot)en ^Beobachtung«« 
geift unb feine fcuft be§ anfdjautidjen £3erid)ten«. — $on bem 
©tubium be« äftenfdjen, al« 33ol£ wie als Onbiöibintm, meld)e« 
mit bem ©tubium ber SBerfjättnifte bei biefen Italienern $anb 
in §anb ging, wirb in einem befonbern Stbfcfjnitte bie SRebe fein. 
Stuf weldje SBeife aud) ber $rieg ben (St)aracter eines tunft* 
«imitotrf. roerfeö anna f, m , jolt t)ier nur mit einigen Sorten angebentet 
werben. Om abcnbtänbifüjen Mittelalter war bte 2Iu«bilbimg be« 
einzelnen ftrteger« eine fjödjft üoüenbete innerhalb be« l)crrfd)enben 
©nftemc« üon 2öe£)r unb Staffen, aud) gab c« gewiß jeberjeit 
geniale (irfiuber in ber -Söcfeftigung«* unb 23elagerung«!unft, allein 
Strategie fomol)t at« Eacttf würben in iljrer (Sntwicfetung geftört 
burd) bie Dielen fad)lid)en unb jeitlidjen ^efdjränfungen ber Kriegs* 
pflid)t unb burd) ben (Stjrgeij be« 2Ibel«, welcher 3. 53. Singe* 
ftd)t« ber geinbe um ben Vorrang im «Streit fjaberte unb mit 
feinem bloßen Ungeftüm gerabe bie widjttgften ©d)lad)ten, wie 
bie uon ßrect) unb üftaupertui« , üerbarb. 23ei ben Italienern 
bagegen tjcrrfdjte am frü()fteu ba« in foldjen ©ingen anber« ge* 
artete ©ölbnerwefen tior, unb aud) bie frülje 9lu«bilbung ber 
geuenvaffen. Feuerwaffen trug ifjrerfcitö baju bei, ben trieg gleidjfam ju be= 
moeratifiren, nietjt nur weit bie fefteften ^Burgen üor ben $om* 
barben erbitterten, fonberu weit bie auf bürgerlichem Sege erwor* 
bene ©efd)tcflid)l'eit be« Sngenteur«, ©tüd'gicßcr« unb Slrtillertften 
in ben 23orbcrgrunb trat. Man empfanb babei nid)t ot)ne 

!) Söenn (Eomineä Bei biefem unb Rimbert anbern Stnläffen fo objectio 
beobachtet unb urtf)eüt at<3 irgenb ein Italiener, fo ift babei fein itatieni= 
fdjer Umgang, gumat mit SIngelo Hatto, geroifj feE>r in 33etratf)t gu gießen. 

2) S5g(. 3. 33. Malipiero, o. a. D. p. 210. 221. 236. 237. 478, etc 



Ser (Staat als ftunftroerf. 



79 



@rf)mer$, ba§ bie (Mtung bcö Stibtoibuum«, — bic ©eete bcr 1. 9H>f*nftt. 

fteinen, trcfftidt) auggebiibeten itaftenifchen ©ölbncrheere — bitrdf) 

jene uon ferne f)er wirfenben 3erftörung$mittet beeinträchtigt 

würbe, unb e§ gab einzelne (Sonbottieren, we(d)e fid) wenigftenS 

gegen baS untä'ngft in £5cutfd){anb erfunbene 1 ) $anbrofyr au« 

Gräften Pcrwatjrten; fo tiefe ^ßaolo 23iteffi 2 ) ben gefangenen fetnb* 

lidjen ©djtoppcttieri bie Stugen au«ftcd)cit unb bic §änbe abfjauen, 

wätjrenb er bie Kanonen als berechtigt anerlannte unb gebrauste. 

3m ©roften unb ©anjen aber tief man bie (Srfinbungen matten 

itnb nüfcte fie naef) Gräften au«, fo bat bie Italiener für bie 

SttngriffSmtttet roie für ben fteftimgöbau bie Selker bon gan$ 

Europa würben, dürften wie fteberigo bon Urbino, Sttfonfo bon 

gerrara, eigneten fid) eine ßenncrfdjaft bcö gadje« an, gegen Äe nner unb 

welche fetbft bie eines 9J?arjmiuan I. nur c-berflädjttdj crfdjiencn ® ir «» anten - 

fein wirb. 3n Italien gab cS juerft eine 2ßiffenfa>ft unb Äunft 

beS gefammten im 3ufammenl)ang berjanbetten triegSwefen« ; Ijier 

juerft begegnen wir einer neutrafen ftreube an ber correcten ärieg* 

fürjrmtg al« foldjer, wie bie§ $u beut häufigen ">ßarteiwcd)fet unb 

ju ber rein fachlichen §anbtimgswetfe ber Sonbottieren paßte. 

Sährenb be§ tnaUanbifd) * ücncgianifdt)en Krieges oon 1451 unb 

1452, ^wifchen grancesco <3foqa unb Sacopo ^icinino, folgte 

bem Hauptquartier beS (entern ber Siterat ^orccWo, mit bem 

Stuftrage beS Königs Sltfonfo bon Sxeapet, eine Delation 3 ) ju ber* 

faffen. @ie ift in einem nicht fefjr reinen aber ftiefjcnbcn Satein 

im ©eifte beS bamattgen f)umaniftifd)cn 33ombaftc§ gefdjriebcn, 

im ©anjen nad) (Saefar'8 $orbitb, mit eingeftreuten hieben, ^ßro* 

bigien u. f. w.; unb ba man feit hebert fahren ernfttid) barob 

[tritt, ob (Scipio StfrtcanuS major ober <pannibat größer gewefen 4 ), 

tmifj fid) ^3icinino bequemen, burd) ba« ganje SBerf ©eipio 31t 

heifen unb ©for^a £anniba(. lud) über bas maitänbifdje £eer 

mußte objectit» berid)tet werben; ber ©ophift lieg fidt) bei ©forja 

melben, würbe bie Leihen entlang geführt, lobte Sitte« f)&dßty 

O Pii II. Commentarii L. IV. p. 190 ad a. 1459. 

2 ) Paul. Jovius, Elogia. 2JJan wirb an geberigo von Itrbino erin= 
nett, „reeller ftd) gesamt Jjaite", in feiner SBibliotfief ein gebrutfteä 23ucf) 
31t bulben. Sgl. Vespas. Fiorent. 

3 ) Porcellii commentaria Jac. Piciuini, bei Murat. XX. ©ine %oxU 
fefcung für ben Ärieg von 1453 ibid. XXV. 

4 ) 2tug ajit^oerftonb nennt «ßorcettio ben ©eipio „Slemiliamtä", rcäf)= 
renb er ben Slfrtcanuä major meint. 



80 



Ser ©taot at3 Slunftiuerf. 



i. ^bfd),..tt. unb üerfprad), roaS er l)ier gefeiten ebenfatlö bcr Stadjtoclt $u über* 
liefern 1 ). 21ud) fonft ift bie bamalige Literatur Stalienö reid) an 
friegsfc&ilberungen unb 2luf$eid)nungcn oon ©tratagemen jutn 
©ebraud) bc§ befcbaitlidjen tarier« fotx»ot)t at« ber gebilbeten 
SBett überhaupt, H)ät)renb gleichzeitige norbifd)e ^Relationen, $.33.: 
©iebotb ©djiüiug« Surgunberfrieg, nod) ganj bie ftormlofigteit 
unb protocollarifcbe £reue Don £t)ronifcn an fid) I)aben. ©er 
größte ^Dilettant, ber je als foldjer 2 ) im Äriegswcfett aufgetreten 
3n ,ciwm*>fe. ift, äftaccbtatoeHi, fdjrteb bamal« feine „arte della guerra". SDte 
fubjectiDe 2to«bilbung be« einzelnen Krieger« aber fanb ib,re öol* 
tenbetfte Steuerung in ienen feierlichen dampfen üon einem ober 
niedren paaren, bergtetdjen fd)on lauge oor tem berühmten 
Kampfe bei «arletta (1503) Sitte geraefen ift 3 ). ©er ©ieger 
mar babei einer 23erl)errlid)ung genufc, bie it)tn im Horben fehlte: 
buref) £)td)ter unb ^umaniften. <£« liegt im Ausgang biefer 
kämpfe fein ®ottc«urtf)eU mefjr, fonbern ein ©ieg ber ^erfön* 
üdjfeit unb — für bie äufdjaiier — ber Gntfdjeib einer fpannen* 
ben ffiette nebft einer ©enugtt)uung für bie (Sfjre be« £>eere« 
ober bcr Nation. 

. .. , @« üerfteht fid), bafi biefe ganjc rationelle 23ef)anblung ber 
£rteg«fad)en unter gemiffen Umitanben ben argjten ©raueln $lafe 
madjte, felbft oijne ÜKttwtrfung beß politifd)en §affe«, blofe etwa 
einer i)crfprod)encn ^lünberung gu Siebe. 9?ad) ber üierjigtägtgen 
SSertjeerung ^tacenaa'* (1447), tueidje ©for$a feinen ©olbaten 
hatte geftatten müffen, ftanb bie ©tabt geraume £eit leer unb 
mußte mit ©cmalt icieber beuoltert werben 4 ). ®od) rcill berglei* 
d)en wenig fagcu im 33ergleid) mit bem Jammer, ben nad)t)er bie 
Struppen ber gremben über Stalten brad)ten; befonberö jene ©pa- 
nier, in meldjen uielleid)t ein nid)t abcnblänbifdjer ^ufa^ be« ®e* 



1) Simonetta, Hist, Fr. Sforti», bei Murat, XXI, Col. 630. 

2) Sltä folc^er rairb er bann bod) bebanbelt. Sgl. Bandello, Parte I, 
Nov. 40. 

3) »gl. }. 93.: De obsidione Tipheraatium, im 2. 23anb ber rer. 
italicar. scriptores ex codd. florent. Col. 690. @in fefyr begeid)nenbe§ 
©reignifj nom 3. 1474. — SDer groeifeunpf be§ äflarfdjallS SSoucicauIt mit 
©aleajjo ©onjaga 1406 bei Cagnola, Arch. stor. III, p. 25. — Sßie Bip 
tu8 IV*. bie Sueüe feiner ©arbiften ebrte, erjagt Snfeffura. ©eine dlafy 
folger erliefen Süden gegen ba§ ©ueQ überhaupt. Sept. Decretal. V. 
Tit. 17. 

4 ) .$Da3 s Jiöfjtre Arch. stor. Append. Tom. V. 



®er ©taat alä ßunftroerf. 81 

btüte«, ütcüeidjt bic (Semöfynung an bie ©c^aufpiete bcr Stiquifitton 1. VMOtnm, 

bie teuflifdje (Seite ber dlatnx entfeffelt Ijatte. SG3er fte rennen 

lernt bei it)ren (Sräueltljaten bon $rato, 9?om u. f. w., fjat e« 

fpäter fdjroer, fiel) für gerbinanb bert tattjolifajen imb (Sari V. 

im t)öf)era Sinne ju interejftren. SDtefe Ijaben tr)re Norbert ge* 

fannt unb bennodj toööetaffm. SDie Saft öort SIcten au« ifyrem 

(Sabinet, weldje allmär)tid) jum SBorfd&etn fommt, mag eine Quelle 

ber widjtigften ^otijen bleiben — einen betebenben poütifd)en 

©ebanfen wirb SWemanb mefyr in ben Scrtpturen folcfjer dürften 

fud)en. 



^apftttjuin unb ®ird)enftaat »), als eine ganj auSnabmsweife ©a« &mm. 
Sdppfung, i)aben un§ bisher, bei ber geftfteüung beS (Stjaracter« 
ttalienifcrjer Staaten überhaupt, nur beiläufig befcf)dftigt. ©erabe 
baS, was fonft biefe (Staaten intereffant madjt, bie bewußte Stet* 
gerung unb (Soncentration ber üWadfjtrmttct, finbet fid) im tirdjen* 
ftaat am wenigften, inbem t)ter bie geiftticf)c s Jftad)t bie mangel* 
rjafte 2lu8bilbung ber welttidjen unaufijorlicf) beefen nnb erfefcen 
bilft. Mdje Feuerproben t)at ber fo conftituirte Staat im XIV. 
unb beginnenben XV. -Satjrrjunbert ausgebalten! 211§ baS $apft* 
tt)um nad) Sübfranfreid) gefangen geführt würbe, ging Anfangs 
2McS aus ben Fugen, aber ?Iüignou tjatte (Selb, Struppen unb 
einen großen Staat«* unb triegSmann, ber ben tirdjenftaat 
roieber oollig unterwarf, ben Spanier Sttbornoj. S^oct) üiel großer 
war bie ©efaljr einer befimttoen Sluflöfung, atö baS Sd)i8ma 
Ijinjutrat, als Weber ber römifd)c nod) ber atugnonefifd)c $apft 
rcid) genug war, um ben üon Beuern üertorenen Staat ju unter- 
werfen, aber nad) bcr £erftetlung ber $ trd)cneinf)ett gelang bieß 
unter Martin V. bod) wieber, unb gelang abermals, nad)bem fief) 
bie ©efaijr unter (Sugen IV. erneuert tjatte. Slüein ber Strien* 
ftaat war unb blieb cinftweilen eine Polligc Slnomalie unter ben 
Säubern Italiens; in unb um 9?om trotten bem ^apftttjum bie 
großen 2lbel8familien ber (Solonna, SaPcllt, Orfini, Slnguillara 
u. f. w.; in Umbrien, in ber äftarl, in ber SRomagna gab eS 
jwar ie|t faft feine jener Stabt^epubliten mel)r, weldien einft 

i) ©in für allemal ift l)ier auf SiantYS ^äpfte, 33b. I, unb auf ©ugen-- 

Ijeim, ©efdt)idE)te ber ©ntftet)ung unb 2lu§f>tlbung beS ÄirdjenftaateS, $u 
»erroetfen. 

S3ur<fttart>t, Suttur ber Stcnaiffance. Ö 



82 



35« Staat atä Stunftroerf. 



1. ^bf chiti tt. baS Ißapfitfjum für ifjrc ^Ctt^dttgUd^feit jo wenig SDaitf gemußt 
fyatie, aber bafür eine üftenge großer unb Heiner dürften* 
(jaufer, bereu ©cfyorfam unb 33afatfcntreue md)t Diel befeuert 
roofltc. befonbere, auö eigener ®raft beftc&enbe £>tmaftien 
tjaben fie audj if)r befonbere« Sfntcrcffc unb in biefer •SBe^icljung 
ift oben (@. 22, 35) bereit« trau ben rotctjtigften berfetben bie 
9?ebe gemefen. 

Seme Moneren ($Meid)ura{)t finb mir aud) bem Htrd)enftaat als ©andern fjier 
Gefahren. £ j ne j ur j e sgetradfjtung fd)itlbig. ^eue merfmürbige Srifett unb 
®efafyren fonttnen feit ber SCRtttc beg XV. SaljrfjnnbertS über ifyn, 
inbem ber ©eift ber itafienifeben Sßotitif üon ticrfdjiebenen Seiten 
fjer fid) aud) feiner 51t bemädjtigen, ifjn in bie ^fabe fein.T 
SKaifon ju teiten fucfjt. £)ie geringem biefer ©efabren fommen 
trau außen ober au§ bem 2?oIfe, bie größern Ijaben tljre Quelle 
in bem ©emütf) ber Sßdpfte fclbft. 

£)a$ tranSalpinifdje Slugfanb barf juttädjft außer 23etrad)t 
bleiben. 2öenn bem ^apfttljum in Italien eine töbttfdje 33e* 
brobung juftieß, fo f)ätte ifym meber granfreid) unter ßubmig XL, 
nod) ßhtgtanb beim beginn ber SRofenfricge, nod) ba3 einftraeilen 
gdnjlia) zerrüttete Spanien, nod) aud) ba§ um fein 33a«ler @on* 
cit betrogene £>eutfd)(anb bie geringfte §ülfe gemdljrt ober aud) 
etüftpunfte. nur gemäßen fönnen. 3n -Italien felber gab e$ eine gemiffe 
lujab,! ©ebUbeter unb aud) raoljl llngebilbeter, raeldje eine 2lrt 
trau SKattonalftots barein festen, baß ba§ ^Sapfttfjum bem Sanbe 
gehöre; fefyr 23iete tjatten ein beftimmtcS 3ntereffe bab.ei, baß e§ 
fo fei unb bleibe; eine gemattige äftenge glaubte aud) nod) an 
bie $raft ber päpftttdjen SBetljen unb (Segnungen '), barunter 
aud) große $reü(er, rate jener 5ßiteflo330 33ttelli, ber nod) um 

!) ®er ©inbruef ber SBenebictionen ©ugen'§ IV. in glorenj, Vespa- 
siano Fiorent. p. 18. — Sie SOiajeftät ber Functionen 'JUcotauä V, f. In- 
fessura (Eccard, II, Col. 1883, seq.) unb J. Manetti, Vita Nicolai V. 
(Murat. III, II, Col. 923). — Sie fculbigungen an ^iu§ II, f. Diario 
Ferrarese (Murat. XXIV. Col. 205) unb Pii II. Corament. passira, bef. 
IV, 201. 204. XI, 562. 2lud) SJlörber com gatf) toagen fid^ nid^t an ben 
5ßapft. — Sie großen Functionen nmrben als etrcaä fer)r Sßefentlicfjeg be= 
Ijanbelt »on bem pomphaften 5ßaut II. (Piatina 1. c. 321) unb non ®i£; 
tuä IV., rcetdjer bie Dftermeffe tro£ be<3 5ßobagra3 fifcenb f)ie(t (Jac. Vola- 
terran. diarium, Murat. XXIII. Col. 131). 9Jter!mürbig unterfdjeibet baä 
3Solf jroifdjen ber magifdjen Äraft beä <3egen§ unb ber Unmürbigfeit be§ 
©egnenben; als er 1481 bie .tnmmelfaörtiobenebtction nia)t geben fonnte, 
murrten unb fluchten fie über if)n (Ibid. Col. 133). 



2)er Staat a(§ Äunfttoerf. 



83 



ben ma% Wqattbei* VI. flehte, ate i&n ber @ot)n beS Zapfte« 1. wmtt. 
erwürgen ließ 0- aüe biefe ©mnpatf)ien Rammen Ratten 

miebermn bae ^apfttfjitm nidjt gerettet gegenüber pon mab^aft 
entfdjfoffcnen ©egnern, bie ben Porh,anbenen £>aß unb 9tab 
benii&en gemußt Ijatten. 

Unb bei [o geringer 2Iu#d)t auf äußere £ütfe enttoidefa 
fid) gerabe bie allergrößten ©efafjren im Onnern beg <ßapfttf)um8 
fetber. Sd)on inbem baffetbe jefct toef entlief) im ©eift eines weit* 
Iid)en italicnifdjcn ftürftent&nm« lebte nnb tjanbette, mußte es 
aud) bie büftern Momente eine« fotdjen fennen lernen; feine 
eigentümliche ^atur aber bradjte nod) ganj befonbere ©chatten 
hinein. 

SaS gundajft bie ©tobt SRom betrifft, fo fjat man pon je* ©fe 
l)er Dergleichen getfjan, ati ob man iFire 2luf Gattungen mmi^t^ZT 0 
fürdjte, ba fo mancher burd) SBoEstunmlt Vertriebene «ßapft mieber 
3urü(fgefe[)rt fei unb bie Börner um tjjre« eigenen Sntereffe« willen 
bie ©egenmart ber Surie münfdjen mußten. 2ltfein 9?om ent* 
roiefette nidjt nur au Reiten einen fpecififd) antipäpfttidjen Sfiabi* 
cattSmuS 2 )/ fonbern e$ geigte fid) auch; mitkn in ben bcbenfUa> 
ften Komplotten bie SBirfung unfid)tbarer £>änbe pou außen. (So 
bei ber 33erfd)mörung beS Stefano ^orcari gegen Denjenigen 
$apft, me(d)er gerabe ber ©tobt 9?om bie größten SSorttjeile ge- 
nmljrt hatte, ^icotauä V. (1453). «ßorcari begmeette einen Um* 
fturj ber päpftüdjen #etrfdj : aft überhaupt unb tjatte babei große 
äKitrciffer, bie jnjar nid&t genannt werben 3 ), fidjer aber unter 



1) Macchiavelli, Scritti minori, p. 142, in bem befannten 2Tuffa^ über 
bte tatafirop^e oon ©migagHa. — ^reilitf) raaren ©panier unb gran= 
jofen nod; eifriger aß italiemfd&e ©olbaten. «gl. bei Paul. Jov. vita 
Leonis X. (L. II.) bie ©cene cor ber ©cfijac^t bei ftaoenna, mo baä fpani= 
fd&e §eer ben cor greube roeinenben Segaten roegen ber SlBfoIution um= 
brängt. ferner (ibid.) bie granjofen in 2ftaüanb. 

2 ) Sei jenen Schern aus ber ßampagna, oon ^Jolt, toeldje glaubten, 
ein rechter ^apft mü^te bie Strmutfi, grifft a um flennten b^ben, barf 
man bagegen ein einfaches äßalbenfertbum oermut^en. 2Bie fie unter 
$aul II. oer haftet mürben, ergäben Infessura (Eccard II, Col. 1893) 
Piatina, p. 317, etc. 

3 ) L. B. Alberti: de Porcaria conjuratione bei Murat. XXV. Col. 
309 seqq. — wollte: omnem pontificiam turbam funditus exstinguere'. 
$er Slutor fielst: Video sane, quo stent loco res Italiae; intelligo,' 
qui sint, quibus hic pertubata esse omnia conducat ... @ r nennt fie' 
extrinsecos impulsores unb meint, «ßorcari werbe nod) 3}ad)foIger feiner 



6* 



84 



£)er ©toat aB Äunftroert. 



1. ^btdinitt. ben itaüenifcben Regierungen ju jucken fiub. Unter bemfelben 
^ßontificat fdjlojj Öorcnjo SBalla feine berühmte Declamatton gegen 
bie ©djenfung (Sonftantin'S mit einem SBunfd) um balbtge Sa* 
atlarifation bcS ®ird)enftaateS J ). 

unter f iu« n. 2tud) bte catütnartfdje Rotte, mit vrcfdjcr ^ßiuö II. (1459) 
fampfen raupte 2 ), bereite eS rtict)t, bafc itjr £iet ber @tur$ ber 
^riefter*£errfd)üft im SUIgetnemen fei, unb ber £auptanfül)rer 
Stiburjio gab SBaljrfagern bie ©cbulb, roeldje il)m bte Erfüllung 
biefeS 2Bunfd)cS eben auf biefeS Saljr Perlten Ratten. 2)M)rere 
Römifdje ©rofec, ber prft Pon £arent unb ber (Sonbotttere 3a* 
copo ^tccinino waren oie Sttitmiffer unb 33eförberer. Unb menn 
man bebenft, welche 23eute in ben ^ßalaften reifer Prälaten be* 
reit lag (3ene Ratten befonberS ben (Sarbinat bon Slquileja im 
Singe), fo fällt eS el)er auf, baft in ber faft ganj unbemacf)ten 
©tabt fotctje 3?erfud)e tttdEjt häufiger unb erfolgreicher maren. 
Sfädjt umfonft refibirte $iuS lieber überall als in Rom, unb nocl) 
sßaut II. bat (1468) einen heftigen ©djrecfen roegen eines mir!'* 
liehen ober porgegebenen Komplottes dljnlicfjer SIrt ausgeftanben 3 ). 
£)aS ^apfttlmm nutzte entroeber einmal einem folgen Unfall unter* 
liegen ober gewaltfam bie gactionen ber (großen bdnbigen, unter 
bereu ©dm^ jene Räuberfchaaren heranmuchfen. 
©iytu« iv. £)iefe Aufgabe fe|te fid) ber fd)rec!ltd)e ©ijtuS IV. Er ju* 
erft ^atte Rom unb bie Umgegenb faft Pöllig in ber ©eroalt, ju* 
mal feit ber Verfolgung ber (Solonnefen, unb bepalb fonnte er 
audi in ©ad)en bcS 'ißontiftcateS fomol)! als ber itattenifdjen ^o* 
litif mit fo fuhnem £ro£ Perfal)ren unb bie Magen unb (Eon* 
ciIS*£)rol)ungen beS ganzen SlbenblaubeS Pcrad)tcn. £)ie nötigen 
(Selbmittel lieferte eine plö^üd) ins @d)ranfenlofe raadjfenbe @i* 
monie, roeldje Pon ben Sarbinals* Ernennungen bis auf bie Hein* 
ften ©naben unb 35emilltgungen herunter fic& SltleS unterwarf ')• 



2Jiiffetfjat finben. $.'3 eigene '•pbantaften glichen freilid) benjemgen be3 
Sola afttenjt. 

0 Ut Papa tantum vicarius Christi sit et non etiam Caesaris . . . 
Tunc Papa et dicetur et erit pater sanetus, pater omnium, pater ec- 
clesiae etc. 

2 ) Pii II. Commentarii IV. p. 208, seqq. 

3) Piatina, Vitae Papar. p. 318. 

l ) Battista Mantovano, de calamitatibus temporum, L. III. 3)er 
«raber oerfauft SBeifiraud), ber Xtjrier $ur»ur, ber ^nber (Elfenbein: 



£>er ©taat als Äunftiuerf. 



85 



©irtuS felbft fyatte bie päpfilidje SEBürbc nic£)t oljne ffkftedmng, i. Mbftftnttt. 
erhalten. 

(Sitte fo allgemeine $äuflid)feit fonnte einft bettt römifdjen©« gttvottemi«. 
©tufyl üble ©dn'dfale jujtefien, bodj lagen btefetbert in unberedjen* 
barer $eme. SlnberS war eS mit bem Nepotismus, weldjer baS 
■»ßontificat felber einen Slugenbttct aus ben Slngeln l)eben brofyte. 
SSon allen s Jicpoten genoß Anfangs (garbinal ^tetro SKiario bei 
@i$tuS bie größte unb faft auSfd)ließlid)e ©unft; ein Sflenfd), 
weldjer binnen ^urjem bie ^fyantafic bon ganj Italien befdjäf* 
ttgte '), tljeüs burd) Ungeheuern Su^uS, tfyeils burd) bie (Serüdjte, 
meldje über feine ©otttojtgfeit unb feine politifdjen statte taut 
mürben. @r tjat fid) (1473) mit ^erjog ©aleajjo ÜHtaria oon 
S0?ailattb baf)in berftänbtgt, baß biefer $önig ber Sombarbie 
werben unb ifjtt, ben Sftepoten, bann mit (Selb unb Struppen 
unterftü^en folle, bamit er bei feiner £)cimfcf)r nadj fflom ben 
päpftüd)en @tttt)t befteigen fönne; ©irjus mürbe if)tn benfelben, 
fdjetnt es, freiwillig abgetreten l)aben 2 ). tiefer *$51an, melctjer 
wot)l auf eine ©äcularifation beS SirdjenftaateS als $olge ber 
@rblid)mad)ung beS ©tufyleS hinausgelaufen märe, fdjeiterte bann 
burd) ^ßietro'S plö£ltd)eS 2Ibftcrben. ©er jweite Nepot, ©irolamo 
Üfiario, blieb weltltd)en ©taubes unb taftete baS ^ontificat nict)t 
an; feit if)tn aber oermefyren bie päpftlidjen 9?epoten bie Unrulje ta mot m 
Italiens burd) baS (Streben nadj einem großen gürftentfyum. sürft 
$rüljer war es etwa twrgefommen, baß bie Zapfte itjre Ober- 
tet)Ttöf)errttd)tett über Neapel ju ©unften iljrer Sßerwanbtcn geltenb 
machen wollten 3 ); feit (Salirt III. aber war hieran nicfjt mein* fo 
leidet $u benfen, unb ©irolamo Sftiarto mußte, nad)bem bie lieber* 
wältigung t)on $loren$ (unb wer weiß wie mand)cr anbere ^31an) 
mißlungen war, fid) mit ©rünbung einer §errfd)aft auf ©rtmb 
unb 33oben beS $ird)en[taates felber begnügen. 9ftan modjtc bieß 



venalia nobis templa, sacerdotes, altaria, sacra, coronae, ignes, thura, 
preces, coelum est venale, Deusque. 

!) man felje j. 33. bte Annales Piacentini, bei Murat. XX, Col. 943. 

2 ) Corio, Storia di Milano, fol. 416 big 420. ^tetro fiatte fd)on bie 
^apftiuaf)! be§ ©irütä leiten Reifen, f. Infessura, bei Eccard, scriptores, 
II, Col. 1895. — Saut Macchiav. storie fior. L. VII. fiätten bte $ene= 
3ianer ben (Sarbinat vergiftet, ©rünbe baju fehlten ifjnen in ber Xfyat 
nitfjt. 

3 ) ©dEjon §onoriu§ II. rooltte naefi bem £obe 2ßil6elm§ I. 1127 2lpu= 
tiett einjietjen, als „bem 6. SßetruS öetmaefaHen". 



SDer ©tactt als Äunftwetf. 



umfmtt. bannt rechtfertigen 7 baß bie SRomagna mit it)ren dürften imb 
@tabt*£rjrannen ber päpftlidjen Oberfjerrfdiaft üötttg 3U entwarfen 
brofjte, ober baß fie in tajem bie teilte ber (Sforza unb ber 
Venejianer werben fonnie, wenn 9?om ntcf)t auf btefe SBeife ein* 
griff. lüein wer garanttrte in jenen Reiten unb $erf)ältniffen 
ben bauernben ©cfjorfam fötaler foubcrän geworbener 9?cpoten 
imb ifyrer 9?ad)fommen gegen 'ppfte, bie fie weiter nid)ts meru* 
angingen ? ©elbft ber nod) lebcnbc ^ßapft war nid)t immer feine« 
eigenen @ot)neö ober Neffen fid)er, unb oollenbS lag bie 23er* 
fuajung nafye, ben Dcepoten eine« Vorgängers burtf) ben eigenen 
311 tierbrängen. £)ie SRücfwirrungen biefeS ganzen SSert)dttniffe§ 
auf baS 'papfttrmm felbft waren rwn ber bebenfudjften Slrt; alle, 
aud) bie geiftlidjen Zwangsmittel würben otme irgenb weldje 
@d)eu an ben jweibeutigften j&mtd gewanbt, welkem fid) bie 
anbern ^wccfe beS <2tul)leS ^ßetri unterorbnen mußten, unb wenn 
baS &iti unter heftigen (Srfcptterungen unb allgemeinem £aß er* 
reicht war, fo fjatte man eine ©rjnaftie gefrfjaffen, weldje baS 
größte 3ntereffe am Untergang beS ^apfttljums tjatte. 

2llS Sixtus ftarb, tonnte ficf) ©irolamo nur mit äußerfter 
Mb,e unb nur burd) ben @d)u§ beS SpaufeS ©for^a (bem feine 
©emat)tin angehörte) in feinem erfdjwinbelten gürftenti)um (gorli 
Snnocm ä vm. unb 3mola) galten. 35ei bem nun (1484) folgenben @onclat>e 
cie simrnic. ~~ ™ »rfdjetn 3mtocen$ VIII. gewählt würbe — trat eine (Sr* 
fdmnung ju £age, weldje beinahe einer neuen äußern ©arantte 
beS ^apftttjum« äfjnlid) fieljt: jwei (Sarbinäle, welche ^ringen 
regiercnber £äufer ftnb, laffen fid) it)re £ülfe auf baS <Sd)am* 
tofefte burd) (Selb unb Söürben ablaufen, nämtid) ©ioüanni 
b'2Iragona, <Soi)n beS Königs gerrante, unb Slscanio ©forja, 
•©ruber beS äftoro 1 ). (So waren wenigftenS bie ^errfdjerbjäufer 
oon Neapel unb üftailanb burd) Stfyeilnafime an ber 23eute beim 
ftortbeftanb beS päpftltdjen SöefenS intereffirt. ^od) einmal beim 
folgenben (Sonclat-e, als alle (Sarbinäle bis auf fünf fid) oer* 
fauften, nafjm SÄScanio ungeheure 23efted)ungen an, unb behielt 
fid) außerbem bie Hoffnung 2 ) t>or, bas näd)ftemal felber Ißapft 
$u werben. 



1 ) Fabroni: Laurentius mag., Adnot. 130. ©in ^unbfdjafter tnelbet 
von biefen bäben : hanno in ogni elezione a mettere a saeco questa 
corte, e sono i maggior ribaldi del mondo. 

2 ) Corio, fol. 450. 



©er ©taot als ftunftroerf. 



87 



2Iud) Sorengo magntfico iuünfd)te, bafj ba§ §auö Gebiet 1. s ibftftnitt. 
nttf)t leer au«gcf)c. @r Permäfytte feine £od)ter ÜJttabbatena mit 
bem ©orjn be$ neuen Sßapftc«, grancefd)etto ßrjbö, unb erwartete 
nun nicf)t blofj allerlei gctftttdje ;@unft für feinen eigenen ©ofm 
(Sarbinal ©iotjonni (ben fünftigen £eo X.), fonbern aud) eine 
rafcfje (Srfjebwtg beö ©djwicgcrfofynS *)• Slöcin in le^tcrm ©e- 
tradjt öerlangte er Unmögliches. 23ei Onnocen^ VIII. tonnte bon 
bem fecten, ftaatengrünbenben Nepotismus beftyatb nid)t bie $Hebe 
fein, weil grancefdjetto ein gauj fümmertidjer SOcenfd) mar, bem 
es, wie feinem SSatcr bem ^ßapfte, nur um ben ©emtjj ber 9Jiad)t 
im niebrigften @inne, namentlich um ben (Srwcrb großer ®elb* 
maffeu 2 ) ju tfntn fein tonnte. £)ie 2lrt jeboef), wie SBatcr unb 
©ofyn biefj ©efdjfift trieben, fyätte auf bie £änge ju einer fyödift 
gefäljrlidjcn Hataftropfye, jur Slupfung bes ©taateS, führen 
müffen. 

£>atte ©irtus baS (Selb "befdjafft buref) ben 93erfauf aller 9$«»<wf b«c 
geiftltdjen ©naben unb SBürben, fo errieten ^nnocenj unb fein * mti * nn s m - 
©olm eine 23anr" ber weltlidjen ©naben, wo gegen Erlegung Pon 
t)ot)en Staden Karbon für 3Jcorb unb Stobtfd)fag gu Ijaben ift; 
t)on jeber SBufte fommen 150 ©ucaten an bie päpfttidje Cammer, 
unb, was barüber gef)t, an granceferjetto. 9xom wimmelt nament* 
Ita) in ben legten $eiten biefeS ^ontificateö Pon protegirten unb 
nidjt protegirten Färbern; bie $actionen, mit beren Unterwerfung 
©t^tus ben Anfang gemadjt, fteben roteber in Poller 53tütt>e ba; 
bem ^apft in feinem woljlü erwarten S3atican genügt es, ba uub 
bort fallen aufstellen, in tüelcfjett fid) zahlungsfähige 23erbred)er 
fangen follen. gür ftrancefdjetto aber gab cS nur uod) eine 
Hauptfrage: auf weldje 5lrt er fid), wenn ber ^ßapft ftürbe, mit 
mögtichft großen Waffen aus bem ©taube madien fönne? (Sr Per* 
rietf) ftdff einmal bei Slnlajj einer f alfchen £obeSnad)rid)t (1490); 
alle« überhaupt Porfjanbene (Mb — ben ©djafc ber Sird)e — 
wollte er fortfdmffen, unb als bie Umgebung il)n baran hinberte, 
füllte wenigftenS ber Jürfenprinj £)fd)em mitgeben, ein lebenbigeS 
Kapital, baS man um hohen ^retS etwa an gerrante üon 



t) ©in E)5d^ft bejetdfjnenber Sftafmbrief Sorenjo's Bei Fabroni, Lauren- 
tius magn. Adnot. 217 unb im 3lusgug bei 3ianfe, Sßftpfte, I, p. 45. 

2 ) Unb etroa nodj neapolitanifdjer Sefjen, roes^alb benn aud) %nt\o-- 
cenj bie 2lnjou von Beuern gegen ben in folgern SSetrad^t harthörigen 
Äönig ^errante aufrief 



88 



®er Staat al§ lunftroerl. 



i. Mbfdmitt. Neapel uerljanbeln fonnte @S ift fajwer, politifdje 3JcögUa> 
fetten in tangft Pergangenen Reiten ju beregnen; unabweisbar aber 
brängt fict) bie $rage auf, ob 9?om nod) ^wet ober brei ^orttt* 
ficate biefer 2Irt ausgemalten fjätte? 2ludj gegenüber bem anbäd)* 
tigen (Suropa war es unflug, bie Singe fo weit fommen 31t 
taffen, baß nid)t bfojj bet föeifenbe unb ber ^ilger, fonbern eine 
ganje Slmbaffabe beS römifd)en Königs 2)?arjmiimn in ber Mlje 
pon SRom bis aufs §embe ausgesogen mürbe uub bafj manche 
®efanbtc unterwegs umfefyrten, otjne bie «Stabt betreten ja Ijaben. 
SUeyanber VI. Wit bem begriff Pom ©enuß ber SJcaa^t, metajer in bem 
l)od)begabten Htejcattber VI. (1492 — 1503) lebenbig war, üertrug 
fidt) ein folc^cr 3uftanb freittdE) md)t, unb baS Gsrfte was gefdjal), 
mar bie etnftweiüge ^erftettung ber öffentlidjen ©idjerljeit unb 
baS präcife ^ug^a^en aller iöefolbungeu. 

©trenge genommen, bürfte biefeS Sporttiftcat fjter , wo eSfid) 
um ttaüenifdje (Suftttrformcn fyanbelt, übergangen werben, benn 
bie 33orgia finb fo tuenig Italiener als bas £auS öon Neapel. 
2lferanber fpridjt mit (Sefarc öffentlich fpanifd), Öucrejia wirb bei 
ttjrem Empfang in gerrara, wo fie fpanifdje Stoilette trägt, öon 
fpanifdjen ^öuffonen angefungen; bie üertrautefte <pauSbienerfdjaft 
beftet)t aus Spaniern, ebenfo bie perrufenfte Äriegcrfdjaar beS 
(Sefare im trieg beS 3al)rcS 1500, unb fetbft fein genfer, £>on 
2Jcid)etetto, fo wie ber ©iftmifdjer ©ebaftian ^injon fdjeinen 
©panier gewefen ju fein. 3wiftt)en a ß feinem fonftigen treiben 
erlegt (Sefare aud) einmal fpanifd) funftgeredjt fecfys witbe «Stiere 
in gefd)Ioffenem £wfraum. Allein bie Korruption, als beren 
<Spi£e biefe gamilte erfdjeint, Ratten fie in 9tom fd)on fet>r ent* 
wiefett angetroffen. 

2ÖaS fie gewefeu finb unb was fie getfjan Ijaben, ift oft 
unb Pief geftfjitbcrt worben. 3f)r nädjfteS 3tet, wetdjeS fie aud) 
errretdjten, war bie t-öttige Unterwerfung bes SiirdjenftaateS, in* 
bem bie fämmttidjen 2 ) flehten £)errfd)er — meift metjr ober 
weniger unbotmäßige 23afatten ber ®ird)e — pertrieben ober 3er* 
nidjtet unb in 9?om fetbft beibc große gactionen ju $3oben ge* 
fdjmettert würben, bie angebtid) guelfifc^en Orfinen fo gut wie 



0 SSgt. bef. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, passim. 
2 ) 9fltt 2lu§na£)me ber $entiüogü von Bologna unb be§ §aufe3 ©fte 
gerrara. Sefctereä würbe gur 33erfd))Dägerung genötigt ; Sucrejia 
23orgta f)eiratl)ete ben 5ßrinjen 2tlfonfo. 



2>er Staat a(3 ftunftwerf. 



89 



bie angebttdj gt)ibcHtmfc^eit (Sofonnefen. 5tber bie bittet, raetcfte 1. M*fc»nit t. 
angcwanbt würben, waren fo fdjredfidj, bajj bas <J3apfttf)um an 
bett (Sonfequenjen bcrfetben notl)Wenbig Ijatte ju ®runbe getjen 
müffen, wenn ntdjt ein äwifctjemSreignifc (bie gtetcij^eittgc 23er* 
giftung toon SSatcr unb @obn) bie ganje Sage ber Dinge ptö£- 
lid) geanbert tjätte. — Stuf bie moralifcfje (Sntrüftmtg beö ^Ibenb* ©efai>ren»on 
lanbe« aücrbing« brannte SHejcanber md)t tiiet 31t ad)ten; in ber <m6en * 
^äfye erzwang er ©cljrecfen unb «putbtgung; bie außtänbifdjen 
dürften liefen ftdf) gewinnen unb £ubwig XII. ^atf tf)m fogar 
aus atten Gräften, bie SBebölfermtgen aber ahnten faum wa8 in 
3tttttelitalten ttorging. Der einzige in biefem ©innc wafjrfjaft 
gefd[)rüd)e Moment, als Sart VIII. in ber 9?% mar, ging un* 
erwartet gtücflicf) r-orüber, unb aud) bamals Rubelte es fid) ntdjt 
um ba$ ^apfttfyum aU fotdjeS ! ) fonbern nur um SSerbrdngung 
SHejcanberS burd) einen beffern *ßapft Die große, bleibenbe unb 
wadjfenbe ®efat)r für ba§ "ißontificat tag in SHejcanber felbft unb 
öor allem in feinem @of)itc Sefare 33orgta. 

3n bem 3Sater waren £errfd)begier, §abfud)t unb SMuft Simonie, 
mit einem ftarfen unb glänjenben Naturell üerbunben. SBa« 
irgenb jutn (Senuß öon Wlafyt unb 2Bof)tteben geprt, ba§ gönnte 
er fid) nom erften Sage an im weiteften Umfang. 3n ben 
Mitteln 31t biefem ^roeefe erfdjeint er fogteief) tiötttg unbebcnHicf) ; 
man wußte auf ber ©tefte, baß er bie für feine ^apftwafjl auf* 
gewanbten Opfer mef)r als nur wteber einbringen würbe 2 ), unb 



') Saut Sorio ($ol. 479) backte Gart an ein ©oncil, an bie 2(bfc£ung 
be§ 5ßapfte3, ja an feine SBegfüljruttg nad) granfreid), unb jraar erft bei 
ber 9ttt<ffe$r oon 9^eapef. Saut Senebictuä : Carolus VIII. (bei Eccard, 
scriptores, II, Col. 1584) Ijätte Sari in Neapel, atS if)m ^Sapft unb ©ar= 
btnäle bie Stnertennung feiner neuen ßrone uerraeigerten, fiel) allerbingg 
©ebanfen gemalt de Italiae iraperio deque pontificis statu mutando, 
allein gleid) barauf gebaute er fid) nneber mit 2lleranber§ perfönlidjer 
Sentüt^igung 31t Begnügen. Ser 93apft entnnfdfjte ifjm jebod). — ©a3 
9täf)ere fettljer bei plorgerie, Carapagne et bulletins de la grande arraee 
d'Italie 1494—1495 (Paris, 1866, in 8.), rao ber ©rab ber ©efafjr Sllera^ 
ber§ in ben einzelnen Momenten (p. 111, 117 etc.) erörtert rcirb. ©elbft 
auf bem 3?ü<Jroeg (p. 281, s.) wollte ©arl i§m ni^tS ju Seibe tljun. 

2 ) Corio, fol. 450. — Malipiero, Ann. Veneti, Arch. Stor. VII, I, 
p. 318. — 2BeldE)e 3iaubfud)t bie ganje Familie ergriffen Mafien mufj, fielet 
man u. a. auä Malipiero, a. a. D. p. 565. (Sin 5tfepot wirb al3 päpft= 
Iid)er Segat in Sßenebig fjerrlid) empfangen unb macfjt buref) @rtf)eiUmg 
oon 2)iöpenfen unge^eureö ©elb; feine Sienerfdjaft fliegt beim Stbjie^en 



90 



2)er Staat al§ Shtnftroerf. 



1. wbfämtt. bafe bie Simonie be« ®aufe« burd) bie be« Verlaufe« weit mürbe 
überboten werben. (£« tarn fjittju, baß Sttejcanber bort feinem 
SSice*(Sanccöartat unb anbcrn frühem tatern t)er bie möglichen 
©eibquellen Keffer tonnte unb mit größerm ©cfd)&ft«tatcnt ju 
banbfyaben raupte at« irgenb ein (Suriale. @d)on im ßauf be« 
3af>re8 1494 geferjat) eS, baß ein (Karmeliter Slbamo bon ®enua, 
ber dlom bon ber Simonie geprebigt bjatte, mit jwanjig 2Bun* 
ben ertnorbet in feinem Seite gefunben würbe. SKeranber f)at 
faum einen (Sarbinat außer gegen (Srtegung Ijofjer «Summen er* 
nannt. 

cefate »«tgi«. 211« aber ber ^3apft mit ber 3eit unter bie §errjdwft feine« 
Sobne« geriete nahmen bie bittet ber Octoott icnen böllig fa* 
tanifd)eu (praeter an, ber nottjrcenbig auf bie ,3we<fe jurücf* 
tttrft 2öa« im ®ampf gegen bie römifdjen ©roßen unb gegen 
bie romagnoüfd)en ©bnaften gefd)al), überftteg im ©ebiet ber 
£reulofigieit unb ©raufamfeit fogar ba«icntge ättaafs, an weldje« 
3. 33. bie Stragonefen bon Neapel bie Sßett bereit« gewötmt 
Ijatten, unb aud) ba« Talent ber £äufd)ung war größer. SBollenbS 
grauenhaft ift bie 2lrt unb SÖeife, wie ßefare ben SBatcr ifolirt, 
inbem er ben ©ruber, ben Schwager unb anbere 23crwanbtc unb 
Höflinge ermorbet, fobatb it)m beren ®unft beim ^ßapft oberere 
fonftige Stellung unbequem wirb. SHcranber mußte 31t ber (§r* 
morbung feine« geiiebteften Sofme«, bc« £)uca bi ©anbia, feine 
(Einwilligung geben l ), weil er fetber ftünbtidr) bor (Eefare gitterte. 

2Betd)e« waren nun bie tiefften Richte be« Vettern? 9codj 
in ben testen Monaten fetner £)errfd>ft, al« er eben bie (5on* 
bottteren ju Sinigagtia umgebracht t)atte unb factifd) §err be« 
Sirdjenftaate« war (1503), äußerte man fid) in feiner 9?äl)e teib* 
lid) befdjeiben: ©er gjerjog wolle bloß gactionen unb gerannen 
unterbrüefen , 2We« nur 311m Sftufcen ber Sirdjc; für fid) bebinge 



2llfe§, beffen fie t>abt)aft werben fann, aud) ein ©tütf ©olbftoff 00m £au»t= 
altar einer Äird)e in 9JJurano. 

1) 3)te8 bei Panvinio (Contin. Platinae. p. 339) : insidiis Caesaris 
fratris interfectus . . . connivente ... ad scelus patre. ©enrifj eine 
autf>entifd)e 2Iu3fage, gegen n>eld)e bie SarftelUmgen bei ajtalipiero unb 
SRatarajjo (wo bem ©iooanni ©forja bie ©d)utb gegeben roirb) surücf= 
fielen muffen. — 2tud) bie tiefe @rfd)ütterung 2lteranber3 beutet auf 2Rit- 
fd)ulb. 33om 2luffifd)en ber 2eiä)e in ber Siber fagte ©annajaro: 
Piscatorera hominum ne te non, Sexte, putemus, 
Piscaris natum retibus, ecce, tuum. 



SDer ©taat als ftunfttuetf. 



91 



er fiel) fyödjfteng bie Otonagna aus, imb babei fönnc er be8 i. Mbfftmtt . 

£>aufgefüf)te§ alter fotgenben ^äpftc fidler fein, ba er tfmett Dt* @ £ in« süßten 

fitten unb (Sotonnefen öom §affe gerafft STber 9?iemanb wirb 

bie§ at« feinen testen ©ebanfen gelten (äffen. @d)on etwa« 

weiter ging cinmat ^apft Ale^anber felbft mit ber @prad)e l)crau§, 

in ber Untergattung mit bem öenesianifdjen ®efanbten, inbem er 

feinen @ol)n ber protection öon «enebig empfahl: ,,icf) wiö ba* 

für forgen, fagte er, baß cinft ba§ ^apfttljum entweber an ifm auf un p^p 

ober an (Sure 9?epubtif fällt." 2 ) Sefare freilief) fügte bei: e« ricl ' eu Sbrou 

folte nur ^apft werben, wen $enebig wolle, unb ju biefem @nb* 

3Wect brausten nur bie öenejiauifdjen (Sarbinäte recfjt Rammen* 

platten. Ob er bamit fid) felbft gemeint, mag bat)in gefteltt 

bleiben; {ebenfalls genügt bie StuSfage be§ SßaterS, um feine 216* 

fidjt auf bie «efteigung beS päpftlid)cn £l)rone$ ju bemeifen. 

SBieberum etwas mefjr erfahren mir mittelbar öon ßuerejia 33or* 

gia, infofern gemiffe ©teilen in ben ©ebiajten beö (Srcote (Stro^a 

ber 9Zad)flang Don Steuerungen fein bürften, bie fie aU £er* 

jogin öon gerrara fid) wof)t erlauben tonnte, äunädjft ift aud) 

f)ier oon Sefare'S 5luöftct>t auf ba« $apfttf)um bie $ebe 3 ), allein 

bajmifdjen tönt etwas öon einer gehofften £errfd)aft über Italien 

im Allgemeinen 4 ), unb am (Snbe wirb angebeutet, baß ßefare 

gerabe als weltlicher £errfcber baS ©rößte öorgefjabt unb beßfyatb 

einft beu @arbinalsl)ut niebergclegt t)abe 5 ). 3n ber £l)at fann 

fein ^weifet barüber walten, baß (Scfare, nad) Slle^aubers £obe 

Sum ^apft gewählt ober nid)t, ben ^irefienftaat um jeben preis unt> tefTen 

gu behaupten gebaute unb baß er bieß, nad) Allem, wag er t)cr* ® iicutarifatton - 

*) Macchiavelli, Opere ed. Milan. Vol. V. p. 387. 393. 395, in ber 
Legazione al Duca Valentino. 

2 ) Tommaso Gar, Relazioni della corte di Roma, I, p. 12, in ber 
^et. bes % ©apelto. aßörtttct) : „Ser ^ßapft achtet SSenebtg tote leinen 
Potentaten ber 2öelt, e perö desidera, che ella (Signoria di Venezia) 
protegga il figliuolo, e dice voler fare tale ordine, che il papato o sia 
suo, ovvero della Signoria nostra." SDas suo !ann fid) bodj roofjl nur 
auf Gefare oejie^en. £as Sßron. poffeffitmm ftatt bes «ßerfonale fteljt 
Hufig fo. 

3 ) Strozzi poetae, p. 19, in ber SSenatio bes (Srcole ©tro^a: . . . 
cui triplicem fata invidere coronam. Sann in betn Slrauergebtdfjt auf 
©efare's %ob p. 31, seq. : speraretque olim solii decora alta paterni. 

4 ) ©benba: Jupiter f>a&e einft nerfprodjen : Affore Alexandri so- 
bolem, quae poneret olim Italiae leges, atque aurea saecla referret etc. 

5 ) ©benba: sacrumque decus majora parantem deposuisse. 



92 



3)er ©taat al§ Äunftroerl. 



jMB|fdMtt. übt fjattc, als ^ßapft unmöglid) auf bie Öänge üertnodjt f)ättc. 

2öemt irgenb <5iner, fo fyätte er ben ®irtf)enftaat fäcutarifirt ') 
unb f)ätte e§ tfyun müffen, um bort weiter 51t Ijerrfdjcn. £rügt 
unö ntdjt Sttleö, fo ift Meß ber wefentlidje ®runb ber geheimen 
@mnpatf)ie, womit 9D2acct)iat>eXI ben großen 23erbred)er betjattbett ; 
öon (£efare ober oott ^iicmanb burfte er fyoffen, baß er „baS 
(Sifen au« ber Sunbe jiefye", b. f). ba« ^apfttf)um, bie Quelle 
aller Snterüention unb aller 3crfpUttcrung Stalienö, $crnid)te. — 
Sie Intriganten, welche ßefare ju erraten glaubten, wenn fie 
ifym bas Sönigtfjum oon SToScana fpiegelten, mies er, fdjeint es, 
mit S3erad)tung Pon fid) 2 ). 

©od) alle logijdjen ©djtüffe aus feinen ^rämiffen finb öiel* 
leidjt eitel — ntctjt wegen einer fonbertidjen bämonifdjen ©enia= 
liteit, bic ifjin fo wenig innewohnte als 5. $8. bem §crjog üon 
$rieblanb — fonbern weil bie Littel, bie er anwanbte, überhaupt 
mit feiner Pöllig confequenten ^mnblungSweife im (Großen per* 
trägtid) finb. 23ieÜeid)t tjättc tu bem Uebermaß Don Soweit fid) 
wieber eine 3tn§fcd)t ber Rettung für baS $apfrtl)um aufgettjan, 
aud) oljne jenen ^ufalt, ber feiner Jperrfcfjaft ein @nbe machte. 

5Me irrattoneiicu 2öemt man aud) annimmt, baß bie 3ernid)tung aller gm* 
mm ' fdjenberrfdjer im $ird)enftaate bem £efare nidjts als @pmpatf)ie 
eingetragen fyätte, wenn man aud) bie <Sd)aar bie 1503 feinem 
®lücfe folgte — bie beften ©olbaten unb Offijtere Italien« mit 
Sionarbo ba SSinci als Oberingenieur — als beweis feiner großen 
21uSfid)ten gelten läßt, fo gehört bod) SlnbereS wieber ins ©ebict 
beS Srrationellen, fo baß unfer Urtljetl barob irre wirb wie 
baS ber gettgenoffen. 93on biefer 9(rt ift befonberS bie 93eri)eerung 
unb 9J£iß()anblung beS eben gewonnenen Staates 3 ), ben ßefare 

!) ©r roav befanntlttf) mit einer franjöfifcEjen ^ßringeffin au3 bem £>aufe 
SCtbret üermäf)lt unb E>atte eine Softer dou ifjr; auf irgenb eine SQßeife 
;f)ätte er rvofyl eine SDrmaftte ju grünben oerfuetjt. ©3 ift nicfjt befannt, 
bafj er 2tnftalten gemalt, ben ©arbina(3f)ut roieber anjunetjmen, obfrijon 
er (laut 3)laccrjiat). a. a. D. ©. 285) auf einen balbigen %ob feineä ^aterS 
rechnen muffte. 

2 ) 2Racct)iat)etti, a. a. D. ©. 334. «ßlane auf ©iena unb euentuelt 
auf gan$ £o3cana toaren Dortjanben aber noti) nid)t ganj gereift ; bie 3«-' 
ftinunung tfranfreicfyS mar bagu noityroenbig. 

3) 3Kacd)iaüeIU, a. a. D. ©. 326. 351. 414. — Matarazzo, Cronaca 
' di Perugia, Arch. Stor. XVI, II. p. 157 unb 221 : „@$ raolltc, bafj feine 

golbaten fiefi naefj belieben einquartirteu, fobaf? fie in Unebenheiten noef) 
mef;r gewannen als im Kriege." 



3)er ©taat alä ftunftroei?. 



93 



bod) gu behalten unb gu bcljerrfdjen gebeult, eobann ber ifoftonb 1. «bf^nitt. 

9fcom« unb ber (Surie in ben lefeen 3al)ren beö Sßontificatcö. ©et ®imorbun 9 en. 

es, baß 35ater unb <Sofnt eine förmfidje ^rofcription$*2ifte ent* 

worfen Ratten 1 ), fei eS, baß bie 3ttorbbefd)tüffe einseht gefaßt 

würben — bie borgtet legten fid) auf I>etmttdje 3ernid)tung aller 

berer, meldje iljnen irgenbwie im Sßege waren ober bereit Gsrbfdjaft 

ilmen begeljrenSwertf) fdjien. (Sapitalien unb faljrenbe £abe waren 

nod) baS wenigfte babet; biet einträglicher für ben ^3apft war es, 

baß bie Leibrenten ber betreffenben geiftlidjcn £erreu crlofdjen unb 

baß er bie ©infünfte ifyrer Remter wäfyrenb ber 23acang unb ben 

Kaufpreis berfelben bei neuer SSefetmng eingog. ©er benegianifdje 

©efanbtc ^aolo (Sapello 2 ) metbet im Oafjre 1500 wie folgt: „3ebe 

„yiadft ftnbet man gu töom 4 ober 5 (Srmorbete, nämlid) 33ifd)öfe, 

„Prälaten unb Stnbere, fo baß gang 9tom baoor gittert, bon beut 

«$wm (Sefare) ermorbet gu werben." @r fetber 30g beS SJcadjt« 

mit feinen ©arben in ber erfdjrod enen @tabt t)erum 3 ), unb e« ift 

aller ©runb borfyanben gu glauben, baß bieß nid)t Mos gefdjal), 

weit er, wie Sttberta«, fein fdjeußltd) geworbene« 8lnttife bei Sage 

nid)t mefyr geigen modjte, fonbern um feiner tollen SWorbtuft ein 

©enüge gu tfjun, bielletd)t aud) an gang Unbefannten. ©djon im 

3al)r 1499 war bie £)efperation herüber fo groß unb allgemein, 

baß ba$ Sßoit oiele päpftlidje ©arbiften überfiel unb umbradjte 4 ). 

Sem aber bie ^öorgia mit offener ©ewatt nidjt beifamen, ber 

untertag ifyrem ©ift. gür biejenigen gälte, wo einige £)iöcretion sergiftungen. 

nött)ig faxten, würbe jenes fdjneewetße, angenehm fdjmecfenbe ^uU 

ber 5 ) gebraud)t, roetdjeS nidjt blt£fd)netl, fonbern altmalig wtrfte 

unb fid) unbemerft jebem©erid)t ober ©etränf beimiidjen ließ, ©djott 

^ßrtng £)fd)em tjatte babon in einem füßen St an! mit befommen, 

bebor iljn SUeranber an (Sari VIII. auslieferte (1495), unb am 

(Snbe itjrer Laufbahn bergifteten fid) $ater unb @ofm bamit, in* 

bem fie gufällig bou bem für einen reichen Sarbinat beftimmten 

9 @o Pierio Valeriano, de infelicitate literat., bei 2Intaf$ beä &io-. 
vanni SRegto. 

2 ) Sommafo ©ar, 0. a. D. ©.11. 

3 ) Paulus Jovius, Elogia, Caesar Borgia. — ben Commentarii 
urbani be§ SRapfi. «olaterranuä enthalt Lib. XXII. eine unter Quliuä II. 
unb bodj noef) fet)r be^utfam abgefaßte ©harafteriftit 2lteEanberä. Jpier 
Reifst e3 : Roma . . nobilis jam carnificina facta erat. 

4 ) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362. 

5) Paul. Jovius, Histor. II, fol. 47. 



94 



SDer ©taat als Äunftiocrf. 



i, atbftftnitt. SS ein genoffen. Der offtcteüe (Spitomator ber ap ft g ef d) t d) te, 
Dnufrio ^anbinio nennt brei Sarbinäle, wetcfjc Hierüber t>at 
üergiften laffen (Orfint, gerrerio unb 9CRicE)tel) unb beutet einen 
inerten an, welken (Sefare auf feine 9?ed)nung natjm (©ioöanni 
SSorgia); e8 möchten aber bamals fetten reifere Prälaten in SRom 
geftorben fein ofyne einen ^5erbad)t biefer s 2Irt. 2lud) fülle ®e* 
Iet)rte, bie fid) in eine Sanbftabt jurüefgejogen , erreichte ja baS 
erbarmungslofe ®ift. @s fing an, um ben ^Sapft tierum nicf)t 
metjr red)t geheuer ju werben; £3li£fd)läge unb ©turmminbe, 
üon weldjen dauern unb ©emädjer einftürjten, Ratten ifjn fd)on 
früher in auffatlenber Seife tjeiingefucfjt unb in @d)recf'en gefegt; 
als 1500 2 ) fid) biefe (Srfcrjeimmgen miebcrfyolten, fanb man ba= 

s>it regten saijrc. rtn „cosa diabolica." £)aS ©erüd)t oon btefem ^uftanbe ber 
£)mge fcfjeint burd) baS ftarfbefud)te 3 ) Jubiläum üon 1500 bod) 
enblicE) weit unter ben Göttern fyerumgefommen ju fein unb bie 
fcf)mad)t>otte Ausbeutung beS bamaltgen SXblaffcö ttjat ofyne 
Zweifel baS Uebrige, um alle Singen auf 9?om ju teufen 4 ). 
2lußer ben tjetmt'eljrenben pilgern famen auef) fonberbore roeifje 
33üfeer aus Statten nad) bem Horben, barunter »ertappte gtüdjt* 
linge aus bem Strdjeuftaat, meldte nidjt werben gefdjwicgen fyaben. 
©od) wer tarnt berechnen, wie lange unb rwd) baS Stergerniß bes 
SlbenblanbeS nod) l)ätte fteigen müffen, efje es für Sllepnbcr eine 
unmittelbare ©efafyr erzeugte. „(Sr t)dttc, fagt ^anüinto anberS* 
„wo 5 ), aud) bie nod) übrigen reidjen (Sarbinäte unb Prälaten 
„aus ber Seit gefd)afft, um fic ju erben, wenn er nid)t, mitten 
„in ben größten 5lbfid)ten für feinen ©olm, bai)ingerafft worben 
„wäre." Unb was würbe GEefare getfyan fyaben, wenn er im Slugen* 
Miefe, ba fein SSater ftarb , nidjt ebenfalls auf ben Stob franf 
gelegen l)ätte? Seid) ein ßonclaoe wäre baS geworben, wenn er 



!) Panvinius, Epitome pontificum p. 359. ©er ©iftüetfudf) gegen 
ben fpätern ^uliuä II. f. p. 363. — Saut ©iämonbi XIII, 246, ftarb audj 
ber langjährige Vertraute alter ©e^eimntffe, Sopeg, ©arbtnat uon ©apua, 
auf biefelbe Sßeife; laut ©anuto (bei SRanfe, ^äpfte, I, ©. 52, Slnm.) 
audj ber (Sarbtnal t>on Verona. 

2) Prato, Arch. Stor. III, p. 254. 

3) Unb ftar! com 5ßapft ausgebeutete. 33gL Chron. Venetum, bei 
Murat. XXIV, Col. 133. 

4 ) Sinsheim, Serner (Sfjrontf, III, (Seite 146 big 156. — Trithem. 
Annales Hirsaug. Tom. II, p. 579. 584. 586. 

5 ) Panvin. Contin. l'latinae, p. 341. 



£>er (Staat als ßunftroerf. 



93 



fid) einftmeilen, mit aü feinen üttttteht auggerüftet, burd) ein mit i. attf»uitt> 
©ift gmecf mäßig rebucirteg @arbmafe.(5oaegiitm jitm ^ßapft wagten 
tte|, junta! in einem Augenbad, ba feine franjofifebe SIrmee in 
ber 9?% getoefen märe! £)ie ^^antafie öerttert fid), fobatb fie 
biefe Spupothefen oerfofgt, in einen Stbgrunb. 

Statt beffen folgte ba$ (Soncfattc ^iuS III. unb nadj beffen suhusil 
batbigem £obe aud) basjenige Sitttu« II. unter bem (Sinbrucf 
einer allgemeinen S^eaction. 

2Betd)eg aud) bie <ßrtoatfittett 3ulm« II. fein modjten, in 
ben roefentttd)en Sejte^nngen ift er ber Detter beS «ßapfttfyum«. 
Die ^Betrachtung be£ (Sange« ber Singe in ben sßontifteaten feit 
feinem Otjeim ©tjrtu« hatte ttjm einen tiefen @htbti<f in bie 
wahren ©runbtagen unb Bebingungen be« päpfttichen Slnfehen« 
gcroäl)rt, unb banad) richtete er nun feine £errfd)aft ein unb 
mtbmete ifjr bie gan$e traft unb £eibenfd)aft feiner unerfdjütter* 
lidjen Seele. Dfme Simonie, unter allgemeinem Beifall ftteg 
er bie «Stufen bc« Stuhle« $etri Innan, unb nun hörte menigften« 
ber eigentliche $anbet mit ben I)öct)ftett Sürbcn gän^io) auf. 
Mim hatte ©ünftttnge unb baruntcr feljr umuürbige, allein be« ©eine Steaction. 
^epotiömuö mar er burd) ein befonbercö ®ütcf überhoben: fein 
«ruber ©ioüanni beüa ^Roüere war ber ©emaf)t ber dxh'm Don 
Urbino, Schtuefter beö legten SD^ontefettro ©uibobatbo, unb au« 
biefer (Slje war feit 1491 ein Sot)n, granceSco äWaria beüa 
dotiere oorhanben, raetc^er sugteid) rechtmäßiger 9?ad)foIger im 
^erjogtijum Urbino unb päpftüctjer 9?epot mar. 2Ba« uun 3u* 
üm fonft irgenb ermarb, im Sabinet ober burd) feine genüge, 
ba« unterwarf er mit i)oI)em Stolj ber ®ird)c unb nid)t feinem 
£>aufe; ben tirdjenfiaat, metchen er in Dotter 2tupfung ange* 
troffen, hinterließ er oöttig gebäubigt unb burd) ^arma unb 
pacenja oergrößert. (Ss tag nia)t an ihm, baß nicht aud) $er* 
rara für bie Sircfje eingebogen tourbe. S)ie 700,000 ©ucaten, 
raetche er beftänbig in ber (5nge(«burg liegen hatte, foüte ber (£a* 
fteflan einft ^iemanben at« bem fünftigen <ßapft ausliefern, Orr 
erbte bie (Sarbinäte, ja alte ©eiftlichen, bie in SKom ftarben 
unb gtuar auf rücffid)t«Iofe SBeife % aber er vergiftete unb mor* 
bete deinen. £)aß er fefber ju gelbe 30g, war für ihn unüer* 
meiblid) unb hat ihm in 3talien ficher nur genügt ju einer JJett, 



J ) ©aljer jene ^ßrad^t ber bei Sebjetten gefegten ^ßrälatengräber; fo 
entzog man ben Zapften n>enigften3 einen %l)tU ber 33eute. 



96 



Xex ©taat als ftunftrcerf. 



1. ^bfcfamtt. ba matt eutroeber 2Imbo« ober Jammer fein mußte, unb ba bie 
^erföntid)feit mz\)v wirfte als ba« beftcrworbene 9?eajt. SBenn 
er aber tro£ all feine« I)od)betonten: „gort mit ben Barbaren!" 
gteid)ixior)t am meiften baju beitrug, baß bie ©panier in Statten 
fid) red)t feftfefeten, fo tonnte bieß für ba« $apfttl)itm flteid) gültig, 
ja melleidjt relatio üortfjetttiaft crfdjcinen. Ober war nid)t bi« 
jefct Hon ber trone (Spanien am etjeften ein bauernber 9tefpect 
bor ber tirdje ju erwarten *), wärjrenb bie ttalienifdjen dürften 

qjerfMtd,hit. öteüeidjt nur uod) freoetyafte ©ebanfen gegen Icfetere Regten? — 
SBie bem aber fei, ber mädjtige originelle Sflenfd), ber feinen 
3orn t)erunterfd)tucten fonnte uttb fein roirHidje« SofjlmoÜ'en 
uerbarg, mad)te im ©aujen ben für feine Sage f)öd)[t wünfd)barett 
(ätnbrud eines „Pontefice terribile." (St tonnte fogar roieber 
mit retatio gutem ©eroiffeu bie Berufung eines (Soncilö ttad) 
3iom wagen, womit bem £onci(S;@efd)rei ber ganzen europäifdjett 
Oppofitioit £ro| geboten mar. Sin fötaler £>errfd)er beburfte 
aud) eine« großartigen äußern SumboleS feiner töidjtung ; 3ulitt§ 
fanb baffetbc im Neubau bon St. $eter; bie Anlage beffetben, 
wie fie «ramante wollte, ift öielteicf)t ber größte februef alter 
eiut)cittid)eu äfladjt überhaupt. SIber aud) in ben übrigen Situ* 
ften tebt Slnbenfen unb ©eftalt biefe« ^apfte« im l)öd)ften «Sinne 
fort, unb es ift niajt ot)nc Sebcutung, baß fetbft bie latetnifaje 
sßoefie jener Sage für 3ultu8 in anbere stammen gerettt) als für 
feine Vorgänger. £>cr Gsinjug in Bologna, am ©nbe bcS „Iter 
Julii secundi", bon (£arbinal Slbriano ba (Sorneto, l)at einen 
eigenen pradjtöollen STon, unb ©ioban Antonio fttaminio fyat in 
einer ber fcpnften (Slegieit 2 ) ben Patrioten im Sßapft um ©djufc 
für Staticn angerufen. 

3utitt« tjatte burd) eine bonnernbe ßonftitution 3 ) feine« la* 

1) Db Suliuä wixtti^ get)offt bat, ^erbinanb ber Äat§. werbe fid) von 
ifmt beftimmen laffen, bie werbrongte aragonefifdje Nebenlinie nüeber auf 
ben %$xon von Neapel ju feijen, bleibt tro£ ©iooio'S 2tu§fage (Vita Al- 
fonsi Ducis) fefyr gmeifelrjaft. 

2) SBeibe (§5ebtct)tc 3. 33. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 257 
unb 297. — $reilid) al<3 SuliuS im 2lug. 1511 einmal in mefjrftünbiger 
Df)nmad)t lag unb für tobt galt, wagten fogleidj bie unrubjgften Äöpfe 
aus ben oornefimften Familien — ^ompeo (Eolonna unb Slntimo ©acelli 
— bag „Solf" aufs feapttol ju rufen unb jur 2Ibn>crfung ber päpftUd;en 
£errfdjaft anzufeuern, a vendicarsi in libertä . . a publica ribellione, 
wie ©uicciarbini im geinten Sud) melbet. 

3) öeptimo decretal. L. 1. Tit. 3, Cap. 1 btä 3. 



Ser ©tctat aB ftunftroerf. 97 

teranenfifcfien (Sonetts bie (Simonie bei ber ^apftmahf Verboten. i. m>f<»nitt. 
9£ad) feinem £obe (1513) woüten bte getbtuftigen (Sarbinäte bie§ seo x. 
Verbot baburd) umgeben, baß eine allgemeine Stbrebe proponirt 
würbe, wonach bte bisherigen ^Sfrünben unb Remter beö $u 
SBä^tenben gleichmäßig unter fie oertheift werben fottten; fie 
mürben bann ben pfrünbenreichften (Sarbinal (ben ganj untüa> 
tigen ^afaet SKiario) gemeint haben Slflein ein Stuffajwung 
f)auptfäd)ttd) ber jüngern SÜftitgtieber beS fyil (SottegtumS, welche 
Por Mem einen liberalen ^ßapft wollten, burd)freuste jene jäm* 
merlicfye (Kombination; man mälzte ©ioöanni 3ttebici, ben be* 
rühmten $eo X. 

SSir werben i|m nod) öfter begegnen, wo irgenb Pon ber 
«Sonnenhöhe ber 9?enaiffance bie 9fJebe fein wirb; f)ier ift nur 
barauf hin^uweifen, baß unter ihm bas ^apftthum wieber große 
innere unb äußere Gefahren erlitt, darunter ift nid)t rennen 
bie Verfdjmörung ber Sarbtnäte ^etrucci, Sauft, 9?tario unb 
ßorneto, weit biefe l)öd)ften§ einen ^erfonenwed)fet jur gotge 
haben fonnte; auch fanb 2eo bas wahre Gegenmittel in Geftalt 
jener unerhörten (Kreation öon 31 neuen Sarbinälen, welche nod) 
baju einen guten Effect machte, weit fie $um £f)eil bas wahre 
SSerbienft belohnte. 

#ödjft gefährlich aber waren gewtffe Sege, auf welchen &o «pia™ auf ganj 
in ben $wei erften Sahren feines SlmteS fidj betreten ließ. £)urd) staIietu 
ganj ernftltdje Unterhanblungen fuebte er feinem -©ruber Giuliano 
bas tönigreid) Neapel unb feinem Neffen ßorenjo ein großes 
oberitatifcheS SKeitf) p oerfdjaffen, welches Eftattanb, £oScana, 
Urbino unb gerrara umfaßt haben würbe 2 ), (£s leuchtet ein, 
baß ber ®ird)enftaat, auf fotdt)e Söeife eingerahmt, eine mebt* 
ceifche Apanage geworben wäre, ja man hätte ihn faum mehr ju 
fäculartftreu nöthig gehabt. 

©er Pan fd)eiterte an ben allgemeinen polttifchen Verhält* 
ntffen; Giutiano ftarb bei Briten ; um Sorenjo bennoa) aus* 
guftatten, unternahm Seo bie Vertreibung beS ^er^ogs granceSco 
äftaria betta lottere bon Urbino, jog fid) burch biefen ®rieg un* 
ermeßtichen £aß unb Slrmutf) gu, unb mußte, als Sorenjo 1519 

!) Franc. Vettori, im Arch. Stor. VI, 297. 

2 ) Franc. Vettori, a. a. D. p. 301. — Arch. Stor. append. I, p. 

293, s. — Roscoe, Leone X, ed. Bossi VI, p. 232, s. — Tommaso Gar, 
' a. a. D. p. 42. 



S3urcff)avM, ßuttur bev SKenaiffance. 



7 



98 



Ser ©taat als Äunjlmetf. 



1. giftf^nitt. ebenfalls ftarb '), baS müfjfeltg Eroberte an bie tirdje geben; er 
tfyat ruhmlos unb gelungen, mag it)m, freimütig getfyan, etnigen 
Dui)tn gebraut haben mürbe. 2BaS er bann nod) gegen Sllfonfo 
pon gerrara probirte unb gegen ein paar Keine Stprannen unb 

Die ®roBmäd,te. ßonbottieren wirf lief) ausführte, mar PollenbS nid)t Pon ber 2trt, 
welche bie Deputation erhöh*. Unb bieß Sitte«, wahrenb bie 
tönige be« SlbenblanbeS fid) üon 3ahr ^u Oafjr met)r an ein 
cotoffateS pottttfcfje^ tartenfptel gewöhnten, beffen Gsinfafc unb 
Gewinn immer aud) btefeö ober jenes ©ebtet üon Italien mar 2 ). 
Sföer wollte bafür bürgen, baß fie nicht, nad)bem ihre Ijetmifdje 
fUftatfyt in ben legten Sahr^hnben unenbltd) gemachten, it)re 2lb= 
fidjten and) einmal auf ben IHrdjenftaat auSbebnen mürben? 9?oct) 
£eo mußte ein 23orfpiet beffen erleben, tuas 1527 fict) erfüllte; 
ein paar Raufen fpanifajer Infanterie erfdjtenen gegen @nbe beö 
Q. 1520 — aus eigenem eintrieb, fajeint es — an ben ©renken 
beS ®ird)enftaateS, um ben ^ßetpft einfad) §u branbfdja^en 3 ), 
ließen ftdj aber burd) papftltd)e Struppen surüct'fdjlagen. 2lud) 
bie öffentliche Meinung gegenüber ber Korruption ber Hierarchie 
mar in ben testen 3^iten rafdjer gereift als früher, unb ahnuugS* 
fähige 2ftenfd)en, roie 5. $8. ber jüngere $tco üon ÜKiranbola 4 ), 
riefen brtngettb nad) Deformen. •Snatmfdjen mar bereits Cutter 
aufgetreten. 

^atrianvi. Unter £abrian VI. (1521—1523) tarnen auch bie fd)üd)ter* 
nen unb menigen Deformen gegenüber ber großen beutfajen 25e= 
megung fd)on 51t fpät dt tonnte nicht Piet mehr als feinen 2lb* 
fdjeu gegen ben bisherigen ®ang ber SMnge, gegen (Simonie, Sfte* 
potiSmus, 23erfd)menbuug, 33anbitenmefen unb Unfitttid)feit an 
ben £ag legen. ®ie ®efat)r Pom 8utf)erti)um Ijer erfriert nidjt 
einmal als bie größte; ein geifttmller üenestarttfetjer Beobachter, 



1) Ariosto, Sat. VI. vs. 106. Tutti morrete, ed e fatal che muoja 
Leone appresso . . . 

2) ©ine ©ombinettton btefer 2lrt ftott mehrerer: Lettere de' prineipi 
I, 46 in einer ^ctrtfer SDepefdje be§ ©arb. Stfciena 1518. 

3) Franc. Vettori, a. a. D. p. 333. 

4) Bei Koscoe, Leone X, ed. Bossi, VIII, p. 105 u. f. finbet ftdj 
eine ©eclantation, reelle Sßico 1517 an Sßirffjeimer fanbte. @r fürä)tet, 
bafj nod) unter 2eo ba§ 33öfe förmlid) über baS ©ute fiegen möchte, et 
in te bellum a nostrae religionis hostibus ante audias geri quam 
parari. 



£>er Staat als Äunftroerl. 



99 



©irotamo 9?egro, fprid^t Ettlingen eine« nafjen, fd>recftidien Un* 1. nbtdmitt. 
fjeit« für SHom fetber au« l ). 

Unter Sternen« VII. erfüllt fiel) ber ganje §orijont üon 9?om Siemens vh. 
mit ©ünften gteid) jenem graugelben ©ctroccofdjteier, melier 
bort bisweilen ben ©pätfommer fo Derberblid) madjt. £>er $apft 
ift in ber nädjften 9?äf)e wie in ber gerne belaßt; wäfyrenb ba« 
Uebetbefinbeu ber ©ent'enben fortbauert 2 ), treten auf ©äffen unb 
Wfccn prebigenbe Sremiten auf, wetcfje ben Untergang Statten«, 
ja ber Sßett weiffagen unb ^ßapft (Sternen« ben Sfattdfjrift nennen 3 ); 
bie cotonnefifdje ftaction ergebt tljr £aupt in tro^igfter ©eftalt; 
ber unbdnbige Sarbinat "ißompeo Sotonna, beffeu ©afein 4 ) allein 
fdjon eine bauernbe $(age für ba« ^apfttljum war, barf 9*om 
(1526) überfallen in ber Hoffnung, mit §ülfe Sari« V. ofme 
Vettere« Sßapft werben, fobatb Sternen« tobt ober gefangen 
wäre. S« war fein ®tü<f für Stom, baß biefer fid) in bie Sn* 
ge(«burg pd)ten tonnte; ba« @d)icffat aber, für welche« er fetber 
aufgefpart fein fotlte, barf fdjtimmer at« ber 2Tob genannt werben. 

Durd) eine SReifye üon gatfct)r)eiten jener 2trt, wetdje nur ©te äkmuijtung 
bem 3}?äd)tigen ertaubt ift, bem ©djwäc^ern aber Herberten mm *- 
bringt, oerurfad)te Sternen« ben Slnmarfd) be§ fpanifaVbentfdjen 
£eere« unter 23ourbon unb grunb«berg (1527). S« ift gewiß 5 ), 
baß ba« Sabinet Sart« V. if)m eine große ^üd)ti^ung sugebadjt 
tjatte unb baß e« nid)t öorau« berechnen fonnte, wie weit feine 
unbeja^tten £orben in ifjrem Sifer getjen würben, £)ie Werbung 
faft otme ®etb wäre in £)eutfd)tanb erfotgto« geblieben, wenn 
man mdjt gewußt ptte, e« ger)e gegen SRom. $ielteid)t finben 
fid} nodi irgenbwo bie fdjrtftltdjen ebentuetten Aufträge an 23our* 
bon unb jwar fotaje, bie siemtief) getinbe tauten, aber bie ©e* 
fd)id)t«forfd)ung wirb fict) baüon nid)t betören taffen. ®er fa* 
tfyoUfdje $önig unb tatfer oerbanfte e« rein bem ©tücfe, baß 



0 Lettere de' prineipi, I. Rom, 17. Wiäx$ 1523: „Siefer ©taat ftetyt 
au§ Dielen ©rünben auf einer ^abelfpi^e, unb ©ott gebe, bafj wir niä)t 
balb naa) Slfotgnon fliegen muffen ober bt§ an bie @nben be3 Dcean3. 

fe^e ben ©turj biefer geiftlirijen 9Jtonard£)ie nafje vox mir . . . SBenn 
©Ott nitf)t tjilft, fo ift e3 um unä gefa)el)en". 

2) 9legro a. a. D. jum 24. Dct. (foH ©ept. {jeifjen) unb 9. 3tov. 1526, 
11. Slüril 1527. 

3) Varchi, Stor. fiorent. I, 43. 46, s. 

4 ) Paul. Jovius: Vita Pomp. Columnae. 

5 ) 3*ante, Seutfttje ©efcfiicfjte. II, 375 ff. 

7* 



100 



Ser ©taat at§ Äunftroerf. 



i^bfdmitt. $apft unb Sarbtnäte nidjt bon feinen Seuten ermorbet würben. 

SßMre bieß gefcf)ehen, feine Sophiftif ber 2öett !önnte itm bon 
ber SDiitfchutb lo$fpred)en. ©er äftorb jahtlofer geringerer Seute 
unb bie Sranbfdjafeung ber Uebrigen mit £ütfe bon Statut unb 
2Kenfd)enf)anbet geigen beuttief) genug, roa8 beim „Sacco di 
Roma" überhaupt möglich mar. 
soi 9 cn uns £)en «ßapft, ber toieber in bie (SngelSbutg geflüchtet war, 
aeaction. woßtc g Qr ( y >f auef) nad)bem er ihm ungeheure Summen ab* 
gepreßt, wie c« Reifet, nach Neapel bringen taffen, unb baß 
Glcmenö ftott beffen nad) Drtiieto floh, folt ofnte alle (Sonnibenj 
toon fpanifcfjer Seite gefd)ehen fein Ob §art einen Slugenbluf 
an bie Säcularifation be8 fttrdjenftaateS bad)te (worauf alle 
SOßelt 2 ) gefaßt mar), ob er fiel) wirflid) buref) «orftellungen 
^einrietjö VIIL bon (Sngtanb baöon abbringen ließ, bieß wirb 
triot)t in ewigem £)unfet bleiben. 

SBenn aber foldje 2tbftcf)ten Dortjanben waren, fo tjaben fie 
in leinem gälte tauge angehalten; mitten aus ber SSerwüftung 
bon ffiom fteigt ber ©eift ber firchtid)*weltlichen SKeftauration 
empor. Slugenbttcflich ahnte bieß 5. Saboleto 3 ). „Söenn 
„bitrdj unfern Jammer, f abreibt er, beut Born unb ber Strenge 
",®otte« genuggetl)an ift, wenn biefe furchtbaren Strafen uns 
','wieber ben $eg öffnen 31t beffern Sitten unb ©efel^en, bann 
"^t bietletd)t unfer Ungtücf nicht ba8 größte gewefen . . . 2BaS 
" f <Sottc8 ift, bafür mag ®ott forgen, wir aber haben ein Öeben 
"ber SBefferung bor uns, ba8 uns feine Sßaffengewatt entreißen 
" f tnag; richten wir nur Saaten unb ©ebanfen bahin, baß wir 
"ben wahren ©lanj bes $ricftertf)um« unb unfere wahre ®röße 
,"unb Stacht in ®ott fuchen." 

SSon biefem fritifchen 3al)re 1527 an war in ber 3£t)at fo 
biet- gewonnen, baß ernfthafte Stimmen wieber einmal fich ffis* 
bar machen fonnten. ftom hotte ju biel gelitten, um felbft un* 
ter einem <ßaul III. je wieber baS fettere grunbberborbene töom 
8eo'8 X. werben ju fönnen. 



1) Varchi, Stor. florent. II, 43, s. 

2) ©fcenba, unb: Stanfe, ©eutfd^e ©e^. II, 6. 394, Sinnt. 3Kan 
glaubte, ©arl roürbe feine Stefibenj nad) Sftom oerlegen. 

3) ©ein SBrte^ an ben $apft, b. b. (SarpentraS, 1. ©ept. 1527, m 
ben Anecdota litt. IV, p. 335. 



Ser ©taat alä Ätmftwerf. 101 

©obamt geigte fid) für baS ^apfttrjum, fobatb es einmal 1. gibf^nftt. 
tief im Seiben war, eine ©rjmpatrjte t^eitö pofttifdjer, tfyetts 
ttrtf)lid)er Art. £)ie tönige tonnten niajt bulben, baß einer Don Sart V- 
ifjnen fid^ ein befonbereg ®erfermetfter=2lmt über ben $apft an* 
maßte unb fcfjioffen o. a. ju beffen Befreiung ben Vertrag öon 
SlmienS (18. Aug. 1527). @ie beuteten bamit roenigftenS bie 
®ef)äfftgfett auö, Welche auf ber £l)at ber faiferlidjen Gruppen 
ruf)te. 3"9^d) o&er fam ber tatfer in (Spanien felbft empftnb* 
ttd) ins ©ebränge, inbem feine Prälaten unb ® rauben irjtn bie 
nadjbrücftidjften SSorfteÜungen madjten, fo oft fie tf)n gu feljcn 
befamen. eine große allgemeine Aufwartung Pon ©etftttdjen 
unb Sßettttdjen in £rauerf(eibem beborftanb, geriet^ (Sari in 
(Sorgen, e3 mochte baraus etwas ®efärjrttd£)e3 entfielen in ber 
Art be$ Dor wenigen Sauren gebdnbigteu (Somunibaben* Aufruf ; 
bie ©adje mürbe unterfagt *). (Sr Ijdtte nidjt nur bie 3Ktpanb» 
lung beö Zapfte« auf feine 2Beife Derlängern bürfen, fonbern c« 
mar, abgeferjen Pon atter auswärtigen *ßoftttf, bie ftdrffte ^ott)* 
wenbigfeit für if)n Portjanben, fid) mit bem furdjtbar gehäuften 
^apfttfjum ju Perfötjnen. £>enn auf bie «Stimmung £)eutfd)tanbS, 
wefd)e ifjm wof)t einen anbern 2ßeg gewiefen I)ätte, rooöte er ftd) 
fo wenig ftfifcen als auf bie beutfcfyen SBerfjältntffe überhaupt. 
(£8 ift aucr; möglid), baß er fidt), wie ein 33ene^ianer meint, burci) 
bie Erinnerung an bie SSerfjeerung SRom8 in feinem ®ewiffen be* 
fdjroert fanb 2 ), unb bepafb jene ©üljtte befd)leunigte, welche ©tynaen». 
befiegeft werben mußte burd) bie btcibenbe Unterwerfung ber gloren» 
tiner unter ba§ £auö be§ $apfte§, bie äftebici. £)er ^epot unb 
neue iperjog, Afeffanbro Ottebici, wirb Dermal) tt mit ber natm> 
ticken £od)ter be$ Äaifcr*. 

Sn ber ft-otge behielt (Sart burdj bie (5oncil8»3bee ba« ^5apft= 
tljum wefenttid) in ber ®ewatt unb fonnte e3 pgfeid) brücfen unb 
befdjfifeen. 3ene größte ©efa&r aber, bie Säcularifation, Doüenbs 
biejenige Don innen fjerauS, burd) bie ^ßäpfte unb ifyre 9?epoten 
fetber, war für 3af)rf)unberte befeitigt burd) bie beutfaje 9?efor* 
mation. @o wie btefe aliein bem £ug gegen 9tom (1527) äßögttdj» 
feit unb Erfolg bertieljen fjatte, fo nötigte fie aud) ba« ^Japft- 
tlmm, wieber ber AuSbrucf einer geiftigen 2Be(tmaa)t ju werben, 

!) Lettere de' principi. I, 72. Saftiglione an ben $apft, 33urgo§ 
10. S)ec. 1527. 

2 ) Tommaso Gar, relaz. della corte di Koma I, 299. 



102 



SDer ©taut al§ SSunftroert. 



i^9ibf*nitUnbem es fid) an bie Spifce alter itjrer ©egner [teilen, fid) aus 
s>as ber „SBcrfunfcn^cit in lauter factifchen 23erhältniffen" emporraffen 

teforma.cn. ^ ^ ^ ^ad^fotflcrtx mitten im SlbfaXt 

halb Suropa'S aümälig he™nwäd)ft, ift eine gan$ neue, regenerirte 
Hierarchie, ruetd^e alle großen, gefährlichen Stergeraiffe im eigenen 
§aufe, befonberS ben ftaatengrünbenben Nepotismus 1 ) öermeibet 
unb im «unbe mit ben tattjolifdjen gürften, getragen öon einem 
neuen geiftlichcn Antrieb, tt>r £auptgefd)äft aus ber 2öieber* 
gerainnung ber Verlorenen mad)t. @ie ift nur borljanben unb 
nur ju üerfteljen in ihrem ®egenfa| ju ben Abgefallenen. 3n 
biefem @inne tann man mit Dotier Söafjrljett fagen, baß baS 
^ßapftthum in moratifc^er Ziehung burd) feine Sobfeinbe gerettet 
werben ift. Unb nun befeftigte fid) aud) feine polttifdje «Stellung, 
freilich unter bauernber 2luffid)t «Spanien«, bis sur Unantaftb artet t; 
faft o^ne alle Stnftrengung erbte eS beim AuSfterbcn feiner 23afallen 
(ber legitimen Cime öon (Sfte unb beS £aufeS bella dotiere) bie 
§ersogtpmer fterrara unb Urbino. Ohne bie Deformation ba= 
gegen — wenn man fie fid) überhaupt wegbenfen fann — wäre 
ber ganje $ird)enftaat raal)rfd)einiid) fd»on längft in weltliche 
§änbe übergegangen. 



3um <Sd)luß betrachten mir nod) in »je bie Dücfmirfung 
biefer potttifchen äujtänbe auf ben ®eift ber Nation im 2Wge* 
meinen. 

@S teitctjtet ein, baß bie allgemeine politifdje Unfreiheit in 
bem Italien beS XIV. unb XV. 3ahrl)unbertS bei ben eblern 
®emütl)em einen patriotifchen Unwillen unb SBiberftanb herbor* 
rufen mußte. @djon ©ante unb Petrarca 2 ) proclamiren laut 
ein ©efammtsSralien, auf welches fid) alte pdjften «eftrebungen 
3U beziehen hätten. 3ta menbet wof)l ein, es fei bieß nur ein 
(gnthufiasmus einzelner £>od)gebtlbeten gewefen, öon welchem bie 
SCRaffe ber Nation feine ^enntniß nahm, altein es möchte fid) bamals 
mit £)eutfd)lanb faum inet anberS begatten haben, obwohl es 

1) ®en $arnefen gelang nodj etwas ber 2lrt, bie ©araffa gingen unter. 

2) Petrarca: epist. fam. I, 3, p. 574, worin er ©ott bafür preift 
aI3 Italiener geboren ju fein, ©obann: Apologia contra cuiusdam ano- 
nymi Galli calumnias, vom 1367 / P- lü68 > s - 



Ser Staat al§ ftimftroerf. 



]03 



roenigftenS bem tarnen nadj bie (Sinfjett unb einen anerlannten 1, mmnin. 
©berljerrn, ben ®aifer, ^attc. £)ie erfte laute (iterarifdEje 93er* 
tjerrftcfymtg £)eutfd)lanbs (mit Ausnahme einiger 25erfe bei ben 
Stthtnefangern) gehört ben gmmaniften ber £tit üßajtimtliatt« I. 
an *) unb erfdjeint faft roie ein (Sc^o itaüenifdjer ©ectamationen. 
Unb bodj war £)eutfa)lanb früfjer facttfdfj in einem ganj anbern 
©rabe ein SBolf getoefen als Statten jemals feit ber 9*ömer3eit. 
grantreief) uerbanft baS ^emu^tjein feiner MfSeinljeit roefentlicf) 
erft ben dampfen gegen bie Grnglänber, unb (Spanien Ijat auf 
bie Sange nid)t einmal bermodjt, baß engüertoanbte Portugal JU ttntnügHdjfeit 
abforbiren. pr Statten maren gjtftenj unb SebenSbebingungen b<r mam ; 
beS tirdjenftaateS ein §mbernif} ber (Sinfyeit im ©roßen, beffen 
«efettigmtg fief) faum jemals fjoffen tiefe. 2Bemt bann im polt* 
tifdjen 33erfe|r beS XV. 3af)rf)imbert« gteicf)tt)of|t f)ie unb ba beS 
©efammtoatertanbeS mit (Smptjafe gebaut ioirb, fo geftfjietjt btefj 
meift nur, um einen anbern, gleichfalls ttalienifajen (Staat ju 
fränfen 2 ). £)ie gang ernften, tieffd)mer$ttdjen Anrufungen an 
baS ^ationatgefüljl laffen ftdj erft im XVI. 3a|rf)unbert mieber 
hören, als eS ju fpät toar, als ^ranjofen unb ©panier baS &anb 
überwogen Ratten. $on bem Socal^atriotiSmuS fann man etwa 
fagen, bafj er bie ©teile biefeS ®efüf)teS oertritt, ofme baff etbe 
erfe^en. 



!) Sdj weine fcefonberä bie ©djrtften von 3Simpf)eIing, Sefeet, u. 2t. 
im I. 93anbe ber scriptores be3 ©djarbiu§. 

2 ) ©in Seifpiet ftatt meler : Sie äCntroort be§ Sogen oon SBenebig an 
einen floretttimfäjen 2lgenten wegen fßifa'ö 1496, Bei Malipiero, ann. 
veneti, Arch. stor. VII, I, p. 427. 



Sweitcr WBfc&nttt. 



(Entottümtg kB 3nbroftuuin& 

2. 9«>fd>nttt. ^ n ber -93efc6affettt)ett biefer (Staaten, SKepubltfen töte Scannten, 
liegt nun jtoar nidjt ber einzige aber ber mädjtigfte ®rmtb ber 
frühzeitigen 5ütSbilbung beö Italieners sunt ntobernen 2)ienfd)en. 
£)a§ er ber (grftgeborne unter ben ©öfmen beS je^tgen Güuropa'S 
werben mußte, pngt an biefcm fünfte. 

©eßenfafc pm $ m Mittelalter tagen bie beiben «Seiten beS 4öetou^tfein§ — 
3 * ittetaItcr ' natf) ber Mt t)tn unb nac^i beut Tunern beS 9flenfcf)en fetbft — 
rate unter einem gemeinsamen <Scf)teier träuntenb ober Ijalbwad). 
©er ©djteter war gewoben aus ©tauben, 3HnbeSbefangenl)eit unb 
S03af)tt; burdj itjn fjinburdjgefeljen erfdjienen 2Mt unb ®efcf)idjte 
wunberfam gefärbt, ber 9ftenfcf) aber erfannte ftdj nur als SKace, 
SBotf, Partei, Korporation, ^anritte ober fonft in irgenb einer 
$orm beS Mgemeinen. 3n Statten juerft Perwet)t biefer «Sdjleter 
in bie Süfte; es erwadjt eine objecttoe -Q3etracf)tung unb 23e* 
fyanbtmtg beS Staates unb ber fämmtttcfjen £)inge biefer JßJelt 
überhaupt; baneben aber ergebt fiel) mit Polier üftadjt baS <Sub = 
jectiöe; ber äftenfcf) wirb geiftiges Snbiuibuum 1 ) unb erfennt 
fitf) als foldje«. @o fyatte ftcf> einft erhoben ber ©rieetje gegen» 
über ben Barbaren, ber inbitoibueüe Araber gegenüber ben anbern 
Stftaten als Sftacenmenfdjen. (SS wirb nicfyt fcfywer fein na^ju- 



J) 3ftan beacfjte bie 2tu§brücfe uomo singolare, uomo unico für bie 
J)ö|ere unb r)öct)fte «Stufe ber inbioibuetten 2tu3bilbtmg. 



©ntttncfhmg be§ Snkififru"™ 0 ' 



105 



vretfen, baß bte politifdjcn $erf)äftniffc hieran bett ftärfftcn %n* a. mwatnitt. 
tf>ctt gehabt baben. 

©djon in tuet fräljcnt Reiten giebt fid) fteüenweife eine &nU ©a§ <Et»a<$m 
widtung ber auf fid) fetbft geftefltcn ^erföntid)feit $u erfcnnen, tcr ^ erfö " li * feii 
wie fie gtetc^jeitig im Horben ntd^t fo Porfommt ober fidj nidjt 
fo entpilt. £>er ®reis fräftiger ftnükt beS X. Saf)rt}unbert§, 
wetdjen £tutpranb f Gilbert, einige geitgenoffen ®regor§ VII. (matt 
tefe 33en$o tiott 2ltba), einige ®egner ber erften £wbenftaufen 
jeigen ^ßljtiftognomien biefer SCrt 3fttt Ausgang be§ XIII. Satyr* 
ljunbertg aber beginnt Italien Pon ^erföntidjfeiten ju wimmetn; 
ber SSann, wetdjer auf bem 3nbiPibuati§mu$ gelegen, ift f)ier 
tiötltg gebrochen ; fdjranfentoS fpcctatifiren fid^ taufenb eintüte 
©eficljter. Spante'« große £)id)tung wäre in jebem anbern öanbe 
fdjon beßfyatb unmögtid) gewefen, weit baS übrige (ühtropa nod) 
unter jenem 33anne ber 9iace lag; für Otatien ift ber Ijefyre 
£>id)ter fd)on burd) bte güöc beS Snbititbuetten ber nationatfte 
£)erolb feiner 3eit geworben, ©od) bie £)arfteüung be§ äftenfdjen* 
reid)tt)um3 in Literatur unb Ätmft, bte bielarttg fdjtlbewbe Sfja* 
racteriftif wirb in befonbern 2tbfd)nitten ju befpredjen fein; fyier 
Ijanbett c« ftcf> nur um bie pft)d)o(ogtfdje 5Tt)atfad^e fetbft. 9J?it 
Pofler ©anjfyeit unb ©ntfdjiebenfyeit tritt fie in bte ©efa^idjte ein; 
Statten weiß im XIV. Safjrfmnbert wenig Pon fatfajer 23efd)ei* 
bcnf)cit unb Pon ^eucljetei überhaupt; fein SD^enfct) fdjettt ficf) ba= 
ttor, aufzufalten, anberS ju fein unb p fdjetnen 1 ) aU bie 
anbern. 

3unäd)ft entwictett bie ®ewaltl)errfd)aft, wie wir fafyen, im ©emait. 
f)öd)ften ©rabe bie Onbbibuatität beö £prannen, beö ßonbottiere 2 ) " errfd,er - 
fetbft, fobann biejentge bc§ üon itjm protegirten aber aud) rüd* 
jidjt&oS auSgenü^ten latente?, bc§ ©efyeimfcfjreiberS, Beamten, 



0 8n ^torenj gab e3 um 1390 befjfjalb leine fjerrfdjenbe 9Jlobe ber 
männlidjen Äfetbung meljr, toetl £eber ftdj auf befonbere Söeife gu tragen 
juckte. SSgL bie Ganjone be3 $ranco ©acdjetti : contro alle nuove foggie, 
in ben Rime, pnbl. dal Poggiali, p. 52. 

2 ) SCudE) moty bie itjrer ©emafjlinnen, nrie man im |>aufe ©forja unb 
in oerfdjiebenen oberitaltfcfyen §errftt)erfamilten bewerft. Wlan cgi. in ben 
Ciarae mulieres beä Sacobusi 33ergomenft§ bie Biographien ber 33attifta 
3Jfa(atefta, ^Saola ©onjaga, Drfina SoreÜa, Bona Sombarba, SRiccarba 
oon ©fte unb ber mid)tigern $a' a uen ber Familie ©forga. ©§ ift meJ)r 
alä eine* roafyre 33irago baruntcr unb aucf) bie ©rgänjung ber inbioibuellen 
©tttttntfhtng bura) rjotje §umaniftifd^e ©ultur fefylt nid;t. 



106 



©ntroicf'hmg be3 Snbi»ibuit«t§. 



2. gn>fd>nitt. Ü&idjterS, ©efettfdjafterS. ©er ®eift btefer Seute (ernt uotl)ge= 
brungen atte feine innern £)ü(f$quetten fennen, bie bouernben wie 
bie beö 2Iugenbttcfe§; aud] it)r Sebenggenufs wirb ein burd) gciftige 
bittet erfjöfyter unb concentrtrter, um einer biefteicfjt nur furzen 
,3ett ber Söladjt unb, be« @influffe§ einen größtmöglichen SBertfy 
ju berteiljen. 

£>tc Slber aud) bie 33el)errfdjten gingen ntdjt bötüg ofyne einen 

Untertanen. ^ erart ig ert Antrieb aus. Sir wotten biejenigen gang außer 33e* 
redmmtg taffett, wetdje iE)r £ebett in geheimem Sßiberftreben, ttt 
23erfct)tt3Örurtgen berjeJjrtett, unb btoß berer gebettfett, bie fid) barem 
fügten, reine ^ßriüatteute ju bleiben etwa wie bie tneiflen ©täbte* 
bewotjtter beS btjjantinifdjen 9?eid)e§ unb ber mofyammebattifdjen 
(Staaten. ®ewiß mürbe e§ 3. 53. ben Untertanen ber 23i8conti 
oft fdjwer genug gemadjt, bie Söürbe beö Kaufes unb ber ^erfott 
31t behaupten, unb Utt^äfytige mögen burd) bie Ättedjtfdjaft am 
fttttidjett Giljaractcr (Sinbuße erlitten l)aben. 9?ia^t fo an bem, 
Deren wa§ man inbibibueflcn (Sfjaracter nennt, benn gerabe innerhalb 
q3rivatret.cn. affgcmcittcit politifdjen ÜWadjtfofi gleit gebieten wofyt bie ber* 
fd)iebenen 9^id)tungen unb 53eftrebungen be§ ^ribattebettS um fo 
ftarfer unb bietfeitiger. $Reid) tl)um unb Jötlbung, fo weit fie fid) 
jeigen unb wetteifern burftert, in 33erbinbung mit einer nod) 
immer großen munictpalen greiljeit unb mit bem ©afetn einer 
®ird)e, bie tüdjt, wie in 23bsattj unb in ber iölamitifdjen Seit, 
mit bem Staat tbentifd) war — alle biefe (demente jufammen 
begünfttgten ot)ne ,3roeifet ba8 Sluffommen inbibibueüer £)enf* 
weifen, unb gerabe bie 2lbwefenl)eit be§ 'ißarteifambfeS fügte f)ter 
bie notfjige Sftuße f)inju. £)er poltttfdj inbiffercnte ^ribatmenfdj 
mit feinen t^etfö ernften t^eitö btlettanttfdjen Söefdjäftigurtgett 
mödjte U)ol)I in biefen ©ewattftaaten beö XIV. SatyrlninbertS 
jucrft boüfommen auSgebttbet aufgetreten fein. Urfunblidje 9luö= 
fagen hierüber finb freitid) ntdjt ju bedangen; bie Sftobetüften, 
bon wetdjett man 2öinfe erwarten, tonnte, fdjitbern gwar manchen 
bijarrcn 9J?ettfd)en, aber immer nur in cinfeitiger Sibfidjt unb nur 
fo weit bergteidjen bie \u er^ä^enbe ©efdjtdfjte berührt ; aud) 
fbtett itjre @cene borwiegettb in repubücanifdtjen ©täbten. 
Die ojevuwifcn. 3n bk\m fcfctern waren bie ©ittge wieber auf anbere 3Beife 
ber Stusbifbung be§ inbibibueüen ßfjaracterS günftig. 3e häufiger 
bie Parteien in ber ^errfdjaft abwed)fetten, um fo biet ftdrter war 
ber (Sinjeltte beranlaßt, fid) jufammenjuneljmen bei 2lu§übung 



©ntroicfiung be§ SnbiüibuumS. 



107 



unb ©enuf; ber §errfrf)aft. @o gewinnen jumat in ber florentt* 2. mm*itt< 
nifd)ett ©efdfyidjte 1 ) bie Staatsmänner unb S3otföfütjrer ein fo 
fentttttd^eö perföttlidjeS £)afein wie fonft in ber bamaligen 2Mt 
faum auSnafymgweife (Siner, faum ein 3acob öon 3lrtebelbt. 

SDie £eute ber unterlegenen Parteien aber famen oft in eine 
äfmlicfye «Stellung tute bie Untertanen ber SDjramtenftaatett, nur 
baß bie. bereits gef oftete f^vettjeit ober §errfd)aft, üieHeicfjt quo) 
bie Hoffnung auf beren Sßiebergewimt i[)rem SnbimbuatiSmuS 
einen fyöfyem ©cfywung gab. ©erabe unter biefen Männern ber 
unfreiwilligen Sttuße finbet fid^ 3. 23. ein Slgnoto ^anbotfini 
(ft. 1446), beffen ©djrift „tiom §augwefen" 2 ) bas erfte Programm 
einer bollenbet burdjgebilbeten *ßrtoatej:iften$ ift. ©eine 2tbrca> 
nung awifdjen ben ^fttdjten be§ 3nbtoibuum8 unb beut unfidjern 
unb unbanf baren öffentKdjett Sßefen 3 ) ift in if>rer 2lrt ein wahres 
£)en!mat ber 3eit $u nennen. 

23otlenb8 aber tjat bie Verbannung bie Gstgcnfdjaft, baß fte *>«■ W 
ben 9ttenfcf)en eutmeber aufreibt ober auf baß £)öd)fte auSbitbet. 
„3n all unfern üolfretdjem ©täbten, fugt ©iobiano ^Sontano 4 ), 
„fefyen mir eine Spenge 8eute, bie freiwillig tE)re ^eimatfj uerlaffen 
„fyaben; bie £ugenben nimmt man ja überall l)in mit." 3n 
ber ST^at waren es bei Weitem nid)t bloß förmtid) ©rjlirtc, fon* 
bern £aufenbe Ratten bie 23aterftabt ungeheißen bertaffen, weit 
ber politifd)e ober öconomifdje ,3uftanb an fid) unerträgltd) würbe. 
Sie auSgewanberten Florentiner in gerrara, bie 8ucd)efen in23e* 
nebig u. f. w. bitbeten ganje Sotonien. 

©er (So8mopolttt8mu«, welker fid) in ben geiftüollften 33er* ©er «o«mopou. 

tiSmuS. 

!) $ranco ©aedjettt, in feinem Capitolo (Eime, publ. dal Poggiali, 
p. 56) gäljlt um 1390 über fjunbert Hainen von bebeutenben Seuten ber 
b>rrfcb>nben Parteien auf, n>etdt)e bei feinen ©ebensten geftorben feien. 
@o üiele Sftebiocritäten barunter fein motteten, fo ift boef) ba§ Sange ein 
ftarfer 23eleg für ba3 (grroadjen ber SnbtüibuaHät. — Heber bie „Vite" 
be3 ^iiippo SMani f. unten. 

2 ) Trattato del governo della famiglia. ©3 giebt eine neuere ^v- 
poth>fe, xoonaü) biefe ©dEjrift von betn Saumeifter £. 58. 2116 erti »erfaßt 
märe. SSgt. Vasari IV, 54, Nota 5, ed. Lemonnier. — lieber ^anbolfini 
ugl. Vespas. Fiorent. p. 379. 

3 ) Trattato p. 65, s. 

4 ) Jov. Pontanus. de fortitudine, L. II. ©iebjig ^af)te fpäter lonnte 
©arbanuS (de vita propria, Cap. 32) bitter fragen: Quid est patria, nisi 
consensus tyrannorum minutorum ad opprimendos imbelles timidos, et 
qui pleruinque sunt innoxii? 



108 



©ntwicflung be3 Snbüubuumei. 



a. gibf&nit t. kannten entmitfelt, ift eine f)öd)fte Stufe beS Snbtotbuafignm«. 

©ante finbet, wie fdjott erroäfjnt mürbe (<&. 60) eine neue §ei* 
matt) in ber @prad)e unb 33tlbung Otatienö, ge^t aber bodj aud) 
barüber I)inau8 mit ben Sorten: „meine ^cintatt) ift bie SGßett 
überhaupt!" *) — Unb als man il)m bie 9?ücffef)r nad) ?^loren$ 
unter unroürbigen 23ebtngungen anbot, fdjrieb er jurü(f: „fann 
„idj ntcr)t ba$ 8id)t ber ©onne unb ber ©eftirne überalt 
„fdjauen? nictit ben ebctften Safyrfyeiten überall nadjfinnen, ofyne 
„bepalb ruhmlos, ja fdjmadjooll nor bem SSotf unb ber @tabt 
„ju erfahrnen? 9?id)t einmal mein 33rob roirb mir festen!" 2 ) 2Jiit 
tjo^em Strofe legen bann aud) bie Sünftter ben Slccent auf ifyre 
greifyeit Dom Ortwang. „'ftur wer 2ltte§ gelernt fjai, fagt 
®i)tberti 3 ), ift braufjen nirgenb§ ein $rembling; aud) feines 
„Vermögens beraubt, orme greunbe, ift er bod) ber Bürger jeber 
„@tabt unb fann furchtlos bie Sanbelungen beö @efd)icfe8 öer= 
f( ad)ten. " 2lel)nlid) fagt ein geflüchteter £)umanift : „ So 
„irgenb ein geteerter SJfonn feinen <Si£ auffdjlägt, ba ift gute 
,,$eimatf) 4 )." 

(Sin fetjr gefdjärfter cutturgefd)id)tlid)er 33licf bürfte tuoljt im 
sperffln«d)!eit. @tanbe fein, im XV. Oafjrfyunbert bie ^una^me ööllig ausgebil* 
beter SUttenfdjen fdjrittiüetfe ju verfolgen. Ob btefelben ba$ f>ar- 
monifd)e 2lu§runben il)re§ geiftigen unb äußern ©afeing als be= 
wüßtes, auSgefprodjeneS $iti öor ftd) gehabt, ift ferner $u fagen ; 



1) De vulgari eloquio Lib. I, cap. 6. — lieber bie italienijd)e 3beal= 
fpradje cap. 17. Sie geiftige ©in^eit ber ©ebilbeten cap. 18. — 2lber 
aud) ba§ £>eimraet) in ber berühmten ©teile Purg. VIII, I u. ff. unb 
Parad. XXV, I. 

2 ) Dantis Alligherii Epistolae, ed. Carolus Witte, p. 65. 

3 ) Ginberti, secondo commentario, cap. XV. (Vasari, ed. Lemonnier, 
I, p. XXIX.) 

4 ) Codri Urcei vita, uor beffen Opera. — $reilid) grenzt biefj ftt)on 
an baä : Ubi bene, ibi patria. — Sie Sftaffe neutralen geiftigen ©enuffeS, 
ber tton leiner Dertlid)!eit abfjängt, unb beffen bie gebilbeten Italiener 
mef)r unb mcEjr faf)ig raurben, erleid)terte ifmen ba§ @ril beträd)tlid). 
llebrigenä ift ber ©o§mopoIiti§mu§ ein Seittjen jeber 33iIbungöepott)e, ba 
man neue 2ßelten entbedt unb fid) in ber alten nid)t metyr f)eimtfd) füEjlt. 
@r tritt bei ben ©riettjen feljr beutlid) £)eruor nad) bem peloponnefiftt)en 
Kriege; Sßlaton mar, roie 9iiebuf)r fagt, fein guter Bürger unb £enopb>n 
ein fd)led)ter; ©iogeneä proclamirte ooITenbä bie £eimatf)loftgfeit al§ ein 
n>ar)re3 Vergnügen unb nannte fid) felber cinoXig, roie man bei Saertiuä 
Iie§t. 



ßittroidlung bes ^nbiütbuum§. 



109 



Sftefjrere aber bejahen bie ®ad)e, fo weit biefj bei ber Unpoötom* 2. m^nitu 
menfyeit alles Srbifdjen mögüd) ift. 3ftag man aud) 3. 2*. oer-- 
jtdjten auf eine ®efamtntbttanj für Soren^o magniftco, nad) ©tücf, 
Begabung unb (Sljaracter, fo beobachte man bafür eine 3nbiüi* 
buatität wie bte bes Slriofto tyauptfädjlidj in feinen «Satiren. 
35iS roeldjem 2Bot)I(aut finb ba ausgeglichen ber @tolj beS 
2Kenfcf>en unb beS ©idjters, bie Ironie gegen bie eigenen ©enüffe, 
ber feinfte Spoljn unb baS tieffte Sßofylwollen. 

2öenn nun biefcr Antrieb jur Ijödjften SluSbitbung ber ^3er* ajwfefttoen. 
fönltd)leit jufammentraf mit einer roirfltdj mächtigen nnb babei 
üielfeitigen Statur, tnetcfje fid) jugteid) aller (Elemente ber bama* 
ligen 33ilbung bemeifterte, bann entftanb ber „attfetttge 3Jcenfdj", 
l'uomo universale, welcher auöfdjltefjlid) Italien angehört 9tten= 
fdjen öon enctyctopäbifdjem SDBtffcn gab es burd) baS ganje 9Jltt= 
telalter in öerfdjiebenen Räubern, tuet! biefeS 2öiffen na^e beifammen 
mar; ebenfo rommen rtodj bis ins XII. Saljrbunbert attfettige 
$ünftter tior, weil bie Probleme ber Strdjitectur relatiö einfach unb 
gleichartig waren unb in ©culptur unb Malerei bie barjuftellenbe 
©aa)e über bie gorm uorfjerrfctjte. -3n bem Italien ber 9?e* 
naiffance bagegen treffen mir einzelne Sünftfer, weldje in alten 
©ebieten gugleid) lauter 9foueS unb in feiner 2lrt SSoüenbeteS 
fdjaffen unb babei nod) als 20?enfd)en ben größten (Sinbrucf machen. 
Slnbere finb atlfeitig, außerhalb ber auSübenben ®unft, ebenfalls 
in einem ungeheuer wetten Greife beS (beifügen. 

©ante, welcher fd)on bei Sebjeiten tion ben (Sinen ^3oet r üon 
ben Slnbern 'pljitofopf), üon ©ritten £l)eologe genannt würbe 1 ), 
ftrömt in alt feinen ©djriften eine gülle t>on ^wingenber perfön* 
tiefer SBlafyt aus, ber fieb ber ßefer unterworfen füfjlt aud) abge* 
fef)en üom ©egenftanbe. 2öetd)e SBillenSfraft fefct fdjott bie uner* 
fdjüttertid) gletdjmäjsige Ausarbeitung ber Diütna (Sommebia oor* 
aus. 8iet)t man aber auf ben 3nf>aft, fo ift in ber ganzen äußern 
unb geiftigen SBett faum ein wichtiger ©egenftanb, ben er tiidjt 
ergrünbet hätte unb über weld)en feine SluSfage — oft nur wenige 
SBorte — rttdjt bie gewia^tigfte ©timme aus jener £ät wäre, 
pr bie bitbenbe tunft ift er Urfunbe— unb wafyriid) nod) um 
wichtigerer £)inge willen ats wegen feiner paar £eilen über bie 



!) Boccaccio, Vita di Dante., p. 16. 



110 



©ntnucflung be3 ^nbttjtbitiimö. 



2. Mbfcftnitt . bamatigen SHtnftter; batb mürbe er aber aud) Cuettc ber Onfpi* 
ratton 1 ). 

seorocter 6eö £)a§ XV. 3af)i1)unbert ift junädjft porsügttd) baöjenige ber 
xv. sainf). ö i e f|' e { t ig ett $jft e nfd)en. teine Söiograpfjie, meiere rttdjt raefentlidje, 
über ben ©ttettantismus fjinauSgefyenbe üftebenbefdjäftigungcn beö 
33etreffenben namhaft machte, ©er florentinifdje Kaufmann urtb 
Staatsmann ift oft jugteict) ein (Belehrter in beibett alten ©pradjen; 
bie berüfymteften £ntmamfteu müffen itjm unb feinen Söhnen be8 
SCriftoteteö ^ßotttif unb dtfyil oortragen 2 ); aud) bte £ödjter beö 
^)aufc« ermatten eine i)i>f)e SBUbung, wie benn überhaupt in biefen 
@pf)ärert bte Anfange ber I)öf)eru ^rioater^iefjung Porgügüd) $u 
fud)en finb. ©er ^ttmanift feinerfeitö wirb jur größten 33ie(fei= 
ttgfett aufgeforbert, inbem fein ptjttologifcfjeS Siffen (ange nidfjt 
bloft rote tjeute ber objeettoert tantniß beö ctaffifdjen Sßettafters, 
fonbern einer tägttdjen Slnmenbung auf ba« roirftidje Seben btenen 
muß. Neben feinen ptinianifdjen «Stubien 3 ) j. 33. fammett er ein 
OJhtfeum Pon Naturalien; Pon ber ©eograpfyte ber Sitten aus 
wirb er moberner $o§mograp(); nad) bein dufter ifjrer ©efd)id)t* 
fdjreibung PerfajH er >3eitgefdt)tcf)ten ; als Ueberfe^er ptautinifdjer 
(Somöbien roirb er rootjt aud) ber Negiffeur bei ben 2luffiU)rungen ; 
alle irgenb einbringüdjen formen ber anttfen Literatur big auf 
ben Utcianifd)en £>iatog bitöet er fo gut al3 möglid) nad), unb 
§u betn Sitten funetionirt er nod) aU ®ef)eimfd)reiber unb £)ipto* 
mat, ntd)t immer ju feinem £eiL 
Die siafettigen; lieber btefe SSietfeittgett aber ragen einige warjrfyaft Stüfeitige 
s.a?. aibertt. ^ em p or< (g{j e w j r ^ e bamatigen Sebent unb 23itbung§*3ntereffen 
einjefn betrauten, mag fyier, an ber ©djroefle beö XV. 3aljrrmnbert3, 
baö 23Üb eines jener ©eraattmenfdjen feine ©tette einnehmen : Seon 



*) ®ie ©ngel, roeldje er am So^e^^g oon S3eatrice'§ S£obe auf 
dien jeitt)nete (Vita nuova, p. 61), fönnten roofjt mefjr aI3 £)ilettanten= 
arbeit geroefen fein. 2ion. 2lretino fagt, er fjabe egregiamente gejeicfjnet 
unb fei ein großer Siebljaber ber 9Jluftf geroefen. 

2 ) %üx biefeö unb ba§ $o!genbe »gl. bef. 3Se§pafiano ^-iorentino, f ur 
bie florentintfaje 23ilbung be§ XV. ^ö^^unbert eine Duette erften 3t<ange§. 
£tel)er p. 359, 379, 401 etc. — ©obann bie fdjöne unb Ief)rreidE)e Vita 
Jannoctii Manetti (geb. 1396) bei Murat. XX. 

3 ) £>a§ golgenbe beifpteläroeife au3 ^perticari'ä <5r)aracteriftiJ bei ^ait; 
bolfo (Eollenuccio, bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi III, p. 197, s., unb 
in ben Opere del Conte Perticari, Mil. 1823, vol. II. 



©ntroitflung be§ ^nbiuibuumä. 



111 



Sattifta 8H6ertt. ©eine ®iograpf>ie 0 — nur ein Fragment — 2. gibfdimftt. 
fpridjt bon iljm at« $ünftler nur wenig unb erwähnt feine fjofye 2. sb. «iibcrtt, 
Sebeututtg in bcr ®efcf>icf)te ber Slrdjitectur gar nidjt, e§ wirb 
fidj nun geigen, was er aud) oime biefen fpeciellen 9?ul)m ge* 
mefen tft. 

3n altem ma« Lob bringt, war Leon Sattifta bon SHnbf)eit 
an ber @rfte. 23on feinen allfeitigen Leibesübungen unb £urn* 
fünften wirb Unglaubliches berichtet, wie er mit gefd) {offenen 
$üf$en ben Leuten über bie @d)ultern Ijinwegfprang, wie er im 
£)om ein ®etbftücf emporwarf, bis man es oben an bcn fernen 
©ewötben anfangen Iprtc, wie bie wilbeften ^ßferbe unter iljtn 
fdjauberten unb gitterten — benn in brei Singen wollte er bcn 
3ttenftf)en untabettjaft crfdjeinen: im ©efjen, im leiten unb im 
9?eben. £)ie 2JZufif lernte er ofmc Stteifter, unb boct) würben 
feine ßompofitionen bon Leuten beS gadjes bewuubert. Unter 
bem £)rucfe ber ÜDürftigfett ftubirtc er beibe iRedjte, ötete Oafjre 
fyinburd), bis 31t fdjroerer tranffjeit burdj (Srfdppfung ; unb als 
er im 24ften -Safyre fein SBort'@ebäd)tni^ gefd)wäd)t, feinen 
©adjenfinn aber unberfeb,rt fanb, legte er fid) auf $f)tifif unb 
Sttatfyematif unb (ernte baneben alle gprtigleiten ber Seit, inbem 
er ^ünftler, @elef)rte unb |)anbwerfer jeber 2lrt bis auf bie @d)ufler 
um ifyre ©eijeimniffe unb (Srfafyrungen befragte. £)aS Skalen unb 
unb SÄobcüircn — namentlich, äu^erft fennttict)er Silbniffe, aud) 
aus bem Otogen (Sebädjtnifj — ging nebenein. Sefonbere Se* 
wunberung erregte ber getjetmnifsbolle ©ucffaften 2 ), in welchem er 
balb bie ©eftirne unb ben nädjtlidjen 9J?onbaufgang über fttU* 
gebirgen erfdjeinen ließ, balb weite Lanbfdjaften mit Sergen unb 
9)ZecreSbud)ten bis in buftige fernen hinein, mit l)eranfal)renben 
Klotten, im ©onnengtan^ wie im SBotfenfcfjatten. 2lber aud) was 
Stnbere fdjufen, crfannte er freubig an unb fyielt überhaupt jebe 
menfdjlidje ^erborbringung, bie irgenb bem ©efe^e ber @d)ön£)eit 
folgte, beinat) für etwa« ®öttlid)eS 3 ). ®aju fam eine fdjriftftel* 

1) SBei Muratori, XJSV, Col. 295, s. §ieju al3 ©rgänjung Vasari 
IV, 52, s. — ©in attfeitiger Dilettant roenigftenS, unb gugleidE) in mehreren 
$äcf)ern -JJieifter, roar 3. 33. SWariano ©ocini, roenn man beffen ©fjaracteriftt! 
bei Sleneaä ©i;lüiu3 (Opera, p. 622, Epist. 112) ©tauben fdjenfen barf. 

2 ) 33gl. ben Ibn Firnas, bei Jammer, Siteratutgefa). ber Araber, I, 
©intettung ©. 51. 

3 ) Quicquid ingenio esset hominura cum quadam effectum elegantia, 
id prope divinum ducebat. 



112 



©ntmttflitng beä 3nbi»ibuum§. 



2 . <m>frfmitt . terifdje £t)ättgfeit junadjft über bie Sunft felber, ättarffieine urtb 
s. ». aiberti. ^auptjeugniffe für bie SKenatffance ber $orm, jiunal ber Slrdji* 
tectur. Sann latemifdje *ßrofabicf)tungett, ^opeüen u. bgt., Pon 
raetajen man (SinjetneS für antif gerattert f)ar, aud) fcfjers^afte 
STifdjrebeit, (Siegten unb (Sctogen; ferner ein itattenifcfyeS SBerf 
„oom f)au§raefen" in Pier 33üd)ern ! ), ja eine Seidjenrebe auf 
feinen £unb. ©eine ernften nnb feine rai|igen SBorte waren 
bebeutenb genug, um gefammeft 31t werben; groben batoon, Piele 
ßolumnen lang, werben in ber genannten SebeuSfdjitberung mit* 
geteilt. Unb SuleS, raa£ er f)atte unb raupe, tljeilte er, raie 
raafnljaft reiche Naturen immer tfyun, ol)ne ben geringften WM* 
Ijatt mit, unb fdjenfte feine größten (Srfinbungen umfonft raeg. 
(§nbüd). aber rairb aud) bie tieffte £luette feinet SBefenö namhaft 
gemadjt; ein faft nerPöß ju nennenbeS, l)öd)ft fpmpaif)ifd)e§ 
Mtteben an unb in allen Singen. Seim Inbltd prächtiger 
Säume unb (Smtef eiber raupte er raeinen; fdjöne, raürbePoüe 
©reife Perefyrte er als eine „SBonne ber 9iatur" unb ronnte 
fie nidjt genug betradjten; aud) £t)ierc Pon Poüfommener 23tfbung 
genoffen fein SGBoIjInjoßen, raetl fie Pon ber 9?atur befonbens 
begnabigt feien; met)r als einmal, raenn er franf raar, t)at ifyn 
ber Slnbücc einer fd)önen ©egenb gefunb gcmad)t 2 ). $ein Sßunbcr 
raenn bie, raetdje tfjtt in fo rätfjfetfjaft innigem 23erteljr mit ber 
StujjemDelt lennen (ernten, tt)tn aud) bie ©abe ber 93oral)nung 
$ufd)riebett. Sine Mutige (Srifig beö §aufe§ (Sfte, ba§ ©djicffal 
pon glorettj unb baß ber tapfre auf eine föeüje Pon Oaljren Ijin* 
aus fott er richtig geraeiffagt [)aben, raie irmt benn aud) ber 23lict 
in§ innere beö Sftenfdjen, bie ^ߣ)pfiognomif jeben Moment ju 
©ebote ftanb. @8 üerftefyt fid) Pon fetbft, bafs eine f)ödjft inten- 
fiPe 2öiflen3fraft biefe gattjc ^erfönüdjfeit burd)brang unb ju* 
fammenljiett ; raie bie ©rösten ber ^enaiffance fagte aud) er: 
„Sie s ü?enfd)en fönnen öon fid) aus 9lüeS, fobalb fie raotlen." 
Unb 3U SHbertt Derzeit fid) Oionarbo ba 33inci, raie ^um 



1) SiefeS »erlorene SBer! ift e§ (»gl. <3. 107 2tnm.), i»eld)e§ »on 
Beuern für tüefenttid) tbentifd) mit bem Srattato be§ ^ßanbolfini gehalten 
roirb. 

2) Sn feinem 2Berfe De re aedificatoria, L. VIII, cap. 1 finbet fid) 
eine Definition »on bem i»a§ ein fd)öner SBeg ft>if$en fönne: si modo 
mare , modo montes, modo lacum fluentem fontesve, modo aridam 
rupem aut planitiem, modo nemus vallemque exhibebit. 



©ntroicflung be§ SnbiüibuumS. 



113 



Anfänger ber Sßollenber, tüte $um Dilettanten her SReifter. SBare 2. «bfdmttt. 
nur Safari'« SBerf f)ter ebenfalls burd) eine ©d)ilberung ergänjt 
tote bei £eon ^öattifta ! Die Ungeheuern Umriffe uon Stonarbo'S 
Söefen wirö man ewig nur Don ferne atmen tonnen. 



Der bisher gefdjilbcrten (Sntmicfelung beS 3nbioibuumS ent* ©craiubm. 
fprtdjt aud) eine neue 3trt öon ©eltung nad) außen: ber moberne 

Slufjerljalb OtatienS lebten bie einzelnen <Stänbe jeber für 
fid) mit feiner einjetnen mittetalterliajen ©tanbeSefyre. Der Didfjter- 
rutjm ber Stroubabours unb SKimtefcmger 3. 23. ejctjttrt nur für 
ben SRitterftaub. 3n Stalten bagegen tff ©leidjljeit ber ©täube 
toor ber £ttrannis ober t>or ber Demofratie eingetreten ; aud) 
geigen fid) bereits Anfänge einer allgemeinen ©efeöftfjaft bie iljren 
2lnf)alt an ber ttaltcmfdjen unb lateinifdjen Literatur fyat, wie 
fjttx in toorgreifenber Seife bemerft werben mufc; biefeS Löbens 
aber beburfte es, um jenes neue ©(erneut im Seben jum Neimen 
311 bringen. Daju tarn, bafj bie römifdjen Tutoren, metdje man 
emfig ju ftubtren begann, bon bem begriff beS DfrtfymeS erfüllt 
unb getränft finb unb ba£ fdjon it>r ©ad)int)alt — baS 23ilb ber 
römifdjen 2Beltl)errfd)aft — fid) bem italienifdjen Däfern als bau* 
ernbe «parallele aufbrdngte. fortan ift alles Sollen unb SBbH- 
bringen ber Italiener bon einer fitttidjen SBorauSfefcung befyerrfdjt, 
bie baS übrige Slbenblanb nod) nidjt lennt. 

Söieberum mnfj juerft Dante gehört werben, wie bei allen 
wcfenttidien fragen. f)at nad) bem Did)terlorbeer 2 ) geftrebt 
mit aller Äraft feiner ©eete; aud) als *ßublicift unb Siterator 
f)ebt er Ijerüor, baft feine Seiftungen wefentlid) neu, bajj er ber 
erfteauf feinen Halmen nidjt nur fei, fonbern aud) fyetfjen wolle 3 ). 

*) ©in 2lutor ftatt SSieler : Blondus, Koma trinnaphans, L. V, p. 117, 
s„ wo bie Definitionen ber ©loria au3 ben Sitten gefammelt finb unb outf) 
bem ©fjriften au§brüä'ticf) bie 3iut)mf>egter geftattet wirb. — ■ Sicero'S 
©d)rift de gloria, roeldje noer) Petrarca ßefafs, ift befanntttcf) feitbem t>er= 
loren gegangen. 

2 ) Paradiso XXV, Slnfartg : Se mai continga etc. — Sgl. Boccaccio, 
Vita di Dante, p. 49. Vaghissimo fu e d'onore e di pompa, e per av- 
ventura piü che alla sua inclita virtu non si sarebbe richiesto. 

3 ) De vulgari eloquio, L. I, Cap. I. ©anj befonber§ de Monarchia, 
L. I. Cap. I, mo er ben begriff ber 9Jionarcf)ic barftellen null, nidjt blofj 

Surcrbarbt, Kultur ber Otenaiffance. 8 



114 



©ntnücfUmg be§ SinbtnibuumS. 



a. aKfctmitt. Dorf) berührt er fa>n in feinen ^rofafdjrtftctt aucf) bie Unbequem* 
ableiten eine« Ijoljen töuljme« ; er weiß, wie äftandje bei ber 
perfönltdjen 33efanntfd)aft mit bem berühmten ÜWamte unbefriebigt 
bleiben, unb fefct au«einanber, bafc ijieran tfjeil« bie Hnbifdje 
$ljantafie ber Seute, tfyeil« ber 9?eib, tfyeitö bie eigene Untauterfeit 
be« JBetrcffenbert <Sd)utb fei 1 ). 23oüenb« aber Ijätt fein große« 
®ebid)t bie 2lnfd)auung üon ber 9£td)tigfett be« 9?ut)mc« feft, 
wenngleid) in einer SBetfe, wetdie tierrät % baß fein ^erj fid) noef) 
nidjt üöüig üon ber ©efynfuajt banad) Io«gcmad)t. 3m ^ßaraDte« 
ift bie ©pl)äre be« 231ercur ber Söoljnjtfc foldjcr ©ettgen 2 ), bie 
auf (Srben nad) föuljm geftrebt unb baburd) ben „©trafen ber 
wahren Siebe" Eintrag getfyan fjaben. £wd)be3etdjnenb aber ift, 
baß bie armen «Seelen im Inferno üon £)ante öertaugen, er möge 
itjr Stnbenfen, tfyren SKuinn auf (ärben erneuern unb wad) Ratten 3 ), 
roäljrenb biejenigen im purgatorio nur um pr bitte flehen 4 ); ja 
in einer berühmten @teüe 5 ) wirb bie 9?i)umbegier — lo gran 
disio dell' eccellenza — fdjon beßljatb uermorfen, Weil ber 
geiftige 9iul)m nidjt abfotut, fonbern üon ben ßciten abhängig 
fei unb je nadj Umftänben burd) größere Sftadjfotger überboten 
unb üerbunWt werbe. 
©ießetcMtät bemächtigt fief» nun ba« neu auffommenbe ®efd)led)t 

ber jpumaniften. üon ^oeten * Philologen, wetdje« auf ©ante folgt, be« SRuljme« 
in boppeltem @inn: inbem fie fetber bie anert'annteften 25erül)mt* 
tjetten Italien« werben unb jugtetet» at« SMd)ter unb ©efd)id)t* 
fdjreiber mit 33ewußtfein über ben 9iul)m Slnberer üerfügen. 2lt« 
dunere« ©rjmbol biefer 5lrt üon 9tul)m gilt befonber« bie Poeten* 
frönung, üon welcher weiter bie SRebe fein wirb. 

(Sin ^eitgenoffe £)ante'«, SItbertinu« äftufattu« ober 3J}uffa* 
tu«, ju Pabua öon Söifdjof unb SRector at« 5Did)ter gefrönt, gc* 
noß bereit« einen SKuljm, ber an bie Vergötterung fireiftc; jäfyilicf) 

um ber SBelt nüfcltd) ju fein, fonbern auefj : ut palmam tanti bravii pri- 
mus in meam gloriam adipiscar. 

1) Convito, ed. Venezia 1529, fol. 5 unb 6. 

2) Paradiso VI, 112, s. 

3) 3. 33.: Inferno VI, 89. XIII, 53. XVI, 85. XXXI, 127. 

*) Purgatorio V, 70. 87. 133. VI, 26. VIII, 71. XI, 31. XIII, 147. 

5 ) Purgatorio XI, 79—117. Slufjer gloria finben fid) fjier öetfammen: 
Grido, fama, rumore, nominanza, onore, lauter Umfd)reibungen berfelben 
©aä)e. — Boccaccio bid)tete, roie er in bem 33rief an Sof). ^iginga (Opere 
volgari, Vol. XVI.) gefteljt, perpetuandi nominis desiderio. 



©ntnucflung beä SnbünbuumS. 



115 



am Seifjnadjtgtage famen SDoctoren unb ©polaren betbcr 6oI» 2. gibfdmht. 
legten ber ttniberjttät in feierlichem Sluf^ug mit ^ofauneu unb, 
fc^eint es, mit brennenben ^craett bor fein £auS, um il)n ju be* 
grüben l ) unb 31t befdjenfen. £)ie $errttd&fett bauerte, bis er (1318) 
bei bem regierenben Traunen au3 bem £>aufe (Sarrara in Un* 
gnabe fiel. 

3n öoüen ,3ügen geniest aud) Petrarca ben neuen, früfjer wmta. 
nur für Reiben unb fettige öor^anbeuen 2Beif)raud) unb über* 
rebet fid) fogar in feinen fpdtcrn Sauren, ba§ ifnn berfetbe ein 
nichtiger unb lafttger «egteiter fdjetne. ©ein «rief „an bie 9?aa> 
„weit" 2 ) ift bie 9?edjenfd)aft be§ alten, t)od)berüf)mten Cannes, 
ber bie öffentliche Neugier aufrieben fteüen muß; bei ber 9cad)Wel"t 
möchte er ruorjl gfctljm genießen, bei ben^eitgenoffen aber fid) Heber 
benfelben verbitten 3 ); in feinen Dialogen öon ©lud unb ünglücf 4 ) 
£)at bei ^Intafe beö 9fuf)me8 ber ©egenrebner, melier beffen 9?ia> 
tigfeit beweift, ben [tärfem 2lccent für fid). ©oU man es aber 
ftrenge netjmen, wenn e* Petrarca nod) immer freut, baß ber 
patäologifdje Slutofrator bon «l^ana 5 ) itjn burd) feine ©Triften 
fo genau fennt wie taifer Sari IV. ifm fennt? £)enn in ber 
Xfyat ging fein SRuf fd)on bei gevettert über Starten hinaus. 
Unb empfanb er nidjt eine gerechte Führung, als tfjn bei einem 
Sefud) in feiner £etmatl) %xq%o bie ftreunbe ju feinem ©eburts* 
tjauS führten unb tym meibeten, bie ©tabt forge bafür, ba§ ntdjt« 
baran oeränbert werben bürfe! 6 ) grüner feierte unb conferbirte 
man bie Segnungen einzelner großer ^eiligen, wie 3. 23. bie 



*) Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. Thesaur. VI, III, 
Col. 260). Db cereis, muneribus ober etmct certis muneribus lefen, 
laffe id£) baf)tngefteHt. 

2 ) Epistola de origine et vita etc.. am ©ingang ber Opera: „Franc. 
Petrarca Posteritati salutem". ©emiffe neuere Gabler non $.'3 ©itelfeit 
mürben an feiner ©teile fri)merliä) fo otele ©üte unb Dffentjeit behalten 
tjaben mie er. 

3 ) Opera, p. 177: de celebritate nominis importuna. 

4 ) De remediis utriusque fortunae, passim. 

5 ) Epist. seniles III, 5. ©inen SJiafjftab oon 5ßetrarca'§ 9iuf)m gibt 
%. 33. 33lonbu§ (Italia illustrata, p. 416) r)unbert $af)re nachher, burd; feine 
58erfid)erung, baft auct) faum ein ©elefjrter mefyr etroaä non ftönig Robert 
bem ©uten nmfcte, menn Petrarca feiner nictjt fo oft unb freunblia) ge= 
bad^t blatte. 

6) Epist. seniles XIII, 3. p. 918. 



8* 



116 



©ntitncftimg be§ Snbitnbuumä. 



2. SIBfcfmttt. 3eüe be§ @. Stljoma« oon Slquino bei ben Dominicanern in 
Neapel, bie «ßorttuncula beg @. $ranci§cuö bei Stffifij I)öd)ften3 
genoffen nod) einzelne große 9?ed)t§gelef)rte jenes fjatbmtytljtfdje 
2Infel)en, welc&eS jit biefer (Sfyrc führte; fo benannte ba§ 25ofi 
nod) gegen (Snbe be§ XIV. 3af)rl)unbert3 jn 23agnolo unweit 
fflorenj ein alte« ©ebäubc at« „@tubio" be$ 2lccurfiu§ (geb. 
nm 1150), liefe aber bodj gefd&efyen, ba§ e§ jerftört würbe 1 ). 
5ß3a()rfd)etnüc^ frappirten bie l)obm einnahmen unb bie poütifcfjen 
93erbinbungen einzelner fünften (ate (Sonfulenten unb ©ebne* 
tionenfdjreiber) bie (SinbilbungSlraft ber £eute auf lange IjhtauS. 
Gttttus'to ^um SuItuS ber ®eburt«l)aufer gebort ber ber (Gräber be* 
® riiber ' rül)tnter &ute 2 ); für Petrarca fommt aud) nod) ber Ort, wo er 
geftorben, überhaupt fun^u, inbem 3lrquato feinem ^nbenfen ju 
(Sfjren ein 8ieolmg«*2lufcnrt)alt ber ^abuaner unb mit sterlidjcn 
Söofmgcbäuben gefdjmüctt würbe 3 ) — $u einer 3eit, ba e« im 
Horben nod) lange !einc „claffifc^en ©teilen'' fonbern nur SBaH* 
fahrten ju Silbern unb Reliquien gab. @§ würbe (£l)renfad)e 
für bie ©täbte, bie ©ebetne eigner unb frember ßelebritäten ju 
befi^en, unb man erftaunt ju fetjen, wie emfttid) bie Florentiner 
fdjon im XIV. Satjrfjmtbert — lange oor @. Sroce — tfjren 
£)om pm Pantheon ju ergeben ftrebten. Slccorfo, ©ante, ^e* 
trarca, Boccaccio unb ber (Jurtft Banobi betta ©traba follten 
bort $rad)tgräber ermatten 4 )- ^od) fpät im XV. 3al)rf)unbert 
oerwanbte fid) ßorenso magnifico in ^erfort bei ben @poletinern, 
bafe fie ifmtbie £eid)e bc« Malers gra ftilippo Sippi für ^ ben 
£)om abtreten möchten, unb erhielt bie Antwort: fie Ratten über* 
fjaupt leinen Ueberflufc an £ierben, befonberS nid)t an berühmten 
beuten, we§l)alb er fie berfdjonett möge; in ber STrjat mußte man 
fidf) mit einem $enotapf)ium begnügen. Unb aud) ©ante blieb 
tro£ allen 23erwenbungen, ju welchen febon Boccaccio mit empfya* 
tifd)er «itterfeit bie 33aterftabt aufftacfjelte 5 ), riu)ig bei @. $ran* 



» i) Filippo Villani, Vite, p. 19. 

2 ) 23eibe§ beifatrnnen in ber ©rafcfdjvtft auf Boccaccio: Nacqui in 
Firenze al Pozzo Toscanelli; Di fuor sepolto a Certaldo giaccio, etc. 
— 58gl. Opere volgari di Bocc. vol. XVI, p. 44. 

3 ) Mich. Savonarola, de laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 
1157. 

4 ) ®er ntotimrte @t actis &efrJ)luf3 von 1396 bei Grave, Carteggio, I, 
p. 123. 

5 ) Boccaccio, Vita di Dante, p. 39. 



(Sntuucftung be3 Snbiüibuumö. 



117 



ceSco in SRauenna fcfjlafen, „jrDifdjen uralten ®atfergräbern nnb 2. mmnitt. 

„^peiligengrüfteu, in ehrenvollerer ©efeUfdjaft als bu, 0 ^eimatrj 

„ihm bieten fb'mtteft". @6 fam fdjon bamalS öor, baf$ ein raun* 

Iid)er SD^enfcr) ungcftraft bie Sinter oom SXttar be§ (SrucifijreS lüeg-- 

nal)m unb fic an ba§ ®rab (teilte mit ben Sorten: üJHmm fie, 

bu bift trjrer toürbiger als 3ener — ber ©efreusigte 1 ). 

üftunmehr gebenfen aud) bie italientfd)en @täbte nneber ihrer »erfiemte 
Mitbürger unb (Stmuofyner aus bem Sllterthum. Neapel fyatte wmrmut 
üietteic^t fein ®rab Virgil's nie ganj tiergeffen, fdjon weit fid) ein 
halbmt)tl)ifd)cr begriff an ben Tanten gefnüpft ^atte. ^ßabua 
glaubte oollenbs noch im XVI. S'aljrfyunbert nicht nur bie eckten 
Gebeine feineö tro|anifa)en ©rünberS SIntenor, fonbern aud) bie 
beS £ituS 8it>iuS ju befißen 2 ). „(Sulmona, fagt Boccaccio 3 ), 
„flagt, bajj Ooib fern in ber Verbannung begraben fei, Marina 
„freut fid), ba§ SaffiuS in feinen SJJauern fd)ütmmere". £)ie 
äftantuaner prägten im XIV. -3al)rE)unbert eine äftün^e mit bem 
■SBruftbilb VtrgU'S unb [teilten eine ©tatue auf, bie Um öorftellen 
füllte; aus mittelalterlichem Oun!erl)od)mutl) 4 ) lieft fie ber Vor* 
munb beS bamaügcn ©onjaga, (Sarlo äftalatefta, 1392 umführen 
unb muftte fie, toetl ber 9?ul)m beS alten £)id)terS ftdrfer roar, 
roieber aufrid)ten laffen. Vielleicht geigte man fcf)on bamals jroei 
Sfttglien oon ber ©tabt bie ©rotte, roo einft Virgil mebitirt haben 
follte, 5 ) gerabe roie bei Neapel bie ©cuola bi Virgilio. (Eomo 
eignete fid) bie beiben ^liniuö 31t 6 ) unb oerherrlid)te fie gegen 
(Snbe beS XV. -Satyr ljunb er t3 burd) fi^enbe Statuen in jterlidjen 
SBalbadjhten an ber Vorbereite feines 'Domes. 

2lud) bie ®efa^icf)tfd)reibung unb bie neugeborene Topographie ©er etui^m in 
richten fid) fortan barauf ein, feinen einl)eimifd)en SRuhm mel)r bet S(|lctt *' 
unoergeichnet ju laffen, rodhrenb bie norbifd)en Shronüen nur 



!) Franco Sacchetti, Nov. 121. 

2 ) ©rftere in bem Mannten ©arfopfjag bei <S. Sorenjo, Ie|tere am 
^Ma^o bella ragtone über einer %f)üv. £)a§ -Jtäfjere über beren 2luf; 
finbung 1413 f. bei Misson, Voyage en Italie, vol. I. 

3 ) Vita di Dante, 1. c. SBie bie £eid)e beä ©affiuä nacf) ber <3cf)Iad£)t 
bei ^fjilippi roieber nad) 5ßarma gelangt fein mag? 

4 ) Nobilitatis fastu, unb groar sub obtentu religionis, fagt 5ßiu£> II. 
(Comment. X, p. 473). ®ie neue ©attung dou 9tuf)m mufjte rootjt Dielen 
Seuten unbequem erfdf»einen, bie an StnbereS geroöfjnt roaren. 

5 ) Sögt. Äenjter'3 9teuefte Steifen, p. 1016. 

6) 2)er ältere roar befanntlid) von Verona. 



118 



©ntrtHcfhmg beä ^ttfrifibuumS. 



2. Mbfdntitt . erft i)te itnb ba jtutfc^cn Zapften, Satfern, Gsrbbeben unb Kometen 
bie SBemerfung machen, ju btefer £>tit habe aud) btefer ober jener 
berühmte äftann „geblüht". SBBtc fid) eine auöge^etcrjrtete 33io* 
graphtf, mefenttid) unter ber §errfdjaft be§ töuljmes* begriff e«, 
entmicMte, wirb bei einem anbern Slnlafj ja betrachten fein ; l)ier 
befdjränfen mir uns auf ben OrtSpatrtotiSmuS be§ Topographen, 
ber bie SRuljmeSanfprfidje feiner ©tobt bezeichnet. 

3m SÄtttctattcr waren bie Stäbte fto^ gewefen auf tf>re 
Zeitigen unb beren Seiten unb Reliquien in ben Sirchen 1 ). £)a* 
q3abuaunb mit beginnt aud) nod) ber Ißanegbrtft bon $abua um 1450, 

w. ©at)onarota. m ^ de ©abonarota 2 ) feine 2lufaät)(ung ; bann aber geht er über 
auf „berühmte Banner, roefctje feine ^eiligen gemefen ftnb, jebod) 
„burdj ausgezeichneten ©eift unb fjolje Sraft (virtus) berbient 
,, haben, ben Zeitigen angefd)toffen ju werben (adnecti)" — ganj 
wie im Slftcrtljum ber berühmte Wann an ben §ero8 angrenzt 3 ). 
5Dte wettere 5tufjat)tung ift für jene gzit be^eidjnenb im fjödjftcn 
©rabe. 3uerft folgen Slntcnor, ber trüber beS ^ßriamuS, ber 
mit einer «Schaar poriger Troer ^abua gegrünbet; Sönig £)ar* 
banus, ber ben Sittita in ben euganetfdjen bergen befiegte, ihn 
weiter berfotgte unb 31t SHtmini mit einem @d)ad)brett tobtfdjtug; 
Saifer Heinrich IV., ber ben £)om erbaut hat; ein Sönig Wav* 
segent>e unö cuS, beffen $aupt tu 2Jionfetice aufbewahrt wirb; — bann ein 
@efd,id)te. ^ aar g arbinä ( e unb sp r ä(aten ats Stifter bon «ßfrünben, Sotfegien 
unb Sirchen; ber berühmte Theologe $ra sfl&erto, ber Stuguftiner, 
eine 9?eihe oon Sßt)ttofopf)en mit *ßaoto 33erteto unb bem weit* 
befannten *ßietro bon Stbano beginnenb ; ber 3urift ^ßaoto ^ßabo* 
bano; fobann StbittS unb bie £)idjter Petrarca, Sftuffato, Sobato. 
SBenn an Sricg§*@etebritäten einiger fanget %n berfpüren, fo 
tröftet fid) ber Stutor mit bem Gsrfafc oon gelehrter Seite unb 
mit ber großem SDauetfjafttgfett beS geiftigen Ruhmes, wdhrenb 
ber SriegSruhm oft mit bem Cetbe begraben werbe unb, wenn er 
bauere, biejj bod) nur ben ©ete^rten öerbanfe. immerhin aber 



!) ©o »erfjftlt e§ fid) aud) niefcnilidEj nod) in ber merfrcürbigen ©d)rift : 
De laudibus Papiae (bei Murat X.) auä bem XIV. 3<*^fM wiet munt= 
cipaler ©tolg aber nod) fein fpecieller 3iuf)m. 

2) De laudibus Patavii, 6ei Murat. XXIV, Col. 1151, ff. 

3 ) Nam et veteres nostri tales aut divos aut aeterna memoria 
dignos non immerito praedicabant. Quutn virtus summa sanetitatis sit 
consocia et pari emantur pretio. 



©tttitucHung beö SnbiüibuumS. 



119 



geretd^e es ber (Statt jur (Sfyre, bafc tüenigftenS berühmte aus* 2. TO» ««*» 
martige Krieger auf eigenes SSegefjren in iljr begraben tagen : fo 
^ßictro be SRofjt bon ^arma, $iüppo Ivcetti bon $iacen$a, befott* 
ber« ©attametata bon 9iarm (ft. 1442), beffett efyerneS 9?eiterbitb 
„gteicf) einem trittmpfyirenben Säfar" bereits bei ber ®irtf)e beö 
(Santo aufgerichtet ftanb. £)ann nennt ber SSerfaff er ©paaren 
bon 3uriften unb S^ebictnern, Slbetige, ttjetaje nid)t bloß tüte fo 
biete „bie föttterrottrbe empfangen fonbern fie aud) berbtent Ratten", 
enbttct) berühmte Sftedjanifer, SDhter unb Stontünfiter. £)en 23e* 
ftfjtuß macf)t ein geajtmeifter Oftidjete SRoffo, roetdjer at§ ber be* 
rül)tntefte feines $ad)e3 an bieten Orten gematt ju fet)en tuar. 

Dieben fotcfjcn tocaten $M)me3t)aC(en, bei bereu SluSftattuug 
3J?Wtl)u§, £egenbe, titerarifaj fjerborgebracfyte Renommee unb popu* *«»t$«n- 
läreS (Srftaunen sufammenrairf en , bauen bie "^oeten-^itotogen 
an einem attgemeinen ^ant^eon bes SöettrutjmS ; fie fcfyretben 
©ammetmerfe : bon berühmten Bannern, bon berühmten grauen, 
oft in unmittelbarer Ibtjangigfeit bon Sorn. 9?epo§, ^feubo* 
©ueton, $ateriu8 3ftarjmu8, ^tutarcf) (Mulierum virtutes), 
£)ieront)mu$ (de viris illustribus) u. f. tu. Ober fie bieten 
bon bifionaren £riump!)$ügen unb ibeaten, olpmpifdjen 23erfamm* 
hingen, roie Petrarca namenttid) in feinem £rionfo bella fama, 
•Boccaccio in feiner 5tmorofa bifione, mit tjunberten bon Tanten, 
roobon minbeftenö bret 3Siertl)eite bem 2tttertb,um, bte übrigen bem 
SRittetatter angehören 1 )- Slttntäüg wirb biefer neuere, retatib 



3" ben casus virorum illustrium be3 SBoccaccio gehört nur ba§ 
le^te, neunte 33ud) ber nadjanttten Qeit an. ©benfo nod) tuet fpäter in 
ben Commentarii urbani be§ 3tapf). SoIaterranuS nur ba3 21fte 23ud), 
roetdjeS ba§ neunte ber 3lntf)ropoIogie ift ; ^apfte unb Äaifer beljanbelt er 
im 22. unb 23. Sud) befonberä. — $jn i>em SBerte „de claris mulieribus" 
beä 2tuguftinerS 3a co &u3 Sergomenfiä (um 1500), »gl. ©. 105, 2lrttn„ 
überwiegt ba§ SHtertljum unb nod) mefjr bte Segenbe, bann folgen aber 
einige mert^oolte 33iograpf)ien üon Italienerinnen. Sei ©carbeoniu§ (de 
urb. Patav. antiq.. Graev. thesaur, VI, III, Col. 405, s.) werben lauter 
berühmte ^abuanerinnen aufgejagt : Buerft eine Segenbe ober eine (Sage 
au§ ber 33ölterraanberung ; bann Ieibenfd)aftlid)e Sragöbien au<3 ben $artet= 
Jämpfen be3 XIII. unb XIV. 3 a ^ r ^; herauf anbere tu^ne §etbenroeiber; 
bie Ktofterfttfterin , bie potitifd)e Siattjgeberin , bte 2Ierjtin, bte Butter 
tneler unb ausgezeichneter <3öt)ne, bie gelehrte $rau, baS S3auermabd)en, 
bas> für feine Unfdjulb ftirbt, enblid) bie fdjöne f)od)gebilbete grau be§ 
XVI. Saf)rf)., auf we(d)e gebermann @ebid)te mad)t; jum ©djlufj bie 
2)id)tertn unb üftooeKifttn. ©in gafjrljunbert fpäter märe ju att biefen be= 



i 



120 



©nturicflung be3 Snbioibuumä. 



a. »»fcbnitt. moberne Söeftanbttjeit mit größerem SWadjbrwf beljanbcft; bie ©e* 
ftf)td^tfd^reiber legen ßfyaracteriftifen in ifjre SBerte ein, imb e$ 
entfteljcn Sammtungen tton Biographien berühmter 3<ütgenoffen, 
roie bie öon güippo 23ilani, 23eßpaftano giorentino unb Barto* 
lommeo gacio 1 ), julefct bie üon ^aoto ©ioöio. 
5Der 9iut)m im £)er Horben aber befaß, bis Statten auf feine Tutoren (3. 
«orten. sg au | £ r itljemiit§) einwirfte, nur Segenben ber Zeitigen unb 
üercinjefte ®efd)idjten unb Betreibungen öon dürften unb (Seift* 
liefen, bie ftd) nodj beutüct) an bie Segenbe anlehnen unb 00m 
ftiuljm, b. f). Don ber perföntid) errungenen ^otorietät roefentlidj 
unabhängig finb. £er £>td)temü)m befcfjränft fid) nod) auf be= 
fttmmte ©tänbe unb bie s J?amen ber tünftler erfahren mir im 
Horben faft ausfdjüejsüd) nur, infofern fie al§ $anbtoerfer unb 
^unftmenfdjen auftreten. 
du siteratur ais '£er ^oet* s 13l)ilolog in Otaüen l)at aber, raie bemerft, aud) 
?m«ti,eiiertn sc« ^ on fc a g ftärffte BetuufHfeht baöon, baß er ber SluStljeiter beö 
$Rut)me§, ja ber Unfterbttdjfeit fei; unb ebenfo ber 23ergeffenl)ett 2 ). 
©djon Boccaccio ftagt über eine tion iljm gefeierte ©d)öne, tuetdje 
fyartfjerjig blieb, um immer meiter öon ifjm befungen unb baburd) 
berühmt 31t werben, unb oerbeutet ifjr, er motte c« fortan mit 
bem STabet berfudjen 3 ). ©annajaro brotjt bem oor (Sari VIII. 
feig geflogenen Sllfonfo bon Neapel in groei prdd)tigen ©onetten 
mit ewiger DbScuritat 4 ). Slngelo ^oli^iano maf)nt (1491) ben 
tönig Ooljann üon Portugal 5 ) in Betreff ber (Sntbecfungen in 
Stfrica ernftlid) baran, bei Reiten für töufjm unb Unfterblidjfeit 
ju forgeu unb iljm bas Material , f #xm @tt)üfiren" (operosius 
excolenda) nad) gforenj ju überfenben; fünft modjte e& it)m 
ergeben wie alt Oenen, bereu Saaten, non ber §ülfe ber ®etet)rten 



rühmten patar>inifcf)en grauen noef) bie ^rofefforin ^tnjugefotnmen. — 
Sie Berühmten grauen beö Kaufes @fte, Bei Strtofto, DrL XIII. 

*) Sie viri. illustres be£ 23. gacm§, fjerau^g. non Wcv)u§, eirte§ ber 
rcicf)tigften SBerfe btefer 3(rt auS bem XV. 3aß,rf)unbert, IjaBe idEj leiber 
nie ju fefjen BeJommen. 

2 ) <Scf)on ein Iateinifd)er ©anger be3 XII. %af)xf). — ein fatyrenber 
©djolar, ber mit feinem Sieb um ein Äleib Bettelt — broljt bamit. ©. 
Cariuiua Burana, p. 76. 

3 ) Boccaccio, Opere volgari, Vol. XVI, im 13. ©onett: Pallido, 
vinto etc. 

4 ) U. a. Bei Eoscoe, Leone X, ed Bossi IV, p. 203. 
-') Angeli Politiani epp. Lib. X. 



©ntrotcflung beä QnbtntbuumS. 



121 



entblößt, „im großen ©djitttfjaufen menfd)lidjer ®ebredf)flcfjfeit Der* 2. mmnitt. 

„borgen liegen bleiben", ©er ®önig (ober bod) fein humamftifd) 

gefinnter Hantier) ging barauf ein unb bcrfpradj wenigftenS, e$ 

fottten bie bereite portugififd) abgefaßten Slnnaten über bie afrU 

canifdjen Dinge in itaüenifctjcr Ueberfefcung nad) gforen$ jur 

lateinifdjen Bearbeitung oerabfolgt werben; cb bteß wtrfttd) ge* 

fchal), ift nid)t berannt. @o ganj feer, rote bergteidjen Prätentionen 

auf ben erften Bticf fd)einen, finb fie feineSwegS; bie 9?ebactton, 

in welker bie ®ad)en (aud) bie widjtigften) bor %Rit> unb Wady 

toett treten, ift nid)tö weniger als gleichgültig. Die ttalieuifdjen 

£mmaniften mit if)rer DarftellungSweife unb i(jrem Satein haben 

lange genug bie abenblänbifd)e Seferuelt wirflid) bel)errfd)t, unb 

aud) bie italienifd)en Dichter finb bis ins borige Oafyrijunbert 

weiter in allen Spänben hcrumgefommen als bie irgenb einer Nation. 

Der STaufname be§ 2lmerigo SßeSbucci bon $loreng würbe feiner 

SMfebefdjreibung wegen jum tarnen be§ bierten SBetttheilS, unb 

wenn $aoto ©tobio mit all feiner glüdjttgfeit unb eleganten 

Sßillfür fid) bennodj bie Unfterblid)Mt berfprad) 1 ), fo ift er babei 

nicht ganj fehlgegangen. 

9ccben fotdjen Stnftalten ben SKuhm äußerlich 311 garantiren, un&et>in 8 te 
wirb l)ie unb ba ein Vorhang I)inweg gebogen, unb wir flauen Mu ^ 1nfu * t - 
ben coloffalften ©tjrgei^ unb Dürft nad) ®röße, unabhängig bon 
©egenftanb unb (Srfotg, in erfd)rec!enb wahrem SluSbrucf. @o 
in üDcacdjiabelfS SSorrebe ju feinen florentinifdjen ©efchichten, wo 
er feine Vorgänger (Sionarbo Slretino, Sßoggio) tabelt wegen beS 
a%trüdfid)t§yotien Schweigend in Betreff ber fiäbtifdjen Partei* 
ungen. „Sie haben fid) fefjr geirrt unb bewiefen, baß fie ben 
„©h r 9 e ^ ber SDienfchen unb bie Begier nad) gortbauer beS 9?a* 
„men§ wenig fannten. 2öte 2ftanchc, bie fid) burd) £öblid)e§ nid)t 
„auszeichnen fonnten, ftrebten banach burd) @d)mählid)eS! 3ene 
„©chriftftetter erwogen nicht, baß £)anblungen, welche ©röße an 
„fich h a &cn, wie bieß bei ben ^anbtungen bei* Regenten unb 
„(Staaten ber galt ift, immer mehr 9M)m als £abel $u bringen 
„fd)eiuen, welcher 2lrt fie aud) feien unb welches ber fegang 
„fein möge 2 )." Bei mehr als einem auffallenben unb fchrecftid)eu 



i) Paul. Jov. de romanis piseibus, Praefatio (1525): Sie erfte 
SDecctbe feiner £>tftorien werbe nädEjfteng J)erauö!ommen non sine aliqua 
spe immortalitatis. 

-) filiert ug(. SHScorfi I. 27. Sie tristizia, SSerbredEjen, tann gran- 



122 



(Sntnncftung be3 Stt^^ibttumä. 



2. mm mtt. Unternehmen tötrb bon befonnenen ©efdjidjtfdjreibern als Seraeg- 
grunb ba§ brennenbe Verlangen nact) etraa§ ®roj$em unb £)enf* 
33a§ roürbigem angegeben. Spier offenbart fiel) nidjt eine Mofje 2luS* 

*ewiitatii*c. artun g 5 er g em einen Qsitelfett, foubern etroaS tt)irKtd) £)ämonifd)eg, 
b. Ij. Unfreiheit be§ (Stttfdjütffe«, öcrbitrtben mit 2lmr>enbung ber 
äufterften ÜJMttel nnb ©teidjgüitigfeit gegen ben ©rfotg als fotdjen. 
ü0iaca)iaöell felber faßt 3. $8. ben @()aracter be§ Stefano ^ßorcari 
(S. 83) fo auf 1 ) ; bon ben üßörbcrtt be§ ®aleaj$o SJiaria 
Sforza (S. 45) fagen ungefähr baffelbe bie 2tctenftücf e ; bie (5r* 
morbung be§ ^er^ogS 2lleffanbro bon ^lorenj (1537) fdjreibt felbft 
$ard)i (im V. 33ud)) ber 9M)mfud)t be§ £[)äter§ Soren^no WU> 
bici (©. 47) ju. üftod) Ute! fdjärfer hebt aber ^ßaolo ®iot>io 3 ) 
biefeS üftotio ijeroor; Corenjino, roegen ber SBerftümmelung anttfer 
«Statuen in 9?om burd) ein *ßampljlet be§ 9ÄoIja an ben Oranger 
geftettt, brütet über einer Stljat, beren „Neuheit" jene Sdjmad) in 
2Sergeffenl)ett bringen fottte, unb ermorbet feinen SScrtoattbtcn unb 
dürften. — (£8 finb cd)te $üge °' e f er 3^* ^)°^ aufgeregter, aber 
bereite ber^tneifelnber Gräfte unb 8eibenfd)aften, ganj wie einft bie 
35ranbfttftung im Tempel tton @pl)efu8 jur 3eit be8 Wtipp bon 
SJfacebonien. 



£)a8 (Sorrectio nietjt nur be8 Ruhmes unb ber mobernen 
Ruhmbegier, fonbern beS t)öf>er eutraictelten 3nbit>ibuaü8mu8 über* 
tjaupt ift ber moberne Spott unb £)ot)U, womöglich in ber fieg* 
retdjen ftorm be8 2öi£e8. Sir erfahren aus bem Mittelalter, 
roie feinbüc^e £eere, tierfetnbete dürften unb ®roße einanber mit 
fumbolifaiem £whn auf ba8 Steufterfte reisen, ober tote ber unter* 
iegene Zfytil mit] pd)fter ftimboüfdjer Sdmiad) befaben wirb, 
©aneben beginnt in tf)eotogiftt)en Streitigfeiten fdjon Ijte unb ba, 
unter bem @inftu§ anttfer föfjetorif unb (Spiftotographie, ber 2Bi£ 
eine Söaffc ju werben unb bie proüenjaltfdjc ^ßoefie enttüttf ett eine 
eigene (Sattung Don £ro^* unb ^ohnüebern; aud) ben ÜDIinne* 
fingern fehlt gelegentlich biefer Zon nicht, wie ii)re politifdjen 



dezza fjaben unb in alcuna parte generosa fein; bie grandezza Icmn 
üon einer %f)at jebe infamia entfernen; ber 9ftenfcf> fann onorevolmente 
tristo fein, im ©egenfa| jum perfettamente buono. 

*) Storie fiorentine, L. VI. 

2) Paul. Jov. Elogia, Bei 2tnla£ be§ Marius 3JloIfa. 



©ntroicflung be3 SnbtoibuumS. 



123 



(Sebidhte geigen 1 ). 2lber ein felbftdnbige§ (Clement beS 8ebenS 2. mmnitt. 
f onnte ber 2Bi£ bod) erft werben als fein regelmäßiges Opfer, $« ©»>ott unt> 
baS auSgebilbete Snbtbtbuum mit pcrfönlid&cn 2lnfprüd)en, bor* 6flS *» mimm 
t)anben mar. ©a befdt)ränft er ftdj oucö bei Seirem ntdjt met)r 
auf äöort unb ©djrtft, fonbern wirb tljatfäajfidj : er fpielt hoffen 
unb berübt @treid)e, bie Sogenannten burle unb beffe, meiere 
einen Hauptinhalt mehrerer ^obellenfammlungen ausmachen. 

©ie „Rimbert alten Sonetten", roeldje nod) ju (Snbe beS 
XIII. 3afjrf)imbert$ entftanben fein müffen, tjaben nod) ntdjt ben 
äGBifc, ben @ofm be§ (Eontrafteg, unb nod) nid)t bie 33urla gum 
3nt)alt 2 ); il)r 3 rae ^ ift nur, toeife 9?eben unb finnbotle ©e* 
fdjtdjten unb gabeln in einfad) fd)5nem lusbrucf unebequgeben. 
Söettn aber irgenb etroaS baS f)ot)e Sitter ber (Sammlung betoeift, 
fo ift e8 biefer üftanget an §of)tt. ©enn gleid) mit bem XIV. 
3a()rf)unbert folgt ©ante, ber im StuSbrucf ber Verachtung alle 
©tdjter ber 2Belt weit hinter fid) läßt unb 5. 35. (djon allein 
megen jenes großen E)öCCtf ctjett ©enrebitbeS bon ben Betrügern 3 ) 
ber l)öd)fte SD^eifter coloffater Somif heißen muß. Wxt Petrarca 
beginnen 4 ) fc^on bie SÖifefammtungen nach bem 23orbilbe beS 
^lutard) (2lpopf)thegmata, ic). 2öaS bann roäljrenb beS genannten Der floren« 
Sahrljunberts fief) in gtorenj bon £>ofm auffammelte, babon giebt Hntf * e m *' 
Sxanco ©aedjetti in feinen Lobelien bie bejeidjnenbfte Slusroaljt. 
(SS finb metft feine eigentlichen ©efdjtdjten, fonbern Antworten, 
bie unter genüffen Umftänben gegeben werben, Ijorrible ^aibitäten, 
womit fid) ^albnarren, Hofnarren, @d)ätfe, ttebertidje Seiber 
auereben; baS Somtfdje liegt bann in bem fd)reienben ®egenfa£ 

2>a§ 9JUtteIalter ift reid) an fogenannten fatitifdjen ©ebtdjten, allein 
e§ ift nod) nidf)t inbünbueße fonbern faft lauter allgemeine , auf ©tanbe, 
Kategorien, 33eoölferungen 2c. gemünjte ©atire, roetd^e benn aud) leidet 
in ben lefjrtjaften %on übergebt. S3er altgemeine 9?ieberfd)lag biefer gangen 
Stiftung ift üorjüglid) bie $abel vom Heinde $ud)3 in alt ifjren 9te= 
bactionen bei ben nerfdjiebenen SSöHern be3 2lbenblanbe3. $ür bie franjb= 
ftfdje Siteratur biefe§ gioeigeä ift eine treffltd)e neuere Slrbeit uortjanben : 
Lenient, La satire en France au moyen-äge. 

2 ) Stuäna^m^roeife fommt aud) fd)on ein infolenter 2ßi| oor, Nov. 37. 

3 ) Inferno XXI. XXII. Sie einzige mögliche parallele roäre 2lri= 
ftopr)ane3. 

4 ) ©in fd)üd)terner Stnfang Opera p. 421 u. f., in Berum memo- 
randum libri IV. Stnbereä 3. 93, : p. 868, in Epp. senil. X, 2. S)er 
3Bortnu| fd)medt bisweilen nod) fet)r nad) feinem mittelalterlidjen 2tfi)I, 
bem Älofter. 



124 



©ntitncfUtmj be§ Sn^i»^" 11 »^- 



a. autfcfrnitt. biefer mafyren ober fdjeinbarcn 9^ait>ctdt gu ben fonftigett 23erl)äi"t* 
niffcn ber Sß5ett unb jur geroöfyniidjen ÜJttoralität; bie £)inge ftetjen 
auf bcm ®opf. Ute bittet ber ©arfteüung werben ju |)ütfe 
genommen, audj 5. 53. fdjon bte üftadjaijmimg beftimutter ober* 
italienifdjer ©talecte. £)ft tritt an bte ©teile be§ Söt^eö bte 
baare fredje ^nfoteng, ber plumpe betrug, bte 35ta§pl)emie unb 
bte Unftdtem; ein paar (Sonbottierenfpäße 1 ) gehören jum töofyeftett 
unb ^ööfeften, ma£ aufge$etd)net ifi. Oftandje 23urla i[t Ijodj* 
fontifd), manche aber aud) ein blojj oermeintüdjer ^Beweis ber 
perfönlidjen Ueberlegenfjeit, be$ StrtumpIjeS über einen Slnbern. 
SSte üiet man etnanber ju ©ute fyteft, wie oft ba$ ©djtadjtopfer 
burd) einen ©egenftreid) bie ßadjer roieber auf feine ©eite ju 
bringen fidj begnügten, Hüffen mir nidjt; e§ mar bod) öiete f>erj* 
tofe unb getfttofe ©ofifjeit babei, unb ba« ftorenttnifdje Seben mag 
()teburd) oft redjt unbequem geworben fein 2 ), bereits ift ber 
©pafjerfinber unb ©pafjer^äijter eine unoermeibtietje ^tgur ge= 
morben, unb e§ inufj barunter claffifdje gegeben fjaben, mett über* 
legen aüen bloßen Hofnarren, ruetdjen bie ßoncurrenj, bas med)* 
fclnbe publicum unb bag rafdje SSerftdnbntp ber ,3ut)örer (tauter 
ißorjüge be§ Slufentljaltea in ffioxmß abgingen, ©epatb reiften 
aud) einzelne Florentiner auf ©aftrotten nad) ben £t)rannent)öfen 
ber ßombarbie unb Sftomagna I)erum 3 ) unb fanben it)re 9?ed)nung 
babei, tuäljrenb fie in ber SSaterftabt, rao ber 3Bi£ auf alten 
©äffen tief, ntdjt toiet gemannen, ©er beffere £qpu3 btefer Seute 
ift ber be§ amüfanten Sftenfdjen (l'uomo piacevole), ber gerin* 
gere ift ber beö 33uffone unb beö gemeinen ©d)maro£er§, ber fidt) 
an §od)jeiten unb ©aftmafytern einftnbet mit beut 9?aifonnement: 
„memt td) nidjt eingraben morben bin, fo ift ba$ nidjt meine 
„©djtttb." £)a unb bort Reifen biefe einen jungen Sßerfdjiuenber 
aussaugen 4 ), im ©anjen aber merben fie a(3 ^Jarafiten befyanbett 
unb öerljötjnt, tuäfyrenb Ijöljer ftctjcnbe Sifcbotbc ftd) fürftengteid) 
bünfen unb tljreu 2öi£ für etmaö maljrljaft ©ottoeräneS Ratten, 
©oteibene, tuetdjen Haifer (Sari IV. gum „Söntg ber itattenifdjert 



J ) Nov. 40. 41; e§ ift 3iiboIfo ba ©amerino. 

2 ) £>ie befannte ^offe von Srutteltecico unb beut büfert §of3fä)ni|er, 
fo geiftreidf) e,rftmben, ifi bod) roor)t graufaut nennen. 

3) Ibid. Nov. 49. Unb botfj Ijatte man laut Nov. 67 ba3 ©efÜljl, bafc 
r)ie unb ba ein Siomagnole aud; bem fdjlimiuften Florentiner überlegen fei. 

4 ) Ang. Pandolüni, del governo della famiglia, p. 48. 



©ntnriiflung be§ S«biotbu«nt§. 



125 



©paßmadjer" erftärt fyatte, jagte itt Renata $u ifjm : „$|r 2« mw**** 
„roerbet bie SEBelt befiegen, ba 3f)r mein unb be§ Zapfte« $reunb 
„fetb; 3()r fämpft mit bem ©giriert, ber Stapft mit bem 23uflen* 
„fteget, idj mit ber «Bunge I 1 )" ®iefs ift fein bloßer ©ctyera, fon* 
bern eine SSora^nung ^tetro Stretino's. 

3Me beiben berüfymteften ©paßmadjer um bie äftitte be§ XV. sinctto un i> 
3af)rf)unbertS roaren ein Pfarrer in ber 9fcäf)c Hon g(oren$, Sir* 
totto, für ben feinern Sötfc (faeezie), unb ber ^offnarr üon $er= 
rara, ©onnefla, für bie iöuffonerten. @3 ift bebetttltdj, U)re ©e* 
fdC)ict)ten mit benjenigen be§ Pfaffen bon $ atenberg unb beg Stift 
@u(enfpiege( §u Dergleichen; testete finb eben auf gan$ anbere, 
t)albmmt)ifcl)e SBeife entftanben, fo baß ein ganzes S3ot£ baran 
mitgebicf)tet r)at r unb baß fie mefjr auf ba§ 2lügemeingü(ttge, M* 
t)erftänblicf)e f)inau§(aufen, mäfyrenb ^Crlotto unb ©onueüa fyifto« 
rifd) unb (ocat befannte unb bebingte ^erfönttdjfeiten roaren. 
2öill man aber einmal bie 3Sergleid)ung julaffen unb fie auf bie 
„©djiuänf'e" ber außeritattfd)en Hölter überhaupt augbefjnett, fo mirb 
eS ftcr) im ©anjen finben, baß ber „©djroanf, in ben franjöfifdjcn 
gabüau^ 2 ) toie bei ben £)cutfd)en, in erfter £inie auf einen SBortfycil 
ober ©enuß beredmet ift, tt)äf)renb ber 2Bi£ be§ 2trIotto,, bie hoffen 
be8©onneua ftd) gteicbfain ©elbföroecf, nämlic!) um be$ £riuntpf)e«, 
um ber @ati§faction mitten r>orF)anben finb. (£tft (Stttenfpiegel 
erfdjeütt bann roieber üU eine eigentrjümttdje Nuance, neimüdj 
a(§ ber perfoniftetrte, meift jiemüd) geifttofe @d)abernacf gegen 
befonbere «Stäube unb ©eraerbe.) ®er Hofnarr bes !paufe§ (§fte 
l)at ftd) mef)r aU einmal burtf) bittern |)orut unb au§gefutf)te 
^ad)e fd)ab!o§ gehalten 3 ). 

£>ie @pecie§ beö uomo piacevole unb be$ 33uffone £)aben 
bie greitjeit bon ^lorenj lange überbauert. Uuter §erjog (Eoftmo 
blühte ber iöarlacdjia, $u Anfang beS XVII.. Safyrfyunbertg ftran* 
ce3co SKugpoü unb (Studio äftartgnoüi. ©an$ merfinürbig jeigt 



J ) Franco Sacchetti, Nov. 156; »gl. Nov. 24. — ®ie facetiae be§ 
^5oggio finb bem Qn^alt nach mit ©acchetti nahe »erraanbt: burle, $n= 
folenjen, SJJifjoerftänbniffe einfacher 3ftenfcE)en gegenüber ber rafftnirten 
3ote, bann aber mefjr Sßortroi^e, bie ben Biologen cerrathen. — Heber 
S. 33. Stlberti cgi. @. 112. 

2 ) folgerichtig auch in benjenigen -ftooetten ber Staltener, beren S»= 
halt oon bort entlehnt ift. 

3) Saut Bandello IV, Nov. 2 tonnte ©onnelta aud) fein ©efitfjt in 
bie güge 2lnberer üerfteffen unb afte S)ialectc Italiens nachmachen. 



126 



©ntnüdlung beä ^nbiüibuumö. 



2. aibfdmitt. ficf) in 'ißapft Seo X. bie edjt f(orentiuifd)e33orttebe für ©pafemadjer. 
Die ©pä6c ©er auf bie feinften geiftigen ®enüffe geridjtcte imb baritt uner* 
scos x. jjjtßjjjg ffi X \t erträgt unb verlangt bodj an feiner STafct ein paar 
nri^ige 'ißoffenrcifjer unb fjrcfelünfttcr, barunter jnjei 9Jcönd)e unb 
ein Mppel 1 ); bei feftüdjen Reiten betjanbelte er fie mit gefuait 
antifein §ol)n aU '»ßarafiten, inbem i()nen 2lffen unb SRaben unter 
bem S(nfd)cin föfttidjer traten aufgefteßt mürben. Ueberfjaupt 
behielt ficf» Seo bie £mrle für eigenen (Sebraud) toor; namentlid) 
gehörte e§ §u feiner 2lrt öon ®etft, bie eigenen SiebüngSbefdjäfti* 
gungen — £)id)tung unb äßuftf — biäroeilen ironifd) ju befyan* 
beln, inbem er unb fein $actotum (Sarbinat 33ibiena bie (Sarica* 
turen berfelben beförberten 2 ). 33eibe fanben e§ nid)t unter üjrer 
Sßürbe einen guten alten ©ecretär mit alten Gräften fo tange ju 
bearbeiten, bi£ er fict) für einen großen äftufiftfyeoretifer fyiett. 
sBarabadc. £)en ^mprotiifator -öarabaüo uon ®aeta Ijefcte Seo burd) beftän* 
bige @d)tneid)efeien fo weit, bajj fid) berfelbe ernftüd) um bie ca* 
pitolinifdje SDidjterfrönung beiuarb ; am Sage ber mebtceifajen 
|>au§patrone @. Soöma« unb @. ©amian muffte er erft, mit 
Lorbeer unb Purpur auSftaffirt, baö päpfttid)e ©aftmaljl burd) 
Sftecitation erweitern unb, als SlCCeö am Werften mar, im batica* 
nifd)en $of ben golbgefdjtrrten (Stepfjanten befteigen, meld)en (Sma* 
nuet ber ©rofje üon Portugal nad) 9tom gefdjenft fjatte ; mäfyrenb 
beffen fat) ber "ißapft uon oben bura) fein Sorgnon 3 ) herunter. 
Ü5ad £f)ier aber mürbe fdjeu tiom £ärm ber Raufen unb £rom* 
peten unb t)om 23rat)orufen unb mar nidjt über bie (SngelSbrücfe 
ju bringen. 

du ^arotue. X)te 'ißarobie be§ $eieriidjen unb (Srrjabenen, meldje uns t)ter 
in ®efta(t eine« 2luf$ugeö entgegentritt, t»atte bamate bereite eine 
mädjtige «Stellung in ber "ißoefie eingenommen 4 ), gretfid) muffte 



Paul. Jovius, Vita Leonis X. 

2 ) Erat enim Bibiena mirus artifex hominibus aetate vel pro- 
fessione gravibus ad insaniara impellendis. üDian erinnert fid) babet an 
ben ©djerj, roeldien ©t)riftine von ©darneben mit ifjren Philologen trieb. 

3) ©aä Sorgnon entnehme tdj nidjt blo^ au§ 3iafael3 Porträt, n>o e§ 
efjer a!3 Soupe $ur Betrachtung ber Miniaturen bes> ©ebetbudjeä gebeutet 
teerben fann, fonbern au§ einer -Kotig be3 'peEtcanuS, roonad) £eo eine 
aufgieljenbe Sßroceffton von 2Jiönd)en burd) ein Specillum betrachtete, (ogl. 
güridjer XafdienbucI) auf 1858, ©. 177) unb au§ ber cristallus coneava, 
bie er laut ©tooio auf ber 3 a S^ brauchte. 

4 ) 2lud) in ber bilbenben Äunft fef)It fie nia)t ; man erinnere fiefj j. 33. 



©ntraitftung be§ ^n^ioibuum^. 



127 



fie fid) ein anberc§ Opfer fudjett, afö j. 23. 2triftopf)ane§ burfte, 2. wstutt» 
ba er bie großen Straflifcr in feiner (Somöbie auftreten ließ. Slber 
biefetbe 23ttbung§reife, weldje bei ben ©rieben $u einer beftimmten 
3ett bie ^arobie tjcröortrtcb, braute fie aud) I)ier pr Jölütlje. 
<Sdjon jn (£nbe be$ XIV. SafjrljunbertS werben im ©onctt pe* 
trarcfjifcfie CiebeSHagen unb anbereö ber SIrt burctj 9?ad)at)tnung 
ausgeteilt ; ja ba8 geterftdje ber Pier^efjnjctfigen gorm an fid) 
wirb burd) gefjeimtfjuenben Unfinn ocrfpottet. gerner tub bie gött* 
lidje Somöbic auf ba§ ftärlfte $ur 'parobirung ein, unb Sorenjo 
magntfico I)at im @tt)l be§ Onferno bie Ijcrrltdjfte ®onüf %u ent* 
wicfetn gewußt, (©impofio, ober: t 23eoni.) Cuigt Ißulci afjmt 
in feinem äßorgante beuttidj bie Omproöifatoren nad), unb über* 
bieß ift feine unb -SBojarbo'S ^oefic, fd)on infofern fie über bem ®e* 
genftanbe fdjwebt, ftcttenwetfe eine wenigftens fyatbbewußte ^ßarobie 
ber mittefaüertidjen 9?ttterbid)tung. ©er große ^ßarobift STcofito 
gotengo (blühte um 1520) greift bann ganj unmittelbar ^u. Unter 
bem tarnen Stmerno ^3itocco bietet er ben Orlanbino, wo ba$ 
9?itterwefen nur nod) aU Iädt)erltd)e 9fococoeinfaffung um eine 
ftütte moberner (Sinfäöe unb Öebenöbilber l)erum figurirt; unter 
bem tarnen 9J?ertinu§ (Soccajuö fdjtfbert er bie Staaten unb 
gatjrten feiner plmntafttfdjen £anbftreid)er, ebenfattö mit ftarfer 
tenbenjiöfer 3utljat, f)alb(ateinifd)en §ej:ametern, unter bem 
tomifdjen ©djeinapparat be§ bamaligen gelehrten <5po§. (DpuS 
Sttacaronicorum). (Seitbcm ift bie ^arobie auf bem italifdjen 
Parnaß immerfort, unb bisweilen waljrfyaft glan^oH, öertreten 
gewefen. 

3n ber 3^it ber mittlem £ö£)e ber 9?enaiffance wirb bann 
aud) ber Sit? tljeoretifd) jergliebert unb feine practifdje SInwen* m * ei - 
bung in ber feinern ©cfettfdjaft genauer fefigeftellt. £)er £f)eo* 
rettyifer ift ©ioPiano Romano ') ; in feiner @d)rift über baö SKeben, 
namenttid) im feierten 33ud), Perfudjt er burd) 2luaft)fe saJjtreidjer 

jene§ befannten <Sttd)e§, roeld)er bie SaocoonSgruppe in brei 2tffen überfe^t 
barftellt. 3lux ging bergleiajen feiten über eine flüchtige ^anbjeid^nung 
t)tnau£>; 9Kand)e§ mag aud) jernitfitei roorben fein. 2)ie ßaricatur ift 
roieber roefentlitt) etma§ 2lnbere3; Sionarbo in feinen ©rimaffen (2tmbro= 
fiana) ftellt ba§ Jpäfjlidfie bar, roenn unb raeit e3 lomifd) ifi, unb erI)öJ)t 
baBei btefen fomifdjen ©praeter nad) Seiteben. 

!) Jovian. Pontan. de Sermone, ©r conftatirt eine befonbere 33es 
gabung jum 3Bi£ aufjer bei ben Florentinern aud) bei ben ©ienefen unb 
^ßeruginern; ben fpanifdien §of fügt er bann nod) au3 §öflid)fett bei. 



128 



©ntnütffung be3 gnbimbttums. 



a. 9tbf<Snitt. einzelner Wifyt ober facetiae ju einem allgemeinen ^rincip burdj* 
gubringcn. 2ßte ber $Bi£ unter beuten tion ©taube 311 f)anb« 
fjaben fei, Iefn*t 33atbaffar (Saftigttone in feinem (Sortigiano J ). 
Sftatürtfd) l)anbett e§ ftcf) raefentüd) nur um Erweiterung britter ^ßer* 
fönen burd) 2Bieberer3äl)hmg non fomtfdjen unb grajiöfcn ®e- 
fcfjtdtjtctt unb Sorten; Por birecten Si^en wirb efyer gewarnt, in* 
bcm man bamit Unglucfüdje fränfe, 33erbred)ern ju biete (Sf)re 
antt)ue unb SD^äcfjtige unb burd) ®unft 23ertr>öf)nte jur 9?acf)e 
reije, unb aud) für ba§ SBiebererjäfjien wirb bem üDiann Pon 
©taube ein tt>cife§ SttaPaften in ber nadjafymenben £)ramatif, 
b. f). in beu ©rimaffcn, empfohlen. ®ann fotgt aber, nid)t btofs 
jum SSiebercr^äbtcn, fonbern at$ ^arabigma für fünftige 2Öi£* 
btfbner, eine reidje ©ammümg öon @ad)* unb 2öortun£cn, tue* 
tljobifd) nad) ©attungen georbnet, barunter oiete ganj üortreffüdje. 
SSiet ftrenger unb bef)utfamer tautet etwa jmei 3af)r,$efmbe fpäter 
bie ©octrin beö Oiotiamti bet£a Safa in feiner Slnraeifung jur 
guten SebcnSart 2 ); im pnbluf auf bie folgen Witt er au$ 2öi£en 
unb -SBurlc bie 2lbfid)t be$ £riumpt)iren§ toöüig Perbannt wiffen. 
@r ift ber ^erolb einer 9?caction, wetd)e eintreten mufjte. 

Die säftcnms. 3n oer ^) at lüar Statten eine 8äfterfd)ule geworben wie 
bie Seft feitbem feine jweite mefjr auf^uweifen gehabt fyat, felbft 
in bem granfreid) 23ottatre'3 nid)t. 2tm ©eift be$ S3erneinenö 
fefyfte e§ bem (entern unb feinen ©enoffen nidjt, aber roo fyätte 
man im Porigen 3af)rl)unbert bie gülle oon paffenben Opfern 
bcrnermten fotten, jene jabtfofen bodj unb eigenartig entwickelten 
2ttenfd)en, ßetebritäten jeber ©attung, (Staatsmänner, ®eifttid)e, 
©rfiuber unb Sntbecfer, Siteraten, ©id)ter unb $ün[tler, bie oben* 
brein itjre (Sigentl)ümüd)feit ofyue s Jiüdt)alt watten liefert? 3m 
XV. unb XVI. Safyrfmnbert erjftirte btefe |)eerfd)aar, unb neben 
ifyr fyatte bie allgemeine £3itbunged)öf)e ein furd)tbare# ®efd)Ied)t 
Pon geiftreicben £)i)nmäd)tigen, Pou geborenen Krittlern unb Säfte* 
rem groß gebogen, beren s Jieib feine £)efatomben üerlangte; baju 
fam aber nod) ber 9Zeib ber 23erüi)mten unter einanber. SCRit 
teuerem fyaben notorifd) bie ^bitotogen angefangen: gilelfo, 
^oggio, Sorenjo SSalla u. a., mäf)renb 3. 23. bie Ä'ünftter be$ 



!) II cortigiano, Lib. II. fol. 74, s. — Sie Verleitung beS SBi^e^ 
au§ bem ©ontraft, obrooljl nod) nidjt »öttig Hat, fol. 76. 
Sj Galateo del Casa, ed. Venez. 1789. p. 26, s. 48. 



©ntitücflung bes Snbimbuumä. 



129 



XV. 3at)rl)unbert§ nod) in faft öötttg friebttdjem Settftreit neben 2. womitt. 
einanber lebten, raobon bie ®unftgefd)id)te 2tct nehmen barf. 

©er große $iuf)meSmarft gforettj gef)t Sterin, rate gefagt, tu gforciij; 
aßen anbern ©täbten eine ,3eitlang üoran. „@d)arfc Sfogen unb 
bßfe 3""9en" i(t ba$ Signalement ber Florentiner 1 ). (£in ge* 
linber pofm über 2lfie« unb 3ebe§ mochte ber toorljerrfdjenbe 
2llltag«ton [ein. 3ftacd)iabelli, in bem l)öd)ft merfraürbigen Prolog 
feiner aftanbragola, leitet mit 9fed)t ober Unrecht tran ber allge* 
meinen 90?ebifance ba$ fid)tbare ©infen ber moralifdjen traft f)er, 
broljt übrigeng feinen 23erf'leinem bamit, baf} aud) er fidj auf 
Uebetreben öerftetje. SDann fommt ber päpftltdje $of, feit lange in mm, 
ein @teübid)ein ber allerfdjlimmften unb babet getftreiajften jungen. 
@cf)on ^oggio'g gacetiae finb ja au§ bem £ügenftübd)en (bugiale) 
ber apoftoliftf)en Schreiber battrt, unb raenn man erraägt, roeldje 
gro&e 3af)l üon enttaufcfjten ©tetlenjägern, oou fjoffnungsoolien 
Feinben unb (Soncurrenten ber 33egünftigten, üon JJeitbertretbern 
fittenlofer Prälaten beifammen raar, fo fann e§ nidjt auffallen, 
raenn 9?om für ba§ ratlbe $a§quilf raie für bie befdjaulidjere 
(Satire eine raat)re §etmatt) raurbe. D^ec^net man nod) gar ^ittjit 
raa§ ber allgemeine SBiberraille gegen bie fxi efter fycrrfdjaft unb 
raas bas befannte ^obel^cbürfnip, ben äJtödjttgen baö ©rä> 
licbfte anjubia^ten, beifügte, fo ergtebt ficf» eine unerhörte (Summe 
bon <§a)mad)2). SBer formte, fcbüfcte fid) bagegen am 3raect% 
mäfngften burd) 2$erad)tung, fomof)! raa§ bie roabren als raaS bie 
erlogenen «efdjulbigungen betraf, unb burd) glänaenben, fröt)lid)en 
Slufroanb 3 ). härtere ®emütl)er aber fonnten raot)l in eine 2frt 
bon «erjraetftung fallen, raenn fie tief in ©dmlb unb nod) tiefer 



1) Lettere pittoriche I, 71, in einem Briefe be3 SSinc. Sorgfnni 
1577. — Macchiavelli, Stör. fior. L. VII. fagt von ben jungen £emt in 
glorenj nad) ber Mitte be§ XV. 3at)rt). : gli studi loro erano apparire 
col vestire splendidi, e col parlare sagaci ed astuti, e quello che piü 
destramente mordeva gli altri, era piü savio e da piü stimato. 

2 ) Sgl. gebra Sngbirami'ö Seidjenrebe auf Sobouico ^ßobocataro (1505), 
in ben Anecd. litt. I, p. 319. — ©er ©canbalfammler SWaffatno ermähnt 
bei Paul. Jov., Dialogus de viris litt, illustr. (Tiraboschi, Tom. VII. 
parte IV. p. 1631.) 

3 ) @o bielt e§ im ©angen Seo X. unb er rechnete bamit im ©angen 
richtig; fo fd)recf«d) bie ^aäquiUanten gumal nad) feinem %obe mit tt)m 
umgingen, fie fjaben bie ©efammtanfct)auung feines SBefenS nid)t bomi= 
niren fbnnen. 



©urcfljavbt, Kultur ber SRenaiffance. 



9 



130 



©ntroicHung be§ SnbioibuumS. 



2. atbfdwitt. in üble Sftadjrebe toerftritft waren *)■ Slttotältg jagte man Sebent 
ba3 ©djtimmfie nach unb gerabe bie ftrctigftc £ugenb tuecfte bie 
©oS^eit am fidjerftett. 23on bem großen ^anjelrebner gra (ürgibio 
oon 93iterbo, ben 8eo um fetner 23erbienfte mitten jum @ar= 
binal ert)ob unb ber ftcfi bei bem \Ungfü<f pon 1527 aud) als 
«toeio. tüchtiger populärer äftönd) jeigte 2 ), giebt ©ioPio gu Perftehen, er 
f>abe fiel) bie agcetifdje SBlä'ffe burd) £}ualm Pon naffem «Stroh 
u. bgt. conferPirt. ©ioPio tft bei folgen Mäffen ein echter 
(Sumte 3 ); i n °er 9?egel erjagt er fein £)iftördjen, fügt bann bei, 
er glaube e§ ntcfjt, unb läßt enblidj in einer allgemeinem 23e* 
merfung burdjblitfen, e$ mochte boef) etwa« bran fein. £)a§ wahre 
§o^n auf SSranbopfer beS römtfdjett ^olmes aber war ber gute §abrtan VI.; 
^abrian vi. e§ btfbctc ftdj ein Uebereinfommen, t^n burdmuö nur oon ber 
burlegfen ©eite ju nehmen. SDiit ber furchtbaren geber eines 
granceSco 23emi Perbarb er e§ gleid) Pon Slnfang an, inbem er 
breite — mdjt bie ©tatue beS ^aSquino, wie man 4 ) fagte — 
fonbern bie ^aSquiHanten fetber in bie STiber werfen ju (äffen. 
£ie 9?act)e bafür mar ba« berühmte (Sapitolo „gegen ^ßapft 
Slbriatto", btetirt nicht eigentlich Pom §a%, fonbern Pon ber 33er* 
acf)tung gegen ben lächerlichen hoüänbifd)en Barbaren; bie »übe 
$>rohung wirb aufgefpart für bie (Sarbinäle, bie ifjn gemäht 
haben. 53emt unb Rubere 5 ) malen aud) bie Umgebung beS 
^ßapfteS mit berfelben pifanten Sügljaftigfeit au«, mit welcher baS 
heutige ^arifer Feuilleton ba§ @o jum SlnberS unb baS Vichts 



!) 3" biefem %aUe voav rooljl Garbinal 3frbicino belfa tyoxta, ber 1491 
feine SBürbe nieberlegen unb in ein fernes Älofter flüchten wollte. SSgl. 
Infessura, bei Eccard II, Col. 2000. 

2 ) <5. beffen Seicfjenrebe in ben Annecd. litt. IV, p. 315. @r braute 
in ber füblicfien 2Jiarf 2lncona ein Sauernljeer jufammen, ba3 nur burdfj 
ben SSerratfj be§ ^erjogä oon Urbino am £anbeln ioer^inbert tourbe. — 
©eine fcfjönen f)offnung3lofen Siebeämabrigate bei Trucchi, Poesie ined. 
III, p. 123. 

3) 9Bie er an ber Safel (Siemens VII. feine Sunge braucfjte, f. bei 
Giraldi, Hecatommithi, VII. Nov. 5. 

4 ) Sie gange angebliche 33eratf)ung über baS SSerfenfen beS ^ßaSquino 
bei Paul Jov. , Vita Hadriani, ift oon ©irhtS IV. auf £abrian über= 
tragen. — $gl. Lettere de' prineipi I, 33rief beS -Kegro oom 7. 2tpr. 1523. 
$Pa3quino blatte am ©t. 3ftarcuStag ein befonbereS geft, toeldjeS ber ^Sapft 
oerbot. 

5 ) 93« • Firenzuola, Opere, vol. I, p. 116, im Discorso degli 
animali. 



@nttt>icftimg be§ SnbtDtbuumS, 



131 



junt (£twas öcrlünftctt. £ie Biographie, welche sßaolo ©iobio^tibf««!* 

im Auftrag be$ (Sarbinals bon £ortofa berfaßte, unb weldje et* 

gentlid) eine ßobfätift borftellett feilte, tft für 3eben, ber jwifchen 

ben Reiten tefen fann, ein wahrer SluSbunb öon §of)tt. Gs8 liegt 

ficf) (jumat für baS bamalige Statten) fetjr fomifd), tote ^obrian 

ftd) beim £)omcapitel bon ©aragoffa um bie SHmüabe beö @. 

Lambert bewirbt, wie iim bann bie anbäctjiigen ©panier mit 

©cfimucf unb £eug auSftatten „bis er einem woblherau«gepu£ten 

^apft red)t ähnlich ftcl)t", tute er feinen ftürmifchen unb gefd)tnacf* 

lofen 3ug öon Oftta gen 9?om halt, ficf) über bie Verfenfung ober 

Verbrennung beS ^aüqumo berät!), bie wid)tigften Verhärtungen 

wegen Reibung beS (SffenS ptö|tid) unterbricht unb jute^t nach 

unglücklicher Regierung an alljubielem Viertrinfen berftirbt ; wor* 

auf bas £au§ feineö Seibarjtes Don 9?ad)tfd)wärmern betränkt 

unb mit ber Snfdjrtft Liberatori Patriae S. P. Q. R. gefajmücft 

wirb, greiftet) ©iobio hatte bei ber allgemeinen tatenein^ielmng 

aud) feine 9?ente bertoren unb nur bepalb jur @ntfd)äbigung 

eine ^frünbe ermatten, weit er „fein $oet", b. i). fein £eibe fei. 

@3 ftanb aber gefdjrieben, bafe £abrian baS lefcte große Opfer 

biefer Strt fein foöte. (Seit bem Unglücf ^omö (1527) ftarb mit » 

ber äujjerften töudjfofigfett be§ &benö aud) bie frebethafte 9?ebe 

ftajttid) ab. 

Säbrenb fie aber uod) im *8tütf)e ftanb, hatte ftd), fjaupt* «ptetro siretino. 
fädjtid) in 8?om, ber größte Säfterer ber neuern 3eit, ptetro 
Siretino, auSgebitbet. (Sin «lief auf fein Sßefen erfpart uns bie 
«efchäftigung mit mannen (geringem feiner ©attung. 

3Bir fennen il)n fjauptfctdjlid) in ben testen brei'Sahraehnben 
feine« SebenS (1527—1556), bie er in bem für tytt einjig mög* 
tidjen Slftyl Venebig jubradjte. SSou E)ier aus \)idt er baS ganje 
berühmte Italien in einer Slrt bon 23elagerungS$uftanb ; tjietjer 
münbeten aud) bie ©efdjenfe auswärtiger dürften, bie feine geber 
brauchten ober fürchteten. (Sart V. unb ftran$ I. penfionirten itjn 
beibe augleia), weil Seber hoffte, Siretino mürbe bem Slnbem 33er* 
brufe machen; Siretino fd)meid)ette Reiben, fdjlojj ftd} aber natür* 
lid) enger an Sari an, weil biefer in Stalten Stteifter blieb. %laa) 
bem @ieg über £unis (1535) gebt biefer £on in ben ber täetjer* 
tieften Vergötterung über, wobei ju erwägen ift, baß Siretino 
fortwäl)renb ftd) mit ber Hoffnung fjmrjatten liefe, burd) (Sari'« 
gmlfe (Sarbinal 31t werben. Vermutlich genofe er eine fpecielle 



9 * 



132 



©ntnritflung be§ 3nbttnbuum§. 



a. 9iftf*nftt. protection als fpantfdjer 21gent, inbem man burcf) fein Gebert 
ober @d)Weigen auf bie Hentern italiemfdjen dürften unb auf bte 
öffentliche Meinung brüefen tonnte, £)as ^apftmefen gab er fid) 
bte SJtiene grünblich ju beradjten, weil er es aus ber 9täf)e fenne ; 
ber wahre ®runb mar, baf$ man itjtt Pon 9?otn aus nietjt mehr 
t)ouortren fonnte unb wollte 1 ). 33enebig, baS il)n beherbergte, 
befd)Wteg er weiSlid). ©er SRcft feines 23erhättniffeS ju ben 
(Brosen ift lauter Bettelei unb gemeine ©rpreffung. 
©eine «puMitip« Slrctitto finbet fid) ber erfte ganj große üflhfjbraudj ber 

unb fem aBerti), sßubttctt&t $u fotct)ett ,3mecfett. !Die ©treitfdjriftcn, welche Rimbert 
■Sahre Port)er ^oggio unb feine ©egner getr>ect)fett tjatten, finb in 
ber 3tbfidjt unb im £on eben fo infam, allein fie finb nicht auf 
bie treffe, fonbern auf eine 21rt öon tjatber unb geheimer ^ubli* 
cität bered)net; Stretino madjt fein ®efcfjäft aus ber ganzen unb 
unbebingten; er ift in gemiffem 23etrad)t einer ber Uroäter ber 
3ournaliftif. ^eriobifd) läßt er feine Briefe u. a. Slrtifel ya* 
fammenbruefen, nad)bem fie fd)on toorljer in mettern Steifen curfirt 
haben mochten 2 ). 

Verglichen mit ben fdjarfen fiebern beS XVIII. ^at)rf)unberts 
fjat Slretino ben 33ortr)eit, ba£ er fid) ntct)t mit ^rineipien belabet, 
weber mit Slufflärung nod) mit pijilantropie unb fonftiger £ugcnb, 
nod) auet) mit SBijfcnfdjaft; fein ganzes (Sepäcf ift baS betannte 
Qftotto: „Veritas" odium parit. SDefjljalb gab eS aud) für it)n 
feine fatfdjen Stellungen, mie 3. 35. für Voltaire, ber feine ^3u* 
celle öertäugnen unb SutbereS lebenslang öerfteefen mußte; Slretino 
gab ju allem feinen tarnen, unb nod) fpdt rühmt er fid) offen 
feiner berüchtigten ^Ragionamenti. ©ein titerarifd)eS latent, feine 
tickte unb pifantc ^rofa, feine reid)e 53eobad)tung ber 9ttenfdjen 
unb £)inge würben itjrt unter alten Umftänben bead)tenSwertt) 
machen, wenn aud) bie ßoneeption eines eigentlichen SunftwerfeS 
3. 33. bie ädjte bramatifdhe Zutage einer Somöbte ihm Pötu'g Per* 
fagt blieb ; baju f ommt bann nod) außer ber grßbften unb fetnften 

1) 2tn ben £>erjog von $errara, 1, Januar 1536: Qljr roerbet nun 
Bon Rom naef) Neapel reifen, ricreando la vista awilita nel inirar 
le miserie pontificali con la contemplatione delle eccellenze iroperiali. 

2 ) SDßie er fid) bamit fpectelf ben $ünftlern furchtbar machte, roäre an= 
berSroo ju erörtern. — SDa3 publiciftiftfje $er)ifel ber beutfdjen 3tefonnation 
ift roefentüd) bie 33roftf)üre, in 23ejiel)ung auf feeftimmte einzelne 2lnge= 
legenljeiten; 2lretino bagegen ifi Sournalift in bem ©inne, baft er einen 
fortroäfyrenben Slntafj be§ 5pub(icirenä in ficE) Ijat. 



©ntiDiifhmg be3 SnbtöibmtmS. 



133 



33oSl)eit eine gtanjenbe ®abe bes grotteSfen 2öi£eS, womit er im 2. «brftuftt. 
einseinen goß bem 9^abetaiö ntdjt nad^ftefjt 1 ). 

Unter folgen Utnftctnben, mit foldjen 2tbfid)ten unb Mitteln 
gef)t er auf feine «eute to§ ober einftweilen um fie f)erum. SDie ten * en 
9trt, wie er (Siemens VII. aufforbert, nidjt $u ftagen (onbern ju 
Derlen 2 ), wäfyrenb baS 3ammergefcf)rei beö berwüfteten SRomS 
jur (gngelsburg, bem Werter beS ^apfteS, emporbringt, ift lauter 
£ofm eineß Teufels ober Slffen. bisweilen, wenn er bie |)off* 
nung auf ®efd)enfe bötlig aufgeben muß, bricf)t feine 2ÖutI) in 
ein witbeS ©efyeul au«, wie 3. 33. in bem (Sapitoto an ben gürften 
Don ©alerno. £)iefer fyatte ifjn eine 3etttang bejaht unb wollte 
nicr)t weiter jagten; bagegen fajeint es, baß ber fd)recflidE)e $ier* 
luigi gamefe, ^er^og öon ^arma, niemals 9?oti$ öon it)m nafym. 
£)a biefer £>err auf gute 9?atf)rebe wof)l überhaupt beratet fjatte^ 
fo war es nict)t mef)r leicht, ifym wefje ju tfum; Slretino berfud)t 
es, inbem er 3 ) fein äußeres 2lnfef)en als baS eines ©birren, 
Füllers unb ©äcterS bejeictjnet. ^offirttcf) ift Iretino am elften 
im SluSbrud ber reinen, wefymütfyigen Bettelei, wie 3. $8. im 
(Sapitoto an $ranj I., bagegen wirb man bie aus £)rof)ung unb 
@crjmeicf)e(ei gemifdjten Briefe unb ©ebicf»te tro£ aller Romif nie 
ofyne tiefen Siberwiüen tefen tonnen, diu -©rief wie ber an xmt seteimtäten. 
3ftid)elangelo bom ^obember 1545 4 ) ejriftirt bielleidjt niajt ein 
^weites 3DM; jwifdjen alle 33ewunbenmg (wegen beS SföeltgeridjteS) 
hinein brotjt er ifnn wegen 3rreligiofität, 3nbeceuj unb ©iebftafjl 
(an ben (Srben Julius II.) unb fügt in einem begütigenbe ^ßoft* 
fcrtpt bei: ,,id) fjabe (Sud) nur geigen wollen, baß wenn 3t)r 
„divino (di-vino) feib, idj aud) ntctjt d'aqua bin". 2lretino fyiclt 
nämtid) barauf — man weiß faum, ob aus wafynfinnigem £>ünfet 
ober aus &tft an ber ^arobie alles ÄSerüfymten — baß man ifjn 
ebenfalls götttief) nenne, unb fo weit braute er es in ber perfön* 
liefen 25erüt)mtl)ett atlerbingS, baß in Slrejjo fein (Geburtshaus 
als @el)enswürbigfeit ber <Stabt galt 5 ). Slnbererfetts freilief) gab 
es gan^e äFtonate, ba er fidj in SSenebig nid)t über bie @d)welle 

!) 3. 33. im (Sapttolo an ben 2(lbicattte, einen fajletijten Sinter; Iei= 
ber entgie^en fid) bie ©teilen ber (Eitation. 

2 ) Lettere, ed. Venez. 1539. Fol. 12, com 31. 3flai 1527. 

3 ) 2»m erfien (Sapitolo an (Softmo. 
*) Gaye, Carteggio II, p. 332. 

5 ) ©. ben freien Srief von 1536 in ben Lettere pittor., I, 
Append., 34. 



134 



©ntroitflnng be§ Snbiüibuumö. 



a. 3H>fd>mtt. ipgflte/ um ntdjt trgenb einem erzürnten gtorentiner wie 3. -53. 

bem jüngern Stroit in bie $ättbe ju taufen; eö feljtte nicfjt an 
£)otd)ftidjen unb entfe£tid)en prügeln i ) r wenn fie aud) nid)t ben 
(Srfotg Ratten, weldjen if)m 23ewi in einem famofen «Sonett 
meiffagte; er ift in feinem §aufe am Sd)lagftufe geftorben. 

»n$aitnt§ au 3tt ber Sd)tneid)etei mad)t er bead)ten§wertf)e Unterfctjiebe ; 

sewfcofimq.^ m ^ tita n mtx tragt er fie plump unb buf auf 2 ), für Seute 
wie ben §er$og (Softmo Don ^(orenj weife er ftd) anber§ 31t geben. 
@r lobt bie ©d)önt)ett beö bamats nod) jungen dürften, ber in 
ber STljat aud) biefe (Sigenfdjaft mit StuguftuS in tjoljem ©rabe 
gemein fyatte; er tobt feinen ftttlidjen 2öanbet mit einem Seiten* 
btict auf bie (Mbgefdjäfte bon (Softmo'8 SDiutter Sparta Satöiati, 
nnb fd) tiefet mit einer wimmentben Bettelei wegen ber tljeuren 
Reiten u. f. w. 5Benn tjjtt aber Sofinto penftonirte 3 ), unb gwar 
im Sßerljctttnife $u feiner fonftigen (Sparfamfett siemtid) f>odj (in 
ber testen $eit mit 160 Ducaten i&ljrlidfj), fo mar woljt eine 
beftimmte föüdfidjt auf feine ©efäl)rtid)f'eit at§ fpanifcfjer Stgent 
mit im <Sptet. Stretino burfte in einem Sltfjemjug über (Sofimo 
bitter fpotten unb fdjmäljen unb bod) babei bem ftorentinifdjen 
®efd)äft8trager brotjen, bafe er beim $er$og feine batbtge Stbbe, 
rufung erwitfen werbe. Unb wenn ber 9)?ebici fid) aud) am (ühibe 
bon (Sart V. burd)fd)aut wufete, fo mod)te er bod) ntdjt wünfdjen, 
bafe am faiferltdjen £ofe aretinifdje Si^e unb Spottberfe über 
ifjn in (Surs fommen mödjten. (Sine ganj t)übfd) bebingte 
Sdjmeidjetei ift aud) biejenige an ben berüchtigten ÜÄardjefe t>on 
3ttarignano, ber at$ „(Saftettan öon äftuffo" einen eigenen Staat 
31t grünben berfudjt fyatte. 3nm ®anf für überfanbte l)unbert 
Scubi fd)reibt Slretttt : „Sitte (Sigenfdjaften, bie ein gürft fyaben 
„mufe, finb in Sud) toorfyanben unb 3ebermamt mürbe biefe ein« 
„feljen, wenn nidjt bie bei atten Infangen unnermeibfidjc ©ewatt* 
„famfett (Sud) nod) atö etwas raut) (aspro) erfdjeinen liefee" 4 ). 

©eine (Religion. 9J?an t)at I)dufig at§ etwas 33efonbere§ l)er»orge[)obeu, bafe 

1 ) L'Aretin, per Dio grazia, e vivo e sano, 
Mal mostaccio ha fregiato nobilmente, 
E piü colpi ha, che dita in una mano. 

(Mauro, capitolo in lode delle bugie.) 

2 ) Wan fet)e 3. 33. ben SBrief an ben fearbinal von Sotljringen, Let- 
tere, ed. Venez. 1539, vom 21. 3lov. 1534, fo itiie bie 33 riefe an ©arl V. 

3) gür baS ^olgenbe f. Gaye, Carteggio, II, p. 336. 337. 345. 

4 ) Lettere, ed. Venez. 1539. Fol. 15., vom 16. Sunt 1529. 



©ntrottflung beS Snbit)ibuum§. 



135 



Slretino nur bie Söett, nicht auch ©ott geläftert Ijabe. 2Sa$ er 2- Mbfctmttt. 
geglaubt J)ot, ift bei feinem fonftigen Sireiben öößig gleichgültig, 
ebenfo finb eö bie (£rbauung§f Triften, tuetcfje er nur auö äußern 
SRücffichten l ) berfaßte. ©onft ober raupte ich tüa^rlidE) ntdjt, nüe 
er ptte auf bie ©otteßtafterung berfatten follen. <£x war raeber 
£)ocent noch tI)eoretifd)er Senf er unb @d)riftfteüer; auch fonnte 
er bon ©ott feine ©elbfummen burch ©rolmngen unb @chmeid)e* 
teien erüreffen, fanb fich alfo auch nidjt burch Verfügung pr 
Säfterung gereijt. üßtt unnüfcer SCRütje aber gtebt fich ein foteher 
SJienfd) nicht ab. 

@8 ift ein gutes Reichen oe§ gütigen itaftenifdjen ®eifte«, 
bafj ein foldjer (Sfmracter unb eine fotaje SBitlungSiueife taufenb* 
mal unmöglich geworben finb. 2lber bon «Seite ber htftortfdjen 
Betrachtung au§ toirb bem Slretino immer eine wichtige (Stellung 
bleiben. 

i) SJlodEjte e§ bie Hoffnung auf ben rotten Jput ober bie $urä)t »or 
ben beginnenben SluturtfyeÜen ber ^nquifttton fein, roeld^e er noa) 1535 
Ijerb tabeln gewagt fjatte (f. a. a. D. %ol 37) , roetdje aber feit ber 
3teorganifatton be3 SnftitutcS 1542 "plöfclidj juna^men unb Sttteö gum 
©ajroeigen »ragten. 



dritter 216f$nitt. 



Die UDtekmitiedittnj kB 3tltertl)utns. 

-"l**^«* Jfeuf biefem fünfte unferer cutturgefchicf)tHc£)en Ucberfid)t ange* 
langt, müffen wir beS 2Utertf)umS gebenden, beffen „SBiebergcburt" 
in einfeitiger Seife jum ®efammtnamen beö Zeitraums über* 

Goncmenj mit &aupt geworben ift. Die btöJjer gefächerten guftänbe würben 

onbemÄröpen. bie Nation erfdf»üttert unb gereift fjaben aucf) ofjne baS 2lttertf)um, 
unb aud) bon ben nad^er aufjuääfytenben neuen geiftigen Vlify 
tungen roäre wof)t baS Reifte of>ne baffelbe benfbar; aflein toie 
bas «isfyerige fo ift aud) bas ^otgenbe bod) bon ber ©iuwirfung 
ber antifen 2Belt mannigfach gefärbt, unb wo baö SBefen ber 
Dinge ofme biefetbe berftänbtid) unb üorfjanben fein würbe, ba 
ift es bod) bie Steußerungöweife im geben nur mit ifyr unb burcf) 
fie. Die „9?enaiffance" wäre nid)t bie f)of)e weltgefdjidjtadje 9iotf)* 
wenbigfeit gewefen, bie fie war, wenn man fo teid)t öon it)r ab- 
ftrat)iren fönnte. Darauf aber müffen wir befjarreu, a(S auf 
einem £auptfa£ biefeS «udjeS, baß nidjt fie allein, fonbern iljr 
enges 23ünbniß mit bem neben if)r borfjanbenen itatienifc^en 33oIf$* 
geift bie abenblänbifdje Sett bezwungen f)at. Die greift, welche 
fid) biefer 23olfggeift babei bewafjrtc, ift eine ungleiche unb fd)eint, 

©rate ber ein. fobatb man i. 23. nur auf bie neitrateinifdje Literatur fiefyt, oft 

nrnfung. fcty ger{tig . ber ftf ben fc en ^ unb {n m l )mn Qttbem 

(Sphären ift fie auffaüenb grofe unb baS 33üubnife jwifdjen jwei 
weit auSeinanber Hegenben (Sultureüodjen beffelben SSotfe« erweist 
firf) ats ein, weil tjöcfjft fetbftänbige«, bepatb aud) berechtigtes 



3)ie Söiebererroedttng be3 SHtertfiumä. 



137 



unb fruchtbares, £)aS übrige 5lbenbtanb modjte jufetjen, tuie es 2. «bfowitt. 
ben großen, aus Statten fommenben Antrieb abmehrte ober fid) 
halb ober gan$ aneignete; wo festeres gefchaf), fottte man fidö bie 
klagen über ben frühzeitigen Untergang unferer mittelalterlichen 
(Sulturformen unb 33orfteüungcn erfparen. Ratten fie ftdj wehreu 
fönnen, fo mürben fie nod) (eben. SBenn jene etegifdjen ®emütf)er, 
bie fid) banad) jurütffeljnen, nur eine ©tunbe barin jubringen 
müßten, fie mürben heftig nad) mobcrncr Suft begehren. £)aß 
bei großen ^roceffen jener 2lrt manche eble (Sinjelbtüthe mit ju 
©runbe geht, ohne in £rabition unb ^oefie unbcrgänglidj geftdjert 
ju fein, ift gewiß; allein bas große ®efammt*(Sreigniß barf man 
beßljalb nicht ungefügen wünfd)en. £)iefeS ®efammt*(5:reigmß 
befteht barin, baß neben ber ®ird)e, meiere bt§t)er (unb nicht mehr 
für tauge) baS Slbenblanb jufammenhiett, ein neues gciftigeS 9tte= 
bium entfteht, welches, bon Italien her ficf) ausbreitend $ur Gebens* 
2ltmofpl)äre für alte höher gebilbeten Europäer wirb, ©er fdjärffte 
£abet, ben man barüber ausfpredjen fann, ift ber ber Unttolfs* 
thümOd)feit, ber erft je^t notfjwenbig eintretenben ©djetbung bon 
®ebitbeten unb ttngebitbeten in ganj (Suropa. tiefer £abel ift 
aber ganj wertl)loS, fobatb man eingesehen muß, baß bie @adje 
noch Ijeute, obwohl ftav erlannt, bod) nid)t befeitigt merben fann. 
ttnb biefe @d)eibung ift überbieß in Statten tauge ntdjt fo Ijerb 
unb unerbittlich als anberSwo. Oft bod) ihr größter ®unftöid)ter 
Stoff 0 auch in ben Rauben ber Slermften. 

£)aS römifd)*gried)ifd)e Sllterthum, welches feit bem XIV. sca« mmqkm 
Oahrhunbert fo mäd)tig in baS italiemfd)e Sebcn eingriff, als im mttmtn - 
Inhalt unb Quelle ber Kultur, als 3iet unb Obeal beS SDafeins, 
theitweife aud) als bewußter neuer ©egenfa£, biefeS SUterthum 
hatte fchon längft ftellenweife auf bas gauje, auch außeritatienifche 
Sftittelalter eingewirkt, diejenige 23ilbung, roetche Sari ber (große 
oertrat, war wefentlid) eine 9fenaiffance, gegenüber ber Barbarei 
beS VII. unb VIII. 3al)rhunberts, unb tonnte nichts InbereS 
fein. 2öte hierauf in bie romanifche ^öaufunft beS Horbens außer 
ber allgemeinen, öom Sttterttjum ererbten gormengrunblage aud) 
auffaltenbe bireft antife gönnen ficf) einfd)letd)en, fo hatte bie 
ganje tloftergetehrfamfeit aümälig eine große DJiaffe non ©toff 
aus römifdjen Tutoren in fich aufgenommen unb aud) ber @tt)t 
berfelben blieb feit (Sinharb ntdjt ohne Nachahmung. 

SInberS aber als im Horben wad)t bas Sittherthum in Italien an statten. 



138 



Sie Sßtebererroecfung be§ 2ntertfjnm§. 



3. wmmtt. wieber auf. ©obalb I)ier bie Barbarei aufhört, metbet fxdt) bei 
bem nod) Ijatb antit'en 23oif bie Srienntniß [einer 23oqeit; e« 
feiert fie unb münftfjt fie ju reprobuciren. Slu^erfjatb 3taüen§ 
rjanbelt e8 fxcf) um eine getefjrte, reflectirte 23enüfcung einzelner 
Elemente ber 2luttfe, in Italien um eine gelehrte unb jugteicf» 
populäre fad)üd)e ^ßarteinaf)iue für baö 2l(tertt)um überhaupt, weit 
baffelbe bie Erinnerung an bie eigene alte ©röfje ift. £)ie leiste 
23erftänbüc^!cit be§ Skteinifcljen, bie Spenge ber nod) üorfyanbenen 
Erinnerungen unb 'DenfmiHer beförbert biefe Entwidmung ge* 
wattig. 2tu§ tfjr unb au§ ber ©egenwirrung be$ injwifdjen bodj 
anberS geworbenen 23otf6geifte8, ber germanifd)*tangobarbifd)en 
(Staat«*Einricf)tungett, bc8 allgemein europäifdjen ÜftttertfyumS, 
ber übrigen Euttureinftüffe aus bem Horben unb ber Religion 
unb ftlrdje erwachst bann ba$ neue ©an$e: ber mobern itattenifdje 
©eift, wettern e$ beftimmt war, für ben ganzen Dccibent maß* 
gebenbeS 23orbitb ju werben. 

Söte ficE) in ber btfbenben tunft bag Slntife regt, fobatb bie 
Barbarei aufhört, jeigt fidj 5. 23. beuttidj bei Slntafj ber togca* 
nifdjen bauten beö XII. unb ber ©cutpruren beS XIII. 3at)r* 
sateinifAc qjrcfic ^unbertö. 2tud) in ber SMdjtfunft festen bie 'ißarattetett nid)t, 

ber 58a B anteii. mm m ^ ünm ^ mn bürfen, baß ber größte tateinifdje £)id)ter 
beö XII. 3afjrt)unbert3, ja ber, welcher für eine ganje ©attung 
ber bamatigen tateinifdjen ^ßoefie ben Xon angab, ein Otatiener 
gewefen fei. E$ ift berjenigc, welkem bie beftcu ©tücfc ber fo* 
genannten Earmina 23urana angehören. (Sine ungehemmte greube 
an ber 2öett unb ifyren ©enüffen, aU beren @dju|genien bie 
alten §eibengötter wieber erfd)einen, ftromt in pradjtbottem $[uß 
burd) bie gereimten ©tropfen. SBer fie in einem $uge 
wirb bie 5l^nung, baß fyter ein Italiener, waljrfdjeinlid) ein i*om* 
barbe fpredje, faum abweifen tonnen; eö giebt aber aud) beftimmte 
einzelne ©rünbe bafür ®t8 3 U e * nem gewiffcn ©rabe finb 



') ©armina 33urana, in ber „Sibliotljef be§ literarifcfjen $eretn§ in 
Stuttgart" ber XVI. 33anb. — 2)er 2tufentf)alt in ^atna (p. 68, 69), bie 
italienifdEje £t>calitat überhaupt, bie ©cene mit ber pastorella unter bem 
Detbaum (p. 145), bie Stnfajauung einer pinus alö eines meitfctjatttgen 
2öiefenbaum§ (p. 156), ber mehrmalige ©ebraucfj be§ Sßorteä bravium 
(p. 137. 144), namentlich aber bie gorm Madii für Maji (p. 141) fd&etnen 
für unfere 2lnnaf)tne ju fpredjen. — Safj ber Sicfjter fiel; SBaltfjer nennt, 
giebt nocf) leinen 2Bin! über feine ^erfunft. ©eroöfjnlicf) ibentificirt man 
tf)n mit ©ualteruä be 3Jtape3, einem 2)omf)erm von ©atiSbürr) unb ©aplan 



2>ie SCtebereriüecfung be3 2lltertf)um3. 



139 



btefe fateinifajen ^oeftert ber @lerici Pagante3 be§ XII. ffatjr* s . ^tbf^nitt. 

l)unbert$ allerbingS ein gemeinfameS europäifd)e§ Probuct, mit* 

fammt tfyrer großen auffallenben $ribolitdt, allein £)er, roefdjer 

ben ®efang de Phyllide et Flora unb ba8 Aestuans interius 

etc. gebietet ^at r mar oermutfylid) fein SRorbtänber, unb aud) ber 

feine beobadjtenbe ©r/barit nidjt, Don metdjem Dum Dianae 

vitrea sero lampas oritur (@. 124) tjerrüfyrt. §ier ift eine ©te 

SKenaiffance ber anttlen Seftanfdiauung, bie nur um fo «arer Wei j3S£. in 

in bie Stugen faßt neben ber mittelafterlidjen 9feitnform. (B 

giebt mandje Arbeit biefeö unb ber nddjften Safyrljimbertc, tuefdje 

|)erameter unb Pentameter in forgfatttger ^adjbitbung unb allerlei 

antife, jumat mptfyotogifdje ßutfyat in ben ©adjen aufroeiöt unb 

bod) nid)t Pon ferne jenen antifen (Sinbrucf fyerporbringt. 3n ben 

l)erametrifd)en (Sfyrouifen u. a. Probuctionen üon ©uifiehnuS 

Sippufas an begegnet man oft einem emfigen ©tubium bc8 33irgif, 

£)Pib, £ucan, ©tatiuS unb (Efaubian, allein bie antife $orm 

Bleibt blofje <Sad)e ber (Meljrfamfeit, gerabe wie ber antife Stoff 

bei ©ainmelfdjrtftfteüern in ber Seife beö 23incenj üon 33eauüai3 

ober bei bem äJcrjtfyologen unb Slüegorifer 8Hanu8 ab Onfufis. 

£)ie SHenaiffance ift eben nid)t ftücf weife ^aajatymung unb 2luf* 

fammfang, fonbern Sßiebergeburt, unb eine fofdje finbet fid) in 

ber £l)at in jenen ©ebidjten be3 unbefanuten (Stericuö auö bem 

XII. ^af)rt)unbert. 

SDte große, allgemeine Parteinahme ber Italiener für ba§ ©as «itert^um 
2tfterttmm aber beginnt erft mit bem XIV. 3af)rf)unbert. (gg imXIV -»- 
war ba$u eine (Sntraicflung be§ ftäbtifdjen Sebent notI)tuenbig, 
toie fie nur in Italien unb erft je^t Porfam: 3ufammenrool)nett 
unb t^atfddt)tidt)e ©feidjljeit Pon SIbtigen unb bürgern; 23ilbung 
einer allgemeinen ©efellfdjaft (@. 113), wetd)e fid) bUbungg* 
bebürftig fünfte unb 3fluße unb TOtet übrig tjatte. Sie Silbung 
aber, fobalb fie fid) bon ber Pfyantafietuelt be§ TOtefatterS fo§* 
machen wollte, fonnte nidjt pfö^üd) burd) btoße (Empirie jur (5r* 
fenntnijj ber pfypfifdjen unb geiftigen 28elt burd)brtngen, fie be* 
burfte eines $ül)rer§, unb afg fotogen bot ftet) baö cfaffifdje %ttiv 
tfjum bar mit feiner $ütte objectiPer, ebibenter Söafyrfjeit in aßen 



ber englifdfjen Könige gegen ©nbe be§ XII. Saljrl). gn neuerer Seit glaubt 
man il)n in einem gem. 2Battf)er oon Sille pber oon ßf)atiHon mieber ju 
erfennen, ogL @iefebredE)t, bei Sßattenbaä) : SeutfdfjlanbS ©efcfndjtäquellen 
im Mittelalter/ 6. 431, ff. 



140 



2>ie 2ßiebereru>e<fung beä Slttertlmmä. 



*mmim- <8tifaxn beg ©eifte«. Wlan naf>m üott i&m ftorm unb @toff 
mit £)anf unb 33erounberung an ; e$ würbe einftroeilen ber $aupt* 
infjaft jener «itbung 1 ). Sforfj bie allgemeinen 23erf)äüntffe Ita- 
lien« waren ber @ad)e günftig; bag ßaifcrtljum be« üftittclalter« 
fyatte feit bem Untergang ber ^ofjenftaufen entweber auf Italien 
öeraidjtet ober tonnte ftdj bafeibft ttidjt Ratten; baS ^apftttjum 
roar nad) Slöignon übcrgefiebeü; bie meiften tt)atfärf)üct) borf)an= 
benen äJMdjtc waren gewattfam unb Megittm; ber jum Gewußt* 
fein gemecfte ®eift aber war im @udjen nacl) einem neuen falt- 
baren Obear begriffen, unb fo fonnte firf) ba« @d)einbtfb unb 
Dierömifdje ^oftulat einer römifa>itafifd) en SBett&errfdjaft ber ©emittier be- 
mmcrmm. mächtigen, ja eine practifd)e «erwirfüdjung üerfudjen mit (Sota 
bi 9?tenjo. Sie er, namentlich bei feinem erftcn £ribunat, bie 
Aufgabe anfaßte, muffte e§ atferbingg nur ju einer rounberticfen 
Somöbie fommen, allein für baö ^ationatgefüfl roar bie (Srinne* 
rung an baS alte ffiom burdjaug fein wertrjtofer 2Int)alt. W\t 
feiner (Suttur auf« 9?eue auggerüftet fütjttc man fidj batb in ber 
£f)at alg bie borgefdjrittenfte Nation ber 2öclt. 

£)iefe Bewegung ber®eifter nid)t in ifjrer püc,fonbern nur in 
itjren äußern Umriffen, unb roefenttid) in ifyren Anfängen 51t 
getanen ift nun unfere nctd)fte Aufgabe 2 ). 



1) 2ßie ba3 3CItettf)um in allen fjöfjern ©ebieten be§ 2eben3 aI3 Seljrer 
unb güt)rer bienen tonne, fdjilbert 3. 33. in raffet ttefierftd&t 2lenea3 
<5»lt)iu3 (opera p. 603 in ber (Sptft. 105, an ©r^erjog ©tgiämunb.) 

2 ) $ttr ba§ 9iäf)ere oertueifen wir auf 3io§coe: Sorenp magnif, unb: 
2eo X., forcie auf SBoigt: ©nea ©iloio, unb auf Sßapencorbt: ©eftf). ber 
©labt 3ftom im HRitteloIter. — 2Ber fia; einen Segriff rnadjen null von 
betn Umfang, melden baö 3Biffen8n>ürbtge bei ben ©ebilbeten beä beginn 
nenben XVI. Safjrlj. angenommen $atte, ift am beften auf bie Commen- 
tarii urbani be3 Raphael SSolaterranuä ju oerroeifen. £ier ftefi man, wie 
baö 2lltertf)um ben Eingang unb §auptin|alt jebeä @dennini^roeigeä 
ausmalte, oon ber @eograpf)ie unb 2ocalgefcf)icf)te burdfj bie ^Biographien 
aller 3ftadf)tigen unb SBerüljmten, bie ^opulärpf)ilofopl)ie, bie Sftoral unb 
bie einzelnen ©pecialraiffenfctiaften f)inburd) Big auf bie Slualnfe be§ ganzen 
2lriftoteleS, rooinit ba3 SBerf fdjliefjt. itm bie gange Sebeutnng beffelben 
als Duelle ber SBilbung ju erfennen, müjjte man e3 mit atteu frühem 
@nct)cIopäbien Dergleichen, ©ine umftanblicfje unb anfertige Sehanblung 
be3 »orliegenben %f)ema'ä geraä^rt ba§ treffliche 3Bert »on SSoigt: ®ie 
2ßieberbclebung beö claffifa)en 2llterthum§. 



S)ie SBiebererroechmg bes 2l(tertl)um§. 



141 



23or Slltem geniest bie Ofutnenftabt 9fom fetber je^t eine 3 . wbmmtt. 
anbere 2Irt üon ^ietät als 3U bcr 3eit, ba bic 3flirabiüa 9?omae £Ue SKuineu von 
mtb ba« ©ammeiwerf be« SBilljeltn üon 3Mme«burü, nerfaßt SRom - 
würben. £)ie ^fjatttafie be« frommen ">ßttger« tüte bie be« 3auber* 
gläubigen unb beS ©djafegräber« tritt in ben Stufjeidmitngen 
Surüc! neben bcr be« f)iftorifer« unb Patrioten. Ott biefcm ©inne 
wollen Dante'« SSorte J ) üerftanben fein: Die Steine ber dauern 
öon 9=tom üerbienten Gstyrfurdjt, unb ber Soben, worauf bie ©tabt 
gebaut tft fei würbiger a(« bie 3ftenfd)en fagen. Die cotoffate 
grequenj ber 3ubi(een faßt in ber eigentlichen Literatur bod) faum 
eine anbäd)ttge Erinnerung $urü<f ; a(« bcften ©ewinn üom Subi* 
lenm be« Safyre« 1300 bringt ©ioüamti $Mani (©. 59) feinen 
(gntfdjlujj jur ©efdjtdjtfdjret&img mit nad) Spaufe, melden ber 
Slnbticf ber Ruinen üon 9?om in il)tn gewedt Petrarca giebt 
mtö nodj tobe üon einer äwifdjen clafftfdjem unb djrifttidiem 
Stttertrjum geteilten (Stimmung; er eqäfylt, wie er oftmal« mit 
©ioüamti (Solonna auf bie rieftgen ©ewöfbe ber DtodettanStfyermen 
Ijtnaufgeftiegen 2 ); fyier, in ber reinen Suft, in tiefer ©title, mitten 
in ber weiten 9?unbfid)t rebeten fie Rammen, ttidjt üon ®e* 
fdjaften, §au«wefen unb ^ßolitif, fonbern, mit bem 2Hicf auf bie 
krümmer ringsum, Don ber ©efd)id)te, wobei Petrarca mefjr ba« 
2t(tertt)um, ©ioüamti mefyr bie dt)rtflttcf)e $eit bertrat; bann aud) 
üon ber ^t)itofopl)ie unb üon ben (Srftnbern ber fünfte. 2Bie 
oft fettbem bi« auf ©ibbott unb 9?iebuf)r f>at btefe 9?utnenwett 
bie gefcbidjtlidje (Kontemplation geweeft. 

Diefetbe geseilte (Smpfinbung offenbart aud) nod) ga$to uberti. 
begli Uberti in feinem um 1360 üerfafeten Dittamonbo, einer 
fingirten üiftonä'ren Öfeifebefdjrcibung, wobei ifyn ber alte ©eograpf) 
©otimt« begleitet wie Birgit ben Dante. ©0 wie fie -öari ju 
(SI)ren be« ©. ^icotau«, 3#onte ©argano au« 21nbad)t jum dx^ 
enget 9JHct)ael befugen, fo wirb auch; in 9fom bie Segeube oon 
2traceti unb bie üon ©. Sparta in £rafteüere erwähnt, 00a) £>at 
bie profane #errtid)fett be« alten diom fdjon mertttd) ba« Uebcr* 
gewicht; eine Ijeljre ©reifin in jerrtffenem ©ewanb — e« ift 
9toma fetber — erjagt itjnen bie glorreiche ©efd)idjte unb fdjit* 



1) Dante, Convito, Tratt. IV, Cap. 5. 

2 ) E PP- familiäres VI, 2 (pag. 657); Steuerungen üfcer 3*om, fcet)or 
er e§ gefeiert, ibid. II, 9 (p. 600); »gl. II, 14. 



142 



2>te SBtebereriuecftmg be§ 2lltertf)um3. 



3. Mftfdmitt. bert umftänb(id) bie alten STriumpfje 0 ; bann fü^rt fic bie ^rcmb= 
Itttge in ber «Stabt fyerum unb erftärt ifynen bie fieben §ügel 
unb eine Spenge Ruinen — che comprender potrai, quanto 
fui bella! — 

2e^te große Selber tuar btefe« 9fom ber abignonefifcfyen ttnb fdjiSmatifcfjen 

nid)t mefyr, raa$ es einige äftenfdjenalter Horner geracfen mar. 
(Sine töbtüd)e 93ent>üftimg, rce(d)e ben roid)tigften nod) borljan* 
benen ©ebäuben ifyren (Sfyaracter genommen Ijaben mufj, nmr bie 
<Sd)Ieifung oon 140 feften Solmungen römifd)er (großen burd) 
ben ©enator 33ranca(eone um 1258; ber Slbet fyatte fid) ofyne 
3ti)eifet in ben befterijaltenen unb l)öd)ften Ruinen eingeniftet 
gehabt 2 ). ®Ietd)tuot)t blieb nod) immer unenblid) biet mel)r übrig, 
als raaö gegenwärtig aufredjt fleht, unb namentüd) mögen öiete 
9tefte nod) ihre SöeHeibung unb Sncruftation mit Marmor, ihre 
borgefe^ten «Säulen u. a. @d)mucf gehabt tjaben, roo je£t nur 
ber Sembau au« ^öad'fteinen übrig tft. 2fa biefen JEfjatbeftattb 
fdjloft fid) nun ber Anfang einer ernfthaften £opograpl)te ber 
©ag o?cm alten ©tabt an. 3n $oggto'g 2öanberung burd) 9?om 3 ) i(t $um 
$089, °'*- erftenmat ba« ©tubium ber $efte fetbft mit bem ber alten Tutoren 
unb mit bem ber Snfchnften (tuetdjen er burd) alles (Seftrüpp 
hmburdi 4 ) nadjging) inniger berbunben, bie ^hantafie jurücfgc* 
brängt, ber ©ebant'e an ba§ chriftttdjc 9?om gefCtff entlief) auSge* 



!) Dittamondo, II, cap. 3. Ser gug erinnert noa) ttjeilroeife on bie 
naioen Silber ber beil. brei Könige unb il)re§ ©efolgeä. — ©ie @d£»il= 
berung ber ©tobt, II, cap. 31, ift ard)äologifcf) niebt ganj obne Söertb. — 
Saut bem Polistore (Murat. XXIV, Col. 845) reiften 1366 9ttcolö unb 
Ugo üon Csfte naef) Siom: per vedere quelle magnificenze antiche, che 
al presente si possono vedere in Eoma. 

2) beiläufig bier ein 33eleg roie aud) ba§ 2tu3ranb SRotn im 2JJitteIalter 
al3 einen Steinbruch betrachtete: ©er berühmte 2lbt ©ugeriuö, ber ftdj 
(um 1140) für feinen Neubau oon ©t. ©eniö um geroaltige ©äulenfdjäfte 
umfab, baä)te an md)t§ ©ertngereS al§ an bie ©ranümonolitben ber 
2)ioclettan3tl)ermett. befann fid) aber bodf) eine§ 3tnberen. Sugerii libellus 
alter, bei Duchesne, scriptores, IV, p. 352. — (Sari b. ©r. mar obne 
3n>eifel befebetbener »erfahren. 

3 ) Poggii opera, fol. 50, s. Ruinarum urbis Romae descriptio. 
Um 1430, nämlid) fur^ cor bem £obe SRartin'g V. — Sie Rennen 
beä ©aracaEa unb S)iocletian Ratten noef) ibre Sncruftation unb t&re ©äulen. 

4 ) ^oggio al§ früf)fter 3"f cr iptiottenfammler , in feinem Briefe in 
ber vita Pogii, bei Murat XX, Col. 177. 2113 Süfienfammler Col. 183. 



Sie Söiebererroecfttttg. beä 2lltertljum3. 



143 



fdjieben. SBäre nur ^ßoggio'S Arbeit öie( auSgebelntter unb mit 3. Mbfdimitt. 

Slbbttbungen öcrfefyen! dv traf nod) fefjr ötet metyr Qsrtjattcneö an 

als acfjtjtg Oafyre fpäter SRafael. (5r fefber fjat noa) bas ©rab= 

mal ber (Saeciüa ülftetefla unb bic ©dutcnfrontc eines ber Stempel 

am 2lbt)ang beS (SapitolS juerft öoüftänbig unb bann fpäter be= 

reits tjalbjerftört miebergefefjeu, inbem ber Marmor nod) immer 

ben ungUtcffettgen üßaterialroertr) t)atte, teidjt ju Äatf gebrannt 

werben gu fönneu; aud) eine geroaftige @äu(ent)afle bei ber Wi* 

neroa unterlag ftütfmeife bie[em ©cfjtcffaL (Sin 33erid)terftatter 

öom 3at)re 1443 mefbet bie ^ortbauer biefeö talf brennend, 

„metdjeS eine ©cfjmad) ift; benn bie neuern -Sauten fiub erbarm- 

„(id), unb baS ©cfjone an 9?om finb bie Ruinen" 1 ). £)ie ba- 

ntaügen (§imuot)ner in i()ren Sampagnolenmcinteüt unb ©riefeln 

famen ben gremben öor mie lauter 9?inberl)irten, unb in ber 

5Tt)at meibete bas SSicf» bis ju ben SSand)i fjinein; bie einzige 

gefettige 9?euuion maren bie ^irdjgänge 31t beftimmten Slbläffen; 

bei biefer ©etegentjeit befam man aud) bie fdjönen SBeiber ju 

fefyen. 

3n ben legten Oaliren (Sugenö IV. (ft. 1447) fdjrieb ^fonbuS 
öon $orfi feine 9?oma inftaurata, bereits mit ißenü^ung beS gron- 
ttnuS unb ber alten Sftegionenbüdjer, fo wie aud) (fdjeint es) beS 
SlnaftafiuS. ©ein gxotä ift fdjou bei Weitem ntd)t btofj bie 
©dutberung beS 23orl)anbenen, foubern metjr bie SluSmittetung 
beS Untergegangenen. 3m (Stnftang mit ber Sibmung an ben 
^apft tröftet er ftdj für ben allgemeinen SHuin mit ben r)errtid)en 
Reliquien ber Zeitigen, roefdie SKom befi^e. 

üUitt ^icotauö V. (1447 — 1455) befteigt berjenige neue monu* Die $m*- 
mentule ©eift, weldjer ber SRcnaiffance eigen mar, ben päpftfietjen 
©tutjt. £)urd) bie neue (Rettung unb 33erfd)önerung ber @tabt 
9?om ats fofdjer roud)S nun tuot)( einerfetts bie ©efafyr für bie 
Ruinen, anbererfeitS aber aud) bie SRücffidjt für biefelben als 
9?ut)meStttel ber ©tabt. ^ius II. ift ganj erfüllt öon antiqua* spms 11. a» 
rifd)em Sntereffc, unb menn er öon ben 2lltertt)ümern 9?omS m ^ mr - 
roenig rebet, fo t)at er bafür benjettigen beS ganzen übrigen 3ta= 
lienS feine Stufmerffamleit gemibmet unb biejenigen ber Umgebung 



!) Fabroni, Cosinus, Adnot. 86. 2tu3 einem Briefe beä 2l[feerto 
begli 2ll&ertt an ©ioüonni 3ftebict. — Ue&er ben 3 u f* an & 9tont§ unter 
Martin V. f. Piatina p. 277 ; ruä^renb ber Slbroefen^eit @ugen'§ IV. f. 
Vespasiano Fiorent. p. 21. 



144 Sie SBiebererroechmg beö 2tUertf)um3. 

3. gibfftnitt. ber ©tabt in weitem Umfange juerft genau gelaunt unb befdnueben 1 ). 

SWerbingS intereffiren tt)n als ®eifttid)cn unb (Soömograpljen 
antife unb cf»rtftticf»e £)enfmäter unb Sftaturrounber gtetdjmäjjig, 
ober f)at er fidj 3^ang antt)un muffen, als er 3. B. nieberfdjricb : 
s Jcola fyabe größere (Sfyre burd) baS Slnbenfen beS @t. Paulinus 
als burd) bie römifd)en (Srinuerungen unb burd) ben £)clbenfambf 
beS Marcellus? TOdjt baß etwa an feinem SRetiquienglauben ^u 
gtoeifefa märe, allein fein (Seift ift fdjon offenbar mefyr ber gor^ 
fdjertbetlna^me an 9catur unb 2lltertf>um, ber ©orge für bas 
Monumentale, ber geiftboüen Beobachtung beS SebenS jugenetgt. 
9?od) in feinen testen 3at)ren als *ßapft, pobagrifd) unb bod) in 
ber Ijetterften Stimmung, läßt er fief) auf bem STragfeffet über 
Berg unb £l)al nad) £uSculum, Elba, £ibur, Dftia, ftalerii, 
Dcriculum bringen unb berjeidjnct Sllles, was er gefefyen; erber* 
folgt bie atten ^ömerftraßen unb äöafferlettungen unb fudit bie 
©renken ber antifen SBölferfdjaften um 9?om ju beftimmen. Bei 
einem 2lu3flug nad) £ibur mit bem großen gebertgo bon Urbino 
öergef)t bie £eit Betben auf baS 21ngenel)tnfte mit ©efprädjen 
über baS ^ttertrjum unb beffen ®riegSn>efen, befonberS über ben 
trojamfetjen trieg; felbft auf feiner Steife jutn Kongreß bon 3Jcantua 
(1459) fud)t er, nnett>of)l bergebens, baS bon sßliniu« erwähnte 
tfabbrinrl) bon Slufium unb befiet)t am ÜWtncio bie fogenannte 
SBiüa 23irgil'S. £>aß berfelbe ^ßapft aud) oon ben »rebiatoren 
ein claffifd)eS Latein verlangte, berftefjt fid) beinahe bon felbft; 
fyat er boefi etnft im neapolitanifdjen Ärieg bie Slrpinateu amne* 
ftirt als 8anbSleutc beS SÄ. St. ©cero, fo wie be§ S. Marius, 
nad) roeldjen nod) biete Saite bort getauft waren. 3t)m allein 
als tenner unb Befd)ü£er fonntc unb modjte BlonbuS feine SKoma 
triumpfyanS jueignen, ben erften großen 93erfud) einer ©efammt* 
barfteüung beö römifdjen 2Iltertl)umS. 
Das mmifvm 3n biefer £ett mar natürlid) aud) im übrigen Otaticn ber 
auittsa» «oms. (gifer für bie römifdjen 21(tcrtl)ümer erir-adjt. @d)on Boccaccio 2 ) 
nennt bie SRuinenwelt bon Bajae „altes (Gemäuer, unb bod) neu 
für mobentc ©emittier;" feitbem galten fie als größte @el)enS* 
würbigteit ber Umgegenb Neapels. <Sd>n entftanben aud) @amm* 

t) ®a§ ^olgenbe au§ Jo. Ant. Campanus: Vita Pii II. bei Muratori 
III, II. Col. 980, s. — Pii II. Commentarii p. 48. 72, s. 206. 248, s- 
501. u. a. a. D. 

2 ) Boccaccio, Fiammetta, cap. 5. 



Sie Sßieberennecfung be§ 2lltert^um§. 145 



(ungen bon 2Htertl)ümern jeber Gattung. (Siriaco bon Incona 3. wjmit^ 
bur^ftretfte nicht bloß Italien fonbem aud) anbere tfänber beö 
alten Drbt« terrarum unb braute ^nfdjriften unb ,3etd)nungen 
in äftenge mit; auf bie $rage, worum er fid) fo bemühe, ant* 
roortete er: um bie lobten ju enueefen >). £)ie gnftorien ber 
einzelnen ©täbte Rattert bon jetjer auf einen magren ober fingirten 
3ufammeuJ)ang mit 9fom, auf bircete ®rünbung ober (Sotonifation 
öon bort an« butgettiefen 2 ); tängft fd)eineu gefällige Genealogen 
aud) einzelne gamilien bon berühmten römifeben ®efa)led)tern Stimmung 
beribirt 3U fyaben. £)ief? lautete fo angeuetjm, ba§ man aud) im aften w««n. 
Sickte ber beginnenben ®ritif beß XV. SajjrljmtbertS baran feft* 
tjictt. ®an$ unbefaugen rebet ^3tu§ II. in ißiterbo 3 ) ju ben rö* 
mifeben Draforen, bie ihn um fctjfeunige dtMhtyx bitten: „9?om 
„ift ja meine £)eimath. fo gut roie <Siena, benn mein §aug, bie 
„•piccolomini, ift bor StfterS bon 9fom nad) @iena geroanbert, 
„tote ber häufige ©ebraud) ber tarnen SleueaS unb @b>iu« in 
„unferer Familie bettetet". ^ermuthftd) t)ätte er ntdjt übet fiuft 
gehabt, ein Mutier $u fein. 21ud) für ^ßaul II. — 39arbo bon 
3Senebtg — tturbe geforgt, inbem man fein §au§, tro£ einer ent* 
gegenftefjenben SIbfiammung aus £)eutfd)lanb, ron ben römifdjen 
2lf)enobarbu$ ableitete, bie mit einer ßolonie nadj $arma geraten 
unb bereu üftachfommen ttegen ^3arteiung nad) 23enebig au§ge* 
roanbert feien 4 ). £)aß bie Sftaffimi bon Q. $abiu£ DJcarjmuS, 

1 ) Leandro Alberti, Descriz. di tutta l'Italia, fol. 285. 

2 ) Sroei SBetfpiele ftatt nieler: bie fabufofe Urgefd^id^te non SJJaüanb, 
im SölanipuIuS (Murat. XI, Col. 552) unb bie non gtorenj, om 2lnfang 
ber Sfjronif be3 9ttcorbano äRalaäpim, unb bann bei ©io. StUani, taut 
roeldjem ^lorenj gegen ba3 aniirömifdje, rebeßifdje $tefole non je&,er 9ted)t 
tyat, weil e§ fo gut rbtnifdfj gefinnt ift. (I, 9. 38. 41. II, 2). — Dante 
Inf. XV, 76. 

3 ) Commentarii, p. 206, im IV. 33ud). 

4 ) Mich. Cannesius, Vita Pauli II. bei Murat. III, II. Col. 993. 
©etbft gegen 9?ero, ben ©oljn be§ ©omitiuS 2tf)enobarbu3 , miß Slutor, 
ber ȊpftUdjen ^erroanbtfcfjaft wegen, nietjt unoerbinbltcf) fein ; er jagt non 
bemfelben nur: de quo rerum scriptores multa ac diversa commemo- 
rant. — 9h>d) ftärfer mar eS freilid) 3. SB., wenn bie gamilie pato in 
3Kailanb fidt) fdjmetdjelte non bem großen 5jSIato abjuftammen, wenn gilelfo 
in einer £odjjjeit3rebe unb in einer Sobrebe auf ben Quriften Seoboro 
^plato biefj fagen burfte, unb roenn ein ©ionanantonio pato ber non iljm 
1478 gemeißelten 3ieliefftgur be3 9ßfiilofopJ)en (im §of be§ $al. attajenta 
ju 2J?ailanb) bie Snfdjrift beifügen fonnte: Platonem suura, a quo ori- 
ginem et ingenium refert . . . 



58urcff)art>t , (Euttur ber SReuaijJancc. 



10 



146 



Sie äBtebemraecfung be§ Slüertfjumg. 



3. 3H>f<frnit t. bie Sornaro Pon bett (Soraeitern abftaramen rooüten, fantt ntd)t 
befremben. dagegen ift e$ für ba§ folgenbe XVI. 3al)rf)itnbert 
eine redjt auffattenbe StuSnafyme, ba^ ber StoöeUift SBanbetto fein 
®efd)ted)t üon öomctjmen Dftgotfjen (L 9tot>. 23.) abzuleiten 
fucfjt. 

füefyren rotr nad) SHom jurüct S)ie (äinroolnter, „bie fidj 
bamals Börner nannten", gingen begierig auf baS §od)gefttf)t ein, 
roeldjeS ifjnen baS übrige Statten entgegenbrachte. 2öir roerben 
unter ^ßaut IL, @ij:tuS IV. unb Slteranber VI. prädjtige (Sarne- 
PalSaufjüge ftattfmben fetjen, welche baS betiebtefte ^Ijantaftebtfö 
jener £>tit, ben Triumph a(trömifd)er Imperatoren, barfteüten. 
So irgenb ^atfyoS jum SBorfdjein fam, mußte es in jener gorm 
gefdjeljen. 23ei biefer (Stimmung ber ©emütfter gefcfyal) es am 
- ©te römifdje 18. 2lprtf 1485, baß fid) baS ®erüd)t tierbreitete, man fyabe bie 
Sei * e ' rounberbar fd)one, rooljt erhaltene Öeidje einer jungen Römerin 
aus bem 2IItertf)um gefunben *). Sombarbifdje SJiaurer, roeld)e 
auf einem ©runbftüd beö ®IofterS @. SWarta nuoPa, an ber 
SSia 5tppia, außertjatb ber ßaecüia äJietella, ein antifeö (Grabmal 
aufgruben, fanben einen marmornen ©arcopfjag angebttd) mit ber 
Sluffdjrift: 3utia, £od)ter beS (StaubiuS. £)aS Weitere gehört 
ber ^Ijantafie an ; bie Sombarben feien fofort tierfdjrounben fammt 
ben @d)ä^en unb (üübelfteinen, toetd)e im ©arcopljag pm ©djmud: 
unb (Meit ber Seiche bienten; (entere fei mit einer ftdjernben 
^ffenj überwogen unb fo frifd), ja fo beroeglid) geroefen rote bie 
eineö eben geftorbenen äßäbdjettS üon 15 3a£)ren; bann tjieß es 
fogar, fie fyabe nod) ganj bie garbe beS Sebent, Slugen unb 
9J2unb t)atb offen, äftan brachte fie nad) bem @onfcrt>atorenpalaft 
auf bem (Sapitof, unb bafyin, um fie ju fefyen, begann nun eine 
roafyre SaHfaljrt; 33tele famen aud) um fie abzumalen; „benn 
„fie mar fdjön, rate man es nicfyt fagen nod) fdjreiben fann, unb 
„roenn man es fagte ober fdjriebe, fo raürbcn es, bie fie nid)t 
„fatjett, bod) nidjt glauben". 216er auf ^3efef»t Onnocenj VIII. 
mußte fie eines ^adjts nor $orta ^ßinciana an einem geheimen 
Ort tierfdjarrt roerben; in ber £>ofi)atte ber (Sonferöatoren blieb 
nur ber leere ©arcopfjag. ©afjrjdjeinlid) roar über ben Hopf 
ber £eidje eine farbige äftaSfe beS ibealen ©tPleS aus 2Bad)S ober 

!) hierüber Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1094; Infessura 
bei Eccard, Scriptores, II, Col. 1951 ; — Matarazzo, im Arch. stor. XVI, 
11, p. 180. 



Sie 2ßieberertt)t(fung be§ 2tttertJjum3. 



147 



etwas 21ehulid)em mobellirt, woju bie uergolbeten £>aare, Don ^jn>fd,mtt. 

welchen bie 9?ebe ift, ganj wob,! paffen würben. £)a$ föfiljrenbe 

an bei* @ad)e ift mtf)t ber Stjatbeftanb fonbern ba« fefte ißorur* 

theil, baft ber antife &ib, ben man enbüd) hier in SBirffidjfett 

üor fid) 3U fernen glaubte, notfjwenbig ^crrlidjer fein müffe als 

2WeS, mag jefct lebe. 

Sngwifdjen wudjö bte fachliche tantnijj bcö alten 9?om burcf) ©te neue« %a. 
Sfaggrabungen ; fdjon unter 2llej:anbcr VI. (ernte man bie fog. 3 rn£ " m ocn 
®rottc«Icn, b. f). bte SBanb* unb ©ewölbebecoratiott ber Ilten 
fennen, unb fanb in ^ßorto b^njo ben SXpott Dom 23eluebere; 
unter Julius II. folgten bte glorreichen Slufftnbungen beS ßao* 
coon, ber baticanifd)en SBenu«, beö STorfo, ber Sleopatra u. a. m. 1 ); 
auo) bie 'paläfte ber Großen unb ßarbinäle begannen fich mit 
1 antifen ©tatuen unb Fragmenten 31t füllen, gür Seo X. unter* 
nahm 9?afael jene ibeale 9?eftattratton ber ganzen alten @tabt, 
öon weldjer fein (ober Safttgltone'«) berühmter 23rief fprtdjt 2 ). 
9^ad) ber bittern $lage über bie nod) immer bauernben 3erftö* 
rungen, namentlid) nod) unter 3ultu8 II., ruft er ben $apft um 
©d)uk an für bie wenigen übriggebliebenen 3eugniffe ber ®röjje 
unb Äraft jener göttlichen ©eelen bc3 2lltertf)um§, an beren 2ln* 
benfett fid) nod) jefct Mejenigen entjünben, bie beS £öhern fähig 
feien. Wit werfwürbig burdjbringenbem Urtheil legt er bann 
ben ®runb ju einer üergteidjenben Äunftgefdjidjte überhaupt unb 
ftetlt am (Sube benjenigen begriff bon „Aufnahme" feft, weiter mmj)mt i, 
fettbem gegolten tjat: er öerlangt für jeben Ueberreft *ßlan, Stufriß 
unb £)urd)fd)nitt gefonbert. 2Bte feit tiefer £eit bie Archäologie, 
in fpeciellem Slnfäfoj? an bie geheiligte ©cltftobt unb beren £opo* 
graphie, §ur befonbern SBiffenfdjaft heranwuchs wie bie Pitruoia* 
ttifdje Slcabemie menigftene ein coloffaleS Programm 3 ) attffteflte, 
fann nidjt weiter aufgeführt werben. £ier bürfen wir bei £eo X. ® ai twnifd)e 
flehen bleiben, unter toeldjem ber ®enuß be« 2llterthum$ fich mit «««• 
allen anbern ©enüffen gu jenem wunberfamen Grinbrucf öerflod)t, 
welcher bem Seben in 9?om feine 2Beif)e gab. ®er SSatican tönte 
öon ©efang unb ©aitenfpiel; wie ein (Sebot jur ßebenSfreube 
gingen biefe f länge über 9?om f)tn, wenn aud) 8eo bamit für 



!) ©djem unter H. grub man naef) in ber Slbfidjt, ©tatuen gu 

finben. Vasari XI, p. 302, V. di Gio. da Udine. 

2 ) Quatremere, Stor. della vita etc. di Bafaello, ed Longhena p. 531. 

3 ) Lettere pittoriche II, I. Solomei cm Sanbi, 14. 3lov. 1542. 

10* 



148 



Sie 3£teberern>ecfuttg be§ 2Ittertf)um3. 



3. Mbf&nitt. fid) faum eben erreichte, baß fidj Sorgen unb Sd)merjen üer* 
fdjeudjen liefen, unb wenn aud) feine bemühte SRedjnung, burcf) 
£eiterfeit ba§ ©afein ju verlängern 1 ), mit feinem frühen £obe 
feljlfdjlug. £)em gtänjenben SSitbe be8 teonifchen föom, wie e8 
^aolo ®iot>io entwirft, wirb man ftd) nie entjiefycn fönncn, fo 
gut bezeugt aud) bie Sdjattenfeiten finb: bie tncd)tfd)aft ber 
(Smporftrebenben unb ba8 I>etmlicr)e (Stcnb ber Prälaten, wetdje 
tro£ tfyrer Sdjutben ftcmbeSgemafj leben muffen 2 ), ba§ Lotterie* 
mäßige unb 3ufäüige toon £eo'§ literarifajetn Sftäcenat, enMid) feine 
toöttig öerberbUd)e ®etbtmrtt)fcf)aft 3 ). ©erfelbe Strioft, ber bicfe 
£)inge fo gut tannte unb Perfpottete, gicbt bodj wieber in ber 
fechten Satire ein ganj feljnfttdjtige« 33ilb bon bem Umgang 
mit ben tjocbgebitbeten ^oeten, roetdEje tfm burdj bie 9futnenftabt 
begleiten mürben, öon bem gelehrten ^Betrat!), ben er für feine 
eigene £)id)tung bort üorfänbe, enbtid) öon ben Sdjä£en ber 
öaticanifdjen 23ibliotf)ef. SDiefj, unb nidjt bie tängft aufgegebene 
Hoffnung auf mebiceifdje protection, meint er, waren bie wahren 
^octfpeifen für ifnt, wenn man itjn wieber bewegen wollte, als 
ferrarefifdjer ©efanbter nad) $Rom ju getjen. 
oiuinen^ 2lu£er bem ard)äotogifd)en (gifer unb ber feierlid) patriotifdjen 

fcntimcntatität. Stimmung wectten bie Ruinen als fo(d)e, in unb außer 9?om, aud) 
fdjon eine elegifaVfentimentate. 33ereit$ bei Petrarca unb Boccaccio 
ftnben fid) «lange biefer 2lrt (S. 141, 144); ^oggio (a. a. O.) 
befudjt oft ben Stempel ber 23enu§ unb Ütoma, in ber Meinung, 
e§ fei ber be§ (Saftor unb Pottum wo einft fo oft Senat gehalten 
worben, unb oertieft ficf) I)ier in bie Erinnerung an bie großen 
SRebner SraffuS, £)ortenfiu8, Gticero. S3ol(fommen fentimentat 
äußert fid) bann ^tuS II. jumat bei ber 33efd)reibung Pon £ibur 4 ), 
unb batb barauf entftefjt bie erfte ibeate 9fuinenanfid)t nebft 



') ©r wollte curis animique doloribus quacunque ratione aditwn 
intercludere , Weiterer ©djer^ unb SÜJJufi! feffelten ifjn unb er Ijoffte auf 
biefe Sßeife länger ju {eben. Leonis X. vita anonyma, bei Eoscoe, ed. 
Bossi XII, p. 169. 

2 ) SSon 2trtofto'§ Satiren gehören ^ief)er bie I. (Perc' ho molto etc.) 
unb bie IV. (Poiche, Annibale etc.) 

3 ) Sianfe, ^äpfte, I, 408 f. — Lettere de' principi 1, 33rief be3 
•Jlegri 1. September 1522: . . . tutti questi cortigiani esausti da Papa 
Leone e falliti . . . 

4 ) Pii II. Commentarii p. 251, int V. Sud). — SSgl. aud) Sannagaro'3 
©legte in ruinas Cumarum, im 2. 23ud)e. 



SDie SBiebererreecfung beS 2ntertfjumö. 



149 



@d)tfberung bei *ßottftfo *) : krümmer mächtiger ©ewötbe unb 3. uM*mt t. 
(Sotonnaben, burdjwadjfen üon alten ^(atanen, gorbeeren unb 
ßnpreffen nebft witbem ©ufdjwerf. 3n ber ^eiligen ®efd)id)te 
wirb c8, man fann faum fagen wie, gebräudjütt), bie £)ar|Mung 
ber ©eburt Sfjrifti in bie mögticrjft pradjtüou'en Ruinen eines 
^ßatafteö ju üertegen 2 ). £>aß bann enbtid) bie fünftlidje ^uine 
jum SRequiftt prächtiger ©artenanlagen würbe, ift nur bie practifdje 
taßerung beffelben ®efüf)i"3. 

ttnenbtidj widriger aber als bie baulichen unb überhaupt©« arten autoren 
ffinfttertfdjm töefte beö 2li"terrl)um3 waren natürlia) bie fdjrtftftd&en, im XIV> mxh 
griedjtfdje forootjt als tateinifdje. 3Jian l)iett fic ja für Quellen 
aller (ärfenntniß im abfoluteften «Sinne. £)a§ ©üdjerwefen jener 
Seit ber großen günbe ift oft gefdjtfbert worben ; mir fönnen nur 
einige weniger beamtete 3üge beifügen 3 ). 

<So groß bie (Sinroirfung ber alten Sdjriftftetter feit langer 
3ett unb öorsügttct) roätjreub beö XIV. 3ai)rl)unbert§ in Italien 
erfdjeint, fo war bod) metw baS Sä'ngftbefanntc in jaljfretdjere 
§änbe oerbreitet als SfteueS entbeeft worbeu. £)ie gangbarften 
tateintfdjen £>id)ter, pftorifer, Stfebner unb (Spiftolograpfjen nebft 
einer Slnjat»! latemifdjer Ueberfe^ungen nad) einzelnen ©Triften 
be8 StriftoteteS, ^lutard) unb weniger anbertt ©riedjen bitbeten 
wefentüd) ben SBorratf), an weldjem fid) bie (Generation beö ^3oc= 
caccio unb Petrarca begeifterte. Cc^tcrer befaß unb öeretjrte be* 
fannttid) einen grtedjtfdjen £>omer, ofme it)n tefen $u fönnen; bie 
erfte lateinifdje Ueberfefcung ber 3fia8 unb ©bpffee t)at Boccaccio 
mit £ütfe eine8 calabrefifd)en ©riedjen, fo gut e8 ging, ju Staube 
gebraut dx\t mit bem XV. 3af)rf)unbert beginnt bie große 
SKeirje neuer (Sntbetfungen, bie fttftematifdje Anlage oon 4öibIiottjefen 
bura) (Sopiren unb ber eifrigfte betrieb be8 UeberfefcenS au8 bem 
©ried) if d)en 4 ). 



1) s Jk>lifüo, £>npnerotomacl)ta, ofjne Seiten jaulen. %u$zuq bei 
%emcm%a, p. 12. 

2 ) 2Bät)renb alte ^irdEjenr-äter unb alte plger nur von einer £ör)Ie 
wiffen. Slucf) bie Siebter fönnen be§ ^alafteä entbehren. Sgl. Sannazaro, 
de partu Virginis, L. II. 

3) §auptfä($Itdf} au§ äSeäpafwno $iorentino, im X. Sanbe beä Spicileg. 
romanum von Mal ®er Slutor mar ein florentinifcfjer SüdE)erf)änbIer 
unb (Sopienlieferant um bie HJJitte be3 XV. 3af)rt). unb nadf) berfelben. 

4 ) Sefanntlid) rourbe, um bie Regier naef) bem 2lltertt)um ju tau= 
fcf>en ober §u branbfdjafcen , aud) einiget Uned&te ' geftfimiebet. 3)Jan fet)e 



150 Sie SBiebererroeifung bc§ Stttertbumä. 



a. 9ibfdm.tt. Dirne bie SScgeifterung einiger bamaligen ©ammler, welche 
s>iefe»en im fid) bis jur äußerfiett (ühttbeljrung anftrengten, befäfjen wir gortj 
xv. 3abvi,. g Cn) ^ nur e j nen n t [ mn Styii jumat ber griec£)ifd)en Tutoren, 

rceldje auf unfere Qtit getommen jutb. $apft Sfticofauö V. fyat 
fid) fdjon als 3J?önd) itt@d)utben gefüllt, um (SobiceS ju taufen 
ober copiren 31t taffen ; fdjott bamatö bef turnte er fid) offen 
bett beiben grofjett ^afftotten ber 9?enaiff ance : £3ücf)er unb 33au* 
ten 1 ). 21(6 «ßapft fyiett er 2öort; (Sopiften fdjriebcn unb ©päfjer 
fudjten für if)n in ber fyalben 3Mt, Sßerotto erljteft für bie tatet* 
nifd)e Ueberfefetmg be§ "ißotPbiuS 500 £)ucaten, ©uarino für bie 
beö ©trabo 1000 ©olbgulben unb foltte nod) weitere 500 ermatten, 
als ber ^ßapft 311 frül) ftarb. SO^it 5000 ober je nadjbem man 
red)nete 9000 SSänben 2 ) tjintertie^ er biejentge eigentlich für ben 
Die s3ibuoti)efcn.@ebrauc{) alter Surtaten beftimmte SSibtiotljef, roeldje ber ®runb* 
ftoct ber SSaticana gemorben ift; im ^atafte fetber fottte fie auf? 
geftettt werben, als beffen ebctfte gier, mte es einft Honig ^ßto- 
lemaeuS ^itabelplmS $u 2tlej:anbrien gehalten. 2llS er tr-egen 
ber ^eft mit bem §ofe nadj gabriano 30g, natjm er feine lieber* 
fe^er unb ßompilatoren baljin mit, auf ba£ fie il)tn nid)t meg* 
ftürben. 

Sie Florentiner ^iccolö 9?iccoli 3 ), ©enoffe bcS geteerten $reun* 
beStretfeS, meldjcr fid) um ben altern @ofimo SJZebici toerfammelte, 
roanbte fein ganzes Vermögen auf ©rroerb non 53üd)ern; cnblid), 
ba er nicbtS mefyr hatte, fetten il)tn bie s Jftebtci it)re Haffen offen 
für jebe @umme, bie er ju fotdjen ^roeefen begehrte. 3hm tier* 
banft man bie 23erootlftänbigung beS 2lmmianuS 9flarceltinuS, 
beö ßicero be oratore u. 2t. m. ; er betuog ben (Sofimo 311m 2ln= 
tauf beS treffüchjten ^ßliniuS aus einem Hlofter ju Öübecf. ffllit 



in ben literar=gefd)id)tliä)en Sßerfen ftatt alteg Uebrigen bie 2Irti£eI über 
2tnntu§ non SSiterbo. 

J ) Vespas. Fior. p. 31. Tommaso da Serezana usava dire, che dua 
cosa farebbe, s'egli potesse mai spendere, ch'era in libri e murare. 
E l'una e l'altra fece nel suo pontifleato. — ©eine tteberfc|er f. bei 
Aen. Sylvins, de Europa, cap. 58, p. 459, unb bei ^3apencorbt, ©ejcf». 
ber ©tabt 3tom, p. 502. 

2 ) Vespas. Fior. p. 48 unb 658. 665. SSgL J. Mannetti, Vita Nicolai 
V. bei Murat. III, II, Col. 925, s. — Db unb rote ©alist III. bie 
Sammlung roieber ttjeilroetfe üerjettelte , f. Vespas. Fior., p. 284, s. mit 
aJiai'ö 2tnmerfung. 

~) Vespas. Fior. p. 61", s. 



35ie äßiebererrcechmg be§ 2lltertljum§. 151 



einem großartigen Zutrauen fiel) er feine 23üdjer aus, fieß bie 3. Mbf<»mtt. 

£eute aud) bei fidj (efen, fo toiet fie Woüten, unb unterrebete fidj 

mit tfynen über baS ©riefen e. ©eine «Sammlung, 800 33änbe 

ju 6000 ®o(bgu(ben gewertfjet, fam nad) feinem £obe burd) So* 

fimo'S SBermtttefung an baS Softer (S. 3ttarco mit Sebingung 

ber Deffentfidjfeit. 

93on ben betben großen ASüdjerfinbern ©uarino unb ^oggio $wio. 
ift ber Teuere 1 ), gutn Zfyül ati 2lgent beS Sftccou, befanntlid) 
aud) in ben fübbeutfdjen Abteien tl;ättg gemefen, unb jwar bei 
Maß beS SoncilS tion (Sonftan^. dt fanb bort fedjs töeben beö 
(Sicero unb ben erften oottjicinbigen Ouintitian, bie Sangaflen* 
ftfffo jefct äfirdjer £anbfd)rift; binnen 32 STagett fotf er fie boft* 
ftänbig itnb jwar fer)r fdjön abgetrieben Ijaben. &en SilutS 
3taticuS, SWanifiu«, £ucretiuS, 23al. Saccus, 2IScon. ^ebianuS, 
Solumeßa, (£elfus, 21. ®eüiuS, Statins u. m. 21. fonnte er wefent* 
fidj Derboflftänbigen; mit Sionarbo 2lretino jufammen- brad)te er 
bie jroMf testen (Stüde beS ptautuS jum SBorfdjeut, fo wie bie 
SSerrinen beS (Stcero. 

2luS antifem Patriotismus fammette ber berühmte ®riedje 
(Sarbinal 23effarion 2 ) 600 (SobiceS, I)eibnifd)en wie djriftfidjen 
Snfjatts, mit ungeheuren Opfern, unb fudjte nun einen fiebern 
Ort, wo!)in er fie ftiften fönne, bamit feine ungtüctfic^e £eimatf), 
wenn fie je mieber frei mürbe, it)re rjerforeue Literatur wieber 
finben möd)te. £)ie Signorte bon SSenebig (S. 58) erHärte fxer) 
3um Sau eines £ocateS bereit unb nod) t)eute bemaljrt bie $iar* 
cuSbtbliotfjef einen £ljetf jener Sd)ä£e 3 ). 

£)as 3 u |ammenfommcn ber berühmten mebiceifdjen ©ibtiot^ef 
fyat eine ganj befonbere ®efd)idjte, auf wetdje mir l)ier nicfjt ein* 
gefyen fönnen ; ber Spauptfammfer für Sorenjo magnifico mar 
ÖofyanneS tfaScariS. befanntlid) Ijat bie Sammlung nad) ber 
^lünberung beS 3aI)reS 1494 nod) einmal ftücf weife burd) @ar« 
binal ©ioöanni SCRebici (8eo X.) ermorben werben müffen. 

£)ie urbtnattfdje 23ibtiotl)ri 4 ) (jefct im $atican) war burdj» 

von Urbiuo. 

!) Vespas. Fior. p. 547, s. 

2) Vespas. Fior. p. 193. Sgl. Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 
1185 s. 

3 ) 2öte man einftroeiten batnit umging, f. b. Malipiero, Ann. veneti, 
Arch. stor. VII, II, p. 653. 655. 

4 ) Vespas. Fior. p. 124, s. 



152 



2>ie SBiebererraecfung beä 2Htertf)um£>. 



3, atbfdmitt. gug bie ®rünbung beö großen geberigo öon -äftontefeltro (©. 35), 
ber fd)on als Sfriabe $u fainmeln begonnen t»atte r fpäter beftänbig 
30 bi§ 40 ©crittori an r>erfd)iebenen Orten befdjäftigte, unb im 
Verlauf ber 3eit über 30,000 ©ucaten baran raanbte. «Sic 
mürbe, Ijauptfadjltdj mit §ütfe 23e8pafiano'« , ganj fnftematifff) 
fortgefe^t unb berüollftänbigt, unb roa$ btefer batton berietet, tft 
befonberS merfröürbig a($ Obeatbitb einer bamaligen 23ibttot()ef\ 
3ftan befafc g. $8. in Urbino bte Onöentarien ber SSaticana, ber 
SSibüotfjef tton @. Ottarco in $loren$, ber tti§continifd)en 33i5tio* 
tfyef üon ^attia, ja felbft ba$ Snttentar tton £>£forb, unb fanb 
mit ©tolj, bafe Urbino in ber 23otlftanbigfeit ber ©Triften be§ 
einzelnen SlutorS jenen ttietfadj überfegen fei. 3n ber ättaffe 
wog ttietleidfyt noa) baS Mittelalter unb bie Geologie ttor; ba 
fanb jtd) ber ganje £fyoma§ öon Slquino, ber ganje llbertuö 
magnuS, ber ganje 33onaöentura :c; fonft mar bie 33ibltotf)ef 
feljr ttielfeitig unb enthielt 5, 23. alle irgenb beiaitfdjaffenben mebi* 
cinifdjeu Serfe. Uuter ben „attoberni" [tauben bie großen %\x> 
toten be$ XIV. 3af)rljunbert8, 3. 33. ©ante, Boccaccio mit tfyren 
gefammten Sßerfen oben an; bann folgten 25 auslieferte §uma* 
niften, immer mit ttjren tateiuifdjen unb italienifd)en ©Triften 
unb allem, wa$ fie überfefct Ratten. Unter ben gried)ifd)cn (Sobiceö 
überwogen fefyr bie ®ird)enoäter, bod) rjeifjt e$ bei ben GElaffifern 
u. a. in einem Buge: alle 2Berfe be8 ©opljofles, alle Serie be$ 
Sßmbar, aüe Serie be§ äftenanber — ein Sobejc, ber offenbar 
früfye 1 ) aus Urbino tterfdjtuunben fein muß, weit ii)n fonft bie 
^3l)tIologen balb ebirt fyaben würben. 

Gopten unb 23on ber 5lrt tuie bamals £)anbfd)riften unb 23ibltotl)el'en 
©(rittoii. ent ^ anbetT/ cr ^ a iten wir aud) fonft einige 9?ea)enfd)aft. ©er bi* 
recte Mauf eine« altern 9ftanufcripte$, lnetajeS einen raren ober 
allein ttollftänbtgen ober gar nur einzig ttorfyanbenen STe^t eine« 
alten Tutors enthielt, blieb natürlich eine felteue ®abe beS ©IMeS 
unb fam nidjt in töedjnung. Unter ben ßopiften nahmen bie* 



1) ®tma bei ber einnähme tum Urbino burti) ba§ £>eer ©efare 33or* 
gta'3? — 3ttat bezweifelt bie ©siftenj ber £anbfc§rift, tdfj fann aber ntcf)t 
glauben, bafj 2k§paftano etwa bie blofjen ©nomener.cerpte au3 3Jienanber, 
befanntlicf) nur ein paar fyunbert SSerfe, mit „tutte le opere" unb in jener 
Steide umfangreicher ©obice§ (mochte e§ auefy nur unfer je^iger ©opf)ofle3 
unb ^inbar fein) aufgeführt tyaben mürbe. @§ ift nicE)t unbentbar, bafj 
jener XRenanber noef) einmal 3um 2Sorfdf)em fommt. 



Sie SBieberertcedung beä 2Htertf)um§. 



153 



jenigcn, wetdje griedjifd) toerftanben, bie erfte «Stelle unb ben 3. -ubf^nitt. 
(Sfyremtamen ©crittort tm twrjugsweifen @itttte ein; es waren 
unb blieben tljrcr wenige, unb fie würben r)od£) besohlt 1 ). £)ie 
übrigen, (£opifti fdjfedjtweg, waren tt)ett§ Arbeiter, bic einzig ba* 
tum lebten, tfjeilS arme (Meierte, bie eines 9?ebengewinne8 be* 
burften. üDfarfmürbiger äöeife waren bie (Eopiften öon 9fom um 
bie 3eit 9?icofau« V. meift £)eutfd)e unb granjofen 2 ), maljr* 
fdjehtltdj Seute, bie etwas bei ber ßurie fudjen Ratten unb 
ttjren 8eben$unterf)a(t I)eraußf plagen mußten. 2tt3 nun 3. 23. 
(Eofimo Sttebici für feine 8iebling§grünbung, bie 33abia unterhalb 
^iefol'e, rafdj eine 33ibIiott)ef grünben wollte, ließ er ben 33efpa* 
fiano t'ommen unb erfjiett ben 9?atf): auf ben $auf üorrättjiger 
33üd)cr 3U beraten, ba ftdj, was man wünfdje, nidjt uorrätfyig 
finbe, fonbern fdjreiben 31t taffen; barauf mad)te Sofimo einen 
Slccorb mit itjm auf tagtägtidje Sluöja^tung, unb 93e3pafiano 
nafym 45 ©Treiber unb lieferte in 22 Monaten 200 fertige 
2Mnbe 3 ). £)a§ 9Serjctc^ni§, wonadj man oerfufyr, blatte (Sofimo 
öon Dftcotaus V. 4 ) eigenfyänbtg ermatten. OJZatürttd) überwog bie 
fird]lid)e Literatur unb bie Stusftattung für ben (Sfyorbienft weit 
baö Uebrige.) 

ÜDie ^anbfdjrift mar jene fdjöne neu itatienifdje, bie fdjon 
ben Slnbtid 3 eines -SöudjeS biefer £>ät $u einem ®enufj madjt, unb 
beren Anfang fdion ins XIV. Oaljrfyunbert t)inaufreid)t. Sßapft 
üfttcotauS V v ^Soggio, ®tanno$}o Sftannetti, Dftccotö ^iccoti unb 
aubere berühmte ©elefjrte waren tion £)aufe aus ®aütgrapf)en 
unb belangten unb butbeten nur @d)öne$. £>ie übrige SluSftat* 
tung, aud) wenn feine Miniaturen baju tarnen, war anwerft ge= 

*) 2Benn ^ßiero be' SÜJlebici beim £obe be§ büdjerliebenben Äönigä 
3JJatt£)ias> (SoroinuS von Ungarn üorauöfagt, bie ©crittori würben fortan 
tljre greife ermäßigen ntüffen, ba fie fonft non Sfttemanb me§r (seil. at§ 
non un§) fcefcEjäfttgt würben, fo fann biejj nur auf bie ©rtecfjen ge£)en, 
benn Äaltigrap^en , auf roeläje man e§ ju beuten nerfucfjt roare, gab e§ 
fortroäljrenb niele in ganj Italien. — Fabrom, Laurent, raagn. Adnot. 
156. SBgl. Adnot. 154. 

2 ) Gaye, Carteggio, I, p. 164. ©in 33rief con 1455, unter ©a; 
lijt III. 2tuct) bie berühmte üDHniaturenbibel won Urbino ift oen einem 
grangofen, Arbeiter 33e3r>aftano'3, gefajrieben. ©. 2)'2lgincourt, Malerei, 
Sab. 78. 

3 ) Vespas. Fior. p. 335. 

4) Slutfj für bie 33ibIiotf)efen tum Urbino unb «Pefaro (bie beä 2lleff. 
©forja, 6. 22) Ijatte ber ^ßapft eine äfjnlicf)e ©efaHigfeit. 



154 



SMe Sßiebererwctfung be§ 2lltertJ)um§. 



3. Mbfdmitt . fd)mactocu% tute befonberS bie @obice$ ber Saurenjiana mit ifyren 
teilten linearen Anfang«* unb ©efyfajjornamenten betueifen. £)a$ 
Material tr>ar, wenn für große Herren gefcfjriebett rourbe, immer 
nur Pergament, ber (Stnbanb in ber Sßaticana unb ju Urbino 
gletdjmäfjig ein SÜarmofinfammet mit filbernem ^3efcf)täge. 33ci 
einer foldjen ©efinnung, meiere bie (St)vfurdt)t oor bem Snfjatt ber 
SBüdjer burd) tnöglidjft eble Sfasftattuttg an ben Stög fegen 
raottte, ift e8 begreiflich bafj bie ptö^tid) auftaudjenben gebrückten 
53iici)er SlnfangS auf SBiberftanb fliegen, geberigo Don Urbino 
„fjätte fid) gefdjämt" ein gebrücktes Sfttdj ju befi^en 1 ). 

sjüdjcvbnkf. SDte inüben Slbfdjreiber aber — ntdjt bie, roetd)e Dom Sopiren 
lebten, fonbern bie 33ielen, roeldje ein 33ud) abfdjrciben mußten, 
um e§ 31t fyaben — jubelten über bie beutfdje (Srfinbung 2 ). $ür 
bie SSerütelfälttgung ber Horner unb bann aud) ber ©rted)en mar 
fie in Statten batb unb tauge nur fjter tfyättg, bod) ging e§ ba* 
mit nid)t fo rafdj, afö man bei ber allgemeinen Segeijterung für 
biefe Sßerfe fjätte benfen follen. 9Zad) einiger 3ett bitben fid) 
Anfänge ber mobernen Tutors? unb 23ertag§üerf)ättniffe 3 ) unb 
unter Stte^anber VI, fam bie präuentioe (Senfur auf, tnbem e§ 
jefct ntcfjt meljr tetdjt möglid) war, ein Sud) ju jernidjten, wie 
uod) (Eofimo fid] e# toon gifetfo ausbebhtgen fonnte 4 ). 

2öie fid) nun aftmätig, im gnfammenljang m ^ oem f or ^ 
fdjrettenben ©tubtutn ber ©pradjen unb be§ SHtertlmmö überhaupt, 
eine Srttif ber £e£te bitbete, ift fo menig ein ©egenftonb biefeä 
■33ud)e§ a(§ bie ©efdjidjte ber ®ete[)rfamfeit überhaupt, 9fcid)t 
ba§ SBiffen ber Staftener aU foldje«, fonbern bie 9^eprobuction 
beS SMtertljum« in Literatur unb ßeben muß uns befd)äftigen. 
®od) fei über bie ©tubien an fidE) uod) eine -33emerfung geftattet. 



!) Vespas. Fior. p. 129. 

2 ) Artes — Quis labor est fessis demptus ab articulis, in einem 
@5ebid)t be§ 9tobertu§ lXrfuä um 1470, Berum ital. scriptt. ex codd. 
Florent., Tora. II, Col. 693. @r freut fid) etroa§ früt) über bie ju b>ffenbe 
rafd^e Verbreitung ber ctaffifd^ett Slutoren. Sögt. Libri, Hist. des sciences 
matbematiques II, 278, s. — lieber bie SDrucfer in 3iom Gaspar. Veron. 
Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 1046. S)aS erfte ^ritnlegium in 
Venebig f. Marin Sanudo, bei Murat. XXEL, Col. 1189. 

3) ©troaä 3ter}nltct)eä b>tte fd)on jur Seit be§ ©d)retben§ ejiftirt, f. 
Vespas. Fior. p. 656, s. über bie SBeltdEironil beä gembtno von ^ßiftoja. 

4 ) Fabroni, Laurent, magn. Adnot. 212. — @g gefct)a^ in Setreff 
ber ©d)mäf)fcf)rift de exilio. 



SDie Sötebererroecfung be§ 2tttertlium§. 



155 



£>ie griedjifdje ©ekfjrfamt'ett conccntrirt fiel) roefetttltdj auf 3. stbfdmitt. 
gtovett^ unb auf ba§ XV. unb ben Anfang bef XVI. 3al)rl)un= wturw m 
bert§. 2Ba« Petrarca unb Boccaccio angeregt Ratten 1 )/ fdjeint 
nod) nid)t über bie St'fjetfttaljme einiger begeifterten ^Dilettanten 
hinaufgegangen ju fein; anbererfeitf ftarb mit ber @o(ome ge* 
tcljrter griedjifdjer gtüdjttinge aud) ba§ Stubium bef ®ried)ifd)en 
in ben 1520er 3af)ren roeg 2 ), unb es mar ein red)te§ ©tüct, baß 
^orbtänber ((?ra§mu§, bie (£ftienne, 23ubeu3) fid) beffetben in* 
jmifdjen bemdd)tigt fjatten. 3ene Sotonie fjatte begonnen mit 
tarntet (Sf)rt)fotoraö unb feinem SSerroanbten SofyanneS, fo wie 
mit ©eorg Don STrape^unt, bann tarnen um bie ,3cit ber Eroberung 
SonftantinopetS unb nacf)l)er 3ol)anneS 2lrgt)ropu(of, £l)eobor 
©aja, £)emetrio§ (Slmtconbrjtaf, ber feine @öf)ne S^eopf^tog unb 
33afiüoS 3U tüchtigen ©riedjen erjog, 2Inbronifo§ tafliftof, SD^ar^ 
fos üöhtfuroS uub bie ^dmitie ber 2a§cari§, nebft anbern metn*. 
«Seit |ebod) bie Unterwerfung ©riedjentanbg buref) bie fürten 
üollftdnbig mar, gab e§ feinen neuen geteerten s J?ad)toudj8 mcfyr, 
aufgenommen bie Söfyne ber $(üd)t(inge unb tnefletd)t ein paar 
Sanbioten unb (Srjprtoten. £)af! nun ungefähr mit bem STobe 
8eo'§ X. auef) ber SSerfaß ber griedjifdjen ©tubieu im Slügemeinen ©effen ft% 
beginnt, rjatte rooljt jum Xijäl feinen ©runb in einer SSeränberung mmt > m - 
ber geiftigen SHidjtung überhaupt 3 ), unb in ber bereits eingetre* 
teuen retatben Sättigung mit bem Snfyalt ber daffifdjen Literatur; 
gewiß ift aber audj bie (Soinciben^ mit bem Stuffterben ber ge* 
lehrten ©riedjen feiue ganj 3ufäüige. ^a§ Stubium be§ ©rie* 
d)ifd)en unter ben Italienern fetbft erfdjeint, wenn man bie &tit 
um 1500 3um OJiafjftab nimmt, gewaltig fdnrmngfwft; bamatf 
ternteu btejemgen Seute griedn'fd) reben, metd)e e§ ein fyalbef 
^atjr^unbert fpäter nod) aU ©reife f'onnten, wie 3. bie ^äpfte 
$aul III. uub ^aul IV. 4 ). ©erabe biefe 2lrt öon £t)eitnal)me 
aber fefcte ben Umgang mit gebornen ©riedjen öorauS. 



1) Sgl. ©i§monbi VI, p. 149, s. 

2) ®aä 2lu3fterf>en biefer ©rieben conftatirt Pierius Valerian. de in- 
felicitate literat. Bei Slnlafj ber SaScartS. Unb $aulu3 Soüiuä ®"*> e 
fetner Elogia literaria jagt von ben ©eutfdjen: . . . quum literae non 
latinae modo cum pudore nostro , sed gracae et hebraicae in eorum 
terras fatali commigratione transierint. (©egen 1540.) 

1) StartJe, ^ßäpfte, I, 486. — Man »gl. ba3 @nbe biefeö 2lbfd)mtte§. 

2 ) Tommasso Gar, Eelazioni della corte di Koma, I, p. 338. 379. 



156 



2>te SBiebererroecfuug bc3 SlltertfjumS. 



3. atbfdmitt. 2lußert)alb glorens Ratten 9?om unb ^ßabua faft immer, 33o* 
(ogna, gerrara, S3enebtg, Perugia, ^atiia u. a. Stäbte njcnigften« 
Seitroeife befotbete 8et)rer be§ ©ried)ifd)en 1 ). Unenbltd) ütet üer* 
banfte bafc griedjifdje Stubium ber Öfftjtn be$ 2llbo 9)?anucci $u 
23enebig, iuo bie roid)tigften unb umfangreichen Tutoren jum 
erftenmat griedjifdj gebrucft mürben. Sttbo magre feine £abe 
babei; er mar ein (Sbitor unb Verleger, roie bie Seit menige 
gefmbt tjat. 

Crientalifdje £)aß neben ben clafftfd)en Stubien aud) bie orieutatifd)en 
©tufcicn. e j nen jictnttd) bebeutenben Umfang gemannen, tft menigfteng t)ier 
mit einem SBorte ju ermahnen. 2In bie bogmatifdje ^ofemif gegen 
bie Ouben fnüpfte fid) guerft bei ©ianno^o 3}?annetti 2 ), einem 
großen florentinifdjen ©elefyrten unb Staatsmann (f 1459), bie 
(Srtemung beg £ebräifd)en unb ber ganzen jübifdjen Siffenfdjaft; 
fein Solnt Slgnoto mußte öon tinbbeit auf tateinifcr), gricd)ifd) 
unb rjebräifd) lernen; ja ^apft ^icotauS V. Heß öon ®tanno^o 
bie ganje 23ibe( neu überfein, inbem bie prjiloi'ogifdje ©efinnung 
jener 3eit barauf ^inbrangte, bie 33utgata aufzugeben 3 ). 3lud) 
fonft nafjm meljr als ein £mmantft ba8 §ebrdifd)e lange uor 
SKeudjtin mit in feine Stubien auf unb *iJ3tco betta 3ftiranboia 
befaß baö ganje tatmubifdje unb pt)itofopl)ifd)e Siffen eine« ge* 
lehrten Rabbiner«. 2Iuf bas Slrabifc^e fann man am elften öon 
Seiten ber 3)?ebicin, metdje fid) mit ben äftern lateinifcfyen lieber* 
fe^ungen ber großen arabifdjeu 2ter^te nidjt mefyr begnügen moüte; 
ben äußern Slntaß boten etraa bie öene^ianifa^en ßonfulate im 
Orient, roetaje itaftenifaje Steqte Unterstetten, ^ieronimo Sftamufio, 
ein r>enetianifd)er 2lqt, überfe|te aug bem 5lrabifd)en unb ftarb in 
£)amaScus. Slnbrea £Diongajo oon 23ettuno 4 ) tjieft fid) um 2tüU 

*) ©eorg von £rape-$unt mit 150 Sucaten in SSencbig 1459 al3 ^ro= 
feffor ber 3ietl)orif befolbet, Malipiero, Arch. stor. VII, II, p. 653. — 
lieber ben grted)tfd)en Se^rftufjl in Perugia f. Arch. stor. XVI, II, p. 19 
ber (Einleitung. — %üv 9iimini bleifit e3 ungennfj, ob grted^tfcr) bocirt ttmrbe; 
»gl. Anecd. litt. II, p. 300. 

2 ) Vesp. Fior. p. 48. 476. 578. 614. — 2lud) fjto 2tittbrogio (EamaU 
bolefe fonnte rjebräifd^. Ibid p. 320. 

3 ) ©ijtuä IV, ber bo§ ©ebäube für bie SSaticana errichtete unb biefelbe 
burd) uiele 3lnfüufe nerme^rte, nxxrf aud) Stfolbungen für lateinifd^e, grie= 
cr)ifcf)e unb t)eE>rätfcr)e ©cripiionen (librarios) au§. Piatina, VitaSixtilV; 
p. 332. 

4 ) Pierius Valerian., de infelic. lit. bei 2tnlaf$ beS äftongajo. — lieber 
3iamufio, cgi. Sansovino, Venezia, Fol. 250. 



©ie SBiebererroccfung beä SUtertfiumä. 



157 



cenna'« willen lange in £)ama«cu« auf, (ernte ba« 2Irabifd)e unb 3 . mmmtt. 
emenbirte feinen 2lutor; bie benejtamfdje Regierung ftclttc ifyn 
bann für biefeö befonbere gad) in ^ßabua an. 

23ei pco müffen mir r)ter nodj Derweilen, efye wir ju ber ma m> 
Sßirfung be« £mmani«mu« im ©roßen übergeben. Orr ift ber ran6oIa - 
(ginjige, melier laut unb mit Sftacfybrucf bie SBijfenfdjaft unb 
2Baljrf)cit aller Reiten gegen ba« einfeitige §eroorl)eben be« claf* 
fifdjen Slltertljum« oerfodjten I>at *). 9?icbt nur 2Iöerrf)oe« unb bie 
jübifdjen grorfdjer, fonbern aud) bie @d)olaftifer be« SCRtttetalterö 
fcfjä^t er nad) iljrem @ad)inf)alt; er glaubt fie reben gu fjören: 
„wir werben ewig leben, nidjt in ben ©djulen ber ©tjlbenftecber, 
fonbern im trei« ber Seifen, wo man ntctjt über bie Butter ber 
Slubromadje ober über bie ©ofrne ber 9?iobe bi«cutirt, fonbern 
über bie tiefern ©rünbe göttlidjer unb mcnfdjlidjer ©inge; wer 
ba näljer tritt, wirb merfen, baß aud) bie Barbaren ben ©eift 
(Mercurium) Ratten, ntctjt auf ber Bunge, aber im öufen". 3m 
SBefifc eine« Mftigen, burdjau« ntctjt unfdjönen Satein« unb einer 
flaren £)arfteßung üeractjtet er ben pebantifdjen ^uri«mn« unb bie 
ganje Ueberfdjä^ung einer entlehnten gorm, jumal wenn fie mit 
(Sinfeitigett unb (Einbuße ber Dollen großen 2Baf)rI)eit in ber @ad)e 
öerbunben ift. 2ln itjm fann man inne werben, weldje erhabene 
Söenbung bie italienifcbc $l)ilofopI)ie würbe genommen fjaben, 
wenn ntdjt bie (Gegenreformation ba« ganje f)öl)ere @eifte«leben 
geftört t)ätte. 

2öer waren nun diejenigen, welche ba« fyodwereljrte Slltertljitm smtitirtrung Der 
mit ber (Gegenwart Vermittelten unb ba« (Srftere jum |)auptinl)alt mim *- 
ber 23i(bung ber te^tern erhoben? 

(§« ift eine Ijttnbert geftaltige ©djaar, bie Ijeute biefe«, morgen 
jene« 21ntufc jeigt; fo ötel aber wußte bie 3cit unb wußten fie 
felbft, baß fie ein neue« (Hement ber bürgerlichen ©efellfdjaft feien. 
211« il)re Vorläufer mögen am elften jene üagirenben (Stcrtfer 
be« XII. Saljrfyunbert« gelten, öon bcren sßoefie oben (@. 138, f.) 
bie Sftcbe gewefen ift; baffelbe unftätc £)afein, biefelbe freie unb 
mefyr al« freie Seben«anftd)t, unb öon berfelben Slntiftfirung ber 
sßoefie wenigften« ber Anfang. 3e£t aber tritt ber ganzen wefentlid) 
nocb immer geiftlidjen unb öon ©eiftüdjen gepflegten 23ilbung be« 

O SBorgügltcfj in bem ttndjtigen Sriefe vom 8- 1485 an ©rtnolao 33ar; 
baro, bei Ang. Politian. epistolse, L. IX. — Sgl. Jo. Pici oratio de 
hominis dignitate. 



158 



SDie Sßiebererrcechtng be3 2lltertb,um£>. 



3 . Mbftftnitt . SO^ittetatters eine neue Söitbung entgegen, bie fidj bor^üglid) an 
baSjenige f)ätt, was jenfeitS beS Mittelalters liegt. SDte actiöen 
STräger berfetben werben wichtige ^crfonen i ), weil fie Kliffen was 
bie Sitten gewußt tjaben, weit fie ju fdjreiben fudjen wie bie Sitten 
fdjrieben, weit fie ju benfen unb batb aud) ju empfinben beginnen 
wie bie Sitten bauten unb empfanben. SDic £rabition, ber fie 
fidj wibmen, get)t an taufenb ©teilen in bie JWcprobuction über. 

sijre 5«ac^ti)eite. (£s ift öoit Beuern öfter beftagt worben, baß bie Stufänge 
einer ungteidj fetbftänbigem, fcfjeittbav wefentlid) itatienifdjen 
SSilbung, wie fie um 1300 in gforcnj fidj jeigten, nadjfyer burd) 
baS ^umaniftenwefen fo tiöüig überftutfjet worben feien 2 ), £>a* 
mal« fyabe in glorenj SltleS lefen fönnen, felbft bie (äfeltreiber 
[)ätten ©ante'S Satuonen gefungen, unb bie tieften nod) oorfyan* 
benen italiemfctyen 3)ianufcripte tjätten urfprüngtid) ftorentinifd)en 
£)anbarbeitern get)ört; bamat§ fei bie (Sntftefyung einer populären 
(Snctjctopäbie wie ber „STeforo" beS 33runetto Satini mögtid) ge* 
wefen; unb bieß SttteS fyabe jur ©runbtage gehabt eine allgemeine 
£üd)tigfeit beö (SfyaracterS, wie fie burdj bie £l)eitnal)me an ben 
©taatsgefdj&ften, burd) Raubet unb Reifen, borjügttdj burd) ft)fte= 
matifd)en StuSfdjluß atteS iMffiggangeS in ^torenj jur ^3Iütfje 
gebracht worben war. £)amat§ feien benn aud) bie ^forentiner in 
ber ganzen Seit angefefyen unb brauchbar gewefen unb nid)t umfonft 
I)abe '•ßapft Sonifaj VIII. fie in eben jenem 3al)re baS fünfte 
(Stement genannt. Wit bem ftärfern einbringen beS Humanismus 
feit 1400 fei biefer eiutjeimifdje Strieb üertummert, man t)abe 
fortan bie Ööfung jebeS Problems nur üom 5lttertt)itm erwartet 
unb barob bie Literatur in ein bloßes (Sittren aufgeben taffett ; ja 
ber Untergang ber $rei£)eit fjänge tjiemit jufammen, inbem biefe 
(Srubition auf einer Ihtedjtfdjaft unter ber Slutorität beruhte, baö 
munieipiate 9?ed)t bem römifdjen aufopferte unb fd)on beßfyatb bie 
®unft ber ©etuatttjerrfdjer fudjte unb faub. 

sijte un»crmcit>= £)iefe Slnftagen werben un§ nod) t)ie unb ba befd)äftigen, wo 
I, * re,t * bann t^r wal)re8 Üftaaß unb ber (Srfa£ für bie (Sinbuße jur 
©pradje fommen wirb. £)ier ift nur üor Slltem feftjuftellen, baß 



!) SGBie fie fief) f elber tagirten üerrätb, 3. 23. ^ßoggio (de avaritia, fol. 2), 
inbem nad) feiner 2tnfid)t nur foldfie fagen fönnen, fie Raiten gelebt, se 
vixisse, roetdEje gelehrte unb berebte lateinifcfie $8üd)er gefdjrieben ober ©rie= 
d)ifd)e§ in 2atetnifcfje3 überfe|t fjaben. 

2 ) 93ef. Libri, Histoire des sciences mathem. II, 159, s. 258, s. 



Sie 2Biebererttiechtng be§ 2lltert^um§. 159 

bie (Mtttr beS fräftigen XIV. 3af)rl)unbertS felbft notfjmenbig auf 3. «bf*mtt. 
ben üölligen ©ieg beS Humanismus tjinbrdngte unb baß gerabe 
bie ©rösten im 9?eid^e beS fpqtett itaüenifdjen ©ciftc« bem 
fajranfenlofen 2lltert()umsbetrieb bes XV. 3a£)rf)unbertS £l)ür unb 
£Ijor geöffnet fyaben. 

23or allen ©ante. SBenn eine 9ieit)enfolge bon ©enten feines £ antf . 
langes bie italicmfdje (Sultur fjätte metter führen tonnen, fo würbe 
fie felbft bei ber ftärfften 2lnfüüung mit antifen Elementen beftänbig 
einen f)od)etgentl)üm(ict)en nationalen (Sinbrucf madjen. Mein 
Stalten unb baS ganje Slbcnölanb fyaben feinen jmeiten ©ante 
l)eroorgebrad)t, unb fo mar unb blieb er bcrjenige, melier juerft 
baS Slltertlmm nadjbrücflidj in ben SSorbcrgrunb beS (Kulturlebens 
f)ereinfd)ob. O'n ber ©Unna (Sommebta befyanbelt er bie antife 
unb bie dfjrtftiidje SBelt 3mar nidjt als gleid)bered)tigt boctj in be* 
ftänbigcr ^ßaraüete ; mie bas frühere Sftittelalter £upen unb 21nti= 
tt)pen aus ben ®efd)itf)tett unb ©eftalten beS alten unb bes neuen 
£eftamentcS jufammengefteüt fjatte, fo bereinigt er in ber SKegel 
ein cf)riftltd)eS unb ein fjeibnifajeS «eifpiel berfelben ££)atfad)e 
9?un oergeffe man nid)t, baß bie djriftlidje $f)antafiemelt unb 
©efcfjtdjte eine bekannte, bie antife bagegen eine relatio mtbefannte, 
oielt>erfpred)enbe unb aufregenbe mar unb baß fie in ber allgemeinen 
£f)eünal)me notljtuenbtg baS Uebergemidjt bet'ommen mußte, als 
fein Dante mefyr baS ($Meid)gemid)t erjmang. 

Petrarca lebt in ben ©ebanfen ber Reiften je£t als großer mmta . 
italienifdjer £)td)ter; bei feinen 3eitgenoffen bagegen fam fein 
9?uf)m in weit leerem ®rabe baoon l)er, baß er bas 2Iltertl)um 
gleidjfam in feiner ^erfon repräfcntirte, alle (Gattungen ber tatet* 
nifdjcn ^ßoefie nadjaljmte unb «riefe fdnueb, tueldje als 2lbf)anb* 
ungen über einzelne ©egenftänbe beS Slltertljums einen für uns 
unbegreiflichen, für jene £eit olme £anbbüd)cr aber fet)r crflär* 
liefen Sertl) fjatten. 

Mit Boccaccio oerfyält eS fid) ganj ähnlich; er mar 200 3al)re soccaedo. 
lang in ganj ©uropa berühmt, e^e man bieffeits ber Sllpen utel 
öon feinem ©ecamerone mußte, bloS um feiner mrjtfyograpfnfdjen, 

0 Purgatorio XVIII. enthält 3. 33. ftarfe 33elege : 3Jtaxia eilt über baS 
©ebirge, ©äfar nadj ©paniert ; 2Jiarta ift arm unb gabriciuS imeigennitfctg. 
— Sei biefem 2lnlafj ift aufmerffam ju machen auf bie ajronoIogifdEje ©in= 
flecfjtung ber ©ibnllen in bie antife ^rofangefdjtcfite, rate fie Uberti in feinem 
SDittamonbo (I, (Sap. 14. 15) um 1360 t>erfutf)t. 



160 



Sie äBiebererwect'ung be§ 2tltertfjum3. 



3. gibfcftnttt. gcograpbifd)en unb biograpfyifdjen ©ammelroerfe in (ateinifdjer 
©pradje nullen. (§me§ berfetben, „De geneafogia Deorum" ent= 
f)dtt im 14tcn unb löten -23ud) einen merfiuürbigen Slnlmng, worin 
er bie @tcüung beS jugenbüdjen §umani3mu§ 31t feinem Oafjr* 
fyunbert erörtert. @8 barf nidjt tauften, baft er immerfort nur 
»on bcr „ißoefie" fprtdjt, benn bei näherem 3 u H) en t™ 1 * 0 man 
bemerken, baß er bie gauje geiftige Stfjätigfett beö ^oeten^ilo* 
(ogen meint Diefe ift e§, beren geinbe er auf ba§ ©djärffte 
befämpft: bie friöoten Ununffenben, bie nur für iSdjtemmen unb 
raffen @ tun fjaben; bie fopi)tftifd)en ^I)eo(ogen,. lueldjen ^eücon, 
ber caftattfcfte Quett unb ber §ain beö ^IjöbuS als bloße £I)or* 
Reiten erfdjeinen; bie gotbgicrigen 3uriften, meldte bie ^oefie für 
überflüffig galten, infofern fie fein ®etb üerbicnt; enbttd) bie (in 
Uinfdjreibung, aber fennttid] gezeichneten) 33ettetmönd)e, bie gern 
über £)cibentf)um unb Smmoratttdt ®tage führen 2 ). Darauf folgt 
bie pofititie Sßertfyeibigung, ba§ 80b ber ^oefie, namentlich be§ 
tiefern, gumat aüegorifdjen <Sume8, ben man ifyr überaß jutrauen 
müffe, ber to olper cdjttgten Dmtfetrjeit, bie bem bumpfen <Sinn 
ber Ununffenben gur SCbfctjrccf ung bienen bürfe. Unb enbiidj 
Humanismus recfjtf erttgt ber 3Serfaffer ba$ neue SBerpttnif} ber £>ät jum §ct» 
unb meiisiou. bentl;)Um überhaupt, in f tarer «egie^ung auf fein geteertes Serf 3 ). 

SInberS als je^t möge es aüerbingS bamatß fiel) begatten haben, 
ba bie Urürdje fief) nodj gegen bie Reiben üerttjeibigen mußte; 
heutzutage — 3efu Sfjrifto fei Dan!! — fei bie roafjre Religion 
erftavft, alles §eibentl)um bertiigt, unb bie fiegreidje tirdje im 
SBefifc be§ f einbüßen Sager«; jefct fönne man ba§ £)cibenthum 
faft (fere) olme ©efahr betrad)tcn unb befyanbeln. (5$ ift baffetbe 
Argument, mit lueldjem fid) bann bie ganje SRenaiffance oertijei* 
bigt l)at. 

1) Poeta Bebeutet nod) bei ©ante (Tita nuova, p. 47) oljnebiefj nur 
ben lateinifd) SDidjtenben, roäfyrenb für ben italienifdjen bie 2lu3brüde 
Rimatore, Dicitore per rima gebraust werben. 2IHerbing§ oermijdjen ftd) 
mit ber 3eit 2tu3britcfe unb begriffe. 

2 ) 2lud) Petrarca auf bem ©ipfet feinet 9tuE>me§ flagt in meland)oli= 
fä)en SJtugenblicfen : fein übleS ®eftirn Ijabe geiooltt, bafj er in fpater 3^it 
unter Rahmten — extremi fures — leben muffe. Sn bem fingirten Srief 
an £itnu§, Opera, p. 704 seq. 

3 ) ©trenger f)ftlt fidt> Boccaccio an bie eigentliche Sßoefie in feinem 
(fpätein) 33rief an QacobuS ^tjtnga, in ben opere volgari, Vol. XVI. 
Unb bod) er!ennt er aud) fjier nur ba3 für ^oefte, mag tum 2tltertlmm 
5Roti3 nimmt, unb ignorirt bie Srotmtoren. 



Sie SBiebererroecJung be3 SCttertfjumä. 



161 



<S8 raar alfo eine neue @ad)e in ber Söcft unb eine neue 3. «betritt. 
2ßenfcf>ettclaffe, luefche biefefbe bertrat. (S§ ift unnü£ barüber 
3U [trete, ob biefe (Sache mitten in ihrem Siegeslauf tjdtte [tili 
hatten, fxd^ gefüffentttch befcfjrcinfen unb beut rein Nationalen ein 
getmffe« SSorrcd^t hätte wahren foöen. man hatte ja feine ftärfere 
Ueberjeugung ati bie, bafj ba§ Sltterthum eben ber t)öcf)fte töut»n 
ber italientfdjen Nation fei; 

©tefer erften ©eneratton öon <Poeiett*«ßI)tIotogen ift tüefentlidE) ^ ty>ett* 
eine fnmbotifdje Zeremonie eigen, bie aud) im XV. unb XVI. flömm0 - 
■Sa&rfjunbert nicht auSfttrbr, aber tfjr höheres Pathos einbüßt: bie 
^oetenfrönung mit einem Sorbecrfranj. 3f)re Anfänge im mtttU 
atter ftttb bunfel unb ju einem feften Ritual ift fie nie gelangt; 
es ruar eine öffentliche ©emonftration, ein fidjtbarer Sfosbrudj beS 
titerarifcfjen 9?uhmc§ ') unb fdjon befjfjalb etroaö SBattbettareS. 
©ante 3. fcfjetnt eine hatbretigiöfc SÖeilje im @inn gehabt ju 
^aben; er roollte über bem £aufftein Don @an ©tobamti, mo er 
unb töte fiunberttaufenbe öon floreittutifdjett Sinbern getauft »or* 
ben mar, fid) fetber ben $ran$ auffegen 2 ). @r hätte, fagt fein 
Biograph, SRuJjmeSljatber ben Lorbeer überaß empfangen fönnen, * 
roottte e8 aber nirgenbS aU in ber ^eimatt) unb ftarb bejftatb 
ungefrönt. Detter erfahren tote E)ter, baß ber «rauch bisher un* 
gewöf)nltd) war unb als öon ben ®ried)en auf bie atten Börner 
oererbt galt. ©ie näd)fte ^eminiscen^ ftammte raotjt in ber STt)at 
öon bem nad) gried)tfd)em 23orbitb geftifteten capitotinifetjen 2Bett* 
fampf ber SHtharfpieter, ©id)ter unb anberer tünftter, roetcfjer feit 
Domitian alte fünf 3af)re gefeiert werben war unb möglidjer Seife 
ben Untergang be8 römtfdjen 9fcidje§ um einige £eit überlebt hatte. 
Senn nun boeb nidjt teid)t wieber einer wagte fict) fetber 31t frönen, 
roie e§ ©ante gewollt, fo entftanb bie grage, welches bie frönenbeSSe* 
hörbe fei? Sltbertino Sftuffato (<S. 114) rourbe um 1310 ju $abua 
üom 33tfd)of unb öom ftiector ber Uniöerfitdt gefrönt; um ^ßetrarca'3 
trönung (1341) ftritten fid) bie Uniöerfitat ^aris, xotldjt gerabe 
einen Florentiner jum ^ector hatte, unb bie ©tabtbehörbe öon 
9?om; ja fein fetbftgerr dfjtter (S^aminator, tönig Robert öon 9tnj[OU, 



^Boccaccio, Vita di Dante, p. 50: la quäle (laurea) non scienza 
aecresee, ma e dell' acquistata certissimo testimonio e ornamento. 

2 ) Paradiso XXV, 1. s. — Boccaccio, Vita di Dante, p. 50: sopra 
le fonti di San Giovanni si era disposto di coronare. Para- 
diso 1, 25. 



SBurcfluu&t, Kultur t>ev Btenaiffänce. 



11 



162 Sie äBieberermecfung be§ 2ntertf)um3. 



3- Mbfdmitt. ftatte gern bie (Zeremonie rtac^ Neapel üerlegt, Petrarca jebod) 30g 
bie Krönung burd) bett (Senator fcon 9?om auf bem (Sapttol jeber 
anbern üor. (ginige ,3ett bttcb biefe in ber SEIjat ba$ 3iel 
(g^rgetjeS ; als fotcfjeß todtc fic 5. 33. ben 3acobu8 Wnga, einen 
sinfprudi tev öornefymen jtcütfdjen Beamten ®a erfdjien aber Sari IV. in 
«aifer barauf. 3 ta ß et ^ §a f t fy t - m m \)xt§ Vergnügen barau§ mochte, eitetn 
Sftenfdjen unb ber gebanfentofen 2ttaffe burd) Zeremonien 3U im* 
poniren. 2lu«gef)enb Don ber giction, baß bie ^oetentrönung 
etnft @ad)e ber alten römifdjen ®aifer geroefen unb alfo jefct bie 
feinige fei, befranste er in ^ßtfa ben fforentinifdjen ©eleljrten £anobi 
beüa @traba 2 ), jum großen 3Serbru§ 33occaccio'§ (a. a. £>.), 
ber biefe laurea pisana ntdjt als tioflgüttig anerfeunen toitt. 
3J?an tonnte in ber £l)at fragen, nrie ber £atb*@lat>e baju fomme, 
über ben SBertf) itattenifd^er ÜMdjter $u ®erid)te $u fifcen. Mein 
fortan frönten bod) reifenbe ®aifer balb I)ier batb bort einen 
Poeten, worauf im XV. 3al)rf)unbert bie ^äpfte unb anbere 
(Surften aud) nidjt mefyr juritäbtetben wollten, big jute^t auf Ort 
unb Umftänbe gar nidjt« mefjr anfam. 3n 9?om ertijeitte jur 3eit 
(Sixtus IV. bie SIcabemie 3 ) be$ *ßomponiu« SaetuS bon fid) au8 
gorbeerfränje. £>ie Florentiner Ijattcn ben STact, itjre berühmten 
^umaniften ju frönen, aber erft im Stöbe; fo mürbe (Sarto 2Ire* 
tino, fo Sionarbo Slretino bcfränjt; bem erftern tjictt Qftatteo ^al* 
mieri, bem (entern ©tano^o Sftannetti bie, Cobrebe* üor atlem 
SSolf, in (Gegenwart ber Sonett«!) erren ; ber 9?ebner ftanb gu 
Raupten ber 35al)re, auf metdjer in feibenem ©etuanbe bie £eid)e 
lag 4 ). Slußerbcm ift ßarfo Slretino burd) ein (Grabmal" (in 
@. (Sroce) geehrt rcorben, roeldjeS ju ben t)errüd)ften ber ganzen 
Sftenaiffance geprt. 

1) 23occaccio'3 Sörief an benfetben, in ben Opere volgari, vol. XVI: 
si praestet Deus, concedente senatu Romuleo . . . 

2) Matt. Villani, V, 26. @3 gab einen feierlichen Umritt buref» bie 
©tabt, wobei ba3 ©efolge bc§ $atfer§, feine Saront, ben ^oeten begleiteten. 

— SCucr) $agio begli Uberti mürbe gefrönt, man roetfj aber nicfjt wo unb 
burd) rcen. 

3) Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 185. 

♦) Vespas. Fior. p. 575, 589. — Vita Jan. Manetti, bei Murat. XX, 
Col. 543. — Sie Serüfjmtrjeit £ion. 2lretino'3 mar bei Sebexen freiließ 
fo grofj geroefen, bafe Seute au3 alten ©egenben tarnen, nur um tfm ju 
fe^en unb baf? fiel) ein ©panier vor if)m auf bie $nie warf. Vesp.p. 568. 

— %üx ©uarino'ö Sentmal fefcte ber 9Kagtftrat von gerrara 1461 bie ba- 
malä bebeutenbe ©umme Don 100 Sucaten au§. 



Sie Sßiebererroetfung be§ 2tttertf)um§. 



163 



£)ie (Sinmirfung be« 2ltterthume« auf bie 33itbung, mobon 3. gibfdimitt. 
nunmehr ju hanbeüt ift, fefete junäcftft Porau«, baß bcr §ttmani« 
mu« fid) ber UniPerfttäten bemächtigte- £)iefe gefd)ah, bod) nidjt 
in bem 2ftaaße unb nicht mit ber SSirlung roie matt glauben 
möchte. 

£)ie nteiften Uniberfitäten in Italien *) tauten im Sauf be« 
XIII. unb XIV. -SafyrfjunbertS erft recht empor, at« ber roachfeube 
9<ieid)thum be« geben« aud) eine ftrengere «Sorge für bie 33itbung 
Perfangte. Stnfang« Ratten fie tneift nur brei ^rofeffuren: be« geift« 
fidlen unb roetittchen 9?ed)te« unb ber 3ttcbicin; baju tarnen mit ber 
3eit ein SRIjetortfer, ein ^t)i(ofopf) unb ein ^ftronom, festerer in 
ber SKeget, bod) nidjt immer, ibentifd) mit bem Slftrotogen. £)ie 
33efoIbungen roaren äufjerft toerfctjtebert; bi«roei(en mürbe fogar ein 
Kapital gefd)enft. Wlit ber ©tetgeruug ber 33ilbung trat Wetteifer 
ein, fo baß bie Slnftatten einanber berühmte 8ef)rer abfpenftig 31t 
machen fugten; unter folgen Urnftänben fott Bologna ju Reiten 
bie Raffte fetner (Staatseinnahmen (20,000 £)ucaten) auf bie 
Uniberfität gemanbt haben. Sie Slnfteüungen erfolgten in ber 
9?ege( nur auf 3eit 2 ), fctbft auf etnjetne ©emefter, fo baß bie 
©ocenten ein Söanbertebcn führten wie @d)aufpie(er; bod) gab e« 
auch teben«Iängtid)e Infteüungen. $i«roeiten perfprad) man, ba« 
an einem Ort (Mehrte nirgenb anber«rao mehr üorjutragen. 2lußer* 
bem gab e« aud) unbefotbete, freiwillige Sefjrer. 

33on ben genannten Stetten mar natürlich bie be« ^ßrofeffor« @ten«n 8 6er 
ber 8lt)etortf boquggroeife ba« 3iel be« £mmaniften; bod) hing * umaniftm ba * 
e« ganj baöon ab, roie weit er fid) ben @ad)inhatt be« 2tftertbum« {m ' 
angeeignet hatte, um aud) als Surifr, Sftebiciner, ^ß^ifofop^ ober 

0 3Sgt. Libri, Histoire des sciences mathem. II, p. 92. s. — SBo* 
logna roar befanntlidE) älter, ^Bifa bagegen eine fpäte ©rünbung be§ Sorenjo 
magnifico, „ad solatium veteris amissae, libertatis" geftiftet, roie ©toüio, 
Vita Leonis X, L. I. jagt. — £He Uniüerfität gloreng (»gl. Gaye, car- 
teggio, I, p. 461 6i§ 560 passim; Matteo Villani I, 8; VII. 90) fd)on 
1321 oorrjanben mit ©tubienjroang für bie £anbe§tinber, rourbe neu ge= 
ftiftet naä) bem fdjwaracn £obe 1348 unb mit 2500 ©olbgulben iäb>tttt) 
au^geftattet, fcfjlief ober roieber ein unb rourbe 1357 abermals rjergeftettt. 
SDer Se!)rftüf)l für (Srflärung be§ ©ante, geftiftet auf Petition tüeter Bürger 
1373, roar in ber %olg,e meift mit ber 5profeffur ber $f)ilotogie unb 9th>tortf 
uerbunben, fo noef) bei $üeIfo. 

2 ) S)ieä ift bei Slufjäfjlungen &u beacfjten, roie j. 33. bei bem ?profef= 
forenuerjeicfinifj t>on $aina um 1400, (Corio, Storia di Milano, fol. 290) 
roo u. a. 20 Quriften corlommen. 

11* 



164 ©te Söiebererroecfung beä 2tltertljuttt§. 



3, atbfdm itt. Stftronom auftreten ju lönnen. Üie innertt S3erf)dltntffe ber 
SBiffenfdjaft wie bie äußern beö £>ocenten waren nod) fefjr be- 
weglidj. ©obann ift nidjt m überfein, baß einzelne fünften 
unb üftebiciner weit bie f)öd)ften 33efolbungen hatten unb behielten, 
erftere ijauptfädjlid) al$ große Sonfutenten be8 fie befotbenben 
@taate£ für feine Slnfprüdje unb ^roceffe. Sri *ßabua gab e8 im 
XV. 3al)rt)unbert eine juribifdje 33efolbung öon 1000 Imcatcn 
jäljrütf) ') unb einen berühmten Slrjt wollte man mit 2000 £)ucaten 
unb bcm 9^ed)t ber 'ȧrajcis aufteilen 2 ), ttadjbein berfelbe bisher in 
^ifa 700 ©olbgutben gehabt fjatte. 211« ber Ourift 23artolommeo 
Socini, ^ßrofeffor in ^3ifa, eine üenejtcmifdje Aufteilung in 'ißabua 
annahm unb bortfym reifen wollte, behaftete tljtt bie florentinifcfje 
Regierung unb wollte ifjn nur gegen eine Kaution Don 18,000 
®olbgulben freilaffen 3 ). @d)on wegen einer foldjcn SBertljfdjäfcung 
tiefer $ädjer wäre e8 begreifüd), baß bebeutenbe ^ßtjifotogen jtdfj 
als Ouriften unb 2Jiebictner geltenb machten; anbererfeits mußte 
atlmätig, wer in irgenb einem §ad)c (§twa§ twrftcllen wollte, eine 
ftarfe l)umauiftifd)e garbe annehmen. Slnberw eiliger practifdjer 
STl)citigfeiten ber ^umaniften roirb batb gebad)t werben. 

£)ie Aufteilungen ber Philologen als foldjer ieboef), wenn aud) 
im einzelnen $all mit ziemlich fyoljen -53efolbungen 4 ) unb Sieben* 
emotumenten öerbunben, gehören im ®anjen ju ben flüchtigen, 
üorübergetjenben, fo baß ein unb berfelbe Jöttann an einer ganzen 
SReibe öon Anftalten tbätig fein fonnte. Offenbar liebte man bie 
Abwedjfeluug unb hoffte üon Oebem Sfteues, wie bieß bei einer im 
SBerben begriffenen, atfo fefjr bon ^erföntidjfeiten abhängigen 
SBiffenfdjaft fief» leidet ertlärt. (§8 ift aud) nid)t immer gefagt, 
baß berjenige, welcher über alte Tutoren lieft, Wirflid) ber Uni» 
toerfität ber betreffenben @tabt angehört habe; bei ber £eid)tigfeit 
be« $ommeng unb ®ehen$, bei ber großen Ansaht öerfügbarer 
^ocale (in SUöftem u. f. w.) genügte aud) eine ^ribatberufung. 
Sri benfetben erften Oabqelmben beö XV. S'ahrbunbertS 5 ), ba bie 

1) Marin Sanudo, bei Mur. XXII, Col. 990. 

2 ) Fabrom, Laurent, magn. Adnot. 52, vom 1491. 

3) Allegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 824. 

4 ) f^iteLfo r)at bei feiner Berufung an bie neugegrünbete llnioetfität 
Sßifa 500 ©olbgulben roenigftenä »erlangt. Sgl. Fabroni, Laurent, magn. 
Adnot. 41. 

5 ) Sgl. Vespasian. Fior. p. 271. 572. 580. 625. — Vita Jan. Manetti, 
bei Murat. XX, Col. 531, s. 



S)te SBteberernjetfung be§ 2lftertljuttt§. 



165 



Uniberfttät bon ftlorenj tljren Ijoc^ften ©tan$ erreichte, ba bie 3. mf <bmtu 
§ofteute (Sugen'S IV. unb bielleirfjt fdjon ättartin'S V. fid) in ben 
£örfälen brängten, ba (Sarlo 2lretino unb giletfo mit einanber in bie 
SSette lafen, exjftirte mdfjt nur eine faft boHftcinbige jtbeite Uni* 
berfität bei ben Sluguftinern in @. ©pirito, ttidjt nur ein ganzer 
herein gelehrter SMnner bei ben (Samalbulenfern in ben 2tngeli, 
fonbern aud) angefefyene ^ribatteute traten ftcf> gufammett ober 
bemühen fid) einzeln, um geroiffe pf)itotogtfd^e ober ptjttofopf)tfd)e 
(Surfe tefen ju laffen für fict) unb Rubere. £)aS pf)ifologifdje unb 
antiquarifdje treiben in 9?om fjatte mit ber Untberfität (©apienja) 
lange faum irgenb einen .gufammenfjang unb rufjte roofjl faft 
ausfdilteßfid) ttyeits auf befonberer perföntidjer protection ber ein* 
jelnen ^äpfte unb Prälaten, tfjeifö auf ben Aufteilungen in ber 
pdpfttid&cn ®an$lei. (Srft unter £eo X. erfolgte bie große föeor* 
ganifation ber (Sapien^a, mit 88 Seffern, worunter bie größten 
ßelebritäten Stöttens aud) für bie 2Ittertfyum8iüiffenfc£)aft ; ber 
neue ®lan$ bauerte aber nur furje 3eit. — $on ben griec^ifajen 
8ef)rftityten in Italien ift bereits (®. 155) in tür$e bie 9febe 
getoefen. 

3m ©anjen wirb man, um bie bamalige toiff enf dt) af ttic^ c 
TOtfyeilung fid) $u bergegenmärtigen, ba« 5luge bon unfern jefci« 
gen acabemifd)en (Einrichtungen mögtidjft enttuofjnen müffen. 
^erfönlidjer Umgang, Disputationen, beftänbiger ©ebraud) beS 
Satemifdjen unb bei ttidjt Wenigen aud) beS ©ried)tfd)en, enbtid) 
ber häufige Sßedjfel ber $el)rer unb bie Seltenheit ber $üd)er 
gaben ben bamaligen ©tubien eine ©eftalt, bie mir uns nur mit 
9)£ül)e bergegenm artigen tonnen. 

8atetniftt]e @d)uten gab es in allen irgenb namhaften «Stäbten sateintf^e 
unb jmar bei SBeitem nid)t bto§ für bie Sßorbilbung ju ben r)öt)ern ®* ulen - 
©tubien, fonbern toeit bie Äenntniß beS Sateinifdjen f)ter notf)* 
menbig gleich nad) bem £efen, (Schreiben unb 9fod)nett fam, roo* 
rauf bann bie «ogif folgte. 2öef entlief) erfdjeint es, baß biefe 
(Spulen nid)t bon ber Äirdje abgingen fonbern bon ber ftäbtifdjen 
33erroaltung ; mehrere waren aud) tt>ot)t bloße ^ribatunternet)* 
mungen. 

Sftun erhob fict) aber biefe« ©djutroefen, unter ber Rührung 
einzelner ausgezeichneter §umaniften, nid)t nur ju einer großen 
rationellen 3Serbollfommnung, fonbern es mürbe höhere (ürqieljung. 
Sin bie tobitbung ber ®inber jtoeier oberitaltenifdjer dürften* 



166 



2)te SBiebererroetfung be§ 2lltertl)um3. 



3. Mbfdmitt. häufer fd)tießen fid) 3nftitute an, metd)e in ihrer 2trt einjig heißen 
fonnten. 

6reie«t}ietun 0 ; 2fa bem §ofe be$ ®iooan ftranceSco ®on$aga $u Sftantua 
ffiittormo. '( reg< 1407 bi« 1444) trat ber herrliche 23ittorino ba lettre 1 ) auf, 
einer iener 3flenfd)en, bie tJji ganjeS £>afein (Sinem 3^>ecfe mib= 
men, für metchen fie burd) traft unb (Sinfidjt im IjSdjften ©rabe 
auSgerüftet finb. @r erjog junad)ft bie ©ofme unb £öd)ter be$ 
$errfd)erhaufe8, unb jmar aud) oon ben ledern (Sine bis $u 
luafjrer (Mefjrfamfeit ; at« aber fein Mmt fid) weit über Statten 
verbreitete unb fid) @d)üter au§ großen unb reid)en gamitien Don 
nat)e unb ferne metbeten, ließ es ber ©onjaga ttidjt nur gefdjehen, 
baß fein Setjrer aud) biefe erjog, fonbern er fdjeint e$ als Grfyre 
für 2flantua betrachtet ju haben, baß eS bie @rjieljung«ftatte für 
bie uotnefjme Seit fei. |)ier junt erftenmat war mit bem roiffen* 
fdjafttidjen Unterricht aud) ba§ STurnen unb jebe ebtere SeibeS* 
Übung für eine gcmje @d)ute ins @teid)gemid)t gefegt. ©aju 
aber fam nod) eine aubere ©djaar, in beren tobtlbung 23itto* 
rino üietteid)t fein IjödjfteS ßeben^iet erfannte: bie Straten unb 
Ealentootten, bie er in feinem £aufe nährte unb erjog „per 
l'amore di Dio", neben jenen Vornehmen, bie fid) fyier gemöl)* 
neu mußten mit bem Moßen £alent unter einem £)ad)e ju 
molmen. ©er ©onjaga hatte ihm eigentlich 300 ©otbgulben 
jährlich jit bejahten, beerte ihm v aber ben ganjen SluSfatt, metdjer 
oft eben fotiiet betrug. (Sr mußte, baß SSittorino feinen fetter 
für fid) bei @eite legte, unb ahnte ohne ,3meifet, baß bie W\U 
erjiehung ber Unbemittelten bie ftiüfd)tueigenbe 23ebingung fei, 
unter toetcher ber munberbare äftann ihm biente. £)te Gattung 
beö £aufe3 mar ftreng religio«, raie faum in einem Softer, 
©uarino. $iehr auf ber ®e(et)rfamteit liegt ber 5tccent bei ©uarino 
oon Verona 2 ), ber 1429 oon 9?icotö b'@fte jur ©rjiehung feines 
©olmeS Sionetto nach $errara berufen mürbe unb feit 1436, at$ 
fein 3ögling nat^u ermad)fen mar, aud) ats^ßrofeffor ber SBereb* 
famfeit unb ber beiben atten (Sprachen an ber Unioerfität lehrte. 
@d)on neben Sioneüo hatte er jahtreid)e anbere ©djüter au« oer* 
fd)iebenen ©egenben unb im eigenen §aufe eine auSerlefene 3öt)t 
oon Straten, bie er theitmeife ober ganj unterhielt; feine Stbenb* 

1) Vespas. Fior. p. 640. — SDie fcefonberen ^Biographien be§ SSittorino 
unb be§ ©uarino oon 9to3mint lenne id) nid)t. 

2) Vesp. Fior. p. 646. 



Sie Sßteberenüetfung beä 2HtertIjuttt§. 



167 



ftunben biö fpdt waren ber Sftepetition mit btefen gewibmet. %udi 3. mmmtu 
t)ier mar eine (Stätte ftrenger 9Migion unb Sitttidjfeit; e8 t)at 
an (Suarhto fo wenig wie an SBittorino gelegen, wenn bie meiften 
£mmaniften ifjreS 3af)rf)unbert3 in biefen -SSesieljungen fein 80b 
metjr baüontrugen. Unbegreiflich ift, wie ©uarino neben einer 
£rjätigteit, wie bie feinige war, nod) immerfort Ueberfe^ungen 
au§ bem @ried)ifd)en unb große eigene Arbeiten oerfaffen tonnte. 

Stußerbem fam an ben meiften §öfen öon Otalien bie (Sr= 
gietjung ber gürftenfinber wenigftenS jum STfjeit unb auf gewiffe eräicljet - 
Oaljre in bie §änbe ber £)umaniften, wetd)e bamit einen Schritt 
weiter in ba§ ^ofteben tjtnetn traten. Da§ £ractatfd)reiben über 
bie ^rinjenersietjung, früher eine Stufgabe ber Geologen, wirb 
je|t natürttd) ebenfalls it)re <Sad)e, unb Sleneag <Srjtinu§ hat 
3. 33. jweien Jungen beutfdjen dürften üom $aufe ^aböburg 1 ) 
umftänblidje Stbljanblungen über ttjre weitere tobitbung abreffirt, 
worin begreiflicher 2Beife Reiben eine Pflege beS £mmani§muö 
in italtenifdjem (Sinne an'8 §erj gelegt wirb. (£r modjte wiffen, 
baß er in ben 2ötnb rebete, unb forgte beßfyatb bafür, baß biefe 
©Triften aud) fonft herum tarnen, Dod) ba§ SBerhaltniß ber 
§nmaniften ju ben dürften wirb nod) inöbefonbere $u befpre* 
djen fein. 

3unäa^ft oerbienen biejenigen Bürger, t)auptfad)ttd) in gto* 
renj, Beachtung, welche aus ber 33efd)äftigung mit bem 2Utert£)um |^ t " u r m b f 
ein §auptjiet tfjreö ßebens machten unb theifö fetbft große ®e* ' ° ' um ' 
lehrte würben, tfjeifö große Dilettanten, welche bie (Mehrten unter* 
ftü^ten. (33gl. <S. 150, f.). (Sie finb namentlich für bie Ueber* 
gang^ett ju Anfang be§ XV. Sahrfwnbert« t>on hödjfter £3ebeu* 
tung gewefen, weit bei ihnen juerft ber Humanismus practifd) 
als notfywenbtges ©tement beö täglidjen SebenS wirfte. ßrft naef) 
il)nen haben fid) dürften unb ^äpfte ernftlich barauf eingetaffen. 

3Son 9^tccotö S^tccott , oon ©ianno^o ÜDZannetti ift fdjou yt.maou. 
mehrmals bie D^ebe gewefen. Den 9?tccoli fd)ilbert uns 23eSpa* 
fiano (S. 625) als einen Wlann, welker aud) in feiner äußern 
Umgebung nichts butbete, was bie antife (Stimmung ftören tonnte. 
Die fd)öne ©eftatt in tangem ©ewanbe, mit ber freunbtietjen 
SRebe, in bem £>aufe bott herrlicher Slfterttjümer, machte ben eigen* 

J ) Sin Gcr^erjog ©tgiätnunb, Epist. 105, p. 600, unb an föönig 2a= 
btälausB ben ^angeborenen, p. 695, le£tere§ aB Tractatns de liberorum 
educatione. 



168 



©ie äBtebererroecf'img, be3 2tttertljum§. 



3. 9K>fd>nitt. tbümtidiften (Sinbrud; er war über bie aftajsert reinlich in aüert 
£)ingen, junta! beim (Sffen; ba (tauben t>or if)tn auf bem weißeften 
Sinnen antife ©efä§e nnb frirftatfene -öecfyer 1 ). ®ie 2lrt, tüte er 
einen üergnügunggfüdjtigen jungen Florentiner für feine 3nte* 
reffen gewinnt 2 ), ift gar $u anmutig, um fie fjier nid)t ju er* 
galten. 

$tero be' ^ßa^i, <3oim eines üorneljmen Kaufmanns unb ju 
bemfetben ©tanbe beftimmt, fdjön Don 2Infef)en unb fetjr ben 
greuben ber 2Bett ergeben, bad)te an nichts weniger als an bie 
Söiffenfdjaft. Sine« £age$, als er am ^ata^o bet ^obefta 3 ) öor* 
beiging, rief iijn ^iccoli ju ficrj fjeran, unb er fam auf ben 2Binf 
be§ Ijodjangefeljenen äftanneS, obwohl er nod) nie mit bemfetben 
gefprodien f)atte. ^iccoü fragte tfjn: wer fein SSater fei? — er 
antwortete: Keffer Slnbrea be' ^a$$i; — Oener fragte weiter : was 
fein ©efd)äft fei? — $iero erwiberte, wie wo()l junge £eute rinnt: 
id) taffe mir eS wot)l fein, attendo a darmi buon tempo. — 
^iccoti fagte: als ©ofm eines foldjcn Katers unb mit fotdjer @e* 
ftaft begabt, fotfteft bu bid) fdjamen, bie tatetnifct)e 2Biffenfd)aft 
niajt gu fenuen, bie für bid] eine fo grofee $ierbe wäre: wenn bu 
fie nid)t erternft, fo wirft bu nid)ts gelten, unb fobatb bie «lüttje 
ber 3ugenb üorüber ift, ein Sftenfd) olnte alle -^ebeutung (virtü) 
fein. 2tfS $iero biefeS tjörte, erfannte er fogteid), bajj eS bie 
2Barjrr)eit fei, unb entgegnete: er würbe fid) gerne bafür bemühen, 
wenn er einen $ebrer fänbe;— 92iccoü fagte: bafür taffe bu mid) 
forgen. Unb in ber £t)at fdjaffte er i|«t einen gelehrten 3ttann 
für bas Sateinifctjc unb für baS ®riedu'fd)e, Samens ^ontano, 
wetzen $iero wie einen £muSgenoffen l)ie(t unb mit 100 ®otb* 
gutben im Safyx befofbete. Statt ber bisherigen Ueppigfeit ftu* 
birte er nun £ag unb 9?act)t unb würbe ein greunb aüer ©ebil* 
beten unb ein großgefümter (Staatsmann. Sie ganje Steneibe 
unb Piele 9?eben beS £iüius ternte er auSwenbig, meift auf bem 
SBege jwifajen gtorenj unb feinem 8anbt)aufe ^u £rebbio. 
©. üRmmetti. $ n an berm, tiötjern «Sinne üertritt ©iamto^o üftannetti 4 ) 



1) Sie folgetibett Sßorie S3e§paftatio'§ finb unüberfefcbar : a vederlo in 
tavola cosi antico come era, era una gentilezza. 

2) ©benba, p. 485. 

3 ) Saut Vespas. p. 271 voav f)ier ein gelehrtes ©tetfbtdjeirt, roo and) 
biöputirt raurbe. 

4) ©. beffen Vita bei Murat. XX. Col. 532, s. 



Sie SBtebereriöciftmg be3 2ntertfjums. 



1G9 



ba« Stltertfyum. $rü£)reif, faft at« $inb, f)atte er fdjon eine 3. mt fdwttt. 

®aufmann«Ief)r3eit burajgemadjt unb war 23udj>fü()rer eines 23an. 

fier« ; nad) einiger 3eit aber erfdjicn ifun biefc« Stljun eitel 

unb bergänglid), unb er fefynte fid) nad) ber Siffeufdjaft, burd) 

metdjc allein ber SKeufd) fid) ber Unfterbttdjfeit üerftdjeru fönne; 

er guerft com florentinifdjen Slbet ttergrub fid) nun in ben 23üd)ern 

unb würbe, wie fdjon erwafynt, einer ber größten (Setetjrten feiner 

3eit. 2U« itm aber ber (Staat al« ©efd)äft«träger, Steuerbe* 

amten unb Statthalter (in ^eScia unb ^iftoja) berwanbte, ber* 

fat) er feine Remter fo, als wäre in tfjnt ein t>o£)eö 3beal ermaßt, 

ba« gemeinfame 9?efuuat feiner fyumaniftifdjen Stubien unb feiner 

9Mtgiofität. (Sr erequirte bie gefyäffigften (Steuern, bie ber Staat 

befdjtoffen I)atte, unb naljm für feine üftüfje feine SBefofbung an; 

at« ^roöingiatöorfteljer wie« er aße ©efdjenfe jurücf, forgte für 

Äomjufutjr, fd)tid)tete raftto« ^rojeffe unb tfjat überhaupt Sitte« 

für bie ißänbigung ber £eibenfd)aften burd) (Sitte. Sie ^iftojefen 

Ijaben nie I)erau«finben fönnen, wetdjer üon ifyren beiben Parteien 

er fid) mel)r zuneige; tote $um «Symbol be« gemeinfamen Sdjicf* 

fat« unb SKedjte« etiler oerfaßte er in feinen ÜKufjcftunben bie 

®efd)idjte ber Stabt, metdje bann in ^urpureinbanb a(« fettig* 

tl)um im Stabtpataft aufberoafjrt würbe. 33ei feinem Seggaug 

fdjenfte ib,m bie Stabt ein Banner mit ifyrem Sappen unb einen 

pradjootten ftfbernen §clm. 

$ür bie übrigen geteerten Bürger üon $(oren$ in biefer ®aM*no wn 
3eit muß fdjon beßfyatb auf 23e«pafiano (ber fie atte fannte) mmni - 
üerwiefen werben, weil ber £on, bie 2Itmo«pf)äre, in wetdjer er 
fd)reibt, bie 2$orau«fe£ungen, unter Weld)en er mit jenen beuten 
umgebt, nod) iüid)tigcr erfdjeinen at« bie einzelnen Stiftungen fetbft. 
<Sd)on in einer Ueberfe^ung, gefdjweige benn in ben furzen Slnbeu* 
tungen, auf wetdje wir l)ier befdjrdnft finb, müßte biefer befte Sertl) 
feine« 33ud)e« tiertoren gefyen. dv ift fein großer Stutor, aber er 
fennt ba« gan^e treiben unb Ijat ein tiefe« (Sefüfjl bon beffen 
geiftiger 33ebeutung. 

Senn man bann ben ,3auber h ü analtifiren fudjt, burd) mnä. 
wetdjen bie Gebiet be« XV. Oafjrfyunbert«, cor atten Sofimo ber 
Vettere (f 1464) unb tforenjo magnifico (f 1492), auf $toren$ 
unb auf tfjre ,3eitgenoffen überhaupt gewirft fyaben, fo ift neben 
afler ^olitif tfjre $ül)rerfd)aft auf bem (Gebiete ber bamatigen 
23itbung ba« ©tärfftc babei. SBer in ßofimo'« Stellung at« 



170 



Sie SSiebererroetfung be§ 2lltertf)um3. 



♦ aibfdmitt. taufmann unb locales "ißarteiljaupt noa) aufjerbem Slüc« für fidj 
fjat roaS benft, forfdjt unb fdjreibt, roer üon £aufe aus ate ber 
erfte ber Florentiner unb baju üon 23ttbung$megen als ber größte 
ber Italiener gilt, ber ift tt)atfdd)ltd) ein gürft. (Sofimo befi£t 
bann ben fpecieüen Sftufym, in ber ptatonifdjen ^itofoprjie 1 ) bie 
fdjönfte •Stütze ber antit'en ©ebanfenroelt erfannt, feine Umgebung 
mit biefer (Srfcnntnifj erfüllt, unb fo innerhalb beö JpumaniömuS 
eine gleite unb l)öl)ere ^eugeburt bes StftertfyumS ans 8idjt geförbert 
5u fyaben. ©er Hergang rairb uns fefyr genau überliefert 2 ); aüeö 
Inüpfte fid) an bie Berufung beS geteerten 3ol)anneS SlrgrjroputoS 
unb an ben perfönlicfjften (Sifer bcS ßofimo in feinen testen 
Oa^ren, fo ba§, roaS ben $tatoniSmuS betraf, ber grofce 3Jiarfilio 
gicino fid) als ben geiftigen @ofm Gtofimo'S bejeidmen burfte. 
Unter ^ßtetro SQ^ebtct faf) fid) $icino fd)on als $aupt einer @d)ute; 
sovcujo ju iljm ging aud) 'ȧietro'S @of)n, (Sofimo'S (Sttfel, ber ertaubte 
ma ö nifico. g orett j 0 Don ben ^eripatettta über; als feine nam^afteften SKit* 
fd)üter werben genannt ©artotonmieo 23al'ori, £>onato Stcciajuoü 
unb ^ierfittppo *ßanbolfmi. £)er begeifterte Seljrer t)at an mel)= 
reren (Stetten fetner ©djriften erflärt, Sorenjo f)abe attc Siefen 
beS IßtatoniSmus burdjf orfdjt unb feine Ueber^eugung auSgefprodjen, 
otjne benfelben märe es fdjroer, ein guter ^Bürger unb @f)rift ju 
fein. Die berühmte SHeunton üon ®e(et)rten, metdje fid) um 
Sorenjo fammetre, mar burdj biefen I)öt)ern 3ug einer ibealtftifdjen 
Ißrjitofoprjie üerbunben unb öor allen anbern Sßereintgungen biefer 
2lrt ausgezeichnet. Sftur in biefer Umgebung fonnte ein $ico 
betta Sftiranbofa fid) glüdücf» fügten. 3)aS @d)önfte aber, roaS 
fid) fagen läßt, ift, ba£ neben aß biefem (SultuS beS SUtertfjumS 
t>ter eine gemeinte «Statte italienifdjer ^oefie mar unb baft bon 



') 2ßa3 man von berfelben Dörfer fannte , fann nur fragmentarifer) 
getoefen fein, ©ine nmnberUdje ©iöputation über ben ©egenfa| bes ^ßlato 
unb 2lriftotete§ fanb 1438 ju gerrara gnnfdjen £ugo von ©iena unb ben 
auf baö ©oncil gefommenen ©rieben ftatt. 33gl. Aeneas Sylvius, De 
Europa, Cap. 52. (Opera, p. 450.) 

2 ) 33ei 3iic. SSalori, im Seben beä Sorenjo magn. — SSgt. Vespas. 
Fior. p. 426. Sie erften ttnterftü^er beä 2lrg. roaren bie Slcctajoult« 
Ib. 192: (Sarbinal SBeffarion unb feine parallele jroifcljen Sßlato unb SCrifto* 
telcS. Ib. 223: ©ufanuS als patonifer. Ib. 308: SDer ©atalonier 3?ar= 
eifo unb feine ®is>putation mit 2lrgt)ropuIo3. Ib. 571 : ©injelne piaton. 
SDialoge fdjon uon Sionarbo 2lret. überfefct. Ib. 298: Sie beginnenbe ©in= 
rairlung beö 3GeopIatom§mu3. 



Sie SBiebererroecfung be§ 2lltertljum§. 



171 



allen Sidjtftrafyten, in bie Soren^o'S ^erföntitt)fett auSeinanber* 3. mmnitt. 
ging, gerabe biefer ber mäd)tigfte Ejei^en barf. 2HS (Staatsmann 
beurteile if)n Oeber, rate er mag (ß. 66, 73); in bie florentinifdje 
Slbredjnung bon ©d)ulb unb @cf)icffat mifdjt fid^ ein SluSlänber 
nicf)t, roenn er nidjt muß; aber eine ungerechtere ^ßotemif gtebt es 
tridjt als raemt man Soren^o befdjutbigt, er l)abe im ©ebiet beS 
©eifteS üor^ügticf) 2J?ebiocritäten befcfjü^t unb burd) feine @tt)utb 
feien Sionarbo ba S3inci unb ber 2D?att)emattfer gra ßuca ^5ac* 
ciofo außer ÖanbeS, StoScanetfa, 33eSpucci u. 2L raenigftenS unbe* 
förbert geblieben. Slttfeitig ift er raotjt nid)t geroefen, aber üon 
alten ©rofjen, raeldje je ben ©eift ju fd)ü£en unb gu förbern 
faxten, einer ber üietfeitigften, unb ber jenige , bei raetdjem bieß 
rnetleicfjt am meiften $otge eines tiefern innern 33ebürfniffeS raar. 

Saut genug pflegt aud) unfer taufenbes Safyrfyunbert ben dob sittertiium 
SOBertrj ber «Übung überhaupt unb ben beS 2Iltertl)umS inSbefon* a J* t f r lf 8, 
bere ju prodamiren. Slbcr eine oollfommen ent^ufiaftifdie ^in* 
gebung, ein Slnerfennen, baß biefeS 25ebürfniß bas erfte öon allen 
fei, finbet fid) bod) nirgenbs raie bei jenen Florentinern beö XV. unb 
beginnenben XVI. 3al)rl)unberts. $tefür giebt eS inbirecte Seraeife, 
bie jeben Braeifel befettigen : man hätte ntcfjt fo oft bie £ödjter beS 
^paufcS an ben @tubien Zfyüi nehmen laffen, raemt teuere nidjt 
abfotut a(S baS ebetfte ©ut beö (SrbenlebenS gegolten hätten; 
man hätte ntcr)t baS @rjt ^u einem Aufenthalt beö ©lücfeS ge* 
mattet raie ^afla ©tro^i; eS hätten nirfjt 9ttenfcf)en, bie fid) fonft 
2ltleS ertaubten, nodj $raft unb 8uft behalten bie ^aturgefchidjte 
beS ^linius fritifdj }tt beljanbeln raie gilippo @tros$i v§S 
hanbelt fid) fjter nidjt um 80b ober £abel, fonbern um (Srfennt* 
niß eines 3eitgeifteS in feiner energifdjen Cgtgentt)iimttdt)£ett. 

2lußer gloren,$ gab es nod) mand)e ©täbte in Italien, rao 
©injetne unb ganje gefellfd)aftlid)c Greife bisraeilen mit Sturraanb 
alter bittet für ben Humanismus tljättg raaren unb bie anrae* 
fenben ©etefyrten untersten. 2luS ben iörieffammtungen jener 
3eit !ommt uns eine gülle üon perfönlidjen iöejie^ungen biefer 
2lrt entgegen 2 ). £)ie officielte ©efinnnng ber t)5t)er ©ebilbeten 
trieb faft ausfdjtießlid) nach ber bezeichneten ©eite l)in. 

1) Varchi, Stor. fiorent. L. IV. p. 321. @tn geiftoodeä Sebensbilb. 

2 ) 2>te oben genannten Biographien 9to§mini'3 (über Stttorino unb 
©uartno) fotote ©fjepfjerb, Seben beS ^Soggio, müffen 33tele3 hierüber 
enthalten. 



172 



£)te Sßiebererroecfung be§ 2lttertljum§. 



3. gftftfrnitt. ©od) es ift £,tit, ben Humanismus an ben $ürftenl)öfen 
sin tcn güvfidi» ing 2tuge ju f äffen. £)ie innere ^ufammengeprigfeit beS ©c= 
mxh rcaltfjerrfdjerS mit bem ebenfalls auf feine ^erföttlidjfett, auf fein 
Talent angemiefenen ^fjifotogen mürbe fdjon früher (@. 5, 110) 
angebeutet; ber (entere aber 30g bie §öfe eingeftanbener SJhftcn 
ben freien ©täbten üor, fd)on um ber reidjüdjem ^eto^nungen 
mitten. 3" ber 3eir, ba es fdjien, als fönne ber große Htfon« 
uo n Stragon §crr Don ganj Italien merben, fdjrieb SleneaS 
tnus 1 ) an einen anbern ©ienefen: „menn unter feiner Herrfdmft 
„Italien ben ^rieben beMme, fo märe mir baS lieber als (menn 
„es) unter ©tabtregterungen (gefcfyäfye), benn ein ebleS Königs* 
„gemtttf) belohnt jebe £reffud)feit" 2 ). Sludj fyier fjat man in 
neuefter 3eit bie unmürbige @eite, baS erfauftc ©djmeidjeut, ju 
feljr i)ert)orgel)oben ; mie man fid) früher Don bem ^umaniftcnlob 
aüjugünftig für jene dürften ftimmen ließ. 2lC(eS in Altern ge* 
nommen bleibt es immer ein überroiegenb toorttjeitfjafteö Beugnif; 
für teuere, bafc fie an ber ©pi£e ber SSilbung ifyrer 3eit unD 
tljreS SanbeS — wie einfeitig biefelbe fein modjte — glaubten 
»ci ben $iivftcn. fte^en ju müffen. S3oüenbS bei einigen Zapften 3 ) fyat bie gurdjt* 
tofigfeit gegenüber ben (Sonfequenjen ber bamaügen SBitbung 
ettuaS unnnttfürttdj S'mpofanteS. Sfticolaus V. mar beruhigt über 
baS ©a^ietfat ber ®irdje, meit £aufenbe geteerter OJMnner if)r 
fyitfreid) jur ©cite ftänben. 23ei ^ßtus IL finb bie Opfer für bie 
2öiffenfd)aft lange nid)t fo großartig, fein ^ßoetenljof erfcfyetnt fefjr 
mäßig, allein er felbft ift nod) meit metjr baS perfönlidje §>aupt 
ber ®e(ef)rtenrepubtif als fein jmeiter Vorgänger unb geniest 
biefeS SRufymeS in üollfter ©icfyerfyeit. (Srft Sßant II. mar mit 
gurd)t unb Mißtrauen gegen ben Humanismus feiner ©ecretäre 
erfüllt, unb feine brei 9^act)fotger, (Sixtus, Snnocenj unb Slleranber, 
nahmen tuofjt £)ebicationen an unb liefen fiel) anbieten, fo öiet 
man wollte, — es gab fogar eine 23orgiabe, mafyrfd) einlief) in 

!) Epist. 39; Opera, p. 526, an 9Rariano ©ocino. 

2 ) ©3 barf nid)t irre mad)en, bafj baneben eine fortlaufenbe ^ieifie von 
klagen über bie ©ertngfügigfett be3 fürftlidjen 9)tacenate§ unb über bie 
©leid)güftigfett mand)er dürften gegen ben 3tuf)tn ftdj taut mad^t. ©o 
5. 33. bei Bapt. Mantan. Eclog. V, nod) au§ bem XV. ^aljrli). — ©3 nrnr 
nid)t tnögüd) Stilen genug ju tf)un. 

3 ) %üx ba3 itnffenfd)aftUd)e -äMcenat ber köpfte bi§ gegen ©nbe be§ 
XV. %al)xl). mu| Ijter ber ßür^e wegen auf ben ©d)lufj von ^apencorbt'3 
,,©efdjid)te ber ©tabt 3iom im 2JJ. 2t." üernnefen werben. 



Sie SBiebererroecfung beä 2tltert^um§. 



173 



ipe^ametern ') — , waren aber §u fctjr anberweitig befd^dftigt unb 3. mbimat. 

auf anbere <Stü£punfte ifjrer ®ewal~t bebadjt, um ftd) titet mit ben 

$oetem^ßl)tfoIogen einjufaffen. 3uüu8 IL fanb £)id)ter, weit er 

felber ein bebeutenber (Segenftanb war (@. 96), fd)eint fid) 

übrigens ntrf)t öiet um fie gefümmert 3U fyaben. SDa folgte auf 

ifjn 8eo X. „wie auf »iomuluS 9?uma", b. f). nad) bem 2Baffcn= öei öc0 x - 

(arm beö borigen ^ontificateS fyoffte man auf ein gan^ ben 

üDhtfen gcwcü)te§. £)er (Deuuß fdjöner kteinifdjer ^rofa unb 

inol)Uautenbcr SSerfe gehörte mit ju £eo'$ SebenSprogramm unb 

fouiel l)at fein SJMcenat aüerbingS in biefer ^ejiefjung erreid)t, 

baß feine tateinifdjen ^oeten in gat)üofeit (Hegten, Oben, (5pt= 

grammen, ©ermonen jenen frötjftdjen, glänjenben ©eift ber teo= 

nifdjen ,3ett, welchen bie 25iograpI)ie be§ 3ouiu$ atfymet, auf bilb» 

üd)e Söeife barftcttten 2 ). SBtefteidjt ift in ber ganzen abeublän* 

bifd)en ®efd)id)te fein gürft, wefdjen man im 33ert)ä(tniB jit ben 

wenigen barfteübaren (Sreigniffen feines Sebent fo öietfeitig t>er^ 

f)errfid)t fyätte. Zugang S u t^ut l)atten bie Sinter ()auptfäcf)i~id) 

um Wittag, mann bie ©aitentnrtuofen aufgehört Ratten 3 ) ; aber 

einer ber heften aus ber ganzen <Sdmar 4 ) giebt ju oerftetjen, bafj 

fie if)m aud) fonft auf ©djritt unb Stritt in ben (Härten wie in 

ben innerften ©emädjern be§ ^atafteö beijufommen fudjten, unb 

wer ifjn ba nidjt erreichte, uerfudjte es mit einem Bettelbrief in 

gorm einer (Siegte, worin ber ganje ©lump Dorf am 5 ). £)enn 

Seo, ber fein ©etb beifammen fefyen fonnte unb tauter fjeitere 

Lienen $u erbtiefen wünfd)te, fdjenfte auf eine Seife, beren 2ln= 

benfen fid) in ben folgenben fnappen fetten rafd) jum äJtytfyuS 

üerftärte 6 ). $on feiner ^eorganifation ber ©apienja ift bereits 

*) Lil.Greg.Gyraldus, de poetis nostri temporis, bei Stnlafi be§ ©pljae= 
ruluä non (Eamerino. 2)er gute -Kanu würbe bamit nidjt ju rechter gett fertig 
unb rjatte feine Arbeit noer) 40 Qaljre fpäter im Sßult. — Heber bie magern 
Honorare beä ©i£tu§ IV. vgl. Pierio Valer. de infelic. lit. bei Slnlctfj be§ 
£r)eoboru§ @aja. — 2)a3 abftd)tltcf)e $ernljalten ber £>umamften com ©ar= 
binalat bei ben Zapften oor Seo, »gl. Sor. ©rana'3 Seidfjenrebe auf (Sarb. 
(Sgibio, Anecd. litt. IV, p. 307. 

2 ) 2)a3 33efte in ben Delicise poetarum italorura unb in ben '-Beilagen 
ju ben r>erfd)iebenen 2tu3gaben von 3io§coe, Seo X. 

3 ) Paul. Jov. Elogia, bei 2lnlafj beä ©uibo ^ßoftljumuig. 

4 ) pierio SMertano in feiner „Simia". 

5 ) ©. bie ©Xegie beä %of). 2lureliu§ -JKutiuä, in ben Delicise poet. ital. 

6 ) S5ie befannte ©efd^id^te uon ber purpurfammtnen SBörfe mit @o!b= 
päcfc^en oerfd)iebener ©röfje, in roeldje Seo blinbting§ hineingreift, bei 
Giraldi, Hecatommithi VI, Nov. 8. Safür würben Seo'§ lateinifd)e ^afel= 



174 ©te 2ßiebererroetfung be§ SCftertfjumS. 



3. 3ifrfc»nitt. (@. 164) bie 9?ebe getuefen. Um Seo'S Qrinflujj auf ben £mma= 
aeo-si t»at)vc niSmuS nidjt gering 31t tarjren, muß man ben 48Iicf frei fjalten 
sBebcutunfl. ÖQn ^ m ö j c { m @pi e ( eve i ett/ t,i e babei mit unterliefen; man barf 
firf) nict)t irre marfjen (äffen burdj bie bebenftid) frfjeinenbe fronte 
(ß. 126), womit er felbft biefe £)inge bisweilen befyanbelt; baS 
Urttjcil muß ausgeben oon ben großen geiftigen 3ttöglid)fetten, 
welche in ben ^eretcrj ber „Anregung" fallen unb fdjledjterbhtgS 
nidjt im ©angen 31t beregnen, wol)( aber für bie genauere gor* 
frfjung in mannen einzelnen fallen tljatfädjlid) narfj^uwetfen finb. 
SßaS bie italientfd)en ipumaniften feit etwa 1520 auf (Suropa 
gewirft fyaben, ift immer irgenbwie öon bem Antriebe bebingt, ber 
Don 8eo ausging, (ix ift berjenige *ßapft, Welver im £)rucfprit>i* 
legium für ben neugewonnenen £acitus *) fagen burfte: £)ie 
großen Tutoren feien eine 9?orm beS Gebens, ein STroft im Un* 
gtücf; bie Söeförberung ber ©eteljrten unb ber (Srwerb treffüdjer 
53ücrjer fyabe ilmt bon jefjer als ein tjöcf)fte@ 3tel gegolten, unb 
aurf) jefet banfe er bem §immet, ben 9?u£en beS SJtatfdjenge« 
frf)ied)tes bura) 3Segünftigung btefeS 35ud)eS beförbern ju fönnen. 

Sie bie 33erwüftung SRomS 1527 bie Sünfttcr jerftreute, fo 
trieb fie aurf) bie Siteraten narf) allen Söinben auSeinauber unb 
breitete ben 9M)m beS großen nerftorbenen ^öefrfjü^erS erft rect)t 
bis in bie äußerften (Snben Italiens aus. 
scas gwevtbum 23on ben weltlichen dürften beS XV. SafyrfyunbertS geigt ben 
6d Sa fl n on. C ° n &W tcn @nt^ufia«inu6 für bas 2Iltertf)um SllfonS ber ®roße öon 
Slragon, tönig öon Neapel (@. 27). @s fdjeint, baß er babei 
böttig naiö war, baß bie antife SBett in ©enfmätern unb ©rfjriften 
ifun fett feiner Slnfunft in Stalten einen großen, überwältigenben 
(Sinbrucf marfjte, raeldjem er nun nachleben mußte. Sßunberbar 
Icidjt gab er fein tro^igeS Slragon fammt ^ebentanben an feinen 
trüber auf, um fidj ganj bem neuen ©efifc 31t wibmen. (Sr 
tjatte tfyeüs narf), tfyetls neben einanber in feinen üDienften 2 ) ben 
®eorg oon £rape3unt, ben jüngern (S()rt)foioraS, ben i«oren^o 
$aüa, ben 33artolommeo §acto unb ben Antonio ^anormita, 

improtrifatoren , roenn fie gar pi fjinfenbe SSerfc matten, mit ^eitfäjen 
geflogen. Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temp. 
') Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 181. 

2 ) Vespas. Fior. p. 68, s. Sie Ue&erfefeungen au§ bem ©riedjtfd&en 
bie 21. machen lieft, p. 93. — Vita Jan. Manetti, bei Murat. XX, Col. 
541, s. 550, s. 595. — Panormita: Dicta et facta Alphonsi, fammt ben 
©loffen be§ 2(enea3 ©nfotttS. 



Sie SSiebererraecfimg be§ 2l(tertf)uttt§. 175 



tueldjc feine ®cfcbjd)tfd)reiber würben; ber festere mußte tfnn unb 3. ■aibfdmitt. 
feinem $ofe täglich, ben ßiüiug erflären, audj roäljrenb ber gelbgüge 
im Sager. £)iefe Seute tofteten itjtt jäfjrlid) über 20,000 ®otbgutben; 
bem $acio fdjenf te er für bie pftoria 5lIpf)onft über bie 500 £)ucatcn 
S'aljregbefoftmng am @d)tuß ber Arbeit nod) 1500 ®o(bgu(ben oben* 
brein, mit ben Sorten: „eg gefd)ief)t ttidjt „um (Sud) ju bejahen, 
„bcnn (Suer SBerf ift überhaupt ttidjt gu begaben aud) nid)t, ftenn id) 
,,(Sud) eine meiner beften ©täbte gäbe; aber mit ber 3eit mitt id) 
„fudjen (Sud) jufrteben gu [teilen". 2Ct« er ben ®tatmofto üftattttetti 
unter ben glänjenbften 23ebingungen §u feinem ©ecretdr naf)tu, fagte 
er: „mein tefcte« 23rob mürbe id) mit (Sud) teilen". @d)on als 
©ratutationggefanbter Don ftlorenj bei ber £>od)jeit beö ^ringen 
gerrante fyatte ©iannojjo einen fotdjen (Sinbrucf auf ben ®önig 
gemalt, baß biefer „wie ein (Srgbitb" regunggfog auf bem £h,rone 
faß unb nidit einmal bie !3ttüd:en abwehrte, ©eine ßieblingg* 
ftätte fdjeint bie Sibliotb.ef beg @d)toffeg Don Neapel gemefen jti 
fein, wo er an einem gettfter mit befonberö fdjöner 2Iugfid)t gegen 
bag äfteer faß unb ben Söeifen juljörte, menn fie 33. über bie 
STrinttät bigeutirten. £)enn er mar aud) m3öig religio« unb tiefe 
fid) außer Siötuö unb @eneca aud) bie 33ibe( üortragen, bie er 
beinah, augtuenbig raupte. Sßer mit! bte (Smpfinbung genau er* 
ratfyen, bie er ben üermeintüdjen (Sebeincn beg Stotu« ju Ißabua ©cm emtu« 
(@. 117) tmbmcte? 2Hg er auf große ©Uten üon ben «Benejia* ® rinnm,n s cn - 
nern einen 2lrmfnod)en baoon erlieft unb ef)rfurd)tgüotf gu üfteap«l 
in (Smpfang naljm, mag in feinem ©emütfye (Sfyriftücijeg unb 
£)eibnifd)eg fonberbar burd) einanber gegangen fein. 2luf einem 
getbjug in ben Slbrujjen geigte man ifym bag ferne ©ufatotta, 
bie £)etmatl) beg Dbib, unb er grüßte bie ©tobt unb bauftc bem 
©eniug beg Drteg; offenbar tfjat eg it)tn wofyt, bie SBeiffagung 
beg großen £)id)terg über feinen fünftigen Sftufym 1 ) roaljr machen 
gu föunen. (Sinmal gefiel eg ii)tn aud), fetber in antifer SBeife 
aufzutreten, nämttd) bei feinem berühmten (Sinpg in bag befinitib 
eroberte Neapel (1443); unraeit tiom 2ttercato mürbe eine 40 (Stten 
meite 33refd)e in bte Stauer gelegt; burd) biefe fufyr er auf einem 
golbenen SBagen roie ein römifd)er £riumpf)ator 2 ). 2lud) bie 6r= 
tnnerung fyieran ift burd) einen tjerrlidjen marmornen £rtumplj* 
bogen im (Saftetfo nuotio üeretuigt. — ©eine neapotitanifdje 

J ) Ovid. Amores III, 15, vs. 11. — Jovian. Pontan., de principe. 
2 ) Giorn. napolet. bei Murat. XXI, Col. 1127. 



176 



Sie SBtebererroecfimg be§ SUtertfjumS. 



3. %bfd)nitt. Dflnaftie (ß. 28) ^at Don biefem anttfett (srntljuftaSmug mie Don 
aü feinen guten (Sigenfctjaften wenig ober nichts geerbt. 

Seberigo vw Ungteid) geteerter at§ SUfonfo mar $eberigo pon Urbino 1 ), 
urinno. ^r mn [^ v g eute um fiel) hatte, gar ntdjts Perfd)tuenbete uub mie 
in alten fingen fo aud) in ber Zueignung beö 2Utertf)iun8 ptan* 
polt uerfu^r. $ür ihn unb für 9ftcotau$ V. finb bie meiften 
Ueberfefeungen aus bem ©ried)tfdjen unb eine Slnjat)! ber bebeu* 
tenbften Kommentare, Bearbeitungen u. bgt. Perfafjt morben. (§r 
gab tuet au§, aber $mecfmäjng, an bie teilte, bie er brauchte. 
$?on einem ^3oetent)of mar in Urbino leine 9?ebe; ber £>err fetber 
mar ber ©etetjrtefte. £)a8 Slftertfjwn mar atferbingS nur ein 
Sttjett feiner SBübung; af§ poülommencr $ürft, getbfjerr unb 
9Q?enfcf) bemeifterte er einen großen Stfjetf ber bamatigen SBiffen* 
fdjaft überhaupt unb jtoar 31t practifdjen 3m eefen, um ber @ad)en 
mitten. Site 5£fjeofoge 3. 43. Pergticf) er SCIjomaS unb ©cotuS unb 
fannte aud) bie atten $ird)ertPäter be§ Oriente unb Occibent«, 
erftere in lateinifdjen Ueberfefcungen. On ber *ßI)üofopf)ie fdjeint 
er ben ^tato gän^lid) feinem ^eitgenoffeu Kofimo überlaffen $u 
haben ; öon SlriftoteleS aber fannte er nidjt nur Grtfyif unb sßotttif 
genau, fonbern aud) bie fytyfit unb mehrere anbere (Schriften. 
On feiner fonftigen Seetüre mögen bie fämmttidjen antiten $tfto* 
rtfer, bie er befafj, beträdjtltdj Por; biefe unb uid)t bie Joelen 
„las er immer mieber unb lieft fie fid) Porlefen". 

©ie ©forsa. £>ie ©foqa 2 ) finb ebenfalls alle mefjr ober raeniger gelehrt 
unb ermeifen fid) als SMcenaten (@. 22,31), moöon getegentltcf) 
bie 9^ebe gemefen ift. £)erjog §ranceSco mochte bei ber (Srjiefjung 
feiner $inber bie l)umaniftifd)e ©Übung als eine @ad)e betrachten, 
bie fid) fdjon au« politifdjen ©rünben Pon fetbft Perftelje; man 
fdjeint e§ burdjgangig als SSortl)eit empfunben ju haben, wenn 
ber $ürft mit ben ©ebilbetften auf gtetdjem $ufte öerfeljren tonnte. 
SoboPtco Sttoro, felber ein trefflicher Satinift, geigt bann eine 
Stfjeilnaljme an allem ©eifrigen, bie fdjon meit über ba$ Sitter* 
tf)um hinau§get)t (@. 33). 

!) Vespas. Fior. p. 3. 119, s. — Volle aver piena notizia d'ogni 
cosa, cosi sacra come gentile. — Sgl. oben @. 36. 

2 ) äkim legten SSigconti ftreiten fid^ noeb, Sioiuä unb bie franjöfifdjm 
SJlitterrotnane nebft Sanie unb Petrarca um bie Xfytilwfyme be3 dürften. 
2)ie ^umaniften, meiere ficf> bei i£>m melbeten unb if)n „berühmt machen" 
wollten, pflegte er naef) reenigen Sagen nüeber wegsufcfjicfen. SSgl. De- 
cembrio, bei Murat. XX, Col. 1014. 



£>ie aBiebererroecfung be§ 2Htertfjums. 



177 



2Iudj bie Heinern £errfdjer fugten fid) dfynttdjer ^orgüge m 3. gmfdmitt. 
bemächtigen unb man ttjut ifynen mofyl Unredjt, wenn man glaubt, 
fie Ratten it)re £wfttteraten nur genarrt um üon benfelben ge* Cit me _ 
rütmit ju werben. @tn $ürft tüte 53orfo uon fterrara (@. 39) 
mad)t bei alter (Sitelfeit bodj gar ntd)t mefjr ben Effect als er* 
wartete er bte Unfterbtidjfeit bon ben £)idjtem, fo eifrig ifnn bte* 
felben mit einer „^öorfei'ö" u. bgl. aufwarteten; baju ift fein 
£errfcf)ergefüf)I bei Settern gu fefjr entwicMt; allein ber Umgang 
mit (Meljrten, ba8 3ntereffe für bag 9tttertf)um, ba$ löcbürfnifc 
nadj eleganter lateinifcfyer (Spiftotograptjie waren öon beut bama* 
ligen $ürftentf)um unjertrennltd). 2öie fetjr f>at es nod) ber 
practifd) f)od)gebübete £erwg 5ltfonfo (®. 39) beHagt, ba§ ifnt 
bie 3Mnftid)fett in ber 3ugenb einfeitig auf (£rt)otung burdj £)anb* 
arbeit üjingewiefen ! l ) Ober fjat er fid) mit biefer 2lu$rebe bod) 
el)er nur bie Siteraten bom ßeibe gehalten? 3n eine ©eete wie 
bie feinige flauten fd)on bie ^ettßettoffett nidjt red)t fyinein. 

@elbft bie ftetttftert romagnottfdjen £i)rannen fönneu nidjt 
leidet ofme einen ober mehrere §ofl)umaniften außfommen; ber 
§au8tel)rer unb <Secretär fijtb bann öfter (Sine "ißerfon, we(d)e 
geitweife fogar ba$ gactotum be$ £ofe« wirb 2 ). äftan ift mit 
ber 33erad)tung biefer f feinen 23erf)ä(tniffe insgemein etwa« ju 
rafd) bei ber £)anb, inbem man t>ergif$t, bafj bie f)öd)ften £)inge 
be§ ®eifte$ gerabe nietjt an ben Sftafjftab gebunben finb. 

(Sin fonberbare« treiben muß jebenfaüs an beut §ofe ju ®i 8 iemoni>o 
9Umini unter bem fredjen Reiben unb Sonbottiere (Sigigmonbo TOatatc ' ta - 
äftatatefta getjerrfdEjt fjaben. dx fjatte eine Slnjabt üon 'ißljitotogen 
um fid) unb ftattete einjetne berfetben retctjttcr), 3. 33. mit einem 
Sanbgut au§, mäfyrenb anbere als Offiziere wenigftenö ibren 
SebenSunterfyalt fjatten 3 ). On feiner 33urg — arx Sismundea 



*) Paul. Jov. Vita Alfonsi ducis. 

2 ) lieber (Sotfenuccio am §ofe be3 ©iotmnni ©forga von ^pefaro, (©ob,n 
be§ 2lteffanbro, ©. 22), ber iljtt julc^t mit bem SEobe tonnte, f. ©. 110. 
— ■ 33eim legten Drbelaffo gu %oüi Berfa!) GLobruä llrceu§ bie ©teile. — 
Unter ben gebilbeten SExjrannen ift aud) ber 1488 von feiner ©attin ermor= 
bete ©aleotto 3Jlanfrebbi von $aenga ju nennen ; ebenfo einzelne 33enti= 
nogli von Bologna. 

3 ) Anecdota literar. II, p. 305, s. 405. SSafiniuä Don 5)3arma fpottet 
über ^ßorcettio unb 2iommafo ©eneca: fie al§ hungrige ^arafiten müfjten 
in ib^rem 2ltter nod; bie ©olbaten fpielen, inbef; er mit ager unb villa auZ-- 
geftottet fei. (Um 1460; ein bele^renbeö Slftenftüd 1 , auä raeld)em b.eroor^ 



SöitrcftiavCt, Cultuv Cer SRenatffance. 



12 



178 ©ie Jßtebererroedung be§ 2Utertfjum§. 



3. Mbfdmitt. — Ratten fic i^re oft fe^r giftigen ^Disputationen, in (ScQenwart 
be§ „rex", tote fie ü)n nennen; in ü)ren fateintfdjen £>id)tungen 
preifen fie natürlich tljn unb befingen feine Ctebfcfjaft mit ber 
fronen 3fotta, 51t beren <5I)ren ei .cntüc^ ber berühmte Umbau 
öon @an granceSco in 9timini erfolgte, afö i^r ®rabbenfma(, 
Divse Jsottee Sacrum. Unb wenn bie ^itologen fterben , fo 
fommen fie in (ober unter) bie ©arcopljage $u liegen, womit bie 
9?ifd)en ber beiben 2lu|eniuänbe biefer nämlichen tirdje gcfdjmMt 
finb; eine Snfdjrtft bejagt bann, ber betrcffenbe fei tjier beigefe^t 
roorben jur £eit ba (SigiSmunbuS, ^anbutfu«' ®o£m tjerrfdjte 1 ). 
3ftan raürbe es tjeute einem @d)eufal, wie biefer prft mar, ferner* 
tid) glauben, ba§ iöilbung unb gelehrter Umgang ifym ein 
33ebürfnij3 feien, unb bod) fagt ber, meiner ifm ejcommunirte, in 
effigie üerbrannte unb befriegte, nämltd) $apft ^utS IL : „@igi8* 
„monbo fannte bie £tftorien unb befa§ eine große tunbe ber 
^{)i(ofopt)ie; ju 2Mem, was er ergriff, fcf)ien er geboren" 2 ). 



atevtcbuetionDe» 3u ^raeien Braecfen aber glaubten SRepubltfen rate prften 
«mtetinims. un ^ ^äpjte beS §umaniften burcfyaus nidjt entbehren gu fönnen: 
jur Slbfaffung ber Briefe unb jur öffentlichen, feierlichen 9?ebe. 

wm*ww- ® ev @ ecrßtär mu ^ nic ^ nur öon ©^ te§roe 9^ ei" 9"ter 
Lateiner fein, fonbern umgeteljrt: nur einem §umanifteu traut 
man bie ^öUbung unb Begabung ju, wetdje für einen (Secretär 
nötfyig ift. Unb fo tjaben bie größten STcänner ber Sßiffenfdjaft 
im XV. Safyrlmnbert meift einen beträd£)tticf>en Sttjeit ifjveö 8eben$ 
fnnburd) bem @taat auf biefe Seife gebient. äftan faf) babei 
nid)t auf ^eimati) unb ^ertunft; öon ben Pier großen florenti* 
nifien ©ecretären, bie feit 1429 bis 1465 bie geber führten 3 ), 
finb brei aus ber Untertl)anenftabt Slrejjo: nctmlid) Sionarbo 
(33runi), Sarlo (3ftar$uppini) unb 33enebetto Siccotbi; $oggio 



geljt, bafj e3 nod) ftumaniften, wie bie groei le^tgenannten gab, roeldje ftdj 
gegen ba§ SCuffommen be3 ©rictfjiftfien roef)ren fudjten.) 

1) SDaS 3ßäf)ere über biefe ©räber bei $e«f[ler, 9teuefte Steifen, ©. 924. 

2) Pii II. Comment. L. II, p. 92. Historiae ift f)ter ber Inbegriff 
be§ ganzen 2UterE)ums. 

3) Fabroni, Cosmus, Adnot. 117. — Vespas. Fior. passim. — ©ine 
^auütftelle über ba3, roa§ bie Florentiner tum ib>en ©ecretixren üerlangten, 
bei Aeneas Sylvius, De Europa, cap. 54. (Opera p. 454.) 



Sie SBiebererroechmg be§ ailtertljumg. 



179 



mar oon £erra nuoüa, ebenfallg im ftorentinifdjen ©ebiet. £atte s. <m>fc&nitt. 

man bod) fdpn lange mehrere ber fjöajften @tabtämter principiell 

mit 2luglänbcrn befefct. £ionarbo, ^oggio unb (SHanno^o 3)?an* 

netti maren aud) jeittuetfe ®ef)eimfd)reiber ber ^äpfte unb Sarlo 

Slretino foüte eg raerben. «lonbug oon g-orli unb tro£ allem 

3ule£t aud) Sorenjo 23atta rüdten in biefetbe SBürbe bor. 2ttel)r 

unb meljr jiefit ber päpfttidje ^ataft feit «ßiccolau« V. unb 

<ßiug II. ') bie bebeutcnbften Gräfte in feine fanjlei, fetbft unter 

jenen fonft nid)t literartfd) gefinnten testen Zapften beg XV.Safjrfjun* 

bertg. Qn ber ^apftgefd)id)te beö Patina ift bag &ben $aut'g IL 

nid)tg anbereg atg bie ergöfclidje $Rad)e beg ^umaniften an bem 

einigen <ßapft, ber feine ^a^tei nid)t ju beljanbeln oerftanb, 

jenen herein oon „£)id)tern unb 9?ebnern, bie ber (Surie eben fo 

„öiel ®lan$ berüefjen alg fie oon iljx empfingen". Stfan muß mmmt ber 

biefc froren £errn aufbraufen fefyen, mann ein ^räcebenjftreit ^ tm > m 

eintritt, toemt 3. 23. bie 2lboocatt confiftorialeg gleichen ^ang mit 

tfmen, ja ben «ortritt in Slnfprud) nehmen 2 ), 3n einem £uge 

mirb appeltirt an ben (Soangeliften Soijanneg, meldjem bie ©ecreta 

coeteftta enttjiMt gemefen, an ben @d)reiber beg ^orfenna, melden 

äft. Scäoola für ben fönig felber gehalten, an Mcenag, melier 

Sluguffg @et)cimfd)reiber mar, an bie (£r$bifd)öfe, meld)e in £)euifa> 

lanb f analer Reißen u. f. m. 3 ). ,,©ic apoftolifdjen ©djreiber 

„I)aben bie erften ®efd)äfte ber Seit in Rauben, benn mer anberg 

„als fie fdjreibt unb oerfügt in @ad)en beg fatl)olifd)en ©tauben«, 

„ber «efctmpfung ber fe^erei, ber £erfteltung beö griebeng, ber 

„«ermittetung jmifdjeu ben größten äftonardjen? 2Ser alg fie 

„liefert bie ftatiftifdjcn Ueberfidjten ber ganzen ßbriftentieit ? @ie 

„finb eg, bie tönige, dürften unb Völler in 23emunberung Oer* 

„fefcen burd) bag, mag oon ben Zapften augge£)t; fie oerfaffen 

„bie 23efef)le unb önftructionen für bie Segalen; ttjre 53efet>te 

„empfangen fie aber nur 00m ^apft, unb finb berfelben 3U jeber 

„©tunbe beg £ageg unb ber 02ad)t gemärtig". £)en ®ipfet 

J ) 9SgI. ©. 172 unb ^apencorbt, @efä). b. ©tabt Mom, p. 512 über 
ba3 neue ©oITegiunt ber Slbbreütotoren, reelle $iuS grünbete. 

2) Anecdota lit. I, p. 119, s. paiboner beS ^acobuä SSoIaterranuä 
im tarnen ber ©ecretäre, of>ne ^roeifet auä ber 3eit ©ijtuä IV. — ®er 
^umanifiifc^e 2tnfpruc£) ber ©onfifiortalabpocaien beruhe auf i^rer 9iebe= 
lunft, roie ber ber ©ecretäre auf ben Briefen. 

3) Sie tturJüc^e Jaiferlicrje lanjlei unter griebria) III. fannte 2Teneaä 
©ntniug am beften. Sgl. Epp. 23 unb 105, Opera, p. 516 unb 607. 



12* 



180 



Sie 2Biebererroechmg be§ 2l(tertf)um(o. 



3. gibfftnitt. be3 töuljmes erreichten aber bod) erft bie betben berühmten «Sc* 
cretäre unb ©triften £eo'§ X.: ^ßietro ©embo unb Sacopo Sa* 
boleto. 

9(iitf)t aüe ®an$(eien f abrieben elegant; e§ gab einen tebernen 
©eamtenfnjl in ^öc^ft unreinem Latein, welcher bie Wht)x\)ät für 
2Scttf5fd,ä^un 8 fid) ^atte. ®an$ merfnmrbig ftedjen in ben maitänbifcfjen Steten* 
t>e* nuww. ll)e ^ e g or t 0 m ittl)eitt, neben biefem ©tt)l bie paar ©riefe 

heroor, roela^e Don ben Mgliebem be§ prftenfjaufeS f elber, unb 
jraar in ben mid)tigflen Momenten oerfafct fein muffen 1 ); fie 
fittb toon ber reinften Satinitdt. ©en Stt)l auch in ber S^ott) 31t 
wahren erfcfjien als ein ®ebot ber guten SebenSart, unb als 
golge ber (Semöhnung. 

man !ann ftd) benfen, roie emfig in ienen Reiten bie ©rief* 
fammlungen beö ©cero, ^liniuö u. 21. ftubirt mürben. (§3 er* 
fcfjien fd>on im XV. 3a[)rf)unbert eine ganje föeihe toon toei* 
fungen unb Formularen jum tateinifdjen ©rieffdjreiben, at§ Seiten* 
jttmg ber großen grammaticalifd)en unb lerjt"ographifd)en Arbeiten, 
beren 9Jhffe in ben ©ibliothefen noch ^eute (Srftaunen erregt. 
3e mehr Unberufene aber mit bergleicfjen $ülfömittefa fich an bie 
Aufgabe magten, befto mehr nahmen fich bie 3Sirtuofen jufammen, 
unb bie ©riefe ^otijiatto'S unb im ©egimt be§ XVI. Sahrhun* 
berts bie be§ Sßietro ©embo erfd)ienen bann als bie irgenb er* 
reichbaren SDMfterroerle, nicht nur beö lateinifdjen SttileS fonbern 
ber (5piftotograpt)ie als fotcfjer. 

©aneben melbet fid) mit bem XVI. Oahrhunbert auch ein 
c(affifd)er ttalienifd)er ©riefftt)!, mo ©embo mieberum an ber 
Spi|e ftcht. @3 ift eine uöllig moberne, Dom Satetnifchen mit 
2lbfid)t fern gehaltene Schreibart, unb bod) geiftig total 00m Sitter* 
thum burchbrungen unb beftimmt. 
©ie meDnei. 3Siet ßtättgcnbcr noch al* ^ ©rieffdjreiber tritt ber <Rebner 2 ) 
herbor, in einer 3eit unb bei einem 33o(fe, tuo ba8 §)ören als 

1) Corio, Storia di Milano, fol. 449 ber SBrtef ber Sfabelta »on 2tra= 
gon an iljren SSater 2lIfon3 uon Neapel; fol. 451, 464 jroei ©riefe be§ 
2Jh>ro an (Sari VIII. — Sßomtt ju vergleichen baö £iftörtfien in ben Let- 
tere pittoriche III, 86 (©ebaft. bei Sßoimbo an 2lretino), wie ©lemenä VII. 
roä^renb ber SSerroüftung 3*om§ im (Saften feine (Mehrten aufbietet unb 
fie eine ©piftel an ®art V. coneipiren Iixfjt, jeben befonberä. 

2) 9Kan »gl. bie Sieben in ben Opera be§ $ßl)ilelplju§, ©abellicu§, 
SeroalbuS b. ü. 2c. unb bie ©Triften unb ^Biographien be3 San. äftannetti, 
2lenea3 ©nlt>iu§ tc. 



Sie SBiebererwecfung be§ 2lltertf)um3. 



181 



ein ®enuß crften $Kange3 galt unb wo baö ^ßfyantafiebitb be3 3. gtbfftnitt. 
römifcben Senates unb fetner föebner alte ©eifter befyerrfdjte. 
33on ber fftrcfye, bei welajer fte im TOtelatter ifjrc «Suffodjt gehabt, 
wirb bie (Stoquenj twttfommen emanctpirt; fte bitbet ein notb* 
wenbigeS (Siemen: unb eine 3terbe jebeS ersten £)afein3. @e£)r 
t>tefe feftttdje 2tugenbüd;e, bie gegenwärtig mit ber 2Jhtfif au«* 
gefüllt werben, gehörten bamals ber tateinifdjen ober itaüenifdjen 
9febe, worüber fid) jeber unferer Sefer feine ©ebanfen machen möge. 

2Mdje8 ©tanbeö ber 9?ebner war, galt üöfltg gtetd); man 
beburfte uor Ottern beS »irtuofenfyaft auSgebübeten I)umaniftifd)en 
latente«. 2tm £ofe be8 33orfo üon gerrara l)at ber $ofar$t, 
•Seronimo ba Safteüo, fowoljl griebrid) III. aU ^iuä II. jum 
SBiüfomnt anreben muffen ] ); berljciratljetc Saien befteigen in ben 
®irdjen bie ^anjetn bei jebem fefttiajen ober £rauerantaf3, ja 
fetbft an Zeitig cnfcftcn. (£8 war ben au^erttalifdjen Saxler 
(Son eitel) erren etwa« üfteueS, baß ber (Sr^bifdjof tion ülftaüanb am 
2tmbrofiu§tage ben 9Ienea3 ©titoiuS auftreten ließ, welker nod) 
feine 9Bett)e empfangen fjatte ; trofc bem Durren ber £t)eotogcn 
tieften fte fief» e§ gefallen unb fjörten mit größter Regier ju 2 ). 

Ucberbticfen wir junädjft bie widrigem unb häufigem 2ln* 
tdffe be§ öffenttidjen 8teben$. 

33or Altern Reißen bie ©efanbten t>on (Staat an (Staat nidjt wttim 
Vergebens Dratoren; neben ber geheimen Unterijanblung gab e§ ® taat8,:t cm - 
ein itnbermeibnd}e§ 'ißarabeftüdi, eine öffentlidje SHebe, vorgetragen 
unter möglidjft pomphaften Umftänben 3 ). 3n ber föegel fübrte 
Don bem oft fefjr saljtreidjen ^ßerfonat (Siner jugeftanbenermaßen 
ba§ 2Bort, aber e§ paffirte bod) bem Kenner ^ßtu« IL, bor wetdjem 
fid) gerne jeber fjoren taffen wollte, bafs er eine ganje ®efanbt* 
fdjaft, (Sinen nad) bem Slnbern, anpren mufjte 4 ). £)ann rebeten 



0 Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 198. 205. 

2) Pii II. Comment. L. I, p. 10. 

3 ) ©0 grofj ber ©uccefj be§ glücflidjen 9iebner§ roar, fo furdjtbar mar 
natürlich ba§ ©tecfenbleiben cor großen unb erlaubten SSerfammlungen. 
(3cf)recJen§6eifpiete finb gefammelt bei Petrus Crinitus, de honesta dis- 
ciplina V, cap. 3. Sögt. Vespas. Fior. p. 319. 430. 

4 ) Pii II. Comment. L. IV. p. 205. roaren nodj baju Horner, 
bie if)n in 3Siterbo erroarteten. Singuli per se verba fecere, ne alius 
alio melior videretur, cum essent eloquentia ferme pares. — SDafj ber 
23ifcf)of Don 2lre^o nierjt ba§ äBort führen butfte für bie (£oUectiugefanbt= 
fcfjaft ber italienifdjen (Staaten an ben neugen>äf)lten 2tleranber VI., gäf)lt 



182 



5)ie SBiebererroetfung be§ 2tttertf)um§. 



3. aibfdfwitt . geteftrte dürften, bie beö SßorteS mad^ttg waren, gerne unb gut 
fetber, itatienifd) ober latetmfd). £)ie Einher be§ §aufe3 ©forja 
maren hierauf eingefdiuKt, ber ganj Junge ©aleojjo Ovaria fagte 
fdjon 1455 im großen töatf) ju SBenebtg ein fttefjenbe« @$ercitium 
Ijer <), unb feine «Sdjmefter 3ppotita begrüßte ben «ßapft $tuß II. 
auf bem (Songrefj §u äftantua 1459 mit einer sierüdjen SKebe 2 ). 
^ßiuö II. felbft l)at offenbar al« föebner in allen 3eiten feine« 
Gebens feiner testen @tanbe8erl)öf)ung mächtig borgearbeitet; als 
größter curialer ©iptomat unb (Setefjrter märe er bietteidjt bodj 
nid)t $apft gemorben ofyne ben föuljm unb ben Räuber feiner 
©erebfamfeit. „T)enn nichts mar erhabener als ber ©cfjmung 
„feiner 9febe 3 )." ©eraif? galt er für Un^ätjtige fchon bepalb al« 
ber beö ^apfitfyumS SBürbigfte, bereits bor ber Sßa^L 

cnn>fona«te6en k. ©obann mürben bie dürften bei jebem fetertidjen Smpfang 
angerebet unb jmar oft in ftunbentanger Oration. üftatürltd) 
gefdjai) bieg nur, menn ber gärft afe ^ebefreunb befannt mar 
ober bafür gelten moüte 4 ), unb menn man einen genügenben 
SKebner üorrätfytg fjatte, mod)te e« ein £)ofttterat, UmöerfttätS» 
profeffor, Beamter, 2tr§t ober ©eifttidjer fein. 

2Iud£) jeber anbere poütifcfje Slnlaft mirb begierig ergriffen, 
unb je nad) bem 9?ui)m be$ 9*ebner3 lauft 2lüe3 gerbet, ma« bie 
•SBtfbung bereit. 33ei afljäbrlidjen 33eamtenerneueruugen, fogar 
bei (Sinfüijrung neuernannter 23ifd)öfe nutfj irgenb ein £>umamft 
auftreten, ber MSraeifen 5 ) in fappl)ifd)en ©tropfen ober ^ametern 



©uicciarbini (ju Stnfang be§ I. 33.) gan^ ernfttjaft unter ben Urfad)en 
auf, roeldje ba3 Ungtütf Qtalienö 1494 herbeiführen fjatfen. 

1) 3»ttget$eilt Dtm Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1160. 

2 ) Pii II. Comment. L. II. p. 107. Sgl. p. 87. — Gsine anbere la* 
teinifdEje ^ebnertn fürftlid)en ©tanbes roar 2Rabonna 23attifta 2)tontefeltro, 
üermäfjtte DJlalatefta, JoeIct)e ©igismunb unb 2Jiariin Ijaranguirte. ^S*- 
Arch. stor. IV, I. p. 442, Nota. 

3 ) De expeditione in Turcas, bei Murat. XXIII, Col. 68. Nihil 
enim Pii concionantis maiestate sublimius. — Slujjer bem natnen 2ßo^l= 
gefallen, roomit ^ßiu§ felbft feine ©rfolge fd)ilbert, »gl. Campanus, Vita 
Pii II, bei Murat. III, II, passim. 

4 ) ©arl V. l)at bod) einmal, alä er in ©enua ber 33lumenfprad)e eines 
latein. 9iebner3 ntdjt folgen fonnte, »or ©ionio'ö Dljren gefeufgt: ,,2td) 
rote fjat mein Seljrer §abrian einft SftedEjt gehabt, als" er mir roeiffagte, id) 
roürbe für meinen !tnbifd)en Unfletfj im 2ateinifd)en gejüd)tigt roerben!" 
— Paul. Jov. vita Hadriani VI. 

c ) Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temp., bei 2lnlafj bes ©otle= 



Sie SBiebererroecfung be§ 2Utert!)um3. 183 



fpridjt; aud) mattier tteu antretenbe Beamte fetbft muß eine un* 3. gibfdmttt- 
umgängliche 9?ebe falten über fein $adj 5. 33. „über bie (Sered)* 
tigfeit"; wohl ihm wenn er barauf gefault ift. 3n ^torenj jtel)t 
man auch bte (Sonbottteren — fie mögen fein wer unb wie fie 
wollen — in ba3 lanbeSübtidje Pathos hinein unb läßt fie bei 
Ueberreidutng be§ ^elbljerrenftabeö burdj ben gelehrteren «Staats* 
fecretär bor ollem 23olf Jjaranguiren *). @§ fcheint, baß unter 
ober an ber Soggia be 1 Sanji, ber feierlichen £alle, wo bie 9?e> 
gierung öor bem 23otfe aufzutreten pflegte, eine etgenttictje SRebner* 
büfme (rostra, ringhiera) angebracht war. 

S3on Slnniüerfarien werben befonbers bie £obe$tage ber 2eid>entet>«n w. 
dürften burd) ®ebäcf)tntßreben gefeiert. SCucf) bie eigentliche Seichen* 
rebe ift üorf)errfd)enb bem §umaniften anheimgefallen, ber fie in 
ber Kirche, in weltlichem ©ewanbe recitirt, unb jwar nicht nur 
am ©arge oon Durften, fonbern auch oon Beamten u. a. natu* 
haften Seilten 2 ). @benfo öerhält e$ fich oft mit Verlobung«« 
unb $od)äeit$reben; nur baß biefe (wie eä fcheint) nicht in ber 
Kirche fonbern im ^alaft, j. 33. bie beS ftilelfo bei ber Verlobung 
ber 5lnna ©for^a mit 3llfonfo b'ßfte im Saftell öon 2flaitanb, 
gehatten würben. ((§3 fönnte immerhin in ber ^alaftcapeüe ge* 
fdjefjen fein.) Sütel) angefehene ^ßrioatleute tiefen fich m W imn 
folgen §odf)$eit$rebner als üorneljmen i'uju« gefallen. 3n $errara 
erfucf)te man bei fotd)en Mäffen einfach ben ©uarino 3 ), er möchte 
einen feiner @d£)üter fenben. $)ie ®irdje als fötale beforgte bei 
Stauungen unb Seidjen nur bie eigentlichen Zeremonien. 

33on ben acabemifchen Üceben finb bie bei Einführung neuer 
^ßrofefforen unb bie bei (Surseröffnungen 4 ) oon ben ^ßrofefforen 
fetbft gehaltenen mit bem größten rhetorifdjen Stufwanb behanbelt. 
£>er gewöhnliche (Satheberoortrag näherte fich ebenfalls oft ber 
eigentlichen SKebe 5 ). 

nuccio. — ^tlelfo, ein uerljeiratljeter Saie, hielt im £>om »on Somo bie 
©infüljrungärebe für ben SBifd^of ©carampi 1460. 
*) Fabroni, Cosmus, Adnot. 52. 

2 ) 3ßa3 bodj 3. 58. bem 3ac. 33oIaterranu§ (Bei Murat. XXIII, Col. 
171) bei pcttina'S ©ebädjtnifjfeter einigen Slnftofi gab. 

3 ) Anecdota lit. I, p. 299, in $ebra'§ Seidjenrebe auf Sob.Sßoboca* 
taro, melden ©uarino oorjugäroeife ju folgen 2lufträgen beftimmte. 

4 ) SSon folgen ©inteitungäüorlefungen finb triele erhalten, in ben 3Ber* 
fen beS ©abeHicuS, 23eroalbu3 maior, (EobruS Urceu§ 2c. 

5 ) S)en ausgezeichneten 3tul£)m »cm ^omponajjo'ö Vortrag f. bei Paul. 
Jov. Elogia. 



184 



Sie SBtebererwecfung be§ 2lltertf)um§. 



3. aibfdwitt. IBei ben 2lbbocaten gab ba$ jetncifige 2lubitorium ben ülttaß* 
[tab für bie SSefjanbhtng ber SKebe. 3e nadj Umftcmben würbe 
biefetbe mit bem botfen pfytfotogifdj*antiquarifd)en ^omp aus* 
geftattet. 

(Sine ganj eigene (Gattung finb bie itatienifd) gehaltenen 2ln= 
reben an bie ©otbaten, tJjettö t)or bem ®ampf, tl)ei(§ nadjljer. 
$eberigo Don Urbtno *) war fjtefüc dafftfdj; einer ©djaar nadj 
ber anbern, tote fie tampfgerüftet ba ftanben, flößte er @to($ unb 
33egetfterung ein. 9ttand)e SRebe in ben ®rieg§fd)riftftellern be$ 
XV. Öaljrljmtbert«, $. 33. bei ^orcettiuS (<3. 79) möchte nur tfyeitwcife 
fingirt fein, tljeitweife aber auf wirftidj gefprodjenen Söorten berufen. 
^Bieber etwas SlnbereS waren bie Slnreben an bie feit 1506, fyaupt* 
fäcpd) auf a^accfjiatjeü'S Setrieb organifirte ftorentinifa^e TOis 2 ), 
bei 2lntaf$ ber Oftufterungen unb fpäter bei einer befonbern Oaljreg* 
feter. £>iefe finb bon allgemein patriotifdjem Onljatt; e« fjiett fie 
in ber $ird)e iebeS Quartier« bor ben bort berfammetten Eiligen 
ein Bürger im 33ruftt)arnifdj, mit bem ©djwert in ber |>anb. 

(Snbüd) ift im XV. 3af)rl)unbert bie eigentliche ^ßrebigt biöwetten 
qjretiBt. j aum m ^ x öon ^ er gfj et)e ^ ^ e {5 etT/ ittfofem biete ®eiftticbe in ben 

33Ubung$frei§ be§ 2Uterti)um§ mit eingetreten waren unb etwas barin 
gelten wollten. £>at bod) fetbft ber fajon bei ßebjetten Zeitige, bom 
SSotf angebetete ®affenprebigcr tenarbino ba @tena e$ für feine 
^füdjt gehalten, ben rfyetorifdjen Unterricht be§ berühmten ©uarino 
nid)t ju berfdjmäben, obwohl er nur itaüenifd) $u prebigeu hatte. 
3Me Slnfprüdje, jumat an bie gaftenprebiger, waren bamats olme 
^weifet fo grof; als je; hie unb ba gab eö aud) ein 2Iubttorium, 
welches fe^r biet ^tjtfofoptjie auf ber Langel bertragen fonnte unb, 
fd)eint es, bon 33t(bung wegen bertangte 3 ). X)ocf) wir tjaben es Ijter 
mit ben bornehmen (ateinifcheu Safuatprebigern $u ttjutt. üftandje 
®efegeni)eit nahmen ihnen, wie gefügt, geteerte Säten bom ÜD?unbe 
weg. SReben an beftimmten £eiligcntagen, £eidjen* unb £ocf)seitS* 
reben, ßinfüijrungen bon 33ifd)öfen u. f. w., ja fogar bie 9?ebe 
bei ber erften ÜDieffe eines befreunbeten ©eifllidjen unb bie fjeft* 

J ) Vespas. Fior. p. 103. 3SgI. bie ©efdpdjte p. 598, nne ©ianojjo, 
üDtannetti ju tfym \n§ Sager fömmt. 

2) Archiv, stor. XV. p. 113. 121, ©aneftrini'§ (Einleitung; p. 342, s. 
ber Stbbrucf jroeier ©olbatenreben; bie erfte, von 2Uamanni, ift au^ge^etdjnet 
fdfjön unb be3 2ftomente3 (1528) roürbig. 

3 ) ^»ierüfcer $auftinu§ SerboceuS, in feiner (Satire De triumpho stul- 
titiae, lib. II. 



Sie SBiebererroecfung be3 2lttert£|utn3. 



185 



rebe bei einem OrbenScapitel werben wol)l ßaien übertaffen *). 3. nbfänitt. 
Qod) prebigten wenigftenS üor bem päpftlicfyen §of im XV. 3af)r= 
Ijunbert in ber SRegel 9ttönd)e, roetdjeö aud) ber feflttc^e Slntaß 
fein mochte. Unter ©trtus IV. ber^eidmet unb crttiftrt ®iacomo 
ba 33olterra regelmäßig btefe geftprebiger, nadj ben ©efe^en ber 
tunft 2 ). gebra 3ng()irami, als geftrebner berühmt unter Sülm* IL, 
fjatte wenigftenS bie geiftlidjen SBeifyen unb mar (Sfyorfyerr am 
Sateran; and) fonft fjatte man unter ben Prälaten je£t elegante 
Sateiner genug. Heberfyaupt erfahrnen mit bem XVI. Safjrfyunbert 
bie früher übergroßen 23orrcd)te ber profanen §umaniften in biefer 
4öejiel)ung gebämpft wie in anbern, wotwn unten ein SßeitereS. etneuenmg t>er 

Söeldjer 5lrt unb weldjeS Oittjaltc« waren nun biefe hieben mttoxit 
im Großen unb ©anjen? £)ie natürlidje 2Boi)lrebenI)eit wirb ben 
Italienern ba« Mittelalter fyinburd) nie gefehlt baben, unb eine 
fogenannte 9?f)etortf gehörte öon jefyer $u ben fieben freien fünften; 
wenn es fid) aber um bie Stufenoecfung ber antifen äftetfyobe 
fyanbelt, fo ift bicfeS S3erbienft nad) SluSfage beS ftilippo S3illani 3 ) 
einem Florentiner ©runo ©aftnt jujufdjreiben, weld)er nod) in 
jungen Oafjren 1348 an ber $eft ftarb. 3n ganj practifdjen 2lb« 
fixten, um nämlid) bie Florentiner jum leisten, gewanbten 2Xuf= 
treten in 9^ätt)en u. a. öffentlidjen 33erfammlungen ju befähigen, 
befjattbelte er nad) Maßgabe ber Sitten bie (grfinbung, bie £ecla* 
matton, ©eftuS unb Haltung im gufammenfjange. 2tud) fonft 
l)ören wir frütje bon einer völlig auf bie 2lmuenbung beredjneten 
r^etorifdjen Grrjtefyung; ntcfjts galt l)5fjer als aus bem ©tegreif 
in elegantem Satein baS jebeSmal ^ßaffcnbe vorbringen ^u fönnen. 
£)aS wad)fenbe ©tubium von Giicero'S SReben unb ttjeorettfcfjcit 
edjriften, üon Outntiliau unb ben taiferlidjen ^anegnrifern, bas 
(Sntftefyen eigener neuer Sefyrbüdjer 4 ), bie ©enü^ung ber Fort* 



! ) 2)iefe beiben erftaunlicf)en gälte !ommen bei ©abetticus) vox (Opera, 
fol. 61 — 82. De origine et auetu religionis. gu SBeronct uor bem (Sapitet 
ber SBarfüjjer von ber Kantet gehalten, unb: De sacerdotii laudibus, ju 
Senebig gehalten). SSgl. ©. 182, 2lnm. 6. 

2 ) Jac. Volaterrani Diar. roman., bei Mur. XXIII. passim. — 
Col. 173 rotrb eine f)ödjft merlaiürbige ^Srebigt cor bem §ofe, boef) bei 
^fälliger 2tbroefenf)eit ©ijUti IV. ermähnt: ^ßater $aofo Soäcanella bon= 
nerte gegen ben $apft, beffen Familie unb bie (Sarbinäte; ©t£tu3 erfuhr 
eä unb lächelte. 

3) Fil. Villani, vite, p. 33. 

4 ) Georg. Trapezunt. Rhetorica, ba§ erfte noEftänbige Sefjrgebäube. 



186 



Sie SBiebererroecfung be§ 2UtertIjum§. 



3. aibfcfrnitt. fdjritte ber 'ißfjtfologie im ungemeinen unb bie SO^affe üon antifen 
Obeen unb @ad)en, momit man bie eigenen ©ebanfen beretdjern 
burfte unb mußte, — ■ bieß sufammen üottenbete ben (praeter 
ber neuen SRebefunft. 

3e nad) ben 3nbiüibuen ift berfelbe gteidjmofyl fein* üerfd)ieben. 
©adjmfjait. <$i m fy t g^eben atfymen eine roafjre Berebfamfeit, namentüd) bie* 
jenigen, meldje bei ber ©adje Heiben; üon biefer %xt ift burd)* 
fdjnittüd) roa§ mir öon ^iug II. übrig tjaben. ©obann taff en 
bie Söunberrairtungen, meldje ©iannojjo 9Jfonnetti l ) erreichte, 
auf einen Sfabner f abließen, wie e# in aßen Reiten wenige gegeben 
§at. ©eine großen Slubienjen als ©efanbter oor Sftcolaug V v 
üor Sogen unb 9^att) üon SScncbtg waren (Sreigniffe, bereu 2ln* 
benten tauge bauerte. SSiete 9?ebner bagegen benü^ten ben Slntaß, 
um neben einigen ©d)meid)eteien für üornefyme 3nl)orer eine wüfte 
SÜJaffe öon Korten unb ©adjen aus bem SHtertlmm üorjubringen. 
SBie e$ mögticr) mar, babei bis jwei, ja brei ©tunben auSjufyatten, 
begreift man nur, wenn man baS fiarfe bamatige ©adjintereffe 
am Sütertrmm unb bie 9ttangeU)aftigfeit unb retatiüe (Seltenheit 
ber Bearbeitungen — bor ber gtit be§ allgemeinen Sjrutfena — 
in Betradjt jiefyt. @otd)e hieben tjatten nod) immer ben Söertf), 
wetdjen wir (©. 159) managen Briefen ^ßetrarca'S üinbicirt fjaben. 

Die e«tirfud)t. Einige machten eß aber bodj ju ftarf. $i(e(fo'3 meifte Orationen 
finb ein abfdjeuüd)e§ ©urdjeinanber üon dfafjtfdjen unb bibftfdjen 
ßitaten, aufgereiht an einer @d)nur üon (Semeinptä^en ; bajwifdjen 
werben bie ^erjönüdjfeiten ber ju rüfjmenben (Großen nad) irgenb 
einem ©djema j. 33. ber (Sarbinaltugenben gepriefen, unb nur 
mit großer Wltyz entbeeft man bei xfym unb Sttnbern bie wenigen 
$eitgefd)id)tlid)en (Elemente üon Sßertl), weldje wirfltd) barin finb. 
£>ie SRebe eines ^ßrofeffor« unb Siteraten üon ^ßiacenja j. 33. für 
ben (£mpfang beS £er$ogs ®ateajjo Flavia 1467 beginnt mit 
(£. 3uüu§ (Saefar, rnifdjt einen Raufen antifer (Sttate mit fotdjen 
au§ einem eigenen atfegorifdjen SBerl be« SSerfafferS jufammen, 
unb fdjtteßt mit fef)r inbiscreten guten Se^ren an ben £errfdjer 2 ). 



— Aen. Sylvius: Artis rhetoricae praeeepta, in ben Opera p. 992 be* 
gie^t ftdj abftcf)tlidj nur auf <3a£bau unb SBortfügung ; übrigen^ bejeicfinenb 
für bie üoUJommene Routine hierin. @r nennt mehrere anbere SSfjeoretifer. 

O SDeffen Vita bei Murat. XX ift ganj »oll tum ben SBirtungen feiner 
©(oquenj. — 33gl. Vespas. Pior. 592, s. 

2) Annales Piacentini bei Murat. XX, Col. 918. 



Sie SBiebererroedfung bes SUtertfjums. 



187 



©lucftif er SBeife war e$ ff on fpät am 2lbenb unb ber fl?cbner 3. 1 mmnitt. 
mußte ficf) bamit begnügen, feinen ^ßanegttricu« fctjriftücf) ju über- 
reifen. Stuf gtlelfo f)ebt eine 23er(obung$rebe mit ben ^Sorten 
an: Detter pertpatetiff e 2lriftoteIe§ :c.; Rubere rufen gteid) ju 
Anfang : 'ißubimS (Sorneliuö @cipio u. bgL, ganj aU tonnten fic 
unb il)re 3 u ^)örer baS (Ettiren gar nif t erwarten, Sßit bem (Snbe 
be$ XV. -Safjrfmnbertg reinigte fidt) ber ®effmact auf einmal, 
wefentlif burf bag SSerbienft ber Florentiner; im Sitiren wirb 
fortan fel)r befyutfam Sttafj gehalten, ff on weit in^wiff en allerlei 
üftafff logerocrte häufiger geworben finb, in weifen ber erfte 
SSefte basjenige borrätfyig finbet, womit man bis jefct dürften 
unb 33olf in (Srftaunen gefegt. 

£)a bie meiften SReben am ©tubirpult erarbeitet waren, fo gingirte Dieben, 
bienten bie SJfonufcripte unmittelbar gur weitern Verbreitung unb 
23eröffentlif ung. (großen ©tegreifrebnern bagegen mu&te naf * 
ftenograpljtrt werben *). — gerner finb nif t alte Orattonen, bie 
wir befi|en, auf nur baju beftimmt gewefeu, mtrflif gehalten ju 
werben; fo ift $8. ber ^anegtiricuä beö altern 4Seroatbu6 auf 
tfoboPtco ÜJttoro ein bloß ffrifttif eingefanbte§ Söerf 2 ). 3a wie 
man Briefe mit imaginären Slbreffen naf allen ©egenben ber 
SÖett componirte als (S^ercitium, al§ Formulare, auf wofyl als 
^enbenjffriften, fo gab e8 auf 9?eben auf erbiftete 2lntäffe 3 ), 
al« Formulare für 33egrüfmng großer Beamten, dürften unb 
33iff öfe u. bgl. m. 

2luf für bie SRebefunft gilt ber £ob Seo'ä X. (1521) unb SBevfaü ber 
bie Verwüftung öon 9?om (1527) als ber Dermin be§ Verfalls. eiü(1uet1J - 
2tuS bem Sammer ber ewigen @tabt faum geflüf tet, üerjeif net 
®tot)io 4 ) einfeitig unb bof wol)t mit überwiegenber SBafyrfyeit 
bie ©rünbe btefeö Verfall: 



1) ©o bem ©aoonarola, »gl. Perrens, Vie de Savonarole I, p. 163. 
Sie ©tenograpt)en tonnten jebocb, ii)m unb j. 33. aucf» begeifterten Smpro* 
tnfatoren nid)t immer folgen. 

2) Unb jroar feines t>on ben beffern. Sas 33emer!enstt)ertJ)efte ift bie 
gloslel am ©cbhtffe: Esto tibi ipsi archetypon et exemplar, teipsum 
imitare etc. 

3) Briefe forootjl als 9teben biefer 2trt fcfjrieb Alberto bi Sitpalta, vqI 
bie oon if)m «erfaßten Annales Piacentini, bei Murat. XX, Col. 914, s. 
roo ber ^ebant feinen Iiterarifct)en Sebenslauf ganj letjrreidt) befctjreibt. 

4 ) Pauli Jovii Dialogus de viris litteris illustribus, bei Tiraboschi, 
Tom. VII, Parte IV. — Sodf) meint er nori) mof)t ein Sabrjetjnb fpater, 



188 



Sie Söieberertüedhmg be§ 2tltertfjum3. 



3. 9ibfd)tmt. „£>ie Aufführungen beö $(autu§ unb £ercnj, einfi eine 
Uebungsfdjute beS tateinifajeu 2luSbru<f e« für bie üornefymen Börner, 
finb burcf) itatienifdje (Somöbien oerbrängt. £)er elegante SRebner 
finbet tttdjt mefyr CoEjn unb Slnerfennung rate früher. ©eßfyalb 
arbeiten 3. 53. bte @onfiftorta(abD ocatett an ifyrcn Vorträgen nur 
norf) bie ^roömien aus unb geben ben 9?eft at« trüben üJltfdj* 
mafdj nur nod) ftoßiuetfe t>on fidj. 2ludj (Safuatreben unb ^re« 
btgten finb tief gefunfen. §anbett e$ fid) um bie Seidjenrebe für 
einen (Sarbtnat ober tuettttdEjen ©roßen, fo menben fid) bie £efta- 
mentöejcecutoren nirf)t an ben trefftidjften 9Jebner ber @tabt, ben 
fie mit ljunbert ©otbftüden fyonortren müßten, foubern fie mieten 
um ein ©eringeö einen hergelaufenen tccfen gebauten, ber nur 
in ben 3ttunb ber Öeute fommen Witt, fei e8 audj burd) ben 
fd)limmften StabeL £)er £obtc, benft man, fpüre ja nidjt§ baoon, 
wenn ein 2Iffe in STrauergcwanb auf ber Standet ftef)t, mit weincr* 
tiefem fyeiferm ©emurmet beginnt unb attmäüg ins taute ©ebett 
übergebt. 2tudj bie feftüdjen ^rebigten bei ben päpftlidjen gunc* 
tionen werfen feinen regten Soljn mefyr ab; äftöndje t>on atten 
Orben fjabett fid) wieber berfetben bemädjtigt unb prebigen wie 
für bie ungebitbetften ^uljörer. 9fod) Por wenigen Safjren tonnte 
eine fotdje Sßrebigt bei ber äfteffe in ©egenwart beS ^3apfteg ber 
2ßeg ju einem -33i«tf)um roerben." 

sie sibijantiung. ^ n 0 * c @ptftotograpt)ic unb bie SKebetunft ber £>umaniften 
fdjtießen wir fyier nod) tfjre übrigen ^robuetioneu an, wetdje jugteid) 
me£)r ober weniger 9?eprobuctionen beS SUtert&umS finb. 

£)ief)er geprt äimädjft bie 2lbf)anbtung in unmittelbarer ober 
in biatogifcfyer gorm *)/ welche teuere man birect dou (Sicero her* 
über nafjm. Um biefer ©attung einigermaßen gered)t JU werben, 
um fie nidjt atö Quelle ber fiangenweite öon uorn herein ju öer* 
werfen, muß man zweierlei erroägen. £)a§ Oafyrfjunbert, wetdjeö 
bem TOtetatter entrann, beburfte in bieten einzelnen fragen 
moratifdjer unb pf)itofopf)ifd)er 9fatur einer fpecietten ^ermittetung 

am ©d)lufj ber Elogia literaria: Tenemus adhuc, nadjbem ba3 ^ßrimat 
ber 5ßf)i[oIogie auf Seutfcfjlanb übergegangen, sincerae et constantis elo- 
quentiae munitam arcem etc. 

. i) ©ine befonbere ©attung madjen natürlidj bie I>albfatirifd)en Dialoge 
au3, n>eld>e (SoHemtccio unb befonber§ ^ontano bem Sucian nadjbilbeten. 
33on ifjnen finb bann @ra3mu3 unb Sutten angeregt roorben. — $ür bie 
eigentlichen Stbfjanblungen mochten früfje fajon Stüde au3 ben Sftoralten 
beä ^ßlutard) al§ 33orbilb bienen. 



Sie SBiebererroetfung be§ 2lttertf)um§. 



189 



jwifdjen ftd) unb bem Slttertfyum, unb biefe ©teile nahmen nun 3. wf*»!«. 

bie Stractat* unb ^tatogfe^reiber ein. Mieles, wa§ uns in tfyren 

©driften als ®emeinpla£ erfdjeint, mar für fie unb ifyre QtiU 

genoffen eine müfyfam neu errungene Slnfdjauung bon fingen, 

über wetcfye man fidj feit bem §tltertf>um nod) ttictjt wieber aus* 

gefprodjen Ijatte. ©obann fyört fidj bie ©pradje J)ter befonberS 

gerne fetber gu — gteid)biet ob bie latetmfdje ober bie itatienifdje. 

freier unb bietfeitiger als in ber Ijiftorifdjen (Sqäljtung ober in 

ber Oration unb in ben Briefen bitbet fie Ijier tf>r ©a^werf, unb 

bon ben itaüenifdjen ©djriftcn biefer 9trt gelten mehrere bis tjeute 

ats dufter ber ^ßrofa. 9D?audje bon biefen Arbeiten würben fdjott 

genannt ober werben nodj angeführt werben tt)reö ©ad)int)a(teS 

wegen; l)ter mußte bon tfmeu als ©efammtgattung bie D^ebe fein. 

93on Petrarca'« Briefen unb £ractaten an big gegen (Snbe beS 

XV. 3al)rI)unbertS wiegt bei ben Reiften aud) fyier baS Stuf* 

fpeidjern antifen ©toffes bor, wie bei ben 9?ebnem; bann Hart 

fiel) bie (Sattung ab, zumal im 3tat;enifd)en, unb erreicht mit ben 

Slfotani be§ 33embo, mit ber SStta ©obria beS Suigi (Sornaro bie 

boüe (Stafficität. 2lud) fjter war es entfdjetbenb, baß jener antife 

©toff tn^wifdjen fid) in befonbern großen ©ammefwerfen, jefct 

fogar gebrueft, abzulagern begonnen Ijatte unb bem Stractatfdjretbcr 

nid)t mefyr im SBege war. 

©anj unbermeibtidj bemädjttgte fidt) ber Humanismus aud) zotemwt m- 
ber ®efd)id)tfd)reibung. 33ei pdjtiger 2$ergleid)img biefer Spiftorten f * i * t « iettan « 
mit ben frühem Sfjronifen, namentlich mit fo herrücken, färben* 
reiben, tebenSboßen Herfen wie bie ber Mani wirb man Meß 
laut befragen. Sie abgeblaßt unb conbentionett giertid) erfd)eint 
neben biefen 3lt(eS, was bie ^umaniften fctjretben, unb jwar 23. 
gerabe it)re nädjften unb berüfjmtefteu 9tad)fotger in ber Spiftorio* 
grapfjie bon Florenz, Öionarbo Slretino unb ^ßoggio. Sie un* 
abläffiig plagt ben ßefer bie Sllmung, baß ^wifdjen ben libianifdjen 
unb ben cäfarifdjen trafen eines ftaciuS, ©abelttcus, $otieta, 
©enarega, ^latina (in ber mantuanifdjen ©efd)td)te), 33embo (in 
ben Stnnalen bon 33enebtg) unb fetbft eines ©iooio (in ben £ifto* 
rien) bie befte inbibibueüe unb tocate garbe, baS 3ntereffe am 
boEen wirfttdjen Hergang s ^ott) gelitten fjabe. £)aS Mißtrauen 
wäd)St, wenn man inne wirb, baß ber Serif) beS 23orbilbeS SibiuS 
fetbft am unrechten Orte gefugt würbe, nämlid) *) barin, baß er 

J ) Benedictus: Caroli VIII. hist., bei Eccard, scriptt. II, Col. 1577. 



190 



Sie Sßiebererroecfung beä 2Utertfjum§. 



3. mfatnitt. „eine trocfenc unb blutlofe £rabition in Slnmuth. uub $ütte oer* 
„roanbett" fjabe; ja man finbet (eben ba) ba$ bcbenfltdje ®eftänb* 
nijj, bie ©efd)id)tfd)reibung inäffe burai ©tntmittet ben Sefer auf* 
regen, reijen, erfdjüttern, — gerabe als ob fie bte ©teile ber 
^oefte oertreten fönnte. ÜWan fragt ficf» enbtid) ob md)t bte 33er* 
achtung ber mobernen £)tnge, ju mcldjer tiefe nämtidjen §uma= 
niften fict) bisroeiten ') offen benennen, auf tljre 2M)anbtung ber* 
fetben einen ungünftigen (Einfluß {)aben mußte? Unnjiflfürtid) 
roenbet ber Sefer ben anfprudjlofen tateinifdjen unb italienijdjen 
Slnnaliften, bte ber alten 2lrt treu geblieben, 4S. benjentgen Don 
Bologna unb gerrara, mcf)r £l)eitnal)me unb Vertrauen ju, unb 
nod) oiel banfbarer fübjt man fidt) ben beffern unter ben ttaüenifd) 
fdjreibenben eigentlichen (Sfjrortiftett oerpfltd)tet, einem ÜDcarin ®k* 
nubo, einem (Eorio, einem Onfeffura, big bann mit bem Anfang 
be« XVI. 3al)rf)unbert$ bie neue gtanjootte ^eibe ber großen 
itatienifd)en (Sefdjtdjtfdjrciber in ber äftutterfpradje beginnt. 
si6foiuter aBerti} 3n fc er £f) at mt oie ,3eitgefd)id)te untüiberfprecf)ticf| beffer 
te§ satcinifd,cn. baran, menn fie fid) in ber 8anbe«fpradje erging, at« njentt fie 
fid) lattnifiren mußte. Ob aud) für bie Gsr$ftf)limg beö Sängft* 
tiergangenen, für bie gefdjtdjtlidje gorfdjwtg bas 3tafienifd)e 
geeigneter gemefen märe, ift eine $rage, meiere für jene 3eit Oer* 
fd)tebene 2lntmorten gutäßt. £)a$ Cateinifctje mar bamafe bie 
Lingua franca ber (Mehrten lange nict)t bloß im internationalen 
(Sinn, 33. jtDifdjen Ungtänbern, gran^ofen unb Italienern, 
fonbern aud) im interprooincialen ©inne, b. f). ber Sombarbe, 
ber Venezianer, ber Neapolitaner mürben mit itjrer itatienifdjen 
©ebreibart — aud) toenn fie tdngft toScanifirt mar unb nur nod) 
fdjroadje ©puren beS £)ialecte# an fid) trug — oon bem gloren* 
tiner nidjt anerfannt. £)ieß märe su üerfdjmerjen geraefen bei 
örtfidjer ,3ettgefd)td)te, bie ifyrer ßefer an Ort unb ©teile fieber 
mar, aber nid)t fo leicht bei ber ©efdjicfjte ber Vergangenheit, für 
roetdje ein weiterer Seferfreis gefud)t werben mußte. £)ier burfte 
bie tocale £t)eilnat)me be3 Volles ber allgemeinen ber (Merjrtcn 
aufgeopfert roerben. 2öie roeit märe g. $8. 23tonbu§ oon ftorli 
gelangt, roenn er feine großen gefeilten SBerfe in einem fyalb* 



!) ^etruä SrinituS beitagt biefe SSeraajttmg , de honesta discipl. 
L. XVIII, cap. 9. Sie §utnaniften gteidjen bierin ben Stutoren be§ fpa* 
tern 2tltertbutn§, roerdfje ebenfalls iljrer ^eit au3 bem SBege gingen. — 
SSgl. Surclbarbt, Sie £eü ©onftontin'S b. ®r. 6. 285 u. f. 



Sie äßiebererroecfung beä 2lttertfjuttt§. 



191 



romagnotifdjen Stattenifd) üerfaßt Ijfttte? £)iefclben waren einer 3 . Mbf&nitt. 
fiebern £)b§curität üerfaften fd)on um ber Florentiner willen, 
wäfjrenb fie (ateinifd) bie allergrößte Sirfung auf bie ®etel)r* 
famfeit be$ ganzen 2l6enblanbeS ausübten. Unb aud) bte §to* 
rentiner felbft fdjrieben ja im XV. 3al)r Rimbert tateiitiftf), nidjt 
bloß weit fie fyumaniftifdj backten fonbern jugteidf) um ber leid)* 
tern Verbreitung willen. 

(finbttd) giebt eö aud) lateinifdje ©arfteüungen aus ber %z\U wionciwMi 
gefd)id)te, wetdje ben öoüen SBertf) ber treffttdjften italtenifttjen u " 0 ® i0 * mm 
fjaben. @oba(b bie nad) ßiüiuS gelülbete fortlaufenbe (£r$äl)lung, 
ba$ *ßrocrufte8bett fo mandjer Tutoren, aufhört, erfdjeinen bte* 
fetben rote umgewanbelt. (Jener nämüd)e statuta, jener ©iouio, 
bte man in ifyren großen ®efd)id)t8werfen nur öerfotgt , fo weit 
man muß, geigen fid) auf einmat at§ auSgejeidjnete btograpfjtfd^e 
@d)ttberer. 23on STrtftan (Saraccioto, oon bem biograpfyifdjen 
Sßerfe be§ gacius, üon ber üenejianifdjen Topographie be$ @a* 
beflico ic. ift fdjon beiläufig bie $Kebe gewefen unb auf anbere 
werben wir nod) fommen. 

£)ie lateinifdjen ©arfteflungen aus ber Vergangenheit betrafen 
natürtidj üor 2lüem ba$ daffifdje Slttertfyum. Saß man aber 
bei biefen £)umaniften weniger fudjen würbe, finb einzelne beben* 
tenbe Arbeiten über bie allgemeine ®efd)id)te beö MtetalterS. fi <>« 
3Da§ erfte bebeutenbe SBerf biefer Irt mar bie ßfjronif beö ÜDfotteo a ea cu 
"ißalmieri, beginnenb wo Prosper SlquitanuS aufhört. Sßer bann 
gufättig bie £)ecaben be8 33lonbuS uon gorli öffnet, wirb einiger* 
maßen erftaunen, wenn er fjier eine 2öettgefd)id)te „ab inclina- 
tione Romanoruni imperii" wie bei ©ibbon finbet, t>olt öon 
Oueüenftubien ber Tutoren jebeS ^afyrfjunberts, wooon bie erften 
300 gotiofeiten bem frühem üDcittetatter bis jum Tobe griebrid)8 II. 
angehören. Unb bieß wäfyrenb man fid) im Horben nod) auf 
bem ©tanbpunete ber bekannten 'ißapft* unb ^aiferdjronifen unb 
beö ga8ciculu8 temporum befaub. @8 ift tjier nid)t unfere @ad)e, 
frttifa) nadjjuweifen, wetdje Schriften 35tonbu§ im (Singetnen be* 
nü^t l)at, unb wo er fie beifammen gefunben; rn ber ©efd)id)te 
ber neuern §iftoriograpt)ie aber wirb man tf)tn biefe (Sijre wofyl 
einmal erweifen müffen. @d)on um biefeS einen 33ud)e§ willen 
wäre man beredtfigt $u fagen: bag 8tubium be3 2lltertf)um8 
allein f)at bag be« Mittelalters möglid) gemad)t; jenes fjat ben 
©eift juerft an objectiueS gefd)td)tlid)e3 3ntereffe gewöhnt. Slüer* 



192 



Sie SBiebererroetfung be§ 2lItertJ>um§. 



3. 9H»fcfrnitt. bingS fam fjinju, baß ba8 Mittelalter für ba$ bamatige Italien 
ol)nef)in öorüber mar imb baß ber ©eift e§ erlernten tonnte, weit 
eö nun außer if)tn lag. ÜJttan fann nid)t fagen, baß er e§ fogteid) 
mit ©credjtigleit ober gar mit Pietät beuvttjeitt Ijabe; in beu 
fünften fefct fid£> ein ftarfeS $orurti)etl gegen feine £erborbrin* 
gungen feft, unb bie Jpumaniften batiren Don ifyrem eigenen 2luf* 
fommen an eine neue geit: „3dj fange an, fagt Boccaccio 1 ), $u 
„hoffen unb ju glauben, ©ott tjabe fidj beö itatienifdjen Samens 
„erbarmt, feit idj fefye, baß feine reidje ©üte in bie ©ruft ber 
„Italiener mieber ©ecten fenft, bie benen ber Sitten gteidjen, in* 
„fofem fie ben 9?uf)tn auf anbern Söegen fudjen al§ burd) Sftaub 
„unb ©ematt, nämü'd) auf bem ^fabe ber unbergängtid) madjen* 
sinfäuge b« ( ^ en sßoefie". 2tber biefe einfettige unb unbillige ©efinnung fdjloß 
bod) bie gorfdjung bei ben £)öf)erbegabten ntd)t aus, 31t einer 
3eit ba im übrigen (Suropa nodj nidjt baöon bie SKebe mar; e§ 
bitbete fidj für ba§ Sttittetatter eine gefdjtdjtKdje 3?ritif fdjon meit 
bie rationelle ©e^anbtung alter (Stoffe bei ben ^umaniften audj 
biefem Ijiftorifdjen (Stoffe ju ©ute fommen mußte. 3m XV. 
3af)ri)unbert burdjbringt biefelbe bereits bie einzelnen «Stäbte- 
gcfdjidjten iufomeit, baß baS fpäte müfte gabetroerf aug ber Ur* 
gefdjidjte mm ftlorenj, 33enebig, äftailanb je. üerfd)minbet, maf) 5 
renb bie (Sfyronifen beö Horben« fid) nodj fange mit jenen poettfd) 
meift roertfjtofen, fett bem XIII. 3al)rlmnbert erfonnenen ^^antafie* 
gefptnufien fdjleppen müffen. 

£>en engen 3ufammenf)ang ber ortlidjen ®efd)id)te mit bem 
Sftufym fyaben mir fd)on oben bei Maß oon gtorenj 60) 
berührt. 3Senebig burfte nid)t jurüdbleibeu; fo wie etwa eine 
Pencjianifdje ©efanbtfdjaft uad) einem großen florentinifdien 
SKebnertriumpt) 2 ) eilenbs nad) fwufe f djreibt, man mödjte eben* 
falls einen Üfabner fdjicten, fo bebürfen bie SSenejianer aud) einer 
©efdjidjte, metdje mit ben Serien be$ Sionarbo Slretino unb 
^oggio bie 93crgteidmng aushalten folt Unter foldjen Boraus* 

!) 3n bem Briefe an Sß^inga, in ben Opere volgari vol. XVI. — 
Woä) bei Baph. Volaterranus, L. XXI, fängt bie getftige Sffielt mit bem 
XIV. 8af)rf). an, alfo bei bemfelben 2lutor, beffen erfte Sucher fo »tele 
für jene 3eit trefflid^e fpecialgefd£)icf)tltdf)e Ueberfidfjten für alle Sänber 
enthalten. 

2 ) Sßie ber bes> ©ianno^o Sltannettt in ©egenroari üfticofauä V, ber 
ganjen ©urie unb ^a|Ireio)er, meit Ijer gefommener gremben; ogl. Vespas. 
Fior. p. 592. unb bie vita Jan. Man. 



Sie Sffitebererwetfung be§ 2tftertf)ums. 193 

fe^ungen entftanben im XV. 3al)rf)unbert bte £)ecaben be« <Ba- 3. gibfdmitt. 
beCCico, im XVI. bie £)iftorta rerum öenetarum be§ petro 33embo, 
beibe Sirbetten in auSbrücflidjem Auftrag ber 9*epublif, festere 
als gortfe^ung ber erftern. 

£)ie großen florentintfdjen @efd)ia^tjd)reiber $u Anfang be§ st<m«rtWe 
XVI. SafyrlmnbertS (S. 66) finb bann öon £aufe aus ganj ®2m!g. 
anbere 9ftenfdjen als bie Lateiner ©iotiio nnb 33embo. Sie 
fdjreiben italienifd), nicfyt bloß roett fie mit ber raffinirten (Sleganj 
ber bamatigen ©ceronianer nicf)t mefyr wetteifern fönnen, fonbern 
weil fie, wie äJfocdjiaPeu'i, ifyren «Stoff als einen burcf) tebcnbige 
Slnfdjauung *) gewonnenen autfj nur in unmittelbarer SebenSform 
wiebergeben mögen unb weit ifynen, wie ©uicciarbtni, 23ardu' unb 
ben meiften Uebrtgen, bie möglid)ft weite unb tiefe Sirfung if)rer 
Slnfidjt tiom Hergang ber £)inge am ^erjen liegt, Selbft wenn 
fie nur für wenige §reunbe f abreiben, wie granceSco SBettori, fo 
muffen fie bod) aus innerm ©ränge 3 £ ugni|3 geben für DWcnfdjen 
unb (Srcigniffe, unb fid) erftären unb rechtfertigen über itjre 
£f)eilna[)me an ben (entern. 

Unb babei erfahrnen fie, bei aller @tgentt)ümtid)feit if)re§ 
<StPte§ unb tfjrer Sprache, bod) auf ba§ Stärljte Dorn 2Ittertf)um 
berührt unb oljne beffen (Sinwirfung gar nid)t bent'bar. Sie finb 
feine ^umaniften melw, allein fie finb burd) ben £)umani3mu§ 
Ijinburd) gegangen unb t)aben Dorn ©eift ber autifen ®efd)id)t* 
fdjreibung metw an fidj als bie meiften jener liüianifdjen ßattni* 
ften: e§ finb Bürger, bie für Bürger fdjreiben, wie bie Ilten 
tfjaten. 

On bie übrigen g-adjwiffenfdjaften hinein bürfen wir ben ®f mttümta 
Humanismus nid)t begleiten; jebe berfetbeu tjat ü)re Special* il^J^S. 
gefdjidjte, in welker bie italienifdjen gorfdjcr biefer $eit, fyaupt* 
fad)lid) oermöge beS öon ifjnen neu entbedten SadnnfyatteS beS 
5lltertf)ums 2 ), einen großen neuen SlbfdEjnitt bilben, womit bann 
jebeSmal baS mobernc r 3 eita ^ ter b& betreff enben Siffenfdjaft be* 
ginnt, tjier mefjr, bort weniger entfdjiebeu. 5tud) für bie $t)ito* 
fopfyie müffen wir auf bie befonbern tjiftorifdjen ©arfteüungen 
tierweifen, ©er (Sinftujj ber alten ^fjilofop^en auf bie itatienifcfye 



!) Stxtd^ be§ Vergangenen, barf man bei 9ftacdf>tat)eIU jagen. 

2 ) $aub man borf) bereits bamalö, bajj \<S)on §omer aHein bie Summe 
aller fünfte unb SBiffenfcfjaften enthalte, bajj er eine ©ncnclopabie fei. 
SSgl. Codri Urcei opera, Sermo XIII, <SdE)lufs. 

a3urctl)arbt, (Juftur 6er Oieiiaiffance. 13 



194 Sie SBiebererroecfung beä 2lltertr;umä. 



3- atbfcftnitt. (Suttur erfcfjeint beut £3licfe batb ungeheuer groß, batb fetyr unter* 
georbnet. (Srftere^ befonberS, wenn man nadjredjnet, wie bie 
begriffe beö SlriftoteteS , fjauptfädjtid) aus feiner früfjoerbreiteten 
(Stt)if ') unb ^ßotittf, ©emeingut ber ©ebilbeten Pon ganj Italien 
mürben unb mie bte ganje 2lrt be« 3lbftraf)iren8 öon ifjm befyerrfdjt 
mar 2 ). Se^tereö bagegen, menn man bte geringe bogmatifdje 
Strfung ber alten 'ȧfjtlofop^eit unb fetbft ber begeifterten floren* 
tinifdjen ^latonifer auf ben ©eift ber Nation erwägt. 2öa« wie 
eine fold)e Sßtrfuug auöfiet)t r ift in ber SRegel nur ein lieber* 
fd)lag ber 33ilbung im Stügemeinen, eine gotge fpeciell italieni* 
fdjer ©eiftegentwieflungen. 23ei Slnlaß ber Religion wirb tyzc* 
über nod) Einiges ju bemerken fein. 2Beit in ben meiften fallen 
aber tjat man e§ nid)t einmal mit ber allgemeinen SBilbung fon* 
bern nur mit ber Steuerung einzelner *ßerfonen ober geteerter 
Greife ju tlrnn, unb felbft t)ter müßte jebeSmal unterfdjieben werben 
jwifdjen wahrer Aneignung antifer Sefyre unb bloßem mobe- 
mäßigem 2)2itmad)en. £)enn für SSiete war ba« 3tltertl)um über* 
tjaupt nur eine Sftobe, felbft für ©otdje, bte bann fel)r geteert 
würben. 

aniififivung tcr 3nbeß brauet ntdjt Sitte« , wa§ unferm da^rfjunbert als 
«amen, «Uffectation erfdjetttt, bamafo wirflid) affectirt gewefeu ju fein. 
£>ie Slnmenbung griedjifdjer unb römifdjer tarnen als £auf* 
namen g. 33. ift nod) immer üiet fdjöner unb adjtungsroertljer 
als bie fjeute beliebte öon (jumal wetblidjen) tarnen, bie au« 
Romanen ftammen. «Sobatb bie SBegeifterung für bte alte Seit 
größer war als bie für bie ^eiligen, erfdjeint e« gang einfach 
unb natürlidj, baß ein abttgeö ©efd)ted)t feine @ö£me Agamemnon, 
2ld)ilt unb £öbeuS taufen ließ 3 ), baß ber üflialer feinen @ot)n 
Spelles nannte unb feine £od)ter SDiinerüa :c. 4 ). Studj foöiet 



!) ©in ©arbinat unter ^aul II. lief; fogar feinen $öd)en bes 2t. ©tfyif 
Dortragen. Sögt. Gasp. Veron. vita Pauli II. bei Muratori III, II, 
Col. 1034. 

2 ) %üx ba§ ©tubium be§ 2lriftotele§ im allgemeinen ift befonberS Iel)r= 
reid) eine Diebe be§ ipermolauä $arbaru§. 

3) Bursellis, Ann. Bonon., bei Murat. XXIII. Col. 898. 

4 ) Vasari XI, p. 189. 257, vite di Sodoma e di Garofalo. — 23e* 
greiflidjer SBeije bemächtigten fidj bie lieberlicfjeu SBeibäperfonen in 3iont 
ber »olltönenbften antüen tarnen ©tutia, 2uctejia, ©affanbra, ^or^ia, 
Virginia, ^entefilea 2c., rammt fie bei 2lretino auftreten. — SDte ^uhm 
mögen tuelleicfjt bamalS bie tarnen ber großen femitifcfjen 3lömerfeinbe 



Sie äBtebererreetfung be3 2tttertfjum3. 



195 



wirb fid) lüo^t bertljeibigen laffen, bafc ftatt eines gmuSnamenS, 3. 3n>fd»nitt. 

wetdjem man überhaupt entrinnen wollte, ein wofjllautenber anttfer 

angenommen mürbe. (Sinen £eimatf)Snamen, ber alle Mitbürger 

mttbegetcrjnete unb nod) gar nidjt gum Familiennamen geworben 

war, gab man gewif; um fo Heber auf, wenn er 3itgleid) als 

£etligenname unbequem würbe; gilippo ba @. ©emtgnano 

nannte fid) (SattimadjuS. 2Ber bon ber ftamtlie berfannt unb 

beleibigt fein ®lücf als ©elefyrter in ber grembe mad)te, ber 

burfte fid), aud) wenn er ein ©anfeberino war, mit ©tol^ junt 

Julius "ißompontus gaetus umtaufen. 2lud) bie reine Ueberfe^ung 

eineö Samens ins $ateinifd)e ober ins ©rtedjifdje (wie fie bann 

in ©eutfd)(anb faft auSfdjlteßlid) 23raud) würbe) mag man einer 

Generation $u ®ute Ratten, wetdje lateinifd) fpract) unb fchrieb 

unb nid)t bto§ becünabele fonbern leicht in $rofa unb 33erS mitglei* 

tenbe tarnen brauchte. £abell)aft unb oft lädjertid) war erft baS 

fjalbe Sienbern eines Samens, bis er einen claffifdjen SHang unb 

einen neuen @inn Ijatte, fowot)l £aufnamen als Zunamen. <To 

würbe aus ©iobamti 3obianuS ober OanuS, aus ^ietro ^tcriuS 

ober ^3etreiuS, aus Antonio SloniuS u. bgl., fobann aus ©annajaro 

©bnceruS, aus Suca ©raffo SuciuS (SraffuS u. f. w. Slriofto, ber 

fid) über biefe ©inge fo fpöttifd) auslast *), W es bann nod) erlebt, 

ba£ man ®tnber nad) feinen gelben unb ^elbinnen benannte 2 ). 

2lud) bie 2intitifirung bieler SebenSberfjältmffe, SlmtSnamen, 9llltife 
<ßemd)tungen, Zeremonien u. f. w. in ben tatetntfdjcn @d&rtft f K3£jJ 
[tellern barf nid)t 31t ftrenge beurteilt werben. @o lange man 
fid) mit einem einfadjen, füeßenben ßatetn begnügte, wie bie§ bei 
ben @d)riftftellern etwa bon Petrarca bis auf Sleneas SblbiuS 
ber $ali war, tarn biefc aöerbings nidjt in auffallenber Seife 
bor, unbermeibttd) aber würbe es, fett man nad) einem abfolut 
reinen, aumal ciceronifdjen Satein ftrebte. £>a fügten fid) bie 
moberncn SMnge nid)t mefjr in bie Totalität bes ©tbleS, wenn 



2lmilcare, 3lnnibale, 2t3bru6ale an ftd) genommen fjafcen, bie fie nod) f)eute 
in 3iom fo J)äufig führen. 

} ) Quasi che'l nome i buon giudici inganni, 
E che quel meglio t'abbia a far poeta, 
Che non farä lo studio di molt' anni! 
— fo fpottet Striofto, ber fretUd) oom ©c^tiffal einen roo^Hautenben tarnen 
mitoefommen fiatte, in ber VII. ©atire, 64. 

2 ) Dber fä)on nad) benjenigen be3 Sojarbo, bie $um £f»eil bie fei- 
nigen ftnb. 



13 



196 ®ie Sßiebererroeifung be§ 2lttertf)ums. 



Mbjtbnitt. mon fie ttidjt fünftttdj umtaufte, gebauten matten ftcf> nun ein 
Vergnügen baraus, jebert ©tabtratf) a(§ patres confcrtptt, jebcö 
Sttonncnftofter alö $irgineö SSeftate«, Jeben ^eiligen ate ÜDtou« 
ober £)euS 51t betiteln, roäljrenb Seute öon feinerm ®efd)ma<f rate 
^ßaoto ©iooio bamtt rDatjrfcfjeinticf) nur traten, roa« fie nidjt Oer* 
meiben fonnten. Seit ©iooio feinen SIccent barauf legt, ftört 
e« aud) nidjt, wenn in feinen ujotjttautenbcn trafen bie ßarbi* 
näte (Senatoren t)ei^en, if>r £)ecan ^rineeps @enatu§, bie (*£com= 
muuication ©irae 1 ), ber (Sarneoal ßupercaüa u. f. in. 2ßte fetjr 
man fidj tjüten muf, aus biefer ©tytfadje einen boreiiigen ©djlufe 
auf bie gan^e ©enfroetfe gu jteljen, tiegt gerabe bei biefem SUttor 
ftar 31t £age. 

?racini}ci-rfd,aft SDie ®efcf)idjte beö lateinifdjen @ttjfe§ an fidj bürfen mir 
Des sntemifetjen. || er »erfolgen. 23ottc ^raei Safyrfjunberte fjinburd) traten 
bie Spumauiften bergteidjen, als ob baö 8ateiitifdje überhaupt bie 
einzige mürbige @djriftfprad)e märe unb bleiben müßte, ^ßoggio 2 ) 
bebauert, baß ©ante fein großes ©ebidjt italienifd) öerfaßt tjabe, 
unb befanntlid] tjatte ©ante eS in ber STljat mit bem Sateinifdien 
Derfudjt unb ben Anfang be8 Inferno juerft in §ejtametent 
gebidjtet. £)a§ ganje @dji<ffat ber itaftenifdjen 'ißoefie l)ing baoon 
ab, baß er nidjt in biefer SBeife fortfuhr 3 ), aber nodj Petrarca 
oertieß fid) meljr auf feine lateinifdjen ©idjtungen ate auf feine 
(Sonette unb Sanjonen, unb bie 3umutf)ung fatemtfdj jU bidjten, 
ift nodj an Iriofto ergangen. (Sinen ftärfern 3mang l) at eS ™ 
titerarifdjen ©ingen nie gegeben 4 ), allein bie ^oefie enttmfdjte 
bemfetben größtenteils unb jefct tonnen mir moI)I ofjne attju* 

1) ©0 roerben bie ©olbaten be3 franjöf. §eere§ 1512: omnibus diris 
ad inferos devocati. Seit guten Sotnfjerrn %i%io , ioeId)er eä ernftttdjer 
meinte unb gegen frembe Sruppen eine ©fecrationgfonnel aus> 9)iacrobiu§ 
au^fpratf), roerben mir unten roieber ermähnen. 

2 ) De infelicitate prineipum, in Poggü opera, fol. 152: Cuius 
(Dantis) exstat poema prseclarum, neque, si literis latinis constaret, 
ulla ex parte poetis superioribus (ben Stltett) postponendum. Saut 
Boccaccio, vita di Dante, p. 74 roctrfen fd)on bomatä riete „unb bar= 
unter roeife" Seute bie grage «"t/ warum it>or)l ©ante nidjt lateinifdf» 
gebid)tet? 

3 ) ©eine ©djrift de vulgari eloquio mar lange 3^it faft unbetannt 
unb itmre auf leinen $all ber fiegreicfien SBirhmg ber Divina Commedia 
gIeid)ge!ommen, fo roert^üott fie für un§ ift. 

4 ) SBer ben »ollen ^anatigmuS [)ierin raiß fennen lernen, t)ergleid)e 
Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis, a. m. D. 



Sie SBieberenoecEung beä Sltterttjumg. 



197 



großen Optimismus fagen : es ift gut, baß bic italienische ^oefie 3. Mbtonttt. 
äroeierlei Organe Ijatte, benn fie rjat in beiben 33ortreffltd)eS unb 
(gigentt)iimttct)eö getriftet, unb jmar fo, baß man inne wirb, meß* 
f)alb ^icr itatienifrf), bort tateinifcf) gebietet mürbe. 23iettetd)t gilt 
2Iel)nlid)eS aucf» öon ber sßrofa; bie Settftellung unb bei* Söett* 
rufjm ber ttatiemfdjen 23ilbung fying baPon ab, baß gemiffe 
®egenftcinbe tateinifcf) — Urbi et orbi — befyanbelt mürben 
mäfyrenb bie itatienifdje $rofa gerabe Don benjenigen am beften 
getjanbtjabt toorbcn ift, melden es einen innern Stapf foftete, 
nicf)t tateinifcf) 51t fdjreiben. 

5llS reinfte Oueüe ber ^rofa galt feit bem XIV. -3al)rt)unbcrt bwo« m 
unbeftritten Stcero. £)ieß fam bei Settern ntctjt bloß tion einer ® ¥c£i ; e,cero 
abftracteu Ueber^eugung ju ©unften feiner Sßörter, feiner ©a|* 
bitbung unb feiner literarifdjen SompofitionSmeife l)er, fonbcrn 
im italteniid)en (Reifte fanb bie £iebensmürbigfeit beö brief* 
fdjreibers, ber ©fanj beö 9?ebnerS, bie ftare befdjaufidje 2lrt beS 
pt)itofopl)ifcf)en ©arftellerS einen öoüen Sieberttang. @d)on 
Petrarca erfannte Poltftanbig bie (Sd)it)dct)en beS ÜUcenfcfien unb 
Staatsmannes Cicero 2 ), er fjatte nur 31t Diel 9?efpect um fidj 
barüber $u freuen; feit ifyrn fjat fid) aunädjft bie @piftolograpl)ie 
faft auSfd)üeß(id) nad) (Stcero gebilbet unb bie anbern (Gattungen, 
mit SluSnaljme ber er^äbtenben, folgten nad). ©od) ber tuafyre 
SiceronianismuS, ber fief) jeben HuSbrucf Pcrfagte, wenn berfelbe 
nidjt aus ber Quelle ju belegen mar, beginnt erft p Snbe beS 
XV. 3afjrlutnberts, nadjbem bie grammatifdjen (Schriften beS 
Sorenjo 23alfa ifyre SBirfung burd) ganj Italien getrau, nadjbem 
bie luSfagen ber römifdjen Siterarl)tftorifer fetbft gefidjtet unb 
üergtidjcn maren 3 ). 3efct erft unterfdjeibet man genauer unb bis 
auf baS ©enauefte bie @tplfd)attirungen in ber ^jßrofa ber Sitten,, 
unb fommt mit tröftüctjer ©idjerfjeit immer mieber auf baS (Srgeb* 
niß, baß Sicero allein baS unbebingte Sttuftcr fei, ober, menn 



!) greitiefj gibt e3 aud) jugeftanbene ©tnlübungen, joie 5. 33. in ben 
Orationes etc. beä altern 23eroalbu3 bie jroei au3 Boccaccio in'3 Sateinifdje 
überje^ten SlooeCen, ja eine San&one au3 Petrarca. 

2 ) SSgt. ^?etrarca'§ Briefe an§ ber Dberroelt an erlaubte ©Ratten. 
Opera, p. 704, s. Slu^erbem p. 372 in ber ©djrift de rep. optime ad- 
ministranda : „sie esse doleo, sed sie est". 

3) ©in burleSfeä SBilb be§ fanattfdfjeä SßuriSnutä in 3tom gibt Vornan, 
^ontanuä in |einent „Slntoniuä". 



198 



®ie äöiebererroeöfung be3 SCItertfyums. 



1. M&fdmitt. man alle ©attungen umfaffen raottte: „jeneö unfterbtidje unb faft 
Jjimmttfdjc Zeitalter Sicero'S" *). 3efct raanbten Seute rate <ßtetro 
33embo, ^terto SSatertano u. a. ifyre beften Äräftc auf biefe§3tel; 
aud) foldje, bie lange raiberftrebt unb fid^ au§ ben älteften Tutoren 
eine ardjaiftifdje ©iction jufammengebaut 2 ), gaben enbtid) nad) 
unb fnteten bor (Sicero; jefct ließ fid) SongoIiuS bon 35embo 
beftimmen, fünf Safyre taug nur (Sicero gu tefen; berfelbe gelobte 
fid) gar fein SBort ju brauchen, meiere« ntcf)t in biefem 2tutor 
borfäme, unb fotdje Stimmungen brauen bann gu jenem großen 
gelehrten (Streit au§, in raeldjem (SraSmu« unb ber ältere ©cattger 
bie ©paaren führten, 
sebingte imt ® enn aud ) bie 33ett>unberer ©cero'8 raaren bod) lange mdjt 
un6et>ingte Gi= alle fo einfeitig, Um at8 bie einzige Ouetfe ber (Spraye gelten ju 
ceronianer. ^ oc ^ hn xv . 3 a f)rf)unbert raogten 3Mi$iano unb (Srmolao 

•Söarbaro mit 33etoußtfein nad) einer eigenen, inbibibueHen ßathtit&t 
gu ftreben 3 ), natürlidj auf ber 33aft« einer „überqueftenb großen" 
©eleljrfamfett, unb biefe8 sjtel Ijat aud) derjenige berfolgt, tuetcfieu 
un8 bieß metbet, 'ißaolo (Siobio. @r fyat eine 9ttcnge moberner 
©ebanfen, $umal äftljetifdjer 2trt, juerft unb mit großer 2ln* 
ftrengung fateinifd) raiebergegeben, mdjt immer glüdfttf), aber bis* 
weiten mit einer merfraürbigen Straft unb (äteganj. (Seine 
tateinifdjen (Stjaracteriftifen ber großen 9#ater unb .©ilb^auer jener 
3eit 4 ) enthalten ba8 ©eiftooüfte unb ba8 3ttißratf)enfte neben* 
einanber. lud) 8eo X., ber feinen 9?ul)m barein fefcte „ut lingua 
latina nostro pontificatu dicatur facta auetior" 5 ), neigte fid) 



1) Hadriani (Cornetani) Card. S. Chrysogoni de sermone latino 
liber. §auptfäd£)Itcf) bie ©inteitung. — ©r finbet in ©icero unb feinen 
geitgenoffen bie Satinttät „an fid)". 

2) Paul. Jov. Elogia, bei 3lnlct£ be§ »apt. $iu8. 

3) Paul. Jov. Elogia, bei Slnlafj be3 9iaugertu3. 8*) r Sbeal fei ge; 
raefen : aliquid in stylo proprium, quod peculiarem ex certa nota mentis 
effigiem referret, ex naturae, genio effinxisse. — ^Mtjiano genirte fidj 
bereite, roenn er ©üe Ijatte, feine Briefe lateinifti) ju fdjreiben, «gl. Eaph. 
Volat. comment. urban. L. XXI. 

4 ) Paul. Jov. Dialogus de viris literis illustribus; bei Tiraboschi, 
ed. Venez. 1796, Tom. VII. parte IV. 23etnnntlidj wollte ©iom'o eine 
3eitlctng biejenige grofje Arbeit unternehmen, meldje bann Safari imrd)= 
führte. — 3n jenem Sialog nrirb aud) geahnt unb besagt, bafj ba§ £atein= 
fäjretben feine ."perrfdjaft balb gärtglicr) vertieren roerbe. 

5 ) bem 23reoe uon 1517 an $ranc. bc' 3iofi, conetpirt uon ©abo- 
leto, hex Koscoe, Leo X, ed. Bossi VI, p. 172. 



2)te SBieberermecftmg be§ 2Krtert{)um§. 



199 



einer liberalen, tüdjt augfdjiießtidjen Öatinität 31t, tüte bieß bei 3, sibfdbnttt. 
fetner $id)tung auf ben ®enuß rtict)t anberg mögUd) war; ifytn 
genügte e«, menn ba«, ma$ er anjufyören unb ju tefen fyatte, mafyr* ©ie iateintf«e 
f>aft lateinifd), lebenbig unb elegant ersten. (Snbtta) gab ©cero ««««fetton. 
für bie latetntfcfje (Sonberfaiton fein SSorbtlb, fo baß man f)ier 
gelungen mar, anbere (Sötter neben tljm ju bereden, 3n bie 
Sücte traten bie in unb außerhalb 9?om atemüd) fyäufigen 2luf* 
füfjrungen ber (Somöbien be§ ^tautus unb £eren$, metcfye für 
bie 3ftitföielenben eine unr>ergteid)lid)e Hebung beö ßateinifdjen 
als UmgangSfpradje abgaben. @d)on unter ^aul II. mirb 1 ) ber 
geteerte Sarbinat t)on £f)eanum (mafyrfdjeinlid) 9?iccoto gortiguerra 
toon W°i a ) gerühmt, weil er fid) aud) an bie fdjtcdjterljaftenften, 
ber ^erfonenberjeidjniffe beraubten titautinifdjen ©titcfe wage unb 
beut ganzen Slutor um ber ©pradje mitten bie größte ^ufmerf* 
famleit tmbme, unb öon ifytn fönnte moljf audj bie Anregung 
jum Sluffüfyren jener <3tücte ausgegangen fein. Sann nafym fid) 
•»ßomponiuS $aetug ber ©adje an unb mo in ben @äutenl)öfen 
großer. Prälaten ^tautuS über bie @cene ging 2 ), mar er Sftegiffeur. 
£)aß man feit etwa 1520 baoon abfam, jät)tt (Siobio, wie mir 
(@. 187) faljen, mit unter bie Urfadjen be$ S3erfaüö ber (Stoquenj. 

3um @d)Iuß bürfen mir tjter eine ^ßarattete be§ GuceronianiS* 
mu8 au« bem Gebiete ber tunft namhaft machen: ben 23itrut>i* 
aniSmuS ber 2lrd)itecten. Unb jmar befunbet fid) audj fyier ba§ 
burdjget)enbe ©efefc ber taaiffance, baß bie SBemegmtg in ber 
33übung burdjgängig ber analogen ^unftbemeguug t>oranget)t. 3m 
bortiegenben ^att mochte ber Unterfdjieb etma jmei 3al)rjeljnbe 
betragen, menn man üon Sarbinat ^abrian öon (Sorneto (1505?) 
bi« auf bie erften abfofuten S3itruöianer redjnet. 

©er t)5ct)fte ©totj beö §umaniften enbüd) ift bie neirfateinifaje öatetnifd)e 
£)id)tmtg. @o meit fie ben §umani$mu3 djaracteriftren fyilft, SD{d »* un fl- 
muß aud) fie fyier befjanbett merben. 

SBie bottftänbig fie ba8 SSorurttjeU für fid) Ejatte, mie nalje 
tf)r ber entfd)iebene @ieg ftanb, mürbe oben (<&. 196) bargetfjan. 

1) Gasp. Veronens. vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 1031. 
Slufjerbem mürben etwa ©eneca unb lateinifdje tteberfe^ungen naä) grte* 
äjtfdjen SDramen aufgeführt. 

2) $u $errara fptelte man pautu3 mof)I meift in italtenifcjjer 23ear= 
bettung oon (Sottenuccio, bem jungem ©uarino u. 2t., um be3 Sn^alteä 
mitten, unb Sfabeßa ©ongaga erlaubte ftcf), biefen langmeilig ju finben. 
— lieber $omp. £aetu3 ogl. Sabellici opera, Epist. L, XI, fol. 56, s. 



200 



Sie Sütebemroechmg be3 2lttertf)um!o. 



.AJ^*mtt.JJftcm barf bon bornijerein überzeugt [ein, bajs bie geiftDoÜfte unb 
meiftenttuicfette Lotion ber bamaligen Seit nidjt aus btofeer £f)or* 
f>eit, nidjt otjne etioa« 33ebeutenbeg 31t motten, in ber ^oefie auf 
eine Sbradje bergtdjtcte tüte bie ttattenifdje ift. (Sine übermächtige 
ST^atfacfje muß fie ba$u beftimmt f)aben. 

£)tef$ mar bie 33ettmnberung be$ SlttertfjumS. 2öie jebe edjte, 
rücffjatttofe SBetumtberung erzeugte fie nott)t»enbig bie 9?ad)al)tnung. 
2lud) in anbern 3^tten unb bei anbem S3ötf errt finben fidj eine 
SDcengc bereinjetter 23erfttd)e nad) biefem nämlichen 3iete fun, 
nur in Otatten aber waren bie beiben §auptbebingungen ber 
Sortbauer unb Sföeiterbtfbung für bie neutatetnifdje ^oefie bor* 
Rauben: ein aflfeitigeS (Sntgegenfommen bei ben ©ebitbeten ber 
Nation unb ein ttjettumfeS 2Bieberertüad)en be§ antifen itatifdjen 
®eniu§ in ben SD intern fetbft, ein tuimberfameä 2öeiterftingen 
si,r wtm. eines uralten ©aitenfoicls. £)aö 33efte, toaS fo entfielt, ift nidjt 
metjr ÜJcadjaljmung foubern eigene freie @d)öbfung. SBer in ben 
fünften feine abgeleiteten formen Verträgen fann, toer enttoeber 
fdjon ba§ SIttertijum fet&er nidjt fdjäfct ober e§ im ©egentfjeit 
für magifdj unnahbar unb unnadjarjmtidj fjftft, mer enbliaj gegen 
23erftö> feine 9fcadjficf)t übt bei SDidjtern, weldje j. 23. eine 
2ftenge ©btbenquantitäten neu entbed'en ober erraten mußten, 
ber laffe biefe Literatur bei Seite. 3fjre fdjönem SBerfe finb 
nidjt gefdjaffen, um \trgenb einer abfotuten föritif ju trogen, fonbern 
um ben £)idjter unb biete £aufenbe feiner ^eitgenoffen ju er* 
freuen J ). 

wmnm 8fat menigften ©tücf Ijatte man mit bem @po$ aus ©efdjiajten 
® m - unb Sagen be« 2tttertl)um$. 5Die wefentttdjen «ebingungen einer 
(ebenbigen epifdjen ^oefie werben befanntttd) nidjt einmat ben 
römifdjen SSorbilbern, ja außer §omer nidjt einmal ben ©rtcdjett 
jucrfamtt; Wie fjätten fie fid) bei ben Sateinern ber SRenaiffance 
finben fotten. 3nbeß ntödjte bod) bie Slfrifa Des Petrarca im 
®an$en fo biete unb fo begeifterte i'efer unb £orer gefunben 
baben als irgeub ein (£boö ber neuern 3ett. 2tbftdjt unb dnU 
fteljung beS ©ebiajteS finb nidjt ofjne 3ntereffe. £)ag XIV. 
Oaljr&imbert erfannte mit gang richtigem ®efüf)l in ber JJeit beS 
jroeiten bttnifdjen Kriege« bie ©omtentjofje be§ 9?ömerrtjum£, unb 

!) $ür ba3 $olgenbe f. bie Deliciae poetarura italor.; — Paul. 
Jovius, elogia; — Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis ; — bie 
33ei(agen 311 Koscoe, Leone X, ed. Bossi. 



Sie SBtebererroecfung beä 2ntertt)um3. 



201 



biefe roottte unb mußte Petrarca berjanbefn. 2öäre ©tttuS StaficuS 3 . gibfdwitt. 
fdjott entbeeft gemefcn, fo tjätte er t)ieü'eicf)t einen anbern (Stoff 
gerüäfjtt, in beffen (Srmangfattg aber tag bie SBerljcrrtidjuttg be$ 
elftem ©eipio SlfricanuS bem XV. 3atjrt)unbert fo nal)e, baß fcfjon 
ein anberer £)idjter, ,3 ano ^ °i @traba, fiel) biefe Stufgabe gefteüt 
fjatte; nur au§ §od)ad)tung für Petrarca 50g er fein bereits Por* 
gerücfteS ®ebid)t ^urücf 1 ). Senn eS irgenb eine Berechtigung 
für bie SIfrica gab, fo lag fie barin, baß fid) bamafs unb fpäter 
3ebermann für ©eipio iutereffirtc, aU tebte er nod), baß er für 
größer galt als SUejrauber, ^ompejuS unb ßäfar 2 ). Sie Diele 
neuere (Spopöen fjaben fid) eine« für it)re $ät fo populären, im 
©runbe f)iftorifdjen unb bennodj für bie Stnfdjauung ml)tl)ifd)en 
©egenftanbe§ ju rühmen? 2ln fid) ift ba§ ®ebid)t je^t freilief) 
ganj unteSbar. $ür anbere fytftorifcrje @ujet$ müffen roir auf 
bie Siteraturgefcfjidjten oerroeifen. 

SKeidjer unb ausgiebiger mar fcfjon ba§ 2ßeiterbid)ten am m^oi»,^ 
auttfen 9Jei)trju3, ba§ «füllen ber poetifdjen Süden in bemfetben. 111,5 ^ ! f' e 
§ier griff aud) bie itaiientfdje -Didjtung frül) ein, fd)on mit ber 
STefetbe beS Boccaccio, roetdje aU beffen befteS poetifd)eö Ser! 
gilt. Sateinifd) bietete äftaffeo 23egto unter SJearttn V. ein brei* 
3et)nteö 33ud) im Sieneibe; bann finben fxcf) eine Sinja^t fteinerev 
S3erfud)e juraa! in ber 2lrt beö (Siaubian, eine SDMeagrtS, eine 
£)e6peri§ ic. £)as 2Jcerfiüürbigfte aber finb bie neu erfonnenen 
9)ct)ti)en, ruetdje bie fdjönften (Skgenben Stallend mit einer Urbe- 
üötferung Pon ©öttern, "üftrmiprjen, (Genien unb auef) Birten 
erfüllen, roie benn überhaupt f)ier bag (Spifdje unb bas Bucottfdje 
nid)t mefyr 31t trennen finb. £)aß in ben bafb erjäblenben, batb 
bialogtfdjeu (gciogen feit ^ßetraca baö <pirtcnieben fdjon beinal) 
Döing 3 ) conPentionefl, aU £)ülle beliebiger ^l)antafien unb ®e* 
füljte befjanbett ift, roirb bei fpäterm Maß roieber fyerDoqufyeben 
fein; fjier f)anbelt e# fid) nur um bie neuen SJeptljen. £)euttidjer 



0 Filippo Villani, Vite, p. 5. 

2 ) Franc. Aleardi oratio in laudem Franc. Sfortiae bei Murat. XXV. 
Col. 384. — 93ei ber ^parallele gnuferjen ©cir>io unb ©äfar mar ©uarino 
für ben le^tern, ^oggio (Opera, epp. fol. 125. 134, s.) für elfteren alg für 
ben ©röfjten. — ©eipio unb §annifial in ben ÜDliniaturen bes Slttavante, 
f. Vasari IV, 41, vita di Fiesole. — Sie tarnen SSeiber für ^ietnino unb 
©forga gebraucht, ©.79 . 

3 ) Sie glänjenben SCugna^men, wo ba§ Sanblefcen realtftifd) berjanbelt 
auftritt, werben ebenfalls unten gu erroärjnen fein 1 



202 £>te SBiebererroetfung be§ 2ntert!)um§. 



3. Mbfftntt t. gte fortft irgenbroo »errät!) e« fiel) Ijier, ba£ bie alten ©ötter in 
ber teaiffance eine boppelte ^ebcutung Ijaben: etnerfettö erfefcen 
fie allerbingS bie allgemeinen begriffe nnb madjen bte allegorifdjen 
Figuren unnötig, sugleid) aber finb fie aud) ein freies, felbftänbigeS 
(Slement ber '»ßocfie, ein <Stücf neutrale @d)önf)eit, meldjeö jeber 
£)itf)tung beigemifdjt unb ftetö neu combinirt werben fann. ®ecf 
»oran ging Boccaccio mit feiner imaginären (Sötter* unb Birten* 
melt ber Umgebung t>on glorenj, in feinem ^infale b'21meto unb 
üftinfale ftefolano, roeldje ttaltenifcl) gebietet finb. £)a§ äfteifter* 
roerf aber mödjte toof)t ber @arca be§ Ißietro Söembo 1 ) fein: bie 
Werbung be§ ftlußgotte« jenes Samens um bie 9?tompf)e ©arba, 
ba§ prächtige £)od)3eit§mai)l in einer £öl)le am Sftonte 2Mbo, bie 
SBeiffagungen ber äftanto, STocf)ter beS £irefia§, »on ber ©eburt be8 
SHnbeS SftinciuS, bon ber ©rünbung aftantua'S unb »om tünftigen 
9?uf)me beS SSirgil, ber aU @ofm be« äßinctu« unb ber 9?»mpbe 
»on 21nbe«, Sftaja, geboren merben roirb. $u biefem ftattlidjen 
bumaniftifdien föococo fanb $embo fefjr frfjone SSerfe unb eine 
@djlu§anrebe an Virgil, um melaje tfjtt jeber $)id)ter beneiben 
fann. äftan pflegt bergleidjen als bloße £)eclamation gering 
ad)ten, morüber, als über eine ©efdjmacfsfadje, mit ^iemanben $u 
redeten ift. 

®i**mis ferner eritftanben umfangreiche epifdje ©ebidjte biblifdjen 
unb fird)üd)en 3nf)alte8 in ^amctern. 9^id)t immer bejroecften 
bie 23erfaffer bamit eine firdjlidje -öeförberung ober bie (Srroerbung 
päpftüd]er ©unft; bei ben heften, unb aud) bei llngefdjicftern 
mie 33attifta SflJantuano, bem Söerfaffer ber ^artfyenice, roirb man 
ein ganj et)rttcr)eS Verlangen borauSfe^en bürfen, mit it»rer ge* 
teerten lateimfdjen ^ßoefie bem ^eiligen ju bienen, womit freilief) 
ibre fyalbfyeibnifdje Sluffaffung beö tatfjoliciSnutS nur ju moljl 
äitfammenftimmte. ©»ralbus jäl)lt ttjrer eine StTtjatjt auf, unter 

©annajaro. roeld)en 23iba mit feiner (Sbriftiabe, ©annajaro mit feinen bret 
©efängen „De partu Virginis" in erfter 9?etl)e flehen, ©annajaro 
imponirt burd) ben gleichmäßigen geroaltigen glufj, in roeldjen er 
£)eibnifd)e8 unb (Sl)riftltd)e§ ungefdjeut jufammenbrängt, burd) 
bie plaftifdje $raft ber @d)ilberung, burd) bie uoüfommen fd)öne 



l ) Slbgebrudft bei Mai, Spicilegium romanum, Vol. VIII. (©egen 
500 S^ameter ftarf.) perio Saleriano bietete an bem Wlx)tyu§ rceiter; 
fein „carpio" in ben Deliciae poet. ital. — SDie $re3fen be§ SBrufafotci 
am $ßa(. 9Jlurari Verona fteEen ben Snfjalt be§ ©arca vox. 



Sie aßteberenoecfimg be§ SHtertfymns. 203 



Arbeit. @r Ejatte fid) nicht bor ber 23ergteid)ung ju fürchten, alg 3. gibfdmttt. 
er bie 93erfe Pou 23irgil3 vierter (Scloge in ben ©efang ber Birten ort 
ber Grippe öcrflocht. Sm ®ebiet be§ Oenfeitigen fjat er bo unb bort 
einen £ug bantegfer Kühnheit, rote 3. 53. ®önig £>apib im 8imbu8 
ber Patriarchen fiel) ©efang unb Sßeiffagung ergebt, ober wie 
ber Grroige tljronenb in feinem Hantel, ber Pon Silbern alte« 
elementaren SDafetnö flimmert, bie t)immti[c^en ©eifter anrebet. 
Slnbere 9ttale bringt er uubebenflid) bie alte 2J?pthotogie mit 
feinem ©egenftanbe in SSerbinbung, ofme bod) eigentlid) baroef 3U 
erfcheinen, weil er bie §eibengötter nur gleicfjfam alö Einrahmung 
benu^t, ihnen leine Hauptrollen jutfjeitt. Ser bas fünftlerifd)e 
Vermögen jener £üt in feinem Pollen Ilmfange fennen lernen 
will, barf fid) gegen ein Söcrt wie biefe§ ntd)t abf daließen. 
@amta$aro'$ 23erbicnft erfdjeint um fo Piet größer, ba fonft bie 
SSermifdjung pon ^riftlidjem unb §eibnifd)em in ber Poefte Piet 
letzter ftört als in ber btlbenben Shtnft; (entere rann baS 5luge tcx m ^ 0 ^- 
babei beftänbig burd) irgenb eine beftimmte, greifbare @d)önf)eit 
fcfjabtoS galten unb ift überhaupt Pon ber @ad)bebcutung ihrer 
©egenftanbe piet unabhängiger at« bie Poefie, inbem bie (gin* 
bitbung3fraft bei ihr el)er an ber $orm, bei ber Poefie ef)er an 
ber «Sache weiterfpinnt. £)er gute ©attifta 2ttantuano in feinem 1 ) 
geftfalenber hatte einen anbern toweg Perfudjt; ftatt ©ötter unb 
Halbgötter ber Zeitigen ©efdjichte bienen ju laffen, bringt er fie, 
wie bie ®ircf)enPäter thaten, in ©egenfa^ ju berfelben; währenb 
ber Enget (Gabriel ju ^ajaretl) bie Jungfrau grüftt, ift ihm 
Öfterem: öom (Sarmet her nadjgef ergebt unb laufet nun an ber 
Pforte; bann berichtet er ba$ ©ehörte ben Perfammclten ©Ottern 
unb bewegt fie bamit gu ben äußerften (Sntfchtüffen. Rubere 
äftale 2 ) freilich muffen bei ihm 3Tf)eti^ SereS, 2leolu3 u. f. w. 
wieber ber ä)iabonna unb ihrer Herrtichfeit gutwillig unterthan fein. 

@anna$aro'# 9?uf)m, bie Spenge feiner Nachahmer, bie be= 
geifterte Hulbigung ber ©röfeten jener 3eit — bie£ 2ltlea geigt, 
rote fehr er feinem Satjrhunbert nottjig unb roerth war. gür 
bie Kirche beim ^Beginn ber Deformation tööte er ba$ Problem: 
Pöüig claffifd) unb bod) dtjriftticr) ju bieten, unb ßeo fowotjt als 
Siemen« fagten ihm lauten ©auf bafür. 

1 ) De sacris diebus. 

2 ) 3- in feiner achten ©ctoge. 



204 



Sie SBiebererroccfung be§ 2tttert{jum3. 



3. wf<t>nitt. (ümbfich würbe in £)ej:ametern ober £)ifttd)en aud) bie 3eit* 
3dt 9 cfd;i*t!ici)e gefct)tct)te behanbett, halb mehr er^ätjlcnb halb mehr panegrjrifdt), 
sDi#tun8. ' m ^ er ^ ege ( aDer , u (g^ ven eines dürften ober gürftenhaufeS. 
©o entftanb eine ©phorcias, eine 33orfeiS, eine 33orgiaS, eine 
Striuttiaö u. f. w., freilief) mit gänzlichem 35erfef)leit beS 3wecfeS, 
benn wer irgenb berühmt nnb unfterbtid) geblieben ift, ber blieb 
eS nid)t burd) biefe 2lrt üon ®ebid)ten, gegen wetd)e bie 2öelt 
einen nnoertitgbaren Sßiberwiüen f)at, fetbft wenn ficE) gute £)id)ter 
baju ^ergeben. ®anj anbers Wirten fteinere, genreartig unb ohne 
Pathos ausgeführte (Sinjetbitber aus bem Seben ber berühmten 
Männer, wie 3. 33. bas fdjöne ®ebirf)t Don £eo'S X. 3agb bei 
^ßafo 1 ) ober bie „9?eife 3itlius IL" t>on §abrian üon (üometo 
(S. 96). ©tän$enbe 3agbfd)i(berungen jener 2lrt giebt eS aud) 
üon ßrcote ©tro^a, öon beut eben genannten £)abrian u. 21. m., 
unb eS ift @d)abe wenn ftd) ber moberne £efer burd) bie ju 
($runbe tiegenbe ©ehmeidjetet abfdjrecfen ober erzürnen laßt. Sie 
S3ftetfterfd)aft ber 23cf)anbtung unb ber bisweiten nidjt unbebeutenbe 
gei"cf)tct(ttid)e 2öertf) fiebern biefen anmutigen Sichtungen ein 
längeres fortleben als manche je£t namhafte ^oefien unferer geit 
^aben bürften. 

3m (Jansen finb biefe @ad)en immer um fo üiet beffer, je 
mäßiger bie (Simnifdjmtg beS ^atfyetifdjen unb 2tügemeinen ift. 
(5S giebt einzelne fteinere cpifcfje £)id)tungen öon berühmten 
3K^c[o fl irmm g . Ofteiftern, bie burd) baroef eS mt)tl)o(ogifd)eS ©reinfahren unbewußt 
einen unbefdjretblid) fomifdjen @inbrucf f)erüorbringeu. @o baS 
£rauergebid)t beS (Srcote ©trojja 2 ) auf (Sefare 23orgta (@. 91). 
9)?an t)ört bte ftagenbe 9?ebe ber 9?oma, wetdjc aß ihre Hoffnung 
auf bie fpanifdjen ^ßäpfte (Saftet III. unb Sltejcanber VI. gefegt 
hatte unb bann ßefare für ben Verheißenen hielt, beffen ©efd)id)te 
burchgegangen wirb bis jur ^ataftropfje beS Lahres 1503. £)amt 
frägt ber Sinter bie ülftitfe, wetd)eS in jenem Slugenbücf 3 ) bie 
9?athfd)tüffc ber ©ötter gewefen, unb (Srato erjähtt: auf bem 
©ftmip nahmen "ißattaS für bie ©panier, VcnuS für bie Italiener 

0 Eoscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 184; foroie rtodj ein ©ebi(f)t 
c^nlicfjen ©tnleä XII, 130. — 2ßie naf)e ftefjt fd)on 2lngilbett3 ©ebic^t 
vom £>ofe GarB be3 ©rofjm biefer 3ienaiffance. SSgt. Pertz, monum. II, 

2 ) Strozii poetae, p. 31. s. Caesaris Borgiae ducis epicedium. 

3) Pontificem addiderat, flammis lustralibus omneis 
Corporis ablutum labes, Diis Juppiter ipsis etc. 



25te SBieberermecfttng bes 2ltterttjums. 



205 



Partei; beibe umfaßten Oupitcr« ®nie, worauf er fic füßte, be* 3. «bfctnttt. 

gütigte urtb fiel) auSrebete, er üermöge nid)t« gegen ba« oon bert 

Margen gefponnene ©djuffat, bte ©ötteroertjeißungen würben fid^ 

aber erfütten buret) ba« $inb üom £>aufe (5fte»33orgia 1 ); nadjbem 

er bte abenteuerttdje Urgcfd)id)te beiber $amilten er^äfylt, beteuert 

er, bem (Jefare fo wenig bie Untiergängtid)fctt fdjent'en gu fönnen 

at« etnft — tro£ großer Fürbitten — einem SWemnon ober 

2ld)iII; enbttd) fd)üeßt er mit bem STrofte, ßefare werbe üorfjer 

nod) im Srieg öiete Beute' umbringen. 9^un getjt OJiar« nad) 

s Jccape£ unb bereitet $rieg unb (Streit, 'ißau'a« aber eilt nad) 9?ept 

unb erfd)eint bort bem tranfen (Sefare unter ber ©eftalt 9ltej:an* 

ber« VI.; nad) einigen 33ermat)ixungen, fidt) gu fdjtcfen unb fid) mit 

bem 9tul)me feine« Ramend ju begnügen, oerfdjwiubet bie päpft* 

tiefte ©ottinn „wie ein 23ogct". 

9J?an öergidjtet inbeß unnü^er Sßeife auf einen bisweiten 
großen ©enuß, wenn man Sitte« perfyorreScirt, worein aniife 
9Jct)tt)otogie wofyt ober übet üertooben ift; bisweiten tjat bie Äunft 
biefen an fid) couoentionetten Beftanbttjeit fo feljr geabett at« in 
SDiaterei unb ©culptur. 2tud) fefytt e« fegar für ben Stebtjaber 
tttdjt an Anfängen ber ^arobie (<S. 127) B. in ber üJttacaro* 
neibe, woju bann ba« fomifdje ©ötterfeft be« ©iooanni Bettini 
bereit« eine ^arattete bitbet. 

SJfancfye eqät)tenbe ©ebidjte in Jpejfauictern finb aud) btoße »cre^ttpng »er 
Qsjtercitien ober Bearbeitungen oon Dotationen in ^rofa, roeldje gol ^ et i f fS ett , 
teuere ber Sefer oorjiet)en wirb, wo er fic finbet. 2tm @nbe 
würbe befannttieb Sttte«, jebe get)be unb jebe (Seremonie befungen, 
aud) bon ben beutfdjen |)umaniften ber ^eformatiouSjeit 2 ). 3nbeß 
würbe man Unredjt tfyun, bieß btoß bem äßtiffiggang unb ber 
übergroßen Ccicfjtigfett im Berfemadjen gu^ufajreiben. Bei ben 
Otatienern wenigftenS ift es ein gang entfd)iebener Ueberftuß an 
@tt)tgcfüf)t, wie bie gleichzeitige äftaffe Oon itai"ienifd)en Bertolten, 
®efd)id)t«barftettungen unb fetbft ^ampt)tetcn in Sterinen beweist. 
@o gut ^iecoto ba Ujjano fein $tacat mit einer neuen (Staats* 
öerfaffung, 9)cad)ia0etti feine Ueberfidjt ber 3ettgefd)td)te, ein 
dritter ba« Seben ©aoonarota's, ein Vierter bie Betagerung oon 



!) ©§ ift ber fpütere ©rcole II. »on $errara, geb. 4. 2lprit 1508, 
rca^rfdjeinltcb, turj cor ober nadj 3IBfaffung biefeä ©ebtdjteS. Nascere 
magne puer matri exspectate patrique, fjetfjt e3 gegen @nbe. 

2 ) Sögt, bte Sammlungert ber ©criptorei r>on <2d£)arbtus>: $-ref)er je. 



206 



£>te SBteberermecfung be§ 2tltertt)um$. 



3. ntbjthnitt. ^iombino burd) Stlfonö ben ©roßen l ) u. f. to. in biefe fdjnnertgc 
italienifdje 2Ser«art goffen, um einbringtidjer ju wirfcn, eben fo 
gut motten ötete Slnbcre für ttjr publicum be« |)e£ameter« be= 
bürfen um e« gu feffettt. 2Ba« man in biefer gorm üertragen 
sDtDacttfdjc fonnte unb begehrte, jeigt am beften bie bibactifdje *ßoefte. Diefe 
>;!oe " e ' nimmt im XVI. 3af)rl)unbert einen gan$ erftaunlidjen 2luffd)roung, 
um ba« ®olbmad)en, ba« ©dmdjfpiet, bie <Setben$ud)t, bie Stftro* 
nomie, bie üenerifd)e @eud)e u. bgt. in §e^ametern ju befingen, 
W03U nod) mehrere umfaffenbe ttatienifaje £)id)tungen fommen. 
9)ian pflegt bergteidjen Jjeut^utage ungelefen 3U Perbammen, unb 
inwiefern biefe Set)rgebia)te toirflicij lefengwertt) finb, müßten aud) 
mir nid)t ju fagen. @in« nur tft gewiß, baß @pod)en, bie ber 
unfrigen an @djönf)eit«finn unenbtid) überlegen waren, baß bie 
fpätgriedjifcfje unb bie römifdje SBelt unb bie toaiffance bie be* 
treffenbe ©attung Pon ^oefie ntdjt entbehren tonnten. SDianinag 
bagegen einwenben, baß feilte ntdjt ber 2ftangel an @djönl)eit«fimt 
fonbern ber größere (Srnft unb bie uniperfaliftifd)e Söefyanbtung 
alle« 8el)ren«wertf)en bie poetifcfje gorm au«fd)töffen, mag wir auf 
fid) berufen laffen. 

(Sine« biefer bibactifdjett Serfe wirb nod) jefct J)te unb ba 
wieber aufgelegt : ber gobiacu« be« geben«, öon 2ttarcellu« $aün* 
gentu«, einem ferrarefifdjen ßrpptoproteftanten. 2tn bie pcfyfien 
fragen pon ©ott, Stugenb unb Un|terblid)feit tnüpft ber 23er* 
faffer bie 33efpred)ung Dieter Skrfjättniffe be« äußern Seben« unb 
ift üon biefer «Seite aud) eine nidjtjuüeradjtenbe fittengefd)id)tlid)e 
Autorität. -3m Söefentlidjen jebod) gef)t fein ®ebid)t fdjon au« 
bem Ü?a£)men ber SKenaiffance fyerau«, wie benn aud), feinem 
ernften 8eljr$töecf gemäß, bereit« bie Allegorie ber SDcPtfyotogie ben 
SRang abläuft. 

sateimfdje Seit am nädjften fam aber ber 'Sßoet^fjitotog bem Sitter* 
s " nf * tfynm in ber ßurif, unb äwar fpeciell in ber (Stegic; außerbem 
nod) im (Epigramm. 

3n ber leichtern (Gattung übte (Satutt eine watyrljaft fa«cU 
nirenbe 2Birfung auf bie Italiener au«. 9J?ancf)e« elegante tatet- 
nifdje üßabrigat, mand)c fteine Smpectioe, mandje« bo«I)afte killet 



9 Uzzano \. Arch. IV, I, 296. — Macchiavelli : i Decennali. — 
(Saoonarola'ä ©efd)tcf)te u. b. Xitet Cedrus Libani tum %xa Senebetto. 
— Assedio di Piombino, bei Murat, XXV. — £iegu al3 ^parallele ber 
Xeuerbanf unb anbete Dieimroerfe be3 Horbens. 



Sie Sßiebererroetiung be§ 2lltertf)um3. 



207 



ift reine Umfdjretbung nad) ifjm; bann roerben oerftorbene 6ünb* 3. nbimitt. 
d)en, Papageien befragt ofme ein 2öort au« bem ®ebid)t üon 
Serbien« (Sperling unb bod) in bölliger 3tbf)ängtgfett oon beffen 
©ebanfengang. 3nbej} giebt e« Heine ©ebiajte btefer 2Irt, roelcije 
aud) ben Kenner über if»r roafjre« Sitter tauften tonnen, toemt 
nicijt ein fad)tict)er 23ejug Kar auf ba« XV. ober XVI. 3af)r* 
Rimbert Ijinroeist. 

dagegen möchte oon Oben be« fapptjifdjen, atcäifctjert ic. 
Versmaßes faum eine $u finben fein, roetd)e ntdjt irgenbioie itjren 
mobernen Urfprung beuttid) berrietf)e. SDteß gefct)tet)t metft bnrctj 
eine rtjetortfdje SRebfetigfeit, metctje im Slfterttjum erft etwa bem 
©tatius eigen ift, burcf) einen auffatlenben fanget an tyrifdjer 
(Soncentration, wie biefe ©attung fie bura>u8 bedangt, ©inline 
Partien einer Obe, 2 ober 3 ©tropfen jufammen, fcfjen mofjt 
ettoa roie ein arttifeö Fragment au«, ein längereg ©anseg f)ält 
biefe garbe fetten feft. Unb 100 bieft ber galt ift, rote 3. in 
ber fapnen Obe an 23enu« oon Slnbrea 9?aoagero, ba erfennt 
man teid)t eine bloße Umfdjreibung nad) antifen äfteifterwerfen 1 ). 
Einige Obenbid)ter bemächtigen fidt> be« £eiligencntte8 unb bilben 
il)re Snoocationen fef)r gefdjmacfüoll ben Ijorajtfdjen unb catuHtfdjen 
Oben analogen 3nfjalte« nad). @o ^aöagero in ber Obe an 
ben iSrjengel ©abriet, fo befonber« ©anna^aro, ber in ber (Sub* Die DBcn auf 
ftituirung einer tjeibnifcrjen Slnbadjt fef)r roeit ger)t. (Sr feiert bor* * ciIiflC - 
äügtict) feinen Samens ^etügen 2 ), beffen (Sapelle ju feiner fyerrlicf) 
gelegenen fleinen S3tlta am ©eftabe beö ^ofilipp gehörte, „bort 
roo bic afteereStooge ben ftefgquelt toegfdjlürft unb an bie datier 
be« flehten ^eiügtfjumö anfcpgt". (Seine ftreube ift ba« aüjätjr^ 
ticfje ®t. 9?agartuöfeft, unb ba« 8aubn>erf unb bie ©uirlanben, 
raomit ba« SHrajlein jumat an biefem £age gefd^mücft wirb, er* 
fdjeinen itmt al« Opfergaben. Sluct) fern auf ber gludjt, mit 
bem oerjagten gebertgo oon Stragon, $u et. ^ajaire an ber 
Soiremünbung, bringt er ootf tiefen persetetbeö feinem fettigen 
am Namenstage Srönjc Don 33u£ unb @id)enlaub; er gebenft 
früherer 3af>re, ba bie jungen &ute be« ganzen ^ofitipp ju 



!) &ier nad) benuGsmgang be3 Sucrettuä unb nad) Horat. Od. IV, I. 
2 ) S3oS §ereingief)en eine<8 @dju|fjeiligen in ein roefentlid) fjetbnifdjeg 
beginnen f>aben mir ©. 46 fdjon bei einem ernfiern 2tnta£i fennen gelernt. 



203 



Sie SBtebererroccf'ung be3 2lltertl)ums. 



3. 3«>fcfemtt. feinem f^efte gefahren famen auf befransten Sftadjen, unb ftefyt 
um Spetmteljr *) 

©etic^tc ctcgiidjci Stäufdjenb antif erfd)cinen t>or$üglid) eine Stu^af)! ©ebtdjte 
Sinm- in etegifdjcm SBcr&najj ober auef) bloß in $er.ametcra, bereit 3n= 
l)att Pon ber eigentlidjen (Sfegie bis $um (Spigramm Verabreicht, 
©o tote bie §mnaniften mit bem £ext ber römifdjen £Iegifer am 
aüerfreiften umgingen, fo fügten fie fid) benfetben aud) in ber 
Sßadjbitbung am -Keiften geraadjfen. 9?aPagero'S (Stcgie an bie 
üftadjttft fo wenig frei Don 9tcminiScenjen aus jenen Söorbilbern al~3 
irgenb ein ®ebid)t biefer Irt unb &eit, aber babei t»om fd)5nften 
autiien ttang. Ueberfjaupt forgt ^aüagero 2 ) immer juerft für 
einen ed)t poetifd)en Onljau, ben er öann nid)t fnedjtifd) fonbern 
mit metfterfjafter gretijeit im ©tpl ber Slntfyologie, be$ Öüib, beS 
(Satutt, aud) ber Ptrgiüfdjen (gelogen wiebergiebt; bie SJhjtljoIogie 
brauet er nur äufeerft mäßig, etwa um in einem ®ebet an GereS 
u. a. länbttdje ©ottfyeitcn baö 33itb bcö einfad)ften ©afein« ju 
entwicWn. ©neu ©ruß an bie §eimat(), bei ber ^ücftefyr Pon 
feiner ©efanbtfdjaft in «Spanien, fjat er nur angefangen; e3 fyätte 
roofyt ein (Sanges werben fonnen wie „Bella Italia, amate sponde" 
Pon 23incen$o üftonti, wenn ber Sfteft biefem Anfang erttfpraef) : 
Salve cura Deüm, mundi felicior ora, 
Formosse Veneris dulces salvete recessus; 
Ut vos post tantos animi mentisque labores 
Aspicio lustroque libens, ut munere vestro 
Sollicitas toto depello e pectore curas! 
£)ic elegifdje ober t)erametrifcr)e §orm wirb ein ©efäfe für 
jeben £)öt)ern pattjetifdjen 3nl)a(t, unb bie ebelfte patriotifaje Stuf* 
regung (@. 9G, bie (Siegte an OuItuS II.) wie bie pompfyaftefte 
Vergötterung ber Jperrfdjenben fud)t t)ier ifyren StuSbruct 3 ), aber 

*) Si satis ventos tolerasse et imbres 
Ac minas fatorum heminumque fraudes, 
Da Pater tecto salientem avito 
Cernere fumum! 

2 ) Andr. Naugerii orationes du» carminaque aliquot, Venet. 1530 
in 4. — Sie wenigen Sarmina audf) grö^tent^eilö ober »oHftänbig in ben 
Delicise. 

3) 3Ba§ man Seo X. bieten burfte, geigt ba§ ©ebet be§ ©uibo ^oftumo 
©tfoeftri an ©tjrtftuö , 3Karta unb alle ^eiligen, fie motten ber 9JZenfd^ 
t)eit biefe§ numen noef) lange raffen, ba fie ja im Gimmel ifjrer genug 
feien. 2l6gcbr. bei Roscoe, Leone X. ed. Bossi V. 237. 



Sie Söieberetroecfung beä 2lltert^um§. 



209 



aud) bie jartefte ÜMandwtie eines ZibuU. 2ftario SMfa, ber 3. wchnüt. 
in fetner @d)meid)etei gegen (StemenS VII. unb bie garnefen mit 
©tatiuS unb SD^artiat wetteifert, fyat in einer (Siegte „an bie 
©enoffen", üom tranfentager, fo fdjöne unb ecf)t antife ©rab* 
gebanfen at$ irgenb einer ber Sitten unb bieß ol)ne SBcf entließe« 
üon tefctern ju entlegnen. 2lm üottftänbigften f)at übrigens ©an* 
najaro Söefen unb Umfang ber römifdjen (Stegie erfannt unb 
nadjgebübet, unb üon feinem Stnberm giebt es wofyt eine fo große 
Sln^aljl guter unb üerfdjiebenartiger ©ebid)te biefer fjorm. — 
(ginjetne ©legten werben nod) f)te unb ba um ifyreS ©adjinfyatteS 
mitten $u ermähnen fein. 

(Snbtid) war baS tateinifdje Epigramm in jenen Reiten eine eptgvamm. 
ernftfjafte Angelegenheit, inbem ein paar gut gebitbete Reiten, ein* 
gemeißelt an einem SDenfmal ober üon Sftunb ju ÜJhmbe mit 
©etädjter mitgeteilt, ben töufjm eines ©eteljrten begrünben fonnten. 
©in Anfprud) biefer 2lrt metbet fid) fd)on früt>; ats es üertautete, 
©uibo betta ^otenta wolle ©ante'S ©rab mit einem ©enfmat 
fdjmüden, tiefen Don alten (Snben ©rabfdjriften ein 1 ) „üon @otd)en, 
„bie fid) geigen ober aitd) ben tobten ©tdjter ef)ren ober bie 
„©unft bes ^otenta erwerben wollten". 2tm ©rabmal beS @r^ 
bifdjofeS ©ioüanni Visconti (ft. 1354) im £)om üon S^aitanb 
tieSt man unter 36 f)ej:atuetern : „£)err ©abrius be ^amorei« 
au« ^J3arma, £)octor ber $ed)te, f)at biefe SSerfe gemadjt." %\U 
mätig bitbete fid], fyauptfädjtidj unter bem (Sinftuß Üttartiat's, 
aud) (Satutfs eine auSgebelmte Literatur biefeS gweigeS; ber I)ödt)fte 
£riump£) war, wenn ein Epigramm für antif, für abgefdjrteben 
üon einem alten (Stein gatt 2 ), ober wenn es fo üortrefftid) er* 
fdjien, baß gauj Staticn es auSwenbig wußte wie 3. 33. einige 
beS ■Söembo. SBenn ber @toot 33enebig an ©annajaro für feinen 
Sobfpritd) in brei Diftidjen 600 ©ucaten ^onorar bejahte, fo 
war bieß nid)t etwa eine generofe 33erfd)wenbung, fonbern man 
würbtgte baS (Spigramm ats baS, was es für alle ©ebitbeten jener 
3eit war: at§ bie concentrirtefte $orm beS 9?uf)meS. ^temanb 
fyinwteberum war bamals fo mädjtig, baß il)m nid)t ein wi|igeS 
(Epigramm f)ätte unangenehm werben tonnen, unb aud) bie ©roßen 
fetber beburften für jebe Onfdjrift, wetdje fie festen, forgfätttgen 

1 ) Boccaccio, Vita di Dante, p. 36. 

2 ) ©annetjetro fpottet üfier ©inen, ber tfjtn mit folgen fyälf jungen 
Käfttg fiel: Sint vetera haec aliis, mi nova semper erunt. 

S3urtff)arbt , Sultuv ber ötenatfian«. 14 



210 



®ie Söiebererroecfung beä 2Htertfjum3. 



3. gibfcftnitt. unb geteerten ^öeiratljeö, benn täcf>erücf)e ©pitapfjien $5. liefen 
©efafyr, in Sammlungen jum 3med: ber (ävfjetterung aufgenommen 
werben 1 ). (Sptgrapljif unb Gspigrammati! reichten einanber 
bie §anb; erftere beruhte auf bem emfigften Stubium ber antifen 
Steinfdjriften. 

3« 9(cm. ®ie @tabt ber (Epigramme unb ber 3nfcriptionen in üor* 
jugsweifem Sinne mar unb blieb <Rom. 3n biefem «Staate olme 
(Srblidjfeit mußte jeber für feine Verewigung felber forgen; sugleid) 
war ba§ furje Spottgebid)t eine 3Baffe gegen bie Sftitemporftre* 
benben. Sdwn ^iuS II. jäfjtt mit Sofylgefallen bie ÜDtftidjen 
auf, welche fein |)auptbid)ter ßampanug bei jebem irgenb geeig* 
neten Momente feiner Regierung ausarbeitete. Unter ben fot* 
genben Zapften btüfyte bann ba8 fatirifa^e Epigramm unb erreichte 
gegenüber bon Slle^anber VI. unb ben (Seinigen bie öoUe §öt)e 
be$ fcanbalöfen STro^e«. Sanna^aro bidjtete bie feinigen aller* 
bingö in einer retattt» gefidierten Sage, Slnbere aber wagten in 
ber iRftf)e beö Jpofeö ba§ ©efä£)rlid)fte (S. 90). Stuf adE)t bro* 
t)enbe ©iftidjett l)in, bie man an ber Pforte ber £3ibliotf)ef an* 
gefdjtagen 2 ) fanb, liefe einft Stle^anber bie ©arbe um 800 äftamt 
tjerftdrfcn; man fann fid) benfen, wie er gegen ben £)id)ter würbe 
»erfahren fein, wenn berfelbe fid) erwifdfyen liefe. — Unter Seo X. 
waren lateinifdje Epigramme ba8 tdgltdje -SBrob; für bie 33er* 
fjerrlidmng wie für bie Verlagerung beS Sßapfteß, für bie £>üd)* 
tigung genannter wie ungenannter geinbe unb Sd)tad)topfer, für 
wirflidje wie für fingirte ©egenftänbe be§ 2Bi£e§, ber 33o§f)eit, 
ber Trauer, ber Kontemplation gab eö feine paffenbere $orm. 
sov^ciaim. £)amat§ ftrengten fid) für bie berühmte ®ruppe ber Butter 
©otte§ mit ber fyeil. §lnna unb bem $iube, wetd)e Slnbrea Sanfo* 
tiino für S. Slgoftino meißelte, ntdjt weniger als ljunbertunb* 
jwanjig ^ßerfonen in lateinifdjen Verfen an, freilid) nid)t fo fet)r 
au« Slnbadjt, als bem ^Befteüer beS SerfeS ju Siebe 3 ), £)iefer, 



!) Lettere de' principi. I, 88. 91. 

2 ) Malipiero, Ann. veneti, Arcb. Stor. VII, I, p. 508. 2lm ©nbe 
fjeifjt e3, mit 33ejug auf ben ©tier aI3 SBappentljier ber SBorgia: 
Merge, Tyber, vitulos animosas nltor in undas; 
ßos cadat inferno victima magna Jovi! 
s) Heber biefe gange 2tngclegenf)eit f. Roscoe, Leone X, ed. Bossi 
VII, 211. VIII, 214, s. SDie gebrucrte, jefct feltene Sammlung biefer 
„Coryciana" vom 1524 enthält nur bie Iateinifd)en ©ebtdjte; SSafari 



3Me lötebererroecfung be§ 2lttertf)um3. 



211 



3of)ann ®ori^ au§ £uj:emburg, p&pftfidjer ©upplif enreferenbar,. 3. mbfd>nitt. 
ließ ttämttd) am @t. 2lnnenfefte nidjt bloß etwa ©otteSbtenft Ratten, 
fonbern er gab ein großes Siteratenbanfett in feinen (harten am 
51bfjang be8 (Sapitofe. £)amat§ tonnte e§ ficf) aud) ber üßfilje, 
bte gan^e ^oetenfajaar, welche an Seo'8 £ofc t|r <&IM fudjte, in 
einem eigenen großen ®ebid)t „de poetis urbanis" ju muftem, 
tote granc. Slrfittug tfjat ein Wlann, ber fein päpftftdje« ober 
cmbere« äftäccnat brauste unb ftct) feine freie 3"nge and) gegen 
bie (Sottegen borbeljiett. — lieber $aut III. fjerob reicht baö @pi* 
gramm nur nodj in Oereinjetten S'iadjftattgen, bie (Spigrapljif ba* 
gegen btüfyt länger unb unterliegt erft im XVII. Öafjrtyunbert 
oöttig beut ©djioutft. 

2lud) in SSenebig fyat fie itjre befonbere ®cfcf>tcf)te, bie wir ©ais w&amm 
mit pfiffe Don granccöco ©anfobino'S „SBene^ta" Verfölgen fonnen. ^"«»«a. 
(Sine ftel)enbe Stufgabe bitbeten bie 3ftotto'8 (35riet>i) auf ben 
©ogenbübniffen be§ großen @aale3 im ©ogenpataft, jroet big 
üter ^ejtameter, wctdje ba§ Sefentttdje aus ber Amtsführung beö 
SBetreffenben entsaften 2 ), ©ann Ratten bie ©ogengräber be8 
XIV. 3al)ri)unbertg taconifdje ^3rofainfd)riften, wetdje nur £t)at* 
fadjen enthalten, unb baneben fdjwittftige £e$ameter ober teoni* 
ntfdje $erfe. -3m XV. Oaftrfjunbert fteigt bie «Sorgfalt beö 
@tt)te§; im XVI. erreicht fie ifjre £öfje unb balb beginnt bie 
mutige 2lntttf>efe, bie ^rofopopöe, ba§ $atf)oS, ba§ ^rincipien* 
lob, mit gittern SBorte: ber ©djroutft. giemtid) oft wirb gefttdjelt 
unb oerbedter Stabet gegen Rubere burct) birecteS 80b be8 23er* 
ftorbenen auggebrütft. ®anj fpät fommen bann wieber ein paar 
abfidjtftdj einfache (Spitapfyien. 



fal) bei ben Sluguftinern nod) ein befonbere§ 33ucr), roorin fid^ aucfj (Sonette 
2C befanben. 5Da§ 2tnr)eften dou ©ebidEjten mürbe fo anftecfenb, bafj man 
bie ©ruppe burd) ein ©itter abfcfjliefjen, ja unftd)tbar machen mufjte. Sie 
Umbeutung üou ©ori§ in einen Corycius senex ift au3 Virgil, ©eorg. IV, 
127. ©a3 fummerooEe ©nbe be3 3ftanne§ nacf) bem «Sacco bi 9toma f. 
bei Pierio Valeriano, de infelic. literat. 

!) 2lbgebrutft in ben Beilagen gu Eoscoe, Leone X, unb in ben 
Deliciae. %I. Paul. Jov. Elogia, bei 2tnlctfj be§ 2ttftIIuä. gerner für 
bie große 3af)l ber ©pigrammattfer Lil. Greg. Gyraldus, a. a. D. ©ine 
ber fdEjlimmften g-ebern mar SRarcantonio ©afanooa. — 3Son ben weniger 
belannten ift $50. £t)oma§ 9flu3coniu3 (f. b. Deliciae) au3j$ugeict)nen. 

2 ) 9ftarin ©anubo, in ben Vite de' duchi di Venezia (Murat. XXII.) 
tr)ettt fie regelmäßig mit. 

14* 



212 



SDie SBieberertnectung be§ 2Iltertf)ums. 



3. Mbfdmitt. Slrdjitectur unb Ornamentt! waren auf baS Anbringen bon 
3nfd)rtften — oft in totetfadjer SBieberfjolung — bollfommen 
eingerichtet, wät)renb j. 33. baS ®otf)ifdje beS Horbens nur mit 
SD^üfje einen ^uetfmäfsigen *ißla£ für eine Snfdjrift fdjafft, unb fie 
an (Srabmälern 3. 23. gerne ben bebrofyteften Stetten, ben 9?än= 
bern juroeift. 

i)urd) baS bisher ©efagte glauben wir nun feineSrcegs ben 
ßefer tion beut etgentf)ümtid)en Söert^e biefer lateinifdjen ^ßoefie 
ber Italiener überzeugt ju fjaben. (58 Ijanbette fiel) nur barum, 
sRacaronif^e bie culturgefd)id)tlicf)e (Stellung unb 9?otl)wenbigteit berfelben an* 
* Der,e- pbeuten. (Sdjon bamals entftanb 1 ) übrigens ein ^errbifb babon: 
bie fogenannte macaroneifdje Sßoefte, beren Spauptwerf, baS DpuS 
macaronicorum, üou üDZerlinuS (SocaiuS (b. f). Stcofito $otengo 
üon 3Jiantua) gebietet ift. 23om Snfjatt wirb nod) rjie unb ba 
bie Dfebc fein; was bie fjform betrifft — §e$ameter u. a. 23erfe 
gemifd)t aus Iateinifd)en unb itaüenifdjen SBörtern mit latctmfdjcn 
©nbungen — fo liegt baS ®omtfd)e berfelben toefenttief) barin, 
baf$ fid) btefe ülftifdjungen wie lauter SapfuS ünguae anfjören, wie 
baS ©prubeln eines übereifrigen latetnifctjen 3mprot>ifator8. 
9?acf)al)mungen aus SDeutfdj unb Satetn geben fytetion feine 
^Imung. 



@tntj ^acfybem mehrere glanjenbe ©enerationen üon ^oetett^tjilo* 

ber eumamften. ( 0Qen f c ft Anfang beS XIV. SabrfjunbertS Italien unb bie SBett 
mit bem (SultuS beS SHtertfjum« erfüllt, bie SSitbung unb @r* 
jieljmtg rcefentüd) beftimmt, oft aud) baS ©taatswefen geleitet 
unb bie antife Literatur nad) Gräften reprobucirt Ratten, fiel mit 
bem XVI. -Safyrrmnbert bie ganje 9ttenfd)enclaffe in einen lauten 
unb allgemeinen OJHfccrebit, ju einer &tit, ba man itjre Öefjre unb 
if)r SSiffen nod) burdjaus nicf)t öollig entbehren wollte. Wart 
rebet, fcfjreibt unb bietet nod) fortrcdfyrenb wie fie, aber perfön* 
tief) will 9?iemanb mef)r 3U ifjnen gehören, bie beiben Jpaupt* 
anllagen wegen tl)res bösartigen ^odjmutbeS unb ttjrer fd)änblidjen 



!) Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. thes. VI, III, Col. 
270) nennt al3 ben eigentlichen ©rfinber einen gero. Dbarüt§ von ^abuet^ 
um bie Wüte be§ XV. %af)tf). ©emtfdjte SSerfe aus Satein unb ben £anbeS= 
jpracfjen giebt e§ aber fdion Diel früher allenthalben. 



Sic SßiebererroecJung be3 2lltertf)um3. 213 



2lu$fd)meifwtgen tönt bereits bie britte fytnein, bie (Stimme ber 3. mid>mtt. 
beginnenben ©egenreformation: wegen itjreö Unglaubens. 

SBarum Derlauteten, muß man juncidjft fragen, biefe 33or* 
würfe nidjt früher, moditen fie nun waln* ober unwafyr fein? (Sie 
finb fdjon friitje genug berneljtttlidj, allein otjne fonberlicfye Sßir* 
fung, offenbar weit man Don ben ßiteraten nocf) gar ju abbän* 
gig mar in betreff be$ Sadjinljaltcg be§ SlÜerttjumS, weil fie 
im perfönltdjften «Sinne bie $efi£er, Sträger unb Verbreiter beffetben 
waren. Slüein baS Ueberfyanbnefymen gebrühter Ausgaben ber 
ßtafftfer 1 )/ großer mofylangelegter §anbbttdjer unb 9?ad)fd)lage* 
werfe emancipirte baö 23off fdjon in bebeutenbem ©rabe üon bem 
bauernbeu perfönlidjen Verlefyr mit ben £mmaniften, unb fobalb 
matt-fid) it)rer aud) nur gur §älfte entfdjlagen fonnte, trat bann 
jener Umfdjtag ber Stimmung ein. ©ute unb SSöfe ütten barunter 
olme Unterfdjieb. 

Urheber jener Auflagen finb burdjauS bie fmmaniften s^e ®%m 
felbft. Von aßen, bie jemals einen ©taub gebilbet, fjaben 
fie am allermenigften ein ©efüljl be§ gufammenlmlteS gehabt 
ober, wo e$ fid) aufraffen mottle, refpectirt. Sobalb fie bann 
anfingen fid) @iner über ben Slnbern $u ergeben, war tljnen 
jebeS bittet gleichgültig. 331i£fd)nell gelten fie üon wiffenfdjaft* 
tiefen ©rünben $ur Snüectiüe unb jur bobenlofeften Säfterung 
über; fie wollen iljren ©egner nidjt wtberlegen fonbern in jeber 
$3e$iel)ung jernid^ten. (StwaS Ijieüon fommt auf SRedjnung ü)rer 
Umgebung unb Stellung; wir fafjen, wie heftig ba§ Zeitalter, 
beffen tautefte Organe fie waren, Don ben SBogen beS 9?uijme8 
unb be« $ol)ne8 t)in unb fjer geworfen würbe. 2lud) war tljre 
Sage im wirflidjen Seben meift eine foldje, baß fie fid) beflänbig 
ifjrer (Sxjftens wehren mußten. 3n folgen Stimmungen fdjrieben 
unb perorirten fie unb fd)ilberten einanber. ^ßoggio'S Söerte 
allein enthalten fdjon Sd)mu| genug, um ein Vorurteil gegen 
bie ganje Sdjaar fjerüorprufen — unb biefe Opera ^oggii 
mußten gerabe am Ijäufigften aufgelegt werben, bieffetts wie 
jenfeits ber Upen. Wlan freue fiel) nidjt ju frttlj, wenn fid) im 
XV. 3af)rlmnbert eine ©eftalt unter biefer Schaar finbet, bie 
unantaftbar fdjctnt; bei weiterem (Saasen läuft man immer ©efafyr 
irgenb einer Säfterung ju begegnen, weldje, felbft wenn man fie 



0 Wtan überfefje ntdf)t, bajj biefetßen feEjr frü^ mit alten ©djolien unb 
neuen Kommentaren abgebrueft mürben. 



214 3)ie SBiebererroechmg be§ Stlterifjums. 



3. wbftbMtt. nidit glaubt, ba§ 33Ub trüben rairb. £)ie bieten untüchtigen 
lateinischen ®ebtd)te unb etma eine ^erfiftage ber eigenen ^amitie, 
ttüe j. 33. in ^ontano'3 £)ia(og „SlntoniuS" traten ba$ llebrige. 
£)a« XVI. 3al)rljunbert fannte biefe £eugniffe a ß e un ^ mv ^ er 
betreffenben äftenfdjengattung ofmefyin mübe geworben. (Sie mußte 
büßen für ba$ roa§ fie öerübt fjatre unb für ba§ Uebermaß ber 
©ettung, ba« if)r bisher ju Stfjetf geworben mar. 3fjr böfeS 
@d)icffat toottte es, baß ber größte £)id)ter ber Nation fid) über 
fie mit ruhiger foutoeräner 23erad)tung ausfpradj 1 ). 

93on ben Vorwürfen, bie fid] |e|t ju einem ©efammtroiber* 
raiUen fammetten, mar nur ju 23iete3 begrünbet. (Sin beftimmter, 
tenntlidjer 3ug jur ©tttenftrenge unb SMtgtofität mar unb büeb 
in mandjen Philologen tebenbtg, unb e§ ift ein S^en geringer 
tenntntß jener 3eit, menn mau bie ganje (Haffe üerurtf)eilt, aber 
23iele, unb barunter bie tauteften, roaren fdjutbig. 

©as man iijvcv T)rei £)inge erffären unb öermtnbern üiet(eid)t tt>re <Sdmtb : 
® cln,tt '' bie Uebermäßige, gtänjenbe $ermöt)mmg, menn baS ©tücf ifjnen 
günftig mar; bie ©arantielofigfeit ifyre3 äußern £)afein«, fo baß 
©tanj unb (£Ienb je nad) Saunen ber £>errn unb nad) ber 25oS* 
fyeit ber ©egner rafd) med)fetten; enblid) ber irremad)enbe (Sinftuß 
btg 5tltertt)um§. £)icfe« ftörte ifyre @ittüd)feit olme Urnen bie 
fetnige mitjuttjeifen; unb aud) in rcügiofen ©ingen mirfte es auf 
fie raefentttd) t>on fetner fceptifdien unb negatiöen (Seite, ba Don 
einer ^Inna^me beö pofitiben ©öttergtaubenS bod) nid)t bie 9?ebe 
fein fonnte. ©erabe roeil fie baS SHtertfjum bogmatifdj, b. f). at« 
SSorbitb altes ©enfenö unb ipanbeln« auffaßten, mußten fie f)ier 
in Sftadjtfjeil geraten. £)aß es aber ein 3af)rf)unbert gab, 
roetdjeS mit toofler (Sinfeitigfeit bie atte 2Mt unb beren §erüor* 
bringungen Vergötterte, ba« mar nid)t mein* @d)utb ©njelner 
fonbern Ijotjere gefd)td)tttd)e pgung. TOe $3t(bung ber feitfierigen 
unb fünfttgen Reiten beruht barauf, baß bieß gefdjefyen ift, unb 
baß eS bamatö fo ganj einfeitig unb mit gurücffefcung aüer 
anbern SebenSjroecfe gefdjefjen ift. 

3^r scbcnsifluf. £)er 8eben«tauf ber 'pumaniften mar in ber 9? eget ein foldjer, 
baß nur bie ftärfften ftttlidjen Naturen itjn burdjmadjen fonnten 
ofme ©ajaben ju nehmen. £)ie erfte ©efafyr fam biSroetfen roo^t 
Don ben @(tern ()er, me(d)e ben oft außerorbenttid) frü^ entmicfetten 



l ) Ariosto, Satira VII. 35om Sa^re 1531. 



SDie SBiebereraecJung be§ 21ltertlf)um3. 



215 



Knaben j^um Sunberfinb *) ausbildeten, im §inblicf auf eine fünf* 3 . mmnitt, 

tige (Stellung in jenem ©taube, ber bamalä Sltteö galt, äöunber* 

finber ober bleiben insgemein auf einer gewiffen @tufe fielen, 

ober fie müffen fid) bie weitere (Sntwicflung unb ©eltung unter 

ben allerbitterften Prüfungen erfämpfen. 51uo) für ben aufftre* 

benben Oüngling mar ber SRuhm unb ba« glänjenbe Auftreten 

be« £)umaniften eine gefährliche Socfung; e§ fam ihm bor, auch 

er fönne „megen angeborenen §od)finn8 bie gemeinen unb nie* 

„brigen ©inge mdjt mehr beachten" 2 ), unb fo [türmte man f ich ftt 

ein wed)feloofle8, aufreibenbeS ßeben rjineirt , in welchem ange* 

ftrengte ©tubien, £au§lebrerfd)aft, ©ecretariat, ^rofeffur, £)ienft* 

barfett bei dürften, töbtltd)e geinbfchaften unb ©efatjren, begeifterte 

33ewunberung unb Ueberfdjüttung mit £>olm, Ueberfluß unb 

taluth rotrr aufeinanber folgten. Sern gebiegenften SBiffen 

fonnte ber fladifte Dilettantismus bisweilen ben $?ang ablaufen. 

£>as £muptübel aber war, baß biefer ©taub mit einer feften 

£>eimath betnahe unoerträgtid) blieb, inbem er entweber ben Orts* 

werfet gerabe^u erforberte, ober ben üBienfdjen fo ftimmte, baß 

ihm nirgenbs lange mohl fein fonnte. 2öährenb er ber ^eute bcS 

Ortes fatt würbe unb im Söirbel ber geinbfd)aften ficf) übet be* 

fanb, oerlangten auch eben jene £eute ftets 92eueS (©. 165). 

©0 3#and)eS fjter aud) an bie griechifchen ©optjiften ber ®aifer* akt fl ieid)img 

geit erinnert, wie fie "^fjttoftratuö befdjretbt, fo ftanben biefe bod) beil ^J pWften< 

günftiger, inbem fie großenteils 9?eicf)thümer befaßen, ober leichter 

entbehrten unb überhaupt leichter lebten, weil fie nicht fowohl 

©elehrte als auSübenbe 33irtuofen ber SKebe waren, ©er £mmanift 

ber SRenatffance bagegen muß eine große (Srubition unb einen 

Strubel ber oerfchiebenften £agen unb 33efd)äftigungen ju tragen 

wiffen. £)a$u bann, um fid) $u betäuben, unorbentlicher ©euuß, 

unb, fobalb man ihm ohnehin jDaS ©d)limmfte jutraute, ©leid)* 

gültigfeit gegen alle fonft geltenbe 2ttoral. Dtym £od)tmtth finb 



J) ©otdje lommen mehrere »or, bodf) mufj icr) einen eigentlichen $8et»ei§ 
be§ ^ier ©efagten fc^nlbig bleiben. £)a3 SBunberfinb ©iulio ©ampagnola 
gehört nidf)t ben au§ (S^rget§ emporgetriebenen. SSgt. Scardeonius. de 
urb. Patav. antiq., bei Graev. thesaur. VI, III, Col. 276. — ©a§ 
Sßunberftnb ßecdjino 33rocci, ft. 1544 im 15. %a\)x, »gl. Trucchi, poesie 
ital, inedite III, p. 229. — 2Bie ber Sater be§ ©arbano ifjm moKte 
memoriam artiflcialem instillare unb tf)n fdjon al§ $inb in ber arabi= 
fct)en Slftrologie unternrieä, »gl. Cardanus, de propria vita, cap. 34. 

2) 2lu<3bru<f be3 Filippo Villani, Vite p. 5. bei einem folgen gtnlafj. 



216 2)ie SBtebererroecEung be3 Stltertfjumä. 



3. mmnitt. fotcfte (Sfjaractere öolfenbö nicf)t benfbar; fie bebürfen beffetben, 
fdjon um oben fdjwimmenb bleiben, imb bie mit bem £)aß 
abwedjfembe Vergötterung beftärft fie notljwenbig barin. (Sie 
finb bie auffaflenbften 23eifpiefe unb Opfer ber entfeffelnben 
©ubiectiöitat. 

?infia 8 frim £)ic ®(agen wie bie fatirifdjen ©djitberungen beginnen, wie 
xv. sabtt,.; fo mx fy ^ on ^ inbem j a ^ xv ^ m en ttt>tcS eftert Snbioibua* 
KSmu«, für jebe Slrt Don (Sefebrität ein beftimmter $o!jn a($ 
3uct)trutrje oorfyanben war. 3ubem lieferten ja bie Setreffenben 
fetber ba$ furdjtbarfte üDfateriat, wetdjeS man nur 51t bemühen 
brauste, ^oct) im XV. 3al)rf)unbert orbnet öatttfta 3ftantooano 
in ber Slufjäfyümg ber fieben Ungeheuer 1 ) bie £umaniften mit 
uiefen Stnbern unter ben Steifet: ©uperbia; er fdjitbert fie mit 
ifjrem £)ünfcl al« 2lpott§föf)ne, wie fie betroffenen unb matieiöfen 
2(u$fel)ett§ mit faffcf>er ®raoitat etnljerfdjreiten, bem förnerpiefenben 
träntet) toergteictjbar , batb t^ren ©Ratten betrad)tenb, ba(b in 
5et)renbe ©orge um 80b oerfunfen. Allein baS XVI. 3af)rf)Mtbert 
3m xvi.saw. madjte itmen förmüct) ben «ßroeeß. Slußer SWofto bezeugt Meß 
fjauptfäcrjticr) if)r Citerarfjiftorifer ©Uratbu«, beffen 2lbf)anbtung 2 ) 
fcf)on unter &o X. oerfaßt, wafyrf 4 einlief) aber um 1540 über* 
arbeitet würbe. Slntife unb moberne Sarnung§e^empet ber fitt* 
ticken £alt(ofigfeit unb beS jammeroollen Sebent ber Literaten 
ftrömen uns f)ier in gewaltiger «Waffe entgegen, unb bajwif djen 
werben fdjwere allgemeine Auflagen formuürt. ©iefelben lauten 
f)auptfäd)lid) auf Seibenfdjaftli^feit, (giteiett, ©tarrfinn, ©elbft* 
öergötterung, verfahrenes ^rioatleben, Unaudjt aller 2trt, ^efcerei, 
2ltf)eiSmuS, — bann 2Bot)trebenl)eit ofme Uebeqeugung, oerberb* 
liefen Einfluß auf bie Sabinete, ©pradjpebanterei, Unbant gegen 
bie l'efjrer, friecfjenbe <Sd)meicf)elei gegen bie dürften, weldje ben 
Literaten juerft anbeißen unb bann jungem raffen u. bgl. m. 
£>en @d)luß bittet eine ©emerfung über bas golbene Zeitalter, 
weites nämlief) bamals gel)errfd)t habe, als cS nod) feine Sßiffen* 
ftfjaft gab. Von biefen «lagen würbe batb eine bie gefäfjrlidjfte: 
bieienige auf te^erei, unb (StyralbuS felbft muß ftdj fpdter beim 
Sieberabbrucf einer oöllig fjarmtofen Ongcnbfctjrift 3 ) an ben 



!) Bapt. Mantuan., de calamitatibus temporum, L. I. 

2 ) Lii. Greg. Gyraldus : Progymnasma adversus literas et literatos. 

3) Lil. Greg. Gyraldus: Hercules. Sie äBtbtmmg tft ein fpredjenbeä 
iSenfmal ber erften brofjenben Regungen ber ftnquifttion. 



£>ie Sßieberertücchmg beä 2tltettf)um3. 217 



äftantet be§ ^erjogS ® rcote n - tion Setrara anftammern, weit 3. 9H>f<snftt. 
fd)on $eute ba« Söort führen, welche ftnben, bie 3eit wäre beffer 
an d)riftttd)e ®egenftänbe gewenbet worben ats an ntt)tf)otogifc^e 
gorfdjungen. (Sr giebt §u erwägen, bafc leitete im ©egenttjeit 
bei fo beferjaffenen Reiten faft ber etnjtge unfdjutbige, b. I). neu* 
träfe ©egenftanb geteerter ©arftettung feien. 

SBenn aber bte &ulturgefd)td)te nadj 2Iu$fagen fudjen Der* © a8 ungiüct 
pflichtet ift; in welchen neben ber «tage ba§ menfdjtidje mu ** *w« m - 
gefügt Dorwiegt, fo ift feine £)uette ju Dergleichen mit ber' oft 
erwähnten ©djrift be3 «ßterio Meriano „über baS llnglücf ber 
®elef)rten" *). @ie ift gefdjrieben unter bem büftern (Stnbrucf 
ber Skrwüfiung Don 9tom, toetetje mit bem Cammer, ben fie aud) 
über bie Oeleljrten braute, bem iöerfaffer wie ber Ibfdjluß eine« 
fd)on tange gegen biefetben wütfjenben böfen @d)tcffats erfdjeint. 
«qßterio folgt t)ter einer einfachen, im ©anjen richtigen (Smöfüt* 
Dung; er tfyttt nidt)t groß mit einem befonbern Dornefymen £)ämon, 
ber bie geiftreicfyen £eute wegen tfyrcS ®enieö Derfolge, fonbern 
er conftatirt baö ©efdjefjene, worin oft ber bto£e ungtüdtidje 
3ufatt ats entfd)eibenb Dorfömmt. (Sr wfinfcfjt feine £ragöbie $u 
fdjreiben ober SttteS aus I)öf>ern Sonfttcten fjerjuteiten, weftyatb 
er benn aud) 2lütäglid)eS Dorbringt. £>a lernen wir Seute fennen, 
wetaje bei unruhigen Reiten junädjft üjre einnahmen, bann aud) 
iljre «Stetten Dertieren, Seute, weldje swtfdjen jwet Slnfteüungen 
teer ausgeben, menfa^enfdjeue ®eijt)ätfe, bie i|r ®eto immer ein* 
genäl)t auf fictj tragen nnö nad) gefd)et)ener Beraubung im 
SBafynfinn fterben, Rubere, roeldje ^ßfrünben annehmen unb in 
melandjotifdiem £eimwef) nad) ber frühem greifyett bafyinftedjen. 
£)ann wirb ber früfye £ob Bieter burd) Bieber ober ^ßeft beftagt, 
wobei bie aufgearbeiteten @d)riften mitfammt Settjeug unb Kleibern 
Derbrannt werben; Rubere leben unb leiben unter 9)?orbbrof)ungen 
Don (Sottegen; Siefen unb 3enen morbet ein f)abfüd)tiger ©teuer, 
ober 23öfewicf)ter fangen if)n auf ber föetfe weg unb taffen it)tt 
in einem Werfer Derfd)mad)ten, weit er fein Söfegetb jagten fann. 
Üttandjen rafft geheimes £er$eteib, erlittene ^ränfung unb £urücf* 
fefcung batjtn; ein SSene^ianer fttrbt Dor ®ram, weit fein ©öimdjen, 
ein 2Öunberfinb, geftorben ift, unb bie Butter unb beren trüber 
folgen batb, als $öge baS tinb fie atte nad) fid). ^temtid) Dietc, 



1) De infelicitate literatorum. 



218 



Sie Sßiebererroecfung be§ 2Cttertf;utn€. 



3. 9ibf<»nitt. aumat gtorentiner, enben burdj @et6flmorb 4 ), anbete burd) 
t>cr Hefe« geheime Oufitj eine* £pranncn. SBer ift am (Snbe nod) glüdfidj? 

©efüfyle* gegen fofcfjen Cammer? (giner ber TOrebner be* 
£)ialoge3, in metdjeu ^ierio feine ©arftettung gefteibet I)at, meiß 
9?atl) in tiefen fragen; e* ift ber fyerrfidje ®a*paro Sontarini, 
unb fdjon bei Nennung biefe* tarnen« barf man erraarten, baß 
uns roemgften* (StroaS Don bem Refften unb 2Bal)rften mttgetljeitt 
merbe, mas ftdj bamat* barüber beuten Ref. Sit* 23itb eine* 
glücftidjen ©etefyrten erfdjeint ifjm $xa Urbano Meriano Pon 
$et(uno, ber in 23enebig lange $eti f)inburd) Sefjrer be* ®ried)i ; 
fdjen mar, ©riedjentanb unb ben Orient befudjte, nod) in fpaten 
3af>ren batb biefe* unb batb jene* 8anb burdjtief, ofjnc je ein 
£t)ier $u befteigen, nie einen geller für fid) befaß, atte @f)ren 
unb @tanbe*erpi)ungen jurüdmie* unb nad) einem tjeitern Itter 
im 84ften 3af)re ftarb ofyne, mit 2Iu8naf)me eine* ©turje* öon 
ber Setter, eine franfe ©tunbe gehabt ju tjaben. 2Ba* unterfdjieb 
Üm öon ben fntmaniften? £>iefe tjaben metir freien Sitten, metre 
toögebunbene ©ubjecttPität al* fie mit ©IM bemerken tonnen; 
©äs ©e 8 eutn(t> ber 23ettetmöna) bagegen, im Softer feit feinen Knaben jafjren, 

be« Summeen. ^ n{c nad) t ^ mm mkhm Qud) nur ^ 

genoffen unb empfanb be^alb ben Bmang nid)t metjr at* 3mang; 
fraft biefer ®emötmung führte er mitten in atten 33efd>merben ba* 
innerttd) ru^igfte Seben unb mirfte burd) biefen (Sinbrucf metjr auf 
feine 3ut)5r er ar* burd) f ein ®rted)if er. ; fie glaubten nunmehr über* 
jeugt $u fein, baß e* Pon un§ felbft abfange, ob mir im 9Wi^gefd)i(f 
jammern ober un*troften foltert, „bitten in £)ürf tigf eit unb Mfjen 
„mar er güteftid), mett er e* fein mottte, meit er nicfjt Permötjnt, nid)t 
,,pl)antaftifd), nid)t unbeftanbig unb ungenügfam mar, fonbern fid) 
„immer mit menig ober nid)t* aufrieben gab." — SBenn mir 
(Eontarini fetber tjörten, fo märe Pietteidit aud) nod) ein retigiöfe* 
3flotiP bem 33ilbe beigemifd)t; boct) ift fd)on ber practifdje $f)i* 
tofopt) in @anbaten fpredjenb unb bebeutfam genug, (Stnen Per* 
manbten (praeter in anbern Umgebungen Perrätb, aud) jener 
tsmo eaim. $abio (SatPi Pon 9faPenna 2 ), ber (SrHärer be* ^ippoerate*. (£r 
lebte bod)bejat)rt in 9rom bloß Pon trautem „mie einft bte 

!) ^teju »gl. fdjon Dante, Inferno, XIII. 

2 ) Coelii Calcagnini opera, ed. Basil. 1544, p. 101, im VII. öudjj 
ber ©piftetn. — $gl. Pierio Val. de inf. lit. 



Sie äßiebererroetfung be§ 2Utevtfjuttt§. 219 

„^ßptfyagoräer" unb betuofmte ein ©emäuer, ba$ Por ber gönne 3. mmmtt. 
bes £)iogeneö feinen großen SSorjug fjatte; Hon ber ^enfion, bie 
ifym ^ßapft 8eo bejahte, nafym er nnr ba§ 2ttlernötl)igfte unb gab 
ben 9?eft an Slnbere. @r blieb ntdjt gefimb tote §ra Urbano, 
audj war fein (Snbe fo, baf$ er raofyt fdjroerüd) im £obe getädjett 
fyaben mirb wie biefer, benn bei ber Sßermüftung üou SKom 
fdjteppten i|tt> ben faft neunzigjährigen (SreiS, bie ©panier fort 
in ber Slbfidjt, iljn ju ranjioniren, unb er ftarb an ben folgen 
beS junger« in einem ©pital. Slber fein 92ame ift in ba§ Üfeid) 
ber UnPergängüdjfeit gerettet, roett 9?afael ben Sitten wie einen 
SSater geüebt unb mie einen Sftetfter geehrt, toeil er ifyn in allen 
©ingen ju 9ktl)e gejogen t)atte. 33tetteicf)t bejog fiel) bie 23e* 
ratlmng PorjugSmeife auf jene antiquariidje ^Reftauration beß 
alten SRom (@. 147), üietteidjt aber aud) auf totet t)öi;ere 3Mnge. 
Ser fanu jagen, roie großen Sintbert gabio am ©ebanfen bet- 
aute teon Sitten unb anberer fyodjmidjtiger Sompofitionen 
^afael« gehabt fjat? 

®erne mochten mir l)ier mit einem anmutigen unb Perföljn* wonius 
lidjen Sebenöbitbe fcpeßen, etma mit bem be§ ^omponmS £aetu§, yac 11 ' 
menn un§ nur über biefen nod) etwa« mefyr als ber 33rief feine« 
©epterä ©abeütcuö *) ju (Gebote ftdnbe, im meinem 8aetu3 reo^t 
abfid)tttd) etma« antififirt mirb; bod) mögen einige 3«9 e barau« 
folgen. (Sr mar (@. 195) ein SSafiarb au§ bem $aufe ber nea* 
politanifdjen ©anfeP erinen, dürften öon ©aterno, mottte fie aber 
nid)t anerfennen unb fd)rieb ilmen auf bie (Sinlabung, bei ifynen 
ju leben, ba§ berühmte bittet: Pomponius Lsetus cognatis et 
propinquis suis salutem. Quod petitis fieri non potest. 
Valete. Sin unanfefynüdjeS 9Mnud)en mit fteinen lebhaften 
Slugen, in munberttdjer £rad)t, beroofynte er in ben legten Safyv* 
geljnben be« XV. 3af)rfjunberts, atö Seljrer an ber Uniöerfität 9?om, 
balb fein §äu«cf)en mit (garten auf bem (£«quiün, batb feine 
SSigne auf bem Ouirinat; bort jog er feine (Sitten u. a. Geflügel, 
bier baute er fein ©runbftücf burd)au§ nad) ben SSorfc^riften be3 
(£ato, $arro unb (Sotumefia; ftefttage ttübmete er brausen bem 
gtfd> unb Vogelfang, aud) mof)t bem ©elage im ©Ratten bei 
einer Quelle ober an ber £iber. 9?etd)tf)um unb Söofytfeben toer* 
adjtete er. 9?eib unb Uebelrebe mar nidjt in il>m unb er bulbete 

0 M. Ant. Sabellici opera, Epist. L. XI, fol. 50. SDaju bie be= 
tveffenbe 93iograpf)ie in ben Elogia be3 ^ßctoto ©iotüo. 



220 



Sie äöteberevroctfung be3 2ntertf)um3. 



3. aibfcbnitt. fie aud) in feiner Mfje nid)t ; nur gegen bie §terard)te ließ er fid) 
üBomvoniuä fef)r frei gefjen, tüte er benn aud), bie testen Otiten auggenommen, 
*****' als 23eräd)ter ber Religion überhaupt galt. 3n bie £umaniften* 
üerfotgung sßapft Haitis II. üerflodjten, mar er üon 33cnebig an 
tiefen ausgeliefert morben unb fyatte fid) burd) fein 2Jättel 
unmürbigen ®eftänbniffen bringen laffen; feitbem luben itnt 
Zapfte unb Prälaten ju ficf) ein unb unterführten ifyn, unb als 
in ben Unruhen unter Sixtus IV. fein £>auS gcptünbert mürbe, 
fteuerte man für ü)n metyr jufammen als er eingebüßt £)atte. 2llS 
£)ocent mar er gemiffenfyaft; fdjon bor £age fal) man ilnt mit 
feiner Saterne com ©Squitin fyerabfteigen , unb immer fanb er 
feinen §örfaal fdjon gebrctngt Doli; ba er im ©efpräd) ftotterte, 
fprad) er auf bem (Satfjeber befjutfam, aber bod) fdjön unb gteid)* 
mäßig. 2lud) feine wenigen ©djriften finb forgfältig abgefaßt. 
Sitte Stejrte befyanbelte deiner fo forgfältig unb fdjüdjtern, roie er 
benn audj uor anbern heften beS Slltertfjums feinen magren 
SKcfpect bemies, inbem er mie üer^ücft baftanb ober in £l)ränen 
ausbrad). ®a er bie eigenen ©tubien liegen ließ, menn er Slnbern 
beplfltd) fein tonnte, fo t)ing man itjm fetjr an, unb als er ftarb, 
fanbte fogar Kexanber VI. feine Höflinge, bie Setdje ju begleiten, 
meld)e öon ben bomefymften ^ufyörern getragen mürbe; ben @jce* 
quien in Straceli mofynten uierjig £Ufd)öfe unb alle fremben 
©efanbten bei. 

öaetuS tjatte bie 2luffüijrungen antifer, fyauptfädjlid) plautini* 
römi,-d,e9icabemic.^ er @ tü( f e in ^ om aiI f g ebrad)t unb geleitet (@. 199). 2lud) 
feierte er ben ®rünbungstag ber @tabt aCtjätjrücf) mit einem gefte, 
mobei feine greunbe unb ©djüler 9?eben unb ®ebid)te üortrugen. 
33ei btefen beiben £auptantäffen bttbete fidf) unb blieb bann aud) 
fpäter beifammen mas man bie römifdje SIcabemie nannte. SDte* 
felbe mar burdjaus nur ein freier herein unb an fein fefteS 
Snftitut gefnüpft; außer jenen ©etegenfyeiten fam fie pfammen 
menn ein Bonner fie eintub ober menn baS ©ebädjtniß eines 
beworbenen üDfttgltebes j. 33. beS ^latina gefeiert mürbe. 35or* 
mittags pflegte bann ein Arafat, ber baju gehörte, ein 3fteffe ju 
lefen; barauf betrat etma ^omponio bie Äanjet unb fyiett bie 
betreffenbe föebe; nad) ifym ftieg ein Ruberer hinauf unb recitirte 
£)iftid)en. £)er obligate «Sarnaus mit ©isputationen unb SReci* 
tationett befditoß Trauer* mie greubenfefte unb bie Slcabemifer, 

i) Jac. Volaterran. Diar. Eom. bei Murat XXIII. Col. 161. 171. 185. 
— Anecdota liter. II, p. 168, s. 



Sie SBiebererroechmg be3 2lttertl|um§. 



221 



3. 23. gerabe ^tatina fetOer, galten fdjon früfj atö ^einfdjmecfer 3 . wbfa>mtt. 

SInbere 3ttale führten einjetne ®äfte aud) Farcen im ©efdjmact 

ber Stteltanen auf. 2113 freier herein üon fel)r manbetbarem 

Umfang bauerte biefe Stcabemie in ifyrer urfprüngtidjcn 2irt weiter 

biß auf bie Serroüftung SKotuS unb erfreute fid) ber ©aftlid)ieit 

eines SlngetuS Eotoccutg, eines 3ol). (Sozius (®. 210) u. a. 

Sie tjod) fic für baS ©eifteSteben ber Nation ju werten ift, 

läßt fid) fo wenig genau beftimmen ats bei irgenb einer gefettigen 

Sßerbinbung biefer 2lrt; immerhin rennet fie fetbft ein ©aboteto 2 ) 

in ben beften Erinnerungen feiner 3ugenb. — Eine ganje <yn3a[)l5i»f«c Obernien. 

anberer habenden entftanben unb Vergingen in Derfdjiebenen 

(Stäbten, je nad)bem bie 3at)t unb ©ebeutung ber anfäffigen 

£umaniften ober bie ©önnerfdjaft öon SReidjen unb ®rof?en es 

mögtid) machte. @o bie Slcabemie öon Neapel, tnetdje fid) um 

3ot>ianuS ^ontanuö ucrfammelte unb oon metdjer ein £l)ei( nad) 

Öecce überficöette 3 ), biejenige Don ^ßorbenone, melcfye ben £>of beS 

gekernt Sttüiano bitbete u. f. m. 23on berjenigen beö Sobobico 

3ftoro unb itjrer etgentf)ümlicf)en 33ebeutung für ben Umgang beS 

dürften ift bereits (@. 33) bie SRebe getüefen. 

(Segen bie üftitte beS XVI. Saljrfjunberts fct)etnt eine poü*£even3tanrmin 0 . 
ftdnbige Umroanbfung mit biefen Vereinen vorgegangen 3U fein. 
£)ie £mmaniften, aud) fonft aus ber gebietenben Stellung im Seben 
uerbrängt unb ber beginncnben Gegenreformation Dbjecte beS 
23erbad)teS, nertteren bie Leitung ber Slcabemien, unb bie itatienifdje 
•jßoefie tritt aud) f)ier an bie ©tette ber tateinifdjen. 23alD I)at 
jebe irgenb beträd)ttid)e ©tabt tfyre Stcabemie mit mögtid)ft lujar* 
rem tarnen 4 ) unb mit eigenem, burdj iöeiträge unb 3Sermäa)tniffe 
gebitbetem SSermögen. Sturer bem 9?ecitiren bon Herfen ift aus 
ber frühem, tateintfdjen Seit fjerübergenommen baS pertobifdje 
©aftmaljt unb bie Stuffüfyrung t>on £)ramen, tf)eits burd) bie 
Slcabemifer fetbft, tfyeits unter tfjrer 2(uffid)t burd) junge i'eute 
unb balb burd) bejabtte @d)aufpieter. £>as @d)icffat beS hatte* 
nifdjen SHjeaterS, fpäter aud) ber Oper, ift fange ^cit in ben 
^änben biefer Vereine geblieben. 

1) Paul. Jov. de romanis piscibus, cap. 17 unb 34. 

2) Sadoleti Epist. 106, üotn 3- 1529. 

3) Anton. Galatei epist. 10 unb 12, bei Mai, Spicileg, rom. 
vol. VIII. 

4 ) ©iefeä fdjon uor ber SJiitte be§ %al)xf). S?gl. Lil. Greg. Gyraldus, 
de poetis nostri temp. II. 



Vierter 9lbf*nitt. 



Die äEutkdmnj bei* UDelt unb be# Jltftfd)m 

4. wftititt. jjfrei bort jat)((ofen ©fronten, bie anberwärts ben fyortfd^ritt 
hemmten, inbtoibuett fjodf) ettttrtdelt unb burdj ba§ SlTterttjum ge= 
fdjutt, noenbet fidj ber itatienifcfje ®eift auf bte ©ntbetfung ber 
äußern SßJett unb wagt fid) an beren £>arfteüung in 2Öort unb 
$orm. 2Bie bte Äunft biefe Stufgabe löste, wirb anberSiuo erjäfjtt 
roerben. 

stoien lieber bte 9?etfen ber Italiener nadj fernen Settgegenben ift 
tev staiiener. ung ^ er nur e { ne a fjg emc i ne 33emerfung geftattet. £)ie ®reu^üge 

Ratten allen Europäern bte gerne geöffnet unb überaß ben aben* 
teuernben SBanbertrieb geraedt. (£8 lütrb immer fdjtuer fein, ben 
^ßunet anzugeben, roo berfetbe fic£> mit bem SBiffenSbrang ber* 
binbet ober botlenbs beffen Liener trjirb; am frühsten unb doli* 
ftänbigften aber ift bieft bei ben Italienern gefdjefjen. ©djon an 
ben ^reujjügen fetbft Ratten fie fid) in einem anbern ©inne be* 
tfjeittgt als bie übrigen, weil fie bereits flotten unb £)anbetsintes 
reffen im Orient befafjen; bon jefyer tjatte baS üMttetmeer feine 
Inroofmer anberS erlogen als baS £3innentanb bie feinigen, unb 
Abenteurer im norbifdjen ©inne fonnten bie Italiener nadi ifyrer 
9?aturanlage überhaupt nie fein. 2118 fie nun in allen öftlid)en 
§äfcn beS SJättelmeereS fjeimifd) getuorben tuaren, gefdjal) es leidjt, 
bat) fidi bie Unterncfjmenbften bem ganbiofen motjammebanifdjen 
Sanberleben, tueldjes bort ausmünbete, anfdjtoffeu; eine ganje 



Sie ©ntbecfung ber SBett unb be§ 9Jtenfd)en. 



223 



grofte (Seite ber (Srbe tag bann gtetdjfam fdjort entbecit bor ifynen. *• wf*«<tt. 
Ober fie gerieten, tüte bie *>ßolo bon ^ßenebtg, in bte Söetlen* 
Imlage ber mongoftfdjen SBett fyinein unb würben weiter getragen 
big an bie ©tufen beS SljroneS beö ©rof$d)an$. f^rüfje finben 
wir einzelne Italiener aud) fdjon im atfanttfcfjen Speere aU SDfjetfc 
neunter bon (Sntbecfungen, tute benn 3. 33. ©enuefen im XIII. Qafyx* 
fyunbert bereit« bie canarifdjen 3nfefrt fanben 1 ); in bemfelben 
3af)re, 1291, ba ^totemais, ber te^te 9?eft beS djriftlidjen ©ften«, 
bertoren ging, madjten wieberum ©ettuefen bett erften bekannten 
33erfudt) jur (ümtbecfung eines ©eewegeS nad) Ofttnbien 2 ); SoütmbuS 
ift nur ber ©röjjte einer ganjen 9?etf)e öon Staftenem, wetdjc im 
©ienfte ber 2Beftüö(fer in ferne Speere fuhren. 9?un ift aber 
ber wafyre (Sntbecfer nid)t ber, weiter jufäüig juerft irgenbwofyin 
gerate, fonbern ber, welcher gefud)t Ijat unb finbet; ein folajer 
atiein wirb aud) im ,3ufammenf)ange fielen mit bett ©ebanfen 
unb Sutereffcn feiner Vorgänger, unb bie Dfedjenfdjaft, bie er ab* 
legt, tuirb banad) befcfyaffen fein. ©epatb werben bie Italiener, 
aud) wenn ifynen jebe einzelne Priorität ber Munft an biefem 
ober jenem ©tranbe abgeftritten tuürbe, bod) immer baS moberne 
(äntbecferöolf im Uorjuggtuetfen ©inne für baS gan^e ©pätmittel* 
alter bleiben. 

£>ie nähere 23egrünbung biefeß ©a^eS gehört ber Special 
gefdjtdjte ber (Sntbecfungen an. 3mmer bon Beuern aber tuenbet 
ftd) bte SSetuunberung ber etjrtuürbigen ®efta(t be§ großen ®e* cotum*«». 
nuefen ju, ber einen neuen kontinent ienfeits ber Söaffer forberte, 
fudjte unb fanb, unb ber e$ juerft au§fpred)en burfte: il mondo 
e poco, bie @rbe ift nid)t fo grof; als man glaubt. Säfyrenfc 
©panten ben Italienern einen 2I(ejanber VI. fenbet, giebt Italien 
ben Spaniern ben Solumbu«; wenige SBodjen uor bem £obe 
jenes ^apfteS (7. 3uü 1503) batirt biefer aus Oamatca feinen 
fyerrtfdjen -©rief an bie unbanfbaren fatfyotifdjen Könige, ben bte 
gattje üftadjwelt nie tuirb olme bie ftärffte Erregung tefen tonnen. 
-3n einem Sobicitt §u feinem £eftamente, batirt ju SBaUabolib, 
4. 3JM 1506, uermadjt er „feiner geliebten ^eimatl), ber SRepubltf 



!) Luigi Bossi, Vita di Cristoforo Colombo, mo fid) eine Uet>erfid£»t 
ber frühem itaL Reifen unb ©ntbeefungen finbet, p. 91. s. 

2 ) Querüber eine 2lbf)anbtung con tyex%. ©ine ungenügenbe Äunbe 
baoon fcfjon bei 2teno§ ©nluiuö, Europae Status sub Friderico III. Imp. 
cap. 44. (U. a. in gre^erä Scriptores, 2üugg. v. 1624, Vol. II, p. 87). 



224 



Sie ©ntbecfung ber SBelt unb be3 9Jlenjd(jen. 



4. w>mmtt. „®enua / ba§ ©ebetbud), roeldje« iljm ^apft Slte^anber gefdjenft, 
„unb tDcldje* ifym in Werfer, tampf unb Söiberroärtigfeiten jum 
„Ijödjften £rofte gereicht fyatte". @8 tft at« ob bamit auf ben 
fürd)terüd)en tarnen 33orgta ein te^ter ©djimmer Pon ®nabc 
unb ®üte fiele. 

ßpe.mc 9 mvhif*c @benfo tote bie ®efd)id)te ber Reifen bürfen mir aitdj bie 
senbcnj. Grntuncftung beö geograpfyifdjen ©arftefleng bei ben Italienern, 
ifircn SCrtt^ett an ber (5o§mograpI)ie, nur furj berühren. @d)on 
eine flüchtige 23ergteid)img iljrer Seiftungen mit benjenigen anberer 
SSötfer jeigt eine frül)e unb augenfällige Ueberlegenljeit. 2Bo 
l)ätte fid) um Die äftitte be§ XV. Safyrfyunbert« aufcertjatb Statten« 
eine fotdje 33erbtnbung beS geograpf)ifd)en, ftatiftifcfyen unb l)ifto* 

«enca* SDtmu«. rifdjen 3ntereffe§ gefunben wie in SteneaS @t)totu8? tro eine fo 
gleichmäßig auSgebitbete £)arftetlung? 9ltd)t nur in feiner eigenttid) 
coSmograpfyifdjen Hauptarbeit fonbern aud) in feinen Briefen unb 
(Sommentarien fdjilbert er mit gleicher 3Sirtuofität ßanbfdjaften, 
©täbte, «Sitten, ©eroerbe unb (Srträgniffe, potitifdje .guftänbe unb 
33erfaffungen, fobalb iljm bie eigene 2Bai)rnet)mung ober tebenbige 
tunbe ju ©ebote ftet)t ; ma§ er nur nad) 33üd)ern befd)reibt, ift 
natürlich geringer. @d)on bie furje ©fi^je ') jenes turotifdien 
SUpentfyaleS, wo er burd) griebridj III. eine ^ßfrünbe befommen 
fyatte, berührt alte raefentttdjen £eben3bejiel)ungen unb jeigt eine 
®abe unb 9ttct[)obe beö objectiüen 23eobad)ten§ unb 23ergleidjen«, 
wie fie nur ein burd) bie Sitten gebilbeter 8anb§mann be« (Sotum* 
bu§ befi^en fonnte. £aufenbe fafyen unb raupten tüenigftenS 
ftücfroeife, was er mußte, aber fie Rattert feinen ©rang, ein 33itb 
bation §u entwerfen, unb fein #3erouj3tfein, baf? bie Söett fötale 
■Silber verlange. 

SBe*fei»wun 0 ^ in (5oSmograp{)ie 2 ) wirb man umfonft genau ju 
»on gnbecfung fonbern fud)en, wie biet bem ©tubium ber Sitten, tute tiiet bem 
uns S8ef^eibun 9 . clgcn ^ ümt{ ^ w ber ^ tü{kmv au f bie guttun 8 $u fd)reiben 

1) Pii II. comment. L. I. p. 14. — SDafj er nidf)t immer ridjtig 
beobachtete unb biärceiten ba§ 23ilb ttuülürttdf) ergänzte, geigt ung g. 33. 
feine SBefdjreibung Safelä nur gu Etar. 8 m ©angen bleibt if>m bocf) ein 
fjofier Sßertf). 

2) $m XVI. Sat)rf). tjtelt fidf) Italien noä) lange al§ bie uorgug§rcetfe 
£eimatt) ber coämograpljtfcfjen Siteratur, at3 bie ©ntbecfer felbft fcfjon faft 
nur ben atlantifdjen SßöHern angehörten. 3)ie etntjeitnifcJje ©eograptjie 
^at gegen Sölitte beö Saf)rf). ba§ grofie unb fe^r achtung^merthe SBert be§ 
Seanbro 2((bertt : Descrizione di tutta l'Italia aufgurceifen. 



®ie ©ntbecftmg ber SBelt unb beä 2Jietifdf)en. 



225 



fei. Sie beobachten unb beljanbeln bie £)inge biefer SÖelt objec* 4, «tf^witt. 

tit) noch betmr fie bie Sitten genauer femten, tuet! fie felber nod) 

ein t)atbantife§ 23otf finb unb tneil ihr potttif(f»er ^uftanb fie 

baju vorbereitet; fie mürben aber nid)t ju foldjer rafdjen 9?eife 

barin gelangt fein, f)dtten ihnen ntct)t bie alten ©eograpfyen ben 

Seg gemiefen. ©ans unberechenbar tft enblid) bte (Sinmirfung 

ber fdjon tiortjanbenen ttatienifdjen (SoSmograpl)ien auf ©eift unb 

Senbenj ber SKeifenben, ber (Entbecfer. Sind) ber bitettanttfche 

Bearbeiter einer Sßiffenfdjaft, roenn mir 5. B. im tiorliegenben 

gafl ben Slenea« @t)lüiu8 fo niebrig tariren motten, fann gerabe 

biejentge 2lrt üon allgemeinem 3ntereffe für bte ©adje tierbreiten, 

ruelct)e für neue Unternehmer ben unentb ehrlichen neuen Boben 

einer hcrrfchenben Meinung, eine« günftigen 23orurtheit3 bilbet. 

Sahre (Sntbecfer in aßen fächern miffen recht mohl ma§ fie 

fotchcn Vermittlern uerbanfen. 

gür bie (Stellung ber 3tattcner im Bereich ber ^aturrotffen* SJntttrwiffen» 
fchaften müffen mir auf bie befonbern Fachbücher bermeifen, toon fd ' aften - 
melchcn uns nur baö offenbar fehr flüchtige unb abfpredjenbe 
SBert Sibrt'S befannt tft. *) ©er Streit über Priorität gemtffer 
einzelner ©ntbecfungen berührt un« um fo mentger, ba mir ber 
Inficht finb, bafs in jeber £eit unb in jebem (Sutturbolfe rnög* 
üchermeife ein SCRenfd) aufftchen fann, ber fich, öon fein* metfeiger 
SSorbitbung au§get)enb, au« unmiberftehlichem ©ränge ber (Smpirie 
in bte Sinne mtrft unb bermöge angeborner Begabung bie er= 
ftauntichften gortfehritte macht. Sold)c Männer maren ©erbert 
bon 9if)eitnö unb SKogerBacon; bafi fie fich öberbte^ be§ ganjen 
Riffen« ihrer 3eit in ihren gädjern bemäd)tigten, mar bann 
bloße nothmenbige Sonfequcnj ihres Streben«. Sobalb einmal 
bie allgemeine §ütle be« 2öaf)n« burchgeriffen, bie tnedjtfchaft 
unter ber £rabition unb ben Büchern, bte (Scheu bor ber 9?atur 
übermunben mar, lagen bte Probleme maffenroeife bor ihren Sud) tun a auf 
Slugen. (Sin anbere« ift e* aber menn einem ganzen 23olfe baö bic (Smpide - 
Betrad)ten unb (£rforfd)en ber 9?atur borsugsmeife unb früher 
als anbern Golfern eigen ift, menn alfo ber (Sntbecfer nicht be* 
broht unb tobtgefchmiegen roirb, fonbern auf ba« Entgegen» 
fommen bermanbter ©eifter rechnen fann. ©aft btefs fid) in 



J ) Libri, Histoire des sciences mathematiques en Italie, IV vols., 
Paris 1838. 

35urcfKut)t, ßultur itt SJtenatffance. 1 5 



226 Sie @ntbetfung ber SDBelt unb be<§ 3Jtenfd&en. 



4. aibfc&nttt. Statten fo Debatten fyabe, wirb üerjtdjert. ') ^idjt otme @totj 
Verfölgen bie itaiienifdjen 9^aturforfd)er in ber £>iotna (£ommebia 
bie Beweife unb 2Inttänge öon £)ante'8 empirtfdjer 9?atur* 
forfdjung. 2 ) Ueber bte einjetnen (Sntbecfungen ober Prioritäten 
ber (Srroäfynung, bie fie ifym beilegen, Ijaben wir fein Urtljeit, 
aber jebem ßaien muß bie güUe ber Betrachtung ber äußern 
SBelt auffallen, inetctje fd)on au« £)ante'8 Bitbern unb Ber* 
gteid)ungen fpridjt. SJJetjr at8 wofyl irgenb ein neuerer £)icr)ter 
entnimmt er fie ber SQBirfftdjfeit, fei es Statur ober üftenfdjen* 
leben, brauet fie aud) nie als bloßen ©djmucf, fonbern um bie 
mögltd)ft abäquate BorfteÜung öon bem ju erwecfen, wag er ju 
jagen tjat. 81(8 fpecietter ©ctefyrter tritt er bann öorjüglid) in 
ber Stftronomie auf, tuenngteid) nid)t ju berfennen ift, baß 
«populäre manche aftronomifd)e ©tette in bem großen ©ebidjte, bie un8 je£t 
©tcmfunbc. g e ( e ^ r t erfdjeint, bamal8 allgemein üerftänbtid) gewefen fein muß. 
©ante apetlirt, abgefeiert toon feiner ©elet)rfamfeit, au eine po-- 
putäre §immel8fuube, welche bie bamaügen Italiener, fd)on at8 
©eefatjrer, mit ben Sttten gemein Ratten. £)iefe Äenntniß be8 
2lufgange8 unb 9?iebergange8 ber ©ternbilber ift für bie neuere 
Seit bura) Ufyren unb ®a(enbcr entbefjrtid) geworben, unb mit 
i()r ging oertoren wa8 ftd) fonft öon aftronomtfdjem Ontereffe im 
Botfe entwicfelt fjatte. Gegenwärtig fcljft e8 nid)t an £mnb* 
büdjern unb ®t)mnafiatunterrid)t, unb jebeö Äinb weiß, baß bte 
(Srbe fid) um bie @onne bewegt, wa8 ©ante nid)t wußte, aber 
bie ££)eilnaf)me an ber @ad)e ift ber uoüfommenften ©teidjgültig* 
feit gewichen, mit Slusnafyme ber $ad)Ieute. 

£)ie 3öat)nmiffenfd)aft, wetdje fid) an bie ©terne fjhtg, be* 
wei8t ttictjtö gegen ben empirifd)en @inn ber bamaügen Italiener; 
berfetbe würbe nur burdjfreujt unb übersättigt burefy bie Reiben* 
fdjaft, ben heftigen 2öunfd) bie Sufunft ju wiffen. 2lud) wirb 
öon ber 2tftrotogie bei 2tntaß be8 fitttid)en unb regiofen St)araf- 
ter8 ber Nation ju reben fein, 
einnüf^ung ®ie »ar gegen biefe unb anbere fatfd)e Söiffcnfdjaften 

ber Äirdx, | a p immer tolerant unb aud) gegen bie edjte Sßaturforfdjung fdjritt 



1) Um I)ter ju einem bünbtgen Urteil gu gelangen , muffte ba3 3"= 
nehmen be§ ©atnmelnö non Beobachtungen, getrennt von ben roefentlidj 
mat^entatifdien SBiffenfd&aften , conftatirt roerben, n>a§ unfere ©adje 
ntdjt ift. 

2 ) Libri, a. a. D. II, p. 174, s. 



Sie @nibecfung ber 3Mt unb be§ 3Jienfdjen. 



227 



fte roof)l nur bann ein, wenn bie SInflage — wafyr ober unwatyr ai&fcfrtütt. 
— jugletc^ auf tefcerei unb ^ecromantie lautete, WaS benn 
allerbings gtemlid) nat)e lag. £)er ^mtft, auf welchen es an* 
fömmt, wäre: gu ermitteln, ob unb in weldjen gäüen bie bonü* 
nicanifdjen Snquifttoren (unb mof)l aud) bie granciSfaner) in 
Statten fidj ber galfdjf)cit biefer Slnflagen bewußt waren unb 
bennod) Derurtfyeilten, fei eS aus (SonuiDeng gegen fteinbe beS 
^öetreffenben, ober aus fttllem £afe gegen bie 9laturbeobad)tung 
überhaupt unb befonbers gegen bie (Experimente. £e£tereS wirb 
wot)l Dorgefommen aber faum je gu bewetfcn fein. SBaS im 
Horben foldje Verfolgungen mit Deranlaffen mod)te, ber 2öibcr* 
ftanb beö Don ben (Sdjolaftifern recipirten, officieüen «Suterns ber 
^aturfunbe gegen bie teuerer als fötale, möchte für Statten 
weniger ober aud) gar nid)t in 33etrad)t fommen. ^ßtetro t»on 
SIbano (gu Anfang bes XIV. SaljrfyunbertS) fiet notorifd) als 
Opfer bes collegtalifdjen Leibes eine« anbern SlrgteS, ber ifjn bei 
ber Snquifition wegen SrrglaubenS unb 3auberei Deillagte, *) 
unb aud) bei feinem pabuanifdjen 3eitgenoffen ©ioDannino @an* 
guinacci wirb man etwas 2lel)nlid)eS Dermutfyen bürfen, ba ber* 
felbe als Slrjt ein practifd)er teuerer war; berfelbe tarn mit 
bloßer Verbannung baüon. ©nbttd) ift nidjt gu üergeffen, bafc 
bie 9ttad)t ber SDominicaner als Snquifitoren in Statten weniger 
gleidjmä'feig geübt werben fonnte als im Horben; ^rannen fo* 
wol)l als freie Staaten geigten bisweilen im XIV. Sai)rl)unbert 
ber gangen (Slerifei eine foldje Veraditung, baß nod) gang anbere 
©inge als btoße 9fcaturforjd)ung ungealmbet burdjgingen. 211s 
aber mit bem XV. Sat)rt)unbert baS 2tttertf)um mächtig in ben 
Vorbergrunb trat, war bie in« alte «Softem gelegte 33refd)e eine niämu *- 
gemeinfame gu ©unften jeber 2lrt profanen gorfdjens, nur ba§ 
allerbings ber Humanismus bie beften Gräfte an fid) gog unb 
aud) wofjt ber empirifdjen ^aturfunbe (gintrag tfyat. 2 ) #ie unb 
ba erroadjt bagwifdjen immer wieber bie Snquifition unb ftraft 
ober oerbrcnnt Slergte als Säftcrcr unb SRecromanteit, wobei nie 

') Scardeonius, de urb. Patav. antiq., in Graevii Thesaur. ant. Ital. 
Tom. VI. pars III. 

2 ) ©. bie übertriebenen klagen Sibrt'ö , a. 0. D. II, p. 258, s. ©0 
ferjr e3 ju bebauern fein mag, ba^ ba3 b>d)begabte SSolf ttictjt einen 
gröftern Xfyil [einer Äraft auf bie -Jlaiurttriffenfdjaften raanbte, fo glauben 
nur bodj), bafc baffelbe nod; »tätigere 3iele t)atte unb tljetlnjetfe erreichte. 



15* 



228 



Sie ©ntbetfung ber SEÖeit tmb be§ 2Jienfd£)en. 



4. aibf dmm. fid> er ju ermitteln ift, meldjes baS roaljre, tteffte S^ottt» ber 23er* 
urtfyeilung gemefen. -Set alle bem ftanb Statten ju Gsnbe beS 
XV. Safyrljunbcrts mit $aolo Stoöcancfii, £uca ^accioüi unb 
Sionarbo ba 23inci in SWot^ematif unb ^aturraiffenfdjaften oluie 
allen Bergteid) als baS erfte SBolf (Suropa'S ba unb bie ©elefyrten 
alter Sauber befannten fidt) als feine @d)üler, aud) SRegiomon* 
tamtS unb (üopernicuS. £>iefer 9?ul)m überlebte fogar bie ©egen* 
reformatton unb nod) bis tjeute mürben bie Statiener f)ter in ber 
erften SReitje ftefyen, menn nid)t getualtfam bafür geforgt märe, 
baß bie tüajtigften ©eifter unb bie ruhige gorfdjuttg ftdj nidjt 
mefjr jufammenfinben. 

(Sin bebeutfamer SBtuI für bie allgemeine Verbreitung beS 

©ommiutißen. na tu r gefd)td)ttic^en Ontcrcffc« liegt audj in bem früf) geäußerten 
«Sammterfinn, ber üergleidjenben Betrachtung ber ^flan^en unb 
Spiere. Statten rütnnt ftdj junädjft ber frfifjfien botanifdjen 
©arten, bod) mag t)ier ber practifdje &totd überwogen fyaben 
unb fetbft bie Priorität ftreitig fein. Ungteid) tüidjtiger ift es, 
baß dürften unb reiche ^ßrtoatteute bei ber Anlage ttjrer Suftgärten 
Don fetbft auf baS ©ammeln möglidjft lüeter Perfdjiebenen 
^flan^en unb ©pecieS unb Varietäten berfelben gerieten. <So 
mirb uns im XV. Satjrfjunbert ber prächtige ©arten ber üD?ebi= 
ceifd)en Bitla Sarregi beinahe mie ein bctantfdjer ©arten ge= 
fdjilbert, ») mit gafjllofen einzelnen ©attungen öon Bäumen unb 
<Sträud)ern. <So im Beginn beS XVI. Satyr tyunberts eine Bitla 
beS (Sarbinat Strtulgto in ber römifetyen (Sampagna, 2 ) gegen £iöoli 
tytn, mit ^eefen öon öerfctyiebenen 9?ofengattmtgen, mit Bäumen 
aller 2lrt, worunter bie grudjtbäume in alten möglictyen Barie* 
täten; enblid) $roan$tg SKebengattungen unb ein großer ®üctyen* 
garten. £)ier tyanbelt es fiety offenbar um etraaS Ruberes als um 
ein paar £)u£enb allbef'annte ^ebiciuatpflangen, mie fie burety 
baS gan$e Slbenblanb in feinem @d)loß* ober ^loftergarten fehlten; 
neben einer l)öd)ft Perfeinerten (Suttur beS StafelobfteS jeigt fid) 
ein Sntereffe für bie ^flan^e als foldje, um ttyreS mertmürbigen 
SlnblicfcS mieten. ®ie ßunftgefdjidjte belehrt uns barüber, wie 



!) Alexandri Braccii descriptio horti Laurentii Med., abgebrueft 
u. a. al§ Seilage 9tr. 58 3to§coe'3 Seben be§ Sorenjo. 2tud£) in ben 
Seilagen §u $abtoni'3 öaurentiuä. 

2 ) Mondanarii villa, abgebrüht in ben Poemata aliquot insignia 
illustr. poetar. recent. 



SDie ©ntbecfung ber 2Mt unb be§ aftenfdjen. 



229 



fpät erft bie ©arten fidj üon bicfer ©ammtertuft befreiten, um 4. Mbfdmftt. 
fortan einer großen ard)itectomfa>ma(ertfcf)ett SInfage 311 Dienen. 

2lud) bag Unterhatten frember Stetere ift gemifj nid)t ohne grembe Spiere. 
3ufamntenl)ang mit einem fjöljertt Ontereffe ber Beobachtung ju 
beulen, ©er teilte Transport aus ben fübttchen unb öfttiajen 
£äfen be$ TOtctmeereS unb bte @unft be« italienifdjeu Klimas 
matten e§ mögtid) bie mädjtigften Siliere be§ ©üben« ankaufen 
ober öon ben «Sultanen alö ©efdjenf anzunehmen. *) $or Slüem 
hielten ©täbte unb dürften gern lebenbige Söroen, auch ttenn 
ber Sötne nia)t gerabe baS 2Bappentf)ier war nne in gtorenj. 2 ) 
£)ie £örcengruben befanben fich in ober bei ben @taat§patäften, 
fo in Perugia unb in fttorenj; biejenige in SKom lag am Abhang 
be§ Sapitots. £)iefe STJjiere bienten nämlid) Möroetten a(S 23oü% 
ftreefer potitifd)er Urthette 3 ) unb hielten mohl auch fonft einen 
gemiffen @d)recfen unter bem 33oIfe wach, derbem gatt ihr 
Verhaften at« oorbebeutungSboH; namentlich mar ihre $rucf)t= 
barfeit ein Reichen allgemeinen (Sebexens, unb auch ®iotmnni 
23tuani uerfchmäht e« ntd)t anpmerfen, baß er bei einem 2Burf ber 
Söroin zugegen gewefen. 4 ) Die Hungen pflegte man 311m Ztyii 
an befreunbete @täbte unb STuranncn 3U üerfdjenfen, aud) an 



J ) &er S^tergarten mm Palermo unter §einrid) VI, Otto de S. Blasio 
ad a. 1194. 

2 ) 2lt§ folget Ijetfjt er hier, gemalt ober in (Stein gehauen, marzoeco. 
— 3n Pf<* unterhielt man 2tbler, »gl. bie 2tu§leger gu Dante, Inferno 
XXXIII, 22. 

3 ) ©. bas> ©jeerpt au§ Aegid. Viterb. bei ^iapencorbt, ©efd). ber 
©tabt 3tom im Mittelalter, ©. 367, 2tnm. mit einem ©reigntfj von 1328. 
— ■ kämpfe ber milben %f)kxe unter einanber unb gegen £>unbe bienten 
bei großen Slnläfjen jur Seluftigung be§ Solfe§. Seim ©mpfang Siuä II. 
unb be3 fäaUaföo Maria ©forja ju $loreng 1459 liefe man auf bem 
©ignorenplafc in einem gefdjloffenen 3taum ©tiere, Sferbe, ©ber, £mnbe, 
Söroen unb eine ©irafe jufammen auftreten, aber bie Söroen legten fidj 
hin unb roollten bie anbern %f)hte nid)t angreifen. Sgl. Ricordi di 
Firenze, ßer. ital. scriptt. ex florent. codd. T. II, Col. 741. Stbroeicrjenb 
hieoon Vita Pii II, Murat. III, H, Col. 976. ©ine groeite ©irafe fdjenfte 
fpäter ber MameluJenfultan $at)tbeq an Sorengo magnifico. Sgl. Paul. 
Jov. Vita Leonis X, L. I. ©onft toar r>on ber Menagerie Sorenjo'3 
befonberä ein prächtiger Söroe berühmt, beffen 3 er fTeifct)urig buref) bie 
anbern Söroen als Sorjetdjen von Soren^o'g £obe galt. 

4 ) Gio. Villani X, 185. XI, 66. Matteo Villani III, 90. V. 68. — 
Sßenn bie Söroen ftritten ober gar einanber töbteten, fo galt biefj al§ 
fd)limme3 Dmen. Sgl. Varchi, Stor. florent. III, p. 143. 



230 



Sie ©ntbechtng ber 2BeIt unb be§ SBenfdjen. 



4 t w>m*ht. (gonbottieren al« Sßrciö ber £apferf eit. *) 2)(ußerbem fetten bie 
Sumte stiere gtoretttincr fdjon fetjr früt) ßeoparben, für meldje ein befonberer 
Seoparbenmeifter unterhatten mürbe. 2 ) -Söorfo Don gerrara 3 ) 
ließ feinen ßömen mit (Stieren, 33ären unb 2öilbfd)meinen Mmpfen. 
a» ffiavfcn- <3 U ^ nöe ^e« 3af)rf)unbert« aber gab es fdjott an 
jeidjen, 3agb= mefjrem gürftenfyöfen mafyre Menagerien (Serragü), a(« <Sad)e 
feieie fSc 1 f ,,li0 ' beg ftanbeSgemäfeen 8u$u«. ■ „3u ber $rad)t eine« #errn, jagt 
„9Katara^o, 4 ) gehören '»ßferbe, £mnbe, SD^aultt^tere, Sperber u. 
„a. 23ögel, Hofnarren, (Sanger unb frembe £t)iere." £>ie üfte* 
nagerie öon Neapel enthielt unter gerrante u. a. eine (Strafe 
unb ein $ebra, ©efdjenfe be§ bamaligen dürften bon SSagbab, 
roie e« fdjetnt. 5 ) gütppo Slttaria 23i«conti befaß nid)t nur^ferbe, 
bie mit 500, ja 1000 (Mbftütfen bejaht mürben unb f oftbare 
engtifdje £mnbe, fonbern aud) toiete &oparben, me(d)e au« beut 
ganjen Orient jufammengebradjt maren; bie Pflege feiner 3agb= 
böget, bie er au« bem Horben jufammeufudjen Heß, toftetc tnonat* 
lief) 3000 @otbftü<fe. 6 ) ®önig (Smanuel ber ®roße bon Portugal 
mußte mol)I ma« er tfyat, al« er an 8eo X. einen (Stepfyanten 
unb ein SRtjinocero« fdjicfte. 7 ) ^njmifdjen mar bereit« ber 
®runb ju einer miffenfdjaftlidjen Zoologie fo gut mie jur 33o* 
tarnt gelegt morben. 



1) Cron. di Perugia, Arch. Stor. XVI, II, p. 77. £um 1497. — 
Sen ^ßerugtnern enttuifdjte einmal i£>r Sömenpaar, ibid. XVI, I, p. 382, 
gum 3. 1434. 

2 ) Gaye, Carteggio I, p. 422, jum % 1291. — Sie SSigconti Brausten 
fogar abgerichtete Seoparben al§ Sagbtbjere, unb jroar auf Safen, bie 
man burd) Heine £unbe auftreiben ließ. 33gl. v. Äobell, SBilbanger, 
©. 247 , wo aud) fpätere SSeifpiele ber Qagb mit Seoparben uer= 
jeidjnet finb. 

3 ) Strozii poetae, p. 146. Sgl. p. 188 unb über ben äßilbparf 
p. 193. 

4 ) Cron. di Perugia, 1. c. XVI, II, p. 199. — 2Teb>lid}e3 fdjon bei 
Petrarca, de remed. utriusque fortunae, I, 61, bod) nod) roeniger beutlid) 
au3gefprod)en. 

5 ) Jovian. Pontan. de magnitlcentia. — %m Sbjergarten be§ dar* 
binalS r>on 2lqutleja ju 2llbano fanben fidj 1463 außer Pfauen unb 
inbifdjen £üb,nern aud) fnrifd)e Biegen mit langen Oberen. Pii II. com- 
ment., L. XI, p. 562, s. 

6) Decembrio, ap. Murat. XX, Col. 1012. 

7 ) Sa§ ^äb^ere, red)t ergöfcltd), in Paul. Jov. Elogia, bei 3lnlaß beä 
Sriftanuä 2lcuniu§. Sie ©tad)elfcb>eine unb «Strauße im 5ßal. ©tro^ji 
ju $lorenj, »gl. Eabelais, Pantagruel IV, chap. 11. 



&ie ©ntbedung ber SBelt unb be§ SDienfdjen. 



231 



(Sine practifdje Seite ber £f)iertunbe entmicMte ftdj bann 4.j«ibf*nitt. 
in ben ®eftüten, bon roetdjen baS mantuanifcfye unter granceSco ®cftüte. 
®on$aga aU ba8 erfte in (Suropa galt. *) SDte bergteidjenbe 
©djä^ung ber ^ferberacen ift tnof»t fo alt als ba8 leiten über* 
Ijaupt, unb bie fihtftttdje (Sr^eugung bon äfttfdjracen muß namens 
ticf> feit ben Sheu^jügen übtid) gemefen fein; für Statten aber 
maren bie (Sfyrengerainnfte bei ben ^ßferberennen alter irgenb be= 
beutenben Stäbte ber ftdrffte 35emeggrunb, mögttd)ft rafdje ^Pferbc 
fjerbor^ubrtngen. -3m mantuanifdjen ® eftfit muffen bie unfefyl* 
baren ©eminner biefer 2trt, außerbem aber aud) bie eb elften 
Strettroffe unb überhaupt ^ferbe, metdje unter aßen ©efdjenfen 
an große §errn als ba§ f ürftttc£>fte erfdjienen. ©er ©onjaga 
fjatte ^)cttgfte unb «Stuten aus Spanien uub Urlaub wie au$ 
2lfrica, £I)racien unb (Siticien; um teuerer mitten unterhielt er 
Sßerfefyr unb greunbftfjaft mit ben ©rofjfuttanen. Sitte 23arie* 
täten mürben t)ier üerfurfjt um ba§ £refflid)fte Ijerboräubringen. 

Stber aud) an einer Süftenfdjenmenagerie fefjtte e8 nidjt ; ber 2Kenfd)eiivacen, 
befannte (Sarbinat 3ppotito Sftebici, 2 ) 33aftarb be§ ©iuttano, 
^erjogS bon Nemours, tjielt an feinem munbertidjen |)ofe eine 
«Sdjaar bon Barbaren, metdje mefjr als sman$ig betfdjiebene 
Spradjen rebeten unb 3eber in feiner Strt unb 9iace ausgelittetet 
maren. £)a fanb man unbergteidE)lid)e 23ottigeur§ bon ebtem 
norbafricantfdjem Sftaurengebtüt, tatarifdje Sogenfa^ü^en, fdjmarje 
Finger, inbifcfje STandjer, Stürfen, meldje fyauptfäcfjlid) auf ber 
3agb bie Begleiter beö ßarbinat« maren. 2tt8 ifym fein frühes 
@d)i(f[al (1535) ereilte, trug biefe bunte Sdjaar bie Seidje auf 
ben Sdjultern bon Otri nadj 9?otu unb mifdjte in bie attgemeine 
Trauer ber Stabt um ben freigebigen £>errn ifyre bietfprad)ige, 
bon fjeftigen (Seberben begleitete STobtenftage. 3 ) 

1) Gsbenba, bei SCnlafj be3 $ranc. ©onjaga. — ©er ntailänbifdie £u£uä 
in Spferberacen, Bandello Parte II, Nov. 3 unb 8. — 2lud) in ben er= 
gäl)Ienben ©ebid)ten fyöxt man bisweilen ben ^ferbefenner fpredjen. SSgt. 
Pulci, il Morgante, c. XV, str. 105, s. 

2) Paul. Jov. Elogia, bei 2lnlafj bei £ippol. 3Jtebice§. 

3 ) Sei biefem 2lnlafj mögen einige Zotigen über bie ©Ilacerei in 
Italien jur 3eit ber 3tenatffance tr)re ©teile finben. ßurge ^auptftelfe 
bei Jovian Pontan. de obedientia L. III: $n Dberitolien gab eS feine 
©flanen; fonft laufte man aud) ©Triften au§ bem türfifd^en 3leid), audj 
Bulgaren unb ©itcaffier unb liefj fte bienen, bis fie bie ^auffumme abt>er= 
bient Ratten, Sie ^eger bagegen blieben ©flaoen, nur burfte man fie, 



232 Sie ©ntbecfung ber SBelt unb be§ SJtenfdjen. 



. atbfdutitt. SMefe jerftreuten Zotigen über baS 23ert)ättniß ber Staüener 
jur -fW aturniiff cnf oft unb tfyre £beunat)me für baß 3$erfdt)tebenc 
unb ^eidje in ben ^robucten ber ^atur foften nur geigen, roetd)er 
Sücte ber Sßerfaffer ficf» an biefer ©teile beraubt ift. SSon ben 
©pectalroerfen, toeldje biefelbe überreidjlid) ausfüllen würben, ftnb 
if>m faum bie tarnen genügenb befannt. 



Slltein außer bem $orfd)en unb Sßiffen gab e§ nod) eine 
SSfidjeli M&ere 2lrt, ber 9?atur naf)e $u treten, unb jttar jun&djft in 
<sd)ßn$ett. einem befonbern @tnne. £)ie Italiener ftnb bie früfyften unter 
ben SWobernen, roetdje bte ®eftatt ber Sartbfctjaft als etroa« raet)r 
ober weniger ©cfjöne« wahrgenommen unb genoffeu fjaben. *) 

üDtefc ftctljigfeit ift immer ba$ Sftefultat langer, complicirter 
(Mturproceffe, unb tf)r (Sntftetjen läßt fid) fdiwer Oerfolgen, in* 
bem ein »erfülltes ®efüf)t biefer 2Irt lange oorrjanben fein !ann, 
el)e e« fid) in £)id)tung unb Malerei oerratfyen unb bamit feiner 
fetbft bewußt werbeu wirb. Sei beu Sitten 3. 23. waren ®unft 
unb ^oefie mit bem ganzen SDZenfd) enteben gewiffermafjen fertig, 

n>ettigften§ im SfteidE) Neapel, nid^t caftriren. — Moro begeid^rtet alte 
bunf elf arbigen ; ber Sieger fjeijjt Moro nero. — Fabroni, Cosmos, Adn. 
110: 2lft über ben 3Serfauf einer circaffifdjen ©ftauin (1427); — Adn. 
141: SBerjetdjmfj ber ©Däninnen be3 ©ofimo. — Nantiporto, bei Murat. 
III, n, Col. 1106: Snnocenj VIII. ert)ftlt f>unbert ÜJlori als ©efct)enf 
von $erbinanb °- Äatfjol. unb uerfcfjenft fie weiter an (Sarbinäle u. a. 
§errn (1488). — SJlaffuccio, Siouelle 14: SSerfauflidjfeit con ©flauen; — 
24 u. 25: Siegerfflauen bie jugleid) (jum Siu^en iljrer £errn?) al3 fachini 
arbeiten; — ■ 48: ©atalanen fangen tunefifaje SJiori unb uerfaufen fie in 
^ßifa. — Gaye, carteggio I, 360: SJlanumiffton unb Sefdjenfung eine§ 
Siegerfflauen n einem florentin. Seftamente (1490). — Paul. Jov. Elogia, 
sub Franc. Sfortia, — Porzio, congiura, III, 194 — unb Comines, 
Charles VIII, chap. 17: Sieger als befteKte genfer unb SSerfermeifter be§ 
£aufe3 2Iragon in Neapel. — Paul. Jov. Elog., sub Galeatio: Sieger al§ 
^Begleiter uon dürften bei 2lu3gangen. — Aeneae Sylvii opera, p. 456: 
Siegerfflaue al§ SJcufifant. — Paul. Jov. de piscibus , cap. 3: ein 
(freier?) Sieger als ©d)iüimmlel)rer unb %auä)ex in (Senua. — Alex. 
Benedictas, de Carolo VIII, bei Eccard, scriptores, II, Col. 1608: ein 
Sieger (Aethiops) al§ tjööerer oenejianifdjer Dffijier, roonad) aud; Dtbetto 
als Sieger gefaxt roerben fann. — Bandello, Parte III, Nov. 21: Söenn 
ein ©flaue in ©enua 3äd)tigung rerbient, roirb er nad) ben Salearen, 
unb jioar nad) %m%a jum ©abtragen uerfauft. 

') ift faum nötljig, auf bie berübmte Sarftellung biefeö ©egen* 
ftanbeS im gruetten 23anbe von §umbolbt'ö $o3mo3 ju uerrceifen. 



Sie (Sntbetfung ber SBelt unb be3 30Zenfd;en. 



233 



ef)e fie an bie tanbfchaftüd)e Darfteüung gingen unb biefe blieb _4^jn>f*mtt. 
immer nur eine befdjränfte (Gattung, wäljrenb bod) üon £omer 
an ber ftarfe (Sinbrud bcr Statur auf ben SJienfchen au$ jaf)t* 
tofen einzelnen Sorten unb 23erfeu l)cröorleud)tct. Sobann 
waren bie germanifd)en Stämme, wetd)e auf bem 35oben be8 
römifdjen 9teidje3 tJjre §errfd)aften grünbeten, bon £>aufe aus im 
I)öd)ften Sinne auggerüftct jur (Srfenntnifs beö ©eifteS in ber 
lanbfdjafttidjen 5Tcatur, unb wenn fie auch ba§ @hriftenthum eine 
3eittang nötigte, in ben bisher berefjrten Queßen unb -Sergen, 
in See unb SSatb bas Slntlifc falscher Dämonen ju ahnen, fo 
mar bod) biefeS DurdjgangSftabium otme ^weifet halb über* 
munben. 2tuf ber $ölje be3 SCRittctaÜerö um ba§ 3al)r 1200, du »an»f*aft 
cjciftirt wieber ein üöüig naiüer ©enufs ber äußern SBeft unb im mmaittt - 
giebt fid) (ebenbig gu erfennen bei ben äftinnebidjtcrn ber ber* 
fd)iebenen Nationen. 1 ) Diefetben bemühen ba8 ftärtfte SDZittebert 
in ben etnfadjften ©rfcheinungen, aU ba finb ber $rül)üng unb 
feine 23lumen, bie grüne |)etbe unb ber SBafb. 2tber e£ ift lauter 
SSorbergrunb ohne gerne, j'elbft nod) in bem befonbern Sinne, 
bafj bie meitgereiften Äreugfaljrer fid) in ihren Siebern faum at8 
fotdje berrathen. 2lud) bie epifdje 'ißoefie, wetd)e j. 23. £rad)ten 
unb 2öaffcn fo genau bezeichnet, bleibt in bcr Sd)ilberung ber 
Oertlidjfett ffigjenljaft unb ber große SBolfram bon (Sfchenbadj 
erweeft faum irgenb ein genügenbeö 23ilb bon ber Scene, auf 
metdjer feine Ijanbetuben ^erfonen fid) bewegen. 2lu8 ben ©e= 
fangen mürbe boüenbs Sftiemanb erraten, bafj biefer bidjtenbe 
2lbet aller Sauber taufenb J)oc^getegene, meitfd)auenbe Sdjlöffer 
beroohnte ober befudjte unb fannte. 2lud) in jenen lateintfchen 
'Dichtungen ber fahrenben ©ferifer (S. 138) fef)tt nod) ber SSticf 
in bie gerne, bie eigentliche öanbfdjaft, aber bie Sftähe wirb bi§* 
weiten mit einer fo gluljenben garbenpradjt gefd)itbert, wie fie biet* 
teiefft fein ritterlicher äJiinnebidjter wiebergiebt. Ober erjftirt noch 
eine Sdjitberung bom £)aine be$ Slmor wie bei jenem, wie wir 
annehmen, itatienifdjen Dichter be§ XII. 3ahrl)unbert§ ? 

Immortalis fieret 

Ibi manens homo; 

Arbor ibi quselibet 

Suo gaudet pomo; 

!) §tel)ev gehören bei £>umbolbt a. a. D. bie 30tittf)eiUutgen üon 
Ijelm ©rintm. 



234 



T>k ©ntbecfung ber 9Mt unb be§ -Stenden. 



i. Wbfdmitt . Vise myrrha, cinnamo 

Fragrant, et arnomo — 

Coniectari poterat 

Dominus ex domo ] ) etc. 
$ür Italiener {ebenfalls ift bie Statur tängft entfünbigt unb bon 
jeber bämontfd)en (Sinwirfung befreit. @an $rance§co bon 2lffift 
pretft in feinem ©otmenljtymnu« ben £>errtt gan$ IjarmloS um 
ber <Sd)öpfung ber £)immel§lid)ter unb ber bier (SIemente willen. 
Dame. 2lber bie feften Seweife für eine tiefere SBirfung großer 
fanbfdfiafttidfier 2lublicte auf ba§ ©emütt) beginnen mit ©ante. 
(§r fdjitbert nidjt nur über^eugenb in wenigen Reiten bie borgen* 
tüfte mit bem fernjitternben Stdjt beö fanft bewegten 9J?eereS, ben 
(Sturm im SBalbe u. bgl., fonbern er befteigt f)of)e Serge in ber 
einzig möglidjen 2lbfirf)t, ben $ernb(icf ju genießen; 2 ) bielleidjt 
feit bem Slltertfyum einer ber erften, ber bieß get^an fjat. 33oo 
caccio läßt met)r erraten, als baß er eö (cf)i£berte r wie it)tt bie 
Sanbfdjaft ergreift, bod) wirb man in feinen £)irtenromanen 3 ) 
bie wenigften§ in feiner *ßf)antafte borljanbene mächtige Statur* 
feenerie nidjt berfennen. ißollftänbig unb mit größter (Sntfdjieben* 
t)eit bezeugt bann Petrarca, einer ber früfjften bötlig mobernen 
üftenferjen, bie SSebeutung ber Sanbfdjaft für bie erregbare ©eelc. 
©er lidjte ®eift, toclctjer juerft aus aßen Stteraturen bie Anfänge 
unb $ortfä)ritte be$ malerifdjen ^aturfinneö pfammen gefudjt unb 
in ben „9lnftd)ten ber 9?atur" felber ba§ Ijödjfte 9J?eifterwerf ber 
©djitberung bollbradjt f)at, Sllexanber bon ^mmbotbt, ift gegen 
Petrarca nid)t bollig gcredjt gewefen, fo baß uns nadj bem 
großen ©dwitter nod) eine Heine Slefyrentefe übrig bleibt. 
«Pctmvca. Petrarca war nämlid) tttdjt bloß ein bebeutenber ©eograpl) 
unb Gfmrtograpf) — bie frutjefte ®arte bon Otalien 4 ) foü er 



!) Carmina Burana p. 162, de Phyllide et Flora, str. 60. 

2 ) 9Jfan nnrb fdjtüer erraten, raa§ er fonft auf bem ©ipfei ber 93i^= 
montorja, im ©ebiet von SReggto, fonnte ju tljun gehabt fjaben. Purgat. 
IV, 26. ©dfjon bie Sßräcifion, momit er alle Steile feinet Qenfettö ju 
nerbeutlidjen fucfjt, beroeift üieleu 3iaum= unb ^ormenftnn. 

3 ) Stüter ber ©djilberung von S3ajae in ber giammetta, von bem 
£>am im Slmeto ic. ift eine ©teile de Genealogia Deor. XIV, 11 von 
33ebeutung, trjo er eine Slnjaf)! Ianbfcf)aftlid)cr ©tnjetfjeiten, Säume, SBiefen, 
33äd)e, beerben, Kütten jc. aufgäbt unb beifügt, biefe Singe animum 
mulcent; if)re SBirfung fei, mentem in se colligere. 

4 ) Libri, Hist. des Hciences math. II, p. 249. 



2)ie ©ntbechmg ber Sßelt unb be§ ÜDienfdjen. 



235 



Ijabett enttoerfett taffett — er roieberfyotte and) nid)t bto^ roas bie 4. vMänatt. 

Sitten gefagt Ratten 1 ), fonbern ber Stnbticf ber s J?atur traf i£)tt 

unmittelbar, ©er Sftaturgenujj tft für tJjn ber erttmnfdjefte 23e* 

gtetter jeber geiftigen 33efd)äftigung ; auf ber 2krfted)tung beiber 

beruht fein gelehrtes Slnadjoretenteben in SSaucIuje unb anberStuo, 

feine pertobifdje gtudjt au« $eit unb Söett 2 ). 9J?an mürbe ifym 

Unrecht tfyitn, tuenn man aus feinem nodj fdjroadjen unb wenig 

entmicfetten Vermögen beS tanbfcfjaftftdjen @d)ttbemS auf einen 

fanget an (Smpfinbung fdjtiejjen roollte. ©eine SBefdjreibung 

beS munbcrbaren ©otfeS t>on ©pejjta unb ^ßorto 23enere 5. -53., 

bie er bepalb am (Snbe beö VI. ©efangeS ber „Stfrica" einlegt, 

weit fie bis jefet raeber Pon Sitten nod) Pon Beuern befungen 

roorben 3 ), ift allerbings eine blofce 2luf^at)tung. Stber berfetbe 

Petrarca tennt boct) bereits bie ©djöttfjeit tion $etsbttbungen unb 

roeiß überhaupt bie materifcfye 23ebeutung einer Sanbfdjaft Pon 

ber ^u^barfett gu trennen 4 ). Sßti feinem Slufentfyatt in ben 

SBdtbern öon 9?eggio roirft ber ptöfctidje Stnbtitf einer großartigen 

Sanbfctjaft fo auf ifm, ba§ er ein längftunterbrodjeneS ©ebidjt 

roieber fortfe^t 5 ). ®ie roafyrfte unb tief fte Stufregung aber fömmt 

über it)n bei ber SSefteigung beS ÜJiont SSentouj unweit Stmgnon 6 ), ®«B*«iwoun8. 

(Sin unbeftimmter ©rang nad) einer wetten 9xunbfid)t ftetgert fid) 

in il)m aufs §ödjfte, bis enbtid) baS jufä'tüge treffen jener ©teile 

im SiPiuS, wo ®önig Wtipp, ber töömerfeinb, ben §ämuS befteiat, 

ben @ntfcf)eib giebt. Qsr benft: was an einem fömgttdjett ©reife 

ntd)t getabett werbe, fei audj bei einem jungen äftanne aus bem 

^ßriöatftanbe woljt 31t entf djtttbigen. ^tantofeS ^öergfteigen 



!) DbrcobJ er ftdj gern auf fie beruft, 3. 58.: de vita solitaria, bef. 
p. 241. roo er bie 33efrf)reibung einer SBeinlaube au§ ©. Sluguftin citiri. 

2 ) Epist. famil. VII, 4, p. 675. Interea utinam scire posses, 
quanta cum voluptate solivagus ac liber, inter montes et nemora, 
inter fontes et flumiua, inter libros et maximorum homimim ingenia 
respiro, quamque me in ea, quae ante sunt, cum Apostolo extendens 
et praeterita oblivisci nitor et praesentia non videre. Sgl. VI, 3, 
p. 665. 

3 ) Jacuit sine carmine sacro. — 3SgI. Itinerar. syriacum, p. 558. 

4 ) ©r unterfcfjeibet im Itinerar. syr. p. 557, an ber SRiuiera bi 2e- 
»ante: colles asper itate gratissima et mira fertilitate conspi- 
cuos. lieber ba§ ©eftabe oon ©aeta ugl. de remediis utriusque fort. 
I. 54. 

5 ) De orig. et vita, p. 3 : subito loci specie percussus. 
e) Epist. famil. IV, 1, p. 624. 



236 



S)ie ©ntbecfrmg ber SBelt unb bes 9ftenfdjen. 



j^ttf^nftt. roar nämltd) in feiner Umgebung etwas Unerhörtes unb an bie 
Begleitung üon greunben ober Befannteu mar nidjt ju benfen. 
Petrarca naljm nur feinen Jüngern ©ruber unb Dom legten SRaft* 
ort aus sroet Sanbteute mit. 2lm ©ebirge befdjwor fie ein alter 
grirte umjuWjreu; er l)abe öor fünfzig Oaljren baffelbe berfndjt 
unb nid)ts als 9?eue, jerfdjlagene ©lieber unb jcrfcfetc Kleiber 
l)eimgebrad)t; borljer unb feitbem fyabe ftd£> ^temanb meljr beö 
2Bege§ unterftanben. Sllfein fie bringen mit unfäglidjer äftüfye 
weiter empor, bis bie Sßotfen unter iljrcn $üfjen fdjweben, unö 
erreichen ben ©ipfef. (Sine Beitreibung ber SluSfidjt erwartet 
man nun atlerbingS bcrgebenS, aber nidjt weit ber £)id)ter bagegen 
unempfinblidj märe, fonbern im ©egentfyeil, weil ber (ginbruef 
alljugewaltig auf tt)n wirft. SBor feine @eete tritt fein ganjeS 
bergangenes Seben mit alten StJjorijetten; er erinnert fid), baß es 
Ijeut gefnt Oa^re finb, feit er jung aus Bologna gebogen, unb 
wenbet einen fefjnfüdjtigen Btitf in ber SHidjtung gen Italien f)in; 
er fdjtagt ein Büchlein auf, baS bamalS fein Begleiter war, bie 
Befenntntffc beS Ijeit. Sluguftin — allein fiebe, fein Sluge fätCt 
auf bie ©teile im jefynten Stbfdjnitt: „unb ba geljen bie 3#enfcf)en 
( ,f)in unb betounbern t)o^e Berge unb weite SJieereSflutben unb 
„mädjtig baljerraufdEjenbe Ströme unb ben Ocean unb ben Sauf 
„ber ©eftirne unb berlaffen fidt) fetbft barob". ©ein Bruber, 
bem er biefe SBorte borlieft, fann nidjt begreifen, warum er Ijier* 
auf ba« Bud) fdjltejjt unb fdjroeigt. 

©« ©tttamonbo. (Sinige Safjrjefntbe fpäter , um 1360, fdjitbert gajio begü 
Uberti in feiner gereimten (SoSmograpfyie 1 ) (@. 141) bie weite 
Slusftdjt bom ©ebtrge Sttbernia jwar nur mit ber £ljeilnaf)me 
beS ©eograpfyen unb Antiquars, bod) beuttief) als eine mirftidj 
bon if)tn gefefjene. dt muß aber nod) biet bötjere ®ipfet erftiegen 
^aben, ba er ^bä^omene fennt, bie fid) erft mit meljr als 10,000 
guß über Sfteer einftellen, baS Blutwallen, Stugenbrücfen unb 
$erjttopfen, wogegen fein mbtfyifdjer (Gefährte @olinuS burd) einem 
@d)wamm mit einer @ffen$ §ütfe fdjafft. £)ie Bcfteigungen be« 
^aruaffes unb beS Dlbmp 2 ), Hon weisen er fprid)t, mögen 
freitief) bloße gictionen fein. 



') II Dittamondo, III, cap. 9. 

2 ) Dittamondo, III, cap. 21. IV, cap. 4. — ^ßapencorbt, ©efdf). ber 
©tabt Wom, ©. 426, jagt, bafj $atfer &arl IV. tuelen ©tnn für 
fetjöne ©egenben gehabt f)abe unb citirt fjieju ^ßeljel, ©arl IV. ©. 456. 



©ie (Sntbecfung ber Sßelt unb be§ 9JienfdE)en. 



237 



9D?it bem XV. 3af)rf)unbert rauben bann auf einmal bie 4. mfämtt. 
großen 9D?etfter ber ftanbrtfdjen ©djute, £>ubert unb Sofjann öan 
Gst)f, ber !ftatur ifyr 4öitb. Unb swar ift itjre Sanbfcfjaft nid)t 
bloß (Soufequenj ifyreS allgemeinen ©trebens, einen ©djein ber 
2Birftid)feit fyertiorbringen, fonbern fie I)at bereite einen fetbftänbigen 
poettfdjen ©efyatt, eine <Seete, wenn aud) nur in befangener 2Beifc. 
Der (Sinbrucf berfetben auf bie ganje abenbtänbifdje tunft ift 
untäugbar, unb fo btteb aud) bie italtenifdje 8anbfd)aftSmateret 
bation nid)t unberührt. Slüein baneben getjt bag eigentt)ümüd)e 
Ontereffe beg gebübeten ttatientfdjen Stugc« für bie ßanbfdmft 
feinen eigenen Sßeg. 

mt in ber miffcnfd)aftlid)en (5oSmograpI)tf fo ift aud) tteJ&SJJJi 
Steneag ©rjtoius eine ber widjtigften ©timmen ber 3ett. Man 
fönnte ben s i}?enfa)en Steneaö üööig ^reis geben unb müßte 
gleidjwol babei gefielen, baß in wenigen Slnbern ba$ 33itb ber 
£eit unb itjrer ©eifteScuttur fid) fo üottftänbig unb lebenbig 
fpiegette, baß wenige Stnbere bem ^ormatmenfdjen ber grüljrenaiffancc 
fo nalje fommen. Uebrigenö roirb man iijn aud) in moratifdjer 
^ejte^ung, beiläufig gefagt, nid)t ganj bittig beurteilen, wenn 
man einfettig bie 33efd)roerben ber mit £ülfe feiner 3Banbetbar= 
feit um tfjr Sonett betrogenen beutfdjen ^ircfje jum 9Iusgang8* 
punft nimmt 1 ). 

£rier intereffirt er un§ ate ber erfte, metdjer bie §errtid)teit 
ber ttaüenifd)en £anbfd)aft nidjt btoß genoffen fonbern mit 23e* 
geifterung bis in« (Sinjetne gefd)ttbert f)at. Den ®ird)enftaat unb 
bas fübttdje £o§cana (feine ^eirnatl)) t'annte er befonber« genau, 
unb ats er ^ßapft mürbe, manbte er feine 9ttuße in ber guten 
3at)re§seit mefentüd) auf 2lu«pge unb Sanbaufentfyatte. 3e^t 
menigften« E»attc ber tängft pobagrifdje Mann bie bittet, fid) 
auf bem £ragfeffet über 23erg unb £f)a( bringen ju 1 äffen, unb 
wenn man bie ©enüffe ber fotgenben ^ßäpfte bamit öergteid)t, fo 
erfdjeint ^iu§, beffen Ijödjfte ftreube 9?atur, 2Utert£)um unb mäßige, 
aber ebe(sierlid)e bauten waren, wie ein falber ^eiliger. Sn 



(Sie beiben anbern (Sitate, bie er anführt, fagen btefj ntd^t.) (§3 märe 
möglich, bajs bergletcfjen bem $aifer burdj feinen Umgang mit ben §uma= 
niften angeflogen roare. 

J ) 2ludf) bürfte man mof)l ^latina, Vitae Pontiff., p. 310 anhören: 
Homo fuit ($iu£> II.) verus, integer, apertus; nil habuit ficti, nil simu- 
lati, ein %eit\b ber jQeudjetei unb be3 Stberglaubeng, mutf)ig, confequent. 



238 



Sie ©ntbetfung ber Sßelt unb beä SRenfdfjen. 



4. 9n>fd»nttt. bem frönen Icbenbigen Satcin feiner (Sommentarien legt er ganj 
unbefangen baS ^eugniß fetneö ©tücteS nieber *). 

seine eemp^ten @«n ^"Ge etfd)eint fo Dietfeitig gebitbet als baSjenige irgenb 
ctneS mobernen Sftenfdjen. (§r genießt mit ©ntjüden bie große 
panoramatifdje ^radjt ber 2uts<fid)t Dom fyödjfteu ®tpfel beö 
2ttbanergebtrge§, bera üBionte (Saoo, Don wo er ba8 ©eftabe ber 
Äirdje Don Sterraäna unb bem Vorgebirge ber Sirce big nad) 
Sttontc 2lrgentaro überfdjaut, unb bas weite Sanb mit att ben 
Sftuinenftäbten ber Urjeit, mit ben 23erg$ügen SftittetitaüenS, mit 
bem $8üd auf bie in ber Sttefe ringsum grünenben Sälber unb 
bie nafye fdjeinenben ©een be§ ©ebtrgeS. (§r empfinbet bie @d)ön* 
fyeit ber Sage öon Stobt, wie es thront über feinen Seinbergen 
unb Deüjaiben, mit bem ■SBticf auf ferne SBälber unb auf baS 
£ibertf)at, wo bie Dielen Saftetfe unb ©täbtdjen über bem 
fdjtängetnben gtuß ragen, £)aö reijenbe ^ügetlanb um ©iena 
mit feinen bitten unb Softem auf allen $öf)en ift frettia) feine 
£)eimatf), unb feine ©djUberimg geigt eine befonbere Vorliebe. 

unb «nfu&ten. Slber aud) ba§ einzelne materifdje 9>iotit) im engern ©inne 
beglüeft ünt, wie 3. 33. jene in ben 33otfener <See Dortretenbe 
£anb$unge, (Sapo bi 3D2onte: „getStreppen, Don Seintaub be» 
„fdjattet, führen [teil nieber ans ©eftabe, wo jwifd)en ben 
„flippen bie immergrünen (Stdjcn ftetjen, ftetö belebt Dom ©efang 
„ber £>roffetu". Stuf bem SBege rings um ben ©ee Don ^emt, 
unter ben (Saftanien unb aubern grudjtbäumen fül)U er, baß fyier 
wenn irgenbtoo baS ©emütt) eines £)id)ters erwadjen müßte, t)ier 
in „'SManenS Verftecf". Oft unb üiet fyat er Sonfiftorium unb 
©egnatura gehalten ober ©efanbte angehört unter alten liefen* 
caftanien, ober unter Oetbäumcn, auf grüner SBtefe, neben 
fprubetnben ©ewäffern. Gsinen 2lnbticf wie ber einer fidj Der* 
engenben 2Batbfd)tud)t mit einer fütjn barüber gewölbten 23rücfe 
gewinnt er fofort feine tjolje Aöebeutung ab. Sludj baS (Sinjetfte 

i) Sie Bebeutenbften ©teilen finb folgenbe. Pii II. P. M. Comuien- 
tarii. L. IV, p. 183: Ser grüi)Hng in ber feeimatf). L. V, p. 251: 
Ser ©omnteraufentf)att in XVbuv. L. VI, 306 : Sa§ «Dtaljl an ber CUteHe 
üon SSicooaro. L. VIII, p. 378: Sie Umgegenb tum SBiterbo. p. 387: 
Sa3 JBergtlofter ©. Sttortino. p. 338: Ser ©ee non Solfena. L. IX, p. 
396: Sie f)errlicl)e ©cf)ilberung von Monte Stmiata. L. X, p. 483: Sie 
Sage Don 9JionteoUoeto. p. 497: Sie 2lu3fitif)t uon £obi. L. XI, p. 554: 
Dftia unb $orto. p. 562: 33efd£»ret6ung be3 2tlbanergebirgeä. L. XII, p. 
609: gra^cati unb ©rottaferrata. 



Sie ©nibetf'ung ber Sßelt nnb be3 9)fenfdf)en. 



239 



erfreut iljn bann mieber burd) feine fctjöne ober boüftänbig au«* 4 . w>fd>mtt. 
gebilbete unb djaracteriftifdje Gsrfdjeinung: bie blauwogenbcn 
$tad)Sfelber, bcr gelbe ©infter, welcher bie £ügel überfiel):, fetbft 
baS wilbe ®eftrüpp jeber 2trt, unb ebenfo einzelne prächtige $ämne 
unb Quellen, bie il)m wie 9?aturmunber erfdjeinen. 

£)en ©ipfet feines (anbfcfjafttidjen @d)welgens bilbet fein 
2lufentf)alt auf bem 2ftonte 2lmiata im ©ommer 1462, als $eft 
unb ©lutfylji^e bie STieflanbe fcfyrecflid) machten. 3n ber falben 
£)ölje beS Herges, in bem alten langobarbifdjen tlofter ©an 
©albatore fd)lug er mit ber (Surie fein Quartier auf: bort, gtut* 
fdjen Saftanien über bem fdjroffen Stbtjang, überbaut man baS 
ganje fübtidje £oScana unb fief)t in ber gerne bie £l)ürme bon 
@iena. £)ie (§rfteigung ber f)öd)ften ©pitje überlief er feinen 
Begleitern, ^u welchen fid) aud) ber bettejianifdje Drator gefeilte; 
fie fanben oben jroci gewaltige ©teinblöcfe übereinanber, üielleidjt 
bie Qpferftätte eine« UrbolfeS, unb glaubten über bem Speere in 
weiter gerne aud) (Sorfica unb (Sarbinten ') ju entbecfen. 3n 
ber r)errttd}en ©ommerfüijfe, jroifa^en ben alten (Sidjen unb (5a* 
ftanien, auf bem frifdjen SKafen, wo fein £>orn ben guß rifcte, 
fein 3nfect unb feine @d)lange fid) lä|tig ober gefäljrtid) madjte, 
genoß ber $apft ber glucflidjften (Stimmung; für bie ©egnatura, 
welche an beftimmten Wochentagen ftattfanb, fuajte er jebeSmal 
neue fdjatttge $tä£e 2 ) auf — „novos in convallibus fontes et 
„novas inveniens umbras, quse dubiam facerent electionem." 
£)abei gefd)af> es wol)l, baß bie £unbe einen gewattigen £)irfd) 
aus feinem na^en Sager aufjagten, ben man mit flauen unb 
©ewetf) fidt) bertljeibigen unb bergaufwärts fliegen faf). £)eS 
SlbenbS pflegte ber $apft cor bem Softer ^u fi^en an ber ©teile, 
bon wo man in baS Zfyal ber ^agtta nteberfdjaut, unb mit ben 
(Sarbiuälen Weitere ©efprädje $u führen. (Surialen, bie fid) auf 
ber Oagb abwärts wagten, fanben unten bie $i£e unleiblid) unb 
alles oerbrannt, eine wafyre £)öße, wäfyrenb baS Älofter in feiner 
grünen, füllen Umgebung eine Sßofymmg ber «Seligen fdjien. 

£)teß ift lauter wefenttid) moberner ®cnuß, ntd)t (Sinwirfuug 
beS SlltertfjumS. (So gewiß bie Gilten äfjnlid) empfanben, fo 
gewiß fyätten bod) bie fpärlicfyen 5lusfagen herüber, wetcbe $iuS 

0 <2o mu^ e§ iüof)t Reiften ftatt: ©tcilien. 

2 ) @r nennt fid^ felbft mit Slnfpielung auf feinen Hainen: Silvarum 
amator et varia videndi cupidus. 



240 Sie (Sntbedung ber SBelt unb 6e§ 9Jienfd)en. 

i. mfamtt. rennen modjte, ntdjt hingereicht um in iljm eine folcfje ©egeifterung 
§u entjünben 

mimmwm ® ie nun f ot 9 enbe Breite «lütfjcgett ber italienifdjen ^oefie 
§u (Snbe beS XV. unb $u Infang be$ XVI. 3af)rhunberts nefyt 
ber gteicf^eitigen lateinifdjen £)id)tung tft reid) an 33eraeifen für 
bie ftarfc SBirlung ber lanbfchaftltchen Umgebung auf ba8 ®emütt), 
wie ber erfte Söttet auf bie bamatigen ggrtfcr teuren mag. du 
gentücE)e 23efd)reibungen großer lanbfdjaftlidjer Anblicfe aber finben 
fid) bepatb faum, roeil Sbrif, @po8 unb Lobelie in biefer euer* 
giften 3eit anbete« ju thun haben. 23ojarbo unb 5lriofto zeichnen 
ihre ^aturfcenerie fehr entfcrjieben, aber fo tur$ als möglich, ohne 
fie je burd) fernen unb große ^erfpectiben jur (Stimmung bei* 
tragen &u taffen 2 ), benn biefe liegt au«fd)ließlich in beu ©eftalten 
unb (Sreigntffen. 23efd)au{td)e £)iatogenfd)reiber 3 ) unb (Spiftoto* 
grapsen rönnen biet eher eine OueÜe für ba« ttmdjfenbe Sfcatur* 
gefü()t fein al« £)id)ter. Üfterfroürbig bemußt hält 3. $8. 33anbeflo 
bie ®efe|e feiner Öiteraturgattung feft: in ben Lobelien felbft 
fein SBort mehr al« ba« ^otbraenbigfte über bie Sftaturumgebung 4 ), 
in ben jebe«mal borangehenbe SBibmungen bagegen mehrmals 
eine behagliche @d)ilberung bcrfelben al« @cene bon ©efpräd) unb 
(Sefetligfeit. SBon ben 33riffd)reibern ift leiber Slretino 5 ) ju nennen 
al« berjenige, melcher bielteicht juerft einen prachtooüen abenbüchen 
Sicht* unb SBotfeneffect umftänbtich in Sorte gefaßt Ijat. 

Dodj auch bei Didjtertt fommt bi«meiten eine merfmürbige 
SBerfledjtung ttjreö ©efüfjMeben« mit einer liebeootl unb jmar 
genrehaft gefd)ilberten ^aturumgebuug bor. Sttto ©trojja be* 
fchretbt in einer lateinifchen (Siegte 6 ) (um 1480) ben Aufenthalt 
fetner beliebten: ein atteö, bon ßpheu urnjogene« £äu«d)en mit 

1) Heber Seonbattifta SH&ettt'S »erö&Itmfj sur 2anbfd)aft »gl. 
©. Hl f. 

2) 2)a§ auSgefüörtefte Bilb biefer 2lrt bei SCriofto, fein fed^fter ©efang, 
befteöt au3 lauter SSorbergrunb. 

3) Stgnolo ^anbolfini (Trattato del gov. della famiglia, p. 90), nocf> 
ein Settgenoffe be§ SIeneaä, freut fid) auf betn Sanbe „ber bufdiigen £ügel, 
„ber retjüotten (Ebenen unb ber raufd)enben ©eraäffer", aber vielleicht ift 
'unter feinem tarnen ber grofje 2llbertt »erborgen, ber, wie bewerft, nod) 
ein ganj anbereä SBerbältnifj ^ur Sanbfdjaft blatte. 

4) lieber bie ard)tte!tonifd)e Umgebung benlt er anberS, unb feiet lann 
aud) bie Secoration nod) t>on iljm lernen. 

5) Lettere pittoriche III, 36. Sin Stgian, 2flai 1544. 

6) Strozii poetae, in ben Erotica, L. VI, p. 182, s. 



®enrefan&fd}aft. 



S)te @ntbecftmg ber Söett unb be3 Wengen. 



241 



öcrroitterten §ei(igenfrc*fen, in Baumen Perftecft, baneben eine 4. st&ftfnitt. 
Capelle, übel ^ugeridjtet bon ben reifsenben ^odjroaffem be* fyart 
trorbei ftrömenben $0 ; in ber 9?äl)e acfert ber (Saptan feine fiebert 
magern 3ud)arten mit entlehntem ©efpann. £)iej3 ift feine 9?e* 
minigcenj au* ben römifcfyen (Stegifern, fonbern eigene moberne 
(Smpftnbung, unb bie ^araüete ba$u, eine roafyre, nid)t fünftttdj 
bucoiiftfje <Scf)i(berung be* Sanbleben*, roirb un* 31t (Snbe btefe* 
Stbfdjnitt* aud) niajt fehlen. 

Wllan fönnte nun einroenben, baß unfere beutfd)en 9JMfter 
be* beginnenben XVI. Sabrbunbert* folaje realiftifdje Umgebungen 
be* 3ttenfd)enreben* btöroeiten mit öoftfter TOfterfdjaft barfteüen, 
rote 1. 23. 2llbred)t £)ürer in feinem ^upferftid) be* Derlorenen 
©otme*. ^ber e* finb jroei ganj berfdjiebene Singe, ob ein 3flaler, 
ber mit bem Realismus gro§geroad)fen, fo(d)e ©cenerien beifügt, 
ober ob ein Sidjter, ber ficE) fonft tbeat unb mtjtfjotogifcr) brapirt, 
äug tnnerm ©ränge in bie 2öirfüd)feit nieberfteigt. Ueberbief? 
ift bie seitttd)e Priorität Ijter rote bei ben ©ajtfberungcn be* 
l'anbieben* auf ber ©eite ber italienifd)en ©iditer. 



3u bei* (Sntbedung ber 2BeIt fügt bie (Suttur ber SKenaiffance mx^un * 
eine nod) größere ßeiftung, inbem fte juerft ben ganzen, ooßen aKenf * e «- 
®ei)a(t be* SPicnfdjen entbeeft unb ju STage förbert 1 ). 

3unäd)ft entrotdelt bieß SBettaiter, roie roir fatjen, auf baß 
©tärffte ben 3nbiotbuait§mu*; bann leitet e* benfetben jur eif* 
rigften, oielfeitigften ©rfenntnif? be* Snotoibuetten auf allen ©tufen 
an. Die (Sntroicffung ber ^erfönüdjfeit ift roefentttd) an ba* ßv* 
fennen berfelben bei fid) unb Slnbern gebunben. 3roifd)en beiöe 
große Grrfdjeinungcn hinein haben roir bie (Sinroirfung ber an* 
ttfen Literatur bepatb oerfefcen müffen, roeit bie 2Irt be* (Sr* 
fennen* unb ©djttbern« be* OnbiötbueÖen roie be* allgemein. 
9Kenfd)üd)cn roefentlid) bind) biefe* 3Kebtmn gefärbt unb beftimmt 
toirb. Sie Straft be* (ärfenuen* aber tag in ber 3eit unb in 
ber Nation. 

Sie beroeifenben Phänomene, auf roeldje roir un* berufen, 
»erben roenige fein. SBenn irgenbroo im Verlauf biefer Sar* 
fteüung, fo Ijat ber 23erfaffer fjier ba* ®efüf)t, ba§ er ba* bebend 

0 Siefe treffenben 2Iu3briide finb au3 bem VII. Sanbe von midjekt'Z 
Histoire de France (Introd.) entnommen. 

©unf&arbt, (Sulhir ber Otcttatfjance. j g 



242 



S)ie ©ntbecfung ber äßelt unb beä SDtenfdjen. 



4. ^bfdinitt. tiefte ©ebiet ber Innung betreten Ijat unb bafj, was i|m ats 
jarter, bod) beutlidjer garbenübergang trt ber geiftigen ©efdjitfjte 
bes XIV. unb XV. 3af)ri)unberts cor 2lugen fd)webt, oon SInbern 
bod) fdjwertid) mag ats ST£)atfacf)e anerfannt werben. £nefeS att* 
mätige &urd)fid)tigwerben einer Sßotföfeete ift eine (grferjeinung, 
wetdje febem -öefdjauer anberS üorfommen mag. £)ie 3 e ü wirb 
ficfyten unb ridjten. 

semreramente ®tüctücf|crtt)etfe begann bie Srfenntnij} beS geiftigen SßefenS 
uns Planeten. ^ sjft e nfd)en ntdjt mit bem ®rübetn nad) einer tl)eorettfd)en ^fn- 
djotogie, — benn bafür genügte Striftoteteö — • fonbern mit ber 
®abe ber 33eobad)tung unb ber ©erjitberung. ©er unertäpdje 
tijeoretifdje iöattaft faeftfjränft ftd) auf bie tfefjre oon ben oier 
Temperamenten in ifyrer bamals übtidjen 23erbinbung mit beut 
©ogma uom (Sinftufe ber Planeten. £)iefe [tarren Elemente be* 
Raupten ftd) als unauftöSttd) feit wtPorbenHidjen gtitm in ber 
23eurti)eitung ber (üanjetmenfcfyen, ot)nc weiter bem großen alt* 
gemeinen gortfdjritt ©djaben ju tl)un. greiUdj nimmt es fict> 
fonberbar au^ wenn bamit manöurirt wirb in einer geit, ba 
bereits nid)t nur bie eracte ©d)itberung, fonbern aud) eine un* 
ücrgängüdje Sunft unb ^oefie ben Dollftdnbigen äftenfdjen in 
feinem tiefften Sßefen wie in feinen djaracteriftifdjen SteußertiaV 
feiten bar^uftcüen oermodjten. gaft fomifd) tautet es, wenn ein 
fonft tüchtiger $eobad)ter ©temenS VII. jwar für metandjoüfc^en 
Temperamentes f)ätr, fein Urteil aber bemjenigen ber Slerjte 
unterorbnet, welche in bem ^apfte ef)er ein fanguinifcr}*djoterifd)e§ 
Temperament erfennen Ober wenn wir erfahren, bafj berfetbe 
©afton be $oir, ber ©ieger üon 9?at>enna, welken ©iorgione 
matte unb ^öambaja meißelte, unb wetdjen alle £iftorifer fctjtlbern, 
ein faturnifdjeS ©emütt) gehabt Ijabe 2 ). greiüd) motten bie, 
wetdje ©olcfyeS metben, bamit etwas fel)r 23eftimmteS beseidmen; 
wunbertid) unb übertebt erfdjeinen nur bie Kategorien, burd) wetdje 
fie ü)re Meinung auSbrücfen. 
soidjter, 3m SKeidie ber freien geiftigen ©djitberuug empfangen uns 
junäajft bie großen £)id)ter beS XIV. 3at)rt)unbertS. 

1) Tomm. Gar, Eelaz. della corte di Roma I, p. 278. 279. ber 
Sftel. beä ©ortano vom 3. 1533. 

2) Prato, Arch. stor. III, p. 295, s. — £>em «Sinne naef) ift e§ fo* 
jooEjt „unglüctltcf)" al§ „ungtücfbringenb". — S)a§ 33er£)iiltmfs ber Planeten 
ju ben tnenfdfjlidjen &f)aracteren überhaupt f. bei Com. Agrippa, de occulta 
philosophia, c. 52. 



Sie (Sntbecfung ber 2Bett unb beä ajtenfcfjen. 



243 



SBemt man aus ber ganzen a&enbtättbtfdjat £of* unb bitter* 4. aibf^nitt, 
bid)tung ber betben üorfjerge£)enben 3af)rt)unberte bie perlen $u« 
fammenfudjt, fo wirb eine @umme oon tjerrlid)en SUmungen unb 
(£tn$e(bübern öon ©eetenberoegunyen $um 23orfd)ein fommen, 
roetdje ben 3tatienern auf ben erften m& ben *ßret« ftreitig ju 
machen fd)etnt. ©etbft abgefe^cn öon ber gangen %if giebt fdjon 
ber einige ©ottfrieb öon (Strasburg mit „Sriftatt unb Sfolbe" 
ein $5itt> ber Seibenfdjaft, toeld)eö unöergänglid>e £üge f)at. 2Mein 
biefe perlen liegen jerftreut in einem 3tteere be§ (Sonöentioneüm 
unb Äünftficf>en, unb ifjr 3nf)att bleibt noa) immer tueit entfernt 
oon einer öoüftänbigen Objcctibmadjung beg tnnern äJtotfdjen 
unb feine« geiftigen 9fcid)tljum§. 

2lud) Italien fjatte bamatö, im XIII. Safjrfjunbert, feinen »Raiten »er 
Stntfjeit an ber §of* unb 9?itterbid)tung burd) f eine Strobatoren. I ^ ri ^ cn ® ormen 
25on if)nen ftammt öjefenttid) bte ganjone fcer, bie fie fo fünfttid) @ct,if6en,n0 - 
unb fd)roierig bauen ats irgenb ein norbifdjer 90?innefctnger fein 
Sieb; 3nf)alt unb ®ebaufengang fogar ift ber conöentioneü ifi* 
ftfdje, mag ber Sicher aua) bürgerlichen ober gelehrten ©tanbeö 
fein. 

Iber fd)on offenbaren fid> jraei STuöroege, bie auf eine neue, 
ber itaüenifdjen «ßoefie eigene 3ufunft Anbeuten unb bie man 
nid)t für unraidjtig tjatten barf, menn es firf) fa>n nur um gor« 
meüe§ banbelt. 

35on bemfetben «runetto Öattnt (bem Seljrer beS ©ante), 
roeldjer in ber (San^onenbidjtung bie gett)öl)tt(id)e Lanier ber 
£roöatoren oertritt, ftammen bie frütjften befannten Versi sciolti, 
reimtofe Spenbecafbttabcn s ) fjer, unb in biefer formbaren ftorm* 
(ofigfeit äußert fid) auf einmal eine rcaf)re, erlebte Seibenfdjaft. 
@3 ift eine äfmtid)e bewußte «efdjränfung ber äußern «Kittet im 
Vertrauen auf bie Sraft beS Statte«, roie fie fid) einige 3af)r* 
jetmbe fpäter in ber greScomaterei unb nod> fpäter fogar in ber 
£afelmaterei geigt, inbem auf bie färben öer$id)tet unb bloß in 
einem Vellern ober bunflern £on gematt wirb, pr jene ^eit, 
tüeldje fonft auf ba§ tünftttdje in ber «ßoefie fo große ©tücfe 
tjiett, finb biefe S3erfe beö iörunetto ber Anfang einer neuen 
9ftd)tung 2 ). 



!) 30lttgetljeilt üon Trucchi, Poesie italiane inedite I, p. 165, s. 
2 ) SDiefe retmlofen Serfe gewannen fpäter befannrlicf) bie £errfd)aft im 
Srama. ^rifftno in feiner SBibmung ber ©ofoniSßa an £eo X. Ejofft, ba£ 

16* 



244 Sie (Sntbechmg ber Söelt unb be3 aJtenfdjjen. 



4. 9ibfd>nitt. ©aneben aber, ja nod) in ber erftett £älfte beö XIII. 3ab,r* 
©as ©onett, Ijwtberts, bttbet fid) eine bon ben bieten ftrenggemeffenen ©tropften* 
formen, bie baS Slbenbtanb bamats fyeroorbradjte, für Italien jn 
einer berrfdjenbett ©urdjfdjnittöf onn aus : ba« ©onett. £)ie 9?eim* 
fiettung unb fogar ber 3aI)I ber 23erfe fcf)roattft l ) nod) Ijunbert 
3at)re lang, bis Petrarca bie bteibenbe Sßortnatgeftalt burdjfefcte. 
3n biefe gorm wirb Anfang« jcber fyöfyere Itjrtfdje unb con* 
temptatibe, fpätcr jebcr mögüd)e 3nf)att gegoffcn, fo ba£ üftabrU 
gale, ©eftinen unb fetbft bie San^onen baneben nur eine unter* 
georbnete ©tefle einnehmen, ©pätere Italiener haben fetber ba(b 
jdjerjenb batb mißmuthig geffagt über biefe wtbermeibtidje ©dmb* 
tone, biefe« bieqehnjeiltge <ßrocrufte8bett ber ©efühte unb ®e* 
banlen. 2lnbere waren unb ftnb gerabe mit biefer gorm fehr $u* 
trieben unb brauchen fie oiet taufenbmat, um barin SKeminiScensen 
unb müßigen ©ingfang ohne attcn tiefern Gsrnft unb oI)ne 9*oth* 
menbigfeit titcberjutegett. £>e§t)atb giebt es fehr biet mehr unbe* 
beutenbe unb fd)ted)te ©onette alz gute, 
ut» fein 2Bcrti,. s J2i^t*bcftotöcmgcr erfdjeint uns baS ©onett als ein unge- 
heurer ©egen für bie itatienifche ^ßoefie. £)te Slarljett unb ©d)ön* 
heit feine« 33aue«, bie Slufforberung jur ©teigerung be« Statte« 
in ber lebhafter gegtieberten smctten §älfte, bann bie 8etcf>tigfett 
be« 2Iu«wenbigtcrnen«, mußten e« aud) ben größten 3fteiftern 
immer bon Beuern Heb unb Werth mad)en. Ober meint man im 
(Srnft, biefelben Ratten e« bis auf imfer 3af)rf)unbert beibehalten, 
wenn fie nid)t bon feinem ^o^ett SBerttje waren burd)brungen 
gewefen? Sfcun hätten atterbing« biefe Ütteiftcr erfteu tätige« aud) 
in anbem formen ber üerfd)iebenften 2Irt biefetbe 9J?ad)t äußern 
tonnen. Slttein weit fie ba« ©onett $ur tbrifdien Spauptform er* 
tjoben, würben auch fetjr biete Slnbere bon Ijofjer, menn aud) nur 
bebingter Begabung, bie fonft in einer weitläufigen Sbrii unter* 
gegangen wären, genötigt ihre (Smpfinbungen ju concentrtren. 
£)a« ©onett würbe ein allgemeingültiger (Sonbenfator ber ®e* 
banfen unb (Smpfinbungen wie ihn bie ^ßoefie feine« anbern mo* 
bernen üöotfc«- befi|t. 



ber $q>ft biefe SSerSatt etfennen werbe aI8 bas, wa§ fie fei, als fieffer, 
ebler unb weniger leidet als eS ben äCnfc^ein fjaöe. Boscoe, Leone 
X, ed. Bossi VIII, 174. 

i) man »gl. 3. 35. bie fe$r auffallenben gönnen bei ©ante, Vita 
nuova, p. lü unb 12. 



2>ie ©ntbecfung ber SäSelt unb be§ äftenfcfjen. 



245 



©o tritt un« nun bie italientfcrje ©efürjI«roelt in einer Spenge 4. gibfcftnitt. 
Don E)ö<f)ft entfdjiebenen, gebrängten unb in ifjrer Sürje fjödjft 
roirrfamen Silbern entgegen. Ratten anbete SSötler eine conDen* 
tionette §orm Don biefer ©attung befeffen, fo wüßten wir tneUetcfjt 
and) mefjr Don ifyrem (Seelenleben; wir bejahen mögtid)erirjeife 
aud) eine s J?eif)e abgefct)toffener ©arftelluugen äußerer unb innerer 
(Situationen ober Spiegelbitber beS ©emütrjeg unb roären tttdjt 
auf eine öorgeblidfye Srjrif be« Diergefynten unb fünfzehnten 3arjr* 
Rimberte Derroiefen, bie faft nirgcttb« ernfttidj genießbar ift. 33ei 
ben Otattenern erfennt man einen fidjern $ortfd)ritt faft t>on ber 
©cburt be« (Sonettes au; in ber feiten £)äifte be« XIII. 3at)r- 
fjunbcrt« bilben bie neuerttdj ') fo benannten „Trovatori della 
transizione" in ber SD)at eiuen Uebergang Don ben Strouatoren 
gu ben ^oeten, b. \, $u ben £)id)tern unter antiiem (Einfluß; 
bie einfache, ftarfe (Smpfinbimg, bie fräftige $Be$etdjmutg ber Sittta* 
tion, ber präcife 21u§brucf unb Slbfdjluß in ifyren Sonetten u. a. 
©ebiajten fünbet $um 33orau§ einen ©ante an. Einige Partei* 
fonette ber ©uelfen unb ©f)ibellinen (1260—1270) tönen fdjon 
in ber 2lrt wie feine öetbertfdt)aft, Rubere« erinnert an ba« «Süßefte 
in fetner Stjrtf. 

2öie er felbft ba« Sonett trjeoretifd) anfaf), roiffen roir nur £antc 
bepatb nlajt, weit bie testen 53üct)er feiner Sduift „Don ber fl, ^®" r ™* 
Sßitlgärfpradje", worin er Don 23atlaben unb Sonetten f)anbeln 
wollte, entWeber uitgefdjrieben geblieben ober Derloren gegangen 
finb. ^ractifd) aber I)at er in (Sonett unb Sanjonc bie rjerrtidjften 
Seelenfd)ilberungen niebergelegt. Unb in welchen 9?at)rnen finb 
fie eingefaßt! £)ie ^ßrofa fetner „23ita nuoDa", worin er 9?ccfjen* 
fdjaft giebt Don beut Maß jebe« ©ebidjtes, ift fo wimberbar at« 
bie SSerfe felbft unb bilbet mit benfelben ein gteidjmäßig Don ber 
tiefften ©lutrj befeelte« ©an^e«. 9?üc6ficf)töIo« gegen bie Seefe 
fetbft conftatirt er alle Sd)attirungen itjrer Sonne unb ir>reö 
Seibeö unb prägt bann bieß SXCteö mit fefter 2Btflen«Iraft in ber 
ftrengften Sunftform au«. Söenn man biefe Sonette unb San* 
jonen unb bajroifdjen biefe wunberfamen ^rucrjftücfe be« £agebud)e« 
feiuer 3ugenb aufmerffam liest, fo fcfyeint e« at« ob ba« ganje 
Mittelalter rjinbitra) alle £>id)ter fid) felber gemteben, (£r juerft 
fid) felber aufgefud)t rjätte. Äünftlidje Strophen haben Un*äl)tige 



i) Trucchi, a. 0. D. I, p. 181, s. 



246 Sie (Sntbecfung ber 2Belt tmb be3 9JlenfcE)en. 



jt._9ttf*nitt. öor tfjrn gebaut; ober <gr juerft ift in Poftem «Sinne ein tünftter, 
weil er mit Sewußtfein untiergängttdjen 3nfyatt in eine uuöer* 
gänglid)e ftorm bittet, pier ift fubjectiüe StU'if bon böüig objec* 
tiöer Safjrfjeit unb ©röße; ba§ Reifte fo burdjgearbeitet, baß 
alle Golfer unb 3af)rf)unberte es ficfi aneignen unb nadjempftnben 
fönnen *). 2Bo er aber bölltg objecto bietet unb bie Sttadjt 
feines ©efüf)(e§ nur burrf) einen außer ifym tiegenben £I)atbeftanb 
erratfjen (aßt, wie in ben granbiofen «Sonetten Tanto gentile :c. 
unb Vede perfettamente ic., gtaubt er nodj fic^ entfdjulbigeu 
gu müffen 2 ). 3m ©runbe gehört aud) ba3 a£(erfd)önfte btefer 
©ebidjte fytefyer: ba§ Sonett Deh peregrini che pensosi an- 
date etc. 

2Iud) ofme bie £>iöina (£ommebia märe £)ante burd) biefe 
bloße 3ugenbgefd)td)te ein attarfftein $wifd)en TOtetalter unb 
neuer &\L ©eift unb Seete tfjun f)ier plö^ltd) einen gewattigen 
Sdjritt jur (Srfenntniß if)re§ gefjeimften ßebens. 
Die sommesia. 2Sa§ fyterauf bie (Sommebia an fötalen Offenbarungen ent* 
fjätt, ift üottenbä unermeßlid) , unb wir müßten ba« ganje große 
©ebidjt, einen ©efang nad) bem anbern, burd)gef)en um feinen 
öotten SBertt) in btefer ^ejiefyung barjulegen. ©tücftidierweife 
bebarf e3 beffen nid)t, ba bie (Sommebia tängft eine tägliche 
Speife atter abenbtänbifdjen Golfer geworben ift. Sfyre Anlage 
unb ©runbibee getjört bem Mittelalter unb fpridjt unfer ^Bewußt* 
fein nur Ijiftorifd) an; ein Anfang atter mobernen ^ßoefie aber tft 
ba§ @ebid}t wefentltd) wegen be8 9?eid)tf)um8 unb ber fyofyen 
ptafttfcfjett 2ftad)t in ber «Sdjitberung be« ©etftigen auf jeber 
(Stufe unb in jeber ©anbtung 3 ). 

fortan mag biefe ^oefte if)re fdjwanfenben Sdjicffale fyaben 
unb auf fyatbe S'abrfyunberte einen fogenannten ^üctgang jetgen 
— il)r f)öt)ereö SebenSprtncip ift auf immer gerettet, unb wo im 
XIV., XV. unb beginnenben XVI. 3ah,rt)unbert ein tiefer, ort* 
ginater ©eift in Italien ftd) if>r f)ingiebt, ftcflt er öon felbft eine 

0 Stefe (Eanjonen unb ©onette finb e§, bie jener ©djmieb unb jener 
@feltreiber fangen unb entftellten, über t»e(d)e Sante fo E>öfe rourbe. (Sgl. 
granco ©acd)etti, 3lov. 114. 115.) ©o rajdj ging biefe ^Joefie in ben 
SJiunb be3 $o!fe3 über. 

2 ) Vita miova, p. 52. 

3 ) gür Sante'3 tt)eoreti^cr)e $f»cf)oIogie ift Purgat. IV, Anfang, eine 
ber nücfjtigften ©teilen. Slufjerbem »gl. bie betreffenben Partien beä 
©onoito. 



£>te ©ntbecfung ber Söelt unb be§ SJienfdfjen. 



247 



wefentlid) fyöfjere ^otenj bar als irgenb ein aufeeritatifdjer Stüter, 4. jmttnhu 
roettn man ®Ietcf)fyeit ber Begabung — freilief) eine fdjtoer ju 
ermittelnbe ©ad)e — PorauSfe^t. 

2Bie in allen ©ingen bei ben Italienern bie 33itbung (woju Priorität Ber 
bie ^oefie gehört) ber bilbenben Runft tiorangef)t, ja biefelbe erft mm ^ n l wit 
wefentlid) anregen £>itf t , fo aurf) fyter. @« bauert mefyr als ein 
Oal)ri)unbert, bis baß ©eiftig*33ewcgte, ba« (Seelenleben in Sculptur 
unb Malerei einen SfosbrudE erreicht, roeldjcr bemjenigen bei ©ante 
nur irgenbwie analog ift. 2Bte tiiel ober wie wenig btejj Pon 
ber Sunftentwictlung anberer Völler gilt 1 )/ weit bie 

grage im ©anjen Pon S2ßertt)e tft, fümmert uns t)ier wenig, gür 
bie italienifdje Suttur f)at fie ein entfdjeibenbe« ©ewidjt. 

2Ba§ Petrarca in biefer iöeätefyung gelten fott, mögen bie 
Sefer beö Pietüerbrettcten SDtdjter« entfdjetben. 3Ber ifmt mit ber 
Slbfidjt eine« S3erl)örritf)terS natjt unb bie 2öiberfprüd)e gmifdjert 
bem 3)?enfa)en unb bem £)icf)ter, bie erwiefenen 9?ebenliebfd)aften 
unb anbere fdjwaaje (Seiten redjt emfig auffpürt, ber fann in ber 
£f>at bei einiger 5lnftrengung bie Cuft an feinen Sonetten ganj* 
lid) verlieren. äftan bat bann ftatt eine« poetifcfyen (SenuffeS bie 
tantniß bes 2ftanne§ in feiner „Totalität". 9?ur Schabe, baft 
<ßetrarca'S Briefe fo wenigen aPignonefifdjen Sllatfd) enthalten, 
woran man ifjn faffen tonnte, unb ba£ bie (Sorrefponbenjen feiner 
Mannten unb ber greunbe biefer SSefanntcn entweber Pertoren 
gegangen finb ober gar nie ejtiftirt fjaben. Slnftatt bem £immet 
ju banfen, wenn man ttitfyt ju erforfdjen brauet, wie unb mit 
welken dampfen ein £)id)ter baS Uuüergängtitfje au« feiner Um* 
gebung unb feinem armen lieben Ijerau« ins Sichere braute, t)at 
man gteicfpol)t aud) für. Petrarca aus ben wenigen „Reliquien" 
folcfjer 8trt eine 8eben«gefd)id)te $ufammengefteüt, welche einer 
Slnflageacte älmtid) fief)t. UebrigenS mag fid) ber £)id)ter tröften; 
wenn ba$ £>rncten unb Verarbeiten Pon 23riefwed)feln berühmter 
Seute in £)eutfcf)lanb unb (Sngtanb nod) fünfjig 3af)re fo fort 
gef)t, fo wirb bie 2lrmefünberbanf , auf weiter er fü|t, atfgemacf) 
bie erlaud)tefte ®efeüfd)aft enthalten. 

£)fme baö Diele ^ünfttidje unb ©efucfyte gu öerfennen, wo 
Petrarca fid) felber nadjafymt unb in feiner eigenen Lanier 

0 ®ie ^orträtä ber @t)cE'fd^en ©dEuile mürben für ben Horben eb>r 
ba§ ©egentfyeil beroeifen. ©ie bleiben allen (Säuberungen in Korten noa) 
auf lange $ät überlegen. 



248 



£>te ©ntbechmg ber äßelt unb beö 9Jknfd;en. 



4. gibfd!>nitt. weiterlebtet, bemunbern wir in ihm eine gülle t)errltct)cr «Seelen* 
bilber, @d)ilberungen feiiger unb unfeliger Momente, bie ihm 
wob,! eigen fein müffen, Weil tetn Ruberer bor ihm fie aufweist, 
unb welche feinen eigentlichen Sertl) für bie Nation unb bie 
üöeft aufmachen, Sfttfjt überall ift ber 2luSbrucf gleichmäßig 
burcf)fid)tig; nid)t feiten gefeilt fitf> bem Sc&onften etwas für uns 
grembartigeS bei, allegorifcbes Spielmerf unb fpi^finbige Sophiftit*; 
allein baS SBor^ügtidje überwiegt. 
sBoccaccio. Slucf) Boccaccio erreidjt in feinen ju wenig beamteten Sonet* 
ten ') eine bisweilen t)öd)ft ergrcifenbe £)arftettung feines (SefübleS. 
£)er äBieberbefucb, einer biird) Siebe geweiften Stätte (Som 22), 
bie grüt)lingS^eland)olie (Son. 33), bie Sehmutb, beS alternben 
©icbters (Son. 65) finb Don ilnn gauj fjerrlict) befungen. Sobann 
hat er im 2lmeto bie berebelnbe unb berllärenbe $raft ber Siebe 
in einer 2£eife gefdjilbert, wie man es bon bem 23erfaffer beS 
Decamerone fdjwerlid) erwarten mürbe 2 ), ©nblid) aber ift feine 
„ftiammetta" ein großes, urnftäublic^eS Seelengemäfbe boü ber 
tiefften Beobachtung, wenn aud) nidjts weniger als gleichmäßig 
burchgeführt, ja ftellenweife unläugbar beherrfcht bon ber Suft an 
ber prachtboll tönenben greife; auch Ethologie unb Sllterthum 
mifchen fich bisweilen unglücklich et«- 2öenn wir nicht irren, fo 
ift bie fttammetta ein weibliches Seitenftücf jur Sßita nuoba beS 
©ante, ober bod) auf Anregung bon biefer Seite her entftanben. 

©aß bie antifen ®id)ter, jumal bie ©legifer unb baS bierte 
Buch ber Sieneibe, nicht ohne (Sinfluß 3 ) auf biefe unb bie folgenben 
Italiener blieben, berfteht fid) bon felbft, aber bie Quelle beS 
Gefühls fprubelt mächtig genug in ihrem Innern. 3Ber fie nad) 
biefer Seite h"t mit ihren außeritaltenifd)en ^eitgenoffen bergleicht, 
wirb in ihnen ben frühften üollftänbigen Slusbrucf ber mobernen 
europäifc&en ©efüljlswelt überhaupt erfennen. (§s tjanbeft fich 



9 Slbgebrudt im XVI. 33anbe feiner Opere volgari. 

2 ) Sm ©efang be§ Ritten Seogapen, nad) bem «enuäfefte, Parnasso 
teatrale, Lipsia 1829, p. VIII. 

3 ) ®er berühmte Stonarbo Stretino als §aupt beä £umam3mu3 
Stnfang beS XV. Saljrf). meint jroav : che gli antichi Greci d'umanitä 
e di gentilezza di cuore abbino avanzato di gran lunga i nostri 
Italiani, allein er fagt e3 am @ingang einer 3lovdk, meldte bie n>eid)lid)e 
©eftf>id)te vom fragen ^ßrinjen Slntiodjuä unb feiner Stiefmutter <Stra= 
tonice, alfo einen an fid) jioeibeutigen unb baju fjalbaftaiifdien Seleg 
enthalt. (Stbgebrudt u. a. al<3 Beilage gu ben cento novelle antiche.) 



Sie ©titbecfung bev Sßelt imb beS äJJenfdjen. 249 

hier burd)auS tttdjt barum 31t miffett, ob ausgestattete mm^m^mmnitt 
anberer Nationen nicfjt ebcnfo tief uttb fdjön empfunben haben, 
fonbertt wer guerft bie reichte $enntnifi ber ©eetenregungen 
urfunbfid) erliefen hat. 

SBarum haben aber bie Italiener ber teaiffance in ber 
Stragöbie nur UntcrgeorbneteS geteiftet? ©ort war bie ©tefle, * u * me - 
(praeter, ©eift unb Seibenfehaft tattfenbgeftattig im äöachfen, 
kämpfen unb Unterliegen ber Sftenfchen jur 2tnfd)auung ju bringen, 
äflit anbern 3B orten : warum £)at Statten feinen ©hafspeare 
herPorgebradn? — benn bem übrigen norbifdjen Später beS 
XVI., XVII. 3ahrhunberts motten bie Italiener wol)l gewadjfen 
fein, unb mit bem fpaniftfjen fonnten fie nid)t coucurrtren, weit 
fie feinen retigiöfen Fanatismus empfanben, ben abftracten @hren= 
punct nur pro forma mitmachten unb ihr tpranntfdjeS, illegitimes 
gürftentljum ars fofajeS anzubeten unb gu üerffären p ffug unb 
gu ftorj waren l ). (£s Rubelt fid) atfo einzig nur um bie furje 
23Utthe$eit beS engtifdjen Sweaters. 

hierauf tie^e fid) erwiebern, ba§ baS gange übrige Europa 
auch nur (Stnen @l)afspeare heroorgebrad)t fjat unb ba£ ein foldjer 
©enius überhaupt ein felteneS ®efd)enf beS Rimmels ift. gerner 
föttntc mögtid)erweife eine fiolje «tüthe beS italiemfdjen £heaterS 
im Slnjuge gewefen fein, ats bie Gegenreformation hereinbrach 
unb im 3ufammenl)ang mit ber fpanifdjen £errfd)aft (über Neapel 
unb Sttatfanb unb inbirect faft über gang Statten) bie beften 
23lüthen bes itatienifcEjen ©eifteS fniefte ober Perborren tief, äftan 
benfe fid) nur ©heaspeare fetber 3. 33. unter einem fpanifdjen 
SSicefönig ober in ber 9Ml)e beS fyil Officium« 3U 9?om, ober 
nur in feinem eigenen Sanbe ein paar Sahrjehnbe fpäter, jur 
Bett ber engUfdjen SRePoüttion. £)as Drama, in fetner 2M* 
fommenheit ein fpateS $inb jeber Kultur, miß feine ^ett unb fein 
befonbcreS ©fttcf haben. 

«ei biefem 2lnta§ müffen wir jebod) einiger Umftänbe 
gebenfen, wetdje aflerbings geeignet waren, eine höhere «ütthe 
beS ©rama'S in Statten ju erfdjweren ober ju oerjögern, bis eS 
ju fpät war. 

2IIs ben wid)tigfteu biefer Umftänbe barf man ohne ^weifet m wtn.cn. 
bie grope anberweitige «efdjäftigung ber ©djauiuft bezeichnen, 

J ) Sem einzelnen £ofe ober dürften alTerbingg raurbe t>on ben @ele= 
genf)ett3bramattfern f)inlönglic^ gefcfjmeidjelt. 



250 Sie (Sntbecfung ber 2Belt unb be§ 9JZenfdjen. 



4. 9i»fd »Hitt t aunctchft tiermöge ber 3ftt)fterien it. o. reügtöfcn Aufzüge. 3m 
ganjen Abenbtanbe finb Aufführungen ber bramatifirten ^eiligen 
®efd)id)te unb Segcnbe gerabe Quelle unb Anfang be§ £)rama'8 
unb be§ St)eater3 geroefen; Italien aber hatte fid), wie im fol* 
genben Abfdmitt erörtert werben fotl, ben 9JJt)fterien mit einem 
fotetjen fünftlerijd) becoratiüen ^ractjtftnn Angegeben, bafe barunter 
nott)\nenbig ba§ bramatifcfje (dement in 92acf)ti)eU geraten mußte. 
Aus all ben unzähligen foftbaren Aufführungen entwicfelte fid) 
bann nid)t einmal eine poetifd)e ^unftgattmtg wie bie „AutoS 
fagramentaleS" bei (Salberon u. a. fpanif djen £>id)tern, gefd)tr-eige 
benn ein SBorttjeil ober Anwalt für ba3 profane £)rama. 
Die ^vadit m %{% tc^tereö bennoef) emporfam, naljm e$ fofort nad) Gräften 
an ber bracht ber AuSftattung X\)tii, an weld)e man eben bon 
ben 2ftt)fterieu t)er nur alfjufehr getüölmt mar, 9J?an erfahrt mit 
©tauuen, mie reich unb bunt bie ©ecoration ber «Scene in 3ta* 
lien mar, ju einer ^eit, ba man fid) im Horben nod) mit ber 
einfachen Anbeutung ber £)ertlid)fctt begnügte. Allein felbft bieß 
rocke vielleicht nod) von feinem eutfdjetbenben ©ewid)te geraefen 
wenn nid)t bie Aufführung felbft tbeils burch ^rad)t ber Softüme, 
theil« unb l)auptfacf)ticE> burd) bunte Snterme^i ben <§inn Von 
bem poetifd)en ©ehalt be§ ©tücfe« abgeteuft hatte, 
acutus im!? £)afj man an vielen Orten, namentlich in 9?om unb $errara, 
^lautu« unb Serena, aud) rool)l ©tücfe alter fragiler aufführte 
(<S. 188, 199), balb lateinifd), balb'italienifd), baß jene Acabemien 
(@. 220, f.) fich eine förmliche Aufgabe hieraus maditen, unb 
baß bie £)id)ter ber 9ienaiffance felbft in ihren SDramen von 
biefen SSorbilbern mehr als billig abhingen, gereichte bem itattem* 
fdjen £)rama für bie betreffenbeu 3al)rjehnbe allerbingS aud) jum 
s JJad)theif, bod) hatte id) biefen Umftanb für untergeorbnet. SBäre 
nid)t Gegenreformation unb grembfjerrfdjaft ba$mifd)en gefommen, 
fo hatte fich ie" er ^ad)theit gar wohl in eine nü£lid)e Ueber« 
gangSftufe vermanbeln fönnen. 2öar bod) fd)on balb nad) 1520 
roenigftenS ber ®ieg ber 90lutterfprad)e in £ragöbie unb Somöbie 
jum großen 23erbruß ber gmmaniften ») fo viel als entfd)ieben. 
33on biefer @eite hätte ber entroicfeltften Nation (Sitropa'ä fein 
£inberniß mehr im 2Bege geftanben, wenn e« fid) barum hanbelte, 
ba§ £)rama im höd)ften @inne beS SBorteS 31t einem geiftigen 



') Paul. Jovius, Dialog, de viris lit. illustr., bei XiraboScfji, %om. 
VII, IV. — Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temp. 



Sie ©ntbecfung ber SBelt unb be§ aßetiföen. 



251 



Stbbttb be« üftenfdjenteben« ergeben. Snqutfitoren unb (Spanier §, mimitt. 
waren c«, welche bie Italiener Perfcfjücfjtcrten unb bie bramatifdje 
©djttbermtg ber tt>af)rften unb größten Sonfltcte, jumat im ©e* 
wanbe nationaler (Erinnerungen, unmöglich machten. Daneben 
aber muffen wir bact) auef) jene jerftreuenben 3nterme^t af« einen 
wahren (Schaben beö Drama'« näfyer in« Sluge faffen. 

Site bie $odjjett be« bringen SHfonfo Pon gerrara mit ßueregta «ufiu&vungen 
öorgia gefeiert würbe, geigte ber ^erjog (Srcole in $erfon ben * ixm *' 
ertaubten ©äften bte 110 (Softüme, tueterje jur Sluffüfjrung Don 
fünf plautinifcben (Somöbien btenen foltten, bamit man fc^c, baß 
feine« jweimat biene 1 ). 2lber was wollte biefer £uru« Pon Raffet 
unb Äametot fagen im $ergleicf) mit ber 2luSftattung ber Mattete 
unb Pantomimen, wetcfjc al« gwifcfjenacte ber piautinifcf)ett (Stüde 
aufgeführt würben, ©aß $rautu« baneben einer lebhaften jungen 
Dame rote Sfabeüa ®on3aga fdjmersiid) langweilig öorfam unb 
baß Ocbermann fief) wöfyrenb be« Drama'« nact) ben 3wifcf)en* 
acten feinte, ift begreiflich, fobalb man ben bunten ®lan$ ber* 
felben in 33etracf)t jtc^t. Da gab e« kämpfe römifcfjer trieger, 
welcfjc ttjre antüen Sföaffen funfigeredjt jum STacte ber SJhtftf 
bewegten, gacMtänje Pon Dohren, einen £ang Pon wilben üßän* 
nern mit gütnjörnent, au« welchen ftüffige« $euer fprüfjte; fie 
bilbeten baö fallet ju einer Pantomime, welche bte Rettung eine« 
aftabcfjen« Pon einem Dramen barftcllte. Dann tanken Marren 
in PuÜ'cineÜ'tracf)t unb fcfylugen einanber mit @d)Wein«blafen, 
u. bgf. m. (£« mar eine jugeftanbene ©adge am fwfe Pon ger* cas Sanett. 
rara, baß jebe (Somßbie „if)t" fallet (moresca) fjabe 2 ). Sie 
man ftd) pollenb« bie Aufführung be« pfauttntferjen 2lmpI)itruo 
bafelbft (1491, bei 9Iffonfo'« erfter 23ermäf)lung mit Slnna ©forja) 
benfen fyabe, ob Pielletajt fdjon mein* al« Pantomime mit 
äJhtfif, benn al« Drama, bleibt jweifelfjaft 3 ). Da« (Eingelegte 
überwog jebenfall« ba« ©titcf felbcr; ba faf) man, Pon einem 
raufdjenben Drdjefter begleitet, einen (5f)ortan$ Pon Senglingen 

1 ) Sfabeüa ©on^aga an iljren ©ematyl, 3. %ebx. 1502, Arch. stor. 
Append. II, p. 306, s. — SBei ben franjöftfdjen 9)h)ftere§ marfd()irten bie 
©tfjaufpteler fefbft norfjer in ^ßroceffionen auf, voaä man la montre bjefj. 

2 ) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 404. Stnbere ©teilen 
über ba§ bortige Sljeaterroefen Col. 278. 279. 282 Bis 285. 361. 380. 381. 
393. 397. 

3) Strozii poetae, p. 232, im IV. $ud£> ber 2teoIoftic§a be§ %ito 



252 



£>ie ©ntbecfung ber SOßelt unb be3 SJienfcfjen. 



4. atfefcftni tt, in (Sptyeu gebüßt, in fünftlid) t>erfd)lungencn giguren; bann 
erfdjien Apoll, fcfjtug bie Ötjta mit bem ^(ectrum unb fang baju 
ein $rei«lieb auf ba* §au« ßfte; jutteic^ft folgte, gtetdjfam als 
3ntermejjo im 3nterme^o, eine bäurifdje ©enrefeene ober ^offe, 
worauf wieber bie SJtytfjologie mit Venu«, $acd)u$ unb ihrem 
©efotge bie @ceue in 23cfdilag naljm unb eine Pantomime — 
^ßariö auf bem 3ba — üorging. 9?un erft fam bie jweite £)ätfte 
ber gäbet be$ Amphitruo, mit beutlidjer Anfpictung auf bie fünf- 
tige ©elutrt eines $erfule8 au§ bem £aufe @fte. 33ei einer 
frühem Aufführung beffelben @tüde« im §of beS ^alaftes (1487) 
brannte fortwährenb „ein Barattes mit (Sternen unb anbern 
labern", b. h- eine Illumination Pielleidjt mit geuerwerf, welche 
gewiß bie befte Aufmerffamfeit abforbirte. .Offenbar war e§ beffer, 
wenn bergleidjen ^ut^aten für fid) als eigene ©arftetlungen auf* 
traten, wie etwa an anbern £)öfen gefdjal). S3on ben feftüdjen 
Aufführungen beim Sarbinat ^ietro SRiario, bei ben 33entiüogli 
ju Bologna tc. wirb beßhalb bei Anlaß ber gefte ju Ijanbetn fein, 
statientfäc $ür bie italienifdje Crtginaltragöbie war bie nun einmal 
sragswe. gebräudjlitfje ^rad)t ber Ausstattung wof)l ganj befoubers Per- 
hängnißPotl. „3ftan f)at früher in 23enebig", fdjreibt grancesco 
©anfooino 1 ) um 1570, „oft außer ben (üomöbien aud) £ragöbien 
„üon antifen unb mobernen £)id)tern mit großem 'ißomp aufgeführt. 
„Um be$ Ruhmes ber AuSftattung (apparati) willen ftrömten 
„gufdjauer t>on fern unb nahe baju gerbet, ^eutjutage jebod) 
„finben §eftüd)feiten, bie üon ^ßriuatteuten perauftaltet werben, 
„5Wtfd)en Pier dauern ©tatt unb feit einiger ,3eit fjat fid) Pon 
„fe(bft ber (Gebrauch fo feftgefe^t, baß bie ßarnePat^eit mit So* 
„möbien unb anbern tyitexn unb faßbaren Vergnügungen hin* 
„gebradjt wirb". £). h- ber ^omp b,at bie STragobie tobten 
helfen. 

£>ie einzelnen Anläufe unb SSerfudje biefer mobernen fragiler, 
worunter bie ©ofonisba beö Striffino (1515) ben größten SRuhm 
unb scmiöbie, gewann, gehören in bie 8iteraturgefd)td)te. Unb aud) Pon ber 
bornel)mern, bem 'tßlantus unb £erenj nadjgebilbeten (Somöbie 
laßt fid) baffetbe fagen. Selbft ein Arioft tonnte in biefer ®at* 
tung nid)t§ Augge^eidjneteS letften. ©agegen hatte bie populäre 
Somöbte in ^rofa, wie fie äftacdjiaüclli, 33ibicna, Aretino behan- 



') Franc. Sansovino: Venezia, fol. 169. (Statt parenti ift tuoF;! 
pareti ju lefen. ©eine Meinung ift aud) fonft nid)t ganj llax. 



Sie ©ntbecfimg ber 2BeIt unb be§ 9)Ienfd)ett. 253 

betten, gar wot)l eine Bufunft fyaben fönnen, wenn fic nid)t um mt ünitt. 
ifjreö Inhaltes willen bem Untergang Oerfalten gewefen märe. 
£)iefer war namtid) einftweilen ttjeUö äufjerft unfitttid), tbcits 
gegen einzelne @tänbe gerichtet, welche fid) feit etwa 1540 nid)t 
mehr eine fo öffentliche $einbfd)aft bieten tiefen. SBenn in ber 
©ofonisba bie (Sharacterifttf oor einer gtanjüollen ©eclamation 
Ijatte weichen müffen, fo roar fie f)ter, nebft tt)rer @tieffd)Wefter, 
ber ßaricatur, nur p rücffid)t§loö gefyanbhabt gewefen. 

üftun bauert ba8 £>id)ten oon STragöbien unb (Somöbien un* 
aufhörttd) fort, unb aud) an zahlreichen mirllidjen Aufführungen 
antifer unb moberner @tücfe fehlt es fortwährcnb nid)t; allein 
man nimmt babon nur Anlaß unb ©elegenBeit, um bei geftcn 
bie ftanbeSmäßige ^radjt ju entwicfeln, unb ber ©eniuS ber 
Nation t)at fid) baöon als bon einer lebenbtgen Gattung oöllig 
abgewanbt. @obatb @d)äferfptet unb Oper auftraten, tonnte 
man jene SSerfudje öollenbs entbehren. 

National war unb blieb nun nur (Sine ©attung : bie unge* sjtaMenamtawe. 
fdnüebene Sommebia bell' Arte, wctdje nad) einem oortiegenben 
©cenarium improoifirt würbe, ©ie fommt ber Ijöljent (Sfyarao 
teriftif bepalb nid)t fonbcrtid) ju (Sitte, weil fie wenige unb feft* 
fte^enbe SttaSfen l)at, beren ßbaracter Obermann augwenbig weiß. 
£)ie Begabung ber Nation aber neigte fo fehr nad) biefer ©attung 
l)in, baß man aud) mitten in ben Aufführungen gefajriebener 
(Somöbien fid) ber eigenen Smprooifation überliefe 1 ), fo baß eine 
förmlidjc SDlifdjgattung fid) bie unb ba geltenb machen tonnte. 
3n biefer Seife mögen bie Somöbien gehalten gemefen fein, 
roeld)e in SBenebig 33urd)iello unb bann bie ©efellfdjaft be$ Ar* 
monio, SBat. guccato, 8ob. £)olce :c. aufführte 2 ); oon 23urd)ieüo 
erfährt man bereits, baß er bie ®omif burd) einen mit ©riecl)ifd) 
unb ©laoonifd) Perfekten Penejianifdjen £>ialect ju fteigern mußte. 
(Sinz faft ober gan$ oollftänbigc (Sommebia bell' Arte war bann 
bie beS Angelo 33eolco, genannt il 9?ujjante (1502—1542), beffen 
ftehenbe 2fta3fen pabuanifd)c dauern (3J?enato, 23c$jo, -SBiüora u. 
21.) finb; ihren ©ialect pflegte er ju ftubiren, wenn er auf ber 
SSilla feines (Sönnern £uigi ßornaro ju (Sobeuico ben ©ommer 



J ) Siefs meint roo£)l (Scmfomno, Venezia fol. 168, roenn er ftagt, bie 
recitanti üerbürben bie ßomöbien „con invenzioni o personaggi troppo 
ridicoli". 

2 ) ©anfoüino, a. a. D. 



254 



S)ie (Sntbedt'ung ber äßelt unb bes> 3Wenfd^en. 



4. aibfd>nitt. aubradite Slltmälig tauchen bann all bie berühmten SocalmaSlen 
auf, an bereu Uebcrreften Statten fief) nod) fyeute ergoßt: ^antatone, 
ber ©ottore, SBrtgljella, ^ulcinella, 21r(ecd)ino u. f. ra. @te ftub 
geroife großenteils fe^r tiiel älter, ja möglidjernjeife im gufammen* 
fjang mit beu äftaSfen altrömifdjer Warfen, allein .erft bas XVI. 
3at)rl)unbert bereinigte mehrere Hon iljnen in (Sinem @tücfe. 
©egemuärtig gefd)tef)t biefe ntdjt mefyr leidjt, aber jebc große @tabt 
tjält menigftenS itjre i^ocalmaSfe feft : Neapel feinen ^uteineüa, 
$loren$ ben ©tenterello, Sftailanb ben bisweilen fyerrlidjen äftene* 
fing 2 ). 

erfatj Mu-d) sie (gm bürftiger (5rfa£ freilid) für eine große Nation, tt-eldje 
TO " rif ' öielleidjt üor allen bie ©abe gehabt t)dtte, ifyr £)öd)fte§ im ©piegel 
be§ £>rama'S objectiö ju fdjilbern unb angufdjaueu. 91ber biefj 
follte if)r auf Safyrfyunbcrte Derweijrt bleiben burd) fetnbfelige 
ÜMd)te, an bereu Sluftommen fie nur jum £f)eil ©djulb war. 
üfticfjt auszurotten war freilid) bas allu er breitete Talent ber 
bramatifdjen £)arftellung unb mit ber üDiufif f)at Italien üollenbs 
(Suropa jinSpfliditig gehalten. Sßkr in biefer STonwelt einen Qix* 
fa^ ober einen üerfyüllten SluSbrucf für bas üerwefyrte £)rama 
ernennen will, mag fid) bamit nad) (Gefallen tröften. 
romantifc£)c 2BaS bas £)rama nid)t gcleiftet fyatte, barf man es etwa 
e?0? ' öom (SpoS erwarten? ©erabe baS italienifd)e §elbengebid)t wirb 
fdjarf barob angellagt, bafe bie Haltung unb SDurdjfüljrimg ber 
(Sfjaractere feine allerf.djwädjfte «Seite fei. 

Rubere SSor^üge finb ifym nid)t abstreiten, u. a. ber, bafj 
eS fett tnertfyalb Saf)rl)intberten mirtlid) gelefen unb immer Don 
Beuern abgebruett wirb, wäfyrenb faft bie ganje eptfdje ^oefie ber 
übrigen Völler juc blofjen literargefd)td)tlid)en (Suriofität geworben 
ift. Ober liegt es etwa an ben £efem, bie etwas anbereS Der* 
langen unb anerf ernten als im Horben? SBentgften« gehört für 
uns fd)on eine tfyetlweife Aneignung beS italienifajen ®efid)ts* 
freifeS ba$u, um biefen£)id)twtgen iljren eigentümlichen SBertfy abju* 



') Scardeonius, de urb. Patav. antiq. bei Graevius, Thes. VI, III, 
Col. 288, s. @ine roic§tige ©teile au <fj für bie Sialectliteratur über* 
f)aupt. 

2 ) SDafj Septem ntinbeftenS im XV. Saljrlj. fdjon üorfjanben ifi, läfjt 
fid) au3 bem Siario $errarefe fdjliefjen, inbem biefeg aug ben in ^^^ara 
1501 aufgeführten 9ftenäcf)men be3 Splautug mifjüerftänblicl) einen 2Jiene= 
tt)ino tnad&t. Diar. Ferr. bei Murat. XXIV, Col. 393. 



Sie ©ntbecfung ber 2BeIt unb beä 3ftenfd)en. 255 



gewinnen, unb e$ giebt fetjr ausgezeichnete a^enfctjcn, welche s - www«. 
erftären ntcfjtß bamit anfangen ju fönnen. greitid) wer *ßuld, 
33ojarbo, 2triofto unb SBerni auf ben reinen fogenannten ©ebanfen* 
gebalt bin analufirt, ber muß babei ju fur$ fommen. ©te finb 
Äünfltcr ber eigenften 2trt, roeldje für ein entfdjieben unb öor* 
I)errfd)enb fünftterifdjeS 23otf bieten. 

£)ie mittelattertidjen ©agenfreife Ratten nad) bem oftmaligen £ie e«aen»eit 
(Sr(öfd)en ber 9?itterbid)tung tf)ctfe in ©eftalt üon gereimten Um* al8 8aW ' 
arbeitungen unb «Sammlungen, tljeilö ate ^rofaromane weiter 
gelebt. Cefctere« mar in Italien raä^renb beg XIV. 3al)rf)unbcrt« 
ber galt; bod) wudjfen bie neu erwacbenben (Erinnerungen beS 
2Utertl)um§ riefengroß baneben empor unb fteüten aüe ^ßljantafie* 
bitber be« 2ftittelatter8 in tiefen ©Ratten. Boccaccio 3. ©. in 
fetner SBtftonc amorofa nennt jraar unter ben in feinem Räuber* 
palaft bargeftelften §erocn aud) einen Striftan, 2lrtu§, ©ateotto 
m mit, aber gan$ furj, ats fd)ämte er fid) ttjrer, unb bie folgen* 
ben ©djriftftettcr alter 2trt nennen fie entroeber gar nid)t mcljr 
ober nur im ©d)ers. I£a8 «Bolf jebod) berieft fie im ®ebäd)tniß, 
unb au« feinen Jpänbcn gingen, fie bann roteber au bie £)id)ter beö 
XV. -3afjri)unbcrtö über. £)iefelben tonnten il)ren (Stoff nun gan$ 
neu unb frei empfinben unb barfteßen; fie traten aber nod) meijr, 
inbem fie unmittelbar baran weiter bieteten, ja fogar bei Seitem 
baS ÜÄeiftc neu erfanben. ßines muß man ntctjt üon tfjnen Oer* 
taugen: baß fie einen fo überfommenen (Stoff l)ätten mit einem 
üorwettlidjen ^efpect befjanbetn fotten. £)a$ ganje neuere (Suropa 
barf fie barum benetben, baß fie nod) an bie £i)eunat)me tfjre« 
Sßotfe« für eine befttmmte $f)antafiewelt anfnüpfen tonnten, aber 
fie fjätten £eud)ter fein miiffen, menn fie biefetbe ate 2D?t)tf)uS 
öcreijrt bätten 1 ). 

©tatt beffen bewegen fie fid) auf bem neu für bie Sunft* © a « «unfeia.: 
poefie gewonnenen @ebiete als ©ouüeräne. 3f)r £aupt$iel fdjeint 
bie mögUdjft fd)öne unb muntere SBirfung be« einzelnen ®efange$ 
beim ^ecitiren gewefen 311 fein, wie benn aud) biefe ©ebidjte 
außerorbentttd) gewinnen, wenn mau fie ftücfwetfe unb üortrefflid), 
mit einem tetfen Anflug üon Äomif in ©timme unb ©eberbe 



0 ^ulci in feinem Sötutljnuu'en fingirt für feine ©efd)id)te be§ liefen 
SRargutte eine feierliche uralte Xrabition. (Morgante, canto XIX, str. 
153, s.) — Sftod) brolliger lautet bie fritifdje (Einleitung beä Simerno 
^iioeco (Orlandino, cap. 1, str. 12—22). 



256 



Sie ©ntbechmg ber Söett itrtb be§ SDlettfdfjen. 



4. w>f ä>nitt. frerfagen f)ört. (Sine tiefere, burcfjgefü^rte (Sfyaracteqeicfjttimg 
t)ötte jur (§ri)öf)ung tiefe« (SffectS nidjt fonberüd) beigetragen; 
ber £efer mag fte Verlangen, ber £)örer benft nietjt baran, Da er 
immer nur ein @tücf fyört unb gittert nur ben SHfyapfoben bor fid) 
fieljt. 3n Setreff ber üorgefdjrtebenett Figuren ift bie (Stimmung 
be§ ©tdjterö eine boppette: feine fyumaniftifdje -53ttbung proteftirt 
gegen ba§ mittetattertidje 2Befen Derfelben, rocMjrenb bod) tt)re 
Kampfe als ©eitenbüb beö batnatigen furnier* unb Äriegöiuefen« 
aüe mögliche Äennerfdjaft unb poetifdje Eingebung erforbern unb 
jugleid) eine @(anjaufgabe be$ 9?ecitanten finb. ©epatb fömmt 
Suiät «putei. <$ felbft bei ^Sutci 1 ) ju feiner eigentlichen *ßarobte be§ bitter 
tljumS, tnenn and) bte fomifd) berbe SHeberaeife feiner ^atabine 
oft baran ftreift. ©aneben ftctlt er ba§ Obeal ber 9?auf(uft, 
feinen broüigcn unb gutmütigen SCRorgante, ber mit feinem 
®(ocf\'nfd)tt)engeI ganje Armeen bdnbigt; ja er tueiß aud) biefen 
raieberum retattt) 511 üerftären burd) bie ©egenüberftcllung beö ab* 
furben unb babei t)öd)ft merfmürbiflen ÜRonftrum'S äWargutte. 
(Sin befonbereS ©eroidjt legt aber Ißutci auf biefe beiben berb unb 
fräftig gejeidjneten (S^aracterc feineSioegS, unb feine ®efd)id)te 
gef)t aud) nadjbem fie töngft barauS üerfdjmunben finb, itjren 
sBoiarbo. ro unb erlief) en ©ang weiter. 2lud) 23ojarbo 2 ) ftel)t ganj bewußt 
über feinen ©cftalten unb braucht fie nadj belieben ernft unb 
fomifd); felbft mit ben bämonifdjen 2Befen treibt er feinen @paß 
unb fdjtfbert fie bteweiten abfid)tüd) ate tölpelhaft. @8 giebt 
aber eine fttnftfertfcfje Aufgabe, mit roefdjer er cö fid) fo feljr 
ernft fein läßt roic ^utet; nämtid) bie äufjerft lebenbige unb, man 
tnödjte fagen, tedjmfd) genaue @d)überung aller Hergänge. — ^ßutei 
recitirtefein©ebid)t, fobalb lieber ein ©efang fertig war, tior ber®e* 
feüfdjaft beö Sorcnjo magnifico, unb gleidjermajjen Sofarbo baS 
feinige tior bem §ofc beö (Srcote üon $errara; nun errät I) man teid)t, 
auf roa§ für 33orjüge fjier gead)tet nmrbe unb tuie tuentg ©anf bie 
burd)gefüf)rten Stjaractere geerntet I)aben mürben. 9catürtid) bilben 
aud) bie ©ebtd)te felbft bei fobenmnbten Umftdnben lein gefdjloffeneS 
®anje§ unb fönnten t)alb ober aud) boppelt fo lang fein als fie finb; 
itjre Sompofition ift nidjt bie eine§ großen §iftorienbilbe§ fonbern 
bie eines Briefe« ober einer bon bunten ©eftalten umgaufelten 

1) Ser 2)?organte juerft gebrückt vor 1488. — Sa3 Surniertoefen 
f. unten. 

-) 3)er Drlanbo inamoiato juerfi gebvueft 1496. 



£>ie ©ntbecfung ber SBelt unb be§ SDicnfctjen. 



257 



prad)tboüen gruajtfdjnur. @o wenig man in ben ftiguf en 4. atbfcbmtt. 
unb bem ^onfentoerf eines Briefes burdjgefüljrte inbibibuelk $or* 
men, tiefe ^ßerfpectiben unb bcrfcfyiebenc tyiant forbert ober aud) nur 
geftattet, fo roenig erwartete man e$ in biefen ©ebid)ten. 

£)ie bunte güöc ber (ürrfinbungen , burd) roe(d)e befonberS 
23ojarbo ftets Don Beuern überragt, fpottet aCter unierer jefct 
gdtenben <3d)uIbefiuitionen Dom 2Befen ber epifdjen ^oefie. pr SMS eiujig 
bie bamatige £eit mar es bie angeneljntfte ©iberfion gegenüber mößad)c m *- 
ber ^Befdjäftigung mit bem 2Htertl)um, ja ber einjig mögliche 
StuSiueg, raenn man überhaupt mieber ju einer fetl'ftänbigen 
eqäijlenben £)id)tung gelangen foflte. 2)enn bie ^oetifirung ber 
©cfdjicfjte beS SUtertlmm« führte bod) nur auf jene Srrpfabe, 
reelle Petrarca betrat mit feiner „9lfrica" in tatcimfdjen £era* 
metern unb anbertl)atb Oa^rljunberte fpater £riffino mit feinem 
„bon ben ©otljen befreiten Italien" in versi sciolti, einem enor* 
men ©ebiajte bon tabeüofer «Spraye unb 23erfification, roo man 
nur im ^weifet fein fanu, ob bie ©efdjidjte ober bie^oefie bei 
bem unglucKid)en 23ünbnij3 übler tueggefornmen fei. Unb mofyin 
bertoefte ©ante biejenigen, bie il)n nadjaijmten? £>ie bifionären 
STrionft bes Petrarca finb eben nod) bas 8efcte, was babei mit 
©efajmacf ju erreichen war, 23occaccio'S „berüebte Sßifton" ift 
fdjon roefenttid) bloße ^ufjabümg l)iftorifd)cr unb fabelhafter sßer* 
fönen nad) aftegorifdjen Kategorien. Inbere leiten bann, was fie 
irgenb bor^ubringen fjaben, mit einer bavoefen Nadjafymung bon 
©ante's erftem ©efang ein unb berfefyen ftd) babei mit irgenb 
einem aflegorifdjeu Begleiter, ber bie ©teile be$ Virgil einnimmt; 
Uberti Jjat für fein geograpl)ifd)e$ ©ebid)t (©ittamoubo) ben 
@oünu$ gemäht, ©iooanni Santi für fein Sobgebidjt auf geberigo 
bon Urbino ben ^(utard) 1 ). S3on biefen falfdjen Porten erlofte 
einftroetfen nur biejenige epifd)e £)id)tung, tbeldje bon ^ßutei unb 
25ojarbo bertreten mar. £)ie SSegierbe unb -Setbunberimg, mit 
ber man ifyr entgegentam — toie man biefleidjt bis an ber £age 
Slbcnb mit bem @po$ nid)t meljr tfyun tuirb — beweift gtän^enb, 
rote fetjr bie ©adje ein iöebürfnift mar. (£$ Rubelt fid) gar 
niajt barum, ob in biefen ©djopfungen bie feit unferm ^afyrlum* 
bert aus £omer unb ben Nibelungen abftraijirten Obeate beS 
magren £elbengebid)te$ berroirf(id)t feien ober nid)t; ein Obeal 
tt)rer $eit benmrfucfyten fie {ebenfalls. Sftü ifjrcn maffenlmften 



!) Vasari VIII, 71, im ©ommentar gur Vita di Raffaelle. 

Säutcffycif&r, Kultur ber Otcnaiffance. 17 



258 



Sie ©ntbetfung ber SBelt mtb be§ 9Jtenfdf>en. 



4. mfdmitt. ®ampfbefd)reibungen, bie für un« ber am meiften crmübettbc 23e* 
[tanbtijeit fiub, begegneten fie überbieß, wie gejagt, einem <3ad)* 
intereffe, öon bem wir un« fd)wer eine ridjtige Sßorftettung maajen, 
fo wenig at« öon ber £wd)fd)a§ung beö tebenbigen momentanen 
@djilbew8 überhaupt. 
ms&- ta « n man oemt auc ^ an ^ rio fi° bitten falfdjern 3ttaß= 

(tab legen a(« wenn man in feinem Ortanbo furiofo J ) nad) 
Stjaracteren jucken gejjt. <Sie finb l)ie unb ba öorfjanben mtb 
fogar mit öiebe betjanbett, attein ba« ®ebid)t ftüfet fic^ feinen 
2lugenbtt(f auf fie unb mürbe burd) tf>re §eröort)ebung fogar el)er 
berüeren at« gewinnen. 3ene Slnforberung t)angt aber mit einem 
allgemeinem 23eget)ren jitfammen, meinem Slriofto nidjt im @inne 
unferer 3eit genügt; öon einem fo gewaltig begabten unb be* 
rühmten £>id)ter nämlidj t)ätte man gerne überhaupt etwa« 2tn* 
bere« at« SKoIanb«abenteuer u. bgt. dx tjätte fotten in einem 
großen 2öerfe bie tiefften (Sonfücte ber ÜJienfdjenbruft, bie f)öd)ften 
Stnfdjauungen ber &tit über göttfidje unb menfcrjüdje £)inge, mit 
einem Sorte: eine« jener abfdjtteßenben SÖettbitber barfteüen wie 
bie göttliche Somöbie unb ber gauft fie bieten. (Statt beffett 
berfäfyrt er ganj wie bie bamaügen bitbenben tünftter unb wirb 
unfterbtidj, inbem er öon ber Orginalität in unferm Jeggen (Sinne 
abftratjtrt, an einem berannten Greife öon ©eftatten weiterbildet 
unb felbft ba« fdjon bagemefene £)etait nod) einmal benüfet wo 
e8 ir)m bient. 2öa« für SBoqüge bei einem fötalen 23erfat)ren 
nod) immer erreicht werben fönneu, ba« wirb beuten otjne fünft* 
terifd)e« Naturell um fo biet fdjwerer begreiftid) ju machen fein 
©ein ew. je geteerter unb geiftreidjer fie fonft fein mögen. £)a« Äunftjtet 
be« Slriofto tft ba« gtanjtwU febenbige „®efdjet)en", metctje« fidtj 
gleichmäßig burd) ba« ganje große ®ebid)t üerbreitet. (Sr bebarf baju 
einer £>i«penfation nidjt nur öon ber tiefem ßfyaracterjeictjnung 
fonbern aud) öon altem ftrengern 3ufammenl)cmg ber ®efdjid)tcn. 
(5r muß üertorene unb öergeffenc gaben wieber anfnüpfen bürfen 
wo e« i|m beliebt; feine Figuren müffcn fommen unb öerfcfywiu* 
ben, nidjt weit it)r tiefere« perfönüdje« SBefen fonbern weit ba« 
©ebidjt e« fo öerfangt. greittcf) innerhalb biefer fd)einbar trratto» 
netten, roiüfürtidjen (5ompofition«weife entwicWt er eine ööltig 
gefet^mäßige @ct)önt)eit. @r üerliert fidt) nie in« 23efd)reiben, fon* 
bem giebt immer nur fo öiet Scenerie unb $erfonenfd)itDerung 



i) ©ie erftc 2tu3gabe 1516. 



Sie ©ntbecfung ber SBelt unb be§ 9ftenfd£jen. 



259 



als mit bem SBorwärtSrücfen ber Sreigniffe rjarmonifd) berfdjmoljett 4. mäm« 
werben fann; nocf) weniger berliert er fidt> in ©efpräcf)e unb Wloi 
notoge 1 ), fonbern er behauptet baS majeftatif c^e ^riöilegium bes 
wahren (SpoS, 2MeS ju lebenbigen Vorgängen ju geftotten. £)aS 
fßatljo« tiegt bei irmt nie in ben Sßorten 2 ), üollenbs tridjt in bem 
berühmten brciunbjwangigften ©efang unb ben folgenben, wo 
SKolanbS 9?aferet gefcfjilbert wirb. £)afe bie SiebeSgefajtcrjten im 
£elbengebtdf)t feinen tnrifcf)en @a)tnet3 f)aben, tft ein #erbienft mef>r, 
wenn man fte audj bon moralifd)er «Seite tttdjt immer gut Reißen 
fann. bisweilen befifcen fie bafür eine fotcfje SBatyrfjett unb 
Sirflicfjfctt trofc allem Räuber* unb SKttterwefen, baS fie umgiebt, 
bafc man barin unmittelbare SIngelegenrjeiten beS £)icf)terS felbft 
SU erfennen glaubt. 5m Mgefütjt feiner 2Äeifterfcf)aft t)at er 
bann unbebenftid) nocf) manches Slnbere aus ber (Segenwart in 
bas grofe 2Berf berflocfjten unb ben 9tuf)m beS £aufeS @fte in 
©eftatt öon @rfcf)einungen unb 2Seiffagungen mit f)ineingenommeu. 
£)er wunberbare @trom feiner Ottaöen trägt biefes SlüeS in gfeia> 
mäßiger Bewegung öorwärts. 

2ttit Stcofito gotengo ober, wie er ficf) fticr nennt, Simerno soiengo unb t>k 
sßitocco tritt bann bie ^ßarobie beS ganzen 9iitterwefenS in il)r ® amk 
längft erfermteS fRedEjt 3 ), jubem aber melbet ftdj mit ber Äomtf 
unb i^rem Realismus notfywenbig auaj baS ftrengere S^aracterifircn 
wieber. Unter ben puffen unb ©teinwürfen ber wilben ©äffen* 
jugenb eines romifa^en £anbftäbtcf)enS, <Sutri, warfst ber f leine 
Orlanbo ficfjtbarlicf) $um mutagen gelben, üßöndjÄfeittb unb 
^aifonneur auf. £>te conoentioneüe ^fjantafteroelt, wie fie ftcf) 
feit ^ulci ausgebitbet unb als ^afymen beS @po3 gegolten fjatte, 
fpringt £)ier freilief) in ©plitter auSeinanber; $erfunft unb Sföefen 
ber ^alabine werben offen berrjßtjnt, 3. 23. buref) jenes (gfelturnier 
im jweiten ©efange, wobei bie bitter mit ben fonberbarften 
Lüftungen unb Söaffen erfdjeinen. £)er Siebter geigt bisweilen 
ein fomifetjeS ^öebauern über bie unerflärliaje £reutofigfeit, bie in 
ber gamilie beS ©ano non ä)?ainj ju Spaufe gewefen,über bie 
müljfelige Erlangung bcS ©cfjwerteS ©urinbana u. bgt., ja baS 
Ueberlieferte bient Ü)tn überhaupt nur notf) als ©ubftrat für 

9 Sie eingelegten ^eben finb näm(tcf) nueberum nur ©rjä^Iungen. 

2 ) 2Ba§ fief) ^5ulci tvoty erlaubt f»atte. Morgante, Carito XIX, Str. 
20, s. 

3 ) ©ein Drtonbino, erfte 2tuäg. 1526. — SSgt. oben ©. 127. 

17* 



260 



Sie @ntbedtung ber SBelt unb beö 3Renf$en. 



tärf)ertid)c (Sinfäae, (Spifoben, 5tenbenjau*brttdf)e (worunter fet)r 
fdjönc, 5. 53. ber ©djtuß öon (Eap VI.) unb Boteu. «Reben alte* 
bem ift enbüd) noef) ein gettiffer Spott auf Slriofto nid)t ju ber* 
lernten, unb e§ mar tnofjt für ben Drlanbo furiofo ein ®lücf, 
baß ber ©rfanbino mit feinen tutfjerifdjen Äefcereim siemtid) balb 
ber Snquifition unb ber fünfttidjen 23ergeffertt)cit antjeim fiel. Sitte 
fenntlidje ^arobte fcf»eint 3. SB. burd), wenn (Sap. VI, <Str. 28) 
ba§ $auS ®on$aga Pon bem ^alabin ©uibone abgeleitet mirb, 
{internal Pon Drtanbo bie (Sotonnefen, öon 9iinaibo bie Orfinen 
unb pon föuggieri — laut 2lrioft — bie (Sftenfcr abftammen 
fönten. 33ietteid)t mar fterrante ©onjaga, ber Patron be8 £)id)terS, 
biefer 2fojüglid)feit gegen bas #auS (Sfte nid)t fremb. 
So „. saffc. £)aß enbüd) in ber ©erufatenttne liberata be<* Torquato 
Staffo bie (Stjaractertftif eine ber rjöd)ften Angelegenheiten beS 
£)id)terg ift, bettetet allein fdjon, ttie roeit feine ©enfroeife Pon 
ber um ein rjatbeS 3af>rf)imbert früher ^errfdjenben abroeidjt. '©ein 
bewunbernSrotirbigeS Serf ift mefentüd) ein SDentmal berinjttifcöcn 
Ponogenen (Gegenreformation unb ifyrer £enbenj. 



Außerhalb be§ ©ebieteö ber ^ßoefie l)aben bie Italiener guerft 
Pon allen Europäern ben f)iftorifd)en äftenfdjen nad) feinen äußern 
uub inuern Bügen unb (Sigenfdjaften genau ju fd)ilbern eine burd)* 
gefjenbe Neigung unb Begabung gehabt. 
bHxam w «fierbing« geigt fdjon baS frühere Mittelalter bemerfenS* 
giHtteiaiter«, mertrje 23erfud)e biefer Slrt, unb bie i*egenbc mußte alö eine ftef)enbe 
Aufgabe ber «iograptyte ba8 Sntercffe unb ba8 ®efd)icf für in* 
biöibuette @d)ilberung menigften« biß gu einem gettiffen ©rabe 
aufrecht tjatten. 3n ben Softer* unb ©omftiftsannalen tterben 
mandje §ierard)en, roie 5. SB. äfteinroeri non <ßaberbortt, ©obefmrb 
öon ^)itbe8t)eim ic. redjt anfäjautid) befdirieben, unb öon meiern 
unferer beutfdjen ®aifer giebt e£ @d)itberungen, nad) antifen 
Lüftern, jumal ©ueton, öerfaßt, meiere bie foftbarften Büge 
enthalten; ja biefe unb äfjnlidje profane „vitse" bitben altmälig 
eine fortlaufenbe parallele ju ben §eitigengefd)icfjten. £)od) wirb 
man meber (Sinfjarb nod) Sßippo nod) SRabeöicuS ') nennen bürfeu 



i) Radevicus, de gestis Friderici hup., bef. II, 76. — Sie <xu§ge= 
getdjnete Vita Heinrici IV. enthält gerabe wenig «ßerfonalfcfjilberung. 



Sie @ntbedung ber SBelt unb be§ aJtenfd&en. 



261 



neben Sotntoiüc*« ©djttberuttg be$ Zeitigen Cubtütg, we(d)e aU ba$ 4. m ^nto. 
erfte öottfommene ®eifte$bi(bni§ eine« neu * europöifchen 9J?cnfd)ett 
aüerbingö fefyr berein^ett bafteht. (Sharactere rate @t. £ubroig finb 
überhaupt fetten, nnb baju gefeilt fid) nod) bas fettene ©tücf, baft 
ein öötüg naiöer Sd)itberer aus alten einzelnen Staaten unb @r* 
etgrtiffen eines ßebetts bie ®efinnung Ijerau« erfeunt unb fpredjettb 
barftettt. töetdj fümmerttdjen £}ueflen mm] man baö innere 
Sßefen eine« grtebrid) II, eine« 'ißfytttpp be8 @cf)önen gufammen 
erraten. SStefeS, wag ftct) bann bis 311 (Snbe beö Oftittetatters ats 
Biographie giebt, ift eigentlich nur 3eitgefd)id)te unb obne ©tun 
für baS 3nbiöibuelle be'8 ju preifenben Ottenfchen getrieben.* 

Sei ben 3tattenern wirb nun baö Auffudjen ber djaracte* imb b« staitene?. 
riftifdjen $üge bebeutenber äWenfdjen eine herrfdjenbe £enbenj, unb 
biefc ift e8, tt?a8 fie öon ben übrigen Slbenbtänbern unterfchcibet, 
bei welchen bergtetdjen mehr nur ^fällig unb in aujjerorbentlidjett 
Ratten üortömmr. liefen entwickelten @inn für baö Onbiötbueüe 
fann überhaupt nur berjenige Ijaben, welcher fetbft au« ber 9?ace 
herausgetreten unb jum Onbiöibuum geworben ift. 

3m ,3ufammenbang mit bem weitberrfcbenben Segriff beS 
$t\i\)mt% (@. 113, f.) entfielt eine fammetnbe unb öergteidjenbe 
33iograpf)if , wetd)e nid)t mehr nötE)ig hat fid) an £)tmaftien unb 
geifttidje Reihenfolgen ju Ratten wie AnaftafiuS, SlgneÜuS unb 
ihre ^ac^fotger, ober wie bie ©ogenbiographen öon SSenebig. 
@te barf üietmehr ben 9ftenfd)en fd)itbern, wenn unb weil er be* 
beutenb ift. 211$ Sßorbitber wirfen hierauf außer @ueton auch 
NepoS, bie viri illustres unb 'ißfutard) ein, fo weit er befannt 
unb überfefctwar; für titeraturgefd)id)ttid)e Aufzeichnungen fcheinen 
bie SebenSbefchreibungen ber ®rammatifer, 9?hetoren unb dichter, 
welche mir ats Vertagen $u Sueton fennen wefentüd) als 58ox* 
bitber gebient ju hüben, -aud) bas öiet getefene Sebcn Virgil'« 
öon Donatus. 

2öte nun biographifdje ©ammtungen, £eben berühmter Scanner, 
berühmter grauen, mit bem XIV. 3at)rh. auf f amen, würbe fchon 
oben (@. 117, f.) erwähnt. (Soweit fie nicht ,3eitgenoffen fcf)itbern, 
hängen fie natürlich bon ben frühern ©arfteüern ab; bie erfte 
bebeutcnbe freie Seiftung ift wot)t baS Öeben £)ante'S öon Boccaccio, soäcamfdje 
Seicht unb fdjwungöott htngefdjrieben unb reich an SBttCfürticf)feiten, »Ww** 



0 2Bie frür) audj $f)tfoftratu3, roage icf) nidjt ju entfdEjetben. 



262 



Sie @ntbecfung ber SBelt imb beä 3Jienfdfjen. 



4. 3n>f4>nitt. fliebt biefe Arbeit bod) baS lebhafte ®efüt)t t>on bem Slußerorbent* 
ticken in £>ante'8 2Befen. £)ann folgen, ju (Snbe be« XIV. Sarjr* 
ImnbertS, bic „vite" ausgezeichneter gtorentiner, üon gilippo 
SBtÜQitt. <5« fittb ßeute jebe§ $ad)e$: Stüter, Surtften, Sierße, 
^ilotogen, ^ünftter , (Staats* unb ShiegSmämter, barunter nod) 
febenbe. gtorenj wirb f)ter ber)anbelt wie eine begabte gamtlie, 
roo man bie (Sprößlinge notirt, in roetdjen ber ©eift be$ £aufe$ 
befonber« Irdftig au8gefprod)en ift. 5Die Stjaracterifttfen fittb 
nur furj, aber mit einem wahren latent für ba$ 33eseid)nenbe 
gegeben unb nod) befonberS mcrfiuürbig burd) ba§ ^ufammenf äffen 
ber äußern ^ß^fiognomie mit ber innern. fortan ') tjaben bie 
£o8caner nie aufgehört, bie äftenfdjenfdjilberuttg als eine @ad)e 
itjrer fpectellen 23efät)igung §u betrauten, unb tion itjnen Ijabeu 
mir bie roidjtigften (Sfjaractertftifen ber Italiener beS XV. unb 
XVI. 3afyrt)unberta überhaupt, ©iooanni (Saöalcanti (in ben 23ei* 
tagen $u feiner florentinifa^en ©efdjidjte, uor 1450) fammelt 33ei* 
fptele bürgerlicher Srefflidjfett unb Aufopferung, poütifc^en 55er* 
ftanbeS, fo wie aud) frtegertfcf)er STücEjtigf eit , bon lauter gloren* 
tinern. $apft ^ius II. giebt in feinen (Sommentarien roerthbolle 
öebenSbilber Don berühmten ^eitgenoffen; neuerlich ift aud) eine 
befonbere ©djrift feiner frühem $eit 2 ) roieber abgebruef t roorben, 
roeld)e gleidifam bie Vorarbeiten ju jenen Vortrat«, aber mit eigen* 
tl)ümtici)en iügen unb Farben enthalt. £)em 3acob oon SSotterra 
berbanlen mir pifante Porträts ber römifcfjen (Surie 3 ) nad) ^iu§. 
S3on SSefpafiano gtorentino mar fdjon oft bie 9?ebe unb als Quelle 
im ©anjen get)ört er jum 2öidjttgften, roaS mir bejifecn, aber feine 
©abe beS (£t)aracterifirens fommt noef) tttct)t in ©etradjt neben 
berjenigen eine« aKadEjiaüetlt, Sfttccolö SBalort, ©uicciarbini, 23ard)i, 
^ranceSco SSettori, u. a., oon u>eld)en bie europciifcfie ©efdjidjt* 
fdjreibung oielteidjt fo nacfybrücfttd) als oon ben Sitten auf biefen 
SÖeg geroiefen würbe. Wlan barf nämitd) nid)t öergeffen, baß 
mehrere btefer Autoren in tateittifcfjett Ueberfe^ungen früt)e i^ren 
SBeg nad) bem Horben fanben. Unb eben fo gäbe es ot)ne ©torgio 



1) £ier ift roieber auf jene oben, ©. 110, f., er.cerptrte SBiograpIjie 
be§ S. 33. 2ltbertt ^injuroeifen , foroie auf bie jaljlreidjen florent. 23to= 
graptjien bei -äfturatori, im Archivio storico u. a. a. D. 

2 ) De viris illustribus, in ben ©djriften beS (Stuttgarter literar. 
33er einä. 

3) ©ein Diarium bei Murat. XXIII. 



Sie ©ntbechmg ber SGBelt unb be§ 3Jtenfcf)en. 263 



93afari tion Strejjo unb fein unbergteid)tich wichtiges Serf nod) feine 4. «»fumitt. 
ffimftgcfdjtdjte be§ Horben« unb beö neuem (Suropa'S überhaupt. 

$on ben Dberttaltenern be§ XV. OatyrljunbertS foK 23arto* 9mm \m. 
lommeo gajio (bon ©pejjia) höhere «ebcutung ijaben (®. 120 ® Cflcnbclu 
Inm.). ^latina, aus bem £remonefifd)en gebürtig, repräfentirt 
in feinem „Seben ^crnls IL" (®. 179) bereit« bie biograpl)ifd)c 
ßaricatur. 23oqüglid) widjtig aber ift bie bon ^ßterconbibo ©ecem* 
brio ^erfaßte ©chtlberung beö testen SSiSconti l ), eine große er* 
«eiterte Nachahmung be$ ©ueton. ©iSmonbi bebauert, baß fo 
biete SDWtye an einen fotdjen ©egenftanb gemanbt worben, allein 
für einen großem ÜJftann ptte bietleicht ber 2lutor nicht aufcgc* 
reicht, wäijrenb er böllig genügt, um ben gemixten (praeter 
be$ gilippo Sparta unb an unb in bemfetben mit wunberwürbiger 
©enauigfeit bie 23oraugfe£ungen, Formen unb Folgerungen einer 
beftimmten Slrt bon grannig baquftelten. £>a« 23ilb beS XV. 
3at)rl)unbertS wäre unootlftänbig ofme biefe in itjrer 2trt einige 
Biographie, welche bi« in bie feinften 3ttiniaturpünftd)en I)inein 
d)aracteriftifd) ift. — (Späterhin befifct 2)?ailanb an bem ®efd)id)t* 
fdjreiber (Sorio einen bebeutenbcn Bitbnißmaler; bann folgt ber 
(SomaSfe $aolo ©iobio , beffen größere ^Biographien unb Heinere ®^°- 
(gfogien weltberühmt unb für Nachfolger aller tfänber ein 23orbilb 
geworben finb. Gr« ift ieid)t, an fjunbert ©teilen (Siobto's Flüchtig* 
fett unb auch feine Unreblid)feit nachjuweifcn, unb eine ernfte 
höhere Slbfidjt liegt ohnehin nie in einem SNenfchen wie er war. 
Slllein ber 2ltl)em beö 3ahrf)unbert$ weht burch feine ^Blätter, unb 
fein 8eo, fein Sllfonfo, fein ^ompeo Solonna leben unb bewegen 
fia) bor uns mit bölltger S33al)rt)ett unb Nothwenbigfeit, wenn* 
gleich ihr tieffte« äöefen uns hier nicht funb wirb.' 

Unter ben Neapolitanern nimmt Sxiftan (Saraccioto (©. 29), 
fo weit wir urttjcilen fönnen, ohne Frage bie erfte ©teile ein, 
obwohl feine 5lbficht nicht einmal eine ftreng biographtfaje ift. 
Sßunberfam berfled)ten ftrf) in ben ©eftalten, bie er uns oor* 
führt, ©chutb unb ©d)icffat, ja man fönnte ihn wohl einen unbe* 
wußten Stragifer nennen. £>ie wahre STragöbie, welche bamalS 
auf ber ©cene feine «Stätte fanb, fdjritt mächtig einher burd) bie 
^ßaläfte, ©traßen unb Sßtä^e. - £)ie „Söorte unb STtjaten Sllfon« 
be$ ©roßen", bon Antonio Sßanormita bei ^ebjeiten beö Königs 



i) Petri Candidi Decembrii Vita Philippi Mariae Vicecomitis, bei 
Murat. XX. $BgI. oben ©. 30. 



264 



Sie (Sntbecfimg ber 2Bett unb be§ Memsen. 



4. w^nitt. gefdineben , ftnb mcrfroürbig a(§ eine ber fünften berartigett 
(Sammlungen t>on Slnefboten unb meifen tute fdjerjljaften 9tebcn. 
«erijärtnife jU r Sangfam nur folgte ba$ übrige (Suropa ben itattenifdjen Sei* 
m öiteratllr - ftungen in ber getftigen (^aracteriftif »), obfdjon bie großen polt* 
tifdjen unb reftgiöfen Beilegungen fo mandje SSanbe gefprengt, fo 
tüete £aufenbe junt ®eifte$Ieben getuecft Ratten. Ueber bie midjtig* 
ften ^erfönlidjfeiten ber bamafigcn ettropäifdjen SBett finb tuieberum 
im ®an$en unfere tieften ©etuäi)r3männer Italiener, fomofjt Literaten 
aU ©iptomatett. 2Bie rafd) unb untüiberfprodjen fjaben in neuefter 
3ett bie tienestanifdjen ©efanbtfct)aft§bertc^te be§ XVI. unb XVII. 
3af)rf)unbert§ in betreff ber ^erfona(fd)itberungen bie erfte ©teile 
errungen. 

®m> 3Iud) bie ©etbftbiograpfyie nimmt bei ben Otatienern Ijie unb 

Hogta^icn. ^ a e j nen fräftigen $tug in bie £iefe unb SBeite unb Gilbert 
neben bem bttnteften Slußenleben ergreifenb ba§ eigene innere, 
mäljrenb fie bei anbern Nationen, aud» bei ben £)eutfd)en ber 
^eformationgjeit, fidj an bie merftuürbigen äußern ©djictfale t)ä(t 
unb ben ®etft metjr nur aus ber ©arftettungsroeife errratfyen iä$l 
@8 ift a(8 ob Kante'S vita nuova mit ifjrer unerbitttidjen Sßafjr* 
f)eit ber Nation bie Sege gemiefen Ijätte. 

£)en Anfang baju machen bie SpauS* unb gami(iengefO)id)ten 
aus bem XIV. unb XV. 3af)rt)unbert, metd)e nod) in $iem* 
lidjer 2ln$af)l namentOd) in ben fiorentinifd)en 33ibliotI)efen Ijanb* 
färiftlidj toortjanben fein follen; naioe, im 3ntereffe beö £>aufeS 
unb be§ @d)reibenben abgefaßte Lebensläufe, tuie j. 33. ber be$ 
33uonaccorfo ^itti. 

?ien. ©i,imuä. (Sine tiefere ©elbftfritif ift aud) nid)t gerabe in ben Sommen* 
tarien ^ßtuö II. $u fudjen; roa§ man t)ter üon ifym aU 9ttettfd)en 
erfährt, befdjränft fid) fogar bem erften ^nfdjein nad) barauf, bajj 
er metbet tuie er feine Saniere maä)te. OTeitt bei tueiterm ^adi* 
beulen rairb man biefeS merftrürbige 23udj anberS bettrtfyeUen. 
(£8 giebt 3J?enfd)eit, bie toefetttfidj ©ptcgel beffen finb, toaü fie 
umgiebt; man tf)ut itjnen Unredjt, tuenn man ftcf) befyarrtid) nad) 
ifyrer Ueberjeugung, nad) ttjrcn innern kämpfen unb tiefern £eben3* 
refultaten erfunbigt. @o ging Stenea« @t)ü)iu8 tiötlig auf in ben 
©ingen, ofnte ftcf» um irgeub einen ftttttdjett ^miefpatt fottbcrUdj 
ju grämen; nad) biefer @eite beefte ifm feine gutfatljotifdje Ortljo* 



0 lieber (SomtneS cgi. <3. 78 2lnm. 



$ie (Sntbecfung ber Sßeft unb be§ 3Jienfd£jen. 



265 



borie, fo weit ate trotzig mar. Unb nadjbem er in aßen geiftigen 4. «bf»nte. 

fragen, bie fein Saljrfjunbert befdjäftigtctt, mitgefebt unb mehr aU 

einen £weig berfetben wefentüd) geförbert Ijatte, bettelt er bod) 

am (Snbe fetner tfaufbatm nod) Temperament genug übrig, um 

ben Ärciijjug gegen bie dürfen 31t betreiben unb am ®ram ob 

beffen Vereitelung ju fterben. 

2tud) bie ©ctbftbiographie be$ Benüenuto (Mini gef)t nidjt »en». aentnt. 
gerabe auf Beobachtungen über ba$ eigene innere au«. ®tetd)Wohf 
fdjilbert fie ben ganzen äftenfdjen, jum ST^eit wiber ^Bitten, mit 
einer Ijinreijjenben Söaljrljett unb güüe. @« ift tt)ar)r(tcf) fein 
steine«, baß $3enbenuto, beffen bebeutenbfte Arbeiten bloßer dnU 
murf geblieben unb untergegangen ftnb, unb ber uns ate Äünfttcr 
nur im flehten becoratiuen f^ac^ bottenbet erfd)eint, fonft aber, 
wenn man bloß nad) feinen erhaltenen Sföerfen urteilt, neben 
fo bieten großem geitgenoffen jurütfftetjeu muß, — baß Benbenuto 
ate £0?enfcf) bie 2ftenfd)en befdjäftigen wirb bi« an'S (£nbe 
ber Tage. @§ fdjabet U)m nid)t, baß ber Öefer häufig ahnt, er 
möchte gelogen ober gepraßt haben; bcrnt ber (Sinbrucf ber ge* 
wattig energtfdjen, bötlig burdjgebtlbeten 9?atur überwiegt, ^eben 
ifnn erfahrnen 5. unfere norbiftfjen ©etbftbtographen, fo biet 
f)öt}er ihre Tenbenj unb tt)r ftttlidje« SBefen bisweiten ju achten 
fein mag, bod) al« unbottftänbige Naturen, (Sr ift ein 3ttenfd), 
ber Slßc« fann, Mt§> wagt unb fein Sflaß in fid) fei ber trägt. 
Ob wir eö gerne pren ober nidjt, eg lebt in biefer ®eftatt ein 
ganj fenntttcheS Urbitb be§ mobernen 2ftenfdjen. 

Unb noc^ ein Ruberer ift fjier ju nennen, ber e« ebenfalls 
mit ber Wahrheit nidjt immer fott genau genommen fjaben: 
(Sirolamo ßarbano oon 2ftaitanb (geb. 1500). ©ein Büdjtein de 
propria vita 1 ) wirb fctbft fein große« Slnbenfen in ber ©efdjtcfjte ber 
9?aturforfd)ung unb ber ^l)t(ofopt)ie überleben unb übertönen wie 
bie vita 33em>emtto , 8 beffen äöerfe, obroof)! ber Sßertt) ber ©djrift 
wefentüd) ein anberer ift. (Sarbano fiitjft fid) als Slqt fetber ben 
$ut8 unb fdjttbert feine pl)t)fifd)e, inteftectuette unb fitttic^e $er* 
fönlidjfeit fammt ben 33ebingungen, unter weld)en fid) biefefbe 
entwiefeft f)atte, unb jwar aufrichtig unb objectit), fo weit ihm 
bieß möglich war. ©ein jugeftanbeneS SBorbtlb, 2ttarc SlurefS 
@d)rift auf fid) fctbft, fonnte er in biefer Beziehung beßhatb 



') Serfafjt tn Ijofjem Stlter, um 1576. — lieber ©arbano a(3 gorfdfjer 
unb ©ntbetfer t>gt. Libri, Hist. des sciences mathem, III, p. 167, s. 



266 



2)te ©ntbecfung ber SGöeit imb beä ÜJienfd^ert. 



4. gibfdtmitt. überbieten, weit if)tt fein ftoifdjeS £ugenbgebot gcnirte. (Sr De» 
geljrt weber ftd^ nod) bie SÖelt fronen; beginnt bod) fein 
SebenStauf bamit, baj? feiner Untrer bie üerfudjte Abtreibung ber 
8eibeSfrud)t tttdjt gelang. @S ift fd)on biet, baß er ben ©eftirnen, 
bie in feiner ©eburtsfrunbe gewaltet, nur feine @d)tcffate unb 
feine inteüectueüen (§igenfd)aften auf bie 9?edmmtg fdjreibt unb 
ntdjt aud) bie ftttlidjen; übrigens gefielt er (Sap. 10) offen ein, 
bafj il)m ber aftrotogifd) erworbene SBafjn, er werbe baS bierjigfte 
unb f)öd)ftenS baS füufunböierjigfte 3al)r nid)t überleben, in feiner 
3ugenb biet gejdtjabet Ijabe. sSodt) es ift uns Ijter nidjt ertaubt, 
ein fo ftarf berbreiteteS, in jeber -SSibtiottjef borljanbenes 23ud) 
31t ejtcerphm Ser es liest, wirb in bie ©ienftbarfeit jene« 
Cannes fornmen, big er bamit ju (gnbe ift. (Sarbano befennt 
atterbingS, bafe er ein fatfdjer ©pieter, radjffidjttg, gegen jebe 
9?eue berfyärtet, abfidjitidj berte^enb im SKeben gewefen; — er be* 
fennt es freilief) ofjne §red)ljeit wie otjne fromme gertnirfcfyung, 
ja ofme bamit intereffant werben ju wollen, bietmefyr mit bem 
einfachen, objectiben SBafyrrjeitSfinn eines ü)?aturforfd)erS. Unb 
wa§ baS Slnftöfeigfte ift, ber 76jät)rige äftann finbet fid) nad) ben 
f d)auerlid)ften ©rtebmffen bei einem fefyr erfdjütterten Zutrauen 
p ben äftenfdjen, gteidjwofyl teiblid) gtücflidj: nodj tett if)m ja 
ein (ürnfet, nod) befifct er fein ungeheures Siffen, ben 9fotf)tn 
wegen feiner SBerfe, ein t)übfd)eS Vermögen, 9?ang unb Stnfefyen, 
mädjtige $reunbe, ®unbe bon ©etjeimniffen, unb was bas SSefte 
ift: ben ©tauben an ©ort. Sftadjträgtid) jät)tt er bie Bäfme in 
feinem OJiunbe; eS finb tbrer nod) fünfeerjn. 

©od) ats (Sarbano fdjrieb, forgten aud) in Italien Onquifi= 
toren unb ©panier bereits bafür, bafs fotdje s D?enfd)en entWeber 
fia) nid)t mer)r auSbitben tonnten ober auf irgenb eine SBeife 
umfamen. (§S ift ein großer «Sprung bon ba bis auf bie Memoiren 
beS Sltficri. 

(£« wäre inbe§ ungerecht, biefe ,3ufammenfteltung Don ©elbft* 
biograpfyen 31t fdjliefecn otme einen fomotjl adjtbaren ats glücftidjen 
Sftenfdjen $u SBorte fommen ju taffen. @s ift biefe ber befannte 
SebenSprjilofopl) Suigi (Sornaro, beffen Sßotntung in ^ßabua fdjon 
als Baumert ctaffifd) unb sugteid) eine §eimatr) atter Stufen 

!) 3- S3. bie Einrichtung fetne§ ältefien <Sof)ne3, ber feine »erbuljlte 
@emaf)lin üergiftet rjatte, ©ap. 27. 50. 



£>ie ©ntbedung ber SSelt unb bc§ 93lenfcf)en. 



267 



war. 3n feinem berühmten £ractat „Dom mäßigen geben" ') 4. Mbramitt. 

fdjitbert er äimädjft bte ftrenge ©tat, burd) ioet(f>e e8 it)m gelungen, sui ö i somaro. 

nach früherer ®ränftid)feit ein gefunbeS unb hohe« Sitter, bamat§ 

öon 83 fahren ju erreichen; bann antwortet er benjenigen, iuetcf»e 

boö Sitter über 65 fahren hinaus überhaupt atö einen lebenbigen 

3:ob berfdmtähen; er beweift Unten, baß fein Seben ein f)öcf)ft 

tebenbigeS unb fein tobteß fei. „Sie mögen fommen, fetjert unb 

ficf) wunbern über mein Sßohtbcfinbeu, wie id) olme Jpütfc ju 

^Pferbe fteige, treppen unb £)üget hinauf taufe, wie id) luftig, 

amufant unb aufrieben bin, wie frei öon ©emüthsforgen unb wiber* 

wärttgen ©ebanfen. greube unb triebe üerlaffen mid) nidjt. . . 

äftein Umgang ftnb weife, geteerte, auSgejetdjnete Seute bon 

«Stanbe, unb wenn biefe nid)t bei mir finb, tefe unb fdjreibe id), 

unb fud)e bamit wie auf jebe rubere 2ßetfe Slnbern nü^lid) ju 

fein nad) Gräften. S3on biefen Singen tfjue id) jebe$ ju feiner 

3eit, bequem, in meiner fd)ßnen -SSehaufung, welche in ber beften 

©egenb ^abua'3 gelegen unb mit alten SJiittetn ber ^Baufunft 

auf «Sommer unb hinter eingerichtet, aud) mit ® arten am 

füefjenben Saffer t>erfel)en tft. 3m $rüljting unb $erb|t gehe 

id) für einige Sage auf meinen £)ügel in ber fd)önften Sage ber 

(Suganeen, mit Brunnen, ©ärten unb bequemer unb jierttd)er 

2Bot)nung; ba mache id) aud) wof)l eine teilte unb bergnüglid)e 

Sagb mit, wie fie für mein Sitter pafjt. (Sinige £tit bringe id) 

bann in meiner fd)önen 23itta in ber (Sbene 2 ) $u; bort taufen 

atte Sßege auf einen ^ta^ jufammen, beffen 3ftitte eine artige 

$ird)e einnimmt; ein mädjtiger Slrm ber SBrenta ftrömt mitten 

burd) bie Stntagen, tauter fruchtbare, mot)t angebaute gelber, 

Sitte« je^t ftarf bewohnt, wo früljer nur «Sumpf unb fd)led)te 

Suft unb eher ein 2Bof)nfifc für Schlangen als für SJienfchen 

war. Och war'S, ber bie ®ewäffer ableitete; ba würbe bie £uft 

gut unb bie 8eute fiebelten fid) an unb bermebrten fid), unb ber 

Ort würbe fo auggebaut wie man ihn je£t fieht, fo baft ich in 

SBahrljeit fagen fann: an btefer «Stätte gab ich ® ott «nen Slltar 

unb einen Stempel unb «Seelen um ihn anzubeten. ©tefc ift mein 

£roft unb mein ©lücf fo oft ich Ijinfomtne. 3m grühttng unb 



!) Discorsi della vita sobria, befteljenb auä bem eigentlichen trattato, 
einem compendio, einer esortazione unb einer lettera an Daniel 33arbaro. 
— Defter gebrueft. 

2 ) 3f* bie^ wof)l bie «3. 253 unten erwähnte SSiUa von CLobetüco? 



268 



2)te ©ntbecfung ber äöelt urtb be§ 9J?enfc^en. 



4. wbfd>nitt. fterbft befudEje idj audj bic ttaljeu ©tabte unb felje uttb fpredje 
sutgt somaro. meine greunbe unb madje burdj fie bie 33efanntfdjaft anberer 
ausgezeichneter £eute, 2trdE)itecten, Spater, 23tfbf)auer, ÜJftufWer unb 
Sanböfonomen. Od) betrachte roa« fie neues gefdjaffen f)aben, 
betraute ba« fcljon 33efannte toteber unb lerne immer 23iete«, roa« 
mir bient, in unb an ^aläften, ©arten, 2tltertf)üment, @tabt* 
anlagen, Strien unb geftung«merf'en. 33or 2lt(em aber entjücft 
mirf) auf ber SReife bie @cf)önf)eit ber ©egenben unb ber Ort* 
fdjaften, wie fie batt> in ber ©bene, batb auf fmgefn, au Hüffen 
unb -©äcfjen mit ifyren Canbljäufern unb ©arten ringsum ba 
liegen. Unb biefe meine ©enüße roerben mir nid)t gefefimätert 
burdj 2tbnaljme beö 2Iuge« ober bcö Dfjre«; aCte meine @inne 
finb ®ott fei £)ant in bollfommen guten ,3uftanbe, aud) ber 
©efdjmad:, inbem mir je^t ba« SBenige unb ©infame, um« id) 
in mir nefyme, beffer fdjmecft, a(« einft bie Sederbtffen jur 3 e ^ 
ba idj unorbenttidj lebte." 

9?ad)bem er hierauf bie bon ifjm für bie föepubtif betriebenen 
(£ntfumpfung«arbeiten unb bie bon ifjm befyarrlid) öorgefdjtagenen 
^rojecte jitr (Srfyaftung ber ßagunen ermähnt Ijat, fdjließt er: 
„£)ieß finb bie wahren @rf)olungen eine« burdj ©otte« £ülfe 
gefunben 2Ittcr«, ba« Don jenen geiftigen unb förperlidjeu Reiben 
frei ift, me(d)en fo manche jüngere 8eute unb fo manage t)infied)enbe 
©reife unterliegen. Unb wenn e« ertaubt ift, jum ©roßeu ba« 
©eringe, $um (Srnft ben @d)erj tjittjujufügen, fo ift aud) ba« 
eine grudjt meine« madigen Seben«, baß id) in biefem meinem 
83ften 2Uter«jal)re nodj eine fetjr ergö£ttd)e (Somöbie Doli efjr* 
barer ©pajjljafttgfeit gefd)rieben Ijabe. SDergteidjen ift fottft @ad)e 
ber Ougenb, nn'e bie Stragöbie ©adje be« Stfter«; roenn man e« 
nun jenem berühmten ©rieben jum SRuf)m anrennet, baß er 
nod) im 73ften 3at)re eine STragöbie gebietet, muß id) nid)t mit 
jel>tt 3af)ren barüber gefunber unb Weiterer fein at« Oener bamat« 
tuar? — Unb bamit ber gütte meine« SHter« fein Stroft fet)(e, 
fefye id) eine 2lrt leibüdjer Unfterbüd)feit in ©eftatt meiner 92ad)* 
fommenfcfyaft ttor Stugen. $Benn id) nadj £>aufe fomme, fjabe id) 
nidjt einen ober jttiei, fonbern eitf Gsnfel t>or mir, swifd)en jruet 
unb adjtjefyn 3a()ren, alle bon einem 33ater unb einer Butter, 
at(e ferngefunb unb (fo uie! bi« jefct ju fefjen ift) mit latent 
unb Neigung für -Q3ilbung unb gute ©itten begabt, läinen öon 
ben fteinern fyabe id) immer al« meinen ^offenmadjer (buffoncello) 



SDie (Sntbectung ber Sßett unb be§ 9Jlenfcf)en. 269 



bei mir, roie benn bie Äinber Pom brüten big jum fünften ffabre Mbfflnitt. 
geborene SSuffonen finb; bie großem befycmbte idj fdjon al« meine 
®efet(fdjaft, unb freue mtd) and), ba fie herrliche Stimmen i)aben, 
fie fingen unb auf berfd)iebenen 3nftrumenten fpielen ju hören; 
ja icf) felbft finge aud) unb habe jefet eine beffere, Ijettere, tonenbere 
Stimme atö Je. £)a« finb bie greuben meines Itter«. 3)?ein 
£cben ift alfo ein tcbenbigc« unb fein tobte«, unb idt) möchte 
mein Itter tttdjt tauften gegen bie Ougenb eine« ©otogen, ber ben 
£eibenfdjaften uerfattcn ift." 

3n ber „Ermahnung", roetctjc @ornaro nie! fpäter, in feinem 
95ften 3af)re beifügte, rechnet er $u feinem ®lüct unter anbern 
aud), ba« fein „£ractat" niete ^rofeftiteu gewonnen habe. @r ftarb 
3U ^ßabua 1565, mehr at« tjunbcrtjdtjrig. 

Nebelt ber (Stiarafteriftif ber einzelnen Snbtoibueu entfielt ««aetntiHi 
aud) eine ©abe be« Urteil« unb ber fed)tlberung für ganje 
Benölferungen. 2Bäf)renb be« ^Mittelalter« Ratten fid) im ganzen 
Ibenbtanbe Stäbte, Stamme unb Golfer gegenfeittg mit «Spott* 
unb Scherzworten üerfotgt, welche meiften« einen wahren tcrn in 
ftarfcr SSerjerrung enthielten. SSon jeher aber ttjaten fid) bie 
Italiener im Bewußtfein ber geifttgen Uuterfdjiebe ihrer Stäbte 
unb 8anbfd)aften befonber« herbor; ihr 2ocatpatrtoti«mu«, fo groß 
ober größer al« bei irgenb einem mittelalterlichen 23olfe, l)atte 
frühe fdjon eine ütcrarifctje Seite unb Perbanb fid) mit bem Be* 
griff be« föubme«; bie Topographie entfielt at« eine parallele 
ber «iograptjie (S. 117). 2ßä()renb fid) nun jebe größere ©tobt 
in $rofa unb SSerfen ju pretfen anfing 1 )/ traten aud) Sdjriftfteller 
auf, welche fämmtüdje nötigere Stäbte unb Benölferungen tbeil« 
ernfthaft neben einanber beschrieben, tbeil« wi|ig nerfpotteten, aud) 
tooljt fo befpradjen, baß @mft unb Spott nidjt fdjarf öon einanber 
ju trennen finb. 

Städjft einigen berühmten Stellen in ber £)ibina (Sommebta sDtttamonto. 
fommt ber £)ittamonbo be« Uberti in Betracht (um 1360). #ier 
derben bauptfäa)lid) nur einzelne auffaüenbe (Srfcheinungen unb 
Söahraeichen namhaft gemacht: ba« Mhenfeft ju St. Stpoumare 
in toenna, bie Brunnen in £rentfo, ber große SeUer bei Stcenja, 



1) Siefe junt %tyxi fdjon fefjr früf), in ben lombarbtfcfjen ©täbten 
fd&on im XII. 3a$r§. Sgl. Landulfus senior, Kicobaldus unb (bei Murat. 
X.) ben merfmürbigen 2tnonwmu§ De laudibus Papiae, au§ bem XIV. 
Saf»rf>, — ©obemn (bei Murat, I, b) Liber de situ urbis Mediol. 



270 



©ie ©ntbecfung ber SBelt unb be3 Menfdjen. 



4. 9ibf»nitt. bie f)of)en ,3011c ^on äftantua, ber 2öalb öon £f)ürmen in Succa; 

bod) finben fidf) baswifd)en aud) SobeSerfyebungen unb an^üglidje 
Mittlen anberer 21rt; ^rejjo ftgurirt bereite mit bem fitbtilen 
Ingenium fetner ©tabtfinber, ®enua mit ben fünftlicb gefajwär^en 
klugen unb tabuen (?) ber Leiber, Bologna mit bem ®elböer* 
tlnm, Bergamo mit bem groben £>ialect unb ben gefdjeibten köpfen 
u. bgt. l ), 3m XV. 3af)rl)unbert rütjmt bann 3eber feine eigene 
£etmatf) aud) auf Soften anberer ©täbte. äfticbele ©aüottarota 
3. 53. läfct neben feinem ^3abua nur 53enebtg unb Sftom aU fjerr* 
lieber, $loren$ f)örf)ften§ als fröt)tid)er gelten 2 ), womit benn natür- 
lich ber objectiDen (Srfenntnifj wenig gebient mar. 21m (Snbe beS 
Saljrljunbert« fcfjilbert 3ot>ianu« ^ßontanuS in feinem „Antonius" 
eine fingirte 9?eifc burd) Statten nur um bosfjafte 53emerfungen 

©Witterungen babei üorbringen ju fönnen. 21ber mit bem XVI. Safjrfjunbert 
be« xvi. gaijrt,. beginnt eine 9^etf)e wahrer unb tiefer (Sfyaracteriftifen 3 ) tote fie 
bamals wol)t fein anberes 93olf in biefer SBetfe befaß. $?acd)taüett 
fcf»itbert in einigen foftbaren Sluffdt^en bie 9Crt unb ben polittfcfyen 
3uftanb ber £)eutfdjen unb gran^ofen, fo baß audj ber geborene 
^lorblänber, ber feine Öanbesgefajidjte feunt, bem florentinifdjen 
SBeifen für feine Sicbtblicfe banfbar fein wirb. £)ann geic^nen 
bie Florentiner (©. 59, 65) gerne fidj felbft 4 ) unb fonnen fid) 
babei im reidjlid) öerbienten (Slanje ifyrcS geiftigen 9?ufmte$; üiet= 
leiajt ift e« ber ©ipfel itjreö @elbftgefüf)l«, wenn fie 3. 53. ba8 
tunftlerifdje Primat £oScana'ö über Italien nidjt einmal öon 
einer befonberen genialen 53egabung, fonbern oon ber Slnftrengung, 
tion ben ©tubien herleiten 5 ). ^ulbigungen berühmter Italiener 
anberer (Segenben wie 5. 53. ba$ Ijerrlidje fed^elmte (Sapitolo be$ 



1) lieber 93ari3, meldjeg bamalä notf) bem Italiener üom Mittelalter 
b,er roeit mel>r galt al§ fjunbert Qafire fpater, f. Dittamondo IV. 
cap. 18. 

2) Savonarola, bei Murat. XXIV, Col. 1186. — lieber Sßenebig 
f. oben 6. 49. 

3 ) ©er ©fjarafter ber raftloä tätigen SBergamaSfen üoU 2lrgtt>oljn 
unb Neugier ift febr artig gefdjilbert bei Bandello, Parte I, Nov. 34. 

4 ) ©o 33ardE)i , im IX. 33ud) ber Storie Fiorentine (Vol. III, p. 
56, s.) 

5 ) Vasari, XII, p. 158, v. di Michelangelo, Anfang. 2lnbere Male 
rairb bann bodj laut genug ber Mutter -Jiatur gebanft, nne j. 33. in bem 
(Sonett beä 2llfonfo be' ^ßajji an ben 9^0)1= Soäcaner Slnnibal ©aro (bei 
Trucchi, 1, c. III, p. 187): 



Sie ©ntbetfung ber SBelt unb be§ men\fyn. 271 



Slrioft, mochte man moht wie einen fdjutbigen Stribut in (Smpfang 4. wbfämtt. 
nehmen. 

2Son einer, wie e§ fcEjetnt, fefjr ausgezeichneten £}uet(e über 
bie Unterfd)iebe ber BeDÖtferungen Italiens fönnen wir nur ben 
Tanten angeben *). Sconbro Stlberti 2 ) ift in ber @rf)itberung be$ 
®enht§ ber einzelnen ©täbte nid)t fo ausgiebig aU man erwarten 
foüte. (Sin fleiner anonymer 3 ) ßommentario enthalt gwifchen 
oteteu ST^orrjeiteu auch manchen wertvollen Wu\t über ben un* 
glücfücrjen jerfattctten 3"f*anb um bie SWittc be« 3ahrf)Uttbert$ 4 ). 

SBie nun biefe bergtetchenbe Betrachtung ber Betiötterungen, 
fjauptfäcf)ticf) burdj ben ttattemfdjen £umam«mu8, auf anbere 
Nationen eingewirft haben mag, ftnb wir nicht im ©tanbe näher 
nacrßuweifeu. ^ebenfalls gehört Italien babei bie Priorität wie 
bei ber (SoSmographie im ®rofjett. 



Slüein bie (Sntbectung be3 SJienfdjen bleibt iüct)t ftefyen bei 
ber geiftigen ©djtlberung ber Onbiüibuen unb ber Hölter; auct) ^2™ 
ber äußere SD^enfct) ift in Italien auf gang anbere 2Beife baS 
Object ber Betrachtung als im Horben. 

35on ber (Stellung ber großen itatientfchen Sierße 311 ben 
gortfdjritten ber ^fjtiftologte wagen wir nicht ju fpredjen, unb 
bie fünftlerifd)e (ärgrünbung ber SO^ettfdEjengeftalt gehört nicht f)ter= 
her fonbern in bie ®unftgefd)id)te. Sohl aber mujj h^r Don ber 
allgemeinen Bilbung be« 2luge§ bie 9febe fein, welche in -Statten 
ein objectiöeS, allgültige$ Urtheil über förperüdje «Schönheit unb 
^äpchfcit mögtid) machte. 

gürS (Srfte wirb man bei ber aufmerffamen Sefung ber bamali* 
gen itattenifchen Tutoren erftaunen über bie ©enauigfeit unb 
@d)ärfe in ber Bezeichnung ber äußern g>üqt unb über bie 2M=* 

Misero il Varchi! e piü infelici noi, 
Se a vostri virtudi accidentali 
Aggiunto fosse '1 natural, ch'e in noi! 
*) Landi: Quaestiones Forcianae, Neapoli 1536, benü^t non 3tanle, 
Zapfte I, ©. 385. 

2 ) Descrizione di tutta l'ltalia. 

3 ) Commentario delle piü notabili et mostruose cose d'Italia etc., 
Venezia 1569. (2Baf>rfdf)einlici) uor 1547 «erfaßt.) 

4) ^ßoffentjafte Slufgäljlttngen ber ©täbte gie&t e3 fortan fjäuftg ; j. 33. 
Macaroneide, Phantas. II. 



272 



£>ie (Srttbecfung bor Sßett imb be3 Menden. 



4. <ui>f4>nitt- ftanbiflf ctt mandjer ^erfonatbefdjreibungen überhaupt *), 9?odj 
fieutjutage tjaben befonbcrö bie Börner ba« STatent, einen 3ften= 
fdjen, toon bem bte 9?ebe ift, in brei SBorten rennt(id) 31t madjen. 
£>iefe« rafdje (Stfaffen be« ($A)arafteriftifd)en ober ift eine ltiefent- 
tidje 23orbebingung für bie (Srfenntnifj be§ @d)önen unb für bte 
gäljtgfeit baffetüc ju betreiben. 33ei ©idjtern fann atterbing« 
ba« umftänbüaje -öefdjreiben ein getjler fein, ba ein einiger 3ug, 
öon ber tiefern Seibenfdjaft eingegeben, im Ccfer ein Diel mächti- 
gere« SSUb üon ber betreffenben ©eftatt ju enuecfen öermag. ©ante 
fjat feine 33eatrice nirgenb« Jjcrrticfjer gepriefen af« wo er nur ben 
SKeftej; fdjitoert, ber öon itjrem 2öefen au«ge(jt auf ifyre ganje Um* 
gebung. Süttein e« Ijanbett fid) f)tcr nid)t um bie ^oefie, roctcfyc 
ati fötale ttjreu eigenen fielen nacfjgefjt, fonbern um ba« 33er* 
mögen, fpecielle fotuof)! aU ibeate formen in Söorten ju malen. 
§ier ift Boccaccio Sfteifter, nid)t im £>ecamerone, ba bie 

bei Boccaccio. 5ft otoe fl e a ^ ( Qtige 23 e fd)reiben verbietet, fonbern in feinen Ro- 
manen, voo er ftcJ) bie 9Jhtfje unb ben nötigen ©djroung baju 
nehmen barf. 3n feinem 2tmeto fdjilbert er 2 ) eine £Monbe unb 
eine braune ungefähr tüte ein Ottater fie fyunbert Oa|re fpäter 
würbe gematt fyaben — beim aud) fjier gefyt bie 23tfbung ber 
®unft lange üoran. iöei ber Traunen (ober etgentttdj nur roeni* 
ger SStonben) erfdjetnen fdjou einige 3üge, bie mir c(affifd) nennen 
mürben: in feinen Sorten „la spaziosa testa e distesa" liegt 
bie Sttjnung großer formen, bie überjm« 9?iebiid)e t)inau«gel)en; 
bie Augenbrauen bilben nidjt mefyr mie beim 3beal ber 23ti$au= 
tiner jtoei 33ogen, fonberu ^ufammen eine gefdjumngene Sittte; 
bie Sfafe jd)eint er fid) ber fogenannteu StMernafe genäljert ju 
beuten 3 ); aud) bie breite 35ruft, bie mäßig taugen 9lrme, bie 
äBirfung berfdpneu £>anb, wie fie auf bem ^urpurgemanbe liegt, 
— all biefe ,3üge beuten toefentttd) auf ba« @djönf)eit«gefüf)t 
einer tommenben 3eit, welche« jugleid) bem be« ^otjen claffifcfyen 
3Mtertf)ume« unbewußt fid) nähert. 3u anberen ©djtfberungeu 
ermahnt Boccaccio aud) eine ebene (nidjt mtttetaltcrtict) gerunbete) 
(Stirn, ein ernftc« langgezogene« braune« Stuge, einen runben, 
nid)t au«gei)öl)tten |>a(«, freitid) aud) ba« fefyr moberne „Heine 



1) lieber gtlippo Sßißani, ogl. ©. 262. 

2) Parnasso teatrale, Lipsia 1829. Introd., p. VII. 

3 ) Sie Seäart ift fjier offenbar cerborben. 



Sie ©ntbecftmg ber 2Delt unb beä 3Jienfd)en. 273 



güßcfjen", unb bei einer fdjroar^aarigen ^rjinpfye bereite „sroei 4. 2ibf<»nttt. 
fpi^bübifd) rollenbe Singen" *). U. a. m. 

Ob baS XV. 3at)rrmnbert fd^rif t£id£)e 9?ed)enfd)aft über fein 
@d)önl)eit3ibeal rjinterlaffen fyat, iuei§ id) nid)t ju jagen; bie Sei* 
ftungen ber ffiahx unb 35ilbrjauer mürben biefelbe nidjt fo gan^ 
entbefjrlid) mad)en, roie cö auf ben erften Public! fdjeint, ba gerabe 
itjretrt Realismus gegenüber in ben ©djreibenben ein fpecieüeö 
Sßoftutat ber @d)önl)eit fortgelebt ijaben fönnte 2 ). 3m XVI. 
3arjri)unbert tritt bann $irenpola fjerbor mit feiner l)odt)ft merf~ 3bwL 
nmrbigen @d)rift über roeiblicrje <Sd)öni)eit 3 ). 9J2an mu§ bor 
etilem auöfdjciben, roaö er nur bon antifen Tutoren unb bon 
Künftlem gelernt fyat, roie bie äftapcftimmungen nad) Kopflängen, 
einzelne abftracte begriffe ic: 2Ba§ übrig bleibt ift eigene cdjte 
2öai)rnebmung, bie er mit SBeifpielen bon lauter grauen unb 
Sftäbdjen au« $rato belegt. £>a nun fein Söerfdjen eine 2lrt bon 
Vortrag ift, ben er bor feinen ^rateferinnen, alfo ben ftrengften 
$ftid)terinnen fyält, fo mufi er babei fid) roorjl an bie 2öaf)rbeit 
angefajloffen fyaben. ©ein ^rinctp ift äugeftanbenermafjen ba§ 
be§ £mici& unb Sudan : ein ^ufammcnfudjcn bon einzelnen fdjön- 
ften STljetlcn in einer tjödjftett @d)önf)eit. Orr befinirt bie 2lu$= 
brücfe ber färben, bie an Spant unb paaren borfommen, unb 
giebt bem biondo ben 33orjug al$ ber roefentlidjen unb fdjönften 
Haarfarbe 4 ), nur baß er barimter ein fartfteS , bem 23räunüd]en 
zugeneigtes ®elb berfteljt. ferner berlaugt er ba§ $aar btdt)t, 
locfig unb lang, bie @tirn beiter unb boppelt fo breit als fjod), 
bie £)aut rjett leudjtenb (candido), aber nid)t bon tobter Seifje 
(bianchezza), bie brauen bunfel, feibenroeid), in ber äftitte am 

*) Due occhi ladri nel loro movimento. SDie ganje ©djrift ift reief) 
an folgen Betreibungen. 

2 ) 2)a3 fef)r fdf>bne Sieberbucb, be§ @iufto be' ©onti: la bella mano 
tnelbet nidjt einmal von biefer berühmten £>anb feiner ©eliebten fo uiel 
©pecieüeä nne Boccaccio an jetjn ©teilen feines Slmeto von ben §änben 
feiner ^»mp^en ergä^tt. 

3 ) Deila bellezza delle donne, im I. 33anb ber Opere di Firenzuola, 
Milano 1802. — ©eine 2tnficf)t über bie iPrperfdfiönljett a(§ Slnjeige ber 
©eetenfdf)önb,eit »gl. vol. II, p. 48 bis> 52, in ben ragionamenti üor feinen 
SKoDetten. — Unter ben melen 2lnbern, meiere bieg, jum Xfyeil nad) 2lrt 
ber 2llten, »erfed)ten, nennen nur nur Castiglione, il Cortigiano, L. IV, 
fol. 176. 

4 ) Sßorüber Sebermann einnerftanben mar, nid)t bto§ bie 3)faler au<3 
©rünben be3 ©otorttä. 



83ur<fl)art>Ü Kultur ber SRenätffcmce. 



1« 



274 



Sie @ntbedung ber SBelt unb beä 2Renfd)en. 



*♦ mbjthnitt. ftartften unb gegen s JJafe unb Ofyr abnefymenb, baS Sßetfse im 
Sitensuoia's Sluge leife btäuüd), bie 3ri6 ntcf)t gerabe fdjroarj, obwohl atte 
jbeai. ^i^ter nad) occhi' neri atd einer ®abe ber 23enu3 freien, 
tuä£)renb bod> ba§ himmelblau, fetbft (Göttinnen eigen geraefen 
unb ba8 fanfte, fröf)ttd) bücfeube £)unfe(braun aÜMiebt fei. £)aS 
2tuge fctbft fott groß gcbitbet fein unb üortreten; bie Stber finb 
roeif? mit faum fictjtbaren rotten- Heberdjen am fdjönften; bie 
Söimpem weber p birfjt nod) ju lang, nod) $u bunfel. £)ie 
2lugeni)öf)te mufj bie garbe ber Sangen baben 1 )- SDa« Ofjr, 
öon mittlerer ©röfee, feft unb ft>ol)l angefc^t, muß in ben ge* 
fdjraungenen Steilen lebhafter gefärbt fein al* in ben flauem, 
ber @aum burdjfidjttg unb rotbgtänjenb wie ®ranatenfern. ©ie 
©djtdfe finb wei^ unb fladj unb itidjt §u fdjmal am fdjönften 2 ). 
Stuf ben Sangen mufe ba§ töotb mit ber ^unbung gune^men. 
£)te 9?afe, iuetct)e toefenttic^ ben Sertf) beö Profile« beftimmt, 
muß nad) oben fetjr fanft unb gteia)md^ig abnehmen; um ber 
Knorpel aufbort, barf eine Keine (Srböbung fein, bod) nidjt, baft 
barauS eine Slbternafe mürbe, bie an grauen nidjt gefaßt; ber 



1) Sei biefem Slnlafj @twa§ über baä 2luge ber Sucrejia Sorgia, au§ 
ben Siftidjen eine§ ferrareftfdjen §ofpoeten, ©rcole ©11*0330. (Strozii poetae, 
p. 85. 86). Sie 3Jiad)t if)re§ SBlitfeä wirb auf eine äßeife bejeidmet, bie 
nur in einer fünfttertfdien Seit erflärlid) ift, unb bie man fid) je£t »er= 
bitten würbe. Salb Reifst bie§ 2luge entftammenb, balb oerfteinernb. 2Ber 
bie ©onne lange anfielt, wirb blinb; wer 2ftebufa betrachtete, würbe ©tein; 
wer aber £ucrejien'§ 2lngefidjt fdjaut: 

Fit primo intuitu caecus et inde lapis. 
£a ber marmorne fd)Iafenbe ©upibo in itjren ©alen foll von tljrem SlicE 
oerfteinert fein: 

Lumine Borgiados saxificatus Amor. 
90lan fann nun barüber ftreiten, ob ber fogenannte prajitelifo)e ober ber= 
ienige »on 3Jiid)elangeIo gemeint fei, ba fte beibe befajj. 

Unb berfetbe SStidE erfdjien einem anbern Siebter, bem Sftarcetfo %i* 
loffeno, nur milb unb ftolj, mansueto e altero. (Roscoe, Leone X, ed. 
Bossi, VII, p. 306). 

a5ergleid)ungen mit antifen Sbealgeftaften fommen bamalö nid)t feiten 
oor (©. 31, 183). 33on einem jefjnjäfirigen Änaben Ijeifjt e3 im Drlanbtno 
(II, ©tr. 47): er f»at einen antifen SSopf, ed ha capo romano. 

2 ) Sei biefem 2lnlafj, ba baö 3(uSfef)en ber ©d)Iäfe burd) bie 2lnorb= 
nung ber £aare mobifteirt werben fann, erlaubt fid) einen fomifd)en 
2tuäfatt gegen bie altsnoielen Slumen im §aar, wetdje bem ©efidjt ein 
2lnfef)en geben, „gleid) einem £opf »olt Helten ober einem ©eiSoiertel am 
Sratfpie^." Ueberfjaupt oerftef)t er retfjt wof)l ju carifiren. 



£>ie ©ntbecfung ber 2BeIt unb be§ aftenfdjen. 



275 



untere Streit muß fanfter gefärbt fein als bie £)fjren, nur ntdit 4. aibf^nitt. 

erfroren weiß, bie mittlere Söanb über ber Sippe tafe gerottet, Bttm»u«i« > » 

£>en 9ttunb perlangt ber Slutor etjer Hein, bod) weber gefpi^t nod) 3BcnL 

platt, bie Sippen itfdjt ju fubtit unb fcfjfltt auf einanber paffenb; 

beim sufäütgen Oeffnen (b. f). ofme Saasen ober ffieben) barf 

man fyödjften« fectjö Oberalme fefjen. 23efonbere Micateffen finb 

bas ®rübd)en in ber Obertippe, ein fcfyöneS 2lnfd)wetien ber Unter* 

tippe, ein ücbretjcnbc« Sädjeln im linfen ättunbrahtfel 2c. SDtc 

3ät)ne folten fein: nid)t gu windig, ferner gleichmäßig, fctjön ge* 

trennt, elfenbeinfarbig; baS ^a^nfteifö) nid)t gu bunfet, ja nid)t 

etwa wie rotljer ©ammet. £)a3 $inn fei runb, roeber geftülpt 

nod) fptfctg, gegen bie @ri)öfmng Ijin fid) röttjenb ; fein befonberer 

9tul)m tft baS ®rüba)en. ©er $>aU muß weiß unb runb unb etjer 

gu lang als ju tur$ fein, ®rube unb StbamSapfet nur angebeutet; 

bie £aut muß bei jeber Senbung fdjöne galten bilben. £)ie 

©futtern oertangt er breit unb bei ber 23ruft erfennt er fogar 

in ber breite baS I)öd)fte (Srforbermfj ber ©djönljett; außerbem 

muß baran fein ®nod)en ftd)tbar, atteS £u* unb Slbttetjmen faum 

bemerftia), bie garbe „candidissimo" fein. £) a $ «Sein foll tang 

unb an bem untern £f)ett gart, bod) am (Schienbein ma)t gu 

fleifa)to3 unb überbieß mit ftarfen weißen SBabcn oerfetjen fein. 

£)en guß will er Hein, boa) nidjt mager, bie ©pannung (fdjeint 

es) t)od), bie ftarbe weiß wie ^Uabafter. £)ie Irme fotlen weiß 

fein unb fid) an ben erf)öf)ten Streiten teife rotten ; it>re Sonpftenj 

befdjreibt er al« fieifdjig unb muScutöS, bod) fanft wie bie ber 

^aflaS, ba fie oor bem girren auf 3ba ftanb, mit einem üöorte: 

faftig, frifd) unb feft. Sie £anb oertangt er weiß, befonbers 

oben, aber groß unb etwas üott, unb anjufüt)ten Wie feine ©eibe, 

ba$ rofige Onnere mit wenigen, aber beuttidjen, nidjt gefreuten 

Linien unb nia)t gu fjol)en £ügetn oerfefjen, ben SKaum sroifa)en 

Daumen unb Zeigefinger lebhaft gefärbt unb ot)ne Tungeln, bie 

ginger tang, gart unb gegen ba« (Snbe bin faum merftia) bünner, 

mit betten wenig gebogenen unb nid)t gu langen nod) gu oier* 

ectigen ^ägetn, bie befdjnitten fein foHen nur bis auf bie breite 

eines ättefferrücfens. 

üfteben biefer fpecietten Steftbetif nimmt bie attgemeüte nur 
eine untergeorbnete ©tette ein. Die tiefften ©rünbe beS @a)ön* 
finbenS, nad) wetd)en baS Stuge „senza appello" rietet, finb 
aud) für girenguota ein ®et)eimniß, wie er offen eingeftef)t, unb 

18* 



276 ©te ©ntbecfung ber SBelt unb be§ 2ttenfdjen. 



. qibfcftnitt. feine Definitionen bon Leggiadria, Grazia, Vaghezza, Venustä, 
Aria, Maesfcä finb jum Streit, tute bemerft, pbtlotogifd) erworben, 
gum STt>ei£ ein t>ergeblid)eS fingen mit bem Unau8fpred)üd)en. 
Das Sachen befinirt er — roafyrfd) einlief) nad) einem atten Slutor 
— redjt fjitbfd) als ein (Srglänjen ber @eete. 

Sitte Literaturen werben am Ausgange ber Mittelalter« einzelne 
33erfud)e aufweifen, bie @d)önt)ett gteidjfam bogmatifd) feftjuftet* 
ten Allein neben giren^uola wirb fdjwerlicf) ein anbereS Serf 
trgenb auffommen. Der um ein ftarteS f)afbeS 3al)r[)unbert fpätere 
©rantome §. 55. ift ein geringer Kenner bagegen, weit ifyn bie 
Süfterrt^ett unb ntd^t ber @cf)önf)eitsfinn leitet. 



©*iiDerun 9 3" ber (Sntbeteg beS äftenfd&en bürfen wir enbltd) auef) bie 
Des belegten fäifoernbe £E)eitnaf)me an bem wtrflidjen bewegten 9#enfd)enleben 
M - rechnen. 

Die gauje fomifcfje unb fatirifdje @eite ber mittelalterlichen 
Literaturen Jjatte ^u itjren ^weefen baS 33ilb beS gemeinen Lebens 
nicf)t entbehren fönnen. StwaS ganj anbereS ift eS, wenn bie 
Italiener ber föenatffance biefeS 33ilb um feiner fetber Witten aus* 
malen, weit eS an ftcf) intereffant, weit eS ein ©tuet beS großen 
allgemeinen Söctttcbcit« ift, bon welchem fie fidj jaubertjaft um* 
wogt fügten. @tatt unb neben ber STenben^omif, wetd)e ftcf» in 
ben Käufern, auf ben ©äffen, in ben Dörfern herumtreibt, weit 
fie bürgern, dauern unb Pfaffen eine« anhängen Witt, treffen 
wir tjicr in ber Literatur bie Anfänge beS ed)ten ®enre, lange 
3cit beüor fiel) bie Maleret bamit abgiebt. Dafe 33eibe8 jtdj 
bann oft wieber t>erbinbet, tjinbert nicfjt, baß eS öerfd)iebene 
Dinge finb. 

mt biet irbifdjeS ®efd)et)en muß Dante aufmertfam unb 
tt)eitnet)tnenb angefeuert tjaben, bis er bie Vorgänge feines 3en= 
feits fo ganj finntid) waljr fd)itbern tonnte 2 > Die berühmten 
Silber üon ber £t)ätigfeit im Irfenal gu SSenebig, üom Slueinan* 
beriefen ber Sünben bor ben ®ira)tt)uren 3 ) u. bgt. finb lange 
nid)t bie einzigen «eweife biefer Irt; fdjon feine Sunft, ben 



SBei ©ante. 



1) ®a§ 6dE)önf)eit3ibeal ber Winnefinger f. bei %a\le, bie beutfdje 
$racr)teu= unb SKobenioelt, I, ©. 85, ff. 

2) lieber bie 2ßafjrf)eit feines SftaumfinnS »gl. ©. 234, Sinnt. 

3) Inferno XXI, 7. Purgat. XIII, 61. 



SDie ©ntbechmg ber SBelt unb be§ 9ftenfcf)en. 



277 



©eetenjuftanb in ber äußern (Seberbe barjuflellen, jeigt ein gro- mfämtt. 
fje« unb befjarrtidje« ©tubium beS £eben«. 

£)ie £)idjter, roetd^e auf ifyn folgen, erreichen ilm in biefer 
33esieljung feiten unb ben SftoPeltiften Verbietet e« bas f)öa)fte 
©efe| tfirer Siteraturgattung, bei bem (Sin^etnen gu Perroeilen 
(33gt. ©. 240, 272). ©ie bürfen fo roeitfd)it)eiftg prdtubiren unb 
ersten at« fie rooüen, aber nid)t genrefjaft fdjitbem. 2ßir müffeu 
un« gebutben, bi« bie äJiänner De« Slttertfyum« 8u(t unb ©etegen* 
t)eit finben, fidj in ber 23efd)reibung ju ergeben. 

|)ier tritt un« imeberum ber Säftenfd) entgegen, roeWjer ©inn ? i cu . @ 9 im U «. 
fjatte für Sitte«: Stenea« ©rjlPiu«. Sftidjt blofj bie ©djönfyeit ber 
Sanbfdjaft, nidjt btoß ba« co«mograpf)ifd) ober antiquarifd) Onter* 
effante (@. 143, 224, 237) rei$t i^n jur ©arfteüung, fonbern 
jeber lebenbige Vorgang 1 ). Unter ben fefyr nieten ©teilen feiner 
Sttemoiren, wo ©cenen gefdjttbert werben, wetzen bamat« faum 
3cmanb einen geberftrtdj gegönnt rjätte, tjeben wir fyier nur ba« 
Settrubern auf bem 33oIfener ©ee f)erüor 2 ). 2flan wirb nidjt 
näfjer ermittetn fönnen, au« tDefdjen antifen (gpiftotograptjen ober 
@qäi)lern bie fpeciette Anregung ju fo teben«Poüen Silbern auf 
if)n übergegangen ift, mie benn überhaupt bie getftigen 33erüt)run* 
gen gtütfctjert Slttertijum unb 9?enaiffance oft überau« jart unb gc* 
Jjeimnifjttoü' finb. 

©obann gehören Ejterfter jene befdjreibenben tateinifcfjett @e= 
bidjte, üon meldjen oben (©. 204) bie 9?ebe war: 3agben, Reifen, 
Zeremonien u. bgt. @« giebt aud) 3tauenifd)e« öiefer Gattung; 
roie i. 33. bie ©ttjitberungen be« berühmten m-ebiceifdjen furnier« 
Pon ^otijiano unb Suca $u(ci. £>ie eigentüdjen epifdjen SDtdjter, 
Suigt ^ulci, 4Bojarbo unb Strioft, treibt ifyr (Segenftanb fd)on 
rafdjer Porwärt«, bod) wirb man bei Sitten bie letdjte ^ßräcifion 
in ber ©djilberung be« ^Bewegten at« ein ^auptetemeut iljrer 
"üJfteifterfdjaft anerfennen müffen. $ranco ©acdjetti mad)t fidj 
einmal ba8 Vergnügen, bie furjen $Heben eine« $uge« fjübfdjer 
Söeiber aufzeichnen 3 ), bie im Sßulb Pom SKegen überrafdjt werben. 

!) 2Ran mufj e§ nidjt ju ernft nehmen, bajj er an feinem §ofe eine 
2trt ©pottbroffel, ben Florentiner ©reco tjatte, hominem certe cuiusvis 
mores, naturam, linguam cum maximo omnium qui audiebant risu fa- 
cile exprimentem. Piatina, Vitae Pontiff. p. 310. • 

2) Pii II. Comment. VHI, p. 391. 

3 ) ©tefe fogenannte Caccia ift a&gebrucüt im (Sommentar ©afti; 
glione'3 (Scloge. 



278 Sie ©ntbechmg ber Sßelt unb be§ 3Jtenfcf)en. 



3 r mfmm, 21nbere .SSefcfyretbungen ber bewegten Söirfttdfjleit finbet matt 
am efjeften bei ^rtegöf ctjrif tfteHem u. bgt. (SSgt. @. 79). @d)on 
auö früherer 3ett ift uns in einem umftänblid)en ®ebid)t *) bas 
getreue Sllbbitb einer (Sölbtterfdjladjt be§ XIV. SatirtjunbertS er* 
Ratten, l)auptfäd)ltd) in Oeftatt ber $urufe, Sommanbo'ö unb 
©efprddje, bie wäfyrenb einer foldjen oorfommen. 
gaifdje unb edjte ®Q8 Stterfwürbtgfte btefer SIrt aber ift bie ecfyte ©djitbenmg 

©djtibmmö oe § «BaueralebenS, wetdie befonber« bei Soremo ntognifico unb 
ben £)td)tem tn fetner Umgebung bemerfhd) wtrb. 

@eit Petrarca 2 ) gab e§ eine fatfdje, conbentionefle 33ucoüf 
ober (Sctogenbidjtung, eine 9?ad)al)mung 23irgi(ö, motten bie 
SSerfe lateinifdj ober itatienifdj fein. 21(8 ifjre ^ebengattungen 
traten auf ber £>irtenroman öon Boccaccio (@. 201) bis auf 
©annajaro'g Slrcabia, unb fpäter ba§ @d)äferfpiel in ber 2lrt 
be8 STaffo unb ©uarint, SÖerfe ber allerfdjönften ^ßrofa tote beS 
üottenbetften 93er8baue8, worin jebodj ba§ prtenwefen nur ein 
äu^erUct) übergeworfenes ibealeS (Softüm für (Smpfinbungen ift, 
bie einem gan^ anbern JötlbuttgefretS entflammen. 3 ) 

®t«Hun B brt ©aneben aber tritt gegen ba§ @nbe be$ XV. 3af)rf)unbert§ 
säuern. ^ ^ genrebafte Sefyanblung beö länbfidjen £)afein§ in bie 
£)id)tung ein. ©ie war nur in Italien mög(id), weit nur fyier 
ber 33auer (foraot>t ber Solone als ber (Sigentfyümer) 9D?enfd)en* 
würbe unb perfönttdje gretfyeit unb grei^ügigfeit fjatte, fo fyart 
bisweilen aud) fein 800$ fein mochte, ©er Unterfdjieb jwifdjen 
(Stabt unb £)orf ift bei weitem nidjt fo auggefprodjen wie im 
Horben; eine Spenge ©tabtcfjen finb augfcfyftcftlid) oon Säuern 
bewohnt, bie ftdj be8 91benb8 ©täbter nennen fönnen. £>ie 2Gan* 



*) @. bie ©erüentefe beä ©ianno^o von ^oreng, bei Trucchi, Poesie 
italiane inedite, II, p. 99. Sie äBorte finb gum %f)äl ganj unoerftanb= 
licfj, b. f). lüirfüdE) ober fdjeinoar au§ ben ©pradjen ber fremben ©ölbner 
entlehnt. — 2lud) 3ftacd)iai)eu"3 SSefdjreioung uon ^loreng wäfjrenb ber 
5ßeft von 1527 gehört gerciff ermaßen J)iefjer. Sanier leoenbig fprecfjenbe 
©in^elfulber eine§ fögrecflidjen guftanbeä. 

2 ) Saut Boccaccio (Vita di Dante, p. 77) ptte fdjon ©ante jroet, 
nmljrj'cfieinüd) lateimfdje, ©clogen gebietet. 

3) Boccaccio giebt in feinem Slmeto fd)on eine 2trt uon nu)tf)ifd) t>er= 
fteibeien Secamerone unb fällt biäroeüen auf lomifd^t? SBeife au3 bem 
©oftüin. ©ine feiner 3lvmvf)m ift gut fatfjoUfdE) unb nurb in 3tom oon 
ben Prälaten lüftern angefetjen ; eine anbere fyeiratfiet. Sftnfale fyiefo= 
lano gief»t bie ftfjwangere ^nmp^e 9JJen[oIa eine „alte, raeife 9h;mpfje" ju 
IRat^e, u. bgl. 



Stte (Sntbedfung ber SDßelt unb be§ 9Jlenfcf)fn. 



279 



berungen ber comagfifdjen ÜRaurer gingen faft burd) gans Statten; 4, m^nitt. 

bas ®inb ©totto burfte tion feinen (Sdjafen hinweg unb fonnte 

in glorertj künftig werben; überhaupt mar ein beftänbiger 3u* 

ftrom üom ßanbe tt.adj ben @täbten unb getoiffc JBergbeböIfer* 

ungen fdjienen bafür eigenttid) geboren. *) üftun forgen jtnar 

35itbung§f)od)mutf) unb ftäbtifd)er £)ünM nod) immer bafür, 

baß £>tcf)ter unb SRotoefliften fiel) über ben villano luftig machen, 2 ) 

unb bie 3mptot>ifir*(5omöbte (@. 252, f.) ttjat bottenbs ba$ Uebrige. 

Slber tt)o fanbe fid) ein £on uon jenem graufamen, t)erad)tunggs 

tiotten Sfacenfjafi gegen bie vilains, ber bie abtigen prorjenjaftfcfyen 

Sinter unb fteüentoetfe bie frangöfifd)en (Sfyroniften befeett? 

SBiefateljr 3 ) erfennen itatiemfdje Tutoren jeber ©attung baö $bt* 

beutenbe unb ©roße, rao e8 fid) im SSauernteben geigt, freiroittig 

an unb fyeben e§ tyeroor. ©ioüiano Fontane- ergäbt 4 ) mit Sßt* 

immberung 3üge tion ©eetenftärfe ber ttnlben Slbrujjefen; in 

ben biograpljifdjen ©ammetroerfen rote; bei ben ^obeüiften f et>tt 

aud) baö fjeroifdje -53auernmäbd)en 5 ) nidjt, raeldjeS fein Seben 

brau fefct um feine Unfdjulb ober feine gamitie ju üertfjeibigen. 6 ) 



1) Nullum est hominum genus aptius urbi, jagt Sattifta 2)iantooano 
(Ecl. VIII) «ort ben $u alten Singen brauchbaren Serootjnern be§ -Konte 
Salbo unb ber Sal ©affina. Setanntl ; df) tjaBen einzelne Sartbbeoölferungen 
nod) bleute ein Sorrecfjt auf geroiffe Sefdjäfttgungen in grofsen ©täbten. 

2 ) SScelIetdf)t eine ber ftärfften ©teilen : Orlandino, cap. V, str. 54 — 58. 
a) ber Sombarbie freuten fid^ ju 2lnfang be3 XVI. Saljrl). bie 

©belleute nidjjt, mit ben Sauern ^u tan-jen, &u ringen, gu fpringen unb 
um bie SBette ju laufen. II cortigiano, L. II, fol. 54. — ©in ©utäbeft^er, 
ber fict) über ©ier unb £rug feiner $acf)tbauern bamit tröftet, bajs man 
fid; babei in bie Satte fcfiicfen lerne, ift 2t. 5ßanbolfini, im Trattato del 
governo della famiglia, p. 86. 

4 ) Jovian. Pontan. de fortitudine, lib. II. 

5) Sie berühmte oeltlimfctje Bäuerin Sona Sombarba al§ ©emafjlin 
be§ ©onbottiere Sßtetro Srunoro lernt man lennert au3 ^acobuä Sergo* 
menfiä unb au§ SorceKiu§, bei Murat XXV, Col. 43. — Sgl. oben 
©. 119. atnm. 

6) Heber ba§ ©dfjicffal ber bamaligen ttalienifct)en Sauern überhaupt 
unb je naef) ben £anbfd)aften inäbefonbere finb mir aufjer ©tanbe, 9täf)ere3 
t)ier beizubringen. SBie ftd^ ber freie ©runbbefi^ bamal§ jum gepachteten 
»erf)ielt, weldjeä bie Selaftung beiber im Serfjältntfj $ur je|igen $eit roar, 
muffen ©pecialroerfe letjren, bie un§ ntcfjt ju ©ebote ftefien. Qn ftürmi= 
fetjert Reiten pflegen bie Sauern bi§roeilen fcljrectlict) ju üerroilbern (Arch. 
stor. XVI. I, p. 451, s. — Corio, fol. 259. — Annales Foroliv. bei 
Murat. XXII, Col. 227) aber nirgenbä fommt e§ gu einem großen gemein^ 



280 



©te ©ntbedung ber Sßelt unb be§ 9Jienfd)en. 



4. wbm n itt. Ii; Unter folgen 23orauSfe£uugen mar eine poettfdje 33etrad)* 
«attifta tung beS 23auernlebenS mögtid). gunädjft finb fyier ju enuäfynen 
OTantoMno. ^ e eitl ß ^ g e ^ erten uni) ll0c ^ ^ eute 1^^^^ (gelogen beS 

4öatttfta äftantobano (eines feiner frühem Sßerfe, etraa um 1480). 
@ie fajmanfen nod) jnnfdjen echter unb conoentionefler Sänbtid)* 
feit, bod) überwiegt bie erftere. 3m ©cfentttdjen fpridjt barauS 
ber @imt eines raofjlbcnfenben ©orfgeifttidjen, nidjt ofyne einen 
geraiffen aufflärerifdjen (Sifer. 9lts (Sarmelitermönd) mag er üiet 
mit Sanbleuten öerfefyrt fyaben. 
«mens» 2Ittein mit einer ganj anbern ®raft üerfe^t fid) £oren$o 
magnifico. magnifico in ben bäuerifcfyen ©efidjtsfretS hinein, ©eine S^ertcta 
bi SSarberino J ) tieft fidt> mie ein Inbegriff echter 23otfSlieber aus 
ber ttmgegenb üon grorertg, jufammengegoffen in einen grofjen 
«Strom üon Dttaoen. £)ie Objectiüttät beS £)id)terS ift ber 
2lrt, baft man im ^roetfet bleibt, ob er für ben SRebenben (ben 
33auerburfd)en SMera, rüeldfjer ber 9iencia feine Siebe erf(ärt) 
@nmpatl)ie ober £ob,n empftnbet. (Sin beraubter ®egenfa£ jur 
conüentionetfen 33uco(if mit ^ßan unb ^mnptjen ift unöerfennbar; 
£orenjo ergebt fid) abfid)ttid) im berben Realismus beS bäuerifcfyen 
^Hemlebens unb bod) mad)t baS ©an^e einen wafn-fyaft poetifcfyen 
(Siubrud. 

(Sin gugeftanbeneS ©eitenftüd jur 9?encia ift bie $eca ba 
3Mcomano beS Suigi ^ulci. 2 ) Slftein eS fefylt ber tiefere objeo 
tiüe (Srnft; bie 33eca ift tttdjt fotooljt gebietet aus innerem 
©rang, ein @tücf SMfsleben baquftetten, als btcltnefjr aus bem 
Verlangen, burd) etroas ber 2lrt ben 33eifaü gebitbeter gtorentiner 
gu gemimten. £)ab,er bie Diel größere, abfidjtlicfyere ©erbtjeit beS 
©enretyaften unb bie beigemifcfjten ,3oten. ©od) mirb ber ©e* 
fidjtsfreis beS länbüdjen ßtebtjaberö nod) fefjr gefdjicft feftgefyatten. 
WkiMo. ©er brüte in biefem herein ift Slngefo ^oügiano mit feinem 



famen Sauernlrieg. $on einiger 33ebeutung unb an fid) feljr intereffant 
ift ber SBauernaufftanb um pacenja 1462. SSgl. Corio, Storia di Milano, 
fol. 409. Annales Piacent. Bei Murat. XX, Col. 907. Sismondi, X 
p. 138. 

!) Poesie di Lorenzo magnif., I, p. 37, s. — ©ie fe^r merfmürbigen 
©ebtdjte auä ber Qeit be3 beutfd)en ajiinnegefangeä, raeldje ben tarnen beS 
9leitl)arb üon ^euentljal tragen, ftelten ba3 SSauernleben bod) nur bar, 
infomett fid) ber bitter ju feinem Vergnügen barauf einläfjt. 

2) ©fcenba, II. p. 149. 



« 



2)ie (Sntbecfung ber äBelt imb be§ 2ftenfdf)ett. 281 

SflufticuS 1 ) in tateinifdjen ^ejcametem. @r f Gilbert, unabhängig *. w>f<t>mtt. 
oon Birgits ©eorgica, fpectell baS toScanifd)e ©aucrnja^r, be* *oh*i*». 
ginnenb mit bem ©pätfjerbft, ba ber Sanbmann einen neuen 
^flug fcfjni^t unb bie SBmtcrfaat beftcHt. @el)r retd) unb fifjött 
ift bie ©cfyilberung ber gturen im $rüf)ling unb aud) ber @ommer 
enthält üorjügtidje ©teilen; als eine ^erte aller neutateinifdjen 
^ßoefte aber barf baß Äetterfeft im £erbfte gelten. Sludj auf itatienifd) 
t>at ^Pottjtano (SinsetneS gebietet, toorau§ l)eroorgeI)t, baß man 
im Greife beS Sorcn^o bereits irgenb ein 33ilb aus bem leiben* 
fdjaftttdj bewegten Seben ber untern @tänbe realiftifdj befyanbetn 
burfte. (Sein SiebeStieb be§ ^igeunerg 2 ) ift woljt eine« ber 
frübjeften ^robucte ber edjt mobernen £enbenj, fid£) in bie Sage 
irgenb einer 2KenfdjcIaffe mit poettfrfjem Setoußtfein ^ineinjuner* 
fe^en. ÜWtt fomifcfjer 2lbfid]t mar bergleicfyen toof)t oon jetjer 
üerfudjt toorben 3 ) unb in $lorenj boten bie ©efänge ber äftaSfen* 
güge fogar eine bei iebem Sarneoal toieberfefyrenbe ©elegenfyeit 
t)te§u. 9?eu aber ift ba$ @ingel;en auf bie ©efüi)l8raelt eines 
Slnbern, toomit bie S^encta unb biefe „Canzone zingaresca" 
einen benftoürbigen neuen Anfang in ber (^efdjtdjte ber ^oefte 
auSmadjen. 

%na) ^ier muß fdjtießlid) barauf fjingetoiefen toerben, tote 
bie 23ilbung ber Äunft üorangel)t. 93on ber Sfoncia an bauert 
e8 tootyl adjtjig 3al)re biß $u ben fänbltdtjcn (Genremalereien beö 
acopo iöaffano unb feiner @dmte. 

3m nä^fteu 2lbfd)nitt toirb c* fi(f> jeigen, baß in Statten 
bamate bie ®eburtsunterfd)iebe jtuifdjen ben üftenfdjettctaffen ifyre 
(Geltung Oerloren, ©etoiß trug fyieju Oiel bei, baß man f)ter 
juerft bie üftenfdjett unb bie 3J?enfd)t)eit in ifyrem tiefem SBefen 
öollftänbig erfannt fjatte. @cf)on biefe« eine föefuttat ber 9?e* 
naiffance barf uns mit etoigem £)anfgefüt)l erfüllen. £)en logi* 
d)en begriff ber 3J?enfd)f)eit t)atte man öon jet)er gehabt, aber 
fie launte bie ©adje. 

£)ie pdjften Slfynungen auf btefem (Gebiete fprtcfjt $tco rcr ©eariff »es 
beüa ütfiranbola aus in feiner föebe Oon ber SBürbe be§ 3flen= Wenfd,c "- 

9 U. a. in ben Deliciae poetar. ital. unb in ben Derlen 5ßoIijiano'ä. 
— £>ie Sefjrgebid^te be§ 9tuceltai unb 3lIamonni, tt>etcf)e einiges 2lef)nlicf)e 
enthalten foEen, fielen mir nicfjt ©ebote. 
* 2 ) Poesie di Lorenzo m. II, p. 75. 

3) Saf)in gehört fc£>on ba3 9?acf)tnacl)en berfcfjiebener ©ialecte, raogu 
baS ber 2anbe§manieren ftdfj gefeilt fjaben mu|. $gt. ©. 123. 



282 SDie @ntbecfung ber SB dt unb be§ Tiengen. 

mmnut. fcfren, *) toetd^e wot)t eines ber ebetften 23ermäd)tniffe jetter ßuftur* 
epoctje Ijetfcen barf. ©ott fyat am Gsttbe ber @d)öpfungStage bett 
Sttenfüjen gefdjaffen, bamtt berfetbe bie ®efe|e beS SBettattS er* 
fcnne, beffen ©djöttljett liebe, beffen ®röße benmnbere. (5r battb 
benfetben an feinen feften <3ifc, an 'fein beftimmteS SEijun, an 
feine üJcotfywenbigfeiten, fonbern er gab iljm SJetoeQfidjfett unb 
freien bitten. „Mten in bie SÖeft", fpridjt ber ©djöpfer ju 
2tbam, „Ijabe td) bictj gefteCCt, Damit bu um fo teid)ter um biet) 
fdjaueft unb fet>eft altes was barinnen i(t. 3d) fdjuf bid] als 
ein 2öefen Weber f)immtid) norf) trbifer), roeber fterbtid) nodj un* 
fterbtid) allein, bamit bu bein eigener freier ^öitbner unb lieber* 
winber feieft; bu fannft jum 3:t)ter entarten unb jum gottäfyn* 
tidjen SBefett biet) roiebergebären. 3>ie SEIjtere bringen aus bem 
Sftutterteibe mit was fie Ijaben foHen, bie f)öl)em ©eifter finb 
üon Anfang an ober bodt) batb ijernad) 2 ) was fie in (Swigfeit 
bleiben werben, 5Du attein Ijaft eine ßntwieftung, ein Saufen 
nad) freiem Sitten, bu fyaft Äetme eines aßartigen Gebens in bir." 



J ) Jo. Pici oratio de hominis dignitate, in ben Opera unb in fce* 
fonbern Slfcbrütfen. 

2 ) (Sine SCnfpielung auf ben ©turj Sucifer§ unb feiner ©enoffen. 



fünfter «bfönitt. 



ebe (Sutturepodje, bie in fiel) ein bollftänbig burd^gebitbeteö ©ange^jaft f»»!«. 
öorftellt, fprid)t ftd^ titelt nur im ftaatticf>en .gufammenteben, in 
Religion, Shtnft unb 2Öiffenftf)aft fennttid) au§, fonbern fie brüeft 
aud) bent geselligen £)afein irjren beftimmten «Stempel auf. @o 
tjatte bas Mittelalter feine nad) Säubern nur wenig t>erfd)tebene 
§of- unb 2lbel§fitte unb (Stilette, fein beftimmteS 23ürgert()um. 

£)ie ©itte ber itatienifdjen 9?enaiffancc ift tjiebon in beu ^m^n ,um 
wicf)tigften «ejiefmngen baß wal)re SBiberfpiet. ©cf)on bie «aft« » iittcIaIter - 
ift eine anbere, inbem tu für bie t)öl)cre ®efetltgfeit feine Saften* 
unterfd)iebe mefyr, fonbern einen gebildeten ©tanb im mobernen 
©inne giebt, auf welchen ®eburt unb §erfunft nur nod) bann 
(Sinfluß fyaben, wenn fie mit ererbtem $ftcidjtt)um unb gefiederter 
Sttufte öerbunben fmb. Ott abfolutem ©inne ift bieß rndjt ju 
oerfteljen, inbem bie ©tanbeScategorien be3 Mittelalters balb mefyr 
balb weniger fid) nod) gettenb ju madjen fudjen, unb wäre eö 
aud) nur, um mit ber außerttalienifdjen, curopäifdjen 23orneI)mt)cit 
in trgenb einem 9fangtierf)ältnif3 ju bleiben; aber ber allgemeine 
3ug ber 3eit war offenbar bie 5Berfd)mel$ung ber ©täube im 
©inn ber neuern Söelt. 

3?on erfter äBtdjttgfeit war l)tefür ba« gufammenwofynen tion ßufammen< 
Slbtigen unb bürgern in ben ©täbten minbeftens feit bem XII. Safjr* aD * nm ' 



284 



Sie ©efelligfeit unb bie $efte. 



5, gibfdmitt. ftunbert 1 )/ moburdj @d)icffale unb Vergnügungen gemetnfdjaftüdE) 
mürben unb bie 5Infd)auung ber Seit tiom 33ergfd)lof3 aus bon 
öornl)eretn am (Sntftefyen berljinbert mar. ©obann tiefj fict> bie 
5fird)e in Italien niemals jur Slpanagirung ber jungem (Söfyne 
beS 2lbelS brauchen mie im Horben; 33iStf)ümer, £)omf)ermfiellen 
unb Abteien mürben oft nadj beu unmürbigften Mcffidjten, aber 
bod) nid)t roefentüdj nadj ©tammtafeln bergeben, unb menn bie 
^3ifdt)öfe tuet jafylreidjer, ärmer unb aller mettltdjen dürften!) otjeit 
in ber SReget baar unb lebig maren, fo büeben fie bafür in ber 
©tabt moljnen, mo ttjre Satbebrate ftanb, unb bilbeten fammt 
itjrem ©omcapitet ein (Clement ber gebilbeten Bebölierung ber* 
felben. 2lts hierauf abfolute dürften unb £l)rannen emporfamen, 
hatte ber Slbet in ben meiften «Stäbten allen Slnlafi unb alle 
ÜJttufje, fid) ein ^ribatteben ju fcfjaffen (@. 106), meldjeS potitifd) 

u. 3iuSä(ei*ung g e fal)rIo§ unb mit jeglichem feinern £ebenSgenuffe gefdjmücft, babet 
t>er t iit>c. Aigens üon ^ m re ^ en Bürger gemi§ faum ju unterfcfjeiben 
mar. Unb als bie neue ^oefie unb Literatur feit ©ante @ad)e 
eines Oeben 2 ) mürbe, als botlenbs bie 33ilbung im @tnne beS 
SlttertljumS unb baS Ontereffe für ben SJicufdjcn als fotdjen i)tnju* 
trat, mätjrenb Sonbottieren dürften mürben unb nidjt nur bie 
(Sbenbürtigteit, fonbern aud) bie eheliche ©eburt aufhörten 
quifite beS ST^roneS ju fein (©. 15), ba fonnte man glauben, 
ein Zeitalter ber ©teidjheit fei angebrochen, ber begriff beS StbetS 
bötlig berpdjtigt. 

£)ie Stfyeorie, menn fie fid) auf baS 2ltterthum berief, fonnte 
fdjon au« bem einen SlriftoteteS bie Berechtigung beS 2lbetS be* 
jatjen ober berneinen, ©ante j. 33. leitet noch 3 ) aus ber einen 
ariftotelifdjen Definition „2lbet beruhe auf £refflidjfeit unb er* 
erbtem 9?eid)thum" feinen @a£ (jer: Stbet beruhe auf eigener 
StreffUdjfctt ober auf ber ber 33orfal)ren. Slber an anbern ©teilen 
giebt er fid) bamit nidjt mehr aufrieben; er tabelt fid) 4 ), meit er 
fetbft im ^ßarabieS, im ©efpräd) mit feinem 2H)n (Sacciaguiba, 
ber eblen §>eriunft gebad)t l)abe, meldte bod) nur ein ÜDiantet fei, 

0 Sei bem piemontefifcfjen 2(bel fiel ba§ 3Bof)nen auf ben Scmbfdjlöfferrt 
aI3 eine 2lu3naf)me auf. Bandello, Parte II, Nov. 12. 

2 ) Sieä fdjon (ange cor bem Süttjerbrud ©ine 9ftenge Dknufcripte, 
unb con ben beften, geborten ftorentimfäjen Arbeitern. Dfjne <Saoona= 
rola'3 Dpferbranb mären nod) tnel mef)r banon r»orf)anben. Sgl. <S. 157. 

3 ) D ante, de monarchia L. II, cap. 3. 

4 ) Paradiso XVI, Anfang. 



£ie ©efetttgleit unb bte gefte. 



285 



Don bem bte 3 e *t bcftänbig abfdjneibe, roemt matt ntdjt taqtid) 5. mfänitt. 
neuen SSertt) fyutjufefce. Unb int ßonötto *) tost er ben ^Be^riff 
nobile unb nobiltä faft gänjtid) öon jeber 33ebingung ber ©eburt 
ab unb ibentificirt ifyn mit ber 9lnfage ju jebem ftttttc^en unb 
intettectueöen Vorrang; ein befonberer Slccent wirb babei auf bte 
fyöfyere JBilbung gelegt, inbem bte nobiltä bte ©djroefter ber filo- 
sofia fein foö. 

3e confequenter herauf ber Humanismus fidj bie InfdjauungS* »Witten w 
roetfe ber Italiener bienftbar tnadjte, befto fefter überzeugte man ' e ' 
fid) audj, bafj bte Stbftammung über ben Söcrtf) bes üJttenfdjen 
nid)t entfdjeibe. 3m XV. 3af)rljunbert mar bie§ fctjon bte rjerr* 
fdjenbe £f)eorie. ^oggio in feinem ©efpräcf) „öom SIbet" 2 ) ift 
mit feinen Sntertocutoren — Sitccolö 9?iccoti unb ßorenjo 9tte* 
biet, trüber beS großen Softmo — fdjon barüber einberftanben, 
baß es feine anbere Mobilität mefyr gebe ats bie beS üerfönliajen 
SßerbienfteS. 2ttit ben fd)ärfftcn Söenbungen toirb 9ttand)eS bon 
bem perfiftirt, maS nad) bem geroöfyntidjen SSorurtbeil jum ab* 
(igen Seben gehört. „23om magren Stbel fei (Siner nur um fo 
„tuet meiter entfernt, je langer feine Sßorfafyren füljne 2)?iffetf)äter 
„getnefen. ©er (Stfer für SBogcIbctjc unb 3agb rieche jucfjt ftärfer 
„nad) Slbet als bie Hefter ber betreffenben Stetere ttadj 23alfam. 
„Öanbbau, mie ttjtt bie Sitten trieben, wäre öiet ebter als bieß 
„unfinnige herumrennen in SBatb unb ©ebirge, mobei man am 
„metften ben STtjieren felber gteidje. (Sine Gsrljotung bürfe ber* 
„gleidjett etma oorfteflen, nid)t aber ein &benSgefdmft". SSottenbS 
unablig erfdjeine baS franjofifd^e unb engtifdje 9?ittertcben auf 
bem ßanbe ober in Söatbfdjlöffern, ober gar baS bcittfdjc 9^aub= 
rittert£)um. ©er äftebici nimmt hierauf einigermaßen bie Partei 
beS Slbets, aber — be^etdjnenb genug — ntdjt mit Berufung 
auf ein angeborenes ®efüf)t, fonbern tueit SlrtftoteteS im V. 33ud) 
ber ^ßotitica ben Ibet ats etroaS @eienbeS anerfenne unb befinire, 
näm(id) eben ats berufyenb auf £refftid)feit unb ererbtem 9?eicf»= 
tb,um. Mein ^iccoli ertoiebert: StriftoteleS fage biefj nid)t als 
feine Ueberjeugung, fonbern ats allgemeine Meinung; in ber 
(Stt)it mo er fage raaS er benfe, nenne er ^Denjenigen abiig, roetdjer 
nad) bem magren ®uten ftrebe. Umfonft fyätt ttjm nun ber %Jlt* 
bici ben gried)ifd)en StuSbrucf für ?tbel, neimtid) 2öol)(geborenbcit, 



1) Dante, Convito, faft ber gange Trattato IV. u. m. a. (Stetten. 

2 ) Poggii opera, Dial. de nobilitate. 



286 



Sie ©efettigfett uttb bie gefte. 



5- gi&fd»nitt. (Sugeneia entgegen; ^tecott finbet ba§ römifdje 2Bort nobilis, 
b. f). bemerfenöroertf), ridjttger, htbem felbigcs ben Slbet bon ben 
£f)aten abhängig madje Singer biefen 9?aiffonnementS roirb 
bie (SteÜnng be§ Slbetö in ben t>erfd)iebenen (Segenben Italiens 

©« «»ei in ten fotgenbermafcen ffi^irt. 3n Neapel ift ber 5Ibet trage unb giebt 

einjt S^ ^ weber mit f eitTen ® ütern nocf > mit bem atg fö»tadjt>oü gel* 
tenben £mnbel ab; entmeber tagebiebt er §aufe 2 ) ober fifct 
'»ßferbe. Und) ber römifdje Slbet beradjtet ben £>anbet, bemirtf)* 
fdjaftet aber feine (Mter felbft ; ja wer ba8 ßanb baut, bem er* 
öffnet ftdj bon felbft ber Slbefärang 3 ); „t$ ift eine ehrbare, roenn 
audj bcturtfdje Mobilität". Studj in ber £ombarbie (eben bie 2lb* 
tigen bom Ertrag ber ererbten ßanbgttter; Ibftammung unb 
(Enthaltung öon getüöfinttdjen ®efd)dften machen fjier fdjon ben 
2lbet aus 4 ). 3n 23enebig treiben bie Dfobilt, bie regirenbe $afte, 
fämmtütf) Raubet; ebenfo finb in (Senua SIblige unb üftiditabtige 
fämmtftd) taufteute unb ©eefaljrer unb nur burd) bie (Geburt 
unterfdjteben; einige freilid) tauern audj als SBegetagerer in SSerg* 
fdjtöffern. On gtoren^ f)at fidj ein Streit be« alten SIbetS bem 
§anbet ergeben; ein anberer £f)eil (geurifj ber roeit fteinere) er* 
freut fidt) feines langes unb giebt fid) mit gar nidjts ab aU mit 
3agb unb SSogetbeije 5 ). 



1) Siefelbe 33eracf)tung beS ©eburt§abel§ finbet fid^ bann bei ben £u; 
tnaniften Ijäufig. SSgl. bie fcfjarfen ©teilen bei Aen. Sylvius, Opera, p* 84 
(Hist. bohem. cap. 2) unb 640 (©efef). von Sucretia unb @ur»alu3). 

2 ) Unb jroar in ber £>auptftabt. SSgl. Bandello, Parte II, Nov. 7. 
— Joviani Pontani Antonius (reo ber Verfaß ber 2lbeläfraft erft oon ben 
2tragonefen an batirt wirb). 

3 ) 3« ganj Stögen 9 aI t wentgftenä fooiel, bafj wer bebeutenbe Sanb; 
renten fiatte, vom 2lbel nicr)t mef)r gu unterfetjeiben mar. 

4 ) $ür bie Sarjrung be§ 2lbel3 in Dberitalten ift 33anbetto mit feiner 
mehrmaligen Sßolemtf gegen bie aJlifjijeiratljen nid£)t oljne SBebeutung. 
Parte I, Nov. 4. 26. Parte III, 60. IV. 8. Ser 2Jiaüanbifcf>e Mobile 
al§ Kaufmann ift eine Sluänafjme. Parte III, Nov. 37. — Süßte bie tont; 
barbifcfjen 2lbligen an ben ©Bielen ber Sauern Sljeil nahmen, »gl. 
©. 279 SCnm. 

5) S)oä ftrenge Urtfjetl äRacdjtaöeirs, Discorsi I, 55 begießt fiefj blofj 
auf ben nod^ mit Sef)n§rec^ten oerfeljenen, uößig untätigen unb politifa) 
jerftörenben 2tbel. — Slgrtppa tum 5ietteär)eim, ber feine mertmürbigften 
Sbeen rcefentlidE) feinem Seben in Italien »erbanft, Ijat bod; einen 2lb; 
jdfjnitt über 2lbel unb gürftentfyum (de incert. et vanitate scient. cap. 80), 
ber an rabicaler SBitterfeit ftärfer alä 2tlteä ift unb roefcntliöp ber norbi= 
fetjen ©eiftergäb^rung angehört. 



3)ie ©efeHigJett unb bie gefte. 



287 



Das (Sntfdjeibenbc war, ba§ faft in ganj Italien audj bie, 5. Mbtonitt. 
toettf)e auf i^re ®eburt ftolj fein motten, bod) gegenüber ber stemme ä ur 
«Übung unb bem töeidjtljum feinen Dünfet gettenb machen S8itbu,,fl - 
fonnten, unb ba§ fie burcf) ifjre potitifdjen ober fjöfifrfjen 23or* 
redete 31t feinem erljöfyten @anbeSgefüf)f protwctrt würben. SBenebig 
madt)t f)ter nur eine fdjeinbare SluSnafyme, weif baS Scben ber 
9?obili burdmuS nur ein bürgerliches, burctj wenige (Sfyrenredjte 
bevorzugtes war. 2tnbereS Derfyält es fid) afterbingS mit Neapel, 
wetcfjeS burdj bie ftrengere SÜuSfdjeibung unb bie 'ißompfudjt feines 
Slbets mefjr als aus irgenb einem anbern (Srunbe t>on ber geiftigen 
Bewegung ber SRenaiffance abgef dritten blieb. 3 U ^ ner ftarfen 
^acJjwirf ung beS langobarbifdjen unb normannifc^en üftittetatterS unb 
beS fpatfranäöftfdjen Slbetswefens fam fjter fdjon t>or ber äftitte beS 
XV. SafyrrmnbertS bie aragonefifd)e ^errfdjaft, unb fo öottjog fid) 
f)ier am früf)ften, was erft tjunbert Oafjre fpäter im übrigen 3ta* 
tten überfyanö nafym: bie tfyettweife £)ifpaniftrung beS Gebens, 
bereu "pauptetement bie äSeracfjtmtg ber Arbeit unb bie @udjt 
nadj SlbetStiteln war. Der Grinffafj ijiepon geigte fid) fd)on twr ®v ätere 
bem 3afjre 1500 fefbft in Weinen ©täbten; aus ßa (Saua wirb * ifpnT,ifmi " s - 
genagt: ber Ort fei fpridjwörtlidj retd) gewefen, fo lange bort 
lauter ülttaurer unb £ud)weber tebten; jefct, ba man ftatt üühurer* 
jeug unb Sebftüfyten nur ©poren, ©tcigbüget unb öergofbete 
©ürtet fefje, ba ^ebermann Doctor ber SRecfjte ober ber äftebicin, 
9^otar, ©fficier unb bitter 3U werben trachte, fei bie bitterfte 
SIrmutt) eingeteert 1 ). 3n gtorenj wirb eine analoge (Sntwicftung 
erft unter (Sofimo bem erftcn ©rof^erjog conftatirt; es wirb tfym 
bafür gebanft, baf$ er bie jungen £eute, welche jefct §anbet unb 
©ewerbe tieradjteten, jur SRitterfdjaft in feinem @tep()anSorben 
fjeranjielje 2 ). @S ift bas birecte ©egentfjeit jeuer früfjern ftoren* 
thtifdjen Denfweife 3 ), ba bie 33äter ben @öfmcn eine 33efd)äfti= 
gung jur «ebingung beS (SrbeS matten (@. 64). 



!) Massuccio, nov. 19. 

2) 3<xc. «ßttti an ©oftmo I, Archiv, stor. IV, II, p. 99. — 2lud) in 
Dberitalien fam 2tefjnlid)eg erft mit ber fpanifdjen §errfd>aft auf. Ban- 
dello, Parte II, Nov. 40 ftammt au§ biefer $eit. 

s) Sßenn fid) im XV. Safjrl). SSefpaftano giorentino (p. 518. 632) 
bafjtn au§fprid)t, bafj bie SReidjen it)r ererbtet Vermögen nidit nermeljren 
fonbern jäljrtid) itjre gange ©innafjme ausgeben follien, fo !ann bieä im 
üKunbe eine§ Florentiners nur con ben großen (Brunbbefi^ern gelten. 



288 



®ie ©efeEigfeit unb bie $efte. 



s. sabfd)«itt. Slber eine befonbere 21rt öon 9?angfud)t freujt namentlich bei 
©ie bett Florentinern ben gleidjwadjenben (SultuS üon ®unft mtb 
mütenvitoc. si(bung QU ^ eine ^ {ümi ^ e ^ ei | e . e§ i|- t oa8 (Streben nach 

ber SRitterraürbe, roeld)eS als SRobettiortjeit erft rectjt in Sd)roung 
fam, als es bereits jeben ©Ratten öon eigentlicher ©elütng einge* 
büßt f)QttC. 

„23or ein paar -Sohren, fdjreibt $ranco Sacd)etti *) gegen 
@nbe beS XIV. S'abrhunbertS, t>at 3ebermann ferjen fönnen rote 
fidj §anbroerfer bis jn ben Bädern herunter, ja bis ju ben 
SBoüefra^em, 2öud)erern, Söedjslern unb £)alunfen gittern 
madjen tiefen. Sßepatb braucht ein Beamter, um als SRettore 
in eine Sanbftabt gehen fönnen, bie bitter mürbe? 3" irgenb 
einem geroöfKittdjen Broberroerb pa^t biefelbe bollenbs ntdjt. O 
rote btft bu gefunfen unglüdlidie SBürbe! öon all ber taugen Siftc 
öon $itterpflid)ten thun biefe bitter baS (^egenttjeit 3d) fyabe 
öon biefen ©ingen reben roollcn, bamit bie Öefer inne werben, 
baß baS 5Rittertr)um geftorben ift 2 ). So gut roie man jefct fogar 
Sßerftorbene 3U Gittern etllärt, fönnte man aud) eine $igur üon 
<pol$ ober @tctn, ja einen Odjfen $um bitter machen". — ©ie 
®efd)id)ten, welche Saechettt als Beleg erjagt, ftnb in ber St^at 
fpred)enb genug ; ba lefen mir wie Bemabö Biscontt ben Sieger 
eines SaufbuelS unb bann aud) ben Befiegten höhnifd) mit jenem 
STttel fd)müd"r, mie beutfdje bitter mit ihren ipetmjierben unb 
Slbjeidjen $um heften gehatten werben u. bat. Später moquirt 
fidt) ^oggio 3 ) über bie öielen bitter ohne ^ßferb unb ohne Kriegs* 
Übung. 2Ber bie (SI)renred)te beS StanbeS, 3. B. baS Ausreiten 
mit Faunen, geltenb machen wollte, fjatte in glorenj foroorjt gegen* 
über ber Regierung als gegen bie (Spötter eine fernere Stellung 4 ). 
»otftauerDet näherer Betrachtung wirb man inne, baß biefeS öon 

ffurntere. Q t(cm ©eburtSabet unabhängige üerfpätete Gittern) efen allerbingS 
jum STIjeil Sad)e ber bloßen läcfjerlidjen, titelfttdjtigen (Sitelfeit ift, 
baß eS aber aud) eine anbere Seite hat. ©ie furniere bauern 
nämlid) fort unb wer baran 3:f>ett nehmen raill, muß ber $orm 
wegen bitter fein, ©er tampf in gefd)loffener Bahn aber, unb 
jmar baS regelrechte, je nach Umftänben fel)r gefährlid)e fangen* 



1) Franco Sacchetti, Nov. 153. »gl. Nov. 82 unb 150. 

2 ) Che la cavalleria e morta. 

3 ) Poggius, de nobilitate, fol. 27. 

*) Vasarii III, 49 unb 2lnm., Vita di Dello. 



35te ©efelligfeit unb bie fjefte. 



289 



rennen ift ein Sfatajj, Äraft unb 2fluth jeigen, wetzen fid) 5. «bfftmtt. 
bo« entroicfette Snbiüibuum — abgefeiert t>on aller £erfunft — 
nicht toitt entgegen taffen. 

©a Ijatf es nichts, bafe fd^on Petrarca ftd) mit bem lebhaf* 
teften 2lbfcheu über baS furnier als über einen gefährlichen Un> 
finn ausgelaffen fyatte; er belehrte bie Seute nicht mit feinem 
patf)ettfcf)ert SluSruf: „man liest nirgenbs baS ©cipio ober (Säfar 
turniert Ratten! £)ie @ad)e rourbe gerabe in glorenj förmlich 
populär; ber Bürger fing an, fein Stornier — ofjne 3mi\d in 
einer weniger gefährlichen gorm — als eine 2lrt tion regelrechtem 
Vergnügen ju betrachten, unb granco ©acchetti 2 ) hat uns baS ^ 
unenblich fomifdje 23itb eine« foldjen ©onntagStumiercrS auf* 
behalten, ©erfelbe reitet hinaus nach ^eretola, wo man um ein 
billiges turuieren fonnte, auf einem gemieteten prbergaul, 
welchem bann burd) 23öfewid)ter eine giftet unter ben @d)wan$ 
gebunben wirb; baS zijkx uimmt ben SHeifcauS unb jagt mit 
bem behelmten bitter in bie @tabt jurücf. ©er mtoermeibtiche 
Schluß ber ®efd)id)te ift bie ©arbineuprebigt ber über foldje hals* 
brechenbe (Streiche empörteu (Gattin 3 ). 

(Snbtid) nehmen bie erften 3J2ebici fich beS £urnierwefenS 
mit einer wahren £eibenfd)aft an, als wollten fie, bie unabligen 
^riöatleute, gerabe hierin jeigen, baß tt)r gefelliger $reis jebem 
#ofe gtetd) flehe 4 )- @d)on unter (Sofimo (1459), bann unter 



1) Petrarca, epist. senil. XI, 13. p. 889. ©tne anbete ©teile, in 
ben Epist. famil. fd)ilbert ba§ ©raufen, baS er empfanb, als er bei einem 
furnier in Neapel einen Stttter falten falj. 

2) 9ioo. 64. — ®e§f)alb £;ei^t e§ aud) itn Drlanbino (II. ©tr. 7) »on 
einem furnier unter (Sari b. ©rofjen auSbrütfltcl) : ba ftritten nict)t Köttje 
unb ßüdfienjuttgen, fonbern Könige, §erjoge unb SJiarfgrafen. 

3) Smmer^in eine ber früf)ften ^arobten beS SurniermefenS. @§ 
bauerte bann n>of)l noa) 60 3af>re, bis SacqueS ©oeur, ber bürgerliche 
ginan^minifter ©arlS VII, an feinem ^alaft ju 33ourgeS ein ©felturnier 
ausmeißeln ließ (um 1450). ©aS ©län^enbfte in biefer 2trt, ber ebencitirte 
gmeite ©efang beS Drlanbino, ift erft im 3af)re 1526 herausgegeben. 

4) Sgl. bie fdjon genannten ©ebidEjte beS «ßoligiano unb Suca ^ulci. 
gerner Paul. Jov. Vita Leonis X, L. I. — Macchiav. Storie fiorent- 
L. VII.— Paul. Jov. Elogia, bei 2lnlaß beS Petrus Medices unb beS Franc. 
Borbonius. — Vasari IX, 219, v. di Granacci. — 3«t 3Jlorgante beS 
^ßulci, roelc§er unter Sorenjo'ä 2lugen gebietet rourbe, finb bie bitter oft 
tomifcf) in ihrem Sieben unb Zfyun, aber i^re §tebe finb ed)t unb fünfte 
geregt. Slua) Söojarbo bietet für genaue Kenner be§ XurnierS unb beö • 

SBurdljartit, ßultur ber Steitaiffance. 19 



290 



Sie ©efeltigteit unb bie ftefte. 



5« 9ib f<»ttitt.Jßietro bcm äftcrn fattben weitberühmte große furniere in gforenj 
ftatt; ^ßtetro ber jüngere ließ über fotdjen 23eftrebungen fogar ba8 
Regieren Hegen unb wollte nur nod) im ^aruifch abgemalt fein. 
Sludj am £>ofe 2lteranber3 VI. tarnen furniere bor. 211« (Sarbinat 
2l«canio @for$a ben £ürfenprinjen ©fdjem (@. 87, 94) fragte, 
rate ttmt bieß (Sdjaufptel gefalle, antwortete berfelbe f et)r weife: 
in feiner ^eimatf) (äffe man bergleidjen burd) ©Haben aufführen, 
um welche e«, wenn fie fielen, nid)t ©djabe fei. £)er Orientale 
fttmmt fjier unbewußt mit ben alten Römern jufammen, gegen« 
über ber (Sitte be« SJiittelalter«. 

2lbgefehen tion biefem nid)t unwefentlidjen Inhalt ber bitter* 
mürbe gab e§ aud) bereit«, 5. £3. in gerrara (@. 42) wahre §of* 
orben, wetdje ben Xitel Saualiere mit fid) führten. 

2öeld)e« aber aud) bie einzelnen Slnfprüa^e unb bie (Sitet* 
soitigjano. j c ^ cn öligen unb Saöattere fein mod)ten, immerhin nahm 
ber itatienifc§e 2lbel feine (Stellung in ber -äftitte be« £eben« unb 
nid)t an einem äußern 9fanbe beffelben. 3eben 2lugenbltct ber* 
fehrt er mit allen ©tauben auf bem guße ber (Gleichheit, unb 
ba« Talent unb bie 33ilbung finb feine §>au«genoffen. 2XUerbing« 
wirb für ben eigentlichen Sortigiano be$ dürften ber 2tbet einbe* 
bungen x ), allein ^ugeftanbener äftaßen J>auptfäcf)ticr) um be« 93or* 
urt^eilö ber Seute willen (per l'oppenion universale) unb unter 
ausbrücf lieber Verwahrung gegen ben Saint, al« fönnte ber 
9ftd)tablige nicht benfelben innern Sßöertt) haben, ©er fonftige 
Slufentljalt öon üftidjtabtigen in ber 9?ähe be« dürften ift bamtt 
üollenb« nicht au«gefd)toffen; ed fjartbett fia) nur barum, baß bem 
bollfommenen äftenfdjen, bem Sortigiano, fein irgenb benlbarer 
üBorjug fehle. SBenn ihm bann eine gewiffe Zurückhaltung in 
allen fingen jum ©efe^e gemacht wirb, fo gefdjieljt bieß nid)t 
weil er twn eblerm (Bebtüte flammt, fonbern weit feine jarte in* 



Krieges. SSgl. ©. 256. — furniere in Renata 1464, Diario Perrar. 
Muratori XXIV. Col. 208 — in SSenebig, Sansovino, Venezia fol. 153, s. 
— in Bologna 1470, seqq., Bursellis Annal. Bonon., Murat. XXIII. 
Col. 898, 903, 906, 908, 909, rcobei eine nmnberltdje 3Sermifd£)ung mit 
bem 5ßatfjo§ ju bemerfen ift, roeldfjeg ftcf) bamaB an bie 2luffüfjrung römi; 
fcfjer £rtumptye tnüpfte. — $ebertgo üon llrbino (©. 35) nerlor bei einem 
furnier ba§ redjte 2luge ab ictu lanceae. — Heber ba§ bamalige nor= 
bifcfje Surnierroefen ift ftatt aller anbern Stutoren ju Dergleichen: Olivier 
de la Marche, Memoires, passim, bef. ©ap. 8, 9, 14, 16, 18, 19, 21 K. 
0 Bald. Castiglione, il Cortigiano, L. I, fol. 18. 



Sie @efettigfett unb bie $efte. 



291 



bibibuette SBoflenbung es fo bertattgt. fyanbett fid^ um eine s. «bf« » ititt. 
inoberne SSornetjmtjett, wobei bod) 33itbung unb 8teid)tf)utn fdjon 
überall bie ®rabmeffer beS gefeüfdjaftltdjen 2ßertl)eS finb, unb 
jroar ber 9&idjtf)um nur infofern er es mögüd) madjt, bas Seben 
ber 33itbung £ii mibmen unb beren Ontereffen im ©rofjen ju 
förbern. 

3e weniger ttun bie Unterfdjtebe ber ©eburt einen beftimmten 93oaent>un 0 t>c? 
23or$ug berüeb,en, bcfto mefjr mar bas 3nbibibuum als fotctjeö 3nt > iöilmum8 - 
aufgeforbert, all feine 93ortf»etfe geltenb ju madjen; bcfto mefjr 
mußte aud) bie ©efetligfett fidj au« eigener Äraft befdjränten itttb 
berebetn. £)aS Stuftreten beS (Sinjetnett unb bie fyöfyere gorm ber 
©efefligfeit merben ein freiet bemühte« ßunfitoerf. 

©cfjon bie äußere @rfd)einung unb Umgebung beS aftenfdjen 
unb bie ©itte beS tägticfjen Sebens ift boflfommener, fdjöner, meto* 
berfeinert als bei ben SSötfern außerhalb 3tatienS. 33on ber 
Söoljmtng ber ^öfyern ©tctnbe t)anbett bie Iunftgefd)id)te ; t)ier 
ift nur tjerborjufyeben, raie fefjr biefelbe an 33equemlid)feit unb 
fyarmonifcfjer, bcrnünftiger 2Magc baS ©d)(oß unb ben ©tabtljof 
ober ©tabtpataft ber norbifd)en (großen übertraf. £)ie Reibung ÄIcibuns] uut> 
roedjfelte bergeftatt, baß es unmöglich, ift, eine burdjgefyenbe ^3a* Woim - 
rattelc mit ben üftoben anberer Sänber ju sieben, jumal ba man 
fid) feit (Snbe beS XV. 3af)rljunberts tjäufig ben te^tern anfdjtoß. 
2Bas bie italienifc^en Später als Seittradjt barftellen, ift inSge* 
mein baS <2d)önfte unb Uteibfamfte, maS bamats in (Suropa bor* 
!am, allein man meiß nid)t fidjer, ob fie baS f)errfd)enbe unb ob 
fie e§ genau barfteUen. @o biet bleibt aber bodj raoljl außer 
3raeifet, baß nirgenbs ein fo großer Sertb, auf bie £rad)t getegt 
mürbe roie in Statten, £)ie Nation mar unb ift eitel; außerbem 
aber red)neten aud) ernfte Öeute bie mögüd)ft fdjöne unb günftige 
fteibung mit jur 33oüenbung ber "ißerfönftdjfeit. (Stuft gab eö 
ja in $Iorenj einen lugenbüct, ba bie Sxadjt etmas 3nbibibuetleS 
mar, ba 3eber feine eigene 2Jiobe trug (@. 105, 5tnm.), unb nod) 
bis tief ins XVI. 3a£)rl)unbert gab es bebeutenbe 8eute, bie 
biefen 9J?utF) Ratten '); bie Uebrigen mußten mentgftenS in bie 
fyerrfdjenbe 3Robe etmaS 3ubibtbuet(eS 3U legen. (£« ift ein 3^ 
djen beS finfenben Italiens, menn ®tobanni befia (Safa bor bem 
Stuffaüenben , bor ber Slbmeia^ung bon ber Ijerrfdjenben Sftobe 

!) Paul. Jovii Elogia, sub. tit. Petrus Gravina, Alex. Achillinus, 
Balth. Castellio etc. 



19* 



292 



Sie ©efeßigfeit unb bie gefte. 



s. gtbftftnttt. warnt 1 ). Unfere 3eit, mel'd)e memgfteng in ber TOnnerHeibung baß 
9?id)tauff allen afg. I)öd)fte3 ®efefc refpectirt, öcrgirf)tet bamit auf 
(Größere* als fie fetber mciß. ©ie erfpart fid> aber bamit biete 
3ett, moburd) allein fd)on (nad) unfern: ättafcftab ber ©efdjäftig* 
Jett) jeber 9^adt)t^eit aufgewogen mürbe. 

3n SSenebig 2 ) unb glorenj gab e$ §ur £tit ber taaiffattce 
für bie Männer uorgefd)riebcne £rad)tett unb für bie grauen 
srcea»ei. SujmSgefe^e. So bie 3Tracf)ten frei mareit, roie j. $8. in Neapel, 
ba conftatiren bie 3J?oraliften , fogar nid)t olute @d)mer$, ba§ 
fein Unterfd)ieb mel)r jnrifdjen Slbel unb Bürger ju bemerfen 
fei 3 ). Slufjerbcm besagen fie ben bereits äußerft raffen 933ed)fet 
ber äftoben unb (roenn mir bie Sorte richtig beuten) bie tt)örid)te 
33eref)rung alles beffett, roaS aus granfreid) fommt, wä'tjrenb eS 
bod) oft urfprünglid) italienifdje Stoben feien, bie man nur bon 
ben granjofen jurücf ermatte, 3nfofern nun ber l)äufige Sed)fel 
ber SHeiberformen unb bie 2lnnal)me franjöfifa)er unb fpanifd)er 
äftobett 4 ) ber gemöi)nlid)ett ^u^fudjt biente, tjaben mir uns bamit 
nid)t meiter ju befdjäftigen; allein es liegt barin au^erbcm ein 
culturgefd)id)tlid)er 33eleg für baS rafdje £eben Italiens überhaupt 
in ben 3arjr$efmben um 1500. 

sciiettcnmittcr. .©ine befottbere 23ead)tung berbiettt bie 23emüf)ung ber grauen, 
burd) £oilettenmtttet alfer Strt if)r Slusfefjen rueferttlict) ju üer* 
ättbertt. 3n feinem Sanbe @uropa'§ feit bem Untergänge beS 
römifdjen 5Hetct)e§ fjat man roofjl ber ®eftafr, ber Hautfarbe, bem 



t) Casa, il Galateo, p. 78. 

2 ) hierüber bie oenejian. Xracfitenbüdjer, unb Sansovino: Venezia, 
fol. 150, s. Sie S3rcmttrad)t bei ber Verlobung — roetfj, mit aufgelöft 
über bie <3d)ultern roaEenbem §aare — ift bie non Süjian'ä %loxa. 

3 ) Jovian. Pontan. de principe: Utinam autem non eo irapudentiae 
perventum esset, ut inter mercatorem et patricium nulluni sit in ve- 
stitu ceteroque ornatu discrimen. Sed haec tanta licentia reprehendi 
potest, coerceri non potest, quanquam mutari vestes sie quotidie vi- 
deamus, ut quas quarto ante mense in deliciis habebamus, nunc 
repudiemus et tanquam veteramenta abiieiamus. Quodque tolerari vis 
potest, nullum fere vestimenti genus probatur. quod e Galliis non fuerit- 
adduetum, in quibus levia pleraque in pretio sunt, tametsi nostri per 
saepe homines modum illis et quasi formulam quandam praescribant. 

4) hierüber g. 33. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV. Col. 297. 
820. 376. 399; f)ier and) beutföe SRobe. 



Sie ©efetligfeit unb bie gefte. 



293 



£marwud)ö tion fo bieten (Seiten gugefe^t tote bamafä in Italien s. TOfdfriitt. 
2tüe« ftrcbt einer ^ormalbilbung $u, fetbft mit ben auffattenbften, 
ftdjtbarftett £äufd)ungen. Sir fefyen Riebet gän^icb ab üon ber 
fonftigen £rad)t, bie im XIV. 3af)rf)unbert 2 ) äufterft bunt unb 
fdimucfbetaben, fpäter üon einem mefyr terebetten 9fetd)tf)mn war, 
unb befdjrdnfcn un6 auf bie Toilette im engern Sinne. 

33or Ottern werben fatfc^e £aartouren, aud) au§ weiter unb 
gelber ©eibe 3 ), .in SCRaff e getragen, verboten unb wieber getragen, 
biö etwa ein Jöujjprebiger bie wetttidjen ©emittier rüijrt; ba 
ergebt ftcf) auf einem öffentlichen ^ta^ ein jterltdjer Sdjeiter* 
fjaufen (talamo), auf welken neben Sauten, Spietgeratfyen, 
3tta§fen, 3 au & er S ettetn / Sieberbüdjern unb anberm £anb aud) bie 
f)aartouren 4 ) ju liegen fommen; bie retnigenbe flamme nimmt 
Slöc« mit in bie Stifte. £>te 3beatfarbe aber, welche man in ben 
eigenen, wie in ben aufgefegten paaren ju erreichen ftrebte, war 
btonb. Unb ba bie «Sonne im SKufe ftanb, ba§ £aar btonb 
machen ju fonnen 5 ), fo gab e§ ©amen, wetdje bei gutem Setter 
ben ganzen £ag nid)t aus ber ©onne gingen 6 ), fonft brauchte 
man aud) Färbemittel unb außerbem üftijrturett für ben §aar* 
wud)S. ©aju fommt aber nod) ein 2trfenat üon @d)onf)eitswaffern, umgejtattunj 
£eigpftaftern unb (Sdjmtnfen für jeben einzelnen Stljetl be$ @eftd)te§, beä ® c,ld,teg ' 
fetbft für Slugentiber unb ^äfjne, woöon unfere £eit feinen 33e= 



1) 2ftan cgi. bainit bie betr. ©teilen bei galfe : Sie beutfdje £ratf)ten= 
unb SRobenroelt. 

2) Heber bie $Iorentinerinnen »gl. bie ^auptftelten bei Giov. Villani X, 
10 unb 152; Matteo Villani I, 4. großen äJiobenebict von 1330 
werben u. a. nur eingereihte Figuren auf ben grauengeroanbern erlaubt, 
bie blofj „aufgemalten" (dipinto) bagegen »erboten. ©oll man Riebet etroa 
an ÜKobelbrucE benfen? 

3) diejenigen au§ ed)ten paaren Ijeifjen capelli morti. — ^-alfcfie 
3äb>e au§ (Elfenbein, bie ein ital. Prälat, bod) nur um ber beutlidjen 
SCuSftrac^e wiEen, einfefct, bei Stn^etm, ferner ©Ijronif, IV, ©.30. (1508.) 

4) Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1874. — Allegretto, 
bei Mural XXIII, Col. 823. — Sann bie SCutoren über ©aoonarola, 
f. unten. 

5 ) Sansovino, Vonezia, fol. 152: capelli biondisshni per forza di 
sole. — »gl, ©. 273. 

o) 2ßte aud) in S)eutfd)lanb gefdjaf). — Poesie satiriche, p. 119, in ber 
©atire beä 23ern. ©iambullari: per prender moglie. (Sin Sn&egriff ber 
ganzen Soileitendjemie, roeldje ftd) offenbar nod) fefjr an Slberglauben unb 
§Jiagie anlehnt. 



294 



Sie ©efettigfett unb bie g-efte. 



s. mfcftnttt. griff met)r f)at. £ein $ofm ber Siebter 1 ), teilt 3om bcr $8ufc 
preMger, feine Sarnung bor frühem 23erberben ber $aut, fonntc 
bie Söeiber bon bem ©ebraud) abwenbig machen, tfjrem Sintis 
eine anbere $arbe unb fogor eine ttjeilweiS anbere ©eftalt 311 
geben. (§§ ift möglid), ba£ bie häufigen unb pradjtbollen S(uf= 
füfjrungen bon ÜJtyfterien, wobei t)unberte bon 9ftenfd)en bemalt 
unb gepult würben 2 ), ben äWtpraudfj im täglichen Seben förbern 
Ralfen; jebenfalls war er ein allgemeiner unb bie Sanbmäbdjen 
hielten babei nad) Gräften mit 3 ). ättan formte fange prebigen, 
bat} bergfetdjen ein Speichen bon Sudlerinnen fei; gerabe bie 
etjrbarften Hausfrauen, bie fonft bas ganje 3at)r feine @d)tninfe 
anrührten, fdjminften fid) bod) an ftefttagen, wo fie fid) öffentlich 
geigten 4 ). - 2^öge man nun biefe gan3e Unfitte betrauten att 
einen 3ug bon Barbarei, wofür fid) baö 3d)minfen ber Silben 
als parallele anführen laft, ober : als eine (Sonfequenj beö 25er* 
fangeng nad) normaler jugenblidjer ©df)önr)eit in iügen unb 
ftarbe, wofür bie große «Sorgfalt unb 23ief|eitigfeit biefer £oilette 
fprädje — {ebenfalls haben e§ bie Sttämter an Abmahnungen 
nid)t fehlen faffen. 

9Bo^t 3 eii.d)c. £a3 sßarfttmiren ging ebenfalls über alles Wlaa§ t)inauS 
unb erftreefte fid) auf bie ganje Umgebung beS 9ttenfd)en. Sei 
geftlidjfeiten würben fogar 9Jhultr)iere mit (Salben unb 2Boh> 
gerttd&en befjanbelt 5 ), unb «ßietro Slretino banft bem ßofimo L 
für eine parfumirte ©elbfenbung 6 ). 



!) aOSelc^e fic| boef) alte 3Rü§e gaben, ba§ (^el&afte, @efär)rlid)e unb 
£äd)ertid)e biefer ©d)miererei Ijeroorguljeben. »gl. Ariosto, Satira III, 
vs. 202, s. — Aretino, il marescalco, Atto II, scena 5 unb mehrere 
©teilen in ben «ftagionetmenti. Sonn ©iambuüari a. a. D. — Phil. 
Beroald. sen. Carmina. 

2 ) Cennino Cennini, Trattato della pittura giebt cap. 161 ein 9iecept 
be§ »etnalenä non ©efidjtern, offenbar für 2Jh>fterien ober äßaSleraben, 
benn cap. 162 warnt er ernftlid) uor ©d)minfen unb ©d&dn^eitSroaffem 
im 2lllgemetnen. 

3 ) »gl. La Nencia di Barberino, Str. 20 unb 40. Ser ©eliebte »er» 
fpridjt iE)r ©djmtnfe unb »leiroeifj aus ber ©tabt in einer SDüte mit* 
gubringen. »g[. oben ©. 280. 

4 ) Agn. Pandolfini, Trattato del governo della famiglia, p. 118. 

5 ) Tristan. Caracciolo, bei Mural XXII, Col. 87. — Bandello, 
Parte 11, Nov. 47. 

6 ) ßapitolo I. an (Sofimo: Quei cento seudi nuovi e profumati che 



Sie ©efcttiglcit unb bie gefte. 



295 



(Sobann waren bie Italiener bamals überzeugt, baß fic rein* 5. mmmtu 
lidjcr feien als bie ^orbtdnber. StuS allgemeinen cutturgefd)id)t* steinalt, 
liehen ®rünben fann man biefen Stnfpruch eher billigen als Oer* 
werfen, inbem bie föeinlichfeit mit jur Vollenbung ber mobemen 
^erfönlichfeit gehört, biefe aber bei ben 3talienern am frütjeften 
burd)gebilbet tft ; auef» baß fie eine ber reichten Nationen ber 
bamaltgen Sßelt waren, jpräetje efjer bafür als bagegen. (Sin 
beweis wirb fief) iebod) natürlich niemals leiften taffen, unb wenn 
e$ fid) um bie «Priorität oon ^einüdjfeitgoorfdjriften hanbelt, fo 
mödjte bie «Jfitterpoefte beS ÜKtttetatter« beren ältere aufweifen 
tonnen. immerhin tft fooiet gewiß, baß bei einigen auSgejeid)* 
neten Vertretern ber «Jknaiffance bie ausgezeichnete ©auberfeit 
ihres ganzen SBefenS, jumat bei Stifct)e, mit 9?ad)brwf fyeröor* 
gehoben wirb ') unb baß als Inbegriff alles @d)mufceS in Italien 
ber £)eutfd)e gilt 2 ). 2öaS 2ttaffimiliano ©foqa bon fetner beut* 
fdjen (Sqiehung für unreinliche ®ewobnheiten mitbrachte unb wie 
fef)r biefelben auffielen, erfahren wir aus ©iooio 3 ). @S ift babei 
auffaltenb, baß man wenigftenS im XV. 3at)rf)unbert bie ®ap 
Wirtschaft wefentlid) in ben Rauben ber £>eutfchen ließ 4 )/ 
fid) wof)t haupW^ um ber töompttger willen biefem ©efd)äfte 
raibmeten. £)od) fönnte in ber betreff ettbett SluSfage toorjug«* 
weife nur baS offene $anb gemeint fein, ba in ben größern ©täbten 
notortfd) italiemfd)e 2öirthfd)aften ben erften ffiang behaupteten 5 ). 
©er fanget an leiblichen Verbergen auf bem Sanbe würbe (ich 
aud) burch bie große Unficherheit erflären. 

l'altro di mi mandaste a donare. ©egenftänbe au§ jener Seit ried)en 
nod) je^t bi3rceilen. 

1) Vespasiano Fiorent. p. 458 im Seben be§ Sonato 2lcctajuoIi, unb 
p. 625 im Seben be3 9ttccoli. 

2) Giraldi, Hecatommithi, Introduz., Nov. 6. 

3) Paul. Jov. Elogia. 

4) Aeneas Sylvius (Vitae Paparum, ap. Murat. III, II, Col. 880) 
jagt bei 2lnla{$ non SBaccano: pauca sunt mapalia, eaque hospitia faciunt 
Theutonici; hoc hominum genus totam fere Italiara hospitalem facit; 
ubi non repereris hos, neque diversorium quaeras. 

5) Franco Sacchetti, Nov. 21. — $abua rühmte fid) um 1450 eine§ 
fet)r großen r-alaftäljnlidjen ©aft^ofeä jum Dd)fen, roeld)er ©täße für 200 
«ßferbe hatte- Michele Savonar. ap. Murat. XXIV, Col. 1175. — glorenj 
hatte cor ^ßorta 6. ©allo eine uon ben größten unb f fünften Dfterten, 
bie man rannte, bod) nne e§ fdjeint, nur al§ @r$oIung§ort für bie Seute 
au§ beä ©tabt. Varchi, Stor. fiorent. III, p. 86. 



296 



Sie ©efelligfeit unb bie gefte. 



5. srnmitt. 2luö ber erften Raffte be§ XVI. Saljrfjunbert« Ijaben wir 
bann jene @djufe ber £)öflid)feit, welche ©tobattnt bella Giafa, 
ein geborner Florentiner, unter bem STttet : II Galateo herausgab, 
gner wirb nicht nur bie $Reitttid)feit im engern @inne, fonbern 
and) bie (Sntwöhnung bon allen (Gewohnheiten, bie mir „unfchicf* 
tief)" $u nennen pflegen, mit berfetben untrüglichen <Sict)erf)ett 
Vorgetrieben , mit welcher ber üftorafift für bie r)öct)ften (Sitten* 
geje^e rebet. 3n anbern Literaturen roirb bergleidjen weniger 
bon ber fbftematifchen Seite, als bietmehr mittelbar gelehrt, burdj 
bie abfdjrecfenbe Säuberung beö "Unflätigen *). 

nttt tu gute Stußerbem aber ift ber ®atateo eine fdjön unb geiftbott 
sebensart. g e fdj r i c j, ene Unterweifung in ber guten Lebensart, in ©elicateffe 
unb £act überhaupt. Sftodj tjeute tonnen iljn Leute jebes ©tanbeS 
mit großem 9?ui?en lefen unb bie ^öfltdjfett beS alten ©uropa'S 
wirb wohl fdjroerlidj mehr über feine SBorfdjriften I)inau§fommen. 
Snfofern ber £act £)eraenSfad)e ift, roirb er bon Anfang alter 
(Suttur an bei allen SSötferrt geroiffen 3ftenfd)en angeboren geroefen 
fein unb Einige werben it)n aud) burdj SBillenSfraft erroorben 
habe», allein als allgemeine gefelltge *ßflidjt unb als ®ennjeid)en 
bon ^öilbung unb Srjieljung haben tt)n erft bie Italiener erfannt. 
Unb Italien felbft hatte feit jroei 3ahrhunberten ftd) fetjr ber* 
änbert. 3Jcan empfinbet beutlich, baß bie geit ber böfen @päße 
Swifc^en Mannten unb £)atb bekannten, ber burle unb beffe 
(@. 122, f.) in ber guten ©efellfdjaft borüber ift 2 ), baß bie 9?a* 
tton aus ben dauern itjrer @täbte heraustritt unb eine cosmo* 
polittfdje, neutrale §öflid)feit unb 9^ü(ifidt)t entwickelt. SSon ber 
eigentlichen, pofitiben ©efelligfeit wirb weiterhin bie Sfabe fein. 

£)aS ganje äußere ©afein war überhaupt im XV. unb be* 
ginnenben XVI. Sarjrrmnbert Verfeinert unb berfd)önert wie fonft 
bei feinem 33otfe ber Seit. Schon eine äftenge jener flehten unb 
großen £)inge, welche jufammen bie moberne ©equemttdjfeit, ben 

sdcv Komfort. ßomfort ausmachen, waren in Italien jum ST^etl erweislich juerft 



1) man »gl. j. 33. bie betreffenben Partien in ©ebaftian 33rant'§ 
9tarrenf<$tff, in ©raSmuä ©oHoquten, in bem roteinifd^en ©ebtd&t ©ro= 
bianuS 2C. 

2) Sie 2ftä£igung ber SBurla gef)t u. a. au§ ben Seifpielen im Cor- 
tigiano, L. II, fol. 96, s. J»er»or. %n $lorenj I)telt ftdt> bie bösartige 
Surlo bod£) fo lange fie fonnte. Sie 5Ko»eIlen beä Sasca finb ein geugnifj 
f)ie»on. 



Sie öefeUtgfeit wtb bie $efte. 



297 



porfjanben. Stuf ben wofylgepflafterten ©trafen ttaliemfdjerStabte 1 ) s. <mmnitt. 
würbe ba§ $afyren allgemeiner, wäljrenb man fonft überall ging 
ober ritt ober bod) itidjt jum Vergnügen fufyr. SBeidje etafttfdje 
Letten, föftticEje 23obenteppid)e, £oilettengercitI)e, öon toetd^ert fonft 
nod) nirgenbs bie 9?ebe ift , lernt man befonbers bei ben ^ooet* 
tiftert fennen 2 ). £>ie Menge unb JJierlidjfeit be« Seifoeugö wirb 
öfter ganj befonbers f)eröorgel)oben. MandjeS gehört fdjon yiu 
gleidj in ba§ (bebtet ber Äimft; man wirb mit SBewunberung 
inne, wie fie üon allen «Seiten t)er ben SuruS abelt, wie fie tttdjt 
bloß ba§ mächtige Muffet unb bie leiste (Stagere mit fyerrlidjen 
©efäßen, bie Mauern mit ber bewegüdjen ^ßraajt ber STeppidje, 
ben Üftadjttfdj mit enblofem plaftifdjem Sonfect fdjmücft, fonbern 
öorjügtid) bie ©djreinerarbeit auf wunberbare Seife Pöllig in 
il)ren 33eretd) ^ie^t. £)a§ ganje Slbenblanb Derfud)t fia) in ben 
fpätern gtitm be§ Mittelalters, fobatb bie bittet reichen, auf 
ärmticljen Segen, allein eö ift babet tljeilS in finbltd^er, bunter 
«Spielerei, tfyetls in ben Ueffeln be§ einfeitigen gotl)ifd)en £)ecora* 
tion8ftt)le§ befangen, wäbrenb bie Sftenaiffance fid) frei bewegt, 
fict) nadj bem Sinn jeber Aufgabe richtet unb für einen üiet 
großem ®rei§ üon £l)eilnef)mem unb ©efteflem arbeitet. Somit 
bann aud) ber leid)te Sieg biefcr ttaltenifdjen Urformen j e t>err 
5lrt über bie norbijrfjen int Vauf be§ XVI. 3al)ri)unbert3 ju* 
fammenijängt, obwohl berfelbe nod) feine größern unb allgemeinem 
Urfadjcn t)at. 



£>ie fjöljere ©efelligleit, bie l)ier als Äunftwerf, als eine ©te ®»ro«e 
l)öd)fte unb bewußte Sdjöpfung beS MfSlebenS auftritt, fjat ifjre ta ' ® cfdlfd ' aft 
widjtigfte 23orbcbingung unb ©runblage in ber Spradje. 

3n ber ^ölütljejeit beS Mittelalters t)atte ber Slbet ber abenb* 
länbifcfyen Nationen eine „Ijöfifcfje" Spradje für ben Umgang wie 
für bie ^oefie ju behaupten gefuctyt. So gab e$ aud) in Italien, 
beffen ©ialecte fd)on frülje fo weit auSeinanber gingen, im XIII. 
3a^unbert ein fogenanntcS „Curiale", weites bcn §öfen unb 

t) %üx Tlaüanb eine §auptfielle : Bandello, Parte I, Nov. 9. @3 
gab über 60 Dierfpämtige unb jo^Uofe jToeifpännioie Sßagen, jum %fyeil 
reicf) üergolbet unb gefcfjni^t, mit feibenen SDecfen, vqL ebenba Nov. 4. — 
Ariosto, sat. III, vs. 127. 

2 ) Bandello, Parte I, Nov. 3. III, 42. IV, 25. 



298 



Sie ©efeEigfeit unb bie gefte. 



s. g»>fd)nitt. ihren ©id)tern ' gemeinfam mar. ©ie entfcfjeibenbe £l)atfad)e ift • 
nun, baf? man baffelbe mit bemühter Slnftrengung ^ur @pradie 
aller ©ebtlbeten unb jur <Sd^riftfpract)e ju madjen fudjte. ©ie 
drinteitung ber nod) üor 1300 rebtgirten „fyunbert alten üftoüellen" 
geftefyt biefen ftxoed offen ju. Unb ^mar mirb tjier bie @prad)e 
auSbrücfttd) atö üon ber ^ßoefte emancipirt bef)anbett; baö §>öc£)fte 
ift ber einfad) flare, geiftig fdjöne 2lu8brucf in furjen SKeben, 
©prüfen unb Slntmorten. ©iefer genie&t eine $eref)rung mie 
nur je bei ©rieben unb Arabern: „SBie oiele fyaben in einem 
langen Seöen bod) faum ein einziges bei parlare ju £age 
gebracht!" 

Allein bie Angelegenheit, um meldte e$ fid) fjanbettc, mar 
um fo fdjtuteriger, je eifriger man fie Oon fefyr oerfd)iebenen (Seiten 
aus betrieb. 3n biefen $ampf fütjrt uns ©ante mitten hinein; 
feine @djrift „üon ber itatienifdjen ©pradje" *) ift nid)t nur für 
bie Srage fetbft mistig, fonbern aud) ba£ erfte raifonnirenbe 
2Berf über eine mobcrne @prad)e überhaupt, ©ein ©ebanfengang 
unb feine föefultate gehören in bie ©efdjidjte ber ©pradjtötffen* 
3i)" fcfjaft, rao fie auf immer einen l)od)bebeutenben *ßlafc einnehmen, 
entfeicteiuna. ^ mx im cott f tatirett/ ba g ^ on tange £ cit öor gi&faffunß 

Öer ©cfjrtft bie @prad)e eine tägüdje mid)tige Lebensfrage gemefen 
fein mu§, ba§ alle ©iatecte mit parteitfdjer Vorliebe unb Slbnet* 
gung ftubirt raorben maren unb baß bie (Geburt ber allgemeinen 
■Sbealfpradje oon ben ftärfften 2Bel)en begleitet mar. 

©a§ 33efte tf)at freilid) ©ante felber burd) fein großes ©e* 
bid)t. ©er to§canif<f)e ©iafect mürbe wefentlid) bie iöafis ber 
neuen öbealfpradje 2 ). Sßenn bamit %u öiet gefagt fein feilte, fo 
barf ber SluSldnber um 9?ad)ficf)t bitten, inbem er fdjledjtroeg 



!) De vulgari eloquio ed. Corbinelli, Parisiis 1577. Saut Boccaccio , 
vita di Dante, p. 77, furj vor feinem %obe nerfafjt. — Heber bie rafdje 
unb merflidje SSeränberung ber ©prad)e bei feinen Sebjeiten äußert er fid) 
im 2lnfcmg beä ©onoito. 

2 ) 2)a3 attmälige Vorbringen berfelben in Literatur unb Seben lönnte 
ein ein^eimifd)er Kenner leidjt tabettarifd) barfteKen. @3 mufjte conftatirt 
roerben, raie lange fid) mäljrenb beS XIV. unb XV. Satyrl). bie einzelnen 
Sialecte in ber täglid)en ßorrefponbenj , in ben 3iegierung3fd)riften unb 
©eridjtSprotocotten, enblid) in ben ß^ronifen unb in ber freien Siteratur 
ganj ober gemifdjt behauptet Jjaben. 2tud) baS fortleben ber ital. Stalecte 
neben einem reinern ober geringem Satein, n>eld)e£> bann aU officiette 
©pradje biente, !äme babei in Setradjt. 



Sie ©efeUigfeit unb bie fyefte. 



299 



in* einer ^ocf»ft beftrittenen groge ber üorherrfchenben Meinung 5. aibyantitt. 
fotgt. 

3n Siteratur unb "ißoefie mag nun ber £>aber über biefe 
<Sprad)e, ber "»Purismus eben fo tuet gefd)abet al$ genügt, er wag 
manchem fonft fehr begabten Slutor bie S^aiuetät beö 2lu§brucfe8 
geraubt haben. Unb Slnbere, bie ber @prad)e im I)öct)ftcn Sinne 
mädjtig waren/ oertiefsen fid) fjintnieberum auf ben pradjttioll 
wogcnben ©ang unb Sobtlaut berfetben als auf einen Dom 3n* 
halt unabhängigen 23or^ug. 2ludj eine geringe SOMobie fann 
nämlich, Pon fotd) einem Snftrument getragen, ^errüd) ftingen. 
Mein wie bem auch fei, in gcfellfdjaftlidjer 33e$iehung \)üüz biefe 
(Sprache einen h°^ n Söerti). (Sie war bie (Srgänsung $u bem 
ebetn, fttilgemäfsen Stuftreten überhaupt, fie nötigte ben gebildeten 
äftenfdjen, auch im 2tlltägtid)en Spaltung unb in ungewöhntidjern 
Momenten dunere SBürbe ju behaupten. <Sd)mu£ unb 33o§l)eit 
genug hüllten ^ allerbingg auch in biejs claffifdje ©ewanb rate 
einft in ben reinften 2ltticiSmu3, allein aud) ba§ geinfte unb 
(Sbetfte fanb in ihr einen gültigen SluSbrud. 5$or§ügItcf> bebeu* mit weife 9Jcv» 
tenb aber ift fie in nationaler -öejiehung, atö ibeate £>eimatt) ber bl ' eitUH 8- 
©ebitbeten alter (Staaten be§ früh jerrtffenen £anbes ] )- Bubem 
gehört fie nicht nur ben Slbligen ober fonft irgenb einem Stanb*e, 
fonbern ber 2lermfte unb ©eringfte l)at $eit Wo bittet übrig 
fid) tfjrer ju bemächtigen, fobatb er nur will, ^od) heutzutage 
(unb utelleicht mehr als je) wirb ber grembe in foldjen ©egenben 
Otaliena, wo fonft ber unüerftänbtid)fte ©iatect Jjerrfdjt, bei 
geringen beuten unb dauern oft bureb ein fef)r reines unb rein 
gefprod)ene§ Stalienifd) überrafdjt unb befinnt fid) öergeben§ auf 
2let)nlict)eä bei benfetben SQZenfcrjendaffen in granfreid) ober gar 
in £)eutfcf)lanb, wo auch bie ©ebilbeten an ber" prooincialen 2lu«* 
fprache fefthalten. greilid) ift baS Sefenfonnen in Italien Diel 
Verbreiteter at$ man nach ben fonftigen ,3 u f tanoen > h bz% 
®ird)enftaates, benfen foüte, allein wie weit mürbe biefc fjetf ert 
ohne ben allgemeinen, unbeftrittenen <Kefpect t>or ber reinen 
(Sprache unb Slu^fpradjc als einem hohen unb roerthen 33efi£thum? 
(Sine £anbfd)aft nad) ber anbern hat fid) berfetben officiell anbe* 
quemt, aud) Sßenebtg, 3ttaitanb unb Neapel noch ^ur $ett ber 
Slüthe ber Literatur unb gum STfjeit wegen berfetben. ^ßiemont 



!) ©0 empfinbet eS fdEjon Sanie: De vulgari eloquio I, c. 17. 18. 



300 



Sie ©efeltigfett unb bie ftefte. 



5. mmmtt. ift erft in uttferm 3af)rljimbert burdj freien SiüenSact ein rec^t 
ttattemfdje« Sanb geworben, inbem e§ pdj biefem wtdjttgften 
Kapital ber Lotion, ber reinen (Sprache, anfdjtojj l ). 3>r ©iatect* 
Itteratur mürben fdjon feit Anfang be§ XVI. Saljrtymtbert« gemtffe 
©egenftaube freiwillig unb mit 2lbfid)r übertaffen, unb jtoar ntdjt 
etraa lauter fomifdje, fonbern aud) ernfte 2 ). ©er Sttit, roetdjer 
fid) barin entwidette, mar allen Aufgaben gewadjfen. ©et anbern 
SSötfern finbet eine bewußte Trennung biefer 2lrt erft fefjr t>tet 
fpäter «Statt. 

Die Triften. ® ie ®cnfioctfc ber ©ebÜbeten über beu SBertl) ber ©pradje 
" als äftebium ber fjöfjern ©efeffigfeit ftettt ber ßortigiano 3 ) fetjr 
toollftanbig bar. @« gab fa>n bamal«, au Anfang beö XVI. 
3af)rt)unbert§, Seute, meiere gefltffentlid) bie beratteten 2lu«brfi<fe 
aus ©ante unb ben übrigen £o§canern feiner ^eit feftfyietten, 
Mo§ weit fie att waren, pr ba§ ©predjen tierbittet fid) ber 
5tutor biefetben unbebingt unb miß fie aud) für bag ©abreiben 
nidjt gelten (äffen, inbem baffetbe bod) nur eine ftorm beS Spre* 
d)en3 fei. hierauf folgt bann confequent baS ^ugeftänbni^ : 
baSjenige 9?eben fei baö ©djönfte, tDetctjeö fid) am meiften ben 
fd)ön tierfaßten ©Triften nähere. @el)r ftar tritt ber ©ebanfe 
Ijertior, baß £eute, bie etwas ©ebeutenbeS §u fagen Gaben, ifjre 
Sprache felber bitben unb baß bie ©pradjc bemeglid) unb wanbetbar, 
Weit fie etwas Sebenbige« ift. Wlan möge bie fd)önften beliebigen 
Slusbrüd'e braudjen, wenn nur baS SBolf fie nod) braudje, aud) 
fötale aus nid)ttoScanifd)en ©egenben, ja t)ie unb ba franjöftfd)e 
unb fpanifdj'e, wenn fie ber ©ebraud) fdjon für befttmmte £)inge 
angenommen tjabe 4 ). <3o entftelje, mit ©eift unb ©orgfatt, eine 



0 Man fd^rieE» unb lag in ^ßtemont fdjon lange voxfyv toäcanifa), 
aber man fcfjrieb unb Ia§ eben roenig. 

2 ) Wan raupte audj redjt rooljl, roo^in im tägttcfjen Seben ber Siatect 
gehörte unb mof)in nidjt. ©iooiano 5ßontano barf ben Kronprinzen von 
Neapel auäbrücfltcf} t>or beffen ©ebraud) raarnen (Jov. Pontan. de prin- 
cipe). Sefanntlid) maren bie legten SourbonS barin weniger bebenftiop. — 
Sen §o*)n über einen mailäub. ©arbmal, ber in 3tom feinen SDialect be= 
Raupten rooltte, f. bei Bändelte-, Parte II, Nov. 31. 

3 ) Bald. Castiglione, il cortigiano, L. I, fol. 27, s. 2lu3 ber bia= 
logifdjen $orm leudjtet bod) überalt bie eigene Meinung b>rt)or. 

4 ) Wux burfte man barin ttict)t raeit geb>n. Sie ©atirifer mifdjen 
fpanifcf)e unb $olengo (unter beut ^feubonnm Simerno ptoeco, in feinem 
Drlanbtno) franjofifö^e Srocfen immer nur §ofjne§ megen ein. ©3 ift 



©ie ©efeltigleit unb bie fyefte. 



301 



(Spraye, welche jwar nicht eine rein antif togcanifche, wo£)l aber r>. gibf^nitt, 

eine italtenifdfje wäre, reich an gütte wie ein föftlidjer ©arten 

Poller Blumen unb grüßte. @« gehört fefjr wefentlid) mit ju 

ber allgemeinen 23irtuofitat beg (Sortigiano, baß nur in biefem 

ganj uoüfommenen ©ewanbe [eine feine Sitte, fein ©eift unb 

feine ^oefie $u £age treten. 

£)a nun bie Sprache eine Angelegenheit ber lebenbtgen ®e* 
feflfdfjaft geworben war, fo festen bie 2lrd)aiften unb fünften 
rro| alter Anfirengung ihre Sad)e im 2öefentlid)en tridjt burd). sut e erin 9 cr 
@« gab 3U biete unb treffliche Autoren unb @onberfatton3menfd)en erfoIs) - 
in £o8cana felbft, welche fid) über ba£ «Streben 3ener hinweg* 
festen ober luftig machten; lefctereS borjüglicf), wenn ein Seifer 
bon brausen fam unb ihnen, ben £ogcancrn, barttjun wollte, fie 
berftänben U)re eigene Sprache nidjt Sdjon baö ©afein unb 
bie SSirfung eine« Sd)riftftellerS töte 3ftacd)iabelli riß alle jene 
Spinnweben burd), infofern feine mächtigen ©ebanfen, fein flarer, 
etnfad)er Auöbrucf in einer Sprache auftraten, welche etjer alle 
anbern SSorjüge hatte als ben eines reinen Strecentiömo. Unterer* 
fett« gab e§ ju biete Oberitaliener, Börner, Neapolitaner :c., 
inel^en t& lieb fein mußte, wenn man in Schrift unb kontier* 
fation bie Anfprüdje auf Feinheit be§ AuSbrucfeS nicht 311 hoch 
fpannte. Sie berlctugnen jwar Spratfjformen unb AuSbrücfe ü)re£ 
£)ialecte§ üöllig, unb ein AuSlänber wirb e8 leicht für falfdje 
^öefd)eibenl)eit halten, wenn 5. 23. ©onbetto öfter bod) unb theuer 
proteftirt: „ich fabe feinen Strjl; ich fdjreibe nicht florentinifd) 
fonbern oft barbarifdj; ich begehre ber Sprache feine neuen gierben 
311 beriefen; ich bin nur ein Sombarbe unb nod) baju bon ber 
ligurifdjen ©ren^e her" 2 ). Allein gegenüber ber ftrengen gartet 

fcfjon fetyr aufjergeraöIjnttdE), bafj eine ©trafje in Sßailonb, rcelcfje jur 
gronjofenaeit, 1500 bis 1512, 1515 big 1522, 9tue belle b>i nod) b>ute 
SJtugabetta §eifjt. SSort ber langen fpan. £>errfd)aft ifi an ber ©pracfje faft 
feine ©pur, an ©ebäuben unb ©trafjen J)öd)ftenS E)ie unb ba ber 9?ame 
eine§ SBtceromgS haften geblieben, ©rft im XVIII. $af)rf). brangen mit 
ben ©ebanfen ber frangöfi|ct)en Literatur aud) r»iele franaöfifdje SBenbungen 
unb ©inaelauSbrüde in'3 StaUenifcfje ein; ber $uriSmu§ unfereS 3a^r= 
fjunbertS mar unb ifi nod) bemüht, fie mieber raegaufdjaffen. 

!) Firenzuola, opere I, in ber SSorrebe aur ^rauenfdjönfieit, unb II. 
in ben Stagtonamenit »or ben ^rweHen. 

2 ) Bandello, Parte I, Proemio unb Nov. 1 unb 2. — ©in anberer 
Sombarbe, ber eben genannte SCeofilo $olengo in feinem Drlanbino, er= 
lebigt bie ©ad)e mit b>tterm ©pott. 



302 



Sie ©efelttgteit unb bie %e\U. 



5. mfdt nitt. behauptete man ficf) in ber SSTfiat am elften, tnbem man auf höhere 
Slnfprüdje ausbrücftidj öerjtcfjtete unb fid) bafür ber großen allge* 
meinen @prad)e nach Gräften bemächtigte. 9^icr)t 3eber fonnte 
es ^ietro 33embo gleichtun, tuetcf)er als geborener SSenejianer 
Zeitlebens baS reinfte SToöcanifrf), aber faft als eine frembe (Sprache 
fdjrieb, ober einem ©amtajaro, ber es als Neapolitaner ebcnfo 
machte. £)aS Söefentlidje mar, baß 3eber bie (Sprache in 2Bort 
unb (Schrift mit Sichtung behanbeln mußte, daneben mod)te man 
ben fünften ihren Fanatismus, t^re ©pradjcongreffe *) u. bgl. 
laffen; fdjäblidj im Großen mürben fie erft fpäter, als ber originale 
§aud) in ber Literatur ohnehin fdjroädjer mar unb nod) ganj 
anbern, triet fdjlimment (Sinflüffen unterlag. (SnMidj [taub es 
ber leabemta beüa (SruSca frei, baS Otatientfctje mie eine tobte 
@prad)e ju behanbeln. @ie mar aber fo madjtloS, baß fie nidjt 
einmal bie geiftige granjofirung beffelben im üorigcn Saijrhunbert 
öerf)inbern fonnte. (23gt. @. 300, 2Inm.). 
Die ©iefe geliebte, gepflegte, auf alle SSeife gefdjmeibig gemachte 

ffionoerfaticn. <gp ra( fj C roar eg nun f m ty e Q (g @ 0 nPerfation bie S3afiS ber 

ganzen ©efetttafett ausmachte. SBäljrenb im Horben ber Slbel 
unb bie dürften tf)re 9#uße entmcber cinfam ober mit $ampf, 3agb, 
(Belagen unb Zeremonien, bie Bürger bie irrige mit «Spielen unb 
Seibesübungen, allenfalls aud) mit 23ersfünften unb geftüd)feiten 
l)inbrad)ten , gab eS in Statten ju all biefem nod) eine neutrale 
Sphäre, mo Seute jeber £>erhmft, fobalb fie baS latent unb bie 
•SBilbung baju Ratten, ber Unterrebung unb bem SluStaufd) Pon 
(grnft unb @ctjerg in Perebelter $orm oblagen. £)a bie 33e« 
mirtijung babei Siebenfache mar 2 ), fo fonnte man ftumpfe unb 
gefräßige 3nbit)ibuen ohne ©djraiertgfett fern Ratten. SÖenn mir 
bie 23erfaffer üon 'Dialogen beim Sort nehmen bürften, fo hätten 
aud) bie l)öd)ften Probleme beS £)afeinS baS ®efpräd) jmifd)en 
ausermählten ©etftern ausgefüllt; bie ^erüorbringung ber erhaben* 
ften ©ebanfen märe nidjt, mie bei ben Norblänbern in ber 9?egel, 

1) ©in foldjer fanb, mie e§ fä)emt, in Bologna ju @nbe 1531 unter 
Sembo'3 93orfi^ (Statt. <S. ben Brief be§ (Staub, Spornet, bei Firenzuola, 
opere, vol. II, Beilagen. 

2 ) Suigi (Sornaro Ilagt gegen 1550 (ju Anfang feinet Trattato della 
vita sobria): erft feit nid)t langer geit nehmen in Italien überfyanb: Sie 
(fpanifdjen) Zeremonien unb (Somplimente, ba§ äutljertljum unb bie ©cglems 
merei. (Sie 9Mfng!eit unb bie freie, leid)te ©efelligreit fcfjroanben ju 
gleicher 3eit.) »gl. 6. 283. 



Sie ©efeltigfett unb bie $efte. 



303 



eine einfame, fonbern eine 3ttef)rertt gemeinfame gemefen. £)od) ■■ wbfdmitt. 
mir befdjränfen uns f)ier gerne auf bie fpielenbe, um if>rcr felbft 
mitten öorijanbene ®efettigfeit. 

@ie toar menigftenS ju Anfang beö XVI. ^afyrfyunberts eine ©te wwwe 
gcfefeltdj frfjöne unb beruhte auf einem ftittfdnneigenben, oft aber ® effm fl feit - 
audj auf einem taut jugeftaubenen unb oorgefdjriebenen Uebereitt* 
fommen, meldjeg ftet) frei nacb ber 3 rae ^ m ä§tgfeit unb bem 2ln= 
ftanb ridjtet unb bas gcrabe ©egentbeil Pon aller bloßen (Sttfette 
ift. On berbern Sebettsfretfen, roo bergleidjen ben (Sbaracter einer 
bouernben Korporation annahm, gab e§ (Statuten unb förmlichen 
Eintritt, raie 33. bei jenen tollen Oefellfdjaftett florenttnifdtjer 
®ünftler, öon roeldjen Safari erjätjlt 1 ) / ein fotdjeS ^eifammen* 
bleiben madjte benn aud) bie Sluffütjrung ber roia)tigften bamaligen 
ßomöbien möglid). £>ie feistere ©efeüigfeit be£ SlugenblicfeS ba* 
gegen naf)tn gerne bie SBorfdjriftcn an, toeldje etroa bie nam= 
Ijaftefte £)ame ausfprad). Stile Söctt fennt ben (gingang öon 
SSoccaccio'S £)ecamerone unb l)ält ba$ ^önigtljium ber Ißampinea 
über bie ©efellfdjaft für eine angenehme f^tetiort; um eine foldje 
Ijanbelt e§ fid) aud) gemtß in oiefem ftaüt, allein biefelbe beruht 
auf einer i)äuftg oorfommenben mirflidjen liebung. girenjuola, 
ber faft jmei Safjrfjunberte fpäter feine ^ooellenfammlung auf 
äbnlidje 2öeife einleitet, fommt gemifj ber 2Birflicf)feit nodj oiel 
nafjer, inbem er feiner ®efettfd)aft§tonigin eine förmliche £\)xtm> 
rebe in ben üUtunb legt, über bie ©int^eilung ber 3eit roäljrenb 
beS beöorftefjenbcn gemeinfamen Sanbaufentt)alteS : juerft eine ptjtto- 
fopf)ifd)e 9J?orgenftunbe, mät)renbraan nad) einer Slnböfje [pariert ; 
bann bie Ütafet 2 ) mit Sautenfpiel unb ©efang; barauf, in einem 
füt)len JRaum, bie SKecitation einer frifcfyen Sanjone, bereu Stfyema 
jebeSmal am 33orabenb aufgegeben roirb ; ein abenbliajer ©pajter* 
gang ju einer Quelle, wo man ^la£ nimmt unb Oebermann eine 
9?ooette erjagt; enblid) ba§ Slbenbeffen unb fettere ®efprädje „Pon ©t« nownijtrt 
„foldier Slrt, baß fie für uns grauen nod) fdjüflid) tyeijjen fönnen"* 6 ^%f x "' 

!) Vasari XII, p. 9 unb 11, Vita di Eustici. — Saju bie mebifante 
(Slique oon »erlumptem Äünftlern, XI, 216, s. Vita d'Aristole. — Wlac= 
d)iooett'ä (Sapitoli für eine aSergnügett§gejeIXfc^aft (in ben opere minori 
p. 407) finb eine fornifdEje ©arteatur von ©efellfdjaftsftatuten, im ©tnl ber 
oerle^rten SBelt. — Unüergleic£)lid) ift unb bleibt bie befannte ©d^ilberung 
jeneä römtfdjen ÄünftlerabenbS bei 33ennenuto ©ellini, I, cap. 30. 

2 ) Sie man fidj roof)I Vormittags um 10—11 Uljr ju benfen f>at. 
93g(. Bandello, Parte II, Nov. 10. 



304 



Sie ©ejelligfeit unb bie %tfte. 



5, 9tbfd)nttt. „unb bei eud) üttännern nidjt Pom Sehte eingegeben fdjehten 
„müffen". Söanbello giebt in ben (ünnleitungen ober Sibmungen 
gu ben einzelnen ^oüeüen jraar nicf)t fotdje (Sinwetfjungßreben, 
tnbem bie berfdjiebenen (Sefellfdjaften, por tuetdEjen feine ®efdjid)ten 
erjagt werben, bereits als gegebene Greife erjftiren, aHein er läßt 
auf anbere Seife erratfoen, wie retct), Pietartig unb anmutfyig bie 
gefellfdjafiltdjen SSorausfetjungen waren. Oftandje Scfcr werben 
beuten, an einer ®efeltfd)aft, welche fo unmoratifcfye (Srjäfytungcn 
anjufjören im ©taube war, fei ttidjt« 311 berlieren nod) ju ge- 
winnen, föidfjttger mödjte ber @a£ fo lauten: auf wetzen fiebern 
®runblagen mußte eine ®efetügfeit rufyen, bie tro£ jener Jpiftorien 
nid)t aus ben äußern formen, nidjt au« 9fanb unb Söanb ging, 
bie jroifdjen hinein wieber ber ernften ©iScuffion unb SScratljung 
fällig war. £)aS 33ebürfniß nad) fyöfyern formen beö Umganges 
war eben ftärfer als 2lt(eS. äftan braucht babei ttidjt bie fefjr 
ibeatifirte (Sefettfdjaft als 2Jiaß[tab 31t nehmen, wetd)e Saftiglione 
am £)ofe ®uibobatbo'S bon .Urbino, Ißtetro 33embo auf beut @d)loß 
2tfoto felbft über bie pdjften ®efüf)te unb SebenS^wecfe reflectiren 
laffen. ©erabe bie (Sefellfdjaft eines Sanbello mit fammt ben 
gribotttäten, bie fie fid) bieten läßt, giebt ben beften Sttaßftab für 
ben bomefym leichten Slnftanb, für bas ®roßwettSwol)twotlen unb 
ben edjten greifinn, aud) für ben ©eift unb ben jierlidjen poe* 
tifdjen unb anbern ^Dilettantismus, ber biefe Greife belebte. (Sin 
bebeutenber Sinf für ben Serif) einer folgen ®efelligfett liegt 
befonberS barin, baß bie X)amen, welche bereu Sftittetpuncte bil= 
beten, bamit berühmt unb fwdjgeadjtet würben, ofyne baß es ttjrem 
SHuf im ©eringften fdjabete. 93on ben ©önnerinnen ^Sanbello'S 
du 3. 23. tft wofyl Sfabeüa ©ougaga, geborne (£fte (@. 35) burd) 

arcicn camen. ^ ren ^ won j 0( f ern gräulein l ), aber nid)t burdj iJjr eigene« 
33encfnnen in uugünftige ^adjrebe geraten; (finita ©onjaga 
ßotonna, Sppolita ©forja bermäfylte SSentiboglio, Bianca 9?an* 
gona, Secilia ©atlerana, Samilta ©carampa u. 21. waren ent* 
weber üöllig unbefdplten ober eS würbe auf ifyr fonftigeS ■öe* 
nehmen fein ®ewid)t gelegt neben ifyrem foctaten SRufmt. £)ie 
berüfjmtefte £)ame Pon Statten, Sßittoria (Solonna, war boüenbs 
eine fettige. SaS nun ©pecielles pon bem jwanglofen ,3eitoer* 
treib jener Greife in ber <Stabt, auf ber 3Siüa, in iöabeorteu ge* 
melbet wirb, läßt fid) nidjt fo wiebergeben, baß barauS bie 



1) Prato, Arch. stor. III, p. 309. 



Sie ©efeltigfeit unb bie $efte. 



305 



©uperiorität über bie ®efelltgfeit beS übrigen (Suropa'S budiftab* &,MM*mM*; 
lief) ttax mürbe. 2lber man I)öre 23anbet(o an ») unb frage ftdj 
bann nad) ber 9ttögttd)feit öon etroas 2let)nud)em 5. 23. in granf* 
reidt), betoor biefe 2trt öon ®efelligfeit eben burd) ßeute rote er au§ 
Statten bortfyin üerpftanjt roorben roar. — ©eroifj rourbe aud) 
bamal« baö ®röfjte im ®ebiet be§ ©etfteS f)ert>orgebrad)t oijne 
bic 53cit)ülfc fottfjer ©a(on§ unb of>nc SRüdfid^t auf fie; bod> t^ätc 
man Unrecht, ii)ren SBertl) für bie Bewegung Don Smtft unb 
^oefte gar ju gering ju fdjäfcen, mdre e« aud) nur, roett fie ba8 
fdjajfen fjatfen, mag bamatö in feinem £anbe ertfitrte: eine gtetdj* 
artige 23eurtt)eitung unb Stytlnaljme für bie ^robuetionen. 2tb* 
gefe^en baüon tft biefe 2lrt t>on ©ocietät fdjon at« foldje eine 
norfyroenbige Söltttfje jener beftimmten ßuttur unb Grjifteuj, meld)e 
bamalS eine itatientfetje mar unb feitbem eine europäifetje ge* 
morben tft 

On $Iorenj mirb baS ©efeüfdjaftsteben ftarf bebingt öon 8foren«ntf$e 
©eiten ber Literatur unb ber sßoltrif. i?orenjo magnifico ift Por ® c,eH<8fett ' 
Slüem eine *ßerfönlidjfett, roetdje uid)t, mie man glauben mödjte, 
burd) bie fürftengteicfye ©teüung, fonbern burd) ba§ außerorbent* 
tidie Naturell feine Umgebung bottftänbig bef)errfd)t, eben meit er 
biefe unter fitf) fo uerjdjiebenen Sttenfdjen in greifyeit ficf> ergeben 
läßt 2 ). SSftan fiet)t 5. 33. mie er feinen großen £)au§Ief)rer ^oiu 
jiano fcfjonte, mie bie fouüeränen Sanieren be§ (Meljrten unb 
£)id)ter8 eben nod) faum üerträgtid) roaren mit ben notfyroenbigen 
©djranfen, roeldje ber ftd) porberettenbe gürftenrang beS §aufe3 
nnb bie tötidjtdjt auf bie empfinbtidje ®emal)ttn üorfdjrieben j bafür 
ift aber ^ßolijiano ber £erolb unb baö roanbetnbe ©mnbol be§ 
mebiceifdjen 9fotl)me8. Sorengo freut fiel) bann aud) redjt in ber 
äöeife eines 2Jiebici, fein gefettigeä Vergnügen felber ju Perberr* so«n 4 o a» 
liefen, monumental barjufteüen. 3n ber l)errttd) impropifirten ® rt,iI6 Ä e l r J e f ieä 
„gatfenjagb" fc^ttbert er feine ®enoffen fdjer^aft, in bem „®e* 
läge" fogar Ijödjft burleSf, allein fo, baß man bie gäijigfeit be$ 
ernfttjafteften SSerfeljrö beutlid) burd)füi)it 3 ). 33on biefem SSerfefjr 

1) Sie mistigem ©teEen: Parte I, Nov. 1. 3. 21. 30. 44. II, 10. 
34. 55. III, 17. etc. 

2 ) SSgl. Lor. magnif. de' Medici, Poesie I, 204 (ba§ ©elage); 291 
(bie gollenjogb). — Koscoe, Vita di Lorenzo, III, p. 140 unb Beilagen 
17 6ig 19. 

3) Ser Xitel Simposio ift ungenau; e3 follte fjeifjen: bie öeitntefjr 
von ber Sßeinlefe. Sorenso fdjilbert in l)öä)\t oergnüglid)er Sßeife, nämttd) 

SBurcf tjaiDt, 6ultur ber Ötcuaiffance. 20 



306 



Sie ©efetttgfett unb bie gefte. 



s. 9tbf<»ttitt t geben bann feine (Sorrefponbenj unb bie üftadjridjten über [eine 
geteerte unb pt)itofop£)ifcE)e Sonocrfatton reid)Üd)e $unbe. Slnberc 
fpätere gefettige Greife in {Jlorenj finb jum Streit tfyeoretifirenbe 
potitifd^e @(ubb8, bie jugletd) eine poetifdje unb pl)i(ofopl)tfd)e (Seite 
fyaben wie 3. 25. bie fogenannte ptatonifdje 2Icabemie, afä fie fict) 
narf) Soren^o'« £obe in ben ©arten ber SRuccettai Perfammette 1 ). 

2ln ben $ürftenf)öfen fying natürltd) bie ©efeüigfeit Pon ber 
^erfon be§ £)errfdjerö ab. (£s gab ifyrer alterbing§ feit Anfang 
beö XVI. SafyrfyunbertS nur nod) wenige unb biefe tonnten nur 
geringemtfyeifä in biefer 23ejiel)uug etwas bebeuten. SKom ijatte 
feinen wafyrfyaft einzigen £)of Seo'S X., eine ©efellfdjaft Pon fo 
befonberer Slrt, wie fie fonft in ber 2Bettgefd)id)te ntdjt wieber 
üorfommt. 

siuaMicatifl De« $ür bie §öfe, im ®runbe aber nodj öiet merjr um feiner 
eorttatano. tt) jjj cn ^itbet fid) nun ber Sortigiano aus, wetzen (Saftigüone 

fdjtlbert. (§8 ift eigentfid) ber gefetlfdjaftttdje 3bealmenfcf) , wie 
iljn bie £>ilbung jener ^eit aU notfywenbige, (jöcfrfte ötüttje poftu* 
tirt, unb ber $of ift mefyr für iljn als er für ben £of beftimmt. 
2(üeö tnor>C erwogen, tonnte man einen folgen 3J?enfd)en an feinem 
£wfe brauchen, weit er fetber latent unb Auftreten eines Pott* 
fommenen dürften tjat unb weit feine ruhige, unaffectirte SSirtuo* 
fität in atten äußern unb geiftigen Dingen ein $u fetbftänbigeö 
SBefen PorauSfe^t. Die innere £riebfraft, bie ifyn bewegt, bejiefyt 
fid), obwotjl e$ ber Slutor bereit, nidjt auf ben gürftenbienft, 
fonbern auf bie eigene SSoüenbung. (Sin 33eifpiet wirb biejj flar 
madjen: im Kriege nämtid) üerbittet fid) 2 ) ber ßortigiano fetbft 
nüfcüdje unb mit ®efaf)r unb Aufopferung Perbunbene Aufgaben, 
wenn biefeiben ftPtfoS unb unfd)ön finb, wie etwa ba$ Söegfangen 
einer beerbe; was U)n jur £f)eilnat)me am Kriege bewegt, ift ja 
ntd)t bie ^ßfltdjt an fid), fonbern „l'honore". Die fittüdje @te(* 



in einer ^arobie nad) Sante'3 §ölle, nrie er, gumeift in 3Sia gaenja, atte 
feine guten greunbe nadjeinanber mefjr ober weniger benebelt 00m £anbe 
b>r tommenb antrifft. 33on ber fdjönften ®omif ift im 8. ©apitolo ba3 
33ilb be§ pooano 2Wotto, melier au3gief)t feinen cerlorenen Surft gu 
fud^en unb ju biefem ©nbgroed an fid) pngen fjat: bürreS ^ieifdE), einen 
Daring, einen 3teif Ääfe, ein äßürftdjen unb trier ©arbeiten, e tutte si 
cocevan nel sudore. 

!) lieber ©oftmo 3tuccetlai al§ 3ftittetpunft biefeS $retfe§ ju 2tnfang 
beä XVI. "gl. Macchiavelli, Arte della guerra. L. I. 

2 ) II cortigiano, L. II, fol. 53. — ÜBgl. oben <3. 290, 300. 



Sie ©efe Iltgfett unb bie fyefte. 307 

ümg gum dürften , rate fie im öterten 33ud) berlangt roirb, ift 5. ^bfchnitt. 
eine fefjr freie unb felbftdnbtge. 3jie beerte ber öonteljmen 8ieb* seine 
fdjaft (im britten £}ud)e) enthält fefjr biete feine pfüdjologifdje 33e= «*w«ft. 
obadjtungen, bie ober beffemtfjeitg bem allgemein menfdfjlidjen 
©ebiet angehören, unb bie große, faft tt)rtfcf»e 2krf)errtid)ung ber 
tbealen Siebe (am @nbe beg bierten ©udjes) f)at boftenbg nidjtg 
nte|r gu tfyun mit ber f^ecietten Stufgabe beg Sßerfeg. £)od) geigt 
fid) aud) fyier rote in ben Stfotani beg 23embo bie ungemeine £)öb,e 
ber 33ilbung in ber 2lrt, roie bie ©efüfyte Verfeinert unb anatbftrt 
auftreten. Ütogmatifdj beim SBorte nehmen barf man biefe Tutoren 
aüerbingg nid)t. ©afc aber SKeben biefer 9Crt in ber bornefymem 
©efeßfdjaft borfamen, ift tttdjt gu begroeifetn, unb baß ntdjt bto^eö 
©apntljun fonbern aud) roafyre Cetbenfct)aft in biefem ©eroanbe 
erfdjien, roerben mir unten fefyen. 

23on ben äußcrlidjen gerttgfeiten roerben beim (Sortigiano @ cine 
gunädjft bie fogenannten rittertiajen Hebungen in SMfommettljett 
bertangt, außerbem aber aud) nod) manche« 2lnbere, bag nur an 
einem gefaxten, gleichmäßig fortbeftefjenben, auf perfönlidjftem 
Wetteifer begrünbeten £of geforbert roerben fonnte, roie eg bamatg 
außerhalb Statten« feinen gab; 3flet)rereg beruht aud) fid^ttief) 
nur auf einem allgemeinen, beinahe abftracten begriff ber 
inbibibueüen SBoüfominetiljeit. ©er (Sortigiano muß mit allen 
ebten (Spielen bertraut fein, aud) mit bem ©»ringen, Wettlaufen, 
©ajroimmen, fingen; ^auptfäcfjücr) muß er ein guter länger fein 
unb (roie fid) bon fetbft berftet)t) ein nobler Leiter. 2)agu aber muß 
er mehrere @prad)en, minbefteng 3talienifa) unb gatein befi^en, 
unb fid) auf bie fdjöne Literatur berfteljn, aud) über bie bilbenben 
fünfte ein Urtivit Ijaben; in ber SD^ufi! forbert man bon tl)m 
fogar einen geroiffen ®rab bon augübenber SBirtuofität, bie er 
überbieß mögüd)ft geheim Ratten muß. ©rürtbttctjer (Srnft ift es 
natürlich, mit nid)t§ bon 2lltem, auggenommen bie SBaffen; aug 
ber gegenfeittgen üfteutraüfirung beg Sielen eutfteljt eben bag 
abfolute Snbibibuum, in roeldjem feine (Stgenfdjaft aufbringlidj 
borl)errfd)t. 

@o biet ift gerotß, baß im XVI. 3aJjrl)unbert bie Otatiener sci6cäübim 8 en. 
fowjot)t atg tfjeoretifdje ©djriftfteller roie atg practifdje Sefyrer bag 
gange Slbenblanb in bie ©djute nahmen für alte eblent 8eibeg* 
Übungen unb für ben rjötjern gefeüigen Slnftanb. gür leiten, 
$ed)ten unb fangen tjaben fie burdj SBerfe mit 5tbbilbungen unb 



20* 



308 



Sie ©efettigfeit unb bte 



. mbmmtu burd) Unterrtcfjt ben £on angegeben; baS £urnen, abgelöst Pon 
ber triegSübung rote Dom bloßen Spiel, ift Pielleiajt aüererft 
pon SStttorino ba lettre (S. 166) gelehrt roorben, unb bann ein 
Sftequifit ber fyofyem Sqtefjung geblieben 1 ). (Sntfdjeibenb ift babei, 
baß es funftgemäß gelehrt wirb; meiere Uebungen Porlamen, ob 
bie jet^t Porroiegenben aud) bamals gelaunt roaren, fönnen mir 
freiüd) nidit ermitteln. 2Bie fefjr aber außer ber traft unb 
®emanbtl)eit auef) bie 3lnmutl) als £md unb £iel galt, get)t 
nict)t nur aus ber fonft befannten £)enfroeife ber Nation, fonbern 
aud) aus beftimmten 5ftad)rid)teu tjerüor. (§3 genügt an ben 
großen geberigo Pon 9ttoniefeltro (<S. 36) ju erinnern, roie er 
bie abenbtiajen (Spiele ber iljtn anvertrauten jungen Seute leitete. 
*ßoiföi>ictc. Spiele unb SBettübungen be§ SSotfes unterfd)ieben fid) roobjt 
nidt)t roefenttid) Pon ben im übrigen Ibenblanbe Perbreiteten. -3n 
ben Seeftäbten tarn natürlich baS SBettrubem Ijinju unb bie 
Penejiantfcfyen begatten maren fdjon früf» berühmt 2 ) £)a§ claffifaje 
@piel Italiens mar unb ift berantlid) ba§ -Mfpiet, unb aud) 
biefeö möd)te fdjon jur 3eit ber 9?enaiffance mit Piel großerm 

t) ©oeIiu§ (Salcagmnuä (Opera, p. 514) fri)ilbert bie ©rjie^ung etne§ 
jungen Stalienerä von ©tanbe um 1500 (in ber Seidjenrebe auf Antonio 
feoftabili) roie folgt: guerft artes liberales et ingenuae diseiplinae; tum 
adolescentia in iis exercitationibus acta, quae ad rem militarem cor- 
pus animumque praemuniunt. Nunc gymnastae (b. J). beut 5£urn= 
leerer) operam dare, luctari, excurrere, natare, equitare, venari, au- 
cupari, ad palum et apud lanistam ictus inferre aut declinare, caesim 
punetimve hostem ferire, hastam vibrare, sub armis byemem iuxta et 
aestatem traducere, laneeis occursare, veri ac communis Martis simu- 
lacra imitari. — (Sarbctnuä (de propria vita, c. 7) nennt unter feinen 
Turnübungen aud) ba3 £inauffpringen auf ba3 ^öljerne ^ferb. — Sgl. 
©argantua I, 23. 24: bie ©rjtefjung überhaupt, unb 35: bie fünfte ber 
©nmnaften. 

2) Sansovino, Venezia, fol. 172, s. ©ie füllen entftanben fein bei 
Stnlafj be§ §inau§fa£)ren3 jum Sibo, roo man mit ber 2trmbruft ju fdjiefjen 
pflegte; bie grofje allgemeine Regatta am ©t. ^aulStag mar gefe^Iid} feit 
1315. — $rüf)er rourbe in SSenebig aud) mel geritten, et)e bie ©trafjen 
gepftaftert unb bie ebenen b.oljernen Srüden in fyocfigeroölbte fteinerne t>er= 
roanbelt roaren. 9tod; Petrarca (Epist. seniles, IV, 2, p. 783) fdjilbert 
ein präd)tige§ 9toterturnier auf bem 9)Zarcu3pIa£ , unb ber Soge ©teno 
Ijielt um 1400 einen SJfarftalt fo Ejerrlid^ wie ber irgenb eines italtenifcben 
dürften. Soa) mar ba3 leiten in ber Umgegenb jeneä s ^Ia^e§ fd)on feit 
1291 in ber Siegel oerboten. — ©päter galten bie Senejianer natürlich 
für fd)Iecbte Leiter. SJgl. Ariosto, Sat. V, vs. 208. 



4 



Sie ©efelltgfeit unb bte gefte. 



309 



(gifer unb ©leinte geübt raorben fein als anberSmo in @urotto. swnitt. 
£odj ift e§ nidjt raof)t möglidf), beftimmte 3eugniffe f«f btefe 
5lnnal)me jufammensubringen. 

2ln biefer ©teile muß auef) tran ber üftufif 1 ) bte 9?ebe fein. 
£)ie (Sompofition mar ttodj um 1500 trarfyerrfdjenb in ben Rauben 
ber nieberlänbifcfyen @d)ute, raelcfje raegen ber ungemeinen ®ünftlia> 
feit unb 5Bunberttd)fett ifjrer SBerle beftaunt raurbe. £)od) gab 
es fdjon baneben eine italientfcf)c SJhtftf, raetdje olme ,3rocifel 
unferm je^igen £ongefüf)l etraaS näfjer [taub. @in fjalbe« 
3al)rl)unbert fpdter tritt ^ateftrtna auf, beffen ©eraalt fiel) aucl) 
beute noef) alle ©emütljer unterwirft; mir erfahren aucl), er fei 
ein großer teuerer geraefen, allein ob er ober Slnbere ben ent* 
fdjeibenben (Schritt in bte £onfpracf)e ber mobernen äöelt hinein 
gettjan fyaben, rairb nict)t fo erörtert, baß ber $ate fict) einen 
begriff öon bem £f)atbeftanb maetjen fönnte. 3nbem rair bafyer 
bte ©efcf)t<f)te ber mufifalifcf)en Sompofition gänjlicl) auf fidj be= 
rufyen laffen, fiteren rair bie (Stellung ber 3ttufif jur bamatigen 
©efellfcfjaft au^umitteln. 

|)öcf)ft besetrfjnenb für bie SRenatffance unb für Italien ift otdctmium an 
üor SlHern bte reiche ©pectattfirung be§ £)rcf)cfter§, baS @uct)en S" fttumentcn - 
naef) neuen 3nftrumenten b. f). $tangarten, unb — in engem 
^ufammenfyang bamit — ba§ S5irtuofentl)um, b. b,. baS (Sin* 



i) Itetier 25ante'§ SSer^ättni^ sur SJIufif unb über bie Sßetfen ju ^e= 
trarca'3 unb Soccaccio'g ©ebicf)ten ogt. Trucchi, poesie ital. inedite II, 
p. 139. — Heber Sfjeoretifer be§ XIV. Sctljrf). Filippo Villani, vite ; p. 46 
unb Scarcleonius, de urb. Patav. antiq. bei Graev. Thesaur. VI, III, 
Col. 297. — lieber bie 3Jhtfif am £ofe be§ $eberigo oon Urbino umfiänb-- 
tid) Vespasiano Fior. p. 122. — Sie ÄinbercapeHe (Srcole'ä I, Diario 
Ferrarese, bei Murrat. XXIV, Col. 358. — 2tu£erf)alb Italiens war ben 
angelesenen Seuten ba§ perfönlitfje 3Kuficiren nod) tUum geftattet; am 
nieberlanbxfd)en §ofe be§ jungen fear! V. fommt e§ barüber ju gefäl)r= 
lid)em (Streit ; »gl. Hubert. Leod. de vita Frid. II. Palat., L. III. 

@ine merfmürbige unb umfangreid)e ©teile über bie 2Jiuftf finbet ftd), 
wo man fie nid)t fuajen mürbe, Macaroneide, Phant. XX. @§ roirb ein 
Ciuartettgefang !omifd) gefd)Übert, mobei man erfährt, bajj aud) frangöfifd^e 
unb fpanifdje Sieber gefungen mürben, bafj bie Sülufif bereits iljre geinbe 
blatte (um 1520), unb bafs 2eo'§ X. SapeCe unb ber nod) frühere ©om-- 
ponift Soöquin be§ ^ßre3 ba§ £bd)fte waren, wofür man febwärmte; bie 
öauptwerfe be§ ledern werben genannt. SDerfelbe 2tutor (golengo) legt 
aud) in feinem (unter bem tarnen Simerno ptoeco f)erau§gegebenen) Dr= 
ranbino III, 23, s. einen ganj mobernen aflufiffanatigmuä an ben £ag. 



310 



Sie ©efeCCiglEett unb bie ftefte. 



&. aibfcbnttt. bringen be§ Snbibtbueflen im «Berljdltmjj $u beftimmten feigen 
ber 2ftuftf unb 31t beftimmten 3nftntmenten. 

33on benjenigen STonroerfjeugen, ruetd)e eine ganje Harmonie 
auSbrücfen fornten, tft ntcfjt nur bie Orgel frütje fetjr üerbreitet unb 
beröoülommnet, fonbern aucf) ba« entfprecfjenbe ©aiteninftrument, 
ba« gravicembalo ober clavicembalo ; (Stüde bon folgen aug 
bem beginn be§ XIV. 3al)rf)unbert« werben befanntüd) nod) auf * 
bewahrt, weit bie größten 3Mer fte mit «itbern fajmütften. 
@onft nabm bie ®eige ben erften Dang ein unb gewährte berette 
große perföntitf)e (Setebrität. «ei £eo X., ber fd)on als (garbinar 
fein #aus Dotier Sänger unb »fiter gehabt t)atte unb ber at« 
Kenner unb TOfpierer eine l)of)e Deputation genoß, mürben ber 
ssirtnofe... 3 uoe ©ioüan Ottaria unb Sacopo ©anfeconbo berühmt; erfterem 
gab 8eo ben ©rafentitet unb ein ©täbtdjen 1 ); ledern glaubt man 
in bem ^potl auf DafaelS ^arnaß bargefteüt p fetjen. 3m 35er* 
tauf beS XVI. Safjrbwtberts bilbeten ftct) bann Denommeen für 
iebe ©attung, unb £oma^o (um 1580) nennt je bret namhaft 
geworbene Strtuofeu für ©efang, Orgel, 8aute, Styra, 23tota ba 
®amba, §>arfe, ©tber, Börner unb ^ofaunen; er münfd)t, baß 
%e «ilbniffe auf bie Snftrumente felbft gemalt merben möchten 2 ). 
<SoIcf) ein oie(feittge§ PergteicbenbeS Urzeit märe tuotjt in jener 
3eit außerhalb Statten« ganj unbenfbar, menn aud) faft biefefben 
Onftrumente überaß öorgefommen fein mögen. 

©er 9?etcf)tE)um an Snftrumenten fobann gebt befonber« 
trnrau« tjerbor, baß es fid) lohnte, au« (Surtofität (Sammlungen 
berfelben anzuregen. 3n bem f)öa)ft mufkatifdjen SSenebig 3 ) gab 
cö mehrere bergteidien, unb menn eine In^t «irtuofen fid) baju 

J ) Leonis vita anonyma, Bei Eoscoe, ed. Bossi, XII, p. 171. Db 
bte§ üietteid^t ber 33iolinfpieIer ber (Merie ©ciarra ift? — @in ©iotmn 
Maxia ba ©ornetto roirb gepriefen im Drtanbtno (<3. 160, 326) III, 27. 

2 ) Lomazzo, Trattato dell' arte della pittura, etc. p. 347. — «Bei 
ber Snra ift Sionarbo ba SSinci mitgenannt, aud) Sllfonfo (§er^og?) t>on 
gcrroro. ©er SBerf. nimmt überhaupt bie 33erü^mt^eiten be§ Safjrfjunberts 
pfammen. 3#ef)rere Suben finb barunter. — Sie größte 2Kufgäf)Iung von 
berühmten 9ftufifern be§ XVI. Safjrlj., in eine frühere unb eine fpatere 
Generation getrennt, bei 3tabetat3 im „neuen Prolog" jum IV. 8ud)e. — 
©in Sßtrtuofe, ber blinbe $rance3co von gloretij (ft. 1390), roirb fd)on 
-frülje in SSenebtg üon bem anroefenben Äönig von ©npern mit einem 
Sorbeertrauje gefrönt. 

3 ) Sansovino, Venezia, fol. 138. Sftatürlid) fammetten biefelben Sieb= 
fiaber aud) 9iotenbüd)er. 



2)ie ©efettigfeit unb bie $efte. 



311 



etnfanben, fo ergab ftdj gtetcJ) an Ort unb ©teile ein (Soncett. 3. mbfdMtt. 
(3n einer biefer Sammlungen faf) man aud> biete nadj antifen 
Slbbilbmtgen unb Beitreibungen Verfertigte £onwerf$euge, nur 
wirb nid)t gemelbet, ob fie 3emanb fpieten fonnte unb wie fte 
Hangen.) @8 ift nid)t ju bergeffen, bafc foldie ©egenftanbe jutn 
£f)eil ein fefttid) prad)tbolle§ leufeereS tjatten unb fidt) fd)ön 
gruppiren tiefen. 2tud) in Sammlungen anberer Paritäten unb 
taftfadjen pflegen fie fidt) bepalb als 3 u 9 a & e einjufinben. 

$k (^ecutanten felbft finb außer ben eigentlichen Sßirtuofen 
entweber einzelne Siebfjaber ober ganje Orajefter bon folgen, etwa 
al« „$tcabemie" corporattonSmäßig jufantmengefteüt 1 ). Sein: 
Piele bilbenbe tünftler waren audi in ber 3ttuftf bewanbert unb 
oft äßetfter. — beuten toon ©taube würben bie BlaSinftrumente 
abgeraten aus benfetben ©rünben 2 ), roetdje einft ben 211cibiabe§ 
unb felbft Dallas Sirene batoott' abgefdjredt l)aben folten; bie 
toornefyme ®efelligteit liebte ben ©efang entweber allein ober mit 
Begleitung ber (Seige; aud) ba« (Streichquartett 3 ) unb um ber 
SBielfeitigfett willen baö (Slabier; aber nid)t ben mefyrftimmigen 
©efang, „benn (Sine «Stimme f)öre, genieße unb beurteile man 
weit beffer". Wü anbem Sorten, ba ber ©efang tro£ aller 
cowentionellen 33efd)eibenl)eit (S. 307) eine @rj)ibition be$ 
einzelnen ®efellfa^aft§menfcf)en bleibt, fo ift es beffer, man pre 
(unb fefje) 3eben befonberS. SBirb \a bod) bie SBirfung ber 
fünften ©efüt)le in ben ^uljorerinnen öorauögefe^t unb bef$alb 
ben alten beuten eine auSbrMlidje Slbmalmung erteilt, aud) 
wenn fie nod) fo fd)ön fpielten unb fangen. (§8 tarn fel)r barauf 
an, baß ber einzelne einen au« £on unb ©eftalt fjarmonifd» 
gemifdjten (Sinbrud fyeroorbringe. 2Son einer Slnerfennung ber 
(Sompofition als eine« für fid) befiefjenben tunftwerfeS ift in biefen 



1) Sie Accademia de' filarmonici ju Verona ermähnt fdfjon Safari 
XI, 133 im Seben be§ ©anmidjele. — Ilm Sorenjo mognifico £>atte fidj 
Bereits 1480 eine „£armoniefdE)ule" von 15 3Jittgliebern gebammelt, barunter 
ber berühmte Drganift ©quarcialupi. Sögt. Delecluze, Florence et ses 
vicissitudes, Vol. II, p. 256. SBon Sorengo fcfjetnt fein <Sofm Öeo X. bie 
gjlufifbegeifterung geerbt ju h>ben. 2tud) fein ältefter ©ob> 5ßietro mar 
feljr muficalifdE). 

2) II cortigiano, fol. 56. cgi. fol. 41. 

3 ) Quattro viole da arco, gerotfi ein fioljer unb bamat§ im 2tu3lanb 
fef)r feltener ©rab con SDüettantenbilbung. 



312 



Sie ©efeüigfett unb bte gefte. 



s. wbfd>nitt. ffreifen feine 9?ebe. dagegen fommt es t>or, ba£ bcr 3nl)att ber 
Sorte ein furdjtbare« eigenes <3d)icffa( be« «Sauger« fdjitberte 

Offenbar ift biefer £)itettanti«mu«, fomot)! ber Pornefymeru 
atö ber mittlem ©täube, in Italien üerbreiteter nnb jugletcf) ber 
eigentlichen Ämtft näfjer Perraaubt gemefen aU in irgenb einem 
onbern ßanbe. 2Bo irgenb ©efefligfeit gefd)tfbert wirb, ift aud) 
immer nnb mit 9?ad)brucf ©efang nnb ©aitenfpict ermähnt; 
fyunberte uon Vortrat« ftetten bie 8eute, oft Obrere 31t jammert, 
muftcirenb ober bocf) mit ber Saute :c. im 2lrm bar, unb fetbft 
in tirdjenbifbern jeigen bie ©ngetconcerte, roie Pertraut bie Spater 
mit ber (ebenbigen (Srfajeinung ber äftuficirenben maren. bereits 
erfährt man 3. 33. üon einem £autenfpieter Antonio töota in 
^ßabua (ft. 1549), ber Pom ©tunbengeben reidj mürbe unb aucf) 
eine Sautettfdjule brucfen tief; 2 ). 

3n einer $eit ba nod) feine Oper ben muficatifdjen ©eniuS 
in concentriren unb ju monopolifiren angefangen Ijatte, barf man 
fid) moljt biefe« treiben geiftreidj, üietartig unb mnnberbar eigen* 
tf)ümttdfj oorftctten. ©ine anbere grage ift, mie meit mir nodj 
an jener £onrae(t £r)eit fjätten, menn unfer Of)r fie raieber Per* 
näfjme. 



3um $erftänbnit} ber tjoern ®efeüigfeit ber Sftenaiffance ift 
stanne Q m, mb ß^ mefenttid) su miffen, ba§ ba« Söeib bem Spanne greid) geartet 
mürbe. Wlan barf fid) ja ttidjt irre machen (äffen burd) bie fptfc* 
finbigen unb jutn STt)eit boöfjaftcn Unterfudjungen über bie Der* 
mutlji'idje Inferiorität be§ fronen ®efd)ted)tc«, mie fie bei ben 
£)iatogenfd)reibern rjin unb mieber öorfommen, aud) nid)t burd) 
eine ©atire mie bie britte be« SIriofto 3 ), melier baö 2Beib mie 
ein gefäf)rfid)es großes ®mb betrachtet, ba« ber 2)?ann ju be« 
tjanbeln miffen müffe, mäfyrenb e« burd) eine Sfoft Pon it)m ge= 
fd)tebett bleibt. Severe« ift aflerbing« in einem gemiffen @inne 

1) Bandello, Parte I, Nov. 26. ©er ©efang be3 Antonio Bologna 
im £aufe ber Sppolita Sentiüoglia. SSgt. III, 26. imferer jimper* 
liefen 3eit würbe man bieg eine ^rofanation ber Ijeiligften ©efüftfe nennen. 
— (Sgl. ba3 Te^te Sieb beä 23rttannicu§, Tacit. Annal. XIII, 15.) — ©ie 
9tecitation &ur Saute ober aSioTa ift in ben SluSfagen nidjt leidet vom 
eigentlichen ®efang ju fdEjeiben. 

2 ) Scardeonius, a. a. D. 

3) 2ln 2tnnitale 2ftafeguccio, fonft audf) al§ 5te unb 6te bejeid)net. 



®ie ©efelligfeit unb bie $efte. 



313 



wahr; gerabe weit baS auSgebilbete 2Beib bcm Spanne gleich s. Mbfämtt. 
ftanb, fonnte in ber (SEje baS, was matt getftige unb ©eetettgemcin* 
fchaft, ober höhere (Srgänjung nennt, nicht fo jur ^ötüttje gelangen 
tt>te fpäter in ber gefitteten 2öett beS •Korbens. 

33or Ottern ift bie -©Übung beS SBeibeS in ben fjödjften imr* mmm* 
©täuben tt>efentftdE) biefetbe wie beim Spanne. @S erregt ben 
Italienern ber Sfanatffauce itidjt baS geringfte -©ebenfen ben 
titerarifd)en unb felbft ber pfjitotogtfdjen Unterricht auf £öa)ter 
unb ©ohne gleichmäßig wtrlen ju laffen (©. 171) ; ba man ja in 
biefer ttcuantücn (Sultur ben f)5djften 35efi£ beö Sebent erblidte, 
fo gönnte man fie gerne and) ben äßäbdjen. SBir fatjcn bis 
§u tnetdber SSirtuofität felbft gürftentöchter im lateinifdjen 9?eben 
unb ©djreiben gelangten (©. 176, 180). Inbere mußten wenigftenS 
bie öectüre ber 9UMnner theilen, um bem ©ad)inf)alt bes 2llter* 
thumS, tüie er bie Sonöerfation großenteils beherrfd)te, folgen ju 
fönncn. SSeiter fcrjloß jtdj baran bie ttjätige STrjettttarjme an ber 
italicnifdjen ^oefie burdj (Sanjonen, ©onette unb Smprotiifation, 
womit feit ber SSenejianerin Saffanbra f^ebete (@nbe beS XV. 
3af}rhunbertS) eine Stnjaht bon £)amcn berühmt würben 1 ); 
33ittoria (Solonna fann fogar uufterbltd) tjei^en. 2Öenn irgenb 
etwas unfere obige .Behauptung beweist, fo ift eS biefe grauen* 
poefte mit ihrem t>ötüg männlichen Ston. SiebeSfonettc wie reügiöfe 
©ebidjte geigen eine fo entfdjiebene, präcife gaffung, finb dou 
bem jarten Spalbbunfet ber ©d)wärmerci unb oon altem £)ilet* 
tantifdjen, was fonft ber weiblichen Sichtung anfangt, fo weit 
entfernt, ba§ man fie burdfjaus für bie Sirbetten eines Cannes 
Ratten würbe, wenn nicht üftamen, Nachrichten unb beftimmte 
äußere Slnbeutungen bas ©egentrjett befagten. 

®enn mit ber ©Übung entwicfelt fid) auch ber ^nbiöibualis* ^ Wl ^2wm« 
muS in ben grauen fyöfyerer ©tänbe auf ganj ähnliche SBeife wie 
in ben üDMnnem, wäljrenb außerhalb Italiens bis auf bie SRe* 
formation bie grauen, unb felbft bie gürftinnen noch fehr wenig 
perföntid) ^erüortreten. luSnatjmen wie 3fabeau üon ©aiern, 
Sftargaretfye öon 2ln}ou, Sfabella oon Softitten u. f. w. fommen 
auc^ nur unter gang au§uahmSwcifen SSerhältniffen, ja gteidjfam 
nur gezwungen jum 33orfdjein. On Italien haben fdjon währenb 
beS gangen XV. 3ahrf)unberts bie ©emahlinnen ber §errfd)er unb 

0 Sßogegen bie Q3ei!jeiligung ber grauen an ben bilbenben fünften 
nur äufjerft gering ift. 



314 



Sie ©efettigfeit unb bie $efte. 



5 L ffl»f*nitt.j)orjügü(f) bie ber ßonbottieren faft alle eine befonbere, fenntüdje 
^tjtiftognomie, unb nehmen an ber ^otorietdt, ja am SHulnne 
it)ren Slntljeil (©. 106). £)a$u rammt attmätig eine «Scfiaar Pon 
berühmten grauen Oerfdjiebener 2Irt (@. 119) mdre aud) tfyre 
2lu§jeid)nung nur barin ju ftnben gctüefen, baß in ifynen Mage, 
@d)önf)eit, örgieljung, gute «Sitte unb grömmigfeit ein üöttig 
IjarmonifdjeS ©anjeS bübeten 1 ). $on einer aparten, bemußten 
„(Smanctpatton" ift gar nid)t bie SKebe, roeil fiel) bie Sadje öon 
sonc felber Perftanb. £>ie grau Pon ©taube mußte bamals ganj roie 

qjevfcmdjfeit. ^ $ji axm m ty t [ mx abgefdjloffenen, in jeber £)infid)t üoöenbeten 
^erfönlidjfeit ftreben. SDerfetbe Hergang in ©eift unb £)eq, 
melier ben äftann tiottfommen maajt, foßte aud) bas SBeib öotU 
tarnen machen. Slctiüc literarifdje Stijdtigfeit »erlangt mau nid)t 
Pon it)r, unb roenn fie ©idjtertn ift, fo enoartet man raol)t irgenb 
einen mädjtigen Slang ber «Seele, aber feine fpeciellen Intimitäten 
in gorm öon Sagebüttjern unb Romanen. Sin baö publicum 
badjten biefe grauen tttdjt; fie mußten öor Allein bebeutcnben 
Männern tmponiren 2 ) unb beren 2ßiflfür in Sdjranfen bitten. 

Die s8ira ß o. ®o8 Sftufjmootlfte, mag bamals Don ben großen Stattenerinnen 
gefagt mirb, ift, baß fie einen männlidjen ©eift, ein mdnnlid)e§ 
©emütb rjdtten. SDfon brauet nur bie üöllig mdnnlidje Gattung 
ber metften SBeiber in ben §elbengebid)ten, jumal bei ^öojarbo 
unb SCriofto, ju bead)ten, um ju miffen, baß eö fidf) biet* um ein 
beftimmteS 3beal ^artbett. ©er £itel einer „virago", ben unfer 
3al)rl)imbert für ein feljr jtneibeutigeS Somptiment l)ält, mar ba* 
mats reiner Üfufym. 3fm trug mit Dottern ©tanje ßaterina 
Sforza, ®emaf)lin, bann SBittroe be« ©irolamo ^tario, beffen 
(Srbe gorlt fie juerft gegen bie gartet feiner Sttörber, bann fpdter 
gegen (Sefare SSorgia mit allen Gräften oertljeibigte ; fie untertag, 



») ©o ntufe man 23. bei SSefpafiano giorenttno (Mai, Spicileg. rom. 
XI, p. 593, s.) bie Siograpljie ber SHeffanbra be' 33arbt auffaffen. SDer 
2Iutor ift, Beiläufig gefagt, ein grofjer laudator temporis acti unb man 
barf nicf)t nergeffen, ba£ faft fjunbert Qafyve cor bem, ma§ er bie gute 
alte gelt nennt, fd)on Boccaccio ben ©ecamerone fcfjrieb. 

2 ) Ant. Galateo, epist. 3. an bie junge 33ona ©forja, bie fpätere 
©emaljlin be§ ©igismtunb von ?ßo!en: Incipe aliquid de viro sapere, 
quoniam ad imperandum viris nata es . . . Ita fac, ut sapientibus viris 
placeas, ut te prudentes et graves viri admirentur, et vulgi et mulier- 
cularum studia et iudicia despicias etc. 2tud) fonft ein mer!roürbiger 
SBrief. (Mai, Spicileg. rom. VIII, p. 532.) 



Sie ©efettigfeit unb bie £-efte. 



315 



behielt aber bod^ bie •23ett>unberung aller tt)rer 8anb§teute unb s . mi>fd>nitt. 

ben tarnen ber „prima donna d'Italia" 1 ). @ine ^eroifdt)e Stber 

biefer 2Irt erfennt matt ttod) in berf ergebenen grauen ber SRenaiS* 

fance, roemt auct) feine mefjr foldjen 2lnlaf3 fanb, fict) at$ §elbin 

31t betätigen. Ofabella ©onjaga (@. 34) üerrätt) biefen 3ug 

ganj beutüd). 

grauen biefer ©attung tonnten benn freiließ aud) in ifyrems:^ ssdb in t>er 
Greife Letten erjagen (äffen wie bie ba§ «aubello, otyne baß ® cfcDfcf > aft - 
barunter bie ©efetügfeit @d)aben litt. 3)er fjerrfdjenbe ©eniu§ 
ber le^tern ift ntdjt bie heutige SBetbtidtjfett, b. t). ber 9?efüect 
üor geteiffen 23orau§fe£ungen, Stauungen unb 9Jft)fterien, fonbern 
ba§ ^3eit)uj3tfein ber Energie, ber ©djönfyeit, unb einer gefäln> 
liefen, fdjtcffafööollen ©egenraart. S^e^t)atb gel)t neben ben ge* 
nteffenften Söettformen ein (£traa§ einher, ba§ unferm 3af)rl)un* 
bert roie ©djamtofigfeit üorfömmt 2 ), roäfyrenb wir nur eben ba§ 
©egengetüidjt, nörntid) bie mächtige ''ßerfönlidjfeit ber bomintren* 
ben grauen be« bamaligen Italiens uu§ nid)t meljr t-orftetten 
fönnen. 

£)afe alle STractate unb ^Dialoge äufammengenommen feine 
entfcfjeibenbe Slusfage biefer 5lrt entsaften, oerftetjt fief) bou fetbft, 
fo weitläufig aud) über bie «Stellung unb bie gäljigfeiten ber 
grauen unb über bie Siebe bebattirt wirb. 

2Ba8 biefer ©efellfdjaft im Slügcmeinen gefehlt 5U fjaben 
fdjeint, mar ber glor junger Sttäbdjen 3 ), weldje man fet)r babon 
jurücf^ielt, aud) wenn fte nid)t im Softer erlogen würben. (5§ 



!) ©0 Ijeifjt fie in bem §auptbcrtd)t Chron. venetum bei Murat. 
XXIV, Col. 128, s. »gl. Infessura bei Eccard, scriptt. II, Col. 1981 
unb Arch. stor. Append. II, p. 250. 

2) Unb e§ ?u Seiten auet) ift. — äöie ftc^ bie ©amen bei folgen @r* 
gelungen gu benehmen fjaben, Iet>rt ber ©orttgiano, L. III, fol. 107. 
Safj fttjon bie ©amen, weldje bei feinen ©ialogen gugegen waren, ficE) ge= 
legentlid) mufjten gu benennten raiffen, getgt g. 93. bie ftarJe ©teile L. II, 
Fol. 100. — 2ßa§ von bem ®egenftnc! be§ ßortigiano , ber Donna di 
palazzo gefagt roirb, ift befjtjalb nidjt entfäjetbenb, raeil biefe ^alaftbame 
bei SBeitent metjr Sienerin ber $ürftin ift al§ ber ©orttgano Siener be§ 
dürften. — Sei 33anbetto 1, Nov. 44, erjagt Bianca b'©fte bie fd)aner : 
Itcfc)e £tebe§gefct)td)te it)re§ eigenen 2lf)n'3 -Kiccolö »cm $errara unb ber 
^Sarifina. 

s) Söie fefyr bie gereiften Italiener oen freien Ilmgang mit ben 
3ftabd)en in ©nglanb unb ben -Jiteberlanben gu mürbigen mußten, geigt 
Bandello II, Nov. 42 nnb IV, Nov. 27. 



316 Sie ©efettigfeit unb bie $efte. 

Wcftnitt. ift fdjroer ju fagen, ob it)re Slbmefenfjeit mefyr bie größere greiljett 

bei* Gtonoerfatton ober ob umgefeljrt leitete jene öeranlafit Ijat. 
sBiitung ber 21ud) ber Umgang mit 33uf)terinnen nimmt bi§roeilen einen 
llMcrin,,cn - fdjeinbaren Sluffdjmung, al« mottte ficf> bag 33erf)aftniß ber alten 
Sttfyener 3n ifjren betören erneuern. £)ie berühmte römifd)e (Sour* 
tifone 3mperta mar ein 2öeib öon ©eift unb 33i(bung unb tjatte 
bei einem geroiffen Domenico @ampana @onette machen gelernt, 
trieb aurfj üttufif 1 ). £)ie fcfjöne Ofabefta be 8una, oon fpanifdjer 
^erfunft, galt menigften« als amufant, mar übrigen« aus ®ut= 
fjerjigfeit unb einem entfe^üd) frechen ßäftermaul rounberfid) ju* 
fammen gefegt 2 ). Qn üBkttanb faunte Sanbefto bie irtajeftcitifcije 
(Saterina bi ©an Selfo 3 ), roetdjc fjerrlia) fpielte unb fang unb 
SBcrje recitirte. II. f. tu. 2tu8 2HIem ge|t Ijeruor, baß bie be* 
rühmten unb geiftretdjen Seute, roetaje btefe ©amen befugten unb 
jeitmeife mit ifynen lebten, aud) geiftige Slnfprüdje an fie ftettten, 
unb bafj man ben berühmtem Sudlerinnen mit ber größten 9?üd> 
fid)t begegnete; aud) naa) Sluflöfung be« 23erl)ä(tmffe§ fu cfjte man 
fid) iljre gute Meinung ju beroatjren 4 ), roeil bie »ergangene Seiben* 
fdjaft bott) einen bebeutenben (Sinbrucf für immer jurüctgetaffen 
Ijatte. 3m (Sanjen fommt Jebocf) jeber Umgang in geifttgem 
@inne rticEjt in 23etrad)t neben ber ertaubten, officteflen ©efeflig* 
feit, unb bie ©puren, meld)e er in ^oefie unb Literatur jurücf* 
tä^t, finb oorf)errfd)enb feanbalöfer 2Irt. 3a man barf ftd) billig 
rounbern, ba§ unter ben 6800 ^erfonen biefe« «StanbeS, metdje 
man 31t SRom im 3at)re 1490 — alfo uor bem Eintreten ber 
©tpfjrjü« — säf)(te 5 ), faum irgenb ein SBeib öon (Seift unb 
I)öf)erm latent fyeroortritt ; bie oben genannten finb erft au« ber 



1 ) Paul. Jov. de rom. piseibus, cap. 5. — Bandello, Parte III, 
Nov. 42. — 2tretin, im Kagionamento del Zoppino p. 327 fetgt üon 
einer Sudlerin: fie roeij? auSroenbig ben ganzen Petrarca unb Boccaccio 
unb ja^Itofe fd^öne latetnifdje SSerfe au§ Virgil, §oraj, Dtiib unb taufenb 
anbern Tutoren. 

2) Bandello II, 51. IV, 16. 

3) Bandelo IV, 8. 

4 ) (Sin fetyr begeidfjnenbeS Seifpiet ^ieuott bei Giraldi, Hecatommithi 
VI, Nov. 7. 

5 ) Infessura, bei Eccard, scriptores, II, Col. 1997. ©3 finb nur 
bie öffentlichen äBeiber, nicht bie ©oneubinen mitgerechnet. Sie ftafy ift 
übrigens im Sßerhctltnijs jur üermuthlicfien Seüölferung von 3tom enorm 
hoch, üielleicfit burch einen (Schreibfehler. 



Sie ©efeltfgfeü unb bie $efte. 



317 



nctd)ftfolgenben 3eit. £)ie ßebenöroeife, Floxal unb Wofopbie s . Mbf&mtt. 
bei* öffentlichen Leiber, namentlich ben raffen 2Bed)feI t>on 
®enu|3, ®emimtfucht unb tieferer 2eibenfd)aft, fomie bie &eudjetei 
unb 3Teufetei ©injelner im fpätern Itter fd)itbert öielleidtjt am 
beften ®iralbi in ben ^ooellen, metdje bie (Sinteitung ju feinen 
£ecatommitt)i aufmachen; ^ietro Stretino bagegen in feinen 9?a» 
gionamenti zeichnet 'mof)l mehr fein eigenes inneres als ba§ jener 
ungtücfüdjen Slaffe, wie fie mirttid) mar. 

£>ie äftattreffen ber dürften, tote fdjon oben (@. 42) bei gfünm^e 
Stntaß be§ prftentljum« erörtert mürbe, finb ber ®egenftanb öon 2Jia,trcffcu - 
£)id)tem unb tünfttern unb ba^er ber 2D?it* unb 9?ad)roelt per* 
fönlid) befannt, mährenb man bon einer Sltice Sßerrieö , einer 
(Stara £>ettin (9D?aitreffe griebrid)S be§ (Siegreichen) faum mehr 
als ben tarnen unb t>on 9lgne3 @oret eine eher fingirte als 
mal)re ättinnefage übrig hat. InberS toerhält c« fict) bann fdjon 
mit ben beliebten ber Könige ber taaiffance, granj I. unb 
§einrid) II. 



Sftad) ber ©efeüigfeit berbient aud) b'aS §auSroefen ber föe» ©as 
naiffance einen «tief. Sftan ift im Sltlgemetnen geneigt, bas * au * n,ei 
ftamittenleben ber bamaltgen Italiener megen ber großen «Sitten* 
tofigfeit als ein üerloreneS ju betrauten, unb biefe ©eite bei- 
trage mirb im nädjften Slbfchnitt behanbett raerben. (Sinftmeilen 
genügt eö barauf hin^uroeifen, ba§ bie et)etic£>e Untreue bort bei 
Weitem tticfjt fo jerftörenb auf bie gamilie mirft tote im 
Sorbett, fo lange babei nur gemiffe ©djranfen ntdjt überfdjritten 
werben. 

£)a$ §auSmefen unfereS TOtetatterS mar ein ^robuet ber 
l)errfd)enben MtSfitte ober, menn man mill, ein t)öl)ereö 9?atur* 
probuet, beruhenb auf ben eintrieben ber ^ölferentruicftung unb 
auf ber (Sinmirfung ber Sebenömeife je nach «Stanb unb Vermögen. 
£)a8 Üiitterthum in feiner 33tütf)e$eit ließ baß £musmefen 
unberührt; fein Seben mar ba« herumziehen an £öfen unb in 
triegen; feine fmtbigung gehörte fuftematifd) einer anbern grau 
als ber £mu3frau, unb auf bem ©d)loß bal)eim mochten bie 
£)inge gehen roie fie tonnten, £)ie föenaiffance juerft öerfudji aud) 
baS §au§raefen mit «eraußtfein, als ein georbneteS, ja als ein 
^unftmerf aufzubauen. (Sine fe^r entmicfelte Oeconomie (@. 64) 



318 Sie ©efefligfeit unb bie gefte. 

5. m^mt t. unD ein rationeller £au«bau fömmt if>r babet 311 £ülfe, bie 
£auptfad)e aber ift eine üerftänbige föefterjon über alle fragen 
be« gufammenteben«, ber (grjiefjung, ber (Stnridjtung unb 23e* 
bienung. 

£)a« fd)dfcbarfte Slctenftücf f)iefür ift ber Dialog über bie 
Leitung be« §aufe« üon Slgnolo ^anbo(fini'). @tn 23ater fpritfjt 
feinen erroadjfenen Söfmen unb roeifjt fie in feine gan$e £>anb* 
lung^roeife ein. Sttan ftefyt in einen^großen, reid)(id)en gmuöftanb 
f)inein, ber, mit üernünftiger (Sparfamtett unb mit mäßigem 
ßeben weiter geführt, ®tücf unb Sofytergefjen auf biete ©efd)tecf)ter 
t)inau« berfyeißt. (Sin anfebntidjer ®runbbefi|, ber fcfjon burd) 
feine Sßrobucte ben £ifd) be§ £mufe« t>erftel)t unb bie 33afx« be« 
©anjen au«mad)t, wirb mit einem inbuftrieüen ®eftf)äft, fei e« 
©eiben* ober Söoüenraeberei, öerbunben. 2Öol)nung unb 9lafy 
rung finb f)öd)ft fotib; 2tüe«, wag jur @inrid)tung unb Mage 
gehört, fott groß, bauerfyaft unb fofibar, ba« tdgüdje Seben barin 
fo etnfad) al« mögttd) fein. 2111er übrige Slufwanb, tion ben 
größten (SfjrenauSgaben bi-S auf ba« £afd)engetb ber iüngern 
@öf)ne, ftetjt f)ieju in einem rationellen, md)t in einem conuen* 
tioneüen 23ert)dttniß. 3>a« 2Btd)tigfte aber ift bie (Scatefyung, bie 
®rjieDun ö . ber £>au«f)err bei Weitem ntdjt bloß ben tinbern, fonbern bem 
ganzen §aufe giebt. (Sr bilbet junädift feine ©emafjün au« 
einem fd)üd)temen, in norfidjtigem ©eroafjrfam erlogenen äftdbdjen 
gur fiebern (Mieterin ber £)ienerfd)aft, gur £au«frau au«; bann 
erjtcijt er bie @öfme ot)ne alle unnü^e £drte 2 ), burd) forgfdltige 
2lufftc£)t unb 3ureben, „mel)r mit Autorität ot« mit ©ewalt", unb 
enbüd) mäf)lt unb betjanbett er aud) bie 2lngeftettten unb ^Diener 

1) Trattato del governo della famiglia. 33gl. oben ©. 107, 112, 
3lnmm. Sßanbolfini ftarb 1446, 2. 35. 2llberti, bem ba3 3BerI ebenfalls 
jugefd&rieben mirb, im g. 1472 — 33gl. au$ ©. 240, 2tnm. 

2 ) ©ine grünblidEje, mit pftjdjologtfdjem ©eift gearbeitete ©efdjtdjte be§ 
Sßrügelnä bei ben germanifdEjen unb romanifdjen 33Mfern märe roofjl fo 
triel roertfj al§ ein »aar SSänbe SDepefdfjen unb llnterfjanblungen. 3ßann 
unb burdEj melden ©infCu^ ift baä prügeln in ber beutfcfjen gamtlie ju 
einem alltäglichen ©ebraucf) geroorben? @3 gefct)at) toofjl erft lange nad)= 
bem SBalttjer gefungen: «Rietnan fan mit gerten finbeS ju^t bewerten. 
Qn Italien Ejört roenigftenS ba§ ©dalagen fel;r frü^ auf; ein fiebenjä&rigeS 
Äinb befömmt feine «Sdjläge mefjv. Ser Heine SKolanb (Orlandino, cap. 
VII, str. 42) fteHt baä «ßrinjip auf: 

Sol gli asini si ponno bastonare, 
Se una tal bestia fussi, patirei. 



5Die ©efeltigfeit unb bie gefte. 



319 



nad) folgen ®runbfä£en, bajj fie gerne unb treu am jpaufe 5- atbfc&nitfc 
galten. 

S^oct) einen gug ntüffen mir Ijerüorfyeben, ber biefem 33üa> ctc astna. 
lein jroar feinegroegS eigen, roofyt aber mit befonberer ©egeifterung 
barin f)erüorgef)uben ift; bie Siebe be§ gebttbeten OtaüenerS junt 
Öanbteben. 3m Horben tuolmten bamafö auf bem Sanbe bie 
Stbügen in itjren 23ergfd)Iöffem unb bie öoweljmern 9Jiöud)$* 
orben in üjren mofytüerfdjtoffenen Stöftern; ber reidjfte Bürger 
aber lebte 3at)r aus 3at)r ein in ber @tabt. 3n Italien bagegen 
mar, roenigftenS ma§ bie Umgebung getuiffer ©täbte 1 ) betrifft, 
tt)äU bie poiitifdje unb potijeitidje @id)erf)eit größer, tljeits bie 
Neigung jum Slufent^att brausen fo mädjttg, baß man in ShiegS* 
fäüen fid) audj einigen Sßerluft gefallen üefc. @o entftanb bie 
Sanbwobmutg be$ moijttjabenben @tübter3, bie OTa. (Sin föft» 
tidjeS (grbtf)eit beS alten SHömertfyumS lebt tjter mieber auf, 
fobatb ©ebenen unb ©Übung im S3otfe weit genug fortge* 
fajritten ftnb. 

Unfer 2Iutor finbet auf fetner 23itta lauter ©lüct unb ^rieben, 
worüber man iljn freilief) felber Ijören muß (p. 88). £)ie öcono* 
mtfdje @eite ber @ad)e ift, baß ein unb baffetbe ®ut momögüdj 
2ltfeö in fid) entsaften fotl: ®om, 2öein, Oet, guttertanb unb 
2öafbung (p. 84), unb baß man fötale ®üter gerne tfjeuer be* 
gat)lt, weit man nad)f)er nid)t3 mefyr auf bem 3ttarft ju laufen 
nötfyig l)at. ©er Ijötjere ©enuß aber berrdtl) fid) in ben SBorten 
ber Einleitung ju biefem ©egenftanbe. „Um Dörens liegen titete 
„Sitten in frijftaü^eüer £uft, in Weiterer Canbfdjaft, mit rjerrttct)et 
„2lu§fid)t; ba ift wenig ^ebel, lein üerberblidjer Sßinb; 2llle$ ift 
„gut, aud) baö reine, gefunbe 2ßaffcr; unb Don ben jafytlofen 
„bauten ftnb manche raie gürftenpatäfte, manche tote ©djtöffer 
„anjufdjauen, pradjtbott unb foftbar." (Sr meint jene in itjrer 
2trt muftergüttigen £anbf)äufer, oon roeldjett bie meiften 1529 
burd) bie gtorentiner fetbft ber 33ertf>eibigung ber @tabt — Per* 
geben« — geopfert mürben. 

3n biefen 33iüen raie in benjentgen an ber 23renta, in ben ®'<« *«« «««n>. 
(ombarbifdjen SSorbergen, am 'ȧoftfipp unb 23omero nafjm bann 1 en * 

i) Giovanni Villani XI, 93: £>auptctu3fage über ben Siltenbau ber 
Florentiner fd)on vox ber 9JZitte be3 XIV. ^a^r^unbertg ; fie Ratten fd£)önere 
Sitten al§ ©tabtt)äufer. unb jollen ftdf) bamit aud) überangeftrengt fiaben, 
onde erano tenuti matti. 



320 



Sie ©efetfigieit unb bie gefte. 



9it.fc»«itt. auch bie (Sefeüigfett einen freiem, täubftd)en GS^aracter an aU in 
ben @dlen ber ©tabtpatdfte. £)a3 gufammenwohnen ber gaft* 
frei ©etabenen, bie 3agb unb ber übrige SSerfeljr im freien 
werben hie unb ba ganj anmutig gefcf)tfbert. Aber aud) bie 
tieffte ©eifteSarbeit unb ba§ (Sbeffte ber ^ßoefie ift bisweilen üon 
einem folgen öanbaufenthatt batirt. 



<£« ift feine btofje SBiHfttr, wenn mir an bie Betrachtung 
5c<u - be3 gefcflfd)afttid)en Gebens bie ber feftüchen Aupge uub Stuf* 
füfjrungen anfnüpfen. £)te fmtftboHe <ßrad)t, welche ba§ Italien 
ber 9ienaiffance babci an ben £ag legt 1 )/ würbe nur erreicht 
burd) baffelbe Bufammenteben QÜer @tg n ^ tuetdieS aud) bie 
©runblage ber italiemfdjen ©efeßfd)aft au§mad)t. Ora Horben Ratten 
bie ßlöfter, bie £öfe unb bie 23ürgerfd)aften tfjre befonberen tiefte 
unb Aufführungen mie in Statten, altein bort waren biefetben 
nad) ©tut unb Onfjatt getrennt, hier bagegen burd) eine aüge* 
meine 4öi(bung unb Äunft §u einer gemeinfamen $bl)t entwicfett. 
£)ie becorirenbe Ard)itectur, welche biefen geften ju §ülfe fam, Per* 
bient ein eigene« Statt in ber Äunftgefdfjtcfjte, obgteid) fie uns 
nur nod) als ein ^antafiebitb gegenttberftefjt, baS mir aus ben 
33efd)reibungen jufatnmentefen muffen. £ier befd)äftigt un8 baß 
geft felber als ein erhöhter SWomcnt im ©afein beS SBotfc«, wobei 
bie religiösen, fittttdjen unb poetifd)en Sbeafe beö lederen eine 
ftdjtbare ©eftaft annehmen, £)a« itattenifd)e geftmefen in feiner 
höf)ern gorm ift ein wahrer Uebergang au« bem Cebett m bie tunft. 
5" ®ie beiben ^auptformen feftltdjer Aufführung finb urfprüng* 

rotmen - lief», mie überaß im Abenbtanbe, baö äJtyfterium, b. t). bie brama* 
tifirte Zeitige ®efd)id)te ober ßegenbe unb bie ^roceffion, b. fj. 
ber bei irgenb einem firdjtidjen Anlaß entftefyenbe ^rachtaufjug. 

Nun waren in Statten fdjon bie Aufführungen ber 3ftt)fterten 
im ©an^en offenbar prad)tOoller, zahlreicher unb burd) bie pa* 
rattele <5ntmicflung ber bilbenben Sunft unb ber ^ßoefie gefdjmacfe 
Dotier atö anberswo. @obann fdjeibet fid) aus ihnen nicht bloß 
wie im übrigen Abenblanbe junädjft bie $offe au§ unb bann ba8 
übrige weltliche £)rama, fonbern frühe fd)on aud) eine auf ben fdjönen 
unb reichen Anblicf berechnete Pantomime mit ©efang unb ©aüett. 



») 2ftan »gl. ©. 250., rvo biefe $ßra$t ber $eftausftattimg als ein 
§inberntfe für bie Ijöljerc ©ntroicflung beö ©rama'S nadEjgermefen rourbe. 



SDte ©efelfigteit unb bie gefte. 



321 



2Iu$ ber ^roceffion aber entroicfett fid) in ben eben gelegenen s. mf^nitt. 
ttaltenifdEjen ©täbten mit ihren breiten id 0 1) (gepflafterten ©traßen 
ber £rionfo, b. h« ber 3ug bon ßoftumirten ju Sßagen unb ju 
guß, wft öon überrotegenb geifttidjer, bann mehr unb mehr öon 
roettltcher 33ebeutung. $ronteid)nam8proceffion unb Santcüoföjug 
berühren fid) t)ter in einem gemeinfamen 'ißra^tfint, roeldjem fic^ 
bann aud) fürfttidje ©njuge anfdjtteßen. Slud) bie übrigen 23ötfer 
verlangten bei folgen (Gelegenheiten biSroeiten ben größten 2tuf» 
roanb, in Italien aflein aber bitbete fitf) eine funftgereajte S8e= 
f)anbütng3roeife, bie ben $ug a ^ finnüotteö (SanjeS componirte 
unb augftattete. 

2öa§ öon biefen Dingen heute nod) in Uebung ift, fann nur heutiger scitanD 
ein armer Ueberreft heißen, tirdjliche fotuorjt afö fürftlidje Stuf* 
gücje haben fief) bes bramatifd)en (HementeS, ber (Softumirnng, 
faft t)öfltg enttebigt, roeit man ben @pott fürchtet unb roeit bie 
gebitbeten (Staffen, roetaje ehemals biefen Dingen ihre trotte Sraft, 
roibmeten, au« üerfdjiebenen ©rünben feine §reube mehr baran 
J>aben fönnen. 5lud) am (Sarneöat finb bie großen SftaSfenjüge 
außer Uebung. 2Ba8 nod) roeiterlebt, rote g. $&. bie einzelnen 
geiftüd)en tasten bei Umzügen bon SSruberfdjaften, ja fetbft bas 
pomphafte föofatienfeft ju Palermo, berräth beuttid), roie roeit fici) 
bie Ijöfjere 33ilbung bon biefen Dingen gnrücfgejogen I)at. 

Die trotte ^lüttje be8 geftroefenö tritt erft mit bem entfdjie* 
benen @iege be$ Sttobemen, mit bem XV. 3at)rt)unbert ein 2 ), 
roenn nid)t etroa $Ioren$ bem übrigen Italien aud) hierin troran* 
gegangen roar. SBenigftenö roar man hier fdjon früh, quartier* 
roeife organifirt für öffentliche Aufführungen, roetd)e einen fet)r 
großen fünftlerifdjen Slufroaub trorauSfe^en. @o jene Darftettung 
ber ^rö'fle auf einem (Gerüft unb auf Warfen im Slrno, 1. 9Kat 
1304, roobei unter ben ,3ufchauem bie 33rücfe afta (Sarraja ju« 
fammenbradj 3 ). Slud) baß fpäter Florentiner als geftfünftfer, 



!) Siefs im Sergleicfj mit ben ©täbten be§ 9torben§. 

2 ) £>te ^eftltcf) leiten bei ber ©rfjebung be3 SSiöconti jum ^erjog dou 
2Jfailanb 1395 (Corio, fol. 274) b>ben bei größter $rad£jt nocl) etroaä rofy 
mittelalterlic|e§, unb ba3 bramatifdje (SIement f e^tt nod& gang. SSgl. audj 
bie relative ©eringfügigfeit ber Slufjüge in ?ßax)ia roatjrenb beä XIV. 
%af)xf). (Anonymus de laudibus Papiae, bei Murat. XI, Col. 34, s.) 

3) Gio. Villani, Till, 70. 



93urcfl}iut>t, ßuüur fcer tHenaiffance. 



21 



322 



Sie ©efelligtett unb bie gefte. 



s. gibfdbnttt» festaiuoli, im übrigen Italien reifen tonnten l ), beweist eine 
früfje SSerttoüfommmmg ju $aufe. 

@ud)en wir nun bie wefentUdjften SBorjüge beö itattenifd)en 
Ual ^ e { "; n f ft ' ^eftwefens gegenüber bem 2luStanbe tiorlaufig auSjumitteln, fo 

reeen ' ftetjt in erfter Sinie ber ©imt beS entwictetten SnbimbuumS für 
£)arftettung bcS 3nbtüibuelien, b. t). bie gafyigfeit, eine ooüftätt* 
bige Üttatfe ju erfinben, ju tragen unb ju agiren. Später unb 
33ilbt)auer Ralfen bann bei weitem nidjt bloß jur ©ecoratton beS 
OrteS, fonbern aud) $ur StuSftattung ber ^erf orten mit, unb 
gaben STractjt, ©ct^minfe (@. 293, f.) unb anberweitige SlttSftattung 
an. £)aS Zweite ift bie SUtoerftänbftdjfeit ber poetifdjen ®runb* 
läge. ®ei"bett «Differten war btefelbe im ganzen Slbenblanbe 
gtetdj groß, inbem bie bibüfd)en unb iegenbarifct)en £iftorien t>on 
toornr)erein 3ebermann befannt roaren, für alle« Uebrige aber war 
Stalten im S5ortf)eil. $ür bie ^eettationen einzelner Zeitiger ober 
profarr-ibeater ®cftattett befaß es eine toolltönenbe lurifdje ^oefie, 
wetct)e ®roß unb ®(ein gtetcf)mät3ig l)tnreißen tonnte 2 )- ©obamt 
berftanb ber größte £f)etl ber 3ufd)auer (in ben ©tetbten) bie 
mt)ti)oto giften Figuren unb erriett) wenigftenS letdjter als u> 
genbwo bie adegortfdtjen unb gefdjtdjtlictjett, weit fie einem attöer* 
breitenben 33itbungSfreife entnommen waren. 
Die 9ine 9 one £)ieß bebarf einer nähern ©eftimmung. £)aS gan^e bittet* 
in siteratut uni> a j ter mx ^ z £ e i t bc§ stücQorifircn« in öorjugswetfem @inne 

ÄunfU gewefen; feine £beotogie unb ^itofoptjie bezauberte it)re ®are* 
gorien bergeftatt als fetbftftänbige Sßefen 3 ), baß £)ict)tung unb 
Sunft es fdjembar (etdjt ijatten, baSjenige beizufügen, was nodj 
jur ^erföulidrtett fehlte, hierin fielen alle Räuber bcS OccibentS 
auf gleicher Stufe; aus ttjrer ©ebantenwett tonnen ftd) überall 
©eftalten erzeugen, nur bar} Slusftattung unb Attribute in ber 
SReget rätlifelfyaft unb unpopulär ausfallen werben. Öcr^tereS ift 
aud) in Italien tjäufig ber ftatt, unb jroar felbft wätjrenb ber 
ganzen föenaiffance unb nod) über biefetbe t)inaus. @« genügt 
baju, baß irgenb ein ^rabicat ber betreffenben allegorifdjen ©eftalt 



1) %l. 3. 33. Infessura, Bei Eccard, scriptt. II, Col. 1896. — Corio, 
fol. 417. 421. 

2) 2)er Dialog ber 3Jtyfterien bewegte fid^ gern in Dttauen, ber Tlo= 
nolog in Seltnen. 

3) 2ßo6ei man nidjt einmal an ben 9ieali3mu3 ber ©djolafiifet 
ben!en brauet. 



Sie ©efettigteü unb bie $efte. 



323 



auf ttnridjttge 2öeifc burd) ein Attribut überfe^t werbe, ©etbft s. aibfdmüt. 
©ante ift burdjaug tticf)t frei üon folgen fatfcfjen Uebertragungcn 1 ), 
utib au§ ber SDunfelfyett feiner Attegorien überhaupt Ijat er fid) 
befanntlid) eine ma£)re @t)re gemacht 2 ). Petrarca in feinen Zxi* 
onfi toifi wenigftens bie ®efta(ten be« Amor, ber teufd)f)eit, be$ 
£obeS, ber genta ic. beutlid), wenn and) in Äürje [ctjttbern. 
Anbere bagegett Übertaben itjre Allegorien mit lauter Perfekten 
Attributen. 3n ben (Satiren be« Sßinciguerra 3 ) 3. iß. wirb ber 
9?eib mit „rattfjen eifernen ääfjnen", bie ©efräjjigfeit aU fid) auf 
bie Sippen beißenb, mit wirrem ftruppigem £aar ja gefdjttbert, 
festeres waf)rfd)eintid) um fie als gtetdjgütttg gegen altes, was 
ttidjt (Sffen ift, ju bcjeidjuen. SBie übet fict) PotlenbS bie bitbenbe 
Jhtnft bei foldjett s D?i|Derftänbniffen kfanb, fönnen wir f)ier nid)t 
erörtern. <Sie burfte fia] wie bie ^oefie gtücflid) fdjäfcen, wenn 
bie Allegorie burtt) eine mptfyotogifdje ©eftalt, b. I). burd) eine 
Pom Altertum t)er Por ber Abfurbitctt gefidjerte Äunftform au«* 
gebrüdt werben tonnte, wenn ftatt beS Äriege« fSJlaxi, ftatt ber 
Oagbtuft £)iana 4 ) :c. ju gebraudjen war. 

3?un gab es in Äunft unb SDtdjtung and) beffer gelungene 
Allegorien, unb üon benjemgen Figuren biefer Art, weldje* bei bii fccn mm - 
itattenifdjen fteftjügen auftraten, rotrb man wemgftenS annehmen 
bürfen, baf? ba§ publicum fie beutlid) unb fpredjenb ctjaracteriftrt 
öertangte, weit es burd) feine fonfttge 23ilbung angeleitet war, 
bergtetd)en ju Perftel)en. Auswärts, jumal am burgunbifajen 
£>ofe, ließ man fid) bamats nod) fetjr unbeittfame Figuren, ana) 
bloße ©pmbote gefallen, weit es nod) eine @ad> ber SBontefjmljeit 
war, eingeweiht gu fein ober ju fa^etnen. Set beut berühmten 



0 ©afijn barf man e3 j. 33. rennen, wenn er Silber auf 9ftetapl)ern 
Baut, roenn an ber Pforte be§ Fegefeuers bie mittlere, geborftene ©tufe 
bie ßerfnirfdiung be§ ^erjenä bebeuten foll (Purgat. IX, 97), roäljrenb 
bod) bie (Steinplatte burd) ba§ Serften ityren äßertl) al§ ©tufe üerliert; 
ober wenn (Purgat. XVIII, 94) bie auf ®rben Süffigen ifjre 23uf5e im 
Senfeitä burd) kennen bezeigen muffen, roät)renb bodj ba§ kennen audj 
ein geidjen ber gluckt jc. fein tonnte. 

2) Inferno IX, 61. Purgat. VIII, 19. 

3 ) Poesie satiriche, ed Milan, p. 70 , s. — 23om ©nbe be3 XV. 

*) Se^tereä j. 33. in ber venatio beö Sarb. 2lbrtano ba ©orneto. @§ 
foß barin 2l3camo ©for^a burd) baS ^agboergnügen über ben ©turj feineä 
§aufe3 getröftet werben. — 93gl. ©. 204. 



21* 



324 



Sie ©efeftigfeit unb bie gefte. 



s. wfdmitt . ggfanengetübbe oon 1453 ') tft bie fd)öne junge Leiterin, welche 
als greubenfönigin bafjerjieljt, bie einige erfreuliche Allegorie; 
bie cotoffaten Stifdjauffäfce mit Automaten unb lebenbigen $er= 
fönen finb entweber bloße Spielereien ober mit einer platten ntora* 
Üfct)ett 3raang«au§(egung behaftet Sn einer naetteu weiblichen 
«Statue am Muffet bie ein lebenbiger ßöroe hütete, follce man 
(Sonftantinopel unb feinen künftigen Detter, ben §er$og üon 
SBurgunb ahnen. £)er töeft, mit Ausnahme einer Pantomime 
(3afon in ®old)iS) erfcfjetnt entweber fet)r tieffinnig ober ganj 
ftnnloS; ber «efdjreiber bcö gefte«, Oltoier felbft, !am als „Sirene" 
coftumirt in bem 2:i)urme auf bem 9tücfen eines (51ept)anten, ben 
ein föiefe führte, unb fang eine lange SHage über ben «Sieg ber 
Ungläubigen 2 ). 

sHein-äfentanten Söenn aber aucf) bie Allegorien ber italienifdjen Dichtungen, 
ieäsmgemdnen. ^ utt |-t roer f e unb gefte an ©efdjmacf unb 3 u f amment ) an 9 im 

(Sanken h°f) er f tel ) ett ' f° bitben f ie boc ^ ni£ ^ bie f tarfe ® eite * 
©er entfajeibenbe a$ortt)ett 3 ) lag tiielmehr barin, baß man t)ier 
außer ben <ßerfontficationen beS allgemeinen auch Ijiftorifdje 9?eprä* 
fentanten beffelben Allgemeinen in Üßenge lannte, baß man an 
bie bid&terifd&e Aufsagung wie an bie fünftferifche SDarfteÜung 
zahlreicher berühmter 3nbinibuen gewöhnt ^ar. ® ie Göttliche 
(Eomöbte, bie £rionft beS Petrarca, bie Amorofa 33ifione beS 
Boccaccio — lauter SBerfe, welche herauf gegrünbet finb — 
außerbem bie gange große Ausweitung ber SSilbung burch baS 
Alterthum hatten bie Nation mit btefem t)tftortfct)en Clement üer* 
traut gemacht. Unb nun erfd)ienen biefe ©eftalten auch bei geft* 
jügen entweber toölltg inbtmbuattfirt, als beftimmte Magien, ober 
wenigftenS als Gruppen, als djaracterifttfdjeS ©eleite einer alle* 
gorifdjen Hauptfigur ober £auptfad)e. Sflan lernte babei über* 
haupt gruppenweife componiren, ju einer £üt, ba bie praa)t= 
tioüften Aufführungen im Horben jn)tfd)en unergrünbliche Stirn* 
bolif unb buntes finnlofeS Spiel geseilt waren. 

1) (gigentlidh 1454. SBgl. Olivier de la Marche, memoires, chap. 29. 

2) gür embere frctnjöfifc^e gefte f. g. 33.: Juvenal des Ursins ad a. 
1389 (@injug ber Königin Sfabeau); — Jean de Troyes ad a. 1461 
(©injug üubroigä XL). 2tucf) ^ier fet)lt & nid&t ganj an ©djroebe* 
tnafdnnen, an lebenbigen ©tatuen u. bgl., aber 2tHe3 ift bunter, jufammen* 
tianglofer unb bie SIKegorien tneift unergrüublicb,. 

3) 2). f>. ein SBortfjeil für fetyr grofje 2>id)ter unb Äftnfller, bie etn>a§ 
bamit ansufangen raupten. 



Sie ©efeHigfeit unb bie gefte. 325 

2Bir beginnen mit ber m'eü'etcfjt ätteften (Gattung, ben Oftt)* s. *»f<»nttt. 
fterien 1 ). @ie gleiten im ©anjen benjenigen be§ übrigen Europa; £ie anwenen, 
aud) hier werben auf 5ffentttcr)en ^läfcen, in Sürßen, in Softer* 
freuggängen große ©erüfte errietet, rocfdje oben ein PerfdjfteßbareS 
sßarabteS, ganj unten bisweilen eine Qblk entgolten unb bajwi* 
fdjen bie eigentliche (Seena, welche fämmtttd)e irbifd)e SocaUtäten 
beS Drama'S neben einanber barftettt; aud) I)ter beginnt baö biblifdje 
ober tegenbarifdje £)rama nidjt feiten mit einem tbeotogtfdjeu $or* 
btatog Don SCpoftetn, ^irchenPatern, Propheten, ©ibtyüen unb £ugen= 
ben unb [erließt je nad) Umfiänben mit einem £anj. £)aß bie t)a(b* 
fomifdjen Sntermejji tion üftebeuperfonen in Statten ebenfaüö nicfjt 
f e£)len, fdjeint fid) t»on fetbft ju berfteljen, boef) tritt bie§ (dement nicht 
fo berb tjeröor wie im Horben 2 ). gür ba$ Stuf* unb lieber* 
fdjweben auf fünftttdjen aftafchtnen, einen §ouptreij aller @d)au* 
luft, mar in Statten wahrfdjetnttcfj bie Uebung biet größer aU 
anberSwo, unb bei ben giorentinern gab e£ fdjon im XIV. Saljr* 
hunbert fpöttifd)e SKeben, wenn bie @ad)e nicht ganj gefdjidt 
ging 3 ). $ßalb barauf erfanb 25runet(e3co für ba« ^nnun^iatenfeft 
auf ^tajsa @. gettee jenen unbefcbretbttd) funftretdjen Apparat 
einer bon jwei ©ngelfreifen umfebwebten |)immet£fuget, bon wetdjer 
©abriet in einer manbetförmtgen SDtafdjtne nieberflog, unb (Secca 
gab Sbeen unb ÜKedjanif für ähnliche gefte an 4 ). £)ie geiftttdjen 
23rüberftf)aften, ober bie Quartiere, we(dje bie SSeforgung unb 
^um Streit bie Aufführung fetbft übernahmen, bertangten je nad) 
Maßgabe itjreS ^etdjtbumS wentgfteng in ben größern @tdbtcn««» ^«»u«. 
ben Stufwanb aller erreichbaren Littel ber tunft. (Sbenbaffetbe fta " un9 ' 
barf man borausfefcen, wenn bei großen fürftlidjett geften neben 
bem wettlidjen ©rama ober ber Pantomime aud) nod) 3>2t)fterien 



!) SBgl. Bartol. Gamba, Notizie intorno alle opere di Feo Belcari, 
Milano 1808, unb £>ef. bie (Einleitung ber <Sdjrift: le rappresentazioui 
di Feo Belcari ed altre di lui poesie, Firenze 1833. — 2tf3 parallele 
bie ©inleitung be§ bibliophile %acoo $u feiner Stuigabe be§ ^atfjeltn. 

2 ) greilitf) fd^to^ ein 9Jh)ftertum vom betl)le§etmt. Kinbermorb in 
einer ÄirdEje von ©iena bomit, bafc bie unglücfücfien Mütter einanber bei 
ben paaren nehmen tnufjten. Bella Valle, lettere sanesi, III, p. 53. — 
©§ mar ein ^auptftreben be§ eben genannten geo SSelcari (ft. 1484), 
bie üJhjfterien con folgen 2tu3roüdjfen gu reinigen. 

3 ) Franco Sacchetti, Nov. 72. 

<) Yasari III, 232, s. Vita di Brunellesco. V, 36, s. Vita del 
Cecca. 2?gl. V, 52. Vita di Bon Bartolommeo. 



326 



Sie ©efettigtot unb bie $efte. 



5 . wbmmtt. aufgeführt werben, ©er $of beS ^ietrc 9ttario (@. 85), ber 
Pon fterrara tc. liefert cS babei geroiß nidjt an ber erftnnltd)ften 
$rad)t festen '). Vergegenwärtigt matt fiel) baS fcenifdje latent 
uttb bie reidjen £rad)ten ber ©djaufpieler, bie £)arftellung ber 
Derttidjfetten burd) ibeale £)ecorationen beS bamaligen SSauftplS, 
burd) Saubtocrt uttb £eppid)e, enbtidE) als ^itttergruttb bie $rad)t= 
bauten ber ^ßiajja einer großen @tabt ober bie Itdjten ©äulen* 
fallen eines «ßalaftljofe«, eines großen ®lofrerljofeS, fo ergiebt firf) 
ein überaus reiche« $itb. 2Bie aber baS weltlidje £>rama eben 
burd) eine folcbe SlitSftattung ju @d)aben tarn, fo ift aud) rooljt 
bie l)öf)ere poetifdje (Sntwicflung beS SÄnftertumS fetber burd) biefes 
unmäßige 33orbrängen ber ©djautuft gehemmt worben. Sn ben 
erhaltenen Stedten finbet man ein meift fet>r bürftigeS braraatifdjeS 
(betriebe mit einzelnen frönen (t)rtfd)*rI;etortfdt)en ©teilen, aber 
nid)ts bon jenem großartigen fpmbolifdjen ©djioung, ber bie 
„lutoS fagramentaleS" eines Salberon auszeichnet. 

bisweilen mag in fleinern ©täbten, bei ärmerer Slusftattung, 
bie Söirfung biefer geiftlid)ett £)ramen auf bas ©emütf) eine 
ftärfere gewefen fein. (SS fommt bor 2 ), baß einer jener großen £3uß= 
prebtger, oon toeldjen im legten Stbfdjnttt bie SHebe fein wirb, 
Roberto ba Secce, ben ®reis feiner $aftenprebigten nmljrenb ber 
$eft$eit 1448 in Perugia mit einer Stjarfrettagöauffül)rung ber 
^ßaffion befd)lteßt; nur wenige ^erfonen traten auf, aber baS 
ganje SSol! tüeinte laut, greilid) famen bei foldjen Slnläffen 
SKührnngSmittel jur Slnwenbung, welche bem (Gebiet beS ^erbften 
Naturalismus entnommen waren. (§S bilbet eine parallele ju 
ben ©emälben eines DJcatteo ba @iena, ju ben STtjongruppen eines 
®uibo 2tta$$oni, wenn ber ben (SljriftuS twrftellenbe Slutor mit 
©triemen bebeeft unb fdjeinbar £31ut fd)Wi£enb, ja aus ber (Seiten* 
wunbe blutenb auftreten mußte 3 ). 



J ) Arch. stor. Append. II, p. 310. Sa§ SJinfterium von SJlariü 
SBertunbtgung in ^errara bei ber £>od£)jeit be§ SCIfonfo, mit funftreidjen 
©cfjroebemafcrjinen unb $euerroert\ Sie 2luffüßrung ber ©ufanna, beS 
Käufers 3 : oI)anne§ unb einer Segenbe beim (Sctrb. Siiario f. bei Corio, 
fol. 417. Sa3 ÜDhjfterium »on ßonftantin b. ©r., im pixpftt. Sßalaft, 
©arneool 1484, f. bei Jac. Volaterran., Murat. XXIII, Col, 194. 

2 ) Graziani, Cronaca di Perugia, Arch. stor. XVI, I, p. 598. 33ei 
ber Krcugigurtg mürbe eine bereit gehaltene $igur untergefefjoben. 

3) gür Ie|tereS g. 33. Pii II. comment, L. YIIL, p. 383. -386. — 
2ludj bie ^Soefie be3 XV. ^atjrt). fiimmt bisweilen benfelben robben %on 



®ie ®efelftgfeit unb bie $efte. 



327 



£>ie 6efonberen SMdffe jur Shtffttfynmg Pon SD^ftetiett, nf<a?^ gibfftnftt. 
fet)en Pon geraiffen großen ®trd)enfeftm, fürftüdjen 23ermdf)Iungen k. amaire ä u 
finb fefjr üerfdiieben. Sil« j. 33. @. «ernarbtno oon @iena burd) 
ben ißapft fyeittg gefprodjen mürbe (1450), gab e$, tüal^rfcfjetttlicf) 
auf bem großen ^(a<? fetner 23aterftabt, eine 2lrt oori bramattfdjer 
S'ladjafymung (rappresentazione) fetner (Sanonifation *) , nebft 
(Speife unb £ranf für 3ebermann. Ober ein geteerter Süttönd) 
feiert feine Promotion jum SDoctor bcr Geologie burd) Stuf* 
fütjrung ber Segenbe beö ©tabtpatronS 2 ). ®önig (üarl VIII. mar 
faunt nad) Italien fyinabgeftiegen, als ifyn bie Jperjogin Sßittme 
Bianca Pon SaooPen ju Sturm mit einer 2lrt Pon fjalbgeiftltdjer 
Pantomime empfing 3 ), wobei $uerft eine ^irtenfcene „ba§ ®efe£ 
ber Statur" bann ein $ug be* ©rjPdter „ba§ ®efe£ ber ®nabe" 
Porjuftetten cenfirt mar; barauf folgten bie ©efdjidjten bes Sancelot 
Pom @ee, unb bie „Pon Sitten". Unb fo wie ber $önig nur in 
(£{)ieri anlangte, martete man ifim mieber mit einer Pantomime 
auf, bie ein SBodjenbette mit üornefymem -öefud) barftettte. 

SBenn aber irgenb ein ®ird)enfeft einen allgemeinen Slnfprud) s-ronteict>nam. 
auf bie J)ö'tf)fte Slnftrengung fyatte, fo mar es ^ronteicfjnam, an 
beffen freier fid) ja in «Spanien jene befonbere (Sattung Pon ^oefte 
iß. 326) anfdjlojj. pr Italien befi^en mir menigftenS bie 
pomphafte @rf)überung be$ (SorpuS ©omini, roeldjeg $iuS II. 
1482 in 23iterbo abhielt 4 ), ©er 3ug fetber, meiner ftd) Pon 
einem cotoffalen ^ßradjtjelt Por @. §rance$co burd) bie £>aupt* 
ftraße nad) bem £)ompla£ bewegte, mar baS raenigfte babei; bie 
(Sarbinäle unb retdjeru Prälaten fyatten ben Söeg ftücfmeife unter 
fid) üertl)eUt unb nid)t nur für forttaufenbe @djattentüd)er, Bauers 



an. ©ine &anjone be§ SInbrea ba Saffo conftatirt bt§ in3 ©injelne bie 
SSerroefung ber Setdje einer Ijartfjerjigen (Miebten. greilid) in einem 
Klofterbrama beä XII. Saljrl). Ijatte man fogar auf ber ©cene gefeljen 
wie Äönig £erobe3 von ben Sßürmern gefreffen nürb. Carmina Burana, 
p. 80, s. 

ij Allegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 767. 

2) Matarazzo, Arch. stor. XVI, II, p. 36. 

3 ) Slu^üge au3 bem Vergier d'honneur bei Koscoe, Leone X, ed. 
Bossi, I, p. 220 unb III, p. 263. 

«) Pii II, Comment. L. VIII, p. 382, s. — @in ä^nlid)eö befonberä 
präd)tigeä groljnleidfmamäfeft roirb ermähnt von Bursellis, Annal. Bonon., 
bei Murat. XXIII, Col. 911, §um % 1492. 



328 



£>ie ©efettiglett unb bie $efte. 



5. wbmmtt. tep:pt(f)e ! )/ Mnje u. bgt. geforgt, fortbertt (auter eigene <Sd)ait* 
büfjnen erricötet, mo mäfjrenb beö 3uge£ furje Ijiftorifdje unb alle* 
gorifdje ©cenen aufgeführt würben. Sttan erftefyt aus bem ^3ertd^t 
tttd^t gan$ ftar, ob SltteS bon 9ttenfdjen ober Einiges bon brapirten 
giguren bargeftettt mürbe 2 ); {ebenfalls war ber Slufroanb fefjr 
groß. £>a fat) man einen leibenben (Sfyriftu« jmifcfyen ftngenben 
ßngelfnaben ; ein 2lbenbmal)l in 33erbinbung mit ©eftatt be$ 
@. £f)omaö bon Sttquino ; ben $ampf beS Grengels Wifyad mit 
ben ©ämonen; iörunnen mit Söein unb £)rd)efter oon Gmgctn; 
ein ©rab beö §errn mit ber ganzen @cene ber Stuferftef»ung ; 
enbftd) auf bem £)omp(a£ baß ®rab ber Ovaria, meines fic£> nadj 
bem §odjamt unb bem @egen eröffnete; oon (Sngeln getragen 
fdjmebte bie äftutter ©otteS fingenb nadj bem 'ißarabieS, mo GüjriftuS 
fie fronte unb bem emigen SSater jufütjrte. 
Äanonabe. $ n oer $ e ^ e j etter @ C enen an ber £)auptftraße fticf)t bie* 
jenige be8 (Sarbinat 23icefanjler§ SKoberigo -SSorgia — beS fpäteren 
2l(ej:anber VI. — befonberS Ijerbor burdj ^omp unb bunfte 2lUe= 
gorie 3 ). 2tu£erbem tritt babei bie bamats beginnenbe Vorliebe 
für feftticfjeu ^anonenbonner 4 ) ju £age, metdje bem §au§ iBorgia 
noü) gan^ befonberö eigen mar. 

^ürjer gefjt ^5iu§ II. tjinmeg über bie in bemfetben -Satyr 
3U 9ftom abgehaltene ^ßroceffion mit bem aus ®rted)en(anb ermor* 
benen @djäbet be$ f). 2lnbrea$. Sludj babei jeidutete fidj SKoberigo 
$orgia burdj befonbere Sßrac^t aus, fonft aber fjatte ba8 f^eft 
etraaS profane«, inbem fid) aufjer ben nie fetjtenben SJhtfüengetn 
audj nod) anbere 3)?a§!en geigten, audj „ftarfe Männer", b. f). 
£>ercu(effe, metdje allerlei £urnfünfte mögen borgebradjt haben. 



J ) Sei folgen Stnlaffen mufjte e§ Reiften: Nulla di muro si potea 
vedere. 

2 ) Saffelbe güt von mandfjen äfjnlicfjen ©djilberungen. 

3) günf Könige mit Seroaffneten, ein SBalbmenfcf), ber mit einem (ge* 
jäfjmten?) Sbroen fampfte, leitetet oielleidjt mit SBejug auf ben tarnen 
be§ $apfte§, ©t)loiu§. 

4 ) SBeifpiele unter ©ir,tu§ IV, Jac. Volaterran., bei Mural XXIII, 
Col. 134. 139. 2Iud) beim Amtsantritt 2lleranber§ VI. ttmrbe furchtbar 
Janonirt. — ©a§ ^euevrvexf, eine fepnere ©rfinbung beä ttalientfdjen 
^eftroefenä, gehört fammt ber feftlidfjen 3)ecoration eb>r in bie Shmftge= 
fdfjidjte als r)iet)er. — ©benfo bie praä)tige Seleudjtung (ogl. <S. 252), 
rceldje bei mannen heften gerühmt nürb, unb felbft bie Xifäjauffä^e unb 
Sagbtropljäen. 



3)ie ©efcütgJeit unb bie tiefte. 



329 



T)ie rem ober überwiegenb wettftcheu Aufführungen waren s. <wfämitt. 
befonber$ an ben großem §ürftenhö'fen ganj wefentftd) auf bie »ewt^e stuf. 
gefcf)ma<f ooße Pracht be$ Anblick beregnet, beffen einjetne (Hemente < ül > vut1 ö™- 
in einem tntitfyotogifdjen unb aßegorifaien gufammenhang ftanben, 
fomeit ein foldjer fid) gerne unb angenehm erratfjen tief?. £)a8 
SBarocte fehlte tttdjt; ricftgc 3Tt)ierfiguren r au« wetzen plö£tich 
©paaren öon 3ttaSfen herauSfamen, wie 3. $8. bei einem fürft= 
liefen Empfang (1465) ju @iena *) aus einer gotbenen SBötfin 
ein ganzes haltet öon jtoölf Perfonen fjertoorftteg ; belebte Stafet^ 
auffäfce, wenn aua) nicht in ber finnlofen ©imenfion wie beim 
£er$og öon 33urgunb (@, 324); ba§ Reifte aber hatte einen 
fünftlerifdjen unb poetifchen £ug. (Die SSermifdjung beS £)rama'S 
mit ber Pantomime am §ofe Don gerrara würbe bereits bei 
Antajj ber Sßoefic (@. 251) gefcfjttbert. 2BeItberü£)mt waren bann 
bie geftltdjf'eiten, welche (Sarbhtat Pietro 9?iario 1473 in ^om »et cmmmi 
gab, bei ber ©urdjreife ber jur ©raut be$ Prinzen (Srcole öon aimm ' 
gerrara beftimmten Sianora öon Aragon 2 ). £)ie eigentlichen 
£)ramen finb !)icr noch lauter SDtyfterien firdjtidjen 3nt)aft8, bie 
Pantomimen bagegen möthotogifd); man faf) Orpheus mit ben 
gieren, PerfeuS unb Anbromeba, SereS öon ©racfyen, Sacdju« 
unb Abriabne öon Panthern gebogen, bann bie (Srjteljung be$ 
Ad)iß; herauf ein Saßet ber berühmten Liebespaare ber Urzeit 
unb einer (Schaar öon 9?ömphen; biefeS würbe unterbrochen burd) 
einen lieb erfaß räuberijdjer Kentauren, welche bann §ercule§ be* 
ftegte unb öon bannen jagte. (Sine fö'teinigfeit, aber für ben ba* 
matigen gormenfinn bezeichnend ift fotgenbe: 2öenn bei aßen 
heften tebenbe Figuren als ©tatuen in ^ifdjen, auf unb an 
^fettem unb Triumphbogen öorfamen unb fid) bann bod) mit 
®efang unb üDedamation als lebenb erwiefen, fo waren fie ba$u 
burch natürtidje $arbe unb ©ewanbung berechtigt; in ben @ä(en 
beS Sftiario aber fanb fid) unter anbern ein lebenbeS unb bodf) 
öößig öergotbeteS ®inb, welches aus einem Brunnen ^Baffer um 
fid) fpri^te 3 ). 



1) Allegretto, Bei Murat. XXIII, Col. 772. — Sgl. au^erbem Col. 
772, ben (Smpfang SßtuS II, 1459. 

2 ) Corio, fol. 417, s. — Infessura, Bei Eccard, scriptt. II, Col. 
1896. — Strozii poetae, p. 193, in ben 2leotofttcfjen. %l. <3. 37, 41. 

3 ) Vasari XI, p. 37, Vita di runtormo erjagt, wie ein folcfjeä, $xnb 
1513 Bei einem florentimfdjett $eft an ben folgen ber 2lnftrengung — 



330 



£>ie ©efeltigleit unb bie gefte. 



5. aibftbnitt. 2lnbere gtättjenbe Pantomimen biefcr 2Irt gab e§ in Bologna 
Sn sBoiogna. bei bcr ^odjjeit be§ 2lnnibale 33entiuogtio mit ßucrejta üon (gfte *); 
ftatt be$ Ordjefterg würben Sfyöre gefangen, wäljrenb bie @d)önfte 
au§ £>ianen8 9?mnpf)enfd)aar jur 3uno ^ronuba binüberflot), 
wäfyrenb $cnu£ mit einem Söwen, b. t). Ijter nur einem täufdjenb 
^ertappten SKenfdjen ficb unter einem haltet witber Männer be= 
wegte; babei fteGCte bie Decoration ganj naturma^r einen §ain 
nor. 3n $enebig feierte man 1491 bie 2Inwefenl)eit cftenfifd^er 
gürftinnen 2 ) burd) (Sintjotung mit ben 33ucintoro, SBettrubern 
unb eine prächtige Pantomime „ÜDMeager" im £of beß £)ogen* 
riegelte pafafteg. 3n3ttattanb leitete Stonarbo ba SSinci 3 ) bie gefte beö 
§erjog§ unb auch, biejenigen anberer (Großen; eine feiner 3fta* 
feinen, ruetcfje raofjl mit berjenigeu be8 SBrunelleöco (@. 325) 
wetteifern modjte, ftetlte in coloffaler (Sröfte bag pmmelsfnftem 
in üolter Bewegung bar; jebeömal wenn fidj ein planet ber 23raut 
beö Jüngern ^>ergogd, 3fabclla, näherte, trat ber betreffenbe ®ott 
au$ ber ®uget tjerbor 4 ) unb fang bie Dom §ofbtd)ter 33ctlincioni 
gebidjteten SSerfe (1489). 43ei einem anbern $efte (1493) para* 
birte unter anbern fdjott baS SDtobefl jur SReiterftatue beö $ran= 
cesco ©forja, unb jwar unter einem Triumphbogen auf bem 
@aftellpla|. 2tu$ 23afari ift weiter befannt, mit wetd) finnreidjen 
Automaten Sionarbo in ber gotge bie fran$öfifdjen Könige als 
§errn öon ÜDMlanb bewillkommnen frnlf. Slber aud) in fleinern 
©täbten ftrengte man fid) bisweiten fefjr an. Sit« |)eqog 23orfo 
empfang eines (@. 40) 1453 jur £ulbigung nad) SKeggio f am 5 ), empfing man 
neuen gr.rften. ^ am ^ m[t dmx ^ m fflafäim, auf weiter @. ^roöpero, 

ber ©tabtpatron ju fdjweben fdjien, überfefjattet burd) einen twn 
Ingeln gehaltenen 53albacr)in, unter ilun eine brefyenbe ©djeibe 



ober Dtetfeidfjt ber Sergolbung? — ftarb. SDer arme Inabe f)atte „ba§ 
golbene Zeitalter" üorftelten muffen. 

9 Phil. Beroaldi orationes; nuptiae Bentivoleae. 

2 ) M. Anton. Sabellici Epist. L. III. fol. 17. 

3 ) Amoretti, Memorie etc. su Lionardo da Vinci p. 38, s. 

4 ) 2ßie bie älftrologie biefs 3al)rf)unbert bis! in bie $efie hinein üer= 
folgte, geigen aud) bie (unbeutlid) gefdjtlberten) ^lanetenaufjüge beim @m= 
pfang fürftlidjer Bräute in $errara. Diario Ferrarese, bei Muratori 
XXIV, Col. 248, ad a. 1473. Col. 282, ad a. 1491. — ©benfo in Wlan* 
tua. Arch. stör, append. II, p. 233. 

s) Annal. Estens. bei Murat. XX, Col. 468, s. Sie Sefd&retbung 
ift unbeutlid), unb überbiefj nad) einer incorrecten 2lbfd)rift gebrudt. 



SDie ©efelligfeit unb bie gefte. 



331 



mit adjt OKüfifengeln, bereu jtoci ß$ hierauf üon bem fettigen 5. <m>fcftnttt. 
bie Stabtfchlüffel unb bas ©cepter erbaten, um beibeS bem £)eqog 
ju überreichen. £>ann folgte ein burd) üerbeefte ^ferbe beweg- 
bare« ©erüft, meld)e§ einen teeren £f)ron enthielt, hinten eine 
fte^enbe Ouftitia mit einem ©eniu§ al§ 5Diener, an ben (Seien 
mer greife ©efe^geber, umgeben non fecr)S (Ingeln mit Valuten; 
gu beiben «Seiten geharmfdjte Leiter, ebenfalls mit gähnen; e8 
üerftefjt fief), bafc ber ®eniu§ unb bie ©öttin ben §erjog nierjt 
ohne Slnrebe jie^en liefen. (Sin Reiter Sagen, wie eö ferjeint, 
üon einem (Sinfjorn gebogen, trug eine (SaritaS mit brennenber 
gatfel; ba^wifchen aber hatte man fid) ba§ antir'e Vergnügen eines 
üon oerborgenen 3Jcenfd)en uorwärts getriebenen @d)iffwagenS 
nicht oerfagen mögen, tiefer unb bie beiben Allegorien ^ogen 
nun bem §er$og woran; aber fd)on öor @. ^ßietro rourbe lieber 
fülle gehalten; ein tjeit. $etru§ fchwebte mit jwei Sngeln in 
einer runben ®lorie tion ber gaffabe tjernieber bis jum §erjog, 
fe^te ihm einen ßorbeertranj auf unb fdjwebte wieber empor 1 ). 
Aua) noc^ für eine anbere rein firdjliche Allegorie tjatte ber (Sleruö 
hier geforgt; auf jwei I)of)en (Säulen ftanben „ber ©ö^enbienft" 
unb bie „gibeS"; nad)bem teuere, ein fdjöneS SDMbdjen, ihren 
©rufe bergefagt, ftürjte bie anbere Säule fammt ihrer ^ßuppe ju* 
fammen. Weiterhin begegnete man einem „Säfar" mit fieben 
fdjönen Söeibern, welche er bem SBorfo als bie Stugenben prüfen* 
tirte, welche berfetbe ju erftreben habe. (Snblidj getaugte man 
gum £)om, nach bem ©otteöbienft aber nahm 33orfo wieber bran= 
ßen auf einem hohen golbeneu £h r oue ^ a k' m e * n Der 
fdjon genannten 9Jca§fen ihn noch einmal becomptimentirten. £)en 
@d)tu§ -machten brei üon einem nahen ©ebäube nieberfdjwebeube 
(Sngel, welche ihm unter holbem ©efange ^almjweige al$ Sinn- 
bilber beS ^rieben« überreichten. 

betrachten wir nun biejentgen geftlidjfeiten, wobei ber be= 
wegte 3ug fetber bie ^auptfadje ift. 

£>\)W Zweifel gewährten bie fird)licf)en 'proceffionen feit bem ©i t $p«tefiion. 
frühen Mittelalter einen Anlaß jur 2Jiaöfirung, mochten nun 
(Sngelfinber ba£ Sacrament, bie herumgetragenen heiligen Silber 
unb Reliquien begleiten, ober ^erfonen ber ^ajfion im $uge mit* 
gehen, etroa (Stjriftuö mit bem Svcuj, bie @d)äd)er unb Kriegs* 



i) Man erfahrt, bafj bie ©triefe btefer 9Jlafcf)merie al§ ©uiriemben 
nia§firt roaren. 



332 



Sie. ©f fettigfeit unb bie gefte. 



5. mmmu. fned)te, bie Zeitigen grauen. Ottern mit großen ®ird)enfeften tier* 
binbet fid) fd^on früfye bie 3bee etne§ ftdbttfd^ett StufjugeS, ber 
nadj ber naiöen 2Irt be§ SttittetatterS eine Spenge profaner 33e* 
ftanbtfjeite berträgt. Stterfraurbig ift befonberö ber aus bem §eU 
bent()um fyerübcrgenommene «Sdjiffraagen, carrus navalis, ber, 
raie fdjon an einem SBetfpiet bemerft raurbe, bei heften fefyr öer* 
fdjicbener 2lrt mitgefütjrt werben modjte, beffen 9came aber tior* 
jugöiDeife auf bem „Sarnetiat" haften blieb. (Sin fold^eö @d)tff 
fonnte f retlitf) aU fyeiter auögeftatteteö ^radjtftüd: bie 33efd)auer 
tiergnügen, ofme bafj man fid) irgenb nod) ber frühem 35ebeu s 
tung beraup raar, unb atö j. 33. Sfabetla öon (SngtanD mit itjrem 
Bräutigam $aifer griebrid) IL in $ötn pfammenfam, fuhren tf)r 
eine ganje Strt^a^I bon @d)iffraagen mit muficirenben ©eiftttdjen, 
oon üerbetften ^ferben gebogen, entgegen. 

2lber bie firdjüdje "ißroceffion fonnte md)t nur burd) guttaten 
atter 2Irt berfyerrtidjt , fonbern aud) burd) einen $ug geiftüd)er 
OttaSfen gerabeju erfe^t raerben. 'äinen 5tnta§ ijieju gewährte 
tjietteidjt fd)on ber 3ug, ber ju einem Stttifterium geljenbcn ©djau* 
fpteter burd) bie §auptftrajjen einer @tabt, frülje aber mödjte fid) 
eiue Gattung geiftüd)er genüge aud) unabhängig fyieoon gebttbet 
Ijaben. ©ante fdjtlbert 2 ) ben „trionfo" ber SSeatrice mit ben 
bierunbgraanjig SXetteften ber Offenbarung, ben Pier mtiftifdjen 
STt)ieren , ben bret djriftüdjen unb ben oier (ÜEarbinattugenben, 
©. imcas, @. Paulus unb anbern SIpoftetn in einer fo(d)en SÖeife, 
baß man beinahe genötigt ift, baö mirHidje früfye 23orfommen 
iicber 8 an 8 in fotct)er 3üge öoraugjufeken. Ü)ie§ öerrätf) fidj I)auptfäd)ftdj burdj 
ben sdonfo. ^ 2ß agen , au f ujct^em 33eatrtce fctfjrt unb melier in bem bifio* 
nären SBunberraatb nidjt nötijig wäre, ja auffaüenb Reißen barf. 
Ober bot ©ante etraa ben Sagen nur als raefenttid)e§ ©umbot 
be§ £riumpf)tren§ betrachtet? unb ift fcottenbö erft fein ®ebid)t 
bie Anregung gu fotdjen ,3ügen geworben, bereu $orm oon bem 
Sriumpf) romifdjer Imperatoren entfernt raar? 2öie bem nun 
aud) fei, jebenfatts fyaben 'ißoefie unb Stfjeotogie an bem @inn* 



!) ©igcntlidf) ba§ ^fisfd^iff , ba§ am 5. SJiärj al3 ©nmbot ber roieber 
eröffneten Sfteerfafjrt in3 2ßaffer gelaffen nurb. — ®ie Sinologie im beut= 
fcfjen <5ult f. bei %ac. ©rimm, beutfaje ajjpttjologie. 

2) Purgatorio XXIX, 43 bi§ @nbe, unb XXX, Stnfang. — Ser 
SOagen ift laut SSä. 115 Ijerrlidjer al§ ber Xriumpljiuagen be3 Scipio, be§ 
2tugitftu3, ja al§ ber bes> ©onnengotteä. 



S)ie ©efelftgfeit unb bie $efte. 



333 



bttöe mit Vorliebe feftgcfjalten. Satoonarota in feinem „grtumpft 5. Mbfdmitt. 
be§ treujeS" fteüt *) Sf)riftu8 auf einem Sriumpfyrßagen bor, über 
it)m bie ieud)tenbe tuget ber ©reifatttgfeit, in fetner Öinfen bas 
£rcu$, in feiner föecfjten bie beiben Seftamente; tiefer l)inab bie 
Jungfrau 9flaria; üor bem SBagen Patriarchen, Propheten, 2lpo* 
fiel nnb ^rebiger; beiben Seiten bie SJMrturer unb bie £>oc* 
torcn mit ben aufgefangenen ©fidjent; l)inter it)m. alte« SBolf 
ber 33ef ehrten; in roeiterer Entfernung bie mistigen Raufen 
ber geinbe, taifer, 9Md)tige, $f)tfofopr;en, ®e|er, alle befiegt, 
ifjre ©ö|enbitber jerftört, ü)re $üd)er uerbrannt. (Eine als 
£ot$fcf)ttitt befannte große Sompofition ^ijian'« fommt biefer 
©cfjUberung gtemlict; nat)e.) 33on ©abettico's (@. 49, f.) bret* 
gefjrt (Stegien auf bie Butter ®otte§ enthalten bie neunte unb 
bie §crjnte einen umftänbücfjen Sriumpr^ug berfelben, reid) mit 
Allegorien auSgeftattet, unb rjauptfadjüd) intereffant burd) ben= 
felben antitnfionären, räumüd) luirrlidjen (Etjaracter, ben bie rea* 
tiftifdje Malerei beS XV. 3a()rrmnbei-t3 fotd)en @cenen mitteilt. 

Seit häufiger aber a(§ biefe geiftüc^en £rionfi roaren jeben* ®cv reeund>e 
falte bie weltlichen, nad) bem unmittelbaren 23orbilb eine« römi* 5Enonfo " 
fd)en Omperotoren^ugeg, wie man e§ aus antifen Reliefs 
lannte unb aus ben @d)riftftetlern ergänze, £)ie ®efd)td)tsan* 
fcrjauung ber bamaltgen Italiener, womit btefj jufammeut)ing, ift 
oben (@. 113, 139, f.) gefd)ilbert worben. 

iunadjft gab es l)ie unb ba wirtliche (Sinjüge fiegreidjer 
Eroberer, welche man mögtidjft jenem SSorbitbe $u nähern fucnte, 
aud) gegen ben ®efa]macf be§ Sriumphator« fetbft. ^ranceSco 
©forja fjatte (1450) bie traft, bei feinem ßinjug in Sftailanb 
ben bereit gehaltenen STriumphwagen auS^ufdjlagen, inbem ber* 
gleichen ein Aberglaube ber Könige fei 2 ). Alfonfo ber ©rofee, 
bei feinem @in$ug 3 ) in Neapel (1443) enthielt fid) wenigftenS be« ?"fonfo-a ein. 
ßorbcerf ranjeS, welchen befanntttd) Napoleon bei feiner trönuug m m 9leapcI 
in Stotrebame nid)t oerfc^mä^te. 3m Uebrigen mar Alfonfo'8 



1) 9tente, ©efd). ber roman. unb german. Golfer, @. 119. 

2 ) Corio, fol. 401 : dicendo , tali cose essere superstitioni de' Re. 
— SSgl. Cagnola, Arch. stor, III, p. 127. 

3) ©. o&en <3. 175. — Sgl. <3. 8, Slrnn. — Triumphus Alphonsi, 
al$ Setlage %u ben Dicta et Facta, von «ßanormita. — ©ine ©cfjeu cor 
aHjugrofjem triumphalem ©lanj geigt ftä) fdjon bei ben tapferen SSomne-- 
nen. SSgl. Cinnamus I, 5. VI, 1. 



334 



SDte ©efeEtgfeit unb bie $efte. 



5. mitlitt, ffug (burd) eine ÜKauerbrefdje unb bann burd) bie ©tobt big gum 
£)om) ein wunberfanteS ©emifd) Don anttfen, aüegorifdfjen unb 
rein poffirlidjen 23eftaubtf)eiten. £)er Don Dier meinen ^ferben 
gezogene Sagen, auf tu eifern er tfyronenb fajj, war gewattig fjodj 
unb ganj Dergolbet; jroanjtg ^ßatricter trugen bie «Stangen be$ 
33atbad)in§ Don ©olbftoff, in beffen ©Ratten er einfjerfufn*. £)er 
Streit beS ^uge«, ben bie anwefenben gtorentiner übernommen 
Ratten, beftanb junddjft au« eleganten Jungen Leitern, wetdje 
funftreid) tljre «Speere fdjwangen, au« einem Sagen mit ber gor* 
tuna unb au§ fieben STugenben ^ßferbe. £)ie ©tücfsgöttin *) 
war nad) berfetben unerbittlichen Slßegorif, melier fidj bamats 
aud) bie Üünftler bisweilen fügten, nur am 23orbert)aupt befyaart, 
fjinten faE)t, unb ber auf einem untern 2lbfa£ be§ Sagens befinb* 
tidje ©entug, wetdjer ba« teidjte gerrinnen bc« ®tücfe$ üorftettte, 
mujtte beSfjatlj bie güfje in einem Saffcrbccfen ftefjen (?) Ijaben. 
©ann folgte, Don berfetben Nation auögeftattet, eine Sdjaar Don 
Leitern in ben £rad)ten toerfdjiebener Golfer, aud) al« frembe 
dürften unb ©rofte coftumirr, unb nun auf t)ot)em Sagen, über 
einer breijenben Scltfuget ein forbeergefrönter 3utiu§ (Mfar 2 ), 
raetdjer bem lönig in itatientfdjen Herfen alle btöfyerigen Slttego* 
rien erfldrte unb fid) bann bem 3«gc einorbnete. Seelwig g(o* 
rentincr, aöc in Purpur unb Sdjartad), machten ben 33efd)tuft 
biefer prächtigen (S^tjibttion ber feftfunbigen §eimatf). £)ann 
aber tarn eine «Sdjaar Don (Satatanen ju $ufj, mit Dorn unb 
tjinten angebunbenen «Sdjetnpferbajen unb führten gegen eine 
Xürfenfdjaar ein Sdjetngcfcdjt auf, ganj atä füllte ba« florentt* 
nifdje ^3att)o§ Derfpottet werben, Darauf fufyr ein gewaltiger 
S£t)urm einher, beffen Stfjür Don einem (Sngel mit einem «Sdjwert 
bewacht würbe; oben ftanben wieberum Dier £ugenben, iDeldje ben 
®öntg, jebe befonberS, anfangen. Der übrige ^jJomp be« 3u§t% 
war nid)t befonber« d)aractertftifd). 



' 0 ©3 gehört ben redeten ^Rotoetäten ber 9lenatffance, bafj man ber 
Fortuna eine folc^e ©tette atiroeifen burfte. SBeim ©injug be3 3Jiafftmi= 
liano ©forja in 3ftailanb (1512) ftanb fie al§ Hauptfigur eineö %xi\xmvf)> 
bogen§ über ber Fama, Speranza, Audacia unb Penitenza; lauter 
lebenbige ^ßerfonen. Sgl. Prato, Arch. stor. III, p. 305. 

2 ) ©er oben @. 330 gefdjilberte (Einzug beä 33orfo von ©fte in Sfteggio 
geigt , reellen ©inbruef ber alfonftnifct)e £riumpf) in ganj Italien ge; 
mad£)t tjatte. 



Sie ©efeCCigleit unb bie #efte. 



335 



33eim (§in$ug Subtoig« XII. in SOfotfanb 1507 1 ) gab e8 s. mfmim 
außer bem unuermcibttchen Sagen mit £ugenben aucf) ein leben* 
bee 33tfb: Jupiter, SÄarS unb eine oon einem großen 
umgebene 3taüa; fyernadj !am ein mit Kröppen betabener 
Sagen u. f. tu. 

So aber in 2ßtrfKcf)feit feine ©iegeSjüge %\x feiern waren, ©er ©tea«««»« 
ba f)iett bie $oefie ficf» unb bie dürften fcf)ab(os. Petrarca unb m ßel * ccrte ' 
Boccaccio Ratten (@. 323) bie SRepräfentanten jeber Slrt toon 
töufjm ats Begleiter unb Umgebung einer aöegortfcfjen ©eftalt 
aufgellt; jefct werben bie Setebritäten ber ganjen S5or§ett jum 
(Befolge oon dürften. £)ie ©tdjterin (Steofe ©abrtcßi uon ©itbbio 
befang 2 ) in biefem @inne ben 23orfo oon gerrara. ©ie gab it)m 
gum ®eleit fieben Königinnen (bie freien fünfte nämlich), mit 
welchen er einen Sagen befteigt, ferner ganje ©cbaaren öon 
Reiben, welche 511 letzterer Unterfdjeibung ttjrc tarnen au ber 
©tritt gefdjrteben tragen; fjernatf) folgen alle berühmten £)icf)ter; 
bie ©ötter aber tarnen auf Sagen mitgefahren. Um biefe 3ett 
ift überhaupt be« mt)tf)oIogiftf)en unb allegortftf)en £erumfutfchirenS 
fein (Snbe, unb auch baö wtcfjttgfte erlittene Äunftmerf aus 
33orfo'$ Reiten, ber greSfencticlu« im Sßataft ©chifanoja, weift 
einen ganzen grieS biefe« SnhaltS auf 3 ). föafael, als er bie (5a* 
mera bella ©egnatura auszumalen hatte, befam überhaupt biefen 
ganjen ©ebanfenfreis fdjon in redjt ausgelebter, entweihter ®e* 
ftalt in feine $änbe. Sie er itjm eine neue unb lefcte Seihe 
gab, wirb benn auch ein ©egenftanb eroiger 33ewunberung bleiben. 

£)ie eigentlichen triumphalen (Sinjüge öon Eroberern waren 
nur Ausnahmen. Seber feftltdje 3ug obtx, mochte er irgenb ein 
Gsretgnijj tierfjerrücfjen ober nur um feiner f elber Witten öort)anben 
fein, natjm mehr ober weniger ben (praeter unb faft immer 
ben tarnen eine« £rtonfo an. (Ss ift ein Sunber, baß man 
nicht aud) bie Setdjenbegängmjfe in biefen Kreis Ijmemjog 4 ). 



1) Prato, Arch. stor. III, p. 260. 

2) 3I)re brei Capitoli in Serjinen, Anecdota litt. IV, p. 461, s. 

3) 2tudj ftctfeloilber äljnltd&en Snljaltä tommen nidE»t feiten oor, genuf? 
oft ttl§ (Erinnerung an n>irfltd)e 2Ra3feraben. 2>ie ©rofjen gewöhnten fid) 
Balb bei jeber $eierlid)teit an'3 galjren. Innioale SentioogUo, ber ältefte 
©otm be3 ©tabtfierrn oon Bologna, fafyrt alä Kampfrichter oon einem 
orbinaren Sßaffenfpiel nad) bem ^paiaft cum triumpho more romano. 
Bursellis, 1. c. Col. 909, ad a. 1490. 

4 ) 33ei ber merfioürbigen 2eid)enfeter beä 1437 oergifteten 3Mcttefia 



336 



Sie ©efelligtett unb bie ftefte. 



s. 9i»fd>nitt. (Srfte führte man am (Samenal unb bei anbertt Sin* 

srium^e täffen STriumpbe beftimmter altrömifd)er gelbfyerrn auf. ©o in 

ben beö SanufluS (beim 33efud) 8eo 1 3 X.), beibc unter ber Leitung 
be$ 3Mer8 granceSco ©rannacci 1 ). 3n9fom mar baS crftc öollftdn* 
big auSgeftattete geft btefer 2lrt ber £riumpl) be« Sluguftuö nad) bcm 
Siege über Cleopatra 2 ), unter ^aut II., wobei außer Reitern unb 
mtjtrjologifdjen 2fta§fen (bie ja audj ben antifen £riumpl)en 
nid)t fetjtten) aud) alle anbern Sfequiftte Dorf amen: gefeffelte Äö* 
nige, feibene Sdjrifttafeln mit S3oUö* unb Senat£befd)tüffen, ein 
antif coftumirter Sd)etnfenat nebft Slebilen, öuäftoren, ^jßrätoren 
jc v oicr 2Bagen Poll fingenber 3Jiaöfen, unb ofyne 3 lü eif^ aud) 
Stropfjaenroagen. Slnbere Slufeüge öerftnnlidjten meljr im Slllg^ 
meinen bie alte Seltfyerrfcfyaft 9iomS, unb gegenüber ber nnrflidj 
toorljanbenen Stürfengefaljr prallte man etwa mit einer (Saüalcabe 
gefangener dürfen auf Äamcelcn. «Später, im Sarneüal 1500, 
ließ (Sefarc SBorgia, mit feefer 33ejiel)ung auf feine Sßerfon, ben 
STriumpl) Julius Safari, eilf präd)tige Sagen ftarf, aufführen 3 ), 
gewiß jum Slergerntß ber 3ubitäum$pilger (JB. 94). — Sefyr 
siicnfi tm fd)öne unb gefdunadnolle Strionft von atigemeiner 33ebeutung 
weiteren <s«nn. roaren bte üon Jroci luet t e if ernten ®efellfd)aften in ftlorenj 1513 
jur freier ber Sat)t £eo'S X. aufgeführten 4 ): ber eine frellte bie 
brei SebenSatter ber aftenfdjen bar, ber anbere bie Settatter, 
finnpoö eingefletbet in fünf ^Silber aus ber ©efd)id)te diom% unb 
in jroei Slllegorien, roeldje ba8 golbene 3ettatter Saturnö unb 
beffen enbtidje Sieberbringung f Gilberten, ©te plmntafiereidje 
33er^ierung ber Sagen, wenn große florcntinifdje tünftler fid) 
ba^u ^ergaben, machte einen foldjen (Sinbruc!, baß man eine biet* 
benbe, periobifdje Sieberfyolung fold)er Sdjaufpiele münfdjbar 
fanb. 23i$l)er Ratten bie Untertbanenftäbte am atljäfyrltdjen $Q\xb 



SBagltone ju Perugia (Graziani, Arch. stor. XVI, I, p. 413) rotrb man 
beinahe an ben Setdjenpomp be3 alten @trurien§ erinnert. Snbejj gehören 
bie SErauerritter u. bgl. ber allgemeinen abenblänbifdjen 2tbel§fitte an. 
SSßC- 3. 33.: Sie ©jequien be§ S3ertranb SugueScttn bei Juvenal des 
Ursins, ad a. 1389. — ©. aud) Graziani, 1. c. p. 360. 

1 ) Vasari, IX, p. 218, Vita di Granacci 

2) Mich. Gannesius, Vita Pauli II, bei Murat. III. II, Col. 118, s. 

3) Tommasi, Vita di Cesare Borgia, p. 251. 

4 ) Vasari, XI, p. 34, s. Vita di Puntormo. ©ine §auptftette in 
ifjrer 2lrt. 



©ie ©efettigteit unb bie fjefte. 



337 



bigungstag t{jre fnmbottfdjcn ©efd)ente (f oftbare (Stoffe unb 5 . Mbfcfrn ttt. 
^Sad^Stei^en) einfad) überreicht ; je^t 1 ) lief? bie Kaufmanns* 
gilbe einftweiten jei)u Sagen bauen (»Oju in ber gotge nod) 
mehrere fomtnen fofltcn), nidjt fowofyt nm bie Tribute ju tragen 
at§ um fie ju fpmboüfiren, unbSInbrea bet <Sarto, ber einige baoon 
auSfd)müctte, gab benfelben olme ^weifet bie Ijerrlidjfte ©eftalt. 
©oferje STribut* unb £ropl)äenwagen geborten bereite 31t jeber feft* 
liefen ©etegenfyeit, aud) wenn man nia)t piet aufjuwenben hatte. 
£)ie ©ienefen proctamirten 1477 bas 33ünbni£ ^roifdjen $errante 
unb ©irtus IV., woju aud) fie gehörten, burdj bas herumführen 
eines Sagend in welchem „giner ats griebenSgöttin gefleibet auf 
einem $arnifdj unb anbern SBaffen ftanb 2 )". 

33ei ben \)ene$ianifd)en geften entwickelte ftatt ber Sagen bie gcjtjüge 
3öafferfat)rt eine wunberfame, pl)antafttfd)e $errltdjfett. (Sine guaR«. 
Ausfahrt bes -53ucintoro jum (Smpfang ber gürftinnen Pon ger* 
rara 1491 (@. 330) wirb uns ats ein ganj märchenhaftes @d)au* 
fpiet gefdjtfbert 3 ) ; tbm jogen Porau aapofe ©djiffe mit £epptd)cn 
unb ©uirtanben, befeßt mit präd)tig coftumirter Ougenb; auf 
©djraebemafdjinett belegten fidj ringsum ©enien mit Attributen 
ber ©ötter; weiter unten waren 5lnbere in ©eftatt Pon £ritonen 
unb Sftpmpfjen gruppirt; überaß ©efang, SBoIjlgerfidje unb bas 
^tattern gotbgeftiefter gähnen. Stuf ben 33ucintoro folgte bann 
ein fotdjer ©djraarm t>on Warfen alter 2Irt, ba£ man wohl eine 
üftigtte weit bas Saffer nicht mehr faf). $on ben übrigen geft- 
Itdjfeiten ift auger ber fdjon oben genannten Pantomime befonberS 
eine Regatta oon fündig ftarfen Mbd)en erwähnenswert*) als 
etwas 9?eueS. 3m XVI. OaI)rl)unbert 4 ) war ber 2lbet in befon* 
bere ßorporationen jur SIbhattung Pon ^eftftdjfeiten gereift, beren 
^auptftüd irgenb eine ungeheure 9Jiafd)ine auf einem ©djiff aus- 
machte. @o bewegte fid) 3. 23. 1541 bei einem $eft ber@empi* 
ternt burdj ben großen Sana! ein runbeS „SBeltaß", in beffen 
offenem Innern ein prächtiger 33all gehalten würbe, lud) ber 



1) Vasari VIII. p. 264, Vita di A. del Sarto. 

2) Allegretto, bei Murat. XXIII. Col. 783. Saft ein 3iab gerbrad), 
galt at§ böfeä 33orgeid)en. 

3) M. Anton. Sabellici Epist. L. III, fol. 17. 

4 ) Sansovino, Venezia, fol. 151,. s. — Sie ©efeUfdjaften fyetfjen: 
Pavoni, Accesi, Eterni, Reali, Sempiterni; eg finb rooljl btefelben, roeldje 
bann in 2lcab ernten übergingen. 

SBurtfbavM, Sultur ber sHciiniffance. 22 f . 



338 



Sie ©efelligfeit unb bie §efte. 



5. 9<bfchwitt. (Sarneual war t>ter berühmt burd) 23äüe, Slufjüge unb Sluffüf)* 
rungen aller Slrr. -^Bisweilen fanb man fetbft ben !öttarcu§plal2 
groß genug, um nicht nur Sturme« (@. 289, 308), fonbern aud) 
Strtonft nad) fefttänbtfdE>er 2lrt barauf abzuhalten. 33ei einem 

spoiitiföeg m. f^rtebenöfeft übernahmen bie frommen Jörüberfdjaftert (scuole) 
jtebe it»r @tücf eines fotdEjen 3uge§. £)a faf) man jttnfdjen gol* 
benen (Sanbelabern mit rotten Sadj§fer$en, gwifdjen @tf)aaren 
üon 3Jiufifern unb Don glügelfnaben mit golbenen «Schalen unb 
gttttrjörnera einen Sagen, auf weldjem 9^oaB) unb £)aüib beifam* 
men thronten; bann fam 2lbigail, ein mit ©erjagen betabene3 
®ameel füfyrenb, unb ein ^weiter Sagen mit einer ©ruppe poti* 
tifdjen 3nf)aft$: Stalia gtotferjen 33enejia unb l'tguria, unb auf 
einer erhöhten (Stufe brei weibliche (Genien mit ben Sappen ber 
berbünbeten dürften. (Ss folgte unter anbern eine Seitfuget mit 
©ternbilbern ringsum, wie e§ fcheint. Stuf anbern Sagen fuhren 
jene dürften in leibhaftiger £)arflettung mit, fammt Wienern unb 
Sappen, wenn wir bie Stuöfage richtig beuten, 
eamevni in ®« eigentliche (Sarneüal, abgefefjen bon ben großen 2luf* 
Wom - gügen, J)atte bielleidjt im XV. 3ahrhunbert nirgenbß eine fo Piek 
artige ^hpfiognomie als in 9^om 2 ). §uer roaren jimddjft bie 
Settrennen am reid)ften abgeftuft; e$ gab folct)e bon ^ßferben, 
Düffeln, Sfeln, bann bon Sitten, t>on ©urfdjen, bon Ouben u. f. w. 
^aul IL fpeifte aud) tootjt ba« 33olf in ÜWaffe cor ^ßata^o bt 
üBenejia, roo er wormte. ©obattn hatten bie Spiele auf "ißia^a 
Sabona, welche bieHetcfot feit ber antifen Seit nie ganj augge* 
ftorben waren, einen friegerifd) prädjtigen (Sljaracter; es war ein 
©djeingcfedjt bon Leitern unb eine *ßarabe ber bewaffneten 
55ürgerfchaft. gerner war bie äftaSfenfreiheit fef>r groß unb 
betmte fid) bisweilen über mehrere 3J?onate aus 3 ). ©ijttuS IV. 
freute fich nid)t, in ben bolfreidjften ©egenben ber @tabt, auf 



1) 2Ba^rfc£)einttcfj 1495. S8gt. M. Anton. Sabellici Epist. L. V. 
fol. 28. 

2) Infessura, bei Eccard, scriptt. II, Col. 1893. 2000. — Mich. 
Cannesius, Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 1012. — Piatina, 
Vitae pontiff. p. 318. — Jac. Volaterran. bei Muratori XXIII, Col. 163. 
194. — Paul. Jov. Elogia, sub Juliano Caesarino. — 2lnbers>wo gab e3 
auef) SBettrennen Don SBeibem; Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, 
Col. 384. 

3) Unter 2lleranber VI. einmal vom Dttober bi§ gu ben haften. Sgl. 
Tommasi, 1. c. p. 322. 



©te ©efelligJett unb bie f^efte. 



339 



(Sampo giore unb bei ben 33anchi, burdj @d)wärme Don Steten s. Mbfcbmtt. 

f)inburd) 31t paffiren, nur einem beabfid)tigten $efud) Don 3tefen 

im SSatican wirf) er aus. Unter OnnoceUj VIII. erreiche eine 

fdjon früher borfommenbe Unfittc ber ßarbinäte ibre 33oüenbung ; 

im (Sarnbal 1491 fanbten fie einanber Sagen boll prächtig 

cojlumirter Wlatfm, «uffonen unb ©dngern $u, meiere feanbatöfe 

23erfe f)erfagten; fie waren freilidj öon Oettern begleitet. — Slußer 

bem Sarnaöat fdjeinen bie Börner juerft ben Sertt) eines großen mai^t. 

gactel^ugeS erfannt ju {)aben. 211« $iuö IL 1459 Pom (Songrefe 

oon äftantua jurüetfam *), wartete tbm baS gange SSotf mit einem 

gacfelritt auf, meldjer fid) Por bem ^ßafaft in einem leud)tenben 

Greife tjerum bewegte. ©irtuS IV. fanb inbeB einmal für gut, 

eine foldje näcbtttcbe Aufwartung beS SSolfe«, bas mit ftaefetn 

unb Oetjwcigen fommen wollte, nicht anzunehmen 2 ). 

£)er florentintfdje (SarneDal aber übertraf ben römifeben burd) Sanicyal in 
eine beftimmte 2lrt Pon Aufzügen, roeldje aud) in ber Literatur 5tm " v 
ihr £)entmal hmtertaffen ijat 3 ). äroifd&en einem ©djtoarme Pon 
2Ka8fen ju ftujj unb $u 0? o fj erfdjeint ein gewaltiger Sagen in 
irgenb einer ^fjantafieform, unb auf biefem entweber eine fyerr* 
fdjenbe altegorifc&e ©eftalt ober ©ruppe fammt ben ifjr jufom* 
menben ©efäfjrten, 5. 33. bie (Siferfudjt mit Dier bebrillten 
©efid)tern an (Sinem topfe, bie Pier Temperamente (@. 242) mit 
ben ihnen julommenben Planeten, bie brei ^arjen, bie Sfogfjcit 
tljronenb über Öffnung Ult ö gurdjt, bie gefeffett Dor tf>r liegen, 
bie Dier (Elemente, Lebensalter, Stnbe, 3af)reS$eiten u. f. id.; 
aud) ber berühmte Sagen beS TobeS mit ben ©argen, bie ftdj 
bann öffneten. Ober es futjr einher eine prächtige mpt^ologifdje 
@cenc, ©acdju« unb Slriabne, $aris unb £elena :c. Ober cnb* 
lief) ein Sfjor üon Leuten, meldje jufammen einen @tanb, eine 
Kategorie ausmalten, 3. S8, bie «eitler, bie Säger mit ^pmp^en, 
bie armen «Seelen, welche im Leben unbarmherzige Seiber gewefen, 
bie Eremiten, bie Lanbftreidjer, bie SIftrologen, bie Teufel, bie 

») Pii II. Comment. L. IV, p. 211. 

2 ) Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1080. ©ie wollten ilnn für 
einen grieben^fcfjlujj banfen, fanben aber bie £l>ore be3 «palofieö uer= 
fcfiloffen unb auf allen $lä£en Gruppen aufgeteilt. 

3 ) Tutti i trionfi, carri, mascherate, o canti, carnascialeschi, Cos- 
mopoli 1750. — Macchiavelli, Opere minori, p. 505. — Vasari, VII, 
p. 115, s., vita di Piero di Cosimo, toeldjem ledern ein §auptantljeil 
an ber Slusbilbung biefer 3üge äugefa)rieben wirb. 

22* * 



340 



2)ie ©efeßigJeit unb bie Grefte. 



s. nbj<hnitt. SSertaufer beftimmter SBaaren, ja jogar einmal il popolo, bie 
Seute als folcfye, bie fidj bann in iljrem ©efang als fdEjted^te ©orte 
überhaupt anfragen müffen. Die ®efänge nämlid), weldje gefammelt 
unb erhalten finb, geben balb in patfjetifdjer, balb in launiger, 
balb in fjöc^ft unjüajtiger SSetfe bie (Srflärmtg beS ,3uge$. 2tud) 
bem i^orenjo magnifico werben einige ber fdjlimmftcn jugefa^rieben, 
raaf)rfd) einlief, weil ftcf» ber waljre Slutor nitfjt ju nennen wagte, 
gewife aber ift t»on tfmt ber fetjr fct)öne ®efang jur «Scene mit 
38acd)U8 unb 3lriabne, beffen Refrain aus bem XV. 3al)rt)unbert 
ju uns t)erübertönt wie eine weljmütljige SOmung ber ruqen 
£errlid)feit ber 9?enai]"fance felbft: 

Quanto e bella giovinezza, 

Che si fugge tuttavia! 

Chi vuol esser lieto, sia: 

Di doman non c'e certezza. 



Sitte unb Kelupou. 

as ©erfydttnif; ber einzelnen Golfer ju ben f)öd)ften fingen, e. gibfänut. 
gu ®ott, £ugenb unb Unfterbfid)feit, laßt fic^ »oljt bis ju einem 
geraiffen ®rabe erforfdjen, niemals aber in ftrenger parallele bar* 
ftellen. 3e beutlidjer bie tefagen auf biefem (Gebiete $u fpredjen 
f dt) einen, befto mefyr muß man fid) üor einer mtbebingten 2In* 
nafyme, einer 23erattgemeinerung berfelben pten. 

SSor 2lttem gilt bieß öon bem Urzeit über bie (Sittlidjfeit. sdi« SRoraHtai 
3ttan wirb biete eintüte (Sontrafte nnb Nuancen jaüfd)en ben m * taS mtm 
23Mfern nadjtoeifen fönncn, bie abfolute (Summe beS ©angen aber 
gu jief)en ift menfd)ltd)e (Sinfidjt ju fdjraad). £)ie große S3cr* 
redjmmg öon 9?ationatd)aracter, @d)ulb unb ©etoiffen bleibt eine 
geheime, fdjon weil bie Langel eine gweite «Seite Ijaben, wo fte 
bann aU nationale ©igenfdjaften, ja als Stugenben erfdjeinen. 
©oldjen Slutoren, meldte ben SSölfern gerne allgemeine (Senfuren 
unb jmar bisweilen im tyeftigften Stone fdjreiben, muß man ibr 
Vergnügen laffen. ^benblänbifdje SSötfer fönnen einanber miß* 
Rubeln, aber glücflidjer Seife nid)t richten. (Sine große Nation, 
bie burdj (Mtur, Saaten unb (Srlebniffe mit bem £eben ber 
ganzen neuern Seit öerflodjten ift, überhört e$, ob man fie an* 
frage ober entfdmtbige; fie lebt weiter mit ober otme (Sutljeißen 
ber £t)eoretifer. 

@o ift benn aud), roa$ fyier folgt, fein Urtfjeif, fonbern eine 
SKeilje öon ^anbbemerfungen , wie fie ftdj bei mehrjährigem 




342 



©itte unb Religion. 



6. Mbfcftttitt. ©tubium ber itatienifdjen 9?enaiffance bon felber ergaben. 3^re 
©eltung in eine um fo befchränftere, als fie fid) meift auf bas 
Seben ber böseren ©tchtbe besiegen, über welche Wir J)ier im 
®uten wie im 33öfen unberbältnißmäßig reid)lid)er unterrichtet 
finb als bei anbern europäifchen Gollern. Seit aber 9?uf)m unb 
©d)mad) f)ter lauter tönen als fottft irgenbwo, fo finb wir befc 
halb ber allgemeinen 33itan$ ber ©ittlid)feit nod) um feinen 
©abritt näher. 

SBeffen 2tuge bringt in bie Siefen, wo fid) Stjaraftere unb 
@a)icffa(e ber SSötfer bilben? wo Angeborenes unb (Srtebteö ju 
einem neuen ©anjen gerinnt unb ju einem jwciten, britten 
Naturell wirb? wo fetbft geiftige Begabungen, bie man auf ben 
erften 33 lief für urfprünglid) Ratten würbe, fid) erft refatib fpät 
unb neu bUben? §atte 3. 23. ber Italiener bor bem XIII. 
3ahrf). fdjon jene leiste Sebenbigfeit unb ©idjerheit bes. ganzen 
2flenfchen, jene mit alten ©egenftänben fpietenbe ©eftaltungsfraft 
in Sort unb gorm, bie i£)m feitbem eigen ift? — Unb wenn 
wir fofdje £>inge nicht wiffen, wie fotten wir baS uuenblid) reiche 
unb feine ©eäber beurteilen, burch welches ©eift unb @ittlitt> 
feit unaufhörlich in einanber überkronten? 2öoi)t giebt es eine 
perfönliche Zurechnung unb ihre Stimme ift bas ©ewiffen, aber 
bie SSötfcr möge man mit ©eneratfentenjen in töufje laffen. £)as 
fd)einbar fränffte S3olf fann ber ®efunbf)eit nahe fein unb ein 
fa^einbar gefunbeS fann einen mächtig entwiefetten £obeSfeim in 
fid) bergen, ben erft bie ©efaljr an ben £ag bringt. 



sBcmuütfein ber Anfang beS XVI. Oatjr^., als bie Kultur ber teatffance 

3>nun ' almt,on - auf ihrer £öi)e angelangt unb pgteid) baS potitifdje Unglücf ber 
Nation fo biet als unabwenbbar entfdjieben war, fehlte es nicht 
an ernften £)enfern, wetche biefeS Unglücf mit ber großen ©itten* 
tofigfeit in Serbinbung brachten. (gs finb feine bon jenen 
33uj3prebtgern, welche bei jebem SSotfe unb ju jeber 3eit über bie 
fdjlechten Reiten $u flogen fid) berpflid)tet glauben, fonbern ein 
Sttacchiabetl ift es, ber mitten in einer feiner mid)tigften ©e* 
banfenreihen 1 ) es offen auSfpricbt: ja, wir Italiener finb bor* 



!) Discorsi L. I, c. 12. 2tua) c. 55: Statten fei üerborbener aB 
alle anbern Sänber; bann fommen junäd^fi ^ranjofen unb ©panier. 



(Sitte unb Religion. 



343 



jugSweifc irreligiös unb böfe. — Sin Ruberer fjdtte melleidit e. Mbffrnttt. 

gejagt: wir finb öorjugSweife inbtbibuell entwickelt; bie 9?ace 

tyat uns aus bert Sdjranfen it)rer (Sitte unb Religion entlaffen, 

unb bie äußern ®efe|e toeradjtert wir, weil unferc ^errfcfjer illegitim 

unb il)ve Beamten unb fRict)ter betworfene Sftenfdjen finb. — 

3ttaccf)iat)elt felber fefet tjinju: weit bie Sirene in itjren Vertretern 

baS üüetfte Seifpiel giebt. 

(Sotten wir t)ter nod) beifügen: „weit baS Slltcnttjum un* mnm 
günftig einrcirfte?" — {ebenfalls bebürfte eine foldje toal)me • atcvtt > umg - 
forgfältiger Sefdjrcmlungen. «et ben £mmaniften (S. 214) roirb 
man am efjeften babon reben bürfen, jumat in betreff ifyreS 
wüften <SimtenlebenS. ©et ben Uebrigen mödjte ftd) bie @ad)e 
ungefähr fo öerfjatten l)aben, baß an bie Stelle beS djriftlidien 
SebenSibealS, ber #eiligfeit, baS ber t)iftorifd)en ©röße trat, feit 
fie baS 2lltertf)um tonnten (S. 119, tot.). £urd) einen nalje* 
tiegenben SJHßberftanb f)ielt man bann aud) bie getjler für in* 
bifferent, trofe melier bie großen Banner groß gewefen waren. 
SSermutfjüd) gefetjaf) bieß foft unbewußt, benn wenn ttjeoretifa^e 
SluSfagen bafür angeführt werben f ollen, fo muß man fie wieber 
bei ben §umaniften fudjen wie 3. 23. bei ^aolo ©iooio, ber 
ben (gibbrud) be§ ©iangalea$jo Visconti, infofern baburd) bie 
©rünbung eines SKeidjeS ermöglicht rourbe, mit bem 23eifpiel beS 
3ultuS (Safar entfdjulbigt 1 ). £ie großen florentinifd)en ©ejd)id)tS* 
fdjreiber unb ^olitifer finb öon fo Emdjttfdjen ©taten üöüig frei, 
unb wa§ in ityren Urteilen unb £l)aten antit erfdjeint, ift es, 
weil it)r (StaatStuefen eine notfjwenbig bem 5lltertt)um einiger* 
maßen analoge ©enfweife Ijerborgetrieben tjatte. 

3mmerf)in aber fanb Italien um ben Slnfang beS XVI. 3afyr* 
ImnbertS fid) in einer fdjweren fittlidjen SriftS, aus welcher bie 
Seffern faum einen SluSweg äfften. 

beginnen wir bamit, bie bem ©Öfen auf's <Stärffte entgegen* 
wirfenbe fittlidje traft namljaft ju madjen. 3ene f)od)begabten 
3flenfd)en glaubten fie ju ertennen in ©eftalt beS (Sl)rgefül)ls. @S ra,m °JJ^ 
ift bie rätselhafte äftifdjung aus ©ewiffen unb <Selbfud)t, welche ; 
bem mobernen 9ttenfd)en nod) übrig bleibt, aud) wenn er burd) 
ober of)ne feine Sdjulb alles Uebrige, ©tauben, Siebe unb Jpoffnung 
eingebüßt t)at. £)iefeS (Sfyrgefüf)! verträgt fid) mit öielem (SgoiS» 



t) Paul. Jov. viri illustres; Jo. Gal. Vicecomes. 



344 



©Ute unb Religion. 



e. aibfftnitt, mu« unb großen gaftern unb ift ungeheurer £äufdjungen fatn'g; 

aber audi alle« @ble, ba« in einer ^erfönficfjfeit übrig geblieben, 
famt fief^ baran aufgießen unb au« biefem Qmü neue Gräfte 
fa^öpfen. 3n biet toeiterm ©inne, als man gewöhnlich benft, ift 
e§ für bie heutigen inbiuibueß entwicfelten Europäer eine ent* 
fcheibenbe Rtd)tfdmur beS $anbelnS geworben; aud) Sßiete t>on 
benjenigen, welche noch aufjerbem «Sitte unb Religion treulich 
f efthatten, faffen bod) bie widjtigfien (Sntfdjlüffe unbewu&t nad) 
jenem ©efü^t. 

Ge8 ift nidjt unfere Stufgabe nad^umeifen, tüic fdjon ba« 
Sllterttjunt eine eigentümliche ©chartirung biefe« ©cfü^tc« fannte unb 
wie bann ba« Mittelalter bie Gsljre in einem fpeciellen ©tnne §hx 
@aä)e eines beftimmten ©taube« machte. 2lurfj bfirfen wir mit 
benjenigen nierjt ftreiten, welche ba« ©ewiffen allein ftatt be« 
(Shrgefüljt« al« bie wefentlidje £riebfraft anfehen; e« wäre fdjöner 
unb beffer, wenn es jtdj fo behielte, allein fobalb man bod) m* 
geben muß, ba£ bie beffern (Sntfdjlüffe au« einem „pon ©elbft* 
fudjt mehr ober weniger getrübten ©ewiffen" tjerborgeijen, fo 
nenne man Heber biefe äftifchung mit ihrem tarnen. Slüerbing« 
ift eS bei ben Italienern ber Renatffauce bi«weilen fdjroer, biefe« 
<Sf)rgefüt)I Pon ber birecten Ruhmbegier ju untertreiben, in welche 
baffelbe häufig übergeht, ©och bleiben es wef entlieh jwei Per* 
fd)iebene £)inge. 

siuäfdßcn emüber. sin Slu«fagen über biefen ^unft fehlt e« nia)t. (Sine befonber« 
beutliche mag ftatt m'cter hier ihre ©teile fmben; fie flammt au« 
ben erft neuerlich an ben £ag getretenen 1 ) 2lphort«men be« ®uic* 
ciarbini. „2öer bie (Shre hodjhält, bem gelingt Sitte«, weil er 
„meber Mhe, ©efahr nod) Soften fd^eut; ich *)abe e« an mir 
„fetbft erprobt unb barf e« fagen unb fdjreiben: eitel unb tobt 
„finb biejenigen f)anblungen ber Sttenfchen, metetje nicht öon 
„biefem ftarfen eintrieb auagehen/' SBir müffen freilich f)tn$u» 
fefccn, bafj nach an berto eiliger Sunbe Pom £eben be« 23erfaffer« 
hier burdjau« nur Pom <S^rgefüt)t unb tttdjt Pom eigentlichen 
Ruhme bie Rebe fein fann. @d)ärfer aber als PteHetdjt alle 
mabtm. Otaliener Ijat Rabelais bie @adje betont. $war nur ungern 
mtfehen mir biefen bauten in unfere $orfd)ung; wa« ber gewal* 
tigc/ ftet« baroefe ^ranjofe giebt, gewährt im« ungefähr ein 33ilb 

!) Franc. Guicciardini, Ricordi politici e civili, N. 118. (Opere 
inedite, vol. I.) 



©Ute unb Stetigion. 



345 



baoon, wie bie 9?enaiffance ftd) ausnehmen würbe of)«e iform <wv<»nitt. 
unb ofyne ©cfjönfyeit l ). Iber feine ©djitberung eines Obeatju* 
ftanbeS im S^etemitenttofter ift cutturgefa)id)t(id) entfdjeibenb, fo 
baß olme biefe fyödjfte ^ßfyantafie ba« Sitb be$ XVI. 3af)rl)imbert8 
unuoüftänbtg wäre. @r erjagt 2 ) bon biefen feinen Herren unb 
©amen oom £)rben beö freien 2Biflen8 unter anbern wie folgt: 

En leur reigle n'estoit que ceste clause: Fay ce que 
vouldras. Parce que gens liberes, bien nayz 3 ), bien in- 
struietz, conversans en compaignies honnestes, ont par 
nature ung instinet et aguillon qui tousjours les poulse 
ä faietz vertueux, et retire de vice: lequel ilz nommoyent 
h ö n n e u r. 

(58 ift berfetbe ©taube an bie ©üte ber menfd)tid)en 9catur, 
Wetter audj bie zweite £ätfte be8 XVIII. 3aljrl)unbert8 befeette 
unb ber franjöfifajen tootution bie 2Bege bereiten tjatf. Sludj 
bei ben Staiienern appetlirt 3eber inbbibueE an biefen feinen eigenen 
ebetn 3nftinct, unb wenn im ©rotlen unb ©anjen — fyaupt* 
fädr)lid) unter bem (Stnbrud be8 nationalen tlngludies — peffimi* 
fttfdjer geurtfjeitt ober empfunben wirb, gleidjwofjl wirb man 
immer jenes @f)rgefüi)( f)od) Ratten müffen. SBenn einmal bie 
fdjranfeutofe (Sntwicflung be8 ^nbibibuumö eine wettfyiftorifdje 
gügung, wenn fie ftärfer war at8 ber Söiüe be8 (Sin^eitten, fo 
ift aud) biefe gegenwirfenbe ®raft, wo fie im bamatigen Italien 
toorfömmt, eine große (Srfdfjeinung. Söie oft unb gegen wetd) 
heftige Singriffe ber @etbftfurf)t fie ben @ieg baiwn trug, wiffen 
wir eben nidjt, unb beftfyalb reicht unfer menfd)ftd)c8 Urtljeit über* 
I)aupt nid)t au8, um ben abfotuten morattfajen Söertf) ber Nation 
richtig gu fd)ä£en. 



') ©eine nädEjfte parallele ift 9fterlinu3 SoccajuS (^eofito ^olengo), 
beffen Dpu§ SOtacaronicorum (©. 127 unb 212) 9tabelai§ erroetötic^ ge ; 
tannt unb mehrmals citirt t)at (Pantagruel L. II, cli. 1 unb ch. 7, 
©nbe). 3<* bie Slnregung junt ©argantua unb pantagruel mödUe über= 
Ijaupt au§ 2JlerIinuä ©occaju§ ftammen. 

2 ) Gargantua L. I, chap. 57. 

3) 3). f). roofjlgeboren im I)ö!)ern ©inn, benn 9tabelat§, ber 3Birtf)3= 
fo£)n non ©fjinon, fjat !eine Urfadje, betn 2tbet al§ folgern Ijter ein $or= 
redjt ju geftatten. — ©ie ^ßrebigt be§ ©oangeIium§ , Don n>ela)er in ber 
3nfd)rtft be§ $lofter§ bie 9tebe ift, mürbe §u bem fonftigen Seben ber 
Sfyetemiten roenig paffen; fie ift aud) eljer negatit), im ©inne be§ %xo%e§ 
gegen bie römifetje $ird)e gu beuten. 



346 



Sitte unb Religion. 



6. mf<»tii tt. Sa§ nun ber «Sittlidjfcit be£ t)öf)er cntmicMten Otaüeuers 
Die $j»antafle ber SRenaiffance ats tuictjttgfte allgemeine 33orau§fe£ung gegen* 
imi überftct)t, tft bie ^fjantafie. @te Por allem Perfekt feinen £u* 

genben unb gestern ifjre befonbere garbe; unter iljrer §crrfd)aft 
gewinnt feine entfeffette ©etbftfudjt erft tfjre Potte gurdjtbarfeit. 
©piciftictjt. Um ihretwillen wirb er 3. Sß. berfrnfjfte große ^ajarbfpieler ber 
neuern £ät, inbem fie ifym bie Silber beS fünftigen 9tetdjtf)um« unb 
ber fünftigen ®enüffe mit einer folgen Sebcnbigfeit Pormalt, baß er 
baö Sleujserfte baran fe£t. 3Me mofyammebanifdjen SSölfer mären if)m 
tjierin ofyne allen ^weifet tiorangegangen, tjätte ntd£)t ber ®oran Pon 
Slnfang an ba$ ©pietöerbot als bie notfjwcnbigfte ©djufcroefyr isla* 
mitifdjer (Sitte feftgeftettt unb bie ^Ijantafie feiner Seute an Sluffin* 
bung Pergrabener ®d)ä£e gewiefen. 3n Italien würbe eine «Spiet* 
mit) allgemein, wetdje fdjon bamalö fyäufig genug bie @j:tftcnj be§ 
(Sinjelnen bebroljte ober jerftörtc. gforenj t)at fa>n p @nbe be3 
XIV. SaljrljunbertS feinen SafanoPa, einen gewiffen -SBuonaccorfo 
$itti, weldjer auf beftänbigen Reifen at§ Kaufmann, Parteigänger 
©peculant, Diplomat unb «Spieler oon Ißrofeffion enorme «Summen 
gewann unb Perlor unb nur nod) dürften ju gärtnern gebraud)en 
fonnte, wie bie ^erjoge Pon Trabant, SSaiern unb «Sapotyen 
5lud) ber große ©lücfötopf, welchen man bie römifdje Surie nannte, 
gewöhnte feine Seute an ein Sebürfmß ber Aufregung, wetdjeS 
fid) in ben 3wifdjenpaufen ber großen Sntriguen ttotfyroenbtg burdj 
Sürfetfpiel 8uft madjte. f^rancesdjetto Subö Perfpielte 3. SS. cinft 
in jtocten Saaten an ßarbinat Sftaffaele SKiario 14,000 Ducaten 
unb f tagte fyernad) beim $apft, fein ÜJftitfpieter fjabe if)n betrogen 2 ). 
3n ber gotge mürbe befanntlid) Stalten bie £)eimatf) be§ £oterie* 
wefen§. 

9?a*fitd)t. £)ie ^^antafic ift e$ aud), meiere t)ier ber SRadjfucfjt tfjren 
befonbern (Sf)aracter giebt. £)a§ SftedjtSgefüfjl wirb wof)l im 
ganzen 5lbenblanb öon jefyer eins unb baffelbe geroefen unb feine 
23erte|ung, fo oft fie uugeftraft blieb, auf bie gleite 2Beife em* 
pfnnben worben fein. Slber anbere 23ölfer, wenn fie aud) nidjt 
teidjter Per^eifyen, fönnen bod) leidjter Pergeffen, mäf)renb bie ita* 
tienifdje ^fjantafie bag 33tlb beS Unred)t§ in furchtbarer ffrifdje 



<) Steffen £agebud) im Slu^ug bei Delecluze, Florence et ses vi- 
cissitudes, vol. 2. — Sgl. ©. 264. 

2 ) Infessura , ap. Eccard , scriptt. II, Col. 1992. Sgl. oben 
© 86. f. 



©itte unb Religion. 



347 



erljftft *)• jugteid) in ber Bottaoraf bie Btutradje als eine e, rnfftnitt. 
*ßfltd)t gilt unb oft auf bas ®raf$tid)fte geübt Wirb, giebt biefcr 
allgemeinen SKadifudjt noeb einen befonbern ©runb unb Boben. 
Regierungen unb Tribunale ber ©täbte erfennen itjr ©afein unb 
tt)re Berechtigung an unb fudjen nur ben fdjftmmften (Steffen 
ju fteuern. Iber aud) unter ben Bauern fommen thbefteifdje 
SD^atjt^eiteTi unb weit ftcfj ausbreitenber SBedjfelmorb bor; froren 
wir nur einen 3eugen 2 )- 

3n ber 8anbfct)aft öon Slcquapenbente hüteten brei £irtenfnaben m 
baö 33iet> unb (Siner fagte: wir woöen berfudjen wie man bie ä8flMer "' 
Ceute fjenft. 2lf$ ber (Sine bem Zubern auf ber ©djutter faß unb 
ber ©ritte ben «Stricf juerft um beffen $ate fd)tang unb baun 
an eine @idje banb, fam ber Söolf, fo bafj bie Beiben entflogen 
unb jenen hängen ließen. f)ernad) fanben fie iim tobt unb be* 
gruben ifjn. @onntag§ fam fein S3ater um ihm Brob bringen, 
unb einer oon ben Beiben geftanb if)m ben Hergang unb jeigte 
ihm ba§ ®rab. ©er Sitte aber töbtete biefen mit einem 3Jieffer, 
fdjnttt ihn auf, nahm bie öeber unb bercirtfyete bamit $u §aufe 
beffen 23ater; bann fagte er ihm, weffen Seber er gegeffen. £)ier= 
auf begann ba§ wecfjfeitige Horben ^wifdjen ben beiben gamiüen, 
unb binnen einem 90?onat waren 36 ^ßerfonen, Seiber fowohf 
als Männer, utngebradjt. 

Unb fotd)e 93enbetten, erbtid) bis auf mehrere Generationen, 6er man 
auf ©eitenberwanbte unb greunbe, erftreetten fid) audj weit in 6Mn * e - 
bie fjöfjerrt ©täube hinauf. Sfjronifen fowoht als Slobcftenfarnnt* 
tungen finb boll bon Beifpielen, jumat oon töadjeübungen wegen 
entehrter Leiber, ©er clafftfdje Boben Ijiefür war befonberS bie 
Romagna, wo fiel) bie SSenbetta mit allen erbenfltdjen fonftigen 
^arteiungen öerftocht. 3n furchtbarer ©mnbotif ftcllt bie @age 
bisweilen bie Berwilberung bar, welche über biefe§ füljne, fräftige 
SSotf fam. @o 3. B. in ber ©efdjidjte oon jenem oornetjmen 
Rabennaten, ber feine geinbe in einem £fnu* m beifammen hatte 
unb fie hätte oerbrennen fönnen, ftatt beffen aber fie f)erau§tteß, 
umarmte unb herrlich bewirtete, worauf bie wütljenbe @d]am fie 



1) Siefeä SRaifonnement be3 geiftreidfjen <Stenbf)aI (la chartreuse de 
Parme, ed. Delahays , p. 355) fdjeint mir auf tiefer pfijdjologifcfier 
33eooadf)tung ju rudert. 

2 ) Graziani, Cronaca di Perugia, jum 3. 1437 (Arch. stor. XVI, 
I, p. 415). 



348 



©itte unb Religion. 



e. gibfd mitt. erft red^t jur 23erfcf)tt)örung antrieb 1 ). Urtabtäffig prebigten fromme, 
ja Zeitige aftöndjc jur 25erför)nurtg, aber e§ roirb 5lßeS gemeien 
fein, ma§ fte erreichten, wenn fie bie fdjon im ®ange befinbUcfjen 
Zeltbetten emfdjränften ; ba$ @ntftet)en bon neuen »erben fie mot)t 
fetymerttef) gefytnbert l)aben. £)ie ^oöeüen fdjübern un§ nicr)t fetten 
aud) biefe (Sinmirhtng ber Religion, bie ebfe 3UtfmaÜung unb 
bann beren ©infen burd) ba§ Scfymergemicrjt beffen, ma§ öoran* 
gegangen unb boa) nicfjt mefyr ju änbern ift. §atte bod) ber 
"ißapft in ^erfon nidjt immer ®IM im griebenftiften: „^ßapft 
^5aut H, mottte, baf$ ber §aber ämifdjen Antonio (Saffarello unb 
bem f)aufe Sltberino aufhöre unb ließ ©iocanni Sllbertno unb 
Antonio (Saffarcfto bor fic£) fommen unb befaßt ifynen, einanber 
ju füffen unb fünbigte irmen 2000 £)ucaten (Strafe an, menn fie 
einanber roieber ein 8eib antpten, unb $mei £age barauf mürbe 
Antonio bon bemfefben ©iacomo Sltberhto, @ol)n be§ ©iooanni, 
geftodjen, ber itm borljer fct)on oermunbet Ijatte, unb ^ßapft tyaul 
mürbe fefn* unmittig unb tieft ben 5Itberino bie £>abe confteciren 
unb bie Käufer fdjfeifen unb SSater unb @ot)n au« Ofom ber* 
»cvföimunflj. bannen 2 )." £)ie (Sibe unb Zeremonien, n»oburcf> bie Sßerfölmten 
fd)t»ure. oor ^ em gfjüctfatt ju fidjern fudjen, finb bismetlen ganj ent* 
fe^tict); al§ am ©Ulöefterabenb 1494 im £)om üon @iena 3 ) bie 
^arteten ber SftoPe unb ber "ijSopoIari fict) paarmeife füffen mußten, 
mürbe ein ©djmur baju öertefen, raorin bem fünfttgen Uebertreter 
at(e§ jeittia^e unb erotge £)eil abgefprocfjen mürbe, „ein ©cfjmur 
fo erftaunlid) unb fdjrecHid) mie nod) feiner erprt morben"; felbft 
bie festen £röftungen in ber 5£obe8ftunbe foüten ftdt) in 93ev= 
bammnift berfefyren für ben, mefdjer it)rt öerle^en mürbe. (53 
teudjtet ein, baß bergleidjen mel)r bie oer^meifette (Stimmung ber 
Vermittler als eine roirHidje Garantie beS griebenS auSbrücfte, 
unb baft gerabe bie mafyrfte 33erföt)nung am raenigften fofdjer 
SÖortc beburfte. 

sDic Ma*e in ittbitotbuelXe töad&ebebürfnifi beö ©ebifbeten unb beS 

ber öffcutliajcii ■«■ « /« 

OTeiuinifl. £>odjfref)enben, rutjenb auf ber maajttgen ©runblagc etner analogen 
33olf§fitte, fpielt nun natürttd) in taufenb färben unb mirb bon 
ber öffentlichen Meinung, metetje t/ier au8 ben Sftoüeßiften rebet, 



!) Giraldi, Hecatoramithi 1, Nov. 7. 

2) Infessura, bei Eccard, script. II, Col, 1892. jum 3at)r 1464. 

3) Allegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 837. 



©itte unb Religion. 



349 



orrne aßen 9?ücfhalt gebilligt 2löe Söelt ift barttber einig, bafe e. Mbfdmttt. 
bei benjenigen 33eleibigungen unb Verlegungen, für meldte bie 
bamalige itaüenifdje 3uftij fein 9?ed)t fdjafft, unb öoüenb« bei 
beseitigen, gegen bie e« nie unb ntrgenb« ein genügenbe« ©efe^ 
gegeben f>at nodj geben fann, 3eber fxdi fetber 9f?ed)t Raffen 
bürfc. 9?ur muß ®eift in ber SRadje fein unb bie <Satt«faction 
fiel) mtfd)en au« tt>atfäc^tid)cr @d)äbtgung unb geiftiger £)emü* 
t^tgung be« 33eleibiger« ; brutale plumpe llebermacfjt allein gilt in 
ber öffentlichen Meinung für feine ®enugtf)uung. £)a« ganje 
Snbiöibuum, mit feiner 2tntage ju SRuhm unb §ot)n mufs trium* 
ptjiren, nid)t bloß bie gauft. 

£)er bamatige Italiener ift Dieter Verkeilung fähig um be* 
ftimmte Stozdz gu erreichen, aber gar feiner Heuchelei in (Sachen 
öon '»ßrineipien, racber öor Stnbern nod) öor fid) felber. ättit 
öölliger 9?aioetät wirb befehalb aud) biefe SKadje at« ein 23ebürf* 
nife jugeftanben. (Sans füt)Ie Seute preifen fie öorjügtid) bann, 
wenn fie, getrennt öon eigentlicher Seibenfehaft, um ber bloßen 
3mecfmä§igfeit mitten auftritt „bamit anbere 2#enfchen lernen 
„bidj unangefochten ju taffen 2 )". ©och »erben foldje gälte eine 
fteine üftinberjaht gewefen fein gegenüber öon benjenigen, ba bie 
Seibenfehaft Slbfühtung fud)te. ^Deutlich fdjeibet fich t)itv fc>iefe 
9?ad)e öon ber SBlutradje; währenb le^tere fid) eher noch inner* 
halb ber @d)ranfen ber Vergeltung, be« ius talionis hält, geht 
bie erftere nothwenbig barüber hinaus, inbem fie nicht nur bie 
33eiftimmung beö 9?ed)t«gefühl« öertangt, fonbern bie 23ewunberer 
unb je nach Umftänben bie Sacher auf ihrer ©eite haben will. 

hierin liegt benn auch ber ®runb be« oft langen 2luffd)ie= 
ben«. 3u einer „bella Vendetta" gehört in ber 9?egel ein 3u= 
fammentreffen öon Umftänben, meldje« burdjau« abgewartet werben 
muß. Wit einer mähren SBonne fd)ilbern bie 9?oüelltfren h« 
unb ba ba« allmätige heranreifen folcher Gelegenheiten. 

lieber bie Ottoralität öon ^anblungen, mobei Kläger unb Madje im» 
dichter eine ^erfon finb, braucht e« weiter feine« Urtivit«. 2öenn CanfbJtfcit - 
biefe italienifche 9?achfud)t fich irgenbmie rechtfertigen wollte, fo 
müßte bie« gefchehen burch ben ^achwei« einer entfpredjenben 
nationalen £ugenb, nämlich ber ©anfbarfeit; biefetbe ^ßhantafie, 

t) ^Diejenigen, toeldje bie Vergeltung @ott anEjeimftellen, roerben u. a. 
IädEjerlid) gemalt bei Sßulct, Morgante, canto XXI, Str. 83, s. 104, 's. 
2 ) Guicciardini, Ricordi, 1. c. N. 74. 



350 



©Ute unb Religion. 



e. Mbfc&nitt. roetcfte ba8 erlittene Unredjt auffrifdjt unb bergröfjert, müßte aud) 
baS empfangene ®ute im Slnbenfen erhalten i ). Qt% roirb niemals 
mögttdj fein, einen folgen <>ftad)roet# im tarnen beö ganzen SSot* 
fe« ju führen, bod) f et)tt e§ nidjt an ©puren biefer 2lrt im jefcigen 
italienifdjen 23olf§d)aracter. £)al)in gehört bei ben gemeinen 8eu- 
ten bie große (Srfcnntlidjf'ett für Ejonette ©eljattbtung unb bei 
ben Ijötjern ©täuben ba§ gute gefellfdiaftticfye ®ebadjtmfj. 

©iefeS 33erfjättrtt^ ber ^fyantafie $u ben moralifdjen (5igen* 
fdjaften beö Otalienerg roieberljolt fiel) nun burdjgängig. 2öenn 
baneben fdjeinbar biet uteljr falte 33eredjnung $u £age tritt in 
fallen, ba ber 9?orblänber meljr bem ($emütl)e folgt , fo pngt 
Meß rooljl babon ab, baß ber Italiener häufiger foroofjl aU früher 
unb ftärfer inbioibuelt entroicfelt ift. So bte8 außerhalb Italiens 
ebenfalls ftattfittbet, ba ergeben fid) aud) äl)nlid)e 9fefultate; bie 
zeitige Cmtfrembuttg dorn £aufe unb bon ber bäterlid)en Autorität 
j. 23. ift ber italienifdjen unb ber norbamertcanifdjen Sugenb 
gleichmäßig eigen. (Später ftettt fid) bann bei ben eblem 9?atu- 
reu baß 23erl)ältniß einer freien Pietät jroifdjen ^inbern unb 
(Sltern ein. 

(£s ift überhaupt ganj befonbers ferner, über bie ©pbjäre 
beg ©emütbeö bei anbern Nationen ju urteilen. £>affetbe fann 
fet)r entroicfelt bortjanben fein, aber in fo frembarttger 2Beife, baß 
ber bon brausen fommenbe e§ nidjt erfennt, es$ fann fid) aud) 
rnof)£ bollfommen bor il)m berftecfen. 23ieHeidjt finb alle abenb- 
tänbifdjen Nationen in biefer SSejiefyung gleid)tnäßig begnabigt. 
Verlegung bev SBenn aber irgenbroo bie ^fyantafie als gewaltige |)errin 
®*> e - ftcf) in bie üftoralit&t gemifdjt fjat, fo ift bieg gefdjefyen im uner- 
täubten $erfet)r ber beiben ®efd)led)ter. 23or ber geroöt)ntid)en 
gmrerei freute fid) befannttid) baS Mittelalter überhaupt nid)t, 
bis bie ©bpfjilis fam, unb eine bcrgteidjenbe ©tatiftif ber bama* 
tigen ^roftitution jeber 5lrt gehört nidjt tjietjer. 2Ba$ aber bem 
Italien ber 9?enaiffance eigen ju fein fdjeint, ift baß bie (Slje 
unb itjr 9?edjt bietleidjt mefjr unb jebenfatfs bemühter als anbersroo 
mit $üßen getreten roirb. 3Me Sftäbdjen ber fjöfyeren ©täube, 
forgfältig abgefdjloffen, fommen ttidrjt in JSetracfjt; auf b erheiratete 
grauen be^iefjt fid) alle Seibenfdjaft. 



] ) (So fdjilbert fidE» ©atbanuä (de propria vita, cap. 13) alö äufjerft 
rad^fücEjitg, aber aud) al§ verax, memor beneficiorum, amans justitiae. 



Sitte unb 9ieligion. 



351 



£)abei ift bemertengiuertr), baft bie (5E)ert bod) nic£)t ttacfituetg^ e. Mbfftnitt. 
bar abnahmen unb ba£ baS Familienleben bei weitem nicf)t bie* 
jenige ^erftörung ertttt, metaje e§ im Horben unter ät)nticf)ett 
Umftänben erfeiben mürbe. Tlan wollte PöHig nad) Siöfür 
(eben, aber burdjauö nid)tauf bie Familie Perjidjten, fetbft menn 
5U fürchten ftanb, bafc e§ nid)t gang bie eigene fei. 2htd) fant 
bie SRace be§i)atb meber p^tjfifcf) nod) geiftig — benn Pon berjem* 
gen fcfyeinbareu geiftigen 2lbnaf)me, me(d)e fid) gegen bie SÄtttc 
beö XVI. 3al)rt)unbert§ ju erfennen giebt, taffen fid) ganj be* 
ftimmte äußere Urfadjen politifdjer unb fird)tid)er 2lrt namtjaft 
madjen, felbft menn man nidjt jugeben mitt, baft ber ®retö ber 
mögtid)en ©appfungen ber 9?enaiffance burdjtaufen gemefen fei. 
£)ie Italiener fuhren fort, tro£ aller tofdnmfung ^u ben tetb* 
üd) unb geiftig gefunbeften unb mol)(geborenften Söebötrerungen v 
(£uropa'$ ju gehören unb behaupten biefen SSoqug betannt> 
üd) bi§ auf biefen £ag, nadjbem fid) bie (Sitten fet)r gebeffert 
fyaben. 

Söenn man nun ber StebeSmorat ber ^enatffance näfyer nad)* % riwlt um > 
gefyt, fo finbet man fid) betroffen uon einem merfmürbigen ©e* ,6enk ^,c^,fd ' aft • 
genfa^ in ben 2lu3fagen. £>ie SftoPeöiften unb Somöbienbtdjter 
machen ben (Sinbruct, al§ beftänbe bie Siebe burd)au§ nur im 
©emtffe unb aU mären gu beffen @rreid>ung alle bittet, tragifdje 
mie fomtfaje, nid)t nur ertaubt, fonbern je füfyner unb friooter, 
befto intereff anter. SieSt man bie befferu Surifer unb •Dialogen* 
fdjretber, fo lebt in U)nen bie ebetfte Vertiefung unb 23ergeifttgung 
ber Seibenfdjaft, ja ber tc^te unb t)öd)fte 2lu3bru(f berfclben mirb 
gefudjt in einer Aneignung antifer 3been üon einer urfprüngttcfyen 
(Stntjett ber Seelen im götttid)en SBefcn. Unb beibe 2lnftf)auungen 
finb bamals mat)r unb in einem unb bemfetben 3nbiPtbuum Per* 
einbar. @« ift nid)t burdjau« rüfymiid), aber es ift eine £t>at* 
fadje, baß in bem mobernen gebitbeten üftenfdjen bie ®efül)ie auf 
Perfd)iebenen ©rufen gugtetct) nid)tnur fttttfajroeigenb Porfyanben finb, 
fonbern aud) jur bemühten, je nad) Umftänben fünftlerifdjen £)ar* 
fteltung fommen. <Srft ber moberne ättenfd) ift, mie ber antife, 
aud) in biefer 23e$iet)ung ein 9fticroco$mu3, ma§ ber mittetatter* 
ticEje ntdjt mar unb nid)t fein tonnte. 

J ) 9flit ber nöEtg entnncf'elten fpctnifdjen ^errfd^aft trat alterbingg 
eine relatine (SntüölJerung ein. Sßäre fie 3 oI 8 e oer ©ntfitttidEiung gerne* 
fen, fo J)ätte fie tuel früher eintreten muffen. 



352 



©Ute unb Religion. 



6. Mbfcfrmtt . ,3miäa)ft ift bie SD^orat ber Jodetten beatf)ten«wertl). @« 
Moeeneninorar. hanbett ftdt) in bett meiften betreiben, wie bemerft, um (Sfjefrauen 

unb atfo um <St)ebrucf>. 
eteaung m §>öd)ft wichtig erfd^eint uun i)ier jene oben (<S. 312, f.) 
2Bci6e *- ermähnte 5JnfidE)t bon ber gleichen ©eftung be« 2öeibe« mit beut 
Spanne, £)ie tjöljer gebilbete inbibibueft entwicfelte grau üerfügt 
über fid) mit einer ganj anbern ©ouüeränetät af« im Horben, 
unb bie Untreue maa]t nicfjt jenen furchtbaren 9ftß burd) ifjr 
ßeben, fobatb fie ftcf> gegen bie äußern folgen fidjern fann. £)a« 
$Re(f>t be« ®emal)i"e« auf ifyre STreue f)at nict)t benjenigen feften 
35oben, ben e« bei ben ^orMänbern burd) bie ^Joefie unb Seiben* 
fdjaft ber Werbung unb be« Srautftanbe« gewinnt; nad) pcb/ 
tigfter 23efanntfdf)aft, unmittelbar au« bem elterlichen ober Höfter* 
ticken ©eroafyrfam tritt bie junge grau in bie SBett unb nun erft 
bitbet fitt) itjre Snbimbuatttät ungemein fdjnett au«. §auptfäa> 
ttd) beßhatb ift jene« 9^ect)t be« (hatten nur ein fet)r bebingte«, 
unb audj wer e« al« ein ius qusesitum anfielt, bezieht e« bod) 
nur auf bie äußere SEIjat, nid)t auf ba« £er$. £)ie [d)öne junge 
®emai)tin eine« ©reife« 3. 23. wei«t bie ©efdjenfe unb 23otfd)af= 
ten eine« jungen Siebhaber« jurücf, im feften 23orfa^, itjre @ht 5 
barfeit (honesta) ju behaupten. „SIber fie freute ficfi bod^ ber 
„Siebe be« Oüngting« wegen feiner großen £refftid)feit, unb fie 
„erfannte, baß ein eble« Sßeib einen ausgezeichneten ÜJftenfdjen 
„lieben barf oijne SRadjtljeU ihrer @^r6arfeit *)." 333ie furj ift 
aber ber 2Beg bon einer folgen SMftinction bi« ju ooüiger £)in* 
gebung. 

untreue unb Severe erfdjetnt bann fobiet al« berechtigt, wenn Untreue be« 
® tvafc - äftanne« hinkommt. £)a« inbidibueü entwiefette Seib empfüt* 
bet biefetbe bei Sehern nicht bloß al« einen @d)mer^ fonbern 
al« §ot)n unb Demütfjigung, namentlich at« Uebertiftung, unb 
nun übt fie, oft mit jiemüä) faltem Söewußtfein, bie Dom ®e* 
maijt berbiente 9fad)e. 3hrem £act bteibt e« übertaffen, ba« für 
ben betreffenben galt richtige ©trafmaß $u treffen. £)te tieffte 
Mnfung fann $. einen 2lu«weg jur 23erföfmung unb ju fünf* 
tigern ruhigem Seben anbahnen, wenn fie böttig geheim bleibt. 
£)ie ^oüeüiften, welche berg(eid)en bennod) erfahren ober e« gemäß 
ber 2ltmofpf)äre ifjrer 3eit erbid)ten, finb öoü twn 33emunberung, 



O Giraldi, Hecatommithi III, Nov. 2. — ©anj äljnlidj : Cortigiano, 
L. IV, fol. 180. 



* 



©itte unb Religion. 353 

wenn bie 5RadE>e f)öd^ft angemeffen, wenn fie ein ®unftwerf ift. 6. Mftfdwtt 
Gr« uerfte^t ficf)^ baß ber (Seemann ein foldie« 23ergettung«redjt 
bodj im ®runbe nie onerfennt nnb fid) nur au« gurdjt ober au« 
®tugl)eit«grünben fügt. 2öo biefe wegfallen, wo er um ber Un* 
treue feiner ®emaf)tin willen orjnetjiu erwarten ober wenigften« 
beforgen muß, bon brüten ^ßerfonen auöcjet)5t)ttt ju werben, ba 
wirb bie ©adje tragifd). ^tetjt fetten folgt bie gcumlifamfte ®e* 
genraaje unb ber Sttorb. (5« ift tjödjft bejeidjnenb für bie wafyre 
Öueße biefer Saaten, baß außer bem ©emal)t aud) bie trüber ') 
unb ber Sßater ber $rau fid) baju berechtigt, ja üerpflicfjtet glau- 
ben; bie (Siferfudjt ^at alfo nid)t« meljr bamit ju tbun, ba« sftädjer. 
ftttlidje ©efüfyt wenig, ber 2Bunfd), britten ^erfonen i^ren (Spott 
3U öerteiben ba« SWeiftc. „$eutc", fagt ^anbetlo 2 ), „fiefyt man 
(Sine um itjre £üfte ju erfüllen ben ©emaljl üergtften, a(« bürfte 
fie bann, weit fie SBittwe geworben, tfyun wa« it»v beliebt. (Sine 
Slnbere, au« gurcfjt üor ßntbeefung ityre« unerlaubten Umgänge« 
läßt ben ®emat)l burd) ben (beliebten ermorben. üDann erbeben 
fid) SBäter, trüber unb ©arten, um fid) bie ©djanbe au« ben 
Slugen ju fdjaffen, mit ©ift, <Sd)Wert unb anbern Mitteln, unb 
bennott) fahren mete Söeiber fort, mit 23erad)tung be« eigenen 
Seben« unb ber (Sfyre, itjren Seibenfdjaften nadjjuleben." (Sin 
anbermat, in milberer (Stimmung, ruft er au«: „3Benn man bodj 
nur nietjt tägtid) fyören müßte: ©iefer bat feine grau ermorbet, 
weit er Untreue üermutfjete, 3ener bat bie £od)ter erwürgt, weit 
fie fid) t)etmtict) üermäljtt t)atte, Oener enbtid) l)at feine ©djwefter 
tobten taffen, roeil fie fid) nirfjt nad) feinen 5lnftd)ten öennätjten 
wollte ! (5« ift bod) eine große ©raufamteit, baß wir 3llle« tfyurt 
wollen, wa« un« in ben Sinn fömmt unb ben armen SBeibern 
niait baffelbe jugefteben. Sßenn fie etroa« tl)un, wa« un« miß* 
fätlt, fo finb wir gteid) mit ©trief, £)old) unb ®ift bei ber $anb. 
2Setd)e Üftarrfyeit ber 9Mnner, öorau«jufe^en, baß i^re unb be« 
ganjen £>aufe« (Sr)re öon ber 23egierbe eine« 2öeibe« abfange!" 

!) ©in befonber§ graulidfjeä SBeifpiel ber Stacfje eine§ S3ruber§, au§ 
Perugia com 1455, finbet man in ber ©f>ronif be§ ©rasant, Arch. 
stor. XVI, I, p. 629. ©er Sruber jroingt ben ©alan, ber ©d^rotfter bie 
2Iugen au^ureijjen unb jagt iljn mit ©dalägen uon bannen. ^reUicf) bie 
$amilie raar ein grocig ber Dbbi unb ber £iebf)aber nur ein ©eiler. 

2 ) Bandello, Parte I, Nov. 9 unb 26. — @ä lommt cor, bafj ber 
SBetdjttmter ber ©emafylin fid» com ©atten beftedfjen lafjt unb ben @f)e= 
brud) t>erratl). 



©urcffjarDt, Cultur fcer SÄenaiffanee. 



23 



* 



354 «Sitte unb Religion. 

e. mfd>nitt . Setter ttiu^te man ben Ausgang fötaler £)inge biötoeiten fo ficfjer 
Poraus, baß ber 9?oPettift auf einen bebrofyten Siebtjaber 33efd)tag 
legen tonnte, wdfjrenb berfetbe uodj tebenbig fyerumltef. ©er Slrjt 
Antonio Bologna *) fyatte fidj insgeheim mit ber perroittmeten 
Herzogin Pon SDtotfi, pom^aufe 2tragon, t>ermdt)tt; bereits Ratten 
tfjre trüber fie unb tljre SHnber toieber in ifjre ©eroatt befommen 
unb in einem «Sdjtoß ermorbet. Antonio, ber teueres nod) nid)t 
wußte unb mit Hoffnungen Eingehalten würbe, befanb fid) in 
Sftaitanb, wo ifym fdjon gebungene SJiörber auflauerten, unb fang 
in ®efetlfd)aft bei ber 3ppotita @for$a bie ®efdE)icf)te feines Un- 
gtücfeS jur Saute. (Sin greunb beS genannten §aufes, £)etio, 
„erjagte bie ©efdjtdjte bis $u biefem Erntete bem ©eiptone 9ttet* 
lano unb fügte bei, er werbe biefetbe in einer fetner ^oPetten be* 
tjanbeln, ba er gewiß wiffe, baß Antonio ermorbet werben mürbe". 
5Dte 2lrt, wie bieß faft unter ben Stugen Mio'S unb Slteltano'S 
eintraf, ift bei 33anbetto (I, 26) ergreifenb gefdjitbert. 
^arteinatsme (£tnftroeiten aber nehmen bie ^oöeltiften bod) fortwdfyrenb 

M * nmm - gartet für attes ©innreidje, @d)taue unb Äomifdje, was beim 
(gfyebrud) oorfömmt: mit Vergnügen fc£)itbem fie baS Söerftecffptel 
in ben Käufern, bie fmnbotifdjen SBinfe unb Söotfdjaften, bie mit 
Riffen unb (Sonfect jum Boraus Derfefyenen £ruf)en, in welchen 
ber ßieb^aber »erborgen unb fortgefdjafft werben fann, u. bgt. m. 
©er betrogene (Seemann wirb \t nadj llmftänben ausgemalt als 
eine ofynefyin üon §aufe aus tddjertidje Ißerfon ober ats ein furdjt* 
barer 9ftdd)er; ein brittes giebt es nidjt, es fei benn, baß bas 
SBeib ats böfc unb graufam unb ber 2J2ann ober Siebtjaber 
ats unfdjulbigeS Opfer gefdjitbert werben fott. Säftan wirb inbeß 
bemerfen, baß Grrjafylungen biefer teueren 2lrt ntd)t eigenttidje 
StoPetten, fonbern nur ©djretfensbeifptete aus bem mirftittjen 
geben finb 2 ). 

StXiit ber ^ifpanifirung beS itatienifdjen SebenS im Verlauf 
beS XVI. Satyr fyunberts natym bie in ben 9ttittetn työctyft gewatt* 
fame (Siferfuctyt pietteidjt nod) ju, bodj muß man biefetbe unter* 
fa^eiben Pon ber fd)on üortyer portyanbenen, im (Seift ber itatieni* 
fct>en föenaiffance fetbft begrünbeten 23ergettung ber Untreue. 9fttt 
ber Slbnatyme beS fpanifctyen (SultureinfluffeS fctytug bann bie auf 
bie @pi^e getriebene C£tferfuct)t gegen (Snbe beS XVII. Oatyrtyun* 



1) ©. oben <&. 312 unb SCnmerftmg. 

2 ) @in Seifpiet Bandello, Parte I, Nov. 4. 



©Ute unb Religion. 



355 



berts in ihr ®egentt)eif um, in jene ©teichgülttgfeit, welche ben e. wdynitt. 
(Sicisbeo als unentbehrliche gigur im £aufe betrachtete unb aufcer* 
bem noc^ einen ober mehrere ©ebulbete (Patiti) fid) gefallen liefj. 

2Ber miß eS nun unternehmen, bie ungeheure Summe üon ser 8 ici*un 8 mit 
Ommoratität, welche in ben gefd)itberren SBcr^dttntffcn liegt, mit anbern 9iaan - 
bem ^u Dergleichen, was in anbern Säubern gefebah. 2Bar bie 
@he 3. 33. in granfreid) wäijrenb be8 XV. Sahrhunbert« wirf* 
tief) Zeitiger at$ in Statten? £)ie gabttauj: unb Mareen erregen 
ftarte ^weifet, unb man foftte glauben, bafe bie Untreue eben fo 
häufig, nur ber tragifclje Ausgang fettener gewefen, weil ba$ 
3nbiüibuum mit feinen 5Infprüd)en weniger entwiefett mar. ©her 
möchte ju ©unften ber germanijdjen 23ölfer ein entfdjeibenbeS 
Beugnife borhanben fein, nämlich jene größere gefettfchaftlichc grei* 
heit ber grauen unb Räbchen, meierte ben Statienern in (£ng= 
tanb unb in ben ^ieberlanben fo angenehm auffiel. (©. 315, 
2tnm.) Unb boct) wirb man auch hierauf fein ju großes (gewicht 
legen bürfen. £)ie Untreue mar gewifj ebenfalls fehr häufig unb 
ber inbiüibueü entwiefettere %flm\ä) treibt e8 auch ^ er mg 3 ut 
£ragöbie. ättan fehe nur, wie bie bamatigen norbifcfjen dürften 
bisweilen auf ben erften 2Serbadt)t hin mit ihren ©emahltnnen 
umgehen. 

innerhalb be$ Unerlaubten aber bewegte fich bei ben bama* Die »ergeiftigte 
tigert Otatienern nicht nur bas gemeine ©etüfte, nicht nur bie Siebe * 
bumpfe Regier be§ gewöhnlichen SJienfcfjen, fonbern aud) bie Sei* 
benfehaft ber (Sbetften unb heften; nicht btofj weit bie unüer* 
heirateten Stäbchen fich außerhalb ber ©efeflfdjaft befanben, 
fonbern auch weit gerabe ber öoülommene SJiann am ftärt'ften 
angezogen würbe oon bem bereits burch bie @he auSgebitbeten 
wetbüchen SBefen. £)iefe Männer finb e$, welche bie rjöd)ften 
£öne ber Inrifdjen ^ßoefie angefchtagen unb auch ™ 2lbf)anblungen 
unb ^Dialogen oon ber oerjehrenben Seibenfehaft ein berftärteS 
Slbbitb ju geben oerfud)t haben: l'amor divino. SBenn fie über 
bie ©raufamfeit beS gepgetten ©ottes ftagen, fo tft bamit nicht 
bloß bie ^artherjigfeit ber ©elicbten ober ihre ,3urücfhattung 9 C * 
meint, fonbern auch ba« Söemufjtfein ber Unrechtmäßigfeit ber 
SSerbinbung. Uebcr biefe« Ungtütf fudjen fie burch jene SBergei* 
ftigung ber Siebe fich S u erheben, wetdje ficE> an bie ptatontfdje 
©eetentehre anlehnt unb in ^tetro 23embo ihren berühmteren 
Vertreter gefunben hat. 3ftan hört ihn unmittetbar im brüten 



23* 



356 



©Ute unb Religion. 



6. MbfcDnitt. fflnrfj jetner 2ffofani, unb mittelbar burd) ßaftigfione, welker tfym 
«pietrü asembp. j enc prad)tt)offe @d)fußrebe beS vierten 23ud)eS beS (Sorttgtano 
in ben DJcunb legt. 33eibe Tutoren waren im «eben feine ©toifer, 
aber in iener ^eit trollte eS fdjon etwas Reißen, tr-enn man ein 
berühmter unb jugfeid) ein guter äftann roar unb biefe ^ßräbicate 
fann man Reiben nid)t berfagen. £)ie £eitgenoffen natjmen baS, 
was fie fagten, für wafjrfyaft gefügt unb fo bürfen aud) wir es 
md)t als bloßes $f)rafenroerf t>erad)ten. 2öer fid) bie 2ttüf)e 
nimmt, bie 9?ebe im (Sortigiano nad)$ufefen, wirb einfef)en, wie 
wenig ein (5$cerpt einen begriff baoon geben fönnte. £)amafs 
lebten in Otaüen einige bornefmte grauen, wefdje wefentüd) burd) 
23erf)dftniffe biefer Slrt berühmt würben, wie (Siufia ©onjaga, 
SSerontca ba Soreggio unb üor allen 23ittoria Sofonna. £)aS 
8anb ber ftdrfften Sßüftlinge unb ber größten ©potter refpectirte 
biefe ©attung öon Siebe unb biefe SBetber: Größeres faßt fid) 
nirf)t 51t itjren fünften fagen. Ob etwa« (Sitelfett babei war, 
ob SSittoria ben fubümirten SluSbrucf tjoffnungötofer Siebe tton 
(Seiten ber berüf)mteften Männer Italiens gerne um fid) Ijerum 
tonen f)örte, wer mag eS entfdjeiben? SBenn bie <Sad)e fteffen* 
weife eine 9ttobe würbe, fo war es immerhin fein tfetneS, baß 
SSittorta wenigftens nidjt aus ber 2D?obe fam unb baß fie in ber 
fpdteften £eit nod) bie ftdrfften (Stnbrücfe Ejertjorbractjte. — (£« 
bauerte fange, bis anbere fiänber irgenb äf)ttltdje (Srfdjeinungen 
aufwiefen. 

£)ie <ßf)antafte, wefdje biefeS SSotf mebr als ein anbereS 
be^errfd)t, ift bann überhaupt eine affgemeine Urfadje baüon, 
baß jebe Seibenfdjaft in tt)rem SSerfauf überaus fjeftig unb je 
naef) Umftdnben t>erbrecf)erifcf) in ben 2Wtttetn wirb. Wan fennt 
eine £efttgfeit ber <Scf)Wdd)e, bie fief) tttdjt bef>errfd)en fann; f)ier 
bagegen fjanbeft eS fid) um eine Ausartung ber Äraft. Sisweifen 
fnüpft fid) baran eine (Sntwicffung ins Sofoffafe; baS $erbred)en 
gewinnt eine eigene, perfönfidje (Sonfiftenj. 
«n 9 ememer ©djranfen giebt eS nur nod) wenige, ©er ©egenwirfung 
greeeirmn. beS iffegitimen, auf ®ewaft gegrünbeten (Staates mit fetner ^ofijei 
füf)It fid) Sebermann, aud) baS gemeine 23olf, innerfid) entwarfen, 
unb an bie ®ered)tigfcit ber Sufttj gfaubt man affgemein nidjt 
me|t. 33ei einer 2florbtf)at ift, beüor man irgenb bie nähern 
Umftänbe fennt, bie (Sumpatf)ie unwifffürfid) auf «Seiten beS 



©itte unb Religion. 



357 



SftörberS diu männliches, ftot^eö Auftreten üor unb mahrenb 6. «nbfdjmttt 
ber Einrichtung erregt üoüenbs fotdtje 23ewunberung, bafj bie (£r* «isemeinet 
gäfjter barob leidet bergeffert §u metben, warum ber 33etreffenbe 
toerurtheUt war 2 ). 2Benn aber irgenbwo $u ber innerUctjett 2Ser= 
adjtmtg ber Suftij unb p ben Dielen aufgesparten SSenbetten 
nod) bte Straflofigfeit Innzutritt, etwa in 3^tten potittfdjer Un* 
ruhen, bann fct)eint fid) bisweilen ber «Staat unb baS bürgerliche 
£eben auflöfen wollen. Solare Momente fjatte Neapel beim 
liebergang Don ber aragonefifdjen auf bie franjöfifche unb auf bie 
fpanifdje £>errfdjaft, fotcfje hatte aucf) Sftailanb bei ber mehrmaligen 
Vertreibung unb SBteberfefyr ber Sforza. £)a fommen jene 9J?en* 
fcf)en jum Vorfd)ein, welche ben Staat unb bie ©efellfdjaft inS= 
geheim niemals anerfannt t)aben unb nun ihre räuberifche unb 
mörberifdje Selbftfucht ganz fouöerctn Watten laffen. betrachten 
wir beifptclShalber ein btlb biefer 3lri aus einem Seinern Greife. 

2llS baS |)erjogthum SJJattanb bereits um 1480 burd) bie 
innern ^rifen nach ^m £°be bcö ©afeajjo Ovaria Sforza er* 
fchüttert war, hörte in ben ^ßroöinjiatftäbten jebe «Sicherheit auf. 
<So in sßarma 3 ), rco ber mailänbifche ©ubernator, burch Sftorb* 
anfdjlcige in <Sd)recfen gefegt, ftd) bie greilaffung furchtbarer 2Jfen* 
fdjen abbringen ließ, wo (Sinbrüche, £)emolitionen öon Käufern, 
öffentliche SWorbtljaten etwas (Gewöhnliches würben, wo guerft 
masfirte Verbrecher einzeln, bann ohne (Scheu jebe Sftaajt große 
bewaffnete ©paaren herumzogen; babei circuürten freDettjafte 
Spaße, Satiren, Drohbriefe unb es erfd)ien ein Spottfonett 
gegen bie behörben, welches biefetben offenbar mehr empörte als 
ber entfefcltche ^uf^anb felbft. £)aß in tiieten Kirchen bie £aber* 
nafet fammt ben £)oftien geraubt würben, toerräth nod) eine be* 
fonbere garbe unb Dichtung jener ^udjlofigWt. 9?un ift es wof)l 
unmöglich P erraten, was in jebem 8anbe ber Seit aud) heute 
gefchehen würbe, wenn Regierung unb ^olt^et ihre S^ättgfett 



!) Piaccia al Signore Iddio che non si ritrovi, jagen Bei ©iralbt III, 
•Jlo». 10 bie grauen im £aufe, roenn man tfwen ergabt, bte £r)at fönne 
ben 9Jlörbcr ben $opf toften. 

2 ) SDiefi begegnet j. 33. ©ioniano 5ßontano (de fortitudine, L. II.); 
feine f)elbenmütf)igett 2t3coIaner, meiere nodEj bie lernte ^acfjt f)inburcfj tangen 
unb fingen, bie abrugjefifdfje Butter, roeldjje ben ©ob> auf bem ©ang gum 
3üdf)tpla| aufheitert, u. f. ro. gehören r>ermutf)Ucf) in 3täuberfamilien, roa§ 
er jebodE) übergebt. 

3 ) Diarium Parmense, bei Murat. XXII, Col. 330 big 349 passim. 



358 



(Sitte unb 3teligion. 



6. mfdmutt. einfteflten unb bennodj burd) ifjr £)afein bie 33ilbung eines pro* 
biforifdjen Regimentes unmögttd) matten; attem wa« bamats in 
Italien bei foldjen Slnläffen Qefcfjat), trägt bodj wof)t einen be* 
fonbern ßfjaracter burd) ftarfe @inmifd)ung ber Radje. 

3m ungemeinen madjt ba8 Statten ber Renaiffance ben 
(Sinbrudi, als ob aud) in gewöhnlichen Reiten bie großen 23erbredjen 
häufiger gewefen wären afe in anbern Säubern, greitid) fönnte 
un« roorjt ber Umftanb täufdjen, ba£ mir hier oerhäftnißmäßig 
weit mefjr ©pecieüeS baoou erfahren als irgenb anberSwo unb 
baß biefetbe ^l)antafie, welche auf ba§ t^atfdd>lid^e ©erbrechen 
wirft, aud) bag ntcr)tgef<f>erjene erfinnt. £)te <Summe ber ©e* 
mattttjaten war tnefteidjt anberwo biefetbe. Ob ber ,3uftanb 
j. in bem fraftüotten, reichen £)eutfd)lanb um 1500, mit 
feinen füllen £anbftretd)em, gewattigen Setttern unb wegetagern* 
ben Rittern im ©anjen fieberer gewefen, ob ba§ Sflenfchenleben 
wefentlidj beffer garantirt war, läfjt fid) fdjwer ermitteln. Slber 
fo Diel ift fidjer, bafj ba§ prämebitirte, befotbete, burd) britte 
£>anb geübte, aud) baS jum ©ewerb geworbene Verbrechen in 
Statten eine große unb fdjrecfttdje tobefjnung gewonnen hatte. 

«aubetwefe«. 33ttd:en wir junächft auf bae Räuberwefen, fo wirb biet* 
tctdt)t Statten bamatS nid)t mehr, in gtücftidjern ©egenben wie 
3. 23. £o§cana fogar weniger baoon fyetmgefudjt gewefen fein als 
bie meiften Sauber be8 Horbens. 2lber e« giebt wefentttd) 
itatientfdje Figuren. (Schwerlich finbet fid) anberswo 3. 33. bie 
©eftalt be$ burd) Öeibenfchaft oerrotlberten, aflmättg jum Räuber* 
Hauptmann geworbenen ©eiftttdjen, wobon jene £>tit unter anbern 
folgenbe« 33eifpie( liefert. *) 2tm 12. Stuguft 1495 würbe in 
einen eifemen ®äfig außen am Stljunu bon @. ©iuttano ju 
Serrara eingefdjtoffen ber ^Jrtefter £)on Ricolö be' '•ßelegati oon 
$igaro(o. £)erfetbe tjatte jwetmat feine erfte Sfteffe gelefen; ba8 
erftemat hatte er an bemfetben STage einen Wlovb begangen unb mar 
barauf in Rom abfotoirt worben; nad)l)er töbtete er öier 2ftenfd)en 
unb fjetratfjete jwei Leiber, mit welchen er tjerumjog. £)ann 
war er bei bieten STöbtungen anwefenb, notzüchtigte 2öeiber, 
führte anbere mit ©emalt fort, übte Raub in üJttaffe, töbtete 
nod) Sßiete unb 30g im gerrareftfdjen mit einer uniformirten be* 

t) Diario Ferrarese, Bei Murat. XXIV, Col. 312. 27lcm erinnert fid^ 
babei an bie 58anbe be3 Sßriefterä, reeller einige Saljre oor 1837 bie n>eft= 
lidje Sombarbie unfid^er madjte. 



(Sitte unb Religion. 



359 



roaffneten23anbel)erum, s J£af)rung unbDbbaa) mtt^orbunb®ett)att e. mmmtt. 
ersmingenb. — Sßemt man fidj ba« ©aamifdjentiegenbe fjutjubenft, 
fo ergiebt fid) für bett ^riefter eine ungeheure @umme beö gretiels. 
®8 gab bamatö überall titele 9ftörber unb anbere üttiffetpier 
unter ben fo wenig beauffidjtigten unb fo fjocf) pritietegirten 
©eifttidjen unb Ottensen, aber faum einen ^etegati. (Stroa« 
2lnbere$, obmotjt aud) mdjtö föüfymtidjeg, ift e«, wenn tierlorene 
9Jcenfd)en ftdj in bie Suite ftetfen bürfen, um ber Oufttj in ent* 
geljen, wie j. 33. jener ßorfar, ben Sftaffuccio in einem Softer 
ju Neapel fannte. *) 2Bie e$ fitf) mit $apft Sofyann XXIII. in 
biefer ^Bejie^ung oerljiett, ift ntdjt näfyer bef'annt. 2 ) 

£)ie 3eit ber inbitiibuelt berühmten SKäuberfyauptteute be* 
ginnt übrigeng erft fpäter, im XVII. 3al)rf)unbert, als bie pott* 
tifdjen ©egenfä^e, ©uelfen unb ©tjibeüinen, ©panier unb Statt* 
$ofen, bas 8anb tttdjt met)r in Bewegung festen; ber Räuber 
loft ben Parteigänger ab. 

3n gemiffen ©egenben tion Statten, mo bie (Suftut nidjt »«»uberte 
fjinbtang, maren bie 8anbleute permament mörberifd) gegen Sau£rn - 
3eben tion brausen, ber itjnen in bie $ättbe fiel, ©o nament* 
ttd) in ben entlegenem Streifen beö $önigreid)eg Neapel, mo eine 
uratte SSermitberung tiieüeid)t feit ber römifdjen ßatifunbientüirt^ 
fdjaft fidt) erhalten fyatte, unb rao man ben gremben unb ben 
geinb, hospes unb hostis, nodj in alter Unfdjulb für gtetcf)* 
bebeutenb galten modjte. £)iefe £eute maren gar nid)t irreligiös ; 
e§ fam tior, baft ein §trt tiofl Slngft im 33eid)tftui)l erfdjien, um 
ju benennen, baß ifym mafyrenb ber gaften beim Safemadjen ein 
paar tropfen STiitct) in ben 3flunb gekommen, freilief) fragte 
ber fittenfunbige 33eicf)ttiater bei biefem Slntaß aud) nod) au« 
tljm f)erau§, baß er oft mit feinen ©efätjrten föeifenbe beraubt 
unb ermorbet tjatte, nur baß bieß al« etroaö Sanbübttdje« feine 
©eroiffenabiffe rege machte. 3 ) SBie fefjr in Reiten potitifdjer 



1) Massuccio, Nov. 29. (§3 oerftc^t ftdj, bafj ber SBetreffenbe audj 
in ber Siebfc^aft am weiften ©lücf f>at. 

2) 2Benn er in feiner Qugenb al§ ©orfar in bem Kriege ber betben 
Sinien üon SCnjou um Neapel auftrat, fo fann er bieS at§ poIitifü)er 
Parteigänger getrau fyaben, tvaS nacf> bamaligen Gegriffen leine ©djanbe 
braute. £>er (grjbifdiof ^aolo gregofo »on ©enua J>at ft<$ oiet(eicf)t in 
ber ^weiten Wülfte beä XV. 8af)rl)unbert§ »iel meb> erlaubt. 

3) Poggio, Facetiae fol. 164. 2Ber ba§ gütige Neapel fennt, b>t 
tüeHeid&t eine äfjnUdje garce au§ einem anbern Sebenögebiet erjagen f)ören. 



360 



©Ute unb 3teltgion. 



e. abfftnitt. Unruhen bie dauern aud) anber«wo berwilbern fonnten, ift be= 
rette (0. 279) angebeutet worben. 

cer bejahte (Stn fchlimmere« Reichen ber bamaligen «Sitte at« bte Zauberei 
äKori '- tft bte £äufigfeit ber bellten, burd) britte £>anb geübten $er* 
brechen. £)artn ging jugeftanbener Sttaßen Neapel aßen anbern 
©täbten öoran. „$icr ift gar nichts billiger [ju taufen at« ein 
■äftenfchenleben," fagt Romano. l ) 3tber auch anbere ©egenben 
weifen eine furchtbare 9?eihe tion SWiffet^atcn biefer 2lrt auf. 
3ftau fann biefetben natürlich nur fd)wer nach ben äftotiuen 
fonbern, inbem potitifcfje .groect'mäfjtgfett, sßarteiljajj, perfönliche 
geinbfdjaft, 3?ache unb gurcfjt burdjeinanber roirften. <£« mad)t 
ben glorentinern bie größte Grf>re, baß bamal« bei ihnen, beut 
höchentwicfelten Volte üon Italien, bergteidjen am wenigften 
borfömmt, 2 ) öietteidjt weil e« für berechtigte 23efd)werben noch 
eine Ouftij gab, bte man anerkannte, ober weit bie l)öfyere Kultur 
ben SWcnfdjen eine anbere 2lnfid)t oerlieh über ba« üerbred)ertfche 
Eingreifen in ba« 9?ab beö @d)icffat«; wenn irgenbwo fo erwog 
man in fttorenj, rate eine ©lutfdjulb unberechenbar weiter wirft 
unb wie wenig ber Inftifter auch bei einem fogenannten nü|* 
liehen 33erbred)en eine« übertuiegenben unb bauernben Vortheil« 
fidjer tft, Sftad) bem Untergang ber florentinifchen Freiheit fcheint 
ber atteudjelmorb, f)auptfdcr)ttcf) ber gebungene, rafdj jugenommen 
p tjalien, bt« bie Regierung Softmo'« I. fo weit gu Gräften 
tarn, baß feine ^ßotigei 3 ) alten 2ftiffetl)aten gewadjfen mar. 

3m übrigen Stalten wirb bas bejahte Verbrechen häufiger 

mttftm. ober feltener gewefen fein, je nachbem $a£)lung«fähige hochgeftetlte 
Slnfttfter öorhanben waren. (£« fann ^iemanben einfallen, ber* 
gleichen ftatiftifd) 3ufammen$uf äffen, allein wenn öon all ben 
£oDe«fällen, bie ba« ®erüd)t al« gemattfam f)erbeigefüc)rt be* 
trachtete, auch nur ein Heiner STtjetl wirflidje Sflorbtbaten waren, 
fo mad)t biefj fdjon eine große (Summe au«, dürften unb 9?e* 



*) Jovian. Pontani Antonius: nec est quod Neapoli quam hominis 
vita minoris vendatur. freilief) meint er, baS fei unter ben 2lnjou nodfj 
nid)t fo geroefen; sicam ab iis — ben 2lragonefen — aeeepimus. 2)en 
^uftonb um 1534 bejeugt Senn, ©eltint I, 70. 

2 ) @inen eigentlichen 3laü)voex$ roirb -JUemanb fjierüber leiften fönnen, 
ottein e§ roirb roenig 9ftorb ermähnt unb bie ^ßfiantofie ber florentinifchen 
©djriftftetter ber guten £eit ift nietjt mit SSerbadjt biefer 2trt erfüttt. 

3) lieber biefe f. bie Delation be§ gebelt bei Alberi, Eelazioni 
serie II, vol. I, p. 353, s. 



©itte unb Religion. 



361 



giermtgen gaben aflerbtngg ba§ fdjtimmfte 433eifptet : fie matten e. mmnitt. 
fid) gar fein 23ebenfen barau§, ben 9florb unter bie bittet ihrer 
s MmacJ)t gafjfen. @« beburfte baju nod) feines Sefare 23orgia; 
auch bte ©for^a, bie SIragonefen, fpater aud) bte Serfseuge 
(Saris V. erlaubten ficrj wa§ jroedmäßtg faxten. 

SDte ^hantafie ber Nation erfüllte fidf» aümäüg bergeftatt ^ er8 .^ iflcn 
mit SBorausfefcungen btefer 2trt, baß man bei Üftadjtigen faum 
mehr an einen natürlichen £ob gtaubte. greilid) machte man 
fict) toon ber 2öirfung«fraft ber ©ifte bisweilen fabelhafte 23or* 
Stellungen. 2Öir motten glauben, baß jenes furchtbare weiße 
kultier (@. 93) ber 23orgia auf beftimmte Termine beregnet werben 
formte, unb fo mag auch ba«ienige ©tft roirfttdj ein venenum 
atterminatum gewefen fein, w eichet ber gürft twn Satemo bem 
(Sarbinal t>on Aragon reifte mit ben SBorten: „in wenigen STagen 
„wirft bu fterben, weit bein 23ater, ®önig gerrante, uns alte hat 
„vertreten wollen" 1 ). Slber ber Vergiftete -©rief, wetzen ßaterina 
Stfiario an *ßapft Slte^anber VI, fanbte 2 ), würbe biefen fcbrcerltd) 
umgebracht haben, auch wenn er ihn gelefen hatte; unb als Alfons 
ber ®roße öon ben Stedten gewarnt würbe, ja niebt in bem 
iUüiu« gu lefen, ben ihm (Softmo be' !2ftebici überfanbte, ant* 
wortete er ihnen gewiß mit 9?ed)t: t)öret auf fo tf)öridt)t $u reben 3 ). 
33oflenbS tjätte jenes ®ift nur ft)mpatt)etifctj wirfen fonnen, wo* 
mit ber ©ecretär ^icchtino'S ben STragflutjt beö '»ßapfteS '»ßiuS IL 
nur ein wenig auftreiben wollte 4 )- 2öie weit es fid) burcbfdjnitt* 
tich um mineralifd)e ober ^flaujcngifte fyanbelte, läßt fid) nicht 
beftimmen; bie glüffigfeit, mit weldjer ber Spater 9?offo g-iorentino 
(1541) fid) baS Seben nahm, war offenbar eine tjefttge @äure 5 ), 

!) Infessura, bei Eccard, soriptores II, Col. 1956. 

2 ) Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 131. — 3m Horben gab 
man fid) über bie ©iftfunft ber Italiener noch; ftärferen $b>ntafien t)in; 
j. bei Juvenal des Ursins ad a. 1382 (ed. Buchon p. 336) bie Sanierte 
beä ©iftmtfcb>r§, roeldfjen Äönig ©art von Sura^o in feinen SDienft na|m ; 
fäjon raer fie fiarr anfaf), mufite fterben. 

3) Petr. Crinitus de honesta disciplina, L. XVIII, cap. 9. 

4 ) Pii II. comment. L. XI, p. 562. — Jo. Ant. Campanus: vita 
Pii H, bei Murat. III, II, Col. 988. 

5 ) Vasari IX. 82, vita di Rosso. — Db in unglücklichen ©b>n mefyr 
nurfliclje* Vergiftungen ober mef)r SBeforgniffe cor fold)en t>ort)errfc£)ten, 
mag unentfdfjieben bleiben. SSgl. Bandello II, Nov. 5 u. 54. ©ebr be* 
benflidf) lautet II, Nov. 40. ^n einer unb berfelben roeftlombarbtfcfjen 
©tabt, bie nicf)t näJ)er bejeicfjnet rairb, leben groet ©iftrod£)e; ein ©ernährt, 



362 



(Sitte unb Religion. 



e. Mbfdwttt. welcfte man feinem Stnbern fjdtte unbemerft beibringen fönnen. — 
Die «»vi. gür ben ©ebraucf) ber SBaffen, jumat be8 £>old)e§, ju rjetmttdEjer 
©eroalttyat tjatten bie ©rofjen in Sflailanb, Neapel nnb anberSwo 
teiber einen unauffyörlidjen 5lntaf$, inbem unter ben @d)aaren öon 
bewaffneten, meldte fie ju ifyrem eigenen @d)u|e nötfyig Ratten, 
fdjon burd) ben bloßen TOffiggang tjte unb ba fidj eine wafyre 
2J?orbluft auSbitben mußte. Sftandje ®räueltf)at wäre wof)l unter* 
blieben, wenn ber $err nidjt gemußt Ijätte, bajj e$ bei liefern unb 
Beuern aus feinem befolge nur eines SöinfeS bebürfe. 

Unter ben geheimen Mitteln be$ 23erberben$ fommt — wenig* 
ftens ber 2Ibfid)t nadj — aueb bte Räuberet öor 1 ), bodj nur in 
fefyr untergeorbneter SBeife. 9öo etwa maleficii, malie u. bgt. 
erwähnt werben, gefd)tef)t e$ meift, um auf ein oljnebjn getja^teö 
ober abfdjeulidfjeS Snbibibuum alle erbenfttcf)en ©djrecfen ju tjdufen. 
Sin ben §öfen öon granfreirf) unb (gnglanb im XIV. unb XV. 3al)r= 
fjunbert fpiett ber üerberblidje, tÖbt!ict)e Räuber eine öiet größere 
dloUt a(8 unter ben fyöfjern ©tänben öon Italien. 

©u abfontten (gnblid) erfdjeinen in biefem Oanbe, wo baö Onbtbibuelte in 
SMrew, * ter - jeber 2öeife cutminirt, einige Sttenfcfjen öon abfoluter SKudjtofig* 
feit, bei wetcfjen ba« SSerbrectjett auftritt um feiner felber willen, 
nidjt mefjr alö bittet ju einem 3iuecf, ober wenigftenS als bittet 
ju gweefen, welche fid) aller bföcrjologifcfyen ^orm entjiel)en. 

3u biefen entfestigen ©eftalten fdjeinert ^unädjft auf ben 
erften Slnblicf einige (Sonbottieren ju geboren 2 ), ein 33raccio 
öon Qttotttone, ein STtberto 23ranbotino, unb fd)on ein Sßerner 
öon Urningen, beffen fitberneS 33ntftfa)ilb bie Snfajrift trug: 



ber ftdf) oon ber @d)tf)eit ber SBeräroeifJung feiner $rau üBer^eugen mitf, 
liifjt fie einen üermeintltd) giftigen Xranf, ber aBer nur ein gefärbte^ 
SGßaffer ift, roirfltd} auStrinfen unb barauf DerföJint fid) ba§ ©fjepaar. — 
^n ber gamiüe beS ©arbanuS allein roaren r>ier Vergiftungen oorgefommen. 
De propria vita, cap. 30. 50. 

!) 3JtaIeficten 33. gegen Seonello oon $errara f. Diario Ferrarese, 
Bei Mural XXIV, Col. 194 ad a. 1445. Sßüfjrenb man bem Später, 
einem gern 33enato, ber aud) fonft üBelBerüd)tigt mar, auf ber ^ßia^a ba§ 
Urtfjeil oorlaä, ertyoB fid; ein 2ärm in ber Suft unb ein ©rbBeBen, fobafj 
männiglid) bar-on lief ober ju 33oben ftür^te. — 3Ba3 ©uicciarbini (L. I.) 
üBer ben Böfen 3 au& er beä Sobotüco Slioro gegen feinen Neffen ©ianga= 
leajjo fagt, mag auf fid) Berufen. 

2 ) 9Jian fönnte cor 2lCem ©^elitto ba Romano nennen, roenn ber« 
felBe nidjt offenBar unter ber §errfd)aft ehrgeiziger Qtvefie unb eineö ftarfen 
aftro!ogifd)en 2Baljn3 gelebt B,ätte. 



©Ute unb Religion. 



363 



geinb ®otte«, beö äftitfeibö unb bcr 33armf)er$igfett. £)afj biefe e. mfd>mtt. 
üftenfdjendaffe im ©anjen bcn früfyften tooHtg emancipirten 
greütern gehörte, ift gemifj. üJttan mirb jebod) bet)utfamer ur* 
tfjetfen, fobatb man tnne mirb, baf? ba$ allerfdjroerfte 23erbred)en 
berfelben — nad) bem ©tnne ber 2lufseid)ner — im Slro^ gegen 
ben geifttidjen SSann liegt unb bajj bie ganje ^ßerfonttdbf ett erft 
öon ba au§ mit jenem faxten, unt)eimüd)en Sickte beitragt er* 
fdjeint. 33ei SSraccio mar biefe ©efinnung atterbtng« fo meit 
ausgebifbet, ba§ er 53. über pfatlirenbe SJftöndje in SEButlj ge* 
ratzen tonnte unb fic tiott einem £i)urm herunter tuerfen tte{$ % 
„allein gegen feine ©olbateu mar er bod) tot)at unb ein großer 
Octb^crr". Ueberfyaupt merben bie SSerbrerfjen ber ßonbottieren 
meift um be§ 3Sortt)eitö mitten begangen morben fein, auf Antrieb 
ifyrer fyödjft bemoratifirenben ©tettung, unb aud) bie fajeinbar 
mutl)mittige ©raufamfeit möchte in ber Sieget ifjren £md gehabt 
{jaben, mdre ed aud) nur ber einer allgemeinen (SHnfdjüajterung 
gemefen. £)ie ©raufamfeiten ber Slragonefen Ratten, mie mir 
(@. 28) faljen, it)re ^auptquette in 9fad)fud)t unb 2lngft. ©inen 
unbebingten Jötutburft, eine teufttfdje fcuft am SBerberben roirb 
man am elften bei bem ©panier (Sefare SBorgia finben, beffen 
©räuet bie öorfyanbenen &mdi in ber £fyat um ein 33e* 
beutenbeS überf abreiten (@. 90, ff.), ©obann ift eine eigentliche ©is-swaiatefta. 
■8ttft am 23öfen in @igi§monbo 3fta(atefta, bem ©eroalt^errfd)er 
bon föimini (@. 26 unb 177, f.) erfennbar; eö ift nidjt nur bie 
römtfdje (Surie 2 ) fonbern aud) ba« Urttjeit ber ©efd)id)te, raetdjeö 
iljm äftorb, ^ot^udjt, ©tjebrudt), 33tutfd)anbe, ^irdjenraub, 3fteineib 
unb 33errat^ unb jmar in raieberbolten Ratten @d)utb giebt; baö 
©räpdjfte aber, bie öerfudjte ^otl^ucbt am eigenen @ofm Roberto, 
metdje biefer mit gejücftem £)otd)e $urücfroie8 3 ), möchte bod) mot)t 
ntd)t blofe @ad)e ber 23ermorfen^eit fonbern eines aftrotogifdjen 
ober magifdjen Aberglauben« gemefen fein, £>affelbe t)at man 
fetjort Permutf)et, um bie s Jiot^üd)ttgung be« 23tfd)of8 tmn ftano 4 ) 
bura) ^ßiertuigi garnefe tton ^ßarma, «Sofyn $auC« III., ju erflären. 



1) Giornali napoletani, bei Muratori XXI, Col. 1092, ad a. 1425. 

2) Pii II, comment. L. VII, p. 338. 

3) Jovian. Pontan. de immanitate, xoo aud) von ©igi3monbo'§ 
©djroängerung ber eigenen £od)ter u. bgl. bie 9tebe ift. 

4) Varchi, Storie fiorentine, am @nbe. (Sßenn baä SBetf unoer-- 
ftümmelt afcgebrudt ift, wie 3. 93. in ber 3Jtatlänber 2lu3gabe.) 



364 ©itte unb Sftetigion. 

6, Mbfdwitt. Senn wir uns nun erlauben bürfen bie £)auptjüge beS 
©miidjfeit um. bamaligcn italtentfctjen (SfjaratterS, raie er uns aus bem Gebert 
mmmmmu*.^ p^ ern @tänbe überüe ^ ert m f jufammcnjuf äffen, fo würbe 
fid) etwa ^otgenbe6 ergeben. £>er ®runbmangel biefeS (SfyaracterS 
erjdjeutt jugteid) als bie 33ebingnng fetner ®ro§e: ber entwicfelte 
3nbiüibualiSmuS. SMefcr reißt fid) juerft tnnerlid) toö öon bem 
gegebenen metft ttirannifdjen unb illegitimen ©taatSwefen, unb 
was er nun finnt unb tfyut, baS wirb iljm jum 33erratt) ange* 
rennet, mit 9?ed)t ober mit Unredjt. $eim SlnbücE beS fteg* 
reid)en (Egoismus unternimmt er felbft, in eigener ©adje, bie 
3Sertf)eibigung bcö SKed)teS unb Verfällt burd) bie ^aaje, Die er 
übt, ben bunfetn ©cwalten, raa^renb er feinen innern ^rieben 
l)er$uftcllen glaubt, ©eine Siebe wenbet fid) am etjeftert einem 
anbern entwtcfelten SnbitnbualiSmuS ^u, nä'mlid) ber ©attin 
feine« 9iäd)ften. (Gegenüber oon allem Öbjectioen, bon ©djranfen 
unb ®efe|en jeber Strt l)at er baS (BefüfjC eigener ©ouberanetät 
unb entfdjliefH fia> in jebem einjelnen $all felbftänbig, fe naa> 
bem tu feinem Innern (gfyrgefüf)! unb 23orti)cil, ftuge (Srwägung 
unb £eibeufd)aft, (Sntfagung unb 9tad)fud)t fid) Verträgen. 

äöenn nun bie ©elbftfudjt im weitem wie im engften «Sinne 
Surfet unb ^auptftamm alles 23öfen ift, fo Ware fdjon bej^alb 
ber entwickelte Italiener bamals bem 23öfen näfyer gewefen als 
anbere Völler. 

Slber biefe inbioibuelle (SntwicMung fam nidjt burdj feine 
@dmfb über Um, fonbern burd) einen wettgefd)td)ttic^en 9?atf)* 
fdjluß; fie fam aud) nid)t über it)n allein, fonbern wef entlief) 
t>ermittelft ber itatienifajen ßultur aud) über alte anbern SSötfer 
beS 2lbenblanbeS unb ift feitbem baS rjöljere ^ebium, in welchem 
biefelben leben. @ie ift an fid) Weber gut nod) böfe, fonbern 
nottjwenbig; innerhalb berfclben entwtcfdt fid) ein moberneS 
®uteS unb ^3öfe§, eine fittlidje 3m:ed)nung, welche bon ber beö 
Mittelalters wefentlid) oerfdjieben ift. 

£)er Italiener ber Sftenaiffance ( aber Ijatte baS erfte gewaltige 
©afjerwogen biefeS neuen SöeltalterS ju beftefjen. Wit feiner 33e* 
gabung unb feinen Seibenfdiaften ift er für alle £)öf)en unb alle 
liefen biefeS Zeitalters ber fenntlid)fte, bejeia^nenbfte 9fepräfentant 
geworben; neben tiefer Verworfenheit entwickelt fid) bie ebelfte 
Harmonie beS Ißerfönlicfycn unb eine glorreid)e $unft, welche baS 



©Ute unb SKeligton. 365 

inbtbibuetle Sebcn b erb, err ttdjte, tute roeber 2l(tertf)um nod) WxtttU e. mmnitt. 
attcr bie^ rootlten ober fottnten. 



3J2it ber @itttid)feit eine« SSoffeS ftefyt in ettgftem 3ufammen* cte otengion. 
Ijange bie $rage nad) feinem ©otieSberoufjtfein, b. I). nach, feinem 
großem ober geringem ©lauben an eine göttliche Leitung ber 
2Belt, mag nun biefer ©laube bie SÖett für eine jum ®lücf ober 
3um Sammer unb batbigen Untergang beftimmte Ratten 1 )- Sftun ift 
ber bamalige italienifcfje Unglaube im Sltlgemeinen tjödrft berüdjtigt 
unb roer fid) nod) bie üD?ül)e eine« ©eroeife« nimmt, bjat e$ leidjt 
fjunberte bon Sluefagcn unb -SSeifpielen jufammenjufieüen. Unfere 
Aufgabe ift aud) l)ier, ju fonbern unb ju untcrfd)eiben; ein ab* 
fdjüeBenbeS ©efammturtrjetl rocrben wir mw aud) bjer ntdjt 
ertauben. 

£)as ©ottesberoufjtfein ber frühem 3eit Ijat feine Quelle 
unb feinen Slntjalt im Sljriftentbum unb in beffen äußerer üD?ach> 
geftalt, ber Äirdje, gehabt. 21(3 bie ®ird)e ausartete, tjättc bie 
SDienf djtjeit biftingutren unb tt)i*e Religion trofc 2ltlem behaupten 
follen. 2tber ein fotd]c8 ^ßoftulat lägt fid) leidjter aufftelleu als 
erfüllen. 92td)t jebe§ 33olf ift ruljig ober ftumpffinnig genug, 
um einen bauernben Siberfprud) jtt)ifct)cri einem ^rineip unb 
beffen aujjerer iDarftetlung 31t ertragen. £)ie finfenbe ^ird)e ift 
e8, auf roetdje jene fdjroerfte 23erantroortltd)fcit fällt, bie je in 
ber ®efd)id)te borgefommen ift: jte bat eine getrübte unb jum 
SSortf)eit ifyrer 2Ulmad)t entfteüte Setvre mit allen Mitteln ber 
® eroalt at« reine Söafjrtjett burdjgefefct, unb im ®efül)l tljrer 
Unantaftbarfeit fid) ber fdjroerftcn <5ntfitttid)ung übertaffen; fie 
rjat, um fid) in foldjem 3»ftanbe 31t behaupten, gegen ben ©eift 
unb bas ©ereiffen ber Völler töbtlidje ©treibe geführt unb biete 
bon ben £)öf)erbegabten, roetd)e ftd) ibjr innerlich, endogen, bem 
Unglauben unb ber Verbitterung in bie tote getrieben. 

£)ier ftellt fid) unö auf bem SBege bie grage entgegen: oRanget einer 
roarum ba§ geiftig fo mächtige Italien nid)t fräftiger gegen bie 9icformation - 



i) SBorüber natürlich je nad) Drt unb 2>ienfd£)ett gan^ Derfdjiebene 
Stimmungen laut merben. Sie 3tenaiffance Ejat ©täbte unb Reiten ge* 
Ijabt, rco ein entfcfjiebener, frifdjer ©enufj be3 ©lücfeä t>ort)errfc£)te. (Sine 
allgemeine SSerbüfterung ber Senfenben beginnt erft mit ber entfcfjiebenen 
grembfierrfdjaft im XVI. 3aE)rf)unbeit fid^ fenntlidj ju madjen. 



366 



©itte unb Religion. 



6. 9ibf<»witt. feierardiie reagirt, warum eg nidjt eine Deformation gteidj ber 
beutfdjen unb t)or berfetbett ju Staube gebraut fyabe? 

(£g giebt eine fdjeinbare Stutwort: bie (Stimmung Italiens 
Ijabe eg ntcfjt über bie Verneinung ber §ierard)te f)inauggebrad)t, 
wäfyrenb Urfprung unb Unbejwingbarfeit ber beutfdjen Deformation 
ben pofitioen ßefyren, jumat bon ber Ded)tferttgung burd) ben 
(Stauben unb bom Unwertf) ber guten Serfe, berbanft werbe. 

(£g ift gewiß, baß biefe bebten erft bon £)eutfd)tanb f)er 
auf Statten wirften, unb jwar biel ju fpät, alg bie fpanifdje 
äftadjt bei weitem groß genug war, um %ite unmittelbar, ttjeilg 
burd) bag ^ßapfttfyum unb bcffen ©erzeuge Sltleg ju crbrüden 1 )- 
Stber fdjon in ben frühem religiöfen Bewegungen Slatieng bon ben 
2Jcbfttfern beg XIII. 3af)rf)unbertg big auf ©abonarota war aud) fef>r 
Diel pofttiüer ®Iaubenginf)att, bem jur Deife nid)tg alg bag ®tü(f fehlte, 
raie eg ja bem fetjr pofitto d)rifttid)en £mgenottentf)um aud) fefytte. 
ßotoffate (Sretgniffe wie bie Deform beg XVI. 3ai)r£)unbertg ent* 
äiefyen ftdr) wofyl überhaupt, mag bag (Sinjelne, ben Slugbrudj unb 
Hergang betrifft, alter gefd)td)tgpljitofopf)tfd)en ©ebuction, fo flar 
man aud) tfyre ^ottjiuenbigfeit im ©roßen unb ©anjen erweifen 
tarnt. Die Bewegungen beg ©eifteg, il)r ptö£tid)eg 2luf bitten, 
tfyre Verbreitung, if)r Snnefyalten finb unb bleiben unfern Stugen 
wenigfteng infoweit ein Dätfjfel, atg wir tion ben babei tfjätigen 
Gräften immer nur biefe unb jene, aber niemalg alle fennen. 
©tciiung sm- (Stimmung ber t)öbern unb mittlem ©täube Stalieng 

«t*e. gegen bie ®ird)e jur 3eit ber £)öt)e ber Denaiffance ift jufammen* 
gefegt aug tiefem, üerad)tunggt)olIem Unsitten, aug 5lccommobation 
an bie £)ierard)ie, infofern fie auf alte Seife in bag äußere Ceben 
berftodjten ift, unb aug einem ©efül)l ber Stbtjängigteit uon ben 
(Sacramenten, Seiljen unb (Segnungen. 5ltg etwa für Statten 
fpecielt Bejeia^nenbeg bürfen wir nodj bie große inbiöibuette 
Sirfung fettiger ^rebiger beifügen. 

3ur $iewtdjie. lieber ben anttl)ierard)ifd)en Unwilten ber Italiener, wie er 
fid) jmnal feit ©ante in Literatur unb ©efd)id)te offenbart, finb 
eigene umfangreid)c Arbeiten üorfyanben. Von ber (Stellung beg 



!) 3Ba§ mir ben ©etft ber ©egenrefortnatum nennen, ba3 mar in 
(Spanien entnricfelt geraunte 3ett oor ber Deformation felbfi, unb jroar 
burtt) bie fdjarfe tteberroatfiung unb tfjeilroetfe -Jleueinrtdjtung affeS Äird)= 
liefen unter $erbinanb unb Qfafcet. ^auptquette E>tefür ift ©otnej, Seben 
be3 ©arb. Ximenej, bei 9iob. 33elu3, Eer. hispan. scriptores. 



©itte unb ^Religion. 



367 



^ßapfttt)um8 jur öffenttid^en Meinung Robert wir felber oben 6. <m>mmtL 
(@. 82, f., 172) einige; 0?ed)enfd)aft geben muffen, unb wer ba8 
«Stärffte aus ertaubten Quellen fcf)öpfen xoiU, ber fann bie 
berühmten (Stellen in 3Jhcd)iaüeü'8 ÜDUcorft unb in (bem unber* 
ftümmelten) (Suicciarbini nadjtefen. Slußerljalb ber römifcfyen 
(Surie genießen n6d) am elften bie beffern 33ifd)öfe einigen 
fittlid)en Sfafpect 1 ), aud) manche Pfarrer; bagegen finb bie bloßen 
^ßfrünbner, ßtmrfyerren unb Säftöndje fafi ofyne 2lu§na^me tier* 
bärtig unb oft mit ber fdjmadjDoUften 92ad)rebe, bie ben ganzen 
betreffenben <Stanb umfaßt, übet belaben. 

üftan fyat fdjon behauptet, bie 2ftönd)e feien jum @ünben»c'«»etteimfln^e. 
bocf für ben ganzen ßleru« geworben, meit man nur über fie 
gefahrlos fyabe fpotten bürfen 2 ). Slüein bieß ift auf alle Seife 
irrig. 3n ben ^oöetten unb (Somöbien fommen fie beßfyatb bor* 
jugswetfe üor, weit biefe beiben ßiteraturgattungen ftefyenbe, 
befannte £npen . lieben, bei wetzen bie ^ßtjantafie leicht ba§ nur 
Slngebeutete ergänzt, ©obann fctjont bie ^otiette aud) ben 2Bett* 
clerus niajt 3 ). ©ritten« beweifen jat)Üofe Slufjetdjnungen aus 
ber ganjen übrigen Literatur, tüte Ud über ba« ^apftttjum unb 
bie römifcfye Surie off entlief) gerebet unb geurtfyeitt mürbe; in 
ben freien (Schöpfungen ber ^ßfyantafie muß man aber bergleid)en 
ntcfjt erwarten. Vierten« tonnten jxdj aud) bie ÜBöndjc bisweilen 
furchtbar rächen. 

(So biet ift immerhin richtig, baß gegen bie SÖ^öncr)e ber 



1) 2ftan bead)te, bajj bie 5ßot>ettiften u. a. ©pötter ber SBifd^öfe Beinahe 
gar ntd)t gebenfen, tüäljrenb man fie, allenfalls mit oeränberiem Drtä« 
namen, fjittte burtf^ieljett fönnen roie bie anbern. S)te§ gefd)iet)t j. 35. 
bei 93anbeUo II, 3lov. 45; bod) fdjilbert er II. 40 aud) einen tugenbljaften 
83ifd)of. ©iociano ^ontano im „Sharon" läftt ben ©Ratten eineö üppigen 
23ifd)of§ mit „@ntenfd)ritt" bafjerroatfdjeln. 

2 ) Foscolo, Discorso sul testo del Decamerone: Ma de' preti in 
dignitä niuno poteva far motto senza pericolo; onde ogni frate fu 
l'irco delle iniquita d'Israele etc. 

3) 33anbeHo pralubtrt j. 33. II, 5Ro». 1, bamit: ba§ Safter ber £ab* 
fud)t ftef>e SRtemanben fd)ledjter an aI8 ben «ßrieftern, roeldje ja für feine 
gamilte »c. gu forgen fjatten. 2JHt biefem 3taifonnement roirb ber fd)mäb,= 
Iid)e UeberfaH eines ^ßfarrljaufe§ gerechtfertigt, raobei ein junger §err burd) 
gmei ©olbaten ober 33anbiten einem §nmr geizigen aber gid)tbrüd)igen 
Pfarrer einen Rammet fielen läfst. (Sine einjige ®efd)id)te biefer 2lrt 
geiflt bie 33orau3fefcungen, unter roeld)en man lebte unb Ijanbelte, genauer 
an als alle 2lbljanblungen. 



368 



©Ute unb Religion. 



e. mbfcftnttt. Unroitte am ftärtften mar, unb baß fie at« lebenbiger 23emei§ 
figurirten bon bem Unmertf) be§ ®lofterleben8, ber ganzen geift* 
tiefen (Sinricfytung, be$ ©laubensfrjftem«, ja ber Religion über* 
fyaupt, je nadjbem man bie Folgerungen mit 9?ed)t ober Unredjt 
au8$ubef)nen beliebte, ülttan barf tjiebei mofjt annehmen, baß 
Otalien eine beutlicfyere Erinnerung öon bem Sluffommen ber 
beiben großen IBettelqrben bemafyrt t)atte als anbere tfänber, baß 
e§ nod) ein iöemußtfein baüon befaß, biefelben feien urfprüngtid) 
bie STräger jener Deaction 1 ) gegen bas, ma§ man bie ®ei?eret beö 
XIII. 3ai)rt)unberts nennt, b. I). gegen eine frütje ftarfe Regung 
beö mobernen italienifdjen ®etfte§. Unb ba§ geiftlidje ^ßoli^ei* 
amt, metd)e$ ben Dominicanern in$befonbere bauernb anbertraut 
blieb, tjat gemiß nie ein anbereS ®efül)t rege gemacht als beim* 
liefen £>aß unb £>ol)n. 
«o^n ber 2öenn man ben Decamerone unb bie Lobelien be« granco 
9to»eaiiten. (g acd)etti u m / j oIlte man glauben, bie frebetbafte 9^ebe gegen 
üöföndje unb Tonnen wäre erfcf)öpft. Iber gegen bie 3eit ber 
Deformation fytn fteigert fid) biefer £on nod) um ein äfterftidjeö. 
®erne taffen mir Slretino aus bem @piel, ba er in ben 9tagiona* 
mentt ba« ®lofterteben nur sunt 23orroanb brauet, um feinem 
eigenen Naturell ben $ügel fließen ju taffen. Slber einen Beugen 
ftatt aller müffen mir l)ier nennen : Sttaffuccio in ben jet)n erften 
toon feinen fünfzig ^ooeüen. «Sie finb in ber tiefften (Sntrüftung 
unb mit bem Smecf, biefetbe ju öerbreiten, gefdjrieben unb ben 
bornefymften ^ßerfonen, felbft bem ®önig gerrante unb bem 
grinsen Sltfonfo üpu Neapel bebicirt. Die ©efd)id)ten felbft finb 
jum. £l)eit älter unb einzelne fcfyon aus Boccaccio befannt; 
2lnberc8 aber bat eine furchtbare neapoütantfa^e Slctuatität. Die 
•23ett)örung unb 2Iu8faugung ber 23otf3maffen burd) fatfcfje SBunber, 
üerbunben mit einem fdjänblidjen SBanbet, bringen tn'er einen 
benfenben ^ufdjauer ^u einer matjren .^eqmeiflung. S3on bemm* 
gieljenben 9D?inoriten (Sonbentuaten beißt e§: „@ie betrügen, 
rauben unb fyuren, unb roo fie nid)t mefyr meiter miffen, fteüen 
Die setter« fl e ftd) a ^ ^ ei ^9 ß utt0 ty m Söunber, mobei ber (Sine baö 
mß J.' d ' c J n ten ® etn anb @- 23incen$o, ber Slnbere bie <Sd)rift 2 ) <§. 33ernar* 
bino'S, ein Dritter ben &aum öon ßapiftrano'S (5fet borjeigt.". . 



SRoveflen. 



1) ©tot). mUani III, -29 fagt bieg fefjr beutlidj ein Saljrfj. fpitter. 

2) L'Ordiue. 2Baf)tfc§eittlicf) ift feine Safel mit bem 2Kotto I H S 
gemeint. 



©Ute unb Sfteligton. 



369 



Slnbere „beftetten fid^ Jpelf cr«f»etfer , welche, fcfyeinbar blinb 6. 3ibf<*»titt. 

ober tobtfranf, burd) ^Berührung be« Saume« ihrer ®utte ober ©ueettei. 

ber mitgebrachten Reliquien ptö^tid) mitten im 23olfe«getoüht ge* 

nefen; bann fdjreit Sitte« SJiifericorbia! man läutet bie (Stocfen 

unb nimmt lange feierliche ^rotocoße auf." (£« fommt üor, bafj 

ein ÜJttönd) auf ber ®aujel öon einem anbern, welcher unter bem 

23olfe ftetjt, feef at« Lügner angefahrten wirb; bann aber füf)lt 

fid) ber 9?ufenbe ptö^ttet) öon 33efeffenheit ergriffen, worauf ihn 

ber ^rebiger begehrt unb heilt — Sitte« reine (Somöbie. £>er 23e* 

treffenbe mit feinem £)etfer«f)elfer fammette fo Oiel ®etb, bajj er 

oon einem ßarbtnal ein 23i«thum laufen fonnte, wo beibe ge* 

mädjlid) auflebten. SJhffuccio macht feinen befonbern Unterfd)ieb 

äwifdjen granci«canern unb •Dominicanern, inbem beibe einanber 

wertf) feien. „Unb ba läßt fict) ba« unüernünftige publicum noch 

in ihren §aji unb ihre ^arteiung hineingehen unb ftreitet barüber 

auf öffentlidien ^tä^en 1 ) unb theitt fich in $rance«d)iner unb 

£)omenichiner!" £)ie Tonnen gehören au«fd)liej3ltd) ben Mönchen; 

fobalb fic fid) mit #aien abgeben, werben fie eingeterfert unb Oer* 

folgt, bie anbern aber hatten mit üftond)en förmüd)e £od}3eit, wobei 

fogar Steffen gefungen, Sontracte aufgefegt unb ©peife unb Stranf 

reiflich genoffen werben. „Och fetber, fagt ber SSerfaffer, „bin 

nicht ein fonbern mehrere Sttate babei gewefen, fyaht e« ge* 

fehen unb mit Rauben gegriffen. @oldje Tonnen gebären bann 

entweber niebtia)e üftönchtein ober fie treiben bie grud)t ab. Unb 

wenn Semanb behaupten möchte, bieft fei eine Süge, fo unterfuche 

er bie floaten ber D'Jonnenflöfter unb er wirb barin einen 23orratt) 

öon garten tnöd)tein finben nid)t biet anber« at« in Bethlehem 

ju Aerobe« Reiten." (Solche unb anbere ©adjen birgt ba« 

®lofter!eben. greitich madjen einanber bie 2)?önd)e e« in ber 

33eid)te bequem unb bictiren ein <ßaternofter für £>inge, um berent* 

Witten fie einem Öaien atte Slbfotution Oerfageu würben gleich 

einem Äe^er. „3Darum öffne fid) bie £rbe unb öerfd)tinge fotdje 

3Serbred)er tebenbig fammt ihren (Sönnern." 2ln einer anbern 

<5tette äußert äftaffuccio, weil bie 3D?act)t ber äftönche bod) wefent* 

lieh owf bzv gurd)t üor bem Oenfeit« beruhe, einen ganj merf* 

würbigen 3Bunfd): ,,e« gäbe feine beffere Züchtigung für fie, al« 

!) @r fugt J)inju: unb in ben seggi, b. f). ben Vereinen, in roeldje 
ber neapoIitanifc§e Slbel geteilt wav. — Sie 3tioalität ber beiben Drben 
rcirb fjäufig lädjertic^ getnadfjt, 3. SB. Bandello III, Nov. 14. 

33unfl)arM. Guttut ber SHcnmffance. 24 



370 



©Ute unb Religion. 



e. Mbfdjm kt. roenn ©ort redjt batb ba« Fegefeuer aufhöbe; bann tonnten fie 
ntdjt mefn* öon Atmofen (eben nnb müßten roieber jur $acfe 
greifen." 

Sföenn man nnter gerraute unb an tt)n fo fdjreiben burfte, 
fo l)ing bie§ Piefteid)t bamit jufammen, ba£ ber ^öntg burdj ein 
auf itjn gemünztes fatfcfyeö SBunber erbittert war SOtan tjatte 
it)tt burdj eine bei £arent Pergrabene unb fyernad) gefunbene 23(ei= 
tafet mit Onfdjrift ju einer SubenPerfoIgung äl)n(td) ber fpanifdjen 
ju fingen gefugt, unb, ate er ben betrug burdjfdiaute, ifjm 
Stro^ geboten. Audj einen fatfcfyen gafter fyatte er enttaroen 
(äffen, roie fcfyon früher einmal fein 33ater ®onig Atfonfo tf)at. 
£>er f)of fyatte roenigfteus am bumpfen Aberglauben feine üflit* 
fcfmlb 2 ). 

2Bir fyaben einen Autor angehört, bem e$ (Srnft war, unb 
er ift fange nidjt ber einzige in feiner Art. @pott unb ©djimpf 
über bie 35ette(mönd)e finb Poflenbs maffenroetfe porfyanben unb 
burdjbringen bie ganje Literatur 3 ). äftan fann faum baran 
jweifetn, baf$ bie Denaiffauce binnen ®urjem mit btefen £)rben 
aufgeräumt fjaben mürbe, wenn nid)t bie öeutfdje Deformation 
unb bie ©egenreformation barüber gefommen roäre. 3f)re popu* 
lären ^ßrebiger unb ifyre fettigen I)ätten fie fdjmerüd) gerettet. 
Gü8 märe nur barauf angefommen, baß man fid) mit einem 'ißapft, 
ber bie ^ßettelorben t?erad)tete, roie 3. 23. Sco X., ju redjter 3eit 
Perabrebet l)ätte. 2öenn ber 3citgeift fie bodj nur nod) enttueber 
fomifd) ober abfcljeuttcfi fanb, fo maren fie für bie $ird)e roeiter 
nia)tö meljr afö eine Skrtegenbeit. Unb raer roeiß, maö bamate 
bem ^3apfttl)um fetber beoorftanb, roenn bie Deformation es nidjt 
gerettet fyätte. 

ote £>ie 9J?ad)tübung , wefdje fid) fortmäfyrenb ber ^ßatcr 3nqui* 

f üor t[m ^ontinicanerftofter« über bie betreffenbe @tabt erlaubte, 
mar im fpdtern XV. Oafyrfyunbert gerabe nod) groß genug, um 
bie ©ebitbeten ju geniren unb ju empören, aber eine bauerube 
fturdjt unb £)ePotion ließ fid) nidjt mefjr ergingen. 4 ). -Söloße 

*) $ür ba3 ^olgenbe cgi. Jovian. Pontan. de sermone, L. II. unb 
Bändelte), Parte I, Nov. 32. 

2 ) SßeöEjalb autf) fonft in feiner S^ätje bieä SBefen offen benuncirt wer« 
ben burfte. 33gL auef) Jovian. Pontan.: Antonius unb Charon. 

3 ) 33eifptet3£jalber: ber VIII. ©efang ber -Utaccaroneibe. 

4 ) 5Die ©efd&tdjte in Vasari V, p. 120, vita di Sandro Botticelli, 
jeigt, bajj man biätoeilen mit ber Snquifüton ©dEjerj trieb. SlHerbingS 



©itte unb Religion. 



371 



(Sefinmmgen 31t [trafen tute bor Reiten (@. 226, f.) roar nicf) t e. m^nitt. 
mefjr mögücf), unb bor eigentlichen 3rrtefjren fonnte fid^ aud) 
^Derjenige (eicfjt f)üten, ber fonft gegen ben ganzen (Steruö ate 
fötalen bie tofefte £unge führte. SBenn nid)t eine mächtige gartet 
mitfjaff (roie bei ©abonarofa) ober böfer 3auber beftraft werben 
folfte (roie öfter in ben oberitafifdjen ©täbten), fo fam e« am 
(Snbe be8 XV. unb Anfang be« XVI. 3af)rf)unbert$ nur noch, 
fetten bis $um ©Weiterlaufen. 3n meiern gälten begnügten 
ftd) bie Onqutfitoren, rote e« fdjeint, mit i)öd)ft oberpajtic^em 
Sieberruf, anberemate fam e« fogar bor, baß man itjnen ben 
SBentrtfjeitten auf bem ©ange jum 9?id)tpta£ aus ben Rauben 
natym. 3n Bologna (1452) 'roar ber ^riefter 9?icotö ba Verona 
als Sftecromant, £eufet§banner unb @acrament$fd)änber bereits 
auf einer fjötjernen SBüfyne bor ©an ÜDomenico begrabirt roorben 
unb foflte nun auf bie $ta^a gum ©djeiterfjaufen geführt roerben, 
al« if)n unterroeg« eine (Schaar bon beuten befreite, roetd)e ber 
3of)anniter Sldjifle aflafoejji, ein befannter Sefcerfreunb unb 
9?onnenfd)änber, gefanbt tjatte. ©er &gat (ßarbmat iöeffarion) 
fonnte fyernaef) bon ben Jätern nur (Sine« Ijabfyaft roerben, ber 
geteuft rourbe; S^albea^i lebte ungeftört roeiter 1 ). 

<£« ift bemerfensroertb,, baß bie Ijöfjern £)rben, affo bte © ic 
^öenebictiner mit iijren 2tb$roeigungen, tro£ if»re§ großen 9?eia> Drl>en - 
tljums unb SBoljttebenS roeit roeniger perfyorreScirt roaren at$ bie 
$3ettetorben ; auf jefjn Lobelien, bie bon frati Ejanbetn, fommt 
fyödjften« eine, roetdje einen monaco jum ®egenftanb unb Opfer 
f)at. Mfyt roenig fam biefen Orben 31t ®ute, baß fie ätter unb 
olme polijeitid)e Stbfidit gegrünbet roaren unb fidj nidjt in baä 
^ribatteben einmifdjten. (£« gab barunter fromme, geteerte unb 
geiftreidje Seute, aber ben SDurdjfdfntttt fdjitbert einer bon iijnen, 
ftirenjuota 2 ), roie folgt: „SDtcfc 2ßol)fgenäi)rten in Hjren roeiten 
Sutten bringen ifjr geben nidjt f)in mit barfüßigem ^erurnjictjett 
unb ^rebtgen, fonbern in $ierlid)en (Sorbuanpantoffetn fifcen fie 



fann ber f)hx erwähnte SSicarto fotoof)! ber be3 ©rjbifd^ofä aI3 ber be§ 
bomimcanifcfien Qnquifitorä geroefen fein. 

!) Bursellis, Ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 886. cf. 896. 

2 ) Sgl. ©. 273, f. @r n>ar 2lbt ber Mom&rofaner. Sie ©teile, 
Ijier frei überfefct, finbet fttfj Opere, vol. H, p. 208 in feiner Junten 9lo= 
»eile. — @ine einlabenbe ©cöjlberung be3 2Bof»lleben§ ber ©artfyäufer in 
bem 8. 271 citirten Commentario d'Italia, fol. 32, s. 



24* 



372 



©Ute unb Religion. 



6. 9i6f*nitt. in tyren fronen edlen mit (Sppreffengetdfel, unb fatten bie §dnbe 
über bem S3aud). Unb wenn fie je einmal fiel) üon ber ©teile 
bemühen müffen, fo reiten fte gemdd)tid) auf 9ttaultt)ieren unb 
fetten ^ferbdjen rate jur @rf)olung rjerum. £)en ©eift ermüben 
fie nid)t ju fefyr buref) ©tubimn Dieter 33üd)er, bamit bas Sßiffen 
ifjnen nicfjt ftatt ifyrer mondjifdjen Einfalt einen &tcifer$l)od)mutl) 
beibringe." 

Ser bie Literatur jener 3eiten fennt wirb jugeben, baß fjier 
nur baS jutn Sßerftdnbniß beS ©egenftanbeS ^ot^wenbigfte mit* 
geteilt ift l ). £)aß eine foldje Deputation Pon SBeftcleru* unb 
2ftönd)en bei Unseligen ben ©tauben an baS ^eilige überhaupt 
erfepttern mußte, fpringt in bie 21ugen. 
(sukeiarbint 2öa8 für fd)re<flid)e ©efammturtfyeile betommt man ba ju 
über t>m wem«. ^ xm \ sgjir tljeilen fdjtießlid) nur eine« baPon mit, weil e$ erft 
neuerltd) gebrueft unb nod) wenig befannt ift. ©uicciarbini, ber 
©efdjtdjtfdjreiber unb üieljäfyrige Beamte ber mebiceifdjen Zapfte, 
fagt (1529) in feinen 21pf)ori$men 2 ): „Seinem 3ttenfd)en mißfallt 
mef)r als mir ber (Sljrgeij, bie §abfud)t unb bie tefdjweifung 
ber ^ßriefter, fowof)! weil jebeS biefer ßafter an fid) tyaffenswertl) 
ift, al« auef) weil jebes allein ober aHe fitf) wenig fernen bei 
beuten, bie fid) ju einem Pon ©ott befonberS abhängigen @tanb 
befennen, unb öollenbs weit fie unter fid) fo entgegengefefct finb, 
baß fie fid) nur in ganj abfonberlidjen Snbiuibuen Pereinigt 
finben fonnen. ©leidjwof)! l)at meine Stellung bei meiern 
Zapften mid) gezwungen, bie ©röße berfelben ju wollen meines 
eigenen 93ortt)eitö wegen. Slber ofjne biefe Düdfidjt t)dttc id) 
Martin 8uit)er geliebt, tote mid) felbft, nid)t um mid) to«ju* 
machen öon ben ©efe^en, weldje ba« @Ijriftentt)um, fo wie eö 
insgemein erfldrt unb öerftanben wirb, uns auferlegt, fonbern 
um biefe ©djaar PoU'^idjtSwürbigeu (questa caterva di sce- 
lerati) in ifjre gebüljrenben ©ränjen gewiefen $u fefyen, fo baß 
fie entweber olme Softer ober ofyne 2)?ad)t leben müßten." 

©erfelbe ©uicciarbini l)ält benn aud) bafür 3 ), baß wir in 
betreff alles Uebernatürltdjen im £)unfel bleiben, baß ^tjilofopfyen 



i) $iu§ II war au§ ©rünben für Slbfd^affung be3 ©öltbateS ; Sacer- 
dotibus magna ratione sublatas nuptias maiori restituendas videri, mar 
eine feiner Siebltngäfentengen. Piatina, Vitae Pontiff. p. 311. 

s ) Eicordi, N. 28, in ben Opere inedite, Vol. I. 

3) Eicordi, N. 1. 123. 125. 



©Ute unb Religion. 



373 



unb Stfjeotogen nur St^or^eitett barüber öorbringen, baß bie e. mwftnttt. 
SButtber in allen Religionen öorfommen, für feine befonberS be* 
weifen unb ficf) am (Snbe auf noch unbefannte 9?aturphänomenc 
3urücffüt)ren laffen. Den bergeöerfe^enben (Stauben, wie er ft«f> 
bamafä bei ben Nachfolgern ©aöonarota'S ju erfennen gab, 
conftatirt er ate ein curiofe« ^ßt)dnomen, boct) ofjue bittere 33e* 
merfung. 

Gegenüber öon folgen (Stimmungen Ratten Uterus unb ® c ^™ 8 c an 
3flönd)thum ben großen 23ortheit, baß man an fie gewohnt war 
unb baß tf»r ©afein fid) mit bem Däfern bon -3ebermann berührte 
unb berflodjt. (§S tft ber 23ort()eit, ben atte alten unb mad)tigen 
Dinge bon jetjer in ber SBelt gehabt ^aben. Sebermann I>atte 
irgenb einen SBerwanbten im "ißriefterrotf ober in ber $utte, trgenb 
eine 2Iu8ficf)t auf protection ober fünffigen ©ewinn au« bem 
©dja^ ber $ird)e, unb in ber SDHtte bon Otattert faß bie römifdje 
ßurie, lüelctje ibre ßeute bis weifen pfö|fid) reich machte. Dod) 
muß manfehr heröorheben, baß bieß 2Ufe« bie ,3unge un ^ D * e 
$eber ntcfjt banb. Die Tutoren ber läfterlidjen ®omif finb }a 
fetber meift ülftöndjc, ^früubner u. f. w.; ^ßoggio, ber bie gace* 
tien fdjrieb, war ©eiftticljer, granceöco 35erni hatte ein (Sanonicat, 
£eoftfo gofengo mar 33enebicttner '), äftatteo Sßanbetfo, ber feinen 
eigenen Orben (ädjerüa) mad)t, mar Dominicaner unb jwar Nepot 
eine« ©eneraf« biefeS Drben«. treibt fie ein Uebermaß be& 
@id)erheit§gefühfe6? ober ein 23ebürfuiß, bie eigene ^ßerfon öon 
ber SSerrufenjjeit be8 ©tanbeS ju fonbern? ober jene peffimiftifche 
@etbftfud)t mit bem Sal)ffprud): „uns häft'S nocf» aus"? 93iel= 
Ieid)t mar etraa§ öon 2lflem babei. 33ei gotengo wirft freifid) 
fdjon ba$ 8utl)ertf)um fenntttct) ein 2 ). 

Die 5lbl)dngigfeit öon ©eguungen unb ©acramenten, öon »™ rt " 
wefd)er bereit« (@. 82) bei 2Maß be« ^apftthum« bie Rebe ® C9 " ul,0cn - 
gewefen ift, öerftef)t fid) bei bem gläubigen Zl)dl be£ SSotfeS »on 
fefbft; bei ben (Smancipirten bebeutet unb bezeugt fie bie ©tärfe 
ber 3ugenbeinbrücfc unb bie enorme magtfdje ®raft altgewohnter 
©ömbofe. Da« Verlangen ber @terbenben — wer er auch f e * n 
mochte — nad) priefterttd)er Sfbfofutton beweist einen Reft öon 
^oHeufurcht, felbft bei einem üfteufdjen wie jetter SSttetfo^o (a.a.O.) 

!) Ureitid^ ein feEjr unbeftänbiger. 

2 ) $gl. beffen u. b. -Kamen Simerno Sßitocco gebtcfjteten Orlandino, 
cap. VI, Str. 40, s. cap. VII, Str. 57. cap. VIII, Str. 3, s., bef. 75. 



374 ©itte imb Religion. 

e. wbfdtnitt. mar. (5in betcfjrenbereö 33eifpie( als baS fetntge roirb fdjtüer 31t 
finben fein, <£>ie firdjüdje ßefjre üon bem Character indelebilis 
beS ''ßriefters, rooneben feine ^erfönüd^feü inbifferent rotrb , fyat 
fo roett grüajte getragen, bajj man roirflid) ben ^ßriefter üerab* 
fdjeuen unb bod) feine geiftttcfjen ©penben begehren fann. $ret* 
lid) gab es aud) Stro^föpfe tüte 3. $3. gürft ©ateotto üon 
Sttiranbota l ), ber 1499 in einer bereit« fedj^efynjcifyrigen (5£com* 
tnunication ftarb. !il$äf)renb biefer ganzen 3eit war aud) bie 
@tabt um feinettüiüen im Unterbiet gemefen, fo baß roeber S0?cffe 
nod) geraeif)teS -Söegräbmjj ftottfanb. 

Die ©u&ptebiger. ©tdnjenb tritt enbtid) neben aft biefen ^tüeibeutigfeiten fyerüor 
baS 23err/ctftnij3 ber Nation $u ifyren großen -SSuftprebigem. £)aS 
ganje übrige Ibenbtanb üefc fidj üon 3eit j U g e it burdj bie SKebe 
Zeitiger 9#önd)e rühren*, aüein roaS tüoüte bieft fyeifjen neben 
ber periobifcfyen @rfd)ütterung ber itatienifdjen <Stä'bte unb ßanb* 
fdjaften? ,3ubem ift j. $8. ber einzige, ber maljrenb bes XV. 
3a{)rIjunbertS in X)eutfcf)tanb eine äl)nüd)e2öirfung I)erüorbrad)te 2 ), 
ein 5lbrujjefe üon ©eburt getuefen, nämttd) ©ioüanm ßapiftrano. 
£)iejenigen ©emittier, roetdje einen fo gewaltigen (5mft unb einen 
fotogen religiöfen iöeruf in fid) tragen, finb bamalS im Horben 
intuitiü, müftifd); im «Silben e^panfiü, practifdj, üerbünbet mit 
ber fyoljen Sldjtung ber Nation üor <Sprad)e unb Sftebe. £>er 
Horben bringt eine Imitatio Christi Ijerüor, meldte im ©tiüen, 
anfangs nur in Slöftern, aber auf 3af)rf)unberte tüirft; ber 
©üben probucirt Ottensen, tüeldje auf 3Jicnfdjen einen cotoffaten 
(Sinbrucf beS SlugenbUcfeS madjen. 

£)tefer (Sinbrucf beruht toefenttid) auf Erregung beS (SetüiffenS. 
<£$ finb SKoralprebtgten, otme Slbftraction, üofl fpecietter Slntüen* 
bung, unterftü^t üon einer gemeinten, ascetifdjen '»Perfonl'idjfeit, 
woran fid) bann üon felbft burd) bie erregte ^ßt)antafte baS SD^irat'et 
anfdjttefjt, audj gegen ben Sitten bes ^ßrebigers 3 ), £)as genmttigfte 



1) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362. 

2 ) @r fjatte einen beutfetjen unb einen flannfct)en Solmetfdjer bei ftcfj. 
2tudj ©. Serntjarb tjatte einft am 9tf)ein beffelben 3RitteI§ beburft. 

3 ) ©apiftrano 3. 33. begnügte fidj, über bie Saufenbe von Fronten, bie 
man tfjm braute, bo§ Äreuj ju maetjen unb fie im Flamen ber SDreieinig* 
Mt unb feinet ÜDteifterg ©. Sernarbino ju fegnen, worauf f)ie unb ba 
eine nnrfltdfje ©enefung erfolgte, roie in fotogen fällen ju gefdjeljen pflegt. 
®er ©fironift con 23re3cta beutet bie£ fo an: „er tljat fdjjöne Sßunber, 
bodj erjagte man tuet met)r als roirftictj mar". 



©Ute unb Religion. 



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Slrgument mar roeniger bie Drofyung mit Fegefeuer unb §öüe,_e_a»f*?!«i. 
al% üietmefjr bie fyöd)ft tebenbigc (SntmicHung ber maledizione, 
be$ jeitlidjcn, in ber ^erfon roirfenben gtudtjeö, ber ftd) an baö 
33öfe fttüpft. Die 33etrübung (Sfyrifti unb ber fettigen t)at if)re 
folgen im lieben, üftur fo fonnte man bie in Oeibenfdjafr, SKadje* 
fct)tüüre unb 23erbred)en üerrannten äftenfdjen jur ©ülme unb 
33uj3e bringen, ma§ bei SBeitem ber roidjtigfte £>md war. 

@o prebigten im XV. 3al)rf)unbert 33ernarbino ba ©iena, 
Sltberto bo ©ar^ana, ®ioPanni (Sapiftrano, 3acopo beüa äftarca, 
Roberto ba ßecce (©. 327) unb Slnbere; enblid) ©irolamo 
©aoonarota. (§8 gab fein ftdrt'ereö 33orurtf)eiI at$ baSjcnige 
gegen bie -Söetretmöncfje ; fie überroanben es. Der tjocrjmüttjige 
Humanismus critifirte unb fyöfmte 1 ) ; wenn fie ü)re ©timme 
erhoben, fo backte man feiner nidjt mefyr. Die ©acfye mar nidjt 
neu, unb ein ©pötterPotf, mic bie gtorentiner, fyatte fdmn im 
XIV. 3af)rt)unbert bie ßaricatur bation, xoo fie fidj auf feinen 
Äanjcln Miefen tiefe, malträtiren gelernt 2 ); als ©aüonarola auf* 
trat, riß er fie bodj fotueit l)in, bajj batb ttjre ganje geftebte 
.©Übung unb ®unft in bem ®lutt)feuer, bas er entjünbete, ju* 
fammengefa}mol3en märe, ©elbft bie ftärffte ^rofanation burdj 
J)euct)terifcf)e üUiöndje, welche mit £mlfe Pon (Sinoerftanbcnen bie 
SKüljrung beliebig in itjren guijörern tjerborjubringen unb ju 
Perbretten raupten (ogt. ©. 369), mar nidjt im ©tanbe ber ©ad)e 
fetbft 3U fd)aben. SD^an futjr fort, über gemeine 3Jiönd)Sprebigten 
mit erbidjteten Sßunbern unb SSoqeigung fatfcfjer Reliquien 3 ) ju 
lacfyen unb bie eckten großen 33ufeprebiger tjod) ju aalten. Die* 
fetben finb eine roaljre itatienifdje ©pectafttät beö XV. 3af)r* 
fjunberts. 

Der £>rben — in ber Sfteget ber beS f). granciScuS unb 3*r orben. 
groar Pon ber fogenannten Obferpanj — fdjicft fie aus je naa> 
bem fie begehrt mcrben. Die§ gefd)ief)t I)auptfäd)iid) bei fdjtuerer 
öffentlicher ober ^rtPat3tt)ietrad)t in ben ©täbten, aud) raofyl bei 
fdjrectttdjer 3unaf)tne ber Unfidjerfyeit unb Unfittlid)fett. 3ft bann 



!) ©o 5. 33. Poggio, de avaritia, in ben Opera, fol. 2. ©r finbet, 
fie Ratten e3 leidet, bo fie in jeber ©tobt baffel&e Dor&rädjten unb ba3 
fßoll bümtner entloffen bürften al§ es! gelotnmen fei jc. 

2 ) Franco Sacchetti, Nov. 72. 33erfef)lte Sujjprebiger finb bei aßen 
■Jtooelliften ein Ijäufigeä ££)ema. 

3 ) 23gl. bie befannte ^ßoffe im Decamerone VI, Nov. lü. 



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©Ute unb Religion. 



e. «bfdjwi tt . aber ber Ruhm eine« ^ßrebtgerö gemachfett, fo begehren ihn bie 
(gtäbte alle aud) ohne befonbern 2ln(af?; er gct)t mohin ihn bie 
Obern fenben. (Sin befonberer £meig tiefer Stt)ätigfeit ift bie 
®reujprebigt gegen bie Surfen 1 ); mir haben eö aber f)ier mefent* 
tief) mit ber Söufjprebigt ju thun. 

3öre sDictijrtc. £>ie Reihenfolge ber ^rebtgten , menn eine foIdt)e trtetr)obi|cr) 
beobachtet tuurbe, fcfjeint fief) einfact) an bie ftrcfjttcfje Slufjäbjung 
ber £obfünben angeftfjloffen ju haben; je bringenber aber ber 
Moment ift, um fo et)er get)t ber ^rebiger unmittelbar auf ba3 
^aupt^iet (o§. dx beginnt bietteia)t in einer jener gewaltig großen 
Örbensfirchcn ober im Dom; binnen $ur$em ift bie größte ^ßiajja 
ju Hein für ba8 bon allen ©egenben fjerbeiftrömenbe 23otf, unb 
ba§ kommen unb ®efjen ift für itm fctbft mit Lebensgefahr Der* 
bunben 2 ). 3n ber Reget fdjtiefjt bie ^ßrebtgt mit einer Ungeheuern 
^ßroceffion, allein bie evftcn ©tabtbeamten, metcfje ihn in bie 
9JUtte nehmen, fönnen ihn auch ba faum bor ben Seilten' fidjern, 
metche ihm §änbe unb $üße lüffen unb ©tücfe bon feiner ®utte 
fchneiben 3 ). 

£)ie ncichften (Srfotge, welche fich am leichteften ergeben, nach* 
bem gegen Sucher, SSorfauf unb unehrbare üDioben geprebigt 
morben, finb ba« Eröffnen ber ©efängniffe, b. h- töof)l nur bie 
greilaffung ärmerer ©djulbgefangenen, unb baß Verbrennen bon 
£u$u8fad)ctt unb ©erzeugen gefährlidjen fomoht als unfa)ulbigen 
^eitbertreibe§ : als ba finb Surfet, harten, «Spiele aller 2lrt, 
ff 5D?aö!engefichter", -äftufitinftrumente, ©efangbüdjer, gefd)riebene 
Zauberformeln 4 ), falfctje |)aartouren u. Dieß 2llle8 mürbe auf 

!) SBobei bie ©ad)e nneber ganj etgentfjütttUcfje färben annahm. $gt. 
Malipiero, Ann. venet., Arch. stor. VII, I, p. 18. — Chron. venetum, 
bei Murat. XXIV, Col. 114. — Storia bresciana, bei Murat. XXI» 
Col. 898. 

2) Stor. Bresciana bei Murat. XXI, Col. 865. 

3) Allegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 819. 

4 ) Infessura (bei Eccard, scriptores II, Col. 1874) fagt: canti, brevi, 
sorti. ©tftereä fönnte auf Sieberbüdjer geben, bergleicfjen roenigftenS ©a* 
oonarola nnrflid) »etbrannt tyat. 2lßein Graziani (Cron. di Perugia, Arch. 
stor. XVI, I, p. 314) fagt bei einem äfjnlia)en 2lnlafj, brieve incante, 
nmS ofjne 3 tt,e if e 't brevi e incanti lefen ift, unb eine atjnlidje @men* 
batton ift üieHeidji aud) bei ^nfeffura ratsam, beffen sorti oI)nef)in trgenb 
eine ©adje be§ 9lberglauben3 bejeidjnen, etwa ein rcaf)rfagenbeä Karten* 
fuiel. — 3"* 3«t beä SüajerbrucfeS fammelte man aud) j. 33. alle @Eem= 
plare be§ SDiarttal für ben ©Weiterlaufen ein. Bandello III, Nov. 10. 



(Sitte unb Sfteligion. 



377 



einem ®erüfte (talamo) ofjne ^weifet jierlidj gruppirt, oben brauf e. mmmtt. 
etwa nod) eine STeufetöfigur bcfeftigt unb bann geuer angelegt. 
(5Bg(. @. 293.) 

^un fommen bie hartem ©emittier an bie föetfye; tuer 3«»« aBithmg. 
tängft ntd)t mefyr gebeichtet Ijat, beichtet nuntnetjr; ungerecht üor* 
enthaltenes ®ut wirb jurihfgegeben, unljeilfcbroangere @d)mäf)reben 
werben jurücfgenommen. SHebner wie ißernarbino ba Siena 1 ) 
gingen fet>r emfig unb genau auf ben tdgttdjen 23erfehr ber üften* 
fd)en unb beffen @ittengefe£ ein. Steige unferer gütigen Sfyeo* 
logen mochten roofjt eine äftorgenprebigt ju Ratten berfttcbt fein 
„über Sontracte, SReftttutionen, @taat§renten (raonte) unb 2luS* 
ftattung üon £öd)tern", wie er cinft im £)om üon gtorenj eine 
t)iett. Unüorftd) tigere ^ßrebiger begingen babei leicht ben gef>ter, 
fo ftarf gegen einzelne 3ttenfd)enclaffen, ©etoerbe, 33eamtungen 
loSjujieben, baft fid) ba« aufgeregte ©emüth. ber ^uljörer fofort 
burd) £bätti dtfetten gegen biefe enttub 2 ). Sludj eine ^ßrebigt beö 
33ernarbino ba (Siena, bie er einmal in 9?om (1424) fytelt, fmtte 
aujjer bem Jöranb bon *ßufc* unb 3 a uberfad)en auf bcm (Sapitot 
nod) eine anbere gotgc: „§ernadj, Ijetfjt e« 3 ), raurbe auch, bie 
£e£e ftinicetta üerbrannt, weit fic mit teuflifdjen ÜWittcItt biete 
®inber töbtete unb üiefe ^erfonen berate, unb gan$ SKom ging 
Ijm e3 ju fefjen." 

3)as mldjtigfte Biel ber ^rebigt aber ift, roie oben bemerft, 
bie SSerföt)nung üon (Streit unb SBerjtdjtimg auf bie 9?adje. (Sie mirb 
mof)( in ber 9?egel erft gegen (Snbe be8 ^rebigtcurfeä erfolgt fein, 
roenn ber (Strom allgemeiner 33uj$ferttgfett allmätig bie gonjc ©tabt 
ergriff, wenn bie ßuft erbebte 4 ) üon bcm ©efdjrei be§ ganzen 
23olfe8: misericordia! — $5a tarn e£ ju ienen feierlichen 
grtebettSfdjltiffen unb Umarmungen, aud) wenn fchon SBecfifcImorb 



*) ©. beffen merfroürbige 33tograpfjie bei Vespasiano Fiorent. p. 244, 
s. — unb bie bei Aen. Sylvius, de viris illustr., p. 24. 

2) Allegretto, l. c, Col. 823 ; ein ^rebiger J»e£t ba3 S3oti gegen bie 
3fttdjter (roenn nidjt ftatt giudici etroa giudei ju lefen ift) roorauf biefelben 
balb in ihren Käufern roären üerbrannt roorben. 

3) Infessura, l. c. 3m £obe§tag ber §eje fdjeint ein (Schreibfehler 
ju liegen. — Sßie berfelbe ^eilige tror 2lre^o ein oerrufeneä 2Mlba)en 
umbauen lief?, erjagt Vasari III, 148; v. di Parri Spinelli. Oft mag 
fitf) ber erfte Sufjeifer an Scalen, ©nmbolen unb aöerfjeugen fo aiemlicf) 
erfchöpft haben. 

4 ) Pareva che Varia si fendesse, heifit e§ irgenbroo. 



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©Ute unb Religion. 



e. gibfdmitt. ^mtidien ben ftreitenben Parteien tag. Sttan liefe raofjl bie bereits 
Verbannten ju fo fettigem Vorhaben abftdjtttdr) in -bie <3tabt 
fommett. Gr« fc^eint , bajj foldje „paci" im ©anjen beobachtet 
roorben ftnb , aud) raenn bte gehobene «Stimmung borüber mar, 
unb bann blieb ba§ Slnbcnfen be3 üXftöndjeS im (Segen auf Piele 
©reujen cer ®efd)(ed)ter hinaus. Slber es gab railbe, furchtbare @rifen raie 
mxhm - bie ber Familien beüa 33a£te unb ©roce $u 9tom (1482), raobet 
felbft ber große Roberto ba Secce feine Stimme umfonft crI)ob *)• 
$ur$ oor ber (Sljarroodje fyatte er nod) auf bem ^ia% üor ber 
•ütttnertia jafytlofem 23ot£ geprebigt; ba erfolgte in ber SJcadjt üor 
bem grünen SDonnerftag bie fdjrecfttdje @traßenfd)Iad)t üor ^ala^o 
beüa 23aüe beim ©fjetto; am borgen gab «ßapft Sixtus ben 
33cfeht git beffen ©djtetfung, unb I)iett bann bie geraofmten (5ere* 
monien biefcS £age§ ab; am (Sljarfrettag prebigte Roberto lieber, 
in ben £ctnbcn ein (Sruciftr; er unb feine 3uf)örer fonnten aber 
nidjt§ als raeinen. 

©eraattjame, mit fid) verfallene ©emüther faxten Ijauftg unter 
bem (Sinbrucf ber ©ufjprebigten ben (Sntfdjtufj ins Softer $u 
treten, @« raaren barunter Räuber unb 23erbred)er aüer 2lrt, 
aud) raobt brobfofe ©olbaten 2 ). £)abei rairft bie SScraunberung 
mit, raetdje bem fjeiligen äftöndje fid) raenigftenö in ber äußern 
fiebensfteflmtg nad) Gräften ju nä'hern fudjt. 

£)ie @d)(u^prebtgt ift bann ein lauterer ©egensfprud), ber 
fid) in ben Sorten jufammenfa^t: la pace sia con voi! ©rofte 
©djaaren begleiten ben ^ßreoiger nad) ber nädjften ©tabt unb 
hören bafetbft feinen ganjen ®retä öon Reben nod) einmal an. 
ÜJcangcI an 33ei ber ungeheuren 2ttad)t, welche biefe heiligen Männer 
«ontroie. au gübten, war e§ bem (SteruS unb ben Regierungen erraünfdjt, fie 



!) Jac. VoTaterran. bei Murat. XXIII, Col. 167. @§ nürb nidjt 
auSbrucflid) gejagt, bafj er fid) mit btefer gef)be abgab, altein mir bürfen 
ntdjt baran groeifelrt. — 2tudj ^acopo beüa 2Jtarca fjatte einft (1445) nadj 
ungeheuren ©rfolgen faum Perugia cerlaffen, alö ein fdjrecJIicfier 3lacfje* 
morb in ber Familie 3tanieri gefcfiaf). 33gl. Graziani, 1. c. pag. 565, s. 
— 33et biefem 2lnlafj mufj barauf fjingennefen raerben, bafj jene ©tabt 
auffaKcnb oft von folgen ^ßrebigern befugt roirb, ogl. pag. 597, 626, 
631, 637, 647. 

2 ) ©apiftrano Jteibete nad) einer ^ßrebtgt fündig ©olbaten ein; Stor. 
bresciana, L c. — Graziani, 1. c. pag. 565, s, — Aen. Sylvius (de 
viris illustr. p. 25) mar in feiner Qugenb einmal nadjj einer Sßrebigt 
©. Sernarbino'ä na£>e baran, in beffen Drben gu treten. 



©Ute unb Religion. 



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menigften« nicht ju Gegnern ju fabelt. Sin bittet tjieju mar, e. vwamitt. 

ba§ man barauf hielt, nur Mönche 1 ) ober ©etftttdje, tüctc^e tue* 

nigften« bie minbern Söet^en Ijatten, in fötaler Dualität auftreten 

ju taffen, fo bafj ber Drben ober bie betrcffenbe Korporation eint* 

gemäßen für fie haftbar mar. 2lber eine fcbarfe ®renje ließ fid) 

aucf) E)ter nicht feftfjaftett, ba bie ®ird)e unb atfo aud) bie tanjet 

längft für allerlei 3mecfe ber Deffenttid)feit, gerid)ttid)e 2kte, $u* 

blicationen, 93ortefungen ic. in 5lnfprucf) genommen mar, unb ba 

felbft bei eigentlid)en <ßrebigten bisweilen bem §umaniften unb 

Saien ba« 2öort gelaffen mürbe (@. 183 ff.), SGun gab e« ohne* 

hin eine jmitter^afte 9fleufd)enclaffe 2 ), meldte meber TOnche nod) qjrcwgente 

(Setftlidje maren unb bod) ber Söctt cntfagt Ratten, nämlidj bie ® rcm,ten - 

in Statten fet)r gasreichen (Sinfiebler, unb foldje erfdjieuen bis* 

metfett ofme allen Auftrag unb riffen bie ^Bebotferung Ijin. (Sin 

gatl biefer 2lrt ereignete fidj ju 3J?aitanb nad) ber jmeitett fran* 

gofif(f»ett (groberuttg (1516), freilief) in einer 3ett großer öffentlicher 

Unorbnung; ein toöcanifdjer (Sinftcbler, üielleidjt üon ber Partei 

«Sabonarola'«, behauptete mehrere Monate laug bie ^anjet be« 

£)ome«, potemifirte ' auf ba« $cfttgfte gegeu bie Hierarchie, ftiftete 

einen neuen £eucf)ter unb einen Slltar im £)om, tfjat SBunber, 

unb räumte nur nach heftigen kämpfen ba« gelb 3 ). 3n jenen 

für ba« ©djuffat Statten« entfeheibenben £>ecennien ermad)t über* 

1) SDafj e€ an Reibungen ^nuf d)en ben berühmten Dbfertjantenprebigern unb 
ben neibtfdjen Dominicanern ntdjt fehlte, geigt ber ©treit über ba§ r>om 
ftreuj auf bie ©rbe geftoffene S3Iut ©Ijriftt (1463). Ueber $ra Qacopo 
beHa SHarca, ber bem bominicanifdjen Qnquifitor burdjauS nitt)t nachgeben 
wollte, äußert fid^ <ßiu3 II. in feinem auSfüE)rltä)en Seridjt (Comment. L. 
XI, p. 511) mit einer gang §übfd)en Sronie: Pauperiem pati et famem 
et sitim et corporis cruciatum et mortem pro Christi nomine nonnulli 
possunt; iacturam nominis vel rainimam ferre recusant, tanquam sua 
deficiente fama Dei quoque gloria pereat. 

2) 3^r 3Ftuf febroanfte fdjon bamalg jtöifd&en ©rtremen. 2Kan mufe fie 
von ben ©remitemermöndjen unterfdjetben. — Ueberfjaupt roaren bie 
©renken in biefer Sejietjung niö)t feft gebogen. S)ie als 3BunbertE>äter 
berumjieljcnben ©poletiner beriefen fid) immer auf ©an Antonio unb, 
iljrer ©drangen rcegen, auf ben 2lpoftet ^SauIuS. ©ie branbfdjafcten fd)on 
feit bem Xlil. 3ab,rb. bie SSauern mit balbgeiftltdjer 3Jtagie, unb iljre 
«ßferbe rcaren brefftrt niebergutnien, raenn man ©an Antonio nannte, 
©em Vorgeben nad) fammelten fie für £ofpttäler. Massuccio, Nov. 18. 
Bandello III, Nov. 17. Firenzuola in feinem asino d'oro täfjt fie bie 
©teile ber Settelpfaffen be§ 2tpuleju§ certreten. 

s) Prato, Aren, stor. III, p. 357. Burigozzo, ibid, p. 431. 



380 



©Ute unb Religion. 



. Mbfdtwttt. aü bie SBeiffagung unb biefe täßt ftdj, roo fie borfömmt, nirgenbö 
auf einen beftimmtett @tanb einfdjränfen. üftan roeift j. 23., rate 
öor ber SSerroüftung s Jiom8 bie (Sinftebter mit einem wahren Strohe 
ber ^rop^etie auftraten (@. 98). 3n (Srmangfttng eigener 33e* 
rebfamfeit fcrjicfen fotct)e Öeute audj wof)t 23oten mit <5mnboien 
wie j. 25. jener Stecet bei @iena, ber (1429) ein „Gsremirtem", 
b. Ij. einen @d)ü(er in bie geängftigte ©tabt fanbte mit einem 
S£obtcnfopf auf einem @tecfen, woran ein fettet mit einem bro* 
fyenben $5ibelfprud) rjing 1 ). 

2Iber aud) bie ülftöndje felber fdjonten oft dürften, $ef)örbett, 
(Sterug unb itjren eigenen ©tanb burajauS nidjt. 3roar eine bi= 
recte "ißrebigt jum ©turj eines £ttrannent)aufe§, tote bie be$ gra 
3acopo Jöuffollaro ju 'ißabia im XIV. 3ai)rf)unbert gemefen mar 2 ), 
trifft man in ben fotgenben Reiten nidjt mefyr an, raof)l aber 
mutagen £abe(, fetbft gegen ben *ßapft in beffen eigener (Sapette 
(®. 185, 2tnm.), unb naiöe potitifd)e 9totf)fd)(ä8e in ©egenroart 
bon dürften, bie beffen nid)t ju bebürfen glaubten 3 ). 9luf bem 

a?ie «©Omer. (Saftellplafc ju 2J2ailanb burfte 1494 ein btinber Sßrebtger aus ber 
3ncoronata (alfo ein Slugufttner) bem £obobico ÜRoro öon ber 
®an$et tjer jurufen: „Jperr, jeige ben granjofen ben äöeg nidjt, 
benn £>u roirft e« bereuen ! 4 )" @« gab roeiffagenbe ÜJttöndje, roeidje 
btettetdjt rtid)t birect potttifirten, aberfofdjrecflidje SBitber ber^ufunft 
entwarfen, baj? ben guljörern bie SSefinnung Berging, diu ganzer 
herein öon folgen, jtüötf granciScaner Sonöentuaten, b*urd)$ogen 
baib nad) ber Söarjl $eo'S X. (1513) bie berfdjiebenen Canbfajaften 
Statieng, mie fie biefetben unter fiel) öertfyeitt fjatten. derjenige 
öon i^nen, roeldjer in g(oren$ prebigte 5 ), ftra ftranceSco bi Üftonte* 
putetano, erregte ein fteigenbe« (5ntfe§en unter bem ganjen 23olfe, 



1) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s. 

2 ) Matteo Villani VIII, I, s. ©r prebigte juerft gegen bie £nranni§ 
überhaupt, bann, al§ tf)n ba§ fyerrfdjenbe §au§ ber Seccarta Ijatte roollen 
ertnorben laffen änberte er in einer ^Srebigt felbft bie Serfaffung «nb bie 
33el)örben unb nötigte bie Seccaria jur ^lucfyt (1357). 

3 ) 93iäroeilen [teilte aud) ba3 regierenbe £au3 in bebrängten 3eiien 
üöiöuaje an, um ba3 3Solf für Sonalität ju begeiftern. ©in Seifpiet auä 
gerrara bei ©anubo (Murat. XXII. Col. 1218). 

4 ) Prato, Arch. stor. III, p. 251. — Spätere fanatifd) antifran^öfifd^e 
Sßrcbiger, nad) ber Vertreibung ber ^ranjofen erwähnt Burigozzo, ibid., 
pag. 443, 449, 485; ad a. 1523. 1526, 1529. 

5 ) Jac. Pitti, Storia fior. L. II. p. 112. 



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inbem feine Steigerungen, gewiß eljer öerftarft als gemitbert, auco e. *wd>mtt. 
ju benienigen gelangten, welche bor ©ebränge nicht felber in feine 
9tft|t tarnen fonnten. ^ad) einer foldjen ^rebigt ftarb er plö^ich 
„an einem 33ruftmehe"; Sltteö tarn, ber ßeid)e bie güße gu tüffen, 
weßhalb man fte StfadjiS in aller «Stille begrub. SIber ben neu 
entgünbeten ®eift ber Seiffagung, ber nun felbft äßeiber unb 
^Bauern ergriff, tonnte man nur mit größter ÜWitye bämpfen. 
„Um bie Seute wteber einigermaßen fyeiter ju ftimmen, beranftat* 
teten hierauf bie Sflebici, ©iuliano (Sruber Seo's) unb ßorenjo 
auf @t. Johannistag 1514 jene prächtigen gefte, Sagben, Stuf* 
jüge unb furniere, ir-oju fid) Pon 9?om t)er außer einigen großen 
§erm aud) fedjs Sarbtnale, biefe allerbingS üertleibet, einfanben." 

•Der größte SSußprebiger unb Prophet aber war in glorenj saoonatoia. 
fdjon 1498 nerbrannt worben: gra ©irolamo ©aoonarola öon 
gerrara 1 ). &ier müffen uns einige SBinfe über it)n genügen. 

Das gewaltige SBerfjeug, burd) welches er ftlorenj umgeftattet 
unb bef)errfcf)t (1494—1498), ift feine $ebe, wobon bie erhaltenen, 
meift an Ort unb ©teile ungenügenb nad)gefd)riebenen ^rebigten 
offenbar nur einen befdjränften begriff geben. SRtdjt als ob 
bie äußern Littel feines Auftretens fel)r groß gewefen wären, 
benn ©limine, 2tuSfprad)e, rhetortfdje SRebaction u. bgl. bitbeten 
bielmef)r eher bie febwadje @eite, unb wer einen @to> unb Äunft* 
prebiger oerlangte, ging ju feinem s Jiit>aten gra -äftariano ba 
nasjano — aber in ©aPonarola'S 9tebe lag jene l)ot)e perfontia^e 
©eraalt, welche wot)t Pon ba bis auf 8utf)er nidjt wieber öorge* 
!ommen ift. @r felber titelt es für Erleuchtung unb tarnte beß» 
halb ohne Unbefct)eibentjeit baS ^ßrebigtamt fetjr hoch: über bem 
prebiger folge in ber großen Hierarchie ber ©eifter unmittelbar 
ber unterfte ber Engel. 

Diefe Pollig ju geuer unb flammen geworbene ^erfonlid)feit ©eine DrfccnS* 
pollbradjte junädjft noch ein anbereS, größeres 2öunber; baS eigene rcform - 
Softer @. SJttarco Dominicaner OrbenS unb bann alle Domini* 
canerftöfter £oScana'S werben beffetben «Sinnes unb unternehmen 
eine freiwillige große Reform, 2Benn man weiß, was bie ftlöfter 
bamats waren unb wie unenblid) fdjwer bie gertngfte 33eränberung 
bei Mönchen burchjufe^en ift, f o wirb man boppett erftaunen über 

*) Perrens: Jeröme Savonarole, 2 voll., unter ben Dielen Specials 
werfen meHeidjt baS metljobtfdE) beftgeorbnete unb nüd)ternfte. — P. Villari, 
La storia di Girol. Savonarola, (2 voll. 8. Firenze, Lemonnier). 



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©itte unb Religion. 



6. 3ibfd)i.itt. eine üöflige <Sinne8änberimg wie biefe. 9lts bie ©aaje im ©ange 
mar, befeftigte fie fid) baburd), ba§ ©feidjgefinnte jefct in bebeu* 
tenber 3at)l Dominicaner mürben. @öf)ne ans ben erftcn Käufern 
traten in <&. äJiarco als üioüijen ein. 

Diefe Reform be$ DrbenS für ein beftimmteS 8anb war nun 
ber erfte «Stritt ju einer ^ationalfircfje, ju roetcfjer e$ bei lau* 
gerer Dauer btefe« SBefenS unfehlbar f)ätte fommen müffen. @auo* 
narota fetber tuotftefreitid) eine Reform ber ganzen ®ird)e unb fd)tcfte 
befjfyatb nod) gegen (ümbe feiner Sßirffamfeit an ade großen ^o* 
tentaten bringenbe ättatjnungen, fie motten ein (Sondl öerfam* 
metn. 2lüein fein Orben unb feine Partei maren bereit« für 
£oScana ba8 allein mögfidje Organ feines ©eifteS, ba§ <Sat$ ber 
(Srbe geworben, wäfyrenb bie üftadjbargegenbeu im alten ^uftanbe 
»erharrten. SQ^etjr unb meijr baut fid) aus (Sntfagung unb ^tjan* 
tafie ein 3 u f* an k au f> ber glorenj ju einem ^eidje ©otteS auf 
(Srben machen Witt, 
©eine Die SBeiffagungen, beren tfyeifweifes Eintreffen bem@aoona* 

mÄn"!!" ro * a " n u ^ )ermen f^ t ^ eS 9lnfef)en t>erltef), finb beseitige $unct, 
' auf wetdjem bie aümä'cfytige itatientfdje ^ß^antafie aud) baS beft* 
öerwatjrte, liebeuollfte ©emütl) bemeifterte. Anfang« meinten bie 
ftranciScaneruonberDbfertianj, im äßiberfdjein beö 9?uf)mes, toetdjen 
ifynen @. SBemarbino ba ©iena öermadjt fyatte, fie fönnten ben 
großen Dominicaner buref) Soncurrenj bdnbigen. @ie oerfdjafften 
einem ber Otjrigen bie Domfan^el, unb liefen bie llnglücfSpro* 
pfjejeiungen ©aüonarola's burd) nod) fdjlimmere überbieten, bis 
^ßietro be' ÜDiebici, ber bamafe nod? über $(oren$ l)errfd)te, einft* 
weiten Reiben 9?uf)e gebot. Salb barauf, als (Sart VIII. nad) 
Statten fam unb bie SDiebict Vertrieben mürben, wie <5aöonaro(a 
mit Karen Söorten gemeiffagt fyatte, gtaubte man nur nod) ifym. 

Unb t)ier muf; nun jugeftanben werben, baft er gegen feine 
eigenen Slfynungen unb 33ifionen feine ®rttif übte unb gegen bie* 
ienigen Ruberer eine jtemltdj ftrenge. 3n ber ^eietjenrebe auf 
*ßico befta äftiranboia gef)t er mit bem öerftorbenen greunbe 
etwas unbarmherzig um. 2öeil Sßtco tro£ einer innern ©timme, 
bie bon ©ott fam, bod) nidjt in ben Orben treten wollte, tjabe 
er felber ©ott gebeten, 3euen etwas ju jüdjttgen; feinen *£ob 
aber fjabe er waljrttdj nidjt gewünfd)t; nun fei burd) SHmofen 
unb ©ebet fo biet erwirft, baf? bie ©eete fict) einftwetfen im $ege* 
feuer befinbe. 3n betreff einer tröft(id)en $ifion, bie Sßico auf 



©itte unb Religion. 



383 



bem trauten bette gehabt, roobei ttjm bte QJcabomta erfdjien unb 6. <a&ft»nttt. 
berfprad), er fofte nidjt fterben, geftetjt Saoonarola, er tjabe e« 
lange für eine bämonifaje £äufd)ung gehalten, bis if)m geoffenbart 
morben fei, bte äftabonna fyabe ben ^netten £ob, nämlich ben 
erotgen gemeint. — Sßenn bieß imb 2tef)nlid)e« Ueberfyebung mar, 
fo f)at biefe« große ®cmütl) roentgften« bafür gebüßt fo bitter e« 
bafür büßen fonnte; in feinen testen £agcn fdjeint Saoonarofa 
bte ^idjtigfeit feiner (Sefiäjte unb SBeiffagungen ertannt ju haben, 
unb bod) btieb ihm innerer triebe genug übrig um in Seifiger 
(Stimmung jum £obe $u gehen. «Seine Inijdnger aber hielten 
außer feiner £ef)re aud) feine ^ropljejetyimgen nod) brei 3al)r* 
jefjnbe hinburd) feft. 

torganifator be« Staate« tjatte er nur gearbeitet, weil ©eine 
fortft ftatt feiner feinbfefige Gräfte fid) ber Sad)e bemächtigt haben »«W" 1 * 
mürben. (B ift unbillig, ihn nad) ber batbbemocratifdjen 23er* 
faffung (S. 68, tot.) oom Anfang be« 3afyre§ 1495 51t beur* 
feilen. Sie ift nid)t beffer unb nicht fd)(ed)ter at« anbere ftoren* 
tinifdje 23erfaffungen aud} 1 ). 

(Sr mar ju fötalen ©ingen im ©runbe ber ungeeignetfte 
2ttenfd), ben man finben fonnte. Sein tmrftidje« 3beat mar eine 
£f)eocratie, bei metdjer fid) Sitte« in fetiger ©emuth üor bem Un* 
fidjtbaren beugt unb afle (Sonfücte ber Seibenfdjaft öon oornberein 
abgefdjnitten finb. Sein ganzer Sinn liegt in jener 3nfd)rift 
be« Stgnorenpatafte«, beren 3nhatt fcf)on (Snbe 1495 fein Saht* 
fprud) mar 2 ), unb bie 1527 üon feinen Slnljdngern erneuert 
mürbe: „Jesus Christus Rex populi florentini S. P. Q. de- 
creto creatus." 3 um ©rbenleben unb feinen 33ebhtgungen hatte 
er fo menig ein 23erf)ältniß a(« irgenb ein ed)ter unb ftrenger 
3ttönd). £)er -Iftenfdj fott fid) nad) fetner 2lnfidit nur mit bem 
abgeben, um« mit bem Seelenheil in unmittelbarer 23erbinbung 
fteft 

Sie beuttia) Perrätl) fid) bieß bei feinen Stnfidjten über bie ©ein aJctljjltnip 
antife Literatur. ,,£)a« einjige ®utc, prebigt er, ma« ^ßtato unb * ur S8ili>unß - 

0 ©aoonarola roäre meHeicfjt ber (Sinnige getuefett , ber ben Unter= 
ttjanenftäbten bie $reifjett nnebergeben unb benttodj ben gufamnunfialt 
beä toöcanifdien ©taateä irgenbroie retten fonnte. S)aran aber fam if>m 
ber ©ebanfe nidjt. 

2) @in merfroürbiger ©ontraft 3U ben ©tenefen, meldte 1483 if)re ent* 
giceite ©tobt feierttd) ber 2Jiabonno gefdjenft Ratten. Ällegretto, ap. 
Murat. XXIII, Col. 815. 



384 ©Ute unb Religion. 

6. Mbfdmitt. Striftotete« getetftet fyaben, ift, bafe fte üiete Argumente t>orbrad)ten, 
metdje man gegen bie ®e^er gebrauchen fann. @tc unb anbete 
1ßl)ilofopI)en fifcen bod) in ber £)ölte. ©in alte« 2Beib weift mefyr 
bom ©tauben als '»ßlato. (5$ märe gut für ben ©tauben, wenn 
üiete fonft nü^tid) fcbeinenbe 23üd)er jernic^tet würben. 2tt« e$ 
nod) nid)t fo üiete SSücber unb nic^t fo Diele 33ernunftgrünbe 
(ragioni naturali) unb £)i«puten gab, wud)« ber ©taube rafdjer 
at« er feitfyer gewadjfen ift." £>ie ctaffifdje Secture ber @d)utcn 
Witt er auf §omer, Birgit unb ©cero befdjräntt unb ben SKeft 
au« £)ierontimu« unb 2tuguftin ergänzt miffen; bagegen fotten 
nid)t nur @atutl unb Otiib, fonbern aud) SCibuU unb £eren$ toer* 
bannt bleiben. £>ier fpridjt einftweiten mof)t nur eine ängfttidje 
üD?oratität, allein er giebt in einer befonbern ©djrift bie @d)äb* 
tid)Mt ber Siffenfdjaft im Allgemeinen ju. (Stgenttid) fottten, 
meint er, einige wenige Öeute biefetbe crternen, bamit bie £ra* 
bition ber menfd)tid)en ^enntniffe nid)t unterginge, befonber« aber, 
bamit immer einige Sttljteten ju SSefämpfuug fe^ertfcfjer @opt)i«men 
tiorrätbig mären; atte Uebrigen bürften ntdjt über ©rammatif, 
gute «Sitten unb föettgionSuntcrridjt (sacrse literse) fyinau«. ®o 
mürbe natürtid) bie ganje 33itbung roieber an 9ttönd)e ^urücffatten, 
unb ba augleidj bie „2Btffenbften unb £mtigften" aud) Staaten 
unb 9ietd)e regieren follten, [o mdren aud) biefe« mieberum 9)iönd)e. 
SÖir motten ntdjt einmal fragen, ob ber Slutor fo weit tjinaus 
gebadjt l)at. 

tinMidjer fann man ntdjt ratfonniren. £>ie einfache @r* 
wagung, baft ba« wiebercntbecfte 5tttertt)um unb bie riefige 2tu$* 
Weitung be« ganjen ©eftdjt«freife« unb <Denf1reife« eine je nad) 
Umftänben rufymüotte Feuerprobe für bie Religion fein möd)ten, 
fommt bem guten ÜJftenfdjen nidjt in ben @inn. (£r mödjte gern 
öerbieten wa« fonft nid)t ju befeitigen ift. Ueberf)aupt war er 
nidjt« rocniger at« tiberat; gegen gotttofe Stftrofogen 3. 23. l)ätt 
er benfetben <Sd)eiterl)aufen in 33ereitfdjaft, auf wettern er t)er* 
naa) fetbft geftorben ift i ). 

935ie gewattig muß bie Seete gewefen fein bie bei biefem 
engen ©eifte motmte! Seid) ein Feuer beburfte e«, um ben SÖiU 
bung«entt)ufta«mu« ber Florentiner üor bicfer Stnfdjattung fid) 
beugen ju teuren! 

!) Sßon ben irapii astrologi fagt er: non e da disputar (con loro) 
altrimenti che col fuoco. 



©itte unb Religion. 



385 



2SaS fie itym nod) öon Äunft unb Pon Mtlidjfeit %rei8 e. mfämitt. 
gu geben bereit waren, ba« jetgen jene berühmten Dpferbränbe, seine 
neben meldjen gewiß alle talarni beS ^öernarbtno ba Siena unb ® Ittcurefcrm - 
Slnberer nur wenig befagen wollten. 

(5* ging babei atterbings nidjt ab oljne einige trjrannifdje 
^ßoltjei öon (Seiten SaPonarola'ö. Ueberljaupt finb feine Sin* 
griffe in bie t)od)gefcf)ä^te greifyett beö itaUemfd)en ^riüattebenö 
nid)t gering, wie er benn 3. 23. Spionage ber ©icnerfdjaft gegen 
ben £>au§[)errn Verlangte um feine (Sittenreform burd)füf)ren ju 
fönnen. 9ßa§ fpäter tu ®enf bem eifernen (Salbm, bei bauernbem 
33elagerung8$uftanbe öon außen, boct) nur müfyfam gelang, eine 
Umgeftaltung be§ öffentlichen unb "ißriöatlebens, baß mußte in 
glorenj bod) nur ein 23erfud) bleiben unb als fötaler bie (Gegner 
auf ba8 Slcußerfte erbittern, £)at)in gehört öor 2lüem bie öon 
Saöonarola organifirte Scfjaar öon Knaben, welcbe in bie Käufer 
brangeu unb bie für ben Sdjeiter Raufen geeigneten ©cgenftänbe 
mit Gewalt Perlangten; fie würben f)ie unb ba mit Schlägen ab* 
gewiefen, ba gab man ifynen, um bie giction einer fjeranwadjfenben 
fettigen SSürgerfdjaft bennod) ju behaupten, (Srwadjfene afe 4öe* 
fdjüfcer mit. 

Unb fo fonnten am legten G>arneöalßtage beS 3af)re8 1497 ©ie 
unb an bemfelben £age be8 fotgenben 3al)re§ bie großen 2Iuto* cmmim - 
bafeS auf bem Signorenpta^ ftattfinben. £)a ragte eine Stufen* 
pöramibe, dl;nttdt) bem rogus, auf weldjem römifdie Imperatoren, 
leidjen öerbrannt ju werben pflegten. Unten junädjft ber 53afiö 
waren Saröen, falfdje 33ärte, aflaSfenfleiber u. bgl. gruppirt; 
brüber folgten bie SSüdjer ber tatetnifdjen unb italicnifd)en Siebter, 
unter anbern ber Sttorgante beö $ulci, ber Boccaccio, ber ^ße* 
trarca, jum Streit foftbare ^ßergamentbruefe unb Sttanufcripte mit 
Sftiniaturen ; bann ^i^'ben m ^ £oilettengerätl)e ber grauen, 
Parfüms, Spiegel, Sdjleier, £>aartouren; weiter oben Sauten, 
Warfen, Sd)acf)bretter, £rictracS, Spielarten; enblid) enthielten 
bie beiben oberften Slbfä^e lauter ®emälbe, befonberS Pon Weib* 
tidjen Scpntyeiten, tfjeil« unter ben claffifdjen tarnen ber 
£ucretta, Cleopatra, . gauftina, ttjeits unmittelbare Porträts wie 
bie ber fdjönen 23enäna, Öena ülftoreUa, 23ina unb Sttaria be' 
Sen^i. £)as erftemal bot ein anwefenber öenesianifdjer Kaufmann 
ber Signorie 20,000 ©olbtfyaler für ben 3nf)alt ber '-ßpramibe; 
bie einige Antwort war, baß man ifnt ebenfalls porträttren unb 



Surcflmvbt, Sultur ber SHcnaiffancc. 



25 



386 



©Ute imb Religion. 



e. gibfdmttt. bag 33itb ben übrigen fyinauf [teilen ließ. 23eim Slnjünben 
trat bie ©ignorie auf ben £3alcon; (Sefang, £rompeten fd) alt unb 
©locfengelättte erfüllte bie ßüfte. 92ad)f)cr 30g man auf ben ^la^ 
bor 8. ÜJcarco, wo bte gan^e gartet eine breifad)e concenrrifdje 
9fiunbe tanjte : ju innerft bte 3D?öttct)e biefeS ®lofter$ abmedjfelnb 
mit ßngetfnaben, bann junge ®eiftlidje unb Saien, ju äußerft 
enblid) ©reife, ^Bürger unb ^ßriefter, biefe mit Otioenjtüetgen 
befranst. 

©er ganje @pott ber fiegreidjen (Gegenpartei, bie bod) mafyrltd) 
einigen Slnlaß unb überbieß baS STalent baju t)atte r genügte fpdter 
bod) nid)t, um ba§ Anbeuten <Sat)onarola'3 tjerabjufe^en. Se 
trauriger bie @d)icffate Statten« fid) entroidetten, befto l)eüer üer* 
Härte fid) im ©ebäd)tniß ber Ueberlebenben bie ®cftalt be§ großen 
9J?önd)cö unb $ropt)cten. <&eine 2ßciffagungen mod)ten im (Sin? 
feinen unbetüätjrt geblieben fein — ba$ große allgemeine Unheil, 
ba3 er Derfünbet tjatte, mar nur $u fdjredtid) in Erfüllung ge* 
gangen. 

<So groß aber bie Sßirt'ung ber 25ußprebiger mar unb fo 
beutlid) ©aüonarola bem äJiöndjSftanbe als foldjem ba$ rettenbe 
^ßrebigtamt ötnbtcirte l )/ f° menig entging biefer @tanb bod) bem 
allgemeinen bermerfenben Urtfyeit. Statten gab ju berftefyen, baß 
ea fid) nur für bie 3nbiüibuen begeiftern f'önne. 



©tärfe »es 2öenn man nun bie ©tärfe be$ alten (Glaubens, abgefeiert 
attcn ©taubens. 00tt ?ßrieftenuefen unb üftöndjtfjum, uerifictren foll, fo fann bie* 
fetbe batb fefyr gering, balb fetjr bebeutenb erfdjeinen, je nad)bem 
man fie öon einer beftimmten (Seite, in einem beftimmten Sidjte 
anfd)aut. 23on ber Unentbel)rlid)feit ber ©acramente unb ©eg* 
nungen ift fdjon bie SRebe gemefen (@. 82, 373); überblicfen 
mir einftraeilen bie Stellung beg (Glaubens unb be§ Sultuö im 
tdglid)en £eben. |)ier ift bie üftaffe unb ü)re (Semöfynung unb 
bte ^ücffidjt ber üR&cfytigen auf 23eibe8 Don beftimmenbem 
®emid)t. 

©a« 4>eitmiid)c SllleS, maß jur 23uße unb jur (Srmerbung ber (Seligfeit mittetft 
im soit«8i«>i>*n- guter Serie gehört, mar bei ben dauern unb bei ben untern 
Staffen überhaupt rcoljl in berfelben SluSbilbung uttb 2lti3artung 

!) ©. bie ©teile auä ber 14ten ^ßrebtgt über ©jedjtel, bei Perrens, 
L c, vol. I, pag. 30, Nota. 



(Sitte unb Religion. 



387 



borljanben wie im Horben, unb audj bie ®ebi(beten würben babon 6. Mbfdmitt. 

fteflenweife ergriffen unb bcftimmt. diejenigen «Seiten be« poüu* 

lären ÄatfjoliciSmu«, wo er fid) beut antifen, t)etbnifct)en Anrufen, 

©efdjettfen unb 23erfot)nen ber ©ötter anfdjüeßt, i)aben fid) im 

23ewuj3tfein bc« Mfe« auf ba§ §artnä(figfte feftgefefet. £)ie 

fcf)on bei einem anbern Maß citirte ad)te (Scbge be« ^Sattifta 

3ttautobano *) entfjätt unter anbern ba$ (Sebet eine« dauern an 

bie Sftabonna, worin biefelbe a(8 fpecieHe @d)u^göttin für aüe 

einzelnen Sntereffen be§ Sanbleben« angerufen wirb. 2Betd)e 23e* 

griffe machte fid) ba$ 95otf Don bem SBerttje beftimmter SWabonnen 

als 9?otIj[)elferimten ! wa« backte fid) jene glorentinerin 2 ), bie 

ein gäßdjen bon 2öad)8 at« ex voto natf) ber Slttnunjtata ftif« 

tete, njeit it>r ©eliebter, ein 9ttönd), attmätig ein ftäßdjen Bein 

bei ifjr auStranf, ofme baß ber abwefenbe ©emaljl es bemerfte. 

(Sbenfo regierte bamal« ein 'ißatronat einzelner ^eiligen für be* 

ftimmte &ben«fbljären gerabe wie jefct nod). @8 ift fdjon öfter 

berfudjt worben, eine 2tn$al)l bon atigemeinen rituaten ®ebräud)en 

ber fat£)otifd)en Äirdfje auf tjetbnifc£>e Zeremonien $ttrü<fjufüfyren, 

unb baß außerbem eine 3J?enge örtüd)er unb bolfgtfyümlidjer 

öräudje, bie fid) an Sirdjenfefte gefnüpt fjaben, unbewußte föefte 

ber berfdjiebenen atten §eibentl)ümer Europa'« finb, giebt 3eber= 

mann ju. 3n -Stalten aber fam auf bem Öanbe nod) Meß unb 

jenes bor, worin fid) ein bewußter töeft r)etbntfct)en (Stauben« gar 

nid)t berfennen ließ. @o ba« §inftcüen bon ©peife für bie 

£obten, bier Sage bor ^ßetri ©tuijlfeier, atfo nod) am Stage ber 

alten geratten, 18. Februar 3 ). 2ttand)e« Slnbere biefer Strt mag 



1 ) 9Jlit bem Stiel: De rusticorum religione. 

2 ) Franco Saccbetti, Nov. 109, n>o nod) Stnbereä ber 2trt. 

3 ) Bapt. Mantuan. de sacris diebus, L. II. ruft au<3: 

Ista superstitio, ducens a Mauibus ortum 
Tartareis, saneta de religione facessat 
Christigenüm! vivis epulas date, sacra sepultis. 
©in ^a^rf)unbert Dörfer, atö ba§ ©Eecuttonäfjeer Qofjann'ä XXII. 
gegen bie ©f>ibellinett in ber 2Jiarf 30g, gefetjat) e3 unter au<§brücfli<f)er 
3tnHage auf eresia unb idolatria; ^ecanati, ba§ fid^ freimütig ergeben, 
rourbe boer) oerbrannt, „weit bafelbft ZfroU angebetet morben rcaren". 
Giov. Villani, IX, 139. 141. — Unter $iuö II. Jommt ein fjartnaeftger 
©onnenanbeter, Xtrbinate »on ©eburt, jum S3orjcr)ein. Aen. Sylvii opera 
p. 289. Hist. rer. ubique gestar. c. 12. — SDaä @rftauntiä)fte gefetjat) 
unter Seo X. auf bem gorum in Rom: raegen einer Sßeftlj mürbe ein 
©tter feterlidf) auf ^eibnifct)e 2Beife geopfert; Paul. Jovius, Hist. XXI, 8. 

25* 



388 



©Ute unb Religion. 



e. Mbfdmftt. bamat« noch in Hebung gewefen uub erft fetttjer auggerottet morben 
fein. 23ieüetrf)t ift e« nur fdjeinbar parabojr ju jagen, baß ber 
populäre ©taube in Statten ganj befonber« f eft gegrünbet mar, 
fo weit er £>eibentbum mar. 

Sie roett nun bie £)errfd)aft biefer 2lrt bon ©tauben fid) 
aud) in bie obern Stäube erftrecfte, ließe fidj wohl bis su einem 
geroiffen ^uncte näher nachweifen. £)erfelbe hotte, wie bereits 
bei Slnlaß be« 33erf)ältniffe« jum ßleru« bemerft würbe, bie 2ftad)t 
ber ©ewöbnung unb ber frühen (Stnbrücfe für fid^ ; aud) bie Siebe 
jum fird)lid)en gfefipontp wirfte mit, unb t)ie unb ba fam eine 
jener großen 33ußepibemien ^inju, welken aud) «Spötter unb 
Säugner fdjwer wiberftchen fonnten. 

©er meriquicn» (gg a b er bebenflidj, in biefen fragen rafd) auf burdj* 
9lau6e ' gehenbe 9?efultate tjinjufteuera. 9J?an follte 3. 33. meinen, baß 
ba« SSertjatten ber ©ebilbeten ju ben SMiquten Don Zeitigen einen 
Sd)lüffel gewähren müffe, ber uns wenigften« einige Rächer ihre« 
reügiöfen Sewußtfein« öffnen fönnte. 3n ber £h Q t taffen fid) 
®rabunterfd)iebe nad)Weifen, bod) lange nid)t fo beuttid) wie e« 
ju wünfd)en märe. ,3mtäd)ft fdjeint bie Regierung bon 33enebig 
im XV. Oafjrfyunbert burd)au« biejenige Slnbadjt ju ben Ueber* 
reften Zeitiger Leiber geseilt $u haben, meldte bamal« burd) ba« 
ganje Slbenblanb herrfdjte (<S. 58). 2Iuct) grembe, weldje in 
SSenebig lebten, traten moi)!, fid) biefer Befangenheit ju fügen *), 
SZBemt wir ba« geteerte ^ßabua nadj feinem Topographen 9JHd)ele 
Sabonarola (S. 118) beurteilen bürften, fo wäre e« h^r nid)t 
anber« gewefen al« in 33enebig. äftit einem Hochgefühl, in weld)e« 
fid) fromme« ©raufen mifdjt, erzählt un« SJHdjele, wie man bei 
großen ©efaljren be« s J?ad)t« burd) bie gange Stabt bie ^eiligen 
feufjen pre, wie ber 8eidje einer heiligen dornte ju S. (5l)iara 
beftänbig s J?äget unb £)aare wadjfen, wie fie bei beborftel)enbem 
Unheil £ärm madht, bie Sinne erhebt, u. bgl. 2 ). Sei ber 23e* 
fdhreibung ber 2lntoniu«capelle im (Santo berltert fid) ber Slutor 
böllig in« Stammeln unb ^ßr)arttafiren. Qn 9}?ailanb geigte we* 
nigften« ba« SSotf einen großen 9?eliquienfanati«mu«, unb al« 



0 ©0 ©abeKico, de situ venetae urbis. @r nennt ^nrnr bie tarnen 
ber EirdjenljeÜtgen, nad) 2lrt mehrerer SßIjÜologen, ofjne sanctus ober 
divus, füfjrt aber eine 2Jienge Reliquien an unb tljut feljr järtlitf) bamit, 
rüljtnt fid^ autt) bei meutern ©tücfen, fie gefügt ju I)aben. 

») De laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col, 1149 biä 1151. 



©Ute unb Religion. 



389 



einft (1517) bie üttöncfye in @. ©tmpliciano beim Umbau be« e. mf^nitu 
^odjaltar« fecfjS Zeitige Seiten unborftdjtig aufbectten unb mächtige 
SRegenftürme über ba« £anb famen, fugten bie Seute l ) bie Urfacfje 
ber le^tern in jenem ©acritegium unb prügelten bie betreffenben 
9ttönd)e auf öffentlicher ©trafje burd), roo fie fie antrafen. 3n 
anbern ©egenben Italiens aber, fetbft bei ben Ißäpften, fief)t e« ©eiien 
mit biefen ©ingen fajon ötct ^tbeifelfyafter au«, ofyne baß man unter,tt > ,et>e - 
bodj einen bünbigen ©djtufc gießen tonnte. (§8 ift befannt, unter 
tueldjem allgemeinen 2lufferjen *ßiu« II. ba8 au« ®ried)entanb 
junädjft nad) @. äftaura geflüchtete §aupt beö 2lpoftel« 2lnbrea8 
erwarb unb (1462) feierlid) in @. ^3eter ntebertegte; allein au« 
feiner eigenen Delation geljt Ijerbor, ba§ er btefc tf)at au« einer 
Slrt bon ©djam, al8 frfjon biete dürften fid) um bie Reliquie 
bewarben, 3e£t erft fiel e« tfjm ein, 9?om ju einem allgemeinen 
Zufluchtsort ber au« iljren Treben bertriebenen 9?efte ber ^eiligen 
$u macfjen 2 ). Unter @irju« IV. mar bie ©tabtbebölfang in 
biefen £)ingen eifriger al« ber $apfr, fo baß ber 3ttagiftrat fiel) 
(1483) bitter beftagte, al« @t£tu§ bem fterbenben Subraig XI. 
Einige« bon ben lateranenfifdjen Reliquien berabfolgte 3 ). 3n 
•Bologna erfjob fidj um biefe $eit ^ ne ntutljige ©timme, roetetje 
berlangte, man foHe bem ®önig bon «Spanien ben ©djäbet be« 
\). ^Dominica« berfaufen unb au« bem GsrlöS etwa« jum öffent* 
ticfjen 9?u|en ©ienenbe« ftiften *). £)ie trenigfte 9?eliqutenanbad)t 
jeigen bie Florentiner. ,3tt>tfd)en ifyrem 23efd)tuß, ben @tabt* 
Zeitigen @. 3 ano &i ourrf) einen neuen (Sarcopfjag ju efyren, unb 
ber befinitiben Wtetlung bei ©fjiberti bergefyen 19 3aln*e (1409 — 
1428) unb aurf) Dann erfolgt ber Auftrag nur zufällig, weit ber 
SJieifter eine Heinere ähnliche Slrbeit fajön bollenbet t)atte 5 ). 
SSieüeidjt mar man ber Reliquien etroa« überbrüffig, feitbem man 



1) Prato, Arch. stör. III, p. 408. — @r gehört fonft nid^t ju ben 
StufHärern, aber gegen biefen ©aufalneruä proteftirt er benn boefj. 

2 ) Pii II. Comment. L. VIII, p. 352, s. Verebatur Pontifex, ne 
in honore tanti apostoli diminute agere videretur etc. 

3 ) Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 187. Subroig tonnte 
baä ©efdjen! nod) anbeten, ftarb aber bennod). — SDie ^atafotnben roaren 
bamal§ in SSergeffen^eit geraten, bod) fagt aud) (SaDonaroIa, 1. c. Col. 
1150 üon 9tom: velut ager Aceldama Sanctorum habita est. 

«) Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 905. @ä mar 
einer ber 16 ^patricier, Bartol. betla Sßotta, ft. 1485. 
5) Yasari III, 111, s. et N. Vita di Ghiberti. 



390 



(Sitte unb fReligion. 



e. mmmtt. (1352) burdfj eine berfdjlagene Stebtiffin im Sßeapotitanifdjen mit 
einem fatfd)en, au« §oI$ unb ©ups nadjgemadjten 2trm ber ©djufc* 
patrontn beS Dome«, @. 9?eparata, war betrogen roorben 
Ober bttrfen wir etwa annehmen, baft ber äftljettfdje @inn es 
mar, wetdjer ftet) fjier borjügtid) entfditeben öon ben jerftütfetten 
8eid)namen, ben öalbbermobcrten ©ewänbern unb ©erätfyen ab* 
wanbte? ober gar ber moberne töuljmesftmt, wetdjer lieber bie 
8etd)en eine« ©ante unb Petrarca in ben tjerrlidjften ©räbern 
beherbergt tjätte ate alte gtbölf Stpoftet miteinanber? 33ie£teicf)t 
war aber in Italien überhaupt, abgefefyen üon 33enebig unb bem 

©er «warienöieiin ganj eyceptionetten Sftom, ber SKctiquienbienft fdjon feit langer 
<m mitt, m ^ v ^ nxM getreten 2 ) öor bem ajj a bonnenbienft, als irgenbwo 
fonft in (Suropa, unb barin läge bann augteidj, wenn aud) ber* 
Ijttttt, ein früt)eö Ueberwtegen beS StormfimteS. 

9ftan wirb fragen, ob benn im Horben, wo bie riefenfyafteften 
(Eatfyebralen faft alle Unfer grauen gewibmet finb, wo ein ganjer 
reifer $wetg ber *ßoejte im Sateimfdjen wie in ben £anbe$fprad)en 
bie Butter ©otteö tierfyerrlidjte, eine größere 33ere^rung berfelben 
aud) nur mögtid) gewefen wäre? Allein biefem gegenüber mad)t 
ftd) in Statten eine ungemein biet größere 2in$al)t t>on wunber* 
tätigen 2ttarienbilbern gettenb, mit einer unaufi)örttdjen 3nter* 
üention in ba$ täglidje Öeben. 3ebe beträa)tlid)e ©tabt beftfct 
itjrer eine ganje föetlje, öon ben uralten ober für uralt geltenbcn 
„Malereien beö @t. SucaS" bie au ben Arbeiten üon 3eitgenoffen, 
welche bie ütttrafel ifjrer Silber nid)t feiten nod) erleben tonnten. 
£)a3 tunftwerf ift bier gar nid)t fo formlos wk öotttfta 3ttan* 
toüano 3 ) glaubt; e« gewinnt je nad) Umftänben plö^lid) eine 



1) Matteo Villani III, 15 unb 16. 

2 ) Man müfjte überbiefj unterfdjeiben jwifd&en bem in Statten blü* 
fjenben £ultu§ ber Öeidjen ^iftorifd^ nod) genau befannter ^eiligen au§ 
ben legten Qafjrfjunberten , unb jroif^en bem im Horben norJjerrfdjenbcn 
Sufammenfudjen von Körper-- unb ©eroanbfragmenten *c. au§ ber ^eiligen 
Urjeit. Sefcterer Slrt, unb üorjügttd) für Sßitger mistig, mar bann aud) 
ber grofje Sorratf) ber lateranenfiftfien Reliquien. 2HIetn über ben @ar* 
copfjagen be§ f). 2>ominicu§ unb be§ f). Slntoniuö von $abua unb über 
bem mpfteriöfen ©rabe be§ §. $ranj flimmert aufier ber §eittgfett aud) 
fd)on ber f)iftortfd)e Jtufmt. 

3) Sie merfroürbige 2ttt3fage, au§ feinem fpüten SBerfe de sacris die- 
bus (L. I.) begießt fid) freilief) auf raeltlidje unb geiftlidje ßunft jugleid). 
Sei ben Hebräern, meint er, fei mit 3ted)t atteg Sitbmerl »erbammt ge= 



©itte unb 3teIigion. 



391 



magifcfje Gewalt, £)a8 populäre SÖunbcrbebürfniß, $umat ber 6. vw<bnitt. 
grauen, mag batet boHftänbtg gefüllt roorben fein unb frfjon befj* 
I)atb ber Reliquien roentg mefyr geachtet fyaben. inwiefern bann 
nod) ber @pott ber 9?oüclliften gegen falfd)e Reliquien aud) ben 
für ed)t gelteuben ©tntrag tfjat *) mag auf fid) berufen. 

£)a8 SBerljaftnifj ber @ebilbeten jum üttartenbtenft jeta)net unb bei \>m ®t- 
fid^ bann fdjon etmaS flarer otö ba« junt föeliquienbienft. @* bimen ' 
barf junäcfyft auffallen, bafj in ber Literatur ©ante mit feinem 
^arabieS eigentlich ber leiste bebeutenbe aftarienbidjter ber Italiener 
geblieben tft, roäl)renb im 33olf bie SKabonncnlieber big auf ben 
heutigen STag neu fyerborgebraajt werben. 9Kan wirb üiefleidjt 
(Sanna^aro, ©abelltco 2 ) unb anbere latetnifd)e £)idjter namfyaft 
mad)en motten, allein it)re mefentlid) titcrartfdjen giüecfe benebmen 
ifynen ein gute« £f)eil ber $3eroet«fwft. ©icienigen ttatientfet) ab' 
gefaxten ®ebtcf)tc bc$ XV. 3al)rl)imbert« 3 ) unb beS beginnenben 
XVI., aus toeldjen eine unmittelbare töetigiofität gu unö fprid)t, 
tonnten meift aud) öon ^roteftanten gefdjrieben fein; fo bie be* 
treffenben £)timnen ic. be$ ßorenjo magnifico, bie ©onette ber 
SBittorta (Sotonna, be$ 3ftid)elangeto u. f. ro. Slbgefefycn t>on beut 
Itirtfdjen 3Iu8brucf bc§ StbeiömuS rebet meift ba« ®efüt)l ber 
@ünbe, bae 33croußtfein ber (Srlöfung buref) ben Stob @i)rtfti, bie 



roefen, roeil fie fonft in ben ring3I)errfc§enben]©ö£en= ober Xeufeläbtenft 
»teber gurücfgefallen mären : 

Nunc autem, postquam penitus natura Satanum 
Cognita, et antiqua sine raaiestate relicta est, 
Nulla ferunt nobis statuae discrimina, nullos 
Fert pictura dolos; iam sunt innoxia signa; 
Sunt modo virtutum testes moniraentaque lau dum 
Marmora, et aeternae decora immortalia famae . . . 
!) ©o flogt Sottifta 3flantot>ano (de sacris diebus, L. V.) über ge= 
nüffe „nebulones", meldte on bie @d)tr)eit be§ f)eil. SluteS 2Jlantuo 
nidjt glauben rooHten. 2lud) biejemge $rütf, roeldje bereits bie ©djenfung 
ßonftantinS beftritt, mar fid)er ben Reliquien ungünftig, roenn aud) im 
©ritten. 

2 ) SBieHeidjt aud) 5ßiu3 II, beffen ©legie auf bie r). Jungfrau in ben 
opera, p. 964, abgebrüht ift unb ber fid) t>on ^ugenb auf unter bem be; 
fonbern ©d)u£ ber 3Waria glaubte. Jac. Card. Papiens. , de morte Pii, 
p. 656. 

3) Sllfo au3 ber 3eit ba ©ir.tu3 IV. fid) für bie unbefleckte empfang* 
ntfj ereiferte. Extravag. commun. L. III, Tit. XII. @r ftiftete oud) 
baä geft ber ©arfteltung 9Jlariä im Sempel, ba3 ber E)eU. Slnna unb be§ 
b>tf. Qofeplj. »gl. Trithem. Ann. Hirsaug. II, p. 518. 



392 ©Ute itnb Religion. 

6. wbmmtt. Sebnfucbt nad) ber ^öEjern 2Bett, toobct bie prbitte ber äftutter 
©otteS nur ganj auSnafymSroeife ermähnt >) wirb. @« ift baffelbe 
$f)änomen, metd^e« fid) in ber ctaffifdjen 33i(bung ber $ran$ofen, 
in ber Literatur Subrutg« XIV. mieberfyott. (Srft bie ©egenrefor* 
mation braute in Statten ben 3J?arienbienft nrieber in bie Äunft* 
bicfjtung jurüd ftreilidj Ijatte trt^tüifcfjen bie bitbenbe Äunft bog 
§ödjfte getl)an jur S3erl)errücf)ung ber üttabonna. £)er fettigen* 
bienft enbttd) naf)m bei ben ©ebilbeten nidjt feiten (S. 45, ff., 207) 
eine wefenttid) beibnifd)e $arbe an. 

SBir tonnten nun nod) t>erfd)iebene «Seiten be« bamatigen 
italienifdjen SatfjotictSmuS auf biefe Seife prüfenb burd)gel)en unb 
ba§ öermutt)üd)e SSerfjdttni^ ber ®ebttbetert jum 9SoIf«gjfoubett 
bis ju einem gemiffen ®rabe oon Sßaljrfcfjehtltdjfeit ermitteln, ofyne 

©«»anhingen boct) ie ju einem burdjgreifenben töefultat ju gelangen. gtebt 
™ SuTtu *' ferner ju beutenbe (Sontrafte. 2Bai)renb 3. 33. an uub für ®ircf)en 
rafttog gebaut, gemeißelt unb gematt wirb, üernetjmen mir aus 
bem Anfang be« XVI. 3abrt)unbert8 bie bitterfte SHage über dx< 
fd)Iaffung im ßuttu« unb 33ernad)(äffigung berfetben ®ird)en: 
Templa ruunt, passim sordent altaria, cultus Paulatim 
divinus abit 2 )! ... (£« ift befannt, wie Sutfjer in SKom burd) 
ba8 tuei()elofe 33enef)men ber ^riefter bei ber 3tteffe geärgert 
mürbe. Unb baneben waren bie fird)tid)en ftefte mit einer ^rad)t 
unb einem ©efdjmatf auggeftattet, toobon ber Horben feinen 33e= 
griff f)atte. 2Jcan mirb annebmen müffen, ba£ ba« <ßl)antafiet>oIf 
im üorsugsrueifen Sinne ba« 2lCCtägtict)e gern uernadpffigte um 
bann oon bem 2lufcergeft)of)n(td)en fid) binreifcen ju laffen. 

®urd) bie ^ß^antafie erftären fid) aud) jene «ufjepibemien, 
üon metdien tyzv nod) bie föebe fein muß. Sie fiub tüof)t ju 
unterfdjeiben öon ben SBirfungen jener großen 33ufjprebiger; mag 
fte beröorruft finb große allgemeine gatamitäten ober bie $urd)t 
bor fötalen. 

sBuöepcbcmten. 3m 9ttittetalter fam öon $eit ju 3eit über ganj Europa 
irgenb ein Sturm biefer 2lrt, mobei bie Waffen fogar in ftrömenoe 
Bewegung gerieten, mie 3. 33. bei ben ^reu^jügen unb beißet* 

0 pdfjft belefirenb finb fijefür bie roenigen unb !üf)Ien SDtfabonnenfos 
nette ber $ittorta. (9t. 85 u. ff.) 

2 ) Bapt. Mantuan. de sacris diebus, L. V., unb befonberä bie 3tebe 
ber jüngern <pico, roelcfje für ba§ lateranenftfdfje ©oncil beftitnmt mar, 
bei Eoscoe, Leone X, ed Bossi, vol. VIII, p. 115. 



©Ute unb Religion. 



393 



fahrten. Statten beseitigte fid) bei Betbett ; bie erftett ganj ge* 6. ^bfchnttt. 
mattigen ©et^terfdfjaarett traten (jier auf, gleia) nad) bem ©turje 
(S^eltno'ö unb feine« §aufeS, unb ^mar in ber ©egenb beffetben 
Perugia 1 ), bas mir bereits (@. 378, 2tnm.) als eine £>aupt* 
ftation ber fpätern Sußprebiger fennen lernten. Samt folgten 
bie glagetfanten 2 ) Don 1310 unb 1334 unb bann bie große 
Sußfafjrt ofyne Geißelung, uon roeltfjer Sorio 3 ) jum 3af)re 1399 
erjagt. (§S ift nidjt unbenfbar, baß bie SubUeen jum Sttjeit 
eingerichtet mürben, um biefen unljeimUdjen Söanbertrteb religiös 
aufgeregter Waffen mögtiajft ju reguüren unb unfdjäbtid) jtt 
machen; audj jogen bie inätmfdjen neu berühmt geworbenen 2öatt* 
f aljrtSorte Italiens, roie 5. 33. Soreto, einen £ljeil jener Aufregung 
an fid) 4 ). 

Iber in fdjrecftidjen Slugenbtitfen ertt>ad)t f)ie unb ba ganj 
fpät bie ©lutf) ber mittelalterlichen Süße, unb bas geängftigte 
93olf, jumal wenn ^robigien t)injufommen, xoiti mit Geißelungen 
unb lautem ©efajrei um ©armfjerjigteU ben Rummel erweichen. 
@o mar es bei ber ^eft oon 1457 ju ^Bologna 5 ), fo bei ben 
innern Söirren öon 1496 in @iena 6 ), um aus jabltofen Sei* 
fpieten nur jmei ju wägten. SEBaljrljaft erfajütternb aber ift, uoaS 
1529 p üttaitanb gefdjaf), als bie brei furchtbaren ©efd)tt>ifter JDtc SBuße von 
trieg, junger unb Sßeft fammt ber fpanifdjen Slusfaugerei bie milan *- 
tjöd^fte SSer^iueiflung über baS 8anb gebracht hatten 7 ). Zufällig 
mar es ein fpantfdjer SD^önct), $ra £ommafo Sfteto, auf ben man 
jeljt borte; bei ben barfüßigen ^ßroceffionen öon 2llt unb Oung 



!) Monach. Paduani chron. L. III, Slnfang. @3 Ijeijjt »on biefer 
33ufse : invasit primitus Perusinos, Romanos postraodum, deinde fere 
Italiae populos universos. 

2) Giov. Villani VIII, 122. XI, 23. 

3) Corio, fol. 281. 

4 ) (Entferntere SBaEfa^rten werben fcfjon fefjr feiten, ©iejenigen ber 
dürften vom £aufe ©fte nadE) gerufalem, ©• ?)<*S0 un *> Ziemte finb auf= 
gejäfjlt im Diario Perrarese bei Murat. XXIV, Col 182. 187. 190. 279. 
SDie beä 9ttnalbo 2Ubijji in'ä Ijeil. £anb bei Machiavelli, Stor. fior., 
L. V. 2lutf) f)ter ift bi3n>eilen bie 3luf)mluft baä SBefttmmenbe; oon 2io= 
narbo greäcobalbi, ber mit einem ©efä^rten (gegen 1400) nad) bem f)eü. 
©rabe pilgern raoHte, fagt ber ©fjronift ©iot). ©aoalcantt (II, p. 478): 
Stimarono di eternarsi nella mente degli uomini futuri. 

s) Bursellis, Annal. Bon. bei Murat. XXIII, Col. 890. 

6) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s. 

7 ) Burigozzo, Arch. stor. III, p. 486. 



394 



©Ute unb Religion. 



ß. subfdfnitt. tief? er ba$ Sacrament auf eine neue 2Mfe mittragen, nämtid) 
bef eftigt auf einer gefdunücften 33ahre, ineldtje auf ben (Schultern 
bon bier ^ßrieftern im Sinnengewanbe rufjte — eine 9?ad)al)mung 
ber Söunbeßlabe ')/ wie fte einft ba$ 23otf Israel um bie dauern 
bon 3ertd£)o trug, So erinnerte ba$ gequälte $otf bon SKaitanb 
ben alten ©ott an feinen alten 23itnb mit ben 2ftenfd)cu, unb 
als bie ^ßroceffion wteber in ben £)om einbog unb e§ fcfjten, als 
muffe tion bem Oammerruf misericordia ! ber Dfrefcnbau ein* 
ftürjen, ba modjte ti)ot)t 9J£andf)er glauben, ber £)immet rnüffe in 
bie ©efe^e ber üftatur unb ber ®efd)ichte eingreifen burd) irgenb 
ein retteubeS Sßunber. 
fßerbaitcn ter (§s gab aber eine Regierung in Statten, voetcfje fid) in fotdjen 
m g™ lÜ " -3 eiten T°9 ar an bie ®P^ e ber allgemeinen (Stimmung fteflte unb 
bie öorfyanbene ^ujjfertigfeit pott^eittd^ orbnete: bie beS £)erjogS 
(Srcolc I. bon gerrara 2 ). 2ltö Sabonarola in gtorcng mächtig 
war unb Söetffagung unb SSufje in weiten Greifen, auch über 
ben Stpennin hinaus, baS SBolf ju ergreifen begannen, fam aud) 
über gerrara großes freiwilliges gaften (Anfang 1496); ein 
Öajarift oerfünbete nämüd) bon ber ®an$et ben batbigen Eintritt 
ber fdjretfndjften Krieges* unb £mngerSnoth, welche bie SGBett 
gefehen ; wer jeljt fafte, fönne biefem Unzeit entgegen, fo Ijabe es 
bie äftabonna einem frommen ©hepaar berfünbigt. ©arauf fonnte 
aud) ber £wf nicht umt)tn ju faften, aber er ergriff nun felber 
bie Leitung ber ©ebotion. 2lm 3. 2lpril (Oftertag) erfdjien ein 
(Sitten* unb 2lnbad)tSebict gegen Säfterung ©otteS unb ber 
l). Jungfrau, oerbotene Spiele, Sobomie, ßoneubinat, Käufer* 
bermietb,en an £mren unb beren 2Birtf)e, Oeffnung ber £3uben 
an gefttagen mit SluSnahme ber 23äcfer unb ©emüfehänbler 
u. f. w. ; bie 3uben unb Waranen, beren biete aus (Spanten 
hergeflüchtet waren, follten wieber il)r gelbes 0 auf ber 23ruft 
genagt tragen. £>ie 3 UU) ^er^anbeInben würben bebroht nidjt 
nur mit ben im bisherigen ©efe^ bezeichneten ©trafen, fonbern 
aua^ mit ben noch großem, welche ber §erjog gn »erhängen für 
gut finben wirb", darauf ging ber |)eqog fammt bem £wfe 
mehrere Sage nad) einanber jur ^ßrebigt; am 10. Slprit mußten 



!) 2Jlan nannte e§ audj l'arca del testimonio, unb war ftcfj beioufit, 
bie <Sadf)e fei conzado (eingerichtet) con gran misterio. 

2) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 317. 322. 323. 326. 
386. 401. 



©itte unb Religion. 



395 



fogar alle Ouben tion gerrara babet fein. Stüem Qtn 3. 2ftoi 6. «bf »mtt. 
ließ ber Ißofyeibirector — ber jcl)on oben (@. 40) ermahnte muitiwt 
(Sregorio gampante — ausrufen: wer ben ©bergen (Selb gegeben - lu * beutun 9- 
fyabe um ntcfyt als ^öfterer oerjeigt ju werben, möge fid) metben 
um eS fammt weiterer Vergütung jurücf ju erhalten ; bicfe fdjanb* 
lid)en iDtenfdjen nämlid) Ratten üon Unfdjulbtgen bis auf 2, 3 
£)ucateu erpreßt burd) bie Slnbro^ung ber £)enunciation, unb 
etnanber bann gegeufeitig t>erratl)en, worauf fie felbft in ben 
Werfer famcn. £)a man aber eben nur bejal)lt blatte, um tti<f>t 
mit bem gampante ju tfyun ju fyaben, fo möd)te auf fein 2luS* 
fdjrciben faum 3enmnb erfdjienen fein. — ■ -3 ; m 3al)r 1500, nadj 
bem Sturze beS öobooico SKoro, als dlmlidje (Stimmungen wieber* 
f'efjrten , oerorbnete Qsrcote oon fid) aus ') eine gotge bon neun 
^roceffionen, wobei aud) bie weifcgeflcibeten Sinber mit ber 3efuS* 
fafjue nidtjt fehlen burften; er felber ritt mit im ,3uge, weil cr 
fd)led)t ju gufee war. £)ann folgte ein Sbict gang äljnlidjen 3n= 
IjalteS wie baS öon 1496. £)ie $al)lreid)en ®ird)en= unb Softer* 
bauten biefer Regierung finb befannt, aber felbft eine leibhaftige 
^eilige, bie @uor (Solomba 2 ), liefe fid) (Srcole fommen, ganj furj 
beoor er feinen <Sofm Sllfonfo mit ber imcrejia 33orgia Dermalen 
mußte (1502). diu SabinetScourier 3 ) fjolte bie ^eilige tion 
Sßiterbo mit 15 anbern Tonnen ab unb ber ^er^og felber führte 
fie bei ber 2lnfunft in $errara in ein bereitgel)alteneS Älofter ein. 
Zt)ün wir tfjm Unrecht, wenn wir in all btcfen fingen bie ftärf fte 
politifd)e 2tbftd)tltd)teit üorauSfefcen? 3 U oer £)errfdjeribce beS 
Kaufes (Sfte, wie fie oben (@. 37 u. ff.) nadjgewiefen würbe, 
gehört eine foldje löftitbenih^ung unb ©ienftbarmadmng beS Sfteli* 
giöfen beinahe fajon nad) ben ©efe^en ber Sogif. 



Um aber gu ben entfdjeibenben @d)lüffen über bie 9fetigiofität Sicrfud) einet 
ber üDfanfcben ber SRenaiffance ju gelangen, muffen wir einen 
anbern 2öeg einfdjlagen. Slus ber geiftigen Haltung bcrfelben 



!) Per buono rispetto a lui noto e perche sempre e buono a star 
bene con Iddio, fagt ber 2lnnalift. 

2 ) SermutljHdE) bie <&. 23 in Perugia ermähnte. 

3 ) Sie D-uelfe nennt tfyn einen Messo do' cancellieri del Duca. £>ie 
©adfje foltte red)t augertfd)einüd) t>om §ofe nnb nidjt oon Drbenäobern 
ober fonftigen geiftUdjen SBeljörben ausgeben. 



396 



©Ute unb Religion. 



6. 9u>f<»tiitt. überbaust muß if)r 23erl)äftniß fowol)! ju ber beftefyenben £anbeS* 
!Berfu*ctncr religton als ju ber 3bee beö ®ötttid)en flar werben, 
©untfceie. mo b ernen sj# en fdjen, jjie Sträger ber SBilbung be8 ba== 

maligen O'talienS, finb religiös geboren rote bie SIbenblänber beS 
üJttittetalterS, aber ifjr mächtiger 3nbititbualiSmuS madjt fie barin 
tote in onbern Singen tiöüig fubiectiti, unb bie $ülle tion 
^Reij, welche bie Entbecfung ber äußern unb ber geiftigen Seit 
auf fie ausübt, madjt fie überhaupt tiorwiegenb roetttict). 3m 
übrigen (Suropa bagegeu bleibt bie Religion nod) langer ein 
objectio ©cgebeneS unb im Seben wecfjfelt @elbftfud)t unb ©innen* 
genuß unmittelbar mit 21ubad)t unb 23uße ; (entere tjat nod) feine 
geiftige (Soncurrenj rate in Statten, ober bort) eine unenbüa) 
geringere. 

gerner fjatte tion jefjer ber fyäufige unb nal)e (Sontact mit 
SSujantinern unb mit Sttotjammebanern eine neutrale £oleranj 
aufredet erhalten, tior weldjer ber etrmograpl)ifd)e begriff einer 
bevorrechteten abenblänbifdjen ßfyriftenfyeit einigermaßen jurücftrat. 
Unb als tioüenbs baS claffifdje SUtertfyum mit feinen läftenfdjen 
unb (§inrid)timgen ein Sbeat beS Gebens würbe, weil es bie 
größte Erinnerung Italiens mar, ba überwältigte bie antife ©pe* 
culation unb ©fepfis bisweilen ben ®eift ber Italiener tioll* 
ftänbig. 

£)a ferner bie Italiener bie erften neuern Europäer waren, 
weldje fid) fdjranfenlos bem Sftadjbenfen über greifyeit unb 9^otf)= 
wenbigt'eit Eingaben, ba fie bieß traten unter gewaltfamen, red)t= 
• lofen pottttfcfjett Sßerfjättniffcn, bie oft einem glänjenben unb bau* 
ernben ©iege beS 23öfen äbnlidt) fafjen, fo würbe itjr ©otteSbe- 
wußtfein fdjwanfenb, itjre 2ßeltanfd)auung tfyeilweife f ataliftifd). 
Unb wenn it)re #eibenfd)aftlid)feit bei bem Ungewiffen nid)t wollte 
fielen bleiben, fo nahmen ätadje tiorlieb mit einer Ergänzung 
aus bem antifen, orientalifdjen unb mtttelatterlidien 51 bergt au* 
ben; fie würben Slftrologen unb Sftagter. 

Enblid) aber jeigen bie geiftig lättädjtigen, bie Präger ber 
9?enaiffance in religiöfer ©ejiefmng eine fyäufige Eigenfdjaf t jugenb* 
lieber Naturen: fie unterfdjeiben red)t fcfyarf jwifdjen gut unb böfe, 
aber fie rennen feine ©ünbe; jebe (Störung ber innern Harmonie 
getrauen fie fidj tiermöge ifjrer plaftifdjen Sraft wieberfyerjuftellen 
unb fennen beßfyalb feine 9?euc; ba tierblaßt benn aud) bas 23e= 
bürfniß ber Erlöfung, wäfyrenb jugleid) tior bem E()rgeij unb ber 



Bitte unb Religion. 



397 



©eifteganftrengung beg £ageg ber ©ebanfe an bag Senfeitg ent* e. 3ifcf<frntt 
Weber ööttig berfd)winbet ober eine poetifdje ©eftaft annimmt ftatt 
ber bogmatifdjen. 

5Den!t man fid) biefe^ Sltteg Permittett unb tijeitiüetfe Per* 
wirrt burd) bie auljerrfdjcnbe ^ßljantafie, fo ergiebt fidf) ein ©eifteg* 
bitb jener 3etr, bag wenigfteng ber 2öaf)r£)ett uäf)er fommt alg 
Mojjc unbeftimmte klagen über mobente« peibenrfyum. Unb bei 
näberm $orfd)en wirb man erft nod) inne werben, baß unter ber 
ftötte biefeg ^uftonbe« ein ftarfer STrteb ed)ter Rettgiofität (eben* 
big blieb. 

£>ie neuere Slugfüfyrung beg ©cfagten muft fid) t)ter auf bie 
wefentüd)ften Belege befdjrätrfcn. 

£)af? bie Religion überhaupt wieber me^r @ad)e beg einzelnen ©uMectwtat 
(Subjecteg unb [einer befonbern Stuffaffung würbe, war gegenüber * cr SMi9ion - 
ber auggearteten, tprannifd) behaupteten ®trd)entel)re unüermeiblid) 
unb ein 23eweig, baß ber europäifdje ©eift nod) am 8eben fei. 
greittd) offenbart fid) biefe auf fefjr oerfd)iebene Seife; wäf)renb 
bie mrjftifdjen unb agcetifd)en ©ecten beg Horben« für bie neue 
©efütjfgweft unb £)enfart fogleid) aud) eine neue ©isäptin fd)it* 
fen, ging in Statten jeber feinen eingenen 2Beg unb gaufenbe Per* 
toren ftd) auf bem fjofyen äfteer beg Sebeng in rettgiöfe Onbiffe* 
renj. Um fo fyöfyer mu§ man eö ©enjenigen anredjnen, weldjc 
3U einer inbiöibueüen Religion burdjbrang.cn unb baran feftfjietten. 
£>emt baß fie an ber alten Äirdje, wie fie war unb fid) aufbrang, 
feinen Zl)di mein 1 Ratten, war nidjt it)re ©djulb ; baß aber ber 
(Sin^etne bie gan^e große © ei fteg arbeit, wetd)e bann ben beutfdjen 
Reformatoren gufiet, in fid) t)ätte burdjmadjen foüen, wäre ein 
unbilliges Verlangen gewefen. 2öo eg mit biefer inbiPibuetlen 
Religion ber Seffern in ber, Regel Innaug wollte, werben wir am 
©djtuffe ju geigen fudjen. 

£)ie 2Öe(tlid)feit, burd) we(d)e bie Renaiffance einen augge* sBemiweit. 
fprodjenen ©egenfa^ junt Mittelalter ju btfben fdjeint, entfteljt 
guncid)ft burd) bag maffenfjafte Ueberftrömen ber neuen 2lnfd)au= 
ungen, ©ebanfen unb $bfid)ten in 23e$ug auf Ratur unb SttenfaV 
i)eit. 5tn fid) betrachtet, ift fie ber Religion nid)t feinbtid)er atg 
bag, wag ityt tfjre ©teile üertritt, nämlid) bie fogenannten $8\U 
bunggintereffen, nur baß biefe, fo wie wir fie betreiben, ung bloß 
ein fd)wad)eg Stbbitb geben Don ber attfeitigen Aufregung, in 
we(d)e bamalg bag öiete unb große Reue bie ätfenfdjen üerfe^te. 



398 



©Ute unb Religion. 



e. attfdmüt . @o umr biefe 2Beltlid)feit eine ernfte, überbieß burd) Sßocfte unb 
$itnft geabclte. @8 ift eine erhabene StfotfyroenMgfeit be3 mober= 
nen ®eifte§, bajj er biefetbe gar nid)t mcfyr abfd)ütteln f'ann, baft 
er jur (ärforfdjung ber ÜÜfcnfdjen unb ber Dinge mmüberftefytid) 
getrieben roirb unb bieß für feine 23efthumung fyält 1 ). Sie balb 
unb auf roeldjen Segen if)n bief? gorfdjcn gu ©Ott jurücffüfjren, 
rate e# fid) mit ber fonftigen SReligiofität be§ (5in$elnen in 33cr* 
binbuug fe^en wirb, ba§ finb fragen, meldje fid) nid)t nad) attge* 
meinen 35orfd)riften erlebigcn (äffen. Da3 Mittelalter, u>cld)eöfid) im 
®anjen bie (Stupide unb ba§ freie $orfd)en erfpart Ijatte, !ann in 
btefer großen Stngelegenfyeit mit irgcnb einem bogmatifdjen @nt* 
• fdjeib nidtjt auffommen. 

sotcranj 8 e 8 cu ocm ©tubium bc$ 3J?enfd)en, aber aud) nod) mit Dielen 

ßcnsätam. anbem fingen, b,ing bann bie £oleran$ unb bie Onbifferenj ju* 
fammcn, roomit man juuädjft bem 9ttob,ammebanigmu§ begegnete. 
Die ^cnntnife unb 33enmnberung ber bebeutenben ßultnrt)öi)e ber 
i8tamttifd)en Sßötfer, jumal öor ber mongolifdjen Ueberfdjrcemmung, 
war geroift ben Otaüenern feit ben ^reu^ügen eigen; baju fam bie 
fyalbmofyammebanifdje SRegierwigSroeife iljrer eigenen dürften, bie 
ftitle Abneigung, ja 23erad)tung gegen bie ®ird)e, roie fie mar, bie 
^ortbauer ber ortentotifdjen Reifen unb bc§ ^anbete nad) ben 
öftüdjen unb füblidjen §äfen be§ 3ftittetmeere§ 2 ). (SrioeiStid) 
fdjon im XIII. Oai)rl)unbcrt offenbart fid) bei ben Italienern bie 
Slnerfcnnung eineö mofyammebanifdjen 3bea(S öon ©betmutf), 
Sürbe unb ©tolj, baö am üebften mit ber^erfon eine« ©ultan« 
öerfnüpft roirb. 2J2an fyat babei insgemein an ejubtbifdje ober 
mame(utifd)e ©uttane oon 2legt)pten ju beuten; raenn ein Sftame 
genannt ftn'rb, fo ift e§ Ü)öd)ften8 «Salabtn 3 ). <&elbft bie ogma- 
nifd)en dürfen, bereu jerftörenbe aufbraudjenbe Spanier toafjrlid) 
fein ®el)eimni^ roar, flögen bann ben Italienern, roie oben (©. 
74, ff.) gezeigt umrbe, bod) nur einen falben @d)recfen ein, unb 
ganje ^öeüolferuugen gewönnen fid) an ben ©ebanfen einer mög* 
lidjen Stbfinbung mit ifjuen. 



!) 33gl. ba3 ©itat aus ^ßico'§ 9tebe r>on ber Söürbe be§ 2JJenftf)en, 
©. 282. 

2 ) 2lbgefeljen bauon, bafj man bei ben 2lro6ern fetbft bi^iueUen auf 
eine äf)nliä)e Xolerartj ober Qnbifferenj ftojjen tonnte. 

3) ©o bei Boccaccio. — ©ultane of>ne Tanten bei 2Jiaffuccio, 3lov. 
46, 48, 49. 



©Ute unb Religion. 



399 



£)er wabrfte unb be^etc^nenbfte 2luSbrucf btefer Onbifferen* e. Mbfdwtt. 
ift bic berühmte ®efd)tdjte üon bett brei fingen, wetdje unter an* ©it b«t min 8 e. 
bem Seffing feinem Sfcatfjan in ben Sßunb legte, nad)bem fie fcfjott 
toor bieten 3af)rf)unberten sagljafter in ben „fyunbert alten 9?o* 
teilen" (9£ot>. 72 ober 73) unb etwas rüdbaltStofer bei 33occac* 
cio 1 ) öorgebradjt worbeu mar. 3n wetdjem SBinfet bes bittet* 
meeres unb in welcher (Sprache fie gucrft (5iner bem Zubern er* 
^äf)tt fjaben mag, wirb man nie herausbringen; wafyrfdjeinlidj 
lautete fie urfprüngtid) nod) biet beuttidjer, als in ben betben ita* 
tienifdjen SRebacttonen. £)er geheime SBorbefjalt, ber ifyr ju ®runbe 
liegt, nämtid) ber ©eiSmuS, wirb unten in feiner weitern 33ebeu* 
tung an ben £ag treten. Sn ro^er 9fti§geftatt unb Sßeqerrung 
giebt ber befannte <Sprud) üon „ben £)reien, bie bie 2Belt betro* 
gen", nämtid) SO^ofcö, (SbriftitS unb 3ttot)amineb, biefefbe 3bee 
mieber. Söenn ®aifer griebrid) II., non bem biefe Sftebe ftammen 
folt, äfynlid) gebaut t)at, fo wirb er jtdj wobt geiftreidfyer ausge* 
brüctt Ijabett. 2lef)nlid)e 9faben fommen aucb im bamaligen 
OStam cor. 

Stuf ber §ölje ber 9?enaiffance, gegen (Snbe beg XV. ^aljr* »erecwigtmg 
fjunberts, tritt uns bann eine äfjntidje ©enfwetfe entgegen bei flIIcr Me "« ienen - 
Suigi ^ßulci, im 9)?organte maggiore. £)ie ^fyantafiewett, in 
weldjer fidj feine ®efd)id)ten bewegen, tfjeitt fid), wie bei alten 
romantifcfyen §etbcngebid)ten, in ein d)rifttid)eS unb ein mofyam* 
mebanifdjeS Heerlager. ®emä§ bem Sinne beS üDiittetatterS war 
nun ber <Sieg unb bie SSerfötjnung swifdEjen ben (Streitern gerne 
begteitet bon ber £aufe bes untertiegenben mofjammebanifdjen 
StfyeiteS, unb bie S'mpronifatoren, meldfye bem 'putci in ber 23e* 
t)anbtung fotdjcr (Stoffe oorangegangen waren, muffen bon biefem 
•äftotin reicf>tid)ett ©ebraud) gemadjt fjaben. Sßun ift es ^utci'S 
eigentliches ©efd)äft, biefe feine Vorgänger, befonbers wotjl bie 
frf)tedt)ten; barunter ju parobiren, unb bteß gefd)tebt fdjon burdj bie 
Anrufungen an (Sott, G>briftus unb bie 3ttabonna, roomit feine 
einzelnen ©efänge anheben. 9?od) biet beutlidjer aber madjt ei- 
gnen bie rafd)en ^Belehrungen unb Staufen nad), beren Sinntofig* 
feit bem i'efer ober |)örer ja redjt in bie Stugen fpringen f oll. 
Allein btefer «Spott füfjrt irjn weiter bis jum ^öefenntni^ feines 



!) Decaraerone I, Nov. 3. @r juerft nennt bie d)riftlicf)e Religion 
mit, nmfirenb bie 100 novelle ant. eine Sücfe laffen. 



400 



©itte unb Religion. 



e. aibftfmttt. ©taubens an bie rclatioe ©üte aller Religionen *), bem trofc feiner 
33ett)eimntgen ber Drtljoborie 2 ) eine wefentlid) tf)eiftifd)e Slnfdmu* 
ung gu ©runbe liegt. Slufjerbem tl)ut er nod) einen großen 
©abritt über atteö Mittelalter fyinauS nad) einer anbern @eite 
l)in. £)ie Sllternatiüen ber »ergangenen 3at)rl)unbertc fyatten ge* 
lautet: Rechtgläubiger ober ®e£er, Stjrift ober £eibe unb 9ttol)am* 
mebaner; nun jetcfjnet ^ßulci bie ©eftalt beS liefen Oftargutte 3 )/ 
©er ber fid) gegenüber üon aller unb jeglidjer Religion jum finulid)* 

(Riefe 0«ar 9 utte. ^ (g goi g mu g unb ^ QfJen 8 a |- tcm frÖl)tid^ bctCHtlt Utlb fid) 

nur baS eine uorbefyält: bafe er nie einen SBerratl) begangen 
fyabe. 33ielleid)t Ijatte ber £)id)tcr mit biefem auf feine Lanier 
er)rtid)en @d)eufal nid)ts ©eringes üor, möglid)er Sßeife eine (Sr* 
jieljung jitm Seffern burd) Morgan! e, allein bie gigur tierleibete 
ilmt balb unb er gönnte if)r bereite im nädjften ©efang ein fo* 
mifdjeS (Snbe 4 ). 2ftargutte ift fdjon als beweis öon ^ulci'S 
griöotität geltenb gemalt worben; er gehört aber notfywenbig 
mit ju betn 2Beltbilbe ber £)id)tung beS XV. 3al)rf)unbertS. 
3rgenbwo mußte fie in grotteSfer ©rötje ben für alles bama* 
lige ©ogmatifiren unempfinblid) geworbenen, wilben Egoismus 
Seidmen, bem nur ein Reft üon Otjrgefütjt geblieben ift. lud) 
in anbern ©ebidjten wirb ben Riefen, £)ämonen, Reiben unb 
Moljammebanern tri ben Munb gelegt was fein ajriftliajer Ritter 
fagen barf. 

Sieber auf eine ganj anbere SBeife als ber 3slam wirlte 

'xr^sSti™ bag 2lttert ^ um ein ' unö 3 luar nic ^ burc ^ f eine ^ e{i 9 ion / benn 
biefe war bem bamaligen ®atl)oIiciSmuS nur ju fyomogen, fonbern 

burdj feine *!ßf)ilofopi)ie. £)ie anttfe Literatur, bie man je£t als 

etwas Utit*ergleid)lia}eS t>erel)rte, war ganj erfüllt öon bem @iege 

ber ^l)ilofopl)ie über ben (Sötterglauben; eine ganje 2lnjal)t Don 

©Uftemen unb Fragmente öon @t)ftcmen ftürjten über ben italie* 

nifdjen ©eift fjerein, ntd)t mein* als Suriofitdten ober gar als 



0 ^reilid) im 3flunbe be§ £>ämon§ 2tftarotte, ©ef. XXV, ©tr: 231 
u. ff- »gl. ©tr. 141 u. ff. 

2) ©ef. XXVIII, ©tr. 38 u. ff. 

s) ©ef. XVIII, ©tr. 112 bis ju @nbe. 

4 ) $ulci nimmt ein analoge^ Sljema, obrootjt nur flüchtig, nüeber 
auf in ber ©eftalt bei dürften £f)iariftante (®ef. XXI, ©tr. 101, s. 121, 
s. 145, s. 163, s.) tt>eltt)er nitt)t§ glaubt unb fid) unb feine ©emafjlin gött= 
litt; t>eret)ren läfjt. 3Jian ift üerfud)t, babei an ©igtömonbo SEßalatefta 
(©. 26, 177, 363) ju benfen. 



©ttte unb Sftettgion. 



401 



£äreften, fonbern faft ats Dogmen, bie man nun nid)t fovpot)f e. sibfc&nitt. 
yi untertreiben at§ miteinanber gu öerföfynen beftrebt war. goft 
in aü biefen Verriebenen Meinungen nnb $t)ilofopt)emen lebte 
trgenb eine Slrt öon ©ottedbetou^tfein, aber in tfjrcr ®efammtf)eit 
bitbeten fte bod) einen fiarfen ®egcnfa| ju ber djriftttdjen Sehje 
öon ber göttlidjen Sßettregierung. 9lun giebt e§ eine mafyrfyaft 
centrale $rage, um beren £öfung ficf) fdjon bte Geologie be$ 
3ftittetatter§ ofme genügenben (Erfolg bemüht tjatte, unb metdje 
iefct öoqugsweife öon ber SßeiStjeit beö SHtertfyum« eine Slntroort 
üertangte: £)a§ 23erf)ättni§ ber 23orfef)ung jur menfd)Iid)en grei* 
t)eit unb 9?otf)ttenbigfeit. SBenn tuir bte ©efd)id)te biefer grage 
feit bem XIV. 3al)rf)unbert aud) nur oberpdjtid) burdjgeljen 
moftten, fo würbe fyieraus ein eigenes Sud) werben. Senige 2ln* 
beutuugen müffen Ijier genügen. 

§ort man ©ante unb feine ^eügenoffen, fo märe bie antife mmmimm. 
^nitofopljte jucrft gerabe öon berjenigen ©eite f)er auf ba§ ita* 
lientfcrje Öeben geftoßen, mo fie ben fdjroffften ®egenfa£ gegen baä 
(Sfjriftentrmm bilbete ; e§ fielen nämüd) in Statten (Sötcureer auf. 
Sßmt befafc man @picurS ©Triften nictjt mef»r unb fdjon bag 
fpätere 2lttert£)um fjatte öon feiner Sefyre einen metjr ober weniger 
einfeitigen Segriff; immerhin aber genügte fd)on biejenige ©eftalt 
be$ @öicurei8muö, welche man au§ Cucretius unb gang befonberö 
au§ (Sicero ftubiren tonnte, um eine ööflig eutgötterte Sttett fennen 
gu lernen. 2Bie meit man bie SDoctrin budjftäbüd) faßte, unb 
ob nidjt ber 9?ame be8 rätselhaften gried)ifd)en Reifen ein beque* 
meS @d)tagmort für bie Spenge würbe, ift fdjiwer gu fagen; watn> 
fd)ein(id) t»at bie bominicanifdje 3nquifttion ba3 SBort aud) gegen 
foldje gebraucht, meieren man fonft auf feine anbere 3öcife betfom* 
men tonnte. (Sö finb t)auptfäd)üd) frütjentwiefette 23eräd)ter ber 
®ird)e, welche man bod) fdjwer wegen beftimmter fefcerifd)er Öe^ren 
unb 2lu§fagen belangen fonnte; ein mäßiger ®rab öon 2Bof)üeben 
mag bann genügt f)aben, um jene Wtage rjeröorgubringen. Sri 
biefem conöentioneüen ©inne brauet g. S. ©ioöanni SStüani ba$ 
2Bort, wenn er J ) bereit« bie ftorentinifdjen geuerSbrünfte öon 
1115 unb 1117 at$ göttüdje ©träfe für bie ^ereien geltenb 
madjt, „unter anbern wegen ber tieberlicben unb fdjwdgerifdjcn 
©ecte ber (Spicurcer". S3on äftanfreb fagt er: „©ein Seben mar 

i) Gio. Yillani III, 29. VI, 46. 2>er darrte fommt cutcf) im Horben 
fef)r frü£) cor, aber nur in conüenüoneEem ©inn. 

SButrfbatDt, ßultuv Ccv Otenaiffance. 28 



402 



©Ute unb Religion. 



6. gi bfftnitt. epicureifd), inbem er nicht an ®ott noch an bie ^eiligen unb 
überhaupt nur an leibliches Vergnügen glaubte". 

Dante unb Sie deutlicher rebet ©ante im neunten unb jeljnteu @efang bcr 
GMcureer. q« 0 i^ f urc ^tbare, öon flammen buqogenc ©räberfelb mit 

ben tjatb offenen ©arfophagen, aus welchen £öne beö tiefften 
Cammer« ^eröorbringen, beherbergt bie jwei großen Kategorien 
ber öon ber Kirche im XIII. x^al)rl)unbert 48efiegten ober 2lusgc= 
ftofjenen. £)ie (Sinen waren tefcer unb festen firf) ber Kirche ent* 
gegen burd) beftimmte mit 2lbfid)t Verbreitete Irrlehren; bie 2ln* 
bern waren (Spicureer unb ihre ©ünbe gegen bie Kirche lag in 
einer allgemeinen ©efinnung, welche fid) in bem @afce fammelt, 
ba§ bie ©eele mit bem Seib üergehe 1 ). £)ie Kirdje aber wufete 
red)t gut, bafj biefer eine @a& wenn er «oben gewänne, ihrer 
2Irt öon üftad)t toerberblidjer werben müßte als alles 2ftanitf)äer* 
unb ^aterinerwefen, weil er ihrer (Simnifchung in baS @d)icffat 
bes einzelnen 3flenfd)en nad) bem £obe allen Serth benahm. 
£)a$ fie felber buref) bie Littel, welche fie in ihren Kämpfen 
brauchte, gerabe bie 23egabteften in Verzweiflung unb Unglauben 
getrieben ^atte, gab fie natürlich nid)t ju. 

£)ante's 2lbfd)eu gegen gpicur ober gegen bas, was er für 
beffen 8ef)re hielt, war gewiß aufrichtig; ber £>id)ter bcS 3enfeitS 
mußte ben ßäugner ber Unfterblicfjfeit Raffen, unb bie üon ©ort 
weber gefdjaffene noch geleitete SBelt fo wie ber niebrige ^weef bes 
£>afeins, Den baS Stiftern aufstellen fdjien, waren bem Sefen 
©ante'S fo entgegengefefct als möglid). Sieht man aber ndl)er 
ju, fo haben auch auf ih" gemiffe ^hilofopheme ber Sitten einen 
(Smbrucf gemad)t, üor welchem bie bibtifd)e ßefjre öon ber Seit* 
lenfung $urü<ftritt. Ober war eS eigene ©peculation, (Sinwtrfung 
ber £ageSmeinung, ©rauen bor bem bie Seit beherrfajenben Un* 
red)t, wenn er 2 ) bie fpecieHe 23orfehung ooüig aufgab? ©ein ©ott 
überlädt nämlich baS gan^e £)etail ber Seitregierung einem bämo* 
ntfehen Sefen, ber gortuna, wefdje für nichts als für Veränbe* 
rung, für baS ®urd)einanberrüttein ber ßrbenbinge ju forgen hat 
unb in inbifferenter ©eligfett ben Oammcr ber 3ttenfd)en über* 
hören barf. £)afür hält er aber bie fittUdje Verantwortung beS 
SD?enfcf)en unerbittlich feft: er glaubt an ben freien Sillen. 

0 30?an tjgl. bte befamtte 93etoeiSfüE)rung im britten Sudje beä 
SucretiuS. 

2 ) Inferno, VII, 67 big 96. 



«Sitte unb Religion. 



403 



©er "ißopulärglaube an ben freien SBiüett fjerrfdjt im %benb* 6. Mbft frtdtt. 
lanbe Don jefycr, mie matt bcnn audj ju atfen 3eiten -3eben per* mxt »om freie« 
föttftcf) für bas, was er getfyan, ücrantworttid) gemalt f)at, ats müm ' 
Perftefye ftd) bie <Sad)e gattj Oott fclbft. SlnberS oerl)äU eS fidj 
mit ber reügiöfen ttttb pljtfofopln'fdjen Serjre, wetdje ftcE) in ber 
£age beftnbet, bie üftatur beS menfdjüdjen SBittenS mit ben großen 
SBeltgefe^en in (Stnflang bringen 31t müffen. §ter ergiebt ftd) ein 
äftefyr ober SBeniger, wonad) ftd) bie £arjrung ber ©tttfidjfeit 
überhaupt richtet. Dante ift ntdjt ööüig unabhängig von ben 
aftrologifcben SBafjngebtfben, wetdje ben bamatigen £wri^ont mit 
fatfcfjem 8tdjte erretten, aber er rafft fidj nadj Gräften empor ju 
einer würbtgen Slnfdjauung beö menfdjlidjett SBefenS. „Die (Sc* 
ftirne, laßt er 1 ) feinen Sftarco Sombarbo fagen, geben töofjt bie 
erften Antriebe ju euerm Sttmtt, aber £id)t ift cud) gegeben über 
©ute§ unb 33öfeS, unb freier Sßtlle, ber nad) anfdngüdjem ^ampf 
mit ben ©eftirnen 2llleS befiegt, wenn er richtig genarrt wirb." 

Slnbere motten bie ber greüjeit gegenüberftefyenbe ^ftottjwcn* 
bigfeit in einer anbern Motens fudien als in ben «Sternen — 
{ebenfalls war bie $rage feitbem eine offene, nidjt mefyr ju um* 
gefjenbe. «Soweit fie eine grage ber ©djuten, ober öottenbs nur 
eine 23efcf)äftigung ifolirtcr Denfer blieb, bürfen wir bafür auf 
bie ©efd)id)te ber 1ßf)itofopf)ie tiermetfen. «Sofern fie aber in 
bas -SBewußtfetn weiterer Greife überging, wirb nod) baöon bie 
SRebe fein müffen. 

SDaS XIV. 3af)r()Mtbcrt tie^ fitf) Dorgüglid) burd) bte pf)i(o* 
fopf)ifd)en «Sdjriften (Sicero'S anregen, wetdjer befanntlict) als 
(gfteftifer galt, aber als ©eeptifer wirfte, weit er bie £t)eorien 
Perfdjiebener «Sdjuten vorträgt ot)ne genügettbe 2lbfd)lüffe beiju* 
fügen. On ^weiter £inie fommen «Seneca unb bie wenigen ins 
$ateinifd)e überfein «Sdjriften beS SlrtftoteteS. Die $rud)t MefeS 
«StubiumS war etnftweiten bie $ä£)igt"eit, über bie pdjften Dinge 
ju refteettren, wenigftens aufterfjatb ber ^ird)en(et)re, wenn aud) 
nidjt int äBtberfprud) mit tt)r. 

ffflit bem XV. 3ai)ri)itnbert oermefyrte ftd), wie wir fafyen, <sin»itfuna tu 
ber «eftfe unb bie Verbreitung ber ©djriften beS 2Utertf)ttmS außer* "J^™^*™ 
orbenttid); enbfict) famen aud) bie fämmtiidjen nod) tiortjanbenen 

!) Purgatorio XVI, 73. SBotnit bie Xijeotie be§ Sßlanetenemfluffeä 
im 6-onDtio ju Dergleichen. — 2ludf) ber £)ämon Stftarotte bei ^ßulci 
(Morgante XXV, Str. 150) bezeugt bie tttenfcfjticfje SBiEenäjreiljett unb bie 
göttliche ©eredEjtigfeit. 

26* 



404 



©ttte unb Religion. 



e. Mbfftnitt. griecbifdien ^t)ilofopf)en raenigftenS in tatemifd)er Ueberfe^ung 
unter bte Seute. 9?un ift es junädjft fetjr bemerfenSmertt), bafc 
srümmigfcitunö gerate einige ber $auptbeförberer biefer Literatur ber ftrengften 
^umaniämuä. g rßmmigfe ^ j a ber CE g Cben firtb. (Sgl. @. 214.) $on 

$ra Slmbrogio ßamatbotefe barf man nidjt fprcdjen, roeil er ficf) 
augfd)lie^ttdf) auf baS Uebertragen ber grted)ifd)en ®ird)eut>dter 
jurüct^og unb nur mit großem 2Biberfireben auf Anbringen beS 
altern ßofimo SDcebtci ben ©togeneS SaertiuS in« Cateinifdje über s 
fefcte. Iber feine JJettgenoffcn ^tccotö S^iccoti, (Siano^o attan- 
netti, £)onato Slcciajuoli, ^ßapft s JcicolauS V. öeretnigen ] ) mit 
atlfeitigem Humanismus eine fefyr geteerte 23ibeltunbe unb eine 
tiefe Slnbadjt. Sin 23ittorino ba lettre mürbe bereits (<S. 166) 
eine äfjnttdje 9?id)tung fjerdorgcljoben. SDerfelbe Sttaffeo 23egio, 
roetd)er baS brennte 33ud) pr Sieneibe bietete, tjatte für baS 
2inbenfen @. SlugufttnS unb beffen Butter ÜÄontca eine ^egeU 
fterung, metdje nidjt otme £)ö£)ern Öejug gemefen fein mirb. grud)t 
unb golge folajcr ^Bestrebungen mar bann, ba§ bte platonifd)e 
2Icabemie ju Oftorenj fidE) eS förmtief) jum $kk fefcte, ben ®eift 
beS SlltertljumS mit bem beS (StjrtftentfjumS ju burdjbrmgen; eine 
merfmürbige Oafe innerhalb bes bamaltgen Humanismus. 
£tc mutiere 9»*= Cc^tcrct war im (Sanken eben bod) profan unb mürbe es bei 
tun« bei oe r StuSbetmung ber ©tubien im XV. 3at)rl)unbert immer mefyr. 
eumamfteii. ,g e - ne &eute, bte mir oben a(S bie redeten SSorpoften beS entfef* 
feiten 3nbiüibualiSmuS fennen lernten, entwideften in ber SReget 
einen folgen Stjaracter, baß uns felbft ifyre 9Migiofitdt, bie bis* 
meiten mit feljr beftimmten SCnfprüctjcn auftritt, gleichgültig fein 
barf. Qu ben 9?uf oon SItijetften getaugten fie etroa, menn fie 
inbifferent waren unb babei rud)Iofe Neben gegen bie ®ird)e 
führten; einen irgenbmie fpeculatin begrünbeten UeberjeugungS- 
atbeiSmus fyat feiner aufgehellt, 2 ) nod) aufstellen magen bürfen. 
Senn fie ficf) auf einen leitenben ©ebanfen bejannen, fo wirb es 
am elften eine 2lrt Don oberflddjlidjem Nationalismus gemefen 
fein, ein flüchtiger ^ieberfdjlag aus ben Dielen miberfpredjenben 
Sbeen ber 5llten, momit fie ficf) befdjaftigen mußten, unb aus 
ber SJeradjtung ber tirdje unb il)rer 8el)re. £)iefer 2lrt mar mot)l 



0 Vespasiano fiorent. p. 26. 320. 435. 626. 651. — Murat. XX, 
Col. 532. 

2 ) UeBer ^omponogjo »gl. bie ©peciatroetle, u. ct. bitter, ©efd£). bev 
5ßf)ilofopE)ie, »b. IX. 



©itte unb Religion. 



405 



jene« SKaifonnement, meldje« ben ©aleottu« 2J?artiu« x ) bzimtye. «Mfrrfg. 
auf ben @d)eiterf)aufen brachte, menn tfjrt uxd)t fein früherer 
©djüler Sßapft ©irtu« IV. eitertbö au« ben §änben ber 3nqui* 
fitton l)erau«geriffen £)dtte. ©aleotto fjatte nämtief) gefd)rieben: 
»er fiel) red)t aufführe unb nad) bem innern angeborenen ®efel£ 
fyanble, au« meinem SBolf er aud) fei, ber fomme in ben £immel. 

^etraebten nur beifpielmetie baß retigiöfe 33ert)atten eine« ber «eit 9 ion &e« 
(Geringem au« ber großen fed)aar be« Sobru« Urceug,-) ber erft 
£au«lef)rer beö testen Drbelaffo, dürften Don gorlt, unb bann 
lange 3al)re ^rofeffor in Bologna geroefen ift. Ueber §ierard)ie 
unb Sfliöndje bringt er bie obligaten Halterungen im oollften 9J?a§; 
fein £on im Allgemeinen ift pdjft freüeüjaft, baju ertaubt er 
fid) eine beftänbige ßinmifdjung fetner ^ßerfort nebft ©tabtgefdjiaV 
ten unb hoffen. Slber er fann aud) erbaulid) Don bem mafyren 
©ottmenfdjen @f)riftu« reben unb fid) briefltd) in ba« ®ebet eine« 
frommen ^riefter« empfehlen. (Sinmal faßt e« tt>m ein, nad) 
Aufhaltung ber £f)ort)etten ber beibnifdjen Religion atfo fortan* 
fafjren: „aud) unfere Geologen roaefetn oft unb ganten de lana 
„caprina, über unbefteefte (gmpfängmjj, SIntidjrift, «Sacramente, 
„23orf)erbeftimmung unb einige« Anbere, wa« man lieber befdjtoet* 
„gen, als FjerauSprebigen foltte". (Sinft oerbrannte fein Limmer 
fammt fertigen 3ttamtfcripten, ba er nidjt ju £aufe raar; al« er e« 
öernaf)m, auf ber ®affe, ftellte er fid) gegen ein äftabonnenbitb 
unb rief an baffelbe hinauf: „£öre, roa« id) bir fage, id) bin 
„nid)t Derrücft, id) rebe mit Slbfidjt! menn id) bid) einft in ber 
„<5tunbe raeine« £obe« ju £ütfe rufen follte, fo braucht bu mid) 
„nid)t ju erljören unb 311 ben Peinigen Ijutübcrjunefymen! benn 
„mit bem Teufel null id) mofmen bleiben in ©»tgfett!" (Sine 
9?ebe, auf welche f)in er bod) für gut fanb, fid) fed)« Monate 
Ijinburd) bei einem ^jo^ader Perborgen ju galten, £)abei war 
er fo abergläubifd) , ba| it)n Augurien unb ^ßrobtgien beftdnbig 
ängftigten; nur für bie Hnfterblid)feit f)atte er leinen ©tauben 
übrig, ©einen Sötern fagte er auf befragen: tua« nad) bem 
Stöbe mit bem äftenfdjen, mit feiner ©eele ober feinem Reifte 
gefd)ef)e, ba« miffe man nid)t unb äße 9?eben über ba« Oenfeit« 
feien ©djrecfmittel für alte SBetber. 511« e« aber an'« ©terben 



!) Paul. Jovii Elogia lit. 

2) Codri Urcei opera, com fein Seben t>on 33ctrt. a3tcmcf)tnt, bann 
in feinen p^tfologifdjen SSorlefungen p. 65. 151. 278 etc. 



406 



©Ute unb Religion. 



6. Mbf ftnttt. Qtng , empfatjt er bod) in feinem Seftament feine (Seele ober 
mm urceu-3. feinen ©eift J ) bem attmädjtigen ©Ott, bermafmte aud) }e£t feine 
roeinenben @d)üter jur ©otte3furd)t unb inSbefonbere jum ©lau- 
bat an Unfterbttchfeit unb 33erQettnng nad) bem £obe, unb empfing 
bie ©acramente mit großer 3nbrunft. — Sftan f)at feine ©arantie 
bafür, baß ungteid) berühmtere Seilte beffetben $ad)e£, aud) roenn 
fie bebeutenbe ©ebanfen amSgefprodjen fyaben, im ßeben biet con* 
fequenter geraefen feien. ©te Reiften merben innerttd) gefdjmanft 
Ijaben jtmfdjen gretgeifterci unb Fragmenten be3 anerzogenen 
®atf)oüci«mu3, unb äußertid) gelten fie fdjon au§ ttugfyeit 
jur $ird)e. 

9tnfän ß e neflati. Snfofem ftdj bann t^r $Kationati§muS mit ben Anfangen 
vel Autlf ' ber fjifiorifcben Äritit berbanb, moajte aud) l)ie unb ba eine 
fd)ücf)terne tritif ber bibfifdjen ©efdjidjte auftauten. @8 rairb 
ein SÖort $tu« IL überliefert 2 ), raetdjeS wie mit ber Slbficbt bes 
SSorbauenö gefagt ift: „rcenn ba§ @f)riftcntl)um aud) ntdjt burd) 
SBunber beftättgt märe, fo f)ätte e§ bod) fdjon um feiner 2ftora* 
tität mitten angenommen raerben muffen", lieber bie Segenben, 
inforoeit fie tutÖfürlidje Uebertragungen ber bibtifdjen SBunber ent» 
galten, ertaubte man fid) oi)net)in ^u fpotten 3 ), unb bieß mtrfte 
bann roeiter jurficE. 2Öenn jubaifirenbe Äefcer ermähnt roerben, 
fo rotrb man babei bor Ottern an Säugnung ber ©otttjeit (grifft 
ju benfen ^aben; fo berfjiett c§ fiefc) bietleid)t mit ©iorgio ba 9?o* 
bara, metdjer um 1500 tu 23otogna berbrannt mürbe 4 ). Slber 
in bemfetben Bologna mußte um biefe £eit (1497) ber bomica* 
nifcfye Snquifitor ben motjt protegirteu 2lqt ©abriette ba @atö 
mit einer btoßen Dfeuerftctrung 5 ) burdjfdjtfipfen taffett, obroot)t 

9 Animum raeum seu animam, eine Unterfdjeibung, burd) welche 
bamalä bie 5ßE)i(ologie gerne bie Geologie in $er[egenb>it fefcte. • 

2 ) Piatina, Vitae pontiff., p. 311: christianam fidem, si miraculis 
non esset approbata, honestate sua reeipi debuisse. 

3) 33efonber§ roenn bie SDiöndje bergleidjen auf ber Äanjel frifd) er- 
fannen, bod) aud) ba3 längft 2lnertannte blieb nitf)t oJjne Slnfedjtung. 
$trenguola (opere, vol. II, p. 208, in ber 10. ^ooette) fpottet über bie 
granciScaner oon Sftoüaxa, roeldje aus eridjlidjenem ©elb eine ©apette an 
tf)re Äirdje bauen motten, dove fusse dipinta quella bella storia, quando 
S. Francesco predieava agli uccelli nel deserto; e quando ei fece la 
santa zuppa, e che l'agnolo Gabriello gli portö i zoecoli. 

4 ) @inige§ über ifjn bei Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, 
cap. 13. 

5 ) Bursellis, Ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 915. 



(Sitte unb Religion. 



407 



bcrfctbc folgenbe 9?eben ju führen pflegte: (gtjrtftue fei nidjt ®ott «♦ wbiü mtt. 
gewefen, fonbern ©otm beS 3ojepf) unb ber Ataxia aus einer ge= 
wöfmlid)cn Empfängnis er habe bie 2Bctt mit fetner Irglift in« 
33erberben gebracht; ben treu^eStob möge er wol)l erlitten haben 
liegen begangener Verbrechen; auch werbe feine Religion näd)ftenS 
aufhören; in ber gewetzten £>oftie fei fein wahrer Selb ttidjt; 
feine SBunber habe er ntct)t boübradjt aus göttlicher Äraft, fon* 
bern fte feien burd) Einfluß ber ftimmelsförper gefd)ef)en. 
tereS ift wieberum työdjft bejetdjttenb ; ber ©taube ift bahin, aber 
bie Sttagie behält man fidj bor 1 ). 

3n betreff ber SBettregierung raffen fidj bie ftumaniften Botawmu« 
insgemein nicht weiter auf als btS ju einer fatt reftgntrten Söt< 
tradjtung beffen, was unter ber ringsum f>errfcr)enbett Gewalt unb 
äftiftregierung gefd)ie£)t. 31uS biefer «Stimmung finb herborge* 
gangen bie bieten 33itcher „bom ©djicffal" ober wie bie 33arie* 
täten beS £ttels lauten mögen. «Sie conftatiren meift nur baS 
£)ref)en beS ©lücfSrabeS, bie Unbeftäubtgfeit ber irbtfdjen, jumal 
ber politifd)en ©inge; bie SBorfeljung intrb herbeigezogen, offenbar 
nur »eil man fidj beS naeften Fatalismus, beS SBerjichtenS auf 
Erlenntnifc bon Urfac^en unb Sirtungen, ober beS baaren 3am= 
merS nod) fdjämt. SRidjt otme (Seift conftruirt ©iobiano <ßon* 
tano bie 9?aturgefd)id)te beS bämonifdjen (StwaS, Fortuna ge* 
nannt, aus tjunbert meift felbfterlebten Erfahrungen 2 ). %fltf)X 
fdjerj&aft, in Form eines £raumgefid)teS, betjanbelt SleneaS ©b> 
btuS ben ©egenftanb 3 ). ^oggio'S ©treben bagegen, in einer 
©djrift feines (SreifenatterS 4 ), getit barjin, bie Seit als ein 3am* 
merttjal barauftellen unb bas ®tücf ber einzelnen ©täube fo nie* 
brig als möglidj au tarjren. £)iefer £on bleibt bann im ©anjen 
ber t>orI)ervfd)enbe; bon einer Spenge ausgezeichneter 8eute wirb 
bas ©oll unb £aben tfjreS ©lücfeS unb UnglücfeS unterfud)t unb 
bie «Summe barauS in bontnegenb ungünftigem ©inn gebogen- 
3n l)öd)ft würbiger Seife, faft elegifdj, fajilbert uns borjüglid) 



1) 2Bie weit bie freoel^aften Sieben biäroettett gingen, t>at ©iefeter, 
$irdjengefcf)icfjte II, IV, §. 154 2tntn. mit einigen fprecfienben 33eifpielen 
bargetfjon. 

2) Jov. Pontanus, de fortuna. ©eine 2lrt von Sfjeobtcee II, 
p. 286. 

3) Aen. Sylvii opera, p. 011. 

4 ) Poggius, de miseriis humanae conditionis. 



408 



©Ute unb ^Religion. 



6, mmnitt. £riftan Saracctoto *) ba« ©dfjitffat Stöttens unb ber Italiener, 
foweit es ftd^ um 1510 überbauen tie§. mit fpeciclter Slnwen* 
bung biefeS fjerrfebenben ®runbgefül)is auf bie §umaniften fefber 
berfaßte bann fpäter $terio SSatertano [eine berühmte SIbhanb* 
tung (@. 217). (5s gab einjetne ganj befonberS anregenbe Zty* 
mata biefer 2lrt, wie 3. 33. baS ©lud Öeo'S X. SaS bon pott* 
tifcber (Seite barüber künftige« gefagt werben famt, bas f)at 
granceSco 23ettori in fdjarfen äfleifiergügen aufammengefaßt; baS 
mb feines ©emtfefebens geben ^aofo ©iobio unb bie 23iograpf)ie 
eines Ungenannten 2 ); bie edjattenfeiten biefeS ©tücfeS bergeief)* 
net unerbitttid) wie bas @d)t(ffat fclbft ber ebeugenannte ^ierio. 
£as mü^men ^Daneben erregt es beinahe (brauen, wenn f>te unb ba ftdj 
MWMa. Oemanb öffentttd) in tuteinifeber Snfdjrift beS ©lucfeS rütjtnt 
@o wagte ©iobanni II. «entibogtio, #errfdjer>on Bologna, an 
bem neu erbauten £E)urme bei feinem ^alafte eS in ©tein bauen 
ju toffen: fein Sßerbienft unb fein ®IM hätten if)m alte irgenb 
münfd)baren ®üter reid)tid) gewährt 3 ) — wenige 3ahre bor feiner 
23erjagung. £)ie Sitten, wenn fie in biefem @inne «beten, 
empfanben wenigftenS bas ®efüf)t bom 9?eib ber ©ötter. 3n 
Italien Ratten es wa£)rfd) eintieft, bie (Sonbottieren (@. 20) aufge* 
bracht, ba£ man fid) taut ber gortuna rühmen burfte. 

t 3>r ftärffte (Sinftufe beö wieberentbeeften 2t(tertf)umS auf bie 
Religion fam übrigens nid)t bon irgenb einem phitofopf)ifd)en 
©Aftern ober bon einer &bre unb Meinung ber 9Hten her, fon* 
bem bon einem atteS beherrfdjenben Urttjeil. man sog bie 2ften 5 
fajen unb jum Sfytf aud) bie (Einrichtungen beS 2Ittertl)umS ben* 
jenigen beS 3)?ittetatterS bor, ftrebte tfjnen auf atte SBetfe nad) 
unb würbe habet über ben 9MigionSunterfd)ieb böllig gleidjgüttig. 



0 Caracciolo, de varietate fortunae, bei Murat. XXII. ©ine ber 
Iefen§tt>ertf)eften ©Triften jener fonft fo reiben ^abre. 23gf. ©. 263. — 
Sie ftortuna Bei feftltcben Stufettgen, ©. 334 u. 2tnm. 

2 ) Leonis X. Vita anonyma, bei Roscoe, ed Bossi, XII, p. 153. 

3) Bursellis, Ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 909: monimen- 
tura hoc conditum a Joanne Bentivolo secundo Patriae rectore, cui 
virtus et fortuna cuneta quae optari possuut affatim praestiterunt. 
@3 tft inbefc nid)t gan$ flar, ob biefe Snfd&rtft aufcn angebracht unb ftcß> 
bar, ober wie bie sunäcfjft üorber mitgeteilte in einem ©runbftein ner* 
borgen war. 3m ledern ftaU nerbänbe fid) roobt bamit eine neue 3bee: 
ba§ ©lüdt fönte burd) bie gebeime ©djrift, bie vuüeiä,t nur noeb. ber 
©fjromft tonnte, magifd) an ba§ ©ebäube gefeffelt mefben. 



©Ute unb Sieligion. 



409 



Sie ©ewunbermtg ber fjtftorifdjen ©röfee abforbirtc Slfle«. (fß^le^mm^k. 
@. 118, 3tnm„ 343.) 

©et ben ^3f)ito(ogen fam bann noch manche befonbere SCtjor* ^ «*iMi4Me 
t)ett t)inju, buref) tnetd^e fic bie «tiefe ber Seit auf ftd) sogen. *« , »« I, * Wtel - 
2Bie weit *ßapft $aul II. berechtigt war, baö §eibentf)um feiner 
Slbbret-iatoren unb ihrer ©enoffen jur 9?ed)enfd)aft ju sieben, bleibt 
aflerbingä fel)r jirieifelhaft, ba fein £auptopfer unb Biograph 
^tatina (@. 179, 263) e3 meifterüd) toerftanben Ijat, Um babei 
als rad)füd)tig wegen auberer ®inge unb gauj befonberS als 
fomifdje $igur erfdjetnen $u laffcn. £>ie Sfoflage auf Unglauben, 
§eibeutl)um Säugnung ber Unfterbtidjfeit :c. würbe gegen bie 
Verhafteten erft erhoben, nachbem ber ^odjbcrratrjSprocejj ntdjt« 
ergeben hatte; aud) war $airt, wenn wir recht berichtet werben, 
gar nid)t ber äftann baju, irgenb etwa« ©eiftigeS ju beurteilen, 
wie er benn bie Börner ermahnte, ihren Äinbern über ßefen unb 
©djreiben hinaus feinen weitern Unterricht mehr geben ju taffen. 
@* ift eine ähnliche priefterlidje $efd)ränfthcit wie bei Sabona* 
rota (@. 385), nur baft man ^apft <$au{ hätte erwiebern fönnen, 
er unb feineggleidjen trügen mit bie £auptfd)ulb, wenn bie 33 tl* 
bung ben 2J?enfd)en üon ber Religion abwenbig mache. £)aran 
aber ift bod) nid)t ju zweifeln, baß er eine wirfltche 33eforgmjj 
wegen ber heibnifdjen £enbenjen in feiner 9^at)e berfpürte. 2öa§ 
mögen ftd) boüenbS bie gmmaniften am £ofe be« tjetbnifcf) rudj* 
tofen ©tgiSmonbo SMatefta (@. 400, Slttm.) erlaubt h a ^ n? 
©ewi£ fam es bei biefen meift rjattmtgStofen üttenfdjen wefentüch 
barauf an, raie weit ihre Umgebung ihnen ju gehen geftattete. 
Unb wo fie ba$ (Shriftenthum anrühren, ba paganifiren fie e$ 
(ß. 203, 207). 3Ban mujj fehen, wie weit j. 33. ein ©iooiano 
sßontano bie 23ermifd)ung treibt; ein ^eiliger fjet^t bei ihm nicht 
nur Divus, fonbern Deus; bie (SngeH)ä(t er fd)terf)tracg mitben 
©enien be$ s iUterthumö für tbentifd) 2 ), unb feine Anficht üon ber 
Unfterbtid)feit gleicht einem @d)attenreid>e. (£« fommt j« einjet* 
neu ganj wunberbaren treffen in biefer 33e$iehung. 5118 1526 



1 ) Quod nimium gentilitatis amatores essemus. 

2 ) äßüljrenb bod) bie feilbenbe $unft roenigftenä greifen ©ngeln unb 
Hutten unterfdjieb unb für alle ernften groede bie ernftern anroanbte. — 
Annal. Estens. bei Murat. XX, Col. 468 I^eiftt ber Slmorin ober ^utto 
gan^ nait): instar Cupidinis angelus. 



410 



©Ute unb Religion. 



6. wb fthnitt. @iena l ) t>on ber gartet ber Ausgetriebenen angegriffen mürbe, 
ftanb ber gute 5Domf)err STiaio, ber un« bte^ felber er^äfjlt , am 
22. 3uü com 33ette auf, gebaute beffen, mag im britten $ud) 
beS 3Jcacrobm§ 2 ) gefdprieben fteb,t, tag eine äfteffe, unb fprad) 
bann bie in jenem Autor aufgezeichnete ©eüotionsformel gegen 
bie geinbe au$, nur baß er ftatt Tellus mater teque Jupiter 
obtestor fagte: Tellus teque Christe Deus obtestor. Vlady 
bem er bamit nod) an ben jraei fotgenben £agen fortgefahren, 
gogen bic geinbe ab. 33on ber einen ©eite fiel)t bergteidjen aus 
mie eine unfdjulöige @tüt* unb SDcobefadje, üon ber anbern aber 
rote ein retigiöfer Abfall. 

•gjj J e * ®ocf) baS Altertum t)atte nod) eine gan$ befonberö gefäbr* 

glaubend 

tittje SBirfung unb jir-ar bogmatifdjer Art: eö ttjeitte ber föenaif* 
fance feine Art beö Aberglaubens mit. einzelnes baoon Ijatte 
fitt) in Italien burd) ba§ TOtctalter bjnburd) am Seben ermatten; 
um fo tuet leichter lebte jefct baS ©an^e neu auf. £)aß babei 
bie ^l)antafie mächtig mitfpiette, öerfteljt ftc£) Don fetbft. 9?ur fie 
fonnte ben forfcfyenben ©eift ber Italiener fo mett gum ©djmetgen 
bringen. 

©er ©taube an bie göttüdje Söeltregterung mar, mie gefagt, 
bei ben (Sinen burcb, bie DJJaffe beS UnredjteS unb Unglüct'eS 
crfd)üttert; bie Anbern, mie ©ante, gaben menigftenS baö 
(Srbenleben bem Bufatf unb feinem Cammer ^ßreis, unb menn fie 
babei bennod) einen ftarfen ©tauben behaupteten, fo fam bieß 
bafyer, baß fie bie l)öi)ere ^eftimmung beö 3Jcenfd)en für baö 
3enfeit$ fefttjietten. @obalb nnn auch, biefe Ueberjeugung üon 
ber Unfterblid)feit maulte, befam ber gatattSmus bas Uebergeuüdjt 
— ober menn Se^tereS gefdjab,, fo mar SrftereS bie golge baöon. 
siftvoiogic. Q n bie Sücfe trat sunädjft bie Aftrotogie beS Altertums, 
aud) mol)t bie ber Araber. Aus ber iebeSmaügen ©teüwtg ber 
Planeten unter jidj unb ju ben 3etd)en beS S^ierfreifeS erriet!) 
fie fünftige (Sreigniffe unb ganje Lebenslaufe unb beftimmte auf 
biefem Sege bie roid)ttgften Ontf ctjtüff e. 3n Dielen fallen mag 
bie £>anblungSmeife, ju roeldjer man fict) burd) bie ©eftirne 
bcftimmen ließ, an ficE) nid)t unfittlidjer geroefen fein als biejenige, 
meldje man ofynebieß befolgt fyaben mürbe; fetjr oft aber muß 

J ) Deila Valle, Lettere sanesi, III, 18. 

2 ) Macrob. Saturnal. III, 9. Dfjtte ßroeifet machte er aud) bie bort 
Dorgefdjrieüenen ©eften baju. 



(Sitte unb Religion.' 



411 



ber (Sntfdjeib auf Unfoftcn be§ ®eiotffen$ unb ber @f)re erfolgt s. mfä>mtt. 
fein. (5§ ift ewig (efyrreid) ju fefjen, tute alte ©Übung unb Stuf* 
ftärung gegen btefen Söatjn nidjt auf f am, weit berfelbe feine 
©tttfee l)atte an ber teibenfdjafttidjen ^^antafie, an bem Reiften 
SBirnjct), bie Bufunft boraug ju lüiffen unb ju beftimmen, unb 
weit ba§ 2t(tertf)um if)tt beftätigte. 

£)ie Slftrotogie tritt mit bem XIII. Saf)rl)imbert plöfclidj fefyr 
tnadjtig in ben SSorbergrunb beö ttafietrifdjert £eben$. Äaifer 
grtebrtd) II. füfjrt feinen Slftrotogcn £i)eoboru§ mit fid), unb 
^jeüno ba Romano *) einen ganjen ftarf befotbeten £)of bon 
fotdjen beuten, barunter ben berühmten ©utbo £3onatto unb ben 
langbärtigen ©aracenen ^ßaut üon 33agbab. £u Q öen widrigen 
Unternehmungen mußten fie ü)m Sag unb @tunbe befttmmen, 
unb bie maffenfjaften ©räuel, meiere er oerüben ließ, mögen nidjt 
geringen 3$eit8 auf logifdjer ©ebuetion aus il)ren SBetffagungen 
beruht fjaben. ©eitbem fdjeut fief) Sftiemanb mefyr, bie ©terne s^ve «rose 
befragen gu taffen; nidjt nur bie dürften fonbern audj einzelne fl5frt " llun 8- 
©tabtgemeinben 2 ) Ratten fid) regelmäßige SIftrotogen, unb an ben 
Unioerfitäten 3 ) werben Oom XIV. bis jnm XVI. •3'at)rt)unbert 
befonbere ißrofefforen biefer Sföaimwiffcnfdjaft, fogar neben eigent* 
lidjen Slftronomen angefteßt. £)ie ^3äpfte 4 ) befennen fid) großen* 
ttjeits offen $ur ©ternbefragung; atterbings madjt ^iuö II. eine 
eijrenüoüe Slnsnarjme 5 ), wie er benn audj Straumbeutung, ^robi* 
gien unb Räuber oerad)tete; aber felbft £eo X. fcfjeint einen 9M)m 



*) Monachus Paduan. L. II, bei Urstisius, scriptores I, p. 598. 
599. 602. 607. — 2ludj ber lefcte Siäconü (©. 30) b>tte eine gange 2ln= 
gal) t folget Seute Bei ftc£). 33gl. Decembrio bei Muratori XX, Col. 1017. 

2 ) ©o ^loreng , reo ber genannte Sonatto eine Seit I an 8 ©teile 
t>erfal). Sgl. auef) Matteo Villani XI, 3, voo offenbar ein ©tabtaftrolog 
gemeint ift. 

3 ) Libri, Hist. d. sciences math. II, 52. 193. %n Bologna fotl biefe 
^rofeffur fdjon 1125 norfommen. — Sgl. ba3 SSerjeidEjnifj ber 5ßrofefforen 
von 5ßat)ia bei Corio, fol. 290. — Sie Sßrofeffur an ber ©apienja unter 
Seo X, »gl. Eoscoe, Leone X, ed. Bossi, V, p. 283. 

4 ) ©djon um 1260 jraingt ^ßapft 2Heranber IV. einen (Earbinat unb 
üerfdjämten SCftrotogen, Sianco, mit politifctjen SBeiffagungen tjerau^u; 
rücfen. Giov. Villani, VI, 81. 

5 ) De dictis etc. Alphonsi, opera p. 493. ©r fanb e§ fei pulchrius 
quam utile. Piatina, Vitae Pont. p. 310. — $ür ©ijtug IV. ogl. Jac. 
Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 173. 186. 



412 



«Sitte unb Religion. 



«M*nitt feine« ^onttficate« barin ftnbcn, baß bie 2Iftro(ogie btülje 1 ), 
unb $aut III. E)at fein Sonfiftorium gehalten 2 ), orme.baß if)tn 
bie ©ternguefer bie ©tunbe beftimmt Ratten. 

33ei ben beffern ©emütfjern barf man nun roof)! t-orattS* 
feiert, baß fie fid) nid)t über eben geroiffeu ©rab l)inau« in ifyrer 
£)anMung«n>eife bon ben ©lernen beflimmen ließen, baß e« eine 
©renje gab, roo Religion unb ©emiffen (gtnl)alt geboten. 3n 
iirc e^rtare« ber SEfjat babeu ntd)t nur treffficfje unb fromme Seute an 
® £fiaft ' beut 2Bat)u £f)etf genommen, fonbern ftnb felbft al« SRepräfen» 
tauten beffelben aufgetreten. @o Sttaeftro ^agolo Don ^loren^ 3 ), 
bei tue(d)em man beinahe biejenige Slbfidjt auf SBerftttlidjung be« 
2lftrotogentI)um« roieberfinbet, roeldje bei bem fpäten Börner 
girmicu« üßatentu« fennt(id) roirb 4 ). ©ein £eben mar baö eine« 
^eiligen Beeten ; er genoß beinahe mdjt«, t>erad)tete alle seitlichen 
®üter unb fammette nur 33üd)er; at« geteerter 2lrjt bcfdjränfte 
er feine 'ißrari« auf feine greunbe, machte ifynen aber jur JSebut* 
gung, baß fie beizten mußten, ©eine (Eont-erfatton roar ber enge 
aber berühmte ®ret8, welcher fid) im Softer ju ben (Sngeüt um 
gra Slmbrogio ßamalbofefe (©. 404) fammefte, — außerbem bie 
Unterrebungen mit ßofimo bem altern, jumat in beffen festen 
Lebensjahren; benn aud) Sojtmo adjtetc unb bemtfcte bie Slftro* 
togie, roenngleid) nur für beftimmte, marjrfdjehtlid) untergeorbnete 
©egenftdnbe. ©onft gab 'pagoto nur ben üertrauteften greunben 
aftrologifdjen 33efd)eib. Slber aud) ohne fotdje ©ittenftrenge tonnte 
ber ©ternbeuter ein geachteter Sftann fein unb fiel) überall 
feigen; aud) gab e« ihrer ofme Vergleich biet mehr a(« im 
übrigen (Suropa, roo fte nur an bebeutenben £öfen, unb felbft 
ba ntd)t burd)gängtg, Portommen. 2öer in Statten irgenb ein 
größeres £)au« machte, £)iett fid) aud), fobalb ber (Stfcr für bie 
©adje groß genug roar, einen Slftrologen, ber freilief) bisroetfen 



J ) Pier. Valeriano, de infelic. literat. Bei Slnlafj be3 $ranc. ^riuli, 
ber über Seo'3 £>oro3cop fäjviefe unb babei mehrere ©efjeimntffe be§ ?ßapfteä 
erriet^. 

2 ) 3ianfe, ^äpfte, I, p. 247. 

3) Vespas. Fiorentino p. 660, ugl. 341. — ©benba, p. 121 nrirb ein 
anberer ^ßagofo ot§ §oftnat§etnattfer unb 2lftrolog beö geberigo oon 
Sßontefeltro ermähnt, unb jroar metfnmrbiger äßeife ein Seutfcfjer. 

4 ) -b'irmicus Maternus, Matheseos Libri VIII. am @nbe beä gioeiten 
»uttjeg. 



©Ute unb Religion. 



413 



junger leiben mod)te 1 ). IDurd) bie fdjon oor bem 33üd)erbrucf 6. Mbf<frnitt. 
ftarf uerbrettete Literatur biefer 2Biffenfd)aft war übcrbie^ ein 
^Dilettantismus cntftanbcn, ber fid) fo üiel als möglid) an bie 
SWeifter beS gad^eö anfcfyloß. Sie fdjlimme (Sattung ber Slftro» 
logen mar bie, meldte Die ©terne nur 31t $ülfe nafym, um Räuber* 
fünfte bamit 31t öerbinben ober üor ben beuten $u üerbecfen. 

©od) felbft ofme eine fotcfje Butfyat ift bie Slftrotogie ein ® influ & im tft a* 
trauriges Clement beS bamaligen italienifdjen SebenS. 2Beld)en I, * en ubcn- 
(äinbrucf mad)en all jene fyodjbegabten, oielfettigen, eigenwilligen 
Wienern, wenn bie blinbe Regier, baS künftige ^u luiffett unb 
ju bewirten, il)r fräftigeS inbiutbuelleS Sollen unb '(gntfdjliejjen 
auf einmal jur 5lbbication zwingt! £>ajwifd)en, roenn bie (Sterne 
etwa gar ju UngünftigeS oerfunben, raffen fie fid) auf, fjanbeln 
unabhängig unb fpred)en baju: Vir sapiens donimabitur astris 2 ), 
ber SBeife wirb über bie ©eftirnc Sfteifter; — um balb wieber in 
ben alten 2öafm jitrüdjufaflen. 

3unäd)ft wirb allen Sittbern angefeuerter gamilien baS 
£)oroScop gefteltt unb bisweilen fdjleppt man fid) hierauf baS f>albe 
&ben fyinburdj mit irgeub einer nia)tönu^igen $orauSfe|ung öon 
©reigniffen, bie nid)t eintreffen 3 ), £)ann werben für jeben midj* 
tigen (Smfcfyfajj ber SJcädjtigen, Junta! für bie @tunbe beS 4öegtn- 
nenS bie @terne befragt. Slbreifen fürftlidjer ^erfonen, (Smpfang 
frember ©efanbten 4 ), ©runbfteinlegungen großer ©ebäube t)dngen 

0 23ei Bandello III. Nov. 60 befennt ftd) ber 2tftrotog be3 aieffon« 
bro 33entiooglio in 9flailanb oor beffen ganzer ©efeKfchaft al§ einen armen 
Teufel. 

2 ) ©inen folgen 2tnfatf von ©ntfd&Ioffenheit Ejatte Sobooico Tiovo, als 
er ba3 Slreuj mit jener ^ufchrift machen lieft, meines fid) je£t im Saurer 
fünfter befinbet. 2tutf) ©i£tu§ IV. fagte einmal, er motte probiren, ob 
ber ©prudj raab.r fei. 

3 ) SDer 9Sater beä ^ßiero ©apponi, felber SIftrolog, fteefte ben ©ob,n in 
ben Jpanbel, bamit er nirfjt bie gefährliche Äopfrounbe befomme, bie ihm 
angebroljt mar. Vita di P. Capponi, Arch. stor. IV, II, 15. SaS 23et= , 
fpiel au3 bem Seben beS ©arbanuä ©. 265. — SDer Slrjt unb Stftrolog 
Sßierleoni tum ©poleto glaubte er roerbe einft ertrhUen, mieb befchalb alle 
©eroäffer unb fcglug glänjenbe ©tellungen in $abua unb Sßenebig au3. 
Paul. Jov. Elog. liter. 

4 ) aSeifpiele auä bem Seben be§ Sobooico 3Jloro : Senarega, bei Mu- 
ratori XXIV, Col. 518, 524. Benedictas, bei Eccard II, Col. 1623. 
Unb bod) Ijatte fein SSater, ber grofse granceöco ©forja, bie 2lftrologen 
»erachtet, unb fein ©rofjoater ©iacomo fich roenigftenä nia)t nach ihren 
SBarnungen gerichtet. Corio, fol. 321. 413. 



414 



©Ute unb Religion. 



6. Mbfthnitt. batwn ab. @in gewaltige« 33etfpiet ber Ic^tern 2trt ftnbet ftd> 
©te ©tcmc un& im Seben beö oben genannten ®utbo donatio, tuetdjer überhaupt 
' ie ie®un8«fi dn ' burd ) f ehte ^^ttgfett fowofjt als burd) ein großes Wtematifdjes 
SBerf ») ber SBiebertjerftetter ber Slftrotogie im XIII. 3af)rf)unbert 
Ijeifcen barf. Um bem ^arteifampf ber ©uetfen nnb ©fjibeüinen 
ingorü ein (5nbe $u machen, berebete er bie (Sinmofjner 31t einem 
Neubau iljrer Stabtmauern nnb jum feierlichen beginn beffetbett 
unter einer (ScttfteHatioit, bic er angab; wenn bann Seute beiber 
^arteten in bemfetben Moment Oebcr feinen (Stein in bas $un* 
bament würfen, fo würbe in (Swigfeit feine ^ßarteiung mel)r in 
$orti fein. 3J?an wählte einen (Suetfen unb einen ©bibeüinen 
ju biefem ©efdjäfte; ber Ijefjre Stugenbticf erfcr)ten r 25eibc fjtettert 
ifjre (Steine in ber f)anb, bie Arbeiter warteten mit ifjrem .Q3au= 
jeug, unb donatio gab bas «Signal — ba warf ber ®l)ibeöine 
fogieidj feinen Stein hinunter, ber (Suelfe aber jogerte unb wei* 
gerte fid) bann gänsüd), weit donatio fefber als ©fyibettine galt 
unb etwas ©efjeimnißbotfes gegen bie ©uetfen im Scf)i(be führen 
tonnte. 9?un fufyr tfjit ber Slftrofog an: (Sott toerberbe bid) unb 
beine (Suelfenpartei mit euerer mißtranifcfjen 33oSl)eit! bieß 3eidjen 
wirb 500 Satire taug nidjt mefjr am §immet über unferer (Stabt 
erfdjeinen! 3n ber Stfjat Derbarb (Sott nadjfyer bie ©uelfen öon 
gorft, jefct aber (fdjreibt ber Sfjrottift um 1480) finb (Shtetfen 
unb ®t)ibettinen Ejter bod) gänjüd) t>erföf)nt unb man fyört ifyre 
^arteinamen nidjt mefjr 2 ). 

©ie ajiMicBie ©aS üftädjfte, wa§ üon ben «Sternen abhängig wirb, finb 
im«vie 8 e. ^ e @titf djtttff e im Kriege. £)erfe(be donatio toerfetjaffte bem 
großen ®i)ibetlinenl)aupt ©uibo ba 3)?ontefe(tro eine ganje Sin* 
jafyt üon Siegen, inbem er i[)m bie richtige (Sternenftunbe jum 
StuSjug angab; als Sftontefettro ifyn nid)t rnefn* bei fidj f)atte 3 ), 



1) ©affetbe ift öfter gebrueft , mir aber nie gu ©efidjte gelontmen. — 
3)a3 f)ier ÜFHtgetfjeüte au§ Annal. foroliviens. bei Murat. XXII, Col. 
233, s. — Seonbctttifta 2ttberti fud^t bie Zeremonie ber ©runbfteintegung 
ju cergeiftigen. Opere volgari, Tom. IV, p. 314 (ober de re aedific. 
L. I). 

2 ) 93ei ben igoroicopen ber groeiten ©rünbung tum $Iorenj (Giov. 
Villani III, 1, unter &arl b. ©.) unter ber erften t>on SSenebig (oben, 
©. 49) gefjt üiclteicfjt eine alte (Erinnerung neben ber Sichtung be§ fpä* 
tern ÜDiittelatterä einher. 

3 ) Ann. foroliv. 1. c. — Filippo Villani, Vite. — Macchiavelli, 
Stor. flor. L. I. — Sßenn fiegnerfjetfjence ©onfteßationen nat)ten, ftieg 



©Ute unb Religion. 



415 



öerlor er aflett 5B?utI) feine Sttjranni« weiter $u behaupten unb 6. «bfdMtt. 

ging in ein Dftinoritenf (öfter; noch lange 3ahre fafj man itm als 

Wönd) terminiren. £)ie Florentiner liefen ftdj noch im pifanifdjen 

®rieg Don 1362 burd) ihren Slftrofogen bie ©tunbe beS 2luS* 

jugeS beftimmen 1 ); man Ejdtte fid? beinahe öerfpätet, weif plö^id) 

ein Umweg in ber @tabt befohlen würbe, grünere 3Me war 

man nämlid) burd) SSia bi $3orgo @. Slpoftofo ausgesogen unb 

Ratten fd)ted)ten Erfolg gehabt; offenbar mar mit tiefer (Straße, 

wenn man gegen $ifa ju gelbe 30g, ein üble« Slugurium Der* 

fnüpft, unb beßhalb mürbe ba« £eer jefct burd) ^orta roffa 

hinausgeführt; weil aber bort bie gegen bie ©onne auSgefpanntcn 

3elte nic^t waren weggenommen worben, fo mußte man — ein 

neues üble« Setchen — bie Jahnen gefenft tragen. Ueherhaupt 

war bie Slftrologte "öom Shiegsmefeu fdion be^^atd nie 31t trennen, 

weil ihr bie meiften Sonbottieren anhingen. 3acopo (Satbora 

war in ber fdjwerften ^ranftjeit wohlgemnth, weit er wußte, baß 

er im Kampfe fallen würbe, wie benn auch Qefcfjar) 2 ); ©artolommeo 

2Uütano war babon überzeugt, baß feine Sopfwunben ihm fo gut 

wie fein Sommanbo burd) -SBefchluß ber ©efttrne ju 3:t)eit ge* 

worben 3 ); 9?icolö Orfini * sßittgliano bittet fich für ben 2tbfd)luß 

feineö ©olböertrageS mit 23enebig (1495) öon bem $h#cuS U nb 

Slftrologen SKeffanbro 2knebetto 4 ) eine gute ©ternenftunbe aus. 

911« bie Florentiner ben 1. Ouni 1498 ihren neuen (Sonbottiere, 

<ßaolo SBttettt feierlich mit feiner SBürbe berleibeten, war ber (Som* 

manboftab, ben man ihm überreichte, mit ber Slbbilbung öon (Son* 

ftettationen öerfeben 5 ), unb awar auf $iteÜTs eigenen Söunfdj. 



Sonatto mit 2lftrorat> unb Sud) auf ben Xfjurm von ©an SOfercuriare 
über ber Sßtagga, unb lief;, fobalb ber Moment fam, gleidE) bie grofie ©locfe 
jum SCufgebot läuten. SDodE) wirb gugeftanben, bafj er fidf) bisweilen fef»r 
geirrt unb ba§ ©djicffal be3 SRontefeltro unb feinen eigenen %ob nidjt 
oorauggefannt fjabe. Unweit (Eefena töbteten U)n Räuber, al§ er von 
5ßari§ unb italienifcfjen ttninerfttaten, wo er gelehrt Ijatte, nadE) $orlt 
jurütf wollte. 

1) Matteo Villani XI, 3. 

2 ) Jovian. Pontan. de fortitudine, L. I. — Sie erften ©forga al£ 
efyrenüolle StuSnafymen ©. 413, 2lnm. 

3 ) Paul. Jov. Elog., sub. v. Livianus. 

4 ) Sßeldjer bieft felber erjagt. Benedictus, bei Eccard II, Col. 1617. 

5 ) ©o wirb xvoty bie Sludge be3 3ac. -ftarbi, Vita d' Ant. Giaco- 
mini p. 65 ju oerfte^en fein. — 2ln Kleibern unb ©erätljen fommt ber-- 
gleiö^en nicfjt feiten vox. Seim (Smpfang ber Sucregia Söorgia in $errara 



416 



©itte unb Religion. 



6. ma>*m. 23i§roeüen oürb e8 nidjt ganj Kar, ob bei mistigen politischen 
©tcrue unb (greicjniffen bie ©terne Porljer befragt rourben, ober ob bie Slftro* 
® taat8acte - logen nur nadjträgtid) aus (Suriofitdt bie (Sonftetfation beregneten, 
roetdje ben betreffenben 2iugenbticf bel)errfd)t Ijaben fotfte. 2Xtö 
©iangaleajjo Visconti (ß. 9) mit einem 2Heifterftreicf> feinen 
Ol)eim Sernabö unb beffen ftamüie gefangen nafym (1385), 
ftanben Suptter, (Saturn unb 9Jto im §aufe ber ^raiüinge — 
fo melbet ein Beitgenoffe'), aber mir erfahren nid)t, ob bteß ben 
(Sntfd)tuß jitr £f)at beftimmte. 9Hcf)t feiten mag aud) politifdje 
(Sinftdjt unb 33ered)nung ben ©ternbeuter me{)r geleitet fmben 
ate ber ®ang ber Planeten 2 ). 

$atte fi(f> (Suropa fdjon ba§ ganje fpätere Mittelalter l)tn* 
burd) Don «ßart« unb Stolebo au§ burd) aftrotogifdje SBeiffagungen 
Don Sßeft, Shieg, (Srbbeben, großen Sßaffem u. bgt. ängftigeu 
laffen, fo btieb Italien l)iertn Doüenbg nidjt jurüer. Dem Un* 
giüctöfafyr 1494, ba8 ben gremben für immer Statten öffnete, 
gingen unläugbar fdjlimme Seiffagungcn natje tmrauS 3 ), nur 
müßte man miffen, ob foldje nicfyt Ictngft für jebe£ beliebige 3af)r 
bereit lagen. 

©ic oteiirttonen 3n fetner Dotten, antifen Sonfequenj öcf)nt fid) aber ba8 
»on beu ©tevncn @^ em [ n Legionen aus, u)0 man nidit metjr erwarten mürbe 
anax m . ,^ ^ begegnen. 2öcnn ba$ ganjc äußere unb geiftige Seben 
beS 3nbüübuum$ Don beffen ®enitura bebingi tft, fo befinben fid) 
auc^ größere geiftige Gruppen, j. Sß. SSölfcr unb Religionen, in 
einer cil)nUd)en 2tbf)ängigMt, unb ba bie Sonfteüationen biefer 
großen Singe roanbelbar finb, fo finb eS aud) bie Dinge felbft. 
Die 3bec, baß jebe 9?eUgion it)ren SBMttag l)abe, fommt auf 

trug ba§ 2Jlaultf)ter ber §erjogin oon llrbino eine fcb>argfammtne 
Sede mit golbenert aftrologifdien geityen. Arch. stor. append. II, 
p. 305. 

1) Azario, bei Corio, Fol. 258. 

2) ©troaä ber 2lrt fönnte man jelbft bei jenem türttfd)en Stftrologen 
üermutb>n, ber nad) ber ©d)lad)t non 9licopoli3 bem ©ulian SSajaget^ L 
rietE), ben Soäfauf be3 %o§am\ »on SBurgunb geftatten: „um feinet* 
mitten rcerbe nod) mel fefjrtftenMut nergoffen werben". @§ mar nidjt ju 
fd)roer ben raeitern »erlauf be3 innern frangöftfdjen ßrtegeä noraug ju 
ab>en. Magn. chron. belgicum , p. 358. Juvenal des Ursins ad 
a. 1396. 

3) Benedictas, bei Eccard II, Col. 1579. @3 l)iefc u. a. 1493 vom 
ßömg $errante : er merbe feine §errfd)aft uerlieren sine cruore, sed sola 
fama, mie benn aud) gefd^al). 



©itte unb Religion. 



417 



biefem aftrotogtfc^en 2Bege in bie italienifd^e 48itbung hinein. 6 nbfärntt. 
£)te ßonjunctton be§ Jupiter, fyieft 1 ) es, mit (Saturn fyabe ben 
^ebräifcfjen ©tauben fjerporgebradjt, bie mit 2)?ar$ ben dwlbäifcfyen, 
bie mit ber (Sonne ben ägtyptifdjen, bie mit 23enu3 ben motjam- 
mebanifdjen, bie mit 5D?ercur ben d)rifttid)en, unb bie mit bem 
äftonb werbe einft bie Religion beö Slntidjrift f) erb orbringen. On 
fret>ett)aftefter 2Betfe ()otte fdjon (Sfyecco b'2t8coti bie üftatibitä* 
(Sfyrtfti beredjnet unb feinen treujeStob barauS bebucirt; er mufjte 
befjfjatb 1327 in glorenj auf bem Sdjeiterfjaufen fterben 2 ). £efyren 
biefer 5lrt führten in ifjren weitem folgen eine förmliche 23er* 
fhtfterung atle§ Ueberfinnttdjen mit fid). 

Um fo anertennenSroerttjer ift aber ber ®ampf, roetdjen ber Eic ® e 8n« *« 
ticfjte itatienifdje ©eift gegen biefeö ganje 2Batjngefpinnft geführt ' Wrrl ° 8,e - 
tjat. 9?eben ben größten monumentalen Sßerijerrlicfyungen ber 
Slftrologie, roie bie greifen im Satone ju *>ßabua 3 ) unb biejenigen 
in 33orfo'ö Sommerpalaft (©djtfanoja) ju gerrara, neben bem 
unüerfd)ämten 2tnpreifen, baS fid) fetbft ein ©eroatbus ber ältere 4 ) 
ertaubt, tönt immer roieber ber taute ^ßroteft ber Ifttcfytbetfyörten 
unb £)en!enben. 2lud) auf biefer @eite tjatte ba8 SMrertfyum 
Vorgearbeitet, bod) reben fie fyier nid)t ben Sitten nad), fonbern 
aus itjrem eigenen gefunben 3ftenfd)enoerftanbe unb aus itjrer 
£kobad)tung fyerauS. ^5etrarca'§ «Stimmung gegen bie Slftrotogen, 
bie er aus eigenem Umgang fannte, ift berber £)otm 5 ), unb it)r 
Softem burd)fdjaut er in fetner ßügentjaftigfeit. (Sobann ift bie 
üftoüetle feit iljrer ©eburt, feit ben cento novelle antiche, ben 



0 Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 12. 

2 ) Giov. Villani, X, 39. 40. ©3 mirften nocfj anbete ©inge mit, 
u. a. collegialifajer 9leib. — ©cfjon Sonatto Ijatte 2tef)nlidi)e3 geteert unb 
j. 93. ba§ Sßunber ber göttlichen Siebe in ©. %tan$ al3 SBirlung be§ 
Planeten 3Jiar3 bargefteßt. Sgl. Jo. Picus adv. Astrol. II, 5. 

3 ) ©3 finb bie t>on üffiiretto 3U 2lnfang beä XV. 3aJ>ri). gemalten ; 
laut ©carbeoniu§ toaren fie beftimmt ad indicandum nascentium naturas 
per gradus et numeros, ein populäreres? beginnen al3 mir un§ je^t leidet 
»orftetten. ©3 roar Stftrologie & la portee de tout Ie monde. 

4 ) ©r meint (Orationes, fol. 35, in nuptias) oon ber ©ternbeutung : 
haec efficit ut homines parum a Diis distare videantur! — ©in an= 
berer ©ntfiuftaft au§ ber berfelben $eit ift Jo. Garzonius, de dignitate 
urbis Bononiae, bei Murat. XXI, Col. 1163. 

4 ) Petrarca, epp. seniles III, 1 (p. 765) u. a. a. D. ©er genannte 
Srief ift an Boccaccio gerietet, roeld^er ebenfo gebaut fjaben mufj. 

Suvcfliartt, (Sultur öev aJenatffance. 27 



418 



©itte unb Religion. 



e. MKftnitt , ^Iftrotoaen faft immer feinbttdj 1 ). £)te florentmtfrfjen (Ehroniften 
wehren fid) auf ba8 £apferfte, and) toenn fie bett SBahn, weit 
er in bie £rabitton tierffoc^ten ift, mitteilen müffen. ©iotmnni 
SBiÜani fagt e8 mehr at8 einmal 2 ): „feine (Sonftellatiou fann ben 
freien SBillen be8 äftenfchen unter bie üftothmenbigfeit fingen, 
nod) aud) ben ^3efd^tuß ®ottc8"; üÖiatteo SBißatti erflärt bie 
Slftrologie für ein ^after, ba8 bie Florentiner mit anberm Slber* 
glauben bon ihren 33orfat)ren, ben fjeibntfctjen Moment, geerbt 
Ratten. Gr8 blieb aber ntd)t bei blof? literarifcher Erörterung, 
fonbern bie Parteien, bie fid) barob bitbeten, ftritten öffentlich ; 
bei ber furchtbaren Ueberfdjttemmung be8 OatjreS 1333 unb 
ujieberum 1345 mürbe bie $rage über ©ternenfdjicffat unb ®otte8 
SBillen unb ©trafgeredjtigfeit jroifcben Slftrotogen unb S^logen 
hödjft umftdnblid) bi8cutirt 3 ). £)tefe SBerroaljnmgen f)bxm bie 
ganje 3eit ber Üfenaiffance ^inburet) niemal8 böllig auf 4 ), unb 
man barf fie für aufrichtig hatten, ba e8 burch 93ertheibigung ber 
91ftrologie leichter getoefen toäre fid) bei -ben Mächtigen ju 
empfehlen al8 burch Slnfeinbung berfetben. 

3n ber Umgebung be8 ßorenjo magnifico, unter feinen 
naml)afteften '^tatonifern.v ^crrfd&te hierüber JJrotefpaft. äftarfilio 
giciuo toertheibigte bie Slftrotogie unb ftellte ben $inbern Dom 
£>aufe ba8 £)oro8cop, mie er benn aud) bem fleinen ©iobanni 

«pico-« ssBibct- gemeiffagt haben foll, er mürbe ein *ßapft — ßeo X — roer* 
t£ 9 u "8- ben 5 ). ©agegen macht ^ßico bella 3ftiranbo(a mahrhaft Epoche 
in biefer grage burch \^ berühmte Siberlegung 6 ). Er raei8t 
im ©terngtauben eine Sßurjet aller ®ottlofigfeit unb Unfittlid)* 
feit nach; wenn ber Slftrologe an irgenb (SttoaS glauben wolle, 
fo müffe er am eheften bie Planeten al8 ©ötter öerehren, inbem 
Ja öon ihnen atle8 ©lud unb Unheil hergeleitet werbe ; auch Q ^er 



!) Sei $ranco ©aedjettt madjt 9iot>. 151 if)re 3Bet§Ijeit läd^erlid^. 

2) Gio. Villani III, 1. X. 39. 

3) Gio. Villani XI, 2. XII, 4. 

4 ) 2tudjj jener 3Serfaffer ber Annales Piacentini (bei Murat. XX, 
Col. 931), ber 6. 186, 187, 2tnm. ermähnte 2ltberto bi SRipalta fd^tie^t 
fid^ biefer ^ßolemif an. S5ie ©teile ift aber anberroeittg tnerlroürbig, roeit 
fie bie bamaligen Meinungen über bie 9 belannten, unb Ijter mit Tanten ge* 
nannten ©ometen enthält. — 3SgI. Gio. Villani, XI, 67. 

5 ) Paul. Jov. Vita Leonis X. L. III, roo bann bei 2eo felbft toenig* 
ftens> ein ©taube an SBorbebeutungen 2C. gunt SBorfdjein fotrnnt. 

6 ) Jo. Pici Mirand. adversus astrologos libri XII. 



©Ute unb Religion. 



419 



übrige Aberglaube finbe t)icr ein bereitmittigeS Organ, inbem 6. Wbmnitt. 
©eomantie, @f)iromantie unb $auber jeber 5Irt für bie 2Baf)t ber 
©tunbe fid) ämtädjft an bie 91ftroIogte roenbeten. 3n betreff ber 
Sitten jagt er: eine größere gorberung für ba§ SBöfe gäbe e§ 
gar nidjt, als wenn ber ^nmmel felbft als Urheber beffetben er= 
fdjeine, bann müffe audj ber ©taube an enrige ©etigfeit unb 
23erbammniß böüig fajroinben. ^ico Ijat ftd^ fogar bie liifje 
genommen, auf empirifdjem 2öege bie Slftrotogen ju controtiren; 
toon iljren SBetterpropfyejeiungen für bie Sage eines 9ftonat§ fanb 
er bret SßiertijeUe falftf). Die £auptfad)e aber mar, baß er (im IV. 
33ud)e) eine pofitibe d)riftlicf)e Stfyeorie über äöettregierung unb 
SBiltengfrettjeit bortrug, meta^e auf bie ©ebilbeten ber ganzen 
Nation einen größern (Sinbrud: gemacht ju fyaben fcfjetnt ate 
alte 33ußprebigten, bon melden biefe ßeute oft nidjt meljr erreicht 
mürben. 

23or Slttem berleibet er ben Slftrotogen bie meitere ^ubtication 
it)rer Sefyrgebäube 1 ), unb bie, metd)e bisher bergleidjen fjatten 
bruefen (äffen, fcfjämten fief) mein* ober meniger. ©iobiano 
^ßontano 3. 33. tjatte in feinem 33ud)e „bom ©djidfal" (@. 407) 
bie gan^e ffialjntmffettfdjaft anerfaunt unb fte in eiuem eigenen 
großen Serfe 2 ) tljeoretifd) in ber Slrt be« alten $irmicus bor* 
getragen; jefct in feinem Dialog „Aegtbiuö" giebt er jmar nidjt 
bie 2lftrologie, mofjl aber bie 3lftrologen $rei§, rü^mt ben freien 
Bitten unb befdjränft ben (Sinfluß ber ©terne auf bie förper(id)en 
Dinge. Die <5ad)e blieb in Hebung, aber fte fdjetnt bod) nidjt 
mefn* ba$ Seben fo bet)errfd)t ju fyaben mie früher. Die Malerei, 
meldje im XV. 3at)rljunbert ben 2Balm nad) Gräften ber^errüdjt 
Ijatte, fprid)t nun bie beränberte Denfmeife au3: 9?afael in ber 
kuppet ber (Sapefle ßfjigi 3 ) ftellt ringsum bie ^ßtanetengötter unb 
ben ^irjternfyimmel bar, aber beraad)t unb geleitet bon fyerrlidjen 
(Sngelgeftalten, unb bon oben fyerab gefegnet burd) ben emigen 
SSater. üftod) ein anberes dement fdjehtt ber Slftrologie in Italien 
feinblid) geroefen, ju fein: bie ©panier Ratten feinen Streit baran, 

') Saut Paul. Jov. Elog. lit., sub tit. Jo. Picus, war feine SBirfting 
biefe, ut subtilium disciplinarum professores a scribendo deterruisse 
videatur. 

2 ) De rebus coelestibus. 

3) ©. 3Jiaria bei popolo ju 9tom. — SDie @ngel erinnern an bie 
SEfyeorie Sante'3 &u SInfang be3 ©onoito. 

27* 



420 



©Ute unb Religion. 



6. 'Mbfdmin. aiui) ifjre (Generale nid)t, unb wer ftd) bei ifmen in (Sunft fe^en 
wollte 1 ), bekannte fid) aud) wol)t gang offen atö $einb ber für 
fie fyalbfe^erifdjen, weit fyalbmofyammebanifdjen SBiffenfd^aft. $rei* 
ttd) nod) 1529 meint ©uicciarbini: wie glücftid) bod) bie SCftro* 
logen feien, benen man glaube, wenn fie unter tjunbert Sügen eine 
Safyrljeit t>orbräcf)ten, wäljrenb Rubere, bie unter fyunbert 3Baf)r= 
Reiten eine 8üge fügten, um alten (Srebit fämen 2 ). Unb über* 
biefj fd)lug bie SBeradjtung ber Slftrologie nicfjt notfymenbig in 
93orfef)ungSglauben um, fie fonnte fid) audj auf einen altgemeinen, 
unbeftimmten Fatalismus jurüc^iefyen. 

Italien tjat in fciefer wie in anbern Regierungen ben (Suttur* 
trieb ber SKenaiffance nidjt gefunb burd)* unb aufleben fönnen, 
weit bie Eroberung unb bie (Segenreformation ba^wifc^en fam. 
Dirne biefes würbe es waljrfdjeintid) bie ptjantaftifdjen £l)orf)eiten 
oottig aus eigenen Gräften überwunben fyaben. SBer nun ber 
2lnfid)t ift, bafc Onüafion unb tatI)olifd)e ^eaction nottjweubig 
unb t)om italiertifrfjen 33otf au$fd)liepd) fetbft oerfdjutbet gewefen 
feien, wirb if)m aud) bie barauS erwadjfenen geiftigen SBerlufte 
als geregte ©träfe juerfennen. 9^ur <Sd)abe, baß (Suropa babei 
ebenfalls ungeheuer üertoren f)at. 
scif4ieb«ie 33ei weitem unfdjutbiger als bie ©ternbeutung erfajeint ber 

©Unionen. an SQ^fy^ £ a g ganje ^i tte ( a ( ter f, attc e i nen gro ß en 

SBorratf) beffetben aus feinen nerf ergebenen |)eibentf)ümer ererbt 
unb Italien wirb wotyt barin am wenigften gurüefgebtieben fein. 
2BaS aber bie @ad)e tjier eigentpmtid) färbt, ift bie Unterftüfcung, 
weldje ber Humanismus biefem populären Üöafyn teiftet; er fommt 
bein ererbten @tücf §eibenttjum mit einem literarifd) erarbeiteten 
$u £ütfe. 

©er poputäre Aberglaube ber Italiener bejtetjt fid) befannttid) 
auf Ahnungen unb @d)tüffe aus 23orjeid)en 3 ), woran fid) bann 
nod) eine meift unfdjutbige 3#agie anfd)tießt. 9^un fet)lt es ju« 
näd)ft nid)t an geteerten £mmaniften, weldjc waefer über biefe 

!) Stefj ift toobl ber gall mit Slntonio ©alateo, ber in einem Brief 
an gerbtnanb ben Äatf)oIifd)en (Mai, spicileg. rom. vol. VIII, p. 226, 
com 3. 1510) bie Stftrologie fjeftig oerleugnet, in einem anbern Brief an 
ben ©rafen oon Sßotenja jeboa) (ibid., p. 539) auS ben ©ternen fajUejjt, 
bafs bie dürfen fjeuer 9lf)obu3 angreifen roürben. 

2 ) Kicordi, 1. c. N. 57. 

3) ©ine 2Jlaffe foldjen SBafyneä beim legten Biöconti jäJjtt Decembrio 
(Murat. XX, Col. 1016, s.) auf. 



©ttte unb Steligton. 



421 



©inge fpotten unb fie bei biefem Anlaß berieten. ^Derfetbe ®io s e. «bfanitt. 

Piano ^ontano, welc&er jenes große aftrotogijcfje Serf (8. 419) 

»erfaßte, ääfylt in feinem „G^aron" ganj mitleibig allen möglichen 

neapotitanifdjen Aberglauben auf : ben Öammer ber SBeiber, wenn 

ein £mhn ober eine ®anS ben ^3ipS befömmt; bie tiefe Seforgnife 

ber öornefjmen £)errn, wenn ein Oagbfatfe ausbleibt, ein ^ßferb ben 

$uß Perftaudjt; ben ^auberfprud) ber apulifcfien Sauern, weldjen 

fie in brei @amftagSnäd)ten tjerfagen, wenn tolle |)unbe baS 

£anb unfia^er machen te. Ueberfyaupt t)atte bie Tierwelt ein 

23orredjt beS £)minöfen gerabe wie im Altertum, unb PoHenbS 

jene auf ©taatsfoften unterhaltenen Söwen, Seoparben u. bgt. 

(©. 229, f.) gaben burd) ttjr 33er^atten bem $otfe um fo mef)r 

ju benfen, als man fid) unwillfürlid) gewöhnt Ijatte, in ifynen 

baS tebenbige ©pmbol beS @taote§ ju erblicten. Als wäfyrenb 

ber Belagerung 1529 ein angefcfyoffener Abler nad) glorenj her* 

einflog, gab bie ©ignorie bem Ueberbringer Pier ©ucaten, weit 

es ein gutes Augurium fei 1 ). £)ann waren beftimmte Reiten 

unb Orte für beftimmte 33errid)tungen günftig ober ungünftig ober 

überhaupt entfcfoeibenb. £)ie Florentiner glaubten, wie $ard)i 

melbet, ber ©onnabenb fei tt)r ©diicffatstag, an wettern alle 

wichtigen £)tnge, gute fowofyt als böfe ju gefd)ef)en pflegten. 3hr 

33orurtt)ett gegen ®rtegsaus$üge burd) eine beftimmte ©äffe würbe 

fdjon (@. 415) erwähnt; bei ben ^eruginem bagegen gttt eines 

ihrer £hore, bie 'tßorta eburnea, als glüctDerljeißenb, fo baß bie 

•SBagttonen ju jebem Kampfe bort tjinaus marfdjiren ließen 2 ). 

©ann nehmen Meteore unb ^immetSjeidjen biefelbe ©teile ein 

wie im ganzen Mittelalter, unb aus fonberbaren SBolfenbtlbungen 

geftaltet bie ^3t)antafte aud) jetjt wieber ftreitenbe §eere unb 

glaubt bereu ßärrn Ejoc^ in ber Suft ju £)ören 3 ). @d)on bebend 

lieber wirb ber Aberglaube, wenn er fid) mit heiligen fingen 

combinirt, wenn $. $8. äftabonnenbilber bie Augen beroegen 4 ) ober 



0 Varchi, Stor. fior. L. IV. (p. 174). SS^nung unb SBeiffagung 
fpielten bamalä in $Iorenj faft biefelbe 9toKe wie einft in bem belagerten 
Serufalem. Sgl. ibid. III, 143. 195. IV, 43. 177. 

2 ) Matarazzo, Arch. stor. XVI, II, p. 208. 

3) Prato, Arch. stor. III, p. 324, jum 3. 1514. 

4 ) Sßte bie -Kabonna t>eu" arbore im Som üon ÜDiailanb 1515 tljat, 
cgi. Prato, 1. c. , p. 327. freilief) ergäbt berfelbe ©fjronift p. 357, bafj 
man beim ©raben ber gunbamente für ben 23au ber triuljifd^en ©rab* 
Capelle (bei ©. üftagaro) einen tobten ©rächen fo biet nrie ein fßferb ge* 



422 



©itte unb Religion. 



e. 3H>f<»tritt. weinen, jo wenn SanbeScalamitäten mit irgenb einem angeblichen 
©et saiamitäten. grepel in 23erbinbung gebracht werben, beffett <Süf)nung bann ber 
sßöbel Pertangt (@. 389). Site ^Siacenja 1478 pon langem unb 
heftigem 9fegen ^eimgefucfjt würbe, hieß eS, berfelbe Werbe nicht 
aufhören, bis ein gewiffer 2öud)erer, ber untängft in @. $ran* 
ceSco begraben worben mar, nid)t mehr in geweihter (Srbe ruhe. 
£)a fich ber 23ifd)of weigerte, bie Seidje gutwillig auggraben ju 
taffen, hotten bie jungen 4öurfct)e fie mit (Gewalt, jerrten fie in 
ben (Straßen unter gräulichem STumutt herum unb warfen fie ju= 
te^tin ben ^ßo 1 ). freilich auch ein Slngeto ^ßoli^iano läßt fich 
auf biefelbe 2lnfd)auung§weife ein, wo e§ ®iacomo ^ßa^t gilt, 
einen ^auptanftifter ber nach feiner Familie benannten 23erfcf)Wö* 
ruug 3U gtorenj in bemfetben 3ahre 1478. Site man il)tt er* 
broffelte, hatte er mit fürchterlichen SBorten feine ©eete bem ©a* 
tan übergeben. 9?un trat auch £)ter SKegen ein, fo baß bie ®e= 
treibeernte bebroht war; auch *)ier 9 rUo ein §aufe Don beuten 
(meift dauern) bie Seiche in ber $ird)e au« unb alfobalb wichen 
bie Ü^egenwolfen unb bie @onne erglänzte — „fo günftig war 
ba« ©tücf ber Sßoltemeinung", fügt ber große ^5l)itoIoge bei 2 ). 
3undchft würbe bie Seidje in ungeweiljter (Srbe Perfd)arrt, be8 
folgenben StageS aber wieberum ausgegraben unb nach einer ent* 
fe^lichen "^roceffion buref) bie <3tabt in ben 2lrno öerfeuft. 

@old)e unb ähnliche ^üge fj no tüefertttid) populär unb fön* 
nen im X. 3ahrf)unbert fo gut Porgetommen fein ate im XVI. 
Wüxi mifdjt fich aber auch hier baS literarifche Sllterthum ein. 
33on ben ^umaniften mirb auSbrücflidj Perfichert, baß fie ben 
sabergfaube ber 'ißrobtgien unb Slugurien ganj befonberS jugängttd) gemefen unb 
§umaniften. 33^^ oation ^ 402 ) würben bereite erwähnt. Söenn e8 
aber irgenb eine« Belege« bebürfte, fo mürbe ihn febon ber eine 
^ßoggio gewähren, £)erfelbe rabicate Genfer, welcher ben Slbel 
unb bie Ungleichheit ber 3ttenfd)en negirt (@. 285), glaubt nicht 

funben fjabe; man braute ben $opf in ben ?ßataft Sriulji unb gab ben 
3fteft ^ßreiS. 

J ) Et fuit mirabile quod illico pluvia cessavit. Diarium Par- 
mense bei Murat. XXII, Col. 280. SDtefer 2tutor t^eitt aueb, fonft jenen 
concentrirten £afj gegen bie äßucfjerer, roooon ba§ 5ßoIf erfüllt ift. SSgt. 
Col. 371. 

2 ) Coniurationis Pactianae commentarius, in ben Beilagen gu 9to3s 
coe, Seben be3 Sorenjo. — ^ßolijiano mar fonft roemgftenä ©egner ber 
Slftrologie. 



©Ute unb Religion. 



423 



nur an allen mittetatterüdjen (Setfter* unb £eufe(§fpuf (fol. 167, 6. mmmtt. 
179), fonberu aud) an ^robigien antifer 2lrt, j. Sß. an btejenigen, 
melcfyc beim legten S3efud) @ugen« IV. in gtorenj berichtet tour* 
ben 1 ). „Da fat) man in ber iftätje tion Somo be$ Slbenb« 4000 
§unbe, bie ben 2Beg naa) Deutfd)tanb ttafjmen; auf tiefe folgte 
eine grojje @djaar Üftnber, bann ein §eer oon bewaffneten ju 
unb $u 9?oß, t^ettö ot)ne Äopf, tf)eit« mit faum fid)tbaren 
köpfen, jutefct ein riefiger Leiter, bem roieber eine beerbe Don 
föinbern nadj^og." Slucf) an eine ©djfadjt oon (Slftcrn unb 
Dof)ten (fol. 180) glaubt ^oggio. 3a er er$äf)It, uiefleidjt otjne 
c« ju merfen, ein ganj roobjl erhaltenes Stücf antifer 9J2rjtf)oIogie. 
2ln ber batmatinifa^en Süfte nämüd) erfdjemt ein Sriton, bärtig 
unb mit ^ömcfjen, als edjter SO^eerfatrjr, unten in gloffen unb 
in einen gtfajtetb augge^enb; er fängt ®inber unb Söeiber t»om 
Ufer weg, biö ü)n fünf tapfere 2Bafd)frauen mit «Steinen unb 
prügeln tobten 2 ). (Sin IjöljerneS Sttobetf be« Ungetpm«, roet= 
d)e§ man in gerrara $eigt, tnadjt bem ^oggio bie <Sadje toölüg 
glaublirf). 3toar ©rafel gab e$ feine mein: unb ©öfter fonnte 
man ntdjt mefjr befragen, aber ba$ 2Iuffd)tagen be« Birgit unb 
bie ominöfe Deutung ber «Stelle auf bie man traf (sortes vir- 
gilian«) tuurbe roieber Sttobe 3 ). ^lujjerbem blieb ber Dämonen* 
glauben be§ fpäteften Stttertrjumö geroiß nidjt ofnte Hinflug auf 
benjenigen ber föenaiffance. Die «Sdjrift be« 3ambtid)u$ ober 
Slbammon über bie SDtyfterten ber legnpter, welche f)ieau bienen 
fonnte, ift fajon ju (Snbe beö XV. 3aljrf)imberts in latemifajer 
lleberfetjurtg gebrückt ruorben. Sogar bie platonifdje Stcabemie 
in Stören^ j. 33. ift oon fötalem unb ätintidiem neuptatonifd)em 
SBaljn ber finfenben Ütömeqeit nidtjt ganj frei geblieben. 2Son 
biefem ©tauben an bie Dämonen unb bem bamit jufammenpn* 
genben Räuber mn § nunmetjr bie SKebe fein. 



1) Poggii facetiae, fol. 174. — Aen. Sylvius : De Europa c. 53. 
54. (Opera, p. 451. 455) ergät)It roenigftenS nürftieb, gefä)eE)ene ^robtgien, 
j. 33. Xb,ierftf)lacf)ten, SBoIlenerfdfjetnungen jc. unb giebt fie fcfjon roefent* 
Itd) alö (Eunofitaten , roenn er aud) bie betreffenben ©d)icffate ba* 
neben nennt. 

2) Poggii facetiae, fol. 160. cf. Pausanias IX, 20. t 

3) Varchi III, p. 195. 3roei SSerbädjtige entfcfjliejjen fiä) 1529 ^ur 
$tud)t au§ bem Staate, roeit fie Virg. Aen. III, vs. 44 auffä)lugen. SSgl. 
3tabelaiä, Pantagruel, III, 10. 



424 



©itte unb Religion. 



e. gtof ftnitt, £er ^oputärglaube an bag, mag man bie ©eifterroelt nennt *), 
©efpenftcr ift in Italien fo jiemKdj berfetbe tüte im übrigen Europa. 3u= 
tmaton«. n& ^ t gie{)t £g au ^ bort @ c ^ en ^ b> ^ (g r fd)einungen 93er* 

ftorbener, unb raenn bie 2lnfd)auung Pon ber norbifdjen etroaö 
abweist, fo Perrätf) fid^ bte§ fjödjfteng burd) ben antifen Konten 
ombra. Sföenn fid) nod) fyeute ein fotdjer Debatten erzeigt, fo 
ta^t man ein paar Stoffen für feine 9^ur)e lefen. ©aß bie @ee* 
ten böfer äftenfdjen in furchtbarer ©eftalt erflehten, Perftel)t fidt» 
Pon felbft, bod) geljt baneben nod) eine befonbere 2lnfid)t einher, 
monaa] bie ©efpenfter ©erftorbener überhaupt bögartig waren. 
Sie lobten bringen bie fleinen ^inber um, meint ber (Saptan bei 
33anbet(o 2 ). SBarjrfcfjetttttc^ trennt er Riebet in ©ebanfen nod) 
einen befonberen ©Ratten Pon ber @eele, benn biefe büßt ja im 
Fegefeuer unb wo fie erfcfyeint, pflegt fie nur gu ftefjen unb ju 
jammern. Slnberc Wlak ift, tuag erfetjeint, nidjt fomofjl bag 
©djattenbtlb eine« beftimmten 9ttenfd)en, alg bag eineg @reig* 
niffeg, eineg Pergangenen ^uftanbeg. @o erflären bie 9?ad)barn 
ben £eitfelgfpuf im alten öigcontinifcf)en ^alaft bei @. ©tobamti 
in (Sonca ju Sftailanb; per f)abe einft SBernabö SSigconti unjäfc 
lige Opfer feiner £pranei foltern unb erbroffeln laffen, unb eg 
fei fein Söunber, luenn fid) etrcag erzeige 3 ). (Stnem ungetreuen 
Slrmen^augperroalter jit Perugia erfct)ien eineg Ibenbg, a(g er ®elb 
jäfjfte, ein @a>arm pon Sinnen mit gittern in ben $ftttben 
unb tankten bor iljtn t)erum; eine große ©eftalt aber führte 
broljenb bag SBort für fie, eg mar @. 2llö, ber @d)ufcl)eilige beg 
5lrmenf)aufeg 4 ). — £)iefe Slnfdjauungen öerftanben fid) fo fefjr 
bon felbft, baß aud) SMdjter ein allgemein güttigeg Sttotib barin 



1) ^antafien oon ©elefjrten, wie j. 33. ben splendor unb ben Spiri- 
tus be3 SarbanuS unb ben Daemon familiaris feinet SSaterä laffen mir 
auf ftd) berufen. 3Sgl. Cardanus, de propria vita, cap. 4. 38. 47. ©r 
felber war ©egner ber 90iagie, cap. 39. Sie «ßrobigien unb ©efnenfter, 
bie ifjm begegnet, cap. 37. 41. — 2Bie weit bie @ef»enfterfurd)t beä legten 
Visconti ging, »gl. Decembrio, bei Muratori XX, Col, 1016. 

2) Holte fiate i morti guastano le creature. Bandello II, Nov. 1. 

3 ) Bandello III, Nov. 20, greilid) war e§ nur ein 2lmant, ber ben 
©emaf)I feiner ©ante, ben Sewofjner be3 «ßatafteä, erf greifen wollte, 
©r unb bie ©einigen nerfleibeten fid) in Teufel; ©inen, ber alle %i)iex-- 
ftiminen nad)madjen tonnte, f>atte er fogar non aufwärts fommen laffen. 

4 ) Graziani, Arch. stor. XVI, I, p. 640, ad a. 1467. 35er S3er= 
walter ftarb nor ©greifen. 



©itte tmb Religion. 



425 



ftnben formten. ©eljr fcfjön giebt 3. 33. (Saftigtione bie (Srfcftei* 6. mmmtt. 
nung beö erfcfyoffenen Sobotiico $ico unter ben Sftauern beö be* 
lagerten Ottiranbola luieber gretücf) bie ^ßoefie benu|t berglei* 
cfyen gerabe am liebften, roenn ber $oet felber fajon bem betref* 
fenben ©tauben entwarfen ift. 

©obann mar Statten mit berfelben SSotfSanfictjt über bie vamomn- 
©ämonen erfüllt wie alte Golfer bes Mittelalters. 3ttan war flIaube - 
überzeugt, bafj ®ott ben böfen ©eiftern jebeS langes bisweilen 
eine große gerftörenbe SÖirfung gegen einzelne £f)eile ber SBett 
unb beS SttenfdjenlebenS julaffe; aßeS, was man einbebang, war, 
baß wenigftens ber 3ttenfd), wettern bie Dämonen als SBerfudjer 
nagten, feinen freien Söiflen jum Sßiberftanb anwenben fönne. 
3n Italien nimmt jumal baS ©dmonifaje ber ^aturereigniffe im 
2ftunb beS Golfes leid)t eine poetifdje ©röße an. 3n ber 9?ad)t 
uor ber großen Ueberfcfywemmung beö 2lrnoti)aleS 1333 tjörte 
einer ber Zeitigen (Smfiebler oberhalb SMombrofa in fetner gelle 
ein teuflifdjeS ©etöfe, befreite ftdj, trat unter bie £pr unb er* 
blicfte fdjwarje unb fcr)redlicf)e Leiter in SBaffen üorüberjagen. 
Stuf fein 23efd)tt)ören [taub ifmt einer bation fttebe: „tobt geben 
unb erfäufen bie <Stabt $lorenj um tf)rer ©ünben willen, wenn 
©ort es auläßt" 2 ). SÖomtt man bie faft gleichzeitige tienejiantfc^e 
(Srfdjeinuttg (1340) Dergleichen mag, aus welker bann irgenb 
ein großer Sftetfter ber @d)ule oon 23enebig, wat)rfd)einlid) ©ior* 
gione, ein wunberfameS -ötlb gemadjt rjat: jene ©aleere üoller 
©ämonen, weldje mit ber @cf)neütgfeit eines Bogels über bie 
ftürmtfdje ßagune baljerjagte, um bie fünbige Snfetftabt ju öer* 
berben, bis bie brei ^eiligen, weldje unerfannt in bie SBarfe 
eines armen ©djtffer« geftiegen waren, burcf) il)re $efd)wörung 
bie £)ämonen unb ifyr ©djiff in ben 2lbgrunb ber glutfyen trieben. 

3u biefem ©tauben gefeilt ftd) nun ber SBatm, baß bet »eMMnmaen. 
üftenfd) ftd) burd) 33efd)wörung ben £>ämonen näbern, tfjre £ülfe 
ju feinen irbifdjen &mdm ber Habgier, 3ttad)tgter unb ©umlief)* 
feit benü^en fönne. £iebei gab es tr>at)rfcr)etnttcr) biete 23erflagte 
frütjer als es titele @d)ulbige gab ; erft als man üorgebltdje 3au* 
berer unb £e$en oerbrannte, begann bie wirtliche Söefdjwörung 
unb ber abfid)t(id)e £auber fjäufiger m werben. SluS bem Qualm 

J ) Balth. Castilionii carmina. Prosopopeja Lud. Pici. 
2 ) Gio. Villani XI, 2. ©r fjcttte e§ vom Slbt ber SSaHombrofaner, 
bem e3 ber ©remit eröffnet F)cttte. 



426 



©itte unb Religion. 



e. aifrftftnitt . ber @dj eitert) auf en, auf we(d)e man jene 23erbädjtigen geopfert 
flieg erft ber narfotifdje £)ampf empor, ber eine größere Shtjai)! 
Don üertorenen $D?enfd)cn jur SQ^agie begeifterte. Sutten fcJ)Ioffett 
ftd) bann nodj refolute Betrüger an. 

Die ttaitenifdn £>ie populäre unb primitive ©eftatt, in wetdjer biefeS SBefen 
5ejt ' öielleicf)t feit ber 9Wmer,$eit ununterbrod)en fortgelebt fyatte, ift ba§ 
treiben ber £)e£e (strega). @ie fann fidj fo gut at8 toöCtig 
unfdjulbig geberben, fo lange fie ftd) auf bie £)itiination be s 
fdjränft l ), nur baß ber Uebergang üom btoßen ^orausfagen jum 
33ewirfenljetfen oft unmertüd) unb bod) eine entfdjeibenbe @tufe 
abwärts fein t'ann. |)anbelt eö ftd) einmal um wirfenben $auber, 
fo traut man ber £>e$e l)auptfäd)lid) bie (Srregung tion Siebe unb 
£aß jwifttjen aftann unb Seib, bod) aud) rein jerftörenbe, bo§ s 
tjafte SJMeficien $u, namentlid) baß £infied)en öon tleinen Sin* 
bern, aud) wenn baffelbe nod) fo fjanbgreiftid) üon SSertnafjrtofung 
unb Unvernunft ber (Sttern fyerrüfyrt. 9?ad) 2Wem bleibt bann 
nod) bie grage übrig, wie weit bie £>ej;e burd) bloße Räuber* 
fprüdje, (Sermonien unb unoerftanbene gormetn, ober aber burd) 
bemußte Anrufung ber £>ämonen gewirft fyaben folt, abgefeiert 
öon ben Slrjneien unb (giften, bie fie in öoller tentniß toon 
beren Sßtrfung mag üerabfolgt fjaben. 

£)ie unfctjulbigere Strt, wobei nod) 33ettetmönd)e aU (Soncur* 
renten aufzutreten wagen, lernt man 3. 33. in ber £)ej:e üon 
®acta fenneu, welaje ^ßontano 2 ) uns twrfüljrr. (Sein SReifenber 

xmvd)f(i)nittiid)er @uppatiu8 gevätt) in ifyre SBofynung, wäfyrenb fie gerabe einem 
ebaracter. 9Mbd)en unb einer £)ienftmagb Slubien^ giebt, bie mit einer 
fa)iuarjen £ennc, neun am Freitag gelegten ©ern, einer Gmte 
unb weißem gaben fommen, fintemat ber britte £ag feit 9?eu* 
monb ift; fie werben nun weggefdjitft unö auf bie Dämmerung 
wieber l) erb efdji eben. (Ss tjanbett fid) fyoffenttid) nur um Dioina* 
tion ; bie #errin ber £)ienftmagb ift öon einem 2)iond) gefdjwän* 
gert, bem SD^dbcrjen ift fein Siebfjaber untreu geworben unb in« 
Softer gegangen, $)ie §e$e flagt: „Seit meinet 3ttanne8 £obe 
lebe ia) Don biefen £>ingen unb fönnte eö bequem Ijaben, ba 



') Sief; mödfjte ber %aU gercefen fein Sei ber merfroürbigen Sefeffe-- 
nen, t»eld£)e um 1513 in $errara u. a. a. D. von IombarbtfdE)en ©ro^en 
um ber SBeiffogung mitten confultirt mürbe; fie f)iefj Rodogine. 5ftäf)ere§ 
bei 3iabetaig, Pantagruel IV, 58. 

2 ) Jovian. Pontan. Antonius. 



©Ute unb Religion. 



427 



unfere ©aetanertnnen einen jiemltd) ftarfen ©tauben beftfcen, wenn e. w>id>mtt. 
nid)t bie Sftöndje mir ben Profit uorwegnäljmen, inbem fie Traume 
beuten, ben 3orn ber ^eiligen fid) ablaufen laffen, ben SDWbdjen 
Männer, ben ©djwangern Knaben, ben Unfrudjtbaren Äittber 
tierfpredjen unb überbteß beS SftadjtS, wenn ba$ ÜJiannSDotf auf 
bem gifd)fang aus ift, bie Sßeiber Ijetmfudjcn, mit melden fic 
be8 £ageS in ber Äirdjc 2tbreben getroffen fyaben." ©uppatiuS 
warnt fie bor bem 9faib bes SHofterS, aber fie fürchtet ttidjt«, 
weit ber ©uarbian iljx atter Gelaunter ift. 

©er SBafyn jebocf) fdjafft fict) nun eine fdjttmmere ©attung 
üon £)eren; fötale, bie burd) böfen Räuber bie 3Jcenfd)en um ©e* 
funbfyeit unb geben bringen. 23ei biefen wirb man aud), fobatb 
ber böfe 33Iicf ic. ntdjt ausreiste, juerft an 33eil)ülfe mädjttger 
©eifter gebaut fyaben. 3t)re ©träfe ift, wie wir fdjon bei 2ta* 
laß ber giniceüe (©..377) faf)en, ber geuertob, unb bod) läßt 
ber ganatiömuö bamat$ nod) mit fid) fyanbetn; im ©tabtgefe^ 
bon Perugia 3. 33. fonuen fie fid) mit 400 ^ßfunb tosfaufen 1 ). 
Sin confequenter Srttft würbe bamals nod) nidjt auf bie @ad)e £tfe $wn8CBem> 
gewenbet. Stuf bem £3oben be§ tirdjenftaateS, im §odjapetmut, 6ei 5Woma ' 
unb jwar in ber £eimat£) be§ Ij. 33enebict, ju 9?orcia, behauptete 
fid) ein wahres 9?eft beS £>exen* unb gauberwefen«. ®ie ©adje 
war tiötlig notorifd). @« ift einer ber merfwürbigften Briefe be3 
SleneaS @rjtt)iu§ 2 ), au« fetner frühem 3eit, ber hierüber 9Cuf* 
fdjtuß giebt @r fdjreibt an feinen trüber: „Ueberbringer biefeS 
ift ju mir gefommen, um mid) ju fragen, ob id) ntdjt in Italien 
einen SSenusberg wüßte? in einem folgen nämttd) würben magifdje 
fünfte geteert, nad) wetzen fein £err, ein @ad)fe unb großer 
Slftronom 3 ), Regierte trüge. -Stf) fagte, td) fenne ein ^orto 
teuere unweit (Sarrara an ber ügurifdjen geprüfte, wo idj auf 
ber SReife nad) S3afet brei ^äa^te jubrad)te; aud) fanb id), baß 
in ©icitien ein ber 23enu8 geweifter S3erg @rt)£ toor^anben fei, 
weiß aber tttdfjt, baß bort Sftagie geteert werbe. Unter bem ©e^ 

1) Graziani, Arcb. stor. XVI, I, p. 565, ad a. 1445, bei 2tnla£ 
einer $er.e con 9tocera, tt>elcf>e nur bie $alfte bot unb üerbrannt nmrbe. 
£>a3 ©efe| befragt fotd^e, bie: facciono le fature ovvero venefitie ovvero • 
encantatione d'immundi spiriti a nuocere. 

2) Lib. I, ep. 46. Opera, p. 531, s. Statt umbra p. 532 ift Umbria, 
ftatt lacura locum ju Iefen. 

s) ©päter nennt er ih> Medicus Ducis Saxoniae, horao tum dives 
tum potens. 



1 



428 



©itte unb SHeligiott. 



6. mmmtt. fpräcfi jebocf» fiel mir ein, baß in Umbrien, im alten ^erjogtfmm 
(©poleto) unrceit ber @tabt Sfturfia eine ©egenb tft, roo ftd) 
unter einer [teilen gelgumnb eine £öt)le fittbet, in tuelcfjer SBaff er 
fließt. £>ort finb, wie id) mtd) entfinne, gehört ju fjaben, £erm 
(striges), Dämonen unb nädjtlidje ©Ratten, unb toer ben ÖJiutb, 
ijat, !ann ©eifter (spiritus) fefyen unb anreben unb gauberfünfte 
lernen Od) fyabe eö nidEjt gefeiert , nod) mid) bemüht e« ju 
fetyen, benn, mag man nur mit ©ünben lernt, ba§ fennt man 
beffer gar nid)t." ^un nennt er aber feinen ©eroäijrSmann unb 
erfudjt ben trüber, ben Ueberbringer be§ Briefes §u jenem b,in* 
jufüfyren, roenn er nodj lebe. 2Ienea§ gel)t f)ier in ber ©efällig* 
feit gegen einen ^ocfjftefyenben fefyr roeit, aber für feine ^erfon ift 
er ni(f)t nur freier bon allem Aberglauben als feine geitgenoffen 
(ß. 389, 411) fonbern er b,at barüber aud) eine Prüfung beftan* 
ben, bie nod) t)eute rticf»t jeber ©ebilbete aushalten tüürbe. 2118 
er jur £eit ^ Laster (SoncilS ju Sftailanb 75 £age lang am 
lieber barnieberlag, fonnte man iljtt boeb, nie ba$u belegen auf 
bie ^auberärjte gu bereit, obtuof)! it)m ein Wann an« 33ett ge* 
bracht würbe, ber furj t>orf)er 2000 «Solbaten im Sager beö ^icci* 
nino auf umnberbare Seife öom lieber curirt Ijaben fottte. S^odr) 
leibenb reiste 5lenea8 über ba« ©ebirge nad) 23afel unb genas 
im Letten 2 ). 

srcoveia im Leiter erfahren roir etwa« toon bet Umgegenb ^orcia'S 
xvi. 3aw. burd) ben s J?ecromanten, raeldjer ben trefflidien iöenöenuto Seüint 
in feine ©eroalt ju befommen fudjte. (£3 fyanbelt fid) barum 3 ) 
ein neue« gauberbud) j U ^eitjen, unb ber fdjicflidjfte Ort fyiefür 
finb bie bortigen ©ebirge; jroar fjat ber äfteifter be« Zauberers 
einmal ein Sßnfy geroetljt in ber ^lälje ber Stbtei %ax\a, aber e8 
ergaben fid) babei @d)roierigfeiten, bie man bei 9^orcia nidjt 
anträfe; überbieß finb bie nurftnifdjen dauern juberläffige £eute, 
tmben einige $raris in ber @ad)e unb fönnen im ^otb^faü mäd)* 
tige £ülfe leiften. ®er 2lu«flug unterblieb bann, fonft fjätte 



1) ©ine 3lrt von £öttenIod) fannte man im XIV. ^af)xf). unroeit 2tn= 
febonta in SEoScana. @3 mar eine £ö£)te, roo man im ©anbe %l)wv= unb 
2JJenfd)enfpuren faf), n>eld)e, aud) rnenn man fte üernnfdjte, beö folgenben 
£age3 bod) rcieber ftdjtbar roaren. Uberti, il Dittamondo , L. III, 
cap. 9. 

2) Pii II. comment. L. I. p. 10. 

3) Benv. Cellini, L. I, cap. 65. 



©itte unb Religion. 



429 



■öenüenuto roaljrfdjeinlidj aud) bie ^>etferö^etfer beS Gauner« e.jw^nitt. 
rennen gelernt, damals mar biefe ®egenb üöltig fpria^raörtlid). 
Slretino jagt irgenbmo bon einem beraten Brunnen: e$ motten 
bort bie @d)mefter ber «Sybille oon 5ftorcia unb bie Staute ber 
ftata 3ttorgana. Unb um biefelbe 3eit burfte bod) £riffino in 
feinem großen @po$ i) jene Oertttdjfett mit allem möglichen Stuf* 
manb Oon ^ocftc unb Allegorie als ben @t| ber magren Seiffa* 
gung feiern. 

ÜÄtt ber berüd)tigten 33utle Onnocenj VIII. (1484) 2 ) mirb ©a« notwfdje 
bann befanntlid) ba8 £e$enmefen unb beffen Verfolgung ju einem « wmDcf£n - 
großen unb fd)eußtid)en ©rjftem. Sie bie £auptträger beffetben 
beutfdje ^Dominicaner waren, fo mürbe aud> £)eutfd)lanb am 
meiften burd) biefe ©eißet ^eimgefudjt unb oon Statten in auf* 
fallenber Seife bteieuigen ©egenben, metd)e £)eutfa)lanb am näaV 
ften tagen. <Sd)on bie SBefetjle unb Fullen ber ppfte felber 3 ) 
be^ierjen fidc) j. 33. auf bie bomimcantfdje Orbensproornj Sombarbia, 
auf bie £)iöcefen 23re3äa unb Bergamo, auf (Sremona. @obann 
erfahrt man aus ©preugers berühmter ttjeoretifd) * practifcfjer 2ln> 
meifung, bem äßaHeu« SDialeficarum, baß ju ßomo fdpu im erften 
3aijre nad) (Srlaß ber 33utte 41 £exen oerbrannt mürben; 
<Sd)aaren oon 3talienerinnen flüchteten auf baS bebtet (Sr^erjog 
©igtenumb«, rao fie ftcJ) nod) fidjer glaubten, (Snblid) jefct fia) 
bieß ^e^enraefen in einigen ungtüctltdjen 2Upentf)ätern, befonberä 
23al (Samonica 4 ), ganj unaustilgbar feft; e« mar bem ©uftem 

1) L'Italia liberata da' Goti, canto XXIV. Wlan fann fragen, ob 
Srifftno felber nod) an bie 3flögltd)tett feiner ©djüberung glaubt ober ob 
e§ ftd) bereite um ein ©tement freier 9tomantit £>anbelt. Serfelbe Broeifet 
ift bei feinem oermutt)tid)en Sorbilb Sucan (@ef. VI.) geftattet , rao bie 
t§effalifd)e £eje bem ©ejtuä $ompeju§ ju ®efaHen eine Seiche befcfjroört. 

2) Septimo Decretal. Lib. V. Tit. XII. ©te beginnt: summis de- 
siderantes affectibus etc. beiläufig glaube td) mid) ju ber Semertung 
r-eranlajjt, bajj Ijter bei längerer 33etracf)tung jeber ©ebanfe an einen ur= 
fprünglidjen objectioen S^atbeftanb, an 3tefte tjeümijdien ©taubenS u. f. n>. 
oerftfjrainbet. SBer fid) überseugen raiE, rcie bie ^tjantafie ber S8ettel= 
mottle bie etngige DueEe biefeS ganjen SBatmä ift, verfolge in ben 2Jte= 
moiren oon ^aqueä bu ©lere ben fog. SBalbenferprocefj oon 2Irra3 im 3. 
1459. ©rft burd) t)unbertjäl)rige3 £ineinoert)ören braute man aua) bie 
5ßf)antafie beä SSolfeä auf ben ^unlt, mo fief) ba3 gan&e fdjeufettcfje SBejen 
Don felbft oerftanb unb ftd) oermeintlid) neu erzeugte. 

3) 2lleranber§ VI, £eo'§ X, §abrian3 VI, a. a. D. 
©pridjrDbrtlic^ alä ^eEenlanb genannt j. 33. im Orlandino, cap.l, 

str. 12. 



430 



©Ute unb Religion. 



e. «tfftirftt. offenbar gelungen, 23et>ötferungeu, welche irgenbwie fpeciell biö* 
ponirt waren, bletbenb mit feinem SBafyn ju ent^ünben. £)iefeS 

©ein ®infiuB wefentlid) beutfdje £e$entf)um ift btejenige Nuance, an welche 
auf obecitaiien. man bei ®efd)id)ten unb Lobelien aus 3ttailanb, Bologna it. f.w. 1 ) 
3U benfen Ijat. 2öenn es in Italien ntcf>t weiter um fid) griff, 
fo fying btefj üietfetcfjt batoon ab, baß man E>ter bereits eine aus» 
gebilbete Stregfyeria befaß unD fannte, tuetct)e auf wefentüdj anbern 
SorauSfe^ungen beruhte £>ie italienifdje £ej:e treibt ein (bewerbe 
unb brauet (Selb unb bor Stflem 33efinnung. SSon jenen. f)t)fte* 
rifdjen Strdumen ber norbifdjen £ejcen, oon leiten 9IuSfab,rten, 
OncubuS unb ©uccubuS ift feine föebe; bie (Strega Ijat für bas 
Vergnügen anberer £eute ju forgen. SÖenn man ifyr zutraut, 
baß fie üerfd)iebene (Seftalten annehmen, fid) fdmell an entfernte 
Orte toerfe^en fönne, fo laßt fie fid) bergleicfyen infofern gefallen, 
als es it>r 2lnfeljen erfyöljtj bagegen ift es fdfjon übermiegenb 
gefät)rtict) für fie, wenn bie fturdjt cor ttjrer 23oSf)eit unb 9?ad)e, 
befonberS bor ber Verzauberung bon ütnbern, Viel) unb ftelb* 
frücfyten überlmnb nimmt. (§S fann für Snquifitoren unb Orts* 
beworben eine f)öd)ft populäre ©ad)e werben, fie gu oerbrennen. 

Seit baS wid)tigfte gelb ber @trega finb unb bleiben, wie 
fd)on angebeutet würbe, bie SiebeSangelegenfjeiten, worunter bie 
Erregung oon Siebe unb £>aß, bas rad)füd)tige Sfoftelfitüpfen, baS 
Abtreiben ber Leibesfrucht, je nad) Umftänben aud) ber bermeint* 
lid)e 9ttorb beS ober ber Ungetreuen burd) magifdje -Söegefjungen 
unb fetbft bie ©iftf'üdje 2 ) begriffen finb. £)a man fid) folgen 
daubetwefen t-cr SBeibern nur ungern anvertraute, fo entftanb ein Dilettantismus, 
ssuDtcnnncn. {^ nm biefed unb jenes im ©tillen ablernte unb auf eigene 
ipanb bannt weiter operirte. Sie römifdfjen Sudlerinnen 3. 33. 
fud)ten bem 3auber itirer $erfönltd)feit nod) burdj anberweitigen 



!) 3- »• Bandello III, Nov. 29. 52. Prato, Arch. stor. III, p. 408, 
— Bursellis,. Ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 897, erjagt bereits 
jum 3- 1468 bie 33erurtl)eilung eineä $rtor£ com ©ernitenorben, roeldjer 
ein ©eifterborbett fjielt; cives Bononienses coire faciebat cum Daemoni- 
bus in specie puellarum. @r braute ben SDämonen förmliche Opfer. — 
©ine parallele t)iejtt bei Procop. Hist. arcana, c. 12, reo ein nurlltdjeä 
Sorbett non einem Sömon frequentirt roirb, ber bie anbern ©äfte auf bie 
©äffe rauft. 

2 ) ©ie efelljaften SSorrät^e ber £e£enfücf)e t>gl. Macaroneide, Phant. 
XVI, XXI, too baä ganje treiben erjagt nürb. 



©Ute unb Sieligion. 



431 



Sauber in ber 2trt bcr Ijorajifdjen Sambia nadjjufyetfen. 3Irettno ') 6. mmnm. 
tann mcf)t nur etroa« über fie roiffen, fonbern aud) in biefer 33e* 
giefjung 2Öat)re« berichten. Orr jdfytt bte entfestigen @d)mterereien 
auf, tüetdf)e ficr) in ifyren ©djrdnfen gefammett borftnben: fmare, 
@d)dbet, kippen, 3dljne, Slugen Don STobten, 9ttenfdjenf)aut, ber 
9labet bon fteinen ®inbern, ©djufyfofyten unb ©emanbftücfe aus 
©räbern; ja fie fyoten fetbft bon ben ®ird)I)öfen bermefenbe« 
gteifdj unb geben eS bem (Man unöermerft jit effett (nebft nod) 
Unerhörterem). $aare, Heftel, ^dgefabf dmitte beö (Man« fodjen 
fie in Od, ba« fie au« ewigen Sämpdjen in ben ttrdjen gefto()(en. 
35on tfyren 33efd)tüörungen ift e« bie unfdjulbtgfte, wenn fte ein 
§er$ aus l)eißer ^[fetje formen, unb fyinein ftedjen unter bem 
®efang : 

Prima che'l fuoco spenghi 

Fa ch'a mia porta venghi; 

Tal ti punga il mio amore 

Quäle io fo questo cuore. 
@onft fommen aud) 3 au ^ r forme(n bei -äftonbfdjein, ^^t^nungett 
am SSoben unb Figuren au« 2öad)« ober @rj bor, roetd)e ofyne 
Zweifel ben beliebten borftetten unb je nad) Umftänben beljanbett 
merbem 

3ttan mar an biefe Singe bod) fo fet)r geraöfynt, baß ein 
2ßeib, raetdje« ofyne <Sdjön&eit unb 3ugenb gleidjmobl einen großen 
9?eis auf bte Banner ausübte olnte Weitere« in ben S3erbact)t 
ber Räuberei gerietf). £)ie Butter be« @anga 2 ) (©ecretdr« bei 
Steinen« VII.) bergiftete beffen ©eu'ebte, bie in btefem gälte mar; 
unfettger SBetfe ftarb aber aud) ber ©oljtt unb eine ®efeüfd)aft 
bori greunben, bie bon bem bergifteten @atat mit aßen. 

9?un fotgt, ntdjt at« ipetfer, fonbern at« ßoneurrent ber ©et 3«u6er«. 
§ej:e, ber mit ben gefdbrttdjern Stufgaben nod) beffer bertraute 
tauberer ober ^efdjmörer, incantatore. 23i«meiten ift er eben» 
fofet)r ober nod} mefyr ^Iftrotog at« tauberer; öfter mag er fid) 
at« Slftrologen gegeben f)aben, um niajt at« tauberer berfotgt ju 
merben, unb etma« 2tftrotogie jur Ermittlung ber günftigen ©tun* 
ben fonnte ber tauberer oljneljin itidjt entbehren (@. 413, 418). 



J ) %m Eagionamento del Zoppino. @r meint bie Sudlerinnen Iern= 
ten tyve 2Bet3l)eit befonberä von gennffen ^ubenroeibern, roeld^e im S8efi£ 
von malie feien. 

2 ) Varchi, Stör. fior. II, p. 153. 



432 



©Ute unb Religion. 



e. aibftftnitt. £)g aber titele ©eifter gut 1 ) ober tnbifferent fmb, fo fann aua) 
ifjr 33efd)Wörer bißtoetten nodj eine feibtidje Deputation behaupten, 
unb nocf) ©ijctuS IV. fyat 1474 in einem auSbrücflidjen SSreüe 2 ) 
gegen einige botognefifdEje Karmeliter etnfcfjreiten müffen, toetctje 
auf ber ®anjet fagten, es fei nichts 4Böfeö, Pon ben Dämonen 
33efcf)eib ju begehren. 2ln bie 2ttöglicfjfeit ber @ad)e felber glaubten 
offenbar fetjr SSiete; ein mittelbarer 33eweiS bafür liegt fdjon 
barin, bajj audj bie grömmften ifyrerfetts an erbetene 23ifionen 
guter ©eifter glaubten. ©aPonarota ift Pon folgen ©ingen er* 
füllt, bie ftorentinifdjen ^(atonifer reben Pon einer mpftifdjen 
Bereinigung mit (Sott unb SDiarceÜug '»ßaüngeniuS (©. 206, f.) 
giebt nidjt unbeuttid) ju Perftefjen, bafj er mit gemeinten ©eiftcrn 
umgebe 3 ). ßrbenberfelbe ift aud) überzeugt Pom ©afein einer 
ganzen |)ierard)ie böfer £)ämonen, wettfje, Pom Sttonb tjerroartö 
wofynenb, ber 9?atur unb bem 3J?enfd)enteben auflauern 4 ), ja er 
erjagt Pon einer perfönttdjen Söefanntfcfyaft mit folgen unb ba 
ber 3wed! unfereö S3ud)e$ eine fpftematifdje ©arfteüung be§ ba* 
matigen ©eiftergtaubenö ot)net)ttt tticfjt geftattet, fo mag wenig* 
ftenö ber 25erid)t be8 '»ßatingeniuS als (gittjelbeifpiet folgen 5 ) 
Die Dämonen @r J)at bei einem frommen (Sinfiebter auf bem ©oracte, ju 
auf ber ©tm§e @ @ttt>eftro, ftd) über bie ^iajtigt'eit beS Srbtfdjen unb bie SBertl)* 
nad, mom. j 0 ^ Q | c j t mn ^[\^ m g e ben8 belehren taffen unb bann mit 
einbredjenber Sftadjt ben 2Beg nad) Dorn angetreten. £)a gefetten 
fid) auf ber (Strafe bei fettem Sottmonb brei äJiänner ju if)m, 
beren (Siner tt)n beim Hainen nennt unb ttjn fragt, wofyer be8 
Sföegeö er fomme? ^alingenio antwortet: Pon bem SBeifen auf 
jenem 33erge. £) bu £t)or, erwiebert Sener, glaubft bit wirHid), 
baft auf (Srben Semanb weife fei? Stur Ijötjere 2£efen (Divi) 
tjaben 3ßei$l)eit, unb baju gehören wir brei, obwofjt wir mit 
9ttenfd)engeftalt angetan finb; idj rjet^e ©araeif, unb biefe f)ier 
©atfyiet unb Oana; unfer 9teid) ift junäcfjft beim 3J?onb, wo 
überhaupt bie grofce @d)aar Pon üDiittetwefen fyauSt, bie über 
(Srbe unb 9Jieer tjerrfcfyen. "ißalingemo fragt nicfjt otme innere« 



!) SDtefe 9iefen)atton nmrbe bann au§brücfltcf) betont. Com. Agrippa, 
de occulta philosophia, cap. 39. 

2 ) Septimo Decretal. 1. c. 

3) Zodiacus vitae, XII, 363 bi§ 539. cf. X, 393, s. 

4) Ibid. IX, 291, s. 
s) Ibid. X, 77ö, s. 



©itte unb Religion. 



433 



©eben, mag fie üt SKom bor Ratten? — £)ie Stntmort lautet : e^fänitt, 

„einer unferer ©enoffen, Slmmon, roirb burd) magifdje Äraft bon 

einem Jüngling aug 9?arni, aus bem (befolge beg Sarbtnat« 

Orfini, in Änedjtfcbaft gerattert; benn merft eud)'g nur, 2)?enfd)en, 

eg liegt beiläufig ein «emcig für eure eigene Unfterblidjfett barin, 

baß tf)r unfer einen fingen fönnt; id) fetbft fjabe einmal, in 

^rrjftaCf eingefd)loffen, einem ©eutfdjen bienen müffen, bis mid) 

ein bärttgeö üftöndjfein befreite. £)iefen SDtenft toollen mir nun 

in ^om unferm ©enoffen ju leiften fudjen unb bei bem Slnlaß 

ein paar bomebme £erren biefe 9?ad)t in ben Drcug beförbern" 

«ei biefen Korten beg £)ämong ergebt fid) ein tfüftdjen, unb 

©atfn'el fagt: „£öret, unfer töemiffe« fommt fd)on bon 9?om 

jurücf, bieß 28ef)en fünbigt itjn an". 3n ber Sttjat erfdjeint nod) 

@iner, ben fie fröfylid) begrüßen unb über 9?om augfragen, ©eine 

Sfosfunft ift t)öd)ft antipäpftltdj; (Slemeng VII. ift roieber mit 

ben (Spaniern berbünbet unb fjofft £uti)erg 8ef)re nid)t met)r mit 

(Srünben fonbern mit bem fpanifdjen ©djmerte augjurotten; lauter 

©eroinn für bie Dämonen, metdje bei bem großen beborftefyenben 

«tutbergießen bie Seelen Unjäljliger jur £ölle führen werben- 

Wad) biefen ^eben, mobei 9fom mit feiner Unftttlicfjf ett alg böltig 

bem «Öfen berf allen bargeftellt wirb, berfdjnnnben bie Dämonen 

unb taffen ben £)id)ter traurig feine «Straße gießen *). 

2Ser fid) bon bem Ilmfang begjenigen «erfyältniffeg ju ben Umfang t>e« 
Dämonen einen «egriff madjen mill, metdjeg man nod) öffentlich Sc ^ r " n "^' 
jugefte^en burfte trofc beg $e£enl)ammerg :c, ben müffen mir 
auf bag bielgelefene «ud) beg 5tgrippa bon 9?ettegf)cim „bon ber 
geheimen ^ßl)ilofopI)ie" bermeifen. @r fdjeint eg jmar urfprünglid) 
gefdjrieben ju t)aben, ef)e er in Italien mar 2 ), allein er nennt in 
ber Söibmung an £ritf)emiug unter anbern aud) roicfjtige itatienifd)e 
Quellen, menn and) nur, um fie nebft ben anbern fd)led)t ju 
mad)en. «ei jireibeutigen Onbibibuen, mie Sffgrippa eineg mar, 



!) ®o§ motfiifdje SSorbitb ber Sauberer bei beu bamaligen ©intern 
ifi befanntlid) 9Magigi. Sei Slnlaf; biefer gigur lajjt fid^ Sßulci (Mor- 
gante, canto XXIV, Str. 106, s.) aud) tljeoretifdj au§ über bie ©renken 
ber 9Jlad)t ber Samonen unb ber 33efcf)tüörung. 2Benn man nur raüfjte 
rate roeit e3 ib,m ©rnft ift. (58gl. Canto XXI.) 

2) «poruboruä 33irgtliu§ raar jraar Italiener oon ©eburt, attetn fein 
SEBerf de prodigiis conftatirt toefentlidE) nur ben 2lberglauben oon @ngfanb, 
rao er fein Seben jubradjte. Sei 2lnlafj ber ^räfcienj ber SDamonen macf>t 
er jebodj eine curiofe Slnraenbung auf bie $ernmftung oon dtom 1527. 
3?uvcfl)avt>t, ßuitur ber SHenaiffance. 28 



434 



©Ute unb Religion. 



>. aibfcbnitt. bei gaunern unb Marren, tote bie meiften anbern fjeifcen bürfen, 
intereffirt uns baS ©Uftem, in welches fie ftd) etwa fjüden, nur 
feljr wenig, fammt feinen Wormeln, Läuterungen, ©alben, $en* 
tafeln, £obtenfnod>en ] ) u. f. w. Mein fürs (Srfte ift biefc ©rjftem 
mit ©taten au« bem Aberglauben beS SlltertrmmS gan$ angefüllt; 
fobann er[d)etnt feine (Sinmifdjung in baS Seben unb in bie 
Seibenfdjaft ber Italiener btötueiten f)öd)ft bebeutenb unb folgen* 
reief). Oflan follte beulen, baß nur bie üerborbenften ®rofeen fief) 
bamit eingelaffen ptten, allein baS l)eftige Söünfdjen unb 33e* 
getreu füEjrt ben 3aubcrern f)ie unb ba aud) fräfttge unb fdjöpfe* 
rifcfje 9ttenfd)en aller ©täube $u, unb ferjon ba« SöewufHfein, ba§ 
bie ©ad)e möglid) fei, raubt aud) ben gernftefyenben immer etwas 
üon it)rem ©tauben an eine fittlid)e Söeltorbnung. Sflit etwa« 
(Mb unb ©efal)r fd)ien man ber allgemeinen Vernunft unb ©itt* 
lid)feit ungeftraft trogen ju tonnen unb bie 3wtfd)enftufen 
erfparen, weld)e fonft jwifd)en bem 9flenfd)en unb feinen erlaubten 
ober unerlaubten Bielen liegen. 

©ie seilen. 23etrad)ten wir äunädjft ein älteres, im Slbfterben begriffenes 
©tücf 3auberei. 2tuS bem bunf elften Mittelalter, \a aus bem 
Slltertljum bewahrte manche ©tabt in Italien eine Erinnerung 
an bie SSerfnüpfung iljreS ©d)tctfals mit gewiffen bauten, ©ta* 
tuen u. f. ml £>ie Ilten Ijatten einft $n erjä^len gemußt öon 
ben 2öeit)eprieftern ober £eleften, raeldje bei ber feierlichen ®rün* 
bung einzelner ©täbte zugegen gewefen waren unb bas 3öot)t* 
ergeben berfelben burd) beftimmte £)entmäler, aud) woljl burd) 
geheimes Vergraben beftimmter ©egenftänbe (EeleSmata) magtfd) 
gefid)ert Ratten. Senn irgenb etwas aus ber römifdjen 3t\t 
münblia) unb populär überliefert weiter lebte, fo waren es £ra* 
bitionen biefer 21rt; nur wirb natürlich ber SBeiljepriefter im Sauf 
ber 3at)rf)unberte jum 3auberer fd)ted)trjin, ba man bie rcligiöfe 
©eite feines StjunS im 511terti)um nid)t me^r öerftefyt. 3n einigen 
(„ gießet; neapolitanifdjen 33irgilSwunbern 2 ) lebt ganj beutlid) bie uralte 

1) ©Ott) ift roenigftenä ber 2Äorb nur Ijödjft feiten (©. 362) £wecf 
unb metleid)t gar nie Littel. (Sin ©djeufal wie ®iHe3 be 3te% (um 1440), 
ber ben ©ämonen über 100 Äinber opferte, fjat in Strien faum eine 
ferne Analogie. 

2) %l. bie wichtige 2tbljanbUtng oon Sft o t f» „über ben £auberer 
S8irgiUu§", in ^feiffer'3 ©ermania, IV. — 2)a3 2luffoinmen Sßirgilö an 
ber ©teile be§ altern Seleften mag fiü) am elften baburd) erfrören, bajj 



©itte unb Religion. 



435 



(Srinnermtg an einen STeleften fort, beffen Iftame im Saufe ber e. wftnftt. 

3ett bitrd) ben be§ Virgil üerbrängt würbe. @o ift ba$ @in= 

fdjliefsen be$ gef)eimnij3üollen 33itbe§ ber ©tabt in ein (Sefäfc nid)t« 

anbereS als ein ecfjteS ontif e$ £ele$ma ; f o ift Birgit ber Jauerns 

grünber vwn Neapel nur eine Umbilbung beö bei ber ©rünbung 

anmefenben SBeifyepriefterS. £)te 93oKöpt)antafie fpann mit rauhem* 

bem 9?eid)tf)um an biefen £)ingen weiter, biö Birgit aud) ber 

Urheber be« ehernen ^ferbe«, ber töpfe am Matter SHjor, ber 

etjernen fliege über irgenb einem anberu £f)ore, ja ber ©rotte 

be§ ^ofilipp u. f. w. geworben war — lauter £)inge, wetdje baö 

@d)icfjal in einzelnen iöejietjungen magtfd) binben, roäfjrenb jene 

beiben 3üge ba« gatum öon Neapel überhaupt ju beftimmen 

fdjeinen. 2lud) ba$ mittelalterliche 9?om fjatte uerworrene (frinne* 

rungcn biefer 2lrt. On @. Slmbrogio ju 3Jiailanb befanb fid) inmuam; 

ein antifer marmorner £ercule8; fo lange berfelbe an feiner 

«Stelle ftefje, E)ie^ e§, werbe aud) ba§ SReidEj bauern, waljrfd) eintief) 

bae ber beutfdjen taifer, beren ®rönung3fird)e @. Slmbrogio 

war 1 ). £)ie Florentiner waren überzeugt 2 ), bajj il)r (fpäter jum msio«^; 

35aptifterium umgebauter) QftarStempel ftefyen werbe bis an§ (Snbe 

ber Stage, gemäß ber Sonftellation, unter welker er jur geit beS 

luguftuS erbaut war; bie marmorne Sftetterftatue be§ 2ttar§ Ratten 

fie allerbhtgS borau« entfernt, als fie Triften würben ; weil aber 

bie Zertrümmerung berfelben großes Untjeil über bie @tabt ge* 

bradjt f)aben würbe — ebenfall« wegen einer (Sonftellatiott — fo 

fteltte man fie auf einen ST^urrn am 5trno. 911$ Slotita glorenj 

jerftörte, fiel ba$ 33ilb ins SBaffer unb würbe erft wieber f)erau$= 

gefifd)t, al« Sart ber ®roße glorenj neu grünbete; e$ tarn nun* 

mel)r auf einen Pfeiler am Eingang be8 $onte üecdjio ju ftefyen 

— unb an biefer ©teile würbe 1215 33onbetmonte umgebracht 

unb ba$ (Srwadjen bes großen ^arteifampfeS ber ®uetfen unb 

©bibeüinen Inüpft fid) auf biefe 28eife an ba« gefürdjtete Obol. 

33ei ber Ueberfd)wemmung uon 1333 üerfdjmanb baffelbe für 

immer. 



etroa bie häufigen 33efudf)e an feinem ©rabe fdjon roäljrenb ber Äoiferjeit 
bem SSüll ju benfen gaben. 

!) Uberti: Dittamondo L. III, cap. 4. 

2) Saä golgenbe f. bei Gio. Villani I. 42. 60. II, l. III, 1. V, 38. 
XI, 1. @r felber glaubt an folttje gottlofen Sadjen niajt. — Sgl. Dante, 
Inferno XIII, 146. 

28* 



436 



(Sitte unb Religion. 



6> sibfdmitt. flieht baffelbe £ele«ma finbet ftdj anber«wo roieber. £>er 
iote sewmen fdjon erroätmte ®uibo donatio begnügte fid) ntcfjt, bei ber 9?eu* 
in gorh. gr ü n t, ung 5 er ©tabtmauern bott gorli jene fomboltfdje @ccne ber 
(Shttradjt ber beiben Parteien (@. 414) Perlangen; burd) ein 
eherne« ober fteineme« ftteiterbilb, ba« er mit aftrologiftfien unb 
magtfdjen £ülf«mitteln ju ©taube bradjte unb öergrub *), glaubte 
er bie ©tabt ftorli mn* &n\tbx\mQ, ja fdjon fcor ^lünberung unb 
einnähme gefd)ü£t ju fjaben. 2ltö Sarbinat 2llborno$ (®. 81) 
etwa fedj« Safvrjefjnbe fpäter bie SRomagna regierte, fanb man ba« 
33ilb bei zufälligem (Kraben unb geigte e«, tüa^rfd)emltd) auf 
33efef)l be« Sarbinal«, bem SBolfe, bamit biefe« begreife, burd) 
meldje« Littel ber graufame SDcontefeltro fid) gegen bie römifdje 
Ätrdje behauptet I)abe. 2lber wieberum ein fyalbe« 3af)rf)unbert 
fpäter (1410), at« eine feinbtidje Ueberrumpelung Pon gorli mifc 
lang, appellirt man bod) wieber an bie traft bc« ©übe«, ba« 
bielleidjt gerettet unb roieber oergraben worben war. (£« follte 
ba« le^temal fein, ba§ man fid) beffen freute; fdjon im folgenben 
3uljr würbe bie ©tobt mirflid) eingenommen. — (Srünbungen 
Pon ©ebäubett Ijaben nod) im ganzen XV. 3al)rt)unbert nidjt nur 
aftrologifdje (@. 414) fonbern aud) magifdje Slnflänge mit fid). 
aRdB<eb«emnt).@« fiel 3. 23. auf, ba& ^ßapft ^aul II. eine foldje s JJcaffe oon 
ftdnkguttacn. go ( benen unb |t^ erncn ^ebaillen in bie ©runbfteine feiner bauten 
üerfenfte 2 ), unb Patina fjat feine übleßuft, hierin ein rjeibmfcfye« 
£ele«ma ju erfennen. 93on ber mittelalterlid) religiöfen 33ebeu* 
tung eine« folgen Opfer« 3 ) bjatte woljC freilid) $aut fo roenig al« 
fein ^öiograpt) ein 33eroufjtfein. 

5Dodj biefer officielle Räuber, ber ofrttebiejj Qrofjentfjeil* ein 
bloße« £örenfagen war, erreichte bei Weitem nid)t bie 2Bid)tigteit 
ber geheimen, ju perfönlidjen groeefen angeroanbten äftagie. 

Der Slccromant 

2Ba« baoon im gewöbmltdjen ßeben befonber« l)dufig oorlam, 
teiten entern, tyt SLrioft in feiner Somöbie Dom S'cecromantcn aufammengeftellt 4 ). 



>) ©en DrtSgtauben hierüber geben Annal. Foroliviens. ap. Mura- 
tori XXII. Col. 207. 238; mit ©rroeiterungen ift bie ©acfje erjagt bei 
Fil. Villani, Vite, p. 43. 

2 ) Piatina, Vitae Pontiff. p. 320: veteres potius hac in re quam 
Petrum, Anacletum et Linum imitatus. 

3) Sie man j. 93. bei Sugerius, de consecratione ecclesiae (Du- ' 
chesne, scriptores IV, p. 355) unb Chron. Petershusanum I, 13 unb 16 
red)t root)l afjnt. 

4 ) 23gl. aud) bie ©alanbra be§ SBiebiena. 



(Sitte unb Religion. 



437 



©ein £)e(b tft einer ber Ptelen au§ Spanien Vertriebenen Ouben, e- mmmtt. 

obgtetdt) er fid^ aud) für einen ©riechen, SIegppter unb Slfricaner 

auöQtebt unb unaufhörlich tarnen unb !3tta§fe mechfett. @r 

fann jmar mit feinen ©eifterbefdnrörungen ben £ag üerbmrfetn 

unb bie Sftadjt erteilen, bie (Srbe bewegen, fid) unfidjtbar machen, 

9ttenfd)en in Zijkxt toermanbetn *c., aber biefe Prahlereien finb 

nur ber 2Iu$f)ä'ngcfd)ttb ; fein mahre§ 3tef ift baä Ausbeuten 

ungüicfticher unb teibenfcf)aftUdier (Sbepaare, unb ba gleiten bie 

©puren, bie er jurücttäjjt, beut ©eifer einer ©d)necfe, oft aber 

and) bem oerf)eerenben £age(fd)tag. Um fotdjer £m&t toitten 

bringt er c* baju, bajj man glaubt, bie Stfte, morin ein Liebhaber 

fteeft, fei öottcr ©elfter, ober er fönne eine Seiche $um Sieben brin* 

gen u. bgl. d% ift wenigftenS ein gute« ,3eidjen, bafe dichter 

unb ^oüeüiften biefe ©orte Don ÜWenfdjen fädtjertirf) machen 

burften unb babei auf guftimmung rechnen fonnten. •Söanbello 

bet)anbett nidjt nur ba« gaubern eine« lombarbifa^en äftöndjeS 

aU eine fümmertfehe unb in ihren folgen fdjrecfttche ©aunerei 1 ), 

fonbern er f Gilbert aud) 2 ) mit magrer (Sntrüftung bas Unfjeit, 

meldjeö ben gläubigen Sporen unaufijörlid) begleitet. „(Sin fo(d)er 

hofft mit bem ©djlüffel ©atomonis unb Pieten anbern gaubtx* 

büd)em bie berborgenen @d)c% im ©djoofj ber ($rbe ju finben, 

feine £)ame ju feinem ^Bitten ju gwingen, bie (^efjeimniffe ber 

Surften ju erfunben, öon SftaUanb fid) in einem 9cu nach SRom 

ju nerfe^en unb 2le!mlid)eg. 3e öfter getäufdjt, befto beharrlicher 

rairb er . . . (Sntfinnt 3b* ßmdj noc *)> ©ignor (Sarlo, jener g>dt, 

ba ein greunb »on uns, um bie ©unft feiner ©etiebten ju er= 

fingen, fein Limmer mit £obtenfd)äbe(n unb ©ebeinen anfüllte 

wie einen tird)l)of?" @« fommen bie efettjafteften SSerpflichtun» 

gen bor, j. 23. einer £eid)e bret £ähne ausziehen, if)r einen 

^agcl Pom ginger ju reiben ic. unb wenn bann enb(id) bie 33e* 

fdjiuörung mit ihrem £ocu§pocu8 cor fidt) geht, fterben bisweilen 

bie unglüdittchen 2^h^^ ne ^ m cr bor ©chreefen. 



1) Bandello III, Nov. 52. 

2 ) ©benba III, Nov. 29. ©er Sefdjtoörer läfjt ftd) ba§ ©e§etm$alten 
mit Ijofyen ©iben üerfpredjen, t)ier 5. 33. mit einem ©djttmr auf bem £od)= 
altar non ©. ^etronio in Bologna, at3 gerabe fonft -JUemanb in ber 
Äirdje mar. — ©inen jtemlidjen SBorratEj non gaubertoefen finbet man 
aud) Macaroneide, Phant. XVIII. 



438 



(Sitte unb Religion. 



e- Mfefc&nitt. 33enpenuto (Mini, bei ber bekannten großen Sefcfyroöruug 
sscncenuto (1532) im GEoloffeum suSRom 1 ) ftarb nicrjt, obgleidj er unb feine 
ec " ini - Begleiter bo8 tiefftc (Sntfefeen auSftanben; ber ficiüanifdje ^rieftet, 
ber in ifym roabrfd)einlid) einen braudjbaren SD^it^effer für künftige 
Reiten üermutfyete, tnactjte il)m fogar auf bem ^eimtoeg ba§ Sora* 
püment, einen 9Cftenfcf)en tion fo feftem 3)httf)e fyabe er nodj nie 
angetroffen, lieber ben §ergang felbft roirb ftd) jeber ßefer feine 
befonbern ©ebanfen machen; ba$ entfdjeibenbe waren raoljt bie 
narfotifdjen kämpfe unb bie üon uomfyerein auf ba§ ©d)recftfd)fte 
borbereitete 'ißfyantafie, roepafb benn aud) ber mitgebrachte 3unge, 
bei weld)em bieß am ftärfften wirft, weit baS SReifte allein er* 
blicft. 5Da§ e8 aber roefentüdj auf 33enbenuto abgefefyen fein 
mocfjte, bürfen roir erraten, roeit fonft für baS gefährliche 23e* 
ginnen gar fein anberer ^roecf ate bie Neugier erfid)ttidj wirb, 
©enn auf bie fdjöne Slngetica rau£ fid) 33enüenuto erft befinnen 
unb ber tauberer faßt tfjm nad^er fetbft, Siebfdjaften feien eitle 
STfjorfjeit im Vergleich mit bem Sluffinben pon ©djäfcen. (£nb(id) 
barf man nidjt tiergeffen, baß e§ ber Gsttelfeit fdjmeidjefte, fagen 
ju fönnen: bie £)ämonen haben mir SBort gehatten, unb Singe* 
tica ift genau einen SD^onat fpäter, wie mir üerheifjen roar, in 
raeinen Rauben geroefen (@ap. 68). Slber aud) toenn jtd) 23en* 
benuto attmätig in bie ©efdjichte fjineingelogen haben fottte, fo 
radre fie bod) als SSeifpiet ber bamats l)errfd)enben 2lnfd)auung 
öon bleibenbem Sßerthe. 

©onft gaben fid) bie ttalienifa)en ®ünftter, aud) bie „toun* 
bertidien, capricciofen unb bizarren", mit $auberei Ttictjt leidet ab; 
mot)t fd)neibet fid) einer bei @etegent)cit be$ anatoraifajen ©tu* 
biumS ein Sßaramö au§ ber £>aut einer 8eict)e, aber auf ,3ureben 
eineö ^öeia^tDaterS fegt er e8 roieber in ein ®rab '). ©erabe ba$ 
häufige ©tubium öon (SabaPern mochte ben ©ebanfen an raagifdje 
Sirfung einzelner Zfyäk berfetben am grünbtid))"ten nieberfdjtagen, 
ir>dt)renb $ugteid) ba§ unabtdffige 4öetract)tert unb SBtfben ber 
gorm bera Stünftter bie üDWglichfeit einer ganj anbern ülftagie 
auffchlojj. 

Om Slügeraeinen erfd)eint ba§ 3auberraefen h ü Anfang be8 



*) Benv. Cellini I, cap. 64. 

*) Vasari VIII, 143, Vita di Andrea da Fiesole. ©3 xoav ©ilnio 
(Eofint, ber aud) fonft „ben gauberfprüdjen un *> ätynttdjen Starrheiten" 
nad)gtng. 



©itte unb Religion. 



439 



XVI. 3al»rf)unbertS trofc ber angeführten 33etfpie(e borf) fdjon ine^jam«^. 

fenntücfier Abnahme, ju einer 3eit alfo, m es außerhalb 3tatienS 

erft redjt in ©lütfje fommt, fo ba£ bie tabreifen italienifd)er 

tauberer unb SIftrotogen im Horben erfi $u beginnen fdjeinen, 

jeitbem itinen ju §aufe Sttiemanb mef)r großes Vertrauen fünfte. 

£)aS XIV. 3af)rf)mtbert mar es, raeld)eS bie genaue «etuadmng 

beS @eeS auf beut ^itatuöberg bei ©cariotto nötljtg fanb, um bie 

tauberer au itjrer «ficfyerroetfje öertjinbern 1 )- -3^ X V. 3 fl *)r* 

Ijmtbert fameu bann nod) SMnge ttor raie j. 33. baS Anerbieten 

SRegengüffe ju bewirten, um bamit ein 33etagerungSf)eer ju tocr* 

fd^euctiett ; unb fdEjon bamalö Ijatte ber ©ebieter ber belagerten 

@tabt — Sfticolö gsittcßt in ßittä bi (Safteüo — ben 23erftanb, 

bie 9fagenmad)er als gottlose &ute abjumeijen 2 ). 3m XVI. 3af)r* 

fjunbert treten fotctje offtdefle £)inge nirf)t me^r an ben Sag, 

menn aud) baS ^rtöatteben nod) manmdjfad) ben 53ejd)Vöörern 

anheimfällt. 3n biefe Bett gef)ört allerbingS bie clafftfdje ftigur 

beS beulen 3auberroefen§, Dr. 3of)ann Sauft; bie be§ itatiertt- 

fd)en bagegen, ®uibo Sonatto, fällt bereits ins XIII. Oafjr* 

Ijunbert. 

2lud) f)ier wirb man freilid) beifügen müfeen, bajj bie Abnahme 
beS ®efd)tt3orungSgtaubeng fid) nitfjt notfyroenbig in eine 3unai)me 
bes ©taubenä an bie fittlidje Orbnung beS 3flenfd)enlebenS Der* 
manbelte, fonbern bafc fie t)tetleid)t bei bieten nur einen bumpfen 
gatatiSmuS surüdließ, äf)nlid) wie ber fdjtninbenbe ©terngtaube. 

@in »aar Menqattungen beS 2Baf)n8, bie $t)romantie, Neffen Keben- 

(Stjirontantte 3 )/ «• f- wetc ^ e cr ^ mtt bem ® mfen be§ 
fdjroörungSglaubenS unb ber Slftrotogie einigermaßen ju Gräften 
tarnen, bürfen mir f)ier ttöllig übergeben, unb fetbft bie auftau* 



1) überti, il Dittamondo, III, cap. 1. @t befuebt in ber 9Karf Stn* 
cono aueb. ©cariotto, ben »ermeintl. ©eburtäort be§ SubaZ unb bemerft 
babei: „an biefer©tetfe barf tdj aueb, rtid>t ben <B«atu§berg übergeben, mit 
feinem ©ee, roo ben ©ommer über regelmäßige Jöacben abroedjfeln ; benn 
rcer SJlagie verfielt, fommt bier beraufgeftiegen um fein 33ucb. ju raeiben, 
roorauf großer ©türm fteb. erbebt, rate bie Seute be§ Drte3 jagen", ©aS 
Reiben ber SBücber ift, rate fc^on ©. 428 ermähnt mürbe, eine bejonbere, 
t)on ber eigentli^en Sefd^rcörung Derftfjiebene ©eremonie. 

2) De obsidione Tiphernatium 1474. (Kerum ital. scriptt. ex 
florent. codieibus, Tom. II.) 

3) Siefen unter ben ©olbaten ftar! oerbreiteten Aberglauben 
(um 1520) üerfpottet Simerno qSitocco, im Orlandino, cap. V, Str. 60. 



440 



©itte unb Religion. 



6^a«bf*nitt^d)enbe $f)t)ftognomif Jjat lange nidjt bas Ontereffe, baS man bei 
*^iio 8 «omif. Nennung btefeö Samens üorausfefcen fottte. Sie erfdjeint nämtid) 
nictjt als @d)roefter unb ftreunbin ber bilbenben fünft unb ber 
practifdjen ^fndjologie, fonbern wefenttid) aU eine neue ©attuug 
fataUftifdjen 2Bal)ne$, ati au8brücfüd)e 9?töaün ber ©ternbeuteret, 
was fie wotjt fd)on bei ben Arabern gewefen fein mag. 33arto= 
lommeo Sode 5. 23., ber SSerfaffer eines pl)M>gnomifd)en Sei)r= 
budje«, ber ftd) einen äftetopofcopen nannte l ) unb beffen Siffen* 
fdjaft, nad) ©totuo'g Sluöbrucf, fdjon wie eine ber twrneljmftett 
freien fünfte auSfaf), begnügte fid) nidjt mit SBeiffagungen an 
bie Hügften £eute, bie tt»n täglid) 311 9?atf)e sogen, fonbern er 
fdjrteb aud) ein fjödjft bebenftidjeS „Verseid)nif$ ©otajer, welken 
üerfdjiebene grofte Lebensgefahren beöorftänben". ©iouio, obwohl 
gealtert in ber Stufflärung 9?omS — in hac luce romana! — 
finbet bod), bafe fid) bie barin enthaltenen Söeiffagungen nur ju 
fet)r erwaf)rt Ratten 2 ), ftreüid) erfährt man bei biefer ®etegenf)ett 
aud), wie bie twn biefen unb äfjntidjen VorauSfagungen iöetrof* 
fenen fid) an ben Propheten rächten; ©iooanni 23entitwgtio ließ 
©cDicffate bei ben SucaS ©auricus an einem ©eil, bas oon einer l)of)en 2öenbet= 

aßaftrfaaer. tr£p p e fü n f ma ( f, {n unb ^ ßn bie ^ me ^ etT/ 

weit Lucas ii)m 3 ) ben Verluft feiner §errfd)aft üorljerfagte; (£rmeS 
^öentbogUo fanbte beut (Socte einen üftörber nad), weit ber im* 
gUtcftidje üftetopofcop ü)tn, nod) baju wiber ^Bitten, prophezeit 
hatte, er werbe als Verbannter in einer <Sd)lacf)t umfommen. 
©er äftörber rjöt)nte, wie es fdjeint, noa) in ©egenwart beS <Ster* 
benben: £)iefer habe ihm ja felber geweiffagt, er würbe näd)ftens 
einen fd)mäl)tid)en 3ttorb begeben! — (Sin ganj cthnlidjeS jammer* 
boüeS (Snbe nat)m ber 9?eugrünber ber (5i)iromantie, Slnttoco £i* 
berto tum (Sefena 4 ), burd) ^anbotfo äMatefta üon SHimim, bem 
er baS SBiberroartigfte prophezeit hatte, was ein £t)rann fid) benfen 
mag: ben £ob in Verbannung unb äufcerfter Slrmutf). £iberto 
war ein geiftreia>r $?ann, bem mau zutraute, bafj er weniger nad) 



0 Paul. Jov. Elog. lit. sub voce Codes. 

2 ) 2Tuä ©iooio fpridjt fiier üernefiinad) ber begeifterte ^orträtfammter. 

3) Unb aroar au§ ben ©ternen, benn ©auricuS rannte bie 33fjt)ftogno= 
mit nicöt; für fein eigenes ©cfjicffal aber war er auf bie SBeiffagung 
beS ©octe angeroiefen, ba fein SSater r-erfäumt fiatte, fein §oro3co» ju 
notiren. 

4 ) Paul. Jov. 1. c, s. v. Tibertus. 



©Ute unb Religion. 



441 



einer djiromantifdjen 2fletf)obe a(d nad) einer burdjbrtngenben e. wbfünitt. 
S3ttenfd)enfenntnif3 feinen 23efa)eib gebe; aud) achteten ifyn [einer 
Ijofyen 33itbung wegen jetbft biejenigen ®ete^rten, roetd^e bon feiner 
©toination nichts gelten 

Die Stfcbtjmie enblidj, wetdje im Stftertfyum erft ganj fpät, *um**. 
unter ©iocletian, ermahnt wirb, fpiett gur &tit ber Stütze ber 
Sftenaiffancc nur eine untergeorbnete 9fotfe 2 ). 2lucf) tiefe Äranf* 
fyett hatte Italien früher burd)gemaa)t, im XIV. Sahrljunbert, 
aU Petrarca in feiner ^otemir bagegen e3 jugeftanb: ba§ ®o(b= 
fodjen fei eine weitverbreitete ©itte 3 ). ©eitbem mar in Otalien 
biejentge befonbere ©orte üon ©(auben, Eingebung unb Sfoltrung, 
meiere ber betrieb ber Stfdmmie tiertangt, immer fettener geworben, 
mäfjrenb itaticnifdje unb anbere 5lbepten im Horben bie großen 
§errn erft redjt auszubeuten anfingen 4 ). Unter £eo X. gießen 
bei ben 3tattenern bie Senigen 5 ), bie ftd) noch, bamit abgaben, 
fdjon „©rübler" (ingenia curiosa), unb Slurelto Sfogureflt, ber 
bem großen ©otbDerädEjter 8eo fetbft fein Sehrgebidjt oom ©otb* 
machen wibmete, fott als ©egengefdjent eine prächtige, aber leere 
33örfe erhalten haben. Die 2ibeptennü)ftif, welche aufjer bem ©otb 
noa) ben aöbeglücfenben (Stein ber Söeifen fudjte, ift boltenbs erft 
ein fpäteS norbifdjes ©ewäd)S, welches aus ben £f)eorien beS 
^ßaracelfus k. emporbtiiht. 

Wlit biefem Aberglauben fowofyt als mit ber Dentroeife beS 
llterthumS überhaupt Jjängt bie Srfdjütterung beS ©tauben« an 
bie Unfterbttchfett eng jufammen. £)iefe grage hat aber überbieß 
nod) öiet weitere unb tiefere Ziehungen ju ber (Sntmicflung beS 
mobernen ©eifteS im ©roßen unb ©an^en. 

(Sine mächtige Quelle aller Zweifel an ber Unfterbüdjfett ©er u,t 8 rau&e 
mar junäc^ft ber SGunfd), ber uerljajjten £'ird)e, wie fie war, inner* f,6ert > au * t - 
ftd) nidjts mehr $u öerbanfen. SBir fahen, ba£ bie Kirche bie* 



!) ®a§ 3tot^tt>entgfte über biefe 9iebengattungen ber Sftantif giebt 
Corn Agrippa, de occulta philosophia, cap. 57 52.. 

2 ) Libri» Hist. des sciences mathem. II, p. 122. 

3) Novi nihil narro, mos est publicus. (Remed. utriusque fortunae, 
p. 93, eine ber fe^tr lebenbig unb ab irato gefdfiriebenen Partien btefeS 
Suajeä. 

4 ) ^auptfiette bei Tritbem. Ann. Hirsaug. II, p. 286, s. 

5 ) Neque enim desunt, ^eifjt e§ bei Paul. Jov. Elog. lit., s. v. Pom- 
pon. Gauricus. 5ßgl. Ibid., s. v. Aurel. Augurellus. — Macaroneide, 
Phant. XII. 



442 



«Sitte unb Religion. 



e. gf»f<ftnitt. jenigen , weldjc fo bauten, (Spicureer nannte (@. 401 f.). 3m 
Slugenbtüf be« STobeö mag fidj Sftandjer lieber nad) ben @acra* 
menten mugefefjen Imbcn, aber Unjäfytige l)aben vodt)renb tf)re§ 
Öeben«, ^umat wäfjrenb tfjrer t^ättgften Saljxz unter jener 53orau£= 
fei^ung gelebt unb gefjanbett. ©aß ftd) baran bei SBtelen ein all* 
gemeiner Unglaube bangen mußte, ift an fict) einteudjtenb unb 
überbieß gefd)id)tlid) auf alle Seife bezeugt. (£« finb diejenigen, 
Don wetzen e8 bei Strioft fjeißt: fie glauben nicfjt über ba« ©ad) 
fyinauS »). 3n Italien, jumat in $loren§, tonnte man juerft at§ 
ein notorifd) Ungläubiger erjftiren, wenn man nur feine wt* 
mittelbare geinbfetigfeit gegen bie ®trd)e übte, ©er Söeidjttmter 
3. -53., ber einen üolttifcrjen ©elinquenten jum STobe tiorberetten 
foü, erfunbigt fitf> twrlctufig, ob berfelbe glaube? „benn e§ war 
ein falfrfjeS ©erüdjt gegangen, er fjabe feinen ©tauben" 2 ). 

©ie8ei*teto9 ©er arme ©ttnber, um ben e$ fict) f)ier fyanbelt, jener 
»„ecpit. @ 47 ^ ^ ertü a^nte Sßierpaoto 23oäcott, ber 1513 an einem Sitten* 
tat gegen ba$ eben tjergeftetlte §au§ Gebiet £f)eil natjm, ift bei 
biefem Slnlaß ju einem matjrcn <Spiegelbilb ber bamaligen reli* 
giofen Sonfufion geworben. 93on ipaufe au$ ber Partei @abo= 
narola'$ jugetrjan, Ijatte er bann boa) für bie antifen greifyeit§* 
tbeale unb anbereS £)eibentr)um gefdjwärmt; in feinem Werfer 
aber nimmt fid) jene Partei wieberum feiner an unb toerfdjafft 
ifym ein fetige« (Snbe in irjrem @inne. ©er pietätvolle Beuge 
unb Slufjetdmer be§ £)ergange3 ift einer bon ber Slünftterfamitte 
betla SKobbia, ber gelehrte ^Ijilologe 8uca. ,,2ld), feufjt 33o«colt, 
treibet mir ben Srutug aus bem S?opf, bamit id) meinen ©ang 
als GHjrift getjen fann!" — Suca: „wenn 3fyr wollt, fo ift ba§ 
mct)t fdjwer; 3rjr wiffet ja baß jene Üfömertfyaten un« nid)t fd)lid)t, 
fonbern ibeatifirt (con arte aecresciute) überliefert finb". 9?un 
jmingt 3ener feinen $erftanb, ju glauben, unb jammert baß er 
nid)t freiwillig glauben fönne. 2öenn er nur noaj einen Staat 
mit guten äftönajen ju leben fyätte, bann würbe er gan$ geifttid) 
gefinnt werben! (5$ jeigt fid) weiter, baß biefe Seute dorn Slnfyang 



!) Ariosto, Sonetto 34. . . . non creder sopra il tetto. 2)er ®tcf|* 
ter fagt e§ mit Soweit oon einem Beamten au§, ber in einer <3ad)e t>on 
3Jiem unb Sein gegen i^n entfdjieben $atte. 

2 ) Narrazione del caso del Boscoli , Arch. stor. I , p. 273 , s. — 
£>er fteljenbe 2ht3brucf roax noa aver fede, ogt. Vasari, VII, p. 122, 
Vita di Piero di Cosimo. 



©itte unb Religion. 



443 



©aöonarola'S bie Sßibd menig rannten; ffiogcoti famt nur tyatex* 6. mmnitt, 
nofter unb Slttemaria beten, unb erfudjt nun ben 8uca bringenb, 
ben gttunben ju fagen, fie möchten bte tjeilige ©djrtft ftubiren, 
benn nur ma§ ber äftenfd) im ßeben erlernt t)abe, ba§ befi^e er 
im Sterben, £)arauf üe§t unb erftart ü)m Suca bte "ißaffion 
nacf> bem @Dangelium Soljanni«; merfmürbiger 2öeife ift bem 
Strmen bie ®ottr)eit <S£>rifti emleudjtenb, rüäfyrenb it)tn beffett 
3J2enfd)l)eit SDcütje mad)t; biefe möchte er gerne fo fidjtbar be= 
greifen, „at§ Mute iljm (5t)rtftu§ aus einem Sßalbe entgegen" — 
worauf ifjtt fein greunb $ur ©emutl) üermetöt, inbem biefj nur 
3meifet feien, rneldje ber @atan fcnbe. ©päter fällt ibm ein un= 
gelöfteS 3ugenbgelübbe einer SBaflfatjrt nad) ber 3mpruneta ein; 
ber greunb Derfpricf)t e§ ju erfüllen an feiner «Statt, ©a^nnfdjen 
fommt ber 23eid)tPater, ein äftönd) au$ ©abonarota'g Softer tote 
er itm erbeten tjatte, giebt ifjm junäc^ft jene oben erwähnte (Sr* 
läuterung über bie 2lnfid)t be$ £t)oma§ t>on Slquino megen be§ 
SDjrannenmorbeS, unb ermahnt Hj« bann, ben STob mit ßraft su 
ertragen. 33o$coli antwortet: ,/ißater, Perlieret bamit feine $eit, 
benn baju genügen mir fdjon bie ^t)t(ofopf)en; Reifet mir, ben 
Stob 51t erleiben au« Siebe $u SfyriftuS". £>as Weitere, bie @om= 
munion, ber Slbfdjieb unb bie Einrichtung, wirb auf fetjr rüljrenbe 
3Beife gefcrjilbert; befonberS fyeröorjuljeben ift aber ber eine $ug, 
bafc 33o8coti, inbem er ba§ §aupt auf ben 33locf legte, ben 
genfer bat, nod) einen 51ugenbltcf mit bem £neb ju warten: „er 
Ijattc nämiia) bie ganje ^eit über (feit ber 23eriünbigung beS 
StobeSurttjeilS) nad) einer engen Bereinigung mit ©ort geftrebt, 
ot)ne fie nad) Sunfd) ju erretten, nun gebadjte er in biefem 
Slugenblicf burd) üotte Slnftrengung fict) ßättjUdj ®ott hinzugeben." 
Offenbar ift e§ ein 2lu§brucf ©aponarota'«, ber — t)albüerftanben 
— it)n beunruhigt hatte. 

•öefäfsen mir nod) mein* öelenntniffe biefer 21rt, fo mürbe 
ba$ geifttge 23ilb jener $eit u w ötetc wichtige 3«ge reicher merben, fl,fu,n - 
bie un« feine Slbhanblung unb fein ©ebidjt giebt. Sir mürben 
nod) beffer fefjen, roie ftarf ber angeborene religiöfe ÜTrieb, mie 
fubjectiö unb aud) mie fdjmanfenb ba8 $ert)äUnifj be$ (Sinjelnen 
jum Sfteligiöfen mar unb wa§ für gemaltige geinbe bem te^tern 
gegenüberftanben. $)ajj SWenfdjcn üon einem fo befdjaffenen 
Onnern nid)t taugen, um eine neue ®irct)e ju bilben, ift unldugbar, 
aber bie ©efdjidjte beS abenblänbtfcfyen ©eifte« mdre unüoüftdnbig 



444 



©ttte unb Religion. 



6 . gibfd witt. ot)tte bie Betrachtung jener ®äl)nmg$jett ber Otaliener, wäfyrenb 
fie fid) ben Blicf auf anbere Nationen, bie am ®ebanfen feinen 
£f)eit Ratten, getroft erfparen borf. £)od) mir fefyren jur {frage 
öon ber Unfterblidjfeit jurüct. 

2Benn ber Unglaube in biefcr Be^iefjung unter ben l)öl)er 
(Sntwicfetten eine fo bebeutenbe (Stellung gewann, fo fying bicjj 
weiter baöon ab, ba§ bie große irbifd^e Aufgabe ber (Sntbecfung 
unb föeprobuction ber 2Mt in Sort unb Söilb alle ®eifteS* unb 
@eelenfräfte bis 3U einem fjoljen ©rabe für fid) in Slnfpruct) naljm. 
23on bicfer notfywenbigen 2Belttid)feit ber Üienaiffance mar fdjon 
(@. 397) bie 3iebe. Slber überbieß erfyob fid) aus biefer gorfdjung 
siuflcmcmcv unb ®unft mit berfetben 9?ott)Wenbigfeit ein allgemeiner ©cift beS 
Swüfei. ^jpg^gjg un 5 ^ er g rQ ge. Senn berfelbe fidj in ber Literatur 
menig funb giebt, wenn er 3. 33. ju einer ®ritif ber btblifdjen 
®efd)id)te (@. 406) nur üerein3elte Anlaufe üerrätl), fo mufj man 
nidjt glauben, er fei ttidjt öorfyanben gemefen. @r mar nur über* 
tont burd) bas fo eben genannte Bebürfnifj beS ©arftellens unb 
BilbenS in allen $äd)ern, b. Ij. burd) ben pofitiöen föunfttrieb; 
aufjerbem Ijemmte ifjn aud) bie nod) borfjanbene ,3wangSmad)t ber 
®ird)e, iobalb er tfyeoretifdj ju SÖerfe gefjen wollte, iDiefer ©eift 
beS Zweifels a ^r mufjte fidj unbcrmeiblidj unb oorjuggweife auf 
bie $rage üom .Suftanb nad) bcm £obe werfen, aus ©rünben, 
weldje ju einleud)tenb finb, als bafj fie genannt 3U werben 
braudjten. 

unftcrbüci)!cit Unb nun fam baS Slltertfjum Innju unb wirfte auf biefe 
»»et ©ectc g an ^ e §(ngelegenl)eit in 3Wiefad)er äöeife. $ürS erfte fudjte man 
fid) bte ^ßfndwlogie ber Sitten an3ueignen unb peinigte ben 33ud)* 
ftaben beS SlriftoteteS um eine entfdjetbenbe SluSfunft. 3n einem 
ber tucianifdjen ©tatoge jener $üt 0 er§ät)tt Sharon bem SFiercur, 
wie er ben SlriftoteleS bei ber Ueberfafyrt im Sftadjen felber um 
feinen Unfterblidjfeitsgtauben befragt fyabe; ber t>orfid)tige tyfyilo* 
foplj, obwohl felber bereits leibtid) geftorben unb bennod) fort* 
tebenb, fyabe fid) aud) Jefct nidjt mit einer Haren Slntwort com* 
promittiren wollen; wie werbe es erft nad) Dielen Oabrrmnberten 
mit ber ^Deutung feiner @d)fiften gefyen! — s Jiur um fo eifriger 
[tritt man über feine unb anberer alten ©djriftfteller Meinungen 
in Betreff ber wahren 23 efd) äffen fyeit ber Seele, ifyren Urfprung, 



*) Jovian. Pontan. Charon. 



©Ute unb Religion. 



445 



ifjre ^räerjftenj, ifjre (Sinfjett in aßen Offen jdjett, tfjre abfotute 6. 3lbfd>nitt. 

(Sttngfett, ja itjre SBanberungen, unb eS gab £eute bie bergteidjen 

auf bie Äanjel brauten £)te Debatte würbe überhaupt fdjon 5er ® ecIc - 

im XV. 3at)rb,unbert fefjr taut; bie einen beriefen, ba§ Slrtftotetc« 

alterbiugs eine mtfterMtdje @eefe teF)re 2 ) ; anbete Ragten über bie 

$er$en«ljfirte ber 90?enfd)en, tuetdje bie Seele gern breit auf einem 

©tufjt bor fid) fifcen fäljen, um überhaupt an if)r ©afetn ju 

glauben 3 ); gileffo in feiner Seidjenrebe auf granceSco ©forja 

ftttjrt eine bunte 9^etf)e bon 2lusfagen antifer unb fetbft arabifcfyer 

'»Pbjtofopfyen 31t ©unften ber Unfterbtidjfeit an unb fdjltefjt bte^ 

im £)ru<f 4 ) anbertfyalb enge $otiofeiten betragenbe ®emifd) mit 

jmet 3eüen: „überbieß Imben mir ba« atte unb neue STeftament, 

toaS über alle Safyrfyeit tft". ©ajtuifdjen famen bie florentinifdjen 

^tatonifer mit ber ©eetentefyre <ß!ato'«, unb, tote 3. 33. $ico, mit 

fet)r bjefcnttidjer ©rgänjung berfclbcn aus ber ßefjre beS Stiften* 

tb,um§. Allein bie ®egner erfüllten bie gebilbete 2Belt mit ifyrer 

Meinung. £u Anfang beö XVI. Qaljvt). mar ba§ lergerniß, ba8 

bie ®ird)e barob empfanb, fo £)od) geftiegen, ba§ £eo X. auf bem 

tateranenfifdjeu (Sonett (1513) eine Sonftitution 5 ) erlaffen mußte 

jum @d)u£ ber Unfterbtidjfeit unb ^nbibtbuatität ber @eele, 

te^tereS gegen Sie, tseldje tetjrtcn, bie @eete fei in alten Sftenfdjen 

nur eine. Senige Oafjre fpater ersten aber ba§ SSudj beö ^om* 

ponajjo, morin bie Unmögttdjfeit eines pljitofopfjifrfjen 33eroeife« 

für bie Unfterbücbfeit bargctfyan würbe, unb nun fpann fid) ber 

Äampf mit ®egenfd)riften unb Apologien fort unb berftummte 

erft gegenüber ber fatfyolifdjeu 9?eaction. Sie ^räe^iftenj ber 

@eeten in (Sott, metjr ober Weniger nad) ^tato'S Sbeentefyre ge* 

badjt, blieb lange ein fetjr berbreiteter begriff unb fam 3. 33. ben 

SMdjtem 6 ) gelegen. "Man erraog nid)t nafyer, tuetdje ßonfequenj 

für bie 2lrt ber ^ortbauer nad) bem £obe baran t)ing. 



!) Faustini Terdocei triumphus stultitiae, L. II. 

2) ©0 Sorbone HJiorofini um 1460, »gL Sansovino, Venezia, L. XIII, 
p. 243. 

3) Vespas. Fiorentin. p. 260. 
«) Orationes Philelphi, fol. 8. 

») Septimo Decretal. Lib. V. Tit. III, cap. 8. 

6) Ariosto, Orlando, canto VII. Str. 61 — ^n'ä Säd^erticfje gebogen: 
Orlandino, cap. IV, Str. 67. 68. (Sgl. ©. 259). — Sariteo, ein 2Rit* 
glieb ber neapolitamfdjen 2lcabentie be§ ^pontanuä, benüfct bie ^räesifteng 



446 



©itte unb Religion. 



6. 3u>fd)nftt. Die zweite (Sinwirtung beö 2tltert()um8 tarn ganj borjüglicf) 
toon jenem merf würbigen Fragment au§ (Stcero'ö fettstem 33ud)e 
twm ©taat f)er, meldjeS unter bcm Tanten „£raum be$ ©cipio" 
Der Reiben« befannt ift. Ofme ben (Kommentar be« 9Jiacrobiu§ märe e£ wafyr* 
Limmer, fcfyeinftcfy untergegangen tüte bie übrige zweite £)älftc beS ctcero* 
nifd)en 2£erre$; nun war es wieber in un$al)ligen 2lbfd>riften *) 
unb t)on Slnfang ber 3Tt)pograpf)ic an in Slbbrücfen Verbreitet unb 
würbe mefyrfad) neu comraentirt. ift bie ©djilberung eines 
öerflärten 3enfeit8 für bie großen Scanner, burd)tönt Don ber 
Harmonie ber ©paaren, tiefer £)eibenl)immel, für ben fict) all* 
mälig aud) nod) anbere Stugfagen ber Sitten fanben, oertrat att* 
mälig in bemfetben äftaße ben djriftüdjen £)immel, in weldjem baö 
Obeal ber (jtftortfdjen ®röße unb be§ 9?uf)me3 bte 3beale beS 
djriftlidjen Sebent in ben ©chatten ftellte, unb babei würbe bodj 
ba§ ®efüf>I nid)t beleibigt wie bei ber Seljre uon bem gänjttc^eu 
5luf!)ören ber ^erjönttdjfeit. @d)on Petrarca grimbet nun feine 
Hoffnung wefentltd) auf biefen „bräunt be$ ©ctpio", auf bte 
Äeußerungen in anbern ciceronifdjen ©Triften unb auf Pato'ö 
^pt)äbon ; otjne bie Söibel 31t erwälmen 2 ). „2Öarum fotf id), fragt 
er auberswo, als tattjotif eine Hoffnung nict)t teilen, welaie idj 
erweislid) bei ben Reiben tiorfinbe?" (5twa3 fpäter fdjrieb (So* 
luccio ©alutati feine (nod) IjattbjdjriftUd) uorljanbenen) „Arbeiten 
bes gereutes", wo am ©d)luß bewiefen wirb, baß ben energifdjen 
SJienfdjen, weldje bie ungefjettem Pütjen ber lärbe überftanben 
fyaben, ber 2Bof)nfi| auf ben (Sternen bon 9?ed)t$wegeu gehöre 3 ). 
Söenn ©ante nod) ftrenge barauf gemattet! t)atte, baß aud) bie 
größten Reiben, betten er gewiß ba$ ^JarabieS gönnte, bod) nidjt 
über jenen ßimbu« am (gingang ber £)ölle IjinauSfamen 4 ), fo 
griff je^t bie ^ßoefte mit beiben §änben nadj ben neuen liberalen 
3been bom 3enfett§. Sofimo ber ältere wirb, laut 33ernarbo 



ber ©eelen um bie ©enbung be3 §aufe§ Stragon bamit ju Derf)errlid)en. 
Roscoe, Leone X. ed. Bossi, II, p. 288. 

!) Orelli ad Cic. de republ. L. VI. — $gl. aud) Lucan. Pharsal. 
IX, Anfang. 

2) Petrarca, epp. fam. IV, 3 (p. 629). IV, 6 (p. 632). 

3) Fil. Villani, Vite p. 15. £>iefe merfraürbige ©teile, reo 2Ber1btenft 
unb £>eibentl)utn jufantmentreffen , lautet: clie agli uomini fortissimi, 
poiche hanno vinto le mostruose fatiche della terra, debitamente sieno 
date le stelle. 

4) Inferno, IV, 24, s. — Sgl. Purgatorio VII, 28. XXII, 100. 



©Ute unb Religion. 



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«ßutci'S ©ebidjt auf feinen £ob, im Gimmel empfangen bon (Sicero, o. aibranttt. 
ber ja aud) „23ater be« $atertanbe§" geheißen, Don ben gabiern, 
bon Suriu«, gabriciu« unb üieten Slnbern; mit ifmen roirb er 
eine 3ierbe be« ßfwre« fein, roo nur tabeüofe Seeten fingen 

2lber es gab in ben atteu Tutoren noa) ein anbere«, weniger ©a« nomettwe 
gefälliges S3itb be8 Qcnfcit«, nämlid) ba« Sd)attenreid) £omer'S Scufcit *- 
unb berjenigen £)id)ter, welche jenen Stftanb ntdjt berfüßt unb 
fyumanifirt Ratten. Stuf ein$etne ©emittier machte aud) bieß (Sin* 
brucf. ©iooiano «ßontano legt irgenbroo 2 ) bem Sannajar bie 
©raä^tung einer 23ifion in ben Wurth, bie er früf) «Morgen« im 
£>atbfd)ttnnmer gefjabt Ijabe. @« erfdjeint tym ein berftorbener 
$reunb, gerranbu« Januarius, mit bem er ftdt) einft oft über bie 
Unfterbtidjfeit ber Seele unterhatten Ejatte; jefct fragt er if)n, ob 
bie (Sraigfeit unb @djre<fficf)feit ber $öttettftrafen eine SBatjr^eit 
fei? £>er Schatten antwortet nad) einigem (Schweigen ganj im 
Sinne be« Sldjtö, at« itm £)bt)ffeu« befragte: „fobiet fage unb 
betfyeure id) bir, baß mir bom teibtidjen geben 2lbgefd)iebenen ba« 
ftärffte Verlangen tragen mieber in baffelbe gurü<fjulei)ren". £>ann 
grüßt unb toerfdjroinbet er. 

ift gar nidfjt $u berfennen, baß fötale 2tnfid)ten Dom 3u* 
ftanbe nach; bem £obe ba« Stuffjören ber rocfenttidjften djrtfiltdjen bct en 
£)ogmen tfyetls borausfe^en trjeit« berurfadjen. &ie begriffe bon 
@ünbe unb (Srtöfung muffen faft oöltig berbuftet getoefen fein. 
Sftan barf fid) burd) bie ffiirfimg ber SSußprebiger unb burd) bie 
33ußepibemien, oon roetdjen oben (S. 374 u. f., 392 u. f.) bie 
9iebe mar, ntdjt irre madjen raffen ; benn fetbft augegeben, baß 
aud) bie inbioibueH entimcfelten Stänbe baran 5Tt)ett genommen 
ptten roie atte anbern, fo mar bie £auptfad)e babei boerj nur ba« 
9füf)rung«bebürfniß, bie Sogfpannung heftiger ©emütfier, baö gnt* 
fefcen über große« SanbeSunglücf, ber Sdjrei jum £>immel um 
£>ütfe. £)ie Söecfung be« ©emiffen« tjatte burerjau« ttidjt nott)* 
raenbig ba« ®efttf)t ber ©ünb^aftigfeit unb be« «ebürfniffe« ber 
(Srtöfung $ur golge, ja fetbft eine fefjr fjeftige äußere büße fefet 
nidjt not^roenbig eine SReue im djrifttidjen Sinne öorau«. Söenn 

!) SDiefer £etbent)immel finbet fid) beutlid) aud) in ber ©rabfdjrift 
be3 Sfjonbilbneri SMcolo bell' 2lrca: 

Nunc te Praxiteles, Phidias, Polycletus adorant 
Miranturque tuas, o Nicolae, manus. 
(Sei Bursellis, ann. Bonon., Murat. XXIII, Col, 912). 
2 ) 3n feiner fpäten ©d)rift Actius. 



448 



©Ute unb Religion. 



e. 3ibf<»mtt. fraftig entwi<Mte SD^enfcfjen ber 9?enaiffance un$ ersten, if)r 
Sßrtnctp fei: nid)t§ ju bereuen 1 ), fo fann bieg atterbingS ficf> auf 
ftttttdj inbifferente Slngelegenfjetten, auf bloß UnftugeS unb Un* 
jroedmäfjtgeS bejieljen, aber bon fetbft wirb fid) biefe 33erad)tung 
ber SReue aud) auf ba§ fittttdje (bebtet au§beb,nen, weit it>re Ouette 
eine allgemeine, nämtid) ba$ inbibibuefle ®raftgefüf)t ift. ©aS 
paffiüc unb contemptatiue @()riftentf)um mit feiner beftänbigen 
^öejtefyung auf eine jenfeitige Rotiere SBett betjerrfdjte biefe SJien* 
fdjen nidjt mel)r. Sftacdjiabett tragt bann bie weitere Sonfequenj : 
baffetbe tonne aud) bem ©taat unb ber 23ettf)eibtgung bon beffen 
$reil)eit mcf)t förbertid) fein 2 ). 

SDetämuS unt> Sßeldje ®eftatt mußte nun bie tro£ Sttlem borfjanbene ftarfe 
zmmm. g^etigiofitdt bei ben tiefem Naturen annehmen ? Gss ift ber Xt)ä%> 
mu3 ober £)eismu§, wie man Witt. £>en tefctern tarnen mag 
biejenige ©enftnetfe führen, wetdje ba8 &f)rifitid)e abgeftreift fjat, 
ofyne einen weitem (§rfa£ für ba$ ®efüt)t 3U fud)en ober ju finben. 
£f)et8mu« aber erfennen wir in ber ersten pofitiben 2tnbad)t jum 
göttüdjen S&efen, wetd)e ba# TOittetatter nid)t gelaunt tjatte. £)iefetbe 
fd)tießt ba§ (Sfyriftentfyum nid)t aus unb fann fid) jebeqeit mit 
beffen Setjre bon ber @ünbe, (Srtöfung unb Unfterbtidjfeit ber* 
binben, aber fie ift aud) ofyne baffetbe in ben ®emütl)em bor* 
fjanben. 

Zweiten tritt fie mit finblidjer Sfaibetät, ja mit einem 
fyatbfyetbnifdjen Slnflang auf; ©Ott erfdjeint iljr a(8 ber attmäd)tige 
(grfütler ber $ßünfd)e. Slgnoto '»ßanbotfini erjäfjtt 3 ), wie er nad) 
ber £)od)jeit fid) mit feiner ©emafytin einfd)toß unb bor bem §au3* 
Das tijeifttidK ftftar mit bem 3Jfarienbitbe nieberfniete, worauf fie aber nid)t jur 
®ebet. Oftabonna fonbern su ®ott beteten, er möge ifynen berteifyen bie 
richtige -Senü^ung tfjrer ®üter, lange« gufammenteben in $röf)= 
lidjfeit unb (Sintradjt unb biete männüdje 9?ad)fotnmen; „für mid) 
betete id) um SReidjtfjum, greunbfdjaften unb (Sfjre, für fie um 
Unbefd)oiteni)eit, (§f)rbarfeit unb baß fie eine gute fmu8l)ä(terin 
werben möge". 2ßenn bann nod) eine ftarfe Slntififirung im 
SluSbrucf fjinjufömmt, fo t)at man eö bisweilen fdjwer, ben fyeib* 



1 ) Cardanus, de propria vita, cap. 13: non poenitere ullius rei 
quam voluntarie effecerim, etiam quae male cessisset; oljne btefesä roare 
idj ber unglücflidfjfte SJienfcf) geroefen. 

2 ) Discorsi, L. II, cap. 2, 

3 ) Del governo della famiglia, p. 114. 



©itte unb Religion. 



449 



nifdjen @tyt unb bie tfjeiftifcfje Ueberjeugung auseinanber p e. <Hbf#nitt. 
Ratten »). 

Slucf) im Unglüd äußert fic^ l)ie unb ba biefe ©eftnnung 
mit ergreifenber SBaljrfjett. @S ftnb aus ber fpätern 3eit beö 
ftirenauola, ba er jahrelang am lieber franf tag, einige Slnreben 
an ©ott borfjanben, in melden er fiel) beiläufig mit ^adjbrucf 
als einen gläubigen G^riften geltenb ntadfjt unb boa) ein rein 
tf)eiftifcf)eS toufetfein an ben £ag fegt 2 ), @r faf t fein Sei- 
ben meber als @ünbenfd)utb nod) als Prüfung unb Vorbereitung 
auf eine anbere Seit; es ift eine Angelegenheit srutfetjen itjm unb 
®ott allein, ber bie mächtige Siebe jum Öeben smifaien ben Wim* 
fd)en unb feine Ver^eiflung l)ineingeftetlt f)at. ,,Sü) fluctje, bod) 
nur gegen bie Sttatur, beim ©eine ©röße Verbietet mir, £)id) felbft 
ju nennen . . . gieb mir ben £ob, £err, id) flef)e £)id), gieb mir 
ifm jefet!" 

(Sinen augenfdjemlicfyen -öeroeiS für einen ausgebitbeten, be* 3Me mxtn, 
wußten £t)ei8muS roirb man freilief) in btefen unb äfjnliajen mmm&tia - 
AuSfagen Vergebens fucfjen; bie 33etreffenberi glaubten jum Stjeil 
nod) (Stiften $u fein unb refpectirten aujjerbem aus berfd)iebenen 
©rünben bie borl)anbene $ irctjentetjre. Iber jur ^eit ber SKefor* 
mation, als bie ©ebaufen gelungen raaren, fict) abjuflären, ge* 
langte biefe ©enfmeife 3U einem beutlidjern 23enmf$tfein ; eine 
s Injaf)l ber italienifdjen ^roteftattten erliefen fidc) als Intitrini* 
tarier unb bie ©ocinianer matten fogar als glüdjtttnge in weiter 
gerne ben benfir-ürbigen 23erfudj, eine ^irdje in biefem (Sinn ju 



») 2ttS Seifpiel bie furge Dbe be§ Tl. Antonio gfaminio. au§ ben 
£ort)ciana (ogt. ©. 210): 

Dii quibus tarn Corycius venusta 
Signa, tarn dives posuit sacellum, 
Ulla si vestros animos piorura 

Gratia tangit, 
Vos iocos risusque senis faceti 
Sospites servate diu; senectam 
Vos date et Semper viridem et Falerno 

Usque madentem. 
At simul longo satiatus aevo 
Liquerit terras, dapibus Deorutn 
Laetus intersit, potiore mutans 

Nectare Bachum. 
2 ) E'irenzuola, opere, vol. IV, p 147, s. 



©urcffyartt, (Sultiir 6er SHcnaiffauce, 



29 



450 



©Ute unb Steligion. 



e. M&fdmitt. conftttuiren. lus bem bisher ©efagten wirb wenigftens fo t»tet 
f(ar geworben fein,* baß außer bem fyumanifttfdjen Nationalismus 
nocf) anbere ©eifter in biefe ©eget roefjten. 
somtjo mflßnifico dm 3J?ttttfpunct ber ganjen tt»eiftifd^ert ©enfroeife i[t worjl 
mt> fem ff«!«. ^ ber p f a t o it if dE> ett Slcabemie bon gtorens unb gan^ befonberS in 
Sorenjo magnifico felbft gu fud)en. Die tf)eoretiföen £tof e unb felbft 
bie ©riefe Jener Scanner geben bod) nur bie Raffte it)reö SBefenS. 
@S ift waljr, baß 8oren$o bon 3ugenb auf big an fein SebenSenbe 
fitt) bogmatifdt) djriftttd) geäußert t»at *) unb baß ^3ico fogar unter 
bie |)errfd)aft ©anonarota'S unb in eine möndnfcf) aScetifdje 
©efinnung tjinein gerteti) 2 ). Mein in ben £bmnen ßorenjo'S 3 ), 
wetetje wir ats baS f)öcf)fte Nefultat beS (Seifte« jener @d)ute ju 
beaeicfjrten berfudjt finb, fpridjt ofme Nücfbatt ber SfyeiSmuS, unb 
gwar bon einer SInfdjauung aus, wetdje ficr) bemüfyt, bie ffiett ats 
einen großen morafifdjen unb pfjrjfifdjen ÄoSmoS ju betrauten. 
2Öät)renb bie 3)?enfcf)en beS ajftttetatter* bie SGBett anfefyen als 
ein Sammertfyat, wettfjeS ^apft unb Äoifcr t)üten müffen bis jum 
Auftreten beö Sfattdjrift, wäijrenb bie gantalifteu ber föenaiffance 
abwedjfeüt jwifa^en 3eiten ber gewattigen Energie unb 3eiten ber 
bumpfen 9tefignation ober beS Aberglaubens, ergebt fief) Ijier, im 
Greife 4 ) auSerwäfjlter ©elfter, bie 3bee, baß bie ftdjtbare 2Bett uon 
©ott aus £iebe gefdjaffen, baß fie ein Stbbitb beö in irnn prä* 
exjftirenben Sßorbitbes fei, unb baß er ifyr bauernber Beweger unb 



!) Nie. Valori, Vita di Lorenzo, passim. — 35te fdjöne ^nftruetion 
an feinen ©oJjn ©arbinal ©tonanni, Bei Fabroni, Laurentius, Adnot 
178 unb in ben Seilagen ju 9to§coe, Seben be3 Sorenjo. 

2 ) Jo.' Pici vita , auet. Jo. Franc. Pico. — ©eine Deprecatio ad 
Deum, in ben Deliciae poetar. italor. 

3 ) @§ finb bie ©efänge: Orazione („Magno Dio, per la cui co- 
stante legge etc.", bei ßoscoe, Leone X, ed Bossi, VIII, p. 120); — 
ber £rjtttnu3 („Oda il sacro inno tutta la natura etc.," bei Fabroni, 
Laurentius, Adnot. 9); — L'altercazione (Poesie di Lorenzo magn. I, 
p. 265; in legerer Sammlung finb auef) bie übrigen f)ier genannten ©e= 
bicfjte mit abgebrueft). 

4 ) 3Benn eä bem $ulci in feinem DJiorgante irgenbroo mit religiöfen 
Singen (grnft ift, fo nrirb biefj non ©ef. XVI, ©tr. 6 gelten: biefe bei= 
ftifdje 3tebe ber frönen £eibin 2lntea ift trielleid)t ber greifbarfte 2lu§brucf 
ber SDenftoeife, roeld)e unter Sorenjo'ä ©enoffen geltenb war; bie oben 
(©. 400, 403, Slnm.) citirten Sieben be3 ©änumS 9Cftarotte bilben bann 
geroiffermajjen bie ©rgänjung baju. 



©itte unb Religion. 451 



f^ortfdjöpfer bleiben toerbe. £)ie @eete beö (Sinjetnen fann m* 6. aibfdutttt . 
nädjft burd) ba§ (Srfennen (Rottes tfytt in ifyre engen ©cfyrant'en 
jufammenjiefyen, aber aud) burd) Siebe ifym f i cf) in« Unenbüctje 
ausbefynen, unb bie£ ift bann bie ©efigfeit auf (grben. 

£rier berühren ficf) Mlänge ber mittelalterlichen 9Jit)ftif: mit 
platonifdjen 8et)ren unb mit eiuem eigentümlichen mobernen 
©eifte. 93ietleidjt reifte fyier eine t)ödt)fte $rud£)t jener (Srfenntnijü 
ber 2öelt unb be§ üftenfcfyen, um berentroillen allein fcfyon bie 
SKenaiffance öon Italien bie güfyrerin unjereS SBettatterS fyetfjen 
muß. 



29* 



Genauere ftitelattijaktt 

einiger häufiger cittvten ©erte. 

Archivio storico italiano, nc&ft Appendice. Firenze, Viesseux. 
Muratori: Scriptores rerum Italicarum. 
Fabroni: Magni Cosmi Medicei vita. 
®effelben: Laurentii Med. magnifici vita. 
3toäcoe: StBm beä Soren^o SDZebici. 

Poesie del magnifleo Lorenzo de' Medici, Londra 1801. 

Roscoe: Vita e pontificato di Leone X, trad. da Luigi Bossi, Milano 

1816, s., 12 voll, in 8., mit nieten Beilagen bie bem engliftfjen 

Original fehlen. 

Petrarca: @cfctmmtau3gaoe feiner latetnifdjen opera, Basilese 1581, fol. 

Poggii opera, ©trafjfcurger 2lu§gabe non 1513, fol. 

Philelphi orationes, ed. Venet. 1492, fol. 

M. Anton. Sabellici opera, ed. Venet. 1502, fol. 

Pii II. P. M. commentarii, ed. Eoxnana 1584. 

Aenese Silvi\ opera, ed. Basil. 1551, fol. 

Piatina: De vitis pontificum romanor., Colonise Agrippinae 1626. 
Anecdota literaria e mss. codd. eruta, fjerauäg. non Slmabu^t unb 

Sianconi, Rom 1773 bt§ 1783, mer Sönbe in 8. 
Corio: Historia di Milano, ed. Venet. 1554. 
Macchiavelli: Opere minori, Firenze, Lemonnier, 1852. 
Varchi: Storia florentina, Milano 1803, 5 voll, in 8. 
Tommaso Gar: Relazioni della corte di Roma, (ber bxitk SBanb btr 

jroeiten (Serie ber Belazioni degli ambasciatori veneti, raecolte 

da Eug. Alberi, Firenze). 
Boccaccio : Opere volgari, Firenze 1 829, s., presso Ign. Moutier, 1 7 voll, in 8. 
Filippo Villani: Le vite d'uomini illustri fiorentini, Firenze 1826. 
Agnolo Pandolfmi: Trattato del governo della famiglia.Toriuo, Pomba, 1829. 
Trucchi, Poesie italiane inedite, Prato 1846, 4 voll, in 8. 
Raccolta di Poesie satiriche, Milano 1808. 1 vol. 
Firenzuola: Opere, Milano 1802. in 8. 
Castiglione: II cortigiano, Venezia, 1549. 

Vespasiano fiorentino, cutfjer ber fjter benü^ten 2Iu§gabe non Mai, im 
X. 33cmbe bes> Spicilegium romanum ift eine neuere non 33ar-- 
toli, Firenze 1859, $u erroärjtten. 

Vasari: Le vite de' piü eccellenti pittori, scultori e architetti, Firenze, 
Lemonnier, fett 1846, brdgefjn SBänb'e. 



(grfter Hbfdjnitt. 

Der Staat als $utt|twerk. 

Seite 

©ittleitttttg 1 

$olitifc§er £uftanb StolienS im XIII 3a$r§unbert . . . J 2 

Ser -Jlormannenftaat unier fyviebrid^ II ...... 3 

(Sjjelino ba Romano 4 

Stpamtid be§ xiv. ^atjrtjnnbertä 5 

finanzielle ©runblage unb SBerljaltnifj gur SSilbung ... 5 

Sa§ Qbeal be3 abfoluten £errfdjer§ 6 

innere unb aufjere ©efafyrcn . 7 

ItrtljetI ber Florentiner über bie Xtjrannen 8 

Sie SBiSconti bis auf ben »Orienten . . . • . . . .9 

Scannte bt§ xv. $ai)vf)\tnbtvtä 11 

Sutern entionen unb Steifen unb $aifer 12 

Sljre 2lnfprit$e in 35ergeff ent)eit 15 

Sftangel eine§ feften @rbred)te§; illegitime ©rbfolgen ... 15 

©onbottiercn al<§ ©taatengrünber 16 

$f)r SBerljaltnifj jum 33robl)errn 17 

Sie familie ©forja 18 

2lu3fic£)ten unb Untergang be3 jüngern ^iccinino .... 20 

©pätere 33erfucf)e ber ©onbottieren 21 

Sie Heinere Stttannien 22 

Sie Saglionen oon Perugia .22 

S^re innere 3n)tetracf)t unb bie 23lutf)Ocbjett be3 3af)re§ 1500 . 24 

3f)r 2lu§gang 26 

Sie §äufer SRalatefta, Sßico unb Sßetrucci 26 

2>ie größere gerrfdjerJjimfetr 27 

Sie 2lragonefen »on Neapel 27 



* 



454 



3n§alt8fi&erftd&t. 



©eitc 

Ser le^te Visconti von 9Jlatlanb 30 

$rance§co ©forga unb fein ©lütf 31 

©alea^o 9Jtaria unb Sobotnco 9Jtoro 32 

Sie ©onkogen üon Sttantua . - 34 

^ebertgo ba ^ötontefeltro, .'gerjog üon ttrbtno 35 

Setter ©tan? be§ urbinatifcfien £ofe<o 36 

Sie @fte in $errara; §au§gräuel unb Realität .... 37 

Stemieruetfauf, Drbnung unb bauten 38 

SßerfönltdEje SSirtuofität 39 

Sowalität ber 3tefibenj 39 

Ser ^potigetbirector gampante 40 

Stjeünafjme ber Untertanen an fürftlicfier Trauer .... 41 

«ßomp beä §ofe3 . . .42 

Sa3 eftenftfdje SMcenat 43 

2>te (Begner ber ^rannte 43 

Sie fpätern ©uelfcn unb ©fjibellinen 43 

Sie 2?erfcf)tt>örer 44 

Sie ©rmorbungen beim ®irdjgang 45 

©innurfung be3 antifen XnrannenmorbeS 45 

Sie ©attttnarter I . , .46 

$lorentinifcf)e 2Xnftd^t com Xnrannenmorb 47 

SaS $olf im SSerfjältmfj ju ben äSerfcfjroörern 48 

2>ie 9tejm&Wen . . 48 

SSettcbig im XV. galjrljunbert 49 

Sie ©mmofiner 50 

Ser «Staat unb bie ©efafjr buref) ben armen 2Xbel . . . .51 

Urfacfjen ber UnerfcfjütterlicfjfeU 52 

Ser fftatlj ber Qefyn unb bie politifcfjen Sßroceffe . . . .53 

SBerfjältnifj ju ben ©onbottieren 54 

Dptimtämuä ber auswärtigen ^olitif 54 

SSenebig al§ £>eimatf) ber ©tatiftif 55 

SSer^ögerung ber 9tenaiffance 57 

Serfpätete ^eliquienanbadjt 58 

Floren} feit bem XIV. gfl^^wnbert . . . .' . . .59 

Dbjecticitat be3 pottttfe^en 33enmf$tfeitt§ 60 

Sante als «ßolttifer 60 

. glorenj al§ §eimatf) ber ©tatiftif; bie SSilfam 61 

Sie ©tatiftif ber fjöljertt Sntereffen 62 

©elbroertfje im XV. 3af>rfjunbert 63 

Sie 58erfaffung§formen unb bie ©efcfjicfjtfcfjreiber .... 65 

Sa§ ©runbübel be§ toScanifcfjen ©taateS 66 

Sie ©taatsfünftler 67 



3nf)alt3üfeerftdjt. 455 

Seite 

3Jtaccf)iat)etti unb fein SSerfaffungSproject 68 

©iena unb ©enua 70 

3lu§ttiärtiöc <Politif ber itatienifiJieit Staaten 71 

Ser SJZeib gegen Senebig 71 

Sa§ 2lu§tanb; bie ©nmpatf)ien für $ranfretdf) .... 72 

SkrfudEj etne§ ©leicf)genncr)t3 73 

$ntert>ention unb ©ro&erung 74 

SSerbinbungen mit ben Surfen 74 

Sie ©egennnrfung ©panienS 76 

Dbjectiüe Sefyanblung ber ?ßoIitiI 76 

Äunft ber Unterl)anbtung 77 

2>er Stieg aU Shtnfimerf 78 

Sie $euern>affen 78 

Äennerfajaft unb SilettantismuS 79 

^riegögröuel 80 

«pajjfttfjmn unb feine ©efaJjren 81 

©ie£fung jum 2tu§tanb unb ju Italien . . . • . .82 

3tömifct)e Unruhen feit SRicoIauS V 83 

©i£tu§ IV. al§ £err von 9tont 84 

5ßläne be§ (SarbinalS Sßietro 5tiario 85 

©er 9tepotenftaat in ber Jtontagna 85 

Sie (Sarbinäle au§ $ürftenl)äufern 86 

^nnocenj VIII. unb fein ©ofjn 87 

2lle£anber VI. als ©panier -88 

SBerljaltnijj jum 2lu3tanb, unb ©imome 89 

©efare Sorgia unb fein SBerfjaltnifj junt SSater .... 90 

©eine testen 21£>fid^ten 91 

Srofjenbe ©äcutarifation be§ $ird)enftaate§ 91 

Sa§ Srrationette in ben Mitteln 92 

Sie ©rmorbungen 93 

Sie legten Saljre 94 

Julius II. als Detter be§ ^apftttjumä ....... 95 

2öaf)l £eo'<3 X. . ." . • 97 

©eine gefäfjrticfjen politifdjen 5ßtane 97 

Söadjfenbe ©efaf»ren von aujjen 98 

§abrian VI 98 

©lemenS VII. unb bje Skritmftung »on diom 99 

folgen berfel&en unb Sfteaction 100 

©üfme ©art's V. mit bem Zapfte 101 

SaS Sßapfttfjum ber ©egenreformation 102 

2>a§ Italien ber «Patrioten 102 



456 



3n§alt3ü6erftd&t. 



Detter tbfcfjttttt. 

Seite 

Xtv italiettiftfje Staat mtb ba§ ^itbibtomtm ... 104 

Ser 3Wenftf) be3 3KiitefaIter§ 104 

Sag (SrroadEjen ber ^erfönKd&Ieit . m 

Ser ©eit)altf)errfcf)er tmb feine Untertanen 105 

Ser 8nbn>ibuali§mu§ in ben 9?e:publiren 106 

Sag ©Eil unb ber £o§mopoliti3mu3 107 

Sie »oHettbmtg ber <PerföttWeit ...... 108 

Sie SSielfeitigen 10 9 

Sie Smfeitigen; Seonbattifta 2tlberti 110 

Ser moberne OluJjut 113 

Sante'3 SSerljärtnifj gutn ^ufjm . . . . . . . u3 

Sie ©elebritat be£ fcumantfien ; Petrarca . . . . . .114 

SuttuS ber ©eburt^änfer . . . , 115 

©ultu§ ber ©räber 1]6 

©nrtug ber berühmten SMnner be3 3lltertf)um§ ! . . .117 

Siteratur be§ örtlichen 9tuf)meg; «pabua ns 

Siteratur bc§ allgemeinen 3tuf)me§ 119 

Ser 9ht$m von ben ©cfiriftfteltern abhängig 120 

Sie 3tuf>mfud)t aß Seibenfd&aft 121 

$er moberne Spott mtb 28ty 122 

©ein gufammenfjang mit bem 3nbtDibuaItSmuS . . . . 123 " 

Ser £o!m ber Florentiner; bie ^ooelle 123 

Sie SBiijmadjer unb Suffonen 124 

Sie ©päfje Seo'3 X 126 

Sie $arobie in ber Sidjtung 126 

SEfjeorte be§ 2Bi|e§ 127 

Sie Säfterung «128 

fcabrian VI. aß tljr Opfer 1 30 

$ietro Slretino 131 

©eine Sßu&Itcifti! 132 

©ein SBer^&rtnifj ju ben dürften unb ©elebritäten . . . .133 
©eine Religion 134 



3n§alt3überftd&t. 457 
dritter Stbfd&nttt. 

Die Dtekrerwedumg Ub 3Utertljum^ 

(Seite 

ajoröemerfuttßctt .136 

2lu§bel)nung be3 33egrip 9lenaiffance 136 

©a3 2lltertf)um im 3Jiittefolter 137 

©ein frühes äßiebererwadjen in ^tattert 137 

Satetntfdje $oefte be3 XII. 8aljrf)unbert3 138 

©er ©eift beS XIV. 3aE)rf)unbert3 ... ... 139 

Sie 9tohtettftftbt SRom .141 

©ante, Petrarca, Uberti 141 

©ie oorEjanbenen Ruinen gut $eit ^ßoggto'g 142 

SlonbuS, KicolauS V., $iu§ IL . f . m . .143 

©a§ 2lltertf)um aujjerfjalb 9tom§ 144 

©täbte unb Familien »on dtom hergeleitet 145 

©timmung unb Slnfprücfje ber 3tömer 146 

©te SeidEje ber %ulxa 146 

2lu3grabungen unb 2lufnaf)men 147 

3tom unter Seo X 147 

Sininenfentimentalität 148 

$ie alten Wutovm 149 

S^re Verbreitung im XIV. Qafjrljunbert 149 

(Sntbetfungen be§ XV. SalirljunbertS . . . . . . .150 

Sie Btbliotljelfen, ©opiften unb ©criptoren 150 

©er 93üd)erbruct 154 

Iteberftdjt be§ griecfiifdjen ©tubiumä 155 

Drientaliftfie ©tubien 156 

5ßico'3 (Stellung jum Slltertljunt 157 

2>er ^umttttiSmttä im xiv. ^ajjrfjmtbevt 157 

Unt>ermeiblicf)feü feineä ©iege§ . . . . . .158 

Xljeilnafime be§ ©ante, Petrarca unb Boccaccio . . . .159 

Se^terer al§ 33or!ämpfer 160 

©te 5poetcnfrönung 161 

Uttiöerfltäten unb ©djulen 163 

©er §umanift als qSrofeffor im XV. ga$r§ 163 

^ebenanftalten 164 

©ie fjßljere freie ©rjieljung; SHttorino 166 

©uarino in gerrara 166 



458 3n$ali3ft6etftd&t. 

^rtnjenerjie^ung 1 67 

Sic görbercr be3 $umattl§mu§ 167 

$lorentiniftf)e 33ürger; 9ltccoIt 167 

•JJJannetti; bie frühem SJiebici 168 

dürften; bie ppfte feit 9JicoIau§ V . . .172 

2llfon§ t)on Neapel . * 174 

$eberigo üon UrBino 176 

£>te ©forja unb bie ©fte 176 

<3igi§monbo 9Matefta 177 

mejjrobuctiott be§ WUevtynmä. GptftoloQvatf)U . . .178 

®ie päpftlidje Äonjlei 179 

2BertJ)fcf)ä£uttg be§ Söriefftw^ 180 

Sic ratet«tfcJ)c Oftebc . 180 

©leidfigültigfeit über ben ©taub be3 3lebner3 181 

gfeierlicfie ©taat§* unb @mpfang3reben 181 

Seicfjenreben 183 

2tcabetmfdje unb ©olbatenreben 183 

Sie lateinifdje «ßrebigt 184 

(Erneuerung ber antifen 9tl)etorif 185 

gorm unb Snfjalt; boä ©ittren 186 

gingirte Sieben 187 

SßerfaH ber ©loquenj 187 

Sic latciniftfjc Slbljattblttttg 188 

Sic ©cftf|i<*|tf<f)rciöttttg . .189 

Stetatioe -Jlotljttienbigfeit be§ Sateinifdfjen 190 

gorfdjungen über ba3 Mittelalter; 33(onbu3 191 

Anfänge ber ßritif 192 

3krf)ältmf5 jur ttalienifdjen ©efdf)td)tfc{)rei&ung . . . .193 

SWgcmcittc fiattaiftamg ber Jöitbung 193 

£>ie anttfen -Kamen 194 

Satiniftrte SeBen€oerpItniffe 195 

2Infprucf)e auf Sllteinljerrfdjaft 196 

©icero unb bie ©teeronianer 197 

2)ie tateimftfje (Sonüerfatton 199 

Sic ncttlatcittifdjc Sßocfie 199 

S)aä ©poä au§ ber alten ©efcfjtcfjte ; bie SCfrtca . . . .200 

3JlgtI)enbid)tuttg 201 

©tyriftlttfieS ©poiS; ©annajaro . . . . . . . .202 

3eitgefd)idjtlidE)e $oefte 204 

©tnmtfdfjung ber ajftjtfplogie . . . .... . .204 

©ibactifcfje $oefte; ^altngeniuä 206 

Sie Sgrif unb iljre ©renjen . .206 



3n$alt3überftc&t. 459 

©eite 

Oben auf ^eilige 207 

©legien unb 2lef)nlid£)e3 208 

2>a3 ©pigramm 209 

9!ftacaronifdje $oefte 212 

Sturj ber ^umoniftctt im xn. ^afjdjmtberf . . 212 

Sie 2tnf lagen unb ba3 SJiafj i£)rer ©tt)ulb 213 

Unglücf 217 

3)a€ ©egenbilb ber £>umaniften 218 

^omponiuä Satu§ 219 

25ie 2tcabemien 220 



Vierter Slbfdjnitt 

Die (Mktkmtg kr Welt unb kB Jlenfdjen. 

Reifen ber Italiener 222 

©olumbu§ 223 

2Jerf)ältnijj ber ©o§mograpl)ie ju ben Steifen 224 

Sie SRaturttiiffettfdmft in Italien 225 

Stiftung auf bie ©mpirie 225 

Sante unb bie ©ternfunbe ' 226 

©tnmifdjung ber ÄirdEje 226 

©innurfung be§ ^umani^mug 227 

Sotanü; bie ©artner . .228 

3<>oIogie; bie (Sammlungen frember £f)iere 229 

2)a3 ©efolge beä Sppolito Mebici; bie ©flauen . 231 

entberfttttß ber lanbfdmfilicfjen Sipnljeit 232 

Sie Sanbfdjaft im Mittelalter .233 

Petrarca unb bie Sergbefteigung 234 

2)er ©ittamonbo be§ Uberti 236 

Sie flanbrifcfje SJtaterfc^ule 236 

2lenea3 ©tjloiuä unb feine ©df)ilberungen 237 

Gtttbetfmtö be§ äUettfdjett 241 

■pfpdEjologifdje 9lotf)bef)eIfe ; Temperamente 242 

©eiftige Sdjilberung in ber ^oefie 243 

SBertf) ber reimlofen SSerfe 243 

Sßertb, be3 ©onerier 244 

2)ante unb feine SSita nuo»a 245 

©eine Siaina ©ommebia 246 

Petrarca al3 ©eelenfdjilberer . 247 



460 



3nr,alt§überfi$t. 



Seite 

Boccaccio unb bie $iamtnetta 248 

©eringe ©ntnucfelung bei* SEragöbie 249 

Sie $ßrad)t ber Stuffüfjrung at§ geinbin be§ ©rama'ä . . 250 

Sntertne^t unb SBaUett 251 

©omöbie unb SKaglencomöbie 252 

@rfa£ burd) bie äRuftl 254 

£>a§ romantifc^e ©po§ 254 

StotljttJenbige Unterorbnung ber ©fyaractere 255 

^Sulci unb Sojarbo . . . . * . . . . . .256 

SDa§ innere ©efe£ t^ver ©ompofüion . . ... 257 

Slriofto unb fein ©töl 258 

golengo unb bie ^arobie 259 

Eaffo aß ©egenfafc 260 

2>te öiograjjf)« 260 

"gortfdjritt ber Sitt^ener gegenüber beut Mittelalter . . .261 

Soäcanifdje Siograptjen 261 

Stnbere ©egenben Stalieng 263 

Sie ©elbftbiograpfjie; SteneaS ©nhnuS 264 

Senoenuto ©ettini 265 

©irolamo ©arbano 265 

Suigi ©ornaro 266 

(Hjarftctevifttt ber SSölfer unb ©täbte 269 

SDer SDittamonbo 269 

©djüberungen au3 beut XVI. $ar)rf)unbert 270 

©rJjitbcruttQ be3 äußern SKRettfiftett 271 

Sie ©djönfjeit bei Boccaccio ■ 272 

2)a§ ©djjönfjeitätbeal be§ girenjuola 273 

©eine allgemeinen ^Definitionen 275 

SäjUbertrag be3 belegten SebettS 276 

2tenea§ ©fllüiuä unb Slnbere 277 

©onoentionette Sucolif feit Petrarca 277 

2ßirflid;e ©telffung ber Sauern 278 

©d)te poettfdfje Seljanblung be3 SanblebenS 280 

Sattifta SRantouano, Sorenjo tnagntfico, $ulci .... 280 

Slngelo Sßoligiano 281 

Sie 9Äenfä)]fjett unb ber Segriff be§ Wiensen .... 281 



3n$artätt6erfid&t. 461 
fünfter 2Jbfd&nitt. 

Die dlefelltgltett unb Me Jeße. 



©cite 

$ie Sluöglcidimtg ber Stäube 283 

(Segenfa^ jum- MitUMUv 283 

Sa3 Swfattt""««' o^nen in ben ©tabten 283 

Sfjeoretifdfje Negation be3 2tbel§ 285 

Verhalten be§ 2tt>el§ nacf) Sanbfdjaften 286 

©eine Stellung jur 93tlbung 287 

Sie fpätere £ifpanifirung be3 Sebent 287 

Sie Sftitterwürbe feit bem 2tttttelafter 288 

Sie furniere unb iljre ©aricaturen 288 

Ser Stbel alä Eftequifit ber §ofleute 290 

Steuere aSerfeiueruug be3 SeöeuS 291 

Reibung unb SJloben 291 

SoUettenmittet ber grauen 292 

Sie 9tetnlid)fett • . . 295 

Ser ©alateo unb bie gute SeBenSart 296 

SSequemltcfjfeit unb ©leganj ► . . .297 

$ie 6fcratfje dU SSap ber ©efeUtQfeit 297 

Stusbilbung einer Sbealfpratfje 298 

Söeite Verbreitung berfelben 299 

Sie extremen ^uriften 300 

3^r geringer ©rfolg . . . 301 

Sie ©onoerjation 302 

$ie Ijöljere Sorm ber ©efeHigfeit 303 

Uebereinfommen unb (Statuten 303 

Sie ÜRoueHiften unb iljr 3lubitoriutn 303 

Sie großen Samen unb bie ©aton§ 304 

^lorentinifdje ©efelligfeit . . 305 

Sorenjo at§ ©dfjilberer feineä ÄreifeS 305 

$er öottlomtttene ©efettftfjaftäutettfd) 306 

©eine Siebfdjaft 307 

©eine äufjern unb geiftigen $ertig!eiten 307 

Sie Seibeöübungen 307 

Sie 3Jluft5 309 

Sie Snftrumente unb ba3 äSirtuofentfjum 309 

Ser Siletianti§mu§ in ber ®efeHfc$aft 311 

©teöttttg ber grau 312 

Sfjre tnännltdje Silbung unb Sßoefte 313 



462 3n$altäfi6erfi<$t. 

©eite 

Vottenbung tfjrer ■Sßerfönlidjt'ett 314 

Sie SSirago 314 

©a3 2Beib in ber ©efellfd&oft 315 

©ie Stlbung ber Sudlerinnen 316 

2>a§ #au§ttjefett 317 

®egenfa£ jum 3Jiittetalter 317 

2tgnoIo ^ßanbolfini x . 31s 

Sie SSiHa unb ba3 Sanbleben 319 

$ie Scfte .320 

2$re ©runbformen, üüinftertum unb ^roceffton . . . .320 

Vorzüge gegenüber bem 2tu3lanb 322 

Sie 2lllegorte in ber italienifdjen $unft 322 

jQiftorifdje 3teprafentanten be§ 2lltgemeinen 324 

©ie üDinftertenauffüfjrungen 325 

gronleidfmam in SSiterbo 327 

2BeItlidje Aufführungen 329 

Pantomimen unb (Empfang oon dürften 330 

SBeroegte 3üge; geiftlidje Srionfi 332 

SDßelttidje Srionfi .333 

$eftjüge &u Söafjer 337 

(Earneoal in 9iom unb $lorenj 338 



©elfter Slbf^nitt. 
Mit unb Religion. 



3)te 8ttoralität 341 

©renken be3 ttrtlf>eü3 341 

Skroufjtfetn ber ©emoraüfatton \ . . 342 

©a§ moberne @^vgefiir)t 343 

^errfcfjaft ber ^Ijantafie . 346 

©pielfudjt unb 3tad&fuc$t 346 

Verlegung ber ©f)e 350 

<3ittlicf)e ©teltung ber $rau 352 

©ie »ergeifiigte Siebe 355 

©er allgemeine §ret)elfinn 357 

Siäuberroefen 358 

©er bellte 3Jlorb; bie Vergiftungen 360 

©ie abfoluten SBöfettud&ter 362 

Verljältnifj ber ©ittltdjfeit jum SttbttübuaUämuS . . . .365 



3n§alt§überfid)t. 463 

Seite 

$>ie Religion im tögticfjcn ßebett 365 

Langel einer Deformation 365 

Stellung ber Italiener jur Äirdje 366 

£>afj gegen §ierardf)te unb Wlönfyfyum 367 

Sie SBettelmönd&e 367 

Sie bominicanifdje ^nquifitton „370 

Sie fjöfjern Drben 371 

@eioöf)nuttg an bie ®irdf)e unb tr)re Segnungen .... 373 

Sie Bufjprebiger 374 

©irolamo Saoonarola 3S1 

Sa3 £etbnifa)e im $olf3glauben 386 

Ser 9tetiqutenglaube 388 

Ser äftarienbienft 390 

©ä)tt>antungen im ©ultug 392 

©rofje Sujjeptbemen 392 

Seren polizeiliche Regelung in gerrara ...... 394 

2>ie Religion imb ber ©eift ber Oienaiffance .... 395 

•Jiotljwenbige Subjecthntät 397 

2Beltltcf)fett be3 ©eifteä 397 

Xolerang gegen ben S^lam 398 

Berechtigung aller Religionen 399 

©inmirlung be3 SlltertfjumS 400 

Sogenannte ©picureer , 401 

Sie Sefjre com freien Sßillcn 403 

Sie frommen §umaniften 404 

SJlitttere Richtung ber §umaniften 404 

Anfange ber föritif be3 ^eiligen 406 

#ataU3mu3 ber §umaniften 407 

S^re fjeibmftfiett Sleufjerlidjfeiten 409 

aSerfledjtMtg t>on antittm unb iteiterm Slbcrgloubcn . • 4io 

Sie 2lftrologie . 410 

Sf)re Verbreitung unb if)r @inftufs . . . . . . .413 

3f)re ©egner in Italien 417 

pco'g Söiberlegung unb beren Sßtrfung 418 

SBerfdjiebene ©uperftitionen 420 

Aberglauben ber §umaniften . 422 

©efpenfter oon Verdorbenen 424 

Sämonenglaube 125 

Sie italienifcfje £er.e 426 

SaS ^erenlanb bei 9lorcia . . . . . . . .127 

©inmifdjung unb ©renjen beg norbifcfien £>eEenit)tfens . . . 429 

3auberei ber 33uf)lerinnen 430 



464 



3nI)aItäüBerftcf)t. 



Seite 

Ser tauberer uttb SSefc^roörer 431 

Sie Stuntmen auf ber ©trafse nacfj $iom 432 

©injelne 3auBergattungen ; bie %?k$mata 434 

9)?agie Bei ©rimbfteinlegtmgen 436 

Ser 9?ecromant Bei ben Sintern 436 

3auBergefd)td)te ber SBetroenuto ©ellini 438 

SlBnafjme be§ 3 au ^ erroe T eng 439 

SKeBengattungcn beffelBcn, 2ndji)tnte 439 

(grfdjüttermtg be§ ©lauöeitS ühttf^aupt 441 

Sie Setzte be§ 93o§coli 442 

Sfteligiöfe ©onfufion unb aßgemehter Qroeifel 443 

(Streit i'tBer bie UnfterBlicfjfeit . 444 

Ser §eibenf)immel 446 

Sa3 f)omertfd£)e ^enfeitS 447 

$erjlücf)tigung ber djriftltcrjen Seljren 447 

Ser italienifdje S^eiSmuS 448