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>'»;*^
GRIECHISCHER THEATERBAÜ.
NACH VITEUV UND DEN ÜBEREESTEN.
VON
GUSTAV OEHMICHEN.
MIT FÜNF FIGUREN.
BERLIN.
WEIDMANNSGHE BUCHHANDLUNG.
1886.
i
Uebersicht des Inhalts.
Seite
!♦ Vitruvs Begeln.
Einleitung; Vitruvs Text 1—5
1. Die Anordnung des Stoffs in den vitruvischen
Vorschriften über den griechischen und rö-
mischen Theaterbau 5—7
2. Der erste Theii der vitruvischen Vorschrift
über das römische Theater 7—14
Bichtung der Winkel 8
(Itinera versurarum; versurae procurrentes 10)
3. Vitruvs Konstruktion des griechischen Thea-
ters nach Müllers Ansicht • . . . 14—23
„Rechts" und „links" .* 16
Intervallum 16
Die symmetrischen Verhältnisse 21
4. Vitruvs Konstruktion des griechischen Thea-
ters; neuer Lösungsversuch 23 — 35
Intervallum 24
„Rechts" und „links" 26
Intervallum dextrum und sinistrum 28
Erster Versuch 28
Brunns Ansicht 29
Zweiter Versuch 30
Zweck der Kreisbögen 31
Umständlichkeit Vitruvs 'il , . 33
A*
IV Uebersicht des Inhalts.
Seite
II. Die Theaterfiberreste (Beschreibung).
Einleitung; Methode . 36—39
1. Das dionysische Theater Athens 39 — 50
Masse 40
Urkreis 42
Grundfigor 45
Bühnengrundfigur 46
(Piraeustheater 47)
Seitliche Bühneneingänge 49
2. Polyklets Theater zu Epidauros 51—62
Grenzen des Zuschauerraumes 52
Gliederung desselben 53
Orchestragürtel 54
Untere Grenze des Zuschauerraumes 54
Kanäle 55
Orchestra 55
Grenzen des Skenenvorderraumes 56
Gliederung desselben 57
Urkreis 58
Grundfigur 58
Bühnengrundfigur 60
3.* Die übrigen Theaterüberreste 62—84
Tafel I bei Wieseler (Asien, griechische Inseln,
Griechenland und Epirus) 65
Tafel II bei Wieseler (Sizilien, Italien, Frankreich
und Spanien) 72
Tafel A bei Wieseler (Lykien, Sizilien, Italien
und Algier) 80
III. yergleiehangeii und Folgerungen.
Einleitung; Tabelle 85—90
1. Einzelvergleichung 90—109
Vergleichung mit Vitruvs röm. Begel 91
Dgl. mit Vitruvs griech. Begel 92
Gruppen nach den Grundfiguren:
la. Vier Dreiecke 93
Ib. Die übrigen Dreiecke 93
Ic. Sechsecke 96
Uebersicht des Inhalts. V
Seite
II. Fünfecke und Zehnecke 100
III. Siebenecke und Vierzehnecke .... 102
IVa. Drei Quadrate 104
IVb. Die übrigen Quadrate (und Achtecke) . 105
IVc. Schiefgestellte Quadrate und Achtecke 105
V. Zweiundzwanzigeck, Elfeck 108
2. Gesammtyergleichung. 1. Zwei Haupttypen 109—113
Römischer Typus 109
Griechischer Typus 110
Geographische Lage 110
Bedenken 110
Entwicklung der Odeen 112
2. Gesammtvergleichung. 2. Hauptbestand-
theile • 113-138
A. Zuschauerraum 113
a. Gliederung des Z 114
b. Treppen im Z 114
c. Grundfigur für den Z 115
d. Endkeile und Analemmata:
in den griech. Theatern 116
in den röm. Theatern . . « 118
(1. Anal. = D, Keile gleich 118,
2a. Anal, parallel, Keile nicht gleich 119,
2b. Anal. == D, Keile nicht gleich 121)
in den umgebauten Theatern 123
Entwicklung des Umbaues 125
B. Orchestra; Urkreis 126
(Umgebaute Bühnen 128)
(Sitze innerhalb des Urkreises 131)
C. Das Bühnengebäude 132
Länge des griechischen 133
Länge des römischen 133
Bühnenhinterwand = Tangente 135
Bühnenhinterwand = Sehne 135
Bühnenvorderwand (Zusatz 2) 136
Seitliche Bühnengrenzen (Zusatz 3) . . . . 137
Thüren in der Bühnenhinterwand (Zusatz 4) 137
3. Die allgemeine Begel. 1. Die griechische . 138—152
A. Urkreis; Grundfigur 139
Ba. Grenzen des Zuschauerraumes 140
VI Uebereicht des Inhalte.
Seite
Bb. Gliederung desselben 142
C. Bühnengebäude 143
a. Grenzen des Skenenvordorraumes .... 145
b. Gliederung desselben; Bühne 146
D. Beispiele 148
(Bühnentiefe 151)
3. Die allgemeine Kegel. 2. Die römische . . 152—159
A. Urkreis; Grundfigur 152
Ba. Grenzen des Zuschauerraumes 153
Bb. Gliederung desselben -. 154
C. Das Bühnengebäude 155
a. Grenzen des Skenenyorderraumes .... 155
b. Bühne 156
D. Beispiele 157
(Theater von Nora und Calama 158)
Zusätze zum dritten Theil.
1. Seitengrenzen des Skenenyorderraumes . . 160—161
2. Bühnenvorderwand 161—163
im griech. Theater 161
im röm. Theater 161
Bühnentiefe im röm. Theater 163
3. Seitliche Bühnengrenzen 164—173
im röm. Theater 164
im griech. Theater nach Vitruvs zu ergänzender
Regel 164
in Polyklets Theater zu Epidauros 167
in einem Vasenbild: Wieseler IX, 13 168
im dionysischen Theater Athens 170
in den übrigen älteren griech. Theatern . . . 171
in den jüngeren griech. Theatern 172
Entwicklung 172
4. Thüren in der Bühnenhinterwand 173—177
in den griech. Theatern 174
in den röm. Theatern 175
5. Die umgebauten Bühnen 178—190
Bühnenhinterwand 180
Skenenlänge 181
Bühnenvorderwand 182
(verglichen mit der des griech. Theaters 184)
Uebersicht des Inhalts. VII
Seite
Orchestraeingänge :
(offene in den griech. Theatern 187;
bedeckte oder keine in den röm. 187)
keine oder bedeckte in den umgebauten . . 188
Nebenthüren in der Bühnenhinterwand .... 189
6. Die übergangenen Grundrisse 190—208
Tafel I bei Wieseler (Adria, Karlen, Galatien,
Syrien, griech. Inseln, Griechenland) ... 190
Tafel II bei Wieseler (Sizilien, Italien) . . . 194
Tafel A bei Wieseler (Lykien, Kilikien, Troas,
Sizilien, Italien, Frankreich) . 196
Tabelle . 200
Typen . 201
Geographische Lage 202
Griechische und umgebaute Theater:
Grundfigur 202
Zuschauerraum 204
Bühne 204
Bömische Theater:
Grundfigur 205
Zuschauerraum 205
Orchestraeingänge 206
Bühne 207
Oertliches Inhaltsverzeichnis 209—218
Kunstwörterverzeichnis 218 — 220
Theatergrundrisse (Figuren):
1. Vitruvs römischer 8
2. Vitruvs griechischer (nach Müller) 15
3. Dgl. (neu) 24
4. Des dionysischen Theaters (Athen) 40
5. Der allgemeine 148
Zur Beachtung.
Einem freundlich ertheilten Bathe zufolge habe ich für den
weniger fachkundigen Leser ein Eunstwörterverzeichnis am
Schluss hinzugefügt. Zur Orientirung dürfte auch die allgemeine
Hegel (S. 138 ff.) brauchbar sein , wenn man über die ein-
geklammerten Ausführungen hinwegliest.
München 1886.
Dr. G. 0.
Erster Theil.
Vitruvs Regeln.
Ausführlich hat zuletzt, soviel ich weiss, die vitruvi-
schen Regeln über den Theaterbau A. Mttller besprochen
in den Jahrbüchern für klass. Philologie 105 (1872) 691 ff.
Seine Erklärung hält er für abschliessend noch in dem
zweiten seiner vortrefflichen Jahresberichte über die
seenische Litteratur, die im Philologus 23 (1866) und
35 (1876) erschienen sind, und auf die ich, um Zitate zu
sparen, ausdrücklich verweise. Der verehrte Flensburger
Direktor wird es mir nicht nachtragen, dessen bin ich
sicher, wenn ich gegen einen Theil seiner Beweisführung
Einsprache erhebe und seine Erklärung ein wenig ab-
ändere.
Durchaus einverstanden bin ich zunächst mit seiner
Abweisung früherer Erklärungsversuche, insbesondere mit
der Abweisung der ganz und gar willkürlichen Annahme,
dass centrum orchestrae etwas anderes sei als Kreis-
mittelpunkt. So vieler Worte, wie Wecklein und Müller
verloren haben, um die Unhaltbarkeit jener Annahme
nachzuweisen, hätte es kaum bedurft, da kein Architekt
oder Mathematiker, so viel ich gelesen oder erprobt,
unter centrum orchestrae etwas anderes verstanden hat
als den Mittelpunkt des zuerst herzustellenden Kreises.
Oehmichen, Griech. Theaterbau. i
2 I. Vitruvs Regeln.
Denn Architekt war wie Schönbom auch Rode nicht,
der, wie nicht nur aus seiner üebersetzung des Vitruv
247 n 5, sondern auch aus den beigegebenen Zeich-
nungen hervorgeht, zuerst diese Hypothese aufgestellt
hat. Ich erwähne dies, weil die Darstellungen Wieselers,
Müllers und Schönborns den Schein erwecken, als ob
der Zuletztgenannte der Urheber der erwähnten Hypo-
these sei.
Nicht ebenso wie mit seinen negativen kann ich da-
gegen mit Müllers positiven Ergebnissen durchaus ein-
verstanden sein. Anstoss, glaube ich, muss besonders
genommen werden an Müllers Erklärung von intervallum.
Doch um meine Ansicht klar und deutlich zu machen,
muss ich, wenn auch ungern, wie meine Vorgänger ab
ovo anfangen, muss ich zuerst den Text des Vitruv her-
setzen und daran dann erklärende Bemerkungen knüpfen.
Unterscheiden werde ich mich jedoch dadurch von meinen
Vorgängern, dass ich die Vorschriften des Vitruv über
den römischen und griechischen Theaterbau nicht hinter-
einander ausschreibe und bespreche, sondern sie zunächst
einander gegenüberstelle. Es findet sich nämlich in bei-
den Vorschriften eine eigenthümliche Uebereinstimmung,
die zwar schon bemerkt, aber nicht genügend gewürdigt
worden ist. Aus ihr lassen sich für die Erklärung
äusserst wichtige Schlüsse ziehen, und das Zwingende
der Schlüsse wird am besten erkannt werden durch
Gegenüberstellung beider Vorschriften. Den Text gebe
ich natürlich nach Valentin Rose und Müller- Strübing.
Vitruv V 6. Ipsius autem
theatri conformatio sie est
facienda uti quam magna
futura est perimetros imi,
centro medio conlocato cir-
cumagatur linea rotundatio-
Vitruv V 8. In Graeco-
rum theatris non omnia is-
dem rationibus sunt facienda,
quod primum in ima circi-
natione ut in Latino trigo-
norum IUI, in eo qoadrato-
Einleitung.
öis, in eaque quattuor scri-
bantur trigona paribus late-
ribus et intervallis, quae
extremam lineam circinatio-
nis tangant, quibns etiam
in duodecim signorum cae-
lestium astrologia ex musica
convenientia astrorum ratio-
<5inantur. ex bis trigonis
cuius latus fuerit proximum
scaenae, ea regione qua prae-
cidit curvaturam circinationis,
4bi finiatur seaenae frons, et
ab eo loco per centrum paral-
lelos linea ducatur, quae
disiungat proscaenii pulpi-
tum et orchestrae regionem.
ita latius factum fuerit pul-
pitum quam Graecorum, quod
omnes artifices in scaena dant
operam. (lies Komma statt
Punkt) in orchestra autem
senatorum sunt sedibus loca
designata, (zu lesen ist Punkt
statt Komma) et eius pulpiti
aÜitudo sit ne plus pedum
quinque, uti qui in orchestra
sederint, spectare possint
omnium agentium gestus.
cunei spectaculorum in thea-
tro ita dividantur uti anguli
trigonorum, qui currunt cir-
cum curvaturam circinatio-
nis, dirigant ascensus scaias-
rum trium anguli circinatio-
nis lineam tangunt^ et cuius
quadrati latus est proximum
seaenae praeciditque curvatu-
ram cirdnationiSy ea regione
designatur finitio proscaenii.
et ab ea regione ad extre-
mam circinationem curvatu-
rae parallelos linea designa-
tur, in qua constituitur frons
seaenae, per centrumque or-
chestrae a proscaenii regi-
one parallelos linea descri-
hitur et qua secat circinatio-
nis lineas dextra ac sinistra
in comibus hemicyclii centra
signantur, et circino con-
locato in dextro ab inter-
vallo sinistro circumagitur
circinatio ad proscaenii sini-
stram partem. item centro
conlocato in sinistro comu
ab intervallo dextro circum-
agitur ad proscaenii dextram
partem. ita tribus centris
hac descriptione ampliorem
habent orchestram Graeci
et scaenam recessiorem mi-
noreque latitudine pulpitum,
quod Xoyeiov appellant, ideo
qu4)d eo tragici et comici
actores in scaena peragunt,
reliqui autem artifices suas
per orchestram praestant
I. Vitruvs Regeln.
actiones itaque ex eo scae-
nici et thymelici graece
separatim nominantur. eius
logei altüudo non minus dehet
esse pedum X, non plus duo-
decim. gradationes scala-
rum inter cuneos et sedes
contra quadratorum angulos
dirigantur ad primam prae-
cinctionem, a praecintione
inter eas itemm mediae diri-
gantur, et ad summam quo-
tiens praecingontur, altero
tanto semper amplificantar.
que inter cuneos ad primam
circinationem, supra autem
alternis itineribus superiores
conei medii dirigantur. ei
autem qui sunt in imo et
dirigunt scalaria; erunt nu-
mero Vn, reliqui quinque
scaenae designabunt compo-
sitioneni; et unus medius
contra se valvas regias ha-
bere debet, et qui erunt
dextra ac sinistra hospitalio-
rum designabunt compositio-
nem, extremi duo specta-
bunt itinera versurarum.
gradus spectaculorum e. q. s. {
Was Vitruv über den griechischen Theaterbau sagen
konnte oder vielmehr sagen wollte, ist oben vollständig
ausgeschrieben worden. Von seinen Vorschriften über
den römischen Theaterbau dagegen ist nur ungefähr
ein Drittel mitgetheilt. Meine Beweisführung macht es
nöthig; dass ich von dem Reste wenigstens einen Aus-
zug gebe.
Vitruv fährt, wo ich oben abgebrochen habe, fol-
gendermassen fort: gradus spectaculorum ubi subsellia
componantur ne minus alti sint palmo, ne plus pede et
digitis sex, latitudines eorum ne plus pedes duo semis,
ne minus pedes duo constituantur. 7. tectum porticus
quod futurum est in sunmia gradatione, cum scaenae
altitudine libratum perficiatur, ideo quod vox crescens
aequaliter ad sununas gradationes et tectum perveniet.
namque si non erit aequale, quo minus fuerit altum, vox
praeripietur ad eam altitudinem ad quam perveniet
primo. orchestra inter gradus imos quam diametron
1. Anordnung des Stoffs. 5
habuerit; eins sexta pars sumatur, et in cornibus utrim-
que ad aditus eins mensurae perpendiculo inferiores
sedes praeeidantur, et qua praecisio fuerit, ibi constituan-
tur itinemm supercilia. ita enim satis altitudinem habe-
brmt eorum confomicationes. scaenae longitudo ad or-
chestrae diametron duplex fieri debet. podii altitudo eqs.
Es folgen nun zunächst die Vorschriften über die archi-
tektonische Anlage der Bühnenhinterwand. Nachdem
Vitruv hierauf einige Bemerkungen gemacht hat über Ab-
weichungen von der strengen Symmetrie, die in der Klein-
heit eines Theaters oder in der Geringfügigkeit der
Mittel begründet sind, lässt er zum Schluss noch einige
Angaben folgen, welche die Bühneneingänge, die Peri-
akten und die scenische Ausstattung der Bühne betreflfen.
Erster Abschnitt
Die Anordnung des Stoffs in den vitiuvischen
Yorschriften über den griechischen und romischeti
Theaterbau.
Betrachten wir zunächst im Allgemeinen die Dis-
position der vitruvischen Vorschriften. Beide beginnen
mit der Zeichnung eines Kreises, des ürkreises. Bei
der Konstruktion des römischen Theaters werden in den
Urkreis vier gleichseitige Dreiecke so eingezeichnet, dass
die Ecken in gleichen Abständen die Peripherie des
Kreises berühren; bei der Konstruktion des griechischen
Theaters werden in den ürkreis drei Quadrate unter
gleicher Bedingung eingezeichnet. Nachdem dann noch
eine Parallele im Grundriss des römischen Theaters und
zwei Parallelen und zwei Kreisbögen im Grundriss des
6 I. Vitruvs Regeln.
griechischen Theaters gezogen sind, sollen folgende Theile
des Theaters bestimmt sein:
A. inv römischen Theater: B. im griechischen Theater:
1) Umfang der Orchestra, 1) dgl.
2) Bühnenbreite 2) dgl
Weiter wird dann angegeben:
3) Bühnenhöhe (5 Fuss) 3) dgl. (10-12 Fuss).
Bestimmt sind femer durch die Ecken der in den ür-
kreis eingezeichneten Dreiecke, bzw. Quadrate:
4a) Die Treppen im Zu- 4a) dgl.
schauerraum,
4b) Die Bühneneingänge 4b) fehlt.
(3 Thüren und 2 itinera versurarum.)
Mit 4a hört die Vorschrift über den griechischen Theater-
bau auf. Weiter geht die über den römischen Bau ; sie
beruht aber nicht mehr unmittelbar auf der Grundfigur,
auf den in den ürkreis eingeschriebenen Dreiecken. Es
werden nämlich bestimmt:
5) Höhe der Sitze im Zuschauerraum,
6) Höhe der Portikus oberhalb des Zuschauerraumes,.
7) Eingänge in die Orchestra,
8) Länge der scaena,
9) architektonische Anlage der Bühnenhinterwand.
Zum Schluss folgen noch einige Bemerkungen über
nöthige Abweichungen von den gegebenen Regeln und
Andeutungen über die scenische Ausstattung der Bühne»
Aus derGleicheit beider Dispositionen bis zur Rubrik 4a
darf mit gewisser Wahrscheinlichkeit der Schluss gezogen
werden, dass bei der griechischen Theaterkonstruktion
die Länge der scaena nicht bestimmt ist, da eine ent-
sprechende Bestimmung in der parallelen Vorschrift über
2. Das röm. Theater. 7
das römische Theater erst unter Rubrik 8 sich findet^
also im zweiten Theil der Vorschrift, der für das griechi-
sche Theater fehlt. Diese Schlussfolgerung ist, was
ich wohl zu beachten bitte, nur als wahrscheinlich hin-
gestellt, da Vitruv kein Schriftsteller ist, der genaue
Anordnungen liebt oder die genauen Anordnungen seiner
Gewährsmänner streng einhält. Beispiele hierfür sind
schon früher beigebracht worden; sie Hessen sich leicht
vermehren. Ist aber der Schluss einigermassen gerecht-
fertigt, so durfte Müller nach dem Vorgange Schönboms
als Zweck der im griechichen Theatergrundriss vom
zweiten und dritten Zentrum aus zu schlagenden Kreis-
bögen nicht unbedingt die Bestimmung der Skenenlänge
annehmen.
Die Auslassung des zweiten Theils der Vorschrift
über das griechische Theater, um dies nebenbei zu er-
wähnen, wird, wie öfter, in dem Umstände begründet
gewesen sein, dass Vitruv bei Abfassung seiner Schrift
praktische Zwecke verfolgte und in erster Linie römische
Verhältnisse und die Bedürfnisse römischer Baumeister
im Auge hatte, denen naturgemäss selten, wenn über-
haupt, Gelegenheit geboten war griechische Theater
aufzubauen.
Zweiter Abschnitt.
Der erste Theil der vitruvischen Vorschrift über
das romische Theater.
(Vgl. Fig. 1.)
Vitruvs Vorschrift über die Konstruktion des römi-
schen Theaters enthält, wie oben schon angedeutet
worden ist, zwei Theile. Der erste umfasst das Grund-
8
I. Vitruvs Regeln.
Schema und die durch dasselbe direkt veranlassten Be-
stimmungen, der zweite die übrigen Bestimmungen über
Zuschauerraum, Parodoi, Skenenlänge, Bühnenausstattung
u. s. w., die durch die Grundfigur des Theatergrundrisses
nicht unmittelbar angezeigt sind.
Die Grundfigur und die für den Theaterbau wesent-
lichen Theile desselben sind folgende: In einen Exeis
werden vier gleichseitige Dreiecke so eingezeichnet, dass
ihre Ecken in gleichen Abständen die Peripherie des
Kreises berühren. Die Seite mh des Dreiecks mdh be-
zeichnet die Front des Bühnengebäudes (frons scaenae),
d. i. die Bühnenhinterwand. Der dieser Seite parallele
Figur 1.
Durchmesser ag scheidet die Bühne (proscaenii pulpi-
tum) von der Orchestra. Im Texte des Vitruv folgt
diesen Bestimmungen die Angabe der Bühnenhöhe
(5 Fuss), die mit der Grundfigur in keinerlei Zusammen-
hang steht und ebenso gut später hätte erwähnt werden
können wie die Skenenlänge. , In direkter Beziehung zur
Grundfigur dagegen stehen die Bemerkungen über die
Winkel der Dreiecke. Sieben Winkel, nämlich iae, kbf,
leg, mdh, aei, bfk und cgi, geben die Richtungen der
Treppen im Zuschauerraum an ; die übrigen fünf W inkel
bestimmen die Bühneneingänge, nämlich bkf die Mittel-
%
2. Das röm. Theater. 9
thür, clg und aie die Seitenthüren und dmh und hmd
die itinera versurarum. Vitruvs Ausdrucksweise ist bei
diesen Angaben etwas unbestimmt, aber es ist für die
zuerst genannten sieben Winkel unbezweifelt, dass die
Richtung der Winkel und Treppen gegeben ist durch
die Linien, welche die Winkel halbiren, also diejenigen
Linien, welche vom Mittelpunkt des Kreises aus durch
die Scheitelpunkte der Winkel gehen.
Grosse Meinungsverschiedenheit dagegen herrscht
über die Richtung der übrigen fünf Winkel. Zwei An-
sichten allein, glaube ich, haben eine gewisse Berech-
tigung. Die erste ist die, dass die Richtung dieser fünf
Winkel nach demselben Prinzip bestimmt sei wie die
der sieben Winkel, durch welche die Treppen im Zu-
schauerraum ihre Lage angewiesen erhalten. Danach
müssen die Winkel halbirt werden; dann zeigen die-
jenigen Punkte, in denen die Halbirungslinien die scaenae
frons schneiden, die Lage der Thüren an. Schönbom,
Skene 46, wendet zunächst hiergegen ein, dass die Thüren
bei dieser Konstruktion zu eng neben einander in der
ziemlich langen scaenae frons zu liegen kommen. Zwar
geht Schönbom, wie es scheint, von der Vorausetzung
aus, dass die eigentliche Bühne dieselbe Länge habe
(zwei Durchmesser des ürkreises) wie das gesammte
Bühnengebäude (scaena), einer Voraussetzung, die ich für
ungerechtfertigt erklären muss, da wir nicht bestimmt
wissen, wie lang Vitruv das durch die versurae procur-
rentes auf beiden Seiten begrenzte proscaenium ansetzt,
d. h. ob es nicht doch vielleicht bloss so lang ist als
ein Durchmesser des ürkreises. Gleichwohl sehe ich
seinen Einwurf als begründet an: denn selbst bei einer
Bühnenlänge von der Grösse eines Durchmessers des
ürkreises würden die durch die Halbirungslinien der
10 I. Vitruvs Regeln.
Winkel angezeigten Thüren verhältnismässig etwas zu
eng neben einander stehen.
Es sprechen aber ausserdem noch zwei andere Um-
stände gegen die oben bezeichnete erste Annahme*
Wenn nämlich die beiden äussersten der ftlnf Winkel,
welche spectabunt itinera versurarum, halbirt werden,
so fallen die Punkte, in denen die Halbirungslinien die
scaenae frons schneiden, mit den Scheitelpunkten der
Winkel zusammen, weil diese Scheitelpunkte auf der
Linie liegen, die Vitruv mit scaenae frons bezeichnet.
Hätte Vitruv mit diesen Punkten die Lage der itinera
versurarum andeuten wollen, so hätte er für spectabunt
einen andern Ausdruck wählen müssen. „Hier weist
das spectabunt entschieden darauf hin, dass die Thüren
nicht mit den Winkehi der Dreiecke zusammenfallen, '^
sagt richtig Schönbom, Skene 47.
Der andere Umstand, welcher gegen die oben be-
zeichnete Richtung der anguli spricht, ist der, dass die
itinera versurarum überhaupt nicht in der scaenae frons
liegen, sondern seitlich, rechts und links von der eigent-
lichen Bühne, in den versurae procurrentes, die in
keiner Weise von den Halbirungslinien der beiden äusser-
sten Winkel geschnitten oder auch nur berührt werden.
Schönbom will allerdings aus den Worten des Vitruv
herauslesen, dass die itinera versurarum in der scaenae
frons liegen, doch ist schon von Müller im Philologus 23
(1866) 299 f. die ünhaltbarkeit seiner Erklärung nach-
gewiesen worden: durch die versurae procurrentes des
Vitruv kann unmöglich etwas anderes angedeutet sein
als die seitlich vom Proscenium gelegenen Theile der
Skene; sie mit den Periakten in Zusanunenhang zu
bringen, wie Tölken, Ueber die Antigone des Sopho-
kles und ihre scenische Darstellung 61, und Reber in
seiner üebersetzung es thun, geht nicht an, da der
%
2. Das röm. Theater. 11
Sprachgebrauch des Vitruv ganz entschieden dagegen
spricht.
Ehe ich an die Besprechung der zweiten nach
meinem ürtheil berechtigten Ansicht über die Richtung
der fünf der Bühne zugekehrten Winkel der Grundfigur
gehe, erlaube ich mir noch einige Bemerkungen über
Schönboms Vermuthung. Nach Schönbom wird die Lage
der Mittelthür gefunden durch Halbirung des mittelsten
jener fünf Winkel und die der Thüren rechts und links
von der Mittelthür durch diejenigen Schenkel der dem
mittelsten zunächst gelegenen Winkel, welche auf der
scaenae frons senkrecht stehen; die itinera versurarum
schliesslich sollen nach ihm seitliche, in der scaenae
frons gelegene Nebenthüren sein. Abgesehen von der
oben angedeuteten Unrichtigkeit der letzten Behauptung,
fällt bei Schönboms Annahme auf, dass ein einheitliches
Prinzip der Konstruktion fehlt. Am einfachsten wäre es
freilich gewesen, die Halbirungslinien der Winkel als
Richtungen für die Treppen sowohl als für die Thüren
festzuhalten. Da dies nicht der Fall war, wie wir ge-
sehen haben, muss die Richtung der die Lage der Thüren
bestinunenden Winkel von einem andern Gesichtspunkt
aus als die der übrigen Winkel geregelt gewesen sein,
aber nur von einem einzigen aus. Denn das dünkt
mich bei einem Architekten als selbstverständlich, dass
er es vermieden hat, das eine mal Halbirungslinien, das
andere mal Senkrechte als Richtungen der Winkel an-
zusetzen.
Der soeben aufgestellten Forderung entspricht die
zweite berechtigte Ansicht über die Richtung der Winkel,
zu der wir jetzt übergehen. Um die Richtung der sieben
die Lage der Treppen bestimmenden Winkel zu fimden,
wurden die Winkel halbirt oder vielmehr wurden vom
Mittelpunkt des Urkreises aus durch die Scheitelpunkte
12 I. Vitruvs Regeln.
der Winkel gerade Linien gezogen. Das ist eine durch-
aus rationelle Konstruktion: denn die Treppen durch-
schneiden die Sitze des Zuschauerraums, diese Sitze
aber und jener ürkreis, in dessen Peripherie die Scheitel-
punkte der Winkel liegen, sind konzentrisch, und Ver-
hältnisse zwischen konzentrischen Flächen werden am
leichtesten in Rücksicht auf den gemeinsamen Mittel-
punkt bestimmt. Anders verhält sich die Sache bei den
übrigen Winkeln. Ihre Scheitelpunkte liegen zwar wie
die jener sieben Winkel in der Peripherie des ürkreises,
allein die Thüren, deren Lage durch die Richtung dieser
fünf Winkel bestimmt ^vird, sind nicht Öffnungen kon-
zentrischer, sondern gerader Mauern, die dem wagrechten,
bzw. senkrechten Durchmesser des ürkreises parallel
laufen. Wir haben also zwei Hauptfiguren, einen Kreis
(ürkreis mit eingeschriebenen Dreiecken) und ein Rechteck
(Bühne). Soll nun das Rechteck in Beziehung gesetzt
werden zum Kreis, d. h. sollen einzelne Theile der Bühne
in einem gewissen Verhältnis stehen zum Kreise, bzw.
zur gesammten Grundfigur, den in den ürkreis eingezeich
neten Dreiecken, so kann man entweder den Kreis oder
das Rechteck als massgebend betrachten. Dass in unserm
Falle nicht vom Kreise ausgegangen worden ist, dass
die Thüren nicht durch Linien bestimmt gewesen sind,
die vom Mittelpunkte des Kreises aus durch die Scheitel-
punkte der Winkel gehen, ist oben auseinandergesetzt
worden. Es bleibt danach nur übrig anzunehmen, dass
für die Konstruktion das Rechteck massgebend gewesen
ist. Daraus folgt, wie mir scheint, dass die zu ziehen-
den Hilfslinien mit den entsprechenden Seiten des Recht-
ecks rechte Winkel bilden müssen, und hieraus folgt
wieder, dass die Richtung der die Bühneneingänge
bestimmenden Winkel durch Linien gegeben
ist, die von den Scheitelpunkten der Winkel
2. Das röm. Theater. 13
aus senkrecht auf die scaenae frons^ bzw. die
versnrae gezogen sind.
Sehen wir zu, ob diese Auffassung der vitruvischen
Worte auf Schwierigkeiten stösst. Der mittelste von
den uns interessirenden Winkeln wird durch eine von
seinem Scheitelpunkt aus auf die scaenae frons senk-
recht gezogene Linie genau halbirt; die Thür, deren
Lage durch die Richtung dieses Winkels bestimmt wird,
liegt also genau in der Mitte der Bühnenhinterwand,
wie es sein muss. Von den beiden dem mittelsten zu-
nächst stehenden Winkeln steht je ein Schenkel senk-
recht auf der scaenae frons. Genau durch solche senk-
rechte Linien bestimmte Thüren finden sich im kapito-
linischen Plan des Theaters des Pompejus (Wieseler,
Theatergebäude U 12). Bis hierher ist also alles in
Ordnung. Wie nun aber weiter? Die duo anguli ex-
tremi haben doch ihre Scheitelpunkte in der scaenae
frons. Senkrechte können danach von jener nach dieser
nicht gezogen werden! Gewiss nicht. Aber müssen denn
die Senkrechten unbedingt auf der scaenae frons errichtet
werden? Die versurae procurrentes sind ja auch da,
sie liegen seitlich, rechts und links von der eigentlichen
Bühne und bilden mit der scaenae frons rechte Winkel.
Auf diesen sind von den duo anguli extremi aus Senkrechte
zu errichten. Allerdings fällt hierbei die Verlängerung
der scaenae frons mit den so errichteten Senkrechten
zusammen; aber das ist durchaus kein Grund, um von
unsrer Konstruktion abzugehn. Ebenso irrelevant ist
der umstand, dass die durch die letztgenannten Senk-
rechten angezeigten Eingänge zur Bühne, nicht in der
Mitte der versurae procurrentes sich befinden, sondern
da beginnen, wo diese mit der scaenae frons zusammen-
stossen.
Ich habe mich bei meiner Erklärung genau an Vi-
14 !• Vitruvs Regeln.
truvs Worte gehalten und ich denke, dass sie einige
Förderung gewähren wird. Zum Schluss möchte ich
aber doch noch darauf aufttierksam machen, dass die
vitnivische Konstruktion deö römischen Theaters, obwohl
sie der des griechischen vorausgeht, schwerlich das ein-
fachere Konstruktionsprinzip aufweist. Es scheint mir
vielmehr das Verhältnis das zu sein, dass der römische
Grundriss dem griechischen nachgebildet wurde, dass
aber bei der Veränderung der Grundfigur (Dreiecke statt
Quadrate) die Richtungen der Winkel anders als im
griechischen Grundriss bestimmt werden mussten. Denn
für das griechische Theater dürfte man nachweisen
können, dass die Richtungen sämmtlicher Winkel der
Grundfigur in der Regel durch die Halbirungslinien der
Winkel gegeben waren.
Dritter Abschnitt.
Yitravs Konstruktion des griechischen Theaters nach
Hüllers Ansicht.
(Vgl. Fig. 2.)
In einen Kreis werden drei Quadrate so eingezeich-
net, dass ihre Ecken in gleichen Abständen (paribus
intervallis, zwar nicht direkt von Vitruv angegeben, aber
nach Analogie des römischen Theaters sicher anzuneh-
men) die Peripherie des Kreises berühren. Die Quadrat-
seite nk bezeichnet die Grenze zwischen Orchestra und
Proscenium (finitio proscaenii), die dieser Quadratseite
parallele Tangente tu die Bühnenhinterwand (scaenae
frons). Die Endpunkte des dem Proscenium parallelen
Durchmessers (comua hemicyclii) a und h sind die Zentra,
3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung.
15
von denen aus Kxeisbögen zu schlagen sind. Bis hier-
her ist alles klar, aber jetzt beginnt die Schwierigkeit
Mit welchem Radius, von wo aus und wohin sind die
Bögen zu schlagen? Da jede Nachricht über die Grösse
des Radius fehlt, hält Müller es für das einzig Richtige,
die Kreisbögen mit dem Radius des TJrkreises auszu-
führen. Wie die Sachen einmal liegen, sollte man eine
allgemeine Zustimmung voraussetzen dürfen.
Leider verhält sich E. Petersen Müllers Ansicht
gegenüber ablehnend (Wiener Studien, 1885, Heft I),
aber, wie mir scheint, nicht mit Recht. Zwar die Ab-
fertigung, die er dem Verfasser einer Bonner Dissertation
zu Theil werden lässt, giebt zu Gegenbemerkungen kaum
Anlass, wenn man sie auch nicht gerade als angebracht
^ •?
Figur 2.
betrachten kann. Denn so lange es noch einige wenige
ürtheilsfähige giebt, kann es doch bei der gegenwärti-
gen Vielschreiberei nicht wünschenswerth sein, unkriti-
sche Anfängerarbeiten widerlegt zu sehen. Was aber
Petersen uns als „strengere Interpretation" des Vitruv
bietet, verräth doch wohl nur, dass er sich aller vor-
handenen Schwierigkeiten nicht vollkommen bewusst ge-
worden ist. Eine ausführliche und ins Einzelne gehende
Widerlegung halte ich vorläufig nicht für nöthig; der
16 !• Vitruvß Regeln.
sorgsame Leser wird ohnedies die wesentlichen Gründe
meiner Abweisung der Petersenschen Ansichten in mei-
ner ganzen Arbeit leicht erkennen und hoffentlich auch
mit mir die Müllersche Gleichsetzung des Radius der zu .
schlagenden Elreisbögen und des Radius des ürkreises
durchaus billigungswerth finden.
In Bezug auf die Ausdrücke „rechts" und „links"
im Texte des Vitruv meint Müller: „sie müssen in der
Weise des Pollux verstanden werden, der für die Or-
chestra den Standpunkt des Zuschauers, für die Bühne
den des Schauspielers massgebend sein lässt (s. dar-
über Müllers Ausführung im Philologus 23 (1866) 322),
oder man müsste, was allerdings bedenklich ist, die
Worte in dextro und in sinistro vertauschen." Dem
gegenüber ist zu bemerken, dass sich eine bestimmte
Entscheidung gar nicht treffen lässt. Der griechische
Sprachgebrauch kann für Vitruv massgebend gewesen
sein, muss es aber nicht, und die Verwechslung von
„rechts" und „links" in unsem Texten ist nichts Un-
erhörtes. Wir können demnach der Müllerschen Beweis-
führung weiter folgen, müssen uns aber immer des Hy-
pothetischen der Sache bewusst bleiben.
Schwierigkeit bietet die Erklärung von intervallum.
Genellis Deutung, die Wecklein als neue zu begründen
sucht, intervallum bezeichne den Abstand zwischen den
beiden comua hemicyclii, sei also dem Durchmesser des
Urkreises gleich, verdient aus den von Müller angeführ-
ten Gründen und aus einem andern später zu erwähnen-
den keine Beachtung. Schönborns Ansicht ist weiter
unten zu besprechen. Müller hat zwei Erklärungen auf-
gestellt.
Bei der ersten, welche Wieselers Zustimmung ge-
funden hat, brauchen wir uns nicht aufzuhalten, da sie
Müller selbst aus triftigen Gründen aufgegeben hat.
3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 17
Seine zweite Erklärung ist die, dass intervallum zu
nehmen sei „entweder für den Abstand der Quadratseite
nk und der Tangente tu, oder — was uns richtiger zu
sein scheint — fttr einen der zwölf Abstände der Qua-
dratecken auf der Peripherie, sodass das Wort hier
dasselbe bedeutet wie V5 (paribus intervallis)." Weder
das eine noch das andere können wir für richtig halten,
üebersehen scheint uns ein Hauptmoment. Es ist ja
nicht bloss von intervallum dextrum und intervallum si-
nistrum die Rede, sondern auch von comu dextrum und
comu sinistrum, proscaenii pars dextra und sinistra. Wie
es nun zwei comua giebt und nur zwei und zwei partes
proscaenii und nur zwei, so kann intervallum dextrum
und intervallum sinistrum unmöglich anders verstanden
werden, als dass es zwei intervalla giebt und nur zwei.
Bei Genellis, Marinis u. a. Voraussetzung, dass der Durch-
messer das verlangte intervallum sei, haben wir nur ein
intervallum, und bei Müllers Annahme, intervallum sei
der Abstand der Quadratseite nk von der Tangente tu,
ist es ebenso. Bei der zweiten von Müller zugelassenen
Erklärung, intervallum sei einer der zwölf Abstände der
Quadratecken auf der Peripherie, haben wir sogar zwölf
intervalla, nicht, wie nothwendig ist, nur zwei. Denn
Müllers weitere Auseinandersetzung, unter intervallum
sei hier derjenige Abstand der Quadratecken zu ver-
stehen, der bei der Ausführung des zweiten Kreisbogens
(mit dem Zentrum a) allein erreicht und intervallum si-
nistrum genannt werden kann, nämlich nm, ist durchaus
unglaubwürdig: sie entnimmt etwas den Worten Vitruvs,
was nicht darin liegt. Vitruv spricht von intervallum
dextrum und sinistrum ohne nähere Angabe als von
zwei leicht erkennbaren Dingen; Müller erst fügt hinzu:
dasjenige von zwölf Intervallen, welches durch den
Zirkel berührt wird. Hierbei will ich nicht einmal be-
Oehmichen, Griecb. Theaterbau. • 2
18 I. Vitruvs Regeln.
sonders betonen, dass durch den zweiten und dritten
Kreis vier von den zwölf Abständen der Quadratecken
durchschnitten werden und dass es, ohne der Sprache
Gewalt anzuthun, kaum möglich sein dürfte, von diesen
vier Abständen einen als rechtes und einen als linkes
Intervall auszusondern.
Ich habe ja noch einen Grund gegen Müller vor-
zuführen, der nach meiner Ansicht entscheidend ist.
Müller sagt nämlich wörtlich so : „Behalten wir nun die
Kose-Müllersche Lesart bei, so ist bei Ausführung des
zweiten Kreises (mit dem Zentrum a) nur ein solches
Intervall erreichbar, welches als sinistrum bezeichnet
werden kann, nämlich nm; wir konstruiren also den
Kreisbogen qv. Bei der Ausführung des dritten Kreises
(mit dem Zentrum h) ist in gleicher Weise nur das In-
tervall kl erreichbar, und wir konstruiren den Bogen sw.'*
Müller zieht also den Kreisbogen des zweiten Kreises
von nm aus bis v und den des dritten Kreises von kl
aus bis w. Diese Ausführung Müllers steht aber in offen-
barem Widerspruch mit dem, was Vitruv verlangt. Vi-
truv sagt nämlich: ab intervallo sinistro circumagitur
circinatio ad proscaenii sinistram partem. Gesetzt nun
auch, das Proscenium ginge bis v, bzw. w, was durch-
aus nicht sicher ist und erst nachzuweisen wäre, so liegt
doch unbestreitbar Müllers intervallum nm in proscaenii
sinistra parte. Wie kann also von hier aus ein Kreis-
bogen ad proscaenii sinistram partem gezogen werden?
und wie kann auf der andern Seite vom Müllerschen
intervallum kl aus, das in dextra parte proscaenii liegt,
ein Kreisbogen ad dextram partem proscaenii geschlagen
werden? Ich denke, dieses Argument ist schlagend,
und ich verzichte deshalb auf einen andern Grund, den
ich noch vorführen könnte.
Eine Reserve bleibt Müller noch übrig, die er in
3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 19
einer Anmerkung darlegt. Er sagt dort: „Werden die
Worte in dextro und in sinistro vertauscht, so sind die
Ausdrücke „rechts" und „links" für Bühne und Orchesti-a
gleich; die Bögen bleiben dann dieselben, werden aber
in umgekehrter Reihenfolge ausgeftlhrt. Oder, da wir
bei dieser Annahme von h aus noch das intervallum ef
und von a aus das intervallum de erreichen können, so
können auch die Bögen rw und pv die verlangten sein."
Der erste Satz dieser Anmerkung ist durch meine kurz
vorausgegangene Auseinandersetzung hinfällig geworden,
nicht aber der zweite. Dieser besagt, dass, um Vitruvs
Vorschrift nachzukommen, auch vom intervallum de aus
nach dem Punkte v und vom intervallum ef aus nach
dem Punkte w je ein Kreisbogen geschlagen werden
könne. Müller traut dieser Möglichkeit selbst nicht
recht, da er sie in eine Anmerkung verwiesen hat, und
ich denke, wir andern werden sie noch weniger berück-
sichtigenswerth finden.
Man achte zunächst wohl darauf, dass der Text des
Vitruv bei dieser Erklärung geändert werden muss, was
doch nur dann einigermassen gerechtfertigt erscheinen
kann, wenn ein augenscheinlich sicheres Resultat dabei
herausspringt. Ferner bemerke man gefälligst, dass hier
auf einmal die intervalla cd und ef als linkes und rech-
tes intervallum hingestellt werden, während es vorher
bei Müller ausdrücklich hiess, dass bei der Ausführung
des zweiten Kreises (mit dem Zentrum a) nur ein sol-
ches Intervall erreichbar sei, welches als sinistrum
bezeichnet werden kann, nämlich nm, und ebenso bei
der Ausführung des dritten Kreises (vom Zentrum h aus)
nur ein solches, welches als dextrum bezeichnet
werden kann, nämlich kl. Eine Erklärung des Wider-
spruchs im zweiten Satz seiner Anmerkung mit seinen
früheren Behauptungen hat Müller nicht versucht; sie
2*
20 I. Vitruvß Regeln.
dürfte auch schwer zu finden sein. Endlich ist noch ein
dritter Einwand gegen Müllers Anmerkung zu machen^
freilich nicht so schwer wiegend wie der zweite. Müller
verlängert nämlich die Quadratseite nk, welche die finitio
proscaenii bildet, über den Urkreis, über n und k hin-
aus. Ausdrücklich vorgeschrieben ist diese Verlängerung
von Vitruv zwar nicht, es heisst bei ihm nur : ea regione
finitio proscaenii designatur; allein lassen wir die Ver-
längerung, die auch von Schönbom und anderen vorge-
nommen worden ist, gelten, so ist doch bei dieser Aus-
legung der vitruvischen Vorschrift auffällig, dass die
Endpunkte der gesammten Bühnenanlage v imd w, wo
nach Müller die Kreisbögen auf die finitio proscaenii
treffen, linke und rechte Seite des Prosceniums genannt
werden. Wie weit das Proscenium nach Vitruvs Ansicht
reicht, ob es Seitenflügel giebt und ob diese im be-
jahenden Falle mit zum Proscenium zu rechnen sind,
geht aus Vitruvs Worten nicht hervor. Vitruv spricht
zwar nicht direkt gegen die Annahme eines so lang ge-
streckten Prosceniums, er spricht aber auch nicht direkt
dafElr. Bei solcher Unsicherheit, das wird man zugeben
müssen, ist es jedenfalls etwas kühn, wenn Müller ohne
Weiteres die Punkte v und w als zum Proscenium ge-
hörig ansetzt.
Von einem strengen Beweise kann also bei der
MüUerschen Darlegung, wenigstens soweit wir sie bis
jetzt kennen gelernt haben, nicht gesprochen werden.
Es würde aber Unrecht sein zu behaupten, dass Müller
den unsicheren Bau seiner Ausführung nicht selbst er-
kannt habe. Er ist im Gegentheil des Hypothetischen
sich wohl bewusst, aber er glaubt, dass seine Ver-
muthung zur Wahrscheinlichkeit erhoben werden könne
durch das Ergebnis seiner Zeichnung. „Der Beweis flir
die Richtigkeit dieser Konstruktion^, sagt er, „scheint
%
3. Das griech. Theater; Müllers Erklärung. 21
uns nun dadurch erbracht zu werden, dass aus derselben
sich eine in eminenter Weise symmetrische Figur er-
giebt." So gern ich auch die Richtigkeit der Bemer-
kung über die Symmetrie anerkenne, so bedaure ich
doch sagen zu müssen, dass auch dieser letzte Beweis-
grund in der Müllerschen Auseinandersetzung eine üeber-
zeugong nicht erwecken kann, da dieselben synmietri-
schen Verhältnisse auch ohne die Konstruktion Müllers
für das griechische Theater vitruvischer Konstruktion
Torauszusetzen sind.
Sechs Punkte hebt Müller als symmetrisch hervor:
^1. das Dreieck wxv ist ein gleichschenkliges und an
der Spitze bei x rechtwinklig; 2. daraus folgt, dass die
beiden Schenkel desselben wx und vx die Punkte h
und a schneiden; 3. ebenso dass der Abstand des pro-
scaenium vw vom gegenüberliegenden Punkte der Or-
chestra x (== zx) genau halb so gross ist als die Bühnen-
länge vw; dieselben Verhältnisse wiederholen sich in
dem kleinen Dreieck nok, denn 4. ist das Dreieck nok
gleichschenklig und bei o rechtwinklig; 5. der Abstand
des centrum orchestrae von der finitio proscaenii (oz)
ist halb so gross als die Quadratseite nk; 6. endlich ist
das Verhältnis der Bühnenbreite zur Bühnenlänge das
von 1 zu 12: denn da das Perpendikel zx IV7 Radien
beträgt, so ist die Bühnenlänge gleich 3^7 Radien, die
Breite aber gleich 2/^ Radien.'' Die Angaben 1% Ra-
dien und 2/7 Radien sind Näherungswerthe, da das Ver-
hältnis irrational ist. Genau sind dafür folgende Zahlen
zu setzen:
1 1
l+y= und 1-^
oder nach Chr. Kirchhoflf, Altonaer Programm vom Jahre
1882 im Anfang, 1,707107 und 0,292893.
Die unter Nununer 4 und 5 aufgeführten symme-
22 I. Vitaruvs Regeln.
irischen Verhältnisse kommen Müllers Ansieht nicht zu
gut, da sie nicht mit seiner Hypothese zusammenhängen,
sondern in jeder Grundfigur des griechischen Theaters,
sobald nur das centrum orchestrae und der Kreismittel-
punkt als identisch angenommen werden, zu Tage treten
müssen. Die übrigen 4 Nununem dagegen sind allerdings
abhängig von der Gleichung: Skenenlänge = 3^7 Radien
(oder IV7 Durchmesser). Wie nun aber, wenn diese Glei-
chung wahrscheinlich wäre ohne die Müllersche Hypo-
these? Würde sie auch dann noch zu Gunsten Müllers
sprechen? Sicherlich nicht. Und diese Wahrscheinlich-
keit lässt sich darlegen.
Wir gehen von der Konstruktion des römischen
Theaters aus. Vitruv bestimmt als Länge der gesamm-
ten Bühnenanlage zwei Durchmesser des Urkreises. Wie
kommt das? In welchem Verhältnis steht die Skenen-
länge zur Grundfigur im römischen Theater? Die Ant-
wort ist einfach: Die vom ürkreise auf beiden Seiten
abgeschnittene finitio proscaenii im römischen Theater
ist gleich dem Durchmesser dieses Kreises; sie wird auf
beiden Seiten um je einen Halbmesser desselben Kreises
verlängert; die gesammte Strecke (= zwei Durchmesser)
ist die Länge des Bühnengebäudes. Es hat nun bisher
Niemand Bedenken getragen für diejenigen Theile des
griechischen Theaters, für welche genaue Bestimmungen
fehlen (und fftr die Länge des griechischen Bühnenge-
bäudes fehlt eine ausreichend sichere Angabe) das rö-
mische Theater zu Hilfe zu rufen. Sind also früher
Analogieschlüsse erlaubt gewesen, so wird es auch jetzt
sein, und wir dürfen danach sagen: Es ist für das
griechische Theater in Folge der dem römischen Thea-
ter analogen Konstruktion wahrscheinlich, dass die Länge
des Bühnengebäudes so gross war wie die im Grund-
schema vom ürkreise auf beiden Seiten abgeschnittene
%
4. Das griecb. Theater; neue Erklärung. 23
finitio proscaenii (= einer Quadratseite), verlängert auf
beiden Seiten um je einen Halbmesser des ürkreises,
also gleich (Durchmesser + Quadratseite) IV7 Durch-
messer. Wenn wir von einer Vergleichung mit dem rö-
mischen Theater absehen, können wir auch einfacher
sagen: Länge des Bühnengebäudes = 1 Seite der in
den ürkreis eingeschriebenen Grundfigur 4- 1 Durch-
messer des ürkreises. Dass dieses Prinzip der Längen-
bestinunung des griechischen Btihnengebäudes wirklich
befolgt worden ist, dafür sprechen verschiedene später
zu erhärtende Thatsachen: Theater, deren Grundfigur
aus Quadraten gebildet ist, haben eine Skenenlänge von
einer Quadratseite und einem Durchmesser des ürkreises,
Theater mit einer aus regelmässigen Fünfecken oder
Sechsecken bestehenden Grundfigur haben das Bühnen-
gebäude genau so lang, als eine Fünfeckseite oder
Sechseckseite imd ein Durchmesser des ürkreises zu-
sammen betragen.
Meine Einwendungen gegen Müllers Auseinander-
setzung haben sich mehr auf seine Beweisführung be-
zogen. Wenn seine Gründe nicht als ganz stichhaltig
anzuerkennen waren, so ist damit nicht gesagt, dass
nicht einzelne Punkte seines Resultates richtig sein kön-
nen. Wieweit sie es sind, soll das Folgende zeigen.
Vierter Abschnitt.
Yitruvs Konstruktion des griechischen Theaters;
neuer Losungsversuch.
(Vgl. Fig. 3.)
Wir zeichnen einen Kreis und in demselben drei
Quadrate so, dass ihre Ecken in gleichen Abständen die
24
I. Vitruvs Begeln.
Peripherie des Kreises berühren; wir ziehen dann eine
Tangente tu, die parallel ist derjenigen Qnadratseite nk,
welche dem Bühnengebäude am nächsten liegen soll,
und ziehen femer den diesen beiden Linien parallelen
Durchmesser ah. Bis hierher sind wir genau so ver-
fahren wie Müller; wir haben auch die Quadratseite nk
verlängert bis v und w, obgleich Vitruv eine ganz be-
stimmte Vorschrift hierzu nicht giebt. Wir nehmen nun
den Zirkel wieder zur Hand und schlagen wie Müller
mit demselben Kadius/ mit dem wir den ersten Kreis
beschrieben, Punkt a und h als Zentra genommen, Kreis-
bögen ab intervallis ad proscaenii partes.
Figur 3.
Intervallum, meint Wecklein, ist der Abstand zwi-
schen zwei Punkten. Das ist richtig und falsch. Rich-
tig, insofern als, von anderen Stellen abgesehen, Vitruv
den Abstand ungefähr derselben zwei Punkte, die Weck-
lein im Auge hat, intervallum nennt: V 1,8 eins autem
hemicyclii in fronte est intervallum pedum XL VI, falsch,
weil die Definition viel zu eng ist. Besser nennt Müller
intervallum den Abstand zwischen zwei Punkten oder
zwei Linien. Doch auch diese Begriflfsbestinunung ist
zu eng. Intervallum ist vielmehr alles, was zwischen
zwei Gegenständen liegt: Es ist der Abstand zwischen
I
4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 25
zwei Punkten, zwischen zwei Linien, zwischen zwei Sta-
tuen^ zwischen zwei Thttren, zwischen Himmel und Erde;
die Thäler zwischen den Bergen sind Intervalle (VHI
1,7); was zwischen zwei Worten, zwei Tönen, zwei Zeit-
abschnitten mitten inne liegt, sind Intervalle; intervalla
carbonibus explentur (HI 3,2), in singulis intervallis ar-
busculae supponuntur (X 20,1) u. s. w. , u. s. w. Wer
Zeit und Lust hat, mag mit Hilfe Nohls weitere Stellen
im Vitruv nachschlagen.
Was intervallum in unserer Stelle bedeutet, ist be-
reits von Schönbom richtig erkannt worden. Es ist der
Zwischenraum zwischen Zuschauerraum und Bühnenge-
bäude; die intervalla sind also identisch mit den ge-
wöhnlich ndqoäot genannten Eingängen in die Orchestra.
Mttllers Widerspruch hiegegen im Philologus 23 (1866)
285 stützt sich auf drei Gründe. Der eine von ihnen
ist dem früheren Texte des Vitruv entnommen und jetzt
hinfällig, der andere zu wenig erheblich, der letzte da-
gegen, weil auf den Sprachgebrauch Vitruvs sich be-
ziehend, anscheinend gewichtvoll. Intervallum, sagt
nämlich Müller, brauche Vitruv nie in dem Schönbom-
schen Sinne, vielmehr nenne er die Orchestraeingänge
einfach itinera (V 7 itinerum supercilia). Aber nur auf
den ersten Blick erscheint dieser Grund zwingend; bei
näherem Zusehn fällt er in sich zusammen.
Abgesehen von unserer Stelle, kommt der Ausdruck
intervallum im Sinne vonParodos allerdings bei Vitruv
nicht vor; aber er kann auch nicht vorkommen, weil
Vitruv die Zwischenräume zwischen Bühnengebäude und
Zuschauerraum im griechischen Theater gar nicht wieder
erwähnt. Es liegt also nicht der geringste Grund vor
die sich ungezwungen ergebende Schönbornsche Bedeu-
tung des Wortes abzulehnen. Wenn Müller zur Stütze
seines Ein^vurfs die vitruvische Benennung der Orchestra-
26 I. Vitruvs Regeln.
eingänge im römischen Theater heranzieht, so ist da»
eine ganz ungerechtfertigte Gleichsetzung völlig ver-
schiedener Dinge, deren strenge Auseinanderhaltung zum
Nutzen der Sache unbedingt nöthig ist. Im griechischen
Theater giebt es freie und offene Eingänge in die Or-
chestra, welche Zuschauerraum und Bühnengebäude von
einander scheiden, also wirkliche Zwischenräume sind
und intervalla genannt werden können; im römischen
Theater dagegen, wo Zuschauerraum und Bühnenraum
unmittelbar aneinander stossen, giebt es keine derartigen
Zwischenräume als Eingänge zur Orchestra, sondern nur
von Sitzstufen des Zuschauerraums bedeckte Gänge.
Jene, die griechischen Orchestraeingänge, durfte Vitruv
oder sein Gewährsmann intervalla nennen, diese, die
römischen, nicht, weil sie keine sind; und wenn er fttr
die römischen Eingänge keine bessere Bezeichnung fand
als den dehnbaren Ausdruck itinera, der auch z. B. fßr
Treppen im Zuschauerraum gebraucht wird (V 6), so war
er doch andererseits durch nichts verbunden eben die-
selbe unbestimmte Benennung für die so ganz anders
gestalteten griechischen Orchestraeingänge zu verwenden,
flir die eine unläugbar bezeichnendere Namengebung
sich wie von selbst darbot, und dies umsoweniger, als,
wie sich später als nicht unwahrscheinlich ergeben wird,
die Darlegung der griechischen Theaterkonstruktion der
der römischen ursprünglich vorausgegangen ist.
Es handelt sich jetzt noch um die Erklänmg von
rechts und links. Müller hatte nach Pollux rechts und
links flir das Proscenium vom Standpunkt des Schau-
spielers aus, flir die Intervalle und das hemicyclium vom
Standpunkt des Zuschauers aus bestimmt. Dass die
AuflFassungsweise des Pollux nicht die des Vitruv ge-
wesen zu sein braucht, ist oben bemerkt worden. Sicherer
werden wir nach meiner Meinung Vitruvs Bestimmung
%
4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 27
von rechts und links in unserer Stelle erkennen, wenn
wir uns nach seinem sonstigen Gebrauch jener Begriffe
umsehn.
Vitruv bezeichnet die rechte imd die linke Seite
lebender Wesen, wie wir es thun, wofür zahlreiche Bei-
spiele angefiihrt werden könnten. Bei leblosen Gegen-
ständen verfährt er ebenso; thut er es einmal nicht, d. h.
bezeichnet er bei ihnen rechts und links, wie es dem
Beschauer erscheint, so macht er darauf aufmerksam,
z. B. IX 9,12 ad dextram spectantis librae, ad sini-
stram arietis Signum. Fehlt also eine derartige Bemer-
kung, so werden wir die mit rechts und links bezeich-
neten Theile lebloser Gegenstände so aufzufassen haben,
als ob sie Theile lebender Wesen wären. Ein deutliches
Beispiel giebt die Beschreibung von Halikamass 11 8
Mitte. Halikamass, sagt Vitruv, sei hoch um einen
Hafen gelegen, ähnlich dem Zuschauerraum eines Thea-
ters (theatri curvaturae similis). Auf dem rechten Hom
(dem linken für den in den Hafen Einsegelnden) sei das
fanum Veneris, auf dem linken (dem rechten, vom Meere
aus betrachtet) die regia domus. Von diesem königlichen
Palaste aus erblicke man nach rechts hin (in der Mitte
zwischen beiden Hörnern) das Forum u. s. w. ; nach links
hin aber liege ein versteckter Hafen. Dass die Beschrei-
bung so auszulegen ist, wie wir es in den Klanunem ge-
than haben, lehrt ein Blick auf die Karte bei Newton:
Der kleinere Hafen liegt, vom Meere aus betrachtet,
rechts.
Nach demselben Gesichtspunkt, dürfen wir annehmen,
hat Vitruv die Theile des proscaenium und des hemi-
cyclium mit rechts und links bezeichnet. Unser Resultat
stimmt somit mit der Vermuthung Müllers überein, wel-
cher annimmt, dass Vitruv wie PoUux die Ausdrücke
rechts und links für das proscaenium vom Standpunkt
28 I. Vitruvs Regeln.
des Schauspielers ans und für das hemicyclinm yom
Standpunkt des Zuschauers aus verstanden wissen will.
Einen Beweis für die Richtigkeit unseres Resultats, we-
nigstens was das hemicyclium betrifft, gewährt uns noch
eine Stelle des Vitruv, V 1,8. Es heisst dort : eins autem
hemicyclii in fronte est intervallum pedum XL VI, in-
trorsus curvatura pedum XV. Der Ausdruck frons deutet,
wie mir seheint, bestimmt darauf hin, dass Vitruv auch
ein hemicyclium so betrachtet wie ein lebendes Wesen,
dass also der rechte Endpunkt der frons (comu dextrum)
der sein wird, welcher dem Betrachter auf der Bühne
zur Linken liegt, und der linke der, welcher ihm zur
Rechten liegt.
Es fehlt uns jetzt noch die Erklärung von interval-
lum dextrum und sinistrum. Intervalle sind der Natur
der Sache nach nicht als selbständige Gegenstände auf-
zufassen; demnach muss die Bestinunung von rechts und
links ausgehen von den Gegenständen, zwischen denen
die Intervalle liegen. Hier tritt mm aber eine nicht zu
überwindende Schwierigkeit ein. Das eine Intervall
nämlich liegt zwischen der rechten Seite des Zuschauer-
raums und der linken des Bühnengebäudes, das andere
zwischen der linken Seite des Zuschauerraums und der
rechten des Bühnengebäudes; sollen wir die Intervalle
bezeichnen nach den Seiten des Zuschauerraums oder
des Bühnengebäudes? Eine Entscheidung ist meines
Erachtens mit unsern Mitteln nicht zu treffen; das Ein-
zige, was die Möglichkeit des Weiterkommens gewähren
kann, ist probiren. Kommt dabei ein einigermassen
annehmbares Resultat heraus, so dürfen wir es als eine
vielleicht nicht ungegründete Hypothese anerkennen, je-
denfalls aber nur als Hypothese.
Erster Versuch. Vorausgesetzt, das rechte und
linke Intervall sei so bestimmt wie die Seiten des Zu-
4. Das griecb. Theater; neue Erklärung. 29
sehauerraumS; so habe ich, ran Vitruvs Vorschrift aus-
zuführen, den Radius des ürkreises in den Zirkel zu
nehmen, den einen Schenkel des Zirkels in dextro comu
a einzusetzen und mit dem andern Schenkel einen Bogen
zu schlagen ab intervallo sinistro, nennen wir es ikw,
ad proscaenii sinistram partem. Da das linke Intervall
mit der angegebenen Zirkelöffnung nicht zu erreichen
ist, so könnten die Worte nur dann einen Sinn geben,
wenn wir ab intervallo statt „von dem Intervall aus"
übersetzen dürften „vor dem Intervall, ihm entlang, ge-
genüber**, ähnlich wie in den bei Vitruv vorausgehenden
Bestinunungen über die parallelen Linien: et ab eo loco
per centrum parallelos linea ducatur; et ab ea regione
ad extremam circinationem curvaturae parallelos linea
designatur; per centrumque orchestrae a proscaenii re-
gione parallelos linea describitur. Danach wäre der
Kreisbogen oq zu schlagen und in gleicher Weise auf
der andern Seite der Kreisbogen os. Als Zweck beider
Bögen könnten dann doch wohl nur vermuthungsweise
die Bestimmung der Lage der Bühneneingänge anzu-
sehen sein. Allein die angegebene Uebersetzung ist aus
einer Reihe von Gründen unannehmbar und deshalb der
erste Versuch als misslungen zu betrachten.
Brunns Ansicht, üngefilhr dieselben zwei Bögen
wie in unserem ersten Versuch, aber von einer andern
Auffassung des Begriffs intervallum ausgehend, glaubt
Herr Professor von Brunn ziehen zu sollen. Infolge
langdauemder Beschäftigung mit dem Gegenstand bin
ich wahrscheinlich zu befangen, um seine Ansicht ge-
bührend zu würdigen, ich theile sie aber, dazu berech-
tigt, anmerkungsweise mit, da sie, wenn auch vielleicht
noch nicht das Endgiltige, so doch möglicherweise Keime
des Richtigen enthält. Brunn erklärt den Text Vitruvs
genau so, wie es oben geschehen ist, bis zu den Worten
30 I. Vitruvs Regeln.
ab intervallo sinistro. Als Intervalle sieht er die Ab-
stände der drei Zentra an und erhält somit zwei Inter-
valle und zwar nur zwei, wie es nothwendig ist (vgl.
Abschnitt 3), nämlich die Radien ao und oh. Setzt man
den einen Schenkel des Zirkels in comu dextro a ein,
so ist das linke Intervall nach Brunns Ansicht der Ra-
dius ao. Von diesem Radius-Intervall aus, d. h. von
dem Punkte desselben aus, den der andere Schenkel
des Zirkels erreicht (= Endpunkt des Radius = centrum
orchestrae = o) , ist ein Kreisbogen zu schlagen durch
die linke Seite des Prosceniums hindurch (ad sinistram
partem proscaenii), bis er die verlängerte finitio pro-
scaenii schneidet (oqv auf Fig. 3). In gleicher Weise
ist auf der andern Seite, h als Zentrum genonunen, vom
rechten Intervall oh aus der Kreisbogen osw äu schlagen.
Bei dieser Konstruktion, meint Brunn, sei nun die Länge
der Bühnenanlage durch vw gegeben und ausserdem
wahrscheinlich noch die Lage von Seitenthtiren durch
die Berührungspunkte der Kreisbögen oqv und osw und
der scaenae frons tu.
Zweiter Versuch. Nehmen wir jetzt einmal den
umgekehrten Fall an, nämlich dass das rechte und linke
Intervall nicht bestimmt sei nach den Seiten des Zu-
schauerraums, sondern nach den Seiten des Bühnenge-
bäudes, bzw. des Prosceniums, dann haben wir, den
einen Schenkel des Zirkels in dextro comu a eingesetzt,
mit dem Radius des ürkreises einen Bogen zu schlagen
ab intervallo sinistro, nennen wir es vna, ad proscaenii
sinistram partem. Die Ausführung dieser Vorschrift wäre
unmöglich, wenn das Proscenium die bedeutende Länge
hätte, welche ihr einige Gelehrte zuschreiben, nämlich
dieselbe Länge wie das gesammte Bühnengebäude, denn
dann wäre proscaenii pars sinistra und intervallum si-
nistrum nur durch die Linie vn, also gar nicht, getrennt.
\
4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 31
Soll die Vorschrift Sinn haben, so muss zwischen beiden
Eäumen noch ein Raum mitten inne liegen, durch den
die Kreisbögen von den Intervallen aus nach den Seiten
des Prosceniums gezogen werden. Nun habe ich schon
wiederholt darauf hingewiesen, besonders im dritten Ab-
schnitt, dass aus Vitruvs Worten nicht der Schluss ge-
zogen werden könne, das Proscenium habe dieselbe
Länge wie die gesammte Qtlhnenanlage. Es hindert uns
nichts an der Annahme einer geringeren Prosceniums-
länge, ja die erhaltenen Theaterüberreste, besonders das
dionysische Theater zu Athen und das polykletische zu
Epidauros, begünstigen sogar diese Annahme in einer
Weise, dass wir die vom zweiten und dritten Zentrum
aus nach der scaenae frons gezogenen senkrechten Linien
als muthmassliche Seitengrenzen des Prosceniums be-
zeichnen dürfen. Wir haben also eine gewisse Berech-
tigung in folgender Weise Vitruvs Vorschrift nachzu-
kommen. Wir setzen den Zirkel in dextro cornu a ein,
schlagen mit dem Radius des ürkreises einen Kreisbogen
ab intervallo sinistro, d. h. von einem beliebigen Punkt (z)
des Intervalls vna aus, durch den linken Theil der
Bühnenanlage ad proscaenii sinistram partem, d. h. un-
gefähr bis zur punktirten Linie. Ebenso setzen wir auf
der andern Seite den Zirkel in cornu sinistro h ein und
schlagen mit dem Radius des ürkreises vom rechten
Intervall aus, wir wollen es hkw nennen, einen Kreis-
bogen durch den rechten Theil der Bühnenanlage nach
der rechten Seite des Prosceniums ungefähr bis zur
punktirten Linie.
Und der Zweck dieser Operation? Ihn bestimmt
zu erkennen vermögen wir nicht, aber vermuthen dürfen
wir wohl mit Recht, dass durch diese Konstruktion die
Länge der gesammten Skene angegeben werden sollte;
vorausgesetzt muss natürlich bei dieser Vermuthung wer-
%
32 !• Vitra V8 Regeln.
den, das» Vitruv eine Unordnung in seiner Disposition
hat eintreten lassen, was dnrcbans nieht auffällig sein
kann. Gute Anordnungen seiner Vorgänger ändert ja
Vitruv nach subjektivem Belieben um und manches lässt
er in seiner Wiedergabe aus, was zur Erkenntnis dessen,,
was er giebt, unumgänglich mitgetheilt werden musste.
Viele Beispiele zur Erhärtung meiner Behauptung vor-
zuführen, würde ich auch ^ann unterlassen , wenn ich
sie mir zahlreicher notirt hätte; einige findet ja wohl
leicht Jedermann selbst. Für meinen Zweck wird e*
genügen, wenn ich eins anführe aus der Partie des vi-
truvischen Werkes, die wir soeben besprechen. Wir
brauchen Vitruvs Quelle nicht als Muster der Darstel-
lung hinzustellen, aber solche Unordnung, wie Vitruv sie
hat, werden wir ihr nicht zuschreiben können. Es filUt
auf, gleich im Anfang (vgl. oben S. 6) der Vorschriften
über die Theaterkonstruktion, dass Vitruv die Bühnen-
höhe da angiebt, wo nur der Grundriss zu bestimmen
war; es fällt auf, dass er bei der Besprechung der rö-
mischen Theaterkonstruktion die griechische vergleicht,,
ohne dass der Leser von dieser vorher etwas gehört hat;
es fällt auf, dass er Kreisbögen schlagen lässt, ohne
den Zweck derselben anzugeben; es fällt auf, dass er
die Vorschrift über die griechische Theaterkonstruktion
mitten abbricht, ohne auch nur einen Grund dazu er-
rathen zu lassen; denn selbst wenn alles Folgende ana-
log der Vorschrift über den römischen Theaterbau ge-
wesen wäre, was sicher nicht der Fall war, hätte ein
sorgfältiger Schriftsteller dies doch mit einigen Worten
andeuten müssen.
Unsere Beweisftlhrung war anders als die MüUer-
sche, ob sie richtig ist, mögen andere entscheiden; unser
Schlussresultat aber ist dem Müllerschen gleich. Nur in
einem Punkte glaube ich abweichen zu müssen, in der
4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 33
Beantwortung der Frage, die Müller am Schluss seiner
Auseinandersetzung aufwirft, Jahrbücher 105 (1872) 697,
warum Vitruv gerade diesen verhältnismässig weitläu-
figen Weg der Konstruktion eingeschlagen hat. „Hätte
er [Vitruv] das Perpendikel zx konstruirt (vgl. Fig. 2),
sagt Müller, so boten sich ihm zwei andere Weisen, die
Bühnenlänge [vielmehr Länge des Bühnengebäudes] zu
bestimmen. Einmal hätte er das Perpendikel nach bei-
den Seiten hin auf der verlängerten Quadratseite ab-
tragen lassen können. Sodann konnte er Punkt x mit
den Punkten a und h durch gerade Linien verbinden
und diese Linien bis zur finitio proscaenii [vielmehr ver-
längerten Quadratseite] verlängern lassen. Beide Wege
wären einfacher gewesen und hätten namentlich den Er-
klärern nicht so viele Schwierigkeiten gemacht; es scheint
jedoch, dass Vitruv im Anschluss an seine Konstruktion
des römischen Theaters, in welcher ausser den zwölf
Dreieckseiten nur die der einen Dreieckseite parallele
Linie durch den Mittelpunkt verwandt ist, auch hier nur
Linien, welche der finitio proscaenii parallel sind (d. h.
Tangente und Durchmesser) habe verwenden wollen, zu-
mal das Perpendikel bei der schon so grossen Anzahl
gerader Linien im Grundkreise die Deutlichkeit der Figur
etwas beeinträchtigt hätte. So wählte er dann die Kon-
struktion tribus centris, wobei die Fläche des Grund-
kreises ausser den Quadraten und dem Durchmesser von
jeder andern Linie frei blieb."
Es ist richtig, die Vorschriften Vitruvs sind etwas
umständlich; aber dass die Umständlichkeit in der Vor-
schrift über die Konstruktion des griechischen Theaters
eine Folge des Anschlusses an die Bauregel des römi-
schen Theaters sei, erscheint mir als eine nicht gerecht-
fertigte Annahme. Es sprechen im Gegentheil Anzeichen
dafür, dass die Quelle des Vitruv (denn Vitruv ist oflfen-
Oehmichen, Griech. Theaterbau. 3
34 !• Vitruvs Regeln.
bar bloss Mittelsmann, vermuthlich sogar nur zweiten
Grades) zunächst das griechische Theater behandelt hat
und danach erst das römische. Doch sei dem, wie ihm
wolle: dieser Punkt ist unwesentlich gegenüber einem
andern. Wer sagt uns denn, dass die Konstruktion mit
drei Quadraten nach der Konstruktion mit vier Drei-
ecken oder dass umgekehrt diese nach jener sich ge-
richtet habe? Vitruv freilich kennt nur diese zwei
Arten; aber hat man sich in der Praxis mit diesen zwei
begnügt, giebt es keine Theater, die andere Konstruk-
tionen aufzeigen?
Blicken wir in dieser Rücksicht auf die erhaltenen
Theaterüberreste, so finden wir als Grundfiguren nicht
bloss regelmässige Dreiecke und Vierecke, sondern auch
regelmässige Sechsecke und Achtecke, ja sogar regel-
mässige Fünfecke und Siebenecke. Von welcher dieser
vielen Konstruktionsarten die unzweifelhaft mehr als
Vitruv bietende Quelle desselben ausgegangen ist,
wissen wir nicht; vergleichen wir aber die einzelnen
Arten mit einander, so finden wir eine fast durchgehende
Analogie mit der Konstruktion des griechischen Theaters
nach Vitruv: die Länge des Bühnengebäudes ist be-
stimmt durch eine Seite der in den ürkreis eingeschrie-
benen Grundfigm*, vermehrt um den Durchmesser des
ürkreises. Bei der Konstruktion verschiedener der er-
haltenen Theater konnte zwar auch der Halbmesser des
Kreises auf der verlängerten finitio proscaenii, bzw.
scaenae frons nach beiden Seiten hin abgetragen wer-
den, nicht aber konnte, was Müller als zweite bequeme
Art der Konstruktion hinstellt, vom Endpunkt der auf
der Mitte der Bühne errichteten Senkrechten (vom Durch-
schnittspunkt dieser Senkrechten und des ürkreises)
durch die Endpunkte des der Bühne parallelen Durch-
messers bis zu den Verlängerungen der die finitio pro-
4. Das griech. Theater; neue Erklärung. 35
scaenii, bzw. scaenae frons bildenden Seite der Grund-
figur Linien gezogen werden, um die Skenenlänge zu
bestimmen: denn die Skenenlänge ist in Wirklichkeit
geringer, als sie durch jene Linien bestimmt sein würde.
Sollte also für alle Arten von Konstruktionen eine ein-
zige Kegel aufgestellt werden, so hätte man sagen kön-
nen: Auf beiden Seiten der verlängerten, die finitio pro-
scaenii bildenden Seite der Grundfigur ist je ein Radius
des ürkreises abzutragen, oder: Von den Endpunkten
des der Bühne parallelen Durchmessers ist nach beiden
Seiten der verlängerten, die finitio proscaenii bildenden
Seite der Grundfigur je ein Kreisbogen zu schlagen. Die
Operation ist in beiden Fällen gleich leicht; die Quelle
Vitruvs hat vielleicht beide Fälle berücksichtigt, Vitruv
dagegen schreibt nur den zuletzt angegebenen Fall vor.
Diese einfache Erklärung ist selbstverständlich nur
Vermuthung. Eine nähere Besprechung der oben an-
geführten Theaterkonstruktionen wird in Verfolg dieser
Untersuchungen gegeben werden.
3*
Zweiter Theil.
Die Theaterüberreste.
(Beschreibung.)
Man hätte meinen sollen, dass die bequeme Zu-
sammenstellung der antiken Theaterüberreste im Wie-
selerschen Sammelwerk die Wissenschaft bedeutend för-
dern würde. Es ist nicht geschehen, im Gegentheil, es
ist ein nicht zu verkennender Rückschritt eingetreten:
Wieselers Werk ist nicht nur nicht genügend ausgenutzt,
es ist auch verkehrt benutzt worden.
Freilich ist zuzugeben, dass die Publikationen, auf
die sich Wieseler stützt, und dass in gleicher Weise
seine Reproduktionen weit davon entfernt sind für wissen-
schaftliche Untersuchungen eine genügende Basis abzu-
geben; fehlt ja doch überall, um nur etwas von vielem
anzuführen, die genau begründete Bezeichnung von Um-
bauten und Neubauten. Diese ist allerdings sehr schwie-
rig, aber doch nicht so schwer, dass ein Architekt oder
Philolog bei einigem guten Willen sie nicht geben könnte;
nur muss unbedingt der Wahn beiseite bleiben, als ob
architektonische Kenntnisse allein ausreichten; vielmehr
muss jeder, der im angegebenen Sinne arbeiten will,
eine Art Vorschule durchmachen, am besten in Pompeji
Einleitung. 37
mit dem gnmdlegenden Werk von Schöne-Nissen in der
Hand.
Aber trotz dieses mid anderer Mängel lassen sich
aus den publizirten Aufnahmen der Theaterüberreste un-
verächtliche Resultate gewinnen, wenn man nur metho-
disch dabei zu Werke geht, was bis jetzt leider nicht
geschehen ist. Schönbom, dem eine ausserordentlich
grosse durch Augenschein gewonnene Bekanntschaft mit
den antiken Theaterruinen eine ungemeine Hilfe ge-
währte, hat dessenohngeachtet unsere Erkenntnis mehr
gehemmt als gefördert durch seine Bemerkungen über
die Konstruktionen der von Wieseler zusammengestellten
Theaterüberreste, Skene der Hellenen, Leipzig 1856. Er
geht nämlich von Vitruvs Vorschriften aus, sucht nach
ihnen die Verhältnisse der Bühnentheile genauer zu be-
stimmen (Länge des Bühnengebäudes, Abstand der Bühne
von der Orchestra u. s. w.) und prüft die gefundenen
Resultate an den erhaltenen Ueberresten. Eine solche
vergleichende Betrachtung ist ja ganz interessant, viel-
leicht auch nöthig, aber die Erkenntnis der Konstruktio-
nen der Theaterruinen wird durch sie keinen Schritt ge-
fördert, vielmehr gehindert. Schönboms Verfahren ist
methodisch ebenso verfehlt, das muss schärfstens betont
werden, als der Versuch verfehlt wäre mit dem besten
alten Grammatiker in der Hand eine wissenschaftliche
Grammatik der griechischen, bzw. römischen Sprache
herzustellen, oder als Westphals und seiner Nachfolger
Versuch verfehlt ist mit Hilfe des Aristoxenos, dessen
Lehren selbst Westphals Scharfsinn nicht über allen
Zweifel fest zu bestimmen vermochte, die Rhythmik
sämmtlicher griechischer Dichter klarzulegen. Schönbom
macht einen ähnlichen Fehler wie die Erklärer des
Aeschylos, die trotz Welckers dringenden Warnungen
38 II» I^ie Ueberreste.
noch jetzt mit der Poetik des Aristoteles in der Hand
an seine Dramen herantreten.
Oder sollen wir wirklich glauben, dass die ganze
Mannigfaltigkeit der Formen, die, wie sie in allen übri-
gen Bestrebungen der Griechen und Römer zu Tage
tritt, eßenso auch für den Theaterbau mit Sicherheit
vorausgesetzt werden darf, mit den wenigen von Vitruv
gegebenen Bestimmungen erschöpft sei? Wer nur ein-
mal hieran zu zweifeln begonnen hat und die erhaltenen
Reste vergleichend überblickt, wird mit uns die Ueber-
zeugung theilen, dass Vitruvs Regeln nicht abgeleitet sind
aus dem Formenschatz der gesammten oder nur der
meisten Theaterbauten, sondern bloss von wenigen die
wesentlichen Merkmale, aber nicht einmal alle entnehmen»
Mag immerhin unser Vorrath an berücksichtigenswerthen
Konstruktionen in Vergleichung mit den einst vorhande-
nen gering sein, ungefähr wird immer das gleiche Ver-
hältnis bestanden haben, d. h. der vermehrten Zahl von
Konstruktionen vitruvischer Art wird eine im Verhältnis
ungefähr gleich vermehrte Zahl anderer Konstruktionen
zur Seite gestanden sein, und wenn dem so ist, wird
doch wohl eine methodische Untersuchung die erhaltenen
Reste nicht nach den beschränkten Regeln Vitruvs deh-
nen und drücken dürfen, sondern zuerst das Prinzip jedes
einzelnen Baus klarlegen müssen und dann erst eine Ver-
gleichung der erhaltenen Reste mit einander und mit
Vitruvs Vorschriften anstellen dürfen.
Ich wenigstens werde so verfahren und zuerst etwas
eingehender über das dionysische Theater Athens und
Polyklets Theater zu Epidauros handeln, mehr allerdings
um die mir als richtig erscheinende Methode durch einige
Beispiele besser zu kennzeichnen als um auf alle auf-
tauchenden Fragen nach Antwort zu suchen, und dann
Einleitung. 39
summarisch über die übrigen Monumente berichten, die
ich in gleicher Weise ausführlich zu besprechen vorläufig
wenigstens ablehnen muss.
Erster Abschnitt.
Das dionysische Theater Athens.
(Vgl. Fig. 4.)
Ausgegraben wurde das dionysische Theater Athens
von Strack 1862 und von der archäologischen Gesell-
schaft zu Athen 1863 und 1865. Die früheren Berichte
sind überholt von Julius und Ziller, welche in Lützows
Zeitschrift für bildende Kunst Bd. 13 Beschreibung und
Grundriss gegeben haben. Nachträge und neue Messun-
gen verdanken wir den Herren Petersen, Ziller und Kol-
dewey, welche von Chr. Kirchhoflf in zwei Altonaer
Gynmasialprogrammen 1882 und 1883 veröffentlicht wor-
den sind. Einige ihrer Angaben bedürfen einer kleinen
Berichtigung, welche ohne Zweifel von den genannten
Herren selbst vorgenommen worden wäre, wenn sie nicht
zu verschiedenen Zeiten die von den verschiedensten
Gesichtspunkten aus an sie gerichteten Fragen zu be-
antworten gehabt hätten.
Der Grundriss, den Kirchhoff für sein erstes Pro-
gramm hat anfertigen lassen, ist sehr schlecht, besser,
wenn auch noch lange nicht genügend, ist der, den ich
nach den Massangaben in Kirchboffs zweitem Programm
unter Mitwirkung meines lieben Freundes, des Lieute-
nants Faber vom topographischen Bureau des königl.
bayer. Generalstabs entworfen habe. Ausgelassen sind
auf unserm Grundrisse alle Bauten aus der Zeit des Ly-
40
II. Die Ueberreste.
knrg und Phädros, da sie ftir die Erkenntnis der nr-
sprttnglichen Anlage Überflüssig, wenn nicht verwirrend
sind. Zahlen und Ziffern sind die des Zillerschen Planes
in Ltttzows Zeitschrift*).
Figur 4.
Die fUr ans in Betracht kommenden Masse, die ich
ans Kirchhoffs zweitem Programm abdracken lassen muss,
da eine Verbesserung nothwendig ist, sind folgende:
Ä. Masse innerhalb der Kreise.
Meter
1. Durchmesser des grossen Kreises 28,20
2. „ n kleinen „ 22,00
3. Senkrechte auf der Mitte von yz bis zum
grossen Kreis 27,47
4. Senkrechte auf der Mitte von yz bis zum klei-
nen Kreis .' . 25,42
*) Der kleine Kreia iat etwas zu gross (Veraehen deaZeichnera).
1. Das dionys. Theater Athens. 41
5. Dieselbe Linie bis zum Mittelpunkt des grossen
Kreises 13,37
6. Dieselbe Linie bis zum Mittelpunkt des klei-
nen Kreises 14,42
Anmerkung zu Nr. 5 und 6. Bei Kirchhoflf sind
die beiden letzten Masse mit 13,26 und 14,42 ange-
geben. Hier ist ein kleines Versehen vorgekommen.
Ziehen wir nämlich den Halbmesser des grossen Kreises
(14,10) von Nr. 3 ab, so erhalten wir 13,37 und nicht
13,26. Dass die Zahlen 13,37 und 14,42 richtig sind,
dass also der Abstand beider Mittelpunkte 1,05 beträgt,
lässt sich auch durch folgende Rechnung darlegen:
a) Halbmesser des grossen Kreises .... 14,10
b) „ „ kleinen „ .... 11,00
c) Abstand beider Peripherien im Norden . . 2,05
d) „ „ Mittelpunkte = a — (b -h c) = 1,05
B. Abstände von der Nordseite der Mauer yz,
bzw. von ihrer Verlängerung.
7. Die Nordseite von Mauer 18 und 19 ... . 1,30
8. „ „ ^ 77 14 5,76
Anmerkung zu Nr. 8. „Diese 5,76, sagt Kirch-
hoff, sind das Mass, wenn man einen unregelmässigen
Porosblock, der sich eng an die Konglomeratfundamente
von 14 anschliesst, mit zu 14 rechnet . . . Das jetzige
Nordende von 14, d. i. mit Einschluss des Blocks ist,
nach dem Material zu urtheilen, wahi'scheinlich nicht das
antike. Der Porosblock ist räumlich eng, natürlich ohne
Bindematerial, an das Konglomerat angeschlossen; eben
darum können beide auch als eine bis 5,76 reichende
Mauer aufgefasst werden. Der Block ist nach Herrn
Koldeweys Meinung ein antiker Baustein des Theaters.
Die jetzige Oberseite desselben muss aber ursprünglich
unten gelegen haben. Das ist aus der Verdübelung zu
42 II- Die Ueberreste.
schliessen. Es ist keine Gussrinne da." Danach werden
wir wohl annehmen dürfen, dass die Mauer 14 erst
später verlängert wurde. Der Block verlängert die
Mauer um 0,66.
9. Die Nordseite von Mauer 15 2,55
10. Der Punkt von gh, der von der Verlängerung
der Mauer 12 (Mitte?) getroffen wird . . . 6,93
11. Der Punkt von ik, der von der Verlängerung
der Mauer 13 (Mitte) getroffen wird . . . 7,15
Anmerkung zu Nr. 11. „Die Wand ik, heisst
es bei Kirchhoflf, nähert sich mehr als gh der Parallele
mit yz und in Folge dessen ist die Entfernung bei 13
grösser als die bei 12. Es ist eben keine gleiche Di-
oder Konvergenz."
12. Südwestecke von ik 8,45
13. Nordostecke von gh 8,25
Anmerkung zu Nr. 12 und 13. Beide Ecken
sind als südliche Endpunkte der parallel dem senkrechten
Durchmesser an den kleinen Kreis gezogenen Tangenten
anzusehn.
C. Westöstliche Abstände.
14. Die Ostseite von 12 von der Westseite von 13 46,70
15. . . . 14 „ . . .15 21,28
D. Dicke der Mauern,
yz = 1,35; wx = 1,50; tv = 0,70; 18 und 19 = i;85;
12 = 0,75; 13 = 1,50; 14 untere Quaderschicht = 1,35;
14 obere Quaderschicht = 0,70; 15 = 1,80.
Welchen ürkreis hat der Erbauer des dionysischen
Theaters seiner Konstruktion zu Grunde gelegt? Das
ist die erste Frage, die wir zu beantworten haben. Ist
es einer von den beiden, deren Durchmesser wir oben
angegeben haben, und bejahenden Falls welcher?
%
1. Das dionys. Theater Athens. 43
„Nach den Messungen von Petersen, P. Ziller, Kol-
dewey scheint es, sagt Kirchhoflf im Anfange seines
zweiten Programms, als ob die alten Architekten mit
der Messschnur den Lauf von der Vorderkante der
Umgangsstufe = Hinterkante der untersten Stufe = Rück-
seite der Sesselreihe durch einen in zwei Tangenten
tibergehenden grösseren Halbkreis bestimmten." Kirch-
hoflf meint mit diesen Worten, dass der ürkreis des dio-
nysischen Theaters zu Athen der grössere unseres Planes
sei, der die Throne von den übrigen Sitzen abscheidet.
Diese Annahme halte ich für richtig. Gründe führt
Kirchhoflf nicht an; ich gebe folgende.
Zunächst sprechen dafür unsere bei der Unter-
suchung über die vitruvischen Regeln gefundenen Er-
gebnisse. Die Länge des Bühnengebäudes im griechi-
schen Theater ist nach Vitruv, bzw. seiner Quelle wahr-
scheinlich gleich IV7 Durchmesser des Urkreises (Qua-
dratseite ■+■ Durchmesser) oder gleich der Hypotenus^e
eines rechtwinkeligen Dreiecks, dessen Hypotenuse die
verlängerte die finitio proscaenii bildende Seite eines in
den Urkreis eingeschriebenen Quadrates ist und dessen
Katheten diejenigen Linien sind, welche von dem End-
punkte des auf der finitio proscaenii senkrecht stehenden
Durchmessers (des senkrechten Durchmessers) durch
die Endpunkte des der Bühne parallelen Durchmessers
(des wagrechten Durchmessers) bis zur verlängerten,
die finitio proscaenii bildenden Quadratseite gezogen
sind. Nun wissen wir freilich nicht, ob der Baumeister
des dionysischen Theaters zu Athen die Regel Vitruvs
oder der Quelle desselben befolgt hat. Indessen eine
Probe lässt sich ja doch anstellen; stimmt sie, so folgt
daraus, dass die genannte Regel wenigstens zum Theil
massgebend gewesen ist und insbesondere dass der von
uns angenommene Urkreis der richtige ist. Die Probe
44 II' Die Ueberreste.
ist auf unserer Zeichnung gemacht, sie stimmt. Die
Länge des Bühnengebäudes im dionysischen Theater
muss nach der aus Vitruv erschlossenen Regel sein:
2 X (28,20 - 4,1297913) = 48,1404174; sie ist in Wirk-
lichkeit mit Elnschluss der Seitenmauem 48,95, ohne
diese Mauern 46,70, Grösser also als der von uns an-
genommene kann der ürkreis nicht wohl gewesen sein
und kleiner kann er unbedingt nicht gewesen sein.
Denn wollte man als ürkreis z. B. den nehmen, der auf
unserer Figur zur Hälfte gezeichnet ist und der die
Vorderkante der Thronsessel bezeichnet, so würde die
in dem westlichen Endpunkt der Hypotenuse errichtete
Senkrechte die Mauer 12 nicht mehr treffen. Die An-
nahme eines noch kleineren ürkreises (Julius) würde
noch viel weniger gerechtfertigt sein.
Eine weitere Bestätigung der Richtigkeit unserer
Annahme finden wir in den analogen Konstruktionen der
sonst erhaltenen Theater. Sie scheinen nämlich fast
durchgehends ürkreise zu haben, die unmittelbar an den
Treppenenden entlang gehen, so dass zuweilen noch inner-
halb des Kreises Sitze zu finden sind. Vgl. Theil EI B, 2 B.
Schliesslich scheint auch die Grösse des kleinen
Kreises (s. S. 40*) anzudeuten, dass der ürkreis den von
uns angenommenen umfang hat. Der südliche Endpunkt
des senkrechten Durchmessers des kleinen Bjreises ist
vom Mittelpunkt des gi'össeren 11,00 — - 1,05 = 9,95 ent-
fernt; die der Bühne parallele Quadratseite (finitio pro-
scaenii) ist dagegen vom Mittelpunkt des ürkreises 14,10
•—4,1297913 = 9,97 entfernt, sodass sie vom kleinen
Kreis weder geschnitten noch überhaupt berührt wird.
Obwohl wir nun die Bedeutung des kleinen Kreises nicht
zu bestimmen vermögen, so ist es doch nach den Regeln
des Ebenmasses wahrscheinlich, dass das angegebene
Verhältnis des kleinen Kreises zur Quadratseite (finitio
1. Das dionys. Theater Athens. 45
proscaenii) und somit auch zum grossen Kreise beab-
sichtigt war; noch wahrscheinlicher wird die Sache bei
einer Vergleichuug des polykletischen Theaters zu Epi-
dauros, in dem die finitio proscaenii noch weiter von dem
Kreise absteht.
Ich weiss wohl, dass die angeführten Gründe nicht
frei sind von Zirkelschlüssen ; allein giebt es denn über-
haupt ein Feld unserer Wissenschaft, in dem wir uns
nicht im Kreise bewegen? Der Vorwurf der Willkür
aber kann unsere Festsetzung nicht treffen, wenigstens
wäre die Willkür nicht grösser als bei Annahme irgend
eines anderen ürkreises. Denn was giebt uns ein Recht
als ürkreis anzusetzen z. B. den Bogen der Vorderkante
der untersten Stufe? Sichere Entscheidung ist nur zu
erhoffen von einem eindringlichen Studium der einzelnen
Grundrisse und von einer sorgfältigen Vergleichuug aller
vorhandenen Reste, wozu freilich kaum erst der Anfang
gemacht ist.
Nachdem wir somit eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für unsere Ansetzung des ürkreises gewonnen haben,
ist die Antwort zu suchen auf die Frage nach der in
diesen ürkreis vom Urheber des Planes eingezeichneten
Grundfigur.
Niemand hat, soviel ich sehe, ein unverächtliches
Mittel der Rekonstruktion der Theatergrundrisse heran-
gezogen, ich meine die Richtung der Treppen im Zu-
schauerraum. Wir wissen ja doch, dass die Dreiecks-
ecken im römischen Theater und die Quadratecken im
griechischen Theater die Richtung der Treppen im Zu-
schauerraum bestimmen; umgekehrt müssen also auch
aus der Richtung der Treppen die Ecken der Grund-
figur erschlossen werden können. Dieser Schluss liegt
so nahe, dass man sich billig wundem könnte, warum
er nicht früher schon gezogen worden ist, wenn hierfür
46 II- Die üeberreste.
nicht eine genügende Erklärung in der verschiedenen
Zahl der Treppen in den einzelnen Theatern zu finden
wäre. Indem man nämlich blindlings Vitruv folgte, der
für das römische Theater sieben und für das griechische
acht Treppen im untern Zuschauerraum ansetzt, wusste
man mit der ungeheuer grossen Mannigfaltigkeit der
Treppenanlagen in den erhaltenen üeberresten nichts
anzufangen und liess deshalb ihre Besprechung beiseite.
Da wir, wie schon angedeutet, Vitruv nicht als unbe-
dingt massgebend anerkennen können, dürfen wir die
Erörterung der Treppenanlagen nicht wie unsere Vor-
gänger unterlassen, mag dabei ein Resultat herauskom-
men, welches es immer sei.
Nördlich vom wagrechten Durchmesser haben wir
durch Treppen geschieden elf Keile (xsQxläsg). Die in
den ürkreis eingeschriebene Grundfigur muss danach
ein Zweiundzwanzigeck oder zwei Elfecke sein. Dies
ist eine ganz wunderbare Form, die ausser dem neulich
aufgegrabenen Theater im Piräus (Karten von Attika,
Erläuternder Text, Heft I, Berlin 1884, S. 67) und
dem Theater zu Melos bei Wieseler I, 18 nirgends zu
finden ist und für die es einen ganz besonderen, frei-
lich schwer zu errathenden, im attischen Leben liegen-
den Grund geben muss. Gemäss den vitruvischen Vor-
schriften über das römische (und griechische) Theater
hätten wir nun die der Bühne zugekehrten Ecken der
Grundfigur zur weiteren Eekonstruktion des Theater-
grundrisses zunächst in Betracht zu ziehen. Allein leider
gleich hier, wo wir zum ersten Mal die Treppenanlagen
zur Erschliessung des ursprünglichen Planes zu verwer-
then beabsichtigen, drängt sich uns die Frage auf, ob
Btihnenbau und Treppenanlagen im dionysischen Theater
überhaupt nach einem einheitlichen Gesichtspunkt ge-
regelt sind, d. h. ob die Ecken der Grundfigur wie für
1. Das dionys. T^ieater Athens. 47
den Zuschauerraum die Treppen so für die Bühne die
finitio proscaenii, die Thüren u. s. w. habe bestimmen
sollen. Ich glaube mit nein antworten zu müssen aus
zwei Gründen, erstens weil eine wiederholt angestellte
Probe keinen irgendwie annehmbaren Erfolg ergeben hat
und zweitens weil eine andere Grundfigur für den ur-
sprünglichen Grundriss des Bühnengebäudes als mass-
gebend mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.
Der erste von diesen beiden Gründen ist freilich
nicht gerade erheblich: denn wer in derartigen Kon-
struktionen besser bewandert ist als ich, wird vielleicht
das finden, was ich vergeblich gesucht habe; der zweite
Grund aber ist meines Erachtens kaum abzuweisen.
Schon bei der Besprechung des ürkreises nämlich ist
oben dargelegt worden, dass für die Anlage des Bühnen-
gebäudes eine quadratische Grundfigur massgebend ge-
wesen ist. Für eine quadratische Grundfigur spricht
ausserdem, glaube ich, gewichtvoll die Anlage des Thea-
ters im Piräus; denn wenn die Treppenanlage in diesem
Theater gleich ist der ganz abnormen des dionysischen
Theaters zu Athen, so wird Gleichheit oder wenigstens
grosse Aehnlichkeit auch für den Bühnenbau vorauszu-
setzen sein.* Nun zeigt sich für diesen Bau im Theater
des Piräus ganz deutlich eine quadratische Grundfigur.
Allerdings das Quadrat und die Hilfslinien, die der
Herausgeber des Theaters Borrmann gezogen hat, sind
augenscheinlich verfehlt, da die Grundfigur in den klei-
nen Kreis eingezeichnet ist, sodass weder die Tangente
noch die Quadratseite die Funktion hat, welche ihr Vi-
truv zuschreibt. Zur falschen Zeichnung ist Borrmann
veranlasst worden vielleicht durch die Annahme, dass
mit den hervorspringenden Bauten, die er Paraskenien
nennt, das Bühnengebäude seitlich abgeschlossen-, dass
also die Länge desselben durch die äussern Seiten-
48 !!• I^iö Ueberreste.
mauern der sogenannten Paraskenien bestimmt gewesen
sei. Ausdrücklich spricht sich zwar Borrmann hierüber
nicht aus, aber auf jene Annahme deutet die Verglei-
chung des Theaters im Piräus mit dem zu Egesta, „mit
dem der Bau im Piräus sowohl in seinen Dimensionen
wie in Konstruktion und Anordnung manches Verwandte
bietet. '^ Besser hätte Borrmann gethan in Rücksicht
auf die Bestimmung der Länge des Bühnengebäudes das
polykletische Theater zu Epidauros heranzuziehen, denn
es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass die
hervorspringenden Bauten in der Front des Btlhnenge-
bäudes im Piräus die äussersten Seitentheile desselben
waren, weil das athenische Dionysostheater, nach dessen
Muster das Piräustheater offenbar gebaut worden ist,
eine verhältnismässig grössere Skenenlänge hatte, be-
sonders aber weil sonst eine Abweichung von einer fast
oder vielleicht völlig durchgehenden Regel angenommen
werden müsste. Es finden sich nämlich nur vier Theater,
die eine ähnlich geringe Skenenlänge erkennen lassen.
Das eine von ihnen kommt aber wegen der Kleinheit
seiner Verhältnisse gar nicht in Betracht, das Theater
zu Cuiculum bei Wieseler A 20; ebensowenig das Theater
zu Aizani bei Wieseler 1 13, da das Bühneilgebäude in
späterer Zeit umgebaut worden ist; auch das dritte kann
nicht schwer wiegen, das Theater zu Oinoanda A 7,
weil die Richtigkeit der Aufnahme sehr zu bezweifeln
ist; und nur das vierte, das Theater zu Telmissos bei
Wieseler 16, enthält möglicherweise eine, die einzig
zu zählende Abweichung von der angegebenen Regel. Wenn
wirklich im Piräus keine Spuren von weiter auswärts
gelegenen Seitenmauem zu finden waren, so spricht das
nicht gegen unsere Folgerung. Wir müssen dann eben
ein gänzliches Verschwinden derselben feststellen, ein
Verschwinden, das Niemand Wunder nehmen kann: sind
1. Das dionys. Theater Athens. 49
ja doch auch von den andern Bühnenmauern dieses
Theaters nur vereinzelte und ganz unbedeutende Reste
zu Tage getreten. Aber vielleicht wären dennoch Spuren
zu finden gewesen, wenn einer genauer zu. suchen Ge-
legenheit gehabt hätte.
Doch kommen wir auf die quadratische Grundfigur
des Piräustheaters zurück! Wenn wir, wie es fast in
allen Theatern wird geschehen müssen, als ürkreis den
annehmen, dessen Peripherie an der Vorderkante der
untersten Treppenstufe entlang geht, so werden die
Ecken der vorspringenden, von Borrmann Paraskenien
genannten Bühnentheile von der Kreislinie berührt, und
die Verbindungslinie dieser Ecken ist, nach meiner in
Folge des Mangels an Massangaben allerdings nicht
ausreichend sicheren Probe, so ziemlich genau die der
Bühne parallele Quadratseite, die finitio proscaenii. Hier-
aus entspringt die Wahrscheinlichkeit einer quadratischen
Grundfigur für den Grundriss des Piräustheaters und aus
dieser wieder gemäss der oben angeführten Analogie
die gleiche Wahrscheinlichkeit für den Grundriss des
dionysischen Theaters zu Athen. Der Umstand, dass in
beiden Grundrissen entgegen der Vorschrift des Vitruv
die scaenae frons etwas mehr von dem ürkreis entfernt
ist als eine Tangente, spricht nicht im Mindesten gegen
eine quadratische Grundfigur, da ähnliche kleine Ab-
weichungen von der strengen Regel nicht selten vorge-
kommen zu sein scheinen.
lieber die Lage der Thüren und ihr Verhältnis zur
Grundfigur können wir ein Urtheil nicht fällen, da Reste
von ihnen nicht zu finden gewesen sind. Nur über die
seitlichen Eingänge zur Bühne lässt sich eine Bemerkung
machen. Wenn die Seiteneingänge im athenischen Dio-
nysostheater Thüren waren, was gar nicht sicher ist, da
auch an offene Eingänge gedacht werden kann, so
Oe hmic he n, Griech. Theaterbau. 4
50 II- Die Ueberreste.
müssen sie gelegen gewesen sein zwischen der Mauer
wx und den Mauern 18 und 19. Bei dieser Folgerung
ist mit Julius vorausgesetzt, dass die Mauer yz nur Sub-
struktionsmauer für das früher hölzerne Bühnengebäude
gewesen sei, dass sie also nicht höher war als der Bo-
den des Prosceniums. Wäre dem nicht so gewesen,
hätte die Mauer yz zur Zeit, als die (auf unserer Zeich-
nung schwarz ausgefüllten) Stützmauern aufgeführt wur-
den, über den Boden (das Niveau) des Prosceniums hoch
herausgeragt, so wären überhaupt seitliche Thüren nicht
möglich gewesen, wie aus der Zeichnung augenschein-
lich hervorgeht. Die Breite jener von einigen Gelehrten
vorausgesetzten Thüren kann höchstens so gross gewesen
sein als der Abstand der Mauer wx von den Mauern 18
und 19, und dieser Abstand lässt sich genau folgender-
massen berechnen. Von der Nordgrenze von yz bis zur
Nordgrenze von 18 und 19 beträgt die Entfernung 1,30;
als Dicke von 18 und 19 wird 1,85 angegeben; somit
liegt die Südgrenze beider Mauern 0,55 südlich von der
Nordgrenze von yz. Da die ebengenannte Mauer 1,35
dick ist, so beträgt die Entfernung der Südgrenze von yz
(= Nordgrenze von wx) von der Südgrenze von 18 und
19 nur 1,35 — 0,55 = 0,80. Dass ein Mauerabstand von
0,80 zu gering ist, dass Thüren von solcher Breite nicht
zweckentsprechend sein konnten, ist, denke ich, selbst-
verständlich. Daraus folgt für uns mit zwingender Noth-
wendigkeit, dass die seitlichen Zugänge zur Bühne
wenigstens im dionysischen Theater Athens nicht Thüren
gewesen sein können.
Mehr habe ich über dieses Theater vorläufig nicht
zu sagen; denn auf die nach Norden vorspringende
Mauer 14 wage ich keine Vermuthung zu gründen, da
ihre ursprüngliche Nordgrenze nicht sicher zu bestimmen ist.
2. Polyklets Theater zu Epidauros. 51
Zweiter Abschnitt.
Polyklets Theater zu Epidauros.
Sehr sehenswerth und durch Harmonie und Schön-
heit ausgezeichnet war nach dem ürtheile des Pausanias
das Theater des Polyklet zu Epidauros: II 27,5 ""Em-
äavqioig äi itSti^ d-iatqov iv IsQio^ ficchtfra ifiol äoxst
sfpaif d-iag ä^iov rä [liv yäq ^Pcofiaicop noXi) Sri tp
VTtsQ^xs Tcov navraxov tw x6(f[i(pj [isy^d-st di IdQxddcov
ro iv MsyaXfi TtoXsr ctqiioviag di ff xdXkovg ^vsxa a^^*""
Tixvcop TTotog ig äfiMav IToXvxXsiTM yivoit^ äv ä^ioxQscog;
üoXvxXs^Tog yäq xal d'iarqov rovro xal oYxij^a zo tvsqi-
(feqkg 6 noi^^tfag ^v. Es wird also weiter keiner Eecht-
fertigung bedürfen, dass ich gerade dieses Theater neben
dem dionysischen Athens zu einer Kesprechung ausge-
wählt habe.
Bekannt war es schon ziemlich früh, wie man aus
dem Wieselerschen Werke ersehen kann. Chandler und
Leake haben es nur verschüttet gesehen; mehr konnte
Donaldson berichten, der auch eine Ergänzung des Planes
versuchte; die Resultate einer späteren Ausgrabung fin-
den sich in Expedition de Mor6e. Der Plan Blouets ist
aus diesem Werke von Wieseler in seine Sammlung auf-
genommen worden. Genauere Kenntnis haben wir ge-
wonnen durch die neuesten Ausgrabungen, welche im
Jahre 1881 auf Veranlassung der archäologischen Ge-
sellschaft zu Athen unter Leitung des Herrn Kabbadias
angestellt worden sind, und über die der letztere in den
Praktika der genannten Gesellschaft von demselben
Jahre Bericht erstattet hat. Diesen Bericht und die bei-
gegebenen Karten hatte ich Monate lang in dem guten
Glauben, dass wenigstens das Thatsächliche und die
52 II- I^ie Ueberreste.
Zeichnungen nicht ganz unzuverlässig seien, zu vor-
liegender Arbeit benutzt. Jetzt, nachdem ein Plan des
Theaters mühsam zusammengestellt und kopirt ist, er-
sehe ich, dass ganz ausserordentlich wesentliche Dinge
unrichtig gezeichnet sind. Ich ersehe dies aus den neuen
Aufnahmen unseres Landsmannes Dörpfeld, welche in
den Praktika der athenischen archäologischen Gesellschaft
vom Jahre 1883 veröffentlicht sind. Kabbadias, der auch
diese neuen Aufnahmen mit einigen Bemerkungen be-
gleitet, entschuldigt die Ungenauigkeit der früheren Ver-
öffentlichung mit dem Umstände, dass verschiedene Punkte
erst durch spätere Nachgrabungen klargelegt worden
seien. Diese Entschuldigung ist aber nichts weniger als
zureichend: Aus Kabbadias Bericht und aus der Ver-
gleichung der Zeichnungen vom Jahre 1881 mit den
Dörpfeldschen lässt sich unwidersprechlich nachweisen,
dass die wichtigsten Theile des Theaters bekannt waren
und nur falsch aufgenommen worden sind.
Man wird es begreiflich finden, dass infolge des er-
wähnten ümstandes mich eine gewisse Unlust beschlichen
hat, und dass ich deshalb jetzt nur mehr einen Auszug
meiner Ausarbeitung ohne Beifügung eines Grundrisses
gebe. Die Verständlichkeit wird trotzdem, so hoffe ich,
nicht allzusehr unter diesem Mangel leiden. Eine end-
giltige Beschreibung beabsichtige ich nicht, sie ist auch
gar nicht möglich, bevor durch eine Nachprüfung an Ort
und Stelle, wobei auch einige Neumessungen vorzunehmen
wären, die Grundlagen völlig sicher gestellt sind.
Der Zuschauerraum ist begrenzt durch zwei kon-
zentrische über den Halbkreis hinausgehende Kreislinien,
von denen die eine, wie es scheint (vgl. unten), nicht
ganz regelmässig ist, und nach der Bühne zu durch
zwei Verbindungslinien, welche von den Endpunkten der
kleinem Kreislinie nach den Endpunkten der grossem
k
2. Polyklets Theater zu Epidauros. 53
Kreislinie gezogen sind. Der Plan des Zuschauerraums
ist also hufeisenförmig. Die nur in den Grundsteinen
noch erkennbare Umfassungsmauer im Rücken der Zu-
schauer {xaTatofii^)y die durch einen 2,15 breiten Gang
von der obersten Sitzstufe getrennt ist, und die Abschluss-
mauem des Zuschauerraums nach der Bühne zu {äpa-
X7]liliara) sind 0,63 dick und aus Porosstein aufgeführt.
Die letzteren Mauern endigen nach der Orchestra zu in
viereckige Platten, deren Höhe 0,27 und deren Ober-
fläche 0,80 X 0,82 beträgt. Diese Platten haben in der
Mitte eine viereckige Höhlung, 0,9 tief, 0,62 lang und
0,59 breit, und waren nach Kabbadias Ansicht zur Auf-
nahme von je einer Bildsäule bestimmt.
Der so abgegrenzte Zuschauerraum wird radial durch
dreizehn Treppen in zwölf Keile {x€Qxid€g) dergestalt ge-
theilt, dass zehn dieser Keile, von der Bühne aus ge-
rechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers (bzw.
zweier wagrechter Halbmesser) liegen, je einer rechts
und links diesseits desselben. Im zweiten Stockwerk,
wovon sogleich, sind die angegebenen zwölf Keile durch
Treppen halbirt; doch enthalten die beiden äussersten
der so entstandenen vierundzwanzig Keile des Oberstocks
nur zur Hälfte Sitzplätze: ihre anderen der Bühne zu-
nächst gelegenen Hälften waren wahrscheinlich für Zu-
gänge zum Zuschauerraum verwerthet. Konzentrisch ist
der Zuschauerraum in zwei Stockwerke getheilt und zwar
durch einen Umgang, der nach dem Text des Kabbadias
1,90 breit ist. Das obere Stockwerk enthält zwanzig,
das untere zweiunddreissig einfache Sitzstufen. Ausser
den gewöhnlichen Sitzstufen finden sich noch drei Sessel-
reihen, ein Umstand, der Beachtung verdient; denn eine
untere Sesselreihe kommt ja auch sonst hin und wieder
vor, ebenso eine zweite obere, wenn auch sehr selten,
nirgends aber, so viel ich sehe, eine dritte. Eine dieser
54 II. Die Ueberreste.
Sesselreihen befindet sieh vor der untersten Sitzstufe des
unteren Stockwerks, eine hinter der obersten Sitzstufe
desselben Stockwerks und eine vor der untersten Sitz-
stufe des oberen Stockwerks. Unmittelbar hinter der
untersten wie hinter der obersten Sesselreihe läuft eine
kleine Umgangsstufe, zwischen der mittelsten und der
obersten der schon oben erwähnte die Stockwerke schei-
dende Umgang (praecinctio).
Abgesondert wird der Zuschauerraum von dem mitt-
leren Theil der gesammten Theateranlage, einer mit
einer steinernen Einfassung versehenen kreisrunden Fläche
(Orchestra), durch einen steingepflasterten Gürtel, der in
der Mitte, wo er von dem senkrechten Durchmesser des
Urkreises geschnitten wird, 2,10 breit ist, der sich aber
auf beiden Seiten nach der Bühne zu bis auf 2,84 er-
weitert. Die Grenzlinie zwischen diesem Gürtel und dem
Zuschauerraum (= untere Begrenzung des Zuschauer-
raums) und die Grenzlinie zwischen dem Gürtel und der
Orchestra (= Orchestrakreis) sind zum Theil konzentrisch.
So verhält es sich wenigstens nach den Messungen und
Zeichnungen Dörpfelds. Anders liegt die Sache nach
der Zeichnung (nicht nach dem Text, der darüber
schweigt) der früheren Veröffentlichung vom Jahre 1881.
Nach dieser sind zwei Mittelpunkte mit einem Ab-
stände von ungefähr 0,62 anzunehmen, einer für die un-
tere Begrenzung des Zuschauerraumes und einer für den
inneren Kreis, wie sie sich ähnlich im dionysischen
Theater Athens finden. Eine Bestätigung der einen oder
andern Ansicht wäre erwünscht.
Oben war angedeutet worden, dass die untere Be-
grenzung des Zuschauerraums nicht eine regelmässige
Kreislinie zu sein scheine, und soeben war erwähnt wor-
den, dass nach Dörpfeld die untere Begrenzung des Zu-
schauerraumes und der Orchestrakreis zum Theil kon-
■\
2. Polyklets Theater zu Epidauros. 55
zentrisch seien. Diese allgemein gehaltenen Angaben
bedürfen einer Erläuterung. Nach Dörpfeld ist die un-
tere Begrenzung des Zuschauerraums nur in der Mitte,
an acht Keile entlang, mit dem Orchestrakreise konzen-
trisch; nach der Bühne zu, meint er, trete rechts und
links eine Erweiterung der Kreislinie ein, indem mit
einem grösseren Halbmesser von einem zweiten und
dritten Mittelpunkt aus, die etwa sieben Meter von ein-
ander und drei bis vier Meter vom Hauptmittelpunkte
entfernt seien, die übrigen Keile des Zuschauerraumes
rechts und links abgegrenzt würden. Die untere Be-
grenzung des Zuschauerraumes besteht also nach Dörp-
felds Ansicht aus drei verschiedenen, aber ineinander
übergehenden Kreisbögen. Die Form der unteren Be-
grenzung des Zuschauerraumes ist auch, wenn Dörpfeld
recht gesehen hat, für die Treppenanlage des Zuschauer-
raumes massgebend gewesen, insofern als von den Trep-
pen die drei äussersten jeder Seite , die der Bühne zu-
nächst liegen, nach dem zweiten, bzw. dritten Mittel-
punkte zu gerichtet sind, die übrigen im mittleren Theile
des Zuschauerraums gelegenen dagegen nach dem Haupt-
mittelpunkte zu.
Die Oberfläche des vorhin besprochenen die Or-
chestra einschliessenden Gürtels, auf den zurückzukom-
men nicht unangebracht sein wird, liegt ungefähr 0,21
tiefer als die Oberfläche der Orchestra. Diese tiefe Lage
und zwei in kleiner Entfernung vom wagrechten Durch-
messer nach der Bühne zu angebrachte Löcher in dem-
selben weisen deutlich darauf hin, dass er unter andern
die Bestimmung hatte das im Zuschauerraum sich an-
sammelnde Wasser in Kanäle abzuleiten.
Die Orchestra ist nicht gepflastert, sondern ein Sand-
boden (ßöacfog Tex^fftöt^ ix xöpeoog) mit einer steinernen
Einfassung, die aber über die Obei*fläche der Orchestra
56 II. Die Ueberreste.
nicht herausragt. In der Mitte der Orehestra ist fest in
den Boden eingelassen ein runder Stein, mit einem Durch-
messer von 0,71 und ebensowenig wie die steinerne Ein-
fassung die Orchestraoberfläche überragend. Ein tiefes
Loch in der Mitte des Steins bezeichnet den Mittelpunkt
des Orchestrakreises und des mittleren Theiles des Zu-
schauerraumes. Eine so gebildete Orehestra ist bis jetzt
nicht bekannt; da sie aber augenscheinlich aus früher
Zeit stammt, ist sie für die Erforschung der ältesten
Theaterkonstruktion gegenüber allen übrigen meist um-
gebauten von massgebendem Gewicht.
Ebenso eigenthtimlich und ebenso bedeutend für die
Untersuchung ist der vordere Theil des Bühnengebäudes,
dessen Mauern freihch, wie aus der Zeichnung auf Tafel
D der ersten Veröffentlichung zu schliessen ist, wohl
ebenso jetzt nur mehr bis zu einem halben Meter über
den ursprünglichen Boden hervorragen werden wie die
Bühnenhinterwand (frons scaenae), von der Kabbadias
dies ausdrücklich versichert. Die Basis der Vorder-
mauer des Hyposkenions (finitio proscaenii) ist nach
Kabbadias 0,38 von der parallel dem wagrechten Durch-
messer an den Orchestrakreis gezogenen Tangente ent-
fernt. Die gradlinige Mitte und die quadratisch nach
der Orehestra zu vorspringenden Enden dieser Mauer
waren mit achtzehn Halbsäulen aus Porosstein ge-
schmückt. Genau in der Mitte hat der mittlere Theil
der Mauer eine Oeffnung (bei Dörpfeld angegeben, nicht
aber in der Zeichnung vom Jahre 1881) und ebenso
jeder der quadratischen Vorsprünge je eine. Die seit-
lichen Maueröfihungen sind zugemauert worden, wie ver-
muthet mrd, in römischer Zeit, wo sie nicht mehr be-
nutzt werden konnten. Die Höhe dieser Mauer und
somit des Hyposkenions beträgt nach Dörpfelds Ergän-
zungsversuch zwölf Fuss. Die Fortsetzungen der Vorder-
^
2. Polyklets Theater zu Epidauros. 57
mauer des Hyposkenions nach rechts und links liegen
nur wenige Meter lang in gleicher Fluchtlinie mit dem
mittleren Theile derselben, dann weichen sie nach dem
Bühnengebäude zu zurück und nähern sich etwas einer
den Analemmata parallelen Linie; Maueröfiiiungen haben
diese Mauerfortsetzungen da, wo sie an die quadrati-
schen Vorsprünge des Hyposkenions anstossen. Abge-
schlossen wird der vordere Theil der gesammten Bühnen-
anlage nach hinten durch eine gerade Mauer (scaenae
frons) und an den Seiten durch Pfeiler und Thüren. Die
eben genannte gerade Mauer, hinter der die eigentliche
Skene und einige Seitenräume liegen, ist von der Vorder-
mauer des Hyposkenions 4,24 entfernt (= Bühnentiefe) •,
Thüren in ihr, welche von den hinteren Räumen auf die
Bühne führten, sind natürlich beim Niedersturz der Mau-
ern spurlos verschwunden, aber nichtsdestoweniger vom
griechischen Zeichner in seinen Grundriss eingetragen
worden. Von den Pfeilern der seitlichen Abschlüsse des
Vorderraumes sind die Basen erhalten und im Osten ein
beinahe einen Meter hoher Best.
Die rechts und links vom Proscenium liegenden
seitlichen Theile des Vorderraums der gesammten Bühnen-
anlage sind nach Dörpfelds Wiederherstellungsversuch
nicht Seitenflügel oder Seitenräume, sondern steinerne
Treppen gewesen, über die man, von aussen durch die
Seiteneingänge schreitend, auf die Bühne gelangte und
über die man ebendahin auch von der Orchestra aus
gelangte, wie aus einigen Stufen zu schliessen ist, die
in der Nähe der Seiteneingänge an die Treppen gelegt
sind. Hat Dörpfeld Recht — und alle Anzeichen sprechen
dafür — , so wird diese, die epidaurische, Anlage als
Ausgangspunkt für alle Rekonstruktionsversuche der äl-
testen griechischen Bühne, wie mir scheint, betrachtet
werden müssen, obwohl sie einzig dasteht. Denn einzig.
58 II' Die Ueberreste.
glaube ich, ist sie nur deshalb, weil in den übrigen
Theatern die entsprechenden Treppen wahrscheinlich
aus Holz hergestellt waren, also nicht erhalten sein
können.
Der dem gesammten Theaterbau zu Grunde liegende
Urkreis, nach welchem wir wie im dionysischen Theater
Athens so hier zunächst zu suchen haben, ist nicht der,
den Dörpfeld, nach den Hilfslinien seiner Zeichnung zu
urtheilen, anzunehmen scheint, und der entlang der Vor-
derkante der untersten Sesselstufe geht, sondern wie im
dionysischen Theater Athens der, welcher die untersten
Sessel von den übrigen Sitzen scheidet und mit der von
der Vorderkante der untersten ümgangsstufe gebildeten
Kreislinie wenigstens zum Theil zusammenfällt. Für die
Richtigkeit unserer Annahme sprechen ausser der allge-
meinen Wahrscheinlichkeit drei Umstände: 1. die Länge
des Bühnengebäudes beträgt genau 1% Durchmesser
des von uns angenommenen Urkreises, und so lang soll
das Bühnengebäude im griechischen Theater nach Vitruv
sein; 2. die Länge des Hyposkenions ist, soweit das
vorliegende Material zu schliessen gestattet, gleich dem
Durchmesser unseres Urkreises, ein Verhältnis, das zwar
von Vitruv nicht vorgeschrieben wird, das aber in die
Harmonie des Ganzen sich schön eingliedert, das deshalb
nicht zufällig entstanden sein kann und das bei An-
nahme eines andern Urkreises gänzlich schwindet-, 3. die
inneren Ecken der quadratischen Vorsprünge der Vorder-
mauer des Hyposkenions fallen in die Peripherie unseres
Urkreises, wenn die Dörpfeldsche Zeichnung und meine
Probe richtig ist; auch dieses letztere schöne Verhältnis
würde bei Annahme eines anderen Urkreises gestört
werden.
Um die in diesen Urkreis eingezeichnete Grundfigur
des Grundrisses zu finden, gehen wir auch hier von der
^
2. Polyklets Theater zu Epidauros. 59
Betrachtung der Treppenanlage im Zuschauerraum aus.
Durch den wagrechten Durchmesser des ürkreises wird
vom Zuschauerraum ein Halbkreis abgeschnitten, der elf
Treppen und zehn untere Keile enthält. Die in den ür-
kreis eingezeichnete Grundfigur kann danach weder durch
vier gleichseitige Dreiecke noch durch drei Quadrate
gebildet gewesen sein, wie Vitruv für das römische, bzw.
griechische Theater vorschreibt, sie muss vielmehr aus
vier regelmässigen Fünfecken bestanden haben.
Die oben angeführten, von Dörpfeld angenommenen Ab-
weichungen der unteren Begrenzung des ZuschaueiTaums
von der genauen Kreislinie sind nicht bedeutend genug,
um unsere Schlussfolgerung als ungerechtfertigt erschei-
nen zu lassen. Etwas anderes wäre es, wenn der untere
Treppenabstand (= Dicke der Keile an der unteren Be-
grenzung des Zuschauerraums) auf der Dörpfeldschen
Zeichnung der Wirklichkeit ganz genau entspräche —
sie beträgt dort ein klein wenig mehr als die Seite eines
in den ürkreis eingeschriebenen gleichseitigen Zwanzig-
ecks. — Leider hat Dörpfeld unterlassen das genaue
Mass des unteren Treppenabstandes anzugeben, so dass
eine Prüfung seiner Zeichnung durch Rechnung nicht
möglich ist. Wenn wir aber bei den griechischen Thea-
tern als Kegel, wie es scheint, ohne Ausnahme finden,
dass der untere Treppenabstand gleich ist der Seite
eines in den ürkreis eingezeichneten, durch die Ecken
der Grundfigur bestimmten Vielecks, so werden wir das
gleiche Verhältnis für das polykletische Theater voraus-
zusetzen ein Eecht haben und annehmen dürfen, dass
ein kleines Versehn in der Aufnahme stattgefunden hat,
und dass in dieser einzigen Beziehung die der ersten
Veröffentlichung beigegebene Zeichnung getreuer ist.
Doch Fünfecke, wird man fragen, Fünfecke als
Grundfigur? Gewiss! Wunder kann es nur den nehmen.
I
60 !!• E)ie Ueberreste.
dem Vitruvs Kegeln als heilige Offenbarung gelten, oder
der da meint, dass der goldene Schnitt den Alten un-
bekannt gewesen sei. Mit Hilfe des goldenen Schnittes
nämlich ist die Grundfigur herzustellen, da die grössere
Hälfte des durch den goldenen Schnitt getheilten Halb-
messers gleich ist der Seite eines in den Kreis einge-
schriebenen gleichseitigen Zehnecks. Ich habe freilich
nicht nachgesehn, ob in den uns hinterlassenen Hand-
büchern der Alten eine Theorie des goldenen Schnittes
«u finden ist; allein gesetzt, es sei nicht der Fall, so ist
damit für die Praxis nicht das Mindeste bewiesen. Denn
in der Praxis war der goldene Schnitt bekannt, wie
nicht bloss das polykletische Theater klärlich zeigt, son-
dern eine ganze Reihe anderer, die im nächsten Ab-
schnitt besprochen werden sollen.
Also diese das schönste Ebenmass, das es giebt,
herbeiführende Grundfigur (vier regelmässige Fünfecke)
hat Polyklet wenigstens für die Konstruktion des Zu-
schauerraumes zu Grunde gelegt. Ob auch für die der
Bühne? Von vornherein ist diese Frage nicht unbedingt
zu bejahen: die Anlage des dionysischen Theaters in
Athen hat uns vorsichtig gemacht. Dort war für den
Zuschauerraum eine aus welchem Grunde immer ver-
anlasste ungewöhnliche Grundfigur vorhanden, eine an-
dere für die Bühne anzunehmen. Die letztere war die
für das griechische Theater im Allgemeinen vorauszu-
setzende quadratische. Probiren wir wie dort so hier,
ob für die Bühnenkonstruktion eine quadratische Grund-
figur massgebend gewesen ist. Wir berücksichtigen zu-
erst die Länge der gesanmiten Bühnenanlage. Ziehen
wir dieselben Hilfslinien wie im Grundriss des dionysi-
schen Theaters, so finden wir, dass die Länge der ge-
sammten Bühnenanlage nicht grösser und nicht kleiner
ist als die Hypotenuse des durch die Hilfslinien gebilde-
« •
2. Polyklets Theater zu Epidauros. 61
ten Dreiecks, mit andern Worten, dass sie genau IV7
Durchmesser des ürkreises beträgt, wie oben schon an-
gedeutet worden ist. Die quadratische Grundfigur ist
also für den polykletischen Bühnenbau massgebend ge-
wesen. Doch halt! Der Schluss geht zu weit. Muss
denn, wenn die Länge der Anlage durch eine quadra-
tische Grundfigur bestimmt war (Quadratseite + Durch-
messer), auch die übrige Konstruktion sich nach ihr ge-
richtet haben? Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht
ja' hierfür, und wir haben oben bei Besprechung des
dionysischen Theaters in Athen diese Wahrscheinlichkeit
geltend gemacht. Aber nicht sie allein, und das ist sehr
wesentlich. Allein ist sie kein genügender Beweisgrund;
es müssen vielmehr noch andere hinzukommen, und zu-
sammen erst werden sie überzeugend wirken. So war
es beim dionysischen Theater Athens; sehen wir also
zu, ob wir noch andere Anzeichen finden, die auf eine
quadratische Grundfigur der polykletischen Bühne hin-
deuten. Ich kann versichern, dass ich, nicht blind ge-
worden durch die gleich zu erwähnende Ansicht, alle
möglichen Proben angestellt habe ; aber ich habe nichts
gefunden. Es wird deshalb die Annahme nicht unge-
rechtfertigt erscheinen, dass Polyklet zwar zur Bestim-
mung der Skenenlänge, wahrscheinlich nach dem Muster
anderer Theater, die quadratische Grundfigur verwerthet
habe, für die übrige Konstruktion der Bühne aber eben-
sowenig wie für den Bau des Zuschauerraums.
Weil gleichseitige in den ürkreis eingeschriebene
Fünfecke für die Ansetzung der Treppen im Zuschauer-
raum sicher massgebend gewesen sind, wird mit ihnen -
die nächste Probe anzustellen sein. Der Erfolg ist
äusserst günstig. Ein Umstand zwar nm*, aber, wie ich
meine, ein ausschlaggebender, kennzeichnet die regel-
mässigen Fünfecke als Grundfigur auch der Bühnen-
62 II' E)ie Ueberreate.
anläge. Nach der Vorschrift Vitruvs ist die der Bühne
zunächst liegende, ihr parallele Quadratseite die finitio
proscaenii. Genau ebenso ist es hier, nur dass statt
Quadratseite Fünfeckseite zu sagen ist: Die finitio pro-
scaenii im polykletischen Theater wird gebildet durch
die Seite eines gleichseitigen in den ürkreis eingeschrie-
benen Fünfecks, welche der Bühne parallel läuft und
ihr zunächst liegt.
Demnach dürfen wir als ausserordentlich wichtiges
Resultat unserer Untersuchung verzeichnen, dass Polyklet
sein durch harmonische Verhältnisse und Schönheit im
Einzelnen wie Ganzen ausgezeichnetes Theater fast
durchaus oder, sagen wir lieber gleich^\ durchaus ab-
weichend vom dionysischen Theater Athehß konstmirt
hat: dass er zwar als Länge der gesammteir\Bühnen-
anlage 1°/? Durchmesser des Urkreises angese^ hat,
dass er aber als Grundfigur für die Treppenanla^n ™
Zuschauerraum sowohl als für die Konstruktion \ der
Bühne gleichseitige Fünfecke gewählt hat, also diejei
Figur, welche mehr als jede andere eine ebenmäs«
Gliederung der Bauanlage in sich schliesst.
Dritter Abschnitt.
Die übrigen Theaterüberreste.
Dass ich die übrigen Theaterüberreste nicht in der-
selben ausführlichen Weise bespreche wie die zu Athen
und Epidauros, ist selbstverständlich. Einerseits sind i
die Veröff*entlichungen derselben, wie schon angedeutet \
worden ist, für unsere Zwecke nicht genügend, anderer- '^
3. Die übrigen Ueberreste (Einl.). 63
seits würde für die Untersuchung der gesammten Theater-
überreste, selbst wenn genügende Unterlagen vorhanden
wären, kaum ein Ende abzusehen sein. Jeder, der ähn-
liehe Untersuchungen angestellt hat, wird gern zugeben,
dass bei dem Lösungsversuch einer einzigen Frage eine
Reihe anderer Fragen auftaucht, deren Beantwortung
uns in die Weite, zuweilen auch wohl in die Irre führt.
Um bald zu einem gewissen Abschluss zu kommen,
musste ich mir mancherlei Beschränkungen auferlegen.
Eine Beschränkung habe ich zunächst bei dem Ma-
terial eintreten lassen, insofern als ich mit ganz wenigen
Ausnahmen nur das Wieselersche Sammelwerk benutzt
habe, nicht aber die Veröffentlichungen, auf die dieses
sich stützt oder die später erschienen sind. Dass infolge
dessen meine Arbeit sehr unvollkommen sein wird, weiss
ich; ich weiss aber auch, dass trotzdem meine Mühe
nicht vergeblich sein wird.
Eine andere Beschränkung habe ich mir auferlegt
in Bezug auf die festzustellenden Thatsachen. Es kommt
mir in erster Linie darauf an, die Grundfigur herauszu-
finden, von welcher der Baumeister bei der Theater-
konstruktion ausgegangen ist. Zu diesem Zwecke beachte
ich zunächst die Treppenanlagen im Zuschauerraum:
aus der Zahl und der Lage dieser Treppen ist, wie ich
gezeigt habe, ein Schluss auf die in den Urkreis einge-
schriebene Grundfigur zu ziehen. Da aber Zuschauer-
raum und Bühnenanlage nicht immer nach ein und der-
selben Grundfigur konstruirt zu sein brauchen, wie uns
das dionysische Theater Athens gelehrt hat, so sind
weiter in Betracht zu ziehen die Länge des Bühnenge-
bäudes und die Thüren in der Bühnenhinterwand. Die
Länge des Bühnengebäudes habe ich nun zwar überall,
wo es möglich war, festzustellen gesucht, nicht aber
immer die Anlage der Thüren berücksichtigt. Diese
64 n. Die Ueberreste.
Beschränkung wird Anlass zu verschiedenen Berichti-
gungen geben, aber sie war nöthig, weil die Kleinheit
der Figuren im Wieselerschen Werk eine genaue Mes-
sung nicht gestattet. Ich suche ferner das Verhältnis
der Bühnenhinterwand zum ürkreis zu bestimmen, d. h»
ob sie eine Sehne oder Tangente des ürkreises bildet.
Dagegen lasse ich das Verhältnis der Bühnenvorderwand
(finitio proscaenii) zum ürkreis meist unbeachtet, theils
weil es vielfach in den Plänen nicht deutlich hervortritt,
theils weil es für unsere Zwecke nicht von wesentlichem
Belang ist. Hinterräume, Seitenräume, Seiteneingänge,
Treppen an der Bühne, Wasserleitungen, und was sonst
noch in der Orchestra oder im Bühnengebäude gefunden
worden ist, unterlasse ich anzugeben ebenso wie die
Diazomata, Sessel u. s. w., die im Zuschauerraum er-
scheinen. Das einzige, was ich anmerke, weil es leicht
zu bestinmaen ist und nicht unwesentlich zu sein scheint,
ist das Verhältnis der Grenze zwischen Orchestra und
Zuschauerraum, die einen Theil des ürkreises ausmacht,
zu diesem ürkreis, d. h. ich untersuche, ob diese Grenze
die Hälfte des ürkreises beträgt wie im römischen Theater
nach Vitruv oder Vi 2 des ürkreises wie im griechischen
Theater nach demselben Gewährsmann, oder ob sie mehr
oder weniger beträgt.
Der Kürze wegen bezeichne ich, wenn ich nicht
ausdrücklich das Gegentheil bemerke, mit ürkreis den
Kreis, dessen Peripherie an den unteren Treppenenden
des Zuschauerraumes entlang geht ; unter Tangente ver-
stehe ich die an den ürkreis gezogene Tangente, unter
Sehne eine Sehne dieses ürkreises, unter Vieleck immer
ein gleichseitiges, regelmässiges, in den ürkreis einge-
schriebenes Vieleck. Theatergrundrisse, deren Bespre-
chung sich nicht lohnt, übergehe ich einfach mit Still-
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler I). ß5
schweigen. Aus praktischen Gründen folge ich der
Anordnung Wieselers.
Tafel I bei Wieseler.
1. Theater des Dionysos zu Athen. Vgl. oben.
2. Theater zu Adria.
3. Theater zu Side. Als ürkreis nehme ich den
zweiten, vom Mittelpunkt aus gerechnet, an. Die Grund-
figur besteht aus drei Sechsecken. Dass drei Sechsecke
anzunehmen sind, nicht etwa sechs Dreiecke, ergiebt
sich aus der.Skenenlänge, welche mit Einschluss der
Seitenräume = Sechseckseite -+- Durchmesser = drei Ra-
dien ist. Die der Bühne zunächst gelegene und ihr
parallele Sechseckseite ist, wie es scheint, genau die
finitio proscaenii. Ob die scaenae frons mit der Tan-
gente zusanmienfällt, lässt sich nicht bestinunt entschei-
den. Das Verhältnis der unteren Begrenzung des Zu-
schauerraumes zum ürkreis ist 11 : 18, mit anderen
Worten: Das untere Stockwerk des Zuschauerraxmies
besteht aus elf Keilen, die übrigen sieben von den acht-
zehn möglichen Keilen sind für das Bühnengebäude und
die Orchestraeingänge verwerthet.
4. Theater zu Myra. Der ürkreis ist auch hier,
von dem Mittelpunkte aus gerechnet, der zweite des
Grundrisses. Als Grundfigur des Zuschauerraumes sind
vier Sechsecke anzunehmen. Ausnahmsweise werden
hier durch die Winkel der Griindfigur nicht die Treppen
des ünterstocks, sondern des Oberstocks bestimmt; die
Treppen des ünterstocks sind mitten zwischen den Ra-
dien der Grundfigur. Wie die Lage der Treppen des
üftterstocks ist auch die untere Begrenzung des Zu-
schauerraumes ungewöhnlich: sie umfasst ^^24 des ür-
kreises, während die praecinctio nur ^^24 des entsprechen-
den Kreises enthält. Die Länge der Skene beträgt
Oehmichen, Griech. Theaterbau. 5
66 II» Die üeberreste.
Sechseckseite -+- Durchmesser = drei Radien. Die Rich-
tigkeit unserer Grundfigur ergiebt sich aus den der
Hauptthür zunächst gelegenen Seitenthüren: ihre Lage
ist bestimmt durch Linien, welche vom Mittelpunkte des
TJrkreises aus durch die Endpunkte der dem Proscenium
zunächst gelegenen, ihr parallelen Sechseckseite bis zur
Bühnenhinterwand gezogen werden. Die Lage der letz-
teren ist gegeben durch die Tangente.
5. Theater zu Patara. Die Kleinheit des Planes
gestattet ein sicheres ürtheil nicht. Wenn ich recht
sehe, geht hier der ürkreis wohl auch an den unteren
Treppenenden entlang. Die Grundfigur wird, wenigstens
was den Zuschauerraum anlangt, durch zwei Siebenecke
gebildet. Es ist leicht möglich, dass für die Btihnen-
anlage eine andere, eine quadratische Grundfigur be-
stimmend gewesen ist, da die Länge der gesammten
Bühnenanlage 1% Durchmesser beti-agen zu haben scheint.
Als scaenae frons darf mit ziemlicher Sicherheit die Tan-
gente angenommen werden. Ungefähr Vi 4 des ürkreises
scheint die untere Begrenzung des Zuschauerraumes zu
betragen; wir dürfen aber wohl eine kleine TJngenauig-
keit der Zeichnung voraussetzen und volle Vi 4 schreiben.
6. Theater zu Telmissos. Der ürkreis geht
hier wie sonst an den unteren Treppenenden entlang.
Eingeschrieben in ihn ist ein Vierzehneck, nicht zwei
Siebenecke. Ich schliesse das aus dem Umstände, dass
die Skenenlänge gleich Vierzehneckseite H- Durchmesser
ist. Die beiden Seitenthüren in der Bühnenhinterwand
sind durch Halbirungslinien zweier Winkel des Vierzehn-
ecks bestimmt. Hieraus und aus der Skenenlänge ist
ersichtlich, dass für Treppen- und Bühnenanlage dieselbe
Grundfigur massgebend gewesen ist. Die Bühnenhinter-
wand tritt etwas mehr als gewöhnlich gegen den Zu-
schauerraum vor; sie ist also nicht eine Tangente, son-
3. Die übrigen üeberreste (Wieseler I). 67
dem eine Sehne des ürkreises. In welchem Verhältnisse
aber diese Sehne zum ürkreise, bzw. zur Grundfigur
steht, vermag ich nicht zu erkennen. Die untere Be-
grenzung beträgt beinahe Vu des ürkreises, nicht volle
Vi 4; ^^^^ d^® Endkeile etwas schmäler sind als die mitt-
leren. Anmerken möchte ich hier, dass meine eben
gemachten Bemerkungen nach dem vorliegenden Material
(Text und Abbildung bei Wieseler) nicht anders sein
konnten, dass sie mir aber der Wirklichkeit wenig zu
entsprechen scheinen. Ich glaube vielmehr, dass hier
wie im Theater zu Aizani 1 13 ein Umbau der Bühne
anzunehmen ist. Darauf deuten die der Bühne ziemlich
parallelen Analemmata und die Skenenlänge : vgl. S. 48.
7. Kleines Theater (Odeon) zu Knidos. In
den ürkreis, der nicht zweifelhaft sein kann, sind drei
Quadrate als Grundfigur eingeschrieben. Der Zuschauer-
raum in seiner unteren Begrenzung umfasst sieben von den
zwölf möglichen Keilen, die Grenze beträgt demgemäss
7i2 des ürkreises. Für die Btihnenanlage war die qua-
dratische Grundfigur wohl ebenso wie für die Treppen-
anlage massgebend, da die Skenenlänge zwei Quadrat-
seiten beträgt. Als Bühnenhinterwand dürfen wir die
Tangente ansehen.
8. Theater zu Stratonikeia. Wahrscheinlich
bestand die Grundfigur aus vier Quadraten. Die Treppen
des Oberstocks, nicht die des ünterstocks scheinen sich
nach den Ecken der Grundfigur gerichtet zu haben. Die
Grösse des Zuschauerraumes lässt sich nicht genau bestim-
men; die untere Begrenzung desselben scheint jetzt %ß
des ürkreises zu betragen, sie hat aber früher vermuth-
lich ^Vi6 desselben umfasst.
9. Theater zu Jasos. Der ürkreis ist ausnahms-
weise der engste Kreis des Grundrisses. Mit Vitruvs
Vorschrift über die Konstruktion des griechischen Thea-
5*
68 n. Die Ueberreste.
ierB stimmt hier^ dass die Gnmdfignr aus drei QnadratoB
gebildet wird, dass die Länge des Bühnengebäudes IV7
-Durehmesser des Urkreises beträgt und dass die Treppen
'des Zuschauerraumes durch sieben von den zwölf Win-
keln der Grundfigur bestimmt werden; nicht mit ihr
stimmt aber, dass die der Bühne zunächst gelegene und
ihr parallele Quadratseite, also eine Sehne des Urkreises,
^ie scaenae frons und nicht die finitio proscaenii bildet.
Von der eigentlichen Bühne ist, wie es scheint, keine
Spur zu erkennen, also dürfte vielleicht ein Holzbau an-
zunehmen sein.
10. Theater zu Milet.
11. Theater zu Laodikeia (am Lykos). Wie
im polykletischen Theater zu Epidauros bilden Fünfecke
•die Grundfigur, aber nicht vier wie dort, sondern nur
^ei. Von den fünfzehn möglichen Keilen umspannt dife
untere Begrenzung des Zuschauerraumes neun. Nach
der Grundfigur ist vielleicht auch die Skenenlänge be-
stimmt, da sie gleich Fünfeckseite 4- Durchmesser zu
sein scheint. Die beiden äussersten Eäume sind bei
dieser Massangabe nicht mitgerechnet ; sie enthielten ver-
muthlich Treppen, die zum Diazoma führten, und waren
dann zum Zuschauerraum und nicht zur Bühne gehörig.
Mit diesen Räumen würde die Skenenlänge zwei Durch-
messer betragen. Doch da die beiden Seiten der Btthnen-
anlage auf der Zeichnung wenigstens sich einander nicht
genau entsprechen, lassen wir die Frage nach der Skenen-
länge lieber offen. Die Bühnenhinterwand, in der Mitte
ausgebaucht, war durch eine Sehne des Urkreises be-
stimmt.
12. Theater zu Hierapolis. Sechs, bzw. drei
Dreiecke werden wir als Grundfigur annehmen müssen,
weil die Länge der gesammten Bühnenanlage gleich
Dreieckseite -f- Durchmesser ist. Für den Zuschauerraum
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler I). 69
sind zehn von den achtzehn; bzw. fünf von den neun mög-
liehen Keilen verwendet worden. Die Tangente bestimmt
die Lag« der Hinterwand der eigentlichen. Skene, der Vor-
dermauer^ von aussen gesehn, nicht die Bühnenhinterwand
(■scaenae feons); diese ist vielmehr eine Sehne des ür-
kreises, deren Verhältnis zur Grundfigur auf dem Plane
bei Wieseler nicht zu erkennen ist. Die Lage der fünf
Thüren in des Bühnenhinterwand ist, wenn ich mich
nicht täusche, durch Halbirungslinien von Dreiecksvrin-
l^eln gegeben.
13. Theater zu Aizani. Der TJrkreis ist nicht
genau der erste Kreis des Grundrisses, vom Mittelpunkt
ans gerechnet, aber auch nicht der zweite. Seine Peri-
ph/erie liegt in der Mitte zwischen den Peripherien bei-
der. Als Grundfigur darf man wohl nur ein Yierzehneck
ansetzen. Die jetzige Skenenlänge ist gleich Vierzehn-
eckseite + Durchmesser, aber das Bühnengebäude ist
umgebaut und die ursprtingliche Skenenlänge ist, wie es
scheint, nicht mehr zu bestimmen. Die untere Begren-
zung des Zuschauerraumes beträgt ungefähr Vu des ür-
kreises, d. h. sie umfasst von den vierzehn möglichen Keilen
neun ungefähr, und zwar ungefähr deshalb, weil auch
hier die beiden Endkeile etwas schmäler sind als die
mittleren wie in dem Theater zu Telmissos I 6. Aehn-
lich wie im Theater zu Hierapolis 1 12 treffen auch hier
die Halbirungslinien von Winkeln die ftlnf Thüren in
der frons der umgebauten scaena.
13a. Theater und Stadium zu Aizani. Vgl. 13.
13b. Theater und (daranstossend) Hippo-
drom zu Pessinus (in Galatien). Nach Bull. d. Inst.
1861 S. 165 ganz unzuverlässig.
14. Theater zu Bostra.
15. Theater zu Gabala. Nicht sicher: Wieseler
S. 106.
70 II. Die Ueberreste.
16. Theater zu Aspendos. Der ürkeis geht wie
gewöhnlich, aber wohl nicht ganz dicht an den unteren
Treppenenden entlang. Die Grundfigur besteht aus sechs
Dreiecken. Darauf weisen die Treppenanlage und fol-
gende Umstände. Die Länge der Skene, zu welcher
die beiden Seitenräume wahrscheinlich nicht zu rechnen
sind, da sie, wie es ziemlich sicher scheint, Aufstiege
zum Diazoma enthielten, also zum Zuschauerraum ge-
hörten, ist gleich Dreieckseite -f- Durchmesser, und die
der Bühne zunächst liegende, ihr parallele Dreieckseite,
also eine Sehne, ist die scaenae frons. Der Zuschauer-
raum umfasst von den achtzehn möglichen Keilen zehn; von
den beiden äussersten dieser Keile jedoch ist im unteren
Stock nur je eine Hälfte fttr Zuschauersitze verwendet,
die der Bühne zunächst gelegenen Hälften sind durch
die von Vitruv itinera genannten Eingänge besetzt, so
dass die untere Begrenzung des Zuschauerraumes nur
die Hälfte der Peripherie des Urkreises umfasst.
17. Theater von Delos.
18. Theater von Melos. Die Grundfigur scheint
ein Elfeck zu sein. Doch da die Bühnenreste zu gering
sind, um einen Schluss zu gestatten, und da sie noch
dazu aus römischer Zeit stammen, lassen wir dieses
Theater am besten unbeachtet.
19 — 22. Theater zu Sparta, Megalopolis,
Mantineia, Argos.
23. Theater (des Polyklet) zu Epidauros.
Vgl. oben.
24. 25. Theater zu Sikyon und zu Thorikos.
26. Odeon des Herodes Attikos zu Athen.
Der Zuschauerraum wird oben und unten durch Halb-
kreise begrenzt wie im römischen Theater nach Vitruv.
Ganz ungewöhnlich, weil nirgends sonst vorkommend,
ist die Lage der Treppen. Sie wird am einfachsten zu
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler I). 71
beschreiben sein, wenn wir den Grundriss des Architek-
ten nachkonstruiren. In den TJrkreis werden drei Qua-
drate eingezeichnet wie im griechischen Theater nach
Vitruv. Dann wird ein zweiter Kreis gezogen, der die
obere Grenze des Zuschauerraumes bezeichnet. In diesen
zweiten Kreis werden zwei Siebenecke als Grundfigur
so eingetragen, dass die Endpunkte des wagrechten
Durchmessers mit zwei Ecken zusammenfallen. Die Li-
nien, welche im Zuschauerraum die oberen Winkel der
Siebenecke mit den unteren Winkeln der Quadrate ver-
binden, bezeichnen die Lage der Treppen. Nur die
beiden äussersten der Bühne zunächst liegenden Treppen
gehen nicht nach den entsprechenden Quadratecken,
sondern nach dem Mittelpunkt des ürkreises, so dass
die beiden äussersten Keile zwar auf der obersten Sitz-
stufe die gleiche Breite mit den übrigen Keilen haben,
auf der untersten dagegen, wie es scheint, nur die Hälfte
der Breite der übrigen Keile. Die obere Umgrenzung
des Zuschauerraumes umfasst somit sieben von den vier-
zehn möglichen Keilen der zwei Siebenecke, die untere
dagegen fünf und zwei halbe, zusammen sechs von den
zwölf möglichen der quadratischen Grundfigur. Die drei
Quadrate des kleinen Kreises, nicht die Siebenecke des
grösseren Kreises, waren zugleich für das Bühnenge-
bäude massgebend. Dafür sprechen drei Umstände:
1. die allgemeine Wahrscheinlichkeit, 2. die Länge der
Skene, die mit Weglassung der Seitenräume IV7 Durch-
messer des Ürkreises (Quadratseite + Durchmesser) be-
trägt, und 3. die Lage der Seitenthüren, welche durch
die Halbirungslinien zweier Quadratwinkel bestimmt sind.
Die Bühnenhinterwand ist wohl der Tangente gleichzu-
setzen.
27. Theater zu Rhiniassa (in Epirus). Auf
vier Quadrate als Grundfigur weisen die Lage der Trep-
72 II. Die Ueberreste.
pen und die Länge des Bühnengebäudes, welche gleich
Quadratseite -+- Durchmesser zu sein scheint. Die untere
Begrenzung des Zuschauerraumes ist ein verlängerter
Halbkreis: sie umfasst von den sechzehn möglichen Keilen
acht ganze und etwas über einen halben auf jedem Ende,
wir dürfen sie also zu ca. ^Vie ^i^s ürkreises ansetzen.
28. Theater zu Dramyssos (in Epirus). Die
Anlage erscheint in der Zeichnung sehr unregelmässig,
zwar nicht der Zuschauerraum, dessen Treppen ihre
Sichtung durch Winkel von sechs Dreiecken oder, rich-
tiger, von drei Sechsecken angewiesen erhalten und
dessen untere Grenze Vis des ürkreises umfasst, um so
mehr aber die Skenenlänge. Die Entfernung der beiden
auf der Zeichnung angegebenen Seitenmauem beträgt
nämlich eine Sechseckseite und zwei Dreieckseiten. So
lange nicht eine gründliche Aufdeckung der Orchestra
und des Bühnenraumes stattgefunden hat, kann diese Un-
regelmässigkeit nicht ins Gewicht fallen. Wieseler denkt
S. 9 an eine Anlage aus römischer Zeit. Richtiger ist
vielleicht ein Umbau in römischer Zeit anzunehmen.
Tafel 11 bei Wieseler.
1. Theater zu Syrakus. Die Grundfigur für den
Zuschauerraum bilden sechs Dreiecke oder vielmehr drei
Sechsecke. Die untere Begrenzung des Zuschauerraumes
umfasst jetzt neun und zwei halbe von den achtzehn
möglichen Keilen, früher jedenfalls mehr, wahrscheinlich
elf: vgl. Theil 1112; denn ich glaube, man muss un-
bedingt Wieseler beistimmen, der annimmt, dass „das
Theater in römischer Zeit vollständiger umgebaut, die
Bühne tiefer in die Orchestra hineingeschoben und die
beiden gewölbten Korridore unter den Sitzreihen ange-
legt" worden sind. Die Länge des Bühnengebäudes hat
vielleicht l^/^ Durchmesser des Ürkreises betragen.
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler II). 79
Ueber die Lage der Bühnenhinterwand sind wir völlig
im Dunkel.
2. Theater zu Akra. Sechs Dreiecke oder um-
gekehrt drei Sechsecke sind die Grundfigur, nach wel-
cher «ich die Treppen richten. Die untere Begrenzung
des Zuschauerraumes beträgt %8 <i®s ürkreises« Die
Bühne ist weit in den ürkreis vorgerückt ohne erkenn-
bare Rücksichtnahme auf irgend welche Grundfigur.
Diese so ganz vereinzelt stehende Bühnenanlage eines*
kleinen Theaters können wir nicht weiter berücksich-
tigen.
3. Theater zu Segesta. Die Treppenanlage des
* Zuschauerraumes hat sich nach zwei Fünfecken, richtiger
gesagt, nach einem Zehneck gerichtet. Die für die
Bühnenanlage massgebende Grundfigur lässt sich nicht
genau bestimmen. Die Bühnenhinterwand^ welche mit
der Tangente zusammenfällt, trägt zur Entscheidung
aichts bei, da keine Thüren erhalten sind und aus der
Länge des Bühnengebäudes allein sich ein ürtheil nicht
flUlen lässt. Die Skenenlänge w41rde für eine quadrati-
sche Grundfigur sprechen, da sie l^/', Durchmesser de»
ürkreises beträgt. Die untere Begrenzung des Zuschauer-
raumes geht über einen Halbkreis hinaus : sie umfasst von
den zehn möglichen Keilen fünf, die, von der Bühne
aus gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmesser»
Hegen, und auf beiden Enden diesseits desselben je einen
halben Keil; sie beträgt also im Ganzen 7io ^^^ ^^'
kreises.
4. Theater zu Tyndaris. Ausser der Anlage
des Zuschauerraums ist nichts zu bestimmen. Die Grund-
figur desselben besteht aus sechs Dreiecken oder, wohl
richtiger, aus drei Sechsecken ; seine untere Begrenzung
umfasst jetzt neun und zwei halbe von den achtzehn
74 n. Die üeberreste.
möglichen Keilen; ursprünglich umfasste sie wohl elf
wie im Theater zu Sjrrakus 11 1: vgl. Theil 1112.
5A. Theater zu Eatan a. Derselbe Mangel wie
beim Theater zu Tyndaris n 4 ist hier. Die Treppen
sind durch die Ecken von vier Quadraten bestinunt.
Der Zuschauerraum scheint früher nach der Bühne zu
sich weiter vorgestreckt und seine untere Begrenzung
neun von den sechzehn möglichen Keilen umfasst zu ha-
ben. Jetzt umfasst diese nur noch sieben und zwei halbe
Keile, ist also = Vie des ürkreises.
5B. Odeon zu Katana.
6. Theater zu Tauromenion. Hier ist durch
Vorrücken der Bühne der untere Theil des Zuschauer-
raumes beschnitten worden. Der ürkreis geht nach der
Regel an den unteren Treppenenden entlang. Einge-
schrieben in ihn als Grundfigur sind wie öfter vier Qua-
drate. Ganz eigenthümlich ist aber hier wie im Theater
zu Katana USA, dass keine Quadratseite der Bühne
parallel liegt. Es ist wohl sicher, dass die untere Be-
grenzung des Zuschauerraumes ursprünglich neun von den
sechzehn möglichen Keilen umfasste und dass erst beim
Umbau in römischer Zeit (anders Wieseler S. 12) die
beiden äussersten Keile um die Hälfte abgebrochen wur-
den, um Platz für die Orchestraeingänge zu gewinnen.
Die Länge der Skene war wohl schon anfangs so gross
wie jetzt, nämlich = 1% Durchmesser des ürkreises
(Quadratseite -f- Durchmesser). Die Lage der Thüren
wird zugleich mit der Lage der Bühnenmauem verändert
worden sein, so dass die gleiche Grundfigur wie für den
Zuschauerraum für die ursprüngliche Bühnenanlage nicht
mit völliger Sicherheit anzunehmen ist. In dem jetzt
vorhandenen Umbau ist die Bühnenhinterwand, wie es
scheint, nicht eine Quadratseite, sondern eine Sehne des
ürkreises, welche von der Grundfigur vier Quadratecken
3. Die übrigen üeberreste (Wieseler II). 75
abscheidet und die diesen zunächst liegenden Quadrat-
ecken (erste und sechste) mit einander verbindet.
7A. Theater zu Pompeji. Mehrere Sitzstufen
werden von dem an den unteren Treppenenden herum-
gehenden Urkreis eingeschlossen, ein Beweis nächst an-
dern, dass ein Umbau stattgefunden hat. Die einge-
schriebene Grundfigur wird durch ein Zehneck gebildet.
Vor dem Umbau umfasste die untere Begrenzung des
Zuschauerraumes sieben von den zehn möglichen Keilen,
jetzt umfasst sie nur mehr fünf und zwei halbe, da die
der Bühne zunächst gelegenen Hälften der äussersten
Keile, wenigstens in ihrem unteren Theil, nachträglich
in Orchestraeingänge umgewandelt worden sind. Das
Bühnengebäude ist augenscheinlich neu, seine ursprüng-
liche Länge ist also nicht nachzuweisen und ebensowenig
die Lage der ursprünglichen Bühnenhinterwand.
7B. Odeon zu Pompeji. Urkreis und Grund-
figur sind dieselben wie im Theater zu Pompeji 7A.
Der Zuschauerraum umfasst fünf Keile von den zehn
möglichen. Die Länge der Skene beträgt zwei Durch-
messer des Urkreises. Die Tangente bezeichnet die
Lage der Bühnenhinterwand. Die beiden der Hauptthür
zunächst gelegenen Seitenthüren in der Bühnenhinter-
wand sind, nebenbei bemerkt, durch die in Tangenten
übergehenden Enden der Grenze des Zuschauerraumes
bestimmt.
8. Theater zu Herculaneum. Auch hier schliesst
der Urkreis wie im Theater und Odeon zu Pompeji
n 7 A und n 7 B mehrere Sitzstufen ein. Die Treppen
des fast ganz genau halbkreisförmigen Zuschauerraumes
sind ganz nach der Art angelegt, die Vitruv als römisch
bezeichnet, und danach können vier Dreiecke als Grund-
figur angenommen werden. Die Skenenanlage ist da-
gegen wohl durch eine quadratische Grundfigur bestimmt
76 !!• I^ie Ueberreste.
worden, da, mit Weglassung der seitlichen Treppenräume,
die offenbar nicht engverbundene Bestandtheile der
Bühnenanlage sind, die Skenenlänge IV7 Durchmesser
des Urkreises beträgt. Durch die Tangente wird die
Bühnenhinterwand bestimmt, die in der Mitte ausge-
baucht ist wie im Theater zu Laodikeia I 11. Die
Seitenthüren in der Bühnenhinterwand sind wie im
Odeon zu Pompeji 11 7 B durch senkrecht auf die scae-
nae frons gezogene Tangenten des Urkreises bestimmt.
9A. Theater in einer Villa bei Neapel. Die
Grundfigur ist ein Sechseck, die untere Begrenzung des
Zuschauerraumes beträgt % des Urkreises.
9B. Odeon in einer Villa bei Neapel. Der
nach einem Fünfeck als Grundfigur angelegte Zuschauer-
raum enthält in seinem unteren Theile zwei von den
fünf möglichen Keilen. Die Länge der Skene beträgt
ohne die nicht zu ihr gehörenden Seitenräume zwei
Durchmesser, was auch im Odeon zu Pompeji der Fall
war. Der wagrechte Durchmesser bildet die finitio pro-
scaenii wie im römischen Theater nach Vitruv und die
Tangente die ideelle scaenae frons, welche in Wirklich-
keit freilich in der Mitte nach rückwärts kreisbogenartig
zurücktritt wie in den Theatern zu Laodikeia I 11 und
Herculaneum 11 8.
10. Theater zu Antium. Der Plan ist nicht
sicher: Vgl. Wieseler S. 15; 106.
11. Theater zu Tusculum. Die Grundfigur ist
aus der Treppenanlage nicht mit völliger Sicherheit zu
ermitteln. Der Abstand der Treppen im Oberstock ist
nämlich gleich einer Siebeneckseite, die Breite der mitt-
leren Keile im Unterstock dagegen gleich einer Achteck-
seite und die der beiden äussersten Keile desselben
Stockwerks ungefähr gleich einer Zehneckseite. Bei
dieser Verschiedenheit liegt die Annahme am nächsten,
k
3. Die übrigen üebetreste (Wieseler II). 7«7
dass die mittleren Treppen des ünterstocks durch die
entsprechenden Winkel der Grundfigur richtig bestinunt
sind, dass die beiden äussersten Treppen aber aus ir-
gend welchem Grunde etwas weiter von der Bühne weg
angelegt worden sind, als die ihnen zugekehrten Winköl
der Grundfigur verlangten, dass also die Grundfigur aus
zwei Quadraten bestanden habe. Für diese Ansicht
scheinen auch die vor der Bühnenhinterwand befindlichen
Säulen zu sprechen: die der Bühne parallele Quadrat-
seite bildet ihre Fluchtlinie. Die Länge der gesammten
Bühnenanlage beträgt zwei Durchmesser des ürkreises.
Nach der oben angeführten Breite der Keile ist die un-
tere Begrenzung des Zuschauerraumes zu ungefähr ^20
des ürkreises anzusetzen. Scaenae frons = Tangente.
12A. Theater des Pomp ejus, Bruchstücke des
Capitolinischen Plans, und
12 B. Dasselbe nach Caninas Plan, Der Grundriss
ist ohne Treppen. Im Ganzen entspricht die Anlage den
Vorschriften Vitruvs über das römische Theater, nur die
scaenae frons tritt, wenigstens im Capitolinischen Plan,
mehr zurück, als sie es nach Vitruv sollte.
13. Odeum der Villa Hadriani bei Tibur. Hier
scheinen, umgekehrt wie im Theater zu Tusculum II 11,
die beiden mittleren Treppen unregelmässig angelegt zu
«ein, und zwar um eine aedicula oben in der Mitte des
Zuschauerraumes einzuschliessen. Ist das richtig, dann
geben die vier übrigen Treppen über die Grundfigur
Aufechluss. Nach ihnen sind drei Dreiecke als Grund-
figur anzunehmen. . Die untere Begrenzung des Zu-
schauerraumes umfasst fünf Theile des neuntheiligen ür-
kreises. Die Länge der Bühnenanlage ohne die Seiten-
räume beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. Die
Tangente bezeichnet die Bühnenhinterwand.
14. Theater zu tri coli. Dieses Theater weist
78 II« 1^16 Ueberreste.
eine ganz eigenthümliehe Anlage auf. Zwar der ürkreis
läuft wie sonst an den unteren Enden der Treppen ent-
lang, und der Zuschauerraum, besonders seine Treppen
und seine Begrenzung sind ganz römisch im Sinne Vi-
truvs, aber die Bühnenanlage hat ihres Gleichen nirgends.
Sie wird bestimmt durch einen Quadranten, dessen Mittel-
punkt der Endpunkt des senkrechten Durchmessers des
ürkreises in der Begrenzung des Zuschauerraumes ist
und dessen Radien durch die Endpunkte des wagrechten
Durchmessers des ürkreises hindurch bis zu der diesem
Durchmesser parallelen Tangente des ürkreises gehen.
Ein gutes Verhältnis zwischen Zuschauerraum und Büh-
nengebäude ist dadurch hergestellt, dass die genannte
Tangente des ürkreises zusammenfällt mit der grössten
Sehne des Quadranten, welche die Länge des Bühnen-
gebäudes bestimmt (= zwei Durchmesser des ürkreises)
und die ideelle scaenae frons bildet. In Wirklichkeit
ist diese frons nicht eine Sehne, sondern eine Viertel-
kreislinie, der Kreisbogen des Quadranten. Die Thüren
im Oberstock der Bühnenhinterwand sind durch die-
jenigen Radien des Quadranten bestimmt, welche diesen
in vier gleiche Theile zerlegen.
15. Theater zu Paleria im agerPicenus. Aus
drei Dreiecken besteht die Grundfigur. Von den neun
möglichen Keilen umfasst der Zuschauerraum vier. Die
Skenenlänge ist gleich Dreieckseite 4- Durchmesser des
ürkreises. Die Tangente bezeichnet die Bühnenhinter-
wand. Die Seitenthüren in der letzteren werden durch
senkrecht auf die scaenae frons gezogene Tangenten
des ürkreises bestimmt.
16. Theater zu Eugubium. Zwei Fünfecke (oder
vielleicht ein Zehneck?) bilden die Grundfigur für Zu-
schauerraum und Bühne. Für jenen ist dies zu er-
schliessen aus der Anlage der Treppen, für diese aus
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler II). 79
der Lage der Thüren in der Btthnenhinterwand. Die
der Hauptthüre zunächst gelegenen Seitenthüren nämlich
werden von den Halbirungslinien von Fünfeckswinkeln
getroffen. Der Zuschauerraum wird durch Halbkreise
eingeschlossen, enthält also die Hälfte aller möglichen
Keile, vier und zwei halbe, zusammen fünf von den zehn
möglichen. Die Länge des Bühnengebäudes mit Aus-
schluss der Seitenräume beträgt zwei Durchmesser des
TJrkreises, und die Lage der Bühnenhinterwand ist durch
eine Sehne des TJrkreises gegeben, welche zwei Ecken
der Fünfecke ausschliesst und die diesen zunächst ge-
legenen (die erste und vierte) mit einander verbindet.
17. Theater zu Fäsulä. Der Zuschauerraum
^eigt römische Anlage im Sinne Vitruvs. Ungefähr das
gleiche ist der Fall beim Bühnengebäude, wie eine
neuerdings stattgefundene Blosslegung ergeben hat: Vgl.
Archäologische Zeitung 34 (1876) 93 ff.
18. Theater zu Juliobona (Lillebonne). Nach
der ungenügenden Veröffentlichung, die Wieseler zu Ge-
bote stand, ist der ürkreis nicht genau zu bestimmen.
Ich nehme an, dass er entlang der untersten sichtbaren
Mauer geht. Dann ist die Länge der Skene zwei Durch-
messern des ürkreises gleich und die Bühnenhinterwand
bestimmt, wenn ich recht sehe, durch eine Dreieckseite,
also nicht durch die Tangente, sondern durch eine Sehne
des ürkreises. Der Zuschauerraum scheint nach einer
Grundfigur von sechs (3) Dreiecken gegliedert zu sein und
seine untere Begrenzung acht (4) von den achtzehn (9)
möglichen Keilen zu umfassen. Hierüber vgl. in2.
19. Theater zu Arausio (Orange). Treppen
sind nicht erhalten. Nach gewissen Anzeichen indessen
halte ich es für wahrscheinlich, dass vier Quadrate die
Grimdfigur bilden. Damit würde stimmen, dass mit Aus-
schluss der beiden äussersten Seitenräume die Länge
80 II- I)ie Ueberreste.
des Btihnengebäudes 1% Durchmesser des ürkreises be-
trägt und dass eine Quadratseite (also eine Sehne des
ürkreises) die Lage der nicht ganz gerade laufenden
Bühnenhinterwand bestimmt. Der Zuschauerraum ist
genau halbkreisförmig, demnach verhält sich die untere
Begrenzung des Zuschauerraumes zum ürkreis wie acht
zu sechzehn.
20. Theater zu Saguntum. Der ürkreis geht
an den unteren Treppenenden entlang. Die in ihn ein-
geschriebene Grundfigur besteht aus drei Dreiecken.
Dafür spricht ausser der Richtung der.Treppen die Lage
der finitio proscaenii, welche mit der der Bühne paral-
lelen Dreieckseite zusammenföllt. Die untere Umgren-
zung des Zuschauerraumes beträgt vier Neuntel des ür-
kreises. Die Länge der Skene ist nicht zu bestimmen,
vermuthlich ist sie zwei Durchmessern des ürkreises
gleich. Die Tangente giebt die scaenae frons an.
Supplementtafel A bei Wieseler.
1. Theater zu Termessos major. Zwei Fünf-
ecke bilden die Grundfigur. Hierauf deuten ausser den
Treppen die Länge der Skene (= Fünfeckseite -h Durch-
messer des ürkreises), die finitio proscaenii, deren Lage
durch eine Fünfeckseite angegeben wird, und die Thüren
in der nicht ganz mit der Tangente zusanunenfallenden
Bühnenhinterwand, da sie, wie es scheint, durch die
Halbirungslinien von Fünfeckswinkeln getroffen werden.
Sechs von den zehn möglichen Keilen umfasst die un-
tere Grenze des Zuschauerraumes.
2. Theater zu Rhodiopolis. Durch zwei Fünf-
ecke ist die Grundfigur gebildet. Die untere Begren-
zung des Zuschauerraumes umspannt von den zehn mög-
lichen Keilen sechs. Die Länge der gesammten Bühnen-
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler A). 81
aolage beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. Scaenae
frons = Sehne des ürkreises.
3. Theater zu Kyaneä. Die Treppen sind nach
sechs Dreiecken bestimmt, und der Zuschauerraum um-
fasst von den achtzehn möglichen Keilen zehn.
4. Theater bei dem Tempel der Leto zwi-
schen Xanthos und Kydna. Der Zuschauerraum
hat eine ganz vereinzelt dastehende Konstruktion, etwas
ähnlich der des Odeons zu Kibyra A 10. Die Mitte
desselben ist unten und oben durch konzentrische Drittel-
kreislinien begrenzt. Die Fortsetzungen der Grenzen auf
beiden Seiten sind nicht Kreisbögen, sondern Sehnen,
die parallel dem senkrechten Durchmesser des kleineren
(des ürkreises) und des grösseren Kreises laufen und
deren Länge Vs ^^^ Länge der grössten Sehnen der ent-
sprechenden Sechstelkreise beträgt. Die Verbindungs-
linien der Endpunkte der oberen und unteren Grenz-
linien des Zuschauerraumes fallen demnach mit Radien
zusammen. Die eingezeichnete Grundfigur besteht aus
zwölf Dreiecken, so dass im Zuschauerraum zwanzig
Keile entstehen. Die untere Begrenzung des Zuschauer-
raumes, kreisförmig gedacht, verhält sich somit zum ür-
kreis wie zwanzig zu sechsunddreissig.
5. Theater zu Pinara. Der Zuschauerraum ist
nach zwei Siebenecken als Grundfigur angelegt und um-
fasst acht von den vierzehn möglichen Keilen. Für das
Bühnengebäude scheint eine quadratische Grundfigur
massgebend gewesen zu sein, da seine Länge 1% Durch-
messer des ürkreises beträgt und die Seitenthüren in
der Bühnenhinterwand durch die Halbirungslinien von
Quadratwinkeln bestimmt sind. Die Bühnenhinterwand
bildet eine Sehne, deren Verhältnis zum ürkreis ich
nicht herauszufinden vermag.
6. Theater zu Kadyanda. Die aus zwei Acht-
Oehmichen , Griech. Theaterbau. q
82 II. Die Ueberreste.
ecken bestehende Grundfigur hat dem Zuschauerraum
von den sechzehn möglichen Keilen neun zugewiesen.
Die Länge des Bühnengebäudes beträgt, wenn der Wie-
selersche Grundriss richtig ist , Achteckseite + Durch-
messer. Die Tangente fallt mit der scaenae frons zu-
sammen.
7. Theater zu Oinoanda. Durch ein Zwanzig-
eck (oder vier Fünfecke?) ist die Grundfigur gebildet,
und zwölf von den zwanzig möglichen Keilen enthält
der Zuschauerraum. Wenn das Bühnengebäude richtig
aufgenommen ist, was sehr zweifelhaft erscheint, muss
als seine Länge Zwanzigeckseite 4- Durchmesser be-
trachtet werden. Die Tangente bezeichnet auch hier
die scaenae frons.
8. Theater zu Balbura.
9. Theater zu Kibyra. Der Zuschauerraum er-
hält seine Einrichtung nach drei (oder vielleicht nach
sechs?) Dreiecken als Grundfigur. Seine untere Begren-
zung umfasst % <ißs Urkreises. Für die Bühnenanlage
scheint eine quadratische Grundfigur massgebend ge-
wesen zu sein. Es ist nämlich die Länge des Bühnen-
gebäudes = Quadratseite + Durchmesser, und die Qua-
dratseite ist mit der scaenae frons identisch.
10. 11. Odeen zu Kibyra und Anemurion.
12. Theater zu Alexandreia.
13. Odeum zu Akra.
14. Theater des Marcellus zu Rom. Römische
Anlage im Sinne Vitruvs ist nicht unwahrscheinlich.
15. Theater der Villa Hadriani bei Tibur.
„Der vorliegende Plan muss in allen wesentlichen Stücken
auf Pirro Ligorio zurückgeführt werden." Wieseler
S. 106.
16. Theater zu Ferentum. Der Urkreis ist
nicht zu bestimmen, denn der jetzt als solcher erschei-
i
3. Die übrigen Ueberreste (Wieseler A). 83
nende ist es sicher nicht. Treppen sind gleichfalls nicht
zu erkennen. Das Bühnengebäude allein hat für unsere
jetzige Untersuchung kein Interesse.
17. Theater zu Pola. Abgesehen von unwesent-
lichen Einzelheiten, ist die Anlage genau römisch im
Sinne Vitruvs.
18. Theater zu Nora (Sardinien). Die Grund-
'figur wird durch ein Fünfeck gebildet. Die untere Be-
grenzung des Zuschauerraumes umfasst zwei von den
fünf möglichen Keilen. Die Länge des Bühnengebäudes
beträgt zwei Durchmesser des ürkreises. Die Bühnen-
hinterwand ist wohl durch eine Sehne bestinunt.
19. Theater zu Alauna. Aus dieser höchst eigen-
thümlichen Anlage ist für unsere Zwecke so gut wie
nichts zu gewinnen.
20. Theater zu Cuiculum. Zwei Siebenecke
bilden die Grundfigur; aber nur die mittelsten fünf Treppen
haben sich nach den entsprechenden Winkeln der Grund-
figur gerichtet, die beiden äussersten dagegen sind durch
den wagrechten Durchmesser bestimmt. Die Keile sind
in Folge dessen ungleich breit: die untere Breite der
vier mittelsten Keile ist den Abständen der Ecken der
Grundfigur gleich, die beiden äussersten Keile aber sind
anderthalbmal so breit. Danach verhält sich die untere
Begrenzung des Zuschauerraumes zum ürkreis wie sieben
zu vierzehn. Die Länge der Skene scheint unregelmässig
in Folge der Kleinheit des Theaters zu sein; da die
Zeichnung keine genügende Vorstellung gewährt, lassen
wir die Skenenlänge ausser Betracht. Die Lage der
scaenae frons ist durch eine Sehne des ürkreises an-
gegeben.
21. Theater zu Calama. Ein Siebeneck ist die
Grundfigur für den Unterstock des Zuschauerraumes. Die
Treppen sind ähnlich angelegt wie im Theater zu Cui-
6*
84 m* Vergleicliungen und Folgerungen.
culum A 20. Vier von den sieben möglichen Keilen sind
für den ünterstock verwendet, aber die beiden äusser-
sten nicht in ihrer ganzen Breite, sondern nur zu je drei
Viertel, nur soviel von ihnen, als, von der Bühne aus
gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers liegt.
Die untere Grenze des Zuschauerraumes sollte betragen
vier Siebentel, sie beträgt aber nur die Hälfte des Ur-
kreises. Die Länge des Bühnengebäudes ist ungewöhn-
lich, da sie über zwei Durchmesser des ürkreises hin-
ausgeht. Die Tangente fällt zusammen mit der scaenae
frons.
Dritter Theil.
Vergleichungen und Folgerungen.
In Erwägung, dass das Material an sich nicht ge-
nügend ist und noch dazu nur in beschränktem Masse
zur Prüfung herangezogen werden konnte, müssen wir
bei unseren Schlussfolgerungen eine möglichst grosse
Vorsicht anwenden. Wir werden deshalb nur die öfter
vorkommenden Eigenthümlichkeiten ins Auge fassen, ein-
zelnen Besonderheiten dagegen gar keine oder nur ge-
ringe Aufmerksamkeit widmen. Zum Zweck schnelleren
Verständnisses und leichterer Nachprüfung meiner Fol-
gerungen habe ich eine Tabelle entworfen, in welcher
die für uns wesentlichen Eigenthümlichkeiten der Theater-
überreste gemäss der Besprechung im vorigen Abschnitt
übersichtlich zusammengestellt sind. Da ich in der
Tabelle aus praktischen Gründen die Anordnung Wie-
selers aufgeben musste, so war eine neue Numerirung
nicht wohl zu umgehen. Indessen habe ich die Wiese-
lersche Numerirung in Klammem hinzugefügt, um das
Nachschlagen im vorigen Abschnitt und das Einsehen
der Wieselerschen Grundrisse zu erleichtem. Ausserdem
mussten gewisse Abkürzungen in Anwendung kommen,
die im Folgenden ihre Erklärung finden sollen.
Inhalt der Tabelle. Inder ersten Spalte sind
86 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
nach den laufenden Nummern und den in Klammem
stellenden Hinweisen auf die Wieselerschen Tafeln die
Theaterüberreste durch Ortsnamen, die ausseritalischen
ausserdem durch die entsprechenden Ländernamen be-
zeichnet. Die ^ Buchstaben T (Theater) oder (Odeon)
vor den Ortsnamen weisen auf die Benennung hin, die
Wieseler den Ruinen geben zu mttssen glaubt.
Die zweite Spalte enthält eine abgekürzte Be-
zeichnung der in den ürkreis eingeschriebenen Grund-
figuren der Theatergrundrisse. Die Zahl rechts unten
am Buchstaben f bedeutet die Anzahl der Ecken eines in
den ürkreis eingeschriebenen regelmässigen Vielecks;
fs, {4, fö u. s. w. bedeutet demnach ein in den ürkreis
eingeschriebenes regelmässiges Dreieck, Viereck (Qua-
drat), Fünfeck u. s. w. Die Zahl vor dem Buchstaben f
giebt die Anzahl der in den ürkreis unter gleichem Ab-
stand der Ecken eingezeichneten regelmässigen Vielecke
an. Die Grundfigur des römischen Theaters nach Vitruv
wird daher mit At^ zu bezeichnen sein und die des grie-
chischen nach Vitruv mit 3f4; und es wird z. B. durch
Sfö, 3f(5, 2f7, 2f8, fi4 angedeutet, dass in den ürkreis,
inamer unter gleichem Abstand der Ecken, folgender-
massen regelmässige Vielecke eingezeichnet sind: drei
Fünfecke, drei Sechsecke, zwei Siebenecke, zwei Acht-
ecke, ein Vierzehneck. In den Fällen, wo die Grund-
figur nur für die Treppenanlage des Zuschauerraumes,
nicht zugleich auch für die Bühnenanlage bestinunend
gewesen ist, wurde die fttr die letztere Anlage mass-
gebende Grundfigur in Klammem hinzugefügt. Als solche
war durchweg ein regehnässiges Viereck (Quadrat) = {4^
anzunehmen.
In der dritten Spalte ist das Verhältnis der un-
teren Begrenzung des Zuschauerraumes, die ein Theil
des ürkreises ist, zu diesem ürkreise angegeben.
Einleitung. Tabelle. 87
In der vierten Spalte findet sich die Angabe der
Länge der gesanunten Btthnenanlage (Skenenlänge).
Durch S3, 84, 85, Sß u. 8. w. soll die Seite eines in den
ürkreis eingeschriebenen regelmässigen Dreiecks, Vier-
ecks , Fünfecks , Sechsecks u. s. w. bezeichnet sein und
durch r der Radius des ürkreises. Die Skenenlänge
des römischen Theaters nach Vitruv kann somit durch
4r und die des griechischen Theaters nach Vitruv durch
S4 + 2 r (Quadratseite + Durchmesser) bezeichnet werden.
Dementsprechend bedeutet S3 + 2r, 85,+ 2r, Sg + 2r
u. 8. w., dass die Länge der gesammten Bühnenanlage
ebenso gross ist wie die Seite eines in den ürkreis ein-
geschriebenen regelmässigen Dreiecks, Fünfecks, Sechs-
ecks u. s. w. und zwei Radien des ürkreises zusammenge-
nommen.
Die fünfte Spalte endlich berücksichtigt die Büh-
nenhinterwand (scaenae fro^js). Ist diese durch eine au
den ürkreis gezogene Tangente gegeben, so deutet der
Buchstabe T auf dieses Verhältnis hin, ist dagegen die
Bühnenhinterwand weiter nach dem Zuschauerraum vor-
gerückt, durch eine Sehne des ürkreises bestimmt, so
giebt der Buchstabe S diesen umstand an.
Ein Fragezeichen ? soll das unsichere der ge-
machten Angabe oder die Schwierigkeit einer genauen
Bestimmung andeuten.
Ein Sternchen * verweist auf den Text im drit-
ten Abschnitt des zweiten Theils.
•68
III. Vergleichungen und Folgerungen.
2.
3.
4.
5.
4f,
6:12
i 4r
S
4f,V
6:12
4r
S?
«3
6:12
4r
s
4f,?
6: 12
4r
?
«a
6:12
4r
»p*
4f3 (f«?)
6:12
S4 + 2r
T
Gfa
10:18
—
—
6f,
10:18
83 + 2r
s
6f.
9: 18
bzw. 10: 18
S3 + 2r
8(83)
6f3?
3f,?
8:18?
4:9?
4r
8(83)
12f3
20 : 36»
—
3f3 («,V)
5:9
S4 + 2r
S(8.)
3f3
4:9
4r?
T
3f.
4:9
S3 + 2r
T
3f.?
5:9
4r
T
3f,
11 :18
se + 2r
T?
3f, (f4?)
10 : 18
bez. 11:18
84 + 2r?
—
3fe
10:18
bzw. 11:18
—
—
3f.
9:18
bzw.ll:18?
*
«
3f.
9: 18
bzw.ll:18?
?
—
fo
3:6
—
—
4f6
15:24
bzw. 14:24*
86 + 2r
T
2f5
6:10
S5 + 2r
ca.T
2f5
6:10
4r
S
1 (II 17) T. Faesulae
2 (A 14) T. Rom (Marc.)
3 (A 17) T. Pola (Istr.)
4 (II12B)T.Rom(Pomp.)
5 (II 14) T. Otricoli
6 (118) T. Herculanum
7 (A3) T. Kyaneae
(Lykien)
8 (1 12) T. Hierapolis
(Phrygien)
9 (l 16) T. Aspendo8
(Pamphilien)
10 (II 18) T. Juliobona
(Frankreich)
11 (A 4) T. bei Xantho8
(Lykien)
12 (A9) T. Kibyra
(Lykien)
13 (II 20) Saguntum
(Spanien)
14 (II 15) T. Faleria
15 (11 13) 0. bei Tibur
16 (I 3) T. Siele (Pam-
philien)
17 (II 1) T. Syrakus
(Sizilien)
18 (114) T. Tyndaris
(Sizilien)
19 (112) T. Akrae (Si-
zilien)
20 (1 28) T. Dramyss.
(Epiru8)
21 (II 9A)T. bei Neapel
22 (1 4) T. Myra (Lykien)
23 (AI) T. Termess. maj.
(Lykien)
24 (A2) T. Rhodiopolis
(Lykien)
Einleitung. Tabelle.
89
1.
2.
3.
4.
5.
25 (II 16) T. Eugubium
2f5
5:10
4r
S
26 (1 23) T. Epidauros
(des Polyklet)
4f5 (f*)
12 : 20
S4 + 2r
ca. T
27 (A7) T. Oinoanda
f2ood.4f5?
12:20
82o+2r?
T
(Lykien)
28 (1 11) T. Laodikeia
3f5
9:15
?
?
(Phrygien)
29 (II 9B) 0. bei Neapel
u
2:5
4r
T
30 (A 18) T. Nora (Sard.)
fs
2:5
4r
S?
31 (II 7 A) T. Pompeji
fio
6:10
bzw. 7:10
?
?
32 (113) T. Segeste
flO (f4?)
6:10
S4 + 2r
T
(Sizilien)
bzw. 7:10
33 (II 7B) 0. Pompeji
fio
5:10
4r
T
34 (1 6) T. Telmissos
fu
ca. 9 : 14
s,4 + 2r?
S?
(Lykien)
35 (1 13) T. Aizani
fl4
ca. 9 : 14
?
?
(Phrygien)
36 (A5) T. Pinara
2f7 (f4?)
8:14
S4 + 2r
s
(Lykien)
37 (15) T. Patara
2f7 (f4?)
ca. 8 : 14
S4+2r?
T
(Lykien)
38 (A 20) T. Cuiculum
(Algier)
2f7
7:14
?
S
39 fA21) T. Calama
(Algier)
f7
3V2:7-
über 4r
T
40 (1 9) T. Jasos (Karlen)
3f4
7:12
S4 + 2r
S(S4)
41 (1 7) kl. T. (0.) Knidos
3f4
7:12
2s4
T
(Karien)
42 (126) 0. Athen (des
3f4 + 2f7
6 : 12* *
84 + 2r
T
Herod. Att.)
43 ri 27) T. Rhiniassa
(Epirus)
4f4
ca. 10: 16
S4 + 2r?
T
44 (1 8) T. Stratonikeia
4f4?
ca. 10:16
— .
(Kariün)
45 (II 19) T. Arausio
4f4?
8:16
S4 + 2r
8(84)
(Frankreich)
46 (116) T. Tauromen.
4f4
8:16
S4 + 2r?
?
(Sizilien)
bzw. 9 : 16
90
III. Vergleichungen und Folgerungen.
47 (II 5 A) T. Katana
(Sizilien)
48 (II 11) T. Tusculum
49 (A6) T. Kadyanda
(Lykien)
50 (— ) T. Athen (dionys.)
2f4?
2f8
t22
8:16
bzw.9:16
! ca. 9 : 20*
9:16
13 : 22
4r
88 + 2r
84 + 2r
T
T
Erster Abschnitt.
Einzelvergleichung.
In der Anordnung der Theater innerhalb unserer
Tabelle bin ich gänzlich von der Wieselerschen nach
den Fundorten getroffenen Anordnung abgewichen, weil
die Fundorte, wie sich später ergeben wird, für uns
nicht die grosse Bedeutung haben, die ihnen nicht bloss
von Wieseler beigelegt wird. Massgebend für unsere
Anordnung musste das sein, was überhaupt in den alten
Theateranlagen massgebend war, und das sind die in
den ürkreis eingeschriebenen Grundfiguren. So ergaben
sich vier, bzw. fünf Hauptgruppen : Theater mit regel-
mässigen Dreiecken oder Sechsecken als Grundfiguren,
dann Theater mit regelmässigen Vierecken oder Acht-
ecken als Grundfiguren, weiter Theater mit regelmässigen
Fünfecken oder Zehnecken oder Zwanzigecken als Grund-
figuren, femer Theater mit regelmässigen Siebenecken
oder Vierzehnecken als Grundfiguren und endlich Theater
mit regelmässigen Zweiundzwanzigecken (Elfecken) al»
Grundfiguren. Innerhalb dieser Hauptgruppen ergaben
sich öfter ebenso ungezwungen wieder Untergruppen je
1. Einzel vergl«ichung (Vitruv). 91
nach der Anzahl der in den ürkreis eingeschriebenen
Dreiecke, Quadrate, Fünfecke, Siebenecke u. s. w.
Die Theatergrundrisse der einzehien Gruppen sollen
nun zunächst unter einander verglichen werden, und eine
Gesammtvergleichung soll den Schluss bilden. Doch
bevor wir hierzu übergehen, wird es nützlich sein, vor-
weg diejenigen Grundrisse zu betrachten, welche einiger-
massen den Forderungen Vitruvs zu entsprechen schei-
nen. Diese Vergleichung wird ergeben, dass unser
Standpunkt Vitruv gegenüber durchaus gerechtfertigt ist.
Wir haben fünfzig Theater ins Gesammt; davon
liegen sechsundzwanzig, also ungefähr die Hälfte, im
westlichen Theile des Mittelmeergebietes, und unter die-
sen zeigen eine genaue Befolgung der vitruvischen Vor-
schriften sicher nicht mehr als vier. Ungünstig ist das
Verhältnis für Vitruv auch dann, wenn wir von jenen
sechsundzwanzig die sechs sizilischen abziehen, bei denen
man an ursprünglich griechische Anlage zu denken ge-
neigt und zum Theil wenigstens auch sicher berechtigt
ist. Dann ist trotzdem nur ein Fünftel (vier von zwan-
zig) der Theater in römischen Ländern nach vitruvischer
Vorschrift gebaut. Das sind die Theater des Pompejus
4 (H 12 B) und Marcellus 2 (A 14) zu Rom und die
Theater zu Fäsulä 1 (H 17) und Pola 3 (A 17). Ganz
sicher vitruvischen Bau zeigen allerdings nur die beiden
letzteren, denn gegen die Annahme einer genauen Be-
folgung der Regeln Vitruvs beim Bau der beiden ersteren
Hessen sich Bedenken erheben. Doch mögen sie immerhin
als vitruvisch gelten bleiben. Die übrigen sind es nach-
weislich nicht. Mit Ausnahme von zwei haben diese
nicht einmal vier Dreiecke als Grundfigur, und das allein
ist schon entscheidend. Jene zwei aber sind die Theater
zu Otricoli 5 (IT 14) und Herculaneum 6 (11 8). Das er-
stere hat zwar ausser den vier Dreiecken als Grundfigur
92 Vergleichungen und Folgerungen.
einen Halbkreis als Zuschauerraum und eine KSkenenlänge
von zwei Durchmessern des Urkreises, es hat aber als
Btihnenhinterwand nicht eine Sehne, wie es Vitruv aus-
drücklich verlangt, sondern die Tangente. Noch weniger
entspricht Vitruvs Forderungen das Theater zu Hercu-
laneum. Nur die Grundfigur und der Zuschauerraum sind
römisch im Sinne Vitruvs, nicht aber die Btihnenhinter-
wand und die Skenenlänge; beide sind vielmehr, um mit
Vitruv zu reden, griechisch, da die Btihnenhinterwand
durch die Tangente bestimmt ist und die Skenenlänge
1% Durchmesser des ürkreises beträgt.
Noch schlimmer wie mit Vitruvs Vorschrift über das
römische Theater steht es mit seiner Vorschrift über das
griechische Theater. Unter den fünfzig Theatern, die
überhaupt in Betracht kommen, bzw. unter den dreissig
Theatern in Ländern griechischer Kultur (mit Einschluss
Siziliens) giebt es kein einziges, welches eine genaue
Befolgung der vitruvischen Regel erkennen liesse. Es
finden sich überhaupt nur drei, die dem griechischen
Theater Vitruvs einigermassen ähnlich konstruirt sind,
d. h. drei Quadrate zur Grundfigur haben: nämlich das
Theater zu Jasos 40 (19), das kleine Theater (Odeon)
zu Knidos 41 (I 7) und das Odeon des Herodes Attikos
zu Athen 42 (I 26), aber bei jedem von ihnen kommt
eine Abweichung von Vitruvs Regel vor. Am bedeutend-
sten, am meisten in die Augen fallend ist die Abwei-
chung im Odeon des Herodes Attikos. Skenenlänge und
Btihnenhinterwand sind angelegt, wie Vitruv es verlangt,
aber der Zuschauerraum ist halbkreisförmig wie im rö-
mischen Theater nach Vitruv und noch dazu durch un-
gewöhnlich angelegte Treppen getheilt. Mehr entsprechen
Vitruvs Regel die beiden andern Theater, aber völlig
auch nicht; denn in dem kleinen Theater (Odeon) zu
Knidos ist die Skenenlänge zu klein, gleich zwei Qua-
%
Einzel vergleichung (Gruppe I). 93
dratseiten statt gleich Quadratseite -f- Durchmesser, und
im Theater zu Jasos ist die Bühnenhinterwand nicht
durch die Tangente des ürkreises, sondern durch eine
Quadratseite bestimmt.
Dieser Nachweis rechtfertigt wohl die Forderung,
dass in Zukunft die vitruvischen Bemerkungen nie wie-
der als mehr genonunen werden, als sie wirklich sind,
als vielleicht für ihre Zeit recht nützliche Vorschriften
eines Praktikers, nicht aber als Regeln eines die Ge-
sammtheit der Bauwerke überblickenden Forschers. Und
hieran reiht sich dann als selbstverständlich die weitere
Forderung, dass die Erklärung der griechischen und
auch römischen Theater nicht ausgehe von Vitruvs Vor-
schriften, sondern von den üeberresten selbst. Welches
der richtige Weg der Erklärung sei, ist gelegentlich
schon angedeutet worden und wird am Schluss in zu-
sammenfassender Weise nochmals deutlicher dargelegt
werden.
1. Erste Hauptgruppe: Regelmässige Drei-
ecke oder Sechsecke als Grundfiguren. Zu die-
ser Hauptgruppe gehören als erste Unterart die soeben
besprochenen römischen Theater 1—6 mit vier Dreiecken
als Grundfigur. Als gemeinsame Eigenschaften derselben
dürfen wir ausser der Grundfigur festhalten eine halb-
kreisförmige Bildung des Zuschauerraumes (ohne Aus-
nahme) und eine Skenenlänge von vier Radien (mit nur
einer Ausnahme). Die Sehne des Urkreises ist in den
sechs Theatern im günstigsten Falle nur viermal die
hintere Begrenzung der eigentlichen Bühne (scaenae
frons), was kaum noch als Regel hingestellt werden kann.
Eine zweite Unterart bilden die Theater mit sechs,
zwölf oder drei Dreiecken als Grundfigur. Sie unter-
scheiden sich im Allgemeinen dadurch von der ersten
Unterart, dass sie nicht bloss in den Ländern römischer
94 in. Vergleichungen und Folgerungen,
Kultur sich finden, dass sie meist einen grösseren als
halbkreisförmigen Zuschauerraum haben und dass ihre
Skenenlänge gewöhnlich nicht zwei Durchmessern des
Urkreises gleich ist.
Vier (3) von ihnen haben sechs Dreiecke als Grund-
figur : die Theater zu Kyaneä 7 (A 3), Hierapolis 8 (1 12),
Aspendos 9 (1 16) und Juliobona 10 (11 18). Lassen wir
das letzte zunächst unbeachtet, so haben wir in allen
einen grösseren als halbkreisförmigen Zuschauerraum.
Im Theater zu Aspendos geht allerdings nur der obere
Stock des Zuschauerraumes über die Halbkreisform hin-
aus, allein es ist kaum zweifelhaft, dass ursprünglich
dasselbe im unteren Stock der Fall gewesen ist, dass
also zur Zeit des Neubaues des Bühnengebäudes eine
Veränderung des Zuschauerraumes durch Anlegung von
itinera stattgefunden hat. Abgegrenzt nach der Bühne
zu und radial getheilt wurde der Zuschauerraum durch
Halbirungslinien von Winkeln der in den ürkreis ein-
geschriebenen Grundfigur (durch Treppen); er enthielt
also nur ganze Keile. Als Endkeile wurden diejenigen
zwei Keile angesetzt, deren Grenzen nach der Bühne
zu, von der Mitte des Zuschauerraumes aus gerechnet,
jenseits des wagrechten Durchmessers zuerst mit diesem
konvergirten. Da in der Grundfigur die der Bühne zu-
nächst gelegene Dreieckseite derselben parallel läuft, so
ergeben sich für den Zuschauerraum zehn Keile, ein
Keil mehr, als der Halbkreis enthält. In den Theatern
zu Hierapolis und Aspendos ist die Skenenlänge gleich
Dreieckseite + Durchmesser zusammengenommen; ebenso
gross wird sie wohl auch im Theater zu Kyaneä ge-
wesen sein. Gleich ist die Konstruktion in den ersten
Theatern auch insofern, als eine Sehne des Urkreises
die Lage der Bühnenhinterwand bestimmt.
Das letztere ist auch im Theater zu Juliobona der
k
1. Einzelvergleichung (Gruppe I). 95
Fall. Das ist aber auch das einzige, worin dieses
Theater jenen gleicht. Wie jene drei soeben besproche-
nen Theater dem Grundgedanken nach ähnlich sind
denjenigen, welche Vitruv griechisch nennt, so hat dieses
sich, soweit es natürlich bei der einmal festgesetzten
Grundfigur möglich war, den Vorschriften Vitruvs über
das römische angeschlossen. Es hat, wie Vitruv vor-
schreibt, eine Skenenlänge von zwei Durchmessern und
einen Zuschauerraum, der nicht über einen Halbkreis
hinausgeht. Genau halbkreisförmig konnte der Zu-
schauerraum nicht werden ohne Gefahr für die Eben-
mässigkeit der ganzen Anlage, und so wurde er einfach
auf acht (4) Keile beschränkt. Zu vgl. ELI 2.
Die vereinzelt dastehende Theateranlage bei Xan-
thos 11 (A4) entspricht genau der Theateranlage zu
Kyaneä 7 (A 3), nur dass die Anzahl der in den ürkreis
eingeschriebenen Dreiecke und dementsprechend auch
die Anzahl der Keile im Zuschauerraum verdoppelt ist.
Statt drei folgen also bis jetzt vier Theater demselben
Grundprinzip.
Als fünftes können wir sogleich hinzufügen das
Theater zu Kibyra 12 (A 9). Wenn es sechs Dreiecke
als Grundfigur enthält , was ich oben 11 3 Seite 82 als
möglich hingestellt habe, dann unterscheidet es sich in
Bezug auf die Konstruktion des Zuschauerraumes gar
nicht von den drei ersten dieser Unterart, den Theatern
zu Kyaneä, Hierapolis und Aspendos, aber selbst wenn
nur drei Dreiecke als Grundfigur angenommen werden
können, ist der Unterschied zwischen unserm Theater
und jenen drei in Bezug auf den Zuschauen'aum nicht
grösser als zwischen jenen drei und dem Theater bei
Xanthos, denn das Verhältnis des Zuschauerraumes zu
dem entsprechenden Urkreis ist in allen dasselbe: zehn
^u achtzehn (im Theater zu Kibyra 5:9, im Theater
96 III. Vergleichungen und Folgerungen.
bei Xanthos 20 : 36 und in den übrigen 10 : 18). Nur
insofern weicht unser Theater von den übrigen ab, als
seine Skenenlänge nicht Dreieckseite + Durchmesser,
sondern Quadratseite + Durchmesser beträgt.
Die letzten drei Theater dieser Unterart ähneln
wieder mehr dem römischen Theater Vitruvs, und sie
liegen auch im westlichen Theile des Mittelmeergebietes.
Es sind die Theater zu Saguntum 13 (11 20), Faleria 14
(II 15) und bei Tibur 15 (H 13). Eine genaue Halb-
kreisform war natürlich für den Zuschauerraum nicht zu
ermöglichen, ebenso wenig wie im Theater zu Juliobona
10 (n 18), und so verhält sich denn die untere Begren-
zung des Zuschauerraumes wie dort so hier, bei den
Theatern zu Saguntum und Faleria, zu dem ürkreis wie
vier zu neun (Juliobona: zu beachten Theil HI 2). Gleich
der römischen Skenenlänge nach Vitruv (4r) ist die des
Theaters zu Tibur und scheint zu sein die des Theaters
zu Saguntum. Die übrigen Verhältnisse dieser drei
Theater dagegen verrathen, wenn wir jetzt schon so
sagen dürfen, den griechischen Typus: weniger die
Lage der Bühnenhinterwand, welche durch die Tangente
des Urkreises gegeben ist, da sie auch durch eine Sehne
gegeben werden kann, wie oben angedeutet wurde; mehr
aber die Skenenlänge im Theater zu Faleria (gleich
Dreieckseite + Durchmesser) und das Verhältnis der un-
teren Begrenzung des Zuschauerraumes zum ürkreis im
Theater bei Tibur. Das Verhältnis beträgt nämlich fünf
zu neun wie im Theater zu Kibyra und in den vier an-
dern oben erwähnten.
Die dritte und letzte ünterabtheilung der ersten
Hauptgruppe von Theatern besteht aus solchen, deren
Grundfiguren durch Sechsecke gebildet sind. Auf den
ersten flüchtigen Blick könnte es scheinen, als ob von
den sieben hierher gehörigen Theatern fünf von Haus
i
1. Einzelvergleichung (Gruppe I). 97
aus wie die römischen mit halbkreisförmigem Zuschauer-
ramn angelegt seien. Bei genauerer Prüfung jedoch stellt
sich die Sache anders heraus: die angedeutete Aehn-
lichkeit ist wenigstens bei zwei, vermuthlich aber bei
vier durch Umbau in römischer Zeit entstanden. Wun-
dem werden wir uns darüber nicht, da die Orte, in
denen die erwähnten Theater liegen, Italien benachbart
und dem Einfluss römischer Kultur unterworfen waren:
Syrakus 17 (H 1), Tyndaris 18 (H 4), Akra 19 (H 2) in
Sizilien und Dramyssos 20 (I 28) in Epirus. Nur ein
einziges in der ganzen Gruppe, das in Italien selbst liegt,
hat sicher, soweit die Sechseckgestalt der Grundfigur
dies zuliess, von Anfang an den römischen Typus be-
sessen. Ich meine das Theater bei Neapel 21 (11 9A),
für dessen Konstruktion ein Sechseck als Grundfigur
massgebend war.
Um die ursprüngliche Anlage der vier genannten
Theater in Sizilien und Epirus herauszubringen, werden
wir gut thun uns das eine Theater dieser Abtheilung
näher anzusehen, das eine Veränderung nicht erlitten
hat, das Theater zu Side in Pamphilien 16 (I 3). Die
Eigenthümlichkeiten, die wir bei Besprechung der vori-
gen Unterart als zum griechischen Typus gehörend be-
zeichnet haben, finden wir in unserm Theater alle wie-
der. Die Abweichungen, welche man bemerkt, sind
äusserlicher Natur, sind einzig und allein abhängig von
der einmal gewählten und dann nothwendig festgehalte-
nen Grundfigur. Wir haben nämlich hier drei Sechs-
ecke als Grundfigur, nicht wie dort sechs Dreiecke.
Dementsprechend ist die Skenenlänge nicht wie in den
Theatern zu Hierapolis 8 (1 12) und Aspendos 9 (1 16)
gleich Dreieckseite -^ Durchmesser oder wie im Theater
zu Kibyra 12 (A 9) stellvertretender Weise gleich Qua-
dratseite -^ Durchmesser , sondern gleich Sechseckseite
Oehmichen, Griecli. Theaterbau. 7
98 III. Vergleichungen und Folgerungen.
Durchmesser, und dementsprechend umfasst auch der
Zuschauerraum nicht zehn von den achtzehn möglichen
Keilen, sondern elf. Die letztere Abweichung wird als
selbstverständlich erscheinen, wenn man sich erinnert,
dass die der Bühne zunächst gelegene Sechseckseite
derselben parallel sein muss und dass in Folge dessen
zwei Treppen und der wagrechte Durchmesser des ür-
kreises sich decken. Sollte nun der Zuschauerraum nach
griechischer Weise über die Halbkrcisform hinausgehen,
über neun Keile enthalten, so mussten zwei Keile hin-
zugenommen werden, die jenseits des wagrechten Durch-
messers nach der Bühne zu lagen. Das Grundprinzip
ist dabei aber keineswegs ein anderes, denn es sind wie
bei den Theatern der zweiten Unterart auch hier als
Endkeile diejenigen zwei Keile angesetzt, deren Grenzen
nach der Bühne zu, von der Mitte des Zuschauerraumes
aus gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers zu-
erst mit diesem konvergiren.
Den gleichen Typus wie bei dem soeben heran-
gezogenen Theater zu Side finden wir beim Theater zu
Myra 22 (I 4), dessen Besprechung wir hier einschieben,
um die Wahrscheinlichkeit unserer Ansicht zu erhöhen.
Absehen müssen wir bei diesem Theater von dem den
Typus nicht wesentlich beeinträchtigenden umstand, dass
nicht die Treppen des Unterstocks, sondern die des
Oberstocks durch die entsprechenden Winkel der Grund-
figur (vier Sechsecke) bestimmt sind. Alles üebrige ist
genau so gestaltet, wie es das Grundprinzip, auf vier
Sechsecke als Grundfigur angewandt, verlangt. Wir
haben, was allerdings nicht gerade wesentlich ist, die
Tangente als Bühnenhinterwand , wir haben femer die
Skenenlänge gleich Sechseckseite -^ Durchmesser und
wir haben endlich, wenn wir vom unteren Stockwerk
wegen der angedeuteten Unregelmässigkeit der Treppen-
\
1. Einzelvergleichung (Gruppe I). 99
anläge absehen, einen Zuschauerraum, der die Halbkreis-
form (zwölf Keile) um zwei Keile überschreitet, genau
Bo und aus demselben Grunde wie der des Theaters zu
Side 16 (I 3).
Wir dürfen uns jetzt wohl der Hoflfnung hingeben,
dass unsere Folgerung einer ursprünglich dem Grund-
prinzip nach gleichen Konstruktion der Theater zu Sy-
rakus und Tyndaris, zu Akra und Dramyssos nicht ganz
ungegründet erscheinen wird. In Bezug auf die beiden
letzteren Theater muss unsere Folgerung allerdings vor-
läufig Vermuthung bleiben, weil der vorausgesetzte Um-
bau insofern ein radikaler gewesen ist, als er sich nicht
auf das untere Stockwerk beschränkt, sondern vom ge-
rammten Zuschauerraum alles beseitigt hat, was über
die Halbkreisform hinausging; in Bezug auf die beiden
ersteren Theater aber ist unsere Folgerung mehr als
blosse Vermuthung. Denn womit will man die ganz
irrationale Verbreiterung der Endkeile im oberen Theil
des Zuschauerraumes über den wagi'echten Durchmesser
hinaus rechtfertigen? Ist denn überhaupt eine andere
Annahme wahrscheinlich, als dass die mit dem wag-
rechten Durchmesser sich deckenden Treppen bei Ge-
legenheit des Umbaues in römischer Zeit eingezogen und
die Endkeile auf die Hälfte ihrer Breite beschränkt
wurden? Lage und Grösse von umgebauten Bühnen-
gebäuden können bei der Frage nach dem Grundriss
des Theaters nur dann in Betracht kommen, wenn über-
haupt Anzeichen dafür vorliegen, dass die eingetretene
Aenderung unwesentlich war. Solche Anzeichen liegen
aber sicher nicht vor beim Theater zu Akra, doch sind
sie vielleicht vorhanden beim Theater zu Syrakus. Neh-
men wir den Fall an, dass sie vorhanden sind, nehmen
wir an, dass die von uns angesetzte Länge des Bühnen-
gebäudes (Quadratseite + Durchmesser) die Länge des
7*
-> ^ ^ ^ ^
100 III» Vergleichungen und Folgerungen.
ursprünglichen Bühnengebäudes war, so haben wir eine
Abweichung von dem oben dargelegten Grundprinzip der
griechischen Theateranlage, nach dem die Skenenlänge
gleich ist der Seite eines in den Urkreis eingeschriebe-
nen Vielecks -l- Durchmesser. Diese Abweichung ist
aber nicht erheblich. Es ist, wie sich später noch öfter
zeigen wird und wie wir es schon beim Theater zu Ki-
byra 12 (A 9) und noch früher beim dionysischen Theater
Athens und beim polykletischen zu Epidauros wahr-
genommen haben, dem Baumeister, vermuthlich unter
besonderen Umständen, gestattet gewesen als Skenen-
länge statt der entsprechenden Vicleckseite + Durch-
messer in stellvertretender Weise Quadratseite -h Durch-
messer anzusetzen.
2. Zweite Hauptgruppe: Regelmässige
Fünfecke (Zwanzigecke?) oder Zehnecke als
Grundfiguren. Ich darf mir jetzt wohl erlauben bei
der Vergleichung einen schnelleren Gang einzuschlagen.
Bei zwei Fünfecken als Grundfigur verlangen wir dem
erörterten Grundprinzip entsprechend, vorausgesetzt, dass
nach der Regel die der Bühne zunächst liegende Fünf-
eckseite derselben parallel ist, einen sechs von den zehn
möglichen Keilen umfassenden Zuschauerraum, eine Ske-
nenlänge von einer Fünfeckseite (in Stellvertretung Qua-
dratseite) + Durchmesser und womöglich ein Zusammen-
fallen der Tangente mit der Bühnenhinterwand. Dieser
Forderung entspricht fast ganz genau die Anlage des
Theaters zu Termessos 23 (A 1), nicht völlig dagegen
die des Theaters zu Rhodiopolis 24 (A 2). Es besitzt
wohl einen Zuschauerraum, der sechs von den zehn
möglichen Keilen umfasst, aber es hat eine Sehne des
Urkreises als Bühnenhinterwand und eine Skenenlänge
von vier Radien wie das römische Theater nach Vitruv.
Darf hier römischer Einfluss angenommen werden? Ich
• •• -•
• I •
• •
1. Einzelvergleichung (Gruppe II). 101
glaube kaum. Es drängt sich vielmehr die Vermuthung
auf, dass das, was wir römisch nemien, gar nicht ur-
sprünglich römisch, sondern griechisch ist, mit andern
Worten, dass die sogenannten römischen Theater den
griechischen Odeen nachgebildet sind. Doch will ich
diese Frage nicht entscheiden, denn dazu sind bessere
Hilfsmittel nöthig, als mir gegenwärtig zu Gebote stehen,
und ich fahre deshalb fort wie bisher von römischem
Einfluss zu sprechen.
Bei Verdoppelung der Fünfecke in der Grundfigur
erwarten wir unter gleichen Voraussetzungen dieselben
Verhältnisse wie bei zwei Fünfecken als Grundfigur und
nur die Keile im Zuschauerraum an Zahl verdoppelt.
Unserer Erwartung entspricht das polykletische Theater
in Epidauros 26 (oben II 2) und das Theater zu Oinoanda
27 (A 7), bei dem doch wohl richtiger vier Fünfecke
als Grundfigur anzunehmen sind. Wir erhalten einen
Zuschauerraum, der von den' zwanzig möglichen Keilen
zwölf umfasst. Die Skenenlänge ist im Theater zu Epi-
dauros stellvertretender Weise durch Quadratseite und
Durchmesser bestimmt (im Theater zu Oinoanda zweifel-
haft) und die Tangente mit der Bühnenhinterwand in
Oinoanda ganz, in Epidauros ziemlich zusanmienfallend.
Bei einem Zehneck als Grundfigur dürfen wir unter
gleichen Umständen zu finden hojBFen : einen sieben von den
zehn möglichen Keilen umfassenden Zuschauerraum, eine
Skenenlänge von Zehneckseite, bzw. Quadratseite und
Durchmesser und die Tangente vielleicht mit der Bühnen-
hinterwand zusammenfallend. Das Erhoffte zeigt sich,
abgesehen von dem umgebauten Bühnengebäude, an-
nähernd im Theater zu Pompeji 31 (TL 7A). Der Zu-
schauerraum hat ursprünglich auch in seiner unteren
Begrenzung sieben Keile umfasst wie das obere Stock-
werk. Nur in Folge des Vorrückens der Bühne nach
102 III. Vergleichungen und Folgerungen.
dem Zuschauerraum zu ist die Anlegung von itinera und
somit auch eine Verkürzung des untern Theiles des Zu-
schauerraumes nothwendig geworden. Das wohl hierher ge-
hörende Theater zu Segeste in Sizilien 32 (IL 3) entspricht
nicht ganz unserer Hoffnung. Allein wir werden nicht
zweifeln dürfen, dass wie in den Theatern zu Syrakus 17
(IT 1) und Tyndaris in Sizilien 18 (II 4) der römische
Einfluss bei dem oflfenbar auch in unserem Theater ein-
getretenen umbau eine Verschmälerung der Endkeile
veranlasst hat, so dass ursprünglich wie dort der Zu-
schauerraum ausser dem Halbkreis noch zwei Keile um-
fasste. Die Tangente ist mit der Bühnenhinterwand zu-
sammenfallend und als Skenenlänge ist in stellvertretender
Weise Quadratseite -f- Durchmesser angesetzt.
Drei Fünfecke als Grundfigur bedingen für den Zu-
schauerraum 9 von den 15 Keilen; so gross ist er in
Laodikeia 28 (I 11).
Der Rest unserer Gruppe scheint römischer Anlage
zu sein : das Theater zu Eugubium 25 (H 16), das Odeon
bei Neapel 29 (H 9B) , das Theater zu Nora 30 (A 18)
und das Odeon zu Pompeji 33 (H 7B). In allen finden
wir einen Zuschauerraum, der nicht über die Halbkreis-
form hinausgeht, zweimal Vio? zweimal nur ^/g des ent-
sprechenden Kreises fassend, in allen ausserdem vier
Radien als Skenenlänge und nur die Lage der Bühnen-
hinterwand zweimal wenigstens durch die Tangente statt
durch eine Sehne bestimmt.
3. Dritte Hauptgruppe: Regelmässige Sie-
benecke und Vierzehnecke als Grundfiguren.
Noch weniger als die Kenntnis des goldenen Schnittes,
mittelst dessen regelmässige Zehnecke, bzw. Fünfecke
herzustellen sind, wird man von voniherein den Griechen
die Kunst regelmässige Siebenecke, bzw. Vierzehnecke
zu zeichnen zutrauen wollen. Indessen ist hier dasselbe
zu sagen, was bei Besprechung des polykletischen Thea-
1. Einzelvergleichung (Gruppe III). 103
ters in Betreflf des goldenen Schnittes bemerkt worden
ist: Mag den Griechen immerhin die Theorie dieses
Vorganges gefehlt haben, in der Praxis ist er ihnen un-
zweifelhaft bekannt gewesen. Die sechs Beispiele, die
ich anführen werde, lassen sich nicht umstossen. Frei-
lich die feine und genaue Konstruktion, die man jetzt
anwendet, um regelmässige Siebenecke, bzw. Vierzehn-
ecke herzustellen, werden sie nicht gekannt haben, um
so wahrscheinlicher aber eine ganz einfache, leichte,
bei der ein unbedeutender, in der Praxis bald auszu-
gleichender Fehler eintritt, und auf die mich mit grosser
Bereitwilligkeit ein Mathematiker aufmerksam gemacht
hat. Die Hälfte der Seite eines in einen Kreis einge-
schriebenen regelmässigen Sechsecks ist nämlich ziem-
lich genau gleich der Seite eines in denselben Kreis
einzuschreibenden regelmässigen Siebenecks.
Betrachten wir zunächst von den sechs hierher-
[fallenden Theatern jene zwei, für deren Plan ein Vier-
Izehneck als Grundfigur massgebend gewesen ist, die
^Theater zu Telmissos 34 (I 6) und zu Aizani 35 (I 13).
Ir erwarten einen Zuschauerraum, der neun von den
lerzehn möglichen Keilen umfasst, und wir finden ihn
igefähr so gross. Die kleine Verschmälerung der End-
Leile werden wir kaum ins Gewicht fallen lassen dür-
fen. Wir verlangen ferner als Skenenlänge Vierzehn-
jckseite -f- Durchmesser oder, was hier richtiger ist:
i. 48, in Stellvertretung Quadratseite -f- Durchmesser und
^wir finden, vne es scheint, einmal Vierzehneckseite -f-
tochmesser.
Aehnlich günstig steht es bei zwei Theatern mit
zwei Siebenecken als Grundfigur, den Theatern zu Pi-
nara 36 (A 5) und zu Patara 37 (I 5). Wir haben, vtde
vtdr es nicht besser wünschen können, in beiden einen
Zuschauerraum, der acht von den vierzehn möglichen
104 III. Vergleichungen und Folgerungen.
Keilen umfasst. Die Verschmälerung der Endkeile in
dem letzteren Theater, wenn sie überhaupt vorhanden
ist, wird auch hier nicht als schwerwiegend angesehen
werden dürfen. Wir haben dann in stellvertretender
Weise als Länge des Bühnengebäudes Quadratseite -i-
Durchmesser und wir haben zum Schluss einmal, im
Theater zu Patara, die Bühnenhinterwand mit der Tan-
gente zusammenfallend.
Römische Anlagen dagegen erkennen wir in den
Theatern Algiers zu Cuiculum 38 (A 20) und zu Calama
39 (A 21). In beijien ist ohne Rücksicht auf das Gleich-
mass der Keile der Zuschauerraum auf die Halbkreis-
form beschränkt; die Skenenlänge hat sich wohl gleich-
falls nach dem römischen Geschmack gerichtet, ein festes
Prinzip scheint jedoch bei ihr nicht befolgt worden
zu sein.
4. Vierte Hauptgruppe: Regelmässige Vier-
ecke (Sechzehnecke?) oder Achtecke als Grund-
figuren. Die erste Unterart dieser vierten Hauptgruppe
von Theatern, deren Grundfigur durch drei Quadrate
gebildet wird, ist im Anfang dieses Abschnittes mit Vi-
truvs Vorschrift über das griechische Theater verglichen
worden. Ich habe nur noch weniges hinzuzufügen. Mit
Vitruvs Regel stimmte keins, mit unserer Forderung da-
gegen stimmt das Theater zu Jasos 40 (I 9), denn das
Zusammenfallen einer Sehne statt der Tangente mit der
Bühnenhinterwand lassen wir, nicht Vitruv, zu. Im
Theater von Knidos ist die Skenenlänge unregelmässig
nach Vitruvs Vorsclu*ift sowohl als nach unserer Forde-
rung. Es sei also die Abweichung festgestellt ; dass sie
nicht erheblich für unsere Untersuchung ist, wird sich
später zeigen. Das Odeon des Herodes Attikos endlich
hat wenigstens in Bezug auf die Grösse des (halbkreis-
förmigen) Zuschauerraumes römischen Einfluss erfahren,
1. Einzelvergleichung (Gruppe IV). 105
in Bezug auf die Btihnenanlage aber griechischen
Typus.
Von den übrigen in diese Hauptgruppe gehörenden
Theatern ziehe ich zunächst zwei heran, bei denen vier
<Juadrate als Grundfigur bestimmend waren, die Theater
zu Rhiniassa 43 (I 27) und zu Stratonikeia 44 (I 8).
Skenenlänge und Btihnenhinterwand sind in dem ersteren
so vorhanden, wie wir sie wünschen, nicht völlig so
aber der Zuschauerraum. Nach unserer Forderung sollte
er umfassen zehn volle Keile von den sechzehn mög-
lichen, vrir finden aber die beiden Endkeile etwas
schmäler ungefähr vrie in den Theatern zu Telmissos
34 (I 6) und Aizani 35 (1 13). Der Grund hierfür wird
darin zu suchen sein, dass eine Annäherung des Zu-
schauerraumes an die Bühne über einen gewissen Ab-
stand hinaus Unbequemlichkeiten bei den dramatischen
AujBFührungen hervorgerufen hätte. Ungefähr dieselbe
Grösse des Zuschauerraumes (10:18) wird für das
Theater zu Stratonikeia anzunehmen sein.
Römischen Typus erkennt man in zwei Theatern
dieser Hauptgruppe, die in Ländern römischer Kultur
liegen, in dem Theater zu Arausio (Orange) in Frankreich
45 (D 19), bei welchem wir vier Quadrate als Grund-
figur voraussetzen dürfen, und in dem Theater zu Tus-
culum 48 (n 11), das vermuthlich zwei Quadrate als
Grundfigur hat. Der römische Typus zeigt sich in der
Grösse des Zuschauerraumes, der über die Halbkreisform
nicht hinaus geht, und beim Theater zu Tusculum ausser-
dem in der Skenenlänge, welche gleich zwei Durch-
messern ist.
Drei Theater gehören noch hierher, die ich aus be-
sonderem Grunde zuletzt bespreche, die Theater zu
Tauromenion 46 (H 6) und Katana 47 (H 5 A) mit vier
Quadraten als Grundfigur und das Theater zu Kadyanda
106 III. Vergleichungen und Folgerungen.
49 (A 6) mit zwei Achtecken als Grundfigur. Zwar die
Skenenlänge und die Lage der Bühnenhinterwand giebt
zu Bemerkungen keine Veranlassung. Die erstere ist,
wie wir es erwarten müssen, im Theater zu Taurome-
nion wahrscheinlich einer Quadratseite + Durchmesser
gleich und im Theater zu Kadyanda gleich Achteckseite
+ Durchmesser. Um so auflfallender aber ist bei ge-
nauerer Prüfung die Grösse des Zuschauerraumes. Wir
müssen bei einer Grundfigur von vier Quadraten oder
zwei Achtecken als untere Begrenzung des Zuschauer-
raumes ^7i6 dßs ürkreises erwarten wie im Theater zu
Stratonikeia 44 (I 8), wir finden dafür aber im Theater
zu Kadyanda 7i6 ^^^ i^ ^^^ beiden anderen sogar nur
7i6 des ürkreises.
Beseitigen wir zunächst den Unterschied in der
Grösse der Zuschauerräume der drei Theater. Der Un-
terschied fällt weg, wenn wir die ursprüngliche Theater-
anlage in Betracht ziehen. In allen anderen Theatern
Siziliens nämlich, in Syrakus 17 (II 1), Tyndaris 18 (114),
Akra 19 (11 2) und Segeste 32 (H 3), hat, wie es scheint,
ein Umbau, ein Vorrücken der Bühne stattgefunden:
vgl. oben Gruppe 1 und 2; das gleiche wird hier an-
zunehmen sein. Besonders in Betreff des Theaters zu
Tauromenion kann kein Zweifel aufkommen, da das
obere Stockwerk die geforderte Ausdehnung noch jetzt
zeigt. Aber auch beim Theater zu Katana sind An-
deutungen einer früher grösseren Ausdehnung des Zu-
schauerraumes vorhanden, ich meine die unregelmässige
Theilung des Oberstocks durch Treppen und die Halb-
keile als Endkeile im Unterstock. Beides ist doch wohl
nur in Folge der Verkürzung des Zuschauerraumes nach
der Bühne zu entstanden. Wir dürfen also getrost in
beiden Theatern als ursprüngliche Grösse des Zuschauer-
raumes die annehmen, die sich im Theater zu Kadyanda
^
1. Einzelvergleichung (Gruppe IV). 107
findet, wo neun von den sechzehn mögliehen Keilen zu
Zuschauersitzen verwerthet sind.
Damit ist aber noch lange nicht die ganze Schwie-
rigkeit gehoben. Es bleibt immer noch zu erklären,
warum der Zuschauerraum neun und nicht gemäss der
aus der Grundfigur hervorgehenden Forderung zehn
Keile von den sechzehn möglichen umfasst hat. Die Erklä-
rung findet sich, wenn wir auf die ungewöhnliche Stel-
lung der Grundfigur zur Bühne achten. In allen andern
Theatern ist die der Bühne zunächst liegende Seite der
Grundfigur der Bühnenhinterwand parallel, hier ist es
nicht der Fall. Aus der schiefen Stellung der Grund-
figur entsprang dann weiter die Verkleinerung des Zu-
schauerraumes, der nur neun statt zehn Keile umfasst.
Es darf diese Abweichung von der bisher überall
geltenden ßegel nicht vertuscht werden, und so sei hier-
mit ausdrücklich darauf hingewiesen. Indessen ist doch
auch gleich hinzuzufügen, dass das Grundprinzip, wie
wir es bis jetzt kennen gelernt haben, hierdurch ganz
und gar keine Anfechtung erleidet. Die Analemmata
des Theaters sind hier wie in den übrigen Fällen prin-
zipiell dieselben, denn es sind auch hier als Endkeile
des Zuschauerraumes diejenigen zwei angesetzt, deren
Grenzen nach der Bühne zu, von der Mitte des Zu-
schauerraumes aus gerechnet, jenseits des wagrechten
Durchmessers zuerst mit diesem konvergiren.
Es giebt noch eine zweite Lösung der Schwierig-
keit, die ich aber, ohne gerade massgebend sein zu
wollen, vorläufig für weniger richtig halte. Man braucht
nämlich als Grundfigur der drei Theater statt vier Qua-
drate oder zwei regelmässige Achtecke nur ein regel-
mässiges Sechzehneck anzusetzen, so fällt die Annahme
einer schiefen Stellung der Grundfigur als unnöthig weg.
Das ist ein leichtes Mittel, wie man sieht, aber ich trage
108 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
doch Bedenken es anzuwenden und zwar wegen der
Skenenlänge im Theater zu Kadyanda. Die Skenen-
länge im Theater zu Tauromenion würde bei Annahme
eines regehnässigen Sechzehnecks als Grundfigur keinen
Anstoss geben, da auch sonst vielfach in stellvertreten-
der Weise 1^? Durchmesser als Skenenlänge angesetzt
worden ist. Aber nirgends finden wir in stellvertreten-
der Weise als Länge des Bühnengebäudes Achteckseite
H- Durchmesser, wie es im Theater zu Kadyanda bei
Annahme eines regelmässigen Sechzehnecks als Grund-
figur der Fall wäre. So lange also nicht in glaubhafter
Weise dargelegt worden ist, dass die Skenenlänge im
Theater zu Kadyanda eine andere als die von uns an-
gegebene, vielleicht gleich 1% Durchmesser, ist, so
lange halte ich die erstere der angeführten Lösungen
der angeregten Frage für angemessener.
5. Als fünfte Hauptgruppe könnte man drei
Theater mit einem regelmässigen Zweiundzwanzig-
eck oder Elfeck als Grundfigur hinstellen, das dio-
nysische Theater Athens, das Theater im Piräus und das
Theater zu Melos (I 18). Memen oben U 1 Seite 39 flf.
gemachten Bemerkungen über die beiden ersten Theater
habe ich weiter nichts hinzuzufügen, als dass unsere
aus den Vergleichungen entsprungenen Forderungen in
Betreff der Grösse des Zuschauerraumes und der Skenen-
länge auch hier erfüllt sind. Die Skenenlänge ist im
dionysischen Theater Athens und im Theater des Piräus
stellvertretenderweise gleich Quadratseite -f- Durchmesser,
und als Endkeile der Zuschauerräume sind in allen drei
Theatern diejenigen zwei angesetzt, deren Grenzen nach
der Bühne zu, von der Mitte des Zuschauerraumes aus
gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers mit
diesem zuerst konvergiren. Der Zuschauerraum des dio-
nysischen Theaters in Athen und der des Theaters im
2. Gesammtvergleichung (1. Zwei Haupttypen). 109
Piräus überschreitet dementsprechend die Halbkreisform
um zwei Keile, umfasst also dreizehn von den zweiund-
zwanzig möglichen, und das Theater von Melos enthält
einen Zuschauerraum, der ganz gemäss unserer Forde-
rung sechs von den elf möglichen Keilen einnimmt.
Zweiter Abschnitt.
Gesammtvergleichung.
1. Zwei Haupttypen.
Man wird sich im Verlauf der Einzelvergleichungen
innerhalb der Hauptgruppen tiberzeugt haben, dass in
den besprochenen Theaterttberresten zwei Haupttypen
unterschieden werden können. Man darf sie wohl den
griechischen und den römischen Typus nennen. Den
Ausdruck „römischer Typus'' wähle ich nicht etwa, wie
ich schon bei der Vergleichung der Theater der zweiten
Hauptgruppe angedeutet habe, weil er mir wissenschaft-
lich gerechtfertigt scheint, sondern weil ich, ohne mich
vorher in eine andere Untersuchung eingelassen zu ha-
ben, keinen bessern an seine Stelle zu setzen weiss.
Die Theaterkonstruktion, welche Vitruv als römisch
beschreibt, ist nur eine Unterabtheilung der römischen
Art. Zur Unterscheidung kann man, wenn man will,
die Gesammtheit der römischen Theater römisch im
weiteren Sinne und die Theater vitruvischer Art römisch
im engeren Sinne nennen. Als römisch im weiteren
Sinne bezeichne ich die Theater, welche entweder einen
Zuschauerraum von höchstens einem Halbkreis und eine
Skenenlänge von zwei Durchmessern (dreizehn) oder
eins von beiden (sechs und eins) haben.
110 ni. Vergleichungen und Forderungen.
Zu den griechischen Theatern rechne ich alle übri-
gen, nicht bloss die, welche noch jetzt durchweg grie-
chischen Typus zeigen, sondern auch die, deren ur-
sprünglich rein griechische Formen . in römischer Zeit
umgestaltet worden sind. Ihr Zuschauerraum geht ohne
Ausnahme über die Halbkreisform hinaus, und ihre Ske-
nenlänge ist mit nur zwei Ausnahmen gleich der ent-
sprechenden Vieleckseite -f- Durchmesser oder in Stell-
vertretung gleich Quadratseite + Durchmesser.
Im Grossen und Ganzen, hoflfe ich, wird man mei-
ner Scheidung die Zustimmung nicht versagen. Ausser
den bei der Einzelvergleichung angedeuteten unterschei-
denden Merkmalen spricht für sie auch die geographische
Lage der üeberreste. Die römischen Theater finden
sich in Ländern römischer Kultur, in Italien, Istrien,
Sardinien, Frankreich, Spanien und Algier, die griechi-
schen dagegen in Ländern griechischer oder wenigstens
ursprünglich griechischer Kultur, in Kleinasien, auf der
Balkanhalbinsel, in Sizilien und Süditalien. In Sizilien
und Süditalien stiessen beide Kulturen auf einander;
von der Zeit an, wo hier die römische das üebergewicht
erhielt, werden die Umbauten der sechs sizilischen Theater
und des Theaters zu Pompeji vorgenommen worden sein.
In Pompeji ist wahrscheinlich sogar der interessante
Fall eingetreten, dass in römischer Zeit eins (das grosse)
nach der neuen Art nur umgebaut und eins (das kleine,
Odeon) gleich von Anfang an entsprechend dem neuen
Typus angelegt worden ist.
Drei Einwendungen könnten vielleicht gegen meine
Scheidung gemacht werden und zwar betreffs des Odeons
in der Villa Hadrians bei Tibur 15 (II 13), des Odeons
in Athen 42 (I 26) und des Theaters zu Rhodiopolis 24
(A 2). Das Odeon in Athen wird man deshalb nicht
gern als römisch bezeichnen wollen, weil ausser ihm
2. Gesammtvergleichung (l. Zwei Haupttypen.) Hl
kein römisches im östlichen Theile des Mittelmeergebietes
zu finden ist. Allein ich denke, hier genügt der Hin-
weis auf den Erbauer, den Römerfreund Herodes Attikos.
Zudem macht auch die unbegreifliche einzig in ihrer Art
dastehende Treppenanlage im Zuschauerraum diesen Bau
als einen Ausfluss der Laune des Bauherrn kenntlich.
Erheblicher scheint der Einwand in Bezug auf das Odeon
in der Villa Hadrians bei Tibur. Es geht nämlich hier
der Zuschauerraum über die Halbkreisform hinaus, was
sonst bei keinem römischen Spielraum der Fall ist.
Nicht minder berechtigt dürfte das Bedenken gegen die
Einreihung des Theaters zu Rhodiopolis in die Zahl der
griechischen Theater erscheinen. Eine Skenenlänge von
vier Radien kommt ausser in diesem in keinem griechi-
schen Theater vor, dagegen dreizehnmal in zwanzig
römischen Theatern.
Ganz zu entkräften vermag ich diese Einwände
nicht; ich muss es mir also gefallen lassen, wenn Je-
mand es vorziehen sollte, diese beiden Theater anders
einzureihen. Allein grosse Sorge wüi'de ich mir darum
nicht machen, denn das Ergebnis meiner Betrachtungen
würde dadurch keineswegs eine grössere Aenderung er-
leiden. Ausserdem aber gebe ich zu bedenken, dass
beide Typen, wenn sie auch für sich betrachtet wesent-
lich verschieden sind, doch in Vergleichung mit mittel-
alterlichen oder neueren Schauspielanlagen keine prin-
zipielle Verschiedenheit aufweisen. Die Verkürzung des
Zuschauerraumes nach der Bühne zu und die Verlänge-
rung der gesammten Bühnenanlage im römischen Theater
sind ohne rückwirkende Kraft auf das Grundprinzip des
Plans. Dieselben Grundfiguren, dieselben Treppen- und
Thüranlagen wie im griechischen Theater wurden in
späterer Zeit im römischen Theater verwendet. Ueber-
haupt ist es nicht rathsam, räumlich oder zeitlich einen
112 III. Vergleichungen und Folgerungen.
scharfen Schnitt zu machen. Wie das römische Drama
nichts anderes ist als ein in römischer Sprache fort-
vegetirendes griechisches, mit weniger oder selten mehr
römischer Färbung der Charaktere und Situationen, so
ist doch wohl sicher auch das römische Theatergebäude
nur den Griechen entlehnt und mit mehr oder minder
lokaler, wenn ich so sagen darf, Architekturfärbung ver-
sehen. Und damit komme ich wieder auf den Punkt,
von dem aus die völlige Entkräftung der oben angedeu-
teten Bedenken wird vorgenommen werden können, ich
komme wieder auf die griechischen Odeen als Vorbild
der römischen Theater: vgl. oben Gruppe 2.
Einen Nachweis der Entwicklung der Odeen vermag
ich, wie gesagt, nicht zu geben, doch auch schon eine
in sich nicht unwahrscheinliche Vermuthung über ihre
Entvpicklung wird dazu beitragen, die angeregten Be-
denken etwas zu schwächen. Ich denke mir aber die
Sache so : Ein Bedürfnis wurden die Odeen erst in ver-
hältnismässig später Zeit, als der Theaterbau sich schon
entwickelt hatte. In Folge dessen hat der Bau der
Odeen sich nach dem der Theater gerichtet, soweit nicht
besondere Umstände Aenderungen wünschenswerth er-
scheinen Hessen. Zu solchen besonderen Umständen
werden bequemeres Hören und Sehen, ein kleinerer Zu-
schauerraum und wohl auch eine kleinere Orchestra zu
rechnen sein. Solchen Umständen trug der Baumeister
Rechnung dadurch, dass er den Bühnenraum an den
Zuschauerraum annäherte. Um einen gleich grossen
freien Raum vor der Bühnenhinterwand zu behalten,
musste er das Bühnengebäude seitlich erweitem (die
Skene verlängern), damit, was in der einen Ausdehnung
an Raum verloren ging, in der andern vpieder einge-
bracht würde. Eine grössere Annäherung des Bühnen-
gebäudes an den Zuschauerraum wird aber nur nach
\
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 113
und nach eingetreten sein, so dass der konstruktive Un-
terschied zmschen Odeen und Theatern weniger in den
älteren als in den jüngeren Bauten zu Tage trat.
Und so finden wir noch im Odeon zu Knidos 41
(I 7) eine Anlage, die dem griechischen Theater nach
Vitruv bis auf einen Umstand ganz entspricht. Dieser
eine Umstand aber ist die zwei Quadratseiten betragende
Skenenlänge. Was den Baumeister zu dieser Abweichung
veranlasst habe, lässt sich nicht erkennen; aber es ist
beachtenswerth, dass eine solche Abweichung in einem
Odeon vorkommt, niemals aber in einem griechischen
Theater. Eine Weiterentwicklung des Odeons dürfen
wir in der Anlage zu Rhodiopolis 24 (A 2) erkennen,
die wohl kaum etwas anderes sein kann als ein Odeon.
Die Analemmata haben in diesem Bau noch ihre ord-
nungsmässige Lage, aber die Skene ist nach dem Zu-
schauerraum zu weiter vorgerückt und demzufolge seit-
lich bis auf vier Radien erweitert. Ueber diese Länge
ist die spätere Zeit nicht hinausgegangen; es trat nur
noch eine Aenderung in Bezug auf die Analemmata ein.
Diese wurden in offenbar trefflicher Raumersparung pa-
rallel der Skene angelegt, selbst wo das Grundprinzip
eine andere Lage verlangte, wie im Odeon bei Tibur
15 (n 13) und im Odeon bei Neapel 29 (H 9B). Dass
der Uebergang von Odeen dieser Art zu den römischen
Theatern ausserordentlich leicht war, das liegt doch wohl
klar zu Tage.
2. Die Hauptbestandtheile.
A. Zuschauerraum. Es kommt jetzt darauf an,
die bei der Beschreibung und der Einzelvergleichung
betrachteten Hauptbestandtheile der Theateranlagen zu-
sammen zu vergleichen, um das AUgemeingiltige heraus-
zufinden. Eine Scheidung in griechische und römische
Oehmichen, Griech. Theaterbau. g
114 in. Vergleichungen und Folgerungen.
Theater braucht hierbei meist nicht einzutreten, weil die
unterschiede mehr äusserlicher Natur, nicht prinzipielle
sind.
a) Gliederung des Zuschauerraumes. Der
Zuschauerraum ist selten einstöckig; gewöhnlich ist er
durch einen, zuweilen durch zwei Umgänge in zwei,
bzw. drei konzentrische Stockwerke getheilt. Radial
werden die Stockwerke, mit Ausnahme der Endkeile, in
gleiche durch Treppen geschiedene Keile zerlegt. Eine
Ausnahme von dieser Regel findet sich nur einmal im
Odeon bei Tibur 15 (II 13); sie ist aber nicht zu rech-
nen, weil ein ganz besonderer Anlass, eine in der Mitte
des Oberstocks befindliche aedicula, die Unregelmässig-
keit der Treppenanlage erforderlich machte.
b) Treppen im Zuschauerraum. Die Treppen
des Unterstocks sind bestimmt durch die Halbirungs-
linien von Winkeln der in den Urkreis eingeschriebenen
Grundfigur. Die Treppen im zweiten, bzw. dritten Stock-
werk sind entweder nur Fortsetzungen der Treppen des
Unterstocks oder sind nur mitten zwischen den Halbi-
rungslinien von Winkeln der Grundfigur gelegen oder
beides zugleich, also an Zahl doppelt so gross als die
des unteren Stockwerks. Die wenigen Verstösse gegen
die zweite Hälfte dieser Regel sind unwesentlich und
seien deshalb hier übergangen; sie finden sich in den
Theatern zu Kibyra 12 (A9), bei Neapel 21 (H 9A),
zu Calama 39 (A 21) und zu Katana 47 (II 5A). Gegen
die ganze Regel Verstössen zwei Theater, das Theater
zu Stratonikeia 44 (I 8) und das zu Myra 22 (I 4). Da
indessen von dem ersteren die Abschlussmauem des Zu-
schauerraumes nach der Bühne zu nicht zu erkennen
sind und da infolge dessen die Grundfigur nur ver-
muthungsweise zu bestimmen war, kann diese Ausnahme
als solche nicht gerechnet werden. Anders ist die Sache
\
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 115
im Theater zu Myra. Hier ist eine wirkliche Ausnahme
anzuerkennen, die aber als einzige bei fünfzig Theatern
so gut wie nichts sagen will. In diesem Theater sind
nämlich die betreflfenden Regelhälften gerade umgekehrt
zur Anwendung gekommen: die Treppen des Oberstocks
sind durch Halbirungslinien von Winkeln der in den
ürkreis eingeschriebenen Grundfigur bestimmt, die Trep-
pen des ünterstocks dagegen fallen mitten zwischen
diese Halbirungslinien.
c) Grundfigur für den Zuschauerraum. Die
höchste Mannigfaltigkeit herrscht in Bezug auf die für
den Zuschauerraum massgebenden Grundfiguren (im Ge-
gensatz zu Vitruv, der nur zwei kennt). In fünfzig
Theatern finden wir einundzwanzig verschiedene Grund-
figuren. Berücksichtigen wir dazu noch die grössere
oder geringere Abweichung von der Halbkreisform in
den griechischen und römischen Theatern, so finden sich
durchschnittlich nur ungefähr je zwei Theater, die in
Bezug auf die radiale Gliederung einander ähnlich sehen.
Ich gebe im Folgenden einen üeberblick über die für
die radiale Gliederung des Zuschauerraumes bestimmen-
den Grundfiguren in den griechischen und römischen
Theatern. In den Klammem stehen die Nummern un-
serer Tabelle.
Grundfigur:
1. vier Dreiecke in
2. sechs „ „
3. zwölf „ „
4. drei „ „
5. drei Sechsecke in
6. ein Sechseck in
7. vier Sechsecke in
8. zwei Fünfecke in
9. vier „ „
8'
griechisches:
röm. Theater:
6 (1-6)
3 (7 flf.)
1 (11)
1(12)
4 (10; 13flf.
5 (16flf.)
1 (21)
1 (22)
2 (23 f.)
1 (25)
2 (26 f.)
116 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
Grundfigur:
griechisches:
röra. Theater
10. drei Fünfecke in
1 (28)
11. ein Fünfeck in
2 (29 f.)
12. ein Zehneck in
2 (31 f.)
1(33)
13. ein Vierzehneck in
2 (34 f.)
14. zwei Siebenecke in
2 (36 f.)
1 (38)
15. ein Siebeneck in
1 (39)
16. drei Quadrate in
2 (40 f.)
17. drei Quadrate + zwei
Siebenecke in
1 (42)
18. vier Quadrate in
4 (43 f. 46 f.)
1 (45)
19. zwei „ „
1 (48)
20. zwei Achtecke in
1 (49)
21. ein Zweiundzwanzigeck in
1 (50)
21 verschiedene in 30 griech. u. 20 römisch.
Theatern (15 verschiedene in 30 griechischen und
11 verschiedene in 20 römischen Theatern).
d) Endkeile und Analemmata. Abgesehen von
den wenigen Abweichungen der Grenze zwischen Zu-
schauerraum und Orchestra von der strengen Kreislinie,
die erst noch festzustellen sind, können wir über das
Verhältnis der Endkeile zu den übrigen Keilen Folgen-
des bestimmen. Die Endkeile sind gleich den übrigen
Keilen in den ursprünglichen, nicht umgebauten grie-
chischen und in denjenigen römischen Theatern, in denen
zwei Halbirungslinien von Winkeln der Grundfigur mit
dem wagrechten Durchmesser zusammenfallen; in den
übrigen römischen Theatern war eine Gleichheit der
Endkeile und der mittleren Keile nicht zu ermöglichen;
die in römischer Zeit umgebauten griechischen Theater
suchten sich je nach Umständen mehr oder weniger der
römischen Regel anzubequemen.
Betrachten wir zuvörderst die griechischen
Theater mit unveränderten Zuschauerräumen. Ich
%
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 117
rechne dazu folgende: Die Theater zu Kyaneä 7 (A3),
zu Hierapolis 8 (1 12), bei Xanthos 11 (A4), zu Kibyra
12 (A9), zu Side 16 (13), zu Myra 22 (14), zu Ter-
messos maj. 23 (AI), Rhodiopolis 24 (A 2), Epidauros
26 (oben II 2), Oinoanda 27 (A 7), Pinara 36 (A 5), Pa-
tara 37 (15), Jasos 40 (I 9), das Odeon zu Knidos 41
(I 7), die Theater zu Stratonikeia 44 (I 8), zu Kadyanda
49 (A 6) und zu Athen 50 (oben 11 1) , zusammen sieb-
zehn. Für sie gilt eine Regel, die schon oben III 1
formulirt worden ist: Als Endkeile sind diejenigen zwei
angesetzt, deren Grenzen nach der Bühne zu (Analem-
mata), von der Mitte des Zuschauerraumes aus gerechnet,
jenseits des wagrechten Durchmessers zuerst mit diesem
konvergiren. Wenn wir von einigen ganz unbedeuten-
den Abweichungen, die auf den Wieselerschen Plänen
nicht wahrgenommen werden können, absehen, wie z. B.
davon, dass im dionysischen Theater Athens die Ana-
lemmata nicht genau nach dem Mittelpunkt des Urkreises
gerichtet sind, so haben wir von dieser Regel nur eine
einzige Ausnahme im Theater zu Myra, also in dem-
selben Theater, das oben schon (unter b) in Bezug auf
die Treppenanlage im Zuschauerraum eine und zwar
die allein zu zählende Sonderstellung einnahm. Indessen
ist diese Abweichung des Theaters zu Myra in Bezug
auf die Endkeile keine prinzipielle, sondern war durch
die einmal gewählte Form der Treppenanlage im Zu-
schauerraum begründet, so dass sie genau genommen
keine Ausnahme von der Regel in sich schliesst. Im
Oberstock des Zuschauerraumes sind nämlich die End-
keile den übrigen Keilen ungefähr gleich. Die Unregel-
mässigkeit beruht nur darin, dass die Analemmata nicht,
wie es die Regel verlangt, nach dem Mittelpunkte des
Urkreises gehen; aber diese Unregelmässigkeit war aus
Gründen der ebenmässigen Gliederung des Unterstocks
118 in. Vergleich ungen und Folgerungen.
durchaus nothwendig. Wären die Analemmata genau
nach dem Mittelpunkt des Urkrcises gerichtet worden,
so hätten im ünterstock Endkeile entstehen müssen, die
halb so gross gewesen wären als die übrigen. Es hat
also hier, wie man sieht, der Baumeister verstanden die
eine Dissonanz herbeiführende Treppenstellung im ünter-
stock durch eine andere Dissonanz in der Stelhmg der
Analemmata zu paralysiren und den schönsten Einklang
hervorzubringen.
So gut wie ohne Ausnahme gleich sind, soviel ich
sehe, die Endkeile den übrigen Keilen des ünterstocks
in denjenigen römischen Theatern, in welchen der wag-
rechte Durchmesser mit zwei Halbirungslinicn von Viel-
eckswinkeln zusammenfällt. Wenn die der Bühne zu-
nächst gelegene Seite der Grundfigur derselben parallel
ist, was in den Grundrissen der römischen Theater im-
mer, in denen der griechischen mit nur drei Ausnahmen
(vgl. oben Hauptgruppe 4) der Fall ist, so müssen sich
wagrechter Durchmesser und zwei Halbirungslinicn von
Vieleckswinkeln decken in den Theatern, deren Grund-
figur z. B. aus vier Dreiecken oder einem Sechseck oder
einem Zehneck oder zwei oder vier Quadraten besteht;
sie können sich aber nicht decken in den Theatern,
deren Grundfigur z. B. aus drei Dreiecken oder einem
Fünfeck oder einem Siebeneck oder zwei Vierzehnecken
besteht. Demgemäss gehören zur ersten Abtheilung
der römischen Theater folgende: Die ersten sechs
unserer Tabelle mit vier Dreiecken als Grundfigur, das
Theater bei Neapel 21 (H 9A) mit einem Sechseck als
Grundfigur, das Odeon zu Pompeji 33 (H 7B) mit einem
Zehneck als Grundfigur und die Theater zu Arausio 45
(H 19) und Tusculum 48 (H 11) mit vier, bzw. zwei
Quadraten als Grundfigur. Die Endkeile sind in diesen
Theatern den mittleren Keilen gleich. In einigen Grund-
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 119
rissen sind zwar die Treppen und in Folge dessen auch
die Keile nicht zu erkennen, in den Theatern des Mar-
cellus und Pompejus und zu Arausio ; es wird aber nicht zu
bezweifeln sein, dass ihre radiale Gliederung, insbeson-
dere die Endkeile der oben angegebenen Regel ent-
sprochen haben, umso weniger, als eine Ausnahme von
der Regel schwerlich zu finden sein dürfte. Denn als
wirkUche Ausnahme wird man doch das Theater zu
Tusculum nicht betrachten wollen. Wir kennen ja nicht
einmal die Grundfigur, und zudem ist auch der Abstand
der Analemmata vom wagrechten Durchmesser kaum
als bedeutend genug anzusehen. Da indessen auch im
Theater zu Herculaneum eine ähnliche, wenn schon noch
unbedeutendere Abweichung vorkommt, so kann man
immerhin zugestehen, dass die Römer die angegebene
Regel nicht ganz streng befolgt haben. Hierzu wird
der noch mehr geneigt sein, der die Endkeile der zwei-
ten Abtheilung der römischen Theater in Berücksichti-
gung zieht: eine Gleichgiltigkeit des Baumeisters gegen
das Ebenmass tritt hier zuweilen zu Tage, me sie in
griechischer Zeit nie vorgekommen ist.
Da das römische Theater, wie schon früher ange-
deutet worden ist, aus Raumersparnis einen der Bühne
parallelen Abschluss des Zuschauerraumes (Analemmata)
verlangte, so war in der zweiten, jetzt zu besprechen-
den, Abtheilung der römischen Theater eine Gleich-
heit der Endkeile und der übrigen Keile im ünterstock
des Zuschauerraumes nicht zu ermöglichen. Am ein-
fachsten, am wenigsten das Ebenmass verletzend war
die Herstellung parallel zur Bühne laufender Abschluss-
mauern, wenn man statt die für die Analemmata mass-
gebenden Grundfigurwinkel zu halbiren durch die ent-
sprechenden Ecken der Grundfigur eine mit der Bühne
120 ni. Vergleicbungen und Folgerungen.
gleichlaufende Linie zog. Und dieses Verfahren ist
auch die Regel.
Das beste Beispiel giebt das Theater zu Faleria 14
(11 15). Da drei Dreiecke die Grundfigur bilden, konnte
ohne Verletzung der Symmetrie ein voller Halbkreis für
den Zuschauerraum nicht verwerthet werden. Man nahm
vier von den neun möglichen Keilen. Die untere Be-
grenzung der vier Keile ist gleich, die obere Begrenzung
der Endkeile dagegen grösser als die der mittleren und
zwar deshalb, weil man durch die Ecken, durch welche
die Analemmata bestimmt werden, nicht Radien, sondern
eine parallel der Bühne laufende Linie gezogen hat.
Ganz gleich scheint, wenigstens was den ünterstock an-
langt, der Zuschauerraum des Theaters zu Saguntum 13
(11 20) gestaltet gewesen zu sein, und gleich in Rück-
sicht auf die radiale Gliederung war wohl auch das
Theater zu Juliobona 10 (II 18) angeleg-t. Ich habe
zwar früher die Annahme von sechs Dreiecken als
Grundfigur zugelassen, weil ich nicht vorgreifen wollte,
nach dem aber, was wir jetzt von der Lage der Ana-
lemmata kennen gelernt haben, dürfen nur drei Dreiecke
als Grundfigur angesetzt werden; sechs Dreiecke würden
ja ein Zusammenfallen des wagrechten Durchmessers
und der Analemmata bedingen. Aehnlich sind auch die
Abschlussmauern im Odeon bei Tibur 15 (11 13) an-
gelegt, wo freilich infolge der schon früher besprochenen
aedicula eine Verschiebung der Grundfigur und somit
auch der Treppen und Keile eingetreten ist. Allein, und
das ist für uns wichtig, der fünf von den neun möglichen
Keilen umfassende Zuschauerraum ist nach der Bühne
zu durch Analemmata abgeschlossen, welche von den
betreffenden Ecken der Grundfigur aus mit der Bühne
in gleicher Richtung laufen. Ein fünftes und letztes
Beispiel findet sich im Odeon bei Neapel 29 (II 9B),
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 121
das zu einer besonderen Bemerkung keine Veranlassung
bietet.
Die eben besprochene Art der Herstellung der Ana-
lemmata brachte es mit sich, dass die Breite der End-
keile und der Mittelkeile zwar in der unteren Begren-
zung des Zuschauerraumes gleich war, aber weiter nach
oben zu ungleich wurde. Die Keile mussten nach oben
zu breiter werden in denjenigen Zuschauerräumen, welche
über die Halbkreisform nicht hinausgingen (viermal), sie
mussten aber nach oben zu schmäler werden, wenn der
Zuschauerraum die Halbkreisform tiberschritt, wie im
Odeon bei Tibur. In die Augen springend war indessen
die angegebene Verschiedenheit der Breite der Keile
durchaus nicht, so dass die Harmonie des Ganzen keine
Störung erlitt.
Ganz anders und entschieden eine gewisse Ge-
schmacksroheit verrathend war dagegen eine zweite
Art der Herstellung von parallel der Biihne laufenden
Analemmata. Man liess nämlich hierbei die parallele
Linie nicht durch die sonst die Analemmata bestimmen-
den Ecken der Grundfigur gehen, sondern schob sie vor,
bzw. auch zurück und liess sie meist mit dem wag-
rechten Durchmesser zusammenfallen, ohne sich um die
Folgen, um die dadurch nothwendig eintretende, sehr
auffallende Grössenverschiedenheit der Keile zu küm-
mern.
Ganz eigenthümlich ist die Anlage im Theater zu
Nora 30 (A 18). Für den Zuschauerraum sind zwei von
den fünf möglichen Keilen bestimmt. Genau so wie im
Odeon bei Neapel 29 (H 9B) hätte die Gliederung hier
sich gestalten müssen, wenn man der Regel gefolgt wäre
und durch die entsprechenden Ecken des Fünfecks die
für die Lage der Analemmata massgebende der Bühne
parallele Linie gezogen hätte. Man hat aber hier zu-
122 i^T« Vergleichungen und Folgerungen.
nächst die drei Treppen regelrecht durch Radien be-
stimmt und dann die Analemmata ein ganz klein wenig
dem wagrechten Durchmesser genähert, so dass ein paar
winzige Endkeile entstanden. Vorgeschoben und zwar
bis zum wagrechten Durchmesser sind auch die Ana-
lemmata in dem Theater zu Eugubium 25 (ü 16). Die
Abschlussmauern des Zuschauerraumes hätten durch die
Ecken von Fünfeckswinkeln gehen sollen, sie fallen aber
mit dem wagrechten Durchmesser zusammen und brin-
gen dadurch höchst ungeschickter Weise Halbkeile als
Endkeile hervor. Einigermassen ausgeglichen ist diese
Unebenheit dadurch, dass wenigstens im Oberstock fünf
gleiche Keile angebracht wurden. Ein Vorschieben,
nicht ein Zurückschieben der Analemmata ist wohl auch
anzunehmen im Theater zu Cuiculum 38 (A 20). Die
störenden Halbkeile als Endkeile sind hier allerdings
vermieden, aber nur durch ein ganz mechanisches Mittel,
so dass das Ergebnis ebenso wenig befriedigt. Man
verband nämlich die entstehenden Halbkeile durch Weg-
lassung der dazwischen anzulegenden Treppen mit den
zunächst liegenden mittleren Keilen und erhielt somit
Endkeile von anderthalbfacher Breite der mittleren Keile.
Ein Zurückschieben der Analemmata bis zum wagrechten
Durchmesser hat dagegen sicher stattgefunden in dem
Theater zu Calama 39 (A 21) und dem Odeon des He-
rodes Attikos zu Athen 42 (I 26). Die Grundfigur ver-
langte eine untere Begrenzung von Y, des ürkreises in
der ersteren Anlage und von Vi 2 i^ ^^^ letzteren, sie
beträgt aber in beiden nur die Hälfte des ürkreises.
Die Endkeile in der ersteren Anlage sind dementsprechend
um ein Viertel schmäler als die mittleren und sie wür-
den um die Hälfte schmäler, also Halbkeile, im Odeon
des Herodes Attikos sein, wenn nicht durch eine schon
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 123
früher besprochene abweichende Richtung der Treppen
eine gewisse Gleichheit erzielt worden wäre.
Zuletzt sind noch heranzuziehen ursprünglich grie-
chische Theater mit verändertem Zuschauerraum.
Ich rechne dreizehn dazu. Mein Grund dafür ist folgen-
der: Der griechische Zuschauerraum besteht, wie wir
oben gesehen haben, aus gleichen Keilen, und die Ab-
schlussmauem desselben nach der Bühne zu sind zwei
verlängerte mit dem wagrechten Durchmesser diver-
girende Radien des Urkreises. Nur eine Ausnahme hatten
wir von dieser Regel kennen gelernt, aber eine Aus-
nahme, die das genannte Prinzip eigentlich nicht um-
stiess, vielmehr bestätigte durch möglichste Gleichbildung
der Endkeile mit den übrigen. Gegen diese Regel nun
Verstössen alle dreizehn Theater.
Am wenigsten drei: die Theater zu Telmissos 34
(I 6), zu Aizani 35 (I 13) und zu Laodikeia 28 (I 11).
Sie unterscheiden sich einzig dadurch von den rein
griechischen Zuschauerräumen, dass die Abschlussmauem
nach der Bühne zu nicht nach dem Mittelpunkte des
Urkreises gerichtet, sondern einer dem wagrechten Durch-
messer parallelen Linie angenähert sind, so dass die
Endkeile von unten nach oben beinahe gar nicht oder
doch nicht gleichmässig mit den übrigen Keilen an
Breite zunehmen. Da indessen die Analemmata nur an-
nähernd, nicht völlig der Bühne gleichlaufend sind, so
möchte ich, so lange nicht durch eine genaue Unter-
suchung der Baureste an Ort und Stelle sichere An-
zeichen einer Veränderung des Zuschauerraumes auf-
gefunden sind, ursprünglich griechische Anlage nicht
unbedingt in Abrede stellen. Sollte sie aber nicht ab-
zuweisen sein, so müssten diese drei Theater als Bei-
spiele einer ungenauen Befolgung der oben über die
griechischen Zuschauerräume festgesetzten Regel auf-
124 III» Vergleichungen und Folgerungen.
gefasst werden, ümgestossen würde durch sie die Regel
keineswegs.
Ein Umbau des Zuschauerraumes ist dagegen mit
vollster Sicherheit in den übrigen zehn Theatern anzu-
nehmen, in den Theatern zu Aspendos 9 (1 16), Syrakus
17 (n 1), Tyndaris 18 (II 4), Akra 19 (H 2), Dramyssos
20 (I 28), Pompeji 31 (UTA), Segeste 32 (H 3), ßhi-
niassa 43 (I 27), Tauromenion 46 (11 6) und Katana 47
(11 5A). Die Zuschauerräume dieser Theater sind nicht
griechisch, weil die Analemmata ganz oder (ein einziges
Mal im Theater zu Pompeji) zum Theil eine wagrechte
(der Bühne parallele) Lage haben, was in keinem grie-
chischen Theater der Fall ist, sie sind aber auch nicht
römisch, weil kein einziger irgend einem römischen
gleicht. Die Richtigkeit der letzteren Behauptung wird
der nicht bestreiten, der folgende Bemerkungen beachtet.
Kein römisches Theater hat eine Grundfigur von
sechs Dreiecken oder drei Sechsecken, wie wir sie in
den Theatern zu Kyaneä 7 (A 3) und Side 16 (I 3) fin-
den; denn das Theater zu Juliobona hat, wie unlängst
oben S. 120 gezeigt worden ist, drei Dreiecke als Grund-
figur; folglich können die Zuschauerräume in den Thea-
tern zu Aspendos, Syräkus, Tyndaris, Akra, Dramyssos
den römischen nicht ähnlich sein. In keinem römischen
Theater, wo der wagrechte Durchmesser mit den Hal-
birungslinien von Grundfigurwinkeln zusammenfiel, ist der
Zuschauerraum über die Halbkreisform hinausgegangen
wie in den Theatern zu Syrakus, Tyndaris, Pompeji,
Segeste und Rhiniassa; in keinem römischen Theater
sind die mit dem Durchmesser zusammenfallenden
Treppen kassirt worden wie in den Theatern zu Sy-
rakus und Tyndaris; in keinem römischen Theater haben
wir eine schiefe Stellung der Grundfigur gefunden wie
in den Theatern zu Tauromenion und Katana, dagegen
2. 2. Hauptbestandtheile (Zuschauerraum). 125
im griechischen Theater zu Kadyanda 49 (A 6); in kei-
nem römischen Theater endlich ist der Unterstock des
Zuschauerraumes durch Anlage von Zugängen (itinera)
verunstaltet worden wie schon im Theater zu Aspendos,
noch mehr aber in den Theatern zu Syrakus, Pompeji
und Tauromenion. Weniger entscheidend, aber immer-
hin noch beachtenswerth ist ein anderes Moment. Nur
in einem römischen Theater finden sich Halbkeile als
Endkeile im unteren Stock, im Theater zu Eugubium 25
(11 16). Aber selbst der römische Baumeister fühlte das
Unschickliche und glich es einigermassen aus durch
Gleichheit der Keile im Oberstock. Solche Halbkeile
finden sich nun aber in den erwähnten zehn Theatern
öfter, ohne dass eine Ausgleichung im oberen Theile
des Zuschauerraumes auch nur versucht worden wäre.
Dürfen wir solche ßohheit den griechischen Erbauern
zutrauen? Gewiss darf man mit nein antworten und dem-
gemäss einen Umbau des Zuschauerraumes annehmen in
den Theatern zu Aspendos, Tauromenion und Katana.
Ein Versuch einer chronologischen Anordnung
der Umbauten der Zuschauerräume wird am Ende nicht
allzu kühn erscheinen und sei deshalb gewagt. Anfäng-
lich veränderte man die ursprünglichen Analemmata nur
wenig oder vielleicht gar nicht, liess also den über die
Halbkreisform hinausgehenden Zuschauerraum bestehen
und schnitt nur für die itinera ein Stück des Unterstocks
durch parallel der Bühne gelegte Abschlussmauem ab,
so im Theater zu Pompeji 31 (H 7A). Ein weiterer
Schritt geschah dadurch, dass man die wagrechte Stel-
lung zur Bühne auch bei den Analemmata in dem oberen
Theile des Zuschauerraumes durchführte und die Ana-
lemmata im unteren Theil desselben mit dem wagrechten
Durchmesser zusammenfallen liess, alles Uebrige aber
ähnlich gestaltete wie im Theater zu Pompeji. Dies
126 in. Vergleichungen und Folgerungen.
geschah in den Theatern zu Tauromenion 46 (11 6),
Syrakus 17 (H 1) und Aspendos 9 (I 16). Gleichzeitig
ungefähr, vielleicht auch ein wenig früher oder später,
wurde dann der obere und untere Theil des Zuschauer-
raumes auf beiden Seiten durch je eine einzige mit der
Bühne gleichlaufende, aber, von der Bühne aus ge-
rechnet, noch diesseits des wagrechten Durchmessers
liegende Mauer abgeschlossen.
B. Orchestra; Urkreis. Da die Orchestragrenze
zuweilen mit dem Urkreis zusammenfällt, öfter aber durch
einen weniger oder mehr grossen Gürtel von ihm getrennt
ist, so wird ihr Verhältnis zu den übrigen Theilen des
Theaters schwerlich unter eine Eegel zu bringen sein.
Soviel sich bis jetzt erkennen lässt, ist jeder Baumeister
nach Gutdünken verfahren. Möglich ist freilich, dass
die ursprüngliche Regelmässigkeit in späterer Zeit durch
Umbauten in Folge von Erweiterungen des Zuschauer-
raumes nach der Orchestra zu oder in Folge Benutzung
des Theaters zu andern als rein dramatischen Zwecken
nicht unwesentliche Umgestaltungen erfahren hat. In-
dessen kommt auch darauf nicht gerade besonders
viel an.
Ungleich wichtiger ist die Frage nach dem Urkreis,
durch den Bühne und Zuschauerraum mehr oder weniger
bestimmt sind. Aber gerade die Frage nach dem Ur-
ki'cis gehört zu den schwierigsten. Aus der Atmosphäre
der blossen Zirkelschlüsse ist, wie schon angedeutet
wurde, vorläufig kaum herauszukommen, da selbst die
grösseren und zuverlässigen Zeichnungen Messungen und
Nachprüfungen an Ort und Stelle bis jetzt noch nicht
entbehrlich machen. Es kommt demnach augenblicklich
nicht sowohl darauf an, einen zwingenden Beweis zu lie-
fern, als vielmehr darauf, einen solchen vorzubereiten
I
2. 2. Hauptbestandtheile (Urkreis). 127
und damit unsere früheren Ansetzungen der ürkreise im
Allgemeinen einigermassen zu rechtfertigen.
Der Zuschauerraum und insbesondere die Treppen
geben keine Entscheidung, da ihre Anlage nicht abhängig
ist von der Peripherie des Urkreises, sondern nur von
dem Mittelpunkte desselben und der eingeschriebenen
Grundfigur. Allein entscheidend ist das Bühnengebäude.
Im römischen Theater nach Vitruv ist die Skenenlänge
durch zwei Durchmesser des Urkreises gegeben, die
Lage der Bühnenvorderwand durch den wagrechten
Durchmesser, die der Bühnenhinterwand durch die pa-
rallele Dreieckseite und die Thüren in der Bühnenhinter-
wand durch senkrecht von Grundfigurecken nach der
Bühne zu gezogene Linien. In seiner Vorschrift über das
griechische Theater lässt Vitruv für die Lage der Büh-
nenhinterwand die Tangente und für die der Bühnen-
vorderwand eine Seite der Grundfigur (Quadrate) mass-
gebend sein. Seine Quelle hat sicher mehr angegeben,
d. h. auch die Länge des Bühnengebäudes und die Lage
der Thüren in der Bühnenhinterwand. Die Skenenlänge
betrug nach der Quelle Vitruvs (vgl. oben I 3 S. 22)
Quadratseite -h Durchmesser und die Lage der Thüren
war nach ihr vermuthlich durch Halbirungslinien von
Quadratwinkeln bestimmt.
Wären nun die vitruvischen Vorschriften für das
griechische und römische Theater durchweg massgebend
gewesen, so liesse sich der Urkreis in jedem Fall leicht
bestimmen. Aber Vitruvs Vorschriften sind beim grie-
chischen Theaterbau gar nicht oder höchst selten, beim
römischen wenig befolgt worden, sie können also für
uns in den meisten Fällen nichts weiter sein als Finger-
zeige. Messen und Probiren ist unsere eimzige Stütze.
Genau gemessen müssen werden die Abstände der Ske-
nenmauern vom Mittelpunkte des Urkreises und von ein-
128 III« Vergleichungen und Folgerungen.
ander, und probirt muss dann werden, bis der ürkreis
und die Grundfigur gefunden sind und bis harmonische
Verhältnisse jeden Zweifel an der Richtigkeit der ge-
fundenen Ergebnisse ausschliessen. Aber alles Messen
und Probiren würde in der Luft schweben, wenn nicht
vorausginge eine baukritische Prüfung der Ceberreste,
eine Unterscheidung der Neubauten von der ursprüng-
lichen Bauanlage. Das Bühnengebäude ist ja öfter ein
Neubau, manchmal ein blosser Umbau, und in Verbin-
dung mit der Umgestaltung des Bühnengebäudes ist oft
auch eine Veränderung der seitlichen Theile des Zu-
schauerraumes vorgenommen worden.
Der Weg, den wir nach dem Gesagten einschlagen
müssen, um die Generalregel für den Urkreis, wenn es
eine giebt, zu finden, wird folgender sein. Von den
fünfzig von uns oben herangezogenen Theatern müssen
zunächst diejenigen ausgeschlossen werden, bei denen
das Bühnengebäude fehlt, die Theater zu Fäsulä 1 (II 17),
zu Kyaneä 7 (A 3), bei Xanthos 11 (A 4), zu Tyndaris
18 (n 4), bei Neapel 21 (H 9A), zu Stratonikeia 44
(I 8) und zu Katana 47 (11 5A).
Wir müssen femer die Theater mit umgebauten
Bühnengebäuden ausser Betracht lassen, selbst in dem
Fall, wo es uns schwer fällt, wo der restaurirende Bau-
meister sich dem ursprünglichen Plan genau oder ziem-
lich genau angeschlossen zu haben scheint. Weil es
gegen die Natur der Sache ist und deshalb undenkbar
erscheint, dass eine Verlegung der Analemmata und eine
Veränderung der Endkeile des Zuschauerraumes einge-
treten sei ohne gleichzeitige Veränderung des Bühnen-
gebäudes, sind in erster Linie ausser Rechnung zu stel-
len diejenigen griechischen Theater, welche wir oben
bei Gelegenheit der Besprechung der Analemmata als
umgebaut bezeichnet haben (auf unserer Tabelle 9, 17,
%
2. 2. Hauptbestandtheile (Urkreis). 129
18, 19, 20, 31, 32, 43, 46, 47 und ausserdem 28,
34, 35).
Bei drei von diesen haben wir allerdings eine Ver-
änderung des Zuschauerraumes nicht mit voller Sicher-
heit zu behaupten vermocht, also kann bei ihnen aus
der Gestalt des Zuschauerraumes nicht unbedingt auf
einen Umbau der Skene geschlossen werden. Indessen
ist der letztere aus anderen Umständen ersichtlich. Für
das Theater zu Laodikeia 28 (1 11) kann ich mich auf
Wieseler berufen: Die architektonischen Zierden des
Bühnengebäudes weisen nach ihm auf den Verfall der
Kunst unter den späteren Kaisem. Hinzufügen kann
man noch, dass in der Mitte ausgebauchte Btihnenhinter-
wände sich sonst nur in römischen oder offenbar um-
gebauten Theatern finden, so in den Theatern zu Otri-
coli 5 (H 14), Herculaneum 6 (II 8), im Odeon bei Neapel
29 (n 9B) und im augenscheinlich umgebauten Theater
zu Pompeji 31 (II 7A)-, zu vergleichen sind auch die
Anlagen zu Arausio 45 (II 19), Eugubium 25 (11 16),
zu Nora 30 (A 18) , zu Cuiculum 38 (A 20) in ziemlich
wunderlicher Gestaltung. Aus dem letzten Grunde
allein schon ist ein Umbau, bzw. Neubau des Bühnen-
gebäudes im Theater zu Aizani 35 (1 13) ebenso wie in
dem von uns unbeachtet gelassenen zu Pessinus bei
Wieseler I 13 b anzunehmen. An einen Bühnenumbau
im Theater zu Aizani denken wohl auch Wieseler und
Hamilton, weil wir bei Wieseler S. 4 lesen: „Hamilton
bemerkt, die Marmorsitze seien of highly finished work-
manship, but the proscenium and scena are built of a
diflferent stone, and in a rüder style, und schliesst daraus
mit Kecht, dass die letzteren einer ganz anderen Periode
angehören als die ersteren." Für einen Umbau der
Bühne im Theater zu Telmissos 34 (I 6) weiss ich aller-
dings nur einen Grund anzuführen, nämlich die geringe
Oehmichen, Griech. Theaterbau. 9
130 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
Skenenlänge (Vierzehneckseite + Durchmesser). Ausser
im Theater zu Oinoanda, worüber ich oben n 1 S. 48
gesprochen habe, findet sich nämlich eine geringere
Skenenlänge als Achteckseite und Durchmesser in kei-
nem griechischen Theater.
Vielleicht giebt es noch ein oder das andere unter
den fünfzig von uns berücksichtigten Theatern, in dem
ein Umbau der Bühne allein stattgefunden hat. Ein
solches müsste natürlich gleichfalls ausgeschlossen wer-
den. Wir kennen aber bis jetzt keins, ausgenommen
das dionysische zu Athen. Bei diesem sind wir jedoch
so glücklich die Lage der ältesten Bühne zu wissen,
so dass eine Absonderung nicht nöthig ist.
Schliessen wir die eben besprochenen achtzehn
Theater von unserer Betrachtung aus, so bleiben uns
zweiunddreissig übrig, bei denen wir wohl nicht ohne
Hoffnung nach dem ürkreis suchen dürfen. Mit den
römischen Theatern (im engeren Sinne) muss unsere
Untersuchung beginnen, weil wir hier an Vitruv einen
gewissen Anhalt haben. Die beiden Theater Roms lassen
wir vorläufig unbeachtet, weil ihre mangelhaften Grund-
risse unsere' Erkenntnis zu wenig fördern. Das Theater
zu Pola 3 (A 17) sei flir unsere Betrachtung das erste.
Ein Zweifel kann hier meiner Ansicht nach gar nicht
Platz greifen. Alles stimmt mit Vitruv, wenn wir von
den Bühneneingängen absehen. Wir haben zwei Durch-
messer als Skenenlänge, den wagrechten Durchmesser
als vordere Bühnenmauer, und was für uns besonders
wichtig ist, eine Dreieckseite als Bühnenhinterwand. Es
muss hier augenscheinlich die erste innere Kreislinie,
welche an den unteren Treppenenden entlang geht, der
Urkreis sein. Die Theater zu Otricoli 5 (11 14) und zu
Herculaneum 6 (II 8) stimmen zwar schon nicht mehr
recht mit den vitruvischen Forderungen, aber zur Be-
2. 2. Hauptbestandtheile (Urkreis). 131
Stimmung des ürkreises sind ihre Verhältnisse trotzdem
sehr geeignet. Nach der Beschreibung, die ich oben 11 3
gegeben habe, unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel,
dass im Theater zu Otricoli der Urkreis vom Mittelpunkt
aus die zweite Kreislinie ist, d. h. also die, welche an
den unteren Treppenenden entlang geht. Die Tangente
als ideelle Bohnenhinterwand , zwei Durchmesser als
Skenenlänge, die Lage der Thüren in der Bühnenhinter-
wand sind entscheidend. Ebenso wenig zweifelhaft,
meine ich, kann der Urkreis im Theater zu Hercula-
neum sein. Die Tangente ist auch hier die (zum Theil
ideelle) Bühnenhinterwand. Sie sowie die Skenenlänge
(gleich Quadratseite + Durchmesser) und die Thüren in
der Bühnenhinterwand, welche durch senkrecht zur
Bühne gezogene Tangenten bestimmt sind, lassen uns
mit Sicherheit den Kreis als Urkreis erkennen, dessen
Peripherie an den unteren Treppenenden entlang geht
und der hier eine Keihe von Sitzen von dem eigent-
lichen Zuschauerraum abschneidet. Das letztere
ist eine Eigenthümlichkeit römischer Anlagen •, wir finden
sie wieder im Theater zu Saguntum 13 (ü 20), im Odeon
zu Pompeji 33 (11 7B), im Theater zu Tusculum 48
(II 11) und in dem in römischer Zeit umgebauten Theater
zu Pompeji 31 (ü 7A).
Hiermit können wir die Einzelbetrachtung abbrechen,
da uns die Hauptstützpunkte gegeben sind. Wir finden
nämlich in den drei genannten Theatern jedesmal einen
andern Urkreis. In dem ersten war er vom Mittelpunkte
aus der erste, im zweiten der zweite und im dritten der
sechste oder siebente Kreis des Grundrisses, aber jedes
Mal war der Urkreis ein Kreis, dessen Peri-
pherie an den unteren Enden der Treppen ent-
lang ging. Wir erhalten also dasselbe Ergebnis wi$
beim dionysischen Theater Athens und bei dem poly-
9*
132 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
kletischen zu Epidauros. Zu genau demselben Ergebnis
werden wir wahrscheinlich kommen, wenn wir in allen
übrigen Theatern den ürkreis mit Hilfe von erst noch
anzustellenden Messungen werden feststellen können ;
soviel nämlich bis jetzt aus den ungenügenden Veröffent-
lichungen ermittelt werden konnte (vgl. die Beschreibung
der Theater oben 11 3), findet sich unter jenen zweiund-
dreissig Theatern wohl nur ein einziges, welches, wenig-
stens nach der Aufnahme Texiers (!), einen andern Kreis
als ürkreis zu haben scheint als den, dessen Umfangs-
linie an den untern Treppenenden entlang geht, und das
ist das Theater zu Jasos 40 (I 9) ; denn über das Theater
zu Patara 37 (I 5), das man noch als Ausnahme be-
zeichnen könnte, lässt sich eine genügend sichere Ent-
scheidung nicht treffen.
C. Das Bühnengebäude. Natürlich können auch
hier nur die oben bezeichneten zweiunddreissig Theater
in Betracht kommen, bei denen ein Umbau oder Neubau
der Skene bis jetzt nicht vorauszusetzen ist. Da die
Bestimmung des Verhältnisses des Bühnengebäudes zur
Gesammtanlage von genauen Messungen abhängt, die
noch nicht vorliegen, so können wie unsere früheren An-
setzungen in der Beschreibung der einzelnen Theater
(oben II 3) so die jetzt daraus zu ziehenden Schltlsse
auf Zuverlässigkeit keinen Anspruch machen. Sie zu
ziehen habe ich aber deshalb nicht unterlassen wollen,
weil ich meine, dass auch ein vorläufiger Abschluss sei-
nen Nutzen hat, Ziel und Weg genauer kennen lehrt.
Dass ich mich unter so bewandten Umständen der
grössten Kürze zu befleissigen habe, ist selbstverständ-
lich. Ich glaube dieser Forderung am besten zu ent-
sprechen, wenn ich die bei der Beschreibung gemachten
Beobachtungen bloss übersichtlich zusammenstelle.
a) Länge des gesammten Bühnengebäudes.
2. 2. Hauptbestandtheile (Bühnengebäude). 133
Hier ist zwischen griechischen und römischen Theatern,
bzw. Odeen zu unterscheiden. In den griechischen
Theatern ist für die Skenenlänge entweder dieselbe Grund-
figur wie für den Zuschauerraum massgebend gewesen
(ich nenne sie einfach Grundfigur) oder in stellvertretender
Weise eine andere, eine quadratische (ich nenne sie die
Bühnengrundfigur). Die Skenenlänge in den griechischen
Theatern hat sechsmal sicher soviel betragen als eine
Seite der in den Urkreis eingeschriebenen Grundfigur
und ein Durchmesser des ürkreises zusammen, und zwar
in den Theatern zu Hierapolis 8 (I 12) = 83 + 2r, zu
Side 16 (I 3) = Sß + 2r, zu Myra 22 (I 4) = Sg 4- 2r, zu
Termessos maj. 23 (A 1) = S5 + 2r, zu Jasos 40 (I 9)
= S4 -H 2r und zu Kadyanda 49 (A 6) = Sq + 2r; zweifel-
haft ist die Länge des Bühnengebäudes zu Oinoanda 27
(A 7) = S20 4- 2r? vgl. oben S. 48 und S. 82. Stellvertre-
tender Weise beträgt die Skenenlänge soviel als eine
Seite der Bühnengrundfigur (Quadratseite) und ein Durch-
messer zusammengenommen in vier, höchstens vielleicht
fünf Theatern: zu Kibyra 12 (A 9), Epidauros (oben II 2),
Pinara 36 (A 5) und Athen (oben 11 1) = S4 -+- 2r, dann
zu Patara 37 (I 5) = S4 -h 2r? Nur zwei Theater wei-
chen ab und zeigen mehr römischen Typus, und zwar
die, welche wir oben (HI 1 Schluss) als Odeen bezeichnet
haben und die als solche nicht ins Gewicht fallen. Das
eine, das Odeon zu Knidos 41 (I 7), hat eine Skenen-
länge von zwei Seiten der in den Urkreis eingeschrie-
benen Grundfigur = 2 S4 und das andere, zu Khodiopolis
24 (A 2), hat eine Skenenlänge von zwei Durchmessern
des ürkreises = 4r.
Von den römischen Theatern folgen in Bezug auf
die Skenenlänge vier der griechischen Kegel. Drei ha-
ben die Skenenlänge gleich einer Seite der Grundfigur
und Durchmesser, nämlich das Theater zu Faleria 14
134 III» Vergleichungen und Folgerungen.
(U 15) = Sg 4- 2r, das Odeon des Herodes Attikos zu
Athen 42 (I 26) = S4 + 2 r und das Theater zu Arausio
45 (11 19) = S4 + 2r, und nur eins hat stellvertretender
Weise eine Skenenlänge von einer Quadratseite (statt
Grundfigurseite) 4- Durchmesser, das Theater zu Hercu-
laneum 6 (U 18). Die übrigen römischen Theater haben,
wenn wir von der Anlage zu Calama 39 (A 21), wo die
Seitenräume über zwei Durchmesser hinausgehen, und
dem Theater zu Cuiculum 38 (A 20) wegen der Seltsam-
keit absehen, durchweg, wie es scheint, zwei Durch-
messer als Länge des Bühnengebäudes. Vgl. Zusatz 1.
Bezeichnen wir die gewöhnliche griechische Skenen-
länge (Grundfigurseite -f- Durchmesser) mit Sx + 2r, die
stellvertretende (Quadratseite 4- Durchmesser) mit S4 + 2r
und die römische (zwei Durchmesser) mit 4r, so erhalten
wir folgende Tabelle:
Skenenlänge =Sx + 2r S4-f-2r 4r unregelm.
griech. Theater 14 = 6 (7?) 4, bzw. 5 1 1 (= 2 S4)
röm. Theater 18 == 3 1 1 2 2
insgesammt 32 = 9(10?) 5, bzw. 6 13 3
b) Bühnenhinterwand. Die Bühnentiefe ist gleich
dem Abstand der Bühnenhinterwand (scaenae frons) von
der Bühnenvorderwand (finitio proscaenii). Nach Vitruv
ist die Bühnenhinterwand im römischen Theater durch
eine mit der Bühne gleichlaufende Dreieckseite, also
eine Sehne des ürkreises, und im griechischen Theater
durch eine Tangente desselben bestinunt. In den Ueber-
resten ist ein solcher prinzipieller unterschied nicht vor-
handen. Im Gegentheil ist in der Mehrzahl sämmtlicher,
der griechischen und römischen, Theater die Tangente
massgebend für die Lage der Bühnenhinterwand ge-
wesen, in neunzehn von zweiunddreissig, in neun von
2. 2. Hauptbestandtheile (Bühnengebäude). 135
vierzehn griechischen und in zehn von achtzehn römischen
Theatern.
Genau zusammenfallend mit der Tangente scheint
die Bühnenhinterwand zu sein in den griechischen
Theatern zu Myra 22 (I 4), Oinoanda 27 (A 7), Patara
37 (I 5), Knidos (Odeon) 41 (I 7), Kadyanda 49 (A 6)
und ungefähr zusammenfallend (etwas weiter vom ür-
kreise abstehend) in den Theatern zu Athen (oben 11 1),
Epidauros (oben 11 2), Termessos maj. 23 (A 1) und
Side 16 (I 3). Durch die Tangente bestimmt ist die
Lage der Bühnenhinterwand in den römischen Thea-
tern zu Herculaneum 6 (ü 8), Saguntum 13 (ü 20), Fa-
leria 14 (ü 15), Calama 39 (A 21), Tusculum 48 (II 11),
im 0. (T*) zu Otricoli 5 (II 14) und in den Odeen zu
Tibur 15 (H 13), bei Neapel 29 (II 9B), zu Pompeji 33
(n 7 B) und zu Athen 42 (I 26).
In den übrigen Theatern, wo die Bühnenhinterwand
mit einer Sehne des Urkreises zusammenfällt, pflegt
diese Sehne durch die Grundfigur bestimmt zu sein, d. h.
entweder durch die für Zuschauerraum und Bühnenge-
bäude zusammen oder ftlr das Bühnengebäude allein
(Quadrate) massgebende Grundfigur, und zwar in der
Weise, dass die Bühnenhinterwand mit der der Bühne
zunächst liegenden und ihr parallelen Seite der Grund-
figur oder der Bühnengrundfigur (Quadratseite) zusam-
menfällt.
Ein Zusammenfallen der Bühnenhinterwand mit der
Grundfigurseite findet statt in den römischen Theatern
zu Pola 3 (A 17) = Sg, Juliobona 10 (11 18) = Sg, Arausio
45 (n 19) = S4 und auch wohl zu Nora 30 (A 18) = 85.
Näher dem wagrechten Durchmesser als die entsprechende
Grundfigurseite liegt die Bühnenhinterwand in den Thea-
tern zu Eugubium 25 (11 16) und Cuiculum 38 (A 20),
136 III. Vergleichungen und Folgerungen.
und unsicher ist die Lage der Bühnenhinterwand in den
Theatern zu Rom 2 (A 14) und 4 (ü 12B).
Aehnlich ist es in den griechischen Theatern.
Die Bühnenhinterwand fällt zusammen mit einer Seite
der für Zuschauerraum und Skene zugleich massgeben-
den Grundfigur in dem Theater zu Jasos 40 (I 9) = 84
und wohl auch in dem zu ßhodiopolis 24 (A 2) = 85?
sie fällt zusammen mit einer Seite der Bühnengrund-
figur im Theater zu Kibyra 12 (A 9), sie fällt mit keiner
Grundfigurseite zusammen in den Theatern zu Hierapolis
8 (I 12) und Pinara 36 (A 5).
Bei der folgenden tabellarischen Zusammenstellung
der angegebenen Beobachtungen bringe ich die nach-
stehenden Abkürzungen in Anwendung. Durch T oder
ca. T bezeichne ich das Zusanunenfallen der Bühnen-
hinterwand mit der Tangente oder einer etwas weiter
rückwärts vom ürki'eis abstehenden Parallelen, durch
Sx das Zusammenfallen der Bühnenhinterwand mit einer
Seite der für Zuschauerraum und Bühne gleichmässig
bestimmenden Grundfigur und mit S4 das Zusammen-
fallen der Bühnenhinterwand mit einer Seite der Bühnen-
grundfigur.
Bühnenhinterwand = T od. ca. T Sx 84 unregelm. ?
griech. Theater 14 = 9(5 + 4) 2 1 2 —
römisch. ^ 18 = 10 4 — 2 2
insgesammt 32 = 19 6 1 4 2
c) Bühnenvorderwand. Sie ist in den griechi-
schen Theatern selten zu erkennen, vermuthlich weil
die Bühne vielfach oder meist aus Holz hergestellt war;
wo sie aber festzustellen ist, fällt sie zusammen mit einer
Seite der Grundfigur oder, bei zwei Grundfiguren, der
Bühnengrundfigur (Quadratseite). Nach meinen Beob-
achtungen ist das erstere der Fall in dem Theater zu
^
2. 2. Hauptbestandtheile (Bühnengebäude). 137
Side 16 (1 13) und ungefähr auch im Theater zu Myra
22 (1 4) = Sß und im Theater zu Termessos maj. 23
(A 1) = S5 (Grundfiguren Sechsecke und Fünfecke); das
letztere tritt ein im Theater zu Patara 37 (I 5), wo die
Bühnenvorderwand nicht mit einer Siebeneckseite sondern
mit einer Quadratseite (?) zusammenfällt. Pas Theater
zu Epidauros (oben n 2) gewährt die einzige Abwei-
chung. Es ist nämlich hier nicht, wie wir nach Ana-
logie der Skenenlänge erwarten, die Bühnengrundfigur
für die Lage der Bühnenvorderwand bestimmend ge-
wesen, sondern die Hauptgrundfigur = S5. Aber immerhin
war es eine Grundfigur, sodass die Abweichung nicht
als prinzipiell angesehen werden kann.
Anders ist die römische Art. In den römischen
Theatern fällt die Bühnenvorderwand mit dem wag-
rechten Durchmesser zusammen oder nähert sich ihm
wenigstens ganz beträchtlich. Das erstere glaube ich
deutlich wahrzunehmen in den Anlagen zu Eugubium
25 (H 16), bei Neapel 29 (H 9B), zu Athen (Odeon) 42
(I 26) und Tusculum (Odeon) 48 (ü 11). Näheres über
die Bühnenvorderwand im Zusatz 2.
d) Seitliche Bühnengrenzen. Ausführlich be-
sprochen im Zusatz 3.
e) Thüren in der Bühnenhinterwand. Ihr
Verhältnis zu dem übrigen Bau ist nach dem vorliegen-
den Material am allerschwierigsten zu bestinunen. Ich
habe deshalb von Anfang an darauf verzichtet, selbst
nur eine vorläufige Kegel feststellen zu wollen. Indessen
möchte ich doch auch nicht ganz unerwähnt lassen, was
sich uns im Laufe der Untersuchung gelegentlich er-
geben hat. Wir haben gefunden, dass die Thüren der
Bühnenhinterwand im Theater zu Myra 22 (I 4) durch
Halbirungslinien von Sechseckwinkeln, dass sie im Theater
zu Termessos maj. 23 (A 1) durch Halbirungslinien von
138 in. Vergleichungen und Folgerungen.
Ftinfeckswinkeln und dass sie im Theater zu Pinara 36
(A 5) durch Halbirungslinien von Quadratwinkehi be-
stimmt waren. Dies deutet darauf hin, dass in den
griechischen Theatern für die Lage der Bühneneingänge
die Richtung der Winkel der Grundfigur, bzw. (im Theater
zu Pinara) der Bühnengrundfigur massgebend war.
Zum Theil ist das gleiche in den römischen Thea-
tern der Fall. Im Theater zu Eugubium 25 (11 16)
nämlich werden die Maueröfliiungen der Bühnenhinter-
wand durch die Halbirungslinien von Fünfeckswinkeln
angegeben und im Odeon zu Athen 42 (I 26) durch die
Halbirungslinien von Quadratwinkeln, und ähnlich sind
durch Halbirung, bzw. durch Doppelhalbirung des Qua-
dranten (Bühnengrundfigur in diesem Falle) die Mauer-
öflhungen im Theater zu Otricoli 5 (H 14) bestimmt.
Zum Theil werden aber auch die Thüren der Bühnen-
hinterwand in den römischen Theatern durch senkrecht
zum wagrechten Durchmesser an den Urkreis gezogene
Tangenten getroffen, so in den Theatern zu Hercula-
neum 6 (H 8) und Faleria 14 (H 15) und im Odeon zu
Pompeji 33 (H 7B). Mehr über e im Zusatz 4.
Dritter Abschnitt.
Die allgemeine Begel.
(Vgl. Fig. 5.)
Als Zusammenfassung unserer Beobachtungen bleibt
uns jetzt noch übrig die für die Konstruktion der grie-
chischen und auch der römischen Theater im Allgemei-
nen giltige Regel aufzustellen. Die früher gemachten
Einschränkungen wollen wir der Kürze wegen nicht
3. Die allgemeine Eegel. 1. Die griech. 139
wiederholen ; sie bleiben aber in Geltung. Wir beginnen
mit der Konstruktion des griechisclien Theaters.
1. Grundriss des griechischen Theaters.
A. Urkreis; Grundfigur. Man besehreibt einen
Kreis, den Urkreis, zieht einen Durchmesser in derselben
Richtung, in der die Bühne sieh erstrecken soll, den
wagrechten Durchmesser, verlängert ihn etwas nach
beiden Seiten und zeichnet dann als Grundfigur in den
Urkreis ein regelmässiges Vieleck oder mehrere gleich-
artige regelmässige Vielecke unter gleichem Abstand der
Ecken so ein, dass eine Vieleckseite in der Nähe der
anzulegenden Bühne dieselbe Richtung wie diese erhält.
[Die eingezeichneten Grundfiguren sind sehr ver-
schieden. Am beliebtesten sind Sechsecke und Drei-
ecke; wir finden sie elfinal in zweiunddreissig Theatern
(über V3); fünfmal je drei und einmal vier Sechsecke,
dann dreimal je sechs, einmal zwölf und einmal drei
Dreiecke; aber vier Dreiecke, die beliebteste Grundfigur
in den römischen Theatern, kommen in den griechischen
gar nicht vor: vgl. S. 94 ff. Nach Sechsecken und Drei-
ecken sind Fünfecke und Zehnecke am öftesten zur An-
wendung gekommen (über Vs); zweimal je zwei, zwei-
mal je vier und einmal drei Fünfecke und zweimal je
ein Zehneck : vgl. S. 100 ff. Gleich oft sind Quadrate
und Achtecke verwerthet worden (über Vs), viermal je
vier und zweimal je drei Quadrate und einmal zwei
Achtecke : vgl. S. 104 ff. Es könnte zwar zufällig sein,
aber trotzdem will ich als vielleicht nicht uninteressant
anmerken, was ich in Betreff der von uns besprochenen
Theater Kariens und Lykiens beobachtet habe: In den
karischen Theatern kommen nur Quadrate als Grund-
figuren vor, in den lykischen dagegen alles andere, nur
keine Quadrate; zwei Achtecke allerdings im Theater
140 III- Vergleichungen und Folgerungen.
ZU Kadyanda 49 (A 6). Selten sind Siebenecke und
Vierzehnecke (Vg)? zweimal je ein Vierzehneck und zwei-
mal je zwei Siebenecke: vgl. S. 102 ff.; am seltensten,
nur dreimal vorkommend (Vio) ist ein Zweiundzwanzig-
eck oder Elfeck: vgl. S. 108.]
Ba. Grenzen des Zuschauerraumes. Die
Bühnengrenzen des Zuschauerraumes (Abschlussmauern
nach der Bühne zu, Analemmata) werden gebildet durch
diejenigen zwei durch die Ecken der Grundfigur hin-
durchgehenden Radien des Urkreises, welche, von der
Mitte des abzugrenzenden Zuschauerraumes aus gerechnet,
jenseits des wagrechten Durchmessers zuerst mit diesem
konvergiren. [Grundsätzliche Abweichungen von dieser
Regel sind nicht vorhanden; nur einmal in siebzehn
Fällen ist eine augenfällige, aber begründete Ausnahme
wahrzunehmen: vgl. S. 117 f. Möglicherweise ist jedoch
dreimal in zwanzig Fällen ungenaue Befolgung der
Regel zuzugeben: vgl. S. 123 f.]
Die Orchestragrenze oder untere Begrenzung des
Zuschauerraumes, welche die beginnende Steigung der
Zuschauersitze markirt, ist durch den Theil der ürkreis-
linie gegeben, welcher von der Mitte des Zuschauer-
raumes aus auf beiden Seiten bis zu den Bühnengrenzen
(Analemmata) geht, und die obere Grenze des Zuschauer-
raumes (xaraTOfii^) ist eine grössere konzentrische Kreis-
linie von verhältnismässig gleicher Ausdehnung. [Der
Abstand der oberen und der unteren Begrenzung des
Zuschauerraumes ist von uns nicht in Betracht gezogen
worden; er wird wohl schwerlich einer allgemeinen
Regel gefolgt sein, denn wenn auch die Möglichkeit
eines geordneten Verhältnisses zur Grundfigur in man-
chen, vielleicht sogar in vielen Theatern nicht zu be-
streiten sein dürfte, so sind doch wohl für seine Grösse
meist nur äussere Umstände massgebend gewesen. —
3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 141
Abweichungen der oberen und unteren Grenze des Zu-
schauerraumes von der strengen Kreislinie sind äusserst
selten, soweit nach den JVieselerschen Tafeln darüber
zu urtheilen ist Wenn wir, wie billig, die Ausnahmen,
welche die bedeckten, also besondere Massnahmen er-
fordernden, Odeen gewähren, gar nicht mitzählen und
von einigen unwesentlichen Dingen absehen, so finden
wir eine Abweichung von der Kreislinie in der oberen
Grenze des Zuschauerraumes nur einmal im Theater bei
Xanthos 11 (A4): vgl. S. 81; aber vielleicht ist auch
diese Anlage als ein Odeon anzusehen. Von den römi-
schen Theatern hat, nebenbei bemerkt, nur das Theater
zu Juliobona 10 (ü 18) eine ähnliche Abweichung in
der oberen Grenze des Zuschauerraumes. — Abgesehen
von der soeben erwähnten Anlage bei Xanthos hat unter
den von uns besprochenen siebzehn rein griechischen
Theatern in der unteren Begrenzung des Zuschauer-
raumes keins eine auf den Wieselerschen Tafeln wenig-
stens erkennbare Abweichung von der strengen Kreis-
linie. Nach Dörpfeld ist eine geringe Abweichung im
polykletischen Theater zu Epidauros vorhanden: vgl.
S. 54 f. Eine in Tangenten übergehende untere Be-
grenzung des Zuschauerraumes scheinen mehrere um-
gebaute griechische Theater zu haben, sicher hat sie das
Theater zu Pompeji 31 (II 7A). Für die griechische
Eegel fallen diese Abweichungen selbstverständlich nicht
ins Gewicht und ebenso wenig für die römische; man
wird wohl nicht fehlgehen, wenn man sie als eine Art
von Kompromiss ansieht. — Markirt wird die beginnende
Steigung des Zuschauerraumes durch den Urkreis inso-
fern, als dieser an der Vorderkante der untersten Trep-
penstufen im Zuschauerraum entlang geht. Als Aus-
nahme von dieser Regel konnte bisher in zweiunddreissig
hierfür massgebenden griechischen und römischen Thea-
142 m* Vergleichungen und Folgerungen.
tern nur der Urkreis eines Theaters festgestellt werden :
vgl. S. 132. Eigentliche Zuschauersitze innerhalb des
Urkreises finden sich nicht in rein griechischen Theatern,
sondern nur in römischen oder in römischer Zeit umge-
bauten griechischen: vgl. S. 131. Denn als eigentliche
Zuschauersitze können die vom ürkreis eingeschlossenen
Sesselreihen im dionysischen Theater Athens (S. 43) und
im polykletischen zu Epidauros (S. 58) nicht gerechnet
werden; zudem ist doch wohl auch die Vermuthung,
dass diese Thronsessel eine Zuthat späterer Zeit sind,
nicht allzuktihn, wenn schon nach den bis jetzt vor-
liegenden Berichten insbesondere im athenischen Dio-
nysostheater die Beschaffenheit und die bauliche Ver-
bindung des Materials nicht gerade hierfür zu sprechen
scheinen.]
Bb. Gliederung des Zuschauerraumes. Je
nach der Grösse des Abstandes der unteren und oberen
Begrenzung des Zuschauerraumes wird dieser entweder
gar nicht getheilt oder durch einen oder zwei mit den
genannten Grenzen konzentrische Kreislinien von ver-
hältnismässig gleicher Länge in zwei, bzw. drei Theile
(Stockwerke) zerlegt. Diese Kreislinien bezeichnen Um-
gänge (dia^oifiara^ praecinctiones). [Ebenso wenig wie
betreffs des Abstandes der unteren und oberen Begren-
zung des Zuschauerraumes wird in Bezug auf die Gren-
zen der Stockwerke ein bestimmtes Verhältnis regel-
mässig be§.chtet worden sein. Die räumlichen Umstände,
die Zahl der Besucher und dergleichen waren ja fast
liberall verschieden und Hessen eine feste Regel nicht
aufkommen. Ich habe deshalb nach dieser Richtung
hin so gut wie gar keine Messversuche angestellt.]
Die durch die Ecken der Grundfigur hindurchgehen-
den und den auf die eben besprochene Weise abge-
grenzten Zuschauerraum schneidenden Radien des Ur-
3. Die allgemeine KegeL 1. Die griech. 143
kreises bezeichnen die Lage der Treppen des Unter-
stocks und meist auch des Oberstocks, bzw. zweiten und
dritten Stocks ^ [zuweilen sind im oberen Theile des Zu-
schauerraumes^ ausserdem noch Treppen mitten zwischen
den durch die Radien bestimmten gelegen, zuweilen die
ersteren allein]. Der Lage der Treppen entsprechend
sind die durch sie abgegrenzten Theile {xeqxidsg^ cunei,
Keile) des ünterstocks und ebenso die des zweiten, bzw.
dritten Stocks einander gleich. [Auf das zweite, bzw.
dritte Stockwerk habe ich in Rücksicht auf die radiale
Gliederung ein besonderes Augenmerk nicht gehabt,
weil es mir schien, als ob die Baumeister auch hier
mehr besonderen Umständen Rechnung getragen als eine
bestimmte Regel befolgt haben. Soviel ist aber jeden-
falls sicher, dass Vitruvs Vorschriften über die Theater-
anlagen weder in den griechischen noch in den römi-
schen Theatern von massgebender Bedeutung gewesen
sind. Ein Blick auf die Wieselerschen Tafeln belehrt
uns darüber hinreichend; ausserdem wolle man ver-
gleichen, was ich oben S. 114 angemerkt habe. Hier
sei nur noch kurz das wiederholt, was in Bezug auf die
radiale Gliederung des Unterstocks früher festgestellt
worden ist. Wegen der unregelmässigen Lage der Ana-
lemmata (Bühnengrenzen) sind in einem Theater und
ausserdem vielleicht noch in drei Theatern die Endkeile
den übrigen Keilen nicht gleich: vgl. S. 117 und 123.
Dies bedeutet eine Ausnahme in siebzehn Fällen, bzw.
vier Ausnahmen in zwanzig Fällen. Noch günstiger würde
das Verhältnis der Ausnahmen zur Regel wohl sicher
sein, wenn in den übrigen griechischen Theatern die
ursprünglichen Abschlussmauern erhalten wären : vgl.
S. 124 f.]
C. Bühnengebäude. Die für den Zuschauer-
raum massgebende Grundfigur ist in der Regel auch für
144 III. Vergleichungen und Folgerungen.
m
die Skene bestimmend. Ihre Stelle vertritt zuweilen
eine quadratische Grundfigur entweder ganz oder zum
Theil. In letzterem Falle sind zwei Grundfiguren vor-
handen, die den Zuschauerraum gliedernde, die Haupt-
grundfigur; und die, welche die Btihnenanlage regelt, die
Btihnengrundfigur. [Unter vierzehn einigermassen berück-
sichtigenswerthen griechischen Theateranlagen finden wir
sechs bis sieben, wo nur eine Grundfigur für die Btihnen-
anlage massgebend gewesen ist, und vier bis fünf, wo
noch eine zweite ganz oder theilweise bestimmend ge-
wesen ist; nur zwei Odeen folgen mehr der römischen
Art: vgl. S. 133 ff. Soweit vorläufig ein Urtheil gestattet
ist, hat die Btihnengrundfigur die Btihnenanlage einmal
(Patara) durchweg geregelt, einmal (Epidauros) nur zum
Theil: vgl. S. 133, 135, 137.]
Ftir die Konstruktion des Btihnengrundrisses ist es
ntitzlich, wenn auch nicht gerade nöthig, noch zwei
Kreisbögen zu schlagen, beide mit dem Radius des ür-
kreises, zuerst den einen und dann den andern End-
punkt des wagrechten Durchmessers als Mittelpunkt ge-
nommen. Als Ausgangspunkt jedes der beiden Bögen
ist ein Punkt der dem entsprechenden Mittelpunkt zu-
nächst gelegenen Btihnengrenze des Zuschauerraumes
(Analemma) anzunehmen oder nach Vitruvs wahrschein-
licher Konstruktion ein beliebiger Punkt des dem ent-
sprechenden Mittelpunkte zunächst gelegenen Zwischen-
raumes zwischen Zuschauerraum und Skene (intervallum,
Orchestraeingang). Von diesem Ausgangspunkte aus ist
jeder Bogen nach dem anzulegenden Proscenium zu
(durch die seitlichen Skenenräume hindurch) bis zu der
ihm erreichbaren senkrecht zur Btihnenanlage gezogenen
Tangente des ürkreises zu schlagen. [Die Begründung
dieser Konstruktion findet sich oben I 4 S. 30 f. Vgl.
auch Zusatz 3.]
3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 145
a) Grenzen des Skenenvorderraumes. Die
den gesammten Skenenraum in zwei Hälften scheidende
grosse Längsmauer, die hintere Btihnengrenze (Bühnen-
hinterwand oder, in Rücksicht auf den Skenenhinterraum,
die Skenenfront, scaenae frons) wird gebildet durch die
mit dem wagrechten Durchmesser in gleicher Richtung
laufende Berührungslinie des ürkreises (wagrechte Tan-
gente) oder stellvertretender Weise durch die ebenso lau-
fende und der Bühne zunächst liegende (wagrechte) Seite
der Grundfigur, bzw. der Bühnengrundfigur. [In vierzehn
griechischen Theatern fällt die Bühnenhinterwand fünf-
mal genau, viermal nicht ganz mit der wagrechten Tan-
gente zusammen, dreimal mit der wagrechten Seite der
Grundfigur (zweimal) oder Bühnengrundfigur (einmal) und
zweimal mit einer, wie es scheint, durch die Grundfigur
nicht bestimmten Sehne : vgl. S. 135 f.]
Die Mitte der vorderen Grenze des Skenenvorder-
raumes (Bühnenvorderwand, finitio proscaenii) ist ge-
geben durch die wagrechte Seite der Grundfigur, bzw.
Bühnengrundfigur oder stellvertretender Weise durch eine
parallele dem wagrechten Durchmesser näher liegende
Sehne des ürkreises. [Die Lage der Bühnenvorderwand
ist viermal durch die wagrechte Seite der Grundfigur,
einmal durch die der Bühnengrundfigur bestimmt; in den
neun übrigen Fällen aber gar nicht oder nicht genau zu
erkennen: vgl. S. 136 f. In den Fällen, wo die Bühnen-
hinterwand in stellvertretender Weise mit der wagrechten
Seite der Grundfigur, bzw. Bühnengrundfigur zusammen-
fiel, musste natürlich die Bühnenvorderwand durch eine
dem wagrechten Durchmesser näher liegende Sehne des
ürkreises angegeben werden; das Verhältnis dieser Sehne
zur Grundfigur bleibt aber vorläufig dunkel : vgl. Zusatz 2.]
Seitlich abgeschlossen wird der Skenenvorderraum
durch Mauern, bzw. Pfeiler und Thüren; ihr Abstand
Oehmichen, Griech. Theaterbau. jq
146 in. Vergleichungen und Folgerungen.
(= Skenenlänge), also ihre Lage, wird bestimmt durch
Verlängerung der wagrechten Seite der Grundfigur, bzw.
Btihnengrundfigur nach beiden Seiten um je einen Halb-
messer des ürkreises, mit anderen Worten, durch Ver-
längerung dieser Seite bis zu den Kreisbögen, deren
Mittelpunkte die Endpunkte des wagrechten Durchmessers
sind. [Die Skenenlänge ist gleich Grundfigurseite und
Durchmesser in sechs, höchstens vielleicht sieben Thea-
tern und gleich Bühnengrundfigurseite 4- Durchmesser in
vier oder in fünf Theatern. Eine Ausnahme machen
von vierzehn Theateranlagen zwei Odeen, in denen die
Skenenlänge einmal gleich zwei Durchmessern wie in
den römischen Theatern ist und einmal gleich zwei
Grundfigurseiten: vgl. S. 133.]
b) Gliederung des Skenenvorderraumes;
Bühne. Durch senkrecht zur Bühne gezogene Tan-
genten des Urkreises, bzw. durch diesen nahe liegende
parallele Linien wird der Skenenvorderraum in drei
Theile geschieden, in einen mittleren Theil meist von
der Länge eines Durchmessers des Urkreises (die eigent-
liche Bühne, proscaenium) und in zwei Seitenräume,
meist je einer Halbseite der Grundfigur lang. Diese
Gliederung tritt jedoch nur in den älteren griechischen
Theateranlagen ein; in den jüngeren ist der Skenen-
vorderraum ungetheilt als Bühne (proscaenium) verwen-
det worden. [Die Frage nach den seitlichen Grenzen
der eigentlichen Bühne habe ich im dritten Zusatz zu
lösen versucht. Das polykletische Theater zu Epidauros
ist doch wohl mit Recht als massgebend angesehen wor-
den; das dionysische Theater zu Athen gab uns mehr-
fach Handhaben, während wir in den übrigen nur ein-
zelne oder gar keine Anzeichen fanden. Genau durch
senkrechte Tangenten des Urkreises scheint die Theilung
des Skenenvorderraumes vorgenommen worden zu sein
3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 147
in fünf Theatern; in zwei Theatern ist der Abstand der
seitlichen Bühnengrenzen etwas grösser und in einem
etwas kleiner als ein Durchmesser des entsprechenden
Urkreises; vier Theater geben keinen Anhalt, und zwei
Theater aus jüngerer Zeit haben einen ungetheilten
Skenenvorderraum.]
Die Bühne im älteren griechischen Theater hat zwei
offene Seiteneingänge und drei Thüren in der Bühnen-
hinterwand, die des jüngeren griechischen Theaters da-
gegen statt der Seiteneingänge zwei Thüren mehr in
der Bühnenhinterwand, Die Lage der Hauptthür (der
mittleren oder mittelsten) ist durch den senkrecht auf
der Bühnenhinterwand stehenden Radius des Urkreises
bestimmt, die der Nebenthüren (der nächsten rechts und
links von der Hauptthür) durch die zwei Radien des
TJrkreiseS; welche durch die dem senkrechten Radius zu-
nächst, bzw. zweitnächst gelegenen Ecken der Grund-
figur, bzw. Bühnengrundfigur hindurchgehen. [In Bezug
auf die seitlichen Bühneneingänge ist das Notlüge im
dritten Zusatz bemerkt worden, in Bezug auf das üebrige
ist der vierte Zusatz zu vergleichen. Von der Regel
über die Hauptthür giebt es unter sieben hier einschlä-
gigen Theatern nur eine Ausnahme und von der über
die Nebenthüren auch nur eine, die noch dazu kaum zu
rechnen ist, da die römische Regel in dem fraglichen
Theater Platz gegriffen haben kann. In den sechs übri-
gen Theatern sind viermal die zwei dem senkrechten
Radius zunächst gelegenen Ecken der Grundfigur, bzw.
Bühnengrundfigur bestimmend gewesen, zweimal die
zweitnächst liegenden, weil die nächstliegenden einen zu
geringen Thürabstand verursacht hätten. Dreimal waren
in den sieben Theatern zwei Grundfiguren vorhanden;
zweimal war die Bühnengrundfigur, einmal die Haupt-
grundfigur für die Lage der Thüren massgebend.]
10*
148
m, Vergleichangen and Folgeningen.
D. Beispiele. Vgl. Fig. 5. Die KonstrnktioD dee
Zuschauerraumeg igt so einfach, dass ich wohl darauf
verzichten darf, Beiapiele vorznführen. Nicht ganz so
eiofach ist die der Skene, nnd deshalb habe ich ver-
sucht vier verschiedene Konstruktionen durch Zeichnung
klarzumachen. Da es mir aber hierbei zugleich darauf
ankam, die AUgemeingiltigkeit der Regel dentlich her-
vortreten zu lassen, habe ich, um die Vergleichung zn
erleichtern, die vier Konstruktionen auf einer Figur her-
zustellen mich bemüht. Nothwendig war hierbei der
Uebersichtliehkeit wegen die Beschränkung auf nur je
ein regelmässiges Dreieck, Viereck (Quadrat), Fünfeck
und Siebeneck als Grundfigur, was in Wirklichkeit in
den griechischen Theatern niemals geschehen ist. Die
unvermeidliche Folge dieser Beschränkung war der Uebel-
stand, dass auf die figürliche Angabe der Lage der ThUren
in der Eühnenhintenvand verzichtet werden musste.
Für alle vier Konstruktionen gemeinsam ist der Ur-
kreis, der (bis x und y) verlängerte wagrechte Durch-
messer des Urkreises, die mit diesem Durchmesser gleich-
laufende Tangente des Urkreises (yq = Längsrichtung
3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 149
der Bühne), die zwei diese Linie (in Punkt x)- und X)
senkrecht treffenden Tangenten des ürkreises und die
zwei Kreisbögen (x-d' und yX), welche die Endpunkte des
wagrechten Durchmessers als Mittelpunkte und mit dem
TJrkreise den gleichen Radius haben. Zeichnen wir nun
in den Urkreis ein regelmässiges Dreieck (uhv), Viereck
(Quadrat abdc), Fünfeck (ezhik) und Siebeneck (Ifghaj^m)
so ein, dass je eine Seite der genannten Vielecke mög-
lichst nahe der anzulegenden Bühne mit dieser die gleiche
Richtung erhält (Dreieckseite uv, Quadratseite ac, Fünf-
eckseite ek und Siebeneckseite Im, alle gleichlaufend
mit dem wagrechten Durchmesser und der wagrechten
Tangente), verlängern wir dann jede dieser Linien bis
zu den beiden Kreisbögen (uv bis t und w, ac bis r
und s, ek bis p und q und Im bis n und o) und fällen
wir von den Endpunkten dieser verlängerten Linien
senkrechte Linien auf die wagrechte Tangente (tö und
WTT, r« und s§, pC und qv, nfj und Ofi), dann haben wir
vier Grundrisse auf einer Figur vereinigt. Es ist uns
dann nämlich mit der wagrechten Tangente yq für alle
vier Grundrisse die Lage der den Vorderraum des Bühnen-
gebäudes nach hinten abschliessenden Bühnenhinterwand
oder scaenae frons gegeben, mit der gleichlaufenden
Dreieckseite uv, Quadratseite ac, Fünfeckseite ek und
Siebeneckseite Im die Bühnenvorderwand oder finitio
proscaenii jedes Grundrisses, mit den Kreisbögen xS'
und jX oder vielmehr mit den bis zu diesen Kreisbögen
verlängerten Vieleckseiten tw, rs, pq und no die Skenen-
länge jedes Grundrisses, oder was dasselbe sagen will,
mit den von den Endpunkten der verlängerten Vieleck-
seiten auf die wagrechte Tangente gefällten senkrechten
Linien trf und wtt, r^ und s?, p? und qv und ntj und o^i*
die seitlichen Skenengrenzen und endlich mit den auf ^
und X auftreffenden senkrechten Tangenten des ürkreises
150 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
die Zerlegung des so begrenzten Skenenvorderraumes in
drei Theile, von denen der mittelste die eigentliche
Bühne oder das proscaenium bildet, die beiden andern
aber Seitenräume mit Treppen. (So wenigstens im äl-
teren griechischen Theater ; das jüngere ist ähnlich dem
römischen und wird hier nicht berücksichtigt.) In den
einzelnen Grundrissen sind demnach folgende Grenzen
und Theile des Skenenvorderraumes zu unterscheiden:
1. Dreieck uhv als Grundfigur. Grenzen de»
Skenenvorderraumes: nach vom tw (Dreieckseite und
zwei Halbmesser), seitwärts td und wtv (die von t und w
senkrecht auf die wagrechte Tangente gefällten Linien)
und nach hinten ötv (wagrechte Tangente); Gliederung:
in der Mitte die eigentliche Bühne (proscaenium), seit-
lich begrenzt durch die auf 0- und l aufstossenden senk-
rechten Tangenten des ürkreises, nach vom durch die
Mitte von tw (Bühnenvorderwand, finitio proscaenii), nach
hinten durch Theil x^-l der wagrechten Tangente (Bühnen-
hinterwand, scaenae frons); auf den beiden Seiten diö
links und rechts von der eigentlichen Bühne bis zu trf
und WTT reichenden Seitenräume.
2. Quadrat abdc als Grundfigur. Begrenzung des
Skenenvorderraumes: nach vorn rs (Quadratseite und
zwei Halbmesser), seitwärts r« und s? (von r und s senk-
recht auf die wagrechte Tangente gefällt) und nach
hinten Ǥ (wagrechte Tangente); Gliederung: in der
Mitte die eigentliche Bühne, seitlich begrenzt durch die
auf S- und X aufstossenden senkrechten Tangenten, nach
vom durch die Mitte von rs (Bühnenvorderwand, finitio
proscaenii), nach hinten durch Theil xhX der wagrechten
Tangente (Bühnenhinterwand, scaenae frons) ; ausserdem
die links und rechts von der eigentlichen Bühne bis zu
rs und sg reichenden Seitenräume.
3. Fünfeck ezhik als Grundfigur. Grenzen des
3. Die allgemeine Regel. 1. Die griech. 151
Skenenvorderraumes: nach vom pq (Fünfeckseite und
zwei Durchmesser), seitwärts p^ und qp (von p und q
senkrecht gefällt auf Sq) und nach hinten ^v (wagrechte
Tangente); Gliederung: in der Mitte die eigentliche
Bühne, seitlich begrenzt durch die auf x^ und X treffen-
den senkrechten Tangenten, nach vom durch die Mitte
von pq (Bühnenvorderwand), nach hinten durch Theil x^-X
der wagrechten Tangente (Bühnenhinterwand); auf den
beiden Seiten die links und rechts von der eigentlichen
Bühne bis p^ und qv reichenden Seitenräume.
4. Siebeneck Ifghaj^m als Gmndfigur. Grenzen
des Vorderraumes der Gesammtanlage: nach vorn no
(Siebeneckseite + zwei Halbmesser), seitwärts n«/ und Ofi
(von n und o senkrecht gefällt auf yq) und nach hinten
fjfi (wagrechte Tangente); Gliedemng: in der Mitte die
eigentliche Bühne, seitlich begrenzt durch die auf S'
und X aufstossenden senkrechten Tangenten, nach vorn
durch die Mitte von no (Bühnenvorderwand) und nach
hinten durch Theil M der wagrechten Tangente (Bühnen-
hinterwand); auf den beiden Seiten nach links und rechts
von der eigentlichen Bühne bis nrj und Ofi reichende
Seitenräume.
Die verschiedene Bühnentiefe (Abstand der Bühnen-
vorderwand von der Bühnenhinterwand) besonders in
der ersten (= wtt) und in der letzten Konstmktion
(= Ofi) wird vielleicht ein und dem andem Leser auf-
fällig sein. Allein man wolle bedenken, dass wir bei
unsern Beispielen schon der zeichnerischen Darstellbar-
keit wegen die entgegenstehendsten Formen wählen
mussten und dass thatsächlich kein griechisches Theater
eine so grosse oder so geringe Bühnentiefe gehabt hat
wie auf unserer Figur. Denn in den Fällen, wo Drei-
ecke als Grundfigur zur Anwendung gelangten — so in
den Theatern zu Hierapolis 8 (1 12) und Kibyra 12 (A 9)
152 in. Vergleichungen und Folgerungen.
und auch in dem (freilich umgebauten: S. 124) Theater
zu Aspendos 9 (1 16) — ist als Bühnenhinterwand nicht
die Tangente, sondern eine Sehne bestimmt worden, so
dass eine weniger grosse Bühnentiefe sich ergab, als bei
der gewöhnlich befolgten Regel zu ermöglichen war; und
umgekehrt wird in den Fällen, wo eine Siebeneckseite
die Lage der Bühnenvorderwand angab, die Bühnen-
hinterwand zurückgeschoben, weiter vom Kreise ab-
stehend als die Tangente angelegt worden sein. Bei-
spiele lassen sich allerdings für diese Behauptung nicht
vorführen, weil in den hierher gehörenden rein griechi-
schen Theatern die Bühnenvorderwand nicht mehi^ zu er-
kennen ist; aber die Berechtigung unserer Folgerung
ergiebt sich aus der Vergleichung der Theater des Dio-
nysos zu Athen und des polykletischen zu Epidauros:
in beiden ist durch eine geringe Zurückschiebung der
Bühnenhinterwand die Bühnentiefe etwas vergrössert
worden, die Bühnentiefe, die doch gemäss der Grund-
figur schon verhältnismässig gross war, nämlich gleich
dem Abstände der Quadratseite von der wagrechten
Tangente im dionysischen Theater Athens und gleich
dem Abstände der Fünfeckseite von der wagrechten
Tangente im Theater des Polyklet zu Epidauros.
2. Grundriss des römischen Theaters.
A, Urkreis; Grundfigur. Beide sind zu zeich-
nen wie im griechischen Theater. [Die Verschiedenheit
der Grundfiguren in den römischen Theatern ist wo-
möglich verhältnismässig noch grösser als in den gTie-
chischen ; nur fehlen Elfecke, bzw. Zweiundzwanzigecke.
Am beliebtesten sind auch hier Sechsecke und Dreiecke
(über Va), doch ist die Zahl der eingeschriebenen Sechs-
ecke und Dreiecke eine andere. Während nämlich in
den griechischen Theatern dieser Gruppe sechs Dreiecke
3. Die allgemeine Begel. 2. Die röm. 153
lind drei Sechsecke überwiegen, achtmal in elf Fällen
vorkonunen, sind sie in den römischen ganz vermieden;
dagegen sind hier in elf von zwanzig Theatern sechsmal
je ^er Dreiecke zur Anwendung gekommen, die sich in
keinem griechischen Theater finden, dann viermal je
drei Dreiecke, die nur in einem griechischen Theater
«ich zeigen, und einmal ein Sechseck: vgl. S. 93 ff.
imd 120. Nach diesen sind Fünfecke oder Zehnecke
am häufigsten (V5), einmal zwei Fünfecke, zweimal je
ein Fünfeck und einmal ein Zehneck : vgl. S. 102. Auch
Quadrate als Grundfiguren konunen vor und zwar dreimal
{fast V7), einmal zwei, einmal vier und einmal drei Qua-
drate, die letzteren allerdings in Verbindung mit zwei
(nur für die radiale Gliederung des Zuschauerraumes
massgebenden) Siebenecken: vgl. S. 104 f. Siebenecke
endlich begegnen uns nur in Algier und nur zweimal
{Vio)j einmal zwei und einmal eins: vgl. S. 104.]
Ba. Grenzen des Zuschauerraumes. Die
Bühnengrenzen (Analemmata) konvergiren nicht mit dem
verlängerten wagrechten Durchmesser, wie es im grie-
chischen Theater geschieht, sondern fallen mit ihm oder
einer Parallele desselben zusammen. Sie fallen ohne
Ausnahme mit dem verlängerten wagrechten Durch-
messer zusammen, wenn die Grundfigur so beschaffen
ist, dass zwei von den durch die Ecken der Grundfigur
hindurchgehenden Radien des Urkreises sich mit diesem
decken. Im andern Falle sind die Bühnengrenzen durch
die Verlängerung derjenigen in der Zuschauerhälfte des
Urkreises gezogenen Sehne bestimmt, welche die beiden
4em wagrechten Durchmesser zunächst gelegenen Ecken
4er Grundfigur mit einander verbindet; stellvertretender
Weise fallen sie auch mit dem verlängerten wagrechten
Durchmesser zusammen. [Die Analemmata decken sich
in zwanzig römischen Theatern der Grundfigur ent-
154 in. Vergleiclmngen und Folgerungen.
sprechend zehnmal mit dem verlängerten wagrechten
Durchmesser: vgl. S. 118 f. In den zehn übrigen Thea-
tern fallen sie fünfmal mit einer durch zwei Ecken der
örundfigur hindurchgehenden Sehne des ürkreises^ zu-
sammen (nur einmal ist diese Sehne auf der Bühnen-
hälfte des ürkreises zu finden: vgl. S. 120) und viermal
stellvertretender Weise mit dem verlängerten wagrechten
Durchmesser des ürkreises ; ganz ohne erkennbare Rück-
sicht auf die Grundfigur, bzw. den ürkreis sind die
Bühnengrenzen nur einmal angelegt: vgl. S. 121 f. Die
nicht selten sich findende Erweiterung des Zuschauer-
raumes durch Anbringung von Sitzen über den bedeckten
Orchestraeingängen (itinera) ist in unserer Formulirung^
der Regel unbeachtet geblieben.]
Die übrigen Grenzen des Zuschauerraumes gleichen
den griechischen bis auf den Umstand, dass sie ent-
sprechend der veränderten Lage der Analenunata kürzer
sind. [Die untere Begrenzung des Zuschauerraumes weicht
gar nicht und die obere, abgesehen von den Odeen, nur
einmal von der genauen Kreislinie ab: vgl. S. 141. Aus-
nahmen treten bei der unteren Begrenzung des Zu-
schauerraumes nur ein, wie man wird annehmen dürfen,
infolge einer gewissen Verdunkelung der Bedeutung des
ürkreises: die Treppenenden zwar blieben durch den
ürkreis markirt, aber Zuschauersitze wurden auch inner-
halb des ürkreises angebracht: vgl. S. 130 ff. u. 142.]
Bb. Gliederung des Zuschauerraumes. Sie
ist dem Grundgedanken nach gleich der des griechischen
Zuschauerraumes, nur dass gemäss der Lage der Bühnen-
grenzen des Zuschauerraumes in der Hälfte der Theater
die Endkeile des ünterstocks den übrigen Keilen nicht
gleich sind. [In Betreff der konzentrischen Gliederung
ist den oben S. 142 f. gemachten Bemerkungen nichts
hinzuzufügen, in Betreff der radialen Gliederung blos»
3. Die allgemeine Regel. 2. Die röm. 15ä
Folgendes : Eine ganz ungewöhnliche radiale Gliederung
hat das Odeon des Herodes Attikos 42 (I 26), eine noch
eigenthümlichere das von uns unberücksichtigt gelassene
Theater zu Alauna in Frankreich bei Wieseler A 19;
Ungleichheit der mittleren Keile kommt nur einmal vor:
vgl. S. 114. In Bezug auf die Endkeile genügt es auf
S. 118 flf. zu verweisen.
C. Das Bühnengebäude. Bestimmend für das
Bühnengebäude ist wie im griechischen Theater entweder
die für den Zuschauerraum massgebende Grundfigur oder
eine andere in den ürkreis eingeschriebene Grundfigur,
die Bühnengrundfigur. [Der letztere Fall tritt nur ein-
mal ein, im Theater zu Herculaneum 6 (ü 8), denn auch
im Odeon des Herodes Attikos 42 (I 26) richtet sich die
Bühnenanlage nach den in den ürkreis eingeschriebenen
Quadraten, also nach der eigentlichen Grundfigur. Eine
halbe Ausnahme von der Regel macht das Theater zu
Otricoli 5 (ü 14), weil die für die Bühnenanlage mass-
gebende Grundfigur (ein Quadrant) zwar nicht in den ür-
kreis eingezeichnet, aber doch von ihm abhängig ist.]
a) Grenzen des Skenenvorderraumes. Die
Lage der den hinteren und vorderen Raum der ge-
sanmaten Bühnenanlage scheidenden Mauer (Bühnenhinter-
wand, scaenae frons) ist dieselbe wie im griechischen
Theater. [Anders Vitruv ! — Zehnmal ist die Lage der
Bühnenhinterwand, wie es scheint, genau durch die wag-
rechte Tangente angegeben, viermal durch die wagi'cchte
Seite der Grundfigur, zweimal ist sie unregelmässig an-
gelegt und zweimal nicht zu bestimmen: vgl. S. 135 f.]
Die Grenze des Skenenvorderraumes nach dem Zu-
schauerräume zu (Bühnenvorderwand, finitio proscaenii)
hat eine ähnliche Lage wie die Bühnengrenzen des Zu-
schauerraumes (Analemmata) : sie wird bestimmt entweder
durch den wagrechten Durchmesser des ürkreises oder
156 Vergleichungen und Folgerungen.
durch diejenige mit ihm gleichlaufende Sehne auf der
Bühnenhälfte des ürkreises, welche gleich ist dem grössten
Abstand der Ecken der Grundfigur oder Bühnengrund-
figur in einer Urkreishälfte. [Diese Regel ist, wie der
zweite Zusatz darlegt, ohne Ausnahme. In zwei Theatern
ist die Bühnen vorderwand unbestimmbar; in den übrigen
sechzehn (ohne das Theater zu Cuiculum, aber mit dem
Theater zu Fäsulä) fällt sie mit dem wagrechten Durch-
messer zusammen fünfmal sicher und viermal wahrschein-
lich; siebenmal mit einer Sehne des Urkreises, die V9
(zweimal), Vs; V7? Vio? Vie öder Vi 2 von der Peripherie
des Urkreises abschneidet, ganz entsprechend dem Ab-
stand der Ecken der Grundfigur oder (einmal) Bühnen-
grundfigur innerhalb einer ürki*eishälfte.]
Die seitlichen Abschlussmauern, bzw. Pfeiler und
Thüren des Skenenvorderraumes haben einen Abstand
( = Skenenlänge) von zwei Durchmessern des Urkreises
oder sind in stellvertretender Weise den griechischen
gleich angelegt. [Zweimal ist die Skenenlänge unregel-
mässig, viermal nach griechischer Weise bestimmt, näm-
lich dreimal gleich Grundfigurseite -f- Durchmesser und
einmal gleich Bühnengrundfigurseite -h Durchmesser, und
sonst beträgt sie immer zwei Durchmesser des Urkreises:
vgl. S. 133 f.]
b) Bühne (proscaenium). Der gesammte eben ab-
gegrenzte Skenenvorderraum ist im römischen Theater
im Gegensatz zum älteren griechischen die Bühne (pro-
scaenium). Diese hat zwei Seiteneingänge, die in den
seitlichen Abschlussmauern des Skenenvorderraumes lie-
gen, und drei Thüren in der Bühnenhinterwand. Die
Lage der Hauptthür in der Mitte ist wie im griechischen
Theater bestimmt, die der Nebenthüren durch den Ur-
kreis, nämlich durch senkrecht auf die Bühnenhinterwand
gezogene Tangenten des Urki-eises, oder in Stellvertre-
%
Die allgemeine Regel. 2. Die röm. 157
tung durch die Grundfigur, und zwar entweder in grie-
chischer Weise durch die Radien oder übereinstimmend
mit der viti'uvischen Vorschrift durch die senkrechten
Linien, die von den dem senkrechten Radius zunächst
gelegenen Ecken der Grundfigur auf die Bühnenhinter-
wand gezogen werden. [Behandelt sind die hier ein-
schlagenden Fragen im vierten Zusatz. Von zwölf in
Berücksichtigung gezogenen Theatern haben nur zwei
je sieben Thüren und eins keine in den eigentlichen Seiten-
grenzen des Skenenvorderraumes. — Durch senkrechte
Tangenten sind die Nebenthüren in acht Theatern an-
gegeben, durch Radien in zwei und durch senkrecht von
den betreflfenden Grundfigurecken nach der Bühnenhinter-
wand gezogene Linien auch in zwei.]
D. Beispiele. Figur 5 ist eigentlich nur zur Ver-
deutlichung der griechischen Regel gezeichnet worden,
doch kann sie auch für die römische Regel verwerthet
werden, wenn man sich auf die gebräuchlichsten Formen
beschränkt und wenn man sich die beiden Kreisbögen,
die Verlängerungen der Grundfigurseiten und die kleinen
Hilfslinien wegdenkt. Wir behalten also den ürkreis,
den wagrechten Durchmesser (verlängert auf beiden Sei-
ten um je einen Halbmesser), die wagrechte Tangente
(zwei Durchmesser betragend), die senkrechten Tangenten
und in den ürkreis als Grundfigur eingezeichnet ein regel-
mässiges Dreieck, Viereck (Quadrat), Fünfeck und Sieben-
eck. Hiermit haben wir für alle vier Konstruktionen
einen Skenenvorderraum oder eine Bühne von gleicher
Lage, gleicher Länge, gleicher Tiefe und mit gleich-
liegenden Thüren in der Bühnenhinterwand. In allen
vier Konstruktionen ist nämlich die Lage der hinteren
Grenze (Bühnenhinterwand) gegeben durch die wagrechte
Tangente yQ^ die der vorderen Grenze (Bühnenvorder-
wand) durch den verlängerten wagrechten Durchmesser
158 ni. Vergleichungen und Folgerungen.
xy und die der seitlichen Grenzen durch die Verbindungs-
linien der Endpunkte des verlängerten wagrechten Durch-
messers und der (zwei Durchmesser betragenden) Tan-
gente /Qy nämlich xy und jq.
So regelmässig ist nun freilich die römische Bühne
niemals angelegt worden; denn selbst die regelmässigste
römische Anlage, das Odeon zu Pompeji, weicht von
unserem Schema ab: nicht der wagrechte Durchmesser
des ürkreises giebt die Lage der Bühnenvorderwand an,
sondern die parallele Sehne, welche auf der Bühnen-
hälfte Vio des ürkreises abschneidet. Wie hier ist überall
mindestens eine der früher erwähnten Stellvertretungen
zugelassen worden : man hat entweder die Bühnenhinter-
wand in griechischer Weise weiter vor oder die Bühnen-
vorderwand weiter zurückgeschoben, oder man hat nach
griechischer Weise die Lage der Seitengrenzen des
Skenenvorderraumes oder die der Nebenthüren in der
Bühnenhinterwand bestimmt, oder man hat eine andere
Stellvertretung oder eine Neuerung eingeführt, oder man
hat endlich zwei oder mehrere dieser Stellvertretungen
zugleich angewendet, so dass eine üebereinstimmung
zweier Theater in Bezug auf die Grenzen und die Glie-
derung der Bühne ebenso selten, wenn nicht noch seltener,
wahrzunehmen ist als in Bezug auf die Gliederung des
Zuschauerraumes (S. 115).
Konstruktionen mit solchen Grundfiguren, wie wir
sie in unserer Figur gewählt haben, kommen in griechi-
schen Theatern niemals vor, wie oben S. 144 angedeutet
worden ist, dagegen in den römischen einmal ein Grund-
riss mit einem Siebeneck als Grundfigur, im Theater zu
Galama 39 (A 21), und sogar zweimal ein Grundriss mit
einem Fünfeck als Grundfigur, im Odeon bei Neapel 29
(H 9B) und im Theater zu Nora 30 (A 18). Eine Ver-
gleichung dieser Anlagen mit unserer Figur 5 dürfte
%
3. Die allgemeine Regel. 2. Die röm. 159
nicht zum Schaden sein. Betrachten wir zunächst das
Theater zu Nora-, die im ersten Zusatz erwähnte Un-
regelmässigkeit in den seitlichen Theilen des Prosceniums
lassen wir dabei, wie billig, ausser dem Spiele. Die
Lage der Bühnenhinterwand des Theaters zu Nora wird
wohl auf unserer Figur durch die Fünfeckseite ek an-
gegeben und die der Nebenthüren durch die Punkte i^-
und 2 unserer Figur; die Bühnenvorderwand steht im
Theater zu Nora um soviel vom wagrechten Durchmesser
des Urkreises ab wie die unteren Enden der Seiten-
treppen. Diesen Enden entsprechen nun auf unserer
Figur die Punkte z und i, demnach würde die Lage der
Bühnenvorderwand auf unserer Figur durch die Linie
bestimmt sein, welche auf der Bühnenhälfte des Urkreises
der Linie zi auf der Zuschauerhälfte des Urkreises ent-
spricht (welche also ziemlich mit der Linie {ß zusammen-
fällt). Im Theater zu Calama ist nur die Bühnenvorder-
wand vergleichbar. Zeichnet man in den Wieselerschen
Grundriss dieses Theaters ein Siebeneck so ein, wie es
die drei mittleren Treppen des Zuschauerraumes ver-
langen, so sieht man, dass die Lage der Bühnenvorder-
wand durch die grösste zwei Ecken der Grundfigur
verbindende Sehne innerhalb der Bühnenhälfte des Ur-
kreises gegeben worden ist; dieser Sehne entspricht auf
unserer Figur ganz genau {ß.
Zusätze zum dritten Theil.
Die vorliegende Arbeit war vor mehreren Monaten
abgeschlossen und zum Druck abgeliefert worden mit
Ausnahme des letzten Abschnittes des dritten Theiles.
Dieser sollte weiter nichts enthalten als die hauptsäch-
160 Zusätze zum dritten Theil.
liebsten Ergebnisse der angestellten Vergleicbungen und
Folgerungen in Form einer der vitruviscben äbnlieben
Regel. Bei der Abfassung dieser Partie stellte sich je-
doch die genauere Beantwortung einzelner Fragen als
wttnschenswerth heraus. Dem Wunsche wurde ent-
sprochen, und die neuen Ergebnisse wurden für den
Einschub in die bereits abgeschlossene Arbeit berechnet
abgefasst. Unterdessen war aber der Satz des einge-
sandten Manuskripts vollendet worden, und so müssen
denn die Erweiterungen jetzt als Zusätze erscheinen.
Erster Zusatz. Zu S. 134 (Seitengrenzen des
Skenenvorderraumes). Bei unserer Ansetzung der Skenen-
länge sind die in mehreren römischen Theatern sich fin-
denden seitlich von dem Skenenvorderraum gelegenen
Räume nicht in Anschlag gebracht worden. Und dies
mit Recht, denn sie sind augenscheinlich entweder blosse
Verbindungsglieder zwischen dem Bühnengebäude und
dem Zuschauerraum oder zwischen dem ersteren uüd
einer anderen Anlage oder auch blosse architektonische
Abrundungen. Ich verweise in dieser Beziehung auf die
Anlagen zu Athen (Odeon des Herodes Attikos) 42 (I 26),
zu Herculaneum 6 (11 8), bei Tibur (Odeon) 15 (ü 13),
zu Eugubium 25 (H 16), bei Neapel (Odeon) 29 (H 9B).
zu Arausio 45 (H 19), zu Rom 4 (II 12 B), zu Pola 3
(A 17) und zu Calama 39 (A 21). Nur in einem Theater
sind die Seitenräume zur Skene hinzugerechnet worden,
im Theater zu Nora 30 (A 18), aber die Kleinheit der
ganzen Anlage verbietet dem Gegner unserer Ansicht
sich auf diese Ausnahme zu berufen. Ebenso wenig
kommt das Theater zu Cuiculum 38 (A 20) in Betracht,
das überhaupt in Bezug auf die Bühnenanlage eine Be-
rücksichtigung nicht verdient und später auch nicht fin-
den soll, da die Orchestra absonderlich gross ist und da
infolge dessen fast alle übrigen Verhältnisse als Aus-
1. Seitliche Skenengrenzen. 161
nahmen von der römischen Regel erseheinen. Geholfen
wäre nns mit einem Schlage, wenn wir einen kleineren
ürkreis, als S. 83, voraussetzen, wenn wir annehmen
dürften, dass der Zuschauerraum sich weiter in die Or-
chestra hinein erstreckt habe, als auf dem Grundrisse
angegeben ist, ähnlich wie im Theater zu Ferentum bei
Wieseler A 16 (Figur 16 jedoch lässt auf einen falschen
ürkreis schliessen; nur Figur 16 a giebt die richtige
Lage des Zuschauerraumes an).
Zweiter Zusatz. Zu S. 137 (Bühnenvorder-
wand). Die fünf Theater zu Side, Myra, Termessos
maj., Patara und Epidauros haben als Bühnenhinterwand
die wagrechte Tangente des ürkreises und daher eine
Bühnentiefe, die gleich ist dem Abstand einer Sechseck-
seite, Fünfeckseite, Quadratseite von der parallelen Tan-
gente. In den Fällen nun, wo die Bühnenhinterwand
dem wagrechten Durchmesser näher lag als die Tangente
(fünfmal), oder wo sogar sie, nicht die Bühnenvorderwand
durch eine mit der Bühne in gleicher Richtung laufende
Grundfigurseite bestimmt wurde (dreimal), musste die
Bühnenhinterwand natürlich nach dem wagrechten Durch-
messer zu vorgerückt werden; leider ist nirgends zu er-
kennen, wie weit dies geschehen ist.
Die Lage der Bühnenvorderwand im römischen
Theater hat einige Aehnlichkeit mit der Lage der Ana-
lemmata: sie fällt zusammen entweder mit dem wag-
rechten Durchmesser des ürkreises oder mit derjenigen
parallel dem Durchmesser auf der Bühnenhälfte des ür-
kreises gezogenen Sehne, welche gleich ist dem grössten
Abstände der Ecken der Grundfigur oder Bühnengrund-
figur in einer ürkreishälfte. Ausnahmen scheinen nicht
vorhanden zu sein. Der Durchmesser des ürkreises ist
mit Bestimmtheit als Bühnenvorderwand anzunehmen in
den Theatern zu Eugubium 25 (H 16), Tusculum 48 (H 11),
Oehmichen, Griech. Theaterbau. 1 1
162 Zusätze zum dritten Theil.
und Fäsulä 1 (ü 17) — letztere Angabe nach dem Ge-
dächtnis — und in den Odeen bei Neapel 29 (II 9B)
und zu Athen 42 (I 26) ; mehr oder weniger sicher vor-
auszusetzen ist er als Bühnenvorderwand in den Thea-
tern zu Rom 2 (A 14) und 4 (H 12 B) und zu Pola 3
(A 17) und im Odeon zu Otricoli 5 (11 14); (das Zurück-
treten der Enden der Bühnenvorderwand gegenüber der
Mitte ist hier wie sonst nicht berücksichtigt worden).
In den Theatern zu Juliobona 10 (11 18) und Saguntum
13 (n 20) erscheint mir jede Vermuthung unstatthaft.
Die übrigen sieben Theater dagegen haben die oben
näher bezeichnete Sehne als Bühnenvorderwand. Bei
drei Dreiecken als Grundfigur muss die den grössten
Abstand der Grundfigurecken bezeichnende Sehne V9
von der Peripherie des ürkreises abschneiden; dies thut
die Bühnenvorderwand im Theater zu Faleria 14 (11 15)
und im Odeon bei Tibur 15 (11 13). Die grösste zwei
Ecken der Grundfigur verbindende Sehne trennt bei
einem Fünfeck und bei einem Siebeneck 2/- und % von
der Peripherie des ürkreises ab; genau so gross ist die
Kreislinie des durch die finitio proscaenii gebildeten
Kreisabschnittes in den Theatern zu Nora 30 (A 18)
= 2/^ iiji^ Calama 39 (A 21) = V? des ürkreises. Bei
einem Zehneck und bei vier Quadraten als Grundfigur
ist der grösste Abstand der Grundfigurecken dem Durch-
messer gleich, der nächstgrösste oder der grösste inner-
halb eines Halbkreises ist gleich der Sehne, welche Vio?
bzw. 7i6 der ürkreislinie abschneidet; dies geschieht im
Odeon zu Pompeji 33 (11 7B), wo Vio? ^^^ ™ Theater
zu Arausio 45 (11 19), wo Vie der Peripherie des ür-
kreises von der finitio proscaenii abgeschnitten werden.
Im Theater zu Herculaneum 6 (11 8) endlich ist eine
quadratische Bühnengrundfigur für die Skenenanlage be-
stimmend; sie wird aus drei Quadraten bestanden haben,
I
2. Bühnenvorderwand. 163
denn der durch die finiiio proscaenii abgeschnittene Theil
der Peripherie des ürkreises beträgt Vi 2«
Hinzufügen, wenn auch nicht gerade als Regel
hinstellen möchte ich noch einige Bemerkungen über das
Verhältnis der Bühnenvorderwand zur Bühnenhinterwand,
also über die Bühnentiefe. In denjenigen römischen
Theateranlagen, in denen die Bühnenhinterwand mit der
wagrechten Tangente zusammenfällt, ist die Bühnen-
vorderwand nicht durch den Durchmesser, sondern durch
die oben gekennzeichnete Sehne bestimmt. Ausnahmen
hiervon finden sich nur in drei Odeen (nicht Theatern),
nämlich in dem zu Athen 42 (I 26), dem bei Neapel 29
(n 9B), einer ganz kleinen Anlage, und im Odeon zu
Otricoli 5 {TL 14), aber in diesem nur vielleicht, da die
oben angegebene Lage seiner Bühnenvorderwand nur
eine vermuthete ist, und ausserdem noch in einem wirk-
lichen Theater, zu Tusculum 48 (II 11). In den römischen
Theatern mit einer Sehne des ürkreises als Bühnen-
hinterwand dagegen fällt die vordere Grenze der Bühne
mit dem Durchmesser des ürkreises zusammen; ausge-
nommen hiervon ist das Theater zu Nora 30 (A 18),
von dem wir eine ganz absonderliche Lage der Ana-
lemmata oben S. 121 kennen gelernt haben, und das
Theater zu Arausio 45 (II 19), bei dem aber der mittlere
Theil der finitio proscaenii nicht wahrzunehmen, also eine
Abweichung nicht mit Sicherheit zu behaupten ist. Brin-
gen wir die eben besprochenen Punkte durch Abkür-
zungen zum üeberblick, indem wir D = Durchmesser,
S = Sehne, T = Tangente des ürkreises setzen !
Bühnenvorderwand: D S ?
"XTheater (frons = T): 1? 3 1
5 Odeen (frons = T) : 3 2 —
8 Theater (frons = S): 5 2? 1
18 Gesammtheit: 8(9?) 5(7?) 2
11*
164 Zusätze zum dritten Theil.
Dritter Zusatz. Zu S. 137 (seitliche Bühnen-
grenzen). Die grosse Längsmauer (Bühnenhinterwand,
scaenae frons) scheidet die gesammte Skene in einen
vorderen und einen hinteren Theil. Die bauliche Anlage
des Hinterraumes zeigt die höchste Mannigfaltigkeit, ist
aber besonders diesetwegen für unsere gegenwärtige
Untersuchung von keiner Bedeutung; uns geht jetzt viel-
mehr nur der Vorderraum an. Von diesem viereckigen
Raum kennen wir bis jetzt die Grenzen: die Lage der
vorderen Grenze ist uns gegeben durch die Bühnenvorder-
wand, die der hinteren durch die Bühnenhinterwand und
die der seitlichen Grenzen durch die Skenenlänge. Die
hintere Grenze ist eine durchaus oder doch in der Mitte
hoch emporragende steinerne Mauer, die Bühnen vorder-
wand gleichfalls eine wenigstens in der späteren Zeit
steinerne -Wand, aber von geringer Höhe (nach Vitruv
fünf Fuss oder mehr als doppelt so hoch), und die Seiten-
grenzen sind Mauern oder nur Pfeiler und Thüren. Ist
aber dieser ganze Vorderraum die eigentliche Bühne,
das Proscenium? Alles spricht in den römischen An-
lagen dafür, denn das Zurückweichen der Enden der
Bühnenvorderwand in einigen Theatern kommt nicht in
Betracht, und Vitruvs Vorschrift über das römische
Theater spricht nicht dagegen. (Mein Widerspruch oben
S. 9 hat nur Geltung in Bezug auf das griechische
Theater und war dort nicht am Platze.)
Das gleiche wird für das griechische Theater an-
genonunen, und Zweifel an dieser Annahme erinnere ich
mich nicht gelesen zu haben, obschon es sehr berechtigte
giebt. Worauf ich früher im Einzeben hingewiesen habe,
sei hier zusammengefasst und erweitert. Festzuhalten
ist zuvörderst, dass Vitruvs Bemerkungen über die Bühne
sich nur auf das römische Theater beziehen, nicht auf
das griechische: vgl. S. 6, Rubrik 4b. Analogieschlüsse
I
8. Seitliche Bühnengrenzen. 165
sind in BetreflF der vitruvischen Regeln gestattet; ge-
stattet ist also der Versuch die fehlende Partie über die
Bühne des griechischen Theaters nach der über die
römische Bühne zu ergänzen. Einfache Herübemahme
des Wortlauts, wie sie meinen Vorgängern beliebte, ist
hierbei aber keineswegs erlaubt; die römische Regel
muss vielmehr entsprechend den veränderten Verhält-
nissen im griechischen Theater umgestaltet werden. Die
Richtigkeit dieser Forderung und die Nothwendigkeit
ihrer Erfüllung lässt sich leicht darlegen. Das römische
Theater im vitruvischen Sinne hat nämlich fünf die
Bühneneingänge bestimmende Winkel : unus medius (bkf
auf Fig. 1) contra se valvas regias habere debet, dextra
ac sinistra (clg und aie auf Fig. 1) hospitaliorum de-
signabunt compositionem, extremi duo (dmh und dhm
auf Fig. 1) spectabunt itinera versurarum. Jetzt wolle
man einen Blick auf Figur 2 oder 3 werfen. Nur vier
Winkel der Grundfigur sind hier der Bühne zugekehrt,
der unus medius des römischen Theaters fehlt; es darf
also in der zu ergänzenden griechischen Regel die Be-
stimmung der mittleren Thür nicht durch die Richtung
eines Winkels angegeben werden. Die beiden mittleren
der vier Winkel (bmi und ylg auf Fig. 2 und 3, wo y
fehlt) haben zwar eine solche Lage, dass von ihnen in
der von uns zu erschliessenden griechischen Regel genau
wie in der römischen ausgesagt werden kann: hospita-
liorum designabunt compositionem, von den zwei äusseren
der vier Winkel dagegen (den duo anguli extremi cnk
und nkf auf Fig. 2 und 3) kann in der herzustellenden
griechischen Regel, dieselbe Lage der versurae im grie-
chischen und römischen Theater vorausgesetzt, unmög-
lich behauptet werden: spectabunt itinera versurarum.
Denn im griechischen Theater sind die Richtungen der
Winkel durch ihre Halbirungslinien bestimmt und dem-
166 Zusätze zum dritten Theil.
gemäss treflFen die Halbirungslinien der äusseren Winkel
(enk und nkf) die scaenae frons, in der die versurae
procurrentes ebensowenig wie im römischen Theater
(S. 10) im griechischen liegen können. Diese Folgerung
ist für das griechische Theater zwingend, und vergeb-
lich wäre der Versuch ihr zu entgehen durch den Hin-
weis auf das römische Theater, wo die Richtungen der
beiden äussersten Winkel durch senkrechte Linien be-
stimmt sind, vergeblich, weil ein Wechsel im Konstruk-
tions-Prinzip am allerwenigsten griechischen Architekten
zugetraut werden darf, und vergeblich, weil Beispiele
dafür in griechischen Theatern nicht angeführt werden
können: vgl. Zusatz 4, S. 174 f., dazu S. 147. Nur unter
der einzigen Bedingung kann Vitruvs Bestimmung in
Betreff der duo anguli extremi in die zu ergänzende
griechische ßegel herübergenonmien werden, unter der,
dass die versurae procurrentes mit den senkrechten Tan-
genten (den punktirten Linien der Fig. 3) zusammen-
fallen. Dann treffen nämlich die verlängerten Halbirungs-
linien der äusseren Winkel (cnk und nkf auf Fig. 2 u. 3)
die scaenae frons in denselben Punkten wie die senk-
rechten Tangenten, und dann ist die Lage der itinera
versurarum in ähnlicher Weise bestimmt wie im römischen
Theater: vgl. S. 13.
Das Ebengesagte ist eigentlich bloss Vorbereitung
auf das Folgende: es hat weniger den Zweck etwas
Neues festzustellen als die Unhaltbarkeit der bisher ge-
machten Analogieschlüsse klarzulegen. Neu war in der
Auseinandersetzung allein der Nachweis der Möglichkeit
eines weniger als die Skenenlänge betragenden Ab-
standes der versurae procurrentes im griechischen Theater
Vitruvs, bzw. seiner Quelle. Diese Möglichkeit nun wird
zur Wahrscheinlichkeit für jeden, der unsere oben ge-
gebene Erklärung der vitruvischen Vorschrift über das
I
3. Seitliche Bühnengrenzen. 167
griechische Theater beifallswürdig findet. Wir haben
aber S. 30 f. gezeigt, dass uns Vitruvs Vorschrift mit
Nothwendigkeit zu der Annahme eines (durch die ver-
surae procurrentes seitlich begrenzten) Prosceniums führt,
dessen Länge hinter der Skenenlänge zurückbleibt. Um
wieviel die Prosceniumslänge geringer ist als die Skenen-
länge, kann zwar aus der vitruvischen Konstruktion nicht
mit Sicherheit ermittelt werden, aber dass sie dem Durch-
messer des Urkreises gleichzusetzen sei, erscheint doch
wohl als selbstverständlich, wenn man die übrigen har-
monischen Verhältnisse im Grundrisse gerade des grie-
chischen Theaters ins Auge fasst.
Soviel war zu erschliessen aus Vitruv. Benutzen
wir dies als Fingerzeig und prüfen wir die erhaltenen
Ueberreste der griechischen Theater auf ihre Prosceniums-
länge! Meine Herren Vorgänger haben sich in dieser
Hinsicht wie in andern in erster Linie nach den Thea-
tern mit gut erhaltenen Bühnen gerichtet, nach denen
zu Aspendos, Aizani, Myra u. a., und so hat diesen auch
Wieseler die erste Tafel und auf ihr den ersten Platz
angewiesen. Umgekehrt ziehe ich sie gar nicht oder
wenigstens nicht in erster Linie in Betracht, weil ihre
Bühnen umgebaut sind oder doch so viel Verwandtes mit
den römischen Bühnen haben, dass die Zeit ihrer Er-
bauung ziemlich tief herabgerückt werden muss. Die
nachweislich ältesten haben nach meiner Ansicht ge-
gründeten Anspruch zuerst berücksichtigt zu werden.
Zu den ältesten, deren Besprechung sich für die
Beantwortung unserer Frage lohnt, ist das Theater des
Polyklet zu Epidauros zu rechnen. Die seitlichen Theile
des Skenenvorderraumes gehören hier offenbar nicht zur
eigentlichen Bühne, da sie nach Dörpfelds Wiederher-
stellungsversuch höchst wahrscheinlich steinerne Treppen
enthielten; vielmehr ist der mittlere Theil dieses Raumes
168 Zusätze zum dritten Theil.
allein als Proscenium anzusehen. Die seitlichen Grenzen
des Prosceniums (versurae procurrentes) sind die äusseren
Mauern der quadratischen Vorsprünge, und diese haben
einen Abstand von der Länge eines Durchmessers des
ürkreises: vgl. S. 58, ihre Lage ist also durch senkrecht
auf der Bühnenhinterwand stehende Tangenten des ür-
kreises bestimmt, mit andern Worten und in Rücksicht
auf die quadratische Bühnengrundfigur, durch die Hal-
birungslinien der entsprechenden Quadratwinkel, denn
die senkrechten Linien, die in den Durchschnittspunkten
der Halbirungslinien und der wagrechten Tangente auf
der letzteren errichtet werden, sind ja die senkrechten
Tangenten. Als erfreuliches Ergebnis unserer Betrach-
tung gewinnen wir somit eine Uebereinstinunung des
Grundrisses im polykletischen Theater zu Epidauros mit
der von uns vermutheten Ergänzung der fraglichen Partie
der griechischen Regel Vitruvs. Erfreulich nenne ich
das Ergebnis mehr im Hinblick auf den bloss schrift-
gläubigen Theil der philologischen Welt, der nur das
anerkennt, was schriftlich überliefert oder aus diesem
erschlossen ist: für den wirklich philologischen Wissen-
schaftsmann ist ja ein solches Ergebnis wohl eine an-
genehme Zugabe, aber kein unbedingtes Erfordernis,
falls sonst genügende Anhaltspunkte gegeben sind.
So wenig zweifelhaft es sein kann, dass die steinerne
Skene (das Hauptgebäude) ihre Gestalt von der hölzer-
nen Skene entlehnt und nur später weiter entwickelt hat,
ebensowenig zweifelhaft, meine ich, kann es sein, dass
zu der Zeit, wo das Bedürfnis oder ein neuer Geschmack
den Ersatz der hölzernen Bühne vor dem steinernen
Skenengebäude durch eine steinerne bewerkstelligte, die
letztere ihrer Form nach nicht wesentlich verschieden
von ihrer Vorgängerin gewesen sein wird und dass Aen-
derungen in ihrer Gestalt oder in ihrer Lage zum Ge-
i
3. Seitliche Bühnengrenzen. 169
sammtbau erst nach und nach eingetreten sein werden:
ist ja doch eine solche Entwicklung der baulichen An-
lagen ganz naturgemäss und vielfach beobachtet. Dem-
zufolge scheint mir eine bildliche Darstellung bei Wie-
seler IX 13, auf der eine hölzerne Bühne in Seitenansicht
gegeben ist, von nicht geringer Bedeutung zu sein. Was
Wieseler S. 61a in Betreff der baulichen Anlage bemerkt,
ist zutreffend bis auf einen Punkt. Wieseler erkennt zu-
nächst mit anderen richtig das Gerüst, auf dem eine
Person steht, als das Proscenium; er bemerkt femer,
die Treppe, welche sich an dieses Gerüst anlehnt, sei
„keineswegs die bekannte Verbindungstreppe zwischen
Orchestra und Logeion, sondern eine Treppe, welche
von der Strasse zu der Baulichkeit hinanführt." Die
Anlehnung der Treppe an die seitliche Prosceniums-
grenze (nicht an die finitio proscaenii) ist unzweifelhaft,
denn es ist nur eine gewöhnliche künstlerische Rück-
sicht, dass die Treppe und die Personen auf und an ihr,
der Schiebende, der Geschobene und der Ziehende, in
halber Seitenstellung erscheinen, um das Sichdecken der
Figuren zu vermeiden. Was aber Wieseler mit der
Treppe an der Strasse meint, ist mir wenigsteüs unver-
ständlich. Soll diese eine Treppe von aussen an eine
der seitlichen Grenzen der Skene in der Richtung der
Skenenfront angelehnt sein? Dann fehlt der Nachweis,
dass etwas Derartiges im griechischen Theater der Fall
war. Soll aber diese eine Treppe (und in diesem Fall
doch wohl noch eine auf der andern Seite) innerhalb
der seitlichen Grenzen des Skeneüvorderraumes auf die
eigentliche Bühne führen, dann kann von einer Treppe
an der Strasse nicht gesprochen werden. Wir geben
also den Gedanken an eine Strassentreppe auf und neh-
men unter Berufung auf das Theater zu Epidauros den
letzteren Fall an, und alles ist in Ordnung.
>
170 Zusätze zum dritten Theil.
Leider sind wir bei den übrigen griechischen Thea-
tern nicht in derselben glücklichen Lage wie beim poly-
kletischen, wir vermögen nicht die Grenzen des Prosce-
niums und die Lage der Treppen mit Wahrscheinlichkeit
nachzuweisen, weil inuner nur einzelne mehr oder minder
bedeutende Anzeichen vorhanden sind. Ohne genaue
Abwägung ihrer grösseren oder geringeren Beweiskraft
seien sie hier kurz vorgeführt.
Welche Bedeutung hat im dionysischen Theater
Athens die von der Bühnenhinterwand nach Norden ge-
richtete Mauer 14 auf Fig. 4? Kann sie etwas anderes
sein als eine der beiden seitlichen Grenzen des Prosce-
niums? Man darf doch wohl nur mit ja antworten und
dann weiter vermuthen, dass den Raum zwischen der
Abschlussmauer 12 und der seitlichen Prosceniumsmauer
14 eine Treppenanlage einnahm wie im polykletischen
Theater zu Epidauros und eine andere den Raum zwi-
schen den Mauern 15 und 13. Zugegeben muss aller-
dings hierbei werden, dass die Länge des Prosceniums
dann einen Durchmesser des Urkreises nicht ganz er-
reicht; allein Anstoss wird Niemand daran nehmen, der
sich an die verschiedenen Lagen der vorderen und hin-
teren Bühnengrenzen in den verschiedenen Theatern er-
innert. Wie die Bühnenhinterwand nicht überall durch
die wagrechte Tangente bestimmt ist, sondern zuweilen
durch eine weiter vom ürkreis abstehende Linie und
zuweilen durch eine Sehne des Urkreises und wie die
Bühnenvorderwand in grösserer oder geringerer Nähe
des wagrechten Durchmessers des Urkreises sich befindet,
so werden die seitlichen Bühnengrenzen verschiedene
Lagen haben und so wird nächst der Peripherie des
Urkreises (senkrechte Tangenten) vielleicht auch der
eingeschriebenen Grundfigur ein Einfluss auf die Fest-
setzung der Lage jener Grenzen zugestanden worden sein.
3. Seitliche Bühnengrenzen. 171
Aelmlich wie die Mauer 14 im dionysischen Theater
Athens springen zwei Mauern im Theater zu Oinoanda
27 (A 7) von der Bühnenhinterwand nach dem Zuschauer-
raum zu vor und zwar in etwas grösserer Entfernung
von einander als die senkrechten Tangenten des ür-
kreises. Dass sie nicht Abschlussmauem des Vorder-
raumes der gesammten Anlage sein können, geht doch
wohl zur Genüge aus den Bemerkungen auf S. 133 her-
vor, kann man also an etwas anderes denken als an die
seitlichen Bühnengrenzen? Die eben vermissten seit-
lichen Abschlussmauern des Skenenvorderraumes finden
sich im Theater zu Hierapolis 8 (I 12) und daneben
wahrscheinlich die Grenzmauern der eigentlichen Bühne
in einem verhältnismässig ungefähr gleich grossen Ab-
stand von einander wie im Theater zu Oinoanda. Auf
dem Grundriss des Theaters zu Side 16 (I 3) sind zwi-
schen den seitlichen Abschlussmauem des Skenenvorder-
raumes und dem Proscenium leere Räume gelassen;
werden wir nach unsern bisherigen Erörterungen nicht
in ihnen die Seitentreppen liegen, oder weil die Bühnen-
grenzen nicht genau zu bestimmen sind, beginnen lassen
dürfen? Wie es scheint, genau in der Eichtung der
senkrechten Tangenten des Urkreises finden wir in der
Bühnenvorder wand des Theaters zu Termessos maj. 23
(A 1) kurz vorspringende Mauern, in der Bühnenhinter-
wand des Theaters zu Kadyanda 49 (A 6) vorspringende
Pfeiler und im Theater zu Jasos 40 (I 9) die seitlichen
Grenzen des Skenenhinterraumes; von den Punkten an,
wo die senkrechten Tangenten des urkreises die Bühnen-
hinterwand treffen, weicht im Theater zu Pinara 36 (A 5)
die letztere nach beiden Seiten von der Eichtung ihres
mittleren Theiles ab und nähert sich etwas einer den
Analemmata parallelen Linie, ähnlich wie die Bühnen-
vorderwand im polykletischen Theater. Sind dies nicht
172 Zusätze zum dritten Theil.
konstruktive Anzeichen von solchen seitlichen Bühnen-
grenzen, wie wir sie erwarten?
Das Theater zu Kibyra 12 (A 9) und die Odeen zu
Knidos 41 (I 7) und Rhodiopolis 24 (A 2) sprechen weder
für noch gegen unsere Vermuthung; aber unläugbar
gegen sie sprechen die Theater zu Myra 22 (I 4) und
Patara 37 (I 5). Es finden sich in ihnen nur seitliche
Abschlussmauem des Skenen Vorderraumes; weiter nach
einwärts sind mit diesen gleichlaufende Mauern weder
vorhanden noch irgendwie angedeutet und ebenso wenig
seitliche Treppen; als Proscenium ist also der gesanmite
Vorderraum der Skene anzusehen. Sind wir dadurch
mit unserer Vermuthung zurückgeschlagen? Zuversicht-
lich antworte ich nein, weil ich der festen Ueberzeugung
bin, dass wir in den beiden letztgenannteil Theatern,
vielleicht auch in ein und dem andern vorher besproche-
nen nur eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Bau-
weise werden erkennen dürfen.
Das römische Theater, d. h. diejenige Anlage, welche
wir nach alter Gewohnheit römisch nennen — seine
Form ist ja nicht erst von den Römern ausgebildet —
hat doch wohl seinen Ursprung im griechischen Theater,
oder wenn man so lieber will, zunächst im griechischen
Odeon und dieses wieder im griechischen Theater: vgl.
oben S. 111 f. Das ältere griechische Theater hat nun,
wie oben gezeigt worden ist, an beiden Seiten des Pro-
sceniums Treppen gehabt; vom älteren Odeon ist das-
selbe vorauszusetzen, denn dafür spricht der niemals
radikale Gang der griechischen Kulturentwicklung und
dafür oder wenigstens nicht dagegen sprechen die zwei
Odeen, welche wir als älteste ansehen dürfen, das zu
Knidos 41 (I 7) und das zu Rhodiopolis 24 (A 2). Das
römische Theater hat diese Treppen eingezogen und die
seitlichen Räume mit dem Proscenium vereinigt. Wann
4. Thüren in der Bühnenhinterwand. 173
ißt das geschehen? in römischer Zeit? mit einem Schlage
und ohne Uebergang? Der naturgemässe Gang der
Entwicklung verlangt die Antwort nein: Es ist kein
Sprung anzunehmen, es sind vielmehr wahrscheinlich in
nicht allzu später griechischer Zeit die Veränderungen
vorbereitet worden, welche in römischer Zeit ihre Aus-
bildung erhielten. In doppelter Hinsicht war diese Neue-
rung für die scenische Darstellung besonders vortheilhaft :
erstens fiel das für die Schauspieler unbequeme Treppen-
steigen hinfort weg und zweitens der Umweg, den Büh-
nenpersonen zu machen hatten, wenn sie die Bühne
seitlich besteigen mussten; statt von aussen durch die
Seitenthüren des Skenenvorderraumes über die Treppen
auf die Bühne gelangten sie nunmehr durch zwei neue
(eine vierte und fünfte: vgl. Zusatz 4) Nebenthüi'en in
der Bühnenhinterwand sogleich auf die Bühne oder we-
nigstens auf die Seitenräume der Bühne.
Vierter Zusatz. Zu S. 137 f. (Thüren in der
Bühnenhinterwand). Die Höhe der Bühnenhinter-
wand ist beträchtlich, wie zu vermuthen ist, gleich oder
ungefähr gleich der Höhe des Zuschauerraumes; die
Bühnenvorderwand dagegen ist nicht höher als das (nach
Vitruv fünf, bzw. zehn bis zwölf Puss hohe) Hyposkenion ;
die seitlichen Mauern der Bühne sind im älteren grie-
chischen Theater vermuthlich gleich hoch mit der Büh-
nenvorderwand und im jüngeren griechischen sowie im
römischen Theater gleich hoch mit der Bühnenhinter-
wand. Dem entsprechend sind im älteren griechischen
Theater Thüren als Eingänge zur Bühne nur in der
Bühnenhinterwand möglich, und so sind auch, wie S. 50
gezeigt worden ist, im dionysischen Theater Athens
Thüren als seitliche Eingänge zur Bühne nicht vorhan-
den gewesen. In den nach beiden Seiten verlängerten
Bühnen, wo die Seitengrenzen des Skenenvorderraumes
174 Zusätze zum dritten Theil.
mit denen der Bühne zusammenfallen, konnten natürlich
seitliche Thüren angebracht werden. Sie finden sich
noch nicht in den beiden jüngeren griechischen Thea-
tern zu Patara 37 (15) und Myra 22 (I 4), dagegen
vielfach in den römischen. Die Zahl der Thüren in der
Bühnenhinterwand ist verschieden, gewöhnlich drei und
fünf; wo fünf sich finden, berücksichtigen wir im Fol-
genden nur die drei mittleren, weil für die Lage der
beiden äusseren eine feste Regel nicht befolgt worden
zu sein scheint.
In den älteren griechischen Theatern mit einer
weniger langen Bühnenhinterwand haben wir überall nur
drei Thüren vorauszusetzen; wenn in einem Grundriss
oder Bericht eine vierte und fünfte angegeben werden, so
muss man an Nischen denken. Diese drei Thüren im
älteren griechischen Theater und die drei mittleren im
jüngeren sind durch Radien des ürkreises bestimmt, die
mittelste, die Hauptthür, durch den senkrecht zur Bühne
stehenden Radius und die Nebenthüren durch die zwei
Radien des ürkreises, welche durch die dem senkrechten
Radius zunächst, bzw. zweitnächst gelegenen Ecken der
Grundfigur, bzw. Bühnengrundfigur hindurchgehen. Von
den vierzehn griechischen Theatern mit erhaltener Skene
sind nur sieben für unsere Frage beachtenswerth: die
Theater zu Hierapolis 8 (1 12) , Kibyra 12 (A 9) , Myra
22 (I 4), Termessos maj. 23 (Ä 1), Pinara 36 (A 5), Pa-
tara 37 (I 5) und zu Jasos 40 (I 9). Im Theater zu
Kibyra fehlt höchst auffälliger Weise die Mittelthür. Die
zwei Nebenthüren sind durch Radien bestimmt mit Aus-
nahme des Theaters zu Patara, wo in römischer Art
senkrecht von den angegebenen Ecken der Bühnengrund-
figur (Quadrat) auf die Bühnenhinterwand gezogene Li-
nien die Lage der Nebenthüren anzeigen. Bei den sechs
übrigen Theatern ist einmal eine Bühnengrundfigur für
4. Thüren in der Bühnenhinterwand. 175
die Lage der Nebenthtiren massgebend gewesen, im
Theater zu Pinara, wo die Thüren von den durch die
Quadratecken hindurchgehenden Radien getroffen wer-
den. Dasselbe hätte eintreten können im Theater zu
Kibyra, der Baumeister hat aber die Hauptgrundfigur
als normirende vorgezogen und die Radien für die be-
treffenden Thüren durch die beiden dem senkrechten
Radius zunächst gelegenen Dreiecksecken hindurchgehen
lassen. Sonst ist immer nur je eine Grundfigur vorhan-
den und für die Lage der Nebenthüren massgebend.
Im Theater zu Hierapolis sind es so die zwei dem
senkrechten Radius zunächst gelegenen Dreiecksecken,
im Theater zu Termessos maj. die zwei ihm zunächst
liegenden Fünfecksecken, im Theater zu Myra die zwei
zweitnächsten Sechsecksecken und im Theater zu Jasos
die zwei zweitnächsten Quadratecken, durch welche die
Radien hindurchgehen, um die Lage der Nebenthüren
in der Bühnerihinterwand anzuzeigen.
In Bezug auf die Zahl und die Anlage der Thüren
sind die Grundrisse der römischen Theater im Wie-
selerschen Werk beinahe zur Hälfte unbrauchbar. Ich
lasse unberücksichtigt: die Theater zu Neapel 21 (H 9 A)
und zu Fäsulä 1 (Hl?), weil für sie der Bühnengrund-
riss fehlt (den später veröflfentlichten des letzteren Thea-
ters kann ich leider gegenwärtig nicht einsehen und dem
Gedächtniss mag ich nicht zu viel vertrauen); die Theater
zu Juliobona 10 (H 18) und Sagunt 13 (II 20), weil die
mittlere Partie des Bühnengrundrisses zu mangelhaft ist;
das Theater zu Calama 39 (A 21) und das Odeon zu
Neapel 29 (H 9B), weil gar keine, und das Odeon bei
Tibur 15 (H 13), weil nur eine Thür zu erkennen ist;
und die Anlagen zu Cuiculum 38 (A 20) und Otricoli 5
(E 14) wegen ihrer ganz aussergewöhnlichen Konstruk-
tion. Dagegen können wir das sonst unbeachtet ge-
176 Zusätze zum dritten Theil.
lassene Theater zu Ferentum bei Wieseler A 16 benützen
(nach Figur 16 a). Von den zwölf in Betracht zu zie-
henden ist Folgendes zu bemerken:
In dem jüngeren griechischen Theater war der Weg-
fall der Treppen und die Herbeiziehung der seitlichen
Theile des Skenenvorderraumes zur Bühne der Anlass
zur Anbringung einer vierten und fünften Thür in der
Bühnenhinterwand links und rechts von den drei mitt-
leren. Das römische Theater, welches gleich dem jün-
geren griechischen eine längere Bühne annahm, folgte
diesem nicht in der Zahl der Thüren und in ihrer An-
ordnung in der Bühnenhinterwand; es wurden vielmehr
in ihm wie im älteren griechischen Theater nur drei
Thüren in der Bühnenhinterwand angebracht, natürlich
in einem weiteren Abstand von einander, dem verlän-
gerten Proscenium entsprechend, und eine vierte und
fünfte Thür seitlich in den seitlichen Abschlussmauern
der Skene. So ist es geschehen in neun von den zwölf
berücksichtigten Anlagen (im Theater zu Pola 3 (A 17)
doch wohl auch!). Eine Ausnahme macht das Theater
zu Nora 30 (A 18), wo statt Seitenthüren Seitenräume
innerhalb des Skenenvorderraumes zu finden sind: vgl.
Zusatz 1; eine Ausnahme machen auch das Odeon zu
Pompeji 33 (II 7B) und das Theater zu Eugubium 25
(II 16): hier sehen wir fünf Thüren in der Bühnenhinter-
wand und ausserdem zwei seitliche Thüren, also eine
Häufung, eine Verquickung der jüngeren griechischen
und der römischen Art.
Der angedeutete grössere Abstand der Thüren in
der Bühnenhinterwand des römischen Theaters ist da-
durch erreicht worden, dass man die Slittelthür durch
den senkrecht auf die Bühnenhinterwand treffenden Ra-
dius wie im griechischen Theater bestimmte und die
beiden Nebenthüren, bzw. die beiden der Hauptthür zu-
4. Thüren in der Bühnenhinterwand. 177
nächst liegenden Nebenthüren wie die versurae proeur-
rentes im älteren griechischen Theater genau oder etwas
weniger genau durch die senkrechten Tangenten des
Urkreises. Dies ist geschehen in acht Theateranlagen:
zu Pola 3 (A17), Herculaneum 6 (H 8), Faleria 14 (11 15),
Nora 30 (A 18), Pompeji (Odeon) 33 (H 7B), Arausio 45
(II 19), Tusculum 48 (11 11) und Ferentum bei Wieseler
A 16 a. In dem Theater des Pompejus zu Rom 4 (11 12 B)
sind die Thüren in vitruvischer Art (S. 12) durch die
senkrecht von den Scheitelpunkten der dem Proscenium
zunächst gelegenen Dreieckswinkel auf die Bühnenhinter-
wand gezogenen Linien bestimmt; dasselbe wird wohl
auch im Theater des Marcellus zu Rom 2 (A 14) anzu-
nehmen sein. Nach griechischer Weise sind die Neben-
thüren in zwei Anlagen angegeben, im Theater zu Eu-
gubium 25 (11 16) und im Odeon des Herodes Attikos
42 (I 26).
Die Beobachtungen über die Lage der beiden der
Hauptthür zunächst liegenden Nebenthüren in den grie-
chischen und römischen Theatern lassen sich grossen-
theils zu einem tabellarischen Ueberblick bringen, wenn
wir die Radien und die Senkrechten, welche durch die
dem senkrechten Radius zunächst oder zweitnächst ge-
legenen Ecken entweder der Grundfigur oder der Btihnen-
grundfigur hindurchgehen, durch den Zusatz Gfig. oder
Bgfig. von einander unterscheiden.
Nebenthüren.
Bestimmt durch = Radien Senkrechte Tangenten
Gfig. Bgfig . Gfig. Bgfig. (senkr.)
7 griech. Theater ==5 1 — 1 —
12 röm. Theater = 2 — 2 ~ 8
19zusanunen =7 1 2 1 8
oder durch Radien 8, Senkrechte 3, Tangenten 8.
Oehmichen, Griech. Theaterbau. 22
178 Zusätze zum dritten Theil.
Fünfter Znsatz. Die umgebauten Bühnen.
Die dreizehn, bzw. zehn griechischen Theater, in denen
wir einen Umbau angenommen haben (S. 123 flf.), sind
nächst den ältesten für die Geschichte des Theaterbaues
vielleicht die wichtigsten: in ihnen zeigt sich ja gerade
der Uebergang einer Periode zur andern. Die Möglich-
keit einer Geschichte des alten Theaterbaues aber ist
unbestreitbar für den, welcher die Fülle des Materials,
seine Bedeutung und Verwendbarkeit erkannt hat; ein
Versuch dazu wäre freilich noch sehr verfrüht und ist
auch von uns nicht im Mindesten beabsichtigt. Wenn
wir trotzdem im Vorhergehenden einige Bemerkungen
über die Entwicklung des Theaterbaues gemacht haben
und im Folgenden machen werden, so geschah und ge-
schieht dies in voller Erkenntnis der Unzulänglichkeit
der Grundlagen nur nebenher und mehr der Anregung
wegen. Der Zweck unserer Untersuchungen war der
Sachlage entsprechend im Ganzen ein systematischer,
die Gewinnung eines Ueberblicks über die bunte Formen-
welt, eine annähernde Feststellung der Typen und Grup-
pen, in die sie zerfällt. Für diesen Zweck mussten die
Theater mit veränderten Bühnengebäuden wegen der
vorauszusetzenden Unreinheit ihrer Verhältnisse, d. h.
wegen der Wahrscheinlichkeit einer theilweisen Bei-
behaltung der älteren Mauern im neuen Bau unberück-
sichtigt bleiben. Nachdem wir nun aber die wesentlichen
Eigenthümlichkciten der rein griechischen und rein römi-
schen Theateranlagen erkannt haben, dürfen wir wohl
zum Abschied einen vergleichenden Blick auf die noch
nicht erwähnten Skenen der umgebauten Theater werfen,
weniger der Vollständigkeit wegen, nach der wir nicht
streben, als mit dem Wunsche früher aufgestellte Be-
liauptungen bestätigt zu finden.
Wir haben nämlich oben aus der BeschaflFenheit
5. Die umgebauten Bühnen. 179
des Zuschauerraumes auf eine nachträgliche Verkleinerung
desselben in einer Anzahl von Theatern geschlossen und
hieraus wieder auf einen Umbau des Bühnengebäudes
in diesen Theatern. Für zehn Theater war unsere
Folgerung, wie wir annahmen, zwingend, jedenfalls ge-
nügend, um jene Theater als verdächtig von der Be-
trachtung der Typen vorläufig auszuschliessen, für drei
dagegen war dies nicht der Fall; doch war der Bühnen-
umbau wenigstens von zwei dieser drei Theater aus
andern, naheliegenden Gründen nicht unwahrscheinlich:
vgl. S. 123 flf. und 128 flf. Die Probehaltigkeit dieser
Folgerung nun ist es, die wir darlegen wollen.
Voll entscheidend kann selbstverständlich bei der
anzustellenden Probe nur das sein, worin das römische
Theater eine Eigenthündichkeit für sich allein entwickelt
hat, wie z. B. die durch senkrechte Tangenten bestimmten
Thüren in der Bühnenhinterwand und die üeberdeckung
oder Weglassung der Orchestraeingänge zwischen dem
Skenenvorderraum und dem Zuschauerraum. Andere
Umstände können, wenn überhaupt beachtenswerth, nur
mitentscheidend sein. Ins Auge zu fassen sind natürlich
nur diejenigen der dreizehn umgebauten Theater, deren
Bühnenanlagen das Gemeinsame des griechischen und
römischen Typus bewahrt haben, nicht das Theater zu
Akra 19 (11 2) mit seiner unerhörten Bühnenlage in der
Zuschauerhälfte des Urkreises. Als ursprünglich grie-
chische Anlage wird diese Skene wohl Niemand hinzu-
stellen wagen; jedenfalls müssen wir sie als unnütz für
unsere Betrachtung beiseite lassen. Wegen fehlender
Skene bleiben femer ganz unberücksichtigt die beiden
(auf unserer Tabelle S. 88 schon wenig beachteten)
Theater zu Tyndaris 18 (II 4) und Katana 47 (11 5 A)
und ausserdem grösstentheils die Theater zu Dramyssos
20 (I 28) und Rhiniassa 43 (I 27), da in ihren Bühnen-
12»
180 Zusätze zum dritten Theil.
gnindrissen gerade das nicht anzutreffen ist, was uns
am wichtigsten erscheint, die Lage der Bühnenvorder-
wand und der Thtiren in der Bühnenhinterwand. Es
sind also nur acht Theater, auf die ein besonderes Ge-
wicht zu legen ist, die zu Aspendos 9 (I 16), Syrakus
17 (H 1), Laodikeia 28 (I 11), Pompeji 31 (H 7 A),
Segeste 32 (11 3), Telmissos 34 (I 6), Aizani 35 (I 13)
und Tauromenion 46 (ü 6).
Von entscheidendem Gewicht kann zunächst die
Lage der Bühnenhinterwand nicht sein, da ein grund-
sätzlicher Unterschied in dieser Beziehung zwischen dem
griechischen und dem römischen Theater nicht vorhanden
ist: in beiden ist sie ja gleichmässig entweder durch
eine Tangente des Urkreises oder stellvertretender Weise
durch eine Seite der in den Urkreis eingezeichneten
Grundfigur, bzw. Bühnengrundfigur bestimmt. In unsem
Theatern ist die Lage der Bühnenhinterwand durch eine
Tangente gegeben in Segeste und Rhiniassa, durch eine
weiter vom Urkreis abstehende Parallele in Pompeji,
sonst durch eine Sehne. Diese Sehne ist unbestimmbar
in Syrakus, ohne erkennbares Verhältnis zum Urkreis,
bzw. zur Grundfigur in Aizani, sie ist wohl einer Grund-
figurseite gleich in Laodikeia (= S5?) und vielleicht auch
in Telmissos (= S14?) und Tauromenion (= S4?) und sie
fällt mit der Bühnengrundfigurseite zusammen in Aspendos
(= S4; so ist anzunehmen gegen S. 70 und 88). Wie
man sieht, sind besondere Abweichungen von der grie-
chischen Regel nicht zu erkennen, also erscheint auch
die Annahme eines Umbaues der Bühne nijht gerade
wahrscheinlich. Doch dies nur so lange, als man die
Zahl der Fälle unbeachtet lässt: berücksichtigen wir
diese, zählen wir in neun Fällen sechsmal eine Sehne
als Bühnenhinterwand, so tritt ein nicht unwichtiges
Verdachtsmoment ^in. In den römischen Theatern stehen
5. Die umgebauten Bühnen. 181
sich Tangente und Sehne als Bühnenhinterwand nahezu
gleich: zehmal giebt nämlich die Tangente und neunmal
(mit Einschluss des Theaters zu Fäsulä) eine Sehne die
Lage der Bühnenhinterwand an; in den griechischen
dagegen finden wir eine Sehne als Bühnenhinterwand in
vierzehn Fällen nur fünfmal, vielleicht noch weniger oft,
da einige Male der Verdacht nicht ungegründet erscheint,
dass die Berichterstatter oder Zeichner die Vorderwand des
Hyposkenions fälschlich für die Bühnenhinterwand genom-
men haben. Doch lassen wir diesen Verdacht auf sich
beruhen und legen wir das angegebene Verhältnis der
Tangenten und Sehnen als Bühnenhinterwand im grie-
chischen Theater (9:5) zu Grunde, so dürfen wir in
neun Theatern nur dreimal eine Sehne als Bühnenhinter-
wand erwarten, wir sehen sie aber doppelt so oft ein-
treten. Diese durchschnittlich grössere Annäherung der
Bühnenhinterwand an den wagrechten Durchmesser ist
also eine Neuerung gegenüber der griechischen Gewohn-
heit, ein Anklang an die römische. Erleichtert warde
die Verlegung der Bühnenhinterwand wahrscheinlich in-
sofern, als man die alte Bühnenvorderwand im Neubau
verwerthen konnte; denn durch dieselbe Sehne ist ein-
mal die Bühnenvorderwand, ein andermal die Bühnen-
hinterwand bestimmt worden: vgl. S. 135 flf.
Noch weniger scheint unsere Behauptung eines Um-
baues des Bühnengebäudes die Probe zu bestehen in
Betreff der Skenenlänge, denn nicht ein einziges Mal ist
öie der gewöhnlichen römischen gleich. Sie beträgt
nämlich nach mehr oder minder sicheren Messversuchen
«
in vier Fällen so viel als eine Grundfigurseite und ein
Durchmesser des ürkreises zusammen, in den Theatern
zu Laodikeia (= S5 -f- 2r?), Telmissos (= S14 -f- 2r?),
Rhiniassa (S4 -f- 2r) und Tauromenion (S4 -f- 2r); sie be-
trägt so viel als Bühnengrundfigurseite 4- Durchmesser im
182 Zusätze zum dritten Theil.
Theater zu Aspendos (so richtig gegen S. 70 und 88),
Syrakus und Segeste (überall = S4 + 2r); sie beträgt
so viel als zwei Seiten der Grundfigur 4- Durchmesser
im Theater zu Pompeji und ist einmal seltsamer Weise
gleich zwei Fünfeckseiten bei einem Vierzehneck als
Grundfigur, im Theater zu Aizani. Mit Ausnahme der
beiden letzten Fälle ist also durchweg die griechische
Regel befolgt. Dies spricht selbstverständlich nicht zu
Gunsten der Annahme eines Umbaues, aber auch mit
Nichten dagegen. Im römischen Theater durfte die
griechische Weise befolgt werden und ist befolgt worden
viermal in achtzehn Fällen (S. 133 f.), die Beibehaltung
der ursprtlnglichen Skenenlänge war also beim Umbau
unanstössig; sie war manchmal vielleicht sogar noth-
wendig, wenn seitlich gelegene Baulichkeiten die seit-
liche Erweiterung der Skene verhinderten; sie war aber
wohl auch in manchen Fällen nur aus praktischen
Gründen geboten, um eine neue Fundamentirung zu
vermeiden. Der letzte Fall ist z. B. im Theater zu
Tauromenion anzunehmen, wo sogar, wie es scheint, die
Fundamente der alten seitlichen Bühnen grenzen, die
durch die senkrechten Tangenten des Urkreises bestimmt
sind, ganz gegen die sonstige Gewohnheit die Bei-
behaltung der alten Bühnenlänge und die Anlegung von
Seitenräumen veranlasst haben.
Nützlichkeitsrücksichten solcher Art, wie wir sie bei
der Anlegung der hinteren und seitlichen Grenzmauem
des Skenenvorderraumes vermuthet haben, fielen natür-
lich weg bei der Anlegung der Bühnenvorder^vand, da
für sie, wenn sie in die Orchestra vorgeschoben wurde,
eine alte Fundamentirung nicht zu verwerthen war. Da-
gegen trat eine Rücksichtnahme anderer Art. ein. Die
Endkeile des griechischen Zuschauerraumes gehen näm-
lich ziemlich weit über die Halbkreisform hinaus, bis zu
5. Die umgebauten Bühnen. 183
zwei Keilen (S. 117). Je nach der dem Baumeister
gestatteten oder von ihm willkürlich vorgenommenen
Verkürzung des Zuschauerraumes nun (S. 123 flF.) musste
die Lage der Bühnenvorderwand sich richten. Sich mit
dem wagrechten Durchmesser decken konnte die Bühnen-
vorderwand niemals, weil man eine Verkürzung der Flügel
des Zuschauerraumes bis über den Durchmesser hinaus
nie vorgenommen hat. Waren die Abschlussmauem des
Zuschauerraumes nach der Bühne zu ganz oder wenig-
stens im untern Theil, bzw. im ünterstock bis zum wag-
rechten Durchmesser zurückgeschoben, so konnte auch
die Bühnenvorderwand sich dem Durchmesser bis auf
eine Wenigkeit nähern, bis auf die Breite der Orchestra-
eingänge (itinera), falls diese angelegt wurden. So ist
der Abstand der Bühnenvorderwand vom Durchmesser
(auf dem Grundriss natürlich) unberechenbar klein im
Theater zu Syrakus, etwas grösser in den ftnf übrigen
Theatern mit einer Sehne als Bühnenhinterwand. Im
Theater zu Aspendos schneidet die Bühnenvorderwand
fast ®/i8 von der Peripherie des Urkreises ab und im
Theater zu Tauromenion Vie- C^ing der Zuschauerraum
in seinem unteren Theil über die Halbkreisform hinaus,
trat gar keine oder nur eine geringe Verkürzung ein —
hierher gehören die drei Theater, bei denen wir einen
Umbau des Zuschauerraumes nur vermuthet, nicht streng
gefolgert haben — so musste die Bühnenvorderwand
noch weiter vom wagrechten Durchmesser abstehen. Im
Theater zu Aizani schneidet demgemäss die Bühnen-
vorderwand nicht einmal ganz 7i4 von der Peripherie
des Urkreises ab, im Theater zu Laodikeia vermuthlich
7i5 und im Theater zu Telmissos noch weniger, nur Vu»
Die eben erwähnten Theater haben als Bühnen-
hinterwand eine Sehne-, eine Tangente oder eine weiter
vom Urkreise abstehende Linie konnte man nur wählen,
184 Zusätze zum dritten Theil.
wenn man die Absicht hatte die Flttgelabgchlossmauem
des Zuschauerraumes im ursprünglichen Bau beizubehalten
oder nicht allzusehr ganz oder theilweise nach dem
wagrechten Durchmesser zu zurückzuschieben. In diesem
Falle war ein gewisser Abstand der Bühnenvorderwand
von dem Durchmesser gleichfalls oder noch mehr an-
gezeigt. Und so schneidet auch die Bühnenvorderwand
in Segeste Vio von der Peripherie des ürkreises ab und
in Pompeji nur Vio* Es ergiebt sich demnach durchweg
eine den besonderen Verhältnissen angemessene Befolgung
der römischen Regel: Ein Zusammenfallen der Bühnen-
vorderwand mit dem wagrechten Durchmesser war nicht
zu ermöglichen und ist nur einmal bloss annähernd ein-
getreten; sonst ist die Lage der Bühnenvorderwand durch
eine Sehne bestimmt, die entweder dem grössten Ab-
stand der Grundfigurecken innerhalb einer ürkreishälfte
gleich wie im römischen Theater oder doch ungefähr
gleich ist (in Aspendos, Tauromenion, Aizani und Se-
geste) oder auch in nothwendiger Modifizirung dem
zweitgrössten Eckenabstand gleich ist (in Laodikeia^
Pompeji und Telmissos?).
So gut hier alles zur römischen £egel passt, so
wenig passt es zur griechischen. Am allerdeutlichsten
ist dies wahrzunehmen in den beiden zuletzt besprochenen
Theatern zu Segeste und Pompeji. Da in diesen Theatern
die Tangente, bzw. eine weiter vom ürkreise abstehende
Parallele die Lage der Bühnenhinterwand bestimmt,
sollte nach griechischer Gewohnheit die der Bühnen-
vorderwand durch eine Seite der Grundfigur gegeben
sein, also durch eine Zehneckseite in Pompeji und durch
eine Quadratseite in Segeste, und so war es vermuthlich
auch in der ursprünglichen Anlage. In den übrigen
sechs Theatern mit einer Sehne als Bühnenhinterwand
ist die Abweichung in der Lage der Bühnenvorderwand
5. Die umgebauten Bühnen. 185
von der griechischen Gewohnheit nicht ganz so leicht
darzulegen. Eine Regel war nämlich für die Lage der
Btihnenvorderwand im griechischen Theater nicht zu
gewinnen in den Fällen, wo die Bühnenhinterwand durch
eine Sehne bestimmt war, weil sich keine Spur der
Btihnenvorderwand erkennen liess: vgl. Zusatz 2 Anfang.
Trotzdem sind wir nicht ganz verlassen; denn wir kennen
die Lage der angrenzenden Theile des Theaters und
vermögen hieraus in jedem einzelnen Falle die Lage
der Btihnenvorderwand wenigstens annähernd zu be-
stinunen.
Es sind die Analemmata, die Parodoi und die
Btihnenhinterwand, die uns diese Möglichkeit gewähren.
Die Lage der Btihnenhinterwand und die Btihnengrenzen
des Zuschauerraumes (Analemmata) sind bekannt, und
zwischen den Analemmata und der Btihnenvorderwand
liegen im griechischen Theater offene Orchestraeingänge
(Parodoi), deren Breite ungefähr zu berechnen ist. Sie
ist mindestens gleich sechs Mannesbreiten, nach dem
Einzug des komischen Chors geurtheilt, nach dem des
tragischen, mindestens gleich fünf Mannesbreiten. Ziehen
wir diese Breite von dem Abstand der Analemmata und
der Bühnenhinterwand ab, so erhalten wir die grösst-
mögliche Bühnentiefe und damit die ungefähre Bestim-
mung der Lage der Bühnenvorderwand. Prüfen wir
jetzt die von uns als umgebaut bezeichneten Bühnen, so
werden wir kaum bei irgend einer eine solche Lage der
Bühnenvorderwand finden, wie sie von uns in einem
griechischen Theater verlangt werden muss.
Im Theater zu Tauromenion haben wir als ursprtlng-
liche untere Begrenzung des Zuschauerraumes gemäss
der in den ürkreis eingeschriebenen Grundfigur %5 des
ürkreises anzusetzen: vgl. S. 106 f. Es wäre indessen
auch möglich, dass die untere Grenze des Zuschauer-
186 Zusätze zum dritten Theil.
raumes ^Vn ^^s ürkreises betragen hat. Wir haben
nämlich vier schiefgestellte Quadrate als Grundfigur an-
genommen in Rücksicht auf die Vomitorien und die nach
ihnen voraussichtlich hinaufführenden Treppen. Die
Treppen und Vomitorien im Oberstock haben nun aber
nicht überall dieselbe Lage wie die Treppen des ünter-
stocks (S. 114), zuweilen finden sich die Treppen-Radien
des Oberstocks nur mitten zwischen den Treppen-Radien
des Unterstocks angelegt, wie z. B. im Theater zu Eu-
gubium 25 (11 16). Nehmen wir diesen Fall hier an,
dann haben wir vier Quadrate als Grundfigur in den
ürkreis so eingezeichnet, wie die Regel es verlangt,
nämlich so, dass eine Quadratseite die gleiche Richtung
mit der Bühne hat, und dann haben wir ^7i6 ^^r Peri-
pherie des ürkreises als untere Begrenzung des Zu-
schauerraumes vorauszusetzen wie im Theater zu Stra-
tonikeia 44 (I 8). Doch lassen wir als untere Grenze
des Zuschauerraumes Vie des ürkreises bestehen. Die
Endpunkte der unteren Grenze des Zuschauerraumes
sind auch die Orchestraenden der Analemmata, und ihre
Verbindungslinie ist eine Sehne des ürkreises, die von
der Peripherie desselben Vie abschneidet (abgekürzt =
SViß)« Die Bühnenhinterwand ist durch die Quadrat-
seite gegeben, also durch eine Sehne des ürkreises,
welche Vi« ^^^ ^^^ Peripherie desselben abschneidet
(= SVie)* Diese beiden Sehnen müssten, wenn die An-
lage rein griechisch wäre, die Bühne und die Parodoi
einschliessen, sie schliessen aber in unserem Theater nur
die Bühne ein!
Aehnlich liegt die Sache in den übrigen Theatern:
überall geht die Bühnenvorderwand, verglichen mit der
des rein griechischen Theaters, verhältnismässig zu weit
in den ürkreis vor, vielleicht mit einziger Ausnahme des
Theaters zu Telmissos. Dies im Einzelnen nachzuweisen
5. Die umgebauten Bühnen. 187
unterlasse ich deshalb, weil die Parodoi, auf die es
hierbei wesentlich ankommt, eine selbständige Betrach-
tung verlangen.
In Vitruvs Konstruktion des griechischen Theaters
sind oflfene Orchestraeingänge oder Parodoi vorhanden,
von ihm wahrscheinlich intervalla genannt (S. 25 f.),
und ebenso in dreizehn von den vierzehn oben besproche-
nen rein griechischen Theatern. Eine Ausnahme macht
nur das Theater zu Hierapolis 8 (I 12); da aber die
Regel der Natur der Sache nach keine Ausnahme duldet,
so sind nur zwei Fälle denkbar: entweder ist der Plan
im Wieselerschen Werk der Wirklichkeit nicht ent-
sprechend, oder das Theater zu Hierapolis ist kein rein
griechisches, sondern ein umgebautes. Eine Entscheidung
vermögen, aber brauchen wir auch nicht zu treffen.
Diese Parodoi nun sind im römischen Theater ver-
schwunden infolge von Aenderungen im Schauspielwesen:
die dramatischen Darstellungen wurden auf den Bühnen-
räum beschränkt und die Orchestra zum Zuschauerraum
gezogen; offene Eingänge in die Orchestra, für den
Einzug des Chors nothwendig, waren es nicht mehr bloss
für den Eintritt der Zuschauer, sie wurden bedeckt mit
Zuschauersitzen oder in den Endkeilen des Zuschauer-
raumes angelegt oder auch ganz weggelassen. Nach
meinen Beobachtungen, die sorgfältiger sein müssten,
wenn die Beantwortung der vorliegenden Frage mehr
als blosse Nebenbemerkung sein sollte, sind die Orchestra-
eingänge im römischen Theater in der Regel bedeckte
Gänge zwischen den Abschlussmauem des Zuschauer-
raumes und der Bühnenvorderwand, wie z. B. in den
Anlagen zu Herculaneum 6 (II 8), Nora 30 (A 20), Pom-
peji (Odeon) 33 (H 7B) und Tusculum 48 (H 11). In
vielen Theatern ist diese Bedeckung natürlich eingestürzt,
doch wird ihr ursprüngliches Dasein durch verschiedene
188 Zusätze zum dritten Theil.
Anzeichen bezeugt. Nur eine einzige Anlage, das Odeon
bei Neapel 29 (II 9B), hatte von Anfang an, wie es
scheint, keine bedeckten Eingänge; wer wird aber diesem
kleinen Privattheater irgend welche Bedeutung beilegen?
Wenig zahlreich sind die. römischen Theater ohne diese
seitlichen Orchestraeingänge ; ich rechne dazu die Theater
zu Pola 3 (A 17) und Eugubium 25 (H 16) und die
Odeen zu Athen 42 (I 26) und bei Tibur 15 (H 13);
(die von Wieseler S. 18 erwähnten unbedeckten Orchestra-
eingänge in dem letzteren Odeon finden sich nicht auf
dem Grundriss und wären, wenn sie sich fänden, zurück-
zuweisen). Die vitruvische Vorschrift über die Anlegung
von Orchestraeingängen (itinera) in den Endkeilen des
Zuschauerraumes ist in den von uns berücksichtigten
römischen Theatern nicht befolgt worden, was uns jetzt
wohl nicht mehr Wunder nehmen wird; Orchestraeingänge
vitruvischer Art finden sich dagegen öfter in den um-
gebauten griechischen Theatern, auf die wir jetzt einzu-
gehen haben.
Gleich wie in den römischen Theatern sind in den
umgebauten griechischen, ein deutlicher Beweis des Um-
baues, die breiten offenen Orchestraeingänge eingezogen
worden. Eine halbe Ausnahme macht das Theater zu
Telmissos, insofern als, wie es scheint, nur eine Ver-
schmälerung der Eingänge eingetreten, aber eine Ver-
bindung der Skenenenden mit den Analemmata noch
nicht vorgenommen worden ist; man kann also diese
Anlage als üebergang von der alten zur neuen Art be-
trachten. Der zweite Schritt zur römischen Art wird
durch ein völliges Weglassen der Parodoi gemacht wor-
den sein — ich glaube, dass dieser Schritt vorwärts
gethan wurde in den Theatern zu Dramyssos, Laodikeia,
Segeste, Aizani und Rhiniassa — imd der letzte Schritt
war die Anlegung von Orchestraeingängen (itinera) in
5. Die umgebauten Bühnen. 189
den Endkeilen des Zuschauerraumes, wie wir sie wahr-
nehmen in den Theatern zu Aspendos, Sjrrakus, Pom-
peji, Tauromenion und Katana.
Ebenso durchschlagend, freilich nur für einzelne
Theater, kann der Umbau bewiesen werden aus der
Lage der Nebenthüren in der Bühnenhinterwand. In
den römischen Theatern sind diese Thüren durch senk-
rechte Tangenten des ürkreises bestimmt (achtmal in
zwölf Fällen: vgl. S. 177), in den griechischen nie; also
nur infolge eines Umbaues, dürfen und müssen wir
schliessen, ist die Lage der beiden der Hauptthür zu-
nächst liegenden Nebenthüren in der Bühnenhinterwand
durch senkrechte Tangenten des ürkreises angegeben in
den Theatern zu Pompeji und Laodikeia. In den übrigen
Theatern ist eine Folgerung aus der Lage der Thüren
nicht gestattet, da die zur Anwendung gekommene grie-
chische Art der Thürbestimmung auch in römischen
Theatern nicht ungewöhnlich ist. Die beiden der Haupt-
thür zunächst gelegenen Nebenthüren in der Bühnen-
hinterwand sind im Theater zu Aizani sicher durch
die zwei Radien des ürkreises bestimmt, welche durch
die dem senkrechten Radius zweitnächst gelegenen Ecken
der Grundfigur hindurchgehen. Dasselbe ist im Theater
zu Telmissos der Fall; nur ist die Lage der Thüren hier
derartig, dass man auch senkrecht von den betreflfenden
Ecken der Grundfigur nach der Bühnenhinterwand ge-
zogene Linien als Bestimmungslinien der Thüren ansehen
kann. Ebenso muss es unentschieden bleiben, ob in den
Theatern zu Aspendos und Tauromenion durch Radien
oder senkrechte Linien die Lage der betreflfenden
Thüren gegeben ist; massgebend in beiden aber waren
die Endpunkte einer der Bühne nahe liegenden und ihr
parallelen Quadratseite.
Die Stichhaltigkeit unserer Behauptung eines um-
190 Zusätze zum dritten Theil.
banes in den genannten Theatern ist hoffentlich genügend
erwiesen, unzweifelhaft scheint sie mir in denjenigen
Theatern zu sein, deren Sitzraumumbau wir mit Be-
stimmtheit angenommen haben, unzweifelhaft aber auch
in den Theatern zu Laodikeia und Aizani. In Laodikeia
spricht entscheidend für einen Umbau das Fehlen der
Parodoi imd die Thürbestimmung, in Aizani die geringe,
für die Parodoi keinen Raum lassende Bühnentiefe (sie
beträgt nach Texier bei Wieseler S. 115 nur 4 m 40).
Das einzige Theater, bei dem deutliche Anzeichen eines
Umbaues nicht hervortraten, ist das Theater zu Tel-
missos, also dasjenige, bei dem wir schon früher S. 129 f.
einschneidende Aenderungen am wenigsten zu behaupten
gewagt haben.
Sechster Zusatz. Die übergangenen Grund-
risse. Aus äusserem Zwang lege ich die Feile weg,
aber ich lege sie weg in der tröstenden Gewissheit, dass
es einige giebt, die urtheilsfähig genug sind, um eine
Arbeit wie diese anders als bloss nach ihren Mängeln
zu würdigen. Als eine wirkliche Zugabe lasse ich nur
noch das folgen, was uns ein Rückblick unseres jetzt
geschärften Auges auf die übergangenen Theaterüberreste
lehrt. Wohl kaum nöthig dürfte sein vorauszuschicken,
dass auch hierbei die Kleinheit der Grundrisse und ihre
sonstige Unzuverlässigkeit das Verlangen einer Gewähr-
leistung der im Folgenden zu machenden Angaben als
Unbilligkeit erscheinen lassen. I, II und A bedeuten
die Wieselerschen Tafeln, T. = Theater, 0. = Odeon.
12. T. zu Adria. Die Grundfigur besteht wohl
aus zwei Quadraten, und dementsprechend dürfte die
Länge der (nicht erhaltenen) Skene Quadratseite -4- Durch-
messer betragen haben.
110. T. zu Mi 1 et. Legen wir den Wieselerschen
Grundriss als zuverlässig zu Grunde^ so sind als Grund-
6. Die übergangenen Grundrisse. 191
figur 3 Fünfecke anzusetzen und als untere Begrenzung
des Zuschauerraumes 7i5 ^^^ Peripherie des Urkreises,
genau so wie im Theater zu Laodikeia 28 (I 11): s.
S. 68. Wenn wir hier eine griechische Anlage an-
erkennen sollen^ muss uns die Freiheit zugestanden
werden in einigen Punkten den Plan als nicht ganz
sicher zu bezeichnen; darf man dagegen einen Umbau
annehmen, so schwinden mehrere Bedenken, alle trotz-
dem nicht.
I13^ T. zu Pessinus. Der Plan soll ganz unzu-
verlässig sein; aus den Partien, die wir hauptsächlich
ins Auge gefasst haben, kann dies nicht erschlossen
werden, da sie mit der griechischen Regel überein-
stimmen. Der Grnndriss zeigt nämlich ein Achteck als
Grundfigur, % der Peripherie des Urkreises als untere
Begrenzung des Zuschauerraumes, Achteckseite + Durch-
messer als Skenenlänge, die Tangente als Bühnenhinter-
wand und als Bühnenvorderwand eine Sehne, welche
nicht ganz bis an die Verbindungslinie der Orchestra-
enden der Analemmata herantritt; dagegen ganz un-
griechisch ist die Ausbauchung der Bühnenhinterwand
(vgl. S. 129; beruht diese auf Unrichtigkeit der Zeich-
nung, so ist natürlich an einen Umbau, bzw. Neubau
nicht zu denken).
1 14. T. zu Bostra. Das Theater ist augenschein-
lich ein römischer Bau. Ungewöhnlich ist die über die
Halbkreisform hinausgehende Gestalt des Zuschauer-
raumes, da sie nur einmal, in Eugubium 25 (U 16), in
zwanzig Fällen vorkommt, und ungewöhnlich ist auch
die einen Durchmesser betragende Skenenlänge. Erhalten
ist vom Zuschauerraum nur der obere oder oberste Stock,
so dass der Urkreis nur durch Probiren gefunden werden
kann. Er ist höchst wahrscheinlich der, dessen Tangente
die Bühnenhinterwand ist. In diesen Urkreis sind vier
192 Zusfttze zum dritten Theil.
regelmässige Dreiecke eingeschrieben; die untere Be-
grenzung des Zuschauerraumes umfasst acht von den
zwölf möglichen Keilen; die Analemmata sind mit dem
wagrechten Durchmesser gleichlaufend angelegt, die
Verbindungslinie der Analemmata ist also eine Dreieck-
seite, und diese Seite ist die Bühnenvorderwand. Die
Konstruktion dieses Theaters entspricht demnach der
vitruvischen, nur dass für den Zuschauerraum nach
griechischer Art zwei Keile mehr verwerthet und dem-
zufolge die Vorderwand und die Hinterwand der Bühne
in entsprechendem Verhältnis zurückgeschoben worden sind
und dass ausserdem die Bühnenlänge die griechische ist.
115. T. zu Gabala. Dies Theater ist entweder
ähnlich wie das eben besprochene oder noch genauer
vitruvisch konstruirt.
117. T. von De los. Wir haben hier eine grie-
chische Konstruktion, ähnlich der ursprünglichen des
pompejanischen Theaters 31 (HTA). Ein Zehneck
bildet die Grundfigur, ujid sieben von den zehn möglichen
Keilen sind für den Zuschauerraum bestimmt. Die
Skenenlänge ist vielleicht aus einem Strich auf der Figur
zu vermuthen, welcher möglicherweise eine seitliche
Grenze des Bühnengebäudes bezeichnet. Der Abstand
dieser Grenze von der symmetrisch auf der andern Seite
zu ergänzenden beträgt Zehneckseite + Durchmesser.
Die Bühnenvorderwand wird durch eine Zehneckseite
gegeben sein, und die Bühnenhinterwand weiter als die
Tangente vom Urkreis abgestanden haben, beides wie
nach Vermuthen ursprünglich im Theater zu Pompeji.
118. T. zu Melos. Grundfigur ein Elfeck, wie
oben schon angegeben worden ist. Ein umbau ist an-
zunehmen; denn der Zuschauerraum hat ganz rein grie-
chische Gestalt, die Bühne nicht, da die Mauer in der
Verbindungslinie der Endpunkte der Analemmata niu*
6. Die übergangenen Grundrisse. 193
die Bühnenvorderwand des nach römischer Weise um-
gestalteten Theaters sein kann.
119. T. zu Sparta. Der Zuschauerraum scheint
gestaltet wie im Theater zu Bostra (1 14) : Grundfigur vier
Dreiecke, untere Begrenzung des Zuschauerraumes = %2
des Urkreises, Analemmata parallel dem wagrechten
Durchmesser. Aber während in Bostra ein Bau aus
römischer Zeit, beeinflusst durch die griechische Art, an-
zunehmen ist, haben wir hier nur an einen Umbau in
römischer Zeit zu denken.
120. T. zu Megalopolis. Die halbkreisförmige
Gestalt des jetzigen Zuschauerraumes lässt die Annahme
eines griechischen Baues als völlig ungerechtfertigt er-
scheinen; man könnte höchstens einen Umbau vermuthen.
Nur ein einziges und noch dazu nicht zuverlässiges
Zeichen (eine senkrecht zum linken Analemma stehende
Mauer) deutet auf zwei Siebenecke als Grundfigur.
121. T. zu Mantineia. Das Theater ist in ähn-
licher Weise umgebaut worden wie das pompejanische
31 (TL 7 A) ; dies zeigt uns der wagrechte Abschluss des
über die Halbkreisform hinausgehenden unteren Theiles
und des noch weiter vorgehenden oberen Theiles des
Zuschauerraumes. Die Grundfigur bilden sechs oder drei
Dreiecke, der Zuschauerraum in seiner unteren Begren-
zung umfasste und umfasst noch jetzt ^Vis ^^^^ V9 von
der Peripherie des Urkreises. Die Bühnenhinterwand
war und ist durch die wagrechte Tangente des Urkreises
und die Bühnenvorderwand durch die wagrechte Dreieck-
seite gebildet, beides nach Vermuthung. Die neue Bühne
wird sich also in ihrem Grundriss von der alten wohl
nur durch eine grössere Länge unterschieden haben.
122. T. zu Argos. Die Lage der drei Treppen
im Unterstock ist auf der Zeichnung augenscheinlich
fehlerhaft angegeben: die mittlere und die zur Hälfte
Oehmichen, Griech. Theaterbau. 13
194 Zusätze zum dritten Theil.
gezeichnete weisen auf zwei Fünfecke als Grundfigur,
die mittlere und die links von ihr liegende dagegen auf
eine Grundfigur von vier Quadraten.
I 24 T. zu Sikyon. Die Konstruktion dieses
Theaters scheint eine rein griechische zu sein und zwar,
wenn ich mich nicht irre, die vitruvische. Meine An-
haltspunkte sind die Änalemmata, deren Lage allerdings
nicht sicher zu bestimmen ist, und die Reste der Wände
des Bühnengebäudes. Als eine seitliche Skenengrenze
sehe ich den linken senkrecht zur Bühne stehenden
Wandstumpf an und den ebenso stehenden auf der
rechten Seite als Fortsetzung einer der beiden seitlichen
Bühnengrenzen im Skenenhinterraum.
125. T. zu Thorikos. Ich zweifle nicht, dass
diese Anlage trotz ihrer Wunderlichkeit in vielfacher
Beziehung die Eigenthümlichkeiten des griechischen
Theaters bewahrt hat, allein aufzufinden sind diese auf
dem mangelhaften Grundrisse nicht.
115 B. 0. zu Katana. Bei Wieseler S. 11 heisst
es: ^Zur Seite des Theaters (II 5A) gelegen und ihm
ähnlich, nur dass es bedeutend kleiner ist . . . Das
Aeussere des Gebäudes ist mit Pilastem geschmückt,
16 ganzen und 2 halben an den Ecken. In der Mitte
derselben stehen 17 Kreisbögen, welche den Mauern
und Gewölben entsprechen, die im Innern die Sitze
trugen." Es ist wenig, was uns hier zur Unterlage
dient, aber es genügt, um wenigstens die Grundfigur zu
bestimmen. Zu beachten ist zunächst die Aehnlichkeit
des Odeons und Theaters. Aus dieser Aehnlichkeit
dürfen wir mit einiger Berechtigung auf eine Gleichheit
der Grundfiguren schliessen, die ja auch im Theater 31
(n 7 A) und Odeon 33 (11 7 B) zu Pompeji vorhanden
ist. Danach sind also vier Quadrate, schief gestellt,
als Grundfigur zu vermuthen: vgl. S. 105 flf. Bestätigt
6. Die übergangenen Grundrisse. 195
wird unsere Veimuthung durch die oben angegebene
Zahl der Pilaster und Kreisbögen; diese ist genau so
gross, als wir sie für die Treppen und Keile im Ober-
stock bei entsprechend schiefer Stellung der vier Qua-
drate und bei Verdoppelung der Treppen voraussetzen
müssen; vorauszusetzen sind aber achtzehn Treppen und
fünfzehn und zwei halbe Keile, oder falls der Zuschauer-
raum die Halbkreisform ein wenig überschreitet, was
ich nicht entscheiden kann, siebzehn Keile.
n 10. T. zu Antium. Der Blanchinische Plan (bei
Wieseler) ist von Winckelmann verdächtigt worden, und
auch Wieseler räth zur Vorsicht. Dass diese angebracht
sei, soll nicht bestritten werden, dass aber die Ver-
dächtigung zum Theil unrecht war, ist unzweifelhaft.
Wir haben hier eine Anlage mit drei Quadraten als
Grundfigur vor uns, und dieser Grundfigur entsprechend
ist die Treppenanlage. Wer bloss Vitruvs Vorschriften
gelten lässt, muss natürlich Anstoss nehmen, da er in
einem offenbar römischen Bau die griechische Konstruk-
tion angewandt sieht; aber dieser Standpujikt ist jetzt
nicht mehr zulässig. Drei Quadrate sind zwar als
Grundfigur in einem römischen Theater ujigewöhnlich,
aber doch auch nicht unerhört, wie das Odeon des He-
rodes Attikos 42 (I 26) zeigt. Auch sonst finde ich in
unserer Anlage fast gar nichts Anstössiges, nur muss
man, wie ich bestinmat glaube, den gesanunten hinteren
Raum als eine gesonderte Anlage, vielleicht als Ther-
men, fassen. Die Halbkeile als Endkeile sind echt
römisch; die Länge der Skene beträgt zwei Durchmesser;
die Bühnenvorderwand war der wagrechte Durchmesser;
die Bühnenhinterwand scheint zwar die Tangente zu
sein, allein es ist wohl eine Sehne gewesen, in der Mitte
zwischen dem wagrechten Durchmesser und der wag-
13*
196 Zusätze zum dritten Theil.
rechten Tangente liegend und der untersten Mauer des^
Grundrisses (am Massstab) entsprechend.
AB. T. zu Balbura. Die Konstruktion ist der
des Theaters zu Kibyra 12 (A 9) sehr ähnlich, wenn
nicht gleich. Die Grundfigur besteht aus drei (oder
sechs?) Dreiecken, der Zuschauerraum umfasst fünf
Keile von den neun möglichen und die Skenenlänge
beträgt eine Quadratseite und einen Durchmesser zu-
sammengenommen. Sonstige Vermuthungen würden in
der Luft schweben.
A 10. 0. zu Kibyra. Auf eine gewisse Aehnlich-
keit dieser Anlage mit der zwischen Xanthos und Kydna
11 (A4) ist schon früher S. 81 aufmerksam gemacht
worden. Im Uebrigen ist dies Odeon höchst eigenthüm-
lieh; der Grundriss ist folgendermassen hergestellt. Es
werden zwei konzentrische Drittelkreislinien genau gegen-
über der anzulegenden Bühne und von ihren Endpunkten
bis zum wagrechten Durchmesser senkrechte Linien ge-
zogen. Diese so begrenzte hufeisenförmige Fläche wird,
wie es scheint, durch die verlängerte Verbindungslinie
der Endpunkte der kleineren Drittelkreislinie in drei
Theile zerlegt. Der mittelste ist der eigentliche Zu-
schauerraum, der somit sozusagen drittelkreisförmige
Gestalt hat. Links und rechts nach der Bühne zu
stossen an ihn vermuthlich mit Zuschauersitzen be-
deckte Orchestraeingänge (itinera), und der Rest der
hufeisenförmigen Fläche gehört wohl zur Bühne, deren
Hinterwand der wagrechte Durchmesser ist. Die Anlage
würde danach zu den römischen zu rechnen sein. Die
Grundfigur ist nicht genau zu bestimmen: man kann an
drei Dreiecke oder an ein Neuneck, man kann aber
auch an Sechsecke denken; bei einem Neuneck ala
Grundfigur könnte man vielleicht Neuneckseite -h Durch-
messer als Skenenlänge ansetzen.
6. Die übergangenen Grundrisse. 197
A 11. 0. ZU Anemurion. Die obere und untere
Begrenzung des Zuschauerraumes sind in der Mitte
konzentrische Halbkreise, die nach den Flügeln zu in
Tangenten der betreffenden Kreise tibergehen. In den
Urkreis sind zwei Quadrate als Grundfigur eingetragen.
Die der Bühne zunächst liegende und ihr parallele
Quadratseite ist die Bühnenvorderwand, ihre Verlänge-
rungen nach rechts und links sind die Analemmata, die
Tangente des Urkreises ist die Bühnenhinterwand und
zwei Durchmesser oder ein Weniges mehr beträgt die
Skenenlänge. Mit Ausnahme der tiberhalbkreisförmigen
Oestalt des Zuschauerraumes ist alles römisch ; es finden
sich sogar itinera in den Endkeilen; nur der Abstand
der Thüren in der Bühnenhinterwand ist grösser als
sonst, aber er war nothwendig infolge der Kleinheit der
Anlage.
A 12. T. zu Alexandria. Es scheint der vitru-
vischen Konstruktion des römischen Theaters ziemlich
zu entsprechen. Vier Dreiecke sind wohl die Grundfigur
und die wagrechte Dreieckseite die Bühnenhinterwand;
nur die Skenenlänge weicht von Vitruvs Vorschrift ab,
da sie, wie wir wohl nach den seitlichen Mauerresten
annehmen dürfen, Dreieckseite + Durchmesser beträgt.
A 13. 0. zu Akra. ^Ob wirklich ein Theater-
gebäude?" so fragt Wieseler, und ich glaube mich seinem
Zweifel anschliessen zu sollen. Ein Sechseck ist die
Grundfigur, drei Keile von den sechs möglichen nimmt
der Zuschauerraum ein, und die Länge der Skene, wenn
es eine solche gab, hat vielleicht Quadratseite -h Durch-
messer betragen.
A 15. T. bei Tibur. Wieseler nimmt S. 106^ An-
stoss an der Breite (Tiefe) der Bühne. Mit Recht; nur
ist die Berufung auf den Gnmdriss des Theaters zu
Antium (11 10) jetzt nicht mehr angebracht; es genüg!
198 Zusätze zum dritten Theil.
darauf hinzuweisen, dass durch eine weiter als die
Tangente vom Urkreise abstehende Linie die Btihnen-
hinterwand in keinem römischen Theater bestimmt wor-
den ist: vgl. S. 135 f. Gleichfalls richtig äussert Wieseler
Bedenken gegen die Säulenhallen an den Seiten der
Bühne (portiques sur les cötes du proscene), die sich so
sonst nirgends finden. Dagegen kann ich in Bezug auf
die Nebenthüren rechts und links von der Einbauchung
in der Bühnenhinterwand Wieselers Ansicht nicht bei-
pflichten; ich halte sie für die bekannten Nebenthüren
trotz seines Hinweises auf das Theater zu Ferentum,
erstens weil sie eine ganz andere Lage haben, eine
Lage, wie sie nur für Btihnenthüren zu finden ist, und
zweitens weil für die Räume, in die sie führen, eine
Identität der Bestimmung mit den ähnlich gelegenen
Räumen im Theater zu Ferentum nicht zu erweisen ist.
Natürlich müssen diese Räume in unserem Theater auch
Ausgänge nach dem Innern des Skenengebäudes gehabt
haben; ihr Fehlen auf dem Grundrisse weist somit auf
eine weitere üngenauigkeit der Zeichnung hin. Sonst
finde ich im Skenenvorderraum und im Zuschauerraum
nichts auffällig, denn bedeckte Orchestraeingänge (itinera)
sind nicht unbedingt nöthig. Vier Dreiecke als Grund-
figur sind durch nichts zu erweisen, aber doch als das
Nächstliegende zu vermuthen, der Zuschauerraum ist
halbkreisförmig, die Skenenlänge gleich zwei Durch-
messern; die Nebenthüren in der Bühnenhinterwand sind
durch senkrechte Tangenten des Urkreises bestimmt und
die Bühnenvorderwand durch den wagrechten Durch-
messer.
A 16. T. zu Ferentum. Der ürkreis ist nach
Figur 16 a zu bestimmen. Wir dürfen wohl auch hier
vier Dreiecke als Grundfigur für den halbkreisförmigen
Zuschauerraum voraussetzen; als Skenenlänge scheinen
\
6. Die übergangenen Grundrisse. 199
drei Radien angenommen zu sein; die Bühnenhinterwand
ist (ohne Berücksichtigung der Ausbauchungen) durch
die wagrechte Dreieckseite bestimmt, und die Neben-
thüren in ihr sind durch die senkrechten Tangenten des
ürkreises angegeben; die Bühnenvorderwand ist wohl
mit dem Durchmesser zusammengefallen, und demzufolge
sind keine Orchestraeingänge (itinera) auf der Bühnen-
hälfte des ürkreises anzunehmen.
A 19. T. zu Alauna. Die Grundfigur geht an den
unteren Treppenenden entlang, und eingeschrieben in
ihn sind zwei Quadrate. Der Zuschauerraum schreitet in
griechischer Weise über den Halbkreis hinaus, er würde
sechs von den acht möglichen Keilen umfassen, wenn
die Analemmata nicht parallel der Bühne liefen und so-
mit die Endkeile nach oben zu verschmälerten. Die
Länge und Tiefe der Bühne sind nicht zu bestimmen;
die Bühnenvorderwand ist die wagrechte Quadratseite.
Die radiale Gliederung des Zuschauerraumes ist einzig
in ihrer Art. Zerlegt wird er nicht durch einfache
Treppen, sondern durch je zwei parallele; diese haben
aber nicht wie sonst die Richtung der Radien des ür-
kreises, sondern laufen durch die entsprechenden Quadrat-
ecken hindurch nach einem andern Mittelpunkte,
nach dem Halbirungspunkte des nach der Bühne senk-
recht gezogenen Halbmessers des ürkreises oder nach
dem Durchschnittspunkte des senkrechten Durchmessers
und der wagrechten Seite eines in den ürkreis ein-
geschriebenen regelmässigen Dreiecks.
Die übersichtliche Zusammenstellung der als be-
achtenswerth hingestellten Eigenthümlichkeiten der eben
besprochenen Theater hat denselben Zweck wie die
Tabelle auf S. 88 flf. Dieselben Abkürzungen wie dort
sind natürlich auch hier in Anwendung gekommen; die
gruppenweise Anordnung, die jetzt nicht mehr noth-
200
Zusätze zum dritten Theil.
wendig gewesen wäre, wurde beibehalten einerseits
wegen der Gleichmässigkeit, andrerseits deshalb, weil
für eine andere Anordnung die zu bruchstückartige Er-
haltung der üeberreste nicht durchaus genügende An-
haltspunkte ergab.
1.
2.
3.
4.
5.
51 (A 15) T. Tibur
4f3?
6:12?
4r
T?
52 (A 16) T. Ferentum
4f8V
6 : 12?
3r?
8(83)
53 (A 12) T. Alexandria
4f3?
6 : 12?
S3 + 2r?
8(83)
(Troas)
54 (115) T. Gabala (Syr.)
4f3?
6: 12?
üb. 2r
T?
55 (1 14) T. Bostra (Syr.)
4f3
8:12
2r
T
56 (1 19) T. Sparta
4f3?
[3f4
8:12?
7: 12]
—'
—
57 (A8) T. Balbura
3f3 (fj
5:9
S4 4-2r
—
(Lyk.)
58 (121) T. Mantineia
6f3 od. 3f3
10 : 18
—
T?
59 (AlO)O.Kibyra(Lyk.)
3l3) tfl» *9 ^
3:9
So + 2r?
D
60 (A V6) 0. Akrae (Siz.)
f. (f*?)
3:6
S4-4-2r?
—
61 (1 22) T. Argos
2f6,4f4?
—
62 (1 10) T. Milet (Kar.)
3f,?
9 : 15?
— —
63 (1 17) T. Delos
f,o
7:10
Sio4-2r?üb.T?
64 (1 20) T. Megalopolis
2f,?
7 : 14?
S7 4-2r?
65 (1 24) T. Sikyon
3f4?
7:12?
S4 4- 2r?
T
66 (II 10) 0. Antium
SU
52/2 : 12
4r
S?
67 (II 5 B) 0. Katana
ift?
8:16?
(Siz.)
68 (1 2) T. Adria
2U?
4:8?
S4 + 2r?
—
69 (All) 0. Aneraurion
2f,
6:8
4r?
T
(Kilikien)
1
70 (A 19) T. Alauna
2f*
6:8
__
—
(Frankreich)
71 (I13b) T. Pessinus
fs
5:8
S8 4-2r
T
(Galatien)
72 (1 18) T. Melos
fu
6:11
—
—
73 (125) T. Thorikos
9
•
—
—
6. Die übergangenen Grundrisse. 201
Von den dreiundzwanzig kurz besprochenen Anlagen
rechne ich vier zu den rein griechischen: die Theater
zu Balbura 57 (A 8), Delos 63 (I 17), Sikyon 65 (I 24)
und mit einigem Bedenken das zu Pessinus 71 (I 13^).
Ursprünglich griechische Anlage ist zum Theil, besonders
aus der Gestalt des Zuschauerraumes, noch zu erkennen
in den umgebauten Theatergebäuden, zu denen folgende
zu zählen sind: die Theater zu Sparta 56 (I 19), Man-
tineia 58 (I 21), Milet 62 (I 10), Megalopolis 64 (I 20)
und Melos 72 (I 18). Unentschieden muss es bleiben,
ob die griechische oder die römische Bauweise bei der
Erbauung eingetreten ist in den Anlagen zu Argos 61
(I 22), Kibyra 59 (A 10) und Thorikos 73 (I 25); doch
lässt die allgemeine Wahrscheinlichkeit auf die erstere
schliessen. Allerdings, wenn im Odeon zu Kibyra der
linke Orchestraeingang mit einem Tribunal überdeckt
ist, ohne einen Unibau erkennen zu lassen, muss man
einen römischen Neubau annehmen. Diese drei Theater-
anlagen bieten zu wenig und werden deshalb im Folgen-
den unberücksichtigt bleiben, ebenso wie das Odeon zu
Akra 60 (A 13), das römischen Typus zeigt, aber als
Theateranlage verdächtig ist. Die übrigen zehn Theater
sind römisch.
In Bezug auf die vorgenommene Scheidung in grie-
chische, umgebaute und römische Anlagen befinde ich
mich fast durchweg mit Wieseler in Uebereinstimmung,
wenn ich einige Male aus der blossen Anführung von
Ansichten anderer Forscher auf seine Ansicht schliessen
darf. Nur in Betreff des Theaters zu Megalopolis 64 (1 20)
bedam-e ich von seiner Meinung abweichen zu müssen.
Wieseler hält es, wie es scheint, für ein rein griechisches,
wenn er S. 6b weiter nichts sagt als: „Das Theater
Vurde wie die ganze Stadt bald nach der Schlacht bei
Leuktra 371 v. Ch. G. erbaut;" die halbkreisförmige
202 Zusätze zum dritten Theil.
Gestalt des Zuschauerraumes spricht aber ganz ent-
schieden dagegen (und desgleichen vielleicht auch die
senkrecht zum linken Analemma stehende Mauer der
Skene, wenn es eine wirkliche Mauer ist). Man würde
einen römischen Neubau annehmen müssen, wenn das
Theater den Reisenden nicht allgemein den Eindruck
einer griechischen Anlage gemacht hätte; man wird
also nur einen Umbau in römischer Zeit behaupten
dürfen, wie es oben geschehen ist.
Mit unserer Scheidung stimmt auch die geographische
Lage der Theater überein. Die griechischen liegen auf
dem griechischen Festland, den griechischen Inseln und
in den früh gräcisirten Ländern Kleinasiens, die römi-
schen dagegen in den Ländern, wo die griechische
Kultur vor der römischen nicht eingedrungen war oder
doch keinen festen Boden gefasst hatte: in Italien (vier),
Sizilien (eins), Frankreich (eins); femer in Syrien (zwei),
Troas (eins), Kilikien (eins). In Katana wird in römi-
scher Zeit das Odeon 67 (11 5B) erst errichtet, das
schon vorhandene Theater 47 (11 5A) aber umgebaut
worden sein, wie in Pompeji: vgl. S. 110.
Es ist durchaus nicht überflüssig, das Verhältnis
dieser Theater zur allgemeinen Regel, die aus den besser
erhaltenen gewonnen ist, kurz zu berühren. Die Grund-
figuren der griechischen und derumgebauten Theater
sind im Allgemeinen unanstössig, denn wir finden die
hier vorkommenden fast alle auch in jenen für die all-
gemeine Regel in Betracht gezogenen (S. 94 flf., 115 f.,
139): drei oder sechs Dreiecke zweimal, drei Fünfecke
einmal, ein Zehneck einmal, zwei Siebenecke einmal,
drei Quadrate einmal und ein Elfeck einmal. Zwei
Fünfecke oder vier Quadrate im Theater zu Argos 61
(I 22) und drei Dreiecke oder eine Anzahl Sechsecke
im Odeon zu Kibyra 59 (A 10) würden der griechischen
I
6. Die übergangenen Grundrisse. 205
Regel über die Grimdfigur gleichfalls nicht widersprechen.
Dagegen will die Anlage zu Pessinus 71 (I 13^) mit
einem Achteck als Gnindfigur zur allgemeinen Regel
wenig stimmen, da wir sonst nur ein einziges Mal zwei
Achtecke, niemals ein Achteck als Grundfigur angewandt
sehen; doch dürfen wir hierauf wohl kaum besonderes
Gewicht legen. Etwas anderes ist es mit dem Theater
zu Lakedämon 56 (I 19), wo vier Dreiecke als Grund-
figur ganz gegen die griechische Regel die Gliederung
des Theaters bedingt zu haben scheinen. Dreiecke und
Sechsecke als Grundfiguren sind nämlich in den grie-
chischen Anlagen ausserordentlich häufig (über V3), abet
vier Dreiecke kommen in ihnen nie vor, dagegen sechs-
mal in den römischen Theatern. Die Zahlen sind zu
gross, als dass wir an einen Zufall denken dürften, und
sie nöthigen uns, wie es scheint, zur Annahme eines
Neubaues in römischer Zeit. Hierzu würde stimmen,
dass nach Leakes Mittheilungen Spuren eines älteren
griechischen Mauerbaues nicht zu sehen waren. Trotz-
dem möchte ich an der Ansicht festhalten, dass nur ein
Umbau, freilich ein weitgreifender, einer älteren grie-
chischen Anlage eingetreten ist: denn ungewöhnlich
bleibt ja doch immerhin das Ueberschreiten der Halb-
kreisform in einem römischen Theater, leicht erklärlich
dagegen ist es bei Annahme eines Umbaues. Ich ver-
muthe drei Quadrate als Grundfigur des ursprünglichen
Baues; die Analemmata sollten allerdings auch bei dieser
Annahme dem wagrechten Durchmesser näher liegen,
doch mag die Möglichkeit einer theilweisen Benützung
der alten Analemmata (mehr auswärts) die sonst un-
gebräuchliche Erweiterung des Zuschauerraumes mit-
veranlasst haben. Möglich und sogar nicht unwahr-
scheinlich ist es, dass der entscheidende Grund zu dieser
Erweiterung das Bedürfnis einer grösseren Orchestra für
204 Zusätze zum dritten Theil.
nichtscenische Darstellungen war, ähnlich wie im Theater
zu Alauna: vgl. S. 206.
Die Begrenzung des Zuschauerraumes ist, soweit
sich dies noch erkennen lässt, überall gemäss der all-
gemeinen Regel gestaltet gewesen; für die obere und
untere Begrenzung sind konzentrische Kreislinien ver-
werthet — am deutlichsten zu erkennen im Theater zu
Delos 63 (I 17) — und für die Abschlussmauem nach
der Bühne zu mit dem Durchmesser konvergirende Ra-
dien des IJrkreises. Das letztere ist wahrzunehmen in
den Theatern zu Balbura 57 (A 8), Delos 63 (I 17),
Pessinus 71 (I 13^) und vorauszusetzen im Theater zu
Sikyon 65 (124)-, in den umgebauten Theatern sind die
durch Radien bestimmten Analemmata entweder bei-
behalten worden, so im Theater zu Melos 72 (1 18) und
wohl auch, zum Theil wenigstens, im Theater zu Milet
62 (1 10), oder es ist eine Verlegung eingetreten, in den
Theatern zu Sparta .56 (I 19), Mantineia 58 (I 21) und
Megalopolis 64 (I 20).
Wegen Mangel an Anhaltspunkten lässt sich über
die Gliederung des Zuschauerraumes sowie über die
Parodoi nichts sagen, doch ist das Vorhandensein der
letzteren im älteren Bau nicht im Mindesten zu bezweifeln.
Für die Konstruktion der Bühne ist einmal, wie es
scheint, eine andere Grundfigur als die den Zuschauer-
raum bestimmende, eine Bühnengrundfigur, massgebend
gewesen, im Theater zu Balbura 57 (A 8), da hier die
Skenenlänge Quadratseite -h Durchmesser beträgt. —
In den übrigen Anlagen ist die Skenenlänge nicht zu
bestimmen, doch wird sie wohl meist gleich Grundfigur-
seite -h Durchmesser gewesen sein. Anzeichen dafür
sind nur wenige und noch dazu meist nicht sichere ge-
funden worden in den Theatern zu Sikyon 65 {I 24)
= S4-i-2r? Pessinus 71 (I 13)==S8 + 2r; Megalopolis 64
6. Die übergangenen Grundrisse. 205
(I 20) = 87 + 2r? Delos 63 (I 17) = s^o + 2r? — Die
Lage der Bühnenhinterwand ist in den meisten Fällen
nicht zu erkennen; einige Male aber ist sie durch die
Tangente bestimmt gewesen, in den Theatern zu Sikyon
65 (I 24) und Pessinus (?) 71 (I 13) und wohl auch in
dem zu Mantineia 58 (I 21); einmal, im Theater zu
Delos 63 (1 17), durch eine weiter als die Tangente vom
Urkreis abstehende Linie. — Noch weniger unterrichtet
sind wir über die Lage der Bühnenvorderwand. Sie ist
bestimmt gewesen, wenn wir richtig vermuthet haben,
durch die wagrechte Seite der Grundfigur im Theater
zu Delos 63 (I 17) = Sio und in dem zu Mantineia 58
(I 21) = Sg und vielleicht auch in dem zu Sikyon 65
(I 24) = 84. In Bezug auf die Bühnenvorderwand im
Theater zu Pessinus 71 (I 13^) kann und mag ich eine
Vermuthung nicht äussern. Ob im Theater zu Melos 72
(1 18) die jetzt als Bühnenhinterwand erscheinende Mauer
die Bühnenvorderwand des ursprüglichen Baues gewesen
sei, lässt sich nicht entscheiden — sie ist bestimmt
durch eine Sehne, welche Vn von der Peripherie des
IJrkreises abschneidet — sicher aber ist wenigstens, dass
eine solche Bestimmung der Bühnenhinterwand gegen
die allgemeine Regel über den römischen Theaterbau
verstösst. — Die Lage der seitlichen Bühnengrenzen ist
nirgends mehr zu erkennen, ausgenommen vielleicht das
Theater zu Sikyon 65 (I 24), wo sie durch senkrechte
Tangenten bestimmt gewesen zu sein scheinen. — Thüren
in der Bühnenhinterwand sind ausser im Theater zu
Pessinus 71 (I 13^) überall verschwunden; in Pessinus
aber ist nur eine angegeben, in offenbar ganz unzuver-
lässiger Weise.
Derselbe Einklang mit der allgemeinen Regel stellt
sich bei den von uns als römisch angesetzten Theatern
heraus. Wir haben wohl fünfmal je vier Dreiecke als
206 Zusätze zum dritten Theil.
Grundfigur, die beliebteste Form im römischen Theater,
wir haben einmal drei Quadrate als Grundfigur wie im
Odeon zu Athen 42 (I 26), einmal vier Quadrate wie im
Theater zu Arausio 45 (11 19) und endlich dreimal je
zwei Quadrate wie im Theater zu Tusculum 48 (11 11) ;
dass Fünfecke und Siebenecke als Grundfiguren in un-
seren zehn Theatern nicht erscheinen, mag dem Zufall
zuzuschreiben sein.
Wie die allgemeine Regel es verlangt, ist der Zu-
schauerraum meist halbkreisförmig: die Analemmata
fallen mit dem wagrechten Durchmesser zusammen in
den Theatern zu Tibur 51 (A 15), Ferentum 52 (A 16),
Alexandria 53 (A 12), Gabala 54 (I 15) und Adria 68
(I 2), im Odeon zu Antium 66 (11 10) und vielleicht auch
in dem zu Eatana 67 (11 5B); im Odeon zu Antium
entstehen hierdurch im Gegensatz zu den übrigen Halb-
keile als Endkeile. Gegen die allgemeine Regel geht
der Zuschauerraum in mehr griechischer Weise über die
Halbkreisform hinaus in den Theatern zu Bostra 55
(I 14) und Alauna 70 (A 19) und im Odeon zu Anemu-
rion 69 (A 11). Bei Besprechung der Anlage zu Alauna
S. 109a merkt Wieseler an, wie ich glaube, richtig,
„dass das Gebäude schwerlich vorzugsweise zu drama-
tischen und musikalischen Aufführungen gedient hat."
Eine ähnliche Bemerkung ist wohl auch betreflfs der
beiden andern Anlagen gestattet, und etwas Aehnliches
haben wir auch in Rücksicht auf die grosse Orchestra
im Theater zu Sparta oben S. 203 f vermuthet. Doch
mag diese Vermuthung* stichhaltig sein oder nicht, das
ist jedenfalls unzweifelhaft, dass ein ganz besonderer
Anlass die ungewöhnliche, sonst nur einmal im Theater
zu Eugubium 25 (H 16) wahrzunehmende Gestalt des
Zuschauerraums verursacht hat.
Offene Eingänge zur Orchestra hat es in unsem
6. Die übergangenen Grundrisse. 207
zehn Theatern, wie es scheint, ebensowenig gegeben
wie in jenen zwanzig, die wir bei Feststellung der Regel
befragt haben; nur das Theater zu Alexandria 53 (A 12)
zeigt jetzt offene Eingänge, doch dürfen wir auch für
sie, wenn sie überhaupt Orchestraeingänge waren, zu-
versichtlich ursprüngliche Bedeckung annehmen. Auch
bedeckte zwischen Proscenium und Zuschauerraum lau-
fende Eingänge in die Orchestra sind wohl selten vor-
handen gewesen, wenigstens sind sie, abgesehen vom
Theater zu Alexandria, nirgends zu erkennen. In den
Endkeilen angebrachte Orchestraeingänge finden sich im
Odeon zu Anemurion 69 (A 11) und in den umgebauten
Theatern zu Milet 62 (I 10) und Mantineia 58 (I 21),
doch in letzterem nur vielleicht.
Für die Konstruktion der Bühne ist eine andere als
r
die für den Zuschauerraum massgebende nicht in An-
wendung gekommen. Die Skenenlänge beträgt, wie wir
vermuthungsweise angenommen haben, zweimal nach
römischer Art vier Durchmesser, im Theater zu Tibur
51 (A 15) und im Odeon zu Antium 66 (ü 10), ebenso-
viel vielleicht auch im Odeon zu Anemurion 69 (A 11),
zweimal nach griechischer Art, die aber auch in römi-
schen Theatern gebräuchlich war, soviel als Grundfigur-
seite und Durchmesser zusammen, in den Theatern zu
Alexandria 53 (A 12) = Sg + 2r? und Adria 68 (I 2)
= S4 + 2r? unregelmässigerweise aber nur zwei Radien
im Theater zu Bostra 55 (I 14), nicht viel mehr im
Theater zu Gabala 54 (I 15) und ungefähr drei Radien
im Theater zu Ferentum 52 (A 16). Eine Erklärung
für diese Abweichungen weiss ich nicht zu finden; man
ist geneigt an griechischen Einfluss in den Theatern zu
Bostra und Gabala zu denken. — Die Lage der Bühnen-
hinterwand finden wir vielleicht dreimal durch die Tan-
gente angegeben, in den Theatern zu Bostra 55 (I 14)
208 Zusätze zum dritten Theil.
und Gabala 54 (I 15) und im Odeon zu Anemurion 69
(A 11); ebenso wird sie im Theater zu Tibur 51 (A 15)
bestimmt gewesen sein; mit der wagrechten Grundfigur-
seite fällt die Bühnenhinterwand zusammen in den
Theatern zu Ferentum 52 (A 16) und Alexandria 53
(A 12) und mit einer mitten zwischen dem wagrechten
Durchmesser und der wagrechten Tangepte liegenden
Linie im Odeon zu Antium 66 (11 10). — In denjenigen
Fällen, wo der Zuschauerraum gemäss der römischen
Regel die Halbkreisform nicht überschritten hat, ist auch
die Lage der Bühnenvorderwand der römischen Regel
entsprechend gewesen; wenigstens fällt sie, wo sie zu
erkennen ist, mit dem wagrechten Durchmesser des ür-
kreises zusammen: in den Anlagen zu Tibur 51 (A 15),
Ferentum 52 (A 16), Antium 66 (E 10), vermuthlich
auch in den Theatern zu Alexandiia 53 (A 12) und
Gabala 54 (1 15). In den Anlagen mit einem grösseren
als halbkreisförmigen Zuschauerraum dagegen musste
die Bühnenvorderwand selbstverständlich einen gewissen
Abstand vom wagrechten Durchmesser haben; die hier
stattfindenden Abweichungen von der römischen Regel
sind daher nicht als grundsätzliche anzusehen. In diesen
Anlagen ist, wie es in griechischen geschehen sein würde,
die Bühne durch die wagrechte Grundfigurseite ab-
geschlossen worden, nämlich im Theater zu Bostra 55
(I 14) durch die wagrechte Dreieckseite, im Odeon zu
Anemurion und im Theater zu Alauna durch die wag-
rechte Quadratseite. — Die Nebenthüren in der Bühnen-
hinterwand sind dreimal, wie es scheint, durch senkrechte
Tangenten des IJrkreises bestimmt, in den Theatern zu
Tibur 51 (A 15) und Ferentum 52 (A 16) und im Odeon
zu Antium 66 (11 10) ; im Odeon zu Anemurion 69 (A 1 1 )
sind sie unregelmässig angelegt infolge der Kleinheit
der Anlage.
Oertliches Inhaltsverzeichnis.
Abkürzungen wie S. 86 f., ausserdem:
(D) = Durchmesser des Urkreises, bzw. wagrechter Durchmesser
oder verlängerter wagr. D.
(SVio) oder (SVn) = Sehne, welche Vio oder Vii von der Peri-
pherie des Urkreises abschneidet.
Erste Zahl nach dem Doppelpunkt = Beschreibung.
Zweite Zahl = Einzelvergleichung (in Klammer dabei Nummer
der Gruppe und Grundfigur).
Z. = Zuschauerraum (in Klammer untere Grenze).
Anal. = Analemmata; ihre Lage verglichen mit der des wag-
rechten Durchmessers.
Endkeile = E. des Unterstocks verglichen mit den mittleren
Keilen.
B. = Bühne. Bgfig. = Bühnengrundfigur.
Ski. = Skenenlänge; im röm. T. auch = Bühnenlänge.
Bhw. = Bühnenhinterwand ; Bvw. = Bühnenvorderwand.
Thüren = Zahl der Thüren in der Bühnenhinterwand und der
seitlichen; die zwei Nebenthüren neben der Hauptthür be-
stimmt durch Badien, Senkrechte und senkr. T(an-
genten).
Adria 68 (12), röm. T. 201: — 190. 206 (IVb. 2f4?) — Z. (4:8?),
Anal. (D) 206 — Ski. (s^ + 2r?) 207.
Aizani 35 (I 13), in Phrygien, umgebautes griech. T. 110: —
68. 103 (III. fu) — Z. verkürzt? (ca. 9 : 14 statt 9 : 14),
Anal, unregelm., Endkeile schmäler 123. Keine Parodoi 188
— B. umgebaut 128 f. 179 ff., deshalb Urkreis (?) 129.
Ski. (2s5) 182 (anders 69) 48. Bhw. (S) 180, ausgebaucht 129.
Bvw. (S fast Vu) 183 ff. Thüren (5), (Radien) 189 — Zur
Geschichte 126? 167. 188.
Oehmichen, Griech. Theaterbau. ^4
^
210 Oertliches Inhaltsverzeichnis.
Akrae 19 (II 2), in Sizilien, umgebautes griech. T. 110: — 73.
97 ff. (Ic. 3ffl) — Z. verkürzt (9 : 18 statt 11 : 18), Anal. (D),
Keile gleich 124 f. — B. umgebaut 128 f., ihre Lage un-
erhört 179. Urkreis (?) 129 — Zur Geschichte 110. 126.
Akrae 60 (A 13), in Sizilien, röm. 0. (?) 201: — 197.
Alauna 70 (A 19), in Frankreich, röm. T. 201: — 199. 206
(IVb. 2f4) - Z. (6 : 8), Anal. (paraUel) 206, radiale Gliede-
rung 155 — Bvw. (S4) 208.
Alexandria 53 (A 12), in Troas, röm. T. 201: — 197. 205 f.
(la. 4f8?) — Z. (6:12?), Anal. (D), Keile gleich (?) 206.
Parodoi bedeckt 207 — Ski. (s3-h2r?) 207. Bhw. (sg) 208.
Bvw. (D?) 203.
Anemurion 69 (A 11), in Kilikien, röm. 0. 201: — 197. 206
(IVb. 2U) — Z. (6:8), Anal, (parallel), Endkeile oben
schmäler 206. Itinera 207 — Ski. (4r?) 207. Bhw. (T) 208.
Bvw. (84) 208. Thüren unregelm. 208.
Antium 66 (II 10), röm. 0. 201: — 195. 206 (IVa. 3f4) — Z.
(6 : 12), Anal. (D), Endkeile Halbkeüe 206 - Ski. (4r) 207.
Bhw. (SVs) 208. Bvw. (D) 208. Thüren (senkr. T) 208.
Arausio 45 (II 19), in Frankreich, röm. T. 109: — 79f. 105
(IVb. 4f4?) - Z. (8 : 16), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Par-
odoi bedeckt (?) 187. Urkreis 132. — Ski. (84 + 2a) 134,
ohne die Seitenräume 160. Bhw. (84) 135, nicht gerade 129.
Bvw. (SVie) 162. B.tiefe 163. Thüren (3 -h 2) 176, (senkr. T)
177.
Arg OS 61 (I 22), griech. (?) T. 201: — 193 f. 202 f.
Aspendos 9 (I 16), in Pamphylien, umgebautes griech. T. 110:
— 70. 94 (Ib. 6f3) — Z. verkürzt (9 : 18 statt 10 : 18), Anal.
(D), Endkeile Halbkeile 124 f. Itinera 189 — B. umgebaut
128 f. 179 ff. Urkreis (?) 128 f. Bgfig. (£4) 180. 182. 189.
Ski. (84 -f 2r) 182 (anders 70. 94), ohne die Seitenräume.
Bhw. (84) 180. 152 (anders 70). Bvw. (S Vis) 183 ff. B.tiefe
152. Thüren (5 + 2), (Radien od. Senkrechte u. Bgfig.) 189
— Zur Geschichte 125 f. 167. 189.
Athen 50 ( — ), das dionys., (umgebautes) griech. T. 110: —
39 ff. 108 f. (V. £22) — Z. (13 : 22), Anal, (konverg. Radien),
Keile gleich 117. Urkreis '42 ff. 131 f., schliesst Thronoi ein
142. Parodoi 187 — B. umgebaut 130. Bgfig. (£4) 47 ff.
133. Ski. (84 + 2r) 133. Bhw. (ca. T) 135. Bvw.?
B.tiefe (?) 152. B.länge (ca. D) 170. Thüren? vgl. 49 f.
Oertliches Inhaltsverzeichnis. 211
Athen 42 (I 26), des Herodes Attikos, röm. 0. 110 f.: — 70 f.
104 f. (IVa. Sfi), vgl. m. Vitruv 92 - Z. (7 : 12), Anal. (D),
ungewöhnliche radiale Gliederung, gewisse Gleichheit der
Keile 122 f. 155. Urkreis 132. Keine Parodoi 188. — Bgfig.
vgl. 155. Ski. (S4 4- 2r) 134, ohne die Seitenräume 160.
Bhw. (T) 135. Bvw. (D) 137. 162. B.tiefe 163. Thüren
(3 + 2) 176, (Radien) 138. 177.
Balbura 57 (A 8), in Lykien, gi-iech. T. 201: — 196. 202
(Ib. Sfg) — Z. (5 : 9), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich (?)
204 - Bgfig. (Q 204. Ski. (s^ + 2r) 204.
Bostra 55 (114), in Syi'ien, röm. T. 201: - 191 f. 205 f.
(la. 4f3) — Z. (8 : 12), Anal, (parallel), Endkeile oben
schmäler 206 — Ski. (2r) 207. Bhw. (T) 207. Bvw. (sg) 208.
Calama 39 (A 21), in Algier, röm. T. 109: — 83 f. 104
(III. f-,) - Z. (3V2:7), Anal. (D), Endkeüe schmäler (»A)
122, Treppen im Oberstock unregelm. 114. Urkreis 132.
Parodoi bedeckt (?) 187. — Ski. (üb. 4r, mit den seitlichen
Bühnenräumen) 134, ohne die äusseren Seitenräume 160.
Bhw. (T) 135. Bvw. (SVO 162, mit Fig. 5 vgl. 159. B.tiefe
163. Thüren (3 + 2?) 175.
Cuiculum 38 (A 20), in Algier, röm. T. 109: — 83. 104 (III. 2f^)
— Z. (7 : 14), Anal. (D), 2 Treppen kassirt und Endkeile
breiter (IV2) 122. Urkreis (?) 161. 182 — Ski. (2r) 134. 48,
ohne die Seitenräume 160 f. Bhw. (S) 135, nicht gerade
129. Bvw. (?) 156. Thüren (?) 175.
Delos 63 (I 17), griech. T. 201: - 192. 202 (IL fjo) — Z. (7 : 10),
Anal, (konverg. Radien), Keile gleich (?) 204 — Ski. (sio+2r?)
' 205. Bhw. (üb. T?) 205. Bvw. (sio?) 205.
Dramyssos 20 (I 28), in Epirus, umgebautes griech. T. HO: —
72. 97 ff. (Ic. 3ffl) — Z. verkürzt (9:18 statt 11:18), Anal.
(D), Keile gleich 124 f. Keine Parodoi 188 — B. umgebaut
128 f. 179 ff. Urkreis (?) 129 — Zur Geschichte 126. 128.
Epidauros 26 (I 23), des Polyklet, griech. T. HO: — 51 ff.
101 (II. 4fB) — Z. (12 : 20), Anal, (konverg. Radien), KeUe
gleich 117, vgl. 55. Untere Grenze des Z. abweichend 141.
Urkreis 132. 54, schneidet Thronoi ab 142. Parodoi 187 —
Bgfig. (£4) 133. 144. 60 f. Ski. (S4 + 2r) 133. Bhw. (ca. T)
135. Bvw. (S5) 137. 161. B.tiefe 152. 161. B.länge (D) 167 f.
Thüren? — Zur Geschichte 167.
Eugubium 25 (TI 16), röm. T. 109: - 78 f. 102 (IL 2f6) —
Z. (5 : 10), Anal. (D), Endkeile Halbkeile 122. Urkreis 132.
14*
212 Oertliches Inhaltsyerzeichms.
Keine Parodoi 188 — Ski. (4r) 134, ohne die Seitenräume
160. Bhw. (SVio) 135. 79, nicht gerade 129. Bvw. (D) 137.
161. B.tiefe 163. Thüren (5 + 2) 176, (Radien) 138. 177.
FäBulä 1 (II 17), röm. T. 109: — 79. 93 (la. 4f3), vgl. m. Vitruv
91 - Z. (6 : 12), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Urkreis (?)
128 — Ski. (4r) 134. Bhw. (S) 181. Bvw. (D) 162. 156.
B.tiefe 163. Thüren (?) 175.
Faleria 14 (II 15), röm. T. 109: - 78. 96 (Ib. SQ-Z. (4:9),
Anal, (parallel), Endkeile oben breiter 120 f. Urkreis 132.
Parodoi bedeckt (?) 187 - Ski. (s, + 2r) 133 f. Bhw. (T)
135. Bvw. (SVo) 162. B.tiefe 163. Thüren (3 + 2) 176,
(senkr. T.) 138. 177.
Ferentum 52 (A 16), röm. T. 201: — 198 f. 205f. (la. 4f3?) —
Z. (6:12?), Anal. (D), Keüe gleich (?) 206. Urkreis 161.
Keine Parodoi 188 — Ski. (ca. 3r) 207. Bhw. (sg) 208.
Bvw. (D) 208. Thüren (3 4- 2) 176, (senkr. T) 208. 177.
Gabala 54 (I 15), in Syrien, röm. T. 201: — 192. 205 f. (la. 4f3?)
- Z. (6 : 12?), Anal. (D), Keile gleich (?) 206 — Ski. (üb.
2r) 207. Bhw. (T?) 208. Bvw. (D?) 208.
Herculaneum 6 (II 8), röm. T. 109: — 75f. 93 (la. 4f3), vgl.
m. Vitruv 91 f. — Z. (6 : 12), Anal. (D), Keüe fast gleich
118 f. Urkreis 130 f., schneidet Sitze ab 131. Parodoi be-
deckt 187 — Bgfig. (3f4) 162 f. 134. 155. Ski. (34 4- 2r) 134,
ohne die Seitenräume 160. Bhw. (Tj 135, ausgebaucht 129.
Bvw. (SV,2) 162 f. B.tiefe 163. Thüren (3 + 2) 176, (senkr.
T) 138. 177.
Hierapolis 8 (I 12), in Phrygien, griech. T. 110: — 68 f. 94
(Ib. 6f8) — Z. (10 : 18), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich
117. Urkreis 132. Keine (?) Parodoi 187 - Ski. (S3 + 2r)
133. Bhw. (S) 136, vgl. 151 f. Bv w. (?) 161. B.tiefe (?) 151 f.
161. B.länge (ca. D) 171. Thüren (3?) 174, (Radien) 175.
Jas 8 40 (I 9), in Karien, griech. T. 110: — 67 f. 104 (IV a.
3f4), vgl. m. Vitruv 92 f. — Z. (7 : 12), Anal, (konverg. Ra-
dien), Keile gleich 117. Urkreis unregelm. 132. Parodoi
187 — Ski. (S4 4- 2r) 133. Bhw. (84) 136. Bvw. (?) 161.
B.tiefe (?) 161. B.länge (D) 171 f. Thüren (3?) 174, (Ra-
dien) 175.
Juliobona 10 (II18), Frankr., röm. T. 109: — 79. 94 f.l20 (Ib.
Sfg) — Z. (4:9), Anal, (parallel), Endkeile oben breiter 120f.
Obere Grenze des Z. abweichend 141. Urkreis 132. Paro-
Oertliches Inhaltsverzeichnis. 213
doi bedeckt (?) 187 - Ski. (4r) 134. Bhw. (sg) 135. Bvw.
(?) 162. B.tiefe (?) 163. Thüren (?) 175.
Kadyanda 49 (A 6), in Lykien, griech. T. 110: — 81 f. 105 ff.
(IV c. 2f8) — Z. (9:16), Anal, (konverg. Radien), Keile
gleich 117. Urkreis 132. Parodoi 187 ~ Ski. (sg 4- 2r)
133. Bhw. (T) 135. Bvw.? B.länge (D) 171 f. Thüren?
Katana 47 (II 5 A), in Sizilien, umgebautes griech. T. 110: —
74. 105 ff. (IV c. 4f4) — Z. verkürzt (8 : 16 statt 9 : 16), Anal.
(D), Endkeile Halbkeile 124 f. Treppen im Oberstock un-
regelm. 114. Itinera 189— B. umgebaut (?) 128 f. 179 ff.
Urkreis (?) 128 f. — Zur Geschichte 110. 126. 188. 202.
Katäna 67 (II 5 B). in Sizilien, röm. 0. 201: — 194 f. 206
(IV c. 4f4?) - Z. (8:16?), Anal. (D?), Keile gleich (?) 206.
Kibyra 12 (A 9), in Lykien, griech. T. 110: - 82. 95 f. (Ib. 3f3)
— Z. (5:9), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 117.
Treppen im dritten Stock unregelm. 114. Urkreis 132.
Parodoi 187 — Bgfig. (fj 133. 136. Ski. (s* + 2r) 133.
Bhw. (84) 136. 151 f. Bvw. (?) 161. B.tiefe (?) 151. 161.
B.länge (?) 172. Thüren (3? mittelste fehlt?) 174, (Radien)
175.
Kibyra 59 (A 10), in Lykien, griech. (?) 0. 201: — 196. 202 f.
Knidos 41 (I 7), in Karlen, griech. 0. 110: — 67. 104. (IV a.
3f4), vgl. m. Vitruv 92 f. — Z. (7 : 12), Anal, (konverg. Ra-
dien), Keile gleich 117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski.
(2S4) 133. Bhw. (T) 135. Bvw.? B.länge (?) 172. Thüren?
— Zur Geschichte 113. 172.
Kyaneae 7 (A 3), in Lykien, griech. T. 110: — 81. 94. (Ib. öfg)
— Z. (10 : 18), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 117.
Kydna, zwischen Xanthos und K., s. Xanthos.
Lakedaemon, s. Sparta.
Laodikeia 28 (I 11), in Phrygien, umgebautes griech. T. 110:
-- 68. 102. (IL 3fß) — Z. verkürzt? (9: 15), Anal, (unregelm.),
Endkeile oben schmäler 123. Keine Parodoi 188 ~ B. um-
gebaut 128 f. 179 ff. Urkreis (?) 129. Ski. (s^ + 2r) 181,
ohne die Seitenräume. Bhw. (Sß?) 180. Bvw. (S7i5?) 183 f.
Thüren (3), (senkr. T) 189 — Zur Geschichte 126? 188.
Mantineia58(I21), umgebautes griech. T. 201: — 193. 202 (Ib.
6f3, 3f8) — Z. verkürzt (10 : 18), Anal, (parallel), Endkeile
oben schmäler 204. Itinera (?) 207 — Bhw. (T ?) 205. Bvw.
(ss?) 205.
]tfegalopolis64(I 20), umgebautes griech. T. 201 f.: — 193.
214 Oertliches Inhaltsverzeichnis.
202 (III. 2f^?) — Z. verkürzt (7: 14?), Anal. (D. u. parallel),
Endkeile nicht gleich 204 — Ski. (S7 + 2r?) 204 f.
Melos 72 (I 18), umgebautes griech. T. 201: — 192, vgl. 46 u.
70. 202(V. fn) — Z. (6:11), Anal, (konverg Radien), Keile
gleich (?) 204 — Bhw. (SVn) jetzt = Bvw. früher (?) 205.
Milet 62 (1 10), in Karlen, umgebautes griech. T. 201: — 190 f.
202 (IL SQ — Z. verkürzt? (9:15), Anal, (konverg. Ra-
dien?), Endkeile nicht gleich 204. Itinera 207.
Myra 22 (14), in Lykien, griech. T. 110: — 65 f. 98 f. (Ic. 4f6)
— Z. (15 : 24, bzw. 14 : 24), Anal, (unregelm.), Keile ungefähr
gleich 117 f. Die Gfig. gliedert den Oberstock 114 f. Ur-
kreis 132. Parodoi 187 — Ski. (se + 2r) 133. Bhw. (T)
135. Bvw. (ca. Sß) 137. 161. B.tiefe 161. B.länge (= Ski.)
172. Thüren (5) 174, (Radien) 137. 175 — Zur Geschichte
167. 172 f. 174.
Neapel 21 (II 9 A), bei, röm. T. 109: — 76. 97 (Ic. fo) — Z.
(3:6), Anal. (D), Keile gleich 118. Gliederung im Ober-
stock unregelm. 114. Urkreis (?) 128.
Neapel 29 (II 9 B), bei, röm. T. 109: - 76. 102 (II. fß) — Z.
(2:5), Anal, (parallel), nur 2 Keile 120 f. Urkreis 132.
Parodoi nicht bedeckt (?) 188 — Ski. (4r) 134, ohne die
Seitenräume 160. Bhw. (T) 135, ausgebaucht 129. Bvw.
(D) 137. 162. B.tiefe 163. Thüren (?) 175. — Zur Ge-
schichte 113.
Nora 30 (A 18), in Sardinien, röm. T.109: — 83. 102 (ILf^) —
Z. (2:5), Anal, (parallel), Endkeile winzig 121 f. Urkreis
132. Parodoi bedeckt 187 — Ski. (4r) 134, mit den Seiten-
räumen 160. Bhw. (Sß) 135, nicht gerade 129, mit Fig. 5
vgl. 159. Bvw. (SVß) 162, mit Fig. 5 vgl. 159. B.tiefe 163.
Thüren (3 + 2?) 176, (senkr. T) 177.
Oinoanda 27 (A 7), in Lykien, griech. T. 110: — 82. 101 (IL
4f5) — Z. (12:20), AnaL (konverg. Radien), Keile gleich
117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (sao 4- 2r?) 133. 48.
Bhw. (T) 135. Bvw.? B.länge (ca. D) 171. Thüren?
Otricoli 5 (II 14), röm. T. 109: — 77 f. 93 (la. 4f3). vgl m.
Vitruv 91 f. — Z. (6 : 12), Anal. (D), Keile gleich 118 f. 155.
Urkreis 130 f.; Parodoi bedeckt (?) 187 — Bgfig. (Qua-
drant) 155. Ski. (4r) 134, ohne die Seitenräume 160. Bhw.
(T, eig. Kreisbogen) 135. 129. Bvw. (D?) 162 B.tiefe 163.
Thüren (?) 175, vgl. 138.
Oertliches Inhaltsverzeichnis. 215
Patara 37 (I 5), in Lykien, griech. (?) T. 110: — 66. 103 f.
(III. Sf?) — Z. (8 ; 14), Anal, (konverg. Eadien), Keile gleich
117. 66. Urkreis unregelm. (?) 132. Parodoi 187 — Bgfig. (£4)
133. 137. 144. 174. Ski. (s^ + 2r?) 133. Bhw. (T) 135.
Bvw. (84?) 137. 161. B.tiefe 161. B.länge (= Ski.) 172.
Thüren (5) 174, (Senkrechte u. Bgfig.) 174. 147. — Zur Ge-
schichte 167. 172 f. 174.
Pessinus 71 (I 13b), in Galatien, griech. (?) T. 201, vgl. 191
u. 129: — 191. 203 (IV b. fg) - Z. (5:8), Anal, (konverg.
Radien), Keile gleich (?) 204 — Ski. (sg + 2r) 204. Bhw.
(T?) 205, Bauch 129. Bvw. (S) 205. Nur eine Thür (?) 205.
Pinara 36 (A 5), in Lykien, griech. T. 110: — 81. 103 f. (III.
2f7) — Z. (8 : 14), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich
117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Bgfig. {Q 133. 138. 175.
Ski. (S4 + 2r) 133. Bhw. (S) 136. Bvw. (?) 161. B.tiefe (?)
161. B.länge (D) 171 f. Thüren (3) 174, (Radien u. Bgfig.)
138. 175.
Piraeus, griech. T. 110: — 46 ff. 108 f. (V. £22) — Z. (13:22);
alles Übrige gleich oder ähnlich wie im dionys. T. zu Athen.
Pola 3 (A 17), röm. T. 109: — 83. 93 (la. 4f3), vgl. m. Vitruv.
91 — Z. (6:12), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Urkreis 130.
Keine Parodoi 188 — Ski. (4r) 134, ohne die Seitenräume
160. Bhw. (ss) 135. Bvw. (D?) 162. B.tiefe 163. Thüren
(3 + 2) 176, (senkr. T) 177.
Pompeji 31 (II 7 A), umgebautes griech. T. 110: — 76. 101 f.
(II. fio) — Z. verändert (ß : 10 statt 7 : 10), Anal, (unregelm.,
z. Th. parallel), Endkeile schmäler und unten verkürzt
124 f. Untere Grenze des Z. abweichend 141. Urkreis (?)
129, schneidet Sitze ab 131. Itinera 189 — B. umge.baut
128 f. 179 ff. Ski. (2sio + 2r) 182. Bhw. (üb. T) 180, aus-
gebaucht 129. Bvw. (S7,o) 184, ursprünglich (s,o?) 184. 192:
Thüren (3 + 2), (senkr. T) 189 — Zur Geschichte 110. 125.
189.
Pompeji 33 (II 7 B), röm. 0. 109: - 75. 102 (IL f,o) — Z.
(5: 10), Anal. (D), Keile gleich 118 f. Urkreis 132, schneidet
Sitze ab 131. Parodoi bedeckt 187 — Ski. (4r) 134. Bhw.
(T) 135. Bvw. (SVio) 162. B.tiefe 163. Thüren (5 + 2)
176, (senkr. T) 138. 177 — Zur Geschichte 110. Regel-
mässigste Anlage 158.
Rhiniassa 43 (I 27)' in Epirus, umgebautes griech. T. 110: —
71 f. 105 (IVb. 4f4) — Z. verkürzt (ca. 10 : 16 statt 10 : 16), Anal.
216 Oertliehes Inhaltsverzeichnis.
(parallel), Endkeile schmäler 124 f. Keine Parodoi 188 —
B. amgebaat 128 f. 179 ff., deshalb Urfcreis (?) 129. Ski.
(«4 4- 2r) 181. Bhw. (T) 180 - Zar Geschichte 126. 188.
Rhodiopolis 24 (A 2), griech. O. llOf. 113: — 80f. lOOf.
(II. 2Q — Z. (6 : 10), Anal, (konverg. Radien), Kefle gleich
117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (4r) 133. Bhw. (%'?)
136. Bvw. (?) 161. B.tiefe (?) 161. B.länge (?) 172. Thü-
rcn? — Zur Geschichte 113. 172.
Rom 2 (A 14), des Marcellas, röm. T. 109: — 82. 93 (Ja. 4f,).
vgl. m. Vitrav 91 — Z. (6 : 12j, Anal. (D), Keüe gleich 118 f.
Urkreis 132. Keine Parodoi (?) 183 — SkL (4r) 134. Bhw.
(S?) 136. Bvw. (D?) Ifö. B.tiefe 163. Thüren (3 -h 2)
176, (Senkrechte) 177.
Rom 4 (II 12B), des Pompejas, röm. T. 109: — 7T. 93 (la. 4f,),
vgl. m. Vitrav 91 — Z. (6:12), Anal. (D), Keüe gleich 118 f.
Urkreis 132. Keine Parodoi (?) 188 — Ski. (4r) 134, ohne
die Seitenräame 160. Bhw. (S?) 136. Bvw. (D?) 162.
B.tiefe 163. Thüren (3 + 2) 176, (Senkrechte) 177.
Sagantam 1:5 (II 20), in Spanien, röm. T. 109: — 80. 96
(Ib. 3fa) — Z. (4:9), Anal, (parallel?), Endkeile oben breiter
120 f. Urkreis 132, schneidet Sitze ab 131. Parodoi be-
deckt (?) 187— Ski. (4r?) 134. Bhw. (T) 135. Bvw. (?) 162
(anders, zu kühn 80). B.tiefe (?) 163. Thüren (?) 175.
Segeste 32 (II 3), in Sizilien, umgebaates griech. T. 110: —
73. 102 (II f,o) — Z. verkürzt (6 : 10 statt 7 : 10), Anal, (pa-
rallel), Endkeile schmäler 124 f. Keine Parodoi 188 — B.
amgebaat 128 f. 179 ff., deshalb Urkreis (?) 129. Bgfig. (f^)
182. Ski. (S4 -+- 2r) 182. Bhw. (T) 180. Bvw. (SVio) 184,
ursprünglich (s^?) 184 — Zur Geschichte 110. 126. 188.
Side 16 (I 3), inPamphylien, griech. T. 110: — 65. 97 f. (Ic. Sfo)
— Z. (11 : 18), Anal, (konverg. Radien), Keile gleich 117.
Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (se + 2r) 133. Bhw.
(ca. T) 135. Bvw. (se) 136 f. 161. B.tiefe 161. B.länge (D?j
171. Thüren?
Sikyon 65 (I 24), griech. T. 201: — 194. 202 (IV a. 3f4?) - Z.
(7:12?), Anal, (konverg. Radien?), Keile gleich (?) 204 —
Ski. (s4 + 2r?) 204. Bhw. (T) 205. Bvw. (84?) 205. B.länge
(D?) 205.
Sparta 56 (I 19), umgebautes griech. T. 201: — 193. 203
(IV a. Bf 4; scheinbar la. 4f3) — Z. verändert (8:12 statt
7 : 12), Anal, (parallel), Endkeile nicht gleich 204.
Oertliches Inhaltsverzeichnis. 217
Stratonikeia 44 (18), in Karien, griech. T. 110.67: — 67.105
(IVb. 4f4) — Z. (wohl 10 : 16), Anal. (?), Keile gleich (?)
117. 114. Urkreis (?) 128.
Syrakus 17 (II 1), in Sizilien, umgebautes griech. T. 110: —
72. 97 ff. (Ic. Sfs) — Z. verkürzt (10:18 statt 11:18), Anal,
(z. Th. = D, z. Th. parallel), 2 Treppen kassirt, Endkeile
breiter und unten verkürzt 124 f. Itinera 189 — B. um-
gebaut 128 f. 179 ff., deshalb Urkreis (?) 128 f. Bgfig. (£4)
182. Ski. (S4 + 2r) 182. Bhw. (S) 180. Bvw. (S, fast D)
183 ff. — Zur Geschichte 110. 125 f. 189.
Tauromenion 46 (II 6), in Sizilien, umgebautes griech. T.
110: — 74. 105 ff., vgl. 185 f. (IV c. 4^^) — Z. verkürzt (8 : 16
statt 9 : 16), Anal. (D u. parallel), Endkeile unten verstümmelt
124 f. Itinera 189 — B. umgebaut 128 f. 179 ff., deshalb
Urkreis (?) 129. Ski. (s^ + 2r) 181, mit den Seitenräumen
182 (anders 74). Bhw. (s^?) 180 (anders 74f.). Bvw. (SVie)
183 ff. B.länge (D) 182. Thüren (3 + 2), (Eadien oder
Senkrechte) 189 — Zur Geschichte 110. 125 f. 189.
Telmissos 34 (I 6), inLykien, umgebautes (?) griech. T. 110:
— 66 f. 103 (III. fu) — Z, verkürzt? (ca. 9 : 14 statt volle
9 : 14), Anal, (unregelm.), Endkeile schmäler 123. Parodoi
(halb?) 188 - B. umgebaut (?) 128 f. 179 ff. Urkreis (?)
129 f. Ski. (si4 + 2r?) 181. 48. Bhw. (s^?) 180. Bvw.
(SV14) 183 ff. Thüren (5), (Radien od. Senkrechte) 189 —
Zur Geschichte 126? 188.
Termessos maj. 33 (A 1), in Lykien, griech* T. 110: — 80.
100 (II. 2f6) — Z. (6 : 10), Anal, (konverg. Radien), Keüe
gleich 117. Urkreis 132. Parodoi 187 — Ski. (sj + 2r) 133.
Bhw. (ca. T) 135. Bvw. (ca. S5) 137. 161. B. tiefe 161.
B.länge (D) 171 f. Thüren (3?) 174, (Radien) 137. 175.
Thorikos 73 (I 25), gidech. (?) T. 201: — 194.
Tibur 15 (II 13), bei, röm. 0. 110 f.: — 77. 96 (Ib. BQ - Z.
(5:9), Anal, (parallel), Keile ungleich 120 f., vgl. 114. Ur-
kreis 132. Keine Parodoi 188 — Ski. (4r) 134, ohne die
Seitenräume 160. Bhw. (T) 135. Bvw. (SVo) 162 B.tiefe
163. Thüren (?) 175 — Zur Geschichte 113.
Tibur 51 (A 15), bei, röm. T. 121: — 197 f. 205 f. (la. 4f8?) -
Z. (6 : 12), Anal. (D) , Keile gleich (?) 206 - Ski. (4r) 207.
Bhw. (T?) 208. Bvw. (D) 208. Thüren (5), (senkr. T) 208.
Tusculum 48 (II 11), röm. T. 109: - 76 f. 105 (IVb. 2f4?) -
Z. (ca. 9:20), Anal, (parallel), Keile ungefähr gleich 118 f.
Oehmichen, Griech. Theaterbau. I5