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Full text of "Grillparzer's sämmtliche Werke"

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Srillparzer’3 


Sämmtliche Werke. 


EEE? 77 Zr Saes 5 ir S 


Dritter Band. 


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| Stuligert. 
Berlag der 3. G. Cotta’ihen Buchhandlung. 
1872. 











ei der 4.6. gorta’ihen vVuqhhandluns in Su 


Buäprude 





Inhalt. 


— — 


Das goldene Blick, Dramatiſches Gedicht, 
I. Der Gaffreund 
IL Die Urgonauten . 
II. Medea . 


157 





_. — du 





Das goldene Vließ. 


Dramafildies Gedicht 


in drei Abthbeilungen. 


Grillparzer, fämmtl, Werke. I. | 1 





I 


der Gaſtfreund. 


Trauerfpiel in einem Aufzuge 








Berfonen. 


— — 


Aietes, König von Kolchis. 
Medea, ſeine Tochter. 

Gora, Medeens Amme. 
Peritta, eine ihrer Jungfrauen. 
Phryrxus. 

Jungfrauen Medeens. 

Griechen in Phryxus Gefolge. 
Kolcher. 








Kolchis. Wilde Gegend mit Felſen und Bäumen, im Hintergrunde 

da? Meer. Am Geftade deſſelben ein Altar von unbehauenen 

Steinen zufammengefegt, auf dem bie Tolofjale Bildſäule eines 

nadten, bärtigen Mannes fteht, ber in feiner Rechten eine Keule, 

um die Edultern ein goldened Wibberfell trägt. Links an den 

Scenen des Mittelgrundes der Eingang eines Haufes mit Stufen 
und rohen Säulen. Tagesanbruch. 


Meden, Bora, Peritta, Gefolge von Jungfrauen. 


(Beim Aufziehen des Borhanges flieht Meden im Vorgrunde mit dem 

Bogen in der Hand, in der Stellung einer, die eben den Pfeil abge- 

fhoffen. Un den Stufen des Altars liegt ein von einem Pfeile durch» 
bohrtes Reh.) 


Zungfrauen 
(die entfernt geſtanden, zum Altar hineilend). 


Das Opfer blutet! 
Meden 
(in ihrer vorigen Stellung). 
Traf's? 
Eine der Zungfrauen. 
Gerad ins Herz. 
Meden 


(indem fie den Bogen abgibt). 


—* beultet : Optes ; laßt. uns dien denn! 
eh ein im [ib free das a8 Gebet. 





8 Das goldene Blieh. 


Gora 
(zum Altar tretend). 

Darimba, mädtige Göttin! 
Menfchenerhalterin, Menfchentödterin ! 
Die den Wein du gibft, und des Halmes Frudt, 
- Gibft des Waidwerks herzerfreuende Spende 
Und des Todfeinds Blut; 
Darimba, reine, magbliche 
Tochter des Himmels! 
Höre mid! 

Chor. 
Darimba, mächtige Göttin! _ 
Darimba! Darimba! 


Gora. 
Gieh! ein Reh hab’ ich dir getötet, 
Den Pfeil fchnellend vom ftarken Bogen, 
Dein ift’3; laß dir gefallen fein Blut! 
Eegne das Feld, und den beutereihen Wald, 


Gib, daß wir recht thun, und fiegen in der Schlacht, 


Gib, daß wir lieben den Wohlmollenden , 
Und haſſen den, der ung haft! 
Mach uns ſtark und reih, Darimba, 
Mächtige Göttin! 

Chor. 
Darimba! Darimba | 


Goran. 
Das Opfer am Altar zudt und enbet, 
Ev mögen deine Feinde enden, Darimba, 
Deine Feinde, und die unfern! 
Es ift Medea, Nietes Tochter, 
Des Herrfchers von Koldis fürftliches Kind, 





I. Der Gaffreund. 9 


Die empor in deine Wohnungen ruft. 
Höre mich, höre mich! 
Und erfülle, was ich bat! 


Chor 
(mit Zimbeln und Handpaufen zufammenfchlagend). 

Darimba! Darimba ! 
Mächtige Göttin! 
Eriho! Jehu! 

AMAedea. 
Und ſomit genug. Das Opfer iſt gebracht, 
Vollendet das zögernde Geſchäft. 
Nun Pfeil und Bogen her, die Hunde vor, 
Daß von des Jagdlärms hallendem Getos 
Der grüne Wald ertöne nah und fern! 
Die Sonne fteigt. Hinaus! hinaus! 
Und die am ſchnellſten rennt, und die am leicht’ften fpringt, 
Sei Königin des Tags. 

Du bier, Peritta? Sagt’ ich dir nicht, 
Daß du mich meiden ſollſt und gehn? So geb! 
| Peritta (tnieend). 
Meden ! 
Meden. 
Knie nicht! Du folft nicht knie'n! 

Hörft du? In deine Seele ſchäm' ih mid; 
Sp feig, fo zahm! — Mich fchmerzt nicht dein Verluft, 
Mich fchmerzt, daß ich Dich jeßt verachten muß, 
Und hab’ dich einft geliebt. 

Peritta. 

D müßteft du! 


10 Das goßene Blick, 


Aedea. 
Was denn? — Stahlſt du dich neulich von der Jagd, 
Und gingft zum Hirten ins Tergener Thal? 
Thatft du's? Sprich nein! du Falſche, Undankbare! 
Verſprachſt du nicht, du wollteſt mein fein, mein, 
Und feines Manns? Sag’ an, verſprachſt du's? 
Peritta. 
Als ich's gelobte, wußt' ich damals — 
Aedea. 
Schweigl 
Was braucht's zu wiſſen, als, daß du's verſprachſt! 
Ich bin Aietes königliches Kind, “ 
Und mas ich thu' ift recht, weil ich's gethan; 
Und doch, du Falſche! hätt’ ich dir verſprochen, 
Die Hand hier abzuhau'n von meinem Arm, 
Ich thät’s, fürwahr, ich thät's, weil ich's verſprach. 
Peritta. 
Es riß mid) hin, ich war befinnungslos, 
Und nicht mit meinem Willen, nein — 


Meden. 
” Ei hört! 
Sie wollte nit, und that's! — Geh! du ſprichſt Unfinn I 
Wie konnt' e3 denn geſchehn, 
Wenn du nicht wollteft? Was ich thu’ das will ich, 
Und was id will — je nu, das thu ich mandmal nicht. 
Geh hin in deines Hirten dumpfe Hütte, 
Dort kau're dich in Rauch und ſchmutz'gen Qualm 
Und baue Kohl auf einer Spanne Grund! 
Mein Garten ift die ungemefj’'ne Erbe, 
Des Himmels blaue Säulen find mein Haus; 





I. Der Gaſtfreund. 11 


Da will ich ftehn, des Berges freien Lüften 
Entgegen tragend eine freie Bruft, 

Und auf dich nieverfehn, und dich verachten. 
Hallo! in Waldı Ihr Mädchen, in ven Wald! 


Indem fie abgehen will, kommt von der andern Eeite ein older. 


Kolder. 
Du Königstochter, böre! 


Meden. 
Mas? Wer ruft? 


Kolder. 
Ein Schiff mit Fremden angelangt zur Stund. 


Meden. 
Dem Bater ſag' es an, mas kümmert's mich! 


Kolder. 
Mo meilt er? 
Meden. 
Drin, im Haus. 
Kolder. 
Ich eile. 
ü Meden. 
Thu's! 
(Der Bote ab ins Haus.) 
Medea. 
Daß dieſe Fremden uns die Jagdluſt ſtören! 
Ihr Schiff, es ankert wohl in jener Bucht, 
Die ſonſt zum Sammelplatz uns dient der Jagd. 
Allein was thut's! Bringt lange Speere her, 
Und naht ein Kühner, zahl' er es mit Blut. 





13 Das goldene Blick. 


Nur Speere her! Doch leife, leiſe, hört! 
Denn, ſäh's der Vater, wehren möcht’ er es. 
Kommt. — Dort das Mal von Steinen aufgehäuft, 
Seht ihr's dort oben? Wer erreicht'3 zuerft? 
Stellt euch! — Nichts da! Nicht vorgetreten! Weg! 
Wer fiegt, hat auf der Jagd den erften Schuß. 
©, ſtellt eu, und wenn ich das Zeichen gebe, 
Dann wie der Pfeil vom Bogen fort; gebt acht! 
Acht! — Jept! 
Aietes iR unterdeffen auß dem Haufe getreten, mit ihm der Bote, der 
glei) abgeht. 
Aietes. 
Medea! 
Medea 
(fi ummendend, aber ohne ihren Pla zu verändern). 
Vater! 
Aietes. 
Dul Wohin? 
Meden. 
In Bald! 
Aictes. 
Bleib jept! 
Meden. 
Warum? 
Aietes. 
Ich will's. Du ſollſt. 
Aedea. 
So fürdteft du, daß jene Fremden —? 
Aietes. 
Weißt du alfo? 





IL. Der Gaftfreund. 


(Näher tretend, mit gebämpfter Stimme.) 
Angelommen Männer 
Aus fernem Land; 
Bringen Gold, bringen Schäße, 
Reiche Beute. 


Meden. 
Mem? 
Aictes. 
Uns, wenn wir wollen. 
Meden. 
Uns? 
Aictes. 


Sind Fremde, find Feinde, 
Kommen zu verwüften unfer Land. 


Meden. 
So geh hin und tödte fie! 


Aietes. 
Zahlreich ſind ſie, und ſtark bewehrt, 
Reich an Liſt die fremden Männer, 
Leicht tödten ſie uns. 


Meden. 
So laß fie ziehn. 
Aietes. 
| Nimmermehr ! 
Sie follen mir — 
j Meden. 
Thu’ was du millft; 
Mich aber laß zur Jagd. 
Aietes. 
Bleib, ſag' ich, bleib! 





14 Das goldene Vließ. 


Meden. 
Was fol ich? 
Aittes. 
Helfen! rathen! 


Medea. 
Ich! 
Aietes. 
Du biſt klug, du biſt ſtark, 
Dich hat die Mutter gelehrt 
Aus Kräutern, aus Steinen 
Tränke bereiten, 
Die den Willen binden 
Und feſſeln die Kraft; 
Du rufſt Geiſter 
Und beſprichſt den Mond. 
Hilf mir, mein gutes Kind! 


Aedea. 
Bin ich dein gutes Kind? 
Sonſt achteſt du meiner wenig, 
Wenn ich will, willſt du nicht, 
Und ſchiltſt mich und ſchlägſt nach mir; 
Aber wenn du mein bedarfſt, 
Lockſt du mich mit Schmeichelworten, 
Und nennſt mich Medea, dein liebes Kind. 


Aietes. 
Vergiß, Medea, was ſonſt geſchehn, 
Biſt doch auch nicht immer, wie du ſollteſt. 
Jetzt ſteh' mir bei und hilf mir! 
Medea. 
Wozu? 





1. Der Gaffreund. 


Aietes. 
So höre denn, mein gutes Mädchen! 
Das Gold der Fremden all' und ihre Schätze — 
Gelt, lächelſt? 
Aedea. 


Ich? 
Aietes. 
Ei ja, das viele Gold, 
Die bunten Steine, und die reichen Kleider, 
Wie ſollen die mein Mädchen zieren! 
Medea. 
Ei, immerhin! 
Aietes. 
Du ſchlaue Bübin, ſieh, 
Ich weiß, dir lacht das Herz nach all der Zier. 
| Meden. 
Kommt nur zur Sade, Vater! 
Aietes. 
Ich — 
Heiß dort die Mädchen gehn! 
Aedea. 
Warum? 
Aietes. 


Ich will's. 


Aedea. 
Sie ſollen ja mit mir zur Jagd. 
Aietes. 


Heut keine Jagd! 


Aedea. 
Nicht? 


15 





16 Das goldene Blick. 
Aietes. 
Nein, ſag ich, und nein! und nein! 
Meden. 
Erſt Iobft du mid, und — 
Aictes. 


| Nun, ſei gut, mein Kind! 
Komm bierher. Weiter ! Hierher! fo! 
Du bift ein kluges Mädchen, dir kann ich trauen. 
Ich — — 


Aedea. 
Nun? 
Aietes. 
Was ſiehſt du mir ſo ſtarr ins Antlitz? 
Meden. 
Ich böre, Vater. — 
Aictes. 


D, ich Tenne dich! 
Wilft du den Vater meiftern, Ungerath'ne? 
ch enticheibe, mas gut, mas nidt. 
Du gehorchſt. Aus meinen Augen, Verhaßte! 
(Medea gebt.) 
Aictes. 
Bleib! — Wenn du mollteft, begreifen wollteſt — 
Sch weiß, du kannſt, allein du millft es nicht! 
— So ſei's denn, bleib aus beine? Vaters Rath, 
Und diene, weil du dienen will. ⸗ 
(Man hört in der Ferne kriegerifhe Mufil.) 


Aietes. 
Was iſt das? Weh! ſie kommen uns zuvor? 
Siehſt du, Thörin? 





I. Der Gaflfreund. 


Die du fchonen wollteft, fie töbten ung; 
Sn vollem Zug hierher die fremden Männer! 
Weh ung! Waffen! Waffen ! 
(Der Bote kommt wieder.) 
Bote. 
Der Führer, Herr, der fremden Männer — 


Aictes. 
Was will er? Meine Krone? Mein Leben? 
Noch hab’ ih Muth, noch hab’ ich Kraft, 
Noch rollt Blut in meinen Adern, 
Zu taufhen Tod um Tod! 

| KSote. 

Er bittet um Gehör. 

Aictes. 

Bittet? 
Bote. 

Freundlich fich mit dir zu beiprechen, 
Zu ftiften friedlichen Vergleich. 

Aictes. 
Bittet? — und hat die Macht in Händen. 
Findet ung unbewehrt, er in Waffen, 
Und bittet, der Thor! 

Bote. 

Sn dein Haus will er treten, 
Siten an deinem Tiſche, 
Efien von deinem Brot, 
Und dir vertrauen, 
Was ihn hierher geführt. 

Aietes. 


Er komme, er komme! 
Grillparzeh fämmtl. Werke. II. 





* 
B . ‚ 


18 Das goldene Vließ. 


Hält er Friebe nur zwei Stunden, 
Später fürcht' ich ihn nicht mehr. 
Sag' ihm, daß er nahe, 
Aber ohne Schild, ohne Epeer, 
Nur das Schwert an der Eeite, 
Er und feine Gefellen. 
Dann aber geh und biet! auf die Getreuen 
Rings herum im ganzen Lande. 
Heiß fie fich Stellen gewappnet, bemehrt 
Mit Schild und Panzer, mit Lanz’ und Schwert, 
Und fich verbergen im nahen Gehölz, 
Bis ich winke, bis ich rufe. — Geh! 
(Bote ab.) 
Ich will dein laden, du ſchwacher Thor! 
Du aber, Medea, ſei mir gemwärtig | 
Einen Tranf, ich weiß es, bereiteft bu, 
Der mit fanfter, fchmeichelnder Betäubung 
Die Sinn’ entbindet ihres Dieneramt’s 
Und ihren Herrn zum Sklaven madıt des Schlafs. 
Geh hin und hole mir von jenem Trank. 


Meden. 


Aictes. 
Geb, fag’ ih, bin, und hol’ ihn mir! 
Dann fomm zurüd. Ich will fie zähmen, dieſe Stolgen. 
(Medea ab.) 
Aictes 
(gegen den Altar im Hintergrunde gewendet). 
Peronto, meiner Väter Gott! 
Laß gelingen, was ich finne, 
Und theilen will ich, treu und reblich, 
Was wir gewinnen von unferen Feinden. 


Wozu? 


1. Der Gaflfreund. 19 


Rriegerifche Mufit. Bewaffnete Griechen zichen auf, mit grünen 

Zweigen in der Hand. Der Ichte geht Phryrus, in der linten Hand 

gleihfalls einen grünen Zweig, in der reiten ein goldenes Wibderfell in 

Gehtalt eines Panierd auf der Lanze tragend. Bewaffnete Kolcher 
treten von der andern Geite ein. Die Mufit jchweigt. 

(Indem Phryrus an dem im Sintergrunde befindligen Altar und der 
darauf Rependen Bildfäule vorbei geht, bleibt er, mie von Grflaunen 
gefeffelt, Reben, dann fprißt er:) 

Phryrus. 

Kann ich den Augen trau'n? — Er if’, er ift es! 

Sei mir gegrüßt, du freundliche Geftalt, 
Die mid) durch Wogenfturm und Unglücksnacht 
Hierher geführt an diefe ferne Küfte, 
Wo Sicherheit und einfach ftile Ruh 
Mit Kindesbliden mir entgegen lächeln. 
Dieß Zeichen, das du mir ala Pfand der Rettung 
Im jener unbeilvollen Etunde gabft, 
Und das, mie der Polarftern vor mir leuchtend, 
Mic in den Hafen eingeführt des Glüds; 
Ich pflanz' es dankbar auf vor deinem Altar 
Und beuge betend dir ein frommes Knie, 
Der du ein Gott mir wareſt in ber That, 
Wenn glei dem Namen nach, mir Fremden, nicht. 
(&r niet.) 
Aietes (im Bordergrunde). 
Was ift das? 
Er beugt fein Knie dem Gott meiner Väter! 
Den?’ der Opfer, die ich dir gebracht, 
Hör’ ihn nicht, Peronto, 
Höre den Fremden nicht! 
Phryrus (auifichend). 
Erfüllet ift des Dankes füße Pflicht. 
Nun führt zu eurem König mich! Wo weilt er? 





20 Das goldene Vließ. 


(Die Kolcher weichen ſchweigend und ſcheu zu beiden Seiten aus dem Wege. 
Phryxus erblidt den König, auf ihn zugehend.) 


Phryrus. 
In dir grüß’ ich den Herrn wohl diefes Landes? 


Aictes. 
Ich bin der Kolder Fürſt. 


Phryrus. 
Cei mir gegrüßt! 
Es führte Göttermacht mich in dein Reich, 
So ehr’ in mir den Gott, der mich beſchützt. 
Der Mann, der dort auf jenem Altar thront, 
Iſt er das Bilbniß eines, der ba lebte? 
Mie, oder ehrt ihr ihn als einen Himmlifchen? 


Aictes. 
Es ift Peronto, der Kolcher Gott. 


Phryrus. 
Peronto! Rauher Laut dem Ohr des Fremden, 
Wohltönend aber dem Geretteten. 
Verehrſt du jenen dort als deinen Schützer, 
So liegt ein Bruder jetzt in deinem Arm, 
Denn Brüder ſind ja Eines Vaters Söhne. 


Aietes 
(der Umarmung ausweichend). 


Schützer er dir? 


Phryrus. 
Sa, du ſollſt noch hören. 
Doc laß mich bringen erft mein Weihgeſchenk. 
(Er geht zum Altar und flößt vor demjelben fein Panier in den Boden.) 


1. Der Gaftfreund. 21 


Meben kommt mit einem Beier. 


Meden (laut). 
Hier, Vater, ift der Trank! 
Aictes 
(fie gewaltfam auf die Geite ziehend, Leife). 
Schweig, Thörichte! 
Siehſt du denn nicht? 
Medea. 
Was? 
Aietes. 
Den Becher gib der Sklavin. 
Und ſchweig! 
Medea. 
Wer iſt der Mann? 
Aietes. 
Der Fremden Führer, ſchweig! 
Phryrus 
(vom Altar zurüdtommend). 
Jetzt tret’ ich leicht erft in dein gaftlich Haus. 
Doch wer ift diefes blühend holde Weſen, 
Das tie ber golbne Saum der Wetterwolke 
Sich ſchmiegt an beine krieg'riſche Geftalt? 
Die rothen Lippen und ber Wange Licht, 
Sie feinen Huld und Liebe zu verheißen, 
Streng widerſprochen von dem finftern Aug’, 
Das bligend, wie ein drohender Komet, 
Hervorftrahlt aus der Loden ſchwarzem Dunkel. 
Halb Charis fteht fie da, und halb Mänade, 
Entflammt von ihres Gottes heil'ger Gluth. 
Wer bift du, holdes Mädchen? 








22 Daß goldene Blick. 


Aictes. 
Cprih, Meden ! 
MAMedea (toden). 
Medea bin ich, diefes Könige Kind! 


Phryrue. 
Fürwahr ein Kind und eine Königin! 
Sch nehm’ di an als gute Vorbedeutung 
Für eine Zufunft, die uns noch verhült. 
D lächle, Mädchenbild, auf meinen Eintritt! 
Vielleicht, mer weiß? — ob nicht bein Vater, 
Don dem ich Zufludt nur und Schuß verlangt, 
Mir einst noch mehr gibt, mehr no, o Meden ! 


Aictes. 
Mas alfo, Frembling, ıft dein Begebr? 


Phryrus. 

So höre denn, was mich hierher geführt, 
Was ich verloren, Herr, und mas ich fuche. 
Geboren bin ich in dem fchönen Hellas, 
Bon Griechen ich ein Grieche, reinen Bluts. 
Es Iebet Niemand, der fich höh’rer Abkunft, 
Sich edlern Stammes rühmen Tann, als ic; 
Denn Hellas Götter nenn’ ich meine Väter, 
Und meines Haufes Ahn regiert die Welt. 


Medea 


(ſich abwendend). 
Ich gehe, Vater — 
Aietes. 
Bleib und ſchweig! 


Phryrus. 
Bon Göttern alfo zieh’ ich mein Geſchlecht. 


1. Der Gaffreund. 


Allein mein Bater, alten Ruhms vergefiend 
Und jung:erzeugter Kinder Recht und Glüd, 
Erkor zur zweiten Eh’ ein niedrig Weib, 

Das, neidiſch auf des erften Bettes Sproſſen, 
Und üb'rall Vorwurf fehend, weil fie felbft 
Sich Vorwurf zu verdienen mar bewußt, 
Den Zorn des Vaters reizte gegen mich. 

Die Zwietracht wuchs, und Häfcher ſandt' er aus, 
Den Sohn zu fah'n, vieleicht zu töbten ihn. 
Da ging ih aus der Väter Haus und floh, 

In frembem Land zu fuchen heimiſch Glüd. 
Umirrend fam ich in die Delpherftabt 

Und trat, beim Gotte Rath und Hülfe fuchend, 
In Phöbos reiches, mweitberühmtes Haus. 

Da ftand ich in des Tempels weiten Hallen, 
Mit Bildern rings umftellt und Opfergaben, 
Erglühend in der Abendfonne Strahl. 

Vom Schauen matt und von des Weges Laft 
Schloß fid) mein Aug’ und meine Gliever fanten, 
Dem Zug erliegend, ſchlummerte ich ein. 

Da fand id) mid im Traum im felben Tempel, 
In dem ich fehlief, doch wachend und allein 
Und betend zu dem Gott um Rath. Urplötzlich 
Umflammt mid) heller Glanz, und einen Mann 
In nadter Kraft, die Keule in ber Rechten, 
Mit langem Bart und Haar, ein Widderfell 
Um feine mädht'gen Schultern, ftand vor mir 
Und lächelte mit milder Huld mid) an. 


„Nimm Sieg und Rade hin!“ ſprach er und löste 


Das reiche Vließ von feinen Schultern ab 
Und reichte mir's; da, fhütternd, macht’ ich auf. 
Und fiehe! von dem Morgenftrahl beleuchtet, 


23 





24. Das goldene Vließ. 


Stand eine Blende fchimmernd vor mir da 
Und drin aus Marmor künſtlich ausgehau’n, 
Derjelbe Mann, der eben mir erjchieneh, 

Mit Haar und Bart und Fell, wie ich’3 gejehn. 


Aittes 
(auf die Bildfäule im Hintergrunde zeigend). 
Der bort? 
Phryrus. 
Ihm glich er, wie ich mir. 
So ſtand er da in Götterfraft und Würde, 
Vergleihbar dem Herafles, doch nicht er; 
Und an dem Fußgeftell des Bildes mar 
Der Name Kolchis golden eingegraben. 
Ich aber deutete des Gottes Rath 
Und nehmend, was er räthfelbaft mir bot, 
Löst' ih — ich war allein — den goldnen Schmud 
Vom Hals des Bildes und in Eile fort. 
Des Baters Häfcher fand id) vor den Thoren, 
Eie wichen fcheu des Gottes Goldpanier ; 
Die Priefter neigten fi), das Volk lag auf den Knieen, 
Und, vor mir her es auf der Lanze tragend, 
Komm ich durch taufend Feinde bi ang Meer. 
Ein fchifft’ ich mi und hoch als goldne Wimpel 
Flog mir das Vließ am fturmumtobten Maft, 
Und mie die. Wogen fhäumten, Donner brüllten 
Und Meer und Wind und Hölle fich verſchworen, 
Mich zu verfenfen in das naſſe Grab; 
Berjehrt ward mir fein Haar und unverlebt 
Ram ich hierher an diefe Rettungsfüfte, 
Die vor mir noch fein griech’icher Fuß betrat. 
Und jeßo geht an dich mein bittend Flehn: 





1. Der Gaftfreund. 


Nimm auf mid) und die Meinen in dein Land, 
Wo nicht, jo faſſ' ich felber Si und Etätte, 
Vertrauend auf der Götter Beiftand, die 
Mir Sieg und Rache durch dieß Pfand verliehn! 
— Du fchmweigft? 
Aictes. 
Was mwillft du, daß ich ſage? 


Ahryrus. 

Gewährſt du mir ein Dad, ein gaftlid) Haus? 
Aietes. 

Tritt ein, wenn dir's gut dünkt, Vorrath iſt 

Von Speiſ' und Trank genug. Dort nimm und iß! 


Phryxus. 
So rauh übſt du des Wirthes gaſtlich Amt? 
Aietes. 
Wie du dich gibſt, ſo nehm' ich dich. 
Wer in des Krieges Kleidung Gabe heiſcht, 
Erwarte nicht ſie aus des Friedens Hand. 


Phryrus. 
Den Schild hab' ich, die Lanze abgelegt. 
Aictes. 
Das Schwert ift, denkſt du, gegen ung genug. 
Doch halt’ es, wie du millft. 
(Leife zu Medea.) 
Begehr' jein Schwert. 


Phryrus. 
Nod eins! An reihem Schmud und köſtlichen Gefäflen 
Bring id) fo manches, was ich fichern möchte; 
Du nimmft es doch in deines Haufes Hut? 


25 








26 Das goldene Vließ. 


Alctes. 
. Thu, wie du mwillft. 
(Zu Medea.) 
Cein Schwert, ſag' ich, begeht’! 
Phryrus. 
Nun denn, Gefährten! was mir hergebradht, 
Gerettet aus des Glüdes graufem Schiffbruch, 
Bringt es hieher in diefer Mauern. Umfang, 
Als Grundftein eines neuen, feftern Glücks. 
Aictes (u Medea). 
Des Fremden Schwert! 


Meden. 
Wozu? 


Aictes. 
Sein Schwert, ſag' ich! 
Med ca (zu Phryxus). 
Gib mir dein Schwert! 
Phryrus. 
Was fagft du, holdes Kind? 
Aictes. 
Fremd ift dem Mädchen eurer Waffen Anblid, 
Bei und geht nicht der Friedliche bewehrt. 
Auch iſt's euch läftig. 
Ahryrus (u Meden). 
Corgeft du um mid? 
(Medea wendet fi ab.) 


Phryrus. 
Sei mir nicht bös! Ich weigr' es dir ja nidt. 
(Er gibt ihr das Schwert.) 





I. Der GSaflfreund. 97 


Dem Himmlifchen vertrau’ ich mid und bir! 
Wo du bift, da ift Frieden. Hier mein Schwert 
Und jeto in dein Haus, mein edler Wirth! 


Aictes. 
Geht nur, ich folg’ euch bald! 


Phryrus. 
Und du, Medea? 
Laß mich auch dich am froben Tische ſehn! 
Kommt, Freunde, theilt die Zuft, mie ehmals die Gefahr. 
(Ab mit feinen Gefährten.) 
(Medea ſetzt fih auf eine Felſenbank im Vorgrunde und beidäftigt fid 
mit ihrem Bogen, den fie von der Erde aufgehoben hat. MWietes fteht 
auf der andern Eeite des Vordergrundeß und verfolgt mit den Augen 
die Diener des Phryrus, die Gold und reiche Gefäffe ins Haus tragen. — 
Zange Paufe.) 
Aictes. 
Medea! 
Acdea. 
Vater! 
Aictes. 
Was denkt du? 
Mech e0. 
Ich? Nichts! 
. Aictes. 
Dom Freniden, mein’ ich. 


Meden. 
Er ſpricht und ſpricht; 
Mir widert's! 
Aictes 
(raſch auf fie zugehend). 
Nicht wahr? Sprit und gleif't, 





28 Das goldene Bließ. 


Und ift ein Böfewicht, 
Ein Oottverädhter, ein Tempelräuber ! 
Ich tödt' ihn! 
| Meden. 
Vater! 
Atctes. 
. Ich thus! 
Soll er davon tragen all’ den Reichthum, 
Den er geraubt, dem Himmel geraubt? 
Erzählt‘ er nicht jelbit, wie er im Tempel 
Das DVließ gelöst von der Echulter des Gottes, 
Des Donnerers, Peronto's, 
Der Kolchis beſchützt. 
Ich will dir ihn ſchlachten, Peronto! 
Rache ſei dir, Rache! 


Medea. 
Tödten willſt du ihn, den Fremden, den Gaſt? 


Aietes. 
Gaſt? — 
Hab' ich ihn geladen in mein Haus? 
Ihm beim Eintritt Brod und Salz gereicht 
Und geheißen ſitzen auf meinen Stuhl? 
Ich hab' ihm nicht Gaſtrecht geboten, 
Er nahm ſich's; büß' er's, der Thor! 

Reden. 
Bater, Peronto rächet den Mord! 

Aictes. 
Peronto gebeut ihn. 


Hat der Freche nicht an ihm gefrevelt? 
Eein Bild beraubt in der Delpherftabt? 





I. Der Gaſifreund. 99 


Führt der Erzürnte ihn nicht felbft ber, 
Daß ich ihn ftrafe, daß ich räche 
Des Gottes Schmach und meine? 
Das Vließ dort am glänzenden Epeer, 
Des Gottes Kleid, der Kolcher Heiligthum, 
Soll's ein Fremder, ein Frevler entmweihn? 
Mein iſt's, mein! Mir ſendet's der Gott, 
Und Sieg und Race gefnüpft an dieß Pfand, 
Den Unjern werd’ es zu Theil! — 
‚Zragt nur zu des fojtbaren Guts! 
hr führet die Ernte mir ein! 
Sprich nit und Tomm! daß er uns nicht vermißt; 
Gefahrlos fei die Rach' und ganz. 
Komm, ſag' ih, fomm! 
(Beide ab ind Haus.) 


Ein Foldjifher Hauptmann mit Bewaffneten tritt auf. 


Hauptmann. 
Hieher beſchied man uns. Was ſollen wir? 
(Ein Kolcher aus dem Hauſe.) 
older. 
Hedal Ad 
Hauptmann. 
Hier find mir! 
older. 
Reie! 
Hauptmann. 
Sprich! Was jol’s? 
Aolder. 
Bertheilt euch rechts und links, und wenn ein Fremder — 
Doch ftill jegt! Einer naht! — Kommt! hört das Weit’re. 
(Alle ab.) 





30 Das goldene Blick. 


Phryrus 
(mit ängflliden Schritten auß dem Haufe). 
Ihr Götter! Was ift das? Ich ahne Echredliches. 
Es murmeln die Barbaren unter ſich 
Und Shaun mit höhn'ſchem Lächeln bin auf uns; 
Man gebt, man fommt, man winkt, man lauert, 
Und die Gefährten, einer nad dem andern 
Sinkt bin in dumpfen Schlaf; ob Müdigkeit, 
Ob irgend ein verruchter Schlummertrant 
Sie einlullt, weiß ich nicht. Gerechte Götter! 
Habt ihr mich bergeführt, mich zu verderben ? 
Nur eines bleibt mir noch: Flucht auf mein Schiff. 
Dort ſamml' ich die Zurüdgebliebenen, 
Und dann zur Rettung ber, zur Hülfe — Hord! 
(Shwertgellirr und dumpfe Stimmen im Haufe.) 
Man fiht! — Man tödtet! — Weh mir, meh! — Zu jpät! 
Nun bleibt nur Flucht. Echnell, eh’ die Mörder nah'n! 
(Er will gehen. Krieger mit gefällten Spießen treten ihm entgegen.) 


older. 
Zurück! 
Phryrus. 
Ich bin verrathen! — Hier! 
(Von allen Seiten treten Bewaffnete mit geſenlten Speeren ihm entgegen.) 


Bcwaffnete. 
Zurüd! 
Phryraus. 
Umſonſt! Es ift vorbei! — Ich folg’ euch, Freunde! 
(An den Altar bineilend.) 
Nun denn, du Hoher, der mich hergeführt, 
Biſt du ein Gott, fo fchirme deinen Schüßling. 


1. Der Gaßfreund. 31 


Aietes mit bloßem Schwert aus dem Kaufe. Medea hinter ihm. 
Gefolge. 
Aictes. 

Wo ift er? 
Medea. 

Vater, höre! 

Aietes. 
Wo, der Fremdling? 

Dort am Altar. Was ſuchſt du dort? 


Phryrus. 
Schutz ſuch' ih! 
Aietes. 
Gegen wen? Komm mit ins Haus. 
Phryrus. 
Hier ſteh' ich und umklammre dieſen Altar, 
Den Göttern trau’ ich; o daß ich es bir! 
‘ Aedea. 
D Vater, höre mich! 
Phryrus. 
Du aud hier, Schlange? 
Warſt du fo fhön und lodteft du fo lieblich, 
Mich zu verberben hier im Todesnetz? 
Mein Herz ſchlug dir vertrauensvoll entgegen, 
Mein Echwert, den letzten Schuß, gab ich in deine Hand, 
Und du verräthit mid? 
Meden. 
Nicht verrieth ich dich! 
Gabft du dein Schwert mir, nimm ein andres hier 
Und wehre dich des Lebens. 
(Sie hat einem der Umfehenden das Schwert ewisiffen und reiht es ihm.) 








39 Das goldene Vließ. 


Aietes 
(ihr das Schwert entreißend). 
Thörichte! — 
Vom Altar fort! 
Phryrus. 
Ich bleibe! 
Aietes. 
Reißt ihn weg! - j 
Phryrus 
(da einige auf ihn losgehen). 
Nun denn, fo muß ich fterben? — Ha, es feil 
Doc ungerochen, Tlaglos fall’ ich nicht. 
(Er reißt das Panier mit dem goldenen Vließ aus der Erde und tritt 
damit in den Vorgrund.) 


Du unbelannte Macht, die her mich führend, 

Dieb Pfand der Rettung huldvoll einft mir gab, 

Und Sieg und Race mir dabei verbieß! 

Zu dir ruf' ih empor nun, höre mid! 

Hab’ ich den Sieg durch eigne Schuld verwirkt, 
‘ Das Haupt darbietend dem Berräthernet 

Und blind dem Schickſal trauend, ftatt mir felber, 

Sp laß doch Rache wenigſtens ergehn 

Und halte deines Wortes zweite Hälfte. 

Aictes. 
Was zauderft bu? 


Phryrus. 
Aietes! 


Aietes. 
Nun, was noch? 


Phryrus. 
Ich bin dein Gaſt, und du verräthſt mich? 


1. Der Gaſtfreund. 33 


Aictes. 
Mein Gaft? Mein Feind! 
Was fuhteft du, Fremder, in meinem Land? 
Hab’ ic) dir Gaftrecht gelobt? dich geladen in mein Haus? 
Nichts verſprach ih, Thörichter! 
Verberbt durch eigne Schuld! 


Phryrus. 
Damit beſchönſt du beine Frevelthat? 
O triumphire nit! Tritt her zu mir. 
Aictes. 
Was fol’s? 
Phryrus. 
Sieh diefes Banner hier, mein letztes Gut. 
Die Schätze alle haft du mir geraubt, 
Dieß eine fehlt noch. 
Aictes 
Carnach greifend). 
Fehlt? Wie lange noch? 


Phryrus. 
Zurüd! Betracht's, es ift mein letztes Gut, 
Und von ihm fcheidend, ſcheid' ich von dem Leben. 
Begehrft du’s? 
Aictes. 
Ja! 
Phryrus. 
Begehrft du's? 
Aictes 
Cie Hand ausfiredend). 
Gib mir es! 
Gritlparzer, fämmtl. Berte. UI. 3 








34 Tas goldene Blick. 


Bhryrus. 
Nimm’s bin, des Gaftes Gut, du ebler Wirth, 
Eieh’, ich vertrau’ dir's an. Bewahre mir's! 
(Mit erhöhter Stimme.) 
Und gibjt du's nicht zurüde, unbeſchädigt 
Nicht mir, dem Unbejchädigten, zurüd, 
So treffe dich der Götter Donnerfluch, 
Der über dem rollt, der die Treue bricht. 
Nun ift mir leicht! Nun Rache, Rache, Rache! 
Gr bat mein Gut. Verwahre mir's getreu. 


Aictes. 
Nimm e3 zurüd! 
Phryrus. 
Nein, nicht um deine Krone! 
Du baft mein Gut, dir hab’ ich's anvertraut, 
Bemwahre treu das anvertraute Gut ! 


Aictes 
(ihm das Vließ aufdringend). 
Nimm e3 zurüd! 
Phryrus 
(ihm ausweidend). 
Du haft mein Gut, verwahr’ es treu! 
Sonft Rache, Rache, Rache! ' 
Aietes 
(ihn über die Bühne verfolgend und ihm das Banner aufdringend). 
Nimm es, ſag' ich! 
Phryrus (ausweisen). | 
Sch nehm’ es nicht. Verwahre mir's getreu! 
(Zur Bildfäule des Gottes empor.) 
Eiehft du? Er hat's, ihm hab’ ich's anvertraut! 
Und gibt er's nicht zurüd, treff' ihn dein Zorn. 


1. Der Gaffteund. J 35 


Aietes. 
Nimm es zurück! 
Phryrus (am Altar). 
Nein, nein! 
Aictes. 
Nimm’s! 
Phryrus. 
Du verwahrft'3. 
Aictes. 
Nimm's. 
Phryrus. 
Nein! 
Aictes. 
Nun, fo nimm dieß! 
(Er ſidßt ihm das Schwert in die Bruf.) 
Meden. 
Halt! Vater, halt! 
Phryrus (niederfintend). 
Es ift zu fpät! 
Medea. 
Was thatſt du? 
Phryrus 
Gur Bilofäule empor). 
Siehſt du's, fiehft du's? 
Den Gaſtfreund tödtet er, und hat ſein Gut! 
Der du des Gaſtfreunds heilig Haupt beſchützeſt, 
D räche mich! Fluch dem treulofen Mann! 
Ihm muß fein Freund fein, und Fein Kind, Fein Bruber, 
Keirt frohes Mahl — fein Labetrunk; 
Was er am liebften liebt — verberb’ ihn! — 


* 


36 Das goldene Vließ. 


Und dieſes Vließ, das jetzt in ſeiner Hand, 
Soll niederſchau'n auf ſeiner Kinder Tod! — 
Er hat den Mann erſchlagen, der ſein Gaſt — 
Und vorenthält — das anvertraute Gut — 
Rache! — Rache! — 
(Stirbt. Lange Pauſe.) 
Medea. 
Vater! 
Aietes 


(zuſammenſchreckend). 


Was? 
Medea. 
Was haſt du gethan! 
Aietes 
(dem Todten das Vließ aufdringen wollend). 
Nimm es zurück! 


Medea. 
Er nimmt's nicht mehr. Er iſt todt! 
Aietes. 
Todt! — 
Medea. 


Vater! Was haſt du gethan? 

Den Gaſtfreund erſchlagen! 

Weh dir! Weh uns Allen! — Ha! — 
Aufſteigt's aus den Nebeln der Unterwelt! 
Drei Häupter, blut'ge Häupter, 
Schlangen die Haare, 

Flammen die Blicke! 

Höher! höher! — Empor ſteigen ſie! 
Entfleiſchte Arme, Fackeln in Händen, 
Fackeln! — Dolche! — 


I. Der Gafifreund. 37 


Horch! Sie öffnen bie welfen Lippen, 
Hie murten, fie fingen 

Heiſchern Gefangs: 

Wir hüten den Eid, 

Bir vollftreden den Fluch! 

ie Iommen, fie nahen, 

Sie umſchlingen mid! 

Mich, dich, uns Ale! 


Weh über dich! 
Aiectes. 
Medea! 
AMedea. 
Ueber dich, über uns! 
Weh! Weh! 
(Entficht.) 
Aictes 


(ihr die Arme nacfitedend). 
Medea! Medea! 


Der Vorhang fallt. 








1. 


He Acgonaufen. 


Trauerfpiel in vier Aufzügen. 








 Berfonen. 


— J — 


Aietes, König von Kolchis. 

Medea, 
Abſyrtus, 

| Gora, Medeens Amme. 

Peritta, eine ihrer Gefpielen. 

Jaſon. 

Milo, ſein Freund. 

Medeens Jungfrauen. 

Argonauten. 

Kolcher. 


ſeine Kinder. 





Erfter Aufzug. 


Kolchis. — Wilde Gegend mit Felfen und Bäumen. Im Hinter: 

grunde ein halbverfallener Thurm, aus deſſen oberftem Stod: 

werke ein ſchwaches Licht flimmert. Weiter zurüd die Ausficht 
aufs Meer. — Finftere Nacht. 


Abſyrtus Hinter der Scene. 


Dorther fchimmert das Licht! — Komm hierher, Vater! — 

sch bahne dir den Weg! — Noch diefen Stein! — 

Sp! 

(Auftretend und mit dem Schwerte nad allen Seiten ins Gebüſch hauend.) 
Aus dem Wege, unnübes Pad! 

Bater, mein Schwert macht Elare Bahn! 


Aietes tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunleln 
Mantel gehällt. 


Abfyrtus. 
Mir find an Ort und Stelle, Pater! 
Dort der Thurm, wo die Schweiter hauſ't. 
Giehft dag Licht aus ihrer Zelle? 
Da weilt fie und finnt Zauberfprüche 
Und braut Tränfe den langen Tag; 


7 u 
. 


44 Das goldene Vließ. 


Des Nachts aber geht fie gefpenftifch hervor, 
Und wandelt umher, und Tlagt und meint. 
(Aietes macht eine unmillige Bewegung.) 


Abfyrtus. 
Sa, Vater, und meint — fo erzählt der Hirt 
Bom Thal da unten — und ringt die Hände, 
Daß es, Spricht er, Täglich fei anzufehn. 
Mas mag fie wohl treiben und finnen, Bater? 
(Aietes gcht gedanlenvoll auf und nieder.) 


Abfyrtus. 
Du antmworteft nit? — Was haft du, Vater? 
Trüb und düfter iſt dein Gemüth. 
Du haft doch nicht Furcht vor dem Fremden, Vater? 


Aietes. 
Furcht, Bube? 
Abfyrtus. 
Nun, Sorge denn, Bater. 
Aber habe nicht Furcht noch Sorge! 
Sind ung nicht Waffen und Kraft und Arme? 
ft nicht ein Häuflein nur der Fremden? 
Mären ihrer doch zehnmal mehr! 
Laß fie nur kommen, wir wollen fie jagen 
Eilends heim in ihr dunkles Land, 
Mo feine Wälder find und feine Berge, 
Wo fein Mond ftrahlt, feine Sonne leuchtet, 
Die täglich, hat fie fich müde gewandelt, 
Zur Ruhe gebt in unferm Meer. 
Laß fie nur kommen, ich will fie empfangen, 
Du baft nicht umfonft mich wehrhaft gemadıt, 
Nicht umfonft mir gegeben dieß bligende Schwert, 
Und den Speer und den Helm mit dem wogenden Bujch, 


1. Die Argonauten. Erſer Aufzug. 45 


Waffen du, und Muth die Götter! 
Laß die Schweſter mit ihren Künften, 
Schwert gegen Schwert, fo binden wir an! 
Aictes. 
Armer Wurm! 
Abfyrtus. 
Ich bin dein Sohn! 
Damals, als du den Phryrus ſchlugſt — 
Aictes. 
Schweig! 
Abſyrtus. 
Das iſt ja eben, warum ſie kommen 
Her nach Kolchis, die fremden Männer; 
Zu rächen wähnen ſie ſeinen Tod 
Und zu ſtehlen unſer Gut, das ſtrahlende Vließ. 
Aictes. 
Schweig, Bube! 
Abfyrtus. 
Was bangft du, Vater? 
Feſt verwahrt in der Höhle Hut 
Liegt es, das Föftliche, goldene Gut. 
Aictes 
Pen Mantel vom Gefiht reißend, und ans Schwert greifend). 
Soll ich did) töbten, ſchwatzender Thor? 
Abfyrtus, 
Was ift dir? 
Aietes. 
Schweig! — Dort ſieh zum Buſch! 
Abfyrtus. 
Barum? 





46 Das goldene Bließ. 


Aictes. 
Mir deucht, es rafchelt dort 
Und regt fih. — Man behordht uns. 


Abfyrtus 
(zum Gebüſch bingehend und an die Bäume fchlagend). 


He dal — Steht Rede! — Es regt fih Niemand! 
(Nietes wirft fih auf ein FFelfenftüd im Vordergrund.) 


Abfyrtus Gurädfommend). 
Es ift nichts, Vater! Niemand lauft. — 


Aietes 
(auffpringend und ihn hart anfaſſend). 
Sch ſage dir, wenn du dein Leben liebft, 
Sprich nicht davon! 


Abfyrtus. 
Movon? 


Aictes. 
Ich fage dir: begrab’3 in deiner Bruft, 
Es ift fein Anabenfpielzeug, Knabe! 
Doch alles ftill hier! Niemand empfängt mich; 
Recht wie es ziemt der Widerfpenft'gen Sit. 


Abfyrtus. 
Hoch oben am Thurme fladert ein Licht. 
Dort figt fie wohl und finnt und tichtet. 


Aictes. 
Auf ihr! Sie foll heraus! 


‚ Abfyrtus. 
Gut, Vater! 
(Er geht dem Thurme zu.) 
Komm herab, du Wandlerin der Nacht, 





U. Die Urgonauten. Erſter Aufzug. 47 


Du Spätwachende bei der einfamen Lampe! 
Abſyrtus ruft, deines Vaters Sohn! 
(Baufe.) 
Sie fommt nit, Vater! 
Aictes. 
Gie fol! Ruf Tauter! 
Abfyrtus 
(ans Thor ſchlagend). 
Hola bo! Hier der König! Heraus ihr! — 
Medeens Stimme (im Thurm). 
Web! 
Abfyrtus. 
Bater! 
Aictes. 
Was? 


Abfyrtus (surüdtommend). 
Haft du gehört? 
Weh rief’s im Thurm! War’s die Schweſter, die rief? 
Aietes. 
Wer ſonſt? Geh, deine Thorheit ſteckt an. 
Ich will rufen, und ſie ſoll gehorchen! 
(Zum Thurme gehend) 


Medea! 
Meden (im Thurm). 
Wer ruft? 
Aictes. 
Dein Vater ruft und dein König! 
Komm berab! 


Aedea. 
Was ſoll ich? 





48 Das goldene Blick. 


Aictes. 
Komm herab, fag’ ich! 
Meden. 
D laß mid! 
Aittes. 
Zögre nicht! Du reigeft meinen Zorn! 
Sm Augenblide komm! 


Meden. 
Ich komme! 
(Aietes verhält ih, und wirft ſich wieder auf den Felſenſitz.) 


Abfyrtus. 
Wie Häglich, Vater, ift der Echweiter Stimme. 
Was mag ihr fehlen? Sie dauert mid! — 
Dih wohl auch, weil du fo fehmerzlich ſchweigſt. 
Das arme Mädchen! — 

(Ihn anfaffend.) 

Schläfſt du, Vater? 
Aietes (auffpringend). 

Thörichte Kinder find der Väter Fluch! 
Du und fie, ihr töbtet mid), 
Nicht meine Feinde. 


Abfyrtus. 
Stil! Horch! — Der Niegel klirrt! Sie fommt! Hier ift fie! 


Meden, in duntelrother Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen 

geftidt, einen ſchwarzen nachſchleppenden Edhleier, der an einer gleichfalls 

mit Zeichen geftidten, Stirnbinde befefigt ift, auf dem Kopfe, tritt, eine 
Tadel in der Hand, aus dem Thurme. 


Meden. 
Was mwillft du, Herr? 


1. Die Negonauten. Erfler Wufzug. 49 


Abfyrtus. 
Iſt das die Schwefter, Vater? 
Wie anders doch als fonft, und ad, wie bleich! 
Aietes (u Aofyrins). 
Schweig jegt! 
(Su Medea.) 
Tritt näher! — näher! — Doc erft 
Löſch' deine Fadel, fie blendet mir das Aug! 
Medea 
Cie Fadel am Boden ausdrüdent). 
Das Licht ift verlöfht, es ift Nacht, o Herr! 
Aictes. 
Sept fomm! — Doc) erft ſag' an, wer dir erlaubt, 
Zu fliehn des väterlichen Haufes Hut, 
Und bier, in der Gefellfchaft nur der Wildniß 
Und deines wilden Sinns, Gehorfam mweigernd, 
Zu trogen meinem Worte, meinem Wint? 


Meden. 
Du fragft? 
Aietes. 
Ich frage! 
MAedea. 
Reden ſoll ich? 
Aictes. 
Sprich! 
Meden. 
So höre, wenn du Fannft, und zürne, wenn du barfit. 
O konnt' ich ſchweigen, ewig fehweigen! 
Verhaßt iſt mir dein Haus, 
Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe. 


Sriltparzer, ſammtl. Werte. II, 4 








Erſter Aufzug. 


Kolchis. — Wilde Gegend mit Felfen und Bäumen. Im Hinter: 

grunde ein balbverfallener Thurm, aus deſſen oberftem Stock⸗ 

werte ein ſchwaches Licht flimmert. Weiter zurüd die Ausficht 
aufs Meer. — Finftere Nacht. 


Abiyrtns Hinter der Scene. 


Dorther ſchimmert das Licht! — Komm hierher, Vater! — 
Ich bahne dir den Weg! — Noch diefen Stein! — 

Sp! 

(Auftretend und mit dem Schwerte nah allen Seiten ins Gebüſch hauend.) 


Aus dem Wege, unnübes Pad! 
Bater, mein Schwert macht klare Bahn! 


Aietes tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln 
Mantel gehällt. 


Abfyrtus. 
Wir find an Drt und Etelle, Vater! 
Dort der Thurm, wo die Schwefter hauf't. 
Siehſt das Licht aus ihrer Zelle? 
Da meilt fie und finnt Zauberjprüche 
Und Braut Tränfe den langen Tag; 





44 Das goldene Blieh. 


Des Nachts aber geht fie gefpenftifch hervor, 
Und wandelt umher, und klagt und meint. 
(Aieted macht eine unwillige Bewegung.) 


Abfyrtus. 
Ja, Vater, und weint — fo erzählt der Hirt 
Vom Thal da unten — und ringt die Hände, 
Daß es, fpricht er, kläglich fei anzufehn. 
Was mag fie wohl treiben und finnen, Vater? 
CAietes geht gedantenvoll auf und nieder.) 


Abfyrtus. 
Du antworteft nicht? — Was haft du, Vater? 
Trüb und düfter ift dein Gemüth. 
Du haft doch nicht Furcht vor dem Fremden, Vater? 


Aictes. 
Furcht, Bube? 
Abfyrtus. 
Nun, Sorge denn, Vater. 
Aber habe nicht Furcht nod Sorge! 
Sind uns nit Waffen und Kraft und Arme? 
Iſt nicht ein Häuflein nur der Fremden? 
Wären ihrer doch zehnmal mehr! 
Laß fie nur fommen, wir tollen fie jagen 
Eilends heim in ihr dunkles Land, 
Wo feine Wälder find und feine Berge, 
Wo fein Mond ftrahlt, feine Sonne leuchtet, 
Die täglich, hat fie ſich müde gewandelt, 
Zur Ruhe geht in unferm Meer. 
Laß fie nur fommen, id) will fie empfangen, 
Du haft nicht umfonft mich mwehrhaft gemacht, 
Nicht umfonft mir gegeben dieß bligende Schwert, 
Und den Speer und ben Helm mit dem wogenden Buſch, 


nm 





II. Die Argonauten. Erfter Aufzug. 45 


Waffen du, und Muth die Götter! 
Laß die Echmefter mit ihren Künſten, 
Schwert gegen Schwert, fo binden mir an! 
Aictes. 
Armer Wurm! 
Abfyrtus. 
Ich bin dein Sohn! 
Damals, als du den Phryrus ſchlugſt — 
Aictes. 
Schweig! 
Abſyrtus. 
Das iſt ja eben, warum ſie kommen 
Her nach Kolchis, die fremden Männer; 
Zu rächen wähnen ſie ſeinen Tod 
Und zu ſtehlen unſer Gut, das ſtrahlende Vließ. 
| Aictes. 
Schweig, Bube! 
Abfyrtus. 
Mas bangft du, Vater? 
Feſt verwahrt in der Höhle Hut 
Liegt es, das Föftliche, goldene Gut. 
Aietes 
(den Mantel vom Geſicht reißend, und ans Schwert greifend). 
Soll ich dich tödten, ſchwatzender Thor? 
Abſyrtus. 
Was iſt dir? 
| Aictes. 
Schweig! — Dort fiehb zum Buſch! 
Abfyrtus. 
Warum? 








46 Das goldene Bließ. 


Aictes. 
Mir deucht, es rafchelt dort 
Und regt fih. — Man behordht uns. 


Abfyrtus 
(zum Gebüfh Hingehend und an die Bäume fdhlagend). 


He dal — Steht Rede! — Es regt fih Niemand! 
(Aietes wirft fih auf ein Felfenftüd im Vordergrund.) 
Abfyrtus (Gurudtommend). 
Es ift nichts, Vater! Niemand laufcht. — 


Aietes 
(aufſpringend und ihn hart anfaſſend). 
Ich ſage dir, wenn du dein Leben liebſt, 
Sprich nicht davon! 
Abſyrtus. 
Wovon? 


Aietes. 
Ich ſage dir: begrab's in deiner Bruſt, 
Es iſt kein Knabenſpielzeug, Knabe! 
Doch alles ſtill hier! Niemand empfängt mich; 
Recht wie es ziemt der Widerſpenſt'gen Sitz. 


Abſyrtus. 
Hoch oben am Thurme flackert ein Licht. 
Dort ſitzt ſie wohl und ſinnt und tichtet. 


Aictes. 
Ruf ihr! Sie foll heraus! 


‚ Abfyrtus. 
Gut, Vater! 
(Er geht dem Thurme zu.) 
Komm herab, du Wandlerin der Nadıt, 








46 Das goldene Bließ. 


Aietes. 
Mir deucht, es raſchelt dort 
Und regt ſich. — Man behorcht uns. 


Abſyrtus 
(zum Gebüſch hingehend und an die Bäume ſchlagend). 


He da! — Steht Rede! — Es regt ſich Niemand! 
(Aietes wirft ſich auf ein Felſenſtuck im Vordergrund.) 


Abſyrtus (uradtommend). 
Es iſt nichts, Vater! Niemand lauſcht. — 


Aietes 
(aufſpringend und ihn hart anfaſſend). 
Ich ſage dir, wenn du dein Leben liebſt, 
Sprich nicht davon! 


Abſyrtus. 
Wovon? 


Aietes. 
Ich ſage dir: begrab's in deiner Bruſt, 
Es iſt kein Knabenſpielzeug, Knabe! 
Doch alles ſtill hier! Niemand empfängt mich; 
Recht wie es ziemt der Widerſpenſt'gen Sitz. 


Abfyrtus. 
Hod oben am Thurme fladert ein Licht. 
Dort fit fie wohl und finnt und tichtet. 


Aictes. 
Nuf ihr! Cie foll heraus! 


‚ Abfyrtus. 
Gut, Bater! 
(Er geht dem Thurme zu.) 
Komm herab, du Wandlerin der Nadıt, 





I. Die Argonauten. Erſter Aufzug. 47 


Du Spätwachende bei ber einfamen Lampe! 
Abfyrtus ruft, deines Vaters Sohn! 
(Baufe.) 
Sie fommt nicht, Water! 
Aietes. 
Sie ſoll! Ruf' lauter! 
Abſyrtus 
(ans Thor ſchlagend). 
Holla ho! Hier der König! Heraus ihr! — 
Medeens Stimme (im Thurm). 
Weh! 
Abſyrtus. 
Vater! 
Aietes. 
Was? 


Abfyrtus (urudtommend). 
Haſt du gehört? 
Weh rief's im Thurm! War's die Schweſter, die rief? 
Aietes. 
Wer ſonſt? Geh, deine Thorheit ſteckt an. 
Ich will rufen, und ſie ſoll gehorchen! 
(Zum Thurme gehend) 


Medea! 
Medea (im Thurm). 
Wer ruft? 
Aietes. 
Dein Vater ruft und dein König! 
Komm herab! 


Medea. 
Was ſoll ich? 





48 Das goldene lieh. 


Aictes. 
Komm herab, ſag' ich! 
Meden. 
D laß mid! 
Aietes. 
Zögre nicht! Du reizeſt meinen Zorn! 
Im Augenblide komm! 
Meden. 
Ich komme! 
(Miete verhütft Ab, und wirft fih wieder auf den Felſenſit.) 
Abfyrtus. 
Wie Häglih, Vater, ift der Schweſter Stimme. 
Was mag ihr fehlen? Sie dauert mid! — 
Did) wohl auch, weil du fo fehmerzlich ſchweigſt. 
Das arme Mädchen! — 
(Ihn anfaffend.) 
Schläfſt du, Vater? 
Aietes (auffpringend). 
Thörichte Kinder find der Väter Flug! 
Du und fie, ihr töbtet mich, 
Nicht meine Feinde. 
Abfyrtus. 
Still! Horch! — Der Riegel klirrt! Sie kommt! Hier ift fie! 


Meden, in dunlelrother Kleidung, am Gaume mit goldenen Zeichen 

gefidt, einen [hwarzen nachſchleppenden Schleier, der an einer gleihfals 

mit Zeiden gefidten, Gtirnbinde befefigt iR, auf dem Ropfe, tritt, eine 
Fadel in der Hand, aus dem Thurme. 


Meden. 
Was willſt du, Herr? 


1. Die Atgonauten. Crfer Aufzug. 


Abfyrius. 
Iſt das die Schwefter, Vater? 
Wie anders doch als fonft, und ad, wie bleich! 
Aietes (u Abfyrins). 
Schweig jetzt! 
(Zu Medea.) 
Tritt näher! — näher! — Doch erſt 
Löſch' deine Fackel, fie blendet mir das Aug! 
Medea 
Pie Feael am Boden ausdrüdend). 
Das Licht ift verlöfcht, es ift Nacht, o Herr! 
Aictes. 
Segt fomm! — Doc) erft fag’ an, wer bir erlaubt, 
Zu fliehn des väterlihen Haufes Hut, 
Und hier, in der Gefellfchaft nur der Wildniß 
Und deines wilden Sinns, Gehorfam meigernd, 
Zu trogen meinem Worte, meinem Wink? 
Meden. 
Du fragft? 
Aictes. 
Id frage! 
Meden. 
Reden fol ich? 
Aictes. 
Sprich! 
Aedea. 


So höre, wenn du kannſt, und zürne, wenn du darfſt. 


O könnt' ich ſchweigen, ewig ſchweigen! 
Verhaßt iſt mir dein Haus, 
Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe. 


Grittparzer, ſammil. Werte. I. 4 





50 Tas goldene Vließ. 


Als du den Fremden erfchlugft, 

Den Götterbeſchützten, den Gaftfreund, 
Und raubteft fein Gut, 

Da trugft du einen Funken in dein Haus, 
Der glimmt und glimmt, und nicht verlöfchen wird, 
Gößeſt du auch darüber aus, 

Was an Wafler die heil'ge Quelle hat, 
Der Ströme und Flüffe unnennbare Zahl, 
Und das ohne Gränzen gewaltige Meer. 
Ein thörihter Schütze ift der Mord, 
Schießt feinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht, 
Gewinnſüchtig, beutegierig, 

Und was er für ein Wild gehalten, 

Für froben Jagdgewinn, 

Es war fein Kind, fein eigen Blut, 

Das in den Blättern raufchte, Beeren juchend. 
Unglüdjel'ger! was baft du getban? 

euer geht aus von dir 

Und ergreift die Stüßen deines Haufes, 
Das krachend einbricht 

Und uns begräbt. — 


Aictes. 
Unglüdsbotin, was mweißt du? 


Meden. 
In der Echredensitunde, 
Als fie geichehn war, die That, 
Da ward mein Aug’ geöffnet, 
Und ich fah fie, Jah die unnennbaren 
Geifter der Rache. 
Spinnenähnlidh, 
Gräßlich, ſcheußlich 





M. Die Argonauten. Grfler Aufzug. 


Krochen fie her in abſcheulicher Unform, 

Und zogen Fäden, blinende Fäden, 

Einfach, doppelt, taufendfach 

Rings um ihr verfallen Gebiet. 

Du mwähnft dich frei, und bu bift gefangen; 

Kein Menſch, Fein Gott löſet die Bande, 

Mit denen die Unthat fich felber umftridt. 

Weh dir! Weh ung Allen! 
Aictes. 

Verkaufſt du mir Träume für Wirklichkeit? 

Deines Gleichen magft du erfchreden, 

Thörin! nicht mich! 

Haft du die Zeichen, die Sterne gefragt? 


Meden. 
Glaubſt du, id) könnt's, id) vermöcht' es? 
Hundertmal hab’ ich aufgeblidt 
Zu den glänzenden Zeichen 
Am Firmament der Nadıt, 
Und alle hundertmale 
Sanken meine Blide, 
Don Echred getroffen, unbelehrt. 
Es ſchien der Himmel mir ein aufgerolltes Bud), 
Und Mord darauf gerieben, taufendfadh, » 
Und Rache mit demantnen Lettern 
Auf feinem ſchwarzen Grund. 
D frage nicht die Sterne dort am Himmel, 
Die Zeichen nicht der ſchweigenden Natur, 
Des Gottes Stimme nicht im Tempel: 
Betracht' im Bad) die irren Wanbelfterne, 
Die fcheu dir blinken aus den büftern Brau'n, 
Die Zeichen, bie die That bir felber aufgebrüdt, 





52 Das goldene Blick. 


Des Gottes Stimme in dem eignen Bufen; 
Sie werben dir Drafel geben, 
Viel ſicherer als meine arme Kunit, 
Aus dem, was ift und war, auf das, was werden wird. 
Abfyrtus. 
Der Vater ſchweigt. — Du bift fo ſeltſam, Schweſter. 
Sonft warft du raſch und heiter, frohen Mutbs; 
Mic dünkt, du bift dreifach gealtert 
In der Zeit, als id) dich nicht gefehn! 
Meden. 
Es hat der Gram fein Alter, wie die Jahre, 
Und wer der Zeit vorauseilt, guter Bruder, 
Kömmt früh ans Ziel. 
Abfyrtus. r 
Du weißt wohl alfo ſchon 
Von jenen Fremden, die — 
Medea. 
Von Fremden? 
Aictes. 
Halt! 
Ich gebot dir zu ſchweigen; ſchweig denn, Schwäger! 
Medea, laß uns flug fprehen und befonnen, 
Das Gegentvärt'ge aus der Gegenwart, 
Und nicht aus dem betrachten, was vergangen. 
Wiſſ' e3 denn: Fremde find angelommen, Hellenen, 
ie begehren zu rächen Phryrus Blut, 
Verlangen die Schäge des Erfchlagenen, 
Und des Gottes Banner, das goldene Vließ. 
Meden (auifhreiend). 
Es ift geſchehn! Der Streich gefallen! Weh! 
(BU in den Thurm zurüd.) , 


1. Die Argonauten. Crfler Aufzug. 53 


Aictes 
(fe zurüdhaftend). 
Medea, halt! — Bleib, Unfinnige! 


. Meden. 
Gelommen die Räder, die Vergelter! 


Alctes. 
Willſt du mich verlaffen, da ich dein bedarf? 
Willſt du fehen des Vaters Blut? 
Medea, ich beſchwöre dich, 
Sprich! Rathe! Rette! Hilf! 
Gib mich nicht Preis meinen Feinden! 
Argonauten nennen fie fih, 
Weil Argo fie trägt, das ſchnelle Schiff; 
Was das Hellenenland an Helden näbrt, 
An Tapfern vermag, fie haben’3 verfammelt 
Zum Tobeöftreih auf deines Vaters Haupt. 
Hilf, Mebea! Hilf, meine Tochter! 


Meden. 
Ich fol Helfen? Hilf du felbft! 
Gib heraus was du nahmft, Verföhnung bietend. 
Aictes. 
Vertheilt find die Schäge den Helfern der That; 
Werben fie wiedergeben das Empfangne? 
Befigen ſie's noch — die thörichten Schwelger, 
Die leicht verthan das leicht Erworbne. 
Soll ich herausgeben das glänzende Vließ, 
Des Gottes Banner, Peronto's Gut? 
Nimmermehr! Nimmermehr! Und thät' ich's, 
Würden ſie drum ſchonen mein und eurer? 
Um ſo ſichrer würgten ſie uns, 





54 Das goldene Vlieh. 


Rächend des Freundes Tod, 
Geſchützt durch das heilige Pfand des Gottes. 
Deine Kunft befrage, gib andern Rath! 

Medea. 
Rath dir geben? — ich ſelber rathlos! 

Aietes. 
Nun wohl, ſo verharre, du Ungerath'ne! 
Opfre dem Tod deines Vaters Haupt! 
Komm, mein Sohn, wir wollen hinaus, 
Den Streichen bieten das nadte Haupt, 
Und fallen unter der Fremden Schwertern. 
Komm, mein Sohn, mein einzig Kind! 

Medea. 
Halt, Vater! 

Alctes, 

Du willſt alfo? 
Meden. 
Hör’ erft! 

Ich will's verſuchen, die Götter zu fragen, 
Wis fie gebieten, was fie geftatten, 
Und niden fie zu, fo ſteh' ich dir bei, 
Helfe dir befämpfen den Feind, 
Helfe dir ſchmieden den Tobespfeil, 
Den du abdrüden willft ins dunfle Gebüſch, 
Nicht wiffend, armer Echüße, wen du triffit. 
Es feil Du gebeutft, ich gehorche. 

Aictes. 
Meden, mein Kind, mein liebes Kind! 


Meden. 
Frohlode nicht zu früh, noch fehlt das Ende. 


IL Die Yrgonauten. Crfler Aufzug. 


au 
5 


Ich bin bereit; allein verſprich mir erft, 
Daß, wenn die That gelang, dein Land befreit — 
Zu hoffen wag' ich's faum, allein wenn doch — 
Du mich zurüdziehn läßt in dieſe Wildniß, 
Und nimmermehr mich ftörft, nicht du, nicht Andre. 
Aietes. 
Warum? 
Medea. 
Verfprih'3! 
Aictes. 
Es ſei! 
Meden. 
D Wohlan denn, Herr! 
Tritt ein bei deiner Magd, ich folge dir. 
Aictes. 
Ins Haus? 
Medra. 
Drin wird's vollbracht. 
Aietes (u Abfyrtus). 
So fomm denn, Eohn! 
(Beide ab in den Thurm.) 


Medea. 
Da gehn fie hin, hin die Verblendeten! — 
Ein thöricht Wefen dünkt mi der Menſch: 
Treibt dahin auf den Wogen ber Zeit, 
Endlos gefchleudert auf und nieder, 
Und wie er ein Fledchen Grün erfpäht, 
Gebilvet von Schlamm und ftodendem Moor 
Und ver Verweſung grünlichem Mober, 
Ruft er: Land! und rudert drauf hin, 


— — —— — — —— 
a. * 
+ 


56 Das goldene Vließ. 


Und beſteigt's — und finft — und ſinkt — 

Und wird nicht mehr gefehn. " 

Armer Vater, armer Mann! 

Es fteigen auf vor meinen Bliden 

Düftrer Ahnungen Echauergeftalten, 

Aber verhült und abgemandt, 

sch Tann nicht erkennen ihr Antlitz. 

Zeigt euch mir ganz, oder verſchwindet, 

Und laßt mir Rub, träumende Ruh! 

Armer Vater! armer Mann! — 

Aber der Wille fann viel — und ih will, 

Will ihn erretten, will ihn befrei'n, 

Oder untergehn mit ihm! 

Dunkle Kunft, die mich die Mutter gelehrt, 

Die den Etamm du treibft in des Lebens Lüfte, 

Und die Wurzeln geheimnißvoll 

Hinabſenkſt zu den Klüften der Unterwelt, 

Cei mir gewärtig! — Mebea will! 

Ans Werk denn! 

(Zu einigen Jungfrauen, die am Eingange des Thurmes erſcheinen.) 
Und ihr, des Dienftes Befliſſ'ne! 

Bereitet die Höhle, bereitet den Altar! 

Medea will zu den Geiftern rufen, 

Zu den düftern Geiftern der fchaurigen Nadıt, 

Un Rath, um Hülfe, um Stärke, um Madıt. 
(Ab in den Thurm.) 


Paufe, dann tritt Jaſon raſch auf. 


Safon. 
Hier hört! ih Stimmen! — Hier muß — Niemand bier? 
Milo (Hinter der Scene). 
Hola! 


U. Die Mrgomauten. Erſer Aufzug. 


Safon. 
Hierher! 
Milo (eben fo). 
Jaſon! 
Iafon. 
Hier, Milo, bier! 
Milo 
er teuhend auftritt). 
Mein Freund, ſuch' bir 'nen anderen Begleiter! 
Dein Kopf und deine Beine find zu raſch, 
Sie laufen, ftatt zu gehn. Ein großer Webelftand 
Von Beinen mag's noch fein, da hilft das Alter, 


Allein ein Kopf, der läuft — Glüd auf die Reife!” 


Such' einen andern, ſag' ich, ich bin's fatt! 
(Sest fh.) 
Safon. 
Wir haben, was wir fuchten! — Hier ift Licht! 
Milo. 
Ja, Licht genug, um uns da zu beleuchten, 
Und zu entdeden und zu ſchlachten, wenn's beliebt. 
Iafon. 
€, Milo, Furt? 
Milo 
ltaſch aufftehen). 


57 


Furcht? — Lieber Freund, ich bitte: 


Wäg’ deine Worte, eh du fprichft! 
(Safon faßt entſchuldigend feine Hand.) 
Schon gut! 
Wir laufen: nun, die Worte laufen mit! 
Doch ernft. Was ſuchſt du hier? 








58 Das goldene Bließ. 


Safon. 

Kannft du noch fragen? 
Die Freunde, fie, die mir hierber gefolgt, 
‘hr Heil vertrauend meines Glüdes Stern, 
Und Jaſons Sache machend zu der ihren, 
Cie ſchmachten, Taum dem ſchwarzen Schiff entftiegen, 
Hier ohne Nahrung, ohne Xabetrunf, 
An diefer Küfte unwirthbaren Klippen. 
Kein Führer ift, der Wegeskunde gäbe, 
Kein Landmann, bietend feines Speichers Vorrath 
Und von der Heerbe triftgenäbrter Zucht. 
Eoll ih die Hände legen in den Schooß, 
Und müßig zufehn, wie die Freunde ſchmachten? 
Beim Himmel, ihnen joll ein Führer werben, 
Und Trank und Speife, ſollt' ich auf fie wiegen 
Mit meinem Blut! 


Milo. 
Das treue, wadre Herz! 
D daß du nicht des Freundes Rath gefolgt, 
Und weggeblieben bilt von diefer Küfte! 


3afon. 
Warum denn au? Was ſollt' ich wohl daheim? 
Der Vater todt, mein Oheim auf dem Thron, 
Sceelfühtig mid, den künft'gen Yeind, betrachtend. 
Mich litt es länger nicht, ich mußte fort. 
Hätt' er nicht felbft, der Falſche, mir geboten, 
Hierher zu ziehn in diejes Inſelland, 
Das goldne Götterkleinod abzuholen, 
Don dem man Spricht, jo meit die Erde reicht, 
Und das dem Götterfohne Phryrus einft, 
Ihn felber tödtend, raubten die Barbaren: 


I. Die Argonauten. Grfter Aufzug. 59 


Sch wäre felbft gegangen, freien Willens, 

Dem elelhaften Treiben zu entfliehn. . 

Nuhmvoller Tod für ruhmentblößtes Leben, 

Mag's tadeln wer da will, mich Iodt der Tauſch! 

Daß did, o Freund, ich mitzog, und bie andern, 

Das ift wohl ſchlimm, allein ihr wolltet's fo! 
Milo. 

Ja freilich wollt’ ich jo, und will noch immer! 

Denn fieh, ich glaub’ du haft mir's angethan, 

So lieb’ ich dich und all’ dein Thun und Treiben. 
3afon. 

Mein guter Milo! 


Milo. 

Nein! 's ift unrecht, ſag' ich, 
Ich ſollt' der Klügre fein, ich bin der Aeltre. 
Hätt’ft du mich hingeführt wohin aud immer, 
Nur nicht in dieſes gottverlaſſ'ne Land. 
Kommt irgend font ein Mann in Fährlichkeit, 
Nun, Schwert heraus und Muth voran! Doch hier, 
In diefes Landes feuchter Nebelluft, 
Legt Roft fi), wie and Schwert, jo an den Muth. 
Hört man in einem fort die Wellen braufen, 
Die Fichten raufchen ımd die Winde tofen, 
Sieht kaum die Sonne durch der dichten Nebel 
Und rauber Wipfel ſchaurigen Verfted; 
Kein Menic rings, keine Hütte, feine Spur, 
Da wird das Herz fo weit, fo hohl, fo nüchtern, 
Und man erfchridt wohl endlich vor fich felbft. 
Ich, der ale Knabe voll Verwund'rung horchte, 
Wenn man erzählte, 's gäb’ ein Ding, 
Die Furcht genannt; bier ſeh' ich faft Gefpenfter, 





DEE 
* ni . 


60 Das goldene Bließ. 


Und jeder dürre Etamm fcheint mir ein Niefe, 
Und jedes Licht ein Feuermann; 's ift feltfam! 
Was unbedenklich fonft, erfcheint bier ſchreckhaft, 
Und mas jonft gräulich, wieder bier gemein. 
Nur kürzlich jah ih einen Bär im Walde, 
So groß vielleicht als feinen ich gejehn, 
Und doch kam's faft mir vor, ich ſollt' ihn ftreicheln, 
Wie einen Schoßhund ftreicheln mit der Hand, 
So Hein, jo unbedeutend ſchien das Thier 
Im Abftich feiner fchaurigen Umgebung. 
Du börft nicht? 
| 3afon 
(der indeß den Thurm betrachtet hat). 
Sa, ich mwill hinein! 
Milo. 
Mohin? 
Safon. 
Dort in den Thurm! 
Milo. 
Menſch, bift du rajend? 
(Ihn anfaffend.) 
Höre! 
3afon 
(fi losmachend und das Schwert ziehend). 
Ich will, wer halt mich? Hier mein Schwert! Es ſchützt mid 
Vor Feinden wie vor überläft'gen Freunden. 
Die erfte Spur von Menfchen find’ ich hier: 
Ich will hinein. Mit vorgehaltnem Eifen 
Zwing' Einen ih von des Gebäud's Bewohnern, 
Zu folgen mir, zu führen unfre Schaar 
Auf fiherm Pfad aus diefes Waldes Umfang, 


D. Die Argomauten. Erfler Aufzug. 61 


Wo Hunger fie und Feinbeshinterhalt 
Weit fihrer trifft, als mich hier die Gefahr. 
Sprich nicht! Ich bin entſchloſſen. Geh zurüd! 
Ermuthige die Schaar, bald bring’ ich Rettung! 
Milo. 
Bedenk! 
Safon. 
€s ift bedacht! Wer kann bier weilen 
Im Heinen Haufe, wüſt und abgefchieden? 
Ein Haushalt von Barbaren, und mas mehr? 
Ich denk', du kennſt mich! Hier ift nicht Gefahr, 
ALS im Verweilen. Keine Worte weiter! 


Milo. 
Doch mie gelangft du hin? 
Safon. 
- Siehft du? dort drüben 


Gähnt weit ein Spalt im alternden Gemäuer; 
Das Meer leiht feinen Rüden bis dahin, 
Und leicht erreich' ich's ſchwimmend. 
Milo. 
Höre doch! 
Iafon. 
Leb' wohl! 
Milo. 
Laß mich ftatt dir — 
Iafon. 
. Auf Wiederjehn! 
(Springt von einer Alippe in Meer.) 
Milo. 
Er wagt es doch! — Dort ſchwimmt er! — Thut es doch, 





62 Das goldene Blick. 


Und läßt mich fchmälen hier nach Herzensluft! 
Ein wackres Herz, doch jung, gewaltig jung! 
Hier will ich ftehn und feiner Rückkehr harren, 
. Und geht'3 auch fchief, wir hauen uns heraus. 
(Er Ichnt fib an einen Baum.) 


Cin büfteres Gewölbe im Innern des Thurmes. Links im Hinter: 
grunde die Bilpfäule eines Gottes auf hohem Fußgeſtelle, im 
Vorgrunde rechts eine Felſenbank. 


Yungfranen mit Fadeln bringen einen Meinen Altar und Opfergefäße, 
und ftellen alles ordnend umher. Eine Jungfrau tritt ein, und fpridt 
an der Thüre. 


Sungfrau. 
Genug! Es naht Medea! Etört fie nicht! 
(Alle ab mit den Richtern.) 


Jaſon tritt durd einen Geitengang links auf, mit bloßem Schwerte. 


Jaſon. 

Ein finſteres Gewölb. — Ich bin im Innern! 
Mehr Menſchen faßt das Haus, ſcheint's, als ich glaubte. 
Doch immerhin — wird nur mein Ziel erreicht! 
Behutſam ſpäh' ich, bis ein Einzelner 
Mir aufſtößt, dann das Schwert ihm auf die Bruſt, 
Und mit mir ſoll er, will er nicht den Tod. 

(Er ſpäht mit vorgehaltenem Schwerte umher.) 
Iſt da kein Ausgang? — Halt! Ein Block von Stein. 
Das Fußgeſtell wohl eines Götterbildes: 
Ehrt man hier Götter und verhöhnt das Recht? 
Doc horch! — Ein Fußtritt! — Bleiche Helle gleitet 
Fortſchreitend an des Ganges engen Bogen. 
Man fommt! — Wohin? — Verbirg mich, dunkler Gott! 

(Er verftedt fi hinter die Bildfäule.) 





1. Die Argonauten. Grfter Aufzug. 


Meden kommt, einen ſchwarzen Stab in der Rechten, in der Linken 


eine Qampe. 


Meden. 
Es ift jo ſchwül bier, fo dumpf! 
Feuchter Qualm drüdt die Flamme ber Lampe, 
Sie brennt ohne zu leuchten. 
(Sie feßt die Lampe Hin.) 

— Horch! — €3 ift mein eignes Herz, 
Das gegen die Bruft pocht mit ftarlen Schlägen! — 
Wie ſchwach, wie thöricht! — Auf, Mebea! 
Es gilt des Vaters Sache, der Götter! 
Sollen die Fremden fiegen, Kolchis untergebn? 
Nimmermehr! Nimmermebr! 
Ans Werk denn! 
Geid mir gemwärtig, Götter! Höret mich, 
Und gebt Antwort meiner Frage! 

(Mit dem Stabe Zeihen in die Luft madend.) 
Die ihr einhergeht im Gewande der Nacht, 
Und auf des Sturmes Fittigen mwanbelt! 
Furchtbare Fürften der Tiefe! 
Denen der Entſchluß gefällt 
Und die beflügelte That; 
Die ihr bei Leichen meilt 
Und eud labt am Blut der Erichlagnen, 
Die ihr das Herz Tennt, und lenkt den Willen, 
Die ihr zählt die Halme der Gegenwart, 
Sorglich bewahrt des Bergangenen Aehren, 
Und durdblidt der Zukunft fproflende Saat, 
Euch ruf ih an! 
Gebt mir Kunde, fichere Kunde, 
Bon dem was uns droht, von dem was uns lacht! 





64 Das goldene Vließ. 


Bei der Macht, die mir ward, 
Bei dem Dienft, den ich that, 
Bei dem Wort, das ihr fennt, 
Ruf ih euch: 
Erſcheinet! erjcheint! 
(PBaufe.) 
Was ift das? — Alles fchmeigt! 
Sie zeigen fi) nicht? 
Zümt ihr mir? oder betrat ein Fuß, 
Eines Frevlers Fuß 
Die heilige Stätte? 
Angft befällt mih, Schauer faßt mid! 
(Mit fleigender Stimme.) 
Allgewaltige! laufcht meinem Rufen! 
Hört Medeens Stimme! 
Eure Freundin ift’s, die ruft. 
Sch fleh’, ich verlang’ es: 
Erfcheinet, erjcheint! 
(Jaſon fpringt hinter der Bildfäule hervor.) 


Meden (srüdfahrend). 
Ha! 
| Safon. 
Verfluchte Zauberin, du bift am Ende! 
Erſchienen ift, der dich vernichten wird. 


(Indem er mit vorgehaltenem Schwerte herporfpringt , verwundet er Medeen 
am Arme.) 


Meden 


(den vertvundeten rechten Arm mit der linlen Hand fafjend). 
Weh mir! 
(Stürzt auf den Yelfenig bin, wo fie, ſchwer athmend, leife ächzt.) 





M. Die Argonauten. Erſer Kufjug. 65 


Iafon. 
Du fliehft? Mein Arm wird did) ereilen? 
(Im Duntel herumblidend.) 
Wo ift fie hin? 
(Er nimmt die Campe und leuchtet vor fih Hin.) 
Dort! — Du entgehft mir nicht. 
(Hingutretend.) 
Verruchte! 
Meden (Gidhnend). 
Ah! 
Saſon. 
Stöhnſt du? Ja, zittre nur! 
Mein Schwert fol deine dunkeln Netze löſen! 
(Sie mit der Lampe beleuchtend.) 
Doch ſeh' ich recht? Bift du die Zauberin, 
Die dort erft heifchre Flüche murmelte? 
Ein weiblich Weſen liegt zu meinen Füßen, 
Vertheidigt durch der Anmuth Sreiheitöbrief, 
Nichts zauberhaft an ihr, als ihre Echönbeit. 
Bift du's? — Doc ja! Der weiße Arm, er blutet, 
Verletzt von meinem mitleiblofen Echwert. 
Was haft du angerichtet? Weißt M wohl, 
Ich hätt’ dich töbten können, holdes Bild, 
Beim erften Anfall in der dunfeln Nacht? 
Und Schade wär's, fürwahr, um fo viel Reiz! 
Wer bijt du, doppeldeutiges Geſchöpf? 
Scheinſt du fo ſchön und bift fo arg, zugleich 
So liebenswürbig und fo haſſenswerth! 
Was fonnte dich bewegen, diefen Mund, 
Der, eine Rofe, wie die Roſe auch 
Nur hauchen follte füßer Worte Duft, 
Mit ſchwarzer Sprüche Gräuel zu entweihn?! 
Brillparzer, fümmtl. Berte. II. 5 





66 Das goldene Dliek. 


Als die Natur dich dadıte, jchrieb fie: Milde 
Mit holden Lettern auf das erfte Blatt, 

Mer malte Zauberformeln auf die andern? 

O geb, ich haſſe deine Echönheit, meil fie 
Mich hindert deine Tüde recht zu haflen! — 


Du athmeft ſchwer. ES chmerzt dich dein Arm? Ja, ſiehſt du, 
Das find die Früchte deines argen Thuns. 
Es blutet! Laß doch ſehn! 
(Er nimmt ihre Hand.) 
Du zitterft, Mädchen! 

Die Pulſe klopfen, jede Fiber zudt. 
Vielleicht bift du fo arg nicht, als du jcheinft, 
Nur angeftekt von diefes Landes Wildheit, 
Und Reue wohnt in dir und fromme Scham. 
Heb’ auf. das Aug’ und blide mir ins Antlig, 
Daß ich die dunkeln Räthfel deines Handelns 
Grläutert ſeh' in deinem Haren Blid. — 
Du ſchweigſt? O wärſt du ftumm, und jene Laute, 
Die mir ertönten, fluchenswerthen Inhalts, 
Geſprochen hätte fie ein andrer Mund, 
Der minder lieblih, Mädchen, als der deine! 
Du jeufzeft! — Sprich! — Laß deine Worte tönen! 
Bertrau den Lüften fie, als Boten, an, 
Conft holt mein Mund fie ab von deinen Lippen! 
(Er beugt fi gegen fie; man hört Waffengellirt und Stimmen in der fyerne.) 
Horch! — Etimmen! 

(Gr läßt fie 108.) 

Näber! 
(Medea fleht auf.) 
Deine Freunde fommen, 

Und ih muß fort. Deß freueft du dich wohl? 


II. Die Argonauten. Erſter Aufzug. . 67 


Allein ich feh dich wieder, glaube mir! 

IH muß dich ſprechen hören, gütig fpreden, 
Und koſtet' e8 mein Leben! — Doch man naht. 
Glaub’ nit, daß ich Gefahr und Waffen fcheue, 
Doch au ein Tapf'rer weicht der Ueberzahl, 
Und meiner harten Freunde. Leb' denn wohl! 


Er geht dem Geitengange zu, dur den er gelommen if. Aus diefem, 
fo wie aus dem Saupteingange, flürzen Bewaffnete herein, mit ihnen 
Abſyrtus. 

Abſyrtus. 

Zurück! 
Saſon. 
So gilt's zu fechten! Gebet Raum! 
Abſyrtus. 
Dein Schwert! 
Saſon. 
Dir in die Bruſt, nicht in die Hand! 
Abſyrtus. 
Fangt ihn! 
Safon 5 
(fi in Stellung werfen). 
Kommt an! Ihr Alle jchredt mich nicht. 
Abfyrtus. 
Laß uns verſuchen denn! 
Etarit auf Jaſon 108.) 
(Medea macht eine abhaltende Bewegung gegen ihn.) 
Ab ſyrtus (@urüdtretend). 
Was hältft du mid, Schwefter? 
Iafon. 
Du forgft um mich? Hab’ Dank, du holdes Wefen! 





"68 Das goldene Vließ. 


Nicht ſür die Hülfe, ich bedarf ſie nicht, 
Für dieſe Sorge Dank. Leb' wohl, o Mädchen! 
(Sie bei der Hand faſſend und raſch käſſend.) 
Und diefer Kuß fei dir ein ſichres Pfand, 
Daß mir uns wiederfehn. — Gebt Raum! 
(Er ſchlägt fih durch.) 


Abfyrtus. 
Auf ihn! 
(Jafon durch die Scitenthüre fehtend ab.), 
Abfyrtus. 


Ihm nad! Er fol ung nicht entrinnen! 
(Eilt Zafon nad) mit den Bewaffneten.) 


Medea 
(die unbeweglich mit geſenltem Haupt geſtanden, hebt jetzt Kopf und 
Augen empor). 
Götter! 
(Ihre Jungfrauen ſtehen um ſie.) 


Der Vorhang fällt. 


Zweiter Aufzug. 


Halle, wie am Ende be vorigen Aufzuged. Es ift Tag. 
Gora. Peritta. Jungfrauen. 


Gora. 
Ich ſage dir, ſprich lieber Medeen nicht. 
Ob der Ereignung zürnt fie der heut'gen Nacht, 
Und ſie ſpricht ſich nicht gut, wenn fie zürnt, das weißt du. 
Auch gebot fie dir, ihr Antlig zu fliehn. 
Peritta. 
Was ſoll ich thun? Wer hilft, wenn ſie nicht? 
Gefangen der Gatte, die Hütte verbrannt, 
Alles geraubt von den fremden Männern. 
Wem klag' ich mein Leid, wer rettet, wenn ſie nicht? 
Gora. 
Thu' wie du willſt, ich hab' dich gewarnt. 
Auch iſt's recht und billig nur, daß ſie dich hört, 
Aber der Menſch thut nicht immer, was recht! 
Peritta. 
Ach, ich Unſelige! 
Gora. 
Klage nicht! Was hilft's? 





0 Das goldene Bließ. 


Ueberleg’ und handle, das thut dir Noth! 
Doch mo weilt Medea? Komm in ihr Gemadh! 


Eine Jungfrau ftürzt athemlos herein. 


Sungfran. 
O Uebermaß des Unglüds! 
Bora 
(an der Thüre umkehrend). 
Wohl nur der Thorbeit, will ich hoffen! 
Was Neues gibt's? 
Jungfrau. 
Der Fürftin Lieblingspferd — 
Gora. 
Das herrliche Tigerroß — 
Jungfrau. 
Es ift entflohn! ° 
Goran. 
So? 
3ungfrau. 
In der Verwirrung der heutigen Nadt, 
Da die Pforte offen, wir Alle voll Angft, 
Entlam e3 dem Stall und warb nimmer gejehn ! 
Weh mir! 
| Bora. 
Ja wohl! 
Sungfran. 
Wie entflieh’ ich der Fürftin Zorn? 
Wird ſie's ertragen? — 
Goran. 
Das mie ilt ihre Sache; 





I. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 71 


Doch tragen muß ſie's, da es ift. 
Nur rath' ich dir, geh’ für's erfte ihr aus dem Auge! 
Doch horch! Sie naht Schon! Peritta, tritt zu mir! 


Meden kommt in Gedanken verfunten aus der Thüre rechts. 


Goran (nad einer Paufe). 
Meden — 
Sungfrau 
(ihr zuvorkommend und zu Medeens Füßen flürzend). 
D Königin, verzeih'! 
Medea 
(den Kopf emporhebend). 
Was iſt? 


Jungfrau. 
Vernichte mich nicht in deinem Zorn! 
Dein Leibroß — dein Liebling! — Es iſt entflohn. 
(Paufe, während welcher fie Medeen voll Erwartung ins Geſicht ſieht.) 
Nicht meine Schuld war's fürwahr! Der Schreden heut’ Nacht, 
Das Getümmel, der Lärm — da geſchah's — 
— Du fpridft niht! — Zürne Fürftin — 
Meden. 
Es ift gut! 
(Die Jungfrau ſteht auf.) 
Bora 
(fie bei Eeite ziehend). 
Was Sprach fie? 
Iungfram (freudig). 
Es fei gut. 
Gora. 
Das ift nicht gut! 





72 Da3 goldene Vließ. 


Trägt fie fo leicht, was fie ſonſt ſchwer ertrug? 

Das begünftigt unfre Cache, Peritta. 

Saft ift mir's unlieb, daß fie fo mild geftimmt ! 

Sch hatte mich drauf gefreut, wie fie fich fträuben würde, 
Und endlidy überwinden müßte, zu tbun was fie: joll. 
Nun, fomm denn, fomm, für dich iſt's beſſer fo. 
Meden, bier ıft noch Jemand, den du kennſt. 


Reden. 
Wer? 

Gora. 
Kennft deine Gefpielin, Peritta, nicht? 
Zürnft du ihr gleich — 


Medea. 
Peritta, biſt du's? 
Sei mir gegrüßt, ſei herzlich mir gegrüßt! 
(Sie mit dem Arm umſchlingend und ſich auf fie flützend.) 
Wir haben frohe Tage zufammen gelebt ! 
Seitdem ift viel Uebles geſchehn, 
Viel Uebles ſeit der Zeit, Peritta! 
Haſt du deine Heerde verlaſſen und dein Haus, 
Und kommſt wieder zu mir, Peritta? 
Sei mir willkommen, du biſt ſanft und gut, 
Du ſollſt mir die Nächſte ſein im Kreis meiner Frauen! 


Peritta. 
Kein Haus hab' ich mehr und keine Heerde, 
Alles verloren, mein Gatte gefangen, 
Dahin meine Ruhe, mein Segen, mein Glück! 
Medea. 
So iſt er dahin, iſt todt! 
Du dauerſt mich, armes, armes Kind! 





II. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 73 


War fo jung, fo fräftig, fo glänzend, fo ſchön, 
Und ift tobt und falt! Du dauerft mid! 
Ich könnte weinen, fo rührft du mich. 
(@egt ihre Stine auf Peritia'3 Schulter) 

Peritta. 
Nicht todt, nur gefangen iſt mein Gatte. 
Drum kam ich zu flehn, daß du bitteſt den Vater, 
Ihn zu löſen, zu retten, zu befrei'n — 
— Medea, hörft du? 

(Zu Cora.) 

Eie Spricht nicht! Was finnt fie? 

6ora. 

Mic überrafcht fie nicht minder als dich! 
Das ift fonft nicht Medea's Sitte. 

Peritta. 
Was iſt das? Trau' ich meinen Sinnen? 
Feucht fühl’. ich dein Antlitz auf meiner Schulter! 
Medea, Tkränen! — O du Milde! Du Gute! 

(Rüht Medeens herabhängende Hand.) 
(Meden reißt fih empor, faßt raſch mit der tehten Hand die gelüßte 
Line und ſieht Peritten Rare ins Gefiht. Dann entfernt fie fih raſch 
don ihr, fie immer Rarc beirahtend, und nähert ſich der Amme.) 


Medea. 
Gora! 
Gora. 
Frau? 
Medea. 
Heiß’ fie gehn! 
Gora. 
Co willſt du — 





74 | Das goldene Vließ. 


Medea. 
Heiß' fie gehn! 
(Gora winkt Beritten mit der Hand Entfernung zu, Peritta hält flehend 
ihr die Hände entgegen, Bora winkt ihr beruhigend zu, fi zu entfernen.) 
(Peritta, von zwei Maͤdchen geführt, ab.) 


Reden 


(unterdeffen). 
Ah! — es ift heiß hier. — Echmüle Luft! 
(Reißt gewaltfam den Gürtel entzwei und wirft ihn weg.) 
Gora. 
Sie iſt fort! 
Medea 


(zuſammenfahrend). 
Fort? 
Gora. 
Peritta iſt fort. 
Medea. 
Gora! 
Gora. 
Gebieterin! 
AMedea 
(halblaut, fie bei Seite führend). 
Warſt du zugegen heut’ Nacht? 
Bora. 
Wo? 
(Meden flieht ihr fremd ins Gefidt.) 
Gora. 
Ach hier? Freilich! 
Medea 
(mit freudeglänzenden Blicken). 
Ich ſage dir, es war ein Gott! 


I. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 75 


Gora, 
Ein Gott? 


Meden. 
Ich habe lange darüber nachgedacht, 
Nachgedacht und geträumt die lange Nacht: 
Aber e3 war ein Himmlifcher, deß bin ich gewiß! 
Als er mit einemmal daftand, zürnenden Muths, 
Hoch aufleuchtend, einen Blig in der Hand 
Und zwei andre im flammenben Blid; 
Da fühlt’ ich's am Sinken des Muth, an meiner Vernichtung, 
Daß ihn fein ſterbliches Weib gebar. 

Gora. 
Wie ſo? — 

Aedea. 

Du haft mir wohl ſelbſt erzählet 

Oft, daß Menfchen, die nah dem Sterben, 
Heimbar fi) zeige, der furchtbare Gott, 
Der die Tobten führt in die fchaurige Tiefe: 
Sieh, der war es, glaub’ ih, o Gora! 
Heimdar war es, der Todesgott. 
Bezeichnet hat er fein dunkles Opfer, 
Bezeichnet mich mit dem labenden Kuß; 
Und Medea wird fterben, hinuntergehen 
Zu den Schatten der ſchweigenden Tiefe. 
Glaub’ mir, ic fühle das, gute Gora, 
An diefem Bangen, an diefem Verwelfen der Sinne, 
An diefer Grabesfehnfucht fühl’ ich es, 
Daß mir nicht fern das Ende ber Tage! 

Sora. 
Was hat deinen Sinn fo ſehr umwölkt, 
Daß du trüb fhauft, was klar und deutlich? 





76 Das goldene Vließ. 


Ein Menfh war's, ein Uebermüth'ger, ein Frecher, 
Der bier eindrang. 


Medea (smrüdfahrend). 
Ha! 
Gora. 
Der die Nacht benügend — 


Meden. 
Schweig! 
Gora. 
Deine Angſt — 


Medea. 
Verruchte, ſchweig! 


Gora. 
Schweigen kann ich, wenn du's gebieteſt, 
Einſt mein Pflegling, jetzt meine Frau; 
Aber drum iſt's nicht anders, als ich ſagte. 


Medea. 
Sieh, wie du albern biſt und thöricht! 
Wie käm' ein Fremder in dieſe Mauern? 
Wie hätt' ein Sterblicher ſich erfrecht, 
Zu drängen ſich vor Medea's Antlitz, 
Sie zu ſprechen, ihr zu drohn, mit ſeinen Lippen — 
Geh, Unſelige, geh! 
Daß ich dich nicht tödte, 
Nicht räche deine Thorheit 
An deinem Leben. 
Ein Sterblicher! Scham und Schmach! 
Entferne dich, Verrätherin! | 
Seh, ſonſt trifft dich mein Zorn! 


4. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 77 


Gora. 
Ich rede, mas iſt, und nicht, was du willſt. 
Gehn foll ih? — ic) gehe. 
\ Medea. 
Gora, bleib'! 
Haſt du kein freundlichs Wort, du Gute? 
Fühlſt du denn nicht, ſo iſt's, ſo muß es ſein: 
Heimdar war es, der ſtille Gott, 
Und nun kein Wort mehr, kein Wort, o Gora! 
Girft ſich ihr an den Hals und verjlieht mit ihtem Munde Gora's 
Lippen. Nach einer Paufe.) 
Medea. 
Horch! 
Gora. 
Tritte nahen! Man kommt! 
Medea. 
Fort! 
Gora. 
Bleib'! Dein Bruder iſt's und dein Vater! Sieh! 


Aietes und Abſhrtus Münzen herein. 


Aictes. 
Entlommen ift er, de trägft du die Schuld! 
(Zu Medea.) 
Warum hemmteft du den Streich des Brubers, 
Da er ihn töbten wollte, den Frevler? 


Abfyrtus. 
Vater, fcheltet fie nicht darum, 
War doch angftvol und bang ihre Seele! 
Denkt! Ein Fremder, allein, bei Nadıt, 





78 Das goldene Blick. 


Eingedrungen in ihre Kammer; 
Eolite fie da nicht zagen, Bater? 
Und nicht weiß die Furcht, mas fie thut. 
Doc der Griede — 
Aedea. 
Grieche? 
Aietes. 
Wer ſonſt? 
Einer der Fremden war's, der Hellenen, 
Die gekommen an Kolchis Küſte, 
Argonauten, auf Argo, dem Schiff, 
Zu verwüſten unſere Thäler, 
Und zu rauben unſer Gut. 
Medea Gora's Hand faſſend). 
Gora! 
Gora. 
Siehſt du, es iſt ſo, wie ich ſagte! 


Abſyrtus. 
Uebermüthig ſind ſie und ſtark, 
Ja, bei Peronto! ſtark und kühn! 
Setzt' ich nicht nach ihm, ich und die Meinen, 
Hart ihn drängend, nach auf den Ferſen? 
Aber er führte in Kreiſen ſein Schwert, 
Keiner von uns kam ihm nah zu Leibe. 
Jetzt zum Strom gekommen, warf er 
Raſchen Sprunges ſich hinein. 
Dumpf ertönte die Gegend dem Sturze, 
Hoch auf ſpritzten die ſchäumenden Waſſer 
Und er verſchwand in umhüllende Nacht. 


Aietes. 
Iſt er entkommen dieſesmal, 


I. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 


Fürber fol es ihm nicht gelingen! 
Die kühnen Fremblinge, ftolz und trogig, 
Haben Zmeifprach begehrt mit mir. 
Zugeſagt hab’ ich's, den Groll verbergend, 
Den töbtlihen Haß in ber tiefen Bruft. 
Aber gelingt mir, was ic) finne, 
Und bift du mir gewärtig mit deiner Kunft, 
So foll fie der frevelnde Muth gereuen, 
So enbet der Streit, noch eh’ er begann. 
Auf, Medea, komm! Mad’ dic) fertig, 
Gut zu maden, was bu verfehen, 
Und zu rächen die eigene Schmach. 
Deine Sade iſt's nun geworben, 
Haben fie doch an dir auch gefrevelt, 
Gefrevelt durch jenes Kühnen That. 
Denn wahr iſt's doch, was Abfyrtus mir fagte, 
Daß er's geivagt mit entehrendem Kuß — 
Meden. 
Vater, ſchweig, ich bitte dich! 
Aictes. 
Iſt's wahr? 
Meden. 
Frage mich nicht, was wahr, was nicht! 
Laß dir's fagen die Röthe meiner Wangen, 
Laß dir's fagen — Was foll ih? Gebeut! 
Willſt du vernichten die Schaar der Frebler, 
Sage nur wie, id) bin bereit! 
Aictes. 
So seht, Medea, fo mag ich's gern, 
So ertenn’ ich in dir mein Kind! 


79 


Mi 


80 | Das goldene Vließ. 


Zeig’, daß dir fremd war des Fremden Erfühnen, 
Laß fie nicht glauben, du habeſt gewußt, 
Selber gewußt um die frevelnde That! 


Medea. 
Gewußt? 
Wer glaubt das, Vater, und von wem? 
Aietes. 


Wer? der's ſah, der's hörte, Kind! 
Mer Zeuge war, wie Aietes fürftliche Tochter 
Den Kuß dulbete von bes Frevlers Lippe. 


Meden. 
Vater! 
Aietes. 
Was iſt? 
Medea. 
Du tödteſt mich! 
Aietes. 
Ich glaub's nicht, Medea! 
Medea. 
Wirklich nicht? 
Laß uns gehn! 
Aietes. 
Wohin? 
Medea. 
Wohin du willſt, 
Zu vernichten, zu tödten, zu ſterben! 
Aictes. 
Du verſprichſt mir aljo? 


1. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. sı 


Meden. 
Ich hab’ es gefagt! 

Aber laß uns gehn! 

Aictes. 

Hör’ erft! 
Meden. 
Nicht hier! 

Hohnzulachen ſcheint mir des Gottes Bil, 
Des Gewölbes Steine formen ſich mir 
Zu Iachenden Mäulern und grinfenden Larven. 
Hinweg von dem Orte meiner Schmach! 
Nimmer betret’ ih ihn. Vater, fomm! 
Was du mwillft, wie du willft, doch fort von bier! 

Aictes. J 
So höre! 

Meden. 

Fort! 
Aictes. 
Mebea! 
Meden. 
Fort ! Eit ab.) 
Aictes. 
Medea! 
CAieies mit Abſyrius ihr nach) 


Freier Platz mit Bäumen. Lints im Hintergrunde bed Königs Zeit. 
Acht Abgeorbnete der Argonanten treten auf, von einem 
Kolhifhen Hauptmann geleitet. 


Hauptmann. 
Hier follt ihr weilen, ift des Königs Befehl, 
Bald naht er felbft. 
Grillparzer, fämmtl, Werte. II. 6 





82 Das goldene Vließ. 


Erſter Argonaut. 
Befehl? Nichtswürdiger Barbar, 
Für dich mag's ſein, doch uns Befehl? 
Wir harren deines Königs, weil wir wollen, 
Doch eil' er ſich, ſonſt ſuchen wir ihn auf! 


Bweiter Argonaut. 


Laß ihn, die Knechtesrede ziemt dem Knecht! 
(Kolcher ab.) 


Dritter Argonaut. 
So ſind wir hier, erreicht des Strebens Ziel! 
Nach mancher Fährlichkeit zu Land und See, 
Umfängt uns Kolchis düſtre Märchenwelt, 
Von der man ſpricht, ſo weit die Sonne leuchtet. 
Was keinem möglich däuchte, iſt geſchehn: 
Durchſegelt iſt ein unbekanntes Meer, 
Das zürnend Untergang dem erſten Schiffer drohte; 
Zu neuen Bölfern und zu neuen Ländern 
That ſich der Weg, und mas oft fehmwerer noch, 
That auch der Rückweg ſich uns günftig auf; 
Wir find in Koldis, unfrer Reife Biel. 
Sp weit hat gnädig uns ein Gott geführt; 
Doch jeßo, fürcht' ich, wendet er ſich ab. 
Wir ftehn in Feindes Land, von Tod umgeben, 
Fremd, ohne Ratb und Führer — Jaſon fehlt. 
Er, der zum Zug geworben, ihn geführt, 
Er, deſſen eigne Sache wir verfechten, 
Mit Milo hat er fih vom Zug entfernt, 
Heut Nacht entfernt und ward nicht mehr gefehn. 
Ob er im Wald verirrt, verlaflen ſchmachtet, 
Ob er ing Net gefallen der Barbaren, 
Ob ihn aus Hinterhalt der Tod ereilt, 





U. Die Argonauten. Zweiter Aufaug. 83 


Ich weiß es nicht, doch jedes fteht zu fürchten. 
So aufgelöst, vereinzelt, ohne Band, 
Iſt Jeder nun fein eigner Rath und Führer, 
Drum frag’ ich euch, die Erften unfrer Schaar, 
Was ift zu tun? 
(Ale ſcweigen mit gefentten Käuptern.) 
Ihr fehtweigt. Jetzt gilt's Entſchluß! 
Geladen von dem König dieſes Landes 
Zur Zweiſprach, zum Verſuch der Gütlichkeit, 
Schien's uns gefährlih, ob des Führers Abgang, 
Den Aufruf abzulehnen, der geſchehn, 
Und zu enthüllen unfre Noth und Schwäche. 
Wir gingen, wir find hier! — Was nun zu thun? 
Wer Rath weiß, fpreche nun! 
weiter Argonant. 
Du bift der Alt’fte, 
E pri du! 
Pritter Argonant. 
Der ält’jte ift der erfte nicht, 
Wo's Kraft gilt und Entfhluß. Fragt einen andern! 
Erfer Argonaut. 
Laßt uns die Schwerter nehmen in bie Hand, 
Den König töbten und fein treulos Volt; 
Dann fort! Doch erft die Beut’ ins Schiff gebracht! 
Britter Argonant., 
Nicht auch das Land, und heimgebracht zur Schau? 
Dein Rath ift unreif, Freund, wie deine Jahre! 
Gebt andern! 
Imweiter Argonant. N 
Rathe du, mwir folgen dir! 





84 Tas goldene Bließ. 


Dritter Argonanut. 
Mein Rath it Rückkehr! 
Murrt ihr? Nun wohlen, 

Sprech' einer Befleres, ich ſtimme bei! 
Ihr ſchweigt gefammt, und Niemand tritt bervor? 
So hört und ftört nicht, oder überzeugt mich! 
Nicht eignes Streben bat uns hergeführt ; 
Was fümmert Koldis uns mit feinen Wundern? 
Dem Muth, dem Glüde Jaſons folgten wir, 
Den Arm ihm leihend zum gebotnen Werk. 
Er that des Oheims Willen, wir den feinen. 
Wer iſt, der treten mag in Jaſons Etelle, 
Hat ibn der Tod, wie möglich, hingerafft? 
Wem liegt daran das Wundervließ zu rauben, 
Das Tod umringt und dräuende Gefahr? 
Habt ihr's gehört? im Schlund der Höhle liegt’s, 
Bewacht von eines Drachen gift’gen Zähnen, 
Vom Grau’n vertheidigt ſchwarzer Zauberei, 
Beihüst von allem, was verrucht und gräulich: 
Wer wagt’3 von euch, wer hebt den goldnen Schag! 
Mie, feiner? Nun, fo wol’ auch Feiner [cheinen, 
Was feiner Kraft und Willen hat zu fein. 
Hier leg’ ih von mir Schild und Speer, 
Und geh’ zum König ala ein Mann des Friedens. 
Drei Tage gönn’ er uns zu harren Zeit, 
Und ehrt dann Jaſon nicht, fo ziehn wir beim. 
Wer mit mir gleichdenkt, thue fo mie ich! 
Ein Held ilt, wer das Leben Großem opfert, 
Wer's für ein Nichts vergeubet, ift ein Thor! 

(Die Meiften ſtoßen ihre Speere in den Boden.) 
Nun kommt zu Koldis König. Gerne taufcht er 
Die eigne Sicherheit wohl aus für unfre! 








II. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 85 


Erfier Argonant. 
Halt no! Dort nah’n zwei Griehen! Milo iſt's, 
. Der fort mit Jaſon ging, und — (färeiend.) Jaſon felber! 
Jaſon! Er! 
. Mehrere. 
Safon! 
Alle (tummultuarift). . 
Safon! 
Milo 
(hinter der Scene). 
Hier, Gefährten ! 
Hier Jaſon, Argonauten! 
weiter Argonaut 
(‚um erften). 
Was fagft du nun? 
Dritter Argonant. 
Daß Jaſon da ift, ſag' ich, Freund, wie du. 
Statt meines Rathes gibt er euch die That; 
Nur da er fort war, hatt! ich eine Meinung. 


Milo tritt auf, Jaſon an der Hand führend. 


Milo. 
Hier habt ihr ihn! Hier iſt er ganz und gar! 
Nun ſeht euch fatt an ihm, und fdhreit und jubelt! 
(Die Argonauten drängen fih um Jafon, fafjen feine Hände, und drüden 
ihre Freude auß.) 
Bermifhte Stimmen. 
Willkommen! — Jaſon! — Freund! — Willlommen, Bruder ! 


Safon. 
Habt ihr um mich verlangt? Hier bin ich wieder! 
(Indem er den Andräugenden die Hände reicht.) 


⸗ 





86 Das goldene Blick. 


Milo 
(den Nächſtſtehenden umarmend). 
Freund, ſiehſt du? er iſt da! Geſund und rüſtig! 
Und 's ging ihm nah ans Leben, ei beim Himmel! 
Ein Haar, und ihr ſaht Jaſon nimmermehr! 
Er wagte ſich, allein — ich durft' nicht mit — 
Um euretwillen, Freunde, wagt' er ſich, 
Im dichten Wald, allein in einen Thurm, 
Der voll Barbaren ſteckte bis zum Giebel! 
Da hieß es fechten. 
Safon. 
Sa! fürwahr, es galt! 
Berloren war ich, wenn ein Mädchen nicht — 
Milo. 
Ein Mädchen? Ein Barbarenmäbden? 
Safon. 
Sa! 
Milo. 
Sieh, davon fagteft du mir früher nichts! 
Und mar fie ſchön? 
Safon. | 
So fhön, fo reizend, jo — 
Doch eine arge, böfe Zauberin! 
Ihr dank’ ich dieß mein Leben. 
Milo. 
Wadres Mädchen! 
Iafon. 
Ich ſchlug mid) dur, und — doch genug, ich lebe 
Und bin bei euch. — Allein was führt euch hierher? 
Erfier Argonant. 
Zur Zweiſprach ließ ung laden Kolchis König, 








I. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 87 


Vernehmen will er unfre Forderung, 
Und dann entjcheiden. 
Safon. 
Hier? 
Erfier Argonanut. 
Hier ift fein Sig! 
3afon. 
Sch will ihn ſprechen. Fügt er ſich in Frieden; 
Gut denn! wo nicht, fo mag das Schwert entfcheiden! 
(Auf die feitwärts geftellten Speere zeigend.) 
Doch diefe Waffen! — Seid ihr hier fo ficher, 
Daß ihr des Schutzes felber euch beraubt? 
(Sie nehmen befhämt die weggelegten Speere wieder auf.) 
Ihr ſchweigt und fchlagt beſchämt die Augen nieder? 
Habt ihr? — 
(Zu Milo.) . 
Ad fieh, fie meiden meinen Blick! 
Unglüdliche! eg war doch nicht die Furcht — 
Die Furchz, Hellenen, die den Speer euch nahm? 
Es war's nit? — 
(Zu Milo.) 
Ach e3 war's! Die Unglüdjel'gen, 
Cie wagen's nicht der Lüge mich zu zeihn! 
Was hat euch denn verblendet, arme Brüder? — 
— Es war die Furcht! — 
(Zu einem, der fpredhen will.) 
Ich bitte dich, Tprich nicht! 
Sch Tann mir denken, mas bu fühlft. Sprich nicht! 
Mach' nicht, daß ich mich ſchäme vor mir felbit! 
Denn, o! nicht ohne Thränen könnt’ ich fchauen 
Sn ein von Scham geröthet Männerantlig. 
Gh will's vergeffen, wenn ich fann. 





88 Des goldene Vließ. 
Gin Kolcher tritt auf. 
Kolder. 
Der König nabt! 
3afon. 


So laßt uns ftark fein und entfchloffen, freunde! 
Nicht ahne der Barbar, was hier geſchehn. 


Nietes tritt auf mit Gefolge. 


Aietes. 
Wer iſt, der das Wort führt für die Fremden? 
Iafon (ortretend). 
Ich! 
Aietes. 
Beginn! 
Safon. 
Hochmüthiger Barbar, du wagſt —? 
Aictes. 
Was willft du? 
Iafon. 
Achtung! 
Aictes. 
Achtung? 
Iafon. 
Meiner Macht, 
Wenn meinem Namen nicht! 
Aictes. 
Wohlan, jo fprih! 
Safon. 
Theſſaliens Beherrſcher, Pelias, 





M. Die Argonauten. Zweiter Aufzug. 


Mein Oheim und mein Herr, fchidt mich zu bir, 
Mich, Jafon, diefer Männer Kriegeshaupt, 
Zu dir zu reben, wie ic) jetzo rede: 
Gelommen ift die Kunde über's Meer, 
Daß Phryrus, ein Hellene, hohen Stammes, 
Den Tod gefunden hier in deinem Reih — 
Aictes. 
Ich ſchlug ihn nicht. 
Safon. 
Warum vertheidigft du dich, 
Ch’ ich dich noch beſchuldigt? Hör’ mich erft! 
Mit Schägen und mit Gute reich beladen 
War Phryrus Schiff, das blieb in deiner Hand, 
Als er verblich geheimnißvollen Todes. 
Sein Haus ift aber nah verivandt dem meinen; 
Darum, im Namen meines Ohms und Herrn, 
Fordr' id, daß du erftatteft, was fein eigen, 
Und mas nun mein und meines Fürftenhaufes. 
Aictes. 
Nichts weiß ih von Schätzen. 
Iafon. 
Laß mic enden. 
Das Löftlichfte von Phryrus Gütern aber, 
Es war ein föftlihes, geheimnißvolles Vließ, 
Dep er entlleivete in Delphi's hoher Stadt 
Das Bildniß eines unbefannten Gottes, 
Das dort feit grauen Jahren aufgeftellt, 
Man fagt, von den Urpätern unjerd Landes, 
Die fernher kommend, und von Oben ftammend, 
"Das Land betraten, und der Menfchheit Samen 
Weitbreitend in die leere Wildniß ftreuten, 


89 





90 Das goldene Blick. 


Und Hellas’ Väter wurden, unfre Ahnen. 
Von ihnen, jagt man, ftamme jenes Zeichen, 
Ein theured Pfand für Hellas’ Heil und Glüd. 
Vor allem nun dieß Vließ fordr' ich von bir; 
Daß e3 ein Kleinod bleibe der Hellenen, 
Und nicht in troiger Barbaren Hand 
Zum Giegeözeichen diene wider fie. 
Sag’, was beſchließeſt du? 

Aietes. 

Ich hab's nicht! 
Safon. 
Nicht? 

Das goldne Vließ? 

Aietes. 

Ich hab's nicht, ſag' ich dir! 

Saſon. 
Iſt dieß dein letztes Wort? 

Aictes. 

Mein letztes! 

Safon. 

Wohlan! 
(endet ſich zu geben.) 
Aictes. 
Wo wilft du hin? 
Safon. 
Fort zu den Meinen, 

Sie zu den Waffen rufen, um zu fehen, 
Ob du der Macht unnahbar wie dem Recht. 

Aietes. 
Ich lache deiner Drohungen! 





U. Die Argonauten. Zweiter Aufzus. A 


Iafon. 
Wie lange? 
Aictes. 
Tolltühner! Mit einem Häufchen Abenteurer 
Willſt du trogen dem König von Kolchis? 


Saſon. 
Ich will's verſuchen. 
in gehen.) 
Aietes. 
Halt! Du raſeſt, glaub’ ich. 
Iſt wirklich der Götter Huld gefnüpft an jenes Zeichen, 
Und ift dem Sieg und Rache, der's befigt, 
Wie Tannft du hoffen, zu beftehen gegen mich, 
In deſſen Hand — 
Safon. 
Ha, fo befigeft du's? 
Aictes. 
Wenn's wäre, mein’ id, wie du glaubft. 


Iafon. 
Ich weiß genug! — 

Schwachſinniger Barbar und darauf ftügeft 
Du deiner Weigrung unhaltbaren Trotz? 
Du glaubft zu fiegen, weil in deiner Hand — 
Nicht gut, nicht ſchlimm ift, was die Götter geben 
Und der Empfänger erft macht das Gefchent. 
So wie das Brod, das uns die Erbe fpenbet, 
Den Starken ftärkt, des Kranken Siechthum mehrt, 
So find der Götter hohe Gaben alle, 
Dem Guten gut, dem Argen zum Verderben. 
In meiner Hand führt jenes Vließ zum Sieg, 





92 Das gofdene Blich. 


In. deiner ſichert's dir den Untergang. 
Sprich felbft, wirft du e8 wagen zu berühren, 
Beſpritzt, wie's ift, mit deines Gaftfreunds Blut? — 
Aictes. 
Schweig! 
Saſon. 
Sag'! gibſt du's heraus? — Ja oder nein? 
Aictes. 
So höre mid! 
Iafon. 
Ja oder nein! 


Aictes. 
Du Raſcher! 
Warum uns zanten ohne Noth? 
Laß uns friedlich überlegen 
Und dann entſcheiden, was zu geſchehn! 
- Safon. 
Du gibft es denn heraus? 
Alctes. 
Was? — Ei laß das! 
Wir wollen uns erſt kennen und verftehn: 
Dem Freunde gibt man, nicht dem Fremden! 
Tritt ein bei mir und ruhe von der Fahrt. 
Safon. 
Ih trau’ dir nicht. 
Aictes. 
Barum nit? 
Iſt aud) rauh meine Sprache, fürchte nichts! 
Laß dir's wohl fein in meinem Lande! 





U. Die Argonauten, Zweiter Aufzug. 93 


Liebft du den Becher? Wir haben Trans die Fülle. 
Jagd? Wildreich find unfre Forfte. 
Magft du dich freu'n in der Weiber Umarmung? 
Kolchis hat — 
(Räder zu ihm treiend.) 
Liebſt du die Weiber? 
Iafon. 
Eure Weiber? und doch — 
Aittes. 
Liebft du die Weiber? 
Safon. 
Kennft einen Thurm du dort im nahen Walde? 
Der — doch wo bin ih? Komm zur Sade, König! 
Gibft du das Vließ? 
Aictes 


Gu einem Rolder). 
Ruf’ Medeen und bring’ Wein! 


Safon. 
Noch einmal, gibft du mir das Vließ? 
Aietes. 
Sei ruhig! 
Erſt gezecht, dann zum Rath, ſo halten wir's. 
Saſon. 
Ich will von deinen Gaben nichts. 
Aittes. 
Du ſollſt! 
Ungefpeist geht feiner aus Aietes Haufe! 
Sieh, man kommt, laß dir's gefallen, Fremdling! 





94 Das gofdene Blick. 


Medea lömmt verfäleiert. einen Beier in der Hand, mit ihr Diener, 
die Polale tragen. 


Aietes. 
Hier trink, mein edler Gaſt! 
(Zu Medea.) 
Iſt er bereitet? 
Meden. 
D frage nicht! 
Aietes. 


So geh und biet' ihn an! 

Erlabe dich, mein Gaſt! 

Saſon. 

Ich trinke nicht! 
(Medca fährt beim alang von Jafons Stimme zuſammen. Sie blict empor, 
extennt ihn und tritt einige Sitte guräd.) 
Aictes (u Jafon). 

Warum nicht? 

(Su Reden.) 

Hin zu ihm! Tritt näher, fag’ ich! 
. Iafon. 
Was feh ih? — Diefe Kleider! — Mädchen, bleib! 
Dein Kleid erneuert mir ein holdes Bild, 
Das ich nur erft — Gib deinen Becher mir! 
Ich wag's auf deine Außenfeitel Gib! 
(&r nimmt den Beer aus ihrer Hand.) 

Ich leer’ ihn auf dein Wohl! 

Meden. 

Halt ein! 
Safon. 
Bas ift? 





U. Die Wrgonauten. Zweiter Aufzug. 


Meden. 
Du trinkſt Verderben! 


Iafon. 
Wie? 
Aictes. 
Medea! 
Saſon 
(indem er den Vecher wegwirfth. 
König! 
Das deine Freundſchaft? Rache dir, Barbar! 
Doch du, wer bift du, die fo fonderbar 
Mit Graufamleit vereinet Mitleids Milde? 
Laß mich dich ſchau'n! 
(&r reißt ihr den Sqhleier ab. 
Sie iſt's! Es ift diefelbe! 
Aietes. 
Medea, fort! 
Saſon. 
Medea heißeſt du? 
So ſprich, Medea, denn! 


Meden. 
Was willft du? 


3afon. 
Wie? 

So mild dein Thun, und rauh dein Wort, Medea? 
Nur zweimal fah ich dich, und beidemal 
Verdank' ich dir mein Leben. Habe Dan! 
Es ſcheint die Götter haben uns erfehn 
Uns Freund zu fein, nicht Feinde, o Medea! 

4 


95 





96 Das gofdene Blick. 


Noch einmal diefen Blick! o fieh nicht weg! 
Schau mir ins Aug’, id mein’ e3 rein und gut! 
Et faßt ihre Sand, und wendet le gegen ih.) 
Laß mich in deinem Blid die Kunde leſen — 
(Meden entreißt ihm die Sand.) 
Iafon. 
Halt.ein! 
Aedea 
(id emporrichtend). 
Vertvegner, wagſt du's? — Weh! 
(Sie begegnet feinem Blit, fährt zuſammen und entflicht.) 
Iafon. 
Meben! 
(Meden ab. Gr eilt ihr nad.) 
Aietes. 
Zurück! 
Saſon. 
Du ſollſt zurück, Barbar! — Medea! 
(Indem er ins Zelt dringen will und Aietes fich ihm abwehrend in den 
Beg Reit, ſaut der Borhang.) “ 





Dritter Aufzug. 


Das Innere von des Königs Zelt. Der hintere Vorhang bed: 

felben ift fo, daß man durch denfelben, ohne die draußen befind⸗ 

lichen Berfonen genau unterſcheiden zu können, doch die Umriſſe 
derſelben erfennen Tann. 


Medea, Bora, Jungfrauen im Zelte. Jaſou, Aietes und 
alle Perfonen des Iehten Aktichluffes außer demfelben. 


(Reden Aeht lints im Vorgrunde, aufreht, die linte Hand auf einen 

Tiſch geflüßt, die Augen unberveglich vor fih gerichtet, in der Stellung 

einer, die Hört was außen vorgeht. Cora, fie beobachtend, auf der 

andern Geite. Jungfrauen, theilß nieend, theils Rehend, um fie gruppirt, 
Einige Krieger im Hintergrunde des Zeltes.) 


Iafon (von außen). 
Ich will hinein! 
Aietes (auben). 
Zurüd! 


Iafon. 
Denkft du's zu wehren? 
Vom Schwert die Hand! Die Hand vom Schwerte, ſag' ih! 
Das meine zudt, id kann nicht drohen fehn! 
Ich will hinein! Gib Raum! 
Briliparzer, ſammtl. Berte. III. 


* 





98 Das goldene Blick. 


Aictes. 
Zurück, Verwegner! 
Gora (m More). 
Gr rast, der Freche! “ 
Sa ſon (außen). 
Hörſt du mich, Medea? 
Gib mir ein Zeichen, wenn du hörſt! 


Gora. 
Vernahmſt du? 
Saſon. 
Dringt bis zu dir mein Ruf, ſo gib ein Zeichen! 


Exwãhlte! 
Medea, die bis jetzt unbeweglich geſtanden, fährt zuſammen und legt 
die Hand auf die tiefathmende Bruft.) 

Safon. 
Sieh, mein Arm ift offen, fomm!- 
(Jafons Stimme tommt immer näher.) 
Ich hab’ dein Herz erkannt! Crfenn’ das meine! 
Medea, komm! 
Aietes. 
Zurüch! 
Gora. 
Er dringt herein! 
Medea reißt ſich aus den Armen ihrer Jungfrauen los und flieht auf 
die andere Geite des Borgrundes.) 
‚Safon. 
Ich rufe dir! Ich liebe dich, Medea! 
Gora 
(Medeen folgend.) 


Haft du gehört? 
(Meden verhält die Augen mit der Hand.) 





1. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 99 


Unglüdlide, das alfo war's? 
Daher die Bewegung, baher deine Angft? 
D Schmach und Schande! wär’ es wirklich? 
Arcdıa 
(aufgerißtet, fie mit Sobeit anblidend). 
Was? 
Saſon 
(indem er die Vorhänge des Zeltes aufteikt). 
Ih muß fie fehn! — Da ift fie! — Komm, Meben! 
Gora. 
Er naht! Entflieh! 
Medea 
(gu den Soldaten im Zelte). 
Steht ihr fo müßig? 
Braut die Waffen, helft eurem Herrn! 
Aietes 
Per indeß mit Jaſon am Eingange gerungen hat). 
Mit meinem Tod erſt dringft bu hinein! 
(Die Soldaten im Zelte fürzen auf die Gtreitenden los. Jaſon wird 
mweggedrängt. Die Borhänge fallen wieder zu.) 
Iafon (ben). 
Medea! — Wohl, jo mag das Schwert entfcheiben! 
Abfyrtus Stimme. 
Schwerter bloß! Hier ift das meine! 
(Baffengeltier von außen.) 
Gora. 
Sie fechten! Götter, ftärkt der Unfern Arm! 
(Deden ficht bemegungsloß da,) 
Ailo’s Stimme 
(von außen). 
Jafon zurüd! Wir werden übermannt: 


5958388 





100 Tas gofdene Vließ. 


Zwolf unfre Schaar und Hunderte die Feinde! 
Barbaren, brecht ibr den geſchwornen Stillſtand? 


Iafon. 
Laß fie nur fommen, ich empfange fie! 

Aietes. 
Haut ſie nieder, weichen ſie nicht! 

(Das Wahſengenirt entfernt fd.) 

Gora. 
Die Fremden werden zurüdgebrängt, die Unſern ſiegen! 
Medea, faſſe dih! Dein Vater nabt. 


Aietes und Abfgrtus tommen. 


Aictes. 

Wo ift ſie? — Hier! — Verrätberin! 

Wagft du's zu ftehn deines Vaters Blick? 

Meden (inm entgegen). 

Nicht zu Worten ift's jetzt Zeit, zu Thaten! 
Aictes. 

Tas fagft du mir nah dem, was geſchehn, 

Jetzt, da das Schwert noch bloß in meiner Hand? 


Meden. 
Nichts weiter von Vergleih, von Unterrebung, 
Von gütlihen Vertrags fruchtloſem Verfuch! 
Bewaffne die Krieger, verfammle die Deinen, 
Und jegt auf fie bin, bin auf die Fremden, 
Eh' fie's vermuthen, eb’ fie ſich faſſen. 
Hinaus mit ihnen, hinaus aus deinem Land! 
Nettend entführe fie ihr fehnelles Schiff, 
Der der Tod ihnen Allen — Allen! 





U. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 101 


Aictes. 
Wähnſt du mich zu täujhen, Betrügerin? 
Wenn du fie hafjeft, was warfſt du den Beder, 
Der mir fie liefern follte, Jafon liefern follte — 
Jaſon — fieb mir ins Antlig! Du wendeſt dih ab? 
Medca. 
Was liegt dir an meiner Beihämung? 
Rath bedarfjt du, ih gebe dir Rath. 
Noch einmal alfo: verjag’ fie, die Fremden ! 
Stoß fie hinaus aus den Marken des Reiche; 
Der grauende Morgen, der fommende Tag 
Sehe fie nicht mehr in Koldis Umfang. 
Aietes. 
Du machſt mich irre an dir, Medea. 
Meden. 
War ich es lange nicht, lange nicht jelbit? 
Aietes. 
So wünſcheſt du, daß ich vertreibe die Fremden? 
Medea. 
Flehend, knieend bitt' ich dich drum! 
Aietes. 
Alle? 
Medea. 
Alle! 
Aietes. 
Alle? 
Aedea. 
Frage mich nicht! 
Aietes. 
Nun wohlan denn, ich waffne die Freunde! 
Qu gehſt mit! 





102 Das gofdene Blieh. 


Meden. 
Ich? 
Aietes. 
Seltſame, du! 

Sieh, ich weiß, nicht den Pfeil nur vom Bogen, 
Schleuderſt den Speer auch, die mächtige Lanze, 
Schwingeſt das Schwert in kräftiger Hand. 
Komm mit, wir verjagen die Feinde! 

Meden. 
Nimmermehr! 

Aietes. 

Nicht? 
Meden. 
Mich fende zurüd 

In das Inn're des Landes, Vater, 
Tief, wo nur Wälder und dunfles Geklüft, 
Wo fein Aug’ hindringt, kein Obr, feine Stimme, 
Wo nur die Einfamfeit und ich. 
Dort will ich für dich zu den Göttern rufen, 
Um Beiftand für did, um Kraft, um Eieg, 
Beten, Bater, doch fämpfen nicht. 
Wenn die Feinde verjagt, wenn fein Fremder mehr bier, 
Dann fomm id) zurüd und bleibe bei dir, 
Und pflege dein Alter forglid) und treu; 
Bis der Tob heranfommt, der friedliche Gott, 
Und leiſe befehwicht'gend, den Finger am Mund, 
Auf feinem Kiffen von Staub und Moos 
Die Gedanken fchlafen heißt und ruh'n die Wünſche. 


Aictes. 
Du willſt nicht mit und ich foll dir glauben? 
Ungerath'ne, zittre! — Jafon? 


II. Tie Argonauten. Dritter Aufzug. 


Meden. 
Was fragit du mid, wenn du's weißt? 
Oder willſt du's hören aus meinem Mund, 
Was ich bis jeßt mir jelber verbarg. 
Sch mir verbarg? Die Götter mir bargen! 
Laß dich nicht ftören die flammende Blut, 
Die mir, ich fühl" es, die Wangen bevedt! 
Du willſt es hören, und ic) fage es dir. 
Ich kann nicht im Trüben ahnen und zagen, 
Klar muß es fein um Medeen, klar! 
Man fagt — und id) fühle, es ift fo: 
Es gibt ein Etwas in des Menſchen Weſen, 
Das unabhängig von des Eigners Willen, 
Anziebt und abjtößt mit blinder Gewalt; 


103 


Wie vom Blitz zum Metall, vom Magnet zum Eijen, 


Gebt ein Zug, ein geheimmnißvoller Zug 


Vom Menjchen zum Menfchen, von Bruft zu Bruſt. 


Da ift nicht Reiz, nicht Anmutb, nicht Tugend, nicht Necht, 


Was knüpft und losfnüpft die zaub'riſchen Fäden: 


Unfihtbar geht der Neigung Zauberbrüde, 
So viel fie betraten, hat Keiner fie gefehn! 
Gefallen muß dir, was dir gefällt; 
So meit ift’s Zivang, rohe Naturfraft. 
Doch ftebt’3 bei dir, die Neigung zu rufen, 
Der Neigung zu folgen fteht bei dir, 
Da beginnt des Wollens fonniges Reich, 
Und ih will nicht! 

(Mit aufgehobener Hand.) 

Medea will nicht! — 

Als ich ihn jah, zum erjtenmale ſah, 
Da fühlt’ ich ftoden das Blut in meinen Adern, 
Aus feinem Aug’, feiner Hand, feinen Lippen 





100° Dos goldene Bließ. 


Gingen fprühende Funfen über mid aus 
Und flammend Ioberte auf mein Innres. 
Doch verhehlt’ ich's mir felbft. Erſt als er's ausſprach, 
Ausſprach in der Wuth feines tollen Beginnens, 
Daß er liebe — 
Schöner Name 
Für eine fluchenswerthe Sache! — 
Da warb mir's Har, und barnad) will ich handeln. 
Aber verlange nicht, daß ich ihm begegne, 
Laß mich ihn fliehn. — Schwach ift der Menſch, 
Auch der ſtärkſte, ſchwach! 
Wenn ich ihn ſehe, dreh'n ſich die Sinne, 
Dumpfes Bangen überſchleicht Haupt und Buſen 
Und ich bin nicht mehr, bie ich bin. 
Vertreib' ihn, verjag' ihn, tödt' ihn! 
Ja, weicht er nicht, tödt' ihn, Vater! 
Den Todten till ich ſchau'n, wenn aud) mit Thränen ſchau'n, 
Den Lebenden nit! 
Aictes. 
Mebea! 
MArdca. * 
Was beſchließeſt du? 
Aietes 
(indem er ihre Hand nimrit. 
Du bift ein wadres Mäbchen ! 
Abfyrtus 
(ihre andere Hand nehmend). 
Arme Schweſter! 
Meden. 
Was beichliepeft du? 





1. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 105 


Aictes. 
Wohl, du follft zurüd! 
Meden. 


Dank! taufend Dank! Und nun ans Werk, mein Vater! 


Aietes. 
Abſyrtus, wähl' aus den Tapfern des Heers 
Und geleite die Schweſter nach der Felſenkluft, 
Weißt du? — wo wir's aufbewahrten — das goldne Vließ! 
Medea. 
Dorthin? Nein! 
Aietes. 
Warum nicht? 


Medca. 
Nimmermebr! 
Dortbin, an den Drt unfers Frevels? 
Rache ftrahlet das ſchimmernde Vließ, 
So oft ich's verſuch', in die Zukunft zu hauen, 
Flammt's vor mir tie ein blut'ger Komet. 
Droht mir Unheil, findet's mid) dort! 
Aictes. 

Worin! Fein fierer Ort im ganzen Lande! 
Auch bebarf ich dein, zu hüten den Schatz 
Nit deinen Künften, deinen Sprüchen. 
Dorthin, oder mit mir! 


Meden. 


Es ſei, ich gehorche! 
Aber einen Weg ſende mich, wo kein Feind uns trifft. 


Aietes. 
ei Wege find. Einer nah am Lager bes Feindes, 





106 Das goldene Blick. 


Der andre rauh und beſchwerlich, wenig betreten, 
Ueber die Brüde führt er am Strom; den nimm, Abſyrtus 
Nun geht! — Hier der Schlüffel zum Falltbor, 
Das zur Kluft führt! Nimm ihn, Meben! 

Meden. 
Ich? Dem Bruder gib ihn! 

Aietes. 

Dir! 
Meden. 
Vater! 

Aictes. 
Nimm ihn, ſag' ich, und reize mich nicht; 
Deiner tbörihten Grillen bin ich fatt. 


Meden. 
Nun wohl, ich nehme! 
Aictes. 
Lebe wohl! 
Meden. 
Vater! 
Aictes. 
Was? ö 


(Medea wirft fih laut ſchluchend in feine Arme.) 
Aietes (weisen). 
Thörichtes Mädchen! 
(Er füßt fie.) 
Leb’ wohl, mein Kind! 

Meden. 

Vater, auf Wieder — Wiederſehen! 
Auf baldiges, frohes Wieberfehen! 





1. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 107 


Aictes. 
Nun ja, auf frohes Wiederfehen! 
(Sie mit der Hand von ſich entfernend.) 
“ Nun geh! 
Aedea 
@ie Augen mit der Hand verhüllend). 5 
Xeb’ wohl! 
Ab mit Abfprtus.) 
(Miete bleibt nad dem Wbgehen der Meden einige Augenblide mit 
gefenftem Haupie binbrütend flehen. Plöglih rafft er ſich auf, blidt 
einigemafe raſch um fih her und geht ſchnell ab.) 


Eine walbige Gegend an der Straße, die zum Lager der 
Argonauten führt. 


Jaſon, Milo un audere Argonanten kommen. 


Milo. 

Hier laßt uns halten, Freunde! Die Barbaren 
Verfolgen uns nicht meht. Der Drt bier fcheint bequem 
Zum Angriff ſowie zur Vertheidigung. 
Auch ift's der einzige Weg, der, feit der Sturm 
Die Brüden abgerifien heute Nacht, 
Vom Sitze führt des Königs nach dem Innern; 
Und lagern wir uns hier, fo ſchneiden wir 
Abm jeden Hilfszug ab, den er erivartet. 
Geh einer hin zur Schaar der Rüdgebliebnen 
Und leite fie hierher. Wir warten ihrer. 

(Zwei Argonauten ab.) 

(Zu Yafon, der mit gefreugten Armen auf und wieber gebt.) 

Bas überdenkft du, Freund? 


3afon. 


} 
| 
\ 
i Gar mandherlei! 
| 
7 





108 Das goldene Blick. 


Milo. 
Geſteh' ich's dir? Du baft mich überrafcht. 
Du zeigteft eine Falte deines Innern heut, 
Die neu mir ift. 
Iafon. 
J Hätt' ich doch bald gejagt: 
Mir auch! 
Milo. 
So liebſt du fie denn wirklich? 
Iafon. 
Lieben? 
Milo. 
Du fagteft heut es mind'ſtens laut genug! 
Iafon. 
Der Augenblid entriß mir's — und gejteh! 
Cie rettete mir ziveimal nun das Leben. — 
Milo. 
Wie? Zweimal? 
Safon. 
Erft im Thurm! — 
Milo. 
Das alfo war's, 
Was dir den Thurm fo theuer machte? 
Iafon. 
Das war's! 
Milo. 
Ja fo! 
Safon. 
Nun den? dir, fo vollgült'gen Anſpruch 
Auf meinen Dank und — Milo, fie ift ſchön. 





M. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 


. 
Milo. 
Ja, doch eine Barbarin — 
Iafon. 
Eie ift gut. 
Milo. 
Und eine Zauberin dazu. 
Safon. 
Ja wohl! 
Milo. 
Ein furchtbar Weib mit ibren dunfeln Augen! 
Iafon. 
Ein berrlich Weib mit ihren dunfeln Augen. 
Milo. 
Und was gedenfjt du nun zu thun? 
Safon. 


Zu thun?" 
das Vließ zu holen, fo mein Wort zu löfen, 
das andre aber heimzuftellen Jenen, 
de oben walten über dir und mir. 


Milo. 


So mag ich's gern! Beim Zeus, fo denfft du recht! 


Ein Argonaut tommt. 
Argonant. 


Lnls her vom Fluß fieht man ſich Etaub erheben, 


Gin Häuflein Feinde naht heran. 
Safon. 
Wie viele? 
Argonant. 
A vierzig oder fünfzig, kaum wohl mehr. 


109 





110 Tas goldene Blick. 


3Iafon. 
Laßt ung zurüdziehn und am Weg verbergen; 
Denn fäh'n fie uns, fie fämen nicht heran. 
Verſchwunden ift die Hoffnung zum Vergleich, 
So mögen denn die Schwerter blutig walten, 
Und die dort nahn, den Reihen führen an. 
Zieht euch zurüd und haltet, bis ich's fage. 
Milo. 
Nur lei und ſacht, daß fie und nicht erfpähn. 
(Mi ziehen fh zurüd und ab.) 


Abfgetus und Lalchtfche Krieger treten auf, Medea verſahleien 

in ihrer Mitte, 

Abfyrtus. 
Die Waffen haltet bereit zum Schlagen, 
Leicht könnten wir treffen 'ne Feindesſchaar, 
Der Weg hier führt vorbei an ihrem Lager. 

(Medea, den Exhleier zurüdfhlagend und vortretend.) 
Meden. 

Am Feindeslager? Warum diefen Weg? 
Warum nicht den andern, mein Bruder? 

Abfyrtus. 
Der Sturm hat die Brüden abgerifien Heut Nacht; 
Jetzt erft erfuhr ich's. Aber forge nicht! 
Ich vertheid’ge dich mit meinem Blut! 
Wärft du nicht hier, ich forberte fie heraus. 

Meden, 

Um aller Götter Willen — 

Abfyrtus. . 

Ich fagte: wärjt bu nit hie 

Aber nun du hier bift, thu' ich's nicht. 





11. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 111 


Nicht um den höchſten Preis, nicht um Kampf und Sieg 
Setzt' ich dich in Gefahr, meine Schweſter! 
Medra⸗ 

So laß uns eilig vorüberziehn. 

Abfyrtus. 

Kommt denn! 
Sa ſon (hinter der Ecene). 

Jetzt ift es Zeit! Greift an, ihr Freunde! 

(Gexvoripringend.) , 


» Halt! 
Meden (euffhreiend). 
&! 
Gu Wofgrtus.) 
Laß uns fliehen, Bruder! 
Abfyrtus. 
Fliehen? Fechten! 

Safon 


(su den andringenden Argonauten). 
Benn fie ſich wiberfegen, haut fie nieder! 
(Zu den Roldern.) 
Ju Boden die Maffen! 
Abfyrtus. 
Du felber zu Boden! 
Sqließt euch, Gefährten! Haltet fie aus! 
Meden. 
Bruder! Hältft du fo dein Verſprechen? 
Abfyrtus. 
Leiprach id} zu fliehn, fo verzeihn mir die Götter, 
Nicht daß ich s breche, daß ich's gab, das Wort! 
(Zu den Seinen.) 
Weiht nicht! Der Vater ift nah, er ſendet uns Hilfe! 





112 Das goldene Blick. 


Iafon 
(Medeen erblidend), 
Bift du's, Medea? Unverhofftes Glüd 
Komm bierber ! 
Medea 
(su den Rolgern). 
Schützet mich! 
Iafon 
Pienfic ihm entgegenfellenden Kolcher angreifend). 
Ihr! Aus dem Wege! 
Eu’r Eifen hält nit ab, ziebt an den Blitzſtrahl. 
(Die Nolcher werden zurddgedrängt, die Griechen verfolgen fie.) 
Iafon. 
Die Deinen fliehn! Du bift in meiner Macht! 


Meden. 
Du Tügft! In der Götter Macht, in meiner! 
Verläßt mic alles — id) felber nicht! 
(Sie entreißt einem fliehenden Kolcher die Waffen, und bringt mit vorge: 
haltenen Schild und gefenftem Epeer auf Jafon ein.) 
_ Meden. 
Stirb oder töbte! 
Iafon 
(indem er ſchonend zurüdweidt). 
Medea, was thuft du? 
Medea (näperdringend). 
Tödte oder ftirb" 
Safon 
(mit einem Schweriftreich ihre Lanze zerttämmernd). 
Genug des Spiels! 
(Das Sqwert in die linke Hand nehmend, in welher er den Schild Hält 
Was nun? 





” 


M. Die Wrgomauten. Dritter Aufzug. 113 


Meden. 
Treulofe Götter! 
(Die abgebrochene Tange ſammt dem Schilde hinwerfend, und einen Dolch 
. diehend.) 
No find mir Waffen! 
Safon 
(indem er Schild und Schwert von ſich wirft und vor fie Hinteitt). 
Tödte mich, wenn du kannſt! 
Medea * 
(mit abgewandtem Geht, den Dolch in der Hand). 
Kraft! . 
Iafon wid). 
Tödte mih, Medea, wenn bu kannſt! 
* (Medea ſieht exflarrt.) 
Safon. 
Sieht: du? du kannſt's nicht! du vermagft es nicht! 
Und nun zu mir! Genug bes Wiberftrebens ! 
Und weigerſt du's? Verfuch e3, wenn bu kannſt! 
(Sie af} anfafjend und auf feinem Arm in die Höhe haltend.) 
So faſſ id} dich, fo halt’ ich dich empor, 
Und trage di durch anſrer Völker Streit, 
Durch Haß und Tod, durch Kampfes blut’ge Wogen, 
Ber wagt's zu wehren? Wer entreißt dich mir? 


Meden. 


Safon. 
Nicht eher, bis du gütig fprichft, 
Nicht eher, bis ein Wort, ein Wink, ein Laut 
Berräth, daß bu mir weichft, daß du dic) gibft. 
. (Zu ige emporblidend und heftig faRttelnd.) 
Medea, biefes Beiden! . 
Briliparger, fämmtl Werke. In. 8 


Laß mich! 





114 Das goldene Blieh. 


Meden (teile. 
Jaſon! Laß mi! 
Safon. . 
Jaſon! — Da fprachft du meinen Namen aus, 
Zum erftenmale aus! O holder Klang! 
Jaſon! Wie ift der Name doch fo ſchön, 
Seit du ihn ſprachſt mit deinen füßen Lippen! 
Hab’ Dank, Medea, hab’ den beften Dank! 
(Gr Hat fie auf den Boden niedergelaffen.) 
Medea, Jafon! Jaſon und Mebea! 
O ſchöner Einflang! Dünfet dir's nicht auch? 
Du zitterſt? Setz dich hier! Erhole dich! 
(Gr führt Medeen zu einer Rafenbant. Eie folgt ihm und fikt, mit dot - 
Hängendem Leibe, die Mugen vor ſich larr auf dem Boden, die Hände, in 
denen noch der Dolch, gefaltet im Shoope.) 


Iafon 
(feht dor ihr). 

Noch immer ftumm, noch immer trüb und düſter? 
D zage nicht! Du bift in Freundes Hand! 

Ztvar geb’ ich leicht dem Vater dich nicht wieder, 
Ein theures Unterpfand ift mir fein Kind; 

Doch foll dir's d'rum bei mir nicht fehlimm ergehn, 
Nicht ſchlimmer wenigftens als mir bei dir. 


Wenn id fo vor bir ſteh' unb dich betrachte, 
Beſchleicht mich ein faft wunderbar Gefühl: 
Als hätt’ des Lebens Grenz’ ich überfehritten 
Und ftünd’ auf einem unbefannten Stern, 
Wo anders die Geſetze alles Seins und Handelns, 
Wo ohne Urſach', was gefchieht, und ohne Folge, 
Da feiend, weil es ift. R 
Dahergelommen burd) ein wildes Meer, 





U. Die Urgonauten. Dritter Aufzug. 115 


Aus Ländern, fo entfernt, fo abgelegen, 

Daß Wünſche faum vorher die Reife wagten, 
Auf Kampf und Etreit geftellt, Tang' ic} hier an, 
Und fehe di, und bin mit dir befannt. 

Wie eine Heimath faft dünkt mir dieß fremde Land, 
Und, abenteuerlich ich felbft, ſchau' ich 
Verwund'rungslos, als könnt' es fo nur fein, 

Die Abenteuer dieſes Wunderbodens. 

Und mieber, ift das Fremde mir befannt, 

So wird bafür mir, was befannt, ein Frembes: 
Ich felber bin mir Gegenftand geworben, 

Ein and’rer denkt in mir, ein and’rer handelt. 

Dft finn’ ich meinen eignen Worten nad, 

Wie eines Dritten, was damit gemeint, 

Und kommt's zur That, den!’ ich wohl bei mir felber: 
Mich ſoll's doch wundern, was er thun wird und was nicht! 
Ein Einz'ges ift mir licht, und das bift bu! 

Ja du, Mebea, ſcheint's auch noch fo fremd: 

Ich ein Helene, du Barbarenbluts, 

Ich frei und offen, du voll Zaubertrug, 

IH Kolchis Feind, du feines Königs Kind; 

Und doch, Meben, ach und dennoch, dennoch! 

Es iſt ein fhöner Glaub’ in meinem Land, 

Die Götter hätten boppelt einft geſchaffen 

Ein jeglih Wefen und fodann getheilt; 

Da ſuche jede Hälfte nun die andre 

Dur Meer und Land, und wenn fie fi) gefunden, 
Vereinen fie die Seelen, milden fie 

Und find nun eins, Fühlft du ein halbes Herz? 
is ſchmerzlich dir gefpalten in der Bruft? 

So lomm! — Dod) nein, da fit fie trüb und büfter, 
Ein raubes Nein auf meine milde Deutung, 


— ME 


116 Das goldene Vließ. 


Den Dolch noch immer in geſchloſſner Hand. 
O fort! 
(Ihre Hand faſſend und den Dolch entwindend.) 
Laßt los, ihr Finger! Bunte Kränze, 
Geſchmeid und Blumen ziemt euch zu berühren, 
Nicht dieſen Stahl, gemacht für Männerhand! 


Meden (auffpringend). 
ort! 
Safon 
(fie zurüdhaltend). 
Bleib! 


Meden. 


Bon bier! 


Safon. 
Bleib da, ich bitte dich! 
Ich fage dir: Bleib da! Hörft du? Du follft! 
Du follft! Beim Himmel, gält’ es auch dein Leben! 
Wagt es das Weib, dem Mann zu bieten Trop? 


Bleib! 
(Er faßt ihre Arme mit beiden Händen.) 
Meden. 
Laß! 
Jaſon. 


Wenn du gehorchſt, ſonſt nimmermehr! 
(Er ringt mit der Widerſtrebenden.) 
Mich lüſtet, deines Starrſinns Maß zu kennen! 


Medea 


(in die Kniee ſinkend). 
Weh mir! 





1. Die Argonauten. Dritter Wufzug. 117 


Iafon. 
Siehft du? Du haft es felbft gewollt. 
Erfenne deinen Meifter, deinen Herrn! 
(Moden liegt auf einem Anie am Boden, auf daß andre Rüft fe den Arm, 
das Geſicht mit der Hand bededend.) 
Safon 
(Ginzutretend). 
Steh auf! Du bift doch nicht verlegt? Steh auf! 
Hier fi? und ruh', vermagft du es zu ruhn! 
(Gr hebt fie vom Boden auf, fie figt auf der Rafenbant.) 


Safon. 
Umfonft verfend’ ich alle meine Pfeile, 
Rückprallend treffen fie die eigne Bruft! 
Wie haff' ich diefes Land, fein rauher Hauch 
Vertrodnete die ſchönſte Himmelsblume, 
Die je im Garten blühte ver Natur. 
Wärft du in Griechenland, da, wo das Leben 
Im hellen Sonnenglange heiter fpielt, 
Wo jedes Auge lächelt, wie der Himmel, 
Wo jedes Wort ein Freundesgruß, der Blid 
Ein wahrer Bote wahren Fühlens ift, 
Kein Haß als gegen Trug und Arglift, fein — 
Und doch, mas ſprech' ich? Sieh, ich weiß es wohl, 
Du bift nit, was du feinen willſt, Medea! 
Umfonft verbirgft du dich, ich kenne dich! 
Ein wahres, warmes Herz trägft du im Bufen, 
Die Wollen bier, fie deden eine Sonne. 
Als du mid, vetteteft, als dich mein Kuß — 
Erſchridſt du? — Sieh mid an! — Als did) mein Kuß! — 
Sa, beine Lippen hat mein Mund berührt, 
Eh' ich dich kannt', eh’ ich dich faft geſehn, 





118 Das goldene Bließ. 


Nahm ich mir ſchon per Liebe höchſte Gabe; 
Da fühlt’ ich Leben mir entgegen wallen, 
Und du gibft trügerifch dich nur für Stein? 
Ein wahres, warmes Herz ſchlägt dir im Bufen, 
Du liebt, Mebea! J 
(Medca will auffpringen.) 
Iafon 
(fie niedergiehent). 
Bleib — Du liebt, Medea! 
Ich ſeh's am Sturmeswogen deiner Bruft, 
Ich ſeh's an deiner Wangen Flammengluth, 
Ich fühl's an deines Athems heißem Weh'n, 
An diefem Beben fühl’ ich es — bu liebft, 
Liebft mich! Mich wie ih dich! Ja, wie ich dig! 
Et Miet vor ihr.) 
Schlag” deine Augen auf und läugne, wenn du's kannſt; 
Blid’ mich an und fag’ nein! — Du liebft, Medea! 
(Gr faßt ihre beiden Hände, und wendet die ſich Gträubende gegen fih, 
ihr fe ins Geſicht blidend.) 
Safon. 
Du meinft! Umfonft, ich kenne Mitleid nicht! 
Mir Aug’ ins Aug’, und fage nein! — Du liebft! 
Ich liebe dich, du mich! Sprich's aus, Medea! 
(Cr hat fie gang gegen fih gewendet. Ihr Auge trifft daB feinige. Gie 
f&aut ihm mit einem tiefen Blid ins Auge.) 
Iafon. 
Dein Auge hat's gefagt, nun auch der Mund! 
Sprich's aus, Medea, ſprich es aus: Ich liebe! 
Fällt dir's fo ſchwer, ich will dich's lehren, Kind; 
Sprich's nach: Ich liebe dich! 
Et sieht fie an ſich; fie verbirgt, dem Zuge folgend, das Geſicht an feinem 
Buſen.) 





- 11. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 119 


— Und nod fein Wort! 
Kein Wort, obfchon ich fehe, wie der Sturm 
An deines Innern feften Säulen rüttelt, 
Und doch Fein Wort! 
(Auffpringend.) 
So hab’ es, Störriſche! 
Geh! Du bift frei, ich halte dich nicht mehr! 
Kehr' wieder zu den Deinigen zurüd, 
Zu Ihren Menfchenopfern, Todesmahlen, 
In deine Wildniß, Wilde, Fehr’ zurüd! 
Geh! Du bift frei; ich halte dich nicht mehr! 
Aietes (von innen). 
Hierher, Kolcher, hierher! J 
Safon. 
Dein Bater naht, 
Sei froh, ich weig're dich ihm nicht. 


Argouauten lommen weichend. Hinter ihnen Aietes, Abſyrtus 
und Kolcher, die fie verfolgen. 


Aietes (auftretend). 
Braucht eure Waffen, wad're Genofien! 
Mo ift mein Kind? 
Abfyrtus. 
Dort, Vater, figt fie. 
Aietes (u Iafon). 
Verruchter Räuber, mein Kind gib mir zurüd! 
Iafon. 
Wenn du mid) bitteft, nicht wenn du mir drohſt. 
Dort ift dein Kind. Nimm fie und führ' fie heim; 
Nicht weil du willſt, weil fie will und weil id) will. 
(Zu Medeen Hintzetend und fie anfaffend.) 





120 . Das goldene Blief. * 


Steh' auf, Medea! Komm! Hier iſt dein Vater! 
Du ſehnteſt dich nach ihm; hier iſt er nun. 
Verhüten es die Götter, daß ich hier 
Zurück did hielte wider deinen Willen. 
Was zitterft du? Du haft es felbft gewollt. 
(Gr führt die Wantende zu ihtem Bater, und gibt fie ihm In die Mrme) 
Hier, Vater, ift dein Kind. 


Aietes 
(Medeen empfangend, die das Beſicht auf feine Schultern verbivgh. 
Medea! " 
’ Abfyrtus. . 
. Schweſter! 
Saſon. 


Nun, König, rüſte dich zum Todeskampfl! 

Die Bande, die mich hielten, ſind geſprengt, 
Zerronnen iſt der ſchmeichelhafte Wahn, 

Der mir der Thatkraft Sehnen abgeſpannt; 

, Mit ihr, die jego ruht in deinem Arm, . 
Legt' ich den Frieden ab, und athme Krieg. 
Auf, rüfte dich! Es gilt dein Heil und Leben! 

(Zu Medeen.) 
Du aber, die hier ftumm und bebend liegt, 
Das Angeficht fo feindlich abgewandt, 
Leb' wohl! Wir feheiden jet auf immerdar. 
Es war ein Augenblid, wo ich gemwähnt, 
Du Zönnteft fühlen, könnteſt mehr als haffen, 
Wo ic) geglaubt, die Götter hätten und 
Gewieſen an einander, dich und mid. 
Das ift nunmehr vorbei. So fahre hin! 
Du haft das Leben zweimal mir gerettet, 
Das dank’ id) dir, und werd' es nie vergefien; 





U. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 121 


In ferner Heimath, und nad) langen Jahren 

Will ich's erzählen in dem Kreig der Freunde, 

Und frägt man mi und forſcht: Wen gilt die Thräne, 
Die fremd dir da im Männerauge funfelt? 

Dann ſprech' ich wohl in fehmerzlicher Erinnrung: 
Medea hieß fie, ſchön war fie und herrlich, 

Mein ihr Bufen barg fein Herz. 


Aictes. 
Meden! 

Bas ift? Feucht liegt dein Geſicht auf meiner Schulter. 
Weinſt du? 

Safon. 

Du weinft? Laß mic; die Thränen fehn, 
D laß mich's glauben, daß du weinen Tannft! 
Blid’ noch einmal nad) mir, es ift das Iehtemal; 
Ich will den Blick mittragen in die Ferne! 
Den? doch, es ift zum legten — letztenmal! 
(Gr faht ihre herabhangende Hand.) 


Aietes. 
Wagſt du's, zu berühren ihre Hand? 


Safon 
(indem er ihre Hand fahren läßt). 
Eie will nit. Nun wohlan, fo fei es denn! 
Du fiehft mich nimmermehr auf diefer Erbe. 
Leb' wohl, Meben! Leb’ auf ewig wohl! 
(Gr geht raſq.) 


Meden 
(as Gefiät hinwendend und den Wrm ihm nacfiedend). 
Jafon! 





122 Das goldene Beh. 


Safon 
(umtehrend). 
Das war's! Medea! Komm zu mir! 
(Auf fie zueilend, und ihre Hand faflend.) 
Zu mir! 
Aittes 
(fie an der Hand Haltend). 
Verwegner, fort! 
Safon 
(Hieteb Hand wegfhleudernd, und Medea an fich reikend). 
Wagft du's, Barbar? 
Sie ift mein Weib! 
Aietes. 
Sein Weib? Du ſchweigſt, Verworfne? 
Saſon 
(Medeen auf die andere Seite führend). 
Hierher Medea, fort von diefen Wilden! 
Von nun an bift du mein und feines Anbern! 
Aietes. 
Medea, du weigerſt dich nicht? Du folgſt ihm? 
Stoßt ihm nicht den Stahl in die frevelnde Bruſt? 
Verruchte, war's vieleicht dein eignes Werk? 
(Auf Jaſon eindringend.) 
Meine Tochter gib mir, mein verlodtes Kind! 
Meden 
(fi wwiſchen Beide werfend). 
Vater, tödt' ihm nicht! Ich Lieb’ ihn! 
SIafon. 
Er konnte dir's entreißen, und ich nicht! 
Aictes. 
Schamloſe! Du felbft geftehft's! Geftehft deine Schande — 





U. Die Argonauten, Dritter Aufzug. 123 


D daß ich nicht merkte die plumpe Lift, 
Daß ich jelbft fie fandte in feinen Arm, 
Vertrauend der Väter Blut in ihren Abern! 


Safon. 
Darfft du fie ſchmähen? 


Meden. 
Höre mich, Vater! 
Es ift geſchehn was ich fürdhtete. Es ift! 
Aber laß uns Har fein, Vater, Har! 
In ſchwarzen Wirbeln dreht ſich's um mic, 
Aber ich will hindurdh, empor aus Dunkel und Nacht! 
Noch läßt ſichs wenden, ab ſich wenden. Höre mich! 
Aictes. 
Bas fol ich hören? Ich habe gefehn! 
Medea. 
Vater! Vernicht' uns nicht Alle! 
Löfe den Zauber, beihwichtige den Sturm! 
Heiß ihn dableiben, den Führer der Fremden, 
Nimm ihn auf! Nimm ihn an! 
An deiner Eeite herrſch' er in Koldis, 
Dir befreundet, dein Cohn! 
Aietes. 
Mein Sohn? Mein Feind! 
Tod ihm, und dir, wenn du nicht folgſt! 
Willſt du mit mir? Sprich! Willſt du, oder nicht? 
Meden. 
Höre mic! 
Aictes. 
Willſt du, oder nicht? 





124 Daß goldene Blich. 


Abfyrtus. 

Gonn' ihr zu ſprechen, Vater! 

Aietes. 

Ja oder nein? 
Laß mich, Sohn! — Willſt du? — Sie kommt nit! — 
Schlange! 
(Er Holt mit dem Schwerte aus.) 
Safon 


. (ih dor fie Hinfellend). 
Du folft fie nicht verlegen! 
Abfyrtus 
(ugleidh dem Vater in den Arm fallend). 
Vater, was thuft du? 


Aictes. 
Du haft recht. Nicht fterben fol fie, leben, 
Leben in Schmach und Schande, verftoßen, verflucht, 
Ohne Vater, ohne Heimath, ohne Götter! 


Meden. 
Vater! 
. Aietes. 
Du haſt mich betrogen, verrathen; 
Bleib! Nicht mehr betreten ſollſt du mein Haus! 
Ausgeſtoßen ſollſt du ſein, wie das Thier der Wildniß, 
Sollſt in der Fremde ſterben, verlaſſen, allein. 
Folg' ihm, dem Buhlen, nach in ſeine Heimath, 
Theile ſein Bett, ſein Irrſal, ſeine Schmach! 
Leb' im fremden Land, eine Fremde, 
Verſpottet, verachtet, verhöhnt, verlacht! 
Er ſelbſt, für den du hingibſt Vater und Vaterland, 
Wird dich verachten, wird dich verſpotten, 





I. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 125 


Wenn erlofhen die Luft, wenn geftillt die Begier: 
Dann wirft du ftehn, und bie Hände ringen, 
-&ie hinüber breiten nad) dem Vaterland, 
Getrennt durch weite, brandende Meere, 
Deren Wellen dir murmelnd bringen bes Vaters Fluch! 
eden (Inieend). 
Bater! u ‘ 
Aietes. 
Zurück! Ich kenne dich nicht! 
Komm, mein Sohn! Ihr Anblick verpeſtet, 
Ihre Stimme iſt Todeslaut meinem Ohr! 
Umklammre nicht meine Kniee, Verruchte! 
Sieh ihn dort, ihn, den du gewählt, 
Ihm übergeb' ich dichl 
Er wird mich rächen, er wird dich ſtrafen, 
Cr felber, früher als du dentft. 


Meden. 


Aietes 
(indem er die Anieende von fich Nöht, daß fie, halbliegend, urüdfink). 
Weg deine Hand, ich Tenne dich nicht! 
dort mein Sohn, mein einziges Kind! 
ort mein Eohn, aus ihrer Nähe! 
(Ab mit Abſyrius und Roldern.) 
Safon. 
lieh nur, Barbar, der Rach' entgehſt bu nicht! 
(Zu den Argonanten.) 
Nun, Freunde, gilt's! die Waffen haltet fertig, 
Zum legten Streich, der Sieg bringt oder Tod. 
(Auf Medeen zeigend.) 
Sie Iennt das Vließ, den Drt, der ed verbirgt, 
Mit ihr volbringen wir's, und dann zu Schiff. 


Vater! 





126 Das gofdene Blick. 


(Zu Medeen fintretend, die noch auf eine Hand gefüht, die andere 
Aber die Gtirne gelegt, am Boden liegt.) 


Steh’ auf, Medea, er ift fort. — Steh’ auf! 
(Er hebt fie auf.) 
‚Hier bift du ficher. 
Meden 
@ie fih in feinen Armen aufgerihtet Hat, aber mit einem Amie noch 
am Boden liegt). 
Jaſon, ſprach er wahr? 
Iafon 
(fe gang aufpebend). 
Dent nicht daran! 
Medea 
hen an ihn gefhmiegt). 
O Jafon, ſprach er wahr? 
Safon. 
Vergiß, was du gehört, was du gefehn, 
Was du geweſen bis auf diefe Stunde. 
Aietes Kind iſt Jaſons Weib geworben, 
An diefer Bruft hängt deine Pflicht, dein Recht. 
Und tie ich dieſen Schleier von dir reiße, 
Durchwoben mit der Unterird'ſchen Zeichen, 
So reiß ih dich von all den Banden Ios, 
Die dich gelnüpft an dieſes Landes Frevel. 
Hier Griechen, eine Griechin! Grüfet fie! 
(Gr reißt ihr den Schleier ab.) 
Medea 
Carnach faſſend). 
Der Götter Schmuck! 
Saſon. 
Der Unterird'ſchen! Fort! 
Frei wallt das Haar nun um die offne Stirn; 





U. Die Urgonauten. Dritter Aufzug. 127 


So frei und offen bift du Jafons Braut. 
Nun nur noch eins, und dann zu Schiff' und fort! 
Du kennſt das Vließ, zeig’ an mir, wo es liegt! 

Medea. 
Ha, ſchweig! 

Safon. 

Warum? 
Meden. 
Sprich nicht davon! 

Safon. 
Nein Wort hab’ ich gegeben, es zu holen, 
Und ohne Eiegeöpreis kehrt Jafon nicht zurüd. 

Medea. 
Ich fage dir, ſprich nicht davon! 
Ein erzürnter Gott hat es geſendet; 
Unheil bringt es, hat es gebracht! 
Ich bin dein Weib! Du haft mir's entriffen, 
Aus der Bruft geriffen das zagende Wort; 
36 bin dein, führe mich, wohin du willſt! 
Aber Nichts mehr von jenem Vließ! 
In vorahnender Träume dämmerndem Licht 
Haben mir's die Götter gezeigt, 
Öebreitet über Leichen, 
Beprigt mit Blut, 
Deinem Blut! 
Sprich nicht davon! 


Iafon. 
3b aber muß nicht ſprechen nur davon, 
3 muß es holen, folge was da will. 
Drum laß die Furcht und führ' mid hin zur Stelle, 
Daß ichs vollende, was mir auferlegt. 





128 Das goldene Bließ. 
Meden. 


Safon. 
Du willft nicht? 


Meden. 


Ich? Nimmermehr! 


Nein! 


Safon. 
Und weigerft du mir Beiftand, hol' ich's felbft. 
. Aedea. 
So geh! 
Safon 
(AA) zum Forigehen wendend). 
Ich gebe. 
MAede a Pump). 
Geh — in deinen Tod! 
Safon. 
Kommt, Freunde, laßt den Drt uns felbft erfunden! 
(Er geht.) 
Meden. 
Jaſon! 
Saſon 
(wendet fih um). 
Was ift? 
Meden, 
Du gehft in deinen Tobi’ 
Safon. . 
Kam ic) hierher und fürdhtete den Tod? 
Medea 
(auf ihn queifend und feine Sand fafend). 
Ich fage dir, du ſtirbſt! 





U. Die Argonauten. Dritter Aufzug. 129 


(Halblaut.) 
In der Höhle liegt's verwahrt, 
Bertheidigt von allen Greueln 
Der Lift und der Gewalt. 
Labyrinthiſche Gänge, 
Sinnverwirrend, 
Abgründe, trügeriſch bedeckt, 
Dolche unterm Fußtritt, 
Tod im Einhauch, 
Mord in tauſendfacher Geſtalt! 
Und das Vließ, am Baum hängt's, 
Giftbeſtrichen, 
Von der Schlange gehütet, 
Die nicht ſchläft, 
Die nicht ſchont, 


Unnahbar. 
3afon. 
Ich hab’ mein Wort gegeben und ich löſ' es! 
| Medea. 
Du gehſt? 
Safon. 
Ich geh! 
Meden 


(fih ihm in den Weg mwerfend). 
Und wenn ich hin mich mwerfe, 
Flehend beine Kniee umfaſſ' und rufe: 
Bleib! Bleib! 
Safon. 
Nichts hält mich ab! 
Meden. 


Wo bift du? Nimm mid) mit! 
Griltparzer, fänmtl, Werke. 11. 9 


O Vater, Vater! 





130 Das goldene Bließ. 


Safon. 
Was Hagft bu? 
Wohl eher wär’ das Recht zu Hagen mir: 
Ich thue, was ich muß, du haft zu wählen. 
Du weigerft dich und fo geh ich allein. 
’ (&r geht.) 
Meden. 
Du gehft? 
Iafon. 
Ich geh! 
Aedea. 
Trotz Allem, was ich bat, 
Doch gehſt du? 


Ja! 
Meden (auffpringend). 
So komm! 
Saſon. 
Wohin? 
Meden. 


Iafon. 


Zum Vließ! 

Zum Tob! — Du follft allein nicht fterben, 
Ein Haus, Ein Leib und Ein Verberben! 

Safon ” 

(fh iht uahernd). 
Medea! 
Medea (ausweichend) 
Die Liebkoſung laß, 

Ich habe ſie erkannt! O Vater! Vater! — 
So komm, laß uns holen, was du ſuchſt: 





M. Die Krgonauten. Dritter Aufzug. 131 


Reichthum, Ehre, 
Sud, Tod! 
In der Höhle liegt's verwahrt, 
Weh dir, wenn ſich's offenbart! 
Komm! 
Iafon 
(ihre Hand faflend). 
Was quält di? 
Abedea 
(indem fie ihre Hand aufſchreiend weggicht). 
Ahr — Phrytus! — Jaſon! 
Iafon. 
Um aller Götter Willen! 
Medea. 
Komm! Komm! 


(Gufät fort, mit weit aufgeriffenen Mugen vor fig hinſatrend. Die 
Undern folgen.) 


Der Borhang fällt. 





Vierter Anfang. 


Das Innere einer Höhle. Kurzes Theater. Im Vorgrunde rechts 
das Ende einer von oben herabführenden Treppe. In ber Zelfene 
wand des Hintergrundes ein großes verfchloffenes Thor. 


Arden 
(feigt, in der einen Hand einen Beer, in der andern eine Fadel, die 
Treppe herab). 
Komm nur herab! Wir find am Ziel! 


Safon 
(oben noch hinter der Gcene). 
Hierher das Licht! 
Medcea 


(ie Etiege Hinaufleugtend). 
Was ift? 
Safon 
(mit gezogenem Schwerie auftretend und die Gtiege ſchnell berabeifend). 
Es ftrih an mir vorbei! Halt! Dort! 
Aedea. 
Was? 
Saſon. 
An der Pforte ſteht's, den Eingang wehrend. 





11. Die Argonauten. Bierter Aufzug. 133 


Meden 


(hinfeuchtend). 
Eich, es ift nichts, und Niemand wehrt dir Eingang, 
Wenn du nicht felbft. 
(Sie fett den Beier weg und Redt die Gadel in einen Ring am 
Zreppengeländer.) 
Safon. 
Du bift fo ruhig. 
Aedea. 
Und du biſt's nicht. 
Safon. 
Als es noch nicht begonnen, 
Als ich's nur wollte, bebteft du, und nun — 
Aedea. 
Mir graut, daß du es willſt, nicht daß du's thuſt. 
Zei dir iſt's umgelehrt. 
Saſon. 
Mein Aug iſt feig, 
Mein Herz iſt muthig. — Raſch ans Werl! — Medea! 
Meden. 
Was farrit du ängſtlich? 
Safon. 
Bleiher Schatten, weiche! 
af frei die Pforte, du hältft mic nicht ab! 
(Kuf die Pforte zugehend.) 
IH geb, troß dir, durch dich zum Ziel. — Nun ifter fort! 
Wie öffnet man das Thor? 
Aedea. 
Ein Schwerthieb an die Platte, 
Dirt in der Mitte, öffnet es. 





134 Das goldene Blich. 


Iafon. 
Gut denn! 
Du warteſt meiner bier. 
Meden. 
Jaſon! 
Saſon. 
Was noch? 
Medea 
(weich und ſchmeichelnd). 
Geh nicht! 
" Safon. 
Du reigeft mich! 
Medea. 
Geh nicht, o Jafon! 
Safon. 
Hartnädige! Kann nichts dich denn beivegen, 
Zu opfern meinem Entſchluß deinen Wahn? 
Medea. 
Man ehrt den Wahn auch beflen, den man liebt. 
, Safon. . 
Genug nunmehr: ih will! 
Meden. 
Du willſt? 
Safon. 
Ich will. 
AMedea. 
Und nichts vermag dagegen all mein Flehn? 
Saſon. 
Und nichts vermag dagegen all dein Flehn! 





I. Die Urgonauten. Bierter Aufzug. 135 


Meden. 

Und aud mein Tod nichts? 
(Sie entreißt ihm durch eine raſche Bewegung das Schwert.) 
Sieh! Dein eignes Schwert; 

Gelehrt iſt s gegen meine Bruft. Ein Schritt noch weiter, 
Und vor dir liegt Medea kalt und tobt. 

Safon. 
Mein Schwert! 

Meden. 

Zurück! Du ziehſt's aus meiner Bruft! 

Kehrft du zurüd? 


Iafon. 
Nein! 
Meden. 
Und wenn ich mic) töbte? 
Safon. 
Veweinen Tann ih di, rücklehren nicht. 
Nein Höchſtes für mein Wort und wär's bein Leben! 
(Auf fie zugehend.) 
Gib Raum, Weib, und mein Schwert! 
Medea 
(indem fie ihm das Squert gibt). 
So nimm es hin, 
Aus meiner Hand, du füßer Bräutigam! 
Und töbte dich und mich! — ch halte dich nicht mehr! 
Iafon 
(auf die Pforte zugehend). 
Bohlan! 
Meden. 
Halt! Eins noch! Wilft du jegt ſchon fterben? 





136 Das goldene Blick. 


Das Vließ am heiligen Baum, 
Ein Drade hütet's, grimm, 
Unverwunbbar feine Echuprenhaut, 
Alldurchdringend fein Eifenzabn, 
Du befiegft ihn nicht. 

Safon. 
Ich ihm oder er mid. 


Meden. 
Graufamer, Unmenſchlicher! 
Oder er dich! Und du gehit? 


Iafon. 
Wozu die Worte? 


Aedea. 
Halt! 

Den Becher hier nimm! 
Vom Honig des Berges, 
Dem Thau der Nacht 
Und der Milch der Wölfin 
Braufet drin gegohren ein Tranf. 
Setz' ihn hin, wenn du eintrittit, 
In der Ferne ftehend. 
Und der Drade wird fommen, 
Nahrung ſuchend, 
Zu ſchlürfen den Tranf. 
Dann tritt hin zum Baum 
Und nimm das Vließ. — Nein, nimm’s nicht! 
Nimm's nit und bleib! 

Sefon. 


Thörin! Mir den Trank! Gib! 
(Gr nimmt ihr den Beier aus der Hand.) 





11. Die Argorauten. Vierter Aufzug. 137 


Meden 
(um feinen Hals fallend). 
Salon! — So küſſ' ich dich und fo, und fo, und fo! 
Geh in dein Grab und laß auch Raum für mid! 
Bleib! 
Safon. 
Laß mid, Weib! Mir jhallt ein höh'rer Auf! 
(Gegen die Pforte zugehend.) 
Und bärgelt du des Tartarus Entjegen, 
Ich fteh dir! 
(Er haut mit dem Schwert gegen die Pforte.) 
Thut euch auf, ihre Pforten! — — Ah! 
(Die Pforten fpringen auf und zeigen eine innere, fhmälere Höhle, 
feltjam beleudtet. Im Hintergrunde ein Baum, an ihm hängt das 
goldene Vließ. Um Baum und Dließ windet ſich eine Schlange, die 
beim Auffpringen der Pforte ihr in dem Laub verborgene Haupt her= 
vorftredt und züngelnd vor fi hinblidt. — Jafon fährt aufjhreiend zurüd 
und kömmt wieder in den Borgrund.) 


Meden 


(wild lachend). 
Bebſt du? Schauert dir. das Gebein? 
Haſt's ja gewollt, warum gehjt du nicht? 
Starker, Kühner, Gewaltiger! 
Nur gegen mich haft du Muth? 
Bebit vor der Schlange? Schlange! 
Die mich ummwunden, die mich umjtridt, 
Die mich verberbt, die mich getödtet! 
Blick' hin, blid’3 an, das Scheufal, 
Und geh und ftirb! 


Safon. 
Haltet aus, meine Sinne, haltet aus! 
Was bebit du, Herz? Was iſt's mehr, als fterben? 





138 Das goldene Blick. 


Meden. 
Sterben? Sterben! Es gilt den Tod! 
Geh Bin, mein füßer Bräutigam, 
Wie züngelt beine Braut! 
Saſon. 
Von mir weg, Weib, in deiner Raſerei! 
Mein Geiſt geht unter in des deinen Wogen! 
(Gegen das Thor zu.) 
Blich nur nad; mir; du finbeft deinen Mann! 
Und mwärft du zehnmal ſcheußlicher, hier bin ich! 
(Gr geht darauf 108.) 
Aedea. 
Jaſon! 
Safon. 
Hinein! 
Meden. 
Jaſon! “ 
Safon. 
Hinein! 
(&r geht hinein, die Pforten fallen Hinter ihm zu.) 
Meden 
dreiend an die nunmehr gefhloffene Pforte hinſturzend). 
Er geht! Ex ftirbt! 
Iafon 
(von innen). 
Wer ſchloß die Pforte zu? 
Meden. « 
Ich nit! 
Iafon. 
Mad’ auf! 





II. Die Wrgonauten. Bierter Wufzug. "189 


Aedea. 

Ich kann nicht. — Um aller Götter Willen! 
Setz' hin die Schale, zaudre nicht! 
Du biſt verloren, wenn du zauderſt. 
— Jaſon! — Hörſt du mich? — Setz' hin die Schale! — 
Er hört mich nicht! — Er ift am Werk! 
Am Werk! o Hilfe, ihr dort oben! 
Schaut herab auf uns, ihr Götter! 
Doc nein, nein, ſchaut nicht herab 
Auf die ſchuldige Tochter, 
Der Schuldigen Gemahl! 
Ich ſchenk euch die Hilfe, ihr mir die Race! 
Kein Götterauge feh' es, 
Dunkel Hülle die Nacht 
Unfer Thun und uns! 
Jaſon, lebſt du? — Antwort gib! 
Gib Antwort! — Alles ftumm, 
Alles todt! — Ha! — Er ift tobt! 
Er Spricht nicht, ift tobt — tobt! 

(Sie finft an der Thar nieder.) 
Xiegft du, mein Bräutigam? Laß Raum, 
Raum für die Braut! 

Safon 
(inwendig, ſchrechaft. 
Hal 
Ae dea (auffpringend). 

Das war ſeiner Stimme Klang! Er lebt! 
in Gefahr! Zu ihm! Auf, Pforte, auf! 
Wähnft du zu miberftehn? Ich fpotte dein! 
Auf! 

“ reißt mit einem Zuge gewaltfam beide Thorflügel auf, Jaſon Rürzt 
wantend heraus, dad Blick old Banner auf einer Lanze tragend.) 





140 Das goldene Vließ. 


Meden. 
Lebft du? 
Safon. 
Leben? — Leben? — Ja! — Zu! zu ba! 
(Cr fließt anghlich die Pforte zu.) 
Aedea. 
Und haſt das Vließ? 
Iafon 
(e8 weit von ſich haltend). 
Berühr's nicht! Feuer! Feuer! 
(Seine Rechte mit ausgefredten Fingern hinhallend.) 
Sieh hier die Hand — wie ich's berührt — verbrannt! 
Medra 
(feine Hand nehmen). 
Das ift ja Blut! 
Safon. 
Blut? 


Meden. 
Auf dem Haupte Blut. 
Haft dich verlegt? 
Iafon. 
Weiß ich's! Nun komm! Nun komm! 
Medcn. 
Haft du's vollführt, wie ich's gejagt? 
Sefon. 
Ja wohl! 
Die Schale ſtellt' ich hin, mid) felber ſeitwärts, 
Und harrte fehnaufend. Rufen hört’ id, doch 
Nicht zu ertviedern wagt’ ich vor dem Thier. 
Das hob ſich blinfend auf nun, und ſchon wähnt' ic, 





M. Die Argomauten. Bierter Aufzug. 141 


Auf mich hin fehieb’ es raufchend feine Ringe; 

Mein der Trank war's, den das Unthier fuchte, 

Und weit geftredt, in burftig langen Bügen, 

Sog, meiner nicht mehr achtend, e8 den Trant. 

Bald, trunfen oder todt, lag's unbeweglich. 

Ich rafch hervor vom marternden Verfted, 

Zum Baum hin und das Bließ — bier iſt's — Nun fort! 


Meden. 
Co fomm, und ſchnell! 


Safon. 
Als ich's vom Baume holte, 
Da rauſcht' es auf, wie feufzend, durch die Blätter, 
Und hinter mir rief's: Wehe! 
Ha! — Wer ruft? 
Meden. 
Qu felbft! 
Safon. 
Ich? 
Meden. 
Komm! 
Iafon. 
Wohin? 
Meden. 
Fort! 
Safon. 
Fort! Ya fort! 
Geh du voran, ich folge mit dem Vließ! 


Geh nur! Geh, zaubre nicht! Voraus! Voran! 
(Beide ab, die Treppe hinauf.) 





142 Das goldene Blick. 


Freier Pla vor der Höhle. Im Hintergrunte die Ausſicht aufs 

Meer, die auf ber rechten Eeite durch einen am Ufer liegenden 

Hügel verdedt wird, hinter bem, nur mit den Maften und dem 
Vordertheile fichtbar, dad Schiff der Argonauten liegt. 


Milo. Argonanten, teils mit Arbeiten des Einſchiffens befeäftigt, 
theils als Wachen und ruhend gruppirt. 


Milo. 
Das Schiff ift hergegogen. Gut! Doc hört! 
Nicht Anker ausgeworfen! Hört ihr? Nicht! 
Der Augenblid kann uns die Abfahrt bringen, 
Und ob's zum lichten Zeit dann, weiß ich nicht. 
(Aufe und abgchend.) 


Er kommt noch immer nit. Daß er ihr traute! 
Ich hab’ ihn wohl gewarnt. Doc hört er Warnung? 
Sonft ja, daheim, da horcht' er meiner Rebe, 
Und that auch, was ihm rieth mein treuer Mund, 
So folgfam, fo ein Kind, und doch ein Mann. 
Doc hier ift er verwandelt ganz und gar, 
Verwandelt gleih — uns allen, fagt' ich ſchier, 
Vom giftigen Anhauch dieſes Zauberbobens. 

O diefes Weib! Mir graut, den!’ ich an fie. 

Wie fie fo daftand, mit den dunfeln Braunen 
Gleih Wetterwolken an der finftern Stirn, 

Das Augenlieb gefenkt in düfterm Sinnen; 

Nun bob fih’3 und wie Wetterleuchten fuhr 

Der Blid hervor, und faßt', und ſchlug, und traf. 
Ihn traf er! — Nun, die Götter mögen’s wenden! 
Was bringen dort die Beiden? Griechen ſind's. 
Ein Weib! Gebunden! Memmen ihr! — Hola! 


I. Die Urgonauten. Pierter Aufzug. 143 


Zwei Griechen treten auf. Gora mit gebundenen Händen in ihrer 
Mitte. 


Milo. 
Was ift? Was bindet ihr das Meib? Gleich löſt fie! 
Soldat. 
Das Weib da fam an unsre Vorwacht, Herr, 
Und fragte nad — nu, nad) der Kolderin, 
Die heut’ wir fingen. 
Bora. 
Kolcherin? 
Ha Sklav', Medea iſt's, 
Des Kolcherfürſten Tochter, 
Wo habt ihr ſie? 
Soldat. 
Wir wollten fie nicht laſſen, daß fie nicht 
Dem Feinde Kundichaft gäb’ von unfrer Lag’rung; 
Allein fie wehrt! e8 und faft männlid, Herr! 
Da banden mir fie, weil fie fich nicht fügte, 
Und bringen fie hierher. 
Milo. 
Löſt ihre Bande! 
(Es geſchieht.) 


Gora. 
Wo iſt Medea? Wo iſt mein Kind? 
Milo. 
Dein Kind? 
Gora. 


Ich hab' ſie geſäugt, gepflegt, 
Als eine Mutter, mein Kind. Wo habt ihr ſie? 
Sie ſagen: freien Willens ſei ſie geblieben 





144 Das goldene Vließ. 


Bei euch in eures Lagers Umfang; 
Aber 's ift Lüge, ich fenne Mebea, 
Ich kenne mein Kind. 

Gefangen haltet ihr fie zurüd. 
Gebt fie heraus! Wo ift fie? 


Milo. 
Ganz gut kommſt ala Genofjin du für fie, 
Leicht fände fie fi einfam unter Menſchen. 
Bringt fie ins Schiff! 


Gora. 
So weilt ſie dort? 
Ailo. 
Geh nur! 
Zu bald wirſt du fie noch erbliden! — Gehl 
Gora 


Pie abgeführt wird). 
Ins Meer, nicht in das Schiff, wenn ihr mich täufcht. (ab. 
Milo 
(ihr nachſchauend). 
Ha, bringen mir die wilden Thiere alle 
Nach Griechenland, ich forge, man erbrüdt uns, 
Die Seltenheit zu fehn! — Und Er kommt nicht! 
(Man hört dumpfe Schlage unter der Erde.) 
Was ift das? — Horch! — Speit auch) der Boden Wunder 
Verſucht's der Feind? — 
(Gigen die Arieger, dad Schwert ziehend.) 
Hola! Zur Hand! 
(Die Rrieger greifen nad ihren Waffen.) 


Milo. 
Die Erde hebt fih! — Was geichieht noch alles? 





I. Die Argonauten. Vierter Aufzug. 145 
Gine Faltüre öffnet ih am Boden, Medea Reigt herauf. 


Medca. 
Hier ift der Tag. 
(Nachdem fie ganz oben if.) 
. Und bier die Deinen. 
Ich hielt, was ich verſprach. 


Jaſon mit dem Vileß-Vanner feigt auch herauf. Medea laßt die 
Galthür nieder. 


Milo 
(auf ihn queifend und feine Hand nehmen). 
Du bift ed, Jafon! 


Saſon 
(Ber mit gebeugtem Kopf dageflanden, empor blidend). 
Jaſon! Wo? — Ja fo! Ja, ja! 
(om die finfe Hand reihend. In der reisten hälber dad Banner.) 
Freund Milo! 
Milo 
(m Bortreten). 
Und mit dem Vließ? 
Safon 
(id) ſchrechaft umfehen). 
Ha! — Mit dem Vließ! 
(8 hinhaltend.) 
Hier iſt's! 
(Sid noch einmal umfehend.) 
Ein mwiderliher Mantel dort, der graue, 
Und brein gehült der Mann bis an die Zähne. 
(Auf ihn gugehend.) 
Borg’ mir den Mantel, Freund! 
(Der Soldat gibt ifm den Mantel.) 
Griliparzer, ſammil. Berte II. 10 





146 Das gofdene Blich. 


Ich kenne bich, 
Du bift Archytas aus Korinth. Jal Jal 
Ein luſt'ger Kauz, ein Geift mit Fleiſch und Blut! 
(Ihn an der Schulier anfafjend.) 
Mit Fleifh und Blut. 
Eiderlich lachend.) 
Ha! Ha! — Ich dank’ dir, Freund! 
Milo. 
Wie fonderbar — 
Safon 
Pen Mantel um das Biieh hüllend). 
Wir wollen das verhüllen, 
So — und hier aufbewahren bis wir's brauchen! 
(Gr lehnt das Vließ hinter ein Felfenfüd, auf dab ſich Medea ſinnend 
gefeht hat.) 
Das finneft du, Meben? finneft jegt? 
Laß uns die Weberlegung aufbewahren 
Als Zeitvertreib auf langer Ueberfahrt. 
Komm her, mein Weib! mir angetraut 
Bei Schlangenzifchen unterm Tobesthor. 
Milo 
(fi zu Medea wenden). 
Das Schiff dort birgt, was dir willkommen wohl. 
Ein Weib, Medeens Pflegerin fi nennend, 
Ward eingebraht — 


Meden. 
Gora. — Zu ihr! 
Iafon kat). 


Bleib da! 
(Meden erfäreden die Hände auf Brufl und Etirn legend, bleibt fieheme — 





1. Die Argonauten. Bierter Aufzug. 147 


Safon mir). 
Ich bitte did), bleib dal 
(Indem er fie ;urüdführt.) 
Geh nicht, Medea! 
(Cie wirft einen fheuen Blic auf ihn.) 
Entwöhne di vom Umgang jener Wilden, 
Dafür an unferen gewöhne dich! 
Wir find jept Eins, wir müffen einig denfen. 
Milo. 
Kommt jegt zu Schiff! 
3afon. 
Ja, ja! Komm mit Medea! 
Wie lau die Feinde find! Ich hätte Luft 
Zu fechten, fechten. Doch fie fchlafen, ſcheint es! 
Abfyrtus 
(Hinter der Ecene). 
Hierher! 
Milo. 
Sie ſchlafen nicht. 
Safon. 
. So befler! Schließt euch! 
DBieht gegen unfer Fahrzeug euch zurüd. 
Wir wollen unfer Angebenten ihnen 
Wum Abſchied noch erneu'n auf immerdar. 
(Cr rafft das verhüllte Vließ auf.) 
Wieden, in ben Kreis! und zittre nicht! 


Abſyrtus tritt mit Kolchern auf. 


” Abfyrtus. 
Dier ift fie! Komm zu mir! Mebea! Schweſter! 





148 Das goldene Blick. 


Meden 
(die bel feinem Ginteitte ihm unmilfürfid einige Gcritte entgegen ger 
gangen iR, jeht flefen bfeibend). 


Wohl deine Schwefter, doch Meben nicht! 


Safon. 
Was willſt du bort? Tritt wieder her zu uns! 
Abfyrtus 


(witleidig zu iht fretend). 
Sp wär' ed wahr denn, was fie alle fagen, 
Und ih nicht glauben Tonnte, bis auf jetzt, 
Du wollteſt ziehen mit den fremden Männern? 
Verlaffen unfre Heimath, unfern Herb, 
Den Vater und mi, Mebea, 
Mic, der dich fo liebt, du arme Schweſter! 

Aedea 
(an feinen Hals flürzend). 


D Bruder! Bruder! 
(Mit erfidter Stimme.) 


D mein Bruder! 


Abfyrtus. 
Nein, es ijt nicht wahr! — Du weinſt! 
Faft wein’ ich auch. Dod was thut’s? 
Ich ſchäme mid der Thränen nicht, Genofjen! 
Im Kampf will ich zeigen, was ich werth. 
Weine nicht, Schiwefter, fomm mit mir. 
Meden 

(an feinem Halſe taum dernehmlich. 

O könnt' ich gehn mit bir! 
Fafon (inzutretend). 
Du willſt mit ihm? 





U. Die Urgonauten. Bierter Aufzug. 149 


Meder (furhtfam). 


Ich? 


Saſon. 
Du ſagteſt's. 
Aedea. 
Sagt' ich etwas, Bruder? 
Nein, ich ſagte nichts! 
Abſyrtus. 
Wohl ſagteſt du's, und komm, o komm! 
Ich führe dich zum Vater, er verzeiht. 
Schon hat ihn mein Flehen halb erweicht; 
Gewiß verzeiht er! Noch iſt nichts geſchehn; 
Die Fremden, ſie fanden's noch nicht das Vließ. 
Aedea 
(ſich entſetzt aus feinen Armen reißend). 


Nicht? 
Sie haben’s! 


(Shaudernd.) 


Iafon 
(indem er die Gülle vom Zlich reiit, und eh hochgeſchwungen vorgeigt). 
Hier! 
Abſyrtus. 
Das BVließ! 
(Zu Medeen.) 
So haſt du uns denn doch verrathen! 
Geh hin in Unheil denn und in Verderben! 
(Zu daſon.) 
Behalt' fie, doch das Bließ gib mir heraus! 
Safon. 
Du ſchwärmſt, mein junger Fant! Mad’ did von hinnen, 
Und fag’ dem Vater, was du hier gefehn. 
Nehm’ ich die Tochter, ſchenk' ich ihm den Sohn! 





150 Das goldene Blick. 


Abfyrtus. 
Das Vließ! 
3afon. 
Ich till dein Blut nicht. Schweig und geh! 
Mit Drachen ift mein Arm gewohnt zu fämpfen, 
Mit Thoren nicht wie du. Geh fag’ ich, geh! 
Ab ſyrtus (eindringend). 
Das Vließ! 
Sa ſon (ausweichend). 
Mir zu begegnen iſt gefährlich, 
Denn ich bin grimmig, wie der grimme Leu! 
Abfyrtus. 
Das Vließ! 
Safon. 
So hab's! 
(Ex haut über die line Schulter audholend, mit einem grimmigen Geiten- 
dieb auf Abfprtus, dab Helm, Schild und Schwert ihm raffelnd entfallen, 
er felbR aber, obwohl unverwundet, taumelnd niederflärzt.) 


. Meden 
(bei dem Fallenden auf die Aniee flürzend, und fein Haupt in ihrem 
Shooß verbergend). 
Halt ein! 
Safon. 
Ich tödt' ihn nicht! 
Allein gehorhen muß er, muß — geborgen! 
Medea 
(Abfyrtus aufrictend). 
Steh auf! 
(Gr if aufgelanden, und lehnt fih betäubt an ihre Bruß.) 
AMedea. 
Biſt du verletzt? 





U. Die Argonauten. Vierter Aufzug. 151 


Abfyrtus (matt). 
Es ſchmerzt! — Die Stirn! 
Medea 
. (ihre Lippen auf feine Gtirn preffend). 
Dein Bruder! 
Milo 
Ger früher fpähend abgegangen iR, kommt jeht eilig zurüd). 
Auf! Die Feinde nahen! Auf! 
In großer Zahl, der König an ber Spigel 
Medea 
Chren Bruder feſter an fi drudend) 
Mein Bater! 
Abfyrtus (matt). 
Unfer Vater! 
Safon 
gu den Beiden). 
Ihr, zurüd! 
Milo 
(auf Abſyrtus geigend). 
Der Sohn fei Geißel gegen feinen Vater. 
Bringt ihn dort auf die Höh' zum Schiff hinauf! 


Abfyrius 
(matt, die ihn Anfaffenden abwehren wollend). 
Berührt ihr mich? 
Meden. 


D laß uns gehn, mein Bruber! 
(Sie werden auf die Köhe gebradt.) 
Saſon. 
Hinan ins Schiff und ſpannt die Segel auf! 





152 Das goldene Blick. 


Nietes kommt mit bewaffneten Koldhern. 


Aictes 
hereinfärzend). 
Haltet ein! Meine Kinder! Mein Sohn! 
Abfyrtus 
(oben am Hugel fich lotzumachen frebend). 
Mein Vater! 
Iafon 
en Hügel Hinaufrufend). 
Haltet ihn! 
(Zu Miete.) 
Gr bleibt bei mir, 
Folgt mir zu Schiff, als Geißel wider did). 
Wenn nur ein Kahn, ein Nahen und verfolgt, 
So ftürzt dein Sohn hinab ing Mellengrab! 
Erſt wenn erreicht ift Koldis legte Spike, 
Se’ ich ihn aus, und ſend' ihn her zu bir. 
Barbar, du lehrteft mich, dich zu befämpfen! 
Aictes. 
Sohn, ftehft du in den Armen der Verworfnen? 
Abfyrtus 
(id) fruchtlos lodzuwinden ſuchend). 


Aedea. 
Mein Bruder! — Vater! 


Saſon. 


Laß mich! 


Haltet ihn! 
Aietes. 
Komm, Sohn! 
Safon. 
Umfonft! 





I. Die Argonauten. Bierter Wufzug. 153 


Aictes. 
So komm’ ih, Sohn, zu bir! 
Mir nad, ihr Kolcher, folget eurem König! 
Safon. 
Zurüd! 
Aie tes (ordringend). 
Glaubſt du, du ſchreceſt mich? 


Safon. 
Zurüd! 


Du retteft nicht den Sohn, ald wenn du weicht. 
Kein Haar wird ihm gekrümmt, ich ſchwör' es bir! 
Bringt ihn an Bord! 
Abfyrtus Pringend). 
Mich? Nimmermehr! 
Aietes. 
Mein Sohn! 
Abſyrtus. 
Fall' fie anı befrei' den Sohn, o Vater! 
Aietes. 
Kann ich's? Sie tödten dich, wenn ich's thue! 
Abſyrtus. 
Lieber frei ſterben, als leben gefangen: 
Fall' ich auch, wenn nur ſie fallen mit! 
Saſon. 
An Bord mit ihm! 
Aietes. 
Sohn, komm! 
Abfyrtus 
(Ber ſich Ioägerifien Hat). 
Ich komme, Bater! 
Frei bis zum Tod! Im Tode räche mich! 
(Gr fpringt don der Klippe ins Meer.) 





154 _ Das goldene Vlieh. 


Medea. 
Mein Bruder! Nimm mich mit! 
(Sie wird zurüdgehalten, und finft nieder.) 


Aietes. 
Mein Sohn! 
Safon. 
Er ftirbt! 
Die hohen Götter ruf’ ich an zu Zeugen, 
Daß du ihn haft getöbtet, und nicht ich! 
. Aictes. 
Mein Sohn! — Nun Rahel Rache! 
(Auf Daſon eindringend.) 
Stirb! 
Iafon. 
Zap mid! 
Sol ich did tödten? . 
Aictes. 
Mörder! ftirb! 
Safon. 
Ih, Mörder? 


Mörder du felber! 
(Das Bließ einem Rebenfehenden entreigend, dem er ed früher zu halten 
gegeben.) 
Kennſt du dieß? 
Aietes 
chrelend zurüdtaumelnd). 
Das Vließ! 
Saſon “ 
(«8 ihm vorhaltend). 
Kennft du's? 
Und fennft du aud das Blut, das daran Flebt? 





IL. Die Argonauten. Bierter Aufzug. 155 


's ift Phryrus Blut! — Dort deines Sohnes Blut! 
Du Phryrus Mörder, Mörder deines Sohns! 
Alktes. 
Verſchling' mich Erde! Gräber, thut euch auf! 
(Stürt zur Code.) 
Iafon. 
Zu fpät! fie deden deinen Frevel nicht. 
Als Werkzeug einer höheren Gewalt 
Steh’ ich vor dir. Nicht zittre für bein Leben! 
Ich will nicht deinen Tod; ja ftirb erft fpät, 
Damit noch fernen Enkeln Tund es werbe, 
Daß ſich der Frevel rächt auf diefer Erbe! 
Nun raſch zu Schiff, die Segel fpannet auf, 
Zurüd ind Vaterland! 
Aictes 
(an der Erde). 
Weh mir! Weh! 
Legt mic) ind Grab zu meinem Sohn! 
(Indem die Kalcher fih um den König gruppiren, und Jafon mit den 
Argonauten daB Schiff befcigt, fät der Borhang.) 





II. 
Medea. 


Trauerſpiel in fünf Aufzügen. 





Berfonen. 


—— — — 


Kreon, König von Korinth. 
Kreuſa, ſeine Tochter. 

Jaſon. 

Medea. 

Gora, Medeens Amme. 

Ein Herold der Amphiktyonen. 
Ein Landmann. 

Diener und Dienerinnen. \ 

Medeens Kinder. 





Erfter Aufzug 


Bor den Mauern von Korinth. Link? im Mittelgrunde ein Zelt 

aufgeſchlagen. Im Hintergrunde dad Meer, an dem fi ein 

Theil der Stadt hinzieht. Früher Morgen noch vor Tagesanbruch. 
Dunkel. 


Ein Sklave Reht rechts im Vorgrunde in einer Grube, mit der Schaufel 

grabend und Erde aubwerfend. Medea auf der andern Geite; vor ihr 

eine ſchwarze, feltfam mit Gold verzierte Kife, in welche fie mancherlei 
Gerath, während des folgenden, hineinlegt. 


Meden. 
Biſt du zu Ende? 
Sklave. 
Gleich, Gebieterin! 


Gora tritt aus dem Zelte und bfeibt in der Entfernung Rehen. 


Meden. 

Zuerft den Schleier und den Stab der Göttin; 
Ich werd’ euch nicht mehr brauchen, ruhet hier! 
Die Zeit der Nacht, der Zauber ift vorbei, 
Und was geſchieht, ob Schlimmes oder Gutes, 
Es muß geſchehn am offnen Strahl des Lichts. 
Dann dieß Gefäß; geheime Flammen birgt's, 

Griliparzer, fämmtl. Berte. II. 11 





162 Tas goldene Vlich. 


Die den verzehren, der's unkundig öffnet; 
Dieß andere, gefüllt mit gähem Tod, 
Hinweg ihr aus des heitern Lebens Nähe! 
Noch manches Kraut, manch dunkel-kräft'ger Stein, 
Der ihr entſprangt, der Erde geb’ ich euch. 
(Auffehend.) 

So, ruhet bier verträglih und auf immer! 
Das letzte fehlt noch und das michtigfte. 
(Der Ellave, der unterdeß auß der Grube heraufgefiiegen iA und fih 
hinter Medeen, dad Ende ihrer Befhäftigung abmartend, gefellt hat, 
greift jet, um zu helfen, nach einem an einer Lanze befefigten Verhüllten, 
das an einem Baume hinter Medeen lehnt; die Hüle fällt auseinander, 

das Banner mit dem Bließ leuchtet Arahlend hervor.) 


Sklave 
(das Vließ anfafend). 
Iſt's dieſes hier? 
Medea. 
Halt ein! Enthüll' es nicht! — 
Laß dich noch einmal ſchau'n, verderblich Gaſtgeſchenk! 
Du Zeuge von der Meinen Untergang, 
Beſpritzt mit meines Vaters, Bruders Blut, 
Du Denkmal von Medeens Schmach und Schuld! 
(Sie iritt mit dem Quße auf den Schaft, daß er entzweibrigt.) 
So brech' ich dich und ſenke dich hinab 
In Schooß der Nacht, dem dräuend du entſtiegen. 
(Sie legt daß gebrochene Banner zu dem andern Geräth in die Rifle und 
. fließt den Dedel.) 
Gora (vortretend). 
Was thuft du bier? 
Me dea (umbliden). 
Du fiehft's. ‘ 





II. Medea. Erſter Aufzug. 163 


Gora. 
Vergraben willſt du 
Die Zeichen eines Dienſtes, der Schutz dir gab 
Und noch dir geben kann? 
Medea. 
Der Schutz mir gab? 
Weil mehr nicht Schuß er gibt, ala er mir gab, 
Vergrab' ih fie. Ich bin gefhüßt genug. 
Gora. 
Durch deines Gatten Liebe? 
Meden (sum Sklaven). 
Bift du fertig? 
Sklave. 
Gebiet’rin, ja! 
Medea. 
So komm! 
Eie faßt die Rifle bei der Handhabe, der Sllade bei der andern, und 
fo tragen beide fie zur Grube.) 
Gora 
(von ferne Rehend). 
O der Beihäftigung 
Für eines Fürften fürftlih hohe Tochter! 
Meden. 
Scheint's dir für mich zu hart, was hilfft du nicht? 
&ora. 
Jaſons Magd bin ic), nicht die deine, 
Seit wann dient eine Sklavin ber andern? 
Meden (sum Stlaven). 
Jetzt fen? fie ein und wirf die Erde zu! 
(Der Stlave läßt die Kifte in die Grube hinab und wirft mit der Schaufel 
Erde darüber. Medea niet dabei.) 





164 Das goldene Blick. 


&ora 
(im Vorgrunde Rehend). 
O laßt mid) fterben, Götter meines Landes, 
Damit ich nicht mehr fehn muß, was ich fehe! 
Doc vorher ſchleudert euren Racheſtrahl 
Auf den Verräther, der uns dieß getban! 
Laßt mich ihn fterben fehn, dann tödtet mich! 
. Aedea. 
Es iſt gethan. Nun ſtampf' den Boden feſt 
Und geh! Ich weiß, du wahreſt mein Geheimniß, 
Du bift ein Kolcher und ich kenne dich. 
(Der Ellave gebt.) 
Gora 
(mit grimmigem Hohn nachtufend): 
Verrath's nicht eurem Herrn, ſonſt weh' euch Beiden! 
Haſt du vollendet? 
Meden (m ihr tretend). 
Ja. — Nun bin ich ruhig. 
Gora. 
Und auch das Vließ vergrubſt du? 


Meden. 


Auch das Vließ. 
Gora. 
So ließt ihr es in Jolkos nicht zurück, 
Bei deines Gatten Ohm? 
Aedea. 
Du ſahſt es bier. 
Gora. 
Es blieb dir alſo, und du vergrubſt es; 
Und ſo iſt's abgethan und aus? 





TI. Medea. Erfier Aufzug. 165 


Weggehaucht die Vergangenheit, 

Alles Gegenwart, ohne Zukunft. 

Kein Kolchis gab's und feine Götter find, 
Dein Bater lebte nie, dein Bruber ftarb nicht! 
Weil du's nicht denkeſt mehr, iſt's nie geweſen! 
So den? denn auch, du feift nicht elend, denk', 
Dein Gatte, der Verräther, liebte dich; 
Vielleicht geſchieht «8! 


Meden (beitig). 
Gora! 


Gora. 
Was? 

Meinſt du, ich ſchwiege? 
Die Schuldige mag ſchweigen und nicht ich! 
Haſt du mich hergelockt aus meiner Heimath, 
In deines trotz'gen Buhlen Sklaverei, 
Wo ich, in Feſſeln meine freien Arme, 
Die langen Nächte kummervoll verſeufze, 
Und jeden Morgen zu der neuen Sonne 
Mein graues Haar verfluch' und meines Alters Tage, 
Ein Ziel des Spotts, ein Wegwurf der Verachtung, 
An allem Mangel leidend, als an Schmerz; 
So mußt du mich auch hören, wenn ich rede. 


Meden. 
So ſprich! 
Gora. 
Was ich vorhergeſagt, es iſt geſchehn! 
Kaum iſt's ein Mond, daß euch das Meer von ſich ſtieß, 
Untoillig, den Verführer, die Verführte, 
Und fchon flieht euch die Welt, folgt euch der Abſcheu. 





166 Das goldene Blick. 


Ein Greuel ift die Kolcherin dem Volke, 
Ein Schreden die Vertraute dunkler Mächte, 
Wo du dic) zeigft, weicht alles ſcheu zurüd 
Und flucht dir. Mög’ der Fluch fie felber treffen! 
Aud den Gemahl, der Kolderfürftm Gatten, 
Sie hafjen ihn um dein:, um feinetiwillen. 
Der Oheim ſchloß die Thür ihm feines Haufes, 
Die eigne Vaterftadt hat ihn verbannt, 
Als jener Oheim ftarb, man weiß nicht wie; 
Kein Haus ift ihm, fein Ruhplatz, feine Stätte: 
Was denfft du nun zu thun? 
Medea. 
Ich bin ſein Weib! 
Gora. 
Und denkeſt nun zu thun? 
Aedea. 
Zu folgen ihm 
In Noth und Tod. 
Gora. 
In Noth und Tod, ja wohl! 
Aietes Tochter in ein Bettlerhaus! 
Meden. 
Laß uns die Götter bitten um ein einfach Herz, 
Gar leicht erträgt fi dann ein einfach Loos! 
Gora 
(geimmig lachend). 
Ha! Ha! Und dein Gemahl? 
Meden. 
Es tagt, fomm fort! 





MIT. Medea. Erſter Aufzug. 167 


Gora. 
Weichſt du mir aus?-Ha, du entgehſt mir nicht! 
Der einz'ge lichte Punkt in meinem Jammer 
Iſt, daß ich feh, an unſerm Beifpiel ſeh, 
Daß Götter find und daß Vergeltung ift. 
Bewein' dein Unglüd, und ich will dich tröften, 
Mein verfennen follft dus frevelnd nicht, 
Und läugnen bie Gerechtigkeit da droben, 
Da du die Strafe läugneft, deinen Schmerz. 
Aud muß ein Uebel Har fein, will man's heilen! 
Dein Gatte, ſprich, ift er derfelbe noch? 


Meden. 
Was fonft? 

Gora. 

O ſpiel' mit Worten nicht! 

Iſt er derfelbe, der dich ftürmifch freite, 
Der, dich zu holen, drang durch hundert Schwerter? 
Derfelbe, der auf langer Ueberfahrt, 
Den Widerftand befiegte der Betrübten, 
Die fterben wollte, Nahrung von fich weiſend, 
Und fie nur allzufchnell bezwang mit feiner Glut? 
Iſt er derfelbe noch? Ha, bebft du? Bebe! 
Ihm graut vor dir, er ſcheut dich, flieht dich, haßt dich; 
Die du die Deinen, fo verräth er did! 
Grab’ ein, grab’ ein die Zeichen deiner That, 
Die That begräbft du nicht! 


Meden. 
Schweigl 


Gora. 
Nein! 





168 Das goldene Blick. 


Meden (fe Hart am Arm anfaffend). 
Schweig, ſag' ich! 
Was raſeſt du in deiner tollen Wuth? 
Laß uns erwarten, was da kommt, nicht rufen. 
So wär' denn immer da, was einmal da geweſen, 
Und alles Gegenwart? — Der Augenblick, 
Wenn er die Wiege einer Zukunft iſt, 
Warum nicht auch das Grab einer Vergangenheit? 
Gefchehen ift, was nie geſchehen follte, 
Und ich bewein’s, und bitt’rer, ala bu benfft; 
Doch fol ich drum, ich felbft, mich felbft vernichten? 
Klar fei der Menfh und einig mit fich felbft! 
In andre Länder, unter andre Völter 
Hat uns ein Gott geführt in feinem Zorn; 
Was recht und war daheim, nennt man hier unrecht, 
Und was erlaubt, verfolgt man bier mit Haß: 
So laß uns denn aud ändern Sitt' und Rebe, 
Und türfen mir nicht fein mehr, was wir wollen, 
So laß uns, was wir fönnen, minbftens fein. 
Was mid) gefnüpft an meiner Väter Heimath, 
Ich hab’ es in bie Erbe hier verfentt; 
Die Macht, die meine Mutter mir vererbte, 
Die Wiſſenſchaft geheimnißvoller Kräfte, 
Der Nacht, die fie gebar, gab ich fie wieder, 
Und ſchwach, ein fhuglos, hilfbebürftig Weib, 
Werf’ ich mid) in des Gatten offne Arme; 
Er hat die Kolcherin gefcheut, die Gattin 
Wird er empfangen, wie's dem Gatten ziemt. 
Der Tag bricht an, mit ihm ein neues Leben! 
Was war, foll nicht mehr fein, was ift, foll bleiben! 
Du aber, milde, mütterliche Erde, 
Verwahre treu das anvertraute Gut. 


111. Medea. Erſter Aufzug. 169 


Sie gehen auf das Zelt zu, es Öffnet fih, und Jaſon tritt heraus mit 
einem korinthiſchen Landmanne, hinter ihm ein Sklave. 


Safon. 
Spradft du den König felbft? 
Sandmann. 
Sa wohl, o Herr! 
Safon. 
Was Sagteft du? 
Landmann. 


Es harre Jemand außen, 
Ihm wohl befannt und gaftbefreundet zwar, 
Doch der nicht eher trete bei ihm ein, 
Umringt von Feinden, von Berrath umftellt, 
Bis er ihm Fried’ gelobt und Sicherheit. 
3afen. 
Und feine Antwort? 
Sandmann. 
| Er wird fommen, Herr! 
Ein Feſt Poſeidons feiern fie hier außen, 
Am offnen Strand des Meeres Opfer bringent. 
Der König folgt dem Zug mit feiner Tochter, 
Da, im VBorübergehen, ſpricht er did. 
Safon. 
So, es ift gut! Hab’ Danf! 
Medea (Hinzutretend). 
| Set mir gegrüßt! 
Safon. 
(Zum Sflaven.) 


Ihr aber geht, du und die andern, 
Und brechet grüne Zweige von den Bäumen, 


Du aud! 








170 Das goldene Blick. 


Wie's Brauch hier Landes bei den Flehenden, 
Und haltet ruhig euch und ftill. Hörft du? 
Genug! 

(Der Sandmann und der Sklave gehen.) 


Medea. 
Du biſt beſchäftigt? 

Saſon. 

Ja. 
Meden. 

’ Du gönnft 
Dir feine Ruh! ” 

Safon. 


Ein Flüchtiger und Ruh? 
Weil er nicht Ruh hat, ift er eben flüchtig. 
Meden. 
Du ſchliefſt nicht heute Nacht, du gingft hinaus 
Und mallteft einfam durch bie Finfterniß. 
Safon. 
Ich lieb' die Nacht, der Tag verlegt mein Aug’. 
Meden. 
Auch fandteft Boten du zum König hin. 
Nimmt er uns auf? 
Safon. 
Erwartend weil’ ich hier. 
Medea. 
Er iſt dir Freund? 
3afon. 
Er war's. 
Meden. 
Willfahren wird er. 





il. Medea. Erſter Aufzug. 171 


Safon. 
Berpefteter Gemeinſchaft weicht man aus. 
Du weißt's ja doch, daß alle Welt uns flieht, 
Daß felbft des falfchen Pelins, meines Oheims, Tod, 
Des Frevlers, den ein Gott im Grimm erivürgte, 
Daß mir das Volk ihn Schuld gibt, deinem Gatten, 
Dem Heimgelehrten aus dem Zauberlande! 
Weißt du es nicht? 
Meden. 
Ih weiß. 
Iafon. 
Wohl Grund's genug, 
Zu wandeln und zu wachen in ber Naht! — 
Doch was trieb did jhon vor der Sonn’ empor? 
Was ſuchſt du in der Finfternig? — Ei ja! 
Riefit alte Freund’ aus Kolchis? 
Meden. 
Nein. 
Safon. 
Gewiß nicht? 
Meden. 
IH fagte: nein! 
Safon. 
Ich aber fage bir: 
Du thuft ſehr wohl, wenn du es unterläßt! 
Brau' nicht aus Kräutern Säfte, Schlummertrant, 
Sprid nicht zum Mond, ftör' nicht die Toten, 
Dan hat das hier, und ih — ich haſſ es auch! 
M Koldis find wir nicht, in Griechenland, 
Rh unter Ungeheuern, unter Menſchen! 
Alein ih weiß, du thuſt's von nun nicht mehr, 





172 Das goldene Vließ. 


Du baft'8 verſprochen und tu hältft es auch. 
Der rothe Schleier da auf deinem Haupt, 
Er rief vergangng Bilder mir zurüd! 
Warum nimmft du die Tracht nicht unfers Landes? 
Wie ich ein Kolder war auf Koldis Grund, 
Sei eine Griehin du in Griechenland. 
Wozu Erinn’rung ſuchen des Vergangnen? 
Von felbft erinnert es ſich ſchon genug! 
(Medea nimmt ſchweigend den Eileier ab und gibt ihn Bora.) 
&ora (halb leiſe). 
Verachteft du dein Land um feinetwillen? 
Safon 
(erbfidt Bora). 
Du auch hier? — Dich haſſ' ich vor allen, Meib! 
Beim Anblid diefes Augs und diefer Stirn 
Steigt Kolchis Küfte dämmernd vor mir auf. 
Was drängft du did in meines Weibes Nähe? 
Geh fort! \ 
Gora (nurrend). 
Barum? 
Iafon. 
Geh fort! 
Meden. 
Ich bitt' dich, geb! 
Gora Pump). 
Haſt mich gekauft, daß du mir ſprichſt als Herr? 
Saſon. 
Die Hand zudt nad) dem Schwert: geh, weil's noch Zeit iſt! 
Mic hat's ſchon oft gelüftet, zu verſuchen, 
Ob deine Stirn fo hart ift, als fie feheint. 
(Deden führt die Widerfirebende begütigend fort.) 





IT. Mebeo. Erſter Aufzug. 173 


3afon 
er fih auf einen Rafenfih nicdergeworfen hat, auf die Bruft jhlagend). 
Zerſpreng' dein Haus und mad’ dir brechend Luft! — 
Da liegen fie, die Thürme von Korinth, 
Am Meeresufer üppig bingelagert, 
Die Wiege meiner goldnen Jugendzeit! 
Diefelben, von derfelben Sonn’ erleuchtet; 
Nur ic) ein andrer, ih in mir verwandelt. 
Ihr Götter! warum war fo ſchön mein Morgen, 
Wenn ihr den Abend mir fo ſchwarz beftimmt? 
D wär' es Nacht! 
(Meden hat die Kinder aus dem Zelte geholt und führt fie an der hand 
vor Jafon.) 
Meden. 5 
‚Hier find zwei Kinder, 
Die ihren Vater grüßen. 
(Zu den Anaben.) 
Gib die Hand! 
Hörft du? Die Hand! 
(Die Kinder fiehen ſcheu feitwärtd.) 
Iafon 
Pie Hand ſchmerzlich nad der Gruppe hinbreitend). 
Das alfo wär’ das Ende? 
Bon trog'gen Wilden Vater und Gemabl! 
Meden 
Gu dem Rinde). 
Geb bin! 
Anabe. 
Bift du ein Grieche, Vater? 
Iafon. 


Und warum? 





174 Das goldene Blick. 


Knabe. 
Es ſchilt dich Gora einen Griechen! 
Safon. 
Schilt? 
Knabe. 
Es find betrügerifche Leut' und feig. 


Safon (m Meeo). 
Hörft du? 
Meden. 
Es macht fie Gora mild. Verzeib ihm! 
(Gie Iniet bei den Rindern nieder und ſpricht ihnen wechſelsweiſt ind Chr.) 
‘ Safon. 
Gut! Gut! 
(Cr iR} aufgelanden.) 
Da kniet fie, die Unfelige, 
Und trägt an ihrer Laft und an der meinen. 
(Aufe und abgehend.) - 
Die Kinder, laß fie jegt und fomm zu mir! 


Aedea. 

Geht nur und ſeid verträglich! Hört ihr? 
(Die Rinder geben.) 

Safon. 
Halt’ mich für hart und graufam nicht, Medea! 
Glaub’ mir, id fühl dein Leid fo tief als meines. 
Getreulich mwälzeft du den ſchweren Stein, 
Der rück fih rollend immer wiederkehrt, 
Und jeden Pfad verfperrt und jeden Ausweg. 
Haft du's gethan? hab’ ich's? — Es ift geſchehn. 
(Gine ihrer Hände faffend und mit der andern über ihre Gtirne Rreichend.) 





IM. Medea. Erſter Aufzug. 175 


Du liebft mich. Ich verfenn’ es nicht, Medea; 
Nach deiner Art zwar — dennoch liebft bu mid: 
Nicht bloß der Blik, mir ſagt's fo mande That. 
(Medea lehnt ihre Gtiene an feine Schuller.) 

Ich weiß, bein Haupt ift ſchwer von mandem Leid, 
Und Mitleid regt ſich treulih bier im Bufen. 
Drum laß uns reif und forglich überlegen, 
Wie wir entfernen, was fo nah uns droht. 
Die Stadt hier ift Korinth, In früh’rer Zeit, 
Als ih, ein halb gereifter Jüngling noch, 
Bor meines Oheims wildem Grimme floh, 
Nahm mid) der König diefes Landes auf, 
Ein Gaftfreund noch von meinen Vätern ber, 
Und mwahrte mein, wie eines theuern Sohns; 
In feinem Haufe lebt’ ich ſicher manches Jahr. 
Nun aud — 

AMedea. 

Du ſchweigſt? 
Safon. 
Nun aud, da mich die Welt 

Verſtößt, verläßt, in blindem Grimm verfolgt, 
Nun aud) hoff’ ich von diefem König Schuß. 
Nur Eines fürcht' ich, und nicht ohne Grund. 

Medea. 


Safon. 
Mid nimmt er auf, ich weiß es wohl, 
Und aud die Kinder, denn fie find die meinen; _ 
Nur dich — 


Was iſrs? 


Aedea. 
Nimmt er die Kinder, weil ſie dein, 
Behält er als die Deine wohl auch mich. 





176 Das goldene Blich. 


Safon. 
Haft du vergeflen, wie's daheim erging, 
In meiner Väter Land, bei meinem Ohm, 
Als ich zuerft von Koldis dich gebracht? 
Vergefien jenen Hohn, mit dem der Grieche 
Herab auf die Barbarin fieht, auf — di? 
Nicht Jedem ift, wie mir, befannt dein Wefen, 
Nicht Jedem bift du Weib und Mutter feiner Kinder, 
Nicht Jeder war in Koldis, fo wie ic. 

Meden. 
Der Schluß der herben Rede, welcher iſt's? 

Safon. 
Es ift des Menſchen höchſtes Unglüd dieß: 
Daß er bei allem, was ihn trifft im Leben, 
Sic ftil und rubig hält, bis es geſchehn, 
Und wenn’s gejheben, nicht. Das laß uns meiden! 
Ich geh zum König, wahre meines Rechts 
Und rein'ge vom Verdacht mi, der und trifft; 
Du aber mit den Kindern, bleib’ indeß 5 
Fern von der Stadt verborgen, big — 

Meden. 

Bis wann? 

3afon. 
Bis — Was verhüllſt du dih? — 

Meden. 

Ich weiß genug. 

Das war ed, was mein Vater fagte! 
Ich dir zur Qual, du mir. — Doch weich’ ich nicht! 
Bon Allem, was ih war, was ich beſaß, 
Es ift ein Einziges mir nur geblieben, 
Und bis zum Tode bleib ich es: dein Weib. 


I. Medea. Erfer Aufzug. 177 


Safon. 

Wie deuteſt du fo falſch, was ich gefagt! 
Medea. 

Beweiſe mir, daß ich es falſch gedeutet! 

Der König naht — ſprich, wie dein Herz dir's heißt. 
3afon. 

So fteben wir dem Sturm, bis er ung bricht! 


(Gora tritt mit den Kindern aus dem Zelte. Medea ſtellt fi zwiſchen 
die Knaben und bleibt anfangs, beobadhtend, in der fyerne.) 


Der König tritt auf mit feiner Tochter, von Knaben und 
Mädchen begleitet, die Opfergeräthe tragen. 


König. 
Wo ift der Fremde? — Ahnend fagt mein Herz: 
Er ift es, der Berbannte, der Vertrieb'ne — 
Der Schuldige vielleicht! — Wo tft der Fremde? 


Jaſon. 
Hier bin ich, und gebeugt tret' ich vor dich, 
Kein Fremder zwar, doch nur zu ſehr entfremdet. 
Ein Hilfeſuchender, ein Flehender, 
Von Haus und Herd vertrieben, ausgeſtoßen, 
Fleh ich zum Gaſtfreund um ein ſchützend Dach. 


Kreuſa. 
Fürwahr, er iſt's! Sieh, Vater, es iſt Jaſon! 
(Einen Schritt ihm entgegen.) 
Safon 
(ihre Hand faffend). 
Sch bin es, jo wie du es bift, Kreufa, 
Diejelbe noch, in heit’rer Milde ftrahlenv. 
O führe mich zu deinem Vater bin, 
Der ernft dort fteht, den Blick mir zugewandt, 
Srillparzer, fämmtl. Werte. I. 12 





178 Daß goldene Vlich. 


Und zögert mit dem Gegengruß, ich weiß nicht, 
Ob Jafon zürnend, oder feiner Schuld. 
Kreufa 
(Daſon an der Hand, ihrem Bater entgegentretend). 
Sieb, Vater, es ift Jaſon! 
König. 
Sei gegrüßt! 
Saſon. 
Dein Ernſt zeigt mir den Platz, der mir geziemt. 
Hin werf' ich mich vor bir und fafl’ dein Knie, 
Und nad dem Rinne ftred’ ich meinen Arm: 
Gemwähre, mas ich bat, gib Schuß und Zufludtt 
König. 
Steh auf! 
3afon. 
Nicht eher, bis — 
König. 
Ich fage dir, fteh auft 
(Safon feht auf.) 
König. 
So fehrteft du vom Argonautenzug? 
Iafon. 
Kaum iſt's ein Mond, daß mid) das Land empfing. 
König. 
Den Preis des Zugs, du brachteft ihn mit dir? 
Safon. 
Er warb dem Dheim, der die That gebot. 
König. 
Und warum fliehft du deiner Väter Stabt? 





II. Meden. Erfler Aufzug. 179 


Iafon. 
Sie trieb mid) aus, verbannt bin id und ſchutzlos. 
König. 
Des Bannes Urfach’ aber, welde war's? 
Saſon. 
Verruchten Treibens klagte man mich an! 
König. 
Mit Recht, mit Unrecht? Dieß fag’ mir vor Allem! 
Iafon. 
Mit Unrecht, bei den Göttern ſchwör' ich es! 
B König 


(ihn raſch bei der Hand faflend und vorfüßrend). 
Dein Oheim ftarb? 
Safon. 
Er ftarb. 
König. 
Wie aber? 
Safon. 
Nicht durch mich! 
So wahr id) leb' und athme, nicht durch mich! 
König. 
od fagt’3 der Ruf und ftreut’3 durch's ganze Land. 
Iafon. 
So lügt der Ruf, das ganze Land mit ihm. 
König. 
Der Einzelne will Glauben gegen Alle? 
Iafon. 
Der Eine, den du kennſt, gen Alle, die dir fremd. 
König. 
Nie aber fiel der König? 





180 Das goldene Blieh. 


Safon. 
Seine Kinder, 
Sein eigen Blut bob gegen ihn die Hand. 
König. 
Entſetzlich! fprichft du wahr? 
Iafon. 
Die Götter wiſſen's! 
Du aber höre, wie es ſich begab. 
König. 
Kreufa naht, ſprich nicht davon vor ihr, 
Gern fpar’ ich ihr den Schmerz ob ſolchem Greuel. 
Caut.) 
Ich weiß genug für jetzt, das andre ſpäter: 
So lang ich kann, glaub' ich an deinen Werth. 
Kreufa (inzutretend). 
Haft, Vater, ihn gefragt? Nicht wahr? Es ift nicht? 
König. 
Tritt nur zu ihm, du kannſt es ohne Scheu. 


Kreufa. 
Du haft gezweifelt, weißt du? — niemals ich! 
In meiner Bruft, im eignen Herzen fühlt‘ ich's, 
Es fei nicht wahr, was fie von ihm erzählten: 
Er war ja gut, wie that er denn fo ſchlimm? 
D müßteft bu, wie Alle von dir fprachen, 
So arg, fo ſchlimm. Ich bab’ geweint, daß Menfchen 
So böfe, fo verleumb’rifch Fünnen fein. 
Du warſt faum fort, da ſcholl's im ganzen Lande 
Bon gräßlic wilden Thaten, die geſchehn; 
In Koldis liegen fie dich Greuel üben, 
Zulegt verbanden fie ald Gattin dir 





II. Meden. Crfer Aufzug. 181 


Ein gräßlih Weib, giftmifchend, vatermörd'riſch. 
Bie hieß fie? — Ein Barbarenname war's. 
Medea 
(mit ihten Rindern dortretend) 
— Medea! 
Ich bin's! 
König. 
Iſt fie's? 
Saſon Pump). 
Sie iſt's. 
Kreufa 
(an den Bater gedrängt). 
Entfegen! 
Meden (u Arufo). 
Du irrft! den Vater hab’ ich nicht getöbtet; 
Mein Bruder fiel, doch frag ihn, ob durch mich? 
(Auf Jofon deutend.) 
Auf Tränfe, Heil bereitend oder Tod, 
Verfteh’ ih mi, und weiß noch manches andre, 
‚Allein ein Ungeheuer bin ich nicht, 
Und feine Mörderin. 
&reufa. 
O gräßlich! gräßlich! 
König. 
Und fie dein Weib? 
Iafon. 
Mein Weib! 
König. 
Die Kleinen dort — 
Safon. ” 


Sind meine Kinder. 





182 \ Das goldene Blick. 


König. 
Unglüdjeliger! 
Safon. 
Ich bin’s! — Ihr Kinder fommt mit euren Ziveigen 
Reicht fie dem König dar und fleht um Schuß! 
(Sie an der Hand Hinführend.) 
Hier find fie, Herr; du wirſt fie nicht verftoßen! 
Anabe 
@en Ziveig hinfaltend). 
Da nimm! 
König 
Pie Hände auf ihre Häupter legend). 
Du arme, Kleine, neftentnomm’ne Brut! 
&reufa 
(au den Rindern niederfnieend). 
Kommt ber zu mir, ihr heimathlofen Waifen! 
Die frühe ruht das Unglüd fhon auf euch; 
So früh, und ad), fo unverſchuldet auch. 
Du fiehft wie fie — bu haft des Vaters Züge! 
(Sie tüßt daB Aleinere.) 
Bleibt bier, ich will euh Mutter, Schweſter fein! 
Medea. 
Was nennſt du fie verwaist und klagſt darob? 
Hier fteht ihr Vater, der fie Seine nennt; 
Und feiner andern Mutter braucht's, fo lange 
Medea lebt! 
(Zu den Aleinen.) 
Hierher zu mir! Hierher! 
Kreufa 
Gu ihrem Water emporblidend). 
Lafl' ich fie bin? 





IH. Meden. Erſter Aufzug. 183 


König. 
Sie ift die Mutter. 
Kreufa (su den Kindern). 
Gebt zur Mutter! 
Meden. 
Mas zögert ihr? 
Areufa 
(zu den Kindern, die fie um den Hals gefaßt haben). 
Die Mutter ruft. Geht bin! 
(Die Kinder gehen.) 
Jaſon. 
Und was entſcheideſt du? 
König. 
Ich hab's gejagt. 
Jaſon. 
Gewährſt du Schutz mir? 
König. 


Mir und den Meinen? 
König. 
Ich babe dir ihn zugefagt. — So folge! 
Zuerft zum Opfer und fodann ind Haus. 
Jaſon 
(zum Forigehen gewendet, zu Kreuſen). 
Gönnſt du mir deine Hand, wie ſonſt, Kreuſa? 
Mreuſa. 
Kannſt du ſie doch nicht faſſen ſo wie ſonſt. 
Medea. 
Sie gehn und laſſen mich allein. Ihr Kinder, 
Kommt her zu mir, umſchlingt mich! feſter! feſter! 





184 . Daß goldene Blick. 


Arcufa 
(umlehrend, vor fih binfprehend). 
Noch Cine fehlt. Warum folgt fie uns nicht? 
(Burüdtommend, aber in weniger Entfernung vor Medea flehend.) 
Du gehſt nicht mit zum Opfer, nicht ins Haus? 


Medea. 

Die Ungelad'nen weist man vor die Thür. 
K&reufa. 

Allein mein Vater bot dir Hand und Dad. 


Medea. 
Ganz anders klang, was ich von euch vernahm. 
Areuſa 
(mäbertretend). 
Beleidigt hab’ ich dich, ich weiß; verzeih! 
Medea 
(Me) raſch gegen fie lehtend). 
D holder Klang! — Wer ſprach das milde Wort? 
Sie haben mich beleidigt oft und tief, 
Doch feiner fragte nach, ob's weh gethan? 
Hab’ Dank, und wenn du einft im Jammer bift, wie ih, — 
Gönn’ dir ein Frommer, wie du's mir gegönnt, 
Ein janftes Wort und einen milden Blick! 
Eie will ihre Kand faſſen, Areufa weicht ſcheu zurüd.) 
D weich' nicht aus! Die Hand verpeftet nicht! 
Ein Königskind, wie bu, bin ich geboren, 
Wie du ging einst ich auf der eb’'nen Bahn, 
Das Rechte blind erfafjend mit dem Griff; 
Ein Königskind, wie du, bin ic) geboren, 
Wie du vor mir ftehft, ſchön und hell und glänzend, 
So ftand auch ich einft neben meinem Vater, 
Sein Abgott und der Abgott meines Volks. 


ai 





1. Medea. Erſter Aufzug. 185 


O Kolchis! o du meiner Väter Land! 
Sie nennen dunkel dich, mir ſcheinſt du heil! 
areuſa 
(ihre Hand faffend). 
Du Arme! 
Meden. 
Du blidft fromm und mild und gut 
Und biſt's auch wohl; doch hüte, hüte dich! 
Der Weg ift glatt, Ein Tritt genügt zum Fall! 
Beil du im leichten Kahn den Strom hinabgeglitten, 
Dich haltend an des Ufers Blüthenzweigen, 
Bon Silberwellen hin und her gefchaufelt, 
So hältſt du dich für eine Schifferin? 
Dort weiter draußen braust das Meer, 
Und wagſt bu dich vom fihern Ufer ab, 
Reißt dich der Strom in feine grauen Weiten. 
Du blidft mid an? Du ſchauderſt jegt vor mir? 
€3 war 'ne Zeit, da hätt’ ich felbft geſchaüdert, 
Hätt' ih ein Weſen mir gedacht, gleich mir! 
(Sie verbirgt ihr Geſicht an Kreufens Halſe.) 
&reufa. 
Sie ift nicht wild. Sieh, Vater, her, fie weint. 


Medea. 
Weil eine Fremd’ ich bin, aus fernem Land, 
Und unbefannt mit diefes Bodens Bräuden, 
Verachten fie mich, jehn auf mich herab, 
Und eine fcheue Wilde bin ich ihnen, 
Die Unterfte, die Letzte aller Menſchen, 
Die ich die Erfte war in meiner Heimath. 
Ich will ja gerne thun, was ihr mir fagt, 
Nur fagt mir, was ich thun joll, ftatt zu zürnen! 


— HE 


186 Das goldene Vließ. 


Du bift, ich ſeh's, von fittig mildem Weſen, 
So ficher deiner felbft und eins mit dir; 
Mir hat ein Gott das fchöne Gut verfagt, 
Doch lernen will ich, lernen froh und gern. 
Du weißt, was ihm gefällt, was ihn erfreut, 
O lehre mid), wie Jafon ich gefalle, 

Ich will dir dankbar fein. 


Kreufa. 
O ſieh nur, Vater! 
König. 
Nimm fie mit dir! 
AMreuſa. 
Willſt du mit mir, Medea? 
Meden. 
Ich gehe gern, wohin du mid) geleiteft, 
Nimm dich der Armen, der Verlaffnen an; 
Und ſchütze mich vor jenes Mannes Blick! 
(Zum König.) 
Sieh nur nad) mir, du fchredft mich dennoch nicht; 
Obgleich, ich ſeh's, du finneft, was nicht gut. 
Dein Kind ift beifer, als fein Vater! 
&reufa. 
Komm! 
Er will dir wohl! — Und ihr, fommt au, ihr Kleinen 
(Führt Medeen und ihre Kinder fort.) 
König. 
Haft du gehört? 
Jaſon. 
Ich hab'! 
König. 
Und fie dein Weib? 


III. Medea. Erfter Aufzug. 187 


. Schon früher gab ung Kunde das Gerücht, 
Doch glaubt! ich's nicht, und nun, da ich's gefehn, 
Glaub’ ich's faft minder noch! — Dein Weib! 


Safon. 
Du ſiehſt den Gipfel nur, die Stufen nicht, 
Und nur von diefen läßt fich jener richten. 
Sch 309 dahin in frifcher Jugendkraft, 
Durch fremde Meere, zu der fühnften That, 
Die noch gefchehn, jeit Menfchen find und denken. 
Das Leben war, die Welt war aufgegeben, 
Und nichts war da, als jenes helle Vließ, 
Das dur die Nacht, ein Stern im Sturme, ſchien. 
Der Rückkehr dachte Niemand, und als wär’ 
Der Augenblid, in dem der Preis gewonnen, 
Der legte unſers Lebens, ftrebten mir. 
So zogen wir, ringfertige Gefellen, 
Sm Webermuth des Wagens und der That, 
Durch See und Land, durch Sturm und Nadıt und Klippen, 
Den Tod vor und und hinter uns den Top. 
Was gräßlich fonft, fchien leicht und fromm und mild, 
Denn die Natur war ärger ald der Aergite; 
Im Streit mit ihr und mit des Wegs Barbaren, 
Umzog ſich hart des Mildften weiches Herz; 
Der Maßſtab aller Dinge war verloren, 
Nur an fich felbit maß Jeder, was er jah. 
Was allen und unmöglich fchien, geſchah: 
Wir fahen Kolchis mundervolles Land. 
D bätteft du's gejehn in feinen Nebeln! 
Der Tag ift Nacht dort, und die Nacht Entjeten, 
Die Menfchen aber finftrer als die Nacht. 
Da fand ich fie, die dir fo greulich dünkt; 





188 Dos goldene Vließ. 


Ich fage dir, fie glich dem Sonnenftrahl, 

Der durch den Spalt in einen Kerker fällt. 
Iſt fie hier dunkel, dort erſchien fie licht, 

Im Abſtich ihrer nächtlihen Umgebung. 


König. 
Nie recht ift Unrecht, Schlimmes nirgends gut. 
Safon. 


Der Dbern einer wandt' ihr Herz mir zu; 
Sie ftand mir bei in mancher Fährlichkeit. 
Ich fah die Neigung ſich in ihr empören, 
Doch ftörrifch legt' fie ihr den Zügel an, 
Und nur ihr Thun, ihr Wort verrieth mir nichts. 
Da faßt' auch mid der Wahnfinn wirbelnd an: 
Daß fie's verſchwieg, das eben reizte mich, 
Auf Kampf geftellt rang ich mit ihr, und wie 
Ein Abenteuer trieb ich meine Liebe. 
Sie fiel mir zu. Ihr Vater fluchte ihr; 
Nun war fie mein — hätt’ ich's auch nicht gewollt. 
Durch fie ward mir das räthfelhafte Vließ, 
Sie führte mich in jene Schauerhöhle, 
Wo ich's gewann, dem Drachen abgewann. 
So oft ich ihr ſeitdem ins Auge blide, 
Schaut mir die Schlange blinfend draus entgegen, 
Und nur mit Schaudern nenn’ ich fie mein Weib. 
Wir fuhren ab. Ihr Bruder fiel. 
J König (cafe). 
Durch fie? 
Saſon. 
Er fiel der Götter Hand. — Ihr alter Vater, 
Ihr fluchend, mir und unſern künft'gen Tagen, grub 


| | | . - 


III. Medea. Erſler Aufzug. 189 


Mit blut’gen Nägeln fich fein eignes Grab, 
Und ftarb, fo heißt es, gen fich jelber wüthend. 
König. 
Mit Böfen Zeichen fing die Eh’ dir an. 
Safon. 
Mit Schlimmern fette fie fich meiter fort. 
" König. 
Wie war's mit deinem Ohm? Erzähl’ mir dieß! 
Safon. 
Vier Jahr verihob die Rückkehr ung ein Gott, 
Dur Meer und Land uns in die Irre treibend. 
In Schiffes Enge, ftündli ihr genüber, 
Brach fich der Stachel ab des eriten Schauderg; 
Geſchehn war, was geſchehn — fie warb mein Weib. 
König. 
Und nun daheim, in Jolkos, bei dem Oheim? 
Safon. 
Verwifcht war von her Zeit der Greuel Bild, 
Und halb Barbar, zur Seite der Barbarin, 
Zog ftolz ich ein in meiner Väter Stadt. 
Im Angedenken noch des. Volkes Jubel 
Ber meiner Abfahrt, hofft’ ich freudiger 
Noch den Empfang, da ich als Sieger kehrte. 
Doch till war's in den Gaſſen, als ich kam, 
Und fcheu wich der Begegnende mir aus. 
Was dort gefchehn in jenem dunkeln Land, 
Vermehrt mit Greueln hatt’ es das Gerücht 
Gefät in unfrer Bürger furchtſam Obr; 
Man floh mich und verachtete mein Weib — 
Mein war fie, mich verachtet man in ihr! 
Mein Obeim aber nährte fchlau die Stimmung; 





190 Das goldene Blick. 


Und als ich forderte das Erbe meiner Väter, 
Das er mir nahm und tüdifch vorenthielt, 
Da hieß er mich, mein Weib von mir zu fenden, 
Die ihm ein Greuel fei mit ihrem dunkeln Streben, 
Wo nicht, fein Land, der Väter Land zu. meiden. 
König. 
Du aber? 
Iafon. 
Ich? Sie war mein Weib; 

Sie hatte meinem Schuß ſich anvertraut, 
Und ber fie forderte, es war mein Feind. 
Hätt’ er auch Billiges begehrt, beim Himmel! 
Er hätt’ es nicht erlangt: fo minder dieß. 
Ich fchlug es ab. 

J König. 
Und er? 

Saſon. 

Er ſprach den Bann; 
Deſſelben Tages ſollt' ich Jolkos meiden. 
Ich aber wollte nicht und blieb. 
Da wird der König plötzlich krank. Gemurmel 
Läuft durch die Stadt, gar Seltfames verfündend: 
Wie vor dem Hausaltar er fige, wo 
Das Wundervließ man weihend aufgehängt, 
Mit unverwandtem Aug’ e3 ftarr betrachtend. 
Oft ſchrie er auf: fein Bruder ſchau' ihn an, — 
Mein Vater, den er tüdifch einft getöbtet, 
Beim Wortftreit ob des Argonautenzugs, — 
Er ſchau' ihn an aus jenes Goldes Flimmer, 
Das er mich holen hieß, der falide Mann, 
Aus fernem Land, auf baf ich drob verderbe. 
Als nun die Noth des Königs Haus bebrängte, 





11. Medea. Grfler Aufzug. 191 


Da traten feine Töchter vor mich hin, 

Um Heilung flehend von Mebeens Kunft. 

Ich aber fagte: Nein! Solt’ id den Mann erretten, 
Der mir Verberben fann, und all den Meinen? 
Da gingen fie, die Mädchen, mweinend bin, 

Ich aber ſchloß mich ein, nicht? weiter achtend; 
Und ob fie wieberholt gleich flehend kamen, 

Ich blieb bei meinem Sinn und meinem Nein! 
Als ich darauf nun lag zu Nacht und fchlief, 

Hör’ ich Gefchrei an meines Haufes Pforten; 
Alaſtos iſt's, des böfen Dheims Sohn, 

Der ftürmt mein Thor mit lauten Pöbelhaufen 
Und nennt mid) Mörder, Mörder feines Vaters, 
Der erft geftorben, in berfelben Nacht. 

Auf ftand ih, und zu reden fucht’ ich, doch 
Umfonft, das Vollsgebrüll verſchlang mein Wort, 
Und ſchon begann mit Steinen man ben Krieg; 
Da nahm ich dieß mein Schwert und flug mich durch. 
Seitdem irr' ich durch Hellas’ weite Stäbte, 

Der Menfchen Greuel, meine eigne Dual, 

Und nimmft du mich nicht auf, ein Gangverlorner! 


König. 
Ich hab’ dir's zugefagt und halt’ es auch. 
Dog fie — 

Iafon. 


Eh' du vollendeft, höre mich! 
Du nimmft ung Beide, oder Keinen, Herr! 
Dein Leben wär’ erneut, wüßt' ich fie fort, 
Doch muß ih ſchützen, was ſich mir vertraut. 
König. 
Die Künfte, die fie weiß, fie ſchrecken mid; 





192 . Daß goldene Blich. 


Die Macht zu ſchaden zeugt gar leicht den Willen. 
Auch ift ihr Schuld nicht fremd und arge That. 
Safon. 
Wenn fie nicht ruhig ift, fo treib’ fie aus, 
Verjag' fie, töbte fie und mid — uns alle; 
Doch bis dahin gönn’ ihr nod den Verſuch, 
Ob ſie's vermag zu weilen unter Menſchen. 
Beim Zeus, der Fremden Schützer, bitt' ich es, 
Und bei dem Gaſtrecht fordr' ich's, das die Väter 
In längft entſchwundner Zeit und aufgerichtet, 
In Jolkos und Korinthos, folder Schidungen 
Mit Hugem Sinn, in vorhinein gebenfend. 
Gewähre mir's, damit nicht einft den Deinen 
In gleichem Unbeil, gleiche Weig'rung werde. 
König. 

Den Göttern weich’ ih, gegen meinen Sinn. 
Sie bleibe! Doch verräth mir nur ein Zug 
Die Rüdkehr ‘ihres alten wilden Sinns, 
So treib’ ich fie aus meiner Stabt hinaus 
Und liefere fie denen, die fie fuchen. 
Hier aber, wo ich dich zuerft gefehn, 
Erhebe fi ein heiliger Altar. 
Der Fremden Schüger, Zeus, fei er geweiht, 
Und Pelias, deines Oheims, blut'gen Manen. 
Dort wollen wir vereint die Götter bitten, 
Daß fie den Eintritt fegnen in mein Haus, 
Und gnäbig wenden, was ung Uebels droht. 
Und nun fomm mit in meine Königsburg. 

(Bu feinen Begleitern, die ſich jegt nähern.) 
Ihr aber richtet aus, was ich befahl. 

(Indem fie ih zum Abgehen wenden, fällt der Vorhang.) 





"Zweiter Aufzug 


‚Halle in Kreond Königeburg zu Korinth. 


Kreufa fsend, Medea auf einem niedern Ghemel vor ihr, eine 
eier in ihrem Arm; fie iR griechiſch gelleidet. 


Areuſa. 
Hier dieſe Saite nimm, die zweite, dieſe! 
Meden. 
So alfo? 
Kreufa. 
Nein. Die Finger mehr gelöst. 
Meden. 
Es geht nicht. . 
Kreufa. 
Wohl, wenn dus nur ernftlich nimmft. 
Meden. 
Sch nehm’ es ernſtlich, doch es geht nicht. 
(Sie legt die Leier weg, und eht auf.) 
Nur an den Wurffpieß ift die Hand gewöhnt 
Und an des Waidwerks ernftlih rauh Geſchäft! 
(Ihre rechte Hand bis dicht vor die Augen Hebend.) 
Daß ich fie frafen könnte dieſe Finger, ftrafen! 
Griliparzer, ſammil. Berte. II. 13 





194 Das gofbene Blieh. 


Kreufe. 
Wie du nun bift! Da hatt’ ich mich gefreut, 
Daß du ihn überraſchen follteft, Jaſon, 
Mit deinem Lieb. 

Meden. 

Ja fo, ja, du haft recht. 

Darauf vergaß ih. Laß noch mal verfuchen! 
Es wird ihn freuen, meinft du, wirklich freuen? 


Kreufa. 
Gewiß! Er fang das Liedchen noch als Knabe, 
Als er bei uns in unferm Haufe war. 
So oft ich's hörte, fprang ich fröhlich auf, 
Denn immer war's das Zeichen feiner Heimkehr. 


Meden. 
Das Liedchen aber? 


Kreufa. 
Wohl, fo hör’ mir zu. 
Es ift nur kurz und eben nicht fo ſchön, 
Allein er wußt' es gar fo hübſch zu fingen, 
So übermüthig, trogend, ſpöttiſch faft. 
O ihr Götter, 
Ihr hohen Götter! 
Salbt mein Haupt, 
Wölbt meine Bruſt; 
Daß den Männern 
Ich obfiege, 
Und den zierlichen 
Mädchen aud. 
Aedea. 
Ja, ja, fie haben's ihm gegeben!’ 





1. Medea. Zweiter Aufzug. 195 


Kreufa. 
Bas? 
Meden. 
Des kurzen Liedchens Inhalt. 
Kreufa. 
Welchen Inhalt? 
- Aedea. 
Daß den Männern er obſiege, 
Und den zierlichen Mädchen auch. 
Areuſa. 
Daran hatt' ich nun eben nie gedacht. 
Ich ſang's nur nach, wie ich's ihn ſingen hörte. 
Medea. 
So ſtand er da an Kolchis fremder Küſte; 
Die Männer ſtürzten nieder ſeinem Blick, 
Und mit demſelben Blick warf er den Brand 
In der Unſel'gen Buſen, die ihn floh, 
Bis, lang verhehlt, die Flamme ſtieg empor, 
Und Ruh und Glück und Frieden praſſelnd ſanken, 
Bon Rauchesqualm und Feuersglut umhüllt. 
So ſtand er da in Kraft und Schönheit prangend, 
Ein Held, ein Gott und lockte, lockte, lockte, 
Bis es verlockt, ſein Opfer, und vernichtet; 
Dann warf er's hin und Niemand hob es auf. 
Areuſa. 
Biſt du ſein Weib, und ſprichſt ſo ſchlimm von ihm? 
Medea. 
Du kennſt ihn nicht, ich aber kenn' ihn ganz! 
Nur Er iſt da, Er in der weiten Welt, 
Und alles andre nichts, als Stoff zu Thaten. 





” 196 Das goldene Blick. 


Vol Selbftheit, nicht des Nußens, doch des Sinne, 
Spielt er mit feinem und ber andern Glüd: 
Lodt's ihm nah Ruhm, ſo ſchlägt er Einen tobt, 
Will er ein Weib, fo holt er Eine ſich, 
Was aud darüber bricht, was kümmert's ihn! 
Er thut nur recht, doch recht ift, mas er will. 
Du kennſt ihn nicht, ich aber fenn’ ihn ganz! 
Und dent’ ich an die Dinge, die geſchehn, 
Ich könnt' ihn fterben jehn, und laden drob. 
” Kreufa. 

Leb' wohl! 

Meden. 

Du geht? 

Kreufa. 

Soll ich dich länger hören? 
Ihr Götter! Spricht die Gattin fo vom Gatten? 

Meden. 
Nach dem er ift: der Meine that darnach! 

Kreufa. 
Beim hohen Himmel, hätt’ ich einen Gatten, 
So arg, fo ſchlimm, als deiner nimmer ift, 
Und Kinder, fein Gefchent und Ebenbild, 
Ich wollt’ fie lieben, töbteten fie mich. 


Meden. 
Das fagt fi gut, allein es übt ſich ſchwer. 
&rcufe. 
Es wär’ wohl minder füß, übt’ es fich leichter. 
Doch thue was dir gutdünkt, ih will gehn. 
Zuerft lodft du mit holdem Wort mid an 
Und fragft nad Mitteln mich, ihm zu gefallen, 





1. Meden. Zweiter Aufzug. 197 


Und nun brichſt du in Haß und Schmähung aus. 
Biel Uebles hab’ an Menſchen ich bemerkt, 
Das fhlimmfte ift ein unverföhnlic Herz. 
Leb' wohl und lerne befjer fein. 
Medra. 
Du zürnft? 
Kreufa. 


Medea. 
D gib nicht auch du mich auf! 
Verlaß mid nicht, fei du mein Schirm und Schug! 
Kreufa. 
Nun bift du mild, und erft warft du voll Haß. 
Meden. 
Der Haß gilt mir, und Jafon gilt die Liebe! 
&reufa. 
So liebft du deinen Gatten? 
Meden. 
Wär’ ich bier fonft? 
Areuſa. 
Ich ſinne nach, und doch verſteh' ich's nicht. 
Doch liebſt du ihn, bin ich dir wieder gut, 
Und ſage dir wohl ſichre Mittel an, 
Die Launen, die er hat, ich weiß es wohl, 
Wie Wolken zu zerſtreun. Laß uns nur machen! 
Ich ſah es, er war Morgens trüb und düſter, 
Doch fing ihm erſt dein Lied und du wirſt ſehn, 
Wie ſchnell er fröhlich wird. Hier iſt die Leier! 
Nicht eher laſſ' ich ab, bis du es weißt. 
(Sie fit.) 
Was fommft du nicht? Was ftehft und zögerft du? 


Beinahe. 





198 Das gofbene Blick. 


Medea. 

Ich ſeh' dich an, und ſeh' dich wieder an, 
Und kann an deinem Anblick kaum mich ſätt'gen. 
Du Gute, Fromme, ſchön an Leib und Seele, 
Das Herz, wie deine Kleider, hell und rein! 
Gleich einer weißen Taube, ſchwebeſt du, 
Die Flügel breitend, über dieſes Leben, 
Und netzeſt keine Feder an dem Schlamm, 
In dem wir ab uns kämpfend mühſam weben. 
Senf’ einen Strahl von deiner Himmelsklarheit 
In diefe wunde, ſchmerzzerrißne Bruft; 
Was Gram und Haß und Unglück hingeſchrieben, 
O löſch' es aus mit deiner frommen Hand, 
Und ſetze deine reinen Züge hin! 
Die Stärke, die mein Stolz von Jugend war, 
Sie hat im Kampfe ſich als ſchwach bewieſen: 
O lehre mich, was ſtark die Schwäche macht. 

(Sie feht ſich auf den Schemel zu Kteuſens Füßen.) 
Zu deinen Füßen will ich her mich flüchten, 
Und will dir Hagen, was fie mir gethan; 
Bil lernen, was ic) laſſen ſoll und thun. 
Wie eine Magd will ich dir dienend folgen; 
Will weben an dem Webftuhl, früh zur Hand, 
Und alles Werk, das man bei ung verachtet, 
Den Sklaven überläßt und dem Gefind, 
Hier aber übt die Frau und Herrin felbft, 
Vergeſſend, daf mein Vater Kolchis König, 
VBergeffend, daß mir Götter find als Ahnen, 
Vergefiend, mas gefchehn und mas noch droht — 

(Aufftehend, und fich entfernend.) 

Doch das vergißt ſich nicht. 





III. Medea. Zweiter Aufzug. 199 


Kreufa (ihr folgend). 
Was fiht did) an? 
Was Schlimmes auch in früh'rer Zeit gefchehn, 
Der Menſch vergißt, ad, und die Götter auch. 
Medra 
(an ihrem galfe). 
Meinft bu? D daß ich's glauben fünnte, glauben! 


Jaſon tonmt. 


Arcufa 
(id gegen ihn wendend). 
Hier dein Gemahl. Sieh, Jafon, wir find Freunde! 
Iafon. 
So, fo. 
Aedea. 
Sei mir gegrüßt. — Sie iſt ſo gut, 
Sie will Medeens Freundin fein und Lehrerin. 
Safon. 
Biel Glück zu dem Verſuch! 
Areuſa. 
Was biſt du ernſt? 
Wir wollen hier recht frohe Tage leben! 
Ich, meine Sorge zwiſchen meinem Vater 
Und euch vertheilend; du und ſie, Medea — 
Safon. 
Medeal 
Aedea. 
Was gebeutſt du, mein Gemahl? 
SIafon. 
Sahſt du die Kinder ſchon? 





200 Das goldene Vließ. 


Meden. 
Ad ja, nur erft. 
Sie find recht munter. 
Safon. 
Sieh doch noch einmal! 
Meden. 
Nur kaum erft war ich dort. 
Safon. 
Sieh doch, fieh doch. 
Medea. 
Wenn du es millft. 
Iafon. 
Ich wünſch' es. 
Meden. 
Wohl, ich gehe. 
6.) 
Areuſa. 
Was ſendeſt du ſie fort? Sie ſind ja wohl? 
Saſon. 
Ah — So, nun iſt mir leicht, nun kann ich athmen! 
Ihr Anblick ſchnürt das Innre mir zuſammen, 
Und die verhehlte Qual erwürgt mich faſt. 
&reufa, 
Was hör’ ih? D ihr allgerechten Götter! 
So ſpricht nun er, und fo ſprach vorher fie. 
Wer fagte mir denn: Gatten liebten ſich? 
Iafon. 
Ja wohl! wenn nach genügter Jugendzeit 
Der Züngling auf ein Mädchen wirft den Blid, 
Und fie zur Göttin macht von feinen Wunſchen. 





III. Meden. Zweiter Aufzug. 


Er ſpäht nach ihrem Aug’, ob es ihn trifft, 

Und trifft’s ihn, tft er froh in feinem Sinn; 

Zum Vater gebt er und zur Mutter bin, 

Und wirbt um fie, und jene ſagen's zu. 

Da ift ein Felt, und die Verwandten fommen, 

Die ganze Stadt nimmt an dem Jubel Theil. 

Mit Kränzen reich gefhmüdt und lichten Blumen, 

Führt er die Braut zu Tempel und Altar. 

Erröthend und in holdem Schauer bebend 

Vor dem, was fie dody wünjcht, tritt fie einher; 

Der Bater aber legt die Hände auf, 

Und fegnet fie und ihr entfernt Gejchlecht. 

Die fo zur Freite gehn, die lieben fidh: 

Mir war e3 auch beftimmt, doch Tam es nicht! 
Was hab’ ich denn getban, gerechte Götter! 

Daß ihr mir nahmt, was ihr dem Aermſten gebt, 

Ein Schmerzafyl an feinem eignen Herd, 

Und zur Bertrauten, die ihm angetraut! 


Kreufe. 
So haft du nicht gefreit, wie andre freien? 
Der Bater hob die Hand nicht fegnend auf? 


Jafon. 
Er bob fie auf, doch mit dem Schwert bewaffnet, 
Und ftatt des Segens gab er uns den Fluch. 
Allein ich hab’ ihm's tüchtig rüdgegeben; 
Sein Sohn ift tobt, er felber ftumm und todt, 
Sein Fluch nur lebt — zum mind'ſten fcheint es fo! 
Kreuſa. 
Wie können wen'ge Jahre doch verwandeln! 
Wie warſt du ſanft, und wie biſt du ſo rauh! 
Ich ſelber bin dieſelbe, die ich war; 


201 





202 Das goldene Blick. 


Was damals ich gewollt, will ich noch jeht, 
Was da mir gut erfchien, erſcheint mir's noch, 
Was tadelnswerth, muß ich noch jetzo tabeln; 
Mit dir ſcheint's anders. 


Safon. 

Sa, du triffft den Punkt! 
Es ift des Unglüds eigentlichftes Unglüd, 
Daß jelten d'rin der Menſch fich rein bewahrt. 
‚Hier gilt's zu lenken, dort zu biegen, beugen, 
Hier rüdt das Recht ein Haar und bort ein Gran, 
Und an dem Ziel ver Bahn fteht man ein Anbrer, 
Als der man war, da man_ben Lauf begann; 
Und dem Verluſt der Achtung diefer Welt 
Fehlt noch der einz'ge Troft, die eigne Achtung. 
Ich babe nichts gethan, was ſchlimm an fid, 
Doc viel gewollt, gemöcht, gewünfcht, getrachtet; 
Still zugefehen, wenn es andre thaten; 
Hier Uebles nicht gewollt, doch zugegriffen 
Und nicht bebacht, daß Uebel ſich erzeuge; 
Und jeßt fteh’ ich vom Unheilsmeer umbrandet, 
Und fann nicht jagen: Ich hab's nicht gethan! 
D Jugend, warum währft du ewig nicht? 
Beglüdend Wähnen, feliges Vergefien, 
Der Augenblid des Strebens Wieg’ und Grab! 
Wie plätfchert' ih im Strom der Abenteuer, 
Die Wogen theilend mit der ſtarken Bruft: 
Doch kommt das Mannesalter ernft geichritten, 
Da flieht der Schein; die nadte Wirklichkeit 
Schleicht ftill heran und brütet über Sorgen. 
Die Gegenwart ift dann fein Fruchtbaum mehr, 
In defien Schatten man genießend ruht, 


II. Medea. Zweiter Aufzug. 203 


Sie ift ein unangreifbar Samenkorn, 
Das man vergräbt, daß eine Zukunft ſproſſe. 
Was wirft du thbun? Wo wirft du fein und wohnen? 
Mas wird aus dir? Und was aus Weib und Kind? 
Das fällt und an und quält ung ab und ab. 

(Er jest id.) 


Arceufa. 
Was forgft du denn? Es ift für dich geforgt. 


Jaſon. 
Geſorgt? O ja, wie man dem Bettler wohl 
Den Napf mit Abhub an die Schwelle reicht. 
Bin ich der Jaſon und brauch' Andrer Sorge? 
Muß unter fremden Tiſch die Füße ſetzen, 
Mit meinen Kindern betteln gehn zu fremdem Mitleid? 
Mein Vater war ein Fürſt, ich bin es auch, 
Und wer iſt, der dem Jaſon ſich vergleicht? 
Und doch — 
(Er if aufgeſtanden.) 

Ich Fam den lauten Markt entlang 
Und durch die weiten Gaflen eurer Stadt — 
Weißt du noch, wie durch fie ich prangend fahritt, 
Als ich vor jenem Argonautenzug 
Hierher Tam, von euch Abſchied noch zu nehmen? 
Da walten fie in dicht gebrängten Wogen 
Bon Menihen, Wagen, Pferden, bunt gemengt; 
Die Dächer trugen Schauende, die Thürme, 
Und wie um Schäße ftritt man um den Raum. 
Die Luft ertönte von der Zimbel Lärm 
Und von dem Lärm der Heil zufchrei'nden Menge; 
Dicht drängt fie fih rings um die edle Schaar, 
Die, reich geſchmückt, in Panzers hellem Leuchten, 





204 Das gofdene lich. 


Der Mindeſte ein König und ein Held, 

Den edlen Führer ehrfurchtsvoll umgaben; 

Und ich war's, der fie führte, ich ihr Hort, 

Ich, den das Volk in lautem Jubel grüßte. — 

Jetzt, da ich durch diefelben Straßen ging, 

Traf mic) Fein Aug’, fein Gruß, fein Wort! 

Nur als ich ftand, und rings bes um mich ſah, 

Meint’ Einer, es fei ſchlechte Sitte, fo 

In Weges Mitte ftehn und Andre ftören. 
Areuſa. 

Du wirft dich wieder heben, wenn du millft. 
Iafon. 

Mit mir iſt's aus. ch hebe mich nicht mehr. 
&reufe. 

Ich weiß ein Mittel, wie dir's wohl gelingt. 
Safon. 

Das Mittel müßt’ ich wohl, doch ſchaffſt du mir's? 

Mach’, daß ich nie der Väter Land verlaffen, 

Daß ich bei euch hier in Korinthos blieb; 

Daß ich das Vließ, ih Koldis nie gefehn, 

Ich nie gefehen fie, die nun mein Weib. 

Mad, daß fie heimfehrt in ihr fluchbelad'nes Land, 

Und die Erinn’rung mitnimmt, daß fie da geweſen; 

Dann will ich wieder Menſch mit Menſchen fein. 
£&rceufa. 

Das wär's allein? Ich weiß ein andres Mittel: 

Ein einfach Herz und einen ftillen Sinn. - 
Safon. 

Ja, wer von bir das lernen könnte, Gute! 





III. Medea. Zweiter Aufzug. 205 


Mreuſa. 
Die Götter geben's jedem, der nur will; 
Auch dir war's einſt und kann es wieder werden. 
| Safon. 
Denkſt du noch manchmal unfrer Jugendzeit? 
Kreuſa. 
Gar oft und gern erinnr' ich mich an ſie. 
Safon. 
Wie wir ein Herz und eine Seele waren. 
Arcufa. 
sch machte milder di, und du mich Fühn. 
Weißt du, wie ich den Helm auf3 Haupt mir feste? 
3afon. 
Er war zu weit, du hieltſt ihn, fanft gebudt, 
Mit Heinen Händen ob den goldnen Locken. 
Kreufa, es war eine fchöne Zeit! 
Kreuſa. 
Und wie mein Vater ſich darüber freute. 
Er nannt' uns ſcherzend Bräutigam und Braut. 
Jaſon. 
Es kam nicht ſo. 
Kreuſa. 
Wie manches anders kommt, 
Als man's gedacht. Allein was thut's? 
Wir wollen d'rum nicht minder Freunde ſein! 


Meden lommt zurück. 


Medea. 
Die Kleinen ſind beſorgt. 





206 Das gofbene Blick. 


Iafon. 
Nun, es ift gut. 
(Bortfahrend.) 
Die fhönen Orte unfrer Jugendluft, 
An die Erinn’rung Inüpft mit leifen Fäden, 
Ich habe fie durchgangen, da ich kam, 
Und Bruft und Lippen Fühlen eingetaucht 
Im friſchen Born der hellen Kinberzeit. 
Ich war am Markt, wo id) den Wagen Ientte, 
Das raſche Roß dem Ziel entgegen trieb, 
Den Fauſtſchlag wechſelnd mit dem Gegner rang; 
Indeß du ftandft und ſahſt, erſchrackſt, und zürnteft, 
Um meinetwillen jevem Gegner feind. 
Ich war im Tempel, two vereint wir Inieten, 
Hier nur allein einander uns vergefjend, 
Und unfre Lippen zu den Göttern fandten, 
Aus zweier Bruft ein einzig, einig Herz. 
Krcufa. 
So weißt du denn das alles noch fo gut? 
Iafon. 
Ich fauge Labung d’raus mit vollen Zügen. 
Medea 
Cie il hingegangen it, und die weggelegte Leier ergriffen hat). 
Jaſon, ich weiß ein Lied. 
Iafon. 
Und dann der Thurm! 
Weißt du den Thurm dort an ber Meeresküfte, 
Wo du mit deinem Vater ftanbft und meinteft, 
Als ich das Schiff beftieg zum meiten Zug? 
Ich hatte da fein Aug’ für deine Thränen, 
Denn nur nad) Thaten bürftete mein Herz. 





IM. Medeo. Zweiter Aufzug. 


Ein Windftoß löste deinen Schleier los 
Und marf ihn in die See, ih fprang darnach, 
Und trug ihn mit mir fort, dir zum Gedächtniß. 
Kreufa. 
Haft du ihn noch? 
Saſon. 
Den? nur, fo manches Jahr 
Berging ſeitdem und nahm dein Pfand mit fi: 
Der Wind hat ihn vertveht. 
Medea. 
Ich weiß ein Lieb. 
Iafon. 
Du viefft mir damals zu: Leb' wohl, mein Bruber! 


&reufa. 
Und jegt ruf ich: Mein Bruder, fei gegrüßt! 
Meden. 
Jaſon, ich weiß ein Lieb. 
Kreufa. 
Sie weiß ein Lieb, 
Das du einft fangft; hör’ zu, fie fol dir's fingen. 
Saſon. 
Ja ſo! Wo war ich denn? Das klebt mir an 
Aus meiner Jugendzeit, und ſpottet meiner, 
Daß gern ich manchmal träumen mag und ſchwatzen 
Von Dingen, die nicht ſind, und die nicht werden; 
Denn wie der Jüngling in der Zufunft lebt, 
So lebt der Mann mit der Vergangenheit, 
Die Gegenwart weiß Feiner recht zu leben. 
Da war id jet ein thatenkräft'ger Held, 


207 





208 i Das goldene Blick. 


Und hatt’ ein liebes Weib, und Gold und Gut, 
Und einen Ort, wo meine Kinder fchlafen. 

(Zu Medea.) 
Was alfo willft du denn? 

Kreufa. . 

Ein Lied dir fingen, 

Das du in deiner Jugend fangft bei ung. 

sSafon. 
Und das fingft bu? 

Aedea. 

So gut ich kann. 
Saſon. 
Ja wohl! 

Willſt du mit einem armen Jugendlied 
Mir meine Jugend geben und ihr Glück? 
Laß das! Wir wollen aneinander halten, 
Weil's einmal denn ſo kam, und wie ſich's gibt, 
Doch nichts von Liedern und von derlei Dingen! 

Areuſa. 
Laß ſie's doch ſingen! Sie hat ſich geplagt 
Bis ſie's gewußt, und nun — 


Saſon. 
So ſinge, ſing! 
Areuſa. 
Die zweite Saite, weißt du noch? 
Medea 
(mit der Hand ſchmerzlich über die Gtirne ſiteichend) 
Vergefien! 
Iafon. 


Siebft du, ich ſagt' es wohl, es geht nun nicht! 





IH. Medeo. Zweiter Aufzug. 209 


An andres Spiel ift ihre Hand gewohnt: 
Den Drachen fang fie zaub’rif in den Schlaf, 
Und das klang anders als bein reines Lied. 


Kreufa (infüfernd). 
D ihr Götter! 
Ihr hohen Götter! 


Medea (nacfagend). 
D ihr Götter — * 
Ihr hohen, ihr gerechten, ftrengen Götter! 
(Die Leier entfät ihr, fie flägt beibe Hände vor die Augen.) 


&reufa. 
Sie weint. Wie fannft du doch fo hart fein und fo wild. 


Iafon 

(fe zurüdpaftent). 
Laß fie! Kind, du verftehft uns Beibe nicht! 
Es ift der Götter Hand, was fie nun fühlt; 
Auch hier gräbt fie, auch hier mit blut'gen Griffen. 
Greif du nicht in der Götter Richteramt! 
Hätt’ft du fie dort gefehn im Dradenforft, 
Wie fie fi) mit dem Wurm zur Wette bäumte, 
Voll Gift der Zunge Doppelpfeile ſchoß, 
Und Haß und Tod aus Flammenaugen blidte; 
Dein Bufen wär’ geftählt gen ihre Thränen. 
Nimm du die Leier, und fing’ mir das Lieb, 
Und bann’ den Dämon, der mid; würgend quält, 
Du kannſt's vielleicht, doch jene nicht. 


Kreufa. 
Recht gern. 
(Sie will die Leier aufpeben.) 
Grillparger, fämmtl, Verte. II. 1 





210 Das goldene Vließ. 


Medea 
(ihren Arm ober der Hand fafiend und fie abhaltend). 
Halt’ ein! 
(Sie hebt mit der andern Hand die Feier auf.) 
Kreufa. 
Recht gern, fpielft du es felber. 
Meden. 
. Nein! 
Safon. 
Gibft du fie nit denn? 
Meden. 
Nein! 
Iafon. 
Auch mir nicht? 
Medca. 
Nein! 
Safon 
(Hingutretend und nach der Leier greifend). 
Ich aber nehme fie. 
Aedea 
(CEhne ih vom Platz zu bewegen, die Leier zurüchiehend). 
Umfonft! 
Safon 
(ihre zurüdziehende Hand mit der feinigen verfolgend). 
Gib! 
Medea 
@ie Leier im Zurädziehen zufammendrüdend, daß fie krachend jerbridt). 


Hier! 
Entzwei! 
(Die zerbrochene Leier vor Areuſa hinwerfend.) 
Entzwei die ſchöne Leier! 





III. Meden. Zweiter Aufzug. 211 


Areuſa 
Entſett zurüdfahrend). 
Todt! 
Aedea J 
(«af& umblidend). 
Wer? — Ich Iebe! — lebe! 
(Sie Reht da Hoc emporgehoben vor ih hinflarrend.) 
Gon außen ein Trompetenfoß.) 
Safon. 
Ha, was ift das? — Was fteht du fiegenb ba? 
Dich reut noch, glaub’ ich, diefer Augenblid. 
(Roh ein Trompetenfof.) 


Der König tommt raſch zur Tpüre herein. 
Iafon 


(ihm entgegen). 
Was fünbigt an der Friegeriihe Schall? 
König. 
Unfeliger, du fragft? 
fon. 
Ich frage, Herr! 
König. 
Der Streih, den ich gefürchtet, ift gefallen. 
Ein Herold fteht vor meines Haufes Pforten, 
Vom Stuhl hierher gefandt der Amphiktyonen; 
Er fragt nad) dir, und hier nach deinem Weib, 
Den Bann ausrufend in des Himmels Lüfte! 
Safon. 
Aud das no! 
König. 
Alfo wär's — Doc ftill, er naht. 


Me 
= 

’ x 

. 


v 


212 Das goldene Vließ. 


Die Pforten Öffnen ſich, ein Herold tritt herein, Hinter ihm zwei 
Hornbläfer, weiter zurüd mehreres Gefolge. 


Herold. 
Die Götter und ihr Schuß in diefes Haus! 
König (feierlich). 
Wer bift du, und was ſuchſt du bier bei mir? 
Herold. 
Ein Gottesherold bin ich, abgefandt 
Vom uralt heil’gen Stuhl der Amphiktyonen, 
Der ſpricht in Delphis bochgefreiter Stadt; 
Mit Bann verfolg’ ich und mit Racheſpruch 
Die ſchuldigen Verwandten König Pelias, 
Der einft auf Jolkos ſaß, nun aber tobt ift. 
König. 
Sudjft du die Schuld’gen, ſuche fie nicht hier, 
In feinem Haus, bei feinen Kindern ſuch' fie. 
Herold. 
Ich fand fie bier und fo ſprech' ich fie an: 
Fluch Jaſon dir! Fluch dir und deinem Weib! 
Berruchter Künfte bift du angeklagt, 
Der Schuld an deines Oheims dunklem Tod. 


Jaſon. 

Du lügſt, nicht weiß ich um des Königs Sterben! 
Serold. 

Frag' dieſe dort, die weiß es beſſer wohl. 

| Safon. 

That fie'3? 
Herold. 


Nicht mit der Hand; durch Künfte, die ihr Fennt, 
Die ihr herüber brachtet aus dem fremben Lande. 


a 
\ 


II. Meden. Zweiter Aufzug. 


Denn als der König krank — vielleicht ſchon da ein Opfer, 


So feltfam waren feiner Krankheit Zeichen — 

Da traten feine Töchter zu Medeen hin, 

Um Heilung flehend von der Heilerfahr'nen; 

Sie aber fagt’ es zu und ging mit ihnen. 
Safon. 

Halt! fie ging nicht! Ach wehrt” es, und fie blieb. 
Herold. 

Das erftemal. Doch als die Mädchen d'rauf, 

Dir unbewußt, zum zweitenmal ihr nahten, 

Da ging fie mit, allein das goldne Vließ, 

Das ihr ein Greu'l fei, ein verberblich Zeichen, 

Als Preis der fihern Rettung fich bedingend. 

Die Mädchen aber ſagen's ihr voll Freude zu, 

Und fie tritt ein beim König, wo er fchlief. 

Geheimnißvolle Worte ſprach fie aus, 

Und immer tiefer finkt der König in den Schlaf. 

Das böfe Blut zu bannen, heißt dem Herrn fie 

Die Adern öffnen, und auch das gefchieht; 

Er athmet leichter, ala man ihn verband, 

Und froh find Schon die Töchter der Genefung. 

Da ging Medea fort, von dannen, wie fie fagte, 

Und auch die Töchter gehn, da jener. jchlief. 

Mit Eins ertönt Gefchrei aus feiner Kammer, 

Die Mädchen eilen hin und — gräßlidh! greulidh! 

Der Alte lag am Boden, mild verzerrt, 

Geiprungen die Verbande feiner Adern, 

In Ichwarzen Güffen ftrömend hin fein Blut. 

Am Altar lag er, wo das Vließ gehangen, 

Und das war fort. Die aber ward gejehen, 

Den goldnen Schmud um ihre Schulter tragend, 

Zur jelben Stunde jchreitend durd die Nacht. 





214 Dos goldene Blick, 


Medea 
@umpf vor fih hin). 
Es war mein Lohn. 
Mich fehaubert, dent’ ich an des alten Mannes Wutb. 


Herold. 
Damit nun folder Greu'l nicht länger währe, 
Und unfer Land mit feinem Hauch vergifte, 
So ſprech' id} aus hiemit den großen Bann 
Ob Jafon, dem Theflalier, Aefons Sohn, 
Genof' einer Verruchten, felbft verrucht, 
Und treib’ ihn aus, kraft meines heil’gen Amts, 
Aus von der Griechen gottbetretner Erde, 
Und weil ihn in das Jrrfal, in die Flucht; 
Mit ihm fein Weib und feines Bettes Sproffen. 
Kein Theil fei ihm am vaterländ ſchen Boden, 
An vaterländ’ihen Göttern ihm fein Theil, 
" Kein Theil an Schub und Recht des Griechenlandes. 
(Rad den Himmelsgegenden.) 
Verbannt Jafon und Medea! 
Medea und Jafon verbannt! 
Verbannt! 
Jafon und Mebea! 
Wer aber ihn beherbergt, ihn beſchützt, 
Von hier nad) dreien Tagen und drei Nächten, 
Dem künd' id Tod, wenn es ein Einzelmann, 
Und Krieg, wenn's eine Stabt, wenn es ein König! 
So fügt’s der Richterfprud) der Amphiktyonen 
Und fo verfünd’ ich es zu Recht, 
Damit ein Jeder wiſſe fi) zu wahren. 
Die Oötter und ihr Schuß in diefes Haus! " 
(Gr wendet fih zum Abgehen.) 





ME. Medes. Zieiter Aufzug. 


Iafon. 
Was fteht ihr da, ihr Mauern? ftürzet ein, 
Erfpart die Müh’ dem König, mich zu töbten! 
König. 

Halt’ ein, o Herold, und vernimm noch bieß! 

(Zu Jafon gewendet.) 
Glaubft du, mich reute ſchon, was ich gelobt? 
Glaubt’ ih di fhuldig, und wärft du mein Sohn, 
Ich gäbe hin dich jenen, die dich ſuchen; 
Doc du biſt's nit, und fo beſchütz' ich dich. 
Bleib’ hier! Wer aber wagt es, Kreons Freund, 
Für deffen Unſchuld er fein Wort verpfänbet, 
Wer wagt e8, meinen Eidam anzutaften? 
Ja Herold, meinen Eidam, meiner Tochter Gatten! 
Was einft beſchloſſen ward in frühern Tagen, 
In Tagen feines Glüds; ich führ' es aus, 
Seht da des Unglüds Wogen ihn umbranden. 
Sie fei dein Weib, du bleibft bei deinem Vater; 
Alfo vertret' ich’ vor den Amphiktyonen. 
Und wer befehuldigt no, wen Kreon frei ſprach, 
Frei ſprach durch feiner eignen Tochter Hand? 
Das fag’ du jenen, bie dich hergefandt, 
Und in der Götter Schuß fei nun entlaffen. 

(Der Herold gebt.) 
Doc diefe, die die Wildniß ausgefpien, 
Zu beinem, aller Frommen Untergang, 
Sie, die die Greu'l verübt, der man bich zeiht, 
Sie bann’ id) aus des Landes Grenzen fort, 
Und Tod ihr, trifft der Morgen fie noch hier! 
Zieh’ hin aus meiner Väter frommen Stabt 
Und reinige die Luft, die du verpeſteſt! 


215 





7 


216 Das goldene Vließ. 


Medea. 
Das alſo wär's? Mir gält' es, mir allein? 
Ich aber ſag' euch, ich hab's nicht gethan. 
König. 
Genug baft bu verübt, feit er dich fab; 
Hinweg aus meinem Haus, aus meiner Stadt! 
Medea (wm Jaſon). 
Und muß ich fort? nun wohl, ſo folge mir! 
Gemeinſam wie die Schuld, ſei auch die Strafe! 
Weißt noch den alten Spruch? Allein ſoll keines fterben; 
Ein Haus, Ein Leib und Ein Verderben! 
Im Angeſicht des Todes ſchwuren wir's; 
Jetzt halt' es, komm! 
Safon. 
Berührft du mi? 
Laß ab von mir, du meiner Tage Fluch! 
Die mir geraubt mein Leben und mein Glüd; 
Die ich verabfcheut, wie ich dich gefehn, 
Nur thöricht Liebe nannte meines Weſens Ringen! 
Heb’ dich hinweg, zur Wildniß, deiner Wiege, 
Zum blut'gen Bolf, dem du gehört und gleichſt. 
Doch vorher gib mir wieder, was du nahmft; 
Gib Jaſon mir zurüde, Frevlerin! 
Meden. 
Zurüd willft du den Jaſon? — Hier! — Hier nimm ihn! — 
Allein wer gibt Medeen mir, wer mid? 
Hab’ ich dich aufgeſucht in deiner Heimath? 
Hab’ ih von deinem Vater dich gelodt? 
Hab’ ich dir Liebe auf:, ja aufgedrungen? 
Hab’ ich aus deinem Lande dich gerifien, 
Dich preisgegeben Fremder Hohn und Spott? 





III. Medea. Zweiter Aufzug. : 217 


Di aufgereizt zu Freveln und Verbrechen? 

Du nennft mich Frevlerin? — Weh mir! ich bin’s! 
Doc wie hab’ ich gefrevelt, und für wen? 

Laß diefe mich mit gift'gem Haß verfolgen, 
Bertreiben, tödten, dieſe thun’s mit Recht, 

Denn ich bin ein entfeglih, greulich Wefen, 

Mir felbft ein Abgrund und ein Schredenbild; 
Die ganze Welt verwünſche mi, nur du nicht! 
Du nicht, der Greuel Stifter, einz'ger Anlaß du! 
Weißt du noch, wie ich deine Knie’ umfaßte, 

Als du das blut’ge Vließ mich ftehlen hiekeft; 
‘ch mich zu töbten eher mich vermaß 

Und du mit faltem Hohne herrichteft: Nimm's! 
Weißt du, wie ich den Bruder hielt im Arm, 
Der todesmatt von deinem grimmen Streich, 

Bis er ſich losriß von der Schwefter Bruft, 


Und deinem Troß entrinnend, Tod in Wellen fuchte? 
Weißt du? — Komm her zu mir! — Weich’ mir nicht aus! 


Verbirg nicht hinter jene dich wor mir! 
Safe n (vortretend). 
Ich haſſe, doch ich ſcheu' dich nicht! 
Meden. 


Sp fomm! 
(Halblaut.) 


Weißt's du? — Sieh’ mich nicht fo verachten an! — 


Wie du den Tag vor deines Oheims Tod, 
Da eben feine Töchter von mir gingen, 

Die rathlos ich auf dein Geheiß entliep; 
Wie du zu mir in meine Kammer tratft, 
Und mit den Augen jo in meine fchauend, 
Als ſäh' ein Vorſatz, fcheu in dir verborgen, 
Nach feines Gleichen aus in meiner Bruft, 





218 Das goldene Blick. 


Wie du da fagteft: Daß zu mir fie kämen 

Um Heilung für des argen Vaters Krankheit, 

Ich wollt’ ihm einen Labetrunk bereiten, 

Der ihn auf immer heilen ſollt' und mich! 

Weißt du? Sieh mir ins Antlig, wenn du's wagſt! 
Safon. 

Entfeglihe! Was raſeſt du gen mich? 

Machſt mir zu Weſen meiner Träume Schatten, 

Hältft mir mein Ich vor in bes beinen Spiegel, 

Und rufft meine Gedanken wider mich? 

Nichts weiß ich, nichts von deinem Thun und Treiben, 

Verhaßt war mir von Anfang her dein Wefen, 

Verflucht hab’ ich den Tag, da ich dich fah, 

Und Mitleid nur hielt mich an deiner Seite: 

Nun aber fag ih mich auf ewig von bir los, 

Und fluche dir, wie ale Welt dir flucht. 


Medea. 
Nicht ſo, mein Gatte, mein Gemahl! 

Safön. 
Weg da! 

Meden. 


ALS mir's mein greifer Vater drohte, 

Verſprachſt du, nie mich zu verlaſſen; halt's! 
3afon. 

Selbſt haft du das Verſprechen dir verwirkt, 

Ich gebe hin dich deines Vaters Fluch! 
Medea. 

Verhaßter, komm! Komm, mein Gemahl! 
Saſon. 

Zurüd! 





. 219 


IL. Meden. Zweiter Aufzug. 


Aedea. 
In meinen Arm! fo haft du's ja gewollt! 

Safon. 
Zurüd! Sieh hier mein Schwert! Ich töbte dich, 
Wenn du nicht weichft! 

Meden 

(immer näher tretend). 
Triff immer, triff! 
A reu ſa Gu daſon). 
Halt ein! 
Laß ſie in Frieden ziehn! Verletz' ſie nicht! 
Medea. 

Du auch hier? weiße, ſilberhelle Schlange? 
D ziſche nicht mehr, züngle nicht fo lieblich, 
Du Haft ja, was bu mollteft, den Gemahl! 
Barr’s darum, daß du dich fo ſchmeichelnd wand'ſt, 
Un deine Ringe fhlangft um meinen Hals? 
D Hätt ich einen Dolch, ich wollte dich, 
Unx D deinen Vater, den gerechten König! 
Dexxum fangft du fo holde Weiſen? 


Darxım gabft du mir Saitenfpiel und Kleid? 
(Ihren Mantel abreißend.) 


Hürumeg! Fort mit den Gaben ber Verruchten! 
(Zu Jafon.) 
Sie! wie ich diefen Mantel durch bier reife, 
Und einen Theil an meinen Bufen drüde, 
Den andern bin bir werfe vor die Füße, 
Alf zerreiß' ich meine Liebe, unfern Bund. 
Was draus erfolgt, das werf' ich dir zu, dir, 
Den Frevler an des Unglüds heil'gem Haupt. 
bt meine Kinder mir und laßt mich gehn! 





220 Das goldene Blick. 


König. 
Die Kinder bleiben hier. 

Aeden. 

Nicht bei der Mutter? 

König. ' 

Nicht bei der Frevlerin! 
Meden (m Jeſom. 

So fagft auch du? 

Safon. 
Auch ih! 

Meden 

(gegen die Thin). 
So hört ihr Kinder mid! 
König. 
Zurüd. 

Meden. 
Allein gehn heißt ihr mich? Wohlan, es feil 
Doch fag’ ich euch: Bevor der Abend graut, 
Gebt ihr die Kinder mir. Für jet genug! 
Du aber, die bier gleißend fteht, und heuchelnd 
In falfcher Reinheit niederſieht auf mic, 
Ich fage dir, bu wirft die weißen Hände ringen, 
Medeens Loos beneiden gegen bein’. 

Safon. 
Wagſt du’s? 

König. 

Hinweg! 

Meden. 

Ich geh, doch komm’ ich wieder, 
Und hole das was mir, und bring mas eud gebührt. 





IH. Medea. Zweiter Aufzug. 221 


König. 
Was fol fie drohen uns ins Angefiht? 
Wenn Worte nit — 
(Zu den Trabanten.) 
Lehrt ihr fie, mas zu tbun! 
Meden. 
Zurüd! Wer wagt's Mebeen zu berühren? 
Merk’ auf die Stunde meines Scheidens, König, 
Du fahft noch keine fchlimmre, glaube mir. 
Gebt Raum! Ich geh! Die Rache nehm’ ich mit! 
m.) " 
König. 
Die Strafe wenigftens, fie folget dir! 
(Zu Areufa.) 
Du zittre nicht, wir ſchützen dich vor ihr! 
Kreufa. 
Ich finne nur, ob recht ift, was wir thun; 
Denn thun wir recht, wer lünnte uns dann ſchaden? 


Der Vorhang fällt. 





Dritter Aufzug. 


Vorhof von Kreond Burg. Im Hintergrunde der Eingang bon 
des Königs Wohnung, rechts an ben Seitenwänben ein Säulen: 
gang zu Medeens Aufenthalt führend. 


Meder, im Borgrunde fiehend, Bora weiter zurid mit einem Diener 
des Königs ſprechend. 


Gora. 
Sag' du dem Könige: 
Medea nehme Botſchaft von Sklaven nicht. 
Hab’ er Werbung an fie, 
Komm er felbit; 
Vielleicht hört fie ihn. 
(Der Diener ab.) 

Gor a (ortreten). 
Sie meinen, du würdeſt gehn, 
Den Haß bezähmend und die Rache; 
Die Ihörichten! " 
Oder wirft du es? Wirft du's? 
Faft glaub’ ih, du thuſt's; 
Denn nicht Medea bift du mehr, 
Des Kolderfönigs königlicher Sproß, 
Der erfahrnen Mutter erfahrnere Tochter; 





I. Medea. Dritter Aufzug. 


Hätteſt du fonft. geduldet, getragen, 
So lange! bis jegt? 
Meden. 
Hört ihr's, Götter? Geduldet! getragen! 
So lange! bis jegt! 
Gora. 
Ich rieth dir, zu weichen, 
Da du noch weilen wollteſt, 
Berblendet, umgarnt; 
Als nod nicht gefallen der Streich, 
Den ich vorherfah, warnend dir zeigte; 
Aber nun fag’ ich: bleib! 
Sie follen nicht lachen der Kolcherin, 
Nicht fpotten des Bluts meiner Könige; 
Herausgeben die Kleinen, 
Die Schößlinge der gefällten Königseiche, 
Der fterben, fallen, 
In Orauen, in Naht! — 
Wo haft du dein Geräth? 
Der was befchlieheft bu? 
Medea. 
Erſt meine Kinder will ich haben, 
Das andre findet ſich. 
Gora. 
So gehſt du denn? 
Aedea. 
Ich weiß es nicht. 
Gora. 
Lachen werden ſie dein! 
Aedea. 
Lachen? Nein! 


228 





224 Das goldene Blick. 


Gora. 
Was alſo ſinneſt du? 


Medea. 
Ich geb' mir Mühe, nichts zu wollen, zu denken; 
Ob dem ſchweigenden Abgrund 
Brüte die Nacht. 
Gora. 
Und wenn du flöheſt, wohin? 
Acede a (Nhmenlig). 
Wohin? Wohin? 
Gora. 
Hier Lands iſt nicht Raum für uns, 
Die Griechen, ſie haſſen, ſie tödten dich! 
Aedta. 
Tödten? Sie mich? Ich will fie tödten, ich! 
Gora. 
Auch daheim in Kolchis wartet Gefahr! 
Medea. 
O Kolchis! Kolchis! D Vaterland! 


Gora. 
Du haſt wohl gehört, dir ward wohl Kunde, 
Daß dein Vater geſtorben, bald darnach, 
Als du Kolchis verließeſt, dein Bruder fiel? 
Geſtorben? Es klang anders, däucht mir: 
Daß er, den Schmerz anfaſſend, wie ein Schwert, 
Gen ſich ſelber wüthend, den Tod ſich gab. 


AMfedea. 
Was trittſt du in Bund mit meinen Feinden, 
Und töbteft mich? 


i B 


II. Medea. Dritter Aufzug. 225 


Bora. 
Nun, fiehſt du wohl; 

Ich bab’ dir's gejagt, dich gewarnt. 
Flieh die Fremden, jagt’ ich dir, 
Bor allen aber ihn, der fie führt, 
Den glattzüngigen Heuchler, den VBerräther ! 

MAedea. 
Den glattzüngigen Heuchler, den Verräther! 
Sagteſt du ſo? 

Gora. 

Wohl ſagt' ich's! 
Aedea. 
Und ich glaubte dir nicht? 

Gora. 
Glaubteſt mir nicht, und gingſt ins Todesnetz, 
Das nun zuſammenſchlägt über dir. 


Meden. 
Glattzüngiger Heuchler! Das ift dag Wort! 
Hätteft du fo gefagt, ich hätt's erkannt: 
Ober du nanntelt ihn Feind, und verhaßt und abfcheulidh; 
Gr aber war jehön und freundlid, und ic) haßt' ihn nicht. 
Gore. 
So liebft du ihn? 

Meden. 

Ich? Ihn? 

Ih haſſ' ihn, verabjcheu’ ihn, 
Mie die Falfchheit, ven Verrath, 
Wie das Entfeglichfte, wie mid! 

Gora. 
So ſtraf' ihn, triff ihn! 
Räche den Vater, den Bruder, 

Grillparzer, fämmtl. Werte. IM. 15 


s | | i 


226 Dad goldene Bließ. 


Unfer Baterland, unfre Götter, 
Unfre Schmach, mid, did! 
Medea. 
Erſt meine Kinder will ich haben, 
Das Andre deckt die Nacht. — 
Was glaubit du? wenn er daherzög' 
‘m feierlichen Brautgeleit, 
Mit ihr, die ich bafle: 
Und vom Giebel des Haufes entgegen 
Flög' ihm Medea, zerjchmettert, zerſchellt. 
Gora. 
Der ſchönen Rache! 
Medea. 
Oder an Brautgemachs Schwelle 
Läge ſie todt in ihrem Blut, 
Bei ihr die Kinder, Jaſons Kinder, todt. 
Gora. 
Dich ſelber trifft deine Rache, nicht ihn. 
Medea. 
Ich wollt', er liebte mich, 
Daß ich mich tödten könnte ihm zur Qual! — 
Oder ſie? Die Falſche! Die Reine! 
Gora. 
Näher triffſt du ſchon. 
Medea. 
Still! ſtill! 
Hinab, wo du herkamſt, Gedanke, 
Hinab in Schweigen, hinunter in Nacht! 
(Sie verhüllt fi.) - 
Gora. 
Die andern alle, die mit ihm zogen 


11. Medea. Dritter Aufzug. 


Den frevelnden Argonautenzug, 

Alle haben fie, rächend, ftrafend, 

Die vergeltenden Götter erreicht; 

Alle fielen in Tod und Schmad). 

Er nur fehlt noch — und wie lang? 
Täglich hör’ ich, emfig horchend, 

Hoch mich erlabend, mie fie fallen, 

Fallen der Griechen ftrahlende Söhne, 
Die aus Kolchis vom Raube gekehrt. 

Den Orpheus erichlugen tbrafifche Weiber; 
Hylas verfank im Wellengrab; 

Thefeus, Pirithous ftiegen hinab 

In des Aides finitere Wohnung, 

Der Schatten gewaltigem Herrn zu rauben 
Die ftrahlende Gattin Perjephoneia, 

Doch der fing fie, und hält fie gefangen 
In ebernen Ketten, in ewiger Nadıt. 


Medea 

(raſch den Mantel vom Geſicht ziehend). 
Weil ſie kamen das Weib zu rauben? 
Gut! Gut! — So that auch Er, that mehr noch! 


Gora. 

Dem Herafles, der fein Weib verließ, 
Bor anderer Liebe gelodt, | 
Sandte fie rächend ein leinen Gewand; 
AS er das anthat, ſank er dahin 

In Qual und Angft und Todesſchmerz, 
Denn fie hatt’ es heimlich beftrichen 

Mit argem Gift und ſchnellem Top. 

Hin ſank er, und des Deta waldiger Rüden 

Sah ihn vergehn, in Flammen vergehn! 


7 





228 Das goldene Bließ. 


Meden. 
Und fie felbft webt' e8, das Gewand? 
Das tödtliche? 
&ora. 
Sie ſelbſt! 
Meden. 
Sie felbft! 
Gora. 
Des Meleager rauhe Gewalt, 
Des kaledoniſchen Eberbezwingers, 
Tödtet' Althea, die Mutter, das Kind. 
Medea. 
Verließ ſie der Gemahl? 
Gora. 
Er erſchlug ihren Bruder. 
Medea. 
Der Gatte? 
Gora. 
Der Sohn! 
Medea. 
Und als ſie's gethan, ſtarb ſie? 
Gora. 
Sie lebt. 
Aedea. 
That es und lebt! Entſetzlich! — 
So viel weiß ich, und ſo viel iſt mir klar: 
Unrecht erduld' ich nicht ungeftraft; 
Aber was gejchieht, weiß ich nicht, wil’s nicht willen! 
Verdient hat er alles, das Aergſte verbient; 
Aber — ſchwach ift der Menſch, 
Billig gönnt man zur Reue Zeit! 





11. Meden. Tritter Aufzug. 


Gora. 
Reue? — Frag' ihn ſelbſt, ob's ihn reut, 
Denn dort naht er mit eilendem Schritt. 
Meden. 
Mit ihm der König, mein arger Feind, 
Der ihn verlodt, der ihn verführt. 
Ihm entweich' ih, nicht zähmt' ich den Haß. 
(Geht raſch nah dem Haufe.) 
Aber will Er, will Jafon mich ſprechen, 
So heiß ihn treten zu mir ins Gemach; 
Dort will ich reden zu ihm, nicht bier, 
An der Seite des Mannes, der mein Feind. 
(Ab ins Qaus.) 
Gora. 
Da geht fie hin! 
Ich aber foll reden mit dem Mann, 
Der mein Kind verberbt, der gemacht, 
Daß ih, mein Haupt gelegt auf frembe Erde, 
Des bittern Kummers Thränen verbergen muß, 
Daß nicht drüber lacht fremder Männer Mund. 


Der König und Jaſon tommen. 


König. 

Was flieht ung deine Frau? Das nützt ihr nichts. 
Gora. 

So floh ſie denn? Sie ging, weil ſie dich haßt. 
König. 

Nuf fie heraus! 
Gora. 


Sie fommt nit. 


229 





230 Das goldene Vließ. 


König. 
Doch fie fol! 
Gora. 
Geh ſelbſt hinein und ſag' ihr's, wenn du's wagſt. 
König. ' 


Wo bin ih denn, und wer? daß dieſes Weib 
In ihrer Wildheit mir zu troßen tagt? 
Die Magd fürtahr das Bild der Frau, und beide 
Das Bild des dunkeln Landes, das fie zeugte. 
Noch einmal: Ruf’ fie her! 
&ora (auf Jaſon geigend). 
Den will fie ſprechen, 
Und hat er Muth dazu, tret' er ind Haus, 
Iafon. 
Verwegne, geh! mein Haß von Anfang her! 
Und ſag' ihr, daß fie fomme, die bir gleicht. 
Gora. 
O gliche fie mir doch, ihr troßtet nicht! 
Doc fie wird's noch erkennen, und dann weh euch! 
Iafon. 
Ich will fie ſprechen. 
Gora. 
Geh hinein. 
Iafon. 
Das nicht! 
Sie foll heraus, und du geh hin, und fag' ihr's! 
Gora. 
Nun wohl, ich geh, euch länger nicht zu ſehn, 
Und ſag' ihr's an; doch kommt fie nicht, das weiß —— 
Zu ſehr fühlt ſie die Kränkung und ſich ſelbſt. 
(Ab ins Haus.) 





II. Medea. Dritter Aufzug. 231 


König. 
Nicht einen Tag duld’ ich fie in Korinth. 
Die ſprach nur aus, mas Jene finſter brütet; 
Allzu gefährlih dünkt mir ſolche Nähe! 
Auch deine Zweifel, hoff’ ich, find befiegt. 
3afon. 
Verfahre, Herr, in deinem Richteramt! 
Sie kann nidht länger ftehen neben mir, 
Sp gebe fie, noch mild ift diefe Strafe. 
Denn wahrlich, minder ſchuldig doch als fie, 
Trifft mich ein härt'res Loos, ein ſchwereres. 
Sie zieht hinaus in angeborne Wildniß, 
Und wie ein Füllen, dem das Joch entnommen, 
Strebt fie hinfort in ungezähmtem Troß; 
Ich aber muß bier ſtill und ruhig mweilen, 
Belaftet mit der Menfchen Hohn und Spott, 
Dumpf wieberfäuend die verfloſſ'ne Zeit. 
König. 
Du wirft dich neu erheben, glaube mir’s. 
Dem Bogen gleich, der rafhen Schwunges losſchnellt, 
Und fliegend zu dem Ziele hit ven Pfeil, 
So bald entfernt, was feinen Rüden beugte, 
Wirft du erftarken, ift nur fie exit fern. 
Safon. 
Ich fühle nichts in mir, das foldher Hoffnung Bürgſchaft, 
Verloren ift mein Name und mein Ruf, 
Sch bin nur Jaſons Schatten, nicht er felbit. 
König. 
Die Welt, mein Sohn, tft billiger, als du: 
Des reifen Mannes Fehltritt ift Verbrechen, 
Des Jünglings Zehltritt ein verfehlter Tritt, 





232 Das goldene Blick. 


Den man zurüdziebt und ihn beffer macht. 
Was du in Koldis thatft, ein rafcher Anabe, 
Vergeſſen ift’3, zeigft du di nun ala Mann. 
Safon. 
Könnt’ ich dir glauben, felig wär’ id dann! 
König. 
Laß fie erſt fort fein, und bu ſollſt es jehn. 
Hin vor den Richterftuhl der Amphiltyonen 
Tret' ich für dich, verfechte deine Sache, - 
Und zeige, daß nur fie ed war, Medea, 
Die das verübt, was man an bir verfolgt, 
Daß fie die Dunkle, fie die Frevlerin. 
Gelöfet wird der Bannfprud, und wenn nicht, 
Dann ftehft du auf in deiner vollen Kraft, 
Schwingſt hoch das goldne Banner in die Luft, 
Das du geholt vom äußerften der Länter, 
Und ftrommeis wird die Jugend Griechenlands 
Um did) fi) ſchaaren gegen Jebermann, 
Um den Öereinigten, den Neuerhob'nen, 
Den ftarken Hort, des Vließes mächt'gen Held. — 
Du haft es doch? 
Safon. 
Das Vließ? 
König. 
. Ja wohl! 
Iafon. 
Ich nicht! 
König. 
Doch nahm's Medea mit aus Pelias Haus. 
Safon. 
So hat denn fie'g! 





DI. Medea. Dritter Aufzug. 


König. 
Sie muß es geben, muß! 

Dir iſt's der fünft'gen Größe Unterpfand. 
Du follft mir groß noch werben, groß und ftark, 
Du meines alten Freundes einz’ger Sohn! 
Es hat der König Kreon Macht und Gut, 
Und gern theilt er's mit feinem Tochtermann. 

Jaſon. 
Auch meiner Väter Erbe fordr' ich dann 
Vom Sohn des Oheims, der mir's vorenthält. 
Ich bin nicht arm, wird Alles mir zurück. 


König. 


Sie fommt, die und noch ftört; bald iſt's gethan. 


Meden kommt mit Gora aus dem Haufe. 


Meden. 
Was wilft du mir? N 
König. 
Die Diener, die ich ſandte, 
Du ſchickteſt fie mit harten Worten fort, 
Und von mir ſelbſt verlangteit du zu hören, 
Mas ich geboten, und mas dir zu thun. 
Medea. 
So ſag's! 
König. 
Nichts Fremdes, Neues künd' ich dir, 
Ich wiederhole nur den ſchon geſprochnen Bann, 
Und füge zu, daß du noch heute gehſt. 
Meden. 


Und warum heute noch? 


233 





234 Das gofdene Blick. 


König. 
Die Drohungen, 

Die du geſprochen gegen meine Tochter — 
Denn die gen mich veracht' ich allzufehr — 
Der wilde Sinn, den du nur erft gezeigt, 
Sie nennen mir gefährlich deine Nähe, 
Und darum folft du heute mir noch gehn! 

Aedea. 
Gib mir die Kinder, und ich thu's vielleicht. 

König. 
Du thuft'3 gewiß, die Kinder aber bleiben! 

Medea. 
Wie, meine Kinder? Doch wem ſag' ich das? 
Mit dem da laß mich ſprechen, mit dem Gatten! 

König (m Yafon). 
Thu's nicht! . 
Medea (u Iofon). 
Ich bitte dich! 
Safon. 
Wohlan, es fei! 

Damit du ſiehſt, daß ich dein Wort nicht ſcheue. 
Laß uns, o König! hören will ich fie. 

König. 
Ich thu' es ungern, ſchlau ift fie und liftig. 

Er gebt.) 

Meden. 
So, er ift fort! Kein Fremder ftört ung mehr, 
Kein Dritter drängt fih zwiſchen Mann und Weib; 
Wir fönnen reden, wie das Herz gebeut; 
Und nun ſag' an mir, was du denfit? 





235 


II. Medea. Dritter Aufzug. 


Safon. 
Du weißt's. 
Meden. 
Ih weiß wohl, was du mwillft, nicht, was du meint. 
Safon. 
Das erftere genügt, denn es entſcheidet. 
Meden. 
So ſoll ich gehen? 
Saſon. 
Gehn! 
Medea. 
Noch heute? 
Safon. 
Heute! 
Medea. 
Das ſagſt du und ſtehſt ruhig mir genüber? 
Und Scham ſenkt nicht dein Aug' und röthet nicht die Stirn? 
Saſon. 
Erröthen müßt' ich, wenn ich anders ſpräche. 
Meden. 


Das ift recht gut, und fprid nur immer fo, 
Wenn du vor Andern dich entſchuld'gen willſt, 
Doch mir genüber laf den eiteln Schein! 
Iafon. 
Die Scheu vor Greueln nennft du eiteln Schein? 
Verdammt hat dic die Welt, verdammt die Götter, 
And fo geb’ ich dich ihrem Urtheil Hin; 
Denn wahrli, unverdient trifft es dich nicht! 
Meden. 


Wer ift der Fromme denn, mit dem ich ſpreche? 





236 Das goldene Blich. 


Iſt das nicht Jafon? und der wär’ fo milb? 
Du Milder, famft du nicht nad) Kolchis hin, 
Und warbft mit Blut um feines Königs Kind? 
Du Milver! ſchlugſt du meinen Bruder nicht? 
Fiel nicht mein Vater dir, du Frommer, Milder? 
Verläſſeſt du das Weib nicht, das du ftahlft? 
Du Milder! Du Entſetzlicher, Verruchter! 
Safon. 
Du fchmäheft, das zu hören ziemt mir nicht; 
Du weißt nun, was zu thun, und fo Feb’ wohl! 
Meden. 
Noch weiß ich's nicht, drum bleibe, bis ich's weiß. 
Bleib! Ruhig will ich fein. Ruhig, wie bu. 
Verbannung wird mir alfo? Und was dir? 
Mid dünkt, auch dich traf ja des Herolds Spruch? 
Safon. 
Sobald bekannt, daß id am Frevel rein, 
Am Tod des Oheims, löst der Bann fih auf. 
Meden. 
Und du Iebft froh und ruhig fürder dann? 
Saſon. 
Ich lebe ſtill, wie's Unglüdfel'gen ziemt. 
Aedea. 
Und ih? 
Iafon. 
Du trägft das Loos, das du dir felbft bereitet. 
Meden. 
Das ich bereitet? Du wärſt alfo rein? 
Safon. 
Ich bin’s! 





II. Medea. Dritter Aufzug. 237 


Meden. 
Und um den Tod des Oheims hajt 
Du nicht gebetet? 
Safon. 
Ihn befördert nicht! 
Medea. 
Mich nicht verſucht, ob ich's nicht üben wollte? 
Safon. 
Der erfte Zorn Spricht Manches fprudelnd aus, 
Was reifer überdacht er nimmer übt. 
Meden, 
Einft klagteſt du dich felber deſſen an, 
Nun ift gefunden, der die Schuld dir trägt. 
Safon. 
Nicht der Gedanke wird beftraft, die That. 
Meden kaf). 
Ich aber that e3 nicht! 
Safon. 
Wer fonft? 
Meden. 
Ich nicht! 
Hör’, mein Gemahl, und dann erft richte mich. 
Als ih an die Pforte trat, 
Das Vließ zu holen, 
Der König auf feinem Lager; 
Da hör’ ich fehreien; hingewenbet, 
Seh id den Mann vom Lager fpringen, 
Heulend, bäumend, fi ummindend: 
Kommft du, Bruder? fchreit er, 
Rache zu nehmen, Rache an mir? 





238 Dos goldene Blick. 


Noch einmal ſollſt du fterben, noch einmal! 
Und fpringt hin und faßt nad) mir, 
In deren Hand das Vließ. 
Ich erbebte und ſchrie auf 
Zu den Göttern, die ich kenne; 
Das Vließ hielt ih vor ala Schild. 
Da zudt Wahnfinns Grinfen durd feine Züge, 
Heulend faßt' er die Bande feiner Adern, 
Sie brechen, in Güffen ftrömt hin fein Blut, 
Und als ih um mich ſchaue, entfegt, erftarrt, 
Liegt der König zu meinen Füßen, 
Im eignen Blut gebabet, 
Kalt und tobt. 
Iafon. 
Das fagft bu mir, Zaub’rifhe! Gräßliche! 
Hebe dich weg von mir! Fort! 
Mir graut vor dir, daß ich dich je gefehn! 
Meden. 
Du haft es ja gewußt! Das erftemal, 
Als du mich fahft, ſahſt mich in meinem Dienft, 
Und doch verlangteft, ftrebteft du nad mir. 
Iafon. 
Ein Jüngling war ih, ein verwegner Thor: 
Der Mann verivirft, was Knaben wohlgefält. 


Medea. 
O ſchilt das goldne Jugendalter nicht! 
Der Kopf ift raſch, allein das Herz ift gut! 
D märft du, der du warft, mir wäre befler! 
Nur einen Schritt fomm in die ſchöne Zeit, 
Da wir in unfrer Jugend friſchem Grünen 
Uns fanden an des Phafis Blumenftrand. 


| | - | 


DI. Medea. Dritter Aufzug. 239 | 


Wie war dein Herz fo offen und fo Klar; 
Das meine trüber und in fich verſchloſſ'ner, 
Doch du drangft durch mit deinem milden Licht, 
Und hell erglänzte meiner Sinne Dunkel. 
Da ward ich dein, da wardſt du mein. O Safon! 
So ift fie ganz dahin, die jchöne Zeit? 
Sp hat die Sorge denn für Haus und Herb, 
Für Ruf und Ruhm, dir ganz getödtet 
Die Schönen Blüthen von dem Jugendbaum? 
D fieh! in Schmerz und Sammer, wenn ich bin, 
Denk' ich noch oft der fchönen Frühlingszeit, 
Und warme Lüfte wehn mir draus hberüber. 
War dir Medea damals lieb und werth, 
Wie ward fie dir denn gräßlih und abſcheulich? 
Du kannteſt mich und juchteft dennoch mid; 
Du nahmft mich, wie ich war, behalt' mich, wie ich bin! 
3afon. 
Der Dinge denfft du nicht, die feither find gefchehn! 
Medecn. 
Entſetzlich find fie, ja, ich geb’ es zu! 
Am Bater hab’ ich ſchlimm, am Bruder ſchlimm gethan, 
Und id) verdamme jelber mich darob; 
Man ftrafe mich, ich will ja gerne büßen, 
Doch du ſollſt mich nicht ftrafen, Jaſon, du nicht! 
Denn was ich that, zu Liebe that ich's dir. 
Komm, laß ung fliehn, vereint, mitfammen fliehn! 
Es nehm’ und auf ein fernes Land. 
Jaſon. 
Und welches? 
Wohin? 
AAedea. 
Wohin! 





240 Das goldene Vließ. 


Safon. 
Du rafeft, und du fchiltft mic, 
Daß ich mit bir nicht raſe. Es ift aus! 
Die Götter haben unfern Bund verflucht, 
ALS einen, der mit Greuelthat begann, 
Und in Verbrechen wuchs und Nahrung ſuchte. 
Laß fein, daß du den König nicht getöbtet, 
Wer war dabei, wer ſah's, wer glaubt dir? 
Medea. 
Du! 
Safon. 
Und wenn aud id, was kann ich? was vermag ich? 
Drum la uns weichen dem Gefhid, nicht trogen! 
Die Strafe nehme jedes büßend hin, 
Du, da du fliehft, mo du nicht bleiben kannſt, 
Ich, da ich bleibe, wo ich fliehen möchte. 
Medea. 
Den ſchwerern Theil haft du div nicht erwählt! 
Safon. 
So wär' es leicht, zu leben als ein Fremdling 
In fremdem Haus, von fremden Mitleids Gaben? 


Medea. 

Dünkt’s bir fo ſchwer, was wählſt du nicht die Flucht? 
Safon. 

Wohin und wie? 
Meden. 


Einft warft bu minder ſorglich, 
Als du nah Kolchis kamſt, die Vaterſtadt verlaffend, 
Und eitlem Ruhme nah durch ferne Länder zogft. 
Iafon. 
Ich bin nicht, der ich war, die Kraft ift mir gebrochen, 





UI. Medea. Dritter Aufzug. 241 


Und in der Bruft erftorben mir der Muth. 
Das dank’ ich dir; Erinn’rung des Vergangnen 
Liegt mir wie Blei auf meiner bangen Seele, 
Das Aug’ kann ich nicht heben und das Herz. 
Auch ift der Anabe Mann ſeitdem geworben, 
Und nicht mehr kindiſch mit den Blüthen fpielend, 
Greift ey nad Frucht, nah Wirklichkeit, Beſtand. 
Die Kinder find mir, und fein Drt für fir, 
Beſththum muß ich meinen Enfeln werben. 
Soll Jafons Stamnı, ein trodnes Heidekraut, 
Am Wege ftehn, vom Wanderer getreten? 
Haft du mich je geliebt, war ich dir. wertb, 
So zeig’ ed, da du mich mir felber gibft, 
Und mir ein Grab gönnft in der heimſſchen Erde! 
Meden. 
Und auf der heim’jhen Erd’ ein neues Chebett? 
Nicht fo? 
Iafon. 
Was foll das? 
Meden. 
Hab’ ich's nicht gehört, 
Wie er verwandt dich hieß, und Sohn und Eidam? 
Kreufa lodet did, und darum bleibft du? 
Nicht alfo? Hab’ ich dich? 
Iafon. 
Du hatteſt nie mid, 
Und haft auch jegt mich nicht. 
Medea. 
So willit du büßen? 
Und darum foll Medea fort von dir? 
Stand ich denn nicht dabei, dabei in Thränen, 
Brillparzer, fämmtl, Werte. IN. 16 





242 Das goldene Blick. 


Wie du mit ihr vergangne Zeit durchgingſt, 
Bei jedem Schritte ftill ftandft, ſüß verweilend, 
Zum Echo ſchwandeſt der Erinnerung? 
Ich aber geh’ nicht, nicht! 
Safon. 
So ungerecht, 
So bart und wild wie immer! 
Meden. 
Ungerecht? 
So wünſcheſt du fie nicht zum Weib? Sag nein! 
Safon. 
Den Drt ſuch' id, mein Haupt zur Ruh' zu legen, 
Was fonft fommt, weiß ich nicht! 
Meden. 
Ich aber weiß eſ⸗ 
Und ben?’ es noch zu wehren, hilft ein Gott. 
Safon. 
Du kannſt nicht ruhig ſprechen, leb' denn wohl! 
(Er geht.) 
Medra. 
Jaſon! 
Sa ſon (umlehrend) 
Was iſt? 
AMedea. 
Es ift das letztemal, 
Das letztemal vielleicht, daß wir uns ſprechen! 
Saſon. 
So laß uns ſcheiden ohne Haß und Groll. 
Meden. 
Du haft zu Liebe mich verlodt und fliehft mich? 


111. Medea. Dritter Aufzug. 243 
Safon. 


Medea. 
Du haſt den Vater mir geraubt, 

Und raubſt mir den Gemahl. 

3afon. 

Gezivungen nur! 
AMeden. 
Mein Bruder fiel durch dich, du nahmft mir ihn, 

Und fliebft mich? 


Ich muß! 


3afon. 
Wie er fiel, gleich unverfchuldet. 
Meden. 
Mein Vaterland verließ ich, dir zu folgen. 
3afon. 
Tem eignen Willen folgteft du, nicht mir. 
Hätt's dich gereut, gern-Lließ ich dich zurüd ! 
Meden. 
Die Welt verflucht um deinetwillen mid, 
Ich felber haſſe mich um deinetwillen, 
Und du verläßt mich? 
Iafon. 
Ich verlaſſ' dich nicht; 
Gin höh'rer Spruch treibt mich von dir hinweg. 
Haft du dein Glüd verloren, wo iſt mein’s? 
Nimm als Erſatz mein Elend für das deine! 


Meden. 


(Eie fällt auf die Kniee.) 


Safon. 
Was ıft? Mas mwillft du meiter? 


Salon! 





244 Das goldene Vließ. 


A edea (aufflehend). 


Nichts! 
Es ift vorbei! — Verzeihet, meine Väter, 
Verzeiht mir, Koldis folge Götter, 
Daß ich mich felbft erniebriget und euch! 
Das Letzte galt's. Nun habt ihr mich! 
(Qafon wendet fih zu gehen.) 


Meden. 
Jaſon! 
Saſon. 
Glaub' nicht, mich zu erweichen! 
Meden. 
Glaub’ nicht, ich wollt’ es. Gib mir meine Kinder! 
Saſon. 
Die Kinder? Nimmermehr! 
Meden. 
Es fihd die Meinen! 
Safon. 
Des Vaters Namen fügt man ihnen bei, 
Und Jaſons Name foll nit Wilde fhmüden; 
Hier in der Gitte Kreis erzieh' ich fie. 
Meden. 
Gehöhnt von Stiefgeſchwiſtern? Sie find mein! 
Safon. 
Mach' nicht, da fi mein Mitleid Fehr’ in Ha! 
Sei ruhig, das nur mildert dein Geſchick. 
Meden. 
Wohl denn, fo will ich mid aufs Bitten legen! 
Mein Gatte! — Nein, das bift du ja nicht mehr! 
Geliebter! — Nein, das bift du nie geweſen! 





1. Medea. Dritter Aufzug. 245 


Mann! — wärſt du Mann und brächft dein heilig Wort? 
Jafon! — pfui! Das ift cin Verräthername! 
Wie nenn’ ich dich? Verruchter! — Milter, Guter! 
Gib meine Kinder mir und laß mich gehn! 
Safon. 
Ih kann nicht, ſagt' ich dir, ich kann es nicht! 
Medea. 
So hart? Der Gattin nimmſt du ihren Gatten, 
Und weigerſt nun der Mutter auch ihr Kind? 
Safon. 
Nun wohl, daß du als billig mich erfennft: 
Der Knaben Einer ziehe denn mit bir! 
Meden. 
Nur Einen? Einen? 
Saſon. 
Ford're nicht zu viel! 
Das Wen'ge faſt verlegt ſchon meine Pflicht. 
Aedea. 
Und welcher? 
Iafon. 
Ihnen felbft, den Kindern, fei die Wahl, 
Und welcher will, den nimmft du mit dir fort. 
Aedea. 
D tauſend Dank, du Gütiger, du Milder! 
Der lügt fürwahr, der dich Verräther nennt. 


Der König kommt. 
Safon. 
D König, komm! 
König. 
So ift es abgethan? 


— 





246 Das goldene Dließ. 


Saſon. 
Cie gebt. Der Kinder Eines geb’ ich ihr. 
(Bu einem, der mit dem Könige kam.) 
Tu eile, bring’ die Kleinen zu uns ber. 
König. 
Was tbuft du? Beide bleiben fie zurüd! 
Medca. 
Was mir fo wenig ſcheint, dünkt dir zu viel? 
Die Götter fürchte, allzuftrenger Mann! 
König. 
Die Götter auch find ftreng ver Frevelthat. 
Meden. 
Doc ſehn fie auch, was uns zur That gebracht. 
König. 
Des Herzens böſes Trachten treibt zum Böfen. 
Meden. 
Was fonft zum Uebeln treibt, zählſt du für nicte? 
König. 
Ich richte ſelbſt mich ftreng, drum kann ich's Andre. 
Medea. 
Indem du Frevel ftrafit, verübjt du fie. 
Safon. f 
Sie ſoll nicht jagen, daß ih alfzubart, B 
Drum hab’ ih Eins der Kinder ihr gewährt, 
In Leid und Notb der Mutter lieber Troft. 


Kreufa tomın mit den Kindern. 


&reufa, 
Die Kinder fordert man, ward mir gefagt. 
Was will man denn, und was foll denn gefhehn? - 





, - 


IH. Medeo. Dritter Aufzug. 947 


O fieb, fie lieben mich, nur erft gekommen, 
Als ob wir Jahre Schon uns fähn und fennten. 
Mein mildes Wort, den Armen ungewohnt, 
Gewann mir fie, wie mich ihr Unglüd ihnen, 


König. 
Der Kinder Eines fol der Mutter folgen. 
Kreufn. 
Verlaſſen uns? 
König. 


So ift’s, fo will’3 der Vater! 
(Zu Medeen, die in fi verfunfen dageftanden ijt.) 
Die Kinder, fie find bier, nun laß fie wählen! 


Meden. 
Die Kinder! Meine Kinder! Sa, fie ſind's! 
Das Einz'ge, was mir bleibt auf diefer Erde. 
Ihr Götter! was ich Schlimmes erft gedacht, 
Vergeßt e3, und laßt fie mir beide, beide! 
Dann will ich gehn und eure Güte preijen, 
Verzeihen ihm und — nein, ihr nicht! — hm auch nicht! 
Hierher, ihr Kinder, bier! — Was ſteht ihr dort, 
Gefchmiegt an meiner Feindin falſche Bruft? 
D wüßtet ihr, was fie mir angethan, 
Bewaffnen würdet ihr die Fleinen Hände, 
Zu Krallen Frümmen eure Schwachen Finger, 
Den Leib zerfleifchen, ven ihr jet berührt. 
Verlodft du meine Kinder? Laß fie los! 


Kreuſa. 
Unſelig Weib, ich halte ſie ja nicht. 


Medea. 
Nicht mit der Hand, doch hältſt du, wie den Vater, 





248 DaB goldene Blich. 


Cie mit dem heuchleriſchen, falfchen Blid. 
Lachſt du? Du follft noch weinen, ſag' ich bir! 
Kreufa. 
D ftrafen mid) die Götter, lacht' ich jegt! 
König. 
Brich nicht in Zorn und Schmähung aus, o Weib! 
Thu’ ruhig, was bir zulommt, oder geh! 
Meden. 
Du mahneft recht, o mein gerechter König! 
Nur nicht fo gütig, ſcheint es, als gerecht; 
Wie, oder auch? Nun ja, tohl beides gleich! 
Ihr Kinder, feht, man ſchickt die Mutter fort, 
Weit über Meer und Land, wer weiß wohin? 
Die güt’gen Menſchen, euer Vater aber, 
Und der gerechte, gute König da, 
Sie haben ihr erlaubt, von ihren Kindern, 
Der Mutter von den Kindern Eines, Eins — 
Ihr hohen Götter, hört ihr's? Eines nur! — 
Mit fi) zu nehmen auf die lange Fahrt. 
Wer nun von Beiden mich am meiften liebt, 
Der komm’ zu mir, denn Beibe dürft ihr nicht. 
Der andre muß zurüd beim Vater bleiben, 
* Und bei bes falihen Mannes falſcher Tochter! — 
Hört ihr? — Was zögert ihr? 
König. 
Sie wollen nit! 
Meden. 
Das lügft du, falfcher, ungerechter König! 
Sie wollen, doch dein Kind hat fie verlodt! 
Hört ihr mich nit? — Verruchte! Gräßlice! 
Der Mutter Fluch, des Vater Ebenbild! 


D 
f 
\ 


III. Medea. Dritter Aufzug. 249 


Jaſon. 
Sie wollen nicht! 
Meden. 
Laß Jene ſich entfernen! 
Die Kinder lieben mid, bin ich nit Mutter? 
Doc fie winkt ihnen zu und lodt fie ab. 


Arcufa. 
Sch trete weg, tft gleich dein Argwohn falſch. 
Meden. 
Nun fommt zu mir! — Zu mir! — Natterbrut! 
(Sie geht einige Schritte auf fie zu, die Kinder fliehen zu Kreufen.) 
Meden. 
Sie fliehn mid! Fliehn! 
König. 
Du fiebft, Mebea, nun, 
Die Kinder wollen nit, und alfo geh! 


Meden. 
Sie wollen nicht? Die Kinder die Mutter nicht? 
Es ift nicht wahr, unmöglih! — 
Aefon, mein Aelteſter, mein Liebling ! 
Sieh, deine Mutter ruft dir, fomm zu ihr! 
Ich will nicht mehr rauh fein und bart! 
Du folft mein Koftbarftes fein, mein einziges Gut! 
Höre die Mutter! Komm! 
Er wendet fih ab! Er fommt nicht! 
Undankbarer! Ebenbild des Vaters! 
Ihm Ähnlich in ven falfchen Zügen, 
Und mir verhaßt, wie er; 
Bleib zurüd, ich Tenne dich nicht! — 
Aber du, Abſyrtus! Schmerzensfohn, 
Mit dem Antlit des beweinten Bruders, 








250 Das goldene Blick 


Mild und fanft, wie er; 
Sieh, deine Mutter liegt hier knieend, 
Und fleht zu dir. 
Laß fie nicht bitten umfonft! 
Komm zu mir, mein Abſyrtus! 
Komm zur Mutter! — 
Er zögert! — Auch du nicht? — 
Wer gibt mir einen Dolch? 
Einen Dold für mid und fie! 
(Sie fpringt auf.) 
Safon. 
Dir felber dank’ es, daß dein wildes Weſen 
Die Kleinen abgewandt zur Milde hin. 
Der Kinder Ausiprud war der Götter Spruch! 
Und fo geh hin, fie aber bleiben da. 


Meden. 
Ihr Kinder, hört mich! 
Iafon. 
Sieb, fie hören nicht! 
Meden. 
Kinder! 


König Gu Areufen). 
Führ’ fie ins Haus zurüd! 
Nicht halfen follen fie, die fie gebar. 
(Rreufa mit den Kindern zum Mbgang gewendet.) 
Aedea. 
Sie fliehn! Meine Kinder fliehn vor mir! 
König (u daſon). 
Komm! Das Nothivendige beflagt man fruchtlos! 
(Sie gehen.) 





UI. Medea. Dritter Aufzug. 351 


Meden. 


Meine Kinder! Kinder! 


Gora 
(die herein gelommen). 
Bezwinge dich! 
Gönne nicht deinen Feinden ihres Sieges Anblid! 
Medea 
(die fih zur Erde wirft). 
Sch bin befiegt, vernichtet, zertreten! 
Gie fliehn mich, fliehn! 
Meine Kinder fliehn! 
Gora 
(über fie gebeugt). 
Stirb nicht! 


Meden. 
Laß mid) jterben! 
Meine Kinder! 


Der Borhang fällt. 





Vierter Aufzug 


Vorhof von Kreond Burg, tie im vorigen Aufzuge. 
Abenddämmetung. 


Medea liegt Hingeftredt auf die Stufen, die zu ihrer Wohnung führen. 


Gora 
(feht vor ihr). 
Eteh’ auf, Medea, und fprid! 
Was liegft du da, ftarrft ſchweigend vor dich hin? 
Steh auf und Sprich! 
Rathe unferm Jammer! 
Meden. 
Kinder! Kinder! 
Gora. 
Fort ſollen wir, eh dunkelt die Nacht, 
Und ſchon ſenket ſich der Abend. 
Auf! Rüſte dich zur Flucht! 
Sie kommen, fie töbten uns! 
Meden. 
O meine Kinder! 
Gora. 
Steh auf, Unglüdfeliae, 


\ 


IM. Medea. Vierter Aufjug. 253 


Und tödte mid nicht mit deinem kammer! 
Hätt’jt mir gefolgt, mich gehört, 

Wären wir daheim in Koldis, 

Die Deinen lebten, alles wär’ aut. 

Zteb’ auf! Was bilft weinen? Steh' auf! 


Medea 
ih halb aufrichtend und nun mit den Knieen auf den Stufen liegend). 
So kniet' ich, fo lag ich, | 
So ftredt' ich die Hände aus, 
Aus nah den Kindern, und bat, 
Und flehte: Eines nur, 
Ein Einziges von meinen Kindern — 
Geftorben wär’ ich, mußt! ich das Zweite milfen — 
Aber auch das Eine nit! — Keines fam, 
Flüchtend bargen fie fih im Schooß der Feindin. 
(Auffpringend.) 
Er aber lachte drob und fie! 


Goran. 
D des Jammers! — Des Wehs! 


Medca. 
Nennt ihr das Vergeltung, Götter? 
Liebend folgt’ ich, das Weib dem Mann; 
Starb mein Vater, hab’ ich ihn getödtet? 
Fiel mein Bruder, fiel er durch mich? 
Beflagt hab’ ich fie, in Qualen beflagt, 
Glübende Thränen goß ich aus 
Zum Tranfopfer auf ihr fernes Grab: 
Do fein Map ift, ift Feine Vergeltung. 


Bora. 
Die du die Deinen, verlaffen fie dich! 


—— — 





254 Das goldene Vließ. 


Aedea. 
So will ich ſie treffen, wie die Götter mich! 
Ungeſtraft ſei kein Frevel auf der Erde! 
Mir laßt die Rache, Götter! ich führe fie aus. 
Gora. 
Den!’ auf dein Heil, auf Andres nicht! 


Aedea. 
Und was hat dich denn ſo weich gemacht? 
Schnaubteſt erſt Grimm und nun ſo zagend? 


Gora. 
Laß mich! Als ich die Kinder fliehn ſah 
Den Arm der Mutter, der Pflegerin, 
Da erkannt' ih die Hand ber Götter! 
Da brach mir das Herz, 
Da ſank mir der Muth. 
Hab’ fie gewartet, gepflegt, 
Sie, meine Freude, mein Glüd; 
Die einzgen reinen Kolcher fie, 
An die ich wenden konnte 
Die Liebe für mein fernes Vaterland. 
Du warſt mir längft entfremdet, längft! 
In ihnen ſah ich Kolchis wieder, 
Den Vater dein und deinen Bruder, 
Mein Königshaus, und did, 
Wie du warft, nicht, wie du bift. 
Hab’ fie gehütet, gepflegt, 
Wie den Apfel meines Auges, 
Und nun — 

Meden. 

Lohnen fie dir, wie der Undanf lohnt. 





IN. Medea. Vierter Aufzug. 255 


Bora. 
Schilt nicht die Kinder, fie find gut! 
Meden. 
Gut? Und fliehen die Mutter? 
But? Sie find Jaſons Kinder! 
Ihm gleih an Geftalt, an Sinn, 
Ihm gleich in meinem Haß. 
Hätt' ich fie hier, ihr Dafein in meiner Hand, 
In diefer meiner auögeftredten Hand, 
Und ein Drud vermödte zu vernichten 
AU’, was fie find und waren, was fie werben fein — 
Sieh her! — Jetzt wären fie nicht mehr! 


Gora. 
O, weh der Mutter, die die Kinder haßt! 
Meden. 


Und mas iſt's auch mehr? mas mehr? 
Bleiben fie hier beim Vater zurüd, 

Beim treulojen, ſchändlichen Vater, 

Welches ift ihr 2008? 

Stiefgefchwifter fommen, 

Höhnen fie, jpotten ihrer, 

Und ihrer Mutter, 

Der Wilden aus Koldis. 

Sie aber, entweder dienen als Sklaven, 
Dder der Ingrimm, am Herzen nagend, 
Macht fie arg, fich felbft ein Greuel: 

Denn wenn das Unglüd dem Verbrechen folgt, 
Folgt öfter das Verbrechen noch dem Unglüd'! 
Was iſt's denn auch zu leben? 

Ich wollt’, mein Vater hätte mich getüdtet, 
Ta ich noch Klein war, 





256 Das goldene Blick. 


Noch nichts, wie jet, geduldet, 

Noch nicht? gedacht — wie jeht. 
Gora. 

Was ſchauderſt du? Was überdenkſt du? 


Medea. 

Daß ich fort muß, it gewiß; 

Minder aber noch, was fonft geichieht. 

Den? ich des Unrechts, das ich erlitt, 

Des Frevels, den man an mir verübt, 

So entglüht in Rache mein Herz, 

Und das Entfeglichfte ift mir das Nächſte. — 

Die Kinder liebt er, fieht er doch fein Ich, 

Seinen Abgott, fein eignes Selbit, 

Zurüdgefpiegelt in ihren Zügen. " 

Er foll fie nicht haben, foll nit! 

Ich aber will fie nit, die Verhaßten! 
Gora. 

Komm mit hinein, was willſt du hier? 
Medea. 

Dann leer das ganze Haus und ausgeſtorben, 

Verwüſtung brütend in den öden Mauern, 

Nichts lebend als Erinnerung und Schmerz! 
Gora. 

Bald nahen ſie, die uns vertreiben. Komm! 
Medea. 

Die Argonauten, ſagteſt du, 

Sie fanden alle ein unſelig Grab, 

Die Strafe des Verraths, der Frevelthat? 
Gora. 

So iſt's und Jaſon findet es wohl auch. 





5 


UI. Medea. Vierter Aufzug. 257 


Meden. 
Er wird's, ich fage dir, er wird's! 
Den Hylas Ichlang das Waflergrab hinab, 
Den Thefeus fing der Schatten büjtrer König; 
Und wie hieß fie, das Griechenweib, \ 
Die eignes Blut am eignen Blut gerädht? 
Wie hieß fie? Sag! 
Bora. 
Ich weiß nicht, was du meinft. 
Meden. 
Althea hieß fie! 
Bora. 
Die den Sohn erſchlug? 
Meden. 
Diefelbe, ja! Wie Tam’s, erzähl’ mir das. 
| Gora. 
Den Bruder ſchlug er ihr beim Jagen todt. 
| Meden. 
Den Bruder nur, den Vater nicht dazu! 
Sie nicht verlaflen, nicht verftoßen, nicht gehöhnt! 
Und dennoch traf fie ihn zum Tod, 
Den grimmen Meleager, ihren Sohn. 
Althea hieß fie, mar ein Griechenweib! — 
Und als er tobt? 
Gora. 
Hier endet die Geſchichte. 
Mßedea. 
Sie endet! Du haſt recht; der Tod beendet. 


Gora. 
Was nützen Worte? | 
Grillparzer, fämmtl. Werke. III. 17 





258 Das gofdene Blick. 


Medea. 
Zweifelſt an der That? 
Sieh! bei den hohen Göttern! hätt’ er 
Die Kinder beide mir gegeben — Nein! 
Könnt’ ich fie nehmen, gäb’ er fie mir aud; 
Könnt’ ich fie lieben, wie ic) jegt fie haſſe; 
Wär’ etwas in der weiten Welt geblieben, 
Das er mir nicht vergiftet, nicht zerftört: 
Vielleicht, daß ich jeht ginge, meine Rache 
Den Göttern lafjend; aber fo nit, nun nicht. 
Man hat mid, bös genannt, ih war es nicht; 
Allein ich fühle, daß man's werden kann. 
Entſetzliches geftaltet fi in mir, 
Ich ſchaudre — doch ich freu’ mich auch barob! 
Wenn's nun vollendet iſt, gethan — Goral 
Gora. 
Was iſt? 
Medea. 
Komm her! 
Gora. 
Warum? 
Meden. 
Zu mir! 
Da lagen fie die Beiden — und die Braut — 
Blutend — tobt. — Er daneben rauft fein Haar! 
Entſetzlich, gräßlich! 
Gora. 
Um ber Götter willen! 
Meden. 
Ha, hal Erſchrickſt wohl gar? 
Nur loſe Worte find es, die ich gebe, 





I. Medeo. Bierter Aufzug. 259 


Jem alten Wollen fehlt die alte Kraft. 

ja, wär' ich noch Medea, doch ich bin's nicht mehr! 

) Jaſon! warum thateſt du mir das? 

ih nahm dich auf, ich ſchützte, liebte dich, 

Bas ich befaß, ich gab es für di hin; 

Barum verläffeft und verſtöß'ſt du mi? 

Bas treibft du mir die guten Geifter aus, 

‚nd führeft Rachgedanken in mein Herz? 

Rir Rachgedanken ohne Kraft zur Race! 

die Macht, die mir von meiner Mutter ward, 

)er ernften Kolderfürftin Hefate, 

ie mir zum Dienfte dunfle Götter band, 

erſenlt hab’ ich fie, dir zu Lieb verſenkt, 

m finftern Schooß der mütterlihen Erbe. 

verfelbe Stab, der blutigrothe Schleier, 

sie find dahin und hilflos ſteh' ih da, 

Jen Feinden, ftatt ein Schreden, ein Gefpött. 
Bora. 

50 ſprich davon nicht, wenn du's nicht vermagft! 


Meden. 
ch weiß mohl wo e3 liegt; 
a draußen an dem Strand ber Meeresflut, 
ort hab’ ich's eingefargt und eingegraben; 
wei Handvoll Erde weg — und es ift mein! 
Hein im tiefften Innern ſchaudr' ich auf, 
ent’ ich daran und an das blut’ge Vließ. 
dir dünkt, des Vaters und des Bruders Geift, 
sie brüten drob und laſſen es nicht los. 
deißt noch, wie er am Boden lag, 
)Jer greife Vater, weinend ob dem Sohn, 
Ind fluchend feiner Tochter? Jaſon aber 





260 Dos goldene Blick. 


Schwang hoch das Vließ in gräßlihem Triumph: 
Da ſchwor ich Nahe, Rache dem Verräther, 
Der erft die Meinen töbtete, nun mic. 
Hätt! ich mein Blutgeräth, ich führt! e8 aus, 
Allein nicht wag' ich es zu holen; 
Denn fäh’ ich in des golbnen Zeichens Glut 
Des Vaters Züge mir entgegen ftarren, 
Bon Sinnen käm' id, glaube mir! 

Gora. 
Was alfo thuft du? 

Meden. 

Laß fie kommen, 

Laß ſie mich tödten, es iſt aus! 
Von hier nicht geh' ich, aber ſterben will ich. 
Vielleicht ſtirbt er mir nach, von Reu' erwürgt. 

Gora. 
Der König naht, trag' Sorge doch für dich! 

Medea. 
Erarmt bin ich an Macht, was kann ich thun? 
Will er zertreten mich? Er trete nur! 


Der König kommt. 
König. 
Der Abend dämmert, beine Frift ift um! 
Meden. 
Ich weiß. 
König. 
Biſt du bereit zu gehn? 
Meden. 
Du fpotteft! 
Wenn nicht bereit, müßt’ ich drum minder gehn? 





III. Medea. Bierter Aufzug. 


König. 
Mich freut, daß ich dich jo befonnen finde; 
Du madjt dir die Erinnrung minder herb, 
Und ficherft deinen Kindern großes Gut: 
Sie dürfen nennen, welde fie gebar. 


Meden. 
Sie dürfen? Wenn fie wollen, meinft du doch? 
König. 
Daß fie es wollen, fei die Sorge mein. 
Erzieben will ich fie zu Tünft’gen Helven; 
Und einft, wer weiß? — führt ihre Ritterfahrt 


Sie hin nad Koldis, und die Mutter drüden fie, 


Gealtert, wie an Jahren, jo an Sinn, 
Mit Kindesliebe an die Kindesbruft. 


Medea. 
Weh mir! 

König. 

Mas ift dir? 
Meden. 
Ah, ein Rüdfall nur, 

Und ein Vergeſſen deſſen, mas geichah. 
Mar dieß zu jagen deines Kommens Grund, 
Wie, oder willit du andres noch von mir? 

König. 
Noch Eins vergaß ih, und das fag’ ih nun. 
Bon Schäben nahm dein Gatte manches mit, 
Aus Jolkos fliehend, nach des Oheims Tod. 


Medea. 


Im Hauſe liegt's verwahrt, geh hin und nimm's! 


261 





202 Dab gofdene Blick. 


König. 
Wohl ift das goldne Kleinod auch dabei? 
Das Vließ, der Preis des Argonautenzugs? 
Was mwendeft du di ab und gehft? Gib Antwort! 
Iſt es darunter? 
Medea. 
Nein! 
König. 
Wo ift es alfo? 
Medea. 
Ich weiß ed nicht. 
König. 
Du nahmſt es aber fort 
Aus Pelias Haus, der Herold fagte fo. 
Medea, 
Hat er's gefagt, fo ift'3 auch wahr. 
König. 
Wo ift es? 
Medea. 
Ih weiß es nicht. 
König. 
Glaub’ niit uns zu betrügen! 
MAedea. 
Wenn du mir’s gibft, mein Leben zahl’ ih drum; 
Hätt' ich's, du ftündeft drohend nicht vor mir! 
König. 
Nahmft du's von Jolkos nicht mit dir? 
Meden. 
Ih nahm’sı 





NIT. Meden. Bierter Wufzug. 263 


König. 


Und nun? 


Medea. 
Hab’ ich's nicht mehr. 
König. 
Wer fonft? - 
Medea. 
Die Erde. 
König. 
Berfteh’ ih dich? Das alfo wär’ es, das? 
(Bu feinen Begleitern.) 
Bringt her, was ich gebot. Ihr wißt es jal 
(Zie gehen ob.) 
Denkſt du zu täufchen ung mit Doppelfinn? 
Die Erde hat es, nun verfteh’ ich dich. 
Schau nicht hinweg! Nach mir fieh her und höre!” 
Am Strand des Meers, wo ihr heut Nacht gelagert, 
Als einen Altar man auf mein Geheiß 
Dem Schatten Peliad erbauen wollte, 
Fand man — erbleihft du? — frifch im Grund vergraben, 
Ein Kifthen, ſchwarz, mit feltfam fremben Zeichen. 
(Die Kife wird gebragt.) 
Sieh zu, ob's dir gehört. 
Meden 
Parauf Tosfärzend). 
Jal Mir gehört es! Meint 
König. 
Iſt drin das Vließ? 
Medea. 
Es ift. 





264 Das goldene Vließ. 


König. 
So gib's! 
Meden. - 
| Ich geb’ es! 
König. 
Faſt rent das Mitleid mi, das ich dir fchenfte, 
Da binterliftig du uns täufchen wollteft. 
Meden. 
- Sei fiber, du erhältft, was dir gebührt. 
Medea bin ich wieder, Dank euch, Götter! 
König. 
Schließ auf, und gib! 
Meden. 
Seht nicht. 
König. 
Wann ſonſt? 
Medea. 
Gar bald! 
Zu bald! 
König. 
So fend’ es zu Kreufen hin. 
Meden. 
Hin zu Kreufen? Zu Kreufa? Ja! 
König. 
Enthält die Kifte Andres noch? 
Medea. 
Gar Manches! 
König. 
Dein Eigenthum? . 





II. Medea. Xierter Aufzug. 


Meden. 
Doch ſchenk' ih aud) davon! 
| König. 
Dein Gut verlang’ ich nicht; behalt' was dein! 
Meden. 
Nicht doch; ein Klein Gefchen? erlaubft du mir: 
Die Tochter dein war mir fo mild und bold, 
Sie wird die Mutter meiner Kinder fein, 
Gern möcht’ ich ihre Liebe mir gewinnen! 


Das Vließ lodt euch, vielleicht gefällt ihr Schmud. 


König. 
Thu, wie du willit, allein bedenl' dich felbit! 
Kreuſa ift dir hold gefinnt, das glaube. 
Nur erſt bat fie, die Kinder dir zu fenden, 
Daß du fie ſäheſt noch, bevor du gebit, 
Und Abſchied nähmeft für die lange Fahrt: 
Ich ſchlug es ab, weil ich dich tobend glaubte, 
Dod da du ruhig bit, fei dir's gewährt. 
Medea. | 
O taufend Dank! du güt’ger, frommer Fürft! 
König. 
Bleib hier, die Kinder fend’ ich dir heraus. 
(König ab.) 
Medea. 
Er geht! Er geht dahin in ſein Verderben! 
Verruchte, bebtet ihr denn ſchaudernd nicht, 
Als ihr das Letzte nahmt der frech Beraubten? 


265 


Doh Dank euh! Dank! Ihr gabt mir auch mich felbit. 


Schließ auf die Kifte! 
Bora. 
Ich vermag es nicht. 





266 Das gofdene Blick. 


MArdra. 
Vergaß ich doch, womit ich fie verſchloß! 
Den Schlüſſel halten Freunde, die ich kenne. 
(Gegen die Kiſte gewendet.) 
Unt’res herauf, 
Ob’reö hinab; 
Deffne did), bergendes, 
Hüllendes Grab! 
(Die Kite fpringt auf.) 
Der Dedel fpringt! Noch bin ih machtlos nicht! 
Da liegt'3! Der Etab! Der Schleier! Mein! Ah, mein! 
(83 berauönehmend.) 
Ich faſſe did, Vermächtniß meiner Mutter, 
Und Kraft durchftrömt mein Herz und meinen Arm. 
Ich werfe dich um's Haupt, geliebter Schleier! 
(Sid einhällend.) 
Wie warm, wie weich, wie neu belebend! 
Nun fommt, ihr Feindesfchaaren alle, 
Vereint gen mich, vereint in eurem Falle! 
Gora. 
Da unten blinkt es noch! 
Meden. 
Laß blinfen! blinfen! 
Bald löſcht der Glanz im Blut! 
Hier find fie, die Gefchenfe, die ich bringe: 
Du aber fei die Botin meiner Huld! 
Gora. 
sh? 
Medea. 
Du! Du geh zur Königstochter hin, 





III. Medea. Vierter Aufzug. 267 


Sprich fie mit holden Schmeichelworten an, 
Bring’ ihr Medeend Gruß, und mas ich fende. 

(Die Saden aus der Kifte nehmend.) 
Erft dieß Gefäß, es birgt gar theure Salben, 
Erglänzen wird die Braut, eröffnet fie's! 
Allein fer forgfam, ſchüttl' es nicht! 

Goran. 
MWeh mir! - 
(Sie bat das Gefäß mit der Linken ſchief gefaßt; da fie mit der Rekten 
unterflüßend den Dedel hält, wird dieſer etwas gehoben, uud eine belle 
Flamme ſchlägt heraus.) 


Medea. 
Sagt' ich dir nicht, du ſollſt nicht ſchütteln? 
Kehr' in dein Haus, 
Züngelnde Schlange, 
Bleibeſt nicht lange, 
Harre noch aus! 
Nun halt' es, und mit Vorſicht, ſag' ich dir! 


Gora. 
Mir ahnt Entſetzliches! 
Meden. 
Fängſt an zu merken? Ei, was bift du Flug! 
Gora. 
Und ic fol’3 tragen? 
Aedea. 


Ja! Gehorche, Sklavin! 
Wagſt du zu widerreden? Schweig! Du ſollſt, du mußt! 
Hier auf die Schale, weitgewölbt von Gold, 
Setz' ich das zierlich reiche Prachtgefäß, 
Und drüber ded’ ich, was fo ſehr fie lockt: 


Das Vließ. — 
(Indem fie es darüber wirft.) 





268 Das goldene Blieh. 


Geh’ hin, und thu' was deines Amtes! 
Darüber aber fchlinge fi dieß Tuch, 
Mit reihem Saum, ein Mantel, königlich, 
Geheimnißvoll umhüllend das Geheime. 
Nun geh und thu, wie ich es dir befahl, 
Bring das Gefchent, das Feind dem Feinde fenbet 


Eine Sklavin tommt mit den Kindern. 


Sklavin. 
Die Kinder fit mein Föniglicher Herr, 
Nach einer Stunde hol’ ich fie zurück. 
MR eden. 
Sie kehren früh genug zum Hochzeitsſchmaus. 
Geleite diefe hier zu deiner Fürftin; 
Mit Botschaft geht fie, mit Geſchenk von mir. 
Du aber dente, was ich dir befahl! 
Sprich nicht! ich wil’s! — Geleite fie zur Herrin. 
(Gora und die Stladin ab.) 
Meden. 
Begonnen iſt's, doch noch vollendet nicht. 
Leicht ift mir, feit mir deutlich, was ich will. 
(Die Rinder Kand in Hand wollen der Stladin folgen.) 
Medea. 
Wohin? 
Anabe. 
Ins Haus! 
Meden. 
Was fucht ihr drin im Haus? 
Anabe. 
Der Vater hieß uns folgen jener dort. 





III. Medea. Bierter Aufzug. 269 


Meden. 
Die Mutter aber heißt euch bleiben. Bleibt! 
Wenn ich bedenk', daß es mein eigen Blut, 
Das Kind, das ih im eignen Schooß getragen, 
Das ich genährt an diefer meiner Bruft, 
Daß es mein Selbft, das ſich gen mic empört, 
So zieht der Grimm mir ſchneidend durch das Inn're, 
Und Blutgebanfen bäumen fi empor. — 
Was hat denn eure Mutter euch gethan, 
Daß ihr fie fliebt, euch Fremden wendet zu? 
Anabe. 
Du willſt ung wieder führen auf dein Schiff, 
Wo's ſchwindlicht ift und ſchwül. Wir bleiben da. 
Gelt, Bruder? 
Kleine. 
Ja! 
Meden. 
Auch du, Abfyrtus, du? 
Allein es ift fo beſſer, beſſer ganz! 
Kommt ber zu mir! 
Knabe. 
Ich fürchte mid. 
Meden. 
Komm her! 
‚ Knabe 
Thuſt du mir nichts? 
Meden. 
Glaubft? hätteft du's verdient? 
Knabe. 
Einft warfft mid auf den Boden, weil dem Vater 





270 Das goldene Blieh. 


Ich ähnlich bin, allein er liebt mich drum. 
Ich bleib’ bei ihm und bei der guten Frau! 
Medea. 
Du ſollſt zu ihr, zu deiner guten Fraul — 
Wie er ihm ähnlich fieht, ihm, dem Verräther; 
Wie er ihm ähnlich fpridt. Geduld! Geduld! 
Kleine 
Mich fchläfert. 
Aeltere. 
Laß uns ſchlafen gehn, 's iſt fpät. 
Meden. 
Ihr werdet ſchlafen noch euch zu Genügen. 
Geht hin dort an die Etufen, lagert euch, 
Indeß ich mich berathe mit mir felbft. — 
— Wie er den Bruder forgfam hin geleitet, 
Das Oberkleid ſich abzieht, und dem Kleinen 
Es warm umhüllend um die Schulter legt, 
Und nun, die Heinen Arme dicht verfhlungen, 
Sich hinlegt neben ihm. — Schlimm war er nie! — 
D Kinder! Kinder! 
(Rnabe fih emporrichtend.) 
Knabe. 
Willſt du etwas? 
Medea. 
Schlaf’ nur! 
Was gäb’. id, lönnt' ich fehlafen, fo wie bu. 
(Der Anabe Tegt ſich und fAläft. Medea feht fih gegenüber auf Et" 
Rubebant. Es if nah und nach finfer geworden.) 
Die Naht bricht ein, die Eterne fteigen auf, 
Mit mildem, fanftem Licht herunter ſchauend; 
Diefelben heute, bie fie geftern waren, 





III. Medea. Vierter Aufzug. 971 


Als wäre alles heut, wie's geftern war: 
Indeß dazmifchen doch fo weite Kluft, 

Als zwiſchen Glück befeftigt und Verderben ! 
So wandellos, ſich gleich, ift die Natur, 
So mwandelbar der Menſch und fein Gefchid. 


Wenn ih das Mähren meines Lebens mir erzähle, 
Dünkt mir, ein Andrer ſpräch', ich hörte zu, 
Ihn unterbrechend: Freund, das fann nicht fein! 
Diefelbe, der du Mordgedanfen leihft, 

Läßt du fie wandeln in dem Land der Väter, 
Bon eben dieſer Sterne Schein beleuchtet, 

So rein, fo mild, fo aller Schuld entblößt, 
Als nur ein Kind am Bufen feiner Mutter? 
Wo geht fie hin? Sie ſucht des Armen Hütte, 
Dem ihres Vaters Jagd die Saat zerftampft, 
Und bringt ihm Gold, und tröftet den Betrübten. 
Mas fucht fie Waldespfade? Ei, fie eilt 

Dem Bruder nad, der ihrer harrt im Forft; 
Und nun, gefunden, wie zwei Zwillingsfterne, 
Durchziehn fie ftrahlend die gewohnte Bahn. 
Ein Andrer naht, die Stirn mit Gold gekrönt: 
Es ift ihr Vater, ift des Landes König. 

Er legt die Hand ihr auf, ihr und dem Bruder, 
Und fegnet fie, nennt fte fein Heil und Glüd. 
Willkommen, holde, freundliche Geftalten, 
Sudt ihr mich heim in meiner Einſamkeit? 
Kommt näher, laßt mich euch ins Antlitz ſehn! 
Du guter Bruder, lächelft du mir zu? 

Wie bift du ſchön, du meiner Seele Glück! 
Der Bater zwar ift ernft, doch liebt er mich, 
Liebt feine gute Tochter! Gut? Ha gut? 





272 Das golbefe Vlieh. 


(Xuffpeingend.) 
's ift Lüge! Sie wird dich verrathen, Greis! 
Hat did verrathen, did und fi: 
Du aber fluchteft ihr. 
Ausgeftoßen follft du fein, 
Wie dad Thier der Wildniß, fagteft du, 
Kein Freund fei dir, feine Stätte, 
Mo du hinlegeft dein Haupt. 
Er aber, um den bu mid) verräthft, 
Er felber wird mein Rächer fein; 
Wird dich verlaffen, verftoßen, 
Tödten dich 
Und fig! 
Ausgeftoßen fteh' ich da, 
Gemieden tie das Thier der Wildniß, 
Verlaffen von ihm, um den ich dich verließ; 
Ohne Rubftatt, leider nicht tobt, 
Mordgedanken im büftern Sinn. 
Freuft du dich der Rache? 
Nahſt du mir? — Kinder! Kinder! 
(Qineitend und fie rüttelnd.) 
Kinder, hört ihr nicht? Steht auf! 
Knabe (ufwagend). 
Was willſt du? 
Medca 
su ihnen Hingefämiegt). 
Schlingt die Arme um mid) her! 
Knabe. 
Ich ſchlief fo fanft! 
Meden. 
Wie könnt ihr fchlafen? ſchlafeni 


11I. Medea. Vierter Aufzug. 273 


Glaubt ihr, weil eure Mutter wacht bei euch? 
In Ichlimmern Feindes Hand wart ihr noch nie! 
ie könnt ihr fchlafen bier in meiner Nähe? 
Geht da hinein, da drinnen mögt ihr ruhn! 
(Die Rinder gehen in den Säulengang.) 
Nun find fie fort! Nun ift mir wieder wohl! — 


Und meil fie fort; was ift wohl beſſer drum? 
Muß ih drum minder fliehn, noch heute fliehn, 
Sie hier zurüd bei meinen Feinden laflend? 
Sit minder drum ihr Vater ein Verräther? 
Hält minder Hochzeit drum die neue Braut? 
Morgen, wenn die Sonne aufgeht, 

Steh’ ih ſchon allein, 

Die Welt eine leere Wüſte, 

Dhne Kinder, ohne Gemahl, 

Auf blutig geritten Füßen 

Wandernd ins Elend. — Wohin? 

Sie aber freuen fih hier und lachen mein; 
Meine Kinder am Halje der Fremden, 
Mir entfrembet, auf ewig fern. 

Duldeft du das? 

Iſt's nicht Schon zu fpät, 

Zu jpät zum verzeihn? 

Hat fie nicht Schon, Kreufa, das Kleid, 
Und den Becher, den flammenden Becher? 
— Horch! Noch nicht! — Aber bald wird's erichallen 
Von Jammergefchrei in der Königsburg. 
Sie Iommen, ſie tödten mid), 

Sconen auch der Kleinen nict. 

Horch! jetzt rief's! — Helle zudt empor! 
Es iſt geichehn! 


Grillparzer, ſämmtl. Werke. III. 18 





274 Das goldene Vließ. 


Kein Rüdtritt mehr! 
Ganz fei es vollbracht! Fort! 


Gora fürs aus dem Palafe. 


Gora. 
D Greuel! Entſetzen! 
Aedea 
(ihr entgegen). 
318 geſchehen? 
Gora. 
Weh! Kreuſa todt! Flammend der Palaſt. 


Meden. 
Bift du dahin, weiße Braut? 
Verlodft du mir noch meine Kinder? 
Lodft du fie? lockſt du fie? . 
Willſt du fie haben auch dort? 
Nicht dir, den Göttern ſend' ich fie. 
Gora. 
Was haſt du gethan? — Man kommt! 


Aedea. 
Kommt man? Zu ſpät! 
(Sie eilt in den Saulengang.) 
Gora. 
Weh mir! Noch in meines Alters Tagen 
Mußt' ich unbewußt dienen fo ſchwarzem Werk! 
Rache rieth ich ſelbſt; doch ſolche Rache! 
Aber two find die Kinder? hier ließ ich fie. 
Medea, wo bift du? deine Kinder, mo? 
(Eitt in den Gäufengang.) 
(Der Palafl im Hintergrunde fängt an, ſich von einer im Innern aufe 
feigenden Flamme zu erfeuten.) 





II. Medea. Bierter Aufzug. 275 


Iafons Stimme. 
Kreufa! Kreufa! 
König 
(von innen). 
Meine Tochter! 
Gora 


(Aürzt außer ſich aus dem Saulengange hervor und fällt in der Mitte des 
Theaters auf die Aniee, fih das Gefiht mit den Händen verhüflend). 
Was hab’ ich gefehn? — Entfegen! 
(Medea tritt auß dem Gäulengange, in der Linken einen Dolch, mit der 
testen hocherhobenen Hand Stillſcwweigen gebietend.) 


Der Vorhang fällt. 





Fünfter Aufzug 


Vorhof von Areons Burg, mie im vorigen Aufzuge; die Wohnung 

des Königs, im Hintergrund, ausgebrannt und noch rauen. 

Mannigfah beſchäftigtes Vol füllt den Schauplag. Morgen: 
Dämmerung. 


Der König fhleppt Gora aus dem Palafle. Mehrere Dienerinnen 
Rreufens hinter ihm her. 


König. 
Heraus mit dir! Du warſt's, die meiner Tochter 
Das Blutgefchent gebracht, das fie verdarb! 
D Tochter! D Kreufa, du mein Kind! 

(Gegen die Dienerinnen.) 

Die war's? 

Gora. 

Ich war's! Unbewußt 

Trug ich den Tod in dein Haus. 

König. 

Unbewußt? 

O glaube nicht der Strafe zu entgehn! 

Gora. 
Meinſt du, mich ſchrecket deine Strafe? 
Ich hab' geſehn mit dieſen meinen Augen 





LI. Medea. Fünfter Aufzug. 277 


Die Kinder liegen tobt in ihrem Blut, 
Erwürgt von ber, bie fie gebar, 
Bon der, die ih erzog, Mebea: 
Seitdem dünkt Scherz mir jeder andre Greu'l! 
König. 
Kreuſa! D mein Kind! Du Reine! Treue! — 
Erbebte dir die Hand nicht, Ungeheuer, 
Als du den Tod hintrugft in ihre Nähe? 
Gora. 
Um deine Tochter klag' ich nicht; ihr ward ihr Recht! 
Was griff fie nad) des Unglücs letzter Habe? 
Ich klag' um meine Kinder, meine Lieben, 
Die ih geſehn, von Mutterhänden tobt. 
Ih wollt’, ihr läget allefammt im Grab, 
Mit dem Verräther, der ſich Jafon nennt, 
Ich aber wär’ in Koldis mit der Tochter 
Und ihren Kindern, hätt’ euch nie gejehn, 
Nie eure Stadt, die Unheil trifft mit Recht. 
König. 
Du legft den Troß wohl ab, wenn ich dich treffe! 
Allein iſt's auch gewiß, daß tobt mein Kind? 
So viele fagen’s, feine hat's gefehn! 
Kann man dem Feuer nicht entrinnen? 
Wächst Flamme denn fo fhnell? Nur langſam, 
Nur zögernd friecht fie an den Sparren fort. 
Wer weiß das nicht? und dennoch wär’ fie todt? 
Stand erft fo blühend, lebend vor mir da, 
Und wäre tobt? Ich kann's, ich darf's nicht glauben! 
Die Augen wend' ih unwillkürlich hin, 
Und immer glaub’ ih, jegt und jet und jeßt 
Muß fie fi) zeigen, weiß in ihrer Schönheit, 





278 Das goldene Blich. 


‚Herniebergleitend durch die ſchwarzen Trümmer. 
Wer war dabei? Wer fah es? — Du? — So ſprich! 
Dreh’ nicht die Augen fo im Kopf herum! 
Mit Worten tödte mid! — Iſt fie dahin? 
Aagd. 
Dahin! 
König. 
Du ſahſt's? 
Aagd. 
Ich ſah's. Sah, wie die Flammen, 
Hervor ſich wälzend aus dem Goldgefäß, 
Nach ihr — 
König. 
Genug! — Sie ſah's! — Gie ift nicht mehr! 
Kreufa! D mein Kind! D meine Tochter! — 
Einft — noch als Kind — verbrannte fie die Hand 
Am Opferherd, und qualvoll ſchrie fie auf. 
Hin ſtürz' ich, fafle fie in meinen Arm, 
Die heißen Finger mit den Lippen hauchend; 
Da lächelt fie, troß ihrer bittern Thränen, 
Und leiſe ſchluchzend ſpricht fie: ’8 ift nicht viel, 
Was thut der Schmerz? Nur brennen, brennen nicht! 
Und nun — 
Gu Bora.) 
Wenn id das Schwert hier ziwanzigmal 
Dir ſtoß' in deinen Leib — was iſt's dagegen? 
Und wenn ich fie, die Gräßlide — Wo ift fie, 
Die mir mein Kind geraubt? 
Ich ſchüttle dir 
Die Antwort mit der Seel! auf deinem Mund, 
Wenn du mir nicht geftehft: wo ift fie hin? 





II. Medea. Fünfter Aufzug. 279 


Gora. 
Ich weiß es nicht, und mag es auch nicht wiſſen, 
Geh' unbegleitet ſie in ihr Verderben. 
Was weilt ihr? Tödtet mich! Ich mag nicht leben! 
König. 
Das findet fi, doch vorher noch geftehft du! 
Safon 
(inter der Gcene). 
Wo ift fie? Gebt fie mir heraus! Medea! 
(Wit dem blopen Eihmerte in der Sand aufttetend.) 
Man fagt mir, fie ward eingeholt! Wo ift fie? 
Ha, du hier? Wo ift deine Herrin? 
Gora. 
Fort! 
Iafon. 
Hat fie die Kinder? 
Gora. 
Nein! 
Safon. 
So find fie —? 
Gora. 
Todt! 
Sa tobt! du heuchelnder Verräther! — Todt! 
Sie wollte fie von deinem Anfchaun retten, 
Und da dir nichts zu heilig auf der Erbe, 
Hat fie hinabgeflüchtet fie ins Grab. 
Steh’ nur und ftarre nur den Boden an, 
Du rufft e8 nicht herauf, das liebe Paar! 
Sie find dahin, und deſſen freu’ ih mich! 
Nein, deſſen nicht! Doc daß du drob verzweifelft, 
Dep freu’ ih mih! — Du heuchelnder Verräther! 





280 Das goldene Blick. 


Haft du fie nicht dahin gebracht? Und du, 
Du falfcher König mit der Gleignermiene? 
Habt ihr es nicht umftellt mit Jägernetzen 
Des ſchändlichen Verraths, das edle Wild, 
Bis ohne Ausweg, in Verzweiflungstwuth, 
Es, überfpringend euer. Garn, die Krone, 
Des hohen Hauptes königlichen Schmuck, 
Migbraucht zum Werkzeug ungewohnten Morde. 
Ningt nur die Hände, ringt fie ob euch felbft! 
(Zum Adnig.) 
Dein Kind, was ſucht' es einer Andern Bett? 
(Zu Jafon.) 
Was ftahlft du fie, haft du fie nicht geliebt? 
Und liebteft du fie, was verftößt du fie? 
Laß Andre, mich laßt ihre That verdammen, 
Euch Beiden widerfuhr nur euer Recht! 
Ihr fpottet num nicht mehr der Kolcherin. — 
Ich mag nicht länger leben auf der Erbe; 
Zivei Kinder tobt, das britte haſſenswerth. 
Führt mid) nur fort, und wollt ihr, töbtet mid: 
Auf etwas Jenfeits hoff’ ih nun gewiß, 
Hab’ ich gefehn doch, daß Vergeltung ift. 
(Sie geht ab, von Ginigen begleitet.) 
Wauſe.) 
König. 
That ich ihr Unrecht — bei den hohen Göttern, 
Ich hab’ es nicht gewollt! — Nun hin zu jenen Trümmern, 
Daß wir die Refte ſuchen meines Kindes, 
Und fie beftatten in der Erde Schooß. 
(Zu Jafon.) 
Du aber geh’, wohin der Fuß dich trägt; 
Befleckter Nähe, merk’ ih, ift gefährlich. 





III. Medea. Fünfter Aufzug. 281 


Hätt' ich dich nie gefehn, did nie genommen 
Mit Freunbeötreue in mein gaftlih Haus! 
Du haft die Tochter mir genommen: geh! 
Daß du nicht auch der Klage Troft mir nimmft! 
Iafon. 
Du ftößt mi fort? 
König. 
Ich weiſe dich von mir. 
Saſon. 
Was ſoll ich thun? 
König. 
Das wird ein Gott dir fagen! 
3afon. 
Wer leitet meinen Tritt? Wer unterftügt mich? 
Mein Haupt ift wund, verlegt von Brandes Fall! 
Wie, alles ſchweigt? Kein Führer, fein Geleiter? 
Folgt Niemand mir, dem einft fo Viele folgten? 
Geht, Schatten meiner Kinder, denn voran, 
Und leitet mic) zum Grab, das meiner harrt! 
(Er geht.) 
König. 
Nun auf, ans Werk! Dann Trauer ewiglih! 
(Auf der andern Eeite ab.) 


Wilde, einfame Gegend, von Wald und Felſen umfchloffen, mit 
einer Hütte. 
Der Landmann auftretend. 


Sandmann. 
Wie ſchön der Morgen auffteigt. Güt'ge Götter! 





282 Das goldene Blick. 


Nah al’ den Stürmen biefer finftern Nacht, 
Hebt eure Sonne fi in neuer Schönheit. 
(Gr geht in die Kütte.) 


Jaſon tommt wantend auf fein Schwert gefükt. 


Iafon. 
Ich Tann nicht weiter! Web! mein Haupt — es brennt, 
Es glüht das Blut — am Gaumen lebt die Zunge! 
Iſt Niemand da? Sol ich allein verſchmachten? 
Hier ift die Hütte, die mir Obdach bot, 
ALS ih, ein reicher Mann, ein reicher Vater, 
Hierher fam, neuerwachter Hoffnung voll! 
(Anpoend.) - 
Nur einen Trunf! Nur einen Ort zum Sterben! 
(Der Sandmann kommt heraus.) 
£andmann. 
Wer pocht? — Wer bift du, Armer? todesmatt! 
Iafon. 
Nur Wafler! — Einen Trunk! — Ic bin der Jaſom — 
Des Wunder:Vliepes Held! Ein Fürft! Ein König! 
Der Argonauten Führer, Jafon ich! 
fandmann. 
Bift du der Jaſon? fo heb' dich von hinnen! 
Beflede nicht mein Haus, da du's betrittft. 
Haft meines Königs Tochter du getöbtet, 
Nicht fordre Schuß vor feines Volkes Thür. 
(Gt geht Hinein, die Thare fhlichend.) 
Safon. 
Er geht und läßt mich liegen hier am Weg; 
Im Staub, getreten von des Wandrerd Füßen! 
Dich ruf ih, Tod, führ' mid) zu meinen Kindern! 
(&r finft nieder) 





\ 


III. Medea. Fünfter Aufzug. 283 


Meden tritt hinter einem Felſenſtück hervor, und fleht mit einemmal 
vor ihm, das Vließ wie einen Mantel um ihre Schultern tragend. 


Meden. 
Jaſon 


(halb emporgerichtet). 

Wer ruft? — Ha, ſeh ich recht? Biſt du's? 
Entſetzliche! Du trittſt noch vor mich hin? 
Mein Schwert! Mein Schwert! 

(Er will aufſpringen, ſinkt aber wieder zurüd.) 
D weh mir! Meine Glieder 
Berfagen mir den Dienjt! — Gebroden! — Hin! 
Meden. | 

Laß ab! Du trifft mi nicht! Ich bin ein Opfer 
Für eines Andern Hand, als für die deine. 


Salon! 


Safon. 
No haft du meine Kinder? 
Meden. 
Meine ſind's!. 
Safon. 
Mo haft du fie? 
Meden. 


Sie find an einem Drt, 

No ihnen beffer ift, als mir und dir. 

Safon. 
Todt find fie, tobt! 

Meden. 

Dir Scheint der Tod das Schlimmite; 

Sch kenn' ein noch viel Aerg'res: elend fein. 
Hätt’ft du das Leben höher nicht geadtet,, 





284 Das goldene Blich. 


ALS es zu achten ift, und wär’ nun anders. 
Drum tragen wir! Den Kindern iſt's erſpart! 


Iafon. 
Das fagit du und ftehft ruhig? 


Meden. 

Ruhig? Ruhig! 
Wär’ dir mein Bufen nit auch jetzt verſchloſſen, 
Wie er dir's immer war, du fähft den Schmerz, 
Der endlos wallend wie ein brandend Meer, 
Die einzeln Trümmer meines Leids verfchlingt, 
Und fie, verhült in Greuel der Verwüftung, 
Mit fi) wälzt in das Unermeßliche. 
Nicht traur’ ih, daß die Kinder nicht mehr find 
Ich traure, daß fie waren, und daß wir find. 


Safon. 
D ieh mir, weh! 


Meden. 

Du trage, was bich trifft, 
Denn wahrlich, unverdient trifft e8 dich nicht! 
Wie du vor mir liegft auf der nadten Erbe, 
So lag id aud in Koldis einft vor bir 
Und bat um Schonung; doch du ſchonteſt nicht! 
Mit blindem Frevel griffſt du nach den Loofen, 
Ob ich dir zurief glei: du greifft den Tod! 
So habe denn, was trogend du gewollt: 
Den Tod. Ich aber ſcheide jetzt von dir 
Auf immerdar. Es iſt das letztemal, 
In alle Ewigkeit das legtemal, 
Daß ih zu dir nun rede, mein Gemahl. 
Leb wohl! Nach al’ den Freuden früh’rer Tage, 





A. Medea. Fünfter Aufzug. 285 


n all’ die Schmerzen, die ung jegt umnachten, 

a all’ dem Jammer, der noch fünftig droht, 

ag ich dir Lebewohl, mein Gatte. 

in fummervolles Leben bricht dir an, 

och was aud fommen mag: Halt aus, 

nd fei im Tragen ftärfer, als im Handeln! 

zillſt du im Schmerz vergehn, fo den!’ an mic, 

nd tröfte di) an meinem größern Jammer, 

ie ih gethan, wo du nur unterlafjen. 

4 geb’ hinweg, den ungeheuern Schmerz 

art mit mir tragend in bie weite Welt. 

in Doldftoß wäre Labfal, doch nicht fo! 

dedea foll nicht dur Mebeen fterben. 

tein früh’res Leben, eines beſſern Richters 

dacht es mi würdig, ala Medea ift. 

ah Delphi geh’ ih. An des Gottes Altar, 

on wo das Vließ einft Phryrus meggenommen, 

äng' id), dem dunfeln Gott das Seine gebend, 

3 auf, das felbft die Flamme nicht verlegt, 

ıb das hervorging, ganz und unverfehrt, 

:3 der Korintherfürftin blut'gem Brande. 

»zt ftell’ ich mich den Priejtern dar, fie fragend: 
fie mein Haupt zum Opfer nehmen an, 

fie mid) fenden in die ferne Wüſte, 
Tängerm Leben findend läng’re Dual. 

en nſt das Zeichen du, um das du rangft? 

3 Dir ein Ruhm war und ein Glück dir ſchien? 

3 ift der Erde Glüd? — Cin Schatten! 

3 ift der Erde Ruhm? — Ein Traum! 
Armer! Der von Schatten du geträumt! 
Traum ift aus, allein die Nacht noch nicht. 
Tcheide nun, leb' wohl, mein Gatte! 





286 Das goldene Blich. 


Die wir zum Unglüd uns gefunden, 
Im Unglüd ſcheiden wir. Leb' wohl! 
Iafon. 
Verwaist! Allein! D meine Kinder! 
Meden. 
Trage! 
Iafon. 
Verloren! 
Medea. 
Dulbe! 
Iafon. 
Könnt’ ich fterben! 
Meden. 
Büße! 
Ich geh’ und niemals fieht dein Aug’ mich wieder! 
(Indem fie fih zum Forigehen wendet, fällt der Bordang) 





Das Driginal:Manuffript des „goldnen Vließes“ zeigt 
das Datum des 29. September 1818 auf feinem erften, das 
Datum bed 27. Jänners 1820 auf feinem legten Blatte. 

Mit fiebenundzwanzig Jahren alfo begann Grillparzer 
dieſe große Compofition einer Trilogie aus Griechenlands 
Ürzeit; in anderthalb Jahren hatte er fie vollendet. 

Es fallen große Störungen und Unterbrechungen in 
dieſe Abfafjung: der gewaltfame Tod feiner Mutter und 
eine Reife nah Italien. Er beflagt ſich auch zu wieder⸗ 
holten Malen, daß ihm nicht vergönnt worden fei, biefe 
amfafjende Dichtung in einem Zuge nieberzufchreiben, und 
Daß Störung und Unterbredung ihm die Stimmung be: 
einträdhtigt, das Werk beſchädigt hätten. 

Zur Klage über feine Werke, welche ihm nicht hin— 
Yänglid} gelungen feien, war er immer bereit, und aller: 
Dings zeigt dad Manufeript diefer Trilogie eine viel größere 
Anzahl von corrigirten ober umgeänberten Blättern als 
eins feiner anderen Dramen-Manufcripte. 

Aber in Wahrheit entdeckt wohl aud der aufmerf: 
ſamſte Lefer kaum eine Falte, oder gar eine Lüde in ber 
großen Compofition; denn auch die Heinen Züge in den 
Charakteren und in der Handlung finden ihre Folge und 
ihre Erledigung. Es ift alfo wohl nur das deal des 
Poeten, welches Grillparzer als unerreicht bezeichnen mußte, 
wenn er barüber klagte, daß ihm das „golbne Vließ“ 





288 Das goldene Blick. 


durch Störung und Verzögerung im Abfafjen beſchädigt 
worden fei. 

Vielleiht hat ihn die Figur der Medea beunruhigt. 
Sie ift im „Gaftfreunde” und in den „Argonauten“ in 
ihrer Mädchenfriſche als reizend und für Jaſon als ſehr 
begehrenswerth geſchildert, und doch ift im dritten Stüde, 
in der „Mebea“, der Vorwurf durchgehend: daß fie un 
ſchön, ja abfehredend wäre. — Diefe Ungleichheit ift aber 
doch hinreichend erklärt. In Koldis war fie jung und 
blühend und war in reizlofer Umgebung; in Korinth da 
gegen üft fie viel älter, ift völlig verblüht, ift, von Kummer 
und Oram gebeugt, vorzeitig gealtert, und hat neben fi 
die in Jugendglüd ftrahlende Griechin Kreufa. 

Für die Darftelung auf der Bühne macht es indeſſen 
dieſer auffallende Unterfchied doch nöthig, die Rolle von 
zwei verfchiebenen Perjonen fpielen zu laflen, wenn nicht 
eine ungewöhnliche Naturgabe die Darftellerin der Medea 
derart begünftigt, daß fie in den zwei erften Theilen jung 
und frifch erfheinen, und doch im dritten Theile die harte 
Aufgabe einer Heldenmutter mit ganzer Gewalt ausfüllen 
Tann. 

Sophie Schröber gab bei den erften Aufführungen 
1821 die Medea in beiden Theilen. Aber freilih mußten 
die Worte des Dichters dafür büßen: es wurde in den 
„Argonauten“ Alles weggeftrihen, was die Jugend und 
den Reiz Medeens bezeichnete, und eine ber fehöniten 
Scenen Örillparzers, diejenige, welche die Liebeswerbung 
und ben Liebesfieg Jafons ſchildert, wurde jo verjtümmelt, 
dag man fagen fann: fie ging badurd verloren. 

Das damalige Publikum hat denn aud fein ftarkes 
Intereſſe gezeigt für die beiden erften Theile, und bie 
Trilogie verſchwand bald wieder von der Scene des Burg: 





III. Medea. Fünfter Aufzug. 289 


theaters. Anderwärts ift fie als Trilogie gar nicht vers 
fucht worden. 

Im Jahre 1857 jedoch wurde fie im Burgtheater 
wieder aufgenommen, und erhielt ſich unter warmer Theil: 
nahme des Publitums eine Reihe von Jahren auf dem 
Repertoire. . Eine jüngere Schaufpielerin fpielte jegt bie 
Medea in den erften Theilen, eine ältere die Medea des 
legten Theil, 

Dies dritte Stüd „Medea“ ift immer auf dem Re: 
pertoire geblieben und ift, wie ſchon erwähnt, aud) auf 
andern deutſchen Bühnen dorgeftellt worden, vorzugsweiſe 
durch gaftirende Heldenmütter. 

Das Werk ift in feinem weit geglieberten Umfange 
und in feiner tragiſchen Gewalt einzig in unfrer Literatur. 
Wir befigen nur in Schillers Wallenftein eine impofante 
Trilogie, und dieſe ift in Stoff und Behandlung ganz 
anders, ift unferm Antheil viel näher liegend, als biefe 
Trilogie Grillparzers aus der griechiſchen Mythenzeit. 
Der Wallenftein hat außer dem Schiller'ſchen Zauber des 
Vortrags noch den großen Reiz vaterländifcher Geſchichte 
voraus.- Daneben fteht das „goldene Vließ“ wohl im 
Schatten. Daneben behält ed aber doch dauernden Werth 
durd die keuſche Führung, durd die tiefe Führung des 
tragifhen Charakters, welder ohne fhimmernde Zier vom 
Anfang bis zum Ende wächst. Wir ſcheiden am Schluffe 
von ihm wie von einer elementarifchen Macht der Ges 
vechtigfeit, welche der Dichter auferbaut hat, und zwar 
auferbaut hat aus einleuchtenden menſchlichen Eigenſchaften, 
während die Eigenfchaften des Friebländers nicht frei zu 
ſprechen find von künſtlicher Zuthat. Grund genug, bünft 
mich, dieſe zweite Trilogie unferer Literatur bod zu 
ſchãtzen. 


Srillpather, fämmel, Verke. II. 19 





290 Das goldene Blick. 


Neben dem Driginalmanuffripte des „goldnen Vließes“ 
ift ein großes Quantum Stubienblätter vorhanden, welche 
Zeugniß ablegen von Grillparzerö Duellenforfhung, den 
Argonautenzug betreffend. Lange Auszüge aus griechifchen 
und römifchen Autoren — Apolloborus, Strabo, Valerius 
Flaccus, Seneca — füllen zahlreiche Bogen, und die be: 
ſonders ausführlichen griechiſchen Stellen hat er mit einer 
Sorgfalt gefhrieben, daß man Gebrudtes vor fich zu haben 
meint. Darin finden ſich Nachrichten über ben perfönlichen 
Verkehr zwifhen Jaſon und Medea, welche an Genauig: 
keit nichts zu wünſchen übrig laſſen, und ben franzöſiſchen 
Memoiren in Enthühung von Intimitäten nicht nad: 
ftehen. 


\ 5.8. 











Grillparzer's 


Sümmtlihe Werke. 


Bierter Band. 


Stuttgart. 
Verlag der I. ©. Cotta ſchen Buchhandlung. 
1872. 





Brgpruderei ver J. G. Cotta’fgen Buchhandlung in Stuttgart. 





ig Ottofars Glnd und Ende 
treuer Diener feines Herrn 


181 





König Ottokars 
Glück und Ende. 


Trauerfpiel in fünf Aufzügen. 


@rrtiparger, ſammtl. Werte. IV. 


TR Te — * 


9 ö— — — — 





" Berfonen. 


Primislaus Ditolar, König von Böhmen. 

Margarethe von Defterreih, Wittwe Heinrich3 von Hohen: 
ftaufen, feine Gemahlin. 

Beneſch von Diedig, 

Milota, die Rofenberge. 

Zawiſq, 

Bertha, Beneſchs Tochter. 

Braun von Olmütz, des Königs Kanzler. 

Bela, König von Ungarn. 

Kunigunde von Maffovien, feine Entelin. 

Rudolf von Habsburg. 

— ſeine Söhne. 

Friedrich Zollern, Burggraf von Nürnberg. 

Heinrich von Lichtenſtein, Bu 

Berthold Schent von Emerberg, | öſterreichiſche Ritter, 

Der alte Merenberg, 

Seyfried Merenberg, fteierifche Ritter. 

Friedrich Pettauer, 

Herbott von Füllenftein. 

DOrtolf von Windiſchgrätz. 

Merenbergs Frau. 

Paltram Bao, Bürgermeifter von Wien. 

Der Bürgermeifter von Prag. 





Ein kaiſerlicher Herold. 

Der Küfter von Gotzendorf. 

Der Kanzler bes Erzbiſchofs von Mainz. 

Eliſabeth, Nargarethens Kammerfrau. 

Ein Rammerfräulein Aunigundens. 

Abgeorbnete ber beutfhen Wahlverfammlung. 

Boðhmiſche, öſterreichiſche, ſteieriſche, kärnthneriſche Landes 
herren und Kriegsleute. 





Erfter Aufzug. 


Im Schloffe zu Prag. Borzimmer der Königin. Rechts und links 
Seitenthüren, deren erftere zu ben inneren Gemädern führt. 
Bor derfelben, Wade haltend, Seyfried von Merenberg, auf 


feine Partifane gefügt. Grau Eliſabeth mit einer andern Rammerfrau 
fritt aus dem Zimmer der Rdnigin. 


Elifabeth. 
Lauf, Barbara! lauf ſchnell nad Meifter Niklas! 
Die Königin ſcheint wohl, doch trau’ ich nicht. 
Ein Diener if gelommen. 
Elifabeth. 


Haft du den Balfam? Gut, gib her, mein Freund! 
D unglüdfel'ger Tag! D arme Frau! 


Der alte Merenberg tommt. 
Merenberg. 
Wie geht's der Königin? 
Elifabeth. 


Verwunderlich! 
Doch thut fie ſich Gewalt, das ſieht man wohl. 





6 Rönig Ditolard Glüd und Ende. 


Merenber: g. 
Wer iſt bei ihr? 
Eliſabeth. 
Der Graf von Habsburg, Herr. 
D daß ich das erleben müſſen! . 
(46 ins Zimmer der Königin.) 
Merenberg. 
Sohn! 
Seyfried 
(er gebantenvoll, auf jeine Hallbarthe gefügt, dagefanden hat). 
Ihr, Vater? 
Merenberg. 
Haft du ſchon gehört? 


Scyfried. 
Ja wohl! 
Merenberg. 
Und fagft dazu? 
Seyfried. 
Ich glaub's nicht, Vater! 


Merenberg. 
Wie? 
Scyfried, 
Nein, Vater! Und bin fo ergrimmt darob, 
Daß ich den Lügnern mit der Hallbarth hier 
Den Kopf einfchlagen möchte, allgefammt. 
Merenberg (urüdtretend). 
D weh, mein Cohn, fehlag deinen Vater nicht! 
Denn ich glaub's auch. 





Erßer Aufzug. 7 


Seyfried. 
J Ihr auch? 
Merenberg. 
Ic weiß, mein Cohn! 

Scyfried. 
Wie? fo ein Herr, ein Ritter, fo ein König, 
Und ihäte ſchlimm an feinem eignen Wort, 
Die Frau verlaffend, die ihm angetraut? 
Hab’ ich nicht knabenweiſ' bei ihm gebient, 
Und war er mir ein Mufter, Vorbild nicht 
Von jedem hohen Thun? 


Merenberg. 
's wird Keiner bös, 
Der nicht, bevor er's ward, erft gut geweſen! 


Seyfried. 
Und was ich Löblichs ihat und Gutes dachte, 
An ihn hielt ich's und an fein adlich Walten, 
Gar tief befhämt, ob des zu großen Abftands. 
Gr bat die letzte Zeit mich ſchwer gekränkt; 
Ich dürft’ nicht mit ihm in die Ungarſchlacht! 
Denn feht, er denkt wohl, daß ein alt Gefühl 
Für Bertha noch von Rofenberg; Ihr wißt ja! — 
D hätt’ id) das aus feinem Leben fort, 
Den einz'gen Sled, im andern fteht ‘er rein! — 
Doch glaubt, fie haben ihn dazu verleitet, 
Die Rofenberg! Der Vater — pfui, des Kupplers! 


Merenberg. 
Den!’ was du willſt, nur Eines halt’ für wahr: 
Die Königin muß fort, und fie und ihre Diener, 
Das Xergfte haben fie, das Neußerfte zu ſcheu'n. 





8 adnig Ortolars Glüd und Ende. 


Ich geb’ noch heute heim nach Merenberg, 
Auf meiner Väter Schloß, auch du mußt fort! 
Sceyfried, 
Wie, Vater? 
Merenberg. 
Du! dieß thörichte Vertrau'n 
Soll dich nicht felber an das Meffer liefern. 
Du folgft mir nad, zum Schein; allein in Brud 
Harrt dein ein treuer Anecht mit frischen Pferden, 
Und während man dich bei dem Pater glaubt, 
Eilft du nach Deutfchland auf verborgnen Pfaden. 
Die Königin will fi and Reid) nicht wenden 
Mit ihrer Noth; ich aber will’, Hilft Gott! 
Ich will nicht ſehn die Tochter meines Herrn 
Von Haus und Land vertrieben, ohne Schutz. 
Du gehft nach Frankfurt, und dieß Schreiben gibft bu 
(er öffnet daß Roller, in dem der Brief fedt) 
Dem Erzbiſchof von Mainz. Allein man kömmt, 
Wir find bewacht. 
(Indem er fich von ihm entfernt.) 
Verſchwiegenheit und Eile! 
Ein Tag zu viel ift dreißig Jahr zu wenig! 


Benefd, von Diedig und Milota tommen. 
Seneſch. 
War nicht Herr Zawiſch hier? 


Scyfried 
(indem er ſich abmendet). 


Ich fah ihn nicht! 


Erſter Aufzug. 


Seneſch. 
Er ritt doch nur ins Schloß! 
Milotn. 
Sei ruhig, Bruder! 
Seneſch. 
Was ruhig? Sieh, ich bin's! Der König wagt's nicht! 
Heiß' ich nicht Roſenberg? Iſt unſer Haus 
Im ganzen Lande nicht das mächtigſte? 
Und er ſollt's wagen? Solchen Schimpf? Ha Poſſen! 
Doch ſoll's heraus, wer das Gerücht erſann; 
Ich will ihn treffen, ſo — und ſo — und ſo! 
Bis in das vierte Glied! 


Bertha von Dieditz kommt. 


Seneſch. 
Ha, Närrin, du? 
Was willſt du hier? Geh fort, auf dein Gemach! 


Bertha. 
Ich Tann nicht bleiben, raftlos treibt’3 mich um. 
Sie eilen durd das Schloß und flüftern fich 
Entſetzliches mit fcheuen Bliden zu. 
Sagt, Vater, ift es wahr? 

Seneſch. 

Das fragſt du mich? 

Geh fort! von hier! 

Sertha. 

O Gott, wo find' ich Menſchen? 
(Indem fie auf Seyfried losgeht, zurückfahrend.) 

Ihr, Merenberg! Euch follt’ ich eher meiden, 
Vor Allen Eu; und doch, Ahr ſeid ein Menſch! 





10 Rdn'g Oitolars GIAE und Ende. 


Ich hab’ Euch ſchwer Eeleibigt, Merenberg, 
Doch rächt Euch jet nicht, jetzt nicht! Scht mich lnie n. 
(Sie Miet.) 
Sagt, ift es wahr? 
Scyfried. 
Was, Bertha? 
Bertha. 
Iſt es wahr? 
Des Konigs Eh' getrennt! 
Scyfried. 
Der Vater fagt's. 
Bertha. 
Die Andern fagen’3 auch! — Und er vermählt — 
Zu fräte Scham, ift jego Zeit zu fhämen? 
Vermählt von neuem fi mit — 
Seyfried (mitlivig). 
Nicht mit Bertha 
Bon Rofenberg! ö 
(Sie dıüdt mit einem Wusruf ihr Gefigt in deu Boden.) 
BSen eſch au Sfrio). 
Wer ſagt's Euch? — Her zu mir! 
Milota 
(auf fie zugehend). 
Kommt, Nichte, fommt! bier ift fein Plag für Euch! 
Bertha. 
D Seyfried, füge mich! 
Seyfried. 
Mit Gunft, Herr Milota! 





Erſter Aufzug. 11 


Wenn Ihr es wagt die Hand an fie zu legen, 
So ſtoß' ich Euch die Partifan in Leib. 
(Die Hallbarihe gıfentt.) 
Benefd. 
Und wenn id felbft —! 
Seyfried. 
Mir glei! 
Seneſch. 
Verweigerſt du dem Vater 
Sein Kind? 
Scyfried. 
D hättet Ihr fie doch veriveigert! 
Eie läge jegt nicht ftöhnend vor ung ba, 
Daß mir das Herz im Innern um fi wendet! 


Beneſch. 
Wir hätten ſie wohl dir vermählen ſollen? 
Seyfried. 
's war beſſer, Herr, als jetzo ſolche Schmach! 
J Senefd. ' 
Mein Kind! 
Scyfried. 


Zurüd! Mir hat fie fich vertraut, 
Und ich weiß Anvertrautes zu bewahren! 
Senefd. 
So foll mein Schwert! 
Scyfried. 
Laßt fein! Du aber fürcht' dich nicht ! 





12 abrig Ottotard Gind und Ende. 
Zawiſch tritt ein und Bleibt beim Gingange, laut lachend, Rchen. 


Bawifd. 
Ha, ba, ba, ha! 
Senefd. 
er fih raſch umgewendet hat, da er Zawiſch erbiidt). 
Bift du's? Dich fendet Gott! 


Bawifd. 
Was kämpft ihr denn, ihr hochgefinnten Jäger, 
Co mwuthentzündet um des Bären Fell? 
Herr Petz trabt wohlgemuth durch Berg und Thal, 
Und meif’t euch feiner Zeit wohl noch die Pranten. 
Schön Mühmchen, grüß' Euch Gott! 
Bu Seyftied.) 
Und Ihr, Herr Waibmann, 
Gebt Eure Feder und ſeht nicht fo Fraus; 
Ich bin fein Wild für Eu! 
Seneſch. 
Nun ſag, erzähle! 
Ailota. 
Ja, Neffe, ſprich! 
Bawifd. 
Erzähle! Sprid! Ei, was denn? 
Seneſch. 
Der König — 
Zawiſch. 
Hat die Ungarn derb geſchlagen, 
Bei Kroiſſenbrunn; 
(Gegen Milota.) 
Ihr, Ohm, war't ja dabei! 





Erſter Aufzug. 13 


Seneſch. 


Wer fragt um das? 


Zawiſch. 
Der Friede iſt gemacht: 
Auf Deſterreich — 
Seneſch. 
Nicht doch! 
Bawifd. 
Auf Steiermart — 
Seneſch. 
Willſt du mein ſpotten? 
Bawifd. 
Nu, was wollt Ihr denn? 
Seneſch. 
Des Königs Ehe — 
Zawiſch. 
Ei, die iſt getrennt! 
Senefch. 
Die Handveſt ausgefertigt? 
Bawifd. 
Und befiegelt. 
Die Königin geht heute noch nach Wien, 
Bon da — 
Seneſch. 
Und ſpricht man nicht? — Verdammt! — Mit wem — 
(Gegen Bertha Hin.) 
Regft du dich no? — Mit wen der König? — 


awifd. Pr 





14 . Adnig Ottofard Glüd und Ende. 


Mit wem er fi) zum zweitenmal vermählt? 
€i, mit wen anders denn, als dort mit Jener, 
Mit Eurer Tochter? Ihr habt's ſchlau gefartet! 
Erft führtet Ihr das Mädchen ſtill ihm vor, 
Geſchmüdt! man konnte kaum was Schöners fehn! 
Dann halft der Armen Mangel Ihr an Witz 
Mit Euerm eignen nad. Was fie da Rede führte! 
Die Königin von Saba fann nicht beffer! 
Zulegt — nu, was weiß ih, was alles noch! 
Kurz, er ift ganz berüdt, und gebt nur Acht, 
Er fommt zur Stund und freit um ihre Hand. 
Bertha (aufipringent). 
Zu ihr, zu ihr! zu ihren Füßen fterben! 
(96 in der Königin Gemad.) 
Bawifd. 
Sa, ha, ba, ha! 
Merenberg. 
Herr Zawiſch! 
Bawifd. 
Luſtig! Tuftig! 
Wir wollen auf des Königs Hochzeit tanzen! 
(Zu Seyfricd.) 
Ihr habt ja auch vordem um fie gefreit? 
Weiß Gott! ic glaub’, einmal zu Nacht, bei Bein, 
Gefiel mir felbft ihr roth und weiß Geficht! 
Nu, gebt mir Eure Hand, Herr Bundesbruber! 
(Sepfried wendet ſich ab.) 
Milota. 
Wozu das tolle Weſen? G'rad und kurz: 
Mit wem vermählt der König fih? 





N 


Erfer Aufzug. 15 


Bawifd. 
So kurz 
Als Eure Frage, ſoll die Antwort ſein! 
Mit Kunigunde von Maſſovien, 
Des Ungarlönigs Nichte. 
Senefd. 
Gift und Peft! 
Bawifd. 
Ihr wolltet felbft des Königs Ch’ getrennt, 
Habt jahrelang Euch weidlich drum bemüht: 
Sie ift getrennt — und er freit Bela's Nichte. 
Seneſch 
(mit der and vor der Gtiene). 
Verrathen, hintergangen! Schändlich, ſchändlich! 
Zawiſch. 
Vocht nicht ſo hart an der Gedanken Thor! 
Wenn's ſrüher ſchloß, macht jetzo doch nicht auf! 
Senefd. 
Set fpotteft du, und haft es ſelbſt gebilligt! 
Bawifd. 
Gebilligt, ih? den Unfinn, die Verrüdtheit? 
ö Senefd. 
Ja, du, und bu! 
Milote. 
Weil du Gewißheit vorgabft! — 
Seneſch. 
Bringt mir ſie her, das Mädchen bringt mir her! 
Sie ſoll nicht leben! Sie und ich! Oh! — Dh! — 





16 König Ottolars Glüd und Ende. 


Seyfricd (erüberrufend). 
Schmaht Ihr das Mädchen? Schmähet auf Euch ſelbſt! 
Ber hieß Euch glauben, daß für Eure Tochter 
Des Königs, ihres eignen Königs Hand — 


Bawifd. 
Das ließ’ fi allenfalls noch glauben, Herr! 
Ein Merenberg wär’ toll, dächt' er an fo was; 
Doch wir, die aus der Weltftabt Roma ftammen, 
Von den Patriziern, die den Erdkreis beugten, 
Und, als Urfini, noch dem Throne ftehn zunädft, 
Auf dem Sanct Peters Macht ob Herrſchern herrſchet, 
Wir mögen wohl nach Fürftenkronen trachten, 
Und eine Rofenberg mag kühn und frei 
Dem Belten fi) vermählen diefer Erbe: 
Auch — ba, ba, ba, ba, ha! 
Milota 
@er fih gefickt Hat). 
Verdammt fein Lagen! 
Bawifd. 
Die Tochter raſ't, der Vater rauft fein Haar, 
Und wir beieifen unfern alten Abel! 
Und wär' er älter als der Engel Fall, 
Der König winkt, und Ina! liegt er am Boben. 
Seneſch. 
Doch eh' ich falle, Rache! 
(Mitota anfaffend.) 
Rache, Bruder! 
Milota (er auffcht). 
Ich fann fo eben und gebent’ zu handeln! 





Erfer Aufzug. 17 


Zawiſch. 
Regſt du dich auch, vierſchröt'ger Milota? 
Ei ja, da muß der König nun wohl zittern! 
Senefd. 
Wenn du — wenn du dich unfrer Sad’ entziehft, 
Bift du fein Rofenberg; ein Schurk! Nicht wahr? 
Ailota. 
So iſt's! 
Bawifd. 
Ei ja! Wie führen wir's denn aus? 
Beim nächſten Kirchgang drüd’ di an den König, 
Und tritt ihm auf den Fuß; das fehmerzt verzweifelt, 
Und fo bift du gerät! 
Seneſch. 
Er ſpottet unſer? 
Mein Kopf! Mein Kopf! — Er iſt kein Roſenberg! 
Ailota. 
Komm, Bruder, laß uns gehn! Wer lachen kann 
Bei ſeines Hauſes Schmach, verdient — 


Bawifd. 
Halt, Freund! 

Wer feid ihr denn, ihr Beide, daß ihr ſchmäht? 
Die ihr auf offner Strafe Racheplane 
Zu tauben Wänden ſchreit und — offnen Ohren! 
Verſchwört euch aufdem Markt und treibt im Zimmer Aufruhr. 
Herr Merenberg, nicht wahr, das nenn’ ich Leute? 
Der Raufch des Zorn ift wie ein andrer Rauſch: 
Das befte Mittel ift die frifche Luft. 
Drum fort ind Freie, meine werthen Herm! 
Brennt unfer Haus und fönnen wir nicht löſchen, 

Griliparzer, ſammil. Werte. IV. 2 





18 Rönig Ottolars Old und Ende. 


So laft uns wenigſtens die Hänbe märmen. 
Der König ift mein Herr, und damit holla! 


Milota 
(ihm näher tretend). 
Faſt glaub’ ih, Freund, du denkſt mehr als du ſprichſt. 
Sag, wofür hältft du uns? 


Bawifd da). 
Für wadre Leute: 

Was man verfchtweigt,'errathet ihr aud nicht; 
Erriethet ihr's, ihr Tönntet’3 nicht verſchweigen. 
Es öffnet fi) die Thür der Königin, 
Sie fommt, mit ihr der Großalmofenier, 
Der Graf von Habsburg. Laßt uns gehn, 
Bir wollen fie nicht in der Hora ftören. 

(Biehen ſich zuräd.) 


Die Königin tritt aus ihrem Zimmer mit Rudolf bon Habt 

burg. Hinter ihr zwei Diener, die Bertha'n ohnmägtig in 

einem Lehnftuhl heraußtragen. Daneben Frau Elifabeth, die fe 
unterfügt. 


Margarethe 

(im Auftreten gegen die zutlaweichenden Rofenberge). 
Da gehn fie Hin tie dunkle Wetterwollen, 
Die, wenn fie fi) entleert, nach Aufgang ziehn. 

(Gegen Bertha gewendet.) 
Bringt fie in ihr Gemach und forgt für fie, 
Nah wenig Augenbliden komm' ich felbft. 
\ Audolf. 

Beinah' zu viele Sorgfalt, gnäd'ge Frau! 


(Bertha, von ihten Verwandten umgeben, wird fortgebracht; auch beide 
Merenberge entfernen id.) 





Erfter Aufzug. 19 


Margaretha. 


Sie felbft ift kaum fo ſchlimm, nur ſchwachen Geiftes, 
Und thöricht eitel, das hat fie verführt. 

Doch ihre Vettern, ihre Anverwandten, 

Der ftarre Milota, der Geif'rer Beneſch, 

Und Zawiſch, jener Echlimmfte wohl von allen, 
Mit Reihthum, Macht und Hoffnung auf den Thron — 
Ja fo weit ging ber Webermüth'gen Stolz — 
Berlodten fie das leichtbethörte Kind. 

Eeit lange ſah ich fie, die böfen Engel 

Des Königs, meines Herm, verftohlen reißen 

An den nur allzuſchwachen Banden, bie 

Kaum Dttolarn noch feffelten an mid. 

Ich hörte, wie fie feinen Wunfch nad) Erben, 
Nach angebornen Folgern feines Throns, 

Mit heuchleriſchem Mitleid liſtig nährten. — 

Ein Wunſch, gar wohl verzeihlic einem König! 
Doc was foll Erbrecht, das aus Unrecht ſtammt? 
Sie waren es, die biefer Ehe Trennung 

Mit unermüdlicher Geſchäftigkeit 

Und ohne Auftrag faft des Königs trieben; 

Denn Eine ihres Haufes hofften fie 

Zu fegen auf der Böhmen Herrfcherthron: 

Die Arme, die jegt mit dem Wahnfinn ringt! 
Wie oft war fie an Feften mir genüber, 

Mit Schmud bebedt, des Hofes Schwall um fie; 
Indeß ich einfam faß mit meinem Gram. 

Der König Auge nur für ihren Reiz 

Und Ohr für ihren Wunſch; des Mundes Dräu’n 
Zur Schmeidelei' herabgeftimmt für fie: 

Sie aber frob und ftolz und überfelig, 





- 20 König Ottofard Glad und Ende. 


Wohl gar verächtlich blidend hin auf mic. 
Da fühlt’ ic Mitleid mit dem armen Opfer 
Und nahm mir vor, am Tage ihres Falls 
Ihr mild zu fein, und hilfreich ihrem Unglüd. 
D Ditofar, wie viel nimmft du auf dich! 


Rudolf. 


Vergeßt nicht ob der Unbild an der Fremden 
Der eignen, größern Unbild, gnäd'ge Frau! 


Margaretha. 
O glaubt nicht, daß den König ich entfchulb'ge; 
Fern fei von mir, daß ich je Böfes Iobe! 
Er handelt unrecht, unerlaubt an mir, 
Und fagen will ich's ihm, tret' ich vor ihn. 
Bin ich nicht jung; ich hab’ es nie verhehlt. 
Hat Gram der Züge Reiz mir ausgelöfcht; 
Er ſah mic) ja, bevor er um mich warb! 
Vermißt er Munterfeit an mir und Scherz; 
Wer hieß den Muntern denn zur Freite gehn 
Bei der unfel'gen Königin der Thränen, 
Zum Grab gebeugt durch all’ der Ihren Tod? 
Seitdem mit biefen Augen ich gefehn 
Im graufen Kerker von Apulien, 
Den röm'ſchen König Heinrich, meinen Gatten, 
Des harten Friedrich allzumeihen Sohn, 
Von nahverwandten Händen liegen tobt, 
Und tobt bie beiden hoffnungsvollen Kleinen, 
Die ihm mein Schooß, ſeitdem verfchloffen, trug; 
War Luft ein Fremdling biefer öden Bruft, 
Und Lächeln floh entfegt von meinen Lippen, 
Die Gram und Schmerz mit feinem Siegel ſchloß. 





Erfter Aufzug. 


Was gibt man an als unfrer Trennung Grund? 
Den erften weiß id: ich bin kinderlos 
Und ohne Hoffnung, je ein Kind zu fäugen; 
Weil ich nicht will, weit mehr nod als nicht kann! 
Das mußte Ottokar, ald er mid; freite, 
Ich ſagt' ihm's und er nahm es für genehm; 
Denn auf mein reiches Erb’ von Defterreich 
Bar da fein Sinn geftellt und feines Vaters, 
Des länberfücht'gen Königs Wenzeslav. - 
Was will der König alfo? Kinder, Erben? 
Ein Bettlerfind ſäß' befier auf dem Thron, 
Als Königsföhne, die das Unrecht zeugte! 
Was gibt man weiter an, als fernen Grund? 


Rudolf. 
Verwandt feid Ihr in unerlaubtem Grad. 


Margaretha. 
Man hat in meiner Jugend mir erzählt 
Bon einem Bela wohl und einem Geyſa, 
Die Brüder waren, Töchter hatten, und 
Nach Defterreih und Böhmen fie vermählten, 
In Väter Väterszeit. Der König fpottet! 
Es find die Fürftenhäufer alle fich verwandt, 
Und folden Grads Erlafjung fällt nicht ſchwer. 
Auch hat man Anfangs beffen nicht erwähnt! 
Rudolf. 
Crinn’rung fam mit der gelegnen Zeit! 
Margaretha. 
Glaubt nicht, daß mich befümmert, fortzugehn, 
Da es mir leid thut um des Hofes Ehren! 
O Lönnt’ ich jegt, in diefem Augenblid, 





22 adnig Ottolard Glüd und Ende. 


Weit hinter mir der Krone Glanz und Pradt, 
Nach Haimburg hin, in meiner Väter Schloß, 
Allwo ich ſaß nach meines Gatten Tod 

Und fein und meiner Kinder Fall bemweinte! 
Der König fende heute noch mich fort, 

Ich will ihm danken, wie ich nie gebanft! 
Doc foll er mir die Ehe nicht betaften, 
Befleden nicht das Band, das und vereint, 
Und fo der jüngftverfloff’'nen Jahre Lauf 

Zum Gräuel maden und zum Xergerniß! 

Ich habe diefe Krone nicht geſucht! 

Auf Haimburg faß ich, meines Grams gebentend, 
Beinah' dem allgemeinen Elend taub: 

Denn Brand und Raub vertwüftete mein Land; 
Der Ungar bier, der Bayer bort, der Böhme, 
Sie hausten mit dem Schwert in Defterreih, 
Verderbend meiner Väter ſchönes Erbe. 

Da tagten fie, die Herrn, zu Triebenfee, 

Wie fie dem Wefen einen Vogt gewännen, 
Und Boten fandten fie ins Meifnerland, 

Bon dorther einen Fürften ſich zu holen, 
Konftanzia’s, der Babenberg'rin, Sohn. 

Die Boten aber fing der König auf, 

Der damals herrſcht' in Böhmen, Wenzeslav, 
Der Liftige; und ließ nicht eher ab 

Mit Bitten, Droh'n, Verfprehen und Gefchenten, 
Bis feinem Sohn, bis diefem Ottokar 

Der Herren Wahl, des Landes Herrſchaft wurde. 
Der wollte, jener nicht; und neuer Krieg 
Durchflammte glüh’nder meines Landes Fluren. 
Da traten zu mir hin, auf Haimburgs Schloß, 
Die Landeöheren, und Hagten ihre Noth. 


ber) 





Erſer Aufing. 23 


Ein Mittel, ald das einz'ge, nannten fie: 

Des Stärkften Recht durch meines zu verſtärken; 
Durch Ditofars Vermählung und die meine 

Mit Böhmen zu vereinen Defterreich. - 

Ih fagte: Nein! — gedenkend meines Gatten, 

Der meine Treue mit fi nahm ins Grab. 

Da führten fie mich auf des Schloſſes Söller 

Und zeigten mir das glutverfengte Land, 

Die Felder nadt, die Hütten leer, die Menfchen todt. 
Von Weibern, Kindern, Blutenden, Verlehten 

Sah id mit Echaudern, heulend, mich umgeben, 
Zu mir um Rettung flehend, die's vermochte. 

Da wollt' ich Alles und verfprad es ihnen. 

Sie aber brachten Ottokarn zu mir, 

Mir ihn bezeichnend als den fünft'gen Gatten. 

Mit ſchwarzem Aug’ aus ſchwarzen Brauen blidend, 
Stand er in ſcheuer Ferne finnend ba, 

Und maß, der Jüngling, mid), die Alternde. 

Allein des Landes Noth bei mir gedenkend, 

Trat ich zu ihm und ſprach ihn freundlich an: 

Und fo ward ich fein Weib. Ich hab’ ihn nie geliebt; 
Sch dachte nie, ob ich ihn lieben könnte: 

Doch forget’ ich ftill für ihn, und mie ich forgte, 
Fand ein Gefühl fi mir im Innern ein, 

Das allen Echmerz der Liebe fennt, wenn auch 
Nichts von der Liebe Glüd. So war's mit ung. 
Nun urtheilt, ob Entfernung mich erfchredt. 

Ja, ich will gehn, doch bleibt die Ehe feit, 

Nichts warb verlegt, was ihren Bruch begehrte. 


Rudolf. 
Bon Einem ſpricht man noch: daß Ihr zu Trier 





24 adnig Ottolar Glnd und Ende. 


Nach Eures Gatten, König Heinrichs, Tod, 
Nicht mehr Euch zu vermählen feierlich gelobt. 
Doch iſt's Erdichtung wohl! 


Aargaretha. 

Nein, das iſt wahr! 
Es war fein feierlich Gelübd', fein ſolches, 
Das andre Bande kirchlich brechen könnte; 
Doch hab’ ich es gelobt — und hätt! es halten follen! — 
Zu Trier lag ich im Gebet vor Gott, 
Und ew'ge Treu’ und ew'gen Wittwenftand 
Gelobt' ich meinem Gatten, König Heinrich. 
Nicht Manneshände follten je berühren 
Den Hleinften Finger mir, des Kleives Saum, 
Und felbft ein Weib nicht meine Lippen küffen, 
Die einft an Heinrichs theurem Mund gerubt. 
Ja, ich gelobt’3, und alles Unheil rief ich, 
Wenn ich’S je bräche, nieder auf mein Haupt. 
Das Unheil, merk id, tut, was feines Amtes. 
Nochmal, es war fein feierlich Gelübd'! 
Ich that's nur mir und meines Heinrich Schatten! 
Doch war's Gelübd', ich hätt’ es halten follen! 


Rudolf. 
Was, gnäd'ge Frau, fol id) dem König melden? 


Aargaretha. u 
Wie raſch mir find, an Andern das zu tabeln, 
Was felber wir, wenn minder glei, verübt! 
Sagt König Dttolar, Herr Graf von Habsburg: 
Das Ganze legt’ ich ihm auf fein Gewiſſen, 
Was er entfcheide, das fei mir genehm. 





Erſter Aufiug. 25 
Rudolf. 


willigt ein? 


Margaretha. 
Ich widerſpreche nicht. 
Rudolf. 
» man verlangt zugleich, daß ab Ihr tretet 
Land von Defterreich und das von Steier, 
Babenberger Gut. 


Margarethe. 
Ich hab's gethan. 
Rudolf. 
war es Echenfung um ber Ehe wegen, 
Ehe Trennung hebt die Schenkung auf. 


Margaretha. 
will fie wiederholen. 
Rudolf. 
Auch bedenkt, 
jene Lande Reicheslehen find, 
Reich erledigt und nicht Euch gehörig. 
Margaretha. 
weit mein Recht gebt, geb’ ich es dahin. 
t das dem König und zugleich: 
oll vor Unrecht forglich fi bewahren; 
1 au das kleinſte rächt fih. So lebt wohl! 
(Xrompeten und Lärm auf der Etrape.) 


Der alte Merenberg tritt ein. 


Merenberg. 
König Tommt. 





Pr König Outotars Gldd und Ende. 


Margaretha. 
Gerechter Gott! — Ich will 
Zu ftärken mich verſuchen durch Gebet. 
(Gie entläßt die Beiden durd eine Kandbewegung und geht in iht Ger 
mad. Die Andern auf der entgegengefegten Erite ab.) 


Thronſaal mit gothifchen Bogen und Säulen. Der Thron an 
ber zweiten Couliſſe rechts. Im Borgrunde zu beiden Seiten ein 
reichbedecter Tiſch mit einem Armftubl. 


Ariegeriſche Mufit, Trompetenfignale und Bolldzuruf von außen. Böh- 

mifge Große und Krieger treten, vom Hintergrunde her, auf und 

feilen Ad), theils neben dem Throne, theils gegenüber in Reihen. Lints 

im Borgrunde eine Deputation der Stadt Prag, mit dem Bürger 

meifter an der Epige. Die Mitte des Qintergrundes nimmt eine 
tartariſche Geſandtſchaft ein. 


Ber Kanzler dritt auf). 
Der König kommt! 
Alte. 
Hoch Iebe Dttofar! 
Ottokar 
(tritt ganz geruſtet, jedoch ohne Helm, vom Hintergrunde her raſch auf). 
Habt Dank, ihr Herrn! 
(&r bleibt vor den tartarifgen Gefandten Reben, die auf die Kuie nieder« 
gefallen ind.) 
Wer find die Leute da? 
Kanzler. 
Gefandte, Herr, des Chanes der Tartaren. 
Sie bringen Gruß und bieten Freundſchaftsbund. 
Bttokar. 
Heißt fie nur aufftehn! — Hört ihr? Auf vom Boden! 





Erſer Aufzug. 27 


Ein fonderbares Volt und fonderbar bewaffnet! 
Weift her den Säbel! 
(Cr wiegt ihn in der Hand.) 
Viel zu krumm gebogen! 
(Gr thut einen Hieb in die Luft.) 
Das nimmt dem Hieb die Kraft. Das müßt ihr ändern! 
Ein frummes Schwert mag angehn, doch der Kraftpunft 
Soll mehr nad) oben. Einer meiner Reiter 
Sagt euer Zehn mit feinem breiten Schwert! 
(&r gibt den Sabel zurüd.) 
Und fonft bie Rüftung? Wozu fol der Haarſchopf 
Da oben auf dem Scheitel? Für den Feind mohl? 
Der faßt fih feinen Mann, zieht ihn vom Pferde, 
Und mürgt ihn wie er mag. Wär’ ich ihr König, 
In einer Nacht ließ ich fie Alle fcheeren! 
Sie follen gehn und morgen wieder fommen! 
(Die Zartaren ab.) 
Otto kar (im Bortreten). 
Nun, haben wir's euch recht gemacht, ihr Herrn? 
Vor Ungarn mögt ihr künftig ruhig ſchlafen; 
Wie haben fie gejagt. — Was gibt es fonft? 
(Die Deputation der Stadt Prag if vorgetreten.) 
Ottokar. 
Wer ſeid ihr? s 
Sürgermeifter. 
Rath und Bürgermeifter, Her, 
Bon Eurer vielgetreuen Pragerftabt. 
Ottokar. 
Was wollt ihr? — Ah! — Nur immer zu, ihr Herrn! 
Ich bin ermüdet, nehmt mir meine Waffen! 
(& wirft fih in einen Lebnſtuhl fints im Vorgrunde, zwei Diener find 
befcäftigt, ihn zu entwaffnen.) 





28 König Ottolar Glac und Ende. 


Sürgermeifter. 
Großmãchtigſter! Unüberwindlichfter ! 
Es drang zu ung bie Fama deines Siegs, 
Und — 
Ottokar. 
Füllenftein! 
Füllenftein. 
‚Hier bin ich, gnäb’ger Herr! 
(Zritt vor.) 
Ottokar. 
Wie hieß der Platz, wo wir die Ungarn jagten? 
Süllenfein. 
Bei Kroifienbrunn. 
Ottokar. 
Hans Narr, da war das Lager! 
Glaubſt du, ich weiß den Ort nicht, wo ich ſtand? 
Ich mein' den Platz des letzten Reiterangriffs, 
Der ganz entſchied. 
Süllenftein. 
Man nennt den Drt Marchegg, 
Weil in die Ede dort die March ſich wendet. 
Ottokar. 
Marchegg, ſo ſoll man mir die Stadt auch nennen, 
Die ich dort bau'n will zu des Siegs Gebädhtniß! 
Marchegg foll fein der Marfftein meines Glüds, 
Von dort aus weiter; denn wer hielte mich? 
Und wer bort geht, noch in den fernften Tagen, 
Der fol von Dttofar und feinem Streiten jagen! 
(Gr ift aufgefanden; zu den Dienern.) 
Was zögert ihr? — Ja fo, du willft das Bein? 
(Er ſetzt fih wieder.) 


Erfter Aufzug. 29 


Herr Bürgermeifter, zieht dort an der Echiene! 
Sp geht’3 nicht! Fort! Wer wird fo lange zögern? 
(Sr reißt ſelbſt gewaltfam die Schiene ab und wirft fie mitten in den 
Baal) . 


Suft in der Ede dort der March, am Hügel jenfeits, 
Saß König Bela hoch auf feinem Stuhl, 
Und Heinrich Preußel ftand dabei, ich ſah's wohl, 
Der legt’ ihm, wie der Knab' im Puppenspiel, 
Die Gegend aus, und was fich drin begab, 
Und mer die Kämpfer waren, und fo feiter. 
Zum Anfang ging’® noch gut, doch als der Habsburg 
Auf Eins hervorbrach mit den ſchweren Reitern, 
Und Alles floh, was ung'riſch fluchen Tann, 
Und in die March, daß ihre Zottelbärte 
Pie Scilfgras aus gedämmtem Wafler ragten — 
Mo ift der Habsburg? Heil beim reichen Gott, 
Er hielt ſich wohl! Sonſt ein gar ftiller Mann, 
Doch wenn er angreift, wie ver böfe Teufel. 
Wo iſt Graf Habsburg? 
Dviener. 
Sollen wir ihn rufen? 


Ottokar. 
Laßt nur! — Als das der Ungarkönig ſah, 
Da braucht' er keines Dolmetſch weiter mehr. 
Mit beiden Händen fuhr er ſich ins Haar, 
Und zog ſich feindlich. Ei, dacht' ich mir, Herr, 
Spart Euch die Müh', wir können das viel beſſer. 
Doch iſt er Freund uns jetzt und Bundsgenoß, 
Da muß man Gutes nur und Liebes ſprechen. 
Nun, ſeid ihr endlich fertig? 
(Er ſteht auf.) 
Hut und Mantel! 





30 König Ottolard Glüd und Ende. 


Unb tie ſteht's hier bei Euch, Herr Bürgermeifter? 
Habt hr indeß geträumt? 
- Der Hut da drüdt. 
(Da der Diener jdgert.) 
Zum Teufel! einen andern Hut! — Wie alfo? 
Die Mauer auf dem Wiſchehrad ift fertig? 
“ Sürgermeifter. 
Ja, gnäd’ger Herr! 
Ottokar. 
Die Moldaubrücke auch? 
Sũürgermeiſter. 
Nur geſtern ward der letzte Stein gefügt. 
Ottokar. 
Ja, weil Ihr wußtet, daß ich heute kam! 
Den Deutſchen, die ich ſandte, Sachſen, Bayern, 
Ward ſchon die untre Vorſtadt eingeräumt? 
Sũrgermeiſter. 
Verʒeihet — 
Ottokar. 
Iſt's geſchehn? 
Sürgermeifter. 
Eur’ Hoheit — 
Ottokar. 
Ja? 
Sürgermeifter. 
Noch nicht. 
Ottokar. 
Warum nicht? Gottes Feu'r! Warum nicht! 





Erfer Aufzug. 3 


Sürgermeifter. 
Wir wollten noch einmal Eur’ Hoheit angehn, 
Eh tir vertrieben fo viel treue Böhmen — 


Kttokar. 
Vertrieben! Was vertreiben! Wollt’ ich das? 
Sie follten nad Chrudim, dort waren Aeder 
Und Baugrund ihnen dreifach angemwiefen, 
Und breifad alle Koften der Verfegung ; 
Doc aus ber Vorftadt follen fie heraus, 
Sie follen, müffen! Müffen, Gottes Donner! 
Ich weiß mohl, was ihr mögt, ihr alten Böhmen! 
Gekauert figen in verjährtem Wuft, 
Wo kaum das Licht durch blinde Scheiben bringt; 
Berzehren, was der vor'ge Tag gebracht, 
Und ernten, was ber nächfte foll verzehren; 
Am Sonntag Ehmaus, an Kirchmeß plumpen Tanz, 
Für alles Andre taub und blind; 
So möchtet ihr: ich aber mag nicht fo! 
Wie den Ertrintenden man faßt am Haar, 
Will ich euch faflen, wo's am meiften ſchmerzt: 
Den Deutfchen will ich fegen euch in Pelz, 
Der foll euch kneipen, bis euch Schmerz und Xerger 
Aus eurer Dumpfheit weden, und ihr ausfchlagt 
Wie ein gefporntes Pferd. Ihr denkt der Zeit, 
Da eure Fürften faßen an dem Herb 
Und einen Kefjel führten in dem ſchnöden Wappen; 
Ich bin fein folder, ftraf mich Gott! 
(Man hat ihm den Mantel umgegeben.) 

- Seht ber, 
Der Mantel warb in Augsburg eingefauft, 
Das Gold, der Sammt, die Stiderei, das Ganze, 





32 Rönig Ottotars Glac und Ende. 


Könnt ihr das machen hier in eurem Land? 

Ihr ſollt! bei Gott, ihr follt! Ich will euch's Lehren! 

Mit Köln und Wien, mit Lunden und Paris 

Sol euer Prag hier ftehn in Einer Reihe! 

Die Länder, die euch herriſch fonft gehöhnt, 

Ich habe fie bezwungen mit dem Echwert: 

Der Ungar flieht, der Bayerfürft hält Ruh, 

Und Defterreich, die wackre Steiermark, 

Und Portenau und Krain, und Deutfchlands Eger, 

Ich habe fie vereinigt meinem Reich. 

In alle Fernen trug id Böhmens Namen, 

Aus allen Fernen tönt zurüd fein Ruhm. 

Wie meine Väter konnt’ ich ruhig fchlafen, 

Euch laſſen ſchlafen, fo wie eure Väter; 

Für wen hab’ ich's gethan? Für euch! 

Doch ſollt ihr nach, deß geb’ ich euch mein Wort! 

Hin auf des Berges Mitte ftellt' ich euch, 

Und nun klimmt weiter, ober brecht den Hals! 
(Indem er fih abmendet.) 

Daß mir die Deutfhen in die Vorftadt fommen! 


Kanzler tritt ein und nähert ſich dem Könige. 


Kttokar. 
Was ift? 
Kanzler. 
Die Königin, wie Ihr befahlt. 
Ottokar 
(wieder zu den Bürgern gewendet). 
Auch das noch, das noch, feht, um euretwillen! 
Was einem jeden Mann das Theuerfte, 
Die Ruh’ im eignen Haus, hab’ ich geftört, 





Srfter Aufzug. 33 


Um eure Ruh', um eurer Kinder Ruhe. 

Damit nad meinem Tob mein Neid) nicht erblos, 
Mein Werk das Spiel nicht werde innern Zwiſts, 
Hab’ ih von Margarethen mich getrennt, 

Die feines Erbens Hoffnung mehr gewährt, 

Und neuer Bande Wechſel mich gefügt. 


(Zur ganzen Verſammlung gewendet.) 


Ja, ja, ihr Herrn, damit ihr's Alle wißt: 

Zur Feftigung des nun geſchloſſ nen Friedens 

Hat König Bela mir die Hand geboten 

Bon Kunigunden, feinem Enteltind, 

Des Herzogs von Maffovien einz'gen Tochter. 

Da nun feit lang die Bifchöfe des Reiche 

Mid) warnten meiner Ch’ mit Margarethen; 

Wie denn auch Manches fonft dagegen ſpricht — 
Denn erftens ift fie alt und unfruchtbar, 

Kein Erbe läßt ſich mehr von ihr erwarten; 
Dann ift fie mir verwandt in — mas weiß ich? 
In weldem und wievieltem Grad, und enblid — 
Allein wozu noch lange eins und zwei; 

Denn erftens, zweitens, drittens, 's bleibt dabei! 
Die Königin wird fommen, Hanbveft unterzeichnen, 
Die Schenkung wiederholen ihrer Lande, 

Und deß zu Beugen feib ihr hier verfammelt. 

(Gr befleigt den Thron.) 


Der Kanzler 
Ber feine Papiere auf demfelben Tifhe außgebreitet hat, an dem vorher 
der König ſaß, tritt nun, mit einer Urkunde in der Hand, in die Mitte des 
Saaleth. 
Nun Ruh' in Ehrfurcht iſt des Könige Wille! 
Grillparger, ſammil. Werte. IV. 3 





34 König Ottolars Glac und Ende. 


Margarethe, in einen nahfaleppenden Mantel gefleidet, die Krone 
auf dem Kaupte, tritt, von Habsburg und Merenberg begleitet, 
von Frauen gefolgt, ganz im Borgrunde lints auf. 


Kanzler. 
Erlauchte Frau und Königin Marg'rethe, 
Bon Deftreih Herzogin und Steiermark, 
Des weiland röm’shen Königs Heinrid) Wittive, 
Derzeit vermählt mit Böhmens hohem Her; 
Wer führt das Wort in Eurer Gnaden Sache? 


Margaretha. 
Ich felbft! 


(Mbtehnend zu Merenberg, der dorgetreten iR.) 
Laßt nur, Herr Merenberg! Ich felbft! 
Allein will ich des Zornes Makel tragen, 
Und reden, fo tie leiden, ich allein! 


Kanzler. 
Iſt Euch befannt —? 
Margaretha. 
Ich weiß! 
Kanzler. 
Nun denn, mit Gott; 
Es hat ein heil'ger Send, zu Wien verfammelt, 
Im Vorfig Guido, Kardinal:Legat, 
Des Titels von Sanct Laurenz in Lucina, 
Zu Recht gefprochen ob dem Eheband, 
Das Eud verbunden unferm gnäd’gen Herrn; 
Und in Betracht, daß Ihr im vierten Grad, 
Durch Bela, Ungarns König, und durch Geyſa, 
ALS leiblih naher Brüder Kindeslinder, 
Gedachten unferm gnäb’gen Herrn verwandt; 





Erſter Aufzug. 35 


In weiterm Anbetradit, tie vorgekommen, 
Daß Ihr nach Eures erſten Herren Tod, 
Doch hochbelobten röm'ſchen Königs Heinrich, 
Euch nicht mehr zu vermählen ein Gelübd' 
Zu Trier gethan, im Katharinenſtift — 
Aargaretha. 

Es war fein feierlich Gelübd'! 

Ottokar. 

Hier fteht's! 

Fahrt fort! 

Kanzler. 

Als hat — 
(Ztompeten von außen.) 
Attokar. 
Bas ift? 
Ein Biener. 
Die Stände, Herr, 

Von Defterreich find in die Burg gezogen, 
Den Fürftenhut des Landes bringen fie. 

Ottokar. 
Hieher! Sie kommen als gelegne Zeugen! 


Die Stände von Defterreich, den Herzogähut auf einem Kifſen 
vor ſich heriragend, treten ein. 


Heinrid von Fichtenſtein 
(al Wortfähren). 
Es hat dein tapfres Schwert, erhabner Fürft, 
Entſchieden in dem Streit mit Ungarns König, 
Wer Herr fo fein in unferm ſchönen Land. 
Geendet ift der blutig ſchwere Zwiſt, 





36 König Ottolars Glac und Ende. 


Und leichten Herzens wiederholen mir 

Die Hulv’gung, die erft jet in voller Kraft. 
(Su Margareten gewendet.) 

Bor Allem aber dir, erlaudte Frau, 

Dem edlen Sproß des alten Helbenftammes, 

Der ruhmvoll lang ob Defterreich gebot — 


Bttokar. 
Laßt das nur fein, und ftellt euch ruhig hin! 
Statt neuer Hulb’'gung, denkt auf alte Treu, 
Und haltet's einmal, ftatt e8 zweimal zu verſprechen! 


(Zum Ranjler.) 
Fahrt fort! 
Kanzler. 
Als Haben fie zu Recht erkannt, 
Daß foldes Bündniß länger nicht beftehe, 
Erklären es für null und aufgehoben. 
Die Schenkung, die Ihr früher habt gemacht 
An Euern Herrn mit Eures Stammes Erbe, 
Sie bleibt in Kraft, und Ihr feid aufgeforbert, 
Sie noch einmal, der Form nad, zu beftät'gen. 
Euch angewieſen wird, ald Leibgebing, 
Die Stadt von Krems, das Polan rings um Horn, 
Und Grevenberg von unſers Herren Gnade. 


Margaretha. 
Habt Ihr geendet? 
Kanzler. 
Ja, erlaudhte Frau! 
Margaretha. 
Ih könnte Manches noch entgegen fegen! 





Erſer Aufyug. 


Ottokar. 
Wozu? Es bleibt der Spruch in Kraft. 


Margaretha. 
Doch unterwerf' ih mich! 
Httokar 
(vom Throne Reigen). 
Nun gut, was mehr? 


Margaretha. 
Und geh’ von binnen, wie man es begehrt. 
Attokar 
(auf fie zugehen). 
Mich freut, daß ich Euch klug und billig finde; 
So hab’ ih Margarethen ftets gefannt, 
Und ftets geachtet Euch als eine ſolche. 
Es ift ja nicht der Jugend wilder Kiel, 
Der gährend feur'ge Drang nad Neuerung, 
Was mid) Eud meiden heißt; es ift mein Land, 
Das in mir Chen ſchließt und Chen fcheibet. 
So hoch ein Menſch mag feine Größe ſetzen, 
So hoch hat Ditofar gefeßt die feine. 
In Böhmen herrſch' id, bin in Mähren mächtig; 
Zu Deftreih hab’ ich Steier mir erfämpft, 
Mein Dheim fieht, der Kärnthen nad mir läßt. 
(Bertraufih und leiſer.) 
Im nahen Ungarn hab’ ich meine Hand, 
Die Großen fehn auf mi, die Mifvergnügten; 
Es will mir Schlefien wohl, und Polen ſchwankt, 
Die fturmgepeitfht ein Schiff, in meinen Hafen. 
(Bieder lauter.) 
Tom Belt bis fern zum adriat'ſchen Golf, 
Vom Inn bis zu der Weichſel kaltem Strand 


37 


38 König Ottofard Gluc und Ende. 


Iſt Niemand, ber nit Ottokarn gehorcht; 

Es bat die Welt, feit Karol Magnus Zeiten, 
Kein Reich noch wie bad meinige geſehn. 

Ja Karol Magnus Krone felbft, 

Sie dünkt mid nit für diefes Haupt zu hoch. 
Nur Eines fehlte no; nur Eins und — Alles: 
Der Erbe, der's empfängt aus meiner Hand. 

Den Giebel ſetz' ih auf an meinem Bau; 
Marg'rethe, weiß ih, wird mir's nicht mißgönnen. 


Margaretha. 
Ich gönn’ Eud Alles, gönn’ Euch mehr ala mir! 
Auch iſt's mein Vortheil nicht, es ift der Eure, 
Was mich noch einmal warnend fpreden heißt. 
Geliebt es Euch, fo folgt mir neben an — 


Ottokar. 
Sprecht immer hier; nur unter Königen 
Iſt Ottokar der Konig nicht allein! 
Die hier gehorchen. 


Margaretha (ihnen). 

Doch wie lange, Herr? 

Das iſt's, woran id) warnend mahnen mollte! 
(Mäher zu ihm tretend.) 
Die Länder all, das Erbe meines Haufes, 
Sie wurden Euch durch Margarethens Hand. 
Weiß Gott, ich ſcheide gern! Doch wie ich fcheibe, 
Schwingt wieder Aufruhr zifchend feine Fadel, 
Und gegen Euch — 
Ottokar. 

Seid Ihr 'ne Bäckersfrau, 

Die ihren Altknecht freit auf ihr Gewerb, 





Erſter Aufzug. 39 


Und fürchtet Ihr, fie fommen von der Stadt, 
Und nehmen mir's, fobald die Herrin fort? 
(Halb gegen die Stände gewendet.) 
Ich halte fie, ſeht hr? mit diefer Hand; 
Sie follen fih nur regen, wenn ſie's wagen! 
Margaretha. 
Umringt ſeid Ihr mit Argen und Verräthern! 
Attokar. 
Lehrt hr den Dttofar die Seinen fennen? 
Ich gehe meinen Gang, mas hindert, fällt. 
Margaretha. 
Shr Steht am Abgrund, glaubt mir, Ottokar! 
(Wiederholte Trompetenftöße.) 
Diener (lommt). 
Die Landesherrn von Steiermark find unten, 
Und bitten, daß du gnädiglich fie hörft. 
Attokar. 
Laßt fie herein! — Ihr feht wohl, Margaretha, 
Die Unglüdzprophezeiung trifft nicht ein! 


Die Stände von Steiermark treten ein, den Herzogshut vor fih 
ber auf einem Kiſſen. 


Der Wortführer 
(indem er vor Margarethen das Knie beugt). 

Erlauchte Frau! 

Margaretha (ablehnend). 

Nicht mir! 
Bttokar. 
Zu mir, mit Gunft! 

Der König ift, der Königinnen madıt! 





40 König Ottolard Glüd und Ende. 


E chweigt immerhin, id weiß ſchon, was ihr wollt, 
Ih bab’ eu'r Land den Ungarn abgeftritten, 

Unb werd’ e8 wahren gegen Jebermann; 

Auch gegen euch, wenn's irgend etwa Noth. 

Stellt euch nur hin und wartet ruhig ab! 

Im Uebrigen betrachtet mich genau, 

Damit ein andermal ihr gleich beim Eingang wißt, 
Vor wem ihr habt zu knien. 

(Die Steirer felen fih in eine Linie mit den Oeferreihern, dem 
Throne gegenüber, die Träger der Kronen voran.) 
Ottokar. 

Nun noch zum Letzten! 
Habt Ihr die Handveſt hier, Herr Kanzellar, 
Die Schenkungsurkund' von der Fürſtin Landen? 
Kanzler. 
Ich nicht; die gnäd’ge Frau — 
Attokar. 
Habt Ihr fie, Margarethe? 


Margaretha. 
Im Schrein verſchloſſen meiner Hauskapelle 
Liegt fie verwahrt. 
Attokar. 
Nun gut, id fende drum! 


Margaretha. 
Noch hat Fein menſchlich Aug des Schreines Inhalt, 
Den Schatz gefehn, den mir fein Schloß bewahrt. 
Bei meines Heinrich theurem Abbild Liegt fie, 
Bei meiner beiden Kinder Todtenhemd, 
Beim Schredenzpfeil, den an der Leitha Strand 





Erfer Aufzug. 4 


Man blutig zog aus meines Bruberd Herzen. 
Erlaubt Ihr, geh’ ich felbft! 
Bttokar. 
Wie's Euch gefält. 
(Trompeten und Jubelgeſchtei don außen.) 
Die ner (omm). 
Ad, gnäd'ger Herr! 
Ottokar. 
Was iſt? 


Die Landesherrn von Kärnthen, Ritter und Bauern bunt 
gemengt, treien auf, den Kerzogähut vor fih auf dem Kiffen. 
Kttokar. 

Wer find bie? 
Margaretha. 
" Soll ih? 
. Ottokar. 
Ich bit? Euch drum! — Ihr ſeht, ih bin beſchäftigt! 
Noch mehr der Kronen? 
Wꝛargatetha geht ab.) 
Biener. 
Gnäb’ger Herr, der König 
Bon Ungarn reitet ein — 
Attokar 
(auf den Aronenträger zugehend). 
Wer feid ihr, Leute? 
Wortführer der Kärnthner. 
Der Herzog Kärnthens, Euer Gnaden Dheim — 
Bttokar. 
Iſt er geftorben? 





42 König Ottolard Gläd und Gnde. 


Kärnthner. 
Ja, erlauchter Herr, 
Und Kraft des Erbvertrags mit Euer Gnaben, 
Fällt Euch das Land, die Herzogskrone zu. 
Ottokar. 
Betrauern mag ihn, wer ſein Land nicht erbt! 
Seid mir willkommen, meine wackern Kärnthner! 
Fügt eure Krone dort zu jenen beiden, 
Und laßt mich freu'n des königlichen Anblids. 
(Die Rärnthner fellen fih in die Reihe der andern Etände.) 
Bttokar. 
Man lärmt ja no! Was ift? 
Biener. 
Ich ſagt' es ja! 
Der König Ungarns, Herr, ift eingeritten; 
Mit ihm Gefanbte von dem Reichövereine, 
Den Doppelabler tragend vor fi her, 
Und Alles ruft — 
Stimmen (von außen). 
Heil Ditofar, dem deutſchen Kaifer! 
Bie im Saal, 
Heil Ditofar, dem deutſchen Kaifer, Heil! 
Httokar (im Bordergrunde). 
Nun Erbe, fteh’ mir feft; 
Du haft noch feinen Größeren getragen! 
(Gr eilt in den Hintergrund, dem Ungarfönig entgegen.) 
(Indeß tritt der alte Merenberg zum Schenk von Emerberg, der ganz im 
Vordergrund lints, der Aeußerfte unter den flerreiifen Ständen, Reht) 
Merenberg deife). 
In diefes Tuch gewidelt it ein Brief. 





Srer Aufzug.“ 43 


Gib ihn an meinen Eohn, er weiß darum. 

Ich geh nad; Merenberg. Und heiß’ ihn eilen. 

(Gr läßt das Tuqh mit dem Briefe fallen, und entfernt ih. Emerberg 
hebt es auf.) 


Der König von Ungarn tritt auf mit Gefolge. 


Ott okar (hm entgegen). 
Erlauchter Herr und Vater, will es Gott! 
Bel a (urüdtretend). 
Bevor ich rede, laßt erſt dieſe ſprechen! 


Die Geſandtſchaft des Reichsſtages tritt hervor. 


Erſter Abgefandter. 

Des heil'gen röm'ſchen Reichs gemeine Fürften, 
Zu Frankfurt auf der Kaiferwahl verfammelt, 
Sie fenden uns an di, o Fürft von Böhmen. 
Die Augen haben fie nach dir gewendet, 
Die einen Kaifer ſuchen für das Reich. 
Doch ziemt uns nicht, als Herren den zu wählen, 
Der unfre Wahl wohl gar zurückeweist; 
Drum follen wir dic fragen, hoher Herr, 
Ob, wenn ber Wahltag dir die Krone beut, 
Dem Reiche du dich unterziehen werdeſt? 
Verweigr' es nicht! e8 geht ein alter Spruch: 
Des Reiches Adler werde Ruh’ erft finden 
Im Neft des Löwen; wohl, großmüth’ger Löwe, 
(er ergreift ein Schild mit dem Ginnbild des Löwen, daß an den Stufen 

des Throneß lehnt, und hebt ed in die Höhe) 
Nimm auf den Adler, der verloren fleugt, 
Und fchirm’ ihn ſtark gen alle feine Feinde! 

Attokar. 

Ha, was ift das? Wer hat mir das gethan? 





44 Rönlg Ditotars Glüd und Ende, 


Das ift der weiße Löwe nicht von Böhmen! 
Der Lö’ ift roth! 
Audolf von Habsburg 
(ber zur Geite des Thrones rechts im Vorgrunde geflanden Hat, vortretead). 
's ift Habsburgs Löwe, Herr! 
Der Schild ift mein! Ich legt! ihn, kommend, ab. 
Ein zweiter der Abgefandten. 
Ihr feid der Graf von Habsburg? 
Audolf. 
Ja, ber bin id! 
Bweiter Abgefandter. 
In Böhmen bier? 
Audolf. 
Dom Kreuzzug kehr' ich heim. 
Ottokar. 
Genug! — Ihr harret, mein Herr Abgeſandter, 
Bis man Euch wieder ruft! 
(Zum Rönig Bela gewandt.) 
Mein edler Fürft! 
Nun ruft die Pflicht mich doppelt her zu Euch! 
Sela, 
Zuerft ftel’ ich Euch meine Kinder vor. 
Hier Ladislaus, der Erbe meines Thron; 
Und hier ein Anderer. 
Bttokar. 
Hat König Bela 
Der Entelföhne mehr? 
Bela. 
Ihr argwohnt nicht? 
Man weiſet dich zurüd! 


Erſter Aufjng. 4 


Kunigunde. 
Und do war ich's, 
Die Euch am meiften wünfchte zu gefallen! 
Nehmt Ihr mid) unter Eure Krieger auf? 
(Sie wirft den Reitermantel und ungriſchen Ralpat weg, und feht ala Weib 
gefleidet da.) \ 
Bawifh 
‚Ber auf der linfen Geite des Saales nicht weit von ihr ſteht, aut). 
D fchöner Krieger! 
Kunigumde (umgemendet). 
Ha, wer fpriht? 
Httokar Gorig). 
Wer ſprach? 
Bawifdh 
(sleifals umfepend). 
Von borther ſchien's, vom Winkel her zu tönen! 
Kunigunde (eſch. 
Ihr wart's — 
wohl nit. Ihr würdet nicht fo frech, 
! Da ich fo nahe ftand, mir font es leugnen! 
| Wein König, Ihr verzeiht die Ueberraſchung. 
. Sie wollten erft mich vor den Thoren laffen, 
Doch trieb's mich hier zu fein, und alfo fam id. 
Rudolf 
(er fi) wieder in den Borgrund rechts gefellt hat). 
Der rüdfitalofen, rohen Uebereilung! 


\ Die Königin Margarethe tommt mit Göriften. 
\ Kttokar 
(mit einer Bewegung gegen fle hin). 
iſt nicht Zeit! 





46 König Ottolars Glüd und Ende. 


Margaretha 
(ib am Eeffel Haltend). 
D Gott! Wer bringt mich fort? 


- Aerenberg Goriretend) 

Der Königin zu Hilf! 

Ottokar. 

Wer rief Euch, Herr? 
Wer hieß Euch weichen dort von Eurem Platz? 
Ihr habt Euch einmal unnütz ſchon gemacht! 
Dorthin! 

(Merenberg tritt zurüd.) 
Margaretha (ana). 
„Nur fort! — Nimmt fi) denn Niemand an? 
Rudolf von Habsburg. 

Hier ift mein Arm, erlauchte Königin! 
Stet3 war bei Habsburg der Gekränkten Schirm. 

Ottokar. 
Und wer hat's Euch geheißen? 

Audolf. 

Kennt ein Heißen, 

Wer fein Verbieten kennt? 

Attokar. 

Ihr feid, vergeßt's nicht, 

In meinem Land! 

Rudolf. 

Nicht Tänger, als ih will! 

AS freier Krieger focht ih Eure Schlachten, 
Um Lohn nit, und den Dank felbft ſchenl' ich Euch! 
Ich bin nit Euer Mann. 





Erfter Aufzug. 


Ottokar. 
Nicht von der Stelle! 
Bis der entſchieden, dem Entſcheidung ziemt. 
Der Bweite der Abgeſandten 
(tritt vor). 
Sp will denn ich bier diefe Fürftin ſchirmen, 
Der Kanzler ich des Erzbiihofs von Mainz, 
Bon ihm der Wahlgeſandtſchaft beigefellt, 
Damit ich höre, mo die Andern reben. 
Erfennt Ihr mid, Graf Habsburg? 
Audolf. 
Nein, fürmahr! 
Bwriter Abgefandter. 
Gabt Ihr nicht einft im Walde, nah’ bei Bafel, 
Dem Priefter, der das Allerheilige trug 
Zu eines Kranken Troft und, aufgehalten 
Vom mwüth’gen Strom der Aar, am Ufer irrte, 
Das eigne Pferd, die Fluth drauf zu durchſetzen? 


Rudolf. 
Und diefer Prieiter —? 
Abgefandter. 
Habt nicht ſpäter dann 
Den Erzbiſchof von Mainz Ihr treu geleitet 


47 


Durch feindlich Land, durch Krieg und Brand und Tod, 


Als er nach Rom zog zu dem heil'gen Vater? 

Des Biſchofs Sekretar, auf ſein Geheiß, 

War oft Euch nah' und prüft' Euch im Geſpräch; 

Vermöchtet Ihr ihn nicht mehr zu erkennen? 
Rudolf. 

Seid Ihr's? 





48 König Ouolars Giüd und Gnde. 


Abgefandter 
(sur Verfammlung gewendet). 
Für diefe Frau, als Neichesfürftin, 

Begehr' ich frei und offenes Geleit. 
Herr Graf von Habsburg, gebt ihr Euren Arm, 
Wir wollen fie zur fihern Ruhſtatt führen! 
Im Namen denn bes heil’'gen röm'ſchen Reichs, 
Gebt Raum der Herzogin von Defterreih! 

(Führt mit Rudolfen die Königin Margarethe a6.) 


Httokar. 
Bin id eu'r Kaifer, ſollt ihr anders ſprechen! 
Ber Erfie der Geſandtſchaft 
Geliebt'3 Euch, Herr, uns Antwort zu ertheilen? 


Bawifd 
(fi) vordrängend). 
Raubt ihr uns unfern König, unfern Herm? 
Iſt er nicht mächtig? was bedarf er euer? 
Wie Gott im Himmel, herrſchet er auf Erben; 
Nur Sorgen und nit Nuten ſchafft das Reich. 
Laßt ihn, und bietet Deutfchen eure Gaben! 
Ihr gebt nur, weil ihr braucht! Laßt unferm Herrn! 
Ottokar. 
Er ſpricht zum Theil ganz gut, Herr Abgeſandter. 
Gar viel iſt abzuſtellen in dem Reich, 
Gar mancher Trotz zu beugen und zu ſtrafen; 
Ich ſeh' wohl, euer Herr war euer Knecht. 
Ich bin ein reicher Fürſt von Böhmen, Gott verhüte, 
Daß ich ein armer Kaiſer wollte fein. 





Erſter Aufzug. 


Doch mögt ihr harren, ob es uns gefällt, 
Vielleicht euch günft’gre Antwort zu ertheilen. 
(Zu Kunigunden gewendet.) 
Nun bin ich Euer, ganz mit Seel’ und Xeib. 
Zawiſch. 
Es lebe Ottokar! 


Unter Trompetengetön, Zuruf von allen Seiten. 


Bon Böhmen König! 
Herzog von Deftreich ! 


Steier! 
Kärnthen! 
Krain! 
Der Deutſchen Kaiſer! lebe Ottokar! 
Der Vorhang fällt. 
a 
Grillparzer, ſammtl. Werke. IV. 4 


49 





Zweiter Aufzug. 


Dffner Gartenfaal, gegen den Hintergrund zu mit einem halb: 
mannshohen Marmorgeländer gefchlofien. Es wird angenommen, 
daß hinter bemfelben der Garten terrafienförmig abwärts geht. Im 
Borgrunde zu beiden Seiten Thüren, baneben Bilbfäulen. Der 
Haupteingang ift zwiſchen den Eäulen links an ber Baluftrade. 


Zawiſch tritt lachend auf. 


Ich bin verliebt! O meh, mein Herz ift fort! 
Ihr Leute fommt zu Hilfe! Ha, ha, ha! 

Wie fie mid) anfah mit dem ſchwarzen Blid, 
Die ftolzge Ungarin! Hilft Alles nichts! 

Und ſchön ift fie, beim wunderbaren Gott! 
Ein adlich, wildes, veiterfchenes Füllen, 

Den Zaum anfchnaubend, der es bänb’gen fol. 


Auch fonft geht Alles, wie es Gott gefällt! 
Die Defterreicher reißen tüchtig aus, 
Seit Margaretha fort, die Königin; 
Der Eine rechts, der Andre linke, doch Alle 
Nah Frankfurt auf die Kaiſerwahl. Nu! mul 
Sie Iegen bort wohl bie Gefuche nieder, 
Daß man doch ja Herrn Ditofar erwähle! 





Zweiter Aufzug. 51 


Milota (von innen). 
Nur bier herein indeß! 
Bawifd. 
Wen bringt man da? 


Gewaffnete bringen Seyfried don Mereuberg gefangen, 
Milota, ganz gerüfet, folgt, einen verfiegeften Brief in der Hand. 


Milota. 
Der König ift noch beim Turnier? 
Bamifd. 
Ja wohl! 
Eieh da, Herr Merenberg! und fo begleitet? 
Milota. 
Sein Vater, der Verräther, ſandt' ihn fort 
Mit dieſem Schreiben an den Erzbiſchof 
Von Mainz. Er hatt' ihm Eile wohl geboten — 
Seyfried. 
Ob er's gebot! 


Ailota. 
Allein der junge Herr, 
Da ihn fein Weg am Schloß vorüberführte, 
Wo Bruder Beneſch haust mit feiner Tochter, 
Wollt’ er noch einmal fehn fein altes Lieb; 
Doch fing man ihn und fendet ihn hieher. 
Bamwifd. 
&o? bei ſchön Mühmchen? Ei, bei Fräulein Bertha? 
Seyfried. 
Im heißen Fieber liege fie und raſe, 
Ward mir geſagt. Ich wollte ſie nur ſehn, 





52 König Ottolars Glück und Ende. 


Nur willen, ob fie lebt; und fo gab ich 

Des Bater3 Haupt und mich in ihre Hand. 

Thor, der ih war — verruchter, blinder Thor! 
Milota. 

Hier ift der Brief, die Auffchrift an den Mainzer. 


Seyfried. 
Herr Zawiſch, ſeht, ich hab' Euch nie geliebt! 
Für doppelſinnig hielt ich Euch und falſch; 
Doch ſagt mein Vater, Menſchen kennt' ich nicht: 
O zeigt mir, Herr, daß ich Euch nicht gekannt! 
Gebt mir den Brief, laßt ihn uns hier vernichten, 
Mit mir könnt Ihr beginnen, was Ihr wollt. 
Ich hab' Euch ſonſt wohl auch ſchon Liebs gethan: 
Als Ihr mit Euren Sippen da und Freunden, 
Wißt Ihr? im Vorgemach der Königin 
Gar ſonderbare Reden einſt geführt; 
Ich ging nicht hin und ſagt's dem König an, 
Wie ich gekonnt, vielleicht wohl gar geſollt; 
Denn damals ehrt' und liebt' ich noch den König, 
Als meiner angebornen Fürſtin Gatten, 
Und meinen wahren, rechtgeſinnten Herrn. 


Zawiſch. 
Hörſt du, Freund Milota? 
Milota. 
Wer achtet ſein? 
Zawiſch. 
Der Brief iſt richtig: 
(Er liest:) 


„An den Erzbiſchof 
Von Mainz.“ Du biſt verloren, guter Freund, 
Wenn dieſer Brief dem König kommt zur Hand. 





Zuweiter Aufzug. 53 


Scyfried. 


Herr, rettet mich! 


3awifd. 
Schon gut! ſchon gut! — 
Die Leute find vertraut? 
Auf die Waqhe zeigend.) 
Milota. 
O ja. Warum? 
dawiſch 
®en Brief in der Hand. wiegend). 
Der Brief kann viel enthalten — oder wenig. 
Ein Tröpflein Gift vieleiht — 
(Die Hand mit dem Briefe fhnell auf den Rüden gelegt) 
Ein Meer von Argwohn! 
(Zur Wade gelehrt.) 
Geht ihr nach Haus und grüßet Vetter Beneſch. 
Ailota. 
Was thuſt du? 
Bawifd. 
Geht ihr nur! 
(Gemaffnete ab.) 
Und du, mein Freund! 
Was gibft du mir, wenn id) dich dießmal rette? 
Seyfried. 
Mein Leben — 
3awifd. 
Ei, behalt’ das nur für did! 
Kannft du auch fpringen? 


Milote. 
Zawiſch! 





54 König Ottolard Glac und Gnde. 


Bawifd. 
Nun, fo fomm! 
Hier haft du deinen Brief, fo, und nun fpring'! 
(Er dat ihm and Geländer geführt, Sepfried fpringt hinab.) 


Milota. 
Wahnfinniger! 
Bawifd. 
Heil was der Junge läuft! 
Milote, 
Ihm nad! 
Bawild. 


Zurück! Haft du dich mir vertraut? 
Nun, haft du es gethan, fo traue mir! 
Ich weiß am beften, was ſich fügt, mas nicht, 
Zu feiner Zeit wird ſich's dir offenbaren. 
Und dann — das junge Blut, mein gutes Herz! 
Ha, ha! — Sprich nicht und geh! es kommen Dinge» 
Bei denen ich nad) Zeugen nicht verlange. 
Du gabft dein Wort, daß du mic) läßt gewähren: 
Drum geb! 
Milota 
(ehrt am Yußgange um). 
Folgſt du auch nicht mehr zum Turnier ? 
Bawifd. 
Die Waffen hab’ ich ſchon von mir gelegt; 
Der Preis ift mein! Geh jegt! der Augenblid 
Pocht wie ein Gläubiger und till was fein. 
Witota ab.) 
Ich fehe fie den Gang herunter kommen, 
Begleitet nur von einer Kämmerin. 
Nun raſch ans Werk! 





Zweiter Aufzug. 55 


(Zu einer Bildfäule der Liebesgöttin gewendet, die im Vorgrunde links 
Reht.) 
Du feufche Liebesgättin, 
Getreue Gattin deines holden Gatten, 
Dich fleh’ ih an: verleih’ mir deinen Schuß! 
(Er zieht ein Blatt hervor und ftedt es, zur Bildfäule auf einer Stufe des 
Unterfaßeß emporfteigend, unter den halbgehobenen Fuß der Göttin.) 
Bewahre mir dieß Blatt bier und beitell! e3! 
Man kommt! — Ich muß nody etwas zögern! — Net! 
(Er fpringt herab und eilt wie betroffen fort.) 


Die Königin tritt in demfelben Augenblide mit ihrem ammer- 
fräulein links im Hintergrunde auf. 


Aunigunde. 
War das nicht Nofenberg? — der Unverfchämte! 
Ruf’ ihn zurüd! 
Sräaulein 
(in die Scene rufend). 
Herr Zawiſch! Kommt hierher! 
Die Königin befiehlt es! Hier! Ihr ſollt! 
(Zawifh kommt zurüd, verfhämt dad Barett in der Hand drehend.) 
Königin. 
Ich meiß nicht, Herr, bin ich nicht voll bei Sinnen, 
War ich im Fiebertraum die Tage ber, 
Wie, oder ſeid hr ganz fo unverfchämt, 
So rafend — Nein! Die Sprache hat fein Wort! 
Verrückung möcht’ am erften es bezeichnen — 
So unverfehämt:verrüdt, ala Ihr Euch zeigt? 
Bei meiner Ankunft fchrie't Ihr gellend auf — 
Ihr wart's! Ich ftand drei Schritte fern und weiß es! 
Seitdem verfolgt Ihr raftlos mich mit Bliden, 





56 König Ottokars Glüd und Ende. 


Mit Bliden, die ich näher nicht bezeichne; 

Doc regt fi) mir der Ingrimm, den!’ ich dran. 
(Näher zu ihm tretend.) 

Nur erft, beim Tanz, als ich die Hand Euch reichte, 

Ya, Frecher, ja! Ihr drüdtet mir die Hand! 

Mer bin ich, Herr? und mer feid Ihr? 


Zawiſch. 
Verzeiht! 
Königin, 
Behandelt fo hierlands man Königinnen? 
Wär’ ich zu ftolz nicht, meines Gatten Zorn 
In meiner eignen Sade aufzurufen, 
März bier in Böhmen wie bei uns daheim, 
Wo aud die Frau ein Recht hat, eine Stimme 
Und Macht, um zu vollführen, was fie denkt, 
Wo eine Königin nicht bloß des Königs Gattin, 
Wo fie Gebiet’rin ift: es ſollt' Euch reu'n! 
3awild. 
Berzeiht ! 
Königin. 
Und nun: verzeiht! Erft frech und fühn, 
Und nun fo fnedhtifh, daß es an mich efelt! 
Mas ftedtet Ihr an jene Säule hin? 
Bawifd. 
An jene Säule? — ftedt was dort? 
Aönigin. 
Ein Zettel. 
Zawiſch. 
Ein Zettel? in der That! 





Zweiter Aufzug. 57 
Königin 
Gum Rammerfräulein). 
Nimm ihn herab! 
Es geſchieht.) 
Was ſteht auf dem Papier? 
Zawiſch. 
Ich weiß es nicht! 
Königin. 
Ihr ftedtet'3 doch hinauf. 
Bawifd. 
Ich? Wahrlich nit! 
Königin. 
Nur erft, fo wie ich kam. 
Bawifd. 
Ich war nicht hier, 
Ih kam von jener Seite. 
Königin. 
Nun, beim Himmel! 
Ich bin verrüdt, der Kopf dreht fi im Wirbel! 
Sind das hier Bäume? Iſt das Luft und Erde? 
Ich fah es ja, ich fand drei Schritte fern, 
Als Ihr den Zettel an die Säule ftedtet! 
Zawiſch. 
Wenn Ihr es ſagt, o hocherhabne Frau, 
Dann muß es fein, und wär' es «nie geweſen! 


Königin. 
Und was enthält der Zettel? 
Bamifd. ° 
Phantafien! 


Die Ausgeburt von dichteriſcher Glut. 





58 Rönig DOttolard GlOd und Ende. 


Königin 
Gum Rammerfräulein). 
Zeig’ her! 
(Sie entwidelt den Zettel und fiet die Auffchift) 
„Der Schönften!” 
Ha Verweg'ner! 
Nimm hin das Zeugniß deiner frechen Thorbeit! 
(Sie wirft ihm den Zettel vor die Fühe.) 
Und wagſt du's noch einmal, di mir zu nahn, 
So fol der König beinen Frevel ftrafen! 
Zawiſch 
Cebt den Zeuel auf und kniet damit dor dem Rammerfräulein nie) 
Nun denn, fo wißt, daß ich Euch dienend folge, 
Schon lang brennt das Geheimniß meine Bruft. 
In diefen Zeilen wagt’ ich's zu geftehen, 
Verloren bin ich, Herrin, wenn Ihr zürnt. 
(Er fieht auf und geht.) 
Königin. 
Ha, laden muß ich wahrlich des Verrüdten! 
Kammerfräulein. 
Seht, gnäd'ge Frau, jo komm’ ih Hand Fehr um 
Zu einem Ritter und zu Minnebienft. 
Königin. 
Und glaubft du wirklich, dich hab’ er gemeint? 
Nah mir blidt er, der Uebermüth'ge, Freche! 
AMammerfräulein. 
Ei, gnäd'ge Frau, was thut's? Der Wahn ſchon ſchmeichlt 
Von ſolcher Werbung und von ſolchem Ritter. 
Königin. 
Von foldem Ritter? Lachen machſt du mich! 


Bmeiter Aufzug. 59 


Aammerfräulein. 
Ya, gnäd'ge Frau, im ganzen Böhmerland 
Iſt Keiner, der dem Zawiſch ſich vergleicht 
Bon Rofenberg. Den edlen Gang, die Haltung, 
Des Körpers mannigfadhe, edle Gaben, 
Ihr faht fie, Königin, fo gut als ich; 
Doch aud an Heldenmuth, an Tapferkeit 
Steht er vor Allen, die fih Ritter nennen. 
Sn Padua bat er Jahre lang ftubirt, 
Auch madt er Keim’ und fingt fie zu der Zither. 
Königin. 
So fchlimmer denn! 
Aammerfränlein. 
So fchlimmer, gnäd'ge Frau? 
Königin. 
Bei und daheim lohnt man die Zitherjpieler 
Mit Gold und mit Verachtung. 


&ammerfräulein. 
So bei uns nidt! 
Mandy’ Edler eifert mit den Troubadours, 
Und diefer Zawiſch hat fi) mandjes Herz 
Erjungen bei den Klängen feiner Zither. 
(Den Zettel enifaltend.) 
Ihr follt gleich fehn! 
Königin 
(dat ih gefekt). | 
Er fol mir's wahrlich büßen! 
Kammerfräulein (ie). 
„Der Schönſten!“ — Nun, ich nehm' es dankbar hin. 
„O Hand von Schnee" — 


60 aonig Ottofard Glüd und Gnde. 
Königin. 
D Hand von Schnee, was heißt das? 
Kammerfränlein. 


Weiß wie Cchner. 
Königin 
en Handſchud abziehend und ihre Hand betrachten). 
Ich dent’, er hat die Hand noch nie gefehn, 
Den Handſchuh höchſtens! 
Kammerfräulein defend). 
„O Hand von Schnee, 
Und doch fo heiß.⸗ 
(Die adnigin fampft mit dem Fuße.) 
&ammerfräulein. 
Beliebt Euch, gnäd’ge Frau? 
Königin. 
Lied meiter nur! 
Ich wollte jagen: thu’, was bir gefällt! 
Kammerfränlein. 
„O Hand von Echnee, 
Und boch fo heiß; 
O Blid fo feurig, 
Und dennod Eis!“ 
Königin. 
Ich wollt’, er wäre Glut und träfe dich! 
Ich wollt’ ihn martern, bis ich voll gerächt. 
Kammerfräulein. 
„Der Mund, fo füße, 
Spricht herber Art; 
Die Bruft, ob wogend, 
Nicht minder hart.“ 


u eu 


Zweiter Aufzug. 61 
Königin. 
Schweig ftill! 
Kammerfräulein. 


„O Blick erwarme, 
O Bruſt erweich'! 


D Sand —“ 
Aönigin. 
. Ich fage dir, bu ſollſt verftummen ! 
Aammerfränulein. 
So laßt Ihr mic) nicht meines Sieges freu'n? 
Königin. 


Ich glaube bald, die Thörin nimmt’3 auf ſich! 
(Sie fteht auf.) 

D wär' ich wieder fort aus biefem Land, 

In Ungarn, bei den Meinigen daheim! 

Da galt ih noch! Frei ftreift! ich in die Ferne, 

Dorthin, dahin, wohin der Wunfd mich rief. 

Mein alter Bater war mir gern zu Dienft, 

Zu Dienft die Fürften, feine Sippen alle, 

Und was nur Mann hieß in dem weiten Neid); 

Und Leben war und Feuer, Glut und Muth! 

Da riefen fte zum fernen Prag mich hin: 

Ein König, fagten fie, regiere dort, 

Vermählt in feiner Kraft der ältern Frau, 

Den's dürfte nad) der feurigen Genoſſin, 

Nach gleihem Muth in gleichgefchwellter Bruft. 

Sch komm' und finde — einen Greis. Sa, Greis! 

Denn Spielt ihm nicht Schon graulid Bart und Haar? 

Sie fagen: von des Krieges Arbeit; gleichviel ! 

Und ift er denn nicht mürriſch wie ein Greis? 





62 König Ottokars GIAE und Ende. 


Rechthab'riſch, ungeftüm? beim reichen Gott, 
Zum Schweigen und Gehorchen fam ich nicht ! 
Die Andern aber fchmeicheln, betteln, Triechen, 
Sind trägen Blut3 und weißen, falten Herzens. 
Nur diefer Rofenberg ; bei uns in Ungarn 
Trüg’ er fein Haupt Ted unter Gottes Himmel, 
Mie jener fühne Führer der Kumanen, 
Dem er auch ähnlich fonft an Haupt und Bruft, 
Dem Beiten unter Ungarns ſtarken Mannen. 
Doch Jener war ein freudig kühner Held, 
Gerad in feinem Wollen, feinem Handeln; 
Indeß der Böhme feig und niedrig Triecht, 
Und feinen Werth und all fein Selbft befudelt. 
(Trompeten von außen.) 
Was ıft? 


Aammerfränulein. 
Geendet ift wohl das Turnier, 
Und man ertheilt den Siegenden die Preiſe. 
Euch, Königin, gebühret das Geſchäft. 
Königin. 
Man wird uns rufen. — Gib doch das Gejchreibe, 
Man merkt beim erften Leſen faum den Sinn. 
(Sie nimmt den Zettel.) 
Aammerfräulein. 
Ach, gnäd'ge rau, des Königs Hoheit naht, 
Der ganze Zug; fie fommen vom Turnier! 


DOttolar kommt mit Milota und Füllenſtein. Hinter ihm 
Herren und Damen vom Xurnier. 


Ottokar 
(zu denen, die ihm folgen). 


Wenn er darauf beſteht, ſo bringt ihn her! 


Zweiter Aufzug. 63 


(Im PBortreten zu Aunigunde.) 
Es will der Sieger des Turnieres nur 
Aus deiner Hand den Preis empfangen. 
Nu Kunthe, nu wie geht's? 
(Er mill fie am Kinne faffen, fie tritt zurüd.) 
Königin. 
Ganz gut. 
Attokar. 
| Potz Blitz! 
Wohl übel gar gelaunt? 
He, Milota! 
(Er tritt mit Milota auf die andere Seite des Vordergrundes.) 
Der junge Merenberg entſprang? 


Ailota. 
Ja, Herr. 
Ottokar. 
Verwünſcht! Doch woher weiß man's von dem Brief? 
Milota. 
Nach junger Leute Art hat er ſich deſſen 
Gerühmt, man hat den Brief ſogar geſehn. 
Ottokar. 
Die Aufſchrift an den Erzbiſchof von Mainz? 
Milota. 
Derſelbe, ja. 
Ottokar. 
Auch Wolkersdorf iſt fort? 
Milota. 
Und Hartneid Wildon. Alle Oeſterreicher, 
Seitdem die Königin Marg'rethe fern, 
Sind übeln Sinns und ſchleichen fort vom Hof. 





68 König Dttolard Glüd und Ende. 


Bttokar. 
Mas ift? Was mwilft du, Kunigunde? 

(Paufe, während welder die Königin Zawiſch anfieht, der rubig vor ſich 
binblidend dafteht. Sie ficht noch einmal hin, dann:) 
Königin. 

Gebt Ihr noch heut! nach Ribnif auf die Jagd? 
Ottokar. 
Wie kommt Ihr auf die Frage? Heute, ja! 
Auch biſt du ganz verſtört. Was war denn hier? 
Das Dankertheilen macht dir fo viel Müh', 
Daß ich in Zukunft dir's erfparen werde! 
(Er wendet fih von ihr.) 
Königin 
(zum Kammerfräulein leife). 
Die Schleife fol er geben; geh und fag ihm's!. 
(Ottotar ift in die Mitte des Saales getreten; die Verfammelten bilden 


einen Halbzirkel, deffen linked Ende die Königin, das rechte Zawiſch bildet, 
der, dem Kammerfräulein ausmweichend, bis in den Borgrund kommt.) 


Attokar. 
Ihr Herrn, wer ift von euch, der einer Sorge, 
Und einer drüdenden, mid) ledig madıt? 
Der alte Merenberg, im Lande GSteier, 
Un mir ift zum Berräther er geworden, 
An mir und feinem Land, von dem ich Herr. 
Mit Briefen an den Erzbifchof von Mainz 
Hat er den Sohn nad Frankfurt hingelandt: 
Wahrſcheinlich unfre Wahl zu bintertreiben, 
Der man dort pflegt, zum Kaiferthron der Deutfchen, 
Und Unruh' anzuftiften, Meuterei. 
Der Sohn ift zwar entwifcht, allein der Vater, 
Er foll der Strafe nimmermehr entgehn, 





Zweiter Aufing. 65 


(Bawifch Hat ſich dor die Aönigin Hingefellt. die ſitt und In Gedanten 
vor ſich Sinfaret.) 


Kammerfränlein 
ie Rönigin aufmertſam machend) 
Erlaubte Frau! 
Königin 
@a fie Zawiſch vor ih flehen ficht). 
Verweg'ner! wie, auch bier? 
(Sie Tpringt auf.) 
Kammerfränlein 
(auf die reicgefidte Shärpe zeigend, die ein Page auf einem Sammte 
Hffen trägt). 
Der Danf! 


(Die Adnigin nimmt Die Schärpe, der Page legt das Kiffen bei Ihren 
Güben nieder.) 


Zawiſch 
sum Rammerfräulein). 
Ei, Fräulein, gebt mir doch den Zettel, 
Den ich vor Kurzem nur Euch überreicht. 
Er fam nicht in die rechte Hand! 


Kammerfräulein. 
Mein Her! — 
3awifd. 
Gebt ibn! 
. (&r Hält die Hand bin). 
&ammerfräulein. 
Verzeibt ! 
3awifd 
(immer die Hand Hinpaltenb). 
Er fol für Jemand anders! 


Grilfparzer, fämmtl. Berte. IV. 5 





66 König Ouotats Gldd und Ende. 


Kammerfränlein. 

Ich — hab’ ihn nicht mehr! 

3awifd. 

Wie? Ihr habt ihn nicht mehr? 
Dann wahrlich ift er in der rechten Hand! 
(& wirft Ad vor der Mdnigin auf daß Kiſſen nieder, feurig.) 

D Königin, habt taufend, taujend Dant — 

(Cangfam.) 
Im Voraus für den Preis, den Ihr mir reichet. 


Ottokar 
(fein Geſprach unterbrechend). 
Warum gebt Ihr den Preis nicht, Kunigunde? 


Königin (eleidich. 
Ich wollte früher ſchon, eh' Ihr befahlt! 
(Mit der Scharbe nahend) 
Herr Ritter! 
Zawiſch. 
Wie beglückt Ihr mich, Gebiet'rin! 
In Demuth beugt ſich Euch mein dienſtbar Haupt! 
(Reife) 
„O Hand von Schnee, 
Und doch fo heiß!” 


Königin (life). 
Wenn Ihr nicht ſchweigt — 


Zawiſch (am). 
Mit diefem theuren Piand 
Statt Harnijch angethan, jtatt aller Waffen, 
Will fahrend ich die weite Welt burchziehn, 
Und Euren Ruhm und meines Königs Ruhm 





Zweiter Aufzug. 67 


BVerfünden und verfechten überall, 
Für ihn und Euch mein Leben! 
(Da die Rönigin fih mit der Schärpe zu ihm neigt, leiſe und fhnell:) 
Alte Männer 
Sollten alte Weiber freien. Jugend 
Gehört für Jugend! 
(Die Königin wirft die Schärpe auf den Boden.) 
Httokar (herüberufend). 
Nun, noch nicht zu Ende? 
Zawiſch ceife). 
Dieß Haupt dem Henker, wenn Ihr fo es wollt! 
Bttokar. 
Was ift? 
Bamwifd. 
Die Schärpe fiel. 
Königin 
(um Rammerfräulein). 
Reich’ mir die Schärpe! 
Die höchſte Langmuth findet doch ihr Ziel, 
Verwegenheit mag es denn gleichfalls finden! 
Sier nehmt die Schärpe und gehabt Euch wohl! 

(Sie hängt ihm die Shärpe um. Wie fle ſich über ihm beugt, faßt 
Zawiſch die Eileife an ihtem Aermel, die Shleife fü. Zawiſch büdt 
ſich raſch und hebt fie auf.) 

Königin. 

Ha, mein Gemahl! 
Ottofar wendet fih nad ihr.) 
Zawiſch 
(er aufgeflanden iR und ſich gegen die Mitte zurüchiehth. 
Tie Königin, mein König! 





68 Rönig Ottolar Glac und Ende. 


Ottokar. 
Was iſt? Was willſt du, Kunigunde? 
(Baufe, während welcher die adnigin Zawiſch anfieht, der rubig ver ih 
Hinblidend daficht. Sie fieht nad einmal bin, dana:) 
Königin. 
Geht Ihr noch heut’ nach Ribnik auf die Jagd? 


Sttokar. 
Wie kommt Ihr auf die Frage? Heute, ja! 
Auch bift du ganz verftört. Was war benn hier? 
Das Dankertheilen macht dir fo viel Müh', 
Daß ic in Zufunft dir's erfparen werde! 

(&r wendet fih von if.) 
Königin 
(um Rammerfeäulein eife). 

Die Schleife fol er geben; geh und fag ihm's! 
(Ottotar if in die Mitte des Saales getreten; Die Berfammelten Hier 
einen Halbzirkel, defien linkes Ende die Rönigin, das rechte Zawiſch Hide, 
der, dem Rammerfräulein ausweichend, biß in den Vorgrund Iommt) 

Httokar. 
Ihr Heren, wer ift von euch, der einer Sorge, 
Und einer brüdenden, mich ledig macht? 
Der alte Merenberg, im Lande Steier, 
An mir ift zum Verräther er geworben , 
An mir und feinem Land, von dem ich Herr. 
Mit Briefen an den Erzbiſchof von Mainz 
Hat er den Sohn nad Frankfurt hingefanbt; 
Wahrſcheinlich unfre Wahl zu hintertreiben, 
Der man dort pflegt, zum Kaiſerthron ber Deutfcen, 
Und Unrub’ anzuftiften, Meuterei. 
Der Sohn ift zwar entwiſcht, allein der Vater, 
Er foll der Strafe nimmermehr entgehn, 





Zweiter Aufzug. 


Noch der Enthüllung feiner Epießgefellen. 

Der Frevler hat ſich auf fein Schloß gezogen, 
Das wohl bewahrt ift gegen jeden Angriff; 
Wer mir ihn bringt, wer mir ihn lebend bringt, 
Was er ob Hochverrath verwirkt, die Lehen, 
Sein ganzes Gut, fei des Ergreifers Lohn! 
Ortolf von Windifhgräg, du ſcheinſt bereit? 


Süllenfein. 
So laßt den Zweiten mid) fein, gnäd'ger Herr! 
Bttokar. 
Von meinen Leuten geb’ ich euch die beiten; 
Den hier — und den — 
(Im SHintergrunde einzelne Wappner bejeihnend ) 


Kammerfräulein 
ie von hinten herumgegangen iſt, zu Zawiſch tretend). 


Die gnäd’ge Fürftin zürnt. 


Shr follt die Schleife geben, läßt fie jagen. 


Bawifd. 
Die Schleife? Nun und nimmermehr, mein Kind! 
Sch habe fie erobert, und mein Leben, 
Den Kopf hier laſſ ich, doch die Schleife nicht! 
(Gr zieht die Schleife hervor.) 
Sieh ber, wie ſchön! Roth, wie dein holder Mund, 
Und weiß, wie diefes Nadens reines Eilber. 
(Gr berüget mit dem Ginger ihre Schulter.) 
Nein, die behalt’ ih, und auf meinem Sarge 
Soll neben Schild und Held fie prangend ruh'n. 
Setzt' ih mein Blut nicht ein, um fie zu haben? 
Du blutigrothe Schleife, du bleibft mein! 
(Gr Halt fie vor fih Hin in die Luft.) 


69 





70 König Ottolard Glüd und Ende. 


Königin 
(auf der andern Geite des Theaters) 
Wahnfinnig ift er! Himmel, wenn der König —! 
Kammerfränlein Gu Zamiis). 
Die Königin macht Zeichen, ftedt fie ein! 
Der König naht. 
KHttokar (wrüdtommend). 
Was habt Ihr, Rofenberg? 
Zawiſch 
(dat die Shleife in den Bufen gefledt). 
Nichts, gnäd'ger Herr! 
Attokar. 
Wie? Nichts? 
Bawifd. 
Herr, es gibt Dinge, 
Die man mit Recht dem König felbft verbirgt! 
Ottokar. 
Ein Liebespfand? 
Bawifd. 
Ein Pfand, Herr, das man liebt. 
Bttokar 
(nad; einer Paufe der Beobamtung). 
Wer hat die Königin heut’ angefleidet? 
Kammerfränlein. 
Ich, gnäd'ger Herr. 
Ottokar. 
Seid Ihr ſo ſorglos, Dirne, 
Daß Einen Arm Ihr nur mit Schleifen ziert, 
Indeß der andre leer? 





Zweiter Aufzug. 71 


Kammerfräulein. 
Gewiß — verloren! ' 
Zawiſch 
Gum Eugen gebüdt). 
Man muß fie fuchen. 


Sttokar. 
Laßt das nur, Herr Zawiſch! 
Wenn die Verfammlung fort ift, macht ſich's leichter; 
Allein bis Abend hoff’ ich fie zu fehn. 
Dem aber, der fie fand, gebt biefen Ring, 
{er zieht ihm dom Finger und gibt ihm Rofenberg.) 
Im Namen meiner Gattin, feiner Iran; 
Denn Königinnen jhenten Diamanten, 
Doch Bufenfchleifen nicht. — Euch, Königin, 
Bitt' ih, in Zukunft Euren Anzug mehr, 
Und — meiner Würde mehr in Acht zu nehmen! 
(Zu Zawifh.) 
Vergeßt es nicht und richtet's aus dem Finder! 
Königin. 
In meinem Namen, Nitter, aber jagt ihm: 
Er möge das behalten, was er fand; 
Denn was ich ſchenke, Schleife, Diamant, 
Indem ich's ſchenke, ändert's die Natur, 
Und ift nur noch der Königin Geſchenk. 
Auch mög’ er fehen, daß ich Herrin bin, 
Zu ſchenken, was ich will, und wenn es mehr 
Als Schleife wäre, mehr als Diamant! 
(Sie geht ab.) 
Sttokar 
(acht einigemal auf und nieder, dann bleibt er vor Rofenberg eben). 
Was war hier, Rofenberg? 





73 adnig Citolard Gide und Ende. 


Bawifd 
(auf ein Anie niedergelaffen). 
Zürnt mir mein König? 

Httokar (hn betradtend). 
Du follteft thöricht g'nug fein, meinen Zorn, 
Den Zorn des Dttofar auf dich zu rufen, 
Um einer Laune, eines leeren Nichts? 
Wer bift du denn, daß du es wagen follteft? 
Ih hauche — und wo war dann Rofenberg? 
Ich aber kenne dich ala Hug: — Steh auf! 


Bawifd. 
Nicht wenn Ihr zürnt. 
Ottokar. 
Ich ſage dir: ſteh auf! 
(Zawiſch ſteht auf.) 
Ottokar. 
Ihr aber geht zu meiner Frau und ſagt ihr, 
Nicht ſtören möge ſie der Gäſte Frohſinn 
Durch längeres Entbehren unſrer Wirthin! 
(Diener ab.) 
Ottokar. 
Ihr Ortolf alſo richtet mir ins Werk, 
Was Ihr verſpracht; den Lohn verbürg' ich Euch. 
Ich will ſie lehren, an das Reich ſich wenden! 
(Auf die Bruf ſchlagend.) 
‚Hier ift das Reich! 
Diener 
Commt zurüd). 
Die Königin ift unpaß. 





Zmeiter Aufzug. 73 


Attokar. 
Ei, derlei Krankheit ift nicht ſchwer zu heilen! 
Geh noch einmal und bitte fie, zu kommen. 

(Diener gebt.) 
Und nun, ihre Seren, hinauf zum Nitterjaal! 
Und laßt den Tanz, laßt ſich das Feſt erneu’n, 
Bis an den Morgen rege ſich die Luft! 

(Zu Füllenfein.) 
Vergiß nicht, was ich dir gebot! 
Füllenſtein. 
Sorgt nicht! 
(Diener kommt zurüd.) 

Attokar. 
Nun, kommt die Königin? 

Diener. 

Sie will nidt, Herr! 

Bttokar. 
Sie will nicht? will nicht; wenn ich es gebiete? 
Sag ihr! — Doch laß! Sie wird fich felbft befinnen. 
Mit Weiberlaunen hat man billig Nachficht! 
Nur fort, ihr Herrn! 

Der Erfie der Reihstagsgefandten 
(die fih unter der Menge befinden). 

Mein gnäd’ger Herr und König! 

Ottokar. 
Wie, mein Herr Abgeſandter, Ihr noch hier? 

Abgeſandter. 

Noch immer harrend einer gnäd'gen Antwort 


Für meine Committenten, für die Wahlherrn 
Des heil'gen röm'ſchen Reichs. 








4 König Ottolars Glüd und Gnde. 


Ottokar. 
Mein Herr Gefandter, 

Tie Antwort ift denn auch nicht gar fo leicht. 
Ich bin ein König über viele Länder, 
Zu viel beinab für eines Menfchen Kraft. 
Nun fol ich mit der Sorge mic belaften 
Für nod ein Land, und für ein Land, das felber 
Mitforgen will, und figen mit im Rath. 
Ich bin gewohnt, wenn ich 'mal fage: Ja, 
So gilt's den Kopf, wenn Jemand fpräde: Nein! 
Und was fönnt ihr denn eurem Fürften bieten? 
Die Zölle find verfegt und die Gefälle; 
Was nur des Kaiſers war, es haben 
Im langen Zwiſchenreich fih die und ber 
Mit räuberifhen Händen drein getheilt. 
Soll id das Mark von meinem reihen Erbland 
Nun fegen auf fo trügerifhes Epiel? 
Euch Heren gefiele wohl, mit meiner Habe 
Zu helfen eurer dringend bittern Notb: 
Doc will ich lieber hier in Böhmen figen, 
Und eines armen beutfchen Kaifers lachen, 
Als felbft ein armer deutſcher Kaifer fein. 
Indeß verſchmäh' ih nicht, die höchſte Macht 
Vielleicht zu Trönen mit der höchſten Würde, 
Auf Karl3 des großen Thron, ein zweiter Karl 
Zu figen in des Reiches Vollgewalt: 
Doc foll man mir die Kron’ erft felber bringen, 
Und legen auf dem Kiffen dort vor mir, 
Bevor ich mich entſcheide, was geſchieht. 
Ich habe meinen Kanzler hingefantt, 
Heren Braun von Olmütz, auf den Tag nad Frankfurt, 
Und ſeht, er fchreibt mir, 


BE 
. x 
‘ 


Zweiter Aufzug. 75 


(er zieht den Brief hervor) 
daß die Wahl des nächiten 
Wird vor fich gehn. Dem Pfalzgraf bei dem Rhein 
Trug man den Ausſpruch auf im Kompromiß. 
Er ift zwar nicht mein Freund; er und der Mainzer, 
Site ſchmieden Ränke, wie mein Kanzler fchreibt; 
Allein die deutſchen Fürſten wagen nicht 
Dem Stimenrungeln Ottokars zu jtehn. 
Die Kron’ ift mein! das heißt, wenn ich fie mag. 
Doc laßt fie bier erft fein, dann will ich ſprechen. 
Diener (tommt). 

Der Kanzler, Euer Hoheit, Braun von Olmütz. 


Attokar. 
Seht Ihr? er fommt zurüd. 
Diener. 
Mit ihm ein Ritter 
In Lichter Rüftung, Fürſten gleich geziert, 
Und zwei Herolde in des Neiches Farben, 
Ten Adler vor der Bruft, die laut trompeten. 
(Trompeten von außen.) 
Bawifd. 
Grlaube, königlicher Herr und Kaiſer; 
Daß wir die erften deiner neuen Diener — 
(Die ganze VBerfammlung madt eine Bewegung nad vorn.) 
Attokar. 
Zurüd! Wollt ihr dem Neichstagboten zeigen, 
Daß unverhoffte Freud’ er überbringt? 
Auch wißt ihr nicht, ob ich die Wahl genehm’ge! 
(Zu den Gefandten, die fi zurüdgezogen haben.) 
Wo geht ihr bin? Ich hab’ euch nicht entlafjen ! 
Nichts ift gefchehn, was Störung bringen kann. 





76 Rönig Ouotars Glüd und Ende. 


Der Mainzer alfo, fagt ihm's, mag ſich hüten! 
Denn fomm’ id) an den Rhein, und das foll balt, 
Zum Dank für al die frechen Winkelzüge 

Treib’ ih ihn aus von feinem Biſchofſitz. 


Der Kanzler if indeffen eingetreten. Mile umringen ihn mit fragenden 
Geberden; er bleibt im Qintergrunde, die Hände ringend. 


Ottokar 
(im Vorgtunde fortfahrend). 
Der Pfalzgraf auch bei Rhein fteht mir nicht an, 
Ich werde feine Chur dem Bayer geben. 
Noch Allerlei will id in eurem Land, 
Und Alle, die mir diefes Schreiben nennt — 
Zawiſch 
(im Hintergrunde losbrechend, doch halb laut). 
Die Wahl des Reichs fiel nicht auf Dttofar? 
(Der Ranzler fhüttelt mit gefalteten Händen dad Haupt.) 
Zawiſch. 
Auf wen denn ſonſt? 
Kanzler. 
Auf Rudolf, Graf von HabsburS 
Bttokar 
(Hat unterdefien dem Geſandien den Brief gewiefen, mit dem Finger einze I 
Stellen bejeihnend). 
Die müflen fort — feht, der! — 
(Bei der erflen Rede des Kanzler horcht er, in derfelben Gtellung bleiben“ 
nach hinten hin in höher Epannung. üls jener den Ramen Habsbus 
nennt, fährt Ottofar zufammen; die Sand, mit der er auf den Brief zeige 
beginnt zu zittern; er ſtottert noch einige Worte.) 
und der — muß ford 
(Die Hand mit dem Briefe fintt hinab; mit gebrogenen Anien ſieht er no 
eine Sehunde, flarr vor ſich hinſehend, dann rafft er fich empor, und ge” 
flatlen Schrinees in fein Zimmer.) 





. Zweiter Aufzug. 77 


Zawiſch. 
Herr Kanzler, ſagt, iſt es denn wirklich wahr? 
Kanzler. 
Nur allzumahr: der Habsburg Deutichlands Kaifer. 
| Bawifd. 
Allein wie kam's? 
Kanzler. 


Es ging noch Alles gut, 
Die meiſten Fürften jtimmten für den Herrn; 
Da fommt mit einemmal der Kanzellar 
Des Erzbifchofs von Mainz — der hier geweſen — 
Mit ihm ein Wolkersdorf aus Defterreich, 
Und Hartneid Wildon aus dem Lande Stei’r, 
Die Hagten — Still! der König kömmt zurüd! 


Ottokar 


(kommt aus ſeinem Gemach). 
Sagt meiner Frau, ſie ſoll bereit ſich halten. 
Ich will noch heut vor Abend auf die Jagd. 
(Er geht mit flarfen Schritten auf und nieder.) 
Kanzler 
(nad einer Paufe). 
Ah, gnäd’ger Herr! 
Attokar. 
Mas tt? 
(Zufammenfahrend.) 
Ihr? — Wart Ihr bier? 
Vor Kurzem bier? 
Kanzler. 
Ach ja! 





78 König Citolars Glück und Ende. 


Bttokar. 
Und habt geiprocen? 


Kanzler. 
Ja, gnäd’ger Herr! 
Ottokar. 


Verdammt! 
(Wirft ihm den Handſchuh ins Geſicht; dann, ihn an der Hand in dem Bor: 
grund führend.) 


Was ſchwatztet hr 
Bon Reichsſtag und von Mahl? " 


Kanzler. 
Hier hört es jelbit! 


Der Burggraf von Nürnberg, mit zwei Herolden voraus, 
und mehreren Begleitern hinter fid, tritt cin. 


Attokar 
(geht ihm mit ftarten Schritten bis in die Mitte des Saales entgegen). 
Mer ſeid Ihr, Herr? 
Burggraf. 
Friedrich von Zollern bin ich, 
Burggraf von Nürnberg, abgejandt vom Reid). 
Attokar. 
Glück zu! 
(Er fehrt ihm den Rüden, und geht wieder in den Borgrund ) 
Burggraf. 
Rudolf, von Gottes Gnaden Kaiſer — 
Bttokar. 
Ich glaube, Herr, das Neich will meiner jpotten? 
Hier ftehn noch die Gefandten, die die Krone 





—* 





Zweiter Aufzug. 79 


ubieten kamen, und {hr wählt, 
ntfchieden, einen Andern? 


Surggraf. 

He, 
ıellar des Erzbiichofs von Mainz, 
jemeldet, mie mit ſchnöden Worten 
h geiviefen Ihr jo Kron’ als Reich. 


Attokar. 
jer Treubruch deutſcher Reichsbarone! 


Surggraf. 

gt Ihr des Treubruchs Deutſchlands Fürften? 
denn, was die Mahl von Euch gewandt! 
ten einen Herm, gerecht und gnädig, 

m ſolchen bot man‘ Euch den Thron. 

der Ruf, da kamen felber Zeugen, 

e3 riefen in ber Fürjten Ohr, 

gethan an Königin Marg’rethen, 

e Gattin war, die Ihr veritießt; 

die Rechte ſchmälert jener Lande, 
los vorenthalten Ihr dem Reich; 
e Ungnad' ſchon ein Halsverbreden, 
safe trifft, mo noch Fein Urtheil traf. 
» wir nicht gewohnt in Schwaben und beim Rhein, 
ſſen einen gnäd'gen Fürſten haben, 
’m aber ſoll er ſein gerecht. 
erlegend, fchritten fie zur Wahl — 


Heinrid von fidhtenflein 
(hinter der Scene.) 
rei! 





80 Rönig Ottotard Glüd und Gnde. 


Bttokar. 
Wer ruft? 
&emurmel (unter den Anmefenden!. 
Der Lichtenftein! 
Heinrid von Fichtenſtein 
(tritt auf). 
Wer Defterreicher ift, der fei gewarnt! 
Am Ausgang ftehn des Schloſſes Häfcherrotten, 
Die fangen jeven, ber nicht Böhmisch ift. 


Füllenfein 
(!ommt Hinter ihm mit gegogenem Ehmert). 
Gebt euch gefangen! 


Ott ok ar (orteetend). 
Eure Wehre, Heinrich! 
Ihr, Ulrich Lichtenſtein, Graf Bernhard Pfannberg, 
Chol Selbenhoven, Wulfing Stubenberg, 
Ihr gebt die Schwerter, und euch felbft in Haft! 


£Kichtenfein. 
Was thaten wir? 
Ottokar. 
Damit ihr, Freund, nichts thut, 
Send' ich euch in die Haft. Damit ihr nicht 
Euch flüchtet zu der neuen Majeſtät, 
Wie Wollersdorf und Wildon, die Verräther, 
Und Merenberg — 
(Mit dem Fuße ſiampfend.) 
Wer ſchafft mir Merenberg? 
Sobald er hier aus ſeinem Felſenneſt, 
Soll euch der Richter gegenüber ſtellen, 
Und wohl dann dem, der ſich nicht ſchuldig fühlt! 





Zweiter Aufzug. sı 


(Zu Zollern gewendet.) 
Und nun nur weiter fort in unfrer Sache! 
(Die Geißel werden fortgeführt.) 
Surggraf. 
Der Auftritt hier erfpart mir die Erklärung, 
Barum die Fürften, Herr, nit Euch gewählt. 
Und nun zu meiner Botſchaft, Böhmens König! 
Rudolf, von Gottes Gnaden römijch deutſcher Kaifer, 
Entbietet di auf einen Tag nah Nürnberg! 
Daß du dort walteſt deines Schenlenamts, 
Wie's dir als Churfürft ziemt des deutichen Reichs; 
Eonft auch nach Recht die Lehen dort empfangeft 
Bon Böhmen und von Mähren, die dir zuftehn. 


Ottokar. 
Wie das? Nicht mehr? Und Oeſterreich und Steier? 


Surggraf. 
Und Defterreich und Steier, Krain und Kärnthen, 
Nebft Eger, Portenau, der wind'ſchen Mark, 
Stellſt du zurüd zu Handen unfers Kaifers, 
Als böslich vorenthalten von dem Reich. 
Bttokar. 
Ha, ba, ba, ha! 'ne Iuft'ge Mähr fürwahr! 
Und fonft begehrt der neue Kaifer nichts? 
Surggraf. 
Nur was des Reihe! 
Attokar. 
‚Herr, es ift aber mein! 
Den Ungarn hab’ ih Steier abgenommen, 
Mit meinem Blut, mit meiner Böhmen Blut. 
BVererbt ward Kärnthen mir von meinem Ohm 
Grillparzer, fämmtl. ®erte. IV. 6 





s2 König Citolark Glac und Ende. 


Durch gleicher Erbverträge Wechſeltauſch, 
Und Deftreich brachte mir zur Morgengabe 
Die Königin Marg’rethe, meine Gattin. 


Surggraf. 
Wo ift Marg'rethe nun? 


Attokar. 
Wenn aud) getrennt, 
Beftätigt hat fie ihrer Lande Schenkung, 
Und mein ift Alles, was fonft ihre war. 


Surggraf. 
Die Lande Defterreih und Steier fallen, 
Vermög dem Majeftätsbrief Kaiſer Friedrichs, 
Wohl an des legten Lehnbefiers Töchter, 
An feine Schweftern nit; und Margarethe 
Iſt nur des legten Babenbergers Schweſter, 
Des Herzogs Friedrich, der den Mannſtamm ſchloß. 
Des Reiches Leh’n vererben nicht, 
Durch feine Heirath mag man fie erwerben: 
Und fo gib mwieber, was dem Reich gehört. 
Ottokar. 
Ich glaube gern, daß es ihm wohlgefiele, 
Dem neuen Herrn, wenn ic) die reihen Lande 
Ihm fendete nad) Schwaben, feinen Sädel 
Zu beffern, und bie bürftig leere Hand; 
Allein nicht jo! Ich bin nun alt genug, 
Um auf Verluft mic zu verftehn und auf Gewinn. 
Geht nur zurüd, und fagt dem deutſchen Reich — 
Denn einen deutſchen Kaifer kenn' ih nicht — 
Mandy’ Geier fol noch Aaſes werben fatt, 
Bis fie gewinnen was des Böhmen ift! 





7 
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Zweiter Aufzug. 83 


Er ladet mich zu fih? nun wohl, ich komme; 
Doch mil ich Gäjte führen mit zum Tanz, 

Daß von der Füße Stampfen weit umbin. 

Die Erde fol erzittern bis zum Rhein. 

Gehabt Euch wohl, und fagt das Euerm Herrn! 


Zawiſch. 
Wir aber wollen zu den Waffen greifen. 


Mit Gut und Blut für unſern großen König! 
(Er geht, mehrere wollen folgen.) 


Attokar. 
Halt da! Wozu? Für men? und gegen wen? 
Im Lande fol man handeln und verfehren, 
Als wär’ der tieffte Fried. Wenn's an der Zeit, 
Wil ich Schon des Bejuches Gäfte wählen. 


Und nun mit mir! Der neue Bettelfönig, 
Nicht einem Reh fol er das Leben retten! 
Auf Ribnik ift für morgen große Jagd; 
Ihr alle ſeid geladen! Luft und Freube! 
Bringt Lichter, e8 wird dunfel. Yadeln ber! 
Und jo mit mir! Auf Waidwerk! In den Wald! 


(Ab, die Uebrigen folgen ihm tumultuariſch nad.) 


(Es wird dunkler. Kurze Pauſe, dann hört man in der fyerne auf einer 
Zither jpielen.) 


Kammerfräulein 
(tritt auß der Thüre der Königin). 


Eo, fie find fort! Wer fpielt da auf der Zither? 


Köni gin (lommt). 
Mas iſt? Mer Spielt? 





84 König Ottolard Glad und Ende. 


&ammerfräulein 
(an der Baluftrade). 
Ich weiß nicht, gnäd'ge Frau. 
Horö! Worte? „Hand wie Schnee, und doc fo beiß!“ 
Es ift Herr Zawiſch Roſenberg. Er fingt. 
Soll ich ihn geben heißen? 
Königin 
(bat fih gefeht). 
Laß ihn nur, 
Es hört ſich gut zu in der Abenbfühle. 
(Sie Aüyt ihr Haupt gedanfenvoll in die Hand.) 


(Der Vorhang fällt) 


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Dritter Aufzug. 


— tt — 


Gemach in Merenbergs Schloſſe. 


Der alte Merenberg feht am offenen Fenſter, die Mütze zwiſchen 
den gefalteten Händen. 
Die Sonne fteigt empor. Hab’ Dank, o Gott, 
Des Greifen Dank, für diefen neuen Tag! 
Und für den Tag, den du geſchenkt dem Lande, 
Da du bervorriefft aus des Dunkels Schooß 
Mildglänzend Habsburgs leuchtendes Geftirn; 
Das wieder grün madıt die zerftampften Auen, 
Und mieder lau die froftvurchjchnitt'ne Luft. 
D gib, daß wir, der Deutichen Aeußerfte, 
Theil nehmen an dem Heil, das dort entitand; 
Daß Alle, die wir Defterreicher find, 
Entnommen aus des Fremden harter Zudt, 
Wie Brüder kehren in der Eltern Haus, 
Bon Eines Vaters Auge fromm bemadıt. 
Amen, fo fol’3 gefhehn! 
Wer Hopft? 
Fran (von außen). 
Ich, Alter! 


Merenberg. 


Ei, nur berein! 





86 König Ottokars Glück und Ende. 


Srau 
(tritt ein mit einer Schüffel und Wein). 
Sch bringe dir das Frühſtück. 
Merenberg. 
Setz immer hin! Wer ſpricht im Schloßhof unten? 
Frau. 
Zwei Reiter, die nach dir verlangten. 
Merenberg. 
Nun? 
Warum bringt man ſie nicht? 
Frau. 
Ich dachte — 
Merenberg. 
| Was denn? 
Bin ich in Fehde denn mit meinen Nachbarn? 
Liebt man den Merenberg nicht rings im Land, 
Daß vor zwei Reitern ich mich ſcheuen follte? 
Mer weiß, mas Wicht’ges fie zu melden Tommen? 
Bielleiht von meinem Sohn! Führ' fie herauf! 
(Frau ab.) 
Das bieße ſich noch gar verbächtig machen, 
Berichlöff ich mid) vor Botſchaft und Beſuch. 
Ob freilich zwar der böfe Zeitenlauf 
Zu Borfiht räth und leicht wohl gar zu Mißtraun; 
Doc find mir zwanzig Knechte ja im Schloß. 

Herbott von Füllenſtein und Ortolf von Windiſchgräz 
treten, von Merenbergs Frau geführt, ein. Beide ganz gerüftet und 
mit geſchloſſenem Viſir. 

Merenberg. 


Ei, Gott zum Gruß, ihr Herrn! Frau, bring noch Wein! 
(Frau ab.) 





Dritter Aufzug. | 87 


Mas führt euch her zu mir? Zwar, eh ihr ſprecht, 
Set euh an Tiih und nehmt mit mir vorlieb; 
So ift es Sitt’ in unſerm Steierland. 
(Sie ſetzen fid.) 
Beliebt'3 euch nicht den Helm vom Haupt zu nehmen? 
(Beide fhütteln verneinend die Häupter.) 
Berbietet’3 ein Gelübd'? — Doch mie ihr wollt! 
Ihr zieht dem Heer des Königes wohl zu? 
Des Königs Dttolar? — Er lagert an der Donau, 
Seitwärts Korneuburg, weit bis Tuln hinauf, 
Am linken Ufer, warb mir angejagt. 
Und Kaifer Rudolf — nu, den Habsburg mein’ ih, — 
Am rechten Ufer hält er Wien belagert. 
Den Fluß zu überfeben ſcheuen Beide. 
Allein ihr ſprecht nicht, und ihr eßt auch nicht? 
Beide (auffichend). 

Wir ejlen mit Verräthern nicht! 

Merenberg 

(fpringt auf). 
Daß Gott! 
Süllenftein 
(der das Schwert zieht und fi vor die Thüre ftellt, das Viſir djfnend). 

Erfennit du mid? 

Merenberg. 


Herbott von Füllenftein. | 
(Der Andere hat aud das Bifir aufgefchlagen.) 


Ortolf von Windiſchgräz! — Was thut ihr Herren? 
(DOrtolf von Windifhgräz ift ans Fenſter getreten und flößt ind Horn.) 
Füllenſtein. 
Im Namen unſers Königs Ottokar, 
Nehm' ich dich in Verhaft als Hochverräther. 





86 adnig Oitolars Gluc und Ende. 


Frau 
(tritt ein mit einer Shüffel und Bein). 
Ich bringe dir das Frühftüd. 
Merenberg. 
Setz immer hin! Wer Spricht im Schloßhof unten? 
Sram. 
Zivei Reiter, die nach dir verlangten. 
Merenberg. 
Nun? 
Warum bringt man fie nicht? 
Fran. 
Ich dachte — 
Aerenberg. 
Was denn? 
Bin ich in Fehde denn mit meinen Nachbarn? 
Liebt man den Merenberg nicht rings im Land, 
Daß vor zwei Reitern ich mich ſcheuen ſollte? 
Wer weiß, was Wicht'ges ſie zu melden kommen? 
Vielleicht von meinem Sohn! Führ' fie herauf! 
(Grau ab) 
Das hieße fi) noch gar verbädtig machen, 
Verſchlöſſ ich mid) vor Botſchaft und Beſuch. 
Ob freilich zwar der böfe Beitenlauf 
Zu Vorficht räth und leicht wohl gar zu Mißtraun; 
Doc find mir zwanzig Knechte ja im Schloß. 
Herbott von Füllenſtein und Ortolf von Windiſchgrãz 
treten, von Merendergs Frau geführt, ein. Beide ganz gerüfet u 
mit gef&loffenem Bifte. 
Merenberg. 
€i, Gott zum Gruß, ihr Herrn! Frau, bring nod Rein! 
B (Grau ab.) 





Dritter Aufzug. . 87 


Was führt euch her zu mir? Zwar, eb ihr fprect, 
Setzt euch an Tiſch und nehmt mit mir vorlieb; 
So ift es Sitt' in unferm Steierland. 
(Sie feten fh.) 
Beliebt’ euch nicht den Helm vom Haupt zu nehmen? 
(Beide ſchatteln berneinend die Gäupter.) 
Verbietet'3 ein Gelübd'? — Doc wie ihr wollt! 
Ihr zieht dem Heer des Königes wohl zu? 
Des Königs Ditofar? — Er lagert an der Donau, 
Seitwärts Komeuburg, weit bis Tuln hinauf, 
Am linken Ufer, ward mir angefagt. 
Und Kaifer Rudolf — nu, den Habsburg mein’ ih, — 
Am rechten Ufer hält er Wien belagert. 
Den Fluß zu überfegen fcheuen Beibe. 
Mein ihr ſprecht nicht, und ihr eßt auch nicht? 
Beide (auffehene). 
Bir efjen mit Verräthern nit! 
Merenberg 
priugt auf). 
Daß Gott! 
Sũllenſtein 
Per das Schwert zieht und fid vor die Türe ſtelt, daS Bific öffnend). 
Erfennft du mich? 
Merenberg. 
Herbott von Füllenftein. 
(Der Andere hat aud) das Bifir aufgefälagen.) 
Drtolf von Windifchgräg! — Was thut ihr Herren? 
(Ortolf von Windifhgräg if ans Fenſter getreten und flößt ins Horn.) 
Füllenfein. 
Im Namen unfers Königs Dttofar, 
Nehm’ ich dich in Verhaft als Hochverräther. 





88 aonig Outolars Glüd und Ende. 


Merenberg. 
Warum? 
Süllenfein. 
Haft du nicht deinen Eohn gejandt 
Mit Klagen an die Fürften und das Reich? 
Merenberg. 
Der Unvorfichtige! — Mit Klagen nicht, 
Mit Bitten nur für Königin Marg'retbe, 
Und ihres angeftammten Rechtes Schutz. 
Süllenfein. 
Dient nicht dein Eohn jegt in des Kaifers Heer? 
Merenberg. 
Ich bin verloren! 
Füllenfein. 
Ya, das bift du! Folge! 
Merenberg. 
Wohin? 
Füllenfein. 
Dahin, wo man did) preflen wird, 
Bis deiner Ränfe letzter bir entgeht. 
Stimme (von außen). 
Macht auf! macht auf! 
Süllenfein. 
Drtolf, bewach' die Thür! 
Stimme (on augen). 
Um Gotteswillen, öffnet! 
Brtolf. 
's ift bein Knecht, 
Der Durer, Füllenftein! 


| _ 
- * 
1 


Dritter Aufzug. 89 


Füllenſtein. 
Was will denn der? 


Windiſchgrätz öffnet die Thür, Kinecht tritt cin. 


Knecht. 
Ser, Kaiferliche ftreifen in der Nähe! 
Fullenfein. 
Verdammt! 
Ancht. 


Sie haben, heißt es, Gräz genommen, 

Des Königs Hauptmann, Milota, gefangen, 
Und wenden alles Land dem Kaifer zu. 

Süllenfein. 
Wie mag das fein? 

Knecht. 

Ja, Meinhard Graf von Görz 
Soll beigetreten ſein der Deutſchen Sache, 
Und der haust alſo übel hier im Land. 

Merenberg. 
Nun, Gott fei Dank! 

Süllenflein. 

Euch ſoll's nicht helfen, Herr! 

Nur fort mit ihm! hr wendet eure Echwerter 
Auf feine Bruft, und wagen's die im Schloßhof 
Sich nur zu regen, ftoßt ihr ftrads ihn nieder. 
Die Pfade Tenn’ ich hier herum, ich leit' euch. 

Merenberg 

(der abgeführt wird). 
Mein Sohn ift frei, die Königin geborgen; 
Mas liegt an mir? da wird der Himmel forgen. 

(Alle ab.) 





90 Rönig Ortotard Gluc und Ende. 


Böhmifches Lager am linlen Donauufer. Zelt des Königs. Gin 
Tiſch mit einem Aufriß der Gegend im Borgrunde. 


Ottolar tritt auf, der Kanzler und Mehrere hinter ihm. 


Ottokar 
(im Auftreten zu feinen Begleitern). 
Iſt er gefloh'n, fo laßt den Schurken hängen! 
Man hängt ja tägli Diebe; Gottes Donner! 
Ein Feiger dünkt mich ſchlechter als ein Dieb! 
(& kommt in den Borgrund, der Ranzler folgt ihm.) 
Verfolgt Ihr mich denn üb'rall Hin, Herr Kanzler? 
Kanzler. 
Ja überall, mein König und mein Herr, 
Bis Ihr mid) anhört und mir Antwort gönnt. 
Herr, e8 ſteht ſchlimm! 
Ottokar 
(auf und nieder gehend). 
€3 fteht fehr gut! 


Kanzler. 
D Gott! 
Die Krankheit herrſcht, der Mangel herrſcht im Lager. 
Sttokar. 


Die Krankheit: Furcht, und Mangel wohl an Mutb; 

Doch nur bei Wenigen, jo will ich hoffen, 

Und von den Wenigen hängt Einer brauß! 

Hat man jegt Zeit, um frank zu fein? Und Hunger? 

Ih hung're nur nach Einem: nach dem Sieg! 
Kanzler. 

Aus Böhmen feit fünf Tagen keine Nachricht, 

Und man beforgt — 





Dritter Aufzug. 


Ottokar. 
Wahrſcheinlich bin ich dort 
So ſchlecht bedient als hier! 
Kanzler. 
Hier ſeid Ihr gut, 
(auf feine Bruft ſchlagend.) 
Hier mindftens ſeid Ihr gut bebient, mein König! 
Ottokar. | 
Mag fein! mag fein! 
| Kanzler. 
Bon Deftreich die, von Steier, 
Alnächtlich fliehn fie haufenweis zum Feind. 
Bttokar (fehen bleibend). 
Ich will fie treffen! — AN dieß weite Land, 
Zur menfchenleeren Wüfte will ich's machen, 
Daß drin die Füchſe haufen und die Wölfe, 
Und nad Sahrhunderten der müß'ge Wanbrer 
Sich ftreiten fol, wo Neuburg ftand und Wien. 
Kanzler. 
Am linken Ufer ſchon, auf unfrer Seite, 
Wil Feinde man fogar gejehen haben. 
Ottokar. 
Beinahe glaub' ich, daß es Mancher wollte; 
Doch iſt's nicht wahr! 
Kanzler. 
Allein die Wachen ſahn's. 
Ottokar. 
Schickt einen Muthigen, der ſieht wohl nichts! 
Kanzler. 
Bei Wolkersdorf — 


91 





92 adnig Ottofard Gind und Ende. 


Ottokar. 
Ich ſag' Euch: Nein! Ich weiß! 
Die Mährer ſind's, wenn fi dort Haufen zeigen! 
(Gr Reht am Tiſch bei der Rarte.) 
Co war's im Plan! Die Mährer dort von oben, 
Im Rüden Milota aus Steiermark, 
Und wir, wie Schleien durch die Donau, und 
Wie Löwen jenfeits "raus; und dann — 
(Wit der Hand in den Tiſch fhlagend.) 
Schlag tobt! 
Ich habe fie! 
(Gr gebt wieder auf und nieder.) 
Kanzler. 
Du allgerechter Gott! 
Ich finne nad), wie wir und retten möchten, 
Und Ihr fpredt nur von Sieg! — Aus Steiermart 
Hört ab und zu man wunderbare Dinge. 
Ottokar. 
Ei, wundert Euch ſoviel Ihr wollt, Herr Kanzler! 
Dort iſt der Milota, ein tücht'ger Mann; 
Kein Kopf, doch eine Fauſt von Stein und Stahl. 
Der ſchlägt Euch zwanzigmal auf Einen Fleck, 
Und frägt nicht, wie's gethan. 
Kanzler. 
Nun denn, fo ſei's! 
Ich habe mich verwahrt! Als ich Euch fagte: 
Herr, traut dem Bayer nicht! Ihr trautet doch; 
Und nun ließ er den Kaifer durch fein Land. 
Sttokar. 
Furcht hat 'ne feine Nafe für die Furcht; 
Den Bayer habt Ihr trefflich ausgemwittert! 


“ 2 


Dritter Aufzug. 93 


Ranzler. 
Der Grafenbund in Schwaben ift zerftreut. 


KAttokar. 
Der hielt wohl niemal3 allzufeft beiſammen! 


Kanzler. 
Mit Einem Wort: Der Kaifer Rudolf, Herr — 
Ottokar. 
Was Kaiſer! 
Kanzler. 
Nu, der Habsburg alſo denn! 
Gr ift der Mann nicht, den wir fonft ihn. glaubten. 
Ottokar. 
Mir ſollte leid thun, wenn er ſchlimmer wäre: 
Ein Krieger, und ein Mann vielleicht; kein König. 
Kanzler. 
So dachte Mancher, der ihn wählen half; 
Doch hat ſich's anders, unverhofft bewährt. 
In Aachen ſchon, als man die Lehen gab, 
Und ſich kein Scepter fand — man wollt' ihn ſtören! — 
Da trat er hin und nahm vom Hochaltar 
Ein Kruzifix — 
Ottokar. 
Und gab die Leh'n damit? 
Wer geben will, der findet leicht ein Werkzeug; 
Zum Nehmen rüſt' er kräftiger ſich aus! 
Kanzler. 
Die Ruh' iſt hergeſtellt im weiten Deutſchland, 
Die Räuber ſind beſtraft; die Fehden ruh'n; 
Durch kluge Heirath und durch kräft'ges Wort 
Die Fürſten einig und ihm eng verbunden; 





94 Adnig Ouolars Glnd und Ende. 


Der Papft für ihn; im Land nur Eine Stimme, 
Ihn preifend, bemebeiend als den Retter. 
Als auf der Donau nur allſammt dem Heer 
Nach Wien er nieberfuhr mit lautem Schall, 
Da tönte Glodenllang von beiden Ufern, 
Von beiden Ufern tönte Jubelruf 
Der Menge, die dort kam und ftaunt’ und Fniete, 
Wie fie den Kaifer fah'n im grauen Nödlein 
Am Vorbertheil des Echiffes ftehn allein, 
Und freundlich grüßend mit des Hauptes Neigen. 
‚Herr, nennt ihn Kaifer, denn fürwahr er ift's! 
Bttokar. 
Sprichſt du fo warm für ihn? 
Kanzler. 
Für Euch wohl wärmer; 
Hab’ ich ihm denn geſchworen, fo wie Euch? 
Do, daß zwei Herrn, fo hoch, fo würdevoll, 
Sich gegenüber ftehn, da's nur ein Wort, 
Ein Wort nur brauchte, um fie auszuföhnen — 
Ja, Herr, es ift gejagt! Es fei gefagt! 
Und mögt Ihr zürnen, melden muß ich's Cud: 
Der Kaifer hat gefendet einen Herold, 
Und läb't Euch ein zu gütlihem Geſpräch. 
Bttokar. 
Schweig ſtill! 
Kanzler. 
Die Infel Kaumberg ward erjehn, 
Bon beiden Theilen werde fie beſetzt; 
Nicht Ihr zu ihm, nicht er zu Euch, 
Auf gleichgetheilten Boden folt Ihr kommen, 
Und dort verhandeln, was ung Allen nüßt. 


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Dritter Aufzug. | 95 


Attokar. 
Bei meinem Zorn — | 

Ranzler. 

Herr, felbft bei Eurem Zorn! 
Nicht ſchweig ich da, wo reden meine Pflicht! 


Zawiſch von Roſenberg kommt. 


Bttokar. 
Du kommſt zurecht; beſchwicht'ge diefen Raben! 
Bawifd. 
Was will er denn? 
Ottokar. 
Er ſpricht mir von Vergleich. 


Zawiſch. 
Wie? von Vergleich? der kindiſch ſchwache Greis! 
Nur eben hat ſich eine Schaar Kumanen 
Durch eine Furth dem Lager angenaht; 
Allein ich ging hinaus mit meinen Böhmen, 
Und, wie fie floh'n, den Rückweg fand wohl Keiner! 
Ottokar (sum Kanjler). 
Ceht Ihr? 
Kanzler. 
Ein einzler Fall entfcheidet nicht! 


Bamifd. 
‚ Doch viele Fälle fällen doch zulegt! 
Die Art ift an der Wurzel, losgeſchlagen! 
(Zum SRanjler.) 
Habt hr ein Heer wie unfers je gejehn? 
Bol Kraft und Muth und Zuverfiht und Stolz 
Auf fih und auf den Führer, der es leitet. 





96 König Ottolars Glüd und Ende. 


Kanzler. 
Ihr wißt wohl, Zawiſch, dab es anders ift. 
Za wiſch (fortfahren). 
Und Ihr könnt von Vergleich und Frieden ſprechen? 
Sind ihrer Biel; wir find wohl gleicher Zahl! 
Eind tapfer fie; wer nimmt es auf mit ung? 
Führt fie ein Kaifer; hier fteht Deutſchlands Kaifer! 
Noch diefe Schlaht und, Kanzler, glaubt, er iſt's. 
Kanzler. 
O Rofenberg, Ihr fpielt ein falfches Spiel; 
Ich glaub’, Ihr ſeid nicht wahrhaft, Rofenberg! 
Ein altes Unrecht, Eurem Haus gethan 
Von unferm font gerechten, gnäb’gen Herrn, 
Ich fürcht', es wurzelt tief in Eurem Herzen, 
Und läßt Euch alfo fpreden, wie Ihr ſprecht. 
Glaubt mir, mein gnäb’ger Herr, ich mein’ es redlich. 
Bamifd. 
Die Jeinde find im Nachtheil, das ift Har! 
‚Bttokar. 
Das ift nicht Har! Die Wage fteht für fie. 
Der einz'ge Vortheil — doch der foll entſcheiden! — 
Iſt, daß Euch Ditofar, und Jene Habsburg führt. 
(Er tritt an den Tiſch und, mit der reiten Hand darauf gefemmt, br 
traßtet er die vor ſich liegende Rarte.) 
Zawiſch. 
Der Sieg iſt unſer, glaubt mir das, Herr Kanzler! 
Kanzler. 
Und wenn auch! was ift noch damit gewonnen? 
Ihr ſchlagt den Kaifer heut, und über's Jahr 
Kommt er herab mit einem neuen Heer. 





Dritter Aufzug 97 


Die Lande find nun einmal mißvergnügt, 

Bereit zu Aufftand und zu Meuterei, 

Sie rufen Euch die Deutfchen, eh Ihr's denkt. 
Und ftirbt auch Rudolf, fällt er in der Schladt;. 
Ein andrer Kaifer fordert Euch daſſelbe, 

Und ewig währt der Unfried mit dem Reich. 


Iawifd. 
Was mehr? 

Kanzler. 

Was mehr? — Und rechnet Ihr für nichts 

Das Unheil und die Greuel in dem Land? . 
Die Saat zerftampft, die Wohnungen verbrannt, 
Die Menfchen bingefchlachtet wie — daß Gott! 
Schämt Euch, Herr Rofenberg, daß Ihr fo fpredht! 
Hat darum unfer König Gold und Gut 
Daran gefegt, fein Böhmen aufzubringen? 
Es geht der Pflug, der Weber figt am Wert, 
Der Spinner dreht, der Berg gibt feinen Schag; 
Und foll er nun mit eigner Fürftenhand 
Das all zerftören, was er felbft gebaut? 
Ei gebt, Ihr wißt nicht, was Ihr ſprecht, Herr Zawiſch! 
Der König fennt das beſſer, als Ihr glaubt! 


Ottokar (vor fd hin). 
Im Grunde waren ſie's, die mir den Antrag thaten! 
Kanzler. 
Wohl waren fie's! “ 
Ottokar 
(wieder auf und nieder gehend). 
Iſt Schmach dabei, trifft nes 


Grullparzer, ſammil. Verte. IV. 


98 König Ottclard Gldd und Ende. 


Kanzler 
(mit dantend gefalteten Händen). 
Er überlegt! 
Httokar. 
Die Schwäche macht verfühnlid! 
Herr Kanzler, um das Kaiſerthum der Welt 
Hätt’ ich ihm nicht das erfte Wort gegönnt! 
Kanzler. 
Die Ehre bleibt; verdoppelt wird der Ruhm. 
Bttokar. 
Dem Feind verzeihen; gut! Doch nach der Strafe! 
Die Schwäche macht verſöhnlich 
Kanzler. 
Gnäd’ger Her — 
Ottokar. 
Und wahrlich, Zawiſch, ſehen möcht' ich ihn, 
Wie er ſich nimmt, dem Ottokar genüber, 
Der arme Habsburg in dem Kaiferlleid? 
Was er entgegnet, wenn im felben Ton, 
Mit dem ich ihm bei Kroifienbrunn befahl: . 
„Herr Graf, greift an!“ — ich Deftrei nun und Steier 
Und all die Lehen von dem Reich begehre? 
Das hieße fiegen, ohne Heer, allein! 
Bawifd. 
Dagegen aber, wenn er ſchlau und liſtig — 
Ottokar. 
Topp, Kanzler, Euren Vorſchlag nehm' ich an! 
Kanzler. 
D taufend Dank! 





Dritter Aufzug. 99 


Ottokar. 

Ei, dankt nicht allzufrüh! 
Nicht ganz in Eurem Sinn iſt's, daß ich gehe! 
Wenn er ſo daſteht und nach Worten ſucht, 
Und ich ihm ſage: Euren Kaiſermantel 
Begehr' ich nicht, Ihr mögt ihn ruhig tragen! 
Doch an mein Land ſollt Ihr mir, Herr, nicht rühren; 
Und ſo gehabt Euch wohl und zieht in Frieden! 
Aufs Höchſte gibt man ihm ein Fledchen Grund, 
Daß er daheim fi brüften mag und fagen: 
Das haben wir erobert für das Reich! 
Die Freude gönn’ id ihm. Glüd auf, Herr Kanzler! 
Wir ziehen aus auf Frieden und Vergleich; 
Da feid Ihr Führer, wir gehorchen Euch! 
Und mas fi) regt im Lager, groß und Hein — 

(segen den Gingang gewendet. Ginige freien herein.) 
Das fei bereit, und rüfte fi in Pracht, 
Bon Gold und Eilber laßt die Rüftung ſtarren; 
Und weh dem Edelknecht, deß Wamms und Mantel 
Nicht hundertmal den deutſchen Kaifer ausfticht. 
(Ab, die Andern folgen ihm) 





Infel Raumberg in ber Donau. Lager der Kaiferlichen. Im 
Hintergrunbe, auf einigen Stufen erhöht, ein koſtbares Zeit, mit 
dem Reichdabler geſchmückt. 

Ein Hauptmann tritt auf, Hinter im mehrere Wappner, 
Die mit gefreugten Hallbarthen dad nahdringende Wolf abzuhalten ber 

- müßt ind. 
Hauptmann. 
Laßt fie nur ein, der Kaiſer hat's befohlen! 
(Bolt Ardmt herein.) 


595855 





II 


100 König Ottokars Glück und Ende. 


Erfier Bürger 
(der fih mit feinem Nachbar durch die Menge in den VBorgrund gearbeitet hat). 
Hier ift ein guter Platz, bier laßt ung bleiben! 
Aweiter Bürger. 
Wenn er nur vorkommt, daß wir ihn auch jehn. 
8 ran (mit ihrem Kinde). 
Halt dich zu mir, und nimm da deine Blumen! 
| Schmweizerfoldat. 
Mo ift der Rudi? Herr, ich bin fein Landsınann, 
Und hab’ was anzubringen bei dem Kaifer! 
Hauptmann. 
Geduldet Euch! Doch ſeht, man öffnet ſchon. 


Das Zelt öffnet fih. Kaifer Rudolf fist, im federnen Unterfleide an 

einem’ Feldtifhe. Er hat einen Helm vor ih, an dem er mit einem 

Hammer die Beulen ausklopft. Bollendend und zufrieden feine Arbeit 
: beſchauend. 


Audolf. 
Nun bält das lange wieder, ab und zu. 
(Er fieht fih um.) 
Schon Leute da! — He Georg, bilf einmal! 
(Ein Diener hilft ihm, er zieht den Rod an.) 
Erſter Bürger (im Borgrunde). 
Gevatter Grobfchmied, faht Ihr wohl? der Kaifer, 
Den Hammer in der Hand! Vivat Rubolphus ! 
Bweiter Bürger. 
Sei ftill, ſei ftill! Er tritt ſchon auf uns zu! 
(Der Kaifer fommt die Stufen berab.) 
Sceyfried von Merenberg 
(thut einen Fußfall). 
Erlauditer Herr! 





Trier Al 101 


Audoif. 
Ei, Merenberg? Nicht wahr? 

Seid. ruhig, Euer Vater wird befreit, 
Deß geb’ ih Euch mein Wort. Im weiten Reich 
Hat Gottes Hilfe hergeftellt die Ruh’, 
Co wird's aud) hier in Eurem Dfterland. 
Der Fürft von Böhmen kommt heut zum Geſpräch; 
Vor Allem will ich Turer da gedenken. 

(erenberg tritt guräd.) 

(Ein Kind mit einem Blumenfrauß läuft auf den Kaiſer zu.) 


Rudolf. 
Wem ift das Kind? Wie heißt du? 
Eine Frau. 
Katharina! 
Kathrina Fröhlich, Bürgersfind aus Wien. 
Audolf. 


Fall’ nicht, Kathrina! Ei, was ift fie hübſch! 
Wie fromm fie aus den braunen Augen blidt, 
Und ſchelmiſch doch. Zierft du dich, auch ſchon, Kröte? 
Was wollt Ihr, gute Frau? 
Frau. 
Ad Gott, Eur’ Hoheit! 
Die Böhmen haben unfer Haus verbrannt, 
Mein Mann liegt Trank vor Kummer und Verdruß. 
Rudolf 
(su einem feiner Begleiter). 
Schreibt Euch den Namen auf, und ſehet zu! 
(Zur Frau.) 
Worin zu helfen ift, da wird man helfen! 
- Schmeizerfoldat 
(iritt vor, hinter ihm nod drei oder dier andere). 
Mit Gunft und Urlaub, gnäbiger Herr Landsmann! 


102 Rönig Ottolard Glac und Ende. 
Audolf. 

Ci, Walter Stüffi aus Luzern? Was willſt du? 
(Sum Rinde.) 


Geh nur zu deiner Mutter, Katharina; 
"Dem Vater wird geholfen, fag ihr das! 
. (Das Rind läuft zur Mutter.) 
Schweiger. 
Ich und die Andern da vom Lande Schweiz, 
Wir fommen ber, ob Ihr die Gutheit hättet, 
Und gäbt uns etwas Gelb. 
Rudolf. 
Ja, Geld, mein Fremd, 
Geld ift ein gutes Ding, wenn man nur hat. 
Schweizer. 
So habt Ihr Feind? Ja fo! — Und führt doc Krieg? 
Rudolf. 
Sieh, Freund, du weißt wohl noch vom Haufe ber: 
Gar mandmal hat ein Landwirth aufgefpeichert 
An Frucht und Futter für den Winter g'nug, 
Bis vol zur Frühlingszeit. Allein der Frühling, 
Anftatt im Märzen, Iommt er erft im Mai, 
Und Schnee liegt dort, wo fonft wohl Saaten fanden; 
Wenn da der Vorrath aufgeht, ſchmähſt bu ihn 
Als einen ſchlechten Wirth? 
Schweizer. 
Behüte Gott! 
Das hat wohl Mancher ſchon an fich erfahren! 
— Und Ihr? — Ja fo! 
(Bu feinen Landeleuten. j 
Seht nur, er ift der Landwirth, 
Und dau'rt der Winter — heißt: der Krieg — fo lang, 





Dritter Mufzug. 103 


Und ift die Brotfrucht aufgezehrt — das Geld. 
Nun, Herr, wir warten ſchon nod etwas zu! 
Indeſſen holt man aus des Landmanns Kaften. 
Rudolf. 
Wenn hr nicht bleiben wollt, jo geht! 
Doch wer fich nicht begnügt mit Lagerzehrung, 
Und mir die Hand legt an des Landmanns Gut, 
Der hängt, und wär's ber Befte! 
Schweizer. 
Nun, 'ne Frage 
Iſt wohl erlaubt. Es ift nur, daß man's weiß. 
Wir wollen zufehn noch ein Tage vier, 
Vielleicht wird's beſſer bis dahin. 
Rudolf. 
J Das thut! 
Und grüßt mir Ratb und Bürger von Luzern. 
(Der Raifer wendet fih zu gehen.) 
Bttokar von Hornck 
(im Borgrund, tritt auß der Denge). 
Erlauchter Herr und Kaifer, hört auch mich! 
. Audolf. 
Ber feid Ihr? 
Hornck. 
Ditolar von Horned, Dienftmann 
Des eblen Aftters Dit von Lichtenftein, 
Den König Ditolar, fammt andern Landherrn, 
Ohn' Recht und Urtheil hält in enger Haft. 
D nehmt Euch fein, nehmt Euch des Landes an! 
Es ift ein guter Herr, es ift ein gutes Land, 
Wohl werth, daß fi ein Fürft fein unterwinde! 
Wo habt Ihr defien Gleichen ſchon geſehn? 


104 Kdnig Ottelark Glad und Gnde. 


Schaut rings umher, wohin der Blick fich wendet, 

Lacht's wie dem Bräutigam die Braut entgegen. 

Mit hellem Wiefengrün und Saatengold, 

Von Lein und Saffran gelb und blau geftidt, 

Von Blumen füß durchwürzt und edlem Kraut, 

Schweift es in breitgeftredten Thälern bin — 

Ein voller Blumenftrauß, jo weit e8 reicht, 

Vom Silberband der Donau rings umwunden — 

Hebt ſich's empor zu Hügeln voller Wein, 

Wo auf und auf die goldne Traube hängt, 

Und fehtwellend reift in Gottes Sonnenglanze; 

Der dunkle Wald vol Jagdluſt krönt das Ganze. 

Und Gottes lauer Hauch ſchwebt drüber hin, 

Und märmt und reift, und macht die Pulſe fchlagen, 

Wie nie ein Puls auf falten Stepren ſchlägt. 

Drum ift der Defterreicher froh und franf, 

Trägt feinen Fehl, trägt offen feine Freuden, 

Beneidet nicht, läßt lieber ſich beneiben! 

Und was er thut, ift frohen Muths gethan. 

's ift möglich, daß in Sachen und beim Rhein 

Es Leute giebt, die mehr in Büchern laſen; 

Allein, was Noth thut und was Gott gefällt, 

Der Hare Blick, der offne, richtge Sinn, + 

Da tritt der Defterreicher hin vor Jeden, 

Denkt fi) fein Theil, und läßt die Anden reden! 

D gutes Land! o Vaterland! Inmitten ® 

Dem Kind Italien und dem Manne Deutſchland, 

Liegft du, der wangenrothe Jüngling, da; 

Erhalte Gott dir keinen Jugendfinn, 

Und made gut, was Andere verdarben! 
Audolf. 

Ein wackrer Mann! 





Dritter Aufzug. 105 


Erfter Bürger. 
° a, Herr, und ein Gelehrter! 
Er fchreibt 'ne Reimchronik, und hr, Herr Kaifer, 
Kommt aud) drin vor! 
Rudslf. 
In Gutem, wil id) hoffen! 
Dein Herr, vertrau', er fol die Freiheit haben; 
Und du — zum Angebenten diefer Stunde, nimm 
Die Kette da, und ſchmücke dich damit! 
Dem Wiſſen fei fein Lohn, und dem Vollbringen! 
(Gr nimmt eine Rette vom Halſe, und hängt fie Horneden um, der nieder- 
getniet if. Zu einem der Rebenfchenden:) 
Euch, Ritter, feheint die Gunft wohl allzuhoch? 
Wenn biefen Mann ich mit dem Schwert berühre, 
Co fteht er auf als Ritter, wie jo Mander; 
Doch Manchen wüßt’ ich nicht, womit berühren, 
Sollt' er ein Reimwerk fchreiben, fo wie der. 
Doch davon nichts in deine Chronik, Freund! 
Das hieße fonft in dir mid) felber Toben. 
Hauptmann (ommt). 
Der König naht von Böhmen, gnäb’ger Herr! 
Adolf. 
Nun, großer Gott, du haft mich hergeführt ; 
Vollende nun, was ich mit bir begonnen! 
(Ran hat reits im Borgrunde einen Felduuhl gefeht. Der Ralfer feht 
Ro, fein Gefolge Reht um ihn.) 

Rönig Ottokar tommt in glänyender Rüftung,, darüber einen, bis auf die 
derſen gehenden, reicgeftidten Mantel; Ratt des Helmeß die Krone auf dem 
Haupte. Hinter ihm der Kanzler und Gefolge. 
Ottokar 
vom Hintergtunde her auftretend). 

Ich ſuche nun ſchon lange rechts und links; 


106 Rönig Ottolard Glnd und Gnde. 


Wo habt ihr euren Kaifer, edle Herm? 
Ihr da, Herr Merenberg? Trifft man Euch hier? 
Ich dent’ Euch ſchon noch anderswo zu treffen! 
Nun, wo ift Rubolf? Ah! 
(Gr erdlich ihm, und geht auf ihn zu.) 
Gott grüß' Euch, Habsburg! 


Rudolf 

Per aufeht, zu denen, die um ihn fichen) 
Warum fteht ihr entblößten Hauptes da? 
Kommt Ditofar zu Habsburg, Menſch zum Menfchen, 
So mag auch Hinz und Kunz fein Haupt beveden, 
Iſt er doch ihres Gleichen: Menſch. — Bedeckt euch! 
Doch kommt der Lehensmann zum Lehensherrn, 
Der Böhmen pflicht'ger Fürſt zu Deutſchlands Kaiſer, 

(unter fie ttetend.) 

Dann weh' dem, der die Ehrfurcht mir verlegt! 

(Mit farten Schritten auf ihn los gehend.) 
Die geht's Euch, Ditolar? was führt Euch ber? 


Sttokar 
er betroffen einen Göritt zurüdgetreten iR). 
Zur — Unterrebung hat man mic; gelaben! 


Andolf. 


Ja fo, Ihr kommt zu reden in Geſchäften? 

Ich dacht’, e8 wär’ ein freundlicher Beſuch! 

Zur Sache denn! Wie kommt's, mein Fürft von Böhmen, 
Daß hr erft jegt auf meinen Ruf erfcheint? 

Ich ließ Euch laden ſchon zu dreienmalen, 

Nach Nürnberg, dann nad Würzburg und nad) Augäburg. 
Daß Ihr die Lehen nähmt von Eurem Land; 

Allein Ihr kamt nit. Nur das letztemal 


Dritter Aufzug. 107 


Erſchien ftatt Euch der würd'ge Herr von Sedau, 
Doch der nicht allzu würdig ſich benahm. 


Ottokar. 
Die Leh'n von Böhmen gab mir König Richard! 


Rudolf. 
Ja, der von Kornwall. Ei, es gab 'ne Zeit, 
Wo man in Deutſchland für ſein baares Geld 
Noch mehr erhalten konnt', als Leh'n und Land! 
Doch "damit iſt's vorbei! Ich hab's geſchworen, 
Geſchworen meinem großen, gnäd'gen Gott, 
Daß Recht ſoll herrſchen und Gerechtigkeit 
Im deutſchen Land; und ſo ſoll's ſein und bleiben! 
Ihr habt Euch ſchlecht benommen, Herr von Böhmen, 
Als Reichsfürſt gegen Kaiſer und das Reich! 
Dem Erzbiſchof von Salzburg ſeid Ihr feindlich 
Mit Raub und Mord gefallen in ſein Land, 
Und Eure Völker haben drin gehaust, 
Daß Heiden ſich der Greuel ſcheuen würden. 


Ottokar. 
Die Fehde ward ihm ehrlich angeſagt. 


Rudolf. 

Hier aber gilt's nicht Fehde: Ruhe, Herr! 

Die Lande Oeſterreich und Steiermark, 

Mit Kärnthen und mit Krain, der wind'ſchen Mark, 

Als ungerecht dem Reiche vorenthalten, 

Gebt wieder Ihr zurück in meine Hand! 

Iſt bier nicht Yeder und Papier? wir wollen 

Die Handveft gleih in Orbnung bringen lafjen! 
Ottokar. 

Ha, beim allmächt'gen Gott! wer bin ich denn? 


108 König Ottolard Glüd und Ende. 


Iſt das nicht Ditofar? nicht das fein Schwert? 
Daß man in folhem Ton zu ſprechen wagt! 


Wie aber dann, Herr, wenn, ftatt aller Antwort, 
Der Donau breiten Pfad zurüd ich mefle, 
Und weiter frag’ an meines Heeres Spitze? 


Undolſ. 
Noch vor zwölf Monden kamt Ihr mir zurecht, 
Wenn Ihr der Waffen blut'gen Ausſpruch wähltet! 
Ihr feid ein kriegserfahrner Fürft, wer zweifelt? 
Und Euer Heer, es ift gewohnt zu fiegen, 
Bon Gold und Silber ftarret Euer Schatz: 
Mir fehlt'3 an Manchem, fehlt'3 an Vielem wohl! 
Und do, Herr, feht! bin ich fo feften Muthe: 
Wenn diefe mich verließen Ale bier, 
Der Iette Knecht aus meinem Lager wide; 
Die Krone auf dem Haupt, den Scepter in ber Hand, 
Ging’ ich allein in Euer trogend Lager, 
Und rief Euch zu: Herr, gebet, was des Reichs! 
Ich bin nicht der, den Ihr voreinft gefannt! 
Nicht Habsburg bin ich, felber Rudolf nicht; 
In dieſen Abern rollet Deutſchlands Blut, 
Und Deutfchlands Pulsſchlag Hopft in diefem Herzen. 
Was fterblih war, ich hab’ es ausgezogen, 
Und bin der Kaiſer nur, ber niemals ftirbt. 
Als mich die Stimme der Erhöhung traf, 
Als mir, dem nie von foldem Glüd geträumt, 
Der Herr der Welten auf mein niebrig Haupt 
Mit Eins gefegt die Krone feines Reichs, 
ALS mir das Salböl von der Stirne troff, 
Da warb ich tief des Wunders mir bewußt, 
Und hab’ gelernt, auf Wunder zu vertraun! 


Dritter Aufzug. 109 


Kein Fürft des Reichs, der mächt’ger nicht ale ich; 
Und jebt gehorchen mir des Reiches Fürften! 
Die Friedensftörer wichen meiner Stimme ; 
Sch Tonnt’ es nicht, doch Gott erfchredte fie! 
Fünf Schilling leichtes Geld in meinem Seckel, 
Set’ ich in Ulm zur Heerfahrt mich ins Schiff; 
Der Bayerherzog troste, er erlag; 
Mit wenig Kriegern fam ich ber ins Land, 
Das Land, es fandte jelbjt mir feine Krieger, 
Aus Euren Reihen traten fie zu mir, 
Und Defterreich beziwingt mir Dejterreich. 
Geſchworen bab’ ih: Ruh’ und Recht zu fchirmen; 
Beim allesjehenden, dreiein’gen Gott! 
Nicht fo viel, fieh! nicht eines Haares Breite 
Soüft du von dem behalten, was nicht dein! 
Und fo tret’ ich im Angeficht des Himmels 
Vor di bin, rufend: Gib, was dir vom Reich! 
| Ottokar. 
Die Lande hier ſind mein! 
Rudolf. 
Sie waren's nie! 
Ottokar. 
Mein Weib, Marg'rethe, brachte ſie mir zu. 
Audolf. 
Wo ift Marg’retbe nun? 
Ottokar. 
Wo immer, gleichviel! 
Sie gab mir dieß, ihr Land. 
Rudolf. 
Soll ich fie jelber 
Als Richt'rin ftelen zwischen ung? — Sie ift im Lager! 


— 


110 Adnig Oitotars Glac und Gnde. 


Httekar. ı 
Im Lager, bier? 
Audolf 
(mit geändertem Ton). 
Die Ihr fo ſchwer beleibigt, 
An Rechten und an Freuden hart beraubt, 
Heut Morgens fam fie, milden Sinnes bittend 
Um Schonung für den Mann, der ihrer nie gefchont! 
Attokar. 
Die Mühe Ionnte fi die Frau erfparen! 
Wo Ottolar, da braucht's der Bitten nicht! 
Audolf (karl). 
Wohl braucht's der Bitten, mein Herr Fürft von Böhmen, 
Denn ſprech' ih nur ein Wort, feid Ihr verloren! 
Ottokar. 
Verloren? 
Audolf. 
Ja! von Böhmen abgefchnitten. 


Ottokar. 
Indeß Ihr Wien belagert, mach' ich's frei! 
Audolf. 
Her, Wien ift über! 
Ottokar. 
Nein! 
Nudolf 
(inter ſich gewendet). 
Herr Paltram Bao! 
Wo ift er? Er begehrte mich zu fprechen, 
Der Bürgermeifter fammt dem Rath von Wien. 





Dritter Aufzug. 11 


Yaltram Batzo, Bürgermeifler. von Bien, mit einigen Raths - 
gliedern kommt, die Schluffel der Etadt auf einem Kiffen tragend. 
Paltram. 
In Unterwürfigfeit, mein Herr und Kaifer, 
Bring’ ich die Schlüffel Eu der Stadt von Wien; 
Euch bittend, daß Ihr mir nicht zürnt darob, 
Weil id, dem König treu, dem ich geſchworen, 
Die Stadt gehalten bis auf biefen Tag; 
Sie auch, verzeiht! vieleicht noch länger hielt, 
Wenn nicht das Volt die Uebergab' erzwungen, 
Der langen Sperrung müb’ und ber Entbehrung. 
(Er legt die Schlaffel zu des Kaiſers Füßen.) 
Mein Amt, ich leg’ es mit den Schlüſſeln ab, 
Do follt ald treuen Bürger Ihr mich finden. 
(Aufflegend.) 
Des Landes Herr ift Palttam Vatzo's Herr, 
Zugleich mit meinem Land ergeb’ ich mich! 
(Er tritt zurüd.) 
Ottokar. 
Verdammt! O Wiener! Leichtbeweglich Volk! 
Haft du für deinen leckern Gaum gezittert? 
Doc ſoll's di reu'n! Die Zufuhr ſperr' ich dir 
Aus Klofterneuburg, meiner ſtarken Befte! 
Rudolf. 
Auch Klofterneuburg ift in meiner Hand, 
Und nichts mehr dein am rechten Donauufer! 
Herr Friedrich Pettau, kommt! 


Friedrich Pettauer tritt vor, mit niedergefälagenen Augen. 
Ottokar. 


Ha, ſchändlicher Verräther! 
So gabſt du meine Burg? 





112 Rönig Ottolarb Glac und Ende. 


Pettauer. 
Richt ih, o Her! 
Ein rafcher Ueberfall, ſpät geftern Abends — 
Ottokar. 
Genug! Ich weiß, daß ich verrathen bin! 
Doch triumphire nicht! Doch ſpott' ich dein! 
Aus Steiermark nabt mir ein ftattlich Heer 
Mit Milota, dem treuerprobten Führer; 
Im Rüden faßt er deine Miethlingsſchaar, 
Indeß, wie Donnerwollen, Dttolar 
Von vorneher die ſchwachen Halme knickt, 
Und fein Entrinnen bleibt, alö in die Donau! 
Rudolf. . 
O ſprich nicht weiter, allzuraſcher Fürft! 
Ottokar. 
Erkennſt du nun, wie weit du noch vom Ziel? 
Audolf. 
Auf Milota bau’ deine Hoffnung nicht! 
Attokar. 
Mein Grund fteht feft; an bir iſt's wohl, zu zittern! 
In Waffen fehn wir und. Leb' wohl! 
Rudolf. 
Du gehft? 
Du gibft die Lande nicht? 
Ottokar 
Gum Wgehen gewendet). 
Ob ich fie gebe? 
Rudolf. 
Nun wohl, fo ſprich denn felbft mit Milota, 
Ob du mit Grund ihm fo viel magft vertrau'n! 





Dritter Aufzug. 113 


Milota tritt auf in Actten. 
Audolf. 
So brachten mir die Herren ihn von Steier, 
In Ketten, weil er grimmig fie gebrüdt. 
Nehmt ihm die Feffeln ab! — Hier ift das Banner 
Von Steiermark, und hier ift Deftreichs Banner! 
Landesherrn von Defterreich und Steiermark treten auf des 
Roijers Seite vor, mit Banner und {Farben ihre® Landes. 
Uudolf. 
Sie gaben ſelbſt fih in des Reiches Schutz. 
Steht nicht fo traurig da, mein Fürſt von Böhnen! 
Schaut um Euch her! Die Wolken find entflohn, 
Und klar feht Ihr nun Alles, wie es ift. 
Wenn Defterreich verloren — 
Ottokar. 
Ha, noch nicht! 
Audolf. 
Täuſcht Euch nicht ſelbſt! Ihr fühlt's in Eurem Innern, 
Daß es verloren iſt; und zwar auf immer! 
Ihr wart ein mächt'ger Fürſt, ein großer König, 
Eh’ die Gelegenheit des Mehrbefiges 
In Euch entzündet auch den Wunſch dazu; 
Ihr werdet's bleiben, mächtig, reich und groß, 
Wenn aud verloren, was nicht halten fonnte. 
Denn Öott verhüte, daß ich einen Finger 
Ausftredte nad) dem Gut, das Euch gehört. 
Auch könnt’ ich's nicht! Euch bleibt ein mächtig Heer, 
Zu aller Art des Streites wohlgerüftet, 
Und zweifelhaft ift aller Schlachten Glück. 
Allein, thut's nicht! Verkennt nicht Gottes Hand, 
Die Euch getviefen, was fein heil’ger Wille. 


Griliparzer, fämmtl, Werte. IV. 8 





114 König Ottokars Glüd und Ende. 


Mich bat, wie Euch, der eitle Drang der Ehre 
Mit fich geführt in meiner erften Zeit; 
An Fremden und Verwandten, Freund und Feind 
Uebt’ ich der raſchen Thatkraft jungen Arm, 
Als wär’ die Welt ein weiter Schauplab nur 
Für Rudolf und fein Schwert. In Bann gefallen, 
Zog ich mit Euch in Preußens Heibenfrieg, 
Focht ich die Ungarichladht an Eurer Eeite; 
Doc murrt’ ich innerlich ob jener Schranken, 
Die Reich und Kirche allzu ängftlich ſetzen 
Dem rafchen Muth, der größern Spielraums merth. 
Da nahm mid Gott mit feiner ftarfen Hand, 
Und feßte mich auf jene Thronesftufen, 
Die aufgerichtet ftehn ob einer Welt! 
Und gleih dem Waller, der den Berg erflommen, - 
Und nun binabfieht in die weite Gegend 
Und auf die Mauern, die ihn ſonſt gebrüdt; 
So field wie Schuppen ab von meinen Augen, 
Und all mein Ehrgeiz war mit Eins geheilt. 
Die Welt ift da, damit wir Alle leben, 
Und groß ift nur der ein’ allein’ge Gott! 
Der Jugendtraum der Erbe iſt geträumt, 
Und mit den Niefen, mit den Drachen ift 
Der Helden, der Gewalt'gen Zeit dahin. 
Nicht Völker ftürzen fich wie Berglaminen 
Auf Völker mehr, die Gährung ſcheidet fich, 
Und nad dem Zeichen follt’ es faft mich dünken, 
Wir ftehn am Eingang einer neuen Zeit. 
Der Bauer folgt in Frieden feinem Pflug, 
Es rührt fi in der Stadt der fleiß’ge Bürger, 
Gewerb und Innung bebt das Haupt empor, 
In Schwaben, in der Echweiz denkt man auf Bünde, 





Dritter Aufzug. 


Und raſchen Schiffes ftrebt die muntre Hanfa 

Nah Nord und Oft um Handel und Gewinn. 

Ihr habt der Euren Vortheil ſtets gewollt; 

Gönnt ihnen Ruh’, Ihr könnt nichts Beſſ'res geben! 


D Dttofar, es war 'ne fchöne Zeit, 
Als wir, aus Preußen rüdgelommen, ſaßen 
Im Söller Eures Schloſſes am Hradſchin, 
Von künft'gen Tagen, künft'gen Thaten ſprachen! 
Bei uns faß damals Königin Marg'rethe — 
Wollt Ihr fie fehn? Marg'rethe fehen? 
Httokar. 
Hear! 
Audolf. 
Daß Ihr den Friedensengel von Euch ftießt, 
Der fanft verföhnend ob Euch maltete, 
Die raſche Glut mit Segenswort beſprach, 
Und treulich, eine liebe Schweſter, forgte! 
Mit ihr habt Ihr das Glüd von Eud verbannt. — 
Ihr feid in Eurem Haus nicht glücklich, Ottolar! — 
Wollt Ihr Marg'rethen ſehn? — fie ift im Lager! 
Ottokar. 
Nein, Herr! Allein bie Lehen will ich nehmen. 
Rudolf. 
Bon Böhmen und von Mähren? 
Ottokar. 
Ja, Herr Kaiſer! 
Nudolf. 
Dem Reich erſtatten —? 
Ottokar. 
Oeſtreich, Steiermark, 


116 





116 König Ouotais Glud und Ende. 


Was mir vom Neid; was ſich von mir getrennt. 
Ich habe viel für fie gethan! Der Undank, 
Der Menſchen Schlechtheit efelt tief mich an. 
Rudolf. 
So fommt ins Zelt! 
Ottokar. 
Warum nicht hier? 
Uudolf. 
Es werden 
Des Reiches Lehen knieend nur genommen. 
Ottokar. 
Ich knie'n? 
Rudolf. 
Das Zelt verbirgt ung jedem Auge. 
Dort follt Ihr knie'n vor Gott und vor dem Reich, 
Bor feinem, der ein Sterblicher, wie wir. 
Attokar. 
Wohlan! 
Rudolf. 
Ihr wollt? Geſegnet fei die Stunde! 
Geht Ihr voran, ich folg' Euch freudig nad; 
Wir Beide feiern einen großen Eieg! 
(Sie gehen ins Zelt, die Vorhänge fallen zu.) 
Milota 
®er zu den Seinigen hinüber geht). 
Nun, Gott fei Dank! das macht mich wieder frei! 
Der legten Zeit will id) mein Tage denken. 


Zawiſch von Nofenberg tommt, 


Zawiſch. 
Wo iſt der König? 





Dritter Aufzug. 117 


Milota, 
In des Kaifers Belt; 
Er nimmt die Lehn! 
Bamifd. 
50! Ho! und fo verborgen? 
Das müflen Alle fehn, die treuen Herzens find. 
(Gr Haut mit dem Schwert die Zeltſchnure ab, die Borhänge fallen, und 
man fieht Ottolarn vor Rudolf inien, der ihm eben mit dem Schwert die 
Lehen von Böhmen ertheilt Hat.) 
Bawifd. 
Der König fniet! . 
Die Böhmen (unter fid). 
Der König fniet! 
Bttokar. 
Ha, Schmach! 
(Gr fpringt auf und eift in den Borgrund.) 
Audolf 
er ihm folgt, mit der Fahne von Mähren in der Hand). 
Molt ihr die Lehn nit auch auf Mähren nehmen? 
(Ottotar laßt fih auf ein Anie nieder.) 
Rudolf 
(indem er ihm die Fahne von Mähren gibt). 
So leih' ih Euch die Markgrafihaft von Mähren, 
Und nehm’ Euch in des Reiches Eid und Pflicht, 
Im Namen Gottes und durch meine Macht. 


Steht auf, Herr König, und mit diefem Kuß 
Begrüß’ ich Euch als Lehnsmann und als Bruder. 
Ihr aber, die Ihr Deftreich angehört, 

Und Lehen tragt von feines Landes Fürften, 
Kommt mit nad Wien, um dort den Eid der Treue, 





118 König Ottolard Glück und Ende. 


Den Lehenseid in unſre Hand zu leilten! 
‘hr folgt und doch, geehrter Herr und König? 
(Ottofar neigt fid.) 
Nun, ih erwart' Euch, wenn’3 Euch mwohlgefällt. 
Ihr ſchwingt die Fahnen, laßt den Jubel tönen, 
Dem blutlos ſchönen Sieg der holden Eintradt. 
(Ab mit den Eeinigen.) 
(Ottofar flieht no& immer mit gejenltem Haupte da.) 


Seyfried von Merenberg, der zurüdgeblieben if, tritt, nad 
einigem Zögern, ihn an, mit bittenden Geberden. 


Merenberg. 
Erlauchter Herr, ich wollt! Euch bitten. 


Attokar 
(fährt empor, und fieht ihn mit einem grimmigen Blide an, dann zer 
reißt er mit einer Hand die Spange des Mantels, daß er fällt; mit 
der andern reißt er von hinten die Krone vom Haupte, und ftürzt fort, 
ausrufend). 


Fort! 
(Indem Alle ihm folgen, fällt der Vorhang.) 





Vierter Aufzug. 


Bor der Burg zu Prag. Ein gtoßes Thor mit Fallgattern, in 

ber Mitte des Hintergrundes, führt hinein. Daneben ein Heines 

Ausfallpförthen, zu dem einige Stufen hinanführen, das aber 

verfchlofien iſt. Rechts im Mittelgrunde des Pförtnerd Wohnung, 

mit einem fteinernen Tifge und einer Bank. Davor ein Beet 
mit Blumen. 


Milota und Füllenſtein von verfhiedenen Geiten, 


Milota. 
Traft Ihr den König? 
Süllenfein. 
Nein. 
Milote,. 
Ich fand ihn auch nicht. 
Süllenfein. 
In Bnaim verlor er ſich von dem Gefolge, 
Ein einz'ger Knecht, den man vermißt, mit ihm, 
Und irrt feitbem im Land herum von Mähren. 
In Kraliz fah man ihn, in Hrabifch, Lukow; 
Zulegt in Koftelez, hartbei an Stip, 
Da, wo die Heine Wunderquelle fließt, 
Zu der die Pilger weit umher ſich menden. 





120 König Dttolar8 Glüd und (Ende. 


Ein ärmlich Badhaus fteht dort in der Tiefe, 

Bon Menichen abgefondert und Verkehr, 

Da hielt er vierzehn Tage ſich verborgen; 

Ein Ort zum Sterben mehr, ald um zu leben! 
Und wie die Pilger pflegen dort herum, 

Die, eines MWunfches, der fie drüdt, gedenkend, 
Ein Kreuz von Reifig in den Brunnen werfen, 
Und aus dem Sinken oder Schwimmen propbezei'n, 
So that er tagelang, und jchien betrübt. 

Zulegt erfuhr’3 der Magijtrat von Hradiſch, 

Und ging hinaus, den König einzuholen; 

Doc der war nicht mehr da, und ſchon im Weiten. 


Milota. 
Und wo er jet ift, habt hr nicht erfahren? 


Fullenfein. 
Man will ihn auf dem Weg gejehen haben 
Nach Prag. 

Milota. 
Hieher? — Ich hoff', er wird jetzt ruhn! 

Die ſtolzen Flügel ſind in was gepflückt; 
Das Land, das ewig ihn nach außen lockte, 
Er hat's zurückgegeben feierlih. 
Will er nach Väterweiſe herrſchen hier, 
Die Deutſchen heißen gehn aus ſeinem Reich, 
Und unter Beiſtand böhmiſcher Wladiken 
Bedenken ſeines Volkes wahres Glück: 
Vielleicht, daß ich vergeſſe, was er that 
An mir und meinem Haus. — Geht Ihr zum Kanzler? 
So meldet ihm, ein kaiſerlicher Herold, 
Vollziehung fordernd des geſchloſſ'nen Friedens, 
Vor allem die Befreiung jener Geißel, 





Vierter Aufzug. 121 


Die noch aus Defterreih und Eteiermart 
Gefangen liegen rings im Land umber, 
Iſt eingeritten in das Thor von Prag. 
Er möge ſchleunig thun, was man begehrt, 
Bevor der König fommt und Manches hindert. 
Süllenfein. 
Doc wenn ber König — 
Milota. 
Thut, was ih Euch fage! 
(Füfenfein ob.) - 
Milota. 
Wär’ nicht das ganze Land mit ihm beſchimpft, 
Ih wollte lachen, wie erft Zawiſch lachte. 
Schnell Alles angeorbnet, eh er Tommt, 
Dann hat er zu beftät'gen und — zu fchlafen! 
(Gr gebt ins Schloß.) 
Rurze Paufe, dann kommt ein Kuappe des Königs, ringsumherfpähend, 
er ruft in die Scene: 
Diener. 
So, jet ift Niemand bier, mein gnäb’ger Herr! 
Ottokar tommt, in einen dunkeln Mantel gehült, ein ſchwatzes Barctt 
mit ſchwarzen federn, tief in die Mugen gedrüdt. 
Biener. 
Den Kanzler fol id holen? 
Gnäbd’ger Herr, 
Beliebt Euch lieber nicht ind Schloß zu treten? 
(Ottotar ſchatielt da Haupt.) 
Biener. 
Zwei Tage habt hr nicht gegefien, nicht 
Geſchlafen; denkt an Euer theures Leben! 
" (Der König lacht hohniſch auf.) 





122 König Ottofarb Gloc und Ende. 


Biener. 
Laßt Euch erbitten, geht ins Schloß, mein König! 
(Ottofar Rampft ungeduldig mit dem Fuße.) 
ö Biener. 
Ich gehe denn, doch laft Euch nieder, Herr! 
(Geht ab ins Schloß.) 
Ottokar. 
Ich ſollte dich betreten, Schloß der Väter? 
Die Schwelle dir entweihn mit meinem Fuß? 
Als ich im Sieg, im jubelnden Triumph 
Zu dir heranzog durch die lauten Gaſſen, 
Erſtrittne Fahnen dir entgegen hielt; 
Da machteſt du mir deine Pforten auf, 
Und meine Väter ſah'n von deinen Binnen. 
Für Helden ward gemölbt dein hoher Bau, 
Und fein Entehrter hat ihn noch betreten! 
‚Hier will ich figen, als mein eigner Pförtner, 
Und Echande wehren ab von meinem Haus. 
(Gr fest fi auf die Stufen am Ausfallthor, und verhält fein Haupt.) 


Der Bürgermeifter von Prag und einige Bürger lommen. 


Sürgermeifter. 
Ei, laßt mid, ih muß eilen in den Rath. 
Ein Herold von des Kaiſers Majeftät 
Iſt angelangt, da darf man ſich nicht ſäumen; 
Denn Böhmen ift nun wieder an dem Reich. 
Der König hat e3 freilich gelobt, 
Den Eid der Treue Iniend übernommen. 
Bürger. 
Wie, Iniend? 
Sürgermeifter. 
Wohl! im kaiſerlichen Lager! 


Vierter Aufzug. | 123 


Er lag auf feinen Knien, der Kaiſer jaß; 
Das ganze Heer hat's ftaunend angejeben. 
Mas regt fi) dort? 
Bürger. 
Ein Mann fißt auf den Stufen. 
Sürgermeifter. 
Ya, Hochmuth kommt zu all, ich jagt! es oft! 
Seht doch 'mal hin, wer dort am Thore ſitzt? 
Verdächtig Volk ftreift jeto durch das Land, 
Die abgedankten Söldner find zu fcheuen. 
Bürger (lommt zurüd). 
Ah, Herr! 
Sürgermeißfter. 
Du zitterft ja? 
Bürger. 
Es ift der König! 
Bürgermeifter. 
Der Dann dort auf den Stufen? bift du thöricht? 
| Bürger. 
Er ſah mir ins Geſicht. Schaut nur! 
Sürgermeifter. 
Er iſt's! 
Wenn er vernommen, was wir hier gefprochen ! 
Soll ih ihm einen Fußfall tbun? — das Beite, 
Wir ziehen uns zurüd. Er fcheint zu finnen. 
(Sie ziehen fih recht8 gegen den Vorgrund.) 


Beneſch von Dieditz und feine Tochter treten rechts im Hinter» 


grunde auf. 
Beneld 
(am Stabe, führt Bertha’n). 
Ei ſieh nur, wie die liebe Sonne Scheint! 





124 König Ouolars Glüd und Gnde. 


Du mußt einmal ins Freie! Bertha, komm! 
Die dumpfe Etubenluft ift ungefund. 
Und thu’ mir's auch zu lieb, und ſprich einmal! 
Sprich, Bertha, fprih! und wär's ein einzig Wort! 
ALS: ja, und nein. Thu’s deinem alten Vater! 
Sieh, auf Johanni wird's — ich weiß nicht recht 
Wie lang, feit du fo vor dich fiehft und ſchweigſt. 
Das ift recht Häglich! Willſt nicht reden, Bertha? 
Ich hörte lieber dich im Fieber rafen, 
Als jetzt den langen Tag kein einzig Wort. 
Ei, was vergangen ift, das ift vergangen! 
Wir benfen nicht mehr dran, und fo ift's gut. 

Sürgermeifter. 
Still! 

Seneſch. 
Nun, fie ſchweigt ja leider ohnehin! . 
Herr, Tag für Tag, und öffnet nicht den Mund! 
Sürgermeifter deife). 
Dort figt der König! 
Seneſch. 
Wo? 
Sürgermeifter. 
Dort auf den Stufen! 


Seneſch. 
Ei, Bertha, ſieh, dort ſitzt der böfe König, 
Der dir fo weh gethan, du armes Kind! 
€i, ſprich einmal, und fhmäl’ ihn tüchtig aus. 
Sag’: arger Mann, ich freu’ mich deines Leids, 
Du haft'3 um mid) verdient und meinen Vater. 
(Bertga hebt eine Hand voll Erde auf und mirft damit, wie Ritt 
pflegen, gerade vor fih bin, ohne zu treffen.) 





Bierter Aufzug 


Seneſch. 
Ja, wirf ihn nur! o, daß es Dolche wären! 
Wirf, Bertha, wirf! den argen, böfen Mann. 
Doc Gott hat unfre Rach' auf ſich genommen: 
Gekniet hat er vor feinem ärgften Feind! 
Vor einem Mann, ben er fonft wohl verachtet; 
Im Angeſicht des Heers hat er gefniet. 
Ei, rüttle di, ich fürchte mich nicht mehr! 
Iſt doch ein Höherer, der dich bezivingt. 
Mad) erft, daß mir mein Kind da wieder fpricht; 
Dann laß mid töbten, mich befümmert'3 wenig. 
Die Königin tommt mit Zawiſch und Dienern. 
Königin. 
Wer ließ den Aberwitz da vor die Thür? 
Hab’ ich Euch nicht gefagt, Ihr jollt fie hüten? 
Seneſch 
ver fortgeführt wird). 
Nun, Bertha, fomm; er hat doch auch fein Theil. 
(ab.) 
Königin. 
Ihr aud fort, Alles fort, was Augen hat! 
Alte gehen, bis auf fie und Zawiſch.) 
Königin. 
Wir find allein! allein mit unfrer Schande: 
Wollt Ihr Eud nicht erheben, großer König, 
Und große Worte geben, wie Ihr pflagt? 





Sieh bin, da fit der Etolje, Uebermächt'ge, 
Dem fonft die Welt zu Hein für feine Größe; 
Da fit er wie ein Bettler vor der Thür, 


125 





126 König Ottokars Glück und Ende. 


Und holt ein: helf' euch Gott! fih und Verachtung. 
Der Mann, der Kronen trug, ala wären's Kränze, 
Und wenn die eine well ward, neue flocht 

Aus friſch gefehnittnen Blumen fremder Gärten. 
Das Leben Taujender in feiner Hand, 

Es binfegt’, wie zum fröhlich leichten Bretjpiel, 
Auf das von Blut und Staub getheilte Feld, 

Und ausrief: Schach! ala wenn es Steine wären, 
Vom Künftler plump geformt aus todtem Etoff, 
Und Roß und Reiter zubenannt zum Scherz. 

Der felbjt mit der Natur im Streite lag; 

Und wenn er Morgens augritt auf die Jagd, 
Und fah den Himmel überbedt mit Wolfen, 

So ſprach er: Wart! rief nach dem Meifter Maurer, 
Und hieß ihn mit dem neuen Kirchenbau 

In Güldenktron nicht allzufehr zu eilen. 

Da figt er, und ftarrt leblos auf den Grund, 

Den er zuvor geftampft mit ftolgen Füßen! 


Bawifd. 
Ei, gnäd’ge Frau, das Glüd ift eben rund! 
Königin. 
Was Andre bindet, das war ihm ein Spiel: 
Eein Weib Marg'rethe ftieß er fort von fih — 
Weiß Gott, fie war für ihn, die Alternde, 
Die Königin des Jammers ftand ihm wohl! — 
Und fern aus Ungarn holt’ er ein Gemahl. 
Was kümmert's ihn, ob fie vielleicht Schon längſt 
Nach einem Andern bingewwandt den Blid! 
Ob g’rade damals ein ©eringerer, 
Und doc viel Größ’rer warb um ihre Hand! — 
Ein unbezivungner Führer der Kumanen 





Vierter Aufzug. 127 


Miegt einen dienftbar'n Böhmenkönig auf! — 
Was kümmert's ihn! er will ein Weib und Erben, 
Mag brechen, mas da bricht; und damit gut! 
Ein kräftig freies Weſen kam ich ber, 
Gar würdig wohl des Jünglings zum Gemahl, 
Und fand — ei nun, den König Ottokar! 
Nicht ganz jo Häglich, als er jet dort brütet, 
Doc nicht viel beffer, weiß der große Gott! 
Bon Rath und Meinung hielt er mich entfernt, 
Wie eine Magd vielmehr, als eine Fürftin; 
Er nur allein, er wollte Herrfcher fein. 

Bamwild. 
Ei, gnäd'ge Fürftin, herrfchen ift gar ſüß; 
Eo füß faft als — gehordhen, und man theilt’s nicht! 


Königin. 
Er bat geherrſcht; fürwahr, er hat geberrfeht! 
Mie eine Eeifenblaje iſt's zerronnen. 


Und reden konnt' er, groß und fürftlich reden! 
Mas nicht geweſen noch, und niemals wurde, 
Sn feinem Munde war's! Als der von Nürnberg 
Bom Kaifer ihm die erfte Botſchaft bradıte; 
Wie er da ſprach, mie er ſich fürftlih nahm! 
Nicht eine Stadt, fein Haus, nicht eine Scholle 
Gab er dahin von Deftreihs meitem Grund; 
Und wenn's die Aerzte hundertmal geſchworen, 
Des Kaifers hohes Leben binge bran, 
Kein Blättchen Saffran, den fie dort geivinnen! 
Auf unfern Steppen ift ein Thier, heißt Maulthier, 
Wenn das den Wolf von meiten kommen fieht, 
So rert es laut, ſchlägt aus nad allen Eeiten, 
Die Erde wirft’3 in weiten Wirbeln auf; 





128 König Ouotars Glüd und Ende. 


Doc naht der Wolf, da bleibt es zitternd ftebn, 
Und läßt fi) ohne Wiberftand erwürgen: 
So faft hat dieſer König auch gethan! 
Mit großen Worten zog er aus ins Feld, 
Die halbe Welt in feinem Heer verfammelt ; 
Bon Polen, Valben, Tartarn, Deutſchen, Böhmen 
Vermifchten fi die Stimmen in dem Lager, 
Und Deftreih war zu Hein für ihre Zahl. 
Doch als des Etreites ernfte Stunde kam, 
Da fehlte Herz für fo viel rüft'ge Arme, 
In feines Feindes Lager — Rofenberg! 
Bawifd. 
Erlauchte Frau! 
Königin. 
Habt Ihr ſchon je gefniet? 
Vor Frauen nicht — vor Männern ſchon gefniet? 
Um Cold, um Lohn, aus Furcht, vor Eures Gleichen? 


Bawifd. 


Königin. 
Und würdet's nie? 
Zawiſch. 
In meinem Leben! 
Königin. 
Er aber hat's gethan! vor feinem Feinde, 
Vor jenem Mann gefniet, den er verachtet, 
Der einft ihm bienftlid war, und wenn er fprad: 
Komm her! fo kam er, und ſprach er: geb’ hin! 
So ging er, und beeilte ſich gar ſehr! 
Zawiſch. 
Erlauchte Königin, es war ein Scherz! 


Ich nicht. 





Vierter Aufzug. 129 


Scherz unter guten Freunden. Seht, ber Raifer, 
Er wollte feine Macht den Leuten zeigen; 
Da bat er unfern König, und ber that's. 


Königin. 
38 aber will nicht heißen: Knechtes: Frau! 
Nicht eings ſchnöden Dienftmanns Bette theilen; 
Wil nit, wenn Euch der Kaifer heiſcht nad Wien, 
Die Schleppe tragen feiner Gräfin Hausfrau; 
Wil nicht vor Rudolf knien, wie er gethan. 
(Der König fpeingt auf.) 
Königin. 
D fpringt nur auf; ich fürcht' Euch wahrlich nicht! 
Soll id) die Einy'ge fein von Mann und Frau, 
Die noch vor Dttofar, dem König, zittert? 
Gebt mir Geleit, ich will nach Ungarn heim, 
Dort wahrt man eines Königs Ehre befier. 
Shr, Rofenberg, den Arm! und nichts mehr weiter 
Von jener Schmach, die Ihr mit angefehn! 
Bawifd 
(indem er fie abführt). 
Es war nur Scherz! Wir fanden’s alle luſtig, 
Nicht bloß der Kaifer; freilich) der am meiften! 
Und gut fah es fih an, man muß geftehn! 
. (Sie gehen ab.) 
Ottokar. 
Zawiſch! 
Bawifc Gurüdtommend). 
Was wollt Ihr, Herr? 
Bttokar. 
Dein Schwert! 
Gritiparzer, fämmtl. Werte, IV. i 9 





130 König Otiolars Glüd und Ende. 


Bawifd 


(indem er eb gibt). 


Hier ift es! 


Ottokar 
(sum Sioß aut holent) 
Verräther! 
Königin 
(euft inner dem Eilokthore). 
Rofenberg! 
Bttokar. 
‚Hier, nimm bein Schwert, und geh! 


Jawifd. 
Ei, fhönen Dank! bier ift nicht gut zu teilen. 
(®6, der Rönigin nad.) 
Ottokar 
(athdem er eine Weile Rarr. auf den Boden geſehen hat). 
Iſt das mein Echätten? — Nun, zwei Könige! 
(&rompeten von innen.) 
Man fommt, man naht! Wohin verberg' ich mich? 
(Gr Halt fd) in feinen Mantel, und sieht ih zuräd.) 


Ein taiferliger Herold kommt mit zwei Trompetern. Hinter im 
die. befreiten ÖRerreigifgen Geifgel, worunter der alte Merenberg. 
Bol dringt nad. Der Kanzler im Wortwechſel mit dem Keroß- 


Kanzler. 
Ih proteftir' im Namen meines Könige. 
Herold 
(ie Urkunde in der Yan). 
Artikel drei des fei'rlichen Vertrags 
Befagt: die Geißel werben freigegeben! 
Und fo, in Vollmacht kaiſerlicher Hoheit, 





Bierter Aufzug. 


Spred’ ich die Freiheit diefer Männer an 
Aus Deftreih und aus Steier, Unterthanen 
Des Kaiſers und des Reichs zu biefer Frift. 
Zugleich begeht’ ich gänzliche Vollziehung 
Des Friedens, ber bis jegt nur halb erfüllt. 
Noch immer lieget böhmiſche Beſatzung 
Im Lande bie und bort von Deſterreich; 
Auch Heinrih Kuenring, Eurer Sade treu, 
Haust übel in dem Land jenfeits der Donau, 
Stil unterftügt vom nachbarlichen Mähren. 
Es fol nicht fein, befiehlt mein Herr und Kaifer! 
Es abzuftellen komm' ich her nad Prag. 
Kanzler. 
Man wird dem König es erft melden müffen. 
Herold. 
Wozu? Iſt nicht der Kaiſer Lehensherr? 
Derlei ift im Vafalleneid bebungen. 
Kanzler. 
Der Raifer, feinerfeits, hat auch noch nicht 
In Allem dem Vertrag genug gethan! 
In Mähren ftehn nach kaiſerliche Völker. 
5 Herold. 
Sie werben abziehn, wenn Ihr Euch gefügt. 
Kanzler. 
Barum fol Böhmen denn zuerft erfüllen? 
Herold. 
Beglückt wer hat; bas ift ein alt Geſetz. 
Kanzler. 
So nennt Ihr das Gejeg? das ift Gewalt. 
Herold. 
Nennt’3 wie Ihr wollt, nur handelt, wie Ihr müßt. 


131 


139 König Ottokars Süd und Ende. 


: Kanzler. 

Ich Tann Euch nichts verfagen, nichts gewähren. 
Der König, fagt man, ift in Prag, er jelbit 
Kann nur ob Eurer Forderung entjcheiden. 

Herold. 
So führt mid) denn zu ihm! 

Ranzler. 

Auch das nicht jegt! 

Er iſt in Prag, doch Näh'res weiß man nicht. 

Herold. 
Nun wohl, ſe ſtoßt denn ihr in die Trompeten, 
Daß ſich der Hall verbreite durch die Stadt, 
Und König Ottokarn verkündet werde, 
Daß Boten da von ſeinem Lehensherrn. 


Ottokar tritt aus dem Volke, er hat den Mantel weggeworfen. 


KBttokar. 
Hier tft der König! Was verlangt hr? 
Herold. 
Herr! 
Man meigert mir die Freiheit diefer Männer. 
Attokar. 
Wer weigert? 
Herold 
(auf den Kanzler zeigend). 
Hier! 
Kanzler. 
Nur, Herr, bis du genehmigt. 
Attokar. 
Gie bürgten mir für ihres Landes Schuld; 





Bierter Aufzug. 133 


Der Schulbbrief ift erlafien, nehmt das Pfand! 
Zwar dort ſeh' ich ein Angefiht, daß fait 
Mich reuen machen könnte fold ein Wort. 
Verbirg di, Merenberg! bu bift fein Geißel, 
Ein übertviefener Verräther bift du, 
Der Erfte, der voranging mit Verbrechen. 
Verbirg dich! denn im Innern kocht es auf, 
Und Iechzt zu fühlen fi) in deinem Blut! 
(Merenberg sieht fih hinter zwei andere Geißel zurüd.) 

Ottokar. 
Was ſonſt? 

Herold. 

Die Räumung Deftreih8 wird begehrt. 

Ottokar. 
Es iſt geräumt! 

Herold. 

Nicht ganz. 
‚ Ottokar. 
Es ſoll geſchehn! 
Bedungen ward's im Frieden, und ſo ſei's! 
Herold (cusrufend). 
Wer ſonſt noch Fordrung hat an Böhmens Krone, 
Ein vorenthaltnes Recht, erwieſ'ner Schade, 
Wer Lehn zu nehmen hat vom deutſchen Reich; 

Ich lad' ihn auf das Rathhaus, wo der Pfalzgraf 
Zu Recht wird ſitzen, und die Lehn ertheilen. 
Vivat Rudolphus, römiſch-deutſcher Kaiſer! 
(Herold ab. Das Bolt tumultuariſch ihm nad. Nur der Ranzler bleibt.) 

Ottokar. 
Sie folgen Alle! Laſſen mich allein! 


134 König Ouolars Glac und Ende. 


(Sum Ranjler.) 
Bift du mein ganzer Hof? — Ha Ditolar! 
Verachtet von dem legten meiner Diener, 
Verhöhnt von meinem Weib, mit Recht verhöhnt, 
Die Wild gebegt, von Haus und Bett vertrieben! 
Ich lann's nicht tragen, Tann nicht leben fo! 
Hinausgeftrihen aus der Fürften Zahl, 
Ein Dienftmann beffen, der mir fonft ein Spott; 
Und ungeftraft, mein lachend, ziehn die Frechen, 
Die mid) verratben, fort aus meiner Haft. 
Gorch! 
(Don hört in der Entfernung den Herold feinen Ausruf wiederholen) 
Ottokar. 
Vivat Rudolphus? In der Hölle leb' er! 
Ruf mir den Herold! 
Kanzler. 
Ad, mein grfäb’ger König! 
Ottokar. 
Ruf’ mir den Herold, oder zittre, Knecht! 
(Ranzier ab.) 
War's befjer nicht, zu fallen in der Schladt, 
Der legte meiner Krieger neben mir? 
Sie haben mich verrathen, überrajcht. 
Ein dunkler Nebel ſchwindet von der Stirn; 
Ich hab’ geträumt: wie fühle Morgenluft 
Kommt mir Erinnerung, und läßt mi waden! , 


Mit einem Heer zog ich an Donauftrand, 
Und flug ein Lager, fo weit reicht Pie Denktraft; 
Bon da an Nacht! Was weiter dann geſchehn, 
Wie fie mich lockten in des Kaiſers Zelt, 
Wie dort — Ha, Tod und Teufel! töbten will id 





Bierter Aufzug. 135 


Den Letzten, der's mit angefehn! 
Mich felber, wenn ich nicht verlöfchen kann 
Das Angebenken jener blut'gen Schmach! 


Der Herold mit den Geißeln tommt zurüd. Dinter ipnen Milota. 


Herold. 
Ihr ließt mich wieber rufen, gnäb’ger Herr! 
Ottokar. 
Für's Erſte merket, daß in Niemands Namen, 
Als in dem meinigen man Ausruf thut 
In meiner Pragerſtadt! 
Herold. 
Allein — 
Bttokar. 
Genug! 
Dann laßt die Geißel ſich in Reihe ftellen, 
Man muß erft unterfuchen, ob Fein Anbrer, 
Der Haft Entfprungner fi) mit ihnen rettet. 
Herold. 
Dagegen bürgt des Reiches Würde zwar; 
Doc ftellt Euch in die Reihe, wenn's beliebt. 
Otto kar (ie Reihe Hinaufgepend). 
Du magft nur gehn, und du! — Bift du fo fhmud, 
Herr Ulrich Lichtenftein? Du freuft dich wohl, 
Weil du nun ledig? Nu, ich gönn’ e8 dir. 
Du haft mich nicht geliebt; je, ich dich auch nicht! 
Das macht uns wett. ieh’ immer hin! . 
Doch da ift Einer, den ich ſprechen muß. . 
Gott grüß did, Merenberg, du Schurf und du Verräther! 
Kanzler. 
Wenn er nur ſchweigt, nur nimmer twiberfpricht! 





ais ich das I 
Ihm Kunde b 
Die wär's, m 
Der alte Schu 


Das iſt kein @ 
Und kann mit 


Gerade den def, 
Gerade den befi 
Du warſt der Gr 
Das Beifpiel du 

Nach Frankfurt fe 
Da wählten fie di 


Beſchwerden nicht! 


AS erſt dein Cohn 





Bierter Aufzug. 137 


Wo König Ottokar — Tod und Verdammniß! 
Bor feinem Feind — in Anehtesart — im Staub — 
Löſch' aus, Erinnerung, in meinem Haupt, 
Sen?, Wahnfinn, dich herab auf meine Stirn, 
Unb büll’ in deine Wogen, was gefchehn! 
Wo König Ottokar — warum nicht Jagen, 
Was alle Welt gefehn? — vor feinem Feind gefniet. 
Und biefes Mannes Sohn, er ftand dabei 
Und lachte! — Darum mußt du fterben, Mann! 

Die Andern mögen gehn, ber Eine bleibt! 

Merenberg. 
Gerechter Gott! 
Herold. 
Bebenfet, gnäd'ger Herr! 


Ottokar. 
Bedenket lieber Ihr, vorlauter Herr, 
Daß wenn Ihr nicht in dieſem Augenblick — 
. Doc zieht in Frieden, und laßt mich gewähren, 
Noch bin ich Herr in biefem meinem Land! 
Merenberg. 
Die Steiermark gehorcht nunmehr dem Reich! 
Attokar (um Hero). 
Er war mein Unterthan, ald er an mir gefrevelt, 
Als meinen Unterthan beftraf’ ich ihm! 
Werft ihn in tiefften Thurm, und wer mir melbet: 
Der Merenberg ift tobt, der fei willfommen! 
Herold. 
Der Kaifer aber — 
Ottokar. 
Herr, ſagt Eurem Kaiſer, 





138 Kbnig Ottolars GE und Ende. 


Er fol in Deutſchland herrſchen nach Geluft. 

Was ich verſprach, ich hab’ es ihm gehalten; 

Obgleich verrathen, überliftet, hintergangen, 

Ich hab's gehalten, weil ich es verfprad: 

Doch fagt ihm, hier im Bufen poch' ein Mahner, 

Der immer zuruft: Nimm, was man bir ftahl! 

Des Königs Ehre rett'! Die Ehre eines Königs 

Steht nicht um taufend Menjchenleben feil. 

Man bat dich an ber Donau überliftet, 

Verſuch', ob in Gewalt er auch obfiegt! 

Das fagt ihm, Herr, und weiter jagt ihm noch: 

Der Friebe ift erfüllt, er hat das Land, 

Die Geißel ſend' ich ihm, er ift befriebigt; 

Doch mög’ er hüten fi, in Böhmen mir 

Ein Wort zu reden, das mir nicht gefällt, 

Sich einzumengen bier in mein Geſchäft; 

Sonft wollt’ id) ihm — allein fagt ihm doch lieber: 

Er mög’ es thun, er möge Troß mir bieten, 

Mit einem Heer mir fallen in das Land; 

Daß ich den Haß, den heifen Grimm mag fühlen 

Im Blut, das feinem Herzen fließt zunächſt! 

Zügt mir zu Lieb’, ich hätt’ auf ihn geſchmäht, 

Genannt ihn einen eingebrungnen Herrfcher, 

Der mir geftohlen, was mein eigen war, 

Gelacht des Herolbs, den er mir gefanbt, 

Den Mann, den er befehügt, zum Tob verdammt — 
Herold. 

Das könnt Ihr nicht! je 
Ottokar. 
Ich kann es, denn es iſt! 
Herold. 

Kraft diefes Briefe — 





Bierter Aufzug. 139 


Ottok er. 

Verdammt fei diefer Brief! 
Willſt du mit Briefen mid und Worten meiftern? 
Noch hab’ ich Schwerter, noch ift mir ein Heer, 
Das unbefiegt, du fiegteft nur mit Ränfen! 
Und reißen will ich diefe Ränke, wie ih 
Den Brief zerreiße, den du bir erfehlichft. 

(Gr hat dem Herold den Brief entriffen.) 


Sieh her! 
(Im Begriff, die Urkunde zu jerreißen, hält er plöklih inne.) 
Kanzler. 
O Gott, was finnt er? Theurer, gnäb’ger Herr! 
Ottokar. 
Ruft mir mein Weib, die Königin! 
(Diener ab.) 


Vor aller Welt warb Ottolar befhimpft, 

Bor aller Welt muß er auch rein ſich waſchen! 
Sie bat den gift'gen Stachel mir geſenkt 

In meine Bruft, fie mag zugegen fein, 

Wenn ich ihn auszieh', oder im Bemühn 

Ihn drüde in das Innerſte des Lebens! D 


Die Königin tommt. 


Königin. 
Was ift? 
. Bttokar. 
Ihr Habt mich, kurz erft, hart gefcholten, 
Daß ich, um Blut zu ſchonen, nachgegeben, 
Und eingeräumt dem Kaifer Gut und Land. 
Königin. 
Ich ſchelt' Euch noch! 





140 König Ditolars Glüd und Ende. 


-Bttokar. 
Geht hier in meiner Hand 
Den Brief, der an den Kaifer mich gebunden. 
Zerreiß' ich ihn, ift auch das Band zerrifien, 
Das jetzt mich hält; frei bin ich wie zuvor. 
Zerreiß' ich ibn? 
Königin. 
Kein Muth’ger zweifelt da! 
Ottokar. 
Doch hör'! Aufs Neue raſ't der Teufel, Krieg; 
Aufs Neue dampft das Land in Rauch und Blut. 
Und eines Morgens, leicht kann es geſchehn, 
Bringt man Eud auf der Bahre den Gemahl. 
Ä Königin. 
An Eurem Sarge will ich lieber ftehn, 
Als mit Euch liegen, zugededt von Echanbe! 


Attokar. 
So ftarf? Ein Tröpflein Milde thäte wohl! 
. Königin. 


So lang Ihr Euch nicht von der Schmach gereinigt, 
Betretet nicht ald Gatte mein Gemach. 
(Zum Abgehen gewendet.) 


Alttokar.' 
Bleibt noch: feht her! Der Brief, er ift zerrifien! 
(Er zerreißt den Brief.) 
Die Ehre ganz, und auf der Zufunft Thor; 
Was draus erfolgt, wir wollen's Beide tragen! 
Gott gönn’ Euch mas von dem, was hier erwacht, 
(auf feine Bruft zeigend) 
Und gebe mir die Kraft, die Ihr beiiefen ! 


Vierter Aufzug. 141 


Königin. 
Nun erft willfonm’ ih Euch! 
Attokar. 
| Sp nidt! fo nicht! 
Sch ſehe Blut an deinen weißen ingern, 
Zukünft'ges Blut! Ich ſag': berühr' mich nicht. 
Gott hat das Weib aus weichem Thon gemacht 
Und: Milde zugenannt; was biſt denn du? 
Wird mein Gedächtniß wach erſt, und erzählt, 
Wie du den König, da er kam, empfingſt, 
Den Gatten, da er rückgekehrt nach Haus — 
Geh fort! Ich fühle, daß ſich mir die Sehkraft ſchwächt, 
Das iſt ein Zeichen, daß es Zeit zu gehn. 
Geh fort! Fort, ſag' ich! Fort! 
(Die Königin geht ab.) 


Ottokar 
(zum Kanzler, den er angefaßt hatte). 
Schein' ich dir hart? Sie war mir auch nicht gütig! 
Das geht ſo her und hin; Gott zieht die Rechnung! 


Euch, Herold, halt' ich nun nicht länger mehr! 
Sagt Eurem Herrn, was Ihr mit angeſehn! 
Gegen Merenberg.) 
Mit dem in Thurm! Was ſchützte vor Verrath, 
Als die Beſtrafung früherer Verräther? 
Wer bauen will, der reutet ſeinen Grund, 
Drum fort, du böſes Schlingkraut, gift'ge Ranke! 


Merenberg. 
Zu rafcher König, mich fchilt nicht Verräther ! 
Die find’, die deinem Throne ftehn zunächſt, 
Die Rofenberg, die — 


143 abnig Ouolarz Gind und Ende. 


Bttokar. 
Kannft du auch verleumben? 
Merenberg. 
Ad, der mich hält, und mich zum Kerler führt, 
Er ift des Kerlers würdiger als ich! 
Ottokar. 
Kein Böhme hat noch ſeinen Herrn verrathen! 
Jetzt bin ich deines Frevels erſt gewiß! 
In Thurm den Läfterer! 
Merenberg 
(er abgeführt wird). 
Zu fpät wirft du bereu'n! 
.Bttokar. 
In Thurm! 
Milota. 
Und ſchweigt er nicht, ftopft ihm den Munb- 
(Merenberg wird abgeführt; Herold folgt.) 
Ottokar 
(unter die Seinen tretend). 
Kein Böhme hat noch feinen Herrn verrathen; 
Was au) der Läftrer ſpricht, ich bin gewiß! 
Nun im Begriff zu gehn in einen Krieg 
Für unfers Landes Ruhm und feine Macht, 
Vertrau' ich euch, wie ich mir felbft vertraue. 
Wer mißgefinnt ift, wer mein Thun nicht billigt, 
Der fchließe frei fi aus von unferm Zug, 
Kein Nachtheil fol ihn treffen oder Vorwurf. 
Wer aber gern mir folgt, und denkt wie id, 
Den drüd’ ich an mein Herz, und nenn’ ihn Bruber. 
Den Eid, den ich am Krönungstage ſchwur 
Bei meines Vaters Sarg, ich mwieberhol’ ihn: 





Vierter Aufzug. 143 


Treu big zum Tod! Thut ihr daſſelbe! 
Die Welt ift voll von Böfen und von Argen; 
Erneut den Schwur auf eures Königs Schwert. 


(Er hat von einem der Umflehenden das Schwert genommen, die Vorderfien 
Inien nieder.) 


Kniet nicht! Steht auf! Ich kann nicht Fnieen ſehn! — 

Und fhwört auch nicht! — Denn man kann fnien und 
| ſchwören, 

Und doch das Wort nicht halten, das man gab. 

Ich will euch ſo vertrauen, ohne Schwur! — 


Und nun ans Werk! Du gehſt zu Herzog Heinrich, 
Nach Breslau! ihn und Prinik, den von Glogau, 
Du ladeſt ſie zur Heerfahrt hier nach Prag! 

Du gehſt nach Deutſchland, und aus Meißen, Sachſen, 

Von Magdeburg, dem Markgraf mit dem Pfeil, 

Sprichft du den Beiltand an, den fie mir günnen. 
(Zum Kanzlır.) 

Ihr fchreibt mir an die andern Herrn und Yürften! 

Wir wollen eine Schaar zufammenlefen, 

Daß fih der Kaifer d'rob verwundern fol! 

Sch bin noch Dttofar, man foll ſchon ſehn! 

Ihr Alle leiht mir euren kräft'gen Arm! 

Mas ihr verlort an Gütern und an Schlöflern, 

Was ich euch abnahm und zur Krone fchlug, 

Ich geb’ e8 wieder, geb" euch mehr dazu. 

Den Rofenbergen fei ihr Yrauenberg, 

Auch Auſſig, Falkenſtein; dir, Neubaus, Lar; 

Nehmt Laun, Ihr Zierotin; Dub, Kruſchina! 

Nehmt eure Güter wieder, und feid fröhlich! 

Wir wollen Eins fein, redlich halten aus. 

Dir, Milota, vertrau’ ih Mähren an, 

Du biſt ein wackrer Krieger, du bewahreſt mir's. 


144 König Ottolard Glac und Ende, 


Zawiſch von Roſenberg tommt. 


Ottokar. 
Sieh da, Herr Roſenberg! Ei, Gott zum Gruß! 
Ich dent’, Ihr folgt uns doch wohl auch ins Feld? 
Ihr ſeid der Erſten Einer meines Reichs, 
Auf den ich vor gar vielen Andern zähle! 
5 Bamwifd. 
Was meine Brüber thun, das thu’ ih auch! 
Der allgemeinen Noth werd' ich mic nicht entziehn. 
(Gr geht.) 
Httokar 
er ihm nachseſehen hat, mit Geberde). 
Der hat’s hier hinterm Ohr, dem trau’ ich nicht! 
Du, Milota, du bift mein Mann! 
Ich glaube wohl, daß du auch haffen Tannft, 
Betrügen nicht. Dir will ich mid) vertrau'n! 
Herr Kanzler, ſeid Ihr fertig? 
" Kanzler 
@er ſich zum Schteiben gefeht bat). 
Ja, mein König! 
Ottokar. 
Wir haben viel durch Raſchheit eingebüßt, 
Wir müſſen uns durch Vorſicht wieder helfen. 
Nicht wahr, ſo iſt's dir recht, mein alter Kauz? 
Kanzler. . 
D König, fcheltet mich, wie fonft, mit Raſchheit, 
Mir thät’ es wohler, als die Milde jetzt. 
Attokar. B 
Schreib’ an den Hauptmann du ber Stadt von Znaim, 
Er fol mir taufend Mann — doch nein, zu viel! 


Bierter Aufzug. 145 


Die Vefte bleibt indeſſen mir entblößt. 
Nein, mit fünfhundert Mann foll er die Gränze — 
Allein fünfhundert find zu menig. 
(Auf Milote.) 
Nicht wahr? 
Schreib’ lieber, daf von Iglau — Wieder nichts! 
Mein Kopf ift wüft; zivei Nächte nicht gerubt, 
Gegeflen aub nit. — 
Leih mir deine Banf, 
Ich will verſuchen bier zu ruhn. 
Kanzler. 
Mein König, 
Gefällt's Euch nicht, ins Schloß —? 
Ottokar. 
Nein, nein, nein, nein! 
Doch holt mir meine Frau: fie ging im Zorn. 
Sie foll zu mir fi) fegen, fol mir ſprechen, 
Bis fih der Schlaf auf meine Wimpern fentt. 
Mein Freund, thu’ mir bie Lieb’, und geb’ nad) ihr! 
(Diener ab.) 
Httokar. 
Wie wohl es thut, die Glieder auszuftreden, 
Iſt Einer müd’! Seht 'mal nad) Merenberg! 
Der alte Mann mag hart im Kerker ruhn! 
Iſt er ein Schurk auch, foll man ihn nicht quälen, 
Und fol ihm geben ritterlihe Haft. 
(Füllenfein ab.) 


Diener tommt. 


Ottokar. 
Nun, kommt die Königin? 
Grittparzer, ſammtl. Werte. IV. 10 





146 König Ottolars Glüd und Ende. 


Diener. 
Eie kommt nicht, Herr! 

Ottokar. 
So laß ſie gehn! Komm du her, alter Kanzler, 
Und leih' zum Ausruhn heut' mir deinen Schooß. 
Hab' ich geruht — dann ſollt Ihr ſehn — 
Ob ic} der alte Ottokar noch bin. 

(Cr ſqhlaft.) 


Füllenſtein tommt zurüd. 


Kanzler. 
Der König ſchläft! 
Füllenſtein. 
Nun, Merenberg bald auch! 
ALS er nicht ſchwieg, und alle Welt verllagte, 
Stieß ihn ein Ecupan hart den Thurm hinab; 
Er wird's nicht überleben, glaubt man faft! 
Attokar 
(ſich emporrichtend). 
He, Merenberg, bift du's? 
Kanzler. 
Er ift nicht hier! 
Bttokar. 
Mir war, als ſtünd' er da! — Nu, ſchlafen! fchlafen! 
(Cr fintt wieder zurüd und ſchlaft.) 
(Der Ranzler legt, Schweigen gebielend, den Finger auf den Mund) 


Der Borhang fällt. 


Fünfter Aufzug. 


Kirchhof von Göfenborf. Drei Biertheile des Mittelgrundes durch 
das hereinragende Haus des Küſters gefchloffen, mit einem Gloden: 
thurm daran. 


Vorpoſten des böhmiihen Heeres. Gin Wagfeuer, Krieger herum- 
gelagert. Dttofar ſitt hinter demfelben auf einer Erhöhung, das Kinn 
auf beide Hände, und dieſe auf den Knorf feines Schwertes geflügt. Rechts 
im Borgrunde Milota und Füllenſtein am Boden liegend. Bor 
Zogesanbrug. Tuntel. Gin Vote triit rechts im Borgrunde auf. 


Kot. 
Iſt Hier der König? 
Milota. 
Ja, was gibt's? 
Bote chelblauij. 
Kumanen 
Und Ungarn von des Kaiſers Heere ſtreifen 
Die March hinauf, im Rüden unſrer Stellung; 
Bei Dröfing hat man ihrer ſchon gefehn. 
Soll ich's dem König melden? 
Milota. 
Laßt nur fein! 
Der König ift ſchon übellaunig fonft; 





148 König Ottolars Glüd und Ende. 


Auch ftehn die Ruſſen dort und meine Leute, 
Die werben fie den Rüdiveg fuchen Iehren. 


Sote. 
Nun, wenn Ihr meint — 
Ailota. 
Geht nur, gleich komm' ich ſelbſt 
(®ote ab.) 
Füllenfein (afblaut). 
Das ew'ge Zaubern, ewige Bebenfen! 
Und immer rüdwärts! Ei, verdamm' es Gott! 
Der König hat fein Wefen ausgezogen: 
Schon früher ging nicht Alles, wie es follte, 
Die Flucht der Königin gab ihm den Reft. 
Und wär's nicht, daß mich freut das Kriegeshandiert, 
Ich märe längft gewichen von dem Heer. 
Erft ftürmt er vierzehn Tage Drofenborf, 
Und läßt dem Kaiſer Zeit, die Macht zu fammeln; 
Und als man endlich denit, jetzt jchlägt er los, 
Als wir gerüftet ftehn und fertig vor Marchegg, 
Da heißt's: zurüd! und Weiden, Weilenborf, 
Und Anger, Stillfried, alle Stellungen 
Am Hafenberg, am Weidenbach, und an der Sulz 
Läßt er dem Feind, beinab ohn’ einen Schwertſchlag. 
Milote, 
Bald muß e3 fich entſcheiden; fei getroft! 
Süllenfein. 
Er nennt das Vorfiht; Zagheit nenn’ ich's eher! 
Sonft war das anders, ei, ba galt noch Fechten! 
Jet find wir Memmen! 
Milote. 
Schweig! Der König regt fh! 





Fünfter Aufzug. 149 


Süllenfein. 


Zeit wär’ es! 


Ottokar (am Zeue). 
Geſtern war ein ſchlimmer Tag. 

Der Feind gewinnet Boden. Doch was thut's? 
Ich habe Drofenvorf, der Rüden ift gefichert. 

Füllenftein dam). 
Beinah der Rüden fichrer als die Bruft! 

Ottokar. 
Dir thu' ich nicht zu Danke, Füllenſtein? 
Füllenſtein. 

Nein, Herr! ich kann's nicht leugnen. Sonſt war's anders. 


Ottokar. 
Du hätteſt bei Marchegg ſchon losgeſchlagen? 
Fũüllenſtein. 
So that ich, Herr; und Ihr, Ihr thatet's auch 
Noch vor zwei Jahren. In der Ungerſchlacht, 
Am ſelben Ort habt Ihr nicht lang gezweifelt. 
Ei, Schwert heraus, und in den Feind! Da ging's. 
Ottokar. 
Es ging, weil es der Zufall günſtig meinte. 
Ei, damals war ich ein verweg'ner Thor, 
Wie du noch jetzt biſt. Reife bringt bie Zeit. 
Sũllenſtein. 
Herr, als noch bei Marchegg der Kaiſer ſtand, 
Da zählt’ er tauſend Streiter, und nicht mehr; 
Jetzt ift er an bie breißigtaufend ſtark. 
Ottokar. 
Allwiſſend iſt nur Gott! — Was iſt die Uhr? 





150 König Ottolars Glüd und Ende. 


Diener. 
Drei Uhr nah Mitternacht. 
Ottokar. 
Die Schlacht iſt unvermeiblib! 
Wir find am Feind. Der beut'ge Tag enticeibet. 
Wie heißt der Ort hier? 
Diener. 
Götzendorf, mein König. 
Httokar. 
Der Ba? 
Biener. 
Die Sulz. 
Attokar. 
Ich dacht‘, ich wär’ in Stilfriet. 
Biener. 
Wir ritten geftern durch in dunkler Nacht. 
Set liegt der Kaifer drinnen. 
Ottokar. 
Nun, Gott walt's! 
Biener. 
Ihr folltet dort ins Haus gehn, gnäd'ger Herr! 
Ottokar. 
Und daß mir Niemand angreift, bis ich's ſage! 
Ich hab’ ihn hergelodt in dieſe Berge, 
Mit vorgefpiegelter, verftellter Flucht. 
Dringt er nun vor: die Mitte weicht zurüd, 
Die Flügel ſchließen ſich — dann gute Nacht, Herr Kalle! 
Ich hab’ ihn, wie die Maus im Loch! Hal ha! 
(Gr bricht in cin heiſeres Lachen aus, das fih in ein Quflen detlen. 
Gr reibt die Hände.) 





Günfter Aufzug. 151 


's ift kalt! Hat Niemand einen Mantel? 
Bor Sonnenaufgang weht die Luft am fchärfften. 
(Man gibt ihm einen Mantel.) 
Iſt das 'ne Sommernaht? Noch ftehn die Stoppeln, 
Und fchon fo.falt! Eonft war der Sommer warm, 
Der Winter Froft; jetzt taufchen fie das Amt; 
Die Zeiten ändern fi und wir mit ihnen! 
Hat man nit Nachricht, wo die Königin 
Eich hingewanbt? 
Diener. 
Man weiß es nicht, mein König! 
Ottokar. 
Und Zawiſch iſt bei ihr? 
Diener. 
Ja, gnäd'ger Herr! 
Ottokar. 
Ich denle fie zu feiner Zeit zu treffen! 
Will's nod nicht tagen? 
Diener. 
Ueberhin der March 
Beginnt’3 zu grau'n; der Tag bricht an. 
Ottokar (if aufgefprungen). 
Ich grüße dich, verhängnißvolle Sonne! 
Eh du zu Rüſte gehjt, hat ſich's entſchieden, 
Ob Fried’ in Waffen, ob im Grabe Frieden. 
(&r wirft den Mantel weg.) 
Loöſcht aus die Feuer, lat die Hörner tönen! . 
Bereitet euch zum Kampf, e3 gilt das Letzte! 
Sote (mm). 
Herr, Dröfing brennt ! 





152 König Oitotars Glüd und Ende. 


Ottokar. 
Im Rücken meines Heers? 
Dort ſtehen Eure Leute, Milota! 
Milota. 
Verſprengte Haufen von Kumanen, Herr. 
Auch glaub' ich's nicht! 
Ottokar. 
Iſt hier herum kein Hügel? 
Daß man des Feuers Richtung könnte ſehn. 
Diener. 
Der Glockenthurm. 
Ottokar. 
Steig' Einer ſchnell hinauf. 
(Es poden Einige and Thor) 
Ottokar. 
Wie kommen Ungarn mir nach Dröſing? Gottes Feuer! 
Wer deß die Schuld trägt, hängt! — Wird's bald? 
Diener. 
Herr König, 
Man weigert uns den Eintritt! 
Ottokar. 
Weigert? Wer? 
Biener. 
Sind Damen drin im Haus. 
Ottokar. 
Was, Damen! Poſſen! 
Küfer 
Per aus dem Kaufe getreten ift). 
Herr, das Gefolg der Königin von Böhmen. 





Fünfter Aufzug. 153 


Attokar (ipn anfaffend). 
Der Königin von Böhmen? — Das Gefolg? 
Wohl auch fie ſelbſt? — Ha, Schurk! — Und Zawiſch au? 
Es joll mir wohl thun, meinen Zorn zu Tühlen! 
Küfter. 
Bedenk' Eu’r Hoheit ! 
Bttokar. 
‚sort! 
Küfter. 
Ad Herr! 
Attokar. 
Hinein! 
(Er dringt ind Haus, der Küfter ihm nad.) 
Milote. 
Wenn er den Zamifch trifft, ift der verloren! — 
Ich muß ihn retten, gält's das Aeußerſte! 
Zieht Euch zurüd, und ruf’ ich aus dem Feniter, 
Sp dringt ind Haus, und thut, was ich Euch fage; 
Der König ift fein felbjt nicht Herr im Zorn! 
“(Er geht ind Haus, die Andern ziehen ſich zurüd.) 


Kurzes Bimmer, durch einen gothiſchen Bogen geichloffen, vor 
dem ein dunfler Vorhang bis zur Erde berabhängt. 
Dttolar, dem Frau Elifabeth in den Weg tritt, flürzt herein. 
Ottokar. 

Fort, Kupplerin! wo haſt du deine Kunden? 


Eliſabeth. 
Ach, gnäd'ger Herr, gönnt ihr doch jetzt die Ruh! 





154 adnig Ouolars Glaa und Ende. 


Ottokar. 
Der Vorhang dort, er dedt wohl das Geheimniß? 
Lieb Täubchen, komm! Auf! Dede! Vorhang auf! 
(Cr veißt den Vorhang auf, und pralt zuräd.) 


Auf einer fhmarzbededten Erhöhung, von Litern umflelt, liett Adnigin 
Margarethe todt im Garge. Das Wappen von Ocerreih zu ifen 
Füßen. 
Ottokar 
(im Borgrunde, dumpf). 
Das ift die Königin von Böhmen nicht! 
Elifabeth. 
Sie war's! 
Ottokar. 
Marg'rethe iſt's von Defterreich, 
Mein Weib einſt, doch verwandt im vierten Grad, 
Und drum geſchieden nach der Kirche Recht. 
— Gott geb' ihr ew'ge Ruh! 
Elifabeth. 
Ad, Amen! Amen! 
Ottokar. 
Wann ſtarb ſie? 
Elifabeth. 
Geftern Morgens, gnäd’ger Her! 
Ottokar. 
Wie kommt ſie hieher? 
Eliſabeth. 
Aus dem Sitz von Krems 
Vertrieben von den Streifern Eures Heers, 
Hat nad Mardyegg zum Kaifer fie gewollt, 
Da übereilte fie der Tod. 





Fünfter Aufzug. 155 


Attokar. 
Warum zum Kaifer? 
Elifabeth. 
Herr, fie jagt! es nicht! 
Doch den?’ ich, war es, Frieden zu vermitteln — 


Ottokar. 
Sie war Vermittlerin! — und woran ſtarb ſie? 
Eliſabeth. 


Man pflegt's zu nennen: am gebrochnen Herzen; 
Denn weinend Tag und Nacht — 
Ottokar. 
Genug, genug! 
Wo aber wollt Ihr hin? 
Eliſabeth. 
Wir wollen warten, 
Bis ſich der Krieg ſo oder ſo entſchieden — 
Ottokar. 
So oder ſo! 
Eliſabeth. 
Und dann nach Lilienfeld, 
Sie zu begraben in der Ahnengruft, 
Wo Herzog Leupold ruht, der Sel'gen Vater, 
Und der der Babenberger Mannsſtamm ſchloß, 
Ihr Bruder Friedrich, den ſie ſtreitbar nennen. 
Ottokar. 
Das thu'! — Und dieſen Ring — 
Milota (lommt). 
Der Feind rückt an! 
Ottokar. 


Ich komme gleich. Geht nur. 
(Milota ab.) 





156 König Ottolars Gläd und Ende. 


Kttokar. 
Und diefen Ring 
Leg du von mir der Sel’gen in das Grab. 
Elifabeth. 
Ad Herr! 
Httokar. 
Und wenn der Krieg ſich hat entſchieden, 
Und ich es überleb’, jo fomm nad) Prag, 
Daß ich die Treu’ dir lohn' an deiner rau. 
Set muß ich fort! 
(Gr gebt auf die Türe zu.) 
Elifabeth, 
Pie fe ihm öffnen). 
Gott fegn’ Euch! 
Ottokar 
(bleibt an der Thüre Reben). 
Margaretke, 
Co bift du tobt, und haft mir nicht verzieh'n! 
(Cr fommt zurüd.) 
Biſt hingegangen, treue, fromme Eeele, 
Mit dem Gefühl des Unrechts in der Bruit, 
Und ftehft wohl jet vor Gottes Richterftuhl, 
Und klagſt mi) an, rufft Rache wider mich! 
D thu's nicht, Margaretha, thu es nicht! 
Du bift gerädht. Um was ich dich und Alles gab, 
Gefallen ift'3 von mir, wie Laub im Herbft; 
Was ich gefammelt, ift im Wind zerjtoben, 
Der Eegen fort, der fruchtend fommt von oben, 
Und einfam fteh’ ich da, von Leib gebeugt, 
Und Niemand tröftet mich und hört mich! 
(Ex tritt näher.) 





> Fünfter Aufzug. 157 


Cie haben ſchlimm an mir gethban, Marg’rethe! 
Der Undank bob fein Haupt auf gegen mich. 
Die mir die Nächften, haben mich verrathen, 
Die ich gehoben, baben mid) geftürzt. 
Das Weib, um das ich hingab deinen Werth, 
Sie hat das Herz im Bufen mir zerfpalten; 
Die Ehre mein verfauft an meinen Knecht, 
Und als ich blutend heimlam aus der Schladht, 
Goß fie mir Gift, ftatt Balfam, in die Wunden. 
Mit Hohn und Spott hat fie mich aufgeftachelt, 
Daß blind ich rannte in das Todesnetz, 
Das nun zufammenfchlägt ob meinem Scheitel. 
(Er niet am Sarge.) 
Du haft mich oft getröftet; tröfte nun! 
Streck' aus die kalte Hand, und fegne mid. 
Denn Eines fühl ich wohl: es Tommt zu Sterben; 
Der heut'ge Tag kann Ottokar verderben; 
Drum fegne mich, wie du gejegnet bit! 
(Er legt fein Haupt auf die Kiffen.) 
Elifabeth. 
Er betet, glaub’ ih. Nun, du guter Gott, 
Verzeih ibm auch! Und ach, der großen „Freude 
Für die hochjel'ge Frau! Sagt! ich's nicht immer: 
Er kehrt zurüd? Nun feid ihr doch beifammen, 


Sieht du? 
(Gegen Himmel blidend.) 


Stimme (von außen). 
ft bier der König? 
Elifabeth 
(zur Thüre hinausſprechend). 
Ei, er will allein fein! 
Sie ſollen ihn nicht ftören! 





158 König Ottolars Gind und Ende. 


(Sie laßt die Vorhänge herab.) 
Etreit und Haber, 
Dazu find’t fo ein Herr wohl immer Zeit, 
Die Zeit zum Beten aber fommt nicht immer. 
Schon wieder Lärm? ei, daß euch Gott, ihr Heiden! 
(Reuer Larm von außen. Gie geht, mit dem finger auf dem Mund 
Stiüfgmeigen gebietend, leiſe zur Zhüre hinaus ) 


Pla vor dem Haufe, wie zu Anfang des Aufzuges. 
Milota führt einen Quappen vor. Die Andern im Hintergrund. 
In Zwiſchentaumen Trompeten und Lärm von aufen. 
Milota. . 
Wie? Zawiſch Rofenberg, er ſendet dich? 
nappe. 
3a, Her! Knapp 
Milota. 
Er ift im Taiferlihen Lager? 
Anappe. 
Wohl. 
Milote. 
Wo ift fein Brief? 
Knappe. 
Ich habe feinen Brief, 
Er hieß mid nur — es klingt faft lächerlich — 
Er hieß mid) an das Lieben Euch erinnern: 
„Der Winter kehrt zurüd, die Roſen welken!“ 
Milota. 
Was will er damit? — Rofen — Nofenberg! — 
Sag ihm, die Rofen mögen immer blühn, 
Der Schnee ergeht; der Winter kehrt nicht wieder! 
(Rnegt ab.) 





Funfter Aufzug. 159 


Füllenfein (mm). 
Wo ift der König? 
Milote. 
Dben. 
Süllenfein. 
Teufel au! 
Es geht ſchon bitig her! 
Ein Ritter (tritt eilig auf). 
ft hier der König? 
Die Vorhut wird zurüdgebrängt. Schidt Hilfe! 
Milota. 
Er fäumt nod immer! 
Eüllenflein. 
Eiehe da, er fommt! 


Dttolar tommt mit dem Küfter aus dem Haufe. Frau Elifabeth 
. folgt. 
Ottokar (um Rüfır). 

Man wird Eu’r Haus verfchonen, wie nur möglich. 
Gehabt Euch wohl, und fchließt mich ins Gebet. 
Herbott, wie fteht's? 

Süllenfein. 

Eie find ſchon handgemein. 

Ottokar. 

Gebt mir den Helm! 

Fũllenſtein. 

Der Gaul von einem Dienſtmann 
Des Erzbiſchofs von Salzburg wurde ſcheu, 
Und riß ihn fort, die Andern ſprengten nad). 





160 Rönig Ottofar Glac und Ende. 


Ottokar 
(dat den Helm auf, und zieht das Schwerh. 
Nun denn, mit Gott! 
Küfer. 
Er fegn’ Euch, gnäd'ger Her! 
Elifabeth. 
Zu taufendmal! Und führ' Euch glüdlic beim. 
Ottokar. 
Wir wollen hoffen! 
(Trompeten von außen.) 
Httokar. 
Nun, wir fommen fchon! 
Wo find die Pferde? 
Süllenfein. 
Dort am Gitterthor! 
Ot tokar (chend). 


Voran! 
Eliſabeth. 
Gott ſegn' Eu'r Hoheit. 
(Zugleih mit dem Rüfter.) 
Glüd und Heil! 
caue ab.) 


Freie Gegend an der March. Es iſt heller Tag. 


Raifer Rudolf mit feinen Eöhnen, in Begleitung dferreihifger und 
anderer Mitter mit Fahnen, tritt auf. 
Audolf. 
Die Eonne fteigt aus Nebeln herrlich auf; 
Es wird ein fehöner Tag! Mein Sohn, du trittft 





Fünfter Aufug. 161 


Zum erftenmal auf öfterreich ſchen Boden. 

Sieh um dich her, du ſtehſt in deinem Land! 

Das Feld, das rings fich breitet, heißet Marchfeld, 

Ein Schladhtfeld, wie fich leicht fein zweites findet, 

Doch aud ein Erntefeld, Gott fei gebantt! 

Und dafür fol e3 immerbar dir gelten! 

Dort fließt die March; dort wo noch Nebel ringt, 

Liegt Wien, die Stadt; die Donau blinkt daneben, 

Bon vielen Infeln mannigfach getbeilt. 

Dort wirft du wohnen, gibt uns Gott den Sieg. 

Doc gilt’s zu Tämpfen erft, das ſollſt du auch. 

Die Rennfahn’ geb ich dir, die follft du führen, 

Mir vor fie tragen, glorreih dur die Schlacht. 
(Er gibt ihm die Fahne. — Zu feinem jüngern Gohne.) 

Dein junger Arm führt noch zu ſchwach den Gtahl, 

Du bleibft bei mir, in deines Vaters Hut. 


Ihr, Markgraf Hochberg, führt des Reiches Adler; 
Und wie der Adler lebend Wild nur beutet, 
Trefft den, der fämpft, und ſchonet deß, ber flieht. 
(Cr gibt in.) 
Dir, Konrad Haslau, ob ſchon altergrau, 
Vertrau' ich Deftreihs flatterndes Panier, 
Das du in zwanzig Schlachten rühmlich trugit. 
Ihr bleibt ihm nah, Herr Heinrich Lichtenftein, 
Und wahrt des Manns, und befien, was er trägt. 
Ha, wohl verwahrt! Sucht’ ich nad) einem Schüger 
Zür dieß mein Haupt, id) wüßte feinen Befjern, 
Als einen Lichtenftein! Wohlan, ihr Herrn, 
Nehmt das Panier und tragt es Allen vor, 
Den eblen meißen Strich von Deſterreich; 
Und mie er glänzend geht durchs rothe Feld, 
Grillparzer, ſammil. Berke. IV. 11 


162 König Ouolars Glac und Ende. 


So will ich fehen Oeſtreichs weiße Zeichen 
Die Gaffe ziehn durch blutgefärbte Leichen. 


Nun vor, mit Gott! und Chriftus fei der Schlachtruf! 
So wie er ftarb für uns am blut'gen Holz, 
So wollen wir auch fterben für das Recht, 
Ob aud das Unrecht Güter böt’ und Leben. 
Ehrwürd'ger Herr von Bafel, geht voran, 
Stimmt uns das Schlachtlied an: Maria, reine Maid! 

Biener (ommt). 
Die Königin von Böhmen, gnäd'ger Herr! 
Rudolf. 

Wie fommt fie her zu mir? 


Die Königin mit Zawiſch auftretend, Hinter ihnen wird Bertha 
geführt, mit Begleitern, die gurüdbleiben. 
Königin. 
Hier bin ich felbft! 
Um Schuß zu flehn, komm' ich in Euer Lager. 
Rudolf. 
Schuß, edle Frau, bei Eures Gatten Feind? 
Königin. 
Weil mir der Feinde grimmigfter mein Gatte. 
Er raft, zumeift gen die, jo ihm am nächſten, 
Und fliehend nur erhielt ich faft mein Leben. 
Audolf. 
Gar viel Vertrau'n ſchenkt Ihr mir, Königin? 
Denn Frauen kenn' ich, fonft wohl hohen Muths, 
Die aber lieber tobt von Gattenhand, 
Als daß fie flöh'n zu denen, bie ihn töbten. 





danfter Wufzug. 163 


Doc mögt Ihr immer dort in meinen Zelten 
Des Ausgangs harten, der Euch wohl verfühnt. 
(Zu einem Begleiter.) 
Bringt die erlauchte Frau in Sicherheit! 
Königin. 
Ich dank' Eu’r Hoheit — Zawiſch, fommt mit mir. 
m.) 


Rudolf. 

Ihr, Herr, fteht nicht bei Eures Königs Fahnen? 
Zawiſch. 

Der König bat mich hoch und ſchwer beleidigt. 
Rudolf. 

Beleidigt, Herr? und bei gedenkt hr jetzt, 

Wo er vielleicht dem Tod entgegen geht? 

Dantt Gott, Herr, daß Ihr nicht mein Unterthan, 

Ich wollt’ Euch das Kapitel fonft erflären! 

Folgt Eurer Königin, die Euch ftatt eines Königs. 
Gewiſch ab.) 
Rudolf. . 

Noch Eins, eh’ wir zur Schlacht. Ich hab’ erfahren, 

Daß unter denen, die ich geftern Abends 

Zu Rittern ſchlug, und bie ob einer Unbild 

Dem Böhmenkönig abhold, ober fonft, 

Vor allen aus den öſterreich ſchen Landen, 

Ein Bund befteht, ihn in der Schlacht zu fuchen, 

Und daß ihn jener töbte, der ihn fand. 

Den Bund vernicht’ ich hier, als euer Kaifer, 

Und jebem unterfag’ id), Hand zu legen 

An König Ottokar zu dieſer Frift; 

Den einzigen Fall der Nothwehr ausgenommen. 

{Bu Seyfried Merenberg, der neben ihm Reht.) 
Habt Ihr verftanden, Herr? und fo mit Gott! 


164 König Ouiotars Glüd und Ende. 


66 Rürt Einer herein. 
Krieger. 
Die Böhmen nahn! 
Audolf. 
Die Defterreiher find jchon da! 
Wir werden uns doch wohl nicht fürchten follen? 
Ein einzler Haufe; fliegt euch an, ihr Herm! 
Herbott von Füllenſtein mit einem Haufen. 
Fũl len ſte in (ereinfürgene). 
Wo iſt der Kaiſer? Nur den Kaiſer ſuch' ich! 
Rudolf. 
Hier ift er, Freund! 
FSüllenftein. 
Bald heißt es wohl: er war! 
Rudolf. 
Das frägt fi noch! Ei, laßt ihn nur, ihr Herrn, 
Das Fechten möcht! ich doch nicht ganz verlernen. 
Komm an, mein Freund! 
Füllenſte in. 
Ihr folgt, und ſchlagt ſie todt! 
Gefecht. Ale ob.) 


Ein anderer Theil des Sqchlachtfeldes. Links im Borgrunde dab 
Ende eines Hugels, auf die Bühne hereinlaufend, daneben ſieht 
ein Baum. 
Dttofar tommt, auf einen Quecht gefügt, zwei Andere un 
Milote folgen. \ 
Sttokar. 

Herr Milota, Eu'r Haufe greift nicht an! 

Wo bleiben Eure Mährer? Tod und Teufel! 





Fünfter Uufzug. 165 


Ich fürcht', Ihr feid ein Schurk, Herr Milota! 
Und feid Ihr e8, Herr, weil ich Euch vertraut, 
Seid hr es zehn: und hundertfach! 


Sie haben mir das Pferd erftohen unterm Leib; 
Das Bein ſchmerzt noch vom unverfeh'nen Sturz. 
Geh hin und ſuch' ein Pferd; ich weile hier. 

(Einer ab.) 
Ihr, Milota, jagt hin zu Euren Mährern — 

Doch nein! Bleibt da! Geh du, und ſag' der Nachhut: 
Sie ſollen auf den Feind, fonft will ich, Peft! auf fie! 
(Der Zweite 0b.) 

Seht mir ins Antlig, Milota! Daß Gott! 

Ihr ſchaut mit Grimm. Ich hoff, das gilt dem Feind; 
Denn gält' es mir, auf Eurem Tobbett, Herr, 

Würd’ Euch ein Milota genüber ftehn, 

Und alfo ſchau'n in Euer brechend Aug’. 


Steigt dort auf jenen Hügel, Herr, und forſcht 

Nach Füllenftein und wie das Treffen geht. 
Milota ab.) 
Du, leite mich zu jenem Baume hin, 
Daß ich mich halte, bis ein Pferb zur Hand. 
Und fieh did um, und ſag's, wenn Feinde nahn. 
(Gr Reht am Baum, und hält fich mit der Sand an einem niedrigen, darren 
Zweige.) 

Die Böhmen fechten matt, wie man wohl ficht 
Für einen Ungeliebten, nothgedrungen. 
Die Deftreihamänner und die Steirer aber, 
Die fonft nur träg mir ihren Dienft eriviefen, 
In Todesengel feinen fie verwandelt, 
Und jeber ift ein Held nun wider mich, 
Der Zahltag ift erfchienen, und fie zahlen! 


166 Minig Ouolars Gläd und Ende. 


Ich hab’ nicht gut in deiner Welt gehauf't, 
Du großer Gott! Wie Sturm und Ungemitter 
Bin ich gezogen über deine Fluren; 

Du aber biſt's allein, der ftürmen kann, 
Denn du allein kannſt heilen, großer Gott. 
Und hab’ ih aud das Schlimme nicht gewollt, 
Wer war ih, Wurm? daß id mich unterwand, 
Den Heren der Welten frevelnd nachzuſpielen, 
Durchs Böfe ſuchend einen Weg zum Guten! 


Den Menſchen, den du hingeſetzt zur Luft, 
Ein Zmwed, ein Selbft, im Weltall eine Welt — 
Gebaut haft du ihn als ein Wunderwerk, 

Mit hoher Stirn und aufgeriht'tem Naden, 
Gelleivet in der Schönheit Feierkleid, 

Und wunderbar mit Wunbern ihn umringt, 

Er bört und fieht und fühlt und freut ſich. 

Die Speife nimmt er auf in feinen Leib; 

Da treten wirkende Gemwalten auf, 

Und weben fort und fort mit Fafern und Gefäß, 
Und zimmern ihm fein Haus; fein Königsſchloß 
Mag fi) vergleichen mit dem Menſchenleib! 

Ich aber hab’ fie hin zu Taufenden geworfen, 
Um einer Thorheit, eines Einfalls willen, 

Wie man ben Kehricht fehüttet vor die Thür. 
Und Keiner war von ben Geblieb'nen allen, 

Den feine Mutter nit, als fie mit Schmerz geboren, 
Mit Luft gedrüdt an ihre Nährerbruft, 

Der Vater nicht als feinen Stolz gefegnet, 

Und aufgezogen, Jahrelang gehütet; 

Wenn er am Finger ſich verlegt die Haut, 

Da liefen fie herbei und banden's ein, 


Fünfter Kufzug. 167 


Und fahen zu, bis endlich es geheilt: 

Und 's war ein Finger nur, die Haut am Finger! 
Ich aber hab’ fie ſchockweis hingefchleubert, 

Und ftarrem Eifen einen Weg gebahnt 

In ihren warmen Leib. — Haft du befchloffen 

Zu gehen ins Gericht mit Ottokar, 

Co triff mich, aber ſchone meines Volks! 


Geblendet war ich, fo hab’ ich gefehlt! 
Mit Willen hab’ ich Unrecht nicht gethan! 
Doch einmal, ja! — und noch einmal! D Gott, - 
Ich bab’ mit Willen Unrecht auch gethan! 


Es ift nicht Todesfurcht, was fo mich reden läßt. 
Der du die Herzen Aller Iennft, 
Du weißt, ob biefes Herz die Furcht bewegt! 
Doch wenn dich eines Mannes Reu' erfreut, 
Den nicht die Strafe, ven fein Unrecht fehredt: 
So fieh mic) hier vor deinem-Antlig Inien, 
(et Miet) 
Und hör’ mich beten, wie ich jetzo bete: 
Geh als ein Gott der Gnade zu Gericht! 
Et fentt fein Qaupt.) . 


Seyfried von Merenberg tritt, ganz geruſtet, im Hintergrunde auf, 


Seyfried. 
Ottokar! 
Ottokar. 
Wer ruft? 
Seyfried 
(hinten Reben bleibend). 
Wo haft du meinen Vater? 


168 König Ortolark Glac und Ende. 


Ottokar (Acht auf). 
Wer bift du? — Merenberg! 
Seyfried. 
Wo haft du meinen Bater? 
Ottokar 
Gumpf vor ſich hin). 
Als Gott den Kain fragte, ſagte der: 
Mir haft du ihn zu hüten nicht gegeben! 
Seyfried. 
Ih gab ihn bir, ich felbft, mein eigner Unfinn! 
Und jegt fteh’ ich vor dir, in Stahl gelleidet, 
Und forbr’ ihn wieber: gib mir meinen Vater! 


Otto kar. 
Du weißt wohl, wo er iſt. 
Seyfrisd. 
Wohl weiß ich's: tobt! 
Sttokar. 
Er büßte, wie Verräther! 
Seyfried. 


° Er, Verräther? 


Er war dir nur zu treu, dir, mir, ber ganzen Welt. 
Um meinen Dienft beim Kaiſer wußt' er nicht; 
Der Brief, den er mir gab, enthielt nur Bitten 
Für dein verftoß'nes Weib. 

Ottokar. 

So hat ihn Gott! 

Seyfried. 

Er hat ihn, ja! Empfiehl ifm beine Seele! 
(Stürzt mit dem Schwerte auf ihn 108.) 





Fünfter Aufzug. 169 


Gmerberg tritt auf. 
Emerberg. 
Seyfried, was thuft du? 
Seyfried. 
Sieh, er mahnt mit Recht! 
Der Kaifer hat verboten, dich zu töbten, 
Mit Waffen; doch ih will, ein Bafilist, 
Verſuchen mit den Augen dich zu töbten. 
Sieh ber nad mir und höre: Merenberg!. 
Der Hölle Ruf dereinftens: Merenberg! 
Ottokar. 
Gebt Raum, ich muß zu meinem Heer! 
Seyfried. 


Du bleibſt! 
Du warſt mir Lehrer, warſt mir Mufter, Beifpiel, 
Ich habe dich geehrt, wie Niemand fonft; 
Der Erde Ruhm ging mir in bir zu Orabe, 
Der Erde Glüd in meines Vaterd Haupt. 
Gib das Vertrauen mir auf Menſchen wieder, 
Den Vater wieder, den ich felbit geliefert, 
Ich felbft in deine Hand. Vorſchneller Würger, 
Sieh mir ins Antlig; es ift Merenbergs. 
Komm, tödt' ihn noch einmal in feinen Zügen! 
Bttokar. 
Schließ deinen Helm, dann fei des Kampfs gewährt. 
Seyfried. 
Nicht alfo! Nein! Ficht, König, mit den Todten! 
Hei, tapfrer Ditofar, mit Eins fo feig? 


Dttotars Knecht tommi zurüd. 
' 


Anecht 
Herr Milota, zu Hilfe! Feinde! Feinde! 


170 aduig Ottolarh Glac und Ende. 


Seyfried Gu Gmerseg). 
Halt’ den zurüd! Er muß fi) mein erwehren! 
Daß ich dem Kaifer fagen-möge: Herr, 
Ich ſchlug ihn nicht, er felber fiel mich an; 
Den Fall der Nothwehr habt Ihr ausgenommen! 
(Emerderg fiht mit dem Anedt.) 
Anecht. 
Her Milota! 
Emerberg. 
Entweich! 
Anecht. 
Ach Gott! ach Gott! 
(Ex ſaut geiroffen zu des Mönigb Fuben.) 
Ottokar 
fein Schwert aufnehmend). 


So ſeis! 
Milota kommt. 
Ottokar. 
He, Milota, hilf deinem König! 
Seyfried. 
Freund oder Feind? 
Milota. 


Nicht euer Feind, ihr Herren! 
Gebt bier der Weg nach Mähren? 
Attokar. 
Milota! 
Milote. 
Mein Bruder, Beneſch Dieditz, läßt Euch grüßen; 
Er iſt geſtorben als ein Sinnberaubter, 





Sänfter Aufzug. 171 


Und Muhme Bertha raft an feinem Sarg. 
Gebt Raum, ihr Herrn! Glüd auf! ich ſtör' euch nicht. 
(Gebt, in feinen Mantel gehült, vorüber und ab.) 

Bttokar. 

Verläßt du mid, und kann ich dich nicht fchelten? 

Und doch war ich bein Herr, drum Schurke du, auf ewig! 
Seyfried. 

Gib did! 
Ottokar. 

Vermeinſt du Ottokarn zu fangen? 
Es gilt zu fechten! — 
(Gr tritt hart auf den verlegten Fuß.) 

Trage Fuß! 

Sept ift nicht Zeit zu ſchmerzen! Ihr, gebt Raum! 
Emerberg. 

Du bift verloren, fieh, die Deinen fliehen! 

(Bliepende Böhmen bededen den Kintergrund.) 

Ottokar. 

Du lügſt, fein Böhme flieht! Zu ihnen! Fort! 

Seide 


Du bleibſ (mit vorgehaltenen Schweriern). 
u bleibt! 


Oeinrich von Lichtenftein tritt mit einer Schaar, verfolgend, im 
Mittelgrunde auf, und eilt nad hinten, daB Banner von Oeflerreih in 
der Hand. 


ſCichtenſtein. 
Die Feinde fliehn! Hoch! Oeſterreich! 
Ottokar. 
Steht, Memmen, ſteht! 
Und ihr gebt Raum! 


172 König Ottolars Glac und Ende. 


Seyfried. 
Im Grabe! 
Sonft nicht! 
Httokar (einen Hieb führend). 
Hier Böhmen! 
Seyfried (een fo). 
Und bier Defterreidh! 
Ottokar (mit einem neuen Sieb). 
‚Hier Ottokar! 
Seyfried. 
Hier Merenberg und Gott! 
’ (Gr Yaut ihn nieder.) 
(Ottofar fürzt nieder, rafft fi ſchnell wieder auf, taumelt einige Schritte, 
und fällt dann todt neben der Hügelerhöfung hin.) 
Emerberg. 
Was thatft du? Das Gebot verlegt des Kaiſers! 
(Werenberg Reht, die Hände hinabgefunten, unbeiseglic da.) 
Seinrich von Cichtenſtein (dommt zuräd). 
Sieg! Sieg! Die Feinde fliehn! Hoch, Defterreih! 


Nudolf tritt auf mit Gefolge. 


Rudolſ. 

Halt ein mit Tödten! Schont der Ueberwund'nen! 
Was iſt hier? Was hat dich zu Eis verwandelt? 
Ha, Ottokar! am Boden, blutend, todt! 
Du haſt's gethan! Flieh, wie der erſte Mörder, 
Und laß dich nimmer ſehn vor meinem Blick! 

(Berenberg entflicht.) 
Die Böhmen follen heimwärts ziehn, 
Für den fie ftritten, ruft es aus, ift tobt. 





Fünfter Aufzug. 173 


Frau Elifabeth Hinter der Scene. 
Elifabeth. 
Gewalt! Gewalt! 
Rudolf. 
Ber ruft? 
Elifabeth 
(!ommt und wirft Ad dem Raifer zu Gühen). 
Ad, gnäd'ger Raifer! 
Sie plündern drin im Haus, fie zünden an, 
Und gönnen felbft den Todten nicht die Ruh! 
Ad, ſchützt ung, Herr! 
Rudolf. 
Man fol zu Hilfe fehn! 
Wer bift du? 
. Elifabeth. 
Ad, der Königin Marg'rethe 
Von Defterreich getreue Kämmerin, 
Und bie dort tragen meiner Frauen Leiche. 
Bier Männer, von ihwarigelleideten Frauen begleitet, tragen den 
Sarg herein. 
Rudolf. 
Sieh dort die Leiche deines Herrn! 
Elifabeth. 
Ach Gott! 
So ftarb er! G'rade da er fanft geworben! 
Du armer Herr! Setzt bin dort unfre Leiche, 
So liegen fie im Tobe doc} vereint. 
(Der Sarg wird auf eine Erhöhung zu Ottolars Haupt gefeht.) 
Die Königin tommt, hinter ihr Zawiſch und Werth. 
Königin. 
Der König ift gefangen, wird gefagt. 


174 König Ouolars Glac und Ende. 


Rudolf. 
Hier, Weib, hier liegt dein Mann! 
(Die Adnigin Anft, mit einem Wusruf, bebend in die Mic) 
(Zawiſch Reht mit gefenttem Kaupte.) 
Rudolf dortfahrend). 
Zu feines Weibes Fühen; 
Denn daß fie'3 blieb, hat fie im Tod erprobt. 
Sertha 
(iR Hinter dem Garge auf die Gröhung getreten, und lehnt mit dem Een 
bogen darauf, jet podt fie an den Garg. und fagt:) 
Mad’ auf, Marg'rethe, fieh, dein Mann ift da! 


Dit mehreren Gefangenen iR der Kanzler hereingebradit worker, 
er eilt hin. 
Kanzler. 

D Herr! du mein verirrter, twadrer Herr! 

(Cr nimmt Ottofard Kaupt in feinen Gioof.) 

Audolf. 

So liegft du nadt und ſchmudlos, großer König, 

Das Haupt gelegt in deines Diener? Schooß: 

Und ift von deinem Prunk und Reichthum allen 

Nicht eine arme Dede dir geblieben, 

Als Leichentuch zu hüllen deinen Leib. 

Den Kaifermantel, dem du nachgeftrebt, 

Ich nehm’ ihn ab und breit’ ihn über dich, 
(er thut eb) 

Daß als ein Kaifer du begraben werbeft, 

Der du geftorben wie ein Bettler bift. 

Bringt ihn nach Laa, und ftellt ihn fürftlich aus, 

Bis man ihn holt zur Rubftatt feiner Ahnen. 

(Cr entblößt daß Qaupt und betet Ril, die Andern tyun daflelbe. Kunigundt 

verhüüt fih, Zawiſch blidt Aaır vor Rh. Baufe.) 





Sinfter Aufzug. 175 
Sertha 


(no& immer auf den Gargdedel gelehnt). 
Und vergib uns, als auch wir vergeben! 
Und führ' und nicht in Verfuchung! 
Rudolf. 

Nicht führ' uns in Verfuhung, großer Gott! 
Und nun, mein Sohn, im Angeſicht der Leiche, 
Vor diefem Tobten, der ein König war, 
Belehn’ ich dich mit Deftreih® weitem Erbe. \ 
(Kuf feinen Wint knien feine beiden Göhne nieder. Cr fpricht Immer 

vorgugsiweife zu dem Weiten.) 
Sei groß und ſtark, vermehre bein Geſchlecht, 
Daß es ſich breite in der Erde Fernen 
Und Habsburgs Name glänze bei den Sternen! 
Du fteh’ in Allem deinem Bruber bei! 
Doc folltet ihr je übermüthig erben, 
Mit Stolz erheben euren Herricherblid, 
So denkt an den Gewaltigen zurüd, 
Der jetzt nur fiel in Gottes ftrenge Hände, 
An Dttofar, fein Glüd und an fein Ende! 
Steb auf! und du! Und niemals kniee wieder! 
Ich grüße dich als diefes Landes Herrn. 
Und ihr auch grüßt ihn, laßt es laut erfchallen, 
Daß weit es fich verbreite, donnergleich: 
Dem erften Habsburg Heil in Oeſterreich! 

Alle 


Hoch Defterreich! 
Habsburg für immer! 
(Indem Wille unter Trompeten und Jubelgefärei niederknien, um die 
Quloigung zu leiſen, fält der Borbang.) 


Heill Heil! 





Dttofar wurde am 19. Februar 1825 zum erftenmale 
aufgeführt. Zwei „Jahre lang war das Manufeript in der 
Genfur verblieben, ja es galt für verfchollen und verloren, 
als von Seiten der Kaiferin nach demjelben gefragt murbe. 
Ein Unwohlſein der Kaiferin führte zu diefer Nachfrage: 
e3 follte ihr etwas vworgelefen werden, @ınd zwar wünschte 
fie ein neues Stüd zu hören, welches beim Burgtheater 
eingereicht wäre. Ä 

Keines ſchien interefjant genug. Da erinnert fich der 
Berichterftatter, daß vor langer Zeit ein „König Dttofar“ 
von Grillparzer eingereicht worden, aber von der Cenfur: 
bebörde als nicht zuläflig befunden worden fei. Nun wird 
nach diefem „Ditofar” gefucht, er wird mühſam aufgefun- 
den, wird der Kaiferin vorgelefen, und wird von diefer 
nun dem Kaifer empfohlen. 

Dr. Conftant von Wurzbad), der ſorgfältigſte Sammler 
Öfterreichifcher Vorgänge und Perfonalien, berichtet wie 
folgt: „Ein vaterländifcher Dichter, ein vaterländifcher 
Stoff, das erſte Schauſpiel diefer Art, das auf die Bühne 
fam! Es war ein Ereigniß, neu in feiner Art, und feit 
den Franzofentagen eine foldde Aufregung — freilich ın 
andrer Richtung — nicht erlebt. In den Laden der Wallis: 
bauferfchen Buchhandlung, wo an diefem Tage (19. Februar) 
das Buch zum erftenmale ausgegeben wurde, Tonnte gegen 
Mittag Niemand mehr hinein. Weber 600 Exemplare 





König Ottolard Glüd und Ende. 177 


des gedrudten Stüds wurden an biefem Tage abge: 
fest." — „Der Erfolg des Stüdes im großen Publitum 
war nit nachhaltig; bie tiefe politiihe Bedeutung ber 
Dichtung, die meifterhafte Charakteriftil der Figuren war 
ihm nicht ganz Har geworden. Da damals bereits die 
Genfur beftand, fo war es nicht leicht möglich, ihm bie: 
felbe Har zu machen. Hingegen außerorbentlih war ber 
Erfolg bei den tiefer denkenden Kritikern Oeſterreichs, 
welche zu ber damals noch dünngefäten und mehr nad) 
Inſtinlkten als nad) politifchem Bewußtſein die Verhältnifie 
anſchauenden großöfterreihifchen Partei zählten. Das 
Drgan berjelben war das ſeitdem nicht wieder erfegte Hor⸗ 
mayrſche „Archiv für Geſchichte.““ 

Es iſt und nicht erinnerlich, daß irgend ein einheimi— 
ſches ober frembes dramatifches Werk eine fo eingehende 
Beurtheilung erfahren hätte als biejes. Es wurden ganze 
Abhandlungen darüber gejchrieben. 

Der oberften Regierung war und wurde das Stüd 
unbequem. Wie das möglich geweſen bei einer fo wohl: 
thuenden Verherrlihung Rubolphs von Habsburg, des 
Gründers der Dinaftie, das erklärt fih nur aus dem 
Syſtemwechſel, welcher nah Maria Therefia und Joſeph 
dem Zweiten eingetreten war. Jene beiden ſchöpferiſchen 
Regenten hatten das Reich feinem Urfprunge und feiner 
ganzen Entwidelung gemäß auf deutſches Wefen und 
deutſche Bildung geftügt. Die fi) augbreitende Bildung 
aber war mit Ende des vorigen und mit Beginn bes 
jegigen Jahrhunderts dem Kaiſer bevenklich geworben. Sie 
hing zufammen mit den revolutionären Gedanken der Zeit, 
und man meinte den Staat fiher zu ftellen, wenn man 
ihn abjperrte von dieſen Gedanken der Zeit. Man ftügte 


fh nun gern auf die einzelnen, verſchiedenartigen Völker— 
Griltparzer, fämmtl. Bere. IV. 12 





178 adnig Ottofard Glüd und Ende. 


{haften des Reichs, und es paßte in biefes Syſtem 
nicht, daß bie Unterwerfung Böhmens unter das beutfhe 
Macht: und Kulturgebiet gefeiert würde. Dem tſchechiſch 
verbliebenen Theile Böhmens follte die Erinnerung an 
die Niederlage Ottokars erfpart werben, obwohl dieſer 
Ditofar felbft ein Reformator im deutichen Sinne geweſen, 
und dem feparatiftiichen Tſchechen ferne ftehen follte. Das 
Ausſprechen von Grundfägen der Volls: und Staatsbil 
dung follte überhaupt vermieden werben, befonbers auf 
dem Theater vermieden werben, und fo bildete fih an 
höchſter Stelle ein Widerwille gegen fold ein Theaterftüd, 
welches zwar die Dynaftiegründung verberrlichte, aber 
übrigens ftörte. 

Man war nahe daran, es geradezu mit einem Verbote 
zu belegen. Es findet fi in Grillparzers Nachlaß ein 
Auffag, der fi) dagegen auflehnt. Man unterlief denn 
aud ein direktes Verbot, aber es wurden die Aufführun: 
gen doch unterbrochen und felten gemacht. 

Vom Jahre 1839 an hörten fie ganz auf. Erſt 1856 
wurden fie neu aufgenommen, und nun unter lebhafter 
Theilnahme des Publikums bis zum Jahre 1867 regel 
mäßig wieberholt. 

Die Wirkung des Stüdes war jeßt, in neuerer Zeit, 
eine vielfach andere als in ber früheren Zeit. Außer ber 
erweiterten politifchen Bildung des Publikums lag das 
in ber verſchiedenen Beſetzung des Hauptcharakters, bes 
Ditofar. Früher fpielte ihn Ludwig Löwe, welcher mit 
loderndem Feuer begabt war, und ben erften Akt, einen 
der mächtigſten Afte in unfrer dramatiſchen Literatur, zu 
außerorbentlider Geltung brachte. Die fpätere Entwide 
lung des Dttofar-Charafters, nach innen gehend und äußer 
lich weniger dankbar, entſprach dem Naturell Löwe's nicht, 





König Ottolars Glück und (Ende. 179 


und fo ging das Stüd in ber Theateriwirlung der zweiten 
Hälfte ſtark abwärts; der Schluß erihien matt. Joſeph 
Wagner, der zweite Darfteller Ottokars, wirkte ſchwächer 
im erften Theile der Rolle, dagegen viel ftärker im zweiten 
Theile, welcher ibm, einem guten Hamletfpieler, willfom: 
menen Anlaß bot zu ftufenmweifer Darlegung der tragifchen 
Gedanken und Empfindungen. Da nun der erfte Theil 
des Stüdes an und für ſich der ftärfere ift, fo blieb er 
in Macht, auch wenn er nicht mit fo fortreißendem Wefen 
gefpielt wurde, und der gehobene zweite Theil fam dem 
Ganzen überaus zu ftatten, welches nun einen größeren und 
tieferen Eindrud machte. 

Es ift außer Zweifel, daß die Figur Napoleons I. 
Grillparzer vorgeſchwebt bat bei Bildung ‚der Ottokarfigur. 
Natürlich nur in gewifien Punkten. Grillparzer felbft bat 
mir das gejagt, indem er lächelnd all der Einfchränfun- 
gen erwähnte, melde die bloße Veranlaflung mit fich 
bringt. Der erfte Titel auf dem Driginalmanufcripte lautete 
auch: „Eines Gewaltigen Glüd und Ende.“ 

Studien und Vorarbeiten zu diefem Stüde liegen im 
Nachlaſſe reichlichft vor, Hefte, welche drei Bände füllen 
würben. Unter den biftorijhen Studien wohl ein halber 
Drudband wörtlide Auszüge aus Ottokar von Horned, 
ferner aus Pubitichla, Lambacher, Fuggers Chrenipiegel, 
Paltrams Chronif und dem Codex epistolaris Rudolphi 1. 

Auch ein ganz ausführlicher Plan des Stüdes findet 
fih, in welchen einzeln ausgeführte Scenen eingeftreut 
find, ein langfames Vorgehen befundend, was fonft nicht 
Grillparzer® Art geweſen. Das erfte hiſtoriſche Stüd, 
welches er im Dttofar fchrieb, erklärt wohl dieſes lang: 
jame Vorgehen. Die Form eines rein hiftoriichen Stüdes 
war ihm nicht beſonders zufagend, er zog es vor, ben 





180 | König Ottokars Glüd und Ende. 


Stoff nad eigner poetifcher Erfindung zu geftalten; trat 
er aber an folch eine Aufgabe, fo fammelte er dag Ma: 
terial mit großer Grünblichkeit, und ging bei der Aus: 
führung vorfihtig zu Werke. König Ottokars Glüd und 
Ende ift denn auch eine ber volliten hiftorifchen Tragödien 
in unfrer dramatifchen Literatur, und der Reiz ift auf 
einer öfterreichifchen Bühne ſehr groß, menn hiftorifche 
Dinge, Namen und Gefchlechter, die der Lichtenfteine zum 
Beifpiel, vor Auge und Ohr des Publikums treten. 


9. £. 





Ein 


treuer Diener feines Seren. 


Trauerfpiel in fünf Aufzügen. 





Berfonen. 


König Andreas von Ungarn. 

Gertrude, feine Gemahlin. 

Bela, beider Kind. 

Herzog Dito von Meran, ber Königin Bruder. 
Banchanus. 

Ernh, feine Frau. 

Graf Simon, Bruder bed Banchanus. 

Graf Peter, Ernh's Bruder. 

Der Hauptmann des Töniglichen Schlofied. 
Zwei Edelleute vom Herzog Otto's Gefolge. 
Mehrere Hauptleute. 

Ein töniglider Kämmerer. 

Ein Arzt. 

Eine Rammerfrau der Königin. 

Ernh's Rammerfrau. 

Zwei Diener des Banchanus. 

Zwei Diener der Königin. 

Ein Soldat. 


Erfter Aufzug. 


Saal in Banchanus Haufe. Hohe Vogenfenfter, alterthümliches, 
unſcheinbares Geräthe. Lichter auf dem Tiſche. Bor Tagesanbruch. 
Bancbanus im Borgrunde am Tiſche Rehend. Zwei Diener find 


befhäftigt, ihm anzuffeiden. Der Eine Hält den Ralpat, der Andere 
niet, die Spoten befefigend. 


(Bon der Etraße herauf tönt unter Gefhrei, Gelachter 
und Handeklatſchen:) 
Banchanus! Ho, Banchanus! 
Sancbanus. 
Der Sporn da brüdt! 
Erfter Biener. 
Ach Herr! 
Sanchanus. 
Bei tol und unklug! 
Du ziehft ja fefter an! Laß nad! laß nach! 
‚ Erfter Biener. 
Man weiß faum, was man thut. 
Sancbanus. 
So ſchlimmer denn! 


Erſter Biener. 
Der Lärm — r 





186 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Suancbanus. 
Was nur? 
Erfler Diener. 
Dort unten auf der Straße — 


Sancbanus. 
Mas kümmert dich die Straße? Sieh du bier! 
Ein Jeder treibe, mas ihm felber obliegt; 
Die Andern mögen nur ein Gleiches thun. 


Gefſang (ur Bitherbegleitung auf der Straße). 
„Alter Dann 
Der jungen Frau, 
ft er klug, 
Nimmt’3 nicht genau.“ 
Biele Stimmen (unter Lärm und Gelädter). 
Bancbanus! Ho, Banchanus! 
Erfter Diener 
(die Fauſt vor die Stirn gedrädt). 
Daß Gift und Pet! 
Sanrbanus 
(der mittlerweile den Gürtel umgebunden hat). 
Den Säbel nun! 
Erfier Diener. 
Ach Herr! 
Ihr wolltet —? 
Sancbanus. 
Was? 
Erſter Diener 
(den Eäbel halb ausgezogen). 
Den Säbel aus der Scheide — 
Das Thor geöffnet — wir da hinter Euch — 





Erſter Aufzug. 187 


Hineingefprengt ins höhnende Gelichter, 
Und — Hui! — wo waren fie? 

Sanrbanus. 

Bift du fo krieg'riſch? 

Ich will dir einen Pla im Heere fuchen. 
Hier wohnt der Trieben. Ich bin nur fein Miethamann, 
Sein Lehensmann, fein Gaft. 
Verhüte Gott, daß er mich lärmend finde, 
Und Mieth’ und Wohnung mir auf Umzeit künde! 
Die Narrentheivung laß, und gib den Säbel. 

(Er gürtet ihn um.) 
Der Ungar trägt im Frieden auch den Stahl, 
Züdt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl; 
Wie denn der Ehemann den Reifen, den er trägt, 
Auch in der Fremde nit vom Finger legt. 
Der Säbel an der Hüfte foll nur kunden, 
Daß Ungar und Gefahr, wie Mann und Frau verbunden. 
Nu, nu, laß nur und geh! 

Erfler Diener. 
Ah Herr! Mein Herr! 

Sie werfen Sand und Steine nad dem Fenfter. 

Sancbanus. 
So mad)’ es auf; die Scheiben often Gelb; 
Sind fie geöffnet, Ichaden feine Würfe. — 
Den Kalpak reiche bu, ich muß aufs Schloß. 
Der König will mit Tages Anbrud fort. — 
Was ift die Glode? 

äweiter Diener. 
Vier Uhr. 
Sancbanus. 


Hobe Zeit! 


Sieh du nad) meiner Frau. 





188 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Erſter Biener 
(am Fenfter). 
Dort fteben fie. 

Sancrbanus, 
Laß ftehn, laß ftehn! 

Erſter Biener. 

Der Prinz inmitten brin! 
Sancrbanus. 

Was Prinz? 

Erfier Biener. 

Ich hab's gefehn! 
Sancbanus 
(mit halb gezüdtem Säbel). 
Geſehen? — Schuft! 

Hätt' ich's geſehn mit dieſen meinen Augen, 
Weit eher glaubt' ich, daß ich wachend träume, 
Als Uebles von dem Schwager meines Herrn. 
Geh fort! — Muß ich hier toben wie ein Fant? 
Scheltwort' ausſtoßen, und — bei toll und unklug! — 
Ein Rath des Königs! — Nu, ein feiner Rath! — 
Ei wollt' ich doch, du wärſt auf Farkahegy, 
Zwölf Steine über dir! — Ei, dieß und das! — 
Geh, ſag' ich, geh! Ich will nicht weiter ſprechen. 


Dienerin kommt mit einem Vecher. 


Sancbanus. 
Was bringft nur du? 
Dienerin. 
Den Frübtrunf, gnäd’ger Herr! 
Sancbanus. 
Setz' immer hin. — Iſt meine Frau ſchon mach? 


Erſter Aufzug. 189 


Bienerin. 
Ja wohl! 
Sancbanus. 
Ya wohl? — Warum denn kommt fie nicht? 
Ja wohl ift zweimal „Ja!“ — Wenn zweimal wach denn, 
So follte fie doch minv’ftens einmal fommen. 
„Ja wohl!“ — Gott fegne mir die Redensarten! 
Ein andermal fprih: Ja! — Nun aljo denn, 
Darum nur fommt fie nicht? 
Bienerin. 
Ich sollte fragen, 
Ob Ihr erlaubt —? 
Sancbanus. 
Ich gebe mich gefangen! 
Die Thorheit, merk’ ich, ſteckt wie Fieber an. 
Ob ich erlaube, frägt fie? — Guter Gott! 
Soll ich erlauben? und hab’ nie verwehrt! 


Erny erfgeint an der Thüre. 


Sancbanus. 
Ei, Erny, grüß' dich Gott! Was fiht dich an? 
Läßſt du buch Kämm'rer mid um Einlaß bitten? 
Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind! 
Mach' mir nichts Neues, bitt' ich dich gar fehr. 

Erny 

(nad; vorn fommend). 
So zürnt Ihr nicht? 

Sancbanus. 

Warum denn? — Sa, dort unten —? 
Die Straße, Kind, ift Jedermanns Gemeingut. 





190 Ein treuer Tiener feines Herrn. 


Wir haben fie nicht berbejtellt, wir fünnen, 
Genau genommen, ihnen’3 aud nicht wehren. 
Db’3 gleich nicht artig ift, fo früh am Tage 
Die Schläfer ſchon zu ftören durch Gefang. 
Erny. 
Doch wißt Ihr denn auch, wer —? 
Sancbanus. 
Ich mag's nicht wiſſen. 
Erny. 
Gertrude ſagt — der Prinz — 
Sancbanus. 
Nun, ſei's darum! 
Der gute Herr hat Muße — laß ihn ſchwärmen! 
Geſſang (auf der Straße). 
„Schön’ Erny, lieb und gut, 
Berichläfit dein junges Blut; 
Vermähleſt ohne Scheu 
Dem Winter deinen Mai.” 
Biele Stimmen. 
Bancbanus! Ho, Bancbanus! 
Sanrbanus 
(der während des Gefanges den Becher ergriffen und getrunten hat). 
Der Mittlere fingt falſch, und hält nicht Talt. 
Daß Gott! Ein fchlechtes Lied verdirbt die reinfte Kehle! 
| Erny. 
Ha, Scham und Schmadh! 
Sancbanus. 
Für wen? — Mein liebes Kind! 
Nur eine Schmad weiß ich auf diefer Erbe, 
Und die heißt: Unrecht thun. 





Erſter Aufzug. 191 


Erny. 
Allein, die Worte — 
Des argen Liedes Worte, die fie fangen. 


Sancbanus. 
ch achtete nicht drauf, und rathe dir ein Gleiches. 
Der Vorzug iſt's der Worte vor den Thaten, 
Sie ſchäd'gen nur, wenn man ſich ihnen leiht. — 
Nun laß von Anbrem uns, von Nöth’'germ fprechen. 
Der König zieht nah Halifch mit dem Heer, 
Des Neiches alte Rechte zu bewahren; 
Mit Tages Anbruch will er heute fort. 
Ich bin befchieven, fammt den andern Räthen, 
Zu hören noch fein königlich Gebot. 
Sch geh’ aufs Schloß. 
Erny. 
Wie? Jetzt? 
Sancrbanus. 
Warum denn nidt? 
Erny. 
Sebt, da das Haus von jenen tollen Haufen 
Umlagert fteht? 
| Gancbanus. 
Mein Kind, gib dich zufrieden! 
Die lauten Kläffer ſcheu' ich nicht zumeiſt. 
Ich geh' in meines Königs Dienſt und Auftrag. 
Und dann — hätt' ich dieß Haupt an ſechzig Jahre 
Aufrecht getragen unter Sturm und Sonne, 
Damit ein junger Fant ſich muthig fühlte, 
Zu mehr, als drauß' zu lärmen vor der Thür? 
(Auf die Bruſt ſchlagend.) 
Sei ruhig, Kind, mein Wächter geht mit mir! — 





192 | Ein treuer Diener feine Herrn. 


Ich alfo will nach Hofe. Du indeß, 

Wenn's anders dir gefällt, zieh’ dich zurück 

Ins Innere des Haufes. Hörft du wohl? 

Verliſcht das Licht hier, und ermangelt Antwort, 
So wird der Polt'rer feines Polterns fatt, 

Und geht zulegt von jelbft. Willft du, mein Kind? 


Erny. 

Wie gern! 
Sanrbanus. 
Nun denn, leb’ wohl! Noch einen Kuß. 

Doch nein! So aufgeregt, das hieße rauben. 
Komm ich zurüd, jo gibit du ihn wohl felbit. 

Erny 

(in feine Arme eilend). 
Mein Gatte! 
Geſchrei (auf der Gaffe). 
Bancbanus! Ho, Bancbanus! 


Sanrbanus. 
Lärmet, lärmt nur zu! 
. (Die Hand auf Erny's Herz legend.) 
Wenn's ruhig bier, 
(auf feine eigne Bruf) 
ift hier auch Alles Ruh’! 
(Geht ab. Die Diener folgen.) 
Erny 
(bleibt in horchender Stellung, nad der Thüre gefehrt, fieben). 
Er geht. — Nun find fie ftil. — Hoch! — Es war nichts. 
Rammerfrau 
(die ein Licht ergriffen hat). 
Beliebt’3 Euch, gnäd'ge Frau? 





Erſter Aufzug. 193 


Erny. 
Ja ſo! — Ich komme. 
(Bum Gehen gewendet.) 

Sonft war der Prinz doch artig, ſcheu vielmehr. 
Was fah er wohl an mir, das ihm zu foldem 
Tolldreiſtem, frevlem Treiben gab den Muth? 
— Komm, fomm! Wir wollen noch ein Stündchen ſchlafen. 

(Geht ab. Die Aammerfrau mit dem Lichte voran.) 


Straße vor Bancbanus Haufe. 
Dtto von Meran, und Edellente von feinem Gefolge. Gie halten 
zum Theile mufitalifge Inftrumente. 
Erſter Segleiter. 
Das Licht verſchwindet oben in der Kammer. 
Otto. 
Beachtet man ſo wenig unſer Thun? 
Schlag' Einer an das Thor, und jubelt laut! 
Ich will ihn reizen, will! und gält's das Aergſte! 
Erſter Segleiter 
(am Thore horqhend). 
Der Riegel klirrt — man dreht den Schlüſſel, Herr! 
Der Feind thut einen Ausfall, wie es ſcheint. 
Otto. 
Zieht euch zurüd, und harret, was geſchieht. 
(Sie ziehen ſich zuräd.) 


Das Thor wird geöffnet. Banchanns tritt Heraus, vor ihm ein 
Diener mit einer Zadel. 
Sancbanus (sum Pförtner). 
Verſchließ das Thor genau, und öffne Niemand, 
Bis ich zurüdgefehrt. Hörft du? — Nun gut! 
(Das Thor wird geſchloſſen.) 
Grittparzer, fämmtl, Werte. IV. 13 





194 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Erfier Begleiter (teife. 
Es ift Banchanus felbft. 
weiter Begleiter. 
Er gebt nad) Hofe. 
Otto. 
Gebt ihm noch einen Aerger auf den Weg. 
Erſter Begleiter (aut). 
Der Dachs fährt aus dem Bau. 
Otto. 
Windhunde vor! 
Erſter Segleiter. 
Melamp! 
Bweiter Segleiter. 
Garzaun! 
Erfier Begleiter. 
Baff! Baff! 
weiter Begleiter. 
Bau! Bau! 
Diener. 
Seht Ihr? 
Sm Finftern ftehen fie. 
Sancbanus 
| Was kümmert's dich? 
Geh mit dem Licht voran, und leuchte. — Fort! 
(Quer über die Bühne gehend, ab.) 
(Otto nad vorn kommend.) 
Otto. 
Er iſt nicht aufzubringen, nicht zu ärgern! 
Was ich beginn', er ſpottet meiner Wuth. 
Ich will ihm nach, ich will ihn ſtehen heißen, 





Erſter Aufzug. 195 


Ihm laden in fein glogend Angeſicht. 
Ihr werdet fehn, die hochgefniff'nen Brauen, 
Sie ſenken fih um keines Haares Breite; 
Die Falten alle feiner Leberhaut, 
Sie bleiben, wie fie Zeit und Stumpfheit bogen. 
Ich zupf ihn an dem Bart, er merkt es nicht; 
Ich raſ und tob’ — er aber frägt: Was. nun? 
Setzt mic nad) Frankreich, bringt nad Wälſchland mid; 
Der Mann, der Bruber, der mein Liebchen hütet, 
Er mifhe Gift, er ſende Mörber aus; 
Den Todesdolch in der durchſtoßnen Bruft, 
Will fterbend ich ihm jagen: wohlgethan! 
Doch diefer Gleihmuth föltert, martert mich. — 
Bringt Licht! Ich will mein Toben ſehn! 
Erfter Segleiter. 
Allein, 
Bedenkt, erlauchter Herr! 
Otto. 
Bedenken? Was? 


Erſter Segleiter. 

Die Nachbarſchaft. 
Otto. 
Ich lache dieſer Tröpfe! 

Iſt meine Schweſter Königin im Land, 
Daß ich viel fragen ſoll nach Brauch und Sitte? 
Ich wollt’ ihn ärgern; ſeht, das war der Punlt. 
Ihn, der die Jagd mir hemmt, die Luft verdirbt. 
Was lümmert mid) fein Weib mit ihrem blonden Haar? 
Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemifcht; 
Mit ihrem Antlig, weiß und weiß, und weiß, 
Raum auf den Wangen röthlich überftrahlt. — 


196 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Schön ift fie wohl! — Wenn diejes blaue Auge, 
So ernjt und fchroff, und doch fo feurig au, 
Wenn's je — Ich fage dir, ich hab's gejehn, 

Wie fie, im vollen Kreis des ganzen Hofes, 

Die theilnahmlofen Augen — blau und groß — 
Nach mir hinrichtete, minutenlang, 

In ftarrer, mwohlgefälliger Betrachtung. 

Von mir ertappt, von meinem Blid begegnet, 
Zog fie den ihren nicht verftohlen ab, 

Nein, noch verweilend, wie ein Fühner Feind, 
Der nicht den Rüden kehrt, und langjam weicht, 
Ertrug fie die Begegnung, und erft fpät, 
Willkürlich, nicht gezwungen, kehrte fie 

Von mir den froſt'gen Strahl. — Es war nicht Liebe, 
Ich geb' es zu; doch Wohlgefallen war's. 

Allein, was kümmert's mich? Was frag' ich viel 
Nach ihr und ihrem Blick! — Noch andre Weiber, 
Und ſchön're Weiber gibt's, und minder ſpröde. 
Mich reizt es nicht, zu ſchmelzen dieſen Schnee, 
Zu Eis gedämmt in ihres Mannes Gletſchern. 
Den Mann zu Ärgermgilt’3, der meiner Werbung 
Durch feine Sicherheit zu ſpotten fcheint. 

Was fonft fi) gibt, als Zuthat nehm’ ich's hin. 
Reicht mir die Zither! Noch den lebten Sturm. 


Der Hauptmann des königlihen Schloſſes tritt auf, von einem 
Diener begleitet, 
Hauptmann (sum Herzog). 
Wo mweilt der Herzog, Otto von Meran? 
Iſt er zugegen? 
Otto. 
Nein! 





Grher Kufiug. 


\ Hauptmann 
sum Gefolge gewendet). 
Man ſagte doch — 
(Otto’8 Begleiter weifen ſchweigend auf Ihren Herrn.) 
Hauptmann 
(au Otto zurüdtehrend). 


Verzeibt, ich kannt' Euch nicht, die Schatten trügen. 


Otto. 
Ich muß doch ſelber wiſſen, wo ich bin! 
Der Herzog iſt nicht hier; er will nicht hier fein. 
" Hauptmann. \ 
Doch fendet mich die Kön’gin, Eure Schweiter. 
Atto. 
D, Schwefterliebe, läftig ſchon als Liebe! 
Was will fie denn, die Schwefter, ſtets beforgt? 
Hauptmann (Hard teife). 
Sie läßt Euch bitten, eilig heim zu fehren. 
Der König will zur Stunde fort. Sie hofft 
Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und 
Das Aeußerſte, das Letzte zu verfuchen, 
Um ihren Wunſch, fih Euch, fo lang er fern, 
Beizugefellen in des Reichs Gefchäften, 
Beim Abſchied zu erlangen. Zwar, fie zweifelt; 
Doch follt Ihr heim, damit, wenn's doch gelänge, 
Ihr Euch befliffen zeigt, dur Huge Worte 
Befeftiget den Eindrud, den fie hofft. 
Otto. 
Nun denn, es feil — Es iſt ihr Lieblingswunſch: 
Sie fügt ſich gerne ſonſt auch meinen Wünſchen! 
Obgleich mich ſelbſt erborgte Herrſchaft, 


197 


198 - Ein treuer Diener feined Herrn. 


Getheilte Herrfchaft nimmermehr erfreut. 

— Kommt, die Belagerung ift aufgehoben! 

Der Feind erhole fih, und träum’ indeſſen 

Bon feinem, — der zulett wohl unfer Sieg. 
(Alle ab.) 


Saal in der königlichen Burg. 


König Audrens, völlig gerüflet, tritt auß der Geitenthüre lints. Die 
Königin, im Nachtkleide, folgt, ihn zurüdhaltend. Ein Kämmerer, 
der des Königs Helm trägt, Öffnet die Thüre. 


Königin. 
Ich bitt' Euch, weilt noch länger, mein Gemahl! 
König. 
Geliebtes Weib! Du meißt, es drängt die Pflicht. 
Königin. 
Doch drängt aud Liebe Jeden, der fie fühlt. 
König. 
Schon eine Stunde gab dir-ver Gemahl,: 
Der König darf dir feine zweite geben. 
Der Tag bricht an, das Heer erwartet mid. 
Zum Rämmerer.) 
Ruft meine Räthe, ruft den ganzen Hof, 
Daß fie vernehmen ihres Königs Willen. 
Königin Gum Kämmerer). 
Halt noch! — Berzeiht! E8 ift die Gattin nicht, 
Es iſt das Reich, das noch zwei Worte fordert. 
(Zum Kämmerer.) 
Vermweilt im Vorgemach, big man Euch ruft. 
König 
(winkt gewährend. Der Kämmerer geht ab). 





Erler Aufzug. 


Königin. 
Ih weiß,’ Ihr ruft den Hofhalt und die Räthe, 
Um für die Zeit, da Ihr vom Lande fern, 
Zu ordnen die Regierung, das Gefchäft. 
Den erften Pla im Staate nun, id) weiß es, 
Weil Eure Lieb’ ich Fenn’, und Ihr's verfpradht, 
Beftimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder, 
Der treu'ften Hüterin von ihrem Erbe. 
In fo weit dank’ ih Euch, und bin zufrieden; 
Doch ift noch Eins, das mich mit Sorg' erfüllt. 
König. 
Und mas, Gertrude? Sprich! \ 
Königin. 
Ihr habt erflärt — 
Ob nun mit Recht, mit Unrecht, ftel’ ih hin — 
Daß Manches ſich ergibt im Kreiſ' des Herrſchers, 
Das raſch perfönliches, felbfteignes Walten, 
Zuthun und Faffen fordert und bedingt, 
Und eines Männerarms bedarf. 
König. 
So iſt's. 
Königin. 
Den Mann nun, der vollgiehe, was befchloffen, 
Erübrigt noch zu nennen, zu beftimmen. 
König. 
Auch dafür ift geforgt. 
Königin. 
D ſtille! ſtill! 
Sprecht keinen Namen aus, der, ausgeſprochen, 
Zu Schlüſſen ſtempelt prüfende Gedanken, 
Und Euch zu halten nöthigt das Geſagte; 


199 





200 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es gelagt. — 
Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals werth, 
So gebt den Herzog, meinen Bruder, mir 
Als Mitgenoß des fürftlihen Geſchäfts. — 
Ich Seh es, Eure Stirne runzelt ſich. 
Ihr Tiebt ihn nicht! — Schon oft hab’ ich's bemerkt, 
Mit Schmerz, mit tiefem Kummer e3 bemerkt, 
Ihr Tiebt ihn nicht ! | 
König. 

Ich liebe, was ich achte. 

Königin. 
Sp achtet Ihr ihn nicht? Wer darf das jagen? — 
D glaubt nicht, was der Neid von ihm berichtet, 
Die Scheelſucht, die nur lobt, was Klein, wie fie. 
Der Schweiter glaubt, die ich ihn Fenn’ und liebe; 
Die ich ihn liebe, ja! denn mwahrlid, Herr, 
Die Liebe nur erkennt und ift geredt. 
hr gebt ihm Fehler. Sei's! doch Schaut um Euch! 
Mo lebt der Mann bier Landes, ihn vergleichbar? 
Sprech' ich zuerft von feines Neußern Gaben? 
Wie fie fo herrlich find, "unübertroffen, 
Und alle dienftbar feinem kühnen Geiſt. 
Sein bligend’ Aug, es blitzt auch auf die Feinde; 
Der frifhe Mund macht Ueberredung füß; 
Die Helvenbruft, der Glieder fräft'ger Bau, 
Verkündet ihn als Herrn und ale Gebieter. 
Glaubt hr, ein Meuter wagte zu beftehn, 
Mit dem Gefühl der Schuld in feiner Bruft, 
Bor eines Solchen Blid? — Fürwahr, fürwahr! 
Des Geiftes hohe Gaben act’ ich alle, 
Doc erſt, wenn fo des Aeußern Trefflichkeiten, 





Erfer Aufzug. 


Herolden gleich, vor ihmen her trommeten, 
Dann ziehn fie ein als Könige der Welt. 


König. 


Königin. 
Ja, ich bin’s, und weh mir, 
Wenn ich's nit wäre, wo es Würd'ges gilt. 
Sagt felbft, ift nit mein Bruder tapfer, Hug, 
Entſchloſſen und verfhwiegen, liftig, Tühn, 
Kein Zaud'rer? 


Du bift begeiftert. 


König. 
Ja. 
- Königin. 
Was fehlt ihm alfo? 
König. 
- Sitte. 
Königin. 
Nun, er ift jung! Biel geht der Jugend hin, 
Und viel erreicht fie felbft durch ihre Fehler. 
Er ift geſchäftlos. Gebt ifm ein Geſchäft! 


201 


Und dann — was thut er- auh? — Er ſchwärmt, er liebt. 


In Frankreich achtet man den Jüngling wenig, 

Der nicht bei Weibern gilt, im Zwiſt der Minne 

Den Geift vorübend ſchärft für ernftern Zwiſt. 
König. 

So üb’ er fi in Franfreih, wo man's bulbet, 

Und abgeklärt, fei er willfommen mir. 

Bon andern Völkern borgt das Schlimme nicht, 

Wer weiß, ob euch erreichbar ift ihr Gutes? 

Der Franke mag durch manche hohe Gaben 

Den Leichtfinn adeln, dem er gern fich gibt; 





202 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Mein Land bewohnt ein einfach ftilles Volk, 
Zu jeder Art des Guten rafh und tüchtig, 
Dod Sitte hält ihr unverrüdbar Maß 
Streng zwifchen allzumenig und zuviel, 
Und bannt den fpröden, überfcharfen Sinn. 
So iſt, fo muß es fein, fo foll e8 bleiben! 
(Geht gegen die Mittelthüre zu.) 
| Königin. 
Hört nur noch Eind. — Ihr nanntet oft mich ftolz, 
Ein fühnes Weib, vergleihbar einem Mann. 
Ich war's — ich bin's — und doch — feht mich hier fnie'n. 
(Sie niet.) 
Gebt meinen Bruder mir als Reichsgehülfen! 
Gönnt ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten. 
Er Toll nichts thun, um was ich nicht gewußt. 
Wie einem Vogel man die Flügel fchneibet, 
Nun hüpft er frei, und dünkt fich frei, und iſt's nicht; 
So will ih halten ihn, mit Liebe füttern, 
Und er fol Danf mir zwitfchern und gebeihn. 
Gönnt ihm den Namen nur, daß er ficb füble, 
Zufrieden fei, zum erjtenmal zufrieden. 
(Der König bat fie aufgehoben.) 
Ihr feht mid ſchwach. Ich ſchäme mich, und doc 
Kann ich nur wiederholen: thut's, o thut's! 
König. 
Macht mich der Bruder eiferfüchtig nicht? 
Königin. 
Nicht fo! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig! 
Dod war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte; 
Erft nah durchlebter Jugend fand ich dich, 
Und feitvem wandelt auch mein Geift mit dir. 





Erſer Wufzug. 203 


Doch er — an feiner Wiege ftand ich fchon, 

Er war die Puppe, die ich tänvelnd ſchmückte; 
Mein Vaterland, der Eltern ftilles Haus, 

Mein erſt' Gefühl, die Kindheit lebt in ihm. 

Ich grollte ftets, daß ich ein Mädchen war, 

Ein Knabe wünſcht' ich mir zu fein, wie Dtto. 

Er wuchs heran. — In ihm mar id) ein Jüngling, 
In ihm ging ih zur Jagd, beftieg das Roß; 

. In ihm lodt’ ich des Burgwarts blöde Töchter. — 
Ihr wißt, wie ih die Zucht ala Weib gehalten; 
Doc that mir’ wohl, in feinem kecken Thun 
Traumweis zu überfliegen jene Schranken, 

In die ein enger Kreis die Weiber bannt. 
Er ift mein Ich, er ift der Mann Gertrude, 
Ich bitt Euch, trennt mich nicht von meinem Selbft! 
Soll er mein Helfer fein, wir wollen leben, 
Wie drei Geſchwiſter: Euer Volk das dritte. 
Soll er? 
König. 
Was madhft du, Weib aus mir? 
Königin. 
Sol er? 
König. 
Nun wohl, ich will ihn ſprechen. 
Königin. 
Dant, o Dank! 
König. 
Du dankft zu früh! Nur einen Theil der Macht, 
Das Heer vielleicht, fol er indeß verwalten, 
Und unter Auffict. 





Ruft 
— Ihr gögen 


(egen den 


Bei deinem Ko) 


Herr! nicht dahı 





Grfer Aufzug. 206 


Kämmerer (ur Rönigin). 
Erlaudte Frau — 
Königin. 
Daf du verdammt wärſt! 
(Sie jerreißt ihr Schnupftuch.) 


Die Großen und Räthe find indeß mit Verbeugungen eingetreten. 
Darunter Baucbauus, die Grafen Simon und Peter. Sie 
ordnen fih im Mittelgrunde. Der König feft vorn am Tiſche tehts. 
Die Königin ihm gegenüber auf der Finten Geite. 
König. 
Edle Herrn! 
Die Pflicht ruft mid aus eurer Mitte fort. 
Galizien, das Ungarns altes Anrecht, 
Dur Erb’ und Unterwerfung uns zu Dienft, 
Man fuht durch Trug und ſchlaugelegte Ränte 
Es abzuziehn von der beſchwornen Pflicht. 
Mein Heer erivartet mich, daß wir verfuchen, 
Bas die Gewalt vermag im Dienft des Rechts. 
Ich ſcheide. Lebet wohl! Damit indeß — 


Herzog Otto fommt, fih durch die Berfammlung durKdrängend, die er 
mit den Mugen muftert. 
Otto. 
Wie! keine Frauen hier? Nur Bärte, Bärte? 
— Ah! Schweſter! 
Königin. 
Sieh, Unfel’ger! Dort der König! 
. Otto. 
Nun ſchön! Ich dacht', Ihr wär't ſchon abgereist. 


(Geht auf ihn au.) 





206 Ein treuer Diener feines Herrn. 


König. 
Beliebt's Euch, tretet dorthin, Herr! Wir haben 
Noch ein’ge Kleinigkeiten abzuthun. — 
Nicht hier! Sch bitt' Euch, dort! — Wir werden eilen. 
(Dtto geht quer über die Bühne und flellt fih in die Nähe der Königin.) 

König. 
Nun denn, fo lang ich fort, vom Lande fern, 
Wird meine Frau bier, eure Königin, | 
Bertreten meine Statt. — hr gebt die Ehren, 
Sonft mir gezollt. Sie wird im Nathe fiten, 
Bollziehn mit Unterfert'gung das Geſchäft. 
Sie theilt Belohnung, leiht im Lehenhof; 
Was Gnade gibt, empfängt man nur durd fie. 
In Sachen bloß des Rechts, und was noch ſonſt 
Des kühlern Blids bedarf, und dieß Papier benennt, 
Stel’ ih an ihre Seite zum Genoffen, 
Der auch im Rathe fist, und ohne den 
Nicht? von den Uebrigen auch wird verhandelt; 
Der ftetö den Bortrag führt, und mir berichtet 
Wo fih in Wichtiger'm die Meinung theilt — 

(Paufe, in der er die Näthe firirt.) 

Königin 

(zu Dlto). 
Unglüdlicher! warum kamſt du fo fpät? 

König. 
In alle dem zum Reichsgehülfen nenn’ ih — 
Tritt vor, Banchanus! — Hier! — Ernenn’ ich did! 
Sei du ihr Aug und Ohr, fei Hand und Arm, 
Sie wird der Geiſt fein, der durch dich gebietet. 
Stets warſt du treuer Diener deines Herrn, 
Du wirft’ auch bierin fein. 


Erfer Aufzug. 207 


Sancbanus. 
Ach, Herr, bedenkt — 
König. 
Es ift bedacht! 
Sancbanus. 
Ich bin ein ſchwacher Mann. 
König. 
So minder wohl verlodt dich die Gewalt. 
Sancbanus. 
Bin alt. 
König. 
Iſt Herrfchen denn ein Anabenfpielwert? 
Ich hab's gejagt, und reif erwogen au,” 
Dein Weigern zeigt mir, daß ich recht gewählt. 
Wo ift mein Sohn? Bringt meinen Sohn zum Abſchied! — 
Hier, dieß Papier bezeichnet deinen Kreis; 
Wie vorwärts nicht, jo rückwärts nicht gefußt! 
Denn, was du barfft, ift dem gleich, was du mußt. 
Kannſt du den Herzog hier im Heere brauchen, 
So thu's; wenn nicht, ich ſtell' e8 dir anheim. 
Geh hin, und füfl’ die Hand der Königin; 
Sei ihr zu Dienft, und bitt' um ihre Gnade. — 
Wo ift mein Sohn? 
Sancbanus 
(fh der Königin nähernd). 
Erlauchte Frau, erlaubt — 
Königin 
(ihre Hand heftig gurüdziehend). 
Tolldreift und Thor! 


208 Ein treuer Diener feines Herrn. 


König: 
Was it? — Gertrude — wie? 
Verweigerft du die Hand dem Manne, dem — 
Gott und Gericht! Iſt das der volle Dank? 
Beginnt der Unfried’, eh ich noch geſchieden? 
— Gib deine Schrift! — Banchbanus, gib die Vollmacht! 
Bor Weiterrm will ic wohl mein Land bewahren! 
Die Königinnen ſaßen ſonſt am Kunfel, 
Eo lang ihr Mann im Feld. — Banchanus, gib! 
Sch will Euch Grenzen ſetzen, daß Ihr's wahrnehmt, 
Und wär't Ihr blind vor Hochmuth und vor Grimm! 
Königin. 
Hier, meine Hand! Ich werd' Euch gnädig fein, 
Wenn Ihr's verdient. 
König. 
Geh bin, Bancban, geb bin! 
Was? Seh ich recht? — Wohl eine Thräne gar? 
Sancbanus. 
Sch Sagt” Euch's, Herr! Ich tauge nicht dafür. 
König. 
Du taugft, mein Freund, nur du. Küff ihre Hand! 
Ob beftig zwar, ift fie gerecht und Flug. 


Man bat den Meinen Bela gebracht. Banchanus füßt die Hand der 
Königin. 


König. - 
Und nun, lebt wohl! Gertrude, theures Weib! 
Bela, mein Sohn! Mein gutes, liebes Kind! 
Lebt wohl, ihr alle, alle meine Freunde! 
(Zu Bancbanus.) 
Bor Andern aber wend’ ich mich zu bir, 


Erſtey Aufzug. 209 


Dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind. 
Als ich dich wählte, dacht’ ich Ruhe mir, 
In Feld und Stadt, in Schloß und Hütten Ruhe. 
Die fordr’ ih nun von dir. Kehr’ ich zurüd, 
Und finde fie geftört, die fromme Ruhe — 
Nicht ftrafen werd’ ich dich, nur dich vermeiden, 
Und ftirbft du, jeßen auf dein ruhmlog Grab: 
Er war ein Greis, und Tfonnte fi) nicht zügeln, 
Er war ein Ungar, und vergaß der Treu, 
Er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten. —e 
Doch wird’3 nicht fommen fo, ich weiß, ich weiß. 
Lebt Alle wohl, und Gott fei über euch! 
(Er gebt.) 
Alle 
(drängen fih um ihn, indem fie rufen): 
Heil auf den Weg! 
Glück zu! 
Kehrt fiegreich wieder! 


Der Borbang fällt. 


Grillparzer, fämmtl. Bere IV. 14 





Zweiter Aufzug. 


— 


Saal im königlichen Schloffe. Im Hintergrunde führt eine große, 
zu Anfang gefchloffene Pforte nach den äußern Gallerien. Rechts, 
im Vorgrunde, ein erhöbter Tehnfeffel, im Halbfreife herum mehrere 
Stühle. Eeitenthüren. Zunächft der Thüre rechts ein bedeckter Tiſch. 


Die Königin fist, von den Räthen umgeben, Bancbanus, 
Schriften in der Hand, fleht, und trägt vor. 


Sancbanus. 

Obgleich die Kinder zweiter Ehe nun 
Dagegen Einſpruch thun, fo fagt ein Blatt, 
Vollzogen vom Teftator eigenhändig, 
Ein rechtsbeſtändig, Fräftig Codicill — 
Wo ſteckt es nur? 

(Seinen Nachbar anblickend.) 

Ihr, Schwager? Seid ſo freundlich, 
Und haltet mir die Schriften, daß ich ſuche. 
(Er gibt Graf Petern einen Theil ſeiner Schriften, und ſucht in den 
übrigen.) 


Herzog Otto tritt zur Thüre linler Hand ein. 


Otto. 
Noch nicht geendigt? 





Zweiter Aufzug. 211 


Königin. 
Eben. 
(Zu den Rätpen.) 
Gut für heute! 
Die Sigung, eble Herrn, ift aufgehoben! 
(Die Rathe Reben auf, die Aönigin tritt zu ihrem Bruder.) 
Sancbanus 
(no immer ſuchend). 
Mein Schreiber hat's verſchoben. Daß did doch! 
Königin. 
Wie er mid) langweilt nur, der alte Thor! 
Glück auf, ihr Herrn! Wir fehen uns demnächſt. 
(Sie entläpt mit einer Ropfneigung die Räthe, diefe geben.) 
Königin (u Otto). 
Ich merke feftlih Treiben hier im Schloß. 
Was fhafft man? 
Sancbanus. 
Seht, da hab’ ich's doch gefunden! 
Kraft diefes Dofuments — Wo find die Räthe? 
Königin. 
Sie gingen, fo gebulbig nicht als ich, 
Im Schloßhof wohl nad Eurer Schrift zu fuchen. 
Htto (ad laut auf). 
Sancbanus 
Pie Sahriſt emporhaltend). 
Hier ift die Schrift! — Nu, nu, im nächſten Rath 
Erwägt man — 
Königin. 
Sprach ich denn nicht ſchon: „Gewährt ?“ 


212 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Sancbanus. 
Gewährt? Gewährt? Lag diefe Schrift nicht vor, 
Sp war nichts zu gewähren. 
(Er fledt die Schrift wieder unter die Papiere.) 
Liege bu! 
Zu feiner Zeit fommt noch das Wort an dich! 
Königin. 
Mas aljo find die Feftlichleiten, die — 
Otto. 
Kommſt du mit mir, ſo ſollſt du ſelber ſehn. 
Königin 
(gibt ihm den Arm). 
Sancbanus. 
Vorerſt nur Eines noch — 
Königin. 
Das nenn’ ich läftig! 
Sancbanus. 
Der Fall ift läftig, ja, und dringend aud. - 
Landfahrer haben, höchſt verdächtig Volk, 
Bei Bihar ſich gezeigt. Es wird nun nöthig, 


Zweihundert — 
Otto. 
Säcke! 
Sancbanns. 
Wie? — Es wird nun nötbig, 
Zweihundert — 
Otto. 
Säcke! 
Sancbanus. 


Reiter, gnäd'ger Herr, 


Zweiter Aufzug. 213 


Dahin zu fenden. Wenn Eu'r Gnaden Bruder, 
Der Herzog, nun nad) Thätigfeit verlangt, 
So könnte man der Reiter Führung ihm — 
Otto. 
Sehr gnädig, in der That! 
Königin. 
Das ift zu viel! 
Ihr ſchmeichelt, wie das Thierchen in der Fabel. 
Mein Bruder fol zweihundert Reiter führen? 
Shit Euren Schwager — Euren — was weiß isn 
Sancbanus. 
Wie hr befehlt. — 
*" Königin. 
Und ſchweigt für jetzt; ich bitte. 
— Wem alſo gelten jene Feſtlichkeiten, 
Die man bereitet, ſeh' ich, rings im Schloß? 
Otto. 
Ich wollte früher ſchon dir Alles melden, 
Doch dieſe Herrn — 
(3u Bancbanus.) 
Beliebt's Euch, Platz zu nehmen? 
Wie, oder dünkt Euch ein Spaziergang beſſer 
In freier Luft? Wir haben ſchönes Wetter. 


BSancbanus. 
Ich bleibe noch; ich bin noch nicht zu Ende. 
Königin. 
Wie alfo? Sprich! 
Otto. 


Du weißt, wir feiern heute 
Das Biegenfeft des Kleinen, deines Sohns. 
Die Herren find, die Frau'n bei ihm verfammelt, 





214 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Und binden ihn mit fleinen Gaben an. 
Da bab’ ich denn gewagt, in deinen Zimmern 
Dem Feſte zu bereiten noch ein Feſt. 
Die Meinung war, dich erſt zu überraſchen, 
Doch liebſt du, weiß ich, Ueberraſchung nicht. 
Drum ſieh, ach, und verzeih! 
(Er hat die Seitenthüre rechts geöffnet, die Königin fieht hinein.) 
Königin. 
Du guter Bruder! 

Otto. 
Nun hier noch. 

(Er klatſcht in die Hände, die Seitenthüre linfs öffnet fid.) 


Der Keine Bela läuft herein, mit Eindijhen Gaben fhimmernd behangen. 
Hinter im Herren und Damen, darunter Erny. 


Scla. 
Mutter! Mutter! 
Königin 
(zu ihm niedergelauert, und ihn küſſend). 
D, mein Kind! 
(Ihrem Bruder die Hand drüdend.) 
Was fol ich fagen? 
(Zum Kinde.) 
Und fo reich beſchenkt! — 
Habt Dank, ihr Herrn, ihr edlen Frauen, Dank, 
Für Alles, was ihr unferm Sohne gönnt. 
Mir ftünden tiefer noch in eurer Schuld, 
Wenn unfer Bruder, Herzog Otto bier, 
Nicht der Vergeltung Pflicht auf fih genommen. 
Nehmt Theil denn an dem Felte, an den Freuden, 
Die er für uns, die er für euch erfann. 





Zweiter Aufzug. 215 


Es ift zwar noch am Tag; allein wir wollen 
Mit Luft den freud’gen Abend führen ein. — 
Graf Iwan, Dank! — Ei, Gräfin Erny, gönnt Ihr 
Uns aud einmal die ſchöne Gegenwart? 
Wir rauben ftündlih Euren Gatten Euch, 
Und nicht zu feiner Freude, fürcht' ich fait. 
Er findet uns zu ſchülerhaft, zu leicht. 
(Zu Otto, halblaut.) 

Du arger Schalt! Das Feft galt alfo mir? 
Ich dent’, du gabft dir's felbft und deinen Wünfchen. 

Otto. 
Ihr zürnt doch nicht? 

Königin. 

Was Scherz ift, tabl’ ich nicht. 
— Nun auf! Ein Jedes wähle den Gefährten, 
Dem es bei Tanz und Tiſch die Rechte gönnt. — 
Nicht fo! — Nein, das Verbundne laßt uns trennen! 
Des Gatten, des Geliebten Recht erlifcht 
Beim frohen Feft, das Fremdes fol verbinden. 
Ich felbft, da e8 der Königin nicht ziemt, 
Im Scherz auch einen Mann als Freund zu grüßen, 

u Ermy) 
Erwähle, Gräfin, Euch mir zum Gefährten, 
Wenn nicht vielmehr zum Manne mid für Euch. 
Gebt mir die Hand — die rechte! 

(Einy's Hand in ihre beide faflend.) 
Glaubt, ich lieb’ Eu! 

Mein fhönes Kind, ich lieb’ Euch, weiß es Gott! 
Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gäfte, 
Und wenn ber Hausfrau rings beforgte Pflicht 
Mid von Eud ruft, fo fol mein theurer Bruder 
Vertreten meine Statt. Dann tanzt Ihr wohl 





216 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Ein Schrittchen, oder zwei. — Seyd Ihr's zufrieden? 
Mein frommes Kind, ich lieb' Euch wahrlich ſehr! 


Nun fort! 

(Die Gäſte, die ſich paarweiſe in Ordnung geſtellt haben, ſetzen ſich in 
Bewegung.) 
Königin 


(zu Banchanus, der noch immer im Vorgrunde rechts ftebt). 
Was aber maden wir mit Euch? 
(Während des Vorigen ift die Thüre der Gallerie geöffnet worden. Dieſe if 
mit Leuten aller Art angefült, die zum Theil Bittfhriften halten.) 
Mer find die Leute da? 


Sancbanus. 
Eu’ hoher Gatte 
Empfing um diefe Stunde die Supplifen, 
Bittfehriften aller Art. 
Königin. 
Thut’3 denn ftatt mir! 
hr liebt die Fefte nicht. Weiß Gott, ich fürchte, 
‘hr tabelt mir den Tanz, das Mahl, die Gäſte. 
Bleibt bier, und hört, was Jene bort begehren. 
Hier ift ein Tiſch, Papier und Feder bier. - 
Für eines Jeden Unterhaltung forg’ id). 
Eu’r Weibchen foll indeß Euch nicht vermiſſen; 
Sp viel traut mir nur zu! — Beliebt’3, ihr Herrn? 
(Sie geht mit Erny an der Reihe der Säfte vorüber in die Geitenthüre rechtd 
ab. Die Häfte folgen.) 
Sancbanus 
(zu einigen Dienern, die zurüdgeblieben find). 
Rückt mir den Tiſch ein wenig ſeitwärts. — So! 
Du läßft die Leute vor. Du übernimmft 
Die Schriften, die fie reichen, legft fie hieber. 


Zweiter Aufzug. \ 217 


— Die Feder iſt wohl ſtumpf? 
(HALL fie vors Auge.) 
Nu, nu, fie geht. 
Nur Ordnung ſag' ih euch. 
(Zum erfien Supplifanten.) 
Was aljo willſt du? 
(Gr entfaltet die Bittſchrift.) 

Yan Farkas. — Ei, mit deiner alten Bitte! 
Hat dich der König nicht ſchon abgewieſen? 
Nun glaubft du wohl, weil er vom Lande fern? 
Der König ift noch da. Hier, fichft du, fteht er; 
Und drinnen — 

(Auf das Zimmer der Königin zeigend, vor fich hin.) 

Nu, weiß Gott! drin hüpft und tanzt er. 
(Caut.) 
Nichts da! Geh fort! Laß Beſſern deine Stelle. 
(Ein Zweiter tritt dor.) 

Die Erbſchaftsſache? Nu, wir wollen fehn! 
Im heut'gen Rath kam's noch nicht zur Entſcheidung; 
Im nädften wird's geſchehn. Glüd auf, mein Freund! 


Hofleute gehen vorüber in die Zimmer der Rdnigin. Gie zeigen mit dem 
Singer auf Bancbanus, und flüſtern ſich in Die Ohren. 
Sancbanus 
Wu einem Dritten). 

. Entfhäb’gung? Weil der Prinz auf letzter Jagd 
Die Saat verwüftet. — Er? — Der Prinz. allein? 
Die ganze Saat? Wohl nur des Prinzen Jäger? 
Weßhalb denn ſchreibſt du: „Er?“ Wo bleibt die Achtung, 
Verwünfchtes Volk! für eurer Fürftin Bruder? 
— Man wird den Schaden ſchätzen und vergüten. 
Ich bin ermübet; bringt mir einen Stuhl. 
(Ein Stuhl wird gebragt. Gr ſetzt fih.) 





218. Ein treuer Diener feines Herrn. 


Ein Edelmann vom Gefolge des Prinzen, eine Dame führend, aus 
dem Geitenzimmer lin. Ein Kämmerer öffnet. 


Edelmann (jur Dame). 
Ihr müßt zum Felt; die Königin nimmt’s übel. 
Sei's au, daß Ihr nicht wohl, fo tanzt denn nicht; 
Doc fommen müßt hr. Es gebt glänzend ber. 
Mas ift denn hier? Gehört das mit zum Feft? 
(Der Kämmerer ſpricht Teife zu ihm, wobei er Tahend auf Banchanus weißt.) 
Sancbanus 
(zu andern Bitiiwerbern). 
Was Iniet ihr? auf! der König duldet's nicht; 
Und ich foll knieen jehn vor meines Gleichen? 
Ich bin ein Untertban, wie Andre. Auf! 
Edelmann (ladend). 
Nu, das ift Iuftig! — Laßt uns denn hinein! 
(Zu Bancbanus im Borbeigehn.) 
Seid hr der Pförtner, Herr, des heutigen Feſts? 
Was zahlt man Eintritt? 
Sancbanus. 
Klugheit nicht; 
Ihr bliebt ſonſt haußen wohl! 
(Edelmann und Dame ab.) 
Sancbanns, 
Verwünſchtes Volk! 
(Die Bittſchrift in der Hand.) 
Ich ſehe wohl, warum ihr erjt gefniet. — 
Die Bitt' iſt unftatthbaft. Seht doh! Zehn Golpftüd 
Für jede Lieferung! — Nicht acht! Nicht fünf! 


Ein Diener reißt die Seitenthäre rechts auf und ſchreit. 


Erfier Diener. 
He, Waſſer und Citronen! 





Zweiter Aufzug. 219 


Bmeiter Diener 
(gut entgegengefchten Geite hereinfommend. ſchreit eben jo). 
Hier! 
Sancbanus. 
. Nu, nu! 
Ein wenig facht'! 
Erfter Diener. 
Hier figt er! Blig! Derweile 
Setzt Herzog Dito feinem Weibchen zu. 
Laß ihn uns ſchrauben! — Edler Herr! Befehlt Ihr 
Ein wenig Waffer zu höchft nöth’ger Kühlung? 
Sancbanus. 
Ia, ja, mein Sohn, gib her! 
(Cr nimmt daß Glas.) 
(Die beiden Diener plagen in Lachen aus und laufen davon.) 
Sancbanns. 
Bas foll denn das? 


Die Grafen Eimon und Peter Rürzen erhigt aus dem Zimmer der 
Königin. 
Peter. 
Es ift zu viel! 
Simon. 
Banchbanus, du noch hier? 
Sancbanus. 
Wo anders ſonſt? 
Simon. 
Füplft du denn nicht? — D, fag ihm’s, 
Sag ihm's, ich bitte dic), mich würgt der Zorn. 
Peter. 
Fühlt Ihr denn nicht, daß Ihr der Spott des Hofes? 


220 Ein treuer Diener ſeines Herrn. 


Sanchanus. 
Der Spott? Warum? 
Peter. 
Daß draußen vor der Thür — 
Sancbanus. 
3% übe, was mein Amt. — Ei fpottet nur! 
(Rad rüdwärts gelehrt ) 
Die Ford’rung ift zu hoch, mein guter Freund. 
Acht Thaler find genug. Das, Schreiber, fchreibe! 
Simon. 
Bancban, auf Tod und Leben, höre mich! 
Heiß diefe Leute gehn. 
(Auf die Bittwerber zeigend.) 
Sancbanus. 
Du ſcherzeſt wohl? 
Simon. 
Nun denn, auf die Gefahr, daß fie uns alle hören! 
(Qalblaut.) 

Indeß du bier den Pförtner fpielft des Feſtes — 
So nannten fie dich drin und lachten! — lachten! — 
Umſchwaãrmt der Prinz dein Weib. 

Suancbanns. 
Ich kann's nicht ändern; 
Kann ihn nicht ändern, wollt' ich's noch fo gern. 
, Peter. 
Er tanzt mit ihr. 
Sanchbanns. , 
Zum Tanz ward fie geladen. 
Peter. 
"Drüdt’ ihr die Hand. 





Zweiter Aufzug. 221 


Sanchanus, 
Er kriegt’ den Drud nicht wieber, 
Dafür bin ic dir gut. 
Simon. 
Bift du fo zahm? 
Hab’ Mitleid mindeſtens mit deinem Weibe. 
Sie fühlt die Schmach, der Scheelſucht Spötterblide; 
Kaum hält des Hofes Brauch fie noch beim Seit. 
Doch Until’ glüht in ihrem Angeficht. 
Sancbanus. 
Doch Unwill' glüht in ihrem Angeſicht! 
Das ſagſt du ſelbſt, und willſt, ich ſoll ſie hüten? 
Tanz zu! Tanz, Erny, zu! du wahrſt dein felbft. 
(Reiet zu den Bittfriften zuräd.) 
Simon. 
- Nun denn, fo dulde, was du dulden willft! 
Ich kehre beim. 
Peter. 
Und ich zum Tanz zurück. 
Und magt er's, feiner Frechheit Raum zu geben, 
Durch leifefte Berührung nur der Hand, 
So ſtraf' ich auf der That fein ruchlos Werben, 
Und Blut fol ihres Tanzes Eſtrich färben! 
(Die Hand am Gäbel, durch die Eeitenthüre rechts ab. Simon geht auf 
der entgegengefegten Geite.) . 


Herzog Otto auß der Eeitenthüre lints, mit einem Begleiter. 
Otto (im Auftreten ju Simon). 
Iſt Gräfin Erny hier? 
Simon. 


Seht felbft, und ſeht Euch vor! 
(&b.) 











229 - Ein treuer Diener feines Herrn. 


Otto. 
Unhöflich Thier! — Wo aber iſt ſie hin? — 
Ihr Gatte hier? — Mit Eins war ſie verſchwunden. 
(Zu ſeinem Begleiter.) 
Sagt' ich dir nicht, du ſollſt auf jeden Schritt —? 
Komm, und vollführe, was ich ſonſt gebot. 
(Im Vorübergeben.) 
Bancban, ift Eure Gattin ſchon nad Haufe? 
Sancbanus. 
Ich weiß es nicht. 
KAtto. 
Nu, nu, es fol ſich meifen! 
(In den Tanzfaal ab.) 
Sancbanus. 
Hier ift es allzulaut. Kommt, folget mir! 
Im Borfaal draußen, auf den innern Gängen, 
Macht leichter das und ruhiger fich ab. 
Die Königin verzeibt wohl folden Wechfel. 
(Er faßt die auf dem Tiſche liegenden Papiere zufammen.) 


Ernh erhigt und ſchwer athmend, kommt, fih unter den Supplifanten 
wegdrängend, durch die Mittelpforte. 
Erny. 
Hier endlich, bier! Nun, Gott fer taufend Danf! 
Sanrbanus. 
Je, Kind, was fommt dir an? Vom Tanz erhigt! 
Du gingft wohl durch den Schloßhof? Herr und Gott! 
Es kann dein Tod fein, ſchneidend weht die Luft. 
Du böfes Kind, was machſt du mir für Sorge! 
Erny. 
Nun ift e8 gut, weil nur bei dir! D, gut! 
(Eie fetzt fih in den Stuhl.) 


Smeiter Aufzug. 


Bancbanus. 
Zu luftig iſt es hier. Zurück zum Tanz! 
Ein Reihen, oder zwei, erwärmt dich wieder. 
Erny 
(aufſpringend). 
Zum Tanz? Ich weiche nicht von deiner Seite! 
So drück' ich mich in deine Nähe, ſo. 
Trotz ſei geboten, wer von hier mich trennt. 
Sancbanus. 
Und dennoh muß es fein. Sieh hier, Geſchäfte. 
Erny. 
Ich geb mit dir, ich falte dir die Blätter, 
Ich ftreue Sand, wie ich wohl oft gethan; 
Doch nicht in jenen Saal mehr. Nein, fürwahr! 
| Bancbanus. 
- Was war denn? 
Erny. 


223 


Nichts. Doch geh’ ich nicht von dir. 


Sancbanus. 
Bancbanus Weib fteht gut in feiner Nähe, 
Des Reichsverweſers Frau gehört zum Feſt. 
Erny. 
Gib fie zurüd denn, diefes Amtes Bürde! 
Sei Ernys Gatte bloß, mit ihr beglüdt. 


Sancbanus. 
Was fält dir ein? Weil bu nicht gern beim Felt, 
Soll id von Hof, Unfrieden herrſchen laſſen, 
Verwirrung rings im Land? Sch hab's verſprochen, 
Dem König angelobt bei feinem Scheiben, 
Den Frieden zu bewahren bier, die Ruh, 


224 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Und werd es halten, trifft was immer zu, 
Dem Dienfte folg’ ich, folg’ dem Fefte du! 
(Die Stiege herauf tönt Geräufh von Stimmen -und Echwertgellirre.) 
Was iſt? — Horch! — Schwerterflang!? 
Zu einem Diener, der bereintritt. 
Mein Freund, was gibt's? 
Biener. 
Herr, Eures Bruders Diener und des Prinzen! 
Sie ftreiten, fie find handgemein; man fict. 
 Bancbanus. 
Die Diener meines Bruders? Wer gab Anlaß? 
Biener. 
Des Prinzen Leute reizten fie durch Spott. 
Sancbanus. 
Gleich viel? Wo ift mein Schwert? | 
Erny. 
Ich will mit Euch! 
Ihr wagt Eudı fonft. 
Sancbanus. 
Bift du nicht ug? Bleib’ bier! 


Kämmerer lommt aus dem Zimmer der Königin. 


Kämmerer 
(zu Erny). 

Die Königin verlangt nad) Euer Gnaden! 

Sancbanns. 
Hörft du? Geh hin. ch fchlicht' indeß die Fehde. 

(Zu den Eupplifanten.) 
Ihr barret an der Treppe, bis die Ruh’, 
Neu bergeftellt, und Muße gibt zur Rede. 
(Er geht, die Webrigen folgen.) 


Zweiter Aufzug. 225 


Erny. 
Er geht. — Wo ift der Kämmrer, der mich rief 
Zur Königin? — Glei viel, ih will nur hin! — 
Was kann der Prinz au thun? Ich war wohl thöricht! 
Zurüd zum Felt und ihm ins Aug geblidt! 
Du aber Gott, du gib mir Muth und Kraft, 
Der Unbill zu begegnen mit Verachtung! 
Gib, daß Fein Wort, Fein Wink, fein Laut 
Beftät'ge was er meint und was er hofft! — 
Doch erft das Haar georbnet und die Kleider, 
Verrathen möchten fie mein kindiſch Zagen, 
Dep wär’ er froh, allein da harre du! 
(Im Vorgrunde epend, und die Loden an den Fingern aufmidelnd.) 
Sie glauben, weil ich felten ſprech' und wenig, 
Ich könne mich nicht wahren, nicht vertheib'gen. 
Mein Vater fpra wohl oft: Sie hat's im Naden! 
Ich hab’ es auch! Ihr folt noch wahrlich fehn! — 
(Sie betragtet nod ihre Schuhe.) 
Nun ift es gut. Der Schuh fißt fein genug! 
Nun ift es gut. Nun will ih nur hinein. 


Otto, der während der letten Worte durch die Geitenthüre rechts Teife 
eingetreten if, mähert fih jegt von hinten, ihre beiden Arme mit dem 
Weußerflen der Finger berügtend. 

Otto. 

Verſtärlt Ihr noch die Macht fo vieler Reize? 
O, ſchmückt Euch nicht, wir find ſchon wund genug. 
Erny 
(lints nad dem Bordergrunde zurüdweigend). 
D Gott; er felbit! 
Otto. 
Ich bin's, und hochbeglückt, 
Srittparzer, ſaumtl. Werte. IV. 15 





226 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Daß die Gelegenheit, fo oft gefucht, 
Und nie gefunden, günftig dar ſich beut. 
Erny. 
Sp glaubt Ihr? — Laßt mid! Ich will fort! 
Otto. 
D bleibt! 
| Erny. 
Der Königin Befehl — 
Otto 
(vorkommend). 
Er iſt erdichtet, 
Von mir erdichtet; ſo wie jener Streit, 
Der Euren Gatten in dem Schloßhof hält, 
Auf mein Geheiß ſich, auf mein Wort entſpann. 
Ich wollt' Euch ſprechen, und ich thu's, beim Himmel! 
Es komme, was da will. Der Ort iſt günſtig, 
Das Feſt hat aus der Nähe ſich gezogen, 
In fernen Zimmern dampft das frohe Mahl; 
Wir ſind allein, und doch — die Thüren offen; 
(auf die offene Pforte des Hintergrundes zeigend) 
Der kleinſte Ruf führt Zofen her und Diener. 
Ihr ſeid ſo ſicher gegen jede Kühnheit, 
Als nur am eignen Herd. 
Erny. 
Und dennoch fort! 
Otto. 
Auch das. Hier iſt mein Arm. Kommt mit zum Feſt! 
Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehn, 
So irrt Ihr, Gräfin, ſehr. Ihr kennt mich nicht. 
Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte, 
Am offnen Markt heiß' ich Euch Rede ſtehn; 





Zweiter Aufzug. 237 


Und leg’ Euch vor diefelben Fragen, die — 
Nichts mehr, als dies — ich hier Euch ftellen wollte. 
Doch iſt's Euch nicht genehm — gut, wir verſchieben's. 
Erny. 
D Uebermaß des fträflichften Erkühnens! 
Otto. 
Ihr ſeid 'was eitel, mer!’ ih, gute Gräfin. 
Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag fein? — Vielleicht! 
Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht fo erregbar. 
Ein Menſchenkenner bin ih, Menſchenforſcher, 
Zumal auf Frau'n geht meine Wißbegier. 
Die taufend Formen zu erfpähn, die Krümmen, 
In denen fi das Eins und Eine birgt; 
Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche! 
Bin ich nicht gut, fo wollt’ ich's auch nicht ſcheinen. 
Ihr aber fcheinet Tauben, fromme Tauben, 
Und ſeid's in einem nur: in ew'ger Glut. 
Erny. 
Das anzuhören ziemt mir nicht. 
Otto 
(aus dem Wege weichend). 
D ja! 
Die Eine läßt fih trauen einem Greife, 
Mit grauem Bart und Haar, ein fhlott’rig Scheufal; 
Vol Launen, abgefhmadt, zum Tollhaus reif — 
Doch ehrt und liebt fie ihn. 
Erny. 
Sie ehrt und liebt ihn! 
Otto. 
Wenn je und dann ſie ſchielt nach hübſchen Jungen, 
Minutenlang mit ihrem Blick verweilt — 





228 Ein treuer Diener feines Herrn. 


He, Neugier! Ei, zum Sehn ward uns das Auge! 
Wie? — oder au fhon Menfchenforfcherin? 
Auflauernd der Entwidlung des Geſchlechts, 

Und vom Gefühl gewendet zum Erfennen? 


Erny. 
Sch weiß, Ihr wollt beleiv’gen und erniedern; 
Was fonft Ihr meint, weiß und verfteh' ich nicht. 


Otto. 
Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß! 
Ihr wart auch Jene nicht — wie, oder doch? — 
Die, als man ihr beim Tanz die Hand — 


Erny. 
Ihr lügt! 
Otto. 
Vertheidigt nicht, bevor man noch beſchuldigt! — 
Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt, 
Den Druck zurücke gab. — Ich fühlt' es, ja! 


Erny. 
So mögen dieſe Finger denn verdorren, 
Und Feuer ſie beſtrafen, lohe Glut, 
Wenn abſichtlos ſie und dem Willen fremd, 
Euch andres kündeten, als Haß und Abſcheu. 


Otto. 

Als Haß und Abſcheu. — Gut! 
(Mit ſtarler Stimme.) 
So gebt zurück denn 

Die Haare, die Ihr ſtahlt von meinen Haaren! 
Ich war nicht lang an dieſen Hof gekommen, 
Da ſandt' ich zum Geſchenk ſie meiner Schweſter, 
In Kleinod ſie zu faſſen und Geſchmeid. 





Zweiter Aufzug. 229 


Ihr aber glaubtet Euch allein und ftahlt . 
Vom Putztiſch Euch ein Pröbchen. — War's nicht jo? 


Erny. 
D Gott! Mein Gott! 
Btto. 
Das alfo wirkte! 
O Heudelei, bu abſcheuwürd'ges Lafter! 
Und doch in Euch fo ſchön, wie all’ das Eure. 
Laßt mich Euch danken für die ſchöne Sünde. 
D, alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz! 
(& Miet.) 
Erny. 
Mein Prinz! — D glaubt! — Doc) fteht vom Boden auf! 
Daß jene Lode, faum in meiner Hand — 
Steht auf, ich bitt! Euch! — daß ich fie verbrannt; 
Daß id — o Gott! mein Gott! — Steht auf! — Man 
fommt! — 
Soll ih mit Thränen Eu im Auge bitten? 
(Mit dem Fuße auftretend.) 
Ich will nicht, ſag' ih Euch, ich duld' es nicht! 
Otto. 
Ich ſoll Euch hören, und Ihr ſelbſt verweigert's? 
Ern y. 
Ich will Euch hören, nur ſteht auf vom Boden! 
Htto (aufſlehend). 
Es feil Doch auf Bedingung. — Seht, Ihr ſchuldet 
Mir die Geſchichte jener Lode; id 
Hab’ eine Frage noch an Euch zu ftellen. 
Gönnt zu geheimer Unterredung mir 
Ein Viertelſtündchen, wo und warn Ihr wollt. 





230 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Erny. 
Geheimes ih und Ihr? 
Otto. | 
Geheim um Euretwillen! 
Bringt Zof und Diener mit, mir gilt das gleich! 
Berwahrt Euch, wie Ihr wollt. Nur laßt mich fragen. 
‚Mir iſt's um meine Zmeifel nur zu thun. — 
‚Seht Ihr denn üb’rall Liebe, eitles Volk? 
Do Sprechen muß ih Euch, muß Antwort haben! 
Und wollt hr anders nicht, fo fei es bier. 
Noch einmal Fnieend, bitt ih Euch darum. 
(Er beugt das Knie.) 
Erny. 
Halt’ ein! Ih will! 
Otto. 
Ihr gönnt mir ein Geſpräch — 
Und wo? und wann? 
Erny. 
D, nirgends, ad), und nie! 
Otto. 
Ich ſeh', es macht Euch Müh, davon zu ſprechen. 
Hier iſt Papier und Feder; ich will gehn. 
Zwei Zeilen, die Ihr ſchreibt, mit Zeit und Ort, 
Genügen mir. — Wenn heim die Gäſte kehren, 
Nah' im Getümmel ich mich Euch des Aufbruchs, 
Und leſe, was Ihr ſchriebt; mein Heil, mein Glück! 
Bis dahin, lebet wohl! — O, meine Wünſche! 
(In die Seitenthüre rechts ab.) 
Erny. 
eh mir! Was ift gefchehn? — Gerechter Gott! 
Wenn in den erften Tagen, da er Tam, 





Zweiter Aufzug. 231 


Er fromm mir ſchien und gut — D pfui, pfui, pfui! 
Erbärmliches Gefühl, du bleibft mir fremd. 
Und fagen will ich's ihm! — Doch hier, und jegt — 
Dem Rafenden, in Mitte feines Hofe? — 
Und ſprech' ich nicht, fo kehrt er tobend wieder, 
Kniet, droht, befhimpft. — Ich will ihm fehreiben — ja! 
Er hat's begehrt, und ich, ich will es thun. 
Wil fchreiben ihm, ihn ſprechen ohne Zeugen, 
Und bören foll er ein verzweifelnd Herz. 
(Sie eilt zum Tiſche) 

Und doch — es ift nicht gut, es ift nicht recht. — 
Woher fonft diefes Zittern, dieſe Angft? 
Iſt Niemand hier? Mir kommt ein Schwindel an. 
Hoch! Stimmen — Menſchen — Wo verberg’ ih mid? 
(Sie hat das vor ihr liegende Blatt rafch gefaltet in den Bufen gefledt, 

und fleht jitternd, zwifchen Tiſch und Mauer gedrängt, da.) 


Banchanus kommt. 


Sancbanns. 

Der Streit ift abgethan, fo fehnell gefchlichtet, 
Als er begann. Faſt feheint mir's angelegt, 
Abſichtlich angelegt, die Nuh' zu ftören. 

(Auf ein Geräufg wendet er fi um.) 
Doch wer ift dort? — Ha, Erny, du? und bleich, 
Und zitternd? — Kind, was war? — was ift geſchehn? 

(Sr will fie anfaffen, fie weicht zuräd.) 
Fliehſt du vor mir? — Ha, bu bift krank. — 

Nur Hülfel 

Iſt Niemand hier? 


Erny. 
O, ſtill! Ich bin nicht Trank. 





232 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Bancbanus. 
Nicht krank? Und Todesbläſſe dedt die Wangen, 
Aufzudend fiebert eifig jedes Glied. — 
Laß uns nad Haufe, fomm! 
(Er greilt nad ihrer Hand, fie eilt an ihm vorüber dem Vorgrunde zu.) 


Erny. 
Ich Tann’ nicht tragen! Glühend brennt das Blatt, 


Das frevle Blatt auf meinem ſchuld'gen Bufen. 
(Sie wirft das Blatt von fid.) 


Nur fort, nur fort! 
(3u Banchan, der e8 aufgehoben hat.) 


Vernicht', zerreiß', vertilg' es! 
Und Niemand ahne, Niemand, was es birgt. 
Bancbanns (ed entfaltend). 
Mas birgt es denn? — Sieh, es ift leer! 
Erny. 
Ha, leer? 
Der Hölle Züge find drauf eingegraben. 
Bancbanus. 
Mag fein! Doch lesbar nur für Gott, und für die Bruft, 
Die es gedacht, obgleich ſie's nicht gejchrieben. — 
Hier ift dein Blatt, nimm ed zurüd. 


Erny. 
Ich nicht! 
Banchban! Auf diefem Blatt wollt’ ich dem Prinzen fchreiben. 
Bancbanus. 
Verhüt' es Gott! 
Erny. 


Und kamſt du nicht, ich that's. 





Zweiter Aufzug. 233 


| Banchanus. 
Die Königin mag wohl in Sorgen fein 
Ob jenes Streit3. Den Ausgang meld’ ich ihr. 


Erny. 

Und läffeft du mich fo allein? Bancbanus, 
Willſt du dein Weib nicht ftrafen und nicht hüten? 

Sancbanus. 
Beſtrafen? Hüten? Ei, ſag du nur ſelbſt: 
Wie fang' ich's an? — Führ' ich dich tobend heim, 
Verſperre dich ins innerſte Gemach, 
Mit Schloß und Riegel, unter Thor und Gitter? 
Verſchreib' ich Stumme mir aus Mohrenland? 
Verſchnitt'ne, die mein Weib allſehend hüten? 
Und Nachts, die Diebslaterne in der Hand, 
Schleich' ich mich hin, und forſche, ob's noch ſchließt? 
Die Ehre einer Frau iſt eine eh'rne Mauer, — 
Wer fie durchgräbt, der ſpaltet Quadern auch. x 


Erny. 
D hart, zu hart, Banchan, mein Gatte! 


Sancbanus. 
Ich bin wohl alt genug, und bu bift jung, 
Sch lebensmüd und ernft, du heiter blühend. 
Was gibt ein Recht mir, alfo dich zu quälen? 
Weil du's verſprachſt? Ei, was verfpridht der Menſch! — 
Weil's fo die Sitte will?! — Wer frägt nad Sitte? 
Wenn nicht in deiner Bruft ein ftill’ Behagen, 
Das Flüftern einer Stimme lebt, die ſpricht: 
Der Mann ift gut, auf Rechtthun fteht fein Sinn, 
Er liebt, wie Keiner mid, und wie zu Seinem, 
Fühl' ich zu ihm Vertrau'n; — wenn's fo nicht fpricht, 





234 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Dann Gott mit dir, und mit ung Allen, Erny! 
Dann ſchreib dem Prinzen nur! 


Erny. 
Mann! Vater! Gatte! 


Sancbanus. 
Sch weiß wohl, was fie fagen: feht den Alten, 
Er freit’ ein junges Weib! — Er täufcht, man zwingt fir. 
Sag Erny, felbft: wardſt du getäufcht? gezwungen? 
Bon wem? und wann? Als Nemaret, dein Vater, 
Im Tod zufammenfügte unfre Hände, 
Der blüh’'nden Tochter und des Jugendfreundes, 
Dem Schuß dich anvertrauend eines Gatten, 
Mer zögerte, dein rafches Wort zu nehmen? 
Wer ſchob die Heirathb auf? Wer bat, beſchwor dich, 
Dein Alter zu bedenken, und das feine? — 
Allein, du wollteſt, und er fügte ſich, 
Weiß Gott, wie gern! — Wenn’d nun di reut — 


Erny. 
Bancban! 
So lag der Prinz vor mir auf feinen Knie'n, 
Sp werf' ih mich vor dich bin, ad, und ſchwöre — 


| Sancbanus. 
Was fällt dir ein? Du knie'n vor mir, und ſchwören? 
Dein Wort fei Ja! und Nein! — Weißt bu dich ſchuldlos, 
Tritt hin vor mich und fag: ich bin's! Hörft du? 
Sch bin’s, bin ſchuldlos! — Und fieh mir ind Auge! — 
Nichts da! Den Blid nicht auf den Boden! Hier, 
Auf mich dein Aug’! — Ja fo, es ſchwimmt in Thränen?! 
— Mißhandeln, Kind! mißhandeln wollt! ih nicht! 
Senk' nur die Stirne, leg’ fie an dieß Herz, 





Zweiter Aufzug. 235 


Und was du weißt, das flüftre Leif’ ihm zu. 
Es wird dich hören, wie e8 dir verzeiht. 
_Erny. 
Berzeihn? D, bittres Wort! 
Sancbanus. 
Nun, Kind, wer weiß — 
Vielleicht dich bitten jelbft, daß du verzeibft, 
Was Thörichtes ich ſprach. — Es ift mein Fehler, 
Mein alter Fehler: jtet3 der Mund voran! 
Ermy Laufgerigtet). 
Banchban! Bor allem wifle: fein Gedanke 
Bon Unreht fam in meinen armen Sinn, 
Nur dag — o Gott! Mein Gott! 


Sancbanus. 
Schämſt du dich, Kind? 
Das iſt dir nütz! Schäm' dich an meiner Bruſt! 
So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt, 
Die Augen zu; recht wie der Vogel Strauß. 
Und ſo laß ſprechen uns. — Du guter Gott! 
Ich möchte fingen, jubeln, jauchzen, ſchrei'n, 
Daß ſie mir blieb, daß ich ſie nicht verlor. 
Nun alſo denn — der Prinz war hier? 
Erny. 

Ach ja! 

Sancbanus. 

War ungeſtüm? 
Ern y (aufgerichteh. 
O, wenn du wüßteſt —! 

BSancbanus. 
Zurück, in dein Verſteck! — Ihm zu entgehn, 
Verſprachſt du ihm ein Briefchen, oder ſo — 





236 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Ich Tönnte jagen: ſei's! Warum denn nicht? 
Was fchadet nur ein Brief? — Doch thu' ich's nicht: 
Die Künfte ſind's des hölliſchen Verſuchers. 
Wer einen Fuß geſetzt, zieht nad) den zweiten, 
Und alles Böfen Mutter ift Geheimniß. 
Drum Schreibe nicht! 
Erny. 
Gewiß! 
Sancbanus. 
Und weich' ihm aus. 
Erny. 
Ausweichen ihm? Ihm ſtehn, ihn ſehn, vernichten! 
Sancbanus. 

Kind, allzuviel gebt gleidy mit allzumenig. 
Laß ihn ung reizen nidt. Er tft wie Flamme, 
Und feine Schwefter hängt, wie fehr! an ihm. 
Nicht ich, es fol mein Weib nicht Unfried ftiften! — 
Ertrag, und überfieb ihn. Kurze Frift, 
So ſend' ich dich hinaus auf eins der Schlöffer, 
Dann bijt du feiner quitt. Bis dahin, Hug! — 
Man fommt! Laß Niemand ahnen, was geſchah. 
Unbill, die man erträgt, war gar nicht da. 


Zwei Kämmerer öfinen die Seitenthüre rechts. Die Königin tritt 
heraus, hinter ihr Herzog Otto, und der ganze Hof. 
Königin. 

: Hier alſo meine ſchöne Tänzerin? 
Sehr früh verließt Ihr mid). 
Sancbanus. 
Gie ift nicht wohl! 
Mit Eurem Urlaub führ' ich fie nach Haufe. 





Zweiter Aufzug. 237 


Königin. 
Nah Haufe geht nun Alles, ebler Rath; 
Auch Eure Frau ſonach. — Glüd auf, ihr Herrn! 
Wir danken eu, und hoffen’s zu vergelten. 
Otto 
(at ſich indeß Ernp’n genähert, die lints im Vorgrunde Reht, leifen 
Nun Gräfin, meinen Brief! 
Erny (au). 
Geht, ich veracht' Euch! 
(Bender fih zu ihrem Gatten.) 
Otto. 
Verachten, mich? — Auf Tod und Leben! Halt! 
(Ex drängt durch die Gafte und ergreift Erny's and.) 
Warum verachtet Ihr mich? Ihr! Warum? 
" Königin 
(indem fie zwiſchen Belde tretend, fie trennt). . 
Unfinniger! — Folgt, Gräfin, Eurem Gatten! 
Otto. 
Nicht af ich fie! 
Königin. 
Du wirft, denn ich befehl! es. — 
Glüd auf den Weg, ihr Herrn. Nur zul Lebt wohl! 
(Die Gäfe ab. Rönigin zurüdtommend.) 
Unfinniger! Wie weit geht deine Tollheit? 
Sito. 
Und bin ich toll, fo wahrt Euch vor dem Tollen! 
Du haſt's gefagt, und fo berühr' mich nicht! 
Hin auf den Boden werf' ich meinen Leib. 
. (er wirft fih zur Erde) 
Und mit den Händen greif’ ich in den Grund, 
Nicht hören und nicht reden! Rafe, ftirb! 
Der Borhang fallt. 





Dritter Aufzug. 


— — 


Vorzimmer der Königin. Rechts eine Seitenthüre, zu ihrem 
Gemach führend. 


Im Hintergrunde der Haupteingang, an dem mehrere Hoflente ſtehen. 
Unter ihnen Graf Peter. Der Arzt wartet im Vordergrunde, Die 
Königin tritt aus ihrem Zimmer. 


Königin. 
Wo ift der Arzt? 
Arzt, 
Hier bin ich, gnäd'ge Frau! 
Königin. 
Mein Bruder gilt für frank, und Ihr beſtätigt's. 
Kommt Ihr von dort! — Wie alfo fteht'3 mit ihm? 
Arzt. 
Nicht gut, muß ich befennen; doch zugleich, 
Daß noch die Form, der eigentliche Sit 
Des Uebelſeins fich nicht beftimmen läßt. 
Königin. 
Ein feines Pröbchen Eurer Kunft! 
Arzt. 
Verzeiht! 





Dritter Aufzug. 239 


Es läßt gar leicht ſich Grund und Urſach nennen, 
Die Frag’ ift nur, ob's auch zum Falle paßt? 
Wir Aerzte find Nachtreter der Natur, 
Und unsre Herrin gebt auf dunklen Pfaden. 

Königin. 
Ei gut! Ei Schön! 

(Zu Graf Peter.) 

Man fagt ja, Eure Schmeiter, 

Sie geh’ aufs Land? — In diefer Jahreszeit! 
Ohn' Urlaub und Begehr? Scheint’3 doch, fie lernt 
Bon ihrem Gatten Hofesbrauh und Sitte. 


Beter. 
Verzeiht, fie harrt im Vorgemache draußen, 
Ob Shr erlaubt — 
Königin. 
| Warum mward’3 nicht gemeldet? 
Laßt fie herein! 
(Es geht Jemand.) 
Nun, mweifer Dedipug, 
Fahr’ fort, und löſ' ung deine eignen Räthſel. 
Arzt. 
Des Herzogs Zuftand läßt fich Fieber nennen. 
Er liegt, und ftarrt, und fchweigt. Die Pulſe fliegen, 
Die Stirne heiß, die Eßluſt fort. 
Königin. 
Mie fo? 
Arzt. 
Er ſchlug die Diener, die ihm Nahrung brachten, 
Weift ab fo Speif’ ala Tranf. 
Königin. 
Seit wann? 





240 Ein treuer Diener feined Herr. 


Arzt (adielzudend). 


Mer weiß? 
Rönigin 
(ftampft mit dem Fuße). 
Arzt. 
Und wenn man nidt — 
Erny tommt. ° 
Königin. 


Ei, fieh' da, ſchöne Gräfin! 
Ahr reift aufs Land, dem Wonnemond entgegen ? 
hr werdet fein noch etwas warten müflen, 
Wir find im März. Was treibt zu fo viel Eile? 


Erny. 
Geſchäfte, gnäd'ge Frau! 
Königin. 
Gi, ich begreife! 
Die erſte Grafung gibt die befte Milch. 
Da helft Ihr denn wohl ſelbſt mit eignen Händen? 
Doch ernithaft nun! 
(Halblaut.) 
Ich boffe doch, der Vorfall 
Bon neulich Abends, er hat feinen Antbeil 
An diefer Reife! — Hat er, Gräfin? Spredt! 
Nehmt das nicht höher, als die Meinung mar. 
Mein Bruder liebt zu fcherzen. 


Erny. 
Scherzen, gnäd’ge rau? 
Königin (verägtlid). 
Sp glaubt Ihr denn? — Wie, oder Gräfin, doch? 


E) 





Dritter Aufzua. 21 


Waär's etwa Exnft geworden? Ernſt bei Euch? 
— Was ſagt dieß arme Herz? 
Erny. 
Wohl arm! Es ſchweigt! 
Königin. 
Und völlig ruhig denn? 
Erny. 
Vollkommen ruhig. 
Königin _ 
(ih von ihr abwendend). 
So reift mit Gott, und grüßt mir Laub und Gras! 
Einfältig Volk! Nur ftumpf, nicht tugenbhaft.” 
Harrt draußen, ob noch etwas zu befehlen. 
(Geny mit einer Verbeugung ab.) 
Königin vum Ant). 
Eu’r Kranker, Herr, ift toll, und gegen Tollbeit 
Gibt es ein einzig Mittel nur: Vernunft. 
Er mag fich felber heilen. Sagt ihm das! 
Wie au, daß er nicht hoffe, mich zu fehn, 
Bis er zu mir fommt, felbft, als ein Genef'ner. 
Arzt. 
Doc wollet mich auch für entſchuldigt halten, 
Wenn endlich doch Gefahr — 
Königin. 
Gefahr! Gefahr! 
Es ift nit noth, daß gar fo viele leben; 
Die Erbe trägt unnüße Laft genug. 
Wer fi) Nothivendigem nicht fügen kann, 
Mag fterben, wär's mein Bruder, wär’ ich's jelbit. 
Arzt. 
Ich gehe denn. 
Grillparzer, ſammtl. ®erte. IV. 16 





242 Ein treuer Diener feines Herrn, 


Königin. 
Bleibt noch! 
(Zu den SHoffeuten.) 
Iſt fonft noch Jemand 
Im Vorfaal, der mein harrt? 
(Zum Arste.) 
Bei Eurem Kopf! 
So glaubt hr wirfli denn, daß Grund zur Sorge?: 
Geſteh' ich's Euch, ich dacht‘, ein leeres Wahnbild, 
Ein ungeftillter Wunſch, ein Hirngefpinnit 
Gei dieſes Uebeld Grund. 
. Arzt. 
Bielleicht! Wohl möglich! 
Streitfüht'ge Nachbarsherrn find Geift und Körper, 
Die Grenzen mwechjeln und verwirren fie, 
Man weiß oft nicht, auf weilen Grund man fteht. 
Tod, was es fei, die Wirkung bleibt diefelbe. 
Zumal, wenn er die Nahrung von fich weiſ't: 
Gin ganz Gejunder ftirbt, entbehrt er dieſe. 


Ein Diener tommt eilig. 


Diener. 
D Herr! mein Herr! 
Arzt. x 
Wer ruft? 
Diener. 
Der Prinz — 
Königin. 
Was ıft? 
Biener. 
Der Prinz — Ihr wart faum fort, da kam der Wärter 
Mit Arzenei’n, die wies ber Prinz zurüd; 





Dritter Aufzus 243 


Gebot jedod dem Mann, die Ader ihm 
Am dargereichten Arm zu öffnen. Jener 
Verweigert's. Da ergreift der Herr den Dolch, 
Und fehleudert ihn. Am Haupte hart vorbei 
Flog hin das Meſſer, baumtief in die Want. 
Königin. 

Es ift genug! Das Raſen hab’ ein Ende! 
Zu Eurem Kranken kommt! Aus meinen Zimmern 
Führt ein geheimer Gang uns nad) den feinen. 
Ob Wahrheit, oder Wahn, ob Kraft, ob Ohnmacht, 
Es fei im Klaren, und es fei geheilt. 
Was von Geſchäften hier, foll meiner harren. 
Auch Gräfin Erny, heißt herein fie treten, 
Und mid) erwarten. Bald kehr' ich zurüd. 

(Wit dem Arzte durd die Geitentfüre ab.) 


Zimmer des Prinzen. Der Mittelgrund ift durch einen breiten 

Mauerbogen, und daran herabhängenden Vorhang geſchloſſen, ber 

in ein innere, altovenartiges Gemach führt. In der nad vorn 

gelehrten Verkleidung bed Bogens, auf ber linfen Geite, eine 

Tapetentgüre. Im Vorgrunde rechts eine Geitenthür, in deren 

Getäfel ein blanter Dolch ftedt. Gegenüber ein Tiſch und Stuhl. 
Zwei Diener kommen dur$ die Exitenthäre. 


Erfter. 
Ich zieh’ den Vorhang auf. Der Arzt will Licht. 
Zweiter. 
Der Prinz will Dunfelpeit. 
Erſter. 
Allein, der Arzt — 
Zweiter. 
Du meinſt, es heile doch der Arzt die Beulen, 
Die Ungehorſam bei dem Prinzen einträgt. 





244 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Erfter. 
Sch thu's! Horch! Pocht man nicht? 

Bmeiter. 
Geh hin und öffne! 


Erfter Diener Öffnet die Tapetenthüre in der Bogenwand des Mittel: 
grundes.) 


Die Königin und der Arzt treten ein. 

Aönigin. 
Warum fiehbt man nit nah? Die Thüre läßt 
Bon innen faum, felbjt mit Gewalt, fich öffnen. 
No ift mein Bruder? Zieht den Vorhang auf! 

Erfier Diener. 

Der Prinz verbot — 

Königin. 

Ich aber will’. Gehorche! 


Der Vorhang wird aufgezogen. Herzog Otto liegt nah vorne gefchtt. 
den Kopf in die Hand geſtützt, auf einem querüber lebenden Rubebette. 


Königin. 

Mein Bruder! — Ha, und wie entitellt und bleich! 
Wenn's dennod wäre! wenn — verhüt’ es Gott! — 
Gebt hin, und fühlt den Puls. 

Arzt 

(fi dem Ruhebette nähernd). 
Erlaudter Herr! — 
Otto 
(richtet ſich mit halbem Leibe, drohend, empor). 
Arzt 


(zieht ſich zurüd). 





Tritter Aufzug. 245 


Königin. 
Was muß ich fehn, mein Bruder? Weigerft du 
Der Hilfe did, der heilbefliff'nen Sorge? 
Nun glaub’ ich erft, was kurzvor man berichtet. 
Der Dolch in jener Wand befundet deutlich, 
Wie du dich nimmft, wie fehr du dein vergißt. 
Du marfit ihn nach dem fundig wadern Mann; 
Er follte haften dort zur Straf’ und Warnung: 
Doc ſchon' ich dein, und finde felbft bedenklich 
Sold Werkzeug in des Rafenden Bereich. 
Macht los den Dolch, ich nehm’ ihn felbjt zu mir. 
Erft dem Genef’nen geb’ ich feine Waffen. 
(Der Dold wird gebracht, fie legt ihm auf den Tiſch) 
Er fehweigt, Tehrt nicht einmal den Blid nad mir? — 
Nun, Krankheit oder Starrfinn — fort mit beiben! 
(Räger tretend.) 
Wie geht's Euch, Herzog? 
Otto. 
Gut! 
Königin. 
So fteht denn auf! — 
Bolt Ihr nicht eflen? 
Btto. 
Nein! 
Königin. 
Barum nicht? 
Otto. 
Ich habe ſchon gegeſſen. 
Königin. 
Ha! Ihr Lügt! 





246 Ein treuer Diener feine Herrn. 


KAtto. 
Nun denn, ih mag, ih fann, ih will nicht. 
Nicht eſſen und nicht athmen, leben nicht. 


(Er wirft ſich herum, fo, daß er mit aufwärts gekehrtem Gefihte auf dem 
Rüden liegt.) 


| Königin. 
Unfinniger, fein felbft vergefl'ner Thor! — 
Geht ihr hinaus! ch werde nach euch rufen. 

(Arzt und Diener ab.) 
Königin. 
Kannſt alfo du der Gottheit Abglanz ſchänden? 
Nicht Krankheit iſt's, ich weiß, ich kenne dich! 
Der Leidenfchaft und ihrer Naferei 
MWirfft du die Gaben vor des gottgegebnen Geiſtes. 
Sie glüht als Fieber durch dein kochend Blut, 
Und wirft die Blafen, die fie Krankheit nennen. 
Der Leivenfchaft! Und wär’ es Liebe noch, 
Wenn auch verkehrt‘, verbrecherifche Liebe! — 
War doch in alter und in neuer Zeit 
Entſchuld'gung fie für manches Schlimm’ und Sciefe — 
Doch ift es Liebe nicht, ıft Tobjucht nur, 
Des ungezähmten Geiftes trogig Walten, 
Der Eigenfinn, der will, weil er gewollt. 
Ich aber den! es nimmermehr zu dulden, 
Am mind’ften, wo ich Frau und Königin. — 
Mir kommt die Luft an, Wunder zu verfuchen! 
— Steh auf, und ſei gefund, ſprech' ich zu dir. 
Steh auf, und zwar zur Stelle! Jetzt! ich will's! 
(Sie hat feine Schulter mit ihrer Hand berührt, Otto richtet fi empor, 
und fit mit aufgeflügter Hand und vorhängendem Haupte da.) 





Dritter Aufzug. 247 


O, Jammerbild der ſelbſtgeſchaffnen Schwäche! 
Wie ſchäm' ich mich, daß du von meinem Blut! — 
Wo gehſt du hin? — Was willſt du? 
Otto 
Wer aufgefanden iſt, und einige Schritie gemacht hat, die Stirne reibend). 
Wußt' ich's dog! — 
Ei, ja! 
Königin. 
Wo millft du hin? Bleib, Otto, bleib! 
Du willft doch nicht ins Freie? — Otto, Sprich! 
Otto. 
Ich will! 
Königin. 
Die Luft ift rauh, der Abend kühl, 
Du jelber bift erhigt. 
(Sie hat feine Hand gefabt.) 
O Gott, wie heiß! 

Ad, bift du Frank, wahrhaftig frank! Mein Bruder! — 
O bleib doc, bleib! Was willſt, was fannft du wollen? 
Otto. 

So ruf denn ſelbſt, und laß die Pferde holen. 
Königin. 
Bier? 
Otto. 
Meine Pferde, meine Diener auch! 
Königin. 
Wo willſt du hin? ' 
Btto 
(aufregt hinſchreitand, und Wamms und Gürtel ordnend). 
Bill heim, zu meinem Vater, 
Zu meinen Brüdern, meinen Schweftern allen, 





245 Ein treuer Diener ſeines Herrn. 


Die,mein begebren, mir mit Liebe folgen; 
Zurüd in meiner Heimath Alpenthal. 
Was foll ich bier? Wo Jedermann mich haft, 
Wo jedes Wort rüdprallt vom jtumpfen Hörer; 
Wo meine Schweiter ſelbſt das Beifpiel gibt, 
Mich zu erniedern. 
| Königin. 
Ich? 
Otto. 

Ja du! Nur du! 

Wer bin ich hier, und was an deinem Hof? 
Beſchimpft nicht Jedermann mich ungeſcheut? 
Tratſt du dazwiſchen nicht am ſelben Abend, 
Wo ich die Thörin, die mir Hohn geſprochen, 
Antrat zu Widerruf und zu Erklärung? 
Tratſt du dazwiſchen nicht, als ſie es ausſprach, 

Es ausſprach, daß ſie mich verachte! — Teufel! 
Verachtung?! — Grimm und Tod! — Verachten? — Mich?! 
Königin (ihn anfaffend). 

Zu Hilfe! Aerzte! Diener! Hört denn Niemand? 


Der Arzt dffnet die Thür. 


Otto. 

Laß! Ich bin ſtark, wie der nemäiſche Leu, 

Der Grimm ſtählt meine Sehnen ſtatt Geſundheit. 
(Der Arzt zieht fih zurüd.) 

Ja, ih will fort. Du aber, danke Gott! 

Denn blieb’ ich bier, in Mitte meiner Schaar 

Durchzög' ich dieß dein Land, bis ich fie fände, 

Die Thörin fände, die mir Schmad) getban. 

Aus ihres Haufes Flammen riſſ' ich fie, 





Dritter Aufzug. 249 


Aus ihrer Wächter Mitte, vom Gebet, 
Und ftellte fie vor mich bin. Da, nun fprid! 
Wenn du es wagſt: warum du mid veradhteft? 

Königin. 
Mein Bruder, höre! — D, wie jchäm’ ich mich! 
Du haft wohl Frau'n von höh'rer Art gefannt, 
Ich felber darf mich zählen unter folche. 
Haft Geift gefannt und Wis, des Umgangs Reize. 
Wie kann nun Leibenfchaft für diefes Weſen, 
Kaum ſchön, von ſchwachem Geift, und dürft’gen Gaben, 
* Halb thöricht. und halb ftumpf, dich nad fich ziehn? 
Und unerbört; denn, fteh, ich weiß, mein Bruder! 
Sie denft dein nicht. 

Otto. 

Wer ſpricht davon? — Und doch! 
Weil ſie nicht will, und weil ſie's nicht verdient, 
Will ich ſie lieben, will mit jedem Reiz 
Erfinderiſch ſie ſchmücken, mir zur Qual. 
Will wiſſen, ich, warum ſie mich verſchmäht! 
Den Zauber kennen, den der ekle Thor 
Ausübt, ihr Gatte, über ſie; die Kräuter, 
Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen. 
Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr? 
Laß, ich will fort! 

Königin. 

Mein Bruder, höre! 

Geh nicht von mir, du meines Lebens Glück! 
Laß mich allein nicht bier in diefer Wüſte, 
Wo du der Einz'ge bift, der Einz’ge, der da lebt! 
Mein Ich, mein Selbit, mir theurer, als mein Selbit! 
Begehre, was du mwillft, nur bleib’ bei mir! 





250 Ein Ireuer Tiener ſeines Herrn. 


Atto. 
Ich kann nicht bleiben, fo beſchimpft, entehrt! 
Königin. 
Man foll genug dir thbun. Verweis, Erflärung. 
Ich banne fie vom Hof! 
Otto. 
Was fällt dir ein? 
Glaubſt du, mein Zürnen brauche fremder Hilfe? — 
Doch Eins! — Laß mich ſie ſprechen! 
Königin. 
Sprechen? 
Otto. 
Ja! 
Die Gräfin, ſie. In deinem Zimmer. Hier! 
Königin. 
Euch zu erheben, wollt Ihr mich erniedern? 
Bermittlerin ich zwifchen Euch und ihr? 
Otto. 
Ich ſagte dir: von Lieb’ iſt nicht die Rede. 
Db ich fie liebe, das ein andermal! 
Doch Sprechen muß ich fie, und meigerft du's, 
Sp wol’ auch nicht, was fonjt unmöglich ıft. 
u Königin. 
Mein Dtto! 
Otto. 
Und du kannſt es; wie ſo leicht! 
Du rufſt ſie her, und hinter jener Thür — 
(auf die Tapetenthüre zeigend) 
Bit du ein Zeuge deſſen, mas gefchiebt; 
Nur Zeuge, Hörer nit. Drei Schritte fern 
Harrſt du, bereit zu fchneller Unterbrechung, 





Dritter Aufzug. 251 


Sobald der Zweiſprach Wendung dir mißfällt, 
Sobald ein heftig Wort, ein Laut, ein Ruf, 
Tir anzuzeigen feheint, daß Trennung notb. 
Du willſt? Du thuft'3? 
(Zur Thare hinaus rufend.) 
Hollah! 
Königin. 
Vorerft nur noch — 


Ein Diener fommt. 
Otto. 
Nicht ich, die Königin verlangt nach dir. 
Aönigin 
(nad; einer Heinen Paufe). 
Ruft Gräfin Erny ber in dieſes Zimmer! 


Otto. 
Noch Eins! 
(Gr ſpricht, mit dem Diener zur Thüre gehend, leiſe ihm ins Obr. 
Diener 06) 
Königin. 
Was ift? 
Otto. 


Ein Auftrag meinen Leuten, 
Daß wir nicht reiſen, daß wir bleiben noch. 
Asnigin. 
Nun aber hör'! Ich weiß, was ich verletze, 
Wie ſehr zu tadeln, daß ich mich gefügt. 
Verdammlich iſt die Liebe, meine Liebe, 
Die du mißbrauchſt, und doch fo theuer mir. 
Nun aber zeige, daß du ihrer werth, 
Erfpare einen Theil mir der Beſchämung, 








252 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Indem du jo dich nimmit, wie ich gehofft, 
Als ich mich fügte deinen rafhen Wünfchen. 
Gib mir dein Wort! — 

Otto. 

Man kommt! 

Königin. 
D, Gott! — 
Auf dir ruht nun mein Dafein. Fahre mild! 
(Durch die Tapetenthüre ab.) 

Otto. 
Auch ich will nur hinein in mein Verſteck. 
Der Feind erkenn' erſt ſpäter die Gefahr. 

(Er tritt hinter den Vorhang, der ſich ſchließt.) 


Erny kommt durd die Geitenthüre. 


Erny. 
Es ward geſagt, die Königin ſei hier. 
Wo iſt ſie denn? das Zimmer iſt ja leer. 
Kein andrer Ausgang auch, als wo ich kam. 
Horch! — Hinter jenem Vorhang tönt ein Haufen. 


Vielleicht, daß dort — 

(Sie blidt hinter den Vorhang, ihn in der Mitte öffnend. Während 

dem tritt Herzog Dtto leife von der rechten Seite hervor, und bleibt 
an der Thüre fleben.) 


Auch bier fein lebend Wefen! 
Mer wohnt nur bier? Die Wände reich verziert — 
Cin Schlafgemach — vielleiht wohl gar — o Gott! 
(Sie erblidt den Herzog und läßt die Vorhänge fallen.) 
KAtto. 
Erſchreckt nicht, ſchöne Frau! 
Erny. 
Erſchrak ich denn? 





Dritter Aufzug. 253 


Ich bin erftaunt, empört, doch nicht erfchroden. 
Zur Königin berief man mid) hieher. 
Otto. 
Es iſt ihr Wunſch, daß Ihr fie hier erwartet. 
Erny. 
Da gilt fein Wunſch und felber fein Befehl. 
(Zum Gehen gewendet.) 
Otto. 
So hört denn mich, mein Bitten, meinen Schmerz. 
Ich weiß, ich hab' Euch ſchwer und tief beleidigt. 
Vor Allem laßt Verzeihung mir erflehn. 
Erny. 
Wer Alles fid) erlaubt, und felbft verzeiht, 
Braut der Verzeibung Andrer und Erlaubniß? 
Otto. 
Der ſüßen Nähe Reiz berückte mich. 
Der Loden Gold, der Wangen Roſenlicht, 
Die Stirn aus Elfenbein, der Augen blauer Himmel, 
Die ganze, lichthell glänzende Geftalt — 
Allein, was ſprach ih, und mas wollt’ ich ſprechen? 
Ich bin verirrt, ich bitt' Euch, feht mir nad! 
Erny. 
Als Heines Mädchen nannten fie mich eitel. 
Ich bin's nicht mehr. 
Otto. 
So viel der Himmelsgaben; 
Dazu noch der Gedanke, daß — ich weiß nun, 
Wie ſehr ich irrte, damals aber glaubt' ich's — 
Daß Euer Auge mit Zufriedenheit, 
Mit Wohlgefallen auf mir hafte. Jener 





254 Ein treuer Diener feine Herrn. 


Unfel'ge Drud der Hand, den ich beim Tanze 
Zu fühlen glaubte — Haare, meine Haare, 
Die Ihr fo gütig maret zu bemerken, 
Zu Eudh zu nehmen — 
Erny. 

Auf dieß Eine hört, 
Was ich zur Deutung — 

Otto. 

O nicht doch, o ſchweigt! 
Laßt uns nicht mehr von dieſen Träumen ſprechen! 
Ich weiß zu gut, wie ſehr ich mich getäuſcht. 
Dieß Alles nun, und über alles Andre, 
Daß Euer Gatte — Gräfin, Ihr verzeiht! 
Bancbanus iſt, ich weiß, ein Ehrenmann, 
Wohlredenheit ſtrömt über ſeine Lippen, 
Iſt geiſtreich, witzig, ſchnellgewandt im Rath. 
Sein Bart iſt grau, allein in Ehren grau; 
Sein Säbel ſchlägt die Ferſen, wie ein andrer. 
Ein Ehrenmann, fürwahr! Doch etwas — unſchön, 
Beinahe möcht' ich's lieber gräßlich nennen. 
Allein, ich ſeh, Ihr ſeid nicht meiner Meinung! 
Wohlan, ich geb' es zu. Der erſte Eindruck 
Thut wohl das Schlimmſte, und der Mann gewinnt, 
Zumal in einiger Entfernung. Aber 
Wenn auch nicht grau, und wenn nicht widrig auch, 
Was wär' er gegen dieſen holden Umfang 
Von Allem, was der Himmel reizend ſchuf? 
Als ich mit ihm zum erſtenmal Euch ſah, 
Da rief's in mir: verkehrt iſt die Natur! 
Entſprießt dem Eis die Königin der Blumen? 
Gezwungen iſt ſie, oder iſt betrogen; 
Des Ritters Pflicht, Gefangne zu befrei'n. 





Dritter Aufzug 255 


Erny. 
part Eure Ritterpflicht auf größre Noth. 
Mit freier Wahl erfor ich meinen Gatten. 
Und wenn nicht jung und wenn nicht blühend auch, 
Weit höher acht’ ich ihn, als — 
Otto. 
Sprecht nicht weiter! 
Antwortet mehr nicht, als man Euch gefragt! 
Beleidigen iſt leicht, doch ſchwer verſöhnen. 
| Erny. 
Wir find zu Ende, ſcheint's, und ich kann gehn. 
Otto. 
Noch nicht. Das Letzte fehlt, iſt noch zu ſagen. 
Dieß Land, wo meine Schweſter lebt und herrſcht, 
Wo Alles mich umringt mit Luſt und Freuden, 
Durch die Ereigniſſe der letzten Zeit 
Iſt's mir zum Greu'l geworden und zur Hölle. 
Nach Deutſchland kehr' ich heim — Ich ſeh, es freut Euch! 
Nun, um ſo lieber reiſ' ich, macht's Euch Freude. 
Beim Scheiden nun gönnt mir als letzten Troſt — 
Ihr könnt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich 
Je Vortheil ziehn aus Eurer Huld und Meinung — 
Gönnt mir den Troſt, daß Ihr Euch mein erinnert. 


Erny. 
Erinnern Eurer? — nie! 
Otto. 
Daß ich Euch völlig 
Gleichgültig nicht. 
Erny. 
Gleichgültig ganz und völlig. 





256 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Otto. 
Ihr lügt! Ihr täuſcht Euch, fürcht' ich — O, ich weiß, 
Was Euch ſo ſtrenge macht, ſo herb und kalt. 
Idhr haltet mich für ſchlimm. Ach bin's, ich war's! 
Geboren auf der unglückſel'gen Höhe, 
Wo man nicht Menſchen kennt, nur Schmeichler, Sklaven; 
Emporgetragen von des Haufens Gunſt, 
Aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung; 
Begabt mit Manchem, was fonft rauen lodt, 
Stürzt’ ich mich in des Lebens bunt’ Gemwühl. 
War ich nicht gut — ich Fonnte Schlimmer fein! 
Gab böjes Beifpiel ich, wer gab mir gutes? 
D, mwäret damals Ihr in Himmelsflarbeit 
Hinabgeftiegen in die Schauerböhle, 
Wo ih, mit Mold und Natter pielend, lag; 
Ich hätt's erfannt an Eurem reinen Licht, 
Wir’ Euch gefolgt, wär’ glüdli nun und felig. 


Erny. 
Sept Ihr's voraus, weil’ nun unmöglich ift? 
Otto. 


O, nicht unmöglich! Jetzt noch möglich, jetzt noch! 

Wenn Ihr nur wollt, wenn Ihr Euch nicht entzieht. 

Ich fordre ja nicht Liebe, Liebe nicht! 

Gönnt mir nur Antheil, Neigung, Euer Aug' nur, 

Daß ich es fragen darf mit meinen Augen: 

War's alſo recht? wenn ich nicht ſchlimm gethan. 

— Ihr willigt ein? Ihr ſtoßt mich nicht zurück? 
Erny. 

Habt Ihr vergeſſen, daß Ihr reiſen wolltet? 

Der Meiſter hat den Schüler gern um ſich, 

Ich aber. wünſch' Euch fern. 





Deitter Aufzug. 257 


Otto. 

Verkennt Ihr denn 
Der Tugend ſchönſtes, weltbeglüdend Vorrecht, 
Wo fie geblüht, aud Samen auszuftreu'n? 
Genügt e3 denn der Sonne, daß fie Licht, 
Geht fie nit auf, und Alle zu erleuchten? 
Wenn hr dereinft am großen Tage fteht, 
Umgeben von den Engeln Eurer Thaten, 
Wollt Ihr dann nicht den Blick zurüdefenven, 
Und fagen: diefer Mann ift audy mein Werk? 


Erny. 


Es hört fi gut, doch handelt Ihr nicht fo. 
Wer dürft Euch trauen, wenn er wollte felbft? 


Otto. 
Ihr dürft, Ihr ſollt! — O, dieſer Augenblick 
Iſt fruchtbar an Entwürfen und an Thaten! 
Geſteh ich's Euch! Als man Euch herbeſchied, 
War finfter meine Bruſt, und Gräßliches, 
Das Neuferfte beivegte fih in mir. 
Doch Euer Anblid bannte jene Schatten. 
Lernt mich erft Tennen, achten wohl zulegt. 
Des Leuchtthurms Flamme feid dem irren Schiffer, 
Er fieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen; 
Doch fteuert er getroft dem Schimmer zu,. 
Er weiß, dort, wo das Licht, ift Land und Rettung. 
— Ihr wollt? Ihr thut's? — Gebt mir die Hand darauf! 
Die Hand, um die ih bitte — Eure Hand! 
Erny. 
Ha, was war das? Enthüllft du felber di? — 


Tilg' erft den Schimmer dort aus deinem Auge, 
Griliparzer, fünmtl, Berte, IV. 17 





2358 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Der, lauernd, fich gelungner Plane freut. . 
Wirbſt du nah Tugend und gehörft der Sünde? _ 
Otto. 
Der Sünde nicht! — Noch nicht! Noch iſt es Zeit! 
Gib mir ein mildes Wort, und rette dich, 
Errette dich und mich! 
Erny. 
Ich, Milde dir? — 
Ich haſſe, ich verabſcheu', ich ver — 
Otto. 
— achte! 
Verachtung, war's nicht fo? — Merkt Euch das Wort! 
Ihr ſpracht es einmal ſchon, an jenem Abend; 
Merkt Euch das Wort! Ihr ſteht dafür mir Rede! — 
Fahr' aus, du guter Geiſt, der mich beſchlich, 
Als ich ſie bat, der faſt mich übermannt, 
Räum' deinen Platz dem Finſterſten der Hölle! — 
Schwachſinnig Weib mit der erlognen Tugend, 
Die heilig möchte heißen, weil ſie kalt! 
Du liebſt mich nicht? — Was frag' ich um dein Lieben? 
Du haſſeſt mich? Was kümmert mich dein Haß? 
Doch weißt du, Thörin, was Verachtung heißt? 
Verachteſt du mich, Weib? Das bitt' mir ab, 
Auf dieſen deinen Knieen bitt' es ab, 
Sonſt fürchte meinen Born. 
Erny. 
O Gott! Mein Gott! 
Wer rettet mich? 
Otto. 
Du ſelbſt, wenn du dich fügſt. 
Allein, wenn nit, dann Unglückſel'ge! wiſſe: 





Dritter Aufzug. 259 


Verſchwinden follft du vom Geſicht der Erbe, 

. Daß fi die Leute fragen: it fie todt? 

Indeß du lebt in dunklen Schauerflüften, 

Umgeben von des Ortes Cinfamfeiten, 

Wo nur Erinnerung und du. 

Dort ſollſt du jammern, follft die Hände ringen, 

Wie einen Feſttag zählen jeden Tag, 

Wo mich mein Fuß in deine Zelle trägt. 

Umfonft dein Flehn, umfonjt jelbjt deine Liebe. 
(Näher tretend.) 

Wenn du mir Liebe bötejt ſelbſt — 


Erny. 

Ich dir? 

Ha, mein Gefühl, ich hab’ es dir genannt. 
Otto. 


Du haſt. Es ſei! 
(Er tritt hinter den Vorhang.) 
Erny. 
D Gott! Was wird? 
- Er finnt Gefährliches. Nur fort! Entfliehn! 
(Sie eilt zur Thüre, und verfudt es, fle zu Öffnen.) 
Die Thür verfchloffen. — Gott! wer ſchloß die Thür? 
Wer rettet mich? Sie fommen! — Großer Gott! 


Der Vorhang fliegt auseinander. Herzog Otto tritt vor. Hinter ihm 

wei Gewappnete, deren einer die Echnur des Vorhanges gezogen 

bat. Im Hintergrunde zeigt ein aus feinem Rahmen geſchobenes großes 
Bild den Gingang, durd den fie gelommen find. 


Atto. 
Ergreift dieß Weib! Bringt fie nach Forchenftein, 
Auf den geheimen Pfaden, die ihr Fennt. 





260 Ein treuer Diener feines Herrn. 


| Erny 
(die wieder nad der linken Seite des PVorgrundes geflohen if). 
Mein Prinz! 
Otto. 
Es iſt zu ſpät! 
(An der Zapetenthire wird gepocht.) 
Ha, Schweiter! du? 
Es iſt zu fpät, fag’ ih nun auch zu dir. 
(Er dreht den Shhlüffel an der Zapetenthüre.) 

Die Würfel liegen, und fein Schritt zurüd. 
— Ergreift fie, fag ich euch! 


Erny. 
| Ich aber: weicht! 
(Sie hat den Dold ergriffen, der auf dem Tiſche lag.) 

Du bülfreih Werkzeug, dich hat Gott gefendet! 
Glaubft du dich meiner Herr und jauchzeft drob? 

Mer mich berührt, den trifft dieß ſcharfe Eifen. 

Ein zürnend Weib und eine Ungarin, 

Mer wagt's und naht? 

(Sie thut einige Schritte entgegen, die Gewappneten halten ein.) 


Otto. 
Ha, Feige, zitiert ihr, 
Und habt doch Harniſch' an!? 
(Die Gewappneten gehen auf fie los.) 


Erny. 
Erbarmen! — Ha! 
Sie nah'n, fie fallen mid! 
(Einer der Gewappneten bat fie ergriffen, fie reißt fi los.) 
Hier ift fein Harniſch. 
(Sie flößt fih den Dolch in die Brufl.) 





Dritter Aufzug. 2361 


D web! — Es fchmerzt! — Muß ich fo früb ſchon fterben ? — 
Mein Blut! — Es fehmerzt! — 
(Sie fintt zu Boden.) 

(Herzog Dtto entflieht nah dem Innern des Gemades zu. Sobald ges 
pocht wird, bleibt er erflarrt flehen, nod immer in der Stellung eines 
Tliehenden, den Rüden gegen die Zufchauer gelehrt.) 
Königin 
(von innen an die Tapetenthüre pochend). 

Macht auf! — Bei eurem Leben, öffnet! 
(Einer der Gewappneten Öffnet die Zapetenthüre.) 
Königin (tritt heraus). 
Mas ging hier vor? Um aller Heil’gen willen! 
Verruchter! Das mein Lohn und dein Verſprechen? 
Sudt Hilfe! Eilt! 
(Um die Todte beſchaͤftigt.) 
(An der GSeitenthüre rechts wird heftig gefchlagen. Berworrene Stimmen 
lafien ſich hören.) 
Königin. 
Mein Gott! Was iſt nun das? 
Peter (von außen). 
Sie ging hinein! Wir haben fie gejehn! 
Simon (eben jo). 
Eprengt auf die Thüre, öffnen fie nicht willig. 
Königin 
(ihren Bruder an der Hand ergreifend und vorführend). 
Unfeliger! tel’ dich an meine Seite! 
Die Raſenden ergreifen, tödten dich! 


Die Thüre wird eingefprengt. Banebanns. Die Grafen Eimon 
und Peter, mit Dienern und Gemwaffneten, fürzen herein. 


Simon. 
Bancbanus, fieh! Dort liegt dein Weib ermordet! 


DE Zu \ 
, . 
' 


262 Ein treuer Diener feines Hetrn. 


Sancbanus. 
D Erny! D mein Kind, mein gutes, frommes Find! 
(Rniet an der Leiche.) 
Bcter. 
ft Feine Hilfe? Sendet Diener aus! 


- 


Simon. 
Umfonft! Getroffen ift der Sitz des Lebens. 
Kein Arzt, fein Gott gibt wieder fie zurüd. 
Nichts mehr für fie zu thun, als fie zu rächen! 
Dort ift der Mörder! Diefer hat's gethan. 
(Auf Dtto zeigend.) 
Heraus, mein Schwert, und freu’ dich auf ein yeft! 
Peter. 
Du grimmer Wolf, was that dir dieß mein Lamm? 
- (Er zieht ebenfalls.) 
Simon. 
Auf ihn! Haut ıhn in Stüde! Stoßt ihn nieder! 
Königin. 
Zurüd! Wer klagt bier an? und mer beweist? 


Bcter. 
Liegt nicht das Opfer tobt in feinem Blut? 


Simon. 
Steht nicht der Henker dort? Wer anders konnt' es? 
Königin. 
Wer anders? Ich! — Sch felber hab's gethan. 
Sie hatte höchlich fi) an mir vergangen, 
Und alfo ftraft’ ich fie. Wenn mein Gemahl 





Dritter Aufzug. 263 


Zurüde Tehrt, jteh’ ih dem König Rebe. 
Bis dahin — 
(Zu Dtto.) 
Komm! — Und ihr Tennt eure Pflicht! 
(Mit ihrem Bruder zum Abgehen gewendet. Die Uehrigen fliehen um 
die Leide.) 


Der Vorhang fällt. 





Vierter Aufzug. 


— 7tJr — 


Platz vor Bancbanus Hauſe. 


Die Grafen Simon und Peter kommen mit Begleitung. Alle bewaffnet. 
Sie bleiben im Vorgrunde rechts ſtehen. 


Simon. 
Bancbanus nicht zu Haufe? — Aber feht, 
Dort nahen fie, fie kommen vom Begräbniß. 
Was fällt ihm ein? Begräbt er feine Frau? — 
Ein Bahrrecht fol uns werben, blut'ges Bahrredt! 
Er wird ſchon alt und kindiſch; höchite Notb, 
Daß Andre denken, handeln drum für ihn. 
(Zu Beter.) 
Sei ruhig, Bruder! Dir fol Rache fein! 
(Zu cinem Begleiter.) 
Du aber Tehre zu den Unjern. — Sag, 
Sie jollen jeden Ausgang ftreng bewachen, 
Der aus dem Edyloß ins Freie führt. Man will 
Den Mörder unferm Grimm entziehn, ihn heimlich 
Nach Deutjchland fenden; doch das fol, das darf nicht! 
Ich will dich zerren, blut'ger Wolf! Geh nur! 
Und fomm ich felbit, und haben wir nicht Antwort, 
So ftürmen wir das Schloß! 
(Begleiter geht ab.) 





Dritter Aufzug. 263 


Zurüde kehrt, fteh' ich dem König Rebe. 
Bis dahin — 
(3u Dtto.) 
Komm! — Und ihr kennt eure Pflicht! 
Mit ihrem Bruder zum Abgehen gewendet. Die Uehrigen fehen um 
die Leiche.) 


Der Vorhang fallt. 





Vierter Aufzug. 


— r —— — 


Platz vor Bancbanus Hauſe. 


Die Grafen Simon und Peter tommen mit Begleitung. Alle bewaffnet. 
Sie bleiben im Vorgrunde rechts flehen. 


Simon. 
Bancbanus nicht zu Haufe? — Aber jeht, 
Dort nahen fie, fie fommen vom Begräbniß. 
Was fällt ihm ein? Begräbt er feine Frau? — 
Ein Bahrrecht fol uns werden, blut’ges Bahrrect! 
Er wird ſchon alt und Tindifch; höchfte Notb, 
Daß Andre denken, handeln drum für ibn. 
(Zu Peter.) 
Sei ruhig, Bruder! Dir fol Rache fein! 
(Zu cinem Begleiter.) 
Du aber kehre zu den Unfern. — Sag, 
Sie follen jeden Ausgang ftreng bewachen, 
Der aus dem Schloß ins Freie führt. Man will 
Den Mörder unferm Grimm entziehn, ihn heimlich) 
Nach Deutichland fenden; doch das fol, das darf nicht! 
Ich will dich zerren, blut’ger Wolf! Geh nur! 
Und fomm ich ſelbſt, und haben wir nicht Antwort, 
Ep ftürmen wir das Schloß! 
(Begleiter geht ab.) 





Vierter Aufzug. 265 


Im Hintergrunde fommt Bancbanus auf zwei Diener gefüst. 
Berwandte und Freunde hinter ifm, alle in Trauer. Eie gehen 
quer über die Bühne auf daB Haus zu. 


Simon. 
Er kommt. 


Peter. 
Und fieb, wie bleich! 
Simon (uf). 
Banchanus! ö 
Sancbanns (anhalten). 
Halt! Wer ruft? Ah, du, mein Bruder? 
(Rad) vorne Iommend.) 
Wir haben dein entbehrt bei dem Geleit. 
Ich ſandte zu dir, doch du warſt nicht heim. 
Simon. 
Nicht heim? Nicht heim? 
(Gegen feine Begleiter gewendet.) 
Wo war ich denn derweile? 


Sancbanus 

gu den Leihengäften). 
Euch Andern Dank für diefen legten Dienſt, 
Den ihr erwieſen mir und meinem Weib! 
Zur fihern Ruhſtatt brachten wir fie hin, 
Wo Gott fie hat, und hat fie — ad! fo lieb, 
Daß er fie nimmer läßt. O, nimmer! nie! 

(Mit erflidter Stimme.) 
Nun denn: dein Wil’ gefcheh’! — Kehrt nun nach Haus, 
Und haltet ruhig euch und ftil. Denkt drum nicht ſchlimmer 
Von mir und von den Meinen. Wenn mein Weib ſich 
Auch eines Fehltritts, wie es heißt, vermaß, 
Für den man fie fo hart, ad, gar fo hart beftraft, 





266 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Geſchah's gewiß aus Uebereilung nur, 
Denn fie war ruſchlich — o, mein Weib! mein Weib! 
mein Weib! — 
Was ſie verſehn, und wie ſie ſich vergangen, 
Ob man zu ſtreng, zu hart an ihr gethan, 
Es wird ſich weiſen, kehrt der König wieder. 
Und das ſoll bald, gemeldet ward's ihm ſchon. 
Der nun wird ſitzen mit dem Schwert des Rechts, 
Wer rein, wer ſchuldig, wird ſein Wort entſcheiden. 
Bis dahin haltet euch als ruh'ge Bürger, 
Und meines Danks verſichert, lebet wohl! 
Simon. 
Halt noch! Und du! Seid ihr fo zahm, fo feig, 
Daß ihr mit Thränen ehrt nur ihren Tod? 
Sie hätte eines Fehltritts fich vermeilen? — 
Getödtet hat man fie, hat fie ermordet, 
Meil fie fich nicht gefügt verbotner Luft. 
Sancbanus. 
Bift du der Richter hier in diefem Land? 
Der Alleswillende du ob den Sternen, 
Daß du fo Fühn dein Urtheil gibft für Recht? 


Simon. 
Ein Ungar bin ich, rufend um Geridt. 
Sancbanus. 
Es ſoll dir werden, kehrt der Richter heim. 
| Simon. 
Dann ift der Schuld'ge fern. Sie retten ihn. 
Sancrbanus. 
Das ſoll man nidt. 
Simon. 


Sie wollen's, und fie thun's! 





Vierter Mufug N 267 


Sancbanus. 
So jehr denn lechzeſt du nach feinem Blut? 
Simon. 
Ich, ja! 
Sancbanns. 
Auch ich, gäb's wieder mir mein Weib. 
Simon. 
So tret' ih denn als ihr Verwandter auf, 
Und forbre Bahrreht, Blutrach', und zur Stund'. 
Sancbanus. 
Ich bin der Nächte, dem man fie geraubt, 
Dem man fein Heil, dem man fein Glüd getöbtet, 
Mein Kind, mein Weib, mein Alles auf der Welt. 
Wenn nun nicht ich, wer ift fo fühn und rebet? 
Hier fteht noch Einer, fieh, ihr Bruder bier, 
Allein, er ſchweigt, und ftarret auf den Grund. 
Komm, Peter, komm! Wir wollen in mein Haus! 
Es ift um Zwielicht ſchon; wir ſetzen uns, 
Dort, wo fie faß und ſprach, und fagen ung, 
Die lieb fie war und gut. Komm, Peter, fomm! 
Und einen uns recht fatt. 
Simon 
(Beter am Arme halten). 
Nicht von der Stelle! 
(Zu Bancbanus.) 
So wiſſe denn: die Burg ift ſchon umringt. 
Auslieferung de3 Mörders fordern mir; 
Nicht, ihm zu töbten, nur zu fichrer Haft. 
Wird nicht Gewährung uns zu diefer Stunde, 
So ftürmen wir das Schloß. Biſt du ein Mann, 
So nimm dein Schwert, und geh’ an unfrer Spitze, 


u 
[2 
\ 7 * 


268 Ein treuer Diener ſeines Herrn. 


Sancbanns. 
Aufrührer, ich mit euch? Ich bin der Mann des Friedens, 
Der Hüter ich der Ruh'. Mich bat mein König 
Geordnet, feinen Frieden hier zu wahren. 
Ich in den Bürgerkrieg mit euch? 
Fluch Bürgerkrieg! Fluch dir vor allen Flüchen! 
Aufrübrer, fiehb, und fo verhaft’ ich dich, 
Im Namen meines Königs, deines Herrn. 
Simon 

(ihn mit vorgefiredter Hand abhaltend). 
Schwachſinniger! Bewahrſt du Andrer Rechte, 
Und kannſt die eignen nicht bewahren dir? 
So bleib denn, bleib! Das Ziel ſei der Verachtung, 
Ein Spott für Jeden, dem die Ehre lieb. 
Kein Tapfrer ſetze ſich an deinen Tiſch 
Der Bettler weiſe dir zurück die Gabe, 
Unheilig ſei die Stätte deines Grabs. 
Bewein' dein Weib! — ich aber will ſie rächen. 
Ihr in der Trauer friedlichem Gepränge, 
Nehmt Schild und Schwert, zeigt männlich euer Leid! 


Sancbanus. 
Verwandte! Freunde! Haltet! Hört mich erft! 
Simon. 


Wer denkt, wie ich, der’ trete ber zu mir. 
(Die Leidtragenden treten zu ihm über, und nehmen Waffen.) 
Sanrbanus. 
Bin ich allein für meines Königs Sache? 
Unglüdliche! vernehmt — 
Simon. 
Schlagt Schild und Schwert zufammen, 

Hört nicht, mas er in feinem Wahnwitz fpricht. 





Vierter Aufzug. 269 


(Sie fhlagen unter fautem Außruf Ihre Waffen an einander, indek Banks 
banus frußtlofe Verſuche zu ſprechen matt.) 
Sancbanus. 

Ihr wollt nicht hören? Krieg denn wollt ihr? Habt ihn! 

Doch gegen euch mit meinem letzten Odem. 

Gebt mir mein Schtoert! mein Schwert! — mein Schwert! 
(Gr wendet ſich wantend gegen feine Diener, und finkt endlid in ihren 
Armen zur Erde.) 

Simon. 

Laßt ihn, und überlagt ihn feiner Schwäche! 
Die Zeit verrinnt. Folgt mir! Kommt mit aufs Schloß! 
Der Rache fei ihr Recht, dem Recht fei Rache! 
(Dit feinen Begleitern ab.) . 
(Baufe. Es wird almählig dunfler.) 


Sancbanus 
(eigtet ſich mit Hilfe feiner Diener vom Boden auf). 
Wo find fie Hin? — Bringt mid ins Haus zurüd! 
Hol’ einen Mantel du! — Du kannſt ja rubern? — 
Auch eine Blendlaterne bringe mir! 
€3 wird ſchon dunfel. Führt mich in mein Haus! 
(Sie bringen ihn ins Haus.) 


Zimmer ber Königin, mit einer Mittel: und zwei Seitenthüren, 
von denen jene rechts nach bem Vorgrunde zu, bie zur linken 
Seite aber gegen den Hintergrund angebracht ift. Rechts im 
Borgrunde ein Tiſch mit Lichtern, dabei ein Lehnſtuhl. 
Yinter der Scene ertönt ein Schrei. Dann fürzt die Königin aus der 
Seitenthute rechts. Herzog Otto hinter ihr, das Schwert in beiden 
Handen gerade vor fih him heltend, wie einer, der ſich anfhldt, zum 
meitenmale außzuholen. 


Königin. 
Um Gottestoillen! Bruder, was beginnft du? 





270 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Otto. 
Ah, Schweſter! ſo biſt du's? Ich dachte, ſie wär's, 
Die blaſſe Gräfin, ſie. — Nun, ſo iſt's gut. 
(Wil zurũd.) 
Königin. 
Sch bitt' dich, bleib! 
Otto. 
Warum? 
Königin. , 
Ich bitte dich! 
Atto. 
Wart' noch! 
(Er gebt in das Zimmer zurüd.) 
Königin. 
Auch diefer Troft noch jollte fehlen! 
Otto 
(kommt zurüd, einen Gewappneten führend). 
Hier ftel’ dich an die Thür, und fiehft du? fo 
Halt’ deinen Spieß. Wer irgend nun herein tritt, 
Und weiß dad Merkwort nicht, den ftöß’jt du nieder. 
Triff zweimal, oder dreimal, bis er tobt. 
(Borlommend.) 
Ich felber halte dieß mein gutes Schwert, 
Ich hab's gefchliffen — 
(Es ſeiner Schweſter hinhaltend.) 
Fühl'! 
(Er verſucht ſelbſt die Schneide.) 
Hui! Scharf, wie Gift! 
Das in der Hand, den Rücken ſo geſichert — 
(Er ſchiebt den Tiſch nad rückwaͤrts.) 





Vierter Aufzug. 271 


Der Tiſch ift für den erften Anfall gut. — 
Sp will ich fiten, und will wachſam jein. 
(Sekt ſich.) 
Königin. 
Bergip it du denn? ' 
KAtto. 
Nach Deutfchland Fehr’ ich heim. 
Sorgt Ihr für Eud), was kümmert's mich? 
Königin. Ä 
Nah Deutichland? 
Und jeder Ausgang ift vermehrt, bewacht. 
Otto 
(ſeine Beine betrachtend). 
Ich will mir Schienen fert'gen laſſen, dreifach Eiſen, 
Und Panzerhoſen von geprobtem Stahl. 
Der Stiefel ſchützt nicht g'nug. 
(Mit dem Schwert an den Fuß klopfend.) 
Es ſchmerzt wohl gar! 
(Er greift mit der Hand nach der getroffnen Stelle.) 
Königin. 
Mann! wenn du es noch biſt — zum mind'ſten Menſch 
denn! 
Wahnſinnig mach' mich nicht mit ſolchen Reden! 
Weißt du auch, wo du biſt? Was dich umgibt? 
Von Pöbelhaufen ſind wir rings umlagert! 
Nach dir begehren ſie, dich heiſcht ihr Grimm. 
Das Schloß iſt ſchlecht verwahrt, der Unſern wenig. 
Geh du hinab, ſtell' dich an ihre Spitze, 
Wend' ab, was droht. 
Ot to (auffpringend). 
Daß ſie mich fangen? tödten? — 





272 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Pfui über allen Tod! Durch Schwert, durch euer, 
Durch Gift, durch Strid, dur Beil. Pfui allem Tod! 
Ei, ich will leben, ich! 
(Er ſetzt fi wieder.) 
Königin. 
So lebe denn, 
Bi8 uns das Unheil allefammt verfchlingt! 


Alto. 
Wo ift dein Sohn? das ift ein wadrer Schüß, 
Mit feiner Fleinen Armbruft. — Ruf ihn ber! 
Gr war zu Nacht bei meines Bette Häupten, 
Dort hielt er Wacht, und wenn die Gräfin fam, 
Da fpannt’ er feinen Bogen wie Cupibo, 
Und ſchoß nad ihr den Pfeil. Sie dudte fich, 
Jetzt bier, jegt dort! jo war fie nicht mehr ba. 
— Wo ift dein Sohn? Mich drängt es, ihn zu jehn. 


Der Schloßhauptmann. 
Königin. 
Euch jendet Gott vom Himmel! Nun, mein Freund, 
. Habt Ihr die Meuter angerebet? Geben 
Gie befler'm Rath, ſie ihrer Pflicht Gehör? 
(Schloßhauptmann zudt die Schultern.) 
So bleiben fie bei ihrer alten Ford'rung? 
Schloßhauptmann. 
Sie haben Einen hergefandt als Boten, 
Um Euer Gnaden ihr Begehr zu Tünden. 
Er barrt im Vorgemach. Doch bleibt'3 wohl fruchtlos, 
Denn fie beftebn — 
Königin. 
Laßt ihn doch immer ein! 





Bierter Aufzug. 273 


Ein lebend Wort gilt hundert tobte Zeilen, 
Und Hunderte von Gründen fammt Ertveis. 
(Shloßhauptmann geht ab.) 
Nun, Bruder, aber geh’ auf dein Gemach, 
Sie follen dich nicht fehn! 
Otto. 

Was fällt dir ein? 

Ih muß hier Wache halten! Wache! Wade! 


Graf Peter tommt, vom Schlophauptmann begleitet. 
Königin. 
Nun, Graf, als Kämm’rer übt Ihr Euer Amt, 
Mein, nicht öffnend, Ihr verfchließt die Thüren. 
Peter. 
Der Grund, warum wir Euch in Waffen nah'n — 
u Königin. 
Ich weiß den Grund — vielmehr nur: ich errath' ihn. 
Denn wiſſen, hieße doch zugleich erklären, 
Daß er erkennbar aus Vernunft und Recht. 
Peter. 
Ein ungeheurer Frevel ift geſchehn. 
Königin. 
Ein Unglüd, fprecht vielmehr! 
Peter 
(auf Otto geigend). 
Der Thäter bier. 
Königin. 
Wer ſagt's Euch? 
Peter. 
Es ift Har! Er fei beftraft! 
Auslieferung des Schuld'gen wird begehrt. 
Brlltparzer, fämmtl, Berte. IV. 18 


. . 


274 Ein treuer Diener feine Herrin. 
Königin. 
Ausliefern ibn? Daß ihr in feinem Blut — 
Peter. 
Nicht ihn zu tödten, nur in fihre Haft. 
KAtto. 


Der tft nicht Hug! Nah Deutfchland geh’ ich. 
(Er neigt den Kopf in die Lehne des Seſſels zurüd.) 
Peter. 
Hört Ihr? 
Königin. 
Wir werden und verfitänd’gen, ſeh' ich mohl. 
Seid ihr zufrieden, wenn ich euch gelobe, 
Ihn felbft zu halten bier, ihn nicht zu laffen, - 
Bis euer Herr zurüdfehrt und der meine? 
Peter. 
Berzeibt, wir trau'n euch nicht! 
Königin. 
Verweg'ne! wagt ihr’3? 
— Und wenn zurüd ich das Begehren meije? 
Peter. 
So ftürmen wir — fo ftürmen fie das Schloß. 
Königin. 
Ich ſeh' in Euren Augen, Graf, ein Etwas, 
Das eine mildre Meinung mir verbürgt. 
Peter. 
Hier ift von meiner Meinung nicht die Rede, 
Bon meinem Auftrag nur. 
Königin. - 
Nun denn, fo mißt: 
Ch’ ich den Bruder feinen Mörbern liefre, 


Blerter Aufzug. 275 


Begrab’ ich mich in diefes Schlofjes Trümmern, 

Mich, eures Königs Weib, mit mir fein Kind, 

Den Erben feines Throns — Wagt ihr's und ftürmt? — 
Der König wird fo theure Pfänber rächen. 


Peter. 
Mit Recht. Doch nicht an und, da Ihr fie töbtet. 
Königin. “ 
Iſt dieß Eu’r letztes Wort? 
Peter. 


Das meine, jal 
Doch nicht auch Euer letztes, hoff’ ich. 
Königin. 
Geht! 
(Graf Peter 06.) 
(Zum Shtloßhauptmann) 
Sagt ihm: wenn man — begehrt zwei Stunden Aufſchub, 
Bis dahin überlegt man — 
Edloßhaupimann ab. Königin Reht ermartend an der Thüre. Schloßhaupt - 
mann tommt zurüid.) 
B Nun? 


s5chloßhauptmann. 
Er will nicht. 
Königin. 
Sei's denn! Geht in den Schloßhof. Rüſtet euch. 
Heißt Alle wachſam fein. Verſprecht Belohnung! 
Bor allen braucht die Leute meines Bruders. 
Wenn's angeht, kommt er felbft. 
Echloßhauptmann ab.) 
Königin 
(tafch zu Otto treiend). 
Nun, Bruder, auf! 


276 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Schläfſt du? Und wär’ dein Schlummer GSeligfeit, 
Ich Tann dir's nicht erfparen. Auf! 
Die Waffen in die Hand! 
(Die Hand auf fein Haupt gelegt.) 
Otto (emporfahrend). 
Mer faßt mid an? 
(Mit abftreifender Bewegung über Arm und Körper.) 
Gie fangen, tödten mih! Ha! Ketten, Bande, Stride! — 
Wer da? — Ha, Schweiter, du! — Und doch, und dody — 
Dort regt ſich's — dort, im Winkel — Meine Schweſter! 
Bringt Lichter! — Dort im Winkel! — Gott! nur Licht! 
Licht, ſag' ich: Licht! Licht! Licht! 
Sammerfran aus der Geitenthüre rechts, mit Licht. 
Königin. 
Nur Faflung, Bruder! 
(Zur Rammerfrau.) 
Bleib dort, dort an der Thüre mit dem Licht! 
(Zu Otto.) 
Sieh, es ift nicht. 
Otto (matt). 
O, Schweſter! Meine Schweiter! 
Nicht wahr, die Gräfin war ein böfes Weib? 
Königin. 
Vielleicht! 
Otto. 
Sie hat's verdient! 
| Königin. _ 
Wohl möglich! 
Otto. 
Ach! 
Und ich hab's nicht gethan, ſie that es ſelbſt? 


Bierter Aufzug. 277 


Königin. . 
Sei ruhig! Was gefhehn, ift nicht zu ändern! 
Drum fammle did, und laß uns weiter fehn. 
Otto 
von feiner Schweſter unterfügt). 
Mein Inn'res ift betrübt, biß in den Toni — 
Schid’ fort nad) deinem Sohn! Das Kind ift gut. 
€3 hat mich diefe Nacht bewacht, er ſoll's 
Auch jetzt. Geh, bitt' dich, deinen Sohn! 
Königin 
ur Rammerfrau). 
Bring ihm das Kind! 
(Rommerfrau geht in die Geitenthüre rechis ab.) 
Königin. 
Du aber fe’ dich dort auf jenen Stuhl, 
Sei erft bu felbft, das Andre findet ſich. 
(Gntfernte Trompeten und Geſchrei. Gin Rarker Sqhlag erſchanert dab 
Sälof.) 
Ha, was ift das? 


Rammerfran kommt mit dem Kiude zurüd. 


Kammerfran. 
Ad, gnäd’ge Frau! Sie bringen 
Sturmböde, Mauerbrecher an das Schloß. 
Königin. 
Kein Aufihub denn? 
Kammerfrau. 
Ich ſah's beim Schein des Mondes, 
Sie ftehn in Haufen. Hörtet Ihr den Schlag? 
ehnliches Getdfe, wie oben.) 
Schon wieder! Gott und Herr, in deinen Schutz — 





278 Ein treuer Diener feines Herrn. 


KAtto. 
Die Mauern find zu ſchwach, fie halten- nicht. 
Ein Dubend Stöße, und fie ftürgen nieder. 


Kammerfrau. 
Erbarm’ dich unfer, Herr! 


Otto. 
Am Thore rechts, 
Da ſteht ein Erker, vor ins Freie ſpringend. 
Wenn den mit Schützen man beſetzt und Schleudrern, 
So faſſen ſie des Feindes Seite, drängen 
Und treiben ihn zurück. 
Königin. 
Wenn bu’s erfennit, 
Hinab, und ordn' es fo. 
Otto. 
Was fällt dir ein? 
Ich geh' nicht hin, ich bleibe hier bei euch! 
Habt ihr zu eſſen nicht? Mich hungert. 
Königin. 
Bon aller Welt verlaffen, und auch dieß noch! 
In ihm vernichtet, der mein Alles war! — 
(Erneuerter Anprali und Kriegalärm.) 


Otto. 
Knie’ nieder, Knabe! falte deine Hände! 
(Zur Rammerfrau.) 
Du auch! — Ich binter euch, mit meinem Schwert, 
Mil ftehn und wachen, ob euch Gott erhört. 
Königin. 
Horh! Was dort für Geräufch? 


Bierter Aufsug. 279 


Kammerfrau 
Pie aufgeflanden). 
Es Fam von feitwärts, 
Aus jenem Zimmer! 
(Auf die Geitenthüre linls zeigend.) 
Königin. 
Iſt Verrath im Werk? 
(Wan hört Genfer hürten.) 
Kammerfran. 
Sie überfallen uns. 
- Königin. 
Wer da? — Man ſchweigt. 
Sito. 
Kniet nieder ihr, dieß ift der letzte Tag! 
Königim (u Otto). 
Gib mir dein Schwert! Ich will nur felber ſehn. 
Wer dort? Freund oder Feind? 


Bancbaunsd, in einen braunen Mantel gehullt, eine Blendlaterne in 
der Hand, tommt auß der Geitenthüre linls. 


Sanrbanus. 
Nicht Feind, nicht Freund! 


Königin. 


Ich bin's! 


Banchan! 
Htto (um Anaben), 
Stel’ dich vor mich hin, Knabe! 
Sie wollen mir zu Leib‘. 
Sancbanus 
(auf die Rammerfrau zeigen). 


‚Heißt biefe gehn! 


280 Ein treuer Diener feined Herrn. 
Königin. 
Führt Ihr Verbot'nes nicht im Sinn? 
Sancbanus. 
Ei ja! 
Königin. 


Marg’rethe, geh! 
(Rammerfrau’ geht ab.) 
Königin. 
Wie nun? 
Sanrbanus. 
Mir ift gelungen, 
Zu täufchen eurer Feinde Wachfamteit, | 
Auf kleinem Kahn den Graben zu durdhfehen, 
Der dort das Schloß umgibt. Wollt ihr mir folgen? 
Ins Freie bring’ ich euch auf gleihem Weg. 
Königin. 
Bancbanus! Spredt Ahr Wahrheit? 
Sancbanus. 
Bmeifelt Ihr? 
Königin. 
Nach Allem, was geſchehn? — Mann! Ihr vergäßt — 
Sancbanus. 
Nicht, daß mein Herr Euch meinem Schuß vertraut. 
Nehmt Euer Kind, und folgt! 
Königin. 
Mein Kind! — und diefer? 
(Auf Otto zeigend.) 
Sancbanus. 
Dankt Gott, daß, als ich Fam, ich feiner nicht gedacht. — 
Nehmt Euer Kind, und folgt! 


. 


Bierter Aufzug. 281 


Königin. 
»  Banchanus, höre! 
Du retteft alle Drei uns, ober Keine. 
Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befreit. 
Sanchbanus. 
Ich will nicht fehn, wer Euren Schritten folgt. 
Doch hüt’ er fi, wenn draußen wir im Freien. 
Königin. 
Komm, Bruber! komm! 
Otto (um Rinde). 
Und du! — und hier mein Schwert! 


(Gr führt den Anaben. Mile gehen durch die Getenthüre Iints ab. 
Banchenus ſchlieht.) 


Kammerfran Aüızt herein. 


Kammerfram. 
Um Gotteswillen, gnäb’ge Frau! D Rettung! 
Das Thor ift offen, Feinde überall! 
Vo find fie? Gott! Wo flieh ih, Aermftel hin? 
(In die Eeitenthüre rechts ab.) 


Dunkle Gewölbe. Im Hintergrunde ein offner Mauerbogen als 
Eingang. An der Seitenwand links ein ähnlicher Heinerer, zu 
einem ſchmalen Gange führend. Gegenüber rechts ein verſchloffenes 
Pfortchen. 
Bancbanus tommt mit einer Blendlaterne. Hinter ihm die Königin, 
dann Otto, den Kuaben führend, unter dem Arme einen zufammens 
gefalteten weißen Mantel, in der Hand daß bloße Schwert. 


Sancbanus 
(am Wußgange auf der finten Geite chen bleibend). 
Hier ift die Thür. Sie führt durd einen Gang 


289 Ein treuer Diener ſeines Herrn. 


Nach außen, bis zum Graben bin der Burg. 
Dort harrt ein Nahen — 
Otto 
(zum Kinde herabgebeugt). 
Ich will rudern, ſchau! 
Sancbanus 
(zur Königin fortfahrend). 
Ein Fährmann lenkt den Kahn, der aljo Klein, 
Daß er nur zwei auf einmal bergen kann: 
‚ Den Fährmann felbft, und eines je von euch. 
Gefällt's Euch, geht zuerft. Zurückgekehrt, 
Nimmt Euer Kind der leichtgefügte Nachen! 
Und läßt der Feind und Zeit zur dritten Fahrt, 
So mag fidy retten, wem's noch ferner nöthig. 
Königin. 
Nicht jo, Bancban! Soll ich dein Schiff beiteigen, 
So rett' es dieſen erft. 
(Auf Otto zeigend.) 
Otto. 
Ja, mich zuerſt! 
Sancrbanus. 
Nicht eh’ noch Euer Kind? 
Königin. 
Die Kind beſchützt 
Schulplofigfeit mit lilienblanfem Schwert; 
Doch diefen fuchen fie, und er ift ſchuldig. 
Drum rett’ erft ihn, zum zmeiten dieſes Kind, 
Die dritte Fahrt der Schwefter und der Mutter. 
Nimm, Dtto, meinen Sohn! Folgt diefem Mann! 
Ich jelber bleibe bier. Die dumpfe Luft, 
Der enge Raum benimmt, hemmt mir den Athem. 


Vierter Wufzug. 283 


— Wenn mid die Reihe trifft zur nächt'gen Fahrt, 
So gebt ein Zeichen mir — Leb wohl, mein Sohn! 
Mein Bruder, lebe wohl! Nun fort, nur ſchnell! 
(Bancbanus mit der Laterne voraus in den Gang. Otto, der Mantel 
und Schwert meggeworfen, und den Anaben auf ben Arm genommen 
bat, folgt.) 
Königin 
(nahdem fie ihnen einen Wugenblid nachgeſehen hat. raſch nach hinten 
gewendet). 
Ich hörte Etimmen, und fie kommen, fürcht' id. 
Das Schloß. ift über, wenn nicht Alles täufcht. 
Nur fo viel Frift, o Gott! biß fie gerettet, 
Die Lieben Beide! Komme dann, was will! 
(Am Ditteleingange Achend.) 
Ich hörte recht. Die Etimmen nahen. Helle, 
Wie Fadelihein, wächst gleitend durch die Gänge. 
Der Zußtritt naht. — Stell’ ich den Meutern mid 
Als Königin entgegen und als Frau? 
Sie fpotten mein, und thun ihr blut'ges Werk. 
Ergreif’ ich diefes Schwert, den Mantel hier, 
(fie rofft beides vom Boden auf) 
Und kämpf' ald Mann um meine füße Beute? 
Zu ſchwach! — D Gott! Kein Einzelner genügt! 
Drum dort hinein! Zu warnen, anzutreiben, . 
Beichleun’gen ihre Flucht — D Gott! Man kommt! 
(Sie wirft Schwert und Mantel wieder hin, und eilt fichend in den Gang.) 


In demfelben Augenblide treten die Grafen Eimon und Peter, vom 
Hintergrunde her, auf. Erſt fpäter hinter ihnen Gewaffnete mit 
Fadeln. 

Simon. 

Der Herzog war's. Dort liegt kin Schwert und Mantel. 

Wirf deinen Dolch! 





284 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Peter 
(wirft ſeinen Dolch in der Richtung des Ganges. Ein gedampfter Schrei 
wird gehoͤrt.) 
Gerechter Gott! — Mein Bruder! 
Das war des Herzogs Stimme nicht. 


Simon 
(vorlommend). 
Nur nad! 
Es ſoll fich zeigen bald, wer es gemwejen! 
Dringt in den Gang, und folgt der Flücht'gen Spur! 
(Einige geben in den Gang.) 
Sie können nicht entrinnen; auch von außen, 
Vom Graben ber, ift bald ver Gang befett. 
Mein reifig Volk verlegt den Ausgang dort. 
(Bon Denen, die in den Garg gedrungen find, kommen Einige zuräd 
mit Zeichen des Entſetzens.) 
Simon. 
Was ıft? 
Ein Gewaffneter. 
Sie ftirbt. — Es ift die Königin! 
Simon. 
Willſt du mein’ Ipotten? 


Peter. 
Seht! Bringt Hilfe, ſchnell! 


Königin erſcheint blutend am Eingange. Sie macht eine abhaltende 
Bewegung und finft dann todt nieder. 


Peter. 
O, all' ihr Engel, die ihr Böſes abwehrt, 
Steht bei! Ich hab' die Königin erſchlagen. 
(Er eilt zur Leiche.) 


Vierter Wufzug. 285 


Simon. 
Haft du's gewollt? Und dann — weil's doch geſchehn, 
Weil uns der Teufel gaufelnd hier genarrt, 
Um deſto heißer nad dem Doppelmörber! 
Ihm nach, der fie auch töbtete, auch fiel 
Laß jet die Mage, Bruder! räch bich erft! 
Hier ift fein Weg. Ich ſchlacht' ihn allen Beiden. 


Indem er fih anfidt, den" Gang zu betreten, fpringt die Geitenpforte 
rechts auf und Herzog Otto's Gefolge dringt bewaffnet herein. 


Erfer Edelmann 
won Otto’s Gefolge). 
Schützt euren Herrn! Fallt an die frehen Meuter! 
Simon (umtehrend). 
Du Herrenknecht! Nachtreter feiner Lafter! 
Geh dieſesmal voran, zeig’ ihm den Weg! 
(Gr fat ihn an. Gefecht.) 
Bweiter Edelmann. 
Drängt weg fie von ber Pforte, ab vom Gang! 
Simon (echten). 
Raſch, Peter! Zieh dein Schwert, mad’ reine Bahn! 
Erfer Edelmann. 
Dich fuht ich, dich! 
Simon. 
Hier bin ic. 
Erfter Edelmann. 
Stirb! 
Simon. 
Erſt du! 





286 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Ein ungarifcher Anführer erſcheint am Gingange des Hinter» 
grundes. Die Kämpfenden theilen fi nad beiden Seiten. Das Gefecht 
ruht. 


Hngarifher Anführer. 
Stedt ein die Schwerter! Nutzlos euer Streit! 
Der Herzog ift entlommen; war am Ufer, 
Bevor die Unfern noch den Platz erreicht. 
Nun dringen Krieger herwärts durch die Wölbung ; 
Allein, zu ſpät, der Herzog ift entwiſcht. 


Simon. 


Sit er entwiſcht? Nun du entlommft mir nicht. _ 
(Zum erſten Edelmann.) 


Zahl’ deines Herren Zeche, Sündenknecht! 
(Die Kämpfer mifhen fi wieder. GErneutes Gefecht.) 


Erfier Edelmann. 
Zieht euch zurüd! 
Simon. 
Zur Hölle, ja! 


Erfier Edelmann. 
Weh mir! 


(Gr fällt. Die Anhänger des Prinzen werden nad dem Hintergrund 
gedrängt.) 


Banchbauns kommt, den Knaben an der Hand, flichend aus dem 
Gange. Bald hinter ihm dringen ungarifche Krieger, auf demſelben 
Wege, heraus, und miſchen fi unter die im Hintergrund Kämpfenden. 


Sancbanus 
(im Borgrunde links.) 
Der Ausgang ift beſetzt, und fein Entrinnen. 


Bierter Aufzug. 287 


Man kämpft, man fiht. Wo berg’ ich meinen Schatz? 

Ei ja! dud’ di, mein Herrlein! dud’ dich, Kind! 

Der Mantel da hat Raum für unfer Beibe. 

Und rührt’ dich nicht, und halt’ den Athem an. 

Et legt ih gu dem Anaben am Boden hin, und zieht feinen dunkeln 

Mantel über ihn und fh. — Daß Gefeht, wieder nah vorn lommend, 
dauert fort.) 


Der Borhang fallt. 





Fünfter Aufzug. 


— — — 


Freie Gegend. Im Hintergrunde Hügel mit Aufgängen von beiden 
Seiten. 

Banebanns fommt auf einen Stab geſtützt, den Heinen Bela an 

der Hand führend, von der reiten Geite. Herzog Otte mit bloßen 


Yüßen, unbededtem Haupte und zerriffenen Kleidern folgt ihm in einiger 
Entfernung. 


Sancbanus. 
-Verfolgft du mich auf jebem meiner Schritte? 
Stieß ich nicht ein- und zweimal dich zurüd? 
Mie kamſt du in das Laub? in meinen Weinberg? 
Wo triebft du dich herum in diefen Tagen? 
Sch dachte längſt, fie hätten dich gefunden, 
Geſchlachtet, abgethan, wie du's verbienft. — 
Rühr' mi nicht an, fonjt brauch’ ich meinen Stock! 
Du Wolf, du Hund, du blut’ger Mörder du! 

(um Rinde.) 
Was weinſt du, Herrlein? — Ja, dein Füßlein blutet! — 
Setz' dich dorthin, und ruh' ein wenig aus. 
Nur kurze Friſt, ſo heißt es weiter gehn; 
Die böfen Menfchen find ung auf der Ferfe. 


(Er bat das Kind auf einen Stein gefeht. Otto wirft fih vor dem Kleinen 
auf die Knie, deffen Füße flreihelnd, und an feine Bruſt drüdend.) 





Fünfter Aufzug. 289 


Was aber nun beginnen? — Großer Gott! 
(Zu Otto.) 
Berüßrft du mir das Kind? — Ya fo — Nu Herzog, 
Nehmt hier dad Tuch, und trodnet ihm den Fuß. 
Und wo's gerigt, da brüdt mir fein gelinde. — 
Du blut’ger Mörder, wär’ ich alt und ſchwach nicht, 
Du follteft mir den Knaben nicht berühren! 
Und dennoch, Mann des Unheils, ſchickt dich Gott! 
Laßt, Herzog, jet, und hört mich forglic am. 
(Otto, noch immer vor dem Knaben auf den’ Anien, wendet, auf die 
Fetſen zurüdgefegt, das Gefiht horchend nah Banchanus.) 

Es gilt, das Kind den Meutern zu entziehn, 
Die nad ihm ſuchen. Ich nun felbft vermag's nicht, 
Denn mühſam nur fehleppt ſich der alte Fuß. 
Auch ruft die Pflicht mid nach der Stabt zurüd; 
Dort will ich noch zum letztenmal verſuchen, 
Was Treue kann im Streit mit blinder Wuth. 
Nimm du das Kind, und flieh! Wenn fie dich fangen, 
So bift du tobt. Dir zwar geſchäh' bein Recht, 
Doch meines Herren Söhnlein muß ich hüten. 
Sorg' alfo, daß du jenen Wald erreichſt, 
Der quer ſich hinzieht zu den weitſten Fernen. 
Dort harr', im Dickicht Iauernd, meiner Botfchaft, 
Und wenn fie dir nicht wirb in breien Tagen, 
&o halte mic) für tobt, und rette Dich; 
Vielmehr, den Knaben rette, blut'ger Mörber! 
Sonft klag' ich did) vor jenem Richter an, 
Wo ſchwarz du ohnehin bift, ſchwarz wie Kohle. 

"(Otto iR aufgeflanden und hat den Anaben angefaht.) 
Bleib noch, du Mann bes Bluts! Hört dieß noch, Herzog, 
Rennt nicht in einem Lauf bis hin zum Walde; 
Der Raum ift groß, und leicht gewahrt man u 


Briltparzer, fämmtl, Werke. IV. 





290 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Sieh an den Rebenhügeln bier und dort 
Die Haufen Reifig, nah bei wilde Rofen, 
Dort dud’ dich unter, bette dich in Dornen, 
Mach’ deinen Leib zum Pfühl für diefes Kind. 
Erft, wenn du rings gelaufcht, ob Alles ruhig, 
Dann komm hervor, und flieh von Busch zu Bufch, 
Bis Euch der Wald umfängt. Verſtehſt du, Mörder? — 
Nun, Herzog, nehmt das Kind, und ſeht Euch vor. 
(Otto trägt das Kind auf den Armen. — Im Gehen.) 
Sch dacht' Euch mir fchon viele Meilen meit! 
Dankt immer Gott, der Euch vergönnt ein Tröpflein 
Bon Gut zu thun in Euer Meer von Böſem. 
" (Stechen bleibend.) 
Der Sinabe trägt in feinen Tafchen Vrod, 
Das rührt nit an! Das fol für ihn. Ihr felber 
Sudt Beeren Euch, und fehlen die, fo bungert, 
Es ift Euch nüß, wenn Ihr den Leib kaſteit. 
Dort, Herzog, dort! 
(Er weist ihn auf den Hügel, der linls in die Ecene führt.) 
Und feid Ihr auf der Höhe, 
So lauft, was hr vermögt. — Man kommt! — 
Macht fort! 


Ein Soldat tritt rechts im Vorgrunde auf, feinen Bogen fpannend. 


Soldat. 


Mer da? Halt! 
(Otto entflieht.) 


Sancbanus 
(am Fuße des Hügeld, mit gehobenem Stode drohend). 
Du, fchieß nicht! Dein bischen Leben 
Mär’ viel zu arm als Preis für folden Schuß! 
(Näher zu ihm tretend.) 
Wer bift du, und wer bat dich bergeftellt? 





Fünfter Aufzug. 291 
Soldat. j 
Die Vorwacht halt’ id, und — gebt Euch gefangen! 
Sanrbanus. 


Gefangen, ich? Gib du dich felbft gefangen! — 
Du Schelm! Die Vorwacht hältft du? Und für wen? 
Für jene Meuter, Friedensftörer? — Räuber, 
Mein guter Schurke, ftellen Kundſchaft aus, 
Nicht Vorwacht, fo wie ehrlich wadre Krieger. 
Vorwacht! — Wie heißt denn euer Lofungswort? 
— Birft du nicht reden? — Schurke! Kennft du mid? 
Ich bin Bancban, der Diener deines Herrn. 
Wie heißt die Lofung? — Kehrt mein König heim, 
So laß ih di in hundert Stüde ſchneiden. 
Die heißt das Lofungswort? 
Soldat. 
Ungarn und Ruhm! 
Sunchanus. 

Ungarn und Ruhm. Ein altes, wackres Paar! 
Ihr trenntet fie, doch nicht auf lange, hoff’ ih. — 
Geh wieder nur auf deinen Play und ſchweig! 
Vielleicht, daß biefe Stunde dir noch frommt. 

(Ex wendet fi nah dem Mittelgrunde reits, um fortzugehen.) 


Ein Hauptmann mit Soldaten tritt heraus. 
Hauptmann. 
Ber da? 
Sancbanus (vor fih hin). 
Ei frag’ den Henker bu! 
Hauptmann. 
Ber da? 





292 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Sancbanus. 
Ungarn und Ruhm. Wenn's nun denn fein doch muß! 

Hauptmann. 
Bancbanus! — Herr! Ich weiß nicht, darf ih Euch 
Einlaffen nach der Stabt? 

Sancbanus. 

Indeß Ihr zweifelt, 

Geh' ich nur meines Wegs. 


Graf Peter erſcheint im Hintergrunde rechts, auf der Anhöhe mit 
Begleitung. 


Bcter. 
Banchban! 
Sancbanus. 
Noch Einer? 


Das ift wohl gar eines Verräthers Stimme? 
(Hinaufblidend.) 
Lauf, Beter, lauf! du Fommft wohl noch ans Biel. 
Pfui, über alle Schelmen! 
(Er gebt.) 
Hauptmann. 
Soll id, Her! 
Zurüd ihn halten? | 
Peter 
(der berabgelommen if). 
Laß ihn! — Dap er Recht hat! 
Daß ich mir's ſelbſt in meinem Innern fage! 
Ein Schurf’ und ein VBerräther! Großer Gott! 
Ein Mörder noch dazu. — O, meine Händel 
Hauptmann. 
Allein, der Herzog — laßt ihn uns verfolgen! 





Fünfter Wufzug. 293 


Des Königs Sohn ift ung ein theures Pfand, 
Als Geißel wichtig, lehrt der Vater wieder. 

Peter. 
Thut, was Ihr wollt, nur laßt mich! 

Hauptmann. 
Seht, bort drüben, 

Dort läuft ein Mann, er trägt, fo ſcheint's, ein Kind. 
Der Herzog iſt's. Man folgt ihm. — Jetzt und jegt! 
Sie haben ihn! Noch nit! — Eilt ihr hinauf, 
Verrennt ihm hier den Weg! — Nun aber — halt! — 
Er fpringt — er fprang vom” Feljen — Walt’ es Gott! 

Peter. 
Schnell hin und feht und forgt. Mein beftes Habe 
Dem, der mir fagt, fie blieben unverlegt. 


Graf Eimon kommt von der linten Seite. 


- Peter 
(ihm entgegen). 
Haft du gefehn? 
Simon. 
Du au? 
Peter. 
Der Herzog ftürzte. 
Simon. 
Laß flürzen! Anderes gibt's nun zu ſchauen. 
Der König kommt. 
Peter. 
Der König? 
Simon. 
Sammt dem Heer! 


DE 


294 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Sch ſah im Thal Schon ihre Speere bliten. 
Banchanus ift bei ihm. 

Peter. 

Bancban? 


Simon. 
So heißt's. 
Peter. 
Er ging nur eben nach der Stadt. 


Simon. 
Und bu, 
Du ließeft ihn? 
Peter. 
Warum? 


Simon. 
Daß uns fein Wort 
Die furchtfamen, die wankenden Gemüther 
Abwendet völlig, da der König nah’? 
(Zum Hauptmann.) 
Eilt Ihr zur Stadt, und trefft Ihr meinen Bruder, 
Bringt ihn zurüd, mit Güte, mit Gewalt. 
 , (Der Hauptmann geht ab.) 
"Der König alfo naht! 


Peter. 
Wir ſind verloren! 


Simon. 
Biſt du verloren? Ich, ich bin's noch nicht. 
Noch bleibt uns dieſe Stadt, im Lande Mancher, 
Den gleiche Schuld auf gleichen Bahnen hält. 
Der König mag Verzeihung erſt gewähren, 


Fünfter Aufzug. 2 95 


Dann öffnen wir bie Pforten, eber nicht, 
Und Krieg mag wüthen, Krieg — 
(Xrompetenfoß von der linken Eeite.) 
Peter. 
Horch! 


Seine Boten, 
Des Königs Boten. Bruder, Faſſung nun! 


Simon. 


Gin Befehlshaber des Königs tritt linls auf. Bor ihm ein 
Trompeter. 
Sefchishaber 
(hu einigen Kriegern, die auf der Geite feines Wuftrittes Rechen.) 
Unglüdlige! Verblenbete! Verlodte! 
Simon. 

Zu jenen nicht, zu mir mit Euren Worten! 

Sie folgen, wie zum Streit, mir zum Bergleih! 
Sefehlshaber. 

Doch ſeh' ich Reue hier, bei dir nur Trotz. 

Simon. 

Ich liebe, daß man vor der That erwäge, 

Nachher ertrage, was die Folge beut. 

Wen reut, was er gethan, fehlt zweimal: 

Weil er's gethan, und dann, weil's ihn gereut. 

Doc will ich wohl mich auf Bebingung geben, 

Ein neuer Umftand ändert den Verhalt. 

Ich zog das Schwert, weil man mir Recht veriveigert, 

Sprit uns der König Necht, fo fted’ ich's ein. 

Für's Erſte alfo: Strafe jener That, 

Die blutig lebt in jebes Manns Gebenken. 
Sefehlshaber. 

Habt Ihr mit Blute Blut nicht aufgewogen? 





296 . Ein treuer Diener feines Herrn. 


Und dann — heißt Euer König der Gerechte, 
Und haft du doch gezittert um dein Recht? 
Simon. 
Demnächſt Verzeihung, unbebingt und-völlig, 
Für Jeden, der dag Schwert in unfrer Sade zog. 
Scfchlshaber. 
Der König aber fordert Unterwerfung, 
So unbedingt und völlig, als das Wort. 
Mem zu verzeihn, wird feine Huld entjcheiden. 
Simon. 
Sp miffe denn: Eh’ feig wir uns ergeben, 
Und. anders, denn auf billigen Vergleich, 
Eh’ ſoll mein Haupt, wie dieſer ſchlechte Filz, 
(er wirft feine Müte auf den Boden) 
Hinfollern auf den Boden, fo gejtoßen, 
Eh’ fol mein Schwert, 
(er zieht es) 
Bon meinem Blute naß, 
Zur Scheide haben dieß mein Eingeweide, 
Einftürzen jene Stabt mit ihren Sinnen, 
Vom Brande Schwarz, von Hunger menfchenleer 
Auf unfer Haupt, und auf der Unfern Häupter; 
Eh’ fol — 
Der Bancbanus nadhgefendete Hauptmann ift zurüdgelehrt, und tritt 
jegt zu Eimon hin. 
Hauptmann. 
Ach Here! mein Herr! 
Simon. 
Mer ftört mih? Willft du fterben? 


Hauptmann. 
Ah, Wichtiges — 


Günfter Aufzug. 297 


Simon. 
Was ift nun wichtig fonft? 


Hauptmann. 
Im Innern Eurer Stadt — 


Simon. 
Sprich leiſe! 
Hauptmann. 
Brütet Gährung. 
Des Königs Ankunft, furdtfame Gerüchte — 


Simon. 
Wo ift Banchan? 
Hauptmann. 
Die Euren haben ihn. 
Sie fingen ihn am Markt. Allein das Volt, 
Zu dem er rief, wogt tobenb um ihn ber, 
Und wehrt Ihr nicht, fie machen ihn noch frei. 
° Simon. 
Er, ober ich! Es gilt das Aeußerſte. 
(Zu Peter.) 
Geh du mit diefem. Laß von ihm dir fagen, 
Bald folg’ ich felbft. Und eh’ Banchan du los gibft, 
Hab’ ihn das Grab, di, mich, und Alle! 
(Der Graf Peter gept mit dem Haupimann ab.) 
Simon 
Gum Abgefandten). 
Man meldet mir — und do, wozu der Lüge? 
Was auch gefchehn und was ver Pöbel meint, 
Der Entfchluß bleibt der größern, beſſern Menge, 
Und ber heißt Krieg, heißt Wiberftand, wenn Ihr 
Verzeihung nicht gewährt, vollgilt'ge Gnade. 





298 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Befehlshaber. 
Dir Gnade mit dem Schwert! 
Simon. 
Nun denn, fo babt's! 
(Zu den Geinen.) 
Zieht euch zurüd, und Keiner trete vor, 
Und Keiner ſpreche hier mit dieſem Mann. 
Zurüd! Wer vorgeht, fühlt mein ſcharfes Eifen. 
Ich will die Nachhut halten, und mein Gäbel 
(um Wbgefandten) 
Soll dir den Abftand zeigen, ber ſich ziemt 
Für einen Boten, der bu bift, der Schande. 
Nur fort, mit rafhem Schritt. — Du bleib zurüd. 
(Die Aufrüfrer ziehen fih nad) der reiten Geite hin zurüd, Graf Eimon 
der Lepte, mit vorgehaltenem Gäbel die Annäherung des Täniglicen Be: 
fehlshabers abhaltend. Alle ab.) 


König Andreas tritt von der Unten Geite auf mit Gefolge. 
König. 
D, ſchmerzensvoller Anblid! Meine Kinder, 
Sie fliehn vor mir, fie fliehn vor ihrem Vater. 
(Im SHintergrunde jchiat fih ein Haufe an, die Feinde zu verfolgen.) 
Halt ein! Zu viell Schont eurer Brüder Blut! 
Bis Alles erft verſucht, das Letzte fruchtlos. 
Bin ih in meinem Land? Iſt dieß mein Volk? 
Wenn fonft ic heim aus fernen Kriegen kam, 
Wie drängte fih der Schwarm in meinen Weg, 
Mit Jubelruf, mit Dank: mit Freubenthränen; 
Und weſſen Aug’ des Königs Auge traf, 
Der war ein Glücklicher, der Neid der Andern. 
Nun fließen fie dad Thor, und von den Sinnen 
Blinkt Speer an Speer mir feinen trotz'gen Gruß. 





Fünfter Aufzug. 299 


Hier war der Drt, da fam fie mir entgegen, 

Mit ihrem Sohn, mein Weib, mein theures Weib! 

Nun ift fie tobt, und ungewiſſes Bangen 

Wird mir als Antwort, frag’ ih um den Sohn. — 

Banchan! Banchan! Wie haft du mich getäufcht 

Um mein Vertrau'n, das ich auf dich gewendet! 

Und haben fie das Nergfte dir gethan; 

Ich dachte dich, den Mann, zu ftehn dem Nergften! 
Et Aarrt vor ſich hin.) 


Der Befehlöhaber, der den Aufiührern gefolgt ift, lommt zurüd, Die 
Umfehenden bedeuten ihn, auf den Adnig geigend, fih file zu halten. 
König. 
Wer kommt? Was ift? — Haft den Rebellen du 
Mein Wort verfündet? 
Befehlshaber. 
Ja, o Herr! 
König. 
Wie nun? 
Sefehlshaber. 
Sie weigern fih. Berzeihung fordern fie. 
König. 
Verzeihung? Mit den Waffen in ber Hand? 
Wer fie nicht ablegt, ift ein Mann des Todes. 
Ergebung fordr’ id, voll und unbebingt. 
- Dann fol, wie Gottes Stimme in dem Garten, 
Die Gnabe wandeln durch gebüdte Reih'n, 
Nur zögernd firafen, und, wie gern, verzeihn. 
Sie wollen nicht? Nun denn, fo laßt fie müfjen! 
Stellt die Balliften auf, dad Sturmzeug orbnet! 
Mit mwieberholtem Stoß bebrängt die Stadt, 





300 Ein treuer Diener ſeines Herrn. 


Bis ihre Steine ächzen, Thürme niden, 
Und die Erweihung allgemad und enblich 
Sid fortpflanzt bis in ein Empörerber;. 
Menn morgen hoch die Sonn’ im Mittag fteht, 
Wil ausruhn ih im Innern jener Mauern. — 
Was habt Ihr ſonſt erforfcht? 

Sefehlshaber. 

Es war nicht möglich 

Mehr zu erkunden, denn man ſtand nicht Rede. 
Doch heißt es, daß im Innern ihrer Stadt 
Entzweiung herrſche. Auch, den Mauern nah' 
Vernahm ich Lärm von Stimmen, welche ſtritten, 
Ja, ſelbſt Geklirr von Waffen. 


König. 
Und Banchanug, 
Wo meilet er? 
Sefchlshaber. 
Verſchieden geht die Rebe. 

Die Einen nennen ihn gefangen, tobt; 
Die Andern laffen ihn, ala Haupt des Aufruhrs, 
Sich ftellen felbft an der Empörer Spite, 
Und glaublich fcheint es faft, menn man bedenkt — 

König. 
Ich aber fage Nein! und zweimal Nein! 
Banchınus ein Verräther? Schlimm genug, 
Wenn er nicht wehrte, wo die Andern thaten. 
Doch er Verräther? Nun, dann bin ich’3 auch, 
Dann find wir's Alle Nein, Banchanus nicht! 


Sefchishaber. 
Befeblt Ihr fonft —? 





Fünfter Kufzug. 301 


König. 
Bereitet euch zum Angriff! 
Iſt fonft noch Jemand? — Wer find dieſe hier? 
weiter Anführer. 
Zwei Ritter vom Gefolge Herzog Otto's, 
Eu'r Gnaden Schwager, ſuchend ihren Herrn. 
König. 
D, heißt fie gehn, die fert'gen Schuldgenoffen 
Bon feiner lafterhaften Jugend. Fort! 
Wie gräbt Erinnerung mit blut'gen Zügen, 
Und zeigt, was ich verfehn, mie ich gefehlt. 
Unfittlicgfeit! Du allgefräß'ger Krebs, 
Du Wurm an alles Wohlfeins tiefften Wurzeln, 
Du Raupe an des Staates Lebensmark! 
Barum ließ ich beim Scheiben did zurüd? 
Barum zertrat id) nicht, verwies dich nicht? 
Wie ſchlecht verwahrtes Feuer gingft du auf, 
Und fraßeft all mein Haus, mein Heil, mein Glüd! 
Ich will nicht ftrafen, heißt fie kehren heim, 
Nie mehr dieß Land entweihn mit ihrem Fuß. 
Bweiter Anführer 
(der auf einen Gügel gefiegen iR). 
Ad, Herr! mein Herr! Der Feind thut einen Ausfall. 
König. 
Bift du nit Hug? 
Anführer. 
Ich ſeh' das Thor geöffnet, 
Und Mann an Mann, mit Lanzen, Fadeln, Herr! 
Es gilt dem Sturmgeräth. Seht Ihr nicht vor, 
So fteden fie'3 in Brand. 





302 Ein treuer Diener feined Herrn. 


König. 
Mun denn, es fei! 
Führt ſie ihr Unſinn ſelber ins Verderben. 


| Anführer. 
Noch immer fort. Ein endlos dichter Haufen. 
Die Vorderften verbirgt der Hohlweg jchon; 
Doch Stets erneut, ſtrömt's aus den offnen Pforten. 
König. 
Bleibt Ihr zurüd! Mir widert's, die Verivorrnen 
Dahin zu fchladhten, ihrer Thorbeit Opfer. 
Ich will mich ihnen ftellen, ich, ihr König; 
Und wer es wagt, der mag mein Gegner fein! 
Bleibt Ihr zurüd, ih will’. 
(Er geht gegen den Hintergrund.) 
Doch ba! fteht ihnen 
Die Hölle bei mit ihren dunklen Geiftern? 
(Er kommt wieder nad vorne.) 
(Rechts im Hintergrunde tritt, von einigen Öewaffneten geleitet, ein Bug 
Schwarz gelleideier Frauen auf.) 
Das find die Weiber meiner bingefchiebnen, Frau. 
Ihr Thoren, ftachelt ihr noch auf die Rache? 
(Ein gleiher Zug ſchwarz gelleideter Perfonen kommt, und geht gleich 
den vorigen im Hintergrunde vorüber.) 


Noch mehr der Trauer? — Wer find diefe da? 
Anführer. 
Banchanus Farben trägt man ihnen vor. 
Auch feine Frau ward — fie ift auch geftorben. 
König. 
Sch weiß! Sch weiß! — O bimmlifcher Vergelter! 
Kann ich nicht zürnen? — und bin fo verlegt! 





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Fünfter Aufjug. 303 


Bon einem zahlreichen Haufen Volks, jeden Geſchlechts und Alters gefolgt, 

tommt Banchbanus. Zu feinen beiden Eeiten, eiwas nad) rückwärts, 

gehen die Grafen Eimon und Peter, ohne Waffen, Ketten an den 
Händen. Graf Peter und alles Boll Iniet. 


Sancbanus. 
Knie’ nieder, Simon! — Simon, beug’ dein Knie! 
Es ift dein Herr+du kannſt es ohne Schande. 
j (Simon kniet nieder.) 
Mein königlicher Herr, und mein Gebieter! 
Wir nahen dir, die Bürger einer Stadt, 
Die ihrer Pflicht vergaß zu diefen Stunden; 
Doch Schnell zur Neu’ und rafch zurüdgefehrt, 
Die Pforten öffnet, in den Staub fich beugt, 
Zu deiner Gnad’ und Ungnad’ ſich ergebend. 
Ausliefert auch die Häupter der Empörung, 
Hier, Grafen Simon, der mein Bruder war — 
Nein, tft, noch immer ift, mein theurer Bruder, 
Und Grafen Peter, meiner armen Erny — 
Den Bruder meines früh verblichnen Weibs. 
Di bittend auch — 
(Näher tretend.) 
Wir haben viel gelitten, 
Seit du nicht bei ung warſt, mein Herr und König! 
Dahingegangen find ber Lieben Biele; 
Und eh’ ich weiter rede, fo erlaub’, 
Daß ich, das Aug’ gebrüdt an deine Knie, 
In Thränen derer denke, die geweſen. 
(Er fallt vor ihm nieder, und umfaßt feine Knie.) 
König 
(nad einer Pauſe, zurüdiretend). 
Banchan! Bancban! Tu ungetreuer Knecht! 
Wie haft du deines Herren Haus verwaltet? 





304 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Sancbanus 
(der aufgeftanden ifl). 
Herr! gut und fchlimm, wie's eben möglich war. 
König. 
Ich gab mein Land dir ruhig und in Frieben. 
Sanchbanus. _ 
Nu, Herr! beruhigt geb’ ih’3 Euch zurüd. 
König. 
Wo ift mein Weib? 
Bancbanns. 
Daß Gott! die Tehrte heim. 
Sie wollte fehn, wie's meinem Weib erging! 
König 
(ihm näher tretend, und die Hand auf feine Schulter legend). 
So ftehen wir als Wittiver Beide denn — 
Dod noch ein Punkt furdtbarer Aehnlichkeit! — 
Du hatteſt nie ein Kind. Wo ift das meine? 
Bancban, wo ift mein Sohn? 


Sancbanus. 


Ich glaube, Herr, 
Das Knäblein ift gerettet. 


König. 
Ha, du glaubit? du glaubft? 

Bancban, ich glaub’, du bift ein Ehrenmann, 
Ich glaube, daß du treu an deinem König hältſt, 
Iſt's darum wahr? 

Sancbanus. 

Ich gab ihn, Herr, dem Mann, 
Der ihn nächſt Gott am treueften beſchützt, 
Dein er das lebte Band an dieſes Leben, 





Fünfter Aufzug. 305 


Schutz vor Verzweiflung ift und Selbſtverwerfung. 
Es hat ihn Euer Schwager von Meran, 
Der Mörder meines Weibs und Eures Weibes. 
Schon ſandt' id Boten, und die finden ihn 
An jenen Hügeln dort am Saum des Waldes. 
(Auf den Wink des Rönigs gehen Einige.) 
Sei fiher, daß bein theures Anäblein lebt. 
Doc bis fie wiederfehren, im Gefühl 
Noch des Verlufts, die Vaterangft im Herzen, 
Wend' ich dein Aug’ nach jenen Beiden hin. 
Sie haben auch das Theuerfte verloren; 
Mit ähnlihem Gefühl in ihrer Bruft 
Umftanden fie die Leiche ihrer Schwefter. 
Den ungeftraften Troß des Mörbers fah'n fie, 
Da wich der gute Geift von ihnen und — 
Sie thaten, was nicht recht. Sei mild, o Herr! 
König. 
Den Mördern meines Weibs? 
Sancbanns. 
Sie waren's nicht; 
Der Zufall that's, des höchſten Gottes Bote. 
König. 
Aufrührer! 
Sancbanus. 
Nun, fieh hin, o Herr! fie knie'n. 
König. 
Und jegt, da noch ber blut'ge Zweifel ſchwebt! 
Ob nicht mein Weib nur, ob mir auch den Sohn 
Ihr Frevel ftahl — 
Sancbanus. 
Ad, jegt, und eben jegt! 
Griltparzer, ſammtl. Werte. IV. 20 





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306 Ein treuer Diener ſeines Herrn. 


Sei ganz wie Gott, o König! Straf' den Willen, 
Und nicht die That, den launiſchen Erfolg. 
Nur kurze Friſt, ſo haſt du deinen Sohn, 
Schon ſind geſendet Jene, die ihn ſuchen. 
O, raube nicht der Huld den ſchönſten Schmuck! 
Jetzt, mit der Vaterangſt in deinem Herzen, 
Sei mild und gütig, daß auch Gott dir's ſei. 
Laß in Verbannung ſie ihr Leben enden; 
Befleck' dich nicht mit Blut! 

König. 

Du forderit viel; doc ſei's! 

Und auf zu Gnaden nehm’ ich Eure Stadt. 


Dod nun — 
(Fsreudengefchrei in der fyerne.) 


Bancbanus. 
Hörft du der Engel Chor! Beglüdter Vater, 
Sie bringen jubelnd dir den Sohn zurüd. — 
Nie bringt ein Engel mir mein Weib. 
Beglüdter Vater, fiebft du deinen Sohn? 


Herzog Otto fürzt herein, in der rechten Hand ein zerbrochenes Schwert, 
auf dem linken Arm den Heinen Bela tragend. Hinter ihm jubelnd 
Krieger und Landleute. 


Otto. 


Banchban, fie rauben mir dein Kind! 

(In die Mitte der Bühne gelommen, erblidt er den König. (Er ficht einen 
Augenblid fill, dann fällt er, das Kind in den Armen, auf die Knie. 
Der Kleine läuft zu feinem Vater. Herzog Dtto liegt auf dem Angefiht am 

Boden.) 
König. 
Mein Sohn! 
Mein wieder mir geborner, theurer Sohn! 
(Er hält ihn in den Armen.) 





Fünfter Aufzug. 307 


Sancbanus 
(auf der andern Eeite). 
Nun, herzt Euch fatt, und ich muß troden ftehn. 
Kann nicht einmal dern Mund an feinen legen. 
König 
®en Rnaben empor haltend). 
Hier, euer Fürft! Hier euer künft'ger König? 
Verzeihung Jedem, was er auch gefehlt! 
Des Frevels Häuptern felbft, doch fern vom Lande, 
Säh’ und mein Weib aus weit entlegnen Fernen, 
Sie winkte: Ja! nachtönend: ich verzeih'! 
(Bum Gehen gewendet.) 
Sancbanus 
(auf Otto zeigend). 
Hier ift noch Einer, der gar bitter harrt. 
König. 
Steht, Herzog, auf! Steht auf vom Boden! 
(Otto Acht auf.) 
Ihr habt ein Meines Gutes hier gethan, 
Zu ſchwach, um zu vergelten fo viel Böfes. 
Doch ftred’ ich nicht die Hand als Richter aus, 
Wo Sünde felber ftraft, braucht's da nod Strafe? 
Für meinen Theil entlaff’ ih Euch der Schuld. 
Doch bier ift Einer, dem Ihr mehr gethan. 
Geht hin, und fragt ihn, was ihn mag verföhnen? 
(Otto zu Bancbanus gewendet.) 
Sancbanus. 
Du guter Mörder, gib mir beine Hand! 
Und doch — mar fie es nicht, die meiner Erny — 
Fort, Mörder fort! und laß mich dich nicht ſchau'n! 
König. 
Er wendet fi von Euch. Laßt ab! 





308 Ein treuer Diener feines Herrn. 


Simon (vortretend). 
Und doch! Noch Eins! 
Mein König, und mein hoher Herr! Verzeibt, 
Wenn Euch ein Mann, der felbft dem Recht verfallen, 
Und faum begnadigt, angeht um fein Recht; 
Doch iſt's der Lohn für diefes Mannes Treue, 
Und unſers Haufes Ehre fordert’3 laut. 
Befehlt, daß Euer Schwager von Meran, 
Bor Euch, des Landes Herrn und höchſtem Richter, 
Mir Rede fteh’, antwortend, wenn befragt. 
König. 
hr hört, mas man begehrt. Gebt Antwort denn! 
Simon 
(au den Berfammelten). 
hr aber laufcht, und zeugt vor allem Land! 
(Zu Otto, auf Graf Peter und Bancbanus zeigend.) 
Hat diefes Mannes Schweiter, feine Frau, 
Eud Anlaß je gegeben, Grund und Urſach, 
Sie zu verfolgen mit verbot'ner Werbung? 


Otto. 
Sie that es nie. 
Simon. 
Hat ſie ſich ſonſt vergangen 
An Euch und Eurer Schweſter, ſonſt, und wie? 
So, daß ihr Tod die Strafe des Vergehens? 


Otto. 
Niemals. 
Sancbanus. 
O, hört Ihr's? Niemals! Nie! 
Ihr Inn'res weiß, ſo weiß als ihre Hand. 





Fünfter Aufzug. 309 


Simon. 
Und wer vollbradte jene That des Bluts? 
Bart Ihr s? 
Otto. 
Sie that es ſelbſt. 
Simon. 
Dir zu entgehn? 
Otto. 
So war's! 
Sancbanus. 
Mein Kind! Mein Kind! Lapt mich, ich will 
nad Haufe! 
König. 
Bancbanus, bleib! — Euch, Herzog, halt’ ich nicht! 
Kehrt heim, und merkt, wie man in biefem Land, 
Das Jhr verachtet einft, Beleid'gung rächt. 
Glimmt noch ein Funke einer beſſern Glut 
In Eurer Bruft, fo facht ihn forglih an, 
Und tilgt durch Reue, milvert Eure Schuld. 
Zieht hin, mit Gott! Kein Fluch fei über Euch! 
(Otto macht einen Schritt gegen den König. Diefer zieht fih zurüd. Da 
beugt fich Otto tief, und geht, in der Mitte beider Begleiter, die während 
des Borigen vorgetreten find, und ihm von rüdwärts einen dunkeln Mantel 
umgeworfen haben, ab.) 
König. 
Man geb’ ihm das Geleit bis an die Grenze, 
“Und forge, daß fein Unfall ihn verlegt. 
(Zu Banchanus.) 
Wie aber foll ich dir die Treue lohnen, 
Zum Theile nur vergelten, was du thatit, 
Was du erlittft im Dienfte beines Herrn? 
Der Erfte fei nad) mir in meinem Reich, 





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310 Ein treuer Diener feined Herrn. 


. Dein Wort dem Worte deines Königs gleich, 
Und fo ernenn’ ih did — 
Sancbanus. 
Halt’ ein, o Herr! 
Ich bin ein alter Mann, dem Tode reif; 
Laß ruhig fein mich harren! — Mich belohnen? 
Darf ich doch frei den Kummer ‘wieder tragen, 
Die Trauer um mein Weib. Darf Seven anfehn, 
Die Antwort lefen, ach! in Jedes Auge: 
Unſchuldig war fie und gerecht. Ei, Lohns genug! 
Der Glanz, womit du deinen Diener jchmüdteft, 
Er bat ala unbeilvoll fi mir bewährt. 
Gebeut nit, daß aufs Neu’ ich Gott verſuche! 
Mein Arm wird jchwach, dieß Haupt neigt ſich zur Ruh. 
Und fo entkleid' ich denn, mit deinem Urlaub, 
| Mich aM’ der Würden, Aemter und Gewalt, 
Die deine Huld an deinen Knecht verſchwendet; 
Dich bittend, daß du gnädig mir vergönnit, 
Auf meiner Väter Schloß, bei meinem Weib, 
Bei meines Weibes Leiche till zu harren, 
Bis zwei der Leichen liegen in der Gruft. 
Wenn deſſ' dir Botichaft wird, und eine Thräne, 
Mie jet, o Herr, in deinem Auge fchimmert, 
Dann bat dein Diener fruchtlog nicht gelebt, 
Braudt andre Grabjchrift nicht, noch güldne Zeichen. 
Und wenn du ja in deinem hoben Sinn, 
Belohnung jest ſchon räthlich glaubft und gut, 
Ach, fo erlaub’, daß jenes edle Kind, 
Für deflen Heil ih auch mein Scherflein bot, 
Daß ich fein Händlein drüd’ an meinen Mund, 
Mich überzeugend, daß es lebt und athmet. 
(Kniet vor dem Kinde.) 





Bünfter Aufzug. 311 


Glück auf! Glüd auf! Du hohes Fürftenfind, 
Beftimmt, dereinft zu herrfchen hier im Lande! 
Ein alter Mann, der lang’ dann nicht mehr ift, 
Wenn du als Fürft gebeutt in diefem Lande, 
Gr heit Willfommen did, und ruft dir zu: 
Sei mild, du Fürftenfind, und fei gerecht! 
Auf dem Gerechten ruht des Herren Segen. 
Bezähm’ dich felbft, nur wer ſich felbft bezähmt, 
Mag des Gefeges ſcharfe Zügel lenken. 
Laß dir den Menſchen Menſch fein, und den Diener 
Acht' als ein Spargut für die Zeit der Noth. 
Geben!’ ala Mann der Zeit, da du ein Kind, 
Und hilflos lagft in eines Mörders Armen. 
Wie da der Aufruhr an die Pforten pochte, 
Und jeder Rath, und jede Hülfe fern; 
Da that ein alter Mann‘, was er vermochte. 
J nu! Ein treuer Diener feines Herrn! 

(Gr neigt fein Qaupt auf die Hand des Anaben.) 


Der Vorhang fällt. 








Zur Feier einer Faiferlichen Vermählung war Grill: 
parzer aufgeforvert worden, ein neues Stüd zu fchreiben. 
Er mählte die Gefchichte des Banchanus, welche in Un: 
garn fehr beliebt ift, und begann die Arbeit laut ber 
Notiz, melde auf dem Driginalmanuferipte fteht, am 
10. März 1826. 

Das Stüf wurde für die Feier nicht geeignet befun- 
den, und kam erft am 28. Februar 1828 im Burgtheater 
zur Aufführung. 

Es fand eine außerordentlich günftige Aufnahme, dem 
Anfcheine nach die lebhafteite, welche einem Grillparzer: 
Ihen Stüde geworben if. Um fo unerflärlicher ift es, 
daß bald darauf dem Dichter die Zumuthung widerfahren 
fonnte: er möge diefen „treuen Diener“ gänzlih und für 
immer vernichten laffen. “Der Oberftlämmerer, oberfter 
Chef des Burgtbeaters, ftellte im Auftrage des Kaifers 
dieſe Zumuthung an Grillparzer unter der Formel: es fei 
das Stüd dem Kaifer jo werth, daß er es nicht der Deffent: 
lichkeit ausgeſetzt ſehn, ſondern es dem Dichter abfaufen 
wolle. 

In der Einleitung zu dieſer Geſammtausgabe iſt ſchon 
erwähnt, was dieſe Formel zu bedeuten hatte. Das Stück 
ſollte nie wieder aufgeführt, und ſollte gar nicht gedruckt 





Ein treuer Diener feines Kern. 313 


werben; ber Dichter felbft ſollte feine Abſchrift behalten, 
mit einem Wort: es follte aus der Welt verfchtwinden. 

Grillparzer, im Innerſten empört über dieſe Zumu— 
thung, fand doch in feinem Zorne bie Taltblütige Faflung, 
Das einzig wirkſame Wort dagegen auszuſprechen. Das 
bloße Proteftiren hätte wahrſcheinlich nichts abgewendet, 
denn man verfügte damals über ein literariſches Eigen- 
thum nad) politifhem ober fonftigem Belieben. Er fand 
das Wort: ſolche Procedur der Befeitigung würde nicht 
zum Ziele führen, denn das Manufeript ſei fhon in an 
dern Händen, und zivar in Händen, welche ihm nicht mehr 
zugänglich. 

So mußte man abftehen von dem Borfage der Ber: 
nichtung. Was aber in aller Welt konnte denn folden 
Vorſatz erweckt haben? Das Stüd mar gründlich Ioyal. 
Hielt man, wie bie liberale Welt fpäter gethan, dieſe 
Loyalität für übertrieben und dadurch zum Widerſpruche 
herausforbernd? Für biefen Gedankengang lag im Sinne 
der Machthaber nicht die geringite Veranlafjung vor; das 
Stüd war ja vom Publikum mit Enthufiasmus aufge 
nommen worden. Es ift unerflärlih. Vielleicht war der 
Herzog von Meran die Veranlaffung. Ein fo wüſter, ge: 
waltfamer deutſcher Herr unter den Ungarn wirkte viel- 
leicht unangenehm. Oder der Aufftand überhaupt, in 
Ungarn leider herkömmlich, follte nicht unter fo natür— 
lihen Gründen dargeftellt werben. . 

Sehr erflärlich dagegen war in fpäterer Zeit der Bor 
wurf der übertriebenen Hingebung von Seiten Banchang, 
welchen man furziveg mit dem Ausbrud „Servilismus“ 
bezeichnet hat. Diefe fpätere Zeit bat ihr ftärkftes Pathos 
in dem Begriffe von Freiheit und Selbftändigfeit geſucht 
und gefunden, und biefem Begriffe gegenüber erfcheint die 





314 Ein treuer Diener feined Herrn. 


Hingebung Bancbans demüthigend und beläftigend. Aud 
der Hinweis auf biftorifche Wahrheit, auf ganz andere 
geartete gejellfchaftlihe Verhältniſſe früherer Zeit hilft da 
nicht. Ein Theaterpublifum vertritt im Wefentlichen nur 
die Gegenwart. Selbſt die wiſſenſchaftlich Gebilveten in 
diefem Publikum, melde die hiftorifche Richtigkeit erkennen, 
ſtehen im Theater unter dem Banne des großen Publikums, 
und diefer Bann erjtredt fih auf Alles, mas die Lebens: 
fragen der Gegenwart verneint. Die Lebenzfragen. Nicht 
alles Abweichende, wodurd ja jedes fern liegende hijtori- 
Ihe Stück ausgefchloflen würde vom Repertoire. 

Hat ſich nun erfahrungsmäßig bei den Aufführungen 
des „treuen Diener” in fpäterer Zeit dieſer Widerſpruch 
gegen die Handlungsweiſe des Banchan wirklich jo gezeigt, 
daß man fagen könnte: der „Servilismus“ der Haupt: 
figur ftößt dermaßen ab, daß die Wirkung des Stüdes 
aufgehoben wurde? Nein, das fann man nicht fagen. Und 
das führt zur weiteren Frage: tft es wirklich Servilismus, 
was den Banchan beftimmt? Nein, das ift es nicht! lautet 
die Antwort. Ungern und mwiderftrebend hat der Mann 
die Aufgabe übernommen, den König in der Regierung 
zu vertreten; aber er bat fie übernommen, und nun hält 
er fein Wort, obwohl ihm das Herz dabei bricht. Er ift 
ein treuer Mann, nicht bloß ein treuer Diener. Seine 
beiligiten perjönlichen Intereſſen ftellt er in zweite Linie, 
das Intereſſe der übernommenen Regierung ftellt er in 
erſte — das ijt fein Servilismus, dag ift heldenmäßige 
Tüchtigfeit. 

Dieß empfindet auch das große Publikum, und deß— 
halb verfagt es dem Stüde feine Theilnahme nicht. Die 
Anklage gegen daſſelbe geht von Fritifhen Stimmen aus, 
und fie tft nicht unberedhtigt. Sie ift, glaube ih, vom 





Ein treuer Diener feined Herrn. 315 


Dichter dadurch verſchuldet, daß er am fchmerzlichften 
Wendepunfte dem Bancban nicht einen breiteren leiden: 
Tchaftlichen Ausbruch der Menſchlichkeit verliehen hat. Den 
mag er überwinden, aber wenn wir beutlicher und voller 
dieſe Ueberwindung mit ihm durchgemacht, dann find wir 
bereiter, feine Pflichterfülung gutzuheißen. 

Es lag in Grillpargers herbem und ftrengem Naturell, 
daß er diefen Uebergang nicht breit genug ausmalte. Ihm 
genügte bie fparfamfte Andeutung. Dem Kunftwerfe wäre 
eine breitere Ausführung vortheilhafter geivefen. 

Handlung und Charaktere find fühn und eigenthüm- 
lid. Der Herzog von Meran ift fo fühn, daß man ihn 
bei ber Lectüre gewagt nennen muß für die Bühne. Das 
ift faft durchweg Grillparzerſche Art: er ließ fich nie be— 
megen, feine poetifchen Geftalten um irgend einer Con: 
venienz willen zu verfürzen, er geftattete ſich die grelle 
Confequenz. Aber die Bühne zeigte immer, daß der Dichter 
bei aller Verwegenheit feiner Geftalten und Handlungen 
in den Möglichkeiten der Bühnentwirfung verblieben war. 
Sie beftanden aud die gefährlichfte Probe. Grillparzer 
war eben tief innerlich ein Theaterdichter. 

Zu Gtatten kam ihm allerdings bei der erſten Auf- 
führung biefes Stücks, daß ein fo begabtes ftürmifches 
Naturell wie das Ludwig Löwes die free Wildheit des 
Herzogs von Meran barzuftellen hatte. Sie hielt bas 
Publikum im Bann feines anerkannten Talents, und die 
Gefahr des zweiten Altſchluſſes verwandelte fih in rau 
ſchende Wirkung. 

Iſt fo etwas Ausgreifendes einmal angenommen vom 
Publikum, dann befteht es fpäter auch bei ſchwächerer 
Darftellung. Gute Theater haben eine Tradition, welde 
bereitwillig geachtet wird. 





316 Ein treuer Diener feine Herrn. 


Grillparzer hat hierin das Theater ungemein bereichert: 
er ftellte immer große Forderungen an die Schaufpieler, 
beſonders immer neue, und erweiterte dadurch die Typen 
der darjtellenden Kunft. 

Die Anfcenefegung feiner Stüde ift freilich immer 
ſchwer, und das iſt wohl auch ein Grund, daß die meiften 
Bühnen ſich feiner Stüde enthalten baben. 


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