Skip to main content

Full text of "Griechischer Theaterbau: Nach Vitruv und den Überresten"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



>'»;*^ 






GRIECHISCHER THEATERBAÜ. 



NACH VITEUV UND DEN ÜBEREESTEN. 



VON 



GUSTAV OEHMICHEN. 



MIT FÜNF FIGUREN. 



BERLIN. 

WEIDMANNSGHE BUCHHANDLUNG. 

1886. 



i 



Uebersicht des Inhalts. 



Seite 

!♦ Vitruvs Begeln. 

Einleitung; Vitruvs Text 1—5 

1. Die Anordnung des Stoffs in den vitruvischen 
Vorschriften über den griechischen und rö- 
mischen Theaterbau 5—7 

2. Der erste Theii der vitruvischen Vorschrift 
über das römische Theater 7—14 

Bichtung der Winkel 8 

(Itinera versurarum; versurae procurrentes 10) 

3. Vitruvs Konstruktion des griechischen Thea- 
ters nach Müllers Ansicht • . . . 14—23 

„Rechts" und „links" .* 16 

Intervallum 16 

Die symmetrischen Verhältnisse 21 

4. Vitruvs Konstruktion des griechischen Thea- 
ters; neuer Lösungsversuch 23 — 35 

Intervallum 24 

„Rechts" und „links" 26 

Intervallum dextrum und sinistrum 28 

Erster Versuch 28 

Brunns Ansicht 29 

Zweiter Versuch 30 

Zweck der Kreisbögen 31 

Umständlichkeit Vitruvs 'il , . 33 

A* 



IV Uebersicht des Inhalts. 

Seite 

II. Die Theaterfiberreste (Beschreibung). 

Einleitung; Methode . 36—39 

1. Das dionysische Theater Athens 39 — 50 

Masse 40 

Urkreis 42 

Grundfigor 45 

Bühnengrundfigur 46 

(Piraeustheater 47) 

Seitliche Bühneneingänge 49 

2. Polyklets Theater zu Epidauros 51—62 

Grenzen des Zuschauerraumes 52 

Gliederung desselben 53 

Orchestragürtel 54 

Untere Grenze des Zuschauerraumes 54 

Kanäle 55 

Orchestra 55 

Grenzen des Skenenvorderraumes 56 

Gliederung desselben 57 

Urkreis 58 

Grundfigur 58 

Bühnengrundfigur 60 

3.* Die übrigen Theaterüberreste 62—84 

Tafel I bei Wieseler (Asien, griechische Inseln, 

Griechenland und Epirus) 65 

Tafel II bei Wieseler (Sizilien, Italien, Frankreich 

und Spanien) 72 

Tafel A bei Wieseler (Lykien, Sizilien, Italien 

und Algier) 80 

III. yergleiehangeii und Folgerungen. 

Einleitung; Tabelle 85—90 

1. Einzelvergleichung 90—109 

Vergleichung mit Vitruvs röm. Begel 91 

Dgl. mit Vitruvs griech. Begel 92 

Gruppen nach den Grundfiguren: 

la. Vier Dreiecke 93 

Ib. Die übrigen Dreiecke 93 

Ic. Sechsecke 96 



Uebersicht des Inhalts. V 

Seite 

II. Fünfecke und Zehnecke 100 

III. Siebenecke und Vierzehnecke .... 102 

IVa. Drei Quadrate 104 

IVb. Die übrigen Quadrate (und Achtecke) . 105 

IVc. Schiefgestellte Quadrate und Achtecke 105 

V. Zweiundzwanzigeck, Elfeck 108 

2. Gesammtyergleichung. 1. Zwei Haupttypen 109—113 

Römischer Typus 109 

Griechischer Typus 110 

Geographische Lage 110 

Bedenken 110 

Entwicklung der Odeen 112 

2. Gesammtvergleichung. 2. Hauptbestand- 
theile • 113-138 

A. Zuschauerraum 113 

a. Gliederung des Z 114 

b. Treppen im Z 114 

c. Grundfigur für den Z 115 

d. Endkeile und Analemmata: 

in den griech. Theatern 116 

in den röm. Theatern . . « 118 

(1. Anal. = D, Keile gleich 118, 
2a. Anal, parallel, Keile nicht gleich 119, 
2b. Anal. == D, Keile nicht gleich 121) 

in den umgebauten Theatern 123 

Entwicklung des Umbaues 125 

B. Orchestra; Urkreis 126 

(Umgebaute Bühnen 128) 

(Sitze innerhalb des Urkreises 131) 

C. Das Bühnengebäude 132 

Länge des griechischen 133 

Länge des römischen 133 

Bühnenhinterwand = Tangente 135 

Bühnenhinterwand = Sehne 135 

Bühnenvorderwand (Zusatz 2) 136 

Seitliche Bühnengrenzen (Zusatz 3) . . . . 137 

Thüren in der Bühnenhinterwand (Zusatz 4) 137 

3. Die allgemeine Begel. 1. Die griechische . 138—152 

A. Urkreis; Grundfigur 139 

Ba. Grenzen des Zuschauerraumes 140 



VI Uebereicht des Inhalte. 

Seite 
Bb. Gliederung desselben 142 

C. Bühnengebäude 143 

a. Grenzen des Skenenvordorraumes .... 145 

b. Gliederung desselben; Bühne 146 

D. Beispiele 148 

(Bühnentiefe 151) 

3. Die allgemeine Kegel. 2. Die römische . . 152—159 

A. Urkreis; Grundfigur 152 

Ba. Grenzen des Zuschauerraumes 153 

Bb. Gliederung desselben -. 154 

C. Das Bühnengebäude 155 

a. Grenzen des Skenenyorderraumes .... 155 

b. Bühne 156 

D. Beispiele 157 

(Theater von Nora und Calama 158) 

Zusätze zum dritten Theil. 

1. Seitengrenzen des Skenenyorderraumes . . 160—161 

2. Bühnenvorderwand 161—163 

im griech. Theater 161 

im röm. Theater 161 

Bühnentiefe im röm. Theater 163 

3. Seitliche Bühnengrenzen 164—173 

im röm. Theater 164 

im griech. Theater nach Vitruvs zu ergänzender 

Regel 164 

in Polyklets Theater zu Epidauros 167 

in einem Vasenbild: Wieseler IX, 13 168 

im dionysischen Theater Athens 170 

in den übrigen älteren griech. Theatern . . . 171 

in den jüngeren griech. Theatern 172 

Entwicklung 172 

4. Thüren in der Bühnenhinterwand 173—177 

in den griech. Theatern 174 

in den röm. Theatern 175 

5. Die umgebauten Bühnen 178—190 

Bühnenhinterwand 180 

Skenenlänge 181 

Bühnenvorderwand 182 

(verglichen mit der des griech. Theaters 184) 



Uebersicht des Inhalts. VII 

Seite 

Orchestraeingänge : 

(offene in den griech. Theatern 187; 
bedeckte oder keine in den röm. 187) 

keine oder bedeckte in den umgebauten . . 188 

Nebenthüren in der Bühnenhinterwand .... 189 

6. Die übergangenen Grundrisse 190—208 

Tafel I bei Wieseler (Adria, Karlen, Galatien, 

Syrien, griech. Inseln, Griechenland) ... 190 

Tafel II bei Wieseler (Sizilien, Italien) . . . 194 

Tafel A bei Wieseler (Lykien, Kilikien, Troas, 

Sizilien, Italien, Frankreich) . 196 

Tabelle . 200 

Typen . 201 

Geographische Lage 202 

Griechische und umgebaute Theater: 

Grundfigur 202 

Zuschauerraum 204 

Bühne 204 

Bömische Theater: 

Grundfigur 205 

Zuschauerraum 205 

Orchestraeingänge 206 

Bühne 207 

Oertliches Inhaltsverzeichnis 209—218 

Kunstwörterverzeichnis 218 — 220 



Theatergrundrisse (Figuren): 

1. Vitruvs römischer 8 

2. Vitruvs griechischer (nach Müller) 15 

3. Dgl. (neu) 24 

4. Des dionysischen Theaters (Athen) 40 

5. Der allgemeine 148 



Zur Beachtung. 



Einem freundlich ertheilten Bathe zufolge habe ich für den 
weniger fachkundigen Leser ein Eunstwörterverzeichnis am 
Schluss hinzugefügt. Zur Orientirung dürfte auch die allgemeine 
Hegel (S. 138 ff.) brauchbar sein , wenn man über die ein- 
geklammerten Ausführungen hinwegliest. 

München 1886. 

Dr. G. 0. 



Erster Theil. 

Vitruvs Regeln. 



Ausführlich hat zuletzt, soviel ich weiss, die vitruvi- 
schen Regeln über den Theaterbau A. Mttller besprochen 
in den Jahrbüchern für klass. Philologie 105 (1872) 691 ff. 
Seine Erklärung hält er für abschliessend noch in dem 
zweiten seiner vortrefflichen Jahresberichte über die 
seenische Litteratur, die im Philologus 23 (1866) und 
35 (1876) erschienen sind, und auf die ich, um Zitate zu 
sparen, ausdrücklich verweise. Der verehrte Flensburger 
Direktor wird es mir nicht nachtragen, dessen bin ich 
sicher, wenn ich gegen einen Theil seiner Beweisführung 
Einsprache erhebe und seine Erklärung ein wenig ab- 
ändere. 

Durchaus einverstanden bin ich zunächst mit seiner 
Abweisung früherer Erklärungsversuche, insbesondere mit 
der Abweisung der ganz und gar willkürlichen Annahme, 
dass centrum orchestrae etwas anderes sei als Kreis- 
mittelpunkt. So vieler Worte, wie Wecklein und Müller 
verloren haben, um die Unhaltbarkeit jener Annahme 
nachzuweisen, hätte es kaum bedurft, da kein Architekt 
oder Mathematiker, so viel ich gelesen oder erprobt, 
unter centrum orchestrae etwas anderes verstanden hat 
als den Mittelpunkt des zuerst herzustellenden Kreises. 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. i 



2 I. Vitruvs Regeln. 

Denn Architekt war wie Schönbom auch Rode nicht, 
der, wie nicht nur aus seiner üebersetzung des Vitruv 
247 n 5, sondern auch aus den beigegebenen Zeich- 
nungen hervorgeht, zuerst diese Hypothese aufgestellt 
hat. Ich erwähne dies, weil die Darstellungen Wieselers, 
Müllers und Schönborns den Schein erwecken, als ob 
der Zuletztgenannte der Urheber der erwähnten Hypo- 
these sei. 

Nicht ebenso wie mit seinen negativen kann ich da- 
gegen mit Müllers positiven Ergebnissen durchaus ein- 
verstanden sein. Anstoss, glaube ich, muss besonders 
genommen werden an Müllers Erklärung von intervallum. 
Doch um meine Ansicht klar und deutlich zu machen, 
muss ich, wenn auch ungern, wie meine Vorgänger ab 
ovo anfangen, muss ich zuerst den Text des Vitruv her- 
setzen und daran dann erklärende Bemerkungen knüpfen. 
Unterscheiden werde ich mich jedoch dadurch von meinen 
Vorgängern, dass ich die Vorschriften des Vitruv über 
den römischen und griechischen Theaterbau nicht hinter- 
einander ausschreibe und bespreche, sondern sie zunächst 
einander gegenüberstelle. Es findet sich nämlich in bei- 
den Vorschriften eine eigenthümliche Uebereinstimmung, 
die zwar schon bemerkt, aber nicht genügend gewürdigt 
worden ist. Aus ihr lassen sich für die Erklärung 
äusserst wichtige Schlüsse ziehen, und das Zwingende 
der Schlüsse wird am besten erkannt werden durch 
Gegenüberstellung beider Vorschriften. Den Text gebe 
ich natürlich nach Valentin Rose und Müller- Strübing. 



Vitruv V 6. Ipsius autem 
theatri conformatio sie est 
facienda uti quam magna 
futura est perimetros imi, 
centro medio conlocato cir- 
cumagatur linea rotundatio- 



Vitruv V 8. In Graeco- 
rum theatris non omnia is- 
dem rationibus sunt facienda, 
quod primum in ima circi- 
natione ut in Latino trigo- 
norum IUI, in eo qoadrato- 




Einleitung. 



öis, in eaque quattuor scri- 
bantur trigona paribus late- 
ribus et intervallis, quae 
extremam lineam circinatio- 
nis tangant, quibns etiam 
in duodecim signorum cae- 
lestium astrologia ex musica 
convenientia astrorum ratio- 
<5inantur. ex bis trigonis 
cuius latus fuerit proximum 
scaenae, ea regione qua prae- 
cidit curvaturam circinationis, 
4bi finiatur seaenae frons, et 
ab eo loco per centrum paral- 
lelos linea ducatur, quae 
disiungat proscaenii pulpi- 
tum et orchestrae regionem. 
ita latius factum fuerit pul- 
pitum quam Graecorum, quod 
omnes artifices in scaena dant 
operam. (lies Komma statt 
Punkt) in orchestra autem 
senatorum sunt sedibus loca 
designata, (zu lesen ist Punkt 
statt Komma) et eius pulpiti 
aÜitudo sit ne plus pedum 
quinque, uti qui in orchestra 
sederint, spectare possint 
omnium agentium gestus. 
cunei spectaculorum in thea- 
tro ita dividantur uti anguli 
trigonorum, qui currunt cir- 
cum curvaturam circinatio- 
nis, dirigant ascensus scaias- 



rum trium anguli circinatio- 
nis lineam tangunt^ et cuius 
quadrati latus est proximum 
seaenae praeciditque curvatu- 
ram cirdnationiSy ea regione 
designatur finitio proscaenii. 
et ab ea regione ad extre- 
mam circinationem curvatu- 
rae parallelos linea designa- 
tur, in qua constituitur frons 
seaenae, per centrumque or- 
chestrae a proscaenii regi- 
one parallelos linea descri- 
hitur et qua secat circinatio- 
nis lineas dextra ac sinistra 
in comibus hemicyclii centra 
signantur, et circino con- 
locato in dextro ab inter- 
vallo sinistro circumagitur 
circinatio ad proscaenii sini- 
stram partem. item centro 
conlocato in sinistro comu 
ab intervallo dextro circum- 
agitur ad proscaenii dextram 
partem. ita tribus centris 
hac descriptione ampliorem 
habent orchestram Graeci 
et scaenam recessiorem mi- 
noreque latitudine pulpitum, 
quod Xoyeiov appellant, ideo 
qu4)d eo tragici et comici 
actores in scaena peragunt, 
reliqui autem artifices suas 
per orchestram praestant 



I. Vitruvs Regeln. 



actiones itaque ex eo scae- 
nici et thymelici graece 
separatim nominantur. eius 
logei altüudo non minus dehet 
esse pedum X, non plus duo- 
decim. gradationes scala- 
rum inter cuneos et sedes 
contra quadratorum angulos 
dirigantur ad primam prae- 
cinctionem, a praecintione 
inter eas itemm mediae diri- 
gantur, et ad summam quo- 
tiens praecingontur, altero 
tanto semper amplificantar. 



que inter cuneos ad primam 
circinationem, supra autem 
alternis itineribus superiores 
conei medii dirigantur. ei 
autem qui sunt in imo et 
dirigunt scalaria; erunt nu- 
mero Vn, reliqui quinque 
scaenae designabunt compo- 
sitioneni; et unus medius 
contra se valvas regias ha- 
bere debet, et qui erunt 
dextra ac sinistra hospitalio- 
rum designabunt compositio- 
nem, extremi duo specta- 
bunt itinera versurarum. 
gradus spectaculorum e. q. s. { 

Was Vitruv über den griechischen Theaterbau sagen 
konnte oder vielmehr sagen wollte, ist oben vollständig 
ausgeschrieben worden. Von seinen Vorschriften über 
den römischen Theaterbau dagegen ist nur ungefähr 
ein Drittel mitgetheilt. Meine Beweisführung macht es 
nöthig; dass ich von dem Reste wenigstens einen Aus- 
zug gebe. 

Vitruv fährt, wo ich oben abgebrochen habe, fol- 
gendermassen fort: gradus spectaculorum ubi subsellia 
componantur ne minus alti sint palmo, ne plus pede et 
digitis sex, latitudines eorum ne plus pedes duo semis, 
ne minus pedes duo constituantur. 7. tectum porticus 
quod futurum est in sunmia gradatione, cum scaenae 
altitudine libratum perficiatur, ideo quod vox crescens 
aequaliter ad sununas gradationes et tectum perveniet. 
namque si non erit aequale, quo minus fuerit altum, vox 
praeripietur ad eam altitudinem ad quam perveniet 
primo. orchestra inter gradus imos quam diametron 



1. Anordnung des Stoffs. 5 

habuerit; eins sexta pars sumatur, et in cornibus utrim- 
que ad aditus eins mensurae perpendiculo inferiores 
sedes praeeidantur, et qua praecisio fuerit, ibi constituan- 
tur itinemm supercilia. ita enim satis altitudinem habe- 
brmt eorum confomicationes. scaenae longitudo ad or- 
chestrae diametron duplex fieri debet. podii altitudo eqs. 
Es folgen nun zunächst die Vorschriften über die archi- 
tektonische Anlage der Bühnenhinterwand. Nachdem 
Vitruv hierauf einige Bemerkungen gemacht hat über Ab- 
weichungen von der strengen Symmetrie, die in der Klein- 
heit eines Theaters oder in der Geringfügigkeit der 
Mittel begründet sind, lässt er zum Schluss noch einige 
Angaben folgen, welche die Bühneneingänge, die Peri- 
akten und die scenische Ausstattung der Bühne betreflfen. 



Erster Abschnitt 

Die Anordnung des Stoffs in den vitiuvischen 
Yorschriften über den griechischen und romischeti 

Theaterbau. 

Betrachten wir zunächst im Allgemeinen die Dis- 
position der vitruvischen Vorschriften. Beide beginnen 
mit der Zeichnung eines Kreises, des ürkreises. Bei 
der Konstruktion des römischen Theaters werden in den 
Urkreis vier gleichseitige Dreiecke so eingezeichnet, dass 
die Ecken in gleichen Abständen die Peripherie des 
Kreises berühren; bei der Konstruktion des griechischen 
Theaters werden in den ürkreis drei Quadrate unter 
gleicher Bedingung eingezeichnet. Nachdem dann noch 
eine Parallele im Grundriss des römischen Theaters und 
zwei Parallelen und zwei Kreisbögen im Grundriss des 



6 I. Vitruvs Regeln. 

griechischen Theaters gezogen sind, sollen folgende Theile 
des Theaters bestimmt sein: 

A. inv römischen Theater: B. im griechischen Theater: 

1) Umfang der Orchestra, 1) dgl. 

2) Bühnenbreite 2) dgl 

Weiter wird dann angegeben: 

3) Bühnenhöhe (5 Fuss) 3) dgl. (10-12 Fuss). 

Bestimmt sind femer durch die Ecken der in den ür- 
kreis eingezeichneten Dreiecke, bzw. Quadrate: 

4a) Die Treppen im Zu- 4a) dgl. 

schauerraum, 
4b) Die Bühneneingänge 4b) fehlt. 

(3 Thüren und 2 itinera versurarum.) 

Mit 4a hört die Vorschrift über den griechischen Theater- 
bau auf. Weiter geht die über den römischen Bau ; sie 
beruht aber nicht mehr unmittelbar auf der Grundfigur, 
auf den in den ürkreis eingeschriebenen Dreiecken. Es 
werden nämlich bestimmt: 

5) Höhe der Sitze im Zuschauerraum, 

6) Höhe der Portikus oberhalb des Zuschauerraumes,. 

7) Eingänge in die Orchestra, 

8) Länge der scaena, 

9) architektonische Anlage der Bühnenhinterwand. 

Zum Schluss folgen noch einige Bemerkungen über 
nöthige Abweichungen von den gegebenen Regeln und 
Andeutungen über die scenische Ausstattung der Bühne» 
Aus derGleicheit beider Dispositionen bis zur Rubrik 4a 
darf mit gewisser Wahrscheinlichkeit der Schluss gezogen 
werden, dass bei der griechischen Theaterkonstruktion 
die Länge der scaena nicht bestimmt ist, da eine ent- 
sprechende Bestimmung in der parallelen Vorschrift über 



2. Das röm. Theater. 7 

das römische Theater erst unter Rubrik 8 sich findet^ 
also im zweiten Theil der Vorschrift, der für das griechi- 
sche Theater fehlt. Diese Schlussfolgerung ist, was 
ich wohl zu beachten bitte, nur als wahrscheinlich hin- 
gestellt, da Vitruv kein Schriftsteller ist, der genaue 
Anordnungen liebt oder die genauen Anordnungen seiner 
Gewährsmänner streng einhält. Beispiele hierfür sind 
schon früher beigebracht worden; sie Hessen sich leicht 
vermehren. Ist aber der Schluss einigermassen gerecht- 
fertigt, so durfte Müller nach dem Vorgange Schönboms 
als Zweck der im griechichen Theatergrundriss vom 
zweiten und dritten Zentrum aus zu schlagenden Kreis- 
bögen nicht unbedingt die Bestimmung der Skenenlänge 
annehmen. 

Die Auslassung des zweiten Theils der Vorschrift 
über das griechische Theater, um dies nebenbei zu er- 
wähnen, wird, wie öfter, in dem Umstände begründet 
gewesen sein, dass Vitruv bei Abfassung seiner Schrift 
praktische Zwecke verfolgte und in erster Linie römische 
Verhältnisse und die Bedürfnisse römischer Baumeister 
im Auge hatte, denen naturgemäss selten, wenn über- 
haupt, Gelegenheit geboten war griechische Theater 
aufzubauen. 



Zweiter Abschnitt. 

Der erste Theil der vitruvischen Vorschrift über 

das romische Theater. 

(Vgl. Fig. 1.) 

Vitruvs Vorschrift über die Konstruktion des römi- 
schen Theaters enthält, wie oben schon angedeutet 
worden ist, zwei Theile. Der erste umfasst das Grund- 



8 



I. Vitruvs Regeln. 



Schema und die durch dasselbe direkt veranlassten Be- 
stimmungen, der zweite die übrigen Bestimmungen über 
Zuschauerraum, Parodoi, Skenenlänge, Bühnenausstattung 
u. s. w., die durch die Grundfigur des Theatergrundrisses 
nicht unmittelbar angezeigt sind. 

Die Grundfigur und die für den Theaterbau wesent- 
lichen Theile desselben sind folgende: In einen Exeis 
werden vier gleichseitige Dreiecke so eingezeichnet, dass 
ihre Ecken in gleichen Abständen die Peripherie des 
Kreises berühren. Die Seite mh des Dreiecks mdh be- 
zeichnet die Front des Bühnengebäudes (frons scaenae), 
d. i. die Bühnenhinterwand. Der dieser Seite parallele 




Figur 1. 

Durchmesser ag scheidet die Bühne (proscaenii pulpi- 
tum) von der Orchestra. Im Texte des Vitruv folgt 
diesen Bestimmungen die Angabe der Bühnenhöhe 
(5 Fuss), die mit der Grundfigur in keinerlei Zusammen- 
hang steht und ebenso gut später hätte erwähnt werden 
können wie die Skenenlänge. , In direkter Beziehung zur 
Grundfigur dagegen stehen die Bemerkungen über die 
Winkel der Dreiecke. Sieben Winkel, nämlich iae, kbf, 
leg, mdh, aei, bfk und cgi, geben die Richtungen der 
Treppen im Zuschauerraum an ; die übrigen fünf W inkel 
bestimmen die Bühneneingänge, nämlich bkf die Mittel- 



% 



2. Das röm. Theater. 9 

thür, clg und aie die Seitenthüren und dmh und hmd 
die itinera versurarum. Vitruvs Ausdrucksweise ist bei 
diesen Angaben etwas unbestimmt, aber es ist für die 
zuerst genannten sieben Winkel unbezweifelt, dass die 
Richtung der Winkel und Treppen gegeben ist durch 
die Linien, welche die Winkel halbiren, also diejenigen 
Linien, welche vom Mittelpunkt des Kreises aus durch 
die Scheitelpunkte der Winkel gehen. 

Grosse Meinungsverschiedenheit dagegen herrscht 
über die Richtung der übrigen fünf Winkel. Zwei An- 
sichten allein, glaube ich, haben eine gewisse Berech- 
tigung. Die erste ist die, dass die Richtung dieser fünf 
Winkel nach demselben Prinzip bestimmt sei wie die 
der sieben Winkel, durch welche die Treppen im Zu- 
schauerraum ihre Lage angewiesen erhalten. Danach 
müssen die Winkel halbirt werden; dann zeigen die- 
jenigen Punkte, in denen die Halbirungslinien die scaenae 
frons schneiden, die Lage der Thüren an. Schönbom, 
Skene 46, wendet zunächst hiergegen ein, dass die Thüren 
bei dieser Konstruktion zu eng neben einander in der 
ziemlich langen scaenae frons zu liegen kommen. Zwar 
geht Schönbom, wie es scheint, von der Vorausetzung 
aus, dass die eigentliche Bühne dieselbe Länge habe 
(zwei Durchmesser des ürkreises) wie das gesammte 
Bühnengebäude (scaena), einer Voraussetzung, die ich für 
ungerechtfertigt erklären muss, da wir nicht bestimmt 
wissen, wie lang Vitruv das durch die versurae procur- 
rentes auf beiden Seiten begrenzte proscaenium ansetzt, 
d. h. ob es nicht doch vielleicht bloss so lang ist als 
ein Durchmesser des ürkreises. Gleichwohl sehe ich 
seinen Einwurf als begründet an: denn selbst bei einer 
Bühnenlänge von der Grösse eines Durchmessers des 
ürkreises würden die durch die Halbirungslinien der 



10 I. Vitruvs Regeln. 

Winkel angezeigten Thüren verhältnismässig etwas zu 
eng neben einander stehen. 

Es sprechen aber ausserdem noch zwei andere Um- 
stände gegen die oben bezeichnete erste Annahme* 
Wenn nämlich die beiden äussersten der ftlnf Winkel, 
welche spectabunt itinera versurarum, halbirt werden, 
so fallen die Punkte, in denen die Halbirungslinien die 
scaenae frons schneiden, mit den Scheitelpunkten der 
Winkel zusammen, weil diese Scheitelpunkte auf der 
Linie liegen, die Vitruv mit scaenae frons bezeichnet. 
Hätte Vitruv mit diesen Punkten die Lage der itinera 
versurarum andeuten wollen, so hätte er für spectabunt 
einen andern Ausdruck wählen müssen. „Hier weist 
das spectabunt entschieden darauf hin, dass die Thüren 
nicht mit den Winkehi der Dreiecke zusammenfallen, '^ 
sagt richtig Schönbom, Skene 47. 

Der andere Umstand, welcher gegen die oben be- 
zeichnete Richtung der anguli spricht, ist der, dass die 
itinera versurarum überhaupt nicht in der scaenae frons 
liegen, sondern seitlich, rechts und links von der eigent- 
lichen Bühne, in den versurae procurrentes, die in 
keiner Weise von den Halbirungslinien der beiden äusser- 
sten Winkel geschnitten oder auch nur berührt werden. 
Schönbom will allerdings aus den Worten des Vitruv 
herauslesen, dass die itinera versurarum in der scaenae 
frons liegen, doch ist schon von Müller im Philologus 23 
(1866) 299 f. die ünhaltbarkeit seiner Erklärung nach- 
gewiesen worden: durch die versurae procurrentes des 
Vitruv kann unmöglich etwas anderes angedeutet sein 
als die seitlich vom Proscenium gelegenen Theile der 
Skene; sie mit den Periakten in Zusanunenhang zu 
bringen, wie Tölken, Ueber die Antigone des Sopho- 
kles und ihre scenische Darstellung 61, und Reber in 
seiner üebersetzung es thun, geht nicht an, da der 



% 



2. Das röm. Theater. 11 

Sprachgebrauch des Vitruv ganz entschieden dagegen 
spricht. 

Ehe ich an die Besprechung der zweiten nach 
meinem ürtheil berechtigten Ansicht über die Richtung 
der fünf der Bühne zugekehrten Winkel der Grundfigur 
gehe, erlaube ich mir noch einige Bemerkungen über 
Schönboms Vermuthung. Nach Schönbom wird die Lage 
der Mittelthür gefunden durch Halbirung des mittelsten 
jener fünf Winkel und die der Thüren rechts und links 
von der Mittelthür durch diejenigen Schenkel der dem 
mittelsten zunächst gelegenen Winkel, welche auf der 
scaenae frons senkrecht stehen; die itinera versurarum 
schliesslich sollen nach ihm seitliche, in der scaenae 
frons gelegene Nebenthüren sein. Abgesehen von der 
oben angedeuteten Unrichtigkeit der letzten Behauptung, 
fällt bei Schönboms Annahme auf, dass ein einheitliches 
Prinzip der Konstruktion fehlt. Am einfachsten wäre es 
freilich gewesen, die Halbirungslinien der Winkel als 
Richtungen für die Treppen sowohl als für die Thüren 
festzuhalten. Da dies nicht der Fall war, wie wir ge- 
sehen haben, muss die Richtung der die Lage der Thüren 
bestinunenden Winkel von einem andern Gesichtspunkt 
aus als die der übrigen Winkel geregelt gewesen sein, 
aber nur von einem einzigen aus. Denn das dünkt 
mich bei einem Architekten als selbstverständlich, dass 
er es vermieden hat, das eine mal Halbirungslinien, das 
andere mal Senkrechte als Richtungen der Winkel an- 
zusetzen. 

Der soeben aufgestellten Forderung entspricht die 
zweite berechtigte Ansicht über die Richtung der Winkel, 
zu der wir jetzt übergehen. Um die Richtung der sieben 
die Lage der Treppen bestimmenden Winkel zu fimden, 
wurden die Winkel halbirt oder vielmehr wurden vom 
Mittelpunkt des Urkreises aus durch die Scheitelpunkte 



12 I. Vitruvs Regeln. 

der Winkel gerade Linien gezogen. Das ist eine durch- 
aus rationelle Konstruktion: denn die Treppen durch- 
schneiden die Sitze des Zuschauerraums, diese Sitze 
aber und jener ürkreis, in dessen Peripherie die Scheitel- 
punkte der Winkel liegen, sind konzentrisch, und Ver- 
hältnisse zwischen konzentrischen Flächen werden am 
leichtesten in Rücksicht auf den gemeinsamen Mittel- 
punkt bestimmt. Anders verhält sich die Sache bei den 
übrigen Winkeln. Ihre Scheitelpunkte liegen zwar wie 
die jener sieben Winkel in der Peripherie des ürkreises, 
allein die Thüren, deren Lage durch die Richtung dieser 
fünf Winkel bestimmt ^vird, sind nicht Öffnungen kon- 
zentrischer, sondern gerader Mauern, die dem wagrechten, 
bzw. senkrechten Durchmesser des ürkreises parallel 
laufen. Wir haben also zwei Hauptfiguren, einen Kreis 
(ürkreis mit eingeschriebenen Dreiecken) und ein Rechteck 
(Bühne). Soll nun das Rechteck in Beziehung gesetzt 
werden zum Kreis, d. h. sollen einzelne Theile der Bühne 
in einem gewissen Verhältnis stehen zum Kreise, bzw. 
zur gesammten Grundfigur, den in den ürkreis eingezeich 
neten Dreiecken, so kann man entweder den Kreis oder 
das Rechteck als massgebend betrachten. Dass in unserm 
Falle nicht vom Kreise ausgegangen worden ist, dass 
die Thüren nicht durch Linien bestimmt gewesen sind, 
die vom Mittelpunkte des Kreises aus durch die Scheitel- 
punkte der Winkel gehen, ist oben auseinandergesetzt 
worden. Es bleibt danach nur übrig anzunehmen, dass 
für die Konstruktion das Rechteck massgebend gewesen 
ist. Daraus folgt, wie mir scheint, dass die zu ziehen- 
den Hilfslinien mit den entsprechenden Seiten des Recht- 
ecks rechte Winkel bilden müssen, und hieraus folgt 
wieder, dass die Richtung der die Bühneneingänge 
bestimmenden Winkel durch Linien gegeben 
ist, die von den Scheitelpunkten der Winkel 




2. Das röm. Theater. 13 

aus senkrecht auf die scaenae frons^ bzw. die 
versnrae gezogen sind. 

Sehen wir zu, ob diese Auffassung der vitruvischen 
Worte auf Schwierigkeiten stösst. Der mittelste von 
den uns interessirenden Winkeln wird durch eine von 
seinem Scheitelpunkt aus auf die scaenae frons senk- 
recht gezogene Linie genau halbirt; die Thür, deren 
Lage durch die Richtung dieses Winkels bestimmt wird, 
liegt also genau in der Mitte der Bühnenhinterwand, 
wie es sein muss. Von den beiden dem mittelsten zu- 
nächst stehenden Winkeln steht je ein Schenkel senk- 
recht auf der scaenae frons. Genau durch solche senk- 
rechte Linien bestimmte Thüren finden sich im kapito- 
linischen Plan des Theaters des Pompejus (Wieseler, 
Theatergebäude U 12). Bis hierher ist also alles in 
Ordnung. Wie nun aber weiter? Die duo anguli ex- 
tremi haben doch ihre Scheitelpunkte in der scaenae 
frons. Senkrechte können danach von jener nach dieser 
nicht gezogen werden! Gewiss nicht. Aber müssen denn 
die Senkrechten unbedingt auf der scaenae frons errichtet 
werden? Die versurae procurrentes sind ja auch da, 
sie liegen seitlich, rechts und links von der eigentlichen 
Bühne und bilden mit der scaenae frons rechte Winkel. 
Auf diesen sind von den duo anguli extremi aus Senkrechte 
zu errichten. Allerdings fällt hierbei die Verlängerung 
der scaenae frons mit den so errichteten Senkrechten 
zusammen; aber das ist durchaus kein Grund, um von 
unsrer Konstruktion abzugehn. Ebenso irrelevant ist 
der umstand, dass die durch die letztgenannten Senk- 
rechten angezeigten Eingänge zur Bühne, nicht in der 
Mitte der versurae procurrentes sich befinden, sondern 
da beginnen, wo diese mit der scaenae frons zusammen- 
stossen. 

Ich habe mich bei meiner Erklärung genau an Vi- 



14 !• Vitruvs Regeln. 

truvs Worte gehalten und ich denke, dass sie einige 
Förderung gewähren wird. Zum Schluss möchte ich 
aber doch noch darauf aufttierksam machen, dass die 
vitnivische Konstruktion deö römischen Theaters, obwohl 
sie der des griechischen vorausgeht, schwerlich das ein- 
fachere Konstruktionsprinzip aufweist. Es scheint mir 
vielmehr das Verhältnis das zu sein, dass der römische 
Grundriss dem griechischen nachgebildet wurde, dass 
aber bei der Veränderung der Grundfigur (Dreiecke statt 
Quadrate) die Richtungen der Winkel anders als im 
griechischen Grundriss bestimmt werden mussten. Denn 
für das griechische Theater dürfte man nachweisen 
können, dass die Richtungen sämmtlicher Winkel der 
Grundfigur in der Regel durch die Halbirungslinien der 
Winkel gegeben waren. 



Dritter Abschnitt. 

Yitravs Konstruktion des griechischen Theaters nach 

Hüllers Ansicht. 

(Vgl. Fig. 2.) 

In einen Kreis werden drei Quadrate so eingezeich- 
net, dass ihre Ecken in gleichen Abständen (paribus 
intervallis, zwar nicht direkt von Vitruv angegeben, aber 
nach Analogie des römischen Theaters sicher anzuneh- 
men) die Peripherie des Kreises berühren. Die Quadrat- 
seite nk bezeichnet die Grenze zwischen Orchestra und 
Proscenium (finitio proscaenii), die dieser Quadratseite 
parallele Tangente tu die Bühnenhinterwand (scaenae 
frons). Die Endpunkte des dem Proscenium parallelen 
Durchmessers (comua hemicyclii) a und h sind die Zentra, 




3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 



15 



von denen aus Kxeisbögen zu schlagen sind. Bis hier- 
her ist alles klar, aber jetzt beginnt die Schwierigkeit 
Mit welchem Radius, von wo aus und wohin sind die 
Bögen zu schlagen? Da jede Nachricht über die Grösse 
des Radius fehlt, hält Müller es für das einzig Richtige, 
die Kreisbögen mit dem Radius des TJrkreises auszu- 
führen. Wie die Sachen einmal liegen, sollte man eine 
allgemeine Zustimmung voraussetzen dürfen. 

Leider verhält sich E. Petersen Müllers Ansicht 
gegenüber ablehnend (Wiener Studien, 1885, Heft I), 
aber, wie mir scheint, nicht mit Recht. Zwar die Ab- 
fertigung, die er dem Verfasser einer Bonner Dissertation 
zu Theil werden lässt, giebt zu Gegenbemerkungen kaum 
Anlass, wenn man sie auch nicht gerade als angebracht 



^ •? 




Figur 2. 

betrachten kann. Denn so lange es noch einige wenige 
ürtheilsfähige giebt, kann es doch bei der gegenwärti- 
gen Vielschreiberei nicht wünschenswerth sein, unkriti- 
sche Anfängerarbeiten widerlegt zu sehen. Was aber 
Petersen uns als „strengere Interpretation" des Vitruv 
bietet, verräth doch wohl nur, dass er sich aller vor- 
handenen Schwierigkeiten nicht vollkommen bewusst ge- 
worden ist. Eine ausführliche und ins Einzelne gehende 
Widerlegung halte ich vorläufig nicht für nöthig; der 



16 !• Vitruvß Regeln. 

sorgsame Leser wird ohnedies die wesentlichen Gründe 
meiner Abweisung der Petersenschen Ansichten in mei- 
ner ganzen Arbeit leicht erkennen und hoffentlich auch 
mit mir die Müllersche Gleichsetzung des Radius der zu . 
schlagenden Elreisbögen und des Radius des ürkreises 
durchaus billigungswerth finden. 

In Bezug auf die Ausdrücke „rechts" und „links" 
im Texte des Vitruv meint Müller: „sie müssen in der 
Weise des Pollux verstanden werden, der für die Or- 
chestra den Standpunkt des Zuschauers, für die Bühne 
den des Schauspielers massgebend sein lässt (s. dar- 
über Müllers Ausführung im Philologus 23 (1866) 322), 
oder man müsste, was allerdings bedenklich ist, die 
Worte in dextro und in sinistro vertauschen." Dem 
gegenüber ist zu bemerken, dass sich eine bestimmte 
Entscheidung gar nicht treffen lässt. Der griechische 
Sprachgebrauch kann für Vitruv massgebend gewesen 
sein, muss es aber nicht, und die Verwechslung von 
„rechts" und „links" in unsem Texten ist nichts Un- 
erhörtes. Wir können demnach der Müllerschen Beweis- 
führung weiter folgen, müssen uns aber immer des Hy- 
pothetischen der Sache bewusst bleiben. 

Schwierigkeit bietet die Erklärung von intervallum. 
Genellis Deutung, die Wecklein als neue zu begründen 
sucht, intervallum bezeichne den Abstand zwischen den 
beiden comua hemicyclii, sei also dem Durchmesser des 
Urkreises gleich, verdient aus den von Müller angeführ- 
ten Gründen und aus einem andern später zu erwähnen- 
den keine Beachtung. Schönborns Ansicht ist weiter 
unten zu besprechen. Müller hat zwei Erklärungen auf- 
gestellt. 

Bei der ersten, welche Wieselers Zustimmung ge- 
funden hat, brauchen wir uns nicht aufzuhalten, da sie 
Müller selbst aus triftigen Gründen aufgegeben hat. 




3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 17 

Seine zweite Erklärung ist die, dass intervallum zu 
nehmen sei „entweder für den Abstand der Quadratseite 
nk und der Tangente tu, oder — was uns richtiger zu 
sein scheint — fttr einen der zwölf Abstände der Qua- 
dratecken auf der Peripherie, sodass das Wort hier 
dasselbe bedeutet wie V5 (paribus intervallis)." Weder 
das eine noch das andere können wir für richtig halten, 
üebersehen scheint uns ein Hauptmoment. Es ist ja 
nicht bloss von intervallum dextrum und intervallum si- 
nistrum die Rede, sondern auch von comu dextrum und 
comu sinistrum, proscaenii pars dextra und sinistra. Wie 
es nun zwei comua giebt und nur zwei und zwei partes 
proscaenii und nur zwei, so kann intervallum dextrum 
und intervallum sinistrum unmöglich anders verstanden 
werden, als dass es zwei intervalla giebt und nur zwei. 
Bei Genellis, Marinis u. a. Voraussetzung, dass der Durch- 
messer das verlangte intervallum sei, haben wir nur ein 
intervallum, und bei Müllers Annahme, intervallum sei 
der Abstand der Quadratseite nk von der Tangente tu, 
ist es ebenso. Bei der zweiten von Müller zugelassenen 
Erklärung, intervallum sei einer der zwölf Abstände der 
Quadratecken auf der Peripherie, haben wir sogar zwölf 
intervalla, nicht, wie nothwendig ist, nur zwei. Denn 
Müllers weitere Auseinandersetzung, unter intervallum 
sei hier derjenige Abstand der Quadratecken zu ver- 
stehen, der bei der Ausführung des zweiten Kreisbogens 
(mit dem Zentrum a) allein erreicht und intervallum si- 
nistrum genannt werden kann, nämlich nm, ist durchaus 
unglaubwürdig: sie entnimmt etwas den Worten Vitruvs, 
was nicht darin liegt. Vitruv spricht von intervallum 
dextrum und sinistrum ohne nähere Angabe als von 
zwei leicht erkennbaren Dingen; Müller erst fügt hinzu: 
dasjenige von zwölf Intervallen, welches durch den 
Zirkel berührt wird. Hierbei will ich nicht einmal be- 

Oehmichen, Griecb. Theaterbau. • 2 



18 I. Vitruvs Regeln. 

sonders betonen, dass durch den zweiten und dritten 
Kreis vier von den zwölf Abständen der Quadratecken 
durchschnitten werden und dass es, ohne der Sprache 
Gewalt anzuthun, kaum möglich sein dürfte, von diesen 
vier Abständen einen als rechtes und einen als linkes 
Intervall auszusondern. 

Ich habe ja noch einen Grund gegen Müller vor- 
zuführen, der nach meiner Ansicht entscheidend ist. 
Müller sagt nämlich wörtlich so : „Behalten wir nun die 
Kose-Müllersche Lesart bei, so ist bei Ausführung des 
zweiten Kreises (mit dem Zentrum a) nur ein solches 
Intervall erreichbar, welches als sinistrum bezeichnet 
werden kann, nämlich nm; wir konstruiren also den 
Kreisbogen qv. Bei der Ausführung des dritten Kreises 
(mit dem Zentrum h) ist in gleicher Weise nur das In- 
tervall kl erreichbar, und wir konstruiren den Bogen sw.'* 
Müller zieht also den Kreisbogen des zweiten Kreises 
von nm aus bis v und den des dritten Kreises von kl 
aus bis w. Diese Ausführung Müllers steht aber in offen- 
barem Widerspruch mit dem, was Vitruv verlangt. Vi- 
truv sagt nämlich: ab intervallo sinistro circumagitur 
circinatio ad proscaenii sinistram partem. Gesetzt nun 
auch, das Proscenium ginge bis v, bzw. w, was durch- 
aus nicht sicher ist und erst nachzuweisen wäre, so liegt 
doch unbestreitbar Müllers intervallum nm in proscaenii 
sinistra parte. Wie kann also von hier aus ein Kreis- 
bogen ad proscaenii sinistram partem gezogen werden? 
und wie kann auf der andern Seite vom Müllerschen 
intervallum kl aus, das in dextra parte proscaenii liegt, 
ein Kreisbogen ad dextram partem proscaenii geschlagen 
werden? Ich denke, dieses Argument ist schlagend, 
und ich verzichte deshalb auf einen andern Grund, den 
ich noch vorführen könnte. 

Eine Reserve bleibt Müller noch übrig, die er in 




3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 19 

einer Anmerkung darlegt. Er sagt dort: „Werden die 
Worte in dextro und in sinistro vertauscht, so sind die 
Ausdrücke „rechts" und „links" für Bühne und Orchesti-a 
gleich; die Bögen bleiben dann dieselben, werden aber 
in umgekehrter Reihenfolge ausgeftlhrt. Oder, da wir 
bei dieser Annahme von h aus noch das intervallum ef 
und von a aus das intervallum de erreichen können, so 
können auch die Bögen rw und pv die verlangten sein." 
Der erste Satz dieser Anmerkung ist durch meine kurz 
vorausgegangene Auseinandersetzung hinfällig geworden, 
nicht aber der zweite. Dieser besagt, dass, um Vitruvs 
Vorschrift nachzukommen, auch vom intervallum de aus 
nach dem Punkte v und vom intervallum ef aus nach 
dem Punkte w je ein Kreisbogen geschlagen werden 
könne. Müller traut dieser Möglichkeit selbst nicht 
recht, da er sie in eine Anmerkung verwiesen hat, und 
ich denke, wir andern werden sie noch weniger berück- 
sichtigenswerth finden. 

Man achte zunächst wohl darauf, dass der Text des 
Vitruv bei dieser Erklärung geändert werden muss, was 
doch nur dann einigermassen gerechtfertigt erscheinen 
kann, wenn ein augenscheinlich sicheres Resultat dabei 
herausspringt. Ferner bemerke man gefälligst, dass hier 
auf einmal die intervalla cd und ef als linkes und rech- 
tes intervallum hingestellt werden, während es vorher 
bei Müller ausdrücklich hiess, dass bei der Ausführung 
des zweiten Kreises (mit dem Zentrum a) nur ein sol- 
ches Intervall erreichbar sei, welches als sinistrum 
bezeichnet werden kann, nämlich nm, und ebenso bei 
der Ausführung des dritten Kreises (vom Zentrum h aus) 
nur ein solches, welches als dextrum bezeichnet 
werden kann, nämlich kl. Eine Erklärung des Wider- 
spruchs im zweiten Satz seiner Anmerkung mit seinen 
früheren Behauptungen hat Müller nicht versucht; sie 

2* 



20 I. Vitruvß Regeln. 

dürfte auch schwer zu finden sein. Endlich ist noch ein 
dritter Einwand gegen Müllers Anmerkung zu machen^ 
freilich nicht so schwer wiegend wie der zweite. Müller 
verlängert nämlich die Quadratseite nk, welche die finitio 
proscaenii bildet, über den Urkreis, über n und k hin- 
aus. Ausdrücklich vorgeschrieben ist diese Verlängerung 
von Vitruv zwar nicht, es heisst bei ihm nur : ea regione 
finitio proscaenii designatur; allein lassen wir die Ver- 
längerung, die auch von Schönbom und anderen vorge- 
nommen worden ist, gelten, so ist doch bei dieser Aus- 
legung der vitruvischen Vorschrift auffällig, dass die 
Endpunkte der gesammten Bühnenanlage v imd w, wo 
nach Müller die Kreisbögen auf die finitio proscaenii 
treffen, linke und rechte Seite des Prosceniums genannt 
werden. Wie weit das Proscenium nach Vitruvs Ansicht 
reicht, ob es Seitenflügel giebt und ob diese im be- 
jahenden Falle mit zum Proscenium zu rechnen sind, 
geht aus Vitruvs Worten nicht hervor. Vitruv spricht 
zwar nicht direkt gegen die Annahme eines so lang ge- 
streckten Prosceniums, er spricht aber auch nicht direkt 
dafElr. Bei solcher Unsicherheit, das wird man zugeben 
müssen, ist es jedenfalls etwas kühn, wenn Müller ohne 
Weiteres die Punkte v und w als zum Proscenium ge- 
hörig ansetzt. 

Von einem strengen Beweise kann also bei der 
MüUerschen Darlegung, wenigstens soweit wir sie bis 
jetzt kennen gelernt haben, nicht gesprochen werden. 
Es würde aber Unrecht sein zu behaupten, dass Müller 
den unsicheren Bau seiner Ausführung nicht selbst er- 
kannt habe. Er ist im Gegentheil des Hypothetischen 
sich wohl bewusst, aber er glaubt, dass seine Ver- 
muthung zur Wahrscheinlichkeit erhoben werden könne 
durch das Ergebnis seiner Zeichnung. „Der Beweis flir 
die Richtigkeit dieser Konstruktion^, sagt er, „scheint 



% 



3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 21 

uns nun dadurch erbracht zu werden, dass aus derselben 
sich eine in eminenter Weise symmetrische Figur er- 
giebt." So gern ich auch die Richtigkeit der Bemer- 
kung über die Symmetrie anerkenne, so bedaure ich 
doch sagen zu müssen, dass auch dieser letzte Beweis- 
grund in der Müllerschen Auseinandersetzung eine üeber- 
zeugong nicht erwecken kann, da dieselben synmietri- 
schen Verhältnisse auch ohne die Konstruktion Müllers 
für das griechische Theater vitruvischer Konstruktion 
Torauszusetzen sind. 

Sechs Punkte hebt Müller als symmetrisch hervor: 
^1. das Dreieck wxv ist ein gleichschenkliges und an 
der Spitze bei x rechtwinklig; 2. daraus folgt, dass die 
beiden Schenkel desselben wx und vx die Punkte h 
und a schneiden; 3. ebenso dass der Abstand des pro- 
scaenium vw vom gegenüberliegenden Punkte der Or- 
chestra x (== zx) genau halb so gross ist als die Bühnen- 
länge vw; dieselben Verhältnisse wiederholen sich in 
dem kleinen Dreieck nok, denn 4. ist das Dreieck nok 
gleichschenklig und bei o rechtwinklig; 5. der Abstand 
des centrum orchestrae von der finitio proscaenii (oz) 
ist halb so gross als die Quadratseite nk; 6. endlich ist 
das Verhältnis der Bühnenbreite zur Bühnenlänge das 
von 1 zu 12: denn da das Perpendikel zx IV7 Radien 
beträgt, so ist die Bühnenlänge gleich 3^7 Radien, die 
Breite aber gleich 2/^ Radien.'' Die Angaben 1% Ra- 
dien und 2/7 Radien sind Näherungswerthe, da das Ver- 
hältnis irrational ist. Genau sind dafür folgende Zahlen 

zu setzen: 

1 1 

l+y= und 1-^ 

oder nach Chr. Kirchhoflf, Altonaer Programm vom Jahre 
1882 im Anfang, 1,707107 und 0,292893. 

Die unter Nununer 4 und 5 aufgeführten symme- 



22 I. Vitaruvs Regeln. 

irischen Verhältnisse kommen Müllers Ansieht nicht zu 
gut, da sie nicht mit seiner Hypothese zusammenhängen, 
sondern in jeder Grundfigur des griechischen Theaters, 
sobald nur das centrum orchestrae und der Kreismittel- 
punkt als identisch angenommen werden, zu Tage treten 
müssen. Die übrigen 4 Nununem dagegen sind allerdings 
abhängig von der Gleichung: Skenenlänge = 3^7 Radien 
(oder IV7 Durchmesser). Wie nun aber, wenn diese Glei- 
chung wahrscheinlich wäre ohne die Müllersche Hypo- 
these? Würde sie auch dann noch zu Gunsten Müllers 
sprechen? Sicherlich nicht. Und diese Wahrscheinlich- 
keit lässt sich darlegen. 

Wir gehen von der Konstruktion des römischen 
Theaters aus. Vitruv bestimmt als Länge der gesamm- 
ten Bühnenanlage zwei Durchmesser des Urkreises. Wie 
kommt das? In welchem Verhältnis steht die Skenen- 
länge zur Grundfigur im römischen Theater? Die Ant- 
wort ist einfach: Die vom ürkreise auf beiden Seiten 
abgeschnittene finitio proscaenii im römischen Theater 
ist gleich dem Durchmesser dieses Kreises; sie wird auf 
beiden Seiten um je einen Halbmesser desselben Kreises 
verlängert; die gesammte Strecke (= zwei Durchmesser) 
ist die Länge des Bühnengebäudes. Es hat nun bisher 
Niemand Bedenken getragen für diejenigen Theile des 
griechischen Theaters, für welche genaue Bestimmungen 
fehlen (und fftr die Länge des griechischen Bühnenge- 
bäudes fehlt eine ausreichend sichere Angabe) das rö- 
mische Theater zu Hilfe zu rufen. Sind also früher 
Analogieschlüsse erlaubt gewesen, so wird es auch jetzt 
sein, und wir dürfen danach sagen: Es ist für das 
griechische Theater in Folge der dem römischen Thea- 
ter analogen Konstruktion wahrscheinlich, dass die Länge 
des Bühnengebäudes so gross war wie die im Grund- 
schema vom ürkreise auf beiden Seiten abgeschnittene 



% 



4. Das griecb. Theater; neue Erklärung. 23 

finitio proscaenii (= einer Quadratseite), verlängert auf 
beiden Seiten um je einen Halbmesser des ürkreises, 
also gleich (Durchmesser + Quadratseite) IV7 Durch- 
messer. Wenn wir von einer Vergleichung mit dem rö- 
mischen Theater absehen, können wir auch einfacher 
sagen: Länge des Bühnengebäudes = 1 Seite der in 
den ürkreis eingeschriebenen Grundfigur 4- 1 Durch- 
messer des ürkreises. Dass dieses Prinzip der Längen- 
bestinunung des griechischen Btihnengebäudes wirklich 
befolgt worden ist, dafür sprechen verschiedene später 
zu erhärtende Thatsachen: Theater, deren Grundfigur 
aus Quadraten gebildet ist, haben eine Skenenlänge von 
einer Quadratseite und einem Durchmesser des ürkreises, 
Theater mit einer aus regelmässigen Fünfecken oder 
Sechsecken bestehenden Grundfigur haben das Bühnen- 
gebäude genau so lang, als eine Fünfeckseite oder 
Sechseckseite imd ein Durchmesser des ürkreises zu- 
sammen betragen. 

Meine Einwendungen gegen Müllers Auseinander- 
setzung haben sich mehr auf seine Beweisführung be- 
zogen. Wenn seine Gründe nicht als ganz stichhaltig 
anzuerkennen waren, so ist damit nicht gesagt, dass 
nicht einzelne Punkte seines Resultates richtig sein kön- 
nen. Wieweit sie es sind, soll das Folgende zeigen. 



Vierter Abschnitt. 

Yitruvs Konstruktion des griechischen Theaters; 

neuer Losungsversuch. 
(Vgl. Fig. 3.) 

Wir zeichnen einen Kreis und in demselben drei 
Quadrate so, dass ihre Ecken in gleichen Abständen die 



24 



I. Vitruvs Begeln. 



Peripherie des Kreises berühren; wir ziehen dann eine 
Tangente tu, die parallel ist derjenigen Qnadratseite nk, 
welche dem Bühnengebäude am nächsten liegen soll, 
und ziehen femer den diesen beiden Linien parallelen 
Durchmesser ah. Bis hierher sind wir genau so ver- 
fahren wie Müller; wir haben auch die Quadratseite nk 
verlängert bis v und w, obgleich Vitruv eine ganz be- 
stimmte Vorschrift hierzu nicht giebt. Wir nehmen nun 
den Zirkel wieder zur Hand und schlagen wie Müller 
mit demselben Kadius/ mit dem wir den ersten Kreis 
beschrieben, Punkt a und h als Zentra genommen, Kreis- 
bögen ab intervallis ad proscaenii partes. 




Figur 3. 

Intervallum, meint Wecklein, ist der Abstand zwi- 
schen zwei Punkten. Das ist richtig und falsch. Rich- 
tig, insofern als, von anderen Stellen abgesehen, Vitruv 
den Abstand ungefähr derselben zwei Punkte, die Weck- 
lein im Auge hat, intervallum nennt: V 1,8 eins autem 
hemicyclii in fronte est intervallum pedum XL VI, falsch, 
weil die Definition viel zu eng ist. Besser nennt Müller 
intervallum den Abstand zwischen zwei Punkten oder 
zwei Linien. Doch auch diese Begriflfsbestinunung ist 
zu eng. Intervallum ist vielmehr alles, was zwischen 
zwei Gegenständen liegt: Es ist der Abstand zwischen 



I 



4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 25 

zwei Punkten, zwischen zwei Linien, zwischen zwei Sta- 
tuen^ zwischen zwei Thttren, zwischen Himmel und Erde; 
die Thäler zwischen den Bergen sind Intervalle (VHI 
1,7); was zwischen zwei Worten, zwei Tönen, zwei Zeit- 
abschnitten mitten inne liegt, sind Intervalle; intervalla 
carbonibus explentur (HI 3,2), in singulis intervallis ar- 
busculae supponuntur (X 20,1) u. s. w. , u. s. w. Wer 
Zeit und Lust hat, mag mit Hilfe Nohls weitere Stellen 
im Vitruv nachschlagen. 

Was intervallum in unserer Stelle bedeutet, ist be- 
reits von Schönbom richtig erkannt worden. Es ist der 
Zwischenraum zwischen Zuschauerraum und Bühnenge- 
bäude; die intervalla sind also identisch mit den ge- 
wöhnlich ndqoäot genannten Eingängen in die Orchestra. 
Mttllers Widerspruch hiegegen im Philologus 23 (1866) 
285 stützt sich auf drei Gründe. Der eine von ihnen 
ist dem früheren Texte des Vitruv entnommen und jetzt 
hinfällig, der andere zu wenig erheblich, der letzte da- 
gegen, weil auf den Sprachgebrauch Vitruvs sich be- 
ziehend, anscheinend gewichtvoll. Intervallum, sagt 
nämlich Müller, brauche Vitruv nie in dem Schönbom- 
schen Sinne, vielmehr nenne er die Orchestraeingänge 
einfach itinera (V 7 itinerum supercilia). Aber nur auf 
den ersten Blick erscheint dieser Grund zwingend; bei 
näherem Zusehn fällt er in sich zusammen. 

Abgesehen von unserer Stelle, kommt der Ausdruck 
intervallum im Sinne vonParodos allerdings bei Vitruv 
nicht vor; aber er kann auch nicht vorkommen, weil 
Vitruv die Zwischenräume zwischen Bühnengebäude und 
Zuschauerraum im griechischen Theater gar nicht wieder 
erwähnt. Es liegt also nicht der geringste Grund vor 
die sich ungezwungen ergebende Schönbornsche Bedeu- 
tung des Wortes abzulehnen. Wenn Müller zur Stütze 
seines Ein^vurfs die vitruvische Benennung der Orchestra- 



26 I. Vitruvs Regeln. 

eingänge im römischen Theater heranzieht, so ist da» 
eine ganz ungerechtfertigte Gleichsetzung völlig ver- 
schiedener Dinge, deren strenge Auseinanderhaltung zum 
Nutzen der Sache unbedingt nöthig ist. Im griechischen 
Theater giebt es freie und offene Eingänge in die Or- 
chestra, welche Zuschauerraum und Bühnengebäude von 
einander scheiden, also wirkliche Zwischenräume sind 
und intervalla genannt werden können; im römischen 
Theater dagegen, wo Zuschauerraum und Bühnenraum 
unmittelbar aneinander stossen, giebt es keine derartigen 
Zwischenräume als Eingänge zur Orchestra, sondern nur 
von Sitzstufen des Zuschauerraums bedeckte Gänge. 
Jene, die griechischen Orchestraeingänge, durfte Vitruv 
oder sein Gewährsmann intervalla nennen, diese, die 
römischen, nicht, weil sie keine sind; und wenn er fttr 
die römischen Eingänge keine bessere Bezeichnung fand 
als den dehnbaren Ausdruck itinera, der auch z. B. fßr 
Treppen im Zuschauerraum gebraucht wird (V 6), so war 
er doch andererseits durch nichts verbunden eben die- 
selbe unbestimmte Benennung für die so ganz anders 
gestalteten griechischen Orchestraeingänge zu verwenden, 
flir die eine unläugbar bezeichnendere Namengebung 
sich wie von selbst darbot, und dies umsoweniger, als, 
wie sich später als nicht unwahrscheinlich ergeben wird, 
die Darlegung der griechischen Theaterkonstruktion der 
der römischen ursprünglich vorausgegangen ist. 

Es handelt sich jetzt noch um die Erklänmg von 
rechts und links. Müller hatte nach Pollux rechts und 
links flir das Proscenium vom Standpunkt des Schau- 
spielers aus, flir die Intervalle und das hemicyclium vom 
Standpunkt des Zuschauers aus bestimmt. Dass die 
AuflFassungsweise des Pollux nicht die des Vitruv ge- 
wesen zu sein braucht, ist oben bemerkt worden. Sicherer 
werden wir nach meiner Meinung Vitruvs Bestimmung 



% 



4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 27 

von rechts und links in unserer Stelle erkennen, wenn 
wir uns nach seinem sonstigen Gebrauch jener Begriffe 
umsehn. 

Vitruv bezeichnet die rechte imd die linke Seite 
lebender Wesen, wie wir es thun, wofür zahlreiche Bei- 
spiele angefiihrt werden könnten. Bei leblosen Gegen- 
ständen verfährt er ebenso; thut er es einmal nicht, d. h. 
bezeichnet er bei ihnen rechts und links, wie es dem 
Beschauer erscheint, so macht er darauf aufmerksam, 
z. B. IX 9,12 ad dextram spectantis librae, ad sini- 
stram arietis Signum. Fehlt also eine derartige Bemer- 
kung, so werden wir die mit rechts und links bezeich- 
neten Theile lebloser Gegenstände so aufzufassen haben, 
als ob sie Theile lebender Wesen wären. Ein deutliches 
Beispiel giebt die Beschreibung von Halikamass 11 8 
Mitte. Halikamass, sagt Vitruv, sei hoch um einen 
Hafen gelegen, ähnlich dem Zuschauerraum eines Thea- 
ters (theatri curvaturae similis). Auf dem rechten Hom 
(dem linken für den in den Hafen Einsegelnden) sei das 
fanum Veneris, auf dem linken (dem rechten, vom Meere 
aus betrachtet) die regia domus. Von diesem königlichen 
Palaste aus erblicke man nach rechts hin (in der Mitte 
zwischen beiden Hörnern) das Forum u. s. w. ; nach links 
hin aber liege ein versteckter Hafen. Dass die Beschrei- 
bung so auszulegen ist, wie wir es in den Klanunem ge- 
than haben, lehrt ein Blick auf die Karte bei Newton: 
Der kleinere Hafen liegt, vom Meere aus betrachtet, 
rechts. 

Nach demselben Gesichtspunkt, dürfen wir annehmen, 
hat Vitruv die Theile des proscaenium und des hemi- 
cyclium mit rechts und links bezeichnet. Unser Resultat 
stimmt somit mit der Vermuthung Müllers überein, wel- 
cher annimmt, dass Vitruv wie PoUux die Ausdrücke 
rechts und links für das proscaenium vom Standpunkt 



28 I. Vitruvs Regeln. 

des Schauspielers ans und für das hemicyclinm yom 
Standpunkt des Zuschauers aus verstanden wissen will. 
Einen Beweis für die Richtigkeit unseres Resultats, we- 
nigstens was das hemicyclium betrifft, gewährt uns noch 
eine Stelle des Vitruv, V 1,8. Es heisst dort : eins autem 
hemicyclii in fronte est intervallum pedum XL VI, in- 
trorsus curvatura pedum XV. Der Ausdruck frons deutet, 
wie mir seheint, bestimmt darauf hin, dass Vitruv auch 
ein hemicyclium so betrachtet wie ein lebendes Wesen, 
dass also der rechte Endpunkt der frons (comu dextrum) 
der sein wird, welcher dem Betrachter auf der Bühne 
zur Linken liegt, und der linke der, welcher ihm zur 
Rechten liegt. 

Es fehlt uns jetzt noch die Erklärung von interval- 
lum dextrum und sinistrum. Intervalle sind der Natur 
der Sache nach nicht als selbständige Gegenstände auf- 
zufassen; demnach muss die Bestinunung von rechts und 
links ausgehen von den Gegenständen, zwischen denen 
die Intervalle liegen. Hier tritt mm aber eine nicht zu 
überwindende Schwierigkeit ein. Das eine Intervall 
nämlich liegt zwischen der rechten Seite des Zuschauer- 
raums und der linken des Bühnengebäudes, das andere 
zwischen der linken Seite des Zuschauerraums und der 
rechten des Bühnengebäudes; sollen wir die Intervalle 
bezeichnen nach den Seiten des Zuschauerraums oder 
des Bühnengebäudes? Eine Entscheidung ist meines 
Erachtens mit unsern Mitteln nicht zu treffen; das Ein- 
zige, was die Möglichkeit des Weiterkommens gewähren 
kann, ist probiren. Kommt dabei ein einigermassen 
annehmbares Resultat heraus, so dürfen wir es als eine 
vielleicht nicht ungegründete Hypothese anerkennen, je- 
denfalls aber nur als Hypothese. 

Erster Versuch. Vorausgesetzt, das rechte und 
linke Intervall sei so bestimmt wie die Seiten des Zu- 




4. Das griecb. Theater; neue Erklärung. 29 

sehauerraumS; so habe ich, ran Vitruvs Vorschrift aus- 
zuführen, den Radius des ürkreises in den Zirkel zu 
nehmen, den einen Schenkel des Zirkels in dextro comu 
a einzusetzen und mit dem andern Schenkel einen Bogen 
zu schlagen ab intervallo sinistro, nennen wir es ikw, 
ad proscaenii sinistram partem. Da das linke Intervall 
mit der angegebenen Zirkelöffnung nicht zu erreichen 
ist, so könnten die Worte nur dann einen Sinn geben, 
wenn wir ab intervallo statt „von dem Intervall aus" 
übersetzen dürften „vor dem Intervall, ihm entlang, ge- 
genüber**, ähnlich wie in den bei Vitruv vorausgehenden 
Bestinunungen über die parallelen Linien: et ab eo loco 
per centrum parallelos linea ducatur; et ab ea regione 
ad extremam circinationem curvaturae parallelos linea 
designatur; per centrumque orchestrae a proscaenii re- 
gione parallelos linea describitur. Danach wäre der 
Kreisbogen oq zu schlagen und in gleicher Weise auf 
der andern Seite der Kreisbogen os. Als Zweck beider 
Bögen könnten dann doch wohl nur vermuthungsweise 
die Bestimmung der Lage der Bühneneingänge anzu- 
sehen sein. Allein die angegebene Uebersetzung ist aus 
einer Reihe von Gründen unannehmbar und deshalb der 
erste Versuch als misslungen zu betrachten. 

Brunns Ansicht, üngefilhr dieselben zwei Bögen 
wie in unserem ersten Versuch, aber von einer andern 
Auffassung des Begriffs intervallum ausgehend, glaubt 
Herr Professor von Brunn ziehen zu sollen. Infolge 
langdauemder Beschäftigung mit dem Gegenstand bin 
ich wahrscheinlich zu befangen, um seine Ansicht ge- 
bührend zu würdigen, ich theile sie aber, dazu berech- 
tigt, anmerkungsweise mit, da sie, wenn auch vielleicht 
noch nicht das Endgiltige, so doch möglicherweise Keime 
des Richtigen enthält. Brunn erklärt den Text Vitruvs 
genau so, wie es oben geschehen ist, bis zu den Worten 



30 I. Vitruvs Regeln. 

ab intervallo sinistro. Als Intervalle sieht er die Ab- 
stände der drei Zentra an und erhält somit zwei Inter- 
valle und zwar nur zwei, wie es nothwendig ist (vgl. 
Abschnitt 3), nämlich die Radien ao und oh. Setzt man 
den einen Schenkel des Zirkels in comu dextro a ein, 
so ist das linke Intervall nach Brunns Ansicht der Ra- 
dius ao. Von diesem Radius-Intervall aus, d. h. von 
dem Punkte desselben aus, den der andere Schenkel 
des Zirkels erreicht (= Endpunkt des Radius = centrum 
orchestrae = o) , ist ein Kreisbogen zu schlagen durch 
die linke Seite des Prosceniums hindurch (ad sinistram 
partem proscaenii), bis er die verlängerte finitio pro- 
scaenii schneidet (oqv auf Fig. 3). In gleicher Weise 
ist auf der andern Seite, h als Zentrum genonunen, vom 
rechten Intervall oh aus der Kreisbogen osw äu schlagen. 
Bei dieser Konstruktion, meint Brunn, sei nun die Länge 
der Bühnenanlage durch vw gegeben und ausserdem 
wahrscheinlich noch die Lage von Seitenthtiren durch 
die Berührungspunkte der Kreisbögen oqv und osw und 
der scaenae frons tu. 

Zweiter Versuch. Nehmen wir jetzt einmal den 
umgekehrten Fall an, nämlich dass das rechte und linke 
Intervall nicht bestimmt sei nach den Seiten des Zu- 
schauerraums, sondern nach den Seiten des Bühnenge- 
bäudes, bzw. des Prosceniums, dann haben wir, den 
einen Schenkel des Zirkels in dextro comu a eingesetzt, 
mit dem Radius des ürkreises einen Bogen zu schlagen 
ab intervallo sinistro, nennen wir es vna, ad proscaenii 
sinistram partem. Die Ausführung dieser Vorschrift wäre 
unmöglich, wenn das Proscenium die bedeutende Länge 
hätte, welche ihr einige Gelehrte zuschreiben, nämlich 
dieselbe Länge wie das gesammte Bühnengebäude, denn 
dann wäre proscaenii pars sinistra und intervallum si- 
nistrum nur durch die Linie vn, also gar nicht, getrennt. 



\ 



4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 31 

Soll die Vorschrift Sinn haben, so muss zwischen beiden 
Eäumen noch ein Raum mitten inne liegen, durch den 
die Kreisbögen von den Intervallen aus nach den Seiten 
des Prosceniums gezogen werden. Nun habe ich schon 
wiederholt darauf hingewiesen, besonders im dritten Ab- 
schnitt, dass aus Vitruvs Worten nicht der Schluss ge- 
zogen werden könne, das Proscenium habe dieselbe 
Länge wie die gesammte Qtlhnenanlage. Es hindert uns 
nichts an der Annahme einer geringeren Prosceniums- 
länge, ja die erhaltenen Theaterüberreste, besonders das 
dionysische Theater zu Athen und das polykletische zu 
Epidauros, begünstigen sogar diese Annahme in einer 
Weise, dass wir die vom zweiten und dritten Zentrum 
aus nach der scaenae frons gezogenen senkrechten Linien 
als muthmassliche Seitengrenzen des Prosceniums be- 
zeichnen dürfen. Wir haben also eine gewisse Berech- 
tigung in folgender Weise Vitruvs Vorschrift nachzu- 
kommen. Wir setzen den Zirkel in dextro cornu a ein, 
schlagen mit dem Radius des ürkreises einen Kreisbogen 
ab intervallo sinistro, d. h. von einem beliebigen Punkt (z) 
des Intervalls vna aus, durch den linken Theil der 
Bühnenanlage ad proscaenii sinistram partem, d. h. un- 
gefähr bis zur punktirten Linie. Ebenso setzen wir auf 
der andern Seite den Zirkel in cornu sinistro h ein und 
schlagen mit dem Radius des ürkreises vom rechten 
Intervall aus, wir wollen es hkw nennen, einen Kreis- 
bogen durch den rechten Theil der Bühnenanlage nach 
der rechten Seite des Prosceniums ungefähr bis zur 
punktirten Linie. 

Und der Zweck dieser Operation? Ihn bestimmt 
zu erkennen vermögen wir nicht, aber vermuthen dürfen 
wir wohl mit Recht, dass durch diese Konstruktion die 
Länge der gesammten Skene angegeben werden sollte; 
vorausgesetzt muss natürlich bei dieser Vermuthung wer- 



% 



32 !• Vitra V8 Regeln. 

den, das» Vitruv eine Unordnung in seiner Disposition 
hat eintreten lassen, was dnrcbans nieht auffällig sein 
kann. Gute Anordnungen seiner Vorgänger ändert ja 
Vitruv nach subjektivem Belieben um und manches lässt 
er in seiner Wiedergabe aus, was zur Erkenntnis dessen,, 
was er giebt, unumgänglich mitgetheilt werden musste. 
Viele Beispiele zur Erhärtung meiner Behauptung vor- 
zuführen, würde ich auch ^ann unterlassen , wenn ich 
sie mir zahlreicher notirt hätte; einige findet ja wohl 
leicht Jedermann selbst. Für meinen Zweck wird e* 
genügen, wenn ich eins anführe aus der Partie des vi- 
truvischen Werkes, die wir soeben besprechen. Wir 
brauchen Vitruvs Quelle nicht als Muster der Darstel- 
lung hinzustellen, aber solche Unordnung, wie Vitruv sie 
hat, werden wir ihr nicht zuschreiben können. Es filUt 
auf, gleich im Anfang (vgl. oben S. 6) der Vorschriften 
über die Theaterkonstruktion, dass Vitruv die Bühnen- 
höhe da angiebt, wo nur der Grundriss zu bestimmen 
war; es fällt auf, dass er bei der Besprechung der rö- 
mischen Theaterkonstruktion die griechische vergleicht,, 
ohne dass der Leser von dieser vorher etwas gehört hat; 
es fällt auf, dass er Kreisbögen schlagen lässt, ohne 
den Zweck derselben anzugeben; es fällt auf, dass er 
die Vorschrift über die griechische Theaterkonstruktion 
mitten abbricht, ohne auch nur einen Grund dazu er- 
rathen zu lassen; denn selbst wenn alles Folgende ana- 
log der Vorschrift über den römischen Theaterbau ge- 
wesen wäre, was sicher nicht der Fall war, hätte ein 
sorgfältiger Schriftsteller dies doch mit einigen Worten 
andeuten müssen. 

Unsere Beweisftlhrung war anders als die MüUer- 
sche, ob sie richtig ist, mögen andere entscheiden; unser 
Schlussresultat aber ist dem Müllerschen gleich. Nur in 
einem Punkte glaube ich abweichen zu müssen, in der 



4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 33 

Beantwortung der Frage, die Müller am Schluss seiner 
Auseinandersetzung aufwirft, Jahrbücher 105 (1872) 697, 
warum Vitruv gerade diesen verhältnismässig weitläu- 
figen Weg der Konstruktion eingeschlagen hat. „Hätte 
er [Vitruv] das Perpendikel zx konstruirt (vgl. Fig. 2), 
sagt Müller, so boten sich ihm zwei andere Weisen, die 
Bühnenlänge [vielmehr Länge des Bühnengebäudes] zu 
bestimmen. Einmal hätte er das Perpendikel nach bei- 
den Seiten hin auf der verlängerten Quadratseite ab- 
tragen lassen können. Sodann konnte er Punkt x mit 
den Punkten a und h durch gerade Linien verbinden 
und diese Linien bis zur finitio proscaenii [vielmehr ver- 
längerten Quadratseite] verlängern lassen. Beide Wege 
wären einfacher gewesen und hätten namentlich den Er- 
klärern nicht so viele Schwierigkeiten gemacht; es scheint 
jedoch, dass Vitruv im Anschluss an seine Konstruktion 
des römischen Theaters, in welcher ausser den zwölf 
Dreieckseiten nur die der einen Dreieckseite parallele 
Linie durch den Mittelpunkt verwandt ist, auch hier nur 
Linien, welche der finitio proscaenii parallel sind (d. h. 
Tangente und Durchmesser) habe verwenden wollen, zu- 
mal das Perpendikel bei der schon so grossen Anzahl 
gerader Linien im Grundkreise die Deutlichkeit der Figur 
etwas beeinträchtigt hätte. So wählte er dann die Kon- 
struktion tribus centris, wobei die Fläche des Grund- 
kreises ausser den Quadraten und dem Durchmesser von 
jeder andern Linie frei blieb." 

Es ist richtig, die Vorschriften Vitruvs sind etwas 
umständlich; aber dass die Umständlichkeit in der Vor- 
schrift über die Konstruktion des griechischen Theaters 
eine Folge des Anschlusses an die Bauregel des römi- 
schen Theaters sei, erscheint mir als eine nicht gerecht- 
fertigte Annahme. Es sprechen im Gegentheil Anzeichen 
dafür, dass die Quelle des Vitruv (denn Vitruv ist oflfen- 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. 3 



34 !• Vitruvs Regeln. 

bar bloss Mittelsmann, vermuthlich sogar nur zweiten 
Grades) zunächst das griechische Theater behandelt hat 
und danach erst das römische. Doch sei dem, wie ihm 
wolle: dieser Punkt ist unwesentlich gegenüber einem 
andern. Wer sagt uns denn, dass die Konstruktion mit 
drei Quadraten nach der Konstruktion mit vier Drei- 
ecken oder dass umgekehrt diese nach jener sich ge- 
richtet habe? Vitruv freilich kennt nur diese zwei 
Arten; aber hat man sich in der Praxis mit diesen zwei 
begnügt, giebt es keine Theater, die andere Konstruk- 
tionen aufzeigen? 

Blicken wir in dieser Rücksicht auf die erhaltenen 
Theaterüberreste, so finden wir als Grundfiguren nicht 
bloss regelmässige Dreiecke und Vierecke, sondern auch 
regelmässige Sechsecke und Achtecke, ja sogar regel- 
mässige Fünfecke und Siebenecke. Von welcher dieser 
vielen Konstruktionsarten die unzweifelhaft mehr als 
Vitruv bietende Quelle desselben ausgegangen ist, 
wissen wir nicht; vergleichen wir aber die einzelnen 
Arten mit einander, so finden wir eine fast durchgehende 
Analogie mit der Konstruktion des griechischen Theaters 
nach Vitruv: die Länge des Bühnengebäudes ist be- 
stimmt durch eine Seite der in den ürkreis eingeschrie- 
benen Grundfigm*, vermehrt um den Durchmesser des 
ürkreises. Bei der Konstruktion verschiedener der er- 
haltenen Theater konnte zwar auch der Halbmesser des 
Kreises auf der verlängerten finitio proscaenii, bzw. 
scaenae frons nach beiden Seiten hin abgetragen wer- 
den, nicht aber konnte, was Müller als zweite bequeme 
Art der Konstruktion hinstellt, vom Endpunkt der auf 
der Mitte der Bühne errichteten Senkrechten (vom Durch- 
schnittspunkt dieser Senkrechten und des ürkreises) 
durch die Endpunkte des der Bühne parallelen Durch- 
messers bis zu den Verlängerungen der die finitio pro- 



4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 35 

scaenii, bzw. scaenae frons bildenden Seite der Grund- 
figur Linien gezogen werden, um die Skenenlänge zu 
bestimmen: denn die Skenenlänge ist in Wirklichkeit 
geringer, als sie durch jene Linien bestimmt sein würde. 
Sollte also für alle Arten von Konstruktionen eine ein- 
zige Kegel aufgestellt werden, so hätte man sagen kön- 
nen: Auf beiden Seiten der verlängerten, die finitio pro- 
scaenii bildenden Seite der Grundfigur ist je ein Radius 
des ürkreises abzutragen, oder: Von den Endpunkten 
des der Bühne parallelen Durchmessers ist nach beiden 
Seiten der verlängerten, die finitio proscaenii bildenden 
Seite der Grundfigur je ein Kreisbogen zu schlagen. Die 
Operation ist in beiden Fällen gleich leicht; die Quelle 
Vitruvs hat vielleicht beide Fälle berücksichtigt, Vitruv 
dagegen schreibt nur den zuletzt angegebenen Fall vor. 
Diese einfache Erklärung ist selbstverständlich nur 
Vermuthung. Eine nähere Besprechung der oben an- 
geführten Theaterkonstruktionen wird in Verfolg dieser 
Untersuchungen gegeben werden. 



3* 



Zweiter Theil. 

Die Theaterüberreste. 

(Beschreibung.) 



Man hätte meinen sollen, dass die bequeme Zu- 
sammenstellung der antiken Theaterüberreste im Wie- 
selerschen Sammelwerk die Wissenschaft bedeutend för- 
dern würde. Es ist nicht geschehen, im Gegentheil, es 
ist ein nicht zu verkennender Rückschritt eingetreten: 
Wieselers Werk ist nicht nur nicht genügend ausgenutzt, 
es ist auch verkehrt benutzt worden. 

Freilich ist zuzugeben, dass die Publikationen, auf 
die sich Wieseler stützt, und dass in gleicher Weise 
seine Reproduktionen weit davon entfernt sind für wissen- 
schaftliche Untersuchungen eine genügende Basis abzu- 
geben; fehlt ja doch überall, um nur etwas von vielem 
anzuführen, die genau begründete Bezeichnung von Um- 
bauten und Neubauten. Diese ist allerdings sehr schwie- 
rig, aber doch nicht so schwer, dass ein Architekt oder 
Philolog bei einigem guten Willen sie nicht geben könnte; 
nur muss unbedingt der Wahn beiseite bleiben, als ob 
architektonische Kenntnisse allein ausreichten; vielmehr 
muss jeder, der im angegebenen Sinne arbeiten will, 
eine Art Vorschule durchmachen, am besten in Pompeji 



Einleitung. 37 

mit dem gnmdlegenden Werk von Schöne-Nissen in der 
Hand. 

Aber trotz dieses mid anderer Mängel lassen sich 
aus den publizirten Aufnahmen der Theaterüberreste un- 
verächtliche Resultate gewinnen, wenn man nur metho- 
disch dabei zu Werke geht, was bis jetzt leider nicht 
geschehen ist. Schönbom, dem eine ausserordentlich 
grosse durch Augenschein gewonnene Bekanntschaft mit 
den antiken Theaterruinen eine ungemeine Hilfe ge- 
währte, hat dessenohngeachtet unsere Erkenntnis mehr 
gehemmt als gefördert durch seine Bemerkungen über 
die Konstruktionen der von Wieseler zusammengestellten 
Theaterüberreste, Skene der Hellenen, Leipzig 1856. Er 
geht nämlich von Vitruvs Vorschriften aus, sucht nach 
ihnen die Verhältnisse der Bühnentheile genauer zu be- 
stimmen (Länge des Bühnengebäudes, Abstand der Bühne 
von der Orchestra u. s. w.) und prüft die gefundenen 
Resultate an den erhaltenen Ueberresten. Eine solche 
vergleichende Betrachtung ist ja ganz interessant, viel- 
leicht auch nöthig, aber die Erkenntnis der Konstruktio- 
nen der Theaterruinen wird durch sie keinen Schritt ge- 
fördert, vielmehr gehindert. Schönboms Verfahren ist 
methodisch ebenso verfehlt, das muss schärfstens betont 
werden, als der Versuch verfehlt wäre mit dem besten 
alten Grammatiker in der Hand eine wissenschaftliche 
Grammatik der griechischen, bzw. römischen Sprache 
herzustellen, oder als Westphals und seiner Nachfolger 
Versuch verfehlt ist mit Hilfe des Aristoxenos, dessen 
Lehren selbst Westphals Scharfsinn nicht über allen 
Zweifel fest zu bestimmen vermochte, die Rhythmik 
sämmtlicher griechischer Dichter klarzulegen. Schönbom 
macht einen ähnlichen Fehler wie die Erklärer des 
Aeschylos, die trotz Welckers dringenden Warnungen 



38 II» I^ie Ueberreste. 

noch jetzt mit der Poetik des Aristoteles in der Hand 
an seine Dramen herantreten. 

Oder sollen wir wirklich glauben, dass die ganze 
Mannigfaltigkeit der Formen, die, wie sie in allen übri- 
gen Bestrebungen der Griechen und Römer zu Tage 
tritt, eßenso auch für den Theaterbau mit Sicherheit 
vorausgesetzt werden darf, mit den wenigen von Vitruv 
gegebenen Bestimmungen erschöpft sei? Wer nur ein- 
mal hieran zu zweifeln begonnen hat und die erhaltenen 
Reste vergleichend überblickt, wird mit uns die Ueber- 
zeugung theilen, dass Vitruvs Regeln nicht abgeleitet sind 
aus dem Formenschatz der gesammten oder nur der 
meisten Theaterbauten, sondern bloss von wenigen die 
wesentlichen Merkmale, aber nicht einmal alle entnehmen» 
Mag immerhin unser Vorrath an berücksichtigenswerthen 
Konstruktionen in Vergleichung mit den einst vorhande- 
nen gering sein, ungefähr wird immer das gleiche Ver- 
hältnis bestanden haben, d. h. der vermehrten Zahl von 
Konstruktionen vitruvischer Art wird eine im Verhältnis 
ungefähr gleich vermehrte Zahl anderer Konstruktionen 
zur Seite gestanden sein, und wenn dem so ist, wird 
doch wohl eine methodische Untersuchung die erhaltenen 
Reste nicht nach den beschränkten Regeln Vitruvs deh- 
nen und drücken dürfen, sondern zuerst das Prinzip jedes 
einzelnen Baus klarlegen müssen und dann erst eine Ver- 
gleichung der erhaltenen Reste mit einander und mit 
Vitruvs Vorschriften anstellen dürfen. 

Ich wenigstens werde so verfahren und zuerst etwas 
eingehender über das dionysische Theater Athens und 
Polyklets Theater zu Epidauros handeln, mehr allerdings 
um die mir als richtig erscheinende Methode durch einige 
Beispiele besser zu kennzeichnen als um auf alle auf- 
tauchenden Fragen nach Antwort zu suchen, und dann 



Einleitung. 39 

summarisch über die übrigen Monumente berichten, die 
ich in gleicher Weise ausführlich zu besprechen vorläufig 
wenigstens ablehnen muss. 



Erster Abschnitt. 

Das dionysische Theater Athens. 

(Vgl. Fig. 4.) 

Ausgegraben wurde das dionysische Theater Athens 
von Strack 1862 und von der archäologischen Gesell- 
schaft zu Athen 1863 und 1865. Die früheren Berichte 
sind überholt von Julius und Ziller, welche in Lützows 
Zeitschrift für bildende Kunst Bd. 13 Beschreibung und 
Grundriss gegeben haben. Nachträge und neue Messun- 
gen verdanken wir den Herren Petersen, Ziller und Kol- 
dewey, welche von Chr. Kirchhoflf in zwei Altonaer 
Gynmasialprogrammen 1882 und 1883 veröffentlicht wor- 
den sind. Einige ihrer Angaben bedürfen einer kleinen 
Berichtigung, welche ohne Zweifel von den genannten 
Herren selbst vorgenommen worden wäre, wenn sie nicht 
zu verschiedenen Zeiten die von den verschiedensten 
Gesichtspunkten aus an sie gerichteten Fragen zu be- 
antworten gehabt hätten. 

Der Grundriss, den Kirchhoff für sein erstes Pro- 
gramm hat anfertigen lassen, ist sehr schlecht, besser, 
wenn auch noch lange nicht genügend, ist der, den ich 
nach den Massangaben in Kirchboffs zweitem Programm 
unter Mitwirkung meines lieben Freundes, des Lieute- 
nants Faber vom topographischen Bureau des königl. 
bayer. Generalstabs entworfen habe. Ausgelassen sind 
auf unserm Grundrisse alle Bauten aus der Zeit des Ly- 



40 



II. Die Ueberreste. 



knrg und Phädros, da sie ftir die Erkenntnis der nr- 
sprttnglichen Anlage Überflüssig, wenn nicht verwirrend 
sind. Zahlen und Ziffern sind die des Zillerschen Planes 
in Ltttzows Zeitschrift*). 




Figur 4. 
Die fUr ans in Betracht kommenden Masse, die ich 
ans Kirchhoffs zweitem Programm abdracken lassen muss, 
da eine Verbesserung nothwendig ist, sind folgende: 
Ä. Masse innerhalb der Kreise. 

Meter 

1. Durchmesser des grossen Kreises 28,20 

2. „ n kleinen „ 22,00 

3. Senkrechte auf der Mitte von yz bis zum 
grossen Kreis 27,47 

4. Senkrechte auf der Mitte von yz bis zum klei- 
nen Kreis .' . 25,42 

*) Der kleine Kreia iat etwas zu gross (Veraehen deaZeichnera). 



1. Das dionys. Theater Athens. 41 

5. Dieselbe Linie bis zum Mittelpunkt des grossen 
Kreises 13,37 

6. Dieselbe Linie bis zum Mittelpunkt des klei- 
nen Kreises 14,42 

Anmerkung zu Nr. 5 und 6. Bei Kirchhoflf sind 
die beiden letzten Masse mit 13,26 und 14,42 ange- 
geben. Hier ist ein kleines Versehen vorgekommen. 
Ziehen wir nämlich den Halbmesser des grossen Kreises 
(14,10) von Nr. 3 ab, so erhalten wir 13,37 und nicht 
13,26. Dass die Zahlen 13,37 und 14,42 richtig sind, 
dass also der Abstand beider Mittelpunkte 1,05 beträgt, 
lässt sich auch durch folgende Rechnung darlegen: 

a) Halbmesser des grossen Kreises .... 14,10 

b) „ „ kleinen „ .... 11,00 

c) Abstand beider Peripherien im Norden . . 2,05 

d) „ „ Mittelpunkte = a — (b -h c) = 1,05 

B. Abstände von der Nordseite der Mauer yz, 
bzw. von ihrer Verlängerung. 

7. Die Nordseite von Mauer 18 und 19 ... . 1,30 

8. „ „ ^ 77 14 5,76 

Anmerkung zu Nr. 8. „Diese 5,76, sagt Kirch- 
hoff, sind das Mass, wenn man einen unregelmässigen 
Porosblock, der sich eng an die Konglomeratfundamente 
von 14 anschliesst, mit zu 14 rechnet . . . Das jetzige 
Nordende von 14, d. i. mit Einschluss des Blocks ist, 
nach dem Material zu urtheilen, wahi'scheinlich nicht das 
antike. Der Porosblock ist räumlich eng, natürlich ohne 
Bindematerial, an das Konglomerat angeschlossen; eben 
darum können beide auch als eine bis 5,76 reichende 
Mauer aufgefasst werden. Der Block ist nach Herrn 
Koldeweys Meinung ein antiker Baustein des Theaters. 
Die jetzige Oberseite desselben muss aber ursprünglich 
unten gelegen haben. Das ist aus der Verdübelung zu 



42 II- Die Ueberreste. 

schliessen. Es ist keine Gussrinne da." Danach werden 
wir wohl annehmen dürfen, dass die Mauer 14 erst 
später verlängert wurde. Der Block verlängert die 
Mauer um 0,66. 
9. Die Nordseite von Mauer 15 2,55 

10. Der Punkt von gh, der von der Verlängerung 

der Mauer 12 (Mitte?) getroffen wird . . . 6,93 

11. Der Punkt von ik, der von der Verlängerung 

der Mauer 13 (Mitte) getroffen wird . . . 7,15 
Anmerkung zu Nr. 11. „Die Wand ik, heisst 
es bei Kirchhoflf, nähert sich mehr als gh der Parallele 
mit yz und in Folge dessen ist die Entfernung bei 13 
grösser als die bei 12. Es ist eben keine gleiche Di- 
oder Konvergenz." 

12. Südwestecke von ik 8,45 

13. Nordostecke von gh 8,25 

Anmerkung zu Nr. 12 und 13. Beide Ecken 
sind als südliche Endpunkte der parallel dem senkrechten 
Durchmesser an den kleinen Kreis gezogenen Tangenten 
anzusehn. 

C. Westöstliche Abstände. 

14. Die Ostseite von 12 von der Westseite von 13 46,70 

15. . . . 14 „ . . .15 21,28 

D. Dicke der Mauern, 

yz = 1,35; wx = 1,50; tv = 0,70; 18 und 19 = i;85; 
12 = 0,75; 13 = 1,50; 14 untere Quaderschicht = 1,35; 
14 obere Quaderschicht = 0,70; 15 = 1,80. 

Welchen ürkreis hat der Erbauer des dionysischen 
Theaters seiner Konstruktion zu Grunde gelegt? Das 
ist die erste Frage, die wir zu beantworten haben. Ist 
es einer von den beiden, deren Durchmesser wir oben 
angegeben haben, und bejahenden Falls welcher? 



% 



1. Das dionys. Theater Athens. 43 

„Nach den Messungen von Petersen, P. Ziller, Kol- 
dewey scheint es, sagt Kirchhoflf im Anfange seines 
zweiten Programms, als ob die alten Architekten mit 
der Messschnur den Lauf von der Vorderkante der 
Umgangsstufe = Hinterkante der untersten Stufe = Rück- 
seite der Sesselreihe durch einen in zwei Tangenten 
tibergehenden grösseren Halbkreis bestimmten." Kirch- 
hoflf meint mit diesen Worten, dass der ürkreis des dio- 
nysischen Theaters zu Athen der grössere unseres Planes 
sei, der die Throne von den übrigen Sitzen abscheidet. 
Diese Annahme halte ich für richtig. Gründe führt 
Kirchhoflf nicht an; ich gebe folgende. 

Zunächst sprechen dafür unsere bei der Unter- 
suchung über die vitruvischen Regeln gefundenen Er- 
gebnisse. Die Länge des Bühnengebäudes im griechi- 
schen Theater ist nach Vitruv, bzw. seiner Quelle wahr- 
scheinlich gleich IV7 Durchmesser des Urkreises (Qua- 
dratseite ■+■ Durchmesser) oder gleich der Hypotenus^e 
eines rechtwinkeligen Dreiecks, dessen Hypotenuse die 
verlängerte die finitio proscaenii bildende Seite eines in 
den Urkreis eingeschriebenen Quadrates ist und dessen 
Katheten diejenigen Linien sind, welche von dem End- 
punkte des auf der finitio proscaenii senkrecht stehenden 
Durchmessers (des senkrechten Durchmessers) durch 
die Endpunkte des der Bühne parallelen Durchmessers 
(des wagrechten Durchmessers) bis zur verlängerten, 
die finitio proscaenii bildenden Quadratseite gezogen 
sind. Nun wissen wir freilich nicht, ob der Baumeister 
des dionysischen Theaters zu Athen die Regel Vitruvs 
oder der Quelle desselben befolgt hat. Indessen eine 
Probe lässt sich ja doch anstellen; stimmt sie, so folgt 
daraus, dass die genannte Regel wenigstens zum Theil 
massgebend gewesen ist und insbesondere dass der von 
uns angenommene Urkreis der richtige ist. Die Probe 



44 II' Die Ueberreste. 

ist auf unserer Zeichnung gemacht, sie stimmt. Die 
Länge des Bühnengebäudes im dionysischen Theater 
muss nach der aus Vitruv erschlossenen Regel sein: 
2 X (28,20 - 4,1297913) = 48,1404174; sie ist in Wirk- 
lichkeit mit Elnschluss der Seitenmauem 48,95, ohne 
diese Mauern 46,70, Grösser also als der von uns an- 
genommene kann der ürkreis nicht wohl gewesen sein 
und kleiner kann er unbedingt nicht gewesen sein. 
Denn wollte man als ürkreis z. B. den nehmen, der auf 
unserer Figur zur Hälfte gezeichnet ist und der die 
Vorderkante der Thronsessel bezeichnet, so würde die 
in dem westlichen Endpunkt der Hypotenuse errichtete 
Senkrechte die Mauer 12 nicht mehr treffen. Die An- 
nahme eines noch kleineren ürkreises (Julius) würde 
noch viel weniger gerechtfertigt sein. 

Eine weitere Bestätigung der Richtigkeit unserer 
Annahme finden wir in den analogen Konstruktionen der 
sonst erhaltenen Theater. Sie scheinen nämlich fast 
durchgehends ürkreise zu haben, die unmittelbar an den 
Treppenenden entlang gehen, so dass zuweilen noch inner- 
halb des Kreises Sitze zu finden sind. Vgl. Theil EI B, 2 B. 

Schliesslich scheint auch die Grösse des kleinen 
Kreises (s. S. 40*) anzudeuten, dass der ürkreis den von 
uns angenommenen umfang hat. Der südliche Endpunkt 
des senkrechten Durchmessers des kleinen Bjreises ist 
vom Mittelpunkt des gi'össeren 11,00 — - 1,05 = 9,95 ent- 
fernt; die der Bühne parallele Quadratseite (finitio pro- 
scaenii) ist dagegen vom Mittelpunkt des ürkreises 14,10 
•—4,1297913 = 9,97 entfernt, sodass sie vom kleinen 
Kreis weder geschnitten noch überhaupt berührt wird. 
Obwohl wir nun die Bedeutung des kleinen Kreises nicht 
zu bestimmen vermögen, so ist es doch nach den Regeln 
des Ebenmasses wahrscheinlich, dass das angegebene 
Verhältnis des kleinen Kreises zur Quadratseite (finitio 



1. Das dionys. Theater Athens. 45 

proscaenii) und somit auch zum grossen Kreise beab- 
sichtigt war; noch wahrscheinlicher wird die Sache bei 
einer Vergleichuug des polykletischen Theaters zu Epi- 
dauros, in dem die finitio proscaenii noch weiter von dem 
Kreise absteht. 

Ich weiss wohl, dass die angeführten Gründe nicht 
frei sind von Zirkelschlüssen ; allein giebt es denn über- 
haupt ein Feld unserer Wissenschaft, in dem wir uns 
nicht im Kreise bewegen? Der Vorwurf der Willkür 
aber kann unsere Festsetzung nicht treffen, wenigstens 
wäre die Willkür nicht grösser als bei Annahme irgend 
eines anderen ürkreises. Denn was giebt uns ein Recht 
als ürkreis anzusetzen z. B. den Bogen der Vorderkante 
der untersten Stufe? Sichere Entscheidung ist nur zu 
erhoffen von einem eindringlichen Studium der einzelnen 
Grundrisse und von einer sorgfältigen Vergleichuug aller 
vorhandenen Reste, wozu freilich kaum erst der Anfang 
gemacht ist. 

Nachdem wir somit eine gewisse Wahrscheinlichkeit 
für unsere Ansetzung des ürkreises gewonnen haben, 
ist die Antwort zu suchen auf die Frage nach der in 
diesen ürkreis vom Urheber des Planes eingezeichneten 
Grundfigur. 

Niemand hat, soviel ich sehe, ein unverächtliches 
Mittel der Rekonstruktion der Theatergrundrisse heran- 
gezogen, ich meine die Richtung der Treppen im Zu- 
schauerraum. Wir wissen ja doch, dass die Dreiecks- 
ecken im römischen Theater und die Quadratecken im 
griechischen Theater die Richtung der Treppen im Zu- 
schauerraum bestimmen; umgekehrt müssen also auch 
aus der Richtung der Treppen die Ecken der Grund- 
figur erschlossen werden können. Dieser Schluss liegt 
so nahe, dass man sich billig wundem könnte, warum 
er nicht früher schon gezogen worden ist, wenn hierfür 



46 II- Die üeberreste. 

nicht eine genügende Erklärung in der verschiedenen 
Zahl der Treppen in den einzelnen Theatern zu finden 
wäre. Indem man nämlich blindlings Vitruv folgte, der 
für das römische Theater sieben und für das griechische 
acht Treppen im untern Zuschauerraum ansetzt, wusste 
man mit der ungeheuer grossen Mannigfaltigkeit der 
Treppenanlagen in den erhaltenen üeberresten nichts 
anzufangen und liess deshalb ihre Besprechung beiseite. 
Da wir, wie schon angedeutet, Vitruv nicht als unbe- 
dingt massgebend anerkennen können, dürfen wir die 
Erörterung der Treppenanlagen nicht wie unsere Vor- 
gänger unterlassen, mag dabei ein Resultat herauskom- 
men, welches es immer sei. 

Nördlich vom wagrechten Durchmesser haben wir 
durch Treppen geschieden elf Keile (xsQxläsg). Die in 
den ürkreis eingeschriebene Grundfigur muss danach 
ein Zweiundzwanzigeck oder zwei Elfecke sein. Dies 
ist eine ganz wunderbare Form, die ausser dem neulich 
aufgegrabenen Theater im Piräus (Karten von Attika, 
Erläuternder Text, Heft I, Berlin 1884, S. 67) und 
dem Theater zu Melos bei Wieseler I, 18 nirgends zu 
finden ist und für die es einen ganz besonderen, frei- 
lich schwer zu errathenden, im attischen Leben liegen- 
den Grund geben muss. Gemäss den vitruvischen Vor- 
schriften über das römische (und griechische) Theater 
hätten wir nun die der Bühne zugekehrten Ecken der 
Grundfigur zur weiteren Eekonstruktion des Theater- 
grundrisses zunächst in Betracht zu ziehen. Allein leider 
gleich hier, wo wir zum ersten Mal die Treppenanlagen 
zur Erschliessung des ursprünglichen Planes zu verwer- 
then beabsichtigen, drängt sich uns die Frage auf, ob 
Btihnenbau und Treppenanlagen im dionysischen Theater 
überhaupt nach einem einheitlichen Gesichtspunkt ge- 
regelt sind, d. h. ob die Ecken der Grundfigur wie für 



1. Das dionys. T^ieater Athens. 47 

den Zuschauerraum die Treppen so für die Bühne die 
finitio proscaenii, die Thüren u. s. w. habe bestimmen 
sollen. Ich glaube mit nein antworten zu müssen aus 
zwei Gründen, erstens weil eine wiederholt angestellte 
Probe keinen irgendwie annehmbaren Erfolg ergeben hat 
und zweitens weil eine andere Grundfigur für den ur- 
sprünglichen Grundriss des Bühnengebäudes als mass- 
gebend mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. 

Der erste von diesen beiden Gründen ist freilich 
nicht gerade erheblich: denn wer in derartigen Kon- 
struktionen besser bewandert ist als ich, wird vielleicht 
das finden, was ich vergeblich gesucht habe; der zweite 
Grund aber ist meines Erachtens kaum abzuweisen. 
Schon bei der Besprechung des ürkreises nämlich ist 
oben dargelegt worden, dass für die Anlage des Bühnen- 
gebäudes eine quadratische Grundfigur massgebend ge- 
wesen ist. Für eine quadratische Grundfigur spricht 
ausserdem, glaube ich, gewichtvoll die Anlage des Thea- 
ters im Piräus; denn wenn die Treppenanlage in diesem 
Theater gleich ist der ganz abnormen des dionysischen 
Theaters zu Athen, so wird Gleichheit oder wenigstens 
grosse Aehnlichkeit auch für den Bühnenbau vorauszu- 
setzen sein.* Nun zeigt sich für diesen Bau im Theater 
des Piräus ganz deutlich eine quadratische Grundfigur. 

Allerdings das Quadrat und die Hilfslinien, die der 
Herausgeber des Theaters Borrmann gezogen hat, sind 
augenscheinlich verfehlt, da die Grundfigur in den klei- 
nen Kreis eingezeichnet ist, sodass weder die Tangente 
noch die Quadratseite die Funktion hat, welche ihr Vi- 
truv zuschreibt. Zur falschen Zeichnung ist Borrmann 
veranlasst worden vielleicht durch die Annahme, dass 
mit den hervorspringenden Bauten, die er Paraskenien 
nennt, das Bühnengebäude seitlich abgeschlossen-, dass 
also die Länge desselben durch die äussern Seiten- 



48 !!• I^iö Ueberreste. 

mauern der sogenannten Paraskenien bestimmt gewesen 
sei. Ausdrücklich spricht sich zwar Borrmann hierüber 
nicht aus, aber auf jene Annahme deutet die Verglei- 
chung des Theaters im Piräus mit dem zu Egesta, „mit 
dem der Bau im Piräus sowohl in seinen Dimensionen 
wie in Konstruktion und Anordnung manches Verwandte 
bietet. '^ Besser hätte Borrmann gethan in Rücksicht 
auf die Bestimmung der Länge des Bühnengebäudes das 
polykletische Theater zu Epidauros heranzuziehen, denn 
es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass die 
hervorspringenden Bauten in der Front des Btlhnenge- 
bäudes im Piräus die äussersten Seitentheile desselben 
waren, weil das athenische Dionysostheater, nach dessen 
Muster das Piräustheater offenbar gebaut worden ist, 
eine verhältnismässig grössere Skenenlänge hatte, be- 
sonders aber weil sonst eine Abweichung von einer fast 
oder vielleicht völlig durchgehenden Regel angenommen 
werden müsste. Es finden sich nämlich nur vier Theater, 
die eine ähnlich geringe Skenenlänge erkennen lassen. 
Das eine von ihnen kommt aber wegen der Kleinheit 
seiner Verhältnisse gar nicht in Betracht, das Theater 
zu Cuiculum bei Wieseler A 20; ebensowenig das Theater 
zu Aizani bei Wieseler 1 13, da das Bühneilgebäude in 
späterer Zeit umgebaut worden ist; auch das dritte kann 
nicht schwer wiegen, das Theater zu Oinoanda A 7, 
weil die Richtigkeit der Aufnahme sehr zu bezweifeln 
ist; und nur das vierte, das Theater zu Telmissos bei 
Wieseler 16, enthält möglicherweise eine, die einzig 
zu zählende Abweichung von der angegebenen Regel. Wenn 
wirklich im Piräus keine Spuren von weiter auswärts 
gelegenen Seitenmauem zu finden waren, so spricht das 
nicht gegen unsere Folgerung. Wir müssen dann eben 
ein gänzliches Verschwinden derselben feststellen, ein 
Verschwinden, das Niemand Wunder nehmen kann: sind 



1. Das dionys. Theater Athens. 49 

ja doch auch von den andern Bühnenmauern dieses 
Theaters nur vereinzelte und ganz unbedeutende Reste 
zu Tage getreten. Aber vielleicht wären dennoch Spuren 
zu finden gewesen, wenn einer genauer zu. suchen Ge- 
legenheit gehabt hätte. 

Doch kommen wir auf die quadratische Grundfigur 
des Piräustheaters zurück! Wenn wir, wie es fast in 
allen Theatern wird geschehen müssen, als ürkreis den 
annehmen, dessen Peripherie an der Vorderkante der 
untersten Treppenstufe entlang geht, so werden die 
Ecken der vorspringenden, von Borrmann Paraskenien 
genannten Bühnentheile von der Kreislinie berührt, und 
die Verbindungslinie dieser Ecken ist, nach meiner in 
Folge des Mangels an Massangaben allerdings nicht 
ausreichend sicheren Probe, so ziemlich genau die der 
Bühne parallele Quadratseite, die finitio proscaenii. Hier- 
aus entspringt die Wahrscheinlichkeit einer quadratischen 
Grundfigur für den Grundriss des Piräustheaters und aus 
dieser wieder gemäss der oben angeführten Analogie 
die gleiche Wahrscheinlichkeit für den Grundriss des 
dionysischen Theaters zu Athen. Der Umstand, dass in 
beiden Grundrissen entgegen der Vorschrift des Vitruv 
die scaenae frons etwas mehr von dem ürkreis entfernt 
ist als eine Tangente, spricht nicht im Mindesten gegen 
eine quadratische Grundfigur, da ähnliche kleine Ab- 
weichungen von der strengen Regel nicht selten vorge- 
kommen zu sein scheinen. 

lieber die Lage der Thüren und ihr Verhältnis zur 
Grundfigur können wir ein Urtheil nicht fällen, da Reste 
von ihnen nicht zu finden gewesen sind. Nur über die 
seitlichen Eingänge zur Bühne lässt sich eine Bemerkung 
machen. Wenn die Seiteneingänge im athenischen Dio- 
nysostheater Thüren waren, was gar nicht sicher ist, da 
auch an offene Eingänge gedacht werden kann, so 

Oe hmic he n, Griech. Theaterbau. 4 



50 II- Die Ueberreste. 

müssen sie gelegen gewesen sein zwischen der Mauer 
wx und den Mauern 18 und 19. Bei dieser Folgerung 
ist mit Julius vorausgesetzt, dass die Mauer yz nur Sub- 
struktionsmauer für das früher hölzerne Bühnengebäude 
gewesen sei, dass sie also nicht höher war als der Bo- 
den des Prosceniums. Wäre dem nicht so gewesen, 
hätte die Mauer yz zur Zeit, als die (auf unserer Zeich- 
nung schwarz ausgefüllten) Stützmauern aufgeführt wur- 
den, über den Boden (das Niveau) des Prosceniums hoch 
herausgeragt, so wären überhaupt seitliche Thüren nicht 
möglich gewesen, wie aus der Zeichnung augenschein- 
lich hervorgeht. Die Breite jener von einigen Gelehrten 
vorausgesetzten Thüren kann höchstens so gross gewesen 
sein als der Abstand der Mauer wx von den Mauern 18 
und 19, und dieser Abstand lässt sich genau folgender- 
massen berechnen. Von der Nordgrenze von yz bis zur 
Nordgrenze von 18 und 19 beträgt die Entfernung 1,30; 
als Dicke von 18 und 19 wird 1,85 angegeben; somit 
liegt die Südgrenze beider Mauern 0,55 südlich von der 
Nordgrenze von yz. Da die ebengenannte Mauer 1,35 
dick ist, so beträgt die Entfernung der Südgrenze von yz 
(= Nordgrenze von wx) von der Südgrenze von 18 und 
19 nur 1,35 — 0,55 = 0,80. Dass ein Mauerabstand von 
0,80 zu gering ist, dass Thüren von solcher Breite nicht 
zweckentsprechend sein konnten, ist, denke ich, selbst- 
verständlich. Daraus folgt für uns mit zwingender Noth- 
wendigkeit, dass die seitlichen Zugänge zur Bühne 
wenigstens im dionysischen Theater Athens nicht Thüren 
gewesen sein können. 

Mehr habe ich über dieses Theater vorläufig nicht 
zu sagen; denn auf die nach Norden vorspringende 
Mauer 14 wage ich keine Vermuthung zu gründen, da 
ihre ursprüngliche Nordgrenze nicht sicher zu bestimmen ist. 



2. Polyklets Theater zu Epidauros. 51 



Zweiter Abschnitt. 

Polyklets Theater zu Epidauros. 

Sehr sehenswerth und durch Harmonie und Schön- 
heit ausgezeichnet war nach dem ürtheile des Pausanias 
das Theater des Polyklet zu Epidauros: II 27,5 ""Em- 
äavqioig äi itSti^ d-iatqov iv IsQio^ ficchtfra ifiol äoxst 
sfpaif d-iag ä^iov rä [liv yäq ^Pcofiaicop noXi) Sri tp 
VTtsQ^xs Tcov navraxov tw x6(f[i(pj [isy^d-st di IdQxddcov 
ro iv MsyaXfi TtoXsr ctqiioviag di ff xdXkovg ^vsxa a^^*"" 
Tixvcop TTotog ig äfiMav IToXvxXsiTM yivoit^ äv ä^ioxQscog; 
üoXvxXs^Tog yäq xal d'iarqov rovro xal oYxij^a zo tvsqi- 
(feqkg 6 noi^^tfag ^v. Es wird also weiter keiner Eecht- 
fertigung bedürfen, dass ich gerade dieses Theater neben 
dem dionysischen Athens zu einer Kesprechung ausge- 
wählt habe. 

Bekannt war es schon ziemlich früh, wie man aus 
dem Wieselerschen Werke ersehen kann. Chandler und 
Leake haben es nur verschüttet gesehen; mehr konnte 
Donaldson berichten, der auch eine Ergänzung des Planes 
versuchte; die Resultate einer späteren Ausgrabung fin- 
den sich in Expedition de Mor6e. Der Plan Blouets ist 
aus diesem Werke von Wieseler in seine Sammlung auf- 
genommen worden. Genauere Kenntnis haben wir ge- 
wonnen durch die neuesten Ausgrabungen, welche im 
Jahre 1881 auf Veranlassung der archäologischen Ge- 
sellschaft zu Athen unter Leitung des Herrn Kabbadias 
angestellt worden sind, und über die der letztere in den 
Praktika der genannten Gesellschaft von demselben 
Jahre Bericht erstattet hat. Diesen Bericht und die bei- 
gegebenen Karten hatte ich Monate lang in dem guten 
Glauben, dass wenigstens das Thatsächliche und die 



52 II- I^ie Ueberreste. 

Zeichnungen nicht ganz unzuverlässig seien, zu vor- 
liegender Arbeit benutzt. Jetzt, nachdem ein Plan des 
Theaters mühsam zusammengestellt und kopirt ist, er- 
sehe ich, dass ganz ausserordentlich wesentliche Dinge 
unrichtig gezeichnet sind. Ich ersehe dies aus den neuen 
Aufnahmen unseres Landsmannes Dörpfeld, welche in 
den Praktika der athenischen archäologischen Gesellschaft 
vom Jahre 1883 veröffentlicht sind. Kabbadias, der auch 
diese neuen Aufnahmen mit einigen Bemerkungen be- 
gleitet, entschuldigt die Ungenauigkeit der früheren Ver- 
öffentlichung mit dem Umstände, dass verschiedene Punkte 
erst durch spätere Nachgrabungen klargelegt worden 
seien. Diese Entschuldigung ist aber nichts weniger als 
zureichend: Aus Kabbadias Bericht und aus der Ver- 
gleichung der Zeichnungen vom Jahre 1881 mit den 
Dörpfeldschen lässt sich unwidersprechlich nachweisen, 
dass die wichtigsten Theile des Theaters bekannt waren 
und nur falsch aufgenommen worden sind. 

Man wird es begreiflich finden, dass infolge des er- 
wähnten ümstandes mich eine gewisse Unlust beschlichen 
hat, und dass ich deshalb jetzt nur mehr einen Auszug 
meiner Ausarbeitung ohne Beifügung eines Grundrisses 
gebe. Die Verständlichkeit wird trotzdem, so hoffe ich, 
nicht allzusehr unter diesem Mangel leiden. Eine end- 
giltige Beschreibung beabsichtige ich nicht, sie ist auch 
gar nicht möglich, bevor durch eine Nachprüfung an Ort 
und Stelle, wobei auch einige Neumessungen vorzunehmen 
wären, die Grundlagen völlig sicher gestellt sind. 

Der Zuschauerraum ist begrenzt durch zwei kon- 
zentrische über den Halbkreis hinausgehende Kreislinien, 
von denen die eine, wie es scheint (vgl. unten), nicht 
ganz regelmässig ist, und nach der Bühne zu durch 
zwei Verbindungslinien, welche von den Endpunkten der 
kleinem Kreislinie nach den Endpunkten der grossem 



k 



2. Polyklets Theater zu Epidauros. 53 

Kreislinie gezogen sind. Der Plan des Zuschauerraums 
ist also hufeisenförmig. Die nur in den Grundsteinen 
noch erkennbare Umfassungsmauer im Rücken der Zu- 
schauer {xaTatofii^)y die durch einen 2,15 breiten Gang 
von der obersten Sitzstufe getrennt ist, und die Abschluss- 
mauem des Zuschauerraums nach der Bühne zu {äpa- 
X7]liliara) sind 0,63 dick und aus Porosstein aufgeführt. 
Die letzteren Mauern endigen nach der Orchestra zu in 
viereckige Platten, deren Höhe 0,27 und deren Ober- 
fläche 0,80 X 0,82 beträgt. Diese Platten haben in der 
Mitte eine viereckige Höhlung, 0,9 tief, 0,62 lang und 
0,59 breit, und waren nach Kabbadias Ansicht zur Auf- 
nahme von je einer Bildsäule bestimmt. 

Der so abgegrenzte Zuschauerraum wird radial durch 
dreizehn Treppen in zwölf Keile {x€Qxid€g) dergestalt ge- 
theilt, dass zehn dieser Keile, von der Bühne aus ge- 
rechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers (bzw. 
zweier wagrechter Halbmesser) liegen, je einer rechts 
und links diesseits desselben. Im zweiten Stockwerk, 
wovon sogleich, sind die angegebenen zwölf Keile durch 
Treppen halbirt; doch enthalten die beiden äussersten 
der so entstandenen vierundzwanzig Keile des Oberstocks 
nur zur Hälfte Sitzplätze: ihre anderen der Bühne zu- 
nächst gelegenen Hälften waren wahrscheinlich für Zu- 
gänge zum Zuschauerraum verwerthet. Konzentrisch ist 
der Zuschauerraum in zwei Stockwerke getheilt und zwar 
durch einen Umgang, der nach dem Text des Kabbadias 
1,90 breit ist. Das obere Stockwerk enthält zwanzig, 
das untere zweiunddreissig einfache Sitzstufen. Ausser 
den gewöhnlichen Sitzstufen finden sich noch drei Sessel- 
reihen, ein Umstand, der Beachtung verdient; denn eine 
untere Sesselreihe kommt ja auch sonst hin und wieder 
vor, ebenso eine zweite obere, wenn auch sehr selten, 
nirgends aber, so viel ich sehe, eine dritte. Eine dieser 



54 II. Die Ueberreste. 

Sesselreihen befindet sieh vor der untersten Sitzstufe des 
unteren Stockwerks, eine hinter der obersten Sitzstufe 
desselben Stockwerks und eine vor der untersten Sitz- 
stufe des oberen Stockwerks. Unmittelbar hinter der 
untersten wie hinter der obersten Sesselreihe läuft eine 
kleine Umgangsstufe, zwischen der mittelsten und der 
obersten der schon oben erwähnte die Stockwerke schei- 
dende Umgang (praecinctio). 

Abgesondert wird der Zuschauerraum von dem mitt- 
leren Theil der gesammten Theateranlage, einer mit 
einer steinernen Einfassung versehenen kreisrunden Fläche 
(Orchestra), durch einen steingepflasterten Gürtel, der in 
der Mitte, wo er von dem senkrechten Durchmesser des 
Urkreises geschnitten wird, 2,10 breit ist, der sich aber 
auf beiden Seiten nach der Bühne zu bis auf 2,84 er- 
weitert. Die Grenzlinie zwischen diesem Gürtel und dem 
Zuschauerraum (= untere Begrenzung des Zuschauer- 
raums) und die Grenzlinie zwischen dem Gürtel und der 
Orchestra (= Orchestrakreis) sind zum Theil konzentrisch. 
So verhält es sich wenigstens nach den Messungen und 
Zeichnungen Dörpfelds. Anders liegt die Sache nach 
der Zeichnung (nicht nach dem Text, der darüber 
schweigt) der früheren Veröffentlichung vom Jahre 1881. 

Nach dieser sind zwei Mittelpunkte mit einem Ab- 
stände von ungefähr 0,62 anzunehmen, einer für die un- 
tere Begrenzung des Zuschauerraumes und einer für den 
inneren Kreis, wie sie sich ähnlich im dionysischen 
Theater Athens finden. Eine Bestätigung der einen oder 
andern Ansicht wäre erwünscht. 

Oben war angedeutet worden, dass die untere Be- 
grenzung des Zuschauerraums nicht eine regelmässige 
Kreislinie zu sein scheine, und soeben war erwähnt wor- 
den, dass nach Dörpfeld die untere Begrenzung des Zu- 
schauerraumes und der Orchestrakreis zum Theil kon- 



■\ 



2. Polyklets Theater zu Epidauros. 55 

zentrisch seien. Diese allgemein gehaltenen Angaben 
bedürfen einer Erläuterung. Nach Dörpfeld ist die un- 
tere Begrenzung des Zuschauerraums nur in der Mitte, 
an acht Keile entlang, mit dem Orchestrakreise konzen- 
trisch; nach der Bühne zu, meint er, trete rechts und 
links eine Erweiterung der Kreislinie ein, indem mit 
einem grösseren Halbmesser von einem zweiten und 
dritten Mittelpunkt aus, die etwa sieben Meter von ein- 
ander und drei bis vier Meter vom Hauptmittelpunkte 
entfernt seien, die übrigen Keile des Zuschauerraumes 
rechts und links abgegrenzt würden. Die untere Be- 
grenzung des Zuschauerraumes besteht also nach Dörp- 
felds Ansicht aus drei verschiedenen, aber ineinander 
übergehenden Kreisbögen. Die Form der unteren Be- 
grenzung des Zuschauerraumes ist auch, wenn Dörpfeld 
recht gesehen hat, für die Treppenanlage des Zuschauer- 
raumes massgebend gewesen, insofern als von den Trep- 
pen die drei äussersten jeder Seite , die der Bühne zu- 
nächst liegen, nach dem zweiten, bzw. dritten Mittel- 
punkte zu gerichtet sind, die übrigen im mittleren Theile 
des Zuschauerraums gelegenen dagegen nach dem Haupt- 
mittelpunkte zu. 

Die Oberfläche des vorhin besprochenen die Or- 
chestra einschliessenden Gürtels, auf den zurückzukom- 
men nicht unangebracht sein wird, liegt ungefähr 0,21 
tiefer als die Oberfläche der Orchestra. Diese tiefe Lage 
und zwei in kleiner Entfernung vom wagrechten Durch- 
messer nach der Bühne zu angebrachte Löcher in dem- 
selben weisen deutlich darauf hin, dass er unter andern 
die Bestimmung hatte das im Zuschauerraum sich an- 
sammelnde Wasser in Kanäle abzuleiten. 

Die Orchestra ist nicht gepflastert, sondern ein Sand- 
boden (ßöacfog Tex^fftöt^ ix xöpeoog) mit einer steinernen 
Einfassung, die aber über die Obei*fläche der Orchestra 



56 II. Die Ueberreste. 

nicht herausragt. In der Mitte der Orehestra ist fest in 
den Boden eingelassen ein runder Stein, mit einem Durch- 
messer von 0,71 und ebensowenig wie die steinerne Ein- 
fassung die Orchestraoberfläche überragend. Ein tiefes 
Loch in der Mitte des Steins bezeichnet den Mittelpunkt 
des Orchestrakreises und des mittleren Theiles des Zu- 
schauerraumes. Eine so gebildete Orehestra ist bis jetzt 
nicht bekannt; da sie aber augenscheinlich aus früher 
Zeit stammt, ist sie für die Erforschung der ältesten 
Theaterkonstruktion gegenüber allen übrigen meist um- 
gebauten von massgebendem Gewicht. 

Ebenso eigenthtimlich und ebenso bedeutend für die 
Untersuchung ist der vordere Theil des Bühnengebäudes, 
dessen Mauern freihch, wie aus der Zeichnung auf Tafel 
D der ersten Veröffentlichung zu schliessen ist, wohl 
ebenso jetzt nur mehr bis zu einem halben Meter über 
den ursprünglichen Boden hervorragen werden wie die 
Bühnenhinterwand (frons scaenae), von der Kabbadias 
dies ausdrücklich versichert. Die Basis der Vorder- 
mauer des Hyposkenions (finitio proscaenii) ist nach 
Kabbadias 0,38 von der parallel dem wagrechten Durch- 
messer an den Orchestrakreis gezogenen Tangente ent- 
fernt. Die gradlinige Mitte und die quadratisch nach 
der Orehestra zu vorspringenden Enden dieser Mauer 
waren mit achtzehn Halbsäulen aus Porosstein ge- 
schmückt. Genau in der Mitte hat der mittlere Theil 
der Mauer eine Oeffnung (bei Dörpfeld angegeben, nicht 
aber in der Zeichnung vom Jahre 1881) und ebenso 
jeder der quadratischen Vorsprünge je eine. Die seit- 
lichen Maueröfihungen sind zugemauert worden, wie ver- 
muthet mrd, in römischer Zeit, wo sie nicht mehr be- 
nutzt werden konnten. Die Höhe dieser Mauer und 
somit des Hyposkenions beträgt nach Dörpfelds Ergän- 
zungsversuch zwölf Fuss. Die Fortsetzungen der Vorder- 



^ 



2. Polyklets Theater zu Epidauros. 57 

mauer des Hyposkenions nach rechts und links liegen 
nur wenige Meter lang in gleicher Fluchtlinie mit dem 
mittleren Theile derselben, dann weichen sie nach dem 
Bühnengebäude zu zurück und nähern sich etwas einer 
den Analemmata parallelen Linie; Maueröfiiiungen haben 
diese Mauerfortsetzungen da, wo sie an die quadrati- 
schen Vorsprünge des Hyposkenions anstossen. Abge- 
schlossen wird der vordere Theil der gesammten Bühnen- 
anlage nach hinten durch eine gerade Mauer (scaenae 
frons) und an den Seiten durch Pfeiler und Thüren. Die 
eben genannte gerade Mauer, hinter der die eigentliche 
Skene und einige Seitenräume liegen, ist von der Vorder- 
mauer des Hyposkenions 4,24 entfernt (= Bühnentiefe) •, 
Thüren in ihr, welche von den hinteren Räumen auf die 
Bühne führten, sind natürlich beim Niedersturz der Mau- 
ern spurlos verschwunden, aber nichtsdestoweniger vom 
griechischen Zeichner in seinen Grundriss eingetragen 
worden. Von den Pfeilern der seitlichen Abschlüsse des 
Vorderraumes sind die Basen erhalten und im Osten ein 
beinahe einen Meter hoher Best. 

Die rechts und links vom Proscenium liegenden 
seitlichen Theile des Vorderraums der gesammten Bühnen- 
anlage sind nach Dörpfelds Wiederherstellungsversuch 
nicht Seitenflügel oder Seitenräume, sondern steinerne 
Treppen gewesen, über die man, von aussen durch die 
Seiteneingänge schreitend, auf die Bühne gelangte und 
über die man ebendahin auch von der Orchestra aus 
gelangte, wie aus einigen Stufen zu schliessen ist, die 
in der Nähe der Seiteneingänge an die Treppen gelegt 
sind. Hat Dörpfeld Recht — und alle Anzeichen sprechen 
dafür — , so wird diese, die epidaurische, Anlage als 
Ausgangspunkt für alle Rekonstruktionsversuche der äl- 
testen griechischen Bühne, wie mir scheint, betrachtet 
werden müssen, obwohl sie einzig dasteht. Denn einzig. 



58 II' Die Ueberreste. 

glaube ich, ist sie nur deshalb, weil in den übrigen 
Theatern die entsprechenden Treppen wahrscheinlich 
aus Holz hergestellt waren, also nicht erhalten sein 
können. 

Der dem gesammten Theaterbau zu Grunde liegende 
Urkreis, nach welchem wir wie im dionysischen Theater 
Athens so hier zunächst zu suchen haben, ist nicht der, 
den Dörpfeld, nach den Hilfslinien seiner Zeichnung zu 
urtheilen, anzunehmen scheint, und der entlang der Vor- 
derkante der untersten Sesselstufe geht, sondern wie im 
dionysischen Theater Athens der, welcher die untersten 
Sessel von den übrigen Sitzen scheidet und mit der von 
der Vorderkante der untersten ümgangsstufe gebildeten 
Kreislinie wenigstens zum Theil zusammenfällt. Für die 
Richtigkeit unserer Annahme sprechen ausser der allge- 
meinen Wahrscheinlichkeit drei Umstände: 1. die Länge 
des Bühnengebäudes beträgt genau 1% Durchmesser 
des von uns angenommenen Urkreises, und so lang soll 
das Bühnengebäude im griechischen Theater nach Vitruv 
sein; 2. die Länge des Hyposkenions ist, soweit das 
vorliegende Material zu schliessen gestattet, gleich dem 
Durchmesser unseres Urkreises, ein Verhältnis, das zwar 
von Vitruv nicht vorgeschrieben wird, das aber in die 
Harmonie des Ganzen sich schön eingliedert, das deshalb 
nicht zufällig entstanden sein kann und das bei An- 
nahme eines andern Urkreises gänzlich schwindet-, 3. die 
inneren Ecken der quadratischen Vorsprünge der Vorder- 
mauer des Hyposkenions fallen in die Peripherie unseres 
Urkreises, wenn die Dörpfeldsche Zeichnung und meine 
Probe richtig ist; auch dieses letztere schöne Verhältnis 
würde bei Annahme eines anderen Urkreises gestört 
werden. 

Um die in diesen Urkreis eingezeichnete Grundfigur 
des Grundrisses zu finden, gehen wir auch hier von der 



^ 



2. Polyklets Theater zu Epidauros. 59 

Betrachtung der Treppenanlage im Zuschauerraum aus. 
Durch den wagrechten Durchmesser des ürkreises wird 
vom Zuschauerraum ein Halbkreis abgeschnitten, der elf 
Treppen und zehn untere Keile enthält. Die in den ür- 
kreis eingezeichnete Grundfigur kann danach weder durch 
vier gleichseitige Dreiecke noch durch drei Quadrate 
gebildet gewesen sein, wie Vitruv für das römische, bzw. 
griechische Theater vorschreibt, sie muss vielmehr aus 
vier regelmässigen Fünfecken bestanden haben. 

Die oben angeführten, von Dörpfeld angenommenen Ab- 
weichungen der unteren Begrenzung des ZuschaueiTaums 
von der genauen Kreislinie sind nicht bedeutend genug, 
um unsere Schlussfolgerung als ungerechtfertigt erschei- 
nen zu lassen. Etwas anderes wäre es, wenn der untere 
Treppenabstand (= Dicke der Keile an der unteren Be- 
grenzung des Zuschauerraums) auf der Dörpfeldschen 
Zeichnung der Wirklichkeit ganz genau entspräche — 
sie beträgt dort ein klein wenig mehr als die Seite eines 
in den ürkreis eingeschriebenen gleichseitigen Zwanzig- 
ecks. — Leider hat Dörpfeld unterlassen das genaue 
Mass des unteren Treppenabstandes anzugeben, so dass 
eine Prüfung seiner Zeichnung durch Rechnung nicht 
möglich ist. Wenn wir aber bei den griechischen Thea- 
tern als Kegel, wie es scheint, ohne Ausnahme finden, 
dass der untere Treppenabstand gleich ist der Seite 
eines in den ürkreis eingezeichneten, durch die Ecken 
der Grundfigur bestimmten Vielecks, so werden wir das 
gleiche Verhältnis für das polykletische Theater voraus- 
zusetzen ein Eecht haben und annehmen dürfen, dass 
ein kleines Versehn in der Aufnahme stattgefunden hat, 
und dass in dieser einzigen Beziehung die der ersten 
Veröffentlichung beigegebene Zeichnung getreuer ist. 

Doch Fünfecke, wird man fragen, Fünfecke als 
Grundfigur? Gewiss! Wunder kann es nur den nehmen. 






I 



60 !!• E)ie Ueberreste. 

dem Vitruvs Kegeln als heilige Offenbarung gelten, oder 
der da meint, dass der goldene Schnitt den Alten un- 
bekannt gewesen sei. Mit Hilfe des goldenen Schnittes 
nämlich ist die Grundfigur herzustellen, da die grössere 
Hälfte des durch den goldenen Schnitt getheilten Halb- 
messers gleich ist der Seite eines in den Kreis einge- 
schriebenen gleichseitigen Zehnecks. Ich habe freilich 
nicht nachgesehn, ob in den uns hinterlassenen Hand- 
büchern der Alten eine Theorie des goldenen Schnittes 
«u finden ist; allein gesetzt, es sei nicht der Fall, so ist 
damit für die Praxis nicht das Mindeste bewiesen. Denn 
in der Praxis war der goldene Schnitt bekannt, wie 
nicht bloss das polykletische Theater klärlich zeigt, son- 
dern eine ganze Reihe anderer, die im nächsten Ab- 
schnitt besprochen werden sollen. 

Also diese das schönste Ebenmass, das es giebt, 
herbeiführende Grundfigur (vier regelmässige Fünfecke) 
hat Polyklet wenigstens für die Konstruktion des Zu- 
schauerraumes zu Grunde gelegt. Ob auch für die der 
Bühne? Von vornherein ist diese Frage nicht unbedingt 
zu bejahen: die Anlage des dionysischen Theaters in 
Athen hat uns vorsichtig gemacht. Dort war für den 
Zuschauerraum eine aus welchem Grunde immer ver- 
anlasste ungewöhnliche Grundfigur vorhanden, eine an- 
dere für die Bühne anzunehmen. Die letztere war die 
für das griechische Theater im Allgemeinen vorauszu- 
setzende quadratische. Probiren wir wie dort so hier, 
ob für die Bühnenkonstruktion eine quadratische Grund- 
figur massgebend gewesen ist. Wir berücksichtigen zu- 
erst die Länge der gesanmiten Bühnenanlage. Ziehen 
wir dieselben Hilfslinien wie im Grundriss des dionysi- 
schen Theaters, so finden wir, dass die Länge der ge- 
sammten Bühnenanlage nicht grösser und nicht kleiner 
ist als die Hypotenuse des durch die Hilfslinien gebilde- 






« • 



2. Polyklets Theater zu Epidauros. 61 

ten Dreiecks, mit andern Worten, dass sie genau IV7 
Durchmesser des ürkreises beträgt, wie oben schon an- 
gedeutet worden ist. Die quadratische Grundfigur ist 
also für den polykletischen Bühnenbau massgebend ge- 
wesen. Doch halt! Der Schluss geht zu weit. Muss 
denn, wenn die Länge der Anlage durch eine quadra- 
tische Grundfigur bestimmt war (Quadratseite + Durch- 
messer), auch die übrige Konstruktion sich nach ihr ge- 
richtet haben? Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht 
ja' hierfür, und wir haben oben bei Besprechung des 
dionysischen Theaters in Athen diese Wahrscheinlichkeit 
geltend gemacht. Aber nicht sie allein, und das ist sehr 
wesentlich. Allein ist sie kein genügender Beweisgrund; 
es müssen vielmehr noch andere hinzukommen, und zu- 
sammen erst werden sie überzeugend wirken. So war 
es beim dionysischen Theater Athens; sehen wir also 
zu, ob wir noch andere Anzeichen finden, die auf eine 
quadratische Grundfigur der polykletischen Bühne hin- 
deuten. Ich kann versichern, dass ich, nicht blind ge- 
worden durch die gleich zu erwähnende Ansicht, alle 
möglichen Proben angestellt habe ; aber ich habe nichts 
gefunden. Es wird deshalb die Annahme nicht unge- 
rechtfertigt erscheinen, dass Polyklet zwar zur Bestim- 
mung der Skenenlänge, wahrscheinlich nach dem Muster 
anderer Theater, die quadratische Grundfigur verwerthet 
habe, für die übrige Konstruktion der Bühne aber eben- 
sowenig wie für den Bau des Zuschauerraums. 

Weil gleichseitige in den ürkreis eingeschriebene 
Fünfecke für die Ansetzung der Treppen im Zuschauer- 
raum sicher massgebend gewesen sind, wird mit ihnen - 
die nächste Probe anzustellen sein. Der Erfolg ist 
äusserst günstig. Ein Umstand zwar nm*, aber, wie ich 
meine, ein ausschlaggebender, kennzeichnet die regel- 
mässigen Fünfecke als Grundfigur auch der Bühnen- 



62 II' E)ie Ueberreate. 

anläge. Nach der Vorschrift Vitruvs ist die der Bühne 
zunächst liegende, ihr parallele Quadratseite die finitio 
proscaenii. Genau ebenso ist es hier, nur dass statt 
Quadratseite Fünfeckseite zu sagen ist: Die finitio pro- 
scaenii im polykletischen Theater wird gebildet durch 
die Seite eines gleichseitigen in den ürkreis eingeschrie- 
benen Fünfecks, welche der Bühne parallel läuft und 
ihr zunächst liegt. 

Demnach dürfen wir als ausserordentlich wichtiges 
Resultat unserer Untersuchung verzeichnen, dass Polyklet 
sein durch harmonische Verhältnisse und Schönheit im 
Einzelnen wie Ganzen ausgezeichnetes Theater fast 
durchaus oder, sagen wir lieber gleich^\ durchaus ab- 
weichend vom dionysischen Theater Athehß konstmirt 
hat: dass er zwar als Länge der gesammteir\Bühnen- 
anlage 1°/? Durchmesser des Urkreises angese^ hat, 
dass er aber als Grundfigur für die Treppenanla^n ™ 
Zuschauerraum sowohl als für die Konstruktion \ der 
Bühne gleichseitige Fünfecke gewählt hat, also diejei 
Figur, welche mehr als jede andere eine ebenmäs« 
Gliederung der Bauanlage in sich schliesst. 



Dritter Abschnitt. 

Die übrigen Theaterüberreste. 

Dass ich die übrigen Theaterüberreste nicht in der- 
selben ausführlichen Weise bespreche wie die zu Athen 
und Epidauros, ist selbstverständlich. Einerseits sind i 
die Veröff*entlichungen derselben, wie schon angedeutet \ 
worden ist, für unsere Zwecke nicht genügend, anderer- '^ 



3. Die übrigen Ueberreste (Einl.). 63 

seits würde für die Untersuchung der gesammten Theater- 
überreste, selbst wenn genügende Unterlagen vorhanden 
wären, kaum ein Ende abzusehen sein. Jeder, der ähn- 
liehe Untersuchungen angestellt hat, wird gern zugeben, 
dass bei dem Lösungsversuch einer einzigen Frage eine 
Reihe anderer Fragen auftaucht, deren Beantwortung 
uns in die Weite, zuweilen auch wohl in die Irre führt. 
Um bald zu einem gewissen Abschluss zu kommen, 
musste ich mir mancherlei Beschränkungen auferlegen. 

Eine Beschränkung habe ich zunächst bei dem Ma- 
terial eintreten lassen, insofern als ich mit ganz wenigen 
Ausnahmen nur das Wieselersche Sammelwerk benutzt 
habe, nicht aber die Veröffentlichungen, auf die dieses 
sich stützt oder die später erschienen sind. Dass infolge 
dessen meine Arbeit sehr unvollkommen sein wird, weiss 
ich; ich weiss aber auch, dass trotzdem meine Mühe 
nicht vergeblich sein wird. 

Eine andere Beschränkung habe ich mir auferlegt 
in Bezug auf die festzustellenden Thatsachen. Es kommt 
mir in erster Linie darauf an, die Grundfigur herauszu- 
finden, von welcher der Baumeister bei der Theater- 
konstruktion ausgegangen ist. Zu diesem Zwecke beachte 
ich zunächst die Treppenanlagen im Zuschauerraum: 
aus der Zahl und der Lage dieser Treppen ist, wie ich 
gezeigt habe, ein Schluss auf die in den Urkreis einge- 
schriebene Grundfigur zu ziehen. Da aber Zuschauer- 
raum und Bühnenanlage nicht immer nach ein und der- 
selben Grundfigur konstruirt zu sein brauchen, wie uns 
das dionysische Theater Athens gelehrt hat, so sind 
weiter in Betracht zu ziehen die Länge des Bühnenge- 
bäudes und die Thüren in der Bühnenhinterwand. Die 
Länge des Bühnengebäudes habe ich nun zwar überall, 
wo es möglich war, festzustellen gesucht, nicht aber 
immer die Anlage der Thüren berücksichtigt. Diese 



64 n. Die Ueberreste. 

Beschränkung wird Anlass zu verschiedenen Berichti- 
gungen geben, aber sie war nöthig, weil die Kleinheit 
der Figuren im Wieselerschen Werk eine genaue Mes- 
sung nicht gestattet. Ich suche ferner das Verhältnis 
der Bühnenhinterwand zum ürkreis zu bestimmen, d. h» 
ob sie eine Sehne oder Tangente des ürkreises bildet. 
Dagegen lasse ich das Verhältnis der Bühnenvorderwand 
(finitio proscaenii) zum ürkreis meist unbeachtet, theils 
weil es vielfach in den Plänen nicht deutlich hervortritt, 
theils weil es für unsere Zwecke nicht von wesentlichem 
Belang ist. Hinterräume, Seitenräume, Seiteneingänge, 
Treppen an der Bühne, Wasserleitungen, und was sonst 
noch in der Orchestra oder im Bühnengebäude gefunden 
worden ist, unterlasse ich anzugeben ebenso wie die 
Diazomata, Sessel u. s. w., die im Zuschauerraum er- 
scheinen. Das einzige, was ich anmerke, weil es leicht 
zu bestinmaen ist und nicht unwesentlich zu sein scheint, 
ist das Verhältnis der Grenze zwischen Orchestra und 
Zuschauerraum, die einen Theil des ürkreises ausmacht, 
zu diesem ürkreis, d. h. ich untersuche, ob diese Grenze 
die Hälfte des ürkreises beträgt wie im römischen Theater 
nach Vitruv oder Vi 2 des ürkreises wie im griechischen 
Theater nach demselben Gewährsmann, oder ob sie mehr 
oder weniger beträgt. 

Der Kürze wegen bezeichne ich, wenn ich nicht 
ausdrücklich das Gegentheil bemerke, mit ürkreis den 
Kreis, dessen Peripherie an den unteren Treppenenden 
des Zuschauerraumes entlang geht ; unter Tangente ver- 
stehe ich die an den ürkreis gezogene Tangente, unter 
Sehne eine Sehne dieses ürkreises, unter Vieleck immer 
ein gleichseitiges, regelmässiges, in den ürkreis einge- 
schriebenes Vieleck. Theatergrundrisse, deren Bespre- 
chung sich nicht lohnt, übergehe ich einfach mit Still- 




3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler I). ß5 

schweigen. Aus praktischen Gründen folge ich der 
Anordnung Wieselers. 

Tafel I bei Wieseler. 

1. Theater des Dionysos zu Athen. Vgl. oben. 

2. Theater zu Adria. 

3. Theater zu Side. Als ürkreis nehme ich den 
zweiten, vom Mittelpunkt aus gerechnet, an. Die Grund- 
figur besteht aus drei Sechsecken. Dass drei Sechsecke 
anzunehmen sind, nicht etwa sechs Dreiecke, ergiebt 
sich aus der.Skenenlänge, welche mit Einschluss der 
Seitenräume = Sechseckseite -+- Durchmesser = drei Ra- 
dien ist. Die der Bühne zunächst gelegene und ihr 
parallele Sechseckseite ist, wie es scheint, genau die 
finitio proscaenii. Ob die scaenae frons mit der Tan- 
gente zusanmienfällt, lässt sich nicht bestinunt entschei- 
den. Das Verhältnis der unteren Begrenzung des Zu- 
schauerraumes zum ürkreis ist 11 : 18, mit anderen 
Worten: Das untere Stockwerk des Zuschauerraxmies 
besteht aus elf Keilen, die übrigen sieben von den acht- 
zehn möglichen Keilen sind für das Bühnengebäude und 
die Orchestraeingänge verwerthet. 

4. Theater zu Myra. Der ürkreis ist auch hier, 
von dem Mittelpunkte aus gerechnet, der zweite des 
Grundrisses. Als Grundfigur des Zuschauerraumes sind 
vier Sechsecke anzunehmen. Ausnahmsweise werden 
hier durch die Winkel der Griindfigur nicht die Treppen 
des ünterstocks, sondern des Oberstocks bestimmt; die 
Treppen des ünterstocks sind mitten zwischen den Ra- 
dien der Grundfigur. Wie die Lage der Treppen des 
üftterstocks ist auch die untere Begrenzung des Zu- 
schauerraumes ungewöhnlich: sie umfasst ^^24 des ür- 
kreises, während die praecinctio nur ^^24 des entsprechen- 
den Kreises enthält. Die Länge der Skene beträgt 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. 5 



66 II» Die üeberreste. 

Sechseckseite -+- Durchmesser = drei Radien. Die Rich- 
tigkeit unserer Grundfigur ergiebt sich aus den der 
Hauptthür zunächst gelegenen Seitenthüren: ihre Lage 
ist bestimmt durch Linien, welche vom Mittelpunkte des 
TJrkreises aus durch die Endpunkte der dem Proscenium 
zunächst gelegenen, ihr parallelen Sechseckseite bis zur 
Bühnenhinterwand gezogen werden. Die Lage der letz- 
teren ist gegeben durch die Tangente. 

5. Theater zu Patara. Die Kleinheit des Planes 
gestattet ein sicheres ürtheil nicht. Wenn ich recht 
sehe, geht hier der ürkreis wohl auch an den unteren 
Treppenenden entlang. Die Grundfigur wird, wenigstens 
was den Zuschauerraum anlangt, durch zwei Siebenecke 
gebildet. Es ist leicht möglich, dass für die Btihnen- 
anlage eine andere, eine quadratische Grundfigur be- 
stimmend gewesen ist, da die Länge der gesammten 
Bühnenanlage 1% Durchmesser beti-agen zu haben scheint. 
Als scaenae frons darf mit ziemlicher Sicherheit die Tan- 
gente angenommen werden. Ungefähr Vi 4 des ürkreises 
scheint die untere Begrenzung des Zuschauerraumes zu 
betragen; wir dürfen aber wohl eine kleine TJngenauig- 
keit der Zeichnung voraussetzen und volle Vi 4 schreiben. 

6. Theater zu Telmissos. Der ürkreis geht 
hier wie sonst an den unteren Treppenenden entlang. 
Eingeschrieben in ihn ist ein Vierzehneck, nicht zwei 
Siebenecke. Ich schliesse das aus dem Umstände, dass 
die Skenenlänge gleich Vierzehneckseite H- Durchmesser 
ist. Die beiden Seitenthüren in der Bühnenhinterwand 
sind durch Halbirungslinien zweier Winkel des Vierzehn- 
ecks bestimmt. Hieraus und aus der Skenenlänge ist 
ersichtlich, dass für Treppen- und Bühnenanlage dieselbe 
Grundfigur massgebend gewesen ist. Die Bühnenhinter- 
wand tritt etwas mehr als gewöhnlich gegen den Zu- 
schauerraum vor; sie ist also nicht eine Tangente, son- 



3. Die übrigen üeberreste (Wieseler I). 67 

dem eine Sehne des ürkreises. In welchem Verhältnisse 
aber diese Sehne zum ürkreise, bzw. zur Grundfigur 
steht, vermag ich nicht zu erkennen. Die untere Be- 
grenzung beträgt beinahe Vu des ürkreises, nicht volle 
Vi 4; ^^^^ d^® Endkeile etwas schmäler sind als die mitt- 
leren. Anmerken möchte ich hier, dass meine eben 
gemachten Bemerkungen nach dem vorliegenden Material 
(Text und Abbildung bei Wieseler) nicht anders sein 
konnten, dass sie mir aber der Wirklichkeit wenig zu 
entsprechen scheinen. Ich glaube vielmehr, dass hier 
wie im Theater zu Aizani 1 13 ein Umbau der Bühne 
anzunehmen ist. Darauf deuten die der Bühne ziemlich 
parallelen Analemmata und die Skenenlänge : vgl. S. 48. 

7. Kleines Theater (Odeon) zu Knidos. In 
den ürkreis, der nicht zweifelhaft sein kann, sind drei 
Quadrate als Grundfigur eingeschrieben. Der Zuschauer- 
raum in seiner unteren Begrenzung umfasst sieben von den 
zwölf möglichen Keilen, die Grenze beträgt demgemäss 
7i2 des ürkreises. Für die Btihnenanlage war die qua- 
dratische Grundfigur wohl ebenso wie für die Treppen- 
anlage massgebend, da die Skenenlänge zwei Quadrat- 
seiten beträgt. Als Bühnenhinterwand dürfen wir die 
Tangente ansehen. 

8. Theater zu Stratonikeia. Wahrscheinlich 
bestand die Grundfigur aus vier Quadraten. Die Treppen 
des Oberstocks, nicht die des ünterstocks scheinen sich 
nach den Ecken der Grundfigur gerichtet zu haben. Die 
Grösse des Zuschauerraumes lässt sich nicht genau bestim- 
men; die untere Begrenzung desselben scheint jetzt %ß 
des ürkreises zu betragen, sie hat aber früher vermuth- 
lich ^Vi6 desselben umfasst. 

9. Theater zu Jasos. Der ürkreis ist ausnahms- 
weise der engste Kreis des Grundrisses. Mit Vitruvs 
Vorschrift über die Konstruktion des griechischen Thea- 

5* 



68 n. Die Ueberreste. 

ierB stimmt hier^ dass die Gnmdfignr aus drei QnadratoB 
gebildet wird, dass die Länge des Bühnengebäudes IV7 
-Durehmesser des Urkreises beträgt und dass die Treppen 
'des Zuschauerraumes durch sieben von den zwölf Win- 
keln der Grundfigur bestimmt werden; nicht mit ihr 
stimmt aber, dass die der Bühne zunächst gelegene und 
ihr parallele Quadratseite, also eine Sehne des Urkreises, 
^ie scaenae frons und nicht die finitio proscaenii bildet. 
Von der eigentlichen Bühne ist, wie es scheint, keine 
Spur zu erkennen, also dürfte vielleicht ein Holzbau an- 
zunehmen sein. 

10. Theater zu Milet. 

11. Theater zu Laodikeia (am Lykos). Wie 
im polykletischen Theater zu Epidauros bilden Fünfecke 
•die Grundfigur, aber nicht vier wie dort, sondern nur 
^ei. Von den fünfzehn möglichen Keilen umspannt dife 
untere Begrenzung des Zuschauerraumes neun. Nach 
der Grundfigur ist vielleicht auch die Skenenlänge be- 
stimmt, da sie gleich Fünfeckseite 4- Durchmesser zu 
sein scheint. Die beiden äussersten Eäume sind bei 
dieser Massangabe nicht mitgerechnet ; sie enthielten ver- 
muthlich Treppen, die zum Diazoma führten, und waren 
dann zum Zuschauerraum und nicht zur Bühne gehörig. 
Mit diesen Räumen würde die Skenenlänge zwei Durch- 
messer betragen. Doch da die beiden Seiten der Btthnen- 
anlage auf der Zeichnung wenigstens sich einander nicht 
genau entsprechen, lassen wir die Frage nach der Skenen- 
länge lieber offen. Die Bühnenhinterwand, in der Mitte 
ausgebaucht, war durch eine Sehne des Urkreises be- 
stimmt. 

12. Theater zu Hierapolis. Sechs, bzw. drei 
Dreiecke werden wir als Grundfigur annehmen müssen, 
weil die Länge der gesammten Bühnenanlage gleich 
Dreieckseite -f- Durchmesser ist. Für den Zuschauerraum 



3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler I). 69 

sind zehn von den achtzehn; bzw. fünf von den neun mög- 
liehen Keilen verwendet worden. Die Tangente bestimmt 
die Lag« der Hinterwand der eigentlichen. Skene, der Vor- 
dermauer^ von aussen gesehn, nicht die Bühnenhinterwand 
(■scaenae feons); diese ist vielmehr eine Sehne des ür- 
kreises, deren Verhältnis zur Grundfigur auf dem Plane 
bei Wieseler nicht zu erkennen ist. Die Lage der fünf 
Thüren in des Bühnenhinterwand ist, wenn ich mich 
nicht täusche, durch Halbirungslinien von Dreiecksvrin- 
l^eln gegeben. 

13. Theater zu Aizani. Der TJrkreis ist nicht 
genau der erste Kreis des Grundrisses, vom Mittelpunkt 
ans gerechnet, aber auch nicht der zweite. Seine Peri- 
ph/erie liegt in der Mitte zwischen den Peripherien bei- 
der. Als Grundfigur darf man wohl nur ein Yierzehneck 
ansetzen. Die jetzige Skenenlänge ist gleich Vierzehn- 
eckseite + Durchmesser, aber das Bühnengebäude ist 
umgebaut und die ursprtingliche Skenenlänge ist, wie es 
scheint, nicht mehr zu bestimmen. Die untere Begren- 
zung des Zuschauerraumes beträgt ungefähr Vu des ür- 
kreises, d. h. sie umfasst von den vierzehn möglichen Keilen 
neun ungefähr, und zwar ungefähr deshalb, weil auch 
hier die beiden Endkeile etwas schmäler sind als die 
mittleren wie in dem Theater zu Telmissos I 6. Aehn- 
lich wie im Theater zu Hierapolis 1 12 treffen auch hier 
die Halbirungslinien von Winkeln die ftlnf Thüren in 
der frons der umgebauten scaena. 

13a. Theater und Stadium zu Aizani. Vgl. 13. 

13b. Theater und (daranstossend) Hippo- 
drom zu Pessinus (in Galatien). Nach Bull. d. Inst. 
1861 S. 165 ganz unzuverlässig. 

14. Theater zu Bostra. 

15. Theater zu Gabala. Nicht sicher: Wieseler 
S. 106. 



70 II. Die Ueberreste. 

16. Theater zu Aspendos. Der ürkeis geht wie 
gewöhnlich, aber wohl nicht ganz dicht an den unteren 
Treppenenden entlang. Die Grundfigur besteht aus sechs 
Dreiecken. Darauf weisen die Treppenanlage und fol- 
gende Umstände. Die Länge der Skene, zu welcher 
die beiden Seitenräume wahrscheinlich nicht zu rechnen 
sind, da sie, wie es ziemlich sicher scheint, Aufstiege 
zum Diazoma enthielten, also zum Zuschauerraum ge- 
hörten, ist gleich Dreieckseite -f- Durchmesser, und die 
der Bühne zunächst liegende, ihr parallele Dreieckseite, 
also eine Sehne, ist die scaenae frons. Der Zuschauer- 
raum umfasst von den achtzehn möglichen Keilen zehn; von 
den beiden äussersten dieser Keile jedoch ist im unteren 
Stock nur je eine Hälfte fttr Zuschauersitze verwendet, 
die der Bühne zunächst gelegenen Hälften sind durch 
die von Vitruv itinera genannten Eingänge besetzt, so 
dass die untere Begrenzung des Zuschauerraumes nur 
die Hälfte der Peripherie des Urkreises umfasst. 

17. Theater von Delos. 

18. Theater von Melos. Die Grundfigur scheint 
ein Elfeck zu sein. Doch da die Bühnenreste zu gering 
sind, um einen Schluss zu gestatten, und da sie noch 
dazu aus römischer Zeit stammen, lassen wir dieses 
Theater am besten unbeachtet. 

19 — 22. Theater zu Sparta, Megalopolis, 
Mantineia, Argos. 

23. Theater (des Polyklet) zu Epidauros. 
Vgl. oben. 

24. 25. Theater zu Sikyon und zu Thorikos. 
26. Odeon des Herodes Attikos zu Athen. 

Der Zuschauerraum wird oben und unten durch Halb- 
kreise begrenzt wie im römischen Theater nach Vitruv. 
Ganz ungewöhnlich, weil nirgends sonst vorkommend, 
ist die Lage der Treppen. Sie wird am einfachsten zu 



3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler I). 71 

beschreiben sein, wenn wir den Grundriss des Architek- 
ten nachkonstruiren. In den TJrkreis werden drei Qua- 
drate eingezeichnet wie im griechischen Theater nach 
Vitruv. Dann wird ein zweiter Kreis gezogen, der die 
obere Grenze des Zuschauerraumes bezeichnet. In diesen 
zweiten Kreis werden zwei Siebenecke als Grundfigur 
so eingetragen, dass die Endpunkte des wagrechten 
Durchmessers mit zwei Ecken zusammenfallen. Die Li- 
nien, welche im Zuschauerraum die oberen Winkel der 
Siebenecke mit den unteren Winkeln der Quadrate ver- 
binden, bezeichnen die Lage der Treppen. Nur die 
beiden äussersten der Bühne zunächst liegenden Treppen 
gehen nicht nach den entsprechenden Quadratecken, 
sondern nach dem Mittelpunkt des ürkreises, so dass 
die beiden äussersten Keile zwar auf der obersten Sitz- 
stufe die gleiche Breite mit den übrigen Keilen haben, 
auf der untersten dagegen, wie es scheint, nur die Hälfte 
der Breite der übrigen Keile. Die obere Umgrenzung 
des Zuschauerraumes umfasst somit sieben von den vier- 
zehn möglichen Keilen der zwei Siebenecke, die untere 
dagegen fünf und zwei halbe, zusammen sechs von den 
zwölf möglichen der quadratischen Grundfigur. Die drei 
Quadrate des kleinen Kreises, nicht die Siebenecke des 
grösseren Kreises, waren zugleich für das Bühnenge- 
bäude massgebend. Dafür sprechen drei Umstände: 
1. die allgemeine Wahrscheinlichkeit, 2. die Länge der 
Skene, die mit Weglassung der Seitenräume IV7 Durch- 
messer des Ürkreises (Quadratseite + Durchmesser) be- 
trägt, und 3. die Lage der Seitenthüren, welche durch 
die Halbirungslinien zweier Quadratwinkel bestimmt sind. 
Die Bühnenhinterwand ist wohl der Tangente gleichzu- 
setzen. 

27. Theater zu Rhiniassa (in Epirus). Auf 
vier Quadrate als Grundfigur weisen die Lage der Trep- 



72 II. Die Ueberreste. 

pen und die Länge des Bühnengebäudes, welche gleich 
Quadratseite -+- Durchmesser zu sein scheint. Die untere 
Begrenzung des Zuschauerraumes ist ein verlängerter 
Halbkreis: sie umfasst von den sechzehn möglichen Keilen 
acht ganze und etwas über einen halben auf jedem Ende, 
wir dürfen sie also zu ca. ^Vie ^i^s ürkreises ansetzen. 
28. Theater zu Dramyssos (in Epirus). Die 
Anlage erscheint in der Zeichnung sehr unregelmässig, 
zwar nicht der Zuschauerraum, dessen Treppen ihre 
Sichtung durch Winkel von sechs Dreiecken oder, rich- 
tiger, von drei Sechsecken angewiesen erhalten und 
dessen untere Grenze Vis des ürkreises umfasst, um so 
mehr aber die Skenenlänge. Die Entfernung der beiden 
auf der Zeichnung angegebenen Seitenmauem beträgt 
nämlich eine Sechseckseite und zwei Dreieckseiten. So 
lange nicht eine gründliche Aufdeckung der Orchestra 
und des Bühnenraumes stattgefunden hat, kann diese Un- 
regelmässigkeit nicht ins Gewicht fallen. Wieseler denkt 
S. 9 an eine Anlage aus römischer Zeit. Richtiger ist 
vielleicht ein Umbau in römischer Zeit anzunehmen. 

Tafel 11 bei Wieseler. 

1. Theater zu Syrakus. Die Grundfigur für den 
Zuschauerraum bilden sechs Dreiecke oder vielmehr drei 
Sechsecke. Die untere Begrenzung des Zuschauerraumes 
umfasst jetzt neun und zwei halbe von den achtzehn 
möglichen Keilen, früher jedenfalls mehr, wahrscheinlich 
elf: vgl. Theil 1112; denn ich glaube, man muss un- 
bedingt Wieseler beistimmen, der annimmt, dass „das 
Theater in römischer Zeit vollständiger umgebaut, die 
Bühne tiefer in die Orchestra hineingeschoben und die 
beiden gewölbten Korridore unter den Sitzreihen ange- 
legt" worden sind. Die Länge des Bühnengebäudes hat 
vielleicht l^/^ Durchmesser des Ürkreises betragen. 



3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler II). 79 

Ueber die Lage der Bühnenhinterwand sind wir völlig 
im Dunkel. 

2. Theater zu Akra. Sechs Dreiecke oder um- 
gekehrt drei Sechsecke sind die Grundfigur, nach wel- 
cher «ich die Treppen richten. Die untere Begrenzung 
des Zuschauerraumes beträgt %8 <i®s ürkreises« Die 
Bühne ist weit in den ürkreis vorgerückt ohne erkenn- 
bare Rücksichtnahme auf irgend welche Grundfigur. 
Diese so ganz vereinzelt stehende Bühnenanlage eines* 
kleinen Theaters können wir nicht weiter berücksich- 
tigen. 

3. Theater zu Segesta. Die Treppenanlage des 
* Zuschauerraumes hat sich nach zwei Fünfecken, richtiger 

gesagt, nach einem Zehneck gerichtet. Die für die 
Bühnenanlage massgebende Grundfigur lässt sich nicht 
genau bestimmen. Die Bühnenhinterwand^ welche mit 
der Tangente zusammenfällt, trägt zur Entscheidung 
aichts bei, da keine Thüren erhalten sind und aus der 
Länge des Bühnengebäudes allein sich ein ürtheil nicht 
flUlen lässt. Die Skenenlänge w41rde für eine quadrati- 
sche Grundfigur sprechen, da sie l^/', Durchmesser de» 
ürkreises beträgt. Die untere Begrenzung des Zuschauer- 
raumes geht über einen Halbkreis hinaus : sie umfasst von 
den zehn möglichen Keilen fünf, die, von der Bühne 
aus gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmesser» 
Hegen, und auf beiden Enden diesseits desselben je einen 
halben Keil; sie beträgt also im Ganzen 7io ^^^ ^^' 
kreises. 

4. Theater zu Tyndaris. Ausser der Anlage 
des Zuschauerraums ist nichts zu bestimmen. Die Grund- 
figur desselben besteht aus sechs Dreiecken oder, wohl 
richtiger, aus drei Sechsecken ; seine untere Begrenzung 
umfasst jetzt neun und zwei halbe von den achtzehn 



74 n. Die üeberreste. 

möglichen Keilen; ursprünglich umfasste sie wohl elf 
wie im Theater zu Sjrrakus 11 1: vgl. Theil 1112. 

5A. Theater zu Eatan a. Derselbe Mangel wie 
beim Theater zu Tyndaris n 4 ist hier. Die Treppen 
sind durch die Ecken von vier Quadraten bestinunt. 
Der Zuschauerraum scheint früher nach der Bühne zu 
sich weiter vorgestreckt und seine untere Begrenzung 
neun von den sechzehn möglichen Keilen umfasst zu ha- 
ben. Jetzt umfasst diese nur noch sieben und zwei halbe 
Keile, ist also = Vie des ürkreises. 

5B. Odeon zu Katana. 

6. Theater zu Tauromenion. Hier ist durch 
Vorrücken der Bühne der untere Theil des Zuschauer- 
raumes beschnitten worden. Der ürkreis geht nach der 
Regel an den unteren Treppenenden entlang. Einge- 
schrieben in ihn als Grundfigur sind wie öfter vier Qua- 
drate. Ganz eigenthümlich ist aber hier wie im Theater 
zu Katana USA, dass keine Quadratseite der Bühne 
parallel liegt. Es ist wohl sicher, dass die untere Be- 
grenzung des Zuschauerraumes ursprünglich neun von den 
sechzehn möglichen Keilen umfasste und dass erst beim 
Umbau in römischer Zeit (anders Wieseler S. 12) die 
beiden äussersten Keile um die Hälfte abgebrochen wur- 
den, um Platz für die Orchestraeingänge zu gewinnen. 
Die Länge der Skene war wohl schon anfangs so gross 
wie jetzt, nämlich = 1% Durchmesser des ürkreises 
(Quadratseite -f- Durchmesser). Die Lage der Thüren 
wird zugleich mit der Lage der Bühnenmauem verändert 
worden sein, so dass die gleiche Grundfigur wie für den 
Zuschauerraum für die ursprüngliche Bühnenanlage nicht 
mit völliger Sicherheit anzunehmen ist. In dem jetzt 
vorhandenen Umbau ist die Bühnenhinterwand, wie es 
scheint, nicht eine Quadratseite, sondern eine Sehne des 
ürkreises, welche von der Grundfigur vier Quadratecken 



3. Die übrigen üeberreste (Wieseler II). 75 

abscheidet und die diesen zunächst liegenden Quadrat- 
ecken (erste und sechste) mit einander verbindet. 

7A. Theater zu Pompeji. Mehrere Sitzstufen 
werden von dem an den unteren Treppenenden herum- 
gehenden Urkreis eingeschlossen, ein Beweis nächst an- 
dern, dass ein Umbau stattgefunden hat. Die einge- 
schriebene Grundfigur wird durch ein Zehneck gebildet. 
Vor dem Umbau umfasste die untere Begrenzung des 
Zuschauerraumes sieben von den zehn möglichen Keilen, 
jetzt umfasst sie nur mehr fünf und zwei halbe, da die 
der Bühne zunächst gelegenen Hälften der äussersten 
Keile, wenigstens in ihrem unteren Theil, nachträglich 
in Orchestraeingänge umgewandelt worden sind. Das 
Bühnengebäude ist augenscheinlich neu, seine ursprüng- 
liche Länge ist also nicht nachzuweisen und ebensowenig 
die Lage der ursprünglichen Bühnenhinterwand. 

7B. Odeon zu Pompeji. Urkreis und Grund- 
figur sind dieselben wie im Theater zu Pompeji 7A. 
Der Zuschauerraum umfasst fünf Keile von den zehn 
möglichen. Die Länge der Skene beträgt zwei Durch- 
messer des Urkreises. Die Tangente bezeichnet die 
Lage der Bühnenhinterwand. Die beiden der Hauptthür 
zunächst gelegenen Seitenthüren in der Bühnenhinter- 
wand sind, nebenbei bemerkt, durch die in Tangenten 
übergehenden Enden der Grenze des Zuschauerraumes 
bestimmt. 

8. Theater zu Herculaneum. Auch hier schliesst 
der Urkreis wie im Theater und Odeon zu Pompeji 
n 7 A und n 7 B mehrere Sitzstufen ein. Die Treppen 
des fast ganz genau halbkreisförmigen Zuschauerraumes 
sind ganz nach der Art angelegt, die Vitruv als römisch 
bezeichnet, und danach können vier Dreiecke als Grund- 
figur angenommen werden. Die Skenenanlage ist da- 
gegen wohl durch eine quadratische Grundfigur bestimmt 



76 !!• I^ie Ueberreste. 

worden, da, mit Weglassung der seitlichen Treppenräume, 
die offenbar nicht engverbundene Bestandtheile der 
Bühnenanlage sind, die Skenenlänge IV7 Durchmesser 
des Urkreises beträgt. Durch die Tangente wird die 
Bühnenhinterwand bestimmt, die in der Mitte ausge- 
baucht ist wie im Theater zu Laodikeia I 11. Die 
Seitenthüren in der Bühnenhinterwand sind wie im 
Odeon zu Pompeji 11 7 B durch senkrecht auf die scae- 
nae frons gezogene Tangenten des Urkreises bestimmt. 

9A. Theater in einer Villa bei Neapel. Die 
Grundfigur ist ein Sechseck, die untere Begrenzung des 
Zuschauerraumes beträgt % des Urkreises. 

9B. Odeon in einer Villa bei Neapel. Der 
nach einem Fünfeck als Grundfigur angelegte Zuschauer- 
raum enthält in seinem unteren Theile zwei von den 
fünf möglichen Keilen. Die Länge der Skene beträgt 
ohne die nicht zu ihr gehörenden Seitenräume zwei 
Durchmesser, was auch im Odeon zu Pompeji der Fall 
war. Der wagrechte Durchmesser bildet die finitio pro- 
scaenii wie im römischen Theater nach Vitruv und die 
Tangente die ideelle scaenae frons, welche in Wirklich- 
keit freilich in der Mitte nach rückwärts kreisbogenartig 
zurücktritt wie in den Theatern zu Laodikeia I 11 und 
Herculaneum 11 8. 

10. Theater zu Antium. Der Plan ist nicht 
sicher: Vgl. Wieseler S. 15; 106. 

11. Theater zu Tusculum. Die Grundfigur ist 
aus der Treppenanlage nicht mit völliger Sicherheit zu 
ermitteln. Der Abstand der Treppen im Oberstock ist 
nämlich gleich einer Siebeneckseite, die Breite der mitt- 
leren Keile im Unterstock dagegen gleich einer Achteck- 
seite und die der beiden äussersten Keile desselben 
Stockwerks ungefähr gleich einer Zehneckseite. Bei 
dieser Verschiedenheit liegt die Annahme am nächsten, 



k 



3. Die übrigen üebetreste (Wieseler II). 7«7 

dass die mittleren Treppen des ünterstocks durch die 
entsprechenden Winkel der Grundfigur richtig bestinunt 
sind, dass die beiden äussersten Treppen aber aus ir- 
gend welchem Grunde etwas weiter von der Bühne weg 
angelegt worden sind, als die ihnen zugekehrten Winköl 
der Grundfigur verlangten, dass also die Grundfigur aus 
zwei Quadraten bestanden habe. Für diese Ansicht 
scheinen auch die vor der Bühnenhinterwand befindlichen 
Säulen zu sprechen: die der Bühne parallele Quadrat- 
seite bildet ihre Fluchtlinie. Die Länge der gesammten 
Bühnenanlage beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. 
Nach der oben angeführten Breite der Keile ist die un- 
tere Begrenzung des Zuschauerraumes zu ungefähr ^20 
des ürkreises anzusetzen. Scaenae frons = Tangente. 

12A. Theater des Pomp ejus, Bruchstücke des 
Capitolinischen Plans, und 

12 B. Dasselbe nach Caninas Plan, Der Grundriss 
ist ohne Treppen. Im Ganzen entspricht die Anlage den 
Vorschriften Vitruvs über das römische Theater, nur die 
scaenae frons tritt, wenigstens im Capitolinischen Plan, 
mehr zurück, als sie es nach Vitruv sollte. 

13. Odeum der Villa Hadriani bei Tibur. Hier 
scheinen, umgekehrt wie im Theater zu Tusculum II 11, 
die beiden mittleren Treppen unregelmässig angelegt zu 
«ein, und zwar um eine aedicula oben in der Mitte des 
Zuschauerraumes einzuschliessen. Ist das richtig, dann 
geben die vier übrigen Treppen über die Grundfigur 
Aufechluss. Nach ihnen sind drei Dreiecke als Grund- 
figur anzunehmen. . Die untere Begrenzung des Zu- 
schauerraumes umfasst fünf Theile des neuntheiligen ür- 
kreises. Die Länge der Bühnenanlage ohne die Seiten- 
räume beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. Die 
Tangente bezeichnet die Bühnenhinterwand. 

14. Theater zu tri coli. Dieses Theater weist 



78 II« 1^16 Ueberreste. 

eine ganz eigenthümliehe Anlage auf. Zwar der ürkreis 
läuft wie sonst an den unteren Enden der Treppen ent- 
lang, und der Zuschauerraum, besonders seine Treppen 
und seine Begrenzung sind ganz römisch im Sinne Vi- 
truvs, aber die Bühnenanlage hat ihres Gleichen nirgends. 
Sie wird bestimmt durch einen Quadranten, dessen Mittel- 
punkt der Endpunkt des senkrechten Durchmessers des 
ürkreises in der Begrenzung des Zuschauerraumes ist 
und dessen Radien durch die Endpunkte des wagrechten 
Durchmessers des ürkreises hindurch bis zu der diesem 
Durchmesser parallelen Tangente des ürkreises gehen. 
Ein gutes Verhältnis zwischen Zuschauerraum und Büh- 
nengebäude ist dadurch hergestellt, dass die genannte 
Tangente des ürkreises zusammenfällt mit der grössten 
Sehne des Quadranten, welche die Länge des Bühnen- 
gebäudes bestimmt (= zwei Durchmesser des ürkreises) 
und die ideelle scaenae frons bildet. In Wirklichkeit 
ist diese frons nicht eine Sehne, sondern eine Viertel- 
kreislinie, der Kreisbogen des Quadranten. Die Thüren 
im Oberstock der Bühnenhinterwand sind durch die- 
jenigen Radien des Quadranten bestimmt, welche diesen 
in vier gleiche Theile zerlegen. 

15. Theater zu Paleria im agerPicenus. Aus 
drei Dreiecken besteht die Grundfigur. Von den neun 
möglichen Keilen umfasst der Zuschauerraum vier. Die 
Skenenlänge ist gleich Dreieckseite 4- Durchmesser des 
ürkreises. Die Tangente bezeichnet die Bühnenhinter- 
wand. Die Seitenthüren in der letzteren werden durch 
senkrecht auf die scaenae frons gezogene Tangenten 
des ürkreises bestimmt. 

16. Theater zu Eugubium. Zwei Fünfecke (oder 
vielleicht ein Zehneck?) bilden die Grundfigur für Zu- 
schauerraum und Bühne. Für jenen ist dies zu er- 
schliessen aus der Anlage der Treppen, für diese aus 



3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler II). 79 

der Lage der Thüren in der Btthnenhinterwand. Die 
der Hauptthüre zunächst gelegenen Seitenthüren nämlich 
werden von den Halbirungslinien von Fünfeckswinkeln 
getroffen. Der Zuschauerraum wird durch Halbkreise 
eingeschlossen, enthält also die Hälfte aller möglichen 
Keile, vier und zwei halbe, zusammen fünf von den zehn 
möglichen. Die Länge des Bühnengebäudes mit Aus- 
schluss der Seitenräume beträgt zwei Durchmesser des 
TJrkreises, und die Lage der Bühnenhinterwand ist durch 
eine Sehne des TJrkreises gegeben, welche zwei Ecken 
der Fünfecke ausschliesst und die diesen zunächst ge- 
legenen (die erste und vierte) mit einander verbindet. 

17. Theater zu Fäsulä. Der Zuschauerraum 
^eigt römische Anlage im Sinne Vitruvs. Ungefähr das 
gleiche ist der Fall beim Bühnengebäude, wie eine 
neuerdings stattgefundene Blosslegung ergeben hat: Vgl. 
Archäologische Zeitung 34 (1876) 93 ff. 

18. Theater zu Juliobona (Lillebonne). Nach 
der ungenügenden Veröffentlichung, die Wieseler zu Ge- 
bote stand, ist der ürkreis nicht genau zu bestimmen. 
Ich nehme an, dass er entlang der untersten sichtbaren 
Mauer geht. Dann ist die Länge der Skene zwei Durch- 
messern des ürkreises gleich und die Bühnenhinterwand 
bestimmt, wenn ich recht sehe, durch eine Dreieckseite, 
also nicht durch die Tangente, sondern durch eine Sehne 
des ürkreises. Der Zuschauerraum scheint nach einer 
Grundfigur von sechs (3) Dreiecken gegliedert zu sein und 
seine untere Begrenzung acht (4) von den achtzehn (9) 
möglichen Keilen zu umfassen. Hierüber vgl. in2. 

19. Theater zu Arausio (Orange). Treppen 
sind nicht erhalten. Nach gewissen Anzeichen indessen 
halte ich es für wahrscheinlich, dass vier Quadrate die 
Grimdfigur bilden. Damit würde stimmen, dass mit Aus- 
schluss der beiden äussersten Seitenräume die Länge 



80 II- I)ie Ueberreste. 

des Btihnengebäudes 1% Durchmesser des ürkreises be- 
trägt und dass eine Quadratseite (also eine Sehne des 
ürkreises) die Lage der nicht ganz gerade laufenden 
Bühnenhinterwand bestimmt. Der Zuschauerraum ist 
genau halbkreisförmig, demnach verhält sich die untere 
Begrenzung des Zuschauerraumes zum ürkreis wie acht 
zu sechzehn. 

20. Theater zu Saguntum. Der ürkreis geht 
an den unteren Treppenenden entlang. Die in ihn ein- 
geschriebene Grundfigur besteht aus drei Dreiecken. 
Dafür spricht ausser der Richtung der.Treppen die Lage 
der finitio proscaenii, welche mit der der Bühne paral- 
lelen Dreieckseite zusammenföllt. Die untere Umgren- 
zung des Zuschauerraumes beträgt vier Neuntel des ür- 
kreises. Die Länge der Skene ist nicht zu bestimmen, 
vermuthlich ist sie zwei Durchmessern des ürkreises 
gleich. Die Tangente giebt die scaenae frons an. 

Supplementtafel A bei Wieseler. 

1. Theater zu Termessos major. Zwei Fünf- 
ecke bilden die Grundfigur. Hierauf deuten ausser den 
Treppen die Länge der Skene (= Fünfeckseite -h Durch- 
messer des ürkreises), die finitio proscaenii, deren Lage 
durch eine Fünfeckseite angegeben wird, und die Thüren 
in der nicht ganz mit der Tangente zusanunenfallenden 
Bühnenhinterwand, da sie, wie es scheint, durch die 
Halbirungslinien von Fünfeckswinkeln getroffen werden. 
Sechs von den zehn möglichen Keilen umfasst die un- 
tere Grenze des Zuschauerraumes. 

2. Theater zu Rhodiopolis. Durch zwei Fünf- 
ecke ist die Grundfigur gebildet. Die untere Begren- 
zung des Zuschauerraumes umspannt von den zehn mög- 
lichen Keilen sechs. Die Länge der gesammten Bühnen- 




3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler A). 81 

aolage beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. Scaenae 
frons = Sehne des ürkreises. 

3. Theater zu Kyaneä. Die Treppen sind nach 
sechs Dreiecken bestimmt, und der Zuschauerraum um- 
fasst von den achtzehn möglichen Keilen zehn. 

4. Theater bei dem Tempel der Leto zwi- 
schen Xanthos und Kydna. Der Zuschauerraum 
hat eine ganz vereinzelt dastehende Konstruktion, etwas 
ähnlich der des Odeons zu Kibyra A 10. Die Mitte 
desselben ist unten und oben durch konzentrische Drittel- 
kreislinien begrenzt. Die Fortsetzungen der Grenzen auf 
beiden Seiten sind nicht Kreisbögen, sondern Sehnen, 
die parallel dem senkrechten Durchmesser des kleineren 
(des ürkreises) und des grösseren Kreises laufen und 
deren Länge Vs ^^^ Länge der grössten Sehnen der ent- 
sprechenden Sechstelkreise beträgt. Die Verbindungs- 
linien der Endpunkte der oberen und unteren Grenz- 
linien des Zuschauerraumes fallen demnach mit Radien 
zusammen. Die eingezeichnete Grundfigur besteht aus 
zwölf Dreiecken, so dass im Zuschauerraum zwanzig 
Keile entstehen. Die untere Begrenzung des Zuschauer- 
raumes, kreisförmig gedacht, verhält sich somit zum ür- 
kreis wie zwanzig zu sechsunddreissig. 

5. Theater zu Pinara. Der Zuschauerraum ist 
nach zwei Siebenecken als Grundfigur angelegt und um- 
fasst acht von den vierzehn möglichen Keilen. Für das 
Bühnengebäude scheint eine quadratische Grundfigur 
massgebend gewesen zu sein, da seine Länge 1% Durch- 
messer des ürkreises beträgt und die Seitenthüren in 
der Bühnenhinterwand durch die Halbirungslinien von 
Quadratwinkeln bestimmt sind. Die Bühnenhinterwand 
bildet eine Sehne, deren Verhältnis zum ürkreis ich 
nicht herauszufinden vermag. 

6. Theater zu Kadyanda. Die aus zwei Acht- 

Oehmichen , Griech. Theaterbau. q 



82 II. Die Ueberreste. 

ecken bestehende Grundfigur hat dem Zuschauerraum 
von den sechzehn möglichen Keilen neun zugewiesen. 
Die Länge des Bühnengebäudes beträgt, wenn der Wie- 
selersche Grundriss richtig ist , Achteckseite + Durch- 
messer. Die Tangente fallt mit der scaenae frons zu- 
sammen. 

7. Theater zu Oinoanda. Durch ein Zwanzig- 
eck (oder vier Fünfecke?) ist die Grundfigur gebildet, 
und zwölf von den zwanzig möglichen Keilen enthält 
der Zuschauerraum. Wenn das Bühnengebäude richtig 
aufgenommen ist, was sehr zweifelhaft erscheint, muss 
als seine Länge Zwanzigeckseite 4- Durchmesser be- 
trachtet werden. Die Tangente bezeichnet auch hier 
die scaenae frons. 

8. Theater zu Balbura. 

9. Theater zu Kibyra. Der Zuschauerraum er- 
hält seine Einrichtung nach drei (oder vielleicht nach 
sechs?) Dreiecken als Grundfigur. Seine untere Begren- 
zung umfasst % <ißs Urkreises. Für die Bühnenanlage 
scheint eine quadratische Grundfigur massgebend ge- 
wesen zu sein. Es ist nämlich die Länge des Bühnen- 
gebäudes = Quadratseite + Durchmesser, und die Qua- 
dratseite ist mit der scaenae frons identisch. 

10. 11. Odeen zu Kibyra und Anemurion. 

12. Theater zu Alexandreia. 

13. Odeum zu Akra. 

14. Theater des Marcellus zu Rom. Römische 
Anlage im Sinne Vitruvs ist nicht unwahrscheinlich. 

15. Theater der Villa Hadriani bei Tibur. 
„Der vorliegende Plan muss in allen wesentlichen Stücken 
auf Pirro Ligorio zurückgeführt werden." Wieseler 
S. 106. 

16. Theater zu Ferentum. Der Urkreis ist 
nicht zu bestimmen, denn der jetzt als solcher erschei- 



i 



3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler A). 83 

nende ist es sicher nicht. Treppen sind gleichfalls nicht 
zu erkennen. Das Bühnengebäude allein hat für unsere 
jetzige Untersuchung kein Interesse. 

17. Theater zu Pola. Abgesehen von unwesent- 
lichen Einzelheiten, ist die Anlage genau römisch im 
Sinne Vitruvs. 

18. Theater zu Nora (Sardinien). Die Grund- 
'figur wird durch ein Fünfeck gebildet. Die untere Be- 
grenzung des Zuschauerraumes umfasst zwei von den 
fünf möglichen Keilen. Die Länge des Bühnengebäudes 
beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. Die Bühnen- 
hinterwand ist wohl durch eine Sehne bestinunt. 

19. Theater zu Alauna. Aus dieser höchst eigen- 
thümlichen Anlage ist für unsere Zwecke so gut wie 
nichts zu gewinnen. 

20. Theater zu Cuiculum. Zwei Siebenecke 
bilden die Grundfigur; aber nur die mittelsten fünf Treppen 
haben sich nach den entsprechenden Winkeln der Grund- 
figur gerichtet, die beiden äussersten dagegen sind durch 
den wagrechten Durchmesser bestimmt. Die Keile sind 
in Folge dessen ungleich breit: die untere Breite der 
vier mittelsten Keile ist den Abständen der Ecken der 
Grundfigur gleich, die beiden äussersten Keile aber sind 
anderthalbmal so breit. Danach verhält sich die untere 
Begrenzung des Zuschauerraumes zum ürkreis wie sieben 
zu vierzehn. Die Länge der Skene scheint unregelmässig 
in Folge der Kleinheit des Theaters zu sein; da die 
Zeichnung keine genügende Vorstellung gewährt, lassen 
wir die Skenenlänge ausser Betracht. Die Lage der 
scaenae frons ist durch eine Sehne des ürkreises an- 
gegeben. 

21. Theater zu Calama. Ein Siebeneck ist die 
Grundfigur für den Unterstock des Zuschauerraumes. Die 
Treppen sind ähnlich angelegt wie im Theater zu Cui- 

6* 



84 m* Vergleicliungen und Folgerungen. 

culum A 20. Vier von den sieben möglichen Keilen sind 
für den ünterstock verwendet, aber die beiden äusser- 
sten nicht in ihrer ganzen Breite, sondern nur zu je drei 
Viertel, nur soviel von ihnen, als, von der Bühne aus 
gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers liegt. 
Die untere Grenze des Zuschauerraumes sollte betragen 
vier Siebentel, sie beträgt aber nur die Hälfte des Ur- 
kreises. Die Länge des Bühnengebäudes ist ungewöhn- 
lich, da sie über zwei Durchmesser des ürkreises hin- 
ausgeht. Die Tangente fällt zusammen mit der scaenae 
frons. 



Dritter Theil. 

Vergleichungen und Folgerungen. 



In Erwägung, dass das Material an sich nicht ge- 
nügend ist und noch dazu nur in beschränktem Masse 
zur Prüfung herangezogen werden konnte, müssen wir 
bei unseren Schlussfolgerungen eine möglichst grosse 
Vorsicht anwenden. Wir werden deshalb nur die öfter 
vorkommenden Eigenthümlichkeiten ins Auge fassen, ein- 
zelnen Besonderheiten dagegen gar keine oder nur ge- 
ringe Aufmerksamkeit widmen. Zum Zweck schnelleren 
Verständnisses und leichterer Nachprüfung meiner Fol- 
gerungen habe ich eine Tabelle entworfen, in welcher 
die für uns wesentlichen Eigenthümlichkeiten der Theater- 
überreste gemäss der Besprechung im vorigen Abschnitt 
übersichtlich zusammengestellt sind. Da ich in der 
Tabelle aus praktischen Gründen die Anordnung Wie- 
selers aufgeben musste, so war eine neue Numerirung 
nicht wohl zu umgehen. Indessen habe ich die Wiese- 
lersche Numerirung in Klammem hinzugefügt, um das 
Nachschlagen im vorigen Abschnitt und das Einsehen 
der Wieselerschen Grundrisse zu erleichtem. Ausserdem 
mussten gewisse Abkürzungen in Anwendung kommen, 
die im Folgenden ihre Erklärung finden sollen. 

Inhalt der Tabelle. Inder ersten Spalte sind 



86 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 

nach den laufenden Nummern und den in Klammem 
stellenden Hinweisen auf die Wieselerschen Tafeln die 
Theaterüberreste durch Ortsnamen, die ausseritalischen 
ausserdem durch die entsprechenden Ländernamen be- 
zeichnet. Die ^ Buchstaben T (Theater) oder (Odeon) 
vor den Ortsnamen weisen auf die Benennung hin, die 
Wieseler den Ruinen geben zu mttssen glaubt. 

Die zweite Spalte enthält eine abgekürzte Be- 
zeichnung der in den ürkreis eingeschriebenen Grund- 
figuren der Theatergrundrisse. Die Zahl rechts unten 
am Buchstaben f bedeutet die Anzahl der Ecken eines in 
den ürkreis eingeschriebenen regelmässigen Vielecks; 
fs, {4, fö u. s. w. bedeutet demnach ein in den ürkreis 
eingeschriebenes regelmässiges Dreieck, Viereck (Qua- 
drat), Fünfeck u. s. w. Die Zahl vor dem Buchstaben f 
giebt die Anzahl der in den ürkreis unter gleichem Ab- 
stand der Ecken eingezeichneten regelmässigen Vielecke 
an. Die Grundfigur des römischen Theaters nach Vitruv 
wird daher mit At^ zu bezeichnen sein und die des grie- 
chischen nach Vitruv mit 3f4; und es wird z. B. durch 
Sfö, 3f(5, 2f7, 2f8, fi4 angedeutet, dass in den ürkreis, 
inamer unter gleichem Abstand der Ecken, folgender- 
massen regelmässige Vielecke eingezeichnet sind: drei 
Fünfecke, drei Sechsecke, zwei Siebenecke, zwei Acht- 
ecke, ein Vierzehneck. In den Fällen, wo die Grund- 
figur nur für die Treppenanlage des Zuschauerraumes, 
nicht zugleich auch für die Bühnenanlage bestinunend 
gewesen ist, wurde die fttr die letztere Anlage mass- 
gebende Grundfigur in Klammem hinzugefügt. Als solche 
war durchweg ein regehnässiges Viereck (Quadrat) = {4^ 
anzunehmen. 

In der dritten Spalte ist das Verhältnis der un- 
teren Begrenzung des Zuschauerraumes, die ein Theil 
des ürkreises ist, zu diesem ürkreise angegeben. 



Einleitung. Tabelle. 87 

In der vierten Spalte findet sich die Angabe der 
Länge der gesanunten Btthnenanlage (Skenenlänge). 
Durch S3, 84, 85, Sß u. 8. w. soll die Seite eines in den 
ürkreis eingeschriebenen regelmässigen Dreiecks, Vier- 
ecks , Fünfecks , Sechsecks u. s. w. bezeichnet sein und 
durch r der Radius des ürkreises. Die Skenenlänge 
des römischen Theaters nach Vitruv kann somit durch 
4r und die des griechischen Theaters nach Vitruv durch 
S4 + 2 r (Quadratseite + Durchmesser) bezeichnet werden. 
Dementsprechend bedeutet S3 + 2r, 85,+ 2r, Sg + 2r 
u. 8. w., dass die Länge der gesammten Bühnenanlage 
ebenso gross ist wie die Seite eines in den ürkreis ein- 
geschriebenen regelmässigen Dreiecks, Fünfecks, Sechs- 
ecks u. s. w. und zwei Radien des ürkreises zusammenge- 
nommen. 

Die fünfte Spalte endlich berücksichtigt die Büh- 
nenhinterwand (scaenae fro^js). Ist diese durch eine au 
den ürkreis gezogene Tangente gegeben, so deutet der 
Buchstabe T auf dieses Verhältnis hin, ist dagegen die 
Bühnenhinterwand weiter nach dem Zuschauerraum vor- 
gerückt, durch eine Sehne des ürkreises bestimmt, so 
giebt der Buchstabe S diesen umstand an. 

Ein Fragezeichen ? soll das unsichere der ge- 
machten Angabe oder die Schwierigkeit einer genauen 
Bestimmung andeuten. 

Ein Sternchen * verweist auf den Text im drit- 
ten Abschnitt des zweiten Theils. 



•68 



III. Vergleichungen und Folgerungen. 



2. 


3. 


4. 


5. 


4f, 


6:12 


i 4r 


S 


4f,V 


6:12 


4r 


S? 


«3 


6:12 


4r 


s 


4f,? 


6: 12 


4r 


? 


«a 


6:12 


4r 


»p* 


4f3 (f«?) 


6:12 


S4 + 2r 


T 


Gfa 


10:18 


— 


— 


6f, 


10:18 


83 + 2r 


s 


6f. 


9: 18 
bzw. 10: 18 


S3 + 2r 


8(83) 


6f3? 

3f,? 


8:18? 
4:9? 


4r 


8(83) 


12f3 


20 : 36» 




— 


3f3 («,V) 


5:9 


S4 + 2r 


S(8.) 


3f3 


4:9 


4r? 


T 


3f. 


4:9 


S3 + 2r 


T 


3f.? 


5:9 


4r 


T 


3f, 


11 :18 


se + 2r 


T? 


3f, (f4?) 


10 : 18 
bez. 11:18 


84 + 2r? 


— 


3fe 


10:18 
bzw. 11:18 


— 


— 


3f. 


9:18 
bzw.ll:18? 


* 


« 


3f. 


9: 18 
bzw.ll:18? 


? 


— 


fo 


3:6 


— 


— 


4f6 


15:24 
bzw. 14:24* 


86 + 2r 


T 


2f5 


6:10 


S5 + 2r 


ca.T 


2f5 


6:10 


4r 


S 



1 (II 17) T. Faesulae 

2 (A 14) T. Rom (Marc.) 

3 (A 17) T. Pola (Istr.) 

4 (II12B)T.Rom(Pomp.) 

5 (II 14) T. Otricoli 

6 (118) T. Herculanum 

7 (A3) T. Kyaneae 
(Lykien) 

8 (1 12) T. Hierapolis 
(Phrygien) 

9 (l 16) T. Aspendo8 
(Pamphilien) 

10 (II 18) T. Juliobona 
(Frankreich) 

11 (A 4) T. bei Xantho8 

(Lykien) 

12 (A9) T. Kibyra 
(Lykien) 

13 (II 20) Saguntum 
(Spanien) 

14 (II 15) T. Faleria 

15 (11 13) 0. bei Tibur 

16 (I 3) T. Siele (Pam- 
philien) 

17 (II 1) T. Syrakus 
(Sizilien) 

18 (114) T. Tyndaris 
(Sizilien) 

19 (112) T. Akrae (Si- 
zilien) 

20 (1 28) T. Dramyss. 
(Epiru8) 

21 (II 9A)T. bei Neapel 

22 (1 4) T. Myra (Lykien) 

23 (AI) T. Termess. maj. 

(Lykien) 

24 (A2) T. Rhodiopolis 
(Lykien) 



Einleitung. Tabelle. 



89 



1. 


2. 


3. 


4. 


5. 


25 (II 16) T. Eugubium 


2f5 


5:10 


4r 


S 


26 (1 23) T. Epidauros 
(des Polyklet) 


4f5 (f*) 


12 : 20 


S4 + 2r 


ca. T 










27 (A7) T. Oinoanda 


f2ood.4f5? 


12:20 


82o+2r? 


T 


(Lykien) 










28 (1 11) T. Laodikeia 


3f5 


9:15 


? 


? 


(Phrygien) 










29 (II 9B) 0. bei Neapel 


u 


2:5 


4r 


T 


30 (A 18) T. Nora (Sard.) 


fs 


2:5 


4r 


S? 


31 (II 7 A) T. Pompeji 


fio 


6:10 
bzw. 7:10 


? 


? 


32 (113) T. Segeste 


flO (f4?) 


6:10 


S4 + 2r 


T 


(Sizilien) 




bzw. 7:10 






33 (II 7B) 0. Pompeji 


fio 


5:10 


4r 


T 


34 (1 6) T. Telmissos 


fu 


ca. 9 : 14 


s,4 + 2r? 


S? 


(Lykien) 










35 (1 13) T. Aizani 


fl4 


ca. 9 : 14 


? 


? 


(Phrygien) 










36 (A5) T. Pinara 


2f7 (f4?) 


8:14 


S4 + 2r 


s 


(Lykien) 










37 (15) T. Patara 


2f7 (f4?) 


ca. 8 : 14 


S4+2r? 


T 


(Lykien) 










38 (A 20) T. Cuiculum 
(Algier) 


2f7 


7:14 


? 


S 










39 fA21) T. Calama 
(Algier) 


f7 


3V2:7- 


über 4r 


T 










40 (1 9) T. Jasos (Karlen) 


3f4 


7:12 


S4 + 2r 


S(S4) 


41 (1 7) kl. T. (0.) Knidos 


3f4 


7:12 


2s4 


T 


(Karien) 










42 (126) 0. Athen (des 


3f4 + 2f7 


6 : 12* * 


84 + 2r 


T 


Herod. Att.) 










43 ri 27) T. Rhiniassa 
(Epirus) 


4f4 


ca. 10: 16 


S4 + 2r? 


T 










44 (1 8) T. Stratonikeia 


4f4? 


ca. 10:16 




— . 


(Kariün) 










45 (II 19) T. Arausio 


4f4? 


8:16 


S4 + 2r 


8(84) 


(Frankreich) 










46 (116) T. Tauromen. 


4f4 


8:16 


S4 + 2r? 


? 


(Sizilien) 




bzw. 9 : 16 







90 



III. Vergleichungen und Folgerungen. 




47 (II 5 A) T. Katana 
(Sizilien) 

48 (II 11) T. Tusculum 

49 (A6) T. Kadyanda 
(Lykien) 

50 (— ) T. Athen (dionys.) 



2f4? 

2f8 



t22 



8:16 
bzw.9:16 

! ca. 9 : 20* 

9:16 

13 : 22 



4r 

88 + 2r 

84 + 2r 



T 
T 



Erster Abschnitt. 

Einzelvergleichung. 

In der Anordnung der Theater innerhalb unserer 
Tabelle bin ich gänzlich von der Wieselerschen nach 
den Fundorten getroffenen Anordnung abgewichen, weil 
die Fundorte, wie sich später ergeben wird, für uns 
nicht die grosse Bedeutung haben, die ihnen nicht bloss 
von Wieseler beigelegt wird. Massgebend für unsere 
Anordnung musste das sein, was überhaupt in den alten 
Theateranlagen massgebend war, und das sind die in 
den ürkreis eingeschriebenen Grundfiguren. So ergaben 
sich vier, bzw. fünf Hauptgruppen : Theater mit regel- 
mässigen Dreiecken oder Sechsecken als Grundfiguren, 
dann Theater mit regelmässigen Vierecken oder Acht- 
ecken als Grundfiguren, weiter Theater mit regelmässigen 
Fünfecken oder Zehnecken oder Zwanzigecken als Grund- 
figuren, femer Theater mit regelmässigen Siebenecken 
oder Vierzehnecken als Grundfiguren und endlich Theater 
mit regelmässigen Zweiundzwanzigecken (Elfecken) al» 
Grundfiguren. Innerhalb dieser Hauptgruppen ergaben 
sich öfter ebenso ungezwungen wieder Untergruppen je 



1. Einzel vergl«ichung (Vitruv). 91 

nach der Anzahl der in den ürkreis eingeschriebenen 
Dreiecke, Quadrate, Fünfecke, Siebenecke u. s. w. 

Die Theatergrundrisse der einzehien Gruppen sollen 
nun zunächst unter einander verglichen werden, und eine 
Gesammtvergleichung soll den Schluss bilden. Doch 
bevor wir hierzu übergehen, wird es nützlich sein, vor- 
weg diejenigen Grundrisse zu betrachten, welche einiger- 
massen den Forderungen Vitruvs zu entsprechen schei- 
nen. Diese Vergleichung wird ergeben, dass unser 
Standpunkt Vitruv gegenüber durchaus gerechtfertigt ist. 

Wir haben fünfzig Theater ins Gesammt; davon 
liegen sechsundzwanzig, also ungefähr die Hälfte, im 
westlichen Theile des Mittelmeergebietes, und unter die- 
sen zeigen eine genaue Befolgung der vitruvischen Vor- 
schriften sicher nicht mehr als vier. Ungünstig ist das 
Verhältnis für Vitruv auch dann, wenn wir von jenen 
sechsundzwanzig die sechs sizilischen abziehen, bei denen 
man an ursprünglich griechische Anlage zu denken ge- 
neigt und zum Theil wenigstens auch sicher berechtigt 
ist. Dann ist trotzdem nur ein Fünftel (vier von zwan- 
zig) der Theater in römischen Ländern nach vitruvischer 
Vorschrift gebaut. Das sind die Theater des Pompejus 
4 (H 12 B) und Marcellus 2 (A 14) zu Rom und die 
Theater zu Fäsulä 1 (H 17) und Pola 3 (A 17). Ganz 
sicher vitruvischen Bau zeigen allerdings nur die beiden 
letzteren, denn gegen die Annahme einer genauen Be- 
folgung der Regeln Vitruvs beim Bau der beiden ersteren 
Hessen sich Bedenken erheben. Doch mögen sie immerhin 
als vitruvisch gelten bleiben. Die übrigen sind es nach- 
weislich nicht. Mit Ausnahme von zwei haben diese 
nicht einmal vier Dreiecke als Grundfigur, und das allein 
ist schon entscheidend. Jene zwei aber sind die Theater 
zu Otricoli 5 (IT 14) und Herculaneum 6 (11 8). Das er- 
stere hat zwar ausser den vier Dreiecken als Grundfigur 



92 Vergleichungen und Folgerungen. 

einen Halbkreis als Zuschauerraum und eine KSkenenlänge 
von zwei Durchmessern des Urkreises, es hat aber als 
Btihnenhinterwand nicht eine Sehne, wie es Vitruv aus- 
drücklich verlangt, sondern die Tangente. Noch weniger 
entspricht Vitruvs Forderungen das Theater zu Hercu- 
laneum. Nur die Grundfigur und der Zuschauerraum sind 
römisch im Sinne Vitruvs, nicht aber die Btihnenhinter- 
wand und die Skenenlänge; beide sind vielmehr, um mit 
Vitruv zu reden, griechisch, da die Btihnenhinterwand 
durch die Tangente bestimmt ist und die Skenenlänge 
1% Durchmesser des ürkreises beträgt. 

Noch schlimmer wie mit Vitruvs Vorschrift über das 
römische Theater steht es mit seiner Vorschrift über das 
griechische Theater. Unter den fünfzig Theatern, die 
überhaupt in Betracht kommen, bzw. unter den dreissig 
Theatern in Ländern griechischer Kultur (mit Einschluss 
Siziliens) giebt es kein einziges, welches eine genaue 
Befolgung der vitruvischen Regel erkennen liesse. Es 
finden sich überhaupt nur drei, die dem griechischen 
Theater Vitruvs einigermassen ähnlich konstruirt sind, 
d. h. drei Quadrate zur Grundfigur haben: nämlich das 
Theater zu Jasos 40 (19), das kleine Theater (Odeon) 
zu Knidos 41 (I 7) und das Odeon des Herodes Attikos 
zu Athen 42 (I 26), aber bei jedem von ihnen kommt 
eine Abweichung von Vitruvs Regel vor. Am bedeutend- 
sten, am meisten in die Augen fallend ist die Abwei- 
chung im Odeon des Herodes Attikos. Skenenlänge und 
Btihnenhinterwand sind angelegt, wie Vitruv es verlangt, 
aber der Zuschauerraum ist halbkreisförmig wie im rö- 
mischen Theater nach Vitruv und noch dazu durch un- 
gewöhnlich angelegte Treppen getheilt. Mehr entsprechen 
Vitruvs Regel die beiden andern Theater, aber völlig 
auch nicht; denn in dem kleinen Theater (Odeon) zu 
Knidos ist die Skenenlänge zu klein, gleich zwei Qua- 



% 



Einzel vergleichung (Gruppe I). 93 

dratseiten statt gleich Quadratseite -f- Durchmesser, und 
im Theater zu Jasos ist die Bühnenhinterwand nicht 
durch die Tangente des ürkreises, sondern durch eine 
Quadratseite bestimmt. 

Dieser Nachweis rechtfertigt wohl die Forderung, 
dass in Zukunft die vitruvischen Bemerkungen nie wie- 
der als mehr genonunen werden, als sie wirklich sind, 
als vielleicht für ihre Zeit recht nützliche Vorschriften 
eines Praktikers, nicht aber als Regeln eines die Ge- 
sammtheit der Bauwerke überblickenden Forschers. Und 
hieran reiht sich dann als selbstverständlich die weitere 
Forderung, dass die Erklärung der griechischen und 
auch römischen Theater nicht ausgehe von Vitruvs Vor- 
schriften, sondern von den üeberresten selbst. Welches 
der richtige Weg der Erklärung sei, ist gelegentlich 
schon angedeutet worden und wird am Schluss in zu- 
sammenfassender Weise nochmals deutlicher dargelegt 
werden. 

1. Erste Hauptgruppe: Regelmässige Drei- 
ecke oder Sechsecke als Grundfiguren. Zu die- 
ser Hauptgruppe gehören als erste Unterart die soeben 
besprochenen römischen Theater 1—6 mit vier Dreiecken 
als Grundfigur. Als gemeinsame Eigenschaften derselben 
dürfen wir ausser der Grundfigur festhalten eine halb- 
kreisförmige Bildung des Zuschauerraumes (ohne Aus- 
nahme) und eine Skenenlänge von vier Radien (mit nur 
einer Ausnahme). Die Sehne des Urkreises ist in den 
sechs Theatern im günstigsten Falle nur viermal die 
hintere Begrenzung der eigentlichen Bühne (scaenae 
frons), was kaum noch als Regel hingestellt werden kann. 

Eine zweite Unterart bilden die Theater mit sechs, 
zwölf oder drei Dreiecken als Grundfigur. Sie unter- 
scheiden sich im Allgemeinen dadurch von der ersten 
Unterart, dass sie nicht bloss in den Ländern römischer 



94 in. Vergleichungen und Folgerungen, 

Kultur sich finden, dass sie meist einen grösseren als 
halbkreisförmigen Zuschauerraum haben und dass ihre 
Skenenlänge gewöhnlich nicht zwei Durchmessern des 
Urkreises gleich ist. 

Vier (3) von ihnen haben sechs Dreiecke als Grund- 
figur : die Theater zu Kyaneä 7 (A 3), Hierapolis 8 (1 12), 
Aspendos 9 (1 16) und Juliobona 10 (11 18). Lassen wir 
das letzte zunächst unbeachtet, so haben wir in allen 
einen grösseren als halbkreisförmigen Zuschauerraum. 
Im Theater zu Aspendos geht allerdings nur der obere 
Stock des Zuschauerraumes über die Halbkreisform hin- 
aus, allein es ist kaum zweifelhaft, dass ursprünglich 
dasselbe im unteren Stock der Fall gewesen ist, dass 
also zur Zeit des Neubaues des Bühnengebäudes eine 
Veränderung des Zuschauerraumes durch Anlegung von 
itinera stattgefunden hat. Abgegrenzt nach der Bühne 
zu und radial getheilt wurde der Zuschauerraum durch 
Halbirungslinien von Winkeln der in den ürkreis ein- 
geschriebenen Grundfigur (durch Treppen); er enthielt 
also nur ganze Keile. Als Endkeile wurden diejenigen 
zwei Keile angesetzt, deren Grenzen nach der Bühne 
zu, von der Mitte des Zuschauerraumes aus gerechnet, 
jenseits des wagrechten Durchmessers zuerst mit diesem 
konvergirten. Da in der Grundfigur die der Bühne zu- 
nächst gelegene Dreieckseite derselben parallel läuft, so 
ergeben sich für den Zuschauerraum zehn Keile, ein 
Keil mehr, als der Halbkreis enthält. In den Theatern 
zu Hierapolis und Aspendos ist die Skenenlänge gleich 
Dreieckseite + Durchmesser zusammengenommen; ebenso 
gross wird sie wohl auch im Theater zu Kyaneä ge- 
wesen sein. Gleich ist die Konstruktion in den ersten 
Theatern auch insofern, als eine Sehne des Urkreises 
die Lage der Bühnenhinterwand bestimmt. 

Das letztere ist auch im Theater zu Juliobona der 



k 



1. Einzelvergleichung (Gruppe I). 95 

Fall. Das ist aber auch das einzige, worin dieses 
Theater jenen gleicht. Wie jene drei soeben besproche- 
nen Theater dem Grundgedanken nach ähnlich sind 
denjenigen, welche Vitruv griechisch nennt, so hat dieses 
sich, soweit es natürlich bei der einmal festgesetzten 
Grundfigur möglich war, den Vorschriften Vitruvs über 
das römische angeschlossen. Es hat, wie Vitruv vor- 
schreibt, eine Skenenlänge von zwei Durchmessern und 
einen Zuschauerraum, der nicht über einen Halbkreis 
hinausgeht. Genau halbkreisförmig konnte der Zu- 
schauerraum nicht werden ohne Gefahr für die Eben- 
mässigkeit der ganzen Anlage, und so wurde er einfach 
auf acht (4) Keile beschränkt. Zu vgl. ELI 2. 

Die vereinzelt dastehende Theateranlage bei Xan- 
thos 11 (A4) entspricht genau der Theateranlage zu 
Kyaneä 7 (A 3), nur dass die Anzahl der in den ürkreis 
eingeschriebenen Dreiecke und dementsprechend auch 
die Anzahl der Keile im Zuschauerraum verdoppelt ist. 
Statt drei folgen also bis jetzt vier Theater demselben 
Grundprinzip. 

Als fünftes können wir sogleich hinzufügen das 
Theater zu Kibyra 12 (A 9). Wenn es sechs Dreiecke 
als Grundfigur enthält , was ich oben 11 3 Seite 82 als 
möglich hingestellt habe, dann unterscheidet es sich in 
Bezug auf die Konstruktion des Zuschauerraumes gar 
nicht von den drei ersten dieser Unterart, den Theatern 
zu Kyaneä, Hierapolis und Aspendos, aber selbst wenn 
nur drei Dreiecke als Grundfigur angenommen werden 
können, ist der Unterschied zwischen unserm Theater 
und jenen drei in Bezug auf den Zuschauen'aum nicht 
grösser als zwischen jenen drei und dem Theater bei 
Xanthos, denn das Verhältnis des Zuschauerraumes zu 
dem entsprechenden Urkreis ist in allen dasselbe: zehn 
^u achtzehn (im Theater zu Kibyra 5:9, im Theater 



96 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

bei Xanthos 20 : 36 und in den übrigen 10 : 18). Nur 
insofern weicht unser Theater von den übrigen ab, als 
seine Skenenlänge nicht Dreieckseite + Durchmesser, 
sondern Quadratseite + Durchmesser beträgt. 

Die letzten drei Theater dieser Unterart ähneln 
wieder mehr dem römischen Theater Vitruvs, und sie 
liegen auch im westlichen Theile des Mittelmeergebietes. 
Es sind die Theater zu Saguntum 13 (11 20), Faleria 14 
(II 15) und bei Tibur 15 (H 13). Eine genaue Halb- 
kreisform war natürlich für den Zuschauerraum nicht zu 
ermöglichen, ebenso wenig wie im Theater zu Juliobona 
10 (n 18), und so verhält sich denn die untere Begren- 
zung des Zuschauerraumes wie dort so hier, bei den 
Theatern zu Saguntum und Faleria, zu dem ürkreis wie 
vier zu neun (Juliobona: zu beachten Theil HI 2). Gleich 
der römischen Skenenlänge nach Vitruv (4r) ist die des 
Theaters zu Tibur und scheint zu sein die des Theaters 
zu Saguntum. Die übrigen Verhältnisse dieser drei 
Theater dagegen verrathen, wenn wir jetzt schon so 
sagen dürfen, den griechischen Typus: weniger die 
Lage der Bühnenhinterwand, welche durch die Tangente 
des Urkreises gegeben ist, da sie auch durch eine Sehne 
gegeben werden kann, wie oben angedeutet wurde; mehr 
aber die Skenenlänge im Theater zu Faleria (gleich 
Dreieckseite + Durchmesser) und das Verhältnis der un- 
teren Begrenzung des Zuschauerraumes zum ürkreis im 
Theater bei Tibur. Das Verhältnis beträgt nämlich fünf 
zu neun wie im Theater zu Kibyra und in den vier an- 
dern oben erwähnten. 

Die dritte und letzte ünterabtheilung der ersten 
Hauptgruppe von Theatern besteht aus solchen, deren 
Grundfiguren durch Sechsecke gebildet sind. Auf den 
ersten flüchtigen Blick könnte es scheinen, als ob von 
den sieben hierher gehörigen Theatern fünf von Haus 



i 



1. Einzelvergleichung (Gruppe I). 97 

aus wie die römischen mit halbkreisförmigem Zuschauer- 
ramn angelegt seien. Bei genauerer Prüfung jedoch stellt 
sich die Sache anders heraus: die angedeutete Aehn- 
lichkeit ist wenigstens bei zwei, vermuthlich aber bei 
vier durch Umbau in römischer Zeit entstanden. Wun- 
dem werden wir uns darüber nicht, da die Orte, in 
denen die erwähnten Theater liegen, Italien benachbart 
und dem Einfluss römischer Kultur unterworfen waren: 
Syrakus 17 (H 1), Tyndaris 18 (H 4), Akra 19 (H 2) in 
Sizilien und Dramyssos 20 (I 28) in Epirus. Nur ein 
einziges in der ganzen Gruppe, das in Italien selbst liegt, 
hat sicher, soweit die Sechseckgestalt der Grundfigur 
dies zuliess, von Anfang an den römischen Typus be- 
sessen. Ich meine das Theater bei Neapel 21 (11 9A), 
für dessen Konstruktion ein Sechseck als Grundfigur 
massgebend war. 

Um die ursprüngliche Anlage der vier genannten 
Theater in Sizilien und Epirus herauszubringen, werden 
wir gut thun uns das eine Theater dieser Abtheilung 
näher anzusehen, das eine Veränderung nicht erlitten 
hat, das Theater zu Side in Pamphilien 16 (I 3). Die 
Eigenthümlichkeiten, die wir bei Besprechung der vori- 
gen Unterart als zum griechischen Typus gehörend be- 
zeichnet haben, finden wir in unserm Theater alle wie- 
der. Die Abweichungen, welche man bemerkt, sind 
äusserlicher Natur, sind einzig und allein abhängig von 
der einmal gewählten und dann nothwendig festgehalte- 
nen Grundfigur. Wir haben nämlich hier drei Sechs- 
ecke als Grundfigur, nicht wie dort sechs Dreiecke. 
Dementsprechend ist die Skenenlänge nicht wie in den 
Theatern zu Hierapolis 8 (1 12) und Aspendos 9 (1 16) 
gleich Dreieckseite -^ Durchmesser oder wie im Theater 
zu Kibyra 12 (A 9) stellvertretender Weise gleich Qua- 
dratseite -^ Durchmesser , sondern gleich Sechseckseite 

Oehmichen, Griecli. Theaterbau. 7 



98 III. Vergleichungen und Folgerungen. 



Durchmesser, und dementsprechend umfasst auch der 
Zuschauerraum nicht zehn von den achtzehn möglichen 
Keilen, sondern elf. Die letztere Abweichung wird als 
selbstverständlich erscheinen, wenn man sich erinnert, 
dass die der Bühne zunächst gelegene Sechseckseite 
derselben parallel sein muss und dass in Folge dessen 
zwei Treppen und der wagrechte Durchmesser des ür- 
kreises sich decken. Sollte nun der Zuschauerraum nach 
griechischer Weise über die Halbkrcisform hinausgehen, 
über neun Keile enthalten, so mussten zwei Keile hin- 
zugenommen werden, die jenseits des wagrechten Durch- 
messers nach der Bühne zu lagen. Das Grundprinzip 
ist dabei aber keineswegs ein anderes, denn es sind wie 
bei den Theatern der zweiten Unterart auch hier als 
Endkeile diejenigen zwei Keile angesetzt, deren Grenzen 
nach der Bühne zu, von der Mitte des Zuschauerraumes 
aus gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers zu- 
erst mit diesem konvergiren. 

Den gleichen Typus wie bei dem soeben heran- 
gezogenen Theater zu Side finden wir beim Theater zu 
Myra 22 (I 4), dessen Besprechung wir hier einschieben, 
um die Wahrscheinlichkeit unserer Ansicht zu erhöhen. 
Absehen müssen wir bei diesem Theater von dem den 
Typus nicht wesentlich beeinträchtigenden umstand, dass 
nicht die Treppen des Unterstocks, sondern die des 
Oberstocks durch die entsprechenden Winkel der Grund- 
figur (vier Sechsecke) bestimmt sind. Alles üebrige ist 
genau so gestaltet, wie es das Grundprinzip, auf vier 
Sechsecke als Grundfigur angewandt, verlangt. Wir 
haben, was allerdings nicht gerade wesentlich ist, die 
Tangente als Bühnenhinterwand , wir haben femer die 
Skenenlänge gleich Sechseckseite -^ Durchmesser und 
wir haben endlich, wenn wir vom unteren Stockwerk 
wegen der angedeuteten Unregelmässigkeit der Treppen- 



\ 



1. Einzelvergleichung (Gruppe I). 99 

anläge absehen, einen Zuschauerraum, der die Halbkreis- 
form (zwölf Keile) um zwei Keile überschreitet, genau 
Bo und aus demselben Grunde wie der des Theaters zu 
Side 16 (I 3). 

Wir dürfen uns jetzt wohl der Hoflfnung hingeben, 
dass unsere Folgerung einer ursprünglich dem Grund- 
prinzip nach gleichen Konstruktion der Theater zu Sy- 
rakus und Tyndaris, zu Akra und Dramyssos nicht ganz 
ungegründet erscheinen wird. In Bezug auf die beiden 
letzteren Theater muss unsere Folgerung allerdings vor- 
läufig Vermuthung bleiben, weil der vorausgesetzte Um- 
bau insofern ein radikaler gewesen ist, als er sich nicht 
auf das untere Stockwerk beschränkt, sondern vom ge- 
rammten Zuschauerraum alles beseitigt hat, was über 
die Halbkreisform hinausging; in Bezug auf die beiden 
ersteren Theater aber ist unsere Folgerung mehr als 
blosse Vermuthung. Denn womit will man die ganz 
irrationale Verbreiterung der Endkeile im oberen Theil 
des Zuschauerraumes über den wagi'echten Durchmesser 
hinaus rechtfertigen? Ist denn überhaupt eine andere 
Annahme wahrscheinlich, als dass die mit dem wag- 
rechten Durchmesser sich deckenden Treppen bei Ge- 
legenheit des Umbaues in römischer Zeit eingezogen und 
die Endkeile auf die Hälfte ihrer Breite beschränkt 
wurden? Lage und Grösse von umgebauten Bühnen- 
gebäuden können bei der Frage nach dem Grundriss 
des Theaters nur dann in Betracht kommen, wenn über- 
haupt Anzeichen dafür vorliegen, dass die eingetretene 
Aenderung unwesentlich war. Solche Anzeichen liegen 
aber sicher nicht vor beim Theater zu Akra, doch sind 
sie vielleicht vorhanden beim Theater zu Syrakus. Neh- 
men wir den Fall an, dass sie vorhanden sind, nehmen 
wir an, dass die von uns angesetzte Länge des Bühnen- 
gebäudes (Quadratseite + Durchmesser) die Länge des 

7* 



-> ^ ^ ^ ^ 






100 III» Vergleichungen und Folgerungen. 

ursprünglichen Bühnengebäudes war, so haben wir eine 
Abweichung von dem oben dargelegten Grundprinzip der 
griechischen Theateranlage, nach dem die Skenenlänge 
gleich ist der Seite eines in den Urkreis eingeschriebe- 
nen Vielecks -l- Durchmesser. Diese Abweichung ist 
aber nicht erheblich. Es ist, wie sich später noch öfter 
zeigen wird und wie wir es schon beim Theater zu Ki- 
byra 12 (A 9) und noch früher beim dionysischen Theater 
Athens und beim polykletischen zu Epidauros wahr- 
genommen haben, dem Baumeister, vermuthlich unter 
besonderen Umständen, gestattet gewesen als Skenen- 
länge statt der entsprechenden Vicleckseite + Durch- 
messer in stellvertretender Weise Quadratseite -h Durch- 
messer anzusetzen. 

2. Zweite Hauptgruppe: Regelmässige 
Fünfecke (Zwanzigecke?) oder Zehnecke als 
Grundfiguren. Ich darf mir jetzt wohl erlauben bei 
der Vergleichung einen schnelleren Gang einzuschlagen. 
Bei zwei Fünfecken als Grundfigur verlangen wir dem 
erörterten Grundprinzip entsprechend, vorausgesetzt, dass 
nach der Regel die der Bühne zunächst liegende Fünf- 
eckseite derselben parallel ist, einen sechs von den zehn 
möglichen Keilen umfassenden Zuschauerraum, eine Ske- 
nenlänge von einer Fünfeckseite (in Stellvertretung Qua- 
dratseite) + Durchmesser und womöglich ein Zusammen- 
fallen der Tangente mit der Bühnenhinterwand. Dieser 
Forderung entspricht fast ganz genau die Anlage des 
Theaters zu Termessos 23 (A 1), nicht völlig dagegen 
die des Theaters zu Rhodiopolis 24 (A 2). Es besitzt 
wohl einen Zuschauerraum, der sechs von den zehn 
möglichen Keilen umfasst, aber es hat eine Sehne des 
Urkreises als Bühnenhinterwand und eine Skenenlänge 
von vier Radien wie das römische Theater nach Vitruv. 
Darf hier römischer Einfluss angenommen werden? Ich 



• •• -• 



• I • 






• • 



1. Einzelvergleichung (Gruppe II). 101 

glaube kaum. Es drängt sich vielmehr die Vermuthung 
auf, dass das, was wir römisch nemien, gar nicht ur- 
sprünglich römisch, sondern griechisch ist, mit andern 
Worten, dass die sogenannten römischen Theater den 
griechischen Odeen nachgebildet sind. Doch will ich 
diese Frage nicht entscheiden, denn dazu sind bessere 
Hilfsmittel nöthig, als mir gegenwärtig zu Gebote stehen, 
und ich fahre deshalb fort wie bisher von römischem 
Einfluss zu sprechen. 

Bei Verdoppelung der Fünfecke in der Grundfigur 
erwarten wir unter gleichen Voraussetzungen dieselben 
Verhältnisse wie bei zwei Fünfecken als Grundfigur und 
nur die Keile im Zuschauerraum an Zahl verdoppelt. 
Unserer Erwartung entspricht das polykletische Theater 
in Epidauros 26 (oben II 2) und das Theater zu Oinoanda 
27 (A 7), bei dem doch wohl richtiger vier Fünfecke 
als Grundfigur anzunehmen sind. Wir erhalten einen 
Zuschauerraum, der von den' zwanzig möglichen Keilen 
zwölf umfasst. Die Skenenlänge ist im Theater zu Epi- 
dauros stellvertretender Weise durch Quadratseite und 
Durchmesser bestimmt (im Theater zu Oinoanda zweifel- 
haft) und die Tangente mit der Bühnenhinterwand in 
Oinoanda ganz, in Epidauros ziemlich zusanmienfallend. 

Bei einem Zehneck als Grundfigur dürfen wir unter 
gleichen Umständen zu finden hojBFen : einen sieben von den 
zehn möglichen Keilen umfassenden Zuschauerraum, eine 
Skenenlänge von Zehneckseite, bzw. Quadratseite und 
Durchmesser und die Tangente vielleicht mit der Bühnen- 
hinterwand zusammenfallend. Das Erhoffte zeigt sich, 
abgesehen von dem umgebauten Bühnengebäude, an- 
nähernd im Theater zu Pompeji 31 (TL 7A). Der Zu- 
schauerraum hat ursprünglich auch in seiner unteren 
Begrenzung sieben Keile umfasst wie das obere Stock- 
werk. Nur in Folge des Vorrückens der Bühne nach 




102 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

dem Zuschauerraum zu ist die Anlegung von itinera und 
somit auch eine Verkürzung des untern Theiles des Zu- 
schauerraumes nothwendig geworden. Das wohl hierher ge- 
hörende Theater zu Segeste in Sizilien 32 (IL 3) entspricht 
nicht ganz unserer Hoffnung. Allein wir werden nicht 
zweifeln dürfen, dass wie in den Theatern zu Syrakus 17 
(IT 1) und Tyndaris in Sizilien 18 (II 4) der römische 
Einfluss bei dem oflfenbar auch in unserem Theater ein- 
getretenen umbau eine Verschmälerung der Endkeile 
veranlasst hat, so dass ursprünglich wie dort der Zu- 
schauerraum ausser dem Halbkreis noch zwei Keile um- 
fasste. Die Tangente ist mit der Bühnenhinterwand zu- 
sammenfallend und als Skenenlänge ist in stellvertretender 
Weise Quadratseite -f- Durchmesser angesetzt. 

Drei Fünfecke als Grundfigur bedingen für den Zu- 
schauerraum 9 von den 15 Keilen; so gross ist er in 
Laodikeia 28 (I 11). 

Der Rest unserer Gruppe scheint römischer Anlage 
zu sein : das Theater zu Eugubium 25 (H 16), das Odeon 
bei Neapel 29 (H 9B) , das Theater zu Nora 30 (A 18) 
und das Odeon zu Pompeji 33 (H 7B). In allen finden 
wir einen Zuschauerraum, der nicht über die Halbkreis- 
form hinausgeht, zweimal Vio? zweimal nur ^/g des ent- 
sprechenden Kreises fassend, in allen ausserdem vier 
Radien als Skenenlänge und nur die Lage der Bühnen- 
hinterwand zweimal wenigstens durch die Tangente statt 
durch eine Sehne bestimmt. 

3. Dritte Hauptgruppe: Regelmässige Sie- 
benecke und Vierzehnecke als Grundfiguren. 
Noch weniger als die Kenntnis des goldenen Schnittes, 
mittelst dessen regelmässige Zehnecke, bzw. Fünfecke 
herzustellen sind, wird man von voniherein den Griechen 
die Kunst regelmässige Siebenecke, bzw. Vierzehnecke 
zu zeichnen zutrauen wollen. Indessen ist hier dasselbe 
zu sagen, was bei Besprechung des polykletischen Thea- 



1. Einzelvergleichung (Gruppe III). 103 

ters in Betreflf des goldenen Schnittes bemerkt worden 
ist: Mag den Griechen immerhin die Theorie dieses 
Vorganges gefehlt haben, in der Praxis ist er ihnen un- 
zweifelhaft bekannt gewesen. Die sechs Beispiele, die 
ich anführen werde, lassen sich nicht umstossen. Frei- 
lich die feine und genaue Konstruktion, die man jetzt 
anwendet, um regelmässige Siebenecke, bzw. Vierzehn- 
ecke herzustellen, werden sie nicht gekannt haben, um 
so wahrscheinlicher aber eine ganz einfache, leichte, 
bei der ein unbedeutender, in der Praxis bald auszu- 
gleichender Fehler eintritt, und auf die mich mit grosser 
Bereitwilligkeit ein Mathematiker aufmerksam gemacht 
hat. Die Hälfte der Seite eines in einen Kreis einge- 
schriebenen regelmässigen Sechsecks ist nämlich ziem- 
lich genau gleich der Seite eines in denselben Kreis 
einzuschreibenden regelmässigen Siebenecks. 

Betrachten wir zunächst von den sechs hierher- 
[fallenden Theatern jene zwei, für deren Plan ein Vier- 
Izehneck als Grundfigur massgebend gewesen ist, die 
^Theater zu Telmissos 34 (I 6) und zu Aizani 35 (I 13). 
Ir erwarten einen Zuschauerraum, der neun von den 

lerzehn möglichen Keilen umfasst, und wir finden ihn 
igefähr so gross. Die kleine Verschmälerung der End- 

Leile werden wir kaum ins Gewicht fallen lassen dür- 
fen. Wir verlangen ferner als Skenenlänge Vierzehn- 

jckseite -f- Durchmesser oder, was hier richtiger ist: 

i. 48, in Stellvertretung Quadratseite -f- Durchmesser und 
^wir finden, vne es scheint, einmal Vierzehneckseite -f- 

tochmesser. 

Aehnlich günstig steht es bei zwei Theatern mit 
zwei Siebenecken als Grundfigur, den Theatern zu Pi- 
nara 36 (A 5) und zu Patara 37 (I 5). Wir haben, vtde 
vtdr es nicht besser wünschen können, in beiden einen 
Zuschauerraum, der acht von den vierzehn möglichen 



104 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

Keilen umfasst. Die Verschmälerung der Endkeile in 
dem letzteren Theater, wenn sie überhaupt vorhanden 
ist, wird auch hier nicht als schwerwiegend angesehen 
werden dürfen. Wir haben dann in stellvertretender 
Weise als Länge des Bühnengebäudes Quadratseite -i- 
Durchmesser und wir haben zum Schluss einmal, im 
Theater zu Patara, die Bühnenhinterwand mit der Tan- 
gente zusammenfallend. 

Römische Anlagen dagegen erkennen wir in den 
Theatern Algiers zu Cuiculum 38 (A 20) und zu Calama 
39 (A 21). In beijien ist ohne Rücksicht auf das Gleich- 
mass der Keile der Zuschauerraum auf die Halbkreis- 
form beschränkt; die Skenenlänge hat sich wohl gleich- 
falls nach dem römischen Geschmack gerichtet, ein festes 
Prinzip scheint jedoch bei ihr nicht befolgt worden 
zu sein. 

4. Vierte Hauptgruppe: Regelmässige Vier- 
ecke (Sechzehnecke?) oder Achtecke als Grund- 
figuren. Die erste Unterart dieser vierten Hauptgruppe 
von Theatern, deren Grundfigur durch drei Quadrate 
gebildet wird, ist im Anfang dieses Abschnittes mit Vi- 
truvs Vorschrift über das griechische Theater verglichen 
worden. Ich habe nur noch weniges hinzuzufügen. Mit 
Vitruvs Regel stimmte keins, mit unserer Forderung da- 
gegen stimmt das Theater zu Jasos 40 (I 9), denn das 
Zusammenfallen einer Sehne statt der Tangente mit der 
Bühnenhinterwand lassen wir, nicht Vitruv, zu. Im 
Theater von Knidos ist die Skenenlänge unregelmässig 
nach Vitruvs Vorsclu*ift sowohl als nach unserer Forde- 
rung. Es sei also die Abweichung festgestellt ; dass sie 
nicht erheblich für unsere Untersuchung ist, wird sich 
später zeigen. Das Odeon des Herodes Attikos endlich 
hat wenigstens in Bezug auf die Grösse des (halbkreis- 
förmigen) Zuschauerraumes römischen Einfluss erfahren, 




1. Einzelvergleichung (Gruppe IV). 105 

in Bezug auf die Btihnenanlage aber griechischen 
Typus. 

Von den übrigen in diese Hauptgruppe gehörenden 
Theatern ziehe ich zunächst zwei heran, bei denen vier 
<Juadrate als Grundfigur bestimmend waren, die Theater 
zu Rhiniassa 43 (I 27) und zu Stratonikeia 44 (I 8). 
Skenenlänge und Btihnenhinterwand sind in dem ersteren 
so vorhanden, wie wir sie wünschen, nicht völlig so 
aber der Zuschauerraum. Nach unserer Forderung sollte 
er umfassen zehn volle Keile von den sechzehn mög- 
lichen, vrir finden aber die beiden Endkeile etwas 
schmäler ungefähr vrie in den Theatern zu Telmissos 
34 (I 6) und Aizani 35 (1 13). Der Grund hierfür wird 
darin zu suchen sein, dass eine Annäherung des Zu- 
schauerraumes an die Bühne über einen gewissen Ab- 
stand hinaus Unbequemlichkeiten bei den dramatischen 
AujBFührungen hervorgerufen hätte. Ungefähr dieselbe 
Grösse des Zuschauerraumes (10:18) wird für das 
Theater zu Stratonikeia anzunehmen sein. 

Römischen Typus erkennt man in zwei Theatern 
dieser Hauptgruppe, die in Ländern römischer Kultur 
liegen, in dem Theater zu Arausio (Orange) in Frankreich 
45 (D 19), bei welchem wir vier Quadrate als Grund- 
figur voraussetzen dürfen, und in dem Theater zu Tus- 
culum 48 (n 11), das vermuthlich zwei Quadrate als 
Grundfigur hat. Der römische Typus zeigt sich in der 
Grösse des Zuschauerraumes, der über die Halbkreisform 
nicht hinaus geht, und beim Theater zu Tusculum ausser- 
dem in der Skenenlänge, welche gleich zwei Durch- 
messern ist. 

Drei Theater gehören noch hierher, die ich aus be- 
sonderem Grunde zuletzt bespreche, die Theater zu 
Tauromenion 46 (H 6) und Katana 47 (H 5 A) mit vier 
Quadraten als Grundfigur und das Theater zu Kadyanda 



106 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

49 (A 6) mit zwei Achtecken als Grundfigur. Zwar die 
Skenenlänge und die Lage der Bühnenhinterwand giebt 
zu Bemerkungen keine Veranlassung. Die erstere ist, 
wie wir es erwarten müssen, im Theater zu Taurome- 
nion wahrscheinlich einer Quadratseite + Durchmesser 
gleich und im Theater zu Kadyanda gleich Achteckseite 
+ Durchmesser. Um so auflfallender aber ist bei ge- 
nauerer Prüfung die Grösse des Zuschauerraumes. Wir 
müssen bei einer Grundfigur von vier Quadraten oder 
zwei Achtecken als untere Begrenzung des Zuschauer- 
raumes ^7i6 dßs ürkreises erwarten wie im Theater zu 
Stratonikeia 44 (I 8), wir finden dafür aber im Theater 
zu Kadyanda 7i6 ^^^ i^ ^^^ beiden anderen sogar nur 
7i6 des ürkreises. 

Beseitigen wir zunächst den Unterschied in der 
Grösse der Zuschauerräume der drei Theater. Der Un- 
terschied fällt weg, wenn wir die ursprüngliche Theater- 
anlage in Betracht ziehen. In allen anderen Theatern 
Siziliens nämlich, in Syrakus 17 (II 1), Tyndaris 18 (114), 
Akra 19 (11 2) und Segeste 32 (H 3), hat, wie es scheint, 
ein Umbau, ein Vorrücken der Bühne stattgefunden: 
vgl. oben Gruppe 1 und 2; das gleiche wird hier an- 
zunehmen sein. Besonders in Betreff des Theaters zu 
Tauromenion kann kein Zweifel aufkommen, da das 
obere Stockwerk die geforderte Ausdehnung noch jetzt 
zeigt. Aber auch beim Theater zu Katana sind An- 
deutungen einer früher grösseren Ausdehnung des Zu- 
schauerraumes vorhanden, ich meine die unregelmässige 
Theilung des Oberstocks durch Treppen und die Halb- 
keile als Endkeile im Unterstock. Beides ist doch wohl 
nur in Folge der Verkürzung des Zuschauerraumes nach 
der Bühne zu entstanden. Wir dürfen also getrost in 
beiden Theatern als ursprüngliche Grösse des Zuschauer- 
raumes die annehmen, die sich im Theater zu Kadyanda 



^ 



1. Einzelvergleichung (Gruppe IV). 107 

findet, wo neun von den sechzehn mögliehen Keilen zu 
Zuschauersitzen verwerthet sind. 

Damit ist aber noch lange nicht die ganze Schwie- 
rigkeit gehoben. Es bleibt immer noch zu erklären, 
warum der Zuschauerraum neun und nicht gemäss der 
aus der Grundfigur hervorgehenden Forderung zehn 
Keile von den sechzehn möglichen umfasst hat. Die Erklä- 
rung findet sich, wenn wir auf die ungewöhnliche Stel- 
lung der Grundfigur zur Bühne achten. In allen andern 
Theatern ist die der Bühne zunächst liegende Seite der 
Grundfigur der Bühnenhinterwand parallel, hier ist es 
nicht der Fall. Aus der schiefen Stellung der Grund- 
figur entsprang dann weiter die Verkleinerung des Zu- 
schauerraumes, der nur neun statt zehn Keile umfasst. 

Es darf diese Abweichung von der bisher überall 
geltenden ßegel nicht vertuscht werden, und so sei hier- 
mit ausdrücklich darauf hingewiesen. Indessen ist doch 
auch gleich hinzuzufügen, dass das Grundprinzip, wie 
wir es bis jetzt kennen gelernt haben, hierdurch ganz 
und gar keine Anfechtung erleidet. Die Analemmata 
des Theaters sind hier wie in den übrigen Fällen prin- 
zipiell dieselben, denn es sind auch hier als Endkeile 
des Zuschauerraumes diejenigen zwei angesetzt, deren 
Grenzen nach der Bühne zu, von der Mitte des Zu- 
schauerraumes aus gerechnet, jenseits des wagrechten 
Durchmessers zuerst mit diesem konvergiren. 

Es giebt noch eine zweite Lösung der Schwierig- 
keit, die ich aber, ohne gerade massgebend sein zu 
wollen, vorläufig für weniger richtig halte. Man braucht 
nämlich als Grundfigur der drei Theater statt vier Qua- 
drate oder zwei regelmässige Achtecke nur ein regel- 
mässiges Sechzehneck anzusetzen, so fällt die Annahme 
einer schiefen Stellung der Grundfigur als unnöthig weg. 
Das ist ein leichtes Mittel, wie man sieht, aber ich trage 



108 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 

doch Bedenken es anzuwenden und zwar wegen der 
Skenenlänge im Theater zu Kadyanda. Die Skenen- 
länge im Theater zu Tauromenion würde bei Annahme 
eines regehnässigen Sechzehnecks als Grundfigur keinen 
Anstoss geben, da auch sonst vielfach in stellvertreten- 
der Weise 1^? Durchmesser als Skenenlänge angesetzt 
worden ist. Aber nirgends finden wir in stellvertreten- 
der Weise als Länge des Bühnengebäudes Achteckseite 
H- Durchmesser, wie es im Theater zu Kadyanda bei 
Annahme eines regelmässigen Sechzehnecks als Grund- 
figur der Fall wäre. So lange also nicht in glaubhafter 
Weise dargelegt worden ist, dass die Skenenlänge im 
Theater zu Kadyanda eine andere als die von uns an- 
gegebene, vielleicht gleich 1% Durchmesser, ist, so 
lange halte ich die erstere der angeführten Lösungen 
der angeregten Frage für angemessener. 

5. Als fünfte Hauptgruppe könnte man drei 
Theater mit einem regelmässigen Zweiundzwanzig- 
eck oder Elfeck als Grundfigur hinstellen, das dio- 
nysische Theater Athens, das Theater im Piräus und das 
Theater zu Melos (I 18). Memen oben U 1 Seite 39 flf. 
gemachten Bemerkungen über die beiden ersten Theater 
habe ich weiter nichts hinzuzufügen, als dass unsere 
aus den Vergleichungen entsprungenen Forderungen in 
Betreff der Grösse des Zuschauerraumes und der Skenen- 
länge auch hier erfüllt sind. Die Skenenlänge ist im 
dionysischen Theater Athens und im Theater des Piräus 
stellvertretenderweise gleich Quadratseite -f- Durchmesser, 
und als Endkeile der Zuschauerräume sind in allen drei 
Theatern diejenigen zwei angesetzt, deren Grenzen nach 
der Bühne zu, von der Mitte des Zuschauerraumes aus 
gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers mit 
diesem zuerst konvergiren. Der Zuschauerraum des dio- 
nysischen Theaters in Athen und der des Theaters im 



2. Gesammtvergleichung (1. Zwei Haupttypen). 109 

Piräus überschreitet dementsprechend die Halbkreisform 
um zwei Keile, umfasst also dreizehn von den zweiund- 
zwanzig möglichen, und das Theater von Melos enthält 
einen Zuschauerraum, der ganz gemäss unserer Forde- 
rung sechs von den elf möglichen Keilen einnimmt. 



Zweiter Abschnitt. 

Gesammtvergleichung. 

1. Zwei Haupttypen. 

Man wird sich im Verlauf der Einzelvergleichungen 
innerhalb der Hauptgruppen tiberzeugt haben, dass in 
den besprochenen Theaterttberresten zwei Haupttypen 
unterschieden werden können. Man darf sie wohl den 
griechischen und den römischen Typus nennen. Den 
Ausdruck „römischer Typus'' wähle ich nicht etwa, wie 
ich schon bei der Vergleichung der Theater der zweiten 
Hauptgruppe angedeutet habe, weil er mir wissenschaft- 
lich gerechtfertigt scheint, sondern weil ich, ohne mich 
vorher in eine andere Untersuchung eingelassen zu ha- 
ben, keinen bessern an seine Stelle zu setzen weiss. 

Die Theaterkonstruktion, welche Vitruv als römisch 
beschreibt, ist nur eine Unterabtheilung der römischen 
Art. Zur Unterscheidung kann man, wenn man will, 
die Gesammtheit der römischen Theater römisch im 
weiteren Sinne und die Theater vitruvischer Art römisch 
im engeren Sinne nennen. Als römisch im weiteren 
Sinne bezeichne ich die Theater, welche entweder einen 
Zuschauerraum von höchstens einem Halbkreis und eine 
Skenenlänge von zwei Durchmessern (dreizehn) oder 
eins von beiden (sechs und eins) haben. 



110 ni. Vergleichungen und Forderungen. 

Zu den griechischen Theatern rechne ich alle übri- 
gen, nicht bloss die, welche noch jetzt durchweg grie- 
chischen Typus zeigen, sondern auch die, deren ur- 
sprünglich rein griechische Formen . in römischer Zeit 
umgestaltet worden sind. Ihr Zuschauerraum geht ohne 
Ausnahme über die Halbkreisform hinaus, und ihre Ske- 
nenlänge ist mit nur zwei Ausnahmen gleich der ent- 
sprechenden Vieleckseite -f- Durchmesser oder in Stell- 
vertretung gleich Quadratseite + Durchmesser. 

Im Grossen und Ganzen, hoflfe ich, wird man mei- 
ner Scheidung die Zustimmung nicht versagen. Ausser 
den bei der Einzelvergleichung angedeuteten unterschei- 
denden Merkmalen spricht für sie auch die geographische 
Lage der üeberreste. Die römischen Theater finden 
sich in Ländern römischer Kultur, in Italien, Istrien, 
Sardinien, Frankreich, Spanien und Algier, die griechi- 
schen dagegen in Ländern griechischer oder wenigstens 
ursprünglich griechischer Kultur, in Kleinasien, auf der 
Balkanhalbinsel, in Sizilien und Süditalien. In Sizilien 
und Süditalien stiessen beide Kulturen auf einander; 
von der Zeit an, wo hier die römische das üebergewicht 
erhielt, werden die Umbauten der sechs sizilischen Theater 
und des Theaters zu Pompeji vorgenommen worden sein. 
In Pompeji ist wahrscheinlich sogar der interessante 
Fall eingetreten, dass in römischer Zeit eins (das grosse) 
nach der neuen Art nur umgebaut und eins (das kleine, 
Odeon) gleich von Anfang an entsprechend dem neuen 
Typus angelegt worden ist. 

Drei Einwendungen könnten vielleicht gegen meine 
Scheidung gemacht werden und zwar betreffs des Odeons 
in der Villa Hadrians bei Tibur 15 (II 13), des Odeons 
in Athen 42 (I 26) und des Theaters zu Rhodiopolis 24 
(A 2). Das Odeon in Athen wird man deshalb nicht 
gern als römisch bezeichnen wollen, weil ausser ihm 



2. Gesammtvergleichung (l. Zwei Haupttypen.) Hl 

kein römisches im östlichen Theile des Mittelmeergebietes 
zu finden ist. Allein ich denke, hier genügt der Hin- 
weis auf den Erbauer, den Römerfreund Herodes Attikos. 
Zudem macht auch die unbegreifliche einzig in ihrer Art 
dastehende Treppenanlage im Zuschauerraum diesen Bau 
als einen Ausfluss der Laune des Bauherrn kenntlich. 
Erheblicher scheint der Einwand in Bezug auf das Odeon 
in der Villa Hadrians bei Tibur. Es geht nämlich hier 
der Zuschauerraum über die Halbkreisform hinaus, was 
sonst bei keinem römischen Spielraum der Fall ist. 
Nicht minder berechtigt dürfte das Bedenken gegen die 
Einreihung des Theaters zu Rhodiopolis in die Zahl der 
griechischen Theater erscheinen. Eine Skenenlänge von 
vier Radien kommt ausser in diesem in keinem griechi- 
schen Theater vor, dagegen dreizehnmal in zwanzig 
römischen Theatern. 

Ganz zu entkräften vermag ich diese Einwände 
nicht; ich muss es mir also gefallen lassen, wenn Je- 
mand es vorziehen sollte, diese beiden Theater anders 
einzureihen. Allein grosse Sorge wüi'de ich mir darum 
nicht machen, denn das Ergebnis meiner Betrachtungen 
würde dadurch keineswegs eine grössere Aenderung er- 
leiden. Ausserdem aber gebe ich zu bedenken, dass 
beide Typen, wenn sie auch für sich betrachtet wesent- 
lich verschieden sind, doch in Vergleichung mit mittel- 
alterlichen oder neueren Schauspielanlagen keine prin- 
zipielle Verschiedenheit aufweisen. Die Verkürzung des 
Zuschauerraumes nach der Bühne zu und die Verlänge- 
rung der gesammten Bühnenanlage im römischen Theater 
sind ohne rückwirkende Kraft auf das Grundprinzip des 
Plans. Dieselben Grundfiguren, dieselben Treppen- und 
Thüranlagen wie im griechischen Theater wurden in 
späterer Zeit im römischen Theater verwendet. Ueber- 
haupt ist es nicht rathsam, räumlich oder zeitlich einen 



112 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

scharfen Schnitt zu machen. Wie das römische Drama 
nichts anderes ist als ein in römischer Sprache fort- 
vegetirendes griechisches, mit weniger oder selten mehr 
römischer Färbung der Charaktere und Situationen, so 
ist doch wohl sicher auch das römische Theatergebäude 
nur den Griechen entlehnt und mit mehr oder minder 
lokaler, wenn ich so sagen darf, Architekturfärbung ver- 
sehen. Und damit komme ich wieder auf den Punkt, 
von dem aus die völlige Entkräftung der oben angedeu- 
teten Bedenken wird vorgenommen werden können, ich 
komme wieder auf die griechischen Odeen als Vorbild 
der römischen Theater: vgl. oben Gruppe 2. 

Einen Nachweis der Entwicklung der Odeen vermag 
ich, wie gesagt, nicht zu geben, doch auch schon eine 
in sich nicht unwahrscheinliche Vermuthung über ihre 
Entvpicklung wird dazu beitragen, die angeregten Be- 
denken etwas zu schwächen. Ich denke mir aber die 
Sache so : Ein Bedürfnis wurden die Odeen erst in ver- 
hältnismässig später Zeit, als der Theaterbau sich schon 
entwickelt hatte. In Folge dessen hat der Bau der 
Odeen sich nach dem der Theater gerichtet, soweit nicht 
besondere Umstände Aenderungen wünschenswerth er- 
scheinen Hessen. Zu solchen besonderen Umständen 
werden bequemeres Hören und Sehen, ein kleinerer Zu- 
schauerraum und wohl auch eine kleinere Orchestra zu 
rechnen sein. Solchen Umständen trug der Baumeister 
Rechnung dadurch, dass er den Bühnenraum an den 
Zuschauerraum annäherte. Um einen gleich grossen 
freien Raum vor der Bühnenhinterwand zu behalten, 
musste er das Bühnengebäude seitlich erweitem (die 
Skene verlängern), damit, was in der einen Ausdehnung 
an Raum verloren ging, in der andern vpieder einge- 
bracht würde. Eine grössere Annäherung des Bühnen- 
gebäudes an den Zuschauerraum wird aber nur nach 



\ 



2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 113 

und nach eingetreten sein, so dass der konstruktive Un- 
terschied zmschen Odeen und Theatern weniger in den 
älteren als in den jüngeren Bauten zu Tage trat. 

Und so finden wir noch im Odeon zu Knidos 41 
(I 7) eine Anlage, die dem griechischen Theater nach 
Vitruv bis auf einen Umstand ganz entspricht. Dieser 
eine Umstand aber ist die zwei Quadratseiten betragende 
Skenenlänge. Was den Baumeister zu dieser Abweichung 
veranlasst habe, lässt sich nicht erkennen; aber es ist 
beachtenswerth, dass eine solche Abweichung in einem 
Odeon vorkommt, niemals aber in einem griechischen 
Theater. Eine Weiterentwicklung des Odeons dürfen 
wir in der Anlage zu Rhodiopolis 24 (A 2) erkennen, 
die wohl kaum etwas anderes sein kann als ein Odeon. 
Die Analemmata haben in diesem Bau noch ihre ord- 
nungsmässige Lage, aber die Skene ist nach dem Zu- 
schauerraum zu weiter vorgerückt und demzufolge seit- 
lich bis auf vier Radien erweitert. Ueber diese Länge 
ist die spätere Zeit nicht hinausgegangen; es trat nur 
noch eine Aenderung in Bezug auf die Analemmata ein. 
Diese wurden in offenbar trefflicher Raumersparung pa- 
rallel der Skene angelegt, selbst wo das Grundprinzip 
eine andere Lage verlangte, wie im Odeon bei Tibur 
15 (n 13) und im Odeon bei Neapel 29 (H 9B). Dass 
der Uebergang von Odeen dieser Art zu den römischen 
Theatern ausserordentlich leicht war, das liegt doch wohl 
klar zu Tage. 

2. Die Hauptbestandtheile. 

A. Zuschauerraum. Es kommt jetzt darauf an, 
die bei der Beschreibung und der Einzelvergleichung 
betrachteten Hauptbestandtheile der Theateranlagen zu- 
sammen zu vergleichen, um das AUgemeingiltige heraus- 
zufinden. Eine Scheidung in griechische und römische 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. g 



114 in. Vergleichungen und Folgerungen. 

Theater braucht hierbei meist nicht einzutreten, weil die 
unterschiede mehr äusserlicher Natur, nicht prinzipielle 
sind. 

a) Gliederung des Zuschauerraumes. Der 
Zuschauerraum ist selten einstöckig; gewöhnlich ist er 
durch einen, zuweilen durch zwei Umgänge in zwei, 
bzw. drei konzentrische Stockwerke getheilt. Radial 
werden die Stockwerke, mit Ausnahme der Endkeile, in 
gleiche durch Treppen geschiedene Keile zerlegt. Eine 
Ausnahme von dieser Regel findet sich nur einmal im 
Odeon bei Tibur 15 (II 13); sie ist aber nicht zu rech- 
nen, weil ein ganz besonderer Anlass, eine in der Mitte 
des Oberstocks befindliche aedicula, die Unregelmässig- 
keit der Treppenanlage erforderlich machte. 

b) Treppen im Zuschauerraum. Die Treppen 
des Unterstocks sind bestimmt durch die Halbirungs- 
linien von Winkeln der in den Urkreis eingeschriebenen 
Grundfigur. Die Treppen im zweiten, bzw. dritten Stock- 
werk sind entweder nur Fortsetzungen der Treppen des 
Unterstocks oder sind nur mitten zwischen den Halbi- 
rungslinien von Winkeln der Grundfigur gelegen oder 
beides zugleich, also an Zahl doppelt so gross als die 
des unteren Stockwerks. Die wenigen Verstösse gegen 
die zweite Hälfte dieser Regel sind unwesentlich und 
seien deshalb hier übergangen; sie finden sich in den 
Theatern zu Kibyra 12 (A9), bei Neapel 21 (H 9A), 
zu Calama 39 (A 21) und zu Katana 47 (II 5A). Gegen 
die ganze Regel Verstössen zwei Theater, das Theater 
zu Stratonikeia 44 (I 8) und das zu Myra 22 (I 4). Da 
indessen von dem ersteren die Abschlussmauem des Zu- 
schauerraumes nach der Bühne zu nicht zu erkennen 
sind und da infolge dessen die Grundfigur nur ver- 
muthungsweise zu bestimmen war, kann diese Ausnahme 
als solche nicht gerechnet werden. Anders ist die Sache 



\ 



2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 115 

im Theater zu Myra. Hier ist eine wirkliche Ausnahme 
anzuerkennen, die aber als einzige bei fünfzig Theatern 
so gut wie nichts sagen will. In diesem Theater sind 
nämlich die betreflfenden Regelhälften gerade umgekehrt 
zur Anwendung gekommen: die Treppen des Oberstocks 
sind durch Halbirungslinien von Winkeln der in den 
ürkreis eingeschriebenen Grundfigur bestimmt, die Trep- 
pen des ünterstocks dagegen fallen mitten zwischen 
diese Halbirungslinien. 

c) Grundfigur für den Zuschauerraum. Die 
höchste Mannigfaltigkeit herrscht in Bezug auf die für 
den Zuschauerraum massgebenden Grundfiguren (im Ge- 
gensatz zu Vitruv, der nur zwei kennt). In fünfzig 
Theatern finden wir einundzwanzig verschiedene Grund- 
figuren. Berücksichtigen wir dazu noch die grössere 
oder geringere Abweichung von der Halbkreisform in 
den griechischen und römischen Theatern, so finden sich 
durchschnittlich nur ungefähr je zwei Theater, die in 
Bezug auf die radiale Gliederung einander ähnlich sehen. 
Ich gebe im Folgenden einen üeberblick über die für 
die radiale Gliederung des Zuschauerraumes bestimmen- 
den Grundfiguren in den griechischen und römischen 
Theatern. In den Klammem stehen die Nummern un- 
serer Tabelle. 

Grundfigur: 

1. vier Dreiecke in 

2. sechs „ „ 

3. zwölf „ „ 

4. drei „ „ 

5. drei Sechsecke in 

6. ein Sechseck in 

7. vier Sechsecke in 

8. zwei Fünfecke in 

9. vier „ „ 

8' 



griechisches: 


röm. Theater: 




6 (1-6) 


3 (7 flf.) 





1 (11) 




1(12) 


4 (10; 13flf. 


5 (16flf.) 






1 (21) 


1 (22) 




2 (23 f.) 


1 (25) 


2 (26 f.) 






116 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 



Grundfigur: 


griechisches: 


röra. Theater 


10. drei Fünfecke in 


1 (28) 




11. ein Fünfeck in 




2 (29 f.) 


12. ein Zehneck in 


2 (31 f.) 


1(33) 


13. ein Vierzehneck in 


2 (34 f.) 




14. zwei Siebenecke in 


2 (36 f.) 


1 (38) 


15. ein Siebeneck in 




1 (39) 


16. drei Quadrate in 


2 (40 f.) 




17. drei Quadrate + zwei 






Siebenecke in 





1 (42) 


18. vier Quadrate in 


4 (43 f. 46 f.) 


1 (45) 


19. zwei „ „ 




1 (48) 


20. zwei Achtecke in 


1 (49) 




21. ein Zweiundzwanzigeck in 


1 (50) 





21 verschiedene in 30 griech. u. 20 römisch. 

Theatern (15 verschiedene in 30 griechischen und 
11 verschiedene in 20 römischen Theatern). 

d) Endkeile und Analemmata. Abgesehen von 
den wenigen Abweichungen der Grenze zwischen Zu- 
schauerraum und Orchestra von der strengen Kreislinie, 
die erst noch festzustellen sind, können wir über das 
Verhältnis der Endkeile zu den übrigen Keilen Folgen- 
des bestimmen. Die Endkeile sind gleich den übrigen 
Keilen in den ursprünglichen, nicht umgebauten grie- 
chischen und in denjenigen römischen Theatern, in denen 
zwei Halbirungslinien von Winkeln der Grundfigur mit 
dem wagrechten Durchmesser zusammenfallen; in den 
übrigen römischen Theatern war eine Gleichheit der 
Endkeile und der mittleren Keile nicht zu ermöglichen; 
die in römischer Zeit umgebauten griechischen Theater 
suchten sich je nach Umständen mehr oder weniger der 
römischen Regel anzubequemen. 

Betrachten wir zuvörderst die griechischen 
Theater mit unveränderten Zuschauerräumen. Ich 



% 



2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 117 

rechne dazu folgende: Die Theater zu Kyaneä 7 (A3), 
zu Hierapolis 8 (1 12), bei Xanthos 11 (A4), zu Kibyra 
12 (A9), zu Side 16 (13), zu Myra 22 (14), zu Ter- 
messos maj. 23 (AI), Rhodiopolis 24 (A 2), Epidauros 
26 (oben II 2), Oinoanda 27 (A 7), Pinara 36 (A 5), Pa- 
tara 37 (15), Jasos 40 (I 9), das Odeon zu Knidos 41 
(I 7), die Theater zu Stratonikeia 44 (I 8), zu Kadyanda 
49 (A 6) und zu Athen 50 (oben 11 1) , zusammen sieb- 
zehn. Für sie gilt eine Regel, die schon oben III 1 
formulirt worden ist: Als Endkeile sind diejenigen zwei 
angesetzt, deren Grenzen nach der Bühne zu (Analem- 
mata), von der Mitte des Zuschauerraumes aus gerechnet, 
jenseits des wagrechten Durchmessers zuerst mit diesem 
konvergiren. Wenn wir von einigen ganz unbedeuten- 
den Abweichungen, die auf den Wieselerschen Plänen 
nicht wahrgenommen werden können, absehen, wie z. B. 
davon, dass im dionysischen Theater Athens die Ana- 
lemmata nicht genau nach dem Mittelpunkt des Urkreises 
gerichtet sind, so haben wir von dieser Regel nur eine 
einzige Ausnahme im Theater zu Myra, also in dem- 
selben Theater, das oben schon (unter b) in Bezug auf 
die Treppenanlage im Zuschauerraum eine und zwar 
die allein zu zählende Sonderstellung einnahm. Indessen 
ist diese Abweichung des Theaters zu Myra in Bezug 
auf die Endkeile keine prinzipielle, sondern war durch 
die einmal gewählte Form der Treppenanlage im Zu- 
schauerraum begründet, so dass sie genau genommen 
keine Ausnahme von der Regel in sich schliesst. Im 
Oberstock des Zuschauerraumes sind nämlich die End- 
keile den übrigen Keilen ungefähr gleich. Die Unregel- 
mässigkeit beruht nur darin, dass die Analemmata nicht, 
wie es die Regel verlangt, nach dem Mittelpunkte des 
Urkreises gehen; aber diese Unregelmässigkeit war aus 
Gründen der ebenmässigen Gliederung des Unterstocks 




118 in. Vergleich ungen und Folgerungen. 

durchaus nothwendig. Wären die Analemmata genau 
nach dem Mittelpunkt des Urkrcises gerichtet worden, 
so hätten im ünterstock Endkeile entstehen müssen, die 
halb so gross gewesen wären als die übrigen. Es hat 
also hier, wie man sieht, der Baumeister verstanden die 
eine Dissonanz herbeiführende Treppenstellung im ünter- 
stock durch eine andere Dissonanz in der Stelhmg der 
Analemmata zu paralysiren und den schönsten Einklang 
hervorzubringen. 

So gut wie ohne Ausnahme gleich sind, soviel ich 
sehe, die Endkeile den übrigen Keilen des ünterstocks 
in denjenigen römischen Theatern, in welchen der wag- 
rechte Durchmesser mit zwei Halbirungslinicn von Viel- 
eckswinkeln zusammenfällt. Wenn die der Bühne zu- 
nächst gelegene Seite der Grundfigur derselben parallel 
ist, was in den Grundrissen der römischen Theater im- 
mer, in denen der griechischen mit nur drei Ausnahmen 
(vgl. oben Hauptgruppe 4) der Fall ist, so müssen sich 
wagrechter Durchmesser und zwei Halbirungslinicn von 
Vieleckswinkeln decken in den Theatern, deren Grund- 
figur z. B. aus vier Dreiecken oder einem Sechseck oder 
einem Zehneck oder zwei oder vier Quadraten besteht; 
sie können sich aber nicht decken in den Theatern, 
deren Grundfigur z. B. aus drei Dreiecken oder einem 
Fünfeck oder einem Siebeneck oder zwei Vierzehnecken 
besteht. Demgemäss gehören zur ersten Abtheilung 
der römischen Theater folgende: Die ersten sechs 
unserer Tabelle mit vier Dreiecken als Grundfigur, das 
Theater bei Neapel 21 (H 9A) mit einem Sechseck als 
Grundfigur, das Odeon zu Pompeji 33 (H 7B) mit einem 
Zehneck als Grundfigur und die Theater zu Arausio 45 
(H 19) und Tusculum 48 (H 11) mit vier, bzw. zwei 
Quadraten als Grundfigur. Die Endkeile sind in diesen 
Theatern den mittleren Keilen gleich. In einigen Grund- 



2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 119 

rissen sind zwar die Treppen und in Folge dessen auch 
die Keile nicht zu erkennen, in den Theatern des Mar- 
cellus und Pompejus und zu Arausio ; es wird aber nicht zu 
bezweifeln sein, dass ihre radiale Gliederung, insbeson- 
dere die Endkeile der oben angegebenen Regel ent- 
sprochen haben, umso weniger, als eine Ausnahme von 
der Regel schwerlich zu finden sein dürfte. Denn als 
wirkUche Ausnahme wird man doch das Theater zu 
Tusculum nicht betrachten wollen. Wir kennen ja nicht 
einmal die Grundfigur, und zudem ist auch der Abstand 
der Analemmata vom wagrechten Durchmesser kaum 
als bedeutend genug anzusehen. Da indessen auch im 
Theater zu Herculaneum eine ähnliche, wenn schon noch 
unbedeutendere Abweichung vorkommt, so kann man 
immerhin zugestehen, dass die Römer die angegebene 
Regel nicht ganz streng befolgt haben. Hierzu wird 
der noch mehr geneigt sein, der die Endkeile der zwei- 
ten Abtheilung der römischen Theater in Berücksichti- 
gung zieht: eine Gleichgiltigkeit des Baumeisters gegen 
das Ebenmass tritt hier zuweilen zu Tage, me sie in 
griechischer Zeit nie vorgekommen ist. 

Da das römische Theater, wie schon früher ange- 
deutet worden ist, aus Raumersparnis einen der Bühne 
parallelen Abschluss des Zuschauerraumes (Analemmata) 
verlangte, so war in der zweiten, jetzt zu besprechen- 
den, Abtheilung der römischen Theater eine Gleich- 
heit der Endkeile und der übrigen Keile im ünterstock 
des Zuschauerraumes nicht zu ermöglichen. Am ein- 
fachsten, am wenigsten das Ebenmass verletzend war 
die Herstellung parallel zur Bühne laufender Abschluss- 
mauern, wenn man statt die für die Analemmata mass- 
gebenden Grundfigurwinkel zu halbiren durch die ent- 
sprechenden Ecken der Grundfigur eine mit der Bühne 



120 ni. Vergleicbungen und Folgerungen. 

gleichlaufende Linie zog. Und dieses Verfahren ist 
auch die Regel. 

Das beste Beispiel giebt das Theater zu Faleria 14 
(11 15). Da drei Dreiecke die Grundfigur bilden, konnte 
ohne Verletzung der Symmetrie ein voller Halbkreis für 
den Zuschauerraum nicht verwerthet werden. Man nahm 
vier von den neun möglichen Keilen. Die untere Be- 
grenzung der vier Keile ist gleich, die obere Begrenzung 
der Endkeile dagegen grösser als die der mittleren und 
zwar deshalb, weil man durch die Ecken, durch welche 
die Analemmata bestimmt werden, nicht Radien, sondern 
eine parallel der Bühne laufende Linie gezogen hat. 
Ganz gleich scheint, wenigstens was den ünterstock an- 
langt, der Zuschauerraum des Theaters zu Saguntum 13 
(11 20) gestaltet gewesen zu sein, und gleich in Rück- 
sicht auf die radiale Gliederung war wohl auch das 
Theater zu Juliobona 10 (II 18) angeleg-t. Ich habe 
zwar früher die Annahme von sechs Dreiecken als 
Grundfigur zugelassen, weil ich nicht vorgreifen wollte, 
nach dem aber, was wir jetzt von der Lage der Ana- 
lemmata kennen gelernt haben, dürfen nur drei Dreiecke 
als Grundfigur angesetzt werden; sechs Dreiecke würden 
ja ein Zusammenfallen des wagrechten Durchmessers 
und der Analemmata bedingen. Aehnlich sind auch die 
Abschlussmauern im Odeon bei Tibur 15 (11 13) an- 
gelegt, wo freilich infolge der schon früher besprochenen 
aedicula eine Verschiebung der Grundfigur und somit 
auch der Treppen und Keile eingetreten ist. Allein, und 
das ist für uns wichtig, der fünf von den neun möglichen 
Keilen umfassende Zuschauerraum ist nach der Bühne 
zu durch Analemmata abgeschlossen, welche von den 
betreffenden Ecken der Grundfigur aus mit der Bühne 
in gleicher Richtung laufen. Ein fünftes und letztes 
Beispiel findet sich im Odeon bei Neapel 29 (II 9B), 



2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 121 

das zu einer besonderen Bemerkung keine Veranlassung 
bietet. 

Die eben besprochene Art der Herstellung der Ana- 
lemmata brachte es mit sich, dass die Breite der End- 
keile und der Mittelkeile zwar in der unteren Begren- 
zung des Zuschauerraumes gleich war, aber weiter nach 
oben zu ungleich wurde. Die Keile mussten nach oben 
zu breiter werden in denjenigen Zuschauerräumen, welche 
über die Halbkreisform nicht hinausgingen (viermal), sie 
mussten aber nach oben zu schmäler werden, wenn der 
Zuschauerraum die Halbkreisform tiberschritt, wie im 
Odeon bei Tibur. In die Augen springend war indessen 
die angegebene Verschiedenheit der Breite der Keile 
durchaus nicht, so dass die Harmonie des Ganzen keine 
Störung erlitt. 

Ganz anders und entschieden eine gewisse Ge- 
schmacksroheit verrathend war dagegen eine zweite 
Art der Herstellung von parallel der Biihne laufenden 
Analemmata. Man liess nämlich hierbei die parallele 
Linie nicht durch die sonst die Analemmata bestimmen- 
den Ecken der Grundfigur gehen, sondern schob sie vor, 
bzw. auch zurück und liess sie meist mit dem wag- 
rechten Durchmesser zusammenfallen, ohne sich um die 
Folgen, um die dadurch nothwendig eintretende, sehr 
auffallende Grössenverschiedenheit der Keile zu küm- 
mern. 

Ganz eigenthümlich ist die Anlage im Theater zu 
Nora 30 (A 18). Für den Zuschauerraum sind zwei von 
den fünf möglichen Keilen bestimmt. Genau so wie im 
Odeon bei Neapel 29 (H 9B) hätte die Gliederung hier 
sich gestalten müssen, wenn man der Regel gefolgt wäre 
und durch die entsprechenden Ecken des Fünfecks die 
für die Lage der Analemmata massgebende der Bühne 
parallele Linie gezogen hätte. Man hat aber hier zu- 



122 i^T« Vergleichungen und Folgerungen. 

nächst die drei Treppen regelrecht durch Radien be- 
stimmt und dann die Analemmata ein ganz klein wenig 
dem wagrechten Durchmesser genähert, so dass ein paar 
winzige Endkeile entstanden. Vorgeschoben und zwar 
bis zum wagrechten Durchmesser sind auch die Ana- 
lemmata in dem Theater zu Eugubium 25 (ü 16). Die 
Abschlussmauern des Zuschauerraumes hätten durch die 
Ecken von Fünfeckswinkeln gehen sollen, sie fallen aber 
mit dem wagrechten Durchmesser zusammen und brin- 
gen dadurch höchst ungeschickter Weise Halbkeile als 
Endkeile hervor. Einigermassen ausgeglichen ist diese 
Unebenheit dadurch, dass wenigstens im Oberstock fünf 
gleiche Keile angebracht wurden. Ein Vorschieben, 
nicht ein Zurückschieben der Analemmata ist wohl auch 
anzunehmen im Theater zu Cuiculum 38 (A 20). Die 
störenden Halbkeile als Endkeile sind hier allerdings 
vermieden, aber nur durch ein ganz mechanisches Mittel, 
so dass das Ergebnis ebenso wenig befriedigt. Man 
verband nämlich die entstehenden Halbkeile durch Weg- 
lassung der dazwischen anzulegenden Treppen mit den 
zunächst liegenden mittleren Keilen und erhielt somit 
Endkeile von anderthalbfacher Breite der mittleren Keile. 
Ein Zurückschieben der Analemmata bis zum wagrechten 
Durchmesser hat dagegen sicher stattgefunden in dem 
Theater zu Calama 39 (A 21) und dem Odeon des He- 
rodes Attikos zu Athen 42 (I 26). Die Grundfigur ver- 
langte eine untere Begrenzung von Y, des ürkreises in 
der ersteren Anlage und von Vi 2 i^ ^^^ letzteren, sie 
beträgt aber in beiden nur die Hälfte des ürkreises. 
Die Endkeile in der ersteren Anlage sind dementsprechend 
um ein Viertel schmäler als die mittleren und sie wür- 
den um die Hälfte schmäler, also Halbkeile, im Odeon 
des Herodes Attikos sein, wenn nicht durch eine schon 



2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 123 

früher besprochene abweichende Richtung der Treppen 
eine gewisse Gleichheit erzielt worden wäre. 

Zuletzt sind noch heranzuziehen ursprünglich grie- 
chische Theater mit verändertem Zuschauerraum. 
Ich rechne dreizehn dazu. Mein Grund dafür ist folgen- 
der: Der griechische Zuschauerraum besteht, wie wir 
oben gesehen haben, aus gleichen Keilen, und die Ab- 
schlussmauem desselben nach der Bühne zu sind zwei 
verlängerte mit dem wagrechten Durchmesser diver- 
girende Radien des Urkreises. Nur eine Ausnahme hatten 
wir von dieser Regel kennen gelernt, aber eine Aus- 
nahme, die das genannte Prinzip eigentlich nicht um- 
stiess, vielmehr bestätigte durch möglichste Gleichbildung 
der Endkeile mit den übrigen. Gegen diese Regel nun 
Verstössen alle dreizehn Theater. 

Am wenigsten drei: die Theater zu Telmissos 34 
(I 6), zu Aizani 35 (I 13) und zu Laodikeia 28 (I 11). 
Sie unterscheiden sich einzig dadurch von den rein 
griechischen Zuschauerräumen, dass die Abschlussmauem 
nach der Bühne zu nicht nach dem Mittelpunkte des 
Urkreises gerichtet, sondern einer dem wagrechten Durch- 
messer parallelen Linie angenähert sind, so dass die 
Endkeile von unten nach oben beinahe gar nicht oder 
doch nicht gleichmässig mit den übrigen Keilen an 
Breite zunehmen. Da indessen die Analemmata nur an- 
nähernd, nicht völlig der Bühne gleichlaufend sind, so 
möchte ich, so lange nicht durch eine genaue Unter- 
suchung der Baureste an Ort und Stelle sichere An- 
zeichen einer Veränderung des Zuschauerraumes auf- 
gefunden sind, ursprünglich griechische Anlage nicht 
unbedingt in Abrede stellen. Sollte sie aber nicht ab- 
zuweisen sein, so müssten diese drei Theater als Bei- 
spiele einer ungenauen Befolgung der oben über die 
griechischen Zuschauerräume festgesetzten Regel auf- 



124 III» Vergleichungen und Folgerungen. 

gefasst werden, ümgestossen würde durch sie die Regel 
keineswegs. 

Ein Umbau des Zuschauerraumes ist dagegen mit 
vollster Sicherheit in den übrigen zehn Theatern anzu- 
nehmen, in den Theatern zu Aspendos 9 (1 16), Syrakus 
17 (n 1), Tyndaris 18 (II 4), Akra 19 (H 2), Dramyssos 
20 (I 28), Pompeji 31 (UTA), Segeste 32 (H 3), ßhi- 
niassa 43 (I 27), Tauromenion 46 (11 6) und Katana 47 
(11 5A). Die Zuschauerräume dieser Theater sind nicht 
griechisch, weil die Analemmata ganz oder (ein einziges 
Mal im Theater zu Pompeji) zum Theil eine wagrechte 
(der Bühne parallele) Lage haben, was in keinem grie- 
chischen Theater der Fall ist, sie sind aber auch nicht 
römisch, weil kein einziger irgend einem römischen 
gleicht. Die Richtigkeit der letzteren Behauptung wird 
der nicht bestreiten, der folgende Bemerkungen beachtet. 

Kein römisches Theater hat eine Grundfigur von 
sechs Dreiecken oder drei Sechsecken, wie wir sie in 
den Theatern zu Kyaneä 7 (A 3) und Side 16 (I 3) fin- 
den; denn das Theater zu Juliobona hat, wie unlängst 
oben S. 120 gezeigt worden ist, drei Dreiecke als Grund- 
figur; folglich können die Zuschauerräume in den Thea- 
tern zu Aspendos, Syräkus, Tyndaris, Akra, Dramyssos 
den römischen nicht ähnlich sein. In keinem römischen 
Theater, wo der wagrechte Durchmesser mit den Hal- 
birungslinien von Grundfigurwinkeln zusammenfiel, ist der 
Zuschauerraum über die Halbkreisform hinausgegangen 
wie in den Theatern zu Syrakus, Tyndaris, Pompeji, 
Segeste und Rhiniassa; in keinem römischen Theater 
sind die mit dem Durchmesser zusammenfallenden 
Treppen kassirt worden wie in den Theatern zu Sy- 
rakus und Tyndaris; in keinem römischen Theater haben 
wir eine schiefe Stellung der Grundfigur gefunden wie 
in den Theatern zu Tauromenion und Katana, dagegen 




2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 125 

im griechischen Theater zu Kadyanda 49 (A 6); in kei- 
nem römischen Theater endlich ist der Unterstock des 
Zuschauerraumes durch Anlage von Zugängen (itinera) 
verunstaltet worden wie schon im Theater zu Aspendos, 
noch mehr aber in den Theatern zu Syrakus, Pompeji 
und Tauromenion. Weniger entscheidend, aber immer- 
hin noch beachtenswerth ist ein anderes Moment. Nur 
in einem römischen Theater finden sich Halbkeile als 
Endkeile im unteren Stock, im Theater zu Eugubium 25 
(11 16). Aber selbst der römische Baumeister fühlte das 
Unschickliche und glich es einigermassen aus durch 
Gleichheit der Keile im Oberstock. Solche Halbkeile 
finden sich nun aber in den erwähnten zehn Theatern 
öfter, ohne dass eine Ausgleichung im oberen Theile 
des Zuschauerraumes auch nur versucht worden wäre. 
Dürfen wir solche ßohheit den griechischen Erbauern 
zutrauen? Gewiss darf man mit nein antworten und dem- 
gemäss einen Umbau des Zuschauerraumes annehmen in 
den Theatern zu Aspendos, Tauromenion und Katana. 

Ein Versuch einer chronologischen Anordnung 
der Umbauten der Zuschauerräume wird am Ende nicht 
allzu kühn erscheinen und sei deshalb gewagt. Anfäng- 
lich veränderte man die ursprünglichen Analemmata nur 
wenig oder vielleicht gar nicht, liess also den über die 
Halbkreisform hinausgehenden Zuschauerraum bestehen 
und schnitt nur für die itinera ein Stück des Unterstocks 
durch parallel der Bühne gelegte Abschlussmauem ab, 
so im Theater zu Pompeji 31 (H 7A). Ein weiterer 
Schritt geschah dadurch, dass man die wagrechte Stel- 
lung zur Bühne auch bei den Analemmata in dem oberen 
Theile des Zuschauerraumes durchführte und die Ana- 
lemmata im unteren Theil desselben mit dem wagrechten 
Durchmesser zusammenfallen liess, alles Uebrige aber 
ähnlich gestaltete wie im Theater zu Pompeji. Dies 



126 in. Vergleichungen und Folgerungen. 

geschah in den Theatern zu Tauromenion 46 (11 6), 
Syrakus 17 (H 1) und Aspendos 9 (I 16). Gleichzeitig 
ungefähr, vielleicht auch ein wenig früher oder später, 
wurde dann der obere und untere Theil des Zuschauer- 
raumes auf beiden Seiten durch je eine einzige mit der 
Bühne gleichlaufende, aber, von der Bühne aus ge- 
rechnet, noch diesseits des wagrechten Durchmessers 
liegende Mauer abgeschlossen. 

B. Orchestra; Urkreis. Da die Orchestragrenze 
zuweilen mit dem Urkreis zusammenfällt, öfter aber durch 
einen weniger oder mehr grossen Gürtel von ihm getrennt 
ist, so wird ihr Verhältnis zu den übrigen Theilen des 
Theaters schwerlich unter eine Eegel zu bringen sein. 
Soviel sich bis jetzt erkennen lässt, ist jeder Baumeister 
nach Gutdünken verfahren. Möglich ist freilich, dass 
die ursprüngliche Regelmässigkeit in späterer Zeit durch 
Umbauten in Folge von Erweiterungen des Zuschauer- 
raumes nach der Orchestra zu oder in Folge Benutzung 
des Theaters zu andern als rein dramatischen Zwecken 
nicht unwesentliche Umgestaltungen erfahren hat. In- 
dessen kommt auch darauf nicht gerade besonders 
viel an. 

Ungleich wichtiger ist die Frage nach dem Urkreis, 
durch den Bühne und Zuschauerraum mehr oder weniger 
bestimmt sind. Aber gerade die Frage nach dem Ur- 
ki'cis gehört zu den schwierigsten. Aus der Atmosphäre 
der blossen Zirkelschlüsse ist, wie schon angedeutet 
wurde, vorläufig kaum herauszukommen, da selbst die 
grösseren und zuverlässigen Zeichnungen Messungen und 
Nachprüfungen an Ort und Stelle bis jetzt noch nicht 
entbehrlich machen. Es kommt demnach augenblicklich 
nicht sowohl darauf an, einen zwingenden Beweis zu lie- 
fern, als vielmehr darauf, einen solchen vorzubereiten 



I 



2. 2. Hauptbestandtheile (Urkreis). 127 

und damit unsere früheren Ansetzungen der ürkreise im 
Allgemeinen einigermassen zu rechtfertigen. 

Der Zuschauerraum und insbesondere die Treppen 
geben keine Entscheidung, da ihre Anlage nicht abhängig 
ist von der Peripherie des Urkreises, sondern nur von 
dem Mittelpunkte desselben und der eingeschriebenen 
Grundfigur. Allein entscheidend ist das Bühnengebäude. 
Im römischen Theater nach Vitruv ist die Skenenlänge 
durch zwei Durchmesser des Urkreises gegeben, die 
Lage der Bühnenvorderwand durch den wagrechten 
Durchmesser, die der Bühnenhinterwand durch die pa- 
rallele Dreieckseite und die Thüren in der Bühnenhinter- 
wand durch senkrecht von Grundfigurecken nach der 
Bühne zu gezogene Linien. In seiner Vorschrift über das 
griechische Theater lässt Vitruv für die Lage der Büh- 
nenhinterwand die Tangente und für die der Bühnen- 
vorderwand eine Seite der Grundfigur (Quadrate) mass- 
gebend sein. Seine Quelle hat sicher mehr angegeben, 
d. h. auch die Länge des Bühnengebäudes und die Lage 
der Thüren in der Bühnenhinterwand. Die Skenenlänge 
betrug nach der Quelle Vitruvs (vgl. oben I 3 S. 22) 
Quadratseite -h Durchmesser und die Lage der Thüren 
war nach ihr vermuthlich durch Halbirungslinien von 
Quadratwinkeln bestimmt. 

Wären nun die vitruvischen Vorschriften für das 
griechische und römische Theater durchweg massgebend 
gewesen, so liesse sich der Urkreis in jedem Fall leicht 
bestimmen. Aber Vitruvs Vorschriften sind beim grie- 
chischen Theaterbau gar nicht oder höchst selten, beim 
römischen wenig befolgt worden, sie können also für 
uns in den meisten Fällen nichts weiter sein als Finger- 
zeige. Messen und Probiren ist unsere eimzige Stütze. 
Genau gemessen müssen werden die Abstände der Ske- 
nenmauern vom Mittelpunkte des Urkreises und von ein- 



128 III« Vergleichungen und Folgerungen. 

ander, und probirt muss dann werden, bis der ürkreis 
und die Grundfigur gefunden sind und bis harmonische 
Verhältnisse jeden Zweifel an der Richtigkeit der ge- 
fundenen Ergebnisse ausschliessen. Aber alles Messen 
und Probiren würde in der Luft schweben, wenn nicht 
vorausginge eine baukritische Prüfung der Ceberreste, 
eine Unterscheidung der Neubauten von der ursprüng- 
lichen Bauanlage. Das Bühnengebäude ist ja öfter ein 
Neubau, manchmal ein blosser Umbau, und in Verbin- 
dung mit der Umgestaltung des Bühnengebäudes ist oft 
auch eine Veränderung der seitlichen Theile des Zu- 
schauerraumes vorgenommen worden. 

Der Weg, den wir nach dem Gesagten einschlagen 
müssen, um die Generalregel für den Urkreis, wenn es 
eine giebt, zu finden, wird folgender sein. Von den 
fünfzig von uns oben herangezogenen Theatern müssen 
zunächst diejenigen ausgeschlossen werden, bei denen 
das Bühnengebäude fehlt, die Theater zu Fäsulä 1 (II 17), 
zu Kyaneä 7 (A 3), bei Xanthos 11 (A 4), zu Tyndaris 
18 (n 4), bei Neapel 21 (H 9A), zu Stratonikeia 44 
(I 8) und zu Katana 47 (11 5A). 

Wir müssen femer die Theater mit umgebauten 
Bühnengebäuden ausser Betracht lassen, selbst in dem 
Fall, wo es uns schwer fällt, wo der restaurirende Bau- 
meister sich dem ursprünglichen Plan genau oder ziem- 
lich genau angeschlossen zu haben scheint. Weil es 
gegen die Natur der Sache ist und deshalb undenkbar 
erscheint, dass eine Verlegung der Analemmata und eine 
Veränderung der Endkeile des Zuschauerraumes einge- 
treten sei ohne gleichzeitige Veränderung des Bühnen- 
gebäudes, sind in erster Linie ausser Rechnung zu stel- 
len diejenigen griechischen Theater, welche wir oben 
bei Gelegenheit der Besprechung der Analemmata als 
umgebaut bezeichnet haben (auf unserer Tabelle 9, 17, 



% 



2. 2. Hauptbestandtheile (Urkreis). 129 

18, 19, 20, 31, 32, 43, 46, 47 und ausserdem 28, 
34, 35). 

Bei drei von diesen haben wir allerdings eine Ver- 
änderung des Zuschauerraumes nicht mit voller Sicher- 
heit zu behaupten vermocht, also kann bei ihnen aus 
der Gestalt des Zuschauerraumes nicht unbedingt auf 
einen Umbau der Skene geschlossen werden. Indessen 
ist der letztere aus anderen Umständen ersichtlich. Für 
das Theater zu Laodikeia 28 (1 11) kann ich mich auf 
Wieseler berufen: Die architektonischen Zierden des 
Bühnengebäudes weisen nach ihm auf den Verfall der 
Kunst unter den späteren Kaisem. Hinzufügen kann 
man noch, dass in der Mitte ausgebauchte Btihnenhinter- 
wände sich sonst nur in römischen oder offenbar um- 
gebauten Theatern finden, so in den Theatern zu Otri- 
coli 5 (H 14), Herculaneum 6 (II 8), im Odeon bei Neapel 
29 (n 9B) und im augenscheinlich umgebauten Theater 
zu Pompeji 31 (II 7A)-, zu vergleichen sind auch die 
Anlagen zu Arausio 45 (II 19), Eugubium 25 (11 16), 
zu Nora 30 (A 18) , zu Cuiculum 38 (A 20) in ziemlich 
wunderlicher Gestaltung. Aus dem letzten Grunde 
allein schon ist ein Umbau, bzw. Neubau des Bühnen- 
gebäudes im Theater zu Aizani 35 (1 13) ebenso wie in 
dem von uns unbeachtet gelassenen zu Pessinus bei 
Wieseler I 13 b anzunehmen. An einen Bühnenumbau 
im Theater zu Aizani denken wohl auch Wieseler und 
Hamilton, weil wir bei Wieseler S. 4 lesen: „Hamilton 
bemerkt, die Marmorsitze seien of highly finished work- 
manship, but the proscenium and scena are built of a 
diflferent stone, and in a rüder style, und schliesst daraus 
mit Kecht, dass die letzteren einer ganz anderen Periode 
angehören als die ersteren." Für einen Umbau der 
Bühne im Theater zu Telmissos 34 (I 6) weiss ich aller- 
dings nur einen Grund anzuführen, nämlich die geringe 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. 9 



130 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 

Skenenlänge (Vierzehneckseite + Durchmesser). Ausser 
im Theater zu Oinoanda, worüber ich oben n 1 S. 48 
gesprochen habe, findet sich nämlich eine geringere 
Skenenlänge als Achteckseite und Durchmesser in kei- 
nem griechischen Theater. 

Vielleicht giebt es noch ein oder das andere unter 
den fünfzig von uns berücksichtigten Theatern, in dem 
ein Umbau der Bühne allein stattgefunden hat. Ein 
solches müsste natürlich gleichfalls ausgeschlossen wer- 
den. Wir kennen aber bis jetzt keins, ausgenommen 
das dionysische zu Athen. Bei diesem sind wir jedoch 
so glücklich die Lage der ältesten Bühne zu wissen, 
so dass eine Absonderung nicht nöthig ist. 

Schliessen wir die eben besprochenen achtzehn 
Theater von unserer Betrachtung aus, so bleiben uns 
zweiunddreissig übrig, bei denen wir wohl nicht ohne 
Hoffnung nach dem ürkreis suchen dürfen. Mit den 
römischen Theatern (im engeren Sinne) muss unsere 
Untersuchung beginnen, weil wir hier an Vitruv einen 
gewissen Anhalt haben. Die beiden Theater Roms lassen 
wir vorläufig unbeachtet, weil ihre mangelhaften Grund- 
risse unsere' Erkenntnis zu wenig fördern. Das Theater 
zu Pola 3 (A 17) sei flir unsere Betrachtung das erste. 
Ein Zweifel kann hier meiner Ansicht nach gar nicht 
Platz greifen. Alles stimmt mit Vitruv, wenn wir von 
den Bühneneingängen absehen. Wir haben zwei Durch- 
messer als Skenenlänge, den wagrechten Durchmesser 
als vordere Bühnenmauer, und was für uns besonders 
wichtig ist, eine Dreieckseite als Bühnenhinterwand. Es 
muss hier augenscheinlich die erste innere Kreislinie, 
welche an den unteren Treppenenden entlang geht, der 
Urkreis sein. Die Theater zu Otricoli 5 (11 14) und zu 
Herculaneum 6 (II 8) stimmen zwar schon nicht mehr 
recht mit den vitruvischen Forderungen, aber zur Be- 



2. 2. Hauptbestandtheile (Urkreis). 131 

Stimmung des ürkreises sind ihre Verhältnisse trotzdem 
sehr geeignet. Nach der Beschreibung, die ich oben 11 3 
gegeben habe, unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, 
dass im Theater zu Otricoli der Urkreis vom Mittelpunkt 
aus die zweite Kreislinie ist, d. h. also die, welche an 
den unteren Treppenenden entlang geht. Die Tangente 
als ideelle Bohnenhinterwand , zwei Durchmesser als 
Skenenlänge, die Lage der Thüren in der Bühnenhinter- 
wand sind entscheidend. Ebenso wenig zweifelhaft, 
meine ich, kann der Urkreis im Theater zu Hercula- 
neum sein. Die Tangente ist auch hier die (zum Theil 
ideelle) Bühnenhinterwand. Sie sowie die Skenenlänge 
(gleich Quadratseite + Durchmesser) und die Thüren in 
der Bühnenhinterwand, welche durch senkrecht zur 
Bühne gezogene Tangenten bestimmt sind, lassen uns 
mit Sicherheit den Kreis als Urkreis erkennen, dessen 
Peripherie an den unteren Treppenenden entlang geht 
und der hier eine Keihe von Sitzen von dem eigent- 
lichen Zuschauerraum abschneidet. Das letztere 
ist eine Eigenthümlichkeit römischer Anlagen •, wir finden 
sie wieder im Theater zu Saguntum 13 (ü 20), im Odeon 
zu Pompeji 33 (11 7B), im Theater zu Tusculum 48 
(II 11) und in dem in römischer Zeit umgebauten Theater 
zu Pompeji 31 (ü 7A). 

Hiermit können wir die Einzelbetrachtung abbrechen, 
da uns die Hauptstützpunkte gegeben sind. Wir finden 
nämlich in den drei genannten Theatern jedesmal einen 
andern Urkreis. In dem ersten war er vom Mittelpunkte 
aus der erste, im zweiten der zweite und im dritten der 
sechste oder siebente Kreis des Grundrisses, aber jedes 
Mal war der Urkreis ein Kreis, dessen Peri- 
pherie an den unteren Enden der Treppen ent- 
lang ging. Wir erhalten also dasselbe Ergebnis wi$ 
beim dionysischen Theater Athens und bei dem poly- 

9* 



132 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 

kletischen zu Epidauros. Zu genau demselben Ergebnis 
werden wir wahrscheinlich kommen, wenn wir in allen 
übrigen Theatern den ürkreis mit Hilfe von erst noch 
anzustellenden Messungen werden feststellen können ; 
soviel nämlich bis jetzt aus den ungenügenden Veröffent- 
lichungen ermittelt werden konnte (vgl. die Beschreibung 
der Theater oben 11 3), findet sich unter jenen zweiund- 
dreissig Theatern wohl nur ein einziges, welches, wenig- 
stens nach der Aufnahme Texiers (!), einen andern Kreis 
als ürkreis zu haben scheint als den, dessen Umfangs- 
linie an den untern Treppenenden entlang geht, und das 
ist das Theater zu Jasos 40 (I 9) ; denn über das Theater 
zu Patara 37 (I 5), das man noch als Ausnahme be- 
zeichnen könnte, lässt sich eine genügend sichere Ent- 
scheidung nicht treffen. 

C. Das Bühnengebäude. Natürlich können auch 
hier nur die oben bezeichneten zweiunddreissig Theater 
in Betracht kommen, bei denen ein Umbau oder Neubau 
der Skene bis jetzt nicht vorauszusetzen ist. Da die 
Bestimmung des Verhältnisses des Bühnengebäudes zur 
Gesammtanlage von genauen Messungen abhängt, die 
noch nicht vorliegen, so können wie unsere früheren An- 
setzungen in der Beschreibung der einzelnen Theater 
(oben II 3) so die jetzt daraus zu ziehenden Schltlsse 
auf Zuverlässigkeit keinen Anspruch machen. Sie zu 
ziehen habe ich aber deshalb nicht unterlassen wollen, 
weil ich meine, dass auch ein vorläufiger Abschluss sei- 
nen Nutzen hat, Ziel und Weg genauer kennen lehrt. 
Dass ich mich unter so bewandten Umständen der 
grössten Kürze zu befleissigen habe, ist selbstverständ- 
lich. Ich glaube dieser Forderung am besten zu ent- 
sprechen, wenn ich die bei der Beschreibung gemachten 
Beobachtungen bloss übersichtlich zusammenstelle. 

a) Länge des gesammten Bühnengebäudes. 



2. 2. Hauptbestandtheile (Bühnengebäude). 133 

Hier ist zwischen griechischen und römischen Theatern, 
bzw. Odeen zu unterscheiden. In den griechischen 
Theatern ist für die Skenenlänge entweder dieselbe Grund- 
figur wie für den Zuschauerraum massgebend gewesen 
(ich nenne sie einfach Grundfigur) oder in stellvertretender 
Weise eine andere, eine quadratische (ich nenne sie die 
Bühnengrundfigur). Die Skenenlänge in den griechischen 
Theatern hat sechsmal sicher soviel betragen als eine 
Seite der in den Urkreis eingeschriebenen Grundfigur 
und ein Durchmesser des ürkreises zusammen, und zwar 
in den Theatern zu Hierapolis 8 (I 12) = 83 + 2r, zu 
Side 16 (I 3) = Sß + 2r, zu Myra 22 (I 4) = Sg 4- 2r, zu 
Termessos maj. 23 (A 1) = S5 + 2r, zu Jasos 40 (I 9) 
= S4 -H 2r und zu Kadyanda 49 (A 6) = Sq + 2r; zweifel- 
haft ist die Länge des Bühnengebäudes zu Oinoanda 27 
(A 7) = S20 4- 2r? vgl. oben S. 48 und S. 82. Stellvertre- 
tender Weise beträgt die Skenenlänge soviel als eine 
Seite der Bühnengrundfigur (Quadratseite) und ein Durch- 
messer zusammengenommen in vier, höchstens vielleicht 
fünf Theatern: zu Kibyra 12 (A 9), Epidauros (oben II 2), 
Pinara 36 (A 5) und Athen (oben 11 1) = S4 -+- 2r, dann 
zu Patara 37 (I 5) = S4 -h 2r? Nur zwei Theater wei- 
chen ab und zeigen mehr römischen Typus, und zwar 
die, welche wir oben (HI 1 Schluss) als Odeen bezeichnet 
haben und die als solche nicht ins Gewicht fallen. Das 
eine, das Odeon zu Knidos 41 (I 7), hat eine Skenen- 
länge von zwei Seiten der in den Urkreis eingeschrie- 
benen Grundfigur = 2 S4 und das andere, zu Khodiopolis 
24 (A 2), hat eine Skenenlänge von zwei Durchmessern 
des ürkreises = 4r. 

Von den römischen Theatern folgen in Bezug auf 
die Skenenlänge vier der griechischen Kegel. Drei ha- 
ben die Skenenlänge gleich einer Seite der Grundfigur 
und Durchmesser, nämlich das Theater zu Faleria 14 



134 III» Vergleichungen und Folgerungen. 

(U 15) = Sg 4- 2r, das Odeon des Herodes Attikos zu 
Athen 42 (I 26) = S4 + 2 r und das Theater zu Arausio 
45 (11 19) = S4 + 2r, und nur eins hat stellvertretender 
Weise eine Skenenlänge von einer Quadratseite (statt 
Grundfigurseite) 4- Durchmesser, das Theater zu Hercu- 
laneum 6 (U 18). Die übrigen römischen Theater haben, 
wenn wir von der Anlage zu Calama 39 (A 21), wo die 
Seitenräume über zwei Durchmesser hinausgehen, und 
dem Theater zu Cuiculum 38 (A 20) wegen der Seltsam- 
keit absehen, durchweg, wie es scheint, zwei Durch- 
messer als Länge des Bühnengebäudes. Vgl. Zusatz 1. 
Bezeichnen wir die gewöhnliche griechische Skenen- 
länge (Grundfigurseite -f- Durchmesser) mit Sx + 2r, die 
stellvertretende (Quadratseite 4- Durchmesser) mit S4 + 2r 
und die römische (zwei Durchmesser) mit 4r, so erhalten 
wir folgende Tabelle: 

Skenenlänge =Sx + 2r S4-f-2r 4r unregelm. 

griech. Theater 14 = 6 (7?) 4, bzw. 5 1 1 (= 2 S4) 
röm. Theater 18 == 3 1 1 2 2 

insgesammt 32 = 9(10?) 5, bzw. 6 13 3 

b) Bühnenhinterwand. Die Bühnentiefe ist gleich 
dem Abstand der Bühnenhinterwand (scaenae frons) von 
der Bühnenvorderwand (finitio proscaenii). Nach Vitruv 
ist die Bühnenhinterwand im römischen Theater durch 
eine mit der Bühne gleichlaufende Dreieckseite, also 
eine Sehne des ürkreises, und im griechischen Theater 
durch eine Tangente desselben bestinunt. In den Ueber- 
resten ist ein solcher prinzipieller unterschied nicht vor- 
handen. Im Gegentheil ist in der Mehrzahl sämmtlicher, 
der griechischen und römischen, Theater die Tangente 
massgebend für die Lage der Bühnenhinterwand ge- 
wesen, in neunzehn von zweiunddreissig, in neun von 





2. 2. Hauptbestandtheile (Bühnengebäude). 135 

vierzehn griechischen und in zehn von achtzehn römischen 
Theatern. 

Genau zusammenfallend mit der Tangente scheint 
die Bühnenhinterwand zu sein in den griechischen 
Theatern zu Myra 22 (I 4), Oinoanda 27 (A 7), Patara 
37 (I 5), Knidos (Odeon) 41 (I 7), Kadyanda 49 (A 6) 
und ungefähr zusammenfallend (etwas weiter vom ür- 
kreise abstehend) in den Theatern zu Athen (oben 11 1), 
Epidauros (oben 11 2), Termessos maj. 23 (A 1) und 
Side 16 (I 3). Durch die Tangente bestimmt ist die 
Lage der Bühnenhinterwand in den römischen Thea- 
tern zu Herculaneum 6 (ü 8), Saguntum 13 (ü 20), Fa- 
leria 14 (ü 15), Calama 39 (A 21), Tusculum 48 (II 11), 
im 0. (T*) zu Otricoli 5 (II 14) und in den Odeen zu 
Tibur 15 (H 13), bei Neapel 29 (II 9B), zu Pompeji 33 
(n 7 B) und zu Athen 42 (I 26). 

In den übrigen Theatern, wo die Bühnenhinterwand 
mit einer Sehne des Urkreises zusammenfällt, pflegt 
diese Sehne durch die Grundfigur bestimmt zu sein, d. h. 
entweder durch die für Zuschauerraum und Bühnenge- 
bäude zusammen oder ftlr das Bühnengebäude allein 
(Quadrate) massgebende Grundfigur, und zwar in der 
Weise, dass die Bühnenhinterwand mit der der Bühne 
zunächst liegenden und ihr parallelen Seite der Grund- 
figur oder der Bühnengrundfigur (Quadratseite) zusam- 
menfällt. 

Ein Zusammenfallen der Bühnenhinterwand mit der 
Grundfigurseite findet statt in den römischen Theatern 
zu Pola 3 (A 17) = Sg, Juliobona 10 (11 18) = Sg, Arausio 
45 (n 19) = S4 und auch wohl zu Nora 30 (A 18) = 85. 
Näher dem wagrechten Durchmesser als die entsprechende 
Grundfigurseite liegt die Bühnenhinterwand in den Thea- 
tern zu Eugubium 25 (11 16) und Cuiculum 38 (A 20), 



136 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

und unsicher ist die Lage der Bühnenhinterwand in den 
Theatern zu Rom 2 (A 14) und 4 (ü 12B). 

Aehnlich ist es in den griechischen Theatern. 
Die Bühnenhinterwand fällt zusammen mit einer Seite 
der für Zuschauerraum und Skene zugleich massgeben- 
den Grundfigur in dem Theater zu Jasos 40 (I 9) = 84 
und wohl auch in dem zu ßhodiopolis 24 (A 2) = 85? 
sie fällt zusammen mit einer Seite der Bühnengrund- 
figur im Theater zu Kibyra 12 (A 9), sie fällt mit keiner 
Grundfigurseite zusammen in den Theatern zu Hierapolis 
8 (I 12) und Pinara 36 (A 5). 

Bei der folgenden tabellarischen Zusammenstellung 
der angegebenen Beobachtungen bringe ich die nach- 
stehenden Abkürzungen in Anwendung. Durch T oder 
ca. T bezeichne ich das Zusanunenfallen der Bühnen- 
hinterwand mit der Tangente oder einer etwas weiter 
rückwärts vom ürki'eis abstehenden Parallelen, durch 
Sx das Zusammenfallen der Bühnenhinterwand mit einer 
Seite der für Zuschauerraum und Bühne gleichmässig 
bestimmenden Grundfigur und mit S4 das Zusammen- 
fallen der Bühnenhinterwand mit einer Seite der Bühnen- 
grundfigur. 

Bühnenhinterwand = T od. ca. T Sx 84 unregelm. ? 

griech. Theater 14 = 9(5 + 4) 2 1 2 — 

römisch. ^ 18 = 10 4 — 2 2 

insgesammt 32 = 19 6 1 4 2 

c) Bühnenvorderwand. Sie ist in den griechi- 
schen Theatern selten zu erkennen, vermuthlich weil 
die Bühne vielfach oder meist aus Holz hergestellt war; 
wo sie aber festzustellen ist, fällt sie zusammen mit einer 
Seite der Grundfigur oder, bei zwei Grundfiguren, der 
Bühnengrundfigur (Quadratseite). Nach meinen Beob- 
achtungen ist das erstere der Fall in dem Theater zu 



^ 



2. 2. Hauptbestandtheile (Bühnengebäude). 137 

Side 16 (1 13) und ungefähr auch im Theater zu Myra 
22 (1 4) = Sß und im Theater zu Termessos maj. 23 
(A 1) = S5 (Grundfiguren Sechsecke und Fünfecke); das 
letztere tritt ein im Theater zu Patara 37 (I 5), wo die 
Bühnenvorderwand nicht mit einer Siebeneckseite sondern 
mit einer Quadratseite (?) zusammenfällt. Pas Theater 
zu Epidauros (oben n 2) gewährt die einzige Abwei- 
chung. Es ist nämlich hier nicht, wie wir nach Ana- 
logie der Skenenlänge erwarten, die Bühnengrundfigur 
für die Lage der Bühnenvorderwand bestimmend ge- 
wesen, sondern die Hauptgrundfigur = S5. Aber immerhin 
war es eine Grundfigur, sodass die Abweichung nicht 
als prinzipiell angesehen werden kann. 

Anders ist die römische Art. In den römischen 
Theatern fällt die Bühnenvorderwand mit dem wag- 
rechten Durchmesser zusammen oder nähert sich ihm 
wenigstens ganz beträchtlich. Das erstere glaube ich 
deutlich wahrzunehmen in den Anlagen zu Eugubium 
25 (H 16), bei Neapel 29 (H 9B), zu Athen (Odeon) 42 
(I 26) und Tusculum (Odeon) 48 (ü 11). Näheres über 
die Bühnenvorderwand im Zusatz 2. 

d) Seitliche Bühnengrenzen. Ausführlich be- 
sprochen im Zusatz 3. 

e) Thüren in der Bühnenhinterwand. Ihr 
Verhältnis zu dem übrigen Bau ist nach dem vorliegen- 
den Material am allerschwierigsten zu bestinunen. Ich 
habe deshalb von Anfang an darauf verzichtet, selbst 
nur eine vorläufige Kegel feststellen zu wollen. Indessen 
möchte ich doch auch nicht ganz unerwähnt lassen, was 
sich uns im Laufe der Untersuchung gelegentlich er- 
geben hat. Wir haben gefunden, dass die Thüren der 
Bühnenhinterwand im Theater zu Myra 22 (I 4) durch 
Halbirungslinien von Sechseckwinkeln, dass sie im Theater 
zu Termessos maj. 23 (A 1) durch Halbirungslinien von 



138 in. Vergleichungen und Folgerungen. 

Ftinfeckswinkeln und dass sie im Theater zu Pinara 36 
(A 5) durch Halbirungslinien von Quadratwinkehi be- 
stimmt waren. Dies deutet darauf hin, dass in den 
griechischen Theatern für die Lage der Bühneneingänge 
die Richtung der Winkel der Grundfigur, bzw. (im Theater 
zu Pinara) der Bühnengrundfigur massgebend war. 

Zum Theil ist das gleiche in den römischen Thea- 
tern der Fall. Im Theater zu Eugubium 25 (11 16) 
nämlich werden die Maueröfliiungen der Bühnenhinter- 
wand durch die Halbirungslinien von Fünfeckswinkeln 
angegeben und im Odeon zu Athen 42 (I 26) durch die 
Halbirungslinien von Quadratwinkeln, und ähnlich sind 
durch Halbirung, bzw. durch Doppelhalbirung des Qua- 
dranten (Bühnengrundfigur in diesem Falle) die Mauer- 
öflhungen im Theater zu Otricoli 5 (H 14) bestimmt. 
Zum Theil werden aber auch die Thüren der Bühnen- 
hinterwand in den römischen Theatern durch senkrecht 
zum wagrechten Durchmesser an den Urkreis gezogene 
Tangenten getroffen, so in den Theatern zu Hercula- 
neum 6 (H 8) und Faleria 14 (H 15) und im Odeon zu 
Pompeji 33 (H 7B). Mehr über e im Zusatz 4. 



Dritter Abschnitt. 

Die allgemeine Begel. 
(Vgl. Fig. 5.) 

Als Zusammenfassung unserer Beobachtungen bleibt 
uns jetzt noch übrig die für die Konstruktion der grie- 
chischen und auch der römischen Theater im Allgemei- 
nen giltige Regel aufzustellen. Die früher gemachten 
Einschränkungen wollen wir der Kürze wegen nicht 



3. Die allgemeine Eegel. 1. Die griech. 139 

wiederholen ; sie bleiben aber in Geltung. Wir beginnen 
mit der Konstruktion des griechisclien Theaters. 

1. Grundriss des griechischen Theaters. 

A. Urkreis; Grundfigur. Man besehreibt einen 
Kreis, den Urkreis, zieht einen Durchmesser in derselben 
Richtung, in der die Bühne sieh erstrecken soll, den 
wagrechten Durchmesser, verlängert ihn etwas nach 
beiden Seiten und zeichnet dann als Grundfigur in den 
Urkreis ein regelmässiges Vieleck oder mehrere gleich- 
artige regelmässige Vielecke unter gleichem Abstand der 
Ecken so ein, dass eine Vieleckseite in der Nähe der 
anzulegenden Bühne dieselbe Richtung wie diese erhält. 

[Die eingezeichneten Grundfiguren sind sehr ver- 
schieden. Am beliebtesten sind Sechsecke und Drei- 
ecke; wir finden sie elfinal in zweiunddreissig Theatern 
(über V3); fünfmal je drei und einmal vier Sechsecke, 
dann dreimal je sechs, einmal zwölf und einmal drei 
Dreiecke; aber vier Dreiecke, die beliebteste Grundfigur 
in den römischen Theatern, kommen in den griechischen 
gar nicht vor: vgl. S. 94 ff. Nach Sechsecken und Drei- 
ecken sind Fünfecke und Zehnecke am öftesten zur An- 
wendung gekommen (über Vs); zweimal je zwei, zwei- 
mal je vier und einmal drei Fünfecke und zweimal je 
ein Zehneck : vgl. S. 100 ff. Gleich oft sind Quadrate 
und Achtecke verwerthet worden (über Vs), viermal je 
vier und zweimal je drei Quadrate und einmal zwei 
Achtecke : vgl. S. 104 ff. Es könnte zwar zufällig sein, 
aber trotzdem will ich als vielleicht nicht uninteressant 
anmerken, was ich in Betreff der von uns besprochenen 
Theater Kariens und Lykiens beobachtet habe: In den 
karischen Theatern kommen nur Quadrate als Grund- 
figuren vor, in den lykischen dagegen alles andere, nur 
keine Quadrate; zwei Achtecke allerdings im Theater 



140 III- Vergleichungen und Folgerungen. 

ZU Kadyanda 49 (A 6). Selten sind Siebenecke und 
Vierzehnecke (Vg)? zweimal je ein Vierzehneck und zwei- 
mal je zwei Siebenecke: vgl. S. 102 ff.; am seltensten, 
nur dreimal vorkommend (Vio) ist ein Zweiundzwanzig- 
eck oder Elfeck: vgl. S. 108.] 

Ba. Grenzen des Zuschauerraumes. Die 
Bühnengrenzen des Zuschauerraumes (Abschlussmauern 
nach der Bühne zu, Analemmata) werden gebildet durch 
diejenigen zwei durch die Ecken der Grundfigur hin- 
durchgehenden Radien des Urkreises, welche, von der 
Mitte des abzugrenzenden Zuschauerraumes aus gerechnet, 
jenseits des wagrechten Durchmessers zuerst mit diesem 
konvergiren. [Grundsätzliche Abweichungen von dieser 
Regel sind nicht vorhanden; nur einmal in siebzehn 
Fällen ist eine augenfällige, aber begründete Ausnahme 
wahrzunehmen: vgl. S. 117 f. Möglicherweise ist jedoch 
dreimal in zwanzig Fällen ungenaue Befolgung der 
Regel zuzugeben: vgl. S. 123 f.] 

Die Orchestragrenze oder untere Begrenzung des 
Zuschauerraumes, welche die beginnende Steigung der 
Zuschauersitze markirt, ist durch den Theil der ürkreis- 
linie gegeben, welcher von der Mitte des Zuschauer- 
raumes aus auf beiden Seiten bis zu den Bühnengrenzen 
(Analemmata) geht, und die obere Grenze des Zuschauer- 
raumes (xaraTOfii^) ist eine grössere konzentrische Kreis- 
linie von verhältnismässig gleicher Ausdehnung. [Der 
Abstand der oberen und der unteren Begrenzung des 
Zuschauerraumes ist von uns nicht in Betracht gezogen 
worden; er wird wohl schwerlich einer allgemeinen 
Regel gefolgt sein, denn wenn auch die Möglichkeit 
eines geordneten Verhältnisses zur Grundfigur in man- 
chen, vielleicht sogar in vielen Theatern nicht zu be- 
streiten sein dürfte, so sind doch wohl für seine Grösse 
meist nur äussere Umstände massgebend gewesen. — 



3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 141 

Abweichungen der oberen und unteren Grenze des Zu- 
schauerraumes von der strengen Kreislinie sind äusserst 
selten, soweit nach den JVieselerschen Tafeln darüber 
zu urtheilen ist Wenn wir, wie billig, die Ausnahmen, 
welche die bedeckten, also besondere Massnahmen er- 
fordernden, Odeen gewähren, gar nicht mitzählen und 
von einigen unwesentlichen Dingen absehen, so finden 
wir eine Abweichung von der Kreislinie in der oberen 
Grenze des Zuschauerraumes nur einmal im Theater bei 
Xanthos 11 (A4): vgl. S. 81; aber vielleicht ist auch 
diese Anlage als ein Odeon anzusehen. Von den römi- 
schen Theatern hat, nebenbei bemerkt, nur das Theater 
zu Juliobona 10 (ü 18) eine ähnliche Abweichung in 
der oberen Grenze des Zuschauerraumes. — Abgesehen 
von der soeben erwähnten Anlage bei Xanthos hat unter 
den von uns besprochenen siebzehn rein griechischen 
Theatern in der unteren Begrenzung des Zuschauer- 
raumes keins eine auf den Wieselerschen Tafeln wenig- 
stens erkennbare Abweichung von der strengen Kreis- 
linie. Nach Dörpfeld ist eine geringe Abweichung im 
polykletischen Theater zu Epidauros vorhanden: vgl. 
S. 54 f. Eine in Tangenten übergehende untere Be- 
grenzung des Zuschauerraumes scheinen mehrere um- 
gebaute griechische Theater zu haben, sicher hat sie das 
Theater zu Pompeji 31 (II 7A). Für die griechische 
Eegel fallen diese Abweichungen selbstverständlich nicht 
ins Gewicht und ebenso wenig für die römische; man 
wird wohl nicht fehlgehen, wenn man sie als eine Art 
von Kompromiss ansieht. — Markirt wird die beginnende 
Steigung des Zuschauerraumes durch den Urkreis inso- 
fern, als dieser an der Vorderkante der untersten Trep- 
penstufen im Zuschauerraum entlang geht. Als Aus- 
nahme von dieser Regel konnte bisher in zweiunddreissig 
hierfür massgebenden griechischen und römischen Thea- 



142 m* Vergleichungen und Folgerungen. 

tern nur der Urkreis eines Theaters festgestellt werden : 
vgl. S. 132. Eigentliche Zuschauersitze innerhalb des 
Urkreises finden sich nicht in rein griechischen Theatern, 
sondern nur in römischen oder in römischer Zeit umge- 
bauten griechischen: vgl. S. 131. Denn als eigentliche 
Zuschauersitze können die vom ürkreis eingeschlossenen 
Sesselreihen im dionysischen Theater Athens (S. 43) und 
im polykletischen zu Epidauros (S. 58) nicht gerechnet 
werden; zudem ist doch wohl auch die Vermuthung, 
dass diese Thronsessel eine Zuthat späterer Zeit sind, 
nicht allzuktihn, wenn schon nach den bis jetzt vor- 
liegenden Berichten insbesondere im athenischen Dio- 
nysostheater die Beschaffenheit und die bauliche Ver- 
bindung des Materials nicht gerade hierfür zu sprechen 
scheinen.] 

Bb. Gliederung des Zuschauerraumes. Je 
nach der Grösse des Abstandes der unteren und oberen 
Begrenzung des Zuschauerraumes wird dieser entweder 
gar nicht getheilt oder durch einen oder zwei mit den 
genannten Grenzen konzentrische Kreislinien von ver- 
hältnismässig gleicher Länge in zwei, bzw. drei Theile 
(Stockwerke) zerlegt. Diese Kreislinien bezeichnen Um- 
gänge (dia^oifiara^ praecinctiones). [Ebenso wenig wie 
betreffs des Abstandes der unteren und oberen Begren- 
zung des Zuschauerraumes wird in Bezug auf die Gren- 
zen der Stockwerke ein bestimmtes Verhältnis regel- 
mässig be§.chtet worden sein. Die räumlichen Umstände, 
die Zahl der Besucher und dergleichen waren ja fast 
liberall verschieden und Hessen eine feste Regel nicht 
aufkommen. Ich habe deshalb nach dieser Richtung 
hin so gut wie gar keine Messversuche angestellt.] 

Die durch die Ecken der Grundfigur hindurchgehen- 
den und den auf die eben besprochene Weise abge- 
grenzten Zuschauerraum schneidenden Radien des Ur- 



3. Die allgemeine KegeL 1. Die griech. 143 

kreises bezeichnen die Lage der Treppen des Unter- 
stocks und meist auch des Oberstocks, bzw. zweiten und 
dritten Stocks ^ [zuweilen sind im oberen Theile des Zu- 
schauerraumes^ ausserdem noch Treppen mitten zwischen 
den durch die Radien bestimmten gelegen, zuweilen die 
ersteren allein]. Der Lage der Treppen entsprechend 
sind die durch sie abgegrenzten Theile {xeqxidsg^ cunei, 
Keile) des ünterstocks und ebenso die des zweiten, bzw. 
dritten Stocks einander gleich. [Auf das zweite, bzw. 
dritte Stockwerk habe ich in Rücksicht auf die radiale 
Gliederung ein besonderes Augenmerk nicht gehabt, 
weil es mir schien, als ob die Baumeister auch hier 
mehr besonderen Umständen Rechnung getragen als eine 
bestimmte Regel befolgt haben. Soviel ist aber jeden- 
falls sicher, dass Vitruvs Vorschriften über die Theater- 
anlagen weder in den griechischen noch in den römi- 
schen Theatern von massgebender Bedeutung gewesen 
sind. Ein Blick auf die Wieselerschen Tafeln belehrt 
uns darüber hinreichend; ausserdem wolle man ver- 
gleichen, was ich oben S. 114 angemerkt habe. Hier 
sei nur noch kurz das wiederholt, was in Bezug auf die 
radiale Gliederung des Unterstocks früher festgestellt 
worden ist. Wegen der unregelmässigen Lage der Ana- 
lemmata (Bühnengrenzen) sind in einem Theater und 
ausserdem vielleicht noch in drei Theatern die Endkeile 
den übrigen Keilen nicht gleich: vgl. S. 117 und 123. 
Dies bedeutet eine Ausnahme in siebzehn Fällen, bzw. 
vier Ausnahmen in zwanzig Fällen. Noch günstiger würde 
das Verhältnis der Ausnahmen zur Regel wohl sicher 
sein, wenn in den übrigen griechischen Theatern die 
ursprünglichen Abschlussmauern erhalten wären : vgl. 
S. 124 f.] 

C. Bühnengebäude. Die für den Zuschauer- 
raum massgebende Grundfigur ist in der Regel auch für 



144 III. Vergleichungen und Folgerungen. 

m 

die Skene bestimmend. Ihre Stelle vertritt zuweilen 
eine quadratische Grundfigur entweder ganz oder zum 
Theil. In letzterem Falle sind zwei Grundfiguren vor- 
handen, die den Zuschauerraum gliedernde, die Haupt- 
grundfigur; und die, welche die Btihnenanlage regelt, die 
Btihnengrundfigur. [Unter vierzehn einigermassen berück- 
sichtigenswerthen griechischen Theateranlagen finden wir 
sechs bis sieben, wo nur eine Grundfigur für die Btihnen- 
anlage massgebend gewesen ist, und vier bis fünf, wo 
noch eine zweite ganz oder theilweise bestimmend ge- 
wesen ist; nur zwei Odeen folgen mehr der römischen 
Art: vgl. S. 133 ff. Soweit vorläufig ein Urtheil gestattet 
ist, hat die Btihnengrundfigur die Btihnenanlage einmal 
(Patara) durchweg geregelt, einmal (Epidauros) nur zum 
Theil: vgl. S. 133, 135, 137.] 

Ftir die Konstruktion des Btihnengrundrisses ist es 
ntitzlich, wenn auch nicht gerade nöthig, noch zwei 
Kreisbögen zu schlagen, beide mit dem Radius des ür- 
kreises, zuerst den einen und dann den andern End- 
punkt des wagrechten Durchmessers als Mittelpunkt ge- 
nommen. Als Ausgangspunkt jedes der beiden Bögen 
ist ein Punkt der dem entsprechenden Mittelpunkt zu- 
nächst gelegenen Btihnengrenze des Zuschauerraumes 
(Analemma) anzunehmen oder nach Vitruvs wahrschein- 
licher Konstruktion ein beliebiger Punkt des dem ent- 
sprechenden Mittelpunkte zunächst gelegenen Zwischen- 
raumes zwischen Zuschauerraum und Skene (intervallum, 
Orchestraeingang). Von diesem Ausgangspunkte aus ist 
jeder Bogen nach dem anzulegenden Proscenium zu 
(durch die seitlichen Skenenräume hindurch) bis zu der 
ihm erreichbaren senkrecht zur Btihnenanlage gezogenen 
Tangente des ürkreises zu schlagen. [Die Begründung 
dieser Konstruktion findet sich oben I 4 S. 30 f. Vgl. 
auch Zusatz 3.] 



3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 145 

a) Grenzen des Skenenvorderraumes. Die 
den gesammten Skenenraum in zwei Hälften scheidende 
grosse Längsmauer, die hintere Btihnengrenze (Bühnen- 
hinterwand oder, in Rücksicht auf den Skenenhinterraum, 
die Skenenfront, scaenae frons) wird gebildet durch die 
mit dem wagrechten Durchmesser in gleicher Richtung 
laufende Berührungslinie des ürkreises (wagrechte Tan- 
gente) oder stellvertretender Weise durch die ebenso lau- 
fende und der Bühne zunächst liegende (wagrechte) Seite 
der Grundfigur, bzw. der Bühnengrundfigur. [In vierzehn 
griechischen Theatern fällt die Bühnenhinterwand fünf- 
mal genau, viermal nicht ganz mit der wagrechten Tan- 
gente zusammen, dreimal mit der wagrechten Seite der 
Grundfigur (zweimal) oder Bühnengrundfigur (einmal) und 
zweimal mit einer, wie es scheint, durch die Grundfigur 
nicht bestimmten Sehne : vgl. S. 135 f.] 

Die Mitte der vorderen Grenze des Skenenvorder- 
raumes (Bühnenvorderwand, finitio proscaenii) ist ge- 
geben durch die wagrechte Seite der Grundfigur, bzw. 
Bühnengrundfigur oder stellvertretender Weise durch eine 
parallele dem wagrechten Durchmesser näher liegende 
Sehne des ürkreises. [Die Lage der Bühnenvorderwand 
ist viermal durch die wagrechte Seite der Grundfigur, 
einmal durch die der Bühnengrundfigur bestimmt; in den 
neun übrigen Fällen aber gar nicht oder nicht genau zu 
erkennen: vgl. S. 136 f. In den Fällen, wo die Bühnen- 
hinterwand in stellvertretender Weise mit der wagrechten 
Seite der Grundfigur, bzw. Bühnengrundfigur zusammen- 
fiel, musste natürlich die Bühnenvorderwand durch eine 
dem wagrechten Durchmesser näher liegende Sehne des 
ürkreises angegeben werden; das Verhältnis dieser Sehne 
zur Grundfigur bleibt aber vorläufig dunkel : vgl. Zusatz 2.] 

Seitlich abgeschlossen wird der Skenenvorderraum 
durch Mauern, bzw. Pfeiler und Thüren; ihr Abstand 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. jq 



146 in. Vergleichungen und Folgerungen. 

(= Skenenlänge), also ihre Lage, wird bestimmt durch 
Verlängerung der wagrechten Seite der Grundfigur, bzw. 
Btihnengrundfigur nach beiden Seiten um je einen Halb- 
messer des ürkreises, mit anderen Worten, durch Ver- 
längerung dieser Seite bis zu den Kreisbögen, deren 
Mittelpunkte die Endpunkte des wagrechten Durchmessers 
sind. [Die Skenenlänge ist gleich Grundfigurseite und 
Durchmesser in sechs, höchstens vielleicht sieben Thea- 
tern und gleich Bühnengrundfigurseite 4- Durchmesser in 
vier oder in fünf Theatern. Eine Ausnahme machen 
von vierzehn Theateranlagen zwei Odeen, in denen die 
Skenenlänge einmal gleich zwei Durchmessern wie in 
den römischen Theatern ist und einmal gleich zwei 
Grundfigurseiten: vgl. S. 133.] 

b) Gliederung des Skenenvorderraumes; 
Bühne. Durch senkrecht zur Bühne gezogene Tan- 
genten des Urkreises, bzw. durch diesen nahe liegende 
parallele Linien wird der Skenenvorderraum in drei 
Theile geschieden, in einen mittleren Theil meist von 
der Länge eines Durchmessers des Urkreises (die eigent- 
liche Bühne, proscaenium) und in zwei Seitenräume, 
meist je einer Halbseite der Grundfigur lang. Diese 
Gliederung tritt jedoch nur in den älteren griechischen 
Theateranlagen ein; in den jüngeren ist der Skenen- 
vorderraum ungetheilt als Bühne (proscaenium) verwen- 
det worden. [Die Frage nach den seitlichen Grenzen 
der eigentlichen Bühne habe ich im dritten Zusatz zu 
lösen versucht. Das polykletische Theater zu Epidauros 
ist doch wohl mit Recht als massgebend angesehen wor- 
den; das dionysische Theater zu Athen gab uns mehr- 
fach Handhaben, während wir in den übrigen nur ein- 
zelne oder gar keine Anzeichen fanden. Genau durch 
senkrechte Tangenten des Urkreises scheint die Theilung 
des Skenenvorderraumes vorgenommen worden zu sein 



3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 147 

in fünf Theatern; in zwei Theatern ist der Abstand der 
seitlichen Bühnengrenzen etwas grösser und in einem 
etwas kleiner als ein Durchmesser des entsprechenden 
Urkreises; vier Theater geben keinen Anhalt, und zwei 
Theater aus jüngerer Zeit haben einen ungetheilten 
Skenenvorderraum.] 

Die Bühne im älteren griechischen Theater hat zwei 
offene Seiteneingänge und drei Thüren in der Bühnen- 
hinterwand, die des jüngeren griechischen Theaters da- 
gegen statt der Seiteneingänge zwei Thüren mehr in 
der Bühnenhinterwand, Die Lage der Hauptthür (der 
mittleren oder mittelsten) ist durch den senkrecht auf 
der Bühnenhinterwand stehenden Radius des Urkreises 
bestimmt, die der Nebenthüren (der nächsten rechts und 
links von der Hauptthür) durch die zwei Radien des 
TJrkreiseS; welche durch die dem senkrechten Radius zu- 
nächst, bzw. zweitnächst gelegenen Ecken der Grund- 
figur, bzw. Bühnengrundfigur hindurchgehen. [In Bezug 
auf die seitlichen Bühneneingänge ist das Notlüge im 
dritten Zusatz bemerkt worden, in Bezug auf das üebrige 
ist der vierte Zusatz zu vergleichen. Von der Regel 
über die Hauptthür giebt es unter sieben hier einschlä- 
gigen Theatern nur eine Ausnahme und von der über 
die Nebenthüren auch nur eine, die noch dazu kaum zu 
rechnen ist, da die römische Regel in dem fraglichen 
Theater Platz gegriffen haben kann. In den sechs übri- 
gen Theatern sind viermal die zwei dem senkrechten 
Radius zunächst gelegenen Ecken der Grundfigur, bzw. 
Bühnengrundfigur bestimmend gewesen, zweimal die 
zweitnächst liegenden, weil die nächstliegenden einen zu 
geringen Thürabstand verursacht hätten. Dreimal waren 
in den sieben Theatern zwei Grundfiguren vorhanden; 
zweimal war die Bühnengrundfigur, einmal die Haupt- 
grundfigur für die Lage der Thüren massgebend.] 

10* 



148 



m, Vergleichangen and Folgeningen. 



D. Beispiele. Vgl. Fig. 5. Die KonstrnktioD dee 
Zuschauerraumeg igt so einfach, dass ich wohl darauf 
verzichten darf, Beiapiele vorznführen. Nicht ganz so 
eiofach ist die der Skene, nnd deshalb habe ich ver- 
sucht vier verschiedene Konstruktionen durch Zeichnung 
klarzumachen. Da es mir aber hierbei zugleich darauf 
ankam, die AUgemeingiltigkeit der Regel dentlich her- 
vortreten zu lassen, habe ich, um die Vergleichung zn 
erleichtern, die vier Konstruktionen auf einer Figur her- 
zustellen mich bemüht. Nothwendig war hierbei der 
Uebersichtliehkeit wegen die Beschränkung auf nur je 
ein regelmässiges Dreieck, Viereck (Quadrat), Fünfeck 
und Siebeneck als Grundfigur, was in Wirklichkeit in 




den griechischen Theatern niemals geschehen ist. Die 
unvermeidliche Folge dieser Beschränkung war der Uebel- 
stand, dass auf die figürliche Angabe der Lage der ThUren 
in der Eühnenhintenvand verzichtet werden musste. 

Für alle vier Konstruktionen gemeinsam ist der Ur- 
kreis, der (bis x und y) verlängerte wagrechte Durch- 
messer des Urkreises, die mit diesem Durchmesser gleich- 
laufende Tangente des Urkreises (yq = Längsrichtung 



3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 149 

der Bühne), die zwei diese Linie (in Punkt x)- und X) 
senkrecht treffenden Tangenten des ürkreises und die 
zwei Kreisbögen (x-d' und yX), welche die Endpunkte des 
wagrechten Durchmessers als Mittelpunkte und mit dem 
TJrkreise den gleichen Radius haben. Zeichnen wir nun 
in den Urkreis ein regelmässiges Dreieck (uhv), Viereck 
(Quadrat abdc), Fünfeck (ezhik) und Siebeneck (Ifghaj^m) 
so ein, dass je eine Seite der genannten Vielecke mög- 
lichst nahe der anzulegenden Bühne mit dieser die gleiche 
Richtung erhält (Dreieckseite uv, Quadratseite ac, Fünf- 
eckseite ek und Siebeneckseite Im, alle gleichlaufend 
mit dem wagrechten Durchmesser und der wagrechten 
Tangente), verlängern wir dann jede dieser Linien bis 
zu den beiden Kreisbögen (uv bis t und w, ac bis r 
und s, ek bis p und q und Im bis n und o) und fällen 
wir von den Endpunkten dieser verlängerten Linien 
senkrechte Linien auf die wagrechte Tangente (tö und 
WTT, r« und s§, pC und qv, nfj und Ofi), dann haben wir 
vier Grundrisse auf einer Figur vereinigt. Es ist uns 
dann nämlich mit der wagrechten Tangente yq für alle 
vier Grundrisse die Lage der den Vorderraum des Bühnen- 
gebäudes nach hinten abschliessenden Bühnenhinterwand 
oder scaenae frons gegeben, mit der gleichlaufenden 
Dreieckseite uv, Quadratseite ac, Fünfeckseite ek und 
Siebeneckseite Im die Bühnenvorderwand oder finitio 
proscaenii jedes Grundrisses, mit den Kreisbögen xS' 
und jX oder vielmehr mit den bis zu diesen Kreisbögen 
verlängerten Vieleckseiten tw, rs, pq und no die Skenen- 
länge jedes Grundrisses, oder was dasselbe sagen will, 
mit den von den Endpunkten der verlängerten Vieleck- 
seiten auf die wagrechte Tangente gefällten senkrechten 
Linien trf und wtt, r^ und s?, p? und qv und ntj und o^i* 
die seitlichen Skenengrenzen und endlich mit den auf ^ 
und X auftreffenden senkrechten Tangenten des ürkreises 



150 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 

die Zerlegung des so begrenzten Skenenvorderraumes in 
drei Theile, von denen der mittelste die eigentliche 
Bühne oder das proscaenium bildet, die beiden andern 
aber Seitenräume mit Treppen. (So wenigstens im äl- 
teren griechischen Theater ; das jüngere ist ähnlich dem 
römischen und wird hier nicht berücksichtigt.) In den 
einzelnen Grundrissen sind demnach folgende Grenzen 
und Theile des Skenenvorderraumes zu unterscheiden: 

1. Dreieck uhv als Grundfigur. Grenzen de» 
Skenenvorderraumes: nach vom tw (Dreieckseite und 
zwei Halbmesser), seitwärts td und wtv (die von t und w 
senkrecht auf die wagrechte Tangente gefällten Linien) 
und nach hinten ötv (wagrechte Tangente); Gliederung: 
in der Mitte die eigentliche Bühne (proscaenium), seit- 
lich begrenzt durch die auf 0- und l aufstossenden senk- 
rechten Tangenten des ürkreises, nach vom durch die 
Mitte von tw (Bühnenvorderwand, finitio proscaenii), nach 
hinten durch Theil x^-l der wagrechten Tangente (Bühnen- 
hinterwand, scaenae frons); auf den beiden Seiten diö 
links und rechts von der eigentlichen Bühne bis zu trf 
und WTT reichenden Seitenräume. 

2. Quadrat abdc als Grundfigur. Begrenzung des 
Skenenvorderraumes: nach vorn rs (Quadratseite und 
zwei Halbmesser), seitwärts r« und s? (von r und s senk- 
recht auf die wagrechte Tangente gefällt) und nach 
hinten Ǥ (wagrechte Tangente); Gliederung: in der 
Mitte die eigentliche Bühne, seitlich begrenzt durch die 
auf S- und X aufstossenden senkrechten Tangenten, nach 
vom durch die Mitte von rs (Bühnenvorderwand, finitio 
proscaenii), nach hinten durch Theil xhX der wagrechten 
Tangente (Bühnenhinterwand, scaenae frons) ; ausserdem 
die links und rechts von der eigentlichen Bühne bis zu 
rs und sg reichenden Seitenräume. 

3. Fünfeck ezhik als Grundfigur. Grenzen des 



3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 151 

Skenenvorderraumes: nach vom pq (Fünfeckseite und 
zwei Durchmesser), seitwärts p^ und qp (von p und q 
senkrecht gefällt auf Sq) und nach hinten ^v (wagrechte 
Tangente); Gliederung: in der Mitte die eigentliche 
Bühne, seitlich begrenzt durch die auf x^ und X treffen- 
den senkrechten Tangenten, nach vom durch die Mitte 
von pq (Bühnenvorderwand), nach hinten durch Theil x^-X 
der wagrechten Tangente (Bühnenhinterwand); auf den 
beiden Seiten die links und rechts von der eigentlichen 
Bühne bis p^ und qv reichenden Seitenräume. 

4. Siebeneck Ifghaj^m als Gmndfigur. Grenzen 
des Vorderraumes der Gesammtanlage: nach vorn no 
(Siebeneckseite + zwei Halbmesser), seitwärts n«/ und Ofi 
(von n und o senkrecht gefällt auf yq) und nach hinten 
fjfi (wagrechte Tangente); Gliedemng: in der Mitte die 
eigentliche Bühne, seitlich begrenzt durch die auf S' 
und X aufstossenden senkrechten Tangenten, nach vorn 
durch die Mitte von no (Bühnenvorderwand) und nach 
hinten durch Theil M der wagrechten Tangente (Bühnen- 
hinterwand); auf den beiden Seiten nach links und rechts 
von der eigentlichen Bühne bis nrj und Ofi reichende 
Seitenräume. 

Die verschiedene Bühnentiefe (Abstand der Bühnen- 
vorderwand von der Bühnenhinterwand) besonders in 
der ersten (= wtt) und in der letzten Konstmktion 
(= Ofi) wird vielleicht ein und dem andem Leser auf- 
fällig sein. Allein man wolle bedenken, dass wir bei 
unsern Beispielen schon der zeichnerischen Darstellbar- 
keit wegen die entgegenstehendsten Formen wählen 
mussten und dass thatsächlich kein griechisches Theater 
eine so grosse oder so geringe Bühnentiefe gehabt hat 
wie auf unserer Figur. Denn in den Fällen, wo Drei- 
ecke als Grundfigur zur Anwendung gelangten — so in 
den Theatern zu Hierapolis 8 (1 12) und Kibyra 12 (A 9) 



152 in. Vergleichungen und Folgerungen. 

und auch in dem (freilich umgebauten: S. 124) Theater 
zu Aspendos 9 (1 16) — ist als Bühnenhinterwand nicht 
die Tangente, sondern eine Sehne bestimmt worden, so 
dass eine weniger grosse Bühnentiefe sich ergab, als bei 
der gewöhnlich befolgten Regel zu ermöglichen war; und 
umgekehrt wird in den Fällen, wo eine Siebeneckseite 
die Lage der Bühnenvorderwand angab, die Bühnen- 
hinterwand zurückgeschoben, weiter vom Kreise ab- 
stehend als die Tangente angelegt worden sein. Bei- 
spiele lassen sich allerdings für diese Behauptung nicht 
vorführen, weil in den hierher gehörenden rein griechi- 
schen Theatern die Bühnenvorderwand nicht mehi^ zu er- 
kennen ist; aber die Berechtigung unserer Folgerung 
ergiebt sich aus der Vergleichung der Theater des Dio- 
nysos zu Athen und des polykletischen zu Epidauros: 
in beiden ist durch eine geringe Zurückschiebung der 
Bühnenhinterwand die Bühnentiefe etwas vergrössert 
worden, die Bühnentiefe, die doch gemäss der Grund- 
figur schon verhältnismässig gross war, nämlich gleich 
dem Abstände der Quadratseite von der wagrechten 
Tangente im dionysischen Theater Athens und gleich 
dem Abstände der Fünfeckseite von der wagrechten 
Tangente im Theater des Polyklet zu Epidauros. 

2. Grundriss des römischen Theaters. 

A, Urkreis; Grundfigur. Beide sind zu zeich- 
nen wie im griechischen Theater. [Die Verschiedenheit 
der Grundfiguren in den römischen Theatern ist wo- 
möglich verhältnismässig noch grösser als in den gTie- 
chischen ; nur fehlen Elfecke, bzw. Zweiundzwanzigecke. 
Am beliebtesten sind auch hier Sechsecke und Dreiecke 
(über Va), doch ist die Zahl der eingeschriebenen Sechs- 
ecke und Dreiecke eine andere. Während nämlich in 
den griechischen Theatern dieser Gruppe sechs Dreiecke 



3. Die allgemeine Begel. 2. Die röm. 153 

lind drei Sechsecke überwiegen, achtmal in elf Fällen 
vorkonunen, sind sie in den römischen ganz vermieden; 
dagegen sind hier in elf von zwanzig Theatern sechsmal 
je ^er Dreiecke zur Anwendung gekommen, die sich in 
keinem griechischen Theater finden, dann viermal je 
drei Dreiecke, die nur in einem griechischen Theater 
«ich zeigen, und einmal ein Sechseck: vgl. S. 93 ff. 
imd 120. Nach diesen sind Fünfecke oder Zehnecke 
am häufigsten (V5), einmal zwei Fünfecke, zweimal je 
ein Fünfeck und einmal ein Zehneck : vgl. S. 102. Auch 
Quadrate als Grundfiguren konunen vor und zwar dreimal 
{fast V7), einmal zwei, einmal vier und einmal drei Qua- 
drate, die letzteren allerdings in Verbindung mit zwei 
(nur für die radiale Gliederung des Zuschauerraumes 
massgebenden) Siebenecken: vgl. S. 104 f. Siebenecke 
endlich begegnen uns nur in Algier und nur zweimal 
{Vio)j einmal zwei und einmal eins: vgl. S. 104.] 

Ba. Grenzen des Zuschauerraumes. Die 
Bühnengrenzen (Analemmata) konvergiren nicht mit dem 
verlängerten wagrechten Durchmesser, wie es im grie- 
chischen Theater geschieht, sondern fallen mit ihm oder 
einer Parallele desselben zusammen. Sie fallen ohne 
Ausnahme mit dem verlängerten wagrechten Durch- 
messer zusammen, wenn die Grundfigur so beschaffen 
ist, dass zwei von den durch die Ecken der Grundfigur 
hindurchgehenden Radien des Urkreises sich mit diesem 
decken. Im andern Falle sind die Bühnengrenzen durch 
die Verlängerung derjenigen in der Zuschauerhälfte des 
Urkreises gezogenen Sehne bestimmt, welche die beiden 
4em wagrechten Durchmesser zunächst gelegenen Ecken 
4er Grundfigur mit einander verbindet; stellvertretender 
Weise fallen sie auch mit dem verlängerten wagrechten 
Durchmesser zusammen. [Die Analemmata decken sich 
in zwanzig römischen Theatern der Grundfigur ent- 



154 in. Vergleiclmngen und Folgerungen. 

sprechend zehnmal mit dem verlängerten wagrechten 
Durchmesser: vgl. S. 118 f. In den zehn übrigen Thea- 
tern fallen sie fünfmal mit einer durch zwei Ecken der 
örundfigur hindurchgehenden Sehne des ürkreises^ zu- 
sammen (nur einmal ist diese Sehne auf der Bühnen- 
hälfte des ürkreises zu finden: vgl. S. 120) und viermal 
stellvertretender Weise mit dem verlängerten wagrechten 
Durchmesser des ürkreises ; ganz ohne erkennbare Rück- 
sicht auf die Grundfigur, bzw. den ürkreis sind die 
Bühnengrenzen nur einmal angelegt: vgl. S. 121 f. Die 
nicht selten sich findende Erweiterung des Zuschauer- 
raumes durch Anbringung von Sitzen über den bedeckten 
Orchestraeingängen (itinera) ist in unserer Formulirung^ 
der Regel unbeachtet geblieben.] 

Die übrigen Grenzen des Zuschauerraumes gleichen 
den griechischen bis auf den Umstand, dass sie ent- 
sprechend der veränderten Lage der Analenunata kürzer 
sind. [Die untere Begrenzung des Zuschauerraumes weicht 
gar nicht und die obere, abgesehen von den Odeen, nur 
einmal von der genauen Kreislinie ab: vgl. S. 141. Aus- 
nahmen treten bei der unteren Begrenzung des Zu- 
schauerraumes nur ein, wie man wird annehmen dürfen, 
infolge einer gewissen Verdunkelung der Bedeutung des 
ürkreises: die Treppenenden zwar blieben durch den 
ürkreis markirt, aber Zuschauersitze wurden auch inner- 
halb des ürkreises angebracht: vgl. S. 130 ff. u. 142.] 

Bb. Gliederung des Zuschauerraumes. Sie 
ist dem Grundgedanken nach gleich der des griechischen 
Zuschauerraumes, nur dass gemäss der Lage der Bühnen- 
grenzen des Zuschauerraumes in der Hälfte der Theater 
die Endkeile des ünterstocks den übrigen Keilen nicht 
gleich sind. [In Betreff der konzentrischen Gliederung 
ist den oben S. 142 f. gemachten Bemerkungen nichts 
hinzuzufügen, in Betreff der radialen Gliederung blos» 




3. Die allgemeine Regel. 2. Die röm. 15ä 

Folgendes : Eine ganz ungewöhnliche radiale Gliederung 
hat das Odeon des Herodes Attikos 42 (I 26), eine noch 
eigenthümlichere das von uns unberücksichtigt gelassene 
Theater zu Alauna in Frankreich bei Wieseler A 19; 
Ungleichheit der mittleren Keile kommt nur einmal vor: 
vgl. S. 114. In Bezug auf die Endkeile genügt es auf 
S. 118 flf. zu verweisen. 

C. Das Bühnengebäude. Bestimmend für das 
Bühnengebäude ist wie im griechischen Theater entweder 
die für den Zuschauerraum massgebende Grundfigur oder 
eine andere in den ürkreis eingeschriebene Grundfigur, 
die Bühnengrundfigur. [Der letztere Fall tritt nur ein- 
mal ein, im Theater zu Herculaneum 6 (ü 8), denn auch 
im Odeon des Herodes Attikos 42 (I 26) richtet sich die 
Bühnenanlage nach den in den ürkreis eingeschriebenen 
Quadraten, also nach der eigentlichen Grundfigur. Eine 
halbe Ausnahme von der Regel macht das Theater zu 
Otricoli 5 (ü 14), weil die für die Bühnenanlage mass- 
gebende Grundfigur (ein Quadrant) zwar nicht in den ür- 
kreis eingezeichnet, aber doch von ihm abhängig ist.] 

a) Grenzen des Skenenvorderraumes. Die 
Lage der den hinteren und vorderen Raum der ge- 
sanmaten Bühnenanlage scheidenden Mauer (Bühnenhinter- 
wand, scaenae frons) ist dieselbe wie im griechischen 
Theater. [Anders Vitruv ! — Zehnmal ist die Lage der 
Bühnenhinterwand, wie es scheint, genau durch die wag- 
rechte Tangente angegeben, viermal durch die wagi'cchte 
Seite der Grundfigur, zweimal ist sie unregelmässig an- 
gelegt und zweimal nicht zu bestimmen: vgl. S. 135 f.] 

Die Grenze des Skenenvorderraumes nach dem Zu- 
schauerräume zu (Bühnenvorderwand, finitio proscaenii) 
hat eine ähnliche Lage wie die Bühnengrenzen des Zu- 
schauerraumes (Analemmata) : sie wird bestimmt entweder 
durch den wagrechten Durchmesser des ürkreises oder 



156 Vergleichungen und Folgerungen. 

durch diejenige mit ihm gleichlaufende Sehne auf der 
Bühnenhälfte des ürkreises, welche gleich ist dem grössten 
Abstand der Ecken der Grundfigur oder Bühnengrund- 
figur in einer Urkreishälfte. [Diese Regel ist, wie der 
zweite Zusatz darlegt, ohne Ausnahme. In zwei Theatern 
ist die Bühnen vorderwand unbestimmbar; in den übrigen 
sechzehn (ohne das Theater zu Cuiculum, aber mit dem 
Theater zu Fäsulä) fällt sie mit dem wagrechten Durch- 
messer zusammen fünfmal sicher und viermal wahrschein- 
lich; siebenmal mit einer Sehne des Urkreises, die V9 
(zweimal), Vs; V7? Vio? Vie öder Vi 2 von der Peripherie 
des Urkreises abschneidet, ganz entsprechend dem Ab- 
stand der Ecken der Grundfigur oder (einmal) Bühnen- 
grundfigur innerhalb einer ürki*eishälfte.] 

Die seitlichen Abschlussmauern, bzw. Pfeiler und 
Thüren des Skenenvorderraumes haben einen Abstand 
( = Skenenlänge) von zwei Durchmessern des Urkreises 
oder sind in stellvertretender Weise den griechischen 
gleich angelegt. [Zweimal ist die Skenenlänge unregel- 
mässig, viermal nach griechischer Weise bestimmt, näm- 
lich dreimal gleich Grundfigurseite -f- Durchmesser und 
einmal gleich Bühnengrundfigurseite -h Durchmesser, und 
sonst beträgt sie immer zwei Durchmesser des Urkreises: 
vgl. S. 133 f.] 

b) Bühne (proscaenium). Der gesammte eben ab- 
gegrenzte Skenenvorderraum ist im römischen Theater 
im Gegensatz zum älteren griechischen die Bühne (pro- 
scaenium). Diese hat zwei Seiteneingänge, die in den 
seitlichen Abschlussmauern des Skenenvorderraumes lie- 
gen, und drei Thüren in der Bühnenhinterwand. Die 
Lage der Hauptthür in der Mitte ist wie im griechischen 
Theater bestimmt, die der Nebenthüren durch den Ur- 
kreis, nämlich durch senkrecht auf die Bühnenhinterwand 
gezogene Tangenten des Urki-eises, oder in Stellvertre- 



% 



Die allgemeine Regel. 2. Die röm. 157 

tung durch die Grundfigur, und zwar entweder in grie- 
chischer Weise durch die Radien oder übereinstimmend 
mit der viti'uvischen Vorschrift durch die senkrechten 
Linien, die von den dem senkrechten Radius zunächst 
gelegenen Ecken der Grundfigur auf die Bühnenhinter- 
wand gezogen werden. [Behandelt sind die hier ein- 
schlagenden Fragen im vierten Zusatz. Von zwölf in 
Berücksichtigung gezogenen Theatern haben nur zwei 
je sieben Thüren und eins keine in den eigentlichen Seiten- 
grenzen des Skenenvorderraumes. — Durch senkrechte 
Tangenten sind die Nebenthüren in acht Theatern an- 
gegeben, durch Radien in zwei und durch senkrecht von 
den betreflfenden Grundfigurecken nach der Bühnenhinter- 
wand gezogene Linien auch in zwei.] 

D. Beispiele. Figur 5 ist eigentlich nur zur Ver- 
deutlichung der griechischen Regel gezeichnet worden, 
doch kann sie auch für die römische Regel verwerthet 
werden, wenn man sich auf die gebräuchlichsten Formen 
beschränkt und wenn man sich die beiden Kreisbögen, 
die Verlängerungen der Grundfigurseiten und die kleinen 
Hilfslinien wegdenkt. Wir behalten also den ürkreis, 
den wagrechten Durchmesser (verlängert auf beiden Sei- 
ten um je einen Halbmesser), die wagrechte Tangente 
(zwei Durchmesser betragend), die senkrechten Tangenten 
und in den ürkreis als Grundfigur eingezeichnet ein regel- 
mässiges Dreieck, Viereck (Quadrat), Fünfeck und Sieben- 
eck. Hiermit haben wir für alle vier Konstruktionen 
einen Skenenvorderraum oder eine Bühne von gleicher 
Lage, gleicher Länge, gleicher Tiefe und mit gleich- 
liegenden Thüren in der Bühnenhinterwand. In allen 
vier Konstruktionen ist nämlich die Lage der hinteren 
Grenze (Bühnenhinterwand) gegeben durch die wagrechte 
Tangente yQ^ die der vorderen Grenze (Bühnenvorder- 
wand) durch den verlängerten wagrechten Durchmesser 



158 ni. Vergleichungen und Folgerungen. 

xy und die der seitlichen Grenzen durch die Verbindungs- 
linien der Endpunkte des verlängerten wagrechten Durch- 
messers und der (zwei Durchmesser betragenden) Tan- 
gente /Qy nämlich xy und jq. 

So regelmässig ist nun freilich die römische Bühne 
niemals angelegt worden; denn selbst die regelmässigste 
römische Anlage, das Odeon zu Pompeji, weicht von 
unserem Schema ab: nicht der wagrechte Durchmesser 
des ürkreises giebt die Lage der Bühnenvorderwand an, 
sondern die parallele Sehne, welche auf der Bühnen- 
hälfte Vio des ürkreises abschneidet. Wie hier ist überall 
mindestens eine der früher erwähnten Stellvertretungen 
zugelassen worden : man hat entweder die Bühnenhinter- 
wand in griechischer Weise weiter vor oder die Bühnen- 
vorderwand weiter zurückgeschoben, oder man hat nach 
griechischer Weise die Lage der Seitengrenzen des 
Skenenvorderraumes oder die der Nebenthüren in der 
Bühnenhinterwand bestimmt, oder man hat eine andere 
Stellvertretung oder eine Neuerung eingeführt, oder man 
hat endlich zwei oder mehrere dieser Stellvertretungen 
zugleich angewendet, so dass eine üebereinstimmung 
zweier Theater in Bezug auf die Grenzen und die Glie- 
derung der Bühne ebenso selten, wenn nicht noch seltener, 
wahrzunehmen ist als in Bezug auf die Gliederung des 
Zuschauerraumes (S. 115). 

Konstruktionen mit solchen Grundfiguren, wie wir 
sie in unserer Figur gewählt haben, kommen in griechi- 
schen Theatern niemals vor, wie oben S. 144 angedeutet 
worden ist, dagegen in den römischen einmal ein Grund- 
riss mit einem Siebeneck als Grundfigur, im Theater zu 
Galama 39 (A 21), und sogar zweimal ein Grundriss mit 
einem Fünfeck als Grundfigur, im Odeon bei Neapel 29 
(H 9B) und im Theater zu Nora 30 (A 18). Eine Ver- 
gleichung dieser Anlagen mit unserer Figur 5 dürfte 



% 



3. Die allgemeine Regel. 2. Die röm. 159 

nicht zum Schaden sein. Betrachten wir zunächst das 
Theater zu Nora-, die im ersten Zusatz erwähnte Un- 
regelmässigkeit in den seitlichen Theilen des Prosceniums 
lassen wir dabei, wie billig, ausser dem Spiele. Die 
Lage der Bühnenhinterwand des Theaters zu Nora wird 
wohl auf unserer Figur durch die Fünfeckseite ek an- 
gegeben und die der Nebenthüren durch die Punkte i^- 
und 2 unserer Figur; die Bühnenvorderwand steht im 
Theater zu Nora um soviel vom wagrechten Durchmesser 
des Urkreises ab wie die unteren Enden der Seiten- 
treppen. Diesen Enden entsprechen nun auf unserer 
Figur die Punkte z und i, demnach würde die Lage der 
Bühnenvorderwand auf unserer Figur durch die Linie 
bestimmt sein, welche auf der Bühnenhälfte des Urkreises 
der Linie zi auf der Zuschauerhälfte des Urkreises ent- 
spricht (welche also ziemlich mit der Linie {ß zusammen- 
fällt). Im Theater zu Calama ist nur die Bühnenvorder- 
wand vergleichbar. Zeichnet man in den Wieselerschen 
Grundriss dieses Theaters ein Siebeneck so ein, wie es 
die drei mittleren Treppen des Zuschauerraumes ver- 
langen, so sieht man, dass die Lage der Bühnenvorder- 
wand durch die grösste zwei Ecken der Grundfigur 
verbindende Sehne innerhalb der Bühnenhälfte des Ur- 
kreises gegeben worden ist; dieser Sehne entspricht auf 
unserer Figur ganz genau {ß. 



Zusätze zum dritten Theil. 

Die vorliegende Arbeit war vor mehreren Monaten 
abgeschlossen und zum Druck abgeliefert worden mit 
Ausnahme des letzten Abschnittes des dritten Theiles. 
Dieser sollte weiter nichts enthalten als die hauptsäch- 



160 Zusätze zum dritten Theil. 

liebsten Ergebnisse der angestellten Vergleicbungen und 
Folgerungen in Form einer der vitruviscben äbnlieben 
Regel. Bei der Abfassung dieser Partie stellte sich je- 
doch die genauere Beantwortung einzelner Fragen als 
wttnschenswerth heraus. Dem Wunsche wurde ent- 
sprochen, und die neuen Ergebnisse wurden für den 
Einschub in die bereits abgeschlossene Arbeit berechnet 
abgefasst. Unterdessen war aber der Satz des einge- 
sandten Manuskripts vollendet worden, und so müssen 
denn die Erweiterungen jetzt als Zusätze erscheinen. 

Erster Zusatz. Zu S. 134 (Seitengrenzen des 
Skenenvorderraumes). Bei unserer Ansetzung der Skenen- 
länge sind die in mehreren römischen Theatern sich fin- 
denden seitlich von dem Skenenvorderraum gelegenen 
Räume nicht in Anschlag gebracht worden. Und dies 
mit Recht, denn sie sind augenscheinlich entweder blosse 
Verbindungsglieder zwischen dem Bühnengebäude und 
dem Zuschauerraum oder zwischen dem ersteren uüd 
einer anderen Anlage oder auch blosse architektonische 
Abrundungen. Ich verweise in dieser Beziehung auf die 
Anlagen zu Athen (Odeon des Herodes Attikos) 42 (I 26), 
zu Herculaneum 6 (11 8), bei Tibur (Odeon) 15 (ü 13), 
zu Eugubium 25 (H 16), bei Neapel (Odeon) 29 (H 9B). 
zu Arausio 45 (H 19), zu Rom 4 (II 12 B), zu Pola 3 
(A 17) und zu Calama 39 (A 21). Nur in einem Theater 
sind die Seitenräume zur Skene hinzugerechnet worden, 
im Theater zu Nora 30 (A 18), aber die Kleinheit der 
ganzen Anlage verbietet dem Gegner unserer Ansicht 
sich auf diese Ausnahme zu berufen. Ebenso wenig 
kommt das Theater zu Cuiculum 38 (A 20) in Betracht, 
das überhaupt in Bezug auf die Bühnenanlage eine Be- 
rücksichtigung nicht verdient und später auch nicht fin- 
den soll, da die Orchestra absonderlich gross ist und da 
infolge dessen fast alle übrigen Verhältnisse als Aus- 



1. Seitliche Skenengrenzen. 161 

nahmen von der römischen Regel erseheinen. Geholfen 
wäre nns mit einem Schlage, wenn wir einen kleineren 
ürkreis, als S. 83, voraussetzen, wenn wir annehmen 
dürften, dass der Zuschauerraum sich weiter in die Or- 
chestra hinein erstreckt habe, als auf dem Grundrisse 
angegeben ist, ähnlich wie im Theater zu Ferentum bei 
Wieseler A 16 (Figur 16 jedoch lässt auf einen falschen 
ürkreis schliessen; nur Figur 16 a giebt die richtige 
Lage des Zuschauerraumes an). 

Zweiter Zusatz. Zu S. 137 (Bühnenvorder- 
wand). Die fünf Theater zu Side, Myra, Termessos 
maj., Patara und Epidauros haben als Bühnenhinterwand 
die wagrechte Tangente des ürkreises und daher eine 
Bühnentiefe, die gleich ist dem Abstand einer Sechseck- 
seite, Fünfeckseite, Quadratseite von der parallelen Tan- 
gente. In den Fällen nun, wo die Bühnenhinterwand 
dem wagrechten Durchmesser näher lag als die Tangente 
(fünfmal), oder wo sogar sie, nicht die Bühnenvorderwand 
durch eine mit der Bühne in gleicher Richtung laufende 
Grundfigurseite bestimmt wurde (dreimal), musste die 
Bühnenhinterwand natürlich nach dem wagrechten Durch- 
messer zu vorgerückt werden; leider ist nirgends zu er- 
kennen, wie weit dies geschehen ist. 

Die Lage der Bühnenvorderwand im römischen 
Theater hat einige Aehnlichkeit mit der Lage der Ana- 
lemmata: sie fällt zusammen entweder mit dem wag- 
rechten Durchmesser des ürkreises oder mit derjenigen 
parallel dem Durchmesser auf der Bühnenhälfte des ür- 
kreises gezogenen Sehne, welche gleich ist dem grössten 
Abstände der Ecken der Grundfigur oder Bühnengrund- 
figur in einer ürkreishälfte. Ausnahmen scheinen nicht 
vorhanden zu sein. Der Durchmesser des ürkreises ist 
mit Bestimmtheit als Bühnenvorderwand anzunehmen in 
den Theatern zu Eugubium 25 (H 16), Tusculum 48 (H 11), 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. 1 1 



162 Zusätze zum dritten Theil. 

und Fäsulä 1 (ü 17) — letztere Angabe nach dem Ge- 
dächtnis — und in den Odeen bei Neapel 29 (II 9B) 
und zu Athen 42 (I 26) ; mehr oder weniger sicher vor- 
auszusetzen ist er als Bühnenvorderwand in den Thea- 
tern zu Rom 2 (A 14) und 4 (H 12 B) und zu Pola 3 
(A 17) und im Odeon zu Otricoli 5 (11 14); (das Zurück- 
treten der Enden der Bühnenvorderwand gegenüber der 
Mitte ist hier wie sonst nicht berücksichtigt worden). 
In den Theatern zu Juliobona 10 (11 18) und Saguntum 
13 (n 20) erscheint mir jede Vermuthung unstatthaft. 
Die übrigen sieben Theater dagegen haben die oben 
näher bezeichnete Sehne als Bühnenvorderwand. Bei 
drei Dreiecken als Grundfigur muss die den grössten 
Abstand der Grundfigurecken bezeichnende Sehne V9 
von der Peripherie des ürkreises abschneiden; dies thut 
die Bühnenvorderwand im Theater zu Faleria 14 (11 15) 
und im Odeon bei Tibur 15 (11 13). Die grösste zwei 
Ecken der Grundfigur verbindende Sehne trennt bei 
einem Fünfeck und bei einem Siebeneck 2/- und % von 
der Peripherie des ürkreises ab; genau so gross ist die 
Kreislinie des durch die finitio proscaenii gebildeten 
Kreisabschnittes in den Theatern zu Nora 30 (A 18) 
= 2/^ iiji^ Calama 39 (A 21) = V? des ürkreises. Bei 
einem Zehneck und bei vier Quadraten als Grundfigur 
ist der grösste Abstand der Grundfigurecken dem Durch- 
messer gleich, der nächstgrösste oder der grösste inner- 
halb eines Halbkreises ist gleich der Sehne, welche Vio? 
bzw. 7i6 der ürkreislinie abschneidet; dies geschieht im 
Odeon zu Pompeji 33 (11 7B), wo Vio? ^^^ ™ Theater 
zu Arausio 45 (11 19), wo Vie der Peripherie des ür- 
kreises von der finitio proscaenii abgeschnitten werden. 
Im Theater zu Herculaneum 6 (11 8) endlich ist eine 
quadratische Bühnengrundfigur für die Skenenanlage be- 
stimmend; sie wird aus drei Quadraten bestanden haben, 



I 



2. Bühnenvorderwand. 163 

denn der durch die finiiio proscaenii abgeschnittene Theil 
der Peripherie des ürkreises beträgt Vi 2« 

Hinzufügen, wenn auch nicht gerade als Regel 
hinstellen möchte ich noch einige Bemerkungen über das 
Verhältnis der Bühnenvorderwand zur Bühnenhinterwand, 
also über die Bühnentiefe. In denjenigen römischen 
Theateranlagen, in denen die Bühnenhinterwand mit der 
wagrechten Tangente zusammenfällt, ist die Bühnen- 
vorderwand nicht durch den Durchmesser, sondern durch 
die oben gekennzeichnete Sehne bestimmt. Ausnahmen 
hiervon finden sich nur in drei Odeen (nicht Theatern), 
nämlich in dem zu Athen 42 (I 26), dem bei Neapel 29 
(n 9B), einer ganz kleinen Anlage, und im Odeon zu 
Otricoli 5 {TL 14), aber in diesem nur vielleicht, da die 
oben angegebene Lage seiner Bühnenvorderwand nur 
eine vermuthete ist, und ausserdem noch in einem wirk- 
lichen Theater, zu Tusculum 48 (II 11). In den römischen 
Theatern mit einer Sehne des ürkreises als Bühnen- 
hinterwand dagegen fällt die vordere Grenze der Bühne 
mit dem Durchmesser des ürkreises zusammen; ausge- 
nommen hiervon ist das Theater zu Nora 30 (A 18), 
von dem wir eine ganz absonderliche Lage der Ana- 
lemmata oben S. 121 kennen gelernt haben, und das 
Theater zu Arausio 45 (II 19), bei dem aber der mittlere 
Theil der finitio proscaenii nicht wahrzunehmen, also eine 
Abweichung nicht mit Sicherheit zu behaupten ist. Brin- 
gen wir die eben besprochenen Punkte durch Abkür- 
zungen zum üeberblick, indem wir D = Durchmesser, 
S = Sehne, T = Tangente des ürkreises setzen ! 
Bühnenvorderwand: D S ? 

"XTheater (frons = T): 1? 3 1 

5 Odeen (frons = T) : 3 2 — 

8 Theater (frons = S): 5 2? 1 

18 Gesammtheit: 8(9?) 5(7?) 2 

11* 



164 Zusätze zum dritten Theil. 

Dritter Zusatz. Zu S. 137 (seitliche Bühnen- 
grenzen). Die grosse Längsmauer (Bühnenhinterwand, 
scaenae frons) scheidet die gesammte Skene in einen 
vorderen und einen hinteren Theil. Die bauliche Anlage 
des Hinterraumes zeigt die höchste Mannigfaltigkeit, ist 
aber besonders diesetwegen für unsere gegenwärtige 
Untersuchung von keiner Bedeutung; uns geht jetzt viel- 
mehr nur der Vorderraum an. Von diesem viereckigen 
Raum kennen wir bis jetzt die Grenzen: die Lage der 
vorderen Grenze ist uns gegeben durch die Bühnenvorder- 
wand, die der hinteren durch die Bühnenhinterwand und 
die der seitlichen Grenzen durch die Skenenlänge. Die 
hintere Grenze ist eine durchaus oder doch in der Mitte 
hoch emporragende steinerne Mauer, die Bühnen vorder- 
wand gleichfalls eine wenigstens in der späteren Zeit 
steinerne -Wand, aber von geringer Höhe (nach Vitruv 
fünf Fuss oder mehr als doppelt so hoch), und die Seiten- 
grenzen sind Mauern oder nur Pfeiler und Thüren. Ist 
aber dieser ganze Vorderraum die eigentliche Bühne, 
das Proscenium? Alles spricht in den römischen An- 
lagen dafür, denn das Zurückweichen der Enden der 
Bühnenvorderwand in einigen Theatern kommt nicht in 
Betracht, und Vitruvs Vorschrift über das römische 
Theater spricht nicht dagegen. (Mein Widerspruch oben 
S. 9 hat nur Geltung in Bezug auf das griechische 
Theater und war dort nicht am Platze.) 

Das gleiche wird für das griechische Theater an- 
genonunen, und Zweifel an dieser Annahme erinnere ich 
mich nicht gelesen zu haben, obschon es sehr berechtigte 
giebt. Worauf ich früher im Einzeben hingewiesen habe, 
sei hier zusammengefasst und erweitert. Festzuhalten 
ist zuvörderst, dass Vitruvs Bemerkungen über die Bühne 
sich nur auf das römische Theater beziehen, nicht auf 
das griechische: vgl. S. 6, Rubrik 4b. Analogieschlüsse 



I 



8. Seitliche Bühnengrenzen. 165 

sind in BetreflF der vitruvischen Regeln gestattet; ge- 
stattet ist also der Versuch die fehlende Partie über die 
Bühne des griechischen Theaters nach der über die 
römische Bühne zu ergänzen. Einfache Herübemahme 
des Wortlauts, wie sie meinen Vorgängern beliebte, ist 
hierbei aber keineswegs erlaubt; die römische Regel 
muss vielmehr entsprechend den veränderten Verhält- 
nissen im griechischen Theater umgestaltet werden. Die 
Richtigkeit dieser Forderung und die Nothwendigkeit 
ihrer Erfüllung lässt sich leicht darlegen. Das römische 
Theater im vitruvischen Sinne hat nämlich fünf die 
Bühneneingänge bestimmende Winkel : unus medius (bkf 
auf Fig. 1) contra se valvas regias habere debet, dextra 
ac sinistra (clg und aie auf Fig. 1) hospitaliorum de- 
signabunt compositionem, extremi duo (dmh und dhm 
auf Fig. 1) spectabunt itinera versurarum. Jetzt wolle 
man einen Blick auf Figur 2 oder 3 werfen. Nur vier 
Winkel der Grundfigur sind hier der Bühne zugekehrt, 
der unus medius des römischen Theaters fehlt; es darf 
also in der zu ergänzenden griechischen Regel die Be- 
stimmung der mittleren Thür nicht durch die Richtung 
eines Winkels angegeben werden. Die beiden mittleren 
der vier Winkel (bmi und ylg auf Fig. 2 und 3, wo y 
fehlt) haben zwar eine solche Lage, dass von ihnen in 
der von uns zu erschliessenden griechischen Regel genau 
wie in der römischen ausgesagt werden kann: hospita- 
liorum designabunt compositionem, von den zwei äusseren 
der vier Winkel dagegen (den duo anguli extremi cnk 
und nkf auf Fig. 2 und 3) kann in der herzustellenden 
griechischen Regel, dieselbe Lage der versurae im grie- 
chischen und römischen Theater vorausgesetzt, unmög- 
lich behauptet werden: spectabunt itinera versurarum. 
Denn im griechischen Theater sind die Richtungen der 
Winkel durch ihre Halbirungslinien bestimmt und dem- 



166 Zusätze zum dritten Theil. 

gemäss treflFen die Halbirungslinien der äusseren Winkel 
(enk und nkf) die scaenae frons, in der die versurae 
procurrentes ebensowenig wie im römischen Theater 
(S. 10) im griechischen liegen können. Diese Folgerung 
ist für das griechische Theater zwingend, und vergeb- 
lich wäre der Versuch ihr zu entgehen durch den Hin- 
weis auf das römische Theater, wo die Richtungen der 
beiden äussersten Winkel durch senkrechte Linien be- 
stimmt sind, vergeblich, weil ein Wechsel im Konstruk- 
tions-Prinzip am allerwenigsten griechischen Architekten 
zugetraut werden darf, und vergeblich, weil Beispiele 
dafür in griechischen Theatern nicht angeführt werden 
können: vgl. Zusatz 4, S. 174 f., dazu S. 147. Nur unter 
der einzigen Bedingung kann Vitruvs Bestimmung in 
Betreff der duo anguli extremi in die zu ergänzende 
griechische ßegel herübergenonmien werden, unter der, 
dass die versurae procurrentes mit den senkrechten Tan- 
genten (den punktirten Linien der Fig. 3) zusammen- 
fallen. Dann treffen nämlich die verlängerten Halbirungs- 
linien der äusseren Winkel (cnk und nkf auf Fig. 2 u. 3) 
die scaenae frons in denselben Punkten wie die senk- 
rechten Tangenten, und dann ist die Lage der itinera 
versurarum in ähnlicher Weise bestimmt wie im römischen 
Theater: vgl. S. 13. 

Das Ebengesagte ist eigentlich bloss Vorbereitung 
auf das Folgende: es hat weniger den Zweck etwas 
Neues festzustellen als die Unhaltbarkeit der bisher ge- 
machten Analogieschlüsse klarzulegen. Neu war in der 
Auseinandersetzung allein der Nachweis der Möglichkeit 
eines weniger als die Skenenlänge betragenden Ab- 
standes der versurae procurrentes im griechischen Theater 
Vitruvs, bzw. seiner Quelle. Diese Möglichkeit nun wird 
zur Wahrscheinlichkeit für jeden, der unsere oben ge- 
gebene Erklärung der vitruvischen Vorschrift über das 



I 



3. Seitliche Bühnengrenzen. 167 

griechische Theater beifallswürdig findet. Wir haben 
aber S. 30 f. gezeigt, dass uns Vitruvs Vorschrift mit 
Nothwendigkeit zu der Annahme eines (durch die ver- 
surae procurrentes seitlich begrenzten) Prosceniums führt, 
dessen Länge hinter der Skenenlänge zurückbleibt. Um 
wieviel die Prosceniumslänge geringer ist als die Skenen- 
länge, kann zwar aus der vitruvischen Konstruktion nicht 
mit Sicherheit ermittelt werden, aber dass sie dem Durch- 
messer des Urkreises gleichzusetzen sei, erscheint doch 
wohl als selbstverständlich, wenn man die übrigen har- 
monischen Verhältnisse im Grundrisse gerade des grie- 
chischen Theaters ins Auge fasst. 

Soviel war zu erschliessen aus Vitruv. Benutzen 
wir dies als Fingerzeig und prüfen wir die erhaltenen 
Ueberreste der griechischen Theater auf ihre Prosceniums- 
länge! Meine Herren Vorgänger haben sich in dieser 
Hinsicht wie in andern in erster Linie nach den Thea- 
tern mit gut erhaltenen Bühnen gerichtet, nach denen 
zu Aspendos, Aizani, Myra u. a., und so hat diesen auch 
Wieseler die erste Tafel und auf ihr den ersten Platz 
angewiesen. Umgekehrt ziehe ich sie gar nicht oder 
wenigstens nicht in erster Linie in Betracht, weil ihre 
Bühnen umgebaut sind oder doch so viel Verwandtes mit 
den römischen Bühnen haben, dass die Zeit ihrer Er- 
bauung ziemlich tief herabgerückt werden muss. Die 
nachweislich ältesten haben nach meiner Ansicht ge- 
gründeten Anspruch zuerst berücksichtigt zu werden. 

Zu den ältesten, deren Besprechung sich für die 
Beantwortung unserer Frage lohnt, ist das Theater des 
Polyklet zu Epidauros zu rechnen. Die seitlichen Theile 
des Skenenvorderraumes gehören hier offenbar nicht zur 
eigentlichen Bühne, da sie nach Dörpfelds Wiederher- 
stellungsversuch höchst wahrscheinlich steinerne Treppen 
enthielten; vielmehr ist der mittlere Theil dieses Raumes 



168 Zusätze zum dritten Theil. 

allein als Proscenium anzusehen. Die seitlichen Grenzen 
des Prosceniums (versurae procurrentes) sind die äusseren 
Mauern der quadratischen Vorsprünge, und diese haben 
einen Abstand von der Länge eines Durchmessers des 
ürkreises: vgl. S. 58, ihre Lage ist also durch senkrecht 
auf der Bühnenhinterwand stehende Tangenten des ür- 
kreises bestimmt, mit andern Worten und in Rücksicht 
auf die quadratische Bühnengrundfigur, durch die Hal- 
birungslinien der entsprechenden Quadratwinkel, denn 
die senkrechten Linien, die in den Durchschnittspunkten 
der Halbirungslinien und der wagrechten Tangente auf 
der letzteren errichtet werden, sind ja die senkrechten 
Tangenten. Als erfreuliches Ergebnis unserer Betrach- 
tung gewinnen wir somit eine Uebereinstinunung des 
Grundrisses im polykletischen Theater zu Epidauros mit 
der von uns vermutheten Ergänzung der fraglichen Partie 
der griechischen Regel Vitruvs. Erfreulich nenne ich 
das Ergebnis mehr im Hinblick auf den bloss schrift- 
gläubigen Theil der philologischen Welt, der nur das 
anerkennt, was schriftlich überliefert oder aus diesem 
erschlossen ist: für den wirklich philologischen Wissen- 
schaftsmann ist ja ein solches Ergebnis wohl eine an- 
genehme Zugabe, aber kein unbedingtes Erfordernis, 
falls sonst genügende Anhaltspunkte gegeben sind. 

So wenig zweifelhaft es sein kann, dass die steinerne 
Skene (das Hauptgebäude) ihre Gestalt von der hölzer- 
nen Skene entlehnt und nur später weiter entwickelt hat, 
ebensowenig zweifelhaft, meine ich, kann es sein, dass 
zu der Zeit, wo das Bedürfnis oder ein neuer Geschmack 
den Ersatz der hölzernen Bühne vor dem steinernen 
Skenengebäude durch eine steinerne bewerkstelligte, die 
letztere ihrer Form nach nicht wesentlich verschieden 
von ihrer Vorgängerin gewesen sein wird und dass Aen- 
derungen in ihrer Gestalt oder in ihrer Lage zum Ge- 



i 



3. Seitliche Bühnengrenzen. 169 

sammtbau erst nach und nach eingetreten sein werden: 
ist ja doch eine solche Entwicklung der baulichen An- 
lagen ganz naturgemäss und vielfach beobachtet. Dem- 
zufolge scheint mir eine bildliche Darstellung bei Wie- 
seler IX 13, auf der eine hölzerne Bühne in Seitenansicht 
gegeben ist, von nicht geringer Bedeutung zu sein. Was 
Wieseler S. 61a in Betreff der baulichen Anlage bemerkt, 
ist zutreffend bis auf einen Punkt. Wieseler erkennt zu- 
nächst mit anderen richtig das Gerüst, auf dem eine 
Person steht, als das Proscenium; er bemerkt femer, 
die Treppe, welche sich an dieses Gerüst anlehnt, sei 
„keineswegs die bekannte Verbindungstreppe zwischen 
Orchestra und Logeion, sondern eine Treppe, welche 
von der Strasse zu der Baulichkeit hinanführt." Die 
Anlehnung der Treppe an die seitliche Prosceniums- 
grenze (nicht an die finitio proscaenii) ist unzweifelhaft, 
denn es ist nur eine gewöhnliche künstlerische Rück- 
sicht, dass die Treppe und die Personen auf und an ihr, 
der Schiebende, der Geschobene und der Ziehende, in 
halber Seitenstellung erscheinen, um das Sichdecken der 
Figuren zu vermeiden. Was aber Wieseler mit der 
Treppe an der Strasse meint, ist mir wenigsteüs unver- 
ständlich. Soll diese eine Treppe von aussen an eine 
der seitlichen Grenzen der Skene in der Richtung der 
Skenenfront angelehnt sein? Dann fehlt der Nachweis, 
dass etwas Derartiges im griechischen Theater der Fall 
war. Soll aber diese eine Treppe (und in diesem Fall 
doch wohl noch eine auf der andern Seite) innerhalb 
der seitlichen Grenzen des Skeneüvorderraumes auf die 
eigentliche Bühne führen, dann kann von einer Treppe 
an der Strasse nicht gesprochen werden. Wir geben 
also den Gedanken an eine Strassentreppe auf und neh- 
men unter Berufung auf das Theater zu Epidauros den 
letzteren Fall an, und alles ist in Ordnung. 



> 



170 Zusätze zum dritten Theil. 

Leider sind wir bei den übrigen griechischen Thea- 
tern nicht in derselben glücklichen Lage wie beim poly- 
kletischen, wir vermögen nicht die Grenzen des Prosce- 
niums und die Lage der Treppen mit Wahrscheinlichkeit 
nachzuweisen, weil inuner nur einzelne mehr oder minder 
bedeutende Anzeichen vorhanden sind. Ohne genaue 
Abwägung ihrer grösseren oder geringeren Beweiskraft 
seien sie hier kurz vorgeführt. 

Welche Bedeutung hat im dionysischen Theater 
Athens die von der Bühnenhinterwand nach Norden ge- 
richtete Mauer 14 auf Fig. 4? Kann sie etwas anderes 
sein als eine der beiden seitlichen Grenzen des Prosce- 
niums? Man darf doch wohl nur mit ja antworten und 
dann weiter vermuthen, dass den Raum zwischen der 
Abschlussmauer 12 und der seitlichen Prosceniumsmauer 
14 eine Treppenanlage einnahm wie im polykletischen 
Theater zu Epidauros und eine andere den Raum zwi- 
schen den Mauern 15 und 13. Zugegeben muss aller- 
dings hierbei werden, dass die Länge des Prosceniums 
dann einen Durchmesser des Urkreises nicht ganz er- 
reicht; allein Anstoss wird Niemand daran nehmen, der 
sich an die verschiedenen Lagen der vorderen und hin- 
teren Bühnengrenzen in den verschiedenen Theatern er- 
innert. Wie die Bühnenhinterwand nicht überall durch 
die wagrechte Tangente bestimmt ist, sondern zuweilen 
durch eine weiter vom ürkreis abstehende Linie und 
zuweilen durch eine Sehne des Urkreises und wie die 
Bühnenvorderwand in grösserer oder geringerer Nähe 
des wagrechten Durchmessers des Urkreises sich befindet, 
so werden die seitlichen Bühnengrenzen verschiedene 
Lagen haben und so wird nächst der Peripherie des 
Urkreises (senkrechte Tangenten) vielleicht auch der 
eingeschriebenen Grundfigur ein Einfluss auf die Fest- 
setzung der Lage jener Grenzen zugestanden worden sein. 



3. Seitliche Bühnengrenzen. 171 

Aelmlich wie die Mauer 14 im dionysischen Theater 
Athens springen zwei Mauern im Theater zu Oinoanda 
27 (A 7) von der Bühnenhinterwand nach dem Zuschauer- 
raum zu vor und zwar in etwas grösserer Entfernung 
von einander als die senkrechten Tangenten des ür- 
kreises. Dass sie nicht Abschlussmauem des Vorder- 
raumes der gesammten Anlage sein können, geht doch 
wohl zur Genüge aus den Bemerkungen auf S. 133 her- 
vor, kann man also an etwas anderes denken als an die 
seitlichen Bühnengrenzen? Die eben vermissten seit- 
lichen Abschlussmauern des Skenenvorderraumes finden 
sich im Theater zu Hierapolis 8 (I 12) und daneben 
wahrscheinlich die Grenzmauern der eigentlichen Bühne 
in einem verhältnismässig ungefähr gleich grossen Ab- 
stand von einander wie im Theater zu Oinoanda. Auf 
dem Grundriss des Theaters zu Side 16 (I 3) sind zwi- 
schen den seitlichen Abschlussmauem des Skenenvorder- 
raumes und dem Proscenium leere Räume gelassen; 
werden wir nach unsern bisherigen Erörterungen nicht 
in ihnen die Seitentreppen liegen, oder weil die Bühnen- 
grenzen nicht genau zu bestimmen sind, beginnen lassen 
dürfen? Wie es scheint, genau in der Eichtung der 
senkrechten Tangenten des Urkreises finden wir in der 
Bühnenvorder wand des Theaters zu Termessos maj. 23 
(A 1) kurz vorspringende Mauern, in der Bühnenhinter- 
wand des Theaters zu Kadyanda 49 (A 6) vorspringende 
Pfeiler und im Theater zu Jasos 40 (I 9) die seitlichen 
Grenzen des Skenenhinterraumes; von den Punkten an, 
wo die senkrechten Tangenten des urkreises die Bühnen- 
hinterwand treffen, weicht im Theater zu Pinara 36 (A 5) 
die letztere nach beiden Seiten von der Eichtung ihres 
mittleren Theiles ab und nähert sich etwas einer den 
Analemmata parallelen Linie, ähnlich wie die Bühnen- 
vorderwand im polykletischen Theater. Sind dies nicht 



172 Zusätze zum dritten Theil. 

konstruktive Anzeichen von solchen seitlichen Bühnen- 
grenzen, wie wir sie erwarten? 

Das Theater zu Kibyra 12 (A 9) und die Odeen zu 
Knidos 41 (I 7) und Rhodiopolis 24 (A 2) sprechen weder 
für noch gegen unsere Vermuthung; aber unläugbar 
gegen sie sprechen die Theater zu Myra 22 (I 4) und 
Patara 37 (I 5). Es finden sich in ihnen nur seitliche 
Abschlussmauem des Skenen Vorderraumes; weiter nach 
einwärts sind mit diesen gleichlaufende Mauern weder 
vorhanden noch irgendwie angedeutet und ebenso wenig 
seitliche Treppen; als Proscenium ist also der gesanmite 
Vorderraum der Skene anzusehen. Sind wir dadurch 
mit unserer Vermuthung zurückgeschlagen? Zuversicht- 
lich antworte ich nein, weil ich der festen Ueberzeugung 
bin, dass wir in den beiden letztgenannteil Theatern, 
vielleicht auch in ein und dem andern vorher besproche- 
nen nur eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Bau- 
weise werden erkennen dürfen. 

Das römische Theater, d. h. diejenige Anlage, welche 
wir nach alter Gewohnheit römisch nennen — seine 
Form ist ja nicht erst von den Römern ausgebildet — 
hat doch wohl seinen Ursprung im griechischen Theater, 
oder wenn man so lieber will, zunächst im griechischen 
Odeon und dieses wieder im griechischen Theater: vgl. 
oben S. 111 f. Das ältere griechische Theater hat nun, 
wie oben gezeigt worden ist, an beiden Seiten des Pro- 
sceniums Treppen gehabt; vom älteren Odeon ist das- 
selbe vorauszusetzen, denn dafür spricht der niemals 
radikale Gang der griechischen Kulturentwicklung und 
dafür oder wenigstens nicht dagegen sprechen die zwei 
Odeen, welche wir als älteste ansehen dürfen, das zu 
Knidos 41 (I 7) und das zu Rhodiopolis 24 (A 2). Das 
römische Theater hat diese Treppen eingezogen und die 
seitlichen Räume mit dem Proscenium vereinigt. Wann 



4. Thüren in der Bühnenhinterwand. 173 

ißt das geschehen? in römischer Zeit? mit einem Schlage 
und ohne Uebergang? Der naturgemässe Gang der 
Entwicklung verlangt die Antwort nein: Es ist kein 
Sprung anzunehmen, es sind vielmehr wahrscheinlich in 
nicht allzu später griechischer Zeit die Veränderungen 
vorbereitet worden, welche in römischer Zeit ihre Aus- 
bildung erhielten. In doppelter Hinsicht war diese Neue- 
rung für die scenische Darstellung besonders vortheilhaft : 
erstens fiel das für die Schauspieler unbequeme Treppen- 
steigen hinfort weg und zweitens der Umweg, den Büh- 
nenpersonen zu machen hatten, wenn sie die Bühne 
seitlich besteigen mussten; statt von aussen durch die 
Seitenthüren des Skenenvorderraumes über die Treppen 
auf die Bühne gelangten sie nunmehr durch zwei neue 
(eine vierte und fünfte: vgl. Zusatz 4) Nebenthüi'en in 
der Bühnenhinterwand sogleich auf die Bühne oder we- 
nigstens auf die Seitenräume der Bühne. 

Vierter Zusatz. Zu S. 137 f. (Thüren in der 
Bühnenhinterwand). Die Höhe der Bühnenhinter- 
wand ist beträchtlich, wie zu vermuthen ist, gleich oder 
ungefähr gleich der Höhe des Zuschauerraumes; die 
Bühnenvorderwand dagegen ist nicht höher als das (nach 
Vitruv fünf, bzw. zehn bis zwölf Puss hohe) Hyposkenion ; 
die seitlichen Mauern der Bühne sind im älteren grie- 
chischen Theater vermuthlich gleich hoch mit der Büh- 
nenvorderwand und im jüngeren griechischen sowie im 
römischen Theater gleich hoch mit der Bühnenhinter- 
wand. Dem entsprechend sind im älteren griechischen 
Theater Thüren als Eingänge zur Bühne nur in der 
Bühnenhinterwand möglich, und so sind auch, wie S. 50 
gezeigt worden ist, im dionysischen Theater Athens 
Thüren als seitliche Eingänge zur Bühne nicht vorhan- 
den gewesen. In den nach beiden Seiten verlängerten 
Bühnen, wo die Seitengrenzen des Skenenvorderraumes 



174 Zusätze zum dritten Theil. 

mit denen der Bühne zusammenfallen, konnten natürlich 
seitliche Thüren angebracht werden. Sie finden sich 
noch nicht in den beiden jüngeren griechischen Thea- 
tern zu Patara 37 (15) und Myra 22 (I 4), dagegen 
vielfach in den römischen. Die Zahl der Thüren in der 
Bühnenhinterwand ist verschieden, gewöhnlich drei und 
fünf; wo fünf sich finden, berücksichtigen wir im Fol- 
genden nur die drei mittleren, weil für die Lage der 
beiden äusseren eine feste Regel nicht befolgt worden 
zu sein scheint. 

In den älteren griechischen Theatern mit einer 
weniger langen Bühnenhinterwand haben wir überall nur 
drei Thüren vorauszusetzen; wenn in einem Grundriss 
oder Bericht eine vierte und fünfte angegeben werden, so 
muss man an Nischen denken. Diese drei Thüren im 
älteren griechischen Theater und die drei mittleren im 
jüngeren sind durch Radien des ürkreises bestimmt, die 
mittelste, die Hauptthür, durch den senkrecht zur Bühne 
stehenden Radius und die Nebenthüren durch die zwei 
Radien des ürkreises, welche durch die dem senkrechten 
Radius zunächst, bzw. zweitnächst gelegenen Ecken der 
Grundfigur, bzw. Bühnengrundfigur hindurchgehen. Von 
den vierzehn griechischen Theatern mit erhaltener Skene 
sind nur sieben für unsere Frage beachtenswerth: die 
Theater zu Hierapolis 8 (1 12) , Kibyra 12 (A 9) , Myra 
22 (I 4), Termessos maj. 23 (Ä 1), Pinara 36 (A 5), Pa- 
tara 37 (I 5) und zu Jasos 40 (I 9). Im Theater zu 
Kibyra fehlt höchst auffälliger Weise die Mittelthür. Die 
zwei Nebenthüren sind durch Radien bestimmt mit Aus- 
nahme des Theaters zu Patara, wo in römischer Art 
senkrecht von den angegebenen Ecken der Bühnengrund- 
figur (Quadrat) auf die Bühnenhinterwand gezogene Li- 
nien die Lage der Nebenthüren anzeigen. Bei den sechs 
übrigen Theatern ist einmal eine Bühnengrundfigur für 



4. Thüren in der Bühnenhinterwand. 175 

die Lage der Nebenthtiren massgebend gewesen, im 
Theater zu Pinara, wo die Thüren von den durch die 
Quadratecken hindurchgehenden Radien getroffen wer- 
den. Dasselbe hätte eintreten können im Theater zu 
Kibyra, der Baumeister hat aber die Hauptgrundfigur 
als normirende vorgezogen und die Radien für die be- 
treffenden Thüren durch die beiden dem senkrechten 
Radius zunächst gelegenen Dreiecksecken hindurchgehen 
lassen. Sonst ist immer nur je eine Grundfigur vorhan- 
den und für die Lage der Nebenthüren massgebend. 
Im Theater zu Hierapolis sind es so die zwei dem 
senkrechten Radius zunächst gelegenen Dreiecksecken, 
im Theater zu Termessos maj. die zwei ihm zunächst 
liegenden Fünfecksecken, im Theater zu Myra die zwei 
zweitnächsten Sechsecksecken und im Theater zu Jasos 
die zwei zweitnächsten Quadratecken, durch welche die 
Radien hindurchgehen, um die Lage der Nebenthüren 
in der Bühnerihinterwand anzuzeigen. 

In Bezug auf die Zahl und die Anlage der Thüren 
sind die Grundrisse der römischen Theater im Wie- 
selerschen Werk beinahe zur Hälfte unbrauchbar. Ich 
lasse unberücksichtigt: die Theater zu Neapel 21 (H 9 A) 
und zu Fäsulä 1 (Hl?), weil für sie der Bühnengrund- 
riss fehlt (den später veröflfentlichten des letzteren Thea- 
ters kann ich leider gegenwärtig nicht einsehen und dem 
Gedächtniss mag ich nicht zu viel vertrauen); die Theater 
zu Juliobona 10 (H 18) und Sagunt 13 (II 20), weil die 
mittlere Partie des Bühnengrundrisses zu mangelhaft ist; 
das Theater zu Calama 39 (A 21) und das Odeon zu 
Neapel 29 (H 9B), weil gar keine, und das Odeon bei 
Tibur 15 (H 13), weil nur eine Thür zu erkennen ist; 
und die Anlagen zu Cuiculum 38 (A 20) und Otricoli 5 
(E 14) wegen ihrer ganz aussergewöhnlichen Konstruk- 
tion. Dagegen können wir das sonst unbeachtet ge- 



176 Zusätze zum dritten Theil. 

lassene Theater zu Ferentum bei Wieseler A 16 benützen 
(nach Figur 16 a). Von den zwölf in Betracht zu zie- 
henden ist Folgendes zu bemerken: 

In dem jüngeren griechischen Theater war der Weg- 
fall der Treppen und die Herbeiziehung der seitlichen 
Theile des Skenenvorderraumes zur Bühne der Anlass 
zur Anbringung einer vierten und fünften Thür in der 
Bühnenhinterwand links und rechts von den drei mitt- 
leren. Das römische Theater, welches gleich dem jün- 
geren griechischen eine längere Bühne annahm, folgte 
diesem nicht in der Zahl der Thüren und in ihrer An- 
ordnung in der Bühnenhinterwand; es wurden vielmehr 
in ihm wie im älteren griechischen Theater nur drei 
Thüren in der Bühnenhinterwand angebracht, natürlich 
in einem weiteren Abstand von einander, dem verlän- 
gerten Proscenium entsprechend, und eine vierte und 
fünfte Thür seitlich in den seitlichen Abschlussmauern 
der Skene. So ist es geschehen in neun von den zwölf 
berücksichtigten Anlagen (im Theater zu Pola 3 (A 17) 
doch wohl auch!). Eine Ausnahme macht das Theater 
zu Nora 30 (A 18), wo statt Seitenthüren Seitenräume 
innerhalb des Skenenvorderraumes zu finden sind: vgl. 
Zusatz 1; eine Ausnahme machen auch das Odeon zu 
Pompeji 33 (II 7B) und das Theater zu Eugubium 25 
(II 16): hier sehen wir fünf Thüren in der Bühnenhinter- 
wand und ausserdem zwei seitliche Thüren, also eine 
Häufung, eine Verquickung der jüngeren griechischen 
und der römischen Art. 

Der angedeutete grössere Abstand der Thüren in 
der Bühnenhinterwand des römischen Theaters ist da- 
durch erreicht worden, dass man die Slittelthür durch 
den senkrecht auf die Bühnenhinterwand treffenden Ra- 
dius wie im griechischen Theater bestimmte und die 
beiden Nebenthüren, bzw. die beiden der Hauptthür zu- 



4. Thüren in der Bühnenhinterwand. 177 

nächst liegenden Nebenthüren wie die versurae proeur- 
rentes im älteren griechischen Theater genau oder etwas 
weniger genau durch die senkrechten Tangenten des 
Urkreises. Dies ist geschehen in acht Theateranlagen: 
zu Pola 3 (A17), Herculaneum 6 (H 8), Faleria 14 (11 15), 
Nora 30 (A 18), Pompeji (Odeon) 33 (H 7B), Arausio 45 
(II 19), Tusculum 48 (11 11) und Ferentum bei Wieseler 
A 16 a. In dem Theater des Pompejus zu Rom 4 (11 12 B) 
sind die Thüren in vitruvischer Art (S. 12) durch die 
senkrecht von den Scheitelpunkten der dem Proscenium 
zunächst gelegenen Dreieckswinkel auf die Bühnenhinter- 
wand gezogenen Linien bestimmt; dasselbe wird wohl 
auch im Theater des Marcellus zu Rom 2 (A 14) anzu- 
nehmen sein. Nach griechischer Weise sind die Neben- 
thüren in zwei Anlagen angegeben, im Theater zu Eu- 
gubium 25 (11 16) und im Odeon des Herodes Attikos 
42 (I 26). 

Die Beobachtungen über die Lage der beiden der 
Hauptthür zunächst liegenden Nebenthüren in den grie- 
chischen und römischen Theatern lassen sich grossen- 
theils zu einem tabellarischen Ueberblick bringen, wenn 
wir die Radien und die Senkrechten, welche durch die 
dem senkrechten Radius zunächst oder zweitnächst ge- 
legenen Ecken entweder der Grundfigur oder der Btihnen- 
grundfigur hindurchgehen, durch den Zusatz Gfig. oder 
Bgfig. von einander unterscheiden. 

Nebenthüren. 
Bestimmt durch = Radien Senkrechte Tangenten 
Gfig. Bgfig . Gfig. Bgfig. (senkr.) 

7 griech. Theater ==5 1 — 1 — 

12 röm. Theater = 2 — 2 ~ 8 

19zusanunen =7 1 2 1 8 

oder durch Radien 8, Senkrechte 3, Tangenten 8. 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. 22 



178 Zusätze zum dritten Theil. 

Fünfter Znsatz. Die umgebauten Bühnen. 
Die dreizehn, bzw. zehn griechischen Theater, in denen 
wir einen Umbau angenommen haben (S. 123 flf.), sind 
nächst den ältesten für die Geschichte des Theaterbaues 
vielleicht die wichtigsten: in ihnen zeigt sich ja gerade 
der Uebergang einer Periode zur andern. Die Möglich- 
keit einer Geschichte des alten Theaterbaues aber ist 
unbestreitbar für den, welcher die Fülle des Materials, 
seine Bedeutung und Verwendbarkeit erkannt hat; ein 
Versuch dazu wäre freilich noch sehr verfrüht und ist 
auch von uns nicht im Mindesten beabsichtigt. Wenn 
wir trotzdem im Vorhergehenden einige Bemerkungen 
über die Entwicklung des Theaterbaues gemacht haben 
und im Folgenden machen werden, so geschah und ge- 
schieht dies in voller Erkenntnis der Unzulänglichkeit 
der Grundlagen nur nebenher und mehr der Anregung 
wegen. Der Zweck unserer Untersuchungen war der 
Sachlage entsprechend im Ganzen ein systematischer, 
die Gewinnung eines Ueberblicks über die bunte Formen- 
welt, eine annähernde Feststellung der Typen und Grup- 
pen, in die sie zerfällt. Für diesen Zweck mussten die 
Theater mit veränderten Bühnengebäuden wegen der 
vorauszusetzenden Unreinheit ihrer Verhältnisse, d. h. 
wegen der Wahrscheinlichkeit einer theilweisen Bei- 
behaltung der älteren Mauern im neuen Bau unberück- 
sichtigt bleiben. Nachdem wir nun aber die wesentlichen 
Eigenthümlichkciten der rein griechischen und rein römi- 
schen Theateranlagen erkannt haben, dürfen wir wohl 
zum Abschied einen vergleichenden Blick auf die noch 
nicht erwähnten Skenen der umgebauten Theater werfen, 
weniger der Vollständigkeit wegen, nach der wir nicht 
streben, als mit dem Wunsche früher aufgestellte Be- 
liauptungen bestätigt zu finden. 

Wir haben nämlich oben aus der BeschaflFenheit 



5. Die umgebauten Bühnen. 179 

des Zuschauerraumes auf eine nachträgliche Verkleinerung 
desselben in einer Anzahl von Theatern geschlossen und 
hieraus wieder auf einen Umbau des Bühnengebäudes 
in diesen Theatern. Für zehn Theater war unsere 
Folgerung, wie wir annahmen, zwingend, jedenfalls ge- 
nügend, um jene Theater als verdächtig von der Be- 
trachtung der Typen vorläufig auszuschliessen, für drei 
dagegen war dies nicht der Fall; doch war der Bühnen- 
umbau wenigstens von zwei dieser drei Theater aus 
andern, naheliegenden Gründen nicht unwahrscheinlich: 
vgl. S. 123 flf. und 128 flf. Die Probehaltigkeit dieser 
Folgerung nun ist es, die wir darlegen wollen. 

Voll entscheidend kann selbstverständlich bei der 
anzustellenden Probe nur das sein, worin das römische 
Theater eine Eigenthündichkeit für sich allein entwickelt 
hat, wie z. B. die durch senkrechte Tangenten bestimmten 
Thüren in der Bühnenhinterwand und die üeberdeckung 
oder Weglassung der Orchestraeingänge zwischen dem 
Skenenvorderraum und dem Zuschauerraum. Andere 
Umstände können, wenn überhaupt beachtenswerth, nur 
mitentscheidend sein. Ins Auge zu fassen sind natürlich 
nur diejenigen der dreizehn umgebauten Theater, deren 
Bühnenanlagen das Gemeinsame des griechischen und 
römischen Typus bewahrt haben, nicht das Theater zu 
Akra 19 (11 2) mit seiner unerhörten Bühnenlage in der 
Zuschauerhälfte des Urkreises. Als ursprünglich grie- 
chische Anlage wird diese Skene wohl Niemand hinzu- 
stellen wagen; jedenfalls müssen wir sie als unnütz für 
unsere Betrachtung beiseite lassen. Wegen fehlender 
Skene bleiben femer ganz unberücksichtigt die beiden 
(auf unserer Tabelle S. 88 schon wenig beachteten) 
Theater zu Tyndaris 18 (II 4) und Katana 47 (11 5 A) 
und ausserdem grösstentheils die Theater zu Dramyssos 
20 (I 28) und Rhiniassa 43 (I 27), da in ihren Bühnen- 

12» 



180 Zusätze zum dritten Theil. 

gnindrissen gerade das nicht anzutreffen ist, was uns 
am wichtigsten erscheint, die Lage der Bühnenvorder- 
wand und der Thtiren in der Bühnenhinterwand. Es 
sind also nur acht Theater, auf die ein besonderes Ge- 
wicht zu legen ist, die zu Aspendos 9 (I 16), Syrakus 
17 (H 1), Laodikeia 28 (I 11), Pompeji 31 (H 7 A), 
Segeste 32 (11 3), Telmissos 34 (I 6), Aizani 35 (I 13) 
und Tauromenion 46 (ü 6). 

Von entscheidendem Gewicht kann zunächst die 
Lage der Bühnenhinterwand nicht sein, da ein grund- 
sätzlicher Unterschied in dieser Beziehung zwischen dem 
griechischen und dem römischen Theater nicht vorhanden 
ist: in beiden ist sie ja gleichmässig entweder durch 
eine Tangente des Urkreises oder stellvertretender Weise 
durch eine Seite der in den Urkreis eingezeichneten 
Grundfigur, bzw. Bühnengrundfigur bestimmt. In unsem 
Theatern ist die Lage der Bühnenhinterwand durch eine 
Tangente gegeben in Segeste und Rhiniassa, durch eine 
weiter vom Urkreis abstehende Parallele in Pompeji, 
sonst durch eine Sehne. Diese Sehne ist unbestimmbar 
in Syrakus, ohne erkennbares Verhältnis zum Urkreis, 
bzw. zur Grundfigur in Aizani, sie ist wohl einer Grund- 
figurseite gleich in Laodikeia (= S5?) und vielleicht auch 
in Telmissos (= S14?) und Tauromenion (= S4?) und sie 
fällt mit der Bühnengrundfigurseite zusammen in Aspendos 
(= S4; so ist anzunehmen gegen S. 70 und 88). Wie 
man sieht, sind besondere Abweichungen von der grie- 
chischen Regel nicht zu erkennen, also erscheint auch 
die Annahme eines Umbaues der Bühne nijht gerade 
wahrscheinlich. Doch dies nur so lange, als man die 
Zahl der Fälle unbeachtet lässt: berücksichtigen wir 
diese, zählen wir in neun Fällen sechsmal eine Sehne 
als Bühnenhinterwand, so tritt ein nicht unwichtiges 
Verdachtsmoment ^in. In den römischen Theatern stehen 



5. Die umgebauten Bühnen. 181 

sich Tangente und Sehne als Bühnenhinterwand nahezu 
gleich: zehmal giebt nämlich die Tangente und neunmal 
(mit Einschluss des Theaters zu Fäsulä) eine Sehne die 
Lage der Bühnenhinterwand an; in den griechischen 
dagegen finden wir eine Sehne als Bühnenhinterwand in 
vierzehn Fällen nur fünfmal, vielleicht noch weniger oft, 
da einige Male der Verdacht nicht ungegründet erscheint, 
dass die Berichterstatter oder Zeichner die Vorderwand des 
Hyposkenions fälschlich für die Bühnenhinterwand genom- 
men haben. Doch lassen wir diesen Verdacht auf sich 
beruhen und legen wir das angegebene Verhältnis der 
Tangenten und Sehnen als Bühnenhinterwand im grie- 
chischen Theater (9:5) zu Grunde, so dürfen wir in 
neun Theatern nur dreimal eine Sehne als Bühnenhinter- 
wand erwarten, wir sehen sie aber doppelt so oft ein- 
treten. Diese durchschnittlich grössere Annäherung der 
Bühnenhinterwand an den wagrechten Durchmesser ist 
also eine Neuerung gegenüber der griechischen Gewohn- 
heit, ein Anklang an die römische. Erleichtert warde 
die Verlegung der Bühnenhinterwand wahrscheinlich in- 
sofern, als man die alte Bühnenvorderwand im Neubau 
verwerthen konnte; denn durch dieselbe Sehne ist ein- 
mal die Bühnenvorderwand, ein andermal die Bühnen- 
hinterwand bestimmt worden: vgl. S. 135 flf. 

Noch weniger scheint unsere Behauptung eines Um- 
baues des Bühnengebäudes die Probe zu bestehen in 
Betreff der Skenenlänge, denn nicht ein einziges Mal ist 
öie der gewöhnlichen römischen gleich. Sie beträgt 

nämlich nach mehr oder minder sicheren Messversuchen 

« 

in vier Fällen so viel als eine Grundfigurseite und ein 
Durchmesser des ürkreises zusammen, in den Theatern 
zu Laodikeia (= S5 -f- 2r?), Telmissos (= S14 -f- 2r?), 
Rhiniassa (S4 -f- 2r) und Tauromenion (S4 -f- 2r); sie be- 
trägt so viel als Bühnengrundfigurseite 4- Durchmesser im 



182 Zusätze zum dritten Theil. 

Theater zu Aspendos (so richtig gegen S. 70 und 88), 
Syrakus und Segeste (überall = S4 + 2r); sie beträgt 
so viel als zwei Seiten der Grundfigur 4- Durchmesser 
im Theater zu Pompeji und ist einmal seltsamer Weise 
gleich zwei Fünfeckseiten bei einem Vierzehneck als 
Grundfigur, im Theater zu Aizani. Mit Ausnahme der 
beiden letzten Fälle ist also durchweg die griechische 
Regel befolgt. Dies spricht selbstverständlich nicht zu 
Gunsten der Annahme eines Umbaues, aber auch mit 
Nichten dagegen. Im römischen Theater durfte die 
griechische Weise befolgt werden und ist befolgt worden 
viermal in achtzehn Fällen (S. 133 f.), die Beibehaltung 
der ursprtlnglichen Skenenlänge war also beim Umbau 
unanstössig; sie war manchmal vielleicht sogar noth- 
wendig, wenn seitlich gelegene Baulichkeiten die seit- 
liche Erweiterung der Skene verhinderten; sie war aber 
wohl auch in manchen Fällen nur aus praktischen 
Gründen geboten, um eine neue Fundamentirung zu 
vermeiden. Der letzte Fall ist z. B. im Theater zu 
Tauromenion anzunehmen, wo sogar, wie es scheint, die 
Fundamente der alten seitlichen Bühnen grenzen, die 
durch die senkrechten Tangenten des Urkreises bestimmt 
sind, ganz gegen die sonstige Gewohnheit die Bei- 
behaltung der alten Bühnenlänge und die Anlegung von 
Seitenräumen veranlasst haben. 

Nützlichkeitsrücksichten solcher Art, wie wir sie bei 
der Anlegung der hinteren und seitlichen Grenzmauem 
des Skenenvorderraumes vermuthet haben, fielen natür- 
lich weg bei der Anlegung der Bühnenvorder^vand, da 
für sie, wenn sie in die Orchestra vorgeschoben wurde, 
eine alte Fundamentirung nicht zu verwerthen war. Da- 
gegen trat eine Rücksichtnahme anderer Art. ein. Die 
Endkeile des griechischen Zuschauerraumes gehen näm- 
lich ziemlich weit über die Halbkreisform hinaus, bis zu 



5. Die umgebauten Bühnen. 183 

zwei Keilen (S. 117). Je nach der dem Baumeister 
gestatteten oder von ihm willkürlich vorgenommenen 
Verkürzung des Zuschauerraumes nun (S. 123 flF.) musste 
die Lage der Bühnenvorderwand sich richten. Sich mit 
dem wagrechten Durchmesser decken konnte die Bühnen- 
vorderwand niemals, weil man eine Verkürzung der Flügel 
des Zuschauerraumes bis über den Durchmesser hinaus 
nie vorgenommen hat. Waren die Abschlussmauem des 
Zuschauerraumes nach der Bühne zu ganz oder wenig- 
stens im untern Theil, bzw. im ünterstock bis zum wag- 
rechten Durchmesser zurückgeschoben, so konnte auch 
die Bühnenvorderwand sich dem Durchmesser bis auf 
eine Wenigkeit nähern, bis auf die Breite der Orchestra- 
eingänge (itinera), falls diese angelegt wurden. So ist 
der Abstand der Bühnenvorderwand vom Durchmesser 
(auf dem Grundriss natürlich) unberechenbar klein im 
Theater zu Syrakus, etwas grösser in den ftnf übrigen 
Theatern mit einer Sehne als Bühnenhinterwand. Im 
Theater zu Aspendos schneidet die Bühnenvorderwand 
fast ®/i8 von der Peripherie des Urkreises ab und im 
Theater zu Tauromenion Vie- C^ing der Zuschauerraum 
in seinem unteren Theil über die Halbkreisform hinaus, 
trat gar keine oder nur eine geringe Verkürzung ein — 
hierher gehören die drei Theater, bei denen wir einen 
Umbau des Zuschauerraumes nur vermuthet, nicht streng 
gefolgert haben — so musste die Bühnenvorderwand 
noch weiter vom wagrechten Durchmesser abstehen. Im 
Theater zu Aizani schneidet demgemäss die Bühnen- 
vorderwand nicht einmal ganz 7i4 von der Peripherie 
des Urkreises ab, im Theater zu Laodikeia vermuthlich 
7i5 und im Theater zu Telmissos noch weniger, nur Vu» 
Die eben erwähnten Theater haben als Bühnen- 
hinterwand eine Sehne-, eine Tangente oder eine weiter 
vom Urkreise abstehende Linie konnte man nur wählen, 



184 Zusätze zum dritten Theil. 

wenn man die Absicht hatte die Flttgelabgchlossmauem 
des Zuschauerraumes im ursprünglichen Bau beizubehalten 
oder nicht allzusehr ganz oder theilweise nach dem 
wagrechten Durchmesser zu zurückzuschieben. In diesem 
Falle war ein gewisser Abstand der Bühnenvorderwand 
von dem Durchmesser gleichfalls oder noch mehr an- 
gezeigt. Und so schneidet auch die Bühnenvorderwand 
in Segeste Vio von der Peripherie des ürkreises ab und 
in Pompeji nur Vio* Es ergiebt sich demnach durchweg 
eine den besonderen Verhältnissen angemessene Befolgung 
der römischen Regel: Ein Zusammenfallen der Bühnen- 
vorderwand mit dem wagrechten Durchmesser war nicht 
zu ermöglichen und ist nur einmal bloss annähernd ein- 
getreten; sonst ist die Lage der Bühnenvorderwand durch 
eine Sehne bestimmt, die entweder dem grössten Ab- 
stand der Grundfigurecken innerhalb einer ürkreishälfte 
gleich wie im römischen Theater oder doch ungefähr 
gleich ist (in Aspendos, Tauromenion, Aizani und Se- 
geste) oder auch in nothwendiger Modifizirung dem 
zweitgrössten Eckenabstand gleich ist (in Laodikeia^ 
Pompeji und Telmissos?). 

So gut hier alles zur römischen £egel passt, so 
wenig passt es zur griechischen. Am allerdeutlichsten 
ist dies wahrzunehmen in den beiden zuletzt besprochenen 
Theatern zu Segeste und Pompeji. Da in diesen Theatern 
die Tangente, bzw. eine weiter vom ürkreise abstehende 
Parallele die Lage der Bühnenhinterwand bestimmt, 
sollte nach griechischer Gewohnheit die der Bühnen- 
vorderwand durch eine Seite der Grundfigur gegeben 
sein, also durch eine Zehneckseite in Pompeji und durch 
eine Quadratseite in Segeste, und so war es vermuthlich 
auch in der ursprünglichen Anlage. In den übrigen 
sechs Theatern mit einer Sehne als Bühnenhinterwand 
ist die Abweichung in der Lage der Bühnenvorderwand 



5. Die umgebauten Bühnen. 185 

von der griechischen Gewohnheit nicht ganz so leicht 
darzulegen. Eine Regel war nämlich für die Lage der 
Btihnenvorderwand im griechischen Theater nicht zu 
gewinnen in den Fällen, wo die Bühnenhinterwand durch 
eine Sehne bestimmt war, weil sich keine Spur der 
Btihnenvorderwand erkennen liess: vgl. Zusatz 2 Anfang. 
Trotzdem sind wir nicht ganz verlassen; denn wir kennen 
die Lage der angrenzenden Theile des Theaters und 
vermögen hieraus in jedem einzelnen Falle die Lage 
der Btihnenvorderwand wenigstens annähernd zu be- 
stinunen. 

Es sind die Analemmata, die Parodoi und die 
Btihnenhinterwand, die uns diese Möglichkeit gewähren. 
Die Lage der Btihnenhinterwand und die Btihnengrenzen 
des Zuschauerraumes (Analemmata) sind bekannt, und 
zwischen den Analemmata und der Btihnenvorderwand 
liegen im griechischen Theater offene Orchestraeingänge 
(Parodoi), deren Breite ungefähr zu berechnen ist. Sie 
ist mindestens gleich sechs Mannesbreiten, nach dem 
Einzug des komischen Chors geurtheilt, nach dem des 
tragischen, mindestens gleich fünf Mannesbreiten. Ziehen 
wir diese Breite von dem Abstand der Analemmata und 
der Bühnenhinterwand ab, so erhalten wir die grösst- 
mögliche Bühnentiefe und damit die ungefähre Bestim- 
mung der Lage der Bühnenvorderwand. Prüfen wir 
jetzt die von uns als umgebaut bezeichneten Bühnen, so 
werden wir kaum bei irgend einer eine solche Lage der 
Bühnenvorderwand finden, wie sie von uns in einem 
griechischen Theater verlangt werden muss. 

Im Theater zu Tauromenion haben wir als ursprtlng- 
liche untere Begrenzung des Zuschauerraumes gemäss 
der in den ürkreis eingeschriebenen Grundfigur %5 des 
ürkreises anzusetzen: vgl. S. 106 f. Es wäre indessen 
auch möglich, dass die untere Grenze des Zuschauer- 



186 Zusätze zum dritten Theil. 

raumes ^Vn ^^s ürkreises betragen hat. Wir haben 
nämlich vier schiefgestellte Quadrate als Grundfigur an- 
genommen in Rücksicht auf die Vomitorien und die nach 
ihnen voraussichtlich hinaufführenden Treppen. Die 
Treppen und Vomitorien im Oberstock haben nun aber 
nicht überall dieselbe Lage wie die Treppen des ünter- 
stocks (S. 114), zuweilen finden sich die Treppen-Radien 
des Oberstocks nur mitten zwischen den Treppen-Radien 
des Unterstocks angelegt, wie z. B. im Theater zu Eu- 
gubium 25 (11 16). Nehmen wir diesen Fall hier an, 
dann haben wir vier Quadrate als Grundfigur in den 
ürkreis so eingezeichnet, wie die Regel es verlangt, 
nämlich so, dass eine Quadratseite die gleiche Richtung 
mit der Bühne hat, und dann haben wir ^7i6 ^^r Peri- 
pherie des ürkreises als untere Begrenzung des Zu- 
schauerraumes vorauszusetzen wie im Theater zu Stra- 
tonikeia 44 (I 8). Doch lassen wir als untere Grenze 
des Zuschauerraumes Vie des ürkreises bestehen. Die 
Endpunkte der unteren Grenze des Zuschauerraumes 
sind auch die Orchestraenden der Analemmata, und ihre 
Verbindungslinie ist eine Sehne des ürkreises, die von 
der Peripherie desselben Vie abschneidet (abgekürzt = 
SViß)« Die Bühnenhinterwand ist durch die Quadrat- 
seite gegeben, also durch eine Sehne des ürkreises, 
welche Vi« ^^^ ^^^ Peripherie desselben abschneidet 
(= SVie)* Diese beiden Sehnen müssten, wenn die An- 
lage rein griechisch wäre, die Bühne und die Parodoi 
einschliessen, sie schliessen aber in unserem Theater nur 
die Bühne ein! 

Aehnlich liegt die Sache in den übrigen Theatern: 
überall geht die Bühnenvorderwand, verglichen mit der 
des rein griechischen Theaters, verhältnismässig zu weit 
in den ürkreis vor, vielleicht mit einziger Ausnahme des 
Theaters zu Telmissos. Dies im Einzelnen nachzuweisen 



5. Die umgebauten Bühnen. 187 

unterlasse ich deshalb, weil die Parodoi, auf die es 
hierbei wesentlich ankommt, eine selbständige Betrach- 
tung verlangen. 

In Vitruvs Konstruktion des griechischen Theaters 
sind oflfene Orchestraeingänge oder Parodoi vorhanden, 
von ihm wahrscheinlich intervalla genannt (S. 25 f.), 
und ebenso in dreizehn von den vierzehn oben besproche- 
nen rein griechischen Theatern. Eine Ausnahme macht 
nur das Theater zu Hierapolis 8 (I 12); da aber die 
Regel der Natur der Sache nach keine Ausnahme duldet, 
so sind nur zwei Fälle denkbar: entweder ist der Plan 
im Wieselerschen Werk der Wirklichkeit nicht ent- 
sprechend, oder das Theater zu Hierapolis ist kein rein 
griechisches, sondern ein umgebautes. Eine Entscheidung 
vermögen, aber brauchen wir auch nicht zu treffen. 
Diese Parodoi nun sind im römischen Theater ver- 
schwunden infolge von Aenderungen im Schauspielwesen: 
die dramatischen Darstellungen wurden auf den Bühnen- 
räum beschränkt und die Orchestra zum Zuschauerraum 
gezogen; offene Eingänge in die Orchestra, für den 
Einzug des Chors nothwendig, waren es nicht mehr bloss 
für den Eintritt der Zuschauer, sie wurden bedeckt mit 
Zuschauersitzen oder in den Endkeilen des Zuschauer- 
raumes angelegt oder auch ganz weggelassen. Nach 
meinen Beobachtungen, die sorgfältiger sein müssten, 
wenn die Beantwortung der vorliegenden Frage mehr 
als blosse Nebenbemerkung sein sollte, sind die Orchestra- 
eingänge im römischen Theater in der Regel bedeckte 
Gänge zwischen den Abschlussmauem des Zuschauer- 
raumes und der Bühnenvorderwand, wie z. B. in den 
Anlagen zu Herculaneum 6 (II 8), Nora 30 (A 20), Pom- 
peji (Odeon) 33 (H 7B) und Tusculum 48 (H 11). In 
vielen Theatern ist diese Bedeckung natürlich eingestürzt, 
doch wird ihr ursprüngliches Dasein durch verschiedene 



188 Zusätze zum dritten Theil. 

Anzeichen bezeugt. Nur eine einzige Anlage, das Odeon 
bei Neapel 29 (II 9B), hatte von Anfang an, wie es 
scheint, keine bedeckten Eingänge; wer wird aber diesem 
kleinen Privattheater irgend welche Bedeutung beilegen? 
Wenig zahlreich sind die. römischen Theater ohne diese 
seitlichen Orchestraeingänge ; ich rechne dazu die Theater 
zu Pola 3 (A 17) und Eugubium 25 (H 16) und die 
Odeen zu Athen 42 (I 26) und bei Tibur 15 (H 13); 
(die von Wieseler S. 18 erwähnten unbedeckten Orchestra- 
eingänge in dem letzteren Odeon finden sich nicht auf 
dem Grundriss und wären, wenn sie sich fänden, zurück- 
zuweisen). Die vitruvische Vorschrift über die Anlegung 
von Orchestraeingängen (itinera) in den Endkeilen des 
Zuschauerraumes ist in den von uns berücksichtigten 
römischen Theatern nicht befolgt worden, was uns jetzt 
wohl nicht mehr Wunder nehmen wird; Orchestraeingänge 
vitruvischer Art finden sich dagegen öfter in den um- 
gebauten griechischen Theatern, auf die wir jetzt einzu- 
gehen haben. 

Gleich wie in den römischen Theatern sind in den 
umgebauten griechischen, ein deutlicher Beweis des Um- 
baues, die breiten offenen Orchestraeingänge eingezogen 
worden. Eine halbe Ausnahme macht das Theater zu 
Telmissos, insofern als, wie es scheint, nur eine Ver- 
schmälerung der Eingänge eingetreten, aber eine Ver- 
bindung der Skenenenden mit den Analemmata noch 
nicht vorgenommen worden ist; man kann also diese 
Anlage als üebergang von der alten zur neuen Art be- 
trachten. Der zweite Schritt zur römischen Art wird 
durch ein völliges Weglassen der Parodoi gemacht wor- 
den sein — ich glaube, dass dieser Schritt vorwärts 
gethan wurde in den Theatern zu Dramyssos, Laodikeia, 
Segeste, Aizani und Rhiniassa — imd der letzte Schritt 
war die Anlegung von Orchestraeingängen (itinera) in 



5. Die umgebauten Bühnen. 189 

den Endkeilen des Zuschauerraumes, wie wir sie wahr- 
nehmen in den Theatern zu Aspendos, Sjrrakus, Pom- 
peji, Tauromenion und Katana. 

Ebenso durchschlagend, freilich nur für einzelne 
Theater, kann der Umbau bewiesen werden aus der 
Lage der Nebenthüren in der Bühnenhinterwand. In 
den römischen Theatern sind diese Thüren durch senk- 
rechte Tangenten des ürkreises bestimmt (achtmal in 
zwölf Fällen: vgl. S. 177), in den griechischen nie; also 
nur infolge eines Umbaues, dürfen und müssen wir 
schliessen, ist die Lage der beiden der Hauptthür zu- 
nächst liegenden Nebenthüren in der Bühnenhinterwand 
durch senkrechte Tangenten des ürkreises angegeben in 
den Theatern zu Pompeji und Laodikeia. In den übrigen 
Theatern ist eine Folgerung aus der Lage der Thüren 
nicht gestattet, da die zur Anwendung gekommene grie- 
chische Art der Thürbestimmung auch in römischen 
Theatern nicht ungewöhnlich ist. Die beiden der Haupt- 
thür zunächst gelegenen Nebenthüren in der Bühnen- 
hinterwand sind im Theater zu Aizani sicher durch 
die zwei Radien des ürkreises bestimmt, welche durch 
die dem senkrechten Radius zweitnächst gelegenen Ecken 
der Grundfigur hindurchgehen. Dasselbe ist im Theater 
zu Telmissos der Fall; nur ist die Lage der Thüren hier 
derartig, dass man auch senkrecht von den betreflfenden 
Ecken der Grundfigur nach der Bühnenhinterwand ge- 
zogene Linien als Bestimmungslinien der Thüren ansehen 
kann. Ebenso muss es unentschieden bleiben, ob in den 
Theatern zu Aspendos und Tauromenion durch Radien 
oder senkrechte Linien die Lage der betreflfenden 
Thüren gegeben ist; massgebend in beiden aber waren 
die Endpunkte einer der Bühne nahe liegenden und ihr 
parallelen Quadratseite. 

Die Stichhaltigkeit unserer Behauptung eines um- 



190 Zusätze zum dritten Theil. 

banes in den genannten Theatern ist hoffentlich genügend 
erwiesen, unzweifelhaft scheint sie mir in denjenigen 
Theatern zu sein, deren Sitzraumumbau wir mit Be- 
stimmtheit angenommen haben, unzweifelhaft aber auch 
in den Theatern zu Laodikeia und Aizani. In Laodikeia 
spricht entscheidend für einen Umbau das Fehlen der 
Parodoi imd die Thürbestimmung, in Aizani die geringe, 
für die Parodoi keinen Raum lassende Bühnentiefe (sie 
beträgt nach Texier bei Wieseler S. 115 nur 4 m 40). 
Das einzige Theater, bei dem deutliche Anzeichen eines 
Umbaues nicht hervortraten, ist das Theater zu Tel- 
missos, also dasjenige, bei dem wir schon früher S. 129 f. 
einschneidende Aenderungen am wenigsten zu behaupten 
gewagt haben. 

Sechster Zusatz. Die übergangenen Grund- 
risse. Aus äusserem Zwang lege ich die Feile weg, 
aber ich lege sie weg in der tröstenden Gewissheit, dass 
es einige giebt, die urtheilsfähig genug sind, um eine 
Arbeit wie diese anders als bloss nach ihren Mängeln 
zu würdigen. Als eine wirkliche Zugabe lasse ich nur 
noch das folgen, was uns ein Rückblick unseres jetzt 
geschärften Auges auf die übergangenen Theaterüberreste 
lehrt. Wohl kaum nöthig dürfte sein vorauszuschicken, 
dass auch hierbei die Kleinheit der Grundrisse und ihre 
sonstige Unzuverlässigkeit das Verlangen einer Gewähr- 
leistung der im Folgenden zu machenden Angaben als 
Unbilligkeit erscheinen lassen. I, II und A bedeuten 
die Wieselerschen Tafeln, T. = Theater, 0. = Odeon. 

12. T. zu Adria. Die Grundfigur besteht wohl 
aus zwei Quadraten, und dementsprechend dürfte die 
Länge der (nicht erhaltenen) Skene Quadratseite -4- Durch- 
messer betragen haben. 

110. T. zu Mi 1 et. Legen wir den Wieselerschen 
Grundriss als zuverlässig zu Grunde^ so sind als Grund- 



6. Die übergangenen Grundrisse. 191 

figur 3 Fünfecke anzusetzen und als untere Begrenzung 
des Zuschauerraumes 7i5 ^^^ Peripherie des Urkreises, 
genau so wie im Theater zu Laodikeia 28 (I 11): s. 
S. 68. Wenn wir hier eine griechische Anlage an- 
erkennen sollen^ muss uns die Freiheit zugestanden 
werden in einigen Punkten den Plan als nicht ganz 
sicher zu bezeichnen; darf man dagegen einen Umbau 
annehmen, so schwinden mehrere Bedenken, alle trotz- 
dem nicht. 

I13^ T. zu Pessinus. Der Plan soll ganz unzu- 
verlässig sein; aus den Partien, die wir hauptsächlich 
ins Auge gefasst haben, kann dies nicht erschlossen 
werden, da sie mit der griechischen Regel überein- 
stimmen. Der Grnndriss zeigt nämlich ein Achteck als 
Grundfigur, % der Peripherie des Urkreises als untere 
Begrenzung des Zuschauerraumes, Achteckseite + Durch- 
messer als Skenenlänge, die Tangente als Bühnenhinter- 
wand und als Bühnenvorderwand eine Sehne, welche 
nicht ganz bis an die Verbindungslinie der Orchestra- 
enden der Analemmata herantritt; dagegen ganz un- 
griechisch ist die Ausbauchung der Bühnenhinterwand 
(vgl. S. 129; beruht diese auf Unrichtigkeit der Zeich- 
nung, so ist natürlich an einen Umbau, bzw. Neubau 
nicht zu denken). 

1 14. T. zu Bostra. Das Theater ist augenschein- 
lich ein römischer Bau. Ungewöhnlich ist die über die 
Halbkreisform hinausgehende Gestalt des Zuschauer- 
raumes, da sie nur einmal, in Eugubium 25 (U 16), in 
zwanzig Fällen vorkommt, und ungewöhnlich ist auch 
die einen Durchmesser betragende Skenenlänge. Erhalten 
ist vom Zuschauerraum nur der obere oder oberste Stock, 
so dass der Urkreis nur durch Probiren gefunden werden 
kann. Er ist höchst wahrscheinlich der, dessen Tangente 
die Bühnenhinterwand ist. In diesen Urkreis sind vier 



192 Zusfttze zum dritten Theil. 

regelmässige Dreiecke eingeschrieben; die untere Be- 
grenzung des Zuschauerraumes umfasst acht von den 
zwölf möglichen Keilen; die Analemmata sind mit dem 
wagrechten Durchmesser gleichlaufend angelegt, die 
Verbindungslinie der Analemmata ist also eine Dreieck- 
seite, und diese Seite ist die Bühnenvorderwand. Die 
Konstruktion dieses Theaters entspricht demnach der 
vitruvischen, nur dass für den Zuschauerraum nach 
griechischer Art zwei Keile mehr verwerthet und dem- 
zufolge die Vorderwand und die Hinterwand der Bühne 
in entsprechendem Verhältnis zurückgeschoben worden sind 
und dass ausserdem die Bühnenlänge die griechische ist. 

115. T. zu Gabala. Dies Theater ist entweder 
ähnlich wie das eben besprochene oder noch genauer 
vitruvisch konstruirt. 

117. T. von De los. Wir haben hier eine grie- 
chische Konstruktion, ähnlich der ursprünglichen des 
pompejanischen Theaters 31 (HTA). Ein Zehneck 
bildet die Grundfigur, ujid sieben von den zehn möglichen 
Keilen sind für den Zuschauerraum bestimmt. Die 
Skenenlänge ist vielleicht aus einem Strich auf der Figur 
zu vermuthen, welcher möglicherweise eine seitliche 
Grenze des Bühnengebäudes bezeichnet. Der Abstand 
dieser Grenze von der symmetrisch auf der andern Seite 
zu ergänzenden beträgt Zehneckseite + Durchmesser. 
Die Bühnenvorderwand wird durch eine Zehneckseite 
gegeben sein, und die Bühnenhinterwand weiter als die 
Tangente vom Urkreis abgestanden haben, beides wie 
nach Vermuthen ursprünglich im Theater zu Pompeji. 

118. T. zu Melos. Grundfigur ein Elfeck, wie 
oben schon angegeben worden ist. Ein umbau ist an- 
zunehmen; denn der Zuschauerraum hat ganz rein grie- 
chische Gestalt, die Bühne nicht, da die Mauer in der 
Verbindungslinie der Endpunkte der Analemmata niu* 



6. Die übergangenen Grundrisse. 193 

die Bühnenvorderwand des nach römischer Weise um- 
gestalteten Theaters sein kann. 

119. T. zu Sparta. Der Zuschauerraum scheint 
gestaltet wie im Theater zu Bostra (1 14) : Grundfigur vier 
Dreiecke, untere Begrenzung des Zuschauerraumes = %2 
des Urkreises, Analemmata parallel dem wagrechten 
Durchmesser. Aber während in Bostra ein Bau aus 
römischer Zeit, beeinflusst durch die griechische Art, an- 
zunehmen ist, haben wir hier nur an einen Umbau in 
römischer Zeit zu denken. 

120. T. zu Megalopolis. Die halbkreisförmige 
Gestalt des jetzigen Zuschauerraumes lässt die Annahme 
eines griechischen Baues als völlig ungerechtfertigt er- 
scheinen; man könnte höchstens einen Umbau vermuthen. 
Nur ein einziges und noch dazu nicht zuverlässiges 
Zeichen (eine senkrecht zum linken Analemma stehende 
Mauer) deutet auf zwei Siebenecke als Grundfigur. 

121. T. zu Mantineia. Das Theater ist in ähn- 
licher Weise umgebaut worden wie das pompejanische 
31 (TL 7 A) ; dies zeigt uns der wagrechte Abschluss des 
über die Halbkreisform hinausgehenden unteren Theiles 
und des noch weiter vorgehenden oberen Theiles des 
Zuschauerraumes. Die Grundfigur bilden sechs oder drei 
Dreiecke, der Zuschauerraum in seiner unteren Begren- 
zung umfasste und umfasst noch jetzt ^Vis ^^^^ V9 von 
der Peripherie des Urkreises. Die Bühnenhinterwand 
war und ist durch die wagrechte Tangente des Urkreises 
und die Bühnenvorderwand durch die wagrechte Dreieck- 
seite gebildet, beides nach Vermuthung. Die neue Bühne 
wird sich also in ihrem Grundriss von der alten wohl 
nur durch eine grössere Länge unterschieden haben. 

122. T. zu Argos. Die Lage der drei Treppen 
im Unterstock ist auf der Zeichnung augenscheinlich 
fehlerhaft angegeben: die mittlere und die zur Hälfte 

Oehmichen, Griech. Theaterbau. 13 



194 Zusätze zum dritten Theil. 

gezeichnete weisen auf zwei Fünfecke als Grundfigur, 
die mittlere und die links von ihr liegende dagegen auf 
eine Grundfigur von vier Quadraten. 

I 24 T. zu Sikyon. Die Konstruktion dieses 
Theaters scheint eine rein griechische zu sein und zwar, 
wenn ich mich nicht irre, die vitruvische. Meine An- 
haltspunkte sind die Änalemmata, deren Lage allerdings 
nicht sicher zu bestimmen ist, und die Reste der Wände 
des Bühnengebäudes. Als eine seitliche Skenengrenze 
sehe ich den linken senkrecht zur Bühne stehenden 
Wandstumpf an und den ebenso stehenden auf der 
rechten Seite als Fortsetzung einer der beiden seitlichen 
Bühnengrenzen im Skenenhinterraum. 

125. T. zu Thorikos. Ich zweifle nicht, dass 
diese Anlage trotz ihrer Wunderlichkeit in vielfacher 
Beziehung die Eigenthümlichkeiten des griechischen 
Theaters bewahrt hat, allein aufzufinden sind diese auf 
dem mangelhaften Grundrisse nicht. 

115 B. 0. zu Katana. Bei Wieseler S. 11 heisst 
es: ^Zur Seite des Theaters (II 5A) gelegen und ihm 
ähnlich, nur dass es bedeutend kleiner ist . . . Das 
Aeussere des Gebäudes ist mit Pilastem geschmückt, 
16 ganzen und 2 halben an den Ecken. In der Mitte 
derselben stehen 17 Kreisbögen, welche den Mauern 
und Gewölben entsprechen, die im Innern die Sitze 
trugen." Es ist wenig, was uns hier zur Unterlage 
dient, aber es genügt, um wenigstens die Grundfigur zu 
bestimmen. Zu beachten ist zunächst die Aehnlichkeit 
des Odeons und Theaters. Aus dieser Aehnlichkeit 
dürfen wir mit einiger Berechtigung auf eine Gleichheit 
der Grundfiguren schliessen, die ja auch im Theater 31 
(n 7 A) und Odeon 33 (11 7 B) zu Pompeji vorhanden 
ist. Danach sind also vier Quadrate, schief gestellt, 
als Grundfigur zu vermuthen: vgl. S. 105 flf. Bestätigt 



6. Die übergangenen Grundrisse. 195 

wird unsere Veimuthung durch die oben angegebene 
Zahl der Pilaster und Kreisbögen; diese ist genau so 
gross, als wir sie für die Treppen und Keile im Ober- 
stock bei entsprechend schiefer Stellung der vier Qua- 
drate und bei Verdoppelung der Treppen voraussetzen 
müssen; vorauszusetzen sind aber achtzehn Treppen und 
fünfzehn und zwei halbe Keile, oder falls der Zuschauer- 
raum die Halbkreisform ein wenig überschreitet, was 
ich nicht entscheiden kann, siebzehn Keile. 

n 10. T. zu Antium. Der Blanchinische Plan (bei 
Wieseler) ist von Winckelmann verdächtigt worden, und 
auch Wieseler räth zur Vorsicht. Dass diese angebracht 
sei, soll nicht bestritten werden, dass aber die Ver- 
dächtigung zum Theil unrecht war, ist unzweifelhaft. 
Wir haben hier eine Anlage mit drei Quadraten als 
Grundfigur vor uns, und dieser Grundfigur entsprechend 
ist die Treppenanlage. Wer bloss Vitruvs Vorschriften 
gelten lässt, muss natürlich Anstoss nehmen, da er in 
einem offenbar römischen Bau die griechische Konstruk- 
tion angewandt sieht; aber dieser Standpujikt ist jetzt 
nicht mehr zulässig. Drei Quadrate sind zwar als 
Grundfigur in einem römischen Theater ujigewöhnlich, 
aber doch auch nicht unerhört, wie das Odeon des He- 
rodes Attikos 42 (I 26) zeigt. Auch sonst finde ich in 
unserer Anlage fast gar nichts Anstössiges, nur muss 
man, wie ich bestinmat glaube, den gesanunten hinteren 
Raum als eine gesonderte Anlage, vielleicht als Ther- 
men, fassen. Die Halbkeile als Endkeile sind echt 
römisch; die Länge der Skene beträgt zwei Durchmesser; 
die Bühnenvorderwand war der wagrechte Durchmesser; 
die Bühnenhinterwand scheint zwar die Tangente zu 
sein, allein es ist wohl eine Sehne gewesen, in der Mitte 
zwischen dem wagrechten Durchmesser und der wag- 

13* 



196 Zusätze zum dritten Theil. 

rechten Tangente liegend und der untersten Mauer des^ 
Grundrisses (am Massstab) entsprechend. 

AB. T. zu Balbura. Die Konstruktion ist der 
des Theaters zu Kibyra 12 (A 9) sehr ähnlich, wenn 
nicht gleich. Die Grundfigur besteht aus drei (oder 
sechs?) Dreiecken, der Zuschauerraum umfasst fünf 
Keile von den neun möglichen und die Skenenlänge 
beträgt eine Quadratseite und einen Durchmesser zu- 
sammengenommen. Sonstige Vermuthungen würden in 
der Luft schweben. 

A 10. 0. zu Kibyra. Auf eine gewisse Aehnlich- 
keit dieser Anlage mit der zwischen Xanthos und Kydna 
11 (A4) ist schon früher S. 81 aufmerksam gemacht 
worden. Im Uebrigen ist dies Odeon höchst eigenthüm- 
lieh; der Grundriss ist folgendermassen hergestellt. Es 
werden zwei konzentrische Drittelkreislinien genau gegen- 
über der anzulegenden Bühne und von ihren Endpunkten 
bis zum wagrechten Durchmesser senkrechte Linien ge- 
zogen. Diese so begrenzte hufeisenförmige Fläche wird, 
wie es scheint, durch die verlängerte Verbindungslinie 
der Endpunkte der kleineren Drittelkreislinie in drei 
Theile zerlegt. Der mittelste ist der eigentliche Zu- 
schauerraum, der somit sozusagen drittelkreisförmige 
Gestalt hat. Links und rechts nach der Bühne zu 
stossen an ihn vermuthlich mit Zuschauersitzen be- 
deckte Orchestraeingänge (itinera), und der Rest der 
hufeisenförmigen Fläche gehört wohl zur Bühne, deren 
Hinterwand der wagrechte Durchmesser ist. Die Anlage 
würde danach zu den römischen zu rechnen sein. Die 
Grundfigur ist nicht genau zu bestimmen: man kann an 
drei Dreiecke oder an ein Neuneck, man kann aber 
auch an Sechsecke denken; bei einem Neuneck ala 
Grundfigur könnte man vielleicht Neuneckseite -h Durch- 
messer als Skenenlänge ansetzen. 



6. Die übergangenen Grundrisse. 197 

A 11. 0. ZU Anemurion. Die obere und untere 
Begrenzung des Zuschauerraumes sind in der Mitte 
konzentrische Halbkreise, die nach den Flügeln zu in 
Tangenten der betreffenden Kreise tibergehen. In den 
Urkreis sind zwei Quadrate als Grundfigur eingetragen. 
Die der Bühne zunächst liegende und ihr parallele 
Quadratseite ist die Bühnenvorderwand, ihre Verlänge- 
rungen nach rechts und links sind die Analemmata, die 
Tangente des Urkreises ist die Bühnenhinterwand und 
zwei Durchmesser oder ein Weniges mehr beträgt die 
Skenenlänge. Mit Ausnahme der tiberhalbkreisförmigen 
Oestalt des Zuschauerraumes ist alles römisch ; es finden 
sich sogar itinera in den Endkeilen; nur der Abstand 
der Thüren in der Bühnenhinterwand ist grösser als 
sonst, aber er war nothwendig infolge der Kleinheit der 
Anlage. 

A 12. T. zu Alexandria. Es scheint der vitru- 
vischen Konstruktion des römischen Theaters ziemlich 
zu entsprechen. Vier Dreiecke sind wohl die Grundfigur 
und die wagrechte Dreieckseite die Bühnenhinterwand; 
nur die Skenenlänge weicht von Vitruvs Vorschrift ab, 
da sie, wie wir wohl nach den seitlichen Mauerresten 
annehmen dürfen, Dreieckseite + Durchmesser beträgt. 

A 13. 0. zu Akra. ^Ob wirklich ein Theater- 
gebäude?" so fragt Wieseler, und ich glaube mich seinem 
Zweifel anschliessen zu sollen. Ein Sechseck ist die 
Grundfigur, drei Keile von den sechs möglichen nimmt 
der Zuschauerraum ein, und die Länge der Skene, wenn 
es eine solche gab, hat vielleicht Quadratseite -h Durch- 
messer betragen. 

A 15. T. bei Tibur. Wieseler nimmt S. 106^ An- 
stoss an der Breite (Tiefe) der Bühne. Mit Recht; nur 
ist die Berufung auf den Gnmdriss des Theaters zu 
Antium (11 10) jetzt nicht mehr angebracht; es genüg! 



198 Zusätze zum dritten Theil. 

darauf hinzuweisen, dass durch eine weiter als die 
Tangente vom Urkreise abstehende Linie die Btihnen- 
hinterwand in keinem römischen Theater bestimmt wor- 
den ist: vgl. S. 135 f. Gleichfalls richtig äussert Wieseler 
Bedenken gegen die Säulenhallen an den Seiten der 
Bühne (portiques sur les cötes du proscene), die sich so 
sonst nirgends finden. Dagegen kann ich in Bezug auf 
die Nebenthüren rechts und links von der Einbauchung 
in der Bühnenhinterwand Wieselers Ansicht nicht bei- 
pflichten; ich halte sie für die bekannten Nebenthüren 
trotz seines Hinweises auf das Theater zu Ferentum, 
erstens weil sie eine ganz andere Lage haben, eine 
Lage, wie sie nur für Btihnenthüren zu finden ist, und 
zweitens weil für die Räume, in die sie führen, eine 
Identität der Bestimmung mit den ähnlich gelegenen 
Räumen im Theater zu Ferentum nicht zu erweisen ist. 
Natürlich müssen diese Räume in unserem Theater auch 
Ausgänge nach dem Innern des Skenengebäudes gehabt 
haben; ihr Fehlen auf dem Grundrisse weist somit auf 
eine weitere üngenauigkeit der Zeichnung hin. Sonst 
finde ich im Skenenvorderraum und im Zuschauerraum 
nichts auffällig, denn bedeckte Orchestraeingänge (itinera) 
sind nicht unbedingt nöthig. Vier Dreiecke als Grund- 
figur sind durch nichts zu erweisen, aber doch als das 
Nächstliegende zu vermuthen, der Zuschauerraum ist 
halbkreisförmig, die Skenenlänge gleich zwei Durch- 
messern; die Nebenthüren in der Bühnenhinterwand sind 
durch senkrechte Tangenten des Urkreises bestimmt und 
die Bühnenvorderwand durch den wagrechten Durch- 
messer. 

A 16. T. zu Ferentum. Der ürkreis ist nach 
Figur 16 a zu bestimmen. Wir dürfen wohl auch hier 
vier Dreiecke als Grundfigur für den halbkreisförmigen 
Zuschauerraum voraussetzen; als Skenenlänge scheinen 



\ 



6. Die übergangenen Grundrisse. 199 

drei Radien angenommen zu sein; die Bühnenhinterwand 
ist (ohne Berücksichtigung der Ausbauchungen) durch 
die wagrechte Dreieckseite bestimmt, und die Neben- 
thüren in ihr sind durch die senkrechten Tangenten des 
ürkreises angegeben; die Bühnenvorderwand ist wohl 
mit dem Durchmesser zusammengefallen, und demzufolge 
sind keine Orchestraeingänge (itinera) auf der Bühnen- 
hälfte des ürkreises anzunehmen. 

A 19. T. zu Alauna. Die Grundfigur geht an den 
unteren Treppenenden entlang, und eingeschrieben in 
ihn sind zwei Quadrate. Der Zuschauerraum schreitet in 
griechischer Weise über den Halbkreis hinaus, er würde 
sechs von den acht möglichen Keilen umfassen, wenn 
die Analemmata nicht parallel der Bühne liefen und so- 
mit die Endkeile nach oben zu verschmälerten. Die 
Länge und Tiefe der Bühne sind nicht zu bestimmen; 
die Bühnenvorderwand ist die wagrechte Quadratseite. 
Die radiale Gliederung des Zuschauerraumes ist einzig 
in ihrer Art. Zerlegt wird er nicht durch einfache 
Treppen, sondern durch je zwei parallele; diese haben 
aber nicht wie sonst die Richtung der Radien des ür- 
kreises, sondern laufen durch die entsprechenden Quadrat- 
ecken hindurch nach einem andern Mittelpunkte, 
nach dem Halbirungspunkte des nach der Bühne senk- 
recht gezogenen Halbmessers des ürkreises oder nach 
dem Durchschnittspunkte des senkrechten Durchmessers 
und der wagrechten Seite eines in den ürkreis ein- 
geschriebenen regelmässigen Dreiecks. 

Die übersichtliche Zusammenstellung der als be- 
achtenswerth hingestellten Eigenthümlichkeiten der eben 
besprochenen Theater hat denselben Zweck wie die 
Tabelle auf S. 88 flf. Dieselben Abkürzungen wie dort 
sind natürlich auch hier in Anwendung gekommen; die 
gruppenweise Anordnung, die jetzt nicht mehr noth- 



200 



Zusätze zum dritten Theil. 



wendig gewesen wäre, wurde beibehalten einerseits 
wegen der Gleichmässigkeit, andrerseits deshalb, weil 
für eine andere Anordnung die zu bruchstückartige Er- 
haltung der üeberreste nicht durchaus genügende An- 
haltspunkte ergab. 



1. 


2. 


3. 


4. 


5. 


51 (A 15) T. Tibur 


4f3? 


6:12? 


4r 


T? 


52 (A 16) T. Ferentum 


4f8V 


6 : 12? 


3r? 


8(83) 


53 (A 12) T. Alexandria 


4f3? 


6 : 12? 


S3 + 2r? 


8(83) 


(Troas) 










54 (115) T. Gabala (Syr.) 


4f3? 


6: 12? 


üb. 2r 


T? 


55 (1 14) T. Bostra (Syr.) 


4f3 


8:12 


2r 


T 


56 (1 19) T. Sparta 


4f3? 
[3f4 


8:12? 
7: 12] 


—' 


— 


57 (A8) T. Balbura 


3f3 (fj 


5:9 


S4 4-2r 


— 


(Lyk.) 










58 (121) T. Mantineia 


6f3 od. 3f3 


10 : 18 


— 


T? 


59 (AlO)O.Kibyra(Lyk.) 


3l3) tfl» *9 ^ 


3:9 


So + 2r? 


D 


60 (A V6) 0. Akrae (Siz.) 


f. (f*?) 


3:6 


S4-4-2r? 


— 


61 (1 22) T. Argos 


2f6,4f4? 


— 






62 (1 10) T. Milet (Kar.) 


3f,? 


9 : 15? 


— — 


63 (1 17) T. Delos 


f,o 


7:10 


Sio4-2r?üb.T? 


64 (1 20) T. Megalopolis 


2f,? 


7 : 14? 


S7 4-2r? 




65 (1 24) T. Sikyon 


3f4? 


7:12? 


S4 4- 2r? 


T 


66 (II 10) 0. Antium 


SU 


52/2 : 12 


4r 


S? 


67 (II 5 B) 0. Katana 


ift? 


8:16? 






(Siz.) 










68 (1 2) T. Adria 


2U? 


4:8? 


S4 + 2r? 


— 


69 (All) 0. Aneraurion 


2f, 


6:8 


4r? 


T 


(Kilikien) 






1 




70 (A 19) T. Alauna 


2f* 


6:8 


__ 


— 


(Frankreich) 










71 (I13b) T. Pessinus 


fs 


5:8 


S8 4-2r 


T 


(Galatien) 










72 (1 18) T. Melos 


fu 


6:11 


— 


— 


73 (125) T. Thorikos 


9 

• 


— 




— 



6. Die übergangenen Grundrisse. 201 

Von den dreiundzwanzig kurz besprochenen Anlagen 
rechne ich vier zu den rein griechischen: die Theater 
zu Balbura 57 (A 8), Delos 63 (I 17), Sikyon 65 (I 24) 
und mit einigem Bedenken das zu Pessinus 71 (I 13^). 
Ursprünglich griechische Anlage ist zum Theil, besonders 
aus der Gestalt des Zuschauerraumes, noch zu erkennen 
in den umgebauten Theatergebäuden, zu denen folgende 
zu zählen sind: die Theater zu Sparta 56 (I 19), Man- 
tineia 58 (I 21), Milet 62 (I 10), Megalopolis 64 (I 20) 
und Melos 72 (I 18). Unentschieden muss es bleiben, 
ob die griechische oder die römische Bauweise bei der 
Erbauung eingetreten ist in den Anlagen zu Argos 61 
(I 22), Kibyra 59 (A 10) und Thorikos 73 (I 25); doch 
lässt die allgemeine Wahrscheinlichkeit auf die erstere 
schliessen. Allerdings, wenn im Odeon zu Kibyra der 
linke Orchestraeingang mit einem Tribunal überdeckt 
ist, ohne einen Unibau erkennen zu lassen, muss man 
einen römischen Neubau annehmen. Diese drei Theater- 
anlagen bieten zu wenig und werden deshalb im Folgen- 
den unberücksichtigt bleiben, ebenso wie das Odeon zu 
Akra 60 (A 13), das römischen Typus zeigt, aber als 
Theateranlage verdächtig ist. Die übrigen zehn Theater 
sind römisch. 

In Bezug auf die vorgenommene Scheidung in grie- 
chische, umgebaute und römische Anlagen befinde ich 
mich fast durchweg mit Wieseler in Uebereinstimmung, 
wenn ich einige Male aus der blossen Anführung von 
Ansichten anderer Forscher auf seine Ansicht schliessen 
darf. Nur in Betreff des Theaters zu Megalopolis 64 (1 20) 
bedam-e ich von seiner Meinung abweichen zu müssen. 
Wieseler hält es, wie es scheint, für ein rein griechisches, 
wenn er S. 6b weiter nichts sagt als: „Das Theater 
Vurde wie die ganze Stadt bald nach der Schlacht bei 
Leuktra 371 v. Ch. G. erbaut;" die halbkreisförmige 



202 Zusätze zum dritten Theil. 

Gestalt des Zuschauerraumes spricht aber ganz ent- 
schieden dagegen (und desgleichen vielleicht auch die 
senkrecht zum linken Analemma stehende Mauer der 
Skene, wenn es eine wirkliche Mauer ist). Man würde 
einen römischen Neubau annehmen müssen, wenn das 
Theater den Reisenden nicht allgemein den Eindruck 
einer griechischen Anlage gemacht hätte; man wird 
also nur einen Umbau in römischer Zeit behaupten 
dürfen, wie es oben geschehen ist. 

Mit unserer Scheidung stimmt auch die geographische 
Lage der Theater überein. Die griechischen liegen auf 
dem griechischen Festland, den griechischen Inseln und 
in den früh gräcisirten Ländern Kleinasiens, die römi- 
schen dagegen in den Ländern, wo die griechische 
Kultur vor der römischen nicht eingedrungen war oder 
doch keinen festen Boden gefasst hatte: in Italien (vier), 
Sizilien (eins), Frankreich (eins); femer in Syrien (zwei), 
Troas (eins), Kilikien (eins). In Katana wird in römi- 
scher Zeit das Odeon 67 (11 5B) erst errichtet, das 
schon vorhandene Theater 47 (11 5A) aber umgebaut 
worden sein, wie in Pompeji: vgl. S. 110. 

Es ist durchaus nicht überflüssig, das Verhältnis 
dieser Theater zur allgemeinen Regel, die aus den besser 
erhaltenen gewonnen ist, kurz zu berühren. Die Grund- 
figuren der griechischen und derumgebauten Theater 
sind im Allgemeinen unanstössig, denn wir finden die 
hier vorkommenden fast alle auch in jenen für die all- 
gemeine Regel in Betracht gezogenen (S. 94 flf., 115 f., 
139): drei oder sechs Dreiecke zweimal, drei Fünfecke 
einmal, ein Zehneck einmal, zwei Siebenecke einmal, 
drei Quadrate einmal und ein Elfeck einmal. Zwei 
Fünfecke oder vier Quadrate im Theater zu Argos 61 
(I 22) und drei Dreiecke oder eine Anzahl Sechsecke 
im Odeon zu Kibyra 59 (A 10) würden der griechischen 



I 



6. Die übergangenen Grundrisse. 205 

Regel über die Grimdfigur gleichfalls nicht widersprechen. 
Dagegen will die Anlage zu Pessinus 71 (I 13^) mit 
einem Achteck als Gnindfigur zur allgemeinen Regel 
wenig stimmen, da wir sonst nur ein einziges Mal zwei 
Achtecke, niemals ein Achteck als Grundfigur angewandt 
sehen; doch dürfen wir hierauf wohl kaum besonderes 
Gewicht legen. Etwas anderes ist es mit dem Theater 
zu Lakedämon 56 (I 19), wo vier Dreiecke als Grund- 
figur ganz gegen die griechische Regel die Gliederung 
des Theaters bedingt zu haben scheinen. Dreiecke und 
Sechsecke als Grundfiguren sind nämlich in den grie- 
chischen Anlagen ausserordentlich häufig (über V3), abet 
vier Dreiecke kommen in ihnen nie vor, dagegen sechs- 
mal in den römischen Theatern. Die Zahlen sind zu 
gross, als dass wir an einen Zufall denken dürften, und 
sie nöthigen uns, wie es scheint, zur Annahme eines 
Neubaues in römischer Zeit. Hierzu würde stimmen, 
dass nach Leakes Mittheilungen Spuren eines älteren 
griechischen Mauerbaues nicht zu sehen waren. Trotz- 
dem möchte ich an der Ansicht festhalten, dass nur ein 
Umbau, freilich ein weitgreifender, einer älteren grie- 
chischen Anlage eingetreten ist: denn ungewöhnlich 
bleibt ja doch immerhin das Ueberschreiten der Halb- 
kreisform in einem römischen Theater, leicht erklärlich 
dagegen ist es bei Annahme eines Umbaues. Ich ver- 
muthe drei Quadrate als Grundfigur des ursprünglichen 
Baues; die Analemmata sollten allerdings auch bei dieser 
Annahme dem wagrechten Durchmesser näher liegen, 
doch mag die Möglichkeit einer theilweisen Benützung 
der alten Analemmata (mehr auswärts) die sonst un- 
gebräuchliche Erweiterung des Zuschauerraumes mit- 
veranlasst haben. Möglich und sogar nicht unwahr- 
scheinlich ist es, dass der entscheidende Grund zu dieser 
Erweiterung das Bedürfnis einer grösseren Orchestra für 



204 Zusätze zum dritten Theil. 

nichtscenische Darstellungen war, ähnlich wie im Theater 
zu Alauna: vgl. S. 206. 

Die Begrenzung des Zuschauerraumes ist, soweit 
sich dies noch erkennen lässt, überall gemäss der all- 
gemeinen Regel gestaltet gewesen; für die obere und 
untere Begrenzung sind konzentrische Kreislinien ver- 
werthet — am deutlichsten zu erkennen im Theater zu 
Delos 63 (I 17) — und für die Abschlussmauem nach 
der Bühne zu mit dem Durchmesser konvergirende Ra- 
dien des IJrkreises. Das letztere ist wahrzunehmen in 
den Theatern zu Balbura 57 (A 8), Delos 63 (I 17), 
Pessinus 71 (I 13^) und vorauszusetzen im Theater zu 
Sikyon 65 (124)-, in den umgebauten Theatern sind die 
durch Radien bestimmten Analemmata entweder bei- 
behalten worden, so im Theater zu Melos 72 (1 18) und 
wohl auch, zum Theil wenigstens, im Theater zu Milet 
62 (1 10), oder es ist eine Verlegung eingetreten, in den 
Theatern zu Sparta .56 (I 19), Mantineia 58 (I 21) und 
Megalopolis 64 (I 20). 

Wegen Mangel an Anhaltspunkten lässt sich über 
die Gliederung des Zuschauerraumes sowie über die 
Parodoi nichts sagen, doch ist das Vorhandensein der 
letzteren im älteren Bau nicht im Mindesten zu bezweifeln. 

Für die Konstruktion der Bühne ist einmal, wie es 
scheint, eine andere Grundfigur als die den Zuschauer- 
raum bestimmende, eine Bühnengrundfigur, massgebend 
gewesen, im Theater zu Balbura 57 (A 8), da hier die 
Skenenlänge Quadratseite -h Durchmesser beträgt. — 
In den übrigen Anlagen ist die Skenenlänge nicht zu 
bestimmen, doch wird sie wohl meist gleich Grundfigur- 
seite -h Durchmesser gewesen sein. Anzeichen dafür 
sind nur wenige und noch dazu meist nicht sichere ge- 
funden worden in den Theatern zu Sikyon 65 {I 24) 
= S4-i-2r? Pessinus 71 (I 13)==S8 + 2r; Megalopolis 64 



6. Die übergangenen Grundrisse. 205 

(I 20) = 87 + 2r? Delos 63 (I 17) = s^o + 2r? — Die 
Lage der Bühnenhinterwand ist in den meisten Fällen 
nicht zu erkennen; einige Male aber ist sie durch die 
Tangente bestimmt gewesen, in den Theatern zu Sikyon 
65 (I 24) und Pessinus (?) 71 (I 13) und wohl auch in 
dem zu Mantineia 58 (I 21); einmal, im Theater zu 
Delos 63 (1 17), durch eine weiter als die Tangente vom 
Urkreis abstehende Linie. — Noch weniger unterrichtet 
sind wir über die Lage der Bühnenvorderwand. Sie ist 
bestimmt gewesen, wenn wir richtig vermuthet haben, 
durch die wagrechte Seite der Grundfigur im Theater 
zu Delos 63 (I 17) = Sio und in dem zu Mantineia 58 
(I 21) = Sg und vielleicht auch in dem zu Sikyon 65 
(I 24) = 84. In Bezug auf die Bühnenvorderwand im 
Theater zu Pessinus 71 (I 13^) kann und mag ich eine 
Vermuthung nicht äussern. Ob im Theater zu Melos 72 
(1 18) die jetzt als Bühnenhinterwand erscheinende Mauer 
die Bühnenvorderwand des ursprüglichen Baues gewesen 
sei, lässt sich nicht entscheiden — sie ist bestimmt 
durch eine Sehne, welche Vn von der Peripherie des 
IJrkreises abschneidet — sicher aber ist wenigstens, dass 
eine solche Bestimmung der Bühnenhinterwand gegen 
die allgemeine Regel über den römischen Theaterbau 
verstösst. — Die Lage der seitlichen Bühnengrenzen ist 
nirgends mehr zu erkennen, ausgenommen vielleicht das 
Theater zu Sikyon 65 (I 24), wo sie durch senkrechte 
Tangenten bestimmt gewesen zu sein scheinen. — Thüren 
in der Bühnenhinterwand sind ausser im Theater zu 
Pessinus 71 (I 13^) überall verschwunden; in Pessinus 
aber ist nur eine angegeben, in offenbar ganz unzuver- 
lässiger Weise. 

Derselbe Einklang mit der allgemeinen Regel stellt 
sich bei den von uns als römisch angesetzten Theatern 
heraus. Wir haben wohl fünfmal je vier Dreiecke als 



206 Zusätze zum dritten Theil. 

Grundfigur, die beliebteste Form im römischen Theater, 
wir haben einmal drei Quadrate als Grundfigur wie im 
Odeon zu Athen 42 (I 26), einmal vier Quadrate wie im 
Theater zu Arausio 45 (11 19) und endlich dreimal je 
zwei Quadrate wie im Theater zu Tusculum 48 (11 11) ; 
dass Fünfecke und Siebenecke als Grundfiguren in un- 
seren zehn Theatern nicht erscheinen, mag dem Zufall 
zuzuschreiben sein. 

Wie die allgemeine Regel es verlangt, ist der Zu- 
schauerraum meist halbkreisförmig: die Analemmata 
fallen mit dem wagrechten Durchmesser zusammen in 
den Theatern zu Tibur 51 (A 15), Ferentum 52 (A 16), 
Alexandria 53 (A 12), Gabala 54 (I 15) und Adria 68 
(I 2), im Odeon zu Antium 66 (11 10) und vielleicht auch 
in dem zu Eatana 67 (11 5B); im Odeon zu Antium 
entstehen hierdurch im Gegensatz zu den übrigen Halb- 
keile als Endkeile. Gegen die allgemeine Regel geht 
der Zuschauerraum in mehr griechischer Weise über die 
Halbkreisform hinaus in den Theatern zu Bostra 55 
(I 14) und Alauna 70 (A 19) und im Odeon zu Anemu- 
rion 69 (A 11). Bei Besprechung der Anlage zu Alauna 
S. 109a merkt Wieseler an, wie ich glaube, richtig, 
„dass das Gebäude schwerlich vorzugsweise zu drama- 
tischen und musikalischen Aufführungen gedient hat." 
Eine ähnliche Bemerkung ist wohl auch betreflfs der 
beiden andern Anlagen gestattet, und etwas Aehnliches 
haben wir auch in Rücksicht auf die grosse Orchestra 
im Theater zu Sparta oben S. 203 f vermuthet. Doch 
mag diese Vermuthung* stichhaltig sein oder nicht, das 
ist jedenfalls unzweifelhaft, dass ein ganz besonderer 
Anlass die ungewöhnliche, sonst nur einmal im Theater 
zu Eugubium 25 (H 16) wahrzunehmende Gestalt des 
Zuschauerraums verursacht hat. 

Offene Eingänge zur Orchestra hat es in unsem 



6. Die übergangenen Grundrisse. 207 

zehn Theatern, wie es scheint, ebensowenig gegeben 
wie in jenen zwanzig, die wir bei Feststellung der Regel 
befragt haben; nur das Theater zu Alexandria 53 (A 12) 
zeigt jetzt offene Eingänge, doch dürfen wir auch für 
sie, wenn sie überhaupt Orchestraeingänge waren, zu- 
versichtlich ursprüngliche Bedeckung annehmen. Auch 
bedeckte zwischen Proscenium und Zuschauerraum lau- 
fende Eingänge in die Orchestra sind wohl selten vor- 
handen gewesen, wenigstens sind sie, abgesehen vom 
Theater zu Alexandria, nirgends zu erkennen. In den 
Endkeilen angebrachte Orchestraeingänge finden sich im 
Odeon zu Anemurion 69 (A 11) und in den umgebauten 
Theatern zu Milet 62 (I 10) und Mantineia 58 (I 21), 
doch in letzterem nur vielleicht. 

Für die Konstruktion der Bühne ist eine andere als 

r 

die für den Zuschauerraum massgebende nicht in An- 
wendung gekommen. Die Skenenlänge beträgt, wie wir 
vermuthungsweise angenommen haben, zweimal nach 
römischer Art vier Durchmesser, im Theater zu Tibur 
51 (A 15) und im Odeon zu Antium 66 (ü 10), ebenso- 
viel vielleicht auch im Odeon zu Anemurion 69 (A 11), 
zweimal nach griechischer Art, die aber auch in römi- 
schen Theatern gebräuchlich war, soviel als Grundfigur- 
seite und Durchmesser zusammen, in den Theatern zu 
Alexandria 53 (A 12) = Sg + 2r? und Adria 68 (I 2) 
= S4 + 2r? unregelmässigerweise aber nur zwei Radien 
im Theater zu Bostra 55 (I 14), nicht viel mehr im 
Theater zu Gabala 54 (I 15) und ungefähr drei Radien 
im Theater zu Ferentum 52 (A 16). Eine Erklärung 
für diese Abweichungen weiss ich nicht zu finden; man 
ist geneigt an griechischen Einfluss in den Theatern zu 
Bostra und Gabala zu denken. — Die Lage der Bühnen- 
hinterwand finden wir vielleicht dreimal durch die Tan- 
gente angegeben, in den Theatern zu Bostra 55 (I 14) 



208 Zusätze zum dritten Theil. 

und Gabala 54 (I 15) und im Odeon zu Anemurion 69 
(A 11); ebenso wird sie im Theater zu Tibur 51 (A 15) 
bestimmt gewesen sein; mit der wagrechten Grundfigur- 
seite fällt die Bühnenhinterwand zusammen in den 
Theatern zu Ferentum 52 (A 16) und Alexandria 53 
(A 12) und mit einer mitten zwischen dem wagrechten 
Durchmesser und der wagrechten Tangepte liegenden 
Linie im Odeon zu Antium 66 (11 10). — In denjenigen 
Fällen, wo der Zuschauerraum gemäss der römischen 
Regel die Halbkreisform nicht überschritten hat, ist auch 
die Lage der Bühnenvorderwand der römischen Regel 
entsprechend gewesen; wenigstens fällt sie, wo sie zu 
erkennen ist, mit dem wagrechten Durchmesser des ür- 
kreises zusammen: in den Anlagen zu Tibur 51 (A 15), 
Ferentum 52 (A 16), Antium 66 (E 10), vermuthlich 
auch in den Theatern zu Alexandiia 53 (A 12) und 
Gabala 54 (1 15). In den Anlagen mit einem grösseren 
als halbkreisförmigen Zuschauerraum dagegen musste 
die Bühnenvorderwand selbstverständlich einen gewissen 
Abstand vom wagrechten Durchmesser haben; die hier 
stattfindenden Abweichungen von der römischen Regel 
sind daher nicht als grundsätzliche anzusehen. In diesen 
Anlagen ist, wie es in griechischen geschehen sein würde, 
die Bühne durch die wagrechte Grundfigurseite ab- 
geschlossen worden, nämlich im Theater zu Bostra 55 
(I 14) durch die wagrechte Dreieckseite, im Odeon zu 
Anemurion und im Theater zu Alauna durch die wag- 
rechte Quadratseite. — Die Nebenthüren in der Bühnen- 
hinterwand sind dreimal, wie es scheint, durch senkrechte 
Tangenten des IJrkreises bestimmt, in den Theatern zu 
Tibur 51 (A 15) und Ferentum 52 (A 16) und im Odeon 
zu Antium 66 (11 10) ; im Odeon zu Anemurion 69 (A 1 1 ) 
sind sie unregelmässig angelegt infolge der Kleinheit 
der Anlage. 



Oertliches Inhaltsverzeichnis. 



Abkürzungen wie S. 86 f., ausserdem: 

(D) = Durchmesser des Urkreises, bzw. wagrechter Durchmesser 
oder verlängerter wagr. D. 

(SVio) oder (SVn) = Sehne, welche Vio oder Vii von der Peri- 
pherie des Urkreises abschneidet. 

Erste Zahl nach dem Doppelpunkt = Beschreibung. 

Zweite Zahl = Einzelvergleichung (in Klammer dabei Nummer 
der Gruppe und Grundfigur). 

Z. = Zuschauerraum (in Klammer untere Grenze). 

Anal. = Analemmata; ihre Lage verglichen mit der des wag- 
rechten Durchmessers. 

Endkeile = E. des Unterstocks verglichen mit den mittleren 
Keilen. 

B. = Bühne. Bgfig. = Bühnengrundfigur. 

Ski. = Skenenlänge; im röm. T. auch = Bühnenlänge. 

Bhw. = Bühnenhinterwand ; Bvw. = Bühnenvorderwand. 

Thüren = Zahl der Thüren in der Bühnenhinterwand und der 
seitlichen; die zwei Nebenthüren neben der Hauptthür be- 
stimmt durch Badien, Senkrechte und senkr. T(an- 
genten). 

Adria 68 (12), röm. T. 201: — 190. 206 (IVb. 2f4?) — Z. (4:8?), 

Anal. (D) 206 — Ski. (s^ + 2r?) 207. 
Aizani 35 (I 13), in Phrygien, umgebautes griech. T. 110: — 

68. 103 (III. fu) — Z. verkürzt? (ca. 9 : 14 statt 9 : 14), 

Anal, unregelm., Endkeile schmäler 123. Keine Parodoi 188 

— B. umgebaut 128 f. 179 ff., deshalb Urkreis (?) 129. 

Ski. (2s5) 182 (anders 69) 48. Bhw. (S) 180, ausgebaucht 129. 

Bvw. (S fast Vu) 183 ff. Thüren (5), (Radien) 189 — Zur 

Geschichte 126? 167. 188. 
Oehmichen, Griech. Theaterbau. ^4 



^ 



210 Oertliches Inhaltsverzeichnis. 

Akrae 19 (II 2), in Sizilien, umgebautes griech. T. 110: — 73. 
97 ff. (Ic. 3ffl) — Z. verkürzt (9 : 18 statt 11 : 18), Anal. (D), 
Keile gleich 124 f. — B. umgebaut 128 f., ihre Lage un- 
erhört 179. Urkreis (?) 129 — Zur Geschichte 110. 126. 

Akrae 60 (A 13), in Sizilien, röm. 0. (?) 201: — 197. 

Alauna 70 (A 19), in Frankreich, röm. T. 201: — 199. 206 
(IVb. 2f4) - Z. (6 : 8), Anal. (paraUel) 206, radiale Gliede- 
rung 155 — Bvw. (S4) 208. 

Alexandria 53 (A 12), in Troas, röm. T. 201: — 197. 205 f. 
(la. 4f8?) — Z. (6:12?), Anal. (D), Keile gleich (?) 206. 
Parodoi bedeckt 207 — Ski. (s3-h2r?) 207. Bhw. (sg) 208. 
Bvw. (D?) 203. 

Anemurion 69 (A 11), in Kilikien, röm. 0. 201: — 197. 206 
(IVb. 2U) — Z. (6:8), Anal, (parallel), Endkeile oben 
schmäler 206. Itinera 207 — Ski. (4r?) 207. Bhw. (T) 208. 
Bvw. (84) 208. Thüren unregelm. 208. 

Antium 66 (II 10), röm. 0. 201: — 195. 206 (IVa. 3f4) — Z. 
(6 : 12), Anal. (D), Endkeile Halbkeüe 206 - Ski. (4r) 207. 
Bhw. (SVs) 208. Bvw. (D) 208. Thüren (senkr. T) 208. 

Arausio 45 (II 19), in Frankreich, röm. T. 109: — 79f. 105 
(IVb. 4f4?) - Z. (8 : 16), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Par- 
odoi bedeckt (?) 187. Urkreis 132. — Ski. (84 + 2a) 134, 
ohne die Seitenräume 160. Bhw. (84) 135, nicht gerade 129. 
Bvw. (SVie) 162. B.tiefe 163. Thüren (3 -h 2) 176, (senkr. T) 
177. 

Arg OS 61 (I 22), griech. (?) T. 201: — 193 f. 202 f. 

Aspendos 9 (I 16), in Pamphylien, umgebautes griech. T. 110: 

— 70. 94 (Ib. 6f3) — Z. verkürzt (9 : 18 statt 10 : 18), Anal. 
(D), Endkeile Halbkeile 124 f. Itinera 189 — B. umgebaut 
128 f. 179 ff. Urkreis (?) 128 f. Bgfig. (£4) 180. 182. 189. 
Ski. (84 -f 2r) 182 (anders 70. 94), ohne die Seitenräume. 
Bhw. (84) 180. 152 (anders 70). Bvw. (S Vis) 183 ff. B.tiefe 
152. Thüren (5 + 2), (Radien od. Senkrechte u. Bgfig.) 189 

— Zur Geschichte 125 f. 167. 189. 

Athen 50 ( — ), das dionys., (umgebautes) griech. T. 110: — 
39 ff. 108 f. (V. £22) — Z. (13 : 22), Anal, (konverg. Radien), 
Keile gleich 117. Urkreis '42 ff. 131 f., schliesst Thronoi ein 
142. Parodoi 187 — B. umgebaut 130. Bgfig. (£4) 47 ff. 
133. Ski. (84 + 2r) 133. Bhw. (ca. T) 135. Bvw.? 
B.tiefe (?) 152. B.länge (ca. D) 170. Thüren? vgl. 49 f. 



Oertliches Inhaltsverzeichnis. 211 

Athen 42 (I 26), des Herodes Attikos, röm. 0. 110 f.: — 70 f. 
104 f. (IVa. Sfi), vgl. m. Vitruv 92 - Z. (7 : 12), Anal. (D), 
ungewöhnliche radiale Gliederung, gewisse Gleichheit der 
Keile 122 f. 155. Urkreis 132. Keine Parodoi 188. — Bgfig. 
vgl. 155. Ski. (S4 4- 2r) 134, ohne die Seitenräume 160. 
Bhw. (T) 135. Bvw. (D) 137. 162. B.tiefe 163. Thüren 
(3 + 2) 176, (Radien) 138. 177. 

Balbura 57 (A 8), in Lykien, gi-iech. T. 201: — 196. 202 
(Ib. Sfg) — Z. (5 : 9), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich (?) 
204 - Bgfig. (Q 204. Ski. (s^ + 2r) 204. 

Bostra 55 (114), in Syi'ien, röm. T. 201: - 191 f. 205 f. 
(la. 4f3) — Z. (8 : 12), Anal, (parallel), Endkeile oben 
schmäler 206 — Ski. (2r) 207. Bhw. (T) 207. Bvw. (sg) 208. 

Calama 39 (A 21), in Algier, röm. T. 109: — 83 f. 104 
(III. f-,) - Z. (3V2:7), Anal. (D), Endkeüe schmäler (»A) 
122, Treppen im Oberstock unregelm. 114. Urkreis 132. 
Parodoi bedeckt (?) 187. — Ski. (üb. 4r, mit den seitlichen 
Bühnenräumen) 134, ohne die äusseren Seitenräume 160. 
Bhw. (T) 135. Bvw. (SVO 162, mit Fig. 5 vgl. 159. B.tiefe 
163. Thüren (3 + 2?) 175. 

Cuiculum 38 (A 20), in Algier, röm. T. 109: — 83. 104 (III. 2f^) 
— Z. (7 : 14), Anal. (D), 2 Treppen kassirt und Endkeile 
breiter (IV2) 122. Urkreis (?) 161. 182 — Ski. (2r) 134. 48, 
ohne die Seitenräume 160 f. Bhw. (S) 135, nicht gerade 
129. Bvw. (?) 156. Thüren (?) 175. 

Delos 63 (I 17), griech. T. 201: - 192. 202 (IL fjo) — Z. (7 : 10), 
Anal, (konverg. Radien), Keile gleich (?) 204 — Ski. (sio+2r?) 
' 205. Bhw. (üb. T?) 205. Bvw. (sio?) 205. 

Dramyssos 20 (I 28), in Epirus, umgebautes griech. T. HO: — 
72. 97 ff. (Ic. 3ffl) — Z. verkürzt (9:18 statt 11:18), Anal. 
(D), Keile gleich 124 f. Keine Parodoi 188 — B. umgebaut 
128 f. 179 ff. Urkreis (?) 129 — Zur Geschichte 126. 128. 

Epidauros 26 (I 23), des Polyklet, griech. T. HO: — 51 ff. 
101 (II. 4fB) — Z. (12 : 20), Anal, (konverg. Radien), KeUe 
gleich 117, vgl. 55. Untere Grenze des Z. abweichend 141. 
Urkreis 132. 54, schneidet Thronoi ab 142. Parodoi 187 — 
Bgfig. (£4) 133. 144. 60 f. Ski. (S4 + 2r) 133. Bhw. (ca. T) 
135. Bvw. (S5) 137. 161. B.tiefe 152. 161. B.länge (D) 167 f. 
Thüren? — Zur Geschichte 167. 

Eugubium 25 (TI 16), röm. T. 109: - 78 f. 102 (IL 2f6) — 
Z. (5 : 10), Anal. (D), Endkeile Halbkeile 122. Urkreis 132. 

14* 



212 Oertliches Inhaltsyerzeichms. 

Keine Parodoi 188 — Ski. (4r) 134, ohne die Seitenräume 

160. Bhw. (SVio) 135. 79, nicht gerade 129. Bvw. (D) 137. 

161. B.tiefe 163. Thüren (5 + 2) 176, (Radien) 138. 177. 
FäBulä 1 (II 17), röm. T. 109: — 79. 93 (la. 4f3), vgl. m. Vitruv 

91 - Z. (6 : 12), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Urkreis (?) 
128 — Ski. (4r) 134. Bhw. (S) 181. Bvw. (D) 162. 156. 
B.tiefe 163. Thüren (?) 175. 

Faleria 14 (II 15), röm. T. 109: - 78. 96 (Ib. SQ-Z. (4:9), 
Anal, (parallel), Endkeile oben breiter 120 f. Urkreis 132. 
Parodoi bedeckt (?) 187 - Ski. (s, + 2r) 133 f. Bhw. (T) 
135. Bvw. (SVo) 162. B.tiefe 163. Thüren (3 + 2) 176, 
(senkr. T.) 138. 177. 

Ferentum 52 (A 16), röm. T. 201: — 198 f. 205f. (la. 4f3?) — 

Z. (6:12?), Anal. (D), Keüe gleich (?) 206. Urkreis 161. 

Keine Parodoi 188 — Ski. (ca. 3r) 207. Bhw. (sg) 208. 

Bvw. (D) 208. Thüren (3 4- 2) 176, (senkr. T) 208. 177. 
Gabala 54 (I 15), in Syrien, röm. T. 201: — 192. 205 f. (la. 4f3?) 

- Z. (6 : 12?), Anal. (D), Keile gleich (?) 206 — Ski. (üb. 

2r) 207. Bhw. (T?) 208. Bvw. (D?) 208. 

Herculaneum 6 (II 8), röm. T. 109: — 75f. 93 (la. 4f3), vgl. 
m. Vitruv 91 f. — Z. (6 : 12), Anal. (D), Keüe fast gleich 
118 f. Urkreis 130 f., schneidet Sitze ab 131. Parodoi be- 
deckt 187 — Bgfig. (3f4) 162 f. 134. 155. Ski. (34 4- 2r) 134, 
ohne die Seitenräume 160. Bhw. (Tj 135, ausgebaucht 129. 
Bvw. (SV,2) 162 f. B.tiefe 163. Thüren (3 + 2) 176, (senkr. 
T) 138. 177. 

Hierapolis 8 (I 12), in Phrygien, griech. T. 110: — 68 f. 94 
(Ib. 6f8) — Z. (10 : 18), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 
117. Urkreis 132. Keine (?) Parodoi 187 - Ski. (S3 + 2r) 
133. Bhw. (S) 136, vgl. 151 f. Bv w. (?) 161. B.tiefe (?) 151 f. 
161. B.länge (ca. D) 171. Thüren (3?) 174, (Radien) 175. 

Jas 8 40 (I 9), in Karien, griech. T. 110: — 67 f. 104 (IV a. 
3f4), vgl. m. Vitruv 92 f. — Z. (7 : 12), Anal, (konverg. Ra- 
dien), Keile gleich 117. Urkreis unregelm. 132. Parodoi 
187 — Ski. (S4 4- 2r) 133. Bhw. (84) 136. Bvw. (?) 161. 
B.tiefe (?) 161. B.länge (D) 171 f. Thüren (3?) 174, (Ra- 
dien) 175. 

Juliobona 10 (II18), Frankr., röm. T. 109: — 79. 94 f.l20 (Ib. 
Sfg) — Z. (4:9), Anal, (parallel), Endkeile oben breiter 120f. 
Obere Grenze des Z. abweichend 141. Urkreis 132. Paro- 



Oertliches Inhaltsverzeichnis. 213 

doi bedeckt (?) 187 - Ski. (4r) 134. Bhw. (sg) 135. Bvw. 

(?) 162. B.tiefe (?) 163. Thüren (?) 175. 
Kadyanda 49 (A 6), in Lykien, griech. T. 110: — 81 f. 105 ff. 

(IV c. 2f8) — Z. (9:16), Anal, (konverg. Radien), Keile 

gleich 117. Urkreis 132. Parodoi 187 ~ Ski. (sg 4- 2r) 

133. Bhw. (T) 135. Bvw.? B.länge (D) 171 f. Thüren? 
Katana 47 (II 5 A), in Sizilien, umgebautes griech. T. 110: — 

74. 105 ff. (IV c. 4f4) — Z. verkürzt (8 : 16 statt 9 : 16), Anal. 

(D), Endkeile Halbkeile 124 f. Treppen im Oberstock un- 

regelm. 114. Itinera 189— B. umgebaut (?) 128 f. 179 ff. 

Urkreis (?) 128 f. — Zur Geschichte 110. 126. 188. 202. 
Katäna 67 (II 5 B). in Sizilien, röm. 0. 201: — 194 f. 206 

(IV c. 4f4?) - Z. (8:16?), Anal. (D?), Keile gleich (?) 206. 
Kibyra 12 (A 9), in Lykien, griech. T. 110: - 82. 95 f. (Ib. 3f3) 

— Z. (5:9), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 117. 
Treppen im dritten Stock unregelm. 114. Urkreis 132. 
Parodoi 187 — Bgfig. (fj 133. 136. Ski. (s* + 2r) 133. 
Bhw. (84) 136. 151 f. Bvw. (?) 161. B.tiefe (?) 151. 161. 
B.länge (?) 172. Thüren (3? mittelste fehlt?) 174, (Radien) 
175. 

Kibyra 59 (A 10), in Lykien, griech. (?) 0. 201: — 196. 202 f. 

Knidos 41 (I 7), in Karlen, griech. 0. 110: — 67. 104. (IV a. 
3f4), vgl. m. Vitruv 92 f. — Z. (7 : 12), Anal, (konverg. Ra- 
dien), Keile gleich 117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. 
(2S4) 133. Bhw. (T) 135. Bvw.? B.länge (?) 172. Thüren? 

— Zur Geschichte 113. 172. 

Kyaneae 7 (A 3), in Lykien, griech. T. 110: — 81. 94. (Ib. öfg) 

— Z. (10 : 18), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 117. 
Kydna, zwischen Xanthos und K., s. Xanthos. 
Lakedaemon, s. Sparta. 

Laodikeia 28 (I 11), in Phrygien, umgebautes griech. T. 110: 
-- 68. 102. (IL 3fß) — Z. verkürzt? (9: 15), Anal, (unregelm.), 
Endkeile oben schmäler 123. Keine Parodoi 188 ~ B. um- 
gebaut 128 f. 179 ff. Urkreis (?) 129. Ski. (s^ + 2r) 181, 
ohne die Seitenräume. Bhw. (Sß?) 180. Bvw. (S7i5?) 183 f. 
Thüren (3), (senkr. T) 189 — Zur Geschichte 126? 188. 

Mantineia58(I21), umgebautes griech. T. 201: — 193. 202 (Ib. 
6f3, 3f8) — Z. verkürzt (10 : 18), Anal, (parallel), Endkeile 
oben schmäler 204. Itinera (?) 207 — Bhw. (T ?) 205. Bvw. 
(ss?) 205. 

]tfegalopolis64(I 20), umgebautes griech. T. 201 f.: — 193. 



214 Oertliches Inhaltsverzeichnis. 

202 (III. 2f^?) — Z. verkürzt (7: 14?), Anal. (D. u. parallel), 
Endkeile nicht gleich 204 — Ski. (S7 + 2r?) 204 f. 

Melos 72 (I 18), umgebautes griech. T. 201: — 192, vgl. 46 u. 
70. 202(V. fn) — Z. (6:11), Anal, (konverg Radien), Keile 
gleich (?) 204 — Bhw. (SVn) jetzt = Bvw. früher (?) 205. 

Milet 62 (1 10), in Karlen, umgebautes griech. T. 201: — 190 f. 
202 (IL SQ — Z. verkürzt? (9:15), Anal, (konverg. Ra- 
dien?), Endkeile nicht gleich 204. Itinera 207. 

Myra 22 (14), in Lykien, griech. T. 110: — 65 f. 98 f. (Ic. 4f6) 
— Z. (15 : 24, bzw. 14 : 24), Anal, (unregelm.), Keile ungefähr 
gleich 117 f. Die Gfig. gliedert den Oberstock 114 f. Ur- 
kreis 132. Parodoi 187 — Ski. (se + 2r) 133. Bhw. (T) 
135. Bvw. (ca. Sß) 137. 161. B.tiefe 161. B.länge (= Ski.) 
172. Thüren (5) 174, (Radien) 137. 175 — Zur Geschichte 
167. 172 f. 174. 

Neapel 21 (II 9 A), bei, röm. T. 109: — 76. 97 (Ic. fo) — Z. 
(3:6), Anal. (D), Keile gleich 118. Gliederung im Ober- 
stock unregelm. 114. Urkreis (?) 128. 

Neapel 29 (II 9 B), bei, röm. T. 109: - 76. 102 (II. fß) — Z. 
(2:5), Anal, (parallel), nur 2 Keile 120 f. Urkreis 132. 
Parodoi nicht bedeckt (?) 188 — Ski. (4r) 134, ohne die 
Seitenräume 160. Bhw. (T) 135, ausgebaucht 129. Bvw. 
(D) 137. 162. B.tiefe 163. Thüren (?) 175. — Zur Ge- 
schichte 113. 

Nora 30 (A 18), in Sardinien, röm. T.109: — 83. 102 (ILf^) — 
Z. (2:5), Anal, (parallel), Endkeile winzig 121 f. Urkreis 
132. Parodoi bedeckt 187 — Ski. (4r) 134, mit den Seiten- 
räumen 160. Bhw. (Sß) 135, nicht gerade 129, mit Fig. 5 
vgl. 159. Bvw. (SVß) 162, mit Fig. 5 vgl. 159. B.tiefe 163. 
Thüren (3 + 2?) 176, (senkr. T) 177. 

Oinoanda 27 (A 7), in Lykien, griech. T. 110: — 82. 101 (IL 
4f5) — Z. (12:20), AnaL (konverg. Radien), Keile gleich 
117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (sao 4- 2r?) 133. 48. 
Bhw. (T) 135. Bvw.? B.länge (ca. D) 171. Thüren? 

Otricoli 5 (II 14), röm. T. 109: — 77 f. 93 (la. 4f3). vgl m. 
Vitruv 91 f. — Z. (6 : 12), Anal. (D), Keile gleich 118 f. 155. 
Urkreis 130 f.; Parodoi bedeckt (?) 187 — Bgfig. (Qua- 
drant) 155. Ski. (4r) 134, ohne die Seitenräume 160. Bhw. 
(T, eig. Kreisbogen) 135. 129. Bvw. (D?) 162 B.tiefe 163. 
Thüren (?) 175, vgl. 138. 




Oertliches Inhaltsverzeichnis. 215 

Patara 37 (I 5), in Lykien, griech. (?) T. 110: — 66. 103 f. 
(III. Sf?) — Z. (8 ; 14), Anal, (konverg. Eadien), Keile gleich 
117. 66. Urkreis unregelm. (?) 132. Parodoi 187 — Bgfig. (£4) 
133. 137. 144. 174. Ski. (s^ + 2r?) 133. Bhw. (T) 135. 
Bvw. (84?) 137. 161. B.tiefe 161. B.länge (= Ski.) 172. 
Thüren (5) 174, (Senkrechte u. Bgfig.) 174. 147. — Zur Ge- 
schichte 167. 172 f. 174. 

Pessinus 71 (I 13b), in Galatien, griech. (?) T. 201, vgl. 191 
u. 129: — 191. 203 (IV b. fg) - Z. (5:8), Anal, (konverg. 
Radien), Keile gleich (?) 204 — Ski. (sg + 2r) 204. Bhw. 
(T?) 205, Bauch 129. Bvw. (S) 205. Nur eine Thür (?) 205. 

Pinara 36 (A 5), in Lykien, griech. T. 110: — 81. 103 f. (III. 
2f7) — Z. (8 : 14), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 
117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Bgfig. {Q 133. 138. 175. 
Ski. (S4 + 2r) 133. Bhw. (S) 136. Bvw. (?) 161. B.tiefe (?) 
161. B.länge (D) 171 f. Thüren (3) 174, (Radien u. Bgfig.) 
138. 175. 

Piraeus, griech. T. 110: — 46 ff. 108 f. (V. £22) — Z. (13:22); 
alles Übrige gleich oder ähnlich wie im dionys. T. zu Athen. 

Pola 3 (A 17), röm. T. 109: — 83. 93 (la. 4f3), vgl. m. Vitruv. 
91 — Z. (6:12), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Urkreis 130. 
Keine Parodoi 188 — Ski. (4r) 134, ohne die Seitenräume 
160. Bhw. (ss) 135. Bvw. (D?) 162. B.tiefe 163. Thüren 
(3 + 2) 176, (senkr. T) 177. 

Pompeji 31 (II 7 A), umgebautes griech. T. 110: — 76. 101 f. 
(II. fio) — Z. verändert (ß : 10 statt 7 : 10), Anal, (unregelm., 
z. Th. parallel), Endkeile schmäler und unten verkürzt 
124 f. Untere Grenze des Z. abweichend 141. Urkreis (?) 
129, schneidet Sitze ab 131. Itinera 189 — B. umge.baut 
128 f. 179 ff. Ski. (2sio + 2r) 182. Bhw. (üb. T) 180, aus- 
gebaucht 129. Bvw. (S7,o) 184, ursprünglich (s,o?) 184. 192: 
Thüren (3 + 2), (senkr. T) 189 — Zur Geschichte 110. 125. 
189. 

Pompeji 33 (II 7 B), röm. 0. 109: - 75. 102 (IL f,o) — Z. 
(5: 10), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Urkreis 132, schneidet 
Sitze ab 131. Parodoi bedeckt 187 — Ski. (4r) 134. Bhw. 
(T) 135. Bvw. (SVio) 162. B.tiefe 163. Thüren (5 + 2) 
176, (senkr. T) 138. 177 — Zur Geschichte 110. Regel- 
mässigste Anlage 158. 

Rhiniassa 43 (I 27)' in Epirus, umgebautes griech. T. 110: — 
71 f. 105 (IVb. 4f4) — Z. verkürzt (ca. 10 : 16 statt 10 : 16), Anal. 



216 Oertliehes Inhaltsverzeichnis. 

(parallel), Endkeile schmäler 124 f. Keine Parodoi 188 — 
B. amgebaat 128 f. 179 ff., deshalb Urfcreis (?) 129. Ski. 
(«4 4- 2r) 181. Bhw. (T) 180 - Zar Geschichte 126. 188. 

Rhodiopolis 24 (A 2), griech. O. llOf. 113: — 80f. lOOf. 
(II. 2Q — Z. (6 : 10), Anal, (konverg. Radien), Kefle gleich 
117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (4r) 133. Bhw. (%'?) 
136. Bvw. (?) 161. B.tiefe (?) 161. B.länge (?) 172. Thü- 
rcn? — Zur Geschichte 113. 172. 

Rom 2 (A 14), des Marcellas, röm. T. 109: — 82. 93 (Ja. 4f,). 
vgl. m. Vitrav 91 — Z. (6 : 12j, Anal. (D), Keüe gleich 118 f. 
Urkreis 132. Keine Parodoi (?) 183 — SkL (4r) 134. Bhw. 
(S?) 136. Bvw. (D?) Ifö. B.tiefe 163. Thüren (3 -h 2) 
176, (Senkrechte) 177. 

Rom 4 (II 12B), des Pompejas, röm. T. 109: — 7T. 93 (la. 4f,), 
vgl. m. Vitrav 91 — Z. (6:12), Anal. (D), Keüe gleich 118 f. 
Urkreis 132. Keine Parodoi (?) 188 — Ski. (4r) 134, ohne 
die Seitenräame 160. Bhw. (S?) 136. Bvw. (D?) 162. 
B.tiefe 163. Thüren (3 + 2) 176, (Senkrechte) 177. 

Sagantam 1:5 (II 20), in Spanien, röm. T. 109: — 80. 96 
(Ib. 3fa) — Z. (4:9), Anal, (parallel?), Endkeile oben breiter 
120 f. Urkreis 132, schneidet Sitze ab 131. Parodoi be- 
deckt (?) 187— Ski. (4r?) 134. Bhw. (T) 135. Bvw. (?) 162 
(anders, zu kühn 80). B.tiefe (?) 163. Thüren (?) 175. 

Segeste 32 (II 3), in Sizilien, umgebaates griech. T. 110: — 
73. 102 (II f,o) — Z. verkürzt (6 : 10 statt 7 : 10), Anal, (pa- 
rallel), Endkeile schmäler 124 f. Keine Parodoi 188 — B. 
amgebaat 128 f. 179 ff., deshalb Urkreis (?) 129. Bgfig. (f^) 
182. Ski. (S4 -+- 2r) 182. Bhw. (T) 180. Bvw. (SVio) 184, 
ursprünglich (s^?) 184 — Zur Geschichte 110. 126. 188. 

Side 16 (I 3), inPamphylien, griech. T. 110: — 65. 97 f. (Ic. Sfo) 
— Z. (11 : 18), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 117. 
Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (se + 2r) 133. Bhw. 
(ca. T) 135. Bvw. (se) 136 f. 161. B.tiefe 161. B.länge (D?j 
171. Thüren? 

Sikyon 65 (I 24), griech. T. 201: — 194. 202 (IV a. 3f4?) - Z. 
(7:12?), Anal, (konverg. Radien?), Keile gleich (?) 204 — 
Ski. (s4 + 2r?) 204. Bhw. (T) 205. Bvw. (84?) 205. B.länge 
(D?) 205. 

Sparta 56 (I 19), umgebautes griech. T. 201: — 193. 203 
(IV a. Bf 4; scheinbar la. 4f3) — Z. verändert (8:12 statt 
7 : 12), Anal, (parallel), Endkeile nicht gleich 204. 



Oertliches Inhaltsverzeichnis. 217 

Stratonikeia 44 (18), in Karien, griech. T. 110.67: — 67.105 
(IVb. 4f4) — Z. (wohl 10 : 16), Anal. (?), Keile gleich (?) 
117. 114. Urkreis (?) 128. 

Syrakus 17 (II 1), in Sizilien, umgebautes griech. T. 110: — 
72. 97 ff. (Ic. Sfs) — Z. verkürzt (10:18 statt 11:18), Anal, 
(z. Th. = D, z. Th. parallel), 2 Treppen kassirt, Endkeile 
breiter und unten verkürzt 124 f. Itinera 189 — B. um- 
gebaut 128 f. 179 ff., deshalb Urkreis (?) 128 f. Bgfig. (£4) 
182. Ski. (S4 + 2r) 182. Bhw. (S) 180. Bvw. (S, fast D) 
183 ff. — Zur Geschichte 110. 125 f. 189. 

Tauromenion 46 (II 6), in Sizilien, umgebautes griech. T. 
110: — 74. 105 ff., vgl. 185 f. (IV c. 4^^) — Z. verkürzt (8 : 16 
statt 9 : 16), Anal. (D u. parallel), Endkeile unten verstümmelt 
124 f. Itinera 189 — B. umgebaut 128 f. 179 ff., deshalb 
Urkreis (?) 129. Ski. (s^ + 2r) 181, mit den Seitenräumen 

182 (anders 74). Bhw. (s^?) 180 (anders 74f.). Bvw. (SVie) 

183 ff. B.länge (D) 182. Thüren (3 + 2), (Eadien oder 
Senkrechte) 189 — Zur Geschichte 110. 125 f. 189. 

Telmissos 34 (I 6), inLykien, umgebautes (?) griech. T. 110: 
— 66 f. 103 (III. fu) — Z, verkürzt? (ca. 9 : 14 statt volle 
9 : 14), Anal, (unregelm.), Endkeile schmäler 123. Parodoi 
(halb?) 188 - B. umgebaut (?) 128 f. 179 ff. Urkreis (?) 
129 f. Ski. (si4 + 2r?) 181. 48. Bhw. (s^?) 180. Bvw. 
(SV14) 183 ff. Thüren (5), (Radien od. Senkrechte) 189 — 
Zur Geschichte 126? 188. 

Termessos maj. 33 (A 1), in Lykien, griech* T. 110: — 80. 
100 (II. 2f6) — Z. (6 : 10), Anal, (konverg. Radien), Keüe 
gleich 117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (sj + 2r) 133. 
Bhw. (ca. T) 135. Bvw. (ca. S5) 137. 161. B. tiefe 161. 
B.länge (D) 171 f. Thüren (3?) 174, (Radien) 137. 175. 

Thorikos 73 (I 25), gidech. (?) T. 201: — 194. 

Tibur 15 (II 13), bei, röm. 0. 110 f.: — 77. 96 (Ib. BQ - Z. 
(5:9), Anal, (parallel), Keile ungleich 120 f., vgl. 114. Ur- 
kreis 132. Keine Parodoi 188 — Ski. (4r) 134, ohne die 
Seitenräume 160. Bhw. (T) 135. Bvw. (SVo) 162 B.tiefe 
163. Thüren (?) 175 — Zur Geschichte 113. 

Tibur 51 (A 15), bei, röm. T. 121: — 197 f. 205 f. (la. 4f8?) - 
Z. (6 : 12), Anal. (D) , Keile gleich (?) 206 - Ski. (4r) 207. 
Bhw. (T?) 208. Bvw. (D) 208. Thüren (5), (senkr. T) 208. 

Tusculum 48 (II 11), röm. T. 109: - 76 f. 105 (IVb. 2f4?) - 
Z. (ca. 9:20), Anal, (parallel), Keile ungefähr gleich 118 f. 
Oehmichen, Griech. Theaterbau. I5