LÜBKE- HAUPT
GESCHICHTE DER
RENAISSANCE IN
DEUTSCHLAND ^
Renaissance in Deutschland
GESCHICHTE DER
NEUEREN BAUKUNST
I. GESCHICHTE DER RENAISSANCE IN
ITALIEN von Jacob BiircJchardt. 5. Auflage.
Bearbeitet von Professor Dr. II. Holtzinger.
Geheftet M. 12.—. Gebunden M. 15.—.
II. GESCHICHTE DER RENAISSANCE IN
DEUTSCHLAND von Wilhelm Lübke.
I.Band. S.Auflage. Bearbeitet von Professor
Dr. A. Haupt, Kgl. Baurat zu Hannover.
Geheftet M. 20. — . Gebunden M. 23.—.
III- — IL Band. 3. Auflage. Bearbeitet von Pro-
fessor Dr. A. Haupt, Kgl. Baurat zu Hannover.
Geheftet M. 24.—. Gebunden M. 27.—.
IV. GESCHICHTE DER RENAISSANCE IN
FRANKREICEE von Wilhelm Lübke. Neue
Auflage in Vorbereitung.
V. GESCHICHTE DES BAROCKSTILES,
DES ROKOKO UND DES KLASSIZISMUS
von Cornelius Gurlitt. I. Teil : ITALIEN.
Neue Auflage in Vorbereitung.
VI. — II. Teil : BELGIEN, HOLLAND, FRANK-
REICH, ENGLAND. Neue Auflage in Vor-
bereitung.
VIL — III. Teil: DEUTSCHLAND, ÖSTER-
REICH-UNGARN, SCHWEIZ und andere
Länder. Neue Auflage in Vorbereitung.
VIII. GESCHICHTE D. BAROCK IN SPANIEN
von Otto Schubert. Geheftet M. 25. — . Ge-
bunden M. 28.—.
IX. VON PALLADIO BIS SCHINKEL. Eine
Charakteristik der Baukunst des Klassizis-
mus von Paul lüopfer. Geheftet M. 15. — .
Gebunden M. 18. — .
I
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten.
GESCHICHTE
DER
NEUEREN BAUKUNST
VON
JACOB BURCKHARDT, WILHELM LÜBKE,
ALBRECHT HAUPT, CORNELIUS GURLITT,
OTTO SCHUBERT UND PAUL KLOPEER
DRITTER BAND:
GESCHICHTE DER RENAISSANCE IN DEUTSCHLAND
ZWEITER BAND
VON
WILHELM LÜBKE
DRITTE AUFLAGE
ESZLINGEN a. N.
PAUL NEEF VERLAG (MAX SCHREIBER)
1914
GESCHICHTE
DER
RENAISSANCE IN DEUTSCHLAND
VON
WILHELM LÜBKE
ZWEITER BAND
DRITTE AUFLAGE
NEU BEARBEITET VON
PROFESSOR DR. ALBRECHT HAUPT
KÖNIGL. BAURAT ZU HANNOVER
MIT 349 ABBILDUNGEN IM TEXT
ESZLINGEN a. N.
PAUL NEFF VERLAG (MAX SCHREIBER)
1914
Greiner & Pfeiffer, Kgl. Hofbuchdrucker, Stuttgart
Inhaltsverzeiclinis
Zweites Buch
Die Bauwerke (Fortsetzung)
XI. Kapitel. Bayern ^^^^^
Freisinn-
4:
Landsliut ^
Trausnitz
München
XII. Kapitel. Die österreichischen Länder gg
Erzherzogtum Österreich
Steiermark und Kärnten qc,
Tirol und Salzburg
Böhmen und Mähren '
Prao'
100
Süd- und Westböhmen
Das nordwestliche und nördliche Böhmen -1^21
Das östliche Böhmen und Mähren -1^27
Skulptur, Malerei und Kunstgewerbe -|^29
XIII. Kapitel. Die nordöstlichen Binnenländer ^^35
Breslau
Liegnitz und Umgebung .^^g
Brieo"
Z: ° 159
168
171
Die Oberlausitz
XIV. Kapitel. Die norddeutschen Küstengebiete 202
Danzig ' . . 203
Königsberg ' " 221
Pommern
Mecklenburg
Lübeck
Schleswig-Holstein 289
Lüneburg
Bremen
XV. Kapitel. Obersachsen
Toi-gau SU
Dresden o=«
-r . . ooü
^''^^'S • • • •• 380
YJJJ Inhaltsverzeichnis
Seite-
Halle 385
Mersehurg 394;
Thüringen iOl
Anhalt 412
XVI. Kapitel. Niedersachsen 417
Celle 418
Schloßbauten 424
Fürstliche Bauten 429
Die Städte .437
XVII. Kapitel. Die nordwestlichen Binnenländer 468
Westfalen 469
Rheinland 492
XVIII. Kapitel. Die nordhessischen Gebiete 515
Xiederhessen 516
Oberhessen 521
Alphabetisches Register 528
Holzgeschnitzter Knauf aus dem Eathause zu Danzig
ZWEITES BUCH
Die Bauwerke (Fortsetzung)
Elftes Kapitel
Bayern
Im schärfsten Gegensatze zum fränkischen und schwäbischen steht das
bayrische Gebiet. Von den Firnen und Gletschern der Alpen bis gegen die Donau-
niederung sich erstreckend, war es von jeher von einem kräftigen, tüchtigen
Menschenschlag bewohnt, der indes mehr für ruhiges Beharren in altgewohnten
Zuständen und für unbekümmertes Behagen, als für rastloses geistiges Arbeiten
und Fortschreiten angelegt zu sein scheint. Bis in die neuere Zeit hinein hat hier
deutsches Geistesleben wenig tiefere Förderung erfahren. Vergebens auch schauen
wir uns nach jenen mächtigen freien Städten um, die in Schwaben und Franken
wie im ganzen übrigen Deutschland, schon früh der Sitz eines mannhaften selb-
ständigen Bürgertums, der Hort einer kräftigen Kulturentfaltung waren. Hier ist
von jeher die Kirche, geschützt durch die mit ihr verbundene Fürstenmacht, die
Lenkerin des Lebens gewesen. Aber auch diese hat sich in ihren glanzvollsten
Zeiten lange nicht so schöpferisch erwiesen, als in den meisten übrigen Gauen
Deutschlands. Wenn auch nicht verkannt werden darf, was Tegernsee, Freising
und andere geistUche Sitze für die Kultur des Mittelalters geleistet haben, so
weist doch das ganze Land weder in der romanischen, noch in der gotischen
Epoche Monumente ersten Ranges auf, und erst im Ausgang des Mittelalters
gelmgt es den Bürgerschaften von Landshut, München, Ingolstadt, in gewaltigen
wenn auch nicht immer edel durchgebildeten Bauwerken Zeugnisse eines ener-
gischen Strebens hinzustellen.
Diese Verhältnisse ändern sich wenig mit dem Eintritt in die neue Zeit
Wohl erfaßt auch hier der gewaltige Drang nach Umgestaltung des geistigen
Lebens, nach Vertiefung der religiösen Anschauungen die Massen; Arsazius See-
hofer, ein Schüler Luthers, weiß selbst in München der neuen Lehre zahlreiche
Anhänger zu gewinnen. Aber eine Reihe strenggläubiger Fürsten unterdrückt
mit Gewalt diese Regungen. Herzog Wilhelm IV., bis 1534 mit seinem Bruder
Ludwig, dann bis 1550 allein regierend, erHeß die strengsten Religionsmandate ')
Ein System von Überwachung und Aufpasserei riß beim geringsten Verdacht ruhige
Bürger aus den Armen ihrer Famihe und heferte sie ins Gefängnis. Selbst die
Bischöfe waren dem Herzog zu mild; sogar auf dem Scheiterhaufen mußten
manche Protestanten büßen, und durch Einführung der Jesuiten legte Wilhelm den
i)H.Zschokke, Bayrische Geschichten m, 49 if. Büchner, Gesch. von Bayern Vn, 46.
L üb ke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 1
2
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Grund zu jener Richtung der Geister, welche bis heute noch ihre Wirkungen
ausübt. Die Universität Ingolstadt wurde der Hauptsitz des Ordens, und das
bayrische Land blieb fortan, die Hauptstadt München an der Spitze, der Mittelpunkt
des weithin gesponnenen Netzes. Wilhelms Nachfolger, Albrecht V.
steigerte noch die Bestrebungen seines Vorgängers und gründete den Jesuiten
jenes gewaltige Kollegium mit der Kirche des hl. Michael in seiner Residenzstadt,
das zum Bollwerk der Gegenreformation werden sollte. In kluger Berechnung
wußte der Orden durch prunkvolle Schauspiele den Sinn der Menge zu beherrschen,
mit nie gesehener Pracht wurde die Einweihung seiner Kirche gefeiert, und in
einem barock phantastischen Singspiel unter freiem Himmel sah die staunende
Bevölkerung den Erzengel Michael seinen siegreichen Kampf gegen dreihundert
Teufel ausfechten. Nicht minder pomphaft wurde die Fronleichnamsprozession
in Szene gesetzt; glanzvolle Bühnendarstellungen aus der Heiligen Geschichte
des Alten und Neuen Testamentes taten mit ihrer verwirrenden Pracht das übrige.
Da zeigten sich in den Festzügen alle Heiligen des Alten und Neuen Bundes;
Adam und Eva scheinbar nackt; sechzehn Marien, deren letzte und schönste im
Gewölk einherfuhr; Gott- Vater selbst, „soll eine lange, gerade, starke, wohl-
formierte Person sein", wie es in der Vorschrift heißt; „die unter dem Angesicht
schöne reslete Färb hat und nit gelb, kupferfarb oder finnig aussieht; soll auch
fein einen steten Gang an sich nemen, wenig umbsehen und nit sauer auch nit
lächerlich, sondern fein sittsam aussehen." Während dessen mußte der Bauer
sich's gefallen lassen, daß die härtesten Wildgesetze ihn schutzlos gegen die Ver-
wüstungen seiner Saaten machten; gegen die Feldmäuse freilich wurden auf
herzoglichen Befehl — Kirchengebete angeordnet. Die höchste Regierungssorge
jedoch blieb immer, das Land vor der Berührung mit Luthers Lehre zu wahren. i)
Die Vollendung dieser Bestrebungen vollzog sich unter der Regierung Wilhelms V.
(1579_98) und mehr noch durch seinen Sohn Maximilian I., das Haupt der katho-
lischen Liga, der für seine Verfechtung der kirchhchen Interessen den Besitz der
Oberpfalz samt dem Kurhute davontrug.
Daß unter solchen Verhältnissen von einem selbständigen Geistesleben wenig
die Rede sein konnte, leuchtet ein. Nicht daß es den bayrischen Herzögen an
Sinn für Höheres gefehlt hätte ; in ihrer Weise haben sie nach Kräften die Wissen-
schaft gepflegt, nach Reform der Geistlichkeit und der Schulen gestrebt. Aber
weil sie alles unter die Vormundschaft der Kirche stellten, blieb freie Entwicklung
fern; die Wissenschaft trocknete zu einer neuen jesuitischen Scholastik ein, die
Volksseele blieb im Aberglauben befangen. Von jener Kraft bürgerUchen Lebens,
wie es sich im übrigen Deutschland allerorten in großartigen Monumenten ver-
körpert hat, finden wir keine Spur. Die ganze Bewegung der Renaissance liegt
in den Händen der Fürsten, die in glänzenden Schlössern und opulenten kirch-
lichen Bauten ihrer Prachtliebe wie ihrer Frömmigkeit ansehnliche Denkmäler
errichtet haben. Schon Herzog Wilhelm IV. war einer der eifrigsten Förderer
der Künste, sein Hof ein Sammelplatz von Künstlern jeder Art. Er und sein
Bruder Ludwig haben fast zuerst die itahenische Renaissance beim Bau der
prachtvollen Residenz in Landshut nach Deutschland eingeführt. Aber indem sie
eine ganze Kolonie italienischer Künstler zur Errichtung und Ausschmückung
des Baues beriefen, wurde die selbständige Entwicklung einer deutschen Renais-
sance kaum gefördert ; man verpflanzte die Wunderblüte einer fremden Kunst
auf nordischen Boden, die hier vereinzelt und einflußlos bleiben mußte. Noch
höher steigert sich die Prachtliebe bei Albrecht V. Überall entstanden neue Bau-
ten oder Verschönerungen der schon bestehenden ; in den Schlössern zu Lands-
1) Vgl. die lebendigen Schilderungen im III. Bd. von Zschokke.
Überblick
3
hut, Dachau, Isareck, Starnberg wurde unablässig gebaut. Auf dem Starnberger
See schwamm eine Lustflotte mit einer prächtigen Gondel für den Herzog ; seine
Kapelle hatte ausgezeichnete Sänger und Musiker, vor allem Orlando di Lasso,
dessen Büßpsalmen in einem kostbaren Manuskript, geschmückt mit den Minia-
turen Hans Müelichs, man noch auf der Bibliothek in München bewahrt. Kunst-
werke aller Art, Statuen in Marmor und Erz, geschnittene Steine und Münzen,
Zeichnungen und Gemälde wurden erworben, kostbare Bücher und Handschriften
angekauft, darunter die Sammlungen Hartmann Schedels und Hans Jakob Fuggers.
Diese Bestrebungen setzte Herzog Wilhelm V. fort ; die Hofkapelle wurde noch
vermehrt; für die Gemäldesammlung wurden jährhch feste Summen ausgesetzt,
junge Künstler ins Ausland geschickt, berühmte Maler aus der Fremde berufen.
Einen neuen Palast, die spätere Maxburg, erbaute sich der Herzog in München;
noch weit prachtvoller war die Kirche und das Kollegium, die er daselbst den
Jesuiten errichtete. Üppige Lebenslust brach vom Hofe aus sich in alle Stände
Bahn, und es ist bezeichnend, wie der Rat zu München jedes Jahr am Sonntag
nach Drei Königen eine Schlittenfahrt veranstalten mußte, zu welcher der ganze
Hof geladen wurde, ein Gebrauch, auf dessen Einhaltung der Herzog streng be-
stand, selbst wenn der Magistrat untertänigst erinnerte, es seien die meisten Haus-
frauen schwanger und die Gassen ohne Schnee; worauf der Herzog befahl, „herum-
zufahren, es schneie oder nit".
Man sieht aus allem, daß so verschwenderische Kunstpflege doch den Volks-
geist nicht gleich zu eigenen Schöpfungen zu befruchten vermochte. Wie man
die Jesuiten zur Befestigung der römischen Priesterherrschaft ins Land rief, so
ließ man auch die Kunst durch fremde Meister einführen. Bei der Residenz in
Landshut (1536) beginnt diese Richtung, die völlig mit den nordischen Gewohn-
heiten und den Reminiszenzen des Mittelalters bricht ; dort wie in den folgenden
Bauten Bayerns kommt vorwiegend nur itahenische Kunst zu Worte. Weil aber
die Bewegung eine ausschließlich von oben geförderte war, nicht aus dem Volks-
leben selbst mit Notwendigkeit hervordrang, so gewinnt sie auch keinen inner-
lich übereinstimmenden Charakter. Es sind und bleiben vielmehr großenteils aus-
wärtige Meister, die man für die Leitung der künstlerischen Unternehmungen be-
ruft ; zuerst Italiener, später italienisch gebildete Niederländer. Was sich von hei-
mischen Kräften daneben hervortut, gehört meistens dem Gebiete der Kleinkünste
und des Kunstgewerbes an ; doch was hierin gerade in Bayern von Einheimischen
geleistet worden, beweist, daß es im Lande nicht an Talenten fehlte. Schon die
ersten Versuche, in der Architektur sich den neuen Stil anzueignen, der auf den
alten Handelsstraßen unmerklich über die Alpen gedrungen sein mochte, jene
ersten Versuche im Hofe der Residenz zu Freising, im Vorderbau des Palastes
zu Landshut, in gewissen Grabmälern zu Freising und anderwärts bezeugen, daß
die wackeren einheimischen Meister bereit genug waren, das Neue sich anzueig-
nen. Bedeutende Meister haben sich da in aller Stille entwickelt und betätigt;
wir erinnern da nur an den trefflichen Loij Hering, dessen zahlreiche reizvolle
Grabdenkmäler die Kirchen bis ins Fränkische füllen; auch sonst ist an geschickten,
ja hervorragenden, wenn auch namenlosen Künstlern kein Mangel, wie z. B. das
wundervoll gedachte feine Denkmal des Wolfgang Peisser^) d. Ä., f 1526 in der
Garnisonkirche zu Ingolstadt, oder der prächtige geschnitzte Altar zu Haimperts-
hofen^) beweisen, letzterer ein reicher durchbrochener Aufbau in vielfach ge-
gliederter Frührenaissance, dessen Pilaster- und Friesflächen in vortrefflicher
Ornamentik geradezu blühen; auch mehrere seiner geschnitzten Figuren zeigen
eine Meisterhand; das Ganze erinnert stark an Peter Flettners Richtung.
1) Bau- und Kiinstdenkmäler des Königreichs Bayern, I., Taf. 12.
2) Daselbst Taf. 18.
4
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Aber statt solchen Künstlern Gelegenheit zu bedeutenderen Schöpfungen
zu geben, aus denen sich wie in Schwaben, Franken, der Pfalz und im übrigen
Deutschland eine nationale Renaissance entwickelt hätte, zog man es vor. Fremde
herbeizurufen und den Stil Italiens nach dem Norden zu verpflanzen. So ist eine
Reihe glänzender Bauten von hohem, künstlerischem Wert, doch ohne wahren
inneren Zusammenhang mit dem Leben des Volkes entstanden, die wir nun ein-
zeln zu betrachten haben. Es ist seltener deutsche Renaissance, als vielmehr
Renaissance in Deutschland, was wir in Bayern finden.
Hierbei ist eines bezeichnenden Umstandes noch zu erwähnen, der auf die
Art der Renaissance in Baj^ern ganz besonders bestimmend eingewirkt hat. Es
ist die Sonderart des Baumaterials im Lande. Eines allgemein verwendbaren
Hausteines entbehrend, ist es vorwiegend auf die Verwendung künstlicher Bau-
stoffe angewiesen. Die Alpen und ihre Vorberge bestehen aus Kalk, der in manchen
Gegenden, insbesondere nach dem Salzburgischen hin, sich zu rötlichen Marmor-
arten verdichtet, sonst aber selten als Haustein verwendbar ist, so daß seit alters
die wichtigeren Bauten in Backstein hergestellt und später meist verputzt wurden.
Seitdem spielt der Kalkputz eine besondere Rolle, insbesondere im Innern der
Gebäude in der kultivierten Form des Stucks, der denn seit dem Ende des
16. Jahrhunderts das führende künstlerische Material wird; ausgezeichnete Bau-
teile, Portale u. dgl., werden gern in Marmor eingefügt. —
Dieser Umstand hat der bayrischen Renaissance, die dazu ihre Vorbilder
ganz naturgemäß aus dem nahen Itahen entnahm, da die Stuckarchitektur dort
seit einem Jahrhundert schon reiche Pflege gefunden hatte, einen Charakter auf-
geprägt, den die meisten Schriftsteller als einen völlig itahenischen bezeichnen
und der scheinbar wenig Selbständiges besitzt. Das erweist sich jedoch auf
die Dauer als irrtümlich. Vielmehr gewinnt die seit dem Ende des 16. Jahr-
hunderts in Bayern erblühende Stuck-Renaissance doch bald Eigenart genug, daß
man sie zuletzt als eine spezifisch bayrische Richtung bezeichnen darf.
Das äußert sich besonders bei den neuen Kirchenbauten wie den Kirchen-
ausstattungen jener Zeit. St. Michael zu München mit seinen herrlichen Raum-
verhältnissen und seiner vornehmen Stuckdekoration besitzt, obwohl seine Formen-
welt zunächst sich an die itahenische Art anlehnt, doch keineswegs ein erkenn-
bares itahenisches Vorbild. Und die nun folgende Reihe prachtvoller Kirchen,
wie die Jesuitenkirche zu Landshut, die Kirchen zu Weilheim, Polling, Beuerberg,
zu Maria Birnbaum, Ilgen, der sich so viele weitere ähnliche im 17. und 18. Jahr-
hundert anschließen, — die glänzende Ausstattung gotischer Bauwerke in gleicher
Art (ich erinnere nur an die Augustinerkirche zu München) geben ein glänzendes
Gesamtbild. Ergänzt wird das Innere durch eine reine Stuckrenaissance des
Äußeren, wofür ich nur die Fassade der Michaeliskirche und das Jesuitenkollegium
in München, das Rathaus zu Friedberg anführe.
Preising
Auf dem sonnigen Hügel, der die Stadt Freising überragt, hat schon in
ältester Zeit die geistliche Macht einen festen Sitz aufgeschlagen. Die ansehn-
liche romanische Domkirche und die benachbarte ehemahge fürstliche Residenz
bilden mit den dazu gehörigen Bauten gleichsam eine Stadt für sich. Wir haben
es hier zunächst mit dem Residenzschloß zu tun, das in seinen älteren
Teilen, namentlich dem nördhchen Flügel, zu den frühesten, noch unklar
schwankenden Renaissancewerken in Deutschland gehört. Bischof Philipp ließ
im Jahre 1520 den Bau ausführen. Von außen ist das Schloß völlig einfach,
1) Auch Lühke hatte diese Auffassung hier von jeher vertreten.
Freising
5
nur gegen die Johanneskirche ragt ein Turm empor, der oben achteckig und
mit einem Kuppeldach geschlossen ist. Gegen die Stadt hin an der Nordseite
ist ein einfach rechtwinkliger Erker ausgebaut. An der ostwärts schauenden
Hauptfassade sah man Spuren einer leider seit einiger Zeit übertünchten kräftigen
Bemalung, imitiertes Quaderwerk in grauen Tönen, unter den Fenstern barock
gestaltete Schilde, über denselben mannigfach variierte Krönungen von Blattwerk
und Masken, Voluten und Muscheln in großer Abwechslung. Dies alles übrigens
vom Ende der Epoche. Auch das Portal, das sich im gedrückten Rundbogen
Abb. 1 Hallen des Ecsidenzschlo,s.ses zu Freising
(Nach Baudenkmale Bayerns)
Öffnet, war mit gemalten Bändern und Rosetten geschmückt. An der Südseite
zieht sich eine geschlossene Terrasse hin, die in ihrer hohen Lage am südlichen
Kamm des Hügels einen herrlichen Blick über die grünen, von der Isar durch-
zogenen Wiesengründe gewährt. Am Horizont gewahrt man die Türme Münchens
und dahinter die großartige Linie der Alpenkette, die das schöne Bild abschließt.
Das Hauptportal führt durch einen Torweg in einen ungefähr quadratischen
Hof von mäßiger Ausdehnung. Den beiden vorderen Flügeln des Baus an der
Eingangsseite und zur Rechten, also dem östhchen und nördhchen, sind Arkaden
auf schweren Pfeilern vorgelegt, mit weit gespannten Bögen, in denen Mittelalter
und Renaissance wunderlich sich mischen. Drei Treppen in rechtwinldig ge-
brochener Anlage mit Podesten führen aus der unteren Halle hinauf, die erste
gleich beim Eingange und die dritte in der Mitte des Nordflügels in das Haupt-
geschoß, die zweite in der einspringenden Ecke der beiden Flügel zu einem
hohen Erdgeschoß. Das Merkwürdigste ist indes nicht sowohl diese Anordnung,
als vielmehr der seltsame Stil der den oberen Stock begleitenden Galerie (Abb. 1).
Hier bilden sich nämlich abwechselnd auf kurzen Säulchen oder Pfeilern am
6
2. Buch Die Bauwerke XL Kapitel Bayern
östlichen wie am nördlichen Flügel je fünf Arkaden mit Stichbögen, deren Profil
in mittelalterlicher Weise aus Kehle und Rundstab besteht. Sämtliche Pfeiler
und Säulen, mit einer gewissen Opulenz aus rotem Marmor gebildet, zeigen ver-
schiedene Behandlung, die zwischen Gotik und Renaissance schwankt und den
letzteren Stil offenbar nur aus dunklen Quellen kennt. Man sieht die wunder-
lichsten Spielereien, in denen mißverstandene antike Formen mit mittelalterlichen
Formen und Gewohnheiten um die Herrschaft ringen. Die Pilaster oder Pfeiler
haben an den Schäften hübsche Flachornamente im frühesten Stil der Renaissance.
Das alles zeugt von einem provinzialen Meister, dessen Stilkenntnis etwa auf der
Höhe von Urs Graf und ähnlichen auf der Grenze des neuen Stiles stehenden
Künstlern sich bewegt. Sein Steinmetzzeichen und das Monogramm Ä P hat er
an einem Pfeiler eingegraben. Eingefaßt wird die obere Galerie durch eine derbe
Balustrade, ebenfalls von rotem Marmor. Im nördlichen Flügel haben die oberen
Arkaden gotisch profilierte Rippengewölbe. ^)
Im Innern sind aus späterer Zeit zwei schöne Säle im Erdgeschoß des Süd-
flügels bemerkenswert, wegen der trefflichen Ausbildung ihrer Gewölbe, die ganz in
Stuck in jenen späteren Renaissanceformen dekoriert sind, von denen ich oben
bereits sprach. Ein reiches Stuckgesimse umzieht in der Kämpferhöhe den ganzen
Raum mit Einschluß der tiefen Fensternischen. Mit Engelköpfchen geschmückte
Konsolen bilden sodann die Ausgangspunkte der Gewölbrippen oder vielmehr
flacher Rahmen, die sehr elegant profiliert und mit Perlschnur, Eierstab und
ähnlichen Formen geschmückt sind. Die Grundform der Decke bildet das Kreuz-
gewölbe, in der Mitte ein vollständiges, an beiden Seiten ein halbiertes. Die
einzelnen Kappen sind durch schön eingerahmte Felder in verschiedenartigen
Formen geschmückt, die kleineren mit geflügelten Engelköpfchen ausgefüllt.
Trotz dicker Übertünchung, welche die Feinheit der Glieder nur noch erraten
läßt, ist der Eindruck des Raumes bei 6 m Breite und doppelter Länge ein
höchst vornehmer.'^) Ein zweiter ebenso großer Saal hat ein Gewölbe von ähn-
licher Behandlung, aber anderer Einteilung, etwas weniger reich, aber nicht minder
ansprechend.
Im Hauptgeschoß liegt auf der nordöstlichen Ecke, von dem bereits er-
wähnten Turm überragt, die Kapelle. Ein quadratischer Raum mit einer Art
kurzer Kreuzarme, durch kannelierte Pilaster gegliedert, dazwischen Bogennischen
und Muschelfüllung. Darüber eine Kuppel mit den Stuckreliefbildern der Evan-
gelisten in den Zwickeln, in der Mitte dem des Salvators. Die architektonischen
Details sind in trefflicher Durchbildung in Stuck kräftig durchgeführt, die Gurt-
bögen und die übrigen Gewölbflächen haben elegant komponierte Ranken und
Kartusch-Ornamente. Der prachtvolle Altar, offenbar gleichzeitig mit der übrigen
Dekoration, trägt die Jahreszahl 1621.^)
Einige Ausbeute gewährt außerdem der Dom. Schon die ursprüngUche Anlage
ist von einer bis jetzt wenig gewürdigten Bedeutung. Die stattliche romanische
Basilika mit ihrer großartigen Krypta steht nämlich westlich mit der alten Tauf-
kirche St. Johannes durch spätere Arkaden in Verbindung — wie es in verwandter,
aber altertümlicherer Weise die Stiftskirche zu Essen zeigt ; anderseits sind von
der Johanneskirche auch Arkaden nach der noch weiter westlich liegenden Resi-
denz hingeführt. An der Ostseite wird der Dom ähnlich wie der Hildesheimer
durch einen Kreuzgang umfaßt, der freilich modernisiert ist, doch durch zahlreiche
Grabdenkmäler Interesse gewährt. Das östliche Ende dieses Kreuzganges wieder
bildet der sogenannte alte Dom, eine kleine, in gotischen Formen umgebaute
Basilika mit polygonem Ghorschluß. Der Eingang der Kapelle wird durch ein
1) Abgeb. in Bau- und Kunstdenkmäler Bayerns, I., Taf. 45, 46.
2) Abgeb. das. Taf. 45. 3) Abgeb. das. Taf. 46.
Freising Landshut
7
Eisengitter aus der Renaissancezeit geschlossen. Mehrere Grabsteine sind nicht
eben durch künsterische Bedeutung, wohl aber durch frühes Auftreten der Renais-
sance von Interesse. Die ersten noch schüchternen Spuren des neuen Stiles zeigen
sich am Grabstein des Kanonikus Kaspar Marolt (f 1513). Die Nischen rund-
bogig, die Pilaster im Charakter der Renaissance, während die Bekrönung noch
gotisches Laubwerk enthält. Plumpe Renaissancerahmen mit geschweiften
Kandelabersäulchen findet man daneben an dem kleinen Grabstein des Petrus
Kalbsohr vom Jahr 1521. Das Monogramm A P deutet auf den Meister der Ar-
kaden des Residenzhofes.i) Aus demselben Jahre der Grabstein des Paulus Lang
mit Putten und Delphinen ganz in Renaissancegeschmack, aber ebenso schwer,
wohl von der Hand desselben Meisters.
Im Dome selbst haben sämtUche Seitenkapellen Eisengitter der Hoch-
renaissance von einer Schönheit und Phantasiefülle, wie sie nicht leicht ander-
wärts gefunden wird. Der Hochaltar ist ein Prachtstück des beginnenden barocken
Geschmackes. Ebenso die Kanzel, reich geschnitzt und vergoldet, mit hohem
phantasievoll komponierten Schalldeckel. Beide Werke sind 1620—24 unter Bischof
Veit Adam ausgeführt, ebenso die Gitter der Kapellen und Seitenschiffe.
Landshut
Die Stadt Landshut hat schon früh durch die Residenz der bayrischen Her-
zöge eine gewisse Bedeutung gewonnen. Bereits im 13. Jahrhundert wird die
Trausnitz auf dem steil die Stadt überragenden Hügel zu einer mächtigen Burg-
anlage ausgebildet, von deren künstlerischer Entwicklung später die Rede sein
wird. Unten in der Stadt erbauten sich aber zur Zeit der aufblühenden Renais-
sance seit 1536 die Herzöge Wilhelm IV., Ludwig und Ernst eine prachtvolle
Residenz, die schon 1543 vollendet war.') Es ist eins der merkwürdigsten,
frühesten und vollkommensten Monumente der Renaissance in Deutschland, von
deutschen Meistern in einem noch schwankenden Stil begonnen, dann aber von
Italienern im ausgebildeten Stil ihrer Heimat vollendet. Wenn man in der Haupt-
straße der malerischen alten Stadt an der nüchternen, aus späterer Zeit her-
rührenden Fassade vorbeigeht, känn man nicht ahnen, welche Pracht dahinter
sich birgt. Aber ein alter Stich 3) zeigt uns die ursprünghche äußere Erscheinung
des Bauwerks, über einem hohen, mit kleinen Fenstern und drei Portalen durch-
brochenen Erdgeschoß einen dreistöckigen Bau, in der Mitte noch durch einen
höheren Aufbau turmartig überragt. Die Fenster mit ihren verschiedenen Be-
krönungen, der reiche Fries des Kranzgesimses, die Rahmenpilaster an den Ecken,
endlich seltsame, mehrfach gegürtete Rundsäulen und der Flachbogen des Haupt-
portals geben den Eindruck einer noch unsicheren Frührenaissance. Tritt man
durch das jetzige Portal ein, so befindet man sich in einem Vestibül (A in Abb. 2),
aus dem zu beiden Seiten ziemlich steil aufsteigende schmale Treppen ins obere
Geschoß führen, und das sich dann zu einer stattlichen Halle B erweitert, deren
Kreuzgewölbe auf roten Marmorsäulen ruhen. Dieser ganze Vorderbau muß das
Werk "eines deutschen Meisters sein, der hier seine unitalienischen Vorstellungen
von Renaissance ausgedrückt hat. In der Tat erfahren wir*), daß diese Teile von
den Meistern Mklas Überreiter und Bernhard Zwitzel, einem Schüler des B. Engel-
berger von Augsburg, herrühren. Die Säulen zeigen eine freie Art von Kom-
posita-Kapitell und wenig regelrichtige runde Sockel, wozu dann noch die profi-
1) Abgeb. in Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern, I., Taf. 43.
2) Aufn. von C. Graef in Ortweins Gesch. d. Ren. XXI. Abteil. Heft 2—6.
3) In Mich. Wening historico-topogr. descript. etc. MDCCXXIII. —
4) Sighart, Bayr. Kunstgesch. S. 682.
8 2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Herten Gewölbrippen kommen. Die künstlerische Gestaltung und Durchbildung
dieses Teils ist dabei doch sehr anziehend.
Tritt man dann aber in den großen ungefähr quadratischen Hof G. so
ändert sich plötzlich der Eindruck, und man glaubt sich in einen großartigen
Palasthof Itahens versetzt (Abb. 3). Auf drei Seiten fassen gewaltige Hallen
DFG von dorischen
Marmorsäulen den
Hof ein, rechts und
links mit Kreuz-
gewölben gedeckt,
an der Rückseite mit
korbförmigem Ton-
nengewölbe, in wel-
ches Stichkappen
einschneiden. Diese
letztere Halle ist von
besonders stattlicher
Anlage, an beiden
Enden mit Halbkreis-
nischen geschlossen,
die Gewölbe mit fei-
nen Profilen in Stuck
gegliedert und durch
größere und kleinere
Gemälde mythologi-
schen Inhalts ge-
schmückt, die Halb-
kuppeln der Nischen
in Rautenform ge-
teilt, in den Feldern
feine Relief figürchen
antiker Götter, ton-
farbig hell auf brau-
nem Grunde, das
Ganze von heiterster
Wirkung. Die Ober-
wände der Hoffassaden sind durch schlanke korinthische Pilaster von großem
Maßstabe eingeteilt, welche das Hauptgeschoß mit seinen hohen Fenstern
und ein kleines Halbgeschoß darüber zusammenfassen. Die Fenster haben
strenge Bildung in italienischer Hochrenaissance mit abwechselnd geraden
und gebogenen Giebeln. Das Ganze zeugt von der Hand eines italienischen
Architekten der schon strengen Richtung, welcher die SanmicheH, Vignola,
Palladio angehören. Der Kontrast mit dem Vorderhaus könnte nicht größer
sein. Wirklich wurden während des Baues neue Meister, Sigmund Walch und
Antonelli, zur Fortführung des Angefangenen herbeigezogen, und diese be-
riefen noch andere Meister aus Mantua, aus der Schule des Giuho Romano:
Bartolommeo, Francesco und Benedetto mit 27 Maurern, während bereits die
Steinmetzen Nicola Beora, Bernardin, Caesar, Samarina, Victor und Zemin,
sämthch aus Itahen, verwendet waren. Es ist also eine ganze Kolonie von
Itahenern, von denen hier die Renaissance ausgeht. In welchem Verhältnis
die Fremden zu den Einheimischen standen, erkennt man daraus, daß der
deutsche Steinmetz wöchentHch einen, der Italiener monatHch zehn Gulden er-
Abb. 2 Grundriß der Neuen Eesidenz zu Landshut
Landshut Eesidenz
9
hielt. Trotz der Niedrigkeit der Löhne kam der Bau doch auf 52635 Gulden
zu stehen.^)
Das ganze Innere des Baues, der völlig im Charakter italienischer Stadt-
paläste durchgeführt ist, zeigt dieselbe Behandlung, und zwar die Hand durchweg
sehr tüchtiger Künstler. In der Hauptachse liegt eine Durchfahrt E, die auf eine
der Hauptstraße parallel laufende Gasse führt. Sie ist mit Tonnengewölbe be-
deckt, das durch achteckige Kassetten gegliedert wird. Das Erdgeschoß hat eine
Anzahl ansehnlicher Zimmer, sämtlich gewölbt und mit Malerei und Stukkatur
verziert. Weit größer ist die Pracht und der künstlerische Aufwand in den Räumen
Abb. 3 HoJ der Xoucn Residenz zu Landshut
(Nach Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance)
des oberen Hauptgeschosses. Man gelangt dahin entweder über die beiden Treppen
des Vorderhauses oder auf einer breiten in Backstein mit sehr niedrigen Stufen
aufgemauerten Treppe, die aus der hinteren Halle rechts emporführt. Ich kann
nicht in alle Einzelheiten eingehen; nur so viel sei bemerkt, daß es sich hier
um eine Schöpfung handelt, die, jenseits der Alpen gelegen, sich längst hohen
Ruhms erfreuen würde, während sie in Deutschland immer noch gar wenig be-
kannt ist. Nur dies noch: alle oberen Gemächer sind gewölbt, die Decken in
niannigfacher Weise geteilt, mit den elegantesten Ornamenten in Stuck gegliedert,
die Felder in Fresko ausgemalt, das Ganze im vornehmsten Stil der italienischen
Hochrenaissance, eine künstliche Südfrucht auf nordischem Boden. Die kleine
quadratische Kapelle im linken Flügel sei vor allem erwähnt, mit kuppelartigem
Gewölbe, die Wände mit einer Komposita-Ordnung von Säulen und Pilastern
1) Geschichte Landshuts von Mehreren, Landshut 1835, S. 166 Note.
10
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayeru
elegant gegliedert, die Friese und Deckenflächen mit trefflicher Stuckdekoration.
Besonders der Hauptfries mit Akanthusranken, in denen Engel spielen, ist von
schöner Erfindung und Ausführung. Das Prachtstück ist aber der große Saal
an der Rückseite des Hofes, von vornehmsten Verhältnissen, etwa 81/2 Meter breit
und doppelt so lang (Abb. 4). Die Wände sind mit ionischen Pilastern, deren
Kapitelle sparsame Vergoldung zeigen, gegliedert. Zwischen ihnen sind Medaillons
mit feinen mythologischen Reliefs angeordnet, Taten des Herakles und anderes dar-
stellend. Die Wände sind jetzt wieder im ursprünglichen Marmorton hergestellt,
die Malereien aber offenbar früher einmal erneuert, nur der große Fries sowie
das Gewölbe zeigen die ursprüngliche Ausstattung. Und von welcher Schönheit !
Namentlich der Fries gehört ohne Frage zu den köstlichsten Schöpfungen
der Renaissance. Man liest an ihm in großen goldenen Buchstaben den bekannten
Satz: „Goncordia parvae res crescunt, discordia maximae dilabuntur." Diese
Buchstaben werden in entzückendem Spiel von mutwilligen gemalten Putten
gehalten, das Ganze blüht in einem Reichtum der Erfindung, einer Fülle des
Humors, daß wohl nie ein anmutigerer Kinderfries gemalt worden ist. Darüber
spannt sich im Korbbogen das Gewölbe mit edler Kassetten-Einteilung. In den
großen achteckigen Hauptfeldern sieht man in Fresko die berühmtesten Männer
des klassischen Altertums von Homer an; an den beiden Schildwänden des
Saales sind die Künstler Zeuxis, Phidias und Praxiteles dargestellt, zu denen
sich noch Archimedes gesellt. In den kleineren Feldern der Decke sind grau
in grau friesartige Szenen aus dem klassischen Altertum gemalt, als Einrahmung
dient ein blauer Grund mit goldenen Bändern und Schleifen durchzogen, darin
auf kleinen Medaillons Kameen nachgeahmt sind. Die innere Umrahmung der
Hauptfelder endüch besteht aus vergoldeten Ornamenten und Gliederungen. Das
Ganze ist ohnegleichen in Deutschland. An der einen Tür des Saales liest man
die Künstlermonogramme PVS, darunter das F (wohl „fecit"); sodann LH.
Bezweckt die Dekoration, dieses Saales eine Verherrlichung des klassischen
Altertums, so klingt der hier angeschlagene Grundakkord in der Ausstattung
der übrigen Räume nach. So sieht man ein kleines quadratisches Badezimmer,
dessen Gewölbmalerei der Aphrodite und den ihr verwandten Gestalten gewidmet
ist ; in den Lünetten sind kleine antike Szenen auf landschaftlichem Grunde gemalt,
in den Stichkappen schwebende Liebesgötter, mit Benutzung der raffaelischen
Fresken in der Farnesina, alles im heitersten Stile; die Wände endhch mit
prächtigen Blumenteppichen bedeckt. Die Gemälde zeugen hier von etwas ge-
ringerer Hand, alle aber tragen gleich denen des Saales das Gepräge der Nach-
folger Raffaels.
Dieser reichen Ausstattung, die sich durch eine Reihe größerer Zimmer
fortsetzt, entspricht alles übrige. Die Kamine der Zimmer und die Türgewände
sind aus rotem Marmor in klassischen Formen gebildet. Auffallend ist die Klein-
heit sämtlicher Türen, auch derjenigen des Saales. Von hoher Schönheit sind
die Türflügel selbst, sämtlich mit Intarsien geschmückt, deren Ranken zum Feinsten
dieser Gattung gehören.
Etwas abweichenden Charakter zeigt die Dekoration der oberen Halle, die
im linken Flügel den Zugang zur Kapelle und die Verbindung zwischen Vorder-
und Hinterhaus vermittelt. Ihre gemalte Dekoration entspricht zwar dem übrigen,
aber die ebenfalls gemalten Fürstenbilder an den Wänden, wie das Ganze flott
und keck hingesetzt, zeugen von der Hand eines in der venezianischen Schule
gebildeten Künstlers. Das Datum ist hier 1536, während man im großen Saal
1542 best. Wir wissen, daß Hans Boxherger aus Salzburg von 1542—55 in der
Residenz gearbeitet, namentlich den Gang samt der Kapelle, ferner zwei Säle,
die Kanzlei und den Turm ausgemalt hat. Den Hauptsaal dagegen malten zwei
Landshut Residenz
11
Abb. 4 Saal der Neuen Residenz zu Landshut
(Nach Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance)
Künstler aus Mantua, darunter jener oben erwähnte Antonelli. Auch Ludivig
Rospinger aus München wird unter den Malern genannt.
12
2. Buch Die Bauwerke XL Kapitel Bayern
Abweichend von allen diesen Arbeiten ist endlich der im zweiten Geschoß
des Vorderhauses liegende geräumige Saal, denn er ist niedrig nach nordischer
Weise und mit einer Holzdecke versehen, die für sich allein ein Kunstwerk hohen
Ranges bildet. Abwechselnd auf größeren und kleineren Konsolen ruhend, die
als prächtiges Gesims den Saal umziehen, ist die Decke in sehr feinem flachen
Profil gehalten, um nicht zu schwer auf dem niedrigen Räume zu lasten. In
vierzig große quadratische Felder geteilt, acht der Länge, fünf der Breite nach,
die durch schmale längliche Füllungen getrennt werden, hat sie in sämtlichen
Flächen herrliche Intarsien, helle Zeichnung auf dunklem Grunde, jedes Feld in ab-
weichender Komposition, voll Phantasie und unerschöpflicher Erfindung. Muschel-
und Rollwerk mischt sich mit Rosetten, Rankengewinden und anderem Blatt-
ornament. Der Charakter deutet auf den Ausgang des 16. Jahrhunderts. Am
schönsten sind die Pflanzenornamente der schmalen länglichen Felder.
Endlich ist noch der Fassade zu gedenken, welche die Rückseite des Palastes
bildet (Abb. 5). Sie macht mit der schlichten Rustika des Erdgeschosses und den
hohen, zum Teil gekuppelten
dorischen Pflastern, weichein
ihre große Ordnung die bei-
den oberen Stockwerke ein-
schließen, den Eindruck der-
selben schon stark zum Nüch-
ternen neigenden Behand-
lung, die auch in den Hof-
fassaden vertreten ist. Der
ganze Bau ist in Stuck aus-
geführt.
Im übrigen hat die Stadt
außer der sehr ansehnlichen
Jesuitenkirche, die sich
aber als eine fast getreue
Nachbildung der Münchener
Michaeliskirche erweist, nicht
viel Bemerkenswertes aus
dieser Epoche. Das Bezirks-
amt neben der Martinskirche
ist mit seinen schweren Ar-
kaden auf stämmigen selb-
ander durch Architrave ver-
bundenen Pfeilern, seinen mit
Giebeln bekrönten Fenstern,
seinem großen gewölbten
Vestibül und Treppenhaus
ein Bau von ähnlicher streng
klassischer Richtung. Da-
gegen vertritt das gegenüber-
liegende ehemalige Land-
schaftshaus, jetzige Post-
gebäude, mit seinen pracht-
vollen Fassaden-Fresken den heiteren Charakter jener oberdeutschen Fassaden,
welche ihren Schmuck ausschließlich durch die Malerei erhielten. Die architek-
tonischen Glieder in den derben Formen der späten Renaissance sind hell gehalten;
in drei Reihen zwischen den Fenstern vollfarbig gemalte Statuen bayrischer Fürsten
Abb. 5 Rückfassade der Neuen Residenz zu Landshut
Landshut Trausnitz
13
in dunkelbraunen Nischen; unter den Fenstern bronzefarbige Medaillons mit rö-
mischen Kaiserbüsten; über den Fenstern Gestalten von Tugenden: das Ganze
reich und harmonisch. Als „Visierer" des Landschaftsgebäudes wird 1597 H. Pach-
mat/r genannt; die Herzogsbilder der Fassade malte 1599 H. G. Khnanft.
Sonst ist auch der anziehenden Putzfassaden vieler Häuser zu gedenken,
deren Giebelfronten durch eigenartige gequaderte Musterungen in Stuck belebt sind.
Dies alles aber überragt weit an Wichtigkeit die
Trausnitz
Die alte Veste erhebt sich auf einem steil an der Südseite der Stadt Landshut
aufsteigenden Hügel, Zu ihren Füßen breitet sich nordwärts die Stadt, deren
riesiger St. Martins- Kirchturm mit der Höhe der Burg wetteifern zu wollen scheint,
während südwärts der Blick über das lachende grüne Isartal bis zu den Firnen
der bayrischen Alpenkette schweift. Die Anlage der Trausnitz reicht bis in das
frühe Mittelalter zurück. Spuren des spätromanischen Stils erkennt man außen
an den sich durchschneidenden Bogenfriesen der beiden Rundtürme, die den Ein-
gang flankieren, sowie drinnen an der Kapelle mit ihren trefflichen Skulpturen
aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts. Der ganze Bau mit seiner unregelmäßigen
Form datiert aus den verschiedensten Zeiten. Alle Epochen des Mittelalters wie
der Renaissance haben an ihm gearbeitet.
Abb. 6 Erdgeschoßgrundriß der Burg Trausnitz bei Laiidshut
Kommt man von der Stadt auf steil ansteigendem gewundenen Fußpfade
zur Burg hinauf, so bietet sich in A (Abb. 6) der von zwei vorspringenden halb-
runden Türmen flankierte Haupteingang.^) Dies sind wahrscheinlich Teile des
Baues von 1204, da man die einfache Warte Trausnitz in eine eigentliche Burg
1) Vgl. die Aufnahme von C. Graef a. a. 0. Heft 1 und 6.
2) Beide Grundrisse verdanke ich gütiger Mitteilung des Herrn Baurats Schmidtner
in Landshut.
PiinilHIlRiHlHl
14
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
umwandelte, in der in demselben Jahre Herzog Ludwig seine Vermählung feierte.
Die Burg folgt in ihrer unregelmäßigen Anlage dem Kamme der steil gegen die
Stadt abfallenden Hügelkuppe. Die vordere Ecke bildet der mächtige Wittels-
bacher Turm G, den Aufgang zur Burg beherrschend. Tritt man durch die
mit gotischen Sterngewölben bedeckte Eingangshalle in den großen unregel-
mäßigen Hof B, so hat man vor sich die beiden Hauptflügel des Schlosses, die
zuerst die Wohn- und Festräume enthielten. Hier finden sich vor allem die jetzt
als Archiv dienenden Räume H und I, ursprünglich wahrscheinlich ein einziger
Abb. 7 Hof der Burg Trausnitz bei Landshut
Saal, die sogenannte Türnitz, deren Decke auf achteckigen Pfeilern mit gotischen
Spitzbögen ruht. Nach der Südseite gewähren zahlreiche Fenster und zwei vor-
gebaute Erker einen prächtigen Blick weit über das Land. Davor legt sich der
später hinzugefügte sogenannte italienische Bau K mit der Narrentreppe L. Nach
dem Hofe dagegen sind mehrere Nebenräume, auf der Ecke die Wendeltreppe Q
angelegt; ein direkter Zugang zum Saale wird durch eine Vorhalle vermittelt.
Eine ähnliche Vorhalle N führt zu der alten Schloßkapelle 0 mit prächtigem
Altar und Lettnerbau und der Empore für die Herrschaft, die durch eine kleine
Wendeltreppe zugänglich ist. In P liegt die alte Sakristei. An die Kapelle stößt
sodann der mächtige Saal M mit gewaltigen spitzbogigen Kreuzgewölben; die
breiten Gurten und Rippen ruhen auf achteckigen Pfeilern. Die übrigen Räume
sind für Dienstzwecke errichtet ; in E ist die Küche, durch den Gang G mit dem
Hauptbau verbunden. In D sind Wohnungen für Bedienstete, in F ist das Brunnen-
haus mit dem bis auf die Talsohle reichenden Ziehbrunnen. Die beiden oberen
Geschosse des Hauptbaus sind in beiden Flügeln mit offenen Arkaden umzogen,
deren gedrückte Bögen auf Pfeilern mit dorischen Pila^tern ruhen (Abb. 7). Dieser
Vorbau samt dem Treppenhaus, mit R auf unserm Grundriß angedeutet, wurde
seit 1578 hinzugefügt. Obwohl formal von geringem Wert und nur in Stuck aus-
geführt, macht das Ganze mit dem offenen Stiegenhaus und den weitgespannten
Bögen der Galerien doch einen malerischen und stattlichen Eindruck.
Landshut Trausnitz
15
Das obere Hauptgeschoß (Grundriß Abb. 8) hat über der Türnitz die Haupt-
räume; in E und F die Zimmer der Herzogin, besonders das erstere durch den
Erker einen herrlichen Blick auf die Landschaft bis zu den fernen Alpen ge-
während, in D den großen Speisesaal, dessen Decke durch zwei hölzerne Stützen
getragen wird. Von da gelangt man durch den Verbindungsraum G in den Thron-
saal H und das Nebenzimmer I, das wieder direkt und durch das Vorzimmer M
mit dem italienischen Anbau K und der Narrentreppe L zusammenhängt. Durch
den Gang N stehen diese herrschaftlichen Wohnräume mit der Fürstenempore in
der Kapelle 0 in Verbindung. Die offene Galerie A führt sodann in den Speise-
saal P, von da in Wohnräume, der mittlere mit einem Erker nach außen. Von
der Galerie B ist erst in späterer Zeit der Raum C abgetrennt worden. Ein be-
sonderer Aufgang zu den Zimmern der Herzogin war aber durch die Wendel-
treppe Q hergestellt. Alle übrigen Räume von R bis Z waren für Wirtschafts-
zwecke vorbehalten. Der zweite minder reich geschmückte Stock wiederholt im
wesentlichen die Einteilung des ersten.
Abb. 8 Grundriß des ersten Stockes der Burg Trausnitz bei Landshut
Daß die künstlerische Ausstattung der Burg verschiedenen Zeiten angehört,
erkennt man nicht bloß aus dem Charakter ihrer Kunstwerke, sondern auch
aus einer Reihe von Inschriften. Die Jahreszahl 1529 mit dem Namenszug Herzog
Ludwigs trägt der kolossale eiserne Ofen in der Türnitz, der in den Ornamenten
noch zwischen Mittelalter und Renaissance schwankt. Die volle Frührenaissance
mit ihren zierlichen Formen tritt an dem Kamin des Turniersaales im oberen
Stockwerk mit der Jahreszahl 1535 hervor. Dann folgt in der Reihe ein höchst
zierliches Werk des Erzgusses, der Eimer mit eleganten Ornamenten, Masken
und Rankenwerk in dem Ziehbrunnen des Hofes. Man liest auf ihm : Lienhardt
Peringer goß mich zu Landshut als man zalt 1558 Jar. A, H. J. P. (Albrecht
Herzog in Paiern). Der Hauptteil der dekorativen Ausstattung gehört aber
den Jahren 1576 bis 1580 an, denn diese Zahl liest man wiederholt in den
Sälen des Hauptgeschosses. Es sind also die Regierungen Albrechts V. und
16
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Wilhelms V., die hier vorzugsweise tätig waren. Die Galerie mit dem Treppen-
haus ist um dieselbe Zeit, 1578, entstanden. Einiges, durchweg gröber und
kunstloser ausgeführt, datiert erst von 1675, aus den Zeiten des Kurfürsten
Ferdinand Maria.
Abb. 9 Arbeitszimmer der Her/.ogiu in der Burg Trausnitz bei Landshut
Ich gehe hier nur auf die Arbeiten aus den siebziger Jahren des 16. Jahr-
hunderts ein, die den Kern der künstlerischen Ausstattung bilden. Diese beschränkt
sich auf die Zimmer des Hauptgeschosses, zu jener Zeit offenbar die Wohn- und
Empfangsräume der Herzöge. Während die Gemächer des darüber Hegenden Stock-
werks ganz mit Holz verkleidet sind, sowohl getäfelte Wände, als auch hölzerne
Decken zeigen, letztere mit trefflicher Einteilung und markiger Profiherung, sind
die Säle des Hauptgeschosses vollständig auf Malerei angelegt, so daß nicht bloß
die Wände ganz mit Gemälden überzogen sind, sondern auch die flach gehalte-
nen Decken farbige Dekoration tragen. Die Gemälde sind auf Holz gemalt oder
auf Leinwand ausgeführt, welche teppichartig die Wände bekleidet, leider jetzt
großenteils im Zustande grausamer Zerstörung. Wir haben hier also ein drittes
System von Ausstattung der Räume: in der Residenz zu Landshut gewölbte
Decken mit Stukkatur und Fresken, die Wände ebenfalls zwischen plastischer
und gemalter Ausstattung geteilt; in der Münchener Residenz (um dies hier vor-
auszunehmen) die Wände auf Teppiche berechnet, die Decken mit Ölgemälden
in vergoldeten Rahmen, dazu plastische Dekoration an den verbindenden Friesen
und Wölbungen; endHch in der Trausnitz, abgesehen von den vollständig auf
Holztäfelung berechneten Räumen, eine Ausstattung der Hauptgemächer, bei
welcher alles in die Hände der Malerei gelegt ist. Sie trägt im ganzen das Ge-
präge der gleichzeitigen italienischen Dekorationsmalerei, wie denn die ausführen-
Landshut Trausnitz
17
den Künstler offenbar in Italien ihre Studien gemacht haben. So weit geht die
Alleinherrschaft der Malerei, daß sogar die Türen und ihr Rahmenwerk, mit
Ausschluß jeder plastischen Gliederung, nur mit gemaltem Schmucke versehen
sind; höchstens hier und da an den Decken die kleinen Rosetten (wo nicht etwa
auch die Decken Bildschmuck zeigen) bieten mit ihrer Vergoldung einen Ruhepunkt.
Dies ist aber des Guten gar viel, und das Auge sucht häufig vergeblich nach
kräftigeren Formen rhythmischer Teilungen. Von dem Charakter der Dekoration
wird am besten die beigefügte Abbildung (Abb. 9) eine Anschauung geben. Im
allgemeinen bewegt sich die Malerei in hellen heiteren Tönen, die großen Haupt-
bilder werden durch gemalte Streifen und Friese eingefaßt, welche meistens auf
hellem Grunde leichte Ornamente im Stil antiker Wanddekoration zeigen. Zum
Besten gehört das Audienzzimmer, dessen Decke auf zwei Holzsäulen ruht. Zwar
sind die großen geschichtlichen Bilder an den Wänden, abgesehen von ihrer
starken Zerstörung, nicht gerade vorzüglich; aber die Wandstreifen enthalten auf
weißem Grunde geistreich ausgeführte Ornamente, und noch glänzender sind die
einfassenden Glieder der Decke, welche zwischen den neun großen Bildern ab-
wechselnd auf leuchtend rotem und weißem Grunde köstliche Ornamente zeigen.
Da aber die Malerei sich unaufhaltsam vom Fußboden bis zur Decke und selbst
über die letztere hin erstreckt, so fehlt auch hier jene planvolle Abstufung und
Gliederung, welche in sämtlichen antiken Wanddekorationen, namentlich den pom-
pejanischen, das Ganze bei allem Reichtum so maßvoll und ruhig erscheinen läßt.
Im einzelnen wird man indes auch auf der Trausnitz vieles Anziehende, ja Vor-
treffhche finden. Wie übrigens die italienischen Anschauungen eingewirkt haben,
erkennt man an manchen Stellen, so besonders in jenem Zimmer, an dessen Decke
man die vier Jahreszeiten in gut ausgeführten großen Bildern sieht. Die obere
Einfassung besteht hier aus einem kleinen Fries, winzige Figürchen auf weißem
Grund enthaltend, Phantastisches, sowie allerlei Karnevalsszenen und Masken-
scherze in geistreichster Leichtigkeit der Darstellung. Man sieht, es war die Zeit,
da die vornehme Welt Europas nach Venedig und Rom pilgerte, um den Karneval
in seiner ausschweifendsten Blüte mitzugenießen.
In ähnlicher Weise bietet die sogenannte Narrentreppe in ihren meister-
haft ausgeführten, leider unbarmherzig beschädigten Fresken die weltbekannten
Szenen der italienischen Komödie in fast lebensgroßen Gestalten voll Laune und
Übermut. Diese Treppe, die vom Erdgeschoß bis ins oberste Stockwerk hinauf-
führt und von unten bis oben mit Fresken bedeckt ist, gehört zu einem be-
sonderen Teile der Burg, der als italienischer Anbau bezeichnet wird. (L K in
unserem Grundriß.) Er enthält nur wenige kleine Zimmer, deren künstlerische
Behandlung sich völlig von der in den übrigen Räumlichkeiten herrschenden
unterscheidet. Hier ist nämlich die Malerei ausgeschlossen, mit Ausnahme der
eben erwähnten Treppe, alles dagegen in plastischer Gliederung mit wenigen
Farbentönen auf weißem Grunde durchgeführt. Damit hängt zusammen, daß
die Räume sämtlich mit Gewölben von mannigfaltiger Form und Einteilung
versehen sind. In einem Vorzimmer mit einfachem Tonnengewölbe beschränkt
sich die Farbe in den GHederungen auf ein kräftiges Blau, das mit Weiß
wechselt. In dem Hauptgemach, einem Kabinett von rechtwinkliger Form, das
Spiegelgewölbe mit Stichkappen hat, ist nicht bloß die Einteilung, sondern
auch die Ghederung und die Ornamentik überaus fein und schön, dabei mit
großem Geschick ausgeführt, wie denn zierliche Fruchtschnüre frei schwebend
die Hauptlinien markieren. Die Ornamente sind hier in tiefem Blau und Gold
auf weißem Grund. Es liegt hier offenbar ein gewollter Anklang an das Appar-
tement der Hofzwerge im prachtvollen Stadtpalast der Gonzaga (der Reggia) zu
Mantua vor.
L üb ke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 2
18
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß im Hauptgeschoß des ganzen
Baues große grünglasierte Kachelöfen mit Einsatzstücken von blauen Ornamenten
auf weißem Grunde aufgestellt sind; wahre Prachtstücke der süddeutschen
Tonplastik.
Als Urheber der prächtigen Dekoration wird uns zunächst der Niederländer
Friedrich Sustris genannt, der 1579 und 1580 in der Trausnitz malte; sodann
Alexander Siebenbürger, der schon 1564 — 78 an der Schneckenstiege und der
Ratsstube beschäftigt war, also jedenfalls die flotten Komödienszenen an der so-
genannten Narrentreppe ausführte. Auch der uns aus Augsburg bekannte Änt.
Ponzano hat hier gemalt. Leider sind sämtliche Teile dieser kostbaren Dekoration
durch die frühere fast beispiellose Vernachlässigung — König Ludwig I. haßte
bekanntlich als Kind seiner Zeit die ganze „Zopf-Kunst — , mehr noch durch
einen für Ludwig II. begonnenen neuen Ausbau im Stil der Gründerjahre traurig
verwüstet worden. Erst neuerdings ist für die Erhaltung der noch vorhandenen
Reste besser gesorgt.
München
Daß eine so lebensvolle, von Kraft und Frische strotzende Stadt, wie
München, in der Renaissancezeit keine bürgerliche Baukunst gehabt hat, die sich
mit den Denkmälern auch nur der Reichsstädte zweiten Ranges messen könnte,
liegt in den bereits geschilderten Verhältnissen begründet. In der Tat waren es
hier ausschließlich die Fürsten, welche die Kunst gepflegt und ansehnhche Bauten
errichtet haben. Eines der charaktervollsten Werke ist der alte Münzhof, von
dessen energisch behandelten Arkaden Abb. 10 eine Anschauung gibt.i) Es sind
in der Länge neun, in der Breite drei Arkaden in derber Rustika, weit gespannte
gedrückte Bögen, in zwei Geschossen auf kurzen stämmigen Säulen ruhend,
während das oberste, schlankere Stockwerk dürftige dorische Säulen zeigt. Im
Erdgeschoß haben die Säulen ionische Kapitelle mit kanneliertem Halse, im ersten
Stock korinthisierende. Mit Ausnahme des zweiten Stockes ist die Behandlung
eine ungemein kraftvolle und originelle in gediegenem Quaderbau. Die Säulen
des obersten Stocks bestehen aus rotem Marmor.
Zu den großartigsten Schöpfungen der ganzen Zeit aber gehört die durch
Wilhelm V. für die Jesuiten von 1582 — 97 erbaute St. Michaelskirche, ohne
Frage die vornehmste kirchliche Schöpfung der deutschen Renaissance. Der Bau
kostete nur in den letzten zehn Jahren seit 1587 die beträchtliche Summe von
131 344 Gulden. Ob ein Mitglied des Jesuitenordens bei Herstellung des Plans
mitgewirkt, wie man wohl gemeint hat, muß mehr als fraglich erscheinen. Schon
die technische und konstruktive Leistung ist hervorragend; aber auch die künst-
lerische Behandlung ist von einer solchen Feinheit der formalen Durchbildung,
daß nur ein praktisch wie künstlerisch auf höchster Stufe stehender Architekt
den Bau entworfen und geleitet haben kann. Als Meister wird zuerst der Steinmetz
Wolf gang Müller genannt, geboren 1537. Das Gewölbe vollendete er 1589 und
erhielt dafür eine Belohnung von 50 Gulden, was aber nicht hinderte, daß er
wegen Einsturz des Turmes acht Tage bei Wasser und Brot in den Falkenturm
mußte. Mehr als dieser aber kommt wahrscheinlich Friedrich Sustris in Betracht,
der nach dem Einsturz des Turmes den Chor verlängerte und ausbaute. Sodann
Wilhelm Eggl, 1585 entlassen, Wendel Dietrich von Augsburg, der in demselben
Jahre vorkommt und dem Gmelin die eigentliche Autorschaft zuschreibt ; sodann
der Italiener Antonio Valiente. Bei der Ausschmückung des Baues werden unter
1) Vgl. die photogr. Aufnahme von Bolhoevener in dem Prachtwerk : Münchener Eenais-
sance von Lor. Bauer, München 1878, Tafel 1.
München
19
andern die berühmten Bildhauer Hubert Gerhard und Peter Candid, der Maler
Hans Weinher und der Bildgießer und Architekt Hans Krimper genannt.
Das Innere (Abb. 11) ist von so außerordentlicher Schönheit und Groß-
artigkeit der Verhältnisse, dabei von einer so maßvollen Klarheit der Dekoration,
Abb. 10 Münzhof zu München
welche die Raumschönheit noch erhöht, daß selbst kein gleichzeitiger Bau in
Italien sich damit messen kann.^) Es ist ein einschiffiges Langhaus, mit einem
kolossalen Tonnengewölbe überdeckt, von Seitenkapellen begleitet, die zwischen
den stark vorspringenden Pfeilern eingebaut sind und über sich Emporen haben.
Ein Querschiflf in der Tiefe der Kapellen legt sich vor den Chor. Dieser wieder ver-
engt sich gegen die Kirche, ist um mehrere Stufen erhöht und schließt als halbes
Zwölfeck. Mit großer Meisterschaft ist die Beleuchtung so verteilt, daß das
hauptsächlich aus den Emporen und dem Querschiff einfallende Licht reiche Ab-
wechslung ergibt. Was aber dem Innern vor allen andern gleichzeitigen Kirchen-
bauten Italiens und der übrigen Welt einen hohen künstlerischen Vorzug ver-
schafft, ist die ungewöhnliche Feinheit der Dekoration. Statt des beliebten For-
tissimos, aus welchem die damalige Architektur mit den stärksten Mitteln, den
schärfsten Gegensätzen, den überladensten Formen ihre rauschende Musik zu-
1) Treff 1. photogr. Aufnahmen bei Bauer a. a. 0. Taf. 6 — 16. — Bau- und Kunstdenkm. d.
Königr. Bayern I Taf. 157 ff. Vor allem die Arbeit L. Gmelins in Seemanns Deutscher Renaiss.,
Abb. 18 Heft 2 — 3. Sodann Gmelin, Die Michaelskirche zu München (Bayrische Bibl. Band 16).
20
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Abb. 11 Inneres der Michaeliskirche zu München
sammensetzt, sind hier selbst für die Hauptglieder nur die bescheidensten Aus-
drucksmittel gewählt, gedoppelte Pilaster zwischen den Kapellen und den Em-
poren, die Flächen mit Statuennischen angemessen belebt, die Gesimse be-
scheiden profiUert, die ganze Dekoration in weißem Stuck bei sparsamer An-
wendung von Gold. Vor allem aber hat das gewaltige Tonnengewölbe eine un-
vergleichliche Leichtigkeit freien Schwebens, denn statt der schweren Kassetten,
die man den Gewölben damals zu geben liebte, ist es durch leichtes Rahmen-
werk in verschiedene größere und kleinere Felder geteilt und durch die von
den Pilastern aufsteigenden Gurten rhythmisch gegliedert. Die Mitte der größe-
ren Felder wird durch schöne Rosetten bezeichnet, dazu kommen an passenden
Stellen zarte Fruchtschnüre, endlich in dem ganzen Räume eine figürliche Deko-
München
21
ration, die in allen Abstufungen das Motiv von geflügelten Engelköpfen und
schwebenden Engelgestalten variiert. Den Glanzpunkt des Gewölbes bildet in
der Achse des Querschiffes der herrliche Kranz anbetender Engel, die hier gleich-
sam die Schwelle des Heiligtums bewachen. Endlich ist zu bemerken, daß alle
Glieder in feinster Charakteristik durch Perlschnur, Eierstab, Herzblatt, Welle
und ähnliche antike Formen aufs edelste belebt sind. Alle Hauptpilaster haben
Basen von rotem Marmor auf Untersätzen eines schönen grauen Marmors und
Bronzekapitelle. Die Gitter vor den Kapellen sind sämtlich in Schmiedearbeit
mannigfaltig und schön durchgeführt. Zwei elegante Bronzekandelaber stehen am
Eingang des Chores. Der Hochaltar ist ein in drei Stockwerken mit gekuppelten
Säulen pomphaft aufgebautes Werk des oben genannten Wendel Dietrich^ Kunst-
schreiners von Augsburg. Die herkömmliche Kunstgeschichte erklärt diese ganze
wunderbar feine Innenarchitektur in weißem Stuck kurzweg für italienisch. Es
muß aber wiederholt werden, daß sich in Italien bis jetzt kein unmittelbares
Vorbild dafür finden läßt, wie überhaupt dieser in ganz Bayern um 1600 sich
verbreitenden Richtung doch eine gewisse Selbständigkeit zugebilhgt werden
muß. Die Eigentümlichkeit, vor allem die Gewölbe aller Art durch feine Ein-
teilung in Feldern verschiedener Zeichnung zu überziehen, die Rippen und Kanten
durch verzierte Profile und Rahmen zu betonen, doch alles im zartesten Relief
zu halten, ist allerdings in der italienischen Frührenaissance wohl im Kern vor-
handen, wird aber doch vorwiegend durch Malerei bewirkt; die Felder sind über-
all dazu bestimmt, durch Gemälde oder farbige Ornamentik gefüllt zu werden, —
und für großartigere Wirkungen strebt man im Falle der Anwendung wirklich
plastischer Gliederung nach starker Wirkung durch tiefe Kassettierung und
Architektur-Gliederung. Bis zum Nachweise wirklicher Vorbilder in Italien muß
dieser bayrischen Dekorationskunst doch wirkliche Selbständigkeit zugesprochen
werden. Von maßvoller Pracht sind die Chorstühle, bis auf die spätere Rokoko-
bekrönung. Die vasenartigen Armlehnen mit Masken, die feinen korinthischen
Pilaster, am Unterteil der Schäfte reich ornamentiert, mit Engelköpfen, Laub- und
Blumengewinden, daneben die innere Umrahmung der Felder mit Flechtbändern,
die Flächen selbst mit Engelköpfen und Fruchtgehängen, darunter die Predellen
gleich den oberen Friesen mit Engelköpfen und Kartuscheschilden, endlich als
Abschluß die Muschelnischen, das ist ein Ganzes, wie man es von solcher Schön-
heit in dieser Spätzeit nur selten findet.^)
Die Fassade (Abb. 12) entspricht in ihrer kolossalen Massenhaftigkeit dem
einfach großartigen Charakter des Innern, jedoch ohne dessen Feinheit und An-
mut zu erreichen. Es ist ein Hochbau mit riesenhaftem Giebel, ebenso originell
und selbständig in der Anordnung wie das Innere. Auf die herkömmliche Gliederung
durch die in Italien gebräuchlichen Elemente der antiken Architektur hat der
Meister verzichtet bis auf mehrgeschossige feine Pilasterordnungen, die den unteren
Baukörper beleben; dazwischen Nischen mit Statuen von bayrischen Fürsten und
deutschen Kaisern. Zwei mächtige Portale von rotem Marmor in vortrefflichen,
leicht barocken Formen bilden den Eingang. Zwischen ihnen in einer Nische
die kolossale Bronzefigur des hl. Michael mit dem Drachen von Hubert Gerhard,
eines der Meisterwerke der Münchener Plastik jener Tage.^)
Das anstoßende Jesuitenkollegium, jetzt Akademie der Künste, ist
eine ausgedehnte, aber schlicht behandelte Anlage mit mehreren Höfen ; der erste
Hof mit dorischen Halbsäulen und Bögen, welche die Fenster im Erdgeschoß
einrahmen; die Fassade nach der Straße einfach in Stuck ausgeführt, im Erd-
geschoß Rustika und Portale mit dorischen Pilastern, die Fenster in den drei
1) Eine schöne photogr. Ansicht bei Bauer a. a. 0. Taf. 9. — Bau- und Kunstdenkmale T. 3.
2) Ansicht der Fassade, der Nische und zweier Portale bei Bauer a. a. 0. Taf. 2 — 5.
22
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
oberen Stockwerken ebenfalls schlicht umrahmt, nur im obersten Geschoß mit
durchbrochenen und geschweiften Bekrönungen. Eine vielleicht etwas trockene,
jedenfalls aber imposante Kaserne für die Mitglieder der soldatisch organisierten
Gesellschaft Jesu.
Ein in seiner Einfachheit höchst origineller und vortrefflicher Bau ist so-
dann die ebenfalls unter Wilhelm V. seit 1578 ausgeführte Wilhelmsburg, jetzt
unter dem Namen
Maxburg bekannt,
die Herzog WilhelriiV.
seit 1590 bewohnt hat.
Hier sind die Formen
auf das äußerste von
Schmucklosigkeit zu-
rückgeführt; die ganze
Dekoration der Fas-
sade beschränkt sich
auf eine Abwechslung
von drei verschiedenen
Tönen in flachstem
Relief, die trotzdem
eine gute und leben-
dige Wirkung machen.
Die beigegebene Abb.
13 mag dies näher ver-
anschaulichen. Nur die
Einfassungen der Fen-
ster sind von Stein,
alles übrige von Stuck.
Auch hier ist dies Ma-
terial also in einer
eigentümlichen und
selbständigen Art be-
handelt.
Das großartigste
Fürstenschloß der Re-
naissance in Deutsch-
land schuf erst Maxi-
milian I., indem er eine
frühere Burg der Her-
zöge in München, die
schon seine Vorgänger
in großem Maßstabe
auszubauen begonnen
hatten, zu dem glän-
zendsten noch jetzt in
seinen wichligstenTei-
len erhaltenen Residenzbau ausgestaltete.^) Das älteste der fürstlichen Schlösser
in München ist die Ludwigsburg oder der Alte Hof, von Ludwig dem Strengen
1253 erbaut und von Kaiser Ludwig nach dem großen Brande der Stadt 1327
1) J. Stockbauer und H. Otto in Ortweins D. Ren. XVIII. Abt. Dazu die schönen photogr.
Aufnahmen bei Bauer a. a. 0. Taf. 17 — 32. Vor allem aber das mustergültige Prachtwerk von
Seidel, Die Residenz zu München. Imp. Fol. Leipzig.
Abb. 12 Fassade der Michaeliskirche zu München
München
23
Abb. 13 Maxburg zu München
wieder hergestellt. Ein Teil der Hoffassade mit dem malerischen Erker reicht
noch in jene Zeit zurück; im Innern sind die trefflichen Balkendecken des Flurs
im oberen Stock und die auf die Wand gemalten Fürstenbildnisse noch Reste der
gotischen Epoche. Im Gegensatz zu dieser ältesten Burg errichtete Albrecht IV.
24
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
seit 1460 die sogenannte Neue Veste, die er mit Wällen, Gräben und Türmchen
versah. Zum Zeichen seines Kunstsinnes legte er in ihr eine Gemäldesammlung
an. In der folgenden Zeit erbaute Wilhelm V. die vorhin besprochene Wilhelms-
burg. Nach den Plänen und unter Oberleitung von Peter Gandid wurde dann der
neue Residenzbau durch die Werkmeister Heinrich Schön und Hans Reifenstiiel
von 1600 — 16 errichtet. Die Erzarbeiten goß wohl größtenteils nach Gandids
Entwürfen Hans Krumper; für die malerische Ausschmückung wurden Christoph
Schivarz, Virich Loth und andere Künstler herangezogen.^) Abb. 14 gibt den
Grundriß des Erdgeschosses, zu dessen Erklärung für die Hauptpunkte der An-
lage einige Andeutungen genügen mögen.
Bereits Albrecht V. hatte südwestlich der Veste ein Ballhaus, ein Gebäude
für seine Antiquitäten und eine Bibliothek erbaut. Der heutige schräg stehende
Brunnenhof (N unseres Planes), dessen Südwestseite das jetzt noch vorhandene
Antiquarium M bildete, bestand also damals bereits; auf der gegenüberhegenden
Seite war das Ballhaus mit einem Bogengang davor. Das Antiquarium war wohl
schon 1569 fertig. Seine herrhche dekorative Ausstattung datiert aus den Jahren
seit 1585. Bereits der Venezianer Ant. Ponzano, den wir aus Augsburg (Fugger-
haus) kennen, malte die Grotesken darin, dann seit 1588 Hans Thonauer An-
sichten aus Bayern. Seit 1578 hatten die Herzöge auch Häuser an der Schwa-
bingergasse gekauft, und Wilhelm V. erbaute an deren Stelle ein fürstliches Wohn-
gebäude, legte dann einen schönen Garten L (hinter dem heutigen Königsbau)
an, dazu ein Gebäude nach Plänen von Friedrich Sustris. In diesem haben wir
die Gebäude um den heutigen Grottenhof J zu sehen.
Der bedeutendste Fürst dieser Reihe, Kurfürst Maximilian, faßte den Be-
schluß, diese bestehenden Bauteile zu einem großartigen planmäßigen Ganzen
zu vereinigen, indem er den gewaltigen Kaiserhof D hinzufügte und durch den
Küchenhof Q auch die neue Veste anschloß, zugleich dem Ganzen längs der
Schwabinger Gasse (Residenzstraße) eine einheitliche Front gab (A B). Auch der
Hofgarten mit seinen Arkaden entstand damals.
Ganz offenbar folgte hier der kunstsinnige Maximihan dem Beispiel italie-
nischer Fürsten. Ganz besonders mag hier das Vorbild Mantuas und der Gonzaga
eingewirkt haben, deren herrliche Stadtresidenz, die Reggia, noch heute einen
ganzen Stadtteil bildet. Deren fast unübersehbare Folge prachtvollster RäumHch-
keiten um zahlreiche Höfe fand damals, außer im Vatikan, kaum ihresgleichen
und genoß gerade bei deutschen Fürsten besondere Bewunderung. Auch Herzog
Friedrich I. von Württemberg verfehlte bei seiner Itahenfahrt 1599 nicht, Mantua
zu besuchen und gebührend zu bewundern. — Die Münchener Residenz aber war
in ihren Glanzzeiten der mantuanischen in gewissem Sinne als ebenbürtig zu
betrachten, die ja auch das alte Kastell aus dem Mittelalter in ihren neuen
Komplex einbezogen hatte.
Die neue Hauptfassade, nach Westen gekehrt, wird durch die beiden Pracht-
portale bei A und B hinreichend als solche bezeichnet. Ein drittes Hauptportal
liegt an der Nordseite bei G, im Äußeren einfach behandelt und bei weitem nicht
so prachtvoll ausgestattet wie jene, aber auf das großartige Kaiservestibül und
die Kaisertreppe E führend, wodurch die unmittelbare Verbindung mit den Wohn-
und Prachträumen bewirkt ist. Die Art, wie der Architekt mit Rücksicht auf
die damals noch vorhandenen Teile der älteren Burg (bei R im nordösthchen
Flügel) den Bau angelegt und durchgeführt hat, verdient Bewunderung. Gerade
diese Teile sind leider durch die Neubauten unter König Ludwig durch Klenze
umgestaltet worden, und es ist jene kolossale aber nüchterne Nordfassade gegen
den Hofgarten entstanden, welche dem Hofe Q einen rechtwinkeligen Abschluß
1) München von R. und G. Margraff S. 273 ff.
München Residenz
25
gebracht hat. Ebenso ist der südliche Teil, welcher an die alten Höfe L und T
stößt, durch den Bau des Königsbaus am Max-Josephplatz umgestaltet worden.
Diese neueren Veränderungen sind in unserem Grundriß unbeachtet geblieben,
während dagegen in S das schöne aus der Rokokozeit stammende Residenz-
Theater Aufnahme gefunden hat.
Abb. 14 Grundriß der Residenz zu München
Die Kardinalpunkte der alten Anlage sind die sechs größeren und reicher
ausgestatteten Höfe, in deren Form, künstlerischer Ausschmückung und wechsel-
seitiger Verbindung der Architekt eine Leistung ersten Ranges geschaffen hat.
Alle Feinheiten durchgebildeter Plankonzeption sind in diesem meisterhaften
Grundriß zur Geltung gekommen. Ich hebe nur einen der wichtigsten Punkte
hervor. Der große quadratische Kaiserhof D steht mit dem Kaiservestibül G und
der Nordfassade einerseits, mit der Westfassade und dem Hauptportal B und
seiner dreischiffigen Eingangshalle andererseits in unmittelbarer Verbindung.
26
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Weiter ist ein Durchgang zu dem großen östlichen Küchen-Hofe Q gegeben, in
F aber eine Verbindung mit dem schmalen langgestreckten Kapellen-Hofe G.
Dieser ist seiner ganzen Anlage nach nur ein verlängertes Vestibül und setzt das
Hauptportal A und seine dreischiffige Eingangshalle mit der ähnlichen Halle H und
durch diese mit dem schönen Brunnenhofe N in Beziehung. Einer der genialsten
Gedanken war, diesem vorhandenen diagonal gestellten Hof durch polygonen Ab-
schluß seiner beiden Enden nicht bloß eine reichere Form, sondern auch die un-
gezwungensten Übergänge zu den Hauptteilen des Baues zu gewinnen. Denn
der Halle H mit
ihren drei Portalen,
neben welcher sich
ein Glockenturm
erhebt, entspricht
die ähnlich aus-
gebildete Halle P,
welche die Verbin-
dung mit dem gro-
ßen nordöstlichen
Hofe herstellt. Zwi-
schen beiden hegt
aber das Vestibül 0 ,
das in seiner po-
lygonen Form die
Gestalt des Brun-
nenhofes im klei-
nen wiederholt und
den Aufgang zu
einer der Haupt-
treppen des Baues
gewährt. An der
entgegengesetzten
Seite des Brunnen-
Abb. 15 Grotteiihof der Residenz zu München hofes ist ebenSO
originell ein drei-
eckiges Vestibül ausgebildet, das zu den dort anstoßenden Räumen führt.
Nicht minder geistvoll ist sodann die Einfügung des älteren Antiquariums M
bewirkt, das den Brunnenhof in seiner ganzen Länge einfaßt und am südösthchen
Ende in einen achteckigen Kuppelsaal ausläuft; dieser vermittelt wieder mit
großem Geschick den Übergang in die anstoßenden Räumhchkeiten. Am nord-
westlichen Ende springt die Ecke des Antiquariums notgedrungen in den dort
angelegten Grottenhof J vor. Der Architekt hat dies benutzt und daraus einen
polygonen regelmäßigen Vorsprung gebildet, in der Mitte eine Brunnennische
angebracht und so den schönen Abschluß jenes lauschig poetischen Grottenhofs
geschaffen, der jedem Besucher der Residenz einen künstlerisch hohen Genuß
bietet. (Abb. 15.) Dieser köstliche kleine Hof, sowie die benachbarte Kapelle K
gehören gleichsam zu den mehr privaten Teilen der Anlage und sind durch kleine
Seitenpforten zugänghch. Ich will hinzufügen, daß im Erdgeschoß wie im oberen
Stockwerk lange, gewölbte Korridore von prachtvoller Ausstattung sich an den
Haupträumen hinziehen. Soviel wird schon aus dieser Betrachtung erhellen, daß
die letzten Reminiszenzen des Mittelalters hier verklungen sind, daß Wendel-
treppen, Erker, Türme und andere Vorsprünge zugunsten zeitgemäßerer Bauweise
nach italienischem Vorbilde beseitigt wurden, diese aber sich mehr in der Mannig-
28
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
faltigkeit und Schönheit der innern Raumgestaltung als in der malerischen
Gruppierung des Äußeren geltend machte.
Die künstlerische Ausstattung des ungeheuren Ganzen beschränkte sich je-
doch ursprünglich auch im Äußern nicht bloß auf die beiden Prachtportale und
die Nische mit dem Madonnenbilde an der Fassade, sondern fand ihre Ergänzung
in einem System grau in grau ausgeführter Fresken. Das fast vollständige Ver-
schwinden dieser aus bloßen Malereien bestehenden Dekoration sowohl der Außen-
fassaden als auch der Höfe ließ lange Zeit den künstlerischen Zusammenbau des
Ganzen und seine Großartigkeit weder erkennen noch würdigen. (Abb. 16.) Daher
hat man neuerdings die Bemalung des ganzen Riesenbaus nicht nur in den Höfen,
sondern auch an der Straße wieder hergestellt, was auf Grund alter Stiche und
der überall vorhandenen Spuren keine Schwierigkeiten gemacht hat, und hat so
die künstlerische Einheit des riesigen Werkes neu geschaffen. Freilich verbleicht
in der schlimmen modernen Stadtluft die Wirkung auch der neuen Bemalung
mit beklagenswerter Raschheit.
Die gesamte Münchener Architektur jener Zeit war bei dem Mangel von
Hausteinen zur Anwendung des Backsteines gezwungen, den sie aber nicht nach
dem Beispiel des Mittelalters oder der oberitalienischen Renaissance künstlerisch
durchbildete, sondern durch einen Putzüberzug verhüllte. Diesen Stuck charak-
terisierte sie als bloßes Bekleidungsmaterial durch aufgemalte Dekoration. Von
den stolzen Fassaden Augsburgs mit den reichen farbigen Gemälden, Resten
jener heiteren Pracht, welche gegen Ende des 16. Jahrhunderts noch einen weit-
gereisten Mann wie Michel de Montaigne zur Bewunderung hinriß, ist oben an
seiner Stelle geredet worden. In München scheint überwiegend eine einfachere
Dekoration, grau in grau, beliebt gewesen zu sein, und von dieser Art war auch
die Fassadenmalerei der Residenz. Im Kaiserhofe (Abb. 16) ist es ein System
gekuppelter dorischer Pilaster für das Erdgeschoß und darüber korinthischer für
das obere Stockwerk. Zwischen den Pilastern sind die Wandfelder durch Nischen
mit figürlichem Schmuck belebt, in den größeren Wandflächen dagegen die paar-
weise angeordneten Fenster von einem großen Rundbogen umrahmt, alle Glie-
derungen und Felder mit Masken, Fruchtschnüren, Voluten und anderen deko-
rativen Formen geschmückt. An der Straßenseite war eine ähnliche Architektur
angeordnet, doch zeigte sie nur einfache Pilaster, zwischen die die Fensterpartien
gefaßt waren. Die großen Verhältnisse, die glückliche und klare Einteilung, die
reiche und doch nicht überladene Dekoration verleihen dem Ganzen den Eindruck
vornehmer Würde bei einfachsten Mitteln. Erst im Zusammenhange mit solcher
Dekoration erhalten die Prachtportale der Außenseite ihre volle Wirkung,
Diese beiden Portale (Abb. 17) sind in einem gemäßigten Barockstil in
jener strengen dorischen Rustika erbaut, die damals als Ausdruck fürstUcher
Hoheit und Gravität beliebt war. In rotem Marmor ausgeführt, überraschen sie
durch die Feinheit ihrer Gliederungen und eine gewisse Zurückhaltung, offenbar
mit Rücksicht auf die gemalten Dekorationen der anstoßenden Wandflächen. Über
den Seitenpforten halten Löwen das bayrische, Greifen das lothringische Wappen,
letzteres mit Bezug auf MaximiUans erste Gemahlin Elisabeth von Lothringen.
Die verschlungenen Namenszüge beider in einem gekrönten Wappenschilde bilden
die Spitze des ganzen Aufbaues. Mit großem Geschick ist nun ein Fenster des
oberen Geschosses in die Komposition des Portales hineingezogen, so daß es
mit seiner reichen, etwas barocken Umrahmung sich zwischen den beiden ab-
geschnittenen Giebelstücken des Oberbaues erhebt. Letztere sind mit den liegenden
Statuen der Regenten-Tugenden, zwei an jedem Portale, geschmückt. Alles
Figürliche ist von Bronze, auch die beiden prachtvollen Löwen, die vor jedem
Portale Wacht halten und ein Wappen mit allegorischer Devise neben sich haben.
München Residenz
29
Die Bronzearbeiten hier und an der Mittelnische sind von Georg Mair und Barth.
Wenglein modelliert und gegossen ; nur die Löwen von Carlo Pellago nach Hubert
Gerhards Modell sind von dem geschickten Hans Krumper meisterlich gegossen.
Der ernsten Pracht dieser Portale entspricht die großartige Marmornische,
die inmitten der Fassade die Erzfigur der Madonna als der Schutzpatronin Bayerns
enthält (Abb. 18). Hier
ist besonders das Deko-
rative von hoher Fein-
heit, namentlich die köst-
liche Bronzelaterne am
Unterbau und die aus
Engelköpfchen mit Laub-
gewinden originell und
geistvoll komponierten
Kapitelle der Pilaster.
Man fühlt sich überrascht,
in dieser Epoche noch so
viel Sinn für liebevolle
Durchbildung des einzel-
nen unzutreffen. Sicher
stammt der Entwurf die-
ser Teile von Peter Gan-
did im ganzen wie im
einzelnen. Und unver-
kennbar ist dabei überall
trotz der italienischen
Bildung ein gewisser
akademischer Zug, eine
leichte trockene Flach-
heit, die im Grundwesen
doch an die damalige
und folgende holländische
Art erinnert ; insbesondere
an Jakob van Campens
Rathaus in Amsterdam.
Und man wird sich inne,
daß Pietro Candido immer
der italienisierte Peter de Wit bleibt. In noch größerem Umfang tritt die Plastik
bei dem glänzenden Springbrunnen des Brunnenhofes auf, der eines der präch-
tigsten Werke der Zeit ist. Allerdings ist dieser „Wittelsbacher Brunnen", wie
er heute erscheint, durch die Hinzufügung von vier bronzenen Götterfiguren aus
dem Garten Wilhelms V. bereichert ; ursprünglich zeigte er nur die Mittelfigur
Ottos V. Wittelsbach, umgeben von vier Flußgöttern und kleineren Gruppen von
Meerungeheuern, Putten u. dgl. Alle drei Künste endlich wirkten bei dem kleinen
Grottenhofe zusammen, der mit seiner kühlen Grotte, mit den Muschel-
Inkrustationen der Wände und den Gemälden der gewölbten Decke, mit der offenen
; Säulenhalle, welche die Hauptseite einschließt, mit dem von Statuen belebten
Rasen und Gebüsch, endlich der wohl abgewogenen, feinabgestuften Architektur
.seiner Um fassungs wände ein wahres Juwel künstlerischer Erfindung und poetischer
Wirkung ist, allerdings völlig südlichen Wesens.
Die Absicht des Architekten bei dem großartigen Bau aber ist offenbar
.dahin gegangen, die Hauptwirkungen sich für das Innere zu versparen. Zunächst
Abb. 17 Hauptportal der Eesidenz zu München
30
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Abb. 18 Nische an der Residenz zu München
namentlich auch die großen Gänge
ist schon das Kaiservestibül, in das
man vom Hofgarten aus freien Zutritt hat,
ebenso vornehm in der Anlage, wie schön
in der Ausschmückung. Der imposante
Raum von etwa 16 Meter Breite bei un-
gefähr 21 Meter Tiefe wird von neun Kreuz-
gewölben bedeckt, die auf vier gewaltigen
dorischen Säulen von rotem Marmor ruhen.
Die hohen Gewölbe zeigen geistreich ge-
malte Ornamente auf weißem Grunde im
Charakter der bekannten antiken Wand-
malerei. Das leichte Phantasiegerüst der
Architektur ist in der Mitte durchbrochen,
so daß sich ein Blick in den blauen Äther
zu öffnen scheint. Das mittlere Gewölbe
hat eine reichere, perspektivisch gemalte
Architektur, die in den Ecken von bronze-
farbenen Hermen aufsteigt. Wendet man
sich von diesem im Geiste des klassischen
Altertums köstlich behandelten Räume
zur Linken, so gelangt man zur Kaiser-
treppe, die in einfachem, durch mehrere
Absätze gebrochenem Lauf, aber in groß-
artigen Verhältnissen zum Hauptgeschoß
emporführt. Das aufsteigende Gewölbe
der Treppe ist aufs prächtigste mit Stuck-
ornamenten geghedert, die Felder aber
mit Freskobildern belebt, leicht und reich
zugleich. Auf den Absätzen der Treppe
enthält die Hauptwand eine prächtige
Nische in weißem Stuck mit überlebens-
großen Bildsäulen bayrischer Fürsten,
das Ganze von wahrhaft majestätischer
Wirkung. Alle anderen Treppen des Pa-
lastes, obwohl im Maßstabe bescheidener,
sind in ähnlicher Weise mit Stuck und
zum Teil mit Fresken geschmückt. Vor
allem prachtvoll ist der Vorsaal, in den
der obere Lauf der Treppe mündet. Er
ruht auf roten Marmorsäulen; die sechs
Gewölbe, die ihn überdecken, gehören zu
den üppigsten, die je in reicher Stuck-
verzierung mit Malerei geschaffen sind.
Der Eindruck der Treppe, wie vor allem
des obersten Vorsaales, ist ein außerordent-
hcher. Alles in Form wie Raumwirkung
vom Allervortreff liebsten. (Abb. 19.)
Die Treppe am Gharlottengang hat
ähnlich prachtvolle Gewölbe. In gleicher
Art sind nicht bloß die verschiedenen
Treppenhäuser und Vorhallen, sondern
■eschmückt, welche in bedeutender Länge
München Residenz
31
die ganze Flucht der einzelnen Schloßflügel begleiten, indem sie sich als Ver-
bindung vor den Wohnräumen hinziehen ; von ihnen seien die Ahnengalerie, der
Wappengang, der Gharlottengang besonders genannt. Überall bei ihrer Aus-
schmückung sind die architektonischen Haupthnien als Grundmotiv betont, bei
den Galerien sind es die Kanten der Stichkappen, welche in die Tonnengewölbe
einschneiden. Dadurch ergibt sich ein klarer, übersichtlicher Rhythmus, der bei
allem Reichtum der Verzierung beruhigend wirkt. In der Dekoration selbst herrscht
ein fein gezeichnetes Rankenwerk vor, mit mancherlei phantastischen Masken
Abb. 19 Hallo an der Kaisci'trcppe der Residenz zu München
(Nach: Kunstdenkmale Bayerns)
wechselnd, in schöne Rosetten auslaufend. Dazwischen Engel mit allerlei Sinn-
bildern in kräftig eingerahmten Feldern, die Rahmen mit Perlschnur und Herz-
laub gegliedert. Die größeren Flächen sind in der Regel Freskobildern vorbehalten,
die sich meist in Allegorie bewegen. Ihre klare lichte Färbung kontrastiert wirk-
sam gegen den weiß gehaltenen Stuck, dessen Behandlung sich durch Feinheit
und Schärfe auszeichnet. Wenn man den außerordentlichen Umfang der noch jetzt
vorhandenen Ausstattung betrachtet, so muß man über den Reichtum und die strö-
mende Leichtigkeit der Erfindung erstaunen. Aber auch selbst die Reinheit des Stils
erregt in der Zeit des beginnenden Barock mit Recht Bewunderung, denn wenn
sich wirklich manchmal barocke Elemente einmischen, so wirken diese Arbeiten im
Vergleich mit den gleichzeitigen italienischen und mit dem überladenen Schwulst
der zum Teil noch früheren in Fontainebleau fast klassisch rein. Gerade sie nun
sind mit Sicherheit im Entwürfe Peter Candicl zuzuschreiben, der sich hier von
seiner all erglänzendsten Seite zeigt. Die Kaisertreppe ist oben 1616 datiert.
32
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Die Wohnräume, die sich noch aus der Zeit Kurfürst Maximilians I. erhalten
haben, gruppieren sich zum Teil um den Kaiserhof. Der große Saal, 16 Meter
breit, 36 Meter lang, ist zwar leider im 18. Jahrhundert mit einem Nebensaal in
Zimmer verwandelt, und wir sind damit wohl des Hauptstückes dieser herrlichen
Innenarchitektur beraubt, aber eine Anzahl von Zimmern ist noch im wesent-
lichen unberührt geblieben. Von diesen kommen vor allem die wundervollen Trierer
und die Steinzimmer, die den Hof östlich und westlich einfassen, in Betracht.
Die Wände darin waren meist auf Teppiche berechnet, deren man in München
noch immer eine große Anzahl besitzt. Die Decken werden durch Holzgetäfel
gebildet, dessen Gliederung mit bescheidenem Relief und sparsamer Vergoldung
den eingelassenen Ölgemälden als Rahmen dient. Hier herrscht also eine an
Venedig erinnernde Behandlungsweise, und auf Meister der venezianischen Schule
deutet auch das Kolorit vieler Bilder. Die Vermittlung zwischen Wand und Decke
gewährt ein breiter Fries von trefflichen Stuckornamenten. Die Einfassung der
Türen ist in kräftigen Formen meist aus Stuckmarraor gebildet. Ebenso sind
die Kamine behandelt, doch kommen auch prächtigere von weißem Marmor mit
köstlichen Skulpturen vor. Der ganzen edlen Pracht entspricht endlich, was die
Kunstschreinerei der Zeit hinzugefügt hat, seien es geschnitzte Möbel oder die
nicht minder stilvoll behandelten Flügeltüren mit schön profilierten Rahmen und
Intarsien. Selbst die Eisenarbeiten an Schlössern, Hespen und Angeln bekunden
den hohen Stand des damaligen Kunsthandwerks durch die schönen, in Gold
eingelegten Ornamente ihrer Tauschier- Arbeit.*)
Man liest in den Zimmern meistens die Jahreszahlen 1612 und 1617.
Wahrlich, wenn man die harmonische, bis in die kleinsten Nebendinge in ihrer
Feinheit sich gleichbleibende Durchführung dieser Räume mit der Öde der
modernen Teile vergleicht, wo vor allem der Mangel des feineren Kunsthandwerks
empfindlich berührt, so muß man gestehen, daß wir von jener Zeit immer noch
sehr viel lernen können.
Von den derselben Epoche angehörenden Räumen erwähne ich noch den
riesigen „Schwarzen Saal" für die Wachen und die alte Schloßkapelle mit ihren
prächtigen Stukkaturen, besonders aber das Antiquarium mit seinen trefflichen
Fresken im Stil antiker Wanddekoraiion, ein wahres Muster für einen derartigen
Sammlungsraum.
Der schwarze Saal, von dem Brunnenhof direkt durch eine stattliche Treppe
zugänglich, hat ganz mächtige Verhältnisse, an der gewölbten Decke in größtem
Maßstab perpektivisch gemalte Hallen auf Säulen. Die Türen und Kamine von
schwarzem Stuckmarmor, der Fußboden von weißen und roten Marmorplatten.
Die Kapelle ist ein reich mit Stuckreliefs geschmückter Hochbau, in drei Ge-
schossen von Emporen umgeben, welche für die Herrschaft und die verschiedenen
Abstufungen der Hofleute bestimmt waren. Von ganz besonderer Schönheit des
Raumes und der Dekoration ist nun das Antiquarium, am oberen Ende in eine
erhöhte Estrade auslaufend, während am anderen der achteckige Saal den Ab-
schluß bildet. Das lange Tonnengewölbe mit seinen Stichkappen ist mit einer
wundervollen, rein italienischen Grotesken-Malerei von der Hand des uns aus
Augsburg bekannten Ponzano geschmückt (Abb. 20). Geschnitzte Kasten, zur
Aufnahme der kleineren Kunstwerke bestimmt, umziehen die Wände und in den
Fensternischen sind Marmorbüsten aufgestellt. Dieser Bau stammt noch, wie
oben angeführt, aus der Zeit Wilhelms V., auch seine Ausgestaltung ist noch seit
1588 erfolgt.
1) Eine ganze Beschreibung alles Einzelnen in I trionfi dell' architettura nella sontuosa
residenza di Monaco, dal marchese Ranuccio Pallavicino. In Augusta 1680. 4". Dabei auch
ein Stich, welcher das Äußere des Baues mit seinen Wandmalereien veranschaulicht.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl.
3
34
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
Eine jüngere Reihe von Zimmern, aus der Zeit des Kurfürsten Ferdinand
Maria, zeigt schon mehr barocke Dekoration und weit größere Pracht, namentlich
starke Überladung mit Gold. Besonders die sogenannten päpstlichen Zimmer
zeichnen sich durch ihren Glanz und ihre Üppigkeit aus. Zuletzt findet das Rokoko
seine Vertretung in den sogenannten reichen Zimmern aus der Zeit Karls VII.
Wer das köstliche, kleine Residenztheater kennt, kann sich von dem graziösen
Reiz dieser Räume eine Vorstellung machen.
Einer der allerprächtigsten Räume ist zuletzt die kleine reiche Kapelle, gleich
bei den päpstlichen Zimmern. Sie war 1607 vollendet. Die Wandflächen und Fenster-
nischen haben eine Bekleidung in Kunstmarmor (Scagliola) mit prächtigen Orna-
menten und Darstellungen aus dem Leben Maria. Das Klostergewölbe ist mit Relief-
stuck und Bemalung geschmückt und trägt mitten eine Art kleiner Kuppel mit
Tambur. Selbst der Fußboden ist eingelegt; das Ganze mit seiner Ausstattung an
Altar, Orgel und Rehquienschränken ein Wunderwerk höchster Pracht, vielleicht
fast zu prächtig und etwas unruhig; doch in Deutschland in ihrer Art einzig.
Und diese Schränke bergen nun einen Schatz an Werken des Kunstgewerbes m
Edelmetall ohnegleichen. Außer zahlreichen Kostbarkeiten des frühen Mittelalters
vor allem die Reliquien, Prachtaltärchen, Schreine und sonstige HerrHchkeiten, die die
Frömmigkeit der bayrischen Herrscher seit Albrecht V. der Kapelle ihrer Residenz ge-
schenkt — eine Geschichte der Goldschmiedekunst in allen ihren Zweigen in Bayern.^)
Auch die Silberkammer im unteren Geschoß birgt zahlreiche Werke von
hoher Bedeutung.
Von dem trotz aller Zerstörungen noch immer prachtvollen Ganzen habe ich
hier nur das Wesentlichste kurz berührt. Sucht man in der Phantasie das Ursprüng-
hche wieder herzustellen, fügt man den Schmuck der durchweg gemalten Fassaden
hinzu, erwägt man die Pracht der Ausstattung, die Fülle an Kostbarkeiten und Kunst-
schätzen jeder Art, welche der stolze Bau umschloß, so begreift man die Bewunde-
rung der Zeitgenossen und der nachfolgenden Geschlechter, welche den Bau das achte
Wunder der Welt nannten {Pallavicim z.B. p. 1); begreift auch, daß Gustav Adolf
bedauert haben soll, den Palast nicht auf Walzen nach Stockholm führen zu können.
Aber nicht minder bezeichnend ist jener andere Ausspruch des großen Schweden-
königs, in welchem er München einen goldenen Sattel auf magerem Gaule nennt. —
Mit einem Werke der Devotion beschließt Kurfürst Maximilian seine Mün-
chener Bautätigkeit und damit zugleich die Schöpfungen dieser Epoche. Es ist die
Mariensäule, im Jahre 1638 zufolge eines Gelöbnisses für die siegreiche Schlacht
am Weißen Berge bei Prag auf dem Schrannenplatz zu Ehren der Schutzpatronin
Bayerns errichtet (Abb. 21). Ein Werk von trefflichen Verhältnissen, kraftvoll in
den Formen und glücklich im Aufbau.') Auf den Ecken der marmornen Balustrade
vier schöne Bronzelaternen; auf den Ecken des Sockels himmhsche Kriegerknaben
im lebhaften Kampf mit Drachen, Schlangen und ähnlichen Ungetümen. Auf der
Krönung des Postaments als Vermittlung mit der Basis der Säule geflügelte Engel-
köpfchen aus Bronze von lebendiger Bewegung und schönem Umriß. Auch die Statue
der Madonna gehört zu den besten der Zeit. Sie ist von Hans KrumiMv gegossen;
das Monument selbst nach einer Zeichnung Gandids durch Peter König ausgeführt.
Das herrliche MonumentLudwigs des Bayern in der Frauenkirche (Abb.22)
ließ der kunstsinnige Kurfürst Max 1622 als Umbau um die gotische marmorne
Grabplatte des Kaisers nach P. Candids Entwurf errichten. Das schwarzmarmorne
Gehäuse trägt mitten ein Bronzekissen mit der Kaiserkrone, flankiert von den Ge-
1) Wer sich darüber unterrichten will, findet die Hauptgegenstände dieses vornehmsten
kirchlichen Schatzes in Deutschland in dem farbigen Prachtwerke von Zettler-Stockbauer: Aus-
gewählte Kunstwerke aus dem Schatze der reichen Kapelle der Eesidenz . . . München 1877.
2) Vgl. bei Bauer a. a. 0. die Taf. 33 und 34.
München
35
stalten derWeisheit
und Tapferkeit. An
den Ecken knien
vier geharnischte
Fahnenträger, an
den Langseiten ste-
hen die Erzbilder
der Herzöge Al-
brecht V. und Wil-
helm IV. Der Erz-
guß ist von Dionys
Frey. An vorneh-
mer Schönheit des
Aufbaus und der
Durchführung fin-
det das wundervolle
Denkmal nur einen
Nebenbuhler in
Deutschland, das
des Fürsten Ernst
von Schaumburg
zu Stadthagen.
Von der einst so
reichen Farbenlust
der Epoche an den
Fassaden scheint
nichts erhalten ge-
blieben zu sein.
Bedeutende oder
gar hervorragende
Leistungen hat das
oberbayrische Ge-
biet kaum aufzu-
weisen, obwohl im
17. Jahrhundert und
bis zu Ende der
Renaissance nicht
wenig gebaut und
auch an Ausstat-
tung geleistet wur-
de. Indessen ist die
Bauweise gerade
damals verhältnis-
mäßig einfach ge-
blieben. Das be-
scheidene Material
für das Äußere,
meist Ziegelmauer-
werk, verputzt und
geweißt, ließ nicht
allzuviel Gliede-
rung zu, und für
Abb. 21 Die Mariensäule zu München
(Aufnahme der Neuen Photogr. Gesellschaft, Steglitz)
36
2. Buch Die Bauwerke XI. Kapitel Bayern
das Innere, sowohl der Kirchen wie der Schlösser und besseren Privathäuser, kam,
soweit die Räume gewölbt waren (Kirchen u. dgl.) vorwiegend die Dekoration in
Stuck, meist weiß, in Anwendung, die wir schon berührt haben; für die Aus-
stattung der besseren Innenräume blieb man bei meist einfacher Täfelung der
Wände und Decken, dazu ausgebildeter Türumrahmungen in Holz.
Abb. 22 Grabdenkmal Ludwigs des Bayern iu der Frauenkirche zu München
(Nach: Kunstdenkmale Bayerns)
Dabei trat nicht allzuviel Bedeutsames hervor. Doch sei erwähnt, daß die
Türme aller Art, meist achteckig, in jener Zeit gewöhnlich mit zwiebeiförmigen
Kuppeln abgeschlossen wurden, wie wir sie schon in Augsburg und Umgegend
trafen. Zahlreichen mittelalterlichen Türmen — wie den bekannten Frauentürmen
in München — wurde so ein anderer höchst eigentümhcher Charakter verliehen,
und auch die Schloßtürme hatten meist ähnliche Gestalt.
Von den Kirchen sei noch die äußerlich einfache, aus einer gotischen
1627 — 30 fast neugebaute zu Tüntenhausen^) erwähnt, deren weiter, freier,
lichter Raum mit einem prächtig stuckierten Gewölbe auf acht Eckpfeilern geziert
ist; von einer Reihe anderer war schon oben die Rede.
Schloßbauten mit vier Türmen an den Ecken und Binnenhof, deren weiße
Masse sich aus der Landschaft prächtig malerisch hervorhebt, gibt es auf
Bergen und im Tal zahlreiche. Als ein Beispiel für alle sei Schwind egg")
(Bezirksamt Mühldorf), die prächtige Wasserburg, genannt, die aus ihrer um-
1) Bau- u. Kunstdenkm. d. Königr. Bayern Taf. 227.
2) Daselbst Taf. 257 und S. 2281.
Schwindegg Berchtesgaden
37
gebenden Wasserfläche mit ihren vier Kuppeltürmen und dem Torturm inmitten
gar malerisch ragt (Abb. 23); umher ähnliche Stallgebäude, mitten ein Hof
mit Arkaden auf zwei Seiten. Alles weiß getüncht, derb anspruchslos in den
Formen — doch von unvergeßlicher Wirkung und hoher Eigenart. — Nahe ver-
wandt ist Schloß
Tüßling(AmtAlt-
ötting),
InBerchtesga-
den ist eine kleine
bemalte Hausfas-
sade bemerkens-
wert, nicht eben
künstlerisch bedeu-
tend, aber bezeich-
nend für dasKultur-
leben der Epoche.
Gemalte korinthi-
sche Säulen fassen
die Ecken ein; die
Fenster sind in bei-
den Geschossen mit
grau in grau aus-
geführtem Roll-
werk eingefaßt ; da-
zwischen ziehen
sichFruchtgehänge
hin, die auch von
einem Fenster zum
andern ausgespannt
sind. An dem un-
teren Fenster sind
Trophäen von
Schinken, Würsten,
Enten, Fischen und
dergleichen zierlich
aufgehängt. Inden
Fensterbekrönun-
gen sieht man hu-
moristische Sze-.
nen, worin Affen
das menschliche
Treiben parodieren, z. B. ein Tanz, wobei die Tanzenden wie die Musikanten
Affen in Menschenkostüm, ein großes Orchester, in welchem der Kapellmeister
an der Orgel, der Baß, die Klarinette und die übrigen Instrumente sämtlich
Affen sind; dann ein Bacchuszug, wo der Gott des Weins auf seinem Wagen
von Affen gezogen wird; weiter unten der Affe als Geldwechsler; zwei Affen
beim Schachspiel; endlich in der Mitte Affen in der Tracht eleganter Kavaliere
auf der Jagd, im Vordergrund der Hase von einem weißen Hühnerhund gestellt,
im Hintergrund Hirsche und auf den Bergspitzen Gemsen, dabei der Vers: „Duck
dich Hasl laß übergahn, denn Gwalt will Recht han". Solche heiteren und ori-
ginellen Werke lassen den Untergang so vieler ähnlicher Schöpfungen doppelt
bedauern.
Abb. 23 Schloß Schwindegg
(Nach: Kunstdenkmale Bayerns)
38 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Die österreichischen Länder
In Mittenwald an der Hauptstraße eine reich gemalte Fassade im tollsten
Barock mit gewundenen Gesimsen u. dgl.; über den Fenstern recht ungefüge
Brustbilder der Apostel, in der Mitte die Verkündigung: alles sehr farbenfroh. —
Garmisch besitzt noch manche gemalte Fassade; die des Husarenwirtshauses
zeigt, wenngleich erneuert, Renaissance-Motive in den Ecksäulen, den Einfassun-
gen der Fenster, ihren Bekrönungen mit antiken Kaisermedaillons auf blauem
Grunde, den Blumengewinden und Akanthusranken. Aus einem Scheinfenster
schaut ein Husar und ein anderer Offizier heraus; auch diese Illusionsscherze
im Geiste der Renaissance. Alles sehr heiter und lustig. Zeigt ein anderes
Haus eine gemalte Fassade aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, ganz mit den
entsprechenden Rokokoschnörkeln, endlich die Fassade der Apotheke Formen
des beginnenden Empire, ehrbar grau in grau, mit klassischen Mäandern, Vasen,
Tränentüchlein u. dgl., so sieht man, wie lange dort die Freude an gemaltem
Häuserschmuck sich erhalten hat.
Die bürgerliche Baukunst der eigentlichen Renaissance hat trotz einer
starken Bautätigkeit nicht allzuviel für uns bedeutsame Spuren hinterlassen. Das
Baumaterial mag hiervon die hauptsächlichste Ursache sein, und man mag sich
vor allem im Äußeren auf die Anwendung vergänglicher Malerei beschränkt haben.
Doch ist einer aus dem späteren Mittelalter stammenden Eigentümlich-
keit nicht zu vergessen, die insbesondere in den Städten an der Salzach, also
nach Österreich zu, verbreitet ist: der Anordnung der Häuser mit „Graben-
dächern". In diesen Städten, wie Rosenheim, Tittmoning, Mühldorf, Burghausen u.a.
zeigen nämlich die Häuser nach der Straße zu eine hohe, mit einer Art Zinnen
oder ähnlich abgeschlossene Frontmauer, hinter der sich das niedrige, in mehreren
Sätteln mit Kehle dazwischen senkrecht zur Vorderfront laufende Dach verbirgt.
Insbesondere in Mühldorf finden wir davon eigenartige, reizvolle Beispiele aus
der Renaissancezeit. So in der Weißgerbergasse, und besonders schön am Pfarr-
hofe, wo die reizvolle Bogengalerie als Brüstung mit dem malerischen Ecktürmchen
geradezu an spanische Bauweise gemahnt, i) Hier endigt die Frontmauer meist
in einer horizontal abschließenden, starkgegliederlen Brüstung, und der Eindruck
dieser Straßen ist ein höchst fremdartiger gegenüber den sonst in Deutschland
üblichen Giebelreihen. Es ist übrigens nicht zu verschweigen, daß diese Eigenart
stark an die böhmisch-slawische erinnert, die wir bis nach Krakau verfolgen
können, die auch in Schlesien öfters auftritt und den Gedanken anregt, wir
möchten es hier mit einem Einbruch slawischer Bauweise in deutsche Gebiete
zu tun haben.
Zwölftes Kapitel
Die österreichischen Länder
Die bisherige Betrachtung der süddeutschen Gebiete hat uns gezeigt, daß
die selbständige Ausbildung der Renaissance Hand in Hand geht mit der allge-
meinen Erneuerung des geistigen Lebens, und daß sie gerade da in Deutschland
zu einem eigenartigen Gepräge durchdringt, wo jene Erneuerung sich wirklich voll-
zieht, wo ein freier Aufschwung des religiösen, wissenschaftlichen und literarischen
Wesens zum Durchbruch kommt. Die protestantischen Reichsstädte und im Wett-
eifer mit ihnen die der Reformation ergebenen Fürstenhöfe von Baden, Württem-
berg, der Pfalz, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg und andere sind eifrige
1) Bau- u. Kunstdenkm. d. Königr. Bayern, I, 2, S. 2211. Vgl. auch Amt Altötting, Wasser-
burg, Rosenheim usw.
Übersicht
39
Pfleger und Förderer dessen, was wir deutsche Renaissance nennen. Der katholische
Hof der Wittelsbacher dagegen steht zwar an Eifer der Kunstpflege keinem andern
nach, aber er betätigt sie in den monumentalen Schöpfungen weniger durch
Förderung einer nationalen, als durch Begünstigung einer fremden Kunst, der
italienischen, die mit dem deutschen Leben nicht mehr zu tun hat, als der
von denselben Fürsten eingeführte Jesuitenorden. Bei denjenigen, die mit allen
Mitteln der Gewalt die Herrschaft des Papstes in Deutschland wiederherzustellen
suchten, scheint gleichsam instinktmäßig auch das Anlehnen an römische Kunst
Gesetz gewesen zu sein. Nur Bischof Julius von Würzburg macht eine Aus-
nahme, in dessen zahlreichen Bauten mit Entschiedenheit die zu reifer Entwick-
lung gelangte deutsche Renaissance zur Geltung kommt. Aber er ist ein weißer
Rabe, der die allgemeine Tatsache nicht umstoßen kann, daß die eigentliche
deutsche Renaissance mit dem übrigen Kulturleben, namenthch mit der Ent-
wicklung der Reformation innig zusammenhängt. In Norddeutschland werden
wir dasselbe Verhältnis erkennen.
In den österreichischen Ländern, von denen wir nur die zisleilhanischen in
unsere Betrachtung aufnehmen, auch die italienischen Gebiete ausschUeßen, treten
uns wieder andere eigentümliche Kulturbedingungen entgegen, die eine ganz
besondere Stellung zur Renaissance im Gefolge haben. Die Länder der deutschen
Ostmark, mit allen Reizen und Reichtümern der Natur gesegnet, zeigen sich m
jeder Hinsicht als Grenzländer, als Vorposten deutscher Kultur gegen den
slawisch-madjarischen Osten, als Vermittler der hoch entwickelten Zivilisation
Italiens im Süden. Die deutschen Stämme Österreichs, in körperlichen und gei-
stigen Anlagen keinem der übrigen Stämme nachstehend, gewinnen durch die
eigentümlichen Bedingungen ihrer geographischen Lage eine Steigerung ihrer
natürlichen Begabung, die sich besonders als rege Phantasie und elastischer
Lebenssinn zu erkennen gibt. Wie diese Naturanlage sich auf künstlerischem
Gebiet später vornehmlich ins Reich der Musik ergossen und von Haydn und
Mozart bis Schubert eine Welt der köstlichsten Tongebilde geschaffen hat, weiß
jedermann. Aber auch eine freudige Lust an der Welt bewegter Erscheinungen,
am Reiz anmutiger Formen ist unmittelbare Folge jener Verhältnisse. In fort-
währender Berührung mit mannigfach verschiedenen Stämmen, mit slawischen,
madjarischen und romanischen, erfuhr das germanische Volkstum hier mancherlei
Mischung mit fremdem Blute, nicht stark genug, um die eigene Art auszulöschen,
aber hinreichend, um einen rascheren Pulsschlag zu erzeugen und bis in unsere
Tage den Deutsch-Österreichern den Hauch einer jugendlichen Frische zu ver-
leihen. Zugleich ergab sich aus der geographischen Lage die doppelte Tätigkeit
des Gebens und Empfangens, des Zurückweisens und Entgegenkommens. Von
Süden her die alte Kultur Italiens sich zu eigen machend, wurden die Deutschen
Österreichs gegenüber jenen Bevölkerungen niedrigerer Kulturstufe Träger und Ver-
breiter deutscher Gesittung und Bildung, die sie oft genug in heißen Kämpfen
gegen die Horden des Orients zu verteidigen hatten.
Diese Verhältnisse erkennt man schon in den mittelalterlichen Monumenten
des Landes. Mit großer Kraft wird gegen Ausgang der romanischen Epoche die
Baukunst im wesentHchen so, wie sie im mittleren und südlichen Deutschland
sich ausgebildet hatte, herübergenommen und bis nach Ungarn und Siebenbürgen
hinein in glänzenden Denkmalen verbreitet. Allerdings wird weder in den räum-
lichen Kombinationen, noch in der Gliederung und Gruppierung des Aufbaues,
noch endlich in den konstruktiven Grundzügen Neues hervorgebracht. In all diesen
Punkten empfängt Österreich einfach das fertig Ausgeprägte, um es weiteren
Kreisen zu überliefern. Wohl aber schafft jene hier im Voltssgeist hegende Freude
am heiter Schönen eine Reihe von dekorativen Werken ersten Ranges, wie die
40 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Die österreichischen Länder
Portale zu St. Jak, Trebitsch und Tischnowitz, die Riesenpforte von St. Stephan
zu Wien, die lierrlichen Kreuzgänge von Zwetl, Lilienfeld, Heiligenkreuz. Da-
neben dringt von Süden schon damals vielfach die lombardische Kunst ein, wie
die Löwenportale von Bozen, Graz, Salzburg, die hundertsäuhge Krypta von
Gurk u. a. beweisen. So reiches Kunstleben hätte in der gotischen Epoche seine
höchste Blüte erreichen müssen, wenn die Entwicklung des Bürgertums, der
mächtigste Träger der Gotik, mit derjenigen im übrigen Deutschland gleichen
Schritt gehalten hätte. Aber ähnhch wie in Bayern, bleibt auch in Österreich
die Entfaltung des Städtewesens seit dem 14. Jahrhundert merklich zurück. Nur
in Böhmen erlebt die Gotik unter dem kunstliebenden Karl IV. eine bedeutende
Blüte, und nur der Stephansdom in Wien, dieser freilich mit seinem unver-
gleichlichen Turm ein Monument allerersten Ranges, zeugt auch hier von der
großartigen Lebenskraft deutschen Bürgertums. Aber dies sind Ausnahmen ge-
blieben.
Außer in der immerhin glanzvollen Zeit des Mittelalters hat die Monumental-
kunst in Österreich sich nur noch in einer Periode machtvoll offenbart: in der
Zeit des späten Barockstils, vom Ausgang des 17. bis in die Mitte des 18. Jahr-
hunderts. Nachdem die Reformation niedergeworfen, ja mit Stumpf und Stiel
ausgerottet war, gab der Klerus in Österreich sich jener üppigen Weltlust hin, die
sich noch jetzt in gewaltigen Anlagen prunkvoller Abteien herausfordernd aus-
spricht; mit dem Prälatenhochmut wetteiferte der Stolz der Aristokratie in Aus-
führung jener Paläste, die vor allem die architektonische Eigenart von Wien
und Prag bilden. Man darf sagen, daß in den pompösen, oft majestätisch an-
gelegten und mit allen Mitteln ausgelassener Dekoration schwelgenden Bauten
jener Epoche der Sieg über den Protestantismus sich mit übermütigem Selbst-
gefühl breit macht.
Was dagegen zwischen jenen beiden Epochen, zwischen Mittelalter und
Barockzeit hegt, die eigentliche Periode unserer Renaissance, ist trotz mancher
vorzüglicher Schöpfungen, ja einzelner Hauptwerke, gegenüber den Leistungen
anderer deutscher Länder nicht erheblich in Anschlag zu bringen. Erwägt man
vollends den Umfang und den Reichtum des Ostens, die künstlerische Be-
gabung seiner Volksstämme, den dort von alters her regen Sinn für heitere Pracht
des Daseins, so wird man mit Erstaunen und Widerstreben die Tatsache auf-
nehmen, die mit alledem so scharf kontrastiert und doch auf Schritt und Tritt
dem Forscher sich aufdrängt, daß trotz so mancher glänzender Einzelschöpfung
die Renaissance auf diesem Boden als eine durch die Gunst der Mächtigen hierher
verpflanzte, nicht aber als eine vom ganzen Volke gehegte und gepflegte, mit
dem eigenen Herzblut genährte Volkskunst sich zu erkennen gibt.
Dies ist um so merkwürdiger, als beinahe in keiner deutschen Provinz die
Formen der Renaissance so früh zu monumentaler Verwendung gelangen, wie
gerade in Österreich. Wir treffen sie hier vereinzelt, was sonst kaum irgend in
Deutschland vorkommt, schon im Ausgang des 15. Jahrhunderts. Vom Jahre 1497
datiert ein kleines Portal mit dem Wappen der Familie Edelsperger im Tirnaschen
Haus, auch Federlhof genannt, zu Wien.i) Das prächtige Portal der Artillerie-
kaserne in Wienerneustadt datiert von 1524, die Jagelionische Kapelle im Dom
zu Krakau von 1520 -), ein Renaissanceportal in der Kirche zu Klausenburg hat
die Jahreszahl 1528.=') Alle diese Denkmale, selbst den frühesten im übrigen
Deutschland in der Zeit vorausgehend, beweisen, daß die Renaissance Italiens in
1) Abb. in den Mitt. d. Zentr.-Komm. 1868 p. CXI. Fig. 7 nach dem Jahrb. des Wiener
Altert.-Ver.
2) Essenwein, Krakau, Taf. XXI.
3) Mitt. d. Zentr.-Komm. 1865.
Reformation und Renaissance
41
den verschiedensten Gegenden Österreichs schon früh zur Anwendung gekommen
war. Wie ist es nun zu erklären, daß diese lebensfrohe Kunst dennoch gerade
hier in ihren Schöpfungen so sehr zurückbleibt, statt wie anderwärts das Leben
ganz zu durchdringen und ihm zu vollendetem Ausdruck zu werden?
Diese Frage läßt sich nur mit Berücksichtigung der allgemeinen geschicht-
lichen und Kulturverhältnisse beantworten.') Obwohl vom Zentrum der deutschen
Geistesströmung weit abseits gelegen, nimmt Österreich dennoch die geistige Be-
wegung der Zeit, deren Gipfelpunkt in Deutschland die Reformation bildet, gleich
anfangs mit allem Eifer auf. Die Sache Luthers fand beim Adel und in den Städten,
bald aber auch unter dem Landvolk überall im Erzherzogtum Österreich lebendigen
Anklang, und schon um 1512 konnte Paul Speratus, der Dichter des Liedes:
„Es ist das Heil uns kommen her", die neue Lehre im Stephansdom zu Wien ver-
kündigen. Gleichzeitig predigten Philipp Turriano, sowie die beiden Zisterzienser-
mönche Jakob und Theobald wider Ablaßverkauf und Bilderdienst. Der in Spanien
erzogene Ferdinand 1. eiferte zwar anfangs heftig wider die neue Lehre; der
Stadtrat Kaspar Tauber stirbt 1523 auf dem Scheiterhaufen; andere Opfer folgen;
Balthasar Hubmayer wird 1528 verbrannt und seine nicht minder standhafte Ehe-
frau in der Donau ersäuft.^) Aber seit seiner Erhebung zum deutschen Kaiser
zieht Ferdinand gelindere Saiten auf; die beständige Türkengefahr zwingt ihn, bei
den Landständen um Beisteuern zur Verteidigung nachzusuchen, für deren Gewäh-
rung er dann freie Religionsübung gestatten muß.^) Unter seinem Nachfolger
Maximilian IL, dessen Gleichmut den Protestanten noch mehr Freiheit ließ, voll-
zieht sich das Werk der Reformation in Österreich so vollständig, daß fast das
ganze Land bis nach Steiermark und Kärnten hinein, bis ins Salzkammergut und
Tirol der neuen Lehre ergeben war. Erst mit Rudolph II. um 1578 erhob sich
gewaltig die Gegenreformation; durch die Regierung Ferdinands IL, der bei den
Jesuiten in Ingolstadt mit seinem Vetter Maximiüan von Bayern erzogen worden
war, kam sie zum Abschluß. Damals begann jene Ära, durch welche selbstän-
diges deutsches Geistesleben in Österreich auf Jahrhunderte erstickt und das
hochbegabte Volk für viele Jahrhunderte römischer Geistesherrschaft überhefert
wurde. In dem Glauben, nur durch innigste Verbindung mit der Kirche ihre
Hausmacht stärken und die Herrschaft über das lose verbundene Völkeraggregat
befestigen zu können, opferten die Habsburger rehgiöse Entwicklung und materielle
..Blüte ih res Volkes. An der Spitze von Dragonerabteilungen rückten die bischöf-
lichen Kommissare in die einzelnen Ortschaften ein, die Bevölkerung gewaltsam
in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Mit Kärnten, Steiermark und Krain
wurde der Anfang gemacht; Böhmen und Österreich folgten. Die protestantischen
Prediger wurden vertrieben, die ketzerischen Bücher verbrannt, die lutherischen
Kirchen und Pfarrhäuser niedergerissen, selbst die Friedhöfe verwüstet. Ver-
bannung und Vermögenseinziehung traf die, welche sich nicht fügten. So kam
die katholische Kirche wieder zur Alleinherrschaft, aber blühende Länder waren
verödet. Aus Böhmen allein wanderten an 36000 Familien, darunter 1088 aus
'dem Herren- und Ritterstande aus und ließen sich in Sachsen, Brandenburg und
landeren protestantischen Ländern nieder.
Die Heftigkeit dieser Verfolgungen bezeugt vor allem den gewaltigen
ireformatorischen Aufschwung, welchen damals ganz Österreich genommen hatte.
1) Über das Geschieht!, vgl. Wiens Geschichte v. F. Frhr. v. H o r m ay r ; Gesch. d. Stadt
"Wien von Fr. Tschischka; Gesch. des Landes ob der Enns von Fr. Xav. Pritz; Gesch. der
Regier. Ferdinand I. von F. B. v. B u ch h o 1 1 z ; Rudolf II. und seine Zeit von A. G in d e 1 y ;
Handb. der Gesch. des Herzogt. Kärnten von H. Hermann; Gesch. von Böhmen von Fr.
P al a cky , u. a. m.
2) Tschischka a. a. 0. p. 285 fg.
3) F. B. V. Buchholtz a. a. 0. VIII, 123 ff.
42
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Die österreichischen Länder
Wenn man den heutigen Zustand dieser Länder betrachtet, so kann man sich nicht
genug verwundern, wie allgemein damals der Protestantismus dort verbreitet war.
Wurde 1543 noch ein Edikt veröffentlicht, welches alle Buchdrucker und Buch-
händler, die ketzerische Bücher verbreiteten, zu ersäufen, die Bücher aber zu
verbrennen befahl;^) ernannte man schon vorher ein Ketzergericht aus zwölf
Mitgliedern der Hochschule, an deren Spitze der Bischof Johann von RevelHs sland,
so hatte doch bald darauf in Wien und dem übrigen Österreich die Sache der
Reformation solche Kraft erlangt, daß man den Lutheranern die Minoritenkirche
und die Landhauskapelle in der Hauptstadt einräumen mußte.^) Ja, als in Kärnten
1596 die seit dreißig Jahren unterbUebene Fronleichnamsprozession zuerst in
St. Veit wieder abgehalten wurde, entstand in dem protestantisch gewordenen
Volke ein Auflauf, vor welchem der Priester mit dem Venerabile sich nur mit
Mühe retten konnte.'') Ebenso erging es in Villach 1594 dem Patriarchen von
Aquileja, als er den Katholizismus wiederherzustellen versuchte.*) Hier war die
Stadtpfarrkirche in den Händen der Protestanten, in Klagenfurt hatten sie sogar
zwei Kirchen inne. Die Reformation hatte also mindestens ein Menschenalter lang
sich ungehemmt in den österreichischen Landen ausgebreitet, und es war gewiß
nicht Mangel geistiger Regsamkeit, wenn ihr keine ebenbürtige künstlerische Ent-
wickelung folgte; es müssen eben die inneren Erschütterungen, die das gewalt-
same Eingreifen in das religiöse Leben mit sich brachte, und die auf lange Zeit
selbst den Ruin des Wohlstandes herbeiführten, Ruhe, Mittel und Stimmung zu
architektonischen Schöpfungen hinweg genommen haben. Vergessen wir nicht,
daß, abgesehen von einzelnen früheren Versuchen, die Renaissance in den deutschen
Gebieten ihre Blütezeit erst seit den sechziger, siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts
beginnt. Gerade in diese Zeit fällt aber der Wendepunkt, wo in Österreich Kirche
und Staatsgewalt den Vertilgungskrieg gegen den Protestantismus ins Werk
setzten. So mußten wohl alle Keime friedlicher Volkskultur auf lange hinaus
zertreten werden.
Aber in kaum geringerem Grade scheinen auch die äußeren politischen
Verhältnisse ein reicheres Kulturleben verhindert zu haben, so daß trotz der
Kunstliebe von Kaisern wie Maximihan L, Ferdinand 1. und Rudolf II. sich keine
stetige Blüte entfalten wollte. Vergegenwärtigen wir uns, daß mit Kaiser Friedrichs
Tode eine traurige Epoche für Österreich kaum ihr Ende erreicht hatte.'') Eine
lange Reihe von Kämpfen gegen auswärtige Feinde und aufständische Untertanen,
Fehden zwischen raubsüchtigen Rittern, Dezennien des wildesten Faustrechtes
hatten das Land weithin verwüstet und ausgeplündert. Die Kultur des Bodens
war zerstört, Handel und Verkehr zerrüttet, die Städte ohne Kraft und Blüte,
Hunderte von Höfen lagen in Trümmern, viele Kirchen waren in Flammen auf-
gegangen, die Bewohner des Landes verwildert. Mit Maximilians I. Regierungs-
antritt erholten sich die Länder allmählich von den ausgestandenen Drangsalen,
aber die Kraft des Bürgertums hatte nicht vermocht, sich während der ganzen
Epoche zu so machtvollen städtischen Gemeinwesen zusammenzuschHeßen, wie
sie das südliche, mittlere und nördliche Deutschland in zahlreichen freien Reichs-
städten aufweisen. Die Städte sind aber seit der gotischen Epoche in Deutsch-
land der Hauptherd des Kunstlebens gewesen. Sie bleiben es, wie wir gesehen
haben, auch in der Epoche der Renaissance, jedoch so, daß neben ihnen die
neuen Fürstensitze eine selbständige Blüte entfalten. Diese zieht indes ihren
künstlerischen Nahrungsstoff wieder aus den Kreisen der Städte. Die kunst-
liebenden Herrscher aus dem Habsburgischen Stamme rufen frühzeitig Meister
1) Tschischka a. a. 0. S. 311.
2) Ebenda S. 312.
3) H. Hermann a. a. 0. II, 209.
4) Ebenda II, 210.
5) Fr. X. Pritz a. a. 0. II, 181.
Kunstsinn der Habsburger
43
der Renaissance aus Nürnberg und Augsburg in ihre Dienste. Maximilian 1. be-
darf zu seinen literarischen und künstlerischen Unternehmungen^) der Tätigkeit
eines Dürer, Burgkmair u. a. An seinem Grabmal in Innsbruck, dessen Grund-
gedanke durchaus auf den Ideen der Renaissance beruht, wirken nicht bloß Meister
wie Peter Vischer, sondern auch Augsburger und Innsbrucker Künstler. Wo aber
in dieser frühen Zeit Bauwerke in dem neuen Stile zu errichten waren, mußte
man sich vorwiegend an Italiener halten. Die Portale, mit denen Ferdinand 1.
1524 sein Arsenal in Wienerneustadt schmückte, verraten die Hand italienischer
Steinmetzen. Gleiches ist der Fall mit der um 1515 errichteten Prachtpforte der
Salvatorkapelle in Wien. In Krakau wird schon 1512 ein Meister FranzisJms aus
Italien erwähnt, der beim Neubau des Schlosses verwendet wird, 1520 ist es aber-
mals ein Italiener, Bartholomeus von Florenz, der die Jagelionische Kapelle am
Dom daselbst erbaut und 1536 das abgebrannte Schloß wiederherstellt. Eine
ganze Architektenfamilie aus Italien lernen wir unter Ferdinand I. in Wien und
Prag kennen^): 1532 Jacopo de Spazio, 1542 Anthoni de Sjmzio, der an dem Neu-
bau der Burg in der Neustadt beschäftigt, und Hans de Spazio, der nebst Zoan
Maria (also dem Namen nach wohl ein Venezianer) unter Paul della Stella seit
1536 am Belvedere auf dem Hradschin zu Prag beteihgt war.'') Noch 1568 wird
ein Italiener Continelli als Hof baumeister Maximilians II. aufgeführt.*)
Eine solche Kette italienischer Architekten läßt sich damals in Deutschland
höchstens bei den bayrischen Herzögen nachweisen. Wie dort begründet sie
auch hier das Überwiegen fremden Einflusses, der die Entwicklung einer selb-
ständigen deutschen Renaissance zurückdrängen mußte. Daß es Ferdinand I.
nicht an Liebe und Verständnis für Kunst fehlte, würde allein schon der unver-
gleichliche Bau des Belvedere in Prag bezeugen. Von seinem Verständnis der
Architektur legte er eine Probe ab, als er 1563 auf der Reise nach Frankfurt
die neue Befestigung der Plassenburg besichtigte und dem Markgrafen Georg
Friedrich in den angefangenen Werken etUche Fehler nachwies, welche dem Bau-
meister selbst entgangen waren. ^) Besonders aber teilte er die damals herrschende
Vorliebe für antike Münzen, deren er eine bedeutende Sammlung angelegt hatte.^)
Von der Kunstliebe seines gleichnamigen Sohnes, der 1557 Phihppine Welser
zu seiner Gemahlin machte, legen die Überreste im Schloß Ambras und mehr
noch die Schätze der Ambraser Sammlung in Wien Zeugnis ab. Am meisten
äußerte sich jedoch der Kunstsinn der habsburgischen Fürsten in Bewährung
eines regen Sammeltriebes, und diesem vor allem sind die kostbaren Schätze alter
und neuer Kunst zu verdanken, welche noch jetzt Wien zu einer der reichsten
Fundgruben für künstlerische Studien machen. Aber diese ästhetische Gesinnung,
so hoch immer sie angeschlagen werden muß, war nicht durchgreifend genug,
um monumentale Werke von höherer Bedeutung in größerer Anzahl zu schaffen.
Die Aufgaben, welche die unruhigen Zeiten gerade diesen Herrschern stellten,
waren zu verwickelter Natur, um Muße und Stimmung für künstlerische Schöp-
fungen aufkommen zu lassen. Das Streben, ihre Hausmacht zu befestigen und
zu vergrößern, die Erwerbung und Sicherung Ungarns, die stete Gefahr der
türkischen Einfälle, die Schwierigkeiten, welche die Behandlung der deutschen
Reichszustände boten, alles das noch verstärkt durch die politisch so folgen-
1) Über Maximilian vgl. Herberger, K. Peutinger etc. und den Aufsatz von Hora-
witz in der Österr. Wochenschr. 1872, I. Bd. 18. Heft. Dazu Hormayrs Taschenbucli 1821
u. ff. passim.
2) Jos. Peil in den Ber. des Wiener Altert.-Ver. UI, 229.
3) Försters AUg. Bauztg. 1838 S. 345 ff.
4) Jos. Peil a. a. 0.
5) V. Buchholtz a. a. 0. VIII, 770.
6) V. Buchholtz a. a. 0. VIII, 694.
44 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Die österreichischen Länder
schwere Feindseligkeit gegen die Sache der Reformation, all dieses zusammen
mußte auf das österreichische Kulturleben beeinträchtigend wirken. Der letzte
Habsburger dieser Epoche, der durch Gemütsanlage und Erziehung gleich un-
glückliche Rudolph II., suchte durch Vernachlässigung seiner Herrscherpflichten
sich die Freiheit für allerlei private Liebhabereien zu verschaffen, und der Glanz-
punkt in seinem sonst so verdüsterten Leben ist ohne Frage seine Liebe zu
den Künsten. Aber auch bei ihm äußerte sie sich weniger durch Hervorrufen
monumentaler Schöpfungen, als durch Ansammlung kostbarer Gemälde, Statuen,
Juwelen, Schmucksachen, Mosaikarbeiten und Kuriositäten, i) Erst neuerdings
haben wir durch urkundliche Mitteilungen ein Bild von der Lebendigkeit und
dem Umfange dieser Liebhaberei empfangen.^) Rudolph hatte die für jene Zeit
bedeutende Anzahl von 413 wertvollen Gemälden zusammengebracht, darunter
einen großen Teil jener Meisterwerke, die jetzt noch den Grundstock der Bel-
vederegalerie bilden. In Italien und Spanien hatte er Unterhändler, welche für
ihn den Ankauf von Kunstwerken betreiben mußten. Nicht oberflächlich muß
die Art seiner Kunstliebe gewesen sein, sonst hätte er nicht mit solchem
Eifer überall den Werken Dürers nachgestrebt, von denen er eine Anzahl der
bedeutendsten sich zu verschaffen wußte. Daneben sammelte er Skulpturen in
Marmor und Bronze, antike wie Nachbildungen, rohe und verarbeitete Edel-
steine, eingelegte Tischplatten von Pietra dura und überseeische Kuriositäten
aller Art. Einen Kreis von bildenden Künstlern schuf er um sich, in dem da-
mals berühmte Namen glänzten, zu dem der Bildhauer Adriaen de Vries, die
Maler Jan van Aken, Barth. Spranger, Joseph Heinz, auch viele der trefflichsten
damaligen Kupferstecher, insbesondere aus der Familie der Sadeler, zählten.
Der in der Einleitung genannte Architektur-Theoretiker, der Kunsttischler Gabriel
Krammer aus Köln, war hier als Sr. Majestät Guardi-Pfeiifer angestellt, ver-
mutlich als Pfründe zu seinem Unterhalt. Trotz alledem kam es auch unter
Rudolf nicht zur Entwicklung einer monumentalen Kunst, einer nationaldeutschen
Renaissance.
Überblicken wir die Bauwerke, welche die Renaissance während der langen
Dauer dieser Epoche in dem weiten Umfange der österreichischen Länder hervor-
gebracht hat, so finden wir fast nur fürstliche Bauten und Schlösser des hohen
Adels ; aber auch diese in solcher Vereinzelung über das Land verstreut, daß sie
nicht den Eindruck einer starken einheimischen Schule, sondern vielmehr der
zufälligen Tätigkeit fremder Künstler ergeben. Italienische Formen sowohl in
der Komposition des Ganzen, als in der Behandlung des Einzelnen herrschen
während der ganzen Epoche vor. Das Unregelmäßige in der Anlage nordischer
Bauten tritt zurück; die Türme mit Wendeltreppen werden gern zugunsten ein-
facherer, klarerer Grundrißbildung beseitigt. Auch die hohen Dächer mit ihren
schmuckreichen Giebeln, der Stolz der deutschen Renaissance, spielen hier keine
hervorragende Rolle. Begreiflich ist es daher auch, daß in den architektonischen
Werken jene reizvolle Mischung gotischer Elemente mit Motiven der Renaissance,
mit welcher der neue Stil fast überall in Deutschland auftritt, hier so selten
vorkommt.
Dies gilt übrigens für die Alpengegenden, Tirol, Steiermark, Kärnten nur
zum Teil, wo sich daneben eine höchst malerische Bauweise der Burgen und
Schlösser im nordischen Sinne, der der Schweiz verwandt, erhalten hat. Da sind
noch Türme und Türmchen, Erker und malerische Treppen und Gänge, Zinnen
und ähnliche mittelalterliche Motive an der Tagesordnung; und vor allem im
Innern bleibt eine rein deutsche und nordische Ausstattung, insbesondere Holz-
1) Gindely a. a. 0. 1, 29.
2) Urlichs in der Zeitschr. f. bild. Kunst V, 47 iF.
Charakter der österreichischen Renaissance
45
täfelung an Wänden und Decken, Tonöfen und dazugehöriges maßgebend. Doch
wirkt auch hier Italien insoweit ein, daß namenthch die Höfe mit VorHebe nach
südlicher Weise durch Arkadengänge, sei es auf Pfeilern, sei es auf Säulen, aus-
gestattet, auch Stukkatur und Freskomalerei für die Innenräume nicht selten an-
gewandt werden. Damit hängt zusammen, daß der in Deutschland sonst überall
beliebte Holzbau fast durchgängig dem italienischen Steinbau weicht, mit Aus-
Abb. 24 Terrakotten aus Schloß Schallaburg
nähme der Gebirgsgegenden, die an ihrem lokal ausgebildeten Holzbau kräftig
festhalten. Charakteristisch ist ferner, daß jene geometrische Ornamentik, welche
die Motive der Lederarbeit und des Schlosserstiles in Stein überträgt, eine der
ausgebildeten deutschen Renaissance anhaftende Form, mit Ausnahme in den
dekorativen Holzarbeiten, in Österreich selten angetroffen wird. Dagegen erhält
sich kraft des italienischen Einflusses lange eine überaus edle Behandlung des
vegetabilischen Ornamentes, von der wir in Abb. 24 einige Proben geben.')
Unter den städtischen Bauten sind zunächst die sogenannten Landhäuser,
d. h. die für ständische Versammlungen errichteten Gebäude, auszuscheiden, denn
sie verdanken ebenfalls den privilegierten Ständen ihre Entstehung und tragen
1) Wiener Bauhütte.
46 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Die österreichischen Länder
dasselbe italienische Gepräge. Was sonst in den Städten Österreichs etwa an
bürgerlichen Bauten vorkommt, ist an Zahl und Bedeutung gering. Die spätere
Übersicht wird zeigen, wie unbedeutend die Reihe der bürgerlichen Wohnhäuser
aus dieser Epoche ist. An Rathäusern oder sonstigen Werken der städtischen
Profanbaukunst scheint selbst in den mächtigsten und reichsten Städten des
Kaiserstaates nichts vorhanden zu sein. Wohl mag die äußere künstlerische Deko-
ration sich mehr in Freskenschmuck der Fassaden oder wenigstens in Sgraffito
bewegt haben. Aber auch davon sind nur geringe Spuren erhalten.
Dagegen findet man im ganzen Lande, namentlich im Erzherzogtum Öster-
reich, in Tirol und dem Salzburgischen wie in Kärnten und Steiermark noch zahl-
reiche Schöpfungen der Schlosser- und Schmiedekunst, die kaum irgendwo herr-
lichere Werke hervorgebracht hat als gerade hier. Wir geben vorgreifend einige
Beispiele, denen später andere folgen werden : Abb. 25 ein Gitter aus dem Stifte
Schlägl, Abb. 26 einige Wasserspeier aus Kloster Kremsmünster, zum Beweis,
wie damals das Streben nach künstlerischer Verklärung der Formen sich über
alle Gebiete des Bauwesens, ja selbst des alltäglichen Bedürfnisses erstreckte.
Auch in größeren Werken betätigt sich die Schmiedekunst gern, so an pracht-
vollen Aufbauten über Ziehbrunnen. Davon dürfte das üppigste Beispiel das
später zu erwähnende in Bruck an der Mur sein. Nicht weniger schön ist der
Brunnenaufbau im Hofe des Schlosses zu Grafenegg (Bd. I, Abb. 65).
Außerdem aber muß die wunderbar fein ausgebildete Kunsttischlerei ins-
besondere der Alpenländer noch ausdrücklich gerühmt werden. Ihre Werke ge-
hören mit zu den prächtigsten, vor allem aber elegantesten und vollkommensten
in der Fülle deutscher Tischlerarbeiten. Hatte schon die Gotik, wie in der
Schweiz, so vor allem in Tirol die Wände und Decken nicht nur der Säle und
Zimmer in den Schlössern, sondern auch der Edel- und Bauernhöfe mit wirklich
hervorragend durchgebildeten, oft glänzenden Arbeiten bekleidet, war auch nicht
minder das Mobiliar an Belt und Tisch, Schrank und Stuhl und allem anderen
zu hoher Vollkommen-
heit durchgebildet, so
steigerte sich der Glanz
dieser Kunst bis ins
17. Jahrhundert dau-
ernd zu den höch-
sten Prachtleistungen.
Wenn gerade die Bild-
hauerarbeit an ihnen
mehr zurücktritt als
wohl sonst, so wird da-
für von einem sonst un-
gewohnten Reichtum
der verschiedensten
Holzarten, insbeson-
dere in Ein- und Auf-
lagen, ein ganz außer-
ordentlicher und doch
stets dezenter Ge-
brauch gemacht.
Täfelungen, Türen
und Holzdecken, wie
sie in den Schlössern
Abb. 25 Türgitter aus Stift Schlägl ZU Gandegg, Enn,
Kunstgewerbe 47
Thun-Vigo, des, Mez-
zotedesco, Ambras,
Tratzberg vorkom-
men, vor allem aber
die köstliche Ausstat-
tung des Schlosses
Velthurns bei Brixen,
sind in solcher Fülle
und zugleich Vollkom-
menheit im übrigen
Deutschland nicht zu
finden; auch in Ober-
österreich fehlt es an
ähnlichem nicht. Und
mögen die Bauwerke
selber auch äußerlich
schon stark italienisch
sein, wie die Reihe
der Schloßbauten im
Val di Non und sonst
in der Nähe des Tren-
tino, — im Innern,
in der Ausstattung
herrscht bis weit in
die Südzone hinein der deutsche Kunsthandwerker.
Und wo der Tischler tätig war, da folgt ihm auch der deutsche Kunst-
schlosser und Hafner.
Etwas günstiger als im übrigen Österreich stellt es sich in Böhmen und
Mähren. Hier war schon unter der Herrschaft Karls IV. in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts eine hohe Kulturblüte hervorgerufen worden. Durch die Hussiten-
kriege wurde zwar vieles zerstört, aber der protestantische Geist hatte sich so
mächtig überall in dem Lande ausgebreitet, daß er eine hohe geistige Kultur her-
vorrief. Diesem Umstand wird es zuzuschreiben sein, daß das Land eine größere
Fülle von Monumenten bürgerlicher Baukunst auch aus dieser Epoche aufweist,
und daß ihr künstlerischer Charakter, abgesehen von einzelnen italienischen
Werken der Frühzeit, weit mehr Selbständigkeit und mancherlei Übereinstimmung
mit der deutschen Architektur verrät. Alles dies haben wir nur durch gesonderte
Betrachtung der verschiedenen Länder näher zu erörtern.
Erzherzogtum Osterreich
Die Dürftigkeit einer so mächtigen Stadt wie Wien an Denkmälern der
Renaissance wird immer von neuem die Verwunderung des Forschers erregen.
Haben wir es doch mit einer Stadt zu tun, die schon im Mittelalter sich einer
glänzenden Blüte rühmen konnte. Freihch lag der Grund zum Gedeihen Wiens
weit weniger in selbständiger Pflege von Kunst und Gewerbe als vielmehr in dem
lebhaften Durchzugs- und Zwischenhandel, den die günstige Lage der Stadt mit
sich brachte. An den Grenzen deutschen Landes gelegen, wurde Wien der wich-
tigste Platz des Austausches zwischen dem Westen und dem Osten, und zugleich
durch seine Verbindungen mit Italien ein Stapelplatz für den Handel mit dem
Süden und der Levante. Welchen Reichtum die Stadt im 15. Jahrhundert er-
langt hatte, erkennen wir noch aus den lebendigen Schilderungen des Äneas
Abb. 26 W^asserspeier aus Kremsmünster
48
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Österreich
Sylvius.i) Er rühmt nicht bloß die glänzenden Kirchen, sondern auch die statt-
lichen Bürgerhäuser mit ihren reich gemalten Fassaden, den weiten Höfen, dem
prächtigen Hausrat. Besonders fallen ihm als Zeichen des Luxus die Glas-
scheiben der Fenster und die schönen Eisenbeschläge der Türen auf. Von alledem
ist kaum noch eine Spur vorhanden. Und doch hat schon im früheren Mittel-
alter die Stadt eine selbständige künstlerische Entwicklung erlebt. Die ältesten
Teile von St. Stephan und der Kern der Michaelskirche zeugen, wenn auch nicht
von großartiger, so doch von feiner Ausbildung des romanischen Stiles. In der
gotischen Epoche kamen dazu reichlichere Werke des Kirchenbaus, aber erst mit
dem Stephansdom erhob sich die Baukunst hier zu einer der großen Meister-
schöpfungen der Zeit.
Um so auffallender sticht davon die Ärmlichkeit der Renaissance-Denk-
mäler ab. Wohl waren es Zeiten, die auch für Wien mancherlei Unruhe und
Gefahr im Schöße trugen. Nach Maximilians I. Tode beteiligte sich die Stadt
lebhaft an der Empörung
gegen die Regierung seines
Nachfolgers ; doch wurde der
Aufstand schon 1522 durch
Gefangennahme und Hinrich-
tung der Rädelsführer nieder-
geschlagen.^) Gleich darauf
führte aber die Hinneigung
zur Reformation zu jenen Ver-
folgungen und Ketzerverbren-
nungen, von denen oben die
Rede war. Andererseits droh-
ten wiederholt die Einfälle der
Türken, die 1529 durch Za-
polyas Verrat nach Ungarn ge-
lockt, Österreich und Steier-
mark überzogen, aber durch
den Heldenmut der kleinen
Besatzung von Wien zurück-
getrieben wurden. Die tapfe-
ren Bewohner hatten damals
ihre Vorstädte selbst zerstört
und mit deren Holzwerk die
Basteien befestigt. Die neue
Türken gefahr 1532 wurde
zwar durch Pfalzgraf Fried-
rich rasch zurückgeschlagen;
•aber 1541 raffte die Pest den
dritten Teil der Einwohner
hin.'^) Zugleich steigerte sich
der Kampf gegen die Anhänger
der Reformation, ja 1551 wur-
den die ersten Jesuiten nach
Wien berufen, um der all-
Abb. 27 Portal der Salvatorkapelle zu Wien
1) Aen. Sylv. opera(Basil. 1571)
Epist. CLXV p. 718 sq.
2) Tschischka a. a. 0. S. 284.
3) Ebenda S. 299.
Wien
49
gemeinen Bewegung nachdrücklicher entgegenzutreten. Zur selben Zeit ward die
menschenfreundliche Verordnung erlassen, daß alle Juden zur Unterscheidung einen
gelben Tuchlappen am Oberkleid auf der linken Brust tragen sollten.^) Wenige
Jahre später suchte man sie gänzlich zu vertreiben, ohne jedoch damit völlig
durchzudringen. Mildere Zeiten kamen erst seit 1556; aber bald darauf drohte
durch Suleiman gewaltiger als je zuvor ein neuer Einfall der Türken, nur durch
Zrinys Heldentod aufgehalten und durch des Großherrn Fall vor Szigeth vereitelt.
Endlich ist 1570 das abermahge Auftreten der Pest, 1596 wiederum ein drohender
Türkeneinfall zu verzeichnen. Aber alle diese Gefahren und Unruhen sind doch
nicht ausreichend, um den Mangel an Denkmälern dieser Epoche zu erklären.
Wohl mag die letzte Türkenbelagerung vom Jahre 1683 in den Vorstädten Wert-
volles zerstört haben ; namentlich werden die Häuser und Gärten des Adels, von
denen noch Merlan uns Abbildungen überliefert hat damals zugrunde gegangen
sein; daß aber in der inneren Stadt so weniges erhalten ist, kann man nur aus
der gewaltigen Bautätigkeit erklären, welche seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts
ganz Wien umzugestalten begann.
Das erste Auftreten der Renaissance hat man wahrscheinlich in dem ele-
ganten Portal derSalvatorkapelle zu erkennen. Seine Entstehung wird
mit dem Breve Papst Leos X.^) vom 10. Juni 1515 zusammenhängen, das ver-
ordnete, daß die Kapelle des Rathauses künftig den Namen Sti. Salvatoris führen
solle. Dies gab dem Stadtrat Veranlassung, die ersten Salvatormedaillen aus-
prägen zu lassen, wahrscheinlich auch das Portal zu errichten, das nicht bloß in
seinem Aufbau, sondern auch in der Ausführung auf die Hand oberitaUenischer
Künstler hinweist (Abb. 27). Es wird von reich dekorierten Pilastern eingerahmt,
vor die Säulen mit frei behandelten Kompositakapitellen und am Fuß übertrieben
stark eingezogenen Schäften treten, zum Teil kanneliert, zum Teil mit kriege-
rischen Emblemen bedeckt, ganz im Stil der Frührenaissance Oberitaliens. Sehr
fein sind die von Sphinxgestalten auslaufenden Akanthusranken des Frieses, die
Zahnschnitte, Perlschnüre, Blattkymatien des Hauptgesimses und der anderen
Glieder. Die Bekrönung bildet ein Halbkreis mit kassettierter Leibung, darin
die Halbfiguren Christi und der Madonna in Hochrelief, während auf den Ecken
zwei kleinere Kriegergestalten offenbar an die Stifter der Kapelle, die ritterlichen
Brüder Otto und Haymo, erinnern sollen.
Weiter sind hier mehrere Grabdenkmäler anzureihen. Zunächst in Sankt
Stephan am westhchen Ende des nördlichen Seitenschiffes das Epitaphium des
1529 verstorbenen Doktor Johannes Guspinianus und seiner beiden Frauen, aus rotem
Marmor gearbeitet, in sehr schlichter, derber Renaissanceform, die Nische mit den
Brustbildern von Pilastern eingefaßt, der Bogen mit einer Muschelfüllung, im unteren
Felde die Angehörigen in einer durch dorisierende Säulchen geteilten Halle
kniend. Reicher und größer im nördUchen Kreuzarm das Epitaph des Domherrn
und ehemaligen Kaplans Kaiser Max I., Nikolaus Engelhardt (f 1559), auch dies
noch im Stil zierlicher Frührenaissance. Ein Hauptdenkmal ist das große Bild-
werk von 1540, welches, am Äußeren der südlichen Ghorseiten angebracht, in der
Mitte Maria und Christus, umgeben von Reliefdarstellungen der sieben Schmerzen
Mariä enthält. Eingefaßt von sehr eleganten Pilastern mit korinthisierenden
Kapitellen, die Flächen zwischen den Bildfeldern mit schönem Blattwerk von
leichtestem Flusse, mit spielenden Genien, phantastischen Drachen u.dgl. ausgefüllt,
alles noch entschieden im Charakter der Frührenaissance, fein und elegant. Er-
kennt man hier die Hand eines vorzüghchen Meisters, so sind dagegen die ein-
fassenden Pilaster, welche die zehn Passionsbilder an der südöstHchen Ecke des
1) Tschischka a. a. 0. S. 31 ] . 2) Topogr. Germ. Tom. X. 3) Tschischka a. a. 0. S. 221.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 4
50
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Osterreich
kleinen Ghoranbaues umfassen, von sehr geringem Verständnis der neuen Formen,
wunderlich und primitiv behandelt, in seltsamem Kontrast zu der großen Frei-
heit und Lebendigkeit der figürhchen Szenen, die einen dem Adam Krafft eben-
bürtigen Meister verraten. — In St. Maria am Gestade ein trefflicher Altar des
Johannes Berg von
1520, in frühesten
deutschen Renais-
sanceformen, zum
Teil noch schwer-
fällig, aber im Auf-
bau und Bildhaue-
rischen sehr tüch-
tig; und ohne An-
klang an Italien,
außer im Umriß
und der halbrunden
Krönung. Derbe
Ornamentpilaster
fassen das Mittel-
stück ein, freie Gir-
landen hängen über
seinen drei fast
vollrunden Figu-
ren; an der Predella
ein Veronikatuch
von zwei echten
Renaissanceengeln
gehalten (Abb. 28).
Ein Renaissance-
grab von 1524 sieht
man sodann in der
Deutschordens-
kirche, ein sehr ele-
gantes vom Jahre
1548 in der Mi-
chaelskirche. Es
ist das große, am
südwestlichen Pfei-
ler des Kreuzschif-
fes angebrachte rot-
marmorne Epitaph
des Georg von
Liechtenstein, mit
fein dekorierten, korinthisierenden Pilastern eingefaßt, ebenfalls noch im Geiste
der Frührenaissance. Wie dasselbe Motiv kurze Zeit darauf schon trocken und
nüchtern umgestaltet wird, erkennt man in derselben Kirche an dem Grabmal im
nördlichen Seitenchor vom Jahre 1561.
Die Bürgerhäuser aus jener Zeit haben wahrscheinlich ihren künstlerischen
Schmuck hauptsächlich durch Fresken empfangen, nach deren vollständigem Ver-
schwinden — denn es scheint keine Spur davon mehr vorhanden zu sein — die
Fassaden ohne alles Interesse sind. Wohl tritt hie und da noch ein Erker auf,
aber ebenfalls ohne charakteristische Ausbildung. Bedeutender ist wahrscheinlich
Abb. 28 Altar in St. Maria am Gestade zu Wien
Wien
51
die Architektur der Höfe
gewesen, deren Stattlich-
keit undWeite schon Äneas
Sylvius auffiel. Diese gro-
ßen Höfe, oft von Säulen-
hallen umgeben, gar zu
mehreren aneinander ge-
reiht, so daß daraus Durch-
gänge von der einen Straße
in die andere entstehen,
gehören zu den Eigen-
tümlichkeiten der inneren
Stadt. Aber von bedeu-
tenderem künstlerischen
Gepräge war bis vor dreißig
Jahren nur noch ein ein-
ziger aus jener Zeit er-
halten, in dem Hause am
Graben Nr. 14 (Abb. 29) ;
in stattlicher Anlage wurde
er auf drei Seiten von vier-
geschossigen Arkaden um-
zogen. Die Arbeit war
auch hier nicht gerade von
besonderer Feinheit, doch
kräftig und charaktervoll
in den ausgebildeten For-
men der Renaissance, wie
sie etwa um die Mitte des
16. Jahrhunderts zur Ver-
wendung kamen. Im Erd-
geschoß ruhten die Bögen
auf toskanischen Säulen,
darüber folgten hermenar-
tig verjüngte Pfeiler, dann
ionische Säulen mit dem
hohen Hals der Renais-
sancezeit und mit ver-
schiedenartig gewundenen
Schäften; endlich im ober-
sten Stockwerk korinthi-
sierende Säulen, abwech-
selnd mit gegürteten und
unten kannelierten Schäf-
ten ; sämtliche Stützen im
Anschluß an die niedrigen
Stockwerke von sehr kur- ,
zen Verhältnissen. Die Quergurte der Kreuzgewölbe der Hallen ruhten an den
Wänden auf Konsolen; die Brüstungen der einzelnen Arkadenreihen waren ge-
schlossen und mit einem Rahmenprofil versehen. Zwei Wendeltreppen, eine unter-
geordnete links, die Haupttreppe dagegen rechts, in den vorderen Ecken des
Hofes; die Haupttreppe, auf unserer Abbildung sichtbar, empfing durch Pilaster,
Abb. 29 Hof eines Hauses am Graben zu Wien
52 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Österreich
die in eigentümlicher Weise mit Konsolen verbunden sind, sodann durch
zierliche gotische Maßwerkbrüstungen eine angemessene Gliederung. Die Anlage
dieser Treppe war weit und stattlich, die Spindel zeigte in ihren Profilen mittel-
alterliche Formen ; besonders schöne Wirkung aber in dem Netzwerk verschlungener
Stäbe, welches, mit Rosetten und kleinen Köpfen geschmückt, die ganze Unterseite
der Wendeltreppe bedeckte, ganz in derselben Behandlung, wie an der schönen
Treppe im alten Schloß zu Stuttgart. Den oberen Abschluß fand das Treppen-
haus hier wie dort in einem eleganten gotischen Sterngewölbe. Wie einfach
aber diese Häuser ihre Straßenfassade bildeten, und wie sehr sie auf farbige
Dekoration rechneten, sah man auch hier, da selbst das Portal die größte
Schlichtheit zeigte.
Wie diese Hofanlagen später ins Nüchterne übersetzt wurden, erkennt man
u. a. an dem Hause No. 6 am Fleischmarkt, wo die gedrückten Arkaden des
Hofes in allen Geschossen auf trockenen toskanischen Säulen ruhen. Das Haus
trägt freilich die späte Jahreszahl 1662.
Fast noch unbedeutender ist, was die Renaissance an der Kaiserlichen
Burg hinterlassen hat. Die umfangreichen Gebäude bilden ein Gewirr aus sehr
verschiedenen Zeiten. UrsprüngUch von Leopold dem Glorreichen erbaut, waren
sie 1275 durch einen Brand verheert, aber unter Albrecht I. von einem Meister
Martin Buschperger von Osnabrück wieder hergestellt worden.*) Eine Kapelle
wurde 1298 erbaut, die jetzt vorhandene reizvolle aber ließ Friedrich III. 1449 er-
richten. Umfassendere Umgestaltungen scheinen unter Ferdinand I. stattgefunden
zu haben. Der aus seiner Zeit herrührende Kern des Baues besteht aus drei
Flügeln, die den ungefähr quadratischen Schweizerhof einfassen. Den alten
Zustand erkennt man auf dem 1547 von Bonif actus Wolmuet entworfenen Plan der
Stadt und auf der von 1552 datierenden Abbildung von Hans Sebald Lautensacl-, auf
der man das in demselben Jahr errichtete Portal mit dem Namen und den Titeln
Ferdinands sieht (Abb. 30). Es besteht noch, ist mit dorischen, gebänderlen Halb-
säulen eingefaßt und trägt in den Metopen reichen Schmuck von kriegerischen
und Ordensemblemen; darüber in Rollwerkeinfassung die bezeichnete Inschrift-
tafel. Die Fenster dieses Teils mit Verdachungen und konsolengetragenen Fenster-
bänken sind völlig italienisch gestaltet, doch gut behandelt. Das Gewölbe hinter
dem Portal enthält einen weiteren Rest künstlerischer Ausschmückung aus jener
Zeit; sein flaches Spiegelgewölbe ist in trefflicher Einteilung mit hübschen
Fresken bedeckt. Die blauen Hauptfelder enthalten Wappen zwischen Gold-
ornamenten ; mit ihnen wechseln weiße Felder mit vielfarbigen Arabesken im phan-
tastischen Stil üppig entwickelter Renaissance, nicht gerade von besonderer Fein-
heit, aber lebensvoll und von harmonischer Wirkung. Die Spiegelfläche schmückt
das österreichische Wappen auf blauem Grund. Gemalte Bronzehermen, in grauen
Feldern in den vier Ecken angebracht, scheinen das Mittelfeld zu halten. Der
Name des Malers, der sich dabei selbst konterfeit hat, heißt Battista Porti. Das
ist alles, was hier von Renaissance vorhanden. Die 1559 für MaximiUan II. er-
baute^) sogenannte St all bürg zeigt nichts Bemerkenswertes.
Ebenso ist im Landhaus nicht vieles aus dieser Zeit erhalten. Die Deko-
ration des großen Saales stammt aus späterer Zeit. Doch sieht man in dem
jetzt als Sakristei der Kapelle dienenden Räume ein in rotem Marmor mit An-
wendung von Vergoldung ausgeführtes einfaches Portal, das in seinem Fries die
Jahreszahl 1571 trägt. Toskanische Säulen fassen es ein; merkwürdig ist in der
Attika die Reliefdarstellung zweier Ritter, die einander entgegenreiten, um sich
die Hand zu reichen ; daneben in den als Viertelskreise gestalteten Seitenfeldern
1) Tschischka a. a. 0. S. 211.
2) Tschischka a. a. 0. S. 313.
Wien Wienerneustadt
53
ein in Drachenköpfe auslaufendes Rankenornament. ^) Reicher ist das leider neuer-
dings mit Ölfarbe überstrichene große, aus Eichenholz mit eingelegter Arbeit trefif-
hch durchgeführte Portal aus demselben Jahre, das sich in dem Bibliotheksaale
beifindet. Zwei Hermen, mit zwei Karyatiden wechselnd, gliedern die untere Ab-
teilung, der ein oberer, nicht minder üppig behandelter Aufsatz entspricht.') Wie
sehr es übrigens während
der ganzen Epoche in
Wien gebräuchlich blieb,
italienische Künstler her-
anzuziehen, sieht man
daraus, daß, als 1542 bis
1561 die Stadt neu be-
festigt und mit Basteien
umgeben wurde, neben
den deutschen Architek-
ten Hermes Schallantzer ,
Oberbaumeister der Stadt,
Äugustin Hirschvogel und
Bonifacius Wolmuet auch
die Italiener Francesco
de Poco von Mailand und
Domenico Illalio aus
Kärnten zur Betätigung
kamen.^)
Ein Prachtstück ita-
lienischer Renaissance
besitzt Wien er- Neu-
stadt in dem Haupt-
portal der jetzigen Arlil-
lerlekaserne ■*), laut der
schönen lateinischen In-
schrift 1524 durch Fer-
dinand I. als Zeughaus
gebaut. Das Portal nimmt
die Mitte des östHchen
Flügels an dem sonst
unscheinbaren Bau ein,
gegenüber dem alten Portal der Hofburg zu Wien ' 0 4
Schloß, dessen Kapelle
ein reiches Werk spätgotischer Zeit. Die Renaissance hat hier dem Mittelalter
gegenüber ihr Bestes versucht und ein kleines Meisterstück geschaffen. Elegante
Rahmenpilaster mit antikisierenden Kaiserköpfen in Medaillons bilden die Ein-
fassung. Die Kapitelle, frei korinthisierend mit Akanthus, Greifen und Genien,
gehören zum Besten der Renaissance. Die Bogenleibung zeigt Engelköpfchen
in flachen Kassetten. In den Bogenzwickeln zeigen die Füllung schöne Brust-
biLder, ein männhches und ein weibliches, eingefaßt in Kränze mit flatternden
Bändern. Darüber ein krönendes Giebelfeld mit dem großen reichbemalten Wappen,
1) Mitt. der k. k. Zentr.-Kommiss. 1876 p. LH.
2) Ebenda 1879 p. CLXIX.
3) Tschischka a. a. 0. S. 301 ff.
4) Trefflich abgebildet und besproclien durch K. Lind in den Mitt. der k. k. Zentr.-Komm.
1873 p. 276.
54
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Österreich
das von zwei Greifen bewacht wird. Die Komposition des Ganzen, die Feinheit
der Ausführung, die Eleganz der architektonischen GHeder, das alles deutet auf
einen florentinischen Meister. An der Rückseite der Kaserne ein kleineres Portal
aus derselben Zeit mit gleichlautender Inschrift, in Anlage und Ausstattung ein-
facher. Am Gebälk halten zwei etwas steife Genien das ebenfalls bemalte Wappen.
— Auch hier sind zahlreiche hübsche Hallenhöfe der Renaissance im Stile der
Wiener vorhanden, so am Hauptplatze; in verwandter Behandlung höchst ma-
lerisch die Stiegenlreppe im Probsteihof mit ansteigenden Bögen.
Abb. 31 Hof des Schlosses Sehallabuvg
In den übrigen Teilen des Erzherzogtums sind allem Anscheine nach ver-
schiedene Schloßbauten das Wertvollere aus dieser Epoche. Zunächst das Schloß
Schallaburg bei Melk, zwischen 1530 und 1601 hauptsächlich unter Johann
Wilhelm Ritter von Losenstein errichtet. Die ältesten Teile scheinen bis ins 13.
oder gar ins 12. Jahrhundert hinaufzureichen. Den künstlerischen Kern der Anlage
bildet jedoch der Hof mit seinen prächtigen Arkaden, von denen Abb. 31 und 32
Anschauung geben. Auf drei Seiten umzieht den Hof ein Bogengang auf Säulen,
darüber eine Galerie auf Pfeilern im ersten Stock, zu der zwei mit zierlichen
Eisengittern eingefaßte Treppen hinaufführen. Hier herrscht die höchste Opulenz
der Ausstattung: die Säulen bestehen aus rotem Marmor; die Stylobate der oberen
Pfeiler sind mit Reliefdarstellungen der Taten des Herakles in zierhchen Nischen
geschmückt; dazu kommen phantastisch behandelte, hermenartige Figuren als
Bekleidung der Pilasterflächen; ferner an den Bogenzwickeln die Wappen der
Familie Losenstein und ihrer Verwandten, und endlich zahlreiche Porträtbüsten
Schallaburg
55
am oberen Fries. Die Innenwand der Galerie ist mit großen Medaillons römischer
Kaiser geschmückt. Wunderhch, fast im Charakter mittelalterlich-romanischer
Bauten sind die ionischen Halbsäulchen vor den Pilastern des oberen Bogenfeldes,
Abb. 32 Schloßhof zu Schallaburg
wie denn überhaupt sich die Komposition nichts weniger als korrekt, vielmehr als
sehr willkürlich ausweist. Muß man darin wohl das Walten einheimischer Künstler
erkennen, so zeugen dagegen die herrlichen ornamentalen Reliefs, welche die
Seitenflächen der oberen Pfeiler bedecken, bei reichster Erfindungsgabe von ita-
56
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Österreich
lienischer Anmut. Noch merkwürdiger, daß diese köstlichen Reliefs sämtlich aus
gebranntem Ton bestehen. Die Proben, welche ich nach den Aufnahmen der
Wiener Bauhütte unter Abb. 24 gab, zeigen eine Behandlung des Ornaments, die
italienische Kunst verrät, ja es scheint möglich, daß man die Formen zu diesen
im ganzen südlichen Deutschland unbekannten Dekorationen aus Oberitalien be-
zogen hat. Es herrscht in ihnen jene stilvolle Behandlung des Laubornaments,
die in Deutschland sehr bald durch lineare Formspiele verdrängt wurde. Außer-
dem kommen im Innern an den Türen holzgeschnitzte Flächendekorationen vor,
die aus einer ausgesparten Zeichnung auf leise vertieftem Grunde bestehen. Von
ihnen fügen wir in Abb. 33 eine Probe bei. Die Aufnahmen, denen wir sie
verdanken, geben eine hohe Vorstellung von dem geschmackvollen Reichtum des
Ganzen.
Höchst großartig scheint sodann die unfern von Eggenburg gelegene
Rosenburg, 1593 durch Sebastian Grabner zu Rosenberg und Pottenbrunn
errichtet. Es ist nach den Schilderungen ^) eine bedeutende, im wesentlichen noch
mittelalterliche Anlage, auf steiler Felskuppe malerisch entwickelt, aber mit einem
Renaissancehofe und italienischen Loggien geschmückt. Außer der eigentlichen
Burg umfassen die mächtigen Ringmauern einen sanft ansteigenden Hofraum von
123 Schritt Länge bei 60 Schritt Breite, noch heute in seinem Namen „Turnier-
platz" die ehemalige Bestimmung andeutend. Ihn umgeben rings Arkaden.
Wände und Pfeiler waren bemalt. An der Burgseite schließt den Platz eine
etwas niedrige Mauer mit 14 Nischen, in denen Statuen von Helden der römischen
Geschichte aufgestellt waren. Ein Triumphbogen, mit Pyramiden und Löwen
geziert, führt zur Brücke über den inneren Burggraben und zur Burg, die man
1) Nach gef . Mitteilungen des Herrn Dr. K. Lind.
Niederösterreichische Schlösser
57
durch einen massiven Torturm mit zwei zierlichen Galerien beiritt. Man kommt
nun in den ersten Burghof; links der große Saalbau, rückwärts zur Rechten ein
mächtiger Turm. Zwischen diesem und einem dahinter liegenden, ebenfalls ein
Viereck bildenden Bau zieht sich ein Graben hin. Über eine Zugbrücke gelangt man
in den Teil des Schlosses, der 1614 durch den damahgen Schloßherrn Vincenz
Muthinger von Gumpendorf erbaut worden ist. Hier fällt vor allem eine schöne
Freitreppe von breiten Quadern auf; um den ganzen Hof herum waren unter
dem Gesimse Standbilder von gebranntem Ton angebracht, von denen jetzt etliche
fehlen. Was die zahlreichen Gemächer selbst betrifft, so sind sie meistens sehr
einfach ausgestattet. Bemerkenswert ist indes das Holzgetäfel an der Decke des
Prunksaales, der farbig glasierte Estrich einiger Gemächer, sowie die reichen
Stuckdecken und zierhchen Öfen. Die Kapelle aus der Grabnerschen Zeit hat
noch gotische Reminiszenzen. Diese großartige Burg, durch mehr als ein halbes
Jahrhundert unbewohnt und dem Verfalle anheimgegeben, ward neuerdings durch
die Sorgfalt des letzten Besitzers stilgemäß hergestellt.
Unweit von dort liegt das Schloß Göllersdorf, von Wassergräben um-
geben, erbaut um 1545—96, leider stark verwahrlost und teilweise modernisiert.
Das Haupttor mit dem gräflich Suchheimschen Wappen und der Jahreszahl 1551,
ist eine ebenso nüchterne als lahme Komposition. In der Kapelle, einem Bau aus
dem Ende des 15. Jahrhunderts, herrhche Holzverkleidung der Stühle (1611).
Im ersten Stockwerk gegen den Hof eine offene Galerie, zwar in gedrückten
Spitzbogen errichtet, sonst aber völlig im Charakter der Renaissance. Im Turm-
gemache ein sehr schöner Kamin mit vielen Figuren und der Jahreszahl 1615.
Die Schneckenstiege, höchst merkwürdig, bis auf den Dachboden führend, hat
sicher nicht ihresgleichen im ganzen Lande. An der Unterseite sind Reliefornamente
aller Art angebracht, Tiere, Jagdszenen, Büsten etc. und die Jahreszahl 1555. —
Ein sehr schöner Renaissancebau von 1650 ist die Burg Schleinitz bei Eggen-
burg, leider bereits sehr verfallen. Der mit Marmorplatten belegte große Saal im
zweiten Stockwerk hat eine vorzügliche Stuckdecke. Sodann das nordöstlich von
Wiener-Neustadt gelegene Schloß von Ebreichsdorf , eine ehemalige Wasser-
veste, im Viereck erbaut mit mächtigem Turm an einer Ecke, leider stark restauriert;
sehr interessant die Wappenreihe über den Bogen des Erdgeschosses der Hofseite,
um 1560. Auf dem Friedhofe daselbst steht eine Tumba, als Bekrönung des
Grufthügels, in dessen Gewölbe sich das Erbgrabmal der Familie Beck v. Leopolds-
dorf befindet. Die Tumba, im Stile der reinsten Renaissance gebildet und mit
vielen Wappen geziert, gehört in die letzten Jahre des 16. Jahrhunderts. In
Gaming zählen von den noch bestehenden Gebäudeteilen der ehemahgen Kartause
die Prälatur mit dem prachtvollen Bibliotheksaal, ferner der zweite Klosterhof
mit den offenen Galerien, endlich und zwar insbesondere das herrliche Kirchen-
portal noch zur guten Renaissance. Sie entstanden 1609 unter Peter Hilarion.
— In Klosterneuburg ist das ältere Konventgebäude, ein Bau aus dem Ende
des 16. Jahrhunderts, namentlich aber der Priestergang als Werk der Renaissance
sehr beachtenswert.
Ein anderer ebenfalls als bedeutend geschilderter Bau ist endlich das Schloß
von Michelstätten. Es stammt aus der Zeit um 1600 und gehört seinen
Formen nach den letzten Jahren der schönen Renaissance an. Vor allem' wird
es dadurch merkwürdig, daß, während damals die feudalen Großgrundbesitzer
auf den neu entstandenen Landsitzen die Wehranlagen auf ein Minimum beschränkten,
um eine reiche Entfaltung des Bauwerks nach außen möglich zu machen, bei
diesem Gebäude das Gegenteil befolgt wurde. Nach außen wehrhaft, düster,
schmucklos angelegt, erhielt das Schloß im Innern eine Doppelreihe rundbogiger,
auf Säulen ruhender Arkaden, im Anschluß an die sich offene Hallen, Galerien,
58
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Österreich
geräumige Vorplätze und Gänge ergaben. Im Grundrisse bildet das Gebäude
ein Sechzehneck, das nach außen nur die mit kleinen Fenstern versehenen Feuer-
mauern und an den Ecken Strebepfeiler zeigt; das Dach hat nach slawischer Art
nur e i n e Abschrägung, gegen innen, ist somit an der Außenseite nicht sichtbar.
In Mitte des Hofes ein mächtiger, prachtvoller Renaissancebrunnen, die untere
Schale mit Wappen ein Sechseck, die obere muschelförmige Schale rund. Das
Ganze mit wasserspeienden Genien, Larven, Trophäen und Blumenfestons ge-
schmückt. — Ob von den bei Merian dargestellten Schlössern Windhag, das in
mehreren Prospekten ausführhch vorgeführt ist, Pragtal und Zeilern in Unter-
österreich noch etwas vorhanden ist, vermag ich nicht zu sagen.
In Niederösterreich ist ferner das höchst malerisch gruppierte Bergschloß
Seebenstein mit seinen schönen getäfelten Innenräumen zu rühmen, die in
mancher Beziehung an die tirolischen erinnern. Auch des Schlosses Schwarzenau
bei Gmund sei gedacht, einer riesigen Anlage mit starken Achteckkuppeltürmen
oder Pavillons an den Ecken; seine schöne klare Außenarchitektur in Putz zeigt
reiche Gesims- und Feldergliederung, über dem Eingangstor zu dreien gruppierte
Fenster von Figurennischen flankiert und fein gerahmte und bekrönte Fenster-
architektur; in der Erscheinung an Kraft dem Aschaffenburger Schlosse verwandt.
Ein stattl'ches, reich ausgeführtes Renaissancegrab findet sich in der Kirche
zu Pyhra in Niederösterreich. Es stellt in einem mehr breiten als hohen Wand-
epitaph aus rotem Marmor den 1576 verstorbenen Ritter Christoph von Greiß mit
seiner Gemahlin und zahlreichen Kindern vor dem Kruzifixe knieend dar. Ein
Bogen auf toskanischen Säulen rahmt diese Hauptszene ein, während man in drei
kleineren Bogenfeldern die Brüder des Verstorbenen einzeln knien sieht. Ein
unteres Feld enthält die zierlich behandelten Wappen, ein oberes, attikenartiges
die hübsch mit Kartuschenwerk eingefaßten Inschrifttafeln. Die das Ganze um-
schheßenden Rahmenpilaster sind im Sinne der Frührenaissance elegant mit
Laubornamenten geschmückt.^)
Die meisten Spuren der Renaissance scheinen die niederösterreichischen
Gegenden nördhch der Donau, die an Böhmen und Mähren grenzen, namentlich
das Viertel unter dem Manhardsberg, wohin auch die Rosenburg und Schloß
Göllersdorf gehören, zu enthalten. Hier ist auch am ersten von einer eigenthch
deutschen Renaissance zu reden. In Znaim soll das Rathaus Renaissanceformen
zeigen, in Krems wird ein Privathaus mit zierlichem polygonem Erker, daran
Reliefs von Landsknechtszenen, höchlich gerühmt. Besonders anziehend aber
ist Eggenburg, ein kleines, sehr interessantes Städtchen mit einer Kirche,
teils romanisch, teils gotisch, — und mit einer vollständig erhaltenen Stadt-
befestigung aus dem 16. Jahrhundert. Bemerkenswert vor allem das sogenannte
gemalte Haus, mit braunen Sgraffitozeichnungen an der ganzen Außenseite
überzogen.^) Wir finden Szenen der biblischen Geschichte mit riesigen Figuren,
etliche mythologische Darstellungen und statt der Gesimsleisten Spruchbänder
mit Inschriften teils religiösen, teils heiteren Inhalts. Als Anfertigungszeit ist
der Mai des Jahres MDXLVII auf einem Schriftbande angegeben. Das Haus
selbst zeigt in den Torbögen, Fensterrahmen und Türen den Charakter der Re-
naissance, die unteren Räume sind stumpf spitzbogig überwölbt, gegen den Hof-
raum teilweise eine rundbogige Arkatur. Der Erker hat noch den Charakter der
Spätgotik.
An bürgerlichen Bauten ist überall, auch in den anderen Städten des Erz-
herzogtums, großer Mangel. Bezeichnend ist, daß z. B. Orte wie Linz, die herrlich
gelegene Hauptstadt von Oberösterreich, so gut als keine Spur von Renaissance-
1) Mitt. der Zentr.-Komm. 1877 p. 14. Bericht von Freiherrn v. Sacken.
2) Aufn. d. Wiener Bauhütte XVIII. Taf. 10—12.
Oberösterreich
59
bauten zeigen. Ein schönes Portal am Landhause nach einer Nebenstraße zu
aus rotem Marmor, dessen unteren Bogen dorische Halbsäulen mit schönem Ge-
bälk umfassen, und über dem eine dreibogige Loggia auf ionischen Säulen sich
über einer Brüstung mit drei Wappen öffnet, das Ganze bekrönt durch einen
Tafelaufsatz mit zwei Delphinen, ist der einzige Rest guter Renaissancearchitektur
in der Stadt/) Von der Blüte des Kunsthandwerks dieser Epoche, die auch hier
vorhanden gewesen, geben mehrere Reste von gemalten Fayenceöfen im Museum
Abb. 34 Inntor zu Braunau
dieser Stadt Zeugnis. Mehrere interessante Kacheln mit Reliefs biblischer Ge-
schichten in reicher Polychromie zeigen noch die Formen der Frührenaissance,
dürften also der Mitte des 16. Jahrhunderts angehören. Ein großer, prächtig
gemalter und völlig erhaltener Ofen, von Wildshut stammend, gehört dem Schlüsse
dieser Epoche aXi. Blau, weiß und gelb sind die vorherrschenden Töne; gelbe
und weiße Fruchtgewinde fassen die Felder mit den Reiterbildern der sieben
Kurfürsten, des Kaisers Leopold und des Grafen von Stahremberg ein. Auf den
Ecken bilden römische Krieger als Hermen den Abschluß.
Höchst merkwürdig ist die Pfarrkirche in Waldhausen, einem am Sarming
gelegenen Dorfe in Oberösterreich. Hier erbaute im Anfange des 17. Jahrhunderts
ein Meister Hiob Eder, der sich mit der Jahreszahl 1612 am Monumente selbst
verewigt hat, eine dreischiffige Kirche noch ganz im Stile der Spätgotik, fügte
aber die Sängerempore mit ihrer Brüstung, das Sakramentshäuschen, sowie das
Hauptportal (mit 1610 bezeichnet) in eleganten Renaissanceformen hinzu, die noch
mäßig in der Anwendung von Barockelementen sind und besonders durch eine
reiche lineare Flächendekoration sich auszeichnen.^) Wie es öfter in der deutschen
1) Ortwein, Renaissance in Österreich.
2) Mitt. der Zentr.-Komm. 1876 p. 91 if. mit Abbildungen.
60
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Erzherzogtum Österreich
Renaissance vorkommt, gehen auch hier — und zwar in sehr später Zeit noch —
die Konstruktionen der Gotik neben den Motiven der Renaissance friedlich her.
Die Grenzstadt Braunau zeichnet sich durch stattHche Renaissance-
Befestigungen aus, unter denen das Inntor (Abb. 34) im Stile Wendel Dietterleins
als besonders bemerkenswert hervortritt.
Abb. 35 Grüßer Saal aus Schloß Orth
Das übrige Oberösterreich scheint auch an Schloßbauten weniger zu bieten
als Niederösterreich. Zu nennen ist da Schloß Würthing aus dem Anfang des
17. Jahrhunderts mit stattlichen Rundtürmen an den Ecken des einfachen Bau-
körpers, der im Innern im zweiten Geschoß aber noch schöne Kassettendecken
und Türen in Holz aufweist.^) Auch Aistersheim ist da zu erwähnen, ein
einfach stattliches Wasserschloß mit runden Ecktürmen; ferner die stolzen Schloß-
bauten von Puchheim und Hartheim, beide hohe Türme mit geschweiften
Hauben, letzteres schöne Achtecktürme an den Ecken besitzend. Schloß Vorch-
dorf ist prachtvoll durch einen auf weit vortretenden Konsolen mit Bögen
ruhenden Umgang ringsum bekrönt. Es seien noch genannt Schloß Wildberg,
Viechtenstein, Riedegg, Ottersheim, Schwertberg, Waldenfels,
wohl alles mittelalterliche hochmalerische Anlagen, die in der Renaissancezeit
weiteren Ausbau und Ausstattung erfuhren. An schöner Innenausstattung reich
ist das Land- und Seeschloß Orth. Ein Saal mit Marmorkamin und Portal, wie
mit prächtiger gemalter Decke ist in Abb. 35 dargestellt.
Zu den altertümlichsten und anziehendsten Städten des Landes gehört
Steyr. Aber obwohl eine charaktervolle Gotik hier nicht bloß in kirchlichen,
1) Ortwein, Eenaissance in Österreich, IL, Blatt 30 — 41.
62 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Steiermark und Kärnten
sondern selbst in Profanbauten vertreten ist, geht die Renaissance wieder fast
leer aus. Nur das Korn haus mit seiner Sgraffitofassade ist ein origineller Bau
vom Ende der Epoche (1612). Wir geben in Abb. 36 nach den Aufnahmen der
Wiener Bauhütte die einfach und doch reizvoll behandelte Front, die auch durch
den doppelten Giebel eine ganz besondere Physiognomie erhält. Der Charakter
der Sgraffiten, die sich in richtiger Auffassung der Aufgabe auf bloßes Umrahmen
der Öffnungen beschränken, wird durch Abb. 37 deutlicher veranschaulicht.
Steiermark und Kärnten
Auch in Steiermark wurde die Renaissance durch die KunstUebe der Fürsten
und des Adels eingeführt; nicht minder blieb sie auch hier wesentlich das Er-
zeugnis fremder Künstler. Die bedeutenderen Bauten des Landes scheinen in
der Tat italienischen Ursprunges. Der künstlerischen Entwickelung gereichte es
zu besonderer Förderung, daß die Landeshauptstadt eine Zeitlang Sitz einer selb-
ständigen fürstlichen Seitenlinie war. Unter Erzherzog Karl II. begann die Renais-
sance sich zu entfalten; auch Erzherzog Ernst und im Ausgang der Epoche Erz-
herzog Ferdinand, als Ferdinand II. nachmals deutscher Kaiser, wandten dem
künstlerischen Schaffen ihre Teilnahme zu.
Das Selbständigste und Bedeutendste indes, was das Land in dieser Epoche
hervorbrachte, waren die Schöpfungen der Kleinkünste und Kunstgewerbe. Zu-
nächst sind die Arbeiten der Töpfer hervorzuheben, von denen mehrfach in den
prächtigen Öfen der Schlösser ansehnliche Proben vorliegen. So in der Burg
zu Graz, in den Schlössern Murau, Riegersburg, HoUenegg und
Schrattenberg. Vor allem aber zeichnet sich die Steiermark seit alten Zeiten
durch ihre Eisenindustrie aus, die im Mittelalter und mehr noch in der Epoche
der Renaissance zu einer wahrhaft künstlerischen Durchbildung der Schlosser-
und Schmiedearbeit geführt hat. Noch jetzt trifft man im ganzen Lande, nicht
bloß in den Städten, sondern auch an schlichten Bauernhäusern, zahlreiche Reste
dieser charaktervollen Werke. Auch über die benachbarten Gebiete von Salzburg,
Tirol und Österreich erstrecken sich diese schönen Arbeiten. Ein treffliches Bei-
spiel bietet der in Abb. 38 abgebildete Brunnen in Bruck an der Mur. Trotz
des späten Datums 1626 ist er in technischer Ausführung und stilvoller Behand-
lung den Werken der besten Zeit ebenbürtig. Man liest an ihm den Spruch:
Ich Hans Prasser
Trink lieber Wein als Wasser.
Tränk icli das Wasser so gern als Wein,
So könnt ich ein reicher Prasser sein.
Mit diesem humoristischen Spruch hat wahrscheinlich der kunstreiche Meister
seinen Namen verewigen wollen.
Mit dieser Blüte des Kunsthandwerks kontrastiert auch hier in auffallender
Weise die Dürftigkeit der architektonischen Produktion. Nur die Landeshaupt-
stadt Graz zeichnet sich durch ansehnlichere Werke der Renaissance aus. Der
wichtigste und an sich sehr bedeutende Bau ist das Landhaus^), mit welchem
Namen man in Österreich die für die ständische Vertretung errichteten Gebäude
bezeichnet. Aber auch dieses Monument trägt so entschieden das Gepräge
itahenischer Kunst, daß man es sofort als Werk fremder, und zwar oberitaUe-
nischer Meister erkennt. Die sehr ausgedehnte Fassade, die über dem Dache
von einem unbedeutenden Glockenturme überragt wird, ist im Erdgeschoß von
1) Daselbst VIII.
2) Jos. Wastler, Das Landhaus in Graz. Wien 1890.
Graz
63
einer Reihe torartiger Öffnungen durchbrochen, die wohl für Kaufläden bestimmt
waren. Die beiden Hauptgeschosse haben gekuppelte Bogenfenster, paarweise
durch antikisierendes Gebälk und Gesimse abgeschlossen. Dies ist völlig im
Charakter der Paläste von Venedig und Verona. Über dem Hauptportal bildet sich
eine selbdritt zusammengeschlossene Gruppe, die im zweiten Stock, wieder in
venezianischer Weise, mit einem auf mächtigen Konsolen ruhenden Balkon ver-
bunden ist. Das oberste Geschoß hat kleine Mezzaninfenster. Im übrigen ist
die Fassade ohne Gliederung,
die Flächen verputzt, aber
wohl ursprünglich bemalt. Das
Hauptportal, von stark ver-
jüngten, kannelierten toska-
nischen Pilastern eingefaßt
und von kräftigem Konsolen-
sims bekrönt, zeigt in den
Bogenzwickeln das Wappen-
tier Steiermarks, den feuer-
speienden Panther. Die Fas-
sade sowie der ganze Kern
des Baues ist im Charakter
italienischer Hochrenaissance
durchgeführt, edel und klar;
das Werk des Meisters Do-
menico de LaliOy der es
1556—66, in welchem Jahre
er starb, in trefflichster
Durchbildung erstehen ließ.
Der Meister stammt aus Lu-
gano. Der direkt an das Land-
haus anschließende stattliche
Giebel des Zeughauses
(Abb. 39), erst von 1644 datie-
rend, enthält ein prächtiges
Portal in kräftig entwickelten
Formen, flankiert von Nischen
mit etwas manieriert bewegten
Statuen des Mars und der
Bellona. Prachtvolle Tür-
beschläge und Klopfer, sowie
schön komponierte Gitter an
den Fenstern zeugen von der
Tüchtigkeit der kunstreichen
Schlosser und Schmiede. Am Fries über dem Portal sind die Wappen von fünf
steirischen Adelsfamilien angebracht.
Das Hauptstück des Meisters de Lalio aber ist der große Hof mit seinen edel
durchgebildeten Pfeilerhallen, von denen Abb. 40 eine Anschauung gibt. Durch
einen großen Flur mit Tonnengewölbe und Stichkappen auf dorischen Pilastern
gelangt man in diesen Hof, ein mächtiges Rechteck, an der östlichen Front-
seite von zehn Arkaden, an der nördlichen von fünfen eingefaßt. In der nord-
westlichen Ecke ist die Freitreppe angelegt, die in steigenden Arkaden zum
Hauptgeschoß aufwärts führt. Der westUche Flügel ist ein brillanter Rokokobau,
den Ständesaal enthaltend. In der einspringenden Ecke an der Treppe hegt die
Abb. 38 Brunnen zu Bruck
64
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Steiermark und Kärnten
Kapelle, ebenfalls ein späterer Kuppelbau. Der südliche Flügel endlich ist ein
charakterloser moderner Zusatz. Der Hof erhält durch die in einfach edlem
Dorismus italienischer Hochrenaissance durchgeführten Arkaden den Eindruck vor-
nehmer Gediegenheit,
die durch die Ausfüh-
rung in treflfHchem
Quaderbau gesteigert
wird. Die Wasser-
speier mit ihren Trag-
stangen sind kunst-
reich durchgeführt.
Auch die Wetterfahne
des Uhrturms mit dem
feuerspeienden Pan-
ther zeigt charakter-
volle Behandlung. Die
Haupttreppe zum Vor-
derbau führt im öst-
lichen Flügel mit ge-
rade gebrochenen Läu-
fen ins obere Geschoß,
wo sie auf kraftvoll
behandelte Bogenpor-
tale mündet. Alles dies
ist im Geiste italie-
nischer Kunst durch-
geführt.
Der sogenannte
Rittersaal, der sich im
westlichen Flügel ne-
ben dem Ständesaal
hinzieht, ist ohne ar-
chitektonische Bedeu-
tung. Aus dem vor-
deren Hofe führt ein gewölbter Durchgang an der Westseite in einen einfacheren
Nebenhof, dessen viereckige Fenster jedoch eine feine Einfassung in den Formen
edler Hochrenaissance zeigen. Von hier gelangt man zur Rückseite des Ge-
bäudes durch ein einfacheres, aber ebenfalls charaktervoll entwickeltes Bogen-
portal. Einen besonderen Schmuck erhält der Haupthof durch den prächtigen
Ziehbrunnen, eine der reichsten und originellsten Metallarbeiten der Renais-
sance, ganz aus Bronze, mit fünf prächtig dekorierten Säulchen, die in einen
prächtig ornamentierten Oberbau übergehen. Ranken und Blumen verbinden
sich darin mit Figürlichem zu reizvoller Wirkung (Abb. 41). 1589 — 90 haben
ihn die beiden Erzgießer Marx Wening und Thomas Auer ausgeführt.
Erwähnt man noch die jetzt zerstörte einstige Prachttreppe der Burg^),
ebenfalls ein Werk des Lalio, und das kaum noch dieser Epoche angehörende
Mausoleum Kaiser Ferdinands IL, einen italienischen Kuppelbau in Barock-
formen, so hat man das Bemerkenswerteste der Renaissance in Graz erschöpft.
Das Grabmal ist seit 1619 durch Pietro de Pomis aus Lodi erbaut, das Gruftgewölbe
mit trefflichem verziertem, flachem Kuppelgewölbe; der Kapellenbau daneben in
Kreuzform mit Kuppel ist aber erst seit 1687 mit seiner schönen inneren Dekora-
1) Abgeb. beiWastler a. a. 0. S. 9.
Ahl). 39 Tor des landschaftlichen Zeughauses zu Graz
Graz
65
tion durch Fischer von Erlach fertiggestellt, nachdem der im Äußeren vollendete
Bau innen seither als halbe Ruine gestanden/) Sonst trifft man hier dieselben
architektonischen Züge, welche so vielen Städten Österreichs gemeinsam sind:
eine auffallende Ärmhchkeit, soweit das Mittelalter oder die Renaissance in
Frage kommen; erst in der späteren Barock- und Rokokozeit eine reichere Ent-
faltung. So fehlt es auch hier nicht an stattlichen palastartigen Gebäuden im
italienischen Barockstil. In der älteren Epoche wird man wohl sich meist mit
Bemalung der Fassaden beholfen haben. Eine flott behandelte Fassade, freilich
erst aus dem 18. Jahrhundert, sieht man noch in der Herrengasse, dem Land-
hause schräg gegenüber. Mehrfach kommen polygone Erker an den Ecken vor.
Abb. 40 Hof des Landhauses zu Graz
aber ohne architektonische Ausbildung. Neben dem Landhause zeigt ein Wohnhaus
ein schlichtes, aber charaktervolles Renaissanceportal. Der Hof dieses Hauses,
zu dem man durch einen gewölbten Flur gelangt, hat in drei Geschossen Arkaden
von gedrückten Verhältnissen auf einfachen toskanischen Säulen. Mehrfach findet
man namentlich in der Bürgergasse ähnlich behandelte Höfe; aber alles das ist
von geringer Bedeutung.
Das Mausoleum des General-Feldzeugmeisters Ruprecht von Eggenburg zu
Ehrenhausen (1546—1611) gehört ebenfalls zu den italienisch gefärbten Bau-
werken, doch ohne des malerisch-nordischen Elementes zu entbehren. Die pompöse
Eingangsfront mit halbrundem Abschluß und gebrochenem Giebel darin besitzt ein
prächtiges Portal, von kriegerisch gestalteten wilden Männerhermen eingefaßt, dar-
über üppigste Bekrönung mit Wappen von Engeln gehalten. Zu den Seiten frei-
stehend zwei kolossale Kriegerstatuen als Wächter. Der Grundriß zeigt einen ein-
1) Abgebildet in Interieurs von Kircben Taf. 69, 70. Das Äußere und der Grundriß in
Grurlitt, Barockstil in Deutschland, Fig. 3, 4.
Lübke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 5
66
2. Blich Die Bauwerke XII. Kapitel Steiermark und Kärnten
fachen Langbau, in die Tiefe sich erstreckend, über dessen Mitte und über vier frei-
stehenden Säulen eine achteckige Kuppel sich erhebt — eine recht primitive Anord-
nung — als Mittelteil stolz ausgebildet, mit Pilastern an den Außenwänden, zwischen
denen die Bilder des Gründers und seines Neffen Wolff angebracht sind. Der
Architekt des Bauwerks war Johann Walder oder Walter aus Graz, der 1606—14
die Ausführung leitete. Das
TSF^ ÄÄT-i Ganze, so italienisch beeinflußt
sein Ausputz auch sein mag,
ist in Charakter und Wesen doch
völlig nordisch.^)
Weiter südhch werden die
Städte nur noch charakterloser
und armseliger. So z. B. Mar-
burg, dessen Profanbau ohne
alle Bedeutung ist. Das Rat-
haus hat zwar über dem Ein-
gang einen Balkon mit Loggia
vom Jahre 1565; aber die dünnen
ionischen Säulchen sind, wie das
Ganze, schwächUch und gering-
fügig. Der Hof hat ebenfalls un-
bedeutende Arkaden auf toska-
nischen Säulen. Dies alles, so-
wie die Gliederung der in Stuck
ausgeführten Fassade, besonders
auch die Einfassung der Fenster
verrät den Einfluß von Graz,
namentlich vom Landhause, aber
auf einer provinziell verküm-
merten, degradierten Stufe. Es
scheint, daß in diesen Gegenden,
wo man nicht imstande war, ita-
lienische Künstlerherbeizuziehen,
die eigene Schöpferkraft nicht
ausreichte, bedeutendere Werke
zu schaffen. Ein Portal an einem
Hause der Postgasse, vom Jahre
1609, trägt denselben dürftigen
Charakter, mag aber wegen sei-
ner Inschrift hier eine Stelle fin-
den, da der Bauherr sich darin
verewigt hat: „Urban Munnich
bin ich genant, in hohen teut-
schen Landen wol bekannt, in
der Schlesie bin ich geboren, zu Marburk hab' ich mein Bhausung erkoren, daselbs
zu bleiben bis in mein tot, dazu helf mir der ewige Gott."
Höhere künstlerische Ausbildung scheinen auch hier nur die Schloßbauten
aufzuweisen. Auf Schloß Limberg, Hohenegg, Purgstaü allerlei Schönes an
Ausstattung, so in ersterem gute Stukkaturen des 17. Jahrhunderts, in Hohen-
egg trefifhche Holztüren und Öfen, in letzterem eine schöne bemalte Balken-
1) Ich verweise auf die ganz vortrefflichen Aufnahmen bei Ortwein a. a. 0. Heft III,
Blatt 1 — 9.
Abb. 41 Brunnen im Hofe des Landhauses zu Graz
Steirische Schlösser
67
decke.^) So namentlich die umfangreiche Riegersburg-, welche die Ritter von
Stade seit 1571, dann im 17. Jahrhundert Elisabeth von Galler, die „schlimme
Liesel" (f 1672), nicht bloß als befestigte Burg, sondern auch als einen mit aller
Pracht ausgestatteten Herrensitz durchführten. Insbesondere ist die Reihe der
prächtigen Räume im ersten und zweiten Stock bemerkenswert, zunächst der ge-
wölbte und schön stuckierte und gemalte Speisesaal ; daran anstoßend der Ritter-
saal mit prachtvoller Holzdecke und drei Holzportalen, die zu den allerschönsten
der ganzen deutschen Renaissance gehören.^) Sie stammen noch von 1600, wie
auch die sehr feine Ausstattung des Türken-, Römer- und Bilderzimmers noch ins
16. Jahrhundert gehört. In den beiden letzten Räumen sind vor allem die wunder-
vollen Decken die Freude des Kunstfreundes, mit kraftvollen Leisten reich ein-
geteilt, deren Felder mit schönen allegorischen und ornamentalen Malereien gefüllt
sind, mit Wasserfarben auf Leinwand ausgeführt, sehr licht in den Tönen. Im
Hof ein tiefer Brunnen mit prächtigem schmiedeisernem Korbdach darüber. In
der Kirche zeugt ein mächtiges Denkmal auf der Nordseite von dem Kunstsinn
der Familie Stade, deren erster, Erasmus, hier begraben ist (f 1578). In ähn-
licher Weise erbauten die Fürsten von Eggenburg ihr gleichnamiges Schloß
bei Graz. Einzelne Teile aus dieser Zeit sollen noch an andern Herrensitzen des
Landes erhalten sein; so in Schrattenberg (Fresken und Öfen), Murau,
Trautenfels, Negau und an der zum Abbrach bestimmten Burg Thalberg.
Hier stammt ein Gebäudeflügel mit prächtigem Saal und Treppenhaus angeblich
aus der Zeit des berühmten Siegmund von Dietrichstein, eines Freundes von
Kaiser Max L Dagegen scheint das kleine Schloß Felsenberg in der Nähe
des Lavanter Tobel bei Graz schon stark mit Barockformen gemischt zu sein.
Schloß Strechau bei Admont besitzt einen langgezogenen Hof mit präch-
tigen zweigeschossigen Arkaden auf zwei Seiten auf stark verjüngten dorischen
Marmorsäulen ; an den oberen Wandflächen zierliche Sgraffitofriese. Im Innern
eine Kapelle mit schön eingeteiltem Muldengewölbe aus Stuck, dessen verschieden-
gestaltige Felder mit Grotesken bedeckt sind; dazwischen zahlreiche Medaillons
mit figürUchen Fresken und Inschriften. In einem Zimmer ein höchst origineller
eiserner Ofen, auch sonst schöne Holzdecken. Tüchtige Täfelungen, Holzdecken
und Türen bewahrt das in derselben Gegend gelegene Schloß Röthelstein,
das namentlich auch einen merkwürdig polychromierten Ofen von Schmiedeisen
aufweist, der trotz seiner gotischen Formen dem 16. Jahrhundert anzugehören
scheint.^)
Im Norden Steiermarks sei noch die ausgezeichnete reiche Stuckfassade eines
Hauses in Leoben (Abb. 42) erwähnt, die mehr auf böhmische oder bayerische
Beziehungen zu deuten scheint. Die fünffenstrige dreigeschossige Fläche ist
durch Rahmen- und Schnörkelwerk schön eingeteilt; auf den Flächen zwischen
den Fenstern sind zwölf Figuren von Tugenden u. dgl. in hohem Relief auf-
modelliert, der Fries markiert ein weiteres Geschoß mit fünf ovalen Fenstern.
Die Mitte der Fassade über dem Doppelfenster enthält das prächtig modellierte
Wappen des Erbauers, über dem Torbogen darunter halten flotte Engel eine
Kartuschetafel. Entstehungszeit um 1610.
Was von kirchlichen Bauten dieser Zeit angehört, trägt meist, wie das
schon erwähnte Mausoleum in Graz, den Stempel italienischer Kunst. So die
Kuppelkirchen des ehemaligen Ghorherrenstiftes Pöllau und des Benediktiner-
stiftes Oberburg, letztere auf den Substruktionen der alten romanischen Basilika
1) Ortwein a. a. 0. Heft I.
2) Stuckdecke, Türen und die beiden gemalten Plafonds, Ziehbrunnen im Hof und Ofen
sind in Ortwein, Een. in Österreich, BI. 11—20 ausführlich dargestellt.
3) Aufnahmen bei Ortwein a. a. 0. Heft 4, 5.
68
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Steiermark und Kärnten
erbaut. Weniger das Mausoleum Erzherzog Karls II. und seiner Gattin Maria in
Seckau, ein verschwenderisch ausgestattetes Werk vom Jahre 1588, als dessen
Künstler inschriftlich Theodorus Gysius und Alexander de Verdetz sich nennen.
Ersterer allerdings wohl ein Italiener, letzterer aber vielleicht aus den Nieder-
landen gekommen, obwohl sein Name auch Älessandro de Verda geschrieben wird.
Auch ein Bildhauer Sebastian Carlone, der den bunten Marmorsarkophag 1589 — 95
meißelte und an den Ausstattungsarbeiten bis 1612 tätig war, wird genannt, sowie
Abb. 42 K. K. Postkasse zu Leoben
ein Maler namens Balthasar Grineo oder Griener. Es scheint, als ob man ab-
sichtlich alle Namen italienisiert hätte. Der Tatbestand widerspricht aber der
Berechtigung dazu.
Ins linke Seitenschiff des romanischen Doms nämlich ist gegen Ende des
16. Jahrhunderts eine Kapelle von zwei Jochen mit kleinem Chor eingefügt, die
unter ihrem Gewölbe an der Innenseite den üppigen Doppelsarkophag des erz-
herzoglichen Paares mit dessen darauf ausgestreckten Gestalten trägt. Die Gurt-
bögen gegen die Kirche und der Eingangsbogen sind durch je eine prächtige,
durchbrochene Marmorwand abgeschlossen. Der Sockel enthält offene Flach-
ornamentfüllungen, der obere Teil messingene Balustersäulen, die Bögen sind
durch entsprechende, im Entwürfe echt nordische, durchbrochene Ornamentaufsätze
gefüllt. Wände und Pfeiler, wie Gewölbe sind, soweit sie nicht größeren oder
Seckau Villach
69
kleineren Fresken Raum boten, in üppigster Weise mit bemaltem Renaissance-
stuck späteren Charakters und italienischen Geschmackes bedeckt.
Dem Ganzen liegt aber offenbar ein nordischer, ja sicher niederländischer
oder niederdeutscher Entwurf zugrunde, der indessen mit Ausnahme der Schranken
von Italienern ausgeführt worden zu sein scheint, wodurch die zierlichen Urformen
in einer nicht glücklichen Weise vergröbert und umgestaltet erscheinen. Die
schöne schmiedeiserne Tür ist aber noch echt deutsch, ebenso die feinen Fries-
gitterfüllungen der Schranken. Trotz dieses Zwiespaltes ist der Gesamteindruck
ein wahrhaft glänzender.^)
Das anstoßende Stift Seckau enthält außer einem schönen Speisesaal
mit Stuckdekoration eine Reihe schön getäfelter Räume, insbesondere prächtige
Kassettendecken und eine prachtvolle Tür in Holz.^)
Noch mehr vereinzelt als in den übrigen Provinzen scheinen die Spuren
der Renaissance in Kärnten. Doch hat die Kunstliebe der Adelsgeschlechter,
namentlich der Dietrichstein, Khevenhiller, Ortenburg-Salamanca sich in manchen
noch vorhandenen Denkmälern verewigt. Namentlich in den prächtigen Grab-
denkmälern der Stadtpfarrkirche zu Vi 11 ach: besonders beachtenswert das des
schon oben genannten Siegmund von Dietrichstein und das prächtige Denkmal
Georgs von Khevenhiller, der mit seinen beiden Frauen, zwei Söhnen und fünf
Töchtern vor einem Kruzifiz kniet, 1580 von Ulrich Vogelsang aus rotem Marmor
gearbeitet. Auch die marmorne Kanzel in derselben Kirche, 1555 von Vizedom
Georg Ulrich von Kynsberg gestiftet, und der ebenfalls aus weißem Marmor ge-
arbeitete Taufstein, nicht minder die Grabdenkmäler in den Kirchen zu Wolfs-
berg, St. Leonhard, Eberndorf, Millstadt und Friesach zeugen von
einem lebhaften Betrieb der Bildhauerei. NamentUch die obenerwähnte Kanzel
ist eines der reichsten Prachtwerke dieser Art; nicht bloß sieht man an ihrer
Brüstung biblische Szenen in Rehefs dargestellt, sondern in höchst origineller Weise
bildet die Säule, auf welcher der Bau sich erhebt, eine Darstellung des Stamm-
baumes Christi oder der „Wurzel Jesse", wobei merkwürdig genug die Figur des
Patriarchen auf einem Steine zu Füßen der Kanzel liegend dargestellt ist. Auch
das durchbrochene Treppengeländer zeigt einen ebenso edlen als reichen Schmuck
im besten Renaissancestil.^) Eins der merkwürdigsten Werke der plastischen Kunst
vom Ende dieser Epoche ist der große Brunnen auf dem Hauptplatz zu Klagen-
furt, ein Herkules mit der Keule, in einem großen länglichen Becken stehend und
die Keule gegen einen riesigen, wohl 7 — 8 Meter langen Lindwurm schwingend,
der mit großer Mühe aus einem einzigen Granitblock gehauen ist. Als das Werk
vollendet war, wurde es von dreihundert Knaben, wie die Chroniken erzählen*),
wie ein Palladium über die Villachertorbrücke festlich geschmückt auf Walzen in
die Stadt gezogen (1634). Von dem prächtigen Eisengitter, das die riesige
Brunnenschale einfaßt, geben wir in Abb. 43 eine Probe.
Neben der Blüte der Kleinkünste und des Kunstgewerbes tritt die Archi-
tektur nur in vereinzelten Leistungen auf. Gleich zu Anfang der Epoche beginnt
sie freilich mit einer der edelsten Schöpfungen, welche die Renaissance auf deutschem
Boden aufzuweisen hat; aber es ist durchaus in Anlage und Durchführung das
Werk italienischer Künstler und scheint im ganzen Lande vereinzelt geblieben zu
sein. Ich meine das prachtvolle Schloß des Fürsten Porzia in Spital an der
1) Interieurs von Kirchen und Kapellen in Österreich, Wien 1895, Taf. 18, 19. Ortwein,
Deutsche Renaissance in Österreich I, Taf. 51 — 65.
2) Ortwein a. a. 0. Taf. 66—70.
3) Bericht über diese Denkmäler von Dr. K. Lind in den Mitt. der Zentr.-Komm. 1874
p. 138 if., mit Abbildungeii.
4) Vgl. H. Hermann a. a. 0. II, 321.
70
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Steiermark und Kärnten
Drau, nach dem Zeugnis des Wappens am Portal ursprünglich von einem Grafen
Ortenburg erbaut. Es gehört zu den größten Überraschungen, am Ausgang des
unscheinbaren bedeutungslosen Fleckens ein solches Prachtwerk edelster freilich
südlicher Frührenaissance zu finden. Das Schloß, im Charakter itahenischer
Stadtpaläste angelegt, richtet seine nördliche Hauptfront gegen die Straße und
ist nach Westen und Süden von einem großen parkartigen Garten umschlossen,
der den Blick in die
herrlichste Alpenland-
schaft mit ihren weit-
hingedehnten, grünen
Matten und den gewal-
tigen Gebirgslinien frei-
gibt. Inmitten dieser
echt deutschen Hoch-
gebirgslandschaft, Inder
man eher eine malerische
mittelalterliche Burg er-
warten sollte, wird man
doppelt überrascht, ei-
nen völlig regelmäßigen
italienischen Palast zu
finden. Nur an seiner
nordwestlichen Ecke der
runde Turm, sowie ein
ähnlicher an der süd-
östlichen Ecke gegen
den Garten hin, der je-
doch ein späterer Zu-
satz zu sein scheint, ver-
treten nordische Über-
lieferung. Die Behand-
lung des Äußeren ist üb-
rigens ziemlich einfach
und prunklos, selbst an
der Hauptfassade sind
Gliederungen und deko-
rative Formen sparsam
angewendet, die Flächen durchweg verputzt, nur die architektonischen Glieder,
die Pilaster, sowie die Einfassungen der Fenster und Türen aus dem feinen mar-
morartigen Kalkstein der Gegend gebildet. Die Komposition der Fassade ist nach
italienischer Weise vöUig symmetrisch, nur mit Ausnahme jenes an der nordwest-
lichen Ecke vorspringenden Turmes ; die Fenster im Erdgeschoß wie in den beiden
oberen Stockwerken in so weiten Abständen verteilt, daß die großen Mauerflächen
sie ungewöhnlich klein erscheinen lassen. Nur über dem in der Mitte angebrachten
Hauptportal schließen sich die Fenster selbdritt loggienartig mit Balkon zu einer
Gruppe zusammen. Diese Anordnung, welche wir schon am Landhaus zu Graz
fanden, weist vielleicht auf venezianische Vorbilder, doch kommt sie sehr ähnlich
bereits an mehreren Palästen im nicht allzufernen Trient vor. Insbesondere er-
innert die ganze Fassadenanordnung stark an den Palazzo Rohr daselbst. Kurze
Rahmenpilaster mit feinen Kapitellen geben den einzelnen Stockwerken eine Glie-
derung und an den Ecken eine kräftige Umrahmung. Reicheren Schmuck hat
nur das Portal erhalten, das von köstlichen Ornamenten im Stile der feinsten ober-
fffff
! 9
•4-H-H-
Abb. 43 Von einem Brunnengitter in Klagenfurt
Schloß Spital
71
italienischen Frührenaissance förmUch bedeckt ist. Die einfassenden vortretenden
Säulen sind in spielender Weise nach unten korbartig ausgebaucht und mit Flecht-
werk umwunden. Das Wappen des Erbauers, von üppiger Ornamentik umgeben,
krönt diesen prächtigen Portalbau.
Die übrigen Teile des Äußeren sind ganz schlicht behandelt. An der west-
lichen Seite tritt nur ein kleiner halbrunder Turm vor ; die Südseite hat dagegen
in der Mitte ein zierliches Portal, das in den Garten führt. Elegante korinthische
Pilaster fassen es ein, an den Postamenten mit Flachreliefs der Taten des Herkules
geschmückt. Auch diese Arbeiten, sowie in den Bogenzwickeln die schwebenden
Figuren mit Füllhörnern verraten die Hand von Künstlern der lombardischen
Schule.
Ein späterer Anbau ist das große Portal, das in derber dorischer Rustika
neben der Ostseite des Palastes von außen den Zugang zum Garten vermittelt,
von einem schmalen Pförtchen begleitet. Eine prunkvolle Inschrift nennt Graf
Johann von Ortenburg als seinen Erbauer.
Tritt man durch das Hauptportal ins Innere des Schlosses, so enthüllt sich
erst die ganze Bedeutsamkeit der Anlage. Man befindet sich in einem großen
von Arkaden umschlossenen Hofe, der den reichsten Palasthöfen Italiens wenig
nachgibt, in der Anlage der Treppe und ihrer Verbindung mit den Bogenhallen
dem strengen südlichen Eindruck ein höchst malerisches Motiv einfügt, so einen
bescheidenen Tribut an nordischen Geschmack abstattend. Unsere Abb. 44, nach
einer Photographie ausgeführt, gibt die nordwesthche Ecke dieses schönen Hofes.
Frei behandelte ionische Säulen nehmen im Erdgeschoß die Arkaden auf, während
korinthisierende kurzstämmige Stützen das Treppenhaus und die oberen Arkaden
tragen. Elegante Balustraden, durch reiche Pfeiler rhythmisch geteilt, dienen
der Treppe wie den oberen Arkadengängen als Geländer. Überall in den Bogen-
zwickeln, den Pilasterflächen, den Postamenten und Brüstungsfeldern ist zierlicher
Schmuck in Ranken und Laubwerk, aber
auch in figürlichen Reliefs, besonders in
Medaillons mit Brustbildern, reichlich an-
gebracht. Zum höchsten Wert steigert
sich die Schmuckbehandlung an den zahl-
reichen Türgewänden, die bei den Haupt-
räumen durchgängig aus weißem Marmor
gearbeitet sind. Hier ist solcher Reich-
tum der Erfindung, solche Schönheit der
Ausführung, solche Anmut in der Zeich-
nung der Blätter, Blumen und Ranken
wie der reichlich eingestreuten figürlichen
Gebilde, daß man an die besten vene-
zianischen Arbeiten erinnert wird.
Die Anordnung der Räume im Haupt-
geschoß (vgl. die Grundrisse Abb. 45) folgt
ebenfalls italienischer Tradition. Den
Hauptraum bildet der große längliche
Saal über der Eingangshalle des Erd-
geschosses, zu beiden Seiten stoßen an-
dere stattliche Räume an, während die
privaten Wohn- und Schlafgemächer den
westlichen und südlichen Flügel, also die
Gartenseite mit den herrlichen Ausblicken
ins Gebirge einnehmen. Alles ist klar und
Abb. 44 Hof des Schlosses Porzia zu Spital
72
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Steiermark und Kärnten
übersichtlich im Sinne italienischer Palastanlagen. Von der ursprünglichen Aus-
stattung der Räume scheint nichts mehr vorhanden zu sein.
Die Entstehung des edlen Baues darf in das vierte Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts gesetzt werden. Zwar fehlt jede Jahreszahl, doch deutet alles auf diese
Zeit hin. Eine Bestätigung finden wir in einem der Hauptfront des Schlosses in
einiger Entfernung gegenüberliegenden Gebäude, jetzt Bezirksamt, offenbar
von derselben Herrschaft erbaut. Es ist im ganzen ein geringes Werk, nur an
der einen Ecke durch einen polygonen Erkerturm ausgezeichnet, im Innern ohne
Bedeutung, merkwürdigerweise aber durch ein köstliches Portal von weißem
Halle im Erdgeschoß Erster Stock
Abb. 45 Grundrisse des Schlosses Porzia in Spital
Marmor geschmückt, von dem man glauben möchte, es habe sich beim Schloß-
bau als überflüssig herausgestellt und hier Verwendung gefunden. Über dem
Portal sieht man das Wappen das Erbauers und die Jahreszahl MDXXXVII. Dies
Nebengebäude dürfte erst nach dem Hauptbau ausgeführt worden sein. Die ar-
chitektonische Komposition des letzteren klingt darin an, daß in beiden oberen
Geschossen die Hauptachse über dem Portal durch paarweise gekuppelte Fenster
markiert wird.
Daß jener vornehme Prachtbau auf seine Umgebung einen gewissen Einfluß
ausüben mußte, erkennt man deutlich an mehreren Arkadenhöfen, freilich von
sehr geringer Beschaffenheit, die sich in den besseren Häusern des Ortes befinden.
Mit diesem einzelnen Meisterstück scheint die Frührenaissance in Kärnten
zu verstummen. Es kamen auch hier die Zeiten tiefer Erregung des religiösen
Lebens. Das ganze Land, den Adel an der Spitze, warf sich der Reformation in
die Arme. Wir haben oben Beispiele davon gegeben, wie überall auch hier in
den Städten der Protestantismus zur Macht, ja fast zur Alleinherrschaft gelangt
war. Ohne Zweifel hätte diese geistige Erneuerung umgestaltend auf das ganze
Leben gewirkt und auch die Kunst verjüngt. Aber nachdem noch der Statthalter
Johann Friedrich Hofmann, Freiherr auf Grünbüchel und Strechau, seit 1578 die
neue Lehre aufs kräftigste gefördert hatte, kam mit dem Regierungsantritt des
Fürstbischofs Ernst von Mangersdorf 1583 die Reaktion zur Herrschaft, und in
Klagenfurt
73
kurzer Frist wurde auch in Kärnten der Katholizismus mit Gewalt der Waffen
wiederhergestellt.^) Wenn man auch zuerst gegen die Stände schonend verfuhr, so
wurden doch auch diese endlich gezwungen, katholisch zu werden, oder auszuwan-
dern und ihre Güter in Beschlag nehmen zu lassen. Manche zogen, um ihrer Über-
zeugung treu zu bleiben, letzteres vor, wie denn zwei Khevenhiller ihr Heimatland
verließen und in schwedische Dienste traten. Unter diesen Verhältnissen konnte
keine Kunst gedeihen, und wir wundern uns nicht, daß selbst die Landeshaupt-
stadt Klagenfurt in architektonischer Hinsicht einen nichtssagenden Eindruck
macht. Kein einziges Gebäude zeugt hier von höherer künstlerischer Bedeutung.
Auch das Landhaus ist ein später Bau mit charakterloser Fassade. Nur der
Hof zeigt eine gewisse StattHchkeit der Anlage. Er ist hufeisenförmig mit zwei
den Vorderbau flankierenden, nach rückwärts vorspringenden Flügeln angelegt.
Jeder von ihnen endet in einem hohen Turm mit oberer Galerie und Zopfhaube.
Offene Arkaden auf toskanischen Säulen von rotem Marmor bilden in dem oberen
Stockwerk eine Galerie, zu welcher in beiden Flügeln Freitreppen unter ähnhchen
Arkaden hinaufführen. Der Zugang zu den Treppen liegt in den Türmen, deren
Erdgeschoß deshalb eine offene Halle auf Pfeilern bildet. So originell und malerisch
diese Anlage ist, so unbedeutend und gering erscheint die Formensprache, in
welcher sie sich ausdrückt. Die Balustrade an der Treppe und der oberen Galerie
zeigt freilich dieselbe italienische Form, wie im Schloß zu Spital, doch ohne feinere
Durchbildung. Der Hauptraum im oberen Stock ist ein großer Prachtsaal mit
marmornem Fußboden und Kamin, an den Wänden sämtliche Wappen des kärn-
tischen Adels gemalt. An der Decke aber das Freskobild und die gemalte Aus-
stattung des „Kleinen Wappensaales", dessen Decke tüchtige allegorische Fresken
zeigt, hat laut inschriftlichem Zeugnis Joseph Ferdinand Fromiler 1740 ausge-
führt. Von den Gemälden, mit welchen ein Meister Flumthal 1580 das Landhaus
schmückte^), ist nichts erhalten.
Schwache Versuche, die Sprache der Renaissance zu reden, findet man so-
dann am Rathause. Die Fassade indes ist auch hier dürftig, nur das Portal
zeigt die Motive der gleichzeitigen Bauten von Graz. Es ist sogar mit Halbsäulen
eingefaßt, die gern korinthisieren möchten, aber es nicht ganz dazu bringen. Doch
sind die Löwenköpfe an den Postamenten, das Blattwerk in den Bogenzwickeln,
das Rahmenprofil der Pilaster und der Archivolte mit den runden Schilden bei
aller Dürftigkeit charakteristische Zeugnisse der Epoche. Im Innern führt ein
gewölbter Flur zu einem quadratischen Hofe, der mit seinen Arkaden einen ganz
italienischen Eindruck macht. Im Erdgeschoß ruhen die Bögen auf weit gestellten
toskanischen Säulen; in den oberen beiden Stockwerken ist eine doppelte Anzahl
von Arkaden durch Anordnung von Säulen in den Interkolumnien erreicht. Aber
die Formen sind auch hier ganz kunstlos, ja roh. Man sieht, wie gering in diesen
Gegenden, sobald man auf italienische Künstler verzichten mußte, die selbständigen
Leistungen ausfallen. Die mehrfach an Privathäusern, z. B. in der Burgstraße, vor-
kommenden Arkadenhöfe verraten dieselbe Kunstlosigkeit.
Auffallend ist ein vereinzeltes Bruchstück in einem Privatgarten der St. Veiter
Vorstadt. Es zeigt auf den vier Seiten Taten des Herakles in flachem Relief auf
gekörntem Grunde, in einer Behandlung, die sich deutlich als Werk oberitalienischer
Bildhauer der Frührenaissance verrät. Auch die Gesimse gehören der Renaissance;
noch mehr aber die Reliefnachahmung einer Geländerdocke an der einen Seite,
wo Herkules seinen Arm um sie legt ; ein Beweis, daß wir es hier mit dem Teil
des Geländers einer Treppe oder Galerie zu tun haben, wie sie genau in derselben
Form im Schlosse zu Spital vorkommen. Da nun dort am Portal der Gartenseite die
1) Genaueres bei H. Hermann a. a. 0. II, 208 ff.
2) Vgl. Hermann a. a. 0.
74
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol uud Salzburg
Postamente der Pilaster gleichfalls mit Herkulesdarstellungen in demselben Stile
geschmückt sind, so dürfte wohl das Fragment in Klagenfurt ursprünglich zur
Ausstattung jenes Schlosses bestimmt gewesen sein.
Erinnern wir nun noch an den oben bereits erwähnten Brunnen auf dem
Hauptplatz, so ist die spärliche Auslese erschöpft. Eines stattUchen, reich durch-
geführten Brunnens in Friesach aber hätten wir noch Erwähnung zu tun. Ein
achteckiges Becken bildet den Wasserbehälter, an den Flächen mit mythologischen
Reliefs, an den einfassenden Pilastern mit Renaissance-Ornamenten geschmückt.
Aus der Mitte des Beckens erhebt sich ein mit bärtigen Atlanten dekorierter
Pfeiler, der eine schön profilierte Schale trägt; dann folgt eine zweite, mit spielenden
Putten dekorierte Stütze, auf der die obere Schale ruht. Diese endhch wird von
einer zierlichen Bronzegruppe bekrönt. Das Ganze eine opulente Arbeit, die indes
kaum ohne italienischen Beistand hergestellt worden sein wird.
Tirol und Salzburg
Tirol ist von allen deutschen Ländern vielleicht dasjenige, das von jeher in
nächster und lebendigster Verbindung mit Italien gestanden hat. Hier ist das
deutsche Volkstum über den höchsten Kamm der Gebirge wie ein Keil weit
südwärts ins Welsche vorgedrungen. Einer der lebhaftesten Handelszüge ging
seit alten Zeiten über die tirolischen Gebirgspässe, namentlich den Brenner, nach
dem Süden, um dem deutschen Binnenlande die Verbindung mit Venedig und da-
durch den ganzen Handelsverkehr mit der Levante zu vermitteln. Im künstlerischen
Leben hat sich durch diese Verhältnisse ein Hin- und Herwogen des deutschen
und des italienischen Einflusses herausgebildet. Jenseits des Brenners kann man
diesem interessanten Prozesse auf Schritt und Tritt nachgehen. Wie mannigfach
sind in Brixen und Bozen die italienischen Motive mit den deutschen gekreuzt!
Genau so, wie in der Natur deutsche Bergformen und deutsche Pflanzenwelt sich
mit südlichen zu hohem Reize mischen. Erst in Trient hat dann Italien völlig
den Sieg davongetragen, und Land und Leute, Sprache und Gesittung, Kunst und
Kultur gestalten sich völlig im Sinne des Südens.
Der Ort, wo jene Kreuzung und Mischung der beiden Kulturen am leb-
haftesten zutage tritt, ist Bozen. Unverkennbar spricht sich dies in dem monu-
mentalen Hauptbau der Stadt noch am Ende des Mittelalters aus. Die Pfarr-
kirche zeigt schon in dem großen lastenden Dach, das die drei gleich hohen
Schiffe, offenbar nach dem Vorbilde von Sankt Stephan in Wien, bedeckt, noch
mehr aber in der durchbrochenen Spitze ihres Glockenturmes die deutsche
Art; ebenso ist der polygone Chor mit dem Umgang ein nordischer Gedanke.
Aber die isolierte Stellung des Turmes, die breite Form jenes Umganges, dem-
jenigen am Dome zu Mailand nicht unähnlich, noch mehr das Hauptportal mit
dem Vorbau auf marmornen Löwen, im Innern ferner die weite quadratische
Stellung der Pfeiler und die dem Romanischen verwandte Bildung der Stützen
sowie der Gewölbgurte, das alles sind Umgestaltungen in italienischem Sinn.
Kein Wunder, daß hier die ausgebildete Renaissance sehr zeitig, und zwar in
der Richtung venezianischer Kunst auftritt. Dies geschieht an dem schönen
Marmorepitaph des Ambrosius Wirsung vom Jahre 1513, welches man außen an
der Nordseite der Kirche sieht. Der knieende Verstorbene, der durch die Madonna
dem mit Dornenkrone und Rute dastehenden Erlöser empfohlen wird, darüber
im Bogenfelde der segnende Gottvater, ist nach Komposition und Formgebung
ein in Stein übersetzter Giovanni Bellini. Ist hier ohne Zweifel die Hand eines
italienischen Meisters zu erkennen, so zeigen dagegen die Flachreliefs der Tür-
flügel des Hauptportals vom Jahre 1521 in ihren schweren Formen wahr-
Bozen Brixen
75
scheinlich die Hand eines deutschen Bildschnitzers, der in Italien die Renaissance
kennen gelernt hatte.
Der Privatbau der Stadt bietet nichts Hervorragendes; aber die Anlage
der Häuser ist im allgemeinen beachtenswert, weil man derselben Zwischenstufe
zwischen nordischer und südlicher Sitte begegnet. Die häufig angebrachten
vieleckigen Erker, einfach oder doppelt die Fassade belebend oder an den Ecken
hervortretend, sind deutsch, die überhängenden Dächer gehören den Alpen; wie
aber das Klima in dem eng umschlossenen Bergkessel schon südlich ist, so reden
die schmalen Straßen, die Arkadenreihen, von italienischem Brauche. VorzügHch
charakteristisch sind die engen, völlig gewölbten Flure und die schmalen Licht-
höfe, in welchen die steinerne Treppe angelegt ist. In den stattlicheren Häusern
bilden sich diese Lichthöfe zu großen, reich erleuchteten Hallen aus, an deren
Umfassungswänden die steinernen Treppen freitragend emporgeführt sind. Nach
außen markieren sich diese Mittelpunkte der Hausanlage durch hohe Dachhauben,
die das unmittelbare Aufprallen der Sonne aufhalten und doch durch große Seiten-
fenster Licht und Luft zur Genüge einlassen. Eines der stattlichsten Beispiele
bietet der Gasthof zur Kaiserkrone. Die Anlage ist in der Tat aus den örtlichen
klimatischen Verhältnissen mit Notwendigkeit hervorgegangen.
Zeigt Bozen in seinen belebten engen Gassen und dicht gedrängten Häusern
die Handelsstadt, so prägt sich die geistliche Residenz in dem stillen, von Klöstern
und Kirchen erfüllten Brixen aus. Der Privatbau ist im ganzen ohne feinere
Durchbildung. An der hohen Fassade vertreten die häufig vorkommenden poly-
gonen Erker deutsche Sitte; aber die überhängenden Dächer, die Balkone vor
den Fenstern und mehr noch die vielfach angewendeten steil aufsteigenden Zinnen-
krönungen — an die kastellartigen Adelspaläste Bolognas und anderer italienischer
Städte erinnernd — gehören dem Süden. Vielfach müssen auch Malereien, eben-
falls nach dem Vorbilde der benachbarten Städte Oberitaliens, ursprünglich die
Fassaden belebt haben. Ein hübsches Beispiel vom Jahre 1642, graue dekorative
Fresken, Putti mit Girlanden, musizierende Kinder, Fesions mit lustig flatternden
Bändern, sieht man an einem Hause auf dem linken Flußufer bei der Brücke.
Auch die Schmiedekunst hat sich in den Eisengittern der Balkone mannigfach
erprobt. Künstlerisch durchgebildet findet man den Typus dieses Privalbaues an
einem stattlichen, der Nordseite der Pfarrkirche gegenüberliegenden Privathaus
(Abb. 46). Die verputzten Flächen zeigen mehrfach Spuren grauer dekorativer
Malereien, Fruchtschnüre mit flatternden Bändern. Mit ihnen muß der rote Stein
der Pfeiler, Gesimse und Fenstereinfassungen treff'lich kontrastiert haben. Im
Innern bildet sich ein großer Flur, dessen Kreuzgewölbe auf mittelalterlichen
Säulen mit schlanken Blattkapitellen ruhen. Von hier steigt die ebenfalls gewölbte
steinerne Treppe mit kräftiger Balustrade empor. Neben ihr bleibt ein schmaler
Gang frei, der zu dem überaus engen Hofe führt, dieser auf der einen Seite
durch eine vorgekragte Galerie, die oben von rohen Säulen aufgenommen wird,
noch mehr eingeengt. Es ist die Anlage, welche fast überall hier wiederkehrt.
Der geistliche Charakter der bischöflichen Residenz spricht sich vor allem
in den zahlreichen Kirchen aus. Der Dom mit seinem Zubehör bildet ein ganzes
Konglomerat kirchlicher Gebäude, künstlerisch nicht eben erheblich, für unsere
Betrachtung ohne Wert. Doch mag daran erinnert werden, daß der überaus reiche
Freskenschmuck der romanischen Kreuzgänge wieder auf südliche Einflüsse deutet.
Die Architektur dagegen scheint hier in keiner Epoche höhere künstlerische Durch-
bildung erfahren zu haben. Dies gilt auch von dem stattlichsten Gebäude, dem
südwestlich vom Dom liegenden Bischöflichen Palast. Es ist ein großes
Viereck, von einem tiefen breiten Graben umzogen, an der südöstlichen und süd-
westlichen Ecke turmartig erhöht. Im Innern gruppiert sich das Ganze um einen
76
2. Bach Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
mächtigen Arkadenhof,
dessen Pfeiler und Bögen
ohne feinere Ausbildung
doch durch die stattlichen
Verhältnisse imponierend
wirken. Dazu kommt
noch in den Nischen
der breiten Pfeiler der
Schmuck zahlreicher Sta-
tuen von Kaisern, Rittern
und Bischöfen in beweg-
ter Haltung, stark an die
Standbilder der Innsbruk-
ker Hofkirche erinnernd,
aber nicht in Metall, son-
dern in trefflicher Terra-
kotta ausgeführt. Die
Zeit der Entstehung wird
durch die Jahreszahl 1 645,
die man in einer Platte
des Fußbodens liest, be-
zeichnet. Die Stuck-
dekoration des hinteren
Flügels aber und der dort
aufgesetzte kleine Turm,
sowie das Portal daselbst
wird durch die Jahres-
zahl 1707 einer späteren
Zeit zugewiesen,
Der Typus der Stadt-
häuser erscheint in ma-
lerischer Umbildung und
ländlicher Vereinfachung
in den Dörfern und auf
dem Lande ; sicher waren
diese reizvollen Land-
häuser auch einst reich
mit Maierei geschmückt,
wie sie noch gar häufig
prächtige Eisengitter be-
sitzen; das wunderhüb-
sche Haus zuBrixlegg
(Abb. 47) besaß gewiß
früher eine Bemalung,
wie sie — leider gar vereinzelt — noch das prächtige Gasthaus zu Ötz bewahrt
hat (Abb. 48), in seiner Art ein Musterbeispiel ländlicher Kunsthebe. Auch das
Amthaus zu Wenns prangt noch mit solchem Schmuck, wie er einst die ganzen
Städte und Dörfer Tirols zu farbigen Prachtbildern gestaltet haben muß.
Diesseits des Brenners ist Innsbruck schon früh der Sitz eines regen
künstlerischen Lebens und ein Ausgangspunkt der Renaissance gewesen. Wie
Kaiser Maximilian L durch seine künstlerischen Unternehmungen, vor allem durch
sein Grabmal und die damit zusammenhängenden Werke die Kunst gefördert hat,
Abb. 46 Wohnhaus zu Brixen
Innsbruck
77
Abb. 47 Wohnhaus zu Brixlcs
ist anderwärts er-
örtert. Seine Gie-
ßerei in Mühlau hat
Werke von hoher
technischer Voll-
endung gescliaffen ;
seine Harnisch-
macher waren weit-
hin berühmt, so
daß sie selbst an
den prachtlieben-
den französischen
Hof berufen wur-
den. Wie früh hier
die Renaissance zur
Aufnahme kam, er-
kennt man auch
an der Altartafel
Meister Sebastian
Scheels, die aus
der Schloßkapelle
von Annaberg im
Vintschgau in das
Museum von Innsbruck gelangt ist.i)
Die Architektur der Epoche hat zunächst in der Franziskaner- oder
Hofkirche ein würdiges Gehäuse für das Grabdenkmal des kunstliebenden
Kaisers geschaffen. Laut der Bauinschrift von Maximilian gegründet, wurde sie
von Ferdinand I. errichtet und von Leopold L weiter ausgeschmückt (Abb. 49).
Schlanke Säulen einer reich verzierten ionischen Ordnung mit ornamentiertem
Hals tragen kühn und leicht die hohen Gewölbe der drei Schiffe. Die Struktur
deutet auf die Zeit Ferdinands I., nur die barocken Stuckornamente der Gewölbe
samt anderen ähn-
lichen Dekoratio-
nen gehören der
späteren Zeit. Eine
treffüche Arbeit
aus der Zeit um
1580sinddie Gh er-
st ü h 1 e , die mit
ihren kannelierten
korinthischen Pi-
lastern, den elegant
geformten Konso-
len, auf welchen die
Baldachine ruhen,
und der übrigen
Abb. 48 Altes Gasthaus zu ütz
1) Über alles dies
haben die archivali-
sohenForschungenDr.
Schön herrs um-
fassende Aufschlüsse
gebracht.
78
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
Gliederung die Formen einer edlen Hochrenaissance mit strengem Ausschluß aller
barocken Elemente zeigen. Aus derselben Zeit, datiert 1577, stammt die Uhr,
ebenfalls eine gute Schnitzarbeit in reiner und schlichter Formgebung, sowie die
Fürstenloggia links im Chor, ebenfalls eine tüchtige Holzarbeit, doch schon
mit etwas mehr barocken Elementen in den Gliederungen und Füllungen. Ein-
facher dagegen ist die in die Loggia führende Tür vom Jahre 1568, mit dori-
schen Pilastern eingefaßt, aber mit etwas barocker Krönung. Das Innere der
Tür, sowie die sämtlichen Wände der Fürstenempore sind mit Intarsien des edel-
sten Stiles bedeckt, die mit ihren herrlichen Blumenranken meisterhaft in far-
bigen Hölzern ausgeführt sind. Diese prachtvolle Dekoration setzt sich sogar
an den verborgensten Feldern unter den Kniebänken, ja selbst im Fußboden fort,
wie auch der Plafond mit ihr bedeckt ist.^) In der Mitte der großen Wandfelder
sind ovale Ölbilder aus der Geschichte Christi, im Stil der raffaelischen Schule
fein ausgeführt, eingelassen. Die schönen Tischlerarbeiten stammen in der
Hauptsache von Konrad Gottlieh in Innsbruck. Das kleine Oratorium, welches
hier im Obergeschoß anstößt, zeigt eine spätere, aber immer noch würdevolle
Dekoration im Barockstil. Kehrt man in den Chor der Kirche zurück, so ist
dort die Orgel noch als ein Werk edler und strenger Renaissance anzuführen.
Auch die beiden schön aufgebauten, auf Delphinen ruhenden und mit Akan-
thuslaub geschmückten Bronzekandelaber sind als gediegene Werke der besten
Zeit zu nennen. Zum Schönsten seiner Art muß man das prachtvolle, reich
vergoldete, in Blumen und Figuren auslaufende Eisengitter rechnen, welches
das berühmte Denkmal des Kaisers umgibt. Nicht minder wertvoll ist das ähn-
lich behandelte Gitter an der zur silbernen Kapelle führenden Treppe. Am Denk-
mal selbst fallen die schwarzen Marmorpilaster mit eleganten frei im Stil der
Frührenaissance gebildeten Volutenkapitellen und Rahmenschäften auf. Die In-
schriftschilde zeigen Einfassungen von aufgerollten Voluten und anderen Formen
der flandrischen Renaissance der Schule des Cornelius Floris. Das schöne Portal
der Kirche mit seiner auf Säulen ruhenden Vorhalle trägt das Gepräge der ita-
lienischen Frührenaissance. ^) Der links anstoßende Kreuz gang mit seinen
schlichten dorisierenden Pfeilern von rotem Marmor, den Wandpilastern und meh-
reren einfach behandelten Portalen gehört der ausgebildeten Renaissance an.
Erhebliche Schöpfungen der Renaissance besitzt im übrigen die Stadt nicht.
Ein origineller, doch anspruchsloser Bau ist indes das Schulhaus in der Ball-
gasse, besonders wegen seines kleinen quadratischen Hofes, der nach italienischer
Weise in vier Stockwerken mit Arkaden auf dorischen, toskanischen, ionischen
und korinthischen Säulen, alles sehr einfach in Holz ausgeführt, geschmückt ist,
wobei die originell ausgeschnittenen Geländer durch ein Flechtwerk von eisernen
Bändern verbunden sind. Ein kleiner Brunnen und der offene Treppenaufgang er-
höhen noch das Malerische der hübschen Anlage. Ein anziehendes Beispiel des Uber-
ganges von Gotik zur Renaissance bietet ein Hausportal in der Inngasse, das
zwar eine in gotischer Weise aus durchschneidenden Stäben geformte Einfassung
hat, aber von schmächtigen Renaissancesäulchen mit hübschen Kapitellen ein-
gerahmt wird, darüber ein Fries mit zwei abenteuerlichen Delphinen, die in
Weinranken endigen. An einem anderen Hause Nr. 2 in der Inngasse, vom
Jahre 1572, sieht man trotz dieses späten Datums neben Renaissancepilastern
gotische Maßwerke; dazu einen polygonen und einen breiteren geraden Erker, deren
Innsbruck noch manche aufweist. Zwei polygone Erker besitzt auch das statt-
liche Haus am oberen Stadtplatz, welches ehemals ein fürstlich Auerspergisches
Palais war. Es hat spitzbogige Arkaden mit spätgotischen Maßwerken, auch däe
1) Aufnahmen dieser Arbeiten bei Ortwein a. a. 0. Abt. IV, Bl. 32 — 47.
2) Abgeb. bei v. Bezold, Die Bank, der Renaiss. in Deutschland, Fig. 14.
Abb. 49 Inneres der Franziskaner-Hofkirche zu Innsbruck
(Nach: Fritsch, Denkmäler deutscher Eenaissance)
80
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
Füllungen unter den Fenstern sind ebensolche. Aber die kleinen, aus rotem
Marmor gearbeiteten, jedoch mit Tünche überschmierten Wappen an der untersten
Fensterbank sind von hübschen Renaissancerahmen mit Pilastern eingefaßt.
Reicher und in ähnhcher Stilmischung ebendort das Katzungsche Haus, ebenfalls
mit polygonem turmartigen Erker geschmückt, in den Fensterfüllungen mit pracht-
vollen, den besten Stil der Renaissance atmenden Reliefs von Turnierszenen leben-
digster Art dekoriert, während in den oberen Feldern wieder spätgotisches Maß-
werk auftritt.
Alle diese dem Übergang angehörenden Bauten werden etwa den vierziger
Jahren des 16. Jahrhunderts angehören; es findet sich das Datum 1541 an dem
Hause der Pfarrgasse Nr. 4 mit dem kleinen polygonen Erker auf gotisch pro-
fihertem Kragstein und den hübschen Wappen im reizendsten Stil der Renaissance
an den Fenster brüstungen. Dabei die Inschrift: „Sapienter illi cogitant qui tem-
poribus secundis casus adversos reformidant." In diesem Hause findet sich ein
eiserner Ofen aus derselben Zeit, an beiden Seiten mit einer weibhchen Figur
in reich ornamentierter Nische geschmückt, das Ganze lebendig gegliedert und
mit fein gezeichnetem Laubwerk ausgestattet, eine tüchtige Arbeit. — Von kunst-
vollen Schlosser- und Schmiedewerken sieht man in der Stadt noch manches an-
ziehende Beispiel. Am Goldnen Adler ein schönes Schild mit Blumen und Ranken
vom Jahre 1632; ähnliche treffliche Gasthausschilder am Bären und am Wilden
Mann in der Innstraße, am Roten Adler in der Seilergasse, noch schöner und
vielleicht etwas früher am Goldnen Löwen ebenda, auch am Weißen Roß in der
Ballgasse, hier jedoch später und weniger organisch entwickelt. — Zu erwähnen
ist endhch auch als tüchtiges Renaissancewerk das Epitaph des trefflichen Erz-
gießers Gregor Löffler (f 1565) in der Kirche zuHötting, der jenseits des Inn
gelegenen Vorstadt Innsbrucks, zierUch und fein. Mancherlei hübsche Turm-
gestaltungen erhöhen den Reiz des städtischen Bildes. So der Feuerturm an der
Hauptstraße (Abb. 50).
An diese Zeit knüpft sich eine weitere höchst tätige Periode des Übergangs
zum Barock. Das Postgebäude mit seinen ungemein grotesken, hochorigi-
nellen Masken im Hauptgesims ist ein reich ausgeprägter Bau der Art. Dasselbe
gilt von dem Landschaftshaus, das mit den gewaltigen elefantenmäßigen
verjüngten Pilastern am Portal, über den sich der Balkon aufbaut, eine imposante
Wirkung macht. Prachtvoll ist auch der Hof mit der großartig angelegten Treppe,
eine echt italienische Anlage. Endlich weist das am Inn gelegene Landes-
gericht im Hauptgesims eine Reihe von Masken, die an grotesker Phantastik
diejenigen des Postgebäudes noch übertreffen.
Reichere Spuren der Kunstpflege dieser Zeit bewahrt die berühmte Burg
Ambras, die so herrlich von ihrer Felsenhöhe auf das großartige Gebirgstal
niederschaut. Als Kaiser Ferdinand L 1563 längere Zeit in Innsbruck verweilte,
schenkte er wahrscheinhch damals seinem gleichnamigen Sohne Schloß und Herr-
schaft Ambras, welche dieser dann im folgenden Jahre seiner gehebten Gattin
Phihppine Welser übertrug, i) Das waren die goldenen Tage der Burg. Damals
wurde sie aus einer mittelalterlichen Veste zu einem glänzenden Fürstensitze um-
geschaflfen und sah jene herrlichen Sammlungen in ihren Räumen entstehen und
sich mehren, von denen jetzt nach ihrer Übertragung in die Hauptstadt des
Reiches nur noch geringe Überbleibsel an ursprünghcher Stelle zeugen. Der
architektonische Charakter der vorhandenen Gebäude beweist, daß damals eine
durchgreifende Umgestaltung vorgenommen wurde. Schon im Unterschloß zeigt
der Hof Arkaden auf toskanischen Säulen, welche dieser Zeit angehören. Im
1) Buchholtz, Ferdin. I. Bd. VIII. S. 725.
Schloß
Burghofe (Abb. 51) wird, statt einer rei-
cheren architektonischen Ausbildung,
durch grau in grau gemalte Fresken ein
heiteres Bild entfaltet. Unten sieht man
fassettierte Quadern, oben gemalte Ni-
schen mit Figuren von Tugenden, dann
den Triumph des Reichtums, Judiths Sieg
über Holofernes, sowie die Szene aus den
Gesta Romanorum, wo die Söhne nach
der Leiche des Vaters schießen. Die Ar-
beiten sind von mittlerem Wert, aber von
guter Gesamtwirkung. Von den inneren
Räumen ist die Kapelle noch gotisch mit
Sterngewölbe, die Empore für die Herr-
schaft auf stämmiger Mittelsäule ruhend,
die Apsis achteckig; das Ganze ist re-
noviert. Die alte Orgel zeigt prächtig
eingelegte Arbeit und Malereien. Gegen-
über der Kapelle hegt das Bad mit einem
hübschen Vorzimmer, dessen reich profi-
lierte Decke gleich dem untern Teil der
Wände aus Holzgetäfel besteht. Die
oberen Wandflächen waren mit arg zer-
störten Fresken geschmückt, welche hei-
tere Badeszenen enthielten. Über der Tür
die Jahreszahl 1567, die wohl für die
ganze Ausstattung maßgebend ist.
Im Hochschloß sind sowohl im ersten
wie im zweiten Stock die Zimmer großen-
teils noch mit ihrem Täfelwerk an den
Decken und mehrfach an den Wänden
versehen. Diese Arbeiten sind in jeder
Hinsicht vortreffhch gezeichnet und aus-
geführt, doch meist von einer gewissen
zurückhaltenden Noblesse (Abb, 52). Ein
Schlafzimmer zeigt eine ungemein reich-
geschnitzte und eingelegte Decke. Auch
der Speisesaal hat eine durch ihre per-
spektivische Einteilung interessante Ver-
täfelung. Von der Ausstattung sind
manche tüchtig gearbeitete Schränke,
Schreibtische, Kunstschreine, Schmuck-
kästen u. dgl. erhalten; manches aber ist
auch erst neuerdings dazugefügt worden.
Wichtig ist eine ganze Reihe alter gla-
sierter Öfen, zum Teil mit plastischem
Schmuck, von großem Reichtum, durch-
weg indes schon in den derben Formen
des 17. Jahrhunderts ausgeführt. Auch
ein gußeiserner Ofen derselben Zeit mit
bibhschen Rehefdarstellungen ist erhal-
ten. Diese Arbeiten, die wohl sicher im
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland
Ambras g|
Abb. 50 Stadt- oder Feuerturm zu Innsbruck
3. Aufl. 6
82
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
Lande entstanden sind, zeugen von der langandauernden Blüte des hiesigen
Kunsthandwerks .
Berühmt ist vor allem aber der riesige 1571 fertiggestellte „spanische Saal"
(Abb. 53), der zu ebener Erde unten an das Schloß vorgebaut ist, ein Raum von
fast 45 auf 10 Meter Länge und Breite; ihn bedeckt der gewaltigste Holzplafond
mit reichen Kassettenfeldern, schön eingelegt, eine Glanzarbeit der deutschen
Renaissance. Die weißen Wände mit ihrer langen Fensterreihe sind prächtig mit
Abb. 51 Schloß Ambras Äußeres mit spanischem Saal
Grotesken bemalt und enthalten in langen Reihen Porträts aus dem Herrscher-
hause, sind dazu mit Jagdemblemen, insbesondere Geweihen, geschmückt. Dieser
Festraum darf als einer der maßgebenden in den deutschen Landen bezeichnet
werden; ein Prachtwerk und eine glänzende Leistung deutscher Kunst nahe an
den Grenzen deutschen Wesens. Holzdecke und Türen von Konrad Gottfried,
Hoftischler in Innsbruck.
Von den zahlreichen Schlössern des Landes^) ist manches zerstört, das
meiste übrigens in Anlage und Ausführung mittelalterlich. Charakteristisch ist
bei diesen Werken von jeher die hohe Vorliebe für Freskodekoration. So in um-
fassendster Weise die berühmten Wandgemälde auf Schloß Runkelstein bei
1) Manche wertvolle Notizen in zwei Aufsätzen der Beil. zur AUg. Ztg. 1868, Nr. 305 u. 3S1.
Tiroler Schlösser
83
Bozen, ferner im Schlosse Reifenstein bei Sterzing, im Schlosse Bruck bei
Lienz, im Rentamtsgebäude zu Meran usw. Aus der Zeit der Renaissance ent-
Abb. 52 Täfelung aus Schloß Ambras
hielten Schloß Mayenburg bei Völlau, die Ghurburg (Vintschgau), Schloß Cles,
Valerio u. a. mythologische, allegorische und historische Darstellungen. Reich
ausgestattet und mit wertvollen Schätzen des Altertums geschmückt ist Schloß
Tratzberg, durch seinen kunstsinnigen Besitzer würdig hergestellt (Abb. 54).
Abb. 54 Zimmer aus Schloß Tratzberg
Abb. 56 Fürstensaal aus Schloß Velthurns
86
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
Ein völlig erhaltenes reizvolles Werk der Renaissance ist Schloß Velthurns bei
Brixen, das von 1580 — 87 vom Fürstbischof Freiherrn von Spaur als Sommer-
residenz erbaut wurde. Wir sind über die Verfertiger der köstlichen Ausstattung
(Abb. 55 und 56) außerordentlich gut unterrichtet: der kunstreiche Meister der
meisten Holzarbeiten war Hans Spineider aus Meran ; der wunderbar schöne Ofen
des Fürstensaales stammt von Paul Pietschdorfer in Bozen (1583), die grünen
Ofen von Paul Brug-
ger in Brixen. Die
Schnitzarbeiten fer-
tigte Thomas Barth
aus Bruneck. Auch
die Schlosser, die die
feinen Beschläge der
Türen lieferten, wer-
den genannt ; nicht
nur drei in Brixen,
sondern selbst einer
in Augsburg wurden
damit betraut.
Das einfache Äu-
ßere des Haupt- wie
Nebenhauses hat eine
bescheidene Gliede-
rung durch dreiseitige
Erker; die Putzflächen
um die Fenster und
an den Ecken aber
waren mit reizvoller
buntfarbiger Kartu-
schemalerei gefüllt,
deren Spuren noch
überall zu sehen sind,
und die von der Kunst
der trefflichen Meister
Hans Vogler nndDaniel
Solbach in Brixen eine
sehr vorteilhafte Vor-
stellung geben. 1) Die
prächtigenTäfelungen
des Fürstensaales gehören zu den allerschönsten in Deutschland, wie kaum minder
die der kleinen Säle und Zimmer, die sich in den beiden oberen Stockwerken
über dem einfachen gewölbten Erdgeschoß verteilen. Oberhalb der Täfelungen
sind überall zierliche Freskobilder statt Tapeten angebracht, so im Fürstensaal
die der sieben bauhchen Weltwunder. Prachtvolle Portale mit Säuleneinfassungen
und reichen Aufsätzen führen in die Nebenräume; reiche Kassettendecken mit
vergoldeten Profilen bedecken die Räume; herrliche Öfen schmücken, ein drei-
seitiger reizender Erker in zwei Stockwerken erweitert sie. So einfach und länd-
hch bescheiden das Äußere erscheint, so delikat und anmutig ist das Innere, das
auch einer schön eingelegten Täfelung in der Kapelle nicht entbehrt.^)
1) Ortwein, Ren. in Österreich, Abt. IV, Taf. 1 — 30.
2) Malerische Innenräume in Österreich, Wien 1891, Taf. 8—10, 15 — 18. Schloß Velthurns
und seine Schätze, Berlin, 16 Taf.
Abb. 57 Hof von Schloß Kampann bei Kaltem
Tiroler Schlösser
87
Fresken und Sgraffiten außen und innen sind überall im Lande noch in
zahlreichen Resten vorhanden. Unter vielen anderen ist Schloß Ehrenburg
unterhalb Brunecken ein Beispiel reicher Sgraffitodekoration. Endhch hat das
kleine Sophienschlößchen zu Aufhofen bei Bruneck im Innern wohlerhaltene
Täfelungen und Decken, sowie einen prachtvoll dekorierten, bunt glasierten Ofen
vom Jahre 1613. An einer der reich durchgebildeten Türen des Hauptzimmers
liest man die Jahreszahl 1609.i)
Abb. 58 Paal aus Schloß Kampann bei Kaltem
Noch zu nennen sind außer vielen Schloß Swanburg bei Nals, mit
reizenden Bogenhallen und Treppen seiner Höfe, Schloß Kampann bei Kaltem
(Abb. 57 und 58), eine geschlossene Masse mit schräg gestellten Erkern an der
Ecke und feinem Arkaden- und Säulenhof; Schloß des, hochragende Burg im
Val di Non, mit prachtvollen Innenräumen; Schloß Enn, ein außen wie innen
hochraalerischer Bau, und so viele andere noch; Ghurburg (Abb. 59 und 60)
im Vintschgau usw. Zu erwähnen bleibt die offenbar einst allgemein verbreitete
Bemalung des Äußeren, meist in Fensterumrahmungen und Eckquaderungen
bestehend; aber auch ornamentale Friese, figürUche Malereien zwischen den
Fenstern und anderes ist häufig. Hierfür seien genannt: Schloß Finster-
berg (Vintschgau), die Fischburg (Grödner Tal), des im Val di Non, Zin-
nenburg in Eppan usw. — Auch Hallen, Korridore, Gewölbe und alle irgend
dafür nutzbaren Flächen nehmen an der Bemalung teil, so in Schloß Anger,
Dornsberg.
1) Vgl. den Aufsatz Ton K. Freiherrn v. Czoernig in den Mitteil, der k. k. Zentr.-Komm.
1878 S. 43 ff., mit guten Abbildungen zweier Türen, des Plafonds und des Ofens.
88
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
Schloß Trost bürg bei Weidbruck enthält einen der allerreichst ge-
schmückten Säle der Renaissance, der im Charakter seiner schönen Dekoration
etwas an das Mausoleum zu Seckau gemahnt. Ein prächtiger Holzplafond deckt
ihn.i) Die Wände sind mit weißer Stuckarchitektur, mit schlanken Säulchen und
Nischen auf das üppigste bekleidet, die Türen auf das stärkste betont. Lebens-
große Rittergestalten füllen die Nischen, allegorische und mythologische Figuren
beleben die oberen Teile. Der Gesamtcharakter der Architektur wie das Einzelne
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Abb. 59 Kapellenzimmer aus Schloß Churburs
deuten auf deutsche Künstler, klingen öfters selbst etwas ans Niederländische an.
— Der malerische trotzige Burgbau, da wo sich Eisack- und Grödener Tal ver-
einigen, stolz und hoch gelegen, ist im 16. Jahrhundert durch die Grafen Wolken-
stein erheblich verschönert und bereichert worden.
An Innenräumen mit schöner innerer Holzausstattung, insbesondere der
Frührenaissance ist überhaupt im Lande kein Mangel. Es sei da z. B. auf eine
solche in St. Michael (Eppan) hingewiesen-), das auch im malerischen Privat-
bau des 16. Jahrhunderts höchst reizvolle Werke aufzuweisen hat (Abb. 61).
Kaum eine andere Stadt diesseits der Alpen gibt sich so bestimmt und
machtvoll als geistliche Residenz zu erkennen, wie Salzburg. Zugleichmachen
die hohen Häuser mit ihren kahlen Fassaden, den flachen oder wenig geneigten
1) Malerische Innenräume Taf. 20.
2) Daselbst Tal'. 19.
Salzburg
89
Dächern, die engen Straßen, die weiten Plätze mit ihren pomphaften Brunnen
und Monumenten einen so völHg südUchen Eindruck, als sei ein Stück Itahen in
Deutschland zur Erde gefallen. Alle Kunstübung ist hier von jeher eine geisthche
gewesen. Von der Tätigkeit im frühen Mittelalter zeugen noch trotz mancher
Zerstörungen die Kreuzgänge auf dem Nonnberge mit ihren Wandgemälden, die
Kirchen zu St. Peter und zu den Franziskanern. Die Gotik dagegen hat außer dem
prächtigen Schlosse Hohen-
s alz bürg hier keine erheb-
Uche Blüte getrieben; doch
gehört dieses zu den ein-
drucksvollsten Bauwerken sei-
ner Art. Der gewaltige Bau,
mit riesigen horizontalen
Massen auf seinem Felsklotz
Stadt und Landschaft in gran-
diosester Weise weithin be-
herrschend, gehört sicher zu
den stolzesten Residenzen
jener Zeit, und Fürstbischof
Leonhard, der sie von 1496
bis 1515 in ihrer heutigen
Gastalt errichtete, erscheint
uns als ein echter Renaissance-
fürst, obzwar die gesamte
künstlerische Gestaltung und
Ausstattung des Schlosses
noch in üppigster Spätgotik
gehalten ist. Aber die weiten
Hallen und riesigen Treppen,
die breiten und hohen Säle
mit ihrer prachtvollen ge-
schnitzten Ausstattung an
Wänden und Decken atmen
trotz ihrer gotischen Formen-
fülle wahren Renaissance-
geist, zeigen eine Raumkunst
und Schönheit, die dem Mittel-
alter fremd war.
Ein großartiges Unter-
nehmen der wirklichen Re-
naissancezeit bleibt vor allem Abb. 60 Tür des Kapellenzimmers aus Schloß Churburg
dem aber der Bau des Doms
und seiner Umgebung, der Residenz nebst dem Platze, der dem Dom als Vor-
hof dient. Die nach dem Brande von 1598 zuerst nach den Angaben Scamozzis,
dann nach dem Plane des Santino Solari erstandene wuchtige Kathedrale gehört
in Aufbau und Ausstattung zu den kraftvollsten Leistungen des italienischen
Kirchenbaus, wenn auch in der Anlage die mittelalterliche Gestaltung ihres Vor-
gängers noch durchleuchtet. Der mächtige Ernst des geschlossenen Äußeren,
die wirkungsvoll durchgeführte Ausgestaltung des Inneren in reicher farbiger
Stukkatur sprechen noch von echter Renaissancegesinnung; man kann das Ganze
kaum irgendwie bereits barock nennen. Mit dem Bau der nördlich gelegenen
Residenz und den südlich gelegenen Vorbauten des Petersklosters zusammen ist
90
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Tirol und Salzburg
die zweitürmige Westfront des Doms zu einer Platzanlage zusammengeschmolzen,
in den Zwischenräumen und an der Westseite durch Säulenhallen ausgefüllt, die
diesseits der Alpen ihresgleichen nicht findet. Allerdings durchaus im Geiste
Italiens, dem auch der Palast der Residenz und die sonstigen Neubauten des Erz-
bischofs Wolf Dieterich und seines Nachfolgers, der Neubau (1588), die schönen
Tore der Stadt und
vieles andere ent-
sprossen.
Von besonde-
rem Reize aber ist
die köstliche Villen-
anlage des genann-
ten Kirchenfürsten
zu Hellbrunn
(1613) mit ihren
reizvollen Garten-
anlagen, Grotten,
Wasserwerken. Ist
auch die Gesamt-
anlage ebenfalls
eine echt südliche,
so bleibt doch das
eigentliche Schlöß-
chen mit seinem
hohen Dache und
seiner malerischen
Erscheinung noch
ein nordisches
Werk. Der prunk-
volle Saal darin mit
Freskenschmuck
ist nach Cornelius
Gurlitt durchaus
noch als ein Re-
naissancewerk zu
bezeichnen.
Malerisch zeigt
sich die Anlage des
Kirchhofs bei St.
Abb. 61 Zinnenberg zu Eppan
Peter, eines der wenigen in Deutschland vorhandenen Beispiele eines von Arkaden
umschlossenen Friedhofes, wie ItaUen sie liebt. Die Bögen ruhen auf toskanischen
Säulen, zwischen denen Rustikapfeiler eingeschoben sind; die einzelnen Arkaden
sind durch mannigfaltige eiserne Gilter zu besonderen Kapellen abgeschlossen,
die architektonischen Formen indes ziemUch ländlich und ohne Feinheit. Ähnlich
der Kirchhof von St. Sebastian.
Von gut deutschem Wesen zeugen die zahlreichen trefflichen Eisenarbeiten,
namenthch das schöne Gitter im Hauptportal der Residenz; mehrere treffliche
Eisengitter in der Franziskanerkirche, das schönste rechts vom Eingang an der
Kapelle des hl. Antonius von Padua. Auch die Einfassung des Ruperts-Brunnens
auf dem Marktplatze ist beachtenswert^), merkwürdigerweise erst von 1687.
1) Ortwein a. a. 0. Bd. II Bl. 70.
Salzburg
91
Macht sich hier wie im südöstlichen alten Deutschen Reiche, also in Öster-
reich und dem eigentlichen Bayern, die Nähe Italiens durch die außerordentliche
Verbreitung des Stucks, insbesondere im Innern der Bauwerke — am meisten der
Kirchen — überall geltend, so findet sich darunter doch hie und da ein Werk
mehr nordischen Charakters, bei dem weiträumige und großförmige Klarheit und
wuchtige Pracht
des Südens zu-
gunsten zierlich-
malerischer Wir-
kung zurücktritt.
Davon sei hier vor
allem der reizvolle
Ausbau der Chor-
kapelle der Fran-
ziskanerkirche ^)
genannt, der von
Wolf Dieterich und
seinen Nachfolgern
geschaffen wurde.
Insbesondere die
frühesten nörd-
lichen Kapellen mit
der prächtigen Ein-
rahmung in Halb-
säulenarchitektur
und der eigent-
lichen farbigen in-
neren Ausstattung
zeigen, daß aus der
Mischung südlicher
feiner Formen und
nordischer mittel-
alterlich anklingen-
der malerisch-zier-
licher Art ganz
eigenartige neue
Gestaltungen er-
wachsen können
(Abb. 62).
Abb. 62 Chor der Franziskanerkirche zu Salzburg
Böhmen und Mähren
Von allen übrigen österreichischen Ländern unterscheidet sich im Verlauf
der künstlerischen Entwicklung das Königreich Böhmen. Schon früh nimmt es
auch politisch eine gesonderte Stellung ein und weiß seine Selbständigkeit am
längsten zu behaupten. Durch vielfache Beziehungen zu den benachbarten deutschen
Gebieten gewinnt seine Kultur bereits im Mittelalter manch kräftigen Impuls, am
wirksamsten unter Karl IV. (1346—78) durch die Verbindung mit der Lausitz, der
Oberpfalz und den Brandenburgischen Marken. Wenn auch nicht gerade durch be-
sondere Feinheit und harmonische Durchbildung, zeichnen sich doch die Werke
der böhmischen Gotik durch manchen originellen Zug und kühne Konstruktionen,
wie an der Karlskirche zu Prag, durch üppige Dekorationslust, wie an den Chören
1) Interieurs von Kirchen in Österreich, "Wien 1902, Taf. 7, 85.
92
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen und Mähren
des Domes zu Prag und der Barbarakirche zu Kuttenberg, endlich durch eire
gewisse malerische Phantastik aus, wie sie an den Kirchen zu Laun, Brüx urd
Pilsen, vor allem aber an den zahlreichen Türmen mit ihren wunderlichen Spitzen
und Galerien zu finden ist.
Die Einführung des Renaissancestils fand hier unter wesenthch anderen Ver-
hältnissen statt, als in den übrigen Ländern des deutschen Reiches. Durch d e
Hussitenstürme war nicht allein die gesamte Kunsttätigkeit auf nahezu ein halbes
Jahrhundert unterbrochen worden, sondern es waren auch die Künstler und ge-
schickten Handwerker teils ausgewandert, teils im Laufe der Bürgerkriege ohne
Nachwuchs untergegangen. In dem langen Zeitraum, der zwischen dem Abzug der
Deutschen aus Prag (1409) und der Thronbesteigung des Königs Georg von Podie-
brad (1458) liegt, wurde im ganzen Lande nicht ein einziger kunstgerechter
Bau ausgeführt, wohl aber hunderte von Städten, Klöstern und Ortschaften zer-
stört, wie denn die hussitische Revolution nichts anderes im Gefolge hatte, als
die entsetzlichste Verwüstung. Auch die Regierungsperiode Podiebrads kam
noch nicht als eine friedliche und der Kultur günstige bezeichnet werden, ob-
wohl es diesem hochbegabten und rastlos tätigen Regenten gelang, einigermaßen
geordnete Zustände herbeizuführen und das jeder regelmäßigen Arbeit ent-
wöhnte Landvolk wieder zur Bebauung der Felder anzuhalten. Der Wohlstaid
war mit den Städten vernichtet worden, die Gewerbe lagen darnieder, und an
brauchbaren Arbeitern fehlte es so sehr, daß man schon im Jahre 1437 die ver-
triebenen deutschen Bergleute zurückberufen mußte, denen bald andere Handwerks-
meister folgten. Es kann daher nicht wundernehmen, daß der Fortbau des Prager
Domes unter Podiebrad völlig ruhte und die Bautätigkeit sich zunächst auf Her-
stellung einiger Festungen beschränkte, von denen das Schloß Stern bei Prag
und die Burg Lititz an der Wilden Adler die bedeutendsten sind. Das nach der
Grundform eines sechseckigen Sternes angelegte Sternschloß war ursprünglich ein
eilfertig und roh aufgemauertes Fort, bestimmt die Hauptstadt von der Westseite
her zu decken und nötigenfalls auch im Zaum zu halten. Die Außenseiten zeigen
nicht die mindeste Gliederung oder künstlerische Ausstattung, verraten daher
keinen bestimmten Baustil ; das Innere aber, das in der Folge näher beschrieben
werden soll, wurde durch die Kaiser Ferdinand I. und Rudolf II. total umgestaltet
und zu einem Lusthause eingerichtet. Die Burg Lititz, wo Podiebrad die Reichs-
kleinodien während des Kriegs mit Matthias Gorvinus aufbewahrte, und wo auch
seine Familie einige Zeit gewohnt haben soll, liegt auf einem steilen, an drei
Seiten fast senkrecht gegen den Adler-Fluß abfallenden Felskegel und wurde laut
einer noch vorhandenen Inschrift im Jahre 1468 vollendet. Gegenwärtig liegt das
Schloß in Ruinen, Tannen und wüstes Gebüsch wuchern in den ehemals könig-
lichen Räumen, doch haben sich interessante Einzelheiten erhalten, und die Ein-
teilung der Hochburg kann ziemlich genau ermittelt werden. Das Gebäude trägt
mehr den Charakter eines bequemen Herrenhauses als einer Veste; es ist um
einen rechteckigen Hof von 16 Meter Länge und 13 Meter Breite angelegt, in dem
sich zwei Hauptflügel gegenüberstehen. Diese sind durch Korridore verbunden,
enthalten regelmäßige Reihen von Zimmern, welche in zwei Stockwerken überein-
ander hinziehen und mit großen, meist geradlinig überdeckten Fenstern versehen
sind. Der einzige in diesem Teile bestehende Turm diente als Treppenhaus, und
das niedrige Erdgeschoß scheint nur Vorratskammern u. dgl. enthalten zu haben.
Die Räumlichkeiten sind zwar beschränkt, aber streng symmetrisch angeordnet;
der Baumeister war zweifelsohne ein Italiener, denn nur diese verstanden damals,
ein so wohnliches Gebäude durchzuführen. Geben sich an der Hochburg neben
der allgemeinen Einteilung und den geraden Tür- und Fensterstürzen allerlei An-
klänge an die Renaissance kund, so sind die übrigen noch bestehenden Teile, die
Eegierung- Wladislaws II.
93
Tore und Dienstmannenwohnungen, in altertümlicher Gotik gehalten. Sehr merk-
würdig ist das große Tor, von unten herauf das dritte, oberhalb dessen das zwei
Meter hohe Standbild des Königs in hocherhabener Arbeit thront. Darunter steht
auf einer kleinen Marmortafel die wohlerhaltene Inschrift: Anno Domini MGGGG
sexagesimo octavo Regi Podiebradio.
Lititz wurde in allen seinen Teilen durch Podiebrad neu hergestellt und
ist in kunstgeschichtlicher Hinsicht, sowohl wegen der noch vorhandenen Skulp-
turen, wie besonders deshalb wichtig, weil das mittelalterliche Burgensystem voll-
ständig aufgegeben und eine nach italienischer Art geordnete Einteilung angestrebt
worden ist. Die beiden Brückentürme in Prag, deren Entstehung fälschlich in
das Zeitalter Podiebrads verlegt wird, waren urkundlich schon unter König
Wenzel IV. um 1400 vollendet, und zwar nach den Plänen des Meisters Peter
von (jrmünd.
Dem prachtliebenden König Wladislaw II., dem Jagelionen, welcher 1471 nach
dem Tode Podiebrads von den Ständen erwählt wurde, gebührt das Verdienst, in
Böhmen eine neue Kunstblüte hervorgerufen zu haben. Waren die ersten Jahre
seiner Regierung noch mit Krieg und inneren Unruhen erfüllt, so stand ihm doch
das Glück zur Seite ; er wurde von Kaiser Friedrich III. in herkömmhcher Weise
mit Böhmen und seinen Nebenländern belehnt, schloß mit Matthias Gorvinus, der
noch immer Rechte auf den böhmischen Thron geltend machte, einen leid-
lichen Frieden und versöhnte zuletzt die ihm feindliche Utraquistenpartei, worauf
er sich ganz seinen Lieblingsbeschäftigungen hingab. Wenn auch die allgemeine
Baulust, welche während der Regierung Wladislaws sich über das Land ver-
breitete, als naturgemäße Folge der vorhergegangenen Zerstörung erscheint, so
läßt sich doch nicht verkennen, daß der König das meiste dazu beigetragen hat, die
erwachende Kunsttätigkeit zu fördern. Er ließ zwischen 1480 bis 1502 auf dem
Hradschin eine neue Residenz durch den Baumeister Benedikt, gewöhnlich Benesch
von Zaun genannt i), errichten, von welchem Bau sich noch ein Flügel mit dem
berühmten Wladislawschen Saal erhalten hat. Diesem Werke folgten der Umbau
des Welschen Hofes zu Kuttenberg und die Erneuerung des Schlosses
Bürglitz, das zu einer Sommerresidenz eingerichtet wurde. Über dem Ein-
gang in das Hauptgebäude zu Bürglitz ist eine Marmortafel angebracht; darauf
die Inschrift : Anno Domini Millesimo Quatricentesimo nonagesimo tertio Serenissi-
mus Rex Ladislaus est fundator hujus domus.
Es liegt keine urkundliche Nachricht vor, daß Meister Benedikt die Bauten
zu Bürglitz geleitet habe, doch sprechen Zeit und stilistische Eigentümlichkeiten
dafür. Der durch Wladislaw hergestellte Teil des Welschen Hofes ist zwar sehr
roh durchgeführt und läßt erkennen, daß die geschickteren Werkleute in Prag
und Bürglitz beschäftigt waren, doch treten hier die Renaissanceformen am ent-
schiedensten hervor.
Wie sehr es damals an Bauleuten und besonders an tüchtigen Meistern
fehlte, geht aus einem Schreiben des Königs hervor, das er am Sonntag Judika
1476 dem Rate der Stadt Eger zukommen ließ. In diesem Schreiben verlangt er,
daß die Egerer ihm einen dort wohnenden „Stainmetzen", dessen Namen er nicht
wisse, welchen aber der edle Jan Lobkowitz von Hassenstein verkünden werde,
ohne Verziehen zuschicken sollen, weil er denselben zu seiner Notdurft gebrauche.
„Wenn ihr ihn wieder haben wollt", schließt der königliche Brief, „wollen wir
ihn euch wieder zustehen lassen." — Johann von Lobkowitz übermittelte das
Schreiben an den Rat und fügte bei, daß er nicht zweifle, man werde sogleich
dem gegebenen Auftrage willfahren. Der Rat von Eger jedoch fertigte eine Depu-
1) Inzwischen durch Görlitzer Urkunden als Meister BenediktEied aus Piesting in
Niederösterreich erkannt; s. Allg. Künstlerlexikon.
94 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen und Mähren
tation an den König ab und entschuldigle sich, daß er den Meister wegen eigener
Notdurft nicht entlassen könne. Dieser Meister war Erha7-d, genannt der Bau<r
(Baumeister), der das Schiff der Stadtpfarrkirche zu Eger von Grund aus neu
aufführte und sowohl im Egergau wie im angrenzenden Voigtlande und der Ober-
pfalz eine ausgebreitete Tätigkeit entfaltete. Er wirkte von etwa 1466 — 1500 als
bestallter Stadtbaumeister, führte nebenbei für den Grafen Heinrich von Plauen
eine Kirche, für die Stadt Elbogen ein Sakramentshäuschen, dann den Markt-
brunnen zu Eger und mehrere Schlösser in der Umgegend aus, wobei sehr be-
merkenswert ist, daß er bei Kirchenbauten am gotischen Stil festhielt, an den
Profanbauten aber die Renaissanceformen mit leidhchem Geschick anzuwenden
verstand. Eine ähnliche Richtung hielt Meister Peter, Erhards Sohn, der in Eger
und im westlichen Böhmen arbeitete, sich aber 1515 nach der Oberpfalz zurück-
gezogen haben soll.^)
Auch Matthias von Prostiejow, erst Lehrer an der Teynschule in Prag ur.d
wegen seiner Fertigkeit im Zeichnen Reiseck genannt, welcher in schon vorge-
rückten Jahren zum Steinmetzfach überging und den Chor der St. Barbarakirche
in Kuttenberg vollendete, gehört in die Reihe jener Spätgotiker, welche bereits
Renaissanceformen in ihre Werke einflocht. Alle diese Meister bleiben jedoch
bei oberflächlichen Versuchen stehen. Man trifft in ihren Bauten hier ein korin-
thisches Kapitell, dort eine Mäanderverzierung oder eine kannelierte Säule inmitten
einer sonst regelrecht durchgeführten gotischen Baupartie : keiner jedoch hat ver-
standen, eine ganze Säulenstellung, ein Portal oder nur ein vollständiges Gebälke
im Renaissancestil anzuordnen. Dabei fällt auf, daß einige von diesen Meistern,
wie Reiseck und Peter Bauer in ihrem Alter ganz zur Gotik zurückkehrten.-)
Andere gleichzeitige Steinmetzen, wie die Familie Stanko, Johann und
Kreschitz aus Krumau, Kunz in Graupen, nahmen von der hereinbrechenden neuen
oder wie man sich ausdrückte „welschen" Kunstrichtung keine Notiz und hielten
bis an ihr Ende an der Gotik fest.
Ihren siegreichen Einzug in Böhmen feierte die Renaissance erst im Jahre 1534
unter Ferdinand I., der im Schloßgarten auf dem Hradschin ein großartiges
Lusthaus, heute Belvedere geheißen, aufführen ließ. Erzherzog Ferdinand von
Österreich war 1526 von den böhmischen Ständen auf den durch König Ludwigs
plötzlichen Tod erledigten Thron berufen worden; er verband mit bedeutenden
Regentengaben große Energie und gedachte sich die Zuneigung seiner neuen
Untertanen durch umfassende Bauunternehmungen zu erwerben. Sogleich nach
seiner Krönung ließ er an dem von Wladislaw II. begonnenen Residenzbau fort-
arbeiten und die jenseits des Schloßgrabens nördlich vom Hradschin liegende An-
höhe zu einem Hofgarten umwandeln, gründete hier das mit einer prachtvollen
Säulenhalle umgebene Lusthaus (Belvedere), legte dann neben dem von Podiebrad
erbauten Sternschloß einen Tiergarten an und ließ wahrscheinlich bei dieser Ge-
legenheit durch seine Architekten das schon früher erwähnte Schloß im Innern
fürstlich einrichten. Bei seinen künstlerischen Unternehmungen bediente er sich
italienischer Meister, vielleicht aus dem Grunde, weil es in Böhmen noch immer
an tauglichen Arbeitern gebrach. Als am 2. Juni 1541 ein ungeheurer Brand die
ganze, auf dem linken Moldauufer gelegene Hälfte Prags samt dem Hradschin
und der Domkirche verheerte, sorgte Ferdinand mit unermüdlichem Eifer für die
Wiederinstandsetzung der abgebrannten Stadtteile. Der Bau des Belvedere wurde
interimistisch eingestellt, und die dabei beschäftigten Meister und Gesellen mußten
1) über die beiden Steinmetzmeister Erhard und Peter Bauer gibt v. Urbanstadt in seiner
Gesobichte der Stadt Komotau ausführlichen Bericht, II. 138 ff.
2) Dasselbe Verfahren hielt auch der berühmte Dombaumeister Wolfgang Roritzer, 1495
bis 1514 in Regensburg wirkend, ein.
Einführung der Eenaissance
95
bei dem Aufbau der Residenz mithelfen. Hierbei ergab sich das seltsame Schau-
spiel, daß zwei große nur etwa zehn Schritte voneinander entfernte Bauwerke
in verschiedenen Stilen aufgeführt wurden: einerseits der Dom im gotischen,
gegenüber die Residenz im Renaissancestil. Mit dem Dombau beauftragte der
König den Architekten Wohlmuth (Wolgemuth) aus Wien, welcher in Anbetracht
der Zeit seine Aufgabe nicht ohne Geschick löste und das Gewölbe des Mittel-
schiffes neu in Netzform aufstellte. Minder gelangen ihm die Reparaturen; der
neue Oberbau des sehr beschädigten Turmes ist von phantastischem, übrigens
höchst reizvollem Umriß. Die ItaHener Spaccio, Giovanni Mari und wahrscheinUch
auch Stella überarbeiteten den abgebrannten Residenzflügel mit dem Wladislaw-
schen Saale gründHch, jedoch wurde dieser Bau wegen Mangel an Geld sehr
langsam fortgeführt und erst nach 1640 durch Dionys Miseroni vollendet. Einen
weit verzweigten Aufstand, welchen die stets zu Meutereien geneigte Adelspartei
im Verein mit den Prager Städten 1547 unternahm, warf König Ferdinand mit
rascher Entschlossenheit nieder und zeigte, daß er nicht willens sei, mit sich und
den Kronrechten spielen zu lassen, wie dies unter dem trägen Wladislaw ge-
schehen war. Er bestrafte die Rädelsführer der Empörung nach Verdienst, worauf
Böhmen bis zu seinem Tode ruhig blieb und wieder zu großem Wohlstand
gelangte.
Maximilian IL, Ferdinands ältester Sohn, welcher seinem Vater in Osterreich,
Böhmen und Ungarn, wie auch in der Kaiserwürde folgte, war mit glänzenden
Anlagen ausgerüstet und in jeder Hinsicht ein vortrefflicher Regent. Während
seiner zwölfjährigen, glücklichen Regierung (1564—76) wurden der schöne Spring-
brunnen im Kaisergarten in Erz gegossen und die Schloßbauten eifrig gefördert,
obwohl die Kriege mit den Türken unermeßhche Summen verschlangen. Um
diese Zeit breitete sich der Renaissancestil über ganz Böhmen aus und wurde
namentUch in den Städten Pilsen, Prachatitz und Budweis mit Vorliebe angewandt,
wie auch Iglau, Brünn und Olmütz manches gleichzeitige Denkmal aufzuweisen
haben. Höchst bemerkenswert ist, daß es gerade die katholischen und dem Kaiser
treuen Städte waren, welche im Kunstfache sich auszeichneten, während die
utraquistischen Orte und der Adel ziemlich teilnahmslos verharrten, sich sogar
wie in hussitischer Zeit kunstfeindlich benahmen. Eine rühmliche Ausnahme
macht das Haus Rosenberg, das bis zu seinem Erlöschen ununterbrochen zahl-
reiche Künstler beschäftigte. Das Wirken des berühmten Humanisten Bohuslaw
Lobkowitz auf Hassenstein und seine künstlerischen Bestrebungen gehören noch
der gotischen Zeit an. Seine kunstreich ausgestattete Burg Hassenstein liegt in
Ruinen, von den reichen dort angesammelten Kunstschätzen hat sich nichts er-
halten. Bei weitem die Mehrzahl der in den Landstädten entstehenden Bauten
wurde durch Italiener geleitet, doch beteiligten sich auch Franzosen, Niederländer
und Deutsche an den Bauführungen; so erbaute Anton Salnellyn aus Amsterdam
1555 den trefflich stilisierten Rathausturm in Klattau, Pesnitzer aus Burghausen
in Bayern vollendete einen großen Teil des Schlosses in Krumau, und der Italiener
Gonvale war in Budweis tätig.
Unter Kaiser Rudolf IL, dem ältesten Sohne Maximihans (1576—1612), schien
ein goldenes Zeitalter für die Künste anbrechen zu wollen, welches sich für Böhmen
um so vielversprechender gestaltete, als der Kaiser bald nach seinem Regierungs-
antritte die Hauptstadt Prag zu seiner beständigen Residenz erwählte. Rudolf
liebte trotz seiner großen geistigen Fähigkeiten die Ruhe und war von Natur aus
etwas menschenscheu; zu Regierungsgeschäften besaß er nicht die mindeste
Neigung, ließ jedoch seine Hände nie ganz aus dem Spiele und verursachte hier-
durch schon in den ersten Jahren vielfache Störungen. Dagegen widmete er den
Künsten und Wissenschaften den größten Teil seiner Zeit; sein Hof war ein
96
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen und Mähren
Sammelplatz der hervorragendsten Gelehrten und Künstler, denen sich auch
Gharlatane aller Art, Astrologen, Goldmacher und Wunderdoktoren beigesellten.
Von einer ausgeprägten böhmischen Kunst kann jedoch in dieser Zeit ebenso-
wenig gesprochen werden, wie in der vorhergehenden: unter zwanzig Malern,
welche der Kaiser beschäftigte, finden sich die Namen: Breughel, Rottenhamer,'
Heinz, Spranger, Hufnagel, Wouters, Bassano, Piazza, Gontarini u. a., aber nicht
der eines einzigen Böhmen. Auch die damals wirkenden Bildhauer, Architekten,
Kupferstecher, Edelsteinschneider und Münzgraveure waren meist Ausländer; be-
sonders werden viele Nürnberger, darunter auch der Goldschmied Chr. Jamnitzer,
genannt, welche sich im Fache des Kunstgewerbes auszeichneten. Gerne besuchte
Rudolf die Werkstätten der um ihn versammelten Künstler; dort fühlte er sich
heimisch und nahm an den Fortschritten der Arbeiten lebhaften Anteil, ja er
versuchte sich selbst in den Fächern der Malerei und Schnitzarbeit und zeigte eine
bemerkenswerte Geschicklichkeit. Die vom Kaiser angelegten Kunstsammlungen
waren großartig: er ließ in Italien, Spanien und den Niederlanden Gemälde, Statuen,
Bronzen, geschnittene Steine, Mosaiken und Juwelen ankaufen, beauftragte mehrere
Künstler, unter anderen den Schweizer Josef Heinz, im Interesse seiner Samm-
lungen Reisen zu machen und scheute selbst bei großer Geldnot kein Opfer, um
seine Liebhaberei zu befriedigen. Daß er die vorhandenen einheimischen Kräfte
wenig heranzog, mag wohl seinen Grund in den religiösen Verhältnissen gehabt
haben; der in Spanien erzogene Rudolf war ein viel strengerer Katholik als sein
toleranter Vater, und der böhmischen Konfession, um deren Anerkennung er tag-
täglich bestürmt wurde, durchaus abgeneigt.
Das menschenscheue Wesen des Kaisers nahm nach und nach einen immer
bedenklicheren Charakter an und ging endlich in förmliche Geisteskrankheit über,
so daß die besorgten Familienglieder den Erzherzog Mathias, Bruder des Kaisers^
zum Mitregenten einzusetzen suchten. Allein der argwöhnische Rudolf wies jede
Mitregentschaft zurück, verfiel manchmal in Tobsucht und verfuhr gegen Freund
und Feind so tyrannisch, daß nach grenzenlosen Verwirrungen die Stände sich
mit Mathias verbanden, den unfähigen Kaiser zu entthronen. Dies geschah im
Jahre 1611 : Erzherzog Mathias wurde am 22. Mai feierhch zum König von Böhmen
und bald darauf auch zum deutschen Kaiser gekrönt; Rudolf aber sollte die ihm
von seinem Bruder zugefügten Kränkungen nicht lange überleben; er starb am
20. Januar 1612, noch nicht sechzig Jahre alt.
Für die Pflege der Wissenschaften und Künste ist Böhmen diesem Regenten
zu großem Danke verpflichtet; er hat dem Lande durch die Berufung so vieler
ausgezeichneter Männer in nicht genug anzuerkennender Weise genützt und viele
Kunstzweige, wie das Edelsteinschleifen, Marmorieren, Metalldrehen u. a. sind durch
ihn eingeführt worden. Seine unschätzbaren Sammlungen wurden leider in alle
Wmde zerstreut und das Wenigste ist in Prag gebheben; ein Teil gelangte nach
Wien und hat sich erhalten, vieles jedoch ging in den folgenden stürmischen
Jahren zugrunde oder wurde unterschlagen oder geraubt.
Der hereinbrechende Dreißigjährige Krieg, der in Prag seinen Ausgangs-
punkt fand, zerbrach alle diese Bestrebungen und ihre Wirkungen für lange
Zeiträume und bereitete der Renaissance in Böhmen ein jähes Ende. Auch die
pfälzische fand dieses hier, nachdem der Kurfürst Friedrich V. als König von
Böhmen das Erbe der Habsburger anzutreten versucht hatte und nach kurzem
„Wmterkönigtum" jenen unterlegen war. Hier verknüpft sich also, wie dort, das
Schicksal der Kunst mit dem der Protestantisierung.
Die kurze, aber mit Unruhen und Aufruhr erfüllte Regierungszeit des Kaisers
Mathias konnte der Kunstpflege nicht günstig sein, doch wurden die Residenz-
bauten auf dem Hradschin fortgesetzt und die südliche, gegen den Platz gerichtete
Miniaturisten Holzbau
97
Hauptfront nach den Plänen des durch Kaiser Rudolf berufenen Architekten Vin-
cenzo Scamozzi im Jahre 1614 angelegt. Der Name Scamozzi wird noch mit
mehreren Bauten in Verbindung gebracht, so mit der Kirche Maria Viktoria auf
der Kleinseite und dem Lobkowitzschen Palaste, doch fehlen zuverlässige Nach-
richten. Um dieselbe Zeit erhielten der schöne, mit Laubengängen umzogene
Marktplatz in Budweis und der prachtvolle Ring zu Pilsen ihre gegenwärtige Ge-
stalt. Einheimische Künstler leisteten in dem Zeitraum 1526—1620 nur in einigen
Nebenfächern Erwähnenswertes. Die von je mit Vorliebe gepflegte Miniatur-
malerei, welche in Deutschland und Frankreich bereits durch die Buchdrucker-
und Kupferstecherkunst verdrängt worden war, blühte zwischen 1550—1600 durch
Taborsky, Fabian Polivarcz, Ornys von Lindperk und Matthäus Radaus neu auf;
Johann Sedlczansky, ein Prager Bürger, schrieb und illustrierte 1620—23 die
Psalmen Davids: sein großes Pergamentwerk befindet sich noch wohlerhalten in
der Bibhothek des Klosters Strahow. Auch wurde der Glockenguß mit großer
Kunstfertigkeit geübt; in Prag, Klattau, Kuttenberg und Königgrätz befanden sich
berühmte Gußwerkstätten. Neben dem Glockengusse her ging von je der Zinn-
guß, ein speziell böhmischer Kunstzweig, in dem namentlich viele Taufbecken
hergestellt wurden. Die Stadt Leitmeritz besitzt zwei solche vorzüglich schön
ornamentierte Taufbecken aus dem Jahre 1521, in einer eigentümlichen Mischung
von Gotik und Renaissance gehalten. Auch die Holzschnitzerei wurde geübt, aber
nur an einzelnen Orten. In Ghrudim blühte von etwa 1500—1620 eine weit-
verzweigte Maler- und Bildhauerschule, welche sich jedoch nicht über hand-
werkliche Tüchtigkeit erhob. Feinere Durchbildung zeigen die in den deutschen
Städten Nordböhmens vorkommenden Schnitzarbeiten, z. B. die Ghorstühle zu
Brüx, einige Altäre in Graupen und die Täfelungen des Rathaussaales in Leit-
meritz. Auch Mähren, das sich jedoch in seinen künstlerischen Bestrebungen
mehr an Österreich als an Böhmen anschloß, besitzt in den Rathäusern zu Brünn
und Olmütz, dann in den Gewerkestuben zu Iglau bemerkenswerte Schnitz- und
Täfelwerke.
Besondere Beachtung verdienen die Holzbauten, die das böhmische Tafel-
land in weitem Kreise umziehen und auch nach Schlesien und Mähren übergreifen.
Durch die Lichtung der Wälder war der noch im 16. Jahrhundert allgemein üb-
liche Blockbau mehr und mehr aus dem Innern des Landes verdrängt worden,
wurde aber in den Gebirgsländern desto eifriger gepflegt und gewann in der
Renaissancezeit einen hohen Grad von Durchbildung. Man unterscheidet ohne
Mühe drei verschiedene Richtungen, und zwar die Alpenbauart mit flachen, weit-
vorstehenden Dächern, den deutschen Fachwerkbau mit oberhalb vorspringenden
Geschossen und steilen Dächern und einen gemischten Block- und Verkleidungsbau
mit offenen Laubengängen und mittelsteilen Dachungen. Die Alpenbauart greift
vom Passauerlande in den Böhmerwald und bis in die Nähe von Budweis hinüber,
hat aber keine große Verbreitung gewonnen, auch zeigen die Gebäude bei mancher
Originalität nicht jene feine Durchführung, welche man in der Schweiz und in
Tirol bewundert. Ein ungleich größeres Gebiet wird vom Fachwerkbau ein-
genommen; diese urdeutsche Bauweise verbreitet sich vom Rhein aus durch Hessen,
Thüringen, Franken und einen großen Teil Sachsens, setzt sich entlang des Erz-
gebirges über das nordwestliche Deutschböhmen fort und greift ostwärts über die
Elbe vor. Man trifft in der Gegend von Eger und Plan, dann wieder in der Linie
Joachimstal-Görkau-Klostergrab, besonders in der Bergstadt Graupen unweit Tep-
litz sehr zierhch geformte Wohnhäuser, an denen nicht selten durch eigentümhche
Versetzungen der Säulen und Riegel ein wunderbares Linienspiel hervorgebracht
ist. Die Bauzeit ist gewöhnlich am Architravbalken oder Torsturze angebracht;
man sieht meist Jahreszahlen von 1550—1650 hinabreichend.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 7
98
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen und Mähren
Die dritte Richtung, der gemischte Blockbau, gehört ausschließlich Böhmen
mit seinen östlichen Nebenländern Schlesien und Mähren an und ist slawischen
Ursprungs, kommt also für uns weniger in Betracht. Die ungemein malerischen
Häuser sind regelmäßig an den Fronten, manchmal auch an den Nebenseiten mit
Lauben umzogen, über welche die Wohngelasse vortreten. Diese Bauart ist in
der ganzen Linie der Sudeten vorherrschend, so zwar, daß nicht allein die Häuser
der Dörfer, sondern auch der Landstädte den gleichen Charakter tragen. Trotz
zahlreicher Brände bestehen heute noch viele Städte, darunter Braunau, Nachod,
Solnitz, Reichenau, größtenteils aus solchen Holzhäusern, die schönsten jedoch
besitzt Hohenelbe am Fuß der Schneekoppe, wo schUchte Zimmerleute es ver-
standen, die Formen des Steinbaus mit anerkennenswertem Kunstsinn auf das
Holzmaterial zu übertragen.
Durch den Kriegsbrand des Jahres 1618 erhielt die böhmische Frührenaissance
ihren plötzUchen Abschluß. Zwar war die Revolution schnell darniedergeworfen
worden und Ferdinand II. hatte, nachdem er die Urheber mit unerhörter Grau-
samkeit bestraft, eine Kirchhofsruhe hergestellt, doch konnte die nächstfolgende
Zeit keine für Kunst und Künstler glückbringende sein. Nach dem entsetzlichen
Blutgerichte vom 21, Juni 1621 wanderten Hunderte der edelsten und reichsten
Familien aus dem Lande oder wurden durch Konfiskation ihrer Güter an den
Bettelstab gebracht. Als in den nächstfolgenden Jahren die Gegenreformation
mit den raffiniertesten Mitteln und, wo diese nicht halfen, mit brutalster Gewalt
durchgeführt wurde, verließen über 36000 protestantische Familien, von denen
viele zwanzig bis fünfzig männliche Angehörige zählten, für immer die Heimat.
Güter und Häuser verloren allen Wert, um Spottpreise konnte man große Herrschaften
erwerben, und nur einige Spekulanten, hauptsächlich aber die Jesuiten, wußten
aus dem allgemeinen Unglück reichen Nutzen zu ziehen. Das rücksichtslose Vor-
gehen des Kaisers, welcher, nachdem er den Protestantismus in seinen Erblanden
ausgerottet, sich mit dem Plane trug, den katholischen Glauben in ganz Deutsch-
land wieder zum allein geltenden zu machen, rief 1625 den norddeutschen
Fürstenbund hervor, und der Krieg entbrannte auf allen Seiten des deutschen
Reiches. Der Kaiser, dessen Angelegenheiten bis dahin glänzend standen, geriet
durch den Bund in große Bedrängnis; es fehlte ihm Geld und vor allem ein
eigenes Heer, um mit Nachdruck auftreten zu können. Diesen Übelständen wollte
Wallenstein abhelfen, welcher ein Heer von 20000 Mann auf eigene Kosten aus-
zurüsten und zu erhalten versprach.
Die Geschichte Wallensteins, seine Kriegstaten und sein ewig beklagens-
wertes Ende sind allbekannt, weniger seine künstlerischen Unternehmungen, welche
um so beachtenswerter erscheinen, als sie zwischen der ältern und spätem Renais-
sance (dem Barockstil) die Mitte halten und den Beweis hefern, daß der berühmte
Feldherr einen feinen, in Italien geläuterten Geschmack besaß. Der 1621 aus
Mailand berufene Giovanni Marini erbaute den noch vollständig erhaltenen Wald-
steinschen Palast mit der großartigen Loggia in Prag, dann ein zweites Schloß
in Gitschin, welches jedoch teils umgebaut, teils zerstört wurde. Auch veir-
schiedene seiner im nördlichen Böhmen liegenden Schlösser ließ Wallenstein er-
neuern und im Innern mit Skulpturen und andern Kunstwerken ausstatten, sso
Friedland, Nachod, Opotschno und Groß-Skal, wo überall bedeutende Spuren der
Kunsthebe des gewaltigen Feldherrn zu finden sind.
Wie aus der Berufung Marinis und seiner Gehilfen zu ersehen ist, beherrschten
die Italiener noch immer das Gebiet der Architektur und Plastik, während auc;h
einzelne nationalböhmische Maler, wie Hutsky aus Bürglitz, Maschan aus Praig
und Kubata von Chrudim sich Anerkennung zu verschaffen wußten. Der 160)4
in Prag geborene Karl Skreta gehörte gleich seinem Landsmanne, dem Kupfeir-
Böhmische Sonderart
99
Stecher Hollar, einem adeligen Geschlechte an und wurde wie dieser durch die
strengen Verordnungen Ferdinands II. zur Auswanderung gezwungen. Wie Skreta,
der sich in Italien ausbildete und mit Glück die damals tonangebenden Meister
Garavaggio und Guido Reni nachahmte, so bewegten sich alle noch später auf-
tretenden Künstler Böhmens, Architekten, Bildhauer und Maler, in der durch die
Italiener vorgeschriebenen Richtung. Als Baumeister zeichneten sich aus die
beiden Dientzenhofer, Fischer von Erlach, Kanka, der Abt Tyttl von Plaß und
der in Prag eingebürgerte Luragho, die aber alle erst nach dem Dreißigjährigen
Krieg auftraten. Da somit diese Künstler gleich zahlreichen Bildhauern und
Malern einer Epoche angehören, die außerhalb des Rahmens unserer Darstellung
fällt, so haben wir sie hier nicht weiter zu verfolgen. Dagegen mag als charak-
teristisch, wenngleich der Spätzeit angehörig, die Aufstellung der Marien- und
Dreifaltigkeitssäulen verzeichnet werden; nicht allein in jeder Stadt und jedem
Flecken, sondern auch in vielen Dörfern sieht man solche meist mit größter Hand-
fertigkeit ausgeführte Denkmale, die mit geringer Abwechslung nach gleichem
Plane angeordnet sind. In der Mitte eines quadratischen, etwa 5 — 6 Meter im
Durchmesser haltenden Raumes, der von einem Steingeländer umzogen ist, er-
hebt sich eine korinthische Säule mit der Heiligenstatue, ringsum auf dem Ge-
länder sind Engelsgestalten oder untergeordnete Heihgenfiguren angebracht. Der
Bildhauer Ghladek aus Turnau allein soll gegen hundert solcher Säulen gefertigt
haben. Die Sage meldet, die auf dem Altstädter Ringplatze in Prag befindliche
Mariensäule habe dem Kurfürsten Maximilian von Bayern so sehr gefallen, daß
er den Entschluß faßte, nach diesem Vorbild jene bekannte Triumphsäule auf dem
Hauptplatz Münchens errichten zu lassen, die ja freilich auch dem Siege des
Kurfürsten über die böhmischen Protestanten am Weißen Berge galt.
Ein originelles oder gar nationaldeutsches Gepräge, wie es uns am Schlosse
zu Heidelberg, an den Rathäusern zu Bremen, Köln, Mülhausen im Elsaß, am
Pellerhaus in Nürnberg und auch an vielen Gebäuden des Erzherzogtums Öster-
reich, z. B. am Schlosse zu Schallaburg entgegentritt, werden wir in Böhmen
vergebens suchen; die Werke der Frührenaissance wurden ausschließlich von
Italienern hergestellt und sind in dem von Bramante und Baldassare Peruzzi aus-
gebildeten Stil gehalten ; späterhin fand die Manier der Bernini und Borromini Ein-
gang, und einheimische wie von auswärts berufene Künstler überboten sich in
barocken Formen italienischer Richtung. Dagegen mischt sich in diese Richtungen
verschiedenes, was uns höchst eigentümlich anmutet und als slawisch bezeichnet
werden muß. So eine derbe Urwüchsigkeit, die sich auch auf die Werke der
eingewanderten Meister überträgt. Die abgeschlossene Lage des Landes, die ge-
mischte Bevölkerung und verschiedenartige äußere Einflüsse konnten nicht ver-
fehlen, Eigentümlichkeiten hervorzurufen, oder vorhandene zu begünstigen, die
anderwärts nicht getroffen werden. Von solchen ist städtebaulich zuerst auf die
hier weit verbreitete Anlage der sogenannten „Ringe" inmitten der Städte hinzu-
weisen, ringförmig in sich kehrende Straßen, an denen vor allem das Rathaus zu
liegen pflegt. Diese Eigentümlichkeit tritt in den tschechischen, aber auch schle-
sischen und polnischen Städten Österreichs und Preußens überall auf und charak-
terisiert diese als im Kern slawische Ansiedelungen.
Nicht minder charakteristisch ist die schon seit der Spätgotik überall be-
merkbare Häufung in Reihen wiederkehrender Ziermotive über dem Haupt-
gesimse, z. B. von Zierzinnen oder zahlreichen kleinen Giebeln nebeneinander.
Ich erinnere da an die mächtige Tuchhalle zu Krakau, an der dies Motiv das
Bestimmende des Äußern ausmacht; dichtgedrängte Doppel- und dreifache Giebel,
auch halbierte, finden wir in diesen Gegenden, insbesondere aber auch in Schle-
sien, häufig.
100
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
Ferner sei hier noch auf die in denselben slawischen Gegenden ganz außer-
ordentlich verbreitete Sgraffito-Dekoration des Äußeren der Gebäude hingewiesen,
während die farbige Bemalung in Fresko hier viel seltener ist, als z. B. in Tirol.
Zur Schilderung der einzelnen Kunstwerke übergehend, beginnen wir mit
der Hauptstadt Prag und halten von hier aus eine Rundschau über das Land.
Prag
Die alte, stolze Hauptstadt Böhmens in ihrer herrlichen Lage mit ihrer Fülle
von Monumenten bietet eines der großartigsten Städtebilder der Welt. Auf Schritt
und Tritt bedeutende historische Erinnerungen weckend, prägte sie ihre wechselnden
Geschicke in Monumenten aus. Die erste künstlerische Gestalt wurde ihr von
Karl IV. gegeben. Er begann den Dom auf der Höhe des Hradschin, erbaute die
Moldaubrücke, die Karlshoferkirche mit ihrem kühnen Gewölbe, die Emmauskirche,
die Hungermauer, die mit ihren großen Linien noch jetzt so wirksam hervortritt.
Er gründete endlich die Neustadt mit dem großen Viehmarkte, als erstes Beispiel
einer planvoll regelmäßigen Stadtanlage des Mittelalters. Dem wissenschaftlichen
Leben wurde durch die Stiftung der Universität ein bedeutender Mittelpunkt ge-
geben. Die mittelalterlichen Monumente der Stadt geben in ihrer Mannigfaltig-
keit ein lebendiges Bild von dem reichen künstlerischen Leben, das hier geblüht
und in Architektur, Skulptur und Malerei wetteifernd eine solche Fülle von kirch-
lichen und Profanwerken hervorgebracht hat, wie sie keine andere Stadt in den
österreichischen Landen aufzuweisen vermag.
Die Einführung der Renaissance vollzieht sich unter W^ladislaw. Zwar sind
auch seine Bauten im wesentlichen noch mittelalterlich, in Anlage, Konstruktion
und Detailbildung noch überwiegend gotisch; ja in kirchhchen Bauten, und selbst
in Profanwerken, wie dem alten Schlosse im Baumgarten, das um 1484 errichtet
wurde, läßt sich keinerlei Abweichung von der gotischen Tradition bemerken.
Wohl aber treten Elemente der Renaissance, freilich vereinzelt in den Bauten auf,
welche ziemlich gleichzeitig durch die Meister Mathias Reisek und Benedikt von
Laim *) zur Ausführung kamen. Das älteste Gebäude Prags, an welchem einige
Renaissanceformen getroffen werden, ist der sogenannte Pulverturm, ursprünghcli
ein Torturm des Altstädter Königshofes, welchen der Magistrat zu Ehren des
Königs Wladislaw erbauen ließ. Meister Wenzel aus Prag gründete den Bau im
Jahre 1475 und führte das Erdgeschoß bis zu dem Gesims über dem Torbogen
auf, doch scheint seine Arbeit nicht befriedigt zu haben, denn drei Jahre später
wurde die Bauleitung dem Reisek übertragen. Dieser wirkte bisher als Lehrer
und Rektor an der Teynschule und war im Zeichnen und Modellieren sehr er-
fahren. Reiseks genau nachweisbare Arbeiten an diesem Turme gehören fast
mehr dem Barockstil als der Gotik an; man sieht eine Überfülle zopfiger Laub-
werke, welche zwischen antikisierenden, mitunter auch gotischen Gesimsen ein-
gepaßt sind. Der Meister scheint diese Formengebung ganz aus sich selbst ge-
schöpft zu haben; ob er Italien gesehen, ist zu bezweifeln.
Weniger barock, aber handwerklicher sind die Versuche des Benedikt von
Laun, der Renaissance Eingang zu verschaffen. Dieser Künstler führte zwischen
1482—1502 das königliche Schloß auf dem Hradschin aus, dessen wichtigster
Teil, der Krönungssaal, ein Raum von 61,25 Meter Länge und 16 Meter Breite,
sich in der Hauptsache erhalten hat (Abb. 63). Schon in den Reisebeschreibungen
des 16. Jahrhunderts wird diese herrhche gewölbte Halle bewundert und gepriesen.
In der Tat ist sie von großartiger Wirkung, namentlich das in ganzer Breite ohne
1) Richtiger: Benedikt von Ried.
Prag Residenz
101
stützen ausgespannte Netzgewölbe mit seinen verschlungenen Rippen, in fünf
Jochen den Raum bedeckend, reich und kühn. Man sieht daran die Vorliebe des
Architekten für kunstvolle Kombinationen, in denen die spätgotischen Meister zu
wetteifern suchten. Eine gewisse Schwerfälligkeit der Detailbildung hält man
gern zugute, und die beschränkte Höhenentwicklung läßt man als gemeinsamen
Zug der damahgen Baukunst des Nordens sich gefallen. Am Äußern treten an
der Nordseite ungemein elegante gotische Strebepfeiler, an der Südseite aber tos-
kanische Säulen hervor.
Abb. 63 Wladi Slawsaal in der Burg zu Prag
Diese Säulenstellung gehört jedoch nicht dem ursprünglichen Bau an, son-
dern ist erst nach dem großen Brande von 1541, als die königUche Residenz mit
der anstoßenden Allerheiügenkirche größtenteils zerstört wurde, und nur die Um-
fassungsmauern nebst einigen besonders festen Gewölben dem Feuer widerstanden,
an Stelle der frühern Strebepfeiler aufgeführt worden. Die aufeinanderfolgenden
Kaiser Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolf II. gaben sich zwar alle Mühe, die
Residenzbauten wieder in Stand zu setzen, allein da auch der Dom unermeßlichen
Schaden gelitten hatte und die Türkenkriege außerordentliche Geldmittel erheischten,
machten die Restaurationsarbeiten so langsame Fortschritte, daß der von König
Wladislaw erbaute Schloßflügel erst unter Rudolf II. etwa 54 Jahre nach dem
Brande gänzlich hergestellt war. Wahrscheinlich ist, daß während der Regierung
dieses Kaisers der Saalbau mit den merkwürdigen Fenstern ausgestattet wurde,
die paarweise mit Pilastern einer korinthisierenden Ordnung umrahmt und mit
entsprechenden Gebälken bekrönt, jedem Kunstfreund schon beim ersten AnbKck
auffallen. Zu ihnen gehört auch das schöne Portal von dorischer Pilasterordnung
mit Aufsatz, das in die daneben liegende Allerheiligenkirche führte.^) Jene Fenster
1) Abgeb. bei Ortwein a. a. 0. II. Abt. Heft 2 Bl. 5.
102
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
mit ihren Gliederwerken sind in vollständig durchgebildeter Renaissance gehalten
und zeigen nicht die mindeste Verwandtschaft mit den verschlungenen Netz-
gewölben und sonstigen Ausstattungen des Saales, noch mit den anderweitigen
urkundlich von Meister Benedikt ausgeführten Werken. Oberhalb eines solchen
Fensters (welches übrigens in einen Winkel gerückt und zum Teil durch einen
neueren Anbau verdeckt ist) sind die Worte: Wladislaw Rex Hungerie-Bohemie
MGGGGXGIII mit schwarzer Farbe auf den Mörtelputz hingeschrieben. Diese In-
schrift veranlaßte einst den Kunslforscher Mertens, den ganzen Ban für gleich-
zeilig zu halten und als das älteste Denkmal der Renaissance in Deutschland zu
erklären.^)
Indessen ergeben die örtlichen Verhältnisse, die Inschrift selbst und der
Baustil des Meisters Benedikt, sowie die Beschreibung des großen Brandes von
1541, die Hajek von Liboczan als Augenzeuge verfaßte und im selben Jahre
drucken ließ, daß der Originalbau Wladislaws verwüstet worden sei, und daß die
Wiederinstandsetzung sich über viele Jahre hinzog. — Was endlich den Stil des
Benedikt betrifft, so ist derselbe so scharf charakterisiert, wie kaum der eines
zweiten Meisters. Er hat allerdings Renaissanceformen häufig angewandt, aber
nur als Verzierungen; seine Konstruktionsweise ist immer die gotische. Maß-
gebend für die Beurteilung seiner Werke sind die Pfarrkirche in Laun und das
Schiff von St. Barbara in Kuttenberg. In Kuttenberg sieht man genau dasselbe
durch sechseckige Sterne gebildete Netzgewölbe, wie im Wladislawschen Saale;
die Spannweite der Hallen ist nahezu die gleiche, und am Äußern sind an beiden
Bauten gleich schablonenhafte gotische Strebepfeiler aufgestellt. Einzelne Renais-
sanceteile sind zwar eingestreut, aber nur ausnahmsweise. Die Kirche zu Laun
ist vollkommen intakt geblieben, besteht heute noch, wie sie der Meister geschaffen.
Schon am Hauptportal, welches nach gotischen Regeln angeordnet ist, fallen zahl-
reiche antike und antikisierende Dekorationen auf, z. B. Mäander in den Hohl-
kehlen, fortlaufende Kreisverschlingungen (laufender Hund), Palmetten u. dgl. ; im
Innern bemerkt man kleine ionische und korinthische Kapitelle auf Rundstäben,
welche spitzbogige Türen überspannen u. dgl. mehr, aber nirgends eine im Geiste
der Renaissance durchgebildete Gliederung. Ähnlich verhält es sich mit mehreren
in Laun befindhchen Profanbauten. Die Manier des Meisters Benedikt zeigt nicht
die entfernteste Verwandtschaft mit den fraglichen Fenstern des Wladislawschen
Saales, beide Bauweisen verhalten sich wie etwa ein Bild von Lukas Granach zu
einem von Rembrandt. Daher ist mit Bestimmtheit die Mertenssche Vermutung
zu verwerfen, daß die Fenster und Türen des Saales noch aus der ersten Er-
bauungszeit herrühren könnten.
Die volle italienische Renaissance tritt in dem Belvedere Ferdinands I.,
und zwar mit einem Werke ersten Ranges auf. Ferdinand I. begann 1534 mit
dem Bau einer Brücke über den Hirschgraben ^) und der Anlage eines Lust-
gartens auf der weithinschauenden Höhe, die sich nördlich vom Hradschin er-
streckt. Unvergleichlich herrlich ist von hier aus der Blick auf den tiefen von
der Moldau durchströmten Talkessel, welcher bis auf die umgebenden Höhen
von der gewaltigen Stadt mit ihren Palästen, Kirchen, Kuppeln und Türmen
erfüllt wird. Seit 1536 wurde hier oben nun das Belvedere erbaut, nach den
Plänen des aus Italien herbeigerufenen Paulo della Stella, der beim Kaiser in hoher
Gunst stand und die Leitung des Ganzen hatte. Unter seinen Mitarbeitern finden
wir die Italiener Hans de Spatio und Zoan Maria, sowie einen Deutschen Hans
Trost, der ohne Zweifel in Italien sich mit der Renaissance vertraut gemacht
1) Siehe die geistreich geschriebene Abhandlung, die Mertens in der Wiener Allg. Bau-
zeitung, Jahrg. 1845, p. 15 ff. über die Baudenkmale Prags veröffentlic]it hat.
2) Vgl. den zitierten Aufsatz in der Wiener Allg. Bauzeitung.
Prag Belvedere
103
hatte. 1) Wöchentlich wurden 250 Rheinische Gulden auf den Bau verwendet,
der namentlich im Jahre 1538 energisch geführt und bis zur Einweihung des
Erdgeschosses gebracht wurde. Dann trat eine Ebbe in der Kasse ein; die ita-
lienischen Arbeiter wurden widerspenstig, und Hans de Spatio drohte sogar nach
Italien zurückzukehren. Mit Mühe wurden sie zufriedengestellt, so daß der Bau
fortgeführt werden konnte und wahrscheinhch 1539 die Einweihung beendigt war.
Als 1541 der riesige Brand die Stadt verheerte, mußte man die Meister zur Her-
stellung der Burg und der Schloßkirche verwenden. Nur Stella führte mit zwei
Gehilfen die Arbeit an den Reliefs fort, für deren jedes er zehn Kronen begehrte,
was dem Kaiser zu viel erschien, so daß ein Urteil von Sachverständigen er-
fordert wurde. Stella setzte sodann den Bau allein fort, der indes 1546 wegen
Geldmangels und dringender anderer Arbeiten eingestellt werden mußte. 1556
wird die Arbeit wieder aufgenommen, wobei auch die Kupferbedachung zur Aus-
führung kommt; aber erst 1558 wird die Eindeckung des bis dahin offen geblie-
benen Gebäudes vollendet. Hans Haidler aus Iglau führte das Dach aus. 1560
arbeitet man an der Pflasterung des Korridors, doch erst unter Rudolf II. wird
die innere Ausstattung vollendet, 1589 z. B. der Fußboden der Säle mit Regens-
burger Marmor belegt.
Das Gebäude (Abb. 64) war nur als ein Lusthaus, als Garten-Saalbau an-
gelegt, die Morgenseite gegen die Stadt, die Abendseite gegen den Garten ge-
richtet, um die herrlichen Blicke auf die Stadt zu genießen und in reiner Luft,
von Gartenanlagen mit Springbrunnen umgeben, sich an schönen sommerlichen
Abenden der Kühle zu erfreuen. Deshalb umziehen Arkaden auf luftigen Säulen
das Erdgeschoß, das im Innern kühle Räume mit Spiegelgewölben und die Treppe
zum oberen Stock enthält (Abb. 65). Von der ursprünghchen Ausstattung des
Innern ist keine Spur erhalten, die Treppenanlage durch modernen Umbau ver-
ändert. Das obere Stockwerk, welches zwar erst ziemlich spät ausgeführt, aber
im ursprünglichen Plane begründet ist, besteht aus einem Festsaal, rings von
einem freien Umgang, der über den Arkaden des Erdgeschosses sich hinzieht,
umgeben. Der Bau hat in der Bestimmung und der Anlage Verwandtschaft mit
dem um einige Dezennien jüngeren ehemaligen Lusthause in Stuttgart, nur daß
dort der untere Raum als Brunnenhalle ausgebildet war. Im übrigen ist es von
Interesse, zu vergleichen, wie weit in der künstlerischen Auffassung die Renais-
sance geschulter Italiener von derjenigen eines deutschen Meisters jener Zeit ab-
weicht. Statt der malerischen Mannigfaltigkeit in der Anlage des Stuttgarter
Lusthauses mit seinen Freitreppen und Erkern, seinen Türmen und hohen schmuck-
reichen Giebeln, die den Arkaden bei kleinerem Maßstab nur eine untergeordnete
Bedeutung lassen, beherrscht bei dem Prager Belvedere die großartige Säulen-
halle mit ihren vornehmen Verhältnissen den Eindruck des Ganzen und verleiht
ihm das Gepräge klassischer Ruhe. Auch darin zeigt sich ein durchgreifender
Unterschied, daß in Stuttgart die Aufgänge zum oberen Geschoß als Freitreppen
außen angebracht waren, wodurch der ganze obere Raum als großartiger Saal
sich gestaltete, während beim Belvedere die Treppe (die übrigens in neuerer Zeit
umgestaltet ist) im Innern angeordnet war, und zwar so, daß auf der einen
Seite ein gesondertes Gemach, auf der andern der größere Saal seinen Platz
fand. Dadurch mußte letzterer in seiner Längenausdehnung beträchtlich ein-
geschränkt werden.
Die Formen sind am ganzen Bau von einer Durchbildung, die Verhältnisse
von einer Anmut, wie sie nur die italienische Renaissance in ihren vohendetsten
Schöpfungen erreicht. Die umgebende Halle bildet eine Art Peripteros von 6 zu
1) Als Baumeister wird auch Ferrabosco dl Lagno genannt, s. Dlabatsch Künstler-Lex.
p. 390, doch findet sich über diesen Künstler keine urkundliche Nachricht vor.
104 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
Abb. 64 Belvedere zu Prag
Abb. 65 Grundriß des Belvedere zu Prag
14 schlanken Säulen einer reichen ionischen Ordnung, an deren Kapitellen
die Sinnbilder des goldenen Vließes zu geistvoller Verwendung gekommen sind.
Auch die Untersätze der Säulen haben Reliefs, welche mit einer ferneren An-
spielung auf jenes Ordenszeichen ihre Gegenstände der Argonautensage entlehnen.
Eine geschlossene Brüstungsmauer, nur vor den Eingängen durchbrochen, ver-
Prag Belvedere
105
bindet die Säulen, in der Mitte jedes Zwischenraums durch einen mit Putten
geschmückten Pfeiler geteilt. Auch in den Bogenzwickeln sind antike Relief-
szenen dargestellt, im Fries endUch laufen die herrlichsten Akanthusranken. Dies
alles ist in feinkörnigem Sandstein mit einer Zartheit und Vollendung aus-
gearbeitet, wie man sie sonst nur in den Marmorbauten Italiens findet. Dazu
kommt, daß alle architektonischen Gheder im Geist der edelsten italienischen
Hochrenaissance wie von Bramante oder Peruzzi durchgebildet sind. Das gilt
namentlich auch von den eleganten Konsolen, auf denen die Gesimse der Fenster
und T üren ruhen, sowie von dem durchbrochenen Gitter der oberen Terrasse
einem Virtuosenstück des Meißels. Im übrigen ist das obere Geschoß, welches
den Hauptsaal enthält, viel einfacher behandelt als das untere, was wohl dem
in der kaiserhchen Kasse vorherrschenden Geldmangel zugeschrieben werden muß.
Im Widerspruch mit den von allen italienischen Meistern festgehaltenen Regeln
steht, daß der Oberbau im dorischen Stil gehalten ist. Die Anordnung dieses
Stockwerks verrät vielleicht einen anderen Meister; flüchtigere Ausführung macht
sich bemerkbar, ja es kommt vor, daß die Achsen der obern Fenster von den
untern um nahezu Meter abweichen; die Triglyphen des Dachgesimses, die
Pilasterstellungen und die zwischen den Fenstern angebrachten Nischen lassen in
bezug auf sorgfältige Durchbildung sehr viel zu wünschen übrig, und von der
Pracht der unteren Säulenhalle trifft man oben, mit Ausnahme des zum Unterbau
gehörenden Umfassungsgeländers, keine Spur.
Von der ursprünglichen Ausstattung des Innern hat sich nichts erhalten:
die untern Gemächer sind mit flachen Spiegelgewölben ausgestattet, deren Zwickel
auf zierlichen Konsolen ruhen, während der nordwestliche Teil des Gebäudes vom
Eingang und Treppenhaus eingenommen wird. Dieses erhielt 1842, der Haupt-
saal erst zehn Jahre später die gegenwärtige Gestalt, Der Saal hat ein neues
aus Holz konstruiertes Tonnengewölbe mit flachen Rippen, die Wände aber sind
noch durch Pflaster eingeteilt, deren zart gebüdete korinthisierende LaubkapiteUe
den Dekorationen der untern Säulenhalle entsprechen. Zwischen den Pflastern
sind 1852 — 66 moderne Fresken aus der Geschichte Böhmens ausgeführt worden,
die bei aller Virtuosität die abhanden gekommene ursprüngliche Ausstattung nicht
zu ersetzen vermögen. Auch das Dach besitzt kaum mehr die alte Form; die
gegenwärtige birnförmig geschweifte Bedachung stammt aus der Zeit des Kaisers
Karl VI. und wurde seitdem mehrmals erneuert. Interessant als Werke einhei-
mischer Kunst sind die schönen Eisenarbeiten, die an den Wasserspeiern der
Galerie angebracht sind, ferner die verdeckten kupfernen Leitungen zum Abfluß
des Regenwassers. Der Name des Gründers „Ferdinandus I." prangt auf einer nicht
fern vom Haupteingang eingefügten Tafel.
Von ebenbürtigem Adel der Formen ist der Springbrunnen, welcher
der Gartenfront dieses Lusthauses gegenüber errichtet wurde. Dies geschah
freilich erst 1565^), ein Jahr nach Ferdinands Tode, und zwar wird als Verfertiger
ein einheimischer Künstler, der kaiserliche Büchsenmeister Thomas Jarosch genannt;
die Figuren goß der von den Arbeiten in Innsbruck her bekannte Gi-egor Löffler.^)
Es wird wohl einer der edelsten Renaissancebrunnen diesseits der Alpen sein
(Abb. 66). Auf prächtig phantastischen Figuren ruht die schön geriefte Schale,
mit einem Relieffries von Masken und Palmetten gerändert. Aus ihr erhebt sich
ein kraftvoller Ständer, nach der Sitte der Zeit mit Figuren umkleidet, deren Be-
wegung stark ins Malerische fällt. Der obere Teil des Ständers, durch edle
Gliederung und anmutige Ornamente ausgezeichnet, trägt die zweite Schale, die
1) Die histor. Daten in Försters Bauzeit, a. a. 0. und dazu eine Abb. Eine neuere treffliche
Aufnahme in den Blättern der Wiener Bauschule.
2) So wird wohl zu lesen sein und nicht Georg, wie unsere Quelle angibt.
106
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
wieder mit überaus elegantem Reliefschmuck bedeckt ist. Die Krönung des
Ganzen bildet ein Patto, auf einem Jagdhorn blasend. Reichtum der Ausstattung
verbindet sich mit rhythmisch bewegtem Aufbau und edler GHederung zu treff-
Uchster Wirkung. Der Urheber des Entwurfs ist nicht bekannt, er dürfte ein
Italiener gewesen sein. Thomas Jarosch, der Gußmeister, stammte aus Brünn,
Löffler aus Augsburg. Nach Mikowec^) sollen zwei kaiserliche Büchsenmacher,
Kritschka und Wolf, gemeinsam den Brunnen modelliert haben.
Um dieselbe Zeit ließ Erzherzog Ferdinand, der Sohn Kaiser Ferdinands I.,
das Jagdschloß zum Stern durch italienische Steinmetzen ausführen. Nach einer
früher erwähnten Nachricht hätte Georg Podiebrad 1459 das Schloß im Tiergarten
bei Prag, etwa eine Stunde westlich von der Stadt, am nordwestlichen Abhänge
des Weißen Berges, erbauen lassen, wobei er ihm, zur Erinnerung an seine erste
GemahUn Kunigunde von Sternberg, die auffallende Form eines sechsstrahligen
Sternes gegeben hätte. Wir glauben aber jetzt nach Dr. Schönherrs Forschungen,
daß es vielmehr der kunstverständige Erzherzog Ferdinand von Tirol, der Stifter
der Ambraser Sammlung, war, der dies eigentümliche Werk nicht bloß gründete,
sondern selbst die Pläne dazu entwarf. Er legte den Grundstein dazu am 27. Juni
des Jahres 1555, wie der noch bekannte Wortlaut einer Urkunde ergibt, die ver-
mutlich in den Grundstein mit vermauert ist. Im Innern des Schlosses ließ der
Erbauer reiche Stuckdekorationen ausführen, zu denen er die uns schon bekannten
Italiener Paulo della Stella, Hans de Spatio und dazu angeblich einen Meister
Ferrabosco di Lagno verwandte. Zugleich wurden mehrere einheimische Meister
beauftragt, die Säle mit Gemälden zu schmücken. Das obere Stockwerk erhielt
damals Fußböden von glasierten Backsteinen, und das Gebäude wurde mit einem
Kupferdach gedeckt, an dem man noch 1565 zu arbeiten hatte. Rudolf II. sorgte
für weitere Vervollständigung des künstlerischen Schmuckes. Wiederholt wurden
in dem glänzend hergerichteten Lustschloß Festlichkeiten veranstaltet, nament-
lich Bankette bei Anwesenheit fremder fürstlicher Gäste abgehalten. In Stern
war es auch, wo der unglückliche Winterkönig am 31. Oktober 1619 feierlich von
den Vornehmen des Landes empfangen wurde, und von wo aus er seinen Einzug
in die Königsstadt hielt. Während des Dreißigjährigen Krieges hatte das Schloß
viel zu leiden, und büßte u. a. sein Kupferdach ein; aber unter Ferdinand III,
wurde eine abermalige Erneuerung vorgenommen, und Leopold I. ließ das Innere
neuerdings mit Gemälden schmücken. — Unter Joseph II. wurde der Prachtbau
zum Pulvermagazine herabgewürdigt, und erst 1874 gelang es den unermüdlichen
Vorstellungen der k. k. Zentral-Kommission, das merkwürdige Denkmal von dieser
Verunglimpfung zu befreien.
Die Anlage des Baus ist aus dem beigefügten Grundrisse (Abb. 67) ersicht-
lich. Hier nur einige notwendige Erläuterungen. Der äußere Eindruck ist gegen-
wärtig nach allen ßeraubungen und Verunstaltungen ein wüster, abstoßender,
höchstens durch die bizarre Form die Aufmerksamkeit erregend. Die kahlen,
hohen Mauern, die in sechs scharfen Kanten zusammenstoßen, lassen jede Ver-
zierung und Gliederung, ja sogar die Gesimse vermissen. Dies war freihch die
ursprüngliche Absicht des Baumeisters; aber die ehemaligen Fenster, die jetzt
bis auf schmale, doppelt vergitterte Öffnungen vermauert sind, müssen doch einen
freundlicheren Anblick gewährt haben. Auch war ohne Frage das ursprüngliche
Kupferdach ansprechender, als das jetzige schwere Ziegeldach mit einer Unzahl
von Blitzableitern. Indes lag von Anbeginn der Nachdruck auf der künstlerischen
Ausstattung des Innern. Höchst originell ist, wie man sieht, die Anordnung des
1) S. Mikoweo: Altertümer und Denkwürdigkeiten Böhmens, mit Illustrationen von Hellich
und Kandier. Unsere Abbildung ist nach der von der "Wiener Bauschule veröffentlichten schönen
Aufnahme angefertigt.
Prag Schloß Stern
107
Abb. 66 Brunnen im Belvedero zu Prag
Grundrisses. Über einem Kellergeschoß erheben sich drei obere Stockwerke, von
denen das erste als Hauptgeschoß behandelt und dekoriert ist. Man kann sich
die Grundform des Gebäudes aus zwei gleichseitigen einander durchdringenden
Dreiecken entstanden denken. Der Durchmesser beträgt von Spitze zu Spitze
etwa 40 Meter, und die Entfernung je zwei benachbarter Spitzen voneinander
108
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
entspricht dem halben Durchmesser. Im Untergeschoß bildet den Mittelpunkt ein
kreisförmiger Raum mit niedrigem Kuppelgewölbe, die Wandflächen von sechs
einfachen kleineren Nischen und sechs radialen Durchgängen belebt, welche die
Verbindung mit dem ringförmigen Umgang vermitteln. In den Spitzen des Sternes
sind kleinere Räume angebracht, die durch Abschneiden der Dreieckspitzen die
Form eines ungleichseitigen Sechsecks erhalten haben. Diese Räume stehen
ebenfalls mit dem ringförmigen Gange in Verbindung. Sie empfingen ehemals
durch je zwei Fenster genügende Helle; dagegen erhielt der zentrale Kuppel-
raum durch die vier Fenster des äußeren Ganges, und zwar mittels der in die
Achse desselben gestellten Eingänge nur sekundäres Licht. In einer der sechs
Sternspitzen ist das sehr primitive Treppenhaus angelegt. Die Höhe der durch-
gängig gewölbten Räume beträgt 31/2 Meter. In höchst bemerkenswerter Weise
unterscheidet sich davon das obere Geschoß (Abb. 67). Sein Treppenhaus um-
schließt in dem inneren Kern eine kleinere Wendelstiege und ist überhaupt ge-
räumiger und statthcher angelegt. Der Unterschied des Grundplans von dem des
unteren Geschosses beruht aber darauf, daß ein mittlerer hochgewölbter zwölf-
eckiger Kuppelraum von 7 Meter Durchmesser und 51/2 Meter Scheitelhöhe strahlen-
förmig sechs breite Korridore von sich ausgehen läßt, die in der Umfassungs-
mauer auf Fenster münden und dadurch dem Zentralraume ein freilich gedämpftes
sekundäres Licht zuführen. Zwischen diesen Korridoren bilden sich in den Stern-
spitzen rautenförmige Säle, welche durch Abschneiden der beiden spitzen Winkel
ein ungleichseitiges Sechseck werden. Sie stehen durch weitere Türöffnungen
mittels der Korridore untereinander und mit dem Hauptsaale in Verbindung. In
Abb. 67 Grundriß des Schlosses Stern bei Prag Erster Stock
Prag
109
den abgestumpften Ecken sind diese Säle, mit dem Längendurchmesser von 10 Meter
bei 7 Meter Breite, mit kleinen Wandnischen ausgestattet, die mit polierten
Marmorplatten bekleidet sind und ohne Zweifel für Büsten oder Statuen bestimmt
waren. Von den Marmorplatten des Fußbodens sind nur geringe Reste erhalten;
völlig verschwunden ist die künstlerische Bekleidung der Wände; dagegen sind
sämtliche Stuckdekorationen der gewölbten Decken im Mittelraum, den Korridoren
und den fünf Ecksälen noch vollständig erhalten. Durch die wahrhaft geniale
Einteilung, die in jedem Räume neue Motive anwendet, sich nirgends wiederholt,
mit dem feinsten Zug architektonischer Linien unerschöpflichen Reichtum der
Phantasie und meisterhafte technische Ausführung verbindet, gehören diese Werke
unbedingt zu den größten Schätzen der Renaissancedekoration diesseits der Alpen.
Nur bei den Korridoren herrscht in der Einteilung der Felder das Gesetz ryth-
mischer Wiederkehr, so daß der zweite dem vierten und sechsten entspricht, der
dritte dem fünften und nur der erste als Eingang eine gesonderte Behandlung
zeigt. In die zart umrahmten und gegliederten Felder sind Rosetten, Laubwerk
und Masken geschickt verteilt; den Mittelpunkt der Dekoration jedes Raumes
bildet eine mythologische Figur, die jedesmal in einem organischen Zusammen-
hange mit der übrigen Dekoration steht und sie in sinnvoller Weise beherrscht.
In der Ausführung dieser Werke waltet jene geniale Leichtigkeit des Skizzierens
aus freier Hand, wie wir sie in antiken Dekorationen und dann wieder in den
besten Werken der italienischen Renaissance finden. Es kann keinem Zweifel
unterliegen, daß alle diese Arbeiten auf Italiener zurückzuführen sind, und daß
sie in der Hauptsache auch in der Zeit nach der Grundsteinlegung seit 1555 in
ziemlich rascher Folge entstanden sein müssen, wofür die fast völhge künst-
lerische Einheit des Ganzen spricht. Doch mag einiges in der Zeit Rudolfs II.
hinzugefügt sein; jedenfalls wurde zu dessen Zeiten noch verschiedentlich daran
gearbeitet.
Daß neben diesen kaiserlichen Bauten bald auch der hohe Adel zu künst-
lerischen Unternehmungen schritt, erkennt man an dem stattlichen Palaste
Schwarzenberg auf dem Hradschin, einem Bau vom Jahre 1545.^) Zwei im
rechten Winkel zusammenstoßende Flügel bilden den Hauptbau. Die hohen Giebel
sind derb und breit geschweift, die Gesimslinie des Daches wird durch eine Reihe
kleinerer vorgesetzter Stuck-Giebel bekrönt. Dies ist jenes den slawischen Gegen-
den eigentümliche Motiv, das sich z. B. am Rathause zu Brüx und der Tuchhalle
zu Krakau wiederfindet. Die großen Flächen des Palastes sind übrigens verputzt
und mit Sgraffiten, meist Diamant-Quadern, aber auch freiem Ornament dekoriert.
Schon hier also ist keine Einwirkung der italienischen Arbeiten vom Belvedere
zu spüren.
Aber auch an städtischen Bauten kommt die Renaissance bald zur Ver-
wendung. So sieht man am Alt st ädtis chen Rathaus , einem im wesenthchen
gotischen Bau, über dem rundbogigen Doppelportal eine Fenstergruppe selbdritt
mit höherem und breiterem Mittelfenster, in zierlicher Frührenaissance geschmückt.
Kannelierte Pilaster mit Füllhörnern in den frei korinthisierenden Kapitellen bilden
die Einfassung, dies alles in etwas scharfer und trockner Behandlung, aber mit
einem schönen Bandfries verbunden. Darüber in der Mitte ein Rundbogenfeld mit
elegant antikisierender Ghederung, das Wappen umschließend. Im Fries liest man:
Praga caput regni. Über den Seitenfenstern sind wunderlich gotisierende Auf-
sätze fialenartig angebracht. So wächst also hier, wie in den meisten Gegenden
Deutschlands, die Renaissance noch mit der Gotik zusammen. Das Eisengitter
ist aus späterer Zeit, dagegen sieht man ein schönes Gitter von 1560 an dem
Ziehbrunnen auf dem Kleinen Ring. Aus den trefflich gearbeiteten Schnörkeln
1) Abgeb. bei Fritsch a. a. 0.
110
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
entwickeln sich
Eichblätter und Ei-
cheln, sowie ver-
goldete Figürchen.
Auch an der Türe
eines Privathauses
an demselbenPlatze
ein schönes Eisen-
gitter. Zu dem
Herrlichsten gehört
aber das Gitter,
welches im Dom
das von Alexander
Colins gemeißelte
Grabmal Karls IV.
umgibt. 1)
Bedeutend höhe-
ren Wert besaß der
große Marmorbrun-
nen, der vor dem
Altstädter Rat-
hause aufgestellt,
dessen Wasserwerk
jedoch schon seit
einem Jahrhundert
eingegangen war.
Dieser Brunnen be-
stand aus einem
zwölf seitigen, mit
Stufen umgebenen
Bassin oder Wasser-
kasten von 8 Meter
Durchmesser und
nahezu i^ji Meter
Höhe ; in seiner
Mitte erhob sich
eine aufs reichste
mit Figuren, Mas-
ken und Laubwerk geschmückte Standsäule. An den Seiten des Beckens waren
die zwölf Monate durch charakteristische Relief bilder dargestellt und durch allerlei
passende Attribute erläutert, alle in Beziehung zur Mittelsäule, welche den Sonnen-
gott darstellte. Das prachtvolle Denkmal wurde 1590 — 93 auf Veranlassung des
Primators Wenzel Krocin von Drahobejl mit großem Aufwand aus fleischfarbigem
Sliwenetzer Marmor errichtet und zeigte in allen Teilen eine Vollendung und
Feinheit der Durchbildung, wie sie nur am Belvedere und den Stukkaturen des
Sternschlosses gesehen wird. Eine nahe Verwandtschaft zwischen den späteren
Dekorationen dieses Schlosses und den Reliefs des Brunnens ließ sich nicht ver-
kennen und legte die Vermutung nahe, daß beide Werke von dem gleichen Meister
gefertigt worden sein könnten. Der Meister ist hier wie dort unbekannt. Das
hervorragende Werk wurde leider 1864 durch rohen Vandalismus unter dem Pa-
Abb. 68 Saal im Wallensteinpalast zu Prag
1) Mitteilungen der Zentr.-Komm. XV. 1870 p. 60.
Prag
III
tronat der Stadt-
verwaltung nächt-
lich zerstört, um der
Stadt die Kosten
der Instandsetzung
zu ersparen.
Noch einen
Brunnen haben wir
zu erwähnen, einen
Erzguß, welcher
ebenfalls spurlos
verschwunden ist.
Um 1590 fertigte
der Kunstgießer Be-
nedikt Wurzelbauej'
aus Nürnberg im
Auftrage des Lan-
desoberhofmeisters
Christoph Poppet
von Lobkowitz ei-
nenSpringbrunnen,
soweit die noch vor-
handene Original-
zeichnung erken-
nen läßt, ein wür-
diges Gegenstück
zu dem im Kaiser-
garten befindlichen
Brunnen des Büch-
senmeisters Ja-
rosch. Wurzelbauer,
ein Schüler des
Labenwolf, stellte
seine Arbeit im
Jahre 1600 in Prag
auf und erntete rei-
chen Beifall. Auf
einem geschmack-
vollen aus dem Metallbecken aufsteigenden Postamente erblickte man die lebens-
große Figur der Venus in anmutiger Stellung, zu ihren Füßen spielte Amor mit
Delphinen und anderen Meertieren, welche Wasser ausspien. Da auch aus den
Brüsten der Göttin Wasserstrahlen hervorsprangen, ist wahrscheinlich das Kunst-
werk den tonangebenden Galvinisten von 1620 anstößig gewesen und in der da-
maligen Bilderstürmerei vernichtet worden. Im Germanischen Museum zu Nürn-
berg befindet sich der von Wurzelbauer gefertigte Entwurf, dem von des Meisters
Hand die Notiz beigefügt ist : daß das Werk für Herrn Christophen von Lobkowitz
gemacht wurde und 50 Zentner Metall wog.
Von kirchlichen Bauten der Renaissance hat Prag nur die Kirche Maria
Viktoria aufzuweisen, welche nach Plänen des Scamozzi ausgeführt sein soll;
die Kirche ist einschiffig, das Innere schlicht und wenig entwickelt: die gegen
Ost gerichtete Fassade aber mit ihrem kräftig vortretenden Portal und den mit
Rustikawerk ausgestatteten Pilastern macht einen guten Eindruck und ist frei
Abli. 69 Vorsaal im Wallensteinpalast zu Prag
112
2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen
von barocken Überladungen, welche an den Werken dieses Meisters manchmal
vorkommen. Wahrhaft großartig ist das von Scamozzi angelegte Treppenhaus
in der Residenz, ein Prachtraum von vollendeter Meisterschaft, harmonisch in
allen Teilen, höchst opulent und dabei sehr bequem. Anderweitige Bauwerke
der Renaissance besitzt Prag nicht viele; bemerkenswert ist das alte Rathaus
der Kleinseite, zwar ruinös und entstellt im Erdgeschoß, aber in den oberen Teilen
schön gegliedert; es ruht auf Arkaden mit Rustikapilastern, die beiden oberen
Stockwerke zeigen gebrochene malerische Giebelverdachungen über den sechs
Doppelfenstern, dazwischen barocke hermenartige Pilaster. Das feine Hauptgesims
wird von Konsolen getragen. Die sechs einst krönenden Dacherker sind abgebrochen.
Das Ganze trägt etwas von niederländischer Art des 17. Jahrhunderts, etwa der
Rubensschen Richtung anklingendem Charakter. Ferner einige originelle Häuser
am Altstädter Ring und der angrenzenden Zeltnergasse, wie auch ein fein durch-
gebildeter Wohnturm an einem Privatgebäude des Roßmarktes, der im obersten
Geschoß Pilaster mit Rundbogenöffnungen dazwischen, als Krönung nach den
vier Seiten malerische Giebel besitzt. Diese Giebelreihung ist wohl als slawischer
Anklang zu bezeichnen. Mehrere hübsche Giebel und Dacherker dürfen wir um
so eher übergehen, als die Formengebung sich durchaus im hergebrachten Ge-
leise bewegt.
Dagegen steht am Ausgange der Epoche der Palast Waldstein, 1629
von dem großen Wallenstein erbaut. Die Fassade zeigt den etwas trocknen
italienischen Palaststil der Zeit, mit einigen barocken Elementen, besonders ge-
schweiften Voluten, versetzt. Der ungefähr quadratische Hof ist ähnlich massig
behandelt; an der Eingangsseite und dem gegenüberhegenden Flügel mit drei
Reihen von Halbsäulen dekoriert, und zwar in dorischer, toskanischer und ionischer
Ordnung. An den beiden anderen Seiten fehlen diese Ordnungen in wohlberech-
neter Absicht, um eine Steigerung für die Hauptfassaden zu ermöghchen. Sämt-
liche Fenster sind im Rundbogen geschlossen, die Bögen von Gesimsen begleitet,
die an den Seiten mit verkröpften Rahmen verbunden sind. Nur im Erdgeschoß
zeigen die Fenster geraden Sturz und schöne Eisengitter. Im Innern ist der große
Saal bemerkenswert, der im Vorderhause zwei Geschosse einnimmt, von einem
Spiegelgewölbe mit Stichkappen bedeckt (Abb. 68). Die Stuckdekoration, aus
welcher ein großer Kamin hervorragt, ist hier, wie in den übrigen Räumen, selbst
auf den Korridoren (Abb. 69), in flottem Barockstil gehalten. Neben der sehr be-
quem ansteigenden Treppe fehlt nicht die Palastkapelle, sehr klein, aber ungemein
hoch, mit einer Empore und reicher Dekoration in Stuck und Malerei.
Alles dies ist kraftvoll und wirksam, künstlerisch aber nicht geradezu her-
vorragend. Dagegen gehört die gigantische Halle (Abb. 70), die an der Rück-
seite des Palastes sich gegen den Garten mit seinen herrlichen Laubmassen und
Baumgruppen öffnet, zu den gewaltigsten Schöpfungen der Zeit; ja, ich wüßte
weder diesseits noch jenseits der Alpen, wenn man etwa die in ganz anderem
Sinn und in anderer Zeit errichtete Loggia de' Lanzi ausnimmt, eine andere Halle,
die an vornehmer Majestät sich mit diesem Werke messen könnte. Der Bau
kommt an Höhe dem ganzen Palaste gleich, ist an den Seiten mit Mauern und
kräftigen Stirnpfeilern eingeschlossen und öffnet sich nach vorn auf gekuppelten
Säulen mit Bögen von gewaltiger Höhe und Weite. Die Dekoration ist allerdings
schon etwas barock, aber durch Verbindung von Malerei und Rehefs von reicher
Wirkung. Inmitten der heißen lärmenden Stadt ist hier in freier Gartenumgebung
ein Raum geschaffen, der den Genuß kösthcher Stille und Zurückgezogenheit
bietet. An die eine Seite stößt ein Badekabinett, als Tropfsteingrotte charak-
terisiert, an die andere ein kleines Zimmer mit Tonnengewölbe, reicher Barock-
dekoration und gemalten Szenen der antiken Heldensage. Die Fenster sind mit
Prag
113
schönen Eisengittern verwahrt. An diesen Flügel schließt sich eine Tropfstein-
grotte, die als Vogelhaus angelegt ist. Mit diesem mächtigen Bau ist die Grenze
der Renaissance in Prag erreicht. — Meister des Baues war der schon genannte
Giovanni Marini aus Mailand, der ausschließlich für Wallenstein arbeitete.
Abb. 70 Halle des Wallensteinpalastes zu Prag
(Nach Fritsch, Denkmäler deutscher Eenaissance)
Eine Fügung des Schicksals wollte, daß die bedeutenden einheimischen
Künstler, sowohl Baumeister, wie Maler und Bildhauer, erst während des Dreißig-
jährigen Krieges oder nach dessen Beendigung auftraten. Ihre Werke, die so
wesentUch beitragen, der Stadt Prag das herrliche, von allen Reisenden bewunderte
Rehef zu verleihen, folgen sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts. Da in
rascher Folge vor allem die ganze Reihe der berühmten barocken Palastbauten
Prags, vor allem des Fische)- von Erlach, und einiger Kirchen, insbesondere der
zwei Dientzenhofer.
Süd- und West-Böhmen
In den übrigen Teilen des Landes werden zahlreiche Werke der Renaissance
getroffen, bei denen häufig der italienische Stil mit den Traditionen der Gotik, nach
Art des Benedikt von Laun, verschmolzen worden ist. Es entstand ein Misch- und
Übergangsstil, der von annähernd 1520—70 in Übung verblieb und manches originelle
Werk hervorgerufen hat. Bemerkenswert ist, daß auch die allenthalben wirkenden
Italiener sich dieser Richtung anbequemten, und daß neben einzelnen hohen Herren
vorzugsweise die deutschen Städte an der künstlerischen Bewegung teilnahmen.
Im südlichen Böhmen herrschten, soweit sichere Nachrichten reichen, mit
beinahe königlicher Macht die Herren von Rosenberg, welche mehr als den achten
Lübke-Haupt, Eenaissance in Deutschland- II 3. Aufl. 8
114 2. Buch Die Bauwerke XIL Kapitel Süd- und West-Böhmen
Teil des Landes innehatten und außerdem in Oberösterreich, Steiermark, Mähren
und Schlesien reich begütert waren. Verwandt mit den meisten Regentenfamilien,
hielten sie glänzend Hof, beschäftigten zahlreiche, aus allen Ländern zusammen-
berufene Künstler und verdunkelten nicht selten durch ihre großartigen Unter-
nehmunt^en das königliche Haus: ja mehrmals sah man Angehörige dieses Ge-
schlechtes die Hand nach der Krone ausstrecken. Unter ihren fast unzähligen
Burgen und Schlössern zeichneten sich Rosenberg, Krumau, Wittingau, Frauen-
berg und das einer Seitenlinie angehörende Neuhaus durch Größe und prachtvolle
Einrichtuno- aus; alle wurden schon im 13. Jahrhundert gegründet oder ausgebaut,
und sind noch bewohnt, haben aber im Laufe der Zeiten viele Umänderungen
erfahren Rosenberg, dermal im Besitze der Grafen Bouquoi, und Frauenberg,
dem Fürsten Schwarzenberg gehörig, sind in neuerer Zeit gänzlich renoviert
worden- in Wittingau, Neuhaus und Krumau hingegen sieht man zwischen den
altertümlich gotischen Anlagen verschiedene von den letzten Herren von Rosen-
berg herrührende, im Renaissancestil gehaltene Partien. Gleich dem Hause der
Medizeer haben auch die Rosenberger von ihrem ersten Auftreten an bis zu ihrem
Erlöschen eine lange Reihe hochbegabter Feldherren und Staatsmänner aufzu-
weisen, auch teilten fast alle die gleiche Kunstliebe, welche sich von Wokko I.,
der 1259 das Stift Hohenfurt gründete, auf seine Nachkommen vererbte. Unter
Peter IV von Rosenberg wurde der Baumeister Pesnitzer aus Burghausen in
Bayern berufen, um das Schloß Krumau zu restaurieren und zu vergrößern,
welche Arbeit zwischen 1508-20 durchgeführt wurde. Krumau ist em Kon-
glomerat von Gebäuden, welche aus den verschiedensten Zeiten herriihren und
übertrifft an Umfang manche Stadt: die Burg enthält fünf Höfe und mehr als
dreihundert Gemächer, abgesehen von Beamtenwohnungen, Okonomieraumen und
Stallungen Der erste oder Vorhof heißt Tummelplatz, weil darm ehemals Tur-
niere abgehalten wurden; von hier führt eine Brücke in den zweiten Hof, der
um obige Zeit seine gegenwärtige Gestalt erhalten hat. Die diesen Hof um-
gebenden Baulichkeiten gehören der gotisierenden Frührenaissance an, die Wände
sind mit Sgraffiten und grau in grau gemalten Arabesken verziert, die Ge-
simse schwer, aber nach italienischer Weise gegliedert, und die Uberwölbungen
rundbogig. An der Südostseite dieses Hofes steht auf einem steil gegen den
Moldaufluß abfallenden Felsen der runde Bergfried, dessen Unterbau noch der
romanischen Zeit angehört. In der Höhe von 12 Meter beginnt der Neubau,
kenntlich durch eine Reihe gekuppelter Fenster mit balusterförmigen Saulchen
und antiken Gesimsen. Weiter oberhalb, 26 Meter über dem Niveau des Platzes
umzieht ein weitausladendes Gesims aus Terrakotta den Bau, darüber erhebt sich
eine meisterhaft angeordnete Säulengalerie mit durchbrochenen Geländern an
den kolossale Löwenköpfe und Masken angebracht sind. Innerhalb der Galerie
befindet sich die Türmerwohnung und eine Glockenstube. Das mit emer hoch-
aufstrebenden Laterne versehene Kupferdach ruht auf der Säulenstellung, deren
reiche Kapitelle und Gebälke wesentlich beitragen, den ganzen Bau als em Werk
deutscher Renaissance erscheinen zu lassen. Dazu kommt, daß das schon m
seinen Formen überraschende Bauwerk, welches bei 13 Meter unterm Durchmesser
eine Gesamthöhe von mehr als 60 Meter erreicht, auch durch em wunderbares
Farbenspiel gehoben wird; das warme Grau der Granitquadern am Unterbau die
rote Farbe der Terrakotten im Vereine mit der grünschimmernden Kupferdachung
gewähren einen überaus reichen Anblick. Der dritte in der eigenthchen Hoch-
burg gelegene Hof bietet geringeres Interesse, nur die dort befindliche bchloß-
kapelle ist in eleganter Renaissance ausgestattet. Alle übrigen Bauhchkeiten
sind total erneuert worden.')
1) Aufnahme der Wiener Bauhütte XYI.
Krumau Wittingau
115
Auch die Stadt Krumau besitzt mehrere schöne, im altertümHchen Stil
ausgeführte Häuser, an denen neben wohlerhaltenen Stukkaturen noch manche
Reste von Malereien getroffen werden. Rundbogige Arkaden an den der Straße
zugekehrten Fassaden und abgetreppte Giebel sind charakteristische Merkmale
dieser Bauten, zu deren Herstellung die Bürger offenbar durch ihre Fürsten an-
geeifert wurden.
Abb. 71 Haus zu Wittingau
Ähnliche Verhältnisse finden sich in Wittingau und N e u h a u s , und zwar
sowohl in den dortigen Schlössern wie städtischen Gebäuden. Die fortwährend
bewohnten Schlösser bestehen aus den mannigfaltigsten romanischen, gotischen
und neueren Bauteilen, ziemlich bunt aneinander gereiht; im Schlosse Neuhaus
erbhckt man ein schönes Portal mit Vorhalle und Treppenhaus, in Wittingau einen
stattlichen Säulengang und eine Schloßkapelle, von Wilhelm Rosenberg um 1550
erbaut. An den im Renaissancestil ausgeführten Häusern kommen geschweifte,
auch halbkreisförmige Giebel und Laubengänge vor, über den Eingängen Jahres-
zahlen, die von 1540—1600 fortlaufen. Überaus charakteristisch ist namenthch
116 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Süd- und West-Böhmen
in Wittingau ein ansehnliches, jetzt als Gasthaus dienendes Wohnhaus (Abb. 71),
das die Jahreszahl 1544 und das Rosenbergsche Wappen trägt. Die weiten, auf
abgefasten Pfeilern ruhenden Arkaden des Erdgeschosses, vor allem a,ber der
breite Giebel mit seinen abgetreppten Zinnenkränzen und den festungsartigen
runden Ecktürmen gehören zu den Besonderheiten dieser böhmisch-slawischen
Architektur. Es ist hier wieder die Häufung gleichartiger krönender Motive über
dem horizontalen Hauptgesims, die in allen slawischen Gegenden wiederkehrt.
Von der hübschen Anordnung des Inneren gibt der Grundriß des Erdgeschosses
(Abb. 72) eine Anschauung.
Rings von den Besitzungen der Rosenberger eingeschlossen liegt in einer
fruchtbaren Ebene die könighche Stadt Budweis, deren Anlage mit vieler Wahr-
scheinlichkeit den genannten Dynasten zugeschrieben wird. Mit Ausnahme der
im 13. Jahrhundert durch Ottokar IL erbauten Dominikanerkirche und des gründ-
lich verzopften gotischen Do-
mes gehört die ganze Stadt
in allen Plätzen und Straßen
der Renaissance an. Schöne,
sorgfältig durchgeführte Ge-
bäude werden nicht getroffen;
im einzelnen betrachtet trägt
sogar der Stil einen nüch-
ternen, etwas derben Cha-
rakter^), das Gesamtbild der
Stadt aber ist ein ungemein
Abb. 72 Erdgeschoßgrundriß eines Hauses zu Wittingau freundliches und wohnliches.
Besonders hübsch präsentiert
sich der genau orientierte Marktplatz, der nahezu ein regelmäßiges Quadrat bildet
und an allen Seiten mit offenen Arkaden (Laubengängen) umgeben ist. Inmitten
des Platzes steht ein trefflich komponierter, mit Statuen geschmückter Brunnen,
von dem aus die Anordnung der inneren Stadt am besten übersehen werden
kann. Im Gegensatze zu anderen Städten Böhmens erblickt man weder einen
Giebel noch ein Dach: alle Dachungen sind auf slawische Art nach rückwärts
geneigt und die Fassaden entweder mit horizontalen Galerien oder Altiken ge-
krönt, so daß der Beschauer sich fast nach Italien versetzt glaubt. Obwohl
die Häuser sehr einfach ausgestattet sind, waltet doch keine Monotonie vor; die
verschieden gestalteten Bogenstellungen, durchbrochenen Galerien und Pilaster
bewirken ein sehr belebtes Bild. Ein bezeichnendes Beispiel, das die Arkaden des
Erdgeschosses und die eigentümliche festungsartige Behandlung der oberen Ab-
schlüsse mit Zinnenkranz und Ecktürmchen veranschauKcht, fügen wir in Abb. 73
bei. Die national-böhmische Bauweise tritt hier ganz besonders stark in die Er-
scheinung. Neben dem schon genannten Gonvale (1610—47) waren übrigens noch
mehrere itahenische Meister in Budweis tätig ; das geräumige Rathaus, der Markt-
brunnen und Stadtturm geben Zeugnis von ihrem Wirken.
Vier Stunden südlich von Budweis Hegt das zierliche Schlößchen Komar-
schitz, im Jahre 1565 von dem Ritter Korczensky erbaut und besonders des-
halb wichtig, weil es das einzige nach einheitlichem Plane durchgeführte Bau-
werk Südböhmens ist. Sowohl im Erdgeschoß, wie in den beiden oberen Stock-
werken ziehen toskanische Bogenstellungen sich vor den Zimmerreihen hin und
verbinden die entgegengesetzten Flügel des Schlosses. Von Budweis gegen Westen
1) Vgl. Mitteilungen der k. k. Zentr.-Komm. 1868, p. XCVI, wo einige Abbildungen von
Häusern enthalten sind, denen unsere Abb. 71 — 73 durch zuvorkommende Güte des Herrn
Präsidenten der Zentr.-Komm. entlehnt sind.
Prachatitz
117
uns wendend gelangen wir in den Böhmerwald, wo nach zehnstündiger Wanderung
das Städtchen Prachatitz gar einladend zwischen hohen Bergen und Fichten-
wäldern hervorblickt. Von den Hussiten 1520 gründUch zerstört, erholte sich die
ehemals sehr blühende Stadt durch die Vorsorge der Herren von Rosenberg all-
mählich wieder und wurde zwischen 1500—60 neu in einem eigentümlichen
Gebirgsstil aufgebaut. Alle Häuser zeigen Spuren von Bemalung und Stukkatur,
überall sieht man Inschriften, Wappen, Sgraffiten und ornamentierte Steinmetz-
arbeiten. Am besten hat sich das Rathaus mit seinen Gemälden und unzähhgen
auf Spruchbänder geschriebenen Sinnsprüchen erhalten : es ist, gleich den meisten
Häusern, in zwar etwas schwerer, aber vollständig entwickelter Renaissance ge-
halten, mit einem stattlichen Erker verziert und hat ein schönes Portal, über
dem die Jahreszahl 1571 als Erbauungszeit steht.')
Abb. 73 Haus zu Budweis
Die Malereien überdecken das ganze Gebäude vom Sockel bis zum Dach-
gesims ; man sieht die allegorischen Gestalten der Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weis-
heit, dann Glaube, Hoffnung und Liebe, Schlachten, biblische Szenen usw. —
Auch das Rosenbergsche Wappen mit der Überschrift: Wilhelmus a Rosenberg,
ist angebracht, ein Zeichen, daß dieser feingebildete und kunstsinnige Fürst,
welcher 1559—98 Besitzer der Stadt war, das Haus hat erbauen lassen.
Erinnert Prachatitz mit seiner malerischen Ausstattung an die Landstädte
Tirols und Oberbayerns, so betreten wir nun, in das Waldgebirge vordringend,
das Gebiet der Alpenbauart. Mittelpunkt ist der Marktflecken Wallern, ein
ansehnhcher Ort mit 2000 Einwohnern und etwa 250 Häusern, welche größten-
teils mit flachen, steinbeschwerten Schindeldächern bedeckt und im Blockwandbau
ausgeführt sind. Hat auch vor einigen Jahren hier ein großer Brand gewütet und
1) In Aufn. d. Wiener Bauhütte XVI.
11g 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Süd- und West-Böhmen
viele Gebäude zerstört, so blieb doch genug erhalten, um den alten Bestand er-
kennen zu lassen. Peter Wok von Rosenberg begünstigte die gewerbsamen Ein-
wohner von Wallern besonders; unter ihm dürften gegen die Mitte des 16. Jahr-
hunderts die meisten Häuser errichtet worden sein. Einen ähnlichen malerischen
Gebirgscharakter wie Prachatitz zeigt auch die Stadt Winterberg, wo die Rosen-
berge ebenfalls ein großes Schloß besaßen.
Ostwärts der Moldau liegen an der alten Prager Straße (jetzt Eisenbahn)
die Stadt Wesely mit einem geschmackvollen, aber sehr kleinen Rathause,
dann Sobieslau mit mehreren Bauten der letzten Rosenberge. Tabor, als
Hussitenlager entstanden, besaß bis vor kurzem zwei interessante Tore im ge-
mischten gotisch-welschen Stil erbaut, die aber der Eisenbahn weichen mußten.
Erhalten haben sich einige mit geschweiften Giebeln versehene Häuser, unter
denen das alte hussitische Predigerhaus sich durch seltsame Phantastik aus-
zeichnet. Vor diesem Hause besteht noch ein großer, aus Granit errichteter Tisch,
an welchem das Abendmahl den böhmischen Konfessionisten unter beiderlei Ge-
stalt erteilt wurde.
Der Budweis-Pilsener Eisenbahn folgend, erblickt man nach Zurücklegung
des halben Weges das gewaltige Schloß Strakonitz, wo der Landgraf Bavarus
von Strakonitz im Jahre 1243 einen Konvent des Johanniterordens gründete.
Diesem Orden gehört heute noch das Schloß, das begreiflicherweise oft um-
geändert und überbaut worden ist. Johann von Rosenberg, 1517 — 32 General-
prior, erbaute einen Flügel in sehr altertümUcher Renaissance, zu Wohnungen
für die anwesenden Ritter bestimmt. Jedes Gemach hat einen besonderen, auf
Kragsteinen vorgelegten Erker mit großen dreifeldrigen Fenstern, und ist mit
Vertäfelungen ausgestattet, doch wird gegenwärtig das Gebäude wenig benützt.
Nahe bei der Stadt Strakonitz befindet sich die von einem Friedhofe umgebene
St. Wenzels-Kirche, woselbst ein in edelster Renaissance errichtetes Prachtporta],
ganz aus Tafeln von gebranntem Ton gefügt, sich erhalten hat. Dieselbe An-
ordnung, wie sie am geschilderten Schloßteil von Strakonitz vorkommt, gewahrt
man auch an dem um 1530 von Leo von Rosmital neu aufgebauten Schlosse
Blatna: spitzwinkelig vortretende Erker, reiche Vertäfelungen und in einer der
beiden Schloßkapellen auch bemerkenswerte Wandgemälde.
Die ehemalige Kreisstadt Klattau, unfern der bayrischen Grenze, besitzt
ein schönes, 1559 erbautes Rathaus mit einem kunstreichen Turme, der in der
Höhe von 45 Meter mit einer Galerie umzogen und mit trefflicher Steinmetzarbeit
ausgestattet ist. Erbauer war ein Amsterdamer namens Salnellyn, welcher durch
unbekannte Schicksale hierher verschlagen wurde. Aus diesem Beispiele erhellt,
daß neben den Italienern fortwährend Künstler aus allen Weltgegenden nach
Böhmen berufen wurden und Beschäftigung fanden. Noch ein in dieser Gegend
befindliches Schloß darf nicht unerwähnt bleiben: Bischofteinitz, ehemals
Besitztum der Prager Bischöfe, woher der Name rührt. Im Verlauf der Hussiten-
stürme, als der gewalttätige Adel sich die geistlichen Güter aneignete, gelangte
die Herrschaft durch Verpfändung an die Herren Dobrohast von Ronsberg, dann
1539 an die Lobkowitz, die das Schloß erweitern oder ganz neu aufbauen ließen.
Es ist um einen rechteckigen Hof angeordnet, an den Ecken mit Türmen flankiert
und genau in derselben Manier ausgeführt, welche wir am Schwarzenbergschen
(ursprünglich Rosenbergschen) Palast auf dem Hradschin zu Prag kennen gelernt
haben. Johann von Lobkowitz, Oberstlandeskämmerer in Böhmen (1554 — 70),
war der Bauherr. Der Meister ist unbekannt, er scheint derselbe gewesen zu
sein, der den Schwarzenbergschen Palast erbaute: man sieht hier wie dort die
gleichen, mit Zwickeln vorgelegten Dachgesimse, Sgraffiten und Fensterumrah-
mungen, überhaupt die gleiche Behandlung des Details.
Pilsen
119
Nächst Prat' besitzt Pilsen die meisten und bedeutungsvollsten Denkmale
der Renaissance, die hier keine oder nur geringe itahenische Einflüsse erkennen
läßt Zuerst fällt der geräumige Marktplatz von 190 Meter Länge und 140 Meter
Breite auf, in dessen Mitte (jedoch stark gegen Norden gerückt) die gotische,
von den deutschen Ordensrittern gegründete Erzdechaneikirche hegt. Reich-
geschmückte Häuser, alle mit Jahreszahlen und Inschriften versehen, umgeben
den Platz, der ein würdiges Gegenstück, doch
zugleich den entschiedensten Gegensatz zu
dem Budweiser Ringe bildet, da in Pilsen
weder Lauben gänge noch Balustraden gesehen
werden. Mit Ausnahme des öden neuen Kreis-
amtsgebäudes gehören alle am Platze stehen-
den Gebäude der Frührenaissance an, sind
zwischen 1535-90 entstanden und zeichnen
sich durch hohe Giebel, mitunter auch durch
prachtvolle Portale aus. Als ältestes Bau-
werk Pilsens wird das Deutsche Haus
(Abb. 74) genannt, das schon unter dem König
Ottokar L 1217—20 durch die deutschen Ritter
angelegt worden sein soll. Dieses Gebäude,
ein Eckhaus an der Westseite des Markt-
platzes, besteht eigentlich aus zwei fast ganz
gleichen Häusern, von denen jedes mit einer
besonderen Giebelkrönung versehen ist. Von
dem hohen Alter und ursprünglichen Bestände
hat sich keine äußere Spur erhalten, auch ist
fraglich, ob die Kernmauern noch der Grün-
dungszeit entstammen: die gegen den Platz
gerichtete Seite ist ein schöner Renaissance-
bau und unter einem Fenster mit der Jahres-
zahl 1536 bezeichnet. Die beiden, mit kräf-
tigen Gesimsen und Pilastern ausgestatteten
Giebel verleihen dem Hause ein stolzes An-
sehen, das durch gekuppelte Fenster und Ru-
stika noch gehoben wird. Im Innern bestehen
einige Wölbungen mit spätgotischen Rippen,
auch spitzbogige Fenster, die jedoch gleich-
zeitig mit den übrigen Bauteilen hergestellt
worden sein können. Interessant ist eine höl-
zerne Treppe mit geschnitztem Geländer und
einige Holzdecken, auch hat sich im oberen Stockwerk ein großes,
maiereien verziertes Gemach erhalten.
Nordwärts von der Kirche erhebt sich das Rathaus, ein mächtiges aus
Quadern errichtetes Bauwerk, reich an geschichtlichen Erinnerungen aus der Zeit
des Dreißigjährigen Krieges. Das Haus ist 22 Meter lang und enthält außer dem
Erdgeschosse noch vier Stockwerke ; deren oberstes umfaßt jedoch nur eine Uhr-
kammer und zwei benutzbare Nebenräume. Oberhalb des Hauptgesimses steigen
die in Böhmen beliebten Dacherker auf, dazwischen stehen große Steinvasen und
auf dem Dachfirst ein Türmchen als Dachreiter. Die Formengebung ist schlicht,
im Obergeschoß toskanische Pilaster, die Fenster ebenfalls mit solchen Gesimsen
umrahmt und im Parterre kräftige Rustika. Über dem rundbogigen Portal tritt
ein offener Balkon vor, wohl spätere Zutat. Im ersten Stockwerk befindet sich
Abb. 74 Deutsches Haus zu Pilsen
mit Wand-
120 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Süd- und West-Böhmen
ein groISer Saal, in dem noch ein Teil der alten Rüstkammer aufbewahrt wird:
man sieht aus der Hussitenzeit herrührende Wafifenstücke, die meisten aber
gehören der Zeit des Dreißigjährigen Krieges an. Trotz seiner fast übertriebenen
Einfachheit und massigen GHederung zeigt der Bau eine wohldurchdachte künst-
lerische Anordnung und eine seiner Bestimmung angemessene Großheit. Als Bau-
zeit ist das Jahr 1558 festgestellt.
Nur wenige Jahre nach dem Rathause entstanden das gegenwärtige Erz-
dechaneigebäude und das anstoßende Haus, beide der Westfronte der Kirche
gegenüberstehend. Letzteres scheint seiner Ausstattung gemäß ursprünglich zu
einem Pfarrhof bestimmt gewesen zu sein und zeichnet sich durch großen Reichtum
an Ornamenten und Figuren aus. Ein sehr schlanker, mit Schnecken und Vasen
ausgestatteter Giebel ist durch wagerechte Gesimse in drei Stockwerke abgeteilt,
das obere enthält eine, das mittlere drei und das unterste fünf Nischen mit
Heiligengestalten in hocherhabener, zum Teil ganz runder Arbeit, aus Sandstein
hergestellt: die Nischen selbst sind zwischen toskanische Halbsäulen eingepaßt.
In der obersten Nische thront Gott -Vater auf Wolken, unter diesem Bilde er-
blickt man im Mittelfelde die Dreieinigkeit, rechts Petrus mit den Schlüsseln, links
Paulus mit einem Buche, als Brustbilder. Die unterste Nischenreihe enthält in
der Mitte ein Fenster, neben welchem die überlebensgroßen Standbilder der Evan-
geHsten eingereiht sind. Das mit Sparrenköpfen ausgestattete Hauptgesims wird
von Gnomen unterstützt, zwischen denen kleine, nur 1/2 Meter hohe Fenster ein
Zwischengeschoß andeuten. Sonst besitzt das Haus neben dem Erdgeschoß nur
ein einziges Stockwerk mit drei fabelhaft reich dekorierten Fenstern, von denen das
mittlere einteilig, die beiden äußeren aber zweifeldrig sind. Da die Fassade nur
etwa 91/2 Meter breit und mit einem Tor versehen ist, konnte dieses nur an der
Seite angebracht werden; dem Gharakier des Ganzen entsprechend, prangt es im
vollsten Ornamentenschmuck. Neben der rundbogigen Öffnung stehen Karyatiden
mit ionischen Kapitellen auf den Häuptern und unterstützen ein mit Perlstäben
und Kragsteinen versehenes Gebälke, dessen Fries durch verschlungene Untiere
ausgefüllt wird. Damit ist die Fülle der Ornamentierung noch nicht erschöpft;
das Feld oberhalb des neben dem Portal befindlichen Fensters wird ausgefüllt
durch ein großes in Stuckmasse ausgeführtes Relief, die Ermordung des hl. Wenzel
darstellend. Der Heilige hält sich im Niedersinken an dem Ring der Kirchentüre
fest, sein Bruder stößt ihm von rückwärts das Schwert in den Leib, während ein
Mordgeselle die Fackel schwingt und ein treuer Diener dem Gefallenen beizu-
stehen sucht. Auf' einem kleinen am Torbogen angebrachten Schilde befindet
sich der Name des Bauherrn: W. STANEK, darin die Jahreszahl 1572.
Ein zweites ähnhch angeordnetes, offenbar vom selben Baumeister aus-
geführtes Haus findet sich in einer Nebenstraße, die gegenwärtig Fleischbank-
straße genannt wird. Die Dekoration ist womöglich noch reicher, doch bemerkt
man hier anstatt der Heiligenfiguren kriegerische Trophäen, Helme, Fahnen, Schanz-
körbe, dazwischen auch musikalische Instrumente, Geigen, Notenblätter usw. Das
Baujahr 1575 ist am Schlußstein des Torbogens eingemeißelt. — Einige zwanzig
auf dem Marktplatz und dessen Nähe befindhche Häuser sind in ähnlicher Weise
ausgeführt, wobei erwähnt zu werden verdient, daß fast alle gleiche Breite ein-
halten, daß ferner die Portale immer auf der Seite stehen, und im Stockwerk
darüber nicht mehr als drei Fenster, manchmal doppelte, getroffen werden.
Wir haben den Pilsener Bauten mit Absicht eine etwas eingehende Be-
schreibung gewidmet, weil eine solche Anzahl reichornamentierter Werke weder
in Böhmen noch in den Nachbarländern vorkommt. Die Formengebung neigt
schon zum Barocken hin, die Ausführung aber verdient um so höhere Anerken-
nung, als die Stadt unter ihren Einwohnern nie einen Fürsten oder sonstigen
Pilsen
121
hohen Herrn zählte und alle Unternehmungen vom Bürgerstande ausgingen.
Pilsen ist zugleich der einzige Ort, wo der Hussitismus nie, auch nicht vorüber-
gehend, Fuß fassen konnte: Zischka gewährte 1421 den Pilsenern einen Waffen-
stillstand und Heß sie dann unbehelligt. Vor den Mauern Pilsens brach sich 1433
die Macht der Hussiten, Prokop der Große mußte nach beinahe zehnmonatHcher
Belagerung mit Hinterlassung seines Heergerätes und der Kranken unverrichteter
Dinge abziehen, um bei Lipan nebst 13000 Taboriten den Tod zu finden. Auch
an den Adelserhebungen von 1546—47 und 1618—20 hat Pilsen ebensowenig
wie Budweis teilgenommen, weshalb diese Städte von Kaiser Ferdinand II. den
Ehrentitel „stets getreue" erhielten.
Zuverlässige Nachrichten über die in Pilsen wirkenden Künstler fehlen bei-
nahe gänzlich; Italiener werden zwar genannt, doch scheint vorzugsweise ein
einheimischer Meister tätig gewesen zu sein.
Das nordwestliche und nördliche Böhmen
Von Bischofteinitz dem Grenzgebirge entlang, gegen Nordwest hinwandernd,
betreten wir das kompakte Deutschböhmen mit einer großen Anzahl von Städten,
darunter die ehemalige Reichsstadt Eger, die Weltbäder Karlsbad und Teplitz,
dann Saaz, Komotau, Brüx, Aussig und Leitmeritz. Der Fachwerkbau war in
diesen Gegenden bis zur Zeit des Kaisers Joseph II. allgemein übhch, dann wurde
diese Bauweise wegen FeuergefährHchkeit strengstens verboten. In Gzernoschim,
Plan, Sandau bis hin gegen Asch, ferner in Joachimstal, Klösterle, Görkau und
Graupen werden noch viele Fach- oder Riegelwerkbauten getroffen, die je nach
ihrem Alter sich bald mehr der Gotik, bald der Renaissance nähern. Größere
künstlerisch wichtige Bauwerke werden in diesem Bezirke nicht viele gefunden,
die ununterbrochenen Kriege und Grenzstreitigkeiten des 15. und 16. Jahrhunderts
haben hier so schwer gelastet, daß im Verhältnis zu den Zerstörungen wenig
geschaffen werden konnte. Die am Schlüsse des 12. Jahrhunderts erbaute roma-
nische Klosterkirche zu Tepl besitzt ein schönes Renaissance-Portal und die an-
grenzende Stadt ein paar hübsche Häuser: Eger hingegen hat nicht ein einziges
Denkmal der Frühzeit aufzuweisen. Das Rathaus wurde 1723—28 vom dortigen
Baumeister Pföffer mit Beibehaltung einiger aus den Jahren 1550—72 herrüh-
render Teile in verständiger Spätrenaissance aufgeführt und gewährt immerhin
einen erfreuhchen Anbhck. Einen Besuch verdient das zwei Stunden von Eger
entfernte Schloß Seeberg mit einem interessanten vertäfelten Saale und mehreren
altertümlichen Einrichtungsstücken. Die der Mitte des 16. Jahrhunderls entstam-
menden Schlösser Falkenau und Heinrichsgrün sind quadratische, an den
Ecken mit Rundtürmen flankierte Bauwerke und nur deshalb bemerkenswert,
weil dergleichen in Süddeutschland sehr häufige Anlagen hierlands sonst nicht
gesehen werden. Das stattliche Rathaus zu Kaaden wurde in der Neuzeit durch
Brand schwer beschädigt und dann überaus nüchtern von Grund aus erneuert.
Erhalten hat sich nur der gotische Stadtturm und ein anstehendes, in eleganter
deutscher Renaissance gehaltenes Tor. Komotau, Commenda, die berühmte
Komturei des deutschen Ritterordens, besitzt noch interessante Überreste des von
den Hussiten zerstörten Schlosses, das um 1560 durch die Herren von Lobkowitz
wieder aufgebaut wurde.
Beinahe alle Rathäuser Deutschböhmens zeigen die schon beschriebene ge-
mischte Bauweise: spitzbogige, gegen die Marktplätze gerichtete Arkaden, schwere
toskanische Gliederungen und reich ausgestattete Dacherker, in denen sich nicht
selten die architektonische Bedeutung konzentriert. So stellt sich das um 1560
erbaute Rathaus zu Brüx dar, ein Bau von beschränktem künstlerischen Werte,
122 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Das nordwestliche und nördliche Böhmen
doch ein Ganzes von originellem Ausdruck. (Abb. 75.) Die langgestreckte Fas-
sade, welche die Westseite des Marktplatzes begrenzt, öffnet sich mit teils rund-
bogigen, teils spitzbogigen Hallen; an der südlichen Ecke springt ein viereckiger
Turm vor (auf unserer Abbildung links angedeutet), im Erdgeschoß ebenfalls eine
Spitzbogenhalle bildend. Sämtlichen Arkadenstützen sind derbe Strebepfeiler vor-
gelegt, auf deren geschweiften Deckplatten kolossale Figuren aus Sandstein ruhen.
Dies alles, sowie der reiche Freskenschmuck der Fassade, die freilich wiederholte
Erneuerungen verrät, gibt dem Ganzen eine lebhafte Wirkung trotz des geringen
Materials und der flüch-
tigen, fast rohen Aus-
führung. Auch hier die
oft erwähnte Reihung
kleiner Giebel über dem
Hauptgesims nach sla-
wischer Art. Die Ein-
wirkung der Krakauer
Tuchhalle ist unverkenn-
bar. Der rundbogige
Eingang ist rechts und
links mit Sitznischen
versehen, hat in der Ar-
chivolte hübsches Orna-
ment und in der Mitte
das Brustbild des Bau-
meisters, der einen ge-
öffneten Zirkel hält. Eine
geradläufige Treppe, de-
ren Geländer gotisches
Maßwerk mit eleganten
Renaissance-Rosetten
zeigt, führt zu einem
stattHchen Vorsaal mit
Kreuzgewölben, auf ei-
ner Reihe toskanischer
Säulen ruhend. An den
Gewölben sind in Stuck
allerlei Ornamente, Rauten, Sterne u. dgl. aufgebracht. Womöglich noch urwüch-
siger tritt diese gemischte Richtung an dem gleichzeitig (1554—59) von Georg
Wesseteczka errichteten Rathaus in Saaz auf, wo ebenfalls spitzbogige Hallen
an der Frontseite sich hinziehen. Bei minderer Höhe der Bogenöfifnungen sind
die Pfeiler massiver, doch fehlen hier die Strebepfeiler und figürhchen Ausstat-
tungen. Der Oberbau zeigt ähnliche Anordnung wie in Brüx, man erkennt den
Nachfolger des Meisters Benedikt von Laun an den schweren Umrahmungen der
Fenster und toskanischen Gesimsen.
Ein trotz vieler Verstümmelungen und Umbauten höchst imposantes Gebäude
ist das Rathaus zu Leitmeritz, bereits unter Karl IV. um 1350 errichtet. Im
Jahre 1539 war das Haus infolge eines Brandes so schadhaft, daß eine gründ-
liche Erneuerung vorgenommen werden mußte, worauf zur Zeit des Kaisers
Rudolf IL ein abermaliger Umbau stattfand, so daß nun drei Bauperioden genau
unterschieden werden können. Das aus Sandsteinquadern errichtete Erdgeschoß
mit seinen Hallen gehört der Gründungszeit an und zeigt in seinen Gewölben,
Simswerken und Schlußsteinen die Gotik des 14. Jahrhunderts ; die angebauten
Abb. 75 Rathaus zu Brüx
Leitmeritz Laun
123
Strebepfeiler sind spätere Zutaten, wie durch die zweimal angebrachte Jahres-
zahl 1539 zur Genüge bestätigt wird. Auf dem der Oslseite zugekehrten Strebe-
pfeiler ist das Standbild eines geharnischten Ritters (ein Rolandsbild?) aufgestellt,
unterhalb waren die gesetzmäßigen Längen- und Hohlmaße angegeben. Das erste
und zweite Stockwerk sind im gemischten Stil gehalten: im ersten sieht man
dreifeldrige mit Steinkreuzen eingeteilte sehr hohe Fenster, im zweiten wechseln
zwei- und dreifache niedrigere Fenster ab. Darüber zieht sich ein mächtiges
Hauptgesims um den ganzen freistehenden Bau, dessen gegen den Platz gerichtete
Front durch zwei hohe, mit Lisenen, Quergurten und Schnecken dekorierte Giebel
gekrönt wird. Zwischen den Giebeln steigt ein zierliches Glockentürmchen empor;
darunter eine Uhr. Die Seitenfassaden, an denen sich die unteren Hallen fort-
setzen, sind mit Dacherkern von ähnlicher Form wie die Hauptgiebel versehen,
was dem Ganzen ein vornehmes schloßartiges Ansehen verleiht. Das Innere ent-
hält im ersten Stock einen vertäfelten Saal mit kassettierter Holzdecke, vielen
Schnitzereien und Sinnsprüchen, alles in elegantester Renaissance durchgeführt.
Ebenso geschmackvoll ist eine steinerne Prachttreppe, die vom ersten Stockwerk
in das zweite führt ; ihre Entstehung fällt in den Anfang der Regierung Rudolfs II.
Leitmeritz besaß bis zum Jahre 1872 mehrere schöne Privathäuser; sie fielen aber
der bald darauf erbauten östlichen Elbebahn zum Opfer.
In dem weiten Zwischengebiete, das sich westwärts von Prag ausbreitet,
zeichnet sich besonders das Schloß Smetschna aus, das Graf Jaroslaw Borezita
von Martinitz, derselbe, der 1618 den berühmten Fenstersturz mitmachte, größten-
teils neu hat erbauen lassen. Das Gebäude ist mit einem tiefen Graben umgeben,
viereckig, mit polygonen Türmen versehen, bei sonst einfacher Gestaltung der
Außenseiten. Der trefflich angeordnete Hof ist mit Säulengängen toskanischer
Ordnung umgeben; an ihren Rückwänden erblickt man die Wappen zahlloser
Fürstenhäuser, mit denen die Familie Martinitz verwandt war oder sein wollte.
Ein vertäfelter, stark modernisierter Saal, ferner die vom alten Bau herrührende
gotische Schloßkapelle mit schönen Schnitzwerken und Malereien sind sehenswert.
Ein kunstgeschichtlich merkwürdiger Punkt ist Laun, früher als die
Geburtsstätte des vielbesprochenen Meisters Benedikt (böhmisiert Benesch) an-
gesehen, der hier etwa von 1516 bis zu seinem Tode, 1537, tätig war und neben
der mit Recht gepriesenen Kirche mehrere noch vorhandene Werke ausgeführt
hat. Das Rathaus, ein Stadttor, ein mit äußerster Sorgfalt durchgebildeter origi-
neller Erker und noch ein Privathaus bieten Gelegenheit, die Manier des Meisters
in den verschiedensten Richtungen kennen zu lernen. Er ist hauptsächlich Kon-
strukteur, mehr Verstandesmensch als Künstler, daher auch seine letzten Arbeiten
geschmackvoller und feiner gehalten sind, als seine früheren. Gleichzeitig mit
Lionardo da Vinci, Bramante, Peruzzi und anderen Meistern der Renaissance
wirkend, war er mit ihrer Richtung bekannt geworden und hatte sich manche
Einzelheiten angeeignet, ohne ein wirkliches Verständnis des Stiles zu gewinnen.
Sein Streben war offenbar dahin gerichtet, ein neues, den veränderten religiösen
Anschauungen entsprechendes Kirchenbausystem zu schaffen und eine Verschmel-
zung der mittelalterhchen und neuen Elemente herbeizuführen, was ihm trotz
seiner angestrengten Bemühung nicht gelungen ist und naturgemäß nicht ge-
lingen konnte. Die rings mit Emporen umzogenen Kirchenhallen zu Laun und Brüx,
vor allem aber der bewunderungswürdig konstruierte Oberbau der St. Barbara-
kirche in Kuttenberg geben Zeugnis von diesem Streben und dem Haschen nach
neuen Formen. Mit größerem Geschicke, als im Kirchenbau, versteht Meister
Benedikt die Renaissanceformen bei seinen Profanbauten zu behandeln. Das 1519
gegründete und um 1530 vollendete Rathaus zu Laun zeigt manche Verwandt-
schaft mit dem zu Brüx, doch ist die Behandlung der Einzelformen bereits ein-
124 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Das nordwestliche und nördliche Böhmen
heitlicher. Die Stadt Laun besaß auch einen sehr merkwürdigen, von einem
dortigen Bürger und Steinmetzmeister Namens Vinzenz Straczryba ausgeführten
Stadtbrunnen, der 1770 mutwilligerweise zerstört wurde. Es hat sich aber eine
genaue Beschreibung dieses Denkmales erhalten, der wir folgendes entnehmen:
„Im Jahre 1572 am Mittwoch nach Rogate ist ein neuer Röhrkasten unweit des
Rathauses angelegt und mit vielem Aufwand den 13. August desselben Jahres
aufgestellt worden. Die Form bestand aus 12 Quadratwinkeln, war 12 Ellen weit
und 6 Ellen tief. — In dem Umfang des Röhrkastens waren 12 Historien aus der
Heihgen Schrift, die sich auf das Wasser bezogen haben, meisterhaft angebracht.
Über diesen sah man auf einer künstlichen Umfassung Löwen und Hunde, die
Wappen und Trophäen hielten, dazwischen Köpfe, aus deren Mund durch messin-
gene Röhren das Wasser floß. Außerdem waren Faune, Satyrn, Najaden und
andere dergleichen Figuren zu sehen. Auf dem obersten Teile (der Mittelsäule)
war Christus mit dem samaritischen Weibe sichtbar." — Die Nebeneinanderreihung
biblischer und mythologischer Darstellungen, das Hereinziehen von Wappen, Tro-
phäen u. dgl., dann die bedeutende Größe und Tiefe des Wasserkastens erzählen
von einem in seiner Art einzigen Denkmal.
Das dem Fürsten von Lobkowitz gehörige prächtige Schloß Raudnitz an
der Elbe ist eines von den wenigen, welche durchaus nach einheitlichem Plane
angelegt worden sind. Es wurde 1572—90 von dem ItaUener Antonio de Porta
erbaut, ist viereckig und gleicht durch seine einförmige Architektur von außen
etwas einer Kaserne. Der geräumige quadratische Hof dagegen zeigt künst-
lerische Anordnung, ist mit einer korinthisierenden Pilasterstellung umgeben,
worüber Stukkaturen auf farbigem Grund angebracht sind. Die Detailbildung ist
zwar etwas schwer, doch ist die ansehnliche und stattliche Architektur von er-
freulicher Wirkung, die noch dadurch verstärkt wird, daß die vierte Seite des
Hofs durch einen niedrigeren Flügel mit Eingangsturm eingenommen wird. Der
italienische Meister hat sich trotz südlicher Art im einzelnen doch den nordischen
Anforderungen in Umriß und landschaftlicher Wirkung sehr wohl gefügt. Zwei
Meilen oberhalb Raudnitz ragt auf hohem, weinumranktem Berge, dessen Fuß
die Elbe bespült, das altertümliche Schloß Melnik empor. Es gehört verschie-
denen Zeiten an, trägt jedoch vorwaltend den Charakter der böhmischen Früh-
renaissance und enthält einige dieser Richtung angehörende Gemächer, dann einen
offenen Gang mit geschweiften Säulen. Sowohl im Schlosse wie in der angrenzen-
den Stadtpfarrkirche haben sich mehrere, in edelster Renaissance ausgeführte
Dekorationsmalereien erhalten, welche den besten derartigen Arbeiten des 16. Jahr-
hunderts beigezählt werden dürfen. Als besonders meisterhaft verdienen die
Arabesken, Blumen und Fruchtgehänge hervorgehoben zu werden, die in den
Feldern des gotischen Kirchengewölbes auf dunkelm Grund gemalt sind.
Nicht ferne von Aussig liegt auf dem rechten Elbeufer das nur aus einigen
Häusern bestehende Dörflein Wa Hirsch mit einer kleinen, fast unbekannten
Kirche, die laut Inschrift in den Jahren 1573—74 durch die Brüder Friedrich und
Abrah am Heinrich von Salhausen „angefangen und vollbracht worden." Der
Außenbau ist in schlicht altertümlicher Renaissance gehalten und unterscheidet
sich nicht von einer gewöhnlichen einschiffigen Landkirche; das Innere jedoch
zeigt feine Gliederung: Pilaster mit ionischen Kapitellen unterstützen das halb-
kreisförmige Muldengewölbe des 11 Meter langen, 7 Meter breiten Schiffes, und
der 572 Meter breite und gleich tiefe Chor enthält zierliche Stuckornamente. Es
ist jedoch nicht die Architektur, sondern die bildnerische Ausstattung, welche
diesem Kirchlein ungewöhnlichen Wert verleiht. Eintretend in das Schiff werden
wir durch eine Reihe von Grabdenkmalen überrascht, deren treffliche Komposition
ebensosehr, wie ihre Ausführung in feinkörnigem Sandstein Bewunderung verdient.
Waltirsch Herzogtum Friedland
125
Diese Denkmale sind dem Andenken der Herren von Salhausen gewidmet und
teils tafel-, teils altarförmig rings an den Wänden aufgestellt; sie enthalten die
lebensgroßen Figuren der hier ruhenden Familienglieder, stattliche Männer- und
Frauengestalten, oft nach Art der Votivbilder von Schutzpatron und Heiligen
umgeben. Die Standbilder sind nobel angeordnet, meist hoch erhaben, einige
ganz rund ausgearbeitet und mit prachtvollen Rahmenwerken umfaßt; die an-
gebrachten Jahreszahlen geben kund, daß diese sämtlichen Skulpturen im Laufe
von 34 Jahren, nämlich zwischen 1582—1616 ausgeführt wurden. Der Künstler
hat sich nicht genannt, war aber offenbar ein Deutscher.
Nordöstlich von Leitmeritz erhebt sich im Polzental das größtenteils er-
haltene Schlößchen Bensen (etwa 1580 erbaut) mit einem sehr schönen vier-
eckigen Turm, welcher ansteigend sich verjüngt, oben jedoch mittels eines auf
Kragstemen ruhenden Gesimses zu einer geräumigen Turmkammer auslädt und so
m den Umrissen dem vielbewunderten Turme der Nürnberger Burg ähnlich wird
Die verständig angeordnete und sorgfältig ausgeführte Kirche im nahen Zwickau
ist das Werk eines Italieners, des Benedikt Fervi, der den Bau 1558 vollendete
Wir haben nun das große Gebiet betreten, das ehedem das Herzogtum
Friedland bildete, wo Wallenstein als unumschränkter Herr gebot und viele Bau-
werke ausführen ließ. Das Schloß Friedland, mit Ausnahme des uralten runden
Bergfrieds von Wallenstein neu erbaut und eingerichtet, besitzt im Innern nur
noch einige vertäfelte Gemächer, die sich intakt erhalten haben, und ist sonst in
ähnhcher Weise wie der Waldsteinsche Palast zu Prag ausgestattet. Die Außen-
seiten wurden in den letzten Jahren total umgeändert. Ebenso verhält es sich
mit dem älteren Schlosse zu Reichenberg, das nach einem Brande gänzlich
erneuert wurde. Doch besteht noch unverändert die damit verbundene schöne
Kapelle, die 1604—06 von Katharine von Rädern gebaut wurde: ein einfach ge-
tünchter Raum, von gotischen Fenstern erhellt und im Achteck geschlossen wird
von emer schönen, vollständig bemalten Kassettendecke in Holz überdeckt von
deren Kreuzungspunkten schöne Rosetten herabhängen. Der prächtige Hauptaltar
hat zwei Geschosse mit Aufsatz, durch vortretende Doppelsäulen und reich ge-
schnitzte Reheffiguren geschmückt. Auf der Nordseite steht auf drei Säulen der
aufwendige Betstuhl der Herrschaften, mit vier Fenstern sich zur Kapelle öffnend-
dazwischen lomsche Säulen und Hermen, darüber üppiger Aufsatz mit Wappen'
Alles ist auf das reichste umrahmt, geschnitzt und bemalt, nicht minder das Innere
des Stuhls, das sich vor allem durch eine wundervolle Kassettendecke mit vor-
trefflicher Malerei auszeichnet. Die Bühne läuft dann auf Säulen weiter an die
Westseite, wo sie eine kleine Orgel trägt. In der Südostecke die ganz ähnhche
prachtige Kanzel, daneben noch ein kleiner Altar. Alles zusammen ein Schatz-
kästlein feiner deutscher Renaissance.')
Da die früherhin unbedeutende Ortschaft Reichenberg erst 1577 zur Stadt
erhoben wurde, ergibt sich von selbst, daß das um 1600 erbaute Rathaus nur
für die Bedürfmsse einer kleinen Stadt bestimmt ist. Dennoch spricht sich in
dem klemen Bau der aufstrebende deutsche Bürgersinn aus, die Formen sind
kraftig und bei aller Einfachheit nicht ohne malerischen Reiz; der kühn empor-
ragende Turm scheint prophetisch das rasche Erblühen des damals 4000 Ein-
wohner zählenden Städtchens angedeutet zu haben, das gegenwärtig über 70000
besitzt. In den meisten der zum ehemaligen Herzogtum Friedland gehörigen
Schlossern trifft man noch hübsche Einzelheiten, besonders Säulengänge von
denen Wallenstein ein besonderer Freund gewesen zu sein scheint: ein zusammen-
hangender Renaissancebau hat sich jedoch weder hier noch überhaupt im nord-
osthchen Böhmen erhalten. Die Städte Jungbunzlau, Gitschin, König-
1) Ortwein, Renaiss. in Österreich, 2. Abt., 1. Heft.
126 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Das nordwestliche und nördliche Böhmen
grätz und Neustadt an der Mettau besitzen einige sehenswerte Privathäuser,
jedoch im Vergleich mit den in Budweis, Pilsen und Leitmeritz befindlichen von
untergeordneter Bedeutung.
Desto größeres Interesse verdienen die kunstreichen Holzbauten, welche
sich durch das Riesengebirge hinziehen und von hier aus nach Oberschlesien und
Mähren verzweigen. Die noch um den Beginn des vorigen Jahrhunderts üblichen
Formen dieser Holzbaukunst entstammen größtenteils dem Zeitalter der Renais-
sance. Sie ist slawischen Ursprungs, hat aber in jenen Bezirken, wo Deutsche
und Slawen von je nebeneinander wohnten, ihre vollständigste Ausbildung erreicht.
Die Häuser, und zwar sowohl die bäuerlichen wie die städtischen, sind schmal
und langgezogen, an den Stirnseiten mit zwei bis drei Fenstern versehen und
im Erdgeschosse stets, manchmal auch bis unter Dach, aus geschroteten Balken
konstruiert. Der Frontseite des Parterre ist regelmäßig ein etwa 2V2 Meter weiter,
von geschnitzten Holzsäulen unterstützter Laubengang vorgelegt, manchmal auch
den Nebenseiten. Die Umfassungswände des ersten Stockwerks ruhen auf den
Säulen der Laube, so daß die obern Gemächer bedeutend größere Räume ent-
halten, als die im Erdgeschoß. Die Dächer sind im Winkel von 45 ° geneigt und
mit vorspringenden Halbwalmen versehen; Deckungsmaterial ist meist Schiefer,
welcher in den Sudeten häufig vorkommt. Die Schmal- oder Giebelseite ist regel-
mäßig der Straße zugekehrt und mit Säulengang versehen, der Eingang aber
befindet sich an der Langseite des Hauses. Da an der Frontseite entweder zv/ei
oder drei Fenster angebracht sind, wechselt die Anzahl der vorgestellten Säulen
zwischen drei und vier: umgibt jedoch der Laubengang das Haus auch an den
Langseiten, so stehen, wie beim griechischen Tempel, sechs Säulen vor der Front.
Allerlei Anbauten, Balkone, Freitreppen u. dgl. verstärken das malerische Ansehen,
welches oft durch einfachen Farbenschmuck erhöht wird.
Bauwerke mit gotischen Detailformen gehören zu den größten Seltenheiten,
doch haben sich einige sehr alte Holzkirchen und Kirchtürme erhalten: unter
den Profanbauten mag das Rathaus in dem Städtchen Semil wohl der be-
merkenswerteste sein. Bei weitem die Mehrzahl der Wohngebäude ist in einer
sehr entwickelten Renaissance durchgeführt, wobei die Formen des Steinbaues
mit Geschick auf das Holzmaterial übertragen wurden. Die Säulen sind dagegen
frei behandelt, der Höhe nach mehrmals abgegliedert, indem Quadrat, Achteck
und Rundung ineinander übergehen. Das aufliegende Gebälke zeigt die bekannte
Dreiteilung in Architrav, Fries und Kranz, immer mit Perlstäben, Kymatien, Zahn-
schnitten oder Mäandern ausgestattet, und ist gewöhnhch das Reichste am Ge-
bäude. Die Fenster sind mit aufgesetzten Gewänden umzogen, darüber bauen
sich spitze, halbrunde oder gebrochene Giebelchen auf, die kräftig vortretend das
Blockwandgefüge als Rustikawerk erscheinen lassen. An den Stirnseiten sind
die obern Stockwerke häufig, die Giebel immer mit Brettern verkleidet, deren
Durchbrechungen und wechselnde Lagen, bald senkrecht, bald von der Rechten
zur Linken oder umgekehrt stehend, oft ein reizendes Formenspiel entwickeln.
Wie die Schweizer und Tiroler Bauart ist auch diese aus dem Bedürfnisse hervor-
gegangen und hat ohne Zutun privilegierter Sachverständiger und wohlweiser
Baubehörden einen hohen Grad künstlerischer Durchbildung und echt örtlichen
Gepräges erreicht. Dabei blieb der Stil, wie dies auch anderwärts vorkommt, auf
das Gebirgsland beschränkt und verlor den volkstümlichen Charakter bei Ver-
pflanzung in das flache Land.
Die schönsten Bauten trifft man in der Linie Eisenbrod, Braunau, Reinerz bis
hin gegen Glatz und südwärts gegen Landskron und Mährisch Trübau; Nach od,
Arnau, Öls, Schatzlar und besonders Hohenelbe besitzen mustergültige
Häuser dieser Richtung.
Ostböhmische Schlösser
127
Das östliche Böhmen und Mähren
Im Osten herrschen die Schloßbauten vor, doch besitzen nur wenige künst-
lerischen Wert. Wir nennen das zwei Meilen von Prag am linken Elbeufer ge-
legene Schloß Brand eis, das Rudglf II. um 1580 erneuern und zur Sommer-
residenz einrichten ließ. Das Gebäude hat zwar im Laufe des Dreißigjährigen
Krieges mehrere Umänderungen erlitten, doch ist die dem Flusse zugekehrte
Hauptfassade mit einem prachtvollen Erker von entstellenden Zusätzen verschont
geblieben und gewährt noch immer den Eindruck eines großen Fürstensitzes.
Wie an allen von Kaiser Rudolf errichteten Bauten, ist der italienische Stil ein-
gehalten, doch hat der Baumeister unter Benützung älterer Bauteile dem Ganzen
einen burgartigen Charakter zu verleihen gewußt. Im Innern haben das Treppen-
haus und einige Gemächer die ursprünghchen Verkleidungen mit eleganten Stukka-
turen bewahrt. Dem Städtchen Brandeis gegenüber, rechts der Elbe, liegt der
in Böhmens Geschichte merkwürdige Flecken AI tb unzlau, wo der hl. Wenzel
ermordet wurde und Herzog Brczetislaw um 1040 ein Kollegial stift gründete.
Nahe bei diesem Gebäude ließ Anna, die Gemahlin des Kaisers Mathias, im Jahre
1617 eine der hl. Jungfrau gewidmete Kirche erbauen, ein großartiges, in der
Manier des Scamozzi ausgeführtes Denkmal: am Äußeren zwar nicht frei von
barocken Anklängen, im Inneren jedoch edel durchgebildet und von vollendeter
Harmonie. Wenn von Scamozzi entworfen (er hielt sich 1614 noch in Prag auf)
würde diese Kirche zu seinen vorzüglichsten Werken gehören. Das hier verehrte
Marienbild, eine aus weißlichem Metall gegossene Statuette, verrät italienischen
Ursprung und erinnert an Donatello.
Burgartig und altertümlich, jedoch gleich entfernt von gotischen wie
italienischen Elementen, präsentiert sich das Schloß Schwarz-Kosteletz bei
Böhmisch-Brod, erbaut 1561 von Jaroslaw Smirschitzky und seiner Gemahlin
Katharina von Hasenburg in jenem schwerfälhgen Renaissancestil, dessen bei Be-
schreibung von Blatna gedacht wurde. Alle Glieder dieser mächtigen und sehr
reichen Familie zeichneten sich als eifrige Förderer des Utraquismus aus, wie
als entschiedene Gegner des Hauses Habsburg, woher es wohl kommen mochte,
daß sie keinen der von Ferdinand I. ins Land berufenen italienischen Baumeister
in ihre Dienste nahmen, sondern einen einheimischen mit dem Schloßbau beauf-
tragten. Schwarz-Kosteletz gehört zu den nach einheithchem Plane und in kurzer
Zeit durchgeführten Anlagen, ist weitläufig um einen unregelmäßigen Hof gruppiert
und zeigt auch im Innern schHchte, doch keineswegs monotone Formgebung.
Obgleich fortwährend bewohnt, haben die meisten Gemächer ihre ursprüngliche,
etwas derbe Ausstattung behalten. Von den vielen in diesem Bezirke vorkommenden
Schloßbauten verdienen noch erwähnt zu werden: Podiebrad mit einem von
Kaiser Rudolf erbauten Wohnflügel, Kost mit einem schönen Wartturm, einer
Umbildung des beschriebenen großen Turmes zu Krumau; ferner Ghlumetz,
Wlaschim, Stirczim, Neuhof u. a., welche hübsche Einzelheiten besitzen,
jedoch keinen einheitlichen Gesamtplan erkennen lassen. Das schon der Spätzeit
angehörende Ghraustowitz zeichnet sich durch eine vorzüglich schöne doppelte
Freitreppe aus, welche zu einem aufs reichste mit Skulpturen und weißem Stuck-
marmor ausgestatteten Prachtsaal hinanführt. Französische Einwirkungen im
Stil Mansards treten hier augenscheinhch zutage.
In bezug auf Regelmäßigkeit und konsequente Durchbildung übertrifft das
Schloß Leitomischl bei weitem alle im Osten des Landes befindlichen Bau-
werke. Wratislaw von Pernstein begann im Jahre 1568 diesen Bau und brachte
ihn, wie aus einer über dem Portal befindlichen Inschrift zu ersehen, 1573 glück-
lich zur Vollendung. Der Grundriß bildet ein Rechteck, in dessen Mitte ein ge-
128 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Das östliche Böhmen und Mähren
räumiger, vollkommen regelmäßiger Hof liegt ; die Außenseiten sind ohne Prunk,
die Details aber elegant geformt und sorgfältig bearbeitet. Wie in vielen italie-
nischen Palästen bildet auch hier der Hof die glänzendste Partie : dieser ist rings
mit doppelten Säulengängen umzogen, dorische und ionische Stellungen überein-
ander, eingerahmt mit zierlichen Brüstungen und dekorierten Gesimsen. Die
reiche Fresken- und Sgraffitodekoration der Flächen, vor allem aber die Reihung
kleiner Giebel über dem Hauptgesimse betont hier wieder den slawischen Ge-
schmack. Auch die meisten Gemächer und die 1577 eingeweihte Schloßkapelle
sind noch wohlerhalten, doch leider etwas verwahrlost, da das Schloß seit länger
als hundert Jahren nicht mehr bewohnt wird.^)
In den Städten Kolin, Pardubitz und Ghrudim findet man gut an-
geordnete Privatgebäude; eine Perle seltenster Art ist aber das gegenwärtige
Amthaus in Kutte nberg mit einem von korinthischen Säulen und entsprechenden
Gliederungen umgebenen Portal, das hinsichtlich seiner gediegenen Ausführung
dem Belvedere zu Prag nahekommt. Eine eigentümliche Stellung unter den
böhmischen Städten behauptet Deutsch-Brod, die von den mächtigen Herren
von Lichtenburg um die Mitte des 13. Jahrhunderts angelegte, von den Hussiten
1422 zerstörte Bergstadt, die sich erst im Laufe des 16. Jahrhunderts wieder
einigermaßen erholte. Sie besteht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus
schmalen, 7—8 Meter breiten, aber hohen und mit steilen Giebeln gekrönten
Häusern, welche in ihrer Massenhaftigkeit einen ganz eigenen Eindruck ausüben.
Die meist von Bergleuten gegründeten Häuser scheinen absichthch nach gleichem
Muster gehalten zu sein und zeigen keine andere Abwechslung, als daß hier der
Eingang rechts, dort links angebracht und der Giebel bald mit einem Halbkreise,
bald mit Schnecken abgeschlossen ist. Im Erdgeschoß besteht neben dem Eingang
ein mäßig großes Fenster, gerade hinreichend, um die dort befindhche Werkstatt
zu beleuchten, in den beiden oberen Stockwerken je Stube und Kämmerchen mit
gekuppelten Fenstern, darüber der mit Lisenen ausgestattete Giebel. Deutsch-
Brod war, wie schon der Name besagt, nach deutschem Rechte gegründet und
durch deutsche Ansiedler bevölkert worden; die dortigen Silberbergwerke bewährten
sich als so ergiebig, daß die Stadt neben Kuttenberg als eine der reichsten im
Lande glänzte. Obwohl sie von den plünderungsgierigen Hussiten so verwüstet
war, daß sie mehrere Jahre öde stand, scheint man doch bei dem Wiederauf-
bau der ehemaligen Herrlichkeit eingedenk gewesen zu sein. Wenn auch klein,
zeigen die Häuser doch künstlerischen Sinn und eine bemerkenswerte Eleganz,
wobei neben gotischen Reminiszenzen die Frührenaissance vorwaltet. Häufig
vorkommende Jahreszahlen geben kund, daß die meisten Gebäude zwischen
1550 — 90 errichtet wurden.
Von Deutsch-Brod aus nach Mähren übertretend, gelangen wir abermals in
eine deutsche Bergstadt, Iglau, berühmt wegen des ältesten Bergrechtes, das
König Wenzel I. zwischen 1249—51 der Stadt verliehen und zum Muster hat auf-
stellen lassen. Die schöne und reiche Stadt besitzt neben drei merkwürdigen
frühgotischen Kirchen mehrere in gefälliger Renaissance durchgeführte Privat-
bauten, ein altertümliches Tor und verschiedene innere Ausstattungen, die all-
gemeines Interesse bieten. Slawische Einflüsse sind vorherrschend und machen
sich schon beim ersten ÜberbHck bemerkbar, indem viele Fassaden mit Attiken
abschUeßen und die Dächer gegen rückwärts geneigt sind. Man sieht manchen
zierlichen Erker, so an einem um 1600 erbauten, am Ringplatze stehenden Hause,
wie allerlei kleine zur Dekoration dienende Ecktürmchen, mit welchen auch der
originelle Torturm nächst der Minoritenkirche (das Marientor) eingefaßt ist. Dieser
fast 30 Meter hohe Torturm ist mit einwärts geneigter Dachung versehen, über
1) In Aufn. d. Wiener Bauhütte XVIII.
Mähren Brünn
129
welche ein mit Lisenen und Voluten geschmückter Aufbau emporragt. Die Tor-
öffnung ist noch spitzbogig überwölbt, die Gliederungen aber gehören der Früh-
renaissance an, wie durch die Jahreszahl 1564 bestätigt wird. Im Minoriten-,
jetzt Franziskanerkloster schöne Vertäfelungen, ebenso in der noch erhaltenen
Gewerkenstube.
Die in der alten und neueren Geschichte Mährens hochwichtige Stadt
Znaim hat im Innern ihren altertümlichen Charakter gewahrt und besitzt im
Rathause ein nennenswertes Denkmal jenes schwerfälligen gemischten Stiles,
dessen schon zu wiederholten Malen gedacht worden ist. An dem mit toskanischer
Pilasterstellung umrahmten Tore sind die lebensgroßen Standbilder von Adam und
Eva angebracht. Mit den zahlreichen Schlössern Mährens verhält es sich gerade so,
wie mit den böhmischen: sie bestehen, wie Meseritsch und das merkwürdige
Pernstein aus den verschiedenartigsten Bruchstücken; eine Ausnahme macht
Nikolsburg, berühmt durch die Friedensverhandlungen von 1866, ein großartiges,
mit Türmen flankiertes Schloß von spätester Anlage. In Teltsch die prächtige
Kapelle mit dem Marmorgrabmal des Zacharias von Neuhaus, 1565^ — 88 erbaut.
Brünn, als weltbekannte Fabrikstadt, gehört größtenteils der Neuzeit an
und hat nur einige Privatgebäude von künstlerischer Bedeutung aufzuweisen.
Der Barockstil ist vorwaltend, verschnörkelte Giebel und mit Stukkaturen über-
ladene Portale werden oft gesehen, dagegen fehlen die schwerfälligen böhmischen
Formen gänzlich. Das spätgotische Rathaus enthält eine hübsche Treppe und
einen sehenswerten Saal von 1570, wogegen die etwas jüngere bischöfliche Resi-
denz sich als höchst nüchternes Bauwerk darstellt. Interessanter erscheint
Olmütz, wiewohl auch hier der Schwerpunkt mehr im Gesamtbilde, als in den
Einzelheiten hegt. Die ungemein malerisch gruppierte Stadt besitzt eine Menge
von Bauwerken jenes gemischten Stils, der um die Mitte des 16. Jahrhunderts
herrschend war. Von dem Rathause, einem weitläufigen und interessanten Bau-
werke, gehört die eine Hälfte dem gotischen Stil, die andere der Renaissance an,
die beiderseitigen Formen sind mit Virtuosität behandelt und es kommt vor, daß sich
unterhalb eines eleganten gotischen Erkers ein korinthisch gegliederter Eingang
befindet. Ähnlichen Zusammenstellungen begegnet man auch im Treppenhause,
weshalb sie wohl einem und demselben Meister zugeschrieben werden dürfen.
Baudenkmale von so hervorragender Bedeutung, wie sie Mähren unter den
Ottokaren und Karl IV. geschaffen hat, sind im Zeitalter der Renaissance nicht
errichtet worden, obschon es an bemerkenswerten Einzelheiten nicht fehlt. Brünn
mit der größern Hälfte des Landes folgt mehr der von Wien ausgehenden Kunst-
richtung; nur der Olmützer Kreis wird von Böhmen beeinflußt. Der öster-
reichische Anteil von Schlesien, obwohl politisch seit dem 16. Jahrhundert mit
Böhmen verbunden, hat in künstlerischer Hinsicht volle Unabhängigkeit gewahrt
und schließt sich in seinen Bestrebungen zunächst an Breslau und das jetzt
preußische Mutterland an.
Skulptur, Malerei und Kunstgewerbe
Die Bildhauerei hat von je in Böhmen geringe Pflege gefunden und wurde
Jahrhunderte hindurch nur in einigen Klöstern geübt. Unter dem Schutze des
kunstfreundlichen und rastlos tätigen Kaisers Karl IV. erblühte allerdings in Prag
eine Bildhauerschule, an deren Spitze der Dombaumeister Peter von Gmünd und die
beiden Erzgießer Glussenberg standen, eingewanderte deutsche Künstler, von denen
sich treffhche Werke erhalten haben. Das jugendliche Kunstleben wurde aber
durch die Hussitenkriege geknickt, ehe es gehörig Wurzel gefaßt hatte, und dem
König Wladislaw II. wollte es nicht gelingen, die verlorene Blüte zurückzuführen.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 9
]^30 2. Buch Die BauAverke XII. Kapitel Böhmen \mä Mähren
Erst unter Rudolf II. lebte die seit nahezu zwei Jahrhunderten darniederliegende
Plastik wieder auf, nachdem italienische und niederländische Künstler die Bahn
gebrochen hatten. Als unabhängige Kunst tritt die Bildnerei verhältnismäßig
selten auf, häufiger in Verbindung mit der Architektur oder in dekorativer Form,
wie an Altären, Kanzeln und Gerätschaften.
Das seltene Vorkommen von Grabmälern mit statuarischen Bildwerken ist
gelegentlich des Kirchleins zu Waltirsch besprochen worden: das ausgezeichnetste
Werk dieser Gattung ist das in künstlerischer wie geschichtlicher Hinsicht gleich
merkwürdige Kaisergrab im Prager Dome, von Alexander Colitis aus Mecheln,
dessen Name an der Rückseite eingegraben ist, im Jahre 1589 vollendet. Das
Denkmal, ein sogenanntes Hochgrab, auf Anordnung des Kaisers Rudolf II. aus
weißem karrarischen Marmor mit einem Aufwände von 32000 Dukaten errichtet,
besteht aus einem würfelförmigen, mit Pilastern dekorierten Unterbau von 272 Meter
seitlicher Ausdehnung und I1/2 Meter Höhe und der Deckplatte, auf welcher die
lebensgroßen Gestalten des Kaisers Ferdinand I. und seiner Gemahlin Anna,
dann des Kaisers MaximiHan IL, gleich Schlafenden nebeneinander ausgestreckt
ruhen. Ringsherum am Rande der Deckplatte sitzen Engel (Putten), Schilde und
allerlei Attribute in den Händen tragend; vorne steht die Figur des auferstandenen
Heilandes. Am Unterbau sind in zarter Rehefarbeit viele Brustbilder, Wappen
und Embleme angebracht, alles im edelsten Renaissancestil ausgearbeitet. Cohns,
der 1566 die Reliefs am Grabmonument des Kaisers Maximilian I. zu Innsbruck
ausführte, hat in Prag sein vorzügHchstes Werk geschaffen; die Figuren, wie die
Masken und Ornamente zeigen gleiche Meisterschaft und sichern diesem Denkmal
den ersten Rang unter den in Böhmen vorhandenen Skulpturen.
Erwähnung verdient noch das in der Pfarrkirche zu Pardubitz befindliche
Grabmal des Adalbert von Pernstein, eine aus weißem Marmor errichtete und
1536 aufgestellte Tumba, mit der kolossalen Figur des Verblichenen auf der
Deckplatte. Der Aufbau erscheint zwar etwas mittelalterlich, doch sind sowohl
die Gestalt wie die umgebenden Wappen und Randverzierungen im italienischen
Stil gehalten. Ähnliche Ausführung zeigt auch ein dem Freiherrn Hieronymus
Bieberstein gewidmetes, im Jahre 1549 errichtetes Denkmal in der Kirche zu
Friedland.
Die als böhmische Eigentümhchkeit schon angeführten Bildsäulen, deren
das Land mindestens fünfhundert aufzuweisen hat, gehören größtenteils der Spät-
zeit an, und es scheint keine über das Jahr 1600 hinaufzureichen. Das Marien-
standbild auf dem Altstädter Ring in Prag, angebhch eine Arbeit des dortigen
Bildhauers Georg Bendell, ist nicht ohne Großheit entworfen und beurkundet ein
klares Verständnis der Formen, was in einer Zeit, da affektierter Ausdruck und
gespreizte Stellungen förmlich zum Gesetz erhoben waren, volle Anerkennung
verdient. Viele der in den kleinen Städten vorkommenden Bildsäulen sind von
überraschender Wirkung und mit großer technischer Meisterschaft behandelt, wie
denn virtuoser Vortrag und Handfertigkeit als Hauptbedingungen galten, welche
sich die einheimischen Bildhauer anzueignen suchten.
Größere Reliefarbeiten, Friese mit geschichtlichen Darstellungen kommen
in den Palästen nicht vor; wir haben überhaupt ein einziges Werk dieser Art zu
verzeichnen, das bei vielen mittelalterlichen Anklängen vorwaltend der Renais-
sance angehört und schwerlich vor dem Jahre 1580 gefertigt wurde. Die spät-
gotische, 1517—40 erbaute Pfarrkirche in Brüx, welche im Innern rings mit
Emporen umzogen ist, enthält an den Brüstungen einen Zyklus biblischer Relief-
bilder aus gebrannter Erde, und zwar fünfundzwanzig große 0,60 Meter hohe,
3 bis 5 Meter lange Kompositionen, die meisten mit Hunderten von Figuren
ausgestattet. Da die Kirche im Jahre 1578 so vollständig ausbrannte, daß sie
Plastische Werke Gußarbeiten
131
erst 1595 eingeweiht werden konnte, ergibt sich obige Anfertigungszeit von selbst.
Der Meister scheint ein Sachse, vielleicht ein Nachfolger des Theophil Ehrenfried,
der die Kirche zu Annaberg ausstattete, gewesen zu sein : die Vorstellungen halten
keine bestimmte Reihenfolge ein, man sieht nebeneinander: das Paradies — die
Arche Noah — Herodias mit dem Haupte des Johannes — die hl. drei Könige —
die Bergpredigt usw. Eine lebendige Auffassung und großes Figurengepränge
durchzieht das Ganze, die Ausführung aber ist sehr verschieden; einzelne
Gruppen dürfen schön genannt werden, andere kaum mittelmäßig; tigurenreiche
Kompositionen sind ungleich glücklicher erfunden und modelliert, als jene, die
nur einzelne Figuren enthalten. Augenscheinhch haben viele Hände bei der
Arbeit mitgeholfen.
Die Brüxer Kirche besitzt auch einige mit den Reliefs gleichzeitige Betstühle,
an denen vorzüglich schöne in Holz geschnitzte Ornamente, Tier- und Pflanzen-
verschlingungen angebracht sind; ferner ein interessantes Taufbecken aus Bronze.
Unter den zahllosen Altären, Kanzeln, Ghorstühlen und Orgeln Böhmens gibt
es äußerst wenige, die nicht geradezu als geschmacklos bezeichnet werden müssen.
Der Frühzeit angehörende Altäre, bei denen die Umrahmung noch untergeordnet
ist und nur den Zweck hat, das geschnitzte Mittelbild hervorzuheben, finden sich
hie und da, z. B. in der Teinkirche zu Prag, dann in Pilsen und Graupen.
Ein ganz aus Granit gemeißeltes Altarwerk mit der Kreuzigung Christi im Mittel-
felde besitzt die St. Jodokuskirche bei Eger, angeblich 1687, wahrscheinlich
aber schon im Anfang des Jahrhunderts gefertigt. Zwischen 1670—90 stellte der
Kunsttischler Nonnenniacher in Prag und Umgebung viele, fast überreiche, aber
trefflich stilisierte Altäre auf, darunter den 22 Meter hohen Hauptaltar in der
Kirche Maria-Schnee, der in mehreren Stockwerken sich erhebt und mit korinthischen
Säulen, zahlreichen Statuen und zwei übereinander angebrachten Gemälden aus-
gestattet ist. Den schönsten Altar dieser Richtung besitzt die Zisterzienserkirche
Hohenfurt, allerdings schon etwas barock, aber glänzend durchgeführt und
von märchenhafter Wirkung. Das Eisengitter, welches den Chor dieser Kirche
vom Schiffe abschließt, ist nicht minder bewunderungswürdig als der Altar, und
eines der ausgezeichnetsten Werke, welche die deutsche Schmiedekunst hervor-
gebracht hat.
Die reichste der in Renaissance ausgeführten Kanzeln im Lande befindet
sich in der St. Barbarakirche zu Kuttenberg, infolge einer um die Mitte des
16. Jahrhunderts gemachten Stiftung der FamiHe Dobrczensky von einem nicht
gekannten Künstler gefertigt, mit einem dreigeschossigen säulenreichen Deckel-
aufbau. Die Detailformen sind zwar schwer, das Ganze aber ist originell er-
funden und mit Sorgfalt durchgebildet. Material feinkörniger Sandstein; Figuren,
Laubwerke und sonst vortretende Teile vergoldet und stellenweise mit Farben
hinterlegt. Kunstreiche Chorstühle werden nur in einigen Klosterkirchen, zu
Strahow, Hohenfurt, Doxan und Ossek getroffen, besonderer Reichtum an Schnitz-
werken, figürlichen Ausstattungen oder Vergoldungen ist nirgends entfaltet.
Der Glocken- und Zinnguß, schon in der gotischen Zeit von einheimischen
Meistern mit Vorliebe und Geschick betrieben, wurde um 1550 durch Jarosch,
Brikcius und Ptaczek zu einem hohen Grade von Vollendung geführt. Die meisten
und größten Glocken, darunter viele mit zierlichen Ornamenten und Heiligen-
bildern versehen, entstammen dieser Zeit, wie auch die Mehrzahl der in Pfarr-
kirchen vorkommenden zinnernen Taufbecken und die 2 bis 27« Meter hohen, oft
mehrere Zentner schweren Leuchter. Wie verbreitet und beliebt mythologische
Darstellungen in jener Zeit waren, ersieht man daraus, daß man keinen Anstoß
nahm, auf einer Kirchenglocke tanzende Faune und Bacchantinnen anzubringen,
wie das u. a. in Mukarczow unweit Schwarz-Kosteletz vorkommt. Der Zinnguß
]^32 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen und Mähren
im großen tritt seit 1600 zurück und verliert sich bald ganz; Taufbrunnen werden
nach 1620 nicht mehr gegossen. Fast unbegreiflich erscheint, daß der eigent-
liche Kunstguß, in welchem der Brünner Jarosch bereits so Vorzügliches geleistet
hatte, fernerhin keine Pflege fand: um 1600 wurde Benedikt Wurzelbauer aus
Nürnberg berufen, in Prag einen Brunnen zu gießen, etwas später führte Herold^
ebenfalls ein Nürnberger, die für die Prager Brücke bestimmte Erzstatue des
Johann Nepomuk aus. Diese Arbeiten wären ohne Zweifel einheimischen Künstlern
übertragen worden, wenn solche vorhanden gewesen wären.
Auf dem Gebiete der Malerei gelangte die Renaissance erst durch die Be-
strebungen des Kaisers Rudolf zu entscheidender Geltung, doch waren es aus-
schließlich fremde, teils aus den Niederlanden oder Italien, teils aus Deutschland be-
rufene Künstler, die den neuen Stil im Lande einführten. Die böhmischen Maler
hielten mit größter Zähigkeit an der mittelalterlichen Weise fest, und erst im Ver-
laufe der großen Änderungen, welche der Schlacht auf dem Weißen Berge folgten,
erkannten sie die Notwendigkeit, sich der neuen Richtung anzuschließen. Nur in
der Miniaturmalerei haben die Einheimischen Erwähnenswertes geleistet. Die
Bibliotheken der Prager Universität, des Domkapitels, des Strahower Stiftes und
des National-Museums, ferner die Klöster Hohenfurt, Ossek, Tepl, die Schlösser
und Städte Raudnitz, Wittingau, Dux, Chrudim, Königgrätz, Deutschbrod, Jung-
bunzlau, Leitmeritz, Melnik, Teplitz, Trebnitz, Laun, Saaz, Luditz und Seitschan
besitzen zusammen etwa achtzig illustrierte, teils in lateinischer, teils böhmischer
Sprache verfaßte Pergamentwerke, die im 16. und 17. Jahrhundert angefertigt
wurden. Daß die Skriptoren und Illuminatoren trotz ihrer Absperrungssucht
allmählich verschiedene Elemente der welschen Kunst sich aneigneten, ist eben
so natürlich, wie daß sie der Buchdruckerei und dem Holzschnitt die Verbreitung
im Lande nicht verwehren konnten. Der industrielle Johann Taborsky, Kunst-
schreiber, Illuminator, Mechaniker, Astronom, Schriftsteller und Gelegenheits-
dichter, der 1545 — 80 tätig war und eine förmliche Fabrik von Miniaturwerken
eingerichtet hatte, nähert sich in den vorhandenen aus seiner Werkstätte her-
rührenden Malereien von Jahr zu Jahr mehr der Renaissance, während Mathias
Radauß aus Chrudim, der 1594 — 1604 für die Stadt Königgrätz zwei große Ge-
sangbücher ausarbeitete, in den Detailformen ganz auf dem Boden der Renaissance
steht. Mit Johann Jakoh Sedlczansky, der 1623 die Psalmen Davids geschrieben
und illustriert hat, schließt die Reihe der böhmischen Miniaturmaler ab, nach-
dem Bartholomäus Spranger, Johann von Aachen, die beiden Brueghel, Savery,
Hofmann, Hufnagel, Bassano, Gontarini und andere durch Ferdinand I. und Rudolf II.
berufene Meister längst ihre Werke in Prag gezeigt hatten. Die Randzeich-
nungen der späteren Miniaturen sind stets nach gotischer, die Figuren und
Architekturteile nach italienischer Weise angeordnet ; landschaftliche Hintergründe
aber, wenn dergleichen vorkommen, lassen den Einfluß Brueghels erkennen. Es
wiederholte sich bei dieser Gelegenheit eine Erscheinung, welche schon bei Be-
schreibung der Baudenkmale angedeutet wurde: die barocken und schon etwas
entarteten Formen fanden in Böhmen rascheren Eingang und erfreuten sich größerer
Beliebtheit, als die stilgerechten.
Eigentliche Dekorationsmalereien aus guter Zeit haben sich sehr wenige
erhalten ; bei weitem das Beste dieser Art besitzt die schon genannte spätgotische
Kirche zu Melnik, deren Gewölbe mit Blumen- und Fruchtgewinden, Genien,
Arabesken ausgestattet sind, alles meisterhaft mit Kalkfarben auf dunkelbraunem
Grund gemalt. Ähnlich in Teils ch. Sgraffiten werden nicht selten getroffen, doch
meist untergeordneter Art, so in den Schlössern zu Kr um au und Wittingau,
an der Stadtkirche zu Brüx und noch einigen Kirchen in Nordböhmen. Ganz mit
elegant gezeichneten Ornamenten von Sgraffitoarbeit überdeckt ist die Außenseite
Sgraffito Goldschmiedarb eiten
133
der Kirche zu Öls bei Arnau, kurz vor 1600 ausgeführt. Im älteren Teile des
Schlosses Groß-Skal bestehen noch zwei Gemächer, deren überwölbte Decken
kassettierfc und mit Sgraffiten verziert sind. Die in den Kassetten angebrachten
Darstellungen mögen wohl einer wunderlichen Laune des Schloßherrn ihre Ent-
stehung verdanken. Man sieht nebeneinander: Amor und Psyche in Umarmung,
die heilige Margaretha mit dem Drachen, einen Türken auf einem Elefanten, ein
Storchennest, Diana auf der Jagd, eine weidende Herde, dann Larven, Ungeheuer,
Blumenvasen und das Wappen der Herren Smirschitzky von Smirschitz, welche
Groß-Skal von etwa 1540 — 1623 inne hatten, bis die Güter der Smirschitzky
konfisziert und an Albrecht Wallenstein verkauft wurden. Das angebrachte Wappen
läßt keinen Zweifel, daß Jaroslaw Smirschitzky, der Erbauer von Schwarz-
Kosteletz, diesen Teil des Schlosses habe ausführen lassen. Nach dem Dreißig-
jährigen Kriege kommen Sgraffiten nicht mehr vor.
Die Goldschmiedekunst erhob sich, obwohl Jamnitzer für die Kaiser Ferdi-
nand L, Maximilian und Rudolf II. verschiedene Werke gearbeitet und sich längere
Zeit in Prag aufgehalten hat, nicht wieder zu jener Höhe, die sie unter Karl IV.
erreicht hatte. Von der eleganten Formgebung und zarten Durchbildung, welche
die Arbeiten des Jamnitzer so sehr auszeichnen, finden sich an den erwiesener-
maßen im Lande gefertigten kirchlichen Gefäßen und Schmuckgegenständen des
Prager Domschatzes kaum Spuren : neben Überladung machen sich harte Formen
und leeres Schnörkelwerk allzusehr bemerkbar. Die mit vielen Buckeln ver-
sehenen Schauhumpen, welche wegen ihrer Zieraten gar nicht zum Munde ge-
führt werden können, haben auch in Böhmen reichliche Nachahmung gefunden,
ebenso jene Reliquienbehälter in Form von Köpfen, Armen, Händen usw., welche
keineswegs als Zeichen eines guten Geschmackes angesehen werden können.
Daß zwischen der Mehrzahl gewöhnlicher, nur durch das Material ausgezeichneter
Arbeiten auch manche sehr erfreuliche vorkommen, wird durch einige unter Kaiser
Rudolf aus Kristall geschnittene Schalen und Schmuckkästchen dargetan. Be-
achtung verdient ein zwar einfacher, aber schön geschwungener Kelch aus dem
Jahre 1565, den die Pfarrkirche zu Melnik besitzt. Er ist laut Unterschrift für
die Kommunikanten in beiderlei Gestalt bestimmt und scheint eine Arbeit des
Goldschmiedes Polak zu sein, der 1540 — 70 in Prag wirkte und für mehrere
Kirchen Kelche und Monstranzen fertigte. Unzweifelhaft von einheimischen
Meistern in altertümlicher Renaissance gefertigte Kirchengefäße sieht man in
Friedland, Altbunzlau, Deutschbrod und einigen Klosterkirchen ; schlichte Formen
und etwas harte Ausführung sind bei diesen Arbeiten vorherrschend. Ein aus
Kupfer getriebenes, stark versilbertes Antependium in der Hauptkirche zu Eger
darf als seltenes Prachtstück nicht übergangen werden. Die 1,50 Meter lange,
0,60 Meter hohe Tafel ist ganz mit Arabesken, Blumen und Fruchtschnüren be-
deckt, welche bei geschmackvoller Anordnung in hoch erhabener Arbeit so zart
ausgeführt sind, daß man die Adern und Poren der Blätter deuthch erkennt.
Wo dieses Prachtstück angefertigt wurde, ist nicht bekannt ; in den Kriegsjahren
1800—13 diente die Kirche zu wiederholten Malen als Magazin und Aufbewahrungs-
ort für Kirchenschätze der Umgegend, bei welchen Gelegenheiten nicht einmal
genaue Verzeichnisse hergestellt wurden und es geschehen konnte, daß einzelne
Paramente nicht wieder an die ursprünglichen Besitzer zurückgelangten.
Kunstreiche Töpferarbeiten und Terrakotten wurden an mehreren Orten,
besonders in Leipa, Prag und im südhchen Böhmen gefertigt, doch haben
sich wenige erhalten. Der alte gotische Rathaussaal in Prag besitzt einen
großen, überaus reich ornamentierten und mit Figuren ausgestatteten Ofen,
der mit den im Augsburger Rathause befindlichen große Ähnlichkeit hat. Einen
minder umfangreichen sieht man im Rathause zu Leitmeritz, das schönste
134 2. Buch Die Bauwerke XII. Kapitel Böhmen und Mähren
Exemplar jedoch im Schlosse Groß-Skal. Auf einem mit Laubwerken und
Perlstäben dekorierten Unterbau erhebt sich der quadratische Feuerkasten, an
den Ecken mit gewundenen Säulen eingefaßt und aus zwei Reihen von Kacheln
aufgerichtet. Die Kacheln sind aus freier Hand geformt, grünlich oder lichtbraun
glasiert, und enthalten Bildnisse geschichtlich merkwürdiger Personen, deren Namen
auf beigefügten Spruchbändern stehen. Der obere Aufsatz ist rund, zu dem der
Übergang aus dem Quadrate durch Voluten und Masken eingeleitet wird. In der
nahen Burgruine Trosky wurden vor einigen Jahren mehrere trefflich modellierte,
unglasierte Ofenkacheln gefunden, auf denen Ritter und Damen in spanischer
Tracht aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dargestellt waren. Eines
von diesen Stücken gelangte an das Museum in Prag, die übrigen wurden von
Händlern erworben und zerstreut. Der Terrakotten in Krumau und Strakoniiz ist
bereits gedacht worden, andere finden sich zu B e r a u n , im fürstlich Schwarzen-
bergschen Schlosse Worlik und in der Ruine Klingenberg, letztere von
großer Schönheit.
Mehrere kunstgewerbliche Zweige, welche durch die Bemühungen des Kaisers
Karl IV. ins Leben gerufen worden waren, wie die Teppich- und Tapetenwirkerei,
Kunststickerei, Email- und Glasmalerei, das Holzpressen u. a., sind durch die
Hussitenstürme gänzlich unterdrückt worden, ohne wieder aufzublühen. Die durch
König Wladislaw II. erweckte Kunsttätigkeit war keine allgemeine und nach-
haltige : indem der König in dem Streite zwischen den Städten und dem Adel zu-
gunsten des letzteren entschied, schwächte er den Handwerkerstand und versetzte
der Industrie des Landes einen schweren Stoß. Die Verlegung der Residenz von
Prag nach Ofen (1509) wirkte ebenfalls sehr ungünstig und störte das im Auf-
blühen befindliche Kunstleben in empfindlichster Weise. Die Habsburger Ferdi-
nand L, Maximilian und Rudolf II. erkannten den Notstand Böhmens und suchten
abzuhelfen, indem sie durch aus der Fremde herbeigezogene Kräfte Wissenschaft,
Kunst und Industrie neu zu beleben suchten. In der Tat wäre es auch dem
wohlwollenden Rudolf, mehr durch seine Liebhabereien, als seine staatsmännischen
Eigenschaften gelungen, ein goldenes Zeitalter herbeizuführen, hätte nicht der
tiefeingefressene Religionshader und der daraus sich entspinnende Dreißigjährige
Krieg jeden ferneren Aufschwung verhindert. Indes sollte der Same, den der
kunstsinnige Fürst ausgestreut, nicht auf unfruchtbares Erdreich gefallen sein,
wenn auch die Saat erst in späterer Zeit emporkeimte.
Unter Verhältnissen der schwierigsten Art, als die fortwährend im Aufruhr
begriffene Hauptstadt Prag im Verein mit dem Adel den rechtmäßigen Fürsten
bekriegte, die vollständigste Leibeigenschaft auf der ländlichen Bevölkerung lastete,
die Landstädte allen Einflusses beraubt waren, der Handwerkerstand darniederlag
und der in der Wladislawschen Landesordnung aufgestellte Grundsatz galt, daß
„wer nicht selbst Herr wäre, einen Erbherrn haben müsse", mußten sich die ein-
heimischen Talente hindurchringen und durften Gott danken, wenn sie nicht durch
die Gegenreformation (1621 — 27) zur Auswanderung gezwungen wurden. Be-
zeichnend für die Sachlage ist, daß die drei größten Künstler dieser Zeit, Hollar,
Kupetzky und Screta, sich unter den Auswandernden befinden.
Auf solche Weise konnte die Renaissance trotz frühzeitiger Einführung und
bewunderungswürdiger Erstlingswerke sich nur allmählich über das Land aus-
breiten und von einer anhaftenden Schwerfälligkeit losmachen, welche allein von
dem Mangel an geschulten Arbeitern herrührte : so geschah es auch, daß die um
den Schluß des 17. und im Anfang des 18. Jahrhunderts entstandenen Werke des
Tyttl und Kanka in reinerem Stil durchgeführt sind, als viele der früheren, von
Italienern geleiteten. Diese gewiß triftigen Gründe veranlaßten uns, auch der
Spätrenaissance eine gedrängte Übersicht zu widmen.
Schlesien Früheste Denkmäler
135
Dreizehntes Kapitel
Die nordöstlichen Binnenländer
Schlesien hat früher als irgend eine andere Provinz Deutschlands die Re-
naissance aufgenommen und in monumentalen Werken angewendet, i) Das erste
Auftauchen der neuen Formen hemerken wir hier an einem Grabmal der Elisabeth-
kirche zu Breslau, das bald nach 1488 entstanden sein muß. Es ist, soweit wir
wissen, das früheste Renaissancewerk im ganzen Norden. Als sodann Bischof
Johannes Thurso die alte Burg Kallenstein, zwischen Neiße und Glatz, abtragen
und das neue Schloß Johannisberg errichten ließ'), brachte er 1509 bei Voll-
endung des Baues sein Wappen an, das mit den begleitenden Sirenen, den aus
gotischem Laubwerk und ionischen Kapitellen seltsam gemischten Säulen, den
als Bögen verwendeten Delphinen eine deuthche, wenn auch noch phantastisch
konfuse Renaissance zeigt.^*) (Abb. 76.) Dagegen
tritt der neue Stil mit großer Sicherheit und Opulenz
schon 1517 am Portal zur Sakristei im Dom zu
Breslau auf. Gemischt mit gotischen Elementen
findet man ihn 1527 am Kapitelhause daselbst. Um
diese Zeit scheint hier der Sieg der neuen Kunst-
weise entschieden. Nicht bloß von geistlichen Bau-
herren, auch in bürgerlichen Kreisen, die anderwärts
so lange widerstanden und so zähe am Überlieferten
festhielten, wird, wenn auch bisweilen noch mit Re-
miniszenzen an die heimische Kunst des Mittelalters,
die Renaissance energisch aufgenommen. Wir be-
gegnen ihr 1521, mit spätgotischen Elementen ver-
setzt, am Stadthause zu Breslau; 1528 an dem präch-
tigen Portal im Erdgeschoß des Rathauses ; endlich Abb. 76 Wappen am schloß
in demselben Jahre bereits an einem mächtigen Bür- Johannisberg
gerhause „zur Krone" auf dem Ringe. Noch früher,
1522, ist das Renaissanceportal im Schloß Gröditzberg bei Liegnitz datiert, das
als Werk eines der bekanntesten Architekten der Provinz, des später zu be-
sprechenden Meisters Wendel Roßkopf, beglaubigt ist. Solch frühes, einmütiges
Hingeben an den neuen Stil finden wir kaum sonstwo in Deutschland. Suchen
wir den Grund dieser Erscheinung zu erkennen.
Wir haben es mit einem Grenzlande zu tun, wo seit dem 12. Jahrhundert
durch deutsche Ansiedler inmitten slawischer Bevölkerungen deutsche Sitte und
Bildung verbreitet worden war.') Zwischen den beiden mächtigen Königreichen
Polen und Böhmen gelegen, wurde Schlesien, das mit dem deutschen Reiche nicht
in poUtischer Verbindung stand, lange Zeit zum Spielball und Zankapfel seiner
Nachbarn, bis es sich unter die Oberhoheit der Krone Böhmens stellte und durch
Karl IV. dauernd mit diesem Lande vereinigt wurde. Das 15. Jahrhundert brach
1) Schätzbare Notizen in der fleißigen Arbeit von A. S ob ultz , Schlesiens Kunstleben
im 15. bis 18. Jahrh. Breslau 1872. 4. Mit Abbild. Tüchtige archivalische Forschungen ver-
danken wir namentlich Dr. E. W e r n i c k e.
2) Nie. Pol, Jahrb. der Stadt Breslau, herausgeg. v. Büsching (Breslau 1813. 4.) II, 185.
3) Die Inschrift ist nicht minder bezeichnend : „Johannes V episcopus Vratisl. hanc arcem
divo Johanni Bapt. sacravit et erexit."
4) Über das Geschichtl. vgl. bes. Sommersberg, Scriptt.rer. Silesiac. und Stenzeis Samml.
unter dems. Titel; Stenzeis und Tschoppes Urkunden-Sammlung; Menzel, Gesch. Schlesiens;
Stenzel, Gesch. von Schlesien u. a. m.
136 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die nordöstlichen Binnenländer
unheilvoll über Schlesien herein; durch die verheerenden Hussitenscharen, durch
die Kämpfe gegen Georg Podiebrad wurde das Land zerrüttet und verwüstet.
Erst durch den Schutz des mächtigen Matthias Gorvinus (1469) kehrte Ruhe und
Frieden zurück. Handel und Verkehr hob sich und dehnte sich nach allen Seiten
aus; mit dem Anbruch des 16. Jahrhunderts gehörte Schlesien zu den blühendsten
und wohlhabendsten Provinzen Deutschlands.
Besonders w^ar es die glückliche Lage Breslaus, welche die ausgedehntesten
kaufmännischen Unternehmungen begünstigte. Weniger durch eigenen Gewerbe-
fleiß, als durch den lebhaft und mit umsichtiger Kühnheit betriebenen Handel tat
die schon damals mächtige Stadt sich hervor. Zwischen Süd- und Norddeutsch-
land gelegen, zugleich gegen den slawischen Osten als äußerster Punkt germanischer
Kultur vorgeschoben, wurde sie ein wichtiges Emporium für den Verkehr zwischen
Osten und Westen, Süden und Norden. Nicht bloß Augsburger und Nürnberger,
auch Venezianer Häuser hatten ihre Niederlassungen in Breslau; umgekehrt
gründeten die Breslauer ihre Fihalen in den Städten Süddeutschlands, Flanderns
und ItaUens. Der Verkehr erstreckte sich bis Venedig im Süden, bis Brabant und
England im Nordwesten, ostwärts bis Preußen und Rußland, Ungarn und die
Walachei. Ja über Polen suchten die mutigen Kaufleute den Weg bis in den
fernsten Osten, ohne sich durch barbarische Gesetze abschrecken zu lassen, wie
jenes in der polnischen Stadt Plotzko, das den Breslauer Bürger Hans Rindfleisch,
da er in der Herberge dort von seinem Wirte bestohlen worden war, zwang, den
Dieb selbst an den Galgen zu hängen, wenn er nicht von ihm aufgeknüpft werden
wollte.') Eingeführt wurden namentUch niederländische und englische Tuche,
Gewürze, Salz und Wein, Heringe, Aale und Lachse ; die Ausfuhr erstreckte sich
auf Wolle, Eisen, Steine, Getreide, Wein und Bier. Obwohl 1506 schon geklagt
ward, der Handel mit Polen und Rußland habe sich nach Posen hingezogen, kann
man im Gedeihen der Stadt keine Abnahme bemerken. Vielmehr steht die Macht
der schlesischen Städte auf ihrem Höhepunkt, und wo etwa adelige Schnapphähne
den Verkehr zu stören wagen, macht man mit ihnen kurzen Prozeß, wie mit dem
berüchtigten Schwarzen Christoph von Reisewitz, der 1513 zu Liegnitz an den
Galgen gehenkt wurde.
Aber es bleibt nicht bloß bei solchem kräftigen Verfolgen materieller Inter-
essen. Der schlesische Volksstamm, als äußerster Vorposten gegen den kultur-
losen, slawischen Osten gestellt, wahrt mit hoher geistiger Regsamkeit sein Vor-
recht, an den Grenzmarken deutsche Sitte und Bildung auszubreiten. Breslau
versucht 1505 wiederholt, jedoch vergebens, vom päpstHchen Stuhl die Erlaubnis
zur Gründung einer Universität zu erlangen. Dasselbe ist bei Liegnitz der Fall.
Luthers Lehre wird im ganzen Lande schnell und freudig aufgenommen, die
Reformation gelangt ohne Kampf, fast ohne Widerspruch zur Durchführung. Nicht
bloß die Fürstengeschlechter des Landes neigen sich ihr zu, auch die Städte
wetteifern in ihrer Förderung. In Breslau führt Johannes Heß aus Nürnberg,
1522 als Pfarrer an die Magdalenenkirche berufen, schon 1525 die neue Lehre
vollständig durch. Zwar bleiben Bischof samt Domkapitel, Stiftern und Klöstern
der alten Kirche treu; aber fast das ganze Land wendet sich von ihr ab. Damit
geht ein Aufblühen der Wissenschaften Hand in Hand. Gelehrte Schulen werden
in Breslau, Brieg und Goldberg gestiftet; namenthch die letztere erlangt unter
Valentin von Trotzendorf so weitverbreiteten Ruf, daß nicht bloß aus Deutsch-
land, Böhmen und Polen, sondern selbst aus Ungarn, Litauen und Siebenbürgen
Scharen von Lernbegierigen, namentlich aus dem Adel, ihr zuströmen. Thomas
von Rhediger bringt auf langjährigen Reisen einen Schatz von Handschriften,
Büchern und Kunstsachen zusammen, die er 1575 seiner Vaterstadt Breslau ver-
1) Klose, Breslau in Stenzel, scriptt. III, 59.
Schlesien Eindringen der Renaissance
137
macht, damit den Grund zur Elisabethbibliothek legend. Erst mit Kaiser Rudolf II.
beginnt, wie in den übrigen österreichischen Provinzen, in Schlesien die Ver-
folgung und Unterdrückung des Protestantismus. Die Jesuiten vollführen auch
hier ihr Werk der Gegenreformation, und für Schlesien hebt jene dunkle Epoche
an, die erst mit der preußischen Besitzergreifung ein Ende nimmt. Dennoch
läßt sich der elastische Geist dieses begabten Volksstammes nicht ganz unter-
drücken, und die Erneuerung der deutschen Poesie findet hier ihren Ausgangspunkt.
Kein Wunder, daß unter solchen Verhältnissen die Kunst der Renaissance
rasche Aufnahme fand. Wieder bestätigt sich die Wahrnehmung, daß die der
geistigen Bewegung der Reformation zugetanen Volksstämme Deutschlands auch
für die Erneuerung der Kunst das meiste gewirkt haben. Noch ein Umstand
— und zwar ein negativer — kam diesem Streben zustatten. In Städten, wo
wie in Nürnberg eine mächtig ausgebreitete und tief gewurzelte Kunst seit Jahr-
hunderten blühte, haftete die Mehrzahl der Meister so fest an den Überheferungen
des Mittelalters, daß sie nur schwer und langsam (mit Ausnahme etwa eines
Holbein, Vischer und Flettner) sich völlig der neuen Kunst zuwandten. Anders
in Schlesien. Hier hat zwar das ganze Mittelalter zahlreiche Werke der Kirchen-
baukunst hervorgebracht und mit bildnerischem Schmuck aller Art ausgestattet;
aber kein Werk ersten Ranges und höchster künstlerischer Bedeutung, keine
Leistung ganz ersten Ranges ist darunter anzutreffen. Die einzige wahrhaft groß-
artige Schöpfung jener Zeit ist hier — bedeutsam genug — ein Profanbau : das
mächtige Breslauer Rathaus. Wir finden sogar, daß, wo man etwas Ausgezeich-
netes verlangte, auswärtige Künstler herbeigezogen wurden. So fertigte Peter
Vischer 1496 das Grabmal Bischof Johanns IV., das man noch jetzt im Dome
sieht. Ein anderer Nürnberger, Hans Pleydenwiirff, muß eine Tafel für den Hoch-
altar der Elisabethkirche malen, i) Man beruft einen Meister ^ewed«/.^, Maurer zu
Krakau, weil es „große Notbaue" zu Breslau gebe.^) Dieser Benedikt kommt in
der Tat 1518 als Stadtbauraeister vor.^) Dagegen wird wieder ein Breslauer
Künstler Jost Tauchen vom Erzbischof Johann von Gnesen beauftragt, ihm sein
Grabdenkmal mit ehernem Bildnis auszuführen.*) Genug: wenn auch Schlesien
sich lebhaft am künstlerischen Schaffen der Zeit beteiligte, so befinden wir uns
hier doch nicht in einem der Mittelpunkte, sondern an der Grenzlinie deutscher
Kunst; und deshalb mochte um so leichter ein neuer Stil sich Eingang verschaffen,
zumal der Sinn des Volkes hier durch angeborne geistige Regsamkeit und durch
den freien Weltbhck, welchen der Handel gewährte, allem Neuen offen stand.
Dazu kam die Verbindung mit Österreich, wo wir ebenfalls eine frühzeitige Auf-
nahme der Renaissance fanden.
Aber mehr als in den übrigen österreichischen Ländern bemächtigte man
sich hier mit eigener schöpferischer Kraft der neuen Formen. Schlesien gehört
zu den wichtigsten Gebieten deutscher Renaissance. Die hohe Geistlichkeit und
das Bürgertum der Städte, die zahlreichen Fürstengeschlechter und der begüterte
Adel wetteifern in glänzenden Werken des neuen Stiles. Da dieser so früh auf-
genommen wird, so hat er ein Jahrhundert hindurch Zeit sich zu entfalten. Wir
finden ihn denn auch in allen Schattierungen von einzelnen völlig italienischen,
ersten noch unklaren Versuchen, nachfolgenden selbständigen bis zu späten schon
stark barocken Arbeiten. Wir finden eine Anzahl von Prachtwerken in Portalen
und Epitaphien von ausgesuchter Schönheit, welche die volle Anmut der Früh-
renaissance besitzen. Dann haben wir Schlösser, die nicht bloß durch einzelne
1) Stenzel, Scriptt. III, 133.
2) Ebenda III, 185.
3) A. Schultz a. a. 0. S. 19, Anm.
Ebenda III, 183.
138
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Prunkslücke (Liegnitz), sondern durch großartige Anordnung und edle Ausbildung,
sei es im Geist südlicher Kunst (Brieg), sei es in charaktervoller nordischer Um-
gestaltung (Öls) hervorragen. Daneben feiert das Bürgertum nicht und bietet in
der Entfaltung einer echt deutschen Renaissance an zahlreichen Privathäusern in
Breslau, Brieg, Liegnitz, Neiße Musterwerke dieses Stiles. Die allmählich zu
immer größerer Sicherheit fortschreitende Gestaltung der Giebelfassade läßt sich
durch eine Reihe von Beispielen darlegen. Nur der Erker hat in Schlesien wenig
Verwendung im Privatbau gefunden. EndUch fehlt es nicht an Rathäusern, die
durch wirksame Gruppierung und kräftige GUederung den mittelalterlichen an
malerischem Reiz kaum nachstehen. Als Material wird meist der Haustein ver-
wendet, und dem gotischen Backsteinbau, der in Schlesien fast ausnahmslos über
eine ziemlich derbe und selbst rohe Form nicht hinausgekommen war, erwachsen
nur wenige Nachfolger in Renaissanceformen. Wo die Flächen, wie dies hier
häufig geschieht, verputzt werden, da hat man gern vollfarbige Fresken oder
wenigstens Sgraffito zu Hilfe genommen. Inwiefern italienische Künstler direkt
bei Einführung der Renaissance beteiligt sind, wird später zu erörtern sein.
Jedoch fehlen auch Anklänge an slawische Art, insbesondere an die in
Böhmen und Gahzien auftretenden Sondereigentümlichkeiten, hier im Lande
nicht. Gerade die große Verbreitung der Sgraffitomalerei, sowie die Anordnung
von kleinen Giebelreihen über dem Hauptgesimse sind hierher zu rechnen. Da
Schlesien zu Böhmen gehörte, so versteht sich das leicht.
Breslau
Die Hauptstadt Schlesiens nimmt unter den monumentalen Vororten Deutsch-
lands eine weit wichtigere Stelle ein, als man gemeinhin weiß. Schon die Ge-
samtanlage der Stadt hat einen so großartigen Zug, wie er wenigen von unsern
mittelalterlichen Städten eigen ist. Die imposante Gestalt des „Ringes" mit dem
herrlichen Rathause, die klare, übersichtliche Anordnung der wichtigsten Straßen
findet in Deutschland nur etwa in Danzig, Augsburg, Nürnberg ihresgleichen.
Dies wahrhaft großstädtische Gepräge verdankt Breslau, das schon um das Jahr
1000 als ansehnUche Stadt erwähnt wird, Kaiser Karl IV., der nach den ver-
heerenden Feuersbrünsten von 1342 und 1344 sie neu aufführte. Wie in der
Folge die Stadt sich durch rege Handelstätigkeit zu Macht und Blüte aufschwang,
ist oben schon erwähnt worden. Mit zunehmendem Reichtum stieg den Bürgern
die Lust, durch künstlerische Werke ihre Stadt zu schmücken. Nicht wenig trug
zur Förderung dieses Strebens der Wetteifer mit der Geistlichkeit bei, die auf der
Dominsel sowie in mehreren Stiften und Klöstern ihren Sitz hatte. Außer Köln
hat wohl keine Stadt in Deutschland noch jetzt solche Zahl mittelalterhcher
Kirchen und Kunstwerke aufzuweisen, wie Breslau. Nur daß hier das meiste den
späteren Epochen des Mittelalters angehört und fast ausschheßlich die jüngeren
Entwicklungen des gotischen Stiles und der begleitenden bildenden Künste ver-
tritt, und daß es dabei an Werken höchsten künstlerischen Ranges hier ganz fehlt.
In die neue Zeit tritt die auf dem Gipfel ihrer Macht stehende Stadt mit
dem vollen Bewußtsein und dem regsten Anteil an der geistigen Wiedergeburt
des Lebens. Wie sie die Reformation schnell aufnahm und entschieden durch-
führte, wie sie selbst eine Universität zu gründen bemüht war, haben wir schon
erzählt. Melanchthon selber gibt ihr das ehrendste Zeugnis. „Keine deutsche
Nation," sagt er in einem Briefe an Herzog Heinrich von Liegnitz, „hat mehr ge-
lehrte Männer in der gesamten Philosophie; die Stadt Breslau hat nicht nur
fleißige Künstler und geistreiche Bürger, sondern auch einen Senat, der Künste
und Wissenschaften freigebig unterstützt. In keinem Teile Deutschlands be-
Breslau
139
schäftigen sich so viele aus dem gemeinen Volke mit den Wissenschaften."' Da-
gegen will es nicht schwer wiegen, wenn Joseph Scaliger in einer etwas wunder-
lichen Äußerung sagt: „Die Schlesier sind Barbaren; sie wohnen am Ende der
Christenheit. Welcher von ihnen nicht Barbar ist, der ist gemeiniglich ein sehr
guter Kopf. Sie sind nahe an Slavonien und haben beinahe dieselbe Sprache."^)
Der Bestand der literarischen und künstlerischen Denkmäler bestätigt
Melanchthons Auffassung. Reger Wetteifer macht sich mit dem Beginn des
16. Jahrhunderts im monumentalen Schaffen geltend. Bischof Johann IV. (f 1506)
erbaut an Stelle des früher aus Lehm errichteten Bischofshofes einen steinernen
Palast „mit zwei weiten Sälen, einer großen Stube, mit feinem Malwerk, geziert
mit den Bildnissen der Könige von Böhmen und der Bischöfe von Breslau, dazu
eine herrliche Bibliothek." ^) In der Bürgerschaft erblickt man zunächst steigende
Fürsorge für Reinlichkeit der Straßen und Plätze; 1513 befiehlt eine Verordnung^),
daß jeder den Dünger vor seiner Türe wegführen, daß niemand fortan Kehricht
oder andern Unrat auf den Ring, den Salzmarkt, den Neumarkt und die Gassen
schütten, daß keiner die Schweine auf dem Ring oder den Straßen herumlaufen
lasse, „vornehmlich an den Tagen, da man mit dem heil. Leichnam umgehet
oder die Kreuze herumträgt." Eine gleichzeitige Aufzeichnung zählt auf dem
Ring sechzig Häuser, einige bemalt, sämtlich drei, vier, auch fünf Gaden (Stock-
werke) hoch. Auch die Vorderseite des Rathauses hat Gemälde ; die Stadt besitzt
im ganzen vierzig Kirchen und elf Klöster, die Stadtmauer ist mit fünfzig Türmen
besetzt.*) Breslau hat damals am Ring und in den alten Hauptstraßen sicher
einen viel imposanteren Eindruck gemacht als jetzt.
Von dem lebendigen Kunstsinn und der EmpfängUchkeit, welche die Bres-
lauer auszeichneten, gibt noch jetzt die merkwürdige frühe Aufnahme der Renais-
sance unverkennbares Zeugnis. Während in dem hoch entwickelten Nürnberg ein
Meister wie Peter Vischer noch 1496 (an dem Grabmal im Dom) den Formen der
Gotik treu bleibt, hat ein allem Anscheine nach in Breslau heimischer Künstler
nicht viel später als 1488^) ein Werk im Renaissancestil, so gut er ihn verstand,
ausgeführt. Es ist das schon erwähnte Grabmal des 1488 verstorbenen Peter
Jenkwitz und seiner 1483 ihm vorausgegangenen Ehefrau, außen an der Nordost-
ecke der Elisabethkirche.'') Die anspruchslose, aus Sandstein gearbeitete
Tafel enthält die Reliefdarstellung des Gekreuzigten mit Maria und Johannes, darunter
vier Wappen, das Ganze eingefaßt von Renaissancepilastern, deren monoton wieder-
holtes Laubwerk in der Füllung des Schaftes allerdings noch das schlaffe Lappen-
blatt gotischer Form zeigt. Dasselbe Laub bekleidet die Kapitelle, die offenbar
korinthisch sein sollen. Es ist sichtlich das Werk eines heimischen Bildhauers,
der den neuen Stil nur von ungefähr aus Zeichnungen oder Holzschnitten kennen
mochte.") Ebenso vereinzelt tritt ein Renaissancemotiv, aber mehr ein bildnerisches
als architektonisches, an einem anderen Denkmal derselben Kirche auf: dem an
der Südseite befindUchen Epitaph des Hans Scholtz, f 1505.*) Das recht gute
1) Beide Stellen zitiert in Menzels Gesch. Schlesiens S. 337.
2) Nie. Pol, Jahrbücher der Stadt Breslau II, 186.
3) Klose bei Stenzel, scriptt. III, 214.
4) Ebenda III, 248.
5) So auffallend dies frühe Datum ist, so liegt doch kein Grund vor, es anzuzweifeln.
Wenn, "wie es doch wahrscheinlich, der Sohn des Verstorbenen das Grabmal errichten ließ, so
darf man wohl daran erinnern, daß er von 1499 bis 1503 das kanonische Recht in Rom studieret
(Klose, Breslau, pag. 386), wo er wohl die Renaissance kennen lernen konnte. Selbst wenn er
erst nach seiner Heimkehr das Denkmal hätte ausführen lassen, wäre es immer noch das früheste
im Norden. Doch ist dies anzunehmen nicht einmal nötig.
6) Vgl. Dr. Luchs, Die Denkmäler der St. Elisabethkirche zu Breslau, Nr. 370.
'') H. Lutsch, Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmale, Taf. 74.
8) Dr. L u c h s a. a. 0. Nr. 339.
140
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Relief der Verkündigung, sowie die gotische Einfassung verraten einen Künstler,
der in den Gleisen der heimischen Tradition wandelt: aber die beiden Engelknaben
in dem Schweifbogen schmecken nach Einflüssen der Renaissance. Das nächste
Datum, das uns begegnet, ist das oben mitgeteilte Wappen aus Johannisberg
von 1509: auch hier noch ein Gemisch beider Stile, aber bereits ein Vorherrschen
der neuen Kunstweise.
Aus dem folgenden Jahr 1510 datiert ein großes treffliches Epitaph an der
Südseite der Magdalenenkirche: Christus am Kreuz mit Maria und Johannes,
St. Andreas und Barbara, darunter eine zahlreiche Familie kniend. Die Einfassung
wird durch kandelaberartige Säulchen gebildet, die bereits, wenn auch unsicher,
die Sprache der Renaissance reden. Auch die beiden Engelputti in den Bogen-
zwickeln gehören der neuen Auffassung an. Ebenso spielend sind die italienischen
Formen mit gotischem Laubwerk gemischt an dem kolossalen Zinnkrug von 1511
im Altertums-Museum, der zu den größten Prachtstücken dieser Art zählt.
Dies interessante Werk beweist, daß auch das Kunstgewerbe, gegen seine sonstige
Gewohnheit des zähen Haftens am Überlieferten, merkwürdig früh hier die neue
Richtung einzuschlagen versuchte.
Alle diese Werke sind sichtlich Schöpfungen deutscher, wohl meist in Breslau
ansässiger Künstler. Die Einführung der Renaissance in Schlesien ist also ein-
heimischen Meistern zu verdanken. Aber unklar tastend, schwankend und ge-
mischt, wie der Stil hier auftrat, vermochte er unmÖgUch die Herrschaft zu er-
obern. Dazu gehörten vollendetere, aus tieferer Kenntnis der neuen Bauweise
hervorgegangene Leistungen. Eine solche tritt uns hier zuerst in dem Portal
entgegen, das aus dem südlichen Ghorumgang des Domes in die Sakristei führt
und die Jahreszahl 1517 trägt. Nach dem Muster oberitalienischer Portale der
Frührenaissance bilden ornamentierte Pilaster, die ein reichgeschmücktes Gebälk
tragen, die Einfassung, während ein Halbkreisfeld mit der Reliefdarstellung der
Enthauptung Johannes des Täufers das Ganze abschließt. Die volle dekorative
Pracht der Frührenaissance, ursprünglich durch Bemalung noch gesteigert, ist hier
aufgeboten ; das Relief des Bogenfeldes in seiner freien lebensvollen Behandlung,
in der kühn bewegten Stellung des Henkers, der Verkürzung des Leichnams läßt
vielleicht auf einen fremden Künstler schließen, hat manche Züge von der gleich-
zeitigen Augsburger Bildhauerei, etwa wie sie die Dauher übten. Die Architektur
und das Ornament steht aber noch ganz in den Anfängen, ist wenigstens auf
das Ungeschickteste gehandhabt, doch ohne dabei reizlos zu sein.^) Auch der
seltsam geformte Eierstab des Frieses, die wenig verstandene Behandlung des
korinthischen Kapitells, selbst das Laubwerk der Pilasterfüllungen, alles läßt
vermuten, daß wir es mit einem heimischen Künstler zu tun haben, der die ober-
italienische Renaissance höchstens flüchtig, vermutlich aber nur aus zweiter Hand
kennen gelernt hatte.
Gleich vom folgenden Jahre 1518 datiert das schöne Bronze-Epitaph der
Margarete Irmisch an der Nordseite der Magdalenenkirche: Christi Begeg-
nung mit Maria im Beisein der Apostel, unten die Familie der Verstorbenen, eine
lebensvolle meisterliche Arbeit, von schlichtem Renaissancebogen umrahmt, der
durch Kymatienblätter und Zahnschnitte elegant gegliedert ist; die schöne Blumen-
girlande gehört ebenso zu den echten Merkmalen der Renaissance. Auch diese
Arbeit weist auf deutsche Hand.^)
Eine rein italienische Architektur tritt dagegen an den Arbeiten auf, die
1521 (?) am Leinwandhaus (jetzt Stadthaus) ausgeführt wurden. Den wich-
tigsten Rest sieht man in der EHsabethstraße an dem Portal, das mit dem
1) Abgeb. bei Lutsch, Bilderwerk schlesisclier Altertümer, Taf. 74.
2) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 74, 4.
Breslau
141
darüber angeordneten Fenster eine ebenso originelle als reizvolle Komposition
ausmacht, und den giebelgekrönten Nachbarfenstern. Die feinen Rahmenpilaster
mit eingelassenen Schilden, die Säulchen mit den frei korinthisierenden Kapitellen,
die Gesimse und die Konsolen erinnern an venezianische Muster; nur das Eichen-
geäst, das über den Konsolen sich zum Bogen verschlingt, ist ein Rückfall in
spätgotischen Naturalismus, der zu der sicheren Formenbehandlung der Fenster-
umrahmungen in hellstem Gegensatze steht. Die ganze Fensterarchitektur ist von
einer in Deutschland so seltenen Vollendung, daß die Hand italienischer Architekten
und Steinmetzen hier unverkennbar scheint. Sie lehnt sich im Wesen zugleich
so stark an die ausgezeichnete Fensterarchitektur im Hofe des Brieger Schlosses
an, die aber erst von 1552 stammt, daß ihre Entstehung schon 1521 höchst zweifel-
haft erscheint, vielmehr dies Datum kaum zu ihr gehören wird.*) Die übrigen
Reste des Baues verstecken sich im Kaflfgesimse der Fenster an der südlichen
und westlichen Seite des in moderner Berliner Gotik ausgeführten Neubaues.
Es sind Relieffriese voll köstlichen Humors, überwiegend noch den burlesken
Spaßen des Mittelalters angehörend, dazu Genreszenen in frischem Naturalismus;
auf Anschauungen der Renaissance deutet aber auch hier der allerliebste Fries
mit tanzenden Kindern.
Das nächste Werk fällt volle sechs Jahre später: es ist das Kapitelhaus
beim Dom, an dem man das Datum 1527 Hest. In die Backsteinfassade wurde
damals ein Sandsteinportal in Renaissanceformen ^) eingesetzt; rechtwinklig ge-
schlossen, der Rahmen mit Eierstab, das deckende Gesims in reicher Weise mit
Zahnschnitt, Eierstab und Kymation belebt, dies alles von derber, doch tüchtiger
Behandlung. Darüber in rundbogiger Umrahmung ein Lilienwappen mit der
Jahreszahl. Mittelalterlich ist nur noch die Art, wie der innerste Stab des Portal-
rahmens sich an den Ecken durchschneidet; ein Motiv, das sich an den übrigen
Öffnungen, namentlich den schrägen Fenstern des Treppenhauses wiederholt.
Das kleine innere Portal ist ganz ähnlich ; die Spindel der Wendeltreppe aber
hat einen schräg gerieften gotischen Fuß. So mischen sich auch hier die neuen
Formen mit mittelalterhchen. Von allen diesen bis jetzt erwähnten Schöpfungen
kann also nur die Fensterarchitektur des Stadthauses als Leistung eines Itaheners
angenommen werden ; sie ist das einzige Werk, an welchem keine Spur gotischer
Kunstweise sich findet.
Nun folgt das mächtige Eckhaus am Ring Nr. 29 „zur Krone"; auf einem
Täfelchen am Pilaster des Portals ist das Datum 1528 angebracht. Beide Fassaden
sind schlicht ohne Gliederung, mit Putz überzogen, auf dem gewiß ursprünglich
Malereien waren. Die Fenster einzeln, zu zweien oder zu dreien gruppiert, haben
antikisierende Rahmen und Deckgesimse. Am auffallendsten sind die bogen-
förmig gezackten Zinnen, die bekannte slawische Gesimskrönung, die das flache
Terrassendach einfassen und der Fassade ein italienisches Gepräge verleihen. In
der Ohlauerstraße hat später eine Verlängerung des Hauses stattgefunden, die
sich schon durch verminderte Höhe und Wechsel in Behandlung der Fenster
kundgibt. Die prachtvolle große Marmorinschrift nennt hier das Jahr 1544 und
fügt den Spruch hinzu : QVAEVIS TERRA PATRIA, was eher auf einen fremden
Besitzer als auf einen auswärtigen Baumeister deuten dürfte. Damit stimmt das
einzige Prunkstück der Fassade, jenes reich mit Ornamenten bedeckte Portal,
das mit seinen Ornamentpilastern, den Delphinen in den Bogenz wickeln, dem
Eierstab und Zahnschnittfries, kurz mit seiner ganzen Anordnung und Aus-
schmückung der Renaissance angehört^); aber die schwerfällig ausgebauchten
korinthischen Kapitelle zeugen nicht von italienischer Herkunft, ebenso deutet
1) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 77, 1. 23. 2) Lutsch, Bilderwerk, Taf.- 79, 5.
3) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 74, 3.
142
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
die Inschrift : „Das Haus steht in Gottes Handt, zur gülden Krone ist es genant"
auf deutsche Arbeit ; auch scheint das Steinmetzzeichen ^) einen deutschen Meister
zu verraten. Dies findet weitere Bekräftigung im Innern. Zwar zeigt der Flur,
jetzt flach gedeckt, in seiner Dekoration spätere Umgestaltung; aber der auf den
Hof mündende Torbogen ist mit seiner einfachen Behandlung dem vorderen Portal
gleichzeitig. Der Hof selbst, lang und schmal, ist an der einen Langseite in drei
Geschossen mit Galerien eingefaßt, die auf stark vorgekragten Konsolen mittels
Flachbögen aufsetzen. An der Kellerlür zeigt sich nun wieder der deutsche
Meister, der von den Traditionen des Mittelalters noch nicht ablassen kann; die
Einfassung wird durch gekreuzte Stäbe in spätgotischer Art gebildet, obwohl das
Deckgesims die Formen der Renaissance zeigt. Völlig gotisch mit reich sich durch-
schneidendem Stabwerk ist aber die Umrahmung des Pförtchens, das im ersten
Stock auf die Galerie mündet. Daß italienische Künstler noch 1528 an mittel-
alterlichen Formen festgehalten hätten, ist undenkbar; daher werden wir auch
für diesen Bau einen deutschen Meister annehmen müssen. Da nun durch
Dr. E. Wernickes archivalische Forschungen^) festgestellt ist, daß etwa von
1525—30 der Görlitzer Meister Wendel Roßkopf nach Breslau als Stadt- und
Brückenbaumeister berufen wurde, so wäre möglich, daß von ihm der Bau dieses
stattlichen Hauses, oder zum wenigsten doch des Portales, herrührte.
Gleichzeitig mit dem Hause zur Krone entstand das mit 1528 bezeichnete
Portal, das im Erdgeschoß des Rathauses zum großen Saal führt. Das Ge-
bäude selbst^), im 14. Jahrhundert begonnen, war erst seit 1471 eifriger gefördert
worden und erhielt in dieser Schlußepoche der Gotik den großartigen Ausbau
mit drei Ecktürmen und im Innern den imposanten Flur und den Fürstensaal,
welche zusammen es zu einem der ansehnlichsten und reichsten Rathäuser Deutsch-
lands machen, einem würdigen Zeugnis der Macht und des Kunstsinns der da-
maligen Stadt. Sollte die Estrade im mittleren Erker*) wirklich von 1480 datieren,
so hätten wir hier das früheste Auftreten von Renaissanceformen im Lande, wenn
auch noch stark versetzt, ja überwuchert von spätgotischen Elementen, denn die
Kassettendecke ist schon völlig im Stil der Renaissance, obgleich die metallenen
Rosetten noch krauses gotisches Laubwerk zeigen. Auch die Einfassung der mit
gotischem Maßwerk durchbrochenen Balustrade trägt die Formen des neuen Stils.
Ich glaube aber diese Teile zu den späteren Ausstattungen rechnen zu müssen,
die seit Vollendung des westlichen Erkers (1504) hinzugekommen sind. Die voll
ausgebildete Renaissance finden wir 1528 an dem schon erwähnten Portale des
Ratssaales. Die reiche Behandlung, welche die Pilaster und alle übrigen Flächen
mit Laubwerk und Früchten, mit spielenden Putten, mit Sirenen in üppigen
Ranken, mit Trophäen und Emblemen verschiedener Art dekoriert hat (leider jetzt
mit Ölfarbe dick verschmiert, ursprünglich aber gewiß farbig), erinnert in
manchen Einzelheiten an den Stil des Portales an der Krone. Selbst die bauchige
Kapitellbildung finden wir wieder, obwohl der Steinmetz ein anderer ist, als dort.
Da, wie wir oben gesehen, Wendel Boßkopf damals als Stadtbaumeister in Breslau
wirkte, so ist einige Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er der Erbauer auch
dieses Portales war.^) An einen Italiener werden wir um so weniger zu denken
haben, als archivalische Untersuchungen ergeben haben, daß damals die Stadt-
1) Abgeb. bei Luchs, Bildende Künstler in Schlesien (Abdr. aus der Zeitschr. f. G. u.
Altert.) Seite 13.
2) Im Nachtrag zu des Verf. Schrift über Gröditzberg, Dünzlau 1880.
3) Lüdecke und Schultz, Das Rathaus zu Breslau, Br. 1868.
4) Bei Schultz a. a. 0. Taf. 1 nach einer trefflichen Zeichnung von Lüdecke.
5) Den Namenszug des Steinmetz-Meisters H. R. gibt Luchs in s. bild. Künstl. in
Schlesien S. 13.
Breslau
143
baumeister in Breslau stets Einheimische waren/) Die innere Seite des Eingangs
wird durch ein ähnliches nicht minder reiches Portal geschmückt. Im Jahre 1548
wurde sodann der Erker im Hofe auf wuchtigen, mit elegantem Akanthuslaub
geschmückten Konsolen ausgeführt. Seine Rundbogenfenster werden von kanne-
lierten Pilastern, der mittlere mit ionischen, die beiden anderen mit toskanischen
Kapitellen eingefaßt.
Dieser Bau ist im
Geiste strenger Hoch-
renaissance durchge-
führt, aber auch hier
braucht nicht an einen
Italiener gedacht zu
werden. Von der wei-
teren Ausstattung des
Innern kommt sodann
besonders die herr-
liche Holzbekleidung
der Wände des Rat-
haussaales inBetracht.
Die mit Vorliebe an-
gewandte Intarsia, die
im Architektonischen
und Ornamentalen die
höchste Feinheit zeigt,
dürfte wohl italienisch
sein. Merkwürdig, daß
die in demselben Stil
behandelteTür,welche
in das anstoßende Ge-
mach führt, ein volles
Jahrhundert später,
1664, entstanden ist,
wenn hier nicht ein
Schreibfehler vorliegt.
Auch der kolossale
schwarz glasierte
Kachelofen aus dem
17. Jahrhundert, präch-
tig mit Muschelorna-
menten geschmückt,
an den Ecken mit
gelbglasierten Löwen-
köpfen, verdient Er-
wähnung. Ein tüchtig
behandeltes Eisengit-
ter aus derselben Zeit
faßt als Bogen den Aufgang zur Treppe ein. Der seit 1558 aufgeführte Rathaus-
turm von Andreas Stellauf ist von etwas nüchterner Erfindung.
Zu den wichtigsten Arbeiten in Breslau gehören aber zwei Grabmäler, die
einen Höhepunkt der frühen echt schlesischen Renaissance bezeichnen. Das
größere und prachtvollere sieht man im südlichen Seitenchor der E Iis ab et h-
1) Schultz, Schles. Kunstleben S. 18.
Abb. 77 Grabdenkmal Rybisch in der Elisabethkirche zu Breslau
(Nach Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance) ,
144
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
kl r che. Der kaiserliche Rat und Rentmeister von Schlesien, Heinrich Rybisch
(f 1544), ließ es sich bei Lebzeiten 1534, so liest man, errichten.^) Die Vollendung
scheint erst 1539 erfolgt zu sein, denn dieses Datum trägt einer der Pilaster.
Es ist ein Wandgrab von großartigem Maßstab, aus Tiroler Marmor errichtet,
von drei stark vortretenden Säulen mit reichem Gebälk eingefaßt (Abb. 77).^)
Die Schäfte sind von buntem, die elegant gezeichneten Kapitelle von rotem Salz-
burger Marmor. Über den Arkaden bildet sich ein feines Zahnschnitt gesims, als
Krönung darüber dient eine Akanthusranke mit Delphinen, in der Mitte das
Wappen des Verstorbenen, Hinter den übrigens nicht in einer Flucht stehenden
Säulen, deren mittlere etwas vortritt, so daß sich eine flache Knickung ergibt,
gliedern elegante Pilaster die Wandfläche. Die schöne Laubfüllung ist an beiden
Schäften dieselbe, ein in dieser Zeit auffallendes Verfahren. Man bemerkt jedoch,
daß die Behandlung des rechts (westlich) befindlichen Pilasters von geringerer
Feinheit ist, so daß hier die kopierende Hand eines Gehilfen vermutet werden
muß. Über einer kleineren, durch Kandelabersäulen gebildeten Wandarkade, die
zwei Wappen und im Mittelfelde das trefflich gearbeitete Brustbild des Ent-
schlafenen enthält, ist dieser selbst in ganzer Gestalt liegend dargestellt, wie in
Nachsinnen versunken, auf einen Globus gestützt, in der Hand ein Buch haltend.
Die Schönheit der Anordnung, die Feinheit der Ausführung, der Adel der Orna-
mente, die überall in passender Weise ausgeteilt sind, die zierlichen Laub-
gewinde namentlich, welche jedes Feld schmücken, die köstlichen kleinen Brust-
bilder in den Zwickeln der Bögen, das alles läßt uns einen ausgezeichneten
einheimischen, aber in der Fremde gebildeten Meister vermuten.^) Auf seinen
Schultern steht die ganze folgende eigenartige, doch so liebenswürdige schle-
sische junge Renaissance. Die Frage nach der Herkunft des Künstlers oder
dem Ort, wo er seine Schule genossen, ist schwer zu bestimmen, doch weisen
manche EigentümHchkeiten am ehesten nach Frankreich, vielleicht auf dem Wege
über Torgau.
Als auffallend haben wir noch die seltsam hohe, mit Blattwerk dekorierte
Basis der Säulen zu bezeichnen ; charakteristisch sind die breiten Kannelierungen
mit Stäben (Pfeifen) im unteren Teil, die von da an in der schlesischen frühen
Renaissance eine geradezu unvermeidliche und bezeichnende Schmuckform bilden.
Dieselbe Hand erkennt man in dem kleineren Grabmal, das Stanislaus Sauer
sich schon 1533 im südlichen Querflügel der hl. Kreuzkirche errichten ließ.
Es erscheint wie der bescheidene Vorläufer jenes prachtvolleren Denkmals. Gleich
jenem als Wandgrab angelegt, zeigt es eine in den Maßen und der Ausstattung
reduzierte Form. Von zwei kannelierten Säulen, aus denen ein Löwenkopf
herauswächst, wird es umrahmt. Wie dort überschneiden auch hier die Säulen
die mit Medaillons geschmückten Pilaster der Wandfläche. Die Rückwand wird
in völlig verwandter Weise durch Arkaden mit Kandelabersäulchen gegliedert, aus
denen Lorbeergirlanden mit Inschrifttafeln herabhängen.^) Das Mittelfeld zeigt
ein etwas härter gearbeitetes Brustbild des Verstorbenen. Darüber, in den Bogen-
zwickeln, zwei treffUche antike Köpfe. In den Ecken des Frieses, der die
lateinische Inschrift enthält, Köpfe, die als Alexander Magnus und Augustus Cäsar
bezeichnet werden; im krönenden Giebelfeld, von geschweiften Kannelüren um-
geben, ein höchst großartig aufgefaßter Kopf des Königs Matthias von Ungarn,
gleich den übrigen mit Lorbeer bekränzt. In verschiedenfarbigem Marmor aus-
1) Vgl. H. Luchs, Die Denkmäler der Elisabethkirche Nr. 25.
2) Abb. bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. 80, 4. 171, 1.
3) Nach den neuesten archivalischen Ermittlungen erhebt sich diese Vermutung fast zur
Gewißheit. Den Namenszug des Verfertigers M. F. gibt Luchs in seinen Bild. Künstlern p. 15.
4) Abb. bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. 79, 1.
Breslau j^^g
geführt, durch fein abgewogene Vergoldung noch gehoben, gehört auch dieses
Monument zu den wirklich guten Schöpfungen der Renaissance auf deutschem
Boden. Obwohl das Ornament nicht die volle Feinheit hat, vielmehr einfacher,
breiter und derber gezeichnet ist als bei jenem, muß man doch auf denselben
Meister schheßen. Auch die eigentümliche Form der Säulenbasis ist Zeugnis dafür.
Abb. 78 Vom Haus Junkeriistraße in Breslau
Ein nicht ganz auf derselben Höhe der Durchbildung, doch jenen beiden an
Frische und Können nahe stehendes drittes Denkmal ist die Fassade des Privat-
hauses Junkernstraße 2, von jenem Heinrich Rybisch 1540 erbaut. Nur ihr unterer
Teil ist unversehrt erhalten, freilich durch Reichtum und Schönheit unter den
gleichzeitigen bürgerlichen Privatbauten Deutschlands eine Seltenheit (Abb. 78).
Die beiden die Tür umfassenden Pilaster zeigen in ihrem Ornament eine etwas
gehäufte Komposition, aber sprudelnd von Geist und Leben. Merkwürdig ist
darin die miniaturhaft ausgeführte Darstellung einer geburtshilflichen Szene;
noch merkwürdiger aber, daß diese mit der ganzen übrigen Ornamentik in beiden
Pilastern gleichlautend sich wiederholt. Aber die Ausführung des einen, und
zwar des links befindlichen, ist ähnlich, wie an dem Grabmal des Hausherrn,
von geringerer Gehilfenhand. Die Pilasterstellung ist nun an der Fassade fortgesetzt,
die Schäfte jedoch sind kürzer gehalten, in der oben beschriebenen Art mit nur
zwei Kannelüren geschmückt und auf hohe Sockel gestellt. Zwischen Fenster und
Tür enthält eine Nische mit schöner Muschelwölbung einen Löwen mit dem
Wappen des Hausherrn. Die sichere Meisterschaft der Komposition, die gut ver-
teilten und fein ausgeführten Ornamente, die reich variierten Kapitelle, nament-
lich das mit den Sirenen, die Akanthusranke im Fries, das alles würde man fast
für itahenische Arbeit halten können, wenn nicht die später zu betrachtenden
dieser Richtung so nahestehenden Görlitzer Bauten uns eines Besseren belehrten.
Lübke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 10
146
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Übrigens kann nicht das reiche Doppelportal im Rathaus, noch weniger dasjenige
der Krone sich mit diesem messen.
Von Bürgerhäusern ist hier der Zeit nach das 1532 erbaute zum
Goldenen Baum, in der Oderstraße 17, anzuschließen, doch hat sich von der alten
Ausstattung nur ein zierliches Bogenrehef im Hofe erhalten, in dem eine hübsche
Frauengestalt zwei Wappen hält. Den Hintergrund schmückt eine elegante
Blumengirlande; die Einfassung wird durch Zahnschnitt und Eierstab gebildet.
Wie damals die Giebelfassaden behandelt wurden, sieht man in einem besonders
interessanten Beispiel an dem Hause Nr. 23 am Ring, Goldne Becherseite, mit
der Jahreszahl 1541 und dem bekannten evangelischen Spruch: V. D. M. I. E.
(verbum domini manet in eternum).^) Die Behandlung ist einfach, aber stilvoll;
das Portal, durch späteren Zopfaufsatz verändert, hatte urprünglich, wie an den
Fenstern der drei oberen Geschosse, ein schlichtes Rahmenprofil, das gleich den
Gesimsen und den übrigen einrahmenden Gliedern durch eingekerbte Kannelüren
wirksam belebt wird. Die Flächen sind durch Pilaster geghedert, die Staffeln
des Giebels eigentümhcherweise durch liegende Voluten bekrönt. Eine etwas
andere Behandlung sieht man an der kleinen Fassade Schweidnitzer Straße Nr. 48.
Auch hier gliedern Pilaster die Flächen, haben die Fenster antikisierende Rahmen ;
die Absätze des Giebels dagegen sind mit Halbkreisen, wie die Frührenaissance
sie liebt, abgeschlossen.
Unübersehbar reich ist Breslau an Epitaphien aus dieser mittleren Zeit.
In keiner deutschen Stadt ist nur annähernd eine solche Fülle von Monumenten
des kunstliebenden Bürgertums dieser Epoche zu finden. Ich deute nur auf
einige der früheren Werke hin. An der Südseite derMagdalenenkirche fällt
das Epitaph des Doktor Hirsch von 1535 durch die dürftige Behandlung der
Renaissanceformen auf, während ebendort an der Nordseite fast gleichzeitig (1534)
die ganz besonders elegante kleine Bronzetafel entstand, welche nur eine Inschrift
enthält, aber eingefaßt von einer Umrahmung, die zu den schönsten dekorativen
Arbeiten der Zeit gehört. Ebenso verzichtet Niklas Schebitz in seiner Denktafel
von 1549 an der Ostseite der Kirche auf jeden bildnerischen Schmuck, aber die
Inschrift, die beiden Wappen und die fein ornamentierten Pilaster des Rahmens
machen ein Ganzes von hohem künstlerischen Wert. Sehr zierlich ist auch eben-
dort die kleine Tafel Abraham Hornigks vom Jahre 1551: der Gekreuzigte, von
dem Verstorbenen und seiner Gattin verehrt. Noch manche andere aus der Mitte
des Jahrhunderts bis zum Anfang des folgenden geben wertvolle Aufschlüsse über
die Entwicklung der Formen. Nur beispielsweise will ich auf das Epitaph des
Valentin Nitius von 1557 hinweisen, wo das Ornament mit einer für die späte
Zeit auffallenden Dürftigkeit und Steifheit behandelt ist. Sehr elegant dagegen
ebendort das große reiche Epitaph mit der Auferstehung Christi, von vierfachen
zierlichen Pilastern eingefaßt. Prächtig, aber schon stark barock, das Epitaph
von Christoph Sachs (1595) mit der Darstellung Christi am Ölberg. Eine un-
gewöhnlich elegante Arbeit ist auch das südliche Seitenportal der Kirche vom
Jahre 1578; trefflich sind die prachtvollen Intarsien an den der Blütezeit unserer
Renaissance entstammenden Chorstühlen dieser Kirche (1576 bezeichnet).
An der Elisabethkirche erscheint zunächst von Bedeutung die Bronze-
tafel von 1534, dem Landeshauptmann Sebastian Monau errichtet, vielleicht von
dem Meister des gleichzeitigen Denkmals an derMagdalenenkirche: Christus am
Kreuz, von dem Verstorbenen, seiner Frau und Tochter verehrt, in landschaft-
lichem Hintergrund, eingerahmt von zierlichen Pilastern. Aus dem folgenden
Jahre 1535 datiert das Denkmal des Peter Rindfleisch an der Nordseite der Kirche,
ebenfalls ein tüchtiges Werk der Frührenaissance. Weit unbehilfhcher in Kom-
1) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 174.
Breslau
147
Position und Ausführung ist ebendort das Epitaph des 1557 verstorbenen Stenzel
Monau, wahrscheinlich erst nach dem 1572 erfolgten Tode seiner Gattin aus-
geführt. Denn stilistisch entspricht es dem an der Südseite befindlichen Grabmal
des Hans Hertwig vom Jahre 1575. Auch hier fällt die primitive und trockene
Behandlung durch einen offenbar zurückgebliebenen Meister auf. Zum Opulen-
testen in seiner Art gehört dagegen das im nördlichen Seitenschiff befindhche
große Wandgrab des 1561 gestorbenen Ulrich von Schatfgotsch. ^ Es beweist
neben vielen anderen Monumenten, wie lange hier die heitere Dekoration der
Frührenaissance sich im Gebrauch erhalten hat.
Die letzten Zeiten der Renaissance haben in Breslau hauptsächlich eine
Anzahl von Fassaden hervorgebracht, welchen trotz großer Mannigfaltigkeit im
Aufbau und der Dekoration gewisse Grundzüge eigen sind. Meistens schmal auf
eingeengtem Grundplan angelegt, suchen sie in bedeutender Höhenentwicklung
sich Raum zu schaffen. Daher die vielen hohen Giebel, welche dem Ring und
den Hauptstraßen noch jetzt ein so imposantes Gepräge geben. Eine feinere
Ausbildung des einzelnen tritt dagegen zurück; selbst auf reichere Gliederung
oder Ausstattung wird in der Regel verzichtet. Nur an den Portalen stellt sich
zuweilen eine derbe, oft schon barocke Ausschmückung ein. Auffallend ist es,
wie wenig diese Fassaden von plastischer Gliederung der Flächen Gebrauch
machen. Die sonst in der Renaissance beliebte vertikale Teilung durch Pilaster
verschwindet seit der Mitte des Jahrhunderts fast gänzhch; nur die Horizontalgesimse
zwischen den Stockwerken werden beibehalten. Ja die Abneigung gegen plastische
Ausbildung geht so weit, daß selbst der Erker, sonst im Norden so beliebt, im
Privatbau gar nicht vorkommt. Dagegen war man ohne Zweifel darauf bedacht,
die Fassaden durch farbigen Schmuck oder wenigstens durch Sgraffilen zu be-
leben. Ein ausgezeichnetes, wenn auch aus späterer Zeit stammendes Beispiel
solcher gemalten Fassaden bietet das Haus am Ring Nr. 8, das bei seiner un-
gewöhnlichen Breite dem Maler um so willkommener sein mußte. Das Haupt-
motiv bilden, noch im Sinn der Renaissance, gemalte Säulen von rotem Marmor
mit goldenen Kapitellen; dazwischen Nischen mit Kaiserbildnissen; an den Fenster-
brüstungen figürliche Reliefs. Das Ganze von vorzüglicher Wirkung, neuerdings
durch die anerkennenswerte Sorgfalt des Besitzers trefflich wiederhergestellt.
Daneben werden dann die hohen Giebel durch die mannigfaltigste Silhouette
charakteristisch unterschieden. In diesem bewegten Umriß der kühn aufragenden
Hochbauten, welchen die Gotik bereits anstrebte, hat die Renaissance eine eigen-
tümHche und selbständige Schönheit erreicht. — Die Hausflure sind ursprünglich
überall gewölbt gewesen, teils mit Kreuzgewölben, teils mit Tonnengewölben und
Stichkappen. Sie enthalten den oft stattlich gehaltenen Aufgang zur Treppe. In
den Höfen kommen bisweilen Galerien auf Kragsteinen vor, wie an der „Krone",
bisweilen aber auch Holzgalerien, wie z. B. in dem Haus Tannengasse 3. Doch
ist bei der Schmalheit des Grundrisses gewöhnhch diese Anordnung nur an einer
Seite durchgeführt.
Zu den reicher durchgebildeten Fassaden gehört die in der Kleinen Groschen-
gasse 15. Bei mäßigen Verhältnissen zeichnet sie sich vor den meisten andern
durch edle plastische Gliederung aus, die im Erdgeschoß kanneherte Pilaster, im
ersten Stock reich ornamentierte ionische Halbsäulen auf stark herausgebogenen
Konsolen, im zweiten stelenartige Pfeiler zeigt. Alle Glieder sind im Stil des
Friedrichsbaus zu Heidelberg mit Flachornamenten bedeckt, das Ganze wirkt
reich und elegant. Eine Anzahl interessanter Häuser findet man am Ring. Nr. 39
hat ein kleines Portal mit prächtigen Fruchtschnüren an der Archivolte, mit
Metallornamenten an der Leibung, Schilde mit aufgerollten Rahmen in den Zwickeln.
1) Lutsch a. a. 0. Taf. 65, 2.
148
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Der Flur ist mit einem herrlichen gotischen Sterngewölbe bedeckt, die Türen
zeigen mittelalterliche Rahmen mit gekreuzten Stäben, alles dies offenbar vom
Anfang des 16. Jahrhunderts. Dieselbe Behandlung haben die Fenster und Türen
des Hofes, der gegen Ausgang der Epoche an einer Seite eine kräftige Holz-
galerie erhalten hat. Ein prächtiges Portal in derber Rustika, mit dorischen
Pilastern eingefaßt, in den Metopen des Frieses Stierschädel und Löwenköpfe,
sieht man an Nr. 52. Im übrigen ist diese Fassade im 18. Jahrhundert flau
überarbeitet worden, aber drei kleine Volutengiebel geben ihr einen heiteren Ab-
schluß. Im Hof vermittelt eine Arkade auf dorischer Säule den Aufgang zur
Treppe. Eine imposante Front aus derselben Zeit bietet Nr. 2, das Portal etwas
zahmer, aber reich und lebendig, die ganze Tiefe der Leibung mit Metallorna-
menten bedeckt, alles von feiner Ausführung. Die Fassade hat durch Moderni-
sierung gelitten, aber der gewaltige Giebel ohne alle Pilastergliederung wirkt
originell durch den phantastischen Umriß, der zum Teil in die Figuren eines auf-
recht schreitenden Löwen und eines geflügelten Greifen, der Wappentiere Breslaus,
ausläuft. Im Hof dieselbe Treppenanlage wie in Nr. 52, dabei aus früherer Zeit
zwei hübsche Wappen in einer zierlichen ionischen Pilasterstellung. Das Neben-
haus Nr. 3 hat einen minder großartigen Giebel, der aber durch Pflaster und
Gesimse wirksam gegüedert und mit maßvoll behandelten Voluten bekrönt ist.
Im Flur sieht man ein Tonnengewölbe mit Stichkappen, elegant mit flachen
Stuckornamenten dekoriert. Am Treppenaufgang erhebt sich eine prächtige
dorische Säule. Einen der kolossalsten Giebel bietet Nr. 27: die mächtigen
Flächen nur durch Gesimse abgeteüt, die Giebellinie durch die seltsamsten
Voluten, Schweife und Schnörkel phantastisch belebt. Von demselben Baumeister
rührt Nr. 28 mit etwas kleinerem, aber ganz ähnUchem Giebel. Originell ist auch
Nr. 21, eine schmale hohe Fassade, der Giebel durch einfache Pflaster geteilt,
von wirksamem Umriß, außerdem durch einige Masken geschmückt. Einen hohen,
geschweiften Giebel zeigt sodann Nr. 9, bloß durch Gesimse gegliedert, die Fenster
mit eingekerbten Rahmen, wie sie hier öfter vorkommen.
Eine etwas abweichende, vereinzelt stehende Behandlung hat der sehr derb
geschweifte Giebel Junkernstraße 4. Die Formen des Metallstfls sind hier im großen
zur Anwendung gekommen, wie man sie sonst vorzugsv/eise an der Ostseeküste unter
dem Einfluß niederländischer Meister antrifft. In der Tat kommt ein hofländischer
Meister im Dienste der Stadt vor, Heinrich Muntig von Gröningen, der 1583 das
Neue Tor bei dem Fischerp förtlein baute.') Auch andere niederländische Maurer
und Bfldhauer finden sich ein. Ebenso trat 1591 der Danziger Meister Hans
Schneider von Lindau in den Dienst der Stadt und errichtete in der Art des von
ihm dort erbauten Hohen Tores das Sandtor, das leider 1816 abgetragen wurde. ^)
Er brachte eine starke Vorliebe für Rustika mit und liebte es, die Quadern mit
sternförmigen Mustern zu schmücken. Das Haus an der Sandkirche Nr. 2 besitzt
ein Portal dieser Art, in kräftigster Rustika durchgeführt, die Quaderflächen ab-
wechselnd glatt oder mit jenem Sternmuster belebt. Ein ähnliches Portal, un-
bedeutender, Schuhbrücke 32; ein anderes Goldene Radegasse 15, ein viertes,
vom Jahre 1592, am Ring 58. Ganz abweichend ist das Haus Hintermarkt 5,
in strenger Hochrenaissance durchgeführt, in der Auffassung der Form und der
Komposition nicht unähnlich dem sogenannten Hause Ducerceaus in Orleans. Ein
einfaches, frühes Portal vom Jahre 1559 sieht man am Neumarkt Nr. 45; dagegen
finden sich in der Domstraße mehrere efi'ektvoll durchgeführte Portale der Schluß-
epoche, welche sämtlich eine derbe Rustika zeigen, die indes mannigfach modi-
1) Nie. Pol, Jahrb. IV, 113, vgl. Luchs, Bildende Künstler 33 und A. Schultz, Schles.
Kunstleben 19.
2) Schultz a. a. 0. 19.
Breslau Liegnitz
149
fiziert wird. An Nr. 3, vom Jahre 1599, tritt sie in Verbindung mit römischen
Pilastern und energischen Masken auf; an Nr. 19, von 1606, sind die Quadern ab-
wechselnd glatt gelassen und mit flachen Metallornamenten dekoriert ; Nr. 5 zeigt
ganz ähnliche Behandlung, wahrscheinlich von demselben Meister.
Von Kirchtürmen der Epoche ist zunächst der elegant mit doppelter Laterne
entwickelte der Elisabethkirche als ein tüchtiges Werk von schönen Verhält-
nissen zu erwähnen. Seine Spitze wurde an Stelle des 1529 eingestürzten
schlanken gotischen Helmes 1535 errichtet. Minder günstig wirken die Turm-
helme der Magdalenenkirche von 1565, deren Profil freier geschwungen sein
könnte. Ein tüchtiges Werk in derselben Kirche ist die Kanzel, 1579 in den
Formen einer durchgebildeten klassizistischen Renaissance von Friedrich Groß
begonnen^); von ihm rührt in der Elisab ethkir che auch das Epitaph des 1577
verstorbenen Alexander von Eck und seiner Gemahlin her. Vom Rathausturme
war schon die Rede.
Schließlich sei noch auf einige im Mus e um vorhandene Werke der dekora-
tiven Kunst hingewiesen. Außer manchen trefflichen, im besten Renaissancestil
durchgeführten Waffen, nennen wir den prächtigen großen kupfernen Krug von
Bartholomäus von Rosenberg (1595), mit köstlichen Flachornamenten bedeckt, an
dem nur das Figürliche etwas schwächer ist. Sodann einen reich mit Silber-
fihgran, mit getriebenen und gravierten Verzierungen geschmückten Pokal ; keine
einheimische, sondern eine Augsburger Arbeit vom Ende des 16. Jahrhunderts.
Endlich aus derselben Zeit einen Tisch mit eingelegter Arbeit von größter Schön-
heit, namentlich herrlichen Blumenstücken von guter architektonischer Anordnung,
auch der Tischfuß ist von klarem Aufbau. —
Liegnitz und Umgebung
In den übrigen Städten Schlesiens wird die Rennaissance durch die Fürsten
eingeführt. Zuerst geschieht dies in Liegnitz. Wenn man von der Nordseite
die Stadt betritt, hat man sogleich zur Rechten das prachtvolle Werk, mit welchem
der neue Stil hier beginnt. Es ist das in Abb. 79 abgebildete mit der Jahres-
zahl 1533 bezeichnete Hauptportal des Schlosses.^) Nach der besonders in
Frankreich verbreiteten Sitte der Zeit aus einem großen Torweg für Fuhrwerke
und einem kleineren Pförtchen für Fußgänger bestehend, tritt es in einer Form-
behandlung auf, die weder deutsch noch italienisch ist. Wir werden derselben
stark französisch anklingenden Richtung später in Görlitz und Umgegend wieder
begegnen. Es wird denn auch ein brabantischer Meister Georg von Arnberg nam-
haft gemacht. Die mehrfach gegürteten Säulen mit dem ausgebauchten unteren
Teil der Schäfte, den runden Fußgestellen, der seltsamen Ornamentik, die ge-
waltigen Konsolen des Frieses, die energische Behandlung der Kapitelle, endlich
die rosettenförmigen Ornamente der Attika zeigen eine Behandlung, die an bur-
gundisch-brabantische Werke erinnert und eine Analogie etwa in dem Hofe des
Bischofspalastes zu Lüttich (jetzt Justizpalast) findet. Die reiche Ornamentik ist
ohne besondere Feinheit, die Formen weich und breit gedrückt, besonders das
Blattwerk an den ausgebauchten Teilen der Säulenschäfte und die Blumengewinde
an den oberen Partien der Säulen, die an Ketten aufgehängt erscheinen;
besser und elastischer erscheinen die Akanthusblätter an den freikomponierten
Kapitellen und den Konsolen. Ein bezeichnendes schlesisch-sächsisches Motiv
sind wieder die mehrfach verwendeten Hohlkehlen mit Pfeifen, die nicht bloß
am Stylobat und dem mittleren Teile des Säulenschaftes vorkommen, sondern
1) Vgl. Alw. Schultz in Dr. Luchs' Schlesiens Vorzeit 1868, p. 120 if. mit Abbild.
2) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 75, 4. S. 171 f.
150
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
auch den hohen Fries zwischen den Kapitellen schmücken. Wie der Architekt mit
der Unregelmäßigkeit der Portalanlage gekämpft hat und durch ein Kapitell über
dem Schlußstein des großen Torbogens sich sinnreich genug zu helfen suchte, er-
kennt man aus der Abbildung. In der Attika aber kommt das Unsymmetrische
der Anlage in der Anordnung des Wappens und der beiden Brustbilder empfind-
licher zutage. Diese Teile sind übrigens vortrefflich ausgeführt, namentlich die
Brustbilder des Erbauers Friedrichs II. (1488 — 1547) und seiner zweiten Gemahlin
Sophia von Brandenburg trotz starker Zerstörung von anziehender Lebensfrische.
Abb. 79 Schloßportal zu Liegnitz | j
Wir haben hier also eine Schöpfung jenes ausgezeichneten Fürsten, der zu
den edelsten Förderern der Geisteskultur in Schlesien gehört. Noch ehe er zur
Regierung kam, bezeugte er durch die in seinem zwanzigsten Lebensjahr an-
getretene, aus „sonderbarer Innigkeit" unternommene Pilgerfahrt nach dem heiligen
Lande einen regen Sinn für ideale Interessen. Später an der Spitze eines
schlesischen Städtebundes wußte er das Land von den Raubrittern zu säubern,
und sodann während seiner Regierungszeit sein Gebiet nicht bloß zu vergrößern
und durch einsichtsvolle Verwaltung zu hoher Blüte zu bringen, sondern auch
das geistige Leben kräftig zu fördern. Er war es, der als der erste evangelische
Fürst Schlesiens die Reformation einführte, die kirchlichen Verhältnisse in milder,
weitherziger Weise ordnete und für die Hebung des Schulwesens ansehnliche
Opfer brachte. Zwar scheiterte die von ihm energisch aufgenommene Idee der
Gründung einer Universität, aber die unter Trotzendorf blühende Schule zu Gold-
berg förderte er in nachdrücklicher Weise. Ein Werk dieses edlen Fürsten war
der Neubau und die Befestigung seines Schlosses, zunächst unter dem Eindruck der
Türkengefahr, vielleicht schon 1527, jedenfalls 1529^) begonnen. Da wir durch
Dr. Wernickes Forschungen^) wissen, daß im Jahre 1527 Wendel Roßkopf nach
Liegnitz zum Herzog entboten wurde, so ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß
der Meister in Sachen des Schloßbaues befragt werden sollte. Inwiefern er aber
bei der Ausführung beteiligt war, muß dahingestellt bleiben. Das Schloßtor steht,
1) Abgeb. in Luchs Schles. Fürstenbilder, Taf. 19 a und b.
2) VgL J. P. Wahrens dor ff, Liegnitzische Merkwürdigkeiten S. 88.
2) Im Nachtrag zu seiner Schrift über Gröditzberg.
Liegnitz
151
wie bemerkt, der Richtung nahe, die man bisher als die seinige ansieht. Der
Bau war übrigens so bedeutend, daß er erst nach dem Tode des Herzogs zum
Abschluß kam.
Daß schon im Anfang des 13. Jahrhunderts hier ein Schloß vorhanden war,
geht aus mehreren urkundlichen Aufzeichnungen hervor. Eine bedeutendere Bau-
tätigkeit wird von Ludwig II. bezeugt, der 1415 den großen Hedwigsturm erbaute.
Es war wohl derselbe, dessen Gesimse mit dem Zinnenkranz durch einen fran-
zösischen Meister errichtet wurde, den der Herzog auf einer Reise in Frankreich
in St. Denis kennen gelernt und nach Liegnitz geschickt hatte; er ist noch jetzt
ein wohlerhaltener Teil der mittelalterhchen Anlage, rund, von Backsteinen auf-
geführt, mit schönem, auf Konsolen ruhendem Umgang, der die Geschicklichkeit
des französischen Meisters bezeugt. Ein achteckiger Spitzhelm bildet den Ab-
schluß. Weitere Bautätigkeit beginnt dann seit 1470 unter Herzog Friedrich I.;
ihr gehört wahrscheinlich der südhche Flügel, an dem man mehrere Türen und
Fenster aus spätgotischer Zeit mit fein profilierten, an den Ecken durchschneidenden
Stäben bemerkt. Die Renaissance führte dann, wie wir sahen, Friedrich II. schon
zeitig im Schlosse ein.
Betrachten wir den Bau nun im Zusammenhang, so bietet er mit Ausnahme
des schon erwähnten Hauptportales für uns wenig Interesse. Das Portal selbst,
in gelblichem Sandstein ausgeführt, während die übrigen Teile den Backstein
zeigen, steht für sich vereinzelt da. Ob die im Eingangsbogen zu lesenden Buch-
staben I. V. E. F. und S. P. G. T. sich auf die Baumeister beziehen, muß dahin-
gestellt bleiben. Überraschend bleibt jene alte Nachricht^), nach der der Herzog
die Baumeister zum Schlosse aus Brabant berufen hätte, zugleich eine Bestätigung
dafür, daß diese ganze Richtung im welschen Westen ihren Ursprung findet.
Die mit einem Tonnengewölbe bedeckte langgestreckte Durchfahrt öffnet sich
mit schwerem, später ausgeführtem Rustikaportal auf den gewaltig großen Haupt-
hof, der auf drei Seiten von zweistöckigen Gebäuden in Backstein umschlossen
wird. Hinter dem Hauptportal erhebt sich ein achteckiger gotischer Turm, der
im 15. Jahrhundert aufgeführte Petersturm. Alle diese Gebäude sind nach dem
Brande des Schlosses erst in neuerer Zeit hergestellt und nichts weniger als
glücklich modernisiert worden. Die Fenster im vorderen Hofe, meist zu zweien
gruppiert, haben größtenteils spätere Umrahmung; nur einige im Südflügel, mit
ionischen Pilastern eingefaßt, dürften mit dem Portal gleichzeitig sein. Von
den spätgotischen Formen dieses Teiles war die Rede. Die westlichen Partien
der Seitenflügel haben an den Fensterrahmen Flachornamente im Metallstil der
Barockzeit. Diese Teile gehören ohne Zweifel zu den Umbauten, mit denen
Herzog Georg Rudolf, angeblich durch italienische Baumeister, um 1614 das
Schloß schmückte, nachdem er seine „aus heroischem Gemüte" angetretene Reise
durch Deutschland, Italien, die Schweiz, Frankreich und die Niederlande beendet
und die Regierung angetreten hatte. ^) Einer noch späteren Zeit gehört das reich
dekorierte Bogenportal der Kapelle, inschriftlich 1658 durch Herzog Ludwig er-
richtet. Noch aus der früheren Epoche stammt der poIygone Treppenturm in der
südöstlichen Ecke des Hofes. Dagegen ist von der steinernen Galerie, welche
sich im Erdgeschoß an der Südseite hinzog, ebensowenig erhalten, wie von der
prächtigen Ausstattung des Inneren, besonders des Speisesaales und des großen
Festsaales, welche noch im vorigen Jahrhundert gepriesen wurden.^) Die West-
seite schließt ein moderner einstöckiger Bau, mit einer ungeschickten, auf Konsolen
gestellten Säulenreihe dekoriert. Ein viereckiger Turm erhebt sich daraus. Hier
findet die Verbindung mit dem zweiten Hofe statt, der unregelmäßig und von
untergeordneten Gebäuden umgeben ist. Interesse bietet nur der schon erwähnte
1) Lucaes' Chronik S. 1295. 2) Ebenda S. 1306. 3) Ebenda S. 1211.
152
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
an der Südwestecke stehende Hedwigsturm. Wenn wir schließlich noch ein phan-
tastisch barockes Portal an der Außenseite des Nordflügels erwähnen, welches
mit den unter Georg Rudolf erbauten Teilen des inneren Hofes gleichzeitig ist.
so haben wir das Wesentlichste berührt.
Eine gesteigerte Bautätigkeit finden wir nun auch in bürgerlichen Kreisen
als unmittelbare Einwirkung der umfangreichen Schioßbauten ; aber die späteren
Zeiten haben gerade hier die ursprüngliche Kunstform der Fassaden meistens
verwischt, so daß fast nur die Portale ihren alten Charakter bewahren. Die
durch eine klare und stattliche Anlage ihres Ringes und der Hauptstraßen im-
ponierende Stadt hat dadurch viel von ihrem früheren Gepräge eingebüßt. Auch
die Sgraffiten, welche hier vielfach vorhanden waren, sind fast spurlos ver-
schwunden. Ganz besonders auffallend ist aber, daß, vielleicht mit Ausnahme
eines einzigen, schon stark barocken Beispiels, in Liegnitz die Giebelfassaden
völlig fehlen. Die Hausflure sind wie in Breslau durchgängig gewölbt, und zwar
mit Kreuzgewölben. Eine Ausbildung des Holzbaues scheint hier noch weniger
als dort versucht worden zu sein.
Von Werken der Frührenaissance ist das bedeutendste die Fassade am Ring
Nr. 16; im Erdgeschoß völlig mit Pflastern dekoriert, alle Flächen mit Ornamenten
überzogen, der Portalbogen mit Zahnschnitt und Eierstab gegliedert, die Zwickel
mit Brustbildern belebt, der Fries mit reichen Laubornamenten geschmückt, das
rein Ornamentale von großer Mannigfaltigkeit der Erfindung und Frische der
Ausführung, das Figürliche von kindlicher Unbehilflichkeit. Das Werk wird um
1550 entstanden sein. Von 1556 datiert das Portal am Ring Nr. 13, ebenfalls
Frührenaissance, mit korinthisierenden Pflastern eingefaßt, der Bogen mit männ-
lichen und weiblichen antikisierenden Brustbildern geschmückt, die Pflaster selbst
mit hübschen Reliefmedaillons und gutem Laubornament. Um so ungeschickter
in den Bogenzwickeln Adam und Eva; vollends unglaublich schlecht die
wilden Männer, welche über dem Portal das Wappen halten. Sehr dürftig und
kümmerlich tritt die Renaissance noch 1544 an dem kleinen Portal Frauenstraße
Nr. 9 auf.
Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war für Liegnitz wenig erfreulich. Nach
dem Tode des trefflichen Herzogs Friedrichs II. wurde schon durch seinen Sohn
und Nachfolger, Friedrich III., das Land in Zerrüttung gestürzt, die dann unter
Herzog Heinrich XI., wie wir schon durch Schweinichen wissen, nur noch zunahm.
Erst gegen Ausgang der Epoche finden wir in Liegnitz wieder Spuren einer zu-
nehmenden Kunstblüte. Zunächst ist von 1581 das Gymnasium zu erwähnen,
das wenigstens durch einfach kräftiges Portal und wirksam umrahmte Fenster
einen gewissen monumentalen Charakter zeigt. Mit dem Anfang des 17. Jahr-
hunderts beginnt eine Nachblüte der Architektur, welche mehrere Werke von un-
gewöhnlicher Feinheit hervorbringt. So das kleine, aber sehr elegante Portal
Schloßstraße 15, mit trefflich behandeltem Laubwerk vom Jahre 1613. Das
Meisterstück und überhaupt eine der schönsten Schöpfungen dieser Zeit ist aber
das einstige Portal am Eckhause der Frauenstraße gegen den Ring (Abb. 80).
Jetzt ist dies schöne Werk nach Schloß Rohnstock übertragen und neu auf-
gestellt.^) Schon seiner Komposition nach gehört es zu den besten Arbeiten
unserer Renaissance; aber die geniale Leichtigkeit und Feinheit der Ausführung,
die wundervoll frei geschwungenen Akanthusranken, die geistreich behandelten
Köpfe und Masken, die geflügelten Karyatiden der Einfassung, das alles ist von
einer in ganz Deutschland wohl wenig wieder vorkommenden Schönheit. Auch
das sehr feine Flachornament im Charakter gepreßten Leders an den inneren
Flächen zeugt von einem sehr geschickten Meister. Eine Anzahl kleinerer Werke
1) Abb. bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. 108, 2.
Liegnitz Gröditzberg
153
derselben Zeit und ähnlicher Richtung, wenn auch von minderer Bedeutung,
findet sich überall in den Straßen zerstreut. So Schloßstraße 25 ein derberes
Bogenportal mit stärkerer Anwendung von Flachornamenten im Metallstil jener
Epoche. Von ähnlicher Behandlung Frauenstraße 35 ein kleines Portal von 1610,
im Schlußstein ein hübsches weibliches Köpfchen. In derselben Straße Nr. 21
ein zierliches Portal mit reich gegliederten Bogen, im Schlußstein eine groteske
Maske. Am Ring 27
ein ähnliches mit
prächtigem Löwen-
kopf als Schluß-
stein, welches fast
ebenso, offenbar
von derselben
Hand, Burgstraße 8
wiederkehrt. In der-
selben Straße 13
und 26, hier vom
Jahre 1608, die-
selbe Komposition.
Endlich ein etwas
stattlicheres Werk
Schloßstraße 5, wo
zugleich die treff-
lich geschnitzte
Haustür mit ihren
Eisenbeschlägen
und dem Klopfer
ein charakteristi-
sches Ganzes aus-
macht. —
Welch nach-
haltige Bautätig-
keit in der Früh-
zeit unserer Re-
naissance diese Ge-
genden ausgezeich-
net hat, läßt sich
noch jetzt durch
eine Anzahl künst-
lerisch wertvoller
Denkmale nachweisen. Das früheste, und zugleich eines der frühesten der deut-
schen Renaissance überhaupt, sind die in diese Epoche fallenden Teile der Burg
Gröditzberg bei Haynau, an der um diese Zeit der treffliche Herzog Fried-
rich II. von Liegnitz ansehnliche Bauten ausführen ließ.^) Schon im frühen Mittel-
alter war die aus der Ebene steil aufragende Porphyrkuppe befestigt worden;
aber erst seit der Platz durch Kauf in die Hände Herzog Friedrichs I. überging,
begann dort eine umfassendere Bautätigkeit. Zunächst ließ der tatkräftige und
umsichtige Fürst laut Kontrakt von 1473, durch die Meister Blasius Rose aus
Breslau, Bertusch Blöschuh aus Liegnitz und Hans Trauernicht aus Görlitz den
viereckigen Bergfried aufführen, dessen mächtige Ruine noch jetzt die übrigen
1) S. Dr. E. Wernicke, Geschichte und Beschreibung der Burg, Ortsnachrichten aus
der Umgegend. Bunzlau 1880.
Abb. 80 Rohnstock Portal aus Lieenitz
154
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Baulichkeiten überragt. In jenem Vertrage wird genau Form, Konstruktion und
Einrichtung dieser „Herrenwehre" angegeben, die nach dem Muster des Turmes
im Liegnitzer Schlosse ausgeführt werden solle. Ein zweiter stark verfallener
Turm, der sich zwischen dem nördlichen und östlichen Flügel an der Ecke des
Schloßhofes erhebt, gehört wahrscheinlich derselben Zeit an. Nachdem man in
solcher Weise zunächst für die Befestigung der Burg gesorgt hatte, begann unter
Herzog Friedrich II. nun der eigenthche Schloßbau, nach mittelalterlicher Aus-
drucksweise der „Palas". Dieser besteht aus einem Hauptflügel von ansehnlicher
Länge und Breite, an welchen in stumpfem Winkel ein kürzerer Arm von der-
selben Breite stößt. In der Ecke, wo beide Teile ineinander übergehen, befindet
sich das hohe und breite spitzbogige Portal, das den Hauptzugang enthält. Auf
einer Treppe von 13 Stufen in der sehr dicken Mauer gelangt man zu dem hoch
liegenden Erdgeschoß, und zwar zunächst in eine geräumige, mit reich ver-
schlungenem spätgotischen Sterngewölbe überdeckte Vorhalle. Aus dieser führt
eine steinerne Wendelstiege in das obere Stockwerk, rechts eine Türe in die Küche
und dazu gehörige Räume, links dagegen eine andere Pforte in den großen Saal,
der, ungefähr doppelt so breit wie lang, fast den ganzen Hauptflügel einnimmt.
Dieser prächtige an den Wladislawsaal zu Prag erinnernde Raum ist durch ein
imposantes gotisches Netzgewölbe mit kräftigen Rippen überwölbt; eigentüm-
liche, aus kristallinisch vertieften Zellen bestehende Gewölbe, wie sie in West-
preußen öfters vorkommen, bedecken die drei Fensternischen, die in den überaus
dicken Mauern südlich gegen den Schloßhof liegend wie kleine lauschige Neben-
gemächer dem ganzen Raum ein besonders anheimelndes Gepräge verleihen. An
den Saal stößt westlich ein kleineres Gemach mit einem überaus reichen Netz-
gewölbe, einem Kamin und tiefer Fensternische. Eine steinerne Wendeltreppe
führte ehemals von hier aus in das Obergeschoß. Wir dürfen wohl annehmen,
daß dieser kleinere Raum in der kälteren Jahreszeit den Mittelpunkt der Ge-
selligkeit bildete.
Das wichtigste für unsere Betrachtung ist das mit der Jahreszahl 1522 be-
zeichnete Portal dieses Raumes, denn während die ganze bauliche Anlage, vor
allem die Konstruktion, sich noch durchaus mittelalterlich darstellt und das Ge-
präge des spätgotischen Stiles trägt, hat der Baumeister an diesem Teile auch
seine Bekanntschaft mit den Formen der neuen Bauweise bezeugt ; es ist durch-
aus im Charakter der Renaissance durchgeführt. Ein breites Rahmenwerk von
sehr gedrungenen kannelierten Halbsäulen auf kurzem, rosettengeschmücktem
Sockel dient der Tür als Einfassung. Die ziemlich zerstörten Kapitelle scheinen
eine ziemlich rohe Nachbildung des korinthischen gewesen zu sein. Den Tür-
sturz bildet ein mit einer Platte abgeschlossenes Gesims; darüber erhebt sich,
merklich schmaler als das Portal, attikenartig eine Flachnische, von zwei ein-
fachen kannelierten Pilastern eingefaßt und mit doppeltem Friese bekrönt. Die
Nische enthält einen männlichen Kopf mit kurzem lockigen Haupthaar, Bart und
Schnurrbart, in dem Dr. Wernicke um so gewisser das Bildnis des Erbauers ver-
mutet, als über der Nische sein Name, Wendel Roßkopf, gelesen wird. Es kann
demnach keinem Zweifel unterliegen, daß wir in diesem angesehenen Görlitzer
Meister den Erbauer der eben besprochenen Schloßteile zu erkennen haben. Gleich
den übrigen deutschen Architekten jener Übergangszeit huldigt er in den Kon-
struktionen noch dem mittelalterlichen Herkommen und der gotischen Formgebung,
während er in besonders hervorragenden Einzelheiten bereits der Renaissance
sich zuwendet. Tritt aber hier noch eine starke Unreife und Schüchternheit in
der Auffassung der neuen Formen hervor, ist namentlich die Meißelführung noch
eine rauhe, wenig geschmeidige, die Kenntnis der neuen Formen eine sehr ober-
flächliche, ja spricht sich selbst in der Namensinschrift des Meisters und den
Löwenberg Plagwitz
155
arabischen Ziffern der Jahreszahl noch ein starkes Schwanken und kein klares
Bewußtsein von der schönen Antiquaschrift der Renaissance aus, so müssen wir
doch annehmen, daß derselbe Meister Wendel in der Folge den fremden Stil weiter
zu entwickeln gewußt hat. Jedenfalls gehört er zu den Bahnbrechern der Renais-
sance in Deutschland, allerdings völlig in der Art des bei der böhmischen Früh-
renaissance genannten Benedikt von Laun.
Um dieselbe Zeit wurden umfassende Bauten am Rathaus zu Löwenberg
ausgeführt, bei denen der Übergang zum neuen Stil sich deutlicher ausspricht.
Der Bau ist in seinem Kern samt dem stattlichen, viereckigen, von einer barocken
Kuppel bedeckten Turme ein Werk des früheren Mittelalters. Die östhche Haupt-
fassade, nach Dr. Wernickes Angabe mit 1523 bezeichnet, zeigt einen Stufengiebel
in gotischer Weise und eine mit einem Dach versehene Freitreppe, die zum Portal
hinaufführt, wie es so oft an unseren alten Rathäusern vorkommt. Die Archi-
tektur der Ost- und Südseite ist eine in auffälliger Weise an frühe französische
Art erinnernde: im Erdgeschoß sind große, zu zweien verbundene, durch Kreuz-
pfosten geteilte Doppelfenster angebracht; sie sind von etwas schwerfällig be-
handelten gerieften Pilastern mit ornamentierten Friesen eingefaßt; darüber liegt
ein unsicheres Gesims. Die noch ganz unverstandene Ornamentik der Kapitelle
und Friese wie die ganze Erscheinung, verbunden mit den Jahreszahlen 1522 und
1523 erregen ohne weiteres die Erinnerung an die Tür und Bekrönung W. Roß-
kopfs in Gröditzberg und mögen ihm wohl zugeschrieben werden können ; auch
die scharfkantig vorspringenden Strebepfeiler zwischen den Fenstern rufen dessen
mittelalterliche, hier freilich französische Art ins Gedächtnis. — Das Obergeschoß
der Südseite aber hat in der Mitte 1546 eine rein italienische Zugabe erhalten: vier
Fenster mit Segmentgiebel auf Konsolen, dabei einen flachen Erker mit Pilastern
an den Ecken. Alle Sohlbänke ruhen auf Konsolen. Diese wie alle Details sind
von allergrößter Feinheit, auch die ProfiUerungen. Die Pilasterkapitelle von
raffinierter Eleganz in Blattwerk und Linie. Es mögen wohl die italienischen
Künstler vom Brieger Schloß hier eine kleine Extratour gemacht haben. So wenig
auffallend dieser Architekturteil sein mag, so überraschend ist er bei näherer
Betrachtung.!) Außerdem ist in Löwenberg nur noch in einem Patrizierhause
ein Arkadenhof mit Säulen vom Jahre 1541 und an einem Vorstadthause ein
Überrest eines reich gemalten Sgraffitofrieses hervorzuheben. Das in der Nähe
gelegene Schloß Matzdorf ist ebenfalls ein schlichter Bau, dessen Formen auf
ziemlich frühe Zeit schließen lassen.
Wichtig ist das in der Nähe liegende Schloß zu Plagwitz, seit 1826
Provinzial-Irrenanstalt, ein im wesentlichen wohlerhaltenes Werk der Renaissance-
zeit, seit 1550 durch Rambold von Falkenberg, Herrn auf Plagwitz, errichtet.
Nach außen bietet der um einen rechteckigen Hof angelegte dreistöckige, mit
einigen Giebeln und einfachen Fenstern ausgestattete Bau nichts Bemerkenswertes;
nur das Hauptportal zeigt eine reiche und zugleich originelle Komposition. Doppelte
Rahmenpilaster, die inneren kräftiger vortretend, fassen das breite, leider durch
Restauration etwas entstellte Rundbogenportal ein. Die Flächen der Pilaster sowie
der Sockel, auf dem sie ruhen, sind mit feinen Frührenaissance-Ornamenten be-
deckt; die Kapitelle zeigen die Kompositaform. Auch der Bogen wird von einem
gurtartigen Rahmen umfaßt, der mit zierlichen Rosetten dekoriert ist. Zwei
Porträtmedaillons füllen die Zwickelflächen. Den Oberbau bilden zunächst zwei
Friese, durch kräftig gegliederte Gesimse getrennt und bekrönt, jeder mit je zwei,
also im ganzen mit acht reich behandelten Wappen prächtig geschmückt. Über
diesem Ganzen erhebt sich in der Mitte ein beträchtlich schmalerer Teil in Form
1) Abb. bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. 74, 75.
156
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
einer ein Fenster des oberen Stockwerkes in sich schließenden Attika. Reich
ornamentierte Pilaster rahmen auch diesen Teil ein, der zu beiden Seiten durch
etwas schlaffe Voluten zu dem breiten Unterbau übergeleitet wird. Reich ver-
schlungenes Rankenwerk krönt in der Mitte das Ganze. Die Komposition ist
indes bei allem Reichtum der Ausführung etwas lahm, der Behandlung des
Einzelnen fehlt es an Energie und Schärfe.
Abb. 81 Hof des Schlosses Plagwitz
Der interessanteste Teil des Schlosses ist der Hof, den Abb. 81 darstellt.
In dem Rosettenschmucke in den Archivolten und sogar den Wandpilastern klingt
er an das Portal an. Die weitgespannten Arkaden mit den kraftvoll stämmigen
ionischen Säulen, die obere Galerie, deren Dach direkt auf kleineren Säulen-
stellungen ruht, vor allem die malerische Anlage der Treppe innerhalb der Arkade
links vom Eingange, verleihen dem Ganzen ein Gepräge von starker Eigenart.
Der Architekt des Baues war vermutlich Franziskus Bahr (Parr, Bahr), auf den
wir beim Schlosse in Brieg noch näher einzugehen haben. Charakteristisch für
ihn (oder auch für die Familie Pahr) sind die Hofhallen, wie wir sie hier, dann
in Brieg und Güstrow finden ; derbe ionische Säulen mit Vertikalstreifen darüber,
zwischen die die Rund- oder Stichbogen der Arkaden gespannt sind. Darüber
eine Dockengalerie mit Postamenten, auf denen die kurzen Säulen der oberen
Halle stehen. Letztere ist horizontal überdeckt. Hierauf kommen wir in Brieg
zurück.
Eine völlig verschiedene Behandlungsweise zeigt das Portal des Schlosses
zu Hayn au, nach Vermutung des Dr. Wernicke vielleicht ein Werk des Bres-
Haynau Bunzlau
157
lauer Stadtbaumeisters Jakoh Groß^) der um 1550 dort tätig war. Der im Rund-
bogen sich öffnende Eingang (Abb. 82) ist mit reich ornamentierten Rahmen-
pilastern eingefaßt, die benachbarten beiden Fenster aber sind durch ähnliche,
jedoch beträchtlich kürzere Pilaster mit dem Portal zu einer Gruppe zusammen-
gefaßt: eine Komposition, die an die oben besprochene reizvolle des Erdgeschoßes
am Rybisch-Hause Junkerngasse 2 in Breslau stark anklingt, obwohl ihre Aus-
führung schwächere Hände zeigt. Ein ziemlich hoher Fries zieht sich über
dem Ganzen hin, im Mittelfelde mit den Brustbildern des Erbauers Friedrichs II.
und seiner Gemah-
lin, sowie den bei-
den Wappen ge-
schmückt, während
die Seitenfelder
eine in Figuren aus-
lauf ende Akanthus-
ranke füllt. Über
demMittelfeldeend-
lich eine Inschrift-
tafel von 1546 und
47, durch ein an
den Enden in Volu-
ten aufgerolltes Ge-
sims in Halbkreis-
form eingerahmt.
Das ganze Werk
zeugt von Opu-
lenz, entbehrt da-
bei keineswegs der
Anmut.
Von erstaun-
licher Frische und
Freiheit unter den Abb. 82 Portal vom Schloß Haynau
Schöpfungen jener
Epoche zeugt das prächtige Portal eines Wohnhauses am Ring zu Bunzlau,
welches Abb. 83 darstellt. Die einfassenden abgeschrägten Pilaster sind flach aus-
gehöhlt, mit feinem Flachornament überzogen ; am unteren Ende sind zwei Sitz-
steine vorgezogen, wie sie die Portale der Bürgerhäuser jener Zeit in Hessen,
Thüringen und Sachsen gerne zeigen. Zwei Engelsköpfchen am oberen Gesims
breiten gleichsam schützend ihre Flügel über die Sitzenden aus. Das Prachtstück
dieses Portals ist aber das üppige Laubgewinde, das mit virtuoser Meisterführung
fast frei aus dem Grunde herausgearbeitet, die breite Archivolte bekleidet. Auch
der abschließende Fries zeigt eine ähnliche Dekoration. Gering dagegen sind
die Atlanten, welche, in aufgerollte Kartuschen eingewickelt, den Seitenabschluß
bilden, wunderlich vollends die Quaderbehandlung der Bogenzwickel mit ihren
zwei Kriegerköpfen im stärksten Hochrelief in der Mitte. Der Baumeister be-
durfte allerdings eines solchen Fortissimos, um mit der übrigen Dekoration Schritt
zu halten. Die Behandlung erinnert so sehr an die in Abb. 103 mitgeteilte Gör-
litzer Fassade, daß man auch hier wohl die Arbeit eines dortigen Architekten
oder doch den Einfluß der Görlitzer Schule annehmen muß. Vielleicht ist es ein
1) Hahr allerdings vermutet in Franciscus Pahr den Baumeister, weil dieser 1574 in
Haynau seinen Wohnsitz gehabt habe. Doch widerspricht schon die Art der Architektur dieser
Annahme. (Aug. Hahr, die Arehitektenfamilie Pahr, Straßburg, 1908, p. 287.)
158
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Werk des jüngeren Wendel Roßkopf ^ der nach Dr. Wernickes Angabe in Dünzlau
tätig gewesen ist, während er in seiner Heimat als Nachfolger seines gleich-
namigen Vaters das Amt des Stadtbaumeisters bekleidete.
Ein Prachtstück der Spätrenaissance ist das Portal des Schlosses zu
Gießmannsdorf im Kreise Bunzlau. Es verwendet alle Formen der Renais-
sance in einer starken Steigerung des Ausdrucks, doch ohne eigentliche Barock-
elemente, so daß die Wirkung in hohem Grade plastisch-schwungvoll und doch
zugleich edel ist. Der
große Portalbogen ist
an seiner breiten Ein-
fassung, sowie an den
tragenden Pilastern,
mit geflügelten Engel-
köpfen und weiblichen
Masken gänzlich be-
deckt ; schwebende Ge-
nien, von etwas un-
geschickter Haltung,
füllen die Bogenzwik-
kel, zahlreiche Wap-
pen in zwei Reihen
übereinander die hohe
Attika. Ein üppiger
Aufsatz mit Allianz-
wappen, dessen Rah-
men von aufrechtste-
henden Greifen gehal-
ten werden, schließt
das Ganze ab. Um
diese Fülle plastischen
Lebens in festem Rah-
men zusammenzuhal-
ten, bilden zwei auf
geschmückten Stylo-
baten stehende Säulen
mit Kompositakapitel-
len eine kräftige, sich
in den mit Figuren
von Tugenden geschmückten Verkröpfungen des Frieses fortsetzende Einfas-
sung. Auch die Mitte des Frieses springt über einer kräftigen Maskenkonsole
vor und ist mit einer dritten weiblichen Gestalt dekoriert. Ähnliche Figuren,
sämtlich in äußerst bewegten fliegenden Gewändern, sind am obersten Aufsatz
angeordnet.
Das Schloß selber ist einfach, doch merkwürdig durch seine drei schiefen
Giebel über der Eingangsseite, die den drei Satteldächern dahinter entsprechen;
sie sind durch krönendes Querfeld und an den Absätzen mit allerlei Getier, Sirenen,
Delphinen u. dgl. geziert, schwächlich im Umriß, doch nicht ohne malerischen
Reiz.i) (Abb. 84.)
Einen stärkeren Grad von barockem Gepräge zeigt das ebenfalls prächtig
wirkende Portal des Schlosses zu Siebeneichen bei Löwenberg; der Aufbau
ist etwas lockerer als dort, namentlich fehlt eine Attika, die den unteren Teilen
1) Abt. bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. 89.
Abb. 83 Portal eines Wohnhausos (jetzt am Ratskeller) zu Bunzlau
Siebeneichen Brieg
159
das Gegengewicht hielte; dagegen ist die Anordnung des Bogens mit breitem,
plastisch geschmücktem Rahmen, eingefaßt von zwei vortretenden Säulen korinthi-
scher Ordnung, die gleiche. Graziös wirkt die in freiem Relief den Säulenschaft
in Spiralen umwindende Weinranke. Üppige Sirenen in kräftigem Relief sind
neben dem Portal unter den Fenstern zur Seite angebracht; prächtig barock be-
handelte Wappenschilde sieht man über dem oberen Gesimse zu beiden Seiten,
während die Mitte nur ein gemaltes Wappen zeigt.
Abb. 84 Schloß Gießmannsdorf Giebelfront
Brieg
Das Hauptwerk der Renaissance in Schlesien ist ohne Frage dasBrieger
Piastenschloß, selbst in seiner verstümmelten und mißhandelten Gestalt
zugleich noch immer eine der edelsten und großartigsten Schöpfungen dieser
Epoche in Deutschland. Wiederum das Werk eines der besten Fürsten des
Landes. Georg IL, der Sohn eines ebenso trefflichen Vaters, Friedrichs IL von
Liegnitz, welchem Brieg als Erbteil zufiel, hat in seiner segensreichen, fast vierzig-
jährigen Regierung (1547—86) sein Herzogtum Brieg in einen Stand gesetzt,
daß man, wie ein Zeitgenosse sagt, das alte Land nicht mehr erkannte und das
neue nicht ohne Bewunderung ansehen konnte. Als Zeugnis seines hohen Kunst-
sinns steht noch jetzt das von ihm erbaute Schloß da. Noch unter Friedrich IL,
1547, begann der Bau, der sich an der Stelle eines früheren vom Jahre 1369,
ebenfalls schon in Stein ausgeführten, in der ganzen Pracht des Renaissancestils
erheben sollte. Wie aber sein Vater für das Liegnitzer Schloß niederländische
Meister berufen hatte, so zog Georg für seinen Bau welsche Künstler ins Land.
Wir sind durch urkundliche Überlieferungen genauer über dieselben unter-
160
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
richtet.^) Am frühesten tritt Meister Jacob Fahr oder Bahr (Bawor, Baar, Boer etc.)
aus Mailand als Schloß baumeister in Brieg auf. Mit einem Meister Antonius von
Theodor'^) erbaut er die Stadtschule. Dieser Antonius wird nur 1547 — 48 genannt.
Als sich gegen ihn und seine welschen Maurer der Neid der einheimischen regte,
nahm der Herzog ihn durch einen Erlaß vom 26. Oktober 1564, in dem er
ihm das beste Lob erteilt, in Schutz. Ein Welscher war auch Hans VorraJt,
der 1562 am Schloßbau tätig ist. Ferner wirkt 1556—88 Martin vom Turme
(Deila Torre), Hans Lugann (also wohl Giovanni von Lugano, -}- 1591), Franz Feinet
(f 1567) und in den fünfziger Jahren Antonio Marosi. Außerdem der Bruder
Meister Jakobs, Johann Baptista Fahr; der andere Bruder Franciscus war ver-
mutlich hier zuerst ebenfalls ansässig. Dagegen wurde Meister Kaspar, der 1568
erwähnt wird, unter dem Namen Kaspar Kulme als Deutscher nachgewiesen.^)
Er muß ein angesehener Meister gewesen sein, da er 1568 berufen wird, für den
Kanzler von Pernstein zu Prosznitz in Mähren ein Haus zu bauen und 1572
auf Ersuchen Joachim Emsts von Anhalt sogar nach Dessau geschickt wird.
Später nach 1565 ist Meister Bernhard Niuron (Moiiron), also wieder ein Welscher,
der Schwieger^ert^ Jakob Pahrs, beim Schloßbau in Brieg beschäftigt und auch
nach Breslau 1576 zur Erbauung des Ohlauer Tores berufen. Meister Lugann
ist 1585 mit Erbauung des Schlosses zu Nimptsch betraut. Interessant ist bei
Gelegenheit dieses Baues ein aus Prag aus jenem Jahre datierter Brief des Her-
zogs, der die dort vielfach vorkommenden, unter dem Dach hinlaufenden Balkone"*)
an seinem Schloß nachzuahmen empfiehlt.
Das Brieger Schloß, welches wir nunmehr betrachten '^), ist also ein Werk
welscher, in diesem Falle zum Teil itahenischer, wohl zum Teil französischer
Meister. Vergleichen wir es aber mit der um dieselbe Zeit von Italienern er-
bauten Residenz in Landshut, die dem strengsten römischen Palaststil der Hoch-
renaissance folgt, so erkennen wir, daß in Brieg die fremden Meister durchaus
anderer Richtung angehörten. Das zeigt schon die Fassade mit dem Prachtbau des
Portals, I. Bd. unter Abb. 118 abgebildet.") Es ist ein durchaus in Sandstein mit
größter Sorgfalt ausgeführter Bau, an allen Flächen und architektonischen Gliedern
mit einer Fülle von Ornamenten bedeckt, welche in diesem Reichtum nur in der
Frührenaissance Oberitaliens, Südfrankreichs oder Spaniens vorkommt. Um so
wirksamer hebt sich der Reiz dieser Dekoration hervor, als der Hintergrund aus
einer Quadermauer mit stark betonten Fugen besteht. Die Komposition des
Portales beruht auf der in Deutschland, noch mehr aber in Frankreich verbreite-
ten Sitte, einen großen Torweg und daneben das kleinere Pförtchen für die Fuß-
gänger anzuordnen. Die Symmetrie wird dadurch aufgehoben, aber die hiesigen
Künstler haben diese Schwierigkeiten auf gleichem Wege, doch im Erfolg glück-
licher überwunden, als die am Portal zu Liegnitz. Auch hier blieb für die Attika
nichts übrig, als zu einer rein symmetrischen Anordnung überzugehen. Sie ist
demnach mit drei prachtvoll ausgeführten Wappen geschmückt, von denen die
beiden seitlichen von Gewappneten gehalten werden. Zwischen ihnen auf den
Vorsprüngen des Gesimses sieht man die trefflich gearbeiteten fast lebensgroßen
Gestalten des Erbauers und seiner Gemahlin Barbara von Brandenburg. Dann
1) H. Luchs hat das Verdienst, in seinen Bild. Künstl. aus Schlesien S. 15 if. dieselben
veröffentlicht zu haben.
2) Vielleicht Antonio di Teodoro, d. h. des Theodor Sohn.
8) Dr. Wernicke im Anzeiger des Germ. Mus. 1878 Sp. 204.
4) Jetzt z. B. noch am Palast Schwarzenberg erhalten, vgl. oben S. 118.
5) Eine Beschreibung, mit Bezug auf eine ältere Abbild., gibt H. Luchs in Schles. Vor-
zeit in Bild und Schrift II, S. 32 ff.
ö) Photolithogr. Abb. bei A. Schultz a. a. 0. Vgl. Engel u. Poetsch in Ortweins D. Ren.
Abt. XI.
Brieg Piastenschloß
161
folgt das Hauptgeschoß mit drei großen Fenstern von schönen Verhältnissen und
endlich ein niedrigeres zweites Stockwerk, heide durch eine Doppelreihe von
Brustbildern fürstlicher Ahnen getrennt. Die Portale und sämtliche Fenster
werden durch ein Doppelsystem von Pilastern der feinsten korinthischen Ordnung
umrahmt, von denen die größeren die vertikale Gliederung der Fassade bewirken.
Die Fülle des Ornaments, das alle Flächen, die Pilaster, Friese, Bogenfelder,
Abb. 85 Innoro Ansicht vom Tore des Piasteiischlosses zu Brieg
Postamente bedeckt, ist unerschöpflich; seine Ausführung zeugt von verschiede-
nen Händen. Bei geistreicher Erfindung und großer Mannigfaltigkeit der Phan-
tasie ist die technische Behandlung öfters etwas stumpf. Von hoher Schönheit
und rein italienischer Durchbildung sind die Akanthusgewinde der beiden Posta-
mente an den Ecken der Attika; von deutschen Händen dagegen das etwas trockne
Rankenwerk über dem kleinen Portal. Die Kapitelle zeigen sämthch durchge-
bildete korinthische Form. Die Archivolten sind unten mit eleganten Kassetten
und Rosen darin geschmückt. Trefflich sind die vielen Porträtbilder ausgeführt,
sehr lebensvoll die beiden Hauptgestalten, nur die Dame durch gar zu ängstliche
Ausführung des Zeitkostüms etwas beeinträchtigt. Am obersten Fries best man
die Sinnsprüche: „Verbum domini manet in aeternum. — Si deus pro nobis
quis contra nos. — Justitia stabit thronus." Auch sonst bei den zahlreichen
Bildnissen eine Menge von Beischriften, so daß auch nach dieser Seite der Bau
zu den reichsten seiner Art gehört.
Es ist dabei noch zu bemerken, daß einst über dem Hauptgesimse eine
durchbrochene, reiche Ornamentgalerie das Ganze bekrönte; ein fremdartiges
Motiv. — Dazu war der Torbau durch einen doppelt durchsichtigen, turmartigen
Aufbau abgeschlossen. Da oben über dem Hauptgesimse hatte die Musik bei
Einzügen u. dgl. ihren Platz.^)
1) Versuch einer Wiederherstellung des einstigen Zustandes bei H. Kurz, Das Schloß der
Piarsten zum Briege, Brieg 1883. Taf. I. II.
Lübkc-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 11
162
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Eine weite, mit Tonnengewölbe bedeckte Einfahrtshalle (A in Abb. 86) führt
nach dem großen Hofe B, wo sie sich in einem gewaltigen, etwas zugespitzten
Bogen von fast 9 Metern Spannung öffaet. (Abb. 85.) Auch dieser Bogen ist
wieder ein Prachtstück der Dekoration, an den einfassenden Pfeilern mit korinthi-
schen Pilastern dekoriert, die mit Trophäen und Emblemen aller Art in etwas
zu großem Maßstabe geschmückt sind. Die Archivolte selbst ist in origineller
Abb. 83 Grundriß und Durchschnitt des Schlosses zu Brieg
Weise als mächtiger, von Bändern umwundener Eichenkranz charakterisiert, so
daß man den Eindruck einer Triumphpforte bekommt. In den Zwickeln sind
die Wappen des Herzogs, sowie des ihm verschwägerten Joachim von Branden-
burg angebracht, dabei die Jahreszahl MDLI, während am äußeren Portal 1552
steht. An einer kleinen Nebenpforte liest man: „Vortruen darff aufschauen".
Die Eingänge in den Keller sind in derber Grottenrustika gehalten, am glatten
Kämpfer aber ein schöner Meereswellenfries.
Der Hof muß in seiner ursprünglichen Vollendung einen unvergleichlichen
Eindruck gemacht haben. ^) Nicht bloß der Reichtum der durch zwei Geschosse
führenden ionischen Bogenhallen (Abb. 87), über denen noch eine auf unserer Zeich-
nung fehlende Säulenhalle mit geradem Gebälke herlief — die Zahl ihrer Säulen
war die doppelte — , die prachtvoll umrahmten zahlreichen Fenster und Portale der
1) Bei Kurz a. a. 0. Taf. III leider nicht zutreffend und in Durchbildung wenig befriedi-
gend dargestellt.
164
2. Buch Die Bauwerke XIII, Kapitel Schlesien
oberen Stockwerke, die originellen frei und phantastisch antikisierenden Porträt-
medaillons in den Bogenzwickeln, sondern mehr noch die ungemeine Größe der
Verhältnisse stempelten ihn zu einem Bauwerke ersten Ranges. Die mächtigen
Achsen der unteren Säulenstellungen von 5 Metern finden an deutschen Bauten der
Zeit kaum irgendwo ihresgleichen; dazu kommt eine Stockwerkhöhe von gegen
6 Metern, die ebenfalls für nordische Verhältnisse höchst beträchtlich ist. Das
alles ist jetzt im Zustande grauenhafter Zerstörung. Nur wenige Säulen stehen
noch aufrecht; am östlichen Hauptbau und in dem lang hingestreckten nördlichen
Flügel lassen sich die ehemaligen Säulenstellungen in Spuren verfolgen. Hier
ist auch in der Ecke die diagonale Stellung der Säulen und die damit verbun-
dene Treppenanlage bemerkenswert. Der Haupteingang lag, wie man sieht, nicht
in der Mitte des östlichen Flügels, sondern weit nach Süden vorgerückt, wo eine
zweite Treppe (vgl. Abb. 86) in der Ecke gegen den fast ganz zerstörten südlichen
Flügel sich findet. Beide Treppen sind in einfachem, rechtwinklig gebrochenem
Lauf mit Podesten angelegt. Auf die sonst in der deutschen Renaissance so be-
liebten Wendelstiegen hat man verzichtet. Nördhch wird der Hof durch dürftige
spätere Nebenbauten abgeschlossen. Ein Rest der mittelalterlichen Anlage da-
gegen ist noch jetzt in der Schloßkirche erhalten, deren Chorschluß südlich neben
dem Hauptportal nach außen vorspringt. Von der überreichen Ausstattung des
Innern, von der berichtet wird, ist aber keine Spur mehr vorhanden. Der Pracht-
bau ist seit der gewaltsamen Zerstörung im Jahre 1741 durch Friedrich den Großen
im Siebenjährigen Kriege eine mehr und mehr verfallende Ruine.
Die Bedeutung des einst so glänzenden Bauwerks liegt darin, daß wir
hier einen Mittelpunkt der Renaissancebaukunst für Deutschland vor uns haben,
dessen Ausläufer sich nach allen Seiten erstrecken; insbesondere finden wir Be-
ziehungen der hiesigen Meister zu Plagwitz, Güstrow, Dargun und nach Schweden
hin, — anderseits zu Dresden, Dessau, Berlin. Außerdem aber haben wir hier
frühzeitig eine Kolonie italienischer und französischer Künstler, die ihre Formen-
welt hierhin überpflanzten und die nordische junge Renaissance mit ihr be-
reicherten und befruchteten.
Die Familie Fahr, wenn sie auch aus Mailand hierher übersiedelte, dürfte
doch ursprünglich aus Frankreich stammen, wie gewisse Eigentümlichkeiten ihrer
Bauwerke beweisen: die Einfassung der Fenster mit Ornamentpilastern ist in
Frankreich, aber nicht in Italien zu Hause; noch mehr aber die eigentümliche
Arkadenform im Hofe, kurze Säulen mit vertikalen Pilasterslücken darüber,
zwischen die sich die Bögen — oft als Segmentbögen — einpassen. Ich habe
schon bei Plagwitz auf diese eigenartige Form aufmerksam gemacht. Sie kehrt
also hier in Brieg, dann in Güstrow wieder, zuletzt in Schweden in Upsala;
außerdem in Brieg am Rathaus. Alle diese Bauwerke sind von den Mitgliedern
der Familie Pahr erbaut. Das Vorbild dieser Bogenform ist aber nirgends in
Italien, wohl aber häufig in Frankreich zu finden. Zuletzt ist der dreistöckige
Portalbau (Ecouen, Gaillon etc.) mit der Statue des Bauherrn, meist zu Pferde,
dort zu Hause; auch die Reihen von Halbfiguren über dem Eingang und so
manches andere. Das Schloß zu Güstrow aber, das Werk des Franciscus Pahr,
ist schon lange als höchst französisch empfunden worden, insbesondere wegen
seiner Eckpavillons und ähnlicher Eigenheiten.
Die Ornamentierung und Detaillierung dagegen ist dies nur zum Teil;
die Mitwirkung der Italiener ist an dem Vorbau des Portals, wie an den
noch die sonst traurig-kahlen Wände im Schloßhof zierenden Fenster- und Tür-
einfassungen, die einst auf die Bogenhallen gingen, deutlich zu erkennen.
Eines dieser Portale kann sogar als eine getreue Kopie des Hauptportals von
S. Lorenzo zu Lugano bezeichnet werden. Und gerade aus Lugano kamen ja
Brieg
165
mehrere der Helfer des Jakob Pahr — vielleicht auch sein Schwiegersohn Bern-
hard Niuron.
Die vollendete Schönheit und Klarheit der Verhältnisse dieser Teile im
südlichen Sinne, wie des größten Teiles ihrer Ausführung, findet denn in Deutsch-
land wohl nicht mehr ihresgleichen.
Abb. 88 Eathaus zu Brieg
Von den öffentlichen Gebäuden der Stadt ist zunächst das Gymnasium
zu nennen, das Herzog Georg durch denselben Meister Jal-oh Fahr bis 1564 er-
richten ließ. Ein schlichter Bau, der von seiner ursprünglichen reichen Ausstat-
tung wenig aufweist. Augenscheinlich war die Ausführung hier in geringere
Hände, vielleicht von deutschen Steinmetzen, gelegt; wenigstens ist das Portal
mit dem kleinen Pförtchen daneben eine ungeschickte Arbeit, von mißverstande-
nen ionischen Halbsäulen umfaßt, in den Zwickeln schlecht gezeichnete Figuren
der Religion und der Gerechtigkeit. Ueber dem Portal zwei reich gemalte Wap-
pen, von plumpen Engelknaben gehalten. Bei dem kleinen Pförtchen ist es auf-
fallend, daß kein Schlußstein, sondern eine Fuge in den Scheitel des Bogens trifft.
Weit ansehnlicher ist das Rathaus, zwar gering und flüchtig in der Be-
handlung der Formen, aber durch malerische Gruppierung anziehend (Abb. 88).
Die beiden Türme, welche die Fassade flankieren, schließen eine auf drei toska-
nischen Säulen ruhende Vorhalle ein, über welche eine auf Holzsäulen ruhende
166
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
leider modernisierte obere Halle die Verbindung im Hauptgeschoß bildet. Das System
dieser Halle war wieder das Pahrsche aus dem Schloßhofe in Brieg, Plagwitz und
Güstrow. Die Haupttreppe, rechtwinklig mit vier Podesten um den mittleren qua-
dratischen Mauerkern emporsteigend, liegt in dem links befindlichen Turm, eine
untergeordnete hölzerne in dem andern. Die obere Vorhalle mündet auf ein schlicht,
aber elegant behandeltes Portal, mit schönen Fruchtschnüren und Löwenköpfen
dekoriert; in den Bogenzwickeln zwei weibliche Figuren. Im Innern haben die
Türen einfache, doch schön komponierte Renaissancerahmen. Die Ausführung
könnte wohl von Italienern herrühren. ^)
Seine Bedeutung hat indes der Bau,
wie gesagt, weniger durch die Einzel-
formen, als durch die treff hebe Grup-
pierung des Äußeren. Die Treppen-
türme mit der Vorhalle, das hohe
Dach mit seinen Giebeln, das alles
überragt von dem mächtigen Haupt-
turm, macht dies Rathaus zu einem
der malerischsten in Deutschland.
Der bürgerliche Privatbau
in Brieg gehört meist der Schluß-
epoche an. Von Werken der Früh-
renaissance habe ich nur die kösthche
kleine Fassade Burgstraße Nr. 6 zu
verzeichnen. Zwar das Bogenportal
mit seiner Rustika, auf jedem Quader
ein Kopf oder eine Rosette, ist von
geringerer Hand; aber die ionischen
Pilaster, die das Erdgeschoß gliedern,
mit ihren prächtigen Arabesken, na-
mentlich aber der Fries mit seinen
Patten, die ein Wappenschild halten,
mit Seepferden spielen und andern
Mutwillen treiben, gehören in der
geistreichen Erfindung, dem freien Schwung der aus dem Grund sich fast völlig
lösenden Arbeit zum Trefflichsten, das wir in dieser Art besitzen. Im oberen
Geschoß gliedern vier kleinere ionische Pilaster, ebenfalls reich ornamentiert, die
Flächen. Den Abschluß bilden spätere zopfige Vasen. Auch über der Tür ist
eine ähnliche Verballhornung eingetreten. Die oberen Teile der Fassade, die jeden-
falls ursprünglich gleichmäßig durchgeführt waren, sind jetzt ganz nüchtern mo-
dernisiert. Leider sind auch die schönen Ornamente durch dicke Tünche entstellt.
Ob das G. M. über dem Portal auf den Baumeister zu deuten ist, muß dahin-
gestellt bleiben.
Die übrigen Privatbauten der Stadt gehören der letzten Epoche der Re-
naissance. Sie zeigen fast sämtlich den Giebelbau in mannigfaltigster Weise
entwickelt, und zwar sehr verschieden von der in Breslau herrschenden Aus-
prägung. War dort die plastische Gliederung zugunsten eines mehr malerischen
Prinzips vernachlässigt, so tritt hier die erstere in ihr volles Recht. Nicht bloß
daß kräftige Pilaster und Säulenstellungen mit reich durchgeführten Gesimsen die
1) Diese Vermutung -wird dadurch bestätigt, daß nach Dr. Werniokes Bericht ira Anzeiger
des Germ. Mus. 1878 Sp. 202 der welsche Meister Elias Massara 1570 aus Breslau für den
Rathausbau nach Brieg berufen wurde, um zwei schöne Türen zu 24 rth., Tier andere Türen zu
8 rth. und noch zwei Türen und sechs Fenster zu machen.
Brieg
167
Flächen rhythmisch beleben, auch ein reiche-
rer Ornamentalschmuck in FlachreHef, meist
in Stuck ausgeführt, tritt hinzu. Aber noch
interessanter werden diese Fassaden dadurch,
daß sie häufig in zwei Giebel zerlegt sind,
oder gar in der Mitte einen vollständigen
Giebel zeigen, der von zwei halbierten be-
gleitet wird. Diese Häufung kleiner Giebel,
die bei anderen Gelegenheiten sich noch er-
hebUch steigert, weist wieder auf Böhmen
und polnische oder slawische Gewohnheiten.
Die erstere Form kommt in sehr eleganter
Weise an einer kleinen Fassade der Wagner-
straße Nr. 4 zur Erscheinung (Abb. 89). Hier
ghedern eingeblendete ionische Säulen in wirk-
samer Weise die Flächen, auf kräftige Voluten
gestellt, die einen vollständigen Fries bilden.
Die Fenster sind mit geränderten und fasset-
tierten Quadern eingefaßt, die größeren Flächen
durch Metallornamente belebt, die Silhouette
außerdem durch kraftvolle Voluten bereichert.
Die unteren Teile der Fassade sind mit Ein-
schluß des Portals ganz einfach. Ähnlichen
Doppelgiebel zeigt das Haus Burgstraße Nr. 2,
mit derben Pilastern und einfachen Voluten aus-
gestattet; das Portal in reicherer Weise mit
hübschem Laubornament, welches die korinthi-
sierenden Pilaster und die Archivolte bedeckt,
während der Fries Metallornamente zeigt. Die
andere, für Brieg besonders charakteristische
Auffassung mit einem ganzen und zwei hal-
bierten Giebeln sieht man in zierlicher Weise
durchgeführt an dem Hause Burgstraße Nr. 22
vom Jahre 1614. Auch hier kommen die ein-
geblendeten Säulchen vor, zwischen welchen
eine Muschelnische einen hockenden wappen-
haltenden Löwen aufnimmt. Besonders elegant
sind die aus Eisenblech geschnittenen Wind-
fahnen. Zur höchsten Pracht ist dies Fassaden-
motiv am Ring Nr. 29 entwickelt (Abb. 90).
Oben am Fries best man: Fidus in perpetuum
benedicitur. 1621. Auch hier treffen wir die
eingeblendeten Säulchen; aber alle Flächen
sind mit Metallornamenten übersponnen, wie
ich kein zweites Beispiel kenne, alles in kräf-
tigem Relief, als wäre die ganze Fassade mit
kunstvollen Eisenbeschlägen bedeckt.^) Rein
Abb. 90 Hausgiebel aus Brie^
malerische Behandlung zeigt endhch das Eckhaus der Wagnerstraße und des Ringes,
nach dem Platze mit Doppelgiebel vortretend, in allen Flächen mit hellen Blumen-
ranken auf dunklem Grunde geschmückt, allerdings erst aus dem 18. Jahrhundert,
aber in guter Tradition einer früheren Zeit, dabei von prachtvollster Wirkung.
1) Abgeb. bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. 91.
168
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Neiße
Hier hatten die Bischöfe von Breslau seit früherer Zeit ein Schloß, das
Jakob von Salza nach einem Brande 1523 wieder aufbaute. Von diesem Werke
ist aber nichts mehr erhalten, da an seiner Stelle im vorigen Jahrhundert der
noch jetzt vorhandene nüchterne Bau aufgeführt wurde. Wohl aber bewahrt die
Pfarrkirche, eine mächtig hohe gotische Hallenanlage, im nördlichen Teile
des Ghorumgangs das Grabmal dieses 1539 verstorbenen Bischofs. Es ist ein
Freigrab in Form einer Tumba, auf welcher die Gestalt des Verstorbenen aus-
gestreckt liegt. Feines Laubwerk im Stil der Renaissance bildet die Einfassung,
und in den einzelnen Feldern sind als Ausdruck der humanistischen Strömung
jener Zeit, welche die christlichen Anschauungen völlig zurückgedrängt hatte,
vier antike Heldenköpfe in schönen Lorbeerkränzen angebracht. An der einen
Schmalseite das treffhche Brustbild des Verstorbenen, auf der andern ein possier-
licher kleiner Knabe mit Weihbecken und Weihrauchfaß, während zwei nackte
Genien die Inschrifttafel halten. Es ist ein feines Werk der Frührenaissance,
offenbar aber von der Hand eines französischen Bildhauers, und trägt den Stem-
pel des Stils Franz L in allen Einzelheiten. Wirkungsvoller in einer Kapelle
der Südseite das Grabmal des Bischofs Promnitz (f 1562), ein großartiger, auf
drei stämmigen Säulen und eben so vielen Halbsäulen an der Wand ruhender
Baldachin, darunter auf einem Sarkophag ausgestreckt die Gestalt des Entschla-
fenen, der den Kopf auf den Arm stützt. Die Einwirkung des Breslauer Rybisch-
denkmals ist unverkennbar; das feine Laubwerk, der Bogen, Zwickel und Wand-
felder gut behandelt, die Figur selbst jedoch, abgesehen von dem tüchtig auf-
gefaßten Kopfe, von mäßiger Arbeit.^)
Unter den zahlreichen bürgerlichen Bauten der malerischen Stadt nimmt
das Rathaus den ersten Rang ein. Es ist eine im Kern noch aus dem Mittel-
alter herrührende Anlage, durch einen hohen gotischen Turm mit schlanker Pyra-
mide und geschweiften Bogenfenstern ausgezeichnet. In der Spätzeit der Renais-
sance erfuhr der Bau bedeutende Umgestaltungen, kräftige Rustikaportale ent-
standen, vor allem der bis in die Mitte des Platzes vorspringende Flügel der
Stadtwage vom Jahre 1604, den unsere Abb. 91 veranschaulicht. Es ist eine
der best komponierten Fassaden dieser Epoche, durch die imposante Vorhalle auf
Rustikapfeilern, die gruppierten Fenster, das mächtige Kranzgesimse, vor allem
aber den großartig aufgebauten Giebel prachtvoll wirkend. Bemerkenswert ist
namentlich der reiche bildhauerische Schmuck, der mit einer Justitia in der Nische
des Hauptgeschosses beginnt und auf der Spitze des Giebels mit einer Figur
der Rehgion endet.
Die Wohnhausfassaden von Neiße haben einen Gesamt charakter, der
sich ebensowohl von dem Breslauer wie von dem Brieger unterscheidet und den
erfreulichen Beweis liefert, daß wir es in allen diesen Städten mit selbständigen
Bauschulen zu tun haben (Abb. 92). Die Neißer Giebelfassaden sind weit kräf-
tiger durchgebildet als die Breslauer und selbst als die Brieger. Sie gehen in der
plastischen Durchbildung noch einen Schritt über die letzteren hinaus; wo jene
eingeblendete Säulchen anzuwenden lieben, findet man hier markige Pilaster, oft
wie am Rathause hermenartig nach unten verjüngt. Dazu kommen in der Regel
energisch ausgebildete Schnecken am Giebelrand. Mehrfach findet man aber ein
Giebelmotiv, das von dieser reicheren Silhouette Abstand nimmt und die steile
Dachhnie nur durch kleine, mit einem Giebeldach herausspringende Baldachine
für die einzelnen Stockwerke unterbricht. Diese ruhen dann auf Pilastern, welche
1) Bei Lutsch, Bilderwerk, Taf. III, 1 u. 2.
170
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Abb. 92 Häusergiebcl aus Neiße
an der Giebelwand fortgeführt werden. So zeigt es ein einfaches Haus in der
Bischofstraße Nr. 72, woran sich aber der Architelit durch ein prächtiges Portal
schadlos gehalten hat. Die dorischen Pilaster und der abschließende Giebel, der
in der Mitte das bischöfliche Wappen trägt, sind mit Metallornamenten und fas-
settierten Quadern dekoriert, die Bogenzwickel mit hübsch gearbeiteten Wappen
gefüllt, die Seitenwände nach einem in der deutschen Renaissance beliebten
Motiv als Nischen ausgebildet. Man liest 1592 und den Spruch: „Benedic domine
domum istam et omnes habitantes in ea." Dieselbe Giebelform findet sich, aber
ohne reichere Zutaten, am Ring Nr. 27 und noch an vier andern Häusern des
Hauptplatzes. Mit gekuppelten Pilastern und schwerbauchigen Voluten ist das
Haus am Ring Nr. 6 dekoriert, i) Besonders reich gegliedert, mit derben Gesimsen
und scharf markierten Voluten sowie energischen Pilastern, ist die Fassade am
Ring Nr. 36. Ein schlichtes Bogenportal mit fassettierten Quadern zeigt Nr. 42
daselbst. Ein ähnliches Breslauerstraße Nr. 3 im derbsten Stil mit Metallorna-
menten und Rustikaquadern. Dieselbe Behandlung, zum höchsten Reichtum ge-
steigert, finden wir an dem hohen Giebel Breslauerstraße Nr. 16, mit ganz barock
geschwungenem Profil und stelenartigen Pilastern, alle GUeder mit den beliebten
Metallornamenten wirksam überzogen. Eine der größten, derbsten und effekt-
vollsten Fassaden, in derselben Straße Nr. 23, wendet an sämtUchen Pilastern
die Rustika an und fügt zwei große Lilien als Akroterien hinzu. Auch der
kleinere Giebel Nr. 18, ebenda, ist in ähnhch ausdrucksvoller Weise behandelt.
Eine Breitfassade sieht man dagegen am Ring Nr. 32, mit zwei einfachen Rustika-
portalen, der große Flur mit Gewölben auf Rustikapfeilern, die Rippen und die
Gewölbeflächen sehr schön eingeteilt und mit Stuckornamenten geschmückt. Es
1) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 100.
Neiße Öls
171
ist aber ein später Nachzügler, denn am Portal liest man 1675. Beiläufig mache
ich noch auf das gotische Portal Ring Nr. 35 aufmerksam, das zu einem Haus-
flur mit feinen gotischen Rippengewölben führt. An der Wand im Flur die inter-
essante Darstellung eines Jüngsten Gerichts.
Von der lebhaften Bautätigkeit, welche gegen Ausgang unserer Epoche
hier geherrscht, zeugt auch das Breslauer Tor, dessen viereckiger, gotischer
Turm durch phantastisch barocke Giebel auf allen Seiten, und dazwischen durch
halbrunde Aufsätze mit Zinnen in höchst malerischer Weise geschmückt ist.
Ein Prachtstück kunstvoller Eisenarbeit endlich ist der völlig mit schmiedeeiser-
nem Gehäuse auf rundem, steinernem Unterbau umschlossene Ziehbrunnen
der Breslauer Straße. Man liest daran: Aus Beheben eines loblichen Magistrats
machte mich Wilhelm Helleweg, Zeugwarter, anno 1686.^) Trotz dieses späten
Datums herrscht hier noch eine meisterliche Technik, die sich mit Reichtum der
Phantasie in dem trefflichen Rankengeflecht und phantastisch-figürhchen Ele-
menten verbindet. Das Werk wird durch Vergoldung noch gehoben. Ein recht
tüchtiges Gitter vom Jahre 1627, freilich bei weitem nicht von diesem Reichtum,
umgibt in der Pfarrkirche den Taufstein. Auch mehrere Kapeflen sind mit
guten Eisengittern dieser Zeit geschlossen.
Öls
Während von den bedeutendsten Bauwerken der Frührenaissance in Schle-
sien, den Schlössern zu Liegnitz und Brieg, nur Bruchstücke auf uns gekommen
sind, hat sich das ansehnliche Schloß in Öls, gewisse Umgestaltungen abge-
rechnet, als das hervorragendste Denkmal der folgenden Epoche unberührt er-
halten. Im wesentlichen verdankt es seine Entstehung der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Das innere Haupttor wurde laut Inschrift durch Herzog Johann
von Münsterberg -Öls (f 1565) im Jahre 1559 begonnen und 1562 fertiggestellt;
der weitere Ausbau des Schlosses rührt vom Herzog Karl IL, der bis 1616 es
vollendete ^) (Abb. 93).
Nähert man sich von der südöstlichen Seite, so gelangt man über den
alten breiten Schloßgraben zu dem äußeren Prachtportaie, das mit 1603 be-
zeichnet ist, also zu den durch Karl IL hinzugefügten Teilen gehört. Es ist
ein kraftvoll und reich ausgeführtes Rustikawerk, dessen Quaderstreifen mit
Kristall schnitten und Mustern bedeckt sind, wie sie in Nieder deutschland, insbe-
sondere an der Unterweser zu Hause sind. Prunkvoll barock ist der krönende
Aufsatz, in welchem zwei schreitende Löwen drei elegant behandelte Wappen
halten. Dazwischen schlingen sich Fruchtschnüre, wechselnd mit Masken, Löwen-
köpfen, Schnörkelwerk und begleitet von aufgesetzten Pyramiden. Das Ganze
eine flotte Komposition im Sinne jener Zeit von treff'licher Ausführung, offenbar
von einem niederdeutschen Meister, etwa aus der Bremer Gegend. Im Friese der
Spruch: „Wo Got nicht selbst behut das haus, so ists mit unsrem Wachen aus."
Der hinter diesem Vorbau aufragende Teil des Schlosses wird an der Ecke zur
Rechten von einem runden Erkerturm, der durch alle Geschosse reicht und mit
Bogenfenstern durchbrochen ist, abgeschlossen. Zur Linken springt ein recht-
winkliger Erker vor. Durch den Torweg eintretend, wo man 1563 und die Buch-
staben A. G. D. E. liest, gelangt man zu einem zweiten Portalbau, der aus einem
Torbogen und einem rechteckigen Seitenpförtchen besteht. Dies ist das frühere,
unter Herzog Johann samt Wall und Graben von 1559 — 62 ausgeführte Werk,
der „Wittumstock". Als seinen Erbauer darf man wohl Meister Kaspar Khun
^) Abb. in II. Luchs, Schlesiens Vorzeit II, Tafel 1, und bei Fritsch.
2) Abb. bei Lutsch, Bilderwerk.
172
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
bezeichnen, den wir schon in Brieg und an anderen Orten tätig fanden, und von
dem wir erfahren, daß er sich 1561 in Öls aufhielt.') Der Torbogen besteht aus
Quadern, aber die Zwickel sind mit schön geschwungenem Laubwerk ausgefüllt
(Abb. 94). Auf dem Gesimse steht eine Ritterfigur zwischen zwei prächtigen
Wappen, darüber eine Inschrifttafel, Ein Durchgang, mit Tonnengewölbe und
T
Abb. 93 Schloß zu Öls
Slichkappen bedeckt (auf unserer Abb. 96 unter dem bei A gezeichneten Gemach),
führt sodann in den äußeren Schloßhof, wo man gleich zur Rechten bei B einen
turmartig vorspringenden Bau mit geschweiftem Hochgiebel und kleinem Bogen-
portal sieht. Man liest da, daß Herzog Karl 1616 am 23. April „diese neu erbaute
Stiege sammt den Gängen" vollendete. Es ist ein kleines, aber in ausgesuchter
Eleganz durchgeführtes Werk. Im Innern zieht sich um einen quadratischen Kern
die Treppe mit rechtwinklig gebrochenem Lauf empor. Die Verbindung mit dem
Hauptgebäude vermittelt ein gewölbter Gang. Sämtliche Gebäude zeigen reiche
Spuren von Sgraffiten in Quadrierungen und bunten Linienspielen. Von hier führt
zur Linken ein gewölbter Torweg bis in den großen Haupthof, der ein fast qua-
dratisches Viereck von imposanter Ausdehnung bildet, an der schmälsten Stelle
noch über 30 Meter breit. Zur Linken tritt ein gewaltiger runder Hauptturm D,
an dessen Galerie die Jahreszahl 1608, in den Schloßhof vor.
1) Dr. Wernicke im Anz. des Germ. Mus. 1878 Sp. 204.
Öls
173
Das Interessanteste der durch Größe und malerische Abwechslung ungemein
anziehenden Baugruppe sind die Verbindungsgänge, die als offene Galerien den
Bau begleiten (Abb. 95). Zur Linken laufen auf mächtigen Steinkonsolen in
beiden oberen Geschossen solche Gänge hin, der obere durch ein auf Holzsäulen
ruhendes Dach geschützt. Beide setzen sich um den runden Turm fort, und der
des ersten Stockes zieht sich dann am vorderen Flügel H als Holzgalerie hin,
die auf dem vortretenden Mauerwerk des Erdgeschosses ruht. Eine Freitreppe
führt bei E zum Hauptportal
des hohen Erdgeschosses und
zugleich auf einen offenen ter-
rassenförmigen Gang, der sich
an dem Flügel F hinzieht und
auch hier durch eine Treppe
zugänghch ist. Am Ende die-
ses Flügels tritt ein viereckiger
turmartiger Vorbau in den Hof
vor. Von diesem zieht sich wie-
der eine gemauerte Terrasse im
Erdgeschoß längs des Flügels
G hin, die dann in der Ecke
durch eine offene Treppe mit
der Galerie des ersten Stockes
zusammenhängt. So sind in
wohlberechneter Weise die ein-
zelnen Teile der ausgedehnten
Anlage miteinander in Verbin-
dung gesetzt.
Der ganze Bau, in Back-
stein mit Verputz ausgeführt,
ist durch schön hergestellte
Sgraffiten überall belebt (Abb.
93). Die architektonischen For-
men sind durchweg schhcht,
aber mit sicherer Meisterhand
ausgeführt, die Rahmen der
Fenster und Portale derb qua-
driert, auch das Hauptportal
nur in einfacher Rustika mit
dorischen Pilastern und Tri-
glyphenfries behandelt. Das
Metallornament der Zeit ist
sparsam verwendet. Eine kleine Pforte am Turm mit gotischem Stabwerk zeugt
für das höhere Alter dieses Teiles. Oberhalb entwickelt sich der Turm acht-
eckig mit kräftiger Galerie, über welcher die Spitze mit ihrer doppelten Aus-
bauchung und Laterne aufsteigt. Stattlich wirken die hohen Dachgiebel an den
beiden Hauptflügeln, und noch reicher muß ursprünglich der AnbUck gewesen
sein, als auch der Flügel F seine beiden oberen Galerien noch besaß. Die vor-
gesetzten Dachgiebel ziehen sich auch am Äußeren des linken Flügels hin. Im
Innern ist nichts von der alten Ausstattung erhalten, und nur der große Biblio-
theksaal bemerkenswert. Die breiten Gräben, welche das ganze Schloß um-
ziehen, sind ausgefüllt, und ein wohlgepflegter Park umgibt den malerischen
Bau. Die Verbindung mit der Schloß- und Pfarrkirche wird durch einen Bogen-
Abb. 94 Hauptportal dos Schlosses zu Öls
174 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
Abb. 95 Schloßhof zu Öls
Abb. 96 Grundriß vom zweiten Stockwerk des Schlosses zu Öls
gang hergestellt. Als Meister des Baues ist durch A. Schultz Hans Lucas er-
mittelt worden. 1)
1) Abb. bei Luchs, Scliles. Fürsteiib., Taf. 226.
01s
175
Abb. 97 Schloß Grafenort
In der Pfarrkirche sind einige Grabdenkmäler der Zeit bemerkenswert.
Das einfachere, aus einer bloßen Reliefplatte bestehend, ließ 1554 Herzog Johann
seinem ein Jahr vorher verstorbenen Bruder Georg errichten. Es ist eine fleißige,
aber besonders im Figürlichen handwerksmäßige Arbeit; der Rahmen der Platte,
welche die etwas gespreizte Reliefgestalt des Verstorbenen trägt, wird durch
reiche Renaissance-Pilaster mit frei komponierten ionischen Kapitellen gebildet.^)
Prächtiger ist das Doppelgrab des baulustigen Herzogs Johann (f 1565) und
seiner 1556 ihm vorangegangenen Gemahlin Ghristina, welches der Fürst selbst
wahrscheinlich noch bei seinen Lebzeiten hat errichten lassen.^) Er berief dazu
einen fremden Künstler, Johannes Oslew von Würzburg, der sich durch eine aus-
führliche Inschrift am Monument verewigt hat.^) Die Figuren sind steif und
geistlos, aber die Pilaster, die den Sarkophag auf allen Seiten einfassen, haben
1) Anzeiger des German. Mus. 1882 Kr. 1.
2) Abbild. Lutsch, Bildwerk, Taf. 228.
3) Luchs a, a. 0. Bog. 22 a. S. 4 gibt die Inschrift nicht ganz fehlerfrei. Sie lautet : Hec
dvo Monimienta ducä elaboravif Joaes Oslew Wirczhurgeii Franco.
176 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Schlesien
zierlich behandelte Ornamente, darin phantastisch Figürliches mit Rankenwerk
sich mischend.
Abb. 98 Inneres der Schloßkirche Carolath
Von hohem Reiz, der Schloßanlage zu Öls nahestehend, doch kleiner an
Umfang, ist die zu Grafen ort (Abb. 97). Hier aber sind die Beziehungen zu
Böhmen unverkennbar; das in beträchtlicher Hohlkehle mit Stichkappen vor-
tretende Hauptgesims, die langen Reihen von kleinen Giebeln, die durchgehende
Sgraffitodekoraiion des Äußeren rufen ohne weiteres die Erinnerung an das
Schwarzenbergsche Palais zu Prag wach. — Nahe dabei das anmutige Schlößlein
Ratschin, ein Bau im rechten Winkel, dessen breiterer Teil mit Zwillingsgiebel
Sgraflitoschmuck Türme
177
von elegantem Umriß abschließt, auch einer auffallenden slawischen Form. Alle
Flächen wieder mit feiner Sgraffitoverzierung bedeckt; vorwiegend Quaderwerk.
Schloß Garolath^) ist wichtig wegen seiner schönen Kapelle, die auf drei Seiten
mit Bogengalerien auf dorischen Steinsäulen umzogen ist (Abb. 98). Die Brü-
stungen zeigen noch gotisches Mauerwerk; die ganze Art der Behandlung ist
im Lande fremd, erinnert an schwäbische Art, ebenso das an Dietterleinsche
Formen anklingende schöne Portal. Ein giebelgeschmückter Torbau mit Rustika-
portal in der Art dessen zu Öls führt zum Schlosse. — InSächsisch-Haugs-
d o r f ein malerischer Säulenhof mit zwei Arkadengeschossen ; reiche Wappen-
brüstung.^)
Das interessante Portal des 1580 erbauten Schlosses zu Guhlau bei
Nimptsch') ist besonders durch seine vollständige Bemalung wertvoll. In Kom-
position und plastischer Ausstattung allem Anscheine nach von geringerer Be-
deutung, wird es. wohl ein Werk provinzieller deutscher Steinmetzen sein. Das
Schloß mit Hof und einigen Quergiebeln steht in der Erscheinung den genannten
nah, ist aber bescheidener. Der Schlösser zu Lindenau, Hennersdorf,
Kynsburg, Schweinhaus, Borganie sei wenigstens mit Namen gedacht!
Dem hier verbreiteten Sgraffitoschmucke der Wände, besonders bei
Schloßbauten, ist noch ein Wort zu widmen. Auch er weist nach den slawischen
Nachbarländern, insbesondere nach Böhmen hin, wo wir Gleiches fanden. Vor-
wiegend handelt es sich um feine und sehr wirkungsvolle Nachbildung von
Quaderungen, so in Öls und Graf enort, sodann Einfügung ornamentaler Friese,
horizontal und vertikal, um die Fenster und an anderen passenden Stellen ; öfters
werden aber auch die Wände als reine Bilderwände mit figürlicher Darstellung
von mancherlei Inhalt geschmückt; dies besonders gerne an Giebeln, wie am
Schlosse zu Pohlwitz, zu Grafenort; an Scheunenwänden hat sich vielerlei der
Art erhalten, besonders Prächtiges zuTschocha, auch zu Sächsisch-Haugsdorf
ein statthcher, reich gezierter Scheunengiebel.'')
Nicht zu vergessen sind die vielen prächtigen Renaissance türme Schlesiens
auf Kirchen, Rathäusern und Schlössern. Lutschs Bilderwerk gibt auf seinen
Tafeln 184—191 von ihnen eine wahrhaft prächtige Übersicht. Die Städte ge-
winnen durch diese stolzen und malerischen Bauwerke erst ihr eigenartiges Ant-
litz, besonders da diese keineswegs den im übrigen Deutschland verbreiteten
Typen folgen. Das Ostland und die slawische Nachbarschaft haben da ändernd
emgewirkt. Von dem flotten spätgotischen Rathausturm zu Neiße an bis zu
dem eigenartigen Backsteinbau am Rathause zu Patsch kau, den mit reich
durchbrochenen geschweiften Spitzen versehenen zu Jauer, Ohlau, Leobschütz,
Glogau, und den malerischen Kirchtürmen zu Kosel, Leobschütz, den Doppel-
türmen zu Stolz, dem kraftvoll abgestutzten zu Patschkau haben sie alle eine
ganz besondere Art, die häufig verstärkt wird durch Zinnen- oder Giebelreihen
klemen Maßstabes nach böhmischer Manier. —
Die Oberlausitz
Aufs nächste zugehörig zu Schlesien in politischen Schicksalen und Kultur-
entfaltung ist die Lausitz. Namentlich in der hier zu betrachtenden Epoche
finden wir auch sie (seit dem 14. Jahrhundert) bei der Krone Böhmen, der sie
während der Hussitenkriege treu bheb, obwohl sie dafür die Verheerungen durch
1) Lutsch, Bilderwerk, Taf. 87, 1, Taf. 82, 86, 106.
2) Daselbst Taf. 96.
3) Bei Luchs, Schles. Vorzeit II, Taf. 29.
4) Lutsch a. a. 0. Taf. 96. Man vergleiche da die Tafeln 103, 104.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 12
j^YS 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Oberlausitz
die wilden hussitischen Scharen auf sich zog. Später, 1467, ergab sie sich frei-
willig dem mächtigen Schutze des Königs Matthias von Ungarn, erneuerte aber
zugleich den alten Bund der Sechsstädte, die durch festes ZusaramenschHeßen
mächtig und blühend dastanden und sich große Freiheiten zu erringen wußten.
Nach Matthias Tode, 1490, bUeben die beiden Markgrafschaften der Ober- und
Niederlausitz bei Böhmen und teilten während der schicksalsschweren Zeiten des
16. und 17. Jahrhunderts das Los der übrigen deutschen Gebiete Österreichs.
Die hohe Blüte des materiellen Lebens, welche die durch Handel und Gewerbe
mächtigen Städte erreicht hatten, wirkte zugleich günstig auf die geistigen Be-
strebungen ein. Die Städte der Lausitz treten früh und entschieden der Refor-
mation bei und haben dafür von den Habsburgern schwere Drangsale zu be-
stehen. Nicht minder früh nehmen sie die neue Kunstweise der Renaissance auf
und prägen sie in einer Anzahl von Denkmalen aus. Namentlich gilt dies von
Görlitz, dessen Denkmäler für die Geschichte der Renaissance in Deutschland
hervorragenden Wert haben. Schon früher wußte die Stadt in charaktervollen
Monumenten Zeugnisse einer gewissen Großartigkeit ihrer monumentalen Gesinnung
hinzustellen. In dem gewaltigen Kaisertrutzturm, der fünfschiffigen Peterskirche
mit ihrer herrlichen Raumwirkung und so manchem anderen Denkmal des Mittel-
alters spricht sich die frühe Bedeutung der mächtigen Stadt aus. Erst durch
den unglückhchen Ausgang des schmalkaldischen Krieges, an dem sie sich mann-
haft beteiligte, wurde ihre Kraft gebrochen. Sie verlor 25 Dorfschaften, mußte
ihr ganzes Kriegsmaterial ausHefern und eine bedeutende Summe zahlen.
Zu den erfreulichsten Werken der Renaissance in Deutschland gehören die-
jenigen Teile, welche die Stadt in dieser Epoche ihrem mittelalterlichen Rat-
haus hinzufügen ließ. Noch 1512-19 hatte man den Turm errichtet, als dessen
Erbauer der Steinmetzmeister Albrecht und Stadtzimmermeister Jobsten genannt
werden. Nach 1519 werden wieder Arbeiten am Turm und den anstoßenden
Teilen vorgenommen, wobei Wendel lioßkopf als Maurer- und Steinmetzmeister
beschäftigt ist. Beim Umbau der Nikolaikirche, den er ebenfalls leitete, wird von
ihm gesagt, er habe den Bau nach dem Rate des Meisters Benedix zu Böhmen,
obersten Werkmeisters des Schloßbaues zu Prag, seines Lehrmeisters, ausgeführt.
Ohne Fracke ist dies Benedikt von Ried, von dessen Wirken S. 93 und 100 die
Rede war° ein Zeugnis für den Einfluß, den die böhmische Bauschule damals
auf die benachbarten Gebiete ausgeübt hat. In der einspringenden Ecke zwischen
dem Turm und dem anstoßenden Seitenflügel wurde nun beinahe zwanzig Jahre
später (1537) eine Freitreppe angelegt, die mit geschickter Ausnutzung des engen
Raumes in gewundenem Laufe zum Hauptportal emporlührt. Vor dem Eingänge
mündet sie zur Linken auf einen Balkon, der zur Verkündigung von Sentenzen
und Verordnungen bestimmt war. Die Bedeutung des Gebäudes aber spricht auf
schlanker Säule am Aufgange der Treppe eine Juslitia mit Wage und Schwert
aus (Abb 99). Die ganze Komposition, zu der noch als Abschluß das Fenster
über dem Portal gehört, findet an Reiz malerischer Gestaltung und Schönheit der
Ausführung unter den gleichzeitigen Denkmalen Deutschlands kaum ihresgleichen.
An der Brüstung des Balkons, der auf einer originellen Stütze ruht, smd Sirenen
gemeißelt. Nicht minder anmutig ist die Säule der Justitia mit emer Harpyie
und einer nach Dürer ausgeführten Fortuna, sowie mit Fruchtschnüren geschmückt,
während das Kapitell köstliche Masken zeigt. Überall ist das Ornament smd die
feinen GHederungen ebenso schicklich verteilt wie vollendet ausgeführt. Da
Wendel Boßkopf von 1518-55 Werkmeister der Stadt war, so hat man meist an-
genommen, daß er diesen vornehmsten städtischen Bau ausgeführt hat, doch
geben die herzUch ungeschickten, mit seinem Namen bezeichneten Arbeiten auf
dem Gröditzberg zu den stärksten Zweifeln daran Anlaß. Es muß da abgewartet
Görlitz 279
Abb. 99 Eathaustreppe zu Görlitz
werden, ob die archivalische Forschung nicht noch den Namen des richtigen
großen Künstlers zutage fördert, der auch der Schöpfer des Rybisch- und
Saurschen Grabmals, wie des Hauses in der Junkergasse zu Breslau sein dürfte.
An der Brüstung liest man die Jahreszahl 1537. — Es ist ein Ganzes von un-
übertroffener Pracht, stärkster Originalität und erstaunlicher Frische. An ober-
180
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Oberlausitz
italienische Weise, die man hier stets zu finden glaubte, erinnern höchstens
die runden, in die Pilaster eingelegten Marmorscheiben, Art und Charakter des
übrigen aber weit eher an französische Werke jener Zeit. Das einzelne, so die
Konsolen über dem Türbogen, stimmt, trotz ganz erheblicher Fortschritte, hin-
reichend mit dem Portal am Liegnitzer Schlosse überein, daß wir an den gleichen
Meister denken dürfen. Und dorthin soll ein Meister aus Brabant berufen worden
sein; die vier Jahre seit 1533 könnten diesen wohl so weit gefördert haben, daß
er zu einer Leistung wie in Görlitz fähig geworden wäre. Aus derselben Zeit
datiert der kleine Hof im Innern des Rathauses, auf einer Seite mit einer Bogen-
galerie auf Pfeilern, darüber eine Teilung durch Pilaster mit Trophäen, Ornament-
bändern, Blumen und dergleichen, bezeichnet 1534; auch hier sind die Ähnlich-
keiten mit Werken der vorhergehenden Zeit in. Frankreich sehr stark.
Dagegen gehört der ebendort befindliche Erker auf zwei kolossalen, kurzen
achteckigen Pfeilern mit seltsam gebildetem ionischem Kapitell einer späteren
und derberen Behandlungsweise an, die sich auch in dem übertrieben kräftigen
Eierstab zu erkennen gibt. Kannelierte koriiithisierende Pilaster säumen die
Ecken, kleinere ionische Pilasterstellungen rahmen die Fenster ein. Man liest
denn auch die Jahreszahl 1564. Wahrscheinlich ein Werk des jüngeren Wendel
Roßkopf, der als Nachfolger seines Vaters bis 1576 als Stadtbaumeister vorkommt.
Im Innern hat der Erker ein spätgotisches Rippengewölbe. Hier saß ehemals das
Blutgericht und verkündete dem Verurteilten, der rechts die enge Treppe hinab-
geführt wurde, seinen Spruch, der dann im Hofe selbst vollstreckt wurde. Es ist
ein unheimliches Lokal, durch die vergitterten Kerkerfenster ringsum noch düsterer.
Derselben Zeit gehören noch andere Teile der inneren Ausstattung: zunächst in
einem Zimmer eine Holzdecke von 1568, von der schönsten Teilung und GUederung,
das Schnitzwerk von geringerem Wert, aber die eingelegten Ornamente köstlich.
Dies Prachtstück, durch den Tischler Franz Marqitirt und den Maler Paul Riese
ausgeführt, wurde erst 1872 wieder entdeckt. Von 1566 datiert sodann der
Magistratssaal, ebenfalls mit trefflicher, obwohl einfacherer Holzdecke, reicher
Wandbekleidung und prächtigem Portal von demselben Meister Marquirt. Auch
dieser dürfte seine Schulung im Südwesten erhalten haben; die reiche Komposition
der Tür, die auf beiden Seiten von je drei dorischen Säulen gefaßt ist, um die
prächtig geschnitzte Wappen-Lünette zu tragen, darüber kräftiges dorisches Ge-
bälk, erinnert wohl an fränkische Arbeiten der Art. Das Ganze ist mit drei
Säulen bekrönt, einen Flachgiebel tragend, zwischen sich Bögen mit Hausmarken
fassend. Die Einteilung der Täfelung mit freistehenden korinthischen Säulen ist
freilich fremdartig, um so mehr, als darauf je ein geschnitztes Figürchen steht;
auch hat die architektonische Komposition dieser Teile etwas Unsicheres. Doch
ist das Ganze prächtig und fein von Wirkung. Die zweite Tür zeigt eine steinerne
Einfassung aus spätgotischer Zeit, mit einem Ghristuskopf und kleinen Engeln.
Erwähnen wir noch ein kleines Steinportal im Innern, das im Charakter des
äußeren Hauptportals, aber einfacher durchgeführt ist, so haben wir das Wesent-
lichste berührt.
Viel früher noch als am Rathause tritt die Renaissance hier an Privat-
y bauten auf. Das erste Beispiel bietet das Haus Brüderstraße Nr. 8, das mit einer
fh'^U^L^ vorspringenden Ecke sich gegen den Untermarkt fortsetzt. Wie mit Nachdruck
hat der Meister, als wäre er sich der Bedeutung dieses frühen Datums bewußt,
zweimal daran die Jahreszahl 1526 angebracht. Die ganz oben hinzugefügte
Zahl 1617 kann sich nur auf einzelne spätere Zusätze im Obergeschoß beziehen.
Dieses Haus sowie die ganze damit zusammenhängende Gruppe, welche den
Markt und die anstoßenden Straßen umzieht, verdankt die Entstehung einem ver-
heerenden Brande, der 1525 diese Stadtteile einäscherte. Auffallend ist und bleibt
Görlitz
181
aber, daß dabei so früh und in solchem Umfange die Renaissanceformen zur Ver-
wendung kommen. Denn allem Anscheine nach tritt an der Fassade dieses Hauses
zum ersten Male die Behandlung ein, die dann an einer großen Anzahl anderer Häuser
im wesentHchen übereinstimmend wiederholt wurde. Die in Höhe und Breite un-
regelmäßigen Fenster, zu zweien und dreien gruppiert, erhalten nämhch die charak-
teristischen rechtwinklig verkröpften Rahmen der Renaissance; zugleich aber wer-
den sie in ein System von Pilas^tern eingefügt, das dann die ganzen Fassaden in
ebenso klarer als lebensvoller Weise gliedert. Es tritt also hier eine ungewöhnlich
starke Aneignung von Re-
naissanceformen frühzeitig
ein und führt zu einer an-
tikisierenden Behandlungs-
weise, die indes nichts von
der schulmäßigen Nüchtern-
heit der späteren Zeit hat.
Damit hängt zusammen,
daß die Reminiszenzen an
die Gotik schon früh fast
völlig beseitigt sind. — Das
rundbogige Portal bildet
seine abgeschrägten Seiten-
pfeiler zu Ecknischen mit
Muschelwölbung aus und ist
in allen Teilen reich und zier-
lich ornamentiert. Das Da-
tum 1617 ist mit seinem klei-
nen Schilde ein späterer Zu-
satz. DiePilaster der Fassade
haben kannelierte Schäfte
und teils ionische, teils eine
Art Kompositakapitelle. An
der Ecke gegen den Markt
springt ein diagonal gestell-
ter Erker vor, dessen Krag-
stein mit Zahnschnitten und
schlecht verstandenen Eier-
stäben dekoriert ist.
Derselben Zeit wird das Haus Brüderstraße Nr. 11 angehören,
eines der vortrefflichsten Portale, an welchem der flache Stichbogen
Abb. 100 Portal des Hauses Brüderstraße 11 in Görlitz
Es zeigt /
als Ent-
lastungsbogen über dem Halbkreis des Eingangs hübsch motiviert ist. Die reiche
Ornamentik, Rosetten, Akanthus und anderes Laub gehören dem besten und
kräftigsten Stil der Frührenaissance. Von besonderem Interesse sind die per- '
spektivisch schräg gestellten einfassenden Pilaster, ganz ähnlich wie am Rathaus-
fenster (Abb. 100). Die Fenster im Erdgeschoß und den beiden oberen Stock-
werken sind in ein System kanneherter ionischer Pilaster eingefügt. Im Rahmen-
werk der Fenster erkennt man nur noch schwache Spuren mittelalterlicher Pro-
filierung. Ganz dieselbe Behandlungsweise zeigt am Untermarkt der Gasthof zum
goldenen Baum vom Jahre 1538: die zu zweien gruppierten Fenster mit demselben .^W/vv,
Rahmenprofil und den gleichen ionischen Pilastern. Da das Haus gleich der
ganzen Häuserreihe am Markt Arkaden besaß, so hat der Architekt den Spitz-
bogen derselben sich dadurch schmackhaft gemacht, daß er ihn in gewissen Ab-
ständen mit kleinen Voluten, die als Krönung ein ionisches Kapitell haben, unter-
182
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Oberlausitz
brach. Mit der stark antikisierenden Richtung hängt es vielleicht zusammen, daß
die Görlitzer Häuser, ähnlich den Liegnitzern, fast niemals den Giebel nach der
Straße kehren. Eine der seltenen Ausnahmen sieht man am Untermarkt Nr. 23,
wo die Fenster der beiden Hauptgeschosse wieder jene streng ionisierenden Pilaster
als Umrahmung haben, während schwache Voluten den Giebel beleben.
Alle diese Fassaden wiederholen mit geringen Varianten dieselben Grund-
züge. Man erkennt
eine architektonische
Tätigkeit, die inner-
halb weniger Jahr-
zehnte, beherrscht von
einem tonangebenden
Meister, den alten Tei-
len der Stadt ihr ge-
meinsames Gepräge
gegeben hat. Der in-
dividuellen Entfaltung
ist dabei wenig Spiel-
raum gelassen. Auch
die innere Anordnung
der Häuser wiederholt
dasselbe Motiv : einen
großen Flur mit mäch-
tigen Kreuzgewölben,
der offenbar der ge-
meinsame Sitz des
Lebens und Verkehrs
im Hause war. Bis-
weilen zieht sich eine
Holzgalerie vor dem
oberen Geschoß hin,
zu welcher im Flur
dieTreppe emporführt.
Dagegen sind die Höfe
meist eng und ohne
Bedeutung. An den
Eckhäusern wird mit
Vorliebe ein diagonal
gestellter Erker ange-
bracht, der an der
Gliederung der Fassade teilnimmt, ein Motiv, welches wir in Schlesien nirgend
fanden, das aber im mittleren und südlichen Deutschland sehr beliebt ist.
Eine etwas abweichende Behandlung zeigt das Haus am Untermarkt Nr. 24.
Es ist ein Eckhaus mit schräg gestelltem Erker; die ehemalige Haustür hat un-
gemein reich dekorierte korinthische Pilaster und hübschen Akanthusfries. Die
Gliederung der Fassade bietet die Variante, daß nicht die Fenster, sondern die
Wandfelder mit ionischen Halbsäulen (statt der sonst herrschenden Pilaster) ge-
gliedert sind. Allein die gar zu lang gestreckten schmächtigen Schäfte geben dem
an sich wertvollen Motiv eine verkümmerte Erscheinung. Am Erker, wo toskanische
Halbsäulen auf Untersätzen angebracht sind, ist das Verhältnis zusagender. Solche
Halbsäulen kommen dann noch einmal Petersstraße Nr. 17 vor, jedoch in günsti-
gerer Anordnung als Einfassung der Fensterreihen in den drei oberen Geschossen.
Abb. 101 Haus Petersstraße 8 in Görlitz
Görlitz
183
Mehrfach finden sich recht zierUch gearbeitete Portale, die das sächsisch-
thüringische Motiv der Seitennischen in mannigfacher Weise aufgefaßt und ver-
arbeitet zeigen. Ein sehr elegantes Petersstraße Nr. 10 mit reicher Ornamentik:
Blattranken, Rosetten, Köpfen und anderem Figürhchen. Im Flur dieses Hauses
ruhen die Kreuzgewölbe auf eleganter korinthischer Säule. In derselben Straße
Nr. 9 ein kleines Portal von schhchter, aber kraftvoller Behandlung, Ein überaus
elegantes, reich dekoriertes ebenda Nr. 8 vom Jahre 1528, also wieder zu den
frühesten Werken gehörend (Abb. 101). Es wird von einem Architrav bekrönt,
der die hier an allen Portalleibungen mit Vorliebe verwendeten Rosetten an der
Unterseite hat und außer-
dem durch Zahnschnitt,
Eierstab und Herzblattfries
fein gegliedert wird. Dar-
über erhebt sich ein flaches
Bogenfeld mit Muschelkan-
nelierung; in den Bogen-
zwickeln Laubornament,
nicht gerade fein, aber
lebendig. Die Fenster haben
hier nicht bloß eine Um-
rahmung von korinthischen
Pilastern, sondern eine kleine
ionische Säulen- oder Pi-
lasterstellung dient den paar-
weise verbundenen zu einer
weiteren Teilung. Die Ecke
des Hauses ist merkwürdi-
gerweise mit drei überein-
ander schräg gestellten Pi-
lastern,in eigentümlicher per-
spektivischer Berechnung,
dekoriert. Auch diese Eigen-
tümlichkeit, mehrere Pilaster
ohne Gebälkunterbrechung
einfach aufeinander zu stel-
len, weist auf Frankreich.
In derselben Straße Nr. 7 ist
das Portalmotiv noch ein-
mal variiert und mit einem
Giebel in Verbindung ge-
bracht, alle Flächen reich mit Laubwerk geschmückt. Die Jahreszahl scheint
hier 1534 zu lauten. Vom Jahre 1556 datiert eine schöne Fassade am Unter-
markt Nr. 8, jetzt zum Rathause gehörig. Sie ist weit reicher behandelt als
die übrigen, deren Motiv sie ins Zierhchere zu übersetzen sucht. Das Portal
(Abb. 102) mit seinen elegant dekorierten Pfeilern wird von frei vortretenden,
aber etwas mühsamen korinthischen Säulen eingerahmt. Sie stehen auf hohen
laubgeschmückten Sockeln und tragen ein stark vorspringendes Gebälk, das an
der Unterseite mit Akanthuskonsolen und Rosetten prächtig dekoriert ist, am
Fries zierliche, aber etwas dünne Ranken mit Masken hat, in der Mitte mit
einem weit vortretenden Kriegerkopf prunkt. Ein kleines Konsolengesims bildet
den Abschluß; in den Zwickeln schweben komisch genug Adam und Eva ein-
ander entgegen. Die ganze Fassade ist außerdem im Erdgeschoß und den
Abb. 102 Portal des Hauses Untermarkt 8 in Görlitz
184
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Oberlausitz
beiden oberen Stockwerken mit Pilastern gegliedert und die Fenster haben aber-
mals Pilaster als Einfassung.
Alles andere überragt aber weit die prachtvolle Fassade der Neißstraße
Nr. 29. Hier sind alle drei Geschosse gegUedert mit korinthischen Pilastern der
feinsten Durchbildung, ganz mit Ornamenten bedeckt; dazu kommen an samt-
Görlitz
185
liehen Fensterbrüstungen Reliefszenen aus dem Alten und Neuen Testament in
malerischer Auffassung auf landschaftlichen Gründen, so daß keine Fläche un-
verziert geblieben ist (Abb. 103). Die ursprünghche Haustür öffnet sich mit einem
großen Bogen, der von eleganten korinthischen Säulen mit reich ornamentiertem
Schaft eingefaßt wird. Selbst die Sockel sind reich geschmückt, am Fries aber
zieht sich die herrhchste Akanthusranke hin. Die ganze Front gehört zu den
höchsten Prachtstücken unserer Renaissance, um so wertvoller, da sie sich von
allen barocken Elementen fernhält. Im Fries ist scheinbar 1571 zu lesen; man
sollte das Werk aber für früher halten.
Gerade hier tritt nun die Anlehnung an französische Vorbilder besonders
stark hervor. Eine derartig durchkomponierte Fassade, insbesondere auch so
völlig mit skulpierter Architektur und Relief bedeckt — hierfür ist hervorragend
charakteristisch der Skulpturenschmuck der Brüstungen — ist nirgends sonst zu
finden, als gerade in Frankreich. Ich erinnere da vor allem an den Hof des
Hotels Bourgtheroulde in Ronen. Auch das Architravprofil um die Fenster mit
der charakteristischen Wiederkehr und die Ornamentpilaster weisen dorthin.
Wie sehr die Pilasterarchitektur hier beliebt war, sieht man auch an dem
großen Bogen, der hinter der Klosterkirche die Straße überwölbt. An der Nord-
seite ist sein Oberbau mit fein dekorierten, frei korinthisierenden Pilasterstellungen
geschmückt.
Von ausgebildeten Hofanlagen habe ich nur ein Beispiel gefunden. Es ist
in dem Hause Petersstraße Nr. 4, hinter dessen modernisierter Fassade man
nichts Interessantes vermutet. Der schmale, lange Hof ist auf drei Seiten mit
Galerien in zwei Stockwerken (an der linken nur im Hauptgeschoß) umzogen,
die mittels flacher Stichbögen auf kolossalen Graniikonsolen ruhen. Der Anblick
ist höchst malerisch und erinnert an den Hof des Hauses zur Krone in Breslau.
Auch die beiden seitlichen Vorhallen der Petrikirche sind hier zu erwähnen,
die in äußerst geschickter Art zwischen die Strebepfeiler eingebaut sind, mit
tragender Mittelsäule und Pflaster darüber; die Bögen sind in echt französischer
Art gegen diese und die Strebepfeiler gespannt. Die Gewölbe sind mit mannig-
fach geschweiften spätgotischen Rippen, zum Teil offen, höchst malerisch durch-
geführt, was dem Einblick ganz besonderen Reiz verleiht. Die nördliche Halle
trägt das Datum 1543.i)
Was nun den Renaissancebauten in Görlitz ihre besondere Bedeutung ver-
leiht, ist, daß sie ohne Ausnahme den Charakter der Frühzeit tragen und fast
keine Spur der späteren barocken Formen zeigen. Keine Stadt Deutschlands
kann sich darin mit Görlitz messen, keine vermag eine solche Reihe einfach edel
behandelter Fassaden der Frührenaissance aufzuweisen, die sich gelegentlich auch
zu reichster Pracht entfalten. Wenn wir oben gesehen, daß die Blüte der Stadt
durch den Schmalkaldischen Krieg geknickt wurde, so wird uns dies durch die
Monumente bestätigt. Sie gehören fast sämtlich der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts an. ■ —
Noch müssen wir kurz der Herkunft dieser Kunst und ihrer anderweitigen
Beziehungen gedenken, sowie der Frage nach dem führenden Meister nähertreten,
die bisher stets mit dem mehr zufälhg gefundenen Namen Wendel Roßkopf be-
antwortet zu werden pflegte.
Ganz offenbar, wie die Stilvergleichung ergibt, fußt diese Görlitzer Archi-
tekturrichtung, zu der wir noch das Rathaus in Löwenberg, einige Werke in
Breslau (Grabmal und Haus Rybisch, Grabmal Saur, Gasthaus zur Krone), das
1) Abgeb. bei Lutsch a. a. 0. Taf. 80, 1. Die Südvorhalle in Deutsche Renaissance, Heft
Görlitz, Bl. 69.
186
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Oberlausitz
Rathaus in Lauban, das Schloßtor in Liegnitz zu rechnen haben, auf einer aus
dem französischen Westen stammenden Grundlage. Jene Überlieferung von einem
Brabanter Meister bestätigt diese Beobachtung.
Zu diesen Merkmalen gehören vor allem die Fenster, die, mit Ornament-
pilastern eingefaßt, bei ihrem frühesten Beispiel, am Rathaus zu Löwenberg auch
durch Kreuzpfosten geteilt sind. Solche Fenster kommen in der französischen
Renaissance des zweiten bis vierten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts zahllos an
Schlössern wie an Rat- und Privathäusern, vor. Die eigentümlichen Bogensysteme,
wie sie in Görlitz so häufig sind, mit auf die tragenden Pfeiler oder Säulen gestellten
Pilastern, zwischen die sich die Bögen spannen — diese öfters mit Konsolen-
reihen durchschnitten — , sind ebenfalls in Frankreich am Äußeren von Gebäuden
wie in Kirchen zu Hause. Die Kandelaber als Stützform ebenfalls; die breiten
Konsolen, wie sie hier zum Tragen von Bögen, Architraven (vgl. Liegnitzer
Schloßtor) verwandt werden, sind in Frankreich in ganz ähnlicher Verwendung,
besonders unter stark vortretenden Hauptgesimsen, häufig. Das Übereinander-
stellen von Pilastern, so an Gebäudeecken, ebenso. Zuletzt gibt es eine völlige
Durcharbeitung von Pilasterfassaden, wie die in der Neißstraße zu Görlitz, die
durchgeführten figürlichen Reliefs der Brüstungen u. dgl. nur in Frankreich.
Da sich diese Einwirkung nun aber über einen Zeitraum von etwa fünfzig
Jahren erstreckt, so darf man offenbar von einer Künstlerpersönlichkeit nicht
reden; es handelt sich vielmehr sicher um mehrere, eine Art Schule, in der ein
bestimmter Meister allerdings tonangebend gewesen sein muß, dem das Liegnitzer
Schloßtor, das Görlitzer Rathaus, die Arbeiten für Rybisch, sowie eine Reihe der
besten Görlitzer Fassaden oder Portale zuzuschreiben sind, etwa in der Zeit
1533—39. Doch kommen Spätlinge dieser Hand noch 1557 vor. Ihm erwuchsen
Nachfolger derselben Richtung, die sich in Frankreich wohl verschiedentlich neue
Anregung geholt haben müssen, deren bedeutendster der Architekt des Hauses
der Neißstraße war.
Daß W. Roßkopf jener führende Meister war, dafür sind bis heute keine
Anhaltspunkte gefunden; er wird vielmehr als Schüler des der Renaissance ganz
fernstehenden Prager Meisters Benedikt bezeichnet, und keines jener Hauptwerke
ist als seine Arbeit beglaubigt, seine sicheren Werke aber besitzen nichts von
jener Vollendung. Obendrein ist das letzte der uns hier beschäftigenden Werke,
das Portal Langestraße 3, mit der Jahreszahl 1557 bezeichnet, da Roßkopf
doch schon 155G verstorben war. — Also wird Roßkopfs maßgebende Stellung in
dieser Schule doch mindestens zweifelhaft bleiben, solange nichts Zuverlässiges
hierüber bekannt wird.
Doch ist hier zu betonen, daß es sich bei jenen besten Werken der Gör-
litzer Richtung nirgends um einfache Übertragung der welschen Architektur
handelt, sondern daß insbesondere der führende Meister jene Anregungen zu immer
selbständiger werdenden Werken echt deutschen Charakters, die man als Holbein
künstlerisch nahestehend bezeichnen dürfte, durchgearbeitet hat. Auch das Orna-
ment bleibt völlig frei vom fremden Vorbilde, entwickelt sich vielmehr zu einem
echt deutschen, sogar häufig überderben malerischen lappigen Laubwerk, dem
nichts mehr von französischer Grazie und eleganter Zartheit eigen bleibt.
Vielmehr sei es nochmals betont: Gerade diese Arbeiten, obwohl auf fremder
Grundlage erwachsen, werden zu völlig und echt deutschen und gewinnen gerade
in hervorragendem Maße den Stempel jener liebenswürdig malerischen deutschen
frühen Renaissance, jene intimen Reize, die uns an den besten deutschen Arbeiten
des ersten Drittels des 16. Jahrhunderts so sehr entzücken; und gerade sie sind
deshalb, wie sie sich auf ihrer Entwicklungsbahn gestaltet haben, ein besonderer
Stolz unserer nationalen Baukunst.
Görlitz Zittau
187
Noch sei eines besonderen Merkmales aller dieser Architekturen gedacht,
das sie ganz besonders kenntlich macht. Es ist die Anwendung ganz weniger
Kannelüren, deren unterer Teil mit sogenannten Pfeifen ausgefüllt ist; an jeder
beliebigen Stelle. Insbesondere an Sockeln, geraden und runden, sodann an
Pilasterschäften. Daß in letzteren meistens nur zwei solcher Riefen auftreten,
ist weniger schön, als höchst charakteristisch, aber doch zu dem einmal ange-
schlagenen Tone recht wohl passend. Diese Hohlkehlen mit Pfeifen spielen denn
auch nicht selten ins Sächsische hinüber, in der Zeit der dreißiger und vierziger
Jahre; ich mache da das Georgentor zu Dresden und den berühmten Erker zu
Torgau namhaft. Solche und ähnliche Übertragungen lassen Beziehungen zwischen
der schlesischen und sächsischen Frührenaissance vermuten, wie denn auch die
schöne Pilasterarchitektur am Schlosse zu Dippoldiswalde der Görlitzer Richtung
verwandt erscheint. Diese Beziehungen aufzuklären muß späterer Forschung vor-
behalten sein.
Nicht unterlassen darf hier werden, nochmals auf die Beziehungen zur
französischen Frührenaissance hinzuweisen, die sich später in der Architektur
des Schlosses zu Brieg offenbaren, und die vermutlich mit den oben berührten
Görlitz-Breslauer Eigentümlichkeiten auf eine stärkere Beziehung dieser Gegenden
— vermutlich eher ihrer Fürstenhöfe — zu Frankreich schließen lassen, als man
dies bisher annahm. Unter der Brieger Künstlerschar ist der Name Peinet sicher
ein französischer; der Name Pahr oder Parr möchte ursprünglich als Parre ge-
lesen werden dürfen; und der Schwiegersohn J. Pahrs, Bernh. Niouron, wenn auch
angeblich aus Lugano, erinnert in seinem Namen doch auffälhg an das Nivernais;
ich bin daher geneigt, nach den höchst französischen architektonischen Formen
der Familie Pahr, anzunehmen, daß diese, wenn auch aus Mailand und Lugano
gekommen, doch französischen Ursprungs sein dürfte.
Zuletzt sei einiger unverkennbarer Anklänge an die Architektur dieser
Familie im Dresdener Schloßhofe gedacht, die später zu berühren sind. Zu-
sammen mit der unbestrittenen Tatsache, daß die schönen Treppenhäuser daselbst
deutliche Nachbildungen der Ecktreppenhäuser im Schlosse zu Ghambord sind,
müssen wir auch für den Dresdener Hof künstlerische Beziehungen zu Frankreich
annehmen, wie ja politische schon zu Zeiten des Herzogs Moritz bestanden. In
Berlin stehen die Schloßbauten seit 1538 in unverkennbarem Zusammenhang zu
Torgau, tragen aber auch einige Spuren, die nach Schlesien weisen. So würde
vielleicht eine künftige architekturgeschichtliche Forschung in diesen Gebieten
überall die erste Einwanderung der Renaissance als aus dem Westen kommend
festzustellen haben, während die direkte Einwirkung Italiens in der Hauptsache
völlig zurücktritt.*) Daher denn auch der ganz besondere Charakter der Renais-
sance in diesem Bereiche, der so völlig abweicht z. B. von dem der bayerischen
und österreichischen.
Von den übrigen Städten der Oberlausitz ist nicht viel zu melden, da
diese durch vielfache Unglücksfälle, Brände und Belagerungen größtenteils ihre
alten Denkmäler eingebüßt haben. Das gewerbfleißige, blühende, heute sächsische
Zittau, nebst Görlitz, Bautzen, Camenz, Löbau und Lauban den ehemahgen
Sechsstädtebund ausmachend, der sich 134G zu Schutz und Trutz namentlich
gegen die Raubritter gebildet hatte, brannte 1757 infolge eines Bombardements
durch die Österreicher fast ganz nieder. Hierdurch wurde die Mehrzahl der
gewiß sehr reichen Bauten der mächtigen Stadt zerstört, namentlich sind die
Werke der Renaissance selten geworden, während die Gotik noch eine stattUche
1) Man beachte die vielfachen kleinen Anzeichen französischer Einwirkung, so die hier
verbreiteten französischen Devisen, wie sie z. B. weiter unten bei Althörnitz erwähnt werden.
188
2. Buch Die Bauwerke XIIL Kapitel Die Oberlausitz
Anzahl tüchtiger Arbeiten aufzuweisen hat. Der Renaissanceperiode gehört der
graziöse, fast minarettartig schlanke Turm der Peter-Paulskirche mit „böh-
mischer Haube", 1560 von Zimmermeister Michael Francl-e erbaut. Einen 'voll-
ständigen Umbau erfuhr Kirche und Kloster im 17. Jahrhundert durch den Zittauer
Zimmermeister Valentin (f 1668), einen auf dem Boden der Renaissance stehenden,
wenn auch den barocken Formen seiner Zeit anhängenden, überaus genialen
Künstler. Derselbe restaurierte 1659—61 die Kirche, indem er ihre Pfeiler mit
antikisierenden Kapitellen und Basen versah, ihren Querschnitt reich, wenn auch
etwas unklar gliederte, Gewölbe-Schlußsteine, namentlich aber den Triumphbogen
mit höchst wirkungsvollem, derbem Stuckornament überzog. Ganz in seinem
Geist ist auch die 1668 vom Tischler Georg Balms und dem Bildhauer Ha7is
Buhenik errichtete malerische Kanzel gehalten.') Von hervorragender Schön-
heit ist die Fassade des schon im 15. Jahrhundert errichteten Bibliothek-
gebäudes, des einstigen Refektoriums, mit grandiosem, aus drei Systemen
ionischer Säulenstellungen gebildeten Giebel von vollen und reichen, doch durch-
aus noch nicht schwülstigen Formen. An den Fenstergewänden der unteren
Stockwerke treten die barocken Formen der Zeit schon hervor. Die prachtvollen
Schmiedewerke der Erbbegräbnisse des alten Klosterhofes stammen aus der Zeit
von 1690—1710, obgleich sie noch durchaus Renaissancemotive zeigen. In
schlichten Formen ist das 1580 erbaute Gymnasium gehalten; bemerkenswert
ist nur das derb rustizierte Portal mit rauhem Schlußstein und ein an den Bau
sich anlehnendes, namenthch durch den Reichtum der Motive ausgezeichnetes
Grabmonument mit schönen Rehefs. Leider ist es zurzeit gänzlich verwahr-
lost und geht dem Ruin entgegen.
An kleineren Werken ist der 1585 errichtete, 1667 und 1685 restaurierte
Marktbrunnen zu nennen; auf seiner derben, von Putten umspielten Säule
steht ein Roland, eine handwerklich tüchtige Arbeit von malerischer Wirkung.
Ferner die prächtige 1620 errichtete Kanzel der Frauenkirche, ein zierliches,
reich mit Intarsien geschmücktes Werk hochentwickelter Tischlerkunst.
Unter den Privathäusern haben sich noch einige Beispiele der Renais-
sance erhalten, meist durch kräftig profilierte Bossage gegliederte schlichte Bauten.
Der schwere Erker des 1553 erbauten, stattlichen Hauses am Johannesplatz
dürfte jüngeren Datums sein, als dieses selbst. Bemerkenswert ist ferner das
Haus Weberstraße Nr. 1.
Ganz im Stil der Valentinschen Bauwerke ist das unweit Zittau gelegene
höchst interessante Schloß Althörnitz gehalten.') Anlage, Grundriß, das De-
tail des Portales und der Giebel erinnern vollständig an die sächsischen Bauten
des 16. Jahrhunderts, abgesehen von der breiteren, krauseren, lockereren Be-
handlung des Details. Die Wirkung ist eine durchaus malerische. Der Bau
wurde, wie zahlreiche Inschriften beweisen, 1651 für den Ritter des St. Moritz-
ordens, Christian von Hartig, erbaut, dessen Devisen „Paix et peu" und „Raison
fait maison" an Schlußsteinen angebracht sind.
Geringe Ausbeute gewährt Gamenz. Doch hat sich auf d em Markt ein
Ziehbrunnen erhalten, mit drei toskanischen Säulen, Gebälk, Wappen und der
Justilia darüber in etwas trockenen Formen vom Jahr 1570. Ferner enthält der
aus verschiedenen gotischen Perioden stammende Dom eine wahre Mustersamm-
lung von Formen für Gestühl und Emporeneinbau, darunter namentlich herrliche
Dekorationen von 1560 in Flettnerschen Motiven von Intarsia-Imitation durch
Aufkleben bedruckter Papiere. Die Gesamtwirkung die denkbar malerischeste und
von hohem Reiz.
1) Abb. des Kircheninneren. Bau- und Kunstdenkni. d. Königr. Sachsen, Heft 30, Beil. V.
2) Abb. b.Fritsch, Denkmäler deutscher Eenaissance.
Laub an Bautzeu
189
Auch Laub an bietet nicht viel, da die Stadt 1659 durch einen verheeren-
den Brand eingeäschert wurde. Erhalten hat sich jedoch das 1539 erbaute Rat-
haus. Das Erdgeschoß enthält eine schöne Halle mit reichem Netzgewölbe auf
kräftigen Rundpfeilern. Im Sitzungssaale sind die Rippen nach Art der böhmi-
schen spätgotischen Denkmale, z. B, des Wladislawsaales zu Prag, aus Kurven
im Grundriß zusammengesetzt. Auf einem Pfeiler am Eingang die Inschrift: „Im
Jahr 1539 ist der pau angevang". Die Türen im Innern sind in zierhcher Früh-
renaissance mit Blumen und Blattgewinden, Reliefköpfen u. dgl. geschmückt.
Sie sowohl wie die reich skulpierte Fassade, namentlich das zierUche Tor zum
heutigen Standesamt und dasjenige zum Treppenturm, sind mehrfach mit Jahres-
zahlen, welche bis 1543 reichen, versehen. Der Meister gehört entschieden zur
Görlitzer Schule, ist sogar vermutlich der vielbesprochene unbekannte Görlitzer
Meister selber. Die gleiche spielende Anmut, die Fülle der Motive und die
weiche, saftige Behandlung der Blattformen im Ornament. Im Figürlichen ist er
gleich jenem nicht sehr gewandt, seine Gestalten sind gedrungen, oft ungeschickt.
Noch weniger findet sich in Löh au. Nur die Nikolaikirche besitzt
Gestühl aus verschiedenen Perioden, zum Teil sehr reizvoll in bunten Farben
gemaltes Ornament. Ferner einige nicht gerade wertvolle Epitaphien.
Auch Bautzen (obwohl sächsisch, doch hierher gehörig) hat durch das
Bombardement im Dreißigjährigen Krieg und einen großen Brand im Jahre 1709
fast alle alten Denkmäler eingebüßt. Bemerkenswert ist das noch spätgotische
Torhaus des Stadtschlosses Ortenburg, der reiche und zierliche Schornstein-
aufbau des Hofrichterhauses, vor allem aber die prächtige Reihe der Schloß-
giebel an der Westfront, um die Ecke herumgeführt, deren Fläche zwischen den
Fenstern mit drei Halbsäulenordnungen geghedert und mit zackigem Schnörkel-
werk eingefaßt ist. Sie stammen, wie einige zum Teil figürlich-historische Stuck-
verzierungen im Innern, insbesondere im kurfürsthchen Kammergemach, aus der
Zeit nach 1635, wo Kurfürst Johann Georg I. von der Lausitz Besitz ergriff.
Einige Grabsteinplatten von 1594 und 1598 am Dom sind zu erwähnen. Be-
deutend der Reichenturm, ein starker kreisrunder Befestigungsbau mit origi-
nellem mehrseitigen Aufsatz aus dem 18, Jahrhundert. An dem Turme befindet
sich ein mächtiges Relief, welches Kaiser Rudolf II. thronend darstellt. Zwei
Engel halten die Krone, zwei Krieger stehen zu seilen des mit dem goldenen
Vlies und reich ornamentiertem Krönungsmantel geschmückten Fürsten. Das
anscheinend nach einem Siegel gearbeitete Bildwerk zeigt noch gotisierende
Motive und tüchtige, wenn auch handwerklich ausgeführte Arbeit.
Hier in Bautzen tritt wendisch-slawische Art verschiedenthch in die Er-
scheinung, insbesondere an den reichen, mit Rundbögen abgeschlossenen zinnen-
artigen Bekrönungen der Türme, so des prächtigen Rundturmes der höchst male-
rischen Wasserkunst, und auch am viereckigen Eckturm des Schlosses. Diese
charakteristische Bauweise, die einen Hauptschmuck der Bauwerke durch reiche
Architekturen erzielt, die in Reihen über dem Hauptgesimse sich erstrecken, tritt
in Schlesien wie in Böhmen sehr häufig auf.
Der prächtige, mit geschweifter Kuppel und hoher Spitze bekrönte, von acht
Dacherkern umreihte achteckige Turm der Petrikirche gehört zu den eleganten
Schöpfungen der späteren Renaissance.
Weiter östlich sei noch das Rathaus zu Posen genannt, von dem Abb. 104
nach einer Photographie eine Ansicht gibt. Die prächtige Doppelhalle wurde
1550 durch einen Italiener, Gio. Batt. de Quadt^o aus Lugano, erbaut. Der Turm
ist mit Ausnahme der phantastischen hohen Spitze aus dem 18. Jahrhundert
ebenfalls italienisch, jedenfalls ein von nordischen Turmanlagen völlig abweichen-
1) Abb. bei Lutsch, a. a. 0. Taf. 94, 1.
Abb. 104 Ratliaus zu Posen
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Posen Schwedt a. 0.
191
der Bau. Man beachte bei diesem nun tatsächlich verbürgten bedeutenden Werk
eines Oberitalieners die starke Abweichung von der Art der „italienisch" sein
sollenden schlesischen Bauwerke. Gerade diese Vergleichung mag darüber auf-
klären, daß ein paar italienische Künstlernamen unter den Mitwirkenden bei einem
Bauwerk keineswegs dieses zu einem rein itahenischen stempeln, daß sein rein
künstlerischer Charakter vielmehr von ganz anderen Einflüssen abhängt.
Abb. 105 Altar der Kathariuenkinlio zu Schwedt a. 0.
In Schwedt a. 0. ist die prächtige Ausstattung, Kanzel, Denkmäler, vor
allem der Altar, der Katharinen-Pfarrkirche zu rühmen (Abb. 105), alles von 1580.
192 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Mark Brandenburg
In die Brandenburg Ischen Marken scheint die Renaissance nur spär-
hch eingedrungen zu sein, ohne festen Fuß zu fassen. Eine höhere Kultur hatte
gerade in diesen Landen an dem rohen, raublustigen Adel ein unübersteigliches
Hindernis, und noch bis in den Ausgang des 15. Jahrhunderts fanden die Kur-
fürsten genug mit Niederwerfung des übermütigen Junkertums und Zerstörung
der Raubnester zu tun. Erst seit Johann Cicero, der zuerst seinen bleibenden
Wohnsitz in den Marken aufschlug und sich mit den Städten zur Ausrottung
des Raubadels verband, kehrte dauernde Ordnung im Lande ein, die durch den
energischen Joachim I. (1499—1535) eine festere Begründung erhielt. Die Stif-
tung der Universität Frankfurt, die Einsetzung des Kammergerichts zu Berlin
zeugen von der umsichtigen Fürsorge des Fürsten, die jedoch in seiner Feind-
sehgkeit gegen die Reformation eine Schranke fand. Dagegen gebührt seinem
Sohn und Nachfolger, Joachim II. (1535—71), der Ruhm, in verständigem Ein-
gehen auf die Bedürfnisse der Zeit und des Volkes die Reformation zur Durch-
führung gebracht zu haben. Auch hier geht die kirchliche Erneuerung des Le-
bens mit dem Umschwung der Kunst Hand in Hand: Joachim ist es, der an
seinen Bauten die Renaissance einführt und darin seiner Prachtliebe einen Aus-
druck schafft. Sein Sohn Johann Georg I. (1571—98) hat zu viel zu tun, die
durch seinen verschwenderischen Vater zerrütteten Finanzen wiederherzustellen,
als daß man von ihm eine nachdrückliche Förderung der Kunsttätigkeit erwarten
dürfte; aber indem er den wegen ihres Glaubens verfolgten Niederländern ein
Asyl in seinem Lande eröffnet, bricht er dem Einfluß jener in aller Kultur tätig-
keit vorgeschrittenen Nation Bahn, so daß von da ab auch in der Architektur
und den bildenden Künsten diese Einwirkung zu spüren ist. Jedoch war ein
kräftigeres Aufblühen dieser Länder, eine selbständige Beteiligung am deutschen
Kulturleben erst nach den für die Marken so tief verheerenden Stürmen des
Dreißigjährigen Krieges, der Zeit des Großen Kurfürsten, vorbehalten.
Die ersten Spuren der Renaissance finden wir am Königlichen Schlosse
zu Berlin, freilich sind sie später durch den großartigen Neubau Schlüters auf
ein Minimum reduziert worden.^) Die Residenz der Hohenzollern befand sich zuerst seit
1357 in der Klosterstraße, an der Stelle des jetzigen Lagerhauses. Hier Heß sich der
Kurfürst Friedrich I. im Jahre 1451 huldigen. Friedrich II. erhielt 1442 von den
Bürgern den Platz auf der kölnischen Seite der Spree hinter dem Predigerkloster
geschenkt. Der neue Schloßbau an dieser Stelle war 1415 so weit vorgerückt,
daß der Kurfürst darin seine Wohnung aufschlagen konnte. Von dieser ersten
Burg stammt noch die alte Kapelle und der runde, sich ihr nördhch anschheßende
Turm, der nach seiner Bedachung den Namen des grünen Hutes erhalten hat.
Joachim II. ließ seit 1538 die alte Burg, die seiner Prachthebe und den gesteigerten An-
forderungen der Zeit nicht mehr genügte, abreißen und durch seinen Baumeister
Kaspar Theiß ein neues Schloß errichten. Die Fassade dieses Baues ist auf einem
seltenen, 1592 bei Gelegenheit eines Feuerwerks gestochenen Blatte zu sehen.
Die Durchzeichnung eines alten, ebenfalls den ursprünghchen Zustand darstellen-
den Gemäldes befindet sich im Hofbaubureau, Man sieht die südliche Haupt-
fassade gegen den Schloßplatz (Abb. 106), auf beiden Seiten von runden Erkern
abgeschlossen, von denen der östHche gegen den Fluß hin in dem späteren Um-
bau erhalten ist, während der westliche der Verlängerung des Flügels weichen
mußte. Die Mitte der Front schmückte ein Balkon auf stark geschwellten Säu-
len, an der Brüstung mit Wappen geziert. Auch die Erker waren mit offenen
Galerien bekrönt, deren Kuppeldach auf ähnlichen Säulen ruhte. Sämtliche Fenster
1) Das Geschichtliche in Nicolai, Beschreib, von Berlin und Potsdam 1786 I. 81 i¥.
Dazu das Prachtwerk über das Berliner Schloß mit Text von Dr. R. D ohm e (Leipzig 1876).
Ferner E. Borr mann, Die Bau- und Kunstdenkmale Berlins. Das. 1893.
Berlin
193
zeigen den spätgotischen Vorhangbogen, an welchem die sächsisch-thüringische
Frührenaissance festhält. Große Giebel, mit kleineren wechselnd, durch Pilaster,
Nischen, Medaillons und reiche Friese in der Fläche, durch Schnecken und freie
Figuren im Umriß belebt, krönten den prächtigen Bau. i) Die gesamte Anord-
nung und Behandlung stimmt mit der an sächsischen Bauten, namentlich dem
Schloß Hartenstein zu Torgau, überein; nicht nur stand Kaspar Theiß unter dem
Einfluß der dortigen Schule, in welcher er wohl seine Ausbildung erlangt hatte,
sondern es liegt tatsächlich sogar ein Plan des Torgauer Meisters Konrad Krebs
dem Berliner Bau zugrunde.^) Die Hofseite muß erst recht eine Prachtleistung
gewesen sein und besaß ein Treppenhaus mit seitlichen Terrassen, ganz wie
Torgau, inmitten einer ringsum laufenden durchgebildeten Hallenarchitektur.
Abb. 106 Das Kurfürstliche Schloß zu Berlin
Nur geringe, schwer aufzufindende Reste haben sich von dem Bau Joachims
erhalten. Zunächst gehören dahin die oberen Teile des runden Turmes (a in
unserer Abb. 108), der einerseits von der Kapelle, andererseits von einem später
vorgelegten Bau mit polygonen Ecktürmen (b) eingeschlossen und fast völhg
verdeckt wird. An dem kleinen, frei hegenden Teile bemerkt man von einem
Fenster des angrenzenden Eckturmes aus fein gezeichnetes Blattwerk an den
Fenstereinfassungen, Balustersäulen und reiche Brüstungen im Stile treffhchster
Frührenaissance (Abb. 107). Eine zweite Säule sieht man im Innern des an-
stoßenden Zimmers und zwei ähnliche in dem benachbarten Kapellenhofe, so daß
1) Die Abb. 106 imd 107 nebst anderem wertvollen Material verdanke ich dem liebens-
würdigen Entgegenkommen der königlichen Schloßbau-Kommission und des Herrn Ober-Hof-
baurats Geyer zu Berlin.
2) Das Nähere zur Begründung s. in der trefflichen Monographie von M. Lewy, Schloß
Hartenfels bei Torgau, Berlin 1908, S. 94 f.
Lübke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 13
194
2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Mark Brandenburg
man daraus das ursprüngliche dekorative System dieses interessanten Teiles her-
zustellen vermag. Gleichzeitig ist an der turmartig hohen Ostwand der Kapelle
ein prächtiger Balkon ausgeführt worden. EndUch gehört derselben Zeit die
innere Architektur des im Äußeren umgestalteten Erkers der südöstlichen Ecke
gegen die Kurfürstenbrücke. Das Eckzimmer öffnet sich gegen den Erker mit
einem großen Rundbogen, kassettiert und mit Rosetten geschmückt, die Zwickel
und Pilaster mit hübschen
Pflanzenornamenten und mit
Brustbildern, darunter Joa-
chim II. und seine Gemahlin;
alles ursprünglich prächtig
vergoldet auf azurblauem
Grunde. 1) Das sind die we-
nigen Überreste jenes be-
deutenden Baues, der einst
die Verzierungslust der Zeit
und die Prachtliebe seines
Besitzers zu glänzendemAus-
druck brachte. Der große
Prachtsaal (e im Grundriß
Abb. 108) nahm die ganze
Länge der südlichen Vorder-
seite ein und hat in seiner
Ausstattung bei ungefähr
gleicher Größe auch mit dem
gleichzeitigen von Torgau
gewetteifert (L. Granach).
Vor ihm auf dem erwähnten
Gange innerhalb des Schloß-
hofes waren die bemalten
steinernen Brustbilder der
Kurfürsten aufgestellt. Der
ganze mächtige Bau in An-
lage und künstlerischer Aus-
stattung war ein Gegenstück
zu den sächsischen Schlös-
sern von Dresden und Tor-
gau. Als Joachim II. starb
(1572), war er noch nicht
ganz abgeschlossen.
Sein Nachfolger Johann Georg ließ das Nötigste durch Hans Bäspell vollen-
den, namentlich die Giebel nach der Wasserseite ausführen, den Turm über der
Kapelle ausbessern und ausbauen, ferner den nachmals berühmt gewordenen
„Münzturm" (h) für das Wasserwerk errichten. Seit 1578 ließ er dann durch
den berühmten italienischen Festungs-Baumeister, Grafen Rochus von Linar,
weitere Bauten ausführen. Ein vierter Stock wurde nach der Wasserseite auf-
gesetzt, sodann ebendort der vorspringende, später durch Nehrmg ausgebaute
Flügel (1) errichtet, besonders aber seit 1579 ein neuer Flügel begonnen, der
den Schloßhof nach der Westseite gegen die Schloßfreiheit hin abgrenzen sollte.
Von Pirna wurden bedeutende Sandsteinsendungen verschrieben und zugleich 30
sächsische Maurer berufen, die wöchentlich 26 bis 30 Silbergroschen erhielten.
1) Ein Bericht über die Auffindung dieses Bogens in v. Ledeburs Archiv VIII, 58 ff.
Abb. 107 Außenarchitektur des „grünen Hutes" am Schloß
zu Berlin
Berlin
195
Abb. 108 Grundriß des Berliner Schlosses nach 1681
1585 schickt August von Sachsen seinen Maurermeister Peter Kummer. Dieser
bringt eine Visierung mit, welche dann, durch den Grafen Linar verbessert, der
Ausführung zugrunde gelegt wird. Später tritt Peter Niuron (wohl ein Sohn des
Bernhard Niuron in Brieg, also ein Enkel Jakob Pahrs) in die Bauführung ein,
und der neue Flügel wird 1594 vollendet. In den oberen Zimmern führte
Meister Hieronymus Malereien aus. Dieser Flügel ist jetzt noch vorhanden und
trennt die beiden großen Schloßhöfe voneinander. Im Gegensatze zu den reich
196 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Mark Brandenburg
dekorierten Bauten Joachims sind diese Teile schlicht und sparsam, aber in
kraftvollen Formen ausgeführt. Namentlich gilt dies von der Galerie im dritten
Stock, die mit Stichbögen auf schön profilierten Steinkonsolen eines ausgebilde-
ten Renaissancestils ruht. Der vierte Stock ist später aufgesetzt. Die Fenster,
meist zu zweien gruppiert, haben eine Umrahmung von Rundstäben und Hohl-
kehlen. Der nördliche Teil dieses Flügels hat über dem Erdgeschoß, das den
Durchgang enthält, nur ein einziges, aber sehr hohes Obergeschoß mit mäch-
tigen gekuppelten Fenstern. Er enthält einen ehemals zu Theatervorstellungen
bestimmten Saal (f auf unserm Grundriß), den durch Schmidt und Nehring neu
eingerichteten Alabastersaal.
Zu derselben Zeit wurde im Schloßhof an dem östlichen Flügel Joachims II.
eine große Doppeltreppe angelegt, die eine als Rampe zum Hinaufreiten, die
andere mit Stufen. Dies großartige Treppenhaus war in einem offenen, auf Pfei-
lern ruhenden achteckigen Turm angebracht. Ebenso erbaute man seit 1590 den
nach Norden vorspringenden Flügel, die jetzige Schloßapotheke, welche, nachdem
1596 Linar gestorben war, unter Niuron vollendet wurde. Wieder wurden im
Jahre 1604 aus Meißen Maurer verschrieben. Das obere Geschoß, mit glasierten
Steinen belegt, diente wahrscheinlich als Sommersaal. Gegen Ende der Regie-
rung Johann Georgs wurde dann auch an der Wasserseite der Flügel mit den
beiden polygonen Ecktürmen (b) gebaut, damals das Haus der Herzogin genannt, also
vielleicht für die Herzogin Hedwig errichtet. Balthasar Benzelt aus Dresden
scheint diesen Bau geleitet zu haben. Eine alte Abbildung ^) gibt eine bei Dohme
aufgenommene perspektivische Darstellung des Schlosses, die den Hof mit seinen
beiden polygonen Treppentürmen, der großen Doppeltreppe und den ehemaligen
offenen Arkaden des Erdgeschosses anschaulich macht.
Einiges von der ursprünglichen Gestalt zeigt noch der Apothekenflügel:
ein schlichter Bau mit verputzten Flächen, gruppierten Fenstern, deren Rahmen
aus zierlichen Stäbchen und Hohlkehlen zusammengesetzt sind, und mit drei
stattlichen Giebeln von mäßig barocker Behandlung. Dieselben Giebel finden
sich dann auch an der Wasserseite. Die Gesimse und Einfassungen sind solid
aus Sandstein hergestellt. Ein hübscher Erker an der Giebelseite. Doch ist
auch dieser Flügel der Kaiser -Wilhelm-Straße zuliebe vor einem Jahrzehnt stark
verkürzt worden. Die Verbindung des Apothekenflügels mit dem Schlosse bewirkt
ein hoher turmartiger Bau mit einfacher Wendeltreppe und mittelalterlich profi-
lierten Fenstern.
In der zwanzigjährigen unglücklichen Regierung Georg Wilhelms schien
der Bau mit dem ganzen Staate der Hohenzollern unaufhaltsam seinem Ruin
entgegenzugehen. Alles wurde baufäUig und mußte gestützt werden, so daß die
Zeitgenossen klagten, „man müsse sich vor den Fremden schämen, die dieses
kurfürstliche Residenzschloß sähen". Erst der Große Kurfürst wandte dem Bau
durch Memhardt wieder seine Sorgfalt zu, der u. a. das auf dem Grundriß mit g
bezeichnete Portal baute, und der erste König Preußens ließ durch Schlüters
Genius hier das großartigste Fürstenschloß Deutschlands erstehen. Von dem
alten Schloßbau besteht nur noch ein Teil der dem Fluß zugekehrten östlichen Seite.
Ein Bau aus der Schlußepoche der Renaissance ist in dem Königlichen
Mar st all in der Breiten Straße erhalten.^) Er besteht aus zwei ursprünglich
getrennten Teilen, dem 1624 von Hans Georg von Ribbeck erbauten Hause, und
dem nach 1593 vom Oberkämmerer Hieronymus von Schlick errichteten Bau,
welcher später in kurfürstlichen Besitz überging.^) Der südliche, Ribbecksche
1) In Joh. Chr. Müller und G. Gottfr. Küster, Altes und neues Berlin 1737, I. T.
2) P. Engel in Ortweins D. Renaiss. XIX. Abt.
3) Nicolai a. a. 0. I, 117.
Kurfürstliche Schlösser
197
Teil, ist durch vier malerische Barockgiebel und ein kleines reiches Portal aus-
gezeichnet. Der nördliche hat neuerdings drei ähnliche Giebel erhalten und ist
durch ein barockes Portal geschmückt. Den mittleren Teil der Fassade aber
krönt ein mit großem ReHef ausgefüllter Tempelgiebel, von dem nach dem Brande
von 1665 durch Smids ausgeführten Neubau herrührend. Diese Häuser wurden
nach 1659 mit dem Marstall vereinigt und ein völliger Neubau dafür errichtet
unter Beibehaltung der alten Giebel und der alten Portale, Von diesen ist
das eine freilich stark knorpelige von hervorragender Tüchtigkeit (Abb. 109).
Andere Bauten dieser Epoche
hat Berlin nicht aufzuweisen. Von
den zahlreichen Schloßbauten des
Kaspar Theiß in den Marken ist
nur wenig erhalten, und das wenige
stark umgestaltet. Das Jagdschloß
Grunewald bei Berlin ist nach
Anlage und Ausführung höchst
einfach. Mehrere dieser Schlösser
wiederholen denselben aus Venedig
stammenden Grundriß: ein großer
Mittelsaal, durch die ganze Tiefe
des Gebäudes gehend, ist zu bei-
den Seiten mit zwei kleineren Sälen
verbunden. Es ist die auch am
Rathause zu Augsburg vorkom-
mende Anlage. An der Fassade
ist dann nach nordischer Sitte ein
runder Treppenturm vorgebaut.
Dicke Mauern, Gewölbe, meist in
drei Geschossen, aber ohne jeg-
hche Kunstform. So die Schlösser
von Königswusterhausen und
L i c h t e r f e 1 d e bei Neustadt-
Eberswalde, beide angeblich von
einem Venezianer Ckiaramella er-
baut. Ähnlich Schloß Gran gen
bei Schlawe in Hinterpommern,
das noch mit runden Ecktürmen
versehen ist. Von verwandter An- ^^'^ Portal am Obermarstall-Amt zu Berlin
läge Schloß Letzlingen, rings
von einem Wassergraben umgeben; an den vier Ecken sind Rundtürme mit be-
gleitenden Treppentürmchen angebracht. Auch sonst ist in der Altmark, der
Priegnitz und der Neumark noch manches kleinere Werk der Renaissance vor-
handen. Es sei hier das reizende kleine Schlößchen Fr ey enstein in der Prieg-
nitz erwähnt, das freihch seiner Architektur nach zu der Mecklenburger Gruppe
der Terrakottenbauten gehören wird (Abb. HO u. III). Wenn auch mit dem Unter-
schiede, daß hier die Flächen nicht nur, sondern auch die Gesimse aus verputzten
Ziegeln bestehen, während nur die Friese und Pilaster aus prächtig modellierten
gebrannten Tonplatten hergestellt sind; an einzelnen Stellen sind auch schön-
geformte Kandelaber als Stützen eingefügt. — Es handelt sich übrigens nicht um
das größere Schloß der Familie v. Rohr, einen einfachen Renaissancebau, sondern
um die sogenannte alte Burg, die tief im Park an einer sumpfigen Stelle in Bäumen
und im Grün fast versteckt, wie eine Art Rückzugsturm in drei Stockwerken mit
zwei flachrunden Erkern zur Seite eines Giebels hoch emporragt. An der linken
Ecke nach hinten ein runder Treppenturm. Die prächtige Terrakottenarchitektur
Märkische Schloßbauten
199
beschränkt sich übrigens nur auf das Dachgeschoß, die Giebel und die beiden
Erker. Die Ornamentik der Pilaster und Friese besteht in malerisch-kräftigem
Laubwerk früheren Charakters, mit Figuren vermischt. Das Nähere geht aus der
Abbildung hervor. Das Ganze ist aber vom allerhöchsten Reize, ein Dornröschen
der Baukunst. — Das Innere enthält immer nur einen Raum in jedem Geschosse,
Abb. III Schloß Freycnstein
(Nach: Haupt, Backsteinbauten der Renaissance)
mit Kamin zwischen den beiden Erkern. — Am alten Schlosse zu Küstrin, jetzt
Kaserne, sind einzelne ähnliche Teile. Wir hätten hier also eine Verbreitung der
später zu besprechenden höchst merkwürdigen Backstein-Renaissance Mecklen-
burgs nach Osten zu. — Auch das Schloß der Münchhausen zu L eitzkau ist von
Bedeutung. Es ist zwischen 1506 und 95 unter Benützung der Bauten des ein-
stigen Klosters erbaut, daher von ziemlich regelloser Anlage. Drei giebelreiche
Flügel umgeben einen länghchen Hof, dessen offene Seite durch zwei Treppen-
türme abgeschlossen ist. An die Eingangseite schließt sich ein niedrigeres Tor-
haus mit gequadertem Tor, an der anderen Seite ein weiterer kurzer geknickter
Flügel, den eine vierstöckige hübsche Loggia schmückt. Deren Formen sind reich
in niederdeutscher Art, mit gemusterten Quadern und Kartuschornaraenten; unten
200 2. Buch Die Bauwerke XIII. Kapitel Die Mark Brandenburg
in drei Geschossen Bogenhallen, oben ionische Säulen mit geradem Gebälk. Auch
das Treppenhausportal, von ionischen Säulen eingefaßt, darüber das schöne
Abb. 112 Schloß LcLtzkau
(Nach: Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance)
Allianzwappen in feiner Säulenarchitektur, zeigt interessant gebildete, doch etwas
kapriziöse Formen, i) (Abb. 112.)
An der Ecke des Schlosses steht der alte Kirchturm, später mit einer
welschen Haube bekrönt.
1) Fassade und Hofansicht wie Portal bei Fritscli a. a. 0. auf drei Tafeln dargestellt.
Kunstgewerbe
201
Die Architektur des Bauwerks ist sonst einfach mit gut gebildeter ProfiHe-
rung der meist gekuppelten Fenster; Gesimse und Giebel in Stein, die Flächen
geputzt.
Abb. 113 Pommerscher Kunstschrank in Berlin
Von der Kunstliebe der Hohenzollern in der Renaissancezeit zeugt noch
manch schönes Stück in den königlichen Schlössern und Sammlungen Berlins.
Vor allem jener prachtvolle, große vergoldete Silberpokal im Könighchen Schlosse,
ein Meisterstück deutscher, und zwar Nürnberger Goldschmiedearbeit, etwa um
1560 ausgeführt, als dessen Verfertiger R. Bergau den Nürnberger Meister Hans
Petzold nachgewiesen hat. Deutsche Arbeit, wenngleich von geringerer Art,
ist auch das Kurschwert des Hauses Brandenburg, dessen vergoldete Silberscheide
ein breites, schweres, durchbrochen gearbeitetes Renaissancelaub zeigt. Ferner
2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengehiete
weist das Reichsschwert des Hau-
ses Hohenzollern mit seinen zier-
lichen gravierten Darstellungen auf
einen süddeutschen Meister hin.
Des pommerschen Kunstschrankes
(Abb. 113) ist schon in Band I,
S. 87, gedacht.
Die an der Elbe gelegenen
Städte dieser Gegend neigen in
der Renaissancezeit stark nach
Sachsen, wie ein hübsches Portal
aus Tangermünde (Abb. 114)
ergeben mag, während die mittel-
alterliche Ziegelarchitektur der
Stadt durchaus märkisch ist. Die
kirchliche Ausstattung freilich ist
der der Ostseeländer nahestehend,
wie denn die schöne Orgel der
Stephanskirche z. B., die wir in
Abb. 32 des I. Bandes gaben, sich
an die mecklenburgische Art an-
lehnt. Gleiches muß man auch
von den verwandten Kirchen zu
Stendal, Salzwedel, Garde-
legen und der großen Zahl märki-
scher Kirchen sagen, deren gotische
Backsteingebäude ja auch jenen der
Abb. 114 Portal eines Hauses zu Tangermünde Nordostländer nahe verwandt sind.
Vierzehntes Kapitel
Die norddeutschen Küstengebiete
Schon im Mittelalter haben die Länder der norddeutschen Tiefebene ein
gemeinsames Kulturgebiet dargestellt. Es sind die Gegenden jenes energischen,
nüchternen, verständigen und willensstarken Geschlechtes, das schon im 13. Jahr-
hundert den bald so gewaltigen Bund der Hansa stiftete, der mit den Königreichen
des Nordens Krieg führte und die Macht der großen Handelsstädte zu einer überall
gefürchteten Weltstellung erhob. Die Kunst dieser Gegenden erreicht, im Einklang
mit den politischen Verhältnissen, in der Zeit der Gotik ihren Höhepunkt. Ihre
gewaltigen Backsteinkirchen, die noch jetzt wie dunkle Felswände über die hohen
Giebelhäuser emporragen, sind in ihrer derben trotzigen Kraft, in ihrem nüch-
ternen Ernst ein treues Bild des Bürgertums, das sie aufgetürmt hat. Schmuck-
los nach außen, nur etwa in riesigen Turmmassen ihre Macht verratend, sind sie
im Innern noch heute angefüllt mit den reichen Kunstschätzen, welche die Vorzeit
zu ihrer Ausstattung geliefert hat: mit Schnitzaltären, Ghorstühlen, Kanzeln,
Lettnern und Orgeln, mit Gemälden und Skulpturen, mit kunstvoll gegossenen
Bronzewerken, Kronleuchtern, Taufbecken, Grabplatten, so daß Gotteshäuser,
wie die großen Marienkirchen von Danzig und Lübeck, an Reichtum und male-
rischer Pracht des Innern weithin ihresgleichen suchen. Da alle diese Städte
früh den Protestantismus annahmen, aber sich meist von der wüsten Bilder-
Die Hansastädte Danzig
203
stürmerei frei hielten, so hat eine schöne Pietät jene alten Schätze überall sorg-
lich bewahrt. Auch jene Barockschöpfungen, durch welche in anderen Gegenden
der Altweibersommer des jesuitisch wiederhergestellten Katholizismus aus so
mancher alten Kirche ihre früheren Kunstwerke verdrängt hat, konnten sich hier
nur mäßig einnisten, so daß der Eindruck bei allem Reichtum und großer Mannig-
faltigkeit ein harmonischer blieb.
Die Renaissance kommt in diesen Gebieten merkwürdigerweise erst sehr
spät zum Durchbruch. Lagen sie Italien zu fern? war der nordisch ernsten Weise
die anmutig heitere Kunst verschlossen? blieb man lieber in treuem Festhalten
bei der gotischen Kunst der Väter stehen ? oder wirkten alle diese Umstände zu-
sammen? Genug, es wird sich hier vor 1550 kaum ein bedeutsames Werk der
Renaissancekunst aufweisen lassen. Um diese Zeit aber beginnt auch hier die
neue Kunst einzudringen. Es sind allem Anscheine nach hauptsächlich die durch
regen Handelsverkehr verbundenen Niederlande, die die Renaissance hierher
bringen. Plastische Werke, namentlich Bronzearbeiten, werden um diese Zeit
mehrfach von dort bezogen oder von niederländischen Künstlern ausgeführt. Die
Architektur folgte und ahmte den Niederlanden jenen schon stark geschweiften
und dabei trocken ernsthaften Stil nach, der sich alsbald über das ganze Küsten-
gebiet bis nach den fernsten Punkten der Ostseeprovinzen verbreitete. Der Back-
stein wird für die Flächen festgehalten, aber für alle konstruktiven Teile, Fenster-
und Türeinfassungen, für Gesimse, Pilaster, Giebel und Krönungen wird Haustein
genommen. So entsteht jene mehr malerisch wirkende Bauweise, die wir schon
oben (I, S. 180 ff'.) kurz charakterisierten, und deren Einwirkung sich in manchen
Gegenden ziemlich tief landeinwärts verfolgen läßt.
Der Mehrzahl nach handelt es sich in diesem Gebiet um städtische Bauten,
Rathäuser, Gildehallen, Zeug- und Kaufhäuser, Stadttore und Befestigungen, um
bürgerliche Wohnhäuser sodann, die besonders im Inneren den ganzen Reichtum
damaliger Ausstattung empfangen. Ein gewisser Einfluß niederländischer Sitte gibt
sich in den oft bedeutenden Stockwerkshöhen zu erkennen, welche namentlich den
Ratssälen, aber auch im bürgerlichen Wohnhause den Haupträumen und dem großen
Flur gegeben werden; dieser gewinnt den Charakter einer hohen luftigen Halle.
Die fürstliche Macht spielt in diesen Gegenden nur eine zweite Rolle. Doch
kommt sie im Gebiete der Herzöge von Pommern, mehr noch in den Mecklen-
burgischen Landen, in einigen großartigen und reich ausgeführten Bauten zum
Ausdruck. In den letzteren bildet sich sogar eine besondere Behandlung der
Renaissance aus, die auf künstlerischer Durchbildung des Backsteinbaus beruht
und durch prächtige Terrakottareliefs an Gesimsen, Einfassungen, Friesen, Por-
talen und Fenstern den Fassaden ein vornehm reiches Gepräge verleiht.
Wir wenden uns nun zur Betrachtung des Einzelnen.
Danzig
Mit dem äußersten Nordosten beginnen wir, zuerst mit dem einst mäch-
tigen Freistaat Danzig, der seine Unabhängigkeit durch die mannigfachsten
Geschicke zu behaupten wußte und als eine der vier Quartierstädte der Hansa
hohes Ansehen genoß. Durfte doch ein Danziger Bürgermeister einst wagen, dem
König von Dänemark den Krieg zu erklären!
Die ältesten Zeugen künstlerischen Schaffens in Danzig sind die kirchlichen
Gebäude. Doch reicht keines davon über das 14. Jahrhundert hinauf, ja die
hauptsächlichste Tätigkeit auf diesem Gebiete fällt bereits in die letzten Zeiten
mittelalterlicher Kunstrichtung. Dies waren auch diejenigen, in welchen die Stadt
voll kräftigen Selbstgefühls mächtig aufblühte. Ihre Anfänge sind in Dunkel
204 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
gehüllt. 1) Zwar wird der Name schon im 9. Jahrhundert durch den Biographen
des heiligen Adalbert, des Apostels der heidnischen Preußen, erwähnt, allein von
einer festen Stadt konnte damals in diesen Gegenden noch nicht die Rede sein.
Im 11. Jahrhundert kam sie unter die Herrschaft der Polen und wurde die Resi-
denz eines Fürsten von Pomereilen, der als Vasall der polnischen Krone die Burg
von Danzig inne hatte. Diese lag in dem Winkel, den die Radaune bei ihrem
Einfluß in die Mottlau bildet, wo bis heute in dem Namen der Burgstraße und
der Rittergasse ihr Andenken fortlebt. An diesen festen Punkt lehnte sich
westwärts der älteste Teil der Stadt, die Altstadt. Hier finden sich noch jetzt
die Katharinen- und Brigittenkirche, weiterhin die Bartholomäus- und die Jakobi-
kirche, das altstädtische Rathaus, jetzt in ein Kreisgerichtsgebäude umgewandelt,
und endlich in dessen Nähe die Elisabeth- und Karmeliterkirche. Als darauf im
Anfange des 14. Jahrhunderts die Ritter des Deutschen Ordens die Stadt erobert
und sich auf der Burg festgesetzt hatten, veranlaßten die neuen Herrscher im
Jahre 1311 die Gründung einer neuen Stadt, der sogenannten Rechtstadt, neben
der jedoch die Altstadt zunächst ihre Selbständigkeit in eigener Verwaltung und
Gerichtsbarkeit behielt. Allmählich jedoch schwang sich die Neustadt zu größerer
Bedeutung empor, wie sie denn auch noch jetzt den glänzenden Mittelpunkt
bildet. Hier erhebt sich der kolossale Bau der Hauptpfarrkirche zu Sankt Marien,
einer der größeren Kirchen Europas, hier liegen die Johannes-, die Dominikaner-,
die hl. Geistkirche; hier sind die schönsten Straßen mit den prachtvollsten Häusern,
hier ist vor allem der Lange Markt mit dem Artushof und dem imposanten
Rechtstädtischen Rathaus (Abb. 118). Unter der klugen Herrschaft der Ritter ent-
wickelte sich in anderthalb Jahrhunderten hohe Blüte der Stadt, die durch ihre
Lage in fruchtreicher üppiger Gegend und besonders in der Nähe der Weichsel,
mit der sie durch die selbst für größere Schiffe fahrbare Mottlau in unmittelbarer
Verbindung steht, sich bald zum wichtigen Handelsemporium, zu einem der vier
Vororte der Hansa und zur Kornkammer des Nordens aufschwang. Nachdem
sie im Jahre 1554, zu gesteigertem Selbstgefühl erstarkt, die drückende Herrschaft
des Ordens abgeschüttelt hatte, kehrte sie unter die Oberhoheit der polnischen
Krone zurück, jedoch mit so bedeutenden Sonderrechten, daß sie tatsächlich
einen kleinen mächtigen Freistaat bildete. In die Zeit vorher fallen wiederum
bedeutende Bauunternehmungen, namentlich der Umbau und die Erweiterung der
Marienkirche zu ihren jetzigen grandiosen Dimensionen. Daß auch in den folgenden
Jahrhunderten diese Blüte noch im Zunehmen begriffen gewesen, erkennt man
an der prachtvollen Ausschmückung und Vollendung der öffentlichen städtischen
Gebäude und der Kirchen. Im 17. Jahrhundert scheint die Bevölkerung der Stadt
bis auf 80000 Einwohner gestiegen zu sein, eine Höhe, welche sie erst seit kurzem
wieder erreicht und überschritten hat.
Diesem Entwickelungsgange entsprechend hat sich auch die Erscheinung
ihrer Denkmäler gestaltet.^) Mit der Anlage der Rechtstadt im 14. Jahrhundert
begann wohl erst eine bedeutendere Entfaltung des Kirchenbaus; mit zunehmender
Bevölkerung mußte durch Neubau und Vergrößerung der Körper der kirchlichen
Gebäude verändert werden, bis endlich den nachfolgenden Geschlechtern nur noch
übrig blieb, durch kostbare Ausrüstung und Verzierung auch ihrem frommen Eifer
1) Vgl. über das Geschichtliche G. Löschin, Gesch. Danzigs, 2 Bde.
2) Über keine deutsclie Stadt besitzen wir ein auch nur annähernd so schönes und be-
deutendes Werk wie über Danzig in den Radierungen von Prof. Schultz. Dazu kommen neuer-
dings zahlreiche photographische Aufnahmen der Herren Ballerstädt und Radtke in Danzig.
Endlieh ist die XXXVIIl. Abt. von Ortweins D. Renaiss., bearbeitet von E. Klingenberg, Danzig
gewidmet. Von älteren Werken steht R. Curicke, Der Stadt Dantzigk historische Beschreibung,
1686, in erster Reihe. Neuerdings ist ein treffliches Werk von G. Cuny, Danzigs Kunst und
Kultur im 16. und 17. Jahrh., Prankfurt 1910, hinzugekommen.
Danzig
205
zu genügen. Es ist nun bezeichnend, wie die Kirchen in ihrer Gesamthaltung
merkwürdig von dem künstlerischen Charakter der Profan- und Privatarchitektur
abweichen. Während diese überwiegend eine üppige Renaissance zeigt, erheben
sich jene in ernsten schweren Massen ihres gotischen Backsteinbaus, und selbst
das Material bildet einen Unterschied, da die Privathäuser größtenteils oder ganz
aus Hausteinen, und nur einige größere öffenthche Gebäude aus einer Mischung
dieses Materials mit dem Backstein aufgeführt sind. Dagegen hat spätere Ge-
schmacksrichtung sich nicht bloß an den mannigfaltigen Gegenständen der inneren
Ausrüstung schadlos gehalten, sondern konsequenterweise fast jeden der zahl-
reichen Kirchtürme der Stadt mit einer malerisch phantastischen Haube bekrönt.
Abb. 115 Beischlag-Geländer aus Danzig
Betritt man zum erstenmal die Straßen Danzigs, so ist man überrascht von
der hohen malerischen Schönheit der Stadtanlage, der seltenen Großartigkeit, der
üppigen Pracht, die sich überall kundgibt. Vor allem bestimmend für den Ein-
druck der Stadt sind immer noch die sogenannten „Beischläge", obwohl sie seit
einiger Zeit dem modernen Verkehrsbedürfnis leider immer mehr zum Opfer fallen.
Nur wer diese noch in ganzer Vollständigkeit gesehen, weiß, was das alte Danzig
gewesen. Diese „Beischläge" sind für die Straßen Danzigs das eigentlich Charak-
teristische. Auch in andern alten Städten finden sie sich, aber nirgends so groß-
artig angelegt, nirgends so stattlich architektonisch ausgeprägt, nirgends (wenigstens
bis vor kurzem) in so großer Zahl erhalten wie hier. Sie wurden in den meisten
mittelalterlichen Städten durch die Beschaffenheit der Häuser und die Sitte der
Bürger hervorgerufen. In jener Zeit waren die Wohnungen selbst des reicheren
Privatmannes eng, niedrig, beschränkt. Es galt, auf möghchst kleinem, fest um-
gürtetem Bezirk eine möghchst große Menge zu Schutz und Trutz Verbundener
zusammenzudrängen. Der enge Hausraum wurde daher fast gänzhch von den
für die geschäftliche Tätigkeit des Besitzers notwendigen Lokalitäten in Anspruch
206 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
genommen. Aber am Abend, nach vollbrachtem Tagewerke, wollte man gern
einen freieren Platz zur Verfügung haben, auf dem die Familie in traulichem Bei-
sammensein sich von der Arbeit erholen konnte. Aus diesem Bedürfnis entstanden
breite, mit Stufen über die Straße sich erhebende, die ganze Front des Hauses
begleitende Vorplätze, die man mit steinernen Balustraden und eisernen messing-
verzierten Geländern (Abb. 115) umgrenzte und mit Bänken ausstattete. Diese
Vorbauten nennt man „Beischläge". Seit geraumer Zeit hat allerdings das
Famihenleben sich von den Beischlägen ins Innere der Häuser zurückgezogen.
Der Bürger des neunzehnten Jahrhunderts schon war nicht mehr so in den
Festungsgürtel seiner Stadt geschlossen, wie seine Vorfahren bis ins achtzehnte
es waren, konnte hinaus vor die Tore, um freie Luft zu genießen. Er lernte
daher die Beischläge entbehren, zumal da heutzutage das öffentlich gemeinsame
Leben, das ehedem die Bürger einer Stadt sozusagen zu einer einzigen Familie
verband, sich so ganz geändert hat.
Was in Danzig vorzugsweise fesselt, sind nicht sowohl die kirchlichen
Denkmäler, obschon auch deren einige beachtenswerte sich finden, als die bau-
liche Gesamtanlage der Stadt und die Art, wie städtische Macht und bürgerhcher
Reichtum sich hier architektonisch verkörpert haben. Leicht erkennt man in der
Mitte der verschiedenen jüngeren Zusätze die Bestandteile der eigentUchen alten
Stadt heraus. Sie schließt sich an die Mottlau, welche die natürliche Grenze
nach Osten bildete, während nördlich die in jene sich ergießende Radaune den
Abschluß gab. Hier liegt die Altstadt, hier die alte Rechtstadt mit ihrem Rat-
hause, dem Artushof und den meisten Kirchen. Noch ist etwas von der Stadt-
mauer mit malerischen mittelalterlichen Toren und Türmen der Mottlau entlang
erhalten, eine Stadt in der Stadt umzirkend; dem zunächst schließt sich die durch
einen andern Arm des Flusses begrenzte Speicherinsel an, mit ihren langen Reihen
hoher backsteinerner Lagerhäuser einen nicht minder eigentümhchen Charakter
aufweisend. Dann erst folgen die neuen, für uns nicht in Frage kommenden
Stadtteile, Langgarten und Niederstadt.
In der Altstadt laufen alle Hauptstraßen so ziemUch von Osten nach Westen
bis zum Fluß hinab. Unter ihnen dominiert durch statthche breite Anlage und
hervorragende Bauwerke die Lange Gasse, die sich am Rathause plötzhch zum
Langen Markt erweitert. Sie beginnt landwärts mit dem Hohen Tor und öffnet sich
gegen das Wasser mit dem Grünen Tor. Der Blick von letzterem gegen das Rat-
haus hin, das mit seinen gewaltigen Mauermassen wie eine trotzige Wehr vorspringt
und den Markt abschließt, gehört zu den schönsten und stolzesten Architektur-
bildern (Abb. 118). Die hohen reich verzierten Giebelhäuser, die bei den sanft
geschlängelten Windungen der Straße dem Auge das Bild mannigfacher Ver-
schiebungen darbieten, geben dem Straßenantlitz seine kraftvolle Eigenart. Merk-
würdig ist, daß manche Hauptstraßen noch eine parallel mit ihnen laufende Hinter-
gasse haben, für die Wagen zum Anfahren bestimmt. Diese Einrichtung wurde
durch die örtHche so höchst eigentümhche Anlage der Häuser herbeigeführt. Da
ja die ganze Vorderseite des Hauses durch den Beischlag eingenommen wird, so
bleibt dort kein Platz für eine Anfahrt übrig. Von diesem aus (A in Abb. 116)
betritt man sofort durch die Haustür den Flur B, der hoch und breit angelegt
ist und nur bisweilen an der einen Seite ein niedriges Zimmer, Kontorstube des
Besitzers, hat. Diesen hellen geräumigen Flur hat man sich als den Mittelpunkt
zu denken, in dem ehemals die Fäden des ganzen vielfältigen Lebens des Hauses
zusammenliefen. Hier war das Zentrum der gemeinsamen Tätigkeit. Von hier
führte eine mächtige Treppe von Eichenholz in die oberen Stockwerke ; von hier
erstreckte sich häufig ein Korridor nach den Hintergebäuden und Hofräumen; von
hier gelangte man auch in das saalartige, nach dem Hofe D gelegene Zimmer G,
Danzig
207
3:
welches überall mit Vorliebe ausgeschmückt erscheint und offenbar die Familie
an Sonntagen und sonst wohl bei festlichen Gelegenheiten zu abgeschlossener
Gemeinsamkeit beim frohen Mahle vereinigte. Diese Hauptanordnung findet sich
in den meisten Häusern, soweit sie den altertümlichen Zuschnitt noch bewahren,
durchweg festgehalten. Dabei haben sie nach mittelalterhcher Art in der Regel
nur eine Breite von drei Fenstern, während sie eine enorme Tiefe besitzen. In-
folge dieser Anlage sind allerdings Licht und Luft, wo man nicht neuerdings
Abhilfe getroffen hat, ein wenig karg zugemessen. Ein geräumiges Hinterhaus E,
das die Verbindung mit jener hinteren, der Hauptstraße parallel laufenden Gasse
vermittelt, bildet den Abschluß des Ganzen.
Mit Ausnahme einiger unbedeutender gotischer Giebelhäuser
von Backsteinen, die sich in den engen Gassen bei der Marien-
kirche und an der alten Stadtmauer noch erhalten haben, gehören
die Danziger Häuser einer späteren Epoche an, wo Reichtum und
Wohlleben sich auch in der inneren Ausstattung der Räume gel-
tend machte und dem prunkvollen Äußeren ein nicht minder
schmuckes Inneres entsprach. Die Renaissance hat ihre ganze
Formenfülle hergeben müssen, um Fassaden wie Innenräumen
mögüchst großen Glanz zu verleihen. Dabei ist beachtenswert,
daß die Danziger Häuser, eine Folge niederländischer Einflüsse und
Vorbilder, erstaunliche Stockwerkhöhen haben, wie sie selten in
Deutschland vorkommen, was offenbar mit dem Steinbau zu-
sammenhängt, recht im Gegensatze zu den niedrigen Geschossen
im südhchen und mittleren Deutschland, die bis auf den heutigen
Tag die Einwirkung des Fachwerkbaues bezeugen. Aber aus der
seltsamen Verbindung, welche die Formen der antiken Kunst mit
den mittelalterlichen Verhältnissen des Grundrisses und Aufbaues
schließen mußten, ist auch hier ein merkwürdiger Mischstil her-
vorgegangen. Doch wirken die Fassaden, schon malerisch betrach-
tet, höchst bedeutend, wozu die reiche Fülle des Ornaments und
die Gediegenheit des Materials — trefflicher Haustein überwiegt
weitaus, ja selbst Marmor scheint vorzukommen^) — das ihrige
beitragen. So finden sich an einem Hause der Langgasse Nr. 38,
das mit 1567 bezeichnet ist, Triglyphenfriese mit Schilden und
Tierköpfen, darunter Maskenkonsolen und reizende Arabesken;
oben geschweifter Giebel mit großen Rehefmedaillons. Meistens
werden die Ordnungen der antiken Baukunst in kräftigen Pilaster-
stellungen den schmalen, aber hohen Fronten vorgesetzt; oft auch
erhält dann das Ganze als Abschluß ein Dockengeländer mit Statuen zur Ver-
deckung des abgewalmten Giebels. So in dem reichbehandelten Steff ensschen
Hause der Langgasse, das wir unter Abb. 117 beifügen, und das ohne Zweifel
das Werk eines späten holländischen Architekten von der Richtung J. van Gampens
ist, vielleicht des Ähraham van den Block; die Bildhauerarbeiten stammen von
Hans Voigts 1616—18, und erinnern stark an die Art der Quellinus. Es genügt
hier, auf die genannten PubHkationen zu verweisen, die zahlreiche schöne Bei-
spiele dieser prächtigen Häuser in Abbildung bringen.
Gelegentlich führte die Verbindung der antiken Formen mit den mittel-
alterhchen selbst in der Konstruktion zu seltsamem Formenspiel. So ist in einem
andern Hause der Langgasse, einer Buchhandlung gehörig, der vordere Raum
1) Die im I. Band gelegentlich der Danziger Bauten mitgeteilte Überlieferung, daß selbst
aus Venedig Marmorfassaden bezogen worden seien, ist wohl dahin auszulegen, daß der Import
niederländischer Arbeiten aus belgischem Marmor gemeint sein wird.
Abb. 116
Grundriß eines
Privathauses zu
Danzig
208 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
eine große Halle, deren
reiche Sterngewölbe
auf toskanischen Säu-
len ruhen. Diese Ge-
wölbe sind aber ohne
Rippen aufgeführt und
dürften in konstruk-
tiver Hinsicht nur die
Bedeutung von Ton-
nengewölben haben.
Der nach dem Hofe
liegende Saal ist da-
gegen flach gedeckt,
die Decke prächtig in
Holz geschnitzt, mit
zierlich ausgebildeten
Zapfen und farbig ein-
gelegten Figürchen.
In einem schönen
Hause derselben Ge-
gend sieht man einen
Saal mit nicht minder
trefflich geschnitzter
Holzdecke; ihre Ein-
teilung steht in glück-
lichem Verhältnis zur
Größe des Raumes ;
ihre Felder sind mit
gemalten Darstellun-
gen geschmückt.^) Zu
bemerken ist noch, daß
das Innere in Flur-
und Treppenhäusern
nach niederdeutscher
Art oft ganz mit farbi-
gen, glasierten Fliesen
bekleidet war. Ein
schönes Beispiel dieser
Art bietet das Haus
Langgasse Nr. 18.
Fragen wir nun,
wann und auf welchen
Wegen die Renais-
sance nach Danzig ge-
kommen, so kann kein
Zweifel sein, daß hier-
her, wie in alle nord-
deutschen Küstenlän-
der, der neue Stil zu-
meist durch Vermittlung niederländischer Baumeister übertragen wurde. Und zwar
1) Die Darstellungen von Prof. Schultz, a. a. 0. 1, 8. II, 12 und a. ergeben vorzügliche Bilder
dieser prachtvollen Innenräume.
UOi-X-t STUnSätl.
Abb. 117 Stefienssches Haus zu Danzig
Danzig
209
vollzieht sich diese Einbürgerung, soweit die Denkmäler ein Urteil zulassen, erst
nach 1550; woher es denn kommt, daß die graziösen Formen der Frührenaissance
meistens vermißt werden, und an ihre Stelle die teils schon zum Barocken nei-
genden, teils streng klassizistischen Formen im Sinne Palladios treten. Eines der
frühesten Monumentalwerke, von 1555 datiert, ist das südliche Portal, welches
den Zugang zur Marienkirche von der Straße bildet. Der gotische Bogen wird
außen und innen von Halbsäulen eingerahmt, welche noch den Charakter einer
spielenden Frührenaissance tragen. Ein ungeghedertes Gebälk bildet den Ab-
schluß; darüber erhebt sich ein durchbrochener Aufsatz im Spitzbogen, von fünf
verkrüppelten kannelierten Pfeilerchen gestützt. Das Ganze in seiner seltsamen
Komposition dürfte eher die Arbeit eines einheimischen, auf eigene Faust sich
in Renaissance versuchenden Werkmeisters, als eines in dieser Formenwelt schon
sattelfesten Niederländers sein.
Bald darauf beginnt nun auch der neue Stil sich an den Wohnhäusern
auszubreiten. Das älteste Beispiel, das mir aufgefallen, ist ein Giebel vom Jahre
1557 in der Jopengasse Nr. 46. Einfache Rahmenpilaster ghedern die Flächen,^
gekerbte Voluten mit zierlichen Laubornamenten, noch im Charakter der Früh-
renaissance, bilden die Abschlüsse. Im obersten Felde sieht man ein Wappen,
in einem von kannelierten ionischen Pilastern eingefaßten Felde. Das Ganze noch
sparsam und bescheiden.
Vor allem andern sei hier aber das schon oben genannte englische Hausi),
eines der stolzesten Bauwerke des alten Danzig, kurz besprochen, das Werk des
Meisters Hans Kramer, früheren Stadtbaumeisters in Dresden, der hier die ober-
deutsche Renaissance einbürgerte und seit 1565 bis zu seinem Tode 1577 eine Reihe
höchst stattlicher Privatbauten ausführte. Das genannte fünfstöckige mächtige
Gebäude, mit riesigen Giebeln nach allen Seiten und Turm auf der Kreuzung,
zeigt eine durch Doppelpilaster eingeteilte Front mit je zwei Fenstern in jedem
der drei Felder und starken durchlaufenden Gebälken bis in den Giebel hinein;
dieser hat dann Hermen statt der Pilaster und reichen Schnecken- und Ornament-
schmuck an der Kante, zuletzt einen antiken Dreieckgiebel als Abschluß. In
der Mitte des Erdgeschosses treten noch freie Säulen vor die Pilaster, die Portal-
bogen einrahmend. Die Plastik des Bauwerks ist sehr stark, der Detailausdruck
voll und wohldurchgebildet; hier noch kaum ein Einfluß der Niederlande spür-
bar. — Vom selben Meister dann aber ferner, noch einfach, der Giebel von
Nr. 79 der hl. Geistgasse vom Jahre 1568, doch schon auf plastische Belebung aus-
gehend, mit derber behandelten Schnecken und prächtigen Löwenköpfen. Edel
durchgebildet sodann Nr. 35 der Langgasse vom Jahre 1569^), das „Löwenschloß",
wo vier kannelierte sehr schlanke Pilasterordnungen die enorm hohen Stock-
werke gliedern, und prächtige Friese mit Masken u. dgl. die Teilung bilden. Der
abschUeßende antikisierende Giebel schon barock ausgefüllt, aber charaktervoll.
Von einem Nachfolger Kramers Langgasse Nr. 28, mit elegant kanneherten Pila-
stern, die Friese jedoch reich, fast überladen. Ein großer Aufwand von Plastik
ist dann an Nr. 37 der Langgasse vom Jahre 1563 gemacht wo ziemlich
schwache Pilaster mit reichen, aber flauen Ornamenten die Gliederung bewirken,
unter den Fenstern sodann Rehefs mit liegenden Gestalten von Wissenschaften^
Tugenden u. dgl. von ziemlich geringer Ausführung, im obersten Felde ein Brust-
bild Gottvaters. Hier ist bereits niederländischer Einfluß unverkennbar. Noch
entschiedener tritt dieser an der mit 1572 bezeichneten Fassade der Brotbänken-
gasse Nr. 1^) hervor, welche ziemlich trocken, mit facettierten Quadern und
Bändern geschmückt ist. Alle späteren Fassaden zeigen dann den durch die
1) Cuny, a. a. 0. Abb. 8, 9, 10. 3) Cuny, a. a. 0. Abb. 14. ; ■
2) Cuny, a. a. 0. Abb. 14. 4) Cuny, Abb. 16. '.' . ■
Lübke-Haupt, Eenaissance in Deutschland II 3. Aufl. 14
2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
großen öffentlichen Bauten hier herrschend gewordenen Stil der holländischen
Renaissance.
Es kommt die Zeit, da eine große Zahl niederländischer Baukünstler sich
hier niederläßt und eine große Zahl von Meisterwerken, vor allem öffentlichen
Zweckes, schafft. Aber nicht minder groß ist dann der Einfluß dieser auf den
Privatbau. Gerard und Frederik Hendrikszon, Vroom (From), Wilh. und Abr.
van den Block, die beiden Wilh. Barth, der große Antoni van Obbergen, ja selbst
eine Berühmtheit wie Hans Vredeman de Vries und so manche andere widmen
der stolzen Stadt ihre Kräfte und bestimmen von da an natürlich auch die Rich-
tung ihrer Kunst. Dem Meister Antoni insbesondere sind zahlreiche Häuser zu-
zuschreiben, von denen ich außer Pfefiferstadt 47 die Predigerhäuser von Sankt
Katharinen mit ihrem dreifachen GiebeP), vor allem das unerhört malerische riesig
hohe Gebäude der naturforschenden Gesellschaft am Hafen, sechsstöckig mit
Giebeln, Erkern, Turm und geschweiftem Kupferdach, prachtvoll am Hafen ge-
legen und diesen beherrschend, nennen muß.'^) (1597—99.) So zieht sich die
unübersehbare Schar dieser Bauten bis ins 17. Jahrhundert, langsam mehr und
mehr den strengeren Nachwirkungen der Schule des van Campen und des Amster-
damer Rathauses Platz machend. Der letzte dieser Meister, Andreas Schlüter
d. A.*), leitet uns dann langsam in die neuere Zeit und die Richtung seines be-
rühmten gleichnamigen Sohnes. — Beachtenswerte Denkmäler besitzt die Marien-
kirche. Zunächst in den Gemälden des Hochaltars die frühesten Spuren der
Renaissance, 1516 von dem Augsburger Meister Michael (Schivarz?) ausgeführt.
Merkwürdig genug, sind die inneren Kanten der Flügel mit grau in grau gemalten
Heiligenfiguren geschmückt, welche in flotter Lebendigkeit Holbeinschen Stil
so weit nach Norden verpflanzen. Noch deutlicher erkennt man diese neue
Kunstweise an den farbig gemalten Szenen der Innenseite der Flügel, durch
Renaissance-Kandelaber mit reizend erfundenen, doch schlecht gezeichneten,
spielenden Putten dekoriert. Daß man sich lange noch für wichtigere Kunst-
leistungen an fremde Künstler wenden mußte, beweist das prächtige bronzene
Taufgitter, welches 1551—55 in Utrecht gegossen wurde. Elegante korinthische
Säulen mit gegürtetem Schaft und mannigfachen Ornamenten am unteren Teil
tragen ein Gebälk mit einem Meereswellenfries, dessen große, etwas schwere Form
fast an die Strenge des Empire gemahnt. Die eiserne Gittertür und ebenso das
bronzene Taufbecken, dieses gleichfalls in Utrecht gefertigt, sind tüchtige Arbei-
ten. Nicht viel später kann der untere Teil des Orgelgehäuses entstanden sein,
dessen prächtig geschnitzte Zapfen denen im Rathause vorangehen. Eines der
schönsten Eisengitter der Zeit ist das die Jakobskapelle abschUeßende, reich und
stilvoll in seinen Rankenverschlingungen und den trefflich gezeichneten Blumen.
Von Epitaphien fällt das eines Michael Lois vom Jahre 1561 als eine gute Arbeit
in feinen Goldornamenten auf dunklem Grunde auf, an den Seiten zeigen die
Dekorationen das später so beliebte Lederornament.
Von 1620 ist das bedeutende Freigrab von Simon und Juditha Bahr, wohl
von Abraham van den Bloch, dem Sohn des Schöpfers des Hohen Tors, eine Art
Tumba, an den vier Ecken durch toskanische Säulen getragen; die Gestalten der
Bestatteten knien oben zwischen Obelisken an den Ecken, ihr Wappen steht in
der Mitte; von Engeln gehaltene große Inschrifttafeln an den Langseiten, ringsum
ein prächtiges Gitter.*)
Von dem prachtvollen, freilich schon sehr barocken Chorgestühl der Franzis-
kanerkirche gab Abb. 31 bereits eine Anschauung; eine überüppige Ausstattung
1) Cuny, a. a. 0. Abb. 24. 4) Näheres bei Cuny, S. 93 ff.
2) Cuny, Abb. 23. ^) Bei Cuny, a. a. 0. Abb. 42.
3) Cuny, Abb. 21. .
Danzig
211
mit Gestühl, Orgel und zugehöriger Empore derselben Art aus der Mitte des
17. Jahrhunderts besitzt auch die Johanniskirche.
In der Katharinenkirche ist das Taufbecken von einem etwa um 1580
ausgeführten reichen und schon etwas barocken Holzbau umgeben, der mit
bunten Intarsien von Blumen und Figuren geschmückt ist. Außen sind die Felder
durch Hermen geteilt; deren oberen Abschluß bildet eine durchbrochene Galerie
mit kanneherten dorischen Säulchen; das Ganze eine gediegene Arbeit. Man
liest daran: Baptisterium hic exstructum est a Gregorio Schmolian. Als Meister
nennt sich mit Hinzufügung seines Monogrammes Matheus Gletger. Stärker barock
sind die beiden Orgeln und die Brüstungen der Emporen, sämthch flott und reich
gearbeitet und bemalt.
Zu den frühesten Denkmalen der Renaissance in Danzig gehört vor allem
die prachtvolle Ausstattung des Artushofes. Auch hierzu mußte man zum
Teil auswärtige Künstler kommen lassen. Dieser großartige Bau, der Versamm-
lungsort der Kaufleute („Junkerhof") zu geschäfthchen und festlichen Vereinigungen,
ist ein mächtiges gotisches Werk, dessen Saal mit den herrlichen Sterngewölben
auf vier schlanken Granitsäulen wohl der schönste derartige Raum ist, welchen
das Mittelalter in Deutschland hervorgebracht hat. Seit 1531 schuf Meister
Heinrich Holzapfel aus Köln das prachtvolle Gestühl samt der Holzbekleidung
der Wände. Diese wird durch feine gegürtete Säulchen geghedert, deren Kapitelle
aufs mannigfachste mit Figürlichem aller Art, Masken u. dgl. belebt sind. Noch
geistreicher sind die Umfassungen der die Täfelung nach oben abschließenden
Bogenfelder behandelt: durchbrochen gearbeitete Friese von Ranken, mit Emble-
men und kleinen Figürchen reich geschmückt, von größter Frische, Lebendigkeit
und Feinheit, zum Köstlichsten gehörend, was unsere Renaissance in dieser Art
aufzuweisen hat. Ebenso vorzüglich sind die reizenden Bronzeköpfchen, die man
an dem Friese verteilt sieht. Aus derselben Zeit stammt die hölzerne Einfassung
der Reinholdstatue, 1531 von Laurentius Adrian geschnitzt. Es ist bezeichnend
für die weitverzweigten Verbindungen der mächtigen Handelsstadt, daß sie überall-
her, aus Köln, Augsburg, den Niederlanden die Künstler für ihre Arbeiten zu
gewinnen wußte. Endlich gehört zu dieser Prachtausstattung, welche den herr-
lichen Raum zu einem der malerisch reizvollsten macht, der kolossale nicht
weniger als 38 Fuß hohe Ofen von gebranntem Ton, mit Brustbildern und andern
farbigen Rehefs geschmückt, durchaus noch im Stil der besten Renaissancezeit.
In diesem Saale hat die Ausstattung um 1595 durch den berühmten Joh.
Vredeman de Vries aus Leeuwarden noch einige Ergänzungen erfahren; vor
allem aber hat dieser über der Ratsbank das große Gemälde, Orpheus und die
Macht seiner Musik darstellend, geschaffen; sein bestes gemaltes Werk, auch
architektonisch höchst bedeutsam, da die Handlung in einer großen und präch-
tigen Säulenhalle mit Kuppel vor sich geht. 1602 schuf dazu der treffliche
Antonius Möller das Gegenstück: Triumph der sittlichen Weltordnung. Als letzte
Einwirkung der Renaissance auf das berühmte Haus haben wir dann die Umge-
staltung der Fassade nach dem Langenmarkt anzusehen, deren Giebel Abraham
van den Block 1616—17 abwalmte und mit einer prächtigen Architektur schmückte,
mit vorgesetzten starken Pilastern, Fenstern und Figurennischen, als Krönung eine
Balustrade tragend. Die großen Spitzbogenfenster der Halle ließ er bestehen,
doch bekleidete er die Flächen mit Quadern, setzte zwischen die Fenster Figuren
auf Konsolen und vor die Mitte das bekannte prächtige Portal im Kleeblattbogen
zwischen Nischen.
Unter den städtischen Profanbauten tritt das Rechtstädtische Rat-
haus vor allem bedeutsam hervor (Abb. 118).^) Seinem Hauptkörper nach stammt
1) Vgl. Hohurg, Gesch. des Eath. der Eechtstadt D. 1857.
212 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
es noch aus gotischer Zeit, aus der Epoche, wo die junge Rechtstadt in mächtigem
Emporblühen des Handels und Wohlstandes ihrem höchsten Glänze entgegen-
ging.^) Charakteristisch ist nun an diesem Bau, daß er zum Teil aus Quadern
aufgeführt ist, da doch sämtliche Kirchen und Privathäuser der mittelalterlichen
Epoche Backsteinbauten sind. Späterhin scheint sogar der gebrannte Stein fast
das ausschließliche Material für kirchliche Bauten zu werden, während an den
Bürgerhäusern und den stattlichen Profangebäuden der Renaissancezeit man sich
überwiegend dem Hausteine zuwandte, oder aus ihm wenigstens die wichtigsten
architektonischen Teile, Gesimse, Einfassungen und Ornamente bildete. Das Rat-
haus hat durch die altergeschwärzten Quadern, durch das trotzige Vorspringen
in die Straßenlinie, durch den horizontalen Abschluß der kompakten Massen etwas
Imponierendes, einen stolzen Ausdruck von Macht und Herrschaft erhalten. Große
viereckige Fenster, durch steinerne Stäbe geteilt, durchbrechen die Flächen, dar-
über gliedern sie nach der Marktseite vier hohe spitzbogige Blenden, die die
kleinen Doppelfenster einschließen. An den Ecken achteckige Treppentürmchen.
Diese Teile sind in Backsteinbau ausgeführt. Auch der Turm ist in seinen
massiven Teilen noch gotisch, 1465 aufgeführt, Ziegelbau, mit Achtecktürmchen
an den Ecken und spitzbogigen Blenden. Nur die schlanke, zierliche Spitze gilt
als eine Arbeit aus den Jahren 1559 — 61.^) Diese Spitze ist die feinste Blüte
jener üppigen, schnörkelhaften, schon ins Barocke auslaufenden Spätrenaissance,
ein Wunder in ihrer Art. Der Barockstil scheint hier einen Wettkampf mit der
luftig aufstrebenden Gotik versucht zu haben, so leicht, elegant und zierlich in
der Verjüngung, so mannigfaltig und reich in ihrem Umriß steigt diese Spitze
in die Luft. Allerdings von dem strengen geometrischen Formalismus, dem
organischen Aufwachsen einer gotischen Turmpyramide ist nicht die Rede; aber
um so bemerkenswerter, ja in malerischer Hinsicht den gotischen Turmaufbauten
weit überlegen, aber auch als künstlerische Komposition und an Erfindungskraft
viel höher stehend, ist dies wundervolle Spiel im schönsten Wechsel gerader,
runder und geschweifter Formen, die an sich lustigem Aufstreben fremd, in
genialer Weise gerade zu solcher Wirkung benutzt sind. Die ganze Spitze ist
vergoldet und mit einer ebenfalls vergoldeten geharnischten Figur bekrönt, so
daß im hellen Sonnenschein der Eindruck noch glänzender, ja geradezu ätherisch
wird, da alle festen Formen und Linien verschwimmen, und nur ein durchsichtig
zartes, phantasievolles, ja märchenhaft duftiges Gebilde ohne festen Körper übrig-
zubleiben scheint. Die vier Ecktürmchen und die zahlreichen Strebebögen und
Pfeiler, Spitzen und Kugeln verstärken diesen Eindruck auf das schönste durch
völliges Auflösen des Körperumrisses. In dieser Wirkung dürfte kein gleich
vollendetes Bauwerk in Deutschland, ja Europa zu finden sein. Die Krönung
der obersten Plattform des Rathauses mit einer reichdurchbrochenen, steinernen
Ornamentgalerie, sowie der Abschluß der vorderen Treppentürmchen durch an-
mutige, offene Achtecktempel mit zierlichen Spitzen vollendet den wundervollen
Eindruck, der erst dadurch zur höchsten Wirkung gelangt, daß das Rathaus am
Ende des Langenmarktes quer vorspringend die Straßenecke prachtvoll flankiert,
vor allem aber den ganzen Langenmarkt beherrscht. Ein Städtebild in Deutsch-
land fast ohnegleichen. Nicht zu vergessen ist dabei der nur durch zwei Häuser
getrennte Artushof mit seiner machtvoll-prächtigen Front und vor ihm der schöne
Neptunbrunnen (Abb. 119), der ebenfalls Ahraham van den Block zum Schöpfer
haben wird. Ein prächtiges Werk aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts, ganz
im Stil der Augsburger Brunnen, mit einer Bronzestatue des dreizackschwingen-
1) Vgl. den Grundriß bei Klingenberg a. a. 0. Taf. 3, die vordere Ansicht ebenda Taf. 1 u. 2.
2) Nach Cuny dürfte der heutige reizvolle Aufbau aber noch jünger und um 1630 durch
den Stadtzimmermeister Jahoi van den Bloch ausgeführt sein.
Danzig-
213
Abb. 118 Rechtstadtisclics Rathaus zu Danzig
den Neptun bekrönt, über reicher Säule mit Becken aus vielfach geschweiftem
Steinbassin mit Sphinxen aufsteigend und von einem schönen Eisengitter mit
prachtvollen Türen umgeben. — Zu der glanzvollen Wirkung des Rathauses trägt
auch das sehr schöne Eckhaus noch bei, das ihm gegenüber den Eingang zur
Langenstraße flankiert, nicht viel nach der Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden.
Ein höchst vornehmer Bau, offenbar eines französischen Architekten, im echte-
214 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
sten Stil Henri IL, den in drei Geschossen strenge dorische Pilasterordnungen
mit Triglyphengebälk gliedern, auf dem Dache einfach klare Zwerchgiebel, deren
System sich an dem Hauptgiebel gegenüber dem Rathause in der Mehrzahl
wiederholt. Dies sehr feine Bauwerk hat bisher kaum Beachtung gefunden, wohl
weil seine strenge und bescheidene Architektur gegenüber der sonstigen höchst
malerisch-nordischen der Stadt zurücktritt. Aber bei der Seltenheit gerade fran-
zösischer Bauwerke der Renaissance auf deutschem Boden ist das treffliche
Bauwerk um so wichtiger. Die Steinkreuze, die einst die Fenster teilten, sind
leider beseitigt.
Abb. 119 Xeptunbruniien vor dem Artushof zu Danzig
Von einem mit Holzgalerie und einer prächtigen, bequemen, aus Eichen-
holz geschnitzten Wendeltreppe^) geschmückten Vorplatz des Hauptgeschosses
gelangt man im Inneren des Rathauses nun zunächst in die Sommerrats-
stube. In reichster Pracht der Renaissancezeit mit ihrer brillant vergoldeten und
gemalten Decke (vgl. Abb. 148 im I. Bd.), von der durchbrochene, äußerst reich
und zierUch gearbeitete Knäufe niederhängen, ist sie ein Bild stolzesten üppigen
Wohlstandes.^) Ihre Ausstattung wurde bis 1596 durch den berühmten Hans
Vredeman de Vries aus Leeuwarden geleitet. Die Schnitzwerke arbeitete Simon
Herle (Hoerl), wahrscheinlich ein einheimischer Künstler, und der Kamin (bez.
1593) wurde durch Wilhelm Barth in Stein gehauen, aber durch Vredeman be-
malt und vergoldet.") Bloß für die Decke zahlte die Stadt in zwei Jahren
2645 Taler. Die Ausmalung der Wände und Decke wurde ebenfalls durch Vrede-
man bis 1595 hergestellt; die Gemälde der Decke scheinen aber 1608 — 11 durch
andere von der Hand Isaaks van den Block ersetzt zu sein. — Die Wände sind
unten mit prachtvoll gemustertem roten Samt bekleidet; daher auch der Name
1) Abb. bei Schultz Nr. 11.
2) Vgl. Schultz Nr. 12. Cuny, Abb. 25. Aufnahmen bei Klingenberg a. a. 0. Taf. 4 if.
3) Abb. bei Klingenberg Taf. 17, 18. Cuny a. a. 0. Abb. 48.
Danzig
215
Roter Saal. Besonders graziös und durch feine polychrome Behandlung aus-
gezeichnet ist die Winterratsstube, die wiederum die Vermischung gotischer Ge-
wölbe mit antikisierenden Formen an Konsolen und dergleichen zeigt, i) Ein
anderes Gemach, der Weiße Saal, ist erst in jüngster Zeit mit Sterngewölben auf
schlanker Granitsäule versehen worden. Dagegen gewährt die Kämmereikasse ^)
Abb. 120 Hohes Tor zu Danzig
(Aufnahme der Kgl. Meßbilclanstalt, Berlin)
mit ihrer feinen, einfachen Holzdecke, dem schönen Wandgetäfel, der reich ge-
schnitzten derben Türe von 1607 und dem bemalten und vergoldeten Kamin von
1594 ein harmonisches und prächtiges Bild. Auch die gleichzeitig erbaute De-
positalkasse ^), ein kleines gewölbtes Gemach, erhält durch reiche Wandbekleidung
einen ansprechenden Schmuck.*)
Um dieselbe Zeit erbaute die Stadt 1586—88 das Hohe Tor^), angeblich
nach den Plänen und unter Leitung des Bildhauers Wilhelm van den Block aus
Mecheln, der damals in Danzig ansässig geworden war, nachdem er in Königö-
1) Abb. bei Schultz, Nr. 6. 2) Ebenda II, 16. Ciiny, Abb. 49. 3) Schultz, II, 17.
■i) Das Rathaus ist neuerdings unter dem kunstsinnigen Oberbürgermeister v. Winter
durch Hugo Licht in verständnisvoller Weise wiederhergestellt worden.
5) Schultz, Dedikationsblatt.
216 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
berg und Siebenbürgen bereits mit Erfolg tätig gewesen (Abb. 120). Es ist ein
machtvoller aus Sandsteinen aufgeführter Bau in strenger Rustika mit dorischen
Pilastern, sämtliche Steine mit gemeißeltem Laubwerk bedeckt. Die Anlage folgt
den dreitorigen römischen Triumphpforten; kräftige Konsolen tragen das Gebälk,
über dem eine hohe Attika mit den Wappen des Königreichs Polen, der Stadt
Danzig und der Provinz Westpreußen, ersteres von Engeln, das zweite von Löwen,
das dritte von Einhörnern gehalten. Es gehört aber ohne Frage doch zu den
Abb. 121 Stockturm mit Peinkammer zu Danzig
großartigsten Toren, welche die Renaissance hervorgebracht hat. Sein Vorbild
war übrigens das einstige Georgentor in Antwerpen, dem die Front bis zu den
wappenhaltenden Löwen der Attika ziemlich getreu nachgebildet ist. Nur in
besonderen Einzelheiten, die man zum Teil als eigenwillig bezeichnen muß, weicht
es vom Vorbilde ab, so in den merkwürdigen triglyphenartigen Konsolen, die den
Architrav tragen, vor allem aber in der Verzierung sämtlichen Quaderwerks, in
das überall kristallschnittartig Lorbeerzweige eingeschnitten sind.
Die Wirkung des Ganzen ist freilich traurig verändert, seitdem das einst
von riesigen Wällen eingefaßte Torgebäude freigelegt und von höchst modernen
Straßen umgeben ist.i)
1) Cuny, a. a. 0. Abb. 38.
Danzig
217
Zu ihm gehört aber noch das dahinterliegende eigenthche Hohe Tor, jetzt
„Stocktürm", ein gotischer Backsteinbau, der aber um 1590 durch Anton von
Obhergen mit einem neuen gotisierenden Obergeschoß und Schneidedach, darauf
einem flotten Dachreiter, versehen ist, und die zwischen beiden liegende einstige
Peinkammer mit prächtigen Giebeln nach vier Seiten im Stile des Zeughauses,
ebenfalls von demselben Architekten, von 1593 (Abb. 121).
Auch andere Tore zeigen bemerkenswerte Architektur, so das Legetor, mit
toskanischer kraftvoller Pilasterordnung nach außen, 1626 von Hans Strakowsky
errichtet, an der Rückseite einen viergiebligen höheren Aufbau niederländischen
Charakters bildend,^) Mehr aber das Langgassertor, von 1612 — 14 durch den
Abb. Vl'l Zeiigliaus-Küclcsoitc zu Danzig
mehrfach genannten Sohn Wilhelms, Abraham van den Block errichtet. Hier
handelt es sich eher um einen Prunk- oder Zierbau, einen gewölbten Triumph-
bogen von drei Öffnungen, darüber ein hohes Obergeschoß mit Fenstern, beide
Stockwerke mit freivortretenden verkröpften Säulenstellungen, unten ionisch,
oben korinthisch, geschmückt, auf der obersten Dockengalerie je vier Statuen
des Bildhauers Peter lUngering. Zum Obergeschoß führt eine seillich an-
gelegte Treppe mit steigenden Bögen. Das Bauwerk ist, trotz aufwendiger Ge-
staltung und schöner Ausführung in Kalkstein, etwas trocken und flau in der
Wirkung, bildet aber zusammen mit dem nach außen vorspringenden, daneben
liegenden hübschen Backsteingebäude der Hauptwache, das sehr stark vläraisch
gestaltet ist in einer Art Übergangstil aus der Gotik, eine wirksame und präch-
tige Gruppe.^)
Durch Meister Äntoni von Obbergen hatte die Stadt im Jahre 1587 das
Altstädtische Rathaus, ein ganz hervorragend tüchtiges Werk, erbauen
lassen. Wir haben unter Abb. 145 im I. Band ein Bild davon gegeben, das
1) Cuny, Abb. 28, 28 a.
2) Cuny, Abb. 43— 45.
218 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
den einfachen Ziegelbau mit seinen kräftigen Hausteineinfassungen, den großen
Verhältnissen, den malerischen, durch eine Balustrade verbundenen Ecktürmchen
und dem reizvoll umrissenen Hauptturme als ein Werk von hervorstechender
niederländischer Art, doch von ungewöhnlich starkem Ausdruck, innerer Kraft
und Gediegenheit erkennen läßt,^) Endlich errichtete die Stadt in derselben
Epoche (1602—05) ihr großes Zeughaus, das denselben Stil, aber in ungleich
reicherer Ausbildung zeigt, das Haupt-
werk desselben Antoni von Ohhergen.
Von den vier derben Schweifgiebeln und
den kraftvollen Portalen, mit denen selbst
die hintere Fassade am Kohlenmarkt aus-
gestattet ist, gibt unsere Abbildung 122
Anschauung. Weit ausdrucksvoller ge-
staltet sich mit zwei vorspringenden
Treppentürmen und einem vor der Mitte
der Fassade sich erhebenden Brunnen
(Abb. 123) die Hauptfront, die gegenüber
der flachen Hinterfront durch eine Art
Vorhof und die schönen Achtecktürme
mit geschweiften Helmen eine erfreuliche
Plastik aufweist. (Bd. I, Abb. 135.) Die
tiefe Farbe der Backsteine, durch die hel-
len Sandsteine der Architektur gehoben,
ergibt mit einer reichen Bemalung und
der Vergoldung der plastischen Teile
ein ganz prächtig farbiges Bild, wie es
auch sonst in der Stadt häufig ist. Die
beiden Treppen in den Ecktürmen sind
in kunstreicher Weise als Wendelstiegen,
die eine mit einer Spindel ausgeführt.
Das Innere des Baus bildet eine gewal-
tige vierschiffige Halle mit 24 Kreuz-
gewölben auf 15 freistehenden Pfeilern.
Gerade dies Gebäude ist ein Höhepunkt
der niederländischen Renaissance in
deutscher Ausprägung auf deutschem
Boden; nordischer Charakter in Formen
und Material, malerische Gruppierung,
derbe Plastik im Einzelnen vereinigen
sich zu einer meisterhaft abgewogenen
Gesamtleistung, die so wie sie ist, auch
in den Niederlanden keine nahen Ver-
wandten hat, hierzuland an Tüchtigkeit wohl nur von dem Altstädter Rathaus
desselben Meisters erreicht wird.^)
Weiter auf Einzelnes einzugehen führte uns allzusehr vom Wege ab. Nur
des glänzenden Oberteils auf dem Turm der Katharinenkirche (Abb. 124)
sei noch gedacht, eines der malerischesten Turmaufbauten, der den mächtigen
viereckigen Klotz in einer erstaunlich geistvoll prächtigen Art auflöst; ein Gegen-
stück zum Rathausturm von ganz ähnlichen Qualitäten, ein Meisterwerk des
Stadtzimmermeisters Jakobs van den Block, 1634 errichtet.
Abb. 123 Brunnen vor dem Zeughause
zu Danzig
1) Cuny, a. a. 0. Abb. 20.
2) Cuny, a. a. 0. Abb. 26.
Danzig
219
Geben alle diese "Werke von der damaligen Macht und dem hohen Monu-
mentalsinne der Stadt ein bedeutsames Zeugnis, so mag als letzter Nachklang
einer malerischen und eigenartigen ländlichen Architektur das Müllergewerk-
haus (Abb. 125) hier seine Stelle finden. Es ist ein charakteristisches Spätbei-
spiel des auch diese
Gegenden einst
beherrschenden
deutschen Fach-
werkbaus, durch
die hölzerne Frei-
treppe und die
zierlich gedeckte
Laube des oberen
Geschosses von
anheimelnderWir-
kung. Der Dach-
giebel mit dem an
kräftigem Quer-
balken herausge-
hängten hübsch
geschnitzten Ge-
werkschild erhöht
die Wirkung des
anmutigen Baus.
Das nahe
Kloster Oliva be-
sitzt neben einer
überreichen barok-
ken Ausstattung
noch einen schö-
nen Ghorstuhl von
1599 und Reste
anderer im Frie-
densaal. Auch in
Pelplin Ghorge-
stühl, Täfelungen
und Epitaphien des
17. Jahrhunderts
in reichster Aus-
führung.
Von Bauwer-
ken, die von Dan-
zigs Kunst abhän-
gig sind, sei noch
das Rathaus in Thorn genannt, das 1602—03 durch Änton von Ohhergen umgebaut
und glänzend ausgestattet wurde. Der alte riesige gotische Bau des Deutsch-
ordens wurde damals mit Giebeln auf der Mitte seiner vier Seiten und schönen
Ecktürmchen geschmückt; die Ratstube und andere Räume reich ausgestattet,
auch mit Gemälden von der Hand des vortreffÜchen Änton Möller. Leider ist das
meiste davon bei dem großen Brande 1703 halb oder ganz zerstört. Eine alte
Zeichnung von 1700 (abgeb.inKunstdenkm.Westpr.il, S. 233) gibt den einstigen
Zustand wieder.
Abb. 124 Katharineiikirclie zu Danzig
220 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengehiete
Das Rathaus in Kulm ist dagegen noch wohl erhalten, doch in seiner
äußeren Erscheinung durchaus slawisch oder polnisch: ein geschlossener, fast
v/ürfelförmiger Bau mit hohem Turm inmitten, auf dem Hauptgesimse Reihen von
kleinen Giebeln ringsum ziehend, das Dach nach polnischer Sitte sehr flach und
Abb. 125 Müllergewerkhaus zu Daiizig
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
nach der Mitte zu abfallend. Das Obergeschoß mit ganz eigentümlicher ionischer
Säulenarchitektur vor Nischen deckte diese nach innen abfallenden Dächer nach
außen (jetzt durch ein Holzzementdach ersetzt). „Die künstlerische Gestaltung
des Äußeren folgt mit der phantastischen Häufung der Formen, der Verwendung
lebhafter Diamantquaderungen und der spielenden Auflösung des Dachrandes
durchaus der in polnischen Landen herrschenden Architekturauffassung." (Stiehl.) ^)
Es ist 1568 begonnen.
In dem nahen Kulmsee im Dom einige schöne Denkmäler; insbesondere
ist das des Bischofs Petr. Kostka (f 1595) hervorragend durch eine stark italie-
1) stiehl, Das deutsche Rathaiis im Mittelalter, Leipzig 1905, Abb. 115.
Pomeranien Königsberg
221
nische, prachtvolle triumphbogenartige Anordnung mit dem Verstorbenen auf dem
Sarkophag in der Mittelnische und dem Medaillon der hl. Jungfrau im Bogen
darüber. Die Ausführung in verschiedenem Marmor eine ausgezeichnete und in
ihren edlen Formen noch der besten Zeit der Jahrhundertmitte angehörend;
wohl zu Lebzeiten errichtet.^)
Das westlich gelegene Kloster Karthaus besitzt ein üppiges ChorgestühP)
aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, merkwürdigerweise völhg identisch mit dem
der Franziskanerkirche zu Danzig, das in Abb. 31 dargestellt ist. Der Hochaltar
in ähnlichem Stil und Reichtum. In Zuckau ein Altar gleicher Art.'')
In Pomeranien hat die Kunstliebe einiger adeliger Geschlechter insbeson-
dere die kleinen Kirchen auf dem Lande zu geschlossenen, nicht unwürdigen
Kunstschöpfungen zu gestalten gewußt; fern vom deutschen Kernlande sind doch
hier manche erfreuliche Leistungen gut deutscher Renaissance erwachsen.
Als bezeichnendes Beispiel führe ich das reizende Kirchlein zu Langenau
an, 1600 — 04 durch Alex, von Polenz erbaut und ausgeschmückt. Es ist ein ein-
facher Saal, etwa 12 x 30 Meter groß, mit dreiseitigem Ghorschluß, einer hübsch
eingeteilten Felder- oder Kassettendecke, die auf reichem Gesims ruht; Fenster
und Türen mit Rustika und Schnörkelwerk zierlich umrahmt. Darin ist ein schöner
Altar, eine Kanzel, ein Gestühl für die Herrschaft, eine Orgelbühne aufgestellt,
die alle in einer prächtig reichen Renaissance durchgeführt sind; nichts Un-
gewöhnliches, doch alles von bester Durchbildung, ein ganz außerordentlich
harmonisches, lebhaft malerisch wirkendes Gesamtbild gewährend. Nur die Orgel
ist etwas jünger.*) Insbesondere ist die von ionischen Säulen getragene Orgel-
empore reich und fein gestaltet; die Brüstung enthält Gemälde aus der Passion,
mit Hermen dazwischen.
Daß der ganze Raum in reicher Farbe mit Vergoldung prangt, braucht als
selbstverständlich kaum erwähnt zu werden.
Ganz ähnlich ist die Kirche in Rosenberg ausgestattet mit Stuhl, Orgel
und Altar, alles 1607 entstanden und reichfarbig.
Königsberg
Von geringerer Bedeutung für die Geschichte der Renaissance als Danzig
ist die alte Haupt- und Krönungsstadt Preußens. Namentlich hat hier das
Bürgertum nie solche Macht erlangt wie dort. In der Tat wird denn auch nicht
diesem, sondern dem Fürstentum hier die Einführung der Renaissance ver-
dankt. Es ist einer der vielen trefflichen Fürsten, an denen Deutschland im
16. Jahrhundert ebenso reich war, wie in den beiden folgenden an schlimmen:
Albrecht von Brandenburg, der letzte Hochmeister des deutschen Ordens und der
Stifter des weltlichen Herzogtums Preußen. In seiner mehr als fünfzigjährigen
Regierung (1512—68) wußte er das Land in seiner politischen Stellung trotz
schwieriger Verhältnisse zu befestigen und seinen Wohlstand in jeder Weise zu
fördern. Er legte den Grund zu einer geordneten Verwaltung, sorgte einsichtsvoll
für das Kirchen- und Schulwesen, legte vor allem Nachdruck auf Hebung und
Verbreitung der Wissenschaft, indem er das Gymnasium und bald darauf (1544)
die Universität stiftete, die nach ihm noch jetzt den Namen (Albertina) trägt.
Auch berief er viele Gelehrte und sorgte für den Druck ihrer Werke. Nicht minder
1) Bau- und Kunstdenkm. der Prov. Westpreußen, Danzig 1884, II., Beil. 1, S, 153.
2) Bau- und Kunstdenkm. Westpr. I. Beil. 3.
3) Daselbst I. Beil. 4.
4) Bau- und Kunstdenkm. Westpr., III., S. 103 ff., Beil. 8, 9.
222 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
begünstigte er die Künste als ihr überzeugter freigebiger Förderer, indem er tüch-
tige fremde Meister ins Land zog. So berief er von Nürnberg Georg Pencz und
gab ihm 1550 eine Bestallung als Hofmaler i), und als dieser, wie es scheint,
bald nach seiner Ankunft in Königsberg starb, wußte der Herzog den nicht minder
geschickten, freilich, wie es scheint, etwas windigen Jakob Binck zu gewinnen,
der bis zu seinem Tode in herzoglichen Diensten blieb und nicht bloß als Maler
und Medailleur für den Hof arbeitete, sondern auch mit Entwürfen zu Grab-
denkmälern beauftragt, ausdrücklich aber „zu gemeiner Malerei und grober Arbeit"
nicht verpflichtet war.^) Auch sonst finden wir Nürnberger Künstler, z. B. einen
Meister Crispin Herranth für Albrecht tätig, wie er auch mit Paul Vischer, einem
Sohne des berühmten Erzgießers, in Unterhandlung trat.^) Die berühmte Silber-
bibliothek, von des Herzogs zweiter Gemahlin stammend, ist heute noch in der
Hauptsache vorhanden und dort aufbewahrt*), zwanzig Bände in den prachtvollsten
Silberdeckeln, bis auf zwei damals in Königsberg selbst angefertigt; geradezu
herrliche Arbeiten der Gieß-, Treib- und Gravierkunst, mit figürlichen und orna-
mentalen Reliefs und Wappen auf das schönste geschmückt.
Die neue Formenwelt der Renaissance sollte zuerst bei dem durch Albrecht
zum größten Teil umgebauten Schloß in Anwendung kommen.
Schon früh hatte sich die Bedeutung des Platzes als eines festen Punktes
und Bollwerks der deutschen Kultur in der Anlage einer befestigten Burg aus-
gesprochen, aus der sich im Laufe der Zeiten das allerdings mehr durch seine
gewaltige Ausdehnung, als durch reiche künstlerische Gestaltung bemerkens-
werte königliche Schloß entwickelte. Der imposante Bau, der sich in einer Länge
von hundert und einer Breite von sechzig Metern um einen langgestreckten vier-
eckigen Hof gruppiert, stammt aus sehr verschiedenen Zeiten und bietet der
kunstgeschichtlichen Betrachtung ein höheres Interesse, als dem rein künstlerischen
Genuß. Zuerst wurde hier im Jahre 1255 auf dem höchsten Punkte der flachen
Pregellandschaft durch den deutschen Orden eine Burg errichtet, um die stets
zu Aufständen geneigten Samländer im Zaum zu halten.*) Es war jedenfalls nur
ein Notbau, bei dem ein tiefer Wassergraben, mit Pfählen und Planken umzäunt,
die Hauptsache ausmachte. Aber schon zwei Jahre darauf beschloß der Orden,
ein festeres Kastell zu erbauen, das außer dem Graben durch doppelte Mauern
mit nicht weniger als neun Türmen verteidigt wurde. Schon damals muß das
Schloß eine bedeutende Ausdehnung gehabt und im wesentlichen der Größe des
jetzigen entsprochen haben, denn es umfaßte, außer den Räumen für die Be-
satzung, die für den Landmeister und Ordensmarschall, den Hauskomtur und
einige andere Offizianten, den Konvent der Ordensritter und Priesterbrüder, seit
dem Verluste der Marienburg 1457 sogar den Hochmeister und seinen ganzen
Hofstaat. Daß von Anfang an auch eine Kirche dazu gehörte, ist selbstverständ-
lich. Seit 1525, unter Albrecht L, wurde es dann Residenz der preußischen
Herzöge. Später erfuhr es manche Veränderungen und durchgreifende bauliche
Umgestaltungen, wozu namentlich die Zuschüttung des Grabens und die Besei-
tigung der Zugbrücken gehört ; aber immer noch ist es ein Bau von machtvoller
Erscheinung bei hervorragender geschichtlicher Bedeutsamkeit.
^) Das Nähere darüber s. bei A. Hagen, Beschreib, der Domkirohe zu Königsberg. Königs-
berg 1833, S. 167.
2) Vgl. Hagen, a. a. 0. S. 157 ff.
3) Ebenda S. 155 ff.
Schwenke und Lange, „Die Silberbibliothek Herzog Albrechts und seiner Gemahlin
Anna Maria", Leipzig 1894. Abb. auch in Bötticher, Bau- u. Kunstdenkm. d.Prov. Ostpr. S. 150 ff.
5j Vgl. Dr.K. Paber, Die Haupt- und Eesidenzstadt Königsberg in Preußen (Königsb. 1840)
S. 3. Dazu Lilientlial, Erläutertes Preußen (Königsb. 1724) S. 281 — 311, die Gesch. des Schlosses.
— Bötticher, a. a. 0. S. 18—96.
Königsberg Schloß
223
Gleich allen von den deutschen Rittern aufgeführten Werken ragt es durch
die sämtlichen Bauten dieses Ordens eigene Großartigkeit der Anlage hervor.
Fassen wir es zunächst von außen ins Auge, so haben wir es heute allerdings
nur mit einem ziemlich unscheinbaren Putzbau zu tun, der durch keinerlei Gliede-
rung oder künstlerische Durchbildung das Auge besticht; nur die von mächtigen
Strebepfeilern gestützte Westseite wird von zwei gewaltigen runden Türmen
flankiert, die offenbar dem 16. Jahrhundert angehören. Sie erinnern in der Form
stark an die runden Nürnberger Befestigungstürme, deren gediegene Quader-
konstruktion ihnen freilich fehlt, i) Weithin wird aber die Gesamtwirkung des
Schlosses aufs günstigste gehoben durch den leider neuerdings in gotischem
Backsteinbau „hergestellten" Hauptturm des inneren Hofes, der hoch über die
übrigen Teile emporragend von altersher dem Schlosse eine dominierende Be-
deutung verleiht, anstatt seiner alten malerischen, vierfach abgetreppten Spitze^)
bedauerlicherweise jetzt freilich eine schematische Kirchturmspitze tragend.
Der Haupteingang liegt an der Ostseite und bildet einen turmartig vor-
springenden Vorbau, der von zwei übereckgestellten Erkern eingefaßt wird und
in der Mitte das Hauptportal enthält. Auch hier atmet alles eine gewisse nüchterne
Schmucklosigkeit, die durch das charakterlose neuere Dach und die veränderte
Einfassung der Fenster noch gesteigert wird (Abb. 126). Auch der auf unserer
Abbildung sichtbare Turm an der Nordostecke des Schlosses, vor dem sich bis-
her noch ein inzwischen beseitigter Schuppen hinzog, ist von ebenso kunstloser
Form und wie alles übrige im Putzbau aufgeführt. Das Wichtigste für unsere
Betrachtung ist das übrigens ebenfalls sehr einfach behandelte Hauptportal, das
mit mageren dorischen Rahmenpilastern eingefaßt, in der Attika die Jahreszahl
1532 und den Spruch: „turris fortissima nomen domini" trägt, dazu den die Ge-
sinnung des fürstlichen Bauherrn schön charakterisierenden Vers
Parcere subjectis et debellare superbos
Principis officium est, musa Maronis ait.
Sic regere huno populum princeps Alberte memento,
Sed cum divina cuncta regentis ope.
Die südöstliche Partie des Schlosses ist später durch Andreas Schlüter in
den ihm eigenen mächtigen Formen und Verhältnissen umgebaut worden.
Treten wir in das Hauptportal, das durch die Jahreszahl als Werk der
Frührenaissance und als Schöpfung Albrechts I. bezeugt ist, so führt es uns
durch eine tonnengewölbte Halle in den inneren Hof. Gleich zur Rechten fällt
uns ein kleines, wirkungsvoll behandeltes Portal auf, aus der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts. Dagegen gehört der zur Linken die vorspringende Ecke
des östlichen Schloßflügels flankierende, übereck gestellte Erker der Albrechti-
nischen Bauzeit. Auf derben Konsolen vorgekragt, nimmt er übrigens teil an
der allgemeinen Schmucklosigkeit und Schlichtheit, nur trägt er das reich be-
malte preußische Wappen. Der ganze östliche, sowie der langgestreckte südliche
Flügel gehört off'enbar, mit Ausnahme der durch Schlüter umgebauten Teile, der
Zeit Albrechts I. Das wird auch durch die Inschrift und die Jahreszahl 1551
an dem kleinen Portal bestätigt, das ungefähr in der Mitte des Südflügels die
sonst schmucklosen Flächen durchbricht. Die Arbeit ist nicht sehr fein, zeigt
jedoch gutes Verständnis der entwickelten Renaissanceformen. Eine männliche
und eine weibliche Herme umrahmen die im Flachbogen geschlossene Pforte, die
nur von einem Rundstab eingefaßt ist. In der Attika sieht man das Relief-
Brustbild des Fürsten, der das Kurschwert emporhält. Die reiche Einrahmung
1) Abgeb. bei Bötticher, a. a. 0. S. 44.
2) Daselbst S. 41.
224 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
des Feldes besteht aus Löwenköpfen, verzierten weiblichen Masken und Rollwerk :
lauter Formen einer sich schon neigenden Architektur und sicherlich das Werk
eines aus den Niederlanden berufenen Künstlers.
Anders verhält es sich mit dem ebenso langgestreckten nördlichen Flügel.
Dieser ist offenbar mit Ausnahme seines östlichen unter Friedrich Wilhelm III.
in nüchternster Weise umgebauten Teiles die älteste Partie des Schlosses, und
zwar im wesentlichen noch der aus den Zeiten des deutschen Ordens herrührende
Bau. Dies geht schon aus den Spitzenbogenfenstern hervor, welche sich durch-
weg hier im Erdgeschoß finden. Nur die auf schlanken Holzpfeilern sich
davor hinziehenden Arkaden sind ein Zusatz aus der Zeit der Spätrenaissance,
wie man an den schneckenförmig ausgebildeten Trägern erkennt. Auf ihnen
ruht ein kleines Obergeschoß, von kurzen dorischen Holzpfeilern gestützt. Im
Inneren ist hier eine Reihe von Räumen, zum Teil jetzt dem Archiv dienend,
mit eleganten gotischen Sterngewölben, deren Rippen zum Teil sehr schön
profiliert sind. Einzelne derselben mögen noch aus dem 14. Jahrhundert stam-
men, während andere minder gut ausgeführte dem 15. und 16. Jahrhundert an-
gehören. Einige dieser Räume haben bis zu 6 Meter Scheitelhöhe bei 10 Meter
Tiefe und der gewaltigen Mauerstärke von 2 Meter. Darunter befinden sich
mächtige Keller in zwei Geschossen. Andere Gemächer sind mit einfachen
Kreuzgewölben bedeckt.
Der ganze westliche Flügel endlich enthält im Erdgeschoß die sehr ge-
räumige Schloßkapelle und darüber den ganz grundlos so genannten Moskowiter-
saal. Vielmehr ist dieser Flügel in der Spätzeit des 16. Jahrhunderts (seit 1584)
unter dem Markgrafen Georg Friedrich ausgeführt worden, während freilich der
innere Bau der Kapelle noch aus früherer Zeit datieren mag. An den beiden
eleganten Vorbauten, welche sich auf korinthischen Säulen öffnen und die Treppen-
aufgänge zur Kapelle enthalten, liest man die Jahreszahl 1588. Derselben Zeit
gehört auch das kleine Portal an dem in der nordwesthchen Ecke des Schloß-
hofes angelegten Treppenturm. Es trägt in einem kräftigen Renaissancerahme;n
über dem Eingange den trefflich gezeichneten preußischen Adler. Ganz dieselbe
Formgebung erkennt man an einem reicher durchgeführten Portal, das im oberem
Geschoß aus dem Moskowitersaal auf einen vorgebauten Altan führt. Alle diesie
Formen deuten auf fremde Hände, und in der Tat erfahren wir, daß Blasiw.s
Benvart und der Zimmermann Hans Wismar zur Ausführung dieses Baus be;-
rufen wurden.^) Es ist nun von großem Interesse, daß wir den erstgenanntem
Meister unter Herzog Christoph beim Schloßbau in Stuttgart kennen gelernt habem
(I, S. 331 f.), daß dann aber derselbe Architekt um 1563 durch den Markgrafem
Georg Friedrich für den Bau der Plassenburg berufen wurde (I, S. 485). EiS
begreift sich leicht, daß der auf diese Weise mit den fränkischen Brandeni-
burgern in Beziehung getretene Künstler dann auch weiter zum Bau des Preußem-
schlosses in Königsberg herangezogen wurde. So war es ihm denn beschiedem,
die entwickelten Formen der süddeutschen Renaissance nach dem Norden ziu
verpflanzen.
Das Innere der Kapelle mit den eleganten gotisch profilierten Sterngewölbem
auf achteckigen Granitpfeilern haben wir dagegen wohl einheimischen Meisterm
zuzuschreiben. Eine reiche Wirkung macht die Bemalung der Gewölbe : gram
in grau ausgeführte Figuren auf blauem Grunde. Diese gehören indes eineir
späteren Erneuerung, denn wir wissen, daß ein seinerzeit sehr geschätzterer
Meister, Hans Windrah, die Kirche und andere Gemächer des Schlosses 158^8
durch selten schöne und zierliche Stukkatur, indem er verschiedene Figuren im
1) Abb. bei Böttioher, a. a. 0. S. 39.
2j Lilienthal, a. a. 0. S. 288.
Königsberg Schloß
225
Stuck bildete und plastisch ausführte, geschmückt hatte, Die Galerien an der
südlichen Schlußwand und der westlichen Langseite, die königliche Loge in der
Mitte der Westseite sowie gegenüber der Altar und die in üppigem Barockstil
ausgeführte Orgel sind ebenfalls spätere Zusätze. Der Moskowitersaal ist ein
Raum von ungeheurer Größe (fast neunzig Meter lang und neunzehn Meter breit),
der aber durch die ungewöhnlich geringe Höhe von nur sechs Metern sehr un-
günstig wirkt. Er besitzt außer jenem Portal einen Kamin in derben Formen der
Spätrenaissance, das Gesims auf zwei Atlanten ruhend, die Ornamentik durchweg
Abb. 126 Schloß zu Königsborg i. Pr.
(Aufnahme dar Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
kräftig, doch nicht fein.^) Der jetzt völlig schmucklose öde Saal hatte ursprüng-
lich durch den fürsthchen Hofmaler Hans Hennenberger (1594) „an der Decke
schöne Figuren und ringsumher das alte und löbliche Geschlecht der Marggrafen,
wie auch an den Wänden ansehnhche Tapezereien, zierlichen gemalet" erhalten,
von denen aber keine Spur mehr vorhanden ist.^) Von anderen hier zu erwähnen-
den Räumen mögen diejenigen am südlichen Ende des Westflügels erwähnt werden.
Ihren sehr flach gespannten Sterngewölben nach mit durchschneidenden Rippen
und Stuckornamenten scheinen sie dem Bau des Blasius Berwart anzugehören.
Ursprünglich bildeten sie offenbar einen großen Saal, der mit der Kapelle in Ver-
1) A. Hagen, Über Stukkaturdecken (Königsb. 1873) S. 6.
2) Abgeb. bei Bötticher a. a. 0. S. 87. Das schöne Portal desselben Saales S. 48.
3) Vgl. Philipps Aufs, in den N. Preuß. Prov.-Blätt. III. Folge Bd. IX 1864 S. 325 fF. cf.
Casp. Hennenbergers Erklärung S. 198.
L üb ke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 15
226 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengehiete
bindung stand. Aus derselben Zeit stammen ohne Zweifel die ausgedehnten Räume
in der nordwestlichen Ecke des Erdgeschosses; ihre flachen Decken sind m.t
Stuckornamenten im Schlosserstil dekoriert, wohl noch Überreste der Dekorationea
von Hans Windrah.
Ein einziger Raum hat sich aber in ursprünglicher Schönheit erhalten, ge-
wöhnlich das Geburtszimmer Friedrichs I. genannt; ein „Juwel der Frührenais-
sance". Es besitzt eine vollständige Täfelung aus ungarischem Eschenholz und
eichenen Rahmen, das Fenster mit Kassettenbogen überspannt und mit zierlicher
Holzsäule geteilt; die Tür mit Flachbogen darüber, in der Ecke ein hübscher
Kamin; das Ganze aber ganz winzig.^)
Der gewaltige viereckige, neuerdings veränderte Hauptturra in der süc-
westlichen Ecke des Hofes ist in seinen unteren Teilen alt. Ein ursprünglici
neben ihm angelegter runder Treppenturm ist später zerstört worden. Ein etwas
belebteres Gepräge erhielt ehemals der Bau durch eine Anzahl von Dacherkerri
mit geschweiften Barockgiebeln, welche man auf einer Beringschen Radierung
vom Jahre 1613 sieht. Selbst im Besserschen Krönungswerk von 1712 sind sie
noch enthalten. Endlich muß bemerkt werden, daß unter der Kapelle eine Durch-
fahrt angeordnet ist, im Südflügel aber das kleine, oben besprochene Portal zi
einem schmalen Durchgange nach der unteren Stadt hin führt.
Außer dem Schloß bietet Königsberg nicht viel für unsere Betrachtung.
Der Privatbau ist unerheblich, und das Wenige von Renaissancefassaden ge-
hört der Spätzeit an. Das Beste ist ein reich im beginnenden Barockstil behan-
deltes Portal in der Kneiphöfischen Langgasse Nr. 27, das schon an der Grenze
unserer Epoche steht. Eigentümlicherweise ist anstatt des Bogens eine halbe
Achtecklinie zur Überdeckung angewandt; die abgeschrägten Felder sind mit
trefflich gearbeiteten liegenden allegorischen Figuren geschmückt, die Einfassung
bilden elegante Hermen; ihr Schaft ist durch reich dekorierte Masken belebt.
Auf dem geteilten und geschweiften Giebel sieht man zwei stehende Figuren, in
der Mitte auf einer Schnecke die Justitia. Man darf hier wohl einen nieder-
ländischen oder gar französischen Künstler vermuten. Zu beiden Seiten des
Portals treten die Kellertüren vor, reich und trefflich geschnitzt. Der Hausflur
drinnen führt auf einen Saal, dessen Portal in demselben Stil mit großer Virtuosität
gearbeitet ist.^)
Eine völlig erhaltene kleine Fassade aus derselben Epoche sieht man in der
Fleischbänkengasse. Das Portal, ebenfalls mit tiefer Leibung, wird von korinthi-
schen Säulen eingefaßt, die oberen Teile der Hausfront werden durch einzelne
Masken, sparsam verteilte Diamantquadern und gut stilisierte eiserne Anker an-
sprechend belebt, ganz im Charakter niederländischer Architektur. Ein dürftiges
Barockportal sah man an dem kleinen abgebrochenen Hause zum Bienenkorb in
der Altstädtischen Langgasse. Wertvoller war der dazugehörige polygone in Fach-
werk ausgeführte Erker, der auf einer gut geschnitzten Maskenkonsole ruht. Am
Giebel schien die Jahreszahl 1621 zu stehen.
Einige vorzügliche Werke besitzt endlich der Dom. Vor allem das große in
einer Höhe von fast 14 Meter die ganze Ostwand des Chores ausfüllende Denkmal
des Herzogs Albrecht (Bd. I, Abb. 27). Es ist noch bei Lebzeiten des Fürsten
begonnen und wahrscheinhch zwei Jahre nach seinem Tode vollendet, denn man
liest die Jahreszahl 1570 im Giebelfelde. Der Aufbau ist der seit Andrea Sanso-
vinos berühmten Grabmälern verbreitete eines großen Triumphbogens, beiderseits
von zwei korinthischen Säulen eingefaßt, über denen hier noch zwei andere sich
erheben. In den dazwischen angebrachten Nischen sieht man vier königliche
1) Abg. bei Bötticher S. 71.
2) Abgeb. bei Bötticher a. a. 0. S. 371, 372.
Königsberg Dom
227
Gestalten, etwa Ezechias, Josias, Konstantin und Theodosius^), denn in Leichen-
predigten wurde dem verstorbenen Fürsten nachgerühmt, daß er nach dem Vor-
bilde dieser frommen Herrscher „die gotteslästerliche antichristliche Gräuel ab-
gethan". In dem mittleren großen Bogenfelde kniet die edle Gestalt Albrechts
vor seinem Betpult, hinter ihm sieht man ein Medaillon mit der Pietä. Der Fürst
kniet auf dem Deckel des Sarkophags, der von den Gestalten der drei christlichen
Tugenden und zwei Genien mit gesenkten Fackeln getragen wird. In dem oberen
Aufsatz zeigt sich ein etwas stark bewegtes Relief des Jüngsten Gerichts, Das
prachtvolle Denkmal, das aus weißem, schwarzem und buntfarbigem Marmor und
Alabaster besteht und in allen Teilen aufs reichste und eleganteste geschmückt
ist, wurde in den Niederlanden von dortigen Künstlern gearbeitet^); es stammt
sicher aus der Werkstatt des Cornelms Floris zu Antwerpen. Daß Jakob Binck
aber den Entwurf dazu gefertigt hätte, wie A. Hagen vermutet, ist eine schon
wegen der späten Zeit der Entstehung ganz unglaubwürdige Annahme; eher
wäre es noch möglich^), daß dieser Künstler das an der Nordwand befindliche
Epitaph von Albrechts erster Gemahlin, der Markgräfin Dorothea, im Jahre 1547
entworfen hat, wie er behauptet. Am 13. Juli desselben Jahres schreibt Al-
brecht an König Christian III. von Dänemark einen Entschuldigungsbrief, daß er
dessen Hofmaler Jakob Binck noch nicht habe zurücksenden können, weil er
das Denkmal der verstorbenen Markgräfin anfertigen solle. Binck blieb bis zum
1. März 1548 in Königsberg und hielt sich dann bis zum Herbst in Kopenhagen auf,
von wo er sich bis 1550 nach Antwerpen begab, wahrscheinlich um dort die Aus-
führung des Denkmals zu überwachen. Die Vollendung des Werkes erfolgte, wie
die Inschrift beweist, schon 1549, die Aufstellung jedoch nicht vor 1552. Auch
dieses Epitaphium ist in Marmor ausgeführt und aufs reichste mit Karyatiden,
Reliefs und anderen Ornamenten geschmückt.*) Doch ist nach den sonstigen Um-
ständen auch hier wahrscheinlich, daß das Denkmal eines der unzähligen ist, die
in Antwerpen von Cornelius Floris entworfen und in seiner Werkstatt angefertigt
wurden; und daß Jakob Binck sich dies bequeme Verhältnis nur zunutze machte,
um wohlfeilen Künstlerruhm und guten Verdienst ohne viel Arbeit einzuernten.
Der Stil der eigenhändigen sehr sparsamen Arbeiten Bincks hat in der Tat nichts
mit der Floris-Richtung gemein, deren klarster Repräsentant jenes Denkmal dort
ist. — Dem Denkmal gegenüber hängt eine fast genaue Kopie davon, das Epitaph
der zweiten Gemahlin Albrechts, Annemariens von Braunschweig. Ein drittes,
ebenfalls prächtig, aber in Sandstein gearbeitetes Denkmal ist das der 1578 ge-
storbenen Gemahlin Georg Friedrichs, der Markgräfin Ehsabeth (Abb. 127). Es
wurde in Königsberg vom Bildhauer Willem vom Bloche gefertigt.^) In der An-
ordnung dem des Markgrafen Albrecht verwandt, reich vergoldet und zum Teil
bemalt, ist es ebenfalls großartig aufgebaut und sehr tüchtig, wenngleich etwas
manieriert im Figürlichen behandelt. In dem mittleren Bogenfelde knien hier beide
Gatten einander gegenüber vor dem Betpulte. Diesen Willem van den Block
haben wir schon in Danzig als den Schöpfer des gewaltigen Hohen Tores
kennen gelernt.
Von besonderer Schönheit sind mehrere in der Fürstengruft vorhandene
Bleisärge, namentlich der des Kurfürsten Georg Wilhelm und Johann Sigismund.
Die Ornamentik ist von einer an solcher Stelle ganz ungewöhnlichen Feinheit.
1) Doch deutet vielleicht die Harfe des einen auf David.
2) Wie sehr man damals im Norden auf niederländische Arbeiten bedacht war, geht daraus
hervor, daß die Kauf leute solche Werke in den Niederlanden erhandelten, um sie „in Polen oder
Moskau zu verkaufen". A. Hagen, Dom in Königsberg, S. 170.
3) Hagen a, a. 0. S. 160, 173.
4) Bötticher a. a. 0. Abb. 207.
5) Hagen a. a. 0. S. 189.
228 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Die zahlreichen übrigen Epitaphien sind zum Teil vortrefflich, in der Haupt-
sache aber jünger und schHeßen sich in fast ununterbrochener Reihenfolge bis
ins 18. Jahrhundert an.
Königsberg Stettin
229
In der Kirche ist das prächtige schmiedeiserne Gitter an der Kanzel vom
Jahre 1589, sowie die aus derselben Zeit herrührende kraftvoll gebildete steinerne
Kanzel und der reichgeschnitzte Kanzeldeckel mit hohem Aufbau beachtenswert,^)
Auch die eiserne Gittertür zur Taufkapelle ist eine tüchtige Arbeit. Die Tauf-
kapelle selbst ist durch eine ionische Säulengalerie von 1595 von der Kirche ab-
getrennt.^) Besonders schön der Ratsherrensitz, eine Arbeit des 17. Jahrhunderts,
edel und einfach kräftig mit Intarsien, oder wie man damals sagte „Welsch-
täfelwerk" ^) ; die prächtige Bekrönung, leider verloren, war reich durchbrochen.
Pommern
Der Boden von Pommern scheint für die Renaissance wenig aufnahmefähig
gewesen zu sein. Die mächtigen Städte Stralsund, Greifswald, Stargard u. a. hatten
ihre entscheidende Rolle ausgespielt und zeigen nur in ihren mittelalterlichen
Monumenten Zeugnisse einstiger Blüte. Mit der neuen Zeit beginnt auch hier das
Fürstentum sich zu erheben. Schon Herzog Bogislaw X. (f 1523) sucht die fürst-
liche Macht fester zu begründen. Er beruft Doktoren des römischen Rechtes ins
Land, um die neue Ordnung durchzuführen.*) Unter seinen Söhnen Georg und
Barnim X. setzt sich in den Städten die Reformation gegen den Willen der Fürsten
durch. Nach Georgs Tode (1531) teilt Phihpp I. mit Barnim die Regierung, bis
ersterer 1560 stirbt und letzterer 1569 entsagt. Barnim, eine friedhche, den
Künsten ergebene Natur (der übermütige Adel verspottete ihn oft wegen seiner
„Spillendreherei", d. h. Liebe zum Drechseln und Bildschnitzen), ist uns besonders
durch bauliche Unternehmungen bedeutsam. Sodann aber tritt der hochsinnige,
prachtliebende und gebildete Johann Friedrich (1570 — 1600) als Förderer der
Künste auf. Maler, Formschneider und Kupferstecher finden Beschäftigung:
Johann Baptista, „fürstlich pommerischer Gontrefaitmaler", gewiß ein Itahener,
galt als der beste Künstler in Norddeutschland. An Stelle des durch Brand
zerstörten Schlosses zu Stettin ließ Johann Friedrich durch einen welschen„
Meister seit 1575 einen ansehnlichen Neubau aufführen, der zwar im Oktober des
folgenden Jahres wieder durch Feuer beschädigt wurde, aber 1577 schon seine
Vollendung erhielt. Auch das Jagdschloß Friedrichswalde, tief im Forste unweit
der Ihna, erbaute er, und die verfallenen Schlösser in Stolp, Lauenburg u. a.
stellte er wieder her. Noch eifrigere Förderung von Kunst und Wissenschaft
finden wir sodann bei dem edlen, sinnigen Phihpp II. (f 1618), den seine religiösen
Grübeleien nicht abhielten, mit warmem Anteil den Schöpfungen der Kunst zu
folgen, Münzen, Gemälde, Miniaturen und andere Kostbarkeiten zu sammeln und
für sein reiches Kunstkabinett einen besonderen Flügel dem Schloß in Stettin
anzubauen. Von der feinen Sitte, von der echt humanen Gesinnung und der für
jene Zeit selten hohen Bildung an seinem Hofe gibt uns Philipp Hainhofers Reise-
tagebuch®) anziehenden Bericht. Noch ist (im Kunstgewerbemuseum zu Berlin)
der berühmte pommersche Kunstschrank erhalten (Abb. 112), den ein Augsburger
Patrizier im Auftrage des Fürsten hatte arbeiten lassen, und den er, zugleich mit
einem zweiten ähnlichen Prachtwerk, dem jetzt verschollenen sogenannten Meier-
hof, selbst nach Stettin überbrachte.
Der ansehnlichste Rest von den architektonischen Schöpfungen der pom-
merschen Herzöge, wenn auch in seiner jetzigen Gestalt künstlerisch nicht eben
1) Bötticher a. a. 0. Abb. 207, 208.
2) Bötticher Abb. 209, 210.
3) Hagen a. a. 0. S. 156.
Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern IV. 2 S. 4 if.
^) Herausgegeben in den Baltischen Studien, II. Bd., Stettin 1836.
230 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
bedeutend, ist das Schloß zu Stettin^) (Abb. 128). Seine Front mit dem Haupt-
portal, das übrigens einer späteren Zeit angehört, liegt gegen Süden. Neben dem
Portal, zur Rechten des Eintretenden, erhebt sich, aus dem Mauerkörper vor-
springend, ein viereckiger Turm, der oben ins Achteck übergeht. Dieser Flügel
ist neuerdings ganz umgebaut, wobei eine schöne alte Holzdecke wieder in dem
großen Saal des Obergeschosses Verwendung fand ; in diesem ist heute die Samm-
lung der Gesellschaft
für Pommersche Ge-
schichte und Alter-
tumskunde aufgestellt.
Tritt man durch das
Hauptportal ein, so
befindet man sich in
einem großen vierecki-
gen Schloßhofe von
ziemlich regelmäßiger
Anlage, der wieder
durch zwei viereckige
Türme ein stattliches
Gepräge erhält. Der
eine, am westlichen
Flügel vorspringend,
enthält den Aufgang
zu den dortigen Räu-
men; der andere, oben
ins Achteck überge-
hend, dient als Uhr-
turm. Im übrigen ist
der ganze Bau von
größter Einfachheit,
die Flächen verputzt,
die architektonischen
Glieder aber von Stein.
Die Form durchweg
die einer schlichten
klassizistischen Re-
naissance, die Fenster
mit antikem Rahmen-
profil undDeckgesims,
im östlichen und dem
anstoßenden Teil des
nördlichen Flügels, die eine besondere Bauführung zeigen, zu zweien gruppiert.
Die Abwesenheit alles Mittelalterlichen, noch mehr aber die Bekrönung des
Ganzen mit einer hohen Attika, deren Gesimse durch liegende Voluten abgeschlossen
wird und bloß dazu dient, das Dach zu maskieren, deutet auf polnisch-slawischen
Einfluß unter italienischer Leitung. Ein schlichter Erker ist am nördlichen Ende
des Westflügels, ein ebenfalls einfach behandeltes Doppelportal, darüber eine
kleine Halle mit kannelierten dorischen Pflastern, im nördlichen Hauptflügel an-
geordnet. Die Treppe, die hier in geradem Laufe aufsteigt, zeigt italienische
Anlage. An diesen beiden Flügeln liest man zweimal die Jahreszahl 1577. Es
1) Nähere Nachrichten über dessen Geschichte und einstige Gestalt in W. H. Meyer,
Stettin in alter und neuer Zeit. Daselbst 1887, p. 115 flf.
Abb. 128 Schloß zu Stettin von Norden
(Nach einem Kupferstich des 17. Jhdts.)
Stettin
231
sind also die Teile, welche seit 1575 unter Herzog Johann Friedrich ,. durch einen
welschen Maurer, Antonius Wilhelm'', aufgeführt wurden. Andeutungen einer
einstigen reicheren Gliederung sind in einigen Pilasterordnungen am "Westflügel
erhalten. Ebenso bemerkt man am östlichen Ende des Hauptbaues Spuren der
ehemaligen Bogenhallen, die nach alten Abbildungen, eine Terrasse tragend,
fast den ganzen Hof umzogen. Im Innern ist die gleichzeitig erbaute Schloß-
kirche der wichtigste Raum: ein Rechteck mit Spiegelgewölbe, in drei Geschossen
von Arkaden mit Emporen umzogen. Im untern standen nach Hainhofers Be-
richt „die Diener und Stadtleute, im mittleren die Fürsten, Räte, Junker und
Pagen, im oberen die Fürstinnen, Frauenzimmer und Mägde". Von einem früheren
Baue an der gleichen Stelle stammt das am östlichen Flügel befindliche Wappen
mit dem Namen Herzog Barnims X. vom Jahre 1538. Es ist in primitiven, wenig
verstandenen Renaissanceformen ausgeführt. Ob die Bauteile, an welchen es sich
befindet, noch jenem früheren Bau angehören, ist weder mit Bestimmtheit zu
bejahen noch zu verneinen. Gewisse Umgestaltungen und Zusätze abgerechnet
(namentlich die Attika) wäre es wohl möglich, daß der östliche Flügel im wesent-
lichen aus Barnims Zeiten herrührt.
Wenn man im westlichen Flügel einen offenen Durchgang passiert, so ge-
langt man in einen zweiten, kleineren Hof, der sich in derselben Tiefe, aber in
geringerer Breite parallel mit jenem ersten erstreckt. Ein vierter stattlicher Turm
schließt ihn an der Nordostecke ab und beherrscht hier die Verbindung nach
außen, während an der Südseite ein zweites Tor auf die Straße mündet. Auch
hier herrscht große Einfachheit, aber eine hübsche Tafel mit den Brustbildern
Philipps II. und Franz' I. meldet, daß diese Fürsten den Bau 1619 als „musarum
et artium conditorium" ausgeführt haben. Es war also der für die Bibliothek
und die Kunstsammlungen des Herzogs bestimmte Bau, von welchem auch Hain-
hofer berichtet. Damit schließt hier die Bautätigkeit unserer Epoche ab.
Wenn der heutige Zustand des Schlosses nun nur noch bescheidene Reste
einer künstlerisch bedeutsamen Anlage zeigt, so geben die alten Abbildungen^) doch
den Beweis, daß diese im 16. Jahrhundert tatsächlich vorhanden war. Insbesondere
bot der leider ganz umgebaute südliche Flügel, wo sich noch heute der Haupt-
gang befindet, einst ein reiches Bild durch seine fünf Querdächer mit Renaissance-
giebeln, seine aufwendige spätgotische GUederung, insbesondere der Obergeschosse,
den malerischen Turm an der Südwestecke, da, wo sich die Schloßkirche befindet
und eine über diese Teile ausgebreitete üppige, vielleicht in Sgraffito hergestellte
schmückende Malerei; dieser Teil war schon im Anfang des 16. Jahrhunderts
durch Bogislaw X. in prächtiger Weise aufgebaut und enthielt die eigentlichen
Fest- und Repräsentationsräume. Die schöne geschnitzte Holzdecke, noch in
spätmittelalterlicher Art, deren wir oben Erwähnung taten, ist der letzte Zeuge
einer einst glänzenden Ausstattung im Innern, die dem einst auch in der äußeren
Architektur teilweise prächtig durchgeführten Schlosse unzweifelhaft einen Platz
unter den künstlerisch bedeutungsvollen Residenzen deutscher Fürsten sicherte.
Freilich mit einem stark polnisch-slawischen Einschlag.
Die Stadt selbst zeigt kaum Spuren mehr von irgendwelcher Kunstblüte
während der Renaissancezeit ; nur ein stattliches Hausportal in der Großen Oder-
straße Nr. 72 ist zu erwähnen.
Die übrigen Renaissancebauten Pommerns gehören überwiegend der späteren
Zeit an.^) So das Schloß Paus in bei Stargard, das Schloß Pudagla auf
der Insel Usedom vom Jahre 1574, das Schloß Mellenthin vom Jahre 1575,
1) Bei Meyer a. a. 0. Taf. 1—3.
2) Die Notizen bei Kugler a. a. 0. S. 776 if.
232 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
mit schönen Gewölben im
Innern, das Schloß von
Plathe in den wenigen
noch erhaltenen Teilen;
endlich noch das statt-
liche Schloß zu Bütow,
1623 durch Bogislaw XIV.
erbaut. Alle diese Werke
sind, bei oft stattlicher
Anlage, doch von gerin-
ger künstlerischer Be-
deutung. Höheren Wert
mag ihnen die nicht mehr
vorhandene innere Aus-
stattung gegeben haben.
Von bürgerlicher Ar-
chitektur dieser Zeit ist
in Pommern nicht viel
zu melden. Die mäch-
tigen Städte hatten hier
mit dem 15. Jahrhundert
ihren Glanzpunkt über-
schritten.
In Stargard ist,
wie in den übrigen Städ-
ten Pommerns, das Mit-
telalter die eigentliche
Blütezeit des städtischen
Gemeinwesens. Nicht
bloß die gewaltige Ma-
rienkirche und die eben-
falls stattliche Johannis-
kirche, sondern die zum
Teil noch wohlerhaltenen
Befestigungswerke der
Stadt mit ihren Tortürmen, namentlich dem Johannistore und dem sogenannten
Roten Meer, zeugen von der Blüte der Stadt im 15. Jahrhundert. Alle diese
Bauten, sowie einzelne noch wohlerhaltene Bürgerhäuser aus jener Epoche, zeigen
die charaktervolle Backsteintechnik der norddeutschen Küstengebiete. Im 16. Jahr-
hundert muß jedoch der Wohlstand Stargards einen empfindHchen Stoß erlitten
haben, denn die Renaissance ist hier unbedeutend vertreten; man besaß offenbar
nicht die Mittel, um wie in Danzig fremde Künstler zu berufen, um den neuen
Stil hier einzubürgern. Dennoch hat er sich an einigen Stellen gleichsam heim-
lich eingeschhchen, und es sind wahrscheinhch heimische Meister gewesen, welche
das Wenige, was sie von der welschen Bauweise aufgeschnappt hatten, nun zu
verwerten suchten; doch waren das nur vereinzelte Formen, und es ist merk-
würdig zu beobachten, wie sie sonst und im wesentlichen mittelalterliche Anlage
und Konstruktion festhalten und nur einzelne Renaissance-Elemente einfügen.
So sieht man es bei dem um die Mitte des 16. Jahrhunderts aufgeführten präch-
tigen Giebel des Rathauses (Abb. 129); er ist ganz mit einem in seiner Art reiz-
vollen Netze gotischer Maßwerke bedeckt, die aber durch antik gebildete Gesimse,
an denen sogar der Zahnschnitt vorkommt, abgeteilt werden. Auch die ebenfalls
1 ^y-v
Abb. 129 Vom Rathausgiebel zu Stargard
Greifswald
233
mit Maßwerken geschmückten bogenförmigen Einfassungen des Giebels, sowie die
oberen Schnecken reden die Sprache der Renaissance. Was vielleicht noch mehr
den Durchbruch einer neuen Anschauung verrät, ist der Umstand, daß alles in
Stuck ausgeführt ist. Man fing an, sich der alten, ehrlichen Backsteinkonstruk-
tion zu schämen und die Formen des Werksteinbaues nachzuahmen. Daß auch
sonst Mittelalter und Renaissance hier einander friedlich durchdringen, beweisen
die gewundenen Riefungen der vier kräftigen Rundsäulen, die im Flur des Rat-
hauses die Decke tragen, sowie die Kehlenprofile der Unterzugsbalken; ebenso
der große Kamin im Erdgeschoß ; auch an ihm sind antik profilierte Gesimse mit
gotischen Maßwerken vereinigt. Die Rückseite des Rathauses hat einen Giebel
vom Jahre 1654 mit schweren Voluten in einem häßlichen Barockstil.
Offenbar von demselben Künstler rühren noch zwei andere, kaum minder
stattliche Giebel her; der eine gehört einem die Ecke des Marktes und der Post-
straße bildenden Privathause, der andere einem Wohnhause an der Ecke der
Radestraße und des Marktes. Hier sieht man deutlich, daß die Giebelabsätze
ursprünghch durchweg ein einfaches Kreissegment zeigten, welches man später
und zwar sehr rücksichtslos in Schnecken umwandelte.
Derselben Zeit gehören sodann das Pyritzer Tor und das Walltor, beides
Stuckbauten, letzteres in guten einfachen Renaissanceformen, hübsch aufge-
baut, mit toskanischen Pilastern belebt und mit Bogengliedern abgeschlossen.
Was sonst in Stargard an Wohnhäusern dieser Epoche sich befindet, bewegt
sich in schwerfälligen und öden Barockformen. So in der Jägerstraße eine
ziemlich große Fassade; eine kleinere am Markt, mit figürlichem Schmuck in
Stuckreliefs von geringem Gehalt: dürftige Provinzialkunst, die keinen Reiz
noch Wert hat.
Etwas anders, aber nicht viel glücklicher, fand man sich in Greifswald
mit der Renaissance ab. Während die drei Kirchen der Stadt noch jetzt ein
Zeugnis ihrer Bedeutung während des späten Mittelalters sind, spielt die Renais-
sance hier eine bescheidene Rolle. Zuerst spricht sie sich — und diesmal aller-
dings mit einigem Erfolg — in dem prächtigen Oberteil des Westturmes der
Marienkirche aus, einem höchst vortrefflich gruppierten Aufbau auf dem ge-
waltig dicken mittelalterlichen Klotz des Turmunterteils, der bis in Höhe des
Mittelschiffes reicht. Darauf ist dreimal zurückspringend ein reichgegliederter
viereckiger Zwischenteil mit runden Türmchen an den Ecken gelagert, aus
dessen Mitte der achteckige zweigeschossige Turmkörper hervorwächst. Alle
diese Teile sind in Anlehnung an die untere Gotik in Ziegelbau mit Maßwerk
und geputzten Blenden durchgeführt, am einzelnen weniger, als am Umriß als
Renaissance zu erkennen. Der Turm trägt dann noch einen mannigfach ge-
schweiften, zweimal durchsichtigen, schönen Kupferhelm über einer Docken-
galerie. Das Gesamte sichtbar ein Werk des 16. Jahrhunderts und ein höchst
verdienstlicher Versuch, die Ergebnisse des mittelalterhchen Backsteinbaues für
die Renaissance nutzbar zu machen (Abb. 130). Man sieht sonst nur ein paar
Wohnhäuser mit einfachen Schneckengiebeln ohne feinere Gliederung. Ahnlich
auch das Rathaus und ein wenigstens stattlich angelegter Privatbau am Markt.
Eine Renaissance von beträchtlich grober und plumper Art an einem kolossal
hohen und breiten Giebel der Langenstraße, gleich jenen Giebeln in Stargard
von einer reichen Stuckdekoration, die ihre Motive jedoch nicht mehr dem goti-
schen Maßwerk entnimmt, sondern aus allerlei wenig verstandenen Voluten und
anderen Schnörkeln der Renaissance zusammensetzt. Der Eindruck ist reich,
doch wenig erfreulich. Ein anderes großes Haus in der Knopfstraße zeigt ähn-
liche dekorative Absichten, aber mit besserem Verständnis der Formen, ohne in
jene Probiererei zu verfallen.
234 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Einige Schätze edler Renais-
sance bewahrt jedoch die Univer-
sität. Zunächst den schönen sil-
bernen Lutherbecher vom Jahre 1525,
ein Buckelkelch mit trefflich kom-
poniertem Deckel in edlen Renais-
sanceformen, unter den deutschen
Geräten dieses Stils eines der frühe-
sten, sowohl historisch als künstle-
risch bemerkenswert.
Höchst bemerkenswert sind be-
kanntlich schon die beiden elegan-
ten silbernen Universitätsszepter
vom Jahre 1456, die hier als zum
Universitätsschatz gehörig erwähnt
werden mögen, freilich noch gotisch;
neben den ähnlichen der Universi-
täten Heidelberg und Freiburg wohl
die einzigen aus jener Epoche bei
uns noch erhaltenen.
Sodann ein Prachtstück fland-
rischer Teppichweberei, der be-
rühmte Teppich von Groi vom Jahre
1554. Er stellt in einer bedeuten-
den historischen Komposition die
Vermählung Georg Philipps von
Pommern mit Maria, der Tochter
Johann Friedrichs von Sachsen, dar.
An der unteren Seite liest man ein
aus den Buchstaben P und H ver-
schlungenes Monogramm. Ein klei-
nerer Teppich mit der Geschichte
der Esther, minder fein, minder gut
gezeichnet, aber lebendig in den
Farben, von deutscher, vielleicht
rheinischer Arbeit. Auch ein Pracht-
werk alter Stickerei besitzt die Uni-
versität an dem Rektor-Pallium,
welches 1619 von Herzog Philipp
Julius geschenkt wurde. Der herr-
liche Stoff von purpurrotem Sammet
erhält durch trefflich stilisierte, in
Gold und Silber gestickte ornamen-
tale Säume erhöhten Glanz. Ein paar
Grabsteine aus guter Renaissance-
zeit sieht man ferner: vom Jahre 1551 das Epitaphium Herzog Philipps L, dessen
reich ausgeführtes Wappen mit schönem Akanthuslaub eingefaßt ist; das Grabmal
des Herzogs Ernst Ludwig, mit der Gestalt des ritterlichen Herrn in kräftigem
Relief und freier Haltung eingerahmt von kannelierten ionischen Säulen. Auch
hier gehören die architektonischen Formen noch einer guten Frührenaissance an.
Etwas mehr Ausbeute gewährt Stralsund, obwohl auch hier die politische
Macht und der Schwerpunkt der monumentalen Entwicklung ins Mittelalter fällt.
Abb. 130 Marienkirchturm zu Greifswald
Stralsund
235-
Wenn man von der gegenüberliegenden Küste Rügens aus die Stadt mit ihren
drei gewaltigen gotischen Kirchen und dem alle Privatbauten hoch überragenden
Rathause sich im klaren Wasser des Strelasunds spiegeln sieht, so empfindet
man den stolzen Trotz dieser schon früh mächtigen und zu den bedeutendsten
Mitgliedern des Hansabundes gehörenden Stadt; überblickt man aber von einem
ihrer hohen Kirchtürme aus ihre Lage mitten im Wasser, einem nordischen Venedig
nicht unähnlich, so begreift man ihre ehemalige Wichtigkeit als des nördlichen
Tores von Pommern, weiterhin von Deutschland. Schwerlich hat irgendeine
andere Stadt eine solche Zahl schwerer Belagerungen und Zerstörungen erfahren,
kaum eine andere mit größerem Heldenmut ihren zahlreichen Feinden von den
Lübeckern und den Fürsten von Rügen bis zu den Dänen, Schweden und der
kaiserlichen Armee Wallensteins widerstanden. Immer erhob sie sich kräftiger
und blühender als zuvor, und erst die inneren Parteiungen und die unablässigen
Kriege brachen im Ausgang des 15. Jahrhunderts ihre Macht, so daß sie mit
dem Beginne der Renaissancezeit keine entscheidende Rolle mehr spielte.^) Das
verraten denn auch ihre Denkmäler (Abb. 131).
Was den Privatbau betrifft, so gehört er ähnlich wie in Greifswald im
wesentlichen dem Mittelalter an; es fehlt nicht an einzelnen guten gotischen
Backsteingiebeln, ob-
wohl keiner so reich
durchgebildet, wie der
am Markt in jener
Stadt. Die wenigen
Wohnhäuser der Re-
naissancezeit sind un-
bedeutend und ohne
Feinheit der Formen-
sprache* Es ist, als ob
in allen diesen pom-
merschen Städten für
eine Entwicklung in
diesem Formkreise
kein Boden vorhanden
gewesen wäre. Eine
große Giebelfassade in
der Ossenreyerstraße
ist ähnlich den oben
geschilderten Greifs-
walder Giebeln, nur
etwas dürftiger in
den Profilen und ein-
facher in der Gestal-
tung der Voluten. An-
dere Wohnhäuser der-
^) Vgl. über das
Geschichtliche haupt-
sächlich Mohnicke und
Zober, Stralsundische
Chroniken. 2 Bde. Strals.
1833. Kruse, Bruch-
stücke aus der Gesch. der
Stadt Stralsund. 2 Bde.
Stralsund 1846.
Abb. 131 Marienkirche zu Stralsund
236 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
selben Epoche, z. B. in der Semlowerstraße, der Badenstraße usw. sind ohne höhere
Bedeutung oder feinere Entwicklung. Nur die gut gebildeten eisernen Anker,
welche überall hervortreten, sind allenfalls beachtenswert.
Etwas erheblicher zeigt sich das Rathaus. Es ist in seinem Kern ein Bau
aus frühgotischer Epoche, wahrscheinlich im Anfang des 14. Jahrhunderts errichtet.
Die sechs riesigen, gleich hohen Giebel, welche zwischen ihren kecken Fialen
an der Fassade emporsteigen, erinnern stark an die alten Teile des Lübecker
und Rostocker Rathauses. In langgestreckter Anlage bildet der Bau einen mäch-
tigen inneren Hof, der als olfener Durchgang angelegt ist. Dieser wurde in der
Epoche der Spätrenaissance, d. h. im 17. Jahrhundert, mit stattlichen Säulenhallen
aus Sandstein in zwei Stockwerken eingefaßt, unten ionisch, oben korinthisch,
mit kräftig behandelter Balustrade. Das Ganze wohl malerisch wirkend, aber
ohne feinere Form und höhere Entwicklung, mit den prächtigen Hallen der Rat-
häuser zu Bremen und Lübeck nicht entfernt zu vergleichen.
Das im ziemlich dunklen Obergeschoß des Baues nicht sehr glücklich unter-
gebrachte Museum besitzt eine Anzahl wertvoller Kunstwerke und kunstgewerb-
licher Arbeiten, welche wenigstens bezeugen, daß auch hier reiche Ausstattung
damaliger Bürgerhäuser gepflegt wurde. Zunächst eine Anzahl schöner Ofen-
kacheln aus der besten Zeit der Renaissance, einige 1540; teils polychrom be-
handelt, teils grün glasiert. Dann einen ganzen grünen Ofen von reicher plastischer
Arbeit, mit vielen porträtartigen Köpfen auf den einzelnen Kacheln, manche aus
der Frühzeit, andere aus der späteren Epoche des 16. Jahrhunderts. Ein anderer
vom Ende des 17. Jahrhunderts stammt aus dem Nonnenkloster zu Barth mit
weißem Grund und Malereien in blauer und grüner Farbe, hauptsächlich sitzende
weibliche Gestalten, die nicht bloß oben stark dekolletiert sind. Sodann sieht
man eine ausgezeichnete Sammlung zinnerner Krüge und Pokale, Zunftkannen
und Willkommbecher, großenteils aus dem 17. Jahrhundert (man liest 1652 und
ähnliche Daten) treff hch gegliedert und aufgebaut in gut verstandener lebendiger
Profilierung. EndHch einen Schatz von sieben prachtvollen silbernen, größten-
teils vergoldeten Pokalen und Bechern von mannigfaltigster Form und meister-
licher Arbeit, einen der wenigen noch im Besitz einer Stadt befindlichen Silber-
schätze; bisher noch kaum gewürdigt.
Endhch ist noch der vielen prächtigen Kronen und Lichtarme aus Messing
in Stralsunds Kirchen, besonders eines ungewöhnlich reich und schön ausgeführ-
ten, messingenen Kronleuchters in der Marienkirche vom Jahre 1649 zu gedenken.
Seine Arme sind mit feingegliederten Knäufen und edelgezeichneten Akanthus-
ranken aufs herrlichste geschmückt. Ein anderer kleinerer ebenda ist von ähn-
licher Behandlung.
Mecklenburg
Ahnliche Verhältnisse wie in Pommern begegnen uns in Mecklenburg. Auch
hier hatte im Mittelalter die geistliche Macht und mehr noch die Kraft des
Bürgertums in den gewaltigen Backsteinkirchen von Doberan und Schwerin, von
Rostock und Wismar sich bedeutende Monumente gesetzt. In der Renaissance-
zeit tritt das Bürgertum hier ganz vom Schauplatz zurück; die lebensfrohen und
baulustigen Fürsten des Landes errichten dafür eine Reihe von Schlössern, die
zu den reichsten Denkmälern der deutschen Renaissance zu rechnen sind und
namentlich durch die Ausbildung eines edel gegliederten Terrakottenbaues hohe
und selbständige Bedeutung erhalten.
VornehmUch ist es der treffliche Herzog Johann Albrecht L, neben ihm
sein Bruder und Mitregent Herzog Ulrich, welche als eifrige Förderer der Kunst
auftreten und die Renaissance durch eine Reihe glänzender Schöpfungen in
Wismar
237
Mecklenburg einführen. Auch hier treffen diese Bestrebungen mit einer allge-
meinen Steigerung des geistigen Lebens, namentlich mit der reformatorischen
Tätigkeit zusammen. Besonders tritt uns in Johann Albrecht I. (f 1576) die
anziehende Gestalt eines durch hochherzige Gesinnung, wahre Rehgiosität, edle
Geistesbildung und schöpferische Tatkraft hervorragenden fürstlichen Mannes ent-
gegen.i) Nicht bloß führte er in seiner fast dreißigjährigen Regierung die Re-
formation in seinem Lande durch, sorgte für eine neue Kirchen Verfassung, er-
neuerte und verjüngte die Hochschule des Landes zu Rostock, wies das Vermögen
der aufgehobenen Klöster milden Stiftungen und vor allem den neu begründeten
Schulen zu, sondern schuf in Rechtspflege, Verwaltung und Polizei, im Münz-
wesen, in Einrichtungen für Handel und Verkehr die Grundzüge eines neuen, auf
die allgemeine Wohlfahrt abzielenden Staatslebens. Nach dem Tode des treff-
lichen Fürsten trat Herzog Ulrich als Gebieter des gesamten Landes mit Kraft
und Ernst in die Fußstapfen seines Bruders und brachte das von diesem Ange-
bahnte zur vollen Durchführung. Diesen beiden Fürsten verdankt Mecklenburg
nun eine tätige Aufnahme der Renaissance, die sich noch jetzt in glänzenden
Zeugnissen nachweisen läßt.
Das Hauptwerk im Lande ist der Für st enhof zu Wismar. Die Ge-
schichte dieser Residenz der Mecklenburgischen Fürsten wirft grelle Schlaglichter
auf das Verhalten der mittelalterlichen Städte, auf ihren Trotz und ihren stolzen
Unabhängigkeitssinn.') Seit 1256 hatten die Herzöge von Mecklenburg in der
Stadt eine von Johann I. erbaute Burg, die jedoch, als die übermütigen Bürger
1276 ihre Stadt mit einer Mauer umzogen, aus dem städtischen Mauerring aus-
geschlossen wurde. Nach einem Brande des Jahres 1283 wurde die Burg zwar
wiederhergestellt, aber schon 1300 sah sich der alternde Fürst Heinrich der Pilger
veranlaßt, um den Hauptgrund der fortwährenden Zwistigkeiten mit den Bürgern
zu beseitigen, die Burg abzubrechen und in der Stadt auf einem ihm dafür ein-
geräumten Platze einen Hof zu errichten. Dieser wurde 1310 in einer neuen
Fehde mit der Stadt zerstört, allein Heinrich IL der Löwe, des Pilgers Sohn,
setzte gegen den Willen der hartnäckig widerstrebenden Bürgerschaft den Bau
einer befestigten Burg innerhalb der Ringmauern an anderer Stelle durch. Gleich
nach dem Tode des kräftigen Fürsten wußten jedoch die Bürger es dahin zu
bringen, daß die Vormünder seines noch minderjährigen Nachfolgers ihnen die
Burg samt ihren Festungswerken verkauften, wogegen indes den Herzögen ge-
stattet wurde, einen andern Hof in der Nähe der Georgenkirche ferner zu be-
wohnen. Dies ist der noch jetzt vorhandene Fürstenhof. Von den um 1430
darin aufgeführten Gebäuden ist schwerlich noch etwas erhalten, es sei denn,
daß in dem schräg hinter den Hauptgebäuden sich hinziehenden Stall noch ein
Rest der alten Anlage stecke. Der Hauptbau besteht aus zwei Flügeln, welche
rechtwinklig zusammenstoßen und mit dem Stall einen dreieckigen Hof um-
schließen. Der von Süd nach Nord laufende „alte Hof" wurde 1512—13 zur
Feier der Vermählung Herzog Heinrichs des Friedfertigen mit der Prinzessin
Helene von der Pfalz errichtet. Der neue Baumeister hieß Georg, der Maurer-
meister Ertmar oder Ertman Both. Das Gebäude wird im Jahre 1576 als zwei
Stockwerke hoch geschildert. Im Hauptgeschoß war links die große Hofstube
(Hofdornitz) ^), rechts die Küche, beide Räume wie noch heut gewölbt und mit
rundbogigen Portalen versehen. Die Gewölbe ruhen auf derben kurzen Säulen
von schmuckloser Art. Gegen den Schloßhof hatte das Haus drei Erker und
an der Fassade nach der Kirche fünf in Holz errichtete Giebel. Auf dem Hofe
1) C. von Lützow, Versuch einer pragmat. Gesch. von Mecklenburg, III, S. 119.
2) Vgl. die verdienstliche Arbeit von Dr. Lisch in dessen Jahrbuch V, S. 5 ff.
3) In den süddeutschen Schlössern als „Türnitz" bekannt.
238 2. Buch Die Bauwerke XIV, Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
war eine Wendeltreppe angebracht. Ein im Jahre 1516 erbauter Gang stellte
eine unmittelbare Verbindung mit der benachbarten Kirche her.
An diesen im Laufe des 16. Jahrhunderts stark verfallenen und nachmals
in der schwedischen Zeit durch einen Brand zum Teil verwüsteten Teil fügte
Herzog Johann Albrecht I. 1553—54 für seine bevorstehende Vermählung den
stattlichen Bau des neuen Hofes, indem er denselben im rechten Winkel an den
alten Flügel seines Oheims Heinrich anschloß. Dieser „lange neue Bau" trat
an die Stelle eines da vorher vorhandenen zweistöckigen gotischen Saalbaus von
1506. Der Bau wurde durch Meister Gabriel van Aken im Sommer 1553 be-
gonnen, neben ihm war Valentin von L^jra^ Maurermeister des Rats von Lübeck,
dabei beschäftigt, und als Gabriel van Aken schon Ende November desselben
Jahres wegen Mißhelligkeiten mit seinem Kollegen plötzlich den fürstlichen Dienst
verließ und nach Lübeck zog, von wo er dem Herzoge einen Absagebrief schrieb,
wurde Valentin von Lyra mit der Fortsetzung des Baues beauftragt.^) Allein
der Herzog muß der Geschicklichkeit dieses Mannes nicht unbedingt vertraut
haben, denn sogleich nach dem Abgange Gabriels van Aken wandte er sich an
den Kurfürsten August von Sachsen mit der Bitte, ihm seinen Oberzeug- und
Baumeister Caspar Vogt (von Wierandt, den wir am Dresdener Schloß kennen
lernen werden) zu senden, um ihm „zu seinen vorhabenden Gebäuden rätlich zu
sein". Da dieser aber mit dem Festungsbau von Dresden beschäftigt war und
den Auftrag erhalten hatte, das Fundament zum neuen Schlosse zu Leipzig, der
Pleißenburg, abzustecken, um den Beginn des Baues vorzubereiten, so verweigerte
der Kurfürst die Erfüllung der wiederholt ausgesprochenen Bitte. Noch um Weih-
nachten 1554 schickte der Herzog sodann seinen Maurer nach Weimar an Johann
Friedrich den Älteren, um dessen Schloß Grimmenstein bei Gotha, namentlich
die Schließung der Gewölbe unter dem Walle zu besichtigen. Von dort nahm
der Meister einen Polier mit nach Mecklenburg zur Vollendung der angefangenen
Bauten, und am 24. Februar 1555 konnte Johann Albrecht seine Vermählungs-
feier mit der Prinzessin Anna Sophie von Preußen in dem neuen Fürstenhof feiern.
Der Bau gehört durch Großartigkeit der Verhältnisse und edle Pracht der
Ausstattung zu den hervorragendsten Werken der Renaissance in Deutschland.
Um von seiner Anordnung eine Anschauung zu geben, fügen wir zu der Außen-
ansicht (Abb. 135) noch eine Darstellung der Hofseite unter Abb. 134 bei. Das
Ganze besteht, wie man sieht, aus einem Erdgeschoß und zwei oberen Stock-
werken. Die Verhältnisse sind großartig, das Erdgeschoß hat gegen 7 Meter
Höhe, das erste Stockwerk etwa 6 und das zweite gegen vier Meter. Dazu kommen
die ungemein weiten Achsen, die über fünf Meter messen. Die äußere Fassade
hat sieben Fenster Front, aber die sämtlich dreiteiligen Fenster sind von solcher
Breite, daß die Länge gegen vierzig Meter betragen mag. Das ganze Mauer-
werk besteht mit Ausnahme der aus Dänemark herbeigeholten Quadern für die
Fundamente aus Backsteinen. Nur die Hauptportale und der prachtvolle Relief-
fries, der das Erdgeschoß an beiden Fassaden abschließt, sind in Stein aus-
geführt. Die Flächen des Mauerwerks jedoch hatten ursprünglich, wie es scheint
durchgängig, einen Überzug in Putz, der an der Außenseite im Erdgeschoß
durch horizontale breite Fugen gegliedert war. Mit feiner Berechnung hat der
Künstler der Architektur des Äußeren und der des Hofes einen wesentlich ver-
schiedenen Charakter verliehen, indem er nach außen den Portalen und Fenstern
1) Sämtliche Nachrichten über die Künstler verdanken wir den wertvollen Mitteilungen
von Lisch im Jahrb. V. S. 20 ff. Vgl. ferner: F. Sarre, Der Pürstenhof in Wismar und die nord-
deutsche Terrakotten-Architektur der Renaissance, Berlin 1890. Vor allem F. Schlie, Die Kunst-
und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg -Schwerin, Schwerin 1897. II.
S. 186 ff. m. Abb.
Wismar Fürstenhof 239
Abb. 132 Vom Fürstenliof zu Wismar
(Nach: Haupt, Backsteinbauten der Renaissance)
reichere Einfassungen durch Hermen, den Fenstern im Erdgeschoß und im ersten
Stock zierlich dekorierte Giebel gegeben hat. Dafür aber stattete er die Hofseite
in den beiden oberen Geschossen mit fein geschmückten Pilastern aus, die am
240 2. Bach Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Abb. 133 Vom Pürstenhof zu Wismar
(Nach: Haupt, Backsteüibauten der Eenaissance)
Treppenhause sogar bis ins Erdgeschoß durchgeführt sind. Für die Fenster
selbst wählte er konsequent die Dreiteilung, und zwar im Erdgeschoß mit Bogen-
abschlüssen, in den oberen Stockwerken dagegen mit gradlinigem Sturz. Das
ganze Rahmen- und Pfeilerwerk der Fenster ist mit Ornamenten von Laub- und
Fruchtschnüren bedeckt. Den Abschluß dieser reichen Ornamentik, die durch-
gängig in gebrannten Steinen ausgeführt ist, bilden die beiden prachtvollen
Wismar Fürstenhof
241
Friese, die am Äußern und Innern die Stockwerke Irennen, der obere wieder aus
Terrakotten und zwar einer Reihenfolge von Porträtmedaillons zusammengesetzt,
der untere in Kalkstein ausgeführt. Die unteren Friese stellen an der Straßen-
seite Kämpfe und Szenen aus dem trojanischen Kriege, an der Hofseite aber die
Geschichte des verlorenen Sohnes dar, die ersteren lebhaft bewegt und offenbar
von antiken Reliefs stark beeinflußt. Man möchte sogar an eine Reminiszenz
an sehr bekannte athenische Friese denken; jedenfalls ist hier ein stark huma-
nistischer Zug durchbrechend.
Abb. 134 Fürstcnliof zu Wismar Hofseite vor der Wiederherstellung
Größter Reichtum von Zierat schmückt auch die zahlreichen, vor der Her-
stellung verschieden gestalteten Portale, von denen die kleineren im Hofe mit
ihren halbkreisförmigen Abschlüssen, den eleganten Laubornamenten, den feinen
Kapitellen und den in den Zwickeln und Friesen angebrachten Porträtmedaillons
wahre Meisterwerke anmutigster Frührenaissance sind oder waren (Abb. 132
bis 134). Dagegen erkannte man an den Hermen und Karyatiden der äußeren
Fenster und den etwas wilden Skulpturen der beiden Hauptportale eine weit
derbere Hand und eine offenbare Abhängigkeit von der Richtung des Antwer-
pener Floris-Stiles. Trotzdem gehört der Bau, eben wegen dieser durchgebil-
deten Tonplastik, zu den merkwürdigsten Denkmalen unserer Renaissance, und
es ist für uns von hohem Wert zu erfahren, daß seit der zweiten Hälfte des
Jahres 1552 der Steinbrenner Statins von Düren diese Ornamente aus gebranntem
Ton gefertigt hat. Noch 1557 stand er in herzogUchen Diensten und lieferte auch
für Herzog Ulrich verschiedene tönerne Werkstücke, wobei ihm für ein „grotes
Stück Biltwerk" fünf, für ein kleines zwei Schillinge bezahlt wurden. Später
ließ er sich in Lübeck nieder, wo wir ähnliche Arbeiten finden werden. Neben
ihm war zu Schwerin noch ein alter Ziegelbrenner tätig, zu Dömitz aber wurden
holländische Ziegelbrenner beschäftigt. Statius' Herkunft von Düren, wie die des
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 16
242 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Baumeisters Gabriel von Aachen, weist nun freilich auch auf die an die Nieder-
lande grenzende Gegend der Rheinlande, und es liegt also nahe, ihren Stil von
dort herzuleiten. Doch kann es sich da nur um den der Ornamentik handeln;
eine Terrakottenarchitektur dieser Art kennen wir in den Niederlanden nicht, und
so haben wir diese als eine ausgezeichnete Errungenschaft der mecklenburgischen
und benachbarten Gebiete zu betrachten. Daß die oberitalienische Terrakotten-
architektur, insbesondere die ferraresische (Palazzo Roverella), dabei das Vorbild
gewesen sei, scheint gewiß.
Abb. 135 Fürstenhof zu Wismar Straliciiseitc vor der Wieilerhörstellung
Von der alten Einrichtung ist nichts mehr erhalten. Links von dem ge-
wölbten Eingange, der als Durchfahrt zum Hof diente, war die Hofstube, rechts
die Wohnung des Pförtners und anderer Diener. Im ersten Stock war der große
Tanzsaal, der die ganze Länge des Flügels umfaßte; im zweiten Stock, der eine
anmutige Aussicht gewährt, befand sich der Speisesaal, daneben der Herzogin
Gemach und die Ratsstube. Den Zugang zu den oberen Stockwerken vermittelt
die am östlichen Ende in einem viereckigen Treppenbaus angebaute Wendelstiege.
Wismar
243
Das Dach hatte urprünghch Giebelerker mit Gemächern, die aber 1574 abgetragen
wurden, weil von ihrer Last das Gebäude gesunken war. Die Deckenverzierungen
für die Säle des Fürstenhofes sowie des Schlosses zu Schwerin malte 1554 Meister
Jahoh Strauß zu Berlin. Sie bestanden aus vergoldeten Rosetten, welche in Berlin
auf Leinwand gemalt und dann an Ort und Stelle befestigt wurden.
Im Fürstenhof, wenn wir die dem Norden eigentümlichen Hinzufügungen,
wie die einstigen Zwerchgiebel des Daches, vorspringenden Treppentürme und
ähnliches als einen dem Norden gebrachten Tribut zur Seite lassen, haben wir
ganz offenbar eine bewußte Übertragung itaHenischer Kunst nach dem Norden zu
sehen. Herzog Johann Albrecht stand zu Ercole Este in Ferrara in vertrauten
Beziehungen, und so erklärt sich wohl sein Wunsch, die dort gesehene schöne
und modische Kunst eines reinen Backsteingebietes in dem ebenfalls haustein-
armen Mecklenburg nachzuahmen. Auch Bologna kommt da stark in Betracht.
Die Pilasterarchitektur der Hofseite mit ihren weiten Achsen spricht diese Be-
ziehungen sehr deutlich aus.
Für die Verwirklichung solcher Absicht mußten natürlich die Meister ge-
sucht werden, die dazu fähig waren. Solche gab es aber bereits einige damals
im Norden; in Lüneburg, Emden, Lübeck und der Mark finden sich dekorative
Arbeiten in früher Rennaissance in Ton ausgeführt, die offenbar durch das dort
vorhandene Bedürfnis schon seit gotischer Zeit hervorgelockt waren. In Lüne-
burg, wie vor allem in Lübeck, sind gotische Terrakottenfriese und ähnliches
geraume Zeit vorher festzustellen. Die Stein- und Ziegelbrenner (wie Statius
von Düren) daselbst müssen aber damals durch die Wanderschaft mit südhcher
Formenwelt vertraut geworden sein, und so mag der Herzog solche für seine
Zwecke aus verschiedenen Gegenden zusammengezogen haben. Es finden sich
denn hier Arbeiten in reiner Frührenaissance stark italienischen Charakters, wie
an den zarten Portalen der Hofseite und den Pilastern, andere Teile, insbesondere
die Fensterumrahmungen beider Fronten waren aber in klarstem, vlämischem
Stil der fünfziger Jahre gebildet, so insbesondere die Hermen und Giebelfelder
der Straßenfenster. Es mag dabei nicht unmöghch sein, daß nur ein ganz ein-
facher Gesamtentwurf nach itahenischem Vorbilde vorlag, und es nun den ver-
schiedenen Bildhauern in Stein und Terrakotta oblag, die Portale, Pilaster und
Fenster möglichst schön nach ihrem Vermögen zu liefern ; und so wird sich denn
auch der stilistische Unterschied dieser Teile von selbst erklären.
Eine der beklagenswertesten Restaurierungen durch einen Puristen hat leider
1877 das Ganze unter Beseitigung alles irgendwie barock Erscheinenden, ins-
besondere der Teile im Florisstile, erneuert und dabei unter Zufügung griechischer
Atheneköpfe und Palmetten nur die itaHenisch erscheinenden Teile als Vorbild
bestehen lassen. Das Originalwerk ist auf diesem Wege völlig vernichtet. Nur
die ins Schweriner Museum geretteten Originalstücke geben hier noch Anschauung
von dem unersetzlichen Verlorenen.
Die Stadt Wismar, die kraftvolle Hafen- und Hansestadt, hat aber selber
an den Taten der Renaissance lebhaften Anteil genommen. Da ist vor allem die
zum Teil prächtige Ausstattung der drei riesigen gotischen Kirchen der Stadt,
der Marien-, Jürgen- und Nikolaikirche, von denen die letztgenannte an Höhe dem
Kölner Dom fast gleichkommt, die in der Renaissancezeit höchsten Glanz ge-
winnen, wie ja in Mecklenburg überhaupt die zahlreichen und großen mittelalter-
lichen Kirchen gerade in protestantischer Zeit besonders üppig ausgeschmückt
wurden. Ein Heer von ungemein prächtigen Kanzeln, Grab- und Denkmälern,
Epitaphien, Taufsteinen, auch wohl Altären füllte seit dem 16. Jahrhundert die
weiten strenggeformten Hallen, sie zu frischestem Leben erweckend. Außer in
Lübeck und in manchen Teilen von Schleswig-Holstein findet sich in Deutsch-
244 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
land wohl nirgends mehr eine solche Fülle derartiger dekorativer Kunst in Stein,
Holz und Metall/)
Die Marienkirche enthält eine größere Reihe von Epitaphien; von ihnen
sei genannt das schöne des Nikolaus Karow, aus Holz mit mittlerer Alabastertafel,
die Kreuzigung in Alabaster, von 1614, vom Bildhauer Görries Quade. In der
Mitte eine doppelte korinthische Säulenordnung; unterer Abschluß reichstes Roll-
werk um die Inschrifttafel, oben ein Aufsatz mit Hermen, darüber gebrochener
Giebel mit Obelisken, Alabasterstatuetten Christi und zweier Propheten als
Krönung und zwischen den Säulen. Die Formen stark holländisch, doch von
Noblesse. Die meisten übrigen Epitaphien sind barocke Holzschnitzerei aus
dem 17. Jahrhundert, darunter wahrhaft üppige Arbeiten; so das Schnohrsche
von 1657, das dem späten Amsterdamer Stil angehörige von David Mevius. Von
größerer Bedeutung ist das hölzerne Grabmal des schwedischen Generals
Grafen Wrangel (f 1647) in der Wrangelkapelle. Unten ein mannshoher
Unterbau, mit Kupferplatten für Inschriften bekleidet, darauf eine mit Balustrade
und Obelisken umgebene Plattform, die den Sarkophag in der Mitte trägt. Auf
ihm ausgestreckt die Gestalten Wrangeis und seiner Gattin, an den Ecken kreuz-
tragende Engel, an den Langseiten freigeschnitzte Apostelgestalten, an den kurzen
die Auferstehung und die Wappen. Das Ganze höchst charaktervoll geschnitten
und eigenartig. Der Bildhauer war vermutlich Christian Möller.
In St. Jürgen ist die Ausstattung aus der Renaissancezeit eine bedeut-
samere. Während leider die Epitaphien meist verschwanden, ist vor allem die Orgel
mit ihrer Bühne, die Kanzel, die Taufe und noch einiges erhalten geblieben. Die
erstere, ein Werk des Görries Quade, 1611, gehört im Aufbau zu den erfreulichsten
in Deutschland; sie erhebt sich über der schönen Bogengliederung der Bühne mit
drei vieleckigen Türmen, deren durch drei starke Konsolengesimse unterbrochener
Aufbau sich in Spitzen und Tempelchen auflöst. Die Wirkung ist eine prächtige.
ÄhnUch wertvoll ist die reichgeschnitzte Kanzel, 1608 von Hans Böhle und
Görries Quade, Tischlern, hergestellt; ihr Körper, achteckig mit erkerartigen
Ausbauten, hat schöne Gliederung von überreichen Hermen an den Ecken und
Nischen mit Aposteln dazwischen, ähnUch der Aufgang, der reiche Hängezapfen
mit Konsolen und Kartuschen hat; der Kanzeldeckel ebenso reich; die Kanzeltür
mit Säulen und Schnörkelaufsatz. Die prächtige Tür zum früheren Sängerchor mit
freien Säulen, Hermen und üppigem Aufsatz, schön eingelegt. Die „Fünte" (Tauf-
kessel) von Bronze auf Löwen als Füßen; der hohe Deckelaufsatz ist achteckig
mit Säulen und durchbrochener Schnörkelkrönung. Geschnitztes Gestühl überall;
Epitaphien und Totenschilde in reicher Bildhauerei; alles schön bemalt und ver-
goldet oder auch eingelegt. An Bronzekronen mangelt es auch nicht.
Auch die Nikolaikirche besitzt noch ähnliche Ausstattungsteile; den
Mittelteil der Orgel, einige gute Epitaphien, darunter besonders das des Bürger-
meisters Schabbelius von 1605, von übhcher Form mit Säulen, hängendem Drei-
eck und Aufsatz; schöne Kronen aus Bronze.
Unter den Privatbauten ragt nur ein Renaissancebau über das Mittelmaß
der einfachen Backsteingiebel des 16. und 17. Jahrhunderts hervor, die hinter den
freilich meist verstümmelten, noch immer zahlreichen und öfters prächtigen gotischen
Giebelhäusern völlig zurücktreten. Es ist der stattliche Hochbau der Kochschen
Bierbrauerei an der Schweinsbrücke, 1569—71 durch Philipp Brandin aus Utrecht,
den wir in Güstrow noch näher kennen lernen werden, als Wohnhaus für den
Bürgermeister Hinr. Schabbelt (sein Epitaph in St. Nikolai) errichtet. Es steht mit
der Langseite, die zwei reiche Rustikatore mit Halbsäulen zeigt, längs der Straße
1) Genaueres nebst Abbildungen bei Schlie, Kunstdenkmale etc. II, p. 45 if.
Wismar Schwerin
245
und wendet seinen stolzen Giebel dem Kanal zu.^) Dieser (Abb. 136) hat in den
zwei Untergeschossen Eckquadern und Rustikapilaster, oben einen reichen Wechsel
von Fensteröffnungen, die durch Schweiflinien, Gesimse und Bekrönung zu einer
feinen Gesamtkomposition zusammengefaßt sind; freilich ist diese ausVredeman
de Vrieses Werk über die Dorica und lonica entlehnt. Der Wohnflügel erstreckt
sich längs des Kanals weiter. Der Herausgeber sah noch 1875 im Innern die
schön mit Pilastern grau in grau bemalte große Diele, von der in der Ecke ein
feines Holzportal in den
Wohnflügel, daneben eine
hölzerne Wendeltreppe in
das Obergeschoß führte.
Die Ausstattung war frei-
lich meist verschwunden,
bis auf eine hübsche, in
Kassettenmustern be-
malte Decke.
Von demselben PJii-
Upp Brandin rührt die
1580 auf dem Markt er-
richtete Wasserkunst her ;
ein zwölfseitiger Tempel
mit Hermen an den Ecken,
glockenförmigem Kupfer-
dach und achtseitiger La-
terne mit Helm. Reiche
Gitter gestatten den
Blick ins Innere, wo einst
zwei kleine Bronzefiguren
„Adam und Eva" das
Wasser in das Haupt-
becken durch Hähne hin-
einleiteten. Ein reizvoll
malerisches Bauwerk.^)
Der Fürstenhof war
nicht der einzige Bau,
den Johann Albrecht ent-
stehen ließ. Als er den Abb. 136 Brauerei Koch zu Wismar
Thron bestieg, fand er
sämtliche fürstliche Schlösser klein, unwohnlich und durch lange Verwahrlosung
verfallen. Schon 1550 stellte er seinem alternden Oheim Herzog Heinrich die
Notwendigkeit von Neubauten vor, „damit es nicht so gar schimpflich stehe und
ihnen zum Spott gereiche". Der alte Herzog meinte aber, er habe sich bei seinem
Beilager mit den vorhandenen Gebäuden beholfen und könne, namentlich bei be-
vorstehender Ernte, sich auf nichts weiter einlassen. Kaum hatte daher Johann
Albrecht den Fürstenhof in Wismar prachtvoll erneuert, so begann er mit seinem
Bruder Ulrich weitere Neubauten der Schlösser von Schwerin, Dömitz und Güstrow,
mit denen zugleich umfassende Befestigungswerke verbunden waren. Zu den
umfangreichsten Werken gehörte vor seiner neueren Umgestaltung das Schloß
von Schwerin, schon durch die unvergleichliche Lage auf einer Halbinsel des
anmutigen, von Laubwald eingefaßten Schweriner Sees von herrlicher Wirkung.
Das alte Schloß, in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen von Demmler
1) Schlie, Kunstdenkm. etc. S. 202. 2) Schlie a. a. 0. S. 203.
246 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
im Stil Franz I. begonnenen, durch Stüler und Strack im modernen Berliner Ge-
schmack vollendeten Neubau verdrängt, bestand, als unregelmäßiges Fünfeck einen
Hof umgebend, seinen wichtigsten Teilen nach aus Bauten des 16. Jahrhunderts,
unter denen die von Johann Albrecht I. hinzugefügten künstlerisch die größte
Bedeutung hatten.^) Es waren das „große neue Haus", das wenigstens damals
völlig neu ausgestattet wurde, wenn es auch vielleicht schon durch Herzog Mag-
nus I. (f 1503) errichtet war, die davor sich erhebende „Obotritentreppe", das
danebenstehende Bischofshaus, das Zeughaus am Ende des Gebäudezuges, und
am anderen Ende die Schloßkirche. Der kunstliebende Herzog ließ hier dieselben
Ornamente von gebranntem Ton anwenden, welche sich schon am Fürstenhof zu
Wismar bewährt hatten. Seit 1555 wurde das Hauptportal mit der doppelten
Treppe errichtet, und von 1560 die Schloßkirche ausgeführt, die nach Anlage
und Durchbildung von hervorragender Bedeutung im Schiffe heute noch die alte
Anordnung zeigt. Als einer seiner Baumeister wird Johann Baptista Parr ge-
nannt, der Bruder des Franziscus Parr, welcher für Herzog Ulrich gleichzeitig
das Schloß zu Güstrow baute und öfter auch beim Schloßbau in Schwerin zu
Rate gezogen wurde. Ein dritter Bruder, Christoph Parr, war ebenfalls an beiden
Schloßbauten beschäftigt und errichtete 1572 außerdem den Fürstenstuhl im
Schlosse zu Schwerin. Diese Gebrüder kamen vom Schloßbau zu Brieg, wo wir
sie unter dem Namen Pahr bereits kennen gelernt haben. Daß Johann Albrecht
gleichzeitig auch italienische Künstler berief, ist mehrfach bezeugt. Schon 1557
empfahl Herkules von Ferrara dem Herzoge einen Baumeister Francesco a Borna
von Brescia*), der alsbald in Dienst genommen wurde und mit einer Anzahl
welscher Maurergesellen aus Trient und einem italienischen Ziegler nach Mecklen-
burg kam. Damals hatte jedoch schon ein anderer welscher Baumeister, Paul,
dort Vorarbeiten begonnen. Selbst des Kurfürsten von Brandenburg italienischen
Baumeister Francisco Chiamarella von Venedig entbot der Herzog zu sich, um
von ihm Rat und Pläne zu erhalten. Bei diesen Italienern handelte es sich aller-
dings hauptsächlich um die Befestigungen zu Dömitz und Schwerin, denn die
Italiener standen damals, wie bald darauf die Niederländer, im Festungsbau in
hohem Ansehen. Einen weiteren und ebenso durchgreifenden Anbau erfuhr das
Schloß aber seit 1617 durch Herzog Adolf Friedrich. Dieser ließ durch den
Emdener Baumeister Gerhard Evert Piloot damals die prächtigen Gebäudeteile
über der Schloßkirche und über der Schloßküche neu aufführen und plante dazu
noch einen vollständigen Ausbau der damals ganz niedrig bebauten Nordwestecke.
Der Stil seiner Neubauten ist ein völlig nordischer mit hohen Giebeln, Spitzen,
Türmen und reicher Quader- und Diamantspitzenarchitektur in Putz. Diese Ge-
bäudeteile stehen noch zum Teil heute aufrecht. Von der ehemaligen Pracht der
sonstigen Ausstattung des Schlosses geben die zahlreichen Terrakotten, die man
zur Ausstattung der gegen den Garten gelegenen großartigen Grotte verwendet
hat, Zeugnis. Es sind meistenteils männliche und weibliche Porträts fürstlicher
Persönlichkeiten, wozu jedoch noch Medaillons mit antiken Bildnissen kommen,
die in Wismar fehlen. Auch Löwen, Doppeladler und andere Tiere, trefflich sti-
lisiert und gleich den Medaillons in Lorbeerkränze gefaßt, sind eingestreut.
Außerdem bietet die Schloßkapelle noch erkennbar die Grundzüge des alten,
1563 von Herzog Johann Albrecht mit Hilfe des genannten Architekten Johann
Baptista Parr (Pahr) vollendeten Baus, der leider durch Zwirner eine Umstili-
sierung ins Gotische erlitt und einen neuen gotischen Choranbau erhielt. Es
1) Das Geschichtliche bei Lisch, Jahrb. V, S. 32 ff. mit Abbildungen des Grundrisses.
Vgl. das Prachtwerk über das neue Schloß. Bei Schlie a. a. 0. II, S. 601 ff., Die Pläne des
alten Schlosses mit Aufriß der Passaden im Hofe und außen.
2) Über alle diese Künstler vgl. L i s ch a. a. 0. S. 22 ff.
Schwerin
247
ist nach dem Muster der sächsischen Schloßkapellen ein mit reichen Stern-
gewölben überdeckter dreischiffiger Raum von drei Jochen, getragen von Rund-
säulen, zwischen die sich ringsum hohe Stichbogen, als Träger eingeschobener
Emporen, spannen. Die Gewölberippen wie die Säulen bestanden ursprünglich
aus gebranntem Ton; diese Teile, wie alle Renaissanceprofile, sind durch den
neuen Stucküberzug gründlich entstellt. Trotzdem ist auch der heutige Ein-
druck des reichgewölbten galerieumzogenen Schiffes noch höchst eigenartig und
offenbar sich stark an südfranzösische Frührenaissance anlehnend.') Von der
alten Ausstattung steht wenigstens noch die sehr schöne runde Kanzel^), weiß
marmorn mit Vergoldung, an ihrer alten Stelle, ein W^erk des Simon Schröder aus
Torgau, auf einer Auskragung von drei prächtigen Patten getragen und oben drei
vortrefflich gemeißelte, rehgiös symbolische Reliefs zeigend, der Torgauer ähnlich;
auch hier architektonische Hintergründe, perspektivisch mit reicher Kassettenunter-
sicht. Noch feiner und reicher ist der marmorne Altar des Georg Schröder aus
Torgau, von 1561, jetzt im Museum zu Schwerin''), ein Altartisch mit Pilastern zwi-
schen denen die Evangelisten schreibend sitzen, der Aufsatz die mit Doppelsäulen
eingefaßte Kreuzigung in der Mitte, auf seithch vorspringenden Tafeln die eherne
Schlange und die Auferstehung in Relief enthaltend, darüber ein Aufsatz mit
dem segnenden Gottvater. Die Ausführung beider Werke ist ganz ausgezeichnet,
doch kaum als deutsch zu bezeichnen. Vielmehr finden wir auch hier stark fran-
zösische Anklänge. Einige Alabastertafeln auf der Empore, mit Säulen eingerahmt,
und andere Stücke im Museum sprechen ebenfalls von ausländischen Einflüssen.
Die prächtige Eingangspforte ist noch ziemUch an Ort und Stelle erhalten ;
diese in der reichen Ornamentumrahmung, den vorgesetzten Säulen, dem reichen
Fries und den feinen Details stark italienisierend. Der mit Ornamentzwickeln
und Pilastern eingefaßte, mit Halbrund bekrönte Aufsatz ist dagegen schwächer;
er enthält die Kreuztragung und darüber die Marterwerkzeuge in Relief. Das
Portal ist als das Werk von Georg Walther in Dresden bezeugt, dem wir dort
noch an dem ähnhch italienisch anklingenden Portal der Schloßkirche begegnen
werden.
Von der einstigen glänzenden Ausstattung des Doms, die zum Teil aus der
Zeit Johann Albrechts stammte, ist fast nichts erhalten. Vorher ist noch das
prächtige Bronze-Epitaph der Herzogin Helena von 1524 zu nennen, das Peter
Fischer schuf. Nur Wappen und Inschrift zieren es, doch alles dies von voll-
endeter Modellierung, insbesondere das Hauptwappen in der Mitte unter Laubbogen;
wundervoll die füllenden Ornamente zwischen den acht Randwappen und in den
Zwickeln; alles noch im letzten Detail gotisch, doch im Gefühl und in Zeichnung
echteste Renaissance; die Putten und füllenden heiter-phantastischen Eckfiguren
denen am Sebaldusgrab in Nürnberg nahe verwandt. Ein wenig bekanntes Meister-
werk des Künstlers.*)
Von der einstigen Orgel, nebst der Kanzel und dem fürstHchen Gestühl
ausgezeichnete Arbeiten des Johann Baptista und des Christoph Parr, ist nichts
mehr vorhanden, als eine steinerne Wappentafel von der KanzeP), die Namen
und Wappen der Stifter in Kartusche enthaltend. Auch dieses Werk erscheint
etwas fremdländisch in den Formen. Von der Hand des erstgenannten Künst-
lers mögen auch die vier hölzernen und bemalten Epitaphien der Herzöge
Albrecht VII., Georg, Heinrich und des Bischofs Magnus sein, die Herzog
1) Die Ansicht des ursprünglichen und jetzigen Zustandes bei Schlie a. a. 0. II, S. 587.
2) Schlie S. 590.
3) Schlie p. 588.
4) Abgeb. bei Schlie a. a. 0. S. 556.
5) Dortselbst p. 554.
248 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die uorddeutschen Küstengebiete
Johann Albrecht an den Pfeilern des hohen Chors aufhängen ließ. Alle in der
Hauptsache das mecklenburgische Wappen mit einer Inschrifttafel darunter ent-
haltend; von ausgezeichneter Behandlung und außerordentUcher Originalität,
doch freilich wieder stark französisch.
Abb. 137 Schloß zu Güstrow von Südwesten
Ebenfalls fremdländisch ist das feine Denkmal des Herzogs Christoph und
seiner Gemahlin'), 1596 durch IMert Coj)pens aus Antwerpen errichtet; wieder ein
Spätwerk der öfters gekennzeichneten Antwerpener Bildhauerschule des C. Floris.
Von vier weißmarmornen Karyatiden getragen, bekrönt den zurückspringenden
mit sechs Reliefs gezierten Körper eine starke schwarze Platte mit weißen Ahnen-
wappen ringsum. Oben knien die schönen Gestalten der Bestatteten vor einem
schwarzen Altar; an den Ecken vier Putten mit Todessymbolen. Das Ganze über
drei Marmorstufen. Die Wirkung der ausgezeichneten Arbeit wie des stark ab-
wechselnden schwarzen und weißen Marmors ist sehr stark; das Werk gehört
zu den vorzüglicheren der importierten aus Antwerpen.
Ein schönes Säulenepitaph von 1625 in Marmor hängt an einem der Nord-
pfeiler des hohen Chores.
Das dritte dieser großartigen Schlösser, das zu Güstrow, ist, obwohl jetzt
zur Strafanstalt degradiert, im wesentlichen wohl erhalten. Es wurde nach einem
Brande 1558 von Herzog Ulrich durch den Baumeister i^ra»c/s«^s Parr neu auf-
1) Schlie, Kunstdenkmäler S. 557, 558.
Güstrow Schloß
249
geführt und bis 1565 vollendet. Der nördliche Flügel brannte 1586 ab, worauf
bis zum Jahre 1594 eine durchgreifende Wiederherstellung erfolgte. Am südlichen
Ende der sauberen, freundlichen Stadt erhebt sich mit imposanten Massen, auf
den Ecken und in der Mitte durch hohe Pavillons mit flankierenden Türmen
malerisch gruppiert, der sehr ansehnliche Bau (Abb. 137). Seine Architektur,
vollständig in Stuck durchgeführt, mit Nachahmung mannigfaltigen Quaderwerks,
weicht von dem Terrakottastil der meisten übrigen mecklenburgischen Schlösser
in auffallender Weise ab, und erinnert durch ihre Formen und besonders durch
die Pavillons mit ihren steilen Dächern und die zahlreichen Schornsteine an fran-
zösische Renaissance, während der deutschen Sitte wieder durch hohe, kräftig
gegliederte Giebel Rechnung getragen wird. Man nähert sich dem Schlosse von
250 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
der Westseite, wo der tiefe Graben überbrückt ist und durch einen späteren von
Herzog Gustav Adolf ausgeführten Vorbau beherrscht wird. Der große Torweg
liegt nicht in der Mitte, sondern etwas seitwärts geschoben im westhchen Haupt-
flügel, der sich in einer Länge von 60 Meter bei 25 Meter Höhe erstreckt. (A]3b. 139.)
Er enthält auf jeder Seite des Torweges zwei große beinahe quadratische Zimmer
von 8 Meter Tiefe ; zu diesen kommt an der längeren Südseite noch ein Ecksaal
von 9 zu 10 Meter hinzu. Beide Eckräume erhalten eine Erweiterung durch viel-
eckige Erkertürme, deren Fenster köstliche Ausblicke auf die umgebende liebliche
Landschaft mit ihren saftigen Wiesengründen, Baumgruppen und klaren Seespiegeln
gewähren. Vom Hauptbau zieht sich ein südhcher, breiterer, und ein nördlicher,
minder tiefer Flügel im Rechteck ostwärts hin. Auch die Stockwerkhöhe weicht im
jüngeren nördlichen Flügel von der im westlichen und südlichen Bau ab; denn
während das Erdgeschoß hier 6, der erste Stock 57^, der zweite 5 Meter mißt,
betragen die Höhen im Nordflügel nur S^/s Meter im ersten, 4 Meter im zweiten
Stock. Der südliche ist außerdem durch eine mächiige Säulenhalle im Erdgeschoß
und den oberen Stockwerken zur Verbindung der Räume ausgezeichnet (Abb. 138).
Sie schließt östlich mit einem großen ovalen Treppenturm, der die breite, sanft
ansteigende Hauptstiege enthält. Am nördlichen Flügel aber ist nur im Haupt-
geschoß eine kleinere Galerie von geringerer Tiefe angebracht, die aus der Zeit
nach dem Brande stammt, vielleicht überhaupt nicht so bleiben sollte. Dagegen
erkennt man, daß am Vorderbau ehemals auf mächtigen Kragsteinen eine Galerie
das Hauptgeschoß gleichfalls begleitete oder wahrscheinlicher nur beabsichtigt
war, denn von ihrem einstigen Vorhandensein zeugt außer den Konsolen nichts.
Solche Galerien bildeten häutig bei den Bauten jener Zeit die einzige durchlaufende
Verbindung, da die Zimmer stets die ganze Tiefe der Flügel einehmen. In wie
großartigem Sinn auch die Einteilung der oberen Geschosse sich auf eine Anzahl
durchweg sehr geräumiger Zimmer und Säle beschränkt, zeigt unser Grundriß des
Hauptgeschosses (Abb. 139).^) Die beiden Säle des südlichen Flügels haben bei
einer Tiefe von 11 eine Länge von 17, resp. I8Y2 Meter. Zugleich erkennt man
aus derselben Abbildung die zahlreichen, meist in den Mauern versteckt liegenden
Wendeltreppen, die fast für jeden Raum eine selbständige Verbindung nach außen
ermöglichen. Es ist das eine besonders in den französischen Schlössern der Zeit
mit feiner Berechnung durchgeführte Anlage.
Daß der Bau nicht vollständig erhalten oder durchgeführt ist, erkennt man
am östlichen Ende des Südflügels, wo der Treppenturm in seiner Anlage auf eine
ehemalige Fortsetzung des Baues hinweist. Es blieb hier eine Lücke, deren voll-
ständige Ausfüllung offenbar beabsichtigt war, denn die Mauern bis zur Dachhöhe
zeigen die dazu notwendige Abtreppung oder Verzahnung. In der Tat ist eine
Ausfüllung sogar auf alten Abbildungen vorhanden, doch so, daß der erste Stock
mit einer von Balustraden umgebenen Plattform abschloß. Da diese Teile durch
Wallenstein während seiner kurzen Herrschaft vollendet worden waren, ließ Herzog
Gustav Adolf sie abbrechen, „ne indigna W. memoria exstaret". Diesem fehlenden
Teil entsprach im nördlichen Flügel, der jetzt mit einem viereckigen Turm schließt,
eine dreistöckige Verlängerung, die an ihrem östlichen Ende die Kapelle enthielt
und dort zugleich durch einen hohen runden Turm ausgezeichnet war. Den Ab-
schluß bildete der östliche Flügel auf der vierten Seite, der leider 1794 für bau-
fällig erklärt und abgerissen wurde. ^) Er war vermutlich nach dem Wiederaufbau
des abgebrannten Nordflügel 1588 errichtet, da er das Wappen des Herzogs Ulrich
mit seiner zweiten Gemahlin Anna trug; die Hochzeit fand 1588 statt. So war
1) Bei Schlie a. a. 0. Bd. IV, S. 193, 194.
2) Das Geschichtliche in Besser, Beiträge zur Geschichte der Vorderstadt Güstrow,
S. 363 tf.
Güstrow Schloß 251
der Hof auf vier Seiten von hohen Gebäuden eingeschlossen mit Ausnahme jener
kurzen Lücke zwischen dem Treppenturm des Südflügels und dem Ostflügel.
Die noch immer bedeutende Wirkung des Hofes muß ursprünglich eine wahrhaft
großartige gewesen sein. Ein wichtiges Element in diesem Eindruck bildet die
herrliche Säulenhalle des Südflügels (Abb. 138). Im Erdgeschoß sind es vier Bogen
Abb. 139 Grundrisse des Schlosses zu Güstrow
auf ionischen Säulen von Granit, kraftvoll und mächtig in Achsen von fast 5 Meter
Weite, die Halle selbst gegen 3 Meter tief, alles freilich durch eiserne Anker, die
Säulenschäfte selbst durch eiserne Bänder gehalten. Im oberen Geschoß eine
ähnliche Halle auf korinthischen Säulen, und darüber im zweiten Stock eine Loggia
mit der doppelten Anzahl von Säulen, welche ein gerades Gebälk mit Fries tragen.
Das Motiv und das Einzelne dieser Halle ist nun genau dasselbe, das wir bereits
252 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
an der Halle des Hofes im Piastenschloß zu Brieg und im Schloß zu Plagwitz
fanden; offenbar ein Erbteil der Familie Pahr.
Die Architektur des ganzen Baus ist, wie schon bemerkt, in Stuck durch-
geführt und mit großer Sorgfalt behandelt. Das Erdgeschoß hat eine kraftvolle
Rustika, die in mancherlei Variationen der Quaderbildung sich gefällt. Im ersten
Stock stuft sich die Rustika feiner ab und ist gleichmäßiger durchgeführt, im
oberen Geschoß endhch ist bei glatt verputzten Flächen durch Blendnischen und
Säulenstellungen eine reichere Gliederung bewirkt, an den hohen Giebeln des
Äußeren durch Häufung der Säulenstellungen etwas phantastisch Unruhiges er-
zielt. Das Hauptgesims mit frei gruppierten Konsolen gibt einen wirksamen
Abschluß, sämtliche Fenster sind im Stichbogen gewölbt und erhöhen bei großen
Verhältnissen und bedeutenden Achsweiten die Vornehmheit des Baues. Mit Recht
aber hat der Architekt an der Südseite die zahlreicheren Fenster dicht zusammen-
gedrängt, um mögHchst großen Genuß der entzückenden Aussicht in die Land-
schaft zu ermöglichen. Die dort liegenden großen Säle gehören durch Statthch-
keit des Raums, Fülle des Lichts, Freiheit der Lage zu den schönsten ihrer Art.
Was den Haupträumen des Schlosses noch besonderen Reiz verleiht, sind die
zahlreichen tiefen Nischen und Erker mit ihren freien Ausblicken, die auch das
Äußere mannigfach beleben. Die Lust an der Dekoration ist bis zu den bunten
Gestaltungen der Schornsteine auf dem Dache gedrungen ; sie sind mit Voluten,
Spitzen und andern Ornamenten reich geschmückt. Auch die zahlreichen Wetter-
fahnen auf den Dächern zeigen lustigen figürlichen Schmuck. An dem östlichen
turmartigen Vorsprung des Nordflügels ist im zweiten Stock ein Balkon heraus-
gebaut, mit hübschen Wappen und einer Inschrift geschmückt, besagend, daß
Herzog Ulrich, nachdem 1586 das alte Haus abgebrannt, es in den beiden folgenden
Jahren wieder erbaut habe. Die Jahreszahl 1598 liest man an dem Giebel des-
selben Flügels. Die Einzelheiten dieses Herstellungsbaues zeichnen sich durch
eine strengere Behandlung mittelst antikisierender Pilasterstellungen aus.
Was endlich diesem majestätischen Bau seine besondere Bedeutung ver-
leiht, ist, daß er die umfangreichste, schönste und merkwürdigste Stuckdekora-
tion besitzt, die irgendwo in Deutschland aus jener Epoche anzutreffen ist. Vor
allem die reiche Oberflächengestaltung am Äußeren, mit eigens geformten oder
zugehauenen Backsteinen vorgemauert und dann verputzt, zeigt in der wohl-
berechneten mannigfaltigen Gliederung und Abstufung eine wahre Künstlerhand.
Am Unterbau befindet sich in jeder der sehr großen Quaderflächen ein wagerecht
liegender starker, dunkel gefärbter Rundstab; in dem darüber liegenden fries-
artigen Quaderband in jeder eine vorspringende Kugel. Die Fensterpartie ist
sodann durch gewaltige Profile in Füllungen geteilt, die Fenster selbst wieder
sind durch stark gewölbte Quadern eingefaßt. Darauf folgt ein Brüstungsfries
mit Mäandermuster; das zweite Fenstergeschoß hat dann eine sehr kleine kräftige
Quaderung. Das Obergeschoß ist glatt, da es durch Rahmen, Rundstäbe, Nischen
und ähnliches eine ausgeprägte Vertikalgliederung erhalten hat. Alle Gesimse,
deren der Bau sehr viele hat, sind höchst kräftig gebildet. Das Ganze hat über-
haupt, schon von dem schräg aus dem tiefen Graben ansteigenden Sockel an, eine
außerordentlich kraftvolle Erscheinung und ist als ein Meisterwerk von höchstem
Ausdruck, vielleicht als die tüchtigste und selbständigste Leistung auf dem Ge-
biete der äußeren Putzarchitektur überhaupt zu bezeichnen, die irgendwo existieren
mag. Wo der Meister Franz seine Anregungen hierzu geschöpft haben mag, ist
nicht festzustellen. In Italien ganz gewiß nicht, wo eine Rustika als Selbstzweck
in derart dekorativer Behandlung auch nicht einmal andeutungsweise zu finden
ist. Eher noch in Frankreich. Dort geben gewisse Rustikafassaden der gleichen
Zeit (Oiron) auch wohl einige Stücke Du Cerceaus einen Anklang. Es scheint
Güstrow Schloß
253
nichtsdestoweniger, als ob hier eine neue Architektur ohne eigenthche Vorgänger
vor uns stehe.
Fast ohnegleichen ist auch die Ausstattung des Innern. Die Decken und
Gewölbe sämtlicher Säle und Gemächer, zum Teil auf Säulen ruhend, haben
eine Stuckdekoration, welche ebensowohl durch die Mannigfaltigkeit der Ein-
teilungen, wie durch die Schönheit des Einzelnen, bewundernswürdig ist. In
dem reichen Wechsel der Decken, Kreuzgewölbe, Flachdecken und Spiegelgewölbe
bot sich willkommenste Gelegenheit, stets neue Einteilung und Gliederung anzu-
wenden. Die Rippen sind z. B. als Blattkränze charakterisiert, durchweg aber
ist bei allem Reichtum das edelste Maßhalten zu erkennen und dabei ein muster-
hafter Takt in der Abstufung vom Einfachsten zum Prachtvollsten gewahrt. Be-
sonders schön sind die Decken der Erker ausgeführt, aber auch das südwestliche
Eckgemach im Erdgeschoß ist überaus prächtig. Sind in den Hallen und Bogen-
gängen und der Einfahrt mehr feine lineare Rahmen und Füllungen von oft
großer Schönheit angewandt, so entfaltet sich an Wänden und Decken der eigent-
lichen Wohn- und Prachträume ein feines oder üppigeres Rahmenwerk mit Orna-
ment und Figürlichem, mit Darstellungen des Landlebens und der Jagd, wo Tiere
aller Art, selbst der Tropen, nicht fehlen, auch Seestücke nicht, noch die sieben
Weltwunder bis zum Koloß von Rhodos.^)
Außer den Stuckwerken sind auch noch einige wuchtige und prachtvoll
behandelte, geschnitzte Kassettendecken in Holz vorhanden.
Man kann nicht genug beklagen, daß solche Schätze bis jetzt in Deutsch-
land so gut wie unbekannt blieben, während sie in vollem Maße erschöpfende
Veröffentlichung verdienten.
Das Güstrower Schloß steht in seiner Anlage und Ausschmückung unter
den mecklenburgischen Bauten jener Zeit vereinzelt da, Zeuge eines fremden
Einflusses, der auf die Persönlichkeit seines Baumeisters zurückzuführen ist.
Dieser, offenbar der bedeutendste Sohn der Familie Pahr, hat hier sein Meister-
werk und eines der stärksten Renaissancewerke auf deutschem Boden für einen
deutschen Fürsten geschaffen. Unterstützt wurde er durch seinen meist in Schwerin
tätigen Bruder Johann Baptista, besonders aber Christoph den Bildschnitzer und
Stukkateur. Auch ein Bruder Dominikus wird in jener Zeit noch genannt.
Die beiden erstgenannten wanderten dann 1572 nach Schweden, wohin
ihnen auch Dominikus folgte. Dort entfalteten sie eine fernere großartige Tätig-
keit als Baumeister; die Schlösser zu Upsala, Kolmar, Borgholm und andere bis
nach Finnland hin wurden Zeugnisse ihrer Kunst. Christoph bheb in Schwerin.^)
Franziskus vollendete den Schloßbau zu Güstrow nicht; von ihm stammten
nur die heute noch stehenden Teile, deren Nordflügel, wie schon bemerkt, 1586
abbrannte. Der Meister Philixjp Brandin aus Utrecht, den wir schon in Wismar
kennen lernten, folgte Pahr und baute den abgebrannten Teil in seiner Art in
wenig vollkommener Anlehnung an die älteren Teile wieder auf; daher die wesent-
lich schwächere Wirkung gegenüber der Urkraft jener. Er führte dann an der
Nord- und Ostseite die Gebäude weiter, doch ohne zum vollständigen Abschluß
des Hofes zu gelangen. Diese letzten Gebäude verschwanden, wie oben bemerkt 1794.
Weitere Spuren der Kunstrichtung Brandins finden wir aber im Dom zu Güst-
row in den Prachtgräbern der mecklenburgischen Fürsten an der Nordwand des
Chores (Abb. 140). Sie wurden im Auftrage des Herzogs Ulrich durch jenen
Meister PJdliiJX) Brandin von 1576—86 ausgeführt. Derselbe Meister hatte schon
früher, zugleich mit einem anderen Steinhauer Conrad Floris, also ebenfalls
1) Abb. bei Schlie, a. a. 0. S. 256, 257.
2) Das Nähere bei Aug. Hahr, Die Architektenfamilie Pahr, Straßbg., 1908, wo auch
Abbildungen der Stuckdecken und Einzelheiten von Güstrow in Fig. 10 bis 19 gegeben sind.
254 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
einem Niederländer, auch mehreres für Herzog Johann Albrecht in Schwerin ge-
arbeitet. Es handelt sich in Güstrow zunächst um ein prachtvolles marmornes
Epitaphium des damals noch lebenden Herzogs Ulrich und seiner Gemahlinnen
Elisabeth und Anna. Die Gestalten, aus weißem Marmor gearbeitet, knieen hinter-
einander an reichen Betpulten, in vergoldeten Prachtkostümen, in einer gewissen
Strenge der Haltung, doch nicht ohne Lebensfrische aufgefaßt. Wahrheit und
Glaube als Karyatiden bilden die architektonische Einfassung und tragen das
phantastisch gekrönte Gesimse, an dem weitere Figuren von Tugenden angebracht
Abb. 140 Denkmäler im Dom zu Güstrow
sind. Dazu prächtige Wappen und ein ganzer Stammbaum, dies alles auf schwar-
zem Marmorgrund mit zahlreichen goldnen Inschriften und Emblemen. Am Fries
obendrein Reliefs, das Ganze von höchster Opulenz ^) (Abb. 141). Von derselben
Hand ist das kleinere Marmor-Epitaph der Herzogin Dorothea (f 1575). Sie
liegt betend auf einem Sarkophag, toskanische Säulen bilden die Einfassung und
tragen ein reiches Gebälke, in dessen Krönung Christus als Salvator erscheint.^)
Daneben reiht sich östlich das dritte große Werk an, mit 1574 bezeichnet, das
Epitaph des Herzogs Borwin IL, zugleich der riesige Stammbaum der mecklen-
burgischen Fürsten, freilich nur aus Sandstein, aber reich vergoldet. Prachtvolle
korinthische Säulen fassen das Ganze ein und tragen das Gebälk. Auch diese
bedeutende Arbeit^) zeigt die eleganten Formen der damahgen niederländischen
Kunst und stammt von der Hand Brandins. Sämtliche drei Epitaphien werden
von einem trefflichen schmiedeeisernen Gitter umschlossen. Minder bedeutend,
aber aus derselben Epoche und Richtung ist die in Sandstein ausgeführte Kanzel
1) ScMie, a. a. 0. S. 216. 2) Schlie, S. 213. 3) Schlie, S. 212.
256 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
und der reizvolle Taufstein, von vier Hermen getragen und von prachtvollem
Eisengitter umfaßt. Eine Reihe schöner Epitaphien, Bronzekronen, Totenschilde
u. dgl. vollenden den Schmuck der Kirche, die einst auch noch eine prachtvolle
Renaissanceorgel besaß. Reste davon im Schweriner Museum. — In der Pfarr-
kirche stammt die Kanzel, die Empore und das Stuhlwerk aus derselben
Zeit, wenn auch von geringeren Händen. Eine Anzahl prächtiger Epitaphien
schmücken auch sie.
Der Privatbau Güstrows weist ebenso tüchtige Leistungen aus der Renais-
sancezeit auf. In der Mühlenstraße, am Dom- und Marktplatz und auch sonst
stehen zahlreiche male-
rische Giebelhäuser; in
reinem Ziegelbau, in Her-
stellung der Architektur-
teile in Sandstein und
auch in Fachwerk.^) Von
der erstgenannten Art sei
der prachtvolle Giebelbau
des Brauers Hansen in
der Mühlenstraße genannt
(Abb. 142), der, aus der
Renaissancezeit stam-
mend, an der Straßen-
wie Hofseite eine starke
Gliederung in noch spät-
gotischer Auffassung mit
Pfeilern, Gesimsen, Gie-
bel- und Maßwerkreihen
besitzt und an der Kante,
ähnlich wie das Ulmer
Rathaus mit ansteigen-
den offnen Bögen ein-
gefaßt ist. Doch im Geist
durchaus der Renaissance
angehörig, etwa in dem
Sinne des Stargarder Rat-
hauses.
Abb. 142 Eücicseite der Brauerei Hansen zu Güstrow Der feine Schaum-
burgsche Giebel am Dom-
platz mit seiner eleganten Steineinfassung und Teilung im Schweifstil trägt den
Stempel der Kunst Phili23p Brandins unverkennbar, weniger die ganz nahe stehende
Bürgerschule, die ihm zugeschrieben wird, die übrigens ein gutes Rustikaportal
mit Krönung besitzt, nach niederländischer Art neben dem Giebel angebaut. Reiz-
voll ist die mehrfach auftretende hübsche Gruppierung, die erreicht wird durch
das Vorsetzen eines kleinen erkerartigen Giebels seitlich vor dem großen Giebel.
Besonders hübsch Mühlenstraße 17; da auch ein malerisches epitaphähnliches
Wappen über dem Eingang. Ähnlich, doch in der Rokokozeit mit Stuckverzie-
rungen verschönert, das Haus Mühlenstraße 13. Ein gutes Fachwerkhaus am
Markt 19; es läßt auch die einstige innere Einteilung mit sehr großer Diele und
wenigen massiv dahinein gebauten Wirtschafts- und Wohnräumen, im Hintergrund
die nach oben führende Wendeltreppe, noch wohl erkennen.
1) Abgeb. bei Schlie a. a. 0. S. 259—265.
Gadebusch
257
Gegen Ausgang der Epoche begegnet uns hier noch einmal ein Werk der
älteren zierHchen Backstein- oder vielmehr Terrakottenbaukunst im Schloß zu
Gadebusch bei Schwerin i) (Abb. 143). Es ist die Schöpfung Herzog Christophs,
der im Jahre 1569 nach vielen Leiden dem erzbischöf liehen Stuhle Lievlands
entsagt hatte und in sein Bistum Ratzeburg zurückgekehrt war. Mit gebildetem
Geiste und mildem Sinne wandte er sich wissenschaftlichen und künstlerischen
Bestrebungen zu. Diesen verdankt man den Bau des Schlosses, 1570 begonnen
und im folgenden Jahre vollendet. Als Baumeister wird Christoph Haubitz ge-
nannt, der seit 1549 bei den Schweriner Bauten des Herzogs Johann Albrecht
J
MM
11^
Abb. 143 Schloß zu Gadebusch
zuerst als Maurermeister gedient hatte und nach dem Abgange der Brüder Parr
(1572) zum herzoglichen Baumeister ernannt wurde. Dieser alte einheimische
Meister griff hier zu dem früheren Stile zurück und führte ein Werk auf, das in
seinem Hauptteil noch einigermaßen erhalten dasteht und für uns heute das
allerletzte zurzeit noch nicht künstlich „verschönerte" und hergerichtete originale
Beispiel jener so eigenartigen Schloßbauten Mecklenburgs bildet, denen ja selbst
Italien in ihrer Art nichts Ähnliches entgegenzusetzen hat, wenn auch sich diese
Kunst offenbar von dort herleitet. (Das Schloß Bützow besitzt noch einige Reste
eines ähnlichen Terrakottenschmuckes.) Auf einem durch künstliche Unter-
mauerung gestützten Hügel erhebt sich das Schloß als einflügliger Bau in einem
langgestreckten Rechteck von ansehnlichen Verhältnissen. Ein vortretendes qua-
dratisches Treppenhaus enthält das Portal wie den Aufgang zu den beiden oberen
Stockwerken und ist mit einem leider verstümmelten Giebel abgeschlossen. Das
Äußere ist in seinen Mauerflächen verputzt, aber mit Friesen, Gesimsen und
Pilastern ganz aus Terrakotten eingeteilt; die Friese enthalten, wie an den
Schlössern von Wismar und Schwerin, hauptsächhch Medaillons mit männlichen
1) Das Historische bei Lisch, Jahrb. V, S. 61 flf.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl.
17
2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
und weiblichen Brustbildern fürstlicher Persönhchkeiten, auch römische Impera-
toren in Lorbeerkränzen, wie zu Schwerin, alles gut durchgebildet, wenn auch
im Figürlichen nicht besonders fein. Die Gesamtwirkung ist wieder eine prächtige.
An beiden Portalen, von denen das eine zum Treppenaufgang „Windelstein"
führt, sind, wohl mit Bezug auf den geistlichen Charakter des Erbauers, in Ton-
reliefs der Sündenfall und die Erlösung durch Christi Kreuzestod und Auferstehung
dargestellt.^)
Im Innern sind zunächst die mächtigen Tonnengewölbe des Kellers beach-
tenswert ; zu ihm weist ein Terrakottenportal gleich neben dem Hauptportal hinab.
Die Treppe zum oberen Geschoß hat hübsche Kreuzgewölbe mit elegant profiher-
ten Terrakottarippen aus Ton. Sie mündet oben auf einen großen Vorplatz; von
da führen zwei zierliche, mit Terrakotten dekorierte Portale in die Gemächer.
Große gebrannte Platten mit Delphinen und anderen Tieren bilden die Pilaster,
die auf frei behandelten Kapitellen einen Rankenfries mit tanzenden Putten tragen.
Im Erdgeschoß hat noch die Tür zur Küche am Ende des Baus einen reichen
. Schmuck von Ter-
rakottapilastern
und Medaillonköp-
fen im Fries. In
den Gemächern ne-
ben der Küche sieht
man schön profi-
lierte Unterzugbal-
ken der Decken
auf abgefasten
Ständern. Auch
ein schlichter alter
Kachelofen mit
schwarzer Glasur
auf eisernem Unter-
bau ist noch vor-
handen.
Noch verdient
das Rathaus als
kräftiger Bau von
1618 Erwähnung,
mit seiner Halle
auf Pfeilern und
mit Rustika in der
Einfassung und
dem Entlastungs-
bogen seiner Fen-
ster. Er ist ein wei-
terer Beweis, wie
bald hier überall
der Terrakottenstil
verlassen wurde.
Noch sind hier
die Renaissance-
1) Abb.beiScWie,
Kunstdenkmäler II,
Abi). 144 Kamill im Schloß zu Dargun Seite 482—85.
Darguii Rostock
259
teile an dem alten Schloß zu Dargun zu erwähnen. Mit Benutzung von Teilen
des ehemaligen Zisterzienserklosters i) wurde durch Herzog Ulrich, den Erbauer
des Güstrower Schlosses, schon seit 1560 ein fürstliches Jagdschloß aufgeführt,
und 1590 war das „lange Haus", namenthch der westliche Flügel des Schlosses,
vollständig eingerichtet. Die Jahreszahl 1586 liest man an einem der Gebäude,
aber das Ganze wurde, wie es jetzt ist, erst später im 17. Jahrhundert vollendet.
Es bildet ein großes Viereck mit einem Hofe von etwa vierzig Metern im Quadrat,
dem einstigen Kreuzgange, der im Hauptgeschoß von Galerien umzogen ist. Der
ansehnliche Bau lehnt sich mit seinem östlichen Flügel an das nördhche Quer-
schifip der gotischen Kirche und drängt sich mit dem erst nach 1668 erbauten
südhchen Flügel in ihr ehemaliges Langhaus hinein, da die Stelle des einstigen
Seitenschiffes einnehmend. Der Hauptzugang in der Mitte des westlichen Flügels
führt als Durchfahrt im Ostflügel wieder hinaus. Drei runde Türme flankieren
das Schloß auf den freiliegenden Ecken; nur wo das Querschifif der Kirche an-
stößt, hat man auf den Turm verzichtet und sich mit einem Treppentürmchen
begnügt. Der alte Hauptaufgang zu den oberen Gemächern befindet sich als
Wendeltreppe in einem Treppenturm, der die nordöstliche Ecke des Hofes einnimmt.
Im späteren 17. Jahrhundert, als man jenen schmalen Flügel an Stelle des
nördlichen Seitenschiffs der Kirche erbaute, entstand darin auch ein neues großes
Treppenhaus im schwerfälligen Stil jener Zeit. Die plumpen Arkaden dieses
Bauteils wiederholen sich dann auch auf der Nordseite des Hofes.
Der östHche Flügel mag der älteste noch von Herzog Ulrich erbaute Teil
sein. Er zeigt nämhch im Erdgeschoß und dem ersten Stock Bogenhallen auf
weit gestellten Säulen, im zweiten dagegen eine Galerie mit doppelter Säulenzahl,
die das Dachgesims aufnehmen, genau in der am Südflügel zu Güstrow vorkom-
menden Form. Auch die in Ziegeln nach Art der Güstrower vorgemauerte und
verputzte schwere Quaderung des Mitteltors spricht dafür, daß Christoph Parr
hier gewirkt hat. Doch ist der flotte Giebelaufbau darüber nach dem daran an-
gebrachten Wappen erst unter Herzog Johann Albrecht II. mit einigen Verzierungen
dieses Bauteiles zugleich entstanden. Dieser Herzog hat überhaupt hier eine starke
Bautätigkeit in den Jahren 1617—23 entfaltet; ihm ist vor allem die einst glänzende
Ausstattung der Haupträume in Stuck zuzuschreiben, als deren Verfertiger ein
Kalkschneider Daniel Anckermann genannt wird. Furchtbare spätere Verwüstungen
im Innern des Schlosses haben davon wenig übrig gelassen, doch sieht man vor
allem im Nordflügel noch den riesigen, 46 Meter langen, 11 Meter breiten und
9 Meter hohen Jagdsaal, dessen Stuckdecke mit Kassetten, Rollwerk und hängen-
den Zapfen wohl zu erkennen ist, auch an den Wänden zahlreiche Jagdtiere in
starkem Relief, erinnernd an die ähnliche prachtvolle Ausstattung des Saales
zu Weikersheim. Im Turmzimmer dabei der Rest eines Kamins mit einem
stehenden Hirsch. In einem andern Raum ein hübscher Kamin, ganz aus Stuck
gebildet, unten von Sirenen getragen. Der Mantel ist auf das reichste mit etwas
barocker Architektur und Ornamentik, mit Reliefs und Wappen geschmückt
(Abb. 144). Der Dreißigjährige Krieg schon hat hier aber furchtbar gewütet;
schlimmer noch die Einrichtung des Schlosses, insbesondere seines Prachtsaales,
1806, zu einem Lazarett.
Die größte und wichtigste Stadt des Landes, die auch in der Hansa eine
hervorragende Stellung einnahm, Rostock, zugleich eine der ältesten Universi-
tätsstädte Deutschlands (1419), spielt naturgemäß in der Pflege der neuen Kunst
eine ansehnliche Rolle. Ihre mächtigen Kirchen werden im 16. und 17. Jahr-
hundert erfüllt mit üppiger Ausstattung aller Art; ihre Häuser erhalten stolze
1) Das Geschichtliche bei Lis ch, Jahrb. III, 169
2) Grundriß des Schlosses bei Schlie a. a. 0. I. Bd., S. 529; weitere S. 556—59.
260 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Renaissancegiebel oder wenigstens stattliche Portale, ihre Kirchtürme und Tore
malerisch geschweifte Spitzen, ihre Wohnräume schönes Mobiliar, Kirchen und
Innungen reiches und edles Geräte.
Vor allem müssen wir die vier großen Kirchen durchwandern, von denen
die gewaltige Marienkirche sich durch herrliche Ausstattungsstücke auszeichnet.
Ihre Kanzel von 1574 (Abb. 145) ist sicher das feinste und glänzendste Stück
dieser Art nicht nur in Mecklenburg; ihr Körper in einen Hängezapfen mit Laub-
konsolen endigend, mannigfach im Grundriß gestaltet, hat zunächst einen Fries
mit Relieffüllungen von Tugenden, darüber eine ganz hervorragend schön ge-
bildete Doppelsäulenordnung an den Ecken, dazwischen tiefe perspektivisch sich
Abb. 145 Kanzel in der Marienkirche zu Rostock
verengende Tonnengewölbe, in denen Passionsszenen vor sich gehen. Die Treppen-
brüstung hat einfache Säulen, dazwischen Reliefs aus der Apostelgeschichte in
Bögen. Die Tür wieder korinthische Doppelsäulen, die Tür mit wundervoller
Ornamentfüllung und Lünetie darüber mit dem barmherzigen Samariter. Im
Aufsatz zwischen Säulen ein religiös symbolisches Relief; Figuren und Gruppen
krönen die Aufsätze,
Die Durchführung und Einzelbehandlung ist von geradezu hervorragender
Schönheit und Vollendung, überall ist das reizvollste Ornament, mit Rollwerk
untermischt, ausgestreut, wie an den Säulenschäften unten und ihren Postamenten;
das Figürliche, die zahlreichen Köpfe und Köpfchen auch von Chimären u. dgl.
gleichmäßig auf der Höhe. Das Ganze gehoben durch reiche Bemalung und
Vergoldung.
Der Meister dürfte ein Vlame gewesen sein, wie sich ein solcher auch an
einer andern Kanzel Rostocks als Künstler nennt, so stark lehnt sich die Stili-
sierung und das Einzelne an flandrische Art an. Mindestens müßte er in jenem
Lande seine künstlerische Bildung genossen haben.
1) Schlie a. a. Ö. I, S. 21, 22, 24.
Bostock
261
Abb. 146 Backsteingiebel aus Rostock
(Nach : Haupt, Backsteinbauten der Renaissance)
Die Taufe ist jetzt durch ein Gitter abgetrennt, das einst vor dem Chore
der Kirche stand: Bronzekandelaber mit einer Art Maßwerk verbunden, noch
gotisierend, durch Hermenpfeiler getrennt, auf dem Gesims reiche Aufsätze von
Schweifwerk mit
Figuren. An der
Westwand dahinter
eine prächtige Tä-
felung, mit Doppel-
hermen eingeteilt,
mit Aufsätzen und
Figuren gekrönt ;
von hervorragender
Qualität.^)
Ein ferneres rei-
ches Werk im Ge-
schmack der Zeit
ist die astronomi-
sche Uhr im Chor
1) Abgeb. Ortwein,
Deutsche Renais-
sance, Rostock, Taf.
Abb. 147 Terrakotta aus der Wasserstraße zu Rostock 12, 13.
262 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
hinter dem Hochaltar^), zwei riesige Zifferblätter mit astronomischen Figuren
bedecitt, das untere von Doppelsäulen, das obere von Hermen eingefaßt; oben
Bogenfries mit Hermen und Aufsätze auf dem Gesims. 1643 von dem Uhr-
macher Lorenz Burchard mit dem Tischler Wilh. Grote, dem Bildschnitzer Ändr.
Brandenburg und dem Maler Karl Wübrandt verfertigt; im Stil noch der vorher-
gehenden Zeit angehörig. Eine Reihe schöner und reicher Epitaphien meist
des 17. Jahrhunderts vervollständigten das Bild
(Band I, Abb. 33).
Ähnliche Kunstwerke der Renaissancezeit
füllen die Jakobikir che. Eine äußerst ele-
gante SteinkanzeP) mit weißen Marmorrehefs
von 1581, auch stark niederländisch; feines
Portal, die Tür reich eingelegt. Ein schön
durchgebildetes polygones Gitter von 1561 um-
gibt die Taufe: kräftige korinthische Säulen
an den Ecken, dazwischen Bronzekandelaber,
über dem Gesimse durchbrochene, üppige Orna-
mentaufsätze, an der Wand eine Architektur
mit Giebelkrönung. Alles reich geschnitzt. Da-
hinter wieder eine Uhr, deren dekorative Ein-
rahmung bis ins Gewölbe sich erstreckt. Auch
hier zahlreiche Epitaphien.
In der Petrikirche interessiert wieder
die schöne Steinkanzel, der vorigen ähnlich,
doch einfacher mit ionischen Pilastern auf den
Ecken. Sie ruht auf einer Karyatide, als St. Peter
gestaltet. Der Meister nennt sich hier: Rudolf
.SYoc/iwm van Hantwerpen fecit; 1588. Er dürfte
auch der Künstler der Kanzel in Sankt Jakob
sein. — Der Deckel ist deutsch, von Holz sehr
reich geschnitzt, aus dem gleichen Jahre. —
Hier hängt eines der besten Epitaphien, das
von Hans Bröcker von 1571, das früher in der
Marienkirche war. (Band I, Abb. 33.) Ein gut
deutsches treffliches Werk, leider schwach im
Figürlichen; sehr groß, über 7 Meter hoch. Aus
Eichenholz geschnitzt, hat es unten eine ovale
Schrifttafel in Schweif werk; auf zwei Postamen-
ten stehen dann die Freifiguren von Glaube und
Hoffnung, dazwischen ein Relief der Kreuzi-
gung. Das Triglyphengesims, von Konsolen
getragen, hat in der Mitte eine prächtige Kar-
tusche mit Inschrift; darüber krönt das Ganze
ein Wappenaufsatz mit Säulen und Giebel, in
Rollwerk gefaßt. Durchführung des Ganzen
architektonisch und ornamental meisterhaft; die
Wirkung ist sehr bedeutend.^)
In St. Nikolai ist noch der Rest einer
sehr aufwendigen Umgitterung der Taufe vor-
handen, mit großen und kleineren Säulen und
Abb. 148 Terrakotta aus der Wasser- ^) Schlie, I, S. 30. 3) Schlie S. 79.
Straße zu Rostock ^) Schlie, I, S. 77. 4) Schlie a.a. O.I, S. 113.
Rostock
263
Gittern dazwischen, 1589, doch verstümmelt zusammengesetzt; hübsch geschnitztes
Gestühl des 17. Jahrhunderts; ein kräftiges Epitaph von 1597 aus Stein des
Studenten Georg Jacobi.
In der Kirche zum heil. Kreuz eine Kanzel von 1616, vielleicht von dem
Lübecker Anton Evers geschnitzt.
Auch in der Stadt hat die Renaissance zahlreiche Spuren hinterlassen.
Am interessantesten sind einige Backsteingiebel, noch scheinbar gotisch mit spitz-
bogigen Maßwerkblenden ihrer Treppengiebel (Abb. 146). Das wichtigste Ecke
der Wasserstraße hinter dem Rathause. Da sind die Giebeltreppen mit Friesen
von farbig glasierten Terrakotten umfaßt und die Runde über den Maßwerken
mit ebensolchen Medaillonköpfen ausgefüllt, was dem Ganzen hohe farbige Pracht
verleiht. Die aufsteigenden Friese sind meist ornamental, doch auch mit Figuren
unterbrochen, meisterhaft modelhert. Das Gebäude selbst entspricht der Gotik und
ist an Eingang und Fenstern mit profilierten und gerippten Stäben eingefaßt. Ein
Prachtstück einziger Art in Deutschland. Auf einer Kachel hat sich der Künstler
der Friese genannt : Meister J. G. oder G. J.
Man denkt unwillkürlich an jenen nieder-
deutschen Ornamentmeister, der sich gleicher
Signatur bediente, der eine der vornehmsten
Stellen unter unseren Kleinmeistern einnimmt.
Trifft diese Vermutung zu, so würde damit
die Heimat jener wunderfeinen Ornament-
stiche, die man in Westfalen oder am Nieder-
rhein vermutete, nach Mecklenburg rücken
(Abb. 147—149).
Ein einfacherer Giebel ähnlichen Stiles
steht am Hopfenmarkt 28, doch mit Rosetten,
Löwenköpfen, Medaillons u. dgl. reich besetzt,
meist noch gotisch stihsiert, doch dem Geiste
nach derselben Richtung angehörig, wie der
vorige. Im übrigen ist das Mauerwerk aus
abwechselnd roten und schwarzglasierten
Schichten gefügt. Man sieht an den Ziegel-
giebeln überhaupt langsam das Mittelalter
in die Renaissance übergehen, den Rund-
bogen den Spitz- und Stichbogen ablösen,
den Vertikalismus langsam horizontaler Rich-
tung weichen.
Auch eine Reihe von Giebelbauten in
Haustein — die Flächen Ziegel oder ver-
putzt — sind vorhanden; am Markt, in der
Kistenmacherstraße und sonst, Sie sind von
Scheffers bei Ortwein alle dargestellt und
zeichnen sich durch ihre durchlaufenden zahl-
reichen Gesimse und das zierliche Schnörkel-
werk des Giebelrandes aus.^) Viele davon
besitzen auch hübsche Portale, die noch mehr
in Betracht kommen, als die Giebel; so Nr. 3
am Ziegenmarkt, Nr. 16 am Neuen Markt und
andere. Das feinste steht an der Ecke des
1) Ortwein, Ren. VIII. Rostock, 1 — 5.
Abb. 149 Terrakotta aus der Wasser-
straße zu Rostock
264 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Neuen Markts und der Großen Wasserstraße; merkwürdig eingeklemmt in der
Mauer, ohne Einfassung von Pilastern oder dergleichen, nur ein Bogen mit Ge-
sims und Wappenaufsatz. Aber das Ganze bedeckt mit einem flüssigen, reichen
Ornament, Schweifwerk, Quaderbändern u. dgl. von außerordentlich tüchtiger Hand
zeugend (Abb. 150j. Alle diese dem Hausteinbau angehörigen Bauwerke ent-
stammen aber dem 17. Jahrhundert und sind spätformig.
Zu nennen bleibt noch das stattliche Steintor (Abb. 151), das, ein alter,
starker, mittelalterlicher Ziegelbau, wie die übrigen höchst ansehnlichen Tore und
Türme der Stadt, 1575 in Putz eine Neugestaltung insbesondere auf der Stadt-
seite erfuhr, die ihre Quelle im Güstrower Schlosse hat. Die Umrahmungen der
Fenster, die drei kleinen Giebel über dem Hauptgesims und auch die etwas schwer-
fällige, geschweifte Haube erinnern stark an Fr. Pahrs Art. Über dem Tor Wappen
und Querleisten zwischen Pilastern und Schnörkeln, in merkwürdiger Weise von
zwei Kröpfen auf Rundbögen getragen; ein Dreiecksgiebel darüber.^)
Eine Fundgrube für reiche, zum
Teil sehr bedeutsame Werke der Re-
naissance bilden aber, wie schon mehr-
fach bemerkt, die Kirchen des Landes,
die gerade in und nach der Zeit der
Reformation ihre größte Pracht ent-
falteten. Darunter spielen Orgeln, Kan-
zeln und Denkmäler die Hauptrolle.
Vor allem die letzteren. In der Klo-
sterkirche zu Kl ein- Ribnitz finden
wir noch ein Denkmal des Philipp
Brandin für die Herzogin Ursula, Äb-
tissin des Klosters, 1590 errichtet. Die
Gestalt der Verbhchenen, im Kloster-
gewande ausgestreckt auf dem Sarko-
phag, wird überragt von einem hohen,
baldachinartigen reichen Gebälk, das
zwei Klosterschwestern als Karyatiden
tragen. Hinter der Toten ist die Fläche
mit einer Ahnentafel ausgefüllt, wie
am Borwinepitaph zu Güstrow. In der
Mitte reicher Wappenaufsatz, an den
Ecken die Statuen von Glauben und
Hoffnung.^) Ein Werk, jenen zu Güst-
row gleichwertig.
Vor allem aber kommt eine der
mächtigsten Klosterkirchen des Landes
hier in Betracht, die zu Doberan;
geradezu eine Nekropole der Fürsten
und des mecklenburgischen Adels von
alters her. Darin sind außer einigen
schönen Wappen und Tafeln flandri-
schen Stils zwei vom allerersten Range.
Zuerst die Grabkapelle Herzog
Adolf Friedrichs (f 1659), ein in
seiner Art einziges glänzendes Werk
1) Schlie, a. a. 0. S. 267.
Abb. 150 Portal am Neuen Markt zu Rostock 2) Schlie, a. a. 0. I, S. 353.
Doberan
265
des beginnenden 17. Jahrhunderts
(Abb. 152). Es ist in die letzte Chor-
kapelle eingebaut, hat demgemäß
trapezförmigen Grundriß. Über der
Backsteingruft erhebt sich, durch
ein reiches Säulenportal mit Treppe
zugänglich, die von Säulen getra-
gene steinerne Halle, bedeckt durch
einen baldachinartigen Holzüberbau
mit Attika und einem oben abge-
stutzten Dache. Oben in der Halle
links stehen die beiden kostümlichen
Prachtgestalten des Fürsten und
seiner ersten Gemahlin Anna Maria,
aus Holz geschnitzt, doch mit ala-
basternen Köpfen vor Nischen auf
Postamenten.^)
Die Pracht der Durchführung
ist unvergleichlich. Solche Vor-
nehmheit der architektonischen Er-
findung ist gerade in Deutschland
nicht häufig, der überreiche Orna-
mentschmuck doch unter weiser
Schonung der Hauptlinien ausge-
zeichnet gestimmt und wenig barock
gehalten. Ich verweise auf die Ab-
bildung, die einen guten Begriff der
Wirkung gewährt.
Der Herzog übertrug 1637
dem Leipziger Bildschnitzer Franz
Julius Döteber und seinem Gehilfen
Daniel Werner die Herstellung des
Prachtwerks, das infolge der Kriegs-
unruhen aber bald dem Letztge-
nannten ganz anheimfiel. Er war
nicht nur der Architekt und Stein-
metz des Ganzen, sondern auch der
Schnitzer der beiden lebensgroßen Statuen des Herzogspaares, zu denen sich noch
die der zweiten Gemahlin des Herzogs gesellen sollte, die aber nicht ausgeführt wurde.
Von kaum geringerer Wirkung, obwohl nicht entfernt so aufwendig ist das
Prachtgrab in der nördlichen Umgangkapelle für den Geheimen Rat Samuel von
Behr, f 1621 (Abb. 153); ein Baldachin auf sechs freistehenden Säulen, darunter
der Sarkophag, das ausgezeichnet geschnitzte Reiterbild des Verstorbenen tragend.^)
Am Sarkophag die Relief bildnisse der Eltern. Am 29. Januar 1622 schloß Herzog
Adolf Friedrich mit Franz Julius Döteber (Töteber) und seinem Gehilfen Daniel
Werner den Vertrag zur Errichtung dieses wundervollen Grabmals für seinen
von ihm hochverehrten Erzieher. Der Reiter ist im Harnisch, das Pferd voll
geschirrt mit Originalgeschirr; die W^irkung in der stimmungsvollen, durch Gitter
abgetrennten Kapelle außerordentlich.
Von hoher Bedeutung sind im Lande dann noch mehrere kirchliche Werke
der gräflichen Familie Hahn-Basedow. Vor allem der Kirchenbau zu Bristow,
1) Schlie, III, S. 654 ff. 2) Schlie, III, S. 659.
Abb. 151 Steintor zu Eostock
266 2- Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengehiete
mit seiner prächtigen
Ausstattung. 1597 er-
baute Werner Hahn
den einfachen vier-
eckigen ernsten Bau
mit seinem Turm aus
behauenen Granitqua-
dern. Die von seinem
Sohne Hans vollendete
innere Ausstattung des
mit geputztem Holz-
gewölbe gedeckten
Gotteshauses ist ganz
außergewöhnlich und
höchst einheitlich, in
Stein, Marmor und
Holz und reichster Ma-
lerei. Das Prachtstück
ist die Altarwand, hnks
und rechts durch zwei
Portale unterbrochen,
die von dorischen Säu-
len eingefaßt sind
(Abb. 154). Über dem
Altar prächtige Reliefs
der Anbetung, des
Abendmahls und Geth-
semanes. Auf dem
verkröpften Gebälk
Prachtaufsätze über
den Türen und dem
Altar; letzterer mit
vorstehenden Säulen
das Kreuzigungsrelief
enthaltend, darüber die
Auferstehung, links
und rechts Himmelfahrt und Ausgießung des hl. Geistes, dazu eine Menge Verse.
Die Architektur ausklingend in durchbrochenes Spitzen- und Schweifwerk.*) Links
damit verbunden die reiche Kanzel in ähnlichem Stil auf ionischer Herme, im
Westen die Orgel von 1601, auf üppiger Empore, die sich auf dorische Pfeiler
stützt. An der Brüstung fünf Statuen von freien Künsten in Nischen zwischen
ionischen Säulen. Die Orgel besaß früher noch Flügel mit biblischen Malereien.
Auch die Taufe in gleichem Stil; einiges Stuhlwerk — zuletzt schöne Glas-
malereien, vor allem an Wappen in den Fenstern; und ein Doppelgrabstein des
hier bestatteten Ehepaars Hans Hahn, des unglücklichen Besitzers von Bristow,
das bereits 1616 an seine Gläubiger fiel. Rührend wirkt da auf uns, so ganz im
Sinne jener frommen Zeit, das Testament des Vaters Werner Hahn an seinen
Sohn Hans, das in Stein gehauen hinterm Altar steht. Die treue Nachfolge der
Lehren des Vaters, vor allem der glanzvolle Ausbau des im Lande einzig da-
stehenden Baudenkmals hat freihch den Sohn zuletzt ins finanzielle Verderben
Abb. 152 Grabdenkmal des Herzogs Adolf Friedrich in der
Klosterkirche zu Doberan
(Nach Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin)
1) Abbildungen bei Sclilie, V, S. 71 ff.
Bristow Basedow
267
gestürzt, so daß ihm hier nach 1616 bis zu seinem Tode nichts blieb, als ein
kleiner Hof und eine Mühle.
Werner Hahn aber, der Vater (f 1594), war einer der kraftvollsten Männer
des Hahnschen Hauses, ein leidenschaftUcher Freund von Kunst und Wissenschaft,
ein mächtiger Förderer der Renaissance im Lande; weit gereist, einst Student
in Tübingen, dann zu Bologna, wo sein Wappen noch in der Universitätshalle zu
finden ist, und ein echt frommer Protestant.
Ganz ähnliche Spuren dieser baulichen Gesinnung der Famihe finden sich
in dem alten gotischen Kirchlein des Stammguts Basedow, das den Grafen heute
noch gehört. 1) Dort hat Werner eine Altarwand aus Stein mit vielen Marmor-
einlagen errichten lassen, auf dorischen Säulen stehend, die so kaum irgendwo
wieder vorkommen dürfte (Band I, Abb. 28). Die vier Evangelisten als Karyatiden
tragen das Gebälk des Hauptteils, der mitten im Bogen das Relief des Abendmahls,
links der Kreuzigung, rechts der Auferstehung enthält. Oben mitten ein Säulen-
aufsatz mit Relief der Himmelfahrt zwischen Nischen mit Engeln. Links und
rechts Aufsätze mit Tafeln in Schweifwerk, auf den Ecken Figuren. Überall
Wappen, Ornamente, Rollwerk, Sprüche und auf dem Altar das Relief von
Gethsemane. — Der Stil des Ganzen stark flandrisch.
Links davon nimmt die Wand das gleich große Grabmal Werner Hahns in
ähnlichem Stile ein, das
1594 Hans seinen Eltern
errichtete. Der Stil des
Ganzen und das Material
ist dem des Altaraufsatzes
ähnlich genug, daß wir den
gleichen Meister annehmen
dürfen. — In der Mitte
kniet Werner mit langem
Bart, gegenüber seine Gat-
tin, hinter dem Vater der
Sohn Hans. Ionische Säu-
len gliedern den Haupt-
körper, Hermen mit Bögen
den Sockel; der gebogene
Aufsatz enthält in Nischen
und an den Ecken lagernd
Figuren christlicher Tugen-
den, Überreicher Schmuck
von Schweif- und Roll-
werk, Gehängen, Wappen
überall; durchgehende Be-
malung und Vergoldung
vollenden den Eindruck.
Auch die Orgel-
empore auf dorischen Säu-
len gehört zum Altare, die
Orgel ist jünger. Andere
stattliche Epitaphien, das
für Kuno Hahn mit seinen
beiden Frauen und seine
1) Abbild, bei Sclilie,
V, S. 119 — 130. Abb. 153 Grabdenkmal von Bohr in der Klosterkirche zu Doberan
Abb. 154 Altaraufsatz in der Kirche zu Bristow
Abb. 155 Kanzel in der Stadtkirche zu Bützow
Basedow Bützow
269
zweiundzwanzig Kinder, das von Anna Hahn und ihren Gemahl Berndt von der
Schulenburg, das von Paris Hahn und seinem gleichnamigen Sohne, eine Reihe
reicher Grabplatten, die Kanzel, der hölzerne geschnitzte Taufstein, alle aus der
gleichen Epoche — die Orgel ist etwas jünger — , drängen sich in dem kleinen
Kirchenraum in gewaltiger Fülle; einst war sogar noch die ganze Südseite der
Kirche innen mit zwanzig in zwei Reihen übereinanderstehenden Gemälden be-
deckt, die jetzt im Turm
aufgestellt sind.
Das Schloß Base-
dow selbst bewahrt in
einem Flügel mit Doppel-
giebeln nach vorn und
hinten und Treppenturm
noch einen Hauptteil des
alten Schlosses i); an den
Ecken runde erkerartige
Türmchen. Die Architek-
tur besteht aus Back-
steinlisenen und Gesim-
sen, darüber halbrunde
Giebelaufsätze, an den
Ecken doppelte Viertel-
runde ; einfach, doch wert-
voll als das wohl letzte
Bauwerk dieses Stils im
Lande; etwa 1550 erbaut
(Abb. 156).
Noch gar viele Kir-
chen Mecklenljurgs ber-
gen Schätze. Auf einige
sei weiter aufmerksam
gemacht. Vor allem auf
die Prachtkanzel der
Kirche zu Bützow (Abb.
155), 1617 von dem dä-
nischen Prinzen Ulrich,
Administrator des Bis-
tums, geschenkt. Ein rei-
cheres Werk dürfte nicht
zu finden sein. Das Ganze
ruht auf der Statue Mosis,
die Brüstung der Treppe
wie der Kanzel enthalten von Figuren wimmelnde biblische Reliefs, dazwischen
Hermen oder Säulen. Diese wie die Friese, Gesimse, Hängeschilder usw. mit
Ornament- und Schweifwerk bedeckt, oder mit Schriften in Relief. Herrlich derb
die von Pilastern eingefaßte Tür mit Aufsatz. Das Ganze, mit dem Kanzel-
deckel das einheitlichste Bild bietend, ist bei aller Pracht doch von imponieren-
der Energie und Klarheit. Es erinnert in Art und Einzelheiten stark an Bremer
Arbeiten gleicher Zeit und dürfte mit dem großen Meister Lüder von Bentheim
irgendwie zusammenhängen.^)
Abb. 156 Schloß Basedow Rückseite
1) Schlie, V, S. 131 — 132.
2) Schlie, IV, S. 62, 63.
270 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Der Altar und die Kanzel der Familie Bülow zu Dassow von 1632 sei als
hierhergehörig genannt.
Im Kloster Rühn außer dem hübschen gemalten Altar Herzog Ulrichs mit
den Bildern des Fürsten und seiner Gemahlin Elisabeth auf den Flügeln ist die
schöne fürstliche Empore bemerkenswert, auf Karyatiden stehend mit geschnitzter
Brüstung und Wappenaufsatz, zierlich durchbrochen, verbleite Fenster.^)
Ungewöhnlich
aber ist in Par-
chim der großar-
tige Einbau der
Westempore in der
Marienkirche mit
der Orgel darauf
(Abb. 157). Vier
große verzierte Ka-
ryatiden stützen
ihn mit ausgebrei-
teten Armen. Die
Empore nimmt die
ganze Breite der
Kirche ein und ist
von außerordent-
licher Pracht, das
Prunkstück des
Landes. Ihre frei-
stehende Säulen-
architektur schließt
abwechselnd Fi-
gurennischen und
kleine Architektu-
ren mit vielfältigen
Verkröpf ungen ein;
das überreiche Ge-
simse des unteren
Randes mit Kon-
solen, Hängezapfen
und Ornamenten,
wie das krönende
sind von reichster
Bildhauerarbeit,
die glatten Flächen
noch dazu einge-
legt. Diese Eigen-
tümlichkeiten bezeugen sicher, daß wir hier ein Werk des Antonius Evers vor uns
haben, wie er ein ebenbürtiges in der Kriegstube zu Lübeck geschaffen.^) Das
Mittelstück der Empore mit dem Rückpositiv der Orgel ist noch reicher, aber
weniger fein und dürfte von anderer Hand sein. Ähnlich überüppig ist die
eigentliche Orgel mit fünf turmartigen Vor- und Aufbauten, Durchbrechungen,
Spitzen, der von S.Jürgen in Wismar verwandt; in ihrer Art das prächtigste
Werk im Lande.
Abb. 157 Orgelempore der Marienkirche zu Parchim
1) Schlie, a. a. 0., IV, S. 89.
2) ScUie, IV, S. 447, 454 ff.
Parchim Lübeck
271
Dazu gehört die hübsche
Kanzel von 1601, wohl auch ein
Werk des Tönnies Evers, der zu Neu-
stadt, die als solches beglaubigt
ist, nahe verwandt, mit besonders
hübschem Deckel. Nahe steht auch
die ältere Kanzel in St. Georgen,
die 1580 der Lübecker Georg Grant-
zin stiftete. Der Ratstuhl, 1608
bis 1623 hergestellt, mit Säulen
und Figurennischen an der Vorder-
brüstung, Karyatiden mit Bogen-
architektur und Baldachin an der
Rückwand, ist ebenfalls stark Lü-
beckisch. Hübscher Taufstein aus
Stein.
Auch Goldschmiede der Re-
naissance hat es treffliche im Lande
gegeben. Zahlreiche Werke ihrer
Hand bewahren die Kirchen und
Sammlungen. So den prächtigen
Kelch, gestiftet 1555 von Herzog
Ulrich, in Bützo w (Abb. 158), ge-
trieben mit Reliefs auf Fuß und
Guppa ^), von Meister Hans Krüger
zu Güstrow; der herrliche Pokal
der Kramer zu Wismar^) ist eines
der größten und reichsten Stücke
der Art; ihn fertigte Jakob Eggeier
daselbst anno 1600.
1) Schlie, IV, S. 66, 67.
2) Ortwein, D. Renaiss., "Wismar,
Taf. 27. Schlie, a. a. 0. II, S. 69.
Abb. 158 Kelcli aus der Stadtkirche zu Biitzow
Lübeck
Im Gegensatz zu den mecklenburgischen Landen, wo die ganze Bautätig-
keit auf den Fürsten beruhte, zeigt uns der alte mächtige Vorort der Hansa,
Lübeck, die Kunst eines bürgerlichen Gemeinwesens. Aber man erkennt bald,
schon beim Herannahen an die vieltürmige Stadt, mehr noch beim Durchwandern
ihrer Straßen, daß ihre größten Tage doch in die Zeiten des Mittelalters fallen.
So großartige mittelalterliche Denkmale, wie die Marienkirche und der Dom mit
ihren gewaltigen Turmpaaren, wie die übrigen noch zahlreich erhaltenen gotischen
Kirchen, hat keine Stadt des Norddeutschen Küstenlandes, mit alleiniger Ausnahme
von Danzig, aufzuweisen. Dazu kommt, daß Lübecks Kirchen einen höheren
Grad von künstlerischer Durchbildung zeigen als die Danziger, und daß sie mit
einem noch reicheren Schmuck von kirchlichen Denkmälern aller Art ausgestattet
sind. Wer, von weitem herannahend, die Stadt, umgeben von Wiesengründen,
Laubgruppen und Wasserspiegeln, mit ihren sieben gewaltigen Kirchtürmen und
zahlreichen kleineren Spitzen sieht, der ahnt etwas von der ehemahgen Macht
dieses Freistaates, der an der Spitze der Hansa mit seinen Flotten die Ostsee
272 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
beherrschte, Dänemark bezwang und in den nordischen Angelegenheiten den
Ausschlag gab. Die Anlage der Stadt, wenige Meilen von der Ostsee, an der
selbst für Seeschiffe zugänglichen Trave, bot die günstigsten Verhältnisse. Der
Platz ist mit besonderer Umsicht gewählt, denn er hat die Gestalt einer Halb-
insel, die nur nach Norden durch eine schmale Zunge mit dem Lande zusammen-
hängt, östlich von der Wakenitz, westlich von der Trave umschlossen, auf einem
hügelartig ansteigenden Gelände, das eine natürliche Stärke schon durch das
Wasser erhielt. An dem einzigen zugänglichen Punkte, der Nordspitze dieses
ovalen Stadtgebietes, schloß eine feste Burg mit dem noch vorhandenen Burgtor
die Stadt ab. Von dort ziehen die Hauptstraßen in zwei parallelen Zügen, der
Breiten- und der Königstraße, in leichter westUcher Abweichung bis nach dem
Südende, wo sie an dem Dom und der dazugehörigen Baugruppe ihren Abschluß
finden. Zahlreiche Querstraßen, Gruben genannt, schneiden diese Hauptadern im
rechten Winkel, sämtlich von kurzer Entwicklung, da die größte Breite der Stadt
ungefähr die Hälfte ihrer Längenausdehnung beträgt. Das gewaltige, noch wohl-
erhaltene Holstentor mit seinen beiden Rundtürmen bezeichnet die Haupt-Quer-
straße, die nach Westen auf das angrenzende holsteinische Gebiet und gen
Hamburg führt. Wo diese sich mit der großen Längenpulsader der Breiten-
straße schneidet, breitet sich das weite Rechteck des Marktes aus, auf zwei
Seiten, der nördlichen und der östlichen, von den ausgedehnten Gebäuden des
Rathauses eingefaßt. Hier ist das Herz der Stadt, hier ragt auch die Haupt-
kirche zu St. Marien mit ihren dunklen Backsteinmassen und den beiden riesi-
gen Turmhelmen hoch über die mittelalterlichen Giebel des Rathauses empor.
An der andern Seite des Marktes erhebt sich die Petrikirche, etwas weiter öst-
lich St. Ägidien und im nördlichen Teile der Stadt die wiederum sehr ansehn-
liche Jakobikirche, nahe dabei das Spital zum Heihgen Geist. Mit dem am
Südende der Stadt gelegenen Dom sind so die Hauptpunkte in der Plananlage
der Stadt gezeichnet. Ein großartiger Zug von Freiheit und Klarheit spricht sich
in ihr aus.
Das Gepräge der wichtigsten Denkmäler gehört überwiegend dem 13. und
14. Jahrhundert, die den Höhepunkt in der Machtentwicklung Lübecks bezeichnen.
Schon das 15. steht darin zurück; man spürt ein Nachlassen in der monumentalen
Entwicklung, zugleich eine Wendung vom kirchlichen zum Profanbau; denn
Holsten- und Burgtor, sowie ausgedehnte Teile des Rathauses gehören dieser
Zeit an. Mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts finden wir Lübeck von einem
engherzigen Patriziat beherrscht das der Strömung der Zeit sich feindlich ent-
gegenstellt. Die Reformation, die in der Bürgerschaft allgemein Anklang gefunden,
wird vom Rate mit eiserner Hand unterdrückt. Bürger, welche nach Oldesloe
gehen, um den dort eingesetzten evangelischen Prediger zu hören, werden mit
Landesverweisung, Gefängnis oder Geldbuße gestraft. Der Prediger Johann Ossen-
brügge, heimlich in die Stadt gekommen, um in einem Privathause lutherischen
Gottesdienst zu halten, wird ins Gefängnis geworfen, und als er endlich auf An-
dringen der Bürgerschaft befreit wird, muß er froh sein, zu Schiffe nach Reval
zu entkommen, wodurch er den Mönchen die Freude macht, aussprengen zu
können, der Teufel habe ihn geholt. Ein blinder Bettler wird aus der Stadt ge-
wiesen, weil er auf der Straße ein lutherisches Lied gesungen; ein Buchbinder,
der des Reformators Schriften verkauft, in den Turm geworfen; ja noch 1528
werden Luthers Bücher durch den Büttel auf offenem Markte verbrannt. In der
Bürgerschaft war aber der Drang zum Evangelium so stark geworden, daß einst
beim Gottesdienst in der Jakobikirche, während der katholische Geistliche predigte,
1) Vgl. J. R. Becker, Gesch. der freyen Stadt Lübeck II, S. 3 ff.
Lübeck
273
und zwei Knaben den Choral Luthers „Ach Gott vom Himmel sieh darein" anstimm-
ten, die ganze Gemeinde mit einfiel und den Prediger zwang, die Kanzel zu ver-
lassen. Erst als der Rat von der Bürgerschaft eine autierordenthche Steuer ver-
langte, erzwang diese durch nachdrückliche Auflehnung, daß die evangelische
Lehre endlich freigegeben und bald darauf die Reformation völlig durchgeführt
wurde. Aber die Starrheit der Aristokratie ist damit nicht bezwungen. Der kühne
Abb. 159 Eathaushalle zu Lübeck IS}-o
Versuch Wullenwebers, eine Volksherrschaft aufzurichten und Lübecks Macht noch
einmal aufs höchste zu steigern, mißlingt, und fortan ist wohl noch eine Zeitlang
von materiellem Gedeihen, aber nicht mehr von politischer Machtstellung zu reden.
In jenen Kämpfen haben wir wohl den Grund zu suchen, warum noch 1518 die
Marienkirche in einem durch die Gegensätze geschärften Eifer mit reichster Aus-
stattung in gotischen Formen geschmückt wurde. Zugleich aber hängt damit
zusammen, daß die Renaissance hier erst spät auftritt. Doch sind einige prächtige
Werke aus ihrer späteren Entwicklung erhalten.
L übk c-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 18
274 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Der wichtigste Bau ist das Rathaus, Sein ältester Teil ist das große
Rechteck, 45 Meter breit und 35 Meter tief, das den Markt an der Nordseite
begrenzt und nördlich an den Marienkirchhof stößt. Hier ist der Ratskeller mit
seinen gewaltigen Gewölben; der Bau selbst wird durch drei kolossale Sattel-
Lübeck Eathaus
275
dächer bedeckt, die mit ihrer riesig hohen, durch offene Runde, Maßwerk und
Türmchen gegliederten Stirnwand über alle späteren Bauten hinausragen. Vor
diese Wand, die nach Süden schaut, wurde seit 1570 die schöne Renaissancehalle
gesetzt, von der wir noch zu sprechen haben. In dem gegen die Breitestraße
liegenden östlichen Teil des alten Baus befand sich ehemals der große Hansasaal,
seine ganze Tiefe von 35 bei einer Breite von 9 Metern einnehmend. An diesen
Hauptbau wurde noch im Mittelalter ein die Ostseite des Marktes abschließender
Flügel gesetzt, im Erdgeschoß eine langgestreckte zweischiffige Halle auf
Granitpfeilern bildend ; diese Halle stellt die Verbindung mit der Breitenstraße
her. Der südliche Teil enthielt ehemals die Ratswage, und an ihn wurde
gegen Ende des 16. Jahrhunderts nach der Straßenseite die prächtige Frei-
treppe gebaut, ein Hauptstück der hiesigen Renaissance. Im oberen Stock be-
fand sich ehemals der Löwensaal, ein Raum von 11 auf 15 Meter Größe, da-
neben ein Vorplatz, und die sogenannte Kriegsstube.
Abb. 161 Täfelung der Kriegsstubo im Rathaus zu Lübeck
Für unsere Betrachtung ist zunächst von Wichtigkeit der prächtige Vorbau,
welcher 1570 der Südseite vorgelegt wurde (Abb. 159). Die zierlichen Hallen,
auf zwölf Pfeilern mit kräftigen Korbbögen sich öffnend, werden nach oben durch
drei Giebel abgeschlossen, von denen der mittlere höher emporragt. Die Kom-
position ist vortrefflich, die Gliederung reich und doch klar; das Figürliche zeugt
allerdings von schwachen Händen, aber das ganze Werk gehört zwar nicht zu
den ganz hervorragenden, doch zu den guten Schöpfungen der Zeit, wenn es
auch etwa dem Bremer Rathaus nicht ebenbürtig ist. Die stark niederländische
Färbung der Formen wie des Ganzen ist unverkennbar. Vom Jahre 1594 datiert
sodann die genannte prächtige Freitreppe (Abb. 160) an der Breitenstraße auf vier
276 2. Buch Die Bauwerke X[V. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Abb. 162 Tür der Kriegsstube im Eathaus zu Lübeck
Pfeilern frei ansteigend, eine der malerischsten Gestaltungen, in kräftigen und
reichen Formen durchgeführt, namentlich die einzelnen Quadern mit jenen in
dieser Zeit allgemein beliebten Sternmustern oder Masken geschmückt. Weiter
nordwärts an der Straße, etwa von 1580, ein prächtiger hölzerner Erker in ähn-
lichen Formen. — • Das Innere des Rathauses enthält eine Reihe der vornehm-
sten Ausstattungsteile; zuerst in der Kriegsstube wohl die prachtvollste Täfelung
unserer Renaissance. Anton (Tönnies) Evers d. J. schuf sie 1594—1608. Was der
Lübeck Rathaus
277
Apparat der damaligen Kunsttischlerei und Holzbildhauerei aufzubringen vermochte,
ist hier angewandt. Rings um die Wände zieht eine Sitzbank, eingelegt, hinter der
sich die mit Säulenstellungen, kleinen und großen Architekturen dazwischen. Bögen,
Nischen, Hermen und Stützen aller Art, unzähligen Verkröpfungen der Gesimse
geschmückte Täfelung bis zu dreiviertel der Höhe erhebt; alle Flächen sind ent-
weder geschnitzt oder eingelegt (Abb. 161). Auch die Fensterleibungen sind mit
Abb. 1Ö3 Kamill der Kviegsstubo im Eathaus zu Lübeck
Pilastern bekleidet; vor allem a])er ist die Tür, mit Doppelsäulen eingefaßt, ein
Prachtstück ersten Ranges (Abb. 162). Zwei überlebensgroße geschnitzte antike
Krieger stehen vor den Säulen; der Flügel ist prächtig mit Rahmen und Intarsien
geschmückt, darüber erhebt sich ein Aufsatz mit dem Alabasterrelief des Urteils
Salomos, giebelgekrönt, mit Hermen und Schnitzerei gefaßt. Die Mitte der anderen
Seite nimmt ein mächtiger Sandsteinkamin ein (Abb. 163), dessen Mantel, auf
Hermen ruhend, in der Mitte ein Relief des salomonischen Urteils, darüber eine
Nische mit Ghristusstatue zeigt, umgeben mit schön gezeichneten Schweif-
ornamenten und Gehängen, gekrönt mit kraftvollem Konsolgesims. Auch die
278 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Außenseite der Tür ist mit Hermen prachtvoll eingerahmt und eingelegt. Das
Ganze findet in Deutschland wohl nicht seinesgleichen.
Die schöne große Tür im unteren Ratssaale von Anton (Tönnies) Erers d. .1.
von 1575 ist in ihrer Art einzig; sie ist mit Halbsäulen eingefaßt und einem
Giebel mit Muschel bekrönt. Ihre Flügel haben Füllungen, die in Muscheln
endigen; eine kleine Tür ist in die große eingeschnitten. Ornament und Detail
sehr gut im besten Stil mittlerer Zeit (Abb. 164). In den Flügeln am Marienkirchhof
sind noch weitere hübsche Täfelungen, Holzdecken und Türen in gediegener
Durchbildung vorhanden; insbesondere zu nennen die Räume des Polizeiamis.
Von den städtischen Bauten ist auch das ehemalige Zeughaus beim Dom
vom Jahre 1594 zu erwähnen; ein mächtiger, aber einfacher Backsteinbau mit
Sandsteingliederungen in dem aus den Niederlanden stammenden Mischstil.
Der Privatbau der Stadt steht an Reichtum der Durchbildung dem von
Danzig nach; in der Anlage der Häuser erkennt man aber ähnhche Grundzüge.
Lübeck
279
Doch sind die Grundstücke durchschnittlich viel breiter als dort. Das Erdgeschoß
bildet auch hier eine weite und hohe Halle, die ihr Licht aus mächtigen Fen-
stern vom Hofe her erhält und ihren Zugang von der Straße in einem riesig
hohen Portale besitzt. Über der Haustür ist oft eine kleine Kammer angebracht,
die aus dem mit dem Portal verbundenen Oberfensler ihr Licht erhält. Eine
kleine Kontorstube ist vom Flur abgetrennt. Im Hintergrund führt die öfters
geschnitzte Treppe zu einer nach vorn laufenden Galerie, dem Zugang zu den
niederen Schlaf kammern, und dann weiter zu den oberen Geschossen. Die Fas-
saden der Häuser zeigen fast ohne Ausnahme schlichten Backsteinbau, leider
meist mit Farbe überstrichen. Einfache Staffelgiebel, durch Lisenen und Mauer-
blenden gegliedert, bilden den Ab-
schluß. Von der reichen Ausstattung
mit den Formen der Renaissance
bei überwiegender Anwendung von
Sandstein, wie wir es in Danzig
fanden, ist hier nirgends die Rede.
Den Erker hat man hier, wie in Dan-
zig und den andern niederdeutschen
Seestädten, vermieden. Nur indem
man zahlreichen Häusern Pracht-
portale vorsetzte, suchte man der
allgemeinen Zeitrichtung Rechnung
zu tragen. Karyatiden und Hermen,
Statuen von Tugenden, Masken und
Fruchtschnüre spielen dabei eine
große Rolle. Ein Hauptstück dieser
Art vom Jahre 1587 sah man am
abgebrochenen Krämeramthause
Schüsselbuden Nr, 190, mit zwei ge-
waltigen Hermen, darüber in einer
Nische eine weibliche Figur, von
zwei liegenden Gestalten einge-
schlossen, sämtlich langbeinig und
manieriert im Antwerpener Floris-
Stil.^) Ein feineres Portal Meng-
straße 36, gleichfalls mit Figuren
geschmückt und sämtliche Flächen
mit Metallornamenten dekoriert
(Abb. 165). Ein prächtiger Türbogen
Schüsselbuden Nr. 195, mit Krieger-
figuren und allegorischen Darstel-
lungen, auch hier das Figürliche
stark manieriert. Auf solchen
Schmuck verzichtet das Portal an
Nr. 194, erholt sich dagegen an rei-
chen Fruchtgehängen und Masken.
Mehreres von ähnlichem Charakter
in der Fischstraße. Eins der üppig-
sten, schon stark überladenen und
1) Siehe Struck, Das alte bürgerliche
Wohnhaus in Lübeck, Lübeck 1906, I,
Abb. 58. II, Abb. 18 — 37.
Abb. 165 Portal in der Mengstraße zu Lübeck
280 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
geschweiften an Nr. 22; ein ganz kleines, bloß mit Rosetten und Köpfen
dekoriert an Nr. 96; Kerbschnitt-Quadern mit Sternmustern an Nr. 104, wo aus-
nahmsweise auch der Hausgiebel mit Voluten geziert ist. Die sehr langen
Figuren findet man wieder an Nr. 106. Überaus reich mit Festons und Hermen
ist Nr. 107 dekoriert, wo auch die oberen Teile der Fassade ähnlichen Schmuck
erhalten haben, und in der Mitte eine Abundantia in einer Nische aufgestellt
ist. Einfacher in Anlage und Behandlung Nr. 105. Mehreres auch in der
Breitenstraße. Phantastisch reich mit Masken geschmückt Nr. 785. Noch statt-
licher mit zwei kannelierten ionischen Säulen, deren unterer Teil reich deko-
riert, dazu über dem Gebälk zwei liegende Figuren an Nr. 819. Dagegen
Nr. 793 zierliche Metallornamente an den Flächen, fein kannelierte korinthische
Pilaster, von Quaderbändern durchbrochen, als Einfassung.
Hier ist hinzuzu-
fügen, daß seit Lüb-
ke dieses schrieb,
die Zahl dieser Por-
tale sich — leider!
— wieder stark ver-
mindert hat. Der
Herausgeber hat
die Aufstellung
stehen lassen, da
sie ja historischen
Wert besitzt; es ist
aber dabei zu be-
merken, daß heute
von solchen Pracht-
portalen nur noch
einige in der Fisch-
straße (Nr. 22, 25,
27), in der Meng-
straße Nr. 36, das
prächtigste dieser
Art, und das ori-
ginelle von Nr. 44
in der Königstraße
existieren. Letz-
teres hat unten
dorische Halbsäu-
len mit Diaman-
ten besetzt, dar-
über ruht der Bo-
gen mit Hermen
und Zwickelfigu-
ren, der geschweif-
te Giebel ist ge-
brochen ; auf ihm
steht, in drei Teile
getrennt, mitten
und auf den Ek-
ken, die Gruppe
des Laokoon. Die
Abb. 166 Haus am Kohlmarkt zu Lübeck
Lübeck
281
Einwirkung- der flandrischen Renaissance auf fast alle diese Arbeiten ist un-
verkennbar.')
Ein Flügelgebäude echt niederländischen Stils bestand im Hofe des Hauses
Schüsselbuden 12; eine Architektur von Gesimsen und zum Teil Pilastern und
Bändern in Rustika von mit Kristallschnitten verzierten Quadern auf Back-
steingrund; ein hübsches rundes Treppentürmchen, von solchen Quadern durch-
zogen, mitten am Flügel.^) Etwas ÄhnUches sah ich noch im Hofe eines Hauses
der Mengstraße.
Ganz abweichend ist die große Fassade am Kohlmarkt Nr. 13 (Abb. 166).
Das Portal gehört zwar der Gattung der Portale im Florisstil an, doch ist es
früher und feiner in der Behandlung, als die meisten anderen; es wird durch
kriegerische Atlanten eingefaßt und von den Figuren des Glaubens und der Liebe
bekrönt. Dabei der Spruch: Sperantem in domino misericordia circumdabit. Dies
alles in Sandstein. Der Giebelbau selbst aber ist ein Prachtstück der Renais-
sancedekoration in ge-
branntem Ton, viel-
leicht das Werk des
Gabriel v. Aken und
Statius V. Düren, die,
wie wir wissen, in
Lübeck wohnten. Vor-
gesetzte Säulchen
ohne Kapitell und
Fuß, nur aus schräg
gerippten Rundstäben
bestehend, auf Mas-
kenkonsolen ruhend,
teilen den hohen Gie-
bel ; gerippte Rund-
profile fassen auch
sämtliche Fenster ein.
Die einzelnen Stock-
werke aber werden bis
oben hinauf durch Me-
daillonfriese in Terra-
kotta gegliedert, die
mit den Arbeiten in
Wismar, Schwerin und
Gadebusch aufs näch-
ste verwandt sind.
Leider hat ein späte-
rer Zopfumbau den
ursprünglichen Umriß
oder die äußere Form
des Giebels gestört;
jedenfalls aber ist die
Fassade äußerst be-
deutsam wegen der
1) Diese Portale
bei Struck a. a. 0. 1, Abb.
58—64.
2) Struck Abb. 63.
Abb. 167 Haus in der Mengrstraße zu Lübeck
282 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Anwendung eines durchgebildeten Backstein- und Terrakottenstils in Verbindung
mit reinem Ziegelbau. Ein zum Teil noch besser erhaltenes Giebelhaus gleicher
Art finden wir in Mengstraße Nr. 44. Auch da vorgesetzte Säulchen, aber zum
Teil mit Kapitellen. Selbst das Portal ist in diesem Stil mit Doppelsäulchen und
Abb. 163 Abgebrochenes Haus Braunstraße zu Lübeck
reichem Fries durchgebildet. Die ganze Fassade goldbraun glasiert, was in der
Sonne eine prachtvolle Wirkung macht. ^) (Abb. 167.)
1) Bei Struck Abb. 75.
2) Bei Struck Abb. 76. — Es hat der Herausgeber von diesen beiden Häusern in seinen
Backsteinbauten der Renaissance in Norddeutschland, Frankfurt a. M. 1893, Taf. XIII, XIV
genauere Aufnahmen und Versuche einer AViederherstellung der ursprünglichen Form gegeben.
Auf Taf. X eines der einfachsten, doch gediegenen Beispiele.
Lübeck
283
Bedauerlicherweise sind die beiden Hauptwerke des Statius von Düren in
Lübeck verschwunden ; von einem haben sich noch Reste am Hause Musterbahn 2
erhalten. Dieses stand einst in der Braunstraße und war neben dem Fürstenhofe zu
Wismar wohl das wichtigste Werk unserer Terrakottenkunst. Während die beiden
unteren Stockwerke einfach in Ziegeln errichtet, nur das Portal mit geripptem
Profilstein eingefaßt war, besaßen die drei oberen Stockwerke um ihre je vier
rechteckigen Fenster die prächtigste Architektur von durchlaufenden Medaillon-
friesen, dazwischen je fünf stark hervortretende Hermen, alles aus Ton gebrannt,
von echt flandrischer Behandlung und doch durch Material und Fortbildung zu
einem neuen selbständigen Element gestaltet. Die vornehm festliche Wirkung
dieser Front war einzig (Abb. 168).
Eine ähnliche Front bestand bis in die siebziger Jahre Schüsselbuden Nr. 32,
doch waren nur die zwei oberen Stockwerke mit Friesen und diesmal Pilastern
in Terrakotta geteilt. Dafür bildeten darüber noch drei solche Geschosse, ab-
gestuft, den Giebel; die oberste Stufe mit Rundfeld und Zwickelornament ge-
schmückt, das den unteren abhanden gekommen war. Offenbar ebenfalls ein
Prachtwerk, jenem fast ebenbürtig. Leider nur in einer Zeichnung erhalten.')
Hier ist aber noch zu betonen, daß Lübeck im 16. und 17. Jahrhundert
noch eine erhebliche Reihe von Renaissancegiebelhäusern im besten Backsteinstil
errichtete, die, unter der großen Zahl der mittelalterlichen wenig hervortretend,
doch ihre eigene Art bei näherer Betrachtung offenbaren. Es sind mit Blenden
gegliederte Treppengiebel, die Blenden rund- oder stichbogig geschlossen, öfters
mit schönen Terrakottenfriesen oder Medaillons geschmückt, trotz schlanker Höhen-
entwicklung die Horizontale stark betonend. Die schönsten davon sind ja jetzt
leider auch verschwunden, doch ist noch hie und da ein Muster gebheben. Ihre
feste trotzige und derbe Art, gesteigert durch farbig glasierte Schichtung, war
höchst beachtenswert und auch künstlerisch recht bedeutsam. Es ist bedauerlich,
daß diese bescheiden-tüchtige Kunst fast ganz untergegangen ist. Ein gutes
Beispiel bei Struck a. a. 0. Abb. 70. Einfachere sind zahlreich; so die hübsche
Front des S chif f er h au s e s. ■ — Von den gebräuchlichen Terrakotten gewährt
Abb. 169 Anschauung.
Von dem Reichtum der Ausstattung, welcher ehemals die Patrizierhäuser
auszeichnete, geben noch einzelne Überreste Zeugnis; am prachtvollsten der Saal
im Hause der Kaufleute (Fredenhagensches Zimmer), dessen Getäfel in
Eichen-, Linden-, Nußbaum- und Ulmenholz zu den edelsten der Zeit gehört
(Abb. 39, Bd. I). Es wurde 1573 — 85 vom Lübecker Schnittkermeister Hans Drege
angefertigt. Gekuppelte korinthische Säulen mit reich geschnitzten Schäften
tragen ein Gebälk mit edlem Rankenwerk am Gesimse, und darüber eine Doppel-
stellung von Atlanten und Karyatiden, die mit einem zweiten nicht minder reich
dekorierten Gesimse abschließen. Die Wandfelder zeigen unten eine Nachbildung
kräftiger Steinarkaden und darin tabernakelartige Aufsätze, darüber eingelassene
Alabasterreliefs, sicherlich niederländische Arbeiten, alles aufs reichste plastisch
geschmückt. Den oberen Teil der Wände schmücken Gemälde in Goldrahmen.
Die Decke zeigt ein reich kassettiertes Balkenwerk, kraftvoll geghedert und elegant
geschnitzt.")
Wertvolle Werke finden sich in den verschiedenen Kirchen der Stadt. Be-
merkenswert zunächst in der Marienkirche die großartige Ausstattung mit
Messinggittern, welche den ganzen Chor und die zahlreichen Kapellen, ebenso
auch das Taufbecken umgeben. Sie datieren sämtlich von 1518 und zeigen im
1) Bei Struck a. a. 0. Abb. 74.
-) Vgl. die Notiz von A. Meier im Dresdener Korr.-BI. 1853, Dez. Nr. 3. Struck a. a. 0.
Abb. 35. Aufnahme bei Ortwein, D. Rcii., Abt. Lübeck.
284 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Abb. 169 Lübecker Terrakotten
wesentlichen zwar noch
die Elemente des goti-
schen Stiles, aber doch
in einer Umbildung, wel-
che nicht ohne Einwir-
kung der Renaissance zu
denken ist. Diese selbst
mit ihren zierlichen For-
men findet man sodann,
freilich ganz vereinzelt,
an der schönen Grab-
platte des in demselben
Jahre 1518 verstorbenen
GodhardWigerinck, eben-
falls einem Bronzewerk,
und zwar aus der Peter
VischerBchen Gießhütte.
Weit geringer ist die
Steinarbeit dieser Zeit,
z. B. an dem Grabstein
des Christoph und Jo-
hann Tidemann im Ghor-
umgang des Doms,
starre Gestalten in zier-
licher Einfassung von ko-
rinthischen Halbsäulen,
die Schäfte oben kanne-
liert, unten mit Ornamen-
ten geschmückt, sicher
erst nach der Mitte des
Jahrhunderts gearbeitet.
Hübsch das Epitaph mit
Alabasterrehef,das7?oöeri^
Coppens 1574 für Alb.
Schilhng arbeitete. Feiner
die Renaissancekanzel,
1568 von Hans Fr ex ge-
macht. Der obere Teil,
der auf einer Mosesstatue
ruht, von Marmor, mit
sieben Reliefs der Heils-
geschichte aus Alabaster;
stark niederländisch; der
Deckel ist von 1570 aus
Holz reich geschnitzt mit
krönendemChristus. Holz-
schnitzerei und Metallguß
sind die hier bevorzugten
Künste.
Die großen Lübecker
Meister der Holzschnitze-
rei (Schnittekermeister)
Lübecker Kirchen
285
und Tischlerei Anton (Tönnjes) Evers d. Ä. und sein gleichnamiger Sohn, Henrich
Mathes, Jochim Wernke d. Ä. haben hier Außerordenthches geschaffen und ver-
einigen die besten Eigenschaften des Architekten, Bildhauers, Intarsiators und
Kunsthandwerkers in erstaunlicher Weise.
Von Henrich Mathes (Mats) stammt die wundervolle Umrahmung der astro-
nomischen Uhr der Marienkirche des Rektors Matthias van Oß; ein frühes
Renaissancewerk, an dem man 1559 — 78 arbeitete.^) Um die untere Scheibe
kraftvolle ionische Pilasterarchitektur; die Füllungen sind mit ausgezeichneter
Ornamentik aufsprießenden Blattwerks gefüllt; die Blättchen und Knospen von
einer geradezu vollendeten Plastik, an frühe vlämische oder holländische Art
wohl anklingend, doch von trefflichster selbständiger Kraft. Es ist erstaunUch,
daß dieses Meisterwerk nicht in ähnlicher Weise studiert und vervielfältigt wird,
wie z. B. die sicher nicht bedeutenderen, freilich ausgezeichneten Arbeiten am
Windfang des Rathauses zu Oudenaarde. Das obere Blatt wird von frei vorstehenden,
wundervoll geschnitzten Säulchen flankiert; das Gebälk darüber ist verkröpft,
auch in der Mitte tritt es vieleckig vor, um den obersten Aufbau, eine kleine Welt
von Türmchen, Tabernakeln und Portalen zu tragen, aus deren mittelstem um
12 Uhr der Heiland hervorschreitet, während aus den seitlichen in feierlichem Zuge
der Kaiser und die sieben Kurfürsten sich verneigend vorbeiwallen. An Sinnig-
keit, wie an vollendeter künstlerischer Gestaltung dürfte keine derartige Uhr dies
echte . Renaissancewerk auch dem Geiste nach übertreffen. Einer der Engel, die
in der Mitte der unteren Pilaster tafelhaltend sich vorneigen, hält die Jahreszahl
1562, wohl das Hauptjahr der Herstellung und in Deutschland noch fast zur Früh-
renaissance gehörig.
Fortgeschrittener im Charakter ist der berühmte Senatstuhl Jochim Wern-
kes d. Ä., den dieser 1574—75 für fünf Sitze (heute ist er für zehn eingerichtet)
der Regenten des Staates Lübeck wahrhaft repräsentativ für Lübecks Haupt-
kirche schuf. Die prächtige säulengeteilte freistehende Rückwand, mit üppigem
Baldachin überdeckt, enthält in der Mitte drei lübische Wappen ; daneben ist sie
durchbrochen und die Durchbrechung mit Bronzekandelabern und einer Art Maß-
werk gefüllt. Die Neben- und Vorderwand mit Hermen und reicher Schnitzerei,
auf dem Baldachin durchbrochene Ornamentaufsätze.
Auch sonst sind in der Renaissancezeit vornehme Ausstattungsstücke ge-
schaffen, die man in anderen deutschen Städten nicht findet. Vor allem in der
Marienkirche die Seitenteile des gotischen Lettners. Jochim Wernke verfertigte
diese Prachtstücke 1588 — 95. Auf der Nordseite ist ein Portal der wundervoll
sich herumschwingenden Wendeltreppe ; diese ansteigend mit Hermen, die Nord-
und Südseite des Lettners mit Säulen gegliedert, dazwischen die schönen Gemälde
des Joh. Willinger, der auch die herrliche färben- und goldstrotzende Bemalung
des kunstvollen Bauwerkes herstellte.^) (Abb. 170.)
Das prächtigste Werk der späteren Zeit ist unzweifelhaft aber die herrliche
Orgel der Petrikirche, ein Meisterwerk von Tönnjes Evers d. J., 1587—90
gearbeitet. Von der Prachtausstattung, mit der dieser die Kirche schmückte, der
Kanzel, dem Lettner und Gestühl, ist leider nur die Orgel übriggebheben. Sie
steht auf einer ganz hervorragend schön gegliederten Empore ; ihre Brüstung hat
als Hauptschmuck acht Tugenden-Karyatiden vor freien Doppelsäulen, dazwischen
Wappenschilde; links ist sie von einer Konsolenarchitektur getragen, die das Blatt
der Uhr in sich schließt. Die Orgel selber stützt sich auf schlanke freistehende
Hermen auf der Empore und ist lebhaft gegliedert durch die Vorsprünge dreier
Pfeifentürme mit durchbrochenen Krönungen. Was hier an reichem Gesamtaufbau
1) Bau- u. Kunstdenkm. Lübecks II, S. 248, Abb. S. 252.
2) Abb. daselbst S. 193, 195.
286 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
wie an Durchführung im einzelnen, an modellierten, geschnitzten, eingelegten
Arbeiten geleistet ist, ist erstaunlich.
Fehlt hier der Singchor des Künstlers, so ist ein solcher zum Glück in
der Ägidienkirche noch vorhanden (ßd. I, Abb. 34); von ebenbürtiger Schön-
heit; die Wendeltreppe wird hier von Hermen getragen; er ist bereits 1587 ent-
standen, gehört also zu den ältesten Arbeiten unseres Meisters. Die Orgel ist
aber erst 1625 von einem nicht lübischen Künstler, Michael Sommer aus Langen-
salza, doch nicht minder prächtig, geschaffen.
Von zahllosen an-
deren kirchlichen Aus-
stattungsgegenstän-
den dürfen wir schwei-
gen, indem wir hin-
zufügen, daß sie eine
kleine Kunstwelt für
sich bilden. Es sei
nur noch erwähnt, daß
auch an Epitaphien der
Renaissance überall
eine Unzahl vorhan-
denist. Mit Recht wird
gesagt, daß wohl nir-
gends diese Seite der
patrizischen Reprä-
sentation mit solchem
Pflichteifer durchge-
führt sei, als in Lü-
beck, und da besonders
in der Marienkirche.^)
Was an Bronze-
werken in Lübecks Kir-
chen vorhanden, ist er-
staunlich. Von der un-
vergleichlichen Pracht
der zahlreichen Gitter
in der Marienkirche,
die freilich überwie-
gend noch der Gotik
angehören, war die
Rede. VonandernWer-
ken der früheren, go-
tischen Epoche habe
ich hier nicht zu be-
richten; wohl aber von
dem herrlichen Bronze-
gitter der Bremer-
kapelle (Abb. 171) vom
Jahr 1636, mit Säu-
len, Hermen und Ka-
Al,)b. 170 Leltnertrcpi)c der Marienkirche zu Lübeck
1) Man vergl. dazu die
Bau- und Kunstdenkm.
Lübecks, II, S. 343 ff.
Lübeck
287
ryatiden gegliedert, schon sehr barock, aber höchst geistreich und elegant, dabei
von meisterhafter Technik/) Prachtvolle Kronleuchter finden sich in der Jakobi-
kirche, noch glänzender aber sind die Kronen, Wandleuchter und Gitter in
St. Peter, datiert von 1621, 1639, 164-4, voll Phantasie und Anmut, mit klettern-
den und spielenden Putten dekoriert. Auch fast alle übrigen Kirchen sind mit
ähnlichen, oft hervorragend wertvollen Lichtträgern ausgestattet.
So manches,
was die ehrwür-
dige Stadt birgt,
kann nur angedeu-
tet werden. Es mag
hingewiesen sein
auf den reizvollen
kupfernen Dach-
reiter der Jakobi-
kirche mit einer
Art von Strebepfei-
lern, geschweiften
Giebelchen, reich
durchbrochenem
Umriß, gewiß eine
der schönsten Er-
findungen seiner
Art; auf die zahl-
reichen Stiftungs-
gebäude, von denen
so manches von be-
sonderer Eigenart
ist, mit den tiefen
Höfen und den klei-
nen Wohnungen in
den vieltürigen Flü-
geln, wo die alten
Mütterchen oder die
Greise die Gheder
sonnen ; nach außen
würdig ausgespro-
chen, wie z. B. am
Füchtingshof
(Abb. 172); eine Art
Triumphbogen mit
Säulen und großer Inschrifttafel zieht da die BKcke auf sich. Das bürgerlich
treuherzige Sitzungszimmer haben wir bereits in Bd. I, Abb. 84 mitgeteilt. —
Auch für die Behaglichkeit in anderem Sinne trug die Renaissancezeit Sorge:
der ehrfurchterweckende Ratskeller besitzt noch immer in seinem Brautgemach
den berühmten schönen Renaissancekamin von 1575 mit der bekannten bos-
haften Inschrift gegen die Bräute. Aber besonders im Gedächtnis haftet dem
Besucher das einzig schöne Schiff er haus und seine riesige Halle mit ge-
schnitzten Ständern, tiefen, chorstuhlartigen Bänken, hübscher Täfelung, mit
seinen unzähhgen Merkwürdigkeiten, Fischen, Kajaks, Schiffsmodellen usw., die
Abb. 171 Bremerkapelle in der Marienkirche zu Lübeck
1) A. a. 0. S. 265.
288 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Abb. 172 Füclitiiigs Hof zu Lübeck
die alten Bergenfahrer und Seebären da zur Erinnerung und zum Staate auf-
gehängt. Ein Unikum in Deutschland (Abb. 173). — Die wunderschöne alte
Wirtstube an der Trave mit Kassettendecke und Täfelung aus dem Beginn
des 17. Jahrhunderts hat leider der unersättliche Museenschlund verschlungen.
(Jetzt in Kiel.)
Schleswig-Holstein
289
Abb. 173 Inneres des Schifferhauses zu Lübeck
Schleswig-Holstein
Auch Schleswig-Holstein ist keineswegs arm an Werken der Renaissance,
denn wenn es wohl kaum mehr erhebliche Schöpfungen der größeren Architektur
aufzuweisen hat, so wimmelt das Land immer noch im Innern seiner zahlreichen
Kirchen von Holzschnitzerei und dekorativer Ausgestaltung, worin es unter den
deutschen Ländern den ersten Platz neben Lübeck und Mecklenburg einnimmt.
Massenhaft war auch die Ausstattung der Bürger- und sogar der Bauernhäuser
mit allerlei schmuckvollem Hausrat, mit geschnitzten Schränken und Truhen,
schönen Kaminen, glasierten Bodenfliesen, farbenreichen Glasgemälden, kunst-
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 19
290 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
reichen Gefäßen und Geschirren in Silber, Bronze und Zinn. Da dem Lande
natürlicher Stein zum Bauen verwehrt ist, und da der Sinn der Bevölkerung einen
reich entwickelten Backsteinbau in der Art des mecklenburgischen verschmähte,
so warf sich das künstlerische Bedürfnis vorwiegend auf die innere Schmückung
der Kirchen und Wohnhäuser, hierin recht eigentlich dem Zuge des germanischen
Nordens folgend, der sich vor der Rauheit des Klimas gern in ein geschütztes,
behaglich eingerichtetes Heim zurückzieht. Die geschichtlichen Verhältnisse des
Landes begünstigten gerade zur Zeit der Renaissance eine ungestörte Blüte der
Kunst. Vor der unseligen Teilnahme am Dreißigjährigen Kriege hatte das Land
seit der Grafenfehde (1533—36) fast ein Jahrhundert lang keinerlei feindlichen
Angriff erlitten. In dieser langen Zeit ununterbrochener Ruhe hatte es eine hohe
Stufe des Wohlstandes erreicht. Die Herzöge des Hauses Schleswig-Holstein-
Gottorp waren meistens eifrige Förderer der Wissenschaften und Künste, nament-
lich zeichneten sich Adolf (1544—86), Johann Adolf (1590—1616) und Friedrich IIL
(1619 — 59) durch Baulust aus. Unter den Edlen des Landes ragte besonders
Heinrich von Ranzau (1526—98) durch seine hohen Verdienste um die Pflege der
Kunst hervor. Er hatte in Wittenberg studiert, am Hofe Karls V. die Welthändel
kennen gelernt und wurde dann zum Amtmann von Segeberg und Statthalter im
dänischen Teil von Schleswig-Holstein ernannt. Als Mann von hoher gelehrter Bil-
dung förderte er Wissenschaft und Kunst, als Staatsmann von Umsicht und Erfah-
rung wirkte er für die materielle und geistige Blüte des Landes. Er selbst verfaßte
eine Beschreibung der cim-
brischen Halbinsel und gab
eine Schilderung des Dith-
marschenkrieges heraus. Be-
sonderen Eifer entfaltete er
im Bau und der Ausschmük-
kung seiner Schlösser, na-
mentlich Ranzaus, wie er
denn überhaupt auf Monu-
mentalbauten große Mittel
verwandte, in der ausgespro-
chenen Absicht, seinem Na-
men die Unsterblichkeit zu
sichern. Auch auf Anregung
des König- Herzogs Chri-
stian IV. (1588—1648) wur-
den zahlreiche hervorragende
Bauwerke im Lande ausge-
führt. Zugleich aber begann
mit der Teilnahme dieses
Fürsten am Dreißigjährigen
Kriege das Unglück des Lan-
des, das furchtbare Verwü-
stungen sowohl durch die
Kaiserlichen, als mehr noch
durch die Schweden zu er-
dulden hatte, so daß kurze
Zeit genügte, um alles, was
an Denkmälern der Bau-
kunst in der Friedensepoche
Abb. 174 Kamin aus Schloß Husum entstanden war, bis auf un-
Die Baukunst in Schleswig-Holstein
291
scheinbare Reste verschwinden zu lassen. Ein enghscher Oberst Monro, der 1627
mit einer schottischen Truppenabteilung dem König zu Hilfe gesandt wurde, sagt
von Schleswig-Holstein^): „Das Land war voller Segen und schwamm in Über-
fluß; die Adligen lebten wie der hohe Adel in England, die Bürgerhchen wie
unser niederer Adel ; aber binnen sechs Monaten kam Verderben über das Land,
und aller Wohlstand war dahin." — Was der Dreißigjährige Krieg verschont hatte,
ging später im Kriege zwischen Schweden und Dänemark und in den Fehden
der holsteinischen Herzöge mit letzterer Macht zugrunde.
So ist es gekommen, daß kein einziges ganz erhaltenes größeres Bauwerk
aus der Zeit von 1550 bis 1650 in den Herzogtümern mehr gefunden wird. Die
wenigen Architekturreste, die sich verstreut noch an Schlössern wie Gottorp und
Husum, am Rathause zu Glückstadt, an der Hofapotheke zu Kiel u. a. erhalten
haben, geben nur eine dürftige Ahnung des früheren Zustandes. Nach den Ab-
bildungen in L. de Thurahs Danske Vitruvius trugen alle jene Bauten den Charakter
derselben holländischen Architektur, wie sie sich an den gleichzeitigen Monumen-
ten Kopenhagens, z. B. der Börse und dem Rosenborgschloß finden, und wie
sie uns von Danziger Bauten, namentlich vom Zeughaus bekannt ist. Besonders
stattlich war das von Herzog Adolf 1574 begonnene Schloß zu Husum ^)
mit seinen hohen, geschweiften Giebeln, seinen polygonen Treppentürmen und
dem mächtigen viereckigen Hauptturm, in der Gruppe dem schönen dänischen
Schlosse Fredericksborg ähn-
lich, einst von prachtvollster
Innenausstattung (Abb. 174 und
175). Auch die späteren von ihm
und den folgenden Herzögen auf-
geführten Schlösser tragen den-
selben Charakter, so das von
Herzog Adolf errichtete Schloß
Reinbeck'^), das von allen diesen
Bauwerken holländischen Stils
wohl noch am besten erhalten
scheint. Das Schloß zu Son-
derburg ist ein völlig schlich-
ter Bau, ohne Detailformen, nur
durch sehr starke Ecktürme aus-
gezeichnet. Auch der bürgerliche
Privatbau jener Zeit hat kaum
Spuren hinterlassen; doch geht
aus zahlreichen Überresten, wie
z. B. den kräftigen holzgeschnitz-
ten Konsolen an einem Hause
gegenüber der Nikolaikirche zu
Kiel hervor, daß ein charakter-
voller Fachwerkbau vielfach an
den Wohnhäusern zur Ersch'ei-
1) Der Bericht 1637 in London
erschienen, mitgeteilt in Bremers Ge-
schichte Schleswig-Holsteins.
2) Danske Vitruvius II, Taf. 151
bis 153. R. Haupt, Bau- und Kunst-
denkmäler Schleswig-Holsteins, Kiel
1887, I, S. 453 ff.
3) R. Haupt a. a. 0. II, 538 ff. Abb. 175 Kamin aus Schloß Husum
292 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
nung kam. Den schlichlen holländischen Backsteinbau sieht man in kunstvoller
und charakteristischer Behandlung an den Wohnhäusern zu Friedrichstadt,
einer um 1624 von niederländischen Remonstranten gegründeten Stadt, die mit
ihrer regelmäßigen Anlage
an die gleichzeitigen Städte-
gründungen von Freuden-
stadt und Hanau erinnert.
Von den vier regelmäßig ver-
teilten Kirchen hat das Bom-
bardement von 1850 nur eine
übrig gelassen. Die Münze
ist ein reizvoller Ziegelbau
reinsten leydener Stils mit
Sandsteingesimsen und ein-
gelegten Holzrahmen für
Fenster und Türen, Ziegel-
mustern in den Entlastungs-
bögen; in seiner Art wohl
das Beste in Deutschland
(Abb. 176). Ähnlich Schloß
Ahrensburg, doch mit drei
durchlaufendenGiebeldächern
und geschweiften Ecktürmen.
Das zu Hoyersworth ist
noch ziemlich erhalten, mit
Haupt- und kurzem Quer-
flügel, achteckigem Treppen-
turm, stattlichem Pilaster-
portal und Giebeln, i)
Andere hübsche Back-
steinbauten originaler Art
finden wir — früher viel zahl-
reicher — in Husum und
Flensburg; meist Trep-
pengiebel mit profiHerten
Blenden und Bogenfriesen
auf Konsolen; öfters auch auf
Absätzen durchbrochene Mu-
scheln und ähnhches, doch
meist verloren. Ein solcher
ohne Zweifel prächtiger Gie-
bel war einst am Rathause zu
Krempe, mit Ornamenten
und Figuren auf den Ab-
sätzen, die leider im 18. Jahr-
hundert abgenommen und
Rathaus — die Reste eines
Abb. 17Ü Münze zu Friedrichstadt
(Nach: Haupt, Backsteinbauten der Renaissance)
durch schräges Giebelgesims
ähnlichen in Rendsburg —
von 1578.2)
ersetzt sind. Dieses
ist im übrigen aber ein charaktervoller Ziegelbau
1) R. Haupt a. a. 0. I, Abb. 302.
2) Betr. dieser Bauwerke verweise ich wiederholt auf A. Haupt, Backsteinbauten der Ke-
naissance in Norddeutschland, Frankfurt a. M. 1899.
Schleswig-Holsteinische Kleinkunst
293
Klingt dies alles wenig erfreulich, so darf die Schilderung ganz andere
Saiten anschlagen, wenn sie sich zur Betrachtung der inneren Ausstattung
wendet. Hier ist der Schwerpunkt dessen, was Schleswig-Holstein in unserer
Epoche geleistet hat; mit seinen kunstgewerblichen Schöpfungen nimmt es einen
Ehrenplatz in der deutschen Kunstgeschichte ein. Vor allem gilt dies von der
Holzarbeit. Man erkennt so recht, wie die Steinbaukunst als eine von den
Römern stammende Kunst hier bei der Materialarmut des Landes stets fremd
gebheben ist, und so hauptsächlich von Fremden, d. h. Niederländern importiert
wurde, während die echt germanische Holzarbeit ausschließlicher, als anderswo,
das Feld beherrschte. Und das gilt immer noch, trotz unzähliger Beraubungen
und Zerstörungen. Vor allem ist es in den Kirchen der Bau und die reiche
Ausschmückung der Kanzeln, Emporbühnen, Orgelgehäuse, Altäre und Stuhlwerke,
aber auch der Denktafeln, an denen sich die Holzarbeit in Konstruktion, Ghede-
rung und reichem Schmuck zu entfalten vermochte. Neben der heimischen
uralten Schnitzerei stellt sich das eingelegte Werk, die Intarsia, ein, ursprüng-
lich aus Italien stammend, bei uns damals überhaupt als „welsches Getäfel"
bezeichnet. Galt es in einzelnen Fällen kostbare Marmordenkmale, so wandte
man sich an das Ausland, wie denn das Epitaphium König Friedrichs I. im Dom
zu Schleswig, angeblich nach Entwürfen Jakoh Bincks, in Antwerpen gearbeitet
wurde.^) Aber für die Holzarbeit brauchte man keine fremden Künstler; die
steckte allen deutschen Ländern tief im Blute; und wo die Natur selbst, wie in
Schleswig-Holstein, ganz besonders auf sie hinwies, da mußte die mit Vorliebe
gepflegte Kunst bald sich zu tüchtigster Meisterschaft und zu allgemeinster Ver-
breitung aufschwingen. Nur durch die Tätigkeit zahlreicher einheimischer Meister,
die freilich in einzelnen Fällen auch die Mitwirkung fremder Kräfte nicht aus-
schloß, konnte diese glanzvolle Blüte sich erschließen.
Es haben sich inzwischen eine Menge Namen schleswig-holsteinischer Künst-
ler feststellen lassen, deren Werke noch zum Teil erhalten sind, unter denen
naturgemäß die Bildhauer — Schnitker — und Kunsttischler für uns am meisten
in Frage kommen.^) Von bedeutenden Namen seien genannt — nach dem be-
rühmtesten aus der Zeit der spätesten Gotik Hans Brüggemann — der Bildhauer
Hinr. Ringeling (Ringering) in Flensburg, an dortigen Kirchenausstattungen her-
vorragend tätig, Hans Peper, von dem die vortreffliche Kanzel in St. Marien zu
Rendsburg und das Ghorgitter zu Meldorf herrühren ; Andreas Saigon und Jürgen
Goiver scheinen die Hauptkünstler des Glanzstückes der schleswigschen Kunst,
des herzoglichen Stuhles zu Gottorp, gewesen zu sein. Die Reihe schheßt der
bedeutende Ha^ts Gudewerth in Eckernförde, der die geradezu glänzenden Altäre
zu Eckernförde, Kappeln, Schönkirchen, Preetz in stark barocken, aber in Deutsch-
land wohl einzigartigen flüssigen Formen von unvergleichHchem Schwünge schuf.
— Von Malern der Renaissance hat Melchior Lorch von Flensburg noch im 16. Jahr-
hundert, auch als Kupferstecher, großen deutschen Ruhm erlangt, Jürgen Ovens
aus Tönning, der Schüler Rembrandts, im 17. herrhche Werke geschaffen. Als
Niederländer sind vielleicht zu betrachten der Bildhauer Johann von Groningen,
und der Maler Johan de Kempene.
Allerdings sind die meisten der bildhauerischen Werke in der Zeit eines
falschen Klassizismus schonungslos mit Ölfarbe überstrichen worden, so daß die
Feinheit der plastischen Form abgestumpft und der Reiz der Farben verloren ist;
1) Vgl. A. Hagen, Der Dom zu Königsberg, S. 164.
2) In R. Haupt, Bau- und Kunstdenkm. d. Prov. Schlesw.-Holsteln, Kiel 1887, 88, Band II,
sind die Namen der Baumeister, Bildhauer, Maler, Gießer und anderer Kunsthandwerker, soweit
sie festzustellen sind, im Register auf 50 S. aufgeführt. Dort das Genauere, auch über ihr Leben
und ihre beglaubigten Arbeiten,
294 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
dennoch läßt sich die künstlerische Bedeutung einer großen Anzahl von ihnen nicht
verkennen, und selbst in den zahlreichen geringeren Arbeiten offenbart sich eine
feste künstlerische Überlieferung und gediegenes handwerkUches Können. Die
Formen sind meist die einer völlig ausgebildeten Hochrenaissance, später nicht
ohne Hinneigung zum beginnenden Rollwerk- und Schweifstil, zuletzt auch zum
Knorpelwerk. Das alles aber tritt häufig übergössen von einer Fülle von Geist
und Leben auf. Daneben sind die Arbeiten der Gelb- und Rotgießer überaus
beachtenswert ; nicht bloß die Stand- und Wandleuchter und die oft sehr statt-
lichen Taufbecken, sondern namenthch die unzähligen, größtenteils prachtvollen
messingenen Kronleuchter, die sich fast in jeder älteren Kirche des Landes fin-
den, zeugen von edlem Formgefühl und von einer damals allgemein verbreiteten
Freude an künstlerischer Bildung. Nicht zu vergessen die zahllosen schön ge-
bildeten Glocken. Ebenso fehlt es nicht an Bronzeplatten mit farbigem Tief-
schnitt, sowie an vortrefflichen Schmiedearbeiten. Auch mancherlei Goldschmiede-
werke finden sich, besonders durch zierliches Filigran ausgezeichnet; namentlich
sind die Kirchenschätze im ganzen Lande reich an prächtigen silbernen Gefäßen
für Abendmahl und Taufe, die durch edle Form und feine künstlerische Aus-
führung, Schmuck von ReUefs und eingeschnittenen Ornamenten hervorleuchten.
Endlich hat sich die spätere Zeit durch eigenartige Töpfereien hervorgetan. Das
Thaulowmuseum in Kiel, sowie die Museen in Flensburg und Altona bieten ein
reiches Bild der kunstgewerblichen Leistungen des Landes.
Um nun zu den einzelnen erhaltenen Werken überzugehen, so gehört zu den
vorzüglichsten der sogenannte Markus Swynsche Päsel von Lunden in Norder-
dithmarschen, d. h. das Staatszimmer des ersten Statthalters von Dithmarschen
nach der Bezwingung des ehemals freien Landes (1559). (Jetzt im Dithmarschen-
Museum zu Meldorf; das Haus ist abgebrannt.) Päsel heißt in den alten frie-
sischen und angelsächsischen Bauernhäusern die „beste Stube". In den älteren
Päsein befinden sich oft in die Wände eingebaute Bettstätten, eine Art Alkoven
bildend, durch vertäfelte Holzwände vom Zimmer abgetrennt und während des
Tages durch Schiebetüren abgeschlossen.
Es war ein echt niederdeutsches Bauernhaus, das Haus des Markus Swyn,
aus dem sich dieser Päsel erhalten hat; es erhob sich im Dorf Lehe dicht bei
Lunden, von mächtigen Linden beschattet. In der Nähe liegt ein gewaltiger
Findlingsblock, der die Stätte bezeichnet, wo der genannte bedeutende Land-
pfleger von den empörten Dithmarschen erschlagen ward. Das Haus, ein schwerer
Backsteinbau des 16. Jahrhunderts, hatte den Grundriß aller niederdeutschen
Bauernhäuser: ein langgestrecktes Rechteck, an dessen vorderer Schmalseite der
Haupteingang liegt. Dieser führte in die sogenannte „Diele", einen breiten Flur,
zu dessen beiden Seiten kleine Zimmer, Küche und Nebenräume angeordnet waren.
(Im eigentlichen Bauernhause ist dies die Tenne zum Dreschen, an deren Seiten
die Ställe für das Vieh sich hinziehen.) Die Diele erweiterte sich am Ende kreuz-
förmig und mündete in der Mitte auf ein geräumiges Wohn- und Staatszimmer,
das nach hinten ins Freie schaute (Abb. 177). Dies ist nun, was man im friesischen
Hause Päsel nennt. Auch hier wird dieser stattHche Raum durch den Einbau
einer großen und einer kleineren Bettstatt zugleich als Schlafzimmer bezeichnet.
Diese selbst, sowie ein überaus reich dekorierter großer und ein prachtvoller
schmaler Schrank, dazu ein ebenfalls elegant ausgeführter Kamin, bilden mit dem
reichen Täfelwerk der Wände und einer edel geghederten Kassettendecke ein
Ganzes, das unbedingt zum Schönsten seiner Art gehört. Dazu kommt noch der
mit glasierten Fhesen bedeckte Fußboden. Besonders prächtig ist die Tür, die
von reich geschnitzten korinthischen Rahmenpilastern eingefaßt und über dem
Gesimse mit einem Bogenfelde abgeschlossen wird. Dieses zeigt in einem von
Der Pasel zu Lunden
295
phantastischen Halbfiguren gehaltenen Medaillon das Brustbild des Markus Swyn.
Noch reicher ist die Tür selbst behandelt : in ihrem oberen Felde enthält sie die
schön bewegten Relieffiguren von Adam und Eva in einer Bogenstellung, die
mitten auf einer balusterförmigen Säule ruht. Das untere Feld hat in einem
Medaillon, eingefaßt von zierlichen Ranken, ein männliches Reliefbrustbild. Auch
Abb. 177 Pasel Markus Swyns aus Lunden (jetzt im Museum zu Meldorf)
(Nach: Sauermami, Alt-Schleswig-Holstein)
das schmale friesartige Zwischenfeld schmückt ein Rankenwerk von ähnlicher
Zeichnung, überall in Tier- oder Menschenköpfe auslaufend, geistreich erfunden
und ausgeführt, alles im Charakter unserer besten Frührenaissance. Von ähnlicher
Behandlung ist der Kamin, durch eine Attika mit reich geschmücktem Doppel-
wappen ausgezeichnet. Zum Prachtvollsten gehört der große Schrank, der, aufs
glänzendste mit historischen Reliefszenen, Friesen, Wappen und Ornament aller
Art geschmückt, durch Hermen und Karyatiden, in den oberen Teilen durch
kannelierte Säulchen geghedert wird. Die Arbeit ist ungemein flott und keck,
doch nicht so fein, wie an der Tür, namentlich das Figürliche nicht so elegant
behandelt, wenngleich voll Leben. Prächtig namentlich der Jagdfries, welcher
die obere Bekrönung bildet. Das Werk trägt die Jahreszahl 1568, den Namen
des Erbauers, sowie sein und seiner Frau Wappen.
Etwas jünger ist der nicht minder prachtvolle schmälere Schrank, der mit
phantastischen Hermen in den beiden unteren Abteilungen, in der oberen mit
gegürteten und kanneherten korinthischen Säulen gegliedert ist. Der untere Teil
des Schaftes ist mit dem bekannten Metallornament dekoriert, das im übrigen hier
spärlich vorkommt. Die Flächen sind durch Reliefdarstellungen der antiken
Götter, die auf ihren Wagen durch die Lüfte fahren, ausgefüllt. Einfacher wieder
296 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
ist die größere Bettstatt behandelt; ihr Baldachin ruht mittelst eines reicheren
Konsolengesimses auf schlanken gegürteten korinthischen Säulen, dies wohl noch
ein mit der gesamten Täfelung gleichzeitig entstandenes Werk. Die Vorderseite
reich mit Reliefdarstellungen von Tugenden, Helden und Heldinnen geschmückt;
innen am Kopfende Kreuzigung Christi, Auferstehung und Fahrt in die Unterwelt
lebendig geschnitzt. An der vierten (verdeckten) Seite der Bettlade allerlei
Nuditäten. Ähnlich das kleinere Bett: innen am Kopfende die Geschichte Simsons,
an der kurzen Fußseite eine reizende Bogengalerie ; alles mit Rollwerk und anderem
Ornament reich bedeckt. Der ganze Raum war aufs heiterste bemalt, so daß
die Gesamtwirkung seltene Pracht und Harmonie erreichte. Die Malerei ist leider
bei der Herstellung des etwas angebrannten Raumes ganz beseitigt. Da diese
Arbeiten in der Behandlung von den übrigen Schöpfungen des Landes stark ab-
weichen, so wird man hier wohl die Tätigkeit fremder Künstler annehmen müssen,
und zwar vielleicht niederländischer.
Noch viel prächtiger ist die Ausstattung der Kapelle im Schlosse Gottorp
zu Schleswig. Das Schloß selbst i) ist in seiner gegenwärtigen Erscheinung
völlig nüchtern und ohne jede architektonische Form, außer einigen Bruchstücken
der großen mehrstöckigen Zwerchgiebel im Hof und den Portalen an den Treppen-
türmen, war aber vor dem großen Umbau im Beginn des 18. Jahrhunderts und,
ehe die unaufhörlichen Verwüstungen daran begannen, das prächtigste Bauwerk
der Art im Lande, ja eines der stattlicheren in ganz Deutschland. Der älteste
Teil ist der Weslflügel, der samt dem Treppenturm in der Ecke des Hofes noch
spätgotische Anklänge zeigt. Die alte Außenarchitektur, die auf einem Stich von
Fritzsch von 1743 noch wohl erhalten ist, war offenbar sehr aufwendig. Die
Vorderfront des einen viereckigen Hof von beträchtlicher Größe umziehenden
Schlosses zeigte hohe Giebel an den Enden und reiche Fensterarchitektur mit
Rustika, an der rechten Ecke ein starkes Rustikaportal; an den anderen Flügeln
im Hof achteckige Treppentürme, Erker, sechs Zwerchgiebel auf dem rückwär-
tigen Flügel, auch an der Rückseite. Ein ebenfalls prächtiger Torbau schützte
eine überdeckte Brücke, die über das breite Wasser vor dem Schlosse führte.
Das meiste davon ist im 18. Jahrhundert beseitigt, als man den Vorderflügel
durch einen riesigen barocken Neubau ersetzte. Die drei anderen Hofflügel
blieben, verloren aber ihre schöne Architektur langsam fast ganz. Auch die
kleinen Giebel sind alle verstümmelt, und so ist von der prächtigen Architektur,
die Herzog Adolf (1544—86) durch Italiener am Äußeren und wohl auch Innern
zum glänzenden Ausbau des alten Schlosses nach dem Brande von 1565 aus-
führen ließ, gar wenig mehr geblieben.
Auch von der ehemaligen überschwenglichen Pracht des Innern ist, seitdem
die Dänen alles ausgeraubt und verschleudert haben, außer der Kapelle nur noch
weniges in Bruchstücken vorhanden. So hat der mächtige runde Turm an der
äußeren Nordwestecke im ersten Stock einen stattlichen Raum mit schön ge-
gliedertem, aus acht Stichkappen zusammengesetzten Gewölbe mit hängendem
Schlußstein. Daran stößt ein Gang mit einem reichstuckierten Tonnengewölbe
von großen Abmessungen. Hieran schließen sich drei gewaltige Kreuzgewölbe
mit der reichsten Stuckdekoration, die sich irgendwo in Deutschland finden mag:
Flachornamente von üppigster Zeichnung mit Muscheln, Masken, Rosetten u. dgl.,
bei den bedeutenden Dimensionen von großer Wirkung. Noch reicher und präch-
tiger, aber auch barocker der Nachbarsaal, der zwischen den Flachornamenten
mit Städteprospekten, Medaillons, Fruchtgehängen u. dgl. aufs glänzendste ge-
schmückt ist. Der Schlußstein hat hier prächtige, frei hängende Füllhörner und
1) Vgl. Danske Vitruvius II, Taf. 139 — 147. E. Haupt a. a. 0. II, S. 332 &. mit Abb.
Schloß Gottorp
297
eine Rosette. Außerdem ist noch ein üppig barocl^er Kamin mit Hermen vor-
handen. Der dritte, größte Saal, nach der Gartenseite gelegen, ohne weitere
Dekoration, als reich profilierte Kreuzgewölbrippen und Gurten, imponiert durch
die herrlichen großartigen Verhältnisse.
Was die ehemals weltberühmte Ausstattung dieses Schlosses gewesen sein
muß, erkennt man jetzt nur noch aus der in demselben Flügel gelegenen Kapelle.
Von etwa 1560 bis 1620 unter den Herzögen Adolf, Johann Adolf und Friedrich III.
ausgeführt, muß sie als eins der besten Werke dieser Art in unserer Renaissance
bezeichnet werden. Zu ihr führte im Schloßhof ein schönes Portal in noch früher
Renaissance; von gedrungenen Säulen mit reichem Gebälk eingefaßt, trägt es
einen Wappenaufsatz mit reichlichen Schnecken und Dreiecksgiebel darüber. In
diesem ein Kopf unter einem Baldachin mit Ghristusstatue.
Die Kapelle selbst bildet ein einfaches Rechteck, das durch zwei spitzbogige
Kreuzgewölbe, deren Rippenprofil nicht mehr der Gotik angehört, überdeckt wird.
Die Malerei an den Gewölben ist neueren Ursprungs, ebenso die bunte Bemalung
der Holzarchitektur. Im übrigen rührt die ganze Ausstattung der Kirche, sämt-
liche Emporen, der Altar und die Kanzel, das charaktervoll behandelte Stuhl-
werk und die Bänke, ja sogar die Tafeln für die Gesangnummern aus der Ent-
stehungszeit der Kapelle. (An der ersten Säule des Schiffes liest man die Jahres-
zahl 1590, weiterhin 1596, an einem Stuhl 1598.) Die Einrichtung ist folgende:
an der einen Schmalseite zwischen den beiden, im Flachbogen geschlossenen
Fenstern ist der Altar aufgestellt; an der gegenüberliegenden Schmalseite erhebt
sich auf einer mittleren Säule die Orgelempore. An beiden Langseiten zieht sich
eine Ordnung von sieben ionischen Säulen hin, auf denen die den ganzen Raum
umziehenden Galerien ruhen. Dies alles ist vortrefflich in Holz ausgeführt. Über
dem Altar erhebt sich, die ganze Breite der Kapelle einnehmend, die mit Fenstern
geschlossene herzogliche Loge oder Betstube. Die Kanzel endlich ist an der
rechten Seite angebracht.
Dies Ganze ist nun mit den reichsten Kunstmitteln einer ausgebildeten
Hochrenaissance durchgeführt, wobei das Schweifwerk nur etwa in der durch-
brochenen Bekrönung der herzoglichen Loge, in einzelnen Giebeln und geschweiften
Konsolen zur Geltung kommt. Überall herrschen Feinheit und Adel der Form-
bildung, in den Säulen und ihren Gebälken, den Pilastern, Hermen und anderen
Teilungen. Prächtig ist der später hierher gestiftete Altar mit seinem Aufsatz
von Ebenholz, der durch Silberornamente und drei ebenfalls in Silber getriebene
Reliefs glänzenden Schmuck erhält. Reizvoll durch seine GUederung und an-
mutige Ornamente ist das Orgelgehäuse, das die Jahreszahl 1567 trägt.
In den folgenden Jahrzehnten entstand die übrige Ausstattung. Eins der üppigsten
Werke ist die Kanzel, die auf einem Hermenpfeiler mittelst einer prachtvollen
Ausladung reich verschlungener, mit Masken und Fruchtschnüren dekorierter
Voluten ruht. Ihre Brüstung wird über einem mit weiblichen Masken geschmückten
Sockel durch toskanische Säulen geteilt, zwischen denen in Nischen die Statuen
der Evangelisten stehen. Das Schönste aber ist der gesamte Bau der fürstlichen
Empore, die in ihrer Anlage und Einteilung, sowie in ihrer künstlerischen
Durchbildung eine Meisterhand verrät. Die Plastik ist hier auf die Hauptformen
beschränkt, auf die eleganten Gesimse und die Hermen, die Konsolen, Kapitelle,
die reichen Zapfen der inneren Decken und die prächtigen äußeren Krönungen ; im
ganzen inneren Flächenschmuck ist der Einlegearbeit die erste Stelle eingeräumt,
und auf diese Weise die Fürstenloge wahrhaft bewundernswert ausgebildet
(Abb. 178). Die prächtig kassettierte Decke, die schön eingefaßten tiefen Fenster-
nischen, die gesamte Bekleidung der Wände geben dem Raum ein wundersam
harmonisches anheimelndes Gepräge. In der Wandtäfelung zieht ringsum ein
298 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Sockel, zum Teil als Sitzbank ausgebildet, über ihm abwechselnd breite und
schmale Felder, dann die Hermenpilaster selbst, und zwischen ihnen große Wand-
felder, die wie Bogenportale mit reichen Füllungen und geschweiften Giebeln
behandelt sind (Abb. 179). Darüber folgt das von prächtigen Konsolen durch-
brochene Gebälk; auf diesem ruht ein hoher Fries mit quadratischen, durch
pilasterartige Streifen unterbrochenen Feldern, darüber wieder das eigentliche
Abb. 178 Fürsteiilogo der Kapelle des Schlosses Gottorp
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Hauptgesims mit Konsolen. Alle diese unendlich reich abgestuften kleineren und
größeren, schmäleren und breiteren Flächen sind nun mit eingelegten Ornamenten
geschmückt, die in der Zeichnung die größte Mannigfaltigkeit und die feinste
Grazie zeigen. Es sind vielfach geschwungene und verschlungene, frei stihsierte
Bänder in phantastische Köpfe auslaufend, oder von einer mittleren Figur aus-
gehend; dazwischen oft herrliche Ranken, Lorbeerzweige, auch Vasen mit Blumen,
kurz die größte Vielseitigkeit einer edlen Ornamentik, in welcher das bloß geo-
metrische Element und das Rollwerk nur sparsam eingestreut sind. Die fein
berechnete Abstufung und der wohldurchdachte Wechsel in der Aufeinanderfolge
und Nebeneinanderstellung von alle diesem zeugt von der genialen Erfindungsgabe
Schloß Gottorp
299
eines hochbedeutenden Künstlers, der uns vielleicht durch archivaUsche Forschungen
enthüllt wird. An Italiener ist nicht zu denken, obwohl Herzog Adolf italienische
Künstler herbeigezogen haben soll. Vielmehr wird für die Ausführung wenigstens
eine große Zahl einheimischer Bildhauer (Schnitker) und Tischler genannt, die
an dem Werke arbeiteten. Von diesen kommen als leitende Meister wohl Andreas
Salgen (f 1612) und nach ihm Jürgen Gower in Betracht. Von letzterem ist be-
stimmt das Pracht-
stück der Loge, die
reichgeschnitzte Tür
nach der Kirche zu.
Der Glanz der
Kirche wird dadurch
erhöht, daß in die
äußeren Felder der
Emporenbrüstung Öl-
gemälde eingeschlos-
sen sind, die als vor-
trefflich bezeichnet
werden dürfen. Dies
erinnert an die Schloß-
kapelle in Gelle, wel-
che neben der von Got-
torp unter den Wer-
ken unserer Renais-
sance dieser Art den
Ehrenplatz einnimmt,
jedoch ohne sie an
edler Pracht stilvoller
Holzarbeit zu errei-
chen. Wie dort, sind
auch hier die Schei-
ben in den Fenstern
der herzoglichen Em-
pore in vergoldetes
Blei gefaßt. Am Ein-
gang liest man die
Jahreszahl 1613, an
der gegenüberliegen-
den Wand 1614.
Das Schloß Got-
torp war zu der Zeit
seines Glanzes in jeder
Richtung im Lande
das Hauptwerk der
Renaissance; präch-
tige Außenarchitektur, noch größere Pracht im Innern, das dabei eine Fülle von
Kunstschätzen und Sammlungen barg, fand ihre schönste Ergänzung in einer herr-
lichen landschaftlichen Lage, die im Laufe des 17. Jahrhunderts aus kleineren An-
fängen zu den prachtvollsten Gartenanlagen des deutschen Nordens ausgestaltet
wurde. Der berühmte Gartenbaukünstler Joli. Clodius schuf hier ein Meisterwerk^),
Abb. 179 Aus der Kapelle des Schlosses Gottorp
1) Abb. in Thura, Dan. Vitruv. II, 139.
300 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
das mit Teichen, Wasserwerken, Lusthäusern, Galerien, einem russischen, einem
Pomeranzengarten, Vogel- und Ringelhaus und der die Anlage krönenden Ama-
iienburg alles im größten Maßstabe bot, was die damalige Gartenkunst zu geben
hatte. Nur dürftige Trümmer und Spuren zeugen von dem einst unvergleichlichen
„neuen Werk".
In der Stadt Schleswig selbst bietet der Dom einiges Bemerkenswerte.
Im Chor dieser mächtigen romanisch-gotischen Hallenkirche erhebt sich das weiß
und schwarze Marmordenkmal König Friedrichs I., angeblich nach Entwürfen von
Jakoh Binck 1555 in Antwerpen ausgeführt, sicher aber nur von ihm dort bestellt.
Es ist fast amüsant, wie dieser etwas leichte Künstler seinen Fürsten die Ant-
werpener Denkmäler als seine Arbeit aufredete. Hier die beliebte Gestalt eines
Sarkophages, der von sechs Karyatiden getragen wird. Auf ihm liegt in voller
Rüstung die Gestalt des Verstorbenen ausgestreckt (Abb. 180). Es handelt sich
hier wieder einmal um ein Werk des Kornelius Floris, der einen schwunghaften
Handel mit solchen Denkmälern bis nach Rußland hin trieb. Von Interesse aber
ist es besonders, daß der genannte Künstler dies Denkmal unter seinen Ent-
würfen veröffentlichte. Es gibt sogar ein zweites Denkmal nach dem gleichen
Entwurf in Deutschland, und zwar das in Jever für den Fürsten Edo Wiemken.
Doch ist dieses in der Ausführung erheblich schwächer, steht dafür unter einem
prachtvollen Baldachin. Freilich soll das zu Schleswig einst ebenfalls einen
solchen Baldachin besessen und im Westen des Domes gestanden haben. Wie
dem auch sei: es ist eines der vollendetsten und schönsten Werke des Floris
überhaupt, von wundervoller Wirkung und edelster Form. Die weißmarmornen
sechs Tugenden, die den schwarzen Sarkophag stützen, finden an Adel der Er-
scheinung in den Werken jener Zeit in Deutschland nicht wieder ihresgleichen. —
Von den zahlreichen übrigen Epitaphien des Domes, welche durchweg die
Formen einer kräftigen, teilweise schon barocken Spätrenaissance zeigen, sei zu-
nächst das des Ratsmannes Broders aus Eiderstedt vom Jahre 1605 hervorgehoben.
Aus rotem und weißem Marmor gearbeitet, hat es eine fein ornamentierte Ein-
fassung, deren Gebälk von zwei Karyatiden, Glaube und Hoffnung, getragen wird.
Erwähnung verdient sodann noch das späte Epitaph des Grafen Kielmannsegge,
Kanzlers Herzog Christian Albrechts, vom Jahre 1673. Nach der Sitte dieser
späteren Monumente knien an seinem Fuße der Graf und seine Gemahlin als
lebensgroße Figuren von weißem Marmor; über ihnen sieht man die Grablegung
und Himmelfahrt Christi in flachen Marmorreliefs. Ein Prachtwerk der Metallarbeit
ist in der Kapelle des Grafen Reventlow ein auf vier vergoldeten Löwen ruhender
Sarkophag, geschmückt mit dem reichsten Ornament von vergoldetem Silber.
Oben darauf liegt in getriebenem Silber und teilweise emaiUiert eine weibliche
Statue. Endlich sei noch der Kanzel vom Jahre 1560 gedacht, einer tüchtigen
Arbeit aus Eichenholz mit fünf flachgeschnitzten biblischen Reliefs.
Eine prachtvolle vollständige Ausstattung in Renaissance besitzt sodann die
romanische Kirche in Tondern^); sie ist in ihrem alten Reichtum fast noch un-
beeinträchtigt und so vielleicht das Musterbeispiel im Nordlande. Vor allem ist
die Kanzel samt dem SchaUdeckel eine der reichsten dieses Stils, die Brüstung
durch schlanke Säulchen gegliedert und mit biblischen Rehefs aufs eleganteste
geschmückt. Sodann fehlt es nicht an Epitaphien derselben Art, sowie an einem
stattlich aufgebauten, schon stark barocken Hochaltar und kraftvoll geschnitztem
Stuhlwerk. Bemerkenswert sodann ein reichgeschnitzter Lettner, der den Chor
vom Schiffe trennt, an der Brüstung durch Hermen gegliedert und mit bibhschen
Gemälden geschmückt, von Peter Petersen, Schnitker, vor 1624. Ein Taufstein
1) R. Haupt a. a. O.II, S. 618 if. m. Abb.
Tondern Meldorf Flensburg
301
mit üppigem, mehrstöckigem Deckel, früher von einem Gitter von gedrehten
Säulchen und geschnitzten Aufsätzen umfaßt. Zahlreiche Epitaphien, darunter
ganz prächtige Werke. Den Abschluß dieser reichen Ausstattung bilden drei
große messingene Kronleuchter, die zu den prachtvollsten und schönsten gehören.
— Kaum minder reich ist die Kirche zu Meldorf, wo die Kanzel zwar un-
bedeutender ist, aber ein stattlicher Lettner besonders wertvoll erscheint. Auf
gegürteten korinthischen Säulen ruhend, ist der Oberbau durch Statuen der
Apostel zwischen Säulenstellungen geschmückt und durch üppige, breit entwickelte
architektonische Aufsätze mit freien Figuren abgeschlossen. Die untere Brüstung
Abb. 180 Denkmal Friedrichs I. im Dom zu Schleswig
ist durch Reliefs belebt, über welchen ein Gitterwerk von hölzernen Docken den
Durchblick gestattet. Leider hat eine puristische Restauration der Kirche dies
schöne Werk in die Ecke geklemmt. — Von dem einstigen statthchen Schlosse
im Stil des Husumer steht nur noch ein verstümmeltes Torhaus.
Reiche Ausbeute bietet Flensburg. Hier kommt vor allem die Marien-
kirche in Betracht, ein mächtiger gotischer Hallenbau von einfacher Formgebung.
Der stolze Hochaltar ist ein in drei Stockwerken emporgetürmter, reich geschnitzter
Bau vom Jahre 1598, dessen mittlere Abteilung zwischen vier Säulen drei Ölgemälde
einnehmen^); im Aufsatze noch weitere zwei Gemälde übereinander. Das pracht-
volle Hauptwerk Hinrkli Ringerincks. Das Einzelne der Schnitzerei ist von leb-
haftestem Schwung und kraftvoller Gestaltung (Abb. 181). Auch das den Altar
umgebende Gitter, wohl einst ein Lettner, mit Karyatiden, Engelsköpfen u. dgl.
geschmückt, zeigt tüchtiges Schnitzwerk. Von etwas geringerer Ausführung ist
1) R. Haupt a. a. 0. I, Abb. S. 263.
302 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
die Kanzel vom Jahre 1579, mit geschnitzten biblischen Reliefs ausgestattet.
Alle diese Werke waren in späterer Zeit leider mit Ölfarbe überstrichen worden.
Unter den zahlreichen, ebenfalls holzgeschnitzten Epitaphien werden zwei in der
nördlichen Kapelle hängende, vom Jahre 1591 und 1597, und eines auf der Empore
von 1601 hervorgehoben. Der ebenfalls tüchtig geschnitzte Deckel zum Taufstein
befindet sich jetzt im Gewerbemuseum. Das kunstvoll gearbeitete bronzene Tauf-
becken entspricht genau dem später zu beschreibenden in der Kirche zu Eckern-
förde und ist von dem Hauptmeister der Gießerei im Lande, Michel Dihler, 1591 ge-
gossen, mit acht Reliefs, hier auf den vier Evangelisten ruhend. Schöne Epitaphien
zieren Pfeiler und Wände. Ebenfalls ein gotischer Hallenbau ist die Nikolai-
kirche, in der namentlich die Orgelbühne und das prachtvolle Orgelgehäuse
hervorragt, wieder ein Werk Hinrich Eingefincls. Karyatiden teilen die Brüstung,
deren Felder eigentümlich genug durch die Standbilder König Davids und der
neun Musen geschmückt sind. Zwei Rückpositive mit je vier Säulen teilen die
Brüstung; die Hauptorgel, ebenfalls mit Säulen geziert und in drei Teilen vorsprin-
gend, ruht, nach dem Muster der in St. Peter in Lübeck, auf sechs hohen Hermen.
Gut ist die aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammende Kanzel; die drei mes-
singenen Kronleuchter von besonderer Größe und Pracht. Endlich bewahrt das
schöne Kunstgewerbemuseum eine Fülle wertvoller Arbeiten, namentlich geschnitzte
Schränke und Truhen, aber auch ganze Raumausstattungen aus dem Lande.
Zu nennen ist als Spätwerk die Kanzel in der Kirche zuBredstedt, vom
Jahre 1647, allerdings in ihrem gerollten Kartuschenwerk und der gesamten
Ornamentik schon stark barock, aber im figürlichen Schmuck wertvoll. Statuen
des Moses und der vier Evangelisten beleben zwischen vier Reliefs aus der Leidens-
geschichte die Brüstung; den Schalldeckel krönt, von Engeln mit den Marter-
werkzeugen umgeben, die Gestalt des Auferstandenen. Abweichend von den
meisten übrigen Kanzeln des Landes ist diejenige in der Kirche zu Gettorf^),
einem in Südschleswig an der Straße zwischen Eckernförde und Kiel gelegenen
Orte. Während die Kanzeln sonst durch eine einzige Säulenstellung geteilt zu
werden pflegen, baut sich die Brüstung hier in zwei Stockwerken auf, jedes durch
niedrige Bogenfelder auf kurzen kannelierten Pilastern gegliedert. Die einzelnen
Felder enthalten lebendig komponierte biblische Reliefs. Dazwischen treten kräftige
Pilaster mit den Statuetten der Apostel und mit vorgekröpften Gesimsen zur
Markierung der Ecken vor, dies alles samt den die übrigen Flächen bedeckenden
Ornamenten von prächtiger Wirkung. Nicht minder reich ist der Schalldeckel
gestaltet, durch figürlichen Schmuck und schlanke baldachinartige Aufsätze aufs
glänzendste dekoriert. Das prächtige Werk trägt die Jahreszahl 1598.
Wertvolles findet sich sodann in Eckernförde, wo zunächst in der Kirche
ein schlichtes Epitaph von 1567 zu verzeichnen ist, seiner Anlage und Aus-
führung nach noch einer strengen und edlen Renaissance angehörend. Es bildet
eine einfache Tafel mit zwei durch kannelierte Rahmenpilaster eingefaßten Bogen-
feldern, darin hübsch ornamentierte Wappen. Elegante kannelierte korinthische
Säulen treten beiderseits vor und tragen ein verkröpftes Gebälk, darüber bildet ein
streng gezeichneter Giebel den Abschluß. Im Tympanon ein stark vorspringender
Kopf. Die Säulen sind gegürtet und am unteren Teil ornamentiert; an ihrem
Postament wie am Friese sieht man prächtige Löwenköpfe. Die Kanzel ist ein
zierliches Werk aus etwas späterer Zeit, etwa vom Ende des 16. Jahrhunderts,
besonders am Treppengeländer mit Statuetten und biblischen Reliefszenen reich
geschmückt, die sich an der Kanzelbrüstung fortsetzen. Stärker barock sind die
beiden prächtigen Epitaphien von der Wisch (1614) und von Ahlefeld (1617),
1) R. Haupt a. a. 0. I, S. 272.
2) Daselbst I, S. 175, Abb. 251, 262.
Abb. 181 Altar in der Marienkirche zu Flensburg
304 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutsehen Küstengebiete
offenbar von demselben Künstler entworfen und ausgeführt. Am Altar, der von
1640 datiert und als Werk des Meisters Hans Gudewerth von Eckernförde be-
zeichnet wird, hält das Knorpelwerk in wunderbar flotter und glänzender Behand-
lung seinen Einzug; es ist eine gewaltige künstlerische Kraft in diesem Formen-
rausch. Mit Hans Gudewerth in seiner Meisterschaft kann sich aus jener Zeit
kaum ein Künstler in Deutschland vergleichen, am wenigsten darin, wie er die
wildesten und ausgelassensten Formen zu künstlerischer Einheit bändigt.^) Ein
gediegenes Bronzewerk der besten Zeit, 1588 von dem Flensburger Michel Dibler
gegossen, ist das Taufbecken, ein eleganter Kessel von Mörserform, der hier auf
drei aufrecht hockenden Löwen ruht. Biblische Rehefszenen in eingerahmten
Feldern, durch zierUche Blumen geteilt, bedecken seine Fläche, oben durch eine
dreifache Inschrift, unten durch elegantes Blattornament begrenzt. Fast dasselbe
Werk fanden wir in der Marienkirche zu Flensburg. Eine andere elegant stili-
sierte Metallarbeit ist die Taufschüssel, in der Mitte durch ein hübsches Rehef,
ringsum durch eine fein stilisierte Weinranke geschmückt.
Weiterhin ist noch mancherlei in Holstein und Lauenburg nachzutragen.
So in der Kirche zu Westensee die Überreste des offenbar höchst imposanten,
leider im Anfang des 18. Jahrhunderts zerstörten Denkmals Daniels von Ranzau,
(f 1569). Es ist nur noch das Epitaph vorhanden, eine Steinarbeit von mächti-
gem Stil, wahrscheinlich von einem niederländischen Meister gearbeitet. Auf
schuppenförmig dekorierten Konsolen erheben sich über löwenkopfgeschmückten
Postamenten streng behandelte, reiches Gebälk tragende Hermen, auf dem Ge-
sims stehen Statuen von Heiligen. Aus der Beschreibung Heinrich Ranzaus, der
das Denkmal „vere regium" nennt, geht hervor, daß das eigentliche Denkmal
ein Sarkophag war, auf dem der Ritter lag, von einem Baldachin überdacht,
also ein Werk in der Art des Denkmals zu Jever. Von ihm sind nur noch ein
paar Trümmer übrig. Auch die Kanzel der Kirche ist ein gutes Werk aus der
letzten Zeit des 16. Jahrhunderts, fein gegliedert und geschmückt. — Eine reiche
Ausstattung in Renaissance besitzt die Marienkirche in Rendsburg. Zunächst
eine stattliche Anzahl von Epitaphien, in denen die lokale Entwickelung dieser
Denkmalform sich anschaulich darlegt. Sie sind sämthch in Holz ausgeführt und
ziehen, mit 1549 anfangend, in langer Folge bis in die allerspäteste Zeit der
Renaissance; ihre Bemalung meist weißgrauer Grund, auch für das FigürUche,
mit Rot, Blau, Schwarz und spärlichem Gold, ein Farbenakkord von großer Fein-
heit. Die Grundform dieser Epitaphien ist wesenthch die, daß sie auf kräftigen
Konsolen aufgebaut sind, zwischen denen ein rundes Sockelschild als Abschluß
des Ganzen hängt. Das Hauptfeld wird von Säulen eingerahmt, die bei den
späteren Werken immer kräftiger vorspringen, oft von anderen Säulen oder
Pilastern begleitet und durch vorgekröpfte Gebälke abgeschlossen. Neben ihnen
treten die Seitenteile anfangs nur sehr wenig hervor, sind auch bescheiden pro-
filiert; bald aber werden sie lebhaft, selbst phantastisch, mit Flachornamenten
geschmückt, mit Fruchtschnüren und Reliefs in Medaillons ausgestattet, und
die Flanken springen in der an den Bekrönungen sich wiederholenden reichen
Abwechslung vor und zurück, sich aus- und vorbiegend, oft noch mit Obelisken
und Statuetten beladen. Kurz, es kommt die ganze Üppigkeit der späteren
deutschen Renaissance daran zum Ausdruck. Bei reicheren Werken folgt dann
über dem bisweilen stark verkröpften Gesims ein zweiter etwas schmalerer und
kleinerer Aufbau, ornamental ähnhch behandelt, wie das untere Feld, abgeschlos-
sen mit einem reich dekorierten Giebel, der das Ganze krönt. Die Felder haben
meistens ReUefs, häufig den Gekreuzigten oder die Auferstehung mit den knieen-
1) Abb. R. Haupt a. a. 0. 1, S. 164.
Kendsburg
305
den Figuren der Stifter; erst im späteren 17. Jahrhundert treten Gemälde dafür
ein. Noch ganz bescheiden ist ein kleines Epitaph (v. Brockdorff) von 1549: es
enthält nur das Wappen der FamiUe. Entwickelter ein anderes von 1560, mit
einer Darstellung des von den Stiftern verehrten Kruzifixes. Ähnlich ein Epitaph
von 1583, wo Hermen die Einfassung bilden; dies ausnahmsweise von Stein.
Ein prachtvolles reich entwickeltes, außerdem durch wohlerhaltene Bemalung
ausgezeichnetes von 1602 hängt am ersten südlichen Schiffpfeiler. Ganz ähnlich
das ganz prächtige Glausensche von 1604'); ein anderes an der Nordseite von 1598.
Verwandter Art zwei andere von 1604 und 1608. Ein sehr üppiges von 1620
ist von ähnlicher Anlage, aber in den Formen schon stark übertrieben. Das
größte Glanzstück ist das südlich am Turm angebrachte für Marquard Ranzau
vom Jahre 1649^), wo Säulen und Reliefs aus Alabaster gearbeitet sind, das
übrige in schwarzem Holze mit Vergoldung, vom edelsten Aufbau und schwung-
vollster Durchführung, geistvoll und flüssig, ein Meisterwerk von hohem Rang,
der Kunst Hans Gudewerths verwandt, doch weit weniger wild und noch wirk-
samer, eher der Art des Adavt Stehnelt aus Osnabrück sich nähernd. Derselben
Hand unzweifelhaft gehört der schöne Altar von 1640 an; sein reicher Aufbau
in zwei Stockwerken über einer Predella mit drei ReHefs ist sehr glücklich in
den vorhandenen Raum eingepaßt; doch erreicht das Werk nicht die Meisterschaft
des Ranzauschen Denkmals. Reich geschnitzt mit guten Reliefs, die aber durch
dicke Überstreichung mit Ölfarbe in ihrer Wirkung und Form beeinträchtigt
werden, ist die Kanzel von 1597, besonders elegant mit ornamentierten Säulen
und Hermen gegliedert; ihr hoch aufgebauter und durchbrochener Deckel vor-
züglich schön. Sie steht der mecklenburgischen Prachtkanzel zu Bützow nahe.
Auch der Taufsteindeckel von 1624 ist ein tüchtiges Werk der Schnitzkunst,
stattlich in drei Stockwerken aufgebaut. In der B e g r ä b n i s k a p e 1 1 e der Familie
G u d e , zu der vom Chor eine hübsche Renaissancetür führt, sieht man noch eine
Anzahl Bruchstücke von Holzarbeiten, teils biblische Reliefszenen, teils Wappen,
mehrfach von trefflicher Ausführung. Geringeren Wertes sind die drei messingenen
Kronleuchter, schwache späte Werke, dagegen sind die beiden Wandleuchter im
Chor gute Arbeiten vom Anfang des 17. Jahrhunderts. Im Ganzen aber gehört
die Rendsburger Kirche noch zu den am wenigsten beraubten Gotteshäusern des
Landes neben der von Tondern und gibt noch einigermaßen einen Begriff dessen,
was einst so gut als alle besseren Kirchen hier waren. — Das Rendsburger Rat-
haus, ein Fachwerkbau, hat noch den Rest eines einst hübschen Backsteingiebels
des 16. Jahrhunderts; in der Stadt einige gut geschnitzte Fachwerkhäuser. — In
der Kirche von Segeberg eine treffliche Kanzel von 1612^) und zwei prächtige
messingene Kronleuchter aus dem 18. Jahrhundert, die noch an der alten guten
Form festhalten. Das benachbarte Warder besitzt in seiner Kirche eine ähn-
liche Kanzel, vortrefflich geghedert durch doppelte korinthische Säulchen und
ein fein entwickeltes Zahnschnittgesims, dabei in den Bogenfeldern Schnitzreliefs
aus der bibUschen Geschichte. Auch der Deckel, der ähnliche Formbehandlung
zeigt, stammt aus derselben Zeit. Wiederum von einem großartigen, leider
schlecht erhaltenen Monument zeugt die Kirche zu Lütj enburg.*) Es ist das in
einer Grabkapelle befindhche Reventlow-Denkmal. Trotz seiner starken Zer-
störung immer noch ein Werk von hoher künstlerischer Bedeutung, mit reichem,
1) R. Haupt a. a. 0. II, S. 212, Abb. 1107.
2) Das. II, S. 211, Abb. 1106.
3) Das. II, S. 379—80.
4) Vgl. die ausfuhr]. Beschreibung bei Eich. Haupt, Abgerissene Blätter zur Kunde Vater-
land. Altertümer in Wagrien. Ploen 1880. Derselbe, Bau- und Kunstdenkmäler etc. I, S. 141,
Abb. 1007—14.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl.
20
306 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
figürlichem Schmuck. Die Formen sind niederländisch, das Datum 1608. Es
ist das Ganze ein künstlerischer Gedanke, der in einer glänzenden Weise durch-
geführt war. Eine gotische quadratische Kapelle mit Kreuzgewölbe öffnet sich
mit einer Gittertür gegen die Kirche. Die Rippen stützen sich auf mit Stuck
verzierte Konsolen in den Ecken; an ihnen hängen reich gestaltete Engel aus
Stuck, leider alles verstümmelt; überall aber die Spuren einstiger Stuckaus-
schmückung. An der Nordseite ein erregtes Rehef des Jüngsten Gerichts, zum
Teil bemalt. Mitten darin steht nun das großartige Denkmal, ein sarkophag-
ähnhcher Unterbau, mit je drei Doppelsäulen auf den Langseiten geschmückt, da-
zwischen Figuren und Wappen, an den Ecken Postamente mit Statuen von Figuren.
Auf dem Denkmal selber knieen links Otto von Reventlow mit zwei Söhnen,
rechts seine Gattin Dorothea, geb. von Ahlefeld, mit zwei Töchtern, dazwischen
steht ein Kruzifix. Der Unterbau ist aus Sandstein mit Marmor, die Figuren von
Alabaster, alles wenig bemalt, doch an vielen Stellen vergoldet. Ein prächtiges
Werk derselben Zeit (1608) ist die Kanzel, mit korinthischen Säulen und da-
zwischen mit biblischen Reliefs aufs reichste geschmückt. Ebendort eine elegante
silberne Deckelkanne, 1631 von Frau Margarete Ratio w geschenkt, aber wohl
von etwas früherer Entstehung.
Hier ist noch der Ort, des verschwundenen prächtigen Ranzau-Begräbnisses
zu Itzehoe zu gedenken; die schön ausgestattete Gruft von 1590 ist aber ab-
gerissen, die Denkmäler auf der Nordseite der Kirche, des Johann d. A. und d. J.,
Moritz, Paul und vieler anderer, vor allem Heinrich Ranzaus selber, sind schmach-
voll zerstört. Nur eine Reihe von Abbildungen gibt uns einen Begriff des
Verlorenen.^) t
In der Kirche zu Bar kau, südlich von Kiel gelegen, ist die Kanzel vom
Jahre 1606 von ähnlicher Form, der Deckel aber durch prächtige tabernakel-
artige Aufsätze ungewöhnhch reich entwickelt. Neben der Kanzel ein messingener
Wandleuchter mit sehr schön stilisierten Blumenranken. Unter der Kanzel ein
Stuhlwerk aus etwas früherer Zeit, um 1586 entstanden, einfach gegliedert bei
maßvoller Profilierung, auf drei Feldern Flachreliefs der Kreuzigung, Himmel-
fahrt und des Jüngsten Gerichts, auf den übrigen schlicht behandelte Wappen,
von Rollwerk und Ranken umgeben. Ein tüchtig gearbeitetes Taufbecken von
Bronze, 1589 von Melchior Lukas zu Husum gegossen, sieht man in der Kirche
zu Nortorf. Es ruht auf drei schlicht behandelten Heiligenfiguren und ist
durch konzentrische Kreise mit Laubornamenten geschmückt. Der Deckel zeigt
eine besonders charaktervolle GUederung. Ein anderes bedeutendes Bronzewerk
ist die große Grabplatte des Ritters Iven Reventlow vom Jahre 1569 in der Kirche zu
Lebrade, nördlich von Plön. Es stellt den Ritter stehend in voller Rüstung dar,
die Partisane in der Rechten, die Linke am Schwertgriff, neben ihm seine beiden
Gemahlinnen und sein Sohn Gabriel. In den Zwickelfeldern des Bogens, der
die Gestalten umrahmt, sind zwei weibliche Gestalten mit Lorbeerkränzen und
Palmzweigen angebracht. Das ganze Werk ist in eingeschnittener Zeichnung durch-
geführt, die reichen Ornamentstreifen der Rüstung und des zu Füßen des Ritters
liegenden Helms und der Stahlhandschuh durch Niellen lebendig hervorgehoben.-)
—"Eine trefflich behandelte Kanzel von 1591 sieht man in der Kirche zu Gikau,
bei Lütjenburg am Seientersee gelegen. Sie gehört zu den besten ihrer Art und
zeigt eine besonders schön gegliederte Brüstung; doppelte korinthische Säulchen
auf reich geschmückten Stylobaten trennen die einzelnen Felder mit biblischen
Reliefszenen. Besonders elegant ist auch der Deckel mit seinen fein geschnitzten
Friesen, reich verzierten vorgekröpften Ecken und den ähnhch behandelten taber-
1) Abb. bei R. Haupt, Bau- xmd Kunstdenkmäler, II, S. 134, Fig. 1407—10, 1415.
2) Abb. bei R. Haupt, Bau- und Kunstdenkm. II, S. 134.
Kiel Museum
307
nakelartigen Aufsätzen. Eine fast identische Kanzel besitzt die Kirche in dem
an der anderen Seite des Sees gelegenen S el ent. Wie kunstreich und schwung-
voll damals in diesen Gegenden die Holzarbeit betrieben wurde, geht am klar-
sten aus dem Umstände hervor, daß selbst die kleinsten dieser Orte in ihren
Kirchen wenigstens eine schöne Kanzel besitzen. Dem Protestantismus war die
Stätte der Predigt selbstverständHch im Gotteshause das wichtigste und übertraf
an Bedeutung sogar noch den Altar. Ein reich mit Atlanten und Rehefszenen,
sowie mit üppigem Ornament im Metallstil geschmücktes Stuhlwerk aus dem
Anfang des 17. Jahrhunderts ist, freilich nur in Überresten, in der Kirche zu
Sarau bei Plön zu sehen.
Ansehnlichere Schätze besitzt Kiel, das zugleich im T hau! ow-Museum
treffliche Beispiele der alten Holzschnitzerei des Landes bewahrt. Besonders eine
Anzahl großer Schränke läßt die charakteristische Behandlung dieser wichtigen
Möbelgattung erkennen. Die einfacheren sind auf den Ecken mit vortretenden
Säulen eingefaßt und in den Flächen manchmal nur durch eingerahmte Felder
belebt. So ein meisterhaft behandelter Schrank vom Jahre 1604, wo die Ein-
fassung durch elegante, gegürtete und kannelierte korinthische Säulen gebildet
wird. Die abgeschrägte Pilasterfläche dahinter ist durch ein verschlungenes Band-
werk reich belebt; das Schönste aber ist der mit einer herrhchen Akanthusranke
dekorierte Fries, der unter einem korinthischen Konsolengesims das Ganze ab-
schließt. Die Ranke beginnt in der Mitte mit Engelfigürchen, welche ein Kar-
tuschenschild mit der Jahreszahl halten. Ein anderer einfacherer, auf hohen ge-
wundenen Füßen ruhender Schrank ist zweiteilig und durch feine ionische Säulen
aufs edelste gegliedert. Den unteren Teil bildet eine Schieblade, deren Ringe
durch prächtige Löwenköpfe gehalten werden.
Andere Werke sind von staunenswerter Üppigkeit der Behandlung und legen
Zeugnis ab von der hohen Blüte der dortigen Holzarbeit und zugleich von der
großen Mannigfaltigkeit, welche in Gliederung, Einteilung und plastischer Dekora-
tion dabei waltet. Auch die innere Einteilung ist sehr verschieden, da größere
und kleinere Kasten mit Schiebladen mannigfach wechseln, wie denn gewöhnlich
der Sockel und der Fries als Schubfächer dienen. Am stilgerechtesten sind ohne
Frage solche Schränke, die, wie der im III. Bande des Kunsthandwerks ab-
gebildete, ihre einzelnen Felder nur durch ein fein gegliedertes Rahmenwerk ein-
fassen, welches dann eine Relief darstell ung umschließt. An dem genannten Bei-
spiel sieht man in dem Hauptfeld eine biblische Darstellung. Der obere Auf-
satz ist mit Karyatiden dekoriert, der Fries durch Ranken von sehr eleganter
Zeichnung geschmückt. Bei anderen Werken tritt die Nachahmung der Stein-
architektur stärker hervor. So bei einem prachtvollen zweiteihgen Schrank, der
auf den Ecken gegürtete korinthische Säulen mit reich ornamentiertem Schaft,
in der Mitte die Figur eines Atlanten zeigt. Den oberen Aufsatz schmücken die
drei Kardinal lügenden als Karyatiden, von denen besonders die Caritas lebendig
komponiert ist. Den oberen Fries dekorieren trefflich ausgeführte Jagdszenen,
darüber zieht sich ein reicher Akanthusfries hin. Alle übrigen Teile sind aufs
prächtigste durch Laubornament, Fruchtschnüre, Masken und Löwenköpfe, letz-
tere an den Untersätzen, belebt. Endlich kommen dazu in den Hauptfeldern
sechs Reliefszenen aus dem Alten Testament. Es ist überhaupt bezeichnend für
den religiösen Sinn der Zeit, daß auch bei diesen Möbeln biblische Themata die
Hauptrolle spielen.
Während sämtHche bisher betrachtete Werke sich durch völliges Fernbleiben
von Rollwerk auszeichnen, tritt dieses an anderen gleichzeitigen Schöpfungen
1) Nach einer Zeichnung von Moldenschardt, von welchem mir mehrere treif liehe weitere
Aufnahmen vorliegen.
2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
mit großer Vorliebe auf. So an einem prachtvollen, vielfach gegliederten Schrank,
der in drei Abteilungen übereinander durch männliche und weibliche Hermen in
dem üppigsten Kartuschestil der Zeit geteilt wird. Gleiche Zierart tritt nicht
minder reich in dem mittleren und dem oberen Fries auf, mit Löwenköpfen,
allerlei Masken, Fruehtgewinden und geflügelten Engelköpfen belebt. Es ist eine
durchaus an niederländische Kunst erinnernde Behandlungsweise. Dazu kommen
in Nischen die drei Kardinaltugenden und in den größeren Hauptfeldern fünf
Szenen aus der Passion. Bei allen diesen Werken ist es bemerkenswert, daß
ausschließlich die Schnitzerei ihr künstlerisches Gepräge beherrscht, während wir
in Gottorp fast ebenso ausschließUch die Intarsia verwendet fanden.
Einiges Erwähnenswerte besitzt die Nikolaikirche. So eins der reich-
sten Epitaphien vom Jahre 1603, der Familie Claussen gewidmet, altarartig auf-
gebaut, mit jenen phantastischen durchbrochenen Bekrönungen, die nach der Sitte
der Zeit sich dann zu beiden Seiten als beschwingte Auswüchse gestalten. Das
Werk ist in allen Teilen mit allen Mitteln des Schweifstils ausgestattet, nament-
lich mit ornamentierten weiblichen Masken, Löwenköpfen, Engeln u. dgl., hängen-
den Tüchern und Fruchtschnüren, am meisten aber mit dem Rollwerk, das die
Grundlage damaliger Ornamentik bildet. Auf dieser Grundlage spricht sich un-
leugbar die feste Hand eines Meisters in dem Ganzen aus, das offenbar von der-
selben Hand stammt, wie das Glaussensche zu Rendsburg. EndHch ist der
messingene Kronleuchter zu erwähnen, einer der größten und schönsten dieser
Art (Abb. 182): die Arme in doppelter Anordnung mit eleganten Knäufen und
Ranken geschmückt, die oberen in originelle phantastische Masken auslaufend.
Er trägt die Jahreszahl 1661. Auch eine Grabplatte eines Grafen von Ranzau
an der°nördlichen Wand ist bemerkenswert wegen ihrer schön gravierten, in den
Stein eingelassenen Bronzeteile: Ranzauwappen und Umschrift, die wieder durch
kleinere Wappen unterbrochen ist.
Noch allerlei Gestühlteile sind vorhanden; das große Gestühl von 1600 und
die Emporen sind leider weggerissen, aber der schöne Ranzaustuhl unter der
Orgel mit Baldachin, hoher, geschnitzter Vorderwand und ebensolcher Wange
(Ornament und Wappen mit Adam und Eva, Isaaks Opfer, Kreuzigung, Tugenden)
ist sehr vorzüghch, 1543 datiert, vielleicht aber doch etwas später; gewiß aber
etwa das früheste wirklich vortreffliche Renaissancewerk des Landes.')
Das Schloß, einst ein höchst stattHcher Bau, den Herzog Adolf 1580 neu
errichtet, — ein zweites prächtiges Haus dabei war von H. Ranzau aufgeführt —
ist heute ein im 18. Jahrhundert wenig erfreulich zurechtgebautes Konglomerat.
Nur eine Reihe Säle im ersten Stock mit schönen Netzgewölben auf toskanischen
Säulen und eine Bogenhalle im Hof auf 11 Säulen, sowie das schwerbarocke
Portal mit Doppelsäulen erzählen noch von einstiger künstlerischer Gestaltung.
Von Privathäusern sind eine Reihe von Fachwerkhäusern mit profilierten
Überkragungen auf geschnitzten Kopfbändern oder Konsolen, auch mit Halb-
muscheln oder Fächern und figürlicher Bildhauerarbeit vorhanden, so am Nikolai-
kirchhofe, in der Haßstraße von 1576, Faulstraße, Dänischen, Schloßstraße usw.
Auch noch einige Portale sieht man, so in der Holstenstraße Nr. 31, nach
Lübecker Art; ein anderes in Terrakotta, von Pilastern und Friesen mit Ornament
eingefaßt, früh.
Eine originelle Kanzel findet sich in der Kirche zu Büchen, einem charak-
tervollen Gewölbebau der romanischen Übergangszeit mit sehr beachtenswerten
gleichzeitigen Gewölbmalereien. Die Kanzel, deren Brüstung durch Hermen mit
geschweifter Volutenform gegliedert wird, zeigt einen interessanten Versuch, den
1) Abb. b. R. Haupt, a. a. 0. I, S. 554.
Blichen Mölln
309
Schalldeckel in architektonische Verbindung mit der Kanzel zu setzen. Feine
korinthische Säulen, kanneliert und gegürtet, erheben sich auf der Brüstung und
tragen den hübsch kassettierten Baldachin, über dem als Abschluß über einer
teilweise zerstörten ornamentalen Bekrönung ein kleinerer Baldachin mit Heihgen-
Abb. 182 Kronleuchter in der Nikolaikirche zu Kiel
figuren emporsteigt. i) In der Kirche zu Mölln ist ein wirkungsvoll geschnitzter
Ratstuhl von mäßig barocker Form, datiert 1603, sowie der Bürgermeister-
stuhl von 1613 mit Baldachin und Hermenbrüstung bemerkenswert. Noch im
Charakter der Frührenaissance der originelle Stecknitzfahrer-Stuhl, vom Jahre
1576, der mitten unter dem anderen Gestühl stehend sich stattlich daraus her-
1) R. Haupt, Bau- u. Kunstdenkm. im Kr. Lauenburg Abb. 24.
310 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
vorhebt.^) In der Kirche zu Lauenburg ist das Orgelgehäuse ein kraftvoll be-
handeltes Werk aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und von prächtiger
Wirkung. Noch wichtiger die Überreste des ursprünglich den ganzen Chor der
Kirche einnehmenden Herzogsdenkmals, das schmachvollerweise vor etwa achtzig
Abb. 183 Herzogsdenkmal in der Stadtkirche zu Lauenburg
Jahren zerstört wurde. Wir geben das Denkmal nach einer alten Handzeich-
nung im einstigen Zustande (Abb. 183). Jetzt sind nur noch die lebensgroßen
Figuren des Herzogs und der Herzogin, im Gebet kniend, ethche Hermen, die
vier Evangelisten, außerdem Statuen von Rittern und Kaisern als disjecta membra
vorhanden. Die Behandlung dieser in Sandstein ausgeführten Figuren voll freier
edler Bewegung und gediegener Durchbildung der Köpfe und Hände zeugt von
großer Meisterschaft, aber wahrscheinUch von fremden Künstlern. Das groß-
artige Grabdenkmal war von Franz II. von Sachsen-Lauenburg 1590 bis 1600
errichtet. Unter dem Ghorbogen ein steinerner Lettner mit vieler Bildhauerarbeit,
1) Abgeb. in R. Haupt, Bau- u. Kunstdenkm. im Kr. Lauenburg, Eatzeburg. 1890. S. 121
bis 123, Abb. 100—102.
Lauenburg Lüneburg
311
mit Hermen eingeteilt, mit drei Gittertoren sich öffnend, vor der Mitte die Kanzel ;
im Chor der Altar, ein Prachtwerk zwischen Durch gangstüren. An der Südwand
des Chors ein steinerner Stammbaum mit 64 Wappen, bis ans Gewölbe. Vor
ihm fünf Statuen von Kaisern und Fürsten. Gegenüber Franz' II. Denkmal, ganz
ähnlich dem Lütjenburger Reventlowdenkmal ; sarkophagähnlicher Unterbau, sehr
reich mit Reliefs, dazwischen Figurennischen. Oben kniend die beiden Statuen
zu Seiten eines Kruzifixes. An den vier Ecken des Stufenunterbaus vier Statuen
von Tugenden.') Rechts und links vom Altar reiches Gestühl; Rüstung und
Fahne. Der Taufstein mit Deckel vollendete die reiche Ausstattung des auch
schön bemalten und vergoldeten Mausoleums. — In der Kirche zu Eutin ist die
Kanzel, sowie ein Epitaph bemerkenswert.
Diese Angaben genügen, um den eigentümlichen Kunstbesitz Schleswig-
Holsteins ins Licht zu setzen. Es liegt aber für die Empfindung eine eigentümliche
Übereinstimmung in der Lage des Landes, sozusagen im Winkel, in seiner Ge-
schichte, in der Art seiner in sich zurückgezogenen Bewohner und in seiner Kunst.
Die flachen Gegenden der Marschen wie des öderen Geestlandes, die nied-
rigen Bauwerke mit großen Dächern, die stattlichen Ziegelkirchen, die sich doch
vor dem Winde unter kolossalen Dächern an die Erde zu drücken scheinen, alles
drängt den Menschen nach der Seite eines gesteigerten Innendaseins auch in
Hinsicht auf seine Baulichkeiten.
Lüneburg
Lüneburg ist fast ein Lübeck im kleineren Maßstabe; zugleich bezeichnet
die Stadt die südliche Grenze des niederdeutschen Backsteinbaus. Schon in Gelle
hat dieser aufgehört und dem mitteldeutschen Fachwerkbau der Harzgegenden
Platz gemacht. Im Mittelalter und noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
beherrscht der derbe niederdeutsche Backsteinbau hier die ganze Profanarchitektur.
Die Bürgerhäuser stehen in der Regel mit den einfachen Stafi'elgiebeln nach der
Straße zu. Der Erker kommt hier so selten vor, wie in Lübeck oder Danzig,
nur ein paarmal finden sich ganz bedeutungslose Fachwerkerker aus später Zeit
dem Erdgeschoß und ersten Stock vorgesetzt: ein von den hannoverschen Städten
ausgehender Einfluß. Mit dem 16. Jahrhundert bürgert sich die Renaissance ein,
doch in etwas anderer Art als zu Lübeck.^) Wie dort nämUch werden zwar die
Fensternischen und Lisenen durch jene schräg gerippten Rundstäbe gegliedert
oder eingefaßt, ebenso die Friese und die Medaillons, welche die Stockwerke
trennen, damit eingerahmt. Die Friese waren vielleicht als mit Terrakottareliefs
geschmückt gedacht, die indes in den meisten Fällen nicht ausgeführt sind. Da-
gegen trifft man häufig farbig glasierte Tonplatten mit den Medaillons zeitgenös-
sischer Bildnisse, Wappen u. dgl. Denkt man sich die Fassaden in dieser Weise
geziert, so müssen sie, die jetzt durch den dunklen Ton des Backsteins etwas
Düsteres haben, von prächtiger Wirkung gewesen sein. Das Hauptbeispiel dieser
Art ist der große Giebel, der die lange Perspektive des Hauptplatzes Am Sand
dominierend abschheßt, bezeichnet 1548. Die einfassenden Rundstäbe mit ihrem
schrägen Rippenwerk machen geradezu den Eindruck von Laubkränzen, welche
die Bilder umrahmen. Die dekorierenden Medaillonköpfe, Wappen imd figürlichen
Darstellungen, Knaben auf Delphinen, Simson mit dem Löwen, mit den Toren
von Gaza u. dgl. sind lebensvoll behandelt.^) Auch dem kleinen danebenstehenden
1) Daselbst, S. 92, Abb. 72, Nachtrag, Tafel VI, VII.
2) Einige Abbildungen in den Publ. des Lüneb. Altert.-Ver. Dazu Ortweins D. Renaiss.
Abt. 40 von G. Heuser.
3) Taf. 2 bei Heuser (Ortwein, D. Eenaiss. Abt. 40). A. Haupt, Backsteinbauten d. Ren. in
Norddeutschi. Taf. II — IV, wo die wichtigsten Typen dieser Entwicklung dargestellt sind. Noch
ausführlicher in Kunstdenkm. der Prov. Hannover, Fig. 129, 130, 137 — 139, 145, 148, 152—155.
312 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Ivüstengehiete
Abb. 184 Haus an der Lünertorstraße zu Lüneburg
Giebel hat man denselben Schmuck gegeben. Von besonderer Wucht und male-
rischer Kraft der wundervolle Giebel in der Lünertorstraße (Abb. 184). Ein anderes
noch etwas früheres Beispiel vom Jahre 1543 bietet die Fassade An der Münze
Nr. 9. Die farbig leuchtenden Reliefmedaillons mit den zeitgenössischen Porträt-
köpfen sind derb und lebendig ausgeführt.
Etwas später tritt eine Veränderung im Stil jener Terrakotten auf. Statt
des farbig geschmückten Flachreliefs stellen sich im kräftigsten Hochrelief weit
vorspringende Köpfe ein, die nun keine Glasur mehr erhalten. Der malerische
Stil macht einem plastischen Platz. Ein charakteristisches Beispiel dieser Art
Lüneburg
313
Abb. 185 Haus "Witzendorff zu Lüneburg
gewährt das Haus Witzendorff von 1559 in der Bardowiker Straße Nr. 30 (Abb. 185),
mit sehr gut behandelten Relief köpfen ^) und vom Jahre 1560 das Haus am Markte
Nr. 1, wo diese Köpfe und die Wappen in Sandstein eingesetzt sind. In der Mitte
ein hübsches Barockschild, von Engeln gehalten. Um diese Zeit dringt also der
Hausteinbau ein und findet namentlich an einzelnen Prachtportalen, offenbar nach
1) Abb. bei Heuser, Taf. 3.
314 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
dem Vorgange von Lübeck, seine Verwendung. So an dem Hause Neue Sülze
Nr. 27. Ein anderes in der Großen Bäckerstraße Nr. 30, mit korinthischen, am
untern Teil mit Metallornamenten bedeckten Säulen eingefaßt. Das Prachtstück
aber in derselben Straße Nr. 9 ist die Ratsapotheke; hier hat das Portal seithch
Hermen, die medizinische Gefäße halten und an den Schäften reich dekoriert
sind (Abb. 186); darüber ist ein Bogen mit Masken und Festons, in den Zwickeln
zwei sitzende weibliche Figuren. Das Portal ist, nach Lübecker Vorbild, von un-
gewöhnlicher Höhe.
Ein besonders merkwürdiger Rest einer Terrakottenarchiiektur im Stil der
Wismarer und Gadebuscher Arbeiten ist übrigens auch hier vorhanden, in der
Straße Neue Sülze: der obere Teil eines feinen Portals im Stichbogen zwischen
Ornamentpilastern, mit halbrundem Aufsatz, darin ein glasiertes Reliefporträt
Karls V., alles mit geradezu ausgezeichneten Ornamenten der Frührenaissance
bideckt; ein Vorläufer jener Arbeiten. An der Hausfront noch Spuren einer schön
ornamentierten Pilasterordnung.') (Abb. 187.)
In charaktervoller Weise haben die verschiedenen Kunstepochen sich am
Rathause ausge-
sprochen. Es ist gleich
dem von Lübeck ein
Zusammenbau aus
mehreren Perioden,
und dann immer noch
durch neue Ansätze
vergrößert. Im wesent-
lichen ein schöner
Backsteinbau mit Gie-
beln, Taustäben, Gla-
suren, langgestreckt
mit mehreren Quer-
flügeln aus verschie-
denen Zeiten des Mit-
telalters stammend, ist
es äußerlich ohne groß-
artigere Gesamtwir-
kung, die Hauptfront
am Markt vor allem,
weil sie mit ihren Bo-
genhallen und den mit
Figurennischen ge-
schmückten Pfeilern
infolge starker Bau-
fälHgkeit später mehr-
fach zurech tgebaut
und zuletzt überputzt
ist. Einst war hier eine
prächtige achttürmige
Backsteinarchitektur
auf der Grenze zwi-
schen Gotik und Re-
Abb. 186 Portal der Eatsapotheke zu Lüneburg
1) Abgeb. b. A. Haupt,
Backsteiiibauten etc.,Taf.
XXI.
Lüneburg Rathaus
315
naissance. Man liest: Exstructum 1520, renovatum 1763. Von höchstem Interesse
aber ist das Innere, das in verschiedenen Epochen eine zum Teil prachtvolle
Ausstattung erhalten hat. Noch gotisch ist die Anlage der mit hölzernem Tonnen-
gewölbe überdeckten Ratslaube, des alten Ratsaals, der durch seine Glasgemälde,
seine schönen Bodenfliesen, darin vor den Sitzen der Ratsherren noch die Öff-
nungen der Luftheizungsröhren mit ihren Metallverschlüssen, mit einer herr-
lichen Decken- und Wandmalerei und der völlig erhaltenen Wandvertäfelung, mit
ihren Schranken und dem Ratstuhl einen unvergleichlich harmonischen Eindruck
macht (Abb. 188); dieser gehört der Renaissance an, die Stühle sind mit ihren ein-
gelegten Holzmosaiken 1594 ausgeführt. Die Gemälde der Decke, die ganze Aus-
stattung mit Ausnahme der Deckenrippen, der schönen Wandtäfelung und Schränke,
der Fenster und des Fußbodens sind in ihrer Art das beste und umfänglichste
Werk der frühen Renaissance in Deutschland; zugleich in der Wirkung wohl das
feinste; im ganzen auch das besterhaltene. Die durch gotische Leisten in fünf
Felder quergeteilte Decke hat in der Mitte fünf Runde mit Wappen, nach beiden
Seiten sind Bogenarchitekturen mit Pilastern darum gemalt, historische Szenen
enthaltend. An der geschlossenen Längswand erscheinen dann zwischen Kamin
und Fensterwand fünf Felder mit je zwei männlichen Gestalten, auf den Rahmen
dazwischen aufsteigende Ornamente ; zwischen Kamin und der Eingangsseite eine
reizvolle Kande-
laber- und Bogen-
architektur mit ei-
nem turnierenden
Ritter darin, das
beste Stück der De-
koration. Der Stil
der Bilder weist auf
Süddeutschland
hin und ruft die Er-
innerung an Hans
Schäufelein wach.
Sie sind mit Tem-
perafarbe gemalt.
Der Rest der Flä-
chen ist mit frü-
hen Ornamenten be-
deckt ; fast alles
steht auf gelb-
lichem Grunde. Der
Eindruck des Rau-
mes ist unver-
gleichlich.^)
Am Eingang
des Saales bilden
zwei ungleiche
Flachbögen auf
kräftigerRundsäule
eine Art Vorhalle.
mm
1) Kunstdenkm.
der Provinz Hannover
III, Hannover 1906,
Fig. 62, 67.
Abb. 187 Haus an der Neuen Sülze zu Lüncburs
316 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Im Flur ist ein prachtvolles Eisengitter von Hans Rüge 1576 ausgeführt, ohne
alles phantastische Element, nur mit schön stilisierten Blumen geschmückt, i)
Das Vorzimmer der Ratstube rechts vom Eingange im Erdgeschoß zeigt eine gute
Holztäfelung vom Jahre 1604. Neuerdings hat man darunter an der Wand reiz-
volle Malereien gefunden, grau in grau gemalte trefifhche Ornamente auf rotem
Grunde, mit figürlichen Darstellungen untermischt; der Maler hat sie mit der
Jahreszahl 1567 bezeichnet; er selbst ist inzwischen ermittelt und Peter up
dem Borne; er „vermalte" in diesem Jahre das Vorgemach „daer de huesdiener
Sitten". Offenbar ist es dieselbe Hand, die nach 1570 das Innere des Rathauses
zu Krempe in Holstein in ganz ähnlicher Weise ausmalte.
Abb. ISS K;itslaul)e zu Lüneburg
Den Stolz des Rathauses bildet aber die Ratstube, 1566 — 78 durch Gerd
Suttmeier und Albert von Soest mit einer künstlerischen Ausstattung versehen, die
an Reichtum des Einzelnen alles überbietet, was deutsche Schnitzkunst hervor-
gebracht. Man liest daran: Albertus Suzatiensis fecit. Zunächst sind die Schranken
mit den Sitzen für die Ratsherren an den Wangen aufs reichste mit zierlich aus-
geführten Reliefs der biblischen Geschichte dekoriert (Abb. 189). Man sieht das
Urteil Salomonis, das Jüngste Gericht, Moses das Volk strafend, dazu die Statuetten
von Moses, Aron und Josua, alles in kleinstem Maßstabe mit hoher technischer
Meisterschaft durchgeführt. Einfacher ist die Bekleidung der Wände, sowie die
kassettierte Decke mit ihren vergoldeten Rosetten. Der Künstler hat sich die
Hauptwirkung für die architektonisch hervorragenden Teile aufgespart. Schon die
Friese mit den herrlichen kleinen Köpfchen, die aus den Ranken hervorragen, ge-
1) Daselbst, Fig. 81.
Lüneburg Rathaus 317
hören zum Köstlichsten ihrer Art. Alles
dies hat Suttmeier hergestellt, nur an
den Wangen des Ratsstuhles hat Albert
mitgearbeitet. Aber die größte Pracht
entfaltet sich an den vier Türen des
Albert von Soest, die er nach des älteren
Meisters Tode (f 1568) allein herstellte.
Die beiden ersten einfacheren in den
Ecken sind mit weiblichen, zum Teil
wundervollen Gestalten eingefaßt und
mit figurenreichen Reliefszenen bekrönt
(Abb. 190). Eine dritte Tür hat eben-
falls Karyatiden und im Aufsatz das
figurenreiche Relief des Jüngsten Ge-
richts. Die Karyatiden stecken mitten
in einer Art Korb, aus dem ihre Füße
wieder hervortreten (Abb. 191). Alles
wird aber überboten durch die Eingangs-
tür, vor die als Stützen des Gebälks völlig
durchbrochen gearbeitete Säulen treten
(Abb. 192), in unglaublichem Reichtum
mit Voluten, Masken und Hermen sich
aufbauend, in der Mitte Nischen mit
Kriegerstatuetten enthaltend. Diese sind
eingerahmt von Pfeilern, die wiederum
auf Postamenten mit spielenden Putten
kleinere Statuetten der Tugenden zeigen
unter von Genien gehaltenen Baldachinen.
Darüber türmt sich nach Art mittelalter-
licher Bekrönungen und mit reichlicher
Anwendung von durchbrochenen goti-
schen Fenstern, Strebepfeilern und Fialen
ein Oberbau auf, der mit den winzigsten
Figürchen und allen erdenklichen Ele-
menten der Renaissanceornamentik aus-
gestattet ist. Das Ganze bietet den Ein-
druck höchster Üppigkeit, von jener be-
wundernswürdigen Phantastik, die aucli
am Sebaldusgrabe Peter Vischers waltet,
freilich ist alles hier überladener und von
einem minder reinen Formgefühl be-
herrscht, jedenfalls aber in staunens-
werter Technik mit miniaturartiger Fein-
heit durchgebildet. Dazu kommen über
den zwei großen Portalen prachtvolles
Gebälk mit Ornamentfries und Konsolen-
gesims, darüber gleich üppig geschnitzte
Aufsätze. Der über der Eingangstür hat
in der Mitte zwischen Hermen die Frei-
gabe einer karthagischen Jungfrau, links
und rechts niedriger der Ritter Gurtius,
rechts der Tod des Regulus. Der Mittel-
318 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
teil hat über dorischem
Gebälk einen Giebel mit
Ornamenten, reichlich
mit Wappen gekrönt ;
links und rechts vom
unteren Teil sind ge-
schnörkelte Zwickel und
freistehende Posaunen-
engel. Das Ganze von
überwältigender Pracht,
zu der freilich der ein-
fache Türflügel Gerd
Suttmeiers in einigem
Kontrast steht. — Der
Stil der Schnitzereien
deutet aber unverkenn-
bar daraufhin, insbeson-
dere die Bildung jener
wunderbaren Säulen und
der gegenüberstehenden
Karyatiden im Korb, daß
Albert von Soest in
Frankreich gewesen sein
muß und dort einen
Teil seiner Schulung
empfing.
Die Ratstube schmück-
te als dritter Daniel Frese
mit einer Reihe deko-
rativer allegorischer Ge-
mälde, die den Eindruck
des Ganzen erst vervoll-
ständigen.
Noch ist der mächtige
Fürstensaal zu nen-
nen; an den Wänden über
der schönen gotischenTä-
felung sind gemalte Bild-
nisse von Fürsten und
Fürstinnen im Charakter
des 15. Jahrhunderts;
auch an der Balkendecke
Gemälde, Brustbilder der
Kaiser und Könige in
Medaillons und Orna-
mente aus der Spätzeit
der Renaissance. Die
Decke ist um 1607 von
Daniel Frese gemalt
(Abb. 193). Fünf mittel-
alterliche Kronleuchter
mit figürlichem Schmuck
und ein sechster in streng
gotischem Stil beleuchten
den Saal.
Von den anderen Räu-
men bewahren noch meh-
rere ihre gute alte Re-
naissanceausstattung ; zu-
erst die Bürgermeister-
kammer hinter der Rat-
stube ihre hübsche Täfe-
lung mit ionischen Pila-
stern und vertäfelte Bal-
kendecke ; die große Kom-
missionsstube besitzt eine
Täfelung mit Hermen-
gliederung und Bänken
davor ; zwischen den Her-
men Bogenfüllungen mit
korinthischen Pilastern ;
alles reich geziert, auch
die Flächen vielfach ein-
gelegt. Darüber bis zur
Decke Täfelung mit io-
nischen Pilastern ; die
reiche Tür mit Aufsatz
hat vortretende Säulen,
Rollwerkfries, Aufsatz
und Intarsien, die Decke
verkleidete Balken. Das
Zimmer ist von dem Lü-
neburger Warnecke Bur-
mester 1584 fertiggestellt.
— Ähnlich mit ionischer
Pilastertäfelung und Holz-
decke das Standesamt.
Die Sülfmeister-Körkam-
mer hat stattlichen Stein-
kamin auf Figurenhermen
und zweifachem Schnör-
kelaufsatz ; die Balken-
decke ist mit zierlicher
Ornamentik bemalt.
Zu den größten Schät-
zen gehörte sodann die
Silberkammer des Rat-
hauses, eine vielleicht
unvergleichliche Samm-
lung von Prachtgeräten
aus den verschiedenen
Epochen der Gotik und
der Renaissance, jetzt im
Kunstgewerbemuseum zu
Lüneburg Rathaus 319
Abb. liU Tür vom llatsaal zu Lüneburg
320 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Berlin.') Für unsere Betrachtung sind von
besonderer Bedeutung die herrlichen Pokale,
welche die ganze Mannigfaltigkeit der Re-
naissance im Aufbau, den dekorativen For-
men und dem figürlichen Schmuck verraten
(Bd. I, Abb. 48). Der Münzpokal vom Jahre
1536, der eine Elle hohe vergoldete Pokal
von 1538, ein anderer von 1562, wieder ein
anderer, über 0,60 Meter hoch, von 1560, ein
kleinerer von 1586 und ein ganz großer von
1600 mögen hier als die wichtigsten kurz
erwähnt werden. Zu den edelsten Werken
zählen aber die beiden silbernen Schüsseln
mit dem Stadtwappen, in der Mitte und am
Rande mit Laubfriesen und kleinen Porträt-
medaillons geschmückt, endlich die große
Waschschüssel von 0,60 Meter im Durch-
messer vom Jahre 1536.
Einiges ist noch aus der Johannis-
kirche nachzutragen. Besonders frisch das
bemalte Steinepitaph eines Ludolf v. Dassel
(f 1537), mit reichem, gut behandeltem
Pflanzenornament, das Ganze in den Formen
bezeichnend für das erste Auftreten der Re-
naissance in diesen Gegenden. Von 1575 das
Denkmal des Fabian Ludich (f 1571) von
Albert von Soest, Kreuzigungsrelief in reich
ornamentiertem Bogen, darüber flacher Giebel.
Um zwei Kirchenpfeiler gebogen die präch-
tigen großen Denkmäler des Hartwig (f 1539)
und Nikolaus Stöterogge (f 1561); große Re-
liefs in architektonischen Rahmen.^) Von ele-
gant ausgebildeter Renaissance ist die Täfe-
lung hinter den Ghorstühlen, deren Laub-
friese mit den Relief köpfchen an die Arbeiten
im Rathaus erinnern, wenn sie auch nicht
von derselben Vollendung sind. Doch erscheint
die Arbeit voll Geist; nur die Karyatiden und
Atlanten zeigen den Stil der späten Zeit. Die
Täfelung ist 1593 von Warneclx Burmester
ausgeführt. Auch die Brüstung einer Empore
ist in ähnlichem Schnitzwerk um dieselbe
Zeit hergestellt.
Zahlreiche Fachwerkbauten in der Stadt
weisen auf die Nähe der niedersächsischen
Berge hin; es sind vorwiegend vorgekragte
Obergeschosse oder Giebel über massivem
Erdgeschoß; auf geschnitzten Konsolen über
eigentümlich tief geschnitzten Füllhölzern
die langen verzierten Schwellen, unter den
1) Abb. bei Heuser, Taf. 11 — 20.
2) Abb. in Kunstdenkm. a. a. 0. S. 106, 108, 109.
Lüneburg
321
Fenstern die Halbkreise, Fächer oder Ornamentdreiecke Niedersachsens in präch-
tigster Schnitzerei. Die Flächen sonst einfach; die Fächer mit Mustern aus-
gemauert, Türen, auch wohl Fenster in mannigfachen Bogen und Vorhanglinien.
In Einzelheit und Behandlung herrscht eine örthch-eigenartige Behandlung, i)
An Holzdecken, auch Stuckdecken, Kaminen und ähnlichem sind die alten
Patrizierhäuser der Stadt noch immer nicht arm, trotz starker Abwanderung.
Abb. Iü:-) Fürstcnsaal im liatiiaiis zu Lüneburg
Ein Fremdling, wohl niederländischer Herkunft, steht das Eckhaus Lüner-
straße 21 (jetzt Hauptsleueramt) hier ganz wunderUch und allein. An der Haupt-
front hat das dreigeschossige Haus zwei Säulenordnungen übereinander, die untere
dorische mit Rustikabändern faßt zwei Fensterreihen, die ionische eine viel höhere
zwischen sich; die längere Seite hat nur Pilaster. Diese Sandsteinarchitektur
ist ganz eigentümlich behandelt; die unteren Säulen stehen auf hohen, stark ver-
zierten Sockeln, der Architrav des Hauptgesimses ruht auf Konsolen zwischen
den Säulen. Die Fenster haben ihre Architektur verloren. Trotzdem bleibt ein
eigenartig starker Eindruck des von Peter Böige vor 1584 erbauten Hauses.
Alles Steinwerk dazu ließ er in Hamburg „fertigen und hawen und hir anbringen".
Vielleicht kam es aber nur über Hamburg.")
Noch ist der Springbrunnen auf dem Markt vor dem Rathaus, ein
Metallbecken mit kleinen figürlichen Darstellungen, hier zu nennen als ein Werk
der Frührenaissance. Nur das untere gußeiserne Becken verdankt man moderner
Herstellung. Auf der Säule eine winzig kleine etwas droUige Diana mit Bogen
1) Näheres in: Kimstdenkmäler der Prov. Hannover, Stadt Lüneburg, S. 379 ff., wo eine
Fülle schöner Abbildungen dies erläutert.
'■^) Abb. das. Fig. 151.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 21
322 2. Bach Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
und Pfeil in einer an Dürer erinnernden, stark gespreizten Stellung
zahl 1530 hat nichts Unwahrscheinliches.
Von Hamburg hat der verheerende Brand des
Die Jahres-
Jahres 1842 nicht viel
Altertümliches übrig-
gelassen, so malerisch
auch die inneren Teile
der Stadt mit ihren
an Holland erinnern-
den hochgiebligen
Häusern sind.i) Als
eines der wenigen bis
vor kurzem noch vor-
handenenBeispiele des
energisch ausgebilde-
ten Profanbaues der
Renaissance geben wir
unter Abb. 194 ein
Giebelhaus der Gr.
Reichenstraße, eine je-
ner Fassaden, die in
ihren Flächen, wie in
sämtlichen Gliederun-
gen an Fenstern und
Portalen, Gesimsen
und Pilasterstellungen
aus Sandsteinen be-
stand. Die niedrigen
Verhältnisse derStock-
werke gaben den Pi-
lasterstellungen etwas
Verkrüppeltes, aber
die derben Formen, die
klare Einteilung und
Gliederung und die le-
bensvolle Ausbildung
des Giebels mit seinen
kräftig wirkenden Ni-
schen, seinen barocken
Schweifvoluten und
aufgesetzten Pyrami-
den machten einen
tüchtigen Eindruck.
Ein statthcher Giebel-
bau von ähnlicher An-
lage ist der sogenannte
Kaiserhof vom Jahre
1619, jetzt im Hofe
des Kunstgewerbe-
museums, ebenfalls mit energischen antikisierenden Säulenstellungen, dazu in
Bogenzwickeln und andern Flächen mit flott behandeltem Bildwerk dekoriert.^)
Abb. 194 Kranzhaus zu Hamburs
1) D. Renaiss. Abt. 41 von Georg Heuser.
2) Abbildungen in der Schrift: Hamburg, histor.
n. baugeschichtl. Mitteil. 1869.
Hamburg Bremen
323
Eine andere nicht mehr vorhandene Fassade von reicher Durchbildung ist eben-
falls in Abbildung erhalten. i) Von den eleganten steinernen Waschbecken, welche
auf den Fluren ansehnlicher Häuser nicht zu fehlen pflegten, sind noch zwei zu
sehen. ^) Endhch muß der Turm der Katharinenkirche wegen der Schön-
heit der Verhältnisse und der Anmut seiner feingeschwungenen Umrisse erwähnt
werden.
Bremen
Ganz anderes bietet uns die dritte Hansestadt Bremen. Ihre Entwicklung
besitzt manche Verwandtschaft mit der Lübecks. Wie dort finden wir hier,
und zwar schon seit Karls des Großen Zeiten, einen Bischofssitz, unter dessen
Obhut die Stadt im frühen Mittelalter sich immer kräftiger entwickelte, bis sie
im Kampf mit ihren Bischöfen sich allmählich zur Unabhängigkeit aufschwang
und als Mitglied der Hansa machtvoll erblühte. Aber während im Anfang der
neuen Zeit der Rat von Lübeck sich lange und hartnäckig gegen die Refor-
mation wehrte, gebührt Bremen der Ruhm, unter den niederdeutschen See-
städten zuerst Luthers Lehre mit Hingebung erfaßt und durch seinen Eifer im
Schmalkaldischen Bunde, durch hochherziges Standhalten nach der Schlacht von
Mühlberg zur Rettung des Protestantismus vor dem Untergange wesentlich bei-
getragen zu haben. In der architektonischen Anlage der Stadt spricht sich, ähn-
lich wie in Lübeck, ihr doppeltes Wesen aus ; aber während dort der Mittel-
punkt der geistlichen Gewalt des Mittelalters an dem einen Ende der Stadt eine
abgesonderte Lage einnimmt, steht hier der mächtige Bau des Domes im Herzen
Bremens, gegenüber dem stolzen Bau seines Rathauses, und der Domhof samt
dem Marktplatz ergeben in ihrer Verbindung eine Platzgruppe von großartiger
Wirkung. Langgestreckt, ähnlich wieder wie Lübeck, zieht sich die alte Stadt
am rechten Ufer der Weser hin; erst später wurde das linke Ufer mit der neuen
Stadt besetzt.
Die Renaissance tritt auch hier nicht früh auf, aber sie treibt in dem groß-
artigen Bau des Rathauses^) eine ihrer prachtvollsten Blüten (Abb. 195). Der
Bau ist seinem Kerne nach eine Schöpfung des Mittelalters, 1405 bis 1410 er-
richtet: ein mächtiges Rechteck, an den Schmalseiten durch Portal und hohe
Spitzbogenfenster darüber belebt. An diesen einfachen gotischen Bau fügte man
1612 die prächtige Front nach Süden mit Bogenhalle, breit vorspringenden
Erker- und Giebelbau in der Mitte und riesig hohen Fenstern des oberen Stock-
werks. Auf zwölf dorischen Säulen ruht die in der ganzen Länge den Bau be-
gleitende Halle, deren Rippengewölbe in der Wand auf reichen Konsolen aufsitzen.
Im ersten Stock bildet sich über der Säulenhalle ein von durchbrochenem Stein-
geländer abgeschlossener Altan, in der Mitte durch den vorgebauten Erker unter-
brochen, aber durch Türen darin wieder verbunden. Die ehemaligen vielleicht
spitzbogigen Fenster des Obergeschosses wurden in sehr hohe rechteckige ver-
wandelt und abwechselnd mit gebogenen und dreieckigen Giebeln gekrönt. Den
Abschluß des Ganzen bildet ein elegant verzierter Fries mit kraftvollen Kon-
solen und darüber einer durchbrochenen Balustrade, die mit kleinen Pyramiden
und an den Ecken mit Statuen besetzt ist. Darüber ragt dann in der Mitte der
hohe Giebel des Erkers und auf beiden Seiten je ein kleinerer Dachgiebel auf.
Alle diese Zusätze sind dem Backsteinkern des Baues in durchgebildetem
Quaderbau angefügt.
1) Samml. des Vereins für Hamburgische Geschichte.
2) Abbildungen ebenda.
3) Vgl. die Monogr. von Müller, Das Rathaus zu Bremen. Dazu Ortweins D. Renaiss. Abt. 34
von J. Mittelsdorf, Taf. 1—33.
324 2- Blich Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Muß schon das Bauwerk in seiner Erfindung als ein Meisterwerk ersten
Ranges bezeichnet werden, so gehört vollends seine Durchbildung zu dem
Vollendetsten, was wir in diesem charakteristisch durchgebildeten Renaissancestil
in Deutschland besitzen. An Schönheit der Verhältnisse, an meisterhafter Be-
handlung der architektonischen Glieder, an Feinheit in ihrer Ausbildung über-
trifft es z. B. weit die ja im Verhältnis unbedeutende Marktfront des Lübecker
Abb. 195 Ratliaus zu Bromun Ostscito
(Aufiialime der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Rathauses, erreicht an schwungvoller wie geschickter Anwendung bildnerischen
Schmuckes selbst den Friedrichsbau in Heidelberg. Alle Flächen sind mit Skulp-
turen bedeckt, in den Zwickeln der Arkadenbögen sind es Figuren antiker Gott-
heiten und anderer sinnbildlicher Gestalten; meisterhaft aber vor allem sind die
großen Friese prachtvoll bewegter phantastischer Meeresgeschöpfe oberhalb der
Bogenhalle, Nachklänge jener berühmten antiken Gestalten, deren Erfindung ge-
wissermaßen bis auf Skopas zurückgeht. Ein stürmisch bewegtes Leben spricht
sich hier mit Kraft und Kühnheit aus, als trefflicher Ausdruck für die Beziehungen
der Seestadt zu dem nahen Meere. Dieser reiche Schmuck gewinnt an dem
Erker und den Dachgiebeln erhöhten Glanz und verbindet sich dort mit Säulen-
stellungen, Hermen und all den phantastisch malerischen Formen dieser üppigen
Zeit. Dazu kommt, daß das Figürliche, das hier in solchem Umfang zur An-
wendung gebracht ist, größtenteils von sehr geschickten Händen herrührt, so daß
die Ausführung hinter der Absicht kaum zurückbleibt. Nach alledem muß man
Bremer Rathans
325
Abb. 196 Wendeltreppe über der Peinkammer im Rathaus zu Bremen
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
den sonst unbekannten Meister dieses Baues, Lüder von Bentheim, zu den liervor-
ragendsten Künstlern unserer Spätrenaissance zählen. Sind dagegen die zwischen
den Fenstern beibehaltenen, aus dem Mittelalter herrührenden Statuen ohne höheren
Kunstwert, so erhöhen sie doch in ihrer strengen Erscheinung die feierliche Pracht
des Gebäudes.
326 2- Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Im Innern besteht das Erdgesclioß aus einer Halle, deren Decke auf ein-
fachen Holzpfeilern ruht. Nur ein Portal in kräftig reicher Schnitzarbeit ist hier
zu erwähnen. Auf einer derb aus Holz hergestellten Wendeltreppe gelangt man
in den oberen Saal, der die ganze Ausdehnung des Gebäudes, 45 Meter Länge
bei 13 Meter Breite und etwa Ü Meter Höhe umfaßt. Er hat eine prächtig mit
Renaissanceornamenten be-
malte Balkendecke, rings an
den Wänden Täfelwerk, zum
Teil neuerdings durch Poppe
in prächtigsler Weise ver-
vollständigt, an der Fenster-
seite Bänke um die 17-' Meter
tiefen Fensternischen, mit
hübsch geschnitzten Wangen
und Seitenlehnen geziert.
An der Innern Langseite
des Saales sieht man eine
Tür zu einem angebauten
Sitzungszimmer, mit Putten
und Akanthusranken in ein-
facher Frührenaissance, in-
schriftlich 1550 ausgeführt.
Daneben ein zweites, 1577
von Herzog Julius von Braun-
schweig gestiftet, aus Mar-
mor und Alabaster mit Ju-
stitia im Giebel. Die größte
Pracht entfaltet sich aber an
der hölzernen Wendeltreppe,
die zu dem im Erkerbau an-
gebrachten oberen Sitzungs-
zimmer führt, mit 1G16 be-
zeichnet (Abb. 196). Die
Spindel der Treppe trägt eine
hüchmalerische, geschnitzle
Minerva. Das Äußere des
Einbaus selbst ist ebenso mit
der prachtvollsten Schnitze-
rei bedeckt. Hier ist gerade-
zu alles in Ornamente und
in Figuren aufgelöst, nament-
lich das Portal außen und
innen von der erdenklichsten Üppigkeit, davor auf einer Säule die Figur eines
Herkules. Es ist die rauschendste Musik des Schweifstils in einem fast betäu-
benden Fortissimo. Auch das untere Sitzungszimmer, die Güldenkammer, zeigt
eine prachtvoll geschnitzte Tür (Abb. 197). Neben den Holzskulpturen im Rathaus
zu Lüneburg sind diese Arbeiten die glanzvollsten Schöpfungen der deutschen
Schnitzkunst der Renaissancezeit. —
Von den übrigen Gebäuden der Renaissance ist zunächst der Schütting
zu nennen, 1537 — 38 von Johann dem Buschneer aus Antwerpen erbaut. Ein ganz
mit Quadern verkleideter Bau, der eine Giebel einfach abgetreppt, mit übereck
gestellten gotischen Fialen, der andere in guter Renaissance durchgeführt, mit
Abb. 197 Güldenkaiiimcrportal im Rathaus zu Bremen
Bremen Schütting Wage
327
Pilaslern und Bögen, darin Medaillons mit Köpfen in Hochrelief; als Krönung
Voluten, von denen die eine in Löwenklauen endet, auf dem Giebel eine Statue.
Diese Teile wird man aber schon um 1560 setzen müssen. Die Fassade dagegen
mit ihren beiden riesig hohen Fensterreihen, dreiteilig in der Höhe und zweiteiüg
in der Breite mit gedrückten, spätgotischen Schweifbögen gehörte der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts an. Eine Balustrade in eleganter Renaissanceform
von 1594 bildet den Abschluß; darüber in der Mitte ein Dacherker mit der
Reliefdarstellung eines Schiffes. Das Gebäude hat starke moderne Umgestaltungen
erfahren, die die letzten Spuren der einfachen halb spätgotischen Originalarchi-
tektur fast ganz durch künstliche Renaissance ersetzen.
Ein stattlicher Bau von 1587 ist die Stadt wage, ein hoher Backstein-
giebel, mit gekuppelten Rustikapilastern, Voluten und Pyramiden in Sandstein
gegliedert. Auch die beiden Portale in kräftiger Rustika, die Quadern mit
Sternornamenten sind von Sandstein. Die gekuppelten Fenster haben eine hübsche
Muschelbekrönung unter Entlastungsbogen. Das Ganze ist einfach und tüchtig,
zugleich hübsch bemalt
und vergoldet. Der Mei-
ster war hier ebenfalls
Lüder von Bentheim (Abb.
198). Etwas reicher wie-
derholt sich derselbe Stil
an dem Kornhaus von
1591, von demselben Ar-
chitekten. Auch hier ist
Backstein und Haustein
verbunden; die Fenster
zeigen dieselbe Behand-
lung, die Quadern sind
sämtlich reich gemustert,
der enorm hohe Giebel
mit Schnecken und Pyra-
miden geschmückt.
Denselben Stil fin-
det man an einem Hause
der Langen Straße Nr. 14 ;
der Giebel ebenfalls ba-
rock geschweift. Leider
sind diese Häuser meist
mit Ölfarbe überstrichen,
wodurch die farbige Wir-
kung, die der Gegensatz
des Backsteins zu dem
Sandstein bietet, aufge-
hoben wird. So zeigt es
z. B. auch das Haus am
Markt Nr. 9, besonders
zierlich in den Verhält-
nissen, die Quadern mit
den beliebten Kerborna-
menten, die krönenden
Pyramiden auf grotesken
Masken. Ganz intakt Abb. 198 stadtwage zu Bremen
328 2. Bucli Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küsteugebiete
dagegen ist ebendort Nr. 16, wo trotz der späten Jahreszahl 1651 dieselben
Elemente in Komposition und Ausschmückung festgehalten sind. Dazu kommt
ein Erker, der freilich später in Rokoko umgestaltet worden ist. Die oberste Be-
krönung des Giebels bildet eine schöne Blume von Schmiedeeisen. Ähnliche
findet man noch mehrfach in gleicher Weise verwendet. Eine stattliche Back-
steinfassade, nur mit Sandsteinurarahmung der Fenster und mit einem ebenfalls
in Quadern vorgebauten Erker, der jedoch bloß das Erdgeschoß und den ersten
Stock begleitet, sieht man in der Langen Straße Nr. 127. Von derselben ein-
fachen Art sind ebendort Nr. 124 und 126. Ein mächtiges Giebelhaus von Back-
stein, aber mit Quadergliederungen, die durchweg reiche plastische Dekoration
zeigen, in derselben Straße Nr. 112. Dasselbe gemischte System, wenn auch
nicht mit dem vollen plastischen Reichtum, ebendort an Nr. 16. Vereinzelt
kommen auch Fassaden vor, welche, ähnlich den Danziger Häusern, ganz aus
Quadern errichtet sind. So das schmale hohe Giebelhaus der Langen Straße Nr. 12
mit zwei symmetrisch angebrachten Erkern, alles in üppigen Barockformen un-
gemein energisch mit Säulen, Hermen und Muschelwerk und stark geschweiften
Voluten geschmückt, das sogenannte Essighaus. Es trägt die Jahreszahl 1618
und enthält auch im Innern noch die alte Anordnung der riesigen zweigeschossigen
Diele, der Vorderzimmer und des Flügels, wie wir sie schon in Lübeck fanden.
Ziehen wir eine Parallele der drei großen norddeutschen Seestädte, deren
Privatbau der Spätrenaissance angehört, so zeigt Danzig die reichste Blüte und
die vollständigste Aufnahme des durch die Renaissance eindringenden Haustein-
baues. Lübeck dagegen beharrt bei seinen überheferten Ziegelfassaden und be-
gnügt sich damit, ihnen durch prachtvolle Portale in Sandstein einen zeitgemäßen
Schmuck zu geben. Bremen endhch nimmt eine mittlere Stellung ein, indem es
drei verschiedene Systeme in Anwendung bringt: die Backsteinfassade mit spar-
samer Benutzung von Haustein an den Gesimsen und Einfassungen der Fenster;
Backsteinflächen mit vollständiger und zwar sehr reicher Ausbildung sämlHcher
Glieder und der Ornamentik in Quaderbau; endlich an einzelnen Beispielen reiner
Haustein. Außerdem ist Bremen die einzige von diesen Städten, die an den
Privatbauten öfters den Erker anwendet. Er kam ihr wahrscheinlich ebendaher,
wo sie auch den Sandstein zu ihren Bauten holte: aus der mittleren Wesergegend.
Daß man an den städtischen Bauten vorwiegend die Quaderkonstruktion
wählte, haben wir schon gesehen. Das glänzendste Beispiel dieser Art ist das
ehemalige Krameramthaus, jetzt Gewerbehaus bei der Ansgarikirche. i)
(Abb. 199.) Ein großartiger Prachtbau, 1619—20 durch Joh ann Nacke erbaut;
zwei kolossale Giebel, durch eine Balustrade verbunden, bauen sich an der breiten
Fassade auf. In der Mitte des hohen, mit gewaltigen dreiteiligen Fenstern fast
völlig durchbrochenen Erdgeschosses ein Portal mit korinthischen Säulen, reich
mit Figuren geschmückt, alles bemalt und vergoldet, ein Urbild malerischer Kraft,
mit konsolendurchschossenem Bogen und prachtvollem Figurenaufsatz (Bd. I,
Abb. 119). Das obere Geschoß hat fast ebenso hohe Fenster von ähnhcher An-
ordnung, wie sie überall in unseren nordischen Städten aus den Niederlanden
eingeführt wurden. Zwei breite Friese, ganz mit Masken, Voluten und figürlichem
Bildwerk bedeckt, ebenfalls bemalt und vergoldet, schließen die beiden Stock-
werke ab. Die Giebel endhch erschöpfen mit ihren Nischen, Statuen, Schnecken,
ObeUsken alle Formen dieses prächtigen Stils. Die den einzelnen Geschossen
aufgesetzten schlanken Pyramiden sind sämtlich mit vergoldeten schmiedeeisernen
Blumen gekrönt. Die phantastische Pracht solcher Silhouetten überbietet selbst
die reichsten Giebelbildungen der gotischen Epoche, wurzelt aber trotz der Ver-
schiedenheit der Formen in demselben ästhetischen Bedürfnis. Auch der Giebel
1) Photogr. Aufn. in Pritscli, Denkm. deutscher Renaiss. (Berlin 1882) Lief. 1.
Bremen. Emden
329
der Seilenfassade ist ähnlich behandelt. Der großartige Bau hat im Äußern eine
sorgfältige neuere Herstellung erfahren; das Innere ist leider grausam entstellt,
insbesondere durch gotische Einbauten in Backstein (!) ; auch ein kleineres Portal
der Vorderfront wurde dabei entfernt.
In Ostfriesland ist es namentlich Emden, das für uns von Bedeutung ist.
Die saubere Stadt mit ihren geraden Straßen, den Backsteinhäusern, den zahl-
reichenKanälen,Brük-
ken und Schleusen
macht oder machte
bis vor kurzem völlig
den Eindruck einer
holländischen Stadt.
Leider schreitet auch
hier die Modernisie-
rung, das Zuwerfen
der Grachten und ähn-
liche Verflachung un-
aufhaltsam fort. Durch
ihre günstige Lage
schon früh reich und
blühend; errichtete sie
1574-76 ihr stattliches
Rathaus, das durch-
aus der Ausdruck der
früheren nahen Be-
ziehungenEmdensund
des ganzen Ostfries-
lands zu den nahen
Niederlanden bildet.
War doch zwischen
Ost- und Westfriesland
kaum ein Unterschied.
Der Baumeister kam
denn auch aus Ant-
werpen, Laurens ran
Steenicinkel. An der
Hauptfront (Abb. 200),
ganz in Haustein aus-
geführt, hat der Bau
im Erdgeschoß und im
oberen Stockwerk jene
dichte Reihe hoher, durch steinerne Stäbe geteilter Fenster, die wir aus den
Niederlanden kennen. Dazwischen ein Halbgeschoß, darüber eine auf Konsolen
den ganzen Bau umziehende Galerie, wie wir sie genau so am Stadthaus zu Ant-
werpen finden. Mitten durch den Bau führt die Hauptstraße, die deshalb sich
mit einem mächtigen, etwas vortretenden Bogenportal als Durchgang charak-
terisiert; dieser wird wirksam durch einen mit dem Hauptgeschoß in Verbindung
stehenden Balkon abgeschlossen. Ein reich mit Wappen und Figuren geschmückter
Prunkgiebel betont auch nach oben diese Hauptachse der Fassade, die übrigens
nicht genau in der Mitte, sondern etwas mehr nach links zu liegt; darüber ragt
aus dem rings abgewalmten hohen Dach ein in Holz konstruierter viereckiger
Turm auf, nach oben mit achteckigem Aufsatz und darüber wieder mit einem
Abb. 199 Gewerbehaus zu Bremen
330 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Glockenstuhl und schlanker Laterne bekrönt. Von den Galerien des Turmes
genießt man einen prächtigen Blick über die weitgestreckten Marschlande und
die Meeresbucht des Dollart. Der ganze ansehnliche Bau ist an der Fassade
in Rustikaquadern, an der Rückseite in Backstein aufgeführt; nur die obere
Galerie, sowie der Uhr- und Glockenturm sind aus Holz. Die feinen Orna-
mente ['und Skulpturen am mittleren Dachgiebel zeugen von geschickten Händen.
Auch hier spielen die schmiedeeisernen Blumen als Krönungen, wie die Eisen-
anker, eine Rolle.
Abb. 200 Rathaus zu Emden
Der Eingang zum oberen Geschoß liegt in dem kleinen zierlichen Portal
an der rechten Seite; er hat eine kräftig geschnitzte Tür mit einem Löwenkopf
als Halter des Türklopfers. Die Treppe zeigt Netz- oder Zellengewölbe ohne
Rippen, aber geteilt durch Querbögen, die auf reizvollen, zapfenartigen Renais-
sancekonsolen ruhen. Diese, sowie Gurte und Geländer schimmern von Gold und
Farben. In den Ecken des Treppenhauses ist zweimal auf einer elegant durch-
gebildeten Konsole ein Schränkchen mit Glastür als Lichtständer angebracht.
Der obere Vorsaal, der „Rummel", hat noch einige alte Gemälde mit kräftig ge-
schnitzten Rahmen und einen zierlichen Messingleuchter als Ausschmückung, die
alte hübsche Sitzbank an der vortrefflichen architektonischen Verkleidung der
Treppen in Eichenholz; unten ionische Halbsäulen, darüber kleiner durchbrochener
Emden Rathaus Kirchen
331
Aufsatz mit Hermen und Docken. Nach oben führt eine offene Holztreppe mit
Dockengalerie auf Holzsäule. Die Balken der rohen Bretterdecke ruhen auf
gut dekorierten Steinkonsolen. In dem anstoßenden Vorzimmer sieht man einen
fein geschnitzten Schrank aus jener Zeit. Der Sitzungssaal ist modernisiert, das
Innere des Hauptgeschosses nicht mehr von Bedeutung. Sehenswert sind aber
des Rates ausgezeichnete silberne Renaissancegefäße: eine Fruchtschale, Wasch-
schüssel und Kanne, drei prachtvolle Pokale und ein als Schiff gestalteter Becher,
zum Glücke noch an alter Stelle geblieben. Eine zuerst steinerne, dann hölzerne
Wendeltreppe führt von der Durchfahrt aus bis in das Dachgeschoß, dessen
ganzer Raum durch die große städtische Sammlung alter, zum Teil künstlerisch
wertvoller Waffen, vielmehr die alte Rüstkammer der Stadt, ausgefüllt wird. Die
Wirkung dieses Dachraumes ist wahrhaft imposant. Seine Fenster enthalten dazu
die Reste der schönsten Glasmalereien Norddeutschlands, wohl niederländischer
Herkunft, vielleicht früher im Hauptgeschosse. — Vor der Waffenkammer läuft
nun die schöne offene Galerie her, die wir bereits besprochen haben.
Der Meister, der das prachtvolle Zimmerwerk des Rathauses und seinen
prächtigen Turm auf dem Dache erfand und ausführte, war Marten Arians (Ahrens)
von Delft.^)
Den Eindruck des Rathauses erhöhte die Brücke, die in der Axe des
Rathauses über den seitdem zugeworfenen Rathausdelft führte, mit fünf Bögen
in Backstein errichtet, aber mit reichem Sandsteinschmuck von Wappen, Frucht-
schnüren und Masken. Mit ihrem Verschwinden ist dem ersten Eindruck ein ge-
wichtiges Moment genommen. Die Neue Kirche ist ein ganz holländischer
Bau, 1648 vollendet, ebenfalls aus Backstein, die Gliederungen in Sandstein,
namenthch die hohen Rundbogenfenster, welche gotisierendes Maßwerk zeigen.
Der Bau ist in Halbrundform mit kurzen Armen angelegt, mit hohen einfachen
Giebeln, alles etwas trocken.
Ein merkwürdiges Renaissancewerk besitzt die echt holländische Große
Kirche St. Gosmas und Damianus.^) Es ist das Denkmal des 1540 gestorbenen
Grafen Enno II. von Ostfriesland, 1548 — jedenfalls von niederländischen Künstlern
— ausgeführt. Die Marmorfigur des Verstorbenen, auf dem Sarkophag liegend,
ist durch starkes Restaurieren ganz verdorben; aber überaus originell zeigt sich
die Einfassung der Kapelle. Elegante dorische Säulen wechseln mit phantastischen
Hermen, die Löwenköpfe haben, und deren Füße wie aus Futteralen hervorragen:
Formen, die in der französischen und niederländischen Renaissance öfter vor-
kommen. Dazwischen sind kleinere Teilungen durch Hermen und Karyatiden,
abwechselnd mit den elegantesten ionischen Säulchen hergestellt. Die Postamente
der großen Säulen und Hermen sind mit Trauergestalten geschmückt. Endhch
sieht man oben in den fünf Bogenfeldern und den Friesen die ganze Bestattung,
die Züge der Trauernden mit der Bahre, den Leichenwagen und das Gefolge der
Leidtragenden in trefflich ausgeführten Reliefs. Es ist als ob man eines jener
prunkvollen fürstlichen Begräbnisse der Zeit lebendig werden sähe. In der Mitte
baut sich sodann auf Pilastern ein Baldachin mit Tempelgiebeln auf. Nach innen
sind statt der Karyatiden nur ionische Säulenreihen in eleganter Kannelierung
dem Bau vorgesetzt. Der obere Baldachin stützt sich hier auf zwei wachthaltende
Krieger. Das Ganze trägt durchaus das Gepräge holländischer Kunst mit ein-
zelnen französischen Anklängen.
1) Über die beiden Meister Genaueres bei Ritter, Zur Gesch. d. Emdener Rathaus-Baues.
(Im Jahrb. d. Ges. f. b. K. u. vaterld. Altertümer, Emden XVII.)
2) Außerdem eine Messingplatte des Priesters Hermann Wessel aus Rostock (f 1500), ein
edles spätgotisches Werk, mit feinen gravierten Darstellungen, in der Mitte die große Gestalt
Christi, rings von kleinen Heiligenfiguren umgeben.
332 2.. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Aljb. 1201 Haus am Alten Markt zu Emden
Zahlreiche Backsteinhäu-
ser mit Hausteindetails in hol-
ländischem Charakter, meh-
rere höchst interessante Gie-
belhäuser am Alten Markt sind
erwähnenswert, insbesondere
zwei auf der Westseite (eines
gibt Abb. 201), dreistöckig und
dreifenstrig, mit Halbsäulen
zwischen den Fenstern in allen
Geschossen, reich verzierten,
verkröpften Gebälken und
zweigeschossigen Giebeln, de-
ren Umriß zwar einfach der
Dachschräge folgt, an dessen
Fuße aber — und bei dem rei-
cheren auch an dessen Spitze —
vierseitige Tempelchen oder
Baldachine die Giebelwand
durchdringen. Auch die Ge-
simse schießen durch, auf den
Schrägen ruhen durchbrochene
Ornamente und Delphine. Die
Giebel selber haben feine Pi-
laster zwischen den Kreuzen
der Fenster. Iq den Zwickeln
Medaillons und Köpfe. Ähn-
liche Säulenfassaden, doch
ohne solche Giebel, gegen-
über (Abb. 202).
Die ganze Erscheinung
dieser Häuser hat in ihrer
Durchbildung etwas ausge-
prägt Französisches und trägt
den Stil Henri II.
Etwas weniger ausgiebig
ist Oldenburg; doch bieten
die älteren Teile des groß-
herzoglichen Schlosses, am
nordöstlichen Sockel mit 1607
bezeichnet, einen wenn auch
nicht bedeutenden Rest dieser
Zeit, der sich indes immerhin
charaktervoll von den späte-
ren kasernenartigen Zubauten
unterscheidet (Abb. 203). Es
sind zwei Stockwerke, denen
in der Mitte ein drittes Ge-
schoß aufgesetzt ist. Die brei-
ten dreiteiligen Fenster, mit
gebrochenen Giebeln geschlos-
sen, haben eine Einfassung von
Oldenburg Schloß
333
Hermen und barockgeschweiften Rahmen. Die Ecken des Gebäudes zeigen reich
ornamentierte Quadern, den oberen Abschluß bildet eine Balustrade, darüber ein
späteres Mansardendach, endlich ein Turm mit kuppelartiger Spitze. Das Ganze
nicht rein und nicht ausgezeichnet, aber doch wirksam (bis auf die späte nüch-
terne große Pilasterstellung in der Mitte). Die älteren Teile haben etwas indi-
viduell Lebensvolles, daher der frische anziehende Eindruck. Der Bau wurde
durch Graf Anton Günther, der 1603 im Alter von 23 Jahren zur Regierung kam,
neu aufgeführt, als er 1606 von einer Reise nach dem kaiserlichen Hof zu Prag,
von dort durch Österreich und Oberitalien zurückkehrte und das alte Schloß zu
schlecht fand. Architekten waren ein Italiener Andrea Speza de Eonio, der aljer
während des Baues
davonlief, und /ein
herzoglich meck-
lenburgischer Bau-
meister Georg Rein-
hardt. Vollendet
wurde der Bau 1616
und erhielt wegen
der „vielen beque-
men mit künst-
lichen Gemälden
verzierten Gemä-
cher" den Beifall
der Zeitgenosser].
Im Archiv zu Olden-
burg befindet sich
eine Erklärung der
„sinnreichen Em-
bleme und allego-
rischen Figuren im
großen Saale". Von
denTugenden heißt
es z. B.: „die Jung-
fer auf der rechten
Seite gießt aus einer
Gießkanne in ein
Becken: also soll
auch ein Fürst, dem
Gott der Herr die
Mittel gegeben,
Geld und Gut nicht
schonen, sondern
freiwillig dahingehen .... Die geharnischte Jungfer mit dem bloßen Schwerdt
und einer brennenden Laterne, hinter sich eine Gans und auf dem Kopfe einen
Kranich, zeigt an, wenn gleich Hannibal ante porlas und itzt auf dem Gapitolio
in Ihro hochgräfl. Gnaden Saal Mahlzeit halten wollte, so sollen doch I. Gn. stets
munter und in Bereitschaft gefunden werden." Von diesem Saale ist keine Spur
mehr vorhanden, und selbst in den Grundrissen bei Thura -) läßt er sich nicht
mehr nachweisen.
Abb. 202 Häuser am Alten Markt zu Emden
1) Das Geschichtl. in Winkelmanns Oldenb. Chronik. Bau- und Kunstdenkin. d. Großh.
Oldenburg, 4.
2) Danske Vitruvius II, Taf 158 — 160.
334 2. Buch Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Derselben Zeit gehöite das leider ganz überflüssigerweise abgebrochene
Rathaus an, das die Jahreszahl 1635 trug; ein bescheidener Bau, der jedoch
in den drei hohen Schweifgiebeln nach dem Marktplätze zu und den Seitengiebeln
sowie dem etwas kleinlich behandelten Portal, das mit Figuren und einem ver-
goldeten und bemalten Wappen verziert war, sich anziehend und wirksam dar-
stellte. Prächtig waren die phantastischen Wasserspeier mit ihren Drachenleibern.
Abb. 203 Großherzogliches Schloß zu;01(leiiburg i. Gr.
Das Hauptwerk im Lande ist eins der merkwürdigsten Denkmäler, welche
die deutsche Renaissance hervorgebracht hat, das Grabmal des 1511 gestorbenen
Edo Wiemken (Wimmeken), von seiner Tochter, Gräfin Maria, 1561 bis 1564 im
Chor der Kirche zu Jever errichtet (Abb. 204 und 205). Es war der letzte
Häuptling der drei friesischen Landschaften, die den ersten gleichnamigen Herrn
dieses Geschlechts um die Mitte des 14. Jahrhunderts frei zu ihrem Herrscher ge-
wählt hatten. Das Denkmal, lange Zeit verwahrlost, sodann 1825 mit Sorgfalt
durch 0. Lasius wiederhergestellt, besteht in seinem Kern aus einem mit feinen Ara-
besken geschmückten marmornen Sarkophag, auf dem der Verstorbene in voller
336 2. Blich Die Bauwerke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Al)b. '206 Portal des Ratliauscs zu Jever
Rüstung mit gefalteten Händen liegend dargestellt ist, eine etwas schwächere
Nachbildung des Denkmals König Friedrichs im Schleswiger Dom mit einigen
Varianten, die nicht gerade Verbesserungen sind. Zu Häupten und zu Füßen
stehen weibliche Figuren mit Schildern, deren eines das Jeversche Wappen, das
andere die Inschrift trägt. Das Ganze erhebt sich auf einem sarkophagartigen
Jever Denkmal
337
hohen Unterbau von Mar-
mor, dessen schwarzmar-
morne Deckplatte von
sechs Statuen christlicher
Tugenden gestützt wird,
vier davon neuerdings er-
gänzt. Sechs weinende
Kindergestalten mit um-
gekehrten Fackeln sind
zwischen ihnen etwas wei-
ter rückwärts aufgestellt.
Den unteren Sarkophag
schmückt ein Alabaster-
fries mit Darstellungen
aus dem Leben Christi,
weiter unterhalb ein zwei-
ter Fries mit Szenen aus
dem Alten Testamente.
Endlich sind auf den un-
teren Marmorstufen sechs
liegende kleine Löwen
angebracht. Dies pracht-
volle Denkmal wird nun
von einem in Eichenholz
mit eingelassenen Kalk-
steinreliefs luftig aufge-
führten achteckigen Kup-
pelbau eingeschlossen,
der im Chore der Kirche
eine selbständige Grab-
kapelle bildet. Das un-
tere Geschoß umgeben
acht tiefe Bögen in Form
von kassettierten Tonnen-
gewölben; sie ruhen au-
ßen auf kurzen gegürte-
ten korinthischen Säulen,
innen auf Pfeilern mit
angelehnten Atlanten.
Durchbrochene Balustra-
den, die äußeren von zier-
lichen Docken, die inne-
ren von Karyatiden gebil-
det, schließen den Raum
ab. Durch die weiten
Bögen ist der Blick auf
das Denkmal von allen
Seiten frei gegeben. Über den inneren Pfeilern steigen acht weitere Stützen als
oberes Geschoß auf, das wieder mit acht weiten Bögen sich öffnet und als Decke
ein prachtvolles Sterngewölbe hat, mit Laubwerk in Schnitzarbeit geschmückt.
Wie ein luftiger Baldachin, an den Ecken von Atlanten und Karyatiden eingefaßt
und mit reichem Konsolengesims abgeschlossen, krönt es den ganzen Bau. An
Lübke-Haupt, Eenaissance in Deutschland II 3. Aufl. 22
Abb. 207 Altar der Kirche zu Hohenkirchen
338 2. Buch Die Bamverke XIV. Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
Abb. 2U8 Mittelfeld des Altares der Kirche zu Hulieukirclien
den vier Hauptseiten trägt es Giebelaufsätze mit Rollwerkeinfassung, am vorderen
das Bild des Gekreuzigten, darüber Gottvater und die Taube des hl. Geistes, an
den drei andern Moses, Petrus und Paulus. Ist dies alles aus christlicher An-
Jever Denkmal
339
schauung geschöpft, so sind dagegen die Eckfiguren am Baldachin als Merkurius,
Venus, Jupiter, Minerva, Saturnus, Fortitudo, Mars und Luna bezeichnet. Nicht
minder wunderlich werden die Eckfiguren des unteren Geschosses — ebenfalls
abwechselnd männliche und weibliche — als Rhetorika, David, Dialektika, Salomon,
Musika, Josias (?), Memoria und Saul bezeichnet. SämtUche Figuren und Säulen
340 2. Buch Die Bauwerke XIV". Kapitel Die norddeutschen Küstengebiete
sind in weißer Farbe gehalten. Die Architrave über diesen Figuren zeigen Friese
mit Reliefs von höchst merkwürdigem Inhalt. Sie beginnen wie an dem Grabmal
zu Emden mit der Darstellung des Leichenzuges, wobei unter dem Sarge der
treue Hund als Leidtragender mitgeht; dann liommen phantastische Züge von Krie-
gern, Faunen und Satyrn, Kämpfe von Rittern, endlich allerlei Phantastisches, Un-
geheuer, Frat-
zen und der-
gleichen. Außer-
dem sind sämt-
licheDeckenfel-
der der Wölbun-
gen in ihren
Kassetten mit
Schnitzwerken
geschmückt, die
einen uner-
schöpflichen
Reichtum von
Erfindung zei-
gen (Abb. 204,
205). Das ganze
Werk ist eins der
prachtvollsten
und originell-
sten seiner Zeit.
Der Meister des
Grabmals war
Heinrich Ha gart,
ein Schüler des
Kornelius Floris
zu Antwerpen ;
am Baldachin
steht noch die
Bezeichnung
P. H. Der Stil
dieses Umbaus
steht dem des
Enno-Denkmals
zu Emden ganz
nahe.
Von gleichem
Stil und Reich-
tum ist die ge-
schnitzte Holzdecke, die den Saal des Schlosses zu Jever schmückt: ein
weiterer Beweis, wie sehr auch an diesen fernen Gestaden die Prachtliebe jener
Zeit nach künstlerischem Ausdruck verlangte. Es sind quadratische Kassetten,
die wie die trennenden Balken völlig mit niederländischem Flachornament über-
zogen sind und reiche Hängezapfen haben. Der Meister ist der P. H. des Edo
Wiemken-Grabmals.
Die Stadt Jever besitzt auch ein hübsches Rathaus (Abb. 206) mit zwei
Erkern zu den Seiten des reichen Bogenportals, von 1608; im Ratsaal eine
derbe Täfelung.
Abb. 210 Kanzel der Kirche zu Holienki rohen
Ludwig Munstermann
341
Im übrigen bildet das Oldenburger Land mit seinen Weideflächen und seiner
vorwiegend ländlichen Bevölkerung ein Gegenstück zu Schleswig-Holstein, nur
daß es der zahlreichen Schloßbauten jenes Landes noch entbehrte. Außer Jever,
Oldenburg und Delmenhorst kommen kaum solche geschichtlich in Be-
tracht. Was an Renaissancekunst geschaffen wurde, bergen vorwiegend die
Kirchen, und zwar sind es meist nur noch Kanzeln und Altäre, die von ihr reden;
ähnlich wie dort, doch meist geringer an Aufwand und Kunst.
Doch tritt hier wenigstens wieder einmal ein einzelner Künstler von wirk-
licher, ja großer Bedeutung hervor: Ludwig Munstermann van Hamborch, wie er
sich nennt. Dieser hat zwischen 1614 und 1638 eine größere Zahl vor allem
von prachtvollen Altären, besonders in der Gegend des Jeverlandes, geschaffen, die
in wahrhaft blendender Pracht von erstaunlicher Technik und kühnster Erfindung
zeugen. Vor allem seien die beiden in Hohenkirchen (Abb. 207, 208) und
Rodenkirchen genannt, sowie der zu Varel (Abb. 209). Die ersteren haben
beide als Hauptstück ein durchbrochenes, perspektivisch sich vertiefendes Abend-
mahl in Relief in der Mitte, von Säulen flankiert, links und rechts als Flügel die
Bilder von Luther und Melanchthon gemalt oder als Rehef, prachtvolle Unter-
bauten und Aufsätze, der letztere zeigt sogar vier Säulengeschosse übereinander.
Das Einzelne ist von" einer Kraft, einem Überschwang und einer Fülle, die sich
an Wendel Dietterleins Art anlehnt und den Gedanken nahe legt, daß der Ham-
burger Bildhauer vorher mit zu der Künstlerkolonie des Fürsten Ernst in Bückeburg
gehört haben möchte. Die Kanzeln zu Hohenkirchen von 1628 (Abb. 210),
zu Schwei, zu Rodenkirchen bis zu der in Holle von 1638, der Taufst ein
zu Abbehausen, ein Epitaph zu Eckwarden und vieles andere zeugen eben-
falls von seiner großen und blendenden Kunst. ^)
Fünfzehntes Kapitel
Obersachsen
In den obersächsischen Landen tritt uns die Renaissance frühzeitig mit be-
deutenden Schöpfungen entgegen. Und zwar ist es hier fast ausschHeßlich das
Fürstentum, das sie einführt und fördert, während, was die größeren Städte wie
Leipzig, Dresden, Altenburg, Halle, Erfurt an bürgerlichen Bauten aufzuweisen
haben, daneben von geringerem Belang ist. Das sächsische Kurhaus, an der
Spitze der reformatorischen Bewegung stehend, war auch für die Entfaltung des
gesamten Kulturlebens, namentlich der Bau- und Bildhauerkunst, von eingreifender
Bedeutung. Was die Höfe von Stuttgart und Heidelberg für Süddeutschland waren,
das wurde in noch höherem Maße der sächsische Hof für Norddeutschland. Zwar
waren bis in die Mitte des Jahrhunderts die Kurfürsten in erster Linie durch die
Reformation in Anspruch genommen, aber ein reger Eifer für Erneuerung des
religiösen Lebens und Pflege der Wissenschaft ging bei diesem Fürstenhause mit
einem höheren Kunstsinn Hand in Hand. Wie die sächsischen Fürsten seit Friedrich
dem Weisen die namhaftesten Meister Deutschlands mit Aufträgen betrauten,
wie ein Dürer, Granach, Peter Vischer und sein Sohn Hermann u. a. für sie be-
schäftigt waren, ist bekannt. Die Denkmäler der Schloßkirche in Wittenberg, Dürers
Marter der Zehntausend, zahlreiche Gemälde Granachs geben davon Zeugnis.
Weniger hat man bisher die Bauten der sächsischen Kurfürsten ins Auge gefaßt.
Ich kann hier nur das Wichtigste berühren. Ein so gewaltiges Fürstenschloß, wie
die Albrechtsburg in Meißen, von dem Stifter der Albertinischen Linie 1471—83
1) Bau-undKunstdenkmaledesHerzogtumsOldenburg, V, Abb.96— 105, 210, 271,272 usw.
342
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachseii
durch Meister Arnold Westveling (d. h. von "Westfalen) noch ganz in gotischen
Formen, aber in mächtigster Raumentwicklung erbaut, hat das Mittelalter sonst in
Deutschland nirgends (die Marienburg ist ja nur eine riesige Kaserne und Festung)
hervorgebracht. In der Zeit der Frührenaissance stellt Johann Friedrich der Groß- ■
mütige das Schloß zu Torgau seit 1532 als ein ebenbürtiges Werk von nicht
minder großartiger Anlage hin. Moritz, der die Kurwürde von der Wittenberger
Linie übernommen, bewirkt dann seit 1547 den ehemals prachtvollen Neubau des
Schlosses zu Dresden, nachdem schon Herzog Georg der Bärtige 1530 das elegante
Zierstück des Georgenbaus errichtet hatte. Aber schon vorher war die Renaissance
hier eingeführt worden, und zwar durch einen Augsburger Meister Adolph Danher,
der 1519 den Hauptaltar der Stadtkirche zu Annaberg aus Solnhofer Kalk-
stein und rotem Salzburger Marmor arbeitete. i) (Abb. 234, 235.) Es ist das
Meisterwerk des Augsburger Künstlers, an dem sich vielleicht schon P. FleUners
Mitarbeit merklich macht. Aus derselben Frühzeit (1522) datiert ebendort die
Tür der Sakristei, wahrscheinlich das Werk eines einheimischen Meisters, in einem
Gemisch von gotischen und Renaissanceformen ausgeführt.^) Die herrlichen, bereits
echten Renaissancegeist atmenden Rehefs der Emporenbrüstungen, insbesondere
die Folge der menschhchen Lebensalter, mit zarten Renaissancekandelaberchen
eingefaßt, ebenso die wundervolle schöne Tür und der Taufstein seien hier, die
glänzenden Vorboten der neuen Zeit, nicht vergessen. Es ist erstaunlich, wie
wenig diese wundervollen Werke der Bildhauerei, die sich ihrem Wesen nach so
völHg aus der Stilenge lösen, in Deutschland bekannt sind. Den neuen Stil zeigt
auch der Rest des kleinen Portals an der Burg Stolpen vom Jahre 1520.') —
Die höchste Steigerung gewinnt aber auch hier das künstlerische Leben, nachdem
die Kämpfe um die Religionsfreiheit zum Abschluß gebracht sind und Moritzens
Nachfolger, der kraftvolle, kluge, bei allem lutherischen Starrsinn kunstliebende
und kulturfördernde Kurfürst August, in langer friedlicher Regierung (1553 — 86)
über dem Lande waltet. Unter ihm wird das Schloß zu Dresden vollendet und
prachtvoll ausgestattet.
Die sächsischen Baumeister pflegten seit 1530 die neue Richtung und er-
langten bald weithin in Norddeutschland einen solchen Ruf, daß sie von Fürsten
und Städten in schwierigen Fällen um Rat gefragt wurden. So in Görlitz beim
Bau des Rathauses, wo man im Jahr 1519 den herzoglich sächsischen Baumeister
Peter von Pirna aus Dresden wegen einer angeblichen Fahrlässigkeit des aus-
führenden Meisters berief. Von Berlin wurden ebenfalls sächsische Meister wieder-
holt berufen, und die Arbeiten des Kaspar Theiß am Schlosse dort ergeben, daß
dieser in Torgau seine Ausbildung erhalten hat. Wenigstens sind die runden,
an den Ecken ausgekragten Erker, die offenen Galerien, vor allem aber das einst
berühmte Treppenhaus, selbst die Ornamente in ihrer Zeichnung und Ausfüh-
rung offenbar auf jenes sächsische Vorbild zurückzuführen. Es scheint sogar
sicher, daß der Torgauer Meister, Konrad Krebs, den Berliner Schloßbau entwarf.
Später (1585) schickt Kurfürst August seinen Maurermeister Peter Kummer behufs
des Schloßbaues dorthin (oben S. 195); 1G04 werden Maurer aus Meißen ver-
schrieben, und um dieselbe Zeit baut Balthasar Benzelt aus Dresden das Haus
der Herzogin im Schlosse (vgl. S. 196). Ebenso haben wir erfahren (S. 238), daß
Johann Albrecht I. von Mecklenburg 1554 vergeblich vom Kurfürsten August seinen
Festungsbaumeister Kaspar Voiijt erbat. Simon und Georg Schröder aus Torgau,
1) Vgl. Waagen, Kunstw. und Künstl. in Dentschl. I, 38 ff. Abgeb. Bau- u. Kunstdenkm.
im Königr. Sachsen IV, Beil. VIII, IX.
-) Waagen a. a. 0. S. 36 f. Bau- und Kunstdenkm. Beil. III.
3) Dr. Julius Schmidt im Archiv f. Sachs. Gesch. XI, S. 167. Bau- und Kunstdenkm. im
Königr. Sachsen I, Beil. XI.
Fremde und sächsische Meister
343
Georg Walther aus Dresden meißelten in Schwerin für die Schloßkirche (S. 247).
In Danzig kennen wir den trefflichen Meister Hans Kramer aus Dresden, der
dort hervorragende Bauwerke, das englische Haus, das Löwenschloß, ausführte.
Auch italienische Künstler wurden schon unter Kurfürst Moritz ins Land
gerufen; aber es ist doch bezeichnend, daß ein Deutscher, Hans Dehn der Eothf eiser,
allerdings nicht sowohl als Baumeister, sondern als Intendant die Oberleitung des
Schloßbaues zu Dresden in Händen hat, während unter ihm neben einheimischen
Arbeitern welsche Estrichschläger, Steinmetzen, Maurer und Maler tätig sind.
Am wichtigsten ist aber, daß nach neueren Ermittlungen ein deutscher Meister
als der eigentliche künstlerische Schöpfer des bedeutenden Baues dasteht: der
oben genannte Heinrich Kaspar Voigt von Wierandt, wie der volle Name lautet.
Dieser angesehene Architekt muß als einer der epochemachenden Bahnbrecher
des neuen Stiles in Deutschland bezeichnet werden.^) In der späteren Zeit zog
dagegen Kurfürst August fremde Künstler ins Land, darunter namentlich Giov.
Maria Nosseni aus Lugano (geb. 1544), der 1575 als kurfürstlicher Bildhauer und
Maler angestellt wird und bis zu seinem Tode 1620 große Arbeiten ausführt.^)
Schon vorher (1563) hatte der Kurfürst nach Rissen der „welschen Musici und
Maler" Gabriel und Benedikt de Tola aus Brescia, die bei Ausschmückung des
Schlosses in Dresden beschäftigt waren, das prachtvolle Denkmal seines Bruders
Moritz für den Dom in Freiberg ausführen lassen. Ein niederländischer Meister
Anton von Zerroen hatte es in Antwerpen gearbeitet. Die zehn Greifen, welche
die obere Platte mit der Statue des knienden Fürsten tragen, mußten in Lübeck
gegossen werden, da die marmornen Greifen nicht genügend waren, die Last zu
tragen. Wolf Hilger in Freiberg goß das Kruzifix, vor welchem der Betende
kniet. Eine „feine, kurze, tapfere Grabschrift" zu bekommen, hielt besonders
schwer, da Melanchthon, von dem der Kurfürst eine solche wünschte, darüber ge-
storben war. Zuletzt beschloß der Kurfürst, den Chor des Domes zu einer Grab-
kapelle der Fürsten seines Hauses glänzend umzugestalten. Nosseni entwirft
1585 den ersten Plan zu diesem großartigen Werke, das die Formen italienischer
Hochrenaissance hier zum erstenmal zur Geltung bringt. Um edles Material für
die Bauten zu gewinnen, muß der Künstler überall im Lande nach Steinbrüchen
von Marmor, Alabaster, Gips und Kalk suchen; schon früher hatte Kurfürst
August, stets eifrig bemüht, neue Erwerbsquellen seinem Lande zu erschließen,
unter Zusicherung einer besonderen „Ergötzlichkeit", zum Auffinden solcher Stein-
lager seine Baumeister angefeuert. Zur Ausschmückung seiner Schlösser berief
er den Maler und Bildschnitzer Hans Schröer aus Lüttich (dem Namen nach eher
ein Niederdeutscher als ein Niederländer), den er beim Landgrafen Wilhelm von
Hessen in Kassel kennen gelernt hatte. Dieser malte u. a. für das Schloß Freuden-
stein bei Freiberg achtzehn Bilder aus der Geschichte des Amadis von Gallien.
Auch im Schloß zu Dresden war er 1575 beschäftigt. Er wird als ein Künstler
bezeichnet, der im Malen, Gießen und „in der weißen Arbeit, so man Stuck
nennt" erfahren sei. Den im Festungsbau gepriesenen Grafen liochiis von Linar,
einen Italiener, der später in brandenburgische Dienste trat (siehe oben S. 194)
berief August schon 1570, um durch ihn Dresden befestigen und die von Hiero-
nymus Lotter begonnene Augustusburg oben im Erzgebirge weiterbauen zu lassen.
Die Kunstkammer in Dresden war schon damals wegen ihres Reichtums an
Meisterwerken aller Art die Bewunderung der Zeitgenossen.
1) Vgl. über ihn Corn. Gurlitt, Das kgl. Schloß zu Dresden in den Mitt. des Sächs.
Altert.-Vereins, Heft 28 S. 35 ff.
2) Vgl. über dieses und das folgende den -wertvollen Aiifsatz von Dr. Julius Schmidt im
Archiv f. Sächs. Gesch. XI, Heft 1 u. 2. W. Mackowsky, Giovanni Maria Nosseni und die Renais-
sance in Sachsen, Berlin 1904.
344
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Der baulustige Christian I. (1586 — 91) setzt die von seinem Vater ange-
fangenen Unternehmungen nicht minder eifrig fort. Nosseni reist 1588 nach Italien,
gewinnt dort, durch Vermittlung des Giovanni da Bologna, für die Bronzewerke
des Freiberger Grabdenkmals den Florentiner Erzgießer Cat-lo de Cesare und be-
ruft noch andere welsche Künstler, versäumt auch nicht, in Murano 600 venezia-
nische Kristallgläser für den Kurfürsten zu kaufen. Während in Freiberg an der
Grabkapelle fortgebaut wird, beginnt man in Dresden auf der großen Jungfern-
bastei an der Elbe ein Lusthaus zu errichten, wie es damals an allen Höfen
als Schauplatz für die prunkvollen Feste beliebt war. Der Bau, an der herrlichen
Stelle des jetzigen Belvedere gelegen, wo die Aussicht über den Strom und die
mit Wein bekränzten und mit Villen übersäten Hügelzüge sich in voller Lieblich-
keit öffnet, wurde nach langer Unterbrechung erst 1617 von Nosseni wieder auf-
genommen und durch seinen Nachfolger Sebastian WaltJier vollendet. Mit seinen
vier ionischen Marmorportalen und den in Alabaster, Marmor und Serpentin ge-
täfelten Wänden, den zahlreichen Büsten, den von vergoldeten Blumengewinden
eingerahmten Freskogemälden der Decke war er ein Wunderwerk der Zeit. Der
Blitz, der 1747 in das unbegreiflicherweise unter ihm angebrachte Feuerwerk-
laboratorium schlug, zerstörte den reichen Bau. Die Grabkapelle in Freiberg wird
1593 vollendet und dem ehrgeizigen Italiener gestattet, sein Verdienst um diese
in einer Marmorinschrift zu rühmen. Der Aufwand für den ganzen Bau hatte sich auf
51 000 Meißner Gulden belaufen. Neben alledem wird Nosseni vielfach nicht bloß
vom Kurfürsten, sondern auch von den befreundeten Höfen veranlaßt, für die
glänzenden Festlichkeiten die Dekorationen zu entwerfen und die künstlerischen
Ideen anzugeben. Auch entwirft er für den Fürsten Ernst von Schaumburg den
siebeneckigen Kuppelbau für dessen Mausoleum zu Stadthagen. So trägt
auch seine Wirksamkeit zur Einbürgerung der Renaissance nach allen Seiten bei.
Torgau
Die Stadt Torgau, berühmt durch das 1526 hier geschlossene Bündnis
und die 1530 hier abgefaßten Torgau er Artikel, die Grundlage der Augsburgischen
Konfession, war im 14. Jahrhundert die Residenz der Markgrafen von Meißen.
Seit 1481 erbaute Herzog Albrecht das steil über der Elbe aufragende Schloß
Hartenfels, dessen älteste Teile noch aus dieser Zeit stammen. Der eigentliche
Ausbau des ansehnlichen Werkes erfolgte dann unter Johann Friedrich dem Groß-
mütigen, mit dessen Regierungsantritt (1532) wir inschriftlich dort neue Bautätig-
keit nachweisen können. Nächst der Plassenburg ist das Schloß zu Torgau das
umfänghchste Denkmal der Frührenaissance in Deutschland, i) Auf einem erhöhten,
steil abfallenden Hügel an der Elbe erhebt es sich und kehrt seinen südöstlichen
Hauptbau (H in Abb. 211) mit weit vorspringendem turmartigen Erker F dem Flusse
zu. Der Bau, leider als Kaserne benutzt und dadurch beträchtlicher Entstellung
anheimgefallen, hat eine unregelmäßige Anlage, die noch dem Ausgang des Mittel-
alters angehört. Johann Friedrich der Großmütige, der hier 1503 geboren wurde,
hat das Schloß in großartigem Sinne vollendet und daraus eins der reichsten
Werke unserer Frührenaissance geschaffen. Der Zugang liegt an der Westseite
in der rechten Ecke des Flügels A. Nach außen zeigt der Bau hier kräftige
Giebel vom Schluß der Renaissancezeit; ihr gehört ebenso das in derber Rustika
durchgeführte Hauptportal, über dem zwei Löwen das prachtvoll ausgeführte kur-
sächsische Wappen halten. Auch der Hauptturm hat seine Bekrönung in der
1) Eine vortreffliche eingehende Darstellung der Baugesohichte und der künstlerischen
Bestandteile des Schlosses bei M. Lewy, Schloß Hartenfels bei Torgau, Berlin 1908.
Dort auch zahlreiche Abbildungen.
Torgau Schloß
345
Spätzeit empfangen. Tritt man ein, so befindet man sich in einem unregelmäßigen
Hofe, dessen größte Länge gegen 75 Meter beträgt. Die ältesten Teile liegen in
dem südwestlichen Flügel zur Rechten des Eintretenden bei K, während an der ^'
anderen Seite der übereck gestellte Turm B, der ungeschickt in die späteren
Bauten hineingreift, den Abschluß dieser ältesten Teile bezeichnet. Der von zwei ,^ ^
Treppentürmen flankierte südliche Teil L scheint auch zeitlich die Fortsetzung der '
Abb. 211 Grundriß vom ersten Stock des Schlosses Hartenfels bei Torgau
früheren Anlage zu sein. An ihn stößt in der südöstlichen Ecke der Hauptturm
des Schlosses, an diesen aber legt sich der große östliche Flügel H mit seinem
gewaltigen Treppenhause G, dem prachtvollsten, das die Renaissance in Deutsch-
land hervorgebracht hat. (Freilich muß die verschwundene Wendelstiege im
Berliner Schlosse sehr ähnlich gewesen sein und sich dem gemeinsamen Vorbilde
zu Blois noch viel stärker genähert haben.) Zwei überdeckte Freitreppen führen
zum Hauptgeschoß empor und münden dort auf einen freien Altan, der sich über
dem viereckigen Unterbau um das halbrunde Treppenhaus herumzieht (vgl. Abb. 212).
346
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Diese Treppe selbst ist in den größten Abmessungen als Wendelstiege um eine
Spindel emporgeführt. Das ganze Innere des Flügels scheint im Hauptgeschoß
II nur einen einzigen Saal von etwa 70 Meter Länge bei 14 Meter Breite gebildet
' zu haben. Auf beiden äußeren Ecken sind halbrunde Erker mit freiem Blick über
den Fluß und die weite Flachlandschaft angeordnet. In der Mitte springt turm-
artig bei F ein großer Pavillon nach außen vor. Im zweiten Stockwerk zieht sich
auf gewölbter Auskragung eine Galerie im Innern des Hofes vor diesem Haupt-
flügel hin, die Verbindung mit den anstoßenden Bauten vermittelnd. Am Haupt-
turm dagegen ist in beiden Obergeschossen die Verbindung durch eine auf Kande-
labersäulen ruhende frei umlaufende Galerie bewerkstelligt, die im zweiten Stock
ihre Fortsetzung am Flügel L bis zum benachbarten Treppenhause in einer offenen
Galerie findet. Fast im rechten Winkel stößt sodann der nördliche Flügel an,
mit dem Hauptbau durch eine im Viertelkreis geführte kleine Galerie verbunden.
Nach außen wird dieser Flügel durch die beiden großen Rundtürme E und D, nach
innen gegen den Hof durch den prachtvollen Bd. I, Abb. 108 abgebildeten Erker J
charakterisiert. Der östhche Teil dieses Flügels ist zurzeit völlig bedeutungslos,
der westliche aber enthält die Schloßkapelle C, die vom Hofe aus durch ein
An_ schönes rundbogiges Portal zugänglich ist. Die früheste Jahreszahl 1532, die ich
am Schlosse bemerkt habe, findet sich an dem östlichen Hauptflügel H, und zwar
südlich am zweiten Fenster des Erdgeschosses. Der Schlußstein der großen
Treppe enthält neben den großen Brustbildern des fürstlichen Erbauers und seiner
Gemahlin die Jahreszahl 1536. An dem prächtigen Erker des Nordflügels liest
man 1544, und dieselbe Jahreszahl trägt die Tür der Kapelle. Demnach sind
diese Teile des Schlosses etwa 1532 — 44 ausgeführt worden. Zwei Jahre vor der
unseHgen Schlacht bei Mühlberg vollendete der edle Fürst sein Werk durch die
schöne Einweihungstafel in der Kapelle.
Der Erbauer des Hauptflügels gegen die Elbe und des großen Treppenhauses
1^ war Konrad Krebs aus Büdingen (?); der Flügelbau nahm die Jahre 1532 — 35 in
^iK'd J 'S^o Anspruch. Dieser bedeutende Künstler starb 1540 und liegt in der Stadtkirche
begraben, gleich bei Luthers Ehefrau. Von ihm sind in Annaberg schon vor 1520
die berühmten Kirchengewölbe geschaffen; nachher baute er in Koburg das Haupt-
schiff der Moritzkirche; wir haben in ihm also einen letzten Sprossen der alten
Bauhütten zu sehen, der zwischen 1520 und 1530 zur Renaissance überging und
offenbar in Frankreich starke Anregung und Schulung empfing. Aber sein echt
deutsches Wesen vermochte diese nicht zurückzudrängen; er bleibt überall vater-
ländischer Art getreu. In ihm sehen wir — die Torgauer Arbeiten sagen das
deutlich aus — einen bisher in tiefem Schatten gebliebenen großen Künstler, den
wir getrost neben die gleichzeitigen besten Meister der Franzosen und Spanier
stellen können. Seine Werke sind die reichsten Blüten unserer frühen Renaissance.
In der Erbauung der Schloßkirche folgte dem Heimgegangenen 1543 — 44
ein nicht Unwürdiger, Nllvlans Grohmann, der zwanzig Jahre später in Altenburg
im Rathause sein Meisterwerk schuf, auf der Heldburg dann den „französischen"
Bau anfügte.
Da auch das Schloß zu Dessau in seinem schönsten Teil, dem Treppen-
turm mit Aufgang, direkt vom Torgauer abhängt, so haben wir hier den Aus-
gangspunkt einer Reihe der besten Meister und Werke: Berlin — Dessau — Alten-
burg — Heldburg.
Und was wichtig ist: die französische Frührenaissance hat hier nicht un-
erheblich hereingespielt, was sich schon in den prächtigen Kandelabersäulen des
Schloßerkers vor Ornamentpilastern unverkennbar ausspricht. Und wenn Groh-
mann als sein letztes bekanntes Werk uns einen „französischen Bau" hinterläßt,
da wir ihn als Nachfolger und wohl auch Schüler von Krebs ansehen müssen, so
Torgau Schloß
347
dürfen wir wohl annehmen, daß der Schüler die alten Beziehungen des Meisters
zum Westlande weiter gepflegt habe. Beziehungen unserer frühen Renaissance
zu Frankreich sind bis jetzt nie angenommen noch nachgewiesen. Bei dem freien
internationalen Verkehr der Höfe untereinander aber mußten solche einfach unver-
meidlich sein und treten heute langsam, doch immer klarer in unser Gesichtsfeld.
Auch in Brieg am Schloßbau scheinen solche stark gewaltet zu haben.
Abb. 212 Schloß Hartenfels bei Torgau
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Wir kehren zum Schlosse Hartenfels zurück.
Der Großartigkeit des Baus entspricht der Reichtum des bildhauerischen
Schmucks. Auch darin ist er nur mit der Plassenburg zu vergleichen, die er
jedoch an Feinheit der Durchbildung vor allem aber an künstlerischem Können
wie Wissen weit übertriöt. Am einfachsten sind die älteren südwestlichen Teile.
Sie haben gekuppelte Fenster mit spätgotischen Vorhangbögen, die auch in ihrer
Gliederung noch mittelalterlich sind. An den beiden Hauptflügeln, dem östlichen
348 2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
und nördlichen, haben die Fenster zwar dieselbe Form, aber weit größere Ver-
hältnisse, und sind in den Vorhangbogenzwickeln mit feinen Renaissanceornamenten,
Laubwerk, Festons, Delphinen und Putten geschmückt. Von größter Zierlichkeit sind
die Säulengalerien am Eckturm, mit Fürstenbildnissen und anderem Ornament über-
deckt. Noch größer aber ist die Pracht an dem östlichen Hauptflügel (Abb. 212),
wo die Freitreppen, die Altane und das turmartig vorragende, mit gebogenem
Giebel abgeschlossene Treppenhaus an ihren Balustraden, Pilastern und Gesimsen
mit einer Ornamentik von unübertroffenem Reichtum prangen, die auch an der
langen Galerie des zweiten Geschosses durchgeführt ist. Mit dieser außerordent-
lichen Pracht verbindet sich ein seltener Geschmack in Feinheit der Abstufung
bei einer durchweg im Flachrelief ausgeführten Modellierung, die Vegetatives und
Figürliches zu trefflicher Wirkung verbindet. Prächtig sind die Wappen behandelt,
lebensvoll die Medaillons mit fürstlichen Brustbildern. Das Gewölbe der großen
Wendeltreppe zeigt verschlungene gotische Netzrippen und mündet mit dem ersten
Podest auf einen eleganten schmuckreichen Bogen, sodann auf ein Portal mit
Säulen und Ornamenten in demselben aber überreichen Frührenaissancestil, i) Reiche,
etwas wulstige Kandelaber rahmen es ein, Ornament und Relief bedeckt seine
Flächen wie die seines Aufsatzes. Nahe Verwandtschaft zum Georgenportal zu
Dresden ist unverkennbar; doch ist letzteres künstlerisch reifer. Dies war der
Eingang in den großen verschwundenen Festsaal. An der Treppe ist nicht bloß
die Spindel, sondern jede Stufe an der Unterseite mit Hohlkehlen und Rundstäben
in mittelalterlicher Weise kraftvoll gegliedert. Die Spindel endet mit einem Rund-
pfeiler; er trägt das abschließende Netzgewölbe mit teilweise offenen Rippen,
dessen Schlußstein die Brustbilder Johann Friedrichs und seiner Gemahlin zeigt.
Auf die innere Anlage dieser prächtigen Treppe
mag das Vorbild des „Wendelsteins" im Schloß
zu Meißen eingewirkt haben; ihre Gesamt-
erscheinung ist aber ohne Blois kaum denk-
bar, wie ja auch das Meißener Treppenhaus
auf Frankreich hinweist.
Kehren wir zum Äußeren zurück, so
finden wir selbst die Unterseite der langen
Galerie mit schräg gekreuzten Kassettierungen
und mannigfaltigen Rosetten geschmückt. Die
höchste Pracht und Feinheit erreicht die De-
koration an dem öfters erwähnten Erker des
Nordflügels (vgl. Bd. I, Abb. 108). Die tragende
Säule, die die Jahreszahl 1544 zeigt, hat am
Kapitell Sirenen von köstlicher Bewegung;
außerdem sieht man Darstellungen der Judith,
der Lukretia, Friese mit Kampfszenen, so daß
jede Fläche mit Schmuck übersponnen ist.
Manches ist hier als ganz französisch zu be-
zeichnen, anderes gemahnt wieder an den
schlesischen Prachtbau des Brieger Portals.
Dagegen sind an diesem Flügel die orna-
mentalen Füllungen der Fenster bei weitem
nicht so fein und mannigfaltig, offenbar auch
älter, daher noch unbeholfener als am östlichen
Hauptbau. Von besonderem Schwung ist da-
gegen wieder Nikolaus Grohmanns einfach-
1) Lewy, a. a, 0. Abb. 21. 22.
Abb. 213 Portal der Schloßkirche zu Torgau
Torgau Schloß
349
rundbogiges Portal zur Schloßkapelle (Abb. 213), dessen Bogen mit Rankenwerk
ausgefüllt, darin Putten in kühner, fast theatralischer Bewegung die Marterwerk-
zeuge halten. Darüber als besondere Tafel, von geschweiften Säulchen eingefaßt,
ein Relief der Grablegung und Beweinung Christi. Dabei Inschrift: Im 1544 Jar
angefangen und vorbracht. Der Bildhauer des Portals war Simon Schröther, der
des Reliefs hieß Stephan.
Die Kirche zeigt sich als das aus Schwerin bekannte Rechteck mit Netz-
gewölben und eingefügten schlichten Emporen, hier in zwei Obergeschossen. Der
reich aufgebaute Altar hat in einem hübschen Rahmen von korinthischen Säulen
ein Alabasterrelief und stammt aus der Schloßkirche zu Dresden, elegant aus-
geführt und reich vergoldet.^) Links neben dem Altar ist eine große Bronzetafel
mit der Widmung in die Wand eingelassen. Sie berichtet, daß Johann Friedrich
1544 diesen Tempel erbaut habe. Der Rand zeigt prachtvolles Ornament auf
Goldgrund, das oben in eine Akanthusranke ausläuft und ein Medaillon mit dem
Brustbild des Kurfürsten umschließt. Diesem entspricht unten das Porträt Luthers,
zu beiden Seiten der jungen Prinzen Johann Wilhelm und des später so unglück-
lichen Johann Friedrich. Unten und oben sind außerdem zwei Engel als Wappen-
halter angebracht; die Brustbilder und Figuren sämtlich bemalt, die Ornamente
auf Goldgrund, das Ganze von hohem dekorativen Wert, inschriftlich 1545 durch
Wolf und Oswald Hilger ^) zu Freiberg gegossen.
Die runde Kanzel, von drei reichen Rehefs umgeben, auf einer prächtigen
Rollwerkauskragung, stammt von Simon Schröther, der für Schwerin (S. 247) die
ganz ähnliche Kanzel der Schloßkapelle meißelte.^)
Das Äußere des Schlosses ist schlicht durchgeführt, nur von den beiden
runden Erkern des Saalbaues hat der
nordöstliche edle Gliederung und reichen
Schmuck von Brustbildern, figürlichen
Friesen und anderem Ornament in deli-
katester Behandlung.'*) Die innere Aus-
stattung scheint ganz verloren gegangen
zu sein. Daß es aufs reichste geschmückt
war und namentlich durch die Hand
Lukas Cranachs und seiner Gehilfen präch-
tige Malereien erhalten hatte, erfahren wir
aus den noch vorhandenen Rechnungen.®)
Im Saal waren Bildnisse von Fürsten und
Kaisern, dann Christi Himmelfahrt und
des Papstes Höllenfahrt gemalt. Wie der
Untergang der Bilder bei der Verwüstung
des Schlosses durch die Spanier selbst von
1) Lewy, Abb. 44.
2) Lewy, Abb. 45. Von Wolf Hilger in
der Petrikirche zu Wolgast das Denkmal Herzog
Philipps I. von Pommern ; vgl. Lübkes Gesch. der
Plast, m. Aufl. S. 870.
3) Abgeb. bei Lewy, a. a. 0. Abb. 42.
4) Lewy, Abb. 15. Die Eückseite des
Schlosses hat L. Cranach auf einer von Schuchardt
publizierten Darstellung des Heilandes, der die
Kinder zu sich kommen heißt, als Hintergrund
angebracht. Lewy, Abb. 2.
5) Aus dem Gesamtarchiv zu Weimar mit-
geteilt in Schuchardts Leben Lukas Cranachs I,
93 if., m, 265 if.
350
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersaclisen
katholischen Zeitgenossen hetrauert wurde, haben wir aus der Zimmerischen
Chronik erfahren. Andrer Art war freiUch die Ausschmückung der „Spiegel-
stube", wo man „zwo Tafeln, daruff Bulschaften gemalt" sah. Später (seit 1576)
arbeitete Giovanni Maria Nosseni^) für das Schloß Kredenztische mit allerlei
Prachtgefäßen aus Alabaster, geschnitzte Sessel, mit geschliffenen Steinen besetzt,
Büsten römischer Kaiser u. dgl. mehr. Von alledem ist nichts mehr vorhanden;
dagegen geben am Treppenhaus einige prächtig behandelte Eisengitter Zeugnis
von gediegener Schmiedekunst.
Ganz dieselbe Behandlungsweise, wie das überreiche Saalportal im Treppen-
hause des Schlosses, doch weit höhere Vollendung, zeigte ein leider verkauftes
und abgebrochenes kleines Portal an dem Hause der Schloßstraße Nr. 453, von
größter Feinheit einer entzückenden Ornamentik wie Skulptur, oben im Bogen-
felde mit Adam und Eva, unter dem Baume sitzend (Abb. 214). Daneben ehe-
mals ein Fenster, in derselben Weise behandelt, nur statt der Säulen mit reich
dekorierten Pilastern eingefaßt, darüber in einem Dreiecks- Giebelfelde Kains
Brudermord; 1537 bezeichnet.^) In derselben Straße Nr. 469 ein kleines Portal
mit hübschem Doppelwappen. Ähnliche reizvolle Portale sieht man noch an
mehreren Stellen in der Ritterstraße, der Schloßstraße, der Fischerstraße, hier
z. B. von 1571, ja sogar eins von 1624. Das Portal bildet gewöhnlich einen
kleinen Bogen, mit Zahnschnitten, Eierstab und Perlschnur wirksam gegliedert,
an den Seiten mit Nischen, die Sitzbänke haben und mit feiner Muschelwölbung
geschlossen sind. Auch einige kleine spätgotische Portale kommen vor; wie
sehr sind ihnen aber die Renaissanceportale an Reiz überlegen!
Endlich besitzt Torgau auch ein Rathaus von stattlicher Anlage mit drei
hohen Giebeln, leider stark modernisiert. An der südwestlichen Ecke baut sich
ein runder Erker aus, nach dem Vorbilde der beiden am Saalbau des Schlosses
angelegt und aufs reichste bildhauerisch geschmückt. Er ruht auf zwei Pilastern,
über welchen bärtige Männergestalten konsolartig angebracht sind. Verzierte
Pilaster und Friese gliedern die Flächen, und an den Fensterbrüstungen sieht
man ganz oben Kaiserbilder, dann Figuren von Tugenden, endlich die Brustbilder
eines Fürsten mit seiner Gemahlin, vielleicht Johann Friedrichs des Mittleren,
denn das Werk scheint erst um 1560 entstanden zu sein.
Dresden
Dresden ist recht eigentlich in Norddeutschland als die Stadt der Renais-
sance zu bezeichnen. Denkmäler des Mittelalters kommen gegenüber den späteren
gar nicht in Betracht. Noch im Ausgang des Mittelalters steht Meißen bedeutend
voran, durch seinen Dom und die gewaltige Albrechtsburg ausgezeichnet. Erst
mit dem 16. Jahrhundert erhält Dresden als Hauptresidenz des kurfürstlichen
Hofes höhere Bedeutung und bleibt dann jahrhundertelang der Sitz einer
glänzenden Kunsttätigkeit. Das Hauptwerk der Frührenaissance ist das König-
liche Schloß.^*)
Schon im Mittelalter hatte weiter südlich von dem jetzigen Schloß eine
Burg der Markgrafen von Meißen bestanden, die indes baufällig geworden war,
1) Vgl. Dr. Julius Schmidt im Archiv für Sachs. Gesch. XI. S. 128.
2) Die Abbild, nach einer Photographie von Palmie. Das zierliche Werk gehörte der gleichen
Hand an, wie das Portal am Georgenbau zu Dresden. S. d.
3) Vgl. Com. Gurlitt, Das kgl. Schloß zu Dresden in den Mitt. des Sachs. Altert.-Ver,
Heft 28, eine quellenmäßige, aus den Urkunden geschöpfte Darstellung, voll wichtiger Auf-
schlüsse über die damalige Art architektonischen Schaffens, Vor allem: Bau- und Kuustdenkm.
d. Königr. Sachsen, Heft 21 — 23, S. 336— 422. Dazu die Aufn. in Ortsweins D. Ren. Abt. XV
von Naumann, Dreher u. Möckel.
Dresden Georgenbau
351
so daß 1494 der zu ihr gehörige Turm vom Sturmwinde niedergeworfen werden
konnte.^) Inzwischen war bereits der Grund zu einem neuen Bau gelegt worden,
weiter abwärts an der nordwestlichen Ecke der Altstadt gegen den Strom zu.
Die nordwestlichen Teile des vorhandenen Schlosses enthalten die Reste jener
Anlage. An sie fügte seit 1530 Herzog Georg der Bärtige den aus der Gesamt-
masse nach Norden gegen die Elbe vorspringenden Georgenflügel. Zwanzig Jahre
später vollzog Kurfürst Moritz den durchgreifenden Umbau, welcher dem Schlosse
seine neue Gestalt geben sollte.
Zu den jetzt ältesten Teilen des Schlosses gehört also der an der nordöst-
lichen Ecke gegen den Fluß hinausgeschobene Georgenbau, durch den noch
immer der ganze Verkehr aus der Schloßstraße nach der Elbbrücke seinen Weg
nimmt. Er hat in der Mitte eine mit Kreuzgewölben versehene Durchfahrt, an
beiden Seiten Durchgänge für Fußgänger; an der inneren Stadtseite bei N des
Grundrisses Abb. 216 im Erdgeschoß war eine gewölbte Vorhalle auf Pfeilern, ein
späterer Zusatz, da sie die reichen Portale bis auf das zur Linken und einen Teil
des mittleren verdeckte. Der ganze Bau ist neuerdings leider völlig neu gebaut,
nur eben eine schwerfällige Imitation des alten, von dem allein das schöne Außen-
tor beibehalten ist, aber an die Nebenseite des Vorbaus versetzt. Damit ist bis
auf diesen Rest ein Hauptwerk der sächsischen Frührenaissance ganz beseitigt.
An dem inneren Portal las man zweimal die Jahreszahl 1530; dabei die lebendig
ausgeführten Medaillonbilder der Herzöge Georg des Bärtigen und seines Sohnes
Johann. Die Ornamente waren hier noch sehr spielend und etwas flach gezeichnet,
aber reich und zierlich, die Profile der Glieder in mittelalterlicher Weise aus
Kehlen und Rundstäben zusammengesetzt. Die ganze Fassade, damals von der
größten Pracht^), war mit figürlichen Friesen, Pilastern und Gesimsen glänzend
geschmückt und mit einem hohen Giebel abgeschlossen, auf dessen Stufen Drachen
und Ornamente lagerten, während die Eckstreifen von Statuen bekrönt wurden.
In der Mitte der Fassade rankte sich ein doppelter verschlungener Baumast
empor, in den beiden Hauptgeschossen die mittleren Fenster umrahmend, am
Giebel dann sich vereinigend und bis zum obersten Schlußfelde aufsteigend, wo
Maria mit dem Kinde thronte, von Engeln umringt. Diese sowie sämtliche übrige
Bildwerke samt zahlreichen Sprüchen entwickelten den Gedanken der Erlösung,
bewegten sich also, den klassischen Gewohnheiten der Zeit entgegen, in aus-
schHeßlich christlichem Ideenkreise. Bemalung und Vergoldung steigerte die
Pracht des Ganzen. Diese Innenfront ist in der architektonischen Anordnung
durchaus symmetrisch, bis auf die etwas verschobenen Tore des Erdgeschosses.
Pflaster ziehen an den Ecken von unten bis zum Giebelanfang, das 1. und 2. Ge-
schoß hat je 5 Fenster mit Doppelpflastern dazwischen, das folgende nur einen
Streifen in der Mitte.
An der Außenseite bei M ist das einstige Mittel-, jetzt Seitenportal in
derselben spielenden Frührenaissance gebfldet, mit kandelaberartigen Säulen
eingefaßt, die in ihren rundhchen Formen fast wie von Bronze erscheinen^)
(Abb. 215). Alle Flächen, die Sockel, Pflaster, sind mit Ornamenten völlig
bedeckt. Am Schlußstein ist ein Totenkopf ausgemeißelt, über dem die halb
zerstörte Inschrift: Per invidiam diaboli mors intravit in orbem. Darüber die
Jahreszahl 1534. Hierüber befand sich einst noch ein Aufsatz mit dem von
Säulen eingefaßten Relief des Brudermords, von Schnörkeln flankiert; mitten
darüber ein halbrunder Muschelgiebel, an dessen Seiten Adam und Eva frei-
1) Vgl. Weck, Beschreib- und Vorstellung von Dresden (1680) S. 24.
2) Abb. bei Weck, Taf. 9.
3) Abb. bei Ortwein, a. a. 0. Taf. 22—27. — v. Bezold, D. Bank. d. Een. in Deutschland,
Leipzig 1908, Fig. 17.
352
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
stehend. An der Mitte auch der Apfelbaum mit der Schlange, der geistvoll
sich zur Stütze des Erkers aus wuchs. Links und rechts ein Ornamentfries,
darüber die Brüstung des zweiten Geschosses als Bogengalerie mit Wappen
darin. Der Erker bildete oben einen offenen Altan.
Abb. 215 Greorgentor des Schlosses zu Dresden
(Nach Phot. F. & 0. Brockmaim Nachf.)
Das Portal erweist sich als ganz unzweifelhaft denselben Händen angehörig,
wie jenes kleine — leider verschwundene — von Schloßstraße 453 zu Torgau, und
wohl auch das große Saalportal daselbst. Auch jenes war mit Adam und Eva
bekrönt, das Fenster daneben hatte im Giebelfeld den Brudermord. Das Einzelne
stimmt überraschend; selbst die auf dem Boden ruhenden runden Kandelaber.
Das Torgauer Portal ist um zwei Jahre jünger gewesen. 1535 wird also das Voll-
endungsjahr sein, was durch eine neuerdings an der Südseite entdeckte Jahres-
Dresden Schloß 353
zahl 1535 bestätigt wird.^) Über dem zweiten Stocke zog sich das große Relief
eines Totentanzes an der Fassade hin, das später, durch den vorgebauten Balkon
verdrängt, in die Mauer des Neustädter Kirchhofs eingesetzt wurde. Eine treffliche
Arbeit voll Ausdruck und Leben, etwa 90 cm hoch und gegen 12 Meter lang. Als
Meister dieser ganzen reichen plastischen Dekoration gilt der in den Urkunden
genannte Hans Schiel- entanz.'^) Doch dürfte er nur der Baumeister gewesen sein,
nicht auch der Bildhauer.
Abb. 216 Erdgeschoßgrundriß des Schlosses zu Dresden
Die genannten bildlichen Darstellungen im Zusammenhange mit dem
Totentanz veranschaulichen also den Gedanken, daß durch den Sündenfall der
Tod in die Welt gekommen sei, während die andere Seite mit Beziehung darauf
die Versöhnung durch Christi Menschwerdung und Leiden aussprach. Wer er-
kennt nicht in der Wahl dieser Gegenstände die Geistesart des edlen, aber un-
glücklichen Erbauers, der, obwohl von dem Bedürfnis einer inneren Reform der
Kirche tief durchdrungen, doch, durch die stürmischen Bewegungen der Zeit
erschreckt, sich von der Reformation abwandte, und im Zwiespalt mit seinem
lutherisch gesinnten Volke 1539 starb!
Dieser leider zuerst traurig verstümmelte, jezt sogar ganz beseitigte Georgs-
bau ging also dem von Moritz ausgeführten Hof bau um fast zwanzig Jahre voran,
1) Vgl. Fr. R. Steche, Hans von Dehn-Rothfelser (Dresden 1877) S. 12.
2) Vgl. Gurlitt a. a. 0. S. 6 S.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 23
354
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
und da er selbst noch früher als der Schloßbau zu Torgau ist, so haben wir ihn
als das früheste umfängliche Bauwerk der Renaissance in Norddeutschland zu
betrachten.
Der Kern des jüngeren Moritzschlosses gruppiert sich um einen großen
Hof (B in Abb. 216). Man gelangt dahin durch den übrigens neueren Eingang A,
der an der nördlichen Seite unter dem großen alten Turme sich befindet. Diese
Fassade, gegen den Fluß gewendet, machte ursprünglich einen anderen Ein-
druck, als sie noch mit Malereien bedeckt war und nicht durch die später
vorgebaute katholische Kirche verdeckt wurde. Doch ist als die eigenthche
Hauptfront die innere (Hof-) Seite dieses Flügels anzusehen. In dem Nordflügel
bei E lag die ehemalige Schloßkapelle, deren prachtvolles Portal im Hofe später
an die Sophienkirche versetzt, dann abgetragen und später am Judenhofe wieder
aufgerichtet wurde. Der westliche Flügel, an dem in der Nordwestecke ein
kräftiger Erker vorspringt, umschließt die Schätze des sogenannten Grünen Ge-
wölbes. Das ganze Erdgeschoß ist mit Kreuzgewölben auf Pfeilern versehen;
nur die Kapelle (E) machte eine Ausnahme, denn es war ein in ungeteilter An-
lage einschiffig überdeckter Raum mit in die nach innen gezogenen Strebepfeiler
eingebauten Umgängen und Emporen. Die Gewölbe waren aufs reichste bemalte Netz-
gewölbe. Der einstige Zustand ist auf einem alten Kupferstich von D. Conrad
(1G76) ersichtlich, der ein Bild des überprächtig gestalteten Kirchenraumes gibt.^)
Das Vorbild ihrer Anlage finden wir am Schloß zu Torgau (Abb. 211), nur daß
dort gotische Netzgewölbe den Raum überdecken. Fortan wurde diese Planform:
einfaches gestrecktes Rechteck, ohne Teilungsstützen und ohne Chorapsis, aber
mit Umgängen und Emporen, zur Regel für die protestantischen Schloßkapellen,
z. B. Schwerin, Schmalkalden, Bevern, Heidelberg u. a. Man sieht also auch hier-
aus den bestimmenden Einfluß der sächsischen Bauschule.
Der große Schloßhof, ehemals ganz mit Sgraffiten auf den Flächen bedeckt,
enthält jetzt nur in den vier Treppentürmen und der mittleren Halle vor dem
alten Hausmannsturm Zeugnisse der alten Pracht.') Die Anordnung ist die, daß
bei F und G in den vorderen Ecken die beiden Haupttreppen Hegen, sechseckig,
vorgebaut, mit kraftvollen ionischen Pilastern gegliedert, die Portale mit Hermen
und Karyatiden eingerahmt, die Pilasterflächen mit eleganten Ornamenten bedeckt
(vgl. Abb. 217). Über dem sehr gedrückten Erdgeschoß hat die Treppe einen
Austritt auf einen von eleganten Eisengittern umschlossenen Altan. Darüber
steigt das Treppenhaus mit schlanken frei korinthisierenden Pilastern weiter empor
und schließt dann in der Höhe des Hauptgesimses mit einem zweiten Altan, über
den sich der obere Aufsatz als Rundbau mit Kuppeldach erhebt. Die Dekoration
der unteren Teile ist nicht bloß von größter Pracht, sondern auch in der Zeich-
nung und Ausführung der Arabesken, Ranken, Putten und anderer Figuren voll
Freiheit und Leben, die Kapitelle mit Füllhörnern und eleganten Sphinxgestalten,
der obere Fries endlich mit Reiterkämpfen voll Geist und Schönheit. Am nord-
östlichen Treppenhause liest man 1549, am nordwestlichen 1550. Es sind also
Teile des von Kurfürst Moritz ausgeführten Baues, als deren Intendant Hans
Dehn der Rothfelser tätig war.'') Als den eigentlichen Baumeister haben wir den
uns auch sonst schon bekannten Kaspar Voigt von Wierandt anzuerkennen, von
dem Kurfürst Moritz selbst sagt, er wisse um „Muster auf Antorf er und Genter
Art nach dem neuen Strich" guten Bescheid.*) Ihm stand als Obersteinmetz bei
1) Abgeb.Bau-u. Kunstdenkm. d. Königr. Sachsen Heft 21, S.146. Daselbstauch die Grund-
risse der ursprünglichen Anlage. Auf unserem Plan, Abb. 216, ist der heutige Zustand angegeben.
2) Abb. bei Ortwein Taf. 28—32, 34—38.
3) Steche a. a. 0. S. 33.
4 Steche ebenda S. 46.
Dresden Schloß
355
allen Arbeiten Melchior Trost zur Seite. — Die beiden andern Treppen bei H und
J sind minder stattlich angelegt und minder reich geschmückt, haben aber eben-
falls an den Ecken Pilaster mit eleganter Dekoration aus derselben Zeit. Daß
die Ausführung dieser Werke zum Teil von welschen Steinmetzen herrührt, haben
wir bereits erfahren. Endlich gehört dahin die Bogenhalle, die sich an der Mitte
des nördlichen Flügels vor dem großen Turm erhebt, in den Untergeschossen
ehemals gleichfalls geöffnet, die Bogen unten auf toskanischen Säulen ruhend,
in den oberen Geschossen auf ionischen und korinthischen, während im dritten
Stock feine korinthische Säulen das Dachgesims aufnehmen. Die eigentümliche
Abb. 217 Schloßhof zu Dresden
Einschiebung der Bögen zwischen rechteckigen Aufsätzen über den Säulen, wie
die Anordnung des obersten Geschosses als Säulenhalle ist auffallend übereinstim-
mend mit der Gestaltung der Hallen in Brieg, Plagwitz, Güstrow. Eine Beziehung
zu dort muß vorhanden sein; sie aufzudecken muß künftiger Forschung vorbe-
halten bleiben. In den oberen Hallen sieht man noch jetzt Reste farbiger Wand-
gemälde. An der Balustrade des ersten Stockes ist die Geschichte Josuas in
wirksamen Reliefs dargestellt, in den Bogenzwickeln Medaillonköpfe.
Das eigentliche Hauptportal ist bei C; es war, wie auf einem alten Modell
des Schlosses und bei Weck (Abb. 220) zu sehen, besonders stattlich als eine Art
Nische ausgebildet und trug einen kleinen, offenen Rundtempel. Später ist dies
geändert und ein zweiter kleinerer Hof K vorgebaut worden. Von hier gelangt man
durch die große Einfahrt L auf die Schloßstraße, die den östlichen Flügel des Baues
begrenzt. Alle diese Teile sowie die weiter südwestlich hinzugefügten Bauten sind
späteren Ursprungs und scheinen unter Christian I. entstanden zu sein. Die älteste
356
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Markgrafenburg war, wie aus einem alten 1622 angefertigten Modell hervorgeht,
ein weit kleinerer Bau, der den großen Turm A auf der nordwestlichen Ecke hatte.
Von hier zog sich ein Flügel südwärts in der Richtung von B nach dem Flügel G
hin, so daß das damalige Schloß ungefähr die Hälfte des jetzigen großen Hofes
einnahm.^) Kurfürst Moritz verfuhr, als er 1547 zur Regierung kam, mit diesem
Bau gerade so, wie Franz I. um dieselbe Zeit mit dem Louvre: er ließ den west-
lichen Flügel abbrechen, führte den nördlichen und den südlichen in westhcher
Richtung weiter fort und schloß diese dort rechtwinklig durch den heutigen West-
flügel. Der große alte Hausmannsturm an der Ecke kam so in die Mitte des
Nordflügels zu stehen. In die Schloßstraße sprang aber am östlichen Flügel in
der Gegend des Treppenhauses D ein alter runder Turm vor. Er bildete damals
die südöstliche Ecke des Schlosses und findet sich noch auf jenem Modell von
1622, das den zweiten kleineren Hof noch nicht enthält.
Das Portal der ehemaligen Schloßkapelle (Abb. 218), einst im Hofe zwi-
schen den Türmen G und A stehend, jetzt, wie gesagt, an anderem Orte wieder
aufgestellt, mit der Jahreszahl 1555, bezeichnet den unter Kurfürst August be-
wirkten Abschluß des von Moritz begonnenen glänzenden Werkes.^) Es ist eine
der edelsten Portalschöpfungen der Renaissance in Deutschland, in Schönheit
und Klarheit des Aufbaus, Anmut der Ornamente und Feinheit der Gliederung
den Geist durchgebildeter Hochrenaissance verkündend. Vier kannelierte korin-
thische Säulen von klassischer Form bilden die Einfassung und tragen das stark
vortretende Gebälk, an dessen Fries eine herrliche Akanthusranke, wie nach den
besten römischen Mustern gearbeitet, sich hinzieht. Ein Gesims mit Zahn-
schnitt, Eierstab und Konsolen bildet den Abschluß. Darüber eine Attika mit
vier Pflastern, reich ornamentiert, in den Seitenfeldern zwei Apostelfiguren, in
dem breiteren Mittelfeld die Auferstehung Christi in treff'lichen Reliefs. Dazu
kommen vier andere Heilige in eleganten Nischen, die zwischen den Säulen die
Seitenfelder schmücken. Nur haben die Säulen ein etwas gedrungenes Verhältnis
und der unterste Sockel ist allzu schwer und hoch. Im übrigen hat auch das
gleichzeitige Italien wohl nichts Besseres hervorgebracht. Von demselben Reich-
tum und gleicher Schönheit ist das Schnitzwerk der Tür, sowohl im Ornamen-
talen als auch im Figürlichen von unübertroffenem Adel. Da dies prächtige Werk
bisher als italienische Arbeit galt, so hielt man den in den Baurechnungen öfter
erwähnten Johann Maria für den Meister. Über diesen Künstler teilt Gurlitt^)
mit, daß er sich Juan Maria de Padova oder Padovano nannte und als Schüler
und Gehflfe des Jacopo Sansovino gemeinsam mit Paolo della Stella an den Re-
liefs in der Antoniuskapelle des Santo zu Padua beteihgt war. Seit 1536 er-
scheinen beide in Prag mit Arbeiten am Belvedere in Prag beschäftigt, zugleich
mit Hans de Spatio und Hans Trost. Es wird darauf hingewiesen, daß der herr-
liche Akanthusfries am Belvedere nächste Verwandtschaft mit dem am Kapellen-
portal in Dresden zeige. Neuerdings jedoch betrachtet man Christoph Walter,
den tüchtigsten Bildhauer Sachsens aus dieser Zeit, den Künstler des vorzüg-
lichen Grabmals Hugos von Waldenburg ^) in der Wal den bürg er Kirche und
des ausgezeichneten Altarwerks zu Penig auch als denjenigen unseres Kapellen-
portals. Gearbeitet hat er daran unzweifelhaft, und es ist für ihn sprechend,
daß gleichschöne Ornamentfriese, wie wir sie hier finden, auch an jenen beiden
Meisterwerken vorhanden sind. Der Künstler war in Breslau geboren, aber schon
1) Abbild, desselben bei Weck Taf. 8.
2) Aufn.bei Ortwein Taf. 41—47.
3) Durch C. Giirlitt a. a. 0. S. 46 tf.
^) Bau- und Kunstdenkm. d. Königr. Sachsen, Heft 13, Beil. II — IV.
5) Daselbst, Heft 14, Beil. III.
Dresden Schloß
357
Abb. 218 SchlüßkapcUoiiportcal zu Dresden
(Nach Phot. F. & 0. Brockmanns Nachf. [R. Tamme], Dresden)
frühzeitig in Dresden tätig. Ob er vielleicht eine Lehrzeit in Prag zugebracht
hat, muß dahingestellt bleiben.
Die Schloßkapelle ist im 17. Jahrhundert beseitigt worden. Ihr schöner
Altar befindet sich jetzt in Torgau.
Zusätze und Umgestaltungen von durchgreifender Art erfuhr das Schloß
am Ende unserer Epoche. Zu den letzten Arbeiten gehört das in derber Rustika
358
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
ausgeführte Hauptportal der Nordseite bei A, mit vier toskanischen Rustikasäulen
dekoriert und mit Trophäen und Wappen reich geschmückt, das ähnlich behandelte
Portal, welches bei G in den zweiten Hof führt, ferner die ganz einfach derbe
Architektur des Hofes K (Abb. 219), mit den kräftigen Arkadengängen an der öst-
lichen und südHchen Seite, endHch das stattliche Hauptportal, welches den Ein-
gang L nach der Schloßstraße einfaßt und in einem mit Plattform abgeschlossenen
Vorbau hegt. Es ist ein ungemein grandioses Werk, unter Christian 1. seit 1592
durch Paul Buchner erbaut, der die ganze vortrefflich durchgeführte Anlage des
kleinen Hofes geschaffen hat. Gekuppelte toskanische Rustikasäulen fassen
den Bogen ein, in dessen Schlußstein eine trefflich gearbeitete Gruppe des
Pelikan, der für seine Jungen sich die Brust öffnet, „wodurch dann die Affek-
tion eines guten Regenten gegen seine getreue Untertanen angedeutet sein soll".
In den Metopen des Frieses sind prächtige Löwenköpfe gemeißelt.^)
Abb. 219 Stallhof des Schlosses zu Dresden
(Nach: Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance)
Alle diese späteren Teile sind in einem großartigen, aber etwas freudlos
schweren Stile behandelt. Ferner gehören dieser Spätzeit die hohen Dachgiebel
an, welche an einzelnen Teilen des Baues, im großen Haupthofe und an der Außen-
seite des Westflügels sich finden.^) Ursprünghch war das Schloß, wie das Modell
im Historischen Museum und ein ebendort befindliches altes Gemälde von Andreas
Vogel beweisen, überall mit solchen Giebeln geschmückt. Dazu kam eine voll-
ständige Dekoration mit Sgraffiten an den Außenwänden, wie in den Höfen meistens
grau in grau, an einzelnen Punkten, z. B. der oberen Halle am Turm, in farben-
prächtiger Malerei. Das Erdgeschoß zeigte in der Abbildung Diamantquaderungen,
1) Abbildung des Portalbaues mit der eleganten, das Ganze wirksam krönenden Kuppel-
rotunde bei Weck, Taf. 11. Dazu Ortwein Taf, 33.
2) Abb. bei Ortwein Taf. 12.
Dresden Schloß
359
darüber einen hohen Triglyphenfries. Die übrigen Stockwerke wurden durch breite
Laubfriese getrennt, die Flächen zwischen den Fenstern waren figürlichen Dar-
stellungen vorbehalten. Bis zur Spitze der zahlreichen hohen Giebel erstreckte
sich diese Bemalung, die dem weitläufigen Bau einen Ausdruck üppigen Reich-
tums verUeh.^) (Abb. 220.)
Abb. 220 Schloß zu Dresden (Nach Weck)
Die Fenster der späteren Teile sind zu zweien gruppiert und mit Giebeln
abgeschlossen, die älteren vom Bau des Kurfürsten Moritz haben breite schräge
Leibungen mit Rahmenprofil und runden Schilden, bisweilen auch mit Kannelüren.
Von der ehemaligen Pracht des Innern ist fast nichts erhalten. Nur im
oberen Stock sieht man zwei Zimmer mit trefflichen Holzdecken, schön gegliedert
1) Vgl. bei Weck die Taf. 12 u. 13.
360
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
und gut eingeteilt, Arbeiten des Tischlermeisters David Fleischer vom Jahre 1591/)
Das „Porzellanzimmer" im Hausmannsturm hat flaches Klostergewölbe mit Stich-
kappen und eine außerordentlich zarte Malerei von Grotesken im Stil der RafFael-
schüler und der Loggien, Der Reichtum der Ausstattung, an der welsche Künstler
aller Art beteiligt waren, muß außerordentlich gewesen sein. Die Kapelle war mit
kostbaren flandrischen Teppichen, die Passion darstellend, geschmückt, welche
man jetzt im Kuppelsaale der Gemäldegalerie sieht. Außerdem hatten Dresdener
„Teppichmacher" nach Entwürfen Lukas Cranachs einen „Türkenzug" ausgeführt.^)
Der im obersten Stockwerk den ganzen Westflügel einnehmende Riesensaal war
mit gemalten Riesenfiguren, welche die Decke zu stützen schienen, dekoriert.
Als Maler finden wir da ebenfaUs mehrere Italiener: Francesco Eicchino und die
Brüder Benedikt und Gabriel de Thola. Der erstere kehrte indes schon 1555 in
seine Heimat zurück und mochte nicht ferner in einem Lande bleiben, wo er sich
das Podagra geholt hatte. Von den Arbeiten dieser Künstler ist nichts erhalten.'^)
Das von Kurfürst Moritz Begonnene wurde von seinen Nachfolgern mit noch
größerer Pracht fortgeführt, so daß Nosseni in drei Jahren allein für Marmor-
arbeiten im Schloß 3881 Gulden ausgab, für solche im Lusthaus während der-
selben Epoche 6540 fl. Die Gesamtkosten des Schloßbaues wurden bloß von
1548-54 auf 100941 Meißner Gulden berechnet.*)
Weiterhin ließ Kurfürst August von 1559 — 63 durch Paul Büchner den
großartigen Bau eines Zeughauses ausführen, von welchemi wenigstens die
höchst bedeutend wirkende Anordnung noch vorhanden ist. Um einen lang-
gestreckten Hof zieht sich das Gebäude nach allen Seiten mit einer gewaltigen
zweischiffigen Halle hin, deren Kreuzgewölbe auf kräftigen toskanischen Säulen
ruhen. Es ist die Behandlungsweise, welche dann bei allen folgenden dortigen
Bauten maßgebend blieb. Die Perspektive dieser herrlichen gewölbten Säulenhalle
ist eine ungemein grandiose, bei aller Einfachheit durch die schönen Verhältnisse
von mächtiger Wirkung. Das Äußere erhielt ursprünglich durch kunstvoll ge-
schweifte Giebelaufsätze, die sich auch an den Hofseiten zeigten, sowie durch
fünf energisch behandelte Portale eine belebtere Gestalt, die freilich später durch
Beseitigung der Giebel sich in öde Nüchternheit verwandelt hat.^)
In Verbindung mit dem Schloß, an den östlich vorspringenden Georgsbau
anstoßend, ließ Christian I. seit 1586 den Stallhof erbauen, dessen Anfang auf
unserer Abb. 216 bei 0 verzeichnet ist. Hans Irmisch wurde unter dem ausge-
zeichneten Architekten Paul Buchner mit der Bauführung betraut. Von außen
wird das Gebäude durch eine hohe Mauer abgeschlossen, die durch mächtige
Portale im derben Spätrenaissancestil, denen des Schlosses entsprechend, durch-
brochen ist. Das obere Geschoß hat gekuppelte Fenster mit Giebelkrönungen.
Diese einfachen Formen erhielten durch vollständige Bemalung der Fassaden, die
man teilweise in wirksamer Weise erneuert hat, ihre Belebung; im Erdgeschoß
Diamantquaderung, dazwischen Felder mit einzelnen Kriegerfiguren; darüber ein
mächtiger Fries mit Reiter- und Wagenzügen in der ganzen Länge des Gebäudes;
endlich oben zwischen den Fenstern wieder einzelne Gestalten. Wie beim Schloß
war also auch hier alles auf eine prachtvolle gemalte Ausstattung angelegt.®)
An dem vorderen Portal meldet eine Inschrift, Herzog Christian habe den
Bau „equorum stationi et militarium exercitationi" errichtet. Im Innern besitzt
1) Abb. bei Ortwein Taf. 13.
2) S. Gurlitt a. a. 0. S. 22—29.
3) Ebenda S. 50 if.
4) Vgl. den oben zitierten Aufsatz von Schmidt a. a. 0. S. 167.
B) Genaueres über den Bau bei C. Gurlitt, Das Zeughaus, der Zeughof und die Brühische
Terrasse. Dresden 1877. Vgl. auch die Abb. bei Weck.
6) Abb. bei Weck Taf. 14. Danach bei Ortwein Taf. 21.
362
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
das Gebäude einen schmalen, langgestreckten Hof, an der nordöstlichen Langseite
durch zwanzig Arkaden auf mächtigen toskanischen Säulen eingefaßt, ehemals
offen, jetzt bis auf den Torweg vermauert (Abb. 219). Das Obergeschoß, welches die
Gewehrkammer enthält, zeigt die gekuppelten Fenster mit Giebeln wie am Äußern.
Bei 0 ist eine Halle mit gotischen Rippengewölben auf kurzen Rundpfeilern, die
ehemals die Verbindung mit dem Schloß vermittelte. In diesem schönen Hofe, der
ehemals nach dem Zeugnis alter Abbildungen^) aufs reichste bemalt war, nament-
lich zwischen den Fenstern die Taten des Herkules enthielt, fanden die Ringel-
rennen statt; davon zeugen noch jetzt die beiden prachtvollen Bronzesäulen,
zwischen denen die Bahnen für die Renner abgeteilt waren. An den Postamenten
mit Trophäen, am unteren Teil des Schaftes mit Arabesken, Waffen und Emblemen
geschmückt, tragen sie auf den eleganten korinthischen Kapitellen ein verkröpftes
Gebälk und auf diesem kleine Obelisken. Diese trefflich ausgeführten Arbeiten
sind von Martin Hilger gegossen.^) An der andern Seite schließt sich dem Hofe
eine geräumige Remise an, dreischiffig mit schlichten Kreuzgewölben auf 18 in
zwei Reihen gestellten dorischen Säulen, eine überaus großartige Anlage. Dieser
Teil des Gebäudes, der, später umgebaut, im oberen Geschoß lange Zeit die Ge-
mäldegalerie beherbergte, zeigt an der Fassade noch jetzt zwei großartige Portale,
den beiden anderen, sowie denen des Schlosses entsprechend. Der ganze Bau in
seiner ursprünglichen Erscheinung mit zahlreichen marmorgeschmückten Sälen
und Zimmern war ein Prachtwerk, zu dessen Herstellung in fast sechs Jahren
nicht weniger als 200000 Gulden aufgewendet worden waren.^) Man hatte nichts
gespart, ihn von außen wie von innen aufs reichste auszustatten (Abb. 221).
Nosseni bestellte dafür in Modena 180 bemalte und vergoldete runde Schilder,
Carlo de Cesare goß 46 fürstliche Bildnisse mit Postamenten und Wappenschilden
„für die Galerie hinter dem Stall" und 23 Bilder aus gebranntem und glasiertem
Ton.*) An kostbaren Geräten, geschnitzten Sesseln mit eingelegten Steinen, mar-
mornen Kredenzen, Kunstsachen aller Art fehlte es ebenfalls nicht, so daß das
Ganze ein Museum genannt werden konnte."^) Von der alten Ausstattung zeugt
noch die Gewehrgalerie, das Obergeschoß jener Arkaden, ein langer Gang mit
reichbemalter Kassettendecke und auf den Pfeilern zwischen den Fenstern und
der gegenüberliegenden Nische mit den Bildnissen von 52 sächsischen Fürsten in
prächtigen Rahmen.*') Leider hat der ursprünglich so glänzende Bau später die-
selbe Verwahrlosung und Verunstaltung über sich ergehen lassen müssen, die das
Schloß jetzt so unscheinbar gemacht hat. Auch die jüngste Herstellung hat
beiden Bauwerken die alte Pracht nicht wiederzugeben vermocht.
Der bürgerliche Privat bau in Dresden bietet gerade nicht Bedeutendes
für unsere Epoche, aber immerhin doch einige anziehende Werke. Es scheint,
daß in die bürgerlichen Kreise der neue Stil durch den uns schon bekannten
Melchior Trost eingeführt wurde, der als junger Mann mit dem Bau des Neustädter
Rathauses betraut war (1527). Das im Jahre 1755 abgerissene Gebäude war, wie
alte Abbildungen bezeugen, mit hohen bogenförmig abgeschlossenen Giebeln be-
krönt. Das erste Stadium der Frührenaissance wird sodann namentlich durch
einen reichen Erker am Eckhaus von Neumarkt und Frauengasse vertreten.') Die
runde Grundform, die Art des Auskragens erinnert an die Erker am Saalbau zu
1) Bei Weck Taf. 15.
2) Dr. J. Schmidt a. a. 0. S. 162. Abb. bei Ortwein Taf. 8—10.
3) Weck S. 55.
4) Dr. J. Schmidt a. a. 0. S. 137 u. 139.
5) Die Abb. und Beschreib, bei Weck S. 53 if. geben eine lebendige Anschauung des vor-
maligen Zustandes.
6) Bau- u. Kunstdenkm. d. Königr. Sachsen a. a. 0. Beil. XX.
Abb. bei Ortwein Taf. 39. Bau- u. Kunstdenkm. a. a. 0. S. 640.
Dresden
363
Torgau, der Fries mit spielenden Putten zeigt Verwandtschaft mit dem Georgen-
bau und mag von derselben Hand wie jener ausgeführt sein. Ein ähnlicher Erker,
aber in den kräftigeren Formen der Spätzeit mit derben Quadern und einer
Schlange als Konsole, ist an einem Hause weiter abwärts in der Frauengasse.^)
An mehreren Häusern der Schloßgasse und anderer Straßen sieht man hübsche
kleine Bogenportale (Abb. 222), zu beiden Seiten Muschelnischen mit Sitzen, die
Archivolte kräftig und zierlich mit Zahnschnitt, Eierstab, Konsolen und ähnhchen
Formen gegliedert.^) Bezeichnend für die meist schmalen,
aber sehr hohen Häuser ist die häufige Anwendung vier-
eckiger Erker, über dem Erdgeschoß auf Konsolen heraus-
gebaut, mit Pilastern gegliedert, oben mit geschweiftem Dach
abschließend, statt dessen man später oft einen offenen
Balkon angebracht hat. Diese Erker, nicht selten paarweise
angeordnet, geben viel Reiz und Leben. Ein Haus in der
Wilsdruffer Gasse hat einen solchen mit nachgeahmter Holz-
architektur; ebenso sind sämtliche Fenster desselben mit
einem barocken Rahmenwerk eingefaßt, das die Formen des
Holzbaues nachbildend, schon dem 17. Jahrhundert angehört.^)
Aus dem Anfange desselben Jahrhunderts stammt das Haus
Schloßgasse Nr. 19; am Erker die ungeschickt gemachten
Brustbilder Kurfürst Christians II. und seiner Gemahlin Hed-
wig von Dänemark, dabei das sächsische Herzogswappen,
das kurfürstliche und das dänische Wappen. Im Hausflur
eine hübsch ornamentierte Tür, die zur Treppe führt. In
derselben Straße Nr. 22 sah Lübke noch ein Haus, dessen
tiefer schmaler Flur auf einen kleinen Hof mündete ; rechts
war die steinerne Treppe auf Pfeilern angelegt, an der Rück-
seite des Hofes Arkaden in drei Geschossen, je zwei weitgespannte Rundbögen auf
dorischer Mittelsäule. Ein zierhches Portal der oben beschriebenen Art vom Jahre
1579 in der Kleinen Kirchgasse, fein gegliedert und mit der stolzen Inschrift:
„Einer Säule gleich bin ich,
Alle Leute hassen mich,
Und alle, die mich hassen,
Die müssen mich bleiben lassen;
Allen die mich kennen
Wünsche ich was sie mir gönnen ;
All mein Anfang und Ende
Stehet in Gottes Händen."
Ähnliche Portale in der Weißen Gasse, wo noch ein anderes in mehr mittelalter-
licher Weise mit Hohlkehlen und Rundstäben gegliedert ist. Ein ähnliches in der
Neustadt, an der Meißener Straße. Wieder ein anderes, mit Diamantquadern,
Zahnschnitten, Eierstab und Konsolensims gegliedert, in der Pfarrgasse, mit hübsch
geschnitzter Tür und eisernem Klopfer.
Unter den Schloßbauten im Lande ist nichts mehr im ursprünglichen Zu-
stande vorhanden. Von originellem Reiz muß die von Kurfürst Moritz im Frieden-
walde nördlich von Dresden bis 1546 erbaute Moritzburg gewesen sein*), die
1584 einen Umbau erfuhr, dessen Gestalt ein Modell im historischen Museum
1) Abb. bei Ortwein Taf. 40.
2) Vgl. Ortwein Taf. I, 6, 16.
3) Abb. in Puttrichs Sachsen.
4) Vgl. das ausgezeichnete Werk: Sächsische Herrensitze und Schlösser, herausgeg. von
Haenel, Adam und C. Gurlitt. Dresden 1880 fg. fol., welchem unsere Abb. 223 entnommen ist.
Abb. 222 Von einem Portal
zu Dresden
364
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
veranschaulicht (Abb. 223). Es war ein schlichtes Jagdschloß, das mit hohen
Giebeln und Treppenturm aus einem weiten Hofraum aufragte, rings von niedri-
gen, zur Verteidigung eingerichteten Mauern umgeben. Runde Türme, deren einer
den Eingang enthielt, auf den Ecken. In dem durch Pöppelmann später aus-
geführten Umbau sind von der früheren Anlage nur diese Türme beibehalten
worden. Außerdem wäre etwa die seit 1567 durch Hieronymus Lotter im Erz-
gebirge drei Stunden östlich von Chemnitz errichtete Augustusburg zu nennen,
ein durchaus nüchterner, in strenger Regelmäßigkeit ausgeführter Schloßbau mit
vier großen Pavillons auf den Ecken und einem kreuzförmig angelegten Hofe.
Abb. 223 Moritzburg bei Dresden
Die Vernachlässigung und Verwüstung hat die schönen krönenden Galerien ge-
raubt, die um das Ganze herumliefen, die giebelartigen Aufsätze der Eckpavillons
entfernt und noch vieles andere, zugleich die prächtige innere Ausstattung. Der
mächtige Rustikatriumphbogen des Eingangstores und Spuren seines einstigen
reichen Aufsatzes, sowie das schöne innere Portal sind die letzten Spuren seiner
einstigen Außenarchitektur. Das einzige sonst noch Wertvolle an diesem Bau ist
die von Gerhard van der Meer, also einem Niederländer, herrührende Kapelle.
Sie befolgt die beim Torgauer und Dresdener Schloß zuerst gegebene Grundform
eines gestreckten Rechtecks mit dreiseitig umlaufenden Emporen. Die inneren
tiefen Arkaden, unten mit toskanischen, oben mit ionischen Halbsäulen besetzt,
das Tonnengewölbe mit Feldern und Rahmenwerk ergeben eine sehr schwere
Wirkung; diese Erscheinung der Kirche hat übrigens eine starke Verwandt-
schaft mit der der Universitätskirche zu Würzburg, allerdings hauptsächlich
wegen der Anlehnung an die römische Antike, insbesondere das Kolosseumsystem.
Der Altar mit Granachschem Gemälde ist von sehr mageren Säulen eingefaßt,
besitzt aber glänzenden Aufsatz mit Wappen und ist reichfarbig und vergoldet;
Kursächaische Schlösser
365
schön die Kanzel durch ihren prächtigen Engelfries und ihre Gränachschen Ge-
mälde zwischen Hermen.
Der wackere Lotter hatte das Mißgeschick, im Laufe dieses Baues beim
Kurfürsten in Ungnade zu fallen, was dann, wie es scheint, eine völlige Zerrüttung
seiner Verhältnisse mit sich führte.^)
An manchem anderen Edelsitze des Landes sieht man noch einzelne Reste
aus der Renaissancezeit, doch wenig von wirklicher hervorragender Bedeutung.
Es mag das Schloß zu Golditz an der Zwickauer Mulde erwähnt werden wegen
des prachtvollen Portals im Hofe, das zu den elegantesten Werken unserer durch-
gebildeten Hochrenaissance gehört.^)
Auch eine kleinere Merkwürdigkeit finden wir hier, wie sie in Deutschland
sonst selten ist: das kleine Schlößchen in Oberlößnitz mit einer inneren Aus-
stattung hauptsächhch in Malerei, wie solche aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
kaum mehr vorkommt. Es ist das Fachwerkobergeschoß über dem gewölbten
Erdgeschoß mit einem etwa 7 m im Geviert großen Mittelsaal und je zwei kleineren
Räumen zu den Seiten. Der Saal hat Plattenfußboden und ringsum eine schöne
Täfelung mit toskanischen Pilastern, deren Felder mit ganzen Figuren und
kleineren Bildern allegorischen Inhalts bemalt sind; die Balkendecke enthält in
ihren 80 Zwischenfeldern gemalte Vögel; die Nebenräume sind in ganz ähnlicher
Weise geschmückt, alle mit bemalten Balkendecken und Täfelungen; auch stehen
schöne Öfen in den Ecken. — Das Ganze ist etwa 1650 für Kurfürst Johann
Georg IL erbaut, wie es scheint, als eine Art Sommersitz in den Weinbergen.^')
Von größerer Wichtigkeit ist das stattliche Schloß Schönfeld, stolz und
hoch sich mit seinen zwei Vordergiebeln und Treppenturm dazwischen aus seinem
Teich erhebend. Ein hübsches rundbogiges Portal gibt Zutritt zu dem sechseckigen
Turm, das Erdgeschoß ist fast ganz gewölbt, die oberen Räume besitzen aber
noch fast alle ihre schönen, alten, bemalten Balkendecken. Zwischen den Balken
sind durch Leisten Felder gebildet, die nun in mannigfachster Dekoration prangen,
Ornamente naturalistischer oder mehr geometrischer Art, im Stil von Intarsien
oder Zweigen mit Blättern und Blüten, lange oder quadratische Felder, kurz eine
ganze Musterkarte solcher Erfindungen. Auch schöne Kamine sind noch vor-
handen; das Ganze ist wenig gestört und heute in guten treuen Händen. Es
entstand, wie es heute ist, seit 1573,
Seitdem in Dresden die Renaissance zur Herrschaft gekommen war, und
durch den glänzenden Hofhalt der Fürsten die Stadt sich mit Prachtbauten
schmückte, begann ein durchgreifender Einfluß sich auf die benachbarten Städte
geltend zu machen. In Meißen, dem alten Sitz der Markgrafen, erdrückt der
gewaltige spätgotische Bau der Albrechtsburg*) alles, was die späteren Zeiten
aufgeführt haben. Das Werk des westfälischen Meisters Arnold, das großartigste
deutsche Fürstenschloß des späteren Mittelalters, gehört in seiner ganzen Form-
gebung noch der Gotik; aber der Geist, der diese unvergleichlich imposanten
Gewölbe geordnet und durchgebildet hat, läßt das Wesen einer neuen Zeit er-
kennen. Denn das Streben nach geschlossener und planvoller Anordnung eines
vielfach zusammengesetzten Ganzen, die geistreiche Verbindung und Gruppierung
der Räume, die einheithche Gestaltung des Äußeren, das alles, wenngleich noch
mit den Formen des Mittelalters bewirkt, ist dem Palastbau der Renaissance in
1) Die Geschichte dieses Baues s. bei Wustmann, Der Leipziger Baumeister H, Lotter.
Leipzig 1875.
2) Abb. bei Ilaenel u. Gurlitt, Sächsische Herrensitze etc. Taf. 34.
3) Näheres Bau- und Kunstdenkm. d. Königr. Sachsen, Heft 26 S. 136 ff. Beil. V, VI,
Abb. 148 — 152.
4) Vgl. die gediegene Schrift von Corn. Gurlitt, Das Schloß zu Meißen. Dresden 1881 und
die Aufnahmen in den Sächsischen Herrensitzen und Schlössern, Taf. 38—44,
366
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
seinem Grund innig verwandt. Die ungewöhnliche Weite und Höhe der Räume,
die reich verschlungenen Stern- und Netzgewölbe, die geschickten Zusammen-
hänge, die klar und harmonisch angeordneten Fenstersysteme in ihren tiefen
Mauernischen, endlich die stolze Wendeltreppe im Hofe, das alles sind Vorzüge,
die diesen wundervollen Bau vor allen ähnlichen auszeichnen, aber auch auf
Vorbilder außer Deutschlands — im welschen Westen — hinweisen.
Nur bescheiden ist dagegen, was die Renaissance hier bietet. Zunächst
gewährt der Dom in mehreren Denkmalen sehr frühe Beispiele des neuen Stiles.
Unter den zahlreichen ehernen Grabplatten in der Begräbniskapelle der Fürsten
gehören die aus der Gießhütte Peter Vischers stammenden Albrechts des Beherz-
ten (t 1500), Amahens von Bayern (f 1502), Sidoniens (f 1510) und Friedrichs
(f 1510) zu dem Schönsten, was auf diesem Gebiete in Deutschland je geleistet
worden ist; die wundervollen Friese in Ornamenten und Figuren um die Fürsten-
gestalten sind offenbar unter der Einwirkung und wohl nach Entwurf von Peter
Flettner entstanden. Auch die Tumba des Stifters dürfte ein Werk der Nürn-
berger Gießhütte, vielleicht Hermann Vischers sein. Es ist sicher eine Nürnberger
Arbeit. In der Georgenkapelle ist die Rehefplatte des Herzogs Georg (f 1539)
und seiner Gemahlin mit hübschen Ornamenten einer noch frühen Renaissance
geschmückt, denen am Georgenbau in Dresden verwandt.
Weiter sieht man an zahlreichen Bürgerhäusern der Stadt den Einfluß des
kunstliebenden Hofes. Der Früh-
zeit gehört das Haus an der
Ecke der Elbgasse, mit hohem
Giebel, der fast noch in mittel-
alterlicher Weise durch Lisenen
gegliedert und in seinen Staffeln
durch Halbkreise bekrönt ist.
Ein großer rechtwinkliger Erker,
auf der Ecke diagonal angeord-
net, hat Wappen und Brustbil-
der sächsischer Fürsten in zwei
Stockwerken, an den Pilastern
flache Ornamente im Stile des
Georgenportals zu Dresden, aber
minder fein, bezeichnet 1533.^)
Aflerlei Portale von den dreißiger
Jahren des 16. Jahrhunderts an,
oft höchst malerisch, zeigen das
Streben, die neuen Kunstformen
an die Stelle der überlieferten
zu setzen (Abb. 224). Mit eini-
gem Aufwand ist ein ansehn-
liches Giebelhaus hinter der
Stadtkirche behandelt, am Por-
tal 1571 bezeichnet, mit einem
ungeschickten Relief, Simson
mit dem Löwen kämpfend. Es
ist die Arbeit eines wohlmeinen-
den, aber schlecht geschulten
1) Nach einer Vermutung C.
Gurlitts das Werk Christoph
Abb. 224 Portal vora Jahnaschen Freihof zu Meißen Walters.
Meißen Pirna
367
Steinmetzen. Der hohe Giebel ist mit Pilastern, Voluten, aufgesetzten Henkel-
vasen effektvoll gegliedert.
Seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts findet man kleine Portale mit zier-
licher BogengHederung nach Dresdner Muster. So in der Burgstraße Nr. 108 vom
Jahre 1605, ein sehr hübsches am Görnischen Platz vom Jahre 1603, mit Konsolen,
Eierstab, Zahnschnitt und facettierten Quadern. Ein ganz vortreffHches reich
geghedertes von 1603 am Kleinen Markt, und ebenda ein anderes von 1601, ähn-
Hch behandelt und mit dem Spruch : Herr nach deinem Willen. Allerlei Varianten
kehren wieder, namentlich am Hahnemannsplatz und in der Baugasse. Ein
phantastisch derbes, aber wirkungsvolles Barockportal mit Rustikapilastern, Voluten
und Obelisken vom Jahre 1614 bildet den Aufgang zum Kirchhofe. Derb und
flott das Portal am Gasthof zum Hirsch, mit einer naiven Darstellung von Diana
und Aktäon. Hohe malerische Dachgiebel auf beiden Seiten hat das Eckhaus
am Markt, jetzt Apotheke, in der Mitte mit einem Erker auf Konsolen und
eleganter toskanischer Säule.
Beachtenswertes ist in Pirna zu verzeichnen. Die Frührenaissance tritt an
dem alten Giebel des neuerdings umgebauten Rathauses zuerst in ziemlich un-
sicherer Behandlung auf. Die Portale sind noch spitzbogig mit durchschneiden-
dem Rahmenwerk, das Hauptportal wird von einer lisenenartigen Pilasterordnung
umfaßt und von zwei großen abenteuerhch gestalteten Delphinen bekrönt. Das
dabei angebrachte F. H. ist vielleicht das Zeichen des ausführenden Architekten.
Das Ganze dürftig, die neuen Formen nur wie vom Hörensagen angewandt. Der
Giebel hat eingekerbte
Voluten und magere Li-
senen, die Fenster sind
mit ebenfalls gekerbten
Rahmen von flacher Pro-
filierung umfaßt, die Keh-
len von geringer Tiefe.
Das barocke Glocken-
türmchen auf dem Giebel
ist ein späterer Zusatz.
Ungleich reicher ist das
hübsche, ebenfalls der
Frührenaissance angehö-
rende Portal des Hauses
Nr. 1 in der Niederen
Burgstraße (Abb. 225).
Der etwas gedrückte Bo-
gen, mit wunderlich be-
handeltem Eierstab und
Ranken geschmückt, ruht
auf zwei schräg gestellten
Rundscheiben mit deko-
rativen Relief köpfen nach
Mantegna. Unten sind
zwei runde Sitzsteine an-
gebracht, wie sie bei den
mitteldeutschen Hauspor-
talen jener Zeit allgemein
beliebt waren. Die Ein-
rahmung bilden Rahmen-
Abb. 225 Portal aus Pirna
(Nach: Bau- und Kunstdenbmäler des Königreichs Sachsen)
368
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
pilaster mit reichem Ornament, Masken
und Laubwerk im Stil Aldegrevers, alles
in derbem Relief, aber lebendig ausge-
führt. In den korinthischen Kapitellen
sind Engelsköpfchen angebracht, in den
Bogenzwickeln die beliebten Figuren von
Adam und Eva, ziemlich seltsam bewegt.
Das Dekorative ist durchweg prächtig,
die Komposition unsicher, wie denn z. B.
über den Kapitellen gleich das Gesims
liegt. Der Baumeister hat sein Steinmetz-
zeichen samt den Buchstaben W. B. bei-
gefügt; daß er das stattliche Haus für
sich selbst errichtet hat, geht aus dem im
Aufsatz angebrachten Brustbilde hervor,
das eine charaktervolle Gestalt in langem
Bart, Zirkel und Winkelmaß in den Hän-
den, darstellt. Zu den Seiten eine männ-
liche und eine weibliche Figur, die in eine
lebendig bewegte Ranke auslaufen. Be-
zeichnend für den Charakter der Früh-
renaissance ist auch die Behandlung der
Fenster in den beiden Obergeschossen,
deren schräge flache Rahmen mit Medail-
lons geschmückt sind. Das Ganze steht
stark unter dem Einflüsse des Georgen-
baues zu Dresden. Der Baumeister W. B.
soll nach der Überlieferung der der groß-
artigen Hauptkirche sein.
Was sich sonst an Privathäusern
findet, ist minder erheblich. Eine beach-
tenswerte Eigentümlichkeit sind die zahl-
reichen Erker. Der Nordseite der Kirche
gegenüber sieht man ein kleines Portal in
der üblichen sächsischen Art mit reich
gegliedertem Bogen und zwei Sitzen an
den Seiten; ein ähnliches, ebendort am
Kirchplatz befindliches, ist etwas einfacher
behandelt. Was sich sonst noch bemerk-
bar macht, gehört dem beginnenden Schweifstil an, der hier in seinen derben
Formen und seinen Metallornamenten an mehreren resolut gearbeiteten Werken
vorkommt. So ein Eckhaus der Dohnaischen Straße und der Barbiergasse mit dia-
gonal gestelltem Erker von 1624 auf kräftigen Konsolen, geschmückt mit Masken,
anderem Figürlichen und dem üblichen Metallornament (Abb. 226). An demselben
Hause ein Bogenportal in übertrieben derben Formen. Ein ähnliches Portal, über
welchem ein viereckiger Erker vorspringt, an dem Hause Schloßstraße 13. Aus
derselben Zeit und in gleichartiger Formbehandlung ein diagonal gestellter Erker
an einem Eckhaus der Oberen Burgstraße, der an den Seiten sogar noch spät-
gotisches Maßwerk zeigt, während die Front durch verschlungene barocke Bänder
und die mittlere Konsole durch eine fratzenhafte Faungestalt dekoriert ist.
Ungleich wertvoller sind die Arbeiten, die noch in der besten Renaissance-
zeit zum Schmuck der städtischen Pfarrkirche ausgeführt wurden. Zunächst
Pirna
369
gehört die Bemalung der Gewölbe dieser stattlichen spätgotischen Hallenkirche
im Charakter unserer Frührenaissance zum Reichsten, was wir in dieser Art in
Deutschland besitzen. Sie besteht hauptsächlich aus buntfarbigen Ranken im
besten Stil der Frührenaissance, aus mancherlei Blättern und Blumen, nament-
hch aus den Blüten der Kaiserkrone, die mit langen blättergeschmückten Stielen
aus Vasen hervorgehen (Abb. 227). Alle diese reich gezackten Ornamente strahlen
in üppiger Farbenpracht, indem sie die Hunderte von kleineren und größeren
Feldern des Netzgewölbes schmücken und dabei stets von den Durchschneidungs-
punkten ausgehen. In den Sterngewölben der Seitenschiffe bilden sich da-
durch große prachtvolle Blumensterne. In den größeren länghchen Feldern un-
mittelbar über den Pfeilern sind Einzelfiguren und biblische Geschichten ange-
bracht, z. B. Christus am Kreuz, die Apostel und Heilige, auch alttestamenthche
Szenen, wie Elias zum Himmel auffahrend, oder Jonas vom Walfisch verschlungen,
wobei eine mit vollen Segeln fahrende Galeere des 16. Jahrhunderts dargestellt
ist. Die Gemäldereihe um-
faßt die Hauptmomente
der Heilsgeschichte von
der Schöpfung bis zum
Jüngsten Gericht. Dazu
kommen Einzelgestalten
der Tugenden, der Weis-
heit, Gerechtigkeit und
Stärke, der Hoffnung,
Liebe usw. im Charakter
antiker Kunst, meistens
mit geschlitzten und flat-
ternden Kleidern, die ein
Bein nackt lassen; auch
die in den Ranken spie-
lenden Putten verraten
den Geist der Frührenais-
sance. Wir haben es in
der ganzen ungemein
prachtvollen Malerei wohl
mit der Arbeit irgend
eines von Lukas Cranach
inspirierten Lokalkünst-
lers zu tun. Der Stil ist
wild, das Formenverständ-
nis oberflächlich, die Wir-
kung im ganzen aber
groß. Da die Kirche 1502
unter Herzog Georg dem
Bärtigen begonnen und
1546 vollendet wurde, so
haben wir hier eins der
namhaftesten Beispiele
der späten Nachblüte der
Gotik, mit der sich gleich-
zeitig Renaissanceformen
in der Ausstattung ver-
binden • dpr Tnlnalt ripr ^'^^ Gewölbemalcvci vom Chor der Stadtlärche zu Pirna
mnuen, uer innail aer (Nach: Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen)
Lübke- Haupt, Eenaissance in Deutschland II 3. Aufl. 24
370
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Malerei ist sichtlich daraufhin ausgewählt, daß im Sinn des evangelischen Kultus
„das reine Gotteswort" darin dargestellt werde. Da 1539 in der Stadt die Re-
formation eingeführt wurde, so sind die Gemälde offenbar unter diesem Eindruck
geschaffen, und wir haben daher diesen bedeutenden Gemäldekreis als eins der
seltenen Monumentalwerke des Protestantismus zu bezeichnen.
Etwas später, inschrifthch 1570—71, entstand ein anderes bemerkenswertes
Werk: die steinerne Empore auf elegant kannelierten toskanischen Säulen mit
flach gespannten Bögen auf der Nordseite der Kirche. Das Gewölbe trägt den
Charakter eines gotischen Netzwerks, aber die Brüstungen und die Bogenzwickel
sind mit einem überaus reichen Ornament im Stil der Frührenaissance geschmückt.
Die Verwandtschaft mit den Emporen der Marienkirche in Halle ist unverkennbar.
Weinranken, aus Vasen hervorwachsend, mit etwas schlaff behandelten Blättern,
überziehen alle Flächen prächtig; dabei herrscht ein phantasiereicher Humor in
den Beiwerken: Häschen naschen, Vögel picken an den Trauben, pausbackige
Kinder ruhen oder klettern darin, der Fuchs blickt schmachtend hinauf, Affen
treiben ihre Possen, der Kater beschleicht einen Vogel. In jedem Felde ist ein
von Putten gehaltenes Wappen in Rollwerk dargestellt, wahrscheinlich dem Bürger-
meister und den Ratsherren angehörig. An der Westseite des Mittelschiffs, über
die sich die Empore fortsetzt, sieht man einerseits eine weibliche Figur vor der
Schlange des Moses, andererseits Adam angstvoll durch die Ranken klettern, um
einem Drachen zu entfliehen. Ob die Inschriften L. D. und H. F. sich auf die aus-
führenden Künstler beziehen, muß ich dahingestellt sein lassen.
Von der übrigen Ausstattung der Kirche ist der steinerne mächtige Altar,
10 m hoch und 5,1 m breit, als eine äußerst tüchtige und originelle Komposi-
tion, jetzt leider mit grauer Ölfarbe überschmiert, hervorzuheben. Er wurde 1611
unter Leitung des Baumeisters David ScJnoenke durch den Bildhauer Antonms
von Saalhausen ausgeführt.^) Eine tüchtige Holzarbeit ist sodann das Hauptportal
vom Jahre 1595; außerdem sind die vier prächtigen messingenen Kronleuchter
aus der Spätzeit des 17. Jahrhunderts beachtenswert.
Ein wichtiges und zum Teil glänzendes Werk hat Günther von Bünau in
der Kirche von Lauenstein hinterlassen, die er nach einem Brand 1594 wieder
aufbaute und zu einem Denkmal seiner FamiHe gestaltete. Mit Benutzung alter
Teile wurde ein neues Schiff aufgebaut, dessen kunstreiches Netzgewölbe vier
achteckige toskanische Pfeiler tragen. ÄhnUche kleinere vier Säulen stützen die
Orgelbühne, zwei das Gewölbe im Turm. Der ältere Turm erhielt damals Renais-
sancegiebel mit Schnecken und Satteldach — leider wieder abgebrannt — und
ein Portal mit Wappen. Den Glanz des Innern bildet der Altar und die Bünau-
kapelle links dahinter. Quer durch das achteckige Ghorhaupt zieht eine steinerne
Prachtwand, mitten den Altar, links und rechts Portale mit den Statuen des
Stifters und seiner Gemahlin tragend (Abb. 228). Der Altaraufbau enthält zwischen
vielen Säulen acht Reliefs mit zahlreichen Statuen in drei sich absetzenden Stock-
werken über der Predella. Das Werk im Stil des Schlusses des 16. Jahrhunderts
ein Meisterwerk. Links sieht man über die Schranke hinein in die dort liegende
Bünaukapelle; ihr Gewölbe bedecken große Flachornamente in Stuck im Schweif-
stil; an ihrer Rückwand erhebt sich das Glanzstück, das überreiche Denkmal des
Genannten und seiner Familie. Er kniet da mit seinen zwei Frauen, sechs Söhnen
und fünf Töchtern, in größter Pracht der Zeittracht; darüber die Statuen Salomos,
von vier Aposteln und vier Propheten; mitten das Relief des Weltgerichts zwischen
vier Aposteln, oben Gottvater und Christus mit den letzten vier Aposteln. Das
Denkmal füllt die ganze Wand bis zum Gewölbe und bildet mit dem Altar und
1) Abendroth, Die Stadtkirche zu Pirna S. 23.
Abb. 228 Altar werk der Kirche zu Lauenstein
(Nach: Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen)
372
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
dem prächtigen Portal der Kapelle (Abb. 229) — darin ein schönes Gitter — ,
ein wahrhaft glänzendes Monument des Erbauers, das durch die reiche Kanzel
und einige weitere Familien-Epitaphien vervollständigt wird.
Auch das stolze Schloß,
leider teilweise sehr verstüm-
melt, redet von dem Kunst-
sinn des Kirchenerbauers, der
es in gleich glänzender Weise
ausstattete und ausbaute.
Den Hauptteil bildete der
1849 gewaltsam zerstörte
Trompetersaal, ein schöner,
mit Kreuzgewölben bedeckter
Raum, auf dessen Nordseite
sich der glänzend gestaltete
steinerne Trompeterstuhl er-
hob. Reiche Bildhauerarbei-
ten davon sind noch vorhan-
den; Arabeskenmalerei und
andere Gemälde, ein großes
Wappen der Familie, eine
reich geschnitzte Brüstung
des Trompeterstuhls und die
riesigen Querbögen des weiß
gehaltenen Saales waren 1869
noch zu sehen. Auch sonst
zeugen verschiedene ausge-
malte und mit Stuck ge-
schmückte Innenräume von
der einstigen Pracht. Äußer-
lich ist wenigstens die Haupt-
eingangseite der eigentlichen
Burg, mit mehreren gegie-
belten Türmen und toska-
nischem Hauptportal aus
dem einstigen Hirschgraben
stolz aufragend, wohl er-
halten.
Im Schlosse von Dip-
poldiswalde finden wir
aber aus der ersten Zeit der
sächsisch enRenaissance noch
einen Rest von hoher Bedeu-
tung (Abb. 230). Offenbar
vom Erbauer des Georgenbaues in Dresden geschaffen, ist der nur zweifenstrige
und zweistöckige Bau in den Geschossen durch drei sehr stark vorspringende
Pilaster gegliedert, dazwischen einfache, in der Schräge profilierte Fenster. Diese
völlig ornamentierten, vierkantigen Pfeiler, muß man sie nennen, haben reichstes,
starkgeschweiftes Blätterkapitell und verkröpftes Gebälk mit stark gefülltem fein-
stem Friese; das Erdgeschoß zwei rundbogige, einfache Türen zwischen derben
Eckpilastern ; sein Fries zeigt breit gestellte Pfeifen.^)
1) Abb. in Bau- und Kunstdenkm. d. Königr. Sachsen, II, Beil. IV.
Abb. 229 Portal der Bünaukapelle in der Kirclie zu Lauenstcin
(Nach : Bau- und Kunstdenkmälcr des Königreichs Sachsen)
Dippoldiswalde Freiberg
373
Der Schmuck des Bauwerks, das offenbar durch den Brand von 1632 seine
Giebel und oberen Gebälkkröpfe verlor, ist ausgezeichnet und stimmt genau mit
dem des Tors am Georgenbau, zeigt aber auch in der Architektur genau dieselbe
Pilasterarchitektur, wie einst die Innenseite des Georgentors in den Stockwerken;
sie mag uns daher
einen Ersatz bieten
für das dort Verlorene.
Nicht unerwähnt
darf es bleiben, daß
die Übereinstimmung
mit Görlitzer undBres-
lauerFrührenaissance-
häusern, die freilich
weniger reich und fein
sind, verhältnismäßig
groß ist und eine Ein-
wirkung dorthin oder
dorther vermuten läßt.
Auch G. von Bezold
spricht von einer säch-
sisch-schlesischen Re-
naissance.
Einiges findet
sich sodann in Frei-
berg. Zum Frühe-
sten gehört das Haus
Nr. 266 am Marktplatz.
Es hat ein sehr reiches
Portal der üppigsten
Frührenaissance, mit
dem weichen,lappigen ,
krautartigen Laub-
werk dieser Epoche
ganz überzogen. Die
Pilaster, Archivollen
und Zwickelfelder,
welche ein männliches
und weibliches Medail-
lonbildnis zeigen, völ-
lig bemalt, das Ganze
eingefaßt von jenen
pflanzenartigen Säu-
len mit wulstiger Ba-
sis, wie wir sie vom Georgenbau zu Dresden her kennen, der Schaft mit Laub-
werk bedeckt, die breitgedrückten Kapitelle mit Tier- und Pflanzenornament, auf
den Ecken vasenartige Aufsätze, dazwischen ein großer Giebel als Bekrönung,
welcher in einem anziehenden Relief die Arbeiten des Bergmanns enthält; wohl
um 1540 entstanden. 2) Daneben in Nr. 267, dem ehemaligen Kaufhaus, 1545 be-
zeichnet, ein Portal von einfacherer Anordnung, aber nicht minder reich und
1) Die Baukunst d. Renaissance in Deutschland S. 33.
2) Nach C. Gurlitts Vermutung von dem Meister d.es Dresdener Georgenbaues, Hans Schicken-
tanz, auf dessen Namen das S. auf der ßelieftafel vieU^icht gedeutet werden darf.
Abb. 230 Südlicher Wittelbau des Schlosses Dippoldiswalde
(Nach: Bau- und Kunstdenkmälcr des Königreichs Sachsen)
374
2. Bach Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
schwungvoll verziert; die breiten Flächen der Bögen mit Akanthusranken, in den
Zwickeln Rundbilder, oben als Krönung frei verschlungenes Laubwerk von schöner
Zeichnung, dazwischen das Wappen der Stadt. Im Innern bewahrt das Haupt-
Abb. 231 Fürstengräber im Dom zu Freibera
geschoß ein Zimmer mit guter Holzbalkendecke, die Balken tief ausgekehlt, in
mittelalterlicher Behandlung, in der Mitte eine phantastisch geschnitzte Renais-
sancesäule, über deren Blätterkapitell die mächtigen Kopfbänder elegant in Ro-
Freiberg
375
setten auslaufen, an den Seiten mit Laubwerk und Drachen geziert. Rings um
die Wände zieht sich auf halber Höhe ein Gesims auf Konsolen. Der Rahmen
der Tür ist mit Blattranken im Stil der Frührenaissance geschmückt.
Zahlreiche kleine Portale verraten den Einfluß von Dresden, sowohl in der
Anlage, wie in der zierlichen Ausbildung. Das schönste dieser Art ist Rittergasse
Nr. 519, mit geistvollen Arabesken geschmückt, offenbar vom Meister des Kauf-
hauses. Mehrere den Dresdner Portalen verwandte, mit Sitznischen an den Seiten,
die Archivolten reich gegliedert, sieht man Kirchgasse Nr. 357; ganz ähnHch
Rittergasse Nr. 515; etwas reicher Kleine Rittergasse Nr. 689; wieder abweichend,
die Archivolten mit Laub und Früchten dekoriert, Burgstraße Nr. 628; mit feinen
Arabesken, ähnlich wie 519, nur einfacher und mit kräftig geschnitzter Haustür
am Marktplatz Nr. 286. Un-
zählige Häuser zeigen noch
die für das Auge so erfreu-
liche,, die Fassade wirksam
belebende Profilierung der
Fenster mit Hohlkehlen und
Rundstäben, wie sie das
Mittelalter ausgebildet hat.
Giebel kommen nur aus-
nahmsweise vor; ein riesig
hoher in derben Barockfor-
men Ecke der Burgstraße
und Weingasse mit diagonal
gestelltem Erker, sehr ener-
gisch mit Pilastern und Me-
tallornamenten gegliedert;
die Fenster der Hauptfassade
sind reich und originell in
diesem Stil umrahmt. Gleich
daneben in der Burgstraße
zwei einfachere Erker, recht-
winklig in der Mitte der Fas-
sade ausgebaut, den Dres-
dener Erkern verwandt.
Das Rathaus ist ein schhchter mittelalterlicher Bau von 1510 mit gotisch
profilierten Fenstern. Ein viereckiger Turm tritt ungefähr in der Mitte der dem
Markte zugekehrten Langseite vor. Ein Erker von 1578 in derben Formen der
Spätrenaissance ist auf zwei klotzigen Kragsteinen vorgebaut, die von Löwen-
köpfen getragen werden. Im Giebel ein stark herausragender Kopf. Um dieselbe
Zeit hat wahrscheinlich das Rathaus seine hohen, kräftig geschweiften Giebel mit
aufgesetzten Pyramiden erhalten.
Von den prachtvollen Fürstengräbern im Chor des Doms ist schon im
ersten Bande die Rede gewesen. Doch fügen wir hier den Grundriß des durch
G. M. Nosseni zum Mausoleum umgebauten Chors nebst einem Blick in die herr-
liche Chorhalle mit ihrer freilich völlig italienischen Architektur ein (Abb. 231
und 232). Die architektonischen Teile sind aus sächsischem Marmor, die Gestalten
der hier beigesetzten Fürsten wie der Propheten und Tugenden darüber aus Bronze,
von Carlo de Cesare aus Florenz gegossen. Am Gewölbe die prachtvolle farbige
Darstellung des Jüngsten Gerichtes in freischwebenden Stuckfiguren. Unter der
Vierung nun noch das schöne Grabmal Moritzens, als Mittelpunkt des Ganzen,
das Kurfürst August seinem großen Bruder nach 1552 durch Anton van Zerroen
Abb. 232 Chorgrundriß des Domes zu Freiberg
376
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
aus Antwerpen und Hans Wessel, Goldschmied aus Lübeck, errichtete (Abb. 233).
Wieder ein Werk ganz niederländischer Art. Ein kraftvoll durchgeführtes, reich
vergoldetes Eisengitter schließt den Chor ab; eine der schönsten Arbeiten dieser
Art voll Schwung der Phantasie und von größter Mannigfaltigkeit ist das innere
Gitter des Chores ; beide von Hans Weher und Hans Klencke, Schlossermeister in
Abb. 233 Grabdenkmal des Kurfürsten Moritz von Sachsen im Dom zu Freiberg
Dresden, für 325 Gulden gefertigt und 1525 aufgestellt.^) Im Schiff der Kirche
ist neben der phantastischen, als prachtvolle Blume durchgeführten früheren
Kanzel eine zweite in flüssigen Renaissanceformen mit tüchtigen Reliefs zu er-
wähnen. Der elegante mit trefflichen ReHefs und Ornamenten der besten Früh-
renaissance dekorierte Taufstein wird durch die Buchstaben H. W. als Werk des
tüchtigen Meisters Hans Walter bezeichnet. Das ehemalige, unter Kurfürst August
seit 1566 umgebaute Schloß Freudenstein ist jetzt ein kunst- und stilloses
1) Dr. J, Schmidt a. a. 0. S. 149 if.
Annaberg Zwickau
377
Magazingebäude ; über seine Baugeschichte und ehemahge Form verweise ich auf
die schon angeführte Schrift C. Gurlitts.^)
Die Kirche zu Annaberg, ein bekanntes Prachtwerk auf der Grenze der
Gotik und Renaissance, darf hier nicht übergangen werden. 1512—25 von Herzog
Georg errichtet, ist sie in ihrer Weiträumigkeit bereits ein Werk neuen Geistes.
Aber ihre Ausstattung selber atmet diesen in höherem Maße. Ist die schöne Tür
auch noch in allem Einzelnen rein spätgotisch, so ist die jauchzende Lebenslust
und Schönheitsfreude, die sich in diesem Meisterwerke ausspricht, wie in dem
wundervollen Taufstein, bereits eine Absage an das Mittelalter. Derselbe große
Meister schuf dann die wundervolle Emporenbrüstung um die Kirche ; hier drängen
sich bereits außer den echten Renaissancegestalten, die sie beleben, auch junge
Renaissancekandelaber und dergleichen ein. Überall lebt hier eine neusprossende
Jugend, und das letzte dieser Ausstattung, der herrliche Altar, spricht dann dies
alles zusammenfassend in der Meisterschöpfung Adolf Dauhers von Augsburg von
1522 in klarster Frührenaissance aus. Der Aufbau ist klar und einfach; über
einer Predella erheben sich zwei Säulen mit reizvollem Laubkapitell, ihnen zur
Seite über Konsolen ausgekragt breite Pilaster mit Rahmen (Abb. 234); die Attika
des Aufsatzes ist von delphinreitenden Engeln begleitet und von spielenden Putten
bekrönt, vor ihm zwei geharnischte Knaben mit den Wappenschilden des Herzogs
und seiner Gemahlin (Abb. 235). Alles aus buntem Marmor und Solnhofer Stein.
Die drei Hauptfelder des Altars enthalten, von der Predella aus Abrahams Brust
aufsteigend, den Stammbaum Christi in Brustbildern, darüber Christi Geburt in
ganzen Gestalten.
Der Liebreiz des ganzen Werkes sowohl in Gestaltung und Durchbildung
des Einzelnen, wie im flüssigen Umriß, in der architektonischen wie bildhauerischen
Ausgestaltung, alles verstärkt durch das edle Material, machen aus dem ganzen
zugleich höchst stattlichen Werke eines der wertvollsten der ganzen deutschen
Frührenaissance. Vermutlich hat Peter FleUner, der damals bis etwa 1519 in
Augsburg tätig war, bei dem Entwürfe des adeligen Frühwerks unserer Renais-
sance mitgewirkt.
Zwickau gehört zu den Städten, welche den neuen Stil am frühsten auf-
genommen haben. So zählt in der stattlichen spätgotischen Marienkirche die
Kanzel vom Jahre 1538 zu den zierlichsten Werken der Frührenaissance. Der
Pfeiler, auf dem sie ruht, zeigt noch gotische Behandlung, aber die Tür mit
den hübschen Pilastern, die Brüstung mit den geschweiften Säulchen, die reiche
Ornamentik, noch dazu bemalt und vergoldet, gehört dem neuen StiL^*) Außer
zwei kleinen trefflichen Kronleuchtern ^) und den sehr eleganten einarmigen Wand-
leuchtern von Bronze sind die Ratsherrnstühle unter der Orgel, 1617 von Paul
Corhian gearbeitet, mit ihren eleganten Figuren und Intarsien bemerkenswert.^)
Ein blühendes Werk der Frührenaissance, gleichzeitig mit der schönen Kanzel
entstanden, ist der Taufstein von 1536. Derselben Zeit und Richtung gehört die
etwas einfachere Kanzel der Katharinen kir che an, ebenfalls bei Ortwein ab-
gebildet. Ist sie, wie versichert wird, ein Werk des Steinmetzen Hans Speck, so
darf man diesen wohl auch für den Urheber der Kanzel in der Marienkirche halten.
Für das Auftreten der Renaissance in der Stadt ist die Notiz von Dr. Herzog
in der Chronik der Stadt Zwickau bezeichnend, daß der Stadtschreiber Stephan
Roth um 1534 sich ein Haus zuerst in welscher Manier habe erbauen lassen. Den
Eindruck eines solchen Bürgerhauses jener Zeit gewährt noch jetzt das wohl-
1) In den Mitteil, des Freiberger Altert.-Ver. Heft 15 S. 1398 ff.
2) Treflfl. Aufn. bei Ortwein, D. Eenaiss. Abt. XXXIII von Möckel u. Dreher, Taf. 1—4.
3) Ebenda Taf. Iß— 18.
4) Ebenda Taf. 6 u. 7.
378
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
erhaltene Haus Nr. 56 der Schneebergerstraße.^) Seine Fenster und das Neben-
portal haben noch Vorhangbögen; auch der Erker befolgt im wesentlichen mittel-
alterliche Tradition. Aber die drei hohen, mit Lisenen gliederten und mit flachen
Abb. 234 Predella und Mittelstiick des Hauptaltars der St. Annakirche zu Annaberg
(Nach: Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen)
Kreissegmenten abgeschlossenen Giebel und mehr noch das prachtvolle Haupt-
portal mit seinen reich und doch edel ornamentierten Rundbogen und den ein-
1) Aiifn. bei Ortwein Taf. 10—13.
Zwickau Chemnitz
379
fassenden Kandelabersäulchen ist ein treffliches Werk der Frührenaissance, um
1535 entstanden. Der Stil entspricht dem der beiden Kanzeln, doch die Aus-
führung ist feiner. Auch der gewölbte Hausflur und der mit ihm verbundene
im Hofe angebrachte Treppenturm gehört der gleichen Bauperiode. Einige ein-
fachere Portale derselben Zeit haben sich in der Leipzigerstraße (1538) und der
Burggasse (1549) erhalten. Überall sind hier die in Sachsen beliebten Sitzsteine
an den Seiten angebracht. Das von Kurfürst August (1587—90) erbaute Schloß
Osterstein ist in arg verstümmelter Gestalt jetzt zur Strafanstalt herab-
gewürdigt.
Abb. 235 Bekrüiiung des Hauptaltars der St. Annakircho zu Annaberg
(Nach: Bau- und Kunstdenkraäler des Königreichs Sachsen)
Von den einst reichen Werken der Renaissance in Ghem nitz ist gar wenig
noch übrig. Das berühmte Portal der Schloßkirche, eine aus naturalistischem
Baum- und Astwerk aufgebaute Architektur zwischen zwei Strebepfeilern mit
seinem prachtvollen figürlichen Schmuck, wie die ausgezeichnete Geißelung im
Innern der Kirche, stehen erst auf der Schwelle des neuen Stiles. Dagegen hat
der Profanbau mancherlei Reste aufzuweisen, die auf einst bemerkenswerte
Leistungen schließen läßt; so im Innern des Rathauses die schöne sterngewölbte
Ratstube, die prächtige innere Fensterarchitektur mit vorgesetzten Komposita-
säulen; und am Markte Nr. 15 ein PrachtportaF) mit freistehenden Säulen,
Triglyphenfries und Flachgiebel, darin ein reichgeschmückter Bogen mit Sitz-
nischen, von 1559; in der inneren Klosterstraße ein noch viel reicheres von 1542,
mit dicken Pilastern eingefaßt, deren einst vier diesen Gebäudeteil gliederten, von
reichem Bogen und Fries, alles mit Figuren und Ornamenten bedeckt, in einer
weichen doch üppigen Frührenaissance.^)
1) Abb. Bau- u. Kunstdenkm. des Königr. Sachsen, Heft 7, Beil. VIII.
2) Daselbst, Beil. VI— VII.
380
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Leipzig
Gegenüber den Städten, welche nur als Residenzen durch fürstliche Macht
ihre Bedeutung erlangt haben, tritt Leipzig uns von Anfang als eine Stadt ent-
gegen, die ihre Blüte dem Bürgertum verdankt. Durch ihre zentrale Lage schon
früh für den Handelsverkehr zwischen dem Norden und Süden, dem Westen und
Osten von großer Bedeutung, hatte die Stadt bereits seit dem 12. Jahrhundert
in ihren von allen Seiten besuchten Messen wichtige Mittelpunkte für den Welt-
handel gewonnen. Auf den Höhepunkt ihres Ansehens gelangte sie, als während
der Schrecknisse der alles ringsum verwüstenden Hussitenkriege sie sich hinter
starken Festungswerken als sicheren Schutz für Menschen und Güter erwies.^)
Der unablässige Eifer ihrer Bürger wußte die Vorteile der Lage und der Ver-
hältnisse nach Kräften auszubeuten und durch kaiserliche und fürstliche Privilegien
ihre Stellung immer mehr zu befestigen und weithin zur herrschenden zu machen.
Zugleich aber war die seit 1409 bestehende Universität eine tüchtige Pflegerin
der wissenschaftlichen Bestrebungen, obwohl sie sich der Reformation anfangs
hartnäckig widersetzte. Minder fruchtbar war die Tätigkeit der immer kräftiger
aufblühenden Stadt auf künstlerischem Gebiete. Es ist auffallend, wie wenig das
ganze Mittelalter hier in architektonischen und plastischen Arbeiten geleistet hat.
In der Malerei waren wenigstens die neuerdings mit Sorgfalt wiederhergestellten
Wandbilder des Pauliner Kreuzganges ein umfangreiches Werk ; allein an künst-
lerisch hervorragenden Schöpfungen jener Epoche fehlt es durchaus.
Unter den öffenthchen Bauten der Stadt nehmen die Werke des Mittelalters
in der Tat nur geringe Bedeutung in Anspruch. Dagegen verleiht die Renaissance
den älteren Teilen ein charaktervolles Gepräge. Der Zug der Straßen mit den
dichtgedrängten hochragenden Bürgerhäusern verrät die Wichtigkeit, die damals
schon Leipzig als Handelsstadt besaß. Für die Anlage der Häuser ist die Rück-
sicht auf die Messen und den Handelsverkehr maßgebend gewesen. Das Erd-
geschoß besteht gewöhnlich aus großen Gewölben mit weiten Bogenstellungen
gegen die Straße zu. Die leider überall umgestaltete äußere Anordnung wird der
in Frankfurt a. M. üblichen ungefähr entsprechend gewesen sein. Charakteristisch
sind die weiten Höfe, manchmal zwei hintereinander, durch Hintergebäude ge-
trennt, so daß die Anlage bis an die benachbarte Parallelstraße reicht, und wie
in Wien, Hausflur und Höfe sich zu öffentlichen Durchgängen gestalten. In der
Entwicklung der Fassaden ist ein Einfluß von Dresden zu bemerken, doch herrscht
hier durchweg größere Einfachheit. Bemerkenswert z. B. die beiden Portale in
der Kleinen Fleischergasse Nr. 8 und 19, den bekannten Dresdener Portalen ent-
sprechend, aber hinter ihnen an Feinheit der Ausbildung zurückstehend. Der
Sandstein ist überhaupt hier sparsamer verwendet, die zierlicheren Formen,
Gliederungen, Ornamente fehlen fast durchweg. Dagegen ist der Aufbau im
ganzen kräftig und gediegen, namentlich werden die Erker in ähnlicher Weise wie
in Dresden angebracht und geben den Straßen das lebensvolle und zugleich wohn-
liche Gepräge. Die reicheren unter diesen Erkern gehören freilich erst der späteren
Zeit an und werden dann mit Vorliebe in Holz und zwar in reichem Schnitzwerk
ausgeführt.
Das interessanteste und früheste Privathaus war der sogenannte B arth eis
Hof, Hainstraße Nr. 33, welches wir in Abb. 236 mitteilen. Das Haus wurde
1523 von dem Ratsherrn Hieron. Walther erbaut, und aus dieser Zeit stammte im
wesentlichen die Fassade mit den tief eingekehlten Fensterrahmen und dem
hübschen Erker, dessen Auskragung ein gotisches Rippengewölbe zeigt, während
1) K. Grosse, Gesch. der Stadt Leipzig I. 372 ff.
Leipzig
381
in der Brüstung des Fensters der neue
Stil sich mit zierlichen Balustersäul-
chen und Laubgewinden versucht.
Auch die Säulchen, welche oben die
kleine Loggia bilden und das ge-
schweifte Dach aufnehmen, gehören
dieser Zeit an. Dagegen sind die derben
Voluten des Giebels, dessen Absätze
ursprünglich ohne Zweifel Pyramiden
oder andere Aufsätze trugen, einer
Restauration des 1 7. Jahrhunderts zu-
zuschreiben, während das pikant aus-
gebaute polygone Türmchen, welches
den Giebel abschließt, wieder der ur-
sprünglichen Anlage gehört. Zahl-
reiche Inschriften sind in den Hohl-
kehlen der Gesimse und Fensterrah-
men, sowie an der oberen Brüstung
des Erkers angebracht. Das Haus ist
neuerdings abgebrochen und der Erker
mit Giebel in den Hintergrund des
Hofes des Neubaus versetzt.
Wie die ausgebildete Renais-
sance sich hier gestaltet, erkennt man
an dem im Jahre 1556 unter Leitung
des Hieronymus Lotter von Sittich
Pfretschner und Paul Wiedemann er-
bauten Rathau se.i) Es ist ein aus-
gedehntes Rechteck, die östliche Lang-
seite des Marktes begrenzend, über-
aus einfach in verputzten Backsteinen
aufgeführt (Abb. 237). An der süd-
lichen Schmalseite ist ein kleiner
Erker ausgebaut, ebenso an der Nord-
seite. Die nach Westen gewendete
Hauptfront ist mit sieben unregel-
mäßig angeordneten Giebeln bekrönt,
die über dem mit Zahnschnitten aus-
gestatteten Hauptgesimse aufsteigen.
Derb und tüchtig behandelt, zeigen
die Einfassungen der Voluten ein Ru-
stikaquaderwerk (Abb. 237). Ein acht-
eckiger, nicht genau in der Mitte der
Fassade ausgebauter Turm enthält
das Hauptportal und die Wendeltreppe.
Das Ganze ist von malerischer Wir-
kung, aber ohne höheren Kunstwert. Eine im Jahre 1672 notwendig gewordene
Erneuerung hat sich mit Verständnis dem Charakter des Ganzen angeschlossen.')
Neuerdings ist das ganze Gebäude erneuert, doch mit Pietät und unter mög-
lichster Wahrung des alten Charakters.
1) Vogels Leipz. Ännalen S. 202.
2) Ebenda S. 745.
Bartheis Hof zu Leipzig
332 2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Die Fenster am ganzen Bau sind paarweise gruppiert, mit sich durchschneiden-
den Stäben in spätgotischer Form eingefaßt; jedes schmückende Ornament ist ver-
mieden, nur eine große Inschrift in römischen Majuskeln umzieht als Fries den
ganzen Bau. Das Hauptportal, mit gekuppelten kannelierten ionischen Säulchen
eingefaßt, von Paul Wiedemann, hat über sich auf kräftigen Konsolen einen offenen
Altan als Abschluß des viereckigen Turmgeschosses. Über diesem geht der Turm
ins Achteck über und
ist mit einem ge-
schweiften Dach ge-
schlossen. Die öst-
liche gegen den Nasch-
markt gerichtete Front
entspricht in ihrer Be-
handlung der west-
lichen, nur daß der
Turm fehlt. Im Innern
enthält das Hauptge-
schoß zunächst einen
großen Vorsaal mit
acht gut und kräftig
behandelten Holzpfei-
lern. Drei stattliche
Kamine aus Sandstein
mit Atlanten und Ka-
ryatiden schmücken
die innere Wand. Da-
neben ein kleines Ver-
bindungszimmer mit
Kreuzgewölbe und ei-
nem ähnlichen Ka-
mine. Der Ratssaal,
ein quadratischer, ge-
gen die Grimmaische
Straße gerichteter
Raum, hat eine flache
Felderdecke mit ver-
Abb. 237 Mittelteil des alten Rathauses zu Leipzig goldeten Rosetten und
einen eisernen Ofen
von ziemlich roher Form, dagegen einen prächtigen Schrank mit schönen Intarsien
von Blumen und flachem Lederornament. ^)
Etwas früher (1555) hatte Lotter als seinen ersten öffentlichen Bau die „Alte
Wage" aufgeführt, ein ebenfalls einfaches, aber in kräftigen charaktervollen Formen
entwickeltes Werk.^) Wenn der Meister in allen seinen Schöpfungen eine gewisse
nüchterne Strenge der Behandlung zeigt, so ist diese nicht bloß der Ausfluß
seines eigenen Wesens, sondern auch wohl das Ergebnis jener trockenen, der
Kunst von jeher wenig zugetanen Gesinnung, die Leipzig bis auf den heutigen
Tag charakterisiert.
In ähnlich schlichter Behandlung ist das ehemalige Polizeiamt aus-
geführt, bei aller Einfachheit eines kräftig gegliederten Stuckbaues doch von
1) Über diesen Bau und die gesamte Tätigkeit des Baumeisters vgl. die schöne oben zitierte
Schrift von G.AVustmann, welche uns ein treues Lebensbild des wackeren Mannes entrollt.
2) Abb. bei Wustmann a. a. 0. S. 29.
Leipzig
383
tüchtiger und ansprechender Wirkung, besonders in dem hohen geschweiften Giebel
an der Reichsstraße. Die vordere Fassade am Naschmarkt ist stark verändert.
An einem Fenster im Hofe liest man die Jahreszahl 1578. Malerisch ist im Erd-
geschoß der Ratskeller, dessen große Kreuzgewölbe auf zwei mittleren Säulen
mit originellen dorisierenden Kapitellen ruhen.
Derselben Zeit gehörte auch das Wenige an, was an der Pleißenburg,
der alten Leipziger Festung, sich von künstlerischen Formen fand. Doch bot der
Bau in seiner schlichten, festungsartigen Behandlung einiges Interesse, ehe er
dem neuen Rathause Platz machen mußte. Daß im Jahre 1554 der kurfürst-
liche Baumeister Kaspar Voigt beauftragt wurde, die Fundamente des Baues zu
graben, haben wir schon anderwärts erfahren; nach anderer Nachricht^) wäre das
Werk schon um 1550 begonnen worden. Es besaß außer einigen mit groben
Wülsten eingefaßten Portalen nur einen mehrstöckigen Erker dem Eingang gegen-
über und ein etwas zierlicheres Portal an einem Treppenturm; sonst wirkte es
nur durch seine starken Festungsmassen. Als ausführender Baumeister wird
Hieronymus Lotter genannt, der das Werk dann auch trotz stockender Geldmittel
mit Energie zu Ende führte. Der wackere Meister, der in Leipzig solches Ansehen
genoß, daß er wiederholt zum Bürgermeister erwählt wurde, trat dadurch in eine
langjährige Verbindung mit dem Kurfürsten, die solche Intimität gewann, daß
Kurfürst August, wenn er nach Leipzig kam, bei Lotter sein Absteigequartier
nahm. Erst beim Bau der Augustusburg löste sich dieses Verhältnis und
schlug in völlige Ungnade um, die dann das Verderben des braven Mannes
herbeiführte.^)
Im Gegensatze zu all diesen äußerst schlicht behandelten Werken stellt
sich das Fürstenhaus in der Grimmaischen Straße als das einzige Gebäude
von feinerer Durchbildung dar. Seit 1558 für Doktor Georg Rothe erbaut^), erhebt
es sich mit langer Front in zwei Stockwerken und einem durch eine Giebelreihe
charakterisierten Dachgeschoß mit seiner Langseite an dieser Hauptstraße der
Stadt, an beiden Enden mit runden ausgekragten Erkern geschmückt (Abb. 238),
die nicht bloß die reichste architektonische Gliederung zeigen, sondern auch mit
Brustbildern, Laubwerk, Wappen und Inschrifttafeln geziert sind. Die Zier-Quade-
rungen, die Anwendung von dorischen Pilastern und Triglyphenfriesen, sowie das
häufig vorkommende aufgerollte Bandwerk entsprechen dem Charakter der Zeit,
während der Reichtum der Behandlung und die Zierlichkeit des Einzelnen fast
den Eindruck von Frührenaissance machen. Die Anordnung dieser Erker und
ihre Art der Ausschmückung ist als besonderes Merkmal der obersächsischen
Schule aufzufassen; in Torgau und Dresden haben wir Ähnliches gefunden.
Während jene Teile aus Sandstein bestehen, sind die Flächen geputzt und werden
nur durch die paarweise gruppierten Fenster mit kräftigen, im Charakter des
Mittelalters gearbeiteten Rahmen belebt.*) Ein zierliches Konsolengesims bildet
den Abschluß; die Dachgiebel sind maßvoll und fein mit Pilastern eingefaßt und
durch Zahnschnittgesimse gegliedert. Ein schlichtes Bogenportal, darüber das
bemalte sächsische Wappen und eine Inschrifttafel, führt in den gewölbten Flur;
von dort gelangt man zu einer rechts in einem runden Turm gegen den Hof vor-
gebauten Wendeltreppe. Den oberen Teil dieses Treppenturmes erblickt man auf
unserer Abbildung. Am westHchen Erker bezeichnet ein Steinmetzzeichen nebst
den Buchstaben P. W. den Namen des ausführenden Steinmetzen Paul Wiedemann,
1) Vogel a. a. 0. S. 190. Vgl. Wustmann a. a. 0. S. 18 ff.
2) Alles dies ausführlicli bei Wustmann a. a. 0.
3) Vogel a. a. 0. S. 235.
4) Im Erdgeschoß sind jetzt Kaufgewölbe statt der in iinserer Abb. noch angegebenen
Fenster angebracht.
384
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
der in gleicher Stellung schon unter dem älteren Lotter am Rathaus und der
Augustusburg tätig gewesen war.^) Als ausführender Baumeister wird der jüngere
Hieronymus Lotter genannt; doch nimmt man an, daß dem ersteren die künst-
lerische Gestalt des Bauwerks angehört.
Abb. 238 Fürstenhaus zu Leipzig
Reichere Entfaltung gewinnt die Architektur in Leipzig erst gegen Aus-
gang der Epoche um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine größere Üppigkeit in
der Dekoration macht sich an den Fassaden geltend. Ein Prachtstück dieser Art
1) Wustmann, a. a. 0. S. 88.
Leipzig Halle
385
ist das Haus in der Nikolaistraße Nr. 47, ein hoher Giebelbau, im Erdgeschoß
Rustika, die oberen Stockwerke mit schlanken dorischen und ionischen Halb-
säulen, darüber der Giebel mit ionischer und korinthischer Ordnung, an den
Seiten barock geschweift mit Voluten und Schnörkeln. Die derben und schweren
Ornamente an den Fensterbrüstungen, die schwülstigen Rankenfriese und Frucht-
schnüre deuten schon auf sehr späte Zeit. Über der Haustür ein noch gut stili-
siertes Eisengitter. Wie man ein einfacheres Portal bloß durch facettierte
Quaderungen an Pfeilern und Archivolten wirksam ausbildete, zeigt die übrigens
modernisierte Fassade Reichsstraße Nr. 44. In derselben Straße Nr. 5 eins der
wenigen Häuser mit eleganter ausgebildeten Gliedern, die Fassade zwar einfach,
aber das breite rundbogige Portal mit hübschen Muschelnischen und reich ge-
gliedertem Bogen ; darüber ein rechtwinkliger Erker, dessen Auskragung prächtig
gebildet ist, endlich als Abschluß ein hoher Giebel mit zwei Ordnungen schlanker
korinthischer Halbsäulen, außerdem mit barocken Voluten eingefaßt. Nicht minder
prächtig ein diagonal gestellter Erker in derselben Straße an dem Eckhaus Nr. 3
(Specks Hof),
Halle
Unter den Städten dieses Gebiets, die eine selbständige Rolle spielen, ist in
erster Reihe Halle zu nennen. Schon seit dem 13. Jahrhundert hatte die Stadt
durch ihre Salzwerke solche Bedeutung erlangt, daß sie mit den Erzbischöfen
von Magdeburg hartnäckige Fehden durchfechten und sich 1435 gegen ein starkes
Heer des Erzbischofs Günther und des Kurfürsten von Sachsen behaupten konnte.
Ihr Wohlstand nahm im Laufe des 15. Jahrhunderts durch den immer steigen-
den Handel stetig zu; aber die wachsende, durch die sächsischen Fürsten ge-
förderte Blüte Leipzigs, mehr noch innere Streitigkeiten zwischen Patriziat und
Volkspartei zerrütteten bald Halles Machtstellung, so daß Erzbischof Ernst, im
Bunde mit den Demokraten, sich 1478 der Stadt bemächtigen und durch An-
legung der gewaltigen Moritzburg (1484—1503) festen Fuß darin fassen konnte,^)
Noch entscheidender griff Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1513— 45) in die
Geschicke der Stadt ein. Dieser weltlich gesinnte, aber nach allen Seiten unter-
nehmende und rücksichtslos vorgehende Kirchenfürst ^), der seit 1514 die beiden
mächtigen Erzbistümer von Mainz und Magdeburg besaß, 1518 dazu die Kardi-
nalswürde erhielt, säumte nicht, in umfassender Weise die inneren und äußeren
Verhältnisse der Stadt umzugestalten. Ohne Rücksicht auf das Althergebrachte,
von Liebe zu Pracht und zu glänzenden künstlerischen Unternehmungen getrieben,
riß er alte Kirchen fort, veränderte die Pfarrsprengel, gründete neue Stiftungen,
fügte ansehnUche Bauten hinzu und bürgerte den Stil der Renaissance in Halle ein,
wie er ihn bei dem schönen Brunnen auf dem Marktplatz und dem Urieldenkmal
im Dom zu Mainz (Bd. I, S. 436) ebenfalls zur Geltung gebracht hatte. Seine erste
bedeutende Unternehmung in Halle ist die Domkirche, die er mit Beibehaltung der
mittelalterlichen Anlage seit 1520 zum Kollegiatstift umwandelte und glänzend aus-
stattete. Damit verband er einen neuen Palast zwischen den Gebäuden am Dom
und dem Klaustor, die noch jetzt vorhandene Residenz (1529). Noch gewaltsamer
riß er die beiden alten Kirchen am Markte nieder und erbaute seit 1529 die
großartige Marienkirche, noch ganz in gotischem Stil, aber mit reicher Renais-
1) Vgl. Dr eyhaupt, Beschreib, des Saal-Creyses. 1755. 2 Bde. Pol., sowie C. H. von
Hagen, Die Stadt Halle. 1. Bd. 1867. Bau- und Knnstdenkm. d. Prov. Sachsen, N. F. I. Halle
von G. Schönermark. Ferner die dankenswerte Folge von Heften des Kunstgewerbe- Vereins :
Ältere Denkmäler der Baukunst und des Kunstgewerbes in Halle. 1896 ff. I — X.
2) C. H. vom Hagen, I, 52 ff. Dazu J. H. Hennes, Albrecht von Brandenburg. Mainz 1858
und J. May, Albrecht I. von Mainz und Magdeburg. I. Bd. 1865.
Lübke-Haupt, Renaissanc3 in Deutschland II 3. Aufl. 25
386
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
sancedekoration des Innern, zwischen die beiden Turmpaare der alten Gottes-
häuser. Schon vorher hatte er seinem Günstling Hans von Schönitz mehrere
Kapellen am Markte geschenkt, um aus deren Steinen eine Reihe stattlicher
Gebäude zu errichten. Die grandiose Anlage des Marktplatzes, der kaum einem
anderen in Deutschland zu weichen hat, und den die zum Teil noch mittelalter-
lichen Türme samt den imposanten Massen der Marienkirche mit dem riesigen
roten Turm überragen, ist Albrechts Werk. Verdienstlich war es, daß er den Rat
bewog, die verderbliche alte Sitte des Beerdigens in der Stadt aufzugeben und
vor den Toren jenen Friedhof anzulegen, dessen künstlerisch bedeutsame Anlage
und Ausstattung in Deutschland einzig dasteht. Endlich wurde Albrecht gegen
seine eigene Absicht mittelbar Anlaß zur Einführung der Reformation in den
Diözesen Magdeburg und Halberstadt, da er 1539 den versammelten Ständen
gegen Bezahlung seiner ansehnlichen Schuldenlast freie Religionsübung be-
willigte.
In der Geschichte der deutschen Renaissance gebührt diesem glänzenden
Kirchenfürsten eine hervorragende Stelle. Auf der Universität zu Frankfurt an der
Oder, wo er auch Ulrich von Hutten kennen lernte, war er durch humanistische
Studien in den Geist der neuen Zeit eingeführt worden. Auf religiösem Gebiete
zwar hielt er, wie das durch seine hohe kirchliche Stellung gegeben war, am Alt-
hergebrachten; aber um so rückhaltloser gab er sich der Pflege des künstlerischen
Lebens hin. Unter allen gleichzeitigen Fürsten Deutschlands hat keiner in so
nachdrücklicher Weise die Künste gepflegt wie er. Was auf seine Bestellungen
Meister wie Dürer, Grünewald, Hans Sebald Bekam, Lukas Cranach geschaffen
haben, ist bekannt. Die Pinakothek in München, die Galerien zu Aschaffenburg,
Berlin, Darmstadt und Mainz, die Gemäldesammlung des Louvre, die Kirchen zu
Halle und Aschaffenburg weisen eine reiche Zahl von Kunstwerken auf, die durch
ihn in Auftrag gegeben sind. In der Bibliothek zu Aschaffenburg sieht man
mehrere Meß- und Gebetbücher, die durch Niklas Glockendon und Hans Sebald
Bekam mit prachtvollen Miniaturen herrlich geschmückt sind. Zweimal stach
Dürer sein Bildnis in Kupfer (den berühmten „großen" und „kleinen Kardinal");
durch die vorzüglichsten Meister ließ er seine Siegel stechen, die zum künst-
lerisch Wertvollsten dieser Gattung gehören. Peter Viscker mußte ihm das aus-
gezeichnete Denkmal für die Stiftskirche zu Aschaffenburg arbeiten; von Johann
Viscker ließ er dann ebendort das schöne Reliefbild der Madonna setzen, und
auch das in edlen Renaissanceformen durchgeführte, jedenfalls aus der Vischer-
schen Werkstatt herrührende Mal der hl. Margaretha in derselben Kirche ist durch
ihn hervorgerufen. Die von ihm neu gegründeten kirchlichen Stiftungen, nament-
lich den Dom zu Halle, stattete er mit prachtvollen Paramenten, Reliquien und
künstlerisch geschmückten, heiligen Gefäßen aus. Die „Heiligtümer" dieser Kirche
mußte dann Granach in einem eigenen Werke in Holz schneiden lassen. Von den
architektonischen Schöpfungen des kunstliebenden Fürsten besitzt Halle noch eine
ansehnliche Zahl. Wie an jenem Brunnen zu Mainz, sogar noch einige Jahre
früher, tritt hier die Renaissance in dem vollen Zauber ihrer frühesten Jugend-
lichkeit auf, so daß diese Arbeiten zu den ersten und wichtigsten gehören, die
die neue Kunst in Deutschland geschaffen hat.
In seinem Eifer für den katholischen Glauben wandte Albrecht hauptsäch-
lich der Ausstattung von Kirchen seine Aufmerksamkeit zu. Der Dom vor allem,
die größte oder wenigstens längste hallische Kirche, ist von ihm 1520 — 23 fast
oder ganz neuerbaut worden; höchstens könnte der Ghorschluß der alten hier
gelegenen Predigerkirche beibehalten sein. Doch ist der jetzige Chor so unge-
mein kurz, das achtjochige Hallenschiff demgegenüber so überwiegend, daß von
dem einstigen Chor der Klosterkirche höchstens die Hälfte beibehalten sein kann;
Halle Dom
387
da finden sich denn auch ziemlich frühgotische Einzelheiten; allerdings auch hie
und da im Schiff, offenbar von anderen abgebrochenen Kirchen herrührend.
Jedenfalls ist das Gebäude in der Hauptsache Albrechts Bau; die kommende
Renaissance spricht sich in einem fühlbaren Vernachlässigen der alten strengen
gotischen Art und auch in allerlei Neuem aus. So ist im Äußeren auf jedes
Feld zwischen den Strebepfeilern ein rechteckiges Mauerstück mit zwei Rund-
bogenfenstern aufgebaut, das durch einen Rundgiebel mit dreifacher Nische be-
krönt ist; alles in Backstein. Ursprünglich waren diese Aufbauten reich deko-
riert, etwa in Maßwerk, in Ziegeln oder Stuck; zwischen ihnen sitzen noch allerlei
Reste steinerner Ornamente. Zwei Türme im Westen sollen schon 1541 wegen
schlechter Bauart abgebrochen sein, wie ja das ganze in Bruchstein aufgeführte
Gebäude große Hast der Ausführung zeigt. — Albrecht schmückte den fertigen Bau
mit einer Anzahl bedeutender Werke. Er wußte dafür Künstler heranzuziehen,
welche den neuen Stil in selbständiger, zum Teil meisterhafter Weise zu behan-
deln verstanden. Dieser Zeit gehören im nördhchen Seitenschiff die zwei präch-
tigen, in Frührenaissanceformen behandelten Widmungstafeln vom Jahre 1523 an.
Ferner die Kanzel vom Jahre 1526, eins der reichsten bildhauerischen Werke
unserer frühesten Renaissance (Abb. 239). VöUig mit Laubwerk, spielenden Putten,
reichen Gliederungen und plastischen Darstellungen geschmückt, alles in Sand-
stein mit großem Ge-
schick ausgeführt, be-
malt und vergoldet,
hat das Werk den Aus-
druck üppigster Le-
bensfrische, Über dem
Aufgang ist ein Ecce-
homo, an der Treppen-
brüstung sind die Kir-
chenväter, an der obe-
ren Einfassung die
Apostel und die Evan-
gelisten dargestellt.^)
Von derselben Pracht
ist die Tür zur Sakri-
stei, fabelhaft reich de-
koriert, mit zwei ganz
in Bildwerk aufgelö-
sten Säulen eingefaßt.
Auch das kleine süd-
liche Portal der Kirche
von 1525 zeigt dieselbe
freudig erblühende Ju-
gendkunst, wenn auch
der Theoretiker hier
hundertmal von unver-
standenen Formen re-
den wollte-) (Abb. 240).
Endlich gehören in die-
1) Abb. bei Ortwein,
Abt. VIII. Tafel 38.
2) Ältere Denkm. d.
Bauk. usw. II, Taf. 7. Abb. 239 Domkanzel zu Halle
388
2. Bucli Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
selbe Zeit die Apostelstatuen an den Pfeilern des Schiffes, höchst bedeutende Ge-
stalten im großartigsten, an Dürer gemahnenden Stil, machtvoll in der Ausprä-
gung der Charaktere, die Gewänder in dem malerisch-knittrigen Wurf, der da-
mals namentlich in Nürnberg herrschte, i) Die reichen Baldachine, unter denen
sie stehen, sind im wesentlichen noch gotisch und nehmen kleine Konsolen auf,
die Statuetten von Propheten tragen. Hier mischen sich Formen der Renaissance
ein, namentlich aber sind die großen Konsolen der Hauptfiguren in elegantester
Weise mit Voluten und Ornamenten des neuen Stils dekoriert.^)
Diese Werke eines bis jetzt namenlosen, ganz großen Künstlers, ganz un-
zweifelhaft desselben, der für den Mainzer Dom im Auftrage Albrechts das herr-
liche Denkmal Ulrichs von Gemmingen (f 1519) meißelte, sind bis heute noch
allzu wenig gewürdigt; und doch
muß es ein Meister von hohem
Rufe und gewaltigem Können ge-
wesen sein. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß seine Wirksamkeit
auf Annaberg zurückführt, wo die
herrlichen Skulpturen der Em-
poren, die menschlichen Lebens-
alter, die etwa 1518—20 entstan-
den, gewisse charakteristische Re-
naissancemotive aufweisen, die an
der hallischen Domkanzel noch
durchgebildeter auftreten; der
schwungvolle Stil des Figürlichen
hier und in Mainz vor allem findet
in Annaberg sogar wohl schon
in der wundervollen schönen Tür
von 1512 seine Quelle. Vielleicht
gibt der Umstand, daß jene Ar-
beiten an den Emporen von Mei-
ster Franz von Magdeburg geleitet
wurden, einen Wink; denn Alb-
recht war auch Erzbischof von
Magdeburg.
Auf diesen hallischen frühen
Abb. 240 Südiicbes Domportal zu Hallo Arbeiten dürften wieder die am
Portal des Georgenbaus zu Dresden
beruhen; wenigstens stehen sie ihnen in der Richtung sehr nahe.
Bald darauf (1529) führte der baulustige Fürst die Alte Residenz neben
dem Dome auf, die freilich, jetzt arg verbaut und entstellt, wenig von ihrem
ursprüngHchen Glänze bewahrt hat. Man sieht zwei große Bogenportale, jedes
mit einem kleineren Pförtchen zur Seite, in einfachen Frührenaissanceformen.
Die Rahmen der Pilaster und. Bögen haben eingelassene Schilde, die an dem
einen Portal ungeschickterweise sogar über die Umfassung hinausgreifen. Der
weite, unregelmäßige Schloßhof muß ehemals einen ])edeutenden Eindruck ge-
1) Ältere Denkm. VI, Taf. 6—9, IX, Taf. 3. Der Eindruck dieser herrlichen Werke leidet
empfindlich durch die abscheuliche Zopfdekoration von Palmzweigen und Draperien über den
Arkaden, welche die ganze Kirche verunstaltet.
2) Von der ursprünglichen Pracht der Ausstattung dieser Kirche, die Albrecht mit Reli-
quien, Prachtgefäßen, flandrischen Teppichen und Kostbarkeiten jeder Art verschwenderisch
begabte, gibt das Gedicht des Sabinus (abgedr. bei May, a.a. O.Beil. XL VI) lebendige Anschauung.
Halle Kirchenausstattung
389
macht haben. Im Erdgeschoß sind noch Teile des Säulenganges erhalten, welcher
mit weitgespannten gedrückten Bögen von 5 Meter Axe das Erdgeschoß umzog.
Die stark geschwellten Säulen haben schlichte Frührenaissanceform.
Völlig mittelalterlich dagegen ist die gewaltige Ruine der von Erzbischof
Ernst (s. o.) erbauten Moritzburg, die am völhg gotisch behandelten Wappen^)
des Einganges die Jahreszahl 1517 zeigt. In der Ulrichskirche ist neben
dem Altar ein Tabernakel, das sich aus spätgotischem Astwerk aufbaut, dann
mit Konsolen und Säulchen in die zierhchste Frührenaissance übergeht, um zu-
letzt wieder mit naturalistisch
verschlungenem Astwerk zu
enden. Es ist das seltsamste
Gemisch, das von der künst-
lerischen Gärung jener Epoche
lebendige Anschauung gibt.
Vermutlich vom Meister der
Domskulpturen. In derselben
Kirche eine reich geschnitzte
Kanzel von 1588 mit biblischen
Geschichten, in den Formen
schon stark geschweift. Eine
ganz ähnliche Kanzel, nicht
minder reich, in der Moritz-
kirche*), 1 592 von Zacharias
Bogenkrantz gefertigt, mit stark
niederländischen Anklängen.
Daselbst waren einst hölzerne
Emporen, deren Säulen von
1566, reichgeschnitzt, im Pri-
vatbesitz noch erhalten sind
(Abb. 241).
Ein höchst bedeutendes
Werk ist aber die prächtige
Ausschmückung, welche die
Marienkirche (Marktkirche)
in allen Teilen aufzuweisen hat.
Der großartige Bau des Lang- Abb. 241 Holzpfeiler aus der Moritzkirche zu Halle
hauses, eine hohe Hallenkirche
von herrlicher Raumwirkung, ist eins der spätesten Werke der Gotik in Deutsch-
land, von 1530—54 zuletzt durch Meister Nikolaus Hof mann ausgeführt. An der
südlichen Empore steht: „Durch Gottes Hülf hab' ich Nickel Hofmann diesen
Bau in 1554 vollendet." Das merkwürdigste ist aber, daß derselbe Meister den
ganz gotisch konstruierten Bau in Renaissanceformen verziert hat. In den Seiten-
schiffen sind nämlich Emporen auf gotischen Pfeilern und gerippten Kreuz-
gewölben angeordnet, aber die ganzen Zwickelflächen in Sandstein mit Renais-
sance-Ornamenten, Laub- und Rankenwerk mit Figürlichem gemischt, bedeckt.^)
Die Brüstung der Emporen ist mit Kandelabersäulchen im Stil der Frührenaissance
eingeteilt, doch mit gotischem Maßwerk gegliedert. Ebenso zeigt die obere Empore
im nördlichen Seitenschiff dieselben Formen in Holzschnitzerei. Hier sind auch
an den Pfeilern der oberen Empore zwei prächtige Palmbäume ausgeführt.
1) Nicht in Renaissanceformen, wie man wohl behauptet hat.
2) Beide abgeb. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 36—40. Ältere Denkmale usw. IV, Taf. 9, 10.
3) Ebenda, Taf. 24—26.
390
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Dazu kommt nun, daß die ganze Kirche in den Seitenschiffen unter den
Emporen mit einem Stuhlwerk der besten Renaissance versehen ist, die Rück-
wände mit feinen Pilastern dekoriert, alles reich und mannigfaltig, sämthche freie
Flächen mit edlem Laubwerk bedeckt. Ein dorischer Triglyphenfries mit einer
trefflich stilisierten Bekrönung bildet den Abschluß.') Man liest wiederholt die
Jahreszahlen 1562 bis 1566 und kann das Fortschreiten der Arbeit bis ins einzelne
verfolgen (Abb. 242). Das Gestühl ist inschriftlich durch Antonius Pauwart: aus
Ypern in Flandern
hergestellt. Dazu
kommen Chor-
stühle vom_ Jahre
1575, endlich hin-
ter dem Hochaltar
die prachtvollsten
Sitze, die „Bräu-
tigamstühle", in
Schnitzarbeit von
etwas üppigeren
Formen vom Jahre
1595. Der Früh-
renaissance gehört
dagegen die Kan-
zel an, bei welcher
sogar in den Details
noch überwiegend
die Gotik herrscht;
diePilaster des Ein-
gangs aber zeigen
die Renaissance-
form en.^)
Die Profanbau-
ten stehen hier
hinter den Kirchen
auffallend zurück.
Das Rathaus ist
ein geringerer Bau
spätgotischer Zeit.
Die durch moderne
Herstellung ent-
stellte Loggia des
Mittelbaues errich-
tete 1558 der uns
schon bekannte iW-
kolaus Hofmann. Im Innern zeigt der innere Vorsaal tüchtig gegliederte Balkendecken
mit Kassettierungen, die Balken in mittelalterhcher Weise ausgekehlt; außerdem
ein steinernes Portal und Kamin in Frührenaissanceform, einfach, mit Pilastern und
muschelgefülltem Bogengiebel. Sodann befindet sich dort ein schöner Schrank mit
eingelegter Arbeit, architektonische Prospekte darstellend. Wichtiger ist die neben
dem Rathaus liegende Stadtwage, jetzt als Schule dienend, ein stattlicher Steinbau
mit sehr reichem Portal aus guter Renaissancezeit, 1573 — 81 entstanden. '') (Abb. 243.)
1) Ältere Denkmale usw. III, Taf. 8. 2) Ältere Denkmale IV, Taf. 7.
3) Dreyhaupt, I, 359. Abb. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 27.
Abb. 242 Gestühl der MaTiciikirche zu Halle
Halle Wage Privatbau
391
In der Dekoration des Portals, an den Schäften der dorischen Pilaster, an Bogen-
zwickeln, dem Fries und Aufsatze herrscht ein schön gezeichnetes Laubwerk vor,
namentlich im Fries vortreffliche Akanthusranken mit spielenden Putten, an den
Zwickeln zwei kräftige Köpfe in Hochrelief weit herausschauend, die Archivolte
selbst mit Diamanten besetzt, endlich an den Postamenten Löwenköpfe. Ein
kleines Pförtchen für Fußgänger daneben hat Seitennischen mit Muschelwölbung.
Ursprünglich erhielt die Fassade ein reicheres Gepräge durch zwei im ersten
Stock vorgekragte Erker, die man auf der Abbildung bei Dreyhaupt noch sieht.
Im Innern führt ein mächtiger flachgedeckter Flur zu einer schönen Wendeltreppe .
mit gekehlter Spindel, sodann zu einem weiten Hofe, dessen rechter Flügel in
charaktervollem Fachwerk gebaut, mit tief gekehlten Balken und elegant ge-
schnitzten Konsolen aufgeführt ist. Die nicht bedeutenden Reste des „Kühlen
Brunnens" in einer engen Straße beim Markte sind noch zu nennen: im Hof
die Reste einer Halle im Erdgeschoß auf Rundpfeilern, darüber eine Reihe stich-
bogiger schön profilierter Fenster; außen ein vorgekragter gotischer Erker. Das
Treppenhausportal von 1532 aber in den ausgeprägten Formen der Renaissance
aus Rahmenpilastern und
Runden darin, geschweifter
Aufsatz und feines Renais-
sancewappen des H. V. Schö-
nitz über der Tür, eine ge-
brannte Tonplatte.^)
Ein vereinzeltes Bei-
spiel der Frührenaissance ist
das Eckhaus am Markt und
der Kleinschmiedenstraße,
auf beiden Seiten mit hohem
Giebel, dessen Voluten samt
den Friesen bloß durch Ein-
kerbungen wirksam belebt
sind. Der Bau mag zu jener
Gruppe von Häusern ge-
hören, welche Hans von
Schönitz am Markt aufführen
ließ, doch sind die Giebel
sicher nicht vor der Mitte
des 16. Jahrhunderts entstan-
den. Früher wohl die hüb-
schen Giebel und Zwerch-
häuser Ulrichstraße 8 und
Große Märkerstraße 10; diese
sind in Backsteinen gemauert
und verputzt; das Motiv sind
gewöhnlich Arkadennischen
am Giebelfuß, auch manch-
mal weiter hinauf, pilaster-
artige Streifen mit starken Gesimsverkröpfungen und einfache gebogene Giebel-
einfassungen.') Die älteren Giebel hatten, wie der Rathausgiebel, eine Art Maßwerk
in vorgemauerten Backsteinstreifen. Im Innern aber sind noch treffliche Aus-
stattungsteile aus der Zeit der Erbauung, von denen wir eine ganz vortreffliche
1) Ältere Denkm. usw. IV, Taf. 6, 7.
2) Ältere Denkm. V, Taf. 5.
392
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Türumrahmung in Holz geben (Abb. 244). Aus der mittleren Zeit stammt das
Haus an der Ecke der Großen und Kleinen Holzstraße, mit einem ausgekragten
runden Erker, der freilich jetzt halb verbaut ist, aber an der Brüstung noch ele-
gantes Rankenwerk zeigt. Die übrigen Privatbauten gehören hier erst der Schluß-
zeit an und sind weder an Zahl noch an künstlerischer Bedeutung hervorragend.
Zahlreiche Portale, vor allem der Übergangszeit der späten Gotik zur Renais-
sance in der Stadt, in der Ulrichstraße, Scheuerstraße, mit geknickten Bögen und
reichem, sich kreuzendem Stab werk; andere in der Ulrichstraße, Großen Märker-
- Straße, Rannischerstraße usw. in klarer Renaissance, alle mit Sitznischen und
Muscheln darüber; von gro-
ßer Schönheit Brüderstraße 8,
mit dorischen Pilastern, Sitz-
nischen, vorspringenden Köp-
fen in den Zwickeln und einem
wundervollen Fries von Laub-
werk mit fünf Stierschädeln
darin, flacher Dreiecksgiebel
darüber, schönes Lauborna-
ment in den Sockeln der Pi-
laster; von Nickel Hofmann
selbst gearbeitet, eines seiner
bestgeformten Werke (Abb.
245). Eine Ausnahme macht
das große Prachtportal in der
Leipziger Straße Nr. 6, datiert
vom Jahre 1600 (Abb. 246).
Es hat auf beiden Seiten
Sitznischen mit Muschelwöl-
bungen und öffnet sich mit
einem großen reich und derb
ornamentierten Bogen ; dar-
über Hermen, die das Ge-
simse tragen, in den Zwickeln
die liegenden Gestalten von
Sonne und Mond; auf dem
Gesimse Justitia, Temperantia
und Simson mit dem Löwen,
dazwischen Inschriftschilder,
von Fruchtschnüren eingefaßt.
Das Ganze von großer deko-
rativer Wirkung, die aber im Mißverhältnis steht mit der zu kleinen Fassade. ^
Der mit Kreuzgewölben bedeckte Flur mündet auf einen Hof, der von kräftigen
Fachwerkbauten eingefaßt ist.
In Halle haben wir außerdem aus dem einstigen Talamt zwei der prächtigsten
Innenräume der deutschen Renaissance ; das Haus selbst, westlich von der Markt-
kirche gelegen, diente zur Abhaltung der Gerichte für das Tal — im Gegensatz zu
den „Berggerichten" — , dann zu den Festlichkeiten der Pfänner und Halloren. Leider
ist das Haus vor dreißig Jahren überflüssigerweise abgebrochen worden; eine Art
Kopie aber ist in der Moritzburg (Städtisches Museum) errichtet und hat die
alten prachtvollen Räume des Talamts aufgenommen, von denen vor allem das
I r T " 1" " ' "T T I T I — I
Abb. 244 Tür aus dem Hause des H. v. Schönitz zu Halle
1) Ältere Denkm. der Bauk. usw. IV, Taf. 8.
Halle Talamt
393
für die Gerichte von 1594 von be-
sonderer Schönheit ist. Ein reiches
Gesims umläuft den Raum in etwa
zwei Meter Höhe, darunter grüner
Stoff; ringsum waren Bänke. Dar-
über Ölbilder, durch Pilaster ge-
trennt; zwei prächtige Türen, neben
der einen ein Waschschrank. Wand-
schränke, Täfelungsteile, Umrah-
mung der Fenster, vor allem aber
das wunderhübsche achteckige Ghör-
lein (Abb. 247) und die schöne Kas-
settendecke sind in feinster Weise
gegliedert und eingelegt, geschnitzt
oder auch durchbrochen; im Ghör-
lein links und rechts Klappsitze,
darüber geschnitzte dorische Pilaster
mit Bogen und eingelegten Feldern
dazwischen.
Das Festzimmer daneben ist
offenbar jünger und hat ähnliche
Disposition, nur daß alles bemalt
und vergoldet ist; in der Decke
Gemälde eingelassen. Die Verbin-
dungstür beiderseits mit Doppel-
Abb. 245 Portal in der Brüderstraße zu Halle
Säulen und Ölbild darüber aus-
gezeichnet.
Der große Korridor davor
enthält einen stattlichen Kamin,
Ein Werk von besonderer
Großartigkeit, in Deutschland in
dieser Art einzig dastehend, ist
der alte Friedhof,^) Wenn
man an der Ostseite der Stadt
bei den neuen Anlagen sich rechts
wendet, so führt zwischen hohen
Mauern der sanft ansteigende
Weg in einigen Minuten nach
diesem Gottesacker, der mit sei-
nen herrlichen Baumgruppen die
Höhe beherrscht und einen wun-
dervollen Blick auf die Stadt mit
ihren Türmen bis in das Saale-
tal gewährt. Ein Torweg, über
dem sich ein Kuppelturm auf-
baut, führt in ein ungeheures^
rings von Arkaden, und zwar
Abb. 246 Portal in der Leipziger Straße zu Halle
1) Näheres bei Schönermark
a. a. 0. S. 405—417.
2) Aufn. bei Ortwein a. a. 0.
Taf. 11 — 23. Ältere Denkm. der Bank,
usw. VI, Taf. 3.
394
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Mm
"mm
von 94 Bögen von etwa fünf Meter Spannung eingefaßtes Viereck. Es sind Flach-
bögen, auf Rahmenpilastern ruhend, jeder ein besonderes Familienbegräbnis ein-
schließend, an den Bögen mit Inschriften bedeckt, an sämtlichen Pilastern und
Zwickelflächen mit Or-
namenten der besten Re-
naissance geschmückt.
Über dem Eingangspor-
tal das kräftig behan-
delte Brustbild des Bau-
meisters NichelHofmann.
Aber auch ohne dies
monumentale Zeugnis
würde man aus der Ähn-
lichkeit mit den Em-
porenbögen der Markt-
kirche auf denselben Ar-
chitekten schließen. Ja
sogar in denselben Jah-
ren, als das umfangreiche
Stuhlwerk jener Kirche
geschnitzt wurde, ge-
schah die Ausführung
des Friedhofs. Man liest
wiederholt die Jahres-
zahlen 1563 bis 1565,
dazu mehrmals die Na-
menszüge des Meisters,
außerdem noch die Buch-
staben T. R., und an der
Ostseite nennt sich ein-
mal Hans Eeicscher. An
der Südseite sind eine
Anzahl von Bögen in
einem besonderen Stil
dekoriert, so daß die
Ranken des Laubwerks
sich wie Weinranken in
wunderbar reichem Spiel
in- und umeinander ver-
schlingen. Im übrigen herrscht große Einheit der Ornamentik, und es ist er-
staunlich, wie an einem so ausgedehnten Werk das dekorative Talent und die
Erfindungsgabe nimmer erlahmt. Daß man die Ausführung auf verschiedene
Hände verteilen mußte, ist begreif heb; manches ist von vorzüglicher Feinheit,
nur das Figürliche zum Teil von geringerem Wert. Daß aber die Stadt neben
den großartigen Arbeiten in der Marktkirche zu gleicher Zeit noch ein solches
Werk fördern konnte, ist ein schöner Beweis für ihren Monumentalsinn und wohl
auch für ein besonders religiöses Leben.
Abb. 247 Erker im Talamt zu Halle
Merseburg
Dieser uralte Bischofssitz bewahrt in dem mächtigen Schloß ein groß-
artiges Zeugnis der Fürsten, die hier residierten. Mit seinen drei Flügeln um-
Merseburg Schloß
395
faßt es einen weiten viereckigen Hofraum; die vierte nach Süden gelegene Seite
begrenzt der Dom, und zwar derart, daß die westlichen Fassaden des Schlosses
und des Domes in derselben Flucht liegen/)
Die nordwestliche Ecke des Schlosses ist von einem mit Bäumen bepflanzten
Hof umgeben, um den sich kleinere Wirtschaftsgebäude gruppieren. Man betritt
diesen Hof vom Domplatz aus durch ein stattliches Portal in kräftiger Quader-
architektur mit etwas barockem Aufsatz (das Merseburger Wappen von Löwen
gehalten). Durch einen verhältnismäßig kleinen Durchgang gelangt man von da
in den imposanten Innern Schloßhof. Hier steht auch der alte schwarze Käfig,
in welchem der historische Merseburger Rabe gefüttert wird.
Vor den letzten Giebel des Westflügels legt sich ein schlanker hoher
Treppenturm, desgleichen einer vor den mittleren Giebel des nördlichen. Der
letztere ist gegen den Schloßgarten gerichtet, in dessen Achse ein stattlicher
Kolonnadenbau aus späterer Zeit steht. Eine bepflanzte Terrasse mit prächtiger
Aussicht liegt vor der nach dem anmutigen Saaletal blickenden Ostfassade, die
im Verein mit den schlanken Türmen des Schlosses und der ehrwürdigen vier-
türmigen Domkirche vom jenseitigen Flußufer aus ein ungemein malerisches
Bild gewährt.
Die Architektur des Äußeren wie auch des Innern Schloßhofes ist wesent-
lich bedingt durch die hohen Giebel (am Nordflügel in weiteren, am Ost- und
Westflügel in engeren Zwischenräumen) über dem durchlaufenden Hauptgesimse,
in drei Stockwerke geteilt, deren Verjüngung durch Schnecken und Obelisken
vermittelt sind, oben mit geradlinigem Giebel geschlossen.
Die Hauptstockwerke zeigen große rechteckige Fenster, durch Steinkreuze
geteilt, oder, wie hauptsächlich im Hof, Fenster mit vorhangartigem, aus drei ein-
wärts gekrümmten Bögen gebildetem Abschluß. Diese in den sächsischen Gegenden
beliebte Form haben wir bereits in Torgau und Berlin angetroffen. Das Schloß
ist größtenteils durch den Bischof Thilo von Trotha (f 1514) errichtet und seit
1605 von Herzog Georg von Sachsen ausgebaut worden.
Im übrigen sind die äußern Fronten völlig schmucklos. Um so reicher ge-
staltet sich der innere Schloßhof. Zu den in die südwestliche und südöstliche
Ecke sich legenden mittelalterlichen Türmen der Domkirche gesellt sich in der
nordöstlichen Ecke ein imposanter Treppenturm mit kräftigem Konsolengesimse
und stattlichem Helm, die Fassade fast um die doppelte Höhe überragend. Ein
reizend malerisch behandeltes Portal mit einer Umrahmung dorischer Ordnung
(Abb. 248), in dem prächtigen, mit Rollwerk geschmückten Aufsatz das erste schiefe
Treppenfenster, führt in das Innere des Turmes. An ihn lehnt sich längs des
östlichen Flügels ein von üppigem Grün überwachsener terrassenartiger Vorbau;
in der Mittelachse des folgenden Giebels springt ein durch die zwei Hauptstock-
werke und das erste Giebelstockwerk reichender Erker vor, auf freihängenden
gotischen Rippen ruhend, oben durch eine Attika mit Rundfenstern und Schnecken
abgeschlossen. In der südöstlichen Ecke baut sich aus dem zweiten Haupt-
stock ein langer bedeckter hölzerner Balkon auf Steinkonsolen heraus. Die zum
Teil sehr großen Fenster dieses ganzen Ostflügels zeigen fast alle stichbogigen
Abschluß.
Ein Portal von der allergrößten Schönheit (Abb. 249) bezeichnet die Mitte
des nördlichen Flügels, dessen unterster Stock an zwei andern Portalen noch
mittelalterliche Entstehung verrät. Die umrahmenden dorischen Säulen auf Sockeln
tragen über ihrem Gebälk die Statuen des hl. Laurentius mit dem Rost und des
Evangelisten Johannes, zwischen beiden als krönenden Abschluß das bischöfliche
1) Aufn. in Ortweins D. Ren. Abt. VIII, Taf. 1—10.
396-
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Wappen, kräftig umrahmt
und von Löwen gehalten; alle
scheinbar glatten Flächen
sind mit zartem Flachorna-
ment überzogen. Der obere
Teil des Säulen Schaftes ist
kanneliert, das Ganze hat
ausgezeichnete Verhältnisse
und ist von hinreißendem
Ausdruck. Im Friese des
dorischen Gebälkes Stier-
schädel mit Fruchtgehängen,
an den vorspringenden Teilen
überall heitere und ernste
Masken. Das Ornament über-
all schlechthin in seiner Art
vollkommen, das Figürliche
dessen würdig, das Ganze
unbedingt das in sich ab-
gerundetste und ausdrucks-
voll vollendetste Werk dieser
Art der deutschen Renais-
sance in ihrer charakteri-
stischsten Ausprägung. Als
Meister dieses Portals wird
Simo7i Hofmann genannt,
wohl ein Sohn Nickel Hof-
manns in Halle, den wir also
unter die besten Meister un-
serer Renaissance aus dem
Schlüsse des 16. Jahrhunderts
zu zählen haben. Das Por-
tal ist auch als eine stark
bereicherte Fortbildung des-
jenigen in der Brüderstraße 8
zu Halle anzusehen, das Nickels Zeichen trägt. Von gleicher Hand und Art ist
der prächtige Erker dieses Flügels auf reichgeschmückter Auskragung, im ersten
Stock gequadert mit dorischer Ordnung, im zweiten mit ionischen Pilastern auf
stehenden Konsolen. Das Ganze durch eine Attika mit Rundfenster und Schweif-
ornament gekrönt.
In ähnlicher Weise ist auch der westliche Flügel geschmückt, namentlich
ziehen hier viele steinerne Wappen das Auge auf sich.
Die Südseite des Schloßhofes wird nun von der Domkirche mit ihren steilen
Giebeln und Türmen eingenommen, und so bildet dieser Hof ein Ganzes von
grandiosen Dimensionen und höchster malerischer Wirkung. Denkt man sich
dazu die ehemalige Bemalung (von welcher noch vor wenigen Jahren zahlreiche
Spuren namentlich an Nordflügel über den Fenstern etc. zeugten, die leider eine
unverständige Herstellung samt dem Putze bis auf das rauhe Bruchsteingemäuer
beseitigte), so muß der Hof ehedem einen in seiner Art ganz außerordentlichen
Eindruck gemacht haben.
Gegenwärtig ist die einstige Einheit der Wirkung durch die Beseitigung
der Malerei natürlich zerstört ; nur noch an Portalen und Erkern gibt sich die
Abb. 248 Portal vom Treppenhause des Schlosses zu Merseburg
Merseburg Erfurt
397
reiche Kunst der ausgeprägten deutschen Renaissance zu erkennen. Als Architekt
wird Melchior Brunner namhaft gemacht. Im Innern ist das Hauptstück der
Dekoration die prachtvolle, in einem polygonen Treppenhaus angelegte Wendel-
stiege, ähnlich der schönen Treppe in Göppingen an der Unterseite völlig mit
Ranken, Wappen und allerlei Figürlichem in fein behandelten Reliefs bedeckt.
Das Treppenhaus schließt mit elegantem Sterngewölbe in spätgotischen Formen,
daran die Inschrift: Herr Johann von Kostitz Domprobst und die Anfangsbuch-
staben des Namens Meister Brunners. Eine zweite Treppe, kaum minder reich
geschmückt, ist an der Unterseite völlig mit Ornamenten in dem bekannten
Charakter von Metallbeschlägen überzogen.
Zu erwähnen ist noch der originelle dreiseitige Ziehbrunnen im Hofe.
Auf kräftiger Brüstung öffnet sich nach drei Seiten je ein Bogen, von dorischen
Säulen mit reich geschmücktem verkröpften Gebälk umrahmt; drei Bügel, feurig
bewegte Seepferde tragend, wölben sich darüber zusammen; den gemeinschaft-
lichen Schlußstein krönt ein Neptun mit dem Dreizack. Zwischen den See-
pferden über den Bogenachsen ist je ein Wappen mit reicher Umrahmung. Bei
barockem Detail hat das Ganze eine ungemein lebendige Silhouette und trägt
den Stempel einer üppigen phantasievollen Epoche, i)
Im Dom bezeichnet die Kanzel (etwa 1526), ein im wesentlichen spät-
gotisches Werk, reich
mit Reliefs in Holz
geschmückt, in einzel-
nen Renaissance-Ele-
menten den Eintritt
des neuen Stils. Aus-
serdem ein schönes
Bronzeepitaph des Si-
gismund V. Lindenau,
von Hans Vischer aus
Nürnberg, in der Vor-
halle an einem Pfeiler.
Erfurt, im Mit-
telalter eine der größ-
ten Städte Deutsch-
lands, bewahrt noch
jetzt in seinen Denk-
malen bedeutende
Zeugnisse ehemaliger
Macht. Der Dom mit
der gewaltigen Frei-
treppe, die auf die
Höhe führt, rechts da-
von die hohen Hallen
der Severikirche, bil-
den den monumentalen
Mittelpunkt, eine Art
Akropolis der Stadt.
Das Bürgertum, durch
1) Abgeb. in den Stn-
dienbl. d. Archit.-Ver. am
Polytechnikum zu Stutt-
gart undb.Fritsch, a.a.O.
Abb. 249 Portal der Schloßkirche zu Merseburg
(Nach: Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance)
398
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Handel und regen Austausch zwischen Süden und Norden, sowie durch frühe
Verbindung mit der Hansa mächtig geworden, hat auch an der Bewegung der
Renaissance sich kräftig beteihgt.
Schon zeitig tritt der neue Stil an einzelnen Profanbauten auf. In der
Allerheiligenstraße ist der ansehnliche Bau des Collegium Saxonicum, in-
schriftHch 1521 gegründet, mit einem Renaissancewappen von 1542 geschmückt.
Im obersten Ge-
schoß sind reiz-
volle Fenster an-
gebracht, in sehr
origineller Früh-
renaissance von
übereck gestellten
Pilastern einge-
faßt, mit kräfti-
gem Gesims ab-
geschlossen ; dar-
über sind Flach-
bögen mitMuschel-
füllung, an den
Ecken aufgesetzte
Kugeln, im Ge-
schoß darunter
aber treffliche
schwungvolle Or-
namente, dazwi-
schen runde Schei-
ben. Ähnliche Fen-
ster, offenbar von
dem gleichen Mei-
ster,imErdgeschoß
des Hauses Nr. 6
ebenda, die oberen
Fenster dagegen
einfach mit mit-
telalterlichem Pro-
fil. Dagegen ist
die prächtig ge-
schnitzte Haustür
mit korinthischen
Säulen und orna-
mentalen Flach-
reliefs von schö-
nem Schwung der Zeichnung ein Werk des vollendeten Stiles. Von 1549 ein
kleines Renaissanceportal der Michaelisstraße Nr. 48 mit eigentümlich entwickelten
Ecknischen.
Eine höchst stattliche Komposition ist das Giebelhaus Nr. 7 am Fischmarkt
zum roten Ochsen vom Jahre 1562. Das Portal ist mit Diamantquadern ein-
gefaßt und hat Seitennischen, welche statt der anderwärts üblichen Muschel-
wölbung oben durch Voluten abgeschlossen sind : eine in Erfurt häufig wieder-
kehrende Form. Über dem Erdgeschoß läuft ein Fries mit spielenden Kindern hin.
Der erste Stock wird durch kannelierte ionische Pilaster angemessen gegliedert, die
Abb. 250 Haus „zum breiten Herd" zu Erfurt
Erfurt
399
Fenster haben Giebel mit plastischen Köpfen. Der zweite Stock ist einfacher
behandelt, ohne Gliederung, die Fenster mittelalterlich profiliert. Feine Zahn-
schnittfriese trennen die Geschosse. Am originellsten ist der das Satteldach ver-
deckende Giebel mit Pilasterstellungen und kräftigen Fensterrahmen, namentlich
aber den phantastischen Figurengruppen, welche die Absätze an den Ecken ver-
binden. Doch ist das Ganze hart und ohne rechten Fluß.
Ähnlich ist, aber in reicherer Ausführung mit stärkerer Anwendung von
plastischem Schmuck und entschiedenerer Hinneigung zum Rollwerk an demselben
Platze das prächtige Haus „zum breiten Herd" vom Jahre 1584 (Abb. 250).
Über dem Erdgeschoß ziehen sich malerisch behandelte Flachreliefs hin, durch
reiche Konsolen getrennt. Phantastische Hermen gliedern das Hauptgeschoß,
korinthische Pilaster auf kräftigen Konsolen den zweiten Stock. Fein ornamen-
tierte Friese bilden den Abschluß der Stockwerke, und ein elegantes Zahnschnitt-
gesims trennt das obere Geschoß von dem Giebelaufsatz. Die Fenster des ersten
Stockes haben reiche barock verschlungene Krönungen, alle übrigen, auch am
Dacherker, Giebelaufsätze mit stark vortretenden Köpfen.
Der Umriß des abgetreppten Oberbaues wird wieder durch
figürliche Gruppen belebt. Es ist eine der durchgebilde-
teren Fassaden unserer Renaissance, durch gute Verhält-
nisse ausgezeichnet, doch in Plastik und Linien überall
etwas hart und nicht flüssig. Im Innern ein Flur mit
schönen Netzgewölben, der zu einer stattlichen Wendel-
treppe führt. Die Spindel ruht auf schlanken Säulen, und
die untere Seite der Stufen ist mit ornamentalen Reliefs
bedeckt. Als Architekt wird Hans Friedemann d. Ä.
vermutet.
Beträchtlich früher, feiner und schlichter ist das Haus
am Anger Nr. 37 vom Jahre 1557. Das Portal (Abb. 251)
vertritt in anziehender Weise die hier übliche Form der
Seitennischen, deren Ausbildung beachtenswert ist. Die
Pilaster, welche das Portal einfassen, sind wie der Fries
mit hübschen Ranken geschmückt; die Zwickelfelder enthalten die Köpfe von
Christus und Paulus in Medaillons. Die übrigens einfache Fassade erhält durch
einen polygonen, im ersten Stock ausgebauten Erker einige Belebung. Ein schönes
Eisengitter füllt das Oberlicht über der Tür. Im Flur sieht man zwei prachtvoll
gearbeitete Säulen aus späterer Zeit.
Ein zierliches Werk ist der am Äußern der Michaelis kirche ange-
brachte Grabstein des Melchior Sachse und seiner Frau, durch den Sohn wahr-
scheinlich nach dem Tode der letztern (1553) errichtet. Die Gestalten der Ver-
storbenen werden von einem eleganten Renaissancerahmen auf kannelierten
toskanischen Pilastern umschlossen. Die Arbeit ist in sicherer Meisterschaft
durchgeführt. Ganz in der Nähe, Michaelisstraße Nr. 38, das ansehnliche Haus
dieser Familie, vom Jahre 1565. Ein Portal mit Ecknischen, von ionischen Halb-
säulen eingefaßt, die Archivolte mit facettierten Quadern gegliedert, in den
Zwickelfeldern zwei Medaillonköpfe, ähnlich wie bei dem Haus am Anger, im Fries
der Spruch: „Was Gott bescheert bleibt unerwert." Darüber ein Aufsatz in Form
einer Aedicula, von korinthischen Säulchen eingefaßt und mit Giebel geschlossen,
darin die Wappen von Melchior Sachse und Elisabeth Langen. Zwei riesige ge-
flügelte Delphine bilden auf beiden Seiten eine barocke Einrahmung. Die Ecke
des Hauses ist originell als kräftige Rustikasäule mit toskanischem Kapitell be-
handelt. Die Fenster haben noch durchweg das mittelalterliche Kehlenprofil. Ein
kleines Haus neben der Michaeliskirche besitzt ein stattliches Portal von 1561,
400
2. Bucli Die Bauwerke XV. Kapitel Obersaciisen
gleich den übrigen mit Seitennischen und fein gegliedertem Bogen, eingefaßt
von korinthischen Säulen, Am Fries die Inschrift: „Gott spricht es, so geschieht
es. — Ilgen Milwicz, Anna Schwanflogelin." Dabei in den Zwickelfeldern treff-
lich behandelte Wappen. Die Fenster des Erdgeschosses haben ebenfalls korin-
thische Säulchen als Einfassung, derb facettierte Quader am Fries und kleine
Giebel als Krönung.
Abb. 252 Haus „zum Stockfisch" zu Erfurt
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Ihr Bestes leistete die Erfurter Privatbaukunst in dem Hause zum Stock-
fisch in der Johannisstraße, vom Jahre 1607 (Abb. 252). Zwei stattliche Portale
in kräftig barocken Formen und ein kraftvoller Erker schmücken die ziemlich
breite Straßenseite. Man beachte die durchaus unregelmäßige Stellung der Fenster
und die nur nach Gefühl erfolgte Anordnung der Portale und des Erkers, die
dabei das Gefühl vollster Harmonie hervorruft; wie die Fenster zu den Seiten der
Erkerauskragung kleiner, doch mit Giebeln bekrönt, geradezu meisterhaft an-
geordnet sind; wie die Flächen den prächtig durchgebildeten plastischen Teilen
Erfurt Altenburg
401
als hebender Hintergrund dienen. Die Haustür zeigt treffliches Schnitzwerk, die
Einfassung zu beiden Seiten wieder die beliebten Nischen. Ganz prächtig ist
die Belebung der Flächen durch eine Rustika, deren Quader abwechselnd glatt
und mit feinen flachbehandelten Randornamenten geschmückt sind. Ebenso die
Fensterrahmen. Im Hausflur ein kräftiges, von ionischen Säulen eingefaßtes Portal.
Alles Detail von ausgezeichnetster Abwägung.
Einiges auch in den Kirchen. Im Dom ein großes Wandepitaph vom Jahre
1576 im südlichen Seitenschiff, altarartig aufgebaut, im Stü schon sehr barock,
dabei reich polychromiert das Monogramm des Meisters E. G. Aus derselben Zeit
ein Doppelgrab, ebendort, bezeichnet H. F. Sodann noch ein Epitaph am östhchen
Ende desselben Seitenschiffs, von ähnhcher Komposition und Ausführung. Weiter
gehört hieher der Tauf st ein von 1587 des Hans Friedemann, mit Figuren
von Tugenden zwischen phantastischen Hermen und Karyatiden, außerdem reich
mit Metaflornamenten geschmückt. Um den Taufstein erhebt sich auf sechs
ionischen Säulen mit Goldornamenten auf blauem Grund ein großer phantastischer
Baldachin, über dem Gebälk mit hoher Kuppel aus durchbrochenen Rippen
bekrönt, auf den Ecken schlanke Pyramiden, in der Mitte oben ein riesiger Obelisk,
der bis ans Gewölbe reicht, alles dies reich dekoriert und bemalt, neuerdings
hergestellt, von phantastischer Wirkung. An der Wand des südhchen Querschiffes
ein Sakramentshäuschen desselben Meisters, trefflich im Aufbau.
Feiner und zierlicher ist die hölzerne Kanzel in der Severikirche, ein
elegantes Werk von 1576, ebenfalls von H. Friedemann.
In Wittenberg dürfen die schönen Bronzegrabtafeln in der Schloß-
kirche nicht unerwähnt bleiben; vor allem die des Peter Vischer für Friedrich
den Weisen mit dem Bilde des Kurfürsten, und die fast genaue Kopie davon
für Johann den Beständigen, von Hans Vischer. Auch eine Bronzetafel Peter
Vischers für Henning Goeden ist zu nennen. — In der Stadtkirche außer L.
Cranachs Gemälden ein bronzenes Taufbecken von Hermann Vischer und an des
jüngeren Granach Grabmal ein ausgezeichnetes Alabasterrelief der Grablegung
von Sebastian Walther. Aus späterer Zeit das umfangreiche Epitaph des Math.
V. Schulenburg, 1569 von G. Schröter angefertigt.
Thüring-en
In den thüringischen Landen tritt kein städtisches Gemeinwesen in dieser
Epoche selbsttätig hervor. Wohl aber ist manches von fürstlichen Bauten zu
melden, mit welchen die sächsischen Herzöge und Kurfürsten ihre zahlreichen
Residenzen geschmückt haben, doch finden wir auch darunter kaum eine Schöpfung
ersten Ranges. Das für unsere Betrachtung Erhebliche mag kurz erwähnt werden.
Seit 1445 den Kurfürsten von Sachsen zugeteilt, die eine Zeitlang dort
residierten, entwickelte die Stadt Altenburg im Laufe des 16. Jahrhunderts eine
rege Bautätigkeit, welche schon früh zur Aufnahme der Renaissance führte. Zu-
erst treten die Formen des neuen Stils an dem großen Hause der Sporengasse
Nr. 1 uns entgegen. Es hat ein Portal vom Jahre 1531 in schhchten frühen
Renaissanceformen, die einrahmenden Pilaster mit flachen Kugeln geschmückt,
ähnlich den älteren Fenstern am Schloß zu Dresden, als Bekrönung ein Bogenfeld
mit muschelartiger Dekoration, ebenfalls mit Kugeln besetzt. An den Fenstern
und dem breiteren Torwege zeigen sich noch die durchschneidenden Stäbe der
Gotik. Ein anderes ebenfalls unbedeutendes Portal vom Jahre 1537 findet sich
in derselben Straße Nr. 18. Es trägt die bekannte Inschrift: Verbum domini
manet in aeternum. Dazu: Amen dico vobis ego sum ostium ovium. In der-
1) Pritsch, Denkmäler deutscher Renaissance.
Lübke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 26
402
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
selben Straße Nr. 2 ein Portal des späteren Stiles mit Seitennnischen, 1569 er-
baut, 1605 im Fries umgestaltet.
Das Hauptwerk in Thüringen ist das hiesige Rathaus. Es wurde 1562
begonnen, im Frühling des folgenden Jahres unter Dach gebracht und am
10. November 1564 äußerlich durch Aufsetzen des Turmknopfes vollendet. Die Haupt-
leitung des Baues hatte der als Erbauer des Jagdschlosses „zur fröhlichen Wieder-
kunft" bekannte fürstliche Baumeister Nikolaus Grohmann zu Weimar, von dem
auch der Entwurf herrührte. Wir kennen den Namen des Meisters schon aus der
Baugeschichte des Schlosses zu Torgau. Die Bildhauerarbeiten wurden durch
Hans Werner und Kaspar Böschel aus Chemnitz ausgeführt.^) Es ist ein stattlicher
reich behandelter Bau von edlen Renaissanceformen (Abb. 253), mit gewaltigem,
rings abgewalmtem Dach bedeckt, an der Vorderseite mit einem polygonen Treppen-
turm ausgestattet, auf beiden Ecken gegen den Markt mit den ausgekragten halb-
runden Erkern geschmückt, welche in ähnlicher Anlage und Dekoration zuerst in
Torgau vorkommen und in ähnlicher Weise am Fürstenhaus zu Leipzig auftreten.
Das gequaderte und mit Säulen an den Ecken versehene Untergeschoß des Treppen-
turmes ist in der damals beliebten Weise rechtwinklig angelegt und mit einem
Altan geschlossen. Das Hauptportal sowie zwei andere Portale sind mit ionischen
Säulen eingefaßt und mit zahlreichen Inschriften geschmückt. Auch der Unter-
bau hat eine Umrahmung von sehr lang gezogenen kannelierten Säulen derselben
Ordnung. Die Fenster mit den eingekerbten Rahmen und einem Giebel mit ein-
gelassener Kugel, die Gesimse mit ihren kräftigen Konsolen, die Erker mit ihren
Pilastern und Rehefs, rechts Fürstenköpfe, links die Geschichte des Sünden-
falles, endlich die maßvoll behandelten Giebel, welche dem Dache vorgesetzt sind
und gemalte Ornamente zeigen, das alles zeugt von einer überwiegend klassi-
zistischen Behandlung, doch ohne Trockenheit. An Feinheit der Ausführung ist
die Dekoration der Erker der am Fürstenhause zu Leipzig kaum nachstehend.
Im Innern führt die Wendeltreppe zu einer herrlichen großen Halle mit
reich gegliederter Balkendecke auf kannelierten ionischen Holzsäulen. Auch
die Kopfbänder sind als antikisierende Konsolen behandelt. Mehrere prächtige
Türen, Kamine und eine Bühne für Musiker schmücken diese ansehnliche Halle.
Über der Türe zum Ratssaal Hest man das bedeutsame Motto: Blandis verbis
et atrocibus poenis. Das Ratszimmer selbst hat ähnlich reiche Decke wie der
Vorsaal, die Fensterrahmen sind auf kraftvolle ionische Säulen gestützt, die
Portale ungemein reich geschnitzt, mit Hermen und Karyatiden eingefaßt, über
dem einen der thronende Weltrichter. Ein anstoßendes Gemach, das auf den
Erker hinausgeht, zeigt einfachere Behandlung an Decke und Fenstern, aber
ähnliche Portale.
Das Schloß, eine ausgedehnte Anlage, deren Entstehung ins Mittelalter
hinaufreicht, ist mit Ausnahme der reichen spätgotischen Kapelle ohne künstlerisches
Interesse. Nur im Innern Schloßhof sieht man den Ansatz einer dreistöckigen
Arkade, von der jedoch nur zwei Systeme ausgeführt sind: im Erdgeschoß Rustika
mit übertrieben geschwellten dorischen Säulen, die beiden oberen Stockwerke mit
flachgedrückten Bögen, im ersten Stock auf toskanischen Säulen, im zweiten auf
Pfeilern, die mit ähnlichen Halbsäulen bekleidet sind, eine Arbeit der Zeit um
1600, ohne besondere Feinheit. Auch der damit verbundene Treppenturm und
das Portal desselben ist nur Mittelgut.
Das Rathaus zu Gera, seit 1573 entstanden (Abb. 254, 255), scheinbar eben-
falls nach Grohmanns Plan erbaut, doch einfacher und nur als eingebautes Haus ge-
dacht; leider später mit einem Mansardendach an Stelle der ursprünglichen Quer-
1) E. T. Braun, Gescliiclite des Rathauses zu Altenburg (1864) S. 121.
Gera
403
Abb. 253 Eathaus zu Altenbur«
giebel versehen. Die Fenster sind einfach, mit Dreiecksgiebel darüber; auffallend
an die Heldburg erinnernd ; das Haus entbehrt aber der Gesimse. Im Erdgeschoß
drei große Portale mit Pilastern ohne Gebälk, genau wie an den Altanecken zu
Altenburg. Der achteckige hohe Treppenturm hat wie dort einen gequaderten
rechteckigen vorspringenden Unterbau; in dessen Mitte das reiche Hauptportal,
Rundbogen mit schräger stark verzierter Leibung, eingefaßt von Hermen, trägt
doppelten Aufsatz von Tafeln, Wappen und Porträts, darüber Flachgiebel. Eine
404
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
ganz prächtige Kompo-
sition. Freilich ist alles
roh ausgeführt; wohl
kaum unter Grohmanns
Leitung.
Von dem alten Schloß
zu We i m a r ist zunächst
der runde Turm, freilich
mit späterem Aufbau er-
halten. Mit ihm verbun-
den einige ältere Teile,
unregelmäßig und unbe-
deutend, mit Ausnahme
eines ziemlich ansehn-
lichen Bogenportales, des-
sen schräge Leibung mit
Ornamenten der Früh-
renaissance umfaßt wird
(etwa 1530 entstanden).
Ebenso der krönende Auf-
satz mit dem Wappen
und Delphinen an den
Seiten. Die gewölbte Ein-
gangshalle führt zu einer
ganz schlichten Wendel-
treppe. Auch die Giebel
dieses Baues, mit ein-
fachen Bogenabschlüssen
und dürftigen Lisenen ge-
gliedert, gehören dahin.
Ein Modell auf der groß-
herzoglichen Bibliothek
gibt eine Anschauung des
alten Baues vor dem
Brande von 1618. Her-
zog Johann Ernst begann
1619 den Neubau, der
dann 1790—1803 durch
den Goetheschen Umbau
größtenteils beseitigt
wurde. Aus diesen Zeiten
stammt auch das Rote
Schloß, mit seinen Por-
talen und Giebeln dem
beginnenden Schweifstil
angehörend, aber ebenfalls ohne höheren künstlerischen Wert.
Auch sonst bietet die Stadt für Renaissance nichts Bedeutendes. Von
Interesse ist natürlich das Granachhaus am Markte, um 1526 entstanden und mit
dem Wappen des Meisters geschmückt. Es hat im Erdgeschoß der unregelmäßigen
Marktseite große Bogenöffnungen im Charakter der Frührenaissance, mit dünnen
kandelaberartigen Säulchen, üppigem, breit gezeichnetem Laub und mancherlei
figürlichen Elementen. Die schrägen Seitenwände der Bogenöffnungen zeigen die
Abb. 254 Kathans zu Gera
Weimar
405
beliebten Muschelnischen mit Sitzsteinen. Die ebenfalls abgeschrägten Archivolten,
die Zwickelflächen und die horizontal abgestumpften krönenden Giebel haben
reiches Laubwerk. Bei der modernen Ladeneinrichtung hat eine Umgestaltung
und Wiederholung dieser Teile stattgefunden. Die Fenster der Fassade zeigen
mittelalterliche Kehlenprofile; oben zwei aufgesetzte Giebel, in nüchterner Weise
mit dürftigen Lisenen gegliedert und mit Bogenlinien abgeschlossen.
Alili. i!:.:) Ha.uijteiiiijaiig- des ]iai liaiiscs zu Gera
Die ausgebildete Renaissance zeigt sich an dem einfach derben Bau des
städtischen Brauhauses von 1566. Die Fenster sind mit schweren Giebeln be-
krönt, haben aber trotzdem gotische Kehlenprofile. Das Portal schließt ein ähn-
licher Giebel ab, der auf kannelierten toskanischen Säulen ruht. An den Seiten
sieht man wieder die Muschelnischen. Der ungemein hohe abgetreppte Giebel
wird durch Voluten gefaßt, die in üppiges Laubwerk, am obersten Absatz in
kolossale Delphine auslaufen, und die Bekrönung bildet die Figur eines Gewatf-
neten. Vom Jahre 1568 datiert am jetzigen Kriminalgebäude ein elegant ge-
arbeitetes Doppelwappen in einem Rahmen aufgerollter und zerschnittener Bänder.
Mehrere kleine Renaissanceportale sieht man an verschiedenen Häusern, z. B. in
der Breiten Straße.
In der Stadt kirche hat das herrliche große Altarbild von Cranach vom
Jahre 1555 eine frei geschnitzte Bekrönung von Wappen, Reiterfiguren und pracht-
vollem Laubwerk, das teils der Renaissance, teils dem spätgotischen Naturalismus
angehört. Das Ganze ist völhg bemalt und vergoldet, von hohem künstlerischen
Werte. Außerdem ist das Epitaph Herzog Johann Wilhelms von 1576 eine brillante
Marmorarbeit von virtuosenhafter Ausführung, wahrscheinlich das Werk eines
Niederländers.
406
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
In Jena finden sich zwei vollständige Renaissancehäuser von auffallend
strenger Architektur. Der sogenannte Bur gk eil er, dicht neben der Stadtkirche
gelegen, ist ein Giebelbau von bescheidenen Ausmessungen. Etwas seltsam wirkt
der zwiebeiförmige Abschluß des Hauptgiebels wie auch des Dacherkers über dem
Pultdach der Nebenseite.
Vor die etwas in die Ecke gedrückte Hauptpforte legt sich eine kleine Frei-
treppe. Die Architektur zeigt die in Jena wie in ganz Thüringen häufige Form:
rundbogiges Portal mit abgeschrägter Leibung, in deren vertikaler Fläche meist
mit Muschelwölbung geschmückte Nischen mit runden Steinsitzen angebracht
sind; die gebogene Fläche der Leibung ist durch reiche Profilierung mit Eier-
stab, Zahnschnitt, kleinen Konsolen gegUedert (vgl. oben Abb. 251). Die Fenster-
öffnungen zeigen hübsche Detailbildung, sämtlich mit geradlinigem Giebelabschluß.
In wohlberechneter Steigerung lichten sich, bei stets reicherer Umrahmung der
Fenster, die Mauermassen. Die weiten Öffnungen des obersten Hauptstocks werden
durch schlanke ionische Säulchen geteilt, desgleichen die Öff'nung des Dacherkers
auf der Nebenseite durch eine dorische Zwergsäule.
Das zweite Haus, wenige Häuser in der nächsten Gasse entfernt, zeigt eine
fast italienische Fassadengliederung. Im unteren Stockwerk zwei stattliche Bögen,
von einer toskanischen Pilasterordnung umrahmt; dabei ist merkwürdigerweise
mittelst Durchführung des Kämpfergesimses die Bogenöffnung eines Mezzanin-
stockes benützt. Der Fries der Hauptordnung trägt als Inschrift: Gloria in ex-
celsis etc. Im Stockwerk darüber feine Pilasterarchitektur mit verdoppelter
Achsenzahl. Die Fenster sind einfach umrahmt. Die weiteren Stockwerke scheinen
später hinzugefügt worden zu sein. Das Innere unbedeutend.
Außerdem findet man häufig das oben beschriebene Portal. Auch der
Giebelabschluß des Jenaer Rathauses mit kunstreicher Uhr gehört in die Renais-
sancezeit.
Das Wenige, was Gotha an Renaissancebauten besitzt, zeugt nicht gerade
von einer bedeutenden künstlerischen Tätigkeit, reiht sich indes den Arbeiten der
benachbarten Orte an und dient zur Vervollständigung des Bildes. Das Rathaus
ist ein langgestrecktes Rechteck mit hohem Giebel an der schmalen Nordseite
gegen den Markt und viereckigem Treppenturm an der Südseite. Die Fassade
von 1574 hat später eingreifende Umgestaltungen durch vorgesetzte Stuckpilaster
erfahren. Das Portal aber mit seinen Seitennischen, darüber ein Aufsatz mit dem
Wappen, zu beiden Seiten unförmliche Delphine, entspricht der Behandlung, wie
wir sie in Erfurt und Weimar fanden. Auch der hohe Giebel mit seinen Schnecken
und ihrem phantastischen figürlichen Schmuck ähnelt den gleichzeitigen Erfurter
Bauten. Den Abschluß bildet ein durchbrochener Bogen mit der Uhrglocke,
darauf als Krönung eine kleine Ritterfigur. Schön ist an der oberen Galerie des
Turmes das zierliche schmiedeeiserne Gitter; außerdem über einem modernisierten
Portal der westlichen Langseite ein fein gearbeitetes Wappen, von zwei Löwen
gehalten. Eine schlichte Wendeltreppe führt um einen achteckigen Pfeiler im
Turm zum oberen Geschoß, das eine große lange Vorhalle enthält.
Ein etwas einfacheres Portal im Charakter des Rathauses, ebenfalls mit
Nischen und Sitzsteinen, hat das Gebäude der Post am Markt. Mehrfach finden
sich noch ähnliche Pforten. Etwas abweichend ist die Behandlung des Portals
am Eckhaus der kleinen Erfurter Gasse und des Marktes, vom Jahre 1563.
Über der Stadt erhebt sich an der Südseite auf weit hinschauendem Hügel
die kolossale aber ziemlich nüchterne Anlage des Schlosses Friedenstein, im
wesentlichen dem 1646 durch Ernst den Frommen ausgeführten Neubau angehörig.
Bei der Exekution gegen Johann Friedrich den Mittleren (1567) wurde das durch
ihn erbaute Schloß Grimmenstein eingenommen und geschleift und an seiner
Grotha
407
Stelle später das jetzt vorhandene mit dem Namen Friedenstein erbaut. Es ist
ein gewaltiges Viereck, vorn und auf beiden Seiten von den Hauptgebäuden ein-
geschlossen, der Hof von derben Pfeilerarkaden auf allen vier Seiten umzogen,
die an der Rückseite mit einer Plattform abgeschlossen und in der Mitte mit
einem Portal durchbrochen sind, den Blick und den Austritt in den Park frei-
lassend. Vom alten Grimmenstein stammt nur das Portal der Kapelle unter den
Arkaden hnks vom Eingang, datiert von 1553. Es hat die größte Verwandtschaft
mit dem Portal der Schloßkapelle zu Torgau, ähnliches Laubwerk im frischen
Stil der Frührenaissance und in den Ranken ebensolche Engelfiguren. Die Ein-
fassung mit Schweifwerk gehört dem Umbau des 17. Jahrhunderts an.
Abb. 256 Grundriß der Heldburg
In der Kunst kämm er, bisher im Schloß aufbewahrt, ist manches an
wertvollen Werken der deutschen Kleinkunst: zierliche Trinkgefäße, Becher und
Pokale, ein Globus mit herrlichem Untersatz, astronomische Instrumente, schöne
Uhren, Glasgefäße und Schmelzarbeiten, vor allem aber das kleine angebliche
Brevier, in Wirklichkeit ein fürstliches Stammbuch des 16. Jahrhunderts, eines
der köstlichsten Juwele deutscher Goldschmiedekunst, dort natürlich dem Ben-
venuto Cellini zugeschrieben, jedoch, wie aus der Art der Technik und den künst-
lerischen Formen hervorgeht, das Werk eines ausgezeichneten deutschen Meisters.
Aus massivem Golde ist der Deckel gearbeitet, mit Diamanten, Rubinen, Sma-
ragden und Schmelzwerk geschmückt, dazu in fein getriebener Arbeit auf der
Vorderseite die Anbetung der Hirten und die vier Evangelisten, auf der Rückseite
die Auferstehung und die vier evangelischen Frauen, auf dem Rücken die Er-
schaffung der ersten Menschen und der Sündenfall. Das köstliche kleine Buch,
etwa 5V2 cm breit und 7V2 cm hoch, ist aus dem Besitze der Großherzöge
von Mecklenburg-Schwerin durch Schenkung nach Gotha gekommen und für
das Kunstkabinett erworben worden.
408
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Weiter nordwärts bis gegen den Rand des Harzes sind nur unbedeutende
Arbeiten der Renaissance zu verzeichnen. In Nordhausen ist das Rathaus ein
äußerst schlichter, doch malerischer Bau von 1610, die Giebel in Fachwerk ohne
künstlerischen Schmuck. Die Fenster und die große Bogenhalle, mit welcher sich
das Erdgeschoß gegen den Markt öffnet, zeigen das mittelalterliche Kehlenprofil.
Vor die Mitte der Fas-
sade legt sich ein Turm
mit stattlich breiter
Spindeltreppe, die auf
die Bogenhalle mün-
det. Der Vorsaal im
Innern ist nicht groß,
quadratisch; auf der-
ber Mittelsäule, wel-
cher in den Wänden
Halbsäulen entspre-
chen, ruhen die Bal-
ken der Holzdecke.
Die Kapitelle sind fast
romanisch, auch das
Gebälk zeigt mittel-
alterliche Gliederung.
An seinen Kopfbän-
dern liest man : Hans
Hacke 1609. Ein klei-
nes Portal in Sand-
stein hat dürftige
trockene Formen der
späten Renaissance.
Im Vorsaal des zweiten
Stockes bietet die Mit-
telsäule das auffal-
lendste Beispiel von
mangelndemVerständ-
nis der Renaissance-
formen in so später
Zeit.
In Eisleben fällt
in der Andreaskirche
ein messingener Kron-
leuchter auf, der zu
den schönsten seiner
Art gehört, mit Weinranken, Trauben und kleinen Figürchen geschmückt.
Ungleich günstiger und reicher gestaltet sich die Renaissance in den süd-
lichen Auslaufern unseres Gebietes. Zu den interessantesten Werken der Zeit
zählt zunächst die Heldburg, ein auf mittelalterlicher Grundlage durch den
unglücklichen Johann Friedrich den Mittleren seit 1558 ausgeführter Prachtbau.
Die Burg erhebt sich auf einem vier Wegstunden südlich von Hildburghausen
aufragenden kegelförmigen Basaltfelsen, der durch seine malerische Form und
reiche Bewaldung schon von fern das Auge fesselt. Die alte Veste ist ein ziem-
lich unregelmäßiger Gebäudekomplex ebensowohl infolge beengender Geländever-
hältnisse als ungleichzeitiger Erbauung (vgl. Abb. 256).
Abb. 257 Französischer Bau der Heldburs
Heldburg
409
An dem terrassenförmig vortretenden, auf dem Niveau des innern Schloß-
hofes gelegenen Ziergarten Q vorbei gelangt man bei A über die Zugbrücke durch
ein stattliches Tor in den zwingerartigen äußern Hof, und von da, immer steigend,
einerseits an der Pferdeschwemme N, andererseits an dem Brunnenhaus 0 mit
dem bis zur Talsohle reichenden, in den Basaltfelsen eingehauenen Ziehbrunnen
vorüber, durch die Einfahrt B in den inneren Schloßhof G. Auch von der entgegen-
gesetzten Seite führt eine Einfahrt F bei der ehemaligen geräumigen Stallung G ^) in
den Hof. Von welcher Seite man auch eintritt, stets zieht der sogenannte fran-
zösische Bau an der Süd-
seite des Hofes mit den
reichgeschmücktenErkern
D, E und dem runden
Treppenturm den Blick
auf sich. Die Umrah-
mungen der Fenster und
des hübschen Pförtchens
zeigen überfeine, fast ma-
gere Profile. Um so kräf-
tigeres Relief hat die Ar-
chitektur der Erker (Abb.
257) und des schönen Por-
tals am Treppenturme.
Die originelle Galerie des
letztern (die untere Ba-
lusterreihe ist Stein, die
obere Holz) gewährte
wahrscheinlich über die
niedrigem Teile Aussicht
ins Tal hinab; der obere
erkerartige Ausl^au soll
früher als Uhrgehäuse ge-
dient haben.
Ungeachtet der Volks-
mund die Teile F G H als
„alten Heidenbau" be-
zeichnet, scheinen von
den jetzt stehenden Ge-
bäuden die ältesten in
dem am Haupteingang B
liegenden Gebäude zu
stecken. Hier ist nämlich schon am Äußern durch rundbogige Fenster eine früh-
mittelalterliche Kapelle angedeutet; man findet aber auch im Innern (freilich nur
schwer zugänglich und spärlich beleuchtet) deutliche Spuren kirchlicher Wand-
malereien (Christus am Kreuz, von Maria und Johannes beweint). Spitzbogige
Portale kommen allerdings am sogenannten „Heidenbau", aber auch am Kom-
mandantenbau L M vor, obgleich letzterer sonst, namentlich an den Rundtürraen,
(von denen der eine über der Einfahrt B) Einflüsse der Renaissance zeigt. Der
Teil J K, welcher ehedem die großartigen Küchenräume enthielt, ist abgerissen ;
seine Grundmauern dienen jetzt als Terrasse, von der sich eine anmutige Aus-
sicht bietet.
Abb. 258 Gymnasium Casimirianum zu Koburg
(Phot. Homann, Darmstadt)
1) Dieselbe wurde in letzter Zeit als Kapelle benutzt.
410
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Der interessanteste, künstlerisch bedeutendste Teil ist jener französische
Bau, der durch seine strenge Fensterarchitektur mit den einfach gegliederten
Giebeln auch dem Äußern des Schlosses ein vornehmes Ansehen verleiht.
Über die Ausstattung der Erker, die von sehr verschiedenem Wert, ist noch
folgendes zu bemerken: der Erker D zeigt außer einem schönen Friesornament
mit Vögeln in der ionischen Ordnung des ersten Stocks meist Embleme des
Kriegs, der Erker E aber Embleme der Jagd, des Fischfangs etc., wie auch bei D
trotzige Kriegergestalten, bei E Nixen und andere weibliche Figuren in den Orna-
mentflächen eine Haupt-
rolle spielen. An dem
einen Erker liest man die
Jahreszahl 1562.
In der Tat ist der Name
„französischer" Bau zu-
treffend. Die strenge Ge-
stalt der beiden Erker und
ihre Einzelheiten zeigen
starke Anlehnung an die
gleichzeitige Kunst Frank-
reichs. Schon die hier in
Menge angebrachten Tro-
phäen sind in Deutschland
recht selten, in Frankreich
aber ungemein verbreitet.
Ich erinnere nur an Rene
Boyvins schöne Kupfer-
stiche, an den Louvrehof
und ähnliches. Aber auch
die großen platten Kar-
tuschen der Brüstungen
oben, insbesondere am
Erker E, sind direkt auf
französische Vorbilder wei-
send. Die Architektur
selbst, vom Bogen des Erd-
geschosses an mit seinem
Fries und Konsolengesims,
die ionische korinthische
Pilasterordnung oben —
die Pflaster sind nicht ver-
jüngt, was in Deutschland
kaum vorkommt, dagegen in Frankreich die Regel ist — ■, die Dreiecksgiebel, alles
hat etwas von der fast pedantischen Schärfe der französischen Behandlungsweise. Ins-
besondere ist hier an die Schule Jean Bullants (Ecouen) zu denken. Als Architekt ist
inzwischen Nikolaus Grohmann, der Erbauer des Altenburger Rathauses, festgestellt.
Die Innern Räume enthalten wenig von künstlerischer Bedeutung: die Türen
haben derbe, nüchterne Einfassungen; in den Zwickeln sind einige gute Medaillon-
porträtköpfe. Die noch vorhandenen zwei Kamine haben reiche, doch wenig feine
Meißelarbeit; das Deckgesimse wird von plumpen Konsolen oder Hermen getragen.
Im übrigen sind die Räume verputzt und schmucklos.
Eine großartige Anlage ist die Veste zu Koburg, gegen Ende des 15. Jahr-
hunderts begonnen, großenteils noch mit reichen gotischen Dekorationen, im Hof
Abb. 259 Haus in der Herrengasse zu Kobur'
(Phot. Homann, Darmstadt)
Koburg
411
ein malerisches offenes Treppenhaus mit drei Stockwerken, sehr gut in Holz ge-
schnitzt. Ein Prachtstück der späteren Renaissance ist das sogenannte Horn-
zimmer, früher in der Ehrenburg, ein ganz mit Täfelwerk, und zwar in farbig
eingelegter Arbeit, geschmückter Saal. Zwischen barocken Pilastern sieht man
reiche figürliche Darstellungen an den Wänden. Am schönsten aber ist die Decke
mit ihren kraftvoll gegliederten Balken und Kassetten, sämtliche Felder mit feinen
Ornamenten dekoriert. Dies Prachtzimmer gehört zu den unter Johann Kasimir
(seit 1596) ausgeführten Werken und ist in Dresden hergestellt.') Derselbe Fürst
hat auch die Stadt mit mehreren ansehnlichen Bauten geschmückt und die an
Stelle des früheren Barfüßerklosters errichtete Ehrenburg 1612 durch den ita-
lienischen Baumeister Bonallino um-
gestalten lassen (seit 1816 gotisch
modernisiert). Von ihm stammt
noch der früher offene Altan auf
der Ostseite.
Von den Bauten Johann Kasi-
mirs nenne ich zunächst das Re-
gierungsgebäude, ein statt-
liches Werk von 1597—1601, durch
zwei hübsche Erker mit Fürsten-
bildnissen und Konsolenfriesen so-
wie kräftige Giebel ausgezeichnet.
Vom gleichen Erbauer, Peter Senge-
laub, sind das Gymnasium (Abb.
258), 1603 gestiftet, und das Zeug-
haus, tüchtige Bauten der Schluß-
epoche, in Sandstein ausgeführt,
allerdings nichts Ungewöhnliches.
Aber alle drei Bauwerke waren ur-
sprünglich auf das reichste bemalt.
Eine größere Zahl von Wohn-
häusern aus derselben Zeit sind in
der Stadt zu finden; insbesondere
mit malerisch derb gestalteten Er-
kern und hübschen Haustüren mit
Sitznischen.') (Abb. 259, 260.) -d . , t. t?
T 1 • 1 ' Abb. 260 Portal in der Rosengasse zu Koburg
In der Moritzkirche, an (Phot. Homann, Darmstadt)
deren Bau Konrad Krebs (vgl. Tor-
gau, S. 346) 1520 tätig war, sind einige Grabdenkmäler zu nennen. Zunächst
mehrere Bronzeplatten, darunter die sehr gediegen ausgeführten Johann Friedrichs
des Mittleren, der 1595 in der Gefangenschaft zu Steier starb, und seiner Gemahlin
Elisabeth, die ihm um ein Jahr vorausging und, wie die Grabschrift sagt, in ihres
Herrn Gustodia zu Neustadt in Österreich verschied. Ähnlich, aber viel roher
die Denkplatte Johann Casimirs (f 1633). Das große Epitaphium Friedrichs des
Mittleren, in Alabaster ausgeführt und völlig bemalt, ist ein hoher, fast über-
ladener, altarartiger Bau^) von Nikolaus Bergner.
1) Abbildungen bei Puttrich, II. Abt., 1. Eand.
2) Abb. bei Pritsch.
3) Abb. bei Fritscli a. a. 0.
412
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersaclisen
Anhalt
Die Anhaltischen Länder gehören durch den Charakter ihrer Renaissance-
werke zur obersächsischen Gruppe, obwohl sie zugleich gewisse Einflüsse aus dem
benachbarten niedersächsischen Gebiete empfangen. Letztere bestehen namentlich
in einzelnen Beispielen jenes künstlerisch ausgebildeten Holzbaues, die wir in den
Harzgegenden antreffen werden.
Den wertvollsten Rest aus unserer Epoche besitzt Dessau an dem west-
lichen Flügel des herzoghchen Schlosses. Das Gebäude umfaßt an drei Seiten
einen rechtwinkligen Hof, hat aber im östlichen und südlichen Flügel eine cha-
rakterlose Umgestaltung im nüchternsten Zopfstil erfahren. Neuerdings wurde
dem Mittelbau ein anspruchsvolles Treppenhaus in Formen des Friedrichsbaus
von Heidelberg (!) vorgesetzt. Dagegen ist der ganze westliche Flügel ein wertvolles
Werk der beginnenden Renaissance, zu den frühesten in Deutschland gehörend;
denn an der Giebelseite, die mit schweren Frührenaissancebögen abgestuft ist,
enthält ein Wappen den Doppeladler und die Inschrift : Garolus V. Romanorum
imperator 1530. Pilaster gliedern hier und an der Hofseite das obere Stockwerk.
In der Mitte dieses Flügels baut sich im Hof die LIauptstiege vor (Abb. 261), in
Abb. 261 Schloßhof zu Dessau
einem polygonen Turme mit Freitreppen an beiden Seiten angelegt, deren Podest
sich als rechtwinkliger Altan um das Stiegenhaus herumzieht. Die Eckpfeiler der
Brüstung, sehr hübsch mit Wappen haltenden Bären bekrönt, gehören gleich den
Balustersäulchen des Geländers der Frührenaissance an ; die Maßwerke der einzelnen
Felder und die Portale der Treppe, sowie des unteren zum Keller führenden Ein-
ganges mit ihren durchschneidenden gotischen Stäben, sind noch gotisch. Ebenso
überall die Umrahmungen der Fenster. Die Wirkung dieser reichen und ori-
ginellen Arbeit wird durch völlige Bemalung oder Vergoldung noch gesteigert.
Die Renaissance tritt sodann in einzelnen Ornamenten der Balustrade, in den
reichen Bekrönungen der Portale anziehend auf. Die Komposition des Treppen-
hauses ist dieselbe wie in Torgau, aber etwas früher und von einem Meister,
Dessau Schloß
413
der zum Teil noch der Gotik angehört. Am Hauptportal des Turmes liest man,
daß die Fürsten Johann, Georg und Joachim gemeinsam den Bau 1533 errich-
teten. Die Jahreszahl 1531 glaubte ich an einem kleinen Täfelchen zu erkennen.
Dem entsprechen die historischen Nachrichten, welche melden, daß Fürst Johann II.
im Verein mit seinen Brüdern Georg und Joachim den Neubau des in seinen
älteren Teilen von den Brüdern Albert und Woldemar 1341 errichteten Schlosses
durchgeführt habe.^) Wahrscheinlich gab, wie so oft, die bevorstehende Ver-
mählung des Fürsten (1533 mit Margaretha, der Tochter Johann I. von Branden-
burg, Witwe des Herzogs Georg von Pommern) den äußern Anlaß zum Neubau.
Johann war ein baulustiger Herr, munterte auch seine Untertanen zum Bauen auf
und schenkte ihnen das dazu nötige Holz ^), indem er sagte, „ersehe lieber, daß
ein Mensch neben und bei ihm wohne, als daß das Holz im Walde stehe und
darunter Hirsche und andere wilde Tiere sich aufhalten sollten". Sein Bruder
Joachim, der bis 1531 am Hofe Herzog Georgs von Sachsen lebte und zur großen
Bekümmernis dieses dem alten Glauben treuergebenen Fürsten sich der Refor-
mation anschloß, setzte seit seines Bruders Tode (1551) die begonnenen Bauten
fort. In der Tat sieht man an demselben westlichen Flügel weiter einwärts eine
ziemlich primitive Renaissancetafel, welche den Namen Joachim und die Jahres-
zahl 1549 enthält.
Im Innern des Stiegenhauses ist die Treppenspindel am Fuß mit eleganten
Renaissanceornamenten geschmückt, während die kleinen Fenster des Treppen-
hauses gotische Motive zeigen. Am oberen Podest der Treppe findet sich ein
Portal, dessen gebrochener Spitzbogen noch dem Mittelalter angehört, während
die einfassenden Pilaster, die Füllungen und namentlich die wunderlichen, un-
symmetrisch am Fries angebrachten Delphine eine ungewandte Renaissance ver-
raten. Das Portal unter der Treppe führt zu einem Raum, dessen schönes
gotisches Sterngewölbe auf einer Mittelsäule ruht. (Leider jetzt durch eine Wand
geteilt und in seiner Wirkung beeinträchtigt.)
Einer späteren Epoche gehören die beiden in entwickeltem Renaissancestil
durchgeführten Portale an, die in den Ecken des Hofes angebracht sind, das west-
liche zu einer Treppe mit rechtwinklig gebrochenem Lauf, das östliche zu der in
einem polygonen Turme angelegten zweiten Wendelstiege führend. Dies sind Teile
des großartigen Erweiterungsbaues, welcher, die jetzt fast ganz erneuerten öst-
lichen und südlichen Flügel umfassend, von Joachim Ernst seit 1577 unternommen
wurde.") Es wäre nicht unmöglich, daß der Meister Caspar, welcher 1572 von
Brieg nach Dessau geht, um diesem Fürsten seinen Rat zu erteilen*), mit diesen
Arbeiten irgendwie in Verbindung stände. Aber auch Peter Niuron aus Lugano,
den wir beim Schloßbau in Berlin kennen lernten, wurde, wie es scheint, in Dessau
beim Schloßbau verwendet. Kraftvolle Nischen mit Sitzsteinen bilden die Ein-
fassung beider Portale ; energisch vorspringendes Gebälk mit Triglyphenfries ruht
auf Akanthuskonsolen ; der Schlußstein des Bogens ist mit weit vorragendem
Kopfe geschmückt, und der elegante attikenartige Aufsatz, von einem Giebel be-
krönt, enthält die fürstlichen Wappen. Es sind Arbeiten einer freien vollendeten
Meisterschaft. Durch den nüchternen Umbau, der gerade diese Teile fast voll-
ständig getroffen hat, ist alles beseitigt worden, was ehemals diesem Baue sein
Gepräge gab ; namentlich die Bogengänge und Altane, welche zur Verbindung der
einzelnen Gemächer angeordnet waren und dem Hofe ehemals einen ungemein
malerischen Charakter verliehen. Auch die prächtige Ausstattung des Innern, von
1) J. Chr. Beckmann, Historia des Fürstent. Anhalt, Zerbst 1690, Fol. III, 349 ff. V, 175.
2) Ebenda V, 172.
3) Beckmann, III, 350.
4) Luchs, Schles. Künstler S. 19.
414 2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
Abb. 262 Schloßhof zu Bernburg
welcher berichtet wird ist fast völlig verschwunden. Bemerkenswert scheint nur
ein großes gewölbtes Zimmer im Erdgeschoß mit kräftig barocker Stuckdekoration.
In den Ecken ruhen die Gewölbrippen auf Konsolen in Gestalt fratzenhafter
hockender Teufel von burlesker Phantastik.
Die Stadt enthält nicht viel Bemerkenswertes an älteren Privatbauten. In
der Schloßstraße Nr. 1 sieht man ein zierliches Portal mit Seitennischen und
reichgegliederter Archivolte, nach Art der Dresdener Portale. Ähnliche noch an
mehreren Häusern, z. B. in der Schloßstraße und der Zerbsterstraße Nr. 34. Mehrere
Giebelhäuser der beginnenden Barockzeit in letztgenannter Straße Nr. 41 und 42,
auch einige Fachwerkbauten, z. B. ebenda Nr. 40, aber ohne Bedeutung. Ein
reicheres Holzhaus in der Schloßstraße Nr. 12, vom Jahre 1671, doch auch dies
nicht von hervorragendem Wert.
In Z erb st ist das feinste Werk der Renaissance, das früher an dem „neuen
Hause" (Bürgerschule) sich befand, an das Rathaus versetzt: ein kleines Portal
von der anmutigsten Form und dem geschicktesten Aufbau, dabei ein ganz frühes
Werk, schon 1537 gearbeitet (Abb. I, 116). Die einfassenden Säulchen haben noch
die Kandelaberform, das Pflanzenwerk zeigt die weichen und bewegten Blätter der
Frühzeit. Die beiden Wappen des Fürstentums und der Stadt schmücken die
Attika, darüber ein zweiter Aufsatz mit dem Reichsadler und der Kaiserkrone,
abgeschlossen durch einen Giebel, in dessen Feld ein Imperatorenkopf. Die sich
mehrfach versetzenden und durchdringenden horizontalen Profilierungen ergeben
mit den sich ineinanderschiebenden senkrechten Gliedern ein höchst malerisches
und reizvolles Gesamtbild.
Das Rathaus selber hatte 1610 und 1611 an der langen, dem Markt zu-
gekehrten Fassade vier stattliche Giebel mit Pilastern und derben Voluten erhalten,
zugleich ein Portal in kräftigen Barockformen, ist aber leider durch einen auf-
dringlichen Neubau verdrängt ; alt sind außer dem Portal die beiden hohen Back-
steingiebel der Schmalseiten in reichen gotischen Formen von Jahre 1481. Im
Innern enthält der große Vorsaal des oberen Stockwerks, zu welchem auch hier
eine Wendeltreppe führt, an der einen Schmalseite eine spätgotische Holzver-
täfelung, darin ein mittelmäßiges Portal vom Jahre 1611.
1) Beckmann III, 350 ff.
Zerbst Kothen Bernburg
415
In der Nikolaikirche ist das Epitaphium Johanns II. (f 1551) eine geringe
Steinmetz arbeit in unreifen Frührenaissanceformen, ursprünglich völlig bemalt.
Das Taufbecken, ein Bronzewerk der Spätrenaissance, etwas stumpf im Guß, aber
von ansprechender Erfindung, namentlich der Deckel reich an Engelfigürchen, Engel-
köpfen, Masken und Volutenwerk geschmückt.
Unbedeutend ist der Privatbau; man bemerkt hier freilich, wie in Dessau,
an dem Fachwerkbau die Nähe des Harzes mit seiner reichen Holzarchitektur.
Die Anhaltische Gruppe bildet einen Übergang zu Niedersachsen. Zwei Häuser
am Markt zeigen den Holzbau in einfachen Renaissanceformen. Ein kleines Stein-
portal der üblichen Anordnung mit Seitennischen, am Markt Nr. 25, beweist in
seiner Jahreszahl 1687 das lange Andauern älterer Gewohnheiten. Zwei prächtige
Wasserspeier mit schönen schmiedeeisernen Stangen, ebenda Nr. 24, zeugen von
der Tüchtigkeit des Kunstgewerbes.
Ganz dürftig ist die Ausbeute in Kothen. Das Schloß, von weitem durch
seine Kuppeltürme verlockend, zeigt sich in der Nähe als ein geringer Putzbau,
der in drei Flügeln einen großen Hof umgibt. Der Eingang liegt in dem west-
lichen Hauptgebäude,
von welchem nördlich
und südlich die Seiten-
flügel rückwärts aus-
laufen, jeder mit einem
polygonen Treppen-
turm ausgestattet. Al-
les aber, sowie die
stark zerstörten Por-
tale ohne erhebliche
Bedeutung. Die schö-
nen Baumgruppen,
welche den Bau um-
geben, sind das beste.
Der Bau ist um 1600
von Peter und Franz
Niuron (wohl Söhnen
des Bernhard Niuron
in Brieg) aufgeführt.
Dem Namen des erste-
ren sind wir in Berlin
und Dessau begegnet.
Außerdem ist nur am
Holzmarkt Nr. 6 ein
hübsches Fachwerk-
haus mit zierlichem
Steinportal zu nennen.
Eine umfang-
reiche, aber künstle-
risch bescheidene An-
lage ist das Schloß
zu Bernburg. Auf
einer ziemlich steil
gegen die Saale ab-
fallenden Höhe ge- „„„ „ ,, , ,, ,
^ Abb. 263 Rathansvurhallc zu Wittenberg
legen, macht es von (Nach Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance)
416
2. Buch Die Bauwerke XV. Kapitel Obersachsen
unten gesehen mit seinen großen Massen, den zahlreichen Giebeln und Türmen
einen imposanten und malerischen Eindruck. Der Bau reicht zum Teil ins Mittel-
alter hinauf und ist dann im 16. und 17. Jahrhundert stark verändert und er-
weitert worden. Wenn man in den Schloßhof tritt, so hat man zur Seite rechts
einen vorgeschobenen Bau mit mächtigem, viereckigem Turm, der im Anfang
des 16. Jahrhunderts aufgesetzte Giebel erhalten hat. Zur Linken liegt die alte
Schloßkapelle mit einem Portal von 1565, welches trotz dieses späten Datums
Abb. 264 Eathaus zu Wittenberg
noch halb gotisch mit durchschneidenden Stäben und dabei mit dürftigen Renais-
sanceformen ausgestattet ist. Der Hauptbau zieht sich in beträchtlicher Ent-
fernung nordwärts hin, in zwei Stockwerken mit schlicht behandelten Fenstern
und bekrönt mit Giebeln, welche die Form der Frührenaissance in ziemlich kunst-
loser Weise und in geringem Stuckmaterial zeigen (Abb. 262). Links springt ein
Seitenflügel vor, im 17. Jahrhundert (1682) mit einer Freitreppe, die am Haupt-
bau angelegt ist, und einer oberen, ehemals offenen Loggia auf toskanischen
Säulen ausgestattet. Dieser Flügel endet in einem breiten pavillonartigen Bau
mit aufgesetzten Giebeln im Charakter des Hauptbaus. Die lange Front des
letzteren wird durch zwei Erker, der eine auf Säulen, der andere auf Konsolen
ruhend, etwas belebt. Ungefähr in der Mitte führt ein Portal zu einer Wendel-
treppe, die indes nach außen nicht hervortritt. Alle diese Teile gehören, wie
die oben erwähnte Kapelle, zu den um 1567 durch Fürst Joachim Ernst aus-
geführten Bauten. Während der ganze Bau kunstlos in Backsteinüljerzug errichtet
ist, sind die Erker in rotem Sandstein mit Laubornament, Figuren von Tugenden
und kräftig vorspringenden Köpfen in guter, wenn auch keineswegs hervorragender
Arbeit geschmückt.
Bernburg Wittenberg-
417
Zur Rechten schließt sich an den Hauptbau eine hölzerne Verbindungsbrücke
nach dem sogenannten „Eulenspiegel", dem ursprünglichen Donjon des Schlosses.
Er ist rund, in primitiver Art aus Feldsteinen aufgemauert, mit späteren Giebel-
aufsätzen versehen. An diesen schließt sich rechts eine bis zum vorderen Ein-
gang laufende Mauer, die den äußeren Vorhof vom Innern Schloßhof abgrenzt.
Sie trägt die Jahreszahl 1682, gehört also samt der oben erwähnten Freitreppe
und Loggia zu den unter Fürst Viktor Amadeus hinzugefügten Teilen.^) Die
Krönung der Mauer bilden zinnenartig angeordnete, paarweis gruppierte liegende
Voluten. Dies eigentümliche slawische Motiv, das auch am Schlosse zu Stettin
vorkommt, findet sich in einfacherer Weise, noch im Charakter des 16. Jahr-
hunderts, an dem vorderen Teil der Mauer, welche rechts vom Eingang in halb-
runder Biegung den Innern Hof abschheßt. So gering hier im ganzen die künst-
lerische Ausbeute ist, so reichlich lohnt von oben der weite Blick auf die tief
unten vorüberfließende Saale mit den herrhchen Baumgruppen ihres Ufers und
auf die in Duft getauchten Berglinien des Harzes.
In der Stadt sind nur noch einige bescheidene Fachwerkhäuser und einige
Haustüren in Stein von dem bekannten Typus zu nennen.
Für das nahe Wittenberg ist außer den früher (S. 401) erwähnten Denk-
mälern der Schloßkirche noch folgendes nachzutragen : Das Rathaus ist ein statt-
hcher Hochbau mit zehn Giebeln und Dachreiter, sowie Erkern an der Schmalseite
von echt sächsischer Art; der Kernbau 1523—40 erbaut, mit den üblichen Vor-
hangbogenfenstern (Abb. 263 und 264). 1573 sind die Giebel entstanden, und dazu
die prächtige Vorhalle des Eingangs der Südseite, zweistöckig, mit dorischen Frei-
säulen, Balustrade und drei Giebeln, darüber eine Menge krönender Figuren, wahr-
haft triumphierend (Abb. 263). Die Gruppe des Gebäudes mit den Säulenbrunnen
und der stattlichen Kirchenfront zusammen ist höchst eindrucksvoll.
Sechzehntes Kapitel
Niedersachsen
Die niedersächsischen Lande, von denen ich nur die mittleren Gebiete zu
gemeinsamer Betrachtung zusammenfasse, da die dazu gehörigen Küstenstriche
schon oben dargestellt worden sind, bieten mancherlei Übereinstimmendes in ihrer
Aufnahme und Verarbeitung der Renaissance. Es handelt sich um jene urdeutschen
Provinzen, deren zentraler Gebirgsstock der waldreiche Harz mit seinen nörd-
lichen und westUchen Ausläufern ist. Nördlich breiten sich die fruchtbaren, von
sanften Hügelzügen durchsetzten Niederungen aus, in denen eine Anzahl kräftiger
Städte schon seit dem frühen Mittelalter zu selbständiger Bedeutung empor-
blühten. Westhch setzt der Lauf der Weser mit ihren anmutigen, von Wald und
Wiesengründen belebten Ufern unserer Betrachtung ihre Grenze.
Auf diesem Gebiete, das wir im engern Sinne als Niedersachsen bezeichnen,
tritt die fürstliche Macht zur Zeit der Renaissance keineswegs so bestimmend
hervor wie in Thüringen und Obersachsen. Nur die herzoghchen Linien von
Braunschweig-Lüneburg machen sich durch künstlerische Unternehmungen be-
merkUch; allein ihre wichtigeren Werke (Gelle, Wolfenbüttel, Helmstedt, Münden)
gehören meistens erst in die spätere Zeit der Renaissance. Etwas erheblicher
kommt die geisthche Fürstengewalt hier zur Betätigung; die Bischofssitze Halber-
stadt und Hildesheim bezeugen regen Eifer in Aufnahme der Renaissance. Durch-
greifender und entscheidender ist das, was die bürgerliche Baukunst der Städte
1) Die histor. Notizen bei Beckmann a. a. 0. III, 123 ff.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl.
27
418
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
hervorbringt; ja durch kraftvolle Ausbildung und lebensvolle Umgestaltung des
altheimischen Holzbaues im Sinn der neuen Zeit prägen sie ein echt nationales,
volkstümhches Element der Konstruktion zu Schöpfungen von hohem künstlerischen
Werte aus. Unvergleichlich ist noch jetzt die Wirkung dieser Städte mit ihren
in ganzen Reihen erhaltenen Fachwerkhäusern, deren Fassaden durch die vor-
gekragten Geschosse mit den reichen Schnitzereien und den kraftvollen Profilie-
rungen einen so lebensvollen Eindruck gewähren. Wir können gerade hier die
Geschichte dieser echt deutschen Bauweise verfolgen; wir werden sie aus den
mittelalterhchen Formgebungen sich stufenweise zu den reizvollen Bildungen so-
genannter Renaissance, vielmehr aber eines fast ganz selbständigen neuen Holz-
stiles entfalten sehen. Braunschweig mit seinen großartigen, kraftvoll entwickelten,
meist noch mittelalterlichen Formen bezeichnet die erste Stufe. Auf die Höhe
einer in ihrer Art klassischen Vollendung hebt sich diese Kunst in den Bauten von
Halberstadt. Zu höchster Blüte in verschwenderisch angelegter Bildschnitzerei,
nicht ohne deutliche Spuren eines Einflusses von selten des Steinbaues, bringt es
zuletzt Hildesheim, ^) In zweiter Linie schheßen sich Städte, wie Goslar, Qued-
linburg, W^ernigerode, Stolberg, Gelle und viele andere an.
Gegenüber diesem charaktervollen Holzbau findet die Steinarchitektur
hauptsächlich in den Bauten der Fürsten, des Adels und der Geisthchkeit ihre
Anwendung, von da aus dann auch mancherlei Aufnahme in bürgerlichen Kreisen,
wie denn in Braunschweig dieses Material sich neben dem des Holzes eindrängt,
und in Hannover sogar die Oberhand gewinnt. Dieser Stein bau aber gehört fast
ausnahmslos der letzten Epoche der Entwicklung und zeigt in seinen üppigen,
aber derben Formen zum Teil den Einfluß der Niederlande und des norddeutschen
Küstengebietes. Nur daß es meist reiner Hausteinbau ist, den die überall vor-
handenen Sandsteinbrüche des Landes begünstigen. So scheidet sich denn unser
Gebiet gegen die nördhche Gruppe der Backsteinbauten scharf ab. Schon oben
wurde bemerkt, daß die Grenze zwischen Lüneburg und Gelle hinläuft.
Celle
Beginnen wir mit den fürsthchen Bauten, so hat Gelle den Anspruch, an
der Spitze der Betrachtung zu stehen. Das Schloß gilt gewöhnlich für einen
spätgotischen, von der Herzogin Anna am Ende des 15. Jahrhunderts errichteten
Bau, mit angeblich gleichzeitigen Renaissanceformen. Der Tatbestand wider-
spricht dieser Vermutung, da nur die noch völlig gotische Schloßkapelle (1485
von Herzog Heinrich dem Mittleren von Braunschweig-Lüneburg gestiftet) jener
Zeit entstammt, die vorkommenden Renaissanceformen aber den von Ernst dem
Bekenner (seit 1533) begonnenen und nach seinem Tode (1546) durch seinen
Sohn Franz Otto fortgeführten, durch Wilhelm den Jüngeren bis 1570 vollendeten
Neubauten angehören. Der größere Teil des Baues ist dann unter Georg Wil-
helm von 1665—70 durch den italienischen Architekten Loren zo Bedogni aus
Venedig und seinen Nachfolger Giuseppe Arrighini aus Brescia erneuert worden.
Am südwestlichen Saume der Stadt erhebt sich mit seinen stattlichen Massen
(Abb. 265) der ansehnliche Bau als ein von Süden nach Norden längeres
Rechteck, das mit vier Flügeln den geräumigen Hofraum umzieht,^) Die östliche
Langseite wendet sich als Hauptfassade der Stadt zu. Ehemals war das Ganze
von einem tiefen Wassergraben umzogen, der, jetzt ausgefüllt, mit dem präch-
1) Womit nicht gesagt sein soll, daß nicht in jeder dieser Städte auch einzelne Beispiele
der anderen Entwicklungsstadien sich fänden. Ich zeichne hier zunächst nur den bis jetzt noch
nirgends betonten Gesamtcharakter der Architektur jener Hauptorte,
2) Aufn. bei Ortwein, Abt. XXV, Taf. 1—5.
Celle Schloß
419
tigen Park unmittelbar verbunden ist. Bevor man zu dem Graben gelangte, hatte
man auf beiden Ecken zwei kleine pavillonartige vorgeschobene Bauten zu passieren,
von denen der zur Rechten (südlich) befindliche bis vor kurzem noch erhalten
war. Das kleine einstöckige Gebäude mit den beiden originellen polygonen Erker-
ausbauten, die Fenster mit dem schrägen Rahmenprofil und den eingelassenen
Medaillons in Renaissance bezeugten, daß wir es hier mit einem jener Bauten zu
tun hatten, welche durch Herzog Ernst den Bekenner errichtet wurden.
Abb. :!(;.■) Schloß in Celle Ostseite
Das Schloß selbst enthält in seinem östlichen Flügel die ältesten Teile.
Über einem unbedeutenden Erdgeschoß erheben sich zwei hohe Stockwerke mit
unregelmäßig verteilten Fenstern, überragt von einem Dachgeschoß mit sieben
Erkern, deren originell behandelte, halbrunde abgestufte Giebel den Eindruck der
langgestreckten Fassade malerisch beleben. Die ganze Architektur ist einfach
und trägt in den Rahmenprofilen der Fenster das Gepräge der Frührenaissance.
Ungefähr in der Mitte der Fassade ist ein runder, oben ins Polygon übergehender
und mit haibranden Giebeln abgeschlossener Turm vorgebaut. Hinter ihm erhebt
sich, wiederum unregelmäßig angebracht, ein bedeutend höherer Dacherker, gleich
den übrigen abgetreppt und mit halbrunden Abschlüssen versehen. Auf beiden
Enden wird dieser Hauptflügel durch mächtige vieleckige höhere Pavillons ein-
gefaßt, von denen der rechts befindliche nördliche in der Barockzeit umgestaltet
und mit einem Walmdach versehen ist, der südliche aber, der den Chor der
Kapelle enthält, noch die ursprüngliche, den übrigen Teilen der Fassade ent-
sprechende Architektur besitzt; an den halbrunden Giebeln des ihn bekrönenden
Kuppeldaches mit hübsch gearbeiteten fürstlichen Bildnissen in Medaillons ge-
schmückt. Zwei stattliche Bogenportale dicht neben diesen Türmen, von denen
eines modern ist, führen ins Innere; auch das ältere gehört trotz der Imitation
früher Renaissanceformen in jetziger Gestalt den später hinzugefügten Teilen
an. Gleich den Einfassungen der Fenster sind sie in Sandstein ausgeführt,
während alles übrige einfacher Puizbau ist.
420
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Der große Schloßhof zeigt nur im östlichen Flügel Spuren der ursprüng-
lichen Architektur, namentlich an den beiden Seitenportalen, obwohl man auch
hier spätere Umgestaltungen erkennt. Ein moderner Vorbau, an dessen Stelle
ursprünglich im ersten Stock ein offener Säulengang lief, zieht sich vor ihm hin.
Reiche Reste von Skulpturen im Provinzialmuseum, insbesondere prächtige Relief-
platten mit den Brustbildern weifischer Fürsten, allegorischen Figuren, bibhschen
Helden und mit Wappen gefüllt, reden von der einstigen Pracht dieser Hoffront,
die man im 19. Jahrhundert traurig „verschönerte". In der Mitte tritt ein moderner
großer polygoner Treppenturm vor. Die drei anderen Flügel sind unter Georg
Wilhelm in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einfach derben Barock-
formen erneuert worden. In jedem Flügel befindet sich ein Doppelportal, eben-
falls von schlichter Anlage, nur das im Westflügel feiner ausgebildet. Auf den
beiden äußeren Ecken dieses Flügels wurden in Übereinstimmung mit denen an
der östlichen Fassade zwei hohe polygone Pavillons mit turmartigem Kuppel-
dach ausgebaut.
Im Inneren, das seit 1837 zu einer Residenz der Könige von Hannover ein-
gerichtet wurde^ ist die Kapelle eins der glanzvollsten Prachtstücke unserer
Renaissance.^) Sie erfuhr bis 1866 eine sorgfältige Herstellung (Abb. 266). Der
einschiffige Bau mit seinen gotischen Kreuzgewölben und polygonem Chorschluß
gehört noch dem Mittelalter an, aber die unvergleichlich reiche Ausstattung und
Dekoration wurde seit 1565 durch Herzog Wilhelm den Jüngern, den Sohn Emsts
des Bekenners, hinzugefügt. Auf kräftigen Steinkonsolen über flachen Stich-
bögen erhebt sich die fürstliche Empore, mit Fenstern vergittert, deren runde
Scheiben in vergoldetes Blei gefaßt sind. An der Brüstung' der Emporen sieht
man die Halbfig'uren der Apostel in bemalten Steinreliefs, zwischen ihnen an den
Pflastern Engel mit Musikinstrumenten. An der Südseite ist in zierlichen frühen
Renaissanceformen die Kanzel angebracht, mit bemalten Reliefs aus der biblischen
Geschichte und mit einer von Gold und Farben glänzenden Ornamentik bedeckt.
Der zierliche Baldachin mit seinem Netzgewölbe, von kleinen muschelgeschmückten
Rundgiebeln bekrönt, ruht auf schlanken Kandelabersäulchen. Am Eingang die
Jahreszahl 1565. An der westlichen Seite der Kapelle sind zwei Emporen auf
Rundsäulen eingebaut, gleich dem übrigen reich geschmückt. Sämtliche Konsolen
an den Brüstungen der Emporen sind mit herrlich gearbeiteten Köpfen von Engeln,
Frauen und Männern dekoriert. Sämtliche Betstühle endlich unter den Emporen
und im Schiff der Kapelle erhalten durch goldene Ornamente auf blauem Grund
eine Teilung, deren größere Felder mit Ölgemälden aus der heiligen Geschichte
gefüllt sind. Denselben Schmuck zeigt der Altar, dessen Hauptbild eine große
Darstellung der Kreuzigung enthält, während auf den Flügeln Herzog Wilhelm
und seine Gemahlin im Gebet kniend dargestellt sind. Inschriftlich wurde dies
Werk 1569 durch Marten de Vos aus Antwerpen ausgeführt. Die übrigen Bilder,
in ganzer Farbenfrische wohlerhalten, sind tüchtige Arbeiten desselben Meisters
oder seiner Werkstatt. Die Mitwirkung der Niederländer erstreckt sich offenbar auch
auf die gesamte Ausstattung in Holz, den ganzen Altar, das Gestühl, und die reich-
geschmückte und mit innen wie außen bemalten Flügeln versehene Orgel. Dazu
kommt endlich an allen Flächen, den Einrahmungen der Fenster und der Wendel-
treppe eine Bemalung von Goldornamenten auf blauem Grunde, so daß eine un-
vergleichliche Gesamtwirkung dies Meisterstück der Polychromie auszeichnet.
Die Gewölbe haben seit der HersteUung leider goldene Sterne auf himmelblauem
Grunde erhalten, während vorher reiche Rankenornamente ihre Fläche bedeckten.
Von den elegant dekorierten Schlußsteinen mit ihren goldenen Kronen und
1) Vgl. Ortwein a. a. 0. Taf. 3—5.
Celle Schloß 421
Rosetten hängen vergoldete Kugeln, Täfelchen und Schilde herab, die den höchst
malerischen Eindruck noch steigern. Auf einem dieser Täfelchen die Jahres-
zahl 1570.
Abb. 266 Schloßkapclle zu Celle
Auch italienische Künstler dürften hier mitgearbeitet haben; insbesondere
zeigen verschiedene plastische Arbeiten, so die zarten Ornamente der Kassetten-
decken über den oberen Emporen, feinste Ornamente südlicher Art.
In den neueren Flügeln des Schlosses sind sämtliche Zimmer und Säle mit
den prachtvollsten Decken in meisterhaft behandelten Stuckornamenten geschmückt.
Es ist ein fabelhafter Reichtum, in den üppigsten Formen des Barock, von Itialie-
nern ausgeführt, von denen ein TornielU uns namhaft gemacht wird. Eigenj|,rtig
sind die zahlreich vorhandenen eingebauten Alkoven mit reicher Stuckdekoration,
422
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
ein offenbar französisches Motiv, das auf den Kupferstichen des J. Lepautre so
häufig auftritt und im Paris Ludwigs XIV. verbreitet ist.^)
Aus derselben Zeit stammt der glänzende innere Umbau der Stadtkirche,
einer einfachen gotischen Anlage mit einem Chor aus dem Zwölfeck, die aber
im 17. Jahrhundert ein Tonnengewölbe und eine prachtvolle Stuckdekoration in
glänzendster Spätrenaissance erhalten hat.
Der Chor gestaltet sich durch seine fürstlichen Prachtgräber zu einem
vollständigen Mausoleum. Im Ghorschluß zunächst das überaus elegante Epitaph
Emsts des Bekenners, nach seinem Tode (1546) durch seinen Sohn Herzog
Wilhelm 1576 errichtet.^) Der Verstorbene ist mit seiner Gemahlin Sophia (f 1541)
knieend in etwas steifer Haltung vor einem Kruzifix dargestellt, in drei mit
schwarzem Marmor bekleideten Nischen, Die Einfassung derselben wird durch
korinthische Säulen gebildet, welche gleich dem übrigen Aufbau in weißem
Marmor ausgeführt sind. Das Ganze ist vom feinsten ornamentalen Reiz, nament-
Hch die herrlichen Akanthusfriese. Die Bekrönung wird in der Mitte durch ein
Giebelfeld mit Gottvater, zu beiden Seiten durch die Wappen der Verstorbenen
gebildet. Feine Vergoldung hebt die Ornamentik noch mehr hervor. Das Werk
gehört zu den elegantesten Arbeiten, die aus der Werkstatt des Kornelius Floris
in Antwerpen oder eines seiner Nachfolger hervorgegangen sind.
Noch weit prachtvoller, doch weniger fein, ist ein zweites, reich vergoldetes
Marmorepitaph, das in die nördliche Chorecke eingebaut ist. Es enthält wieder in
drei Nischen zwischen korinthischen farbigen Marmorsäulen die knienden Figuren
des Herzogs Ernst (f 1611), Wilhelm (f 1592), sowie seiner Gemahlin Dorothea
(t 1617) und ihres Sohnes Christian, Bischofs von Minden. Auf den Ecken sind
Tugenden als Karyatiden angebracht, oben drei tabernakelartige Aufsätze mit
biblischen Reliefs, bekrönt von den theologischen Tugenden. Auch dieses präch-
tige Werk gehört einem niederländischen Meister an, vermutlich ebenfalls einem
Antwerpener. Die übrigen Epitaphien, namentlich das ganz pompöse von schwarzem
Marmor an der Südseite, entsprechen im Charakter der fortschreitenden, barocker
Auffassung sich nähernden Renaissance. Das größte, das des Herzogs Christian
Ludwig, 1649/50 durch den Celler Bildhauer Jörg Tribh gefertigt, lehnt sich in
seinem aufwendigen und malerischen Aufbau noch an das vorher genannte eng
an, während die kleineren der Herzöge Friedrich, Georg und Georg Wilhelm dem
sich langsam ändernden Geschmacke Rechnung tragen. KöstUche Schnitz-
arbeiten zeigt das Gestühl im Chor ^) ; der Hochaltar endlich mit seinen Gemälden
und Schnitzwerken, die Orgel und die Kanzel, sowie der zierlich aus Marmor
gearbeitete Taufstein vervollständigen die Ausstattung der Kirche.
Von den städtischen Bauten verdient das Rathaus Erwähnung (Abb. 267).
Es ist ein einfacher Langbau, in der Mitte der Fassade durch eine originelle, auf
zwei stämmigen ionischen Säulen und zwei Halbsäulen ruhende Bogenreihe durch-
brochen, welche die Eingänge enthält. Links im Erdgeschoß ein vorgebauter
Erker, rechts ein ähnlicher im oberen Stock, auf kraftvollen Konsolen ruhend
und in einen Dacherker auslaufend, welcher mit zwei andern den Bau malerisch
belebt. Die Seitenfassade erhält durch ihren hohen, mit Pilastern in vier Ord-
nungen und mit geschweiften Schnecken und Obelisken geschmückten Giebel
charaktervolle Ausbildung. Es ist ein trefflich erdachtes und meisterlich durch-
geführtes Werk von prächtiger Wirkung, bezeichnet 1579.*)
1) Näheres über das Schloß in: H. Siebern, Das Königl. Schloß in Celle. Hannover 1907. —
E. Schuster, Kunst und Künstler in den Fürstentümern Calenberg und Lüneburg 1636 — 1727.
Hannover 1905.
2) Aufn. bei Ortwein, a. a. 0. Taf. 9.
3) Ortwein, Taf. 8. 4) Ortwein, Taf. 6.
Celle
423
Die Privathäuser machen uns hier zuerst mit dem aus den benachbarten
Harzgegenden herübergreifenden Holzbau bekannt. Eine stattliche Anzahl von
reich und mannigfach entwickelten Beispielen bietet sich dar.^) Eines der
frühesten und zugleich prächtigsten Werke, zweimal mit der Jahreszahl 1532 be-
zeichnet, sieht man in der Poststraße, Ecke der Rundstraße. Die Schwellen sind
noch in mittelalterlicher Weise mit einem spätgotischen, um einen Stab gewun-
denen Laubwerk von zackiger Zeichnung dekoriert. Dazwischen aber flicht sich
allerlei Figürliches,
burleske Sittenbil-
der, Köpfe, Del-
phine und andres,
zum Teil in ent-
schiedenen Renais-
sancemotiven, ein.
Daneben in der
Poststraße einHaus
vom Jahre 1549 mit
flachem Erker, ein-
facher behandelt,
die Gebälke rein
antikisierend, und
zwar mit eleganten
Zahnschnitten und
Flechtbändern über
hübsch geschnitz-
tem Konsolenfriese
geschmückt. Die
Inschrift lautet :
Daß dieses Haus
aus Not und nicht
aus Lust gebauet,
weiß der so vori-
ges hat jemals an-
geschauet. Dazu
fügte man 1701:
„Non tentatus non
christianus".
Die Mehrzahl
der Häuser fällt bereits ins 17. Jahrhundert. So ein kleines Haus von 1617 in
der Rundstraße mit hübschem, giebelgeschlossenem Erker, einem Muster zier-
licher Behandlung. Die Ornamentik durchweg flaches Schweifwerk. In der-
selben Straße an der andern Seite ein besonders elegantes Häuschen der gleichen
Zeit, in strengerem Geschmack mit Zahnschnittfriesen samt Eierstab, Konsolen
und Perlschnur gegliedert. In der Mitte ein Dacherker. Ein ähnliches von gleich
schöner Wirkung vom Jahre 1640, mit zahlreichen Sprüchen bedeckt, sieht man
in der Straße hinter dem Brauhause. Wieder ganz anders, sehr energisch be-
handelt, zwei Häuser gegenüber dem Rathause, das eine von 1617. Endlich
ein hübsch mit Konsolenfriesen, Sprüchen und Flachornamenten geschmücktes
an der Stechbahn.
Abb. 267 Rathaus zu Celle J5.
1) Aufii. bei Ortwein, a. a. 0. Taf. 10.
424
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Schloßbauten
Zunächst sind hier einige benachbarte Schlösser anzureihen. Eines der
frühesten, wie es scheint, das Schloß zu Gifhorn, das der dritte Sohn Heinrichs
des Mittleren und Bruder Ernst des Bekenners, Herzog Franz seit 1525 erbaut
hatte. Nachdem er 1539 mit dem Amte Gifhorn abgefunden war, bezog er das
Schloß, wo er 1549 starb und in der Kapelle beigesetzt wurde. Der unregel-
mäßig angelegte Bau ist ziemlich einfach, in den Formen noch stark mittelalter-
lich. Die einfachen Giebel überall mit halbrunden Endigungen der Absätze. Die
Kapelle ist derjenigen im Schloß zu Gelle verwandt^), hat Netzgewölbe und zwei
Emporen von Stein übereinander am Westende.
Sodann das Graf Schulenburgsche Schloß Wolfs b urg^), zwischen Fallers-
leben und Vorsfelde gelegen, etwas späteren Datums als jenes, auch durchweg
einfacher gehalten, dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts zuzuschreiben. Von
einem herrlichen Park umgeben und von einem Graben umschlossen, imponiert
der Bau durch seine Größe. Er besteht aus vier Flügeln von ungleicher Höhe
(zwei gleich hoch, die beiden andern niedriger), die einen rechteckigen Hof ein-
fassen. An der Hauptfassade ein gequadertes stattliches Portal mit zwei Krieger-
figuren, darüber ein Wappen. Die nicht hohen Fenster an den beiden Hauptflügeln
in vier Geschossen meist zu zweien gekuppelt; die Dächer von Giebeln mit
malerisch kräftigem Umriß belebt.
Der Hof malerisch, in den Ecken mit drei Treppentürmen versehen, die
hoch über das Dach emporsteigen; zwei davon rechtwinklig, der dritte polygon.
Der letztere samt dem damit zusammenhängenden Teil des Baues älter als das
übrige, da neben diesem Turm ein Ausbau mit spätgotischen Fenstern sich zeigt,
während im übrigen nur Renaissanceformen, und zwar in schlichter Behandlung,
vorkommen. Einzig schön ist der uralte Efeu, mit welchem innen und außen fast
alle Wände des Schlosses bewachsen sind.
Ungemein reich entfaltet sich in der letzten Epoche der Renaissance der
Schloßbau am mittleren Laufe der Weser. Der Adel wetteiferte mit den Fürsten
in Errichtung stattlicher Wohnhäuser, die sich öfters auf ebenem Gelände, von
tiefen Gräben umzogen, als Wasserburgen darstellen. Vielleicht hat kein Gebiet
Deutschlands eine solche Zahl im ganzen noch wohlerhaltener Renaissance-Schlösser
aufzuweisen, als dies anmutige Flußtal. Die Bauten sind durchweg regelmäßig
angelegt, entweder mit vier Flügeln einen rechteckigen Hof umgebend, oder huf-
eisenförmig einen solchen einfassend. Treppentürme mit Wendelstiegen erheben
sich mit ihren Kuppeldächern in den Ecken des Hofes; Erker sind vielfach aus-
gebaut und verleihen mit den zahlreichen Dachgiebeln den Bauten ein höchst
malerisches Antlitz. Die Formen sind überall schon die der Spätzeit, stark
geschweift, mit vielerlei geometrischen Flachornamenten, wie jene Zeit es Hebte.
Das alles ist aber mit einer Sicherheit gehandhabt, mit einer Virtuosität des
Meißels in dem schönen Sandstein der Gegend vorgetragen, daß man die ruhig
sich entfaltende und folgerichtig fortentwickelnde Tätigkeit einer starken Provinzial-
schule erkennt.
Ich beginne mit dem Prachtstück dieser Gruppe, der großartigen Hämel-
scheburg, eine Meile südlich von Hameln an einem sanft ansteigenden schön
bewaldeten Bergzuge gelegen.^) Der stattliche, ganz in Sandstein aufgeführte
1) Vgl. den Aufsatz von Mithoff in der Zeitschr. des Hannov. Arch.-Ver. Bd. X. S. 68 ff.
mit Abbildungen von Celle und Gifhorn.
2) Nach gef. Notizen des Herrn Oberbaurat Mithoff zu Hannover.
3) Eine Beschreib, in Mithoffs Kunstdenkm. im Hannov. I S. 39 ff. Umfassendere Aufn.
in den Eelseskizzen der polyt. Schule zu Hannover. 1870 fol. Nach diesen ist unsre Abb. ent-
worfen. Vgl. auch Ortwein, XXVH. Abt.
426
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Bau wurde von 1588—1612 von Georg von Klencke errichtet, dessen Familie bis auf
den heutigen Tag im Besitz des wohlerhaltenen Herrensitzes geblieben ist. Das
Schloß (Abb. 268) gruppiert sich in Hufeisenform, zum Teil noch von dem alten
Burggraben umgeben, um einen Hof von über 40 Metern Länge und 33 Metern
Breite. Der Zugang liegt an der östHchen offenen Seite des Hofes, wo eine feste
Steinbrücke, vorn mit einem prachtvollen Bogen geschlossen, über den Graben
führt. Ein zur Rechten sich ausbreitender Teich gibt im Verein mit reichen Baum-
gruppen dem Ganzen eine erhöhte malerische Wirkung. An der offenen östlichen
Seite schließt eine mächtige Futtermauer mit Strebepfeilern den Hof ein. Links
von der Brücke ist das erhöhte Gelände zu einer Gartenterrasse verwendet. Hat
Abb. 269 Erdgeschoßgrundriß des Schlosses Bevern
man die Brücke passiert, so breitet sich dem Eintretenden gegenüber der lang-
gestreckte westliche Flügel mit drei hohen Giebeln aus, von dessen Enden südlich
und nördlich im rechten Winkel zwei kürzere Flügel vorspringen. In die Ecken
sind zwei polygone Treppentürme gelegt, beide durch reiche Portale ausgezeichnet,
der südliche etwas größer und stattlicher. Der nördliche Flügel ist der ältere,
seine Architektur die feinere und elegantere, seine Stockwerkhöhe bedeutender,
die Verhältnisse deshalb schlanker und ansprechender. Bezeichnend ist namentlich
die Architektur der Fenster, welche durchweg gekuppelt sind, mit vortretenden
Säulchen eingefaßt, im hohen Erdgeschoß schlanke ionische, im oberen Stockwerk
und den Dacherkern kürzere korinthische. Es ist die an den meisten gleichzeitigen
Bauten jener Gegend, insbesondere in Hameln, herrschende Behandlung, und
wahrscheinlich hat man von dort den hier tätigen Meister berufen.
Hämelscheburg
427
Die übrigen Teile des Schlosses verraten eine andere Behandlung, kürzere
Verhältnisse, derbere Formen, aber ungemein prachtvolle Durchführung. Alles
wird von energischen Pilastern eingefaßt; diese sowie das ganze Mauerwerk bis
zur Spitze der zahlreichen hohen Giebel und Dacherker mit den breiten hori-
zontalen Bändern geschmückt, welche durch die beliebten Sternmuster und andere
kristallinische Ornamente zu glanzvoller Wirkung gebracht sind. Dadurch be-
kommt die Architektur den Charakter einer massigen malerischen Derbheit, der
sich besonders an der Außenwand des westlichen Flügels und noch mehr an der
des südlichen ausspricht, die sich über einer gewaltigen Futtermauer erhebt.
Diese Behandlungsweise, die wir in Öls, Danzig, Lübeck, insbesondere aber in
Abb. 270 Schloß Bevern
(Phot. Müller, Holzminden)
Bremen in ganz verwandter Weise fanden, bildet einen gemeinsamen Zug in der
Spätrenaissance des nördlichen Deutschlands. Dazu kommen zahlreiche ähnlich
durchgeführte Portale, verschiedene Erker an den äußern und Innern Fassaden, die
aber überall nur dem hohen Erdgeschoß angehören und auch dadurch diesem
seine hervorragende Bedeutung sichern. Die zahlreichen hohen Dachgiebel, die
aufgesetzten Kamine, das alles in kräftigen Schweifformen dekoriert, sodann die
originellen Wasserspeier vollenden den malerischen Eindruck des mächtigen Baus.
Einer besonderen Anlage ist noch zu gedenken, die nicht bloß künstlerisch
anziehend wirkt, sondern auch einen wertvollen Beitrag zur Kulturgeschichte
jener Tage gewährt. Links in der südwestlichen Hofecke neben dem Treppen-
turm, zugleich in Verbindung mit den Eingängen zur Küche und zum Schloß-
keller, ist die sogenannte Pilgerlaube angebracht: eine offene reichgeschmückte
Halle, in welcher die Pilger und Armen aus einer direkt auf die Küche mündenden
Ausgabeöffnung allzeit Speise und Trank erhielten. Unter der Öffnung zieht sich
auf Konsolen tischartig eine Steinplatte hin, Bänke zum Ausruhen sind an den
Seitenwänden angebracht. Noch bis in unsere Zeit wurde von der Schloßherr-
schaft diese alte schöne Sitte geübt.
Das Innere des Baues hat in der Einteilung und Ausstattung vielfach Ver-
änderungen erfahren; nur eine Anzahl von Kaminen in demselben reichen Schweif-
stil gehören der ursprünglichen Bauzeit an.
428
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Die nach dem Flusse zu liefer liegenden Stallungen sind in einfacher, doch
sehr wirkungsvoller Weise dem Schloßbau entsprechend durchgebildet. Ihre der
Dachlinie folgenden Steingiebel sind von Gesimsen durchschnitten und an den
Rändern mehrfach mit Kugeln und hornartigen Auswüchsen besetzt; den Abschluß
bildet ein kleiner Dreiecksgiebel.
Eine ähnliche Anlage, nur in kleineren Maßen und minder prächtig aus-
geführt, ist das Schloß Schwöbber, 1574 von Hilmar von Münchhausen be-
gonnen, i) Auch hier ein hufeisenförmiger Grundriß mit zwei polygonen Treppen-
türmen in den Ecken. Der älteste ist der westliche Flügel, an den sich dann
der 1588 vollendete Südflügel anschloß, während der nördliche erst 1602 auf-
geführt wurde. Auch hier die hohen Giebel , die auf Konsolen ausgebauten
Erker, die zahlreichen Dacherker, in den Formen besonders am jüngsten Flügel
den Arbeiten von Hämelscheburg verwandt. Der ehemalige Wassergraben ist
zum Teil erhalten und breitet sich an der Nordseiie zu einem Teich aus, der in
Verbindung mit den prächtigen alten Linden, aus welchen die zahlreichen Giebel
hervorschauen, den malerischen Reiz des Ganzen erhöht. Auch hier finden sich
im Innern zahlreiche, tüchtig gearbeitete Kamine. Leider ist der stattliche Nordbau
vor einigen Jahren abgebrannt und wohl jetzt beseitigt.
Weiter ist das ebenfalls als Wasserburg erbaute Schlößchen Hülsede bei
Lauenau zu nennen das indes seinen Hauptteilen nach älter ist, da es 1529 — 48
er baut wurde. Wäh-
rend diese Teile
noch mittelalter-
liche Formen zei-
gen, ist der in der
südöstlichen Ecke
angelegte Treppen-
turm samt der rei-
chen sich an ihn
schließenden offnen
Galerie 1589 von
Hermann von Men-
gersen in ausgebil-
deten Renaissance-
formen hinzuge-
fügt worden. Das
Schloß weicht von
den oben genann-
ten darin ab, daß es
sich mit vier Flü-
geln um einen ge-
schlossenen Hof-
raum gruppiert. Im
Innern auch hier
noch mehrere alte
Kamine.
An der Weser
ist sodann als
1) Aufn. bei Ort-
wein, Abt. XII, Heft 3.
Abb. 271 Schloß Bovern Hofseite Mithoff, a. a. 0. S. 167.
(Phot. Müller, Ilolzininden) ^) Ebenda S. 105.
Schlösser an der Weser
429
einfaches quadratisches
Wasserschloß, oline Gie-
bel, doch mit mehreren
Treppentürraen, Schloß
Hehlen zu nennen.
Wichtiger, und durch eine
neuerdings erschienene
Aufnahme^) allgemein be-
kannt, Schloß Bevern,
eine Stunde von Holz-
minden in einem schön
belaubten Waldtal ge-
legen. Es wurde durch
Statius von Münchhausen
seit 1603 in neun Jahren
mit großem Aufwand aus-
geführt und ist als eins
der durchgebildetsten
Werke dieser Spätzeit zu
bezeichnen. Rings von
tiefem Graben umzogen,
gruppiert es sich mit vier
Flügeln um einen fast
quadratischen Hof von
etwa 30 Metern Ausdeh-
nung. In der Ecke links
vom Eingang erhebt sich
ein polygoner Treppen-
turm, in der diagonal
gegenüberliegenden Ecke ein zweiter. Die innere Einteilung (Abb. 269) ist durch
die Umwandlung in eine Korrektionsanstalt wesenthch gestört; doch zeigt die
Kapelle die in den Schloßbauten der evangehschen Fürsten seit Torgau und Dresden
eingebürgerte Form des einfachen Rechtecks. Die Architektur (Abb. 270—272)
hat Verwandtschaft mit der von Hämelscheburg, besonders in der Ausschmückung
der zahlreichen Portale und den barockgeschweiften Giebeln der Dächer und der
Dacherker. So wenig diese Werke im Stil auf Reinheit Anspruch machen können,
so bedeutend wirken sie doch durch die malerische Anlage, den Reichtum und
die naturwüchsige Frische der Ausführung. Auch hier spielen die mit Kristall-
schnitten verzierten Quaderbänder eine Hauptrolle.
Abb. 272 Portale von Schloß Bevern
(Phot. Müller, Holzminden)
Fürstliche Bauten
Bedeutende Werke der Renaissance sind nun auch von den Herzögen von
Braunschweig- Wolfenbüttel zu verzeichnen. Der wilde Heinrich, der geschworene
Feind der Reformation, war freilich kein Mann der friedlichen Bestrebungen, der
Förderung von Kunst und Wissenschaft. Aber als er 1568, zuletzt noch zum
Luthertum übergetreten, im hohen Alter starb, folgte ihm sein Sohn, der treff-
liche, friedfertige und gelehrte Herzog Julius, einer der besten Fürsten der Zeit,
gleich dem Herzog Christoph von Württemberg in der Schule des Leidens auf-
gewachsen. In jeder Weise bemüht, den Wohlstand seines Landes zu fördern,
Handel und Industrie zu heben, zog er fremde Handwerker ins Land, begabte sie
1) Ortweins deutsche Eenaiss. IV. Abt. von B. Liebold.
430
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersaclisen
mit besonderen Freiheiten, vergrößerte Wolfenbüttel durch die Anlage einer Julius-
stadt, baute und verbesserte die Landstraßen, machte die Flüsse schiffbar und
war ein so guter Haushalter, daß er bei seinem Tode (1589) vier Millionen im
Staatsschatz hinterließ. Die Wissenschaften förderte er durch Gründung der Uni-
versität Helmstedt 1576. Sein Sohn Heinrich Julius (1589—1613) trat in die
Fußtapfen seines Vaters, den er in gelehrter Bildung noch übertraf. Schon im
zwölften Lebensjahre übernahm er das Rektorat der Universität, wobei er durch
lateinische Reden aus dem Stegreif seine Zeitgenossen in Erstaunen setzte. Das
römische Recht führte er im Lande ein, die Wissenschaften pflegte er eifrig, be-
sondere Gunst schenkte er der Entwicklung des Schauspiels, wie er denn be-
kanntlich selbst eine Anzahl von Tragödien und Komödien geschrieben hat.i)
Prachtliebend und baulustig wandte er auch den bildenden Künsten seine Teil-
nahme zu, ja zu mehreren von ihm aufgeführten Schlössern soll er selbst die
Zeichnungen entworfen haben.
Unter seiner Regierung (von 1593—1612) ist der großartige Bau entstanden,
welcher ehemals in Helmstedt die Universität aufnahm und noch jetzt als
Juleum bezeichnet wird. Als Baumeister ist in den Akten des Landesarchivs
zu Wolfenbüttel Paul Francke genannt, der schon unter Herzog Julius als solcher
tätig war, nachmals die ansehnliche Marienkirche zu Wolfenbüttel entwarf und
großenteils vollendete. Er starb 1615 im Alter von 77 Jahren als herzoglicher
Baudirektor. Daß er zu den hervorragendsten Meistern unserer Renaissance ge-
hört, wird die Betrachtung seiner beiden großartigen Schöpfungen dartun.
Das Juleum ist ein mächtiger Bau, etwa 40 Meter lang bei 12 Meter Tiefe,
durch die bedeutenden Verhältnisse, die enormen Stockwerkhöhen, die reiche
Pracht der Ausführung in einem noch mäßig barocken Renaissancestil imposant
wirkend.^) Gewaltig hohe, mit Säulenstellungen und Statuen geschmückte Giebel
zieren den Bau von allen Seiten nach außen gegen die Straße (Abb. 273), an
beiden schmalen Enden, sowie an der Innern Hofseite. Bei letzterer wird auf-
fallenderweise der mittlere Giebel durch den gleichzeitig vorgelegten polygonen
Treppenturm größtenteils verdeckt. Dem ungewöhnlich hohen Erdgeschoß ent-
spricht ein nicht minder bedeutendes oberes Stockwerk, beide durch riesige Fenster
mit steinernen Stäben, unten vierteihg, oben dreiteilig, erhellt. Die Einteilung
dieser Fenster, unten mit hineingezeichneten Kreisen, oben mit andern willkür-
licheren Formen erscheint als eine neuzeitliche Übersetzung gotischen Maßwerkes.
Dagegen ist die Komposition der Portale und die reiche Gliederung der Flächen
in den acht hohen Giebeln des Gebäudes eine völlig durchgebildete Renaissance,
etwa dem Stil des Friedrichsbaues zu Heidelberg entsprechend; jedenfalls mit
süddeutschen Anklängen, insbesondere Anlehnungen an Wendel Dietterleins Werk.
Auf den Absätzen der Giebel stehen kühn bewegte Figuren von Kriegern und
beleben mit ihren Hellebarden den Umriß prächtig. Auf dem Gipfel jedes Giebels
sieht man Statuen von Tugenden. Sämtliche architektonischen Glieder und Orna-
mente, Gesimse, Ecken und Einfassungen sind in Sandstein ausgeführt, die
Flächen dagegen verputzt.
In das untere Geschoß, das zu vier Fünfteln einen einzigen großen Saal,
die Aula, ausmacht, mündet rechts neben dem Turm ein überreiches triumph-
bogenartiges Portal, mit vier ionischen Säulen eingefaßt und von einer hohen
Attika bekrönt, mit Statuen und Rehefs geschmückt. Ein kleineres, aber nicht
minder elegantes führt in das Stiegenhaus.^) (Bd. 1, Abb. 117.) Der Turm erhält
1) Vgl. Bd. I, s. 9.
2) Die historischen Notizen verdanke ich Herrn Lehrer Th. Voges in Wolfenbüttel. Vgl.
die Aufn. bei Ortwein. XXXII. Abt. von C. Krämer.
3) Ortwein Taf. 2, 6.
Helmstedt
431
Abb. 273 Universität zu Helmstedt
durch eine auf mächtigen Konsolen ruhende Galerie eine wirksame Bekrönung.
Darüber steigt das geschweifte Kuppeldach auf, und eine schlanke Spitze über
einer Laterne bildet den Abschluß.
Im Innern wird der große Saal der Aula in der Mitte durch Bogenstellungen
auf drei kräftigen Pfeilern geteilt, die höchst originell in einer derben Rustika
mit Rosetten und Quadern behandelt sind (Abb. 274). Diese Pfeiler ruhen auf
großen Löwenkrallen über kraftvoll behandelten Stylobaten. Zwei Riesenfenster
an der westlichen Schmalseite, zwei an der südlichen und vier an der nördlichen
432
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Nie der Sachsen
Langseite geben dem Raum ein reiches Licht. An der östlichen Schmalseite führt
eine Tür in einen kleineren Nebenraum. Die Schlußsteine der etwas gedrückten
Korbbögen, auf denen die Balkendecke ruht, sind in meisterhafter Weise durch
herabhängende Zapfen mit Köpfchen, Früchten und anderem Ornament dekoriert.
An der Westseite des Saales auf einer Estrade von drei Stufen erhebt sich das
Katheder, freihch nicht mehr in ursprünglicher Form. Die Abmessungen des Saales
sind fast 30 Meter Länge bei 12 Meter Breite und etwa 71/2 Meter Höhe.
Abb. 274 Aula der Universität zu Helmstedt
Die außen angebrachte Wendeltreppe führt za dem oberen Geschoß in den
großen Bibliotheksaal, welcher, fast 40 Meter lang, die ganze Fläche des Gebäudes
einnimmt. Seine innere Einrichtung bewahrt nichts mehr von der früheren Anlage.
Drei selbständige Flügel, in einiger Entfernung von dem Hauptbau recht-
winklig vorspringend, schließen den südwärts sich ausdehnenden Hof hufeisen-
förmig ein. Sie sind ganz kunstlos, im obern Geschoß nur aus Fachwerk errichtet,
jeder mit einem polygonen Treppenturm, der östliche mit einem Barockportal,
von Greif und Löwen bewacht. Der östliche Flügelbau hat von der Straße aus
seinen Zugang durch ein kräftig behandeltes Hauptportal, von Hermen eingefaßt,
die Polster statt der Kapitelle auf dem Kopfe tragen. Die ganze Anlage ist eine
Schöpfung von hohem Werte, das einzelne am Hauptgebäude mit voller Meister-
schaft durchgebildet, fein und scharf zu energischer Wirkung gebracht.
Von demselben Meister rührt ein zweiter großartiger Bau, die Marien-
kirche in Wolfenbüttel, 1604 unter Herzog Heinrich Julius vorbereitet und
seit 1608 begonnen, sodann unter seinem Sohn und Nachfolger Friedrich Ulrich
seit 1613 weitergeführt. Im Jahre 1615 starb Paul Francke, „dreier Herzöge zu
Braunschweig gewesener Baudirektor, so diese Kirche durch seine Invention er-
bauet".^) Nach seinem Tode führten Joh. Meyer und Joh. Langentuddeke den Bau
1) Inschrift auf dem Grabstein ina südl. Seitenschiff der Kirche.
Wolfenbüttel
433
fort. Bis 1613 war der Chor vollendet, bis 1616 die Sakristei aufgeführt, bis 1623
arbeitete man am Kirchendach, nachdem seit 1619 die ersten Giebel an der Nord-
seite aufgerichtet worden waren. Zugleich wurde die große Orgel erbaut und 1621
die Kanzel aufgestellt, ein Werk des Bildhauers Geoyg Steyger aus Quedlinburg.
Der Hauptaltar ward 1623 durch den Bildschnitzer Burckhard Diedrich aus Frei-
berg vollendet. Während der Wirren des Dreißigjährigen Krieges erlitt der Bau
eine Unterbrechung, so daß erst unter Herzog August dem Jüngeren von 1656—60
die letzten Giebel an der Südseite aufgerichtet wurden. Die jetzige Turmspitze,
ein häßliches Werk von schwachen Verhältnissen und Formen, datiert von 1716
und später.
Abb. 275 Marienkirche zu Wolfenbüttcl
(Aus: Roß, Malerische Monumentalarchitektur aus Hannover und Braunschweig)
Der Bau ist ein vollständiges Kompromiß zwischen Mittelalter und Re-
naissance: gotisch in Grundriß, Aufbau und Konstruktion, in Anlage der Pfeiler,
Gewölbe und Fenster, während die künstlerische Ausbildung des Einzelnen mit
der gesamten Ornamentik dem neuen Stil angehört. Und zwar tritt dieser in
der üppigen Art der Spätzeit auf, ist, wie bemerkt, bei Paul Francke stark von
W. Dietterlein beeinflußt, dagegen durchaus frei von niederländischem Einfluß.
Lübke-Haupt, Renaissanc3 in Deutschland II 3. Aufl. 28
434
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Die Planform zeigt eine dreischiffige Hallenkirche von breiter Anlage, das 11 Meter
weite Mittelschiff durch sechs achteckige Pfeiler von den 6V2 Meter breiten Seiten-
schiffen getrennt, östlich ein Querschiff von 36,5 Meter Länge, dann ein kurz
vorgelegter, aus dem Achteck geschlossener Chor, am Westende ein viereckiger
Turm ins Mittelschiff eingebaut, die gesamte innere Länge 70 Meter.
Am frappantesten
wirkt das Äußere (Abb.
275). Der seltsame
Mischstil erreicht hier
eine Pracht der Aus-
führung, eine Energie
der Behandlung, wel-
che dem Werke den
Stempel der Meister-
schaftaufprägt. In das
hohe Dach des Mittel-
schiffs stoßen im rech-
ten Winkel die fünf
Querdächer jedes Sei-
tenschiffs und das
höhere und breitere
Dach der Kreuzarme,
diese alle mit hohen,
reich gezierten Gie-
beln, die sich über dem
kräftigen, durchlau-
fenden Hauptgesimse
erheben, den Bau zu
malerischer Wirkung
abschließend. Die
bunte Phantastik die-
ser Giebel, ihre Be-
lebung durch ionische
und korinthische Säu-
lenstellungen mit Ge-
bälken und eingerahm-
ten Nischen, der le-
bendige Umriß mit
seinen phantastisch
geschweiften Hörnern
und Schnecken, die
völlige Belebung der
Flächen durch Frucht-
schnüre, Blumenge-
winde, Masken und
andern figürHchen Schmuck stehen in ihrer zum Teil barocken Pracht unüber-
troffen da. Kraftvoll ist auch die Architektur der unteren Teile. Die Wandflächen
sind an allen Ecken mit derben Quadern eingefaßt, die durch ornamentale Linien-
spiele, Drachen- und andere Tierfiguren völlig bedeckt sind.
In derselben Weise hat man die Einfassungen der Fenster ausgebildet. Im
übrigen zeigen die Fenster die gotische Konstruktion und ziehen sich, durch zwei
Stäbe geteilt, in der bedeutenden Höhe von etwa 12 Metern bis unter das Dach-
Abb. 27() Westportal der Marienkirche zu Wolfcnbüttel
Wolfenbüttel Marienkirche
435
gesimse hinauf, wo sie im Spitzbogen
schließen. Am merkwürdigsten ist aber
das Maßwerk behandelt : aus den korin-
thischen Kapitellen der Teilungsstäbe
schwingt es sich in freier Bewegung,
nach Art der Renaissance aus Laub-
büscheln zusammengesetzt und mit man-
cherlei figürlichem Schmuck versehen,
in bizarrer Phantastik empor, eine ge-
niale Travestie des gotischen Maßwerks.
Am Querschiff sind kürzere und schma-
lere Fenster, je zwei neben- und über-
einander angebracht. Auch die Strebe-
pfeiler sind der Gotik entnommen, aber
in der Absicht, sie ebenfalls zu antiki-
sieren, hat der Künstler sie zu verjüng-
ten Pfeilern mit dorischem Kapitell um-
gestaltet, die unorganisch genug Statuen
der Apostel tragen und dem Baue an-
gelehnt erscheinen. Verknüpft werden
sie diesem nur durch das kraftvolle
Sockelgesims und ein in halber Höhe
umlaufendes prächtiges Friesband, das
Engelköpfe, Früchte, Blumen und Blätter
schmücken und füllen.
Die beiden Portale an der Nord-
und Südseite sind in Rustika ausgeführt,
an den Seiten mit Sitznischen ausge-
stattet und mit glatten ionischen Säulen
eingefaßt, die das Gebälk samt dem Gie-
bel tragen. Zur höchsten Pracht entfal-
tet sich das Hauptportal an der West-
front (Abb. 276), triumphbogenartig mit
dreifach gruppierten korinthischen Säu-
len eingefaßt, Ijeiderseits Nischen mit Sta-
tuen. Über dem mittleren Bogen erhebt
sich eine hohe Attika, nach Art gotischer
Wimperge das dahinter liegende Fenster
halb verdeckend. Die Komposition des
Ganzen ist energisch, flüssig und von
hohem Reiz ; die Einzelformen, nament-
lich die zusammengedrückten Schnecken,
deuten schon auf ziemlich späte Zeit der
Ausführung. Wie lange hier noch gebaut
wurde, beweisen die Jahreszahlen 1657
und 1658 an den Giebeln der Südseite.
Anstatt des vorhandenen unerfreulichen
Turmaufbaues war ein viel höherer acht-
eckiger geplant. Ich gebe den ursprünglichen Plan des Baumeisters ^), der uns eine der
glücklichsten Turmkompositionen der Renaissancezeit vorführt, in Abb. 277 wieder.
1) Aus M. Grosky, Arbustum Augustaeum, wo auch das Innere der Kirche in ausgeführtem
Stich dargestellt ist.
Abb. 277 Marienkirche zu Wolfenbüttel
Ursprünglicher Plan
436
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Im Inneren (Bd. I, Abi). 153) zeigt sich ein Hallenbau von lichter Weite und
schönen Verhältnissen, durch die hohen Fenster reich beleuchtet. Aber auch hier
sind die gotischen Konstruktionen in Renaissanceformen übersetzt. Namenthch
gilt das von den achteckigen Pfeilern. Sie sind auf hohe Sockel gestellt und
mit zwei Friesen von Engelköpfen und Blumen gegürtet. Auf originelle Weise
(Abb. 278) wird am oberen Ende durch vortretende Konsolen der Übergang ins
Viereck und in die breiten Gurtbögen der
Gewölbe vermittelt.') Die Bekronungen
oder Kapitelle, die sich hier bilden, er-
halten in großer Mannigfaltigkeit reichen
Schmuck durch Blattwerk, durch aus-
gebogene Schilder im bekannten Leder-
und Metallstil, durch Früchte, Engelköpfe
und anderes figürliche Beiwerk, doch alles
zusammen von ganz ausgezeichneter und
höchst selbständiger Erscheinung und
Wirkung. Auch die Gewölberippen sind,
wie man aus unserer Abbildung sieht,
durch antike Eierstäbe eingefaßt und
haben in der Mitte eine vorgesetzte Perl-
schnur. In den Wänden der Seitenschiffe
entsprechen den Pfeilern große Kragsteine
von ähnlich reicher Behandlung. In der
Turmhalle sieht man ein gotisches Netz-
gewölbe mit reich ausgebildetem herab-
hängenden Schlußstein von ähnlichen
Formen. Noch ist zu bemerken, daß die
Seitenflügel des Ouerschiffes rechts als
fürsthche Gruft, links als Sakristei vom
Hauptraum abgetrennt sind. Die Wirkung
des Inneren wird durch die geschickt er-
neuerte Bemalung in glücklicher Weise
gesteigert. Die Empore im südUchen
Schiff mit gemalter Brüstung auf korin-
thischen Holzsäulen gehört zur ursprüng-
lichen Einrichtung.
Ein statthches Werk ist der holz-
geschnitzte Hochaltar, freilich schon
stark barock und ins Hochmalerische getrieben. In der Predella das Abendmahl,
an den Seiten Christus in Gethsemane und durch Pilatus dem Volke vorgeführt,
darüber die Kreuzabnahme und endlich ein großer Kruzifixus, letzterer von edlen
Formen bei maßvollem Ausdruck, wenn auch etwas zu gestreckt. Zu den Seiten
des Altars über den beiden offenen Durchgängen zwei manierierte Engel mit den
Leidenswerkzeugen. Aus früherer Zeit stammt das Taufbecken, em treff-
licher Messingguß, inschrifthch 1571 auf Befehl des Herzogs Julius von Kurt
Menten dem Älteren gegossen, die schöne Gesamtform noch in gotischer Weise
profiliert, fein gegliedert und mit figürlichem Ornament und Reliefs bedeckt.
Das prächtic^e Eisengitter mit ornamentierten messingenen Einsatzfeldern und
wappenhaltenden Engeln ist von 1622. Ein herrliches Gitter mit vergoldeten
Rosetten und frei behandelten Blumen findet sich auch an der Treppe zur Fürsten-
Abb. 278 Pfeilerkapitcll von der Marienkirche
zu VVolfenbüttel
1) Die Abb. nach einer Zeichnung des Herrn Voges.
Wolfenbüttel Braunschweig
437
gruft. Reich und prächtig ist die sehr stattliche Orgel geschnitzt, ein Werk des
Tischlers G. Hübscher und des Bildhauers G. Gretjss. Ebenso die Orgelempore,
die auf Bögen mit skulptierten Quadern ruht. Das Ghorgestühl ist verhältnis-
mäßig zurückhaltend in der Gestaltung, mit scharfen und eleganten Profilen und
einigen eingelegten Feldern geschmückt.
Im Gegensatz zu der reichen Pracht dieser Kirche ist es auffallend, wie
unbedeutend jetzt das herzogliche Schloß erscheint. Nur noch der stattliche
Hausmanns-Turm mit hübschen auf-
gesetzten Giebeln um den geschweif-
ten Helm und prächtigem Eisen-
geländer an der Galerie (Abb. 279)
ist vom alten Bau erhalten, alles üb-
rige zeigt den recht langweiligen
Umbau durch //. Korb seit 1691,
der dem alten Schlosse überall eine
verputzte hölzerne Fassade in fla-
chen Barockformen vorgeklebt hat.
Wichtige Teile des alten Schlosses
des Herzogs Julius, wie der hoch
emporragende Kapellenbau sind
vorher einfach ganz abgerissen. —
Gleich daneben das Zeughaus,
jetzt Kaserne, vom Jahre 1619, ein
stattlicher Bau, 63 Meter lang bei
20 Met er Breite, mit reich geschmück-
ten Giebeln und einem tüchtig be-
handelten Portal im Stil der Marien-
kirche, jedenfalls ebenfalls von Paul
Francke entworfen.
Ein gutes Portal derselben
Spätzeit besitzt die alte Apotheke
am Markt; eine Reihe von Fach-
werkbauten späterer Zeit in der
Abb. 279 Schloßturm zu Wolfenbüttel
Die Städte
Unter den Städten dieses Gebietes nimmt an Bedeutung und Macht Braun-
schweig die erste Stelle ein. Aus einem Fürstensitze des frühen Mittelalters
hervorgegangen, schon durch Heinrich den Löwen zu ansehnhcher Stellung er-
hoben, schwang die Stadt sich früh durch Tätigkeit und Umsicht ihrer Bürger
zu einem Gemeinwesen von selbständiger Kraft empor. In regem Handelsverkehr
nach allen Seiten gewann sie durch den Beitritt zur Hansa zunehmende Blüte
und erwarb den Ehrenplatz einer Quartierstadt des Bundes. In ihren wieder-
holten Kämpfen um völlige Unabhängigkeit mit den Landesfürsten, in dem
frühen Übertritt zur Reformation (1528), in ihrem mannhaften Festhalten am
Schmalkaldischen Bunde bekundete sie ihren tüchtigen Sinn. Als Zeugnisse
einer durch Jahrhunderle andauernden, stets gesteigerten Blüte weist sie eine
Anzahl hervorragender Denkmäler aus allen Epochen des Mittelalters auf, groß-
artige kirchliche Bauten der romanischen und gotischen Epoche, und eines der
schönsten Rathäuser des Mittelalters. Schon im 15. Jahrhundert fällt die monu-
mentale Pracht und Großartigkeit der Stadt einem Kenner wie Äneas Sylvins
438
2. Buch Die Bauwerke XYI. Kapitel Niedersachsen
auf.^) In unverkümmerter Frische nimmt sie nun auch an der Entwicklung der
Renaissance teil und bringt eine Reihe von stattlichen Profanwerken des Stils
hervor, die bis hart an den Beginn des Dreißigjährigen Krieges reichen, der auf
lange Zeit die Blüte der Stadt vernichten sollte.
Gleichwohl können wir hier nicht von besonders frühzeitiger Aufnahme des
neuen Stils sprechen; seine Formen bürgern sich nur langsam und fast unver-
merkt ein, und erst spät kommt es zu bedeutenderen Schöpfungen. Dies hängt
wohl damit zusammen, daß hier fast ausschließlich der Holzbau die Profanarchi-
tektur beherrschte, also die mittelalterliche Überlieferung sich lange in Kraft er-
hielt.') Man kann schrittweise die Entwicklung der Formen verfolgen: wie bis
ins 16. Jahrhundert die gotische Behandlung sich ungetrübt fortsetzt, dann zuerst
einzelne Motive der Renaissance sich bemerkbar machen, bis endlich, durch die
Richtung des neuen Stiles begünstigt, der Steinbau sich einmischt, anfangs in
Verbindung mit dem Holzbau der Obergeschosse etwa an den Portalen oder dem
Erdgeschoß und dem ersten Stock Platz greift, endUch aber auch in vollständigen
Fassaden sich ausspricht.
Um diesen Vorgang im einzelnen darzulegen, beginnen wir mit der Be-
trachtung der früheren noch völlig in mittelalterlichem Sinn behandelten Bauten.^)
Sie zeigen durchweg noch ein strenges AnschUeßen der Verzierung an das kon-
struktive Gerüst. Die Schwell- und Füllhölzer erhalten kräftige Auskehlung und
Abfasung, wodurch die horizontalen Linien der übereinander vorkragenden Stock-
werke wirksam betont werden. Beliebt ist der Schmuck der Schwellen in recht-
winkUg gebrochenen Linien, die man als mäanderartig bezeichnen kann. Damit
wechselt ein anderes Ornament, dem Pflanzengebiet entlehnt, eine Laubranke,
die sich um einen horizontalen Stab windet und die charakteristischen Formen
des bekannten spätgotischen Blattwerks zeigt. Nicht minder reich werden die
Balkenköpfe, welche konsolenartig die vorkragenden Stockwerke stützen, be-
handelt. Sie erhalten nicht bloß kräftig ausgekehlte Profile, sondern bisweilen
in HochreUef durchgeführte figürliche Darstellungen, Apostel und andere Heilige,
aber auch Sittenbildhches und Possenhaftes.
Was die Gesamterscheinung der Häuser betrifft, so kommt in Braunschweig
der schmale hochgetürmte Giebel, der in Städten wie Lübeck, Bremen, Danzig
so gut wie ausschheßlich herrscht, seltener vor. Meistenteils sind die Langseiten
gegen die Straße gekehrt, erhalten aber durch einen oder mehrere Dacherker mit
ihren Giebeln eine nicht minder reiche malerische Belebung. Dagegen fehlt der
Erker hier fast durchaus. .
Noch immer sehr groß ist die Anzahl der oben gekennzeichneten Bauten
der ersten Epoche. Sie sind meistens datiert und umfassen die letzten Dezennien
des 15. und die ersten des 16. Jahrhunderts.
Noch ganz mittelalterlich ist das kolossale Eckhaus vom Jahre 1524 am
Wollmarkt Nr. 1, derb in den Formen, fast roh geschnitten, mit wenig Detail,
aber mit kräftig ausgekehlten Schwellen und von imposanter Wirkung. Nicht
minder machtvoll das große Haus Nr. 14 hinter der alten Wage vom Jahre 1526,
mit dem Mäandermotiv und reich geschnitzten Kopfbändern, durch zwei stattliche
Dacherker malerisch belebt. Die Alte Wage selbst sodann, 1534 errichtet, ist
ein Bau von riesiger Anlage, noch ganz mittelalterlich mit gotischen Laubfriesen,
1) Aen. Sylv. Piccol. opp. Basil. 1571. p. 424: oppidum tota Germania memorabile magnum
et populosum .... magnificae domus, perpolitae plateae, ampla et ornatissima templa. Quinque
hie fora
2) über den Holzbau in Braunscbweig vgl. C. Uhde, Der Holzbau, Berlin 1903, wo zahl-
reiche treffliche Abbildungen, besonders aus den niedersächsischen Städten, gegeben sind.
3) Vgl. die Aufn. bei Ortwein, D. Een. XXIX. Abt. von B. Liebold.
Braunschweig
Drachen und anderem Figürlichen an den Balkenköpfen und Schwellhölzern ge-
schmückt ; neuerdings trefflich restauriert (Abb. 280). Doch im Wesen schon der
Bauen Zeit angehörend und trotz des Fachwerks von wirkhcher Monumentalität.
Abb. 280 Alte Wage zu Braunschweig
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Die eindringende Renaissance bringt in diese Behandlung zunächst nur
einige Bereicherung des Ornamentalen. Eines der frühesten Beispiele für das Auf-
treten der neuen Formen sind die trefflichen Reste von einem abgebrochenen
Ratsküchengebäude von 1538, welche man in der Altertümersammlung des Vater-
ländischen Museums sieht.^) Kandelaber und andere Ornamente, auch Figür-
liches im Stil der Renaissance verbindet sich noch mit allerlei mittelalterlichen
Späßen, dem Luderziehen u. a. Noch etwas früher (1537) ist das kleine Haus
1) Diese interessante Sammlung verdankt ihre Entstehung dem unermüdlichen Wirken des
-|- Dr. C. S chilier, der mich durch manche wertvolle Notizen und Nachweise unterstützt hat.
440
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
am Papenstieg Nr. 5, ziemlich schlicht behandelt, aber interessant, weil es an
den Fensterbrüstungen ein charakteristisches Motiv des neuen Stils, die muschel-
artige oder fächerförmige Dekoration, in breiter Entfaltung, wenn auch noch in
ziemlich steifer und harter Behandlung zeigt. Noch etwas früher (1536) dasselbe
Ornament an einem
kleinen Hause Wen-
denstraße Nr. 14. Aus
demselben Jahre rührt
das stattliche Haus
Langeslraße Nr. 9, das
sehr reich geschnitzt
ist und noch starke
Anklänge ans Mittel-
alter, z. B. in den Vor-
hangbogen der Fen-
ster zeigt. Aber das
Fächerornament, die
Kandelabersäulchen
am Portal und die
Delphine gehören der
Renaissance an. Im In-
nern ist die hohe wohl-
erhaltene Flurhalle be-
merkenswert. Das-
selbe beliebte Fächer-
motiv, aber reicher aus-
gebildet und mit den
tief ausgekehlten und
abgefasten Schwell-
hölzern wirksam ver-
bunden, sieht man am
Sack Nr. 9. Ebendort
Nr. 5 war dann das
Demmersche Haus i)
das Prachtstück dieser
Dekoration, die sich an
allen Flächen, unter
den Fenstern, an den
Kopfbändern undFüll-
hölzern, den Schwel-
len, den Fensterrah-
men und sämtlichen
Pfosten in über-
schwenglichem Reich-
Abi). 28] Haus früher am Sack Xr. 5 zu ßraunscliwcig ^Um ausbreitet. Die
Elemente der Renais-
sance in Delphinen, Kandelabern, Putten, Gottheiten und Helden des Altertums
sind noch unbefangen mit allerlei Mittelalterhchem, mit Genreszenen, Possen-
haftem und Unflätigem gemischt (Abb. 281). Es ist ein wahrer Fasching der
Phantasie. (Ich glaubte die Jahreszahl 1536 zu lesen.) ^)
1) Leider abgebrochen, aber am Burgplatz wieder aufgebaut.
2) Siehe Uhde, a. a. 0. Fig. 207—09.
Braunschweig
441
Um diese Zeit taucht ein neues Motiv für die Dekoration der Schwellhölzer
auf : eine Verschlingung von Zweigen, die fast wie Bänder aussehen und fries-
artig sich ausbreiten. So zeigt es in der Wendenstraße Nr. 49 ein Haus vom
Jahre 1545, wo zugleich die Fensterpfoslen hübsch mit Ranken geschmückt sind.
An der Alten Wage (Abb. 280) kommt dies Motiv im obersten Stockwerk vor.
Ähnlich, nur einfacher, die kleinen Häuser am Werder Nr. 34 und 35. Dasselbe
Motiv am Burgplatz Nr. 2 vom Jahre 1573, ferner am Papenstieg Nr. 2 vom Jahre
1581, endlich in besonders schöner Ausbildung am Wilhelmsplatz Nr. 8 vom Jahre
1590, mit der Inschrift: „Was menschlich Vernunft für unmöglich acht, das hat
Gott in seiner Macht."
Um diese Zeit erfährt der Holzbau seine letzte Umwandlung. Der Stein-
bau der durchgebildeten Renaissance beginnt auf ihn so stark einzuwirken, daß
seine Formen fortan einfach in Holz nachgeahmt werden. Bisher waren die
Glieder durch Abfasen und Einkerben, durch Auskehlen und Unterschneiden recht
im Sinne der Holzkonstruktion durchgebildet worden. Diese Behandlungsweise tritt
jetzt zurück und macht der Nachahmung antiker Bauglieder Platz. Die Balken-
köpfe werden mit Vorliebe als Konsolen mit elegant geschwungener Schnecke dar-
gestellt, die Schwellbalken durch Zahnschnitt, Eierstab und Perlschnur nach Art
der Antike ausgebildet, das Ganze freilich nicht mehr im Sinn einer nach mittel-
alterlichem Grundsatz aus der Konstruktion hervorgegangenen Schmückung,
sondern einer freien Ornamentik, die den Mangel innerer Notwendigkeit durch den
Reiz einer edlen Formenwelt zu ersetzen sucht. Dazu gesellt sich oft eine weiter-
gehende Flächendekoration, die ebenfalls ihre Motive aus der Ornamentik des
Steinbaus der Spätrenaissance schöpft.
Die üppigste Blüte dieser letzten Entwicklungsreihe werden wir in Hildes-
heim antreffen. Braunschweig besitzt auch davon charakteristische Beispiele. So
am Bohlweg Nr. 47 ein Haus von 1608, reich mit Flachornamenten geschmückt,
selbst die Unterseite der Schwellhölzer damit bedeckt, auch die Pfosten mit
linearen und figürlichen Ornamenten geziert. In verwandter Weise ist das Haus
Küchenstraße Nr. 11 vom Jahre 1623 behandelt. Am Südkhnt Nr. 21 ein schönes
Beispiel dieser späteren Behandlungsweise mit Bogenstellungen an den Pfosten
und hübschem Rankenwerk an den Fensterbrüstungen. Ähnlich das kleine Haus
am Bäckerklint vom Jahre 1630. Eins der spätesten von 1642 ist das große
Haus Schützenstraße Nr. 34, an allen Flächen mit hübschen Ranken dekoriert, die
in Masken auslaufen.
Der reine Holzbau nimmt aber in dieser Zeit überhaupt auffallend ab und
übergibt einen Teil der Herrschaft an den Steinbau und zwar in der Weise, daß
die Erdgeschosse mit ihren Portalen und meist auch der erste Stock diesem an-
heimfallen, während die oberen Stockwerke den Holzbau beibehalten. Solche
prächtige Steinportale aus der Renaissancezeit finden wir mehrfach an gotischen
Fachwerkgebäuden, so Wendenstraße Nr. 2, Schützenstraße Nr. 2. Andere Beispiele
des gemischten Stiles haben sich noch mehrfach erhalten. Eines der prachtvollsten
ist das große Eckhaus am Hagenmarkt 20, Erdgeschoß und erster Stock in Stein
ausgeführt mit stattlichem Barockportal, das an den Seiten Sitznischen und ein-
fassende Hermen hat, die Fenster noch mit mittelalterlichen Rahmen, aber zugleich
durch Perlschnüre geschmückt, der obere Stock in reichem Holzbau durchgeführt.
Ein stattliches Beispiel derselben Art vom Jahre 1591 am Südklint Nr. 15, wiederum
beide Untergeschosse in Stein, mit zwei Bogenportalen, davon das eine Diamant-
quaderumfassung mit Perlschnur und Herzblatt, das andere die reiche Form mit
Seitennischen, Hermen und Masken, dabei die Inschrift: „Nisi deus frustra".
Ähnliche Inschrift: „Nisi dominus frustra" kehrt an einem eleganten Portal vom
Jahre 1584 in der Gördelingerstraße Nr. 43 wieder, wo ebenfalls noch ein zweites
442
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
einfacher behandeltes Portal für die Einfahrt vorkommt ; wahrscheinlich von dem-
selben Meister. Besonders malerisch ist das Haus in der Reichenstraße, das
wir in Abb. 282 geben, mit prächtigem Portal und Erker in reichstem Knorpel-
werk. Die Fenster mit gebrochenem Giebel bekrönt.
Abb. 282 Haus in der Keicheiistraße zu Braiuiscliweig
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Eins der größten Prachtstücke ist das mächtige Haus am Bäckerklint Nr. 4,
wiederum in beiden unteren Geschossen aus Stein mit einem prächtigen Renais-
sanceportal, mit Masken, Hermen, Schweif- und Rollwerk, in den Zwickeln un-
geschickte Viktorien, der obere Aufsatz durch einen herausspringenden Löwen
wunderlich abgeschlossen.*) Es ist reichlich überladen und unklar. Die oberen
Holzgeschosse üppig dekoriert, die Ranken an den Schwellbalken und den Fenster-
brüstungen in barocke Masken auslaufend. Ein derbes Werk derselben Zeit ist
1) Abb. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 8.
Braunschweig
443
am Kohlmarkt Nr. 2, Portal und Fenster mit Quadern eingefaßt, die abwechselnd
das Sternornament zeigen. Auch das kleine Haus an der nordöstlichen Ecke des
Burgplatzes, dessen Fenster den Eierstab als Einfassung haben, gehört hieher.
Hieran schUeßt sich eine Gruppe von Häusern, die ausschließlich dem Stein-
bau angehören. Das feinste unter ihnen ist das ehemalige Gymnasium am Bank-
platz vom Jahre 1592 (Abb. 283). Ein stattlicher Bau aus Bruchstein mit Sand-
steinarchitektur,
mit üppig barok-
kem Portal, durch
allerlei Figuren der
Tugenden, Reliefs,
Masken, Blumen-
und Fruchtgewinde
geschmückt. Die
beiden oberen
Stockwerke haben
gekuppelte Fen-
ster, die bei mittel-
alterlichem Rah-
menprofil wieder
von kräftigem Eier-
stab umfaßt wer-
den. Diese Fenster-
form wiederholt
sich in Braun-
schweig häutig.
Was aber dieser
Fassade besonde-
ren Reiz gibt, sind
die hübschen Ni-
schen zwischen den
Fenstern, welche
mit freilich sehr
manierierten Figu-
ren von Tugenden
ausgefüllt sind. Die
Flächen, welche
jetzt das rohe
Bruchsteingemäuer
zeigen, waren ur-
sprünglich ohne
Zweifel verputzt
und wohl auch be-
malt. Das Bauwerk
stammt vom Er-
bauer des Gewand-
hauses, B. Kirclier,
und besaß früher drei Zwerchgiebel über dem Hauptgesims. Die Fenster im
Erdgeschoß sind etwas verändert.
Stattlich ist auch das Steinhaus an der Martinikirche Nr. 5, im ganzen zwar
einfacher behandelt, aber mit einem der üppigsten Barockportale, eingefaßt von
1) Abb. bei Pritsch.
Abb. 283 Altes Gymnasium zu Braunschweig
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
444
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
vier Hermen und Karyatiden, in der Bekrönung wieder aufrechtstehende Löwen,
die ihren Vorderleib durch einen Ausschnitt der Kartusche stecken, ähnhch wie
am Bäckerklint Nr. 4. Zu beiden Seiten zwei Krieger. Ein stark barockes Portal
ist an einem großen Hause in der Wilhelmstraße vom Jahre 1619. Ebenso ein
Portal an dem prächtigen Hause Poststraße Nr. 5, dessen Fenster wieder die
elegante Einfassung mit Eierstäben zeigen.
Eine andere Behandlung sieht man an dem stattlichen Eckhaus des Alt-
städter Marktes, dessen Fenster breite flache Rahmen haben, die oben in einen
rosettengeschmückten Giebel auslaufen. Das Portal gehört schon der spätesten
Art an. Als vereinzeltes Beispiel einer hohen Giebelfassade steht das Haus am
Kohlmarkt Nr. 1 da. Die Fenster sind noch mit durchschneidenden gotischen
Stäben eingefaßt, der Giebel aber mit Schnecken, geschweiften Hörnern und
Pyramiden dekoriert, doch ohne alle plastische Gliederung der Flächen.
Während alle diese Werke nicht von hervorragendem Wert in Komposition
und Ausführung sind, gehört der östliche Giebel des Gewandhauses, 1590
durch Meister Balzer Kircher vom Oberrhein ausgeführt, zu den vollendetsten
Meisterwerken der Zeit (Abb. 284). In der Anordnung der Geschosse sah man
sich durch die alte Anlage des vorhandenen Baus gebunden, der noch in früh-
gotische Zeit hinaufreicht. Daher die niedrigen Stockwerke, die mit der ge-
waltigen Höhe des Baues kontrastieren. Es ist ein riesiger Giebelbau, der seine
hohen Stirnseiten westhch gegen den Altstädtischen Markt, östhch gegen die
Poststraße kehrt. Die Ostfassade ist bei der niedrigen Stockwerkhöhe durch ge-
kuppelte Fenster und sparsam ausgeteilte Säulenstellungen mit feinem künst-
lerischen Takt rhythmisch belebt. Im Erdgeschoß ist auf Pfeilern mit gedrückten
Korbbögen eine Halle vorgelegt, die mit gotischen Kreuzgewölben auf zierHchen
Renaissancekonsolen überdeckt ist. Dieselbe Bogenform kehrt an der kleinen
Loggia des ersten Stocks und an den mittleren Fensteröffnungen der übrigen
Stockwerke wieder. Gotische Reminiszenzen an der Maßwerkbrüstung der Loggia
und den Einfassungen der Fenster, zu welchen in den oberen Geschossen jedoch
noch die hier beliebten Eierstäbe kommen. Das Ganze ist trefflich in Sandstein
ausgeführt und durch reiche Vergoldung ausgezeichnet. Die klare Einteilung,
die volle Meisterschaft in Anwendung der antiken Formen, die maßvolle Bei-
mischung barocker Elemente, endlich die hohe Sicherheit in der Behandlung des
Ornamentalen und Figürlichen geben diesem Bauwerk einen hervorragenden Wert.*)
An der westlichen Fassade hat sich der Meisler Wolter aus Hildesheim damit
begnügt, den Giebel mit Voluten zu schmücken und die Rahmen der Fenster
und der Giebelkanten mit Quaderwerk in Sternmustern einfach und wirksam zu
gestalten.
Ein schönes Stück innerer Dekoration ist sodann noch in dem Sitzungs-
saal des Neustädtischen Rathauses erhalten. Ein reich dekorierter und
bemalter Kamin vom Jahre 1571, von kannelierten ionischen Säulen eingefaßt,
dazu eine prächtige Balkendecke, rings an den Wänden trefifhches Getäfel, an
allen Flächen der Pilaster, Friese und Bogenzwickel mit eingelegten Ornamenten
auf dunklem Grunde bedeckt.^) Das Hauptstück eines der prächtigsten Portale
mit vortretenden korinthischen Doppelsäulen flankiert, darüber viersäuliger Giebel
mit Wappen. Etwas bescheidener, doch noch feiner und ähnlich das zweisäulige
Portal im Altstadtrathause von 1583. Ein durch seine reichen Intarsien aus-
gezeichnetes mit prächtiger Säulenarchitektur jetzt in der Martinikirche. ^) Alle
drei glänzende Zeugnisse einer hochstehenden Tischlerkunst jener Zeit.
1) Vollst. Aufn. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 11—18.
2) Aufn. bei Ortwein, ebenda Taf. 19 — 30. Uhde a. a. 0. Abb. 341.
3) Letztere bei Uhde Abb. 392, 340.
Abb. 284 Gewandhaus zu Braunschweig '^'^
(Aufnahme der Neuen Photogr. Gesellschaft Steglitz
446
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Der alte Bischofsitz Halber Stadt, in anmutiger Landschaft an den nörd-
lichen Ausläufern des Harzes gelegen, zeigt nicht bloß in bedeutenden kirchlichen
Bauten, unter denen der gotische Dom zu den Monumenten ersten Ranges gehört,
die Macht eines geistlichen Fürstentums des Mittelalters, sondern bietet daneben
auch in zahlreichen Profanwerken das Bild eines rüstig bewegten kunsthebenden
Bürgertums. In dem breiten Zug der Straßen, den zahlreichen freien Plätzen,
die sich teils um den Mittelpunkt bürgerlicher Macht, teils um die großen kirch-
lichen Monumente ausdehnen, spricht sich der Doppelcharakter der Stadt un-
verkennbar aus.
Wir haben es bei unserer Betrachtung nur mit Werken der Profanarchitektur
zu tun, und zwar steht der Holzbau unbedingt in erster Linie. Ausschließlicher,
als in Braunschweig, beherrscht er die bürgerlichen Wohnhäuser, ohne dem Stein-
bau Eingang zu gestatten. Deshalb hat er sich auch reiner entwickelt und gerade
in der Epoche der besten Renaissance seine feinste Blüte entfaltet. Aus der
letzten Epoche des Mittelalters zählt er auch hier eine Anzahl charaktervoller
Werke, die sich durch besonderen Reichtum an figürlicher Plastik auszeichnen.
Der späte Nachsommer der Renaissance kommt hier nicht mehr zur Erscheinung;
dagegen sind die mittleren Zeiten des Stils durch eine große Zahl von Bauten
vertreten, die das Gepräge einer geradezu klassischen Anmut tragen. Die
Formen behalten überwiegend den Charakter einer aus der Konstruktion hervor-
gegangenen Ornamentik bei; die Balkenköpfe sind durch Auskehlen und Unter-
schneiden mannigfach gegliedert, auf den Oberflächen oft elegant geriefelt in
diagonaler oder vertikaler Linienführung, an den Seiten manchmal durch Sterne,
Rosetten und andere Muster belebt. Die Schwellhölzer und Füllbalken sind aus-
gekehlt und abgefast, meist mit ähnhchen diagonalen Riefelungen plastisch de-
koriert. Unter den Fenstern findet sich entweder das Fächer-(Muschel-) Ornament,
oder es ist in Nachahmung des Steinbaues eine Blendarkade auf kleinen Pilastern
durchgeführt. Auf dieser Stufe edler Ausbildung verharrt der Halberstadter Fach-
werkbau, nur im einzelnen eine Fülle anmutiger Flächendekoration hinzufügend.
Was die Gesamtanlage der Häuser anbetrifft, so sind sie größtenteils wie
in Braunschweig nicht schmale Hochbauten mit der Giebelwand nach der Straße,
sondern breite Langbauten, über denen in der Mitte stets ein Dacherker aufragt,
die monotone Fläche des Satteldaches wirksam durchbrechend. Doch kommen
hier seltener jene riesigen Häuserkolosse vor, die Braunschweigs bürgerlichen
Bauten einen so machtvollen Charakter verleihen. Hier ist vielmehr alles vor-
nehmer, feiner, zierlicher, anmutiger auch in den Verhältnissen. Sodann aber
wird der an der Fassade ausgebaute Erker, den man in Braunschweig vergeblich
sucht, öfter angewandt. Auch dadurch ist der malerische Reiz dieser Bauten
gesteigert.
Zu den bedeutendsten mittelalterlichen Werken gehört der stattUche Bau
des Ratskellers am Holzmarkt vom Jahre 1461. Von ähnlicher Behandlung das
großartige Eckhaus am Fischmarkt Nr. 1, in vier Geschossen mit herrlichen Friesen
geschmückt ; die Schwellen mit dem Mäandermotiv, das wir schon in Braunschweig
fanden; die Balkenköpfe stark unterschnitten und gekehlt, zugleich mit Maß-
werken dekoriert; die Ecke bis oben hinauf durch zahlreiche Figuren kraftvoll
geschmückt. Überhaupt herrscht hier an den mittelalterlichen Bauten das figür-
liche Element in reicher Ausbildung.
Den Übergang zur Renaissance bezeichnet ein Haus vom Jahre 1532 am
Holzmarkt Nr. 4; die Schwellen doppelt gekehlt, die Balkenköpfe kräftig mit
Rundstab und Hohlkehle geghedert. Ebendort Nr. 5 dasselbe Motiv, aber alles
zierlicher, feiner, schon mehr im Sinne des neuen Stiles durchgebildet, mit flachen
Rosetten u. dgl. ; an den Fensterbrüstungen das Fächerornament. Es ist eins der
Halberstadt
447
seltenen Giebelhäuser, datiert 1552. Ähnliche Häuser Breiteweg Nr. 39 vom Jahre
1558 und ebenda Nr. 38 von 1559. Das Motiv der Blendarkaden unter den Fenstern
tritt sodann an dem stattlichen Haus Ecke der Schmiedestraße und des Holz-
marktes vom Jahre 1576') auf; feine Zahnschnittfriese begleiten die Gesimse.
Ein auf einer Holzsäule ruhender Erker, das Dach durchbrechend und bis zu
Abb. 285 Eathaus zu Halberstadt
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
dessen Firsthöhe emporgeführt, belebt malerisch die Fassade. Dasselbe Motiv
findet seine glanzvollste Ausbildung an dem Prachtbau des Schuhhofes, jetzt die
drei Häuser am Breiten Weg, Ecke der Schuhstaße bildend, vom Jahre 1579. Die
vielfach gekerbten, gerieften und gemusterten Schwellbalken, die mit Figürchen
und Ornamenten geschmückten Balkenköpfe samt ihren konsolenartigen Stützen,
die mit geschnitzten Wappen ausgefüllten ßlendarkaden (im oberen Geschoß ein-
1) Uhde, Fig. 263.
448
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
facher behandelt), endlich die feine Ornamentik, welche die Pilaster, die Fenster-
rahmen, die Eckpfosten, kurz alle Flächen belebt, geben diesem Bau einen un-
übertroffenen Ausdruck von Eleganz (Bd. I, Abb. 137). i) Nur die gewöhnlichen
Ziegelüächen, ursprünglich zum Teil allerdings durch drei vorgebaute Erker etwas
unterbrochen, sicher früher gemustert, wirken störend.
Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so reiches Beispiel bietet ein Haus
in der Göddenstraße von 1586 mit einem hübschen Erker. Ferner eins der
schöneren und reicheren das südlich neben dem Dom gelegene Haus, dessen
Blendarkaden teils mit Wappen, teils mit schön stilisierten Banken geschmückt
sind. Mit einfacherer Behandlung der Arkaden, aber trefflich gegliederten Schwellen
ein Haus von 1584 in der Schmiedestraße Nr. 17, durch die folgerichtige, zwar
einfache aber feine Behandlung bis hoch in den aufgesetzten Dachgiebel anziehend.
Es trägt die Inschrift: „Mannicher sorget vor mich; wäre besser er sorget vor
sich." Ein kleineres von derselben Art Harsleberstraße Nr. 9, vom Jahre 1G04,
ebenfalls mit hübschem Dacherker und der Inschrift: „Wie es Gott fügt, also
mir genügt." Etwas früher (1589) das große Haus in derselben Straße Nr. 6,
kräftiger dekoriert, mit mancherlei geometrischen Mustern und einem Erker auf
hübsch behandelter Holzstütze. Ähnlich ebenda Nr. 10 vom Jahre 1618.
Neben dem hier so sehr beliebten Motiv der Blendarkaden kommen auch
immer noch Beispiele des Fächerornaments an den Fensterbrüstungen vor. So
Hoheweg Nr. 16 in besonders zierlicher Ausbildung, alles mit linearen Ornamenten
durchsetzt, die Fächer z. B. gefiedert. Ähnlich in derselben Straße Nr. 13 an den
Schwellen mit dem in Braunschweig beliebten Ornament der Flechtbänder. Ein
sehr hübsches Beispiel Göddenstraße Nr. 13 mit feinen Fächern und reich ge-
gliederten Schwellen. Ebenso Harsleberstraße Nr. 15, wo wieder geometrische
Linienspiele zu reicher Verwendung gekommen sind.
Der Steinbau ist nur an einigen öffentlichen Monumenten, und an keinem
in ganz hervorragender Weise zur Entwicklung gekommen. Das früheste Denkmal
der Renaissance scheint der hübsche Erker an der Südseite des Rathauses zu
sein, bezeichnet 1545 (Abb. 285). Er ist dem noch strenggotischen Bau in einem
malerischen Mischstil vorgesetzt, wie er denn auf einem reich durchschneidenden
mittelalterlichen Rippengewölbe ruht, aber mit Kandelabersäulchen der Früh-
renaissance und hübsch gearbeiteten Wappen geziert ist. Auch das breite, drei-
teilige Fenster, das neben ihm die Wand im Hauptgeschoß durchbricht, hat
die Rahmenpilaster der Frühzeit mit den eingelassenen Medaillonschildern als Um-
rahmung. An der Rückseite des Baues (gegen Osten) sieht man einen Erker in
ähnhchem Mischstil der frühen Renaissance. Dagegen wurde an der Hauptfront
gegen Süden (Abb. 285) in der Spätzeit eine doppelte Freitreppe mit offener
Bogenhalle auf Pfeilern vorgebaut, die im ersten Geschoß als selbständiger Erker
oder Laube sich fortsetzt und mit einem reich behandelten Giebel schließt.^) Die
reiche ornamentale Belebung aller Flächen an Brüstungen, Pfeilern, Stylobaten,
Bogenzwickeln und Fensterrahmen macht von fern den Eindruck der Frührenais-
sance, aber bei näherer Betrachtung erkennt man den üppigen Schwulst der
Formen und die stumpfe Behandlung der Zeit, die durch das Datum 1663 be-
zeichnet wird. Trotz der geringen Ausführung ist aber das Ganze von hohem
malerischen Reiz. Dazu gehört wahrscheinlich im Innern der große Vorsaal,
dessen schlichte Holzdecke auf geschnitzten Säulen von spielender spätbarocker
Form ruht. Zwei hübsche messingene Kronleuchter schmücken den Raum.
Ein origineller, bei aller Einfachheit malerisch wirkender Bau der Früh-
renaissance ist der Petershof, nördlich von der Liebfrauenkirche gelegen.
1) Uhde, Fig. 262. Fritsch.
2) Abb. bei Fritsch, a. a. 0.
Halberstadt
449
Ungefähr in der Mitte des langen Flügels ein viereckig vorspringendes Treppen-
haus mit einem Portal von 1552, erbaut von Sigismund, Erzbischof von Magde-
burg, Administrator von Halberstadt, Markgraf von Brandenburg usw., wie die
Inschrift meldet. Die Behandlung der Formen schwankt noch zwischen Gotik
und Frührenaissance. Ähnlich der links daneben von unten herausgebaute Erker.
Auch die Wendeltreppe ist mit gotischen Kehlen und Stäben gegliedert. Aus
derselben Zeit im Innern des Erdgeschosses, das durch stattliche Gewölbe aus-
gezeichnet ist, im Zimmer zur Linken ein Steinportal derselben Frühzeit von
reicherer ornamentaler Ausbildung. Auch die beiden prachtvollen Türschlösser
sind beachtenswert.
Dagegen gehört der entwickelten Renaissance das jetzige Steueramt,
gegenüber dem Rathaus, inschriftlich von Herzog Julius zu Braunschweig,
postuHertem Bischof von Halberstadt, 1596 als Absteigequartier für vornehme
Fremde erbaut. Derb und schlicht, mit zwei hohen Stockwerken über dem
Erdgeschoß, auf beiden Seiten mit kräftig vorspringenden hohen Giebelbauten
eingefaßt, dazwischen auf dem Dache des Mittelbaus zwei Erker, sämtHche
Giebel mit derben Quaderpilastern und geschweiften Aufsätzen eingefaßt, dazu
endlich ein ähnlich behandeltes Portal mit Freitreppe, von zwei Statuen in
Nischen flankiert, so wirkt der ganze hohe und stattliche Bau als ein Ausdruck
männhcher Tüchtigkeit.
Endhch ist die langgestreckte einstöckige Dompropstei (der „Zwicken") am
Domplatz, 1592—1611 erbaut, hier zu erwähnen. Im Erdgeschoß eine kraftvoll
behandelte Bogenhalle auf Pfeilern, an den Bogenzwickeln prächtige, zum Teil
überladene Wappen, das obere Geschoß in einfach, aber zierlich behandeltem
Holzbau.')
Im Dom und Kreuzgang, auch in den zahlreichen Kirchen sind Epitaphien
und andere Ausstattungsgegenstände (Gestühl in St. Moritz, Kanzel in St. Martin
und St. Katharinen) wie in allen älteren Städten vorhanden.
Von den alten prächtigen Pflegstätten des Holzbaus, Goslar, Quedlin-
burg, Helmstedt, Königslutter, Osterwieck und anderen wollen wir im
einzelnen nicht sprechen, weil der Kern ihrer Leistung auf dem Gebiete des Fach-
werkbaus im Mittelalter liegt. Was sie in der Renaissancezeit entstehen lassen,
fügt sich mehr als letztes Glied der mittelalterlichen Entwicklung an oder ist
in den wichtigen Renaissancestädten Halberstadt, Hildesheim, Braunschweig in
stärkerer Ausprägung vertreten.
Wenn wir vom Harze den Weg ins Hannoversche") nehmen, so lie^t als
wichtigste Stadt Hildes heim auf dem Wege, wie Halberstadt durch doppelte
Bedeutung als uralter Bischofssitz und als Mittelpunkt eines regsamen, energisch
emporstrebenden bürgerhchen Gemeinwesens ausgezeichnet. Ja noch weit UHch-
drücklicher als dort hat sich hier schon im frülien Mittelalter die kirchliche Macht
in großartigen Denkmälern ausgesprochen. Der Dom, die Kirchen von St. Michael
und Godehard, zu denen noch die kleinere auf dem Zierenberge vor der Stadt ge-
legene Moritzkirche sich gesellt, gehören zu den anselmlichsten Bauten des
romanischen Stils. Aber im Schatten der bischöflichen Gewalt blühte ein kraft-
volles Bürgertum empor, bald in Kämpfen mit den geistlichen Oberherren seinen
Freiheitsdrang betätigend, durch Handel und Gewerbe immer unabhän girier, als
Mitglied der flansa geachtet und gefürchtet, endhch beim Eintritt in die neue
Zeit durch rasches Hinneigen zur Reformation sich auch zu kirchlicher Freiheit
erhebend.
1) Uhde a. a. 0. Fig. 273, Fritsch a. a. 0.
2) Für Hannover verweisen wir bezüglich des Einzelnen auf die bis jetzt erschienenen
Bände der Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Hannover.
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 29
450
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Von diesem Bürgertum zeugen in erster Linie die Denkmäler, welche unsre
Betrachtung aufzusuchen hat.i) Es ist vor allem der altsächsische Holzbau, der
auch hier fast ausschließlich den Privatbau beherrscht. Aber er entwickelt sich
in ganz selbständiger
Weise. Die mittelalter-
liche Form kommt nur
vereinzelt vor; häufiger
sind schon die Werke, in
welchen die Renaissance
ihren Einfluß betätigt;
allein die große Mehrzahl
der Monumente gehört
doch erst der letzten Zeit
des Stils, zeigt eine Um-
bildung des Holzbaus im
Sinn der Steinarchitektur
und verbindet damit eine
Pracht und Fülle freier
figürlicher Ausstattung,
die den Hildesheimer
Bauten ihr hocheigen-
tümliches Gepräge gibt.
Um mit den nicht
eben zahlreichen Bauten
aus der Schlußepoche des
Mittelalters zu beginnen,
so lassen auch sie die
anderswo beobachteten
Grundzüge ziemlich über-
einstimmend erkennen :
kräftiges Betonen des
konstruktiven Gerüstes,
energisches Handhaben
einer plastischen Glieder-
bildung, gelegentliches
Herbeiziehen figürlichen
Schmuckes.
Schon 1529 tritt in
den Formenkreis des Mit-
telalters die Renaissance
an demjenigen Gebäude,
das unter allen Holzhäu-
sern Deutschlands wohl
unbestritten als das groß-
Abb. 286 Knocbenhaueramthaus zu Hildeslieim artigste dasteht, dem
Knochenhaueramthaus,
an der nordwestlichen Ecke des Marktes.^) (Abb. 286.) Es ist ein riesig auf-
getürmter Giebelbau, im Erdgeschoß mit zwei kleinen Erkern ausgestattet, dar-
1) Vgl.Bühlers, Über die Entwicklung des Hildesheimer Profanbaues. Hildesheim 1882.
C. Lachner, Die Holzbauten Hildesheims. Leipzig 1896. Uhde, Der Holzbau, Fig. 204, 248 — 55.
Bau- und Kunstdenkm. d. Prov. Hannover.
2) Aufn. bei Ortwein, D. Ren. XXXV. Abt. Taf. 1 — 3.
Hildesheim
451
über die Fenster eines Halbgeschosses, in der Mitte ein weites Bogenportal, das in
seiner Einfassung mit geschnitzten Kandelabersäulchen, Putten und Gehängen den
frühen Eintritt der Renaissance erkennen läßt. Darüber erheben sich, mit weit
vorgestreckten Balkenköpfen herausgebaut, vier obere Stockwerke, von denen zwei
dem Giebel angehören. So ergeben fünf Reihen mächtiger Konsolen mit ihrem
reichen Schnitzwerk, verbunden mit den ebenso verschwenderisch geschmückten
Schwellbalken, eine unvergleichlich malerische Wirkung. Die Behandlung der
Formen weicht aber von dem in Braunschweig und Halberstadt Üblichen erheblich
ab und begründet die später an allen Hildesheimer Bauten wiederkehrende Auf-
fassung. Diese besteht darin, daß die feine, durch Auskehlen, Einkerben und
Unterschneiden gewonnene plastische Gliederung fortfällt, und an ihrer Statt die
Schwellbauten in rechteckigem Durchschnitt einen ununterbrochenen Friesstreifen
darstellen, der mit flachgeschnitzten Ornamenten ausgefüllt wird. Ferner wird an
der Unterseite der Hölzer zwischen den Balkenköpfen zur Ausfüllung ein schräg-
gestelltes Brett angebracht, auf dem ornamentale Muster aufgemalt werden. Einer-
seits erkennt man in dieser Vereinfachung der Grundformen die Einwirkung des
Steinstils, andrerseits in dem Zurückdrängen plastischer Gliederung das Streben
nach gemaltem Zierat. Auch die Fensterbrüstungen werden durch aufgemalte
Fächermuster belebt. (Das Haus ist in neuerer Zeit treffUch restauriert worden.)
Unerschöpflich reich ist der plastische Schmuck an diesem großartigen
Giebel. An den Konsolen herrschen mittelalterliche Elemente vor, in derber
humoristischer Auffassung; in den Friesen dagegen sind die Friese der Früh-
renaissance in musizierenden und spielenden Kindern, in Blumen- und Frucht-
schnüren, in Kandelabersäulchen u. dgl. überwiegend. An der Seitenfassade sind
wiederum die mittelalterlichen Formen, die gotischen Blattranken u. dgl. noch in
Kraft. Die Behandlung des Einzelnen ist von verschiedenem Werte, die Friese
der Hauptfront von großer Tüchtigkeit.
Außer diesem monumentalen Prachtstück gibt es wenige Holzbauten hier,
welche den Charakter der Frühzeit tragen und damit noch Elemente der Spät-
gotik verbinden. Ein Haus der Schelenstraße vom Jahr 1540 zeigt eine große
Einfahrt, geschmückt mit Renaissancesäulchen und phantastisch verschlungenen
Drachen; letztere noch vöüig im Charakter des Mittelalters. Auch die Fenster
haben gotische Details, die Konsolen kräftige Köpfe, die Schwellen gemalte Orna-
mente. Überwiegend mittelalterlich mit spärlichen Elementen der Renaissance ist
auch das Haus zum Goldenen Engel in der Kreuzstraße, vom Jahre 1548, aus-
gezeichnet durch doppelte Erker, zwischen welchen der mittlere Giebel dominierend
emporsteigt. Dieser Mischstil erhält sich hier ungewöhnlich lange, so an einem
Hause von 1557 in der Almstraße Nr. 32, wo die Schwellbalken den gotischen
Vorhangbogen zeigen und an den Brüstungen ein feines Fächerornament auftritt.
Dasselbe wiederholt sich, wahrscheinlich von gleicher Hand ausgeführt, Schelen-
straße Nr. 286. Ebenso daselbst Nr. 280 vom Jahre 1560, wo jedoch im oberen
Stock der bekannte, um einen Stab gewundene gotische Laubfries vorkommt.
Überwiegend mittelalterhch ist sogar noch ein Haus im Kurzen Hagen vom Jahre
1564. Hier findet sich auch an den Konsolen ein oft vorkommendes, sehr ein-
faches Ornament, aus mehrfach wiederholten eingekerbten Dreiecken bestehend.
Dasselbe auch an einem großen Hause der Jakobistraße. Überwiegend gotisch
ist selbst noch ein kleines Haus der Eckemäkerstraße vom Jahre 1566. Dagegen
kommt in der Schelenstraße Nr. 312 die völlig ausgebildete Renaissance mit dem
Datum 1563 in den kräftigen Schnecken der Konsolen, den Pilastersystemen der
Wände, den figürlichen Reliefs des Erkers zur Herrschaft.
Mit den achtziger Jahren, vielleicht auch schon etwas früher, tritt nun
im Holzbau der ausgebildete Stil der Renaissance auf, der dann bis tief ins
452
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
17. Jahrhundert hinein die bürgerliche Baukunst beherrscht. Die Fassaden dieser
Art sind noch jetzt so zahlreich vorhanden, daß sie im wesentlichen den archi-
tektonischen Eindruck der Stadt bestimmen.') Was zunächst ihre Anlage be-
trifft, so kommt dafür die äußerst häufige Verwendung des Erkers wesentlich
in Betracht. Fast jedes Haus hat wenigstens einen derartigen Ausbau, der oft
schon vom Erdgeschoß,
bisweilen mit dem ersten
Stock beginnt, die ganze
Höhe der Fassade ein-
nimmt und mit selb-
ständigem Giebel ab-
schließt. Am schönsten
ist aber die Gruppierung
da, wo zwei Erker in
symmetrischer Anlage
die Fassade einfassen.
Durch ihre Giebelab-
schlüsse, zwischen wel-
chen dann der Haupt-
giebel höher empor-
steigt, wird eine rhyth-
mische Bewegung und
eine pyramidale Gipfe-
lung erreicht, welche
diesen Fassaden (Abb.
287) hohe architekto-
nischeWirkung verleiht.
In der Gliederung
und Ausschmückung
herrscht völlig das Ge-
setz der Renaissance
und zwar die Nachbil-
dung des Steinbaus.
Die ganze Fassade wird
in Holz durchgebildet,
so daß alle Teile der
Konstruktion als Teile
eines antikisierenden
Abb. 287 Wedekindsches Haus zu Hildesheim ^'JS BausystemS erscheinen.
(Aufnahme der Neuen Photogr. Gesellschaft, Steglitz) Die vortretenden Bal-
kenköpfe werden von
kräftigen Konsolen getragen. Die Schwellbalken bilden einen durchlaufenden Fries,
der mit Ornamenten bedeckt ist. Eine nachdrückhche vertikale Teilung wird
durch flachgeschnitzte, in die Ständer eingetiefte Säulen, Pilaster oder Hermen
bewirkt. Ihre Fortsetzung und Verbindung erhalten diese einzelnen Systeme durch
die pilasterartige Einteilung der breiten Fensterbrüstungen. An diesen entfaltet
sich in figürHchen Reliefs der unerschöpfliche Reichtum dieser Schule. Antike
Mythologie und Geschichte, Altes und Neues Testament, Allegorie und Parabel
schütten hier einen reichen Inhalt aus. Verbindet man damit die zahlreichen,
meist belehrenden Inschriften, so erhält man einen BUck in die Anschauungen
jener Zeit, der wohl einmal vom Stan^lpunkt der Kulturgeschichte ausführlichere
1) Zahlreiche Aufn. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 12—23.
Hildesheim
453
Darstellung verdiente. Um die zierliche Anmut des Ganzen zu vollenden, sind alle
Hauptlinien durch die feinen Glieder antiker Kunst, durch Zahnschnitte, Konsolen,
Perlschnur und Eierstab belebt. Eine vornehme Schönheit ist über die besten
dieser Werke ausgegossen, die den Mangel einer ganz strengen konstruktiven Ent-
wicklung der Ornamentik übersehen läßt und selbst mit dem häufig hervortretenden
Ungeschick im Figürlichen aussöhnt. Allerdings liegt das Schwergewicht dieser
unermeßlich reichen Schnitzkunst, die in der ganzen Bevölkerung eine allgemein
verbreitete Lust an heiterem Schmuck des Lebens voraussetzen läßt, durchaus
nach der Seite einer mehr malerischen Richtung, zu der die nordische Baukunst
ja überhaupt im Gegensatz zu der südlichen vorwiegend neigt.
Ich beginne mit dem Musterbeispiel dieses Stiles, dem Wedekindschen Hause
vom Jahre 1598 am Markt, das neuerdings durch sorgfältige Restauration seinen
ursprünglichen Glanz wiedergewonnen hat. Der großartige Aufbau mit zwei
Erkern, deren Giebel mit dem Mittelgiebel einen imposanten Abschluß bilden, die
reiche Verzierung, welche sich über alle Teile ausbreitet, ist aus unserer Abb. 287
genügend zu entnehmen. Einfacher und schlichter ist ein Haus von 1585 in der
Almstraße 28. Ebendort Nr. 20 ein kleiner Erker von 1598, ohne figürlichen Schmuck,
aber durch ionische Säulchen, Voluten und Barockrahmen lebendig gegliedert;
Nr. 25 ein ähnlicher Erker, nur flacher behandelt. In ähnlicher Weise zeigt ein
Haus im Langen Hagen vom Jahre 1591 bei ganz schlichter Ausführung einen
durch kannelierte Pilaster und Rankenfriese geschmückten Erker. Eins der
reichsten und prächtigsten Häuser mit der Jahreszahl 1608 sieht man im Hohen-
weg Nr. 391, mit zwei symmetrisch angebrachten Erkern in beiden Hauptgeschossen.
Die Konsolen energisch in antiker Form; die Ecken mit Säulen eingefaßt, alle
Flächen mit Ornament und Figürlichem, den Elementen, Jahreszeiten, Planeten,
Tugenden usw. bedeckt. Ebenda 394 ein kleineres Haus mit einem durch korin-
thische Säulen und Schweifwerk dekorierten Erker. Dasselbe Motiv, ohne Erker,
an dem Hause 393. Eine ganz große prachtvoll ausgeführte Fassade in der-
selben Straße Ecke der Stobengasse mit kräftigen Konsolen, Säulen und barocken
Atlanten, an den Brüstungen die Taten des Herkules, die Beschäftigungen der
Monate usw. von einer geringeren Hand geschnitzt. Ebendort, Ecke der Markt-
straße, ein ähnliches Haus, vielleicht von demselben Meister.
Ein Haus in der Marktstraße Nr. 318 mit zwei Erkern, datiert 1611, ist
ebenfalls bis in die Giebel hinauf mit Ornamenten und Figuren bedeckt, unter
denen man Chiron, Apollo, Äskulap usw. erkennt. Zwei reiche Erker hat auch
ebendort Nr. 59 vom Jahre 1601, doch fehlt hier der figürliche Schmuck. Da-
gegen bietet Nr. 60 einen mit Reliefs reich dekorierten kleinen Erker. Ein
ebenfalls reicher Erker ist an einem Hause der Eckenmäkerstraße vom Jahre
1608. Ebenda am Ausgang der Straße gegen die Andreaskirche ein überaus
reiches Haus mit Erker. Gleich daneben ein anderes von 1615, zu den zierhchsten
dieser Art gehörend, außerdem reizvoll und geschickt um die stumpfe Straßen-
ecke gebaut, mit zwei in den Obergeschossen vortretenden Erkern. Auch in der
Altpetristraße sieht man ein ähnhches unregelmäßig angelegtes Haus mit derb
geschnittenen Reliefs aus dem Alten Testament, mit barocken Friesen und Laub-
gewinden. Ein sehr stattliches Beispiel ist in der Eckemäkerstraße das Rolands-
hospital vom Jahre 1611, mit einem die Hälfte der Fassade einnehmenden Erker
und Reliefs aus dem Alten Testament und den Beschäftigungen der Jahreszeiten.
Ungemein großartig ein Eckhaus an der Osterstraße vom Jahre 1604 mit Einzel-
figuren von Herrschern und Tugenden und mit riesig hohen Giebeln am Erker
und der Fassade. Eine der besten Arbeiten endlich ist ein Haus vom Jahre 1623
an der Andreaskirche, im Erdgeschoß mit einem auf steinernen Pfeilern ruhenden
Durchgang, das Figürliche und Ornamentale sehy.gut behandelt.
454
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Der Steinbau ist hier nur in vereinzelten Fällen zur Anwendung ge-
kommen, hat aber wenigstens ein Prachtstück ersten Ranges hervorgebracht: das
sogenannte Kaiserhaus im Langen Hagen vom Jahre 1587, erbaut vom
Dr. jur. Borkolt, der in Bologna studiert hatte und erst aus Italien die Vorliebe für
den Steinbau mitbrachte. Unsere Abb. 288 gibt von dem Reichtum der langen Front
Abb. 288 Vom Kaiserhaus zu Hildesheim
an der Straße eine Andeutung/) Schon am Sockel beginnt die Ornamentik, mit
Kaisermedaillons und Metallornamenten alle Flächen zu überspinnen ; die höchste
Steigerung erreicht sie im Hauptgeschoß, dessen Fenster mit vortretenden ionischen
Säulen und prächtigen Friesen eingefaßt sind, während Statuen römischer Kaiser
die Zwischenräume ausfüllen. Noch üppiger wird der Erker durch kraftvolle
figürlich belebte Konsolen, Hermen, ReUefs und Figurenfriese charakterisiert. Der
obere Stock hat sich dafür mit absoluter Dürftigkeit begnügen müssen; die Mittel
haben offenbar zu weiterer Durchführung nicht ausgereicht. Dagegen ist die
lange Hofseite, welche auch den Eingang enthält, in ähnlichem Reichtum, wenn
auch in minder energischen Formen, mit Metallornamenten bedeckt und durch
ein kleineres System ionischer Pilaster samt phantastisch barocken Hermen ge-
gliedert. Die Figuren zeugen von großer Anstrengung, aber unbedeutender Hand.
Ein vereinzeltes Werk derselben Spätzeit ist der stattliche und reich aus-
geführte Erker, welcher 1591 der Fassade des sogenannten Templerhauses am
Markt, einem strengen frühgotischen Bau, angefügt wurde. Leider inzwischen
verstümmelt. Er zeigt ähnliche Pracht der Dekoration, die im Figürlichen indes
nur mittelmäßigen Wert behauptet.
Dagegen gehört der frühen Renaissancezeit der Brunnen auf dem Markt,
dessen ackteckiges Becken von Kandelabersäulchen eingefaßt und an den Flächen
1) Vgl. die Aufn. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 24 u. 25.
Hildesheim 455
Abb. 289 Lettner im Dom zu Hildesheim
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
mit je zwei antikisierenden Brustbildern geschmückt ist. In der Mitte eine ele-
gante Säule, von einer Ritterfigur bekrönt. Man liest die Jahreszahl 1540.^)
Ein wahres Meisterstück der besten frühen Renaissance ist endlich der
steinerne Lettner (Abb. 289), der den Chor im Dom vom Schiffe trennt, mit
der Jahreszahl von 1546 auf beiden Seiten bezeichnet, eine Stiftung des Dom-
herrn Arnold Freitag ; ein Werk nicht bloß höchster dekorativer Pracht, sondern
auch edelster künstlerischer Anlage und Ausführung. In westfälischem weißen
1) Ebenda Taf. 32—39.
m
456
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Kalkstein mit größter Delikatesse gearbeitet, schließt er den Chor in ganzer Breite
ab, nur von zwei Türöffnungen durchbrochen, die ein prächtig stilisiertes Gitter
von Schmiedeisen ausfüllt. Dazwischen baut sich vieleckig eine Kanzel vor,
neuerdings als Altar benützt. Ornamentierte Pilaster und Friese gliedern den
Aufhau und rahmen kleinere Felder, mit Reliefbildern aus der Passion und aus
dem Leben der Madonna
geschmückt, ein. Über
dem Hauptgesimse, das
durch einen herrlichen Ran-
kenfries vorbereitet wird,
erhebt sich ein attiken-
artiger Aufsatz, von fünf
nach der Mitte aufsteigen-
den, in der Höhe abge-
stuften Halbkreisfeldern
abgeschlossen. Auf dem
mittleren und höchsten ein
großartiges Kruzifix mit
edel in Holz geschnitztem
Christus; auf den beiden
benachbarten Bogengie-
beln Maria und Johannes.
Die Konsolen, auf welchen
die Figuren ruhen, werden
von Kandelabersäulchen
unterstützt. Der edle Stil
der die innere wie äußere
Seite des einzig schönen
Werkes bedeckenden Bild-
hauereien erinnert etwa
an Holbeinsche Art, und
auch die im Charakter
zierlicher Frührenaissance
durchgeführteArchitektur,
die im Aufbau und den
Einzelheiten noch manche
iiültelalterliche Reminis-
zenz zeigt, steht in An-
mut und freiem Schwung
den Schöpfungen dieses
Meislers nahe. Offenbar haben zu dem Aufbau gewisse Radierungen der Ge-
brüder Hopfer die Anregung gegeben. Man darf nach alledem nur an einen
deutschen Künstler denken, der hier in Stein ein Werk geschaffen hat, das hinter
dem Meisterwerk deutschen Erzgusses, dem Sebaldusgrabe Peter Vischers, kaum
zurücksteht.
Dieser Meister ist ohne Zweifel der Bildhauer der wundervollen beiden
Bischofsdenkmäler im Trierer Dom, des ähnlichen Denkmals des Dechanten Mel-
linghaus in der Johanniskirche zu Osnabrück, des Erkers am Schlosse in Burg-
steinfurt und zahlreicher kleinerer westfälischer Werke : der jüngere Johann Bel-
densneder (der eigentliche Name ist noch nicht gefunden) zu Münster.
Wir freuen uns, in Hildesheim ein solches Weik noch zu besitzen, und
zwar an ursprünglicher Stelle, wo das zweite gleichartige, doch etwas ältere Werk
Abb. 2iK3 Kreuzkirclie zu Hannover
(Aus: Eoß, Malerische Monumentalarchitektur)
Hannover
457
desselben Künstlers, der wundervolle Lettner im Dom zu Münster, unbegreif-
licher Freilegerwut hat weichen müssen.
Eine besondere Bedeutung nimmt nun auch die Stadt Hannover in An-
spruch. Im 15. Jahrhundert der Hansa beigetreten, zeigt die Stadt seit jener
Zeit in ihren Monumenten deutliche Spuren wachsender Macht und künstlerischen
Sinnes. Nicht bloß in kirchlichen Werken, sondern auch in städtischen Profan-
bauten, wie der feinen Gotik des Rathauses, tritt dies schon im Ausgang des
Mittelalters in die Erscheinung.^) Bezeichnend sind die schönen kupfergedeckten
Kirchtürme. Der der Kreuzkirche ist von flüssigstem Umriß, 1630 neu auf-
gesetzt, mit einer Durchsicht, wenig geschweift, die schlanke Hauptspitze mit
kleinen Spitzerkern besetzt (Abb. 290). Die Johanneskirche, 1670 erst vollendet,
hat einen ähnlichen Turm und ist eine rechteckige Saalkirche mit hölzernem
Tonnengewölbe und Emporen, von denen eine jetzt entfernt ist. Die äußere
Architektur, am Chor erhalten, stark holländisch mit Strebepfeilern und zwei
rechteckigen Fenstergeschossen. Dazwischen dicke Girlanden. Ein bürgerlich
wackerer Bau. Aber auch der Wohnhausbau bleibt nicht zurück, erhebt sich viel-
mehr besonders in der Epoche der Renaissance zu edler Blüte. Drei verschiedene
Systeme begegnen sich hier : der norddeutsche Backsteinbau, der weniger an den
Kirchen, als in den älteren Teilen des Rathauses (1455 vollendet) und an Wohn-
hausbauten eine glänzende Anwendung erfahren hat ; der norddeutsche Fachwerk-
bau, der u. a. in dem 1844 abgebrochenen Apothekenflügel des Rathauses vom
Jahre 1566 sich glänzend aussprach; und endlich der durch die Renaissance ein-
gebürgerte Quaderbau, der durch die Sandsteinbrüche des benachbarten Deister-
gebirges gefördert wurde.
Wir beginnen mit den Steinbauten, die eine besondere Feinheit in der Aus-
bildung des Renaissancestiles bekunden. Das Charakteristische ist hier, daß fast
ohne Ausnahme die Häuser ihre Giebelseite nach der Straße kehren und diese
nach Höhe und Breite ungemein imposant entwickeln. Die Portale sind im Rund-
bogen geschlossen und einfach, doch kräftig ausgebildet. Zahlreiche feine Ge-
simse teilen die Stockwerke und verbinden die Fensterbrüstungen. Ebenso sind die
hohen Giebel gegliedert und an den Kanten meist durch Voluten und pyramidale
Aufsätze belebt. Dagegen fehlt diesen Fassaden die vertikale Teilung durch
Pilastersysteme. Ihren Hauptreiz haben sie in der eleganten Architektur der
Fenster, die fast stets eine Einfassung und Teilung durch feine Säulenstellungen
erhalten. Um den malerischen Eindruck zu verstärken, wird in der Regel ein
stattlicher Erker, rechteckig, vom Erdgeschoß anfangend, vorgelegt, der durch
gesteigerten Reichtum in Gliederung und Ausschmückung den Charakter eines
besonderen Prachtstückes gewinnt.
Das Hauptwerk dieser Architektur ist das Leibniz haus in der Schmiede-
straße, das dem großen Philosophen als Wohnung gedient hat. Es trägt das
Datum 1652^); der König Ernst August, der es für den Staat erwerben ließ, setzte
über sein Portal das schöne Wort: „Posteritati". In dem machtvollen Aufbau, der
klaren Gliederung, dem reichen figürlichen Schmuck, am Erker aus Szenen des Alten
und Neuen Testaments bestehend, und der prächtigen, überall sich ausbreiten-
den barocken Ornamentik gestaltet sich die Fassade zu einer hervorragenden
Schöpfung der Zeit (Abb. 291), Im Inneren zeigt das mächtige Haus, vom Her-
ausgeber hergestellt, die riesige durch zwei Geschosse reichende Diele mit Galerie,
1) Reichhaltiges Material in Aufnahmen und histor. Darstellung inMithoffs Archiv
für Medersächs. Kunstgesch. und in dess. Verf. Kunstdenkm. im Hannoverschen. 1. Abt. Dazu
Ortwein, XXIV. Abt. von W. Bubeck.
2) Die Angabe 1552 in Mithoffs Kunstdenkm. I, 88 beruht auf einem Druckfehler. Vgl.
die Aufn. bei Ortwein a. a. 0. Taf. 1 — 3.
458
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel
Niedersachsen
Abb. 291 Leibnizhaus zu Hannover
von kolossalen Eichensäulen
getragen. Gleich daneben
zur Rechten ein Haus von
ähnlicher Anlage, ebenfalls
mit einem Erker geschmückt,
die Fenster von Säulen ein-
gefaßt, der Giebel schlicht
geradelinig, das Ganze aber
in den Formen von j ener Zart-
heit und Delikatesse, welche
ein spezifisch hannoverscher
Zug ist. Am untern Teil
der Säulen z. B. ganz feine
lineare Ornamente, in den
einzelnen Stockwerken die
verschiedenen Säulenord-
nungen verwendet. In dem
Hause befindet sich noch
rechts der alte Laden aus der
späten Renaissancezeit, ihm
gegenüber das fliesengetä-
felte Kontor. Etwas jünger,
in den Formen trockner, die
Säulen ausschließlich im
dorischen Stil, der stolze,
schräg gegenüberliegende
Giebelbau des „Römischen
Kaisers", ebenfalls miteinem
Erker versehen. Die Fahne
auf dem Giebel trägt die
Jahreszahl 1658. Die Lang-
seite Fachwerk. Genau die-
sem Bau entsprechend, wahr-
scheinlich von demselben
Meister ausgeführt, das Eck-
haus am Markt Nr. 16. In
der Schmiedestraße Nr. 5 ein
ähnliches, aber ohne Erker,
in den Friesen reiche Metall-
ornamente.
Ein üppiger, schon stark
barocker Giebel mit Masken
und andern Ornamenten
Leinstraße Nr. 3 (der untere
Teil der Fassade nüchtern
modernisiert). Ebenda Nr. 32
ein stattliches etwas trocken
behandeltes Haus mit einem
eleganten Erker vom Jahre
1583. Am Markte gleich bei
dem Kircheneingang stand
früher eine imposante Fas-
Hannover
459
sade von 1663, dem Leibniz-
haus an Reichtum nahe-
stehend, doch ohne Erker
und Giebel, die jetzt in der
Lavesstraße neu aufgebaut
ist (Abb. 292).
Ausnahmsweise hat
dies Haus sehr stattliche
Verhältnisse und hohe Stock-
werke, die durch ihre Pfei-
lerstellungen ein noch vor-
nehmeres Gepräge gewinnen.
Vergleicht man sie mit den
sonst durchweg üblichen
niedrigen Geschossen, so er-
kennt man auch darin leicht
die Einwirkung fremdlän-
discher Sitte.
Eins der früher schön-
sten Werke vom Jahre 1621,
Lange Laube Nr. 2, das so-
genannte „Haus der Väter",
ist 1852 abgebrochen, aber
durch Mithoff für Professor
Oesterley mit Beibehaltung
aller alten Teile in einer den
modernen Anforderungen
entsprechenden Gestalt wie-
der aufgebaut worden, leider
unter Aufgabe des einstigen
riesigen Giebels.^)
Mehrmals verbindet
sich an den Fassaden, ähn-
lich wie in dem benachbarten
Braunschweig, der Steinbau
mit dem Holzbau, so daß
Erdgeschoß und erster Stock
dem ersteren gehören, die
oberen Teile in Fachwerk
ausgeführt sind. So in un-
gemeinreizvollerVerbindung
an einem Hause Roßmühle
Nr. 8, wo besonders der Stein-
bau zu hoher Eleganz durch-
gebildet ist. Ähnlich Köb-
lingerstraße Nr. 9, wo auch
der Fachwerkbau zierlich
entwickelt ist, und die un-
teren Teile die hier so be-
liebte Säulenarchitektur der
1) Aufn. bei Ortwein a. a.
0. Taf. 11—18.
Abb. 292 Haus früher an der Marktkirche m Hannover
■HÜHIIIi
460
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Fenster in edelster Behandlung zeigen. In derselben Weise die einstige „Hof-
schule" Burgstraße Nr. 23 vom Jahre 1620, durch prächtigen Erker ausgezeichnet,
jetzt abgebrochen.^) Ein kleines Haus desselben Mischstils Knochenhauerstraße
Nr. 61, das Erdgeschoß zum Teil modernisiert, das übrige fein und elegant. In
derselben Straße Nr. 7 zeigt ein Haus von 1594 einfache Steinarchitektur, aber
reich und kraftvoll entwickelten Holzbau.
Abb. 293 Griebel an dor Osterstraße zu Hameln ISlf^
Endlich gibt es einige reine Fachwerkbaulen im Renaissancestil. Schmiede-
straße Nr. 11 ein Haus von 1554, nicht eben bedeutend, aber die Balkenköpfe
elegant als antikisierende Konsolen gestaltet. Das heute stattlichste, Nr. 15 am
Markt, hat an den Fensterbrüstungen das Muschel- oder Fächerornament in be-
sonders schöner Ausbildung. Besonders reich ist das ältere Haus Burgstraße
Nr. 28, an den Schwellen mit kräftig gerippten Rundstäben, an den Fenster-
brüstungen das Fächerornament, dazu reicher Blumen- und Laubschmuck. Ein
ähnliches kleines in der Röselerstraße. Ein inzwischen abgebrochenes Haus in
der Knochenhauerstraße war in der Mitte durch aufgesetzten Dacherker, an den
Seiten durch zwei symmetrisch angebrachte Elker belebt.
1) Abb. bei Fritsch a. a. 0.
Gandersheim Hameln
461
In Gandersheim sind mehrere Bauwerke, die an Hannoversche Stein-
architektur anklingen. Das uralte hochberühmte Damenstift, dessen Abteikirche
zu den wichtigsten Denkmälern der romanischen Epoche gehört, erlitt im Jahre
1597 unter der Äbtissin Anna Erika von Waldeck einen Brand, der die Residenz
zerstörte und den Neubau des südlichen Teils der Abtei veranlaßte. Dieses in den
Jahren 1599 und 1600 ausgeführte Werk, als dessen Meister Henrich von Oevekate
genannt wird, zeigt eine kräftige Steinarchitektur mit einem stattlichen, durch
zwei Erker bereicherten Giebel. Die Behandlung ist kraftvoll in einem schlichten
Stil, der nur mäßige Anwendung barocker Elemente zeigt. Besonders sind die
Schneckenabschlüsse am Giebel und den beiden Erkern frei von den bunten Will-
kürlichkeiten dieser Spätzeit. Doch kommt in den Brüstungen, an den Fenster-
wänden und Gesimsen der Erker das Kartuschenwerk und das lineare Flächen-
ornament der Epoche zu wirksamer Verwendung. Der kleinere Erker ist mit
kannelierten und gegürteten, am unteren Teil des Schaftes reich geschmückten
ionischen Pilastern gegliedert. Verwandten Charakter zeigt das 1581 neu erbaute
Rathaus, welches 1588
noch eine Erweiterung er-
hielt. Es ist ein stattlicher
malerischer Bau mit tüch-
tig behandelten Portalen
in dem kräftigen Stil der
Zeit, durch reiches Kar-
tuschenwerk belebt. Der
Hauptsaal wird nach drei
Seiten durch Erker erleuch-
tet, die auf kraftvoll be-
handelten Konsolen vorge-
kragt und durch schlanke
korinthische Säulen ge-
teilt sind.*)
In den mittleren We-
sergegenden, deren reiche
Schloßbauten wir schon
kennen lernten, gehört zu-
nächst Hameln zu den
wichtigeren Orten der nord-
deutschen Renaissance.^)
Der bürgerliche Privatbau
hat hier aus der entwickel-
ten Renaissance eine Reihe
großartiger Monumente
hinterlassen, die von dem
Reichtum und der Kunst-
liebe des damaligen Bürger-
tumes glänzendes Zeugnis
geben. Es sind fast durch-
1) Aufnahmen bei Ort-
wein XXX. Abt. von Bohnsack.
2) Vgl. Mithoff, Kunst-
denkm. I, 58 ff. und die Aufn.
der Architekturschule zu Han-
nover. Dazu Ortwein, XII. Abt. ^bb. 294 Eattcnfängerhaus zu Hameln '6^i
von Dreher und Grrisebach. (Aufnahme der Neuen Photogr. Gesellschaft, Steglitz)
462
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
weg Steinbauten, nicht von der Feinheit der Hannoverschen, sondern in dem
kraftvoll malerischen Charakter der Hämelschenburg. Meistens Giebelfassaden,
in den energischen Formen der entwickelten Zeit gestaltet und mit einem oder
auch zwei Erkern ausgestattet. So die beiden Häuser der Osterstraße Nr. 9 mit
einem, Nr. 12 mit zwei Erkern. Von dem ersteren, welches die Jahreszahl 1589
trägt, geben wir nach Ortwein unter Abb. 293 den Giebel, der trotz seiner phan-
Abb. 295 Hochzeitshaus zu Hameln
(Aufnahme der Neuen Photogr. Gesellschaft, Steglitz)
tastisch geschweiften Bekrönungen durch die klare Einteilung und lebensvolle
plastische Gliederung einen vornehmen Eindruck macht. Das früheste dieser
Steinhäuser ist aber die inschriftlich 1569 vollendete Fassade des Hauses Bäcker-
straße Nr. 16, das der Patrizier Johann Rieke errichten ließ.^) Hier ist die ganze
Behandlung von strenger Einfachheit, das Portal sogar noch spitzbogig, die Fenster
mit mittelalterlicher Umrahmung, der Giebel nur durch kräftige Gesimse und
einfache Lisenen gegliedert. Bezeichnend ist besonders, daß die Absätze des
Giebels durch schön geschwungene eingekerbte Voluten bekrönt werden, die noch
nichts von den späteren krausen Schnörkeln und barocken Schweifen, von Obe-
lisken u. dgl. kennen und der Fassade ein ungemein edles Gepräge verleihen.
Hier findet sich nun das früheste Beispiel der auch in diesen Gegenden be-
liebten ungemein stattlichen Erkerbauten, die vom Erdgeschoß in breiter recht-
winkliger Anlage bis zum oberen Stockwerk aufsteigen und mit einem reich-
geschmückten Giebel abschließen. Sie verleihen den Zimmern in beiden Ge-
schossen eine willkommene Erweiterung und durch die Seitenfenster nach beiden
1) S. Ortwein a. a. 0. 3. Heft Taf. 1 u. 2.
Hameln
463
Richtungen einen freien Blick auf den Straßenverkehr. Einen besonderen Schmuck
empfängt diese edle und strenge Fassade durch zwei auf Konsolen neben dem
Portal hervorspringende elegante Baldachin-Nischen mit dem Wappen des Be-
sitzers nach Art der Danziger Beischläge. Eine weitere Entwicklung dieses Fas-
sadentypus zeigt ein Haus in der Osterstraße vom Jahre 1576.^) Hier ist das
Spitzbogenportal mit Rustika-Quaderwerk dekoriert, der Giebel aber bereits mit
reicheren verschnörkelten Voluten abgeschlossen. Die Fassade erhält außerdem
als die einzige in der Stadt durch zwei symmetrisch angebrachte Erker ein be-
sonders stattliches Gepräge. Eine noch weitere, noch krausere und reichere Aus-
bildung desselben Typus bringt dann die oben besprochene Fassade von 1589.
Es ist wertvoll, an diesen drei Beispielen innerhalb derselben Stadt die Formen-
entwicklung durch zwanzig Jahre verfolgen zu können. Um 1600 dringt dann
jedenfalls aus Niederdeutschland eine neue Behandlung ein, welche durch mit
Kristallschnitten auf das reichste geschmückte Quaderbänder eine noch derbere
Ausdrucksweise erstrebt und auch an den Giebeln noch mehr eigenwiüiges
Volutenwerk häuft. Das prachtvollste Werk dieser Gattung ist das sogenannte
Rattenfängerhaus vom Jahre 1602.^) (Abb. 294.) In seiner derben Ausstattung
von verzierten Quaderbändern und energischer, durch alle Geschosse reichenden
Pilasterarchitektur, den kolossalen Giebel mit phantastischen Schweifen eingefaßt,
im Erdgeschoß und ersten Stock ein reicher Erker, erinnert dieser imposante Bau
durchaus an die späteren Teile der Hämelschenburg und muß wohl als Werk
des gleichen Meisters betrachtet werden. Von demselben Stil, nur in etwas ein-
facherer Behandlung, welche auf die reichen Pilasterstellungen verzichtet, auch der
gleichen Hand zuzuschreiben, ist das grandiose Hochzeitshaus^'), das die Stadt
mit ungewöhnlichem Auf-
wände 1610 errichten ließ
(Abb. 295). An den beiden
Schmalseiten erheben sich
stattlich-reiche Giebel, und
an der langen Straßenfront
sind drei Dacherker in ähn-
lichen Formen ausgebaut.
Das Haus war nicht bloß für
die Hochzeitsfeste der Bür-
ger, sondern auch für andere
öffentliche Zwecke und Ver-
sammlungen bestimmt. End-
lich darf man vielleicht dem-
selben Meister das Haus Nr. 7
am Pferdemarkte zuschrei-
ben, das der Bürgermeister
der Stadt Tobias v. Dempter
1607 für sich erbauen ließ.*)
(Abb. 296.) Die unteren Teile
sind in ähnhchem Stil in
Sandstein ausgeführt, die obe-
ren aber in reichgeschnitztem
1) S. Ortwein a. a. 0. Heft 3,
Taf. 3.
2) Ebenda, Heft 3, Taf. 5—8.
3) Ebenda, Heft 2, Taf. 1—4.
4) Ebenda, Heft 1, Taf. 1 — 6. Abb. 296 Demptersches Hans zu Hameln I^O'
464
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
Fachwerkbau. Außerdem kommen auch reine Holzbauten vor ; so das schön ge-
schnitzte Haus Nr. 8 an der Osterstraße, andere an der Bäckerstraße, der Groß-
hofstraße, ein besonders frühes und schönes an der Wendenstraße vom Jahre 1560,
ein ähnlich reich und elegant ausgeführtes von 1561 an der Fischpfortenstraße;
eins der prachtvollsten sodann, mit ungemein reich und energisch behandelter
figürlicher Ausstattung der Knaggen ist das Stiftsherrenhaus vom Jahre 1588 in
der Osterstraße. Alle diese Beispiele zeigen eine besonders edle plastische Be-
lebung der Schwellhölzer und Kopfbänder, sowie der Fensterbrüstungen, die durch
ein muschel- oder fächerförmiges Ornament (ähnlich, aber noch mannigfaltiger
als unsre Abb. 297) geschmückt werden.^) Wir haben wenige Städte in Deutsch-
Abb. 297 Vum Hiitteselicii Haus zu Höxter
land, in welchen Steinbau und Fachwerkbau in so reicher künstlerischer Entwick-
lung neben- und miteinander wetteifern. Endlich sei auch der charaktervollen
zahlreichen Wetterfahnen gedacht, von denen unsere Abb. 298 nach Ortwein
Proben gibt.
Weiter südwärts in den Städten dieses Gebietes herrscht der Holzbau vor.
So in besonders eleganter Weise in Höxter, über dessen Bauten ich mich hier
kurz fassen kann.^) Die Bauten zeigen hier teils die Giebelform, teils die breitere
Anlage, welche dann durch Dacherker malerisch belebt wird. In der eleganten
und kraftvollen Durchbildung der Schwellhölzer, der Kopfbänder und Konsolen
sowie der Fensterbrüstungen mit ihren vielfach variierten Muschel- oder Fächer-
formen (Abb. 299) gehören sie unbedingt zu den schönsten Schöpfungen dieses
Stils. Musterhaft ist dieser an der Dechanei vom Jahre 1561 entwickelt, durch
stattUchen polygonen Erker ausgezeichnet (Abb. 299); noch durchgebildeter an
dem Hütteschen Hause vom Jahre 1565, wo namentlich das Rundhogenportal eine
herrliche Einfassung im besten Schnitzstil zeigt. Einfacher, mehr durch phan-
tastisches Rankenornament belebt, der Erker am Frieseschen Hause von 1569.
1) Von allen diesen gibt Ortwein a. a. 0. Heft 2 und 3 Beispiele.
2) Ortweins Deutsche Renaiss. Abt. V, von B. Liebold.
Höxter Münden
465
An den späteren Häusern
geht der Holzbau zu einer
Nachahmung- der Steinfor-
men der Renaissance über.
So an dem reich behandelten
Vorbau des Wilkeschen Hau-
ses von 1642 und an dem
ungefähr gleichzeitigen Er-
ker und Torweg des soge-
nannten Tillischen Hauses.
Manches Interessante
bietet die malerisch am Zu-
sammenfluß der Werra und
Fulda gelegene Stadt Mün-
den. Zunächst das ehe-
maUge herzogliche Schloß
der Calenberger Linie; ein
gewaltiger, leider stark ent-
stellter Bau. Die gegen den
Fluß gerichtete Nordfassade
von kolossaler Höhe und
mächtiger Ausdehnung läßt
nur noch die vermauerten
Fenster der drei Hauptge-
schosse mit ihren steinernen
Kreuzstäben erkennen. Sechs
Dacherker erheben sich über
dem Gesimse. Den west-
lichen Abschluß dieses Flü-
gels bildet ein hoher Giebel
mit Voluten und Figuren.^)
Abb. 298 Schmiedeiserne Wetterfahnen aus Hameln
Am östlichen Ende dagegen
Abb. 299 Dechanci zu Höxter
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland 11 3. Aufl.
sieht man drei hohe
Spitzbogenfenster
der Kapelle, gleich
dem daneben aus-
gebauten Polygo-
nen Erker von ei-
nem früheren Bau
aus dem Ende des
Mittelalters stam-
mend. Im Hofe ge-
hört zu diesem äl-
teren Teil der acht-
eckige Treppen-
turm in der Ecke
des nördlichen und
östlichen Flügels,
inschriftlich durch
Herzog Erich den
Älteren von Braun-
schweig - Lüneburg
1) Aufn. bei Ort-
weiii, XIII. Abt.
30
466
2. Buch Die Bauwerke XVI. Kapitel Niedersachsen
1501 begonnen. Am entgegengesetzten Ende bemerkt man den Ansatz zu einem
westlichen Flügel mit zwei Arkaden in beiden Hauptgeschossen, dekoriert mit
toskanischen und ionischen Pilastern, bekrönt mit Schweifgiebeln, dies alles gleich
dem nördlichen Flügel von einem nach dem Brande von 1561 durch Herzog Erich II.
vorgenommenen großartigen Neubau herrührend. Dieser ganze Neubau trägt die
Züge rein vlämischer Renaissance. Die glatten Quaderflächen mit scharfen Ge-
simsen, die steinernen Fensterkreuze, die flächige Behandlung der Giebel, vor
allem aber auch die Reste der innern Ausstattung bestätigen dies deutlich. Es
sind darin strenge Marmorportale, Holzbalkendecken uud anderes, alles in einer
Gestalt, wie wenn es direkt aus einem Antwerpener Bau hierher übertragen
wäre. Köstlich ist von der nördlichen Fassade der Blick auf den Fluß und die
gegenüberliegenden mit Buchenwäldern belaubten Höhen.
Abb. 300 Eathaus zu Münden \i(/y^
In der Stadt ist das Rathaus ein ansehnlicher Bau von 1605.^) (Abb. 300.)
In stattlichen Verhältnissen erhebt sich die Fassade, von drei kräftigen Giebeln
nebeneinander bekrönt, im Erdgeschoß und den beiden oberen Stockwerken mit
gekuppelten Fenstern von mittelalterlichem Rahmenprofil durchbrochen. An der
rechten Seite baut sich, vom Erdgeschoß beginnend, ein rechtwinkliger Erker
heraus, mit Hermen, Fenstersäulen, eleganten Friesen und Brüstungen geschmückt
und mit einem Schweifgiebel abgeschlossen. Noch prächtiger ist in der Mitte
das große Hauptportal. Von beiden Seiten führt eine doppelte Freitreppe hinauf
und mündet auf einen mit reichem Steingeländer eingefaßten Vorplatz, der durch
zwei untergestellte Säulen sich nach vorn altanartig erweitert. Das Portal selbst^),
im Rundbogen geschlossen, von gekuppelten ionischen Säulen eingefaßt und von
1) Vgl. die Aufn. ebenda, XIII. Abt. von B. Liebold. Taf. 1—10, 15—18, 21, 22, 30.
2) Abb. bei Fritsch.
Münden
467
einem reichen Aufsatz mit dem Wappen der Stadt bekrönt, hat gleich dem Erker
durch Vergoldung noch mehr Glanz erhalten. Durch die prächtig geschnitzle
und mit schönen Eisenbeschlägen ausgestattete Tür gelangt man im Innern auf
einen großen Vorsaal, dessen Balken auf kräftigen Holzsäulen mit reich gebildeten
Kopfbändern ruhen. Die durchweg groß angelegten, wieder gut hergestellten
Abb. 301 Junkernhaus zu Göttingen
Räume besitzen in Portalen und mächtigen Kaminen noch fast ganz die ur-
sprüngliche reiche Ausstattung. Im oberen Geschoß ruhen die Balken der Vor-
saaldecke auf toskanischen Säulen, über denen die Kopf bänder in Schneckenform
vorspringen. Als Meister des Baues werden Georg Großmann von Lemgo und
Friedrich Weitmann von Münden genannt.
Die Bürgerhäuser beherrscht hier ausschließlich der Fachwerkbau, der aber
in ebenso mannigfaltiger als zierlicher Weise durchgebildet, den Straßen der
freundHchen Stadt ein anheimelndes Gepräge gibt.^) Die Häuser sind in der
Regel mit ihrer Langseite der Straße zugewendet und in der Mitte durch einen
hohen Dacherker abgeschlossen. Dieser setzt in seinem Giebelbau die Behand-
lung der Fassade fort, die in stark herausgekragten Stockwerken angelegt ist.
In der künstlerischen Ausbildung zeigen diese Häuser jede Abstufung vom Ein-
fachsten bis zum Reichsten.
Die älteste noch gotische Form ist roh konstruktiv behandelt, aber mit
Ornament versehen. Dann kommen die tief ausgekehlten und abgefasten Schwell-
1) Aufn. bei Ortweiii, D. Ren.
468 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
hölzer, wie an dem schönen Hause der Langen Straße mit der Inschrift: Aedes
Jodolphus Piscator condidit istas 1548. Ebenso das mächtige Eckhaus der Markt-
und Langen Straße vom Jahre 1554, an der einen Seite mit einem Dacherker,
an der andern mit zwei sonst hier nicht vorkommenden Erkern belebt.
Bald darauf treten die reicheren Formen der diagonal gekerbten und ge-
rippten Rundstäbe an den Schwellhölzern in den schönsten Mustern auf, ähnlich
den Häusern in Hameln und Höxter. Endlich geht alles in antikisierende Formen
über, die Balkenköpfe werden als Konsolen mit geschwungenem Profil und hübscher
Perlschnur behandelt, die Schwellen und ihre Füllbalken mit feinen klassischen
Gliederungen und zierlichen Konsolen- oder Zahnschnittfriesen in mehrfachen
Reihen dekoriert. So an einem der größten und schönsten Häuser, der Südseite
der Kirche gegenüber ; noch zierlicher antikisierend gleich daneben am Pfarrhaus.
Genau dieselbe Behandlung an einem Hause der Marktstraße mit der Inschrift:
Psalm 68. Tu recreas bonitate tua afflictum deus. Wilhelm Spangenberg anno
dni MDLXXX. X. Juni. In beiden Fällen die Haustür durch antikisierende
Pilaster oder Säulen im Charakter des Steinbaues eingefaßt. Ungemein kraftvoll
behandelt, aber nicht mehr so fein gegliedert eines der spätesten Häuser vom
Jahre 1648 in der Rathausstraße.
Ein vereinzeltes Werk edler Frührenaissance besitzt die Blasiuskirche in
dem Epitaph Herzog Erichs I. (f 1540) und seiner Gemahlinnen Katharina von
Sachsen (f 1524) und Elisabeth von Brandenburg, wohl noch zu Lebzeiten des
Fürsten angefertigt. Es ist eine ganz vorzügliche Arbeit, in der Architektur
noch schlicht, im Figürlichen voll Lebensgefühl und Adel, in Solnhofer Kalkstein
\on Loyen Hering ausgeführt: die knieenden Gestalten der Verstorbenen vor dem
Kruzifixus in Relief, umgeben von einer schönen, von Kandelabersäulen getragenen
Architektur.
Die Orgel in derselben Kirche hat ein Gehäuse von 1645, in reichen, schon
ziemlich barocken Formen geschnitzt, in Gold und Weiß dekoriert.
Göttingen besitzt in einigen einfachen Häusern manche Anklänge an
stadthannoversche Steinarchitektur, sonst nicht viel mehr, was uns hier beschäf-
tigen kann. Nur das sehr tüchtige Junkernhaus, leider teilweise entstellt,
ist ein Bau von reicher Durchführung, insbesondere in der eigenartigen über-
hängenden Partie an der Ecke (Abb. 301). Die mächtige Auskragung, auf Runde
mit Medaillons sich stützend; die Ständer als Pilaster reich geschnitzt, ebenso
die Schwellen. Die Brüstung ist mit einer Art Flechtwerk aus Balken gefüllt;
das Ganze ein Werk echt germanischer Art.
Siebzehntes Kapitel
Die nordwestlichen Binnenländer
In diese Gruppe fasse ich die Lippeschen Länder, Westfalen und den Nieder-
rhein zusammen. Es sind Gebiete, die für die Entwicklung der Renaissance keine
hervortretende Bedeutung besitzen, wenngleich sie, zumeist aus der Spätzeit,
manches wertvolle Werk des Stiles aufzuweisen haben. Wieder spiegeln sich auch
hier in den Denkmalen die allgemeinen Kulturverhällnisse. Das welthche Fürslen-
tum, ein Hauptträger der Renaissancekunst, kommt hier weniger in Betracht.
Weitaus dagegen herrscht das geistliche Element vor; die mächtigen Diözesen
von Köln und Trier, die kleineren von Münster, Osnabrück, Minden und Paderborn,
deren Gebiete noch jetzt größtenteils dem KathoHzismus angehören, sind keine
hervorragenden Förderer der Renaissancekultur. In kirchlichen Ausstattungs-
Stadthagen Schloß
469
werken, Grabmälern, Lettnern, Altären u. dgl, erschöpft sich vorwiegend hier die
neue Kunst. Erst im Ausgang der Epoche stellen die Jesuiten mehrere große
kirchliche Bauten (Köln, Koblenz) als Denkzeichen der Gegenreformation hin.
Dagegen tritt die Kraft des Bürgertums stark zurück. Abgesehen von einzelnen
Prachtwerken (Rathaushalle zu Köln) treibt sie hier bei weitem nicht jene un-
erschöpf hebe Menge von Monumenten hervor, die in anderen Gegenden die Städte
erstehen lassen. Selbst eine Stadt wie Köln ist arm daran. Nur das Weser-
gebiet, soweit es in diese Gruppe gehört, nimmt teil an jener üppigen Nach-
blüte der Schlußepoche, deren Spuren wir schon im vorigen Kapitel begegneten.
Neben den Steinbauten prägt sich auch hier der Holzstil mannigfach und an-
ziehend aus. Und zwar in zwei gesonderten Gruppen. Die östliche, dem an die
hessischen Lande grenzenden Teile Westfalens') angehörend, schließt sich im
Charakter der Bauten der in Niedersachsen herrschenden Art an. Die westliche,
an Rhein und Mosel auftretend, zeigt ein wesenthch abweichendes Gepräge, das
mit Mittel- und Südwestdeutschland, aber auch den Niederlanden zusammen-
hängt, diese Einflüsse zur edelsten und feinsten Entwicklung führt.
Westfalen
In dem weitgestreckten westfälischen Gebiet zeigen nur die Wesergegenden
eine lebhaftere Aufnahme der Renaissance, die dort und in den dazu gehörigen
zwei Lippeschen Ländern gegen Ausgang der Epoche eine Anzahl glänzender
Bauten, sowohl in Stein wie in Holz, hervorgebracht hat. Zunächst sind hier
mehrere Schloßbauten zu nennen: Thienhausen bei Steinheim, Schloß Varen-
holz im Lippeschen (1595), ein umfangreicher Bau, aus vier Flügeln bestehend,
an zwei Ecken mit mächtigen quadratischen, oben ins Polygone übergehenden
Türmen flankiert; die Fenster noch mittelalterlich mit dem Vorhangbogen; im
Hof ein hübscher Renaissance-Erker.^)
Weiter gehört hierher im Schaumburgischen Stadthagen ^) mit ansehn-
lichem Schlosse, das seit 1535 vom Grafen Otto zu Holstein-Schaumburg er-
richtet wurde. Weithin durch seine ansehnlichen Massen und seine hohen Giebel
hervorragend, gruppiert sich der Bau in fast quadratischer Anlage um einen
großen Hof, der in seinem runden Treppenturm und den einzelnen Türen und
Fenstern noch gotische Formen zeigt. Die Giebel haben eine auch anderwärts
häufig vorkommende schhchte und doch charakteristische Form, indem sie, drei-
oder fünfteilig, ihre Abstufungen durch kugelbesetzte Halbkreise krönen. Merk-
würdig ist der Brunnen im Hofe, den man in seinen unteren Teilen fast für eine
romanische Arbeit halten könnte, wenn er nicht den Namen des gräfhchen Er-
bauers und die Jahreszahl 1552 trüge. Jedenfalls hat der Künstler romanische
Denkmale im Auge gehabt, als er die untere sechsteilige Schale mit ihren sechs
stämmigen Säulen auf merkwürdig rohe ruhende Löwen stellte. Aus der Schale
steigt sodann in der Mitte ein reich gegliederter hoher Aufsatz empor, in zwei
Abteilungen mit Figuren und Wappen reich geschmückt und von einer Justitia
bekrönt. Alles Figürliche ist ungeschlacht, die Erfindung des Ganzen aber vor-
trefflich. Derselben Zeit gehören im Innern des Schlosses zwei prachtvolle Kamine
an, welche man wegen ihrer üppigen Formen für später halten würde, wenn sie
nicht Namen und Wappen des Grafen Adolf und seiner Gemahlin, Herzogin
1) Über Westfalen verweise ich auf die zwölf schönen Bände der Bau- und Kunstdenk-
mäler, herausgegeben von Ludorff, wo sich eine ganze Anzahl der beschriebenen Kunstwerke
dargestellt findet.
2) Aufnahme bei Fritsch a. a. 0.
3) Aufn. bei Ortwein, XXXI. Abt.
470 2, Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Abb. 302 Schloß zu Bückeburg Rückseite
ELisabeth von Braunschweig-Lüneburg, trügen. Besonders die bocksbeinigen, zum
Teil in barocken Umhüllungen steckenden hermenartigen Atlanten und Karyatiden
sind dafür bezeichnend. Aus derselben Zeit stammt offenbar das Rathaus, mit
Abb. 303 Schloßkapelle zu Bückeburg
Bückeburg
471
ähnlichen Giebeln wie das Schloß und mit mehreren Erkern ausgestattet, deren
barocke Bekrönungen indes offenbar einer späteren Epoche angehören, während
die Fenster durch feine Säulchen in frühen Formen getrennt sind.
Dem Schloß zu Stadthagen verwandt ist, soweit nicht umgebaut, das Schloß
zu Bückeburg, äußerlich ebenfalls völhg schlicht und mit ähnlich behandelten
Giebeln, die noch den Charakter der Frührenaissance tragen (Abb. 302). Dagegen
enthält das Innere
des Schlosses, na-
mentlich im „gol-
denen Saal" eine
Prachtdekoration
aus dem 17. Jahr-
hundert, die zum
üppigsten und groß-
artigsten gehört,
was jene Epoche
hervorgebracht hat.
Die Decke besteht
nach veneziani-
schen Mustern aus
einem herrlich ge-
schnitzten undreich
vergoldeten Rah-
menwerk, welches
Ölgemälde um-
schließt, mit hän-
genden, reich ge-
schnitzten Zapfen
an den Balkenkreu-
zungen. Das glän-
zendste Pracht-
stück überhaupt
dieser ganzen Zeit
aber ist die Türe
des Zimmers (Abb.
304), zu beiden Sei-
ten und in den obe-
ren Feldern mit frei
gearbeiteten nack-
ten Figuren und
Hochreliefs förm-
ran- \ .
Abb. 304 Goldner Saal im Schloß zu Bückeburg
lieh überladen, welche alle Manieren der damaligen Kunst, aber mit glänzender Vir-
tuosität durchgebildet, zur Schau tragen. Dazu kommt eine überschwengliche
Ornamentik, aus allen Elementen der Spätzeit zusammengesetzt, aber wiederum
mit größter Meisterschaft gehandhabt. Man sieht bald, daß hier Wendel Dietterlein
Pate gestanden hat, und daß die Künstler des Fürsten sich zum Ziel gesetzt hatten,
dessen radierte überschwengliche Phantasien in plastische Wirklichkeit zu über-
setzen. Noch stärker, doch im einzelnen manchmal übergroß und gewaltsam, äußert
sich dies in dem Wunderwerk der Schloßkapellen- Ausstattung, deren Gestühl, Altar
und Fürstenempore das Äußerste leisten, was auf diesem Gebiete wohl geschaffen
werden kann. Doch ist vor allem der fürstliche Stuhl von höchstem phantastischen
Reiz (Abb. 303); die herrlichen Wappen, die Schnitzereien und Reliefs der Brüstung,
472 2. Bucli Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestliclien Binnenländer
darunter das glänzende et-
was manierierte Gemälde des
Jüngsten Gerichts von Josef
Heinz geben ein wunderbar
malerisches Bild. Das noch go-
tische Gewölbe mit reichster
Groteskenmalerei bedeckt.
Gleichen Stiles war das
nahegelegene Jagdschloß
Baum, von dem leider nur
noch die Ruine des Schnek-
kenbergs mit den breiten
Portalen dazu und den Spu-
ren einer riesigen Nischen-
und Wasseranlage mit bild-
hauerischen Resten vorhan-
den sind. Diese beiden Por-
iale in Stein sind, obwohl
baufällig, doch noch immer
die glänzendsten Meißelwerke
dieser Zeit, geradezu wie aus
Dietterleins Werk entnommen
(Abb. 305). Wer die Künstler
waren, die den Fürsten hier
unterstützten, ist unbekannt.
Doch findet man auf dem ra-
dierten Titelblatt der Schaum-
burger Chronik, gleichzeitig
und gleichen Stiles, das Monogramm NB. Die Bildhauer haben aber offenbar
schon vorher in der Gegend, besonders in Herford und Minden, gearbeitet.
Nicht minder prachtvoll ist die aus derselben Zeit stammende, 1613 voll-
endete lutherische Stadtkirche. Ihre ganz in Sandstein ausgeführte Fassade
ist vielleicht die schwungvollste und originellste der Zeit, von wahrhaft imposanter
Wirkung und überströmender Gewalt der Formen (Abb. 306). Im Hauptfries liest
man die Inschrift: „Exeraplum Religionis Non STructurae", worin als Akrostichon
der Name des Erbauers, ERNST, enthalten ist. Das Innere (Abb. 307), ein drei-
schiffiger Hallenbau von ansehnhchen Verhältnissen, wird durch zwei Reihen statt-
licher korinthischer Säulen geteilt, von welchen, durch einen architravierten Auf-
satz vermittelt, die trocken gotisch profiherten spitzbogigen Kreuzgewölbe der
drei gleich hohen Schiffe aufsteigen. Wieder ein Beweis, wie lange sich bei uns
mittelalterliche Konstruktion neben Renaissanceformen erhalten hat. Prächtig so-
dann die in Holz geschnitzte Kanzel und die am Ghorende errichtete Orgel, treffhch
komponiert, von schwungvoll behandelter Ornamentik, entsprechend die ringsum
laufende Empore und am Westende der prachtvoll geschnitzte fürstliche Stuhl, mit
Fenstern und Aufsatz und einer unglaubhch üppigen Brüstung. Alles aufs reichste
bemalt und vorwiegend vergoldet. Endlich ist das bronzene Taufbecken vom
Jahre 1615, inschriftlich das Werk eines Niederländers, Adriaen de Vriese aus
dem Haag, als ein Meisterwerk zu bezeichnen (Bd. I, Abb. 30). Der Stifter dieser
Prachtwerke war Graf Ernst zu Schaumburg-Lippe, geb. 1569, der als Nachfolger
seines Bruders Adolf Xll. 1619 zum Reichsfürsten erhoben wurde. Er hatte in
Helmstedt studiert, dann 1589-92 auf Reisen in Italien seinen Kunstsinn aus-
gebildet und am Hofe des trefflichen Landgrafen Moritz von Hessen gelebt. Vor
Abb. 305 Vom Jagdschloß Baum bei Bückebur^
(Nach P. Eichholz)
Stadthagen Mausoleum
473
allem aber verkehrte er am Hofe des Kaisers Rudolph II. zu Prag und knüpfte
offenbar dort Beziehungen zu den Künstlern des Hofes, insbesondere zu A. de
Vriese, Joh. Rottenhamer, Jos. Heinz, Barth. Spranger an; nachher auch zu Nosseni
in Dresden.
So ließ er seit 1609 als Abschluß eines an vortrefflichem Wirken reichen
Lebens sich ein Grabmal errichten, das, in Deutschland in dieser Form einzig,
als Skulpturwerk nur in dem herrlichen Denkmal Ludwigs des Bayern in der
Liebfrauenkirche in München einen Mitbewerber besitzt.^) Nosseni entwarf für
den Raum hinter dem Ghorhaupte der Kirche zu Stadthagen, in dem mehrere
treffliche Denkmäler von den dort bestatteten Vorfahren Emsts zeugen, einen
siebeneckigen Kuppelbau mit Laterne rein palladianischen Stils, außen und innen
mit großer Pilasterstellung, dazwischen auf Marmorsäulen mit weißen Kapitellen
Dreieckgiebel mit Wappen und Namen der Eltern des Erbauers, darauf Engel-
gestalten.
Für sich selbst ließ er in der Mitte das prachtvollste und größte Bronze-
werk Norddeutschlands erstehen: einen Marmorsarkophag, um den die vier über-
lebensgroßen Gestalten schlafender Krieger sitzen, und über dem der riesige auf-
erstehende Christus
zwischen kleinen En-
geln gen Himmel weist .
Die Flächen sind mit
Bronzereliefs besetzt;
nach vorn das ausge-
zeichnete Relief bild-
nis des Fürsten. Das
Ganze vom gewaltig-
sten Eindruck ; der
Christus vielleicht et-
was weichlich gebo-
gen in der Manier Gio-
vanni Bolognas, die
Krieger um das Dank-
mal aber wohl das
Meisterlichste der Pla-
stik jener Zeit vor
Schlüter. Ädriaen de
Vriese hat in ihnen
das Höchste geleistet,
dessen er fähig war
(Abb. 308).
Der Fürst Ernst,
der 1522 starb, und
dessen Gattin Hedwig
das Mausoleum voll-
endete, hatte offenbar
in seinen letzten Le-
bensjahren in Bücke-
1) S. A. Haupt, Das
Mausoleum des Fürsten
Ernst von Scliaumburg zu
Stadthagen. In Ztsohr. f.
bild. Kunst, N. F. VII.
Abb. 306 Stadtkirchc zu Bückeburg
IMIilllliiifllii
474 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Abb. 307 Inneres der Stadtkirche zu Bückeburg gen Westen
bürg eine Künstlerkolonie um sich versammelt, die in ihrer Art einen Musenhof
bildete, nicht unähnlich den italienischen der Renaissance; zugleich die letzte und
prächtigste Blüte der deutschen Renaissance vor dem ungeheuren Schrecken des
Dreißigjährigen Krieges.
Von seiner Liebe zur Wissenschaft zeugt die Gründung der Universität Rinteln,
von seinem Prachtsinn und seiner Kunstliebe eine Fülle von großen Kunstwerken.
Lemgo
475
Unter den Lippeschen Städten nimmt Lemgo eine hervorragende Be-
deutung in Anspruch, Das stattliche, in seinem Kern aus gotischer Zeit datierende
Rathaus erhielt 1589 eine an die Nordseite angebaute Vorhalle (Laube) mit
Freitreppe, darüber ein erkerartiges Obergeschoß (Abb. 309). Es ist eine Anlage
ähnlich der am Rathaus zu Halberstadt, aber in früheren Formen durchgebildet.
Im Erdgeschoß gliedern breite ionische Pilaster mit offnen Arkaden den Bau; im
oberen ist er ganz von Fenstern durchbrochen, die abwechselnd durch ionische
Säulen und feine Pilaster geschieden werden. Reicher figürhcher Schmuck an
Stylobaten und Fensterbrüstungen erhöht die Eleganz des zierlichen Baues, Noch
üppiger, mit stärkerer Anwendung von Rollwerk, ist der zweistöckige, ebenfalls
ganz mit Fenstern
durchbrochene erker-
artige Vorbau an der
nördlichen Ecke, Die
Fenster sind hier im
Erdgeschoß und im
obern Stock mit ioni-
schen und korinthi-
schen Säulen und da-
zwischen mit fein or-
namentierten Pfeilern
gegliedert, die Brü-
stung im oberen Stock
mit kräftigen Bild-
nissen ausgestattet,
der Giebel mit krau-
sem Bandwerk des
Barockstils völlig be-
deckt. An dem ent-
gegengesetzten süd-
lichen Ende der langen
Westfassade ist wie-
derum ein Erker im
Hauptgeschoß vorge-
baut, auf zwei breit ge-
spannten Flachbögen
mit dorischen Säulen
ruhend, ähnlich be-
handelt, wenn auch im
Ganzen etwas nüch-
terner, die Quadern
an den Bögen und
den Fensterpfosten
mit Sternmustern ge-
schmückt, dazwischen
einzelne Steine mit
prächtigen Löwenköpfen und Masken, am untern Teil der schlanken Säulen Relief-
figürchen von Tugenden, die Giebel etwas trocken mit aufgerollten Bändern eingefaßt.
Außerdem ist eine große Anzahl von Giebelhäusern, teils in Stein-, teils in
Holzbau, meistens der Renaissance, in den Hauptstraßen noch vorhanden, die der
Stadt ein ungemein malerisches, altertümUches Gepräge verleihen, wie es nicht
allzu viele deutsche Städte noch besitzen. Unter den Steinbauten ragt durch
Abb. 308 Mausoleum in der Kirche zu Stadthaeen
476 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Großartigkeit der Anlage und gediegene Pracht der Ausführung ein Haus der
Breiten Straße vom Jahre 1571 hervor, mit fein behandeltem Bogenportal und zwei
prächtigen Erkern; von ihnen ist der eine im Hauptgeschoß auf Konsolen vorgebaut,
während der andere gleich von unten emporsteigt (Abb. 310). Der mächtige
Giebel und der obere Teil der Fassade erhält durch kanneUerte Halbsäulen ionischer
und korinthischer Ordnung und reich gegliederte Gesimse eine wirksame Ein-
Alib. 309 Rathaus zu Lemgo
teilung. Auch die kraftvollen Voluten mit ihren Muschelfüllungen entsprechen dem
Charakter des übrigen. Im ersten Geschoß erheben sich über dem Portal Adam
und Eva, und zwischen ihnen der Baum der Erkenntnis. An den Brüstungen der
Erker sieht man links zwei wappenhaltende Engel und die Figuren von Glaube
und Hoffnung, an dem kleineren Erker rechts Liebe, Tapferkeit und Gerechtigkeit.
Über der Tür die Inschrift : In Gades Namen unde Christus Frede heft dyt Hues
Herman Kruwel buet an dise Stede. — Weiter besitzt das jetzige Hauptsteueramt
einen vielleicht von demselben Meister errichteten Erker, mit reichen Wappen in
den Fensterbrüstungen mit drei halbrund geschlossenen Giebeln.
Lemgo Brake
477
Besonders schön ist der Fachwerkbau entwickelt, und zwar in jener ele-
ganten Form, die wir in dem benachbarten Höxter kennen lernten. Kraftvoll und
mannigfaltig ist die Dekoration der Schwellbalken und Füllhölzer mit Flechtwerk,
gewundenen Bändern, eingekerbten Rippen u. dgl. An den Fensterbrüstungen
spielt das Fächermotiv in großer Mannigfaltigkeit die Hauptrolle. Daneben kommen
menschliche Figuren, Genreszenen, phantastische Drachen und Tiere vor, und
endlich sind auch derb geschnitzte Ranken an Pfosten und Friesen hinzugefügt.
Eine der prächtigsten dieser Fassaden in der Breiten Straße, bezeichnet 1598,
zeigt unter anderem
die mehrfach wieder-
kehrende Darstellung
eines Mannes mit dem
Splitter und eines an-
dern mit dem Balken
im Auge.
Nahe bei Lemgo
liegt das heute zer-
fallende Schloß
Brake, mit schöner
Brücke über einen
kleinen Fluß, hinter
der sich der stattliche
viereckige Turm und
der Giebel des Haupt-
baus erhebt. Im Hofe
(Abb. 311) eine vor-
springende Galerie auf
reichen Konsolen an
dem Hauptflügel; die-
ser hat unten dori-
sche, oben ionische
kraftvolle Pilaster und
feine Doppelfenster
dazwischen. In den
Turm führt ein statt-
lich reiches Portal
mit dorischen Säulen
und Wappenaufsatz;
oben hat er wieder
eine Galerie mit Dok-
kengeländer. Trotz
starken Verfalls ist
das Ganze höchst
eindrucksvoll ; von
tüchtiger Durchbil-
dung in niederlän-
discher Art.
Auch das kleine
benachbarte Salz-
uflen bewahrt eine
Anzahl von Stein- und
Holzbauten desselben Abb. 310 Haus in der Breiten Straße zu Lemgo
478 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
prächtigen Stiles, Besonders fein und wiederum von den Bauten zu Lemgo
abweichend ist der Giebel eines steinernen Wohnhauses, der in fünf Stockwerken
durch kleine Rundbogenfenster, eingerahmt von kannelierten Pilastern, lebendig
gegliedert wird. Gleich daneben ein anderer Giebel von schwereren Formen in
stark ausgeprägtem Schweifstil. Von größtem Wert sind die Holzbauten, aufs
reichste mit Schnitzwerken im Charakter der Bauten von Lemgo geschmückt, ja
mit Ornamenten aller Art förmlich überladen.
Abb. .311 Schloßhof zu Brake
Zu dieser Gruppe gehört nun auch Herford, das nicht bloß durch seine
allgemein bekannten großartigen kirchlichen Denkmale des Mittelalters, sondern
auch durch ansehnliche Monumente der Renaissance Beachtung verdient. An das
Rathaus, einen geringen mittelalterlichen Bau, legte man im Ausgang der Renais-
sancezeit eine jener beliebten Lauben, im Erdgeschoß als offene Halle abwechselnd
1) Vgl. über diese und andere Bauten: Preuß, Bauliche Altertümer im Lippeschen.
Lemgo 1873.
Herford Bielefeld
479
auf Pfeilern und kraftvollen Säulen ruhend, mit Kreuzgewölben überdeckt, darüber
ein erkerartiger Ausbau, von zwei Schweifgiebeln bekrönt. Vortretende schlanke
Säulchen gliedern in beiden Stockwerken die Wände. Den Fenstern des Haupt-
baues gab man zugleich eine Dekoration von Giebeln, und dem Portal, zu dem
eine doppelte Freitreppe emporführt, eine Umrahmung in demselben Stil. Leider
ist der Bau im Zustand äußerster Verwitterung und Vernachlässigung.
Eine hübsche Anlage derselben Zeit, datiert 1616, ist der Ziehbrunnen
am Markte. Über der ovalen Einfassung steigen zwei Pfeiler mit einem Quer-
balken für den Zieheimer auf, von einer hübschen Krönung in barocken Voluten-
formen abgeschlossen. Etwas früher (1600) datiert die großartige Fassade des
Neustädter Kellers, einer der imposantesten Giebelbauten der Zeit. Über zwei
hohen unteren Stockwerken, durch dreiteilige Fenster belebt und mit Rustika-
pilastern eingefaßt, steigt der Giebel, durch eine kleinere Etage vorbereitet, in
vier Geschossen empor, durch kannelierte korinthische Säulen auf Stylobaten und
durch reich dekorierte Gesimse abgeteilt, an den Seiten mit phantastisch barocken
Voluten eingefaßt. Dazu gesellt sich ein alle Flächen überspinnendes Ornament
im Metallstil der Zeit, wie es selten so reich vorkommt.
Etwas maßvoller tritt derselbe Stil an der Fassade des Löffelmannschen
Hauses am Neustädter Markt vom Jahre 1580 auf. Statt der Pilaster- oder
Säulenstellungen sind verschränkte Stab- und Bandwerke für die Dekoration des
Giebels verwendet, die Fenster aber wie im Rathaus mit dekorierten Giebeln be-
krönt. Ein kleineres Haus daneben zeigt noch zierlichere Behandlung. Schwer-
fällig und offenbar aus früherer Zeit ist die ungemein breite Fassade am Markt
Nr. 640, der Giebel durch einfache Voluten mit Muschelornament eingefaßt.
Auch der Holzbau kommt mehrfach vor. An zwei Häusern in der Brüder-
straße von 1521 und 1522 noch ganz mittelalterlich mit rohen Figürchen an den
Konsolen. Die feiner durchgebildete Form mit der Fächerdekoration und den
kraftvoll gerieften Schwellen an einem Hause dicht am Markt vom Jahre 1587.
Reich geschmückt mit den Metallornamenten der Spätzeit ein Haus von 1638,
gegenüber der Radegundiskirche.
In der Jakobikirche Kanzel von 1590, Taufständer von 1617: Werke der
später in Bückeburg auftretenden Künstler.
Alle diese Orte unterscheiden sich von den niedersächsischen hauptsächlich
dadurch, daß fast ohne Ausnahme die Häuser ihre Giebelfront gegen die Straße
kehren, während dort (in Münden, Braunschweig, Gelle, Halberstadt, Hildesheim)
meistens die Breitseite, durch einen oder mehrere Dacherker bekrönt, die Straßen-
front bildet.
Bielefeld zeigt in den nicht gerade bedeutenden Bürgerhäusern dieser
Epoche dieselbe Anlage und verwandte Ausbildung. Eine Steinfassade von ziem-
lich früher Zeit, in den Formen noch gotisierend, in den Bogenschlüssen des
Giebels mit Muschelornament, sieht man in der Niedernstraße Nr. 251. Im obersten
Giebelfeld die Reliefdarstellung eines Schiffes. Von ähnhch einfacher Behandlung
das große Giebelhaus Nr. 273, während ebendort Nr. 252 noch gotisches Maßwerk
zeigt. Der stattliche Giebel Nr. 265, mit verjüngten Pilastern und barock
geschweiften Voluten, datiert dagegen vom Ausgang der Epoche. Eine ähnliche
Fassade vom Jahre 1593 in der Obernstraße. Ebendort noch ein anderes Beispiel
derselben Gattung und ebenso die Fassade am Markt Nr. 61. Von Holzbauten ist
namentlich die am Gehrenberg Nr. 127, sowie das Haus an der Ecke der Niedern-
und Obernstraße mit steinernem Unterbau zu betrachten. Ein reicher und origi-
neller Steinbau der Spätrenaissance war der ehemalige Waisenhof, von welchem
interessante Teile bei dem neuen Gymnasium durch Raschdorffs geschickte Hand
zur Verwendung gekommen sind.
480 2. Buch Die Bauwerke XVIL Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Abb. 312 Hausgicbel in der Hohestraßc zu Minden
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Etwas reicher ist die
Ausbeute in Minden. Die
prächtige Fassade der Hohe-
straße, welche in der Achse
der Bäckerstraße steht, ge-
hört zu den reichsten der
Zeit (Abb. 312). Bis zur
Spitze des Giebels in sieben
Geschossen mit kannelierten,
am untern Teil frei deko-
rierten korinthischen Säulen
gegliedert, die Voluten des
Giebels von Männerfiguren
durchbrochen, zeigt sie ein
reiches plastisches Leben.
Die Formen deuten auf die
Zeit von zirka 1570. Die
unteren Fenster leider ge-
ändert. Am Nebenhause führt
ein Bogenportal in den Hof,
wo man zwei vermauerte
Säulenordnungen in der Ne-
benfront bemerkt. Über dem
Portal sieht man in reich
dekorierten Nischen sieben
Statuetten, bezeichnet als
Alexander Magnus, Julius
Cäsar, Augustus Cäsar, Har-
minius dux Saxonum, Ca-
rolus Magnus, Widekindus
rex Saxonum, Hector dux
Trojanorum.
Von ähnlicher Art, aber
etwas später, ist die statt-
liche, breite und hohe Fas-
sade in der Bäckerstraße
Nr. 45, auch hier der mäch-
tige Giebel mit Halbsäulen
und drei Geschossen ge-
gliedert, dazwischen Flach-
nischen, alles mit Bändern
geschmückt, die ein stern-
förmiges Ornament zeigen.
Die Voluten des Giebels mit
durchbrochenen Gliedern
entwickelt, darin klettern
männliche Figuren. Die bei-
den Erker des Erdgeschosses
und ersten Stocks in rei-
chen Rokokoformen umgear-
beitet. In derselben Straße
Nr. 56 eine schlichtere Fas-
Minden
481
Abb. 313 Rathaus zu Paderborn 'tj'2-/6
(Aufnahme der Kgl. Meßhildanstalt, Berlin)
sade ohne Vertikalgliederung, aber mit seltsamen Voluten am Giebel. Erker
kommen öfter vor und erinnern in Anlage und Form an die hannoverschen. Eine
der späteren Fassaden, am Markt Nr. 172, vom Jahre 1621 ist an Pfeilern und
Friesen mit Metallornament reich bedeckt; ebenso an dem Bogenportal, dessen
Quadern mit Sternmustern geschmückt sind ; ein durch drei Geschosse reichender
Erker hat als Einfassung elegante Säulen. Einen ähnlicli hübsch gestalteten
L üb ke- Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 31
482 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Erker hat auch das gotische Rathaus an der Rückseite, während die Vorderseite
ihre trefflich wirkenden frühgotischen Arkaden bewahrt hat. Ein höchst elegantes
Barockportal vom Jahre 1639 zeigt die übrigens modernisierte Fassade am Poos
Nr. 90. Außerdem kommen
noch einige unbedeutende Holz-
bauten vor.
Auch hier haben, wie be-
reits erwähnt, mehrere Kirchen
äußerst lebendige Arbeiten der
später in Bückeburg erschei-
nenden Bildhauer, so die Mar-
tinikirche eine prächtige Kan-
zel, die Marienkirche Kanzel und
Taufstein im Dietterleinstile.
In Paderborn ist das
Rathaus ein großartiges und
ganz eigentümlich gestaltetes
Werk. Vor einen aus dem
13. Jahrhundert herrührenden
Bau legte man von 1612 — 16
nach Westen einen Neubau, der
mit seinem gewaltigen Schweif-
giebel und zwei symmetrisch
angeordneten auf kräftigen do-
rischen Säulen ruhenden und
mit ähnlichen Giebeln geschlos-
senen Vorbauten einen ebenso
imposanten als malerischen Ein-
druck macht (Abb. 313). Die
gruppierten, durch ionische
Säulenstellungen eingerahmte«
Fenster beleben den Bau in
wirksamer Weise ; die Behand-
lung trägt durchweg das Ge-
präge einer sicheren Meister-
schaft.
Das Jesuitenkollegium, ein
ernster hochwirksamer Bau von
Hufeisenform um einen Hof, hat
geschickt behandelte Zwerch-
giebel und Tafeln.
Einiges haben wir in 0 s n a-
brück zu verzeichnen. Ein
Steinhaus am Markt Nr. 18 mit
hohem, auch ziemlich einfach
gehaltenem Giebel gehört der
mittleren Epoche an. Kräftig
und eigenartig der stattliche
Steingiebel Johannisstraße 70,
mit vier durchlaufenden Ge-
simsen, die das Randgesims
Abb. 314 Holzhaus zu Osnabrück durchschneiden und in ihrer
Osnabrück
483
Vorragung auf Konsolen sitzen; diese
tragen freistehende Obelisken, Der
oberste Giebelabschluß ist hier wie an
anderen Giebeln von reicherem Umriß
mit Schnecken, während der Giebel
selber glatt der Dachlinie folgt. Ein
rechteckiger Erker mit drei Säulen und
Flachgiebel sitzt an der Ecke. Das
charaktervolle Haus ist gegen 1600
vom Kanzler Fürstenberg erbaut.^) Ein
eigenartiger Treppengiebel mit gotisch
aussehenden Fialen an den Kanten der
Treppen, dazwischen aber freie S-för-
mige Schnecken, Seminarstraße. Zahl-
reiche gut geschnitzte Holzhäuser bewe-
gen sich in den mehrfach erwähnten
Formen : Fächer und Rosetten an den
Brüstungen, gewundene und gerippte
Rundstäbe an den Schwellen (Abb. 314).
So auch der prächtig durchgeführte Gie-
bel Krahnstraße Nr. 7 (Abb. 315) vom
Jahre 1586 von einer Erscheinung, die
geradezu altertümhch anmutet.^) Von
derselben Hand die Fassade Nr. 43 in der
DieHnger Straße. An beiden in der
Mitte Adam und Eva dargestellt. Die Os-
nabrücker Holzgebäude zeichnen sich
überhaupt durch eine Stilisierung aus,
die zum Teil absolut nicht nach Re-
naissance, noch nach Gotik schmeckt,
vielmehr auf ein Fortleben einer viel
älteren Überheferung deutet. Das über-
prächtige Haus Bierstraße 19 dagegen
zeigt alle Flächen mit reinem Flach- und
Schweifornament überzogen. Neuer-
dings glänzend hergestellt.-^)
Das wunderbar feine Epitaph
des Dechanten Job. Meilinghaus in
der Johanniskirche (Abb. 316) von
Joh. Beldensnyder haben wir schon
erwähnt; ein Relief des Jüngsten Ge-
richts, mit Ornamentpilastern um-
rahmt, darüber ein Rundgiebel mit
durchbrochener Ornamentkante. Vom
gleichen Meister der reizvolle Tauf-
stein in St. Marien auf vielfach
verschränktem Fuß, der Körper mit
Kandelabern und Pilastern abwech-
1) Abb. in Bau- und Kunstdenkm. der
Prov. Hannover IV, 1, 2, Abb. 260, 261.
2) Abb. das. Fig. 282—285.
8) Abb. a. a. 0. Fig. 300, 301.
Abb. 315 Holzhaus Krahnstraße zu Osnabrück /{-<> /
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin) ^
484 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
selnd umgeben, dazwischen
Reliefs. 1)
Weit ansehnlicher kommt
die Renaissance in Münster
zur Geltung. Die altertüm-
liche Stadt ist nicht bloß we-
gen ihrer großartigen kirch-
lichen Denkmäler des Mittel-
alters von Bedeutung, son-
dern sie steht auch in erster
Linie unter denjenigen deut-
schen Städten, die einen reich
durchgebildetenProfanbau aus
den verschiedensten Epochen
aufzuweisen haben. Das edle
gotische Rathaus wird von
ganzen Reihen hochragender
Privatbauten begleitet, wel-
che, wie sonst nirgendwo in
Deutschland, die Hauptstraße,
besonders den Prinzipalmarkt
mit ihren stattlichen steiner-
nen Arkaden einfassen und
ihm einen ungemein groß-
artigen monumentalen Aus-
druck etwa im Charakter der
Straßen von Bologna, Padua
und anderen itahenischen
Städten verleihen. Die Mehr-
zahl dieser Häuser stammt
noch aus dem Mittelalter, die
Arkaden ruhen mit schlanken
Spitzbögen auf einfach kräf-
tigen viereckigen Pfeilern,
oder auch auf Rundsäulen,
die Giebel sind abgestuft und
auf den einzelnen Absätzen
mit geschweiften gotischen
Maßwerkfüllungen versehen.
Alle diese Profanbauten geben
ein deutliches Zeugnis von
der frühen Entwicklung der Stadt, welche, oft im Gegensatz zu der bischöflichen
Gewalt, sich zu selbständiger Bedeutung erhob und durch ihre Verbindung mit
der Hansa zu hoher Blüte gelangte. Beim Eintritt in die neue Zeit schien es
sogar einen Augenbhck, als ob sie sich dem Protestantismus zuwenden würde,
und selbst der Bischof Friedrich III. (1532) war, im Gegensatz zu dem heftigen
Widerstreben des Domkapitels, der Einführung der Reformation nicht abgeneigt.
Aber durch den Wahnwitz der Wiedertäuferei wurde die ruhige Bahn der Reform
gekreuzt, und als diese wilde Orgie 1536 blutig erstickt war, erhob sich als
natürliche Folge kirchliche und staatliche Reaktion. Dennoch erstarkte der
Abb. 316 Epitaph jh der Joliannisliirche zu Osnabrück
1) Abb. a. a. 0. Fig. 169.
Münster
485
trotzige Unabhängigkeitssinn der Bürger bald zu neuer Opposition, und erst dem
gewaltigen Bischof Christoph Bernhard von Galen (1661) gelang es, dauernd den
stolzen Mut der Bürgerschaft zu brechen.
Das Auftreten der Renaissance beginnt schon in den dreißiger Jahren des
16. Jahrhunderls mit dem prachtvollen Täfelwerk des Kapitels aal es beim
Dom/) (Abb. 38, 120 im I. Band.) Meister Johann Klipper führte dies herrliche
Schnitzwerk, an dem man die Jahreszahlen 1544 und 1552 liest, in jenem an-
mutigen Stil der Frührenaissance durch, der uns aus den Ornamentslichen der
Kleinmeister, namentUch Aldegrevers, bekannt ist. Der ungefähr quadratische,
zirka 9 zu 10 Meter messende Raum ist ganz mit einem Getäfel bekleidet, das
noch nichts von der später üblichen Nachahmung der Steinarchitektur kennt,
sondern im echten Holzstil durchgeführt ist. Reich profilierte und mit zarten
Kandelabern eingerahmte Felder enthalten die prächtig geschnitzten Wappen der
Domherren und ihrer Vorfahren ; den oberen Abschluß bilden flache Giebel mit
Muschelfüllung, bekrönt von phantastischen Gebilden und durchbrochenen Blatt-
ranken. Unsere Abb. 317 gibt eine Probe des Einzelnen. Das Ganze ist wohl die
vorzüglichste Arbeit dieser Art,
die unsere frühe Renaissance
hervorgebracht. Ähnlichen Cha-
rakter zeigt das Chorgestühl der
Ludgerikirche^), etwa von
1580, ebenfalls durch die geist-
reiche Lebendigkeit und Mannig-
faltigkeit der Erfindung und
durch frisch resolute Behandlung
ausgezeichnet. Ein noch pracht-
volleres und üppigeres Werk der
Holzschnitzerei ist die im Frie-
denssaale des Rathauses in
Resten aufbewahrte Bettlade des
Johann von Leyden, ebenfalls ein
Meisterwerk der Frührenaissance,
wohl auch von Küpper.^) Die um
1587 ausgeführte Täfelung des
Friedenssaales*) (Abb. 318) hat
wohl nicht mehr die originelle
Fülle und die geistvolle Leben-
digkeit der Arbeiten im Kapitel-
saale, bringt aber in manchen
Einzelheiten, namentlich den be-
krönenden Giebeln mit ihrem
freien Rankenwerk Anklänge da-
ran. Ein Prachtkamin in weißem
Stein und ein herrlicher Rad-
leuchter in Schmiedeisen vervoll-
ständigen mit der stark nieder-
ländisch anklingenden Holz-
1) Aufn. bei Ortwein, XXVIII.
Abt. von Rincklake Taf. 21—27.
2) Aufn. bei Ortwein Taf. 6—10.
3) Ebenda Taf. 57—58.
4) Ebenda Taf. 55 — 56. -^^b. 317 Aus dem Kapitelsaal des Domes zu Münster
486 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
balkendecke den großartigen Raum, den dann über der Täfelung die Bilder der
vielen Gesandten höchst lebendig gestalten, — die hier die Friedensbedingungen
nach dem fürchterlichsten aller Kriege feststellten. Den Übergang zu einer auf
Holz übertragenen Steinarchitektur macht dann die schöne Täfelung im Kram er-
amthausi), das von 1610—20 erbaut ist. Hier ist nicht bloß die elegant
durchgeführte Balkendecke, sondern namentlich die mit reich geschmückten
kannelierten und gegürteten ionischen Pilastern gegliederte Wandbekleidung be-
merkenswert. Zwischen diesen Pilastern sind die einzelnen Wandfelder durch
Abb. 3J8 Friedcussaal im liatliaus zu Münster
(Aufnahme der Neuen Photogr. Gesellschaft, Steglitz)
hübsche flache Bogennischen auf ornamentierten Pilastern angemessen belebt.
Alle diese Werke legen Zeugnis davon ab, welch reiche Blüte die Holzarbeit hier
erlebt hat.
Das Krameramthaus selber, ein höchst malerischer Giebelbau (Abb. 319)
stark niederländischer Richtung, hat einen fünffach abgetreppten Giebel mit
Muschelendigungen und Halbsäulen zwischen Ziegelflächen.
Eine ansehnliche Zahl von Profanbauten der Spätrenaissance gibt von der
letzten Blüte bürgerlicher Selbständigkeit Zeugnis.^) Eins der prachtvollsten
Werke ist der neben dem Rathaus sich erhebende hohe Giebelbau des Stadt-
weinhauses, in den Formen der Spätzeit kräftig durchgeführt, mit besonders
reichem, auf Säulen ruhendem Balkon und reich geschweiftem und bekröntem
Giebel (Abb. 320). Namentlich der Balkon ist ein ausgezeichnetes Werk von
1) Ebenda Taf. 41—46.
2) Vgl. die Aufnahmen von Rincklake a. a. 0.
Münster
487
großer Delikatesse der Ausführung. Der Kern des Baues, der früher als Stadt-
weinhaus, im unteren Geschoß als Stadtwage diente, stammt aus dem Mittel-
alter und wurde erst um 1615 mit der prächtigen Fassade geschmückt, die als
eins der glänzendsten Werke der Spätrenaissance zu betrachten ist. Der als
„Sentenzbogen" bezeichnete Vorbau war zur Verkündigung der gerichtlichen Ur-
teilssprüche bestimmt. Ergötzlich klingt eine Urkunde des städtischen Archivs,
laut welcher zwei Mitglieder des Steinhauer- Amtes, weil sie die Architektur des
Baues nicht als „opus doricum" gelten lassen wollten, vom Magistrat wegen
solcher Mißachtung des Baumeisters JoJi. von Bocholt zu 20 Talern Injurienstrafe
verurteilt wurden.^) Man hatte also damals schon verschiedene Ansichten über
dorischen Stil. — Starker Anklang an das Bremer Krameramthaus unverkennbar.
Zu den frühen Bauten dagegen gehört das Haus am Prinzipalmarkt Nr. 1 7
und 18 mit einem Doppelgiebel vom Jahre 1571. In strenger klassizistischer Be-
handlung wird das Erdgeschoß von dorischen, der erste Stock von toskanischen,
der zweite von ionischen Halbsäulen gegliedert. Ein hübscher Erker, auf eleganten
Konsolen herausgebaut, hat einen antiken Giebel als Abschluß. Die ganze Be-
handlung ist einfach, aber edel.
Die Fassade in der Seitengasse ist
schlicht in Backstein ausgeführt,
nur die Einrahmungen der Fenster
und die Gesimse in Sandstein. An
einem polygonen Treppenturm liest
man die Jahreszahl 1569. Von ähn-
licher Einfachheit ist die große Fas-
sade Rothenburg Nr. 167, nur noch
sparsamer gegliedert, mit Fortlas-
sung der vertikalen Teilung. Auch
hier ein hübscher Erker auf Kon-
solen im Hauptgeschoß, mit Lisenen
der Frührenaissance eingefaßt. Dies
Motiv des Erkers kommt in späterer
Zeit an einem Hause der Bogen-
straße Nr. 34 zu einer ebenso rei-
chen als eleganten Durchbildung
im kraftvollsten Stil der Spätzeit.
Der obere Teil der Fassade leider
nüchtern verzopft.
Die Mehrzahl der Münster-
schen Fassaden gehört sonst dieser
Spätzeit, meist schon dem 17. Jahr-
hundert an. Es sind hohe Gie-
belbauten, größtenteils im Erd-
geschoß mit Arkaden, welche auf
kräftige dorische Säulen gestellt
sind und bisweilen in zierlichen Re-
naissanceformen mit Zahnschnitt-
friesen u. dgl. durchgebildet werden.
Recht im Gegensatz zu den goti-
schen Fassaden verzichten sie auf
jede vertikale Gliederung durch Pi-
1) Fr. Tophoff, Aufn. in der Wiener
Allg. Bauzeitung 1872. Abb. 319 Krameramthaus zu Münster
488 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
lasier oder Lisenen, da-
gegen wetteifern sie er-
folgreich mit jenen im Reiz
der durchbrochenen, frei
aufgelösten Silhouette. Vo^
luten und Schnörkel jeder
Art bäumen sich in krau-
sem Spiel gegeneinander,
und mit den gotischen
Fialen wetteifern die mit
Quadern gebänderten Py-
ramiden samt den Kugeln
und den krönenden Eisen-
blumen. Man erkennt hier
so recht, wie der spätere
Giebel durch die verschie-
denen Stadien einer noch
einfacheren Frührenais-
sance sich aus der goti-
schen Form entwickelt hat.
An Mannigfaltigkeit und
Feinheit in der Silhouette
sind diese späten Bauten
den viel gleichartigeren
des Mittelalters entschieden
überlegen.
Die Hauptbeispiele fin-
den sich am Prinzipalmarkt
Nr. 32, 33, 34, 35 (von
1612), 36 (von 1653), 37
(von 1657). Ähnlich eben-
dort Nr. 43, 44, 48 (von
1627), die Arkadenhögen
mit hübschen Zahnschnit-
ten gesäumt, ferner Bogen-
straße Nr. 31 und 36 (vom
Jahr 1617), letztere ohne
Arkaden. Bei allen diesen
Fassaden ist es auffallend,
wie sehr jede plastische
Gliederung der Fläche bis
auf die durchlaufenden Ge-
simse vermieden ist, viel-
mehr die ganze Kraft der
Phantasie sich auf die Aus-
bildung der Silhouette des
Giebels konzentriert.
Am Rathaus ist die Rückseite in Renaissanceformen durchgeführt.
Im Dom ist außer einer Anzahl guter Etaphien und Altäre nichts Be-
merkenswertes aus dieser Zeit.
Das Wichtigste sind die Arbeiten des Joh. Beldensnyder d. J. Zwei noch
gotische, doch Renaissancemotive zeigende Sakramentshäuschen, und der herr-
Abb. 320 Stadtweinhaus zu Münster 'fS"
(Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt, Berlin)
Wolbeck Bocholt Dortmund
489
liehe, leider entfernte gleichartige Lettner (jetzt im Provinzialmuseum aufgestellt).
Das Epitaph des Domherrn G. v. Schade von 1545 zeugt von der Kunst dieses
einzigen Meisters. Schöne Epitaphien von Wüh. Gerh. Gröninger aus dem Anfang
des 17. Jahrhunderts von höchst malerischer Wirkung. Auch der Plettenbergaltar
von ihm. — In der Marienkapelle dabei wieder ein Epitaph von Joh. Beldensnyder^
Anbetung der Könige, eine seiner besten Arbeiten. In der Ludgerikirche treff-
liches Ghorgestühl, geschnitzt, um 1580.
In der Nähe von Münster ist das Schloß Wo Ib e ck , um 1546 von einem
Grafen Merveld erbaut, eins der frühesten dortigen Denkmäler der Renaissance,
die sich hier noch mit gotischen Elementen mischt. An der im übrigen schUchten
Außenfront ist auf kräftigen, mit Bildwerk geschmückten Konsolen ein eleganter
Erker im oberen Geschoß aus-
gekragt, der die Jahreszahl 1546
trägt. Er ist ganz mit schlanken
Fenstern zwischen schmalen Pfo-
sten durchbrochen, welche unten
als geschmückte Rahmenpilaster,
oben als feine Kandelabersäulchen
behandelt sind. Die Fensterbrü-
stungen zeigen an den einfassen-
den Gliedern reiches Laubwerk,
in den Flächen Reliefmedaillons
und zierlich behandelte Allianz-
wappen. Offenbar haben wir hier
wieder eine Arbeit des trefflichen
Joh. Beldensnyder, ganz ähnlich
dem Erker zu Burgsteinfurt. Der
in Ziegelrohbau mit Quaderein-
fassungen ausgeführte Hauptbau
(Abb. 321) ist durch hübsch be-
handelte Giebel ausgezeichnet.
Einfache Rahmenpilaster bilden
die Einteilung, und die einzelnen Abb. 321 ScWüß Wolbeck
Absätze sind mit Halbkreisen be-
krönt, die Muschelfüllungen haben und mit Kugeln besetzt sind, eine Behand-
lung, die sich auch an Münsterschen Fassaden (Abb. 319) findet. Die Ziegel-
flächen mit hübschen farbigen Rautenmustern. Elegant ist der runde Treppen-
turm, dessen Wendelstiege sich um eine schlanke Kandelabersäule windet.')
Der aus den Niederlanden eingedrungene Mischstil von Haustein und Ziegel-
bau ist an dem ausgezeichneten Rathaus zu Bocholt in anziehender Weise ver-
treten. Im Erdgeschoß eine offene Halle, deren Pfeiler ionische Halbsäulen haben ;
die Bogenzwickel und Schlußsteine schön verziert; die achtfenstrigen Ober-
geschosse durch Halbsäulen und Pilaster geteilt; über dem Gesims hohes Ge-
länder, in der Mitte ein Giebel.
Wie weit dieser Stil landeinwärts gedrungen ist, beweisen zwei Privat-
häuser in Dortmund. Das eine am Ostenhellweg Nr. 5, ein Eckhaus mit hohem
Seitengiebel vom Jahre 1607, mit der Inschrift: Gandori cedit invidia. Die Fenster
haben Entlastungsbögen in Rustika, die einzelnen Steine Köpfe als Schmuck. Die
Flächen, jetzt getüncht, sind in Backstein ausgeführt. Ein ähnliches Haus in
derselben Straße Nr. T/a, vom Jahre 1619, hat noch unverputzte Flächen.
1) Aufn. von Rincklake a. a. 0. Taf. 51 — 54.
490 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
In der Marienkirche ist die reichgeschnitzte Orgelempore ein noch gotisches
Werk; die geschuppten ionischen und die kannelierten dorischen Pilaster des
rechten Flügels der Brüstung gehören offenbar einer späteren Erneuerung an.
Bei der R einoldikir ch e ist der imposante viereckige Westturm als ein
vortreff Uches Werk unsrer Renaissance zu bezeichnen. Die lisenenartigen Ver-
stärkungen der Ecken, die Profile der Fenster- und Bogennischen mit ihren Ein-
kehlungen erinnern noch ans Mittelalter. Die Galerie, die den hohen viereckigen
Bau abschheßt, hat ein schönes Gitter von Schmiedeeisen mit prächtigen Blumen
auf den Ecken, der achteckige Aufsatz mit seinen beiden Kuppeln, Laternen und
der schlanken Spitze bei trefflichen Verhältnissen edlen Umriß. Die Gesamthöhe
beträgt etwa 80 Meter. Die Aufführung des Werkes geschah, nachdem der go-
tische Spitzturm infolge des Erdbebens von 1640 im Jahre 1659 eingestürzt war,
erst seit 1662 durch die Baumeister Pistor von Elberfeld und Johannes Feld-
mann von Dortmund.
Abb. 32-2 Scliloli Neuhaus
Ganz besonders bodenständig aber sind im westfälischen Lande die vielen
Schlösser des alten Adels, von denen wir einige bereits erwähnten. Die meisten
sind Wasserburgen, rund oder rechteckig, oft mit Türmen an den Ecken, von
breiten Wassergräben umgeben, in denen sie wie Inseln zu schwimmen scheinen.
Torhäuser bewachten die Zugbrücken, die öfters noch vorhanden sind. Fast alle
von hohem malerischen Reiz, oft alt und wenig anspruchsvoll, oft auch wahre
Prachtbauten. Das altertümhche runde Schloß Vischering ist darunter eines
der merkwürdigsten, noch halb gotisch, mit Giebeln, Türmen, Zugbrücke und
Tor, in Ziegel- und Hausteinbau gemischt, mit steinernen Fensterkreuzen; doch
vorwiegend Anfang des 16. Jahrhunderts gebaut, jetzt wieder einmal abgebrannt.
Großartig Schloß Neuhaus, jetzt Kaserne (Abb. 322).
Prächtig der Torbau des umgebauten Schlosses Drensteinfurt; hell ge-
musterte Backsteinflächen, Muscheln auf den drei Absätzen des geradlinigen
Westfälische Schlösser
491
Giebels, steinerne Fensterkreuze (Abb. 323). Im Schloß ein sehr feiner Kamin
der Frührenaissance, sich auf eleganten Stützen vorbauend, mit Medaillons, Köpfen,
Ornamenten reich geschmückt, oben drei reiche Aufsätze auf Kandelaberchen.
Stil Joh. Beldensnyders.
Das Amthaus in Lüdinghausen, ein Schloßrest, hat einen Flügel mit
Wappenportal, Fensterverdachungen und schönen frühen Renaissanceteilen.
Schloß Burgsteinfurt, ein nicht ganz geschlossenes Rund im Wasser, ein
bereits aus romanischer Zeit erhebliche Teile, selbst eine Doppelkapelle, beher-
bergender Bau, ist
durch ein maleri-
sches Torhaus in
Fachwerk mitTrep-
penturm zugäng-
lich ; im Hof ein
starker viereckiger
Treppenturm ohne
Dach, — dabei ein
Glanzstück west-
fälischer Architek-
tur: der zwei Ge-
schosse hohe recht-
eckige Erker von
Joh. Beldensnyder ;
dreiachsig mit star-
ken Rahmen-Pila-
stern; die mittlere
Achse oben ent-
hält eine Tafel mit
Muschelkrönung
und Relieffiguren;
reicher Wappen-
schmuck an der
Brüstung, feinste 323 schloß Drensteinfurt Torbau
Ornamentik in den
Pilastern und Friesen, die Gesimse stark verkröpft. Es ist merkwürdig, daß
Beldensnyders außerordentliche, klassisch zu nennende Werke unserer Früh-
renaissance bisher so unbekannt geblieben sind.
Kleinere Schlösser sind zahlreich, unter ihnen nennen wir Haddenhausen,
zwei Flügel im Winkel, dort achteckiger Treppenturm ; hübscher Erker mit Säule
und flottem Aufsatz; Tor mit Rustikabändern; innen ein schöner Kamin von
1622. — Schloß Bodelschwing, viereckig, im Wasser, mit Ecktürmen und
einfach schönen Giebeln.
Bedeutend und ganz eigenartig Schloß Assen, auch im Wasser gelegen.
Schon der Torbau in drei Geschossen, mit Giebel bekrönt, mit Säulen zwischen
den Fenstern, in der Brüstung oben reiche Wappen ; überall die Flächen und der
Körper aus Backstein mit merkwürdigen reichen Mustern. Der Baukörper da-
neben, besonders im Hofe, hat Blendbögen, darin die Fenster mit Steinkreuzen;
alle Flächen der Fensterkreuze, Pilaster usw. sind mit eigentümlichem Flach-
ornament gemustert. Alles in allem eine der merkwürdigsten Architekturen,
1564 datiert.
Ganz ähnlich, nur noch reicher, die betrübten Reste des Schlosses Horst
bei Altenessen, — und Schloß Hovestadt bei Soest, dieses offenbar jünger,
492 2- Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
mit einem gewaltigen Pavillon an der Ecke, mit rundem Dach. Bei diesen tritt
französischer Einfluß, dem die Eigenart der Anlage dieser Werke großenteils ent-
stammt, klar zutage.
Schloß Rheda bei Wildenbruch ist ein jüngeres Werk, höchst malerisch,
mit vorgebauter Galerie im Obergeschoß, Erker mit Wappen, Rustikaportal, im
Winkel und gebogen gebaut. Wildenbruch ist reich an schöner altertümlicher
Holzarchitektur.
Rheinland
Am Niederrhein sind nur vereinzelte Werke der Renaissance zu verzeichnen.')
In Emmerich bewahrt die Kirche einen messingenen Tauf kessel in den Formen
der Frührenaissance. Wesel besitzt am Markt ein Giebelhaus ganz von Hau-
steinen in edlen Renaissanceformen durchgebildet. In Xanten zeigt der Kreuz-
gang am Münster Gewölbe mit Renaissancekonsolen, und das Münster selbst
schöne Epitaphien. In Kalkar in der Pfarrkirche finden sich mehrere Holz-
schnitzaltäre, teils in gotischen, teils in Frührenaissanceformen. Namentlich der
Johannesaltar von Honold van Tricht aus Utrecht und der ihm sehr ähnliche,
nur noch reichere und üppigere Dreifaltigkeitsaltar von Heinr. Douvermann sind
in ihren Umrahmungen, besonders in den zierUch durchbrochenen Bekrönungen,
von reizvoller Erfindung und elegantester Ausführung. Zumal in letzterem Werke
gehören die Putten, welche in den Ranken klettern, zu den anmutigsten Er-
findungen. Die Entstehungszeit dürfte um 1540 fallen. Noch etwas durch-
gebildeter und entwickelter, ebenfalls von geistreichster Erfindung ebendort das
Epitaphium der Famihe Brouwer mit Kreuzigungsgruppe von 1592, das zu den
feinsten Werken unsrer Renaissance zählt. In Joch mehrere Steinbauten mit
Erkern und ein Stadttor mit runden Türmen. In der Kirche zu Kempen ein
Orgelgehäuse von 1541, mit vortrefflichen Ornamentfüllungen noch aus früher
Renaissancezeit. In Düsseldorf bewahrt die Stadtkirche das prächtige Marrnor-
grab Herzog Wilhelms von Jülich- Cleve-Berg (f 1592), wahrscheinlich eine nieder-
ländische Arbeit, ein mächtiges Wandgrab aus fünffach verschiedenfarbigem Marmor;
im Aufbau der übliche Triumphbogen, vor dem aber der Sarkophag mit der Ge-
stalt des ruhenden Fürsten steht. Im Bogenfeld Relief des Jüngsten Gerichts, seit-
lich und in dem von Hermen getragenen Aufsatze Statuen von Tugenden. — Die
Andreas-(Jesuiten-)Kirche, 1G22— 29 erbaut, — eine dreischiffige, kreuzgewölbte
Hallenkirche, an den Seiten Emporen auf Rundbögen. Die starken Pfeiler be-
stehen aus kreuzförmig gestellten Pflastern mit korinthischen Kapiteflen und
Gebälkkröpfer. Der Chor im halben Achteck geschlossen. Der innere Raum,
besonders am Gewölbe, zeigt schöne Stukkatur in der Art der bayrischen (München,
Landshut), die 1G32 durch Joh. Kuhn aus Straßburg ausgeführt ist; kassettierte
Gurte, mit feinen verzierten Profilen an den Gewölbkanten; in jeder Kappe ein
Medafllon mit Relief, Kartuschen an den Schlußsteinen. Ein pompöser HochaUar
schließt den schönen Raum ab. Die Fassade ist im Charakter der römischen
Kirchen gehalten : mitten ein Giebel, Voluten vor den Seitenschiffen. Zwei Türme
über den Enden der Seitenschiffe, — Das kleine Rathaus, malerisch gruppiert, ist
1570 — 73 von Heinr. Tussmann erbaut; hat Treppenturm und Giebel. — Ein
originell in streng klassizistischer Weise durchgeführtes Werk war der als Archiv
dienende Anbau mit dem alten Rathaus in Jülich, um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts von Aless. Pasqualini errichtet. Unsere Abbfldung 324 gibt über das
Einzelne Aufschluß. Beides leider abgebrochen. Vom alten Schlosse des gleichen
Architekten (1549), das in vier Flügeln einen Hof umfaßte, steht noch die ziemlich
1) Wertvolle Notizen, unterstützt von trefflichen Zeichnungen, hat Herr Baurat E a s c h-
dorff mir mitgeteilt, dem ich für seine eifrige Förderung meiner Studien dankbar bin.
Köln
493
erhaltene schöne Kapelle, Rustikaordnung im Erdgeschoß, ionische im Obergeschoß,
Flächen in Backstein.
Erst in K ö 1 n ^) finden wir etwas reichere Ausbeute, aber auch hier weitaus
nicht im Verhältnis zur Macht und Größe der Stadt. Nach Anlage und Umfang,
sowie nach der Fülle ehrwürdiger Denkmäler von der Röraerzeit bis zum Aus-
gang des Mittelalters, gehört die Metropole des Rheinlandes zu den großartigsten
Städten Deutschlands. Die imposanten, durch Mannigfaltigkeit der Formen und
Reichtum der Ausbildung unübertroffenen Kirchenbauten der romanischen Epoche
finden ihre Krönung in dem weltberühmten gotischen Dome, dem wieder eine
Abb. 324 Vom Rathaus zu Jülich
Anzahl andrer Kirchen folgte. Spricht sich in diesen Monumenten der stolze erz-
bischöfliche Sitz aus, so erkennt man in den Profanbauten die seit dem 13. Jahr-
hundert unaufhaltsam steigende Macht des Bürgertumes. Die günstige Lage am
Rhein, verbunden mit dem früh errungenen Stapelrechte, die Verbindung mit der
Hansa, machten Köln zum Hauptstapelplatz des Handels zwischen Nieder- und
Oberrhein, zwischen Norddeutschland und Holland und den süddeutschen Gebieten.
Noch jetzt erkennt man in dem gotischen Rathaus mit seinem prächtigen Hanse-
saal, in dem Gürzenich und den grandiosen Befestigungen mit Mauern, Toren
und Türmen die Macht des damaligen Bürgertums, die im Kampfe mit der geist-
lichen Gewalt endlich so weit erstarkte, daß die Erzbischöfe gezwungen wurden,
ihre Residenz nach Bonn zu verlegen.
Die Renaissance freilich nimmt in der Stadt, deren monumentale Bedeutung
im Mittelalter wurzelt, eine nur untergeordnete Stellung ein. Der bürgerliche
Privatbau dieser Zeit ist wenig hervortretend, selbst am Schluß der Epoche noch
unscheinbar; die Rathaushalle ist das einzige aufwendige profane Bauwerk. Etwas
günstiger dagegen stellt es sich in Werken kirchlicher Art. Doch auch hierbei
1) Ortwein, XXII. Abt. von G. Heuser.
494 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
handelt es sich fast ausschUeßlich um einzelne dekorative Arbeiten, nur aus-
nahmsweise um größere bauHche Anlagen ; die Jesuitenkirche am Ausgang der
Epoche macht diese Ausnahme.
Bezeichnend für das Verhalten Kölns zu dem neuen Stile ist der Umstand,
daß das früheste Werk, mit welchem er hier auftritt, sich auf den ersten BUck
als eine flandrische Arbeit zu erkennen gibt. Ich meine den prächtigen, jetzt als
Orgelempore aufgestellten Lettner in der Kapitolskirche, der im Auftrage des
kaiserhchen Rats und Hofmeisters Georg Hackenay von einem Künstler in Mecheln
gearbeitet und 1524 nach Köln gebracht wurde. ^) Die reichgegliederte Architektur
dieses prachtvollen, aus weißem und schwarzem Marmor errichteten V\^erkes,
namentlich die gebündelten Pfeiler mit ihren Laubkapitellen, Gurten und Basen,
auch die Nischen der Brüstung mit ihren überschwänghch üppigen Baldachinen
zeigen ein reizvolles Gemisch von spätmittelalterlichen und Frührenaissance-
Formen; dies alles, sowie der Stil der zahlreichen figürlichen Reliefs und Statuetten
in einer natürlich völlig flandrischen Behandlungsweise, auch das weiße Marmor-
material der Statuetten der Brüstung und das schwarze der Pflaster entspricht
dem flandrischen Gebrauche,
Es dauert nun noch eine Wefle, ehe bei einheimischen Meistern die Re-
naissance sich einbürgert. Die ersten Spuren an einem Wandepitaph des 1539
verstorbenen Anton Keyfeld im nördlichen Ghorumgang des Domes. Das kleine
Denkmal, von Kandelabersäulchen mit hübschen Widderkopf kapiteUen eingerahmt
und von einem Giebel bekrönt, enthält ein gutes Relief der Auferstehung Christi;
dabei der Verstorbene im Geleit seines Schutzpatrons, des hl. Antonius. Gleich
daneben ein andres kleines Grabdenkmal ähnlicher Art, reich mit Pflanzenorna-
ment in den Pflastern, welche die Tafel einfassen. Als Abschluß ein Giebel mit
Muschelfüllung, krönendes Laubwerk und Engel mit den Marterwerkzeugen, im
Hauptfelde Christus am Ölberg betend. Die Ornamente vergoldet. Dabei Namens-
zug und Steinmetzzeichen des Meisters.^) Dieselbe Hand, obendrein beglaubigt
durch das nämliche Monogramm, findet sich am südlichen Ende des Umgangs
an dem Denkmal des Hans Scherrerbritzem. Die Behandlung der Pflaster ist
dieselbe, nur die Kapitelle zeigen eine Variation, auch tragen sie hier einen
Bogen als Abschluß, der mit freiem Ornament bekrönt ist. Auf der Tafel das
edel behandelte Relief des Gekreuzigten, der von den hefligen Frauen und
Johannes betrauert wird. Die Formen deuten auf die Zeit um 1540; Stil des
Joh. Beldensnyder.
Von Bedeutung die beiden schönen Grabmäler der Erzbischöfe Adolf und
Anton von Schauenburg, von 1561. Es sind marmorne Sarkophage auf Konsolen
mit den liegenden Figuren der Verstorbenen im Bogen, darüber reiche Reliefs,
alles in Marmor ; vermutlich aus der Werkstatt des C. Floris zu Antwerpen.
Interessant ist, daß man dem oben bezeichneten Meister mit dem gleichen
Monogramm^) an dem hübschen kleinen Epitaphium begegnet, welches an der
Südwand in der Vorhalle von S. Gereon dem 1547 gestorbenen Grafen Thomas
von Rieneck errichtet wurde. Statt des figürUchen Reliefs enthält die Tafel nur
eine Inschrift, aber eingerahmt rings von zierhch behandelten Wappen ; darüber
ein Aufsatz mit einem größeren Wappen, wiederum bekrönt von einem Giebel mit
Muschelfüllung, auf welchem, von Laubwerk eingefaßt, ein jetzt zerstörter Putte
zwei kleinere Wappen hält. Das Ganze polychromiert und von hohem dekora-
1) Vgl. L. Ennen in der Zeitschr. f. bild. Kunst VII, 139 fg. Aufn. bei Heuser. Taf. 81. —
2) Dieser tüchtige Künstler bezeichnet sich
Köln
495
tivem Reiz. (Gegenüber, an der Nordwand, Reste eines ähnlich behandelten Epi-
taphs, durch eine spätere Inschrifttafel verdrängt.)
Aus gleicher Epoche rührt im Kreuzgang des Städt. Museums das herr-
liche kleine Grabmal des 1551 verstorbenen Dr. juris Petrus Glapis, alias Breit-
stein, wie die Inschrift ihn nennt: ein Werk von delikatester Ausführung, mit
feinem Ranken- und Laubornament und zwei trefflich gearbeiteten Wappen ge-
schmückt. Daneben ein andres von minder zarter Behandlung, aber unten mit
einem Fries von Putten dekoriert, die in schwellend weichem ReHef ausgeführt
sind, Einige prachtvolle Kamine ebendort gehören bereits der vorgeschrittenen
Epoche an.
In S. Peter sind die trefflichen, der Frührenaissance angehörenden, noch
wohlerhaltenen Glasgemälde von 1528 und 30 von hervorragender Bedeutung,
Wir haben dieselben im I. Bd. eingehend gewürdigt i) und unter Abb. 87 eine Probe
beigefügt. Auch das prachtvolle Eisengitter derselben Kirche, welches die Tauf-
kapelle abschheßt, verdient Beachtung.^)
Noch einiges aus der Frühzeit in S. Georg. Die Vorhalle der Südseile
originell komponiert, mit Anschluß an romanische Grundformen (1536), Besonders
aber im Chor das Sakramentsgehäuse vom Jahre 1556, in schlankem Aufbau
mit dekorierten Pilastern, Kandelabersäulchen, in Friesen und allen übrigen Flächen
mit zierhchem Laubornament bedeckt. Dazu reiche figürliche Reliefs: Abraham
und Melchisedech, die Mannalese, der Baum des Lebens, oben das Abendmahl,
dies alles freilich nur Mittelgut.
In S. Gereon besitzt die Krypta einen trefflichen Altar, der um 1550 ent-
standen sein mag.^) Vier reich dekorierte Pfeiler, dazwischen und daneben vier
Heiligenstatuen, und in der Mitte ein Kruzifixus; darüber ein ziemlich kraus
komponierter Aufsatz, ebenfalls mit feinen Ornamenten der Frührenaissance be-
deckt. Das reich polychromierte Werk ist aus einem feinen Tuffstein, der in der
Eifel bricht, gearbeitet. Ein treffhches Schnitzwerk, ungefähr derselben Epoche,
1548 — 51 ausgeführt, ist in der Oberkirche das schöne Orgelgehäuse, durch
feine lisenenartige Pilaster gegliedert und mit elegant gezeichnetem Laubwerk
geschmückt, dabei maßvoll vergoldet.*) (Die allerliebsten musizierenden Engel
wohl ein späterer Zusatz.) Das Ganze gipfelt hoch oben in drei luftig durch-
brochenen kuppelartigen Tabernakeln. Ein ungemein brillantes, reich mit figür-
lichen Darstellungen ausgestattetes Werk der Schlußepoche dagegen ist das Sakra-
mentsgehäuse. Es trägt das Monogramm EH. und die Jahreszahl 1608.^)
Aus derselben Spätzeit besitzt Maria Lyskirchen eine prächtig barocke
Orgel und im Hauptportal eine tüchtig geschnitzte Holztür von 1614.
Ein Haupt-Bauwerk ist aber die großartige Jesuitenkirche, von 1621
bis 29 durch Christoph Wamser erbaut, in der Ausstattung zum Teil noch später
(1689). Trotz des späten Datums zeigt sie die so oft vorkommende Verschmelzung
von Gotik und Renaissance, aber in ganz andrem Sinn als die Kirche zu Wolfen-
büttel. Vielmehr ist die Kirche im ganzen nur eine erweiterte, viel prächtigere
Fortbildung der Jesuitenkirche zu Molsheim desselben Architekten, die wir schon
früher erwähnten. Hier in unmittelbarer Nähe des Meisterwerkes mittelalterlicher
Baukunst versteht man die gotischen Formen noch recht gut und baut eine drei-
schiffige Kirche mit hohem Mittelschiff von ansehnlichen Abmessungen. Da man
der Predigt wegen viel Raum bedarf, so gibt man den Seitenschiffen ein voll-
ständiges Obergeschoß, unten und oben mit klar entwickelten Sterngewölben.
Diese ruhen auf schlanken Rundpfeilern mit toskanischen Kapitellen, von denen
1) Heuser a. a. 0. Taf. 65 u. 66. 4) Ebenda Taf. 85—87.
2) Ebenda Taf. 64. 5) Ebenda Taf. 95 u. 96.
3) Ebenda Taf. 82.
496 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Abb. S'i') Inneres der Jcsuitenkirclie zu Köln
sich aber in halber Schafthöhe die unteren spitzbogigen Arkaden ohne alle Ver-
mittlung abzweigen. Auch das Mittelschiff hat Netzgewölbe von einfach klarer
Zeichnung. Die Fenster sind durchweg spitzbogig mit Maßwerken, die, freilich
nicht mehr streng gotisch, doch immer noch gutes Verständnis im Sinne der
Spätgotik bekunden. Dies alles mit dem polygon geschlossenen Chor und den
ebenfalls polygonen Seitenchören macht einen ganz mittelalterlichen Eindruck
(Abb. 325).
Freising
497
So hat auch die Fassade ein hohes Spitzbogenfenster, an den Seiten kleinere,
sämtlich mit dem herkömmlichen Maßwerke. Aber die Fenster sind in antiki-
sierende Rahmen gefaßt, die Strebepfeiler als mächtige dorische Pilaster ent-
wickelt, die Portale vollends, namenthch das mittlere, in üppigen Formen der
späteren Renaissance gebildet. Endlich hat man den Giebel der Kirche mit einem
Turmpaar eingeschlossen, dessen Lichtöffnungen denen der romanischen Turm-
bauten nachgeahmt sind, nur daß die kleinen Teilungssäulen wieder dorische
Kapitelle zeigen.
Im Innern darf die Ausstattung mit Ornament und Stuck, wie mit Schnitz-
arbeiten als ein hochbedeutsames Werk bezeichnet werden.^) Die Beichtstühle
in den Seitenschiffen bilden in Verbindung mit der zwischen ihnen fortgeführten
Wandvertäfelung eine unvergleichhch wirkungsvolle, elegante Bekleidung. Der
glanzvolle Hochaltar und die vier Seitenaltäre geben den prächtigsten Abschluß;
natürhch ist alles entsprechend bemalt und vergoldet. Die Formen sind schon
stark harock, aber mit Frische und Feinheit gehandhabt, die Erfindung in ihrer
Art von hoher Bedeutung, die Ausführung ebenso gediegen wie prachtvoll. Die
Altäre sind süddeutsche Arbeit. Die Kanzel von 1634 hat Valentin Boltz in ge-
diegener Pracht geschnitzt.
Der Kölner Profanbau dieser Epoche gipfelt in der herrhchen Halle, welche
man 1569 dem mittelalterlichen Rathaus vorzubauen beschloß.^) Die älteren
Teile des Gebäudes, im Innern besonders durch den Hansasaal mit seinen Male-
reien und Skulpturen, im Äußeren durch den selbständig hinzugefügten wunder-
vollen Turm ausgezeichnet, sind im übrigen nicht von einer der hervorragenden
Stellung der Stadt entsprechenden Bedeutung. Der schöne Erweiterungsbau von
1549 — 51 nach dem Altenmarkte zu besaß allerdings eine dreiachsige feine Pi-
lasterarchitektur mit Muschelbekrönungen, ist aber durch einen Neubau Rasch-
dorfifs ersetzt. Zwischen diesem und dem Turme befindet sich der reizvolle
Löwenhof, doppelte Bogengänge, deren Obergeschoß 1540 Meister Lorenz erbaute.
Die reichen Brüstungen zeigen tüchtige Renaissanceskulpturen, darunter den
Löwenkampf des Bürgermeisters Grin ; der kleine Hallenhof ist von überraschend
malerischer Wirkung und erinnert an spanische Höfe.
Im Sinne der neueren prunkhebenden Zeit sollte nun dem Rathause eine
jener malerischen „Lauben" hinzugefügt werden, durch die man damals selbst
den einfacheren älteren Rathäusern erhöhten Glanz zu geben wußte. Von allen
derartigen Rathauslauben der Renaissancezeit ist ohne Frage die Kölner die pracht-
vollste. Ähnliches findet sich an den Rathäusern zu Halberstadt, Lemgo, Herford,
während man in Lübeck und Bremen weitergehend sich zu ganz neuen Fassaden
mit Bogenhallen entschloß. Diese Lauben bilden im Erdgeschoß stets eine offene
Halle, die in Köln bis zu ihrer vorletzten Umgestaltung zugleich als Stiegenhaus
die in doppelten Läufen aufsteigende Treppe zum Ratsaal enthielt. Das obere
Geschoß besteht abermals aus einer offenen Halle von vornehmen Verhältnissen,
gleich dem ganzen Bau stattlich angelegt und reich geschmückt (Abb. 326).
In Komposition, Gliederung und Ornamentik spricht sich ein klassizistischer Sinn
aus, aber keineswegs in trockener, schulmäßiger Weise, sondern noch mit dem
anziehenden dekorativen Spiel, der liebenswürdigen Freiheit, welche sonst nur die
Frührenaissance kennt. Dahin gehört auch der an der oberen Halle zur Verwen-
dung gekommene Spitzbogen, der gleichwohl in antiker Form geghedert und
eingerahmt ist. Durch ihn ist eine gewisse Übereinstimmung mit den großen
Spitzbogenfenstern des anstoßenden älteren Baus bewirkt worden. Die auf reiche
Säulenstühle gestellten korinthischen Säulen beider Geschosse mit den stark vor-
1) Heuser, Taf. 99.
2) Ebenda, a. a. 0. Heft 2, Taf. 1 — 8. '
Lübke-Haupt, Renaissance in Deutschland II 3. Aufl. 32
498 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
springenden verkröpften Gebälken und dem starken Konsolengesims, die präch-
tigen, stark auskragenden Schlußsteine unter den vortretenden Teilen des Gebälks,
die Medaillonköpfe in den unteren Friesen und Zwickeln, die Viktorien in den
oberen Bogenfeldern, endlich die abschheßende, an den vorspringenden Teilen
geschlossene, an den untergeordneten Zwischenfeldern durchbrochene Balustrade,
das alles sind Elemente jener durchgebildeten Renaissance, wie sie seit Sanso-
vinos Bibliothek als Ausdruck höchster Pracht sich eingebürgert hatte. Dagegen
gheört das steile Dach mit seinen hübschen Luken und dem in der Mitte vor-
gesetzten reichen Dacherker, der in seiner Nische die Statue der Justitia trägt,
zu den Elementen nordischer Kunst. Auch die Gewölbe der Halle, deren Rippen
aufs eleganteste mit Perlschnüren, deren Schlußsteine mit Rosetten und Masken
dekoriert sind, zeigen noch gotische Konstruktion.
Die Anmut, die leichte Schlankheit der Verhältnisse in diesem schönen
Bau wird durch die feinste ornamentale Ausbildung bis ins Einzelne noch erhöht.
Selbst die Unterseite der Archivolten, welche über den vortretenden Säulen aus-
gespannt sind, zeigt köstliche Füllungen mit graziösen Rosetten. Die Säulen-
stühle haben elegante Masken, die in ein Rahmenwerk von aufgerollten und zer-
teilten Bändern eingelassen sind. Auch die Steigerung vom Einfacheren zum
Reicheren ist fein beachtet: so haben die unteren Säulen glatte, die oberen
weit schlankeren gegürtete Schäfte, am unteren Teil ornamentiert, am oberen
mit Kannelüren versehen. Am Dacherker bilden endlich hermenartige Karyatiden
die Einfassung, diese freilich nicht eben sehr organisch verwendet. Zu den zahl-
reichen Inschriften, die den ganzen Bau verschwenderisch schmücken, kommen
an den Brüstungen der oberen Halle noch figürliche Reliefs, die indes gleich dem
übrigen plastischen Schmuck keinen hervorragenden Wert haben. Die elegante
Wirkung ist nicht wenig durch das Material bedingt, das im Erdgeschoß aus
dem schönen schwärzlichen marmorartigen Stein von Namur, im oberen Stock
aus einem feinkörnigen gelben Sandstein besteht. Fassen wir alles zusammen,
so haben wir es mit einem der feinsten Werke der Renaissance in Deutschland
zu tun. Leider haben die starke Verwitterung des Steins und die neuen An-
schauungen 1881 zu einer vollständigen Erneuerung des schönen Bauwerks ge-
führt, wodurch es keineswegs gewonnen hat. Die Beseitigung der Treppenläufe
hatte schon früher dem Ganzen seinen eigentlichen Sinn geraubt.
Das Obergeschoß besaß übrigens bis 1617 eine schöne, reich geschnitzte
Holzdecke, die erst damals durch das Rippengewölbe ersetzt wurde.
Als Urheber des Baues betrachten wir jenen Meister, der laut Rathaus-
protokoll am 30. März 1569 beauftragt wurde, für das neue Portal „einen Patron
anzufertigen", nachdem man am 23. Juli 1567 beschlossen hatte, das alte bau-
fällige Portal zu beseitigen und durch ein neues zu ersetzen. Der untere Teil
sollte von Namurer Stein gemacht werden, für das übrige bezog man die Steine
von Notteln im Münsterlande und von Weibern; die Treppenstufen kamen von
Andernach. Jener Meister, der dann auch die Ausführung des Baues erhielt, war
Wilhelm Vemickel (Wernniken). Weitere Nachrichten über diesen trefflichen Künstler
fehlen, doch taucht er als W. Vernucken nochmals 1590 in Schmalkalden auf, wo
er die Schloßkapelle baut. Dort wird er als Niederländer bezeichnet. Im Jahre
1573 stellt der Rat unterm 4. Mai dem Meister das Zeugnis aus, daß er das
Portal zur Zufriedenheit vollendet habe. Daß Vernickel gänzlich unter dem Ein-
fluß der eleganten Renaissance des benachbarten Flandern stand, erkennt man
aus seinem Werke deutlich. Bezeichnend ist, daß er gegen lauter niederländische
Künstler siegreich auftrat, die olfenbar zu einem Wettbewerbe veranlaßt worden
waren. Schon 1562 hatte ein Heinrich van Hasselt einen Plan eingereicht, der
noch vorhanden ist. Im städtischen Archiv nämlich bewahrt man mehrere alte
Köln
499
Abb. 326 Rathausvorballe zu Köln vor der Wiederherstellung
Pläne, die auf den Bau dieser Halle bezug haben. Sie rühren nur von Nieder-
ländern her, beweisen also aufs neue (wie schon der Lettner der Kapitolskirche),
daß man hier bei hervorragenden Werken sich nicht auf einheimische Meister
verlassen zu dürfen glaubte. Als Zeugnis der verschiedenen damals sich kreu-
zenden künstlerischen Richtungen haben diese Blätter ein hervorragendes Interesse.
Einige Bemerkungen über sie sind also wohl am Platze.
Der erste Plan, gemalte Federzeichnung, ist bezeichnet: „Lambertus Suter-
mann alias Suavius fecit anno 1562." Lambert Su(s)terman, auch Lombard und
500 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Suavius genannt, der Erbauer der Vorhalle von S. Jacques zu Lüttich, wurde also
zu ähnlicher Aufgabe hier herangezogen. Der Entwurf zeigt einen klassischen
Bau im Sinne des Lütticher; unten geschlossene Wandflächen mit eingelegter
Marmorfüllung, darüber in den Brüstungen Reliefs von weißem Marmor. Die
obere offene Halle auf gekuppelten dorischen Säulen, Schäfte von Marmor, Kapi-
telle und Basen von Bronze. Als Abschluß eine Attika mit ionischen Pilastern,
die aber durch Marmortafeln mit Emblemen und Ornamenten fast ganz verdeckt
sind. Die Bogenfüllungen haben Reliefs, darüber noch liegende Zwickelfiguren.
Auf die Mitte baut sich ein Aufsatz mit korinthischen Säulen und einem Giebel,
den ein Adler krönt. Auf den Seiten sind Statuen aufgestellt; zwei lehnen sich
wenig günstig an die Ädikula. Das Figürliche in dem allegorisch-sentenziösen
Geschmack der Zeit erfunden und mit reichlichen Inschriften erläutert. Dieser
Entwurf ist zeichnerisch und als Erfindung entschieden ganz hervorragend.
Der zweite Plan rührt inschriftlich von jenem oben erwähnten Hinrick van
Hasselt her. Doppelhalle, unten wie oben mit flachgedrückten Burgunderbögen
sich öff'nend. Unten Rustika mit Diamant-Quadern, die Pfeiler mit vorgelegten
dorischen Pilastern. Oben in der Mitte ein breiter Bogen auf ionischen Pfeilern,
an beiden Seiten die Öffnungen, durch Pfeiler mit schwarz gezeichneten Flächen-
ornamenten geteilt. Die obere Ordnung bekleidet mit ionischen Pilastern, die in
wunderlich verzierte Hermen und Karyatiden auslaufen. Dann als Abschluß ein
breiter Fries, attikenartig, in der Mitte als durchbrochenes Geländer behandelt,
auf den Eckpostamenten eine weibliche Figur und ein Krieger als Wappenhalter.
Alle Friese mit Blumenranken, dazwischen Affen, Vögel und andere Tiere. Die
Schlußsteine der Bögen phantastische Köpfe, Masken u. dgl. Über den Seiten-
bögen Schilder mit Rollwerkrahmen. Das Ganze eine etwas planlose Mischung
heimischer und antiker Formen, von einem mittelmäßigen Künstler nicht eben
geschickt mit der Feder gezeichnet.
Der dritte, nicht mit Namen versehene ist ein Palladianer der strengen
Richtung. Große Zeichnung, mit Tusche laviert, geometrischer Aufriß, aber mit
perspektivischer Andeutung der Halle, unten nach dem Beispiel mancher palla-
dianischer Bauten zu Vicenza eine dorische Säulenhalle ohne Stylobate, aber mit
Triglyphenfries. Dahinter ein Tonnengewölbe mit Gurten auf dorischen Wand-
pfeilern. Oben eine streng ionische weitgestellte Säulenhalle und geradem Gebälk.
Die Halle flach gedeckt, das Gebälk auf ionischen Pilastern ruhend. Eine durch-
brochene Balustrade bildet den Abschluß, in der Mitte durch ein kümmerlich er-
fundenes großes Kreisfeld mit dem Wappen bekrönt, beiderseits von einer Sphinx
gehalten. Der Eindruck des Ganzen am meisten dem Palazzo Ghierecati ver-
wandt, doch nüchtern und von geringer Erfindungskraft.
Der vierte Plan zeigt eine Variante von derselben Hand, die hier auf
reichere Prachtentfaltung abzielt. Die untere Bogenhalle ist auf Pfeiler gestellt,
vor die korinthische Säulen auf Stylobaten treten. Die obere Halle hat Komposita-
säulen, am Mittelbau zu dreien gruppiert. Die Bogenzwickel haben hier Viktorien,
im übrigen mancherlei Ornament. Den Abschluß bildet eine Balustrade, in der
Mitte mit hübscher Akanthusranke gefüllt; darüber derselbe Aufsatz wie am
vorigen Projekt.
Der fünfte Entwurf, in zwei Ausführungen vorhanden, ist der verwirklichte.
Die eine zeigt genau die Anordnung des gegenwärtigen Baus, die andere wahr-
scheinlich ein Abänderungsvorschlag, 1571 bezeichnet i), bietet interessante Ab-
weichungen. Erstlich hat der Entwurf drei Dacherker, die seitlichen rund, der
mittlere mit Giebel geschlossen. Bei der Ausführung hat man doch die seitlichen
1^) Dies späte Datum ist, da damals der Bau schon in. voller Ausführung war, auffallend.
Köln
501
Aufsätze fortgelassen, die Balustraden und ebenso das Konsolengesims kräftiger
ausgebildet, die oberen Säulen gegürtet und den oberen Schaftteil kanneliert,
die Bögen oben und unten abwechselnd mit eleganten Schlußsteinen ausgestattet,
während der zweite Entwurf diese unten gar nicht, oben dagegen aber überall
zeigt. Auch die Anordnung der Karyatiden am Dachgiebel ist abweichend, und
jener neue Vorschlag organischer.
Im ganzen wird man zugestehen müssen, daß die Kölner Stadtbehörde in
der Auswahl doch richtiges Verständnis und glücklichen Griff bekundet hat, was
von modernen städtischen Kollegien in ähnlichen Fällen nicht immer behauptet
werden kann, wenn auch der Entwurf Lambert Sutermans der hervorragendere
bleibt. Aber die wundervolle Vorhalle desselben Künstlers an S. Jacques in Lüttich
ist in der Wirkung verhältnismäßig zurückhaltend und streng in der Behandlung,
so daß man die hier zur Ausführung gebrachte Halle doch als entschieden wirk-
samer bezeichnen muß.
Der große Saal des Rathauses besitzt herrliche Holzarbeiten mit schönen
Intarsien, 1603 von Melchior Reidt hergestellt. Besonders die Tür ist ein Pracht-
werk in Zeichnung und Ausführung, selbst die tiefe Leibung der Nische ganz
mit köstlich eingelegter Arbeit geschmückt. Auch die Decke zeigt treffliche
Gliederung in Stuck, mit eingesetzten Kaisermedaillons, zum Teil vergoldet und
bemalt. Ebenso ist die Tür des Konferenzzimmers, aus dem Zeughause hierher
versetzt, eins der elegantesten eingelegten Werke, aus derselben Zeit herrührend,
die Ornamente im Schweifstil ausgeführt.
Der Schlußepoche gehörte auch der sogenannte „Spanische Bau". Er
liegt dem Hauptbau des Rathauses mit der nach Westen schauenden Halle gegen-
über und schließt mit ihm den kleinen Platz ein, welcher sich als Mittelpunkt der
ganzen Anlage darstellt und früher nach drei Seiten durch kräftige Barockportale
mit den benachbarten Straßen in Verbindung stand. Leider ist dieser Bau durch
einen nur kümmerlich und grob daran anklingenden Neubau ersetzt. Die nieder-
ländische Spätrenaissance mit ihren Backsteinmassen und den hohen in Sand-
stein ausgeführten Fenstern herrschte hier. Das Erdgeschoß war in kraftvoller
Rustika aus Quadern mit horizontalen Bändern errichtet. In der Mitte öffnete
sich die Fassade mit fünf offenen Bögen, die in eine Halle mit gotischen Kreuz-
gewölben führen. Ein Portal an der Seite zeigte ein prächtiges Gitter von
Schmiedeisen; auch die kraftvollen Eisengitter der Fenster an der Südseite des
Baues waren beachtenswert. Die Mitte der Fassade krönte ein hoher und breiter
Barockgiebel mit Schweifen und Voluten. Alles derb, einfach, kraftvoll.^)
Im Innern enthielt dieser Bau im Erdgeschoß ein Zimmer (jetzt im Kunst-
gewerbemuseum) mit elegant geschnitztem Wandgetäfel, durch kannelierte ionische
Pilaster gegliedert und mit reich dekorierten Friesen abgeschlossen. Die Decken
waren überall durch gotische Kreuzgewölbe mit schönen Schlußsteinen gebildet.
An der westlichen Rückseite des ausgedehnten Baues führte ein besondrer Eingang
zu einer der prachtvollsten, ganz in Holz geschnitzten Wendeltreppen ; vielleicht
die eleganteste von allen hiesigen; jetzt ist sie ins Severintor übertragen.
Von städtischen Monumenten ist außerdem das Zeughaus zu nennen, ein
schlichter Backsteinbau derselben Epoche, durch zwei einfache Staffelgiebel und
ein reich bekröntes Portal in Sandstein von Peter Cronenborch 1592 bemerkenswert.
An der Seitenfassade ein achteckiger Treppenturm, oben mit hübschem Wappen
dekoriert. Innen eine mächtige zweischiffige Halle auf Säulen.
Die Wohnhäuser unsrer Epoche stehen in Köln nicht ganz im Verhältnis
zur Bedeutung des Bürgertums der mächtigen Stadt. Das wenige Erhaltene von
1) Vgl. Heuser, Heft 2, Taf. 9 u. 10.
502 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
früherem Datum ist ohne
besonderen Schmuck, je-
doch von künstlerischer
Eigentümlichkeit ; die
spärlichen reicheren Bau-
ten gehören der Spätzeit
an. Zuerst behalten die
hohen Giebelfassaden mit
ihren von Fenstern ganz
durchbrochenen Geschos-
sen noch den Charakter
des Mittelalters, nament-
lich durch die Fenster mit
den steinernen Kreuz-
pfosten, die Oberfenster
im Bogen geschlossen,
und die schlichten Staffel-
giebel, deren Absätze
höchstens durch leichte
Voluten- oder Bogen-
schlüsse bekrönt werden.
So das hohe Eckhaus am
Heumarkt und dem Seid-
machergäßchen. Ein statt-
licher Giebel mit kräftig
ausgebildeten Voluten
Heumarkt Nr. 24. Reich
geschnitzt der Balken
zum Aufwinden der La-
sten in der oberen Dach-
luke ; solche fanden sich
an vielen Häusern.
Das feinste Haus der
frühen Renaissance ist
am Heumarkt Nr. 20;
offenbar etwa 1540 ent-
standen, schließt es vor
dem steilen Walmdach
mit einem kräftigen Zin-
nenkranze ab; in den
Zinnen Runde mit Relief-
köpfen. Die Flächen sind
ganz durch Fensterreihen
mit Kreuzpfosten — die
Oberfenster im Flachbogen — durchbrochen; unter den Fenstern laufen in drei
Geschossen wunderfeine edelst gebildete Ornamentfriese mit Sirenen, Medail-
lons usw. etwa im Stil der berühmten Holzschnitzereien von Oudenaarde. Das
Erdgeschoß leider umgebaut. Diese Giebelfront zeigt aber im höchsten Maße,
wie fein, elegant und flüssig gerade diese Zeit in Köln ihre Fassaden zu bilden
wußte, in hoher rein örtlicher Eigenart. Freilich stark zurückhaltend. Von ein-
facheren Fronten dieser Zeit und Art sind noch zahlreiche vorhanden; früher
bestimmten sie geradezu den Charakter des Straßenbildes.
Abb. 327 Vom Wandgrab des Joh. Eitz in der Karmeliterkirche
zu Boppard
Köln
503
Eine zierliche kleine Fassade an demselben Platz Nr. 11 hat ein klassi-
zistisches Gepräge, besonders durch die Bogenfenster. Am Alten Markt Nr. 20
und 22 sodann das einfach behandelte Haus zur goldenen Bretzel mit Doppel-
giebel, die Voluten mit runden Scheiben geschmückt; datiert 1580. Ein schlichtes
Giebelhaus mit Schnecken ohne feinere Entwickelung Große Witschgasse Nr. 36
vom Jahre 1590. Auch hier ein prächtig geschnitzter Balken in der Dachluke.
An einer sonst wertlosen Fassade ebenda Nr. 58 ein hübsch behandeltes figür-
liches Relief, von zwei Putten gehalten. Eine
der prachtvollsten Wendeltreppen fand sich
in dem Hause Nr. 25 am Minoritenplatz, in
edlem Stil mit reichen Ornamenten und ele-
ganten Gliederungen durchgeführt (Schnütgen-
museum). Diese holzgeschnitzten Treppen,
die nicht bloß an den Geländern und Brü-
stungen, sondern oft auch an den Unterseiten
der Stufen dekoriert sind, bilden eine be-
sondere Eigentümlichkeit der Kölner Bürger-
häuser.
Schließlich sind noch einige späte, aber
um so prächtigere Nachzügler zu erwähnen.
Eine stattliche Fassade am Filzengraben Nr. 24,
mit zwei besonders hohen Stockwerken über
dem Erdgeschoß; die Fenster mit steinernen
Kreuzpfosten, aber im Halbkreis geschlossen ;
der Giebel mit reich verschlungenen und durch-
brochenen Schweifbögen, auf den unteren
Ecken zwei Bewaffnete mit Lanzen. Die Hof-
seite des ansehnlichen Baues ist durch drei
hohe Volutengiebel ausgezeichnet. Noch viel
später, schon aus voller Barockzeit, das
Haus zur Glocke, am Hof Nr. 14 ge-
legen. Die Fassade mit ihrem einfachen
Staffelgiebel mag früherer Epoche ange-
hören; aber das mit derben Fruchtschnüren,
Masken u. dgl. geschmückte Portal und die
innere Ausstattung lassen das spätere 17. Jahr-
hundert erkennen. Der breite und hohe
Flur mit seinen stuckierten Balken ist ein
schönes Beispiel der alten Kölner Hausein-
richtung. Nach der Rückseite schließt sich
ein großer, hoher, reichlich erleuchteter Saal
an, dessen Decke ungemein reiche Stuck-
dekoration zeigt, in der Mitte ein kraftvolles
ReHef des Mutius Scaevola, der die Hand
über das Feuerbecken ausstreckt, datiert 1693. Eine gut geschnitzte Wendel-
treppe führt zum oberen Geschoß, wo ein ähnlicher Saal, nur minder üppig ge-
schmückt, sich findet. Ähnhche und noch reichere Häuser dieser späten Zeit
gibt es noch mehr.
Insbesondere bezeichnend für das Köln des 17. Jahrhunderts ist der reiche
Stuckschmuck der Balkendecken, deren Zwischenräume mit Bögen abgeschlossen
sind. Von dieser Decke finden sich noch zahlreiche in den alten Häusern- bis
in die obersten Geschosse hin.
Abb. 328 Vom Grabmal der Pfalzgräfin
Johanna zu Simmern
504 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
In der Umgegend von Köln besitzt Brauweiler in seiner Abteikirche
zwei Seitenaltäre; der eine minder interessante vom Jahre 1562, der andere
von 1552 ein wertvolles Werk, ungefähr im Charakter jenes in der Krypta von
St. Gereon, ebenfalls in Tuffstein ausgeführt und ursprünglich reich bemalt. Der
Aufbau über der Mensa beginnt mit einer Predella, welche in Nischen die Brust-
bilder von vier Heiligen zeigt. Darüber erheben sich vier korinthische Ornament-
Pilaster, die in der Mitte eine große Nische mit der gegen "ji Meter hohen Gestalt
des Antonius Eremita, an den Seiten
je zwei kleinere Nischen übereinan-
der mit halb so großen Figuren weib-
licher Heiligen einschließen. Über
dem Gesims ist die Widmungstafel
als reich eingefaßter Aufsatz ange-
bracht; die obere Krönung des Gan-
zen bildet ein Kruzifixus. Alle Glie-
derungen sind mit eleganten Laub-
ornamenten im zierlichen Stil der
Frührenaissance bedeckt. In die obe-
ren Teile spielt eine Reminiszenz go-
tischer, mit Krabben besetzter Bögen
hinein. Die Ausführung durchweg
von großer Feinheit. Die Pilaster
haben zart gezeichnetes Laubwerk,
Gold auf blauem Grunde. Die korin-
thischen Kapitelle sind ganz ver-
goldet; ebenso die Seitenverzierungen
des Aufsatzes. Die Figuren in den
Nischen haben durchweg Bemalung
und Vergoldung; die Nischen sind
auf blauem Grund mit silbernen Or-
namenten bedeckt.
Rheinaufwärts ist zunächst in
Andernach der Leyensche Hof als
ein Steinbau der Spätrenaissance mit
prächtigem Barockportal bemerkens-
wert. In Koblenz sind mehrere
Erker, so die an der Ecke der Kreuz-
straße, zu nennen. Wichtiger ist aber
die Jesuitenkirche, ein stattlicher Bau
der Spätzeit, etwas früher als die
Kölner, von 1609 — 17 aufgeführt, und
wieder in anderer Weise Mittelalter
und Antike mischend. Die drei Schiffe
werden durch dorische Säulen mit
Rundbogen- Arkaden geteilt; auch die
Emporen über den Seitenschiffen
öffnen sich in ähnlicher Bogenform
gegen das Mittelschiff. Dagegen zei-
gen sämtliche Räume spätgotische
Netzgewölbe; ebenso sind die Fenster
Abb. 329 Epitaph der Pfaizgräfln Aiberta spitzbogig mit Fischblasen-Maßwerk ;
zu Simmern auch eine stattliche Rose an der Fas-
Koblenz Boppard
505
sade ist noch in spätgotischer Weise
gegliedert. Doch spielen bei der Be-
handlung der Details Eierstab und
Perlschnur eine große Rolle. Die Fas-
sade erhält nicht bloß durch das Rosen-
fenster, sondern auch durch ein heiter
geschmücktes Portal mit vier einfas-
senden Säulen und nischenartigem
Aufsatz in reichen Frühbarockformen
lebendige Wirkung.^) Auch das an-
stoßende Jesuitenkollegium zeigt eine
tüchtige Behandlung im beginnenden
Barock, der südliche Flügel 1588, der
westHche 1592, der nördhche ein Jahr-
hundert später erbaut.
Nördlich im Kreis Altenkirchen
finden wir die Überreste des Schlosses
Friedewald; meist Ruine, doch steht
noch der sehr schöne Hauptbau zwei-
stöckig, mit dorischer und ionischer
Pilasterordnung und Steinkreuzen in
den Fenstern, Nischen dazwischen,
von strengster Behandlung dieser Ord-
nungen und vollendetstem ernstem De-
tail; ganz offenbar von französischem
Architekten gebildet.'^) Innen einige
vortretfhche Türen und Kamine, mit
der Jahreszahl 1582.
Von den Grabdenkmälern in der
Karmeliterkirche St. Severin zu Bop-
pard, die schon in Bd. 1 kurze Erwäh-
nung fanden, teile ich in Abb. 327 das 330 Aus st. Matheis zu Trier
prächtige Wandgrab des Johann von
Eitz und seiner Gemahlin vom Jahre 1548 mit. Originell ist der Aufbau des aus
drei Flachnischen bestehenden Monumentes; reizvoll die feine Dekoration der
Pilaster, der Bogenfüllungen und der wie aus Goldschmiedewerk gearbeiteten
Umsäumungen der Nischen. Im mittleren Felde sieht man die Taufe Christi dar-
gestellt, zu beiden Seiten die knienden Gestalten der Verstorbenen, bei denen
selbst die Kostüme aufs zierhchste durchgebildet sind. Es ist eine Schöpfung
von hohem Reiz und steht der Richtung Joh. Beldensnyders nahe. Leider fehlen
die Aufsätze. Nördlich das sehr feine der Margarethe von Eitz in Solnhofener
Stein, von dem Bayern Loyen lieiing 1519 ausgeführt.
Andere elegante Epitaphien sieht man in der Kirche zu Meisenheim;
doch haben dieselben bei Gelegenheit der französischen Invasionen stark gelitten.
Dagegen ist südlich die Grabkapelle der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken im
16. Jahrhundert angebaut, mit schönen Gewölben, deren Rippen und Schlußsteine
zum Teil freihängen; anmutig ornamental bemalt; ringsum prächtige Monumente
und Gedenktafeln; insbesondere das von 1571 für Wolfgang und seine Gemahlin
Anna von Hessen; die beiden knien lebensgroß zu selten des Kruzifixes. Alles
Dekorative von großer Schönheit. Der Stil des Werkes dem Johanns von Trar-
bach nahestehend.
1) Abb. b. Pritsch.
2) Abb. b. Fritsch.
506 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Besser ist es den anmutigen Grabmälern in der Pfarrkirche zu Simmern
ergangen. Eine Seitenkapelle bildet dort ein Mausoleum des ehemaligen Pfalz-
gräflichen Hauses. Zu den zierlichsten Denkmälern der Frührenaissance gehört
das Epitaph der Pfalzgräfin Johanna,
gebornen Gräfin von Nassau und Saar-
brücken, von dem ich einen der ele-
ganten Pilaster unter Abb. 328 mitteile.
Das Denkmal wurde wohl bald nach
dem Tode der Dame (f 1513) durch
ihren Sohn Johann II. errichtet. Die
Figur selbst nicht von hervorragendem
Werte. Eine tüchtige dekorative Arbeit
ist sodann das Doppelmonument des
eben genannten Pfalzgrafen Johann II.
(f 1557) und seiner ersten Gemahlin
Beatrix von Baden, wahrscheinHch bald
nach ihrem 1535 erfolgten Tode aus-
geführt. Für seine zweite Gemahlin
Marie von Öttingen hat der Pfalzgraf
dann 1555 ein selbständiges kleineres
Denkmal errichten lassen, das wiederum
die Relief gestalt der Verstorbenen in einer
höchst eleganten Renaissancenische ent-
hält. Johann II. zeigt sich in diesen
Denkmälern als einer der kunstlieben-
den Fürsten seiner Zeit, wie er auch
zu den gelehrtesten gehörte. In seinem
Schlosse, das später 1689 durch die
Mordbrennerbanden Ludwigs XIV. ein-
geäschert wurde, errichtete er eine
Druckerei, aus der unter Leitung sei-
nes Sekretärs Hieronymus Rodler eine
Reihe künstlerisch ausgestatteter Werke
hervorging (vgl. über dessen Perspektive
Bd. I, S. 132). Rodlers Grabmal (f 1539)
befindet sich ebenfalls in der Kirche zu
Simmern, und ebendort ein sehr zier-
liches Epitaph des Johann Stephan Rod-
ler (f 1574), wahrscheinlich seines Soh-
nes. Noch ein fein behandeltes Denk-
mal von 1554 an einem Pfeiler dersel-
ben Kirche verdient wegen seiner edlen
Einfachheit Erwähnung. Von dem Cha-
rakter der dortigen Arbeiten gibt wei-
teres Zeugnis unsere Abb. 329, welche
das bloß durch Wappen und Inschrift-
tafel geschmückte Epitaph der Pfalzgräfin Alberta vom Jahr 1553 darstellt. Dies
Werk bewegt sich in den Formen einer anmutigen französischen Frührenaissance.
Das imposanteste aller dieser Denkmäler ist das Doppelmonument, das der letzte
Pfalzgraf von Simmern, Richard, sich und seiner Gemahlin Juliane von Wied
bald nach deren Tode (f 1575) errichten ließ. Es enthält die beiden lebensgroßen
Statuen des fürstlichen Ehepaares in einer prächtig mit vortretenden Säulen und
Abb. 331 Greifenklaudenkmal im Dom zu Trier
Simmern Trier
507
biblischen Reliefs geschmückten nischenartigen Halle und trägt die üppigen, schon
vielfach barock umgebildeten Formen der Spätrenaissance. Als Verfertiger darf
man vielleicht den Meister Johann von Trarbach ansehen, der als Schultheiß und
Bildhauer zu Simmern lebte, das oben Bd. I erwähnte prächtige Epitaph des
Grafen Michael in der
Kirche zu Wertheim
schuf und 1568 laut noch
vorhandenem Kontrakt
das ähnlich behandelte
Grabmal des Grafen Lud-
wig Kasimir von Hohen-
lohe für die Kirche von
Öhringen arbeitete.^)
Nur dürftig ist es
um die Renaissance in
dem durch seine gewal-
tigen Römerwerke wie
durch die großartigen
Denkmale des Mittelalters
hervorragenden Trier
bestellt. Die Stadt selbst
trägt weder in öffent-
lichen noch in bürger-
lichen Privatbauten ir-
gendwie ein bemerkens-
wertes Ergreifen des
neuen Stiles zur Schau.
Am meisten kommt die-
ser auch hier, dem geist-
lichen Charakter des Bi-
schofsitzes entsprechend,
in einigen kirchlichen
Werken zur Erscheinung.
InderLiebfrauen-
kirche sind im Südflügel
die Reste des hl. Grabes
aufgestellt, errichtet 1531
vom Dechanten Christoph
V. Reineck. Die zum Teil
fehlenden Figuren stan-
den in einem hohen
triumphbogenartigen Ge-
häuse ; alles in einer vor-
nehmen italienischen,
französisch anklingenden
Hochrenaissance. Den
Aufbau krönt eine Auferstehung. In der Sakristei ein geradezu vollendet schönes
Epitaph des Domkantors Job. Sigensis, f 1564.
Im Innern von St. Mattheis an der Nordseite sind einige Reste stark zer-
störter Epitaphien durch die außerordentUche Feinheit ihrer Arbeit bemerkenswert
Abb. 332 Metzcnhausendcnkmal im Dom zu Trier
1) Becker im Kunstbl. 1838 Nr. 89 : vgl. 1833 Nr. 29.
Ii
wmmmm
508 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
(Abb. 330). Vielleicht die letzten Werke Joh. Beldensnyders, in denen auch er
dem fortgeschrittenen Zeitgeschmacke sein Opfer zollte.
Das Bedeutendste besitzt der Dom in zwei bischöflichen Grabmonumenten,
welche allerdings zu den herrlichsten derartigen Werken unserer Renaissance
gehören. Beides sind Wandgräber von stattlicher, ja großartiger Anordnung und
reichstem Schmucke. Das frühere hat Erzbischof Richard von Greifenklau (f 1531)
sich noch bei Lebzeiten 1524
errichten lassen ^) (Abb. 331).
Zwei langgestreckte Pilaster
umrahmen eine Nische, in
der eine Relief darstellung
des Gekreuzigten, von der
hl. Helena und Magdalena,
sowie der herrlich aus-
drucksvollen, eines Holbein
würdigen Gestalt des Ver-
storbenen verehrt, welcher
von S. Petrus empfohlen
wird. Vor die Pfeiler sind
in etwas lockerer Kompo-
sition unten und oben klei-
nere Pilaster mit Heiligen-
figuren gestellt. Über dem
eleganten Gesims bildet das
prachtvoll ausgeführte Wap-
pen des Erzbischofs, von
zwei Greifen gehalten, den
Abschluß. Alle Flächen sind
mit köstlichen miniaturartig
gearbeiteten Ornamenten der
ersten Frührenaissance be-
deckt. Besonders reizvoll
der untere Fries mit Ran-
kenwerk und Figürlichem
von geistreicher Erfindung
und Lebendigkeit. Das Werk
steht sichtbar unter dem Ein-
flüsse Loyen Herings, aber
mehr noch unter dem des
MainzerMeisters des dortigen
Urieldenkmals, könnte so-
gar sehr wohl ein Spätwerk
dieses Künstlers sein.
Das zweite Monument ist dem 1540 gestorbenen Erzbischof Johann von
Metzenhausen gewidmet (Abb. 332). In der großen Mittelnische die lebensvolle,
meisterlich behandelte Gestalt des Verstorbenen ; in den kleineren Seitennischen
Petrus und Paulus. In der oberen Krönung Delphine, welche in Ranken auslaufen,
auf denen übermütig spielende Putten reiten. Auf den Ecken zwei ritterliche
Heilige, ganz oben Christus am Kreuz mit Maria und Johannes. Auch hier das
architektonische Gerüst aufs üppigste mit Ornamenten bekleidet, die von voll-
Abb. 333 Portal der erzbiscliöflichen Residenz za Trier
1) Aufn. bei Ortwein, 42. Abt. Taf. 14 u. 15.
Trier
509
Abb. 334 Hof der erzbischöfliehen Eesidenz zu Trier
endeter Reife, nicht mehr der minutiösen Feinheit wie am ersten Monumente
sind. Die Nischen sind in ähnlicher Weise goldschmiedartig gesäumt, wie an
jenem Denkmal in Boppard; aber
das Figürliche hier ist dem dortigen
weit überlegen. Es ist ein Meister-
werk des oft genannten ausgezeich-
neten Johann Beldensnyder aus Mün-
ster, neben dem Hildesheimer Lett-
ner sein schönstes Werk. Diese bei-
den herrlichen Arbeiten sind sonst
in der deutschen Frührenaissance
nicht übertroffen. Selbst Frankreich
und Spanien dürften aus ihrer ersten
blühendsten Renaissance wohl Rei-
cheres, doch nichts Besseres zu bie-
ten haben. Das kleine Osnabrücker
Denkmal und der Hildesheimer Lett-
ner schließen sich würdig an. —
Wir erkennen in diesen wunder-
vollen Leistungen die wahre Nach-
folge des deutschesten und doch
klassischsten unserer Bildhauer, Pe-
ter Vischers. Wer vor dem Metzen-
hausendenkmal steht, den weht aus
den so unendhch natürlich und wahr
empfundenen Gestalten des Erz-
bischofs und der beiden großen Abb. 335 G-iebel der erzbischöflichen Residenz zu Trier
510 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Apostel ein überzeugen-
der Hauch wahren bild-
hauerischen Geistes an,
zugleich einer künstle-
rischen Unbefangenheit
und einer köstlichen De-
likatesse, wie wir ihn in
solcher Stärke nur noch
vor dem Sebaldusgrab
empfinden.
Wiederum später, da-
bei eins der prächtigsten
und reichsten Werke ihrer
Art, ist die Kanzel (Abb.
29 Bd. I), an welcher die
überschwengliche Deko-
rationslust der reif aus-
gebildeten, schon zum
Schweifstil neigenden Re-
naissance zur Entfaltung
kommt.^) Sie ist laut in-
schriftlichem Zeugnis von
Hans Ruprecht Hoffmann
1572 ausgeführt worden.
Den Namen desselben
Künstlers findet man in
der Lieb frauenkirche
an dem ebenfalls präch-
tig behandelten Altar mit
dem Epitaphium der Dom-
pröpste Hugo Kratz von
Schar ff enstein und von der Leyen, wahrscheinlich noch bei Lebzeiten der Stifter
ausgeführt.
Der Erzbischü fliehe Palast, der sich an die gewaltige antike Basilika
lehnt, heute Kaserne, zeigt derbe Barockportale ^) (Abb. 333) im lebhaftesten Stil
Wendel Dietterleins oder DiUchs, und im zweiten Hofe eine einfach, aber stattUch
angelegte Wendeltreppe auf dreifacher Säulenstellung; leider ist die Wirkung heute
stark gestört. Das Ganze, ein um zwei Höfe sich erstreckendes Schloßgebäude,
das Kurfürst Lothar von Metternich 1599 — 1623 mit Benutzung der Basilika er-
baute. Die Hoffassade hat drei Geschosse mit Fensterkreuzen und gebrochenen
Giebeln in der Art des Aschafifenburger Schlosses oder überhaupt der Straßburger
Schule; wir dürfen sogar vielleicht wieder an G. Ridinger als Entwerfer denken
(Abb. 334), dem entsprechen auch die Giebel des Bauwerks mit ihrer phantastischen
Umrißlinie (Abb. 335).
Die Bürgerhäuser am Markt können mit ihren Barockgiebeln kaum An-
spruch auf Bedeutung machen. Dagegen ist der 1595 von dem schon erwähnten
Bildhauer Hoffmann ausgeführte Petrusbrunnen auf dem Markt eine zwar
im Figürhchen sehr derbe, mehr dekorative, aber im Aufbau ansprechende
Arbeit'*) (Abb. 336).
1) Aufn. bei Ortwein, a. a. 0. Taf. 7—12.
2) Aufn. ebenda Taf. 5 n. 6.
3_) Aufn. ebenda Taf. 17 u. 18.
Abb. 336 Petrusbrunncn zu Trier
Bauten an der Mosel Luxemburg
511
In Zell an der Mosel sieht man ein kleines malerisches Jagdschlößchen,
1542 von Ludwig von Hagen, Erzbischof von Trier, erbaut, das durch seine
runden Erkertürme und ein naives Gemisch von gotischen und Renaissanceformen
anziehend wirkt. Auch im Innern zeigen die Wölbungen noch ein Zurückgreifen
zu mittelalterlichen Elementen. Zu Bittburg ist der Kobenhof ein zierlicher
Bau späterer Renaissance von 1576, doch nur teilweis erhalten. Sobernheim
besitzt ein stattliches schloßartiges Gebäude des ausgebildeten Stiles, durch kräftig
fassettierte Quader und malerischen Erkerturm bemerkenswert.
Gar vieles noch ist in den Gegenden der Mosel und des benachbarten Rhein-
gebietes an kleinen Schlössern, Rathäusern und bürgerlicher Architektur; Städtchen
wie Bernkastel, Kochem, Karden und so viele andere sind wahre Fundgruben einer
fröhlichen maleri-
schen Baukunst
insbesondere aus
der Renaissance-
zeit. Der Maler wie
der Architekt wird
da die reizvollsten
Studien machen
können, freilich
ohne auf große und
aufwendige Werke
der eigentlichen Ar-
chitektur zu stoßen.
Aber gerade diese
zierlich heiteren
Bauwerke in Stein,
Holz, vorwiegend
mit dem örtlich be-
stimmenden Schie-
fer gedeckt und gar
oft auch an den
Wänden bekleidet,
sind in ihrer Art
die liebenswürdi-
gen Repräsentan-
ten echt deutscher
malerischer bürger-
licher Baukunst.
Im übrigen sind
auch in der Trierer
Diözese, ähnlich
wie im Kölnischen
Sprengel, die kirchlichen Werke, die Grabmäler, Kanzeln u. dgl, welche mehr
der Plastik und dekorativen Kunst als der eigentlichen Architektur angehören,
weitaus das formal Wertvollste.
An dieser Stelle dürfen wir doch nicht unterlassen, das dem Moselgebiet
durchaus auf das nächste verwandte Luxemburg noch kurz zu berühren. Die
früher durch ihre gewaltigen Festungswerke berühmte Stadt, über eine Menge von
Hügeln hinüberfassend, ist doch trotz der Entfestigung von hohem malerischem
Reiz auch in den Resten ihrer Befestigungen. Das großherzogliche Schloß, einst das
Rathaus, entstammt dem Ende des 16. Jahrhunderts, malerisch, mit zwei reich ver-
Abb. 337 Inneres der Kathedrale zu Luxemburf
512 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
zierten Erkern, doch in der Stadt kaum mehr bedeutend, als ein besonders reicher
Patrizierpalast. Dagegen darf die Kathedrale als eine dritte echt deutsche
Gestaltung im Sinne der Wolfenbütteler und der Bückeburger Kirche bezeichnet
werden. Ebenfalls aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, — eine Hallenkirche
mit spitzbogigen Gewölben auf dorischen, reichen Säulen, mit prachtvoller West-
empore (Abb. 337) und reichem viersäuhgem Portal auf der Südseite, steht sie
ganz wie jene letztgenannte Kirche auf das stärkste unter dem Einflüsse der
Dietterleinschen Kupferstiche, die zum Teil sogar (Westempore) direkt nachgebildet
sind. Die Kirche wird 1621 erbaut sein; das Portal (Abb. 338) trägt diese Jahres-
zahl. — Sie hat, als katholische Kirche drei Chöre nebeneinander; sonst schließt
sie sich der Bückeburger Kirche am nächsten an. Sie gilt meist als ältere gotische
Kirche mit Renaissanceausstattung; ein Blick aber schon auf die schönen dori-
schen Säulen des Schiffs mit ihrem reichen Flachornament über den ganzen
Schaft belehrt uns, daß wir ein reines Renaissancewerk vor uns haben.
Besonders anziehend ist, wie bemerkt, der Holzbau der Rheingegend,
dem wir noch eine zusammenfassende Betrachtung widmen müssen, um so mehr
als er sich von der nieder-
sächsischen Gruppe wesent-
lich unterscheidet. Während
dort die einzelnen Stockwerke
so weit wie möglich überein-
ander vorgekragt werden und
dadurch j enes reiche plastische
Leben, jene energische Glie-
derung erhalten, von der
unsre Abb. 281 — 88 mannig-
fache Anschauung gewähren,
sind die rheinischen Holzbau-
ten bei möglichst geringem
Vorsprung der Stockwerke
minder kräftig entwickelt,
minder plastisch durchgebil-
det, und suchen, was ihnen
darin an Lebendigkeit abgeht,
durch eine mehr malerische
Verzierung der Flächen zu
ersetzen. Es ist an Stelle je-
nes kraftvollen Lebens der
niedersächsischen Bauten ein
feinerer malerischer Reiz
ihnen eigen. In schlichter fast
kunstloser Weise trat uns
dieser Stil schon an dem Gie-
belhaus zu Eppingen (I. Bd.
Abb. 136) entgegen. Dort sind
alle Elemente der Konstruk-
tion ohne Verhüllung und fast
ohne ornamentale Ausbildung
einfach zum Ausdruck ge-
bracht. Etwas zierlicher und
reicher stellte sich das Rathaus
Abb. 338 Portal der Kathedrale zu Luxemburg ZU Derrenbach (I, Abb. 141)
Rheinischer Holzbau
513
dar; doch zeigt es bereits künst-
lerisch ausgebildete Eckpfosten
und hübsche Muster in den Rie-
geln der Fensterbrüstungen, In
noch zierlicherer Weise ist die-
selbe Art der Dekoration an dem
Deutschen Hause aus Schwä-
bisch-Hall durchgeführt. Man
sieht zugleich aus unsern Bei-
spielen, daß diese Behandlung
des Holzbaues sich nicht bloss
über den Oberrhein, sondern
auch über die angrenzenden
Gebiete Schwabens und Fran-
kens erstreckt.
Überall beruht hier die
künstlerische Behandlung auf
dem Grundsatz, die konstruk-
tiven Bestandteile möglichst
unverhüllt darzulegen und zum
Ausgangspunkt für die Deko-
ration zu machen. Daher wer-
den die Pfosten besonders kräf-
tig betont und nicht bloß durch
geschnitztes Flachornament be-
lebt, wie es unsre (Abb. 339
rechts) zeigt, sondern nament-
lich die Eckpfosten werden
kräftiger in Säulenform aus-
gebildet, wobei Kanneluren,
Gürlungen, Blattwerk und an-
deres Ornament im Sinne der
Renaissance zur Verwendung kommt, wie dieselbe Figur an zwei Beispielen weist.
Während diese Glieder die Vertikale betonen, wird die Horizontale durch das
mäßige Vortreten der Schwellbalken nur bescheiden angedeutet, so daß einige
ausgekehlte und abgefaste Gheder, bisweilen wohl als gewundenes Tau charak-
terisiert, genügen. Namentüch aber fallen die vortretenden Balkenköpfe des
niedersächsischen Holzbaues völlig fort.
Im Übrigen wird die Dekoration der Fassaden dadurch bewirkt, daß die
Riegel in mannigfachen Linien geführt werden, indem man sie in verschie-
denen Biegungen schweift und kreuzt. Diese dem Holzstil durchaus ent-
sprechende Technik bringt dann häufig Gestaltungen hervor, die an die Gotik
erinnern. Besonders reich werden durch derartige Verschhngungen die Fenster-
brüstungen geschmückt (Abb. 340). Die Öffnungen selbst sind nach der Sitte
des Mittelalters in Gruppen angeordnet und oft mit vorspringendem Rahmen
eingefaßt, der, wie dieselbe Figur zeigt, meistens von hübschen Konsolen ge-
tragen wird. Pfosten und Rahmen werden abgefast und mit verzierten Rund-
stäben gegliedert, auch sonst durch Schmuck von verschlungenen Bändern,
Schuppen, Blättern u. dgl. reich hervorgehoben. Eine selbständige Verdachung,
auf einem Zahnschnittgesims ruhend, schließt dann oben solche Fenstergruppe
ab. So in Abb. 341 an einem hübschen Giebelhause vom Jahre 1606 zu Traben
an der Mosel.
Abb. 339 Pfosten von Holzhäusern za Boppard
Lübkc- Haupt, Renaissance in Deutschland H 3. Aufl.
33
514 2. Buch Die Bauwerke XVII. Kapitel Die nordwestlichen Binnenländer
Abb. 340 Fensterbrüstungeii aus Boppard
Es ist aber stets eine feine Anmut, die der Dekoration ihr festes Maß an-
weist. Mit Vorliebe fügt man den Fassaden kräftig vorspringende Erker hinzu,
sei es daß dieselben auf den Ecken polygon ausgekragt sind, wie ein besonders
originelles Beispiel an einem Hause von 1572 in Rhense vorkommt, oder daß
Abb. 341 Von einem Holzhaus zu Traben
Eheinischer Holzbau
515
die Mitte der Fassade durch Vorbauten ausgezeichnet wird. Der Einfluß der Re-
naissance spricht sich überall hauptsächlich durch die Gliederung der Schwellen,
Pfosten und Rahmen, sowie durch die Ausbildung der Gesimse aus; hierbei
kommen die antiken Ghederungen, die Karniese und andere wellenförmige
Glieder, die Zahnschnitte, Perlschnüre, Flechtbänder, Konsolen u. dgl. zu viel-
facher Verwendung.
Ohne hier auf Einzelnes zu weit überzugehen, mögen noch Boppard und
Bacharach, sowie an der Mosel Traben, Bruttig, Ediger, Klotten be-
sonders genannt werden. Es bedarf kaum der Bemerkung, daß manches künst-
lerisch Wertvolle dieser Art sich auch sonst vielfach in andern Orten dieses Ge-
bietes befindet.
Achtzehntes Kapitel
Die nordhessischen Gebiete
In den weitgestreckten vom Main bis zur Weser reichenden hessischen Län-
dern, die wir zum Schluß unsrer Betrachtung zusammenfassen, tritt weder das
Bürgertum noch die geistliche Macht in bedeutenderen Kunstschöpfungen hervor;
dagegen ist es das Fürstentum, dem die Renaissance auch hier eine charaktervolle
Blüte verdankt. Als Philipp der Großmütige 1509 von seinem Vater, Landgraf
Wilhelm II., den alleinigen Besitz der gesamten hessischen Lande erbte und schon
in seinem vierzehnten Jahre durch Kaiser Maximilian als großjährig erklärt wurde,
trat der junge hochgemute Fürst mitten in eine Zeit der Kämpfe und Ver-
wirrungen. Seine rasche, kühne und offne Natur machte ihn bekanntlich zu
einem Vorkämpfer der protestantischen Partei und nach der unglücklichen Schlacht
von Mühlberg durch die Arglist spanischer Politik zum Gefangenen Karls V. Als
er 1552 seinem Schwiegersohn Moritz von Sachsen die endUche Befreiung aus
schnödem Gewahrsam verdankte, blieben ihm bis zu seinem Tode 1567 noch eine
Reihe ruhiger Regierungsjahre, die er dem Besten seines Landes widmete. Philipp
war tief von dem religiösen Pathos seiner Zeit ergriffen und wandte vor allem
der Durchführung der Reformation, dem Kirchen- und Schulwesen und der Ord-
nung der Verwaltung seine ganze Sorgfalt zu. Er war es, der schon 1526 die
Universität in Marburg, die erste evangelische Hochschule Deutschlands, stiftete,
aus den eingezogenen Klostergütern dotierte und zunächst hauptsächlich zur
theologischen Lehranstalt bestimmte. Er war es auch, der auf dem von ihm be-
rufenen und persönlich geleiteten Religionsgespräch zu Marburg die Zwistigkeiten
zwischen den Wittenberger und Züricher Reformatoren beizulegen suchte.
Begreiflich, daß diese Bestrebungen ebenso wie die kriegerischen Verwick-
lungen seines Lebens ihn nicht zu einer Pflege der Künste gelangen ließen. Erst
seine Söhne, unter die er das Land teilte, vermochten sich ruhigerer Zeiten zu
erfreuen und in glänzenden Monumenten auch ihre Kunstliebe zu betätigen. Am
wichtigsten für unsre Betrachtung sind darunter Wilhelm IV., dem die Hälfte des
hessischen Gebietes mit der Residenz Kassel zufiel, und Georg I., welcher den
schon im I. Bande betrachteten südlichsten Teil mit Darmstadt erhielt und Stifter
dieser Linie wurde. Weniger kommt für uns Philipp II. in Betracht, wogegen
Ludwig IV., welcher Oberhessen mit der Residenz Marburg erhielt und 1604 ohne
Erben starb, für die Entwicklung der Renaissance in diesen Gegenden nicht uner-
heblich ist.
Während somit der neue Stil in den eigentlichen hessischen Gebieten erst
ziemlich spät zur Geltung kommt, haben wir ihn in den südlichen Teilen, den
heutigen Provinzen Starkenburg und Rheinhessen, in einigen frühen Denkmalen
51ß 2. Buch Die Bauwerke XVIII. Kapitel Die nordhessischen Gebiete
angetroffen, die hauptsächlich durch die alten Dynastenfamilien des Landes ge-
schaffen wurden. Dort war es ohne Zweifel die nahe Berührung mit den mittel-
rheinischen, pfälzischen und fränkischen Bauschulen, die zur Aufnahme der Re-
naissance den ersten Anstoß gab und den Charakter jener Bauwerke bestimmte.
Wir haben daher jene rheinfränkischen Gegenden mit den großen rheinischen
Städten Mainz und Frankfurt, wie es in der Natur dieser Beziehungen zur frän-
kischen Kunst liegt, bereits im Anschluß an diese behandelt.
Niederhessen
Hier ist zunächst der von den Landgrafen ausgeführten Bauten zu gedenken.
Die vielbewegte, durch die Stürme der Reformationszeit erfüllte Regierung Philipps
des Großmütigen war, wie wir sahen, einer stetigen Kunstpflege nicht günstig.
Dagegen tritt sein Sohn und Nachfolger, Wilhelm IV., der Weise (1567—92), als
Freund der Wissenschaften und Förderer der Künste auf. Edlen Sinnes, auch
in religiösen Angelegenheiten sich einer milden Auffassung zuneigend, vielseitig
gebildet, dabei ein ebenso kraftvoller als erleuchteter Regent, nimmt er unter den
Fürsten jener Zeit einen Ehrenplatz ein. Seine Lieblingsbeschäftigungen richteten
sich auf Astronomie und Mechanik; besonders aber war er ein Freund der bilden-
den Künste und begann schon 1557 noch unter seines Vaters Regierung den Grund-
stein zu einem neuen Residenzschloß in Kassel zu legen, das mit seinem goldnen
Saal, nach der Sitte der Zeit mit fürstUchen Bildnissen geschmückt, erst 1811
durch einen Brand zerstört wurde. Mit dem Schloß war auch hier ein Lustgarten
verbunden, auf der Höhe in der Gegend der jetzigen Schönen Aussicht mit seinen
seltenen Pflanzen aus fernen Ländern, mit türkischen Tulpen, orientalischen
Hyazinthen u. dgl sich ausdehnend. Für die Myrthen und Zypressen, Granaten,
Lorbeer-, Zitronen- und Feigenbäume erbaute er ein eigenes Pomeranzenhaus, in
dessen offnem Saale ein „Spritzbrunnen" seinen Wasserstrahl bis zur Decke warf,
und von dessen Galerien und Altanen der Blick die Gartenanlage „Au" beherrschte.
In seinem daranstoßenden Obstgarten pflegte der Fürst trotz seiner Dicke das
Geschäft des Pfropfens und Okulierens als guter Hausvater und Landwirt selbst
zu besorgen. Seine geliebte Gemahlin, die sanfte Sabine von Württemberg, unter-
stützte ihn in solchen friedlichen Bestrebungen.
Von jenen Prachtbauten ist infolge des 1811 unter Jerome vielleicht absicht-
lich angelegten ungeheuren Schloßbrandes keine Spur mehr vorhanden; nur die
untergeordneten Bauten des Renthofes und des Marstalls sind davon noch übrig
geblieben. Aber in der ehemals kurhessischen, jetzt preußischen Enklave Schmal-
kalden zeugt das stattUche Schloß, trotz arger Verwahrlosung doch in seiner
ganzen Anlage noch vollständig erhalten, von der regen Bautätigkeit des edlen
Fürsten.^) Als Schmalkalden 1583 nach dem Aussterben der hennebergischen
Grafen an Hessen fiel, ließ Wilhelm IV. sofort 1584 die alte Burg Walrab nieder-
reißen und an ihrer Stelle das jetzige Schloß, die Wilhelmsburg, errichten. Von
der mittelalterlichen Burg steht nur noch an der Ostseile ein unregelmäßig sechs-
eckiger Turm mit angelehntem runden Treppenturm. Im Übrigen ist das Schloß
in einem Zug entstanden; 1586 liest man im Hofe; 1590 wurde die Kapelle ge-
weiht und 1610 in der Ausstattung vollendet. Als Baumeister wirkten Christoph
und Hans Müller, Hofschreiner.
Das Schloß (Abb. 342 u. 343) bietet sich von außen, auf sanft ansteigender
Höhe über der Stadt gelegen, als ein schmuckloses, massenhaft behandeltes Viereck,
an der westlichen, der Stadt zugekehrten Seite mit einem Haupteingang und auf
dem südlich vorspringenden Flügel mit einem viereckigen Turm versehen, der
1) Laske, Scjiloß Wilhelmsburg bei Schmalkalden. Berlin 1895.
Abb. 343 Wilhelmsburg zu Schmalkaldeix I. Stock
518 2. Buch Die Bauwerke XVIII. Kapitel Die nordhessischen Gebiete
mit achteckigem Aufsatz über dem Dache emporragt. Im Innern entfaltet sich in
dem großen viereckigen Hof ein reicheres architektonisches Leben. In der Haupt-
achse liegen die beiden dominierenden Eingänge A und B mitten im westhchen
und östlichen Flügel, der letztere mit dem Brustbilde des fürsthchen Erbauers
geschmückt. In den Ecken sind vier achteckige Treppentürme angeordnet, mit
reich behandelten Portalen. Noch drei andere Eingänge liegen im Hofe, so daß
dieser im Ganzen mit neun Portalen versehen ist, alle verschieden behandelt,
sämtlich in üppigem schon stark entwickeltem Stil, mit reicher Anwendung von
Metallornamenten opulent und gediegen in Sandstein durchgeführt. In E ist ein
Saal von bedeutender Ausdehnung, wie ihn die meisten Schlösser jener Zeit be-
saßen; in D befindet sich die große und gut beleuchtete Küche.
Im südlichen Flügel führt ein Portal in die Kapelle G, Es ist ein ein-
faches Rechteck, etwa 16 Meter lang und 13 Meter breit, durch zwei Reihen von
Pfeilern in drei Schiffe geteilt, mit flachbogigen Kreuzgewölben bedeckt. An der
Westseite erhebt sich der Altar, über ihm an der Schlußwand die Kanzel und
darüber die Orgel. An den drei andern Seiten ziehen sich niedrige Umgänge,
darüber zwei Emporen um das Mittelschiff. Der Zugang zu diesen liegt am
Ostende des südlichen Seitenschiffs in einer Wendeltreppe, der Zugang zur Kanzel
und Orgel in dem der Westseite vorgebauten Turm. Der Raum empfängt in
allen Teilen ein reichliches Licht durch gekuppelte Fenster mit gotischem Kehlen-
profil. Die Gewölbe des Mittelschiffs werden durch dreifache Zuganker zusammen-
gehalten. Die obere Reihe derselben, die ursprünghche, ist in der Mitte mit
hübsch gemalten Fruchtschnüren geschmückt. Die ganze Anordnung und Ein-
richtung des Raumes zeigt die endgültige Ausbildung jenes Typus evangelischer
Schloßkapellen, welcher zuerst im Schloß zu Torgau eine klare, zielbewußte
Form gewonnen hat.
Einen hervorragenden Wert darf der kleine Raum beanspruchen durch die
ebenso maßvolle als wirksame Dekoration, die in solcher Vollständigkeit und
Erhaltung kaum anderswo sich findet (Abb. 344). Alle Flächen sind aufs Ele-
ganteste mit Stuck bekleidet, an den Gewölbrippen sieht man feine Perlschnüre,
an den Gewölben der Emporen und des Mittelschiffes entfallet sich die reiche
Ornamentik der Zeit mit Masken, Frucht- und Blumengewinden, Rollwerk und
mannigfach erfundenen Metallornamenten. Die letzteren bekleiden außerdem
sämtHche Flächen der Pfeiler, Bogenfenster und Friese. Das alles ist auf weißem
Grunde, in den Seitenschiffen farblos, im Mittelraum aber mit sparsamer An-
wendung von Gold und Farbe zu einer bewundernswürdig eleganten Wirkung
gebracht. Die Ornamente sind in einem braunen Ton umrissen, mit kräftigen
Schattenlinien und maßvoller Anwendung von Gold ; die überall als Ausläufer der
Form sich entwickelnden Masken u. dgl. sind farbig gehalten, das Gold für die
Hauptlinien aufgespart, so daß die Wirkung höchst delikat und elegant ist. Die
Brüstungen der Emporen, durch geschweifte Kragsteine geteilt, haben die für sie
bestimmten Reliefs, welche durch fortlaufende Nummern angedeutet werden, wohl
niemals erhalten und fallen deshalb aus der Gesamtwirkung heraus. Dagegen
sind von trefflichem Effekt die zahlreichen goldenen Schilder an den Friesen,
welche mit Bibelsprüchen in dunkler Schrift bedeckt sind. An den obersten
Schildbögen sind liegende Apostelgestalten in Stuck ausgeführt. Der Altar von
weißem Kalkstein ruht auf den Emblemen der Evangelisten. Sehr hübsch ist
über ihm auf einer Konsole die Kanzel vorgebaut. In der Deutschen Renaissance
gibt es wenig Innenräume von ähnlicher Vorzüglichkeit der Dekoration. Der
Meister des 1590 geweihten Baus war der Niederländer Wilhelm Vernucken, Nieder-
länder, offenbar der früher genannte Erbauer der Rathaus-Vorhalle zu Köln, der
bereits dort den glänzendsten Beweis seiner Kunst gegeben.
520 2. Buch Die Bauwerke XVIII. Kapitel Die nordhessischen Gebiete
Die übrigen Teile des Schlosses befinden sich in einem Zustande trauriger
Verwahrlosung. Da nämlich 1813 das Schloß als Lazarett verwendet wurde, litt
die innere Ausstattung desselben erheblich, erfuhr dann aber vollständige Ver-
wüstung, weil infolge des ausgebrochenen Lazarettfiebers alle Gegenstände, und
zwar nicht bloß die vergoldeten Ledertapeten, sondern auch Fenster, Türen und
Fußböden herausgerissen wurden. Im östlichen Flügel enthält das obere Stock-
werk den Riesensaal (G in Abb. 343), der bei 27 Meter Länge und 14 Meter
Breite die geringe Höhe von etwa 41/2 Meter mißt. Seine langen Deckbalken
sind in der Mitte durch drei Holzsäulen, an den Wänden durch entsprechende
Steinpfeiler gestützt, die sehr originell als barocke Konsolen ausgebildet sind.
Die Decke zeigt noch Reste von Malereien, ebenso die Wände. Ein Kamin erhebt
sich an dem einen Ende, an dem andern ein großer üfen, der untere Teil von
Eisen, 1584 bezeichnet, der obere Teil von schwarzglasiertem Ton mit Hermen
und Karyatiden verziert, an den Feldern Christus am Kreuze und andere bib-
lische Darstellungen in etwas stumpfem Relief ; der Abschluß gegen die Wand
wird in phantastischer Weise durch eine große gewundene Hermenfigur gebildet.
Noch mehrere anstoßende Zimmer haben reich gemalte Türeinfassungen im
Schweifstil, Reste von Wandgemälden, gutgegliederte Holzdecken, namentlich
bei F, und alte Öfen. Alles aber liegt in einem klägUchen Zustande von Verödung.
In der Stadtkirehe ist einer der prachtvollsten messingenen Kronleuchter
der Renaissance, zum Teil noch mit gotisierenden Blumen, die einzelnen Arme
in Männerköpfe auslaufend.
Der Hennebergerhof, südlich unter dem Schloßberg gelegen, hat zwei
Portale in später Renaissance und an der langgestreckten nordöstlichen Fassade
im oberen Stock eine Galerie auf toskanischen Säulen. — Das Gasthaus zur Krone,
in dem 1531 der schmalkaldische Bund geschlossen wurde, ist ein schlichter
Fachwerkbau, dessen altes Täfelwerk im Innern durch Tapeten verkleidet ist.
Wenig, auch dies Wenige ohne sonderliche Bedeutung, enthält, wie oben
bemerkt, Kassel. Von den fürstlichen Bauten ist der Marstall zu erwähnen,
ein ausgedehntes Werk, einfach und tüchtig mit einer Anzahl schwerer Barock-
giebel geziert, deren Form auf die Regierungszeit des baulustigen Wilhelm IV.
deutet. Von demselben Landgrafen wurde seit 1581 der Renthof begonnen, der
dann 1618 vollendet wurde. Ebenfalls ein ziemlich einfacher Bau mit Barock-
giebeln und ein Brunnen aus derselben Zeit. Ähnlich das Zeughaus von 1587. Ein
Prachtstück dagegen ist das großartige Grabmal Philipps des Großmütigen (-f- 1567)
im Chor der Martinskir che.^) Es wurde von einem offenbar in den Niederlanden
gebildeten Künstler, Elias Godfro aus Emmerich, begonnen, der aber noch vor
völliger Beendigung seiner Arbeit 1568 starb, worauf Adam Beaumont, ebenfalls
ein Niederländer, es 1570 vollendete. Nach Art eines kolossalen Altars aufgebaut,
aus Marmor und Alabaster, reich mit Bildhauereien geschmückt, zeigt es prunk-
volle und dabei ungewohnt kräftige Formen. Fein, einfach und anspruchslos sind
aber in den beiden untern Nischen die Porträtfiguren des Landgrafen und seiner
Gemahlin Margaretha; auf dem Giebel sieht man, nach Michelangelos Vorbild,
zwei ruhende Gestalten, oben als Bekrönung den Tod mit der Sense.
Die Martinskirche selber besaß in ihrem Südturm (Abb. 345) ein hübsches
Beispiel eines in Renaissanceformen gegliederten viereckigen Turmbaues mit
einem achteckigen Aufbau und Kuppeldach. Eine törichte Restauration hat diesem
und dem Nordturm eine „echt gotische" Spitze gegeben.
In den Bürgerhäusern herrscht abwechselnd Steinbau und Fachwerk, bis-
weilen beides verbunden; darunter freilich nichts ungewöhnliches oder von her-
1) Abgeb. bei Pritscli.
Kassel
521
vorragendem Wert.
Mehrfach kommen
stattliche Doppelpor-
tale vor, aus zwei
Völlig- gleich behan-
delten Bogen, meist in
kräftiger Rustika be-
stehend. Das schön-
ste Beispiel am Markt
in dem Eckhaus gegen
den Renthof, die Pfei-
ler mit Nischen durch-
brochen, die Fassade
außerdem durch zwei
polygone Erker an den
Ecken belebt. Ein ähn-
liches Portal an einem
Hause des Altstädter
Marktes; die Fassade
ist mit hohem und
breitem Schweifgiebel
abgeschlossen. Die
Erdgeschoße sind bei
diesen Häusern stets
in kräftiger Rustika
mit fassettierten Qua-
dern durchgeführt, al-
les jedoch weder be-
sonders reich noch
fein. Mehrere Häuser
mit kräftigen Giebeln
und Portalen in der
Obersten Gasse; ein Eckhaus daselbst mit Fachwerk in den oberen Geschossen,
die Formen antikisierend, die Schwellen mit Zahnschnittfriesen, bezeichnet 1651.
Mehrere hübsche Holzhäuser in der Oberen Marktgasse, der Kettengasse, der
Oberen Fuldagasse und hinter dem Judenbrunnen.
Abb. 345 Martinskirche zu Kassel
Oberhessen
In den oberhessischen Gebieten kommt zunächst die alte Residenz der Land-
grafen, Marburg, in Betracht. Allerdings steht hier das Mittelalter weitaus in
erster Linie, nicht bloß durch das Juwel unsrer frühgotischen Architektur, die
edle Elisabethkirche, sondern auch durch den imposanten Bau des alten Land-
grafenschlosses. Auf steiler Höhe über der altertümlichen Stadt aufragend und
weithin ins liebliche Lahntal schauend, enthält das schon durch seine Lage an-
ziehende Schloß in dem herrlichen Saal und der damit verbundenen Kapelle
vorzügliche Beispiele reinster frühgotischer Bauweise. Die Renaissance ist hier
weniger zu Wort gekommen, doch fehlt es nicht an einzelnen Werken, die offenbar
einem unter Philipps des Großmütigen Nachfolger ausgeführten Bau angehören,
in dem äußerst schmalen Schloßhof liest man an dem einfachen Portal der noch
mittelalterlich behandelten Wendelstiege die Jahreszahl 1567, an einem Baldachin
über dem Innern Torweg 1570. Um dieselbe Zeit erhielt der große Saal das pracht-
522
2. Buch Die Bauwerke XVIII. Kapitel Die nordhessischen Gehiete
volle Portal, ein Meisterstück der Kunsttischlerei und namentlich durch herrliche
eingelegte Arbeiten in farbigen Hölzern sich auszeichnend. Es trägt den Wahl-
spruch Philipps des Großmütigen: „Ich getraue Gott in aller Not." Außerdem
die Inschrift: Nicolaus Hagenmiller von Franckenhausen, Hofschreiner zu Mar-
purg 1573. Der Aufbau des Ganzen ist triumphbogenartig; toskanische und ionische
Säulen bilden unten und oben die Einfassung ; das Türfeld wird durch eine meister-
lich in eingelegter Arbeit ausgeführte architektonische Perspektive belebt, die
Außenflächen zeigen die damals beliebten maurischen Ornamente. Kredenztisch
und Musiktribüne samt dem zu dieser hinaufführenden Treppchen gehören der-
selben Zeit an. Ebenso ein zweites etwas kleineres Portal, ebenfalls mit Säulen
eingefaßt und von eleganten Schmuckformen.
Aus derselben Epoche stammt eine der Südseite des Schlosses vorgebaute
Halle, aus zwei Arkaden bestehend, die sich auf derben, stark ausgebauchten
toskanischen Pilastern öffnen. Darüber ist ein kleines Obergeschoß angeordnet,
mit einfach geschweiftem Giebel abschheßend. Das Ganze ist bei aller Einfach-
heit von lebendiger Wirkung. Man liest die Jahreszahl 1572.
In der am Abhänge des Schloßberges liegenden Marienkirche, einem
einfachen Hallenbau von niedrigen Verhältnissen, bewahrt der Chor mehrere präch-
tige Epitaphien von der in jener Zeit üblichen Anordnung: elegante Marmorwerke,
nicht ohne Überladung durchgeführt. Das eine ließ Landgraf Ludwig (f 1604)
bei Lebzeiten sich und seiner 1594 gestorbenen Gemahlin inschriflhch im Jahre
1590 errichten. Das zweite ähnhche Epitaphium vom Jahre 1629, ebenfalls schon
etwas barock, ist in eine der schrägen Fensternischen eingebaut. Prächtig stilisiert
sind die reich verschlungenen eisernen Einfassungsgitter der Grabmäler, das eine
mit dem Monogramm des Meisters und der Jahreszahl 1592, das andere 1631
datiert. Außerdem sind noch drei sehr schöne Gitter von der Einfassung des
ehemaligen Altars erhalten. Endlich ist ein ausgezeichnetes messingenes Tauf-
becken zu erwähnen, laut inschriftlichem Zeugnis von Jakoh Rottenherger ge-
gossen, und zwar allem Anschein nach in der Spätzeit des 16. Jahrhunderts.
Als Stifter nennt sich Philipp Ghelius, am untern Teil sieht man die Taufe Christi;
außerdem ist das Becken mit schön stilisierten gravierten Ranken dekoriert, und
den Abschluß bildet ein Relieffries mit Engelköpfchen in eleganten Blumenranken.
Der Deckel ist fein gerippt und trägt als Krönung die Halbfigur Gottvaters mit
der Weltkugel.
In der Stadt ist die ehemalige fürstliche Kanzlei, jetzt Regierungsgebäude,
eine schlichte vierstöckige Anlage vom Jahr 1575 mit Schweifgiebeln, in der Mitte
der Fassade ein viereckig vorspringendes Treppenhaus mit steinerner Wendel-
stiege und Renaissanceportal. An dem gotischen Rathaus, einem ansehnlichen
Steinbau mit dreigeteilten Fenstern und einem hölzernen Treppenturm, mit einem
hübschen Wappen und der Jahreszahl 1524, ist der Giebel mit der Uhr in ähnhchen
späten Renaissanceformen 1581 dem Treppenturm aufgesetzt. Der Turm selbst
geht oben mit starken Konsolen aus achteckiger in quadratische Grundform über.
Die stattliche Herrenmühle, 1582 von Meister Eberhard Baldewein erbaut, hat
ebenfalls am Mittelbau einen kräftig geschweiften Giebel.
Den Renaissancestil zeigt auch das Eckhaus am Marktplatz Nr. 73, in den
oberen Geschoßen Fachwerk über steinernem Unterbau, durch polygonen turm-
artigen Erker auf steinerner Auskragung ausgezeichnet. Ein stattlicher Bau der
Spätepoche ist das Eckhaus an der Markt- und Wettergasse, ebenfalls aus Stein-
und Holzbau gemischt und durch zwei rechteckige Erker belebt. Ein reiches
Portal mit Muschelnischen und von Doppelsäulen eingefaßt, ungefähr aus der-
selben Zeit, hat das Haus Nr. 408 am Steinwege. Die Anordnung ist noch gar
nicht schulmäßig, reizvoll spielend. Auch hier sieht man über zwei massiven
Marburg Gießen
52a
Geschossen in den oberen Teilen Fachwerk. Ebenso das große Eckhaus Nr. 207
an der Hofstatt, mit zierUch ausgebildetem Holzbau. Zu den reichsten Fachwerk-
häusern gehört Nr. 76 am Marktplatz, an der Ecke mit dem hier sehr beliebten
achteckigen Erker versehen.
Eine gute Stunde östlich von der Stadt mitten im Bergwalde dringt aus
einem von hohen Buchen beschatteten Felsabsturz eine Quelle hervor, die wegen
ihres vorzüglichen Wassers von jeher geschätzt und als Elisabethbrunnen
bezeichnet wird. Hier hat man im Jahre 1596 die Felsgrotte samt dem Quell
mit einem eleganten tempelartigen Bau eingefaßt, der durch die Inschrift selbst als
„dorico et ionico ordine elaboratum" bezeichnet wird. In der Tat erhebt sich über
einem gequaderten Unterbau, der in der Mitte mit einem Bogen sich gegen die
tonnengewölbte Brunnenhalle öffnet, eine doppelte Säulenstellung: unten vier
dorische Säulen auf Postamenten, die Grotte und zwei kleine Seitennischen um-
rahmend, oben über einem dorischen Fries sechs schlanke paarweis angeordnete
ionische. Die ganz verschiedene einander gar nicht entsprechende Anordnung der
Säulenzwischenräume hat den unbefangenen Sinn der damaligen Menschen nicht
gekümmert. Ein Giebel mit dem hessischen und württembergischen AlUanz-
wappen schließt das Ganze ab, das durch reichen Schmuck von Farben und Ver-
goldung noch glänzender sich darstellt- Zwei große Inschrifttafeln in der oberen
Abteilung enthalten die Namen der Stifter, deren Wappen in beiden Friesen an-
geordnet sind. Unter den Stiftern begegnet man auch dem Magister Philipp
Ghelius, der uns von jenem Taufbecken her bekannt geworden ist. Vor dem
Denkmal auf dem sanft abgedachten Rasenhange sind im Halbkreis steinerne
Tische mit Bänken angebracht, und es gewährt besondern Reiz, wenn man an
schönen Tagen die Landleute in ihrer malerischen Tracht hier ausruhen und am
Quell sich laben sieht.
Einiges Bemerkenswerte hat Gießen aufzuweisen, vor allen Dingen das ge-
waltige Zeughaus vom Jahre 1615, jetzt Kaserne. Ein Bau von sehr ausgedehnter
Anlage, in derben wuchtigen Formen zu großartiger Wirkung gebracht, an den
beiden Langseiten drei mächtige Giebel, an den Schmalseiten mit je einem einzigen,
aber riesig hohen Giebel ausgestattet. SämtHche Giebel haben kräftige, originell ge-
wundene, zum Teil aufwärts gebogene Schnecken und Schweife, die für die damalige
Zeit so charakteristisch sind. An der westUchen Langseite springt ein breiter
Mittelbau vor, der zwei Portale enthält, ein sehr breites und daneben ein schmaleres,
beide von stark ausgebauchten dorischen Pilastern eingefaßt, darüber das hessische
Wappen, und in den Ecken des abschließenden Giebelfeldes drei flott behandelte
Kriegerköpfe. Außerdem ist die Schräge des Bogens durch Kanonenkugeln deko-
riert. Die östliche Hoffassade hat in der Mitte ein ähnUch behandeltes, ebenfalls
mit drei Kriegerköpfen geschmücktes Portal. Die Verhältnisse des ganzen Baues
sind wuchtig, breit und gespreizt, so daß man unwillkürlich an die breitaus-
schreitenden Landsknechtfiguren jener wilden Zeiten erinnert wird; das Erdgeschoß
hat besonders hohe Fenster mit kräftigen Kreuzpfosten.
Gleich daneben das sogenannte alte Schloß, ein Flügelbau mit Wendel-
treppenturm und malerischem Fachwerkobergeschoß ; etwas älter als das Zeughaus.
Außerdem bietet die fast völlig moderne Stadt für unsre Zwecke nicht viel.
Doch sieht man am Marktplatz ein schönes, ganz in Fachwerk errichtetes Eckhaus,
sehr hoch aufgebaut und mit geschweiftem Giebel abgeschlossen, an der Ecke mit
einem diagonal gestellten Erker auf kraftvoll geschnitzten Streben geschmückt.
Nicht bloß der Erker ist in seinen drei Geschossen mit reich geschnitzten säulen-
artigen Pfosten eingefaßt, sondern alle Gesimse, und namentlich auch die Fenster-
brüstungen haben ein nicht minder charaktervoll durchgeführtes Schnitzwerk, in
dem Drachen und andere phantastische Gebilde eine große Rolle spielen. Man
524 2. Buch Die Bauwerke XVIII. Kapitel Die nordhessischen Gebiete
liest über der Haustür das Monogramm des Meisters, aus M. H. M. zusammen-
gesetzt und die Jahreszahl 1619, dazu einen Spruch in lateinischen Distichen, der
in bezeichnender Weise um Schutz gegen Feuer und böse Zungen bittet :
„Christe, domum serva, natosque ipsosque parentes,
Ne noceant ignes, ne mala lingiia hominuin,
Da pacem cunctis, qui vivent intus et extra,
Nulla Salus bello est, pacis amata quies."
Gleich dabei das reizende alte Rathaus, unten in Bogenhalle sich öffnend, darüber
Fachwerk und schmaler geschief erter Giebel. Einst waren die Gefache mit hübschem
Kartuschewerk grau in grau bemalt. Die „Herstellung" hat diesen Schmuck
natürlich beseitigt.
In Hersfeld ist ein stattliches Rathaus zu verzeichnen, das bescheidnere
und kleinere Vorbild des Rathauses zu Münden, mit zwei kraftvoll barocken Gie-
beln an der Front und je einem ähnlichen Giebel an den beiden Seitenfassaden,
in der Mitte des Daches ein hölzernes Glockentürmchen in hübschen zimmermanns-
mäßigen Formen, die Fenster auch hier durchweg paarweise gruppiert, mit tief
profilierter Umrahmung, das Portal mit der Freitreppe ebenfalls ein kleineres Vor-
bild des Mündener Portals. Im Innern hat der Sitzungssaal eingelegtes Täfelwerk,
jetzt leider mit weißer Ölfarbe angestrichen. Über der Eingangstür die Jahres-
zahl 1597, über einem Portal im Hofe 1612.
Allendorf an der Werra ist durch einige reich ausgebildete Fachwerk-
bauten bemerkenswert, welche durchweg den entwickelten Renaissancestil zeigen
(Abb. 346). Namentlich werden die Bal-
kenköpfe als elegante Konsolen behandelt,
die Schwellen samt den Füllbalken mit
Zahnschnitten, derben Eierstäben und Perl-
schnur geschmückt (Abb. 347). Der ma-
lerische geschweifte Aufbau des Kirch-
turms, mit umlaufender Laube ganz ge-
schiefert, von bürgerlicher Derbheit.
In Fritzlar ist das seit 1580 er-
baute Hochzeitshaus, jetzt Kaserne, ein
Fachwerkbau über steinernem Erdgeschoß,
durch ein reiches Portal und einen Erker,
sowie im Innern durch eine steinerne
Wendeltreppe ausgezeichnet.
In den südlichsten Teilen Oberhessens
sind einige Denkmale zu verzeichnen, die
hauptsächhch dem Kunstsinne der Isen-
burger Grafen ihre Entstehung verdanken.
Graf Anton (1526—60), der in hoher Gunst
bei Karl V. stand und lebhafte Beziehungen
zu dem künstlerisch regsamen Franken-
lande unterhielt — sein Sohn Georg ver-
mählte sich mit einer Tochter aus dem
alten Grafengeschlechte von Wertheim,
wo er in der Kirche sein Grabmal gefun-
den hat (vgl. Bd. I) — führte ansehnliche
Neubauten am Schloß Ronneburg in
der Wetterau aus. Der gewaltige noch
aus dem Mittelalter stammende Rundturm
Abb. 346 Haus in der Kirchstraße zu Allendorf erhielt 1533 den Originellen steinernen
Büdingen Weilburg-
525
Kuppelaufsatz mit vier ausgekragten Giebeln
und einer durchbrochenen in Renaissancefor-
men behandelten Galerie. Auch am Schloß zu
Wächtersbach, das Anton später häufig be-
wohnte, scheint er gebaut zu haben, denn der
Hauptturm zeigt eine dem Turm der Ronne-
burg verwandte Behandlung. Sein Sohn Georg
baute als Witwensitz für seine Gemahlin Bar-
bara von Wertheim 1569 den Oberhof zu Bü-
dingen, der im wesentlichen noch wohl er-
halten ist. Der einfach, aber tüchtig behandelte
und malerisch gruppierte Bau besteht aus einem
Wohnhause und verschiedenen Wirtschaftsge-
bäuden, welche einen nach der Straße von einer
Mauer umschlossenen, nach Osten sich an die Stadtmauer lehnenden Hof umgeben.
Die Ostseite als die Hauptfront hat das hübsch behandelte Hauptportal, neben
welchem links ein viereckiger Treppenturm, rechts ein rechtwinkliger von unten
auf durch alle drei Geschosse reichender Erker aufsteigt. Die meist dreifach
gruppierten Fenster zeigen noch mittelalterliche Umrahmung, die Brüstungen
am Erker spätgotisches Maßwerk. Der Giebel nach der Straße ist in seinen ein-
zelnen Absätzen einfach mit Kreissegmenten abgeschlossen und durch Pilaster
gegliedert. Überall, besonders an der Südseite, wo ebenfalls ein Erker vorgebaut
ist, aber erst über dem Erdgeschoß ausgekragt, sind interessante Spuren einer
grau in grau ausgeführten Bemalung erhalten: im Erdgeschoß Diamantquadern,
in den oberen Stockwerken Ornamentales und zum Teil auch Figürliches. Der
ganze Bau lehnt sich in der Gruppe stark an die alte Residenz zu Bamberg an
und dürfte ein älterer Bau des gleichen Meisters sein, der sich hier in einer In-
schrift Kunrat Leonhart nennt.
Auch sonst bietet die altertümliche malerische Stadt, die ihren Charakter
noch fast unberührt bewahrt hat, einzelne Renaissancewerke neben manchem
Mittelalterlichen. In der Stadtkirche ist das Denkmal des Grafen Anton, 1563
von seinen Söhnen errichtet, ein ansehnliches Werk mit fein und reich behan-
delter Ornamentik, dem des Erzbischofs v. Heusenstamm im Mainzer Dom nahe
verwandt. Es trägt die Anfangsbuchstaben C. W. Ii.
Am runden großartigen Wasserschloß mehrere Schweifgiebel, ein Säulen-
portal nebst gradläufiger Treppe, nach dem Dreißigjährigen Kriege errichtet, doch
noch in echtem Renaissancecharakter. Büdingen ist überhaupt eines der präch-
tigsten alten Städtchen, vorwiegend aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
im Charakter dieser Übergangszeit, auch von prachtvollen Stadtmauern des
16. Jahrhunderts umgeben.
Hier mögen nun, obwohl nicht zu Hessen gehörig, die nahen nassauischen
Orte des Lahngebietes angeschlossen werden. Das lieblich gelegene Wetzlar
hat außer seinem imposanten mittelalterlichen Dom und den unvergeßlichen
Goetheschen Erinnerungen nicht viel Bemerkenswertes. Mir ist nur ein hübsches
Fachwerkhaus vom Jahre 1607 mit kräftig geschnitzten Pfosten und ein charakter-
voll behandeltes, mit zwei Allianzwappen geschmücktes Steinportal von 1607
aufgefallen. Dagegen hat Weilburg außer seiner prachtvollen Lage auf steilem
von der Lahn in großem Bogen umzogenen Hügel in seinem fürstlichen Schloß
einen ungemein ausgedehnten, malerisch gruppierten Bau, der durch ziemlich frühe
Renaissanceteile unsre Aufmerksamkeit fesselt. Schon von ferne wirkt der massen-
hafte Baukörper, auf schroffem Felsen hoch emporgetürmt, überaus bedeutend, ohne
jedoch nach außen anders als durch einige mittelalterliche Erker architektonisch
Abb. 347 Von einem Holzhaus
aus Allendorf
mmm/mm^
526 2. Buch Die Bauwerke XVIII. Kapitel Die nordhessischen Gebiete
ausgezeichnet zu sein (Abb. 348). Es ist ein Werk verschiedenster Bauepochen
von der Gotik bis zum Barock, doch in der Hauptsache 1545 — 60 entstanden.
Hat man, stets ansteigend, das ungeheure Gebäude umschritten, so gelangt man
in den innern Hof, ein großes Viereck, an der dem Eintretenden gegenüber liegen-
den östlichen Seite die volle Unregelmäßigkeit mittelalterlicher Anlage darbietend.
Hier tritt in der Mitte ein stattlicher Turm als Stiegenhaus hervor, zu dessen
Abb. 348 Seliloß Weilburg
Eingang von beiden Seiten eine doppelte Freitreppe führt. Das Portal vom Jahre
1548 ist eine höchst originelle malerische Arbeit der Frührenaissance, in dem
schmalen attikenartigen Aufbau mit zwei zierlich behandelten Allianzwappen ge-
schmückt; unten hat es vortretende Säulen vor Pilastern, Kielbogen und zwei Eck-
medaillons über der Tür. 1) Die Wendeltreppe selbst ist noch völlig mittelalterlich.
Der neben dem Portal angebrachte polygone Erker ruht auf einem Rippengewölbe.
Die einzeln oder gekuppelt angeordneten Fenster zeigen ebenfalls ein mittelalter-
liches Rahmenprofil. Die Dacherker, größtenteils mit Schiefer verkleidet, haben
wohl einen geschwungenen Umriß, aber keine architektonische Ausbildung. Dem
besten 16. Jahrhundert gehört die weitgespannte Bogenhalle des nördlichen Flügels,
sechs große Rundbögen auf gekuppelten ionischen Säulen von eleganter Form,
die Bogenzwickel mit Masken und Rollwerk ausgefüllt, darüber Doppelsäulen
mit geradem Gebälk. Zwei Portale, das eine von ähnhcher Behandlung, das
andere noch aus der Frührenaissance, führen hier ins Innere. Aus derselben Zeit
stammt das kleine ebenfalls mit ionischen Säulchen eingefaßte Portal, das in den
am westlichen Flügel vorspringenden älteren Rundturm führt. ^) Dieser trägt
Spuren von Wandgemälden. Dagegen zeigt außen die Westfassade des Schlosses
einen geschwungenen Giebel, von sich durchschneidenden gotischen Stäben ein-
gefaßt, als oberen Abschluß das sehr primitiv behandelte Muschelmotiv. Die
Jahreszahl 1545 bestätigt, daß wir es hier mit einer noch etwas zurückgebliebenen
Lokalkunst zu tun haben. Damit ist alles hier irgend Bemerkenswerte erschöpft. *
Die beiden Grafen Philipp und Albrecht haben das heutige Schloß in der
Hauptsache errichtet.
In überreichem Zuge haben wir die heute noch vorhandenen Denkmäler der
deutschen Renaissance an uns vorüberziehen sehen. Trotz starker Lücken, die
1) Abgeb. bei Luthmer, Bau- u. Kuustdenkm. d. Lahngebiets, Fraiikf. 1907, Fig. 10.
2) Luthmer a. a. 0. Fig. 11.
Schluß
527
Krieg, Brand und andere Ereignisse, mehr noch der Unverstand in diese Reihe
gerissen, und obwohl gerade die bedeutendsten Werke, zu Heidelberg und Brieg
nur in Trümmern, andere wie das Lusthaus zu Stuttgart, überhaupt nicht auf
unsere Zeit gekommen sind, bleibt des Wertvollen und Schönen noch eine un-
übersehbare Menge übrig, durchaus bedeutsam genug, um mit den Renaissance-
denkmälern der andern europäischen Völker wohl wetteifern zu können. Freilich
nur, soweit es eben die Eigenart von Volk, Klima und Hilfsmitteln zuließ.
Und wir sahen, daß sich in den Grenzen des deutschen Sprachgebiets in
jenen zwei Jahrhunderten eine durchaus selbständige völlig nationale Baukunst
und Dekoration gestaltet hat, so stark auch die Einwirkungen der welschen Kunst
dauernd blieben.
Ganz selbstverständlich sind im Süden die von Italien ausgehenden Ein-
flüsse, besonders im Anfang, ganz außerordentlich bedeutsam und richtunggebend;
von Westen her bis tief nach Sachsen hinein sind solche von Frankreich heute
klarer hervortretend, als früher, offenbar auch viel bedeutsamer, als bisher an-
genommen. Und im eigentlichen Norden längs der Wasserkante wie in den Rhein-
gegenden ist die anfängliche wie dauernde Einwirkung der niederländischen, ins-
besondere der flandrischen Kunst überall zu verfolgen. Freilich geht diese, als
eines stammverwandten Volkes, an den Grenzen in die unsrige geradezu über.
Im Osten und Südosten ist außerdem noch der Einfluß gewisser slawischer
Eigentümlichkeiten, die sich sowohl in Böhmen, Mähren und GaUzien, wie in Polen
herausgebildet, auf die Dauer unausbleibhch gewesen und auch unverkennbar.
Das läßt sich bis nach Pommern und Westpreußen verfolgen.
Aber diese unvermeidlichen Einwirkungen — wie denn auch unsre Nachbar-
länder naturgemäß wechselseitig solchen unterworfen waren — haben nicht ver-
mocht, die Entwicklung einer echt deutschen Renaissance zu hindern, sind viel-
mehr überall langsamer oder rascher aufgenommen und verarbeitet worden. Das
Gesamtergebnis ist zuletzt doch das unverkennbare Sichgestalten einer völhg
nationalen deutschen Baukunst mit durchaus selbständigen Eigentümlichkeiten
und Kennzeichen, vor allem von hervorragenden malerischen Qualitäten. Das
hohe Dach mit Giebeln, die durchbrochenen Türme, die Erker, die selbständigen
Portalbildungen — dazu die Herausbildung eines echt deutschen Ornaments in
allen Materialien von kernig gesunder Art — die einzigartigen Innenausstattungen,
alles zusammen ergibt ein unendlich reiches Bild von im letzten Grunde doch
völlig einheitlicher Richtung des Wollens. Ja es läßt sich sagen, daß eine durch-
aus nationale deutsche Prägung der Kunst in keiner Zeit der Vergangenheit in
einem so hohen Maße stattgefunden hat, als in jener Zeit, und daß wahrhaft
deutsches Wesen sich künstlerisch niemals deutlicher abgespiegelt hat, als hier.
Alphabetisches Eegister
Die einfachen Zahlen bezeichnen die Seitennummern im ersten Bande; die im zweiten Bande
sind durch ein vorgesetztes II unterschieden
Ein * bedeutet das Vorhandensein von Abbildungen zu dem betreffenden Artikel
Aachen (Aken), Jan van Ii 44
Aarau, Rathaus 220
Abbehausen, Taufstein II 341
Adrian, Laurentius II 211
Ahrensburg, Schloß II 292
Aistersheim, Schloß II 60
Aken, Gabriel van II 238, 242, 281
Albrecht (Meister) II 178
Aldegrever, Heinrich 61*
Allendorf II 524
Altbunzlau II 127
Altdorfer, Albrecht 61, 62, 65,
281, 376
Altenburg, Privatbau II 401 , Rat-
haus II 402*, Schloß II 402
Altorf (Pranken), Brunnen 69
— (Schweiz), Häuser 232
Arnberg, Bezirksgericht 279,
Rathaus 279, Schloß 278 f.,
Stadttore 202
— , Georg von II 149
Ambras, Schloß: II 80—82*,
Holzdecke 80, 116*, II 84,
Spanischer Saal II 82*, Täfe-
lung II 83*
Anckermann, Daniel II 259
Andernaoh,LeyenscherHof II 504
Anger, Schloß II 87
Angermaier, Christoph 86
Annaberg, Kirche: Altar 154, II
342, 377*, Emporen II 377,
388, Schöne Tür II 377, 388
— , Hans von 454
Ansbach, Gumbertikirche 453*,
Gymnasium 452*,Hofapotheke
452
Antonelli II 8
Antwerpen, Georgentor II 26
Arians (Ahrens), Marten II 331
Arnau, Holzbauten II 126
Arrighini, Joseph II 418
Aschaffenburg, Schloß 157, 161,
193, 422 — 425*, Bibliothek II
386, Stiftskirche, Denkmäler
68, 72, 425, II 386
Assen, Schloß II 491
Attenstätter, David 86
Auer, Thomas II 64
Aufliofen, Schloß II 87
Augsburg 28, 39, 86, 188, 368—
389, Bäckenhaus 381, Bar-
füßerbrücke 382, Barfüßer-
kirche 379, Brunnen 201, 369,
389*, Dom, Gitter 104, 379,
Puggerhaus: 17, 18, 20, 189,
368—74, Badezimmer 373*,
Fuggerkapelle in S. Anna 68,
79, 175, 369*, Galerie 39, Gär-
ten 203, Gemalte Fassaden
376 f., Geschützrohre III,
Gitter 105, Maximiliansmu-
seum 177, 375*, Maximilian-
straße 368, 389, Perlachturm
383, Rathaus: 383-387*, Saal-
decke das. 80, 386, Öfen das.
115*,Treppe das. 195, Schlacht-
haus 382, Siegelhaus 382, Spi-
tal 387, Stadttore 202, 388*,
Turm der Annakirche 382,
Ulrichskirche, Ausstattung
378 f.*, Weberhaus 189*, 377,
Weiserhaus 376
Augustusburg, Schloß II 364, 383
Aulendorf, Gitter 104
Avenches, Schloß 222*
Babenhausen, Schloß 413 f.
Bacharach, Holzhäuser II 515
Bacher, Gideon 453
Baden (Baden) Kirche, Denk-
mäler 73, 266, Schloß 193,
260-266*, Dagobertsturm das.
265
— (Schweiz) 241
Bahns, Georg II 188
Bahr (Pahr, Parr), Christoph H
246, 247, 253, 259
— , Dominikus II 253
— , Familie II 164, 187
— , Franziskus II 156, 248, 253
— , Jakob II 160, 165—167
— , Johann Baptista II 160, 246
f., 253
Baldewein, Eberhard II 522
Bailesen, Philipp 413
Balthasar von Darmstadt 309
Bamberg 37, 402, Alte Residenz
157, 482 &.*, Dom, Denkmal 70,
Domherrenhöfe 484
Baptista, Johann II 229
Barkau, Kirche, Ausstattung II
306
Barth, Thomas II 86
— Wilhelm II 214
Bartholomäus Ton Florenz II 43
Bartolommeo II 8
Basedow, Kirche, Denkmäler 74*,
267 f., Schloß II 269*
Basel 214—220, Bärenfelser Hof
220*, Brunnen 65, 162, 201,
217*, Geltenzunfthaus 169,
218*, Grabdenkmäler 220,
Großratsaal 49, 122, Museum
47, 52, 53, 59, 85, Privathäuser
220, Rathaus 216*, Spießhof
218*, Haus zum Tanz 45, 46*,
47*, 186*
Bassano II 96
Bauhof er, Klaus 361, 365
Baum, Jagdschloß belBückeburg
II 472*
Baußendorf, Valerius 398
Bautzen, Reichenturm II 189,
Stadtschloß Ortenburg II 189,
Türme 11 189
Bayreuth, Schloß 490
Beaumont, Adam II 520
Bebenhausen, Schloß 308
Beck, Sebaldus 480
Bedogni, Lorenzo II 418
Behaim, Hans d. Ä. 477
Beham, Barthel 61, 66
— -, Hans Sebaldus 61, 63*, 143,
II 386
Behr (Beer), Georg 157, 312, 337,
347, 353
Beldensnyder, Johann, d. J. II
456, 483, 488, 489, 491, 494,
505, 508, 509
Bendell, Georg II 130
Benedetto II 8
Alphabetisches Register
529
Benedikt (Meister) aus Breslau
II 137
— (Benesch) von Laun (Ried) II
93, 100, 123, 178
Bensen, Schloß II 125
Bentheim, Lüder von II 269,
325, 327
Benzelt, Balthasar II 196, 342
Beora, Nicola II 8
Beraun, Schloß, Terrakotten II
134
Berchtesgaden, bemalte Häuser
II 37
Bergner, Nikolaus II 411
Bergzabern, Haus 304*
Beringer, W. 433
Berlin, Marstall II 196, Portal
das. II 197*, Museum 49, 53,
68,87,244, Pokal II 201, Pom-
merscher Kunstschrank 87, II
202*, Schloß II 155, 189—196*
Bern, Brunnen 223*, Münster,
Gestühl 79, 224 f.*, Stadttore
224
Bernardin (Bleister) II 8
Bernburg, Bibliothek 53, Schloß
II 415*
Berwart, Blasius 331, 485, II 224
Beuerberg, Kirche II 4
Bevern, Schloß II 429*
Biberach, Portal 166*, 358, Stadt-
tor 358
Biel 221
Bielefeld, Privatbau II 479
Binck, Jakob II 227, 293, 300
Birkenwald, Schloß 258
Bischofteinitz, Schloß II 118
Bittburg, Kobenhof II 511
St. Blasien, Glasmalerei 120*
Blatna, Schloß II 118
Block, Abraham van den II 207,
210, 211, 212, 217
— , Isaak van den II 214
— , Jakob van den II 218
— , Wilhelm van den II 210, 215,
227
Blöschuh, Bertusch II 153
Blum, Hans 140', 141
Bocholt, Eathaus II 489
— , Joh. von II 487
Bocksberger, Hans 285
Bodelschwing, Schloß II 491
Bohle, Hans II 244
Böringer, Hans 268
Böschel, Kaspar II 402
Bogenkrantz, Zacharias II 389
Bolkoburg 189, 190
Boltz, Valentin II 497
Bonallino II 411
Boppard, Holzhäuser II 515*;
Kirche, Denkmäler 70, 71,
II 505
Borganie, Schloß II 177
Borno, Francesco a II 246
Boxberger, Hans II 10
Lübke-Haupt, Renaissance
Bozen, Kirche, Epitaph II 74,
Privatbau II 75
Brake, Schloß II 477*
Brandeis, Schloß II 127
Brandenburg, Andreas II 262
Brandin, Philipp II 244, 245, 253,
254, 256, 265
Braunau, Stadttore 98, II 60*
Braunschweig 16, II 437 — 445,
Gewandhaus II 444*, altes
Gymnasium II 443*, Holzbau
II438if.*, Neustädter Rathaus-
saal II 444, alte Wage II 438*
Braunweiler, Altäre II 504
Bredstedt, Kanzel II 302
Bremen IL 323—329, Gewerbe-
haus 157, 168*, II 328*, Korn-
liaus II 327, Privatbauten II
327 f., Rathaus 81, 176, II 323
bis 326*, Schütting II 326,
Stadtwago II 327*
Breslau II 138—149, Dom: 154,
II 137, Sakristeiportal das. II
135, 140, Kapitelhaus das. II
135, 141, Elisabethkirche: II
139, 146, 149, Denkmal Ey-
bischll 144,Kanzeldas.ni49,
Turm II 149, Häuser II 146 fP.*,
Haus Junkernstraße II 145*,
Haus zur Krone II 141, Kreuz-
kirche, Denkmal Sauer II 144,
Magdalenenkirche: Denkmäler
II 140, 146, Kanzel II 149,
Türme II 147, Museum, Krug
140, 149, Rathaus II 137, 142,
Stadthaus 154, 170, II 135, 140
Breu, Jörg 285, 286
Breuberg, Schloß 153, 198, 415 ff.,
Saal 41f)*, Zeughaus 417
Breughel II 96
Brieg II 159-167, Piastenschloß :
155, 157, 161, 167*, 168, 170,
176, 190, II 159—165, Portal
II 160*, Hof II 162*, Privatbau
II 166 f.*, Rathaus II 165
Briot, Prancois 108
Bristow, Kirche u. Altar II 266 f.*
Brixen, Bischofpalast II 75, Pri-
vatbau II 75*
Brixlegg, bemaltes Haus II 76*
Bruchsal, Portal 267
Bruck a. d. Lienz, Schloß, Male-
reien II 83
Bruck a. d. Mur, Brunnen 105,
201, II 62*
Brüggemann, Hans II 293
Brünn, Rathaus II 129
Brüx, Pfarrkirche II 130, 132,
Rathaus JI 121*
Brugger, Paul II 86
Brunner, Melchior II 397
Bruttig, Holzhäuser II 515
Bubenik, Hans II 188
Buchmüller, Georg 362
— , Martin 362
in Deutschland II 3. Aufl.
I Buchner, Paul II 358, 360
1 Budweis II 97, 116*
^ Büchen, Kanzel II 308
Bückeburg 84, 147, Kirche: 205,
II 472*, Taufe 75*, II 472,
Schloß: II 471, Goldner Saal
II 471*, Schloßkapelle II 471*,
Jagdschloß Baum II 472*
Büdingen, Kirche, Denkmal II
525, Oberhof II 525, Schloß
II 525
Bülaoh 243
Bürglitz, Schloß II 93
Bütow, Schloß II 232
Bützow, Kanzel II 269*, Kelch
II 271*, Schloß II 257
Bunzlau, Portal II 157*
Burchard, Lorenz II 262
Burckh, Jörg 337
Burghausen, Grabendächer II 38
Burgkmair, Hans 39 — 42*, 368,
370, 376
Burgsteinfurt, Schloß II 491
Burmester, Warnecke II 319, 320
Busch, Peter 331
Buschberger, Martin II 52
Buuz, Joh. Vitus 104, 363
Buxheim, Altar und Chorgestühl
317
Caesar II 8
Calcar (Kalkar), Altar 207, II 492
Camenz, Brunnen II 188, Dom,
Ausstattung II 188
Candid, Peter II 19, 24, 29, 34
Cannstatt, Haus 1 74, 847 *, Kirche
206, Kirchturm 847*
Carlone, Sebastiane II 68
Carmis, Jakob van 336
— , Moritz van 335
Carolath, Schloß II 177*
Caspar (Meister) II 413
Caus, Salomen de 301, 343
Celle II 418—423, Privatbau II
423, Rathaus II 422*, Schloß II
418 ff.*, Schloßkapelle II 420*,
Stadtkirche, Denkmäler II 422
Cesare, Carlo de II 344, 362, 875
Cesariano 133
C. F. (Meister) 398
Chemnitz, Privatbau, Schloß-
kirche II 379
Chiaramello II 197, 246
Chlumetz, Schloß II 127
Chraustowitz, Schloß II 127
Christoph von Urach 72, 266
Chrudim, Häuser II 128
Chur, Wohnhäuser 244
Churburg, die II 83, 87*
Cles, Schloß II 47, 87, Ausma-
lung II 83
Clodius, Joh. II 299
Colditz, Schloß II 365
Colins, Alexander 296 f., II 110,
130
34
530
Alphabetisches Eegister
CoUaert, Hans 96*
Colman, Desiderius 99
Colmar s. Kolmar
Colombier 222
Colonia, Peter de 411
Contariiii II 96
Continellill 43
Convale II 95, 116
Coppens, Robert II 248, 284
Corbian, Paul II 377
Cranach, Lukas 62, II 194, 349,
386
Orangen, Schloß II 197
Cronenborob, Peter II 501
C.W. R. (Meister) II 525
Dachau, Schloß II 3
Dachsolder, Schloß 278
Danzig II 203-220, Artushof-
Ausstattung II 2 11, Beischläge
II 205*, Englisches Haus 160,
II 209, Franziskanerkirche,
Gestühl 78*, II 210, Häuser
II 206 f.*, 209, 213, Katha-
rinenkirche: Taufe II 211,
Turm das. II 218*, Löwen-
schloß II 209, Marienkirche:
II 204, Denkmal II 210, Por-
tal das. II 209, Taufgitter II
210, MüUergewerkenhaus II
219*, Neptunbrunnen II 212*,
Altstädter Rathaus 196*, II
217, Rechtstädtisches Rat-
baus 197*, II 204, 211 — 215*,
217*, Turm II 212, Stadttore:
HohesTor II 215*,217*, Lang-
gasser Tor II 217, Legetor II
217, Stelfensches Haus II 207*,
Zeughaus 169, 180*, II 218*
Dargun, Schloß II 259*
Darmstadt 408--413, Pädago-
gium 159, 412, Rathaus 412*,
Schloß 409 ff.*, Stadtkirche:
Denkmäler 412, Turm 413
— , Balthasar von 309
Dauher, Adolf 154, 285, 370, II
842, 377
— , Hans 278, 370
Degeler, Johann 379
Deinschwang, Schloß 278
Dessau, Privatbau II 414, Schloß
154, II 412 f.*
Dettelbach, Kirche 433, 437
Deutsch-Brod, Häuser II 128
Dibler, Michel II 302, 304
Diedrich, Burkhard II 433
Diera, Jakob 355
Dietrich, Wendel II 18
Dietterlein, W^endel 148—152*,
162*, 253, 254, 338, 339, 345,
354, II 471, 472, 510
Dilich, Wilhelm 152, II 510
Dippoldiswalde, Schloß II 372*
Doberan, Klosterkirche, Denk-
mäler II 264 f.*
Dobraw, Ihan von 370
Dörrenbach, Rathaus 189*
Döteber, Julius II 265
Donaueschingen, Museum 66
Donauwörth, Schloß, Zimmer 82
Dornsberg, Schloß II 87
Dortm\ind,Marienkirche,Empore
II 490, Privatbau II 489, Rei-
noldikirchturm II 490
Dovermann, Heinrich II 492
Drensteinfurt, Schloß II 490* f.
Dresden 29, II 350—363, Biblio-
thek 60, Lusthaus II 344,
Schloß: Georgenbau 154, 155,
159, II 187, 351 f.*, 372, Mo-
ritzbau 155, 192, II 187, 354
bis 360*, Holzdecke das. II 359,
Kapelle II 354, 356*, Stallhof
II 360 f.*, Zeughaus II 360
Düren, Statius von II 241, 243,
281, 283
Dürer, Albrecht 9 f., 55—60*,
129, 131, 370, 480, II 386
Dürner, Hans 277
D üsseldorf, Jesuitenkirche II 492,
Rathaus II 492, Stadtkirclie,
Epitaph II 492
Ebelmann, Johann Jakob 145*
Eberndorf, Grabdenkmäler II 69
Ebner, Wolfgang 379
Ebreichsdorf, Schloß II 57
Eck, Veit 144
Eckernförde, Kirchenausstat-
tung II 302, 304
Eckwarden, Epitaph II 341
Edenkoben, Portal 305
Eder, Hiob II 59
Ediger, Holzhäuser II 515
E. G. (Meister) II 401
Eger, St. Jodokuskirohe II 131,
Stadtkirche II 94, Antepen-
dium II 133
Eggeier, Jakob II 271
Eggenberg, Mausoleum II 65
Eggenburg, gemaltes Haus II 58,
Schloß II 67
Ehrenburg (Tirol), Schloß II 87
Eichstätt, Heil. Grabkirche 387,
Schloß 387
Eisenhoidt, Anton 92*
Eisleben, Andreaskirche, Kron-
leuchter II 406
Elgg, Schloß 242, Ofen 118
Ellwangen, Schloß 317
Eltville, Denkmal71, Schlößchen
397
Emden, Brücke II 331, Große
Kirche, Ennodenkmal II 331,
Neue Kirche II 331, Privat-
häuser II 332*, Rathaus 123,
II 329—331*
Emmerich, Taufe II 492
Enderlein, Kaspar 108*
Enn, Schloß II 46, 87
Ensishcim, Haus zur Krone 175*,
177, 247, Rathaus 155, 246*
Eppan (S. Michael), Zinnenberg
II 88*
Eppingen, Fachwerkhaus 183*
Saxonicum II 398, Dom: Epi-
taphien II 401,Taufstein II 401 ,
Haus zum breiten Herd II 399*,
Haus zum roten Ochsen II 398,
Haus zum Stockfisch II 400*,
Michaeliskirche, Epitaph II
399, Severikirche, Kanzel II
401
Erfurt 37, 11397-401, Collegium
Erhard der Bauer II 94
Erhart, Alban 116, 231
Eßlingen, Rathaus 354*, Speirer
Zehnthof 353
Ettlingen, Brunnen 266*
Eutin, Kanzel II 311
Evers, Anton (Tönnies), d. Ä. II
278, 285
— , Anton (Tönnies), d. J. II 263,
270, 271, 276, 285
Falkenau, Schloß II 121
Feldmann, Johannes II 490
Felsenburg, Schloß II 67
Fervi, Benedikt II 125
Peselen, Melchior II 285
Finsterberg, Schloß II 87
Fischburg, Schloß II 87
Fischer (Vischer) Kaspar 296, 485
Fleischer, David II 360
Flensburg, Backsteinbauten II
292, Marienkirche: Altar II
301*, Taufe II 302, Nikolai-
kirche, Orgel II 302
Plettner, Peter 63, 65, 68, 69, 79,
83,85, 88, 133, 141*, 142*, 217,
222, 272, 278, 285, 291, 297,
370, 392, 393, 467 ff., 480,
II 342, 377
Elims, Herrenhäuser 244
Floris, Konrad II 253
— , Kornelius II 227, 248, 300,
494
Flügel, Valerius 398
Focquiers 301
Forster, Jörgen 228
Francke, Michael II 188
— , Paul 157, 206, II 430, 432, 437
Franz von Magdeburg II 388
Franziskus II 43
Frankfurt a. M. 399—402, Brun-
nen 402*, Fürsteneck 198,
GlesernHof 400, GoldneWage
401*, Haus Limburg 399*, Rö-
mer 399, Haus Wedel 183,
400*
Frechen, Töpferei 112
Freiberg (Sachsen) Dom: Grab-
mäler 29, 74, II 343, 375*,
Gitter II 376, Kanzel II 376,
Privatbau II 373 ff., Rathaus
Alphabetisches Register
531
II 375, Schloß Freudenstein
II 376
Fr ei bürg i. Breisgau, Basler Hof
268, Münstervorhalle 268, Rat-
haus 268, Universität 268
— (Schweiz) 223*
Freising II 4 — 7, Dom: Denk-
mäler II 6, Gitter 104, II 7,
Residenz II 3 f.*, Kapelle II 6
Frese, Daniel II 318
Freudenstadt 318—322, Kirche
168, 205, 206, 319 f.*
Frex, Hans II 284
Frey, Dionys II 35
Freyenstein, Schloß 193, II 197*
Friedberg (Bayern) Rathaus
II 4
Friedemann, Hans, d. Ä. II 399,
401
Friederich, Lorenz 280
Friedewald, Schloß II 505
Friedland,GrabmalII 130, Schloß
II 98, 125
Friedrichstadt, Münze II 292*
Friesach, Brunneu II 74, Grab-
denkmäler II 69
Fritzlar, Hochzeitshaus II 524
F. S. (Meister) 482
Fürst, Helena 143
Fürstenau i. Odenwald, Schloß
193, 418 i¥.*
Fürstenfelder, Benedikt 110*
Fuhrmann, Valentin 141
Furttenbach, Joseph, d. Ä. 31 f.,
147
— , Joseph, d. J. 148
Oadebusch, Rathaus II 258,
Schloß II 257*
St. Gallen, Abtei 243, Erker 243*,
Glasmalereien 122
Gaming, Klosterbauten II 57
Gandegg, Schloß II 46
Gandersheim, Abtei II 461, Rat-
haus II 461
Garmisch, bemalte Häuser II 38
Geisenheim, Denkmäler 71
Gera, Rathaus II 402*
Gerhard,Hubert388,II19,21,29
Gernsbach, Rathaus 177, 267*
Gettorf, Kanzel II 302
Giehelstadt, Schloß 430
G. J. (Meister) 62, II 263*
Gieng, Hans 223
Gießen, Holzhaus II 523, Rat-
haus II 524, Altes Schloß II
523, Zeughaus II 523
Gießmannsdorf, Schloß II 158*
Gifhorn, Schloß II 424
Giger, Mathias 216
Gikau, Kanzel II 306
Gitschin, Häuser II 125
Gletger, Mathäus II 211
Glockendcn, Niklas II 386 !
Glöckner, Ulrich 277 j
Gmünd (Schwaben), Brunnen
162*, 201, 354, Kornhaus 354,
Schmalzgrube 354, Spital 354
Gockel, Kilian 440
Godfro, Elias II 520
Göllersdorf, Schloß II 57
Göppingen, Schloß 193, 307
Görlitz II 178 — 187, Petrikirche,
Vorhallen II 1 85, Rathaus 154,
155, 157, 159, 170, II 178 ff.*,
Wohnhäuser II 180 ff.*
Götz, Sebastian 300
Gotha, Rathaus II 404, Schloß
Friedenstein: II 404 f., Kapelle
II 405, Kunstkammer II 405
Gottesau, Schloß 157, 169, 258
bis 260*
Gottfried, Konrad II 78, 82
Gottorp, Schloß (bei Schleswig)
II 296—299, Fürstenloge II
297—299*, Garten II 299, Ka-
pelle II 297
Gower, Jürgen II 293, 299
Graf, Hans Heinrich 118
— , Urs 213
Grafenegg, Brunnen 105*, 201
Grafenort, Schloß II 176*, 177
Graupen, Holzhau II 97
Graz II 62—66, Burg : Ofen II 62,
Treppe II 64, Eggenherg-Mau-
soleum II 65, Landhaus : Brun-
nen II 64*, Hof II 63*, Mauso-
leum Ferdinands II 64, Privat-
bau II 65
Greifenstein 189
Greifswald, Häuser II 236, Ma-
rienkirchturm II 233, Univer-
sität: Becher, Zepter, Teppich
II 234
Grenzliausen, Töpfereien 112
Greuter, Elias 379
Greyß II 437
Grineo (Griener), Balthasar II 68
Gröditzberg, Schloß II 135, 153
Gröninger, Wilhelm Gerhard II
489
Grohmann, Nikolaus II 346, 402,
410
Groningen, Johann von II 293
Groß, Friedrich II 149
— , Jakob II 157
Groß-Skal, Schloß, Malereien II
133, Ofen II 134
Groß-Steinheim, Denkmäler 71,
398, Schloß 398
Grote, Wilhelm II 262
Grünau, Schloß 285, 286
Grünewald, Matthäus II 386
Grünsfeld, Rathaus 452
Grunewald, Schloß II 197
Guckeysen, Jakob 144
Gudewerth, Hans II 293, 304
Güstrow II 248-256, Dom: Denk-
mäler II 253 f.*, Kanzel II 255,
Taufe II 256, Pfarrkirche, Aus-
stattung II 256, Schloß 193,
II 248-253*, Wohnhäuser II
256
Guhlau, Schloß II 177
Gysius, Theodor II 68
Haas, Georg 144
Habrecht, Isaak 360
Hacke, Hans II 406
Haddenhausen, Schloß II 491
Hämelscheburg II 424 ff.*
Hagenau, Nikolaus von 454
Hagenmüller, Nikolaus II 522
Haidern, Jakob 291
Haidler, Hans II 101
Haimpertshofen, Altar II 3
Halberstadt 446 — 449, Holz-
häuser 184*, II 446 ff., Peters-
hof II 448, Rathaus II 448*,
Steueramt II 449, Zwicken II
449
Haldenstein,Schloß,Täfelung244
Hall s. Schwäbisch Hall
Halle II 385—394, Dom 154, II
385, 386-388*, Friedhof II
386, 393, Marienkirche II 385,
389*, Moritzkirche II 389*, Pri-
vatbauten II 391 f.*, Rathaus
II 390, Residenz II 385, 388,
Stadtwage II 390*, Talamt II
392, Ulrichskirche, Ausstat-
tung II 389
Hamburg, Kirchturm II 323, Pri-
vatbauten II 322
Hameln 461 — 464, Hochzeits-
haus 200, II 463*, Haus Demp-
terII463*,PrivatbauII461ff.*,
Rattenfängerhaus II463*,Wet-
terf ahnen 106, II 464*
Hanau 405—408, Brunnen 201%
405, französisch-holländische
Kirche 406*, Marienkirche,
Denkmäler 405, Stadtanlage
405
Hannover II 457—460, Holzbau
II 459 f., Haus an der Markt-
kirche II 459*, Johanniskirche
II 45 7, Kreuzkirch türm II 45 7* ,
Leibnizhaus 157, II 457*, Rö-
mischer Kaiser II 458
Hartheim, Schloß II 60
Hasselt, Hinrich van II 498, 500
Haubitz, Christoph II 257
Haugsdorf, Schloß II 177
Haynau, Schloß II 156*
Hehlen, Schloß II 429
Heidelberg 286—303, Hl. Geist-
kirche, Denkmäler 74, Privat-
bau 303, Haus zum Ritter 175,
302*, Schloß : 33, 64, 155, 278,
286—302*, Englischer Bau
300, Friedrichsbau 105, 157,
161, 163, 169, 172, 176, 205,
298—300*, Garten 202, 301,
Gläserner Saalbau 290, Otto-
532
Alphabetisches Register
Heinrichsbavi 157, 162, 169,
291 — 298*, Ruprechtsbau, Ka-
min 291*, Terrasse 300, Tor-
bau 288
Heidenreich, Erhard 280
— , Ulrich 280
Heilbronn 347—352, Deutsch-
ordenshaus 352, Fleischhalle
350, Giebel 175, Katharineu-
spital 350*. Kilianskirche:
Kanzel 75, Turm 154, 347*,
Oberamt 350,E,athaus 195,348*
Heiligenberg, Schloß 83, 205,
272, 274 ff.*, Kapelle 276, Saal
275*
Heinz, Joseph II 44, 96, 472
Heinrichsgrün, Schloß II 120
Heldburg, Schloß II 408 ff.*
Hellbrunn, Garten 203
Helleweg, Wilhelm II 171
Helmstedt, Universität 157, 167*,
170, 199, II 430 f.*
Hendrikszon, Gerard II 210
— , Frederik II 210
Hennenberger, Hans II 225
Hennersdorf, Schloß II 177
Herdringen, Silberarbeiten 93*
Herford, Brunnen II 479, Häuser
II 479, Neustädter Keller II 479
Herle (Hoerl), Simon II 214
Hersfeld, Eathaus II 524
H. F. (Meister) 54
Hildesheim II 449 — 457, Brun-
nen II 454, Dom, Lettner 75,
170, II 455 ff.*, Holzhäuser
185*, II 450 ff.*, Kaiserhaus
II 454*, Knochenhaueramt-
haus II 450*, Wedekindsches
Haus 453*
Hilger, Martin II 362
Oswald II 349
— , Wolf II 343, 349
Hirsau, Schloß 308*
Hirschhorn. Schloß 421
Hirschvogel (Hirsvogel), Augu-
stin 112, 141, 142, II 53
Hoerl s. Herle
Hötting, Epitaph II 80
Höxter, Dechanei II 464*, Holz-
bauten II 464*
Hoffmann, Hans Ruprecht II 510
— , Nikolaus 438
Hofmann, Nikolaus II 389, 390,
392*, 394, 396
Hohenelbe, Holzbauten II 98
Hohenfurt, Altar II 131
Hohenkirchen, Altar II 341*,
Kanzel II 341*
Holbein, Hans, d. Ä. 42, 43, 44,
368
— , Hans, d. J. 44—55*, 120,
186*, 213, 370
Holl, Elias 377, 379—383
— , Hans 377, 380
Hollande, Johann d' 408
Hollar, Wenzel II 99
Holle, Kanzel II 341
Hollenegg, Schloß, Ofen II 62, 66
Holzapfel, Heinrich II 211
Hopfer, C. B. 55
— , Daniel 55, 370
— , Hieronymus 55
— •, Lambert 55
Horst, Schloß II 491
Hovestadt, Schloß II 491
Hoyersworth, Schloß II 292
Hueber, Hans 205, 280
Hübscher, G. II 437
Hülsede, Schloß II 428
Hufnagel II 96
Husum, Backsteinhäuser II 292,
Schloß II 291*
Iglau, Häuser II 128
Ilgen, Kirche II 4
lUalio, Domenico II 53
Ingolstadt, obere Pfarrkirche:
Altar 207, Denkmal II 3, Glas-
malereien 123
Inningen, Schloß 380
Innsbruck 77 — 80, Schloß Am-
bras s. d., Peuerturm II 80*,
Hofkirche II 77*, Landhaus
II 80, Maximilian-Denkmal 75,
II 77*, Privatbau II 78, Schul-
haus II 78
Irmisch, Hans II 360
Isarek, Schloß II 3
Itzehoe, Kirche, Ranzaugräber
II 306
Jamnitzer(Jamitzer), Albrccht 92
— , Christoph 92
—, Wenzel 91*, II 133
Jarosch, Thomas II 105
Jelin, Christoph 310
Jena, Häuser II 404
Jever, Wiemkendenkmal 74, II
334—340*, Rathaus II 340*,
Schloß, Holzdeoke II 340
Jobsten (Meister) II 178
Joch, Orgel II 497
Johannisberg, Schloß II 135
Johann Maria von Padua II 356
Jülich, Rathaus II 492*, Schloß
II 492
Jungbunzlau II 125
Kaaden, Rathaus II 121
Kager, Mathias 376, 377, 386
Kaisersberg, Holzhäuser 247
Kai, A. 433
Kalkar, Altäre 207, II 492
Kampann, Schloß II 87*
Kapfenburg, Schloß 317
Karl, Peter 280, 481
Karthaus, Kloster, Gestühl II
221
Kasemann (Kassmann), Rüdiger
145, 209
Kassel, Martinskirche: Denkmal
74, II 520, Turm II 520*, Mu-
seum 95, Privatbau II 520,
Schloß II 516, 520
Kauffmann, Jakob 357
Keller, Georg 425
Kellerthaler, Daniel 87
Kempen, Orgel II 492
Kempene, Johann de II 293
Kern, Hans 480
— , Michael 437
Kesselhut, Jakob 411
Kiedrich, Rathaus 398
Kiel, Fachwerkhaus II 291, 308,
Museum II 307, Nikolaikirche,
Ausstattung II 308*, Schloß
II 308
Kircher, Balzer II 443, 444
Kirchheim, Schloß 398
Klagenfurt, Brunnen II 69*,
Landhaus II 73, Rathaus II 73
Klattau, Rathausturm II 95, 118
Klausenburg, Portal 154
Klein-Ribnitz, Klosterkirche,
Denkmal II 264
Klencke, Hans II 376
Klingenburg, Schloß, Terrakot-
ten II 134
Klosterneuburg II 57
Klotten II 515
Koblenz, Jesuitenkirche Ii 504
Koburg, Elisabethkirche, Altar
75, Gymnasium II 411, Moritz-
kirche, Denkmäler II 411, Re-
gierungsgebäude II 41 1, Schloß
Ehrenburg II 411, Veste Ko-
burg, Täfelung 81, II 411
Köln 38, 493 — 503, Dom, Denk-
mäler II 494, S. Georg, Vor-
halle und Sakramentshäuschen
II 495, S. Gereon, Ausstattung
II 495, Epitaph II 494, Jesu-
itenkirche II 495*, S. Maria
auf dem Kapitol, Lettner II
494, Museum, Denkmal II 495,
S. Petei*, Glasmalereien 124*,
II 495, PrivatbauII 501 ff.,Rat-
haiis : Halle 157, 163, II 497 ff.*,
Löwenhof II 497, Spanischer
Bau II 501, Zeughaus II 501
König, Peter II 34
Königgrätz, Häuser II 126
Königsberg i. Pr. II 221—229,
Dom: Ausstattung II 229,
Denkmäler 74*, II 226 f.*,
Schloß II 222—226*, Schloß-
kapelle II 224
Königswusterhausen, Schloß II
197
Körner, Stoffel 459
Kothen, Schloß II 415
Kolin, Häuser II 128
Kolmar, Erker 251*, Häuser 155,
166, 177, 188, Kopfhaus 250*^
Pfisterhaus 250*
Alphabetisches Register
533
Komarschitz, Schloß II 116
Komotau, Schloß II 121
Konstanz, Münster: Gitter 104,
272, Orgel 79, 270*
Korb, Hans 337, II 437
Kost, Schloß II 127
Kratft, Adam 70
Krakau 190
Kramer, Hans II 209, 343
Krammer, Gabriel 145, II 44
Krebs, Konrad II 193, 342, 346,
411
Krempe, Rathaus II 292
Krems, Erker II 58
Kremsmünster, Gitter II 46*
Krüg-er, Hans II 271
Krumau, Schloß II 95, 114, 132,
Stadt II 115
Krumbach, Kirche, Denkmäler
421
Krumper, Hans II 19, 24, 29, 34
Küneg, Hans 226
Küstrin, Schloß II 199
Kuhn, Johann II 492
Kühne, Kaspar II 160
Kulm, Rathaus II 220
Kulmbach, Bezirksamt 488,
Kirche 489
Kulmsee, Denkmal II 220
Kummer, Peter II 195, 342
Kupper, Johann 82, II 485
Kusel, Jakob 229
Kuttenberg, Amthausj^ortal II
128, Barbarakirche, Kanzel II
131, Welscher Hof II 93
Kynsburg, Schloß II 177
LabenwolfF, Pankraz 69, 285,
478*, 481
Lagno, Ferrabosco di II 106
Lalio, Domenico de II 63, 64
Landolph, Melchior 228
Landshut II 7 — 13, Bezirk-samt
II 12, Jesuitenkirche II 4, 12,
Landschafthaus II 12, Privat-
bau II 13, Residenz 8 1, 165, II 2,
7 — 12*, Trausnitz s. d.
Langenau, Kirche II 221
Langenburg, Schloß 357, Stadt-
kirche, Denkmäler 357
Langentuddeke, Johann II 432
Latz, Hieronymus 309
Lauban, Rathaus II 189
Lauenburg, Kirche, Herzogdenk-
mal II 310*
Lauenstein i. S., Grabkapelle 75, i
II 370*, Schloß II 372
Laun, Benedikt von, s. Benedikt
— , Brunnen II 124, Kirche II \
100, 123
Lautensack, Hans Sebaldus 141, ',
II 52
Lebrade, Grabplatte II 306
Lehe s. Lunden
Leipzig II 380-385, Fürstenhaus |
177, II 383 f.*, Pleißenburg II
383, Polizeiamt II 382, Privat-
bau II 380 f., 384 f., Rathaus II
381 f., Schützenkleinod 95*
Leitmeritz, Rathaus II 122, Ofen
II 133, Täfelung II 97, Tauf-
becken II 97
Leitomischl, Scliloß II 127
Leitzkau, Schloß II 199*
Lemgo, Privatbau II 476 f.*,
Rathaus II 475*
Lencker, Hans 141
Leoben, Stuckfassade II 67*
St. Leonhard, Denkmäler II 69
Letzlingen, Schloß II 197
Leu, Hans,'d. J. 226
Leyder, Jakob 29 G
Lichtenberg, Schloß 413
Lichtenthai, Brunnen 266
Liohterfelde, Schloß II 197
Licinio, Giulio 376, 377
Liebenstein, Schloßkapelle 163,
168, 205, 206, 352*
Liegnitz 28, 189, II 149—153,
Portale II 152*, Schloß 154,
167, II 149 tf.*
Linar, Rochus von II 194, 196,
343
Lindau, Rathaus 317
Lindenau, Schloß II 177
Linz, Landhaus II 59, Öfen II 59
Lititz, Burg II 92
Löbau, Kirche, Gestühl II 189
Löflfler, Georg II 80, 105
Lövi^enberg, Rathaus 189, II 155
Lohr, Rathaus 195, 198, 427*,
Schloß 428
Lombard, Lamberts. Sustermann
Lorch, Denkmäler 71, Hilchen-
haus 396*
— , Melchior II 293
Lorenz (Meister) II 497
Loscher, Sebastian 370
Loskant, Reitz 411
Loth, Ulrich II 24
Lotter. Hieronymus, d. A. II 364,
381 ff.
— , Hieronymus, d. J. II 384
Lucas, Hans II 174
Lübeck II 271—288, Ägidien-
kirche: Lettner 79*, Orgel II
286, Dom, Denkmäler u. Kanzel
II 284, Fredenhagenzimmer
82*, II 283, Füchtingshof 119*,
II 287*,MarienkircheII 283 ff.*,
Denkmäler II 284, Gitter 105,
Kronleuchter 110*, II 287,Lett-
ner 285*, Senatstuhl II 285,
Nikolaikirche, Turm II 287,
Petrikirche, Orgel II 285, Pri-
vatbau II 278 ff.*, Rathaus II
275—278*, Freitreppe II 274,
Kriegsstube 82, II 276 ff.*, Rat-
saaltür II 278*, Vorbau II 275*,
Schiff'erhaus II 283, 287*, Ter-
rakotten II 284*, Terrakotten-
bau II 281—283*
Lüder von Bentheim 81, II 269,
325, 327
Lüdinghausen, Schloß II 491
Lüneburg 179, II 311-322,
Brunnen II 321, Johannis-
kirche, Ausstattung II 320.
Öfen 119, Privatbau II 311 bis
314*, 321, Rathaus: Fürsten-
saal II 318*, Gitter 105, II 314,
Ratslaube II 315*, Ratsaal
81*, II 316 ff.*, Silberschatz
91*, II 319
Lütjenburg, Reventlowkapelle
II 305
Lugann, Hans II 160
Lukas, Melchior II 306
Lunden bei Lehe, Markus Swyns
Pasel II 294*
Lutter, Heinz von 309
Luxemburg, Kathedrale II 512,
Schloß II 511
Luzern 226 — 230, Franziskaner-
kirche 230, Friedhof 229, Häu-
ser: Corragioni 226, Herten-
stein 45, 51, von Moos 229,
Ritterpalast 226, Hofkirche
105, 229, Rathaus 228*
Lynzo, Giovanni 227
Lyra, Valentin von II 238
Magdeburg, Dom, Denkmäler 66,
Kanzel 75
— , Franz von II 388
Mainz, 390 — 396, Brunnen 64,
154, 200, 265*, Dom, Denk-
mäler 393, Albrechts von Bran-
denburg 65, 72, 366*, von
Gablentz 393, von Heusen-
stamm 393, Ulrichs von Gem-
mingen 71*, 153, 391, II 388,
Gestühl 78, 394, Gymnasium
395, Häuser 395 f., Knebelhof
396, König von England 395,
Römischer Kaiser 396, Schloß
157, 394*, S. Stephanskirche,
Altar 153, 391, Sakraments-
häuschen 391, Universität 395
Mair, Georg II 29
Manuel, Nikolaus 213, 224
Marburg (Steiermark), Rathaus
II 66
— (Hessen), Elisabethbrunnen
II 523, Marienkirche: Denk-
mäler II 522, Taufbecken II
522, Privatbau II 522, Rat-
haus II 522, Schloß II 521
Maria Birnbaum, Kirche II 4
Marian, Hans 411
Marini, Giovanni II 98, 118
Marktbreit, Häuser 430*, Rat-
haus 429*, Stadtkirche 430
Marquirt, Franz II 180
Mathes, Hinrich II 285
534
Alphabetisches Register
Matthias von Prostiejow II 94
Matzdorf, Schloß
Matzer, Michael 426
Maurer, Paul 254, 258
Mayeuburg, Schloß II 83
Meer, Gerhard van der II 364
Meisenlieim, Denkmäler II 505
Meißen, Albrechtsburg II 365,
Dom, Denkmäler II 366, Pri-
vatbau II 366 f.
Meldorf, Kirche, Ausstattung II
301, Kelch II 133
Mellenthin, Schloß II 231
Melnik, Kirche, Malereien II 132,
Schloß II 124
Memhardt II 190
Menten, Kurt II 436
Mergentheim, Schloß 193, 449 ff.*
Merseburg, Dom : Kanzel, Epi-
taph II 397, Schloß II 394-397,
Portale II 395*, Ziehbrunnen
II 397
Mespelbrunn, Schloß 437
Meurer, Peter 437
Meyer, Joachim 331
— , Johann II 432
^ — , Johann Jakob 236
Mezzotedesco, Schloß II 47
S. Michael (Eppan), Häuser II 88*
Michelstadt, Kellerei 42 1, Kirche,
Denkmäler 420
Michelstätten, Schloß II 57
Miler (Miller), Georg 75, 314
Millstadt, Grabdenkmäler II 69
Minden, Privatbau II 480 f.*
Miniaturisten, böhmische II 132
Miseroni, Dionys II 95
Mittenwald, bemaltes Haus II 38
Möller, Antonius II 211, 219
• — , Christian II 244
Mölln, Kirche, Gestühl II 309
Mömpelgard, Hallen 254, 322,
Kirche 322*, Schloß 322*
Mörsburg, Ofen 1 16, 243
Möskireh, Denkmal 69
Molsheim, Jesuitenkirche 256*,
Eathaus 195, 256*
Moritzburg, Schloß II 363*
Morstein, Schloß 356
Motschone s. Lynzo
Mühldorf, Grabendächer II 38
Muelich, Hans 95, 99*, II 3
Mülhausen i. E., Rathaus 166,
169, 188, 195, 247*
Müller, Christoph II 516
— , Hans II 516
— , Koster 485
— , Kunz 437
— , Wolfgang II 18
Müllner, Bernhard 125
München II 3, 18 — 36, Frauen-
kirche: Denkmal 75, II 34*,
Gitter 104, Alter Hof II 22,
Jesuitenkolleg 199, II 4, 21,
Mariensäule 162, II 34*, Max-
burg 189, II 3, 22*, Michaels-
hofkirche 78, 110*, II 4, 18 bis
21*, Münzhof 161, II 18*, Mu-
seum 44, 65, 66, 82, 86, 88, 94,
96, 99, 107*, 108, 109, 124, 126,
Residenz: 34, 124*, 168, 173,
189, 197, 198, II 22—34*, An-
tiquarium II 33*, Grottenhof
203,II26*,KaisertreppeII30*,
Kapelle 206, II 34, Portale II
28*, Schatzkammer 94, Wohn-
räume II 32, 34
Münden, Denkmal 70, II 468,
Holzbau II 467 f., Rathaus II
466*, Schloß II 465
Münster i. W.II 484—489, Dom:
Epitaphien II 488, Kapitelsaal
82*, 170*, II 485*, Krameramt-
haus II 486*, Ludgerikirche,
Gestühl II 485, Privatbau II
487 f., Rathaus II 488, Rat-
haussaal II 485*, Stadtwein-
haus II 486*
Murau, Schloß, Ausstattung II
62, 67
Murten 223
Nabburg, Eathaus 279
Nachod, Holzbauten II 98, 12G
Näfels, Gemeindehaus 81, 118,
241
N. B. (Meister) II 472
Neckarsteinach, Grabmal 421
Negau, Schloß II 67
Neidhard, Wolfgang 382
Neiße 168 — 171, Brunnen 201,
II 171, Kirche, Denkmal II 168,
171, Rathaus II 169*, Torbau
II 171, Wohnhäuser II 169 ff.*
Neuburg (Pfalz), Schloß 155, 281
bis 285
Neuenburg (Schweiz) 222*
Neuenstein, Schloß 441 — 444*
Neuhaus, Schloß II 115, 490*
Neuhof, Schloß II 127
Neumarkt, Schloß 64, 278
Neustadt a. d. II. 195, 199, Gym-
nasium 305, Privathaus 305
— a. d. Mettau II 126
— i. Mecklenburg, Kanzel II 271
Niklas, Michael 449
Nikolaus von Hagenau II 522
Nikolsburg, Schloß II 129
Nimpsch, Schloß II 160
Niuron, Bernhard II 160, 165
— , Franz II 415
— , Peter II 195, 196, 413, 415
Nördlingen, Rathaus 195, 355*,
Tore 202, 355*
Nonnenmacher II 131
Nordhausen, Rathaus II 406
Nortorf, Taufe II 306
Nosseni, Giovanni Maria 75, II
343, 344, 350, 360, 362, 875,
II 473
Nürnberg 37. 109, 195, 463-481,
Brunnen 69, 201, 478*, Brun-
nengitter 105, Einband 94,
128*, Fleischbrücke 481, Gie-
bel 175*, Gitter 1 04, 476*,Gold-
schmiedearbeit 91*, Museum
40, 59, 85, Öfen 1 14, 1 15*, Rat-
haus 195, 196, 477 ff.*, Bronze-
gitter im Saal 67, 68*, 480, Rat-
haushof 163, Rochuskapelle,
Altar 207, Schrank 83, Stadt-
mauern 202,481*,Töpferei 112,
Wohnhäuser: Bayr. Hof 471,
Egidienplatz 473, Fembohaus
476*, Funksches Haus 472*,
Hirschvogelhaus 62, 468 ff.*,
Karlstraße 475, Krafftsches
Haus 471, Pellerhaus 80*, 82,
100, 165, 193, 474*, Schoppers-
hof 477, Tetzeigasse 473, Top-
lerhaus 472*, Tuoherhaus 155,
177, 466*, Zeughaus 481
Nürtingen, Lettner 356
Obbergen, Antoni van II 2 10, 2 1 7,
218, 219
Oberburg, Stiftskirche II 67
Oberehnheim, Brunnen 200*, 256,
Metzig 255
Oberlößnitz, Schloß II 365
Obersontheim, Schloß 356
Oberwesel, Denkmäler 71
Ochsenfurt, Rathaus 428
Öhringen, Kiiche, Denkmäler
448, II 507, Schloß 448
Öls i. Böhmen, Holzbau II 126
— i.Schlesien,Kirche, Denkmäler
II 175, Schloß 189,11171-174*,
177
Ötz, bemaltes Haus II 76*
Offenbach, Schloß 157, 402 f.*
Oldenburg, Rathaus II 334,
Schloß II 332*
Oliva, Klosterkirche, Ausstat-
tung II 219
Olmütz, Privatbauten II 129
Orley, Nikolaus von 335
Oslew, Johannes II 175
Osnabrück, Giebelhaus II 482,
Holzhäuser 185*, II 483*, Jo-
hanniskirche, Epitaph II 483*,
Marienkirche, Taufstein II
483
Osten, Peter 412
Osterstein, Schloß II 379
Ottersheim, Schloß II 60
Ovens, Jürgen (Jurian) II 293
Paderborn, Jesuitenkollegium II
482, Rathaus II 482*
Padua, Johann Maria von (Pado-
vano) II 356
Pahr (Parr) s. Bahr
Pansin, Schloß II 231
Alphabetisches Eegister
535
Parchim, Georgenkirche, Kanzel
und Eatstuhl II 271, Marien-
kirche, Empore II 270*
Pardubitz, Häuser II 128, Kirche,
Denkmal II 130
Partenheim, Kirche, Malerei 422
Pasqualini, Alessandro II 492
Patschkau, Rathausturm II 177
Paumgartner, Ulrich 87
Pauwart, Antonius II 390
Pelplin, Kirche, Ausstattung II
219
Pencz, Georg 61, 125
Penig, Altar II 366
Peper, Hans II 293
Peringer, Lienhard II 15
Pernstein, Schloß II 129
Perolles, Schloß 228
Pesnitzer II 95, 114
Peter 227, II 94
Petersen, Peter II 300
Petzolt, Hans 92, II 201
Pfau, David 116, 118
Pfedelbach, Schloß 448
Pforzheim, Denkmäler 73
Pfreimdt, Franziskanerkirehe
279, Schloß 279, Stadtkirche
279
Pfretzschner, Sittich II 881
Philippi, Gerhard 343
Piazza II 96
Pietschdorfer, Paul II 86
Piloot, Gerhard Evert II 246
Pilsen II 97, Deutsches Haus II
119, Häuser II 120, Rathaus
II 119
Pirna II 367-370, Kirche, Malerei
II 368 f.*, Privatbau II 367*
— , Peter von II 342
Pistor II 490
Plagwitz, Schloß II 155*
Plassenburg 33, 157, 165, 166,
192, 484-488, Schloühof 487*,
Schloßportal 487*, Zeughaus
168, 486*
Plathe, Schloß II 231
Pleydenwurff, Hans II 137
Plumthal II 73
Poco, Francesco de II 53
Podiehrad, Schloß II 127
Pöllau, Stiftskirche II 67
Polak II 133
Polling, Kirche II 4
Pomis, Pietro de II 64
Ponzano, Antonio 370, II 18, 24,
33
Pordenone 376
Porta, Antonio de II 124
Porti, Battista II 52
Posen, Rathaus 155, II 189*
Prachatitz, Häuser, Rathaus II
117
Prag 34, II 95, 100—113, Belve-
dere 155, 200, II 94, 100 tF.*,
Brunnen; Altstadt II 110, Brun-
nen, Belvedere II 95, 105*,
Dom: Denkmal II 130. Gitter
104, II 110, Domschatz II 133,
Kirche Maria Yiktoria II III,
Krönungssaal II 100, Marien-
säule II 99, 130, Pulverturm
II 100, Altes Rathaus II 100,
Ofen das. II 133, Residenz II
94, 96, 112, Schwarzenberg-
palast 190, II 109, Schloß Stern
II 94, 106 f.*, Teinkirche, Altar
II 131, Waldsteinpalast II 98,
112*
Pragthal, Schloß II 58
Puchheim, Schloß II 60
Pudagla, Schloß II 231
Pyhra, Schloß II 58
Quade, Görries II 244
Quadro, Giovanni Baptista de II
189
Quentell, Peter 143
Radausz, Mathias II 132
Eaeren, Töpfereien 112*
Räspell, Hans II 194
Rappoltsweiler, Brunnen 247
Ratschin, Schloß II 176
Raudnitz, Schloß II 124
Regensburg, Dom: Grabmal 67,
Kreuzgang 154, 280, Dreifal-
tigkeitskirche 206, 280, Neu-
])farrkirche 154, 205, 280*,
Obermünster, Altar 281. Pri-
vatbau 193, 281, Rathaus 280
Reichel, Johann 282
Reichenberg, Rathaus II 125,
Schloßkapelle II 125
Reife]], Johann 229
Reifenstein, Scliloß II 83
Reifenstuel, Hans II 24
Reinbeck, Schloß II 291
Reinhardt, Georg II 338
Reinsbronn, Schloß 449
Reisek s. Matliias
Rendsbiirg, Kirche, Ausstattung
II 304 f., Rathaus II 292
Reumann, Kaspar 487
Reuscher, Hans 394
Rheda, Schloß II 492
Rhense, Holzhaus II 514
Ricchino, Francesco II 360
Ridinger, Georg 157, 283, 395,
423, 425, II 510
Ried, Benedikt von s. Benedikt
Riedegg, Schloß II 60
Riegersburg, Schloß, Ausbau II
67, Öfen II 62
Riemenschneider, Tilman 70
Riese, Paul II 180
Rimpar, Schloß 437
Ringering (Ringeling), Heinrich
II 293, 301, 302
— , Peter II 217
Rivius, Gualtherus 132—139
Rodenkirchen, Altar II 34 1, Kan-
zel II 341
Rodler, Hieronymus 132
Röthelstein, Schloß, Ausstattung
II 67
Ronneburg, Schloß II 524
Rorschach 243
Rose, Blasius II 153
Rosenberg, Kirclie II 221
Rosenburg, Schloß, II 56
Rösenlieim, Grabendächer II 88
Rosheim, Brunnen 200
Rospinger. Liidwig II 11
Roßkopf, Wendel, d. Ä. II 185,
142, 150, 178, 186
— , Wendel, d. J., II 158, 180
Rostock II 259— 264, Backstein-
giebel II 268*, Jakobikirche,
Ausstattung II 262, Kreiiz-
kirche, Kanzel II 263, Marien-
kirche: Epitaph 79*, Kanzel
260*, Taufe II 261, Uhr II 261,
Nikolaikirche, Ausstattung II
262, Portale II 264*, Steintor
II 264*
Roth am Sand, Schloß 452
Rothenburg ob der Tauber 453
bis463,Brunnenl62,172.201,
458, Gymnasiuml99,457, Häu-
ser: Geiselbrechtsches 459*,
Haffnersches 81*, 458, Hopf-
sches 460, Stuckdecken 461 f.*,
Rathaus 454 — 457*, Spital
200, 457, Spitaltor 458, Stadt-
mauern 202
Rothenburg er, Jakob II 522
Rottenhamer, Johannes 376, 377,
II 473
Rottweil, Brunnen 201*, 387,
Rathaussaal 357
Rühn, Altar II 270
Rueß, Jakob 224
Rufach, Brunnen 247
Rüge, Hans II 316
Runkelstein, Schloß 282
Rylf, Walter s. Rivius
Saalliausen, Antonius von II
370
Saaz, Rathaus II 122
Sadeler II 44
Sächsisch Haugsdorf, Scliloß II
177
Salgen, Andreas II 293, 299
Salnellyn, Anton II 95, 118
Salzburg, Dom II 89, Eisenarbei-
ten II 90, Franziskanerkirche
II 91*, Hohensalzburg II 89,
Kirchhof S. Peter II 90, Resi-
denz II 89
Salzmann, Jakob 337
Salzuflen, Häuser II 477
Salzwedel II 202
Samarina II 8
Sarau, Gestühl II 307
536
Alphabetisches Register
Scamozzi, Vincenz II 89, 97, III,
112
Schäffels, Schloß, Speisezimmer
244*
Schäuffelein, Hans 63*, 355
Schaffhausen 235 f., Brunnen
236, Häuser: Zum Käfig 236,
Zum Eitter 188, 235*, Johan-
niskirche 235, Munoth 236
Schallaburg, Schloß II 45*, 54*
Schallantzer, Hermes II 53
Schartzemberger 143
Schatzlar, Holzbauten II 126
Scheclel, Hartmann 36
Scheel, Sebastian II 77
Scheinsberger, Hans 459
Schickhardt, Heinrich 30 f., 209,
318, 323—330, 335, 340, 345
bis 347, 354, 357, 444
Schieferstein, Hans 87
Schlägl, Stiftgitter II 46*
Schleinitz, Burg II 57
Schleswig, Dom: Denkmal 74,
II 300*, Epitaphien II 300,
Schloß s. Gottorp
Schlettstadt, Haus 247
Schmalkalden, Privatbau II 520,
Schloß 205, II 516, Kapelle II
518*, Stadtkirche, Leuchter II
520
Schmid, Kaspar 362
— , Peter 361, 365
Schmitt, Jörg 254
Schoch, Hans 157, 253, 254, 258,
267, 299—301, 357
Schöffer, Anthoni 398
Schön, Erhard 62, 141
— , Heinrich II 24
Schönfeld i. Er., Schloß 387
— i. S., Schloß II 365
Schrattenberg, Schloß II 62, 67
Schröder (Schröther), Georg II
247
— , Simon H 247, 349
Schröer, Hans II 343
Schroh, Dietrich 393
Schütterlein, Jakob 398
Schuster, Paul 110
Schwäbisch Gmünd s. Gmünd
— Hall, Brunnen 449, Einband
128*, Gestühl 449, Haus 419
Schwalenberg, Rathaus 190*
Schwarz, Christoph II 24
— , Michael II 210
Schwarzenau, Schloß II 58
Schwarz-Kosteletz, Schloß II
127
Schwedt, Katharinenkirche, Aus-
stattung II 191*
Schwei, Kanzel II 341
Schweiner, Hans 347*
Schweinfurt, Gymnasium 199,
440, Mühltor 202, 440, Rathaus
79, 195, 196, 438*
Schweinhaus, Schloß II 177
Schwenke, David II 370
Schwerin, Dom: Denkmäler II
247 f., Orgel und Gestühl II
247, Schloß 179, II 245, Schloß-
kapelle II 245
Schwertberg, Schloß II 60
Schwindegg, Schloß II 36*
Schwöbber, Schloß II 428
Schwyz 226
Seckau, Mausoleum II 68
Sedlczansky, Jakob II 132
Seebenstein, Schloß II 58
Seeberg, Schloß II 121
Seewagen, Heinz 222
Segeberg, Kirche, Ausstattung
II 305
Selent, Kanzel II 307
Semil, Holzhäuser II 126
Sengelaub, Peter II 411
Seusenhofer, Jörg 99
Seutter 110
Sibmacher, Hans 143
Siebenbürger, Alexander II 18
Siebeneichen, Schloß II 158
Siegburg, Töpfereien 112*
Sigmann, Georg 99
Sigmaringen, Tafel 316
Simmern 25, Grabmäler 506 f.*
Skreta II 99
Smetschna, Schloß II 123
Smids II 197
Sobernheim, Schloß II 511
Sobieslau, Häuser II 1 18
Soest, Albert von II 316, 320
Solari, Santino II 89
Solbach, Daniel II 86
Solls, Virgil 89*, 96, 142
Solothurn, Brunnen 202*, 221,
Rathaus 221, Stadttore 221*
Sommer, Johann Georg 458
— , Michael II 286
Sonderburg, Schloß II 291
Soriau, Daniel 406, 408
Spazio, Antonio de II 43
— , Hans de II 43, 100, 106
— , Jacopo de II 43
Speck, Hans II 377
Specklin (Speckle), Daniel 141,
253, 254
Speza de Ronio, Andrea II 333
Spital, Bezirksamt II 72, Schloß
155, II 69—72*
Spranger, Barthel II 45, 96
Stadthagen, Mausoleum 75, II
473 f.*, Rathaus II 470, Schloß
n 469
Stainmiller, Hanns 418
Stans 231*
Stargard, Rathaus II 232*, Tore
II 232, Wohnhäuser II 232
Starnberg, Schloß II 3
Steenwinkel, Laurens van II 329
Steenwyck, Hendrick, d. Ä. 259
Stein (Schweiz) 45, 122, 188,
232 — 235*, Häuser: am Markt
235*, Roter Ochse 235, Weißer
Adler 234*, Kloster 232
Steinheim s. Groß-Steinheim
Stella, Paul della II 43, 100, 106,
356
Stellauf, Andreas II 143
Stendal II 202
Stephan II 349
Stettin, Schloß II 230*
Steyger, Georg II 433
Steyner, Heinrich 143
Steyr, Kornhaus II 62*
Stimmer, Tobias 188, 236*, 265
Stirczim, Schloß II 127
Stixenstein, Brunnen 105
Stöer, Wilhelm 141
Stolpen, Burg, Portal II 342
Stoß, Veit 70
Strakonitz, Schloß II 118
Strakowsky, Hans II 217
Stralsund, Marienkirche II 234*,
Rathaus II 236, Wohnhäuser
II 235
Straßburg i. E. 38, 252—255,
Frauenhaus II 193, 253*, Kam-
merzellsches Haus 255*, Neuer
Bau 176, 254*, Privatbau 255
Strauß, Jakob II 243
Strechau, Schloß II 67
Stromer, Wolfgang Jakob 209,
481
Stuttgart 331—347, Grotte 341,
Alte Kanzlei 344, Säule das.
162*, 345, Landschaftshaus
200, Lustgarten 204, 336,
Neuer Bau 340*, Neues Lust-
haus 157, 165, 200*, 337-340*,
Prinzenbau 345, Privathäuser
184, 345 f.*. Altes Schloß 105,
157, 161*, 165,167, 192, 331 bis
336*, Schloßkapelle 205, 335,
Stiftskirche, Denkmäler 74*,
127*, Terrasse 172*
Suavius, Lambert s. Sustermann
Srirsee, Hans 230*
Sustermann (Sutermann), Lam-
bert (Lambert Lombard) II
499 ff'.
Sustris, Friedrich II 18, 24
Suttmeiei*, Gerd II 316
Swanburg, Schloß II 87
Syrlin, Jörg 70, 358
Tabor, Tore II 118
Taborsky, Johann II 132
Tangermünde, Portaiii 202*, Ste-
phanskirche, Orgel 79*, II 202
Tauchen, Jost II 137
Thalburg, Schloß II 67
Theiß, Kaspar II 192
Theodor, Antonius von II 160
Thola s. Tola
Thorn, Rathaus II 219
Thun-Vigo, Schloß II 47
Thurnau, Schloß 490
Alphabetisches Register
537
Tittmoning, Grabendächer II 38
Tola, Benedikt de II 343, 360
— , Gabriel de II 343, 360
Tondern, Kirche, Ausstattung II
300
Torgait, Hausportale II 350*, 352,
Rathaus 350, Schloß Harten-
fels 33, 159*, 168, 171, 177,
II 344—350*, Schloßkirche II
349*
Tornielli II 421
Traben, Holzhaiis II 513*
Trarbach, Johann von 73, 405,
II 505, 507
Tratzberg, Schloß II 47, 83*
Trauernicht, Hans II 153
Trausnitz b. Landshut 115, 163,
197, II 13—18*
Trautenfels, Schloß II 67
Tretsch, Aberlin 308, 331, 337,
485
Tribb, Jörg II 422
Triebt, Konrad van II 492
Trier 26, II 507—510, Brunnen
II 510, Dom : Denkmal Greifen-
klau 72, 154, II 508*, Denkmal
Metzenhausen 72,11 508*, Kan-
zel 75*, II 510, Liebfrauen-
kirche, Hl. Grab und Epitaph
II 507, 510, S. Mattheis, Epi-
taphien II 507*, Schloß II
510*
Trost, Hans II 100
— , Melchior II 355, 362
Trostburg, Schloß II 88
Tschocha, Burg II 177
Tübingen 309—314, Kirche,
Denkmäler 74, Konvikt 199,
312, Neptunbrunnen 314*, Rat-
haus 313, Schloß 155, 160, 167,
170, 309 — 312*
Tuntenhausen, Kirche II 36
Turm, Martin vom II 160
Tußmann, Heinrich II 492
Uberlingen, Kanzleiportal 160*,
167, 272, Münster, Altar 172,
208, 272*
Überreiter, Niklas II 7
Uhlberger, Hans 254
Ulm 36, 356—367, Brunnen 201,
Dreifaltigkeitskirche 362, Ge-
stühl 363*, Kornhaus 362, Mün-
ster: Gitter 363, Türen 363,
Neuer Bau 361, Privathäuser:
Baidingerhaus 367, Dietrich-
haus 364, Ehingerhof 81, 366*,
Frauenstraße 366, Schadisches
Haus 365*, Schelerei 365,
Schlößle 364, Seutterhaus 367,
Rathaus 359*,Spitalkirche,Ge-
stühl 78, 206, Wage 360
Umstadt, Rathaus 421
ünger, Georg 481
Unteutsch, Friedrich 147*
Urach, Goldner Saal 85, 315*,
Denkmal 71, 316
— , Christoph von 72, 266
Yacksterffer, Christian 248, 250
Valentin II 188
Valerio, Schloß II 83
Valiente, Antonio II 18
Varel, Altar II 341*
Velthurns, Schloß 7, 118*, II 47,
86*
Verda s. Verdetz
Verdetz, Alexander de 68
Vernick el (Vernucken, Vernui-
ken), Wilhelm II 498, 500, 518
Vesst, Georg 114
Victor II 8
Viechtenstein, Schloß II 60
j Villach, Kii'chenausstattung,
Grab mal er II 69
Vischer, Hermann 67, 68
— , Johann II 386, 397, 401
— , Kaspar s. Fischer
— , Peter 66 f., 370, 480, II 137,
247, 284, 386, 401
Vischering, Schloß II 490
Vlyndt, Paul 89, 94*
Vogel, Mathes 426
Vogelsang, Ulrich II 69
Vogler, Hans II 86
Vogt, Adam 386
— , Kaspar (vonWierandt) II 238,
342, 343, 354, 383
Vogtherr, Heinrich 143
Voidel, David 304
Voigt, Hans II 207
Volrhat, Johann 247
Vorchdorf, Schloß II 60
Vorrah, Hans II 160
Vos, Marten de II 420
Vries, Adriaen de 75, 388, II 44,
472, 473
Vries, Vredeman de II 210, 211,
214
Vroom, Friedrich II 210
Wachbach, Schloß 449
Wächtersbach, Schloß II 525
Wagsdörffer s. Vacksterffer
Waldberger, Wolf 355
Waldenburg, Kirche, Grabmal
n 364
Waidenfels, Schloß II 60
Walder, Johann II 66
Waldhausen, Kirche II 59
Wallern, Häuser II 117
Walther, Christoph II 364, 366
— , Georg II 247
— , Hans II 376
— , Sebastian II 344
Waltirsch, Kirche u. Denkmäler
II 124
Wamser, Christoph 257, II 495
Wangen, Tor 358*
Warder, Kanzel II 305
Warta, Schloß 189
Weber, Hans II 376
Wechter, Georg 89, 94
Weikersheim, Schloß 125, 205,
444 ff.*, Schloßgarten 203, 445
Weilburg, Schloß II 525*
Weilderstadt, Tabernakel 75, 208
Weilheim, Kirche II 4
Weimar,Privatbau II 404 f. ,Rotes
Schloß II 404, Schloß II 404,
Stadtkirche, Epitaph und Altar
II 405
Weinhart, Kaspar 260, 265
Weinher, Hans II 19
Weißenburg (Elsaß), Häuser 257
Weitmann, Friedrich II 467
Wenglein, Bartholomäus II 29
Wenig, Marx II 64
Werner, Daniel II 265
— , Hans II 402
Wernke, Jochim II 285
Wertheim, Brunnen 201, 426*,
Kirche, Denkmäler 72, 73, 425
Wesel, Haus II 492
Wesely, Rathaus II 118
Wessel, Hans II 376
Westensee, Kirche, Ranzaudenk-
mal n 304
Westveling, Arnold II 342
Wettingen, Kloster, Gestühl 79,
221*, Glasgemälde 122, 220
Wetzlar II 525
Wiedemann, Paul II 381, 383
Wien 16, 38, II 47—54, Alber-
tina 58, 60, Ambraser Samm-
lung 99, Burg II 52*, Pederl-
hof. Portal II 40, Gärten 203,
Landhaus II 52, S. Maria am
Gestade, Altar II 50*, S. Mi-
chael, Grabmal II 50, Museum
96, Portal 153, Privathäuser
II 50 ff.*, Salvatorkapelle 154,
II 49*, S. Stephan, Denkmäler
II 49
Wiener-Neustadt, Zeughaus 154,
II 40, 51
Wiesbaden, Rathaus 398
Wiesensteig, Brunnen 358
Wilbrandt, Karl II 262
Wildberg, Schloß II 60
Wilhelm, Antonius II 231
— , Johann 147
Willinger, Joh. II 285
Wimpfen a. B., Kirche, Gestüh
79
Windberger, Hans 286
Windhag, Schloß II 58
Windrah, Hans II 224
Winterthur, Öfen 114*, 118, 242
Wismar, Brauerei Koch, II 244*,
Fürstenhof 170, 179*, II 237
bis 243*, Georgenkirche, Aus-
stattung II 244, Kelch der
Kram er II 271, Marienkirche,
Denkmäler II 244, Nikolai-
538
Alphabetisches Register
kirche, Ausstattung II 244,
Wasserkunst II 245
Wismar, Hans II 224
Wit, Peter de s. Candid
Wittenberg, Rathaus II 417*,
Schloßkirche, Denkmäler 68,
II 401 , Stadtkirche,Epitaphien
und Altar II 401
Wittingen, Schloß II 115, 132,
Häuser II 115*
Wlaschim, Schloß 11 127
Wolbeck, Schloß, b. Münster II
489*
Wolfenbüttel, Kirche 157, 169,
205*, 206, II 432 ff.*, Privat-
bau II 437, Schloß II 437,
Schloßturm II 437*, Zeughaus
163, II 437
Woltr, Balthasar 443
— , Jakob 478
— , Liidwig 453, 454, 457
Wolfsberg, Grabdenkmäler II 69
Wolfsburg, Schloß II 424
S. Wolfgang, Gitter 104
Wolmuet, Bonifazius II 52, 53
Wolter II 444
Worlik, Scliloß, Terrakotten II
134
Wouters II 96
Wülfflingen, Herrenhaus 242,
Ofen 114
Würthing, Schloß II 60
Würzburg 37, 431 — 438, Dom,
Denkmäler 70, Juliusspital
199, 433, 437, Marienberg 202,
437, Privatbau 43 1 f . , Rathaus :
Giebel 431*, Gitter 105*, 431,
Hof 193, Universität 199, 433,
Universitätskirche 205, 206,
434 ff*
Wurzelbauer, Benedikt 201, 481,
II III
Wyden, Schloß 213
Wyl, Abtshof 243
Xanten, Kreuzgang II 492
Ysenmann, Antony 228
Zabern, Haus 258, Altes Schloß
258
Zan, Bernhard 89
Zeilern, Schloß II 58
Zell a. d. Mosel II 511
Zemin II 8
Zerbst, Nikolaikirche: Epitaph
II 415, Portal 166*, 11 414,
Rathaus II 414, Wohnhäuser
II 415
Zerroen, Anton van II 343,
375
Ziegler, Stephan 247
Zinnenberg (Eppan) II 87*
Zittau, Bibliothek II 188, Brun-
nen II 188, Frauenkirche, Kan-
zel II 188, Gymnasium II 188,
Häuser II 188
Znaim, Rathaus 11 58, 129
Zoan, Maria II 43, 102
Zuberlein, Jakob 322
Zündt, Mathias 89
Zürich 236 — 241, Brunnen 238,
241*, Rathaus 239*, Seidenhof
81, 238*, Ofen das. 118, 240,
Zunfthäuser 240*
Zweibrücken, Haus 303, Kirche,
Denkmäler 304
Zwickau i. Böhmen II 125
— i. Sachsen, Katharinenkirche,
Kanzel II 377, Marienkirche,
Ausstattung II 377, Privatbau
II 378 f.
Zwitzel, Bernhard II 7
o
Kunstgeschichtliche Sammelwerke und Einzelschriften
Von Apelles zu BÖcklin und weiter Von Karl Woermann.
Gesammelte kunstgeschichtl. Aufsätze, Vorträge und Besprechungen. Zwei Bände mit Abbildungen
im Text und mehreren Kunstbeilagen. Geheftet M. 36. —
in Halbfranz gebunden M. 40. —
Der bekannte Dresdener Kunstgelehrte veröffentlicht hier eine Sammlung seiner bemerkens-
wertesten wissenschaftlichen Untersuchungen, Vorträge u. dgl., die nicht nur für Fachgenossen
bestimmt, sondern vielmehr für einen größeren Kreis von Kunstliebhabern und Gebildeten
berechnet sind. Wenn auch jeder Aufsatz in sich abgeschlossen ist, so hat der Verfasser doch
das Ganze nach kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten geordnet und in den beiden Bänden ein
Werk von unschätzbarem Wert geschaffen, wofür ihm die Mit- und Nachwelt dankbar sein wird.
Wer im allg-emeinen nach Orientierung- und zuverlässiger Führung- auf dem Gebiete der Kunstgeschichte ver-
langt, vifer sich einer starken, echt künstlerischen Persönlichkeit anvertrauen will, um in vergangene Zeiten geistig hinab-
zutauchen, dem wüßte ich in der Tat keinen besseren und vollwertigeren Cicerone wie Woermann mit seinen beiden Bänden
,Von Apelles zu BÖcklin'." Dr. Georg Biermann in den Leipziger Neuesten Nachrichten.
Michael und Friedrich Fächer ceschSe "der Mabr^ftnd^skuip^uJ
des 15. und 16. Jahrhunderts in Tirol. Von Hans Semper. Mit 186 Abbildungen im Text.
Geheftet M. 24.— ; gebunden M. 26.—
Die alttirolisdie Kunst nimmt eine ganz ausgesprochene und wichtige Stellung in der Gesamt-
geschichte der deutschen Kunst ein ; als Frucht jahrzehntelanger Studien gibt nun der Verfasser
in diesem Werke ein treffliches Bild von der Glanzperiode der Malerei und der Blütezeit des
deutschen Flügelaltars. Wir lernen hier die innige und kraftvolle Auffassung echt deutschen,
urwüchsig-tirolischen Stiles kennen'
„. . . Zu den besten Kennern und unermüdlichen Erforschern der alttirolischen Kunst zählt der Innsbrucker Kunst-
historiker Hans Semper, der seit mehr als 30 Jahren die Schöpfungen der Malerei und Plastik seines Landes zum Gegen -
stände ungemein eingehender Spezialstudien gemacht hat. Diese Studien erscheinen nun in vorliegendem Bande an einer
Stelle vereinigt, was ihre Benutzung wesentlich erleichtern wird. Von dem reichen wissenschaftlichen Ertrage des Buches,
das mit Recht den großen Brunecker Meister als Gruppierungsmittelpunkt betrachtet, wird die Geschichte der Malerei und
Plastik an der Wende von der Gotik zur Renaissance gar manchen Nutzen ziehen."
Joseph Neuwirth, Wien, im AUg-. Literaturblatt.
Geschichte der bildenden Künste Von Carl Schnaase.
2. Auflage. 8 Bände mit ungefähr 1000 Abbildungen. Gr. 8«. Geheftet M. 105.—
in Halbfranz gebunden M. 120. —
I. Band: Die Völker des Orients — mitbearbeitet von Dr. Carl v. Lützow. 1866.
XIV und 492 Seiten.
II. Band: Griechen und Römer — mitbearbeitet von Dr. ^arZ F/zW/zcAs. 1866. XII und
428 Seiten. Band I/II zusammen geheftet M. 13. — •
III. Band : Altchristlidie, byzantinische, muhammedanische, karolingische Kunst —
mitbearbeitet von Dr. J. Rud. Rahn. 1869. XXI u. 688 Seiten. Geh. M. 12.—
IV. Band : Die romanische Kunst — mitbearbeitet von Dr. Alwin Schultz und Dr. Wil-
helm Lübke. 1871. XIX und 752 Seiten. Geheftet M. 13.—
V. Band : Entstehung und Ausbildung des gotischen Stils — mitbearbeitet von
Dr. Alfred Woltmann. 1872. XIX und 644 Seiten. Geheftet M. 13.—
VI. Band: Die Spätzeit des Mittelalters — 1874. XVI und 586 Seiten.
Geheftet M. 14.—
VII. Band: Das Mittelalter Italiens — mitbearbeitet von Dr. Ed. Dobbert. 1876. XV und
688 Seiten. Geheftet M. 20.—
VIII. Band: Das 15. Jahrhundert — von Wilhelm Lübke und Dr. O. Eisenmann. 1879.
LXXXIV und 596 Seiten. Geheftet M. 21.—
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