GRUNDRISS
DER
ROMANISCHEN PHILOLOGIE.
IL BAND.
2. ABTEILUNG
La"Rom
G.e>i^z-^
GRUNDRISS
.?'
^■j
DER
ROMANISCHEN PHILOLOGIE
UNTER MITWIRKUNG
G. BAIST, TH. BRAGA, H. BRESSLAU, T. CASINI, J. CORNU, C. DECURllNS, W. DEECKE, TH.
GÄRTNER, M. GASTER, G. GERLAND, G. JACOBSTHAL, F. KLUGE, GUST. MEYER, W. MEYER-LÜBKE,
C. MICHAELIS DE VASCONCELLOS, A. MOREL-FATIO, FR. d'OVIDIO, M. PHIL'.PPSON, A. SCHULTZ,
W. SCHUM, CH. SEYBOLD, E. STENGEL, A. STIMMING, H. SUCHIER, H. TIKTIN, A, TOBLER,
W. WINDELBAND, E. WINDISCH
HERAUSGEGEBEN
GUSTAV GRÖBER
O. Ö. PRUFESSOR DER ROMANISCHEN PHILOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT STRASSBUKG.
IL BAND, 2. ABTEILUNG.
DIE LITTERATUREN DER ROMANISCHEN VÖLKER : 3. PROVEN-
ZALISCHE LITTEKATUR. — 3. KATALANISCHE LITTERATUR. —
4. GESCHICHTE DER PORTUGIESISCHEN LITTERATUR. — 5. DIE
SPANISCHE LITTERATUR.
'«^-*— »-^-<
STRASSBURG.
KARL J. TRÜBNER.
1897.
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung vorbehalten.
"'ti '
G. O 1 1 o ' 8 Hof-Buchdruckerei in Darmgtßdt
VORWORT.
^a die Bandausgabe dieser nun abgeschlossenen zweiten Abtei-
ig lung des zweiten Bandes des Grundrisses der romanischen Philo-
logie 1897 als Jahr des Erscheinens trägt, ist nicht überflüssig zu
bemerken , dass die Provenzalische und Katalanische Litteratur-
geschichte schon im Jahre 1893 erschien, die Portugiesische im Jahre
1893 gedruckt und an der Spanischen von December 1893 bis Juli
1897 gearbeitet wurde. Einen schnelleren Abschluss der Abteilung
herbeizuführen lag leider nicht in der Macht des Herausgebers und
Verlegers. Der Entschuldigung bedarf auch, dass entgegen dem Plane
(Bd. I. S. 152) die spanische Litteraturgeschichte an fünfter statt an
vierter Stelle erscheint ; das Manuscript war zur Zeit nicht zur Stelle
und wurde erst in den letzten fünf Jahren nach und nach eingeliefert.
•
Strassburg, im Oktober 1897.
DER HERAUSGEBER.
INHALT.
Seite
Vorwort V
III. TEIL.
Darstellung der romanischen Philologie.
3. Abschnitt: Romanische Litteraturgeschichte.
B. Die Litter aturen der romanischen Völker:
2. Provenzalische Litteratur von A. Stimming 1
3. Katalanische Litteratur von A. Morel-Fatio ...... 70
4. Geschichte der portugiesischen Litteratur von C. MiCHAKLis
DE Vasconcellos und Th. Braga 129
5. Die spanische Litteratur von G. Baist 383
Register von W. LiST ' 467
Auszug
aus dem
Verlagskatalog von Karl J. Trübner
in Strassburg i. E.
VIII. Homamfcgc ^güolojic*
Baist, G., Spanische Grammatik. — Spanische Litteraturgeschichte. Siehe:
Gnmdriss der romanischen Philologie.
Baxagiola, Aristide, Italienische Grammatik. Mit Berücksichtigung des
Lateinischen und der romanischen Schwestersprachen. 8". XVII, 2lo S.
1880. JLh —
— — Crestomazia italiana ortofonica. Prosa. 1) Lingua litteraria
antica e moderna, imitazioni trecentistiche. 2) Lingua parlata della gente
civile. 3) Dialetti. 8". XXIV, 494 S. 1881. JU 1 —
Die Anlage dieser neuen Chrestomathie ist eine originelle und wohl entsprechend dem
Hauptzweck, den sie offenbar verfolgt, als Hülfsmittel zum Studium des modernen
Italienisch zu dienen. Dies Ziel erstrebt sie in umfassender und interessanter Weise.
Literarisches Centralblatt, 19. März 1880.
Der arme Heinrich von Hartmann von Aue. II povero Enrico
versione in prosa del tedesco medioevale. 8^. IV, 95 S. 1881. JU 1 20
— — Das Hildebrandslied; l'inno d'Ildebrando versione con introduzione
ed appendice. 8«. 19 S. 1881. M. \ —
— — Muspilli ovvero l'incendio universale. Versione con introdu-
zione ed appendice. 8". 46 S. 1882. Jl 2 ~
Giacomo Leopardi Filosofo, Poeta e Prosatore. Disseitatione
dottorale presentata alla Facoltä filosofica delF Universitä di Strasburgo.
8». XV, 65 p. 1876. (^ 1 20) Vergriffen.
Bartsch, Karl, Die lateinischen Sequenzen des Mittelalters in
musikahscher und rhythmischer Beziehung. 8". VIII, 245 S. 1868.
(Ji. 7 50) Ji 2 —
(Aus dem Verlag der Stiller'schen Hofbuchhandlung in Rostock in den meinigen
übergegangen.)
— — siehe auch: YII. Germanische Philologie und Altertumskunde.
Becker, Ph. Aug., Jean Lemaire, der erste humanistische Dichter Frank-
reich's. 8«. IX, 390 S. 1898. ^ 12 —
»Ausgerüstet mit einer hervorragenden Kenntniss der politischen Zeitgeschichte und
der geistigen Strömungen, die um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts das litterarische
Leben Frankreichs beherrschten, hat B. sich die schöne Aufgabe gestellt, das Bild des
alten Hennegauer Dichters und Historiographen, geläutert von den Entstellungen eifernder
Widersacher alter und neuer Zeit (S. 251 ff. und Litt. Bl. 1893 Sp. 57), in seiner ganzen
urwüchsigen Eigenart und historischen Treue vor unseren Augen zu entrollen. Mit
glänzender Beredsamkeit führt er uns durch alle Lebensphasen des Dichters, zeigt ihn
in seinem Verhältniss zu wechselnden fürstlichen Gönnern, zu Freunden, zur grossen
Welt. ,Mit liebevoll eindringendem Verständniss weiss B. den inneren und äusseren
Motiven in L.'s dichterischem Schaffen nachzuspüren und so ein fast in allen Zügen
höchst gelungenes Seelengemälde des vielfach vergessenen Mannes zu entwerfen. Fragen
technischer Art, besonders die Metrik, werden eingehend erörtert. Das Buch ist für die
exakte Lemaireforschung bahnbrechend und wird allen späteren Arbeiten über den
Dichter — eine solche wird, soviel ich weiss, von Doutrepont vorbereitet — als Grund-
lage zu dienen haben . . . .« Deutsche Litt.-Ztg. 1893, Nr. 38.
— — Ueber den Ursprung der romanischen Versmasse. 8**. IV,
54 S. 1890. .^ 1 20
Bergmann, F. W., Der Jagdhund und der Fünfhundert-zehn-und
Fünfer in Dante's Commedia. 8". 35 S. 1879. (In Kommission.) Jl 1 2Q
— — siehe auch: III. Indogerman. Sprachwissenschaft, Edda, unter VII. German.
Philologie und XI. Alsatica.
SBcrtud^, 31 ug., fte^e: 3Jiiftrol, «Ditteto unb 9ietto.
62 VERLAGSKATALÖG von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Boehmer, Ed., Romanische Studien siehe: Studien, Romanische.
— — siehe auch: Mistral, Mireio und II. Theologie, Religionswissenschaft,
Philosophie.
Braga, Th., Portugiesische Litteraturgeschichte siehe: Grundriss der romanischen
Philologie.
Br esslau, H. und M. Philipp son, Geschichte der romanischen Völker siehe:
Grundriss der romanischen Philologie.
ten Brink, Bernh., Dauer und Klang. Ein Beitrag zur Geschichte der
Vokalquantität im Altfranzösischen, kl. 8«. V, 54 S. 1879. ./« 1 20
— — siehe auch: VII. Germanische Philologie.
Büttner, Dr. Herm., Studien zu dem Roman de Renart, Heft I, II siehe:
Roman de Renart.
Camces, Luiz de, Os Lusiadas. Unter Vergleichung der besten Texte, mit
Angabe der bedeutendsten Varianten und einer kritischen Einleitung
herausgegeben von Dr. Carl von Reinhardsto ettner. 8". pp. XLI,
319 S. 1875. Jl.1 —
Casini, Tommaso, Italienische Litteraturgeschichte siehe: Grundriss der
romanischen Philologie.
Cornu,.!., Portugiesische Grammatik siehe: Grundriss der romanischen Philologie.
Danker, Otto, Die Laut- und Flexionslehre der mittelkentischen
Denkmäler nebst romanischem Wortverzeichnis. S'*. 63 S. 1879. Ji 1 60
Decurtins, C, Rätoromanische Litteraturgeschiclito siehe: Grundriss der
romanischen Philologie.
De ecke, Dr. Wilh., Die italischen Sprachen siehe: Grundriss der romanischen
Philologie.
— — siehe auch : VI. Klassische Philologie.
Dolopathos, Johannis de Alta Silva Dolopathos sive de rege et Septem
sapicntibus. Herausgegeben von Herm. Oesterley. 8". XXIII, !^9 S.
1873. Ji. 4 50
Enthält den Text des Jahrhunderte lang als verloren beklagten, von Dr. Oesterley
wieder aufgefundenen Werkes des Mönches Dam Jehan von Metz (aus dem 12. Jahrh.)
— die lateinische Vorlage des altfranz. Gedichtes gleichen Namens und die älteste
occidentalische Fassung des Märchens von den sieben weisen Meistern.
Literar. Centralblatt.
Ehrichs, Ludwig, Les grandes et inestimables Croniques de Gar-
gan tu a und Rabelais' ,,Gargantua et Pantagruel". 8". 47 S. 1889.
Ji 1 50
g-lugt, 5Ufi)n§ \>., 3)ie SBon§Ucber be§ (Sngobitt. 9Jttt einem ^Inl^ong
cngabmifdjev Süolfältcbcr im Driginal iie6ft beutfd;ev Uebcrje^ung. ft. 8**, IV,
85 ©. 1873. Ji 2 40
Verfasser gibt eine gute Übersicht über die Geschichte der engadinischen Volks-
dichtung von den ältesten, dem 15. Jahrhundert angehörenden, leider aber nur in dürftigen
Fragmenten erhaltenen historischen Liedern. Jahrb. f. rom. u. engl. Lit. N. F. II.
Franz, W., Die lateinisch-romanischen Elemente im Althoch-
deutschen. 8«. 79 S. 1883. {Ji 1 80) Vergriffen.
Gärtner, Th., Die rätoromanischen Mundarten siehe: Grundriss der romanischen
Philologie.
©oS^orl), Slbfllf, ©efd)td)te ber Sftolienijdjen Sitcratur.
erfter SSanb: S)te üalienifd^e Literatur im «mittelalter. 8«. VIII, 550 ©.
1885. Ji 9 — , in ^albfrana geb. Ji W ^
3 II f) alt: öiiileitiing. — 2>ie £iciüantfd)e Sicf)tevfrf)iilc. — govtfeiniuß ber lln'Ucf)en Si(i)=
tung in Söfittetitalien. — ©itibo ©uiniccKi »ou S3oIognn. — Sie froiijöf. 9iittevbirf)tunfl in
ODciitalten. — SJeligiüfe unb niovnlifri)e *^3oeiie in Ööevitnlien. — J)ie reltfliöfe 2>)rif in
Umbrien. — Sic *^rofa im 13. SoOi'Oun^ert. — Sie aHegovifrf)=bibQftifd)C Stc^tnng unb bie
:pt)itofo^f). ü\)x\X ber neuen florenttuifrfjen Schule. — Saute. — Sie (Somöbte. — Sa» 14. %ai)X'
ijunbert. — '(Petrarca. — »^Setrarco'5 eanäoniere. — Slnljang bibltograpljifcfjcr n. fvit. a3e=
merfungen. — Dtegifter.
VIII. Romanische Philologie. 63
&a^patrf, 9tboIf, ©efd^tdjtc bcr ^ftalicnifd^cn Siteratut (Fortsetzung).
3lt)eitcr SBanb: 3)te ttalienijc^e Siteratur ber 3{eiiatfioncejcit. 8". VIII,
704 ©. 1888. M 12 — , in ^atbfranj geb. M 14 —
Sn^oü: Boccaccio. — Die (Sptgoncn ber grofecn J^torentiner. — 33te .^umauifteit be§
15. Softr^unbertc-. — Xic SBuUiärfpvac^e im 15. 3Qt)rf)unbcrt iiiib tfjre Literatur. — *ßoIiäiano
unb Soienjo be SDfebict. — 3)te SRitterbic^tuiifl. 'piUct unb öojarbo. — gjeopet. *jJontauo
unb Sonna.^Qio. — ÜJJaccfiiaöellt u. ©uicciavbini. — öembo. — 5lvtofto. — Goftiglionc. —
■ißtctio 9lietiiio. — 3)ie ä\}xit im 16. SafivOimbeit. — I)a§ |)etbenflcbicf)t im 16. 3of)r^unbeit.
— 2ie Xvogöbie. — Sie fiomöbie. — Slnljang bibliogvapl). u. fvitifc^er 33emcrfungcn.
Die Fortsetzung dieses Werkes hat Herr Dr. Richard Wendriner (Breslau) über-
nommen; ihm sind von der Gattin des verstorbenen Verfassers die Vorarbeiten, soweit
sich solche im Nachlasse vorfanden, ausgehändigt worden.
»Jeder der sich fortan mit der hier behandelten Periode der italienischen Litteratur
beschäftigen will, wird Gaspary's Arbeit zu seinem Ausgangspunkte zu machen haben.
Das Werk ist aber nicht nur ein streng wissenschaftliches für Fachleute bestimmtes,
sondern gewährt nebenbei durch seine anziehende Darstellungsweise auch einen ästhe-
tischen Genuss; es wird daher auch in weiteren Kreisen Verbreitung finden.«
Deutsche Litteraturzeitung.
»Eine sehr tüchtige wissenschaftliche Arbeit. Empfiehlt sich das Buch einem grösseren
Publikum durch seinen leicht verständlichen geschmackvollen Ausdruck, so findet auch
der Gelehrte in den im Anhange gegebenen reichen Anmerkungen die bibliographischen
Nachweise und die kritische Begründung bei schwierigen zweifelhaften Punkten.«
Literarisches Centralblatt.
(Aus dem Verlag von Robert Oppenheim in Berlin in den meinigen übergegangen.)
Gast er, M., Die nichtlateinischen Elemente im Rumänischen. — Rumänische
Litteraturgeschichte. Siehe: Grundriss der romanischen Philologie.
Gerland, G., Die Basken und die Iberer siehe: Grundriss der romanischen
Philologie.
Gröber, Gustav, siehe: Grundriss der romanischen Philologie und unter Ab-
schnitt VII. Germanische Philologie.
Grundriss der romanischen Philologie, unter Mitwirkung von G. Baist,
Th. Braga, H. Bresslau, T. Casini, J. Cornu, C. Decurtins, W. Deecke,
Th. Gärtner, M. Gaster, G. Gerland, G. JacobstJml, F. Kluge, Gust. Meger,
W. Meyer, C. Michaelis de Vasconcellos, A. Morel-Fatio, Fr. d'Ovidio,
M. Philippson, A. Schultz, W. Schum, Ck. Segbold, E. Stengel, A. Stimming,
H. Suchier, H. Tiktin, A. Tobler, W. Wimielband, E. Windisch heraus-
gegeben von Gustav Gröber (o. ö. Professor der romanischen Philologie
an der Universität Strassburg).
Plan des Werkes.
I. Einführung in die romanische Philologie.
1. Geschichte der romanischen Philologie von G. Gröber.
2. Aufgabe und Gliederung der romanischen Philologie
von G. Gröber.
II. Anleitung zur philologischen Forschung.
1. Die Quellen der romanischen Philologie:
A Die schriftlichen Quellen mit 4 Tafeln von W. Schum.
B Die mündlichen Quellen von G. Gröber.
2. Die Behandlung der Quellen:
A Methodik und Aufgaben der sprachwissenschaftlichen
Forschung von G. Gröber.
B Methodik der philologischen Forschung von A. Tobler.
III. Darstellung der romanischen Philologie.
1. Abschnitt: Romanische Sprachwissenschaft:
A Die vorromanischen Volkssprachen der romanischen Länder.
1. Keltische Sprache von E. Windisch.
2. Die Basken und die Iberer von G. Gerland.
3. Die italischen Sprachen von W. Deecke.
4. Die lateinische Sprache in den romanischen Ländern
von W. Meyer.
64 VERLAGSKATALOG von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Grundriss der romanischen Philologie (Fortsetzung).
5. Romanen und Germanen in ihren Wecliselbeziehungen
von F. Kluge.
6. Die arabische Sprache in den romanischen Ländern
von Chr. Seijbold.
7. Die nichtlateinisclien Elemente im Rumänischen von
M. Gaster.
B Die romanischen Sprachen.
1. Ihre Einteihing vmd äussere Geschichte von G. Gröber.
2. Die rumänische Sprache von //. Tiktin.
3. Die rätoromanischen Mundarten von T. Gärtner.
4. Die italienische Sprache von F. d'Ovidio u. W. Meyer.
5. Die französische und provenzahsche Sprache und ihre
Mundarten von //. Suchier.
6. Das Katalanische von Ä. Morel-Fatio.
7. Die spanische Sprache von G. Baist.
8. Die portugiesische Sprache von J. Cornu.
9. Die lateinischen Elemente im Albanesischen von
G. Mei/er.
2. Absciinitt: Lehre von der romanischen Sprachkunst.
Romanische Verslehre von E. Stengel.
3. Abschnitt: Romanische Litteraturgeschichte.
A Uebersicht über die lateinische Litteratur von der Mitte
des 6. Jahrhunderts bis 1350 von G. Gröber.
B Die Litteraturen der romanischen Völker:
1. Französische Litteratur von G. Gröber.
2. Provenzahsche Litteratur von A. Stimming.
3. Katalanische Litteratur von A. Morel-Fatio.
4. Portugiesische Litteratur von C. Michaelis de Vascon-
cellos und Th. Braga.
5. Spanische Litteratur von G. Baist.
6. Italienische Litteratur von T. Casini.
7. Rätoromanische Litteratur von C. Decurtins.
8. Rumänische Litteratur von M. Gaster.
IV. Grenzwissenschaften.
1. Geschichte der romanischen Völker von IL Bresslau und
Philippson.
2. Culturgeschichte der romanischen Völker von ^1. -S'c/jM?te.
3. Kunstgeschichte der romanischen Völker:
A Musik von G. Jacobsthal.
B Bildende Künste von A. Schultz.
4. Die Wissenschaften in den romanischen Ländern von
W. Windelband.
Wort-, Namen- und Sachverzeichnis von W. List.
Bis jetzt sind erschienen:
I. Band. Lex. 8". XII, 853 S. m. 4 Tafeln u. 13 Karten. 1888.
Ji 14 — ,' in Halbfranz geb. Ji 16 —
Auch noch in einzelnen Lieferungen zu
Jii 4 — , Ji 4 — und Jl 6 — zu haben.
Lieferung, 16 Bogen. 1893. Jl. At —
11 „ 1893. .^ 2 80
8 „ 1893. .^ 2 —
,: 8 „ 1893. ^ 2 —
8 „ 1894. US? 2 —
8 „ 1896. ^ 2 —
Band,
1.
Abteilung,
1.
1.
2.
2.
2.
1.
2.
))
2.
3.
3.
1.
VIII. Romanische Philologie. 65
Grundriss der romanischen Philologie (Fortsetzung).
«In dem starken Bande, dessen Titel diesen Zeilen voransteht, liegt das Ergebnis
eines neuen, weit kühneren Versuches vor, zahlreiche, und zwar von den bereitwilligen
die besten Kräfte zu nutzbringender Arbeit zu veranlassen und zu vereinigen, nämlich
zu einer den Bereich der romanischen Philologie nach aussen abgrenzenden, nach innen
gliedernden, diese Wissenschaft in ihrer Geschichte darstellenden und ihren heutigen
Inhalt in kurzer Zusammenfassung vorführenden Collektivleistung. Noch ist von der
ganzen Arbeit erst die Hälfte gethan; aber schon jetzt hat man das Recht, auszu-
sprechen, dass von diesem Werke man eine mächtige Förderung der romanistischen
Studien hoffen darf. Und das darf man nicht allein darum, weil es regsamen Geistern
eine treffliche erste Orientirung auf einem Gebiete gewährt, wo von allen Seiten schöne
Aufgaben locken, oder weil es die Möglichkeit gibt, den Universitätsunterricht von
manchen Verpflichtungen zu entlasten, die ihn beim Streben nach höhern Zielen hemmten,
oder weil es nachdrücklichst auf die Mannigfaltigkeit der Arbeit hinweist, an der sich
wenigstens empfangend zu beteiligen hat, wer auf den Namen eines Romanisten An-
spruch erhebt; sondern namentlich auch darum, weil es hoch sich erhebend über blosse
Buchmacherei, kritikloses Verzeichnen von Titeln und Ausschreiben landläufiger Kom-
pendien, überall von einem Geiste kräftiger Selbständigkeit, mutigen Eindringens durch-
weht ist und demgemäss fast überall beträchtlich hinausgelangt über das, was die frühere
Einzelbehandlung der Gegenstände erreicht hatte
Möge dem Werke, das bestimmt scheint, auf den Gang der romanistischen Studien
eine so tiefe und so nachhaltige Wirkung zu üben, wie sie seit manchen Jahren kaum
ein anderes geübt hat, eine baldige glückliche Vollendung beschieden sein. Es ins Leben
gerufen und durch umfangreiche und gediegene eigene Mitarbeit an seiner Ausführung
mitgewirkt zu haben, ist ein Verdienst, das freudig anerkennen wird, wem das Ge-
deihen der romanistischen Studien am Herzen liegt. »
Berlin. Adolf Tobler. (Deutsche Litteraturzeitung 1888, Nr. 36.)
Hammesfahr. Alex., Zur Comparation im Altfranzösischen. 8®.
40 S. 1881. JL \ --
Hartmann, Gottfried, siehe: Wiezels Veltlinerkrieg.
Hoefft, Dr. Karl Th., France, Franceis und Franc im Rolandsliede.
Lex. 8<>. 74 S. .^ 2 —
Jacob st ha I, G., Musik der romanischen Völker siehe: Grmidriss der romanischen
Philologie.
Kayserling, M., Biblioteca espanola-portugueza-judaica. Diction-
naire bibliographique des auteurs juifs, de leurs ouvrages espagnols et
portugais et des oeuvres sur et contre les juifs et le judaisme. Avec
un apercju sur la litterature des juifs espagnols et une coUection des
proverbes espagnols. Lex. 8". XXI, 155 S. 1890. Ji % —
Kluge, Friedr., Romanen und Germanen in ihren Wechselbeziehungen siehe:
Grundriss der romanischen Philologie.
— — siehe auch: VII. Germanische Philologie.
Kornmesser, Ernst, Die französischen Ortsnamen germanischer
Abkunft. I. Teil. 8«. 59 S. 1889. JL 1 50
Lauchert, Friedr., Geschichte des Physiologus. Mit 2 Textbeilagen.
8". XIII, 312 S. 1889. JL 1 —
Laun, Dr. A., siehe: Racine's Britanniens.
Laur, E., Louize Labe. Zur Geschichte der französischen Literatur des
16. Jahrhunderts. 8". 84 S. 1873. JL 1 60
Mall, E., siehe: Philipp von Thaiui.
Meyer, G., Die lateinischen Elemente im Albanesischen siehe: Grundriss der
romanischen Philologie.
— — siehe auch : III. Indogermanische Sprachwissenschaft.
Meyer, W., Die lateinische Sprache in den romanischen Ländern siehe: Grundriss
der romanischen Philologie.
Michaelis de Vasconcellos imd Th. Braga, Portugiesische Litteratur-
geschichte siehe: Grundriss der romanischen Philologie.
Michel, Ferdinand, Ueber Heinrich von Morungen und die Trou-
badours. (Quellen und Forschungen, Heft XXXVIII.) 8«. XI, 272 S.
1880. JL Iq —
66 VERLAGSKATALOG von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
9Ktftrn(, ^rcbcrt, 5!Jlifeto. 5)3rot)en(jolif(?^c Sichtung. S)eut[r^ bon 3(uguft Sertui^.
5Utit einer Einleitung büu (Sbuarb ^oefimer. ^"'eite butdigefel^ene Slupage.
8«. XIX, 291 ©. 1896. biofc^. Jl. 5 ^-, in Seintnanb geb. Ji 6—
Die Uebersctzung der Mireio durch Bertuch darf um so freudiger begrüsst werden,
als die vor mehreren Jahren erschienene deutsche Uebersetzung derselben Dichtung
auch hinter den bescheidensten Anforderungen zurückblieb und von dem neuen IJeber-
setzer zu rühmen ist, dass er bei hinreichender Treue und gutem Verständniss des
Originals im Stande gewesen ist, fast durchaus den entsprechenden poetischen Ausdruck
unserer Sprache zu tinden. Die Mirciostrophe ist beibehalten und auch die Schwierig-
keit des dreifachen Reimes glücklich überwunden. Offenbar sind durch das Bewältigen
der kunstvollen Form die Kräfte des Uebersctzers gewachsen, so dass das neue Werk
auch vor Bertuch's Uebersetzung der Nerto den Vorzug verdient.
Erklärende Anmerkungen und ein Namensverzeichniss sind angehängt und am
Schluss die phonetische Umschrift einiger Stücke des Originals beigegeben, welche
Koschwitz geliefert hat.
Möchte die hervorragendste Blüthe des neuprovenzalischen Dichtergartens in ihrem
deutschen Gewände zahlreiche Leser finden! Literarisches Centralblatt 1893, Nr. 13.
5?erto. ?Prot)enr.alifc^e (Sr3ätjlung. Sentfd^ lion Sluguft 58cttuc^. 8".
182 ©. 1891. Brofc^. JL 3 — , in Seintoanb geb. Jt. 4 —
<' Vorliegender Uebersetzung der poetischen Erzählung des berühmten provengalischen
Dichters gebührt alles Lob. Sie ist gewandt-und hält sich treu an das Original, dessen
Ton genau getroffen ist. » Deutsche Litteraturzeitung.
Morel-Fatio, A., Catalanische Grammatik. — Catalanische Litteraturgeschichte.
Siehe: Gruiiclri.ss der romanischen Philologie.
Morf, Heinrich (Professor an der Hochschule Zürich), Geschichte der
neueren französischen Litteratur. (In Vorbereitung.)
Oesterley, Herrn., siehe: Dolopathos.
d'Ovidio, F.U.W. Meyer, Italienische Grammatik siehe: Grundriss der roma-
nischen Philologie.
Philipp von Thaun, Li Cumpoz Philipe de Thaün. Mit einer Einleitung
über die Sprache des Autors. Herausg. von Eduard Mall. 8**. VII,
176 S. 1873. {Ji 4 50) Vergriffen.
Philippson, M., Geschichte der romanischen Völker siehe: Gmindriss der
romanischen Philologie.
Racine's Britannicus mit deutschem Commentar und Einleitung, herausg.
von Dr. A. Laun, Professor. 8«. XXVI, 115 S. 1874. Ji 2 —
Reinhardstoettner , Dr. Carl von, Grammatik der portugiesischen
Sprache auf Grundlage der Lateinischen und Romanischen Sprach-
vergleichung bearbeitet. 8«. XVI, 416 S. 1878. Ji 10 —
Verfasser konnte für seine Arbeit eigene und fremde Materialien benutzen und
macht das ganze Buch den Eindruck sorgfältiger Sichtung und angemessener Anordnung.
Der Verfasser kann sich deshalb aufrichtigen Dankes und warmer Anerkennung von
Seiten seiner deutschen und ausländischen Fachgenossen versichert halten.
Jenaer Literaturztg. 1878, 31.
— — Aufsätze und Abhandlungen, vornehmlich zur Literaturgeschichte.
8°. IV, 310 S. 1887. Ji.b—, geb. Ji ^ —
Inhalt: 1) Cristoforo Negri. — 2) Über einige dramatische Bearbeitungen von
Herodes und Mariamne. — 3) Napoleon L in der zeitgenössischen Dichtung. — 4) Vom
Lernen und Lehren lebender Sprachen. — 5) Luiz de Camoes, der Sänger der Lusiaden.
— 6) Der Hyssope des A. Diniz in seinem Verhältnis zu Boileaus Lutrin. — 7) Goethes
Faust in Portugal. — 8) Portugals neuere Lyrik. — 9) Zwei neuere Werke über die
Romantiker in Portugal. — 10) Eine portugies. Königschronik.
(Aus dem Verlag von Robert Oppenheim in Berlin in den meinigen übergegangen.)
— — siehe auch : Camoes Lusiadas.
Le Roman de Renart. Public par Ernest Martin. I. vol. prem. partie du
texte: Tanciennc collection des branches. 8". XXVII, 484 S. 1882. .^ 10 —
II. vol. Seconde partie du Texte: les branches additionelles. 8°. 380 S.
1885. Ji % —
III. vol. Les Variantes. &". VIII, 611 S. 1887. ^ 12 —
VIII. Romanische Philologie. 67
Le Roman de Renart, Observations sur le Roman de Renart, suivies
d'une table alphabetique des noms propres. Supplement ä Tedition du
Roman de Renart par Ernest Martin. 8". 12 IS. 1888. Jl. 3 50
Büttner, H., Studien zu dem Roman de Renart und dem Rein-
hart Fuchs.
I. Heft: Die Ueberlieferung des Roman de Renart und die
Handschrift 0. 8". VI, 229 S. 1891. JL 5 —
II. Heft: Der Reinhart Fuchs und seine französische Quelle. 8''.
VI, 123 S. 1891. Ji 2 50
Scheffer-Boichorst, Paul (Prof. der GeschicJite an der Universität Strass-
burg). Aus Dantes Verbannung. Literarhistorische Studien. 8".
VIII, 254 S. 1882. Ji <(> —
Inhalt: 1. Die letzten Jahre des Dichters (Wünsche, Sorgen und Trost — Dante
und die Herren von Polenta — das Leben in Ravenna — Correspondenzen und Reisen,
politische und literarische Thätigkeit). 2. Die Abfassungszeit der Monarchie. 3. Der
Brief an Cangrande della Scala. 4. Eine Frage der Echtheit und der Chronologie.
5. Boccaccios Vita di Dante. 6. Der Brief des Bruders Hilarius.
— — siehe auch: IX. Geschichte.
Scheler, Aug., La Geste de Liege par Johannes Preis dit d'Outre-
meuse. Glossaire philologique. 4°. 319 p. Bruxelles 1882. Ji ^ —
Schneegans, Dr. Heinrich (Privatdocent der romanischen Philologie an der
Universität Strassburg), Laute und Lautentwicklung des siziliani-
schen Dialekts. Mit einer Karte. 8«. 204 S. 1888. Ji 4 —
— — Geschichte der grotesken Satire. Mit 28 Abbildimgen. gr. 8''.
XV, 523 S. 1894. Jk 18 —
Inhalt: Einleitung. — Erster Theil: Die Zeit vor Rabelais. Kap. I: Die
Keime der grotesken Satire im Mittelalter. Kap. II: Die italienische Ritterdichtung.
Kap. III: Die macaronische Poesie der Italiener. Kap. IV: Die vom Humanismus und
der Reformation ausgehenden Satiren Deutschlands. — Zweiter Theil: Rabelais.
Kap. I: Die Satiren der Ritterromane. Kap. II: Die Satiren der einzelnen Gesellschafts-
klassen. Kap. III: Der Stil Rabelais'. — Dritter Theil. Die Zeit nach Rabelais.
Kap. I: Die äusseren Nachahmer Rabelais' und die von ihm beeinflusste Kunst. Kap. II.
Die franzosische Satire im Geiste Rabelais'. — Kap. III: Das Groteske bei Fischart:
Kap. IV: Die Ausläufer der grotesken Satire und des grotesken Stils. — Schluss.
Zu dieser hervorragenden Arbeit ist H. Schneegans durch die Preisaufgabe (1889)
der Lamey-Stiftung veranlasst worden, welche eine Geschichte des grotesken Stils
verlangte, doch modilizierte er das Thema, indem er es enger fasste und zugleich ver-
tiefte und so eine Geschichte der grotesken Satire schrieb, deren Wurzeln er im
Mittelalter kurz nachgeht (S. 59—95), deren kräftige Entwickelung in der Zeit der Re-
naissance er eingehend schildert (S. 96 — 428) und deren letzte Verzweigungen er bis ins
18. Jahrhundert hinein verfolgt (S. 428 — 484). Dass er seine Erörterungen mit reich-
lichen Proben aus den grotesken Litteraturdenkmälern begleitet, wird bei der Seltenheit
dieser vielfach verschollenen Schriften auch dem Fachmann willkommen sein und giebt
dem Buche eine Anschaulichkeit der Darstellung und eine Selbständigkeit, die auch
dem Laien genussvolle Lektüre und reiche Belehrung sichert
Die groteske Satire ist eine charakteristische litterarische Form jener Zeit der
Übermenschen, welche das „fais ce que voudras" ihrer Lebenslehren auch zum Motto
der litterarischen Darstellung machten. Sie ist das Bild der ungeordneten, über-
schäumenden Lebensfülle der Renaissance.
Dieses Bild in reicher Ausführung, nach Farbe, Zeichnung und Perspektive fesselnd
und lebenswahr, uns geschenkt zu haben, ist das Verdienst H. Schneegans'.
Archiv f. neuere Sprachen XCVII, S. 443.
.... Es ist ein Verdienst von Schneegans, zum ersten Male eine reinliche Scheidung
zwischen grotesk, burlesk und possenhaft versucht und auf inductivem Wege vollzogen
zu haben. Wir haben jetzt wenigstens eine zusammenfassende Bezeichnung für
Rabelais' Eigenart: Rabelais ist der Meister der grotesken Satire. Das Groteske beginnt
mit der tollen Unmöglichkeit, der kolossalen Uebertreibung ....
.... Rabelais' Eigenart endlich ins richtige Licht gerückt zu haben, ist das Ver-
dienst des geistvollen und tiefgründigen Buches von H. Schneegans. Wesen und
Physiognomie der grotesken Satire, sowie die Zeit, aus der sie ihre Lebenssäfte sog,
treten mit gerade plastischer Anschaulichkeit hervor. Die neuere Literaturwissenschaft
bringt nicht alle Jahre ein Werk hervor, welches an das hier besprochene einigermassen
hinanreicht. J. Sarrazin
(in der Beil. zur Allgemeinen Zeitung 1895, Nr. 167).
68 VERLAGSKATALOG von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Schuchardt, Hugo (Professor an der Universität Graz), Romanisches und
Keltisches. Gesammelte Aufsätze. 8«. Vlll, 408 S. 1886.
^ 1 50, geb. Jl 8 50
Inhaltsverzeichniss: L Pompei und seine Wandinschriften. — IL Virgil im
Mittelalter. — IIL Boccaccio. — IV. Die Geschichte von den drei Ringen. — V. Ariost.
— VI. Camoens. — VII. Zu Calderons Jubelfeier. — VIII. Goethe und Calderon. —
IX. G. G. Belli und die römische Satire. — X. Eine portugiesische Dorfgeschichte. —
XI. Lorenzo Stecchetti. — XII. Reim und Rhythmus im Deutschen und Romanischen. —
XIII. Liebesmetaphern. — XIV. Das Französische im neuen Deutschen Reich. —
XV. Eine Diezstiftung. — XVI. Französisch und Englisch. — XVII. Keltische Briefe. —
Anmerkungen.
„Gewährt dem Leser zu gleicher Zeit Genuss, Anregung und Belehrung in
einem Maasse, wie wenig andere Bücher: Anregung und Belehrung durch die grosse
Fülle gedankenreichen Inhalts, Genuss durch die überaus anmuthig schöne Form, in
der dieser Inhalt geboten wird."
Litteraturblatt für germanische und romanische Philologie.
„Es möge das auch durch die von jeder Gelehrsamkeit und Pedanterie freie Dar-
stellung sich empfehlende Buch viele Leser, die es durchziehenden Grundideen viele
Nachfolger haben." Deutsche Litteraturzeitung.
,,Das Buch bildet eine werthvolle Bereicherung der Essay-Literatur in wahrhaft
classischer Form der Sprache und beredter, sprachgevvaltiger Darstellung."
Wochenschrift für klassische Philologie.
Dieses Werk des berühmten Romanisten wird von Anton Schön bach (Über
Lesen und Bildung 4-. Aufl.) in der kleinen Auswahl des Besten aufgeführt, was die
deutsche Litteratur an Prosawerken bietet.
(Aus dem Verlag von R. Oppenheim in Berlin in den meinigen übergegangen).
— siehe aiicli: III. Indogerman. Sprachwissenschaft.
Schultz, A., Kulturgeschichte der romanischen Völker siehe: Grundriss der
romanischen Philologie.
siehe auch: Gruudri.ss der germanischen Philologie unter VII. Germanische
Philologie.
Seh um, W., Die schriftlichen Quellen der romanischen Forschung siehe: Grund-
riss der romanischen Philologie.
Seybold, Clir. Die arabi.sche Sprache in den romanischen Ländern siehe
Grundriss der romanischen Philologie.
(B^ai) , £«btt)ig, !^wx ©efd)id)te ber neueren frottaöjijc^cn Siterotur
6ifat)§. 8". V, H74 ©. 1877. Ji ^t —
3iil)alt: Rouge et Noir Bon .Oevrn tooit ©teitböül (Cicitvl) a3el)le). — Wotter u. ®>ueben=
Dorg. — sl^enutnUmpfuug (i)oetl)Cä in ber Academie fran(,-aise. — ^llepiibre Suma-S, ber
Slitifleve, uiib 3ol)n üeuioine. — Soiitartiite. — C£aro in ber Academie l'rangaise. — 3ule»
Sanin unb Soljn üemoitie. — @oetl)e intb (£bmunb Scfierer. — Saniel Stern. — öeovge Sanb.
St)r ®ruitbprincij) unb beffeii ©egner. — Slbbö Sadjeuj über (Seiler bon taijfeväbevg. —
2)oiibanä ^Briefe. — .^»oitore be üBatjac; feine ßorrefponbeiij. — iDJemoireS »on *^5l)ilorete
ef)0Sleij. — ^roSper SöJerimee'sS Briefe nn eine Unbefonnte. — ©iiiiflc abriefe bon iOJevimee.
„Gewiss werden diese Essay's, die nach echter Art dieser üarstellungsweisc vom Ein-
zelnen ausgehend ein Gesammtbild geben und durch feine geistreiche Sprache anziehen,
Vielen eine genussreiche Leetüre gewähren." Literar. Centralbl. 1877, Nr. ü.
Stengel, E. , Metrik und Stilistik der romanischen Sprachen siehe: Grundriss
der romanischen Philologie.
Stimming, A., Proven§alische Litteraturgeschichte siehe: Grundriss der roma-
nischen Philologie.
Studien, Romanische, herausgegeben von Ed. Boehm er (Professor der
romanischen Sprachen an der Universität Strassburg). 8. — 12. Heft. 8**.
1873—1879.
Heft 1 und 2 erschienen im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle; die
Hefte 3 — 12 sind in Eduard Webers Verlag (Julius Flittner) in Bonn übergegangen.
Suchier, H., Die französische und proven^-alische Spradie und ihre Mundarten
siehe: Grundriss der romanischen Pliilologie.
Tappolet, Ernst, Die romanischen Verwandtschaftsnamen. Mit be-
sonderer Berücksichtigung der französischen und italienischen Mundarten.
Ein Beitrag zur vergleichenden Lexikologie. Mit zwei Karten. VI, 178 S.
1895. Ji Q —
. . . Tappolet stellt sich die wichtige Frage: was ist im Laufe der Zeit aus den lateini-
schen Verwandtschaftswörtern geworden, welche sind geblieben, welche in ihrer Bedeutung
VIII. Romanische Philologie. 69
Tappolet, Ernst, Die romanischen Verwandtschaftsnamen (Fortsetzung).
verschoben, welche verloren und durch andere ersetzt. Natürlich kann eine solche Arbeit,
wenn anders ihre Resultate einen richtigen Einblick in diese Seite sprachlicher Biologie
gewähren sollen, sich nicht auf die Schriftsprachen beschränken, muss vielmehr die
Mundarten mit heranziehen. Das ist denn auch geschehen. Der Verfasser hat theils
durch fleissiges Durcharbeiten von Texten und Wörterbüchern, theils durch ausgedehnteste
persönliche und briefliche Erkundigungen ein ausserordentlich reiches Material, nament-
lich aus Italien und Frankreich zusammengetragen und geschickt und übersichtlich ge-
ordnet. Wie rastlos die Sprache selbst in Dingen sich ändert, die dem oberflächlichen Be-
obachter die festesten zu sein scheinen, ergiebt sich aus der Thatsache, dass er zu
zweiunddreissig Erbwörtern über zweihundert freie Neuschöpfungen zu verzeichnen hat
und zwar ohne dass feinere Schattierungen der Verwandtschaft gemacht würden.
Literar. Centralblatt 1896, Nr. U.
teil Brink siehe: Brink.
T i k t i n , H., Die rmnänische Sprache siehe : Grundriss der romanischen Philologie.
T 0 b 1 e r , A., Methodik der philologischen Forschung siehe : Grundriss der roma-
nischen Philologie.
Voigt, Ernst, Kleinere lateinische Denkmäler der Thiersage.
((Quellen und Forschungen, Heft XXV.) S". VII, 156 S. 1878. ^ 4 50
siehe auch: Ecbasis Captivi unter VII. Germanische Philologie.
Waitz, Hugo, Die Fortsetzungen von Chrestien's Perceval leGallois
nach den Pariser Handschriften. 8°. VI, 87 S. 1890. Ji 2 —
Wiezel's, Gioerin, Veltlinerkrieg. Nach zwei Handschriften aus Boehmers
Rätoromanischer Bibliothek mit Vergleichung der Ausgabe Flugis heraus-
gegeben von Dr. Gottfried Hartmann. 8°. 49 S. 1887. ^ 1 50
Windelband, W., Die Wissenschaften in den romanischen Ländern siehe
Grundriss der romanischen Philologie.
Windisch, E., Die keltische Sprache in den romanischen Ländern siehe:
Grundriss der romanischen Philologie.
M. Da Mont-Schauberg, Straasborg.
X^l
III. ABSCHNITT.
I.ITTHRATURGESCHICHTR DER ROiMANISCHKN
VÖLKER.
B. DIE LITTERATUREN DER ROMANISCHEN
VÖLKER.
2. PROVENZALISCHE LITTERATUR
VON
ALBERT STIMMING.
I^n Südfrankreich erlangte die Sprache unter der Gunst äusserer und
^ j^lj innerer Verhältnisse zuerst unter allen romanischen Schwestern jenen
^,^2ä hohen Grad der Ausbildung, welcher die Vorbedingung für die
Entfaltung einer Litteratur ist. Zwar reichen einige französische Denkmäler
noch höher hinauf als das älteste uns bekannte provenzalische, aber während
der Ausdruck in jenen noch ziemlich unbeholfen ist, zeigt letzteres bereits
eine solche Vollkommenheit in sprachlicher und metrischer Hinsicht, dass
damals die Litteratur unzweifelhaft bereits einen verhältnismässig langen Ent-
wickelungsgang hinter sich hatte, sodass es nur den ungünstigen äusseren
Umständen zuzuschreiben ist, wenn sich keine älteren Erzeugnisse erhalten
haben. Die Blütezeit der provenzalischen Litteratur umfasst das elfte und
namentlich das zwölfte Jahrhundert, das vorangehende sowie die folgenden
stehen an Bedeutung hinter jenen erheblich zurück. Der schnelle Verfall
bald nach 1200 wurde hauptsächlich durch den blutigen Albigenserkrieg be-
fördert, welcher die politische Selbständigkeit des Landes vernichtete, dessen
Reichtum zerstörte, dessen Adel zum grossen Teil ausrottete oder verarmen
Hess und dadurch auch der Poesie einen tötlichen Stoss versetzte. — Wir be-
handeln nach einander die epischen, die lyrischen, die didaktischen und drama-
tischen Erzeugnisse der Poesie und schliessen daran die Prosa-Denkmäler.
Allg. Werkk. M i 1 1 o t , Histoire litleraire des tnnibadoiirs, 3 B. Paris
'773; Fauriel, Histoire litteraire des trotibadatirs, 3 B. Paris 1844;
K. Bartsch, Gruiidriss zur Geschichte der provenzalischen Literatur,
Elberfeld 1872; Chabaneau, Les Biographies des Trotdiadours en
langne proveniale, Appendice, Toulouse 1885 (Aus Histoire generale de
Iji?tgnedoc'^ X); Restori, Letteratura provenzale, Milano 1891.
ÜRÖBEK, Gruiidriss Uli. 1
LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PROV. LiTT.
A. EPIK.
a. VOLKSTÜMLICHE EPIK.
IJanter den romanischen Litteraturen hat nur die französische und die pro-
^ venzalische Volksepcn aufzuweisen, und zwar sind diese unter der un-
mittelbaren Einwirkung der Germanen entstanden, deren Heldengedichte der
unterworfenen Bevölkerung als Vorbilder und Muster dienten. Die Wirkungen
dieses Einflusses blieben jedoch auch dann noch bestehen, als die beiden
Nationalitäten dadurch mit einander verschmolzen , dass die Eroberer die
Sprache der Unterworfenen annahmen. Die Romanen hörten sehr bald auf,
die Eindringlinge als Fremde anzusehen : da sie jetzt Schulter an Schulter mit
ihnen die gleichen Feinde bekämpften , so fiihlten sie sich völlig eins mit
ihnen, und die gemeinsamen Thaten und Schicksale wurden von ihnen in
ganz derselben V\'eise besungen, wie sie oder ihre Vorfahren dies einst bei
den Germanen kennen gelernt hatten. Im Süden Frankreichs hat diese volks-
mässige Epik allerdings bei weitem keine so grossartige Entwickelung erreicht
wie im Norden, und unter den mannigfachen Gründen dafür ist einer wohl
in dem Umstände zu suchen, dass dort die Durchsetzung mit germanischen
Elementen viel weniger stark und andauernd gewesen ist, daher auch jener
Einfluss nicht so wirksam und so nachhaltig sein konnte, wie hier. Aber
auch dort bewahrte man die -Erinnerung an grosse Waffenthaten, an Nieder-
lagen und an Siege über die politischen oder religiösen Feinde des Volkes
in Form von Heldengedichten. Dafür spricht, abgesehen von den uns er-
haltenen Epen unter anderem die Thatsache, dass in Südfrankreich einige
Lokalsagen von Roland, dem berühmten Neffen Karls des Grossen, bis auf
den heutigen Tag fortleben, und dass die Thaten des Wilhelm von Orange,
eines südfranzösischen Helden, wie uns in dessen lateinischer Lebensbeschrei-
bung berichtet wird, überall, also wohl vor allem in seiner engeren Heimat,
gefeiert wurden. Wenn hiernach das Vorhandensein einer Nationalsagc in
jenen Gegenden nicht wohl bezweifelt werden kann, so ist mit der gleichen
Sicherheit vorauszusetzen, dass sich dieselbe in dichterisches Gewand gekleidet
und in dieser Form von Geschlecht zu Geschlecht überliefert hat, da eine
andere Form der Fortpflanzung nicht anzunehmen ist.
3. Diese Volksepen waren also durchaus historische, weil sie bestimmten
geschichtlichen Vorgängen ihre Entstehung verdankten und über dieselben
einen, wenngleich subjektiv gefärbten, so doch im ganzen treuen Bericht
lieferten. Sie entstanden daher der Regel nach bald nach den betreffenden
Ereignissen und hatten den Zweck, den Stammgenossen den ganzen Hergang
wieder vorzuführen, zugleich aber auch denjenigen Stimmungen Ausdruck zu
leihen, welche jene Geschehnisse bei allen hervorgerufen hatten: Stolz und
Freude über einen Sieg, Schmerz und Trauer über eine Niederlage. In Be-
zug auf ihren Charakter, ihren Stil, ihre metrische Form und sonstige Eigen-
tümlichkeiten sowie auf die Art, wie sie vorgetragen wurden, unterschieden
sie sich vermutlich nicht von den gleichzeitigen französischen Dichtungen
gleicher Gattung, und ebenso wird auch der Entwicklungsgang bei beiden
im allgemeinen der gleiche gewesen sein. Demnach hatten diese Epen in
ihrer ältesten Gestalt wohl nur einen massigen Umfang, sodass ein Volks-
sänger sie bequem auswendig lernen, meist auch mit einem Mal vortragen konnte.
Die grosse Mehrzahl dieser Gedichte ist im Laufe der Zeit verloren ge-
gangen, einige wenige haben sich zwar erhalten, jedoch nicht in der ursprüng-
lichen, sondern in einer um mehrere Jahrhunderte jüngeren und wesentlich
voränderten Form, welche sie durch wiederholte Umarbeitungen erhalten
Epik: Volkstümliche Epik.
hatten. Diese Umarbeitungen wurden an den einzelnen Epen immer dann
vorgenommen , wenn das Bedürfnis hierzu vorzuliegen schien , sei es, weil
die Sprache sich inzwischen geändert hatte oder die metrische Form derselben
veraltet war, sei es, weil die Gebräuche, die Sitten, die Anschauungen und
damit die Ideale des Volkes andere geworden waren, und nun das Epos in
allen diesen Punkten «modernisiert» werden sollte. Dieser Aufgabe unterzog
sich dann immer ein Dichter, der den Beruf dazu in sich zu haben glaubte;
aber die meisten derselben benutzten diese Gelegenheit, um zu gleicher Zeit
ihre Vorlage inhaltlich zu erweitern, indem sie durch Einführung neuer Per-
sonen, Einflechtung neuer Episoden und Ausspinnung der einzelnen Szenen
den Umfang des Gedichtes vergrösserten, wobei ihnen der Wunsch des Volkes,
immer mehr Einzelheiten über die Schicksale seiner Lieblingshelden zu hören,
sehr entgegen kam. Da nun diese Bearbeiter oft sehr wenig Rücksicht darauf
nahmen, ob ihre Zuthatcn sowohl inhaltlich als auch formell mit den älteren
Bestandteilen übereinstimmten, so erklärt es sich, dass die Epen in der uns
vorliegenden Gestalt der Regel nach einerseits grosse Ungleichheiten in Bezug
auf Sprache, Stil und Geist, andrerseits in ihrem Berichte zahlreiche Anachro-
nismen, Inkonsequenzen und selbst Widersprüche aufweisen.
Neben dieser Art von Volksepen giebt es noch eine andere, denen
eigentlich diese Benennung nicht zukommt, nämlich solche, die nicht in der
soeben dargelegten Weise bestimmten historischen Vorgängen ihre Entstehung
verdankten, sondern die von späteren Dichtern in Nachahmung jüngerer Be-
arbeitungen der wirklichen Volksepen verfasst worden sind, daher, streng ge-
nommen, zur Kunstdichtung gehören.
4. Das bei weitem hervorragendste unter den provenzalischen Volksepen
ist der Girart de Rossillon.^ Es behandelt die langjährigen und wechselvollen
Kämpfe zwischen Karl Martell und dem trotzigen Baron, von welchem es
seinen Namen erhalten hat. Obwohl beide durch Verheiratung mit einem
Schwesternpaar in ein nahes Verwandtschaflsverhältnis getreten waren, so ver-
anlassten doch bald ungerechtfertigte Forderungen des Königs einen Krieg
zwischen ihnen. Karl nahm Rossillon durch Verrat, verlor es aber bald darauf
wieder, nachdem ihm Girart eine empfindliche Schlappe beigebracht hatte. Nun
wurde eine Schlacht verabredet und begonnen, jedoch durch ein furchtbares
Gewitter unterbrochen, und unter dem Eindruck dieses Ereignisses kam es zum
Frieden. Derselbe war jedoch nicht von Dauer, und diesmal nahm der Krieg
nach mannigfachen Wechselfallen eine für Girart so ungünstige Wendung, dass
er zuletzt allein mit seiner treuen Gattin Bertha in den Wald fliehen musste,
wo er sich als Kohlenbrenner ernährte, während jene Näherin wurde. Aber
beim Anblick eines Ritterspieles regte sich in ihrer Brust eine enwiderstehliche
Sehnsucht nach der Heimat ; beide zogen nach Orleans, und mit Hülfe von Berthas
Schwester glückte es, die Verzeihung des Königs zu erlangen. Girart erhielt seine
Besitzungen wieder und wurde mit grosser Begeisterung in Rossillon empfangen.
Das geschichtliche Urbild des Helden ist ein Graf Girart von Vienne,
welcher etwa während der ersten sieben Jahrzehnte des neunten Jahrhunderts
lebte. Seine Gemahlin hiess, wie im Epos, Bertha, und er hatte mehrfache
Kämpfe mit Karl dem Kahlen zu bestehen, in deren Verlauf Karl schliesslich
durch Bestechung Vienne einnahm, worauf Girart mit seiner Gattin das Land
verliess. Über sein Ende wissen wir nichts.
Aber das Gedicht enthält noch andere sagenhafte Elemente, welche
auf die Zeit Karl Martells zurückweisen und welche in den Kriegen zu wurzeln
* Hsg. von K. Hofmann. Berlin l855 und von Fr. Michel, Paris 1856; ein genauer
Abdruck der Handsclniften in Roman. Studien 5, 1 — 282; ein weiteres Bruchstück in Rev.
de«; 1. r. 33. 133—7-
LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTl'.
scheinen, die dieser König mit den Völkern des mittleren und südlichen
Frankreichs zu bestehen hatte. Demnach ist zu vermuten, dass die epischen
Dichtungen, welche diese Kriege besangen, mit denjenigen verschmolzen
worden sind, die den Thaten Girarts von Vienne ihre Entstehung verdankten,
und es ist sehr wohl möglich, dass das so entstandene Volksepos den Namen
seines Helden aus den älteren derselben erhalten hat, wie dies mit dem Namen
des Königs ja thatsächlich der Fall ist, während die jüngeren ihm seinen
wesentlichen Inhalt geliefert haben. Die Verschmelzung beider Sagenstoffe,
also die Abfassung der ältesten Gestalt des uns vorliegenden Epos wird gegen
Ende des neunten Jahrhunderts stattgefunden haben, als am Schlüsse der
Regierungszeit Karls des Dicken (f 888) Burgund und die Provence sich vom
Frankenreiche losrissen, wo demnach die Feindschaft, die von Alters her zwischen
dem Süden und seinen nördlichen Beherrschern bestanden hatte, mit neuer
Schärfe hervortrat und so durch die gewaltige Hebung des Nationalgefühls
auch die nationale Dichtung eine mächtige Anregung erhielt.
Diese älteste Gestalt des Epos ist unwiderbringlich verloren, aber wir
vermögen die Entwickelungsgcschichte unseres Gedichtes doch wenigstens
eine Strecke weit zurück zu verfolgen. Einmal nämlich lassen sich in der
uns vorliegenden Form zahlreiche Bestandteile als jüngere Zuthaten nach-
weisen, durch deren Ausscheidung sich eine ziemlich frühe Version inhaltlich
wiederherstellen lässt; sodann kann man den Inhalt einer anderen Fassung
aus einer uns überlieferten lateinischen Lebensbeschreibung des Girart von
Rossillon erschliessen, die ein Mönch des Klosters Pothieres mit Benutzung
eines alten Epos am Ende des ii. Jhs. verfasst hat. Die beiden so erhaltenen
Berichte, welche in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen (gewisse
Verschiedenheiten im Detail lassen das von dem Mönch benutzte Gedicht als
etwas älter vermuten), stellen demnach die älteste für uns erreichbare Gestalt
des Epos und damit der Sage dar. Zwischen dieser und der uns vorliegen-
den hat das Gedicht nun mehrfache Umarbeitungen erfahren, deren Spuren,
wie schon angedeutet, sich zum grossen Teil deutlich erkennen lassen. So
verdankt es einer derselben unter anderem die Anfügung einer lang ausge-
sponnenen Liebesgeschichte zwischen Folco, einem Vetter Girarts, und Aupais,
einer Nichte Karls, während die Thätigkcit eines späteren Bearbeiters, ver-
mutlich eines Mönclis des Klosters Vezelai, sich als noch viel einschneidender
erwies, nicht nur in Bezug auf den Inhalt, sondern auch auf den Geist.
Dieser änderte nämlich zunächst den Eingang, indem er das Schwesternpaar,
die ursprünglich Töchter eines der Fürsten des Landes gewesen waren, zu
Töchtern des Kaisers von Konstantinopel machte, sodann fügte er einen voll-
ständig neuen Schluss an, in welchem er von einem neuen Kriege zwischen
beiden Gegnern berichtete und dabei eine Menge Legenden und fromme Er-
zählungen einflocht, endlich schob er auch im Innern zahlreiche neue Episoden
ein. Verhängnisvoller aber war sein Versuch, dem Epos ein geistliches Ge-
präge aufzudrücken, indem er der Geistlichkeit, sogar dem Papste, wichtige
Rollen zuerteilte, spezifisch theologische Motive in die Handlung einführte,
den Girart aus einem rauhen Krieger allmählich zu einem frommen Mann
Gottes werden Hess und überall salbungsvolle Reden anbrachte oder kirch-
liche Ausdrücke verwendete. Dieser Bearbeiter, dem also das Epos im wesent-
lichen seine jetzige Gestalt verdankt, lebte wahrscheinlich am Schlüsse des
zwölften Jahrhunderts.
Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass unser Gedicht weder inhaltlich,
noch formell den Eindruck eines einheitlichen Kunstwerkes hervorruft: da
die Bearbeiter sehr ungleich an Begabung und Gesinnung waren, so zeigen
auch die von ihnen herrührenden Zuthaten grosse Unterschiede in Bezug auf
Epik: Volkstümliche Epik.
Geist und dichterischen Wert. Bei weitem am höchsten stehen in dieser
Hinsicht die ältesten Bestandteile des Werkes, sodass sich leicht erkennen
lässt, dass das frühere Epos zu den vorzüglichsten Erzeugnissen der volks-
tümlichen Epik gehört haben muss. Pie verschiedenen Persönlichkeiten
sind dort scharf herausgearbeitet und die einzelnen Charaktere konsequent
durchgeführt. Die Handlung schreitet schnell vorwärts, und die Aufmerksam-
keit wird nicht durch Abschweifungen abgelenkt; der Ausdruck ist kurz und
knapp und fast immer der Situation angemessen; Bilder, Vergleiche und andrer
rednerischer Schmuck werden mit Maass verwandt, stets aber mit Geschick
und an der richtigen Stelle; der Geist ist ein kriegerischer, durchweg ernst,
stellenweise sogar rauh ; das Motiv der Liebe tritt völlig zurück, die Frau er-
scheint nur in der Rolle der treuen, hingebenden Gattin. Bemerkenswert
endlich ist die metrische Form: Tiraden von Zehnsilblern mit der Zäsur nach
der sechsten Silbe, Verse, in denen durch das Übergewicht des ersten Teiles
schon äusserlich der Eindruck des Rauhen, Schroffen und Schweren hervor-
gebracht wird.
P. Meyer, La legende latine <ie Girait de Koussillon, Rom. 7,
l6l— 230; Ders , Girait de Rmissillon, chanson de geste hadiiiu pour
la Premiere fois, Paris 1884; A. Longnon, Girard de Roussillon dans
Phistoire, Reviu historique 8, 242—79; A. Sti mini 11g , Über den
proveiizaliscfuH Girart von Rossillon. Ein Beitrag zur EntuicUeliings-
geschichte der Volksepen. Halle 1888.
5. Die übrigen Volksepen sind uns leider sämtlich mehr oder weniger
lückenhaft (>rhalten. So besitzen wir von einem, welches Aigar und Maurin '
betitelt ist, nur einzelne Bruchstücke, die auf den Deckel eines Buches geklebt
waren und durch einen Zufall aufgefunden worden sind. Es sind im ganzen
1437, zum Teil verstümmelte, Zehnsilbler mit der Zäsur nach der vierten Silbe,
welche in 45 gereimte Tiraden gruppiert sind. Aus einzelnen Anzeichen lässt
sich schliessen, dass der gereimten Fassung eine assonierende vorhergegangen
ist. Das Epos berichtet über einen Krieg zwischen dem englisch-normannischen
Könige Aigar (= Edgar) und dessen aufrührerischen Vasallen unter Führung
des Maurin, dem sich später ein Verwandter des Königs, Falco, anschloss.
In dem ersten Fragment hören wir von einer Niederlage, die Aigars Sohn
erleidet, und von kleineren Unternehmungen der Verbündeten, im zweiten
wohnen wir einer entscheidenden Schlacht bei, deren Ausgang wir jedoch
nicht erfahren.
Das Gedicht trägt auch inhaltlich deutliche Spuren jüngerer Überarbei-
tungen an sich, so in den langatmigen Reden ohne wesentlichen Inhalt und
in den zahlreichen Repetitionsstrophen. Dagegen zeigen die älteren Teile
fast durchweg die Vorzüge der guten Epen: rauhen, kriegerischen Geist,
schnellen Fortschritt der Handlung, einfachen und schmucklosen Stil. In dem
ganzen Gedicht tritt keine Frau handelnd auf, und nur ein einziges Mal wird
ganz nebenbei eine Nichte Aigars als eine angebliche Erbin erwähnt. Wir
vermögen nicht anzugeben, ob geschichtliche Ereignisse dem Epos zu Grunde
liegen. Es verdient, hervorgehoben zu werden, dass sich bereits in einem
Lehrgedicht des Guiraut de Cabreira (um 1170) eine Anspielung auf das-
selbe findet.
Von einem andern Epos kennen wir sogar nur 72 Verse (Zehnsilbler),
welche vermutlich ihres lyrischen Inhaltes wegen aufbewahrt worden sind.
Das Gedicht, dem sie entlehnt sind, führte wahrscheinlich den Titel Bernartz
de Toiosa oder Lo Coms de Tolosa- und war vermutlich die älteste Bearbeitung
' Aigar et Alauriii, fragments lü une chanson de geste pnwengalc p. p. Auguste
.Sclicler, Hruxelles 1877.
* Hsg. von Sqc liier, Denkmäler prov. Li(. tt. Sprache 1, 309— U.
LlTTERATüRGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LllT.
der Sage von dem Grafen von Toulouse, die ursprünglich in Südfrankreich
heimisch, später auch bei andern Völkern Eingang gefunden hat und deren
historischer Kern in der tragischen Liebe Bernhards, des Sohnes Wilhelms
von Orange und Toulouse, zu der schönen Kaiserin Judith, Gemahlin Lud-
wigs des Frommen, zu suchen ist. Unser Bruchstück enthält ein Gespräch
zwischen der Königin und dem Grafen, in welchem letzterer sich beklagt,
dass seine treue Liebe bisher keinen Lohn gefunden. Sowohl Gedanken wie
Ausdrucksweise lassen erkennen, dass das Epos, aus dem die Verse herstammen,
schon von der kunstmässigen Dichtung stark beeinflusst worden war.
6. Daurel tmd Betört^ gehört zu der zweiten der oben (§ 3) aufgestellten
Arten von Volksepen, in so fern nämlich der Stoff mit Benutzung von Mo-
tiven, Personen und Szenen andrer, speziell französischer, Heldengedichte
erfunden, hierauf äusserlich mit dem Sagenkreise Karls des Grossen verknüpft
und dann in die bei den anderen volkstümlichen Gedichten übliche Gewandung
gekleidet worden ist. Es bildet nämlich die unmittelbare Fortsetzung der
Chanson de geste »Beuve de Hanstone«, denn es berichtet von den Schick-
salen Betons, des Sohnes jenes Helden, nanentlich von den Gefahren, denen
er durch die Nachstellungen des Gui, eines treulosen Vertrauten seines Vaters,
ausgesetzt wurde. Der eigentliche Träger der Handlung ist jedoch Daurel,
ein seinem Herrscherhause treu ergebener Spiclmann, der den jungen Beton
durch Opferung seines eigenen Sohnes vor jenem Verräter rettet, ihn in die
Verbannung zu dem .\dmiral von Babylon geleitet, ihn erzieht und schliess-
lich auch die Rache an Gui ins VVerk setzen hilft. Der Schluss fehlt
jedoch auch hier, denn wir erfahren nur, dass Beton nach seiner Wiederein-
setzung seinen Oheim Karl den Grossen wegen seines Anteils an dem Ver-
rat zur Rechenschaft aufforderte, nicht aber, was weiter erfolgte. Das Ge-
dicht zählt in der uns vorliegenden Gestalt 2198 Verse, von denen die ersten
138 je zwölf, alle übrigen je zehn Silben aufweisen, offenbar weil ein Be-
arbeiter begonnen hatte, das Epos in Alexandriner umzudichten, dann aber
bald von seinem Vorhaben abstand. Als Entstehungszeit wird von einigen
das dritte Viertel, von andern das Ende des zwölften Jahrhunderts angesehen.
Der Verfasser war offenbar ein Spielmann, denn er hat, wie wir gesehen,
einem Berufsgenossen die Hauptrolle übertragen und diesem auch den Grund-
gedanken der ganzen Dichtung, die Pflicht opferfreudiger Liebe zum Lehns-
herrn (V. 1029) in den Mund gelegt. Nach den vorkommenden Ortsnamen
zu schliessen, stammte er aus dem Landstrich zwischen Poitiers und Agen.
Er war ein nicht unbegabter Dichter, der seinen Stoff recht geschickt zu er-
finden und ansprechend zu erzählen verstanden hat.
7. Ein andres Epos, das die Eroberung von Arles behandelte, ist nicht
in seiner ursprünglichen Form auf uns gekommen; es liegt davon erstens die
Prosa-Auflösung einer ehemals gereimten Version vor (cf. § 69), sodann bildet
dieser Stoff den dritten Teil einer etwas buntscheckigen Kompilation, 2 deren
erster die legendarische Geschichte des Kreuzholzes Christi, deren zweiter
die Sage von der Zerstörung Jerusalems umfasst (cf. § 44)' Diese poetisch
äusserst geringwertige Kompilation, die sich in einem von 1272 bis 1275
niedergeschriebenen Manuskript befindet, beruht zwar auf dichterischen Be-
arbeitungen der betreffenden Gegenstände, doch erscheint die metrische Form
arg vernachlässigt, stellenweise ganz verwischt. Auch inhaltlich hat sich der
Verfasser seiner Vorlage sehr frei gegenübergestellt, indem er den vorgefun-
denen Stoff durch zahlreiche aus anderen Dichtungen entlehnte Zusätze er-
• Daurel et Beton, chanson de geste proveufale p. p. Paul Meyer, Paris '.881.
- Le Roman d* Arles, texle provenfal p. p. C. Cliabaneau, Paris l88y.
Epik: Volkstümliche Epik. — Kunstmässige Epik. 7
heblich veränderte. Dennoch sind wir im Stande, die frühere Gestalt der
Sage im allgemeinen anzugeben, da sich in anderen Denkmälern, namentlich
in der mittelhochdeutschen »Kaiserchronik«, Bezugnahmen auf dieselbe, und
selbst Inhaltsangaben derselben finden. Sie behandelt die wiederholten Kämpfe
Karls des Grossen mit dem Sarazenenkönig Thibaut um den Besitz von Arles,
in welchen diese Stadt durch Zerstörung der Aquädukte, die das Wasser lieferten,
schliesslich zur Übergabe gezwungen wurde. Auch diese Sage wurzelt in
einem historischen Vorgange, nur gehört dieser nicht der Geschichte Karls
des Grossen, sondern der Karl Martells an, welcher im Laufe der Zeit, wie
dies* mehrfach geschehen ist, in der Erinnerung des Volkes durch seinen be-
rühmteren Enkel verdrängt worden war. Karl Martell musste im Jahre 737
einen Feldzug gegen die Araber unternehmen, welche, von ungetreuen Baronen
der Provence herbeigerufen, dies Land eingenommen hatten, und eroberte
bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich auch Arles wieder zurück. Wenn es
hiernach nicht bezweifelt werden kann, dass es einst Epen über die Erobe-
rung von Arles gegeben hat, so ist doch zu vermuten, dass das älteste derselben
ein französisches gewesen ist, dass daher die vorauszusetzenden provenzalischen
Gedichte über diesen Gegenstand nur Bearbeitungen eines fremden Originals
gewesen sind.
Ganz sicher ist letzteres der Fall bei dem schliesslich noch zu erwähnen-
den Epos Fierabras^^ welches man früher auch für eine Originaldichtung ge-
halten hat, das aber nur die provenzalische Fassung einer französischen Chanson
de geste gleiches Namens ist. Wie uns darin berichtet wird, meldet sich
Olivicr zu einem Zweikampf mit dem Sarazenenprinzen Fierabras, gerät samt
andern Christen in die Gefangenschaft der Heiden, vermag sich aber mit
Hülfe von Floripas, der Schwester des Fierabras, so lange zu halten, bis Karl
der Grosse Hülfe und Rettung bringt. Wir kennen sechs französische Versionen
der Sage, aber keine derselben kann die Vorlage unseres Gedichtes gewesen
sein, da, abgesehen von vielen Einzelheiten, sich in keiner die Beschreibung
des einleitenden Kampfes (V. 44 — 604) findet; aber auch die verloren ge-
gangene Vorlage würde nicht die erreichbar älteste Gestalt der Sage darstellen,
da aus einer Inhaltsangabe derselben in der Reimchronik des Philippe Mousket
(T, 4696 sq.), sowie aus inneren Gründen folgt, dass der zweite Teil der
jetzigen Fassung, also Oliviers Gefangenschaft und die sich daran schliessenden
Kämpfe, erst jüngeren Ursprungs ist.
G. Gröber, Die handschriftliche Gestaltung der Chanson de gestc
Fierabras, Leipzig 1869.
1). KUNSTMÄSSIGE EPIK.
8. Die volksmässige Dichtung ist immer die ältere, ja sie ist die ein-
zige, so lange der Kulturzustand der ganzen Bevölkerung im allgemeinen
der gleiche ist. Erst wenn durch die fortschreitende Bildung, deren Erzeug-
nisse die oberen Stände sich ja schneller und vollständiger aneignen, letztere
sich von den übrigen absondern, und sie nun wie auf anderen geistigen Ge-
bieten so auch auf dem der Dichtung etwas eignes, ihrer Ansicht nach
feineres haben wollen, erst dann entstehen »kunstmässige« Dichtwerke. Im
Süden Frankreichs wurde diese Trennung innerhalb der Volksschichten durch
das Auftreten des Rittertums wenn auch nicht hervorgerufen, doch wesentlich
gefordert, und der ritterlichen Gesellschaft sagte die bisher allein gepflegte,
allen gemeinsame Poesie nicht mehr zu; sie verlangte eine solche, welche
' Der Roman von Fierabras lisg. von Immanuel Bekker, Berlin 1829.
8 LiTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTF.
den Geist des Rittertums atmete und dessen Anschauungen wiederspiegeltc.
Daher unterscheiden sich die kunstmässigen Epen in fast allen wesentlichen
Punkten von den volkstümlichen : jene entlehnten ihre Stoffe der National-
sage, diese anderen, oft fremden Quellen, sogar der Phantasie ; jene sind ein
Abbild des christlich-germanischen Feudalstaates, wurzeln also in der Ver-
gangenheit, diese ein solches der politischen und sozialen Einrichtungen, An-
sichten, Vorurteile und Liebhabereien der höheren Gesellschaftsklassen der
damaligen Zeit; in jenen ist der Held das Ideal eines germanischen Recken,
hier das eines zwar auch mutigen, zugleich aber »höfischen« Ritters. Da
nun zu den wesentlichsten Pflichten eines Ritters der Frauendienst gehörte,
so ist auch in dieser Hinsicht ein grosser Unterschied bemerkbar. Dort
treten die Frauen zurück, hier stehen sie mit im Vordergrunde, dort erscheint
die Liebe als eine natürliche, rein menschliche Regung, hier als ein Kultus
mit streng geregelten, conventionellen Formen; der Held ist hier nicht der
siegreiche Überwinder der Herzen, sondern der Dienstmann seiner Dame,
der schmachtende Liebhaber, welcher von seinem Verdienste nichts, sondern
alles nur von der Gnade seiner Herrin erwartet. In den Volkscpen ist so-
dann die Darstellungsart eine durchaus objective, in den andern eine mehr
subjektive; dort tritt der Verfasser hinter seinem Gegenstande zurück, hier
drängt er sich vor, flicht zuweilen allgemeine Betrachtungen aller Art ein
und gefällt sich in der Schilderung von Gemütsstimmungen und Seclenzuständen,
letztere nicht selten in Form von Zwiegesprächen mit dem personifizierten
Herzen, der Liebe u. dgl. Der Ausdruck ist dort schlicht und einfach, zu-
weilen derb, hier geglättet, verfeinert, durch Redeschmuck verziert, manchmal
selbst gekünstelt. Endlich ist auch die metrische Form verschieden : die
Volksepen waren zum Singen, die andern zum Lesen bestimmt; daher waren
jene in längere, nach Tiraden gruppierte Verse gekleidet, die nach einer ge-
tragenen Melodie vorgesungen wurden, diese in Reimpaare von Achtsilblern,
welche einen leichteren, gefälligeren Eindruck hervorriefen.
a. KUNSTMÄSSIGE EPEN,
9. Die uns ^'erhaltenen Kunstepen zerfallen nach ihrem Inhalt in
drei Gruppen: solche, die zum bretonischen Sagenkreise zu rechnen
sind, sodann Abenteuerromane, endlich solche, die ihren StoflF aus der
alten Geschichte geschöpft haben. Die erste Gattung, die in der fran-
zösichen Literatur eine so hervorragende Stellung einnimmt, ist hier nur durch
ein Gedicht, den Roman de /auf re"^ vertreten. Ein charakteristisches Merkmal
dieses Gedichtes, wie aller andern zu dieser Klasse gehörigen, ist das Auf-
treten des ebenfalls aus der keltischen Sage herübergenommenen Zauber- und
Hexenwesens in Gestalt von Riesen, Zwergen, Feen, verzauberten Rittern,
Damen, Wäldern, Gärten, Brunnen und Quellen sowie andern übernatürlichen
Dingen. Der Held, Jaufre, ist ein Ritter von der »Tafelrunde«, bekanntlich
eine Art von militärisch-religiösem Orden, welchen der König Artus aus der
Blüte der Ritterschaft aller Länder um sich versammelt hatte. Der Roman
berichtet die Verfolgung und Bestrafung des Taulat von Rugimon , der den
König Artus und dessen Gemahlin einst an offener Hoftafel schwer beleidigt
hatte, durch Jaufre, und die Liebe zwischen diesem und der schönen Bru-
nessen, Herrin von Monbrun. Der Dichter giebt vor, dass er die Erzählung
von einem Ritter am Hofe des Königs von Aragon vernommen habe. Aus
> Raynouard, Lexiquc roman I, 48—173; dazu Ergänzungen von K. Hofmann,
yitzungsher. der bayr. Acad, l868, H, 167-98 und 343—66,
Epik: Kunstmässige Epen.
den weiteren Angaben, die er über letzteren macht, scheint hervorzugehen,
dass Jacob I (12 13 — 76) gemeint ist, und dass die Entstehungszeit des Ge-
dichtes etwa in die Jahre zwischen 1222 und 1232 zu setzen ist. Auf Grund
einer nicht richtig aufgefassten Stelle am Schlüsse desselben hat man behauptet,
dass zwei Verfasser dabei beteiligt gewesen sind, doch spricht Inhalt, Sprache
und Geist desselben dafür, dass wir es mit dem Werke nur eines Dichters
zu thun haben, der höchst wahrscheinlich ein Joglar war, dessen Namen wir
aber nicht kennen. Derselbe erscheint nach seinem Gedicht als ein frommer
Mann, doch war er nicht nur in der Bibel, sondern auch in der zeitgenössischen
Litteratur wohl bewandert; er liebte einen glänzenden, durch Bilder, Vergleiche
und poetische Figuren belebten, sowie mit Sprichwörtern und Sentenzen ge-
würzten Ausdruck und verfügte dabei über einen klaren, fliessenden, überall
leicht verständlichen Stil. Den Namen seines Helden scheint er wie die
ganze Geschichte, erfunden zu haben, wenigstens kommt ein Jaufre sonst
nicht unter den Begleitern des Artus vor. Endlich verdient bemerkt zu werden,
dass der Verfasser seine Erzählung durch die darin verwendeten Ortsnamen
in Südfrankreich zu lokalisieren versucht hat.
O. Petry. Le Koman de Jaufre, Jaliresber. der Gewerbeschule zu
Remscheid, 1873 ; A S t i m ni in g , Der Verfasser des Roman de Jaufre,
Ztsclu-. 12, 323-47; Jatifre, Hist. Litt. 30, 215—17-
10. Das soeben besprochene Gedicht ist, wie wir gesehen, im Grunde
ein Abenteuerroman, der nur äusserlich mit der Person des Artus in Verbindung
gebracht ist; es gicbt aber auch solche, welche ganz den gleichen Charakter
aufweisen, d. h. solche, die unter Verwendung des romantischen Zauber-
Apparates die wunderbaren, abenteuerlichen Thaten und die Liebesgeschichte
eines Ritters behandeln, ohne die Tafelrunde oder deren Haupt irgendwie
zu erwähnen. Derartige Abenteuerromane, die selbstverständlich ausschliesslich
der Phantasie der Verfasser ihre Entstehung verdanken, besitzen wir zwei,
beide aus dem vierzehnten Jahrhundert. Der eine, Blandin de Cornoallia et
Guilhot Ardit de Mir am ar'^^ zählt 2394 Verse und berichtet über die Schick-
sale des in dem Titel des Gedichtes genannten Freundespaares, welches be-
schlossen hatte, gemeinsam die Welt nach Abenteuern zu durchziehen. Diese
wurden ihnen, wie gewöhnlich, in Form von Kämpfen mit grausamen Rittern,
mit Riesen, Schlangen und Drachen reichlich zu Teil, Kämpfe, die sie schliess-
lich glücklich bestanden. Dem Blandin gelang es auch, eine Dame, namens
Brianda, aus ihrem Zauberschlaf zu erwecken, worauf sie ihm ihre Hand an-
bot, während ihre Freundin Irlanda den Guillot heiratete. Seitdem, heisst es,
war in beiden die Sucht nach Abenteuern verschwunden. Von dem Verfasser
wissen wir nichts, doch scheinen einige Umstände dafür zu sprechen, dass es
ein Catalane war. — Der zweite, noch nicht herausgegebene Abenteuerroman
Guilhem de la Barra ist Ende Mai des Jahres 1318 beendet worden. Der
Dichter, Arnaut Vidal von Castelnaudary, gehörte jenem Kreise pa-
triotisch gesinnter Männer an, welche sich zusammenthaten, um die Wieder-
belebung der altheimischen Poesie zu erstreben (^ 33). Der Held unseres
Epos ist ein Baron des Königs von La Serra, dem er grosse Dienste leistet,
welche für ihn jedoch eine Quelle zahlreicher glücklicher und unglücklicher
Schicksalsfälle werden. Der Dichter hat, wie es scheint, eine sagenhafte Er-
zählung benutzt, die mit einigen Abweichungen auch sonst, z. B. im Boccaccio
(II, 8) erscheint. Ausserdem hat er verschiedene einzelne Züge verwandt,
die schon vor ihm vorgekommen waren ; dahin gehört die körperliche Be-
sichtigung einer Prinzessin durch die Gesandten des Königs, der sie heiraten
wollte, sodann der Verführungsversuch Wilhelms durch die Königin, der Zwei-
p. p. V a u I Meyer, Rom. 2, 1 70 ~ 202.
lO LriTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LriT.
kämpf zwischen Vater und Sohn u. a. Grossen dichterischen Wert hat dieses
Gedicht ebenso wenig wie das vorige; beide tragen die Merkmale der Ver-
fallzeit an sich.
G u i 1 1 a u m e de 1 a B a i- r a. Roman a'aventure. Notice p. p. Paul
Meyer, Paris 1868.
II. Waren die beiden zuletzt kennen gelernten Werke Abenteuer-Romane
im engern Sinne, so könnte man den Roman de Flamenca ^ einen Sittenroman
nennen. Leider ist derselbe unvollständig überliefert, es fehlt unter anderem
der Anfang und der Schluss, erhalten sind jedoch 8087 Verse. Der unbekannte
Verfasser hat die Handlung, wie man berechnet hat, in die Jahre 1234 und
1235 verlegt, sodass dies möglicher Weise auch die Abfassungszeit des Ge-
dichtes ist, eine Annahme, die durch innere Gründe unterstützt wird. Den
Rahmen der Handlung bildet eine Liebschaft zwischen dem jungen und ritterlichen
Wilhelm von Nevers und der Gemahlin des Archimbald, Herrn von Bourbon,
Namens Flamenca, welche ihr Gatte auf Grund eines falschen Verdachtes in
einem unzugänglichen Turme eingekerkert hatte. Durch eine äusserst sinn-
reiche List gelang es dem Wilhelm, den eifersüchtigen Gemahl zu täuschen,
sodass die Liebenden ihren Zweck völlig erreichten, doch erfahren wir nicht,
welches der schliessliche Ausgang des Dramas war.
Das Gedicht nennt sich »novas«, doch wird dieser Ausdruck von den
Provenzalen nicht nur auf didaktische Erzeugnisse, wie die Leys d'amor das
Breviari d'amor, die Novas de l'Heretge u. a., sondern auch auf wirkliche
Romane, z. B. den Jaufre angewandt (V. 16, 23, 56). Die Fabel beruht
wohl auf Erfindung, doch zeigt sie manche Anklänge an die Sage von dem
(trafen von Toulouse (^ 5). Der Verfasser, über den wir nichts sicheres
wissen, war ohne Zweifel ein sehr begabter Dichter, der sich nicht darin
gefiel, unglaubliche Abenteuer vorzuführen, sich vielmehr an die Lösung psy-
chologischer Probleme wagte. So lässt er uns, um die traurigen Folgen der
Eifersucht zu schildern, einen Einblick in den Seelenzustand des Archimbald
thun, zeigt, wie die Leidenschaft in ihm erwachte und, durch allerlei an sich
harmlose Umstände genährt, schliesslich völlige Gewalt über ihn erlangte und
ihm unsägliche Qualen bereitete. Die Komposition zeugt von Geschick, da
die Aufmerksamkeit stets rege erhalten wird. Auch die Darstellungsgabe des
Verfassers ist hervorragend. Er hat die ihn umgebende Welt nicht nur scharf
beobachtet, sondern besitzt auch das Talent, das Beobachtete mit grosser An-
schaulichkeit zu schildern, so die Festlichkeiten mit ihren Gastmählern, Musikauf-
führungen und Turnieren, die Toilette des Haupthelden, die Badeanstalt und
sonst etwa vorkommende Örtlichkeiten. Nur in allem was die Liebe betrifft,
verzichtet er auf diesen Realismus und folgt ganz den konventionellen An-
schauungen seiner Zeit, erscheint daher zuweilen maniriert. Seine Ausdrucks-
weise ist fast immer originell, und an mehr als einer Stelle finden sich feine
und selbst geistreiche Bemerkungen. Er liebt reichen Redeschmuck, streut
daher Bilder, Vergleiche, Wortspiele und Sprichwörter in grosser Zahl ein,
die meist von gutem Geschmack zeugen. Aber das Denkmal besitzt neben
seiner literarischen Bedeutung eine nicht geringere kulturhistorische, welche
in der erwähnten naturalistischen Anlage des Verfassers ihren Grund hat. Da
er in allen seinen Beschreibungen auf Genauigkeit und Naturtreue bedacht
gewesen ist, so ergiebt sich, dass sein Werk ein zuverlässiges Bild der ritter-
lichen Gesellschaft seiner Zeit, nebst ihren Gebräuchen, Anschauungen und
Moden darbietet. Auch insofern ist dasselbe ein historisches Denkmal, als
sich andrerseits in ihm die traurigen Wirkungen der Albigenserkriege wieder-
* Le Roman de Flamenca p. p. Paul Meyer, l'aris 1865.
Epik : KunstjMässige Epen. — Kleinere epische Dichtungen. i i
spiegeln: bitter klagt der Dichter über den betrübenden Zustand der Gegen-
wart und sehnt die alte gute Zeit zurück. In der That beweist uns gerade
sein Werk, wie auf allen Gebieten der Kultur der Norden dem Süden damals
bereits den Rang abgelaufen hatte: die Schulen und Universitäten, die erwähnt
werden, sind französische, nicht minder alle vorkommenden Erzeugnisse der
Industrie, ja sogar bei der Aufzählung der damals beliebten Litteraturdenkmäler
nimmt der Norden die erste Stelle ein.
R e V i 1 1 o u t , De la date possible du Roman de flanimca, Revue des
l. r. 8 , 5 — 1 8 ; H e r m a ii n i , Die kulturgeschichtlichen Momente im
proz'engalischen Roman Flamenca, Marburg 1883-
12. Das antike Epos ist wiederum nur durch ein Denkmal vertreten,
das obenein unvollständig vorliegt. Es unterscheidet sich jedoch nur in Bezug
auf den Inhalt, nicht auf den Geist und den Charakter von den übrigen Er-
zeugnissen der kunstmässigen erzählenden Poesie. Das im Jahre 1852 — 53
entdeckte Bruchstück des Roman (f Alexandre "^ zählt 105 Achtsilbler, welche,
was sonst selten vorkommt, zu Tiraden gruppiert sind, deren jede lauter gleiche
Reime, und zwar ausschliesslich männliche, aufweist. Das Gedicht, welchem
diese Verse angehört haben, stammte aus der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts und war die älteste Bearbeitung der Alexandersage in irgend einer
der neueren Sprachen. Auf Grund einer Angabe eines mittelhochdeutschen
Dichters, des Pfaffen Lamprecht, der unser Werk mit als Quelle benutzt hat,
giebt man allgemein einen Mönch, Namens Alberich von Besangen, als Ver-
fasser desselben an, doch weist die Sprache des Denkmals auf ein südlicheres
Gebiet, sodass die Ansicht ausgesprochen worden ist, Lamprecht habe Briangon
statt Besangon sagen wollen oder sollen. Das Fragment berichtet von der
Abstammung, der Geburt und der Kindheit Alexanders des Grossen, schildert
seine äussere und innere Entwicklung und bricht mitten in den Einzelheiten
über seinen Unterricht ab. Aus dem Verhalten der Denkmäler, die das Epos
Alberichs als Quelle benutzt haben, scheint hervorzugehen, dass letzterer sein
Werk zwar noch etwas weiter, nämlich bis zu dem Feldzuge Alexanders
gegen den König Nikolaus von Caesarea fortgesetzt, aber nicht zu Ende ge-
bracht hat. Die geringe uns erhaltene Probe zeigt aber, dass derselbe ein
bedeutendes dichterisches Talent besass. Seinen Stoff hatte er entnommen
aus der von einem Julius Valerius vor 340 n. Chr. verfertigten lateinischen Über-
setzung der griechischen, romanhaft ausgeschmückten Geschichte Alexanders,
welche gewöhnlich die des Pseudo-Kallisthenes heisst, weil ihr unbekannter
Verfasser sie als ein Werk des Historikers Kallisthenes ausgab. Alberich
stellte sich seiner Quelle jedoch einigermassen frei, zuweilen sogar kritisch
gegenüber und fügte manche Einzelheiten hinzu, um sein Werk dem Geiste
und dem Geschmacke seiner Zeit anzupassen.
Dies sind die wenigen Kunstepen, die auf uns gekommen sind, nachweislich
haben einst aber noch zahlreiche andre existiert, die jedoch leider verloren
gegangen sind.
Alwin Schmidt, Über das Alexanderlied des Alberic van Besangon
und sein Ver/iältniss zur antiken Überlieferung, Diss. Bonn 1886.
ß. KLEINERE EPISCHE DICHTUNGEN.
13. Neben den eigentlichen Epen giebt es noch einige kürzere er-
zählende Gedichte, die man passend Novellen genannt hat. Auch bei
' Hsg. von Paul Heyse, Romanische Inedita. Berlin 1 856, S. 1—6; Stengel,
Atis%. u. Ahh. I, 72—80- Paul Meyer, Alexandre le Grand dans la litt. fr. du m.-a.
P;\ris 1 886, I, 1 — 1 5 ; Förster u. K o s c li \v i t z , Afr. Übungsbuch. S. 1 6 1 6.
12 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LiTT.
den Provenzalen kommt die Bezeichnung ■»nova, novda« vor, doch haben
wir gesehen (§ ii), dass sie damit einen viel weiteren Begriff verbanden.
Die Novellen sind, wie die Romane, mit denen sie auch in ihrer metrischen
Form übereinstimmen, ein treues Spiegelbild der ritterlichen Gesellschaft jener
Zeit und bilden aus diesem Grunde einen scharfen Gegensatz zu den fran-
zösischen Fabliaus, welche durchaus in dem Bürgertum wurzeln, daher ihre
Spitze oft gerade gegen das Rittertum kehren. Unter den Novellendichtern
nimmt Raimon Vi dal die erste Stelle ein, der aus Besaudun im nördlichen
Catalonien gebürtig, zu Anfang des 13. Jahrhunderts blühte. Eines seiner
Gedichte, das aus 450 Zeilen besteht, giebt sich selbst am Schlüsse den Titel
Castia-Gilos^ ^ also etwa »Der bestrafte Eifersüchtige«. Darin erzählt ein
Spielmann in höchst pikanter Weise, wie ein aragonischer Edelmann durch
das Übermass seiner Leidenschaft seine Gattin zur Untreue geradezu veran-
lasst und schliesslich durch diese im Bunde mit ihrem Liebhaber von seiner
Leidenschaft geheilt wird, nachdem er von ihnen schmählich hinter das Licht
geführt worden ist. Am Schlüsse warnt der Joglar seine Zuhörer eindringlich
davor, der Eifersucht Eingang in ihr Herz zu gestatten. — Eine zweite von
Raimons Novellen könnte etwa Das Minnegcricht'^ betitelt werden. Es
handelt sich in derselben nämlich um die Frage, welche von zwei Damen
mehr Anspruch auf einen bestimmten jungen Ritter habe: die, welche ihn
nach siebenjährigem treuen Dienst von sich gestossen hatte, später aber be-
reute und ihre Ansprüche erneuerte, oder die, welche sich des Verstössen en
angenommen und ihm Ersatz geschaffen hatte. Der angerufene Schiedsrichter
erklärt sich zu Gunsten der ersteren. In die Erzählung hat Raimon zahlreiche
Aussprüche und allgemeine Sätze über alle Verhältnisse der Liebe eingefügt,
die meist andern Dichtern entlehnt sind, sodass wir hier eine interessante
Blumenlese von Gedanken über jenen Gegenstand erhalten. Durch dies Hervor-
treten des Lehrhaften, das der Erzählung als solcher durchaus nicht zum Vor-
teil gereicht, ist das Gedicht jedoch so in die Länge gezogen, dass es, ob-
wohl die Handlung ganz einfach ist, doch 1397 Verse zählt.
In dem dritten und letzten hierher gehörigen Werke des Dichters, einer Ich-
Novelle, welche mit den Worten beginnt Abrilisste tnays intravd^ tritt das epische
Moment noch mehr hinter der Ausführung des Grundgedankes, Bedauern über
den Verfall der Poesie und über die fortwährende Abnahme der Zahl ihrer
Gönner zurück; ebenso sind auch hier zahlreiche Zitate zwischengestreut. An
einem schönen Frühlingstage, als Raimon sich allein auf einem Platze seines
Heimatsortes Besaudun befand, gesellte sich zu ihm ein Spielmann und schüttete
ihm über die traurige Lage der Dichtkunst sein Herz aus. Der Dichter lud ihn
freundlich zu sich ins Haus und begab sich mit ihm nach Tisch in den Garten, wo
er sich von ihm über seine Erlebnisse und trüben Erfehrungen berichten Hess.
Bei vielen Baronen, so erzählte der Joglar, habe er vergeblich auf Lohn gehofft
und sei schon im Begriff" gewesen, seinem Berufe zu entsagen, als er zu seinem
Glück einige edle und freigebige Gönner getroffen, von denen der Delfin von
Auvergne ihm sogar eine äusserst lehrreiche Geschichte von einem spanischen
Sultan mitgeteilt habe, die wir dann auch kennen lernen. Er sei nun gekommen,
um sich darüber unterrichten zu lassen, welches die Gründe des traurigen Zu-
standcs seien, und wie er selbst es in der Welt anzufangen habe. Als Antwort
erzählt der Dichter von seinen eigenen Erlebnissen und rühmt die Freigebigkeit
' Rn yi»o uai<l, Choix 111, 3yb-4i:V, Galvani 3,»! -4t>9; Harlscli, l.cscintck
:y_34; Mahn. Werk; \\\. 226-36.
2 So fo cl (emps c'om era Jays. Novelle von Raimon Vidal. lisj^. von Max Co
iiicelius, Diss. Berlin 1888.
* Bartsch, Denkmäler 144—92.
Epik: Kl. epische Dichtungen. — Lyrik: Volkstüml. — Kunstmässige. 13
des verstorbenen Königs Alfons von Aragon, des hochherzigen Freundes der
Dichtkunst, und vieler sonstiger fürstlicher Mäcene, deren Gunst er mit andern
einst genossen. Jetzt seien die Verhältnisse viel weniger erfreulich; daher
wolle er ihm angeben , durch welche Mittel er zu Ansehen und Beliebtheit
kommen könne. Er zählt ihm nun alle Eigenschaften und Fertigkeiten auf,
die ein guter Joglar sich aneignen müsse, und erteilt ihm auch sonst Ratschläge,
wie er sich zu benehmen habe. Am Schluss berichtet Raimon, auf seine Ein-
ladung habe der Fremde auch noch bei ihm zu Abend gespeist, sowie über-
nachtet und sei am nächsten Morgen geschieden. Ob es ihm von da ab in
der Welt besser ergangen, wisse er nicht, da er ihn nie wiedergesehen habe.
14. Ebenfalls dem 13. Jh. gehört die Novelle vom Fapagai^ an, so betitelt,
weil die Hauptrolle darin einem Papagei zuerteilt ist, der nicht nur als Liebes-
bote zwischen einem Königssohne und einer verheirateten Dame dient, sondern
auch die Mittel ausfindig macht und zur Anwendung bringt, welche die Zu-
sammenkunft der Liebenden ermöglichen. Die anmutige, in leichtem Stil vor-
getragene Erzählung, die wohl auf griechischen Ursprung zurückgeht, zählt
298 Zeilen und hat zum Verfasser einen Arnaut de Carcasses ., der also aus
dem Gebiete der Stadt Carcassonne in Languedoc stammte, von dem wir aber
sonst nichts wissen. — Endlich besitzen wir noch ein Bruchstück von 49
Zeilen aus einer andern Novelle-^ welches sich mitten in einer Sammlung
frommer Stücke befindet, daher vermutlich aus moralischen Bedenken von dem
Copisten plötzlich abgebrochen worden ist. Ein junger Knappe, welcher eine
Dame schwärmerisch liebt, muss zu seinem Schmerze erleben, dass diese an
einen vornehmen Ritter verheiratet wird, fasst aber bald wieder Mut und gesteht
ihr einst in Abwesenheit des Gatten seine Liebe. Man muss es bedauern,
dass das keineswegs reizlose Gedicht nicht vollsändig erhalten ist, da viele Er-
zeugnisse dieser Gattung völlig untergegangen sind, deren einstiges Dasein
durch zeitgenössische Zeugnisse erwiesen ist. Obwohl nun letztere Bemerkung
auch bei den übrigen epischen Dichtungsarten gemacht werden musste, so
lässt sich doch nicht leugnen, dass die provenzalische Epik an Reichtum und
an Wert keinen Vergleich mit der französischen aushalten kann. Die Provenzalen
selbst waren sich hierüber auch völlig klar, doch glaubten sie den Grund dieser
Erscheinung eigentümlicher Weise in einer inneren Anlage der beiden Sprachen
suchen zu müssen. Dieser Ansicht gab der oben erwähnte Raimon Vidal (^ 13)
in einem unten (§ 67) zu besprechenden grammatischen Werke durch die
Worte Ausdruck: La parladura fraticesca val mais et es plus avinenz a far romanz
e pastorellas, 7nas cella de Lemosin val mais per far vers et cansons et serventes.
B. LYRIK.
1. VOLKSTÜMLICHE.
uch in der Lyrik gab es ursprünglich nur eine Art von Erzeugnissen,
welche bei allen Kreisen der Bevölkerung den gleichen Beifall fanden.
Von diesen sind uns jedoch nur ganz geringe Reste erhalten und auch diese
nur durch einen eigentümlichen Zulall. In dem Drama von der h. Agnes (§ 54)
sind einige der eingestreuten geistlichen Gesänge nach dem Muster und nach
der Melodie volkstümlicher Lieder verfasst worden, und da jedesmal der Anfang
' Bart soll, Lese/nirh 2n — 29 und C/irestoniat/iie 2'^^ -Mi: StengeL Rh\ di fd. r07n.
1, HC) sq.
" l'aiil Meyer, Daiucl d Beton XCIV-XCVII.
14 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LiTI",
des betreffenden Masters angeführt wird, so lernen wir wenigstens den Eingang
von mehreren derselben kennen. Diese Proben lassen vermuten, dass die
frühesten Erzeugnisse der provenzalischen Lyrik mit denen der französischen,
die wir etwas genauer kennen, grosse Ähnlichkeit besassen, dass sie nämlich,
wie jene, ein stark hervortretendes episches Element aufzuweisen hatten, gewöhn-
lich von der Liebe zweier junger Leute handelten sowie von den Hindernissen,
welche sich deren Vereinigung entgegenstellten und von deren Bemühungen,
diese zu überwinden , Bemühungen , welche manchmal glücklich, manchmal
unglücklich endeten. Aber diese Romanzen (denn so kann man diese Gedichte
sehr passend nennen) gaben niemals einen zusammenhängenden Bericht über
den zu Grunde liegenden Vorgang, sondern begnügten sich mit kurzen An-
deutungen , hoben nur die hauptsächlichsten Momente der Handlung hervor
und übcrliessen die Einzelheiten zum grössten Teile der Phantasie des Hörers.
Das lyrische Element in diesen Dichtungen bestand also nicht sowohl in dem
Ausdruck des Gefühls als vielmehr dem des Mitgefühls des Dichters. Er ver-
setzte sich in die Seele seines Helden, pries dessen Mut, feierte die Schönheit
der Heldin, beklagte jede Schwierigkeit, die den Liebenden entgegentrat, drückte
seine Freude über jeden Erfolg und über die schliessliche Vereinigung derselben
aus. Was die Romanzen formell wesentlich von den epischen Erzeugnissen
unterscheidet, ist ihr strophischer Bau, und ein charakteristisches Merkmal der-
selben ist der Refrain, der sich gewöhnlich am Schlüsse jeder Strophe befand.
Wie in der volkstümlichen Epik war auch hier die Sprache einfach und schmuck-
los, die metrische Form schlicht und ungekünstelt; als Reim begnügte man
sich wohl mit dem Gleichklang der Vokale.
Die Pflege dieser Lyrik lag, wie die der Volksepik, in den Händen eines
eigenen Standes, nämlich der Volkssänger (prov. joglar, lat. joculatorcs, mini-
strales, ministrelli). Sie waren nicht nur die Verfasser der Lieder, sondern
sie zogen auch durch die Städte, Dörfer und Schlösser, um die Erzeugnisse
ihrer eigenen und fremder Kunst mit Musikbegleitung überall vorzusingen.
Ihre Zuhörerschaft bestand keineswegs .ausschliesslich aus dem niederen Volk,
sondern in gleicher Weise auch aus den vornehmen Ständen, und sie wurden
allgemein geliebt und geachtet, oft auch reich beschenkt. Neben dem Dichten
und Singen betrieben manche von ihnen allerdings auch andere, weniger edle
Künste, indem sie zur Unterhaltung des Publikums allerlei Kunststücke zum
Besten gaben.
2. KUNSTMÄSSIGE.
a) WELTLICHE LYRIK.
i6. Dieselben Verhältnisse, welche im ii. Jh. innerhalb der ursprünglich
einheitlichen Epik die Spaltung in eine volkstümliche und eine ritterliche ver-
anlassten (§ 8), brachten auch in der Lyrik die gleiche Wirkung hervor: nur
diejenigen Lieder fanden nunmehr bei den oberen Gesellschaftsklassen Beifall,
welche die in deren Kreisen herrschenden Stimmungen, Ansichten und An-
schauungen zum Ausdruck brachten. Allerdings ging diese Absonderung nicht
plötzlich sondern allmählich und schrittweise vor sich , sodass die neue, die
kunstmässige Lyrik in ihren ersten Stadien der älteren Schwester noch ziemlich
nahe stand und erst später die ihr charakteristischen Eigenschaften zur vollen
Entfaltung brachte. Unter der Gunst der Umstände nahm dieselbe jedoch bald
einen so gewaltigen Aufschwung, dass sie durch ihren Glanz alle anderen
Dichtgattungen in den Schatten stellte und schliesslich den Untergang der
volkstümlichen Erzeugnisse veranlasste. Dass in Südfrankreich innerhalb der
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche Lyrik. Die Dichter, 15
Kunstpoesie gerade die Lyrik in so bevorzugter Weise gepflegt wurde, ist wohl
vornehmlich dem Umstände zuzuschreiben , dass dort die Angehörigen der
ritterlichen Stände selbst sich in der Dichtkunst versuchten, und zwar so eifrig
und so erfolgreich , dass ihr Beispiel auch auf die nicht zu ihrem Stande
gehörigen Dichter wirkte. Da ihnen nun die Wahl zwischen epischer und
lyrischer Poesie offen stand, so war es sehr natürlich, dass sie sich fast aus-
schliesslich letzterer zuwandten. Diese ist ja von beiden Gattungen die per-
sönlichere, gewährt daher ein besseres Mittel, individuellen Stimmungen und
Gefühlen Ausdruck zu leihen, sodann sind ihre Erzeugnisse kürzer, sodass jeder
auch ohne grossen Aufwand von Zeit und Kraft etwas eignes und selbständiges
hervorbringen kann. Der hauptsächlichste Grund jener Bevorzugung liegt aber
in dem Hervortreten des Frauendienstes. Dieser Brauch, der seine Entstehung
wesentlich dem gewaltigen Aufschwünge des Marienkultus im elften Jahrhundert
verdankte, fand in dem Rittertum seine kräftigste Förderung, denn, indem man
die schwärmerische Verehrung für die h. Jungfrau auf deren ganzes Geschlecht
übertrug, erklärte man den Frauendienst für ein notwendiges Erfordernis des
Ritters, sodass jeder, der diesem Stand angehören wollte, den Frauen seine
Huldigung darbringen musste. Auf keine Weise konnte dies aber besser und
nachdrucksvoller geschehen als durch Lieder, die ja jedem Gefühle, mochte
es nun ein wirklich vorhandenes oder ein erheucheltes sein, Worte zu leihen
vermochten, daher als das geeignetste Werkzeug dieses Frauenkultus erscheinen
mussten. Da nun das Institut des Rittertums in Südfrankreich nicht nur sehr
früh sondern auch sehr fest Wurzel fasste, so musste dort auch die Kunstlyrik
eine besonders liebevolle Pflege finden, und als die übrigen Nationen des Abend-
landes jenes Institut ebenfalls bei sich einführten, da übernahmen sie zugleich
mit ihm auch diese Bethätigung desselben, und zwar in genau der Gestalt, in
welcher es sich dort entwickelt hatte. So ist die provenzalische Lyrik in Bezug
auf Inhalt und Form von den Franzosen, den Italienern, den Catalanen und
zum Teil von den Deutschen , in geringerem Masse auch von den übrigen
Völkern nachgeahmt worden, ja unter den nächsten Nachbarn, den Italienern
und den Catalanen, haben sich sogar mehrere eine so völlige Herrschaft über
das fremde Idiom erworben, dass sie selbst sich in demselben, zum Teil mit
grossem Geschick und erheblichem Erfolg, dichterisch bethätigt haben.
Paul Meyer, De Pinfliience des trmibadotcrs sur la poesie des
peiiples romans, Rom. 5, 257—68; Mild y Fontanals, De los tro-
vadores en Espana, Barcelona 1 86 1 und 1889; Bartsch, Nachahmung
provenzalischer Poesie im Deutschen, Gennania l, 480 — 82 ; O. Schultz,
Die Lebensverhältnisse der italieniscfun Trobadors, Ztschr. 7, 177 — 235.
a. DIE DICHTER. »
17. Als Benennungen der kunstmässigen Lyriker begegnen wir den Aus-
drücken y<7^/ör und trobaire, Acc. trobador. Auf Grund zeitgenössischer Angaben
* Sonderausgaben besitzen wir von folgenden: Guillem von Poitou a) von Keller
Tübingen 1848, b) von Holland und Keller, ib. 1850; Guillem von Berguedan, von
Keller, Mitau 1849; Guiraut Riquier, von Pfaff, in Mahn, Werke der Troubadours,
Band IV. Berlin 1853; Cercamon, von Mahn, Jahrbuch f. roni. u. engl. Lit. l, 83— lOO;
Peire Vidal, von Bartsch, Berlin l857; Guillem de Cahestanh, von Hüffer, Berlin
1869; Jaufre Rudel, von Stimming, Kiel l873; Der Mönch von Montaudon a) von
Philippson, Halle l873, b) von Klein, Marburg 1885; Guillem Anelier von Toulouse,
von Gisi, Solothurn l877; Bertran de Born a) von Stimming, Halle 1879 und 1892,
b) p. p. Thomas, Toulouse 1888; Guillem Figueira, von Levy, Berlin 1880; Raniber-
tino BuvaleHi, da Casini, Bologna 1880 (auch Propugnatore 1879); Pons de Capdoill. von
Napolski, Halle 188O; Renaud et Geoffroy de Pons p. p. Chabaneau, Paris 1881 ;
Paulet de Marseille p. p. Levy. Rev. des 1. r. 1882; Peire Rogier, von Appel, Berlin
1882; Arnoldo Daniello , da Cancllo, Halle 1883; Znrzi , von Levy. Halle 1883 ;
l6 LlTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LiTT.
kann man dieselben etwa folgen dermassen definieren. Joglar hiessen alle die,
welche aus der Poesie oder Musik ein Gewerbe machten, gleichviel, ob sie die
Volks- oder Kunstdichtung pflegten; Trobador diejenigen, welche sich mit der
Kunstlyrik beschäftigten, wes Standes sie auch sein mochten, und zwar gleich-
gültig, ob sie aus Liebhaberei oder um Lohn dichteten. Demnach stehen die
beiden Begriffe nicht unbedingt im Gegensatz zu einander, decken sich viel-
mehr teilweise, sodass man unter Umständen beide Ausdrücke auf ein und
dieselbe Person anwenden konnte, z. B. auf einen Kunstlyriker, wenn er vom
Dichten lebte. Der Trobaire konnte je nach Begabung oder Neigung auch
die zu seinen Liedern erforderliche Melodie komponieren, ja sogar ausserdem
dieselben auch selbst vortragen; er konnte jedoch diese beiden letzteren Funkt-
ionen ebenso gut anderen übertragen, ohne dadurch den Anspruch auf obige
Benennung zu verlieren.
Der Begrifif Joglar war nach dem Gesagten ein recht vielseitiger, es konnte
damit jemand gemeint sein , der gewerbsmässig entweder volkstümliche oder
kunstmässige Lieder dichtete oder komponierte oder vortrug, ganz abgesehen
davon, dass man auch die Possenreisser so nannte. Oft ist nur aus dem Zu-
sammenhange zu erkennen, welche dieser Bedeutungen vorliegt. Wenn z. B.
von Aimeric de Sarlat berichtet wird, dass er anfänglich Joglar gewesen und
dann Trobador geworden sei, so ist gemeint, dass er von der volkstümlichen
Lyrik zur kunstmässigen übergegangen ist. In der Mehrzahl der Fälle ist unter
ersterer Bezeichnung jedoch jemand zu verstehen, der um Lohn eigene oder
fremde Lieder vorsang. So traten die Jogiars oft in den Dienst von solchen
Trobadors, die ihre Dichtungen nicht selbst vortragen wollten oder konnten.
Für letztere war es, wenn sie von hohem Stande waren, eine Mode- ja fast
eine Ehrensache, einen oder mehrere Jogiars, Spielleute, zu ihrer Verfügung
zu haben. Diese führten oft Spitznamen, zum Teil satirischen Charakters, und
wurden auch zu Botendiensten benutzt, namentlich um die Lieder ihrer Trobadors
den Damen , auf die sie sich bezogen , oder auch etwaigen Freunden und
Gönnern zu überbringen.
i8. Sowohl der Joglar wie der Trobador bedurfte zur Ausübung seiner
Kunst neben dem Talent gewisser technischer Fertigkeiten , wie die sichere
Beherrschung der Litterarsprache, die allein verwandt werden durfte, die Kennt-
nis der metrischen und prosodischen Gesetze, oder die Einführung in das
Gebiet der theoretischen und praktischen Musik. Diese Fertigkeiten mussten
natürlich zunftmässig erlernt werden , doch gab es zu diesem Zwecke nicht
etwa Dichterschulen, sondern jeder suchte sich für seine Bedürfnisse einen Lehrer,
der ihn in den verschiedenen Zweigen des Wissens und Könnens unterrichtete.
Von mehreren Trobadors wird uns dies ausdrücklich berichtet, wobei wir sogar
gewöhnlich den Namen des Lehrmeisters erfahren.
Die zur Begleitung verwandten Instrumente waren gewöhnlich die Viola,
eine Art Geige, die also mit dem Bogen gestrichen wurde, sodann die Harfe
und die Zither, die beide noch heute in ähnlicher Form gebraucht werden,
seltener endlich die Rota, Leier, Sackpfeife, das Psalterium, die Clarinette,
das Hörn u. a. Der Vortrag der Lieder begann meist nach der Mahlzeit, und
zwar musste der Vortragende die zu seinem Rcpertoir gehörigen Stücke aus-
wendig wissen. Je nach seinen Leistungen wurde ihm nicht nur mehr oder
weniger lebhafter Beifall sondern auch mehr oder weniger reicher Lohn gespendet,
an dem sich das zuhörende Publikum und, wenn der Schauplatz ein Edelsitz
war, vor allem der Schlossherr beteiligte. Diese Spenden bestanden seltener
Blacassetz, von Klein, Wiesbaden 1887; Peire de la Caravana, da Canello, Giorn. di
fil. rom. 111 (No. 7), l — ll; Vier ungedruckte Pastorellen des Serveii von Gerona. von
Max Kleine! t, Halle 1890; Palais, da Kestori, Creniona 1892 (Nozze I^aUisteili-Cielo).
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche Lyrik. Die Dichter. 17
in Geld als in sachlichen Geschenken, wie Kleidungsstücken, kostbaren Stoffen,
Schmuckgegenständen oder Waffen, und bildeten gewöhnlich die einzige Erwerbs-
quelle der Jogiars. Es war also für diese eine Lebensfrage, immer mit mög-
lichst zugkräftigen Stücken versehen zu sein, und es wird uns mehrfach berichtet,
dass einzelne derselben, die also wohl selbst keine Dichtergabe besassen, zu
Trobadors mit der Bitte kamen, ihnen durch neue Lieder oder Sirventese aus
der Not zu helfen, sodass letztere demnach einen erheblichen^ materiellen Wert
darstellten. Manche Trobadors traten ganz in den Dienst eines Fürsten
oder reichen Barons, wurden also geradezu Hofdichter; aber auch diese wurden
der Regel nach nicht durch klingende Münze, sondern'^durch Pferde,*Sattel-
zeug, Rüstungen, kostbare Gewänder und andere wertvolle Gegenstände belohnt.
Hatte nun ein derartiger Hofdichter selbst wieder einen eignen Spielmann,
was auch vorkam, so erhielt dieser einen Teil jener Gesehenke.'
Nicht nur die Jogiars, sondern auch die meisten Trobadors, so weit sie
nicht fürstlichen Geblütes waren oder dem Stande der Hofdichter angehörten,
führten ein unruhiges Wanderleben; selbst die vornehmeren unter ihnen hielten
es nicht unter ihrer Würde, sei es allein, sei es in Begleitung*eines Spielmannes
das Land zu durchziehen, um in den Schlössern der Fürsten und auf den Burgen
der Edelleute ihre Lieder vorzusingen oder vorsingen zu lassen, und diese Vor-
träge bildeten bei allen Gästmälern und anderen festlichen Veranstaltungen
einen wesentlichen Teil des Programmes. Zwar kam es vor, dass zwei Trobadors
gemeinschaftlich dichteten oder dass die Jogiars paarweise umherwanderten,
aber niemals hat es feste poetische Gesellschaften gegeben zur Veranstaltung
von dichterischen Wettkämpfen mit Verteilung von Ehrenpreisen. Ebenso ist
die früher sehr häufig wiederholte Behauptung, dass es sogenannte Minnehöfe,
d. h. Gerichtshöfe gegeben habe, welche von Damen gebildet und von denen Streit-
sachen zwischen Liebenden unter Beobachtung juristischer Formalitäten sowie
mit verbindlicher Wirkung für die Parteien entschieden wurden, längst als eine
Erfindung nachgewiesen worden.
Diez, Über die Minneh'öfe (Beiträge zur Kenntnis der romantischen
Poesie, Heft 1). Berlin 1825; Trojel, Middelalderens Elskovshoffer ,
Copenhagen 1888; Ders. , Sur les Cours d'ammir, Kev. des 1. r. 34.
179 — 8;?; Bio Rajna, Le Corti d'amore, Milano l8yo; V. Crescini,
Par la questione delh Corti d'amore, Padova 18QI.
19. Wie beliebt die Beschäftigung mit der Lyrik damals war, ergiebt
sich aus der grossen Zahl derer, welche sich in derselben mit mehr oder
weniger Erfolg versucht haben. Denn obwohl ein grosser Teil der Erzeugnisse
im Laufe der Zeit verloren gegangen, ein andrer anonym auf uns gekommen
ist, so sind uns doch von nicht weniger als etwa 412 Dichtern des zwölften
und dreizehnten Jahrhunderts Lieder erhalten, während von circa 70 weiteren
wenigstens die Namen bekannt geworden sind. Genauere Nachrichten haben
wir allerdings nur über einen Teil jener 412, und zwar stammen diese in erster
Linie aus einer Sammlung von 104 provenzalischen Biographien, die im drei-
zehnten Jahrhundert aufgezeichnet worden sind (^ 65), sodaim aus ihren Liedern,
endlich aus geschichtlichen Urkunden. Man erkennt daraus, dass die ver-
schiedensten Stände unter den Trobadors vertreten waren. So zählen wir unter
ihnen 5 Könige, die allerdings nichts hervorragendes geleistet haben, 2 Fürsten,
darunter Jaufre Rudel von Blaia, 10 Grafen, zu denen auch der älteste
uns bekannte Lyriker, Wilhelm VII von Poitou, als Herzog von Aqui-
tanien Wilhelm IX, gehört (1087 — 1 127), 5 Markgrafen und ebenso viele Viz-
grafcn, unter denen Bertran von Born und Wilhelm von Berguedan die
bedeutendsten sind; 6 werden als mächtige Barone bezeichnet, z. B. Raimbaut
von Aurenga, 9 andere, wie Guilhem von Saint Leidier, als reiche Schloss-
herrn, Uc de Saint Circ war der Sohn eines armen Aftervasallen. Ritter oder
Gröber, Grundriss. IIb. 2
l8 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 2. PrOV. LiTT.
Söhne von Rittern (auch zwei Tempelherrn) waren 29; zu ihnen gehört unter
anderen Pons von Capduelh und Bertran von Lamanon; 9 von diesen
erhalten ausdrücklich das Beiwort arm, zwischen denen sich vorzügliche Dichter
befinden, wie Cadenet, Peirol, Raimon von Miraval, Raimbaut von
Vaqueiras und der Italiener Sordel. Allgemein adligen Geschlechts ohne
nähere Angabe werden Arnaut Daniel, der Mönch von Montaudon und
noch 3 andere genannt. Zwei Trobadors, darunter Lanfranc Cigala, be-
kleideten zugleich das Amt eines Richters, 16 waren aus dem Bürgerstandc
hervorgegangen, so Gaucelm Faidit, Peire Raimon von Toulouse, Peire
von Alvernhe u. a.; der Vater Folquets von Marseille war ein reicher
Kaufmann, der des Aimeric von Pegulhan Tuchhändler, Bartolome
Zorzi besass selbst ein kaufmännisches Geschäft. AusHandwcrkerkreisen stamm-
ten 8, darunter der närrische Peire Vidal, Sohn eines Kürschners, und Per-
digon, dereines Fischers. Als Schreiber werden uns 5 bezeichnet, von denen
Arnaut von Maruelh und Aimeric von Belenoi Erwähnung verdienen.
Andere waren noch geringerer Herkunft, so der begabte Bernart von Ven-
tadorn, Sohn eines armen Ofenheizers, Marcabrun, ein uneheliches Kind
und von seiner Mutter ausgesetzt, endlich der gedankentiefe Giraut von
Bornelh, der, wie es heisst, von niedrigem Stande war. Die Väter zweier Dichter,
des Albertet (von Sesteron) und des Elias Fonsalada waren Spielleute,
während wir von 21 anderen, z. B. von Cercamon, nur hören, dass sie
selbst Jogiars waren, also von dem Erträgnisse ihrer Kunst lebten, ohne jedoch
das geringste über ihre Herkunft zu erfahren.
Es kam nicht selten vor, dass einzelne Dichter so viel Geschmack am
Wanderleben fanden, dass, da ihre äusseren Verhältnisse ihnen nicht gestatteten,
als Trobador zu leben, sie ihren ursprünglichen Beruf aufgaben, um Joglar,
fahrender Sänger, zu werden. So Salh von Escola und Hugo von Pena,
deren Väter Kaufleute waren, Elias Cairel, der zuerst das Gewerbe eines
Goldarbeiters und Wappenmalers betrieben hatte, Arnaut von Maruelh und
Aimeric von Belenoi, welche Schreiber gewesen waren, Peire Cardinal
und Peire Rotgier, die dem geistlichen Stande angehört hatten ; auch Uc von
Saint Circ war von seinen Eltern auf die Schule nach Montpellier geschickt
worden, um sich für jenen Stand vorzubereiten, wurde aber Joglar. Dasselbe
that Gaucelm Faidit, ein vermögender Bürgerssohn, nachdem er seinen
gesamten Besitz im Würfelspiel verloren. Auffallig war es jedoch auch damals,
wenn junge Adlige, wie Arnaut Daniel, diesen Beruf ergriffen, besonders
solche, die sogar schon die Ritterwürde besassen. Zu letzteren gehörten Peirol.
und Guilhem Azemar, die beide den Ritterschlag erhalten hatten, aber sich
zu jenem Schritte entschliessen mussten, weil sie kein Vermögen besassen und
ihre Gönner die Hand von ihnen zogen. Sehr selten trat der umgekehrte Fall
ein, dass nämlich ein Joglar in das bürgerliche Leben zurückkehrte, wie uns
dies von Pistoleta berichtet wird, der das fahrende Leben aufgab und Kauf-
mann wurde.
Eigentümlich war das Verhältnis der Kirche zu der Minnepoesie. Es
scheint, dass sie die Abneigung, welche sie von Alters her gegen die Volkssänger
und Spielleute gehegt hat, auch auf die Trobadors übertragen habe, wenigstens
zeigte sie sich denselben mehrfach misgünstig, ja feindlich gesinnt. So wurde
Gui von Uissel, Canonicus von Briude undMonferran, durch einen päpstlichen
Legaten zu dem Schwur gezwungen, dem Liederdichten hinfort zu entsagen.
Aber die Kraft der geistigen Strömung war so gewaltig, dass auch die Kirche
sich auf die Dauer dem Einflüsse derselben nicht zu entziehen vermochte,
daher wohl oder übel ein Auge zudrücken musste. In der That erscheinen
unter den Trobadors, abgesehen von den oben erwähnten abtrünnigen Mit-
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche Lyrik. Die Dichter. 19
gliedern des Standes, nicht weniger als 1 6 Geistliche, nämlich je zwei Bischöfe,
Priore, Pröpste und Stiflsherren (Canoniker) sowie 8 Mönche. Von ihnen
ist der bemerkenswerteste der »Mönch von Montaudon«, welcher, wahr-
scheinlich aus dem Geschlechte der Schlossherrn von Vic gebürtig, die Priorei
von Montaudon bekleidete und nicht nur im Kloster die Dichtkunst übte,
sondern auch mit Erlaubnis seines Abtes in seinem Ordensgewande im Lande
umherzog, seine Lieder auf den Burgen der Barone selbst vorsang, den er-
worbenen Lohn dagegen seinem Kloster zuwendete.
Auch die Frauen mussten der herrschenden Mode ihren Tribut zollen;
es sind uns von 17 »trobairitz« Lieder erhalten, so von Beatrix, Gräfin von
Dia, Castellosa von Mairona und Maria von Ventadorn, während uns
von einigen weiteren wenigstens die Namen erhalten sind. Ja wir kennen zwei
Fälle, wo Mann und Frau gleichzeitig sich dichterisch bethätigen: Raimon
von Miraval nebst Gaudairenca sowie Hugolin von Forcalquier und
Blanchemain. Auch sonst gab es Familien, in denen mehrere Mitglieder,
sei CS zu gleicher Zeit, sei es durch verschiedene Generationen hindurch sich
in jener Kunst auszeichneten.
20. So mannichfaltig, wie die Herkunft der Dichter, waren auch deren
Schicksale. Im allgemeinen waren die Trobadors hoch angesehen und durften
überall eines ehrenvollen Empfanges sicher sein. Eine Reihe der vornehmsten
Fürsten jener Zeit wetteiferten mit einander in der Begünstigung der Dicht-
kunst und ihrer Vertreter, so im Lande selbst Eleonore von Poitou,
spätere Gemahlin Ludwigs VIL von Frankreich und dann Heinrichs IL von
England, sowie deren Sohn, König Richard Löwenherz, namentlich aber
die Grafen von Toulouse (Raimon V. — VII.), von der Provence (Alfons II.,
Raimon Berengier III., IV., V. und Karl I.) und von Rodes (Hugo II., Hein-
rich I. und IL), die Vizgrafen Barral von Marseille, Raimon IL von
Turcnne und Roger IL von Beziers, die Vizgräfin Ermengarde von
Narbonne, Robert, Delphin von Auvergne, endlich Wilhelm VIII.
von Montpellier und viele andere. Unter den fremden Fürsten verdienen
in erster Linie die auf der pyrenäischen Halbinsel genannt zu werden,
vor allen die Könige von Aragon (Alfons IL, Peter IL und Jakob L), von
Castilien (Alfons VIII. ), von Navarra (Sancho der Starke) und von Leon
(Alfons IX.); in Italien die Markgrafen von Monferrat (Bonifaz IL und
Wilhelm IV.) und von Este (Azzo VIL, Obizzo IL, Azzo VIII.) sowie Grat
Alemanni, ein genuesischer Staatsmann; von den übrigen noch der deutsche
Kaiser Friedrich IL, Emmerich, König von Ungarn, Graf Heinrich
von Malta, u. a. Einzelne Trobadors, so vor allem Bertran von Born,
Bernart von Ventadorn, Giraut von Bornelh, Peire Rotgier und Rai-
mon von Miraval verkehrten mit mehreren dieser Mäcene auf geradezu
freundschaftlichem Fusse, andere wurden mit Würden und Geschenken reich
bedacht. Etwa ein halbes Dutzend derselben, darunter solche ganz niedriger
Abkunft, wurden ihrer vortrefflichen Leistungen wegen in den Ritterstand er-
hoben, einzelne, z. B. Raimbaut von Vaqueiras, erhielten sogar obenein
ausgedehnten Grundbesitz geschenkt. Überhaupt galt Freigebigkeit gegen die
Dichter als eines der vornehmsten Attribute eines hochgestellten Mannes (der
Delphin von Auvergne soll dadurch die HäKte seines Besitzes vergeudet
haben), und die Beschenkten sorgten bestens dafür, dass besondere Bethäti-
gungen jener Tugend stets öffentlich in das gehörige Licht gesetzt wurden,
um zur Nachahmung anzuspornen. Schon hieraus ergiebt sich, dass das Ge-
werbe eines Dichters recht einträglich war, und dies wird uns auch durch
verschiedene Nachrichten bestätigt. So hören wir, dass Albertet durch
seine Kunst reich wurde, dass Giraut von Bornelh seinen armen Verwandten
2*
2 0 LriTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 2. PrOV. LlTT.
und der Kirche seines Heimatsortes erhebliche Geschenke zukommen Hess,
dass Peire Vi dal sich mehrere Diener hielt. Auch daraus, dass habsüchtige
Barone mehrfach einen Joglar seiner Habe berauben liessen, darf man folgern,
dass letztere zuweilen ganz beträchtlich gewesen sein muss. Aber im allge-
meinen scheint das Ansammeln von Besitztümern trotz der erheblichen Ein-
nahmen dem leichten Sinn der Dichter jener Zeit nicht zugesagt zu haben,
vielmehr- haben sie offenbar den schnell erworbenen Gewinn meist eben-
so schnell wieder verschwendet. Von einigen wird uns ausdrücklich be-
richtet, dass sie Schlemmer, Trinker und selbst Spieler gewesen seien, ja
Guilhem Figueira mied im Gegensatz zu der Mehrzahl seiner Standesge-
nossen den Umgang mit den besseren Ständen und suchte mit Vorliebe die
niedrigsten Wirtshäuser auf, wo er mit allerlei liederlichem Volk verkehrte.
Während nun dieser und andere ihm ähnliche in allgemeiner Verachtung
standen, hören wir von einigen, wie Marcabrun und Guilhem Rainols,
dass sie ihrer bösen Zunge und ihrer beissenden Spottgedichte wegen weit
und breit gefürchtet wurden.
Ein fast allen gemeinsamer Zug ist ein lebhafter Trieb zum Wandern,
und zwar beschränkten sie sich hierbei keineswegs auf das provenzalische
Sprachgebiet, sondern zogen auch nach weit entfernten Gegenden. Die be-
vorzugten Länder waren natürlich Spanien und Italien, besonders die nördlichen
Teile dieser Länder, aber auch England, Frankreich, die Balkanhalbinsel, Malta,
Cypern und Ungarn wurden von einzelnen derselben aufgesucht; von Elias
Cairel heisst es sogar, dass er den grössten Teil der bewohnten (wohl -=
bekannten) Erde durchstreift habe, während umgekehrt von Albertet Calha
der Biograph desselben, offenbar als einen höchst auffallenden Zug, hervor-
hebt, dass er nie seine »Gegend«, also seine engere Heimat, verlassen habe.
Aber ihr Leben war nicht nur der Liebe und dem Vergnügen gewidmet,
auch an allen öffentlichen Angelegenheiten nahmen sie regen Anteil und
sprachen sich in ihren Gedichten oft freimütig, selbst leidenschaftlich über
die ihre Zeit bewegenden politischen, religiösen und sozialen Fragen aus.
Hierbei wurde ihren Worten so viel Gewicht zugeschrieben, dass manche
mächtige Parteigänger oder Machthaber sich lebhaft um eine derartige mora-
lische Unterstützung bemühten. So erhoben mehrere von ihnen ihre Stimme
zu Gunsten der Kreuzzüge, manche zogen selbst mit ins gelobte Land, z. B.
Girant von Bornelh, der unter Richard Löwenherz die Belagerung von Accon
mitmachte und dann noch ein Jahr lang bei dem Fürsten Boemund IIL von
Antiochia blieb; ja einzelne, wie Jaufre Rudel und Pons von Capduelh,
fanden in Palästina ihren Tod. Bemerkenswert ist endlich die nicht uner-
hebliche Zahl derer, welche in den späteren Jahren in ein Kloster eintraten.
Dies leichtlebige, warm fühlende Völkchen empfand eben die unausbleiblichen
Bitterkeiten und Enttäuschungen des Lebens doppelt schmerzlich. So suchten
Bernart von Ventadorn, Bertran von Born, Perdigon und Raimon
von Miraval Zuflucht bei den Cisterziensern, Peire Rotgier und Guilhem
Azemar in dem Orden von Granmon, Elias von Barjol bei den Benedik-
tinern, Uc Brunenc bei den Karthäusern, bei noch anderen Orden Peire von
Alvernhe, Cadenet,PeireGuilhem von Toulouse undGuilhemMagret.
Den überraschendsten Lebenslauf hatte Folquet von Marseille, der eben-
falls Cisterzienser wurde. Während nämlich die andern Trobadors in den von
ihnen gewählten Klöstern ihr Leben beschlossen, wurde er zunächst Abt von
Torondet, hierauf Bischof von Toulouse und zeichnete sich als solcher durch
seine grausame Ausrottung der Albigenser so sehr aus, dass er später heilig
gesprochen wurde.
Aus allen den angeführten Thatsachen erkennt man, dass die Trobadors
Lyrik: Kunstmässige. Weltuche Lyrik. Die Dicht arten. 21
innerhalb der damaligen Gesellschaftskreise ein höchst charakteristisches und
cinflussreiches Element bildeten.
Diez, Leben und Werke der Troubadours, Zwickau 1829. Zweite
Aufl. von K. Bartsch, Leipzig 1882; Milä y Fontanals, De los tro-
vadores en Espana, Barcelona 1861 und 1889; Balaguer, Historia
politica y literaria de los trovadores. 6 B. Madrid l877 80; P. Meyer,
Les troubadours ä la cour des comtes de Toulouse, in Hist. generale de
Languedoc 6*. 440 — 8 ; A. Thomas, Francesco da Barberino et la lüt.
prov. en Italic ati moyen-age . Paris 1884; O. Schultz, Die Lebens-
verhältnisse der italienischen Trobadors, Ztschr. ", 177—235; 8,406 — 7;
D e r s. , Zu den LebensverJiältnissen einiger Trobadors , Ztschr. 8, 1 16 - 3Ö ;
T. Casini, I trovatori nella Marca Trevigiana, Bologna 1885 (aus
Profnignatore 188^) ; S a r t o r i , Trovatori provemali alla corte dei mar-
chesi in Este, Este 1 889 ; Bartsch, Guiraut Riquier, Arch. 1 6, 137 — 47;
Ders. , Garin der Braune, Jahrb. 3, 399-409; Ders. , Guillem von
Berguedan, Jahrb, 6. 231— 78 und 8, 126—7; Hans B ischo f f. iffw-
graphie des Troub. Bernhard von Ventadorn, Berlin 1873 (Gott. Diss.);
H. Suchier, Der Troub. Marcabrun, Jahrb. 14. 119 -60 ; 273— 3 lO;
R. Meyer, Das Leben des Troub. Gaucelm Faidit, Diss. Heidelberg
1876; K. Hopf, Bonifaz von Alonf errat und der Troub. Rambaut de
Vaqueiras, Berlin 1877; H. Pratsch, Biographie des Troub. Folquet
von Marseille, Diss Göttingen l879; E. Beschnidt, Die Biographie
des Trab. Guillem de Capestaing, Diss. Marb. l879; L- Cledat, Du
rble historique de Bertrand de Born, Paris 1879; M. Sachse, über
das Leben und die Lieder des Troub. Wilhelm IX, Graf von Poitou,
Diss. Leipzig 1880 ; A. Rohleder, Zu Zorzi's Gedichten, Diss. Halle
1885; C. Merkel, Manfredi I. e Manfredi II. Lancia, Torino 1886;
S. Schopf, Beiträge zur Biographie und Chrotwlogie der Lieder des
Troub. Peire Vidal, Diss. Kiel 1887; Carducci, Jaufrc Rudel, Bo-
logna 1888; V. Crescini, Appunti su Jaitfre Rudel, Padova 1890;
Zenker, Zu Guilhem Ademar , Eble dUisel und Cercalmon , Ztschr.
13. 294— 300 ; C. Merkel, Sordello e la sua dimora presso Carlo I.
dAngib, Torino 1890; V. Crescini, Azalais dAltier, Ztschr, 14, 128
— 32; Appel , Zu Guillem Ademar, Grimoart Gausmar und Guillem
Gasmar, Ztschr. 14, 160— 8; Jeanroy, Sur la tengon Gar vei fenir
(Gtälhalmi und Cercalmon), Rom. 19, 394— 402.
ft. DIE DICHTARTEN. •
2 1. Es ist nicht ganz leicht, die Dichtungen der Trobadors genau zu
klassifizieren und den Unterschied der einzelnen Gattungen sicher festzustellen,
da eine zeitgenössische Poetik nicht erhalten ist, und die Unterschiede von
den Dichtern selbst nicht immer streng beobachtet, einzeln wohl nicht ein-
mal genau gekannt worden sind. Die charakteristischen Merkmale der Arten
beziehen sich manchmal auf den Inhalt, manchmal auf die Form, zuweilen
auf beide zugleich. Das letztere z. ß. ist der Fall bei dem Vers und der
' Die wichtigsten Sammelausgaben sind : Raynouard, Choix des poesies originales
des troubadours, 6 B. Paris 1816— 21, und Lexique roman Paris 1838. B. I; (Roche-
gude), Parnasse occitanien, Toulouse 18 19; Mahn, Die Werke der Troubadours in pro-
venzalischer Sprache. Lyrik, 4 B. Berlin 1846 — 86; Ders , Gedichte der Troubadours, treu
nach den Handschriften herausgegeben, 4 B. Berlin 1856 — 73; P. Meyer, Anciennes poesies
religieuses en langue d'oc, Paris 1860 und Les derniers troubadours de la Provence, Paris
1871 ; Azais, Les troubadours de Beziers, 2« ed., Beziers 1869; Chabaneau, Poesies in-
cdites des Troubadours du Pcrigord, Paris 1885; O. Schultz, Die provenzalischen Dichte-
rinnen, Altenburg 1888; Appel, Provenzalische Inedita, Leipzig 1890. Chabaneau.
V aria provittcialia, textes provengaux etc. Paris 1889 (Aus Rev. des 1. r. 32, 550 — 80 und
33, 106 — 22), zum Teil identisch mit Appel; C. Appel, Poesies provengales inidites tirees
des manuscrits d' Italic, Rev. des 1. r. 34, 5—35; P. Rajna, Un frammento di un codice
perduto di poesie provenzali, Studj di fil. rom. 5, 1 -64; Chabaneau, Fragment d'un
Chansonnier provenfal, Rev. des 1. r. 5 I 88—94. Dazu kommen die diplomatischen Ab-
drücke mehrerer Liederhandschriften (Arch. 32, 389 — 423; 33. 288— 341 u- 407-66; 34.
141—202 u. 368 - 438; 3n, 84- 1 10 u. 363-463; 36. 379 -455; 49, 53-88 u. 283 - 324;
50, 241 — 84; 51, 1-32; 129-52 u. 241 80; Studj di fil. rom. tasc. 7—9 und 14).
2 2 LrrXERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PkOV. LiTT.
Canzone (chanzon), die einander sehr nahe stehen und in späterer Zeit
auch nicht mehr sorgfaltig auseinander gehalten wurden. In formeller Be-
ziehung sollte der Vers ursprünglich ausschliesslich männliche Reime und
achtsilbige Zeilen, eine beliebige Zahl von Strophen, dazu eine einfache,
getragene Melodie aufweisen, während die Canzone männliche und weibliche
Reime, sowie längere und kürzere Zeilen kunstvoller mischen, auch die Me-
lodie musikalisch reicher gliedern konnte, dagegen hinsichtlich der Zahl der
Strophen auf 5 bis 7 beschränkt war. Was den Inhalt betrifft, so behandeln
beide, besonders die Canzone, vorwiegend die Liebe, seltener andere Gegen-
stände, z. B. der Vers solche der Moral oder der Politik, die Canzone das Lob
eines Gönners, die Verherrlichung der h. Jungfrau oder andre religiöse Stoffe.
Die chansoneta unterschied sich, wie es scheint, nicht von der Canzone,
die Halbcanzone (mieia chanson) nur durch die geringere Strophenzahl.
Der Vers als die einfachere der beiden Liederarten ist auch die ältere;
in den Biographien des Marcabrun und des Peire von Alvernhe wird ausdrück-
lich hervorgehoben, dass man zu deren Lebzeiten noch nicht von Canzonen,
sondern nur von Versen gesprochen habe. In der That verwenden die frühe-
sten Trobadors, wenn sie ihre Lieder benennen, fast ausschliesslich letzteren
Ausdruck; ersterer findet sich zuerst, und zwar ganz vereinzelt, bei Raimbaut
von Aurenga (3, 4); von einer »chansoneta« reden je ein Mal Wilhelm von
Poitou (6, i) und Marcabrun (6,49), während z. B. Jaufre Rudel und Bernart
von Ventadorn, die Verfasser so schwärmerischer Liebeslieder, nur die Be-
zeichnung »Vers« kennen.
22. Das Sirventes (auch sirventesc, -a) steht inhaltlich (nicht formell)
in schroffem Gegensatz zu der Canzone, da es die Liebe ausschliesst, alle
andern Stoffe dagegen zulässt. Der Name ist von sirven »Diener« abgeleitet,
bedeutet daher eigentlich Dienstgedicht, nämlich ein solches, das im Dienste,
resp. von den Dienern oder für die Diener, d. h. Hofdichter, eines Herrn
verfasst worden war (nach anderen ein solches, das in Betreff der Melodie von
einem andern Gedichte abhängig ist, gleichsam in dessen Diensten steht). Es ist
meist ein Lob- oder ein Rügelied und behandelt entweder öffentliche oder private
Angelegenheiten und Fragen. Man kann die Sirventese in drei Gruppen einteilen,
die moralischen oder religiösen, die politischen und die persönlichen.
Die zu der ersten Gruppe gehörigen (Hauptvertreter Giraut von Bornelh)
geben teils allgemeine Vorschriften und Ratschläge in Betreff eines sittlich reinen
Lebenswandels, warnen vor den Folgen der Sünde oder weisen auf den Ernst der
Todesstunde hin, teils klagen sie über die Verschlimmerung der Zeiten, be-
sonders den Verfall des Rittertums und der durch dieses gepflegten Tugenden,
teils endlich wenden sie sich gegen die Verirrungen und Fehler einzelner
Stände, so gegen die Uneinigkeit der Fürsten, gegen die Knickerei, die Streit-
sucht und Ungastlichkeit der Vornehmen, gegen manche unangenehmen Eigen-
schaften der Spielleute, gegen die Verschwendungssucht, Falschheit und Sinn-
lichkeit der Frauen, gegen die Verirrungen im ehelichen Leben und ähnliche
Misstände. Namentlich aber waren die Verhältnisse der Kirche ein Gegenstand
häufiger Angriffe, und mit unerhörter Hefligkeit, ja Rücksichtslosigkeit wurden
von einigen Dichtern, namentlich von Peire Cardinal und Guilhem Fi-
gueira, die der Geistlichkeit und ihrem Haupte anhaftenden Laster ange-
griffen, webei die von denselben , namentlich in den Albigcnserkricgen, be-
gangenen oder veranlassten Grausamkeiten und Verbrechen schonungslos an
den Pranger gestellt wurden. Zu dieser ersten Gruppe gehören auch die
Kreuzlieder, die also verfasst wurden, um die Begeisterung für die Befreiung
des heiligen Landes anzufachen und die oft den Entschluss des Verfassers aus-
drückten, sich selbst an dem Unternehmen zu beteiligen. Mehrere der aus-
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche Lyrik. Die Dichtarten. 23
gezeichnetsten Trobadors, wie Marcabrun, Jaufre Rudel, Peire von Al-
vernhe, Girant von Bornelh,Pons von Capduelh, Guilhem Figueira,
vor allen Peirol, haben dieser Sache ihre Hülfe geliehen. — Endlich sind
auch diejenigen Gedichte hierher zu rechnen, in welchen der Verfasser (be-
sonders liebt dies der Mönch von Montaudon) sein Misfallen über ge-
wisse Verhältnisse und Zustände zu erkennen giebt und denen die Proven-
zalen, weil der Ausdruck »enoiar« so oft in ihnen erscheint, den Namen
Enueg gegeben haben; seltener sind diejenigen, in denen der Dichter um-
gekehrt lobt, was ihm gefallt, woran er daher seine Freude hat.
Die politischen Sirventese sind Streitgedichte, durch welche die Tro-
badors in den Kämpfen ihrer Zeit sehr lebhaft Partei ergriffen und den Gegner
ihrer oder der von ihnen gewählten Sache mit unbarmherziger Schärfe bloss-
stellten. Besonders erregten die Kriege zwischen den englischen Königen,
ihren Landesherrn, und den Franzosen, sowie zwischen letzteren und den
Beschützern der Albigenser ihre Teilnahme, und fast ohne Ausnahme sehen
wir die Trobadors auf der Seite der »Ketzer« ; ihre Gedichte atmen einen
glühenden Hass gegen die französischen Eindringlinge und tiefe Trauer über
die Verwüstung ihrer schönen Heimat. Aber kaum minder interessierten sie
sich auch für andre Angelegenheiten, nicht nur die fortwährenden Streitig-
keiten der einheimischen Fürsten, sondern auch fremder Staaten, so die der
italienischen Städte, sei es unter einander oder mit dem Kaiser, die der
spanischen Fürsten mit denen der appeninischen Halbinsel u. a. Auf dem
Gebiete des politischen Sirventeses nimmt Bertran von Born, der Freund
der Söhne Heinrichs IL von England, durch die Zahl und den Wert seiner
Lieder bei weitem den ersten Platz ein.
Die persönlichen Sirventese endlich beziehen sich auf private Vor-
gänge und Verhältnisse aller Art. Oft dienten sie den Verfassern als will-
kommene und meist auch höchst wirksame Waffe, wenn in einem Streite
oder Zwiste die überlegene Macht des Gegners die Anwendung der Gewalt
unmöglich erscheinen liess. Aber auch sonst wurde dies Kampfmittel gern
und oft verwandt. Wir besitzen eine Menge von Spott- und Schmähgedichten,
die gegen einzelne Personen oder auch einen ganzen Stand gerichtet sind; so
eins von Peire von Alvernhe und ein andres in Nachahmung des vorigen
von dem Mönch von Montaudon verfasstes, die eine boshafte Kritik der
hervorragendsten zeitgenössischen Trobadors enthalten, so solche über die
Bauern oder über die Jogiars im allgemeinen, auch solche, in denen ein
einzelner Spielmann von einem Trobador, den er um ein Sirventes gebeten,
in humoristisch-satirischer Weise verspottet wird; letztere wurden sirventes
joglaresc genannt. Ja es kam vor, dass über irgend eine Streitfrage oder
ein privates Erlebnis, namentlich komischer Art, zwischen zwei Dichtern ein
Austausch von Sirventesen stattfand, in denen sie sich, sei es in ernsthaftem,
sei es in scherzendem Ton, über das Erlebnis oder die Frage unterhielten.
Nicht selten wurden für den gleichen Zweck auch satirische Coblen ver-
wandt, also gewissermassen einstrophige Sirventese, sowohl zu einseitigen
Angriffen als auch zu witzigen Redetournieren oder zum Gedankenaustausch
über irgend welche Geschehnisse oder beabsichtigte Handlungen.
Wie man sich denken kann, war die Verfertigung derartiger Spott-,
Schmäh- und Rügelieder keineswegs immer gefahrlos, besonders wenn die
Angegriffenen mächtig oder einflussreich und dabei rachsüchtig waren. In
der That hat mancher Trobador seinen Freimut schwer büssen müssen.
Zu den persönlichen Sirventesen gehören auch die Klagelieder (planh,
später complancha), die meist durch den Tod einer hochstehenden oder be-
freundeten Persönlichkeit, doch auch durch andre Anlässe, wie Gefangen-
2 4 LtlTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LiTT.
nähme u. dgl., hervorgerufen wurden. So hat der Heimgang vieler der oben
(§ 20) genannten Gönner der Dichtkunst, auch der Ludwigs des Heiligen
von Frankreich und andrer Fürsten, daneben der der Geliebten oder eines
Freundes derartige Lieder veranlasst, während sonderbarer Weise der eines
Trobadors selten oder nie dessen Standesgenossen dichterisch angeregt hat.
Diese Lieder haben oft hohen poetischen Wert, da sie meist der ungekünstelte
Ausdruck eines warm empfundenen Schmerzes sind. Auch die Form ist der
Regel nach schlicht und würdevoll; es wurden fast ausschliesslich längere
Verse, meist Zehnsilbler, verwandt, und reichere metrische Gliederung ward
der Regel nach vermieden.
Obwohl nun, wie gesagt, die Sirvcntese sich von den Canzonen scharf
unterschieden, so ist doch von einigen Dichtern der Versuch gemacht worden,
beide Gattungen zu verschmelzen. In derartigen Liedern, die man Sirventes-
Canzoncn nennt, überwiegt entweder das eine oder das andere Element.
Peire Vidal ist derjenige, der am häufigsten in seine Liebeslieder, und zwar
meist am Schluss, einzelne Strophen eingefügt hat, welche moralische, poli-
tische oder persönliche Gegenstände behandeln; ebenso schliessen zwei von
Jaufre Rudels Canzonen als Kreuzlieder. Umgekehrt fügen Bertran von
Born, Vater und Sohn, sowie einige andere ihren Sirventesen nicht selten
eine oder mehrere Strophen an, welche dem Preise der Geliebten gewidmet
sind. Wird schon hierdurch die künstlerische Einheit stark gefährdet, so geht
sie völlig verloren, wenn die Gegenstände, wie dies einmal bei Peire Vidal
geschieht, von Strophe zu Strophe wechseln, oder wenn Bernart Arnaut
von Monte uc sogar bei den einzelnen Strophen in der ersten Hälfte immer
seiner Lust an Kampf und Krieg, in der zweiten seiner Liebe Ausdruck ver-
leiht. — Endlich ist noch zu bemerken, dass es auch sogenannte Halb-
Sirventcse gab, welche also nur halb so lang waren, wie die andern.
S c li i n d 1 e r , Die Kreuzzüge in der altprovenzalischen und millel-
hochdeutschen Lyrik, Dresden l88y. — Fr. Witthoeft, Sirventes
joglaresc. Ein Blick auf das altfranzdsisclie Spielmannsleben, Marburg
1891.
23. Die Tenzone, die dritte der hauptsächlichsten Dichtungsarten,
ist in formeller Hinsicht ein durchaus selbständiges und eigenartiges Erzeug-
nis der provenzalischen Litteratur. Wie nämlich schon ihr Name andeutet
(tenzon geht zurück auf tentionevi »Streit« , eine Ableitung von tentus, Part.
Prät. von tendere »sich anstrengen, streiten«), hat sie dialogische Form und
verdankt ihren Ursprung vielleicht dem auch bei mehreren anderen Völkern
verbreiteten Brauche des improvisierten Wettgesanges, bei welchem in einer
Art von poetischem Tournier ein Dichter einem anderen eine Strophe zusang,
die dieser alsbald in entsprechender metrischer Form und nach der gleichen
Melodie beantwortete. Auch in der Tenzone wechseln der Regel nach Rede
und Gegenrede von Strophe zu Strophe, wobei die zusammengehörenden
Strophen sich in Bezug auf metrischen Bau und Reim gleichen ; selten kommt
es vor, dass der Wechsel der Rede innerhalb der Strophen stattfindet oder
dass jeder der Redenden mehrere Strophen hindurch das Wort behält. Die
Tenzonen stammen in der bei weitem überwiegenden Zahl von zwei ver-
schiedenen Verfassern, die der Regel nach auch örtlich beisammen waren;
wenige Gedichte dieser Art sind so zu Stande gekommen, dass die Verfasser
sich die Strophen abwechselnd übersandten. Nach ihrem Inhalte zerfallen die
Tenzonen in zwei Gruppen, solche, welche eine Disputation über eine Streit-
frage und solche , welche einen wirklichen Streit in dichterischer Form,
einen dialogischen Redekampf enthalten. Die Gedichte der letzteren Gattung,
welche die älteste, daher längere Zeit hindurch die einzige war , beziehen
sich inhaltlich meist auf persönliche Zustände oder Verhältnisse, besonders
LVRIK.: KUNSTiMÄSSlGE. WüLTUCHE LyRIK. DiE DiCHTARTEN. 25
auf gewisse Eigenschaften, Fehler oder auf Liebesangelegenheiten, dumme
Streiche oder sonstige Thaten und Erlebnisse der Verfasser, doch finden sich auch
Gespräche über allgemeine Fragen; z. B. verhandelt der Mönch von Mon-
taudon mit Gott über das Schminken der Weiber, Giraut von Bornelh
mit Linhaure über das sogenannte »trobar clus« u. ä. Wie schon aus diesen
Beispielen hervorgeht, kommen, allerdings selten, auch solche vor, in denen
der Interlocutor eine fingierte Person, wie Gott, die Minne, eine beliebige
Dame oder ein Tier, z. B. ein Pferd, eine Schwalbe, ja selbst ein Mantel
oder ein anderes lebloses Wesen ist, die daher auch nicht, wie die übrigen,
zwei verschiedene Verfasser haben, sondern nur einen; seltenerfindet das Ge-
spräch zwischen mehr als zwei Dichtern statt und wird dann »torneiamen«
genannt. Der Ton, in welchem die Tenzonen dieser Art gehalten sind, ist
zuweilen ein wohlwollender und freundlicher, häufiger jedoch ein neckender
und scherzender, nicht selten sogar ein spottender und selbst beissender.
Letztere Gattung berührt sich daher sehr nahe mit den in § 22 erwähnten
Coblen und Sirventesen, welche zwei Dichter unter einander austauschten.
In den Gedichten der anderen der beiden oben aufgestellten Gruppen
legt der Herausforderer in der ersten Strophe dem Gegner zwei Sätze zur
Auswahl resp. zur Verteidigung vor, vertritt selbst den von jenem nicht ge-
wählten, und nun führen die beiden Gegner abwechselnd strophenweise ihre
Gründe für die Richtigkeit der von ihnen vertretenen Ansicht vor. Seltener
beträgt die Zahl der vorgeschlagenen Ansichten drei oder sogar vier, in wel-
chem Falle sich natürlich der Regel nach ebenso viele Dichter an der Dis-
putation beteiligen ; nur in zwei Fällen ist eine dreiteilige Frage von zwei
Dichtern diskutiert worden. Jene zur Wahl gestellte zwei- oder mehrgliedrige
Frage hiess joc partit^ d. h. »ausgeteiltes Spiel«, auch wohl partimen, seltener
partida, partia, und in späterer Zeit übertrug man diese Bezeichnungen auch
auf die Gedichte selbst, welche derartige Streitfragen behandelten. Die Ten-
zonen dieser zweiten Gattung scheinen erst nach 1180 aufgekommen zu sein,
ihre Entstehung ist wahrscheinlich auf eine Sitte zurück zu führen, die von
Alters her als eine Übung des Witzes sehr beliebt war und die darin bestand,
dass in Gesellschaften die Mitglieder sich gegenseitig mehrgliedrige Fragen
zur Auswahl vorlegten, welche dem Herausforderer gegenüber verteidigt werden
mussten. Die in diesen Tenzonen behandelten Gegenstände beziehen sich
in den weitaus meisten Fällen auf das Gebiet der Liebe und waren oft von
der spitzfindigsten Art, z. B. ist es richtiger, lange ein und derselben Dame
zu dienen oder öfter die Geliebte zu wechseln? Was ist leichter zu ertragen,
der Tod oder der Verrat der Geliebten? Ist die Liebe zu einer Dame
grösser, ehe sie sich ganz ergeben oder nachher? Wer verdient mehr Liebe,
ein vornehmer Baron mit mangelhaftem C^harakter oder ein armer Mann von
niedriger Geburt, aber edler Gesinnung? Zuweilen wurden die Fragen durch
eine Erzählung eingeleitet, z. B. Zwei Liebhaber begegneten auf dem Wege
zu ihren Damen verirrten Rittern; der eine kehrte um, um jenen Gastfreund-
schaft zu gewähren, der andere eilte weiter zu seiner Dame; wer von beiden
hat recht gehandelt? Von den nicht die Liebe betreffenden Gegenständen
lag besonders die Freigebigkeit den Trobadors am Herzen, demnächst Fragen
über den Wert des Wissens, des Ruhmes oder des Reichtums, auch über die
Vorzüge einzelner Völker oder Stände, über persönliche Verhältnisse und
selbst moralische Probleme. Die Verteidigung seiner Ansicht gab dann jedem
Dichter Gelegenheit, möglichst viel Geist, Witz, Scharfsinn und dialektische
Gewandtheit an den Tag zu legen, ja selbst die Sophistik wurde dabei nicht
verschmäht. Als Beweismittel wurden Aussprüche der Bibel oder berühmter
Männer oder anderer Autoritäten, auch Sentenzen, Sprichwörter, Beispiele
2 0 LlTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 2, PrOV, LlTl'.
aus der Geschichte und Sage, ja sogar Vorgänge des täglichen Lebens heran-
gezogen.
Die Entscheidung über den Streit fiel sehr verschieden aus. Selten er-
klärte sich der eine der Disputanten für besiegt durch die Gründe des Geg-
ners; oft wurde die Frage überhaupt nicht entschieden; in anderen Fällen
kamen beide überein, die Sache dem Urteil eines oder mehrerer Schiedsrichter,
Männern oder Frauen, zu unterbreiten, die dann gewöhnlich auch mit Namen
genannt werden und denen man damit eine Ehre zu erweisen beabsichtigte;
ja in einigen wenigen Beispielen ist uns sogar das Urteil selbst erhalten, das
in Bezug auf die metrische Form mit den Strophen der Tenzonc überein-
stimmen musste.
K n o b i o c h , Die Streitgedickte im Provenzalischen tittd AUfran-
zösischen, Diss. Breslau 1886; Selhach, Das Streitgedicht in der alt-
provenzalischen Lyrik etc. Marburg 1886, erweitert in Ausg. und At)h.
No. 57; Zenker, Die provenzalische Tenzone, Leipzig 1888 (auch
Erlanger Diss.); Jeanroy, La tenson provengale, Annales du Midi
2, 281 -.304; 441 — 62.
24. Einige Liederarten zeigen Spuren volkstümlichen Ursprunges, be-
sonders in dem fast allen gemeinsamen Kehrreim. Dahin ist zuerst die
Romanze zu rechnen (moderne Bezeichnung, die Provenzalen schieden sie
nicht von dem Vers), die kunstmässige Umgestaltung der oben (^ 15) be-
sprochenen volkstümlichen Dichtungen, welche in den wenigen uns erhaltenen
Beispielen allerdings den Refrain nicht aufweisen. Wie ihre volkstümliche
Schwester hat die Romanze inhaltlich einen stark epischen Charakter ; der
Dichter tritt meist redend auf und berichtet über etwas selbst Erlebtes, ge-
wöhnlich ein Zusammentreffen mit einer Dame oder einem Mädchen. Eine
Unterart dieser Gattung bildet die Pastorelle (pastorela, -eta), die daher
ihren Namen hat, dass die Heldin eine Schäferin ist. Ihr meist in dialogi-
scher Form vorgeführter Inhalt besteht gewöhnlich in einem Liebesabenteuer
des Dichters, der sich meistens als Ritter einführt, mit dieser Heldin, um
deren Gunst er mit mehr oder weniger Erfolg wirbt, seltener in anderen
Vorkommnissen aus dem Leben der Hirten. Cercamon soll nach der
Lebensnachricht Pastorellen a la usanza aniiga, also wahrscheinlich in volks-
mässiger Art, verfasst haben , die jedoch verloren gegangen sind. Erhalten
sind uns 30 Gedichte dieser Art, unter denen die im 13. Jahrh. entstandenen
mehr oder minder deutliche Anzeichen einer Beeinflussung durch die fran-
zösischen Pastorellen an sich tragen. Die Leys d'amors nennen noch einige
Spielarten, wie vaquiera, porquiera, auquiera, cabriera u. s. w., in
denen also eine Kuh-, Schweine-, Gänse-, Ziegen- u. s. w. Hirtin erscheint,
doch ist uns nur von der zuerst genannten Gattung ein Beispiel erhalten. —
Die Alba, das Tagelied, wurde so benannt, weil das Wort alba (Morgen-
röte) im Refrain vorkam, und zwar meist am Schluss, doch auch am Anfang
oder in der Mitte des Verses. Es handelt sich in diesen Liedern immer um
ein Liebespaar, das nach wonnig verbrachter Nacht sich zur Trennung ge-
zwungen sieht. In einigen wird der Wächter redend eingeführt, der den
Anbruch des Morgens verkündet; einzeln thut dies ein Freund, der daran
die Mahnung zum Aufbruch knüpft. In andern hören wir den Lieb-
haber oder die Dame (seltener beide im Zwiegespräch) beim Weckruf
des Wächters über den bevorstehenden Abschied klagen. Später wurden
auch Tagelieder religiösen Inhalts verfasst (§ 32). Das Gegenstück, die
Serena, ist, wie es scheint, von Guiraut Riquier erfunden, jedenfalls
stammt von diesem das einzige uns bekannt gewordene (iedicht dieser Art;
der Verfasser erzählt dort von einem Liebenden, der den Abend herbeisehnt,
welcher ihn mit seiner Dame vereinigen soll. Im Refrain kehrt immer das
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche Lyrik. Die Dichtarten. 27
Wort ser wieder. — Die beiden Namen Baiada und Dansa sind Ablei-
tungen der Verba balar und dansar, welche zwei verschiedene Arten des
Tanzes bezeichneten. Die Tanzlieder waren also der Regel nach dazu
bestimmt, zum Tanze gesungen zu werden, wie dies noch heute bei südlichen
Völkern geschieht. Es ergiebt sich hieraus, dass es bei ihnen mehr auf die
Melodie als auf den Text ankam. Letzterer bezieht sich in beiden Gattungen
gewöhnlich auf die Liebe, die Unterschiede zwischen beiden Benennungen
werden von den späteren Provenzalen als nur formelle bezeichnet. Die Dansa
sollte nämlich aus nicht mehr als drei Strophen bestehen und eine heitere
Singweise haben, sodann sollte jeder Vers höchstens 8 Silben zählen und
der Refrain (der wohl vom Chor gesungen wurde) sowohl an der Spitze des
Ganzen als auch am Schlüsse jeder Strophe erscheinen. Die Baiada dagegen
(auch bal genannt) war in Bezug auf die Zahl der Strophen nicht beschränkt,
besass eine noch lebhaftere Melodie und verlangte Instrumentalbegleitung,
welche die Dansa nicht kannte. — Über das Wesen der Retroencha sind
wir ebenso wenig unterrichtet, wie über die Herkunft des Wortes. Es sind
uns nur etwa 6 Lieder dieser Gattung von 4 Dichtern aus später Zeit er-
halten, die sich inhaltlich nicht von Canzonen unterscheiden und die am
Schlüsse jeder Strophe Refrainzeilen aufweisen (in einem Falle je eine am
Schluss und im Innern); in früherer Zeit sind deren viele verfasst worden.
Römer, Die volkstümlichen Dichtung! arten der aüprovenzalischen
Lyrik, Marburg 1884 = Ausg. u. Abli. No. 26 (daselbst die frühere
Literatur) ; O. S c h u 1 1 z , Das Verhältnis der prozenzalischen Pastourelle
zur altfranzösischen, Ztschr. 8, lo6— 12; Stengel, Der Entivickelungs-
gang der pravenzalischen Alba, Ztschr. 9, 407 — 12 und lo, l6u— 2.
25. Von den noch übrig bleibenden, im ganzen selten vorkommen-
den Dichtarten sind einige im Grunde Canzonen, denen die Provenzalen nur
ihres scharf ausgeprägten Inhaltes wegen besondere Bezeichnungen zuerteilt
haben. Dahin gehört das Escondig (Rechtfertigung), in welchem der Dichter
die erzürnte Geliebte zu versöhnen suchte, sodann das Comjat (Abschied),
durch welches er sich, wenn sie unversöhnlich oder treulos war, von ihr los-
sagte. Auch das D esc ort (Zwiespalt) könnte man hierher rechnen, obwohl
der Name sich ursprünglich nur auf die Form bezieht. Diese Dichtgattung,
welche formell auf die lateinischen Sequenzen zurückzuführen ist, zeigt näm-
lich der Regel nach von Strophe zu Strophe einen Wechsel des Metrums
(Versart und -zahl) sowie der Melodie, ja in einem Falle (Raimbaut von
Vaqueiras) sogar der Sprache. Seltener erstreckt sich der Wechsel nicht
auf das ganze Gedicht, sondern nur auf 3 — 4 auf einander folgende Strophen
und wiederholt sich dann immer in gleicher Weise, sodass dadurch das ganze
Lied in mehrere kongruente Strophengruppen zerfallt. Inhaltlich ist das
Descort, wie gesagt, ein Minnelied, nur wurde es später, entsprechend seiner
unsymmetrischen Form, zum Ausdruck des Schmerzes über unerwiedrrte Liebe
verwandt. Ein anonymes Lied, das die Form eines Descort zeigt, neimt sein
Verfasser ein Accort, weil er mit der Liebe nicht im Zwiespalte sei. Die
Lais, welche mit den Descorts gleichen Ursprung haben und auch formell
schwer von diesen zu unterscheiden sind, waren bei den Provenzalen wenig
beliebt; es sind uns nur drei so bezeichnete Gedichte erhalten, die obenein
französischen Einfluss zu verraten scheinen.
Einige Gedichte, die ebenfalls von der Liebe handeln, benennen sich
ausschliesslich nach äusseren Merkmalen. In der Sextine, die von Arnaut
Daniel erfunden ist, wechseln in 6 Strophen 6 Reimwörter nach einer bestimmten
Reihenfolge. Ebenso wechseln in der Rundcanzone (chanson redonda) die
Reime von Strophe zu Strophe in fester Ordnung, nur werden nicht, wie dort,
in allen auch die gleichen Reimwörter verwandt. Breu-doble, also Doppelt-
2 8 I.ITTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LiTT.
kurz, nennt Guiraut Riquier eines seiner Gedichte wegen der Kürze der
darin verwandten Strophen und Verse. Originell ist ein Liebeslied des Raim-
baut von Aurenga, in welchem an jede Strophe und inhaltlich mit ihr
zusammenhängend sich ein Prosasatz anschliesst; der Dichter giebt ihm den
Namen „no so que s'es". Fremden Ursprungs ist das nur von einem auch proven-
zalisch schreibenden Italiener (Dante da Majano) gepflegte Sonett sowie das
den Franzosen entlehnte Ron deau (Redondel, afr. Reondel); höchstwahrschein-
lich auch die Estampida, afr. estampie (von dih<l,stamphjan »aufstampfen«, also
ursprünglich Tanzlied), denn das einzige uns bekannt gewordene Beispiel dieser
Art ist von Raimbaut von Vaqueiras in Nachahmung, ja sogar in der
Melodie einer von 2 französischen Jongleurs in seiner Gegenwart vorgetragenen
Estampie verfasst; dasselbe ist ein Minnelied und zeigt kurze Verse sowie einen
lebhaften Rhythmus, aber keinen Kehrreim. — Sonst ist noch zu erwähnen
das Devinalh (Rätsel), das aus lauter Sätzen besteht, welche einander wider-
sprechen oder zu widersprechen scheinen, ja oft nur Wortspiele enthalten, und
das Es tri bot, welches Sirventes-Inhalt hat, dessen unterscheidende Merkmale
wir jedoch nicht anzugeben vermögen; auch die Ausdrücke S e r m o und Prezicansa
begegnen als Bezeichnung für moralische und polititische Sirventese.
Endlich verdienen noch dieLiebesbricfe (breu,letra) genannt zu werden,
welche, weil meist keine strophische Gliederung zeigend, sondern gewöhnlich
in Reimpaare gekleidet , eigentlich nur inhaltlich, nicht auch formell in die
Lyrik gehören. Sic sind immer an eine Dame gerichtet und führen den
besondern Titel Salut, wenn sie mit einem Gruss an die Geliebte beginnen,
Domneiaire, wenn sie mit dem Worte Domna anheben und schliessen.
Es gab auch einige poetische Episteln über moralische Gegenstände.
C. Appei, Vom Descort, Ztschr. 11, 212 — 30 ; Zingarelli, Un
Descortz dt Aimeric de Pegulhan , Ferrara 1890 (Nozze Maltioli- De
Alber li)\ P. Meyer, Le salut d'amour dans les litt. prov. et f rang.
Paris 1867.
y. CHARAKTER DER MINNEDICHTUNG.
26. Die provenzalische Liebespoesie ist eine wesentlich conventionelle,
weil das Verhältnis zwischen dem Dichter und dem Gegenstand seiner Neigung
der Regel nach ein conventionelles war. Um dies klar zu machen, genügt
es, daran zu erinnern, dass die Dame fast immer, der Liebhaber wenigstens in
zahlreichen Fällen verheiratet war. In der That ist es sehr selten vorgekommen,
dass ein Trobador ein Fräulein besang, wie Gui von Uissel, Gausbert
von Puegsibot, Guiraudo der Rote und wahrscheinlich auch Jaufre
Rudel, während Elias von Barjols in seinen Liedern eine Wittwe feierte,
nämlich die Gräfin Garsenda von Forcalquier, deren Gatte auf Sizilien gestorben
war. Aber während bei der natürlichen Liebe die Ehe stets das Ziel eines
Liebesverältnisses ist, so war dies nicht einmal bei den genannten Trobadors
der Regel nach der Fall ; von Gausbert von Puegsibot allein erfahren wir, dass
die Dame seines Herzens ihn nur unter der Bedingung annehmen wollte, dass
er Ritter würde und sie heiratete, was ihm beides mit Hülfe seines Gönners
Savaric von Mauleon gelang. Ja Gui von Uissel, welchem von Gidas de Mondas
die Wahl gelassen wurde, ob er ihr Buhle oder ihr Gatte werden wolle, ent-
schied sich für das erstere, und sie heiratete auch wirklich einen andern.
Die Ehe war aber nicht nur nicht das Ziel einer Trobador-Liebschaft,
sondern sie stand sogar in sofern in einem gewissen Gegensatz zu dieser, als
ein derartiges Verhältnis unter Ehegatten als einfach lächerlich, als geradezu
unmöglich angesehen wurde. Es kam ebenso wenig vor, dass die Trobairitz,
die sämtlich vorheiratet waren, ihre Gatten besangen, wie dass die verheirateten
Lyrik: Kunstmassige. Weltliche Lyrik. Charakter d. Minnedichtung. 29
Trobadors ihre Frauen feierten, obwohl einige derselben, wie Guilhem de la
Tor u. a. , die ihrige zärtlich liebten. Das eheliche Verhältnis, sei es das
eigne oder ein fremdes, wurde durch eine derartige Liebschaft nach damaliger
Auffassung eben gar nicht berührt, sodass z. B. vornehme Frauen die Huldigungen
eines Dichters wie Gaucelm Faidit freundlich entgegennahmen, obwohl dieser
eine gemeine Strassendirne geehelicht hatte. Wie nämlich einerseits der Frauen-
dienst eins der hauptsächlichsten Erfordernisse eines Ritters war, so verlangte die
Sitte, dass jede Frau von Stand einen oder mehrere Verehrer hätte, der sie dichterisch
verherrlichte. Dichter und Dame zollten also durch das Eingehen einer der-
artigen Verbindung nur ihren Tribut an den herrschenden Brauch, und nie-
mand fand darin etwas anstössiges; ja mehrfach veranlasste der Gatte oder der
Bruder einer Dame geradezu einen Trobador, dieser den Hof zu machen, da
es jeder Frau zum Ruhm und zu Ehre gereichte, wenn sie einen hervorragenden
Dichter unter ihren Anbetern zählte. Ebenso strebten andrerseits die Trobadors
danach, mit möglichst hochstehenden Frauen, Fürstinnen und Gräfinnen, Lieb-
schaften anzufangen. Dies war so sehr die Regel, dass es von Gausbert
Amiel als etwas aufalliges hervorgehoben wird, dass er nie eine höher stehende
Dame besungen, sowie von Aimeric von Pegulhan und Uc Brunenc,
dass sie eine Bürgerfrau geliebt und gefeiert haben. So erklärt es sich denn
auch, dass die Lebensnachrichten vieler Trobadors von zahlreichen Liebschaften
erzählen, die sie, meist allerdings nach einander, anknüpften, und dass manche
Dame mehrere Verehrer, darunter auch Dichter, zu gleicher Zeit hatte.
27. Es lässt sich denken, dass ein derartiges Verhältnis, das doch der Natur
durchaus nicht entsprach, mancherlei Miss tän de im Gefolge hatte. So hören
wir z. B. von Uc von Saint Circ, dass er zu den Damen, die er pries, gar
keine Liebe gefühlt sondern nur geheuchelt habe, und ähnlich hat es sich
auch wohl bei anderen verhalten. Ebenso war es schon damals allgemein
bekannt, dass manche Dame, selbst der höchsten Kreise, einem Trobador ihre
Gunst weniger aus innerer Neigung, als zu dem Zwecke schenkte, damit er
sie besinge, d. h. wegen der Ehre, die ihr daraus erwuchs, ja dass einzelne
sogar allerlei Mittel anwandten, um einen derartigen Verehrer anzulocken, sei
es, dass sie ihm Geschenke machten, ihm Briefe schrieben, oder ihm sonst
auf jede Weise entgegenkamen. War dies gelungen, so galt es, den gewonnenen
auch dauernd zu fesseln. Die eine bemühte sich zu diesem Zwecke nach
Kräften, dem ihr gespendeten Lobe auch durch ihre Thaten zu entsprechen,
andere dagegen suchten durch Verheissungen aller Art, selbst indem sie die
höchsten Gunstbezeugungen in Aussicht stellten, ihren Wunsch zu erreichen.
Ja einzelne heuchelten , sogar nachdem sie sich einem andern Buhlen hin-
gegeben, nach wie vor Liebe zu ihrem verratenen Trobador, nur um diesen
nicht als Verkündiger ihres Ruhmes zu verlieren. Erschien es nun trotzdem
aus irgend welchen Gründen wünschenswert, einen Trobador-Liebhaber zu
verabschieden, so wurden zuweilen die listigsten Anschläge erdacht, damit er
ja nicht als Feind ginge, da die Damen immer fürchteten, dass bei einem
etwaigen offenen Bruche der erzürnte Dichter aus Rache ihnen gegenüber von
der gefahrlichen Waffe seiner Kunst Gebrauch machen und sie dadurch vor
aller Welt blossstellen möchte.
Was nun die sittliche Seite jener Liebesverhältnisse betrifft, so wurde
vorausgetzt und erwartet, dass dieselben die Schranken des Anstandes nicht
überschritten. Von mehreren Damen wird ausdrücklich berichtet, dass sie der
Bitte eines Sängers, ihm ihre Liebe zu schenken, bloss unter der Bedingung
willfahrten , dass sie ihn nur als Ritter und Diener (cavalier e servidor),
nicht aber als Buhlen (drut) annähmen. Dies schloss aber die Gewährung
gewisser Gunstbezeugungen nicht aus, ja die Grenze derselben war, wenigstens
30 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. I^ITT.
nach unseren Begriffen, ziemlich weit gezogen. Häufig kam es vor, dass die
Dame ihrem Trobador einen Ring, einen ihrer Handschuhe oder einen anderen
Teil ihrer Kleidung als Liebeszeichen schenkte, auch der Kuss galt als erlaubt,
ja es wurden manche Vertraulichkeiten gestattet, die heutzutage ganz unerhört
erscheinen würden. Dagegen war der Ehebruch auch damals verpönt, und
wenn es bekannt wurde, dass eine Frau sich einen solchen hatte zu Schulden
kommen lassen, so brachte ihr das Schande ein. Die Vizgräfin Ermengarde
von Narbonne gab dem Peire Rotgier den Abschied, weil der blosse Ver-
dacht, sie habe ihm unerlaubte Gunst gewährt, sie in einen schlimmen Ruf
gebracht hatte, und ähnlich verfuhr Alamanda von Estancs mit Giraut von
Bornelh. Manchmal schritt auch der Gatte oder der Bruder ein, wenn er
Grund zu der Annahme zu haben glaubte, dass die Ehre der Familie verletzt
worden sei; er sperrte dann die wirkliche oder vermeintliche Sündige ein oder
jagte den Dichter aus dem Hause, ja spielte diesem zuweilen noch empfind-
licher mit.
Aber wenngleich die Einhaltung der Grenze strenger Sittlichkeit gefordert,
meist auch wohl beobachtet wurde, so kamen doch auch recht häufig Über-
schreitungen vor. Vor allen Dingen begnügten sich die Trobadors selbst
gewöhnlich nicht mit der rein platonischen Liebe, sondern forderten mehr, und
obwohl sie in einigen wenigen Fällen nicht nur abgewiesen sondern sogar
verabschiedet wurden, so erreichten sie doch auch nicht selten ihren Zweck,
und mehrere derselben haben sich offen ihrer Erfolge in dieser Hinsicht gerühmt.
Es ist sogar vorgekommen, dass eine Frau sich einem Dichter hingab, nur
um diesen einer anderen zu entfremden; dagegen scheint eine regelrechte
Entführung zu den seltneren Ausnahmen gehört zu haben, obwohl wir auch
hiervon Beispiele kennen. Aber zuweilen wurden auch die Trobadors selbst
von demjenigen Schicksal betroffen, das sie so gern anderen bereiteten; es
wurde ihnen nicht selten, nachdem sie lange mit der Aussicht auf die höchste
Gunst hingehalten worden waren, schliesslich ein glücklicherer Liebhaber vor-
gezogen, ja einzelne verheiratete sind selber zum Hahnrei gemacht worden,
so der oben genannte Gausbert von Puegsibot, dessen Frau sich an einen
englischen Ritter schmählich wegwarf.
Alle diese Ausschreitungen gehörten jedoch, wie schon angedeutet, zu
den Ausnahmen. In der Regel blieben die Trobadorliebschaften innerhalb
der gezogenen Schranken ; jedenfalls suchte man , wenn diese überschritten
waren, dies auf jede mögliche Weise zu verdecken und zu verheimlichen,
und vor allem galt es als unumstössliches Gesetz, dass die auf die Geliebte
gesungenen Lieder nie zu Verrätern an derselben werden durften.
28. Aus dem gesagten ergiebt sich schon, worin im allgemeinen der
Inhalt der provenzalischen Minnepoesie bestand. Dieselbe spiegelte das Ver-
hältnis zwischen Dichter und Dame weniger so wieder, wie es in Wirklich-
keit war, als vielmehr so, wie es nach der Forderung der damaligen höfischen
Sitte eigentlich stets hätte sein sollen. Einer ihrer vornehmsten Gegenstände
ist natürlich das Preisen der Geliebten. Sie ist der Inbegriff aller körperlichen
wie geistigen Reize und Vorzüge, welche mit den glühendsten Farben geschildert
werden; und zwar geschieht dies bald direkt, bald durch Bilder und Vergleiche,
bald durch Wendungen wie: Gott hat nichts vollkommeres geschaffen als sie,
ihre Schönheit durchleuchtet die Nacht, sie würde einer Kaiser- oder Königs-
krone zur Ehre gereichen, sogar ihre Feinde müssen ihren Wert zugestehen,
ihre Nähe erheitert die Traurigen, heilt die Kranken und macht die Bäurischen
höfisch u. dgl.
Daher versichert der Dichter denn auch, dass seine Liebe, seine Er-
gebenheit unbegrenzt ist; er will lieber sterben, als sich von ihr abwenden;
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche Lyrik. Charakter d. Minnedichtung. 31
mit gefalteten Händen möchte er vor ihr niederknieen , denn er sieht sich
als ihren Lehnsmann , ihren -Diener, ihren Gefangenen, ja ihren Leibeignen
an und giebt ihr völlige Gewalt und Verfügung über ihn, körperliche wie geistige.
Seine Liebe ist ihm mehr wert als alle Schätze der Welt, selbst als sein Seelen-
heil, denn ohne dieselbe würde ihm die Welt freudlos sein; der Geliebten
verdankt er ja, was ihm an Gutem und Schönem gelingt. Daher ist ihm das
geringste Zeichen von Neigung oder auch nur die Hoffnung darauf, ja sogar
Qual und Schmerz von ihr lieber, als die höchsten Gunstbezeugungen von
einer anderen. Überhaupt ist er jetzt allen übrigen Damen völlig entfremdet
oder wenigstens nur um ihretwillen geneigt, nämlich weil sie ihr ähnlich sehen ;
dagegen fühlt er sich zu jedermann hingezogen, der zu ihr in irgend einer
Beziehung steht, sei er nun ihr Verwandter, ihr Nachbar, ihr Landsmann
oder auch nur einer ihrer Diener, ja er ist schon glücklich, wenn jemand zu
ihm von ihrem Schlosse spricht.
Ebenso reich fliessen des Dichters Gedanken, wenn es sich darum handelt,
mitzuteilen , wie seine Liebe sich äussert und welche Wirkungen sie in ihm
hervorbringt. Seine Stimmung schwankt fortwährend zwischen höchster Fröh-
lichkeit und tiefster Niedergeschlagenheit, schwere Seufzer entringen sich seiner
Brust, bittere Thränen seinen Augen ; Zittern und Beben ergreift ihn im Schlafen
und im Wachen, Frost und Hitze wechseln wie im Fieber; sein Herz, sein
Geist, seine Seele weilen Tag und Nacht bei ihr, er kann nichts andres denken
als sie, von nichts andrem sprechen als von ihr, ja sogar wenn er zu Gott
betet, schwebt immer nur ihr Bild ihm vor. Die Leidenschaft, welche ihn
so ganz erfüllt, verändert denn auch seinen ganzen inneren und äusseren
Menschen: sie verschafft ihm nicht nur die höchste Wonne, wahre Paradieses-
genüsse, sondern sie veredelt auch sein Wesen, macht ihn besser, tüchtiger,
barmherziger, gegen seine Feinde versöhnlicher, gegen jedermann freundlicher
und demütiger, doch flösst sie ihm andrerseits auch Stolz und Selbstvertrauen
ein; sie lindert sein Leid bei Schicksalsschlägen, erhöht ihm die Kraft und
den Mut, befähigt ihn für die schwierigsten Aufgaben und lässt ihn so-
gar körperliche Beschwerden leicht ertragen; denn er fühlt nicht den kalten
Wind, der Winter erscheint ihm als wonniger Frühling, Eis und Schnee als
saftiges Grün und duftiger Blumenflor. Aber auch vieles unangenehme hat
seine Liebe für ihn im Gefolge: sie raubt ihm die Herrschaft über sich selbst,
nimmt ihm seine Willens- und Geisteskraft, seinen Verstand, seine Gedanken,
sogar seine Sprache; er hört nicht, wenn jemand ihn anredet, ja man könnte
ihn stehlen, ohne dass er es merken würde. Er hat unerträgliche Qualen
auszustehen, er klagt, er jammert und verzehrt sich in Liebesschmerz; er ver-
mag nicht mehr zu schlafen, nicht mehr zu essen, sein Körper magert ab
und siecht dahin; er fühlt, dass sein Tod nicht mehr fern ist.
Aber obwohl die Geliebte die Ursache aller dieser Leiden ist, so will
er lieber die Augen verlieren, als ihr zürnen oder sich an ihr rächen, ja
auch nur etwas thun, was ihr misfallen könnte, da es für ihn die grösste
Wonne ist, durch sie herbe Pein und selbst den Tod zu erleiden, und nie-
mand dürfte ihn in diesem Falle bedauern. Daher schwächen jene Qualen
seine Liebe nicht nur nicht, sondern lassen dieselbe nur noch immer stärker
werden, denn ihn hält die Hoffnung aufrecht, es werde ihm gelingen, die
Wünsche seines Herzens in Erfüllung gehen zu sehen.
29. Die Gunstbezeugungen, welche er von der Dame erhofft oder er-
fleht, bewegen sich meist innerhalb der bescheidensten Grenzen. Er ersucht
sie z. B. um die Erlaubnis, ihr überhaupt nur seine Neigung gestehen, sich
um ihre Gunst bewerben, ihr seine Lieder widmen, sich ihren Diener, ihren
Lehnsmann nennen, ja sie nur ansehen zu dürfen, oder er bittet sie, ihn
3 3 LllTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 2, PROV, LiTT.
nicht zu hassen, sondern womöglich zu lieben, sei es auch nur wie einen
Verwandten, ihn ihren Freund zu nennen, ihm ein Lächeln, einen wohl-
wollenden Blick zu gewähren, ein freundliches Wort, einen Scherz an ihn zu
richten, ja oft erklärt er sich für zufriedengestellt, wenn sie ihm nur die Hoff-
auf ihre einstige Liebe nicht raube. Zuweilen versteigt er sich allerdings
höher, er wünscht die Erlaubnis zu einem heimlichen Besuch, zu Umarmung
und Kuss, er möchte ihr beim An- und Auskleiden behülflich sein, ja nicht selten
deutet er verhüllt oder unverhüllt auf die höchste (iunst als das Ziel seiner
Sehnsucht hin. Zuweilen spricht er ganz allgemein von dem »Lohn«, den
er erwartet, ohne ihn genauer zu bezeichnen , auch von sonstigen Liebesbe-
weisen, von einem Brief, einem Ringe, einem Bande oder anderen äusseren
Pfandern ihrer Neigung. Ganz einzeln kommt es auch vor, dass er auf das
schnelle Verfliessen der Jugendzeit hinweist und die Aufforderung daran knüpft,
dieselbe zu geniessen.
Aber so hoch er auch seine Erwartungen spannen mag, nichts erhofil
er auf Grund seines Verdienstes oder als sein Recht, sondern alles nur als
Geschenk ihrer Gnade. Daher stellt er alles ihrer Güte, ihrer Barmherzigkeit
und Herablassung anheim; er wird durch unablässiges Dienen ihr Herz er-
weichen, ausschliesslich durch geduldiges Ertragen und Ausharren will er
etwas erreichen und wird mit allem zufrieden sein, was sie ihm etwa ge-
währen sollte.
In sehr vielen Fällen aber wagt der Dichter überhaupt nicht, der Dame
sein Herz zu entdecken, weil ihre Gegenwart ihn völlig einschüchtert oder
weil er furchtet, sie möge ihm wegen seiner Kühnheit zürnen. Dennoch,
erklärt er, werde er fortfahren, sie zu lieben, aber ganz für sich, im Geheimen;
und da er ihr seine Neigung auch durch einen anderen mitzuteilen nicht
den Mut hat, so will er, sei es in einem Briefe, sei es in seinen Liedern,
aussprechen, was ihn bewegt, oder er wird durch seine Handlungen andeuten,
was er auszusprechen nicht die Worte findet, und hofft, die Geliebte werde
seine Gefühle daran doch wenigstens ahnen. Inzwischen begnügt er sich mit
eingebildeten Genüssen, er umarmt und küsst sie in Gedanken, herzt sie und
verkehrt mit ihr im Traume, und empfindet dabei solche Seligkeit, dass er
nie wieder erwachen möchte. Dieser Minnedienst ist ihm aus dem Grunde
besonders wert, weil kein Eifersüchtiger denselben verbieten oder verhin-
dern kann.
Recht häufig begegnen wir aber auch Klagen über unerwiederte Liebe;
der Dichter ist der Verzweifelung nahe, da seine Dame so kalt, so unerbittlich
ist. In einzelnen Fällen sucht er sie dann dadurch zu erweichen, dass er
auf die oft verhängnisvollen Wirkungen eines derartigen Verhaltens hinweist,
in anderen verzagt er und wünscht sich den Tod herbei , oder er erklärt
trotzig, er werde sie dennoch lieben, möge es ihr gefallen oder nicht; in
noch anderen endlich findet er sich in sein Schicksal, erkennt die Hoffnungs-
losigkeit seiner Bemühungen, erklärt aber, der Geliebten trotzdem nicht zürnen
zu wollen, sondern verabschiedet sich von ihr, indem er sie Gott befiehlt
und ihr in herzlicher Weise alles Gute wünscht.
Manchmal ist der Dichter jedoch nicht so entsagungsbereit, sondern
glaubt berechtigt zu sein, ihr Vorwürfe zu machen : sie thuc bitteres Unrecht,
ja begehe geradezu eine Sünde, indem sie sich gegen ihn so hart zeige, da
seine einzige Schuld seine Liebe sei; sie habe ihm anfangs ihre Gunst ver-
sprochen, dann aber ihr Wort nicht gehalten, ihn vielmehr durch freund-
lichen Schein (bei semblan) hingehalten und schliesslich getäuscht; sie werde
Ursache seines Todes sein und hierdurch sich Schaden, ja selbst Schande
zuziehen. In seinem Unmute spricht er den Wunsch aus, sie nie gesehen
Lyrik: Kunstmässige. Weltliche. Charakter der Minnedichtüng. 33
oder wenigstens nie geliebt, vielmehr einer anderen sich zugewandt zu haben,
und lässt auch wohl die Drohung einfliessen, dass seine Geduld leicht ein
Ende haben könnte. Manchmal aber hat er sich über schlimmeres als über
Kälte, hat er sich über Untreue zu beklagen; sie hat seine innige Liebe
verraten und sich einem anderen hingegeben. In diesem Falle verleiht er
seinem Zorn und Unwillen gewöhnlich hi derben Worten Ausdruck, brand-
markt das Verfahren der Dame in schonungsloser Weise und sagt sich öffent-
lich von ihr los, sei es, um für immer den Frauen und der Liebe den Rücken
zu wenden, sei es, um bei einer anderen Ersatz zu suchen.
30. Aber neben den bisher vorgeführten Gedanken, die sich im engeren
Sinne auf das Verhältnis zwischen dem Dichter und der Geliebten beziehen,
enthält die provenzalische Minnepoesie auch solche, welche allgemeinerer
Art sind, namentlich verschiedene die Liebe betreffende Fragen zum Gegen-
stände haben. In erster Linie wird allen Liebenden Verschwiegenheit und
Heimlichkeit empfohlen; der sei ein Narr, der seinen Erfolg ausplaudere,
nur die beiden Beteiligten und Amors dürfen darum wissen. Der Dichter
versichert, er werde sich nicht einmal seinen nächsten Verwandten entdecken,
lieber würde er sich töten lassen; daher meide er auch den Umgang mit
anderen Menschen, weil ihm leicht wider Willen ein Wort, das ihn verriete,
entschlüpfen könnte. Er spreche nicht einmal von ihrem Wohnsitze und ver-
zichte auch auf das Entsenden von Boten, weil dies alles leicht zur Entdeckung
führen könne. Alle diese Vorsichtsmassregeln seien nun besonders den Fein-
den der Liebe gegenüber notwendig, denen, welche sich ein Gewerbe daraus
machen, heimliche Liebe auszukundschaften und auszuplaudern, den Schwätzern,
Kläffern und Verläumdern ; auch die Eifersüchtigen gehören mit unter diese
Feinde, über welche die Dichter die ganze Schale ihres Zornes ergiessen.
Im Gegensatze dazu singen sie oft der Liebe selbst ein begeistertes Lob;
»ohne Liebe kein Sang« ist ein häufig wiederkehrender Gedanke. Die Liebe
ist allgewaltig, ihrer Macht, ihrem Befehl kann niemand Widerstand entgegen-
setzen ; nur wenn man sich geduldig in alles fügt, was sie schickt, darf man
auf Erfolg hoffen. Die Liebe giebt aber dem Leben auch erst seinen Wert,
sie veredelt den Menschen, weil sie selbst gut ist; zwar bringt sie nicht nur
Freud, sondern auch Leid mit sich, aber erstere überwiegt, und wegen des
letzteren darf sie nicht getadelt werden. Daher wendet sich der Dichter oft
direkt an Amors, um deren Hülfe zu erbitten oder auch, um ihr Vorwürfe
zu machen.
Bei anderen Gelegenheiten wird das Wesen der Liebe analysiert, es
werden die verschiedenen Arten derselben aufgezählt, oder die in ihrem Reiche
herrschenden Gesetze werden hervorgehoben : die Liebe sieht nicht auf Reich-
tum oder Macht, sondern auf Tüchtigkeit und inneren Wert; sie verlangt
Demut und hasst daher Anmassung und Selbstüberhebung; sie fordert voll-
ständige Hingabe und belohnt treues, stilles Dienen. Verstand und vorsich-
tige Berechnung gehören der Regel nach nicht zu ihrem Gefolge, eher die
Thorheit, denn sie reisst zu mancher Unbesonnenheit, zu manchem unüber-
legten Schritte hin.
Sehr ausführlich wird von den Pflichten der Liebenden gehandelt: der
Liebhaber muss nach Ehre und höfischem Benehmen streben, muss ver-
schwiegen sein, muss seiner Dame in allen Stücken recht geben, darf keiner
bösen Nachrede über sie glauben und muss sich vor jeder Untreue hüten.
Die Dame dagegen soll in der Wahl ihres Anbeters sehr vorsichtig sein, nur
solche dulden, die ihr zur Ehre gereichen, die unwürdigen aber fern halten;
namentlich soll sie sich nicht durch Reichtum bestechen lassen, daher einen
armen, aber braven Liebhaber einem vornehmen, aber charakterlosen vor-
Grobkr, Grundriss. IIb. 3
34 LlTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LllT.
ziehen. Vor allem soll sie immer nur einen Verehrer dulden, dann aber
nicht zu spröde und unnahbar sein, denn Erhörung bringt Ruhm und Dank
obenein ; allerdings muss sie dabei stets darauf bedacht sein , ihren guten
Ruf rein zu erhalten.
Endlich verdient noch erwähnt zu werden, dass die Dichter in ihren
Liedern auch verschiedentlich über den Aniass sowie den Zweck ihres Dich-
tens Auskunft erteilen. Als crsterer wird, abgesehen von der Liebe, oft der
Wunsch der Dame oder eines Gönners genannt, vor allem aber die schöne
Jahreszeit, besonders der Frühling mit seinem Vogelsang und Blütenduft; ja
die Beziehung der Stimmung des Dichters auf die Natur ringsherum ist für
den Eingang der Liebeslieder fast typisch. Der Zweck derselben ist entweder
der, in der Dichtkunst Trost zu suchen, auch wohl sich und andere zu er-
freuen, besonders aber, den Ruhm der Geliebten zu vermehren. Die Dichter
sprechen sich mehrfach sehr selbstbewusst gerade über diesen Punkt aus und
heben hervor, dass die Dame ihres Herzens das Ansehen, das sie geniesst,
zum grossen Teil den ihr zu Ehren gesungenen Liedern verdanke.
Das ist in kurzem der wesentlichste Inhalt der provenzalischen Minne-
poesie. Aber wenngleich das Gefühl, dem dieselbe Ausdruck verleihen sollte,
der Regel nach ein convcntionelles, ein nur geheucheltes oder anempfundenes
war, so brauchte es dies doch nicht immer zu sein, sondern konnte ebenso
gut auch einer aufrichtigen Liebe entsprungen sein, und in der That fühlt
man in nicht wenigen Liedern durch die scheinbar nur kühle Reflexion ver-
ratende Gewandung hindurch das Glühen einer starken, warmen, tief empfun-
denen Leidenschaft.
31. Aber die Charakteristik der in Rede stehenden Dichtungen würde
nicht vollständig sein ohne den Hinweis auf die grosse Sorgfalt, welche die
Verfasser, und zwar je später um so mehr, auf die äussere Form derselben
verwandten, nicht nur die metrische, durch komplizierte Verbindung ver-
schiedenartiger Versarten und -Systeme, durch künstliche Reimverschlingungen,
durch Verwendung von Refrain Wörtern, von gesuchten und schwierigen Reimen
u. dgl., sondern auch die sprachliche, durch Einstreuung von zahlreichen, mehr
oder weniger zutreffenden Bildern, Vergleichen und Anspielungen, von Rede-
figuren aller Art, von Wortspielen, Spruch Wörtern, Zitaten und durch andere
Mittel, den Ausdruck zu beleben. Gerade durch die konsequente Durch-
führung dieses Prinzips erhielt die Poesie vornehmlich jene bis dahin von
keiner Sprache erreichte formelle Vollkommenheit und Eleganz, welche es
sehr erklärlich erscheinen lässt, dass alle anderen Völker der Zeit, von diesem
Glänze geblendet, nichts besseres thun zu können glaubten, als dieselbe
möglichst schnell bei sich einzuführen und in allen Punkten nachzuahmen.
D i e z , Die Poesie der Troubadours, Zwickau 1 826. Zweite Auf
läge von K. Bartsch, Leipzig 1883; K. Bartsch, Die Reimkunst
der Troubadours. Jahrb. 1, 171 — 97.
b) geistliche LYRIK. '
32. Die geistliche Lyrik reicht weder an Zahl noch an Bedeutung ihrer
Erzeugnisse auch nur im entferntesten an die weltliche heran. Dieselbe be-
1 Provenzalische geistliche Lieder des \% Jhs. lisg. von I. Bekker, Berliner Aka-
demie 1842, 387 sq. (vS. A. Geistüchc Lieder des \% Jhs., Provenzalisch , Berlin 1844)-.
Aticietines pocsies religieuses en laii^ue d'oc p. p. P. Meyer. Paris 1860 (Auch BihL de
rEcole des Charles) \ Bartsch. Denkmäler 63^ — 71 ; P. Meyer. Rotn. l. 407 — 14 und
Recueil d'anciens textes pror. 1 3 1 — 6 ; .S u c h i e r . Denkmäler I, 290 — 6 ; C h a b a n e a u , Sainte
Marie Aladeleine dans la litt, prov., Paris 1887, 123 — 7; Emil Levy, Poisies religieuses
Lyrik: Kunstmässige. Geistliche Lyrik. Meistergesang. 35
diente sich, wie dies ja auch natürlich ist, der Regel nach der Formen jener
ihrer Schwester. Es ist schon hervorgehoben worden (^ 21), dass z. B. die
Canzonen zuweilen religiösen Inhalt hatten. .So giebt es Lieder, welche zu
Ehren Gottes oder Christi verfasst, oft in form von Anrufungen direkt an
diese gerichtet sind, in denen der Dichter zugleich mit dem Bekenntnisse
seiner Sünden um Vergebung und um Gnade bittet. Einige dieser Dichtungen
sind, weil sie das für die Canzone zulässige Mass überschreiten (Peire von Al-
vernhe No. 16 und 21) oder hinter demselben zurückbleiben (Arnaut von
Brancalo No. i) als »Vers« zu bezeichnen. .A.uch ein Busslied Guilhems IX.
von Poitiers, in welchem dieser von der Freude und dem Leben Abschied
nimmt, wird von seinem Verfasser so benannt. Mehrere Lieder sind dem
Lobe der h. Jungfrau gewidmet; so besitzen wir einen Hymnus, abwechselnd
in lateinischen und provenzalischen Strophen, jedoch alle mit lateinischem
Refrain, und mehrere eigentliche Marienlieder, in welchen die Mutter Gottes
angeredet und oft mit überschwenglichen Worten gefeiert wird, darunter eins,
in welchem die Form der sapphischen Strophe nachgeahmt ist. Andere sind
an den h. Geist, an die Apostel, an Margaretha, Maria Magdalena oder andre
Heilige gerichtet.
Unter den Sirventesen gehören die Kreuzlieder (5 22) hierher. Auch
in die Form der Alba (§ 24; sind geistliche Lieder gekleidet worden. So
fordert in einem derartigen Gedichte des Folquetvon Marseille der Wächter
die Liebenden auf, sich zu erheben und zu Gott zu beten, und geht ihnen
dann selbst darin mit seinem Beispiel voran. Einen ähnlichen Eingang bietet
die Alba des Peire Espanhol dar, in welcher dann der nahende Tag auf
Christum und die Morgenröte auf Maria, die uns von der Nacht der Sünde
und der Hölle befreien, gedeutet wird. Auch Guilhem von Autpol hat
einem von ihm vcrfassten schwungvollen Marienliede die Bezeichnung Alba
gegeben, weil er darin die h. Jungfrau allegorisch als »Morgenröte« bezeichnet
und jede Strophe mit den Worten /ums e clartati. e alba enden lässt.
Sodann sind noch einige andere lyrische Dichtungen hierher zu rechnen,
die sich teils durch ihre Länge, teils durch ihre metrische Form von den
eigentlichen Liedern unterscheiden. So verschiedene Klagelieder der h. Maria
am Fusse des Kreuzes, sodann ein Hymnus' mit wechselndem Metrum, der
mit einem Glaubensbekenntnis beginnt und mit einem Gebete endet, endlich
zwei Litaneien, eine- mit 67 Strophen zu je 8 achtsilbigen Versen, die
andre ^ mit deren 33 zu je 4 paarweise gereimten Achtsilblern , in welchen
strophenweise zuerst Gott Vater, Sohn und h. Geist, dann Maria, die Erzengel,
Johannes der Täufer, einige Jünger und zahlreiche Heilige hinter einander
angerufen werden. Dagegen gehören drei andere Gebete ' nur dem Inhalte
nach hierher, weil sie nicht strophisch gegliedert, sondern in fortlaufenden
Reimpaaren (von Achtsilblern) niedergeschrieben sind.
Von solchen Gedichten, welche aus Anlass eines bestimmten kirchlichen
Festes verfasst wurden, hat sich nur ein Weihnachtslied'* aus dem 14. Jahr-
prov. et fraru. du manuscrit Extravag. 268 de Wolfenbütiel, Paris 1887 (Auch Rev. des l.
r. 31); Chabaneau, Rev. des l. r. 32, 578 — 80 ; P. Meyer, Les trois Maries, cantique
provenfal du XV^ siecle, Rom. 20, 139 — 44.
^ P. Meyer, Anciennes poes. rel. 6 — 14 und Stengel, Ztschr. 10, 153 — 9.
^ V. Lieutaud, Un troubadmir aptesien de P ordre de Saint-Frangois au quatorzihne
siecle, Maiseille et Aix 1874; neue Ausgabe von Chabaneau, Paraphrase des Litanies en
vers provenfaux, Rev. des l. r. 29, 209—42.
3 Suchier, Denkmäler I, 291— 95.
* a. Rom. 1, 408 — 9; von b und c Bruckstiicke in Bull, de la Soc. de.s anc. t, fr.
1881, 53-7.
* Bartsch, Jahrbuch 12, 8— 14.
36 LiTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTl'.
hundert erhalten, das in volkstümlichem Ton verfasst, an die hauptsächlichsten
Ereignisse der Geburt Christi erinnert. Es zählt 29 vierzeilige Strophen, an
deren Schluss jedesmal ein zweizeiliger Refrain angefügt wurde.
C) DER MEISTERGESANG.
33. Nachdem die lyrische Poesie der Provenzalen, hauptsächlich in
Folge der Albigenserkriege, welche den Adel zu Grunde richteten und einem
Teile des Landes die Selbständigkeit raubten, gegen Ende des 13. Jahrhunderts
gänzlich in Verfall geraten war (der letzte Trobador Guiraut Riquier blühte
1254 — 92), wurde im Anfange des 14. Jahrhunderts der Versuch gemacht,
die altheimische Trobadordichtung künstlich zu neuem Leben zu erwecken.
Eine Gruppe von sieben angesehenen Bürgern der Stadt Toulouse, welche
schon seit längerer Zeit die Gewohnheit hatten, allsonntäglich zusammenzu-
kommen, um ihre dichterischen Erzeugnisse vorzulesen und zu besprechen,
stiftete im Jahre 1323, am Dienstag nach Allerheiligen, eine (lescllschaft, die
»Sobrcgaya companhia dels VII trobadors de Tholoza«, um die vaterländische
Dichtkunst zu fördern, und luden durch ein poetisches Sendschreiben alle Dichter
der «lengua d'oo; zu einem Wettkampfe ein, der am i. Mai 1324 abgehalten
werden und dessen Preis in einem Veilchen aus reinem Golde bestehen sollte.
Das Tournier fand statt, Arnaut Vidal von Castclnaudari (vgl.§ 10) errang
den ausgesetzten Preis für ein Marienlied, und es wurde bestimmt, dass ein
derartiges Fest am i. Mai jedes folgenden Jahres wiederholt werden sollte.
Die Gesellschaft gab sich nun eine streng gegliederte Verfassung, so-
dass sie einen Kanzler, 7 Vorsteher (mantenedors), ein Konsistorium, sowie
Pedelle besass, und schuf mehrere dichterische Titel und Würden, nämlich
die des »bachelier« und des »doctor de la sciensa del gay saber«, welche
nur auf Grund bestimmter poetischer öffentlicher Leistungen von dem Kon-
sistorium verliehen werden konnten , worüber besondere Diplome ausgestellt
wurden.
Da nun aber die alte Kunst sehr in Vergessenheit geraten war, so be-
auftragte die Gesellschaft im Jahre 1355 ihren ersten Kanzler, Guilhem
Mo linier, alle auf die Poesie bezüglichen Regeln zusammenzustellen, weil
man der Ansicht war, dass die Aneignung der Technik genüge, um die
Dichtkunst wieder zu der früheren Blüte zu bringen. Das so entstandene
Werk, die Leys d'amors^ werden wir unten (^ 67) weiter besprechen. Die
Meistersänger, wie man sie nennen kann, wiesen nun auf die Trobadors als
ihre Vorbilder hin und bezeichneten es als ihre Aufgabe, die »Wissenschaft«
der Dichtkunst, welche von jenen geheim gehalten worden sei, offen dar-
zulegen und jedermann zugänglich zu machen. Im Gegensatz zu jenen ge-
statteten sie jedoch nicht, dass die Gedichte einen individuellen, subjektiven
Charakter trügen : weder die Canzonen noch die Sirventese durften persön-
liche Verhältnisse oder Beziehungen behandeln, sondern mussten allgemein
gehalten sein ; an die Stelle der sinnlichen Liebe sollte diejenige zu der heil.
Jungfrau treten. Den Hauptwert legten sie, wie dies bei zunftmässigen Poeten
gewöhnlich der Fall ist, auf die Form; sie hielten also streng auf Anwendung
der korrekten Litteratursprache , auf einen gewählten Ausdruck, auf reiche
rhythmische Gliederung und auf schwere, d. h. gewählte, ja sogar gesuchte
Reime. Immer aber war auch Reinheit des Charakters, sowie ein streng
religiöser Sinn Vorbedingung für die Aufnahme in ihre Körperschaft.
In späterer Zeit wurde die Zahl der Preise bei den Wettkämpfen auf
drei vermehrt; zu dem goldenen Veilchen, welches nunmehr für die hervor-
ragendste Leistung unter den vorgetragenen Canzonen, Versen oder Descorts
Didaktik: Reimchroniken. 37
erteilt wurde, kamen zwei silberne Blumen, nämlich eine flor de gaug (Ringel-
blume) für das beste Tanzlied und eine ayglentina (wilde Rose) für das aus-
gezeichnetste Exemplar unter den Sirventesen und den Pastorellen.
So lobenswert auch diese durchaus patriotischen und gutgemeinten Be-
strebungen waren, so vergeblich waren sie in rein künstlerischer Beziehung,
und so gering ist daher der dichterische Wert der durch sie veranlassten poe-
tischen Erzeugnisse anzuschlagen. 1
C ii a b a n e a u , Ofiginc et ctabLusement de L'academie des jeiix
floraux, Toulouse 1885 (Auch in Histoire generale de Langtudoc X);
P^duard Scliwan, Die Entstehung der Bliimenspiele von Toulouse,
Preussische Jahrbücher, B. 54, 457 — 67.
C. DIDAKTIK.
[ie didaktischen Erzeugnisse wollen, wie schon ihr Name sagt, Belehrung
gewähren und schliessen sich dadurch eigentlich von der Kunst, also
auch der Poesie, aus. Dennoch rechnet man sie gewöhnlich zu letzterer,
da sie doch die Form mit ihr gemeinsam haben und da sie, wenigstens teil-
weise, auch inhaltlich ihr nahe stehen. Die provenzalische Didaktik ist näm-
lich, wie in fast allen abendländischen Litteraturen, aus der Epik hervorge-
gangen und verdankt ihren Ursprung der Geistlichkeit. Wie die Kirche stets
und überall darauf bedacht gewesen ist, einen weitverbreiteten und allgemein
geübten Brauch in ihrem Interesse auszunutzen, so that sie dies auch mit der
Dichtkunst, deren Erzeugnisse, volkstümliche sowohl wie kunstmässige, sich
in allen Kreisen der Bevölkerung einer so grossen Beliebtheit erfreuten. Sie
entlehnte einfach deren Form, um unter diesem wohlbekannten und allgemein
beliebten (jcwande dem Publikum ihre eigenen Stoffe vorzuführen.
Aus diesem Ursprünge der Didaktik ergiebt sich, dass ihre Erzeugnisse
einen ganz anderen Geist atmen, einen ganz anderen Zweck verfolgen müssen,
als die der Poesie im engeren Sinne. Letztere wollen, wie alle anderen
Kunstwerke, ausschliesslich einen ästhetischen Genuss darbieten, erstere wollen
ausserdem ihren Lesern einen bestimmten Inhalt einprägen, erstere wollen
ergötzen, letztere belehren.
Die Belehrung kann sich nun nach zwei Richtungen hin bewegen, ent-
weder nach der intellektuellen oder nach der moralischen, d. h. es kann be-
absichtigt werden, entweder das Wissen der Leser zu vervollkommnen oder
sie sittlich zu bessern, sie auf gewisse Schwächen, Unvollkommenheiten, Mis-
stände und Fehler aufmerksam zu machen und diese auszurotten, mögen sie
nun der gesamten Menschheit oder einzelnen Gesellschaftskreisen oder gewissen
Ständen oder bestimmten Individuen anhaften. Danach unterscheiden wir :
1. GEDICHTE, WELCHE DEM WISSEN DIENEN SOLLEN.
a) REIMCHRONIKEN.
35. Unter den Werken dieser Gattung, welche also in dichterischer
Form einen Bericht über historische Ereignisse geben, nimmt die sogenannte
' Las jovas del gay saber, Recueil de poesies eu langue rotnane, couronnees par le
consistoire de la gai science de Totiloiise depuis t an 132^ jusques en Pan I4()S p. p. N o u 1 e t.
Toulouse 1849; P. de Lunel, dit Cavalier .IaihcI de Montech, troubadour du XfV^^ siede,
maitttenenr des Jeux ßoraux de Toulouse p. p. E. Korestie, Montauban l8yi.
38 LirrERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTT.
Albigenserchroniki die erste Stelle ein. Dieselbe ist jedoch kein einheit-
liches Ganzes, sondern sie besteht aus zwei innerlich und äusserlich verschie-
denen Teilen, von denen der erste den Verlauf des Albigen serkrieges von
1208 bis Anfang 1213 berichtet, der zweite die unmittelbare Fortsetzung bis
zum 16. Juni 12 19 giebt. Hier bricht die Erzählung plötzlich ab, sodass wir
eigentlich zwei aneinandergereihte Bruchstücke haben. Für den Verfasser
des ersten giebt sich in dem Gedichte selbst ein Guilhem von Tudela aus,
der nach seinen Andeutungen Geistlicher war , elf Jahre in Montauban ge-
lebt und dort auch seine Arbeit begonnen hat. Von da begab er sich etwa
12 IG nach Bruniquel zu dem Grafen Balduin, dem Bruder Raimunds von
Toulouse, und dieser übertrug ihm, wahrscheinlich im Sommer 1212, ein
Kanonikat in Saint-Antonin, einem dicht bei Montauban gelegenen Städtchen. *
Es ist sogar möglich, dass er sein Werk in Balduins Auftrag unternahm, und
dass jene Pfründe der Lohn dafür war, sodass vielleicht die Unterbrechung
der Arbeit durch den 1214 erfolgten Tod des Gönners veranlasst worden ist.
Der zweite Teil beginnt mit Tirade 132 (V. 2769), und zwar wird die
Erzählung ohne neue Einleitung einfach fortgesetzt und endet ohne Schluss
nach 6810 weiteren Versen. Von dem Verfasser dieses Abschnittes wissen
wir nichts, doch lässt sich vermuten, dass er aus der Diöcese von Toulouse,
vielleicht aus der Grafschaft Foix stammte. Er hat in seinem Bericht nicht
alle Ereignisse berücksichtigt, während sein Vorgänger ein möglichst vollstän-
diges Bild jenes Krieges zu geben bemüht gewesen war. Auch sonst unter-
scheiden sich beide in wesentlichen Punkten ; der erste steht mit seiner
Sympathie auf der Seite der Kreuzfahrer, der zweite auf der der Albigenser,
jener ist in seiner Darstellung möglichst objektiv, dieser mehr subjektiv; so-
dann verwenden zwar beide gereimte Alexandriner-Tiraden, die mit je einem
Sechssilbler schliessen, doch sind diese Tiraden im ersten Teile viel kürzer
als im zweiten, und der kurze Vers reimt dort immer mit der folgenden
Tirade, ist dagegen hier reimlos, kehrt jedoch jedesmal, sei es wörtlich, sei
es dem Sinne nach, im ersten Verse der nächsten Tirade wieder. Während
endlich der zweite Teil in ziemlich gutem , nur etwas dialektisch gefärbtem
Provenzalisch geschrieben ist, weist der erste ein eigentümliches Gemisch von
Provenzalisch und Französisch auf. Dies wird von einigen dadurch erklärt,
dass Guilhem von Tudela als Ausländer (Navarrese) jene beiden Idiome nicht
völlig beherrschte und durcheinander warf, während nach anderen die uns
vorliegende Fassung dadurch entstanden wäre, dass ein südwestfranzösisches
Original mehr oder weniger sorgfaltig in das Provenzalische übertragen und
zugleich von dem Bearbeiter interpoliert worden ist.
Eine andere Reimchronik behandelt in etwa 5100, allerdings teilweise
verstümmelten, Versen die Geschichte des navarrischen Krieges von
1276—77.- In Pampeluna waren nämlich innerhalb der Bevölkerung Streitig-
keiten entstanden, und da beide Parteien die Hülfe des französischen Königs
Philipp III. (1270 — 85) anriefen, so sandte dieser den Eustache von Beau-
marchais dorthin. Während sich nun die eine Partei unterwarf, leistete die
andere heftigen Widerstand und konnte erst nach der Ankunft neuer fran-
zösischer Truppen unterworfen werden. Als Verfasser nennt sich in der Über-
schrift Guilhem Anelier de Tolosa, welcher den Krieg im Gefolge des
Eustache mitgemacht und sein Werk wohl bald nach 1277 niedergeschrieben
hat. Als Augenzeuge ergreift er mehrfach in seinem Berichte selbst das VN^ort,
einzeln spricht er jedoch von sich auch in der dritten Person. Man hat in
' Hist. de la Croisade conire les heretiques Albigeoh p. p. Fauriel, Paris l8;^7-,
La Chanson de Ui Croisade contre les Albigeois p. ]j. 1* au 1 Meyer, 2 H., Paris 1S70 7V-
- Ui sl. de la giicrrc de Navarrc p. p. Fr. Michel, Paris 1856.
Didaktik: Reimchroniken. Heiligenleben und Legenden. 39
ihm wohl mit Recht den Trobador gleiches Namens zu erkennen geglaubt,
von dem uns noch 4 Sirventese erhalten sind; dagegen erscheint die Ansicht,
dass ihm auch der zweite Teil der Albigenserchronik zuzuschreiben sei, nicht
genügend begründet, obwohl die beiden Gedichte manche sprachliche Über-
einstimmungen zeigen. Auch die metrische Form ist ähnlich, da unsere
Chronik ebenfalls gereimte Alexandriner-Tiraden aufweist mit dem bekannten
Sechssilbler am Schluss, dessen Behandlung allerdings nur zum Teil der im
zweiten Abschnitte, ebenso oft dagegen der im ersten der Albigenserchronik
entspricht.
Von weiteren Werken dieser Art, deren einstige Existenz sich mehr
oder weniger sicher nachweisen lässt, ist leider nichts auf uns gekommen als
zwei Bruchstücke von Reimchroniken über den ersten Kreuzzug, nämlich ein
winziges von 15, und ein grösseres von 707 Zeilen,^ welch letzteres eine
Schilderung der Schlacht von Antiochia enthält, die am 28. Juni 1098 zwi-
schen Christen und Sarazenen geschlagen wurde. Das Gedicht, dem dies
Fragment (vielleicht auch das andere) einst angehört hat, behandelte vermutlich
alle Ereignisse des ersten Kreuzzuges und ist dann seinerseits zusammen mit
mehreren französischen und lateinischen Werken über denselben Gegenstand
für eine grosse spanische Prosakompilation »La gran conquista de Ultramar«
als Quelle benutzt worden. Erhalten sind 18 Tiraden ganz und eine neun-
zehnte zum grössten Teil; sie bestehen aus gereimten Alexandrinern und
haben am Schlüsse je einen weiblichen Sechssilbler, der jedoch weder formell
noch inhaltlich mit der folgenden Tirade in Verbindung steht, wie dies in
den beiden soeben besprochenen Chroniken der Fall ist.
K r a a c k , Über die Entstehung und die Dichter der Clianson de la
Croisade contre les Albigeois, Marburg 1884 (Ausg. u. Abh. No. 15);
Guillenn Anelier von Toulouse, der Dichter des zweiten Teils der
Albigenserchronik, Marburg 1885 (Ausg. u. Abh. No. 36). — G. Paris,
La Chanson d'Antiüche provengcUe et La gran conquista de Ultratnar,
Rom. 17, ÖI3— 41 ■. 19, 562—91.
B) HEILIGENLEBEN, LEGENDEN UND LITURGISCHE GEDICHTE.
36. Die Heiligenleben, welche also mehr oder weniger sagenhafte
Lebensbeschreibungen ihrer Helden enthalten, sind im Provenzalischen nicht
so zahlreich vertreten, wie in anderen Litteraturen des Mittelalters, was aller-
dings zum Teil darin seinen Grund hat, dass mehrere derartige Gedichte, die
nachweislich früher vorhanden waren, verloren gegangen sind. Auch unter
den uns vorliegenden sind einige unvollständig; dahin gehören zwei Bruch-
stücke von zwei verschiedenen Biographien der Fides, deren eines, 2 aus nur
20 Achtsilblern bestehend, die zwei verschiedenen Reimtiraden angehören,
vielleicht bis ins 1 1 . Jahrhundert hinaufzurücken ist , während das andere,^
jüngere, paarweise gereimte Verse von 8 oder 9 Silben aufweist und über ein
Wunder berichtet, das die Heilige nach ihrem Tode vollbracht hat. Von dem
Leben des Amantius,* Bischofs von Rodez, das wohl dem 13. Jahrhimdert
angehört, sind uns nur 36 Verse, und zwar in Tiraden gruppierte, gereimte
Alexandriner, erhalten. Die vollständig auf uns gekommenen Heiligenge-
schichten sind alle im 13. oder 14. Jahrhundert niedergeschrieben. Die der
* Fragment d'iine c/ianson d' Antioc lu eit proveni;al p. p. Meyer, Paris 1884 (Aus
Archives de l'Orient Latin II, 467 — 509}.
* Raynouard, Clwix II. 144 — h-
' f'atel. Histoire des comtes de Tolose, 1623, 104 — 17.
* Raynouard, Choix II, 1 52 — 5-
40 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LitT.
Enimiai ist auf Anregung des Priors eines am Tarn gelegenen Klosters der
Heiligen von Bertran von Marseille mit Benutzung einer lateinischen Vita
verfasst worden und zählt 2000 paarweise gereimte Achtsilbler; die des Hono-
ratus- stammt von Raimon Feraut, Mönch des Klosters Lerins (bei
Frejus), welcher uns selbst mitteilt, dass er seine lateinische Quelle aus Rom
mitgebracht habe und dass er ihr gewissenhaft gefolgt sei. Er verwandte in
seinem Gedichte Verse von 6, 8 und 12 Silben, wechselte auch in der
Gruppierung der Reime und teilte das ganze Werk in 4 Bücher. Nach Vollen-
dung desselben widmete er es der Königin Maria von Ungarn, Gattin Karls II.,
Grafen von der Provence und Königs von Neapel, und erhielt als Lohn eine
von seinem Kloster Lerins abhängige Priorei. Von den jioch übrigen Lebens-
beschreibungen kennen wir die Verfasser nicht. Die des Alexius^J umfasst
1 1 1 7 Achtsilbler, die meist zu zweien, seltener zu dreien durch den Reim,
einzeln auch bloss durch Assonanz verbunden sind, und beruht auf einer in den
Acta Sanctorum enthaltenen Biographie des Heiligen. Die der Maria Mag-
dalena* gehört dem Ende des 13. Jahrhunderts an und zeigt, wie die des
Amantius, Zwölfsilbler (es sind ihrer 1205), jedoch nicht in Form von Tiraden,
sondern von Reimpaaren, von denen allerdings manchmal mehrere gleiche
auf einander folgen. Eine andere erzählt die Geschichte des Trophimus,'*
des Apostels von Südfrankreich, und ist durch das in ihr verwandte Metrum,
paarweise gereimte Zehnsilbler mit der Zäsur nach der vierten Silbe, bemerkens-
wert, während die des h. Georg und die der h. Margaretha wie gewöhnlich
paarweise gereimte Achtsilbler aufweisen ; jene^ zählt deren 806, diese liegt
in zwei verschiedenen Bearbeitungen vor, einer kürzeren von 570 Versen, die
bisher allein herausgegeben ist,"^ und einer ausführlicheren (etwa 1450 Zeilen),
von der nur Einleitung und Schluss gedruckt vorliegen.^
C o n s t a n s , Quelques mots sur la topographie du pocme prcn'cnfol
intitule „Vie de sainte Enimie"', Rev. des 1. r. 16,209 — 17- — Hosch,
Utit er suchung eil über die Quellen und das Verhältnis der prov. und latein.
Lebensbeschreibung des h. Hottor atus, Diss. Berlin l877; P. Meyer,
La vie latine de Saint Honorat et Raimon Feraut, Rom. 8, 481 — 508 ;
Stenge], Die wieder aufgefuiidene Quelle von Raimon Ferauts prov.
Gedicht auf den h. Honorat und der i ^01 gedruckten lat. Vita s. Honorati,
Ztschr. 2,584 — 6. • — Brauns, Über Quelle und Entwickelung der afr.
Cattfun de Saint Alexis, verglic/teti mit der prov. Vida etc. Diss. Kiel 1884.
37. Hieran schliessen sich die Bearbeitungen der apokryphen Evangelien,
unter denen die Legende über die Kindheit Christi besonders beliebt war.
Wir haben von vier oder fünf verschiedenen Fassungen dieser Geschichte Kennt-
nis, doch ist bisher erst eine derselben^ vollständig gedruckt. Den Verfasser
kennen wir nicht. Zwar hat Raimon Feraut (vgl. § 36) nach seinen eigenen
Worten unter anderem auch diesen Stoff dichterisch behandelt, doch scheint
unser Gedicht erst ins 14. Jahrhundert zu gehören. Es erzählt in 1301 paarweise
^ Bartsch, Denkmäler 21 5 — 70 und La vie de Sainte Enimie hrsg. von C. Sachs,
Berlin 1857.
^ La Vida de Sant Honorat, legende en vers provengaux par Raymond F e r a u d
p. p. A.-L. Sardüu, Nice (1875).
' Suchier, Denkmäler I, 125- 55.
* Chabancau, Sainte Marie Madeleine dans la litt. prov. Paris 1887, 57—116
(Aus Rev. des 1. r. 23-31); cf. P. Meyer. Rom. 14. 525—27.
* Bruchstücke in: Villeneuve, Statistique des Bouches-du-Rhbtie 1826, III, 156 — 60 ;
R a y n o u a r il , Lex. vom. 1,571—2; Bartsch, Chrcst. * 39 1 —4 ; B a y 1 e , Atttliologie 74 — 6 ;
Chabaneau, Le Roman d'Arles, Paris 1889, Appendice 73 — 6.
* Vie de .Saint George ]). p. Chabaneau, Paris 1887 (Auch in Rev. des 1. r. 29,
246 — 54 und 31, 139—56).
'' Vie de Sainte Marguerile en vers romans \\. ]>. Noulet. Toulouse 1875.
* P. INleycr, Rom. 14, 524—25.
' Bartsch, Denkmäler 2 7< ) - ,305 .
Didaktik: Legenden. Epistolae farcitae. VVissenschaftl. Gedichte. 41
gereimten .Achtsilblern die Jugendschicksale Jesu nebst zehn von diesem in
seinen ersten Jahren vollbrachten Wunderthaten und beruht auf dem »Liber
de infantia Mariac et Christi Salvatoris« und ähnlichen Quellen.
Mit dem Leiden und Tode Jesu sowie mit den darauf folgenden Ereig-
nissen beschäftigt sich das sogenannte Evangelium Nicodemi, ein Gedicht
von 2792 Achtsilblern.i welches ebenfalls dem 14. Jahrhundert angehört und
das zum grössten Teil aus einer gereimten Bearbeitung der »Gesta Pilati« und
des »Descensus Christi ad inferos« besteht. Die sich daran schliessende Er-
zählung von der Sendung des h. Geistes, der Wahl des Matthias, der Aus-
sendung der 72 Jünger und der Vorboten des jüngsten Gerichtes folgt im
ganzen dem entsprechenden Berichte des Neuen Testamentes. Den Schluss
bildet eine Schilderung des Weitendes, welche sich dem »Elucidarius« des
Honorius Augustodunensis (IV, 10) anschliesst, nebst Aufzählung der 15 Zei-
chen des nahenden Unterganges (vgl. ,^ 44).
Endlich sei noch eine bisher nicht herausgegebene Marien-Legende er-
wähnt, Lo Gardacors de Nostra Dona Santa Maria,-* die in etwa 900
paarweise gereimten Achtsilblern von der Vertreibung aus dem Paradiese,
von Mariae Verkündigung und von der Gründung eines Klosters durch die h.
Jungfrau berichtet.
K r e s s 11 e r , Die provent;. Bearbeitung der Kindheit yesii, Arcliiv
58, 291 — 310; R e i n s c li . Die Pseitdo-Evangelien von Jesu und Maria' s
Kindheit in der ronian. und german. Litt. Halle 1 879, 96 — 1 U(J ; Edmund
S u c h i e r , Über prm'enzalische Bearbeitungen der Kindheit Jesu, Ztschr.
8, 522 — 69 und Halle 1885. — Wülker. Das Evangelium Nicodemi
in der abendländisciun Literatur, Paderborn 1872.
38. Von den Heiligenleben unterscheiden sich die sogenannten Episto-
lae farcitae (Epitres farcies) sowohl durch ihren Charakter, als auch durch
ihre metrische Form. Es sind strophisch gegliederte Gedichte, welche man beim
Gottesdienste, und zwar bei der Liturgie, in der Weise verwandte, dass sie
nach der Verlesung der Epistel , welche den entsprechenden Inhalt hatte,
vorgetragen wurden. Die provenzalische Litteratur besitzt deren nur zwei,
welche uns anonym überliefert sind, in der vorliegenden Gestalt wohl beide
dem .anfange des 13. Jahrhunderts angehören und sich beide auf den h.
Stephan beziehen. Die eine^ umfasst in ihrem provenzalischen Teile 17
Strophen zu je 4 Achtsilblern mit gleichem Reim. Sie beginnt mit der Auf-
forderung, sich zu setzen und still zu sein, giebt sodann die Apostelgeschichte
des Lucas als Quelle der folgenden Erzählung an, und darauf folgt stück-
weise der lateinische Text nebst der gereimten Übersetzung. Eine Ver-
gleichung beider ergiebt, dass der Übersetzer sich ziemlich eng an seine
Vorlage (Abschnitt aus Apostelgesch. 6 und 7) angelehnt hat.
Die zweite,'* vor dem Anfang des 13. Jahrhunderts entstanden, enthält
ebenfalls gleichreimige Achtsilbler-Strophen, nur wechselt in ihnen die Zahl
der Verse, deren Gesamtsumme 87 beträgt; auch der Inhalt ist genau der
gleiche. Wir haben es jedoch hier nicht mit einem Originalwerk, sondern
mit der Übersetzung einer französischen Vorlage zu thun , die gleichfalls,
allerdings in etwas verjüngter Gestalt, aufgefunden worden ist.
* Su einer, Denkmäler I, l — 84.
^ Notizen und Auszüge bei Fr. Michel, Rapport sur une mission en Espagne
(Archives des Missions, 3® serie, t. VI, 269 sq.; P. Rajna. Giorn. di fil. rom. 3, 106;
P. Meyer, Rom. 14, 493—6.
* Raynouard, Choix H, 146 — ,^1 (Planck de Sant Esteve); L. Gaudin. Epitres
farcies de la Saint-Etienne en langue romafu, Rev. des i. r. 2, 133—42; Bartsch, Chrest.*
21 24.
* (i. Paris, Une epttre franfaisc de Saint-Etienne copice en I.anguedor au XJII'' siede,
Ron). 10, 218 — 23 und Gaudin, a. a. O.
42 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTT.
39. Einzig in seiner Art steht das kürzlich entdeckte Bruchstück eines
Gedichtes über Esther' daj^ welches in einer zu London im Privatbesitz be-
lindlichen hebräischen Handschrift, daher auch mit hebräischen Buchstaben
niedergeschrieben ist und iti 448 Versen die Geschichte von der Verstossung
und Hinrichtung der Königin Vasthi sowie den Anfang der Berufung Esthers
an ihrer Stelle erzählt. Das Werk stammt von einem jüdischen Arzte Crescas
(prov. =- Israel), Sohn des Joseph aus Caslar oder Caylar, der es bald nach
1322, und zwar, wie er selbst erzählt, für den Gebrauch der Frauen und
Kinder verfasste, worauf er denselben Gegenstand auch in einem hebräischen
Gedichte für liturgische Zwecke bearbeitete. Der Bericht giebt viel mehr
Einzelheiten als der in der Bibel und weicht von diesem auch in mehreren
Punkten ab; Crescas hat nämlich seinen Stoff auch noch aus den »Glossen«,
d. h. Rabbiner-Kommentaren zum Buche Esther, Misdrasch genannt, entlehnt,
ausserdem aber, wie es scheint, eigene Zuthaten hinzugefügt. Die Verse sind
meist paarweise gereimte Achtsilbler, doch kommen mehrfach Unregelmässig-
keiten vor, z. B. zu viel oder zu wenig Silben, sowie Verwendung blosser Asso-
nanz, andererseits zeigen manchmal 2,3, selbst 4 Verspaare den gleichen Reim.
C) LEHRGEDICHTE ÜBER GEGENSTÄNDE DER WISSENSCHAFT' ODER DER KUNST.
40. Die metrische Form war in den mittelalterlichen Litteraturen so
beliebt, dass man sogar Abhandlungen aus den verschiedensten Gebieten in
Reime brachte. Diese (iedichte sind im Provenzalischen der Regel nach in
paarweise gereimten Achtsilblern niedergeschrieben. So besitzen wir eins
über die Jagdvögel^, von Daude von Pradas (vgl. ^ 46) im ersten Viertel
des 13. Jahrhunderts verfasst, welches in 3792 Versen nach einer kurzen
Einleitung alle auf die Jagdvögel bezüglichen Punkte behandelt: die verschie-
denen Arten derselben und deren Kennzeichen, die Behandlung, Ernährung
und Abrichtung der Vögel, die ihnen drohenden Krankheiten sowie die Mittel
gegen dieselben u. s. w. Auch ein sogenannter Computus ist erhalten, d. h.
ein Traktat über die mit der Anfertigung eines Kalenders zusammenhängenden
Fragen. Der uns vorliegende^ gehört dem Schluss des 13. Jahrhunderts an,
zählt 144 Zeilen und hat die Form eines Gespräches zwischen zwei Prioren,
von denen der eine dem andern auf dessen Fragen über die Berechnung der
verschiedenen Tage und Feste des Kirchenjahres Auskunft erteilt. Er stammt
möglicherweise von Raimon Feraut (^ 36), da dieser nach seinen eigenen
Worten einen Computus verfasst hat. Sodann besitzen wir mehrere Gedichte,
welche medizinische Stoffe behandeln. Dahin gehört eine aus dem An-
fang des 13. Jahrhunderts stammejide Diätetik^ in 448 Zeilen, in welcher ein
unbekannter Verfasser angeblich im Anschluss an Hippokratcs und Galen, in
Wirklichkeit aber an die apokryphe »Epistola Aristotelis ad Alexandrum«,
die er durch eigene Zuthaten erweiterte, Anweisung erteilt, wie man leben
müsse, um gesund zu bleiben; sodann die um 1200 verfasste metrische Be-
arbeitung der y, Practica Chirurgiae«^ des Roger von Parma, der auch Roger
1 Le Roman firiwencal (PJ'lsther par Crescas du Caylar, niidecin Jttif du XIV" siede
[) p. A. Neiil);nicr et P. jMfvor. Rom. 21, 194-227.
2 Zum giösstt'ti Teil in: Les auzels cassadors, pohne provetifal de Daude de Pradas
|). p. Dr. Saclis 1" partie. Braiidebouig 1865. 4^^; Genauer Abdruck der römischen Hand-
sclirift: E. Monaci, Lo Romans dcls auzds cassadors, Studj di fil. rum. 5, 65 — K)2.
* Coinput en vers pi-ovengaux public, traduit et annotc \yAX Chabaneau, Paris 1881
(Audi Rev. des I. r. Uj, lö7 — ri9).
* Su'chier. Denkmäler 1, 2oi — 1;{.
■"' Kiu Hruchstück in; A. Tliomas. La Chirurgie de Roger de /'arme en vcrs pro-
Ten^anx, Rom. lo, 63' — 74 und 456.
Didaktik: Wissenschaftliche Gedichte. Moralisierende Erzählungen. 43
von Salcrno genannt wird, nach der Stadt, in welcher er gewirkt und auch
jenes Werk um 11 80 niedergeschrieben hat. Die Übertragung stammt von
einem Raimon von A vignon, der selbst Arzt war, in Salerno studiert hatte
und seine Arbeit auf Bitten eines ihm befreundeten Standesgenossen ange-
fertigt hat. Die metrische Form ist auffallig: zuerst, d. h. in der Einleitung,
6 Strophen zu 10, dann lauter solche zu 4 Versen mit gleichem Reim. Die
Verse, das Werk zählt deren 1571, sind Zwölfsilbler, jedoch nicht mit einer
Zäsur in der Mitte, sondern hinter der betonten vierten oder achten Silbe,
oft hinter beiden zugleich, in welchem Falle jede Zeile also drei gleiche
Teile aufweist.
Auch die Philologie ist unter den Dichtwerken dieser Art vertreten,
denn ein italienischer Dichter Namens Terramagnino von Pisa brachte
etwa zwischen 1270 und 1280 die »Las razos de trobar« betitelte Grammatik
des Raimon Vidal von Besaudun (^ 67) in provenzalische Verse (es sind 806)
und nannte seine Arbeit «Doctrina de Gort«. ^ Ein Originalwerk ähnlichen
Charakters ist ein gereimter Kommentar, nämlich die versifizierte Er-
klärung einer Canzone des Guiraut von Calanso. Mit dieser Aufgabe hatte
der Graf Heinrich II. von Rodez zu gleicher Zeit 4 verschiedene Dichter
betraut, unter welchen Guiraut Riquier den Sieg davontrug. Sein Gedicht
»Exposition« 2 deutet jenes Lied Strophe für Strophe und besteht aus 947
Sechssilblern, die sämmtlich paarweise reimen bis auf den letzten jedes Ab-
schnittes, welcher reimlos ist. — Die Lust an dichterischer Form war so
gross, dass man sogar die Statuten einer Brüderschaft vom h. Geiste^
in ein metrisches Gewand gekleidet hat; es sind 173 paarweise gereimte
Achtsilbler.
Einen kurzen Abriss des (iesamtwissens seiner Zeit gab in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts Peire von Corbiac in seinem Te säur. Wir be-
sitzen diesen »Schatz« in zwei Bearbeitungen, einer älteren kürzeren,* sodann
in einer erweiterten und interpolierten, also jüngeren ; ^ jene zählt 506, diese
840 Zeilen, und zwar sind es Alexandriner, die alle auf den gleichen Reim
(-ens) ausgehen. Weit umfassender ist das 34597 Verse zählende Breviari
d'amor^, welches in 5 Büchern eine Art Encyklopädie aller damaliger Wissen-
schaften darstellt. Der Verfasser, Matfre Ermengaud, welcher aus Beziers
stammte, begann sein Werk, wie er selbst mitteilt, 1288; er wurde später
Franziskanermönch und lebte bis 1322. Er verwandte, wie gewöhnlich, kurze
Reimpaare, und zwar teils von männlichen Achtsilblern, teils von weiblichen
Siebcnsilblern. Vielleicht hat der Popularisierung eines wissenschaftlichen
Gegenstandes auch ein Gedicht gedient, von dem uns nur ein Teil der Ein-
leitung (88 Verse) erhalten ist. ^ Es stammte aus dem ersten Drittel des 13.
Jahrhunderts und hatte seinen Stoff" lateinischen Quellen entnommen.
VVerth, Altfranzösische JagdUhrbücker , Ztschr. 12, l6ö— 71-
— Baiiquier, Ramoii Feraiid et sim Comput, Ztschr. '_', 76—7- —
K. Rein seil. Über das Sectetnm secretonun des Pseiido- Aristoteles als
Quelle eines noch uimeröffetttlicltten provenfalischen Gedichtes. Arch.
' Terrcunagniiu) de Pise, Doctrina de cort p. ]). P. .Meyer, Rom. 8, l8l — '-lo.
2 Mahn, Werke der Troub. 4, 210—32.
* Statuts d'une confrerie du Saint Esprit p. p. M. l'hoiiias et Cohendv, Rom.
8, 218-20.
* (jalvani, Osservazioiii sulla poesia de' trovatt>ri, .Modeiia l82y. ;V21 — 36 (Aiisser-
».leiu iJruchstCieke in nielireren Saimnelwerken).
^ Le Tresor de Pierre de Corbiac en vers provemaiix p. p. iJr. Sachs, Brande-
buiirs i8öy.
* Le Breviari dAnwr de Matfre Ermengaud suivi de sa lettre ii sa soeur p. p.
Aza/s, 2 B., Paris (1862-81).
■^ Prologiie d'un pohne inconnii p. p. P. Meyer, Rom. 1, 414— 17.
44 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 2. Prov. Litt.
68, 9 — 16. — A. Thomas, La versification de la Chirurgie prov. de
Raimoii d'Avignon, Rom. 11, 203-12. — O. Dammann, Die alle-
gorische Canzmie des Gutraut de Calanso „A Icis cid am de cor'^ und
ihre Deutung, Diss. Breslau 1891.
41. Endlich sind dieser Gattung von Dichtungen auch einige Ensen-
liamens, d. h. Unterweisungen zuzurechnen, nämlich diejenigen, welche den
Zweck haben, Spielleuton die für ihren Beruf nötigen Kenntnisse beizubringen.
Das älteste derartige Ensenhamen, ^ aus dem letzten Viertel des 12. Jahr-
hunderts, ist von Guiraut von Cabreira, einem catalanischen Edelmann,
für einen Joglar Namens Cabra geschrieben und zählt in 213 Versen alle
Künste sowie alle Sagenstoffe auf, mit denen letzterer vertraut sein müsse.
Eigentümlich ist die metrische Form, indem auf ein Reimpaar von Viersilblern
immer ein Achtsilbler folgt; die Achtsilbler weisen sämtlich den gleichen
Reim auf. Diesem Muster folgte Guiraut von Calanson in einem um
1200 entstandenen und an den Joglar Fadet gerichteten Gedichte, 2 das die
gleiche Form (240 Verse) und im allgemeinen auch den gleichen Inhalt hat,
wie das seines Vorgängers, nur hat er sich bemüht, das von jenem gegebene
Verzeichnis von Sagenstoffen zu erweitern und zu ergänzen. Das dritte und
letzte der uns erhaltenen Ensenhamens^ stammt von Bertran von Paris und
ist in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts für einen Spielmann Namens
Gordon verfasst; es zeigt die bemerkenswerte Eigentümlichkeit, dass es wie
ein lyrisches Gedicht gegliedert ist, indem es aus 10 Strophen zu je acht
und drei Geleiten zu je 4 Zeilen, sämtlich Zehnsilbler mit der Zäsur nach der
vierten, besteht. Es zählt weniger Namen auf, als die beiden anderen, fügt
aber fast immer eine Angabe über die Schicksale der betreffenden Person hinzu.
Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass diese »Unterweisungen« ernst
gemeint gewesen sind; vielmehr wählten die Verfasser diese Form wohl nur,
um ihre eigenen Kenntnisse an den Tag zu legen. (Über eine andre Gattung
von Ensenhamens vgl. ^ 49.)
2. GEDICHTE MüRAI.ISCHER TENDEN'/,.
a) moralisierende ERZÄHLUNGEN.
42. Innerhalb derjenigen Gedichte, welche sich nicht an den Verstand,
sondern an das Gemüt des Lesers wenden, welche ihn also nicht unterrichten,
sondern bessern wollen, können wir zwei Gruppen unterscheiden, nämlich
solche, die ihren Zweck direkt zu erreichen suchen, d. h. in Form von metho-
dischen Abhandlungen über einen bestimmten Gegenstand der Moral, und
solche, die dies gleichsam indirekt thun, d. h. mit Benutzung einer Erzählung.
Unter den letzteren verdient in erster Linie der sogenannte Boethius"*
hervorgehoben zu werden, welcher, wohl in der zweiten Hälfte des zehnten
Jahrhunderts (nach anderen im Anfange des elften) entstanden, das älteste
Denkmal der provenzalischen Litteratur darstellt. Hier wird die I^ebensge-
schichte des römischen Philosophen und Staatsmannes Boethius benutzt, um
' Bart.scl\, Denkmäler 88 — 94; Mild y Fontanals, De los trimadores etc. 'Ib^—Tf,
Mahn, Gedichte der Trouh. 3, 212—13.
2 Bartsch, Denkmäler 94 — lOl; Mahn, Gedichte der Trouh. 1, 66 — 7 (No. lll).
^ Barts c !i , Denkmäler 8,") — 8 , W i 1 1 h o e f t , Sirventes joglaresc, Marburg 1 89 1
S. 66—68.
* Rayiiouard, Clioix II, 4 — 39; Die/,, Altromanische Sprachdenkmale 39 — 72;
Bartsch, Chrest.* 1—8; V. Meyer, Recneil 23—32; Das altproiK Boethinslied lisg. von
Dr. Franz llündgen, üppehi 1884.
Didaktik: Moralisierende Erzählungen. Allegorien. 45
daran den didaktischen Inhalt zu knüpfen. Leider ist uns nur ein Bruchstück
des Ganzen erhalten, nämlich 257 Zehnsilbler in assonierenden Tiraden. Wir
erfahren darin, wie Boethius durch den römischen Kaiser Theoderich unschuldig
ins Gefängnis geworfen wird und ihm dort eine schöne Jungfrau in wunder-
samem Aufzuge erscheint, woran sich dann die moralisierende Deutung jener
allegorischen Vision schliesst. Das Gedicht beruht im wesentlichen auf dem
Werke des Boethius »De consolatione philosophiae«, das aus dem Anfange
des sechsten Jahrhunderts stammt. — Etwas anders verfährt Peire Cardinal,
um die Verkehrtheit der Welt zu veranschaulichen. Er erzählt nämlich in
einem Gedichte von 70 paarweise gereimten Achtsilblern , welches er selbst
Fabel und auch Sermon nennt, das aber richtiger als Parabel^ zu bezeichnen
ist, wie ein Regen allen Einwohnern eioer Stadt bis auf einen den Verstand
raubte und wie jene nun diesen vernünftig gebliebenen für verrückt hielten und
mishandelten. An diese Erzählung schliesst der Dichter sofort die Deutung
derselben an. Nahe verwandt hiermit sind die wirklichen Fabeln, welche
bekanntlich unter der Form eines Vorganges aus dem Leben der Tiere einen
Satz der Moral behandeln, ja diesen auch gewöhnlich am Schlüsse als »Lehre«
mitteilen. P^s hat sich bisher leider erst ein winziger Teil einer provenzalischen
Fabclsammlung auflinden lassen, nämlich ausser einer Fabel, welche zweimal
als Beispiel in den »Leys d' Amors« angeführt wird (I, 320 und III, 290 — 2),
ein Bruchstück von 43 paarweise gereimten Achtsilblern,^ zwei nicht einmal
vollständige Fabeln enthaltend, obwohl zahlreiche Beweise vorliegen, dass
diese Dichtgattung einst auch in Süd-Frankreich sehr verbreitet gewesen ist.
Jene beiden Fabeln (von der Krähe und dem Pfau, sowie von der Fliege
und dem Maultiertreiber) gehörten einst einer Bearbeitung resp. Übersetzung
des im 12. Jahrhundert in lateinischen Distichen niedergeschriebenen »Ysopus«
an, welcher selbst auf den drei ersten Büchern des »Romulus», einer älteren
Sammlung von Fabeln, beruht.
C. H o f m an n . Über dieQudlen des ältesten prm'.Gedkhles, Müncheiicr
Acad. 1870, II, 175 — 82.
43. In diese Gruppe sind auch die allegorischen Erzählungen zu
rechnen, in denen also der berichtete Vorgang nicht wörtlich zu nehmen ist,
die vorgeführten Personen vielmehr abstrakte Begriffe, wie die Philosophie,
gewisse Tugenden, Laster, Wissenschaften u. dgl. darstellen, deren Namen sie
auch meist tragen. Schon in den Boethius war eine solche Allegorie einge-
flochten ; einen ähnlichen Charakter hat ein aus 46 Strophen zu je 4 gleich-
reimigen Zehnsilblern bestehendes Gedicht Palaitz de Savieza,-' aus der zweiten
Hälfle des 14. Jahrhunderts, welches dem unten (^ 68) zu besprechenden
»Elucidari« als Einleitung dient und in welchem der Verfasser durch die Be-
schreibung des Palastes der Weisheit Gelegenheit findet, nicht nur alle da-
mals bekannten Wissenschaflen aufzuzählen, sondern auch deren Zweck und
Nutzen zu schildern. — In anderen Erzählungen treten die personifizierten
Begriffe selbst handelnd auf, so in drei uns erhaltenen, die im 1 3. Jahrhundert
entstanden sind und sich sämtlich auf die Liebe beziehen. In der einen,
von ihrem Herausgeber La cour d'amour"* betitelt, welche, obwohl der
Schluss fehlt, 1730 paarweise gereimte Achtsilbler zählt, wird die Liebe als
Fürstin auf dem Parnasse thronend eingeführt, umgeben von Freude, Mut,
' Raynouard, Ckoix 1\', 866 — 8; Farnasse occitanien 321 — 4; Mahn, Werke
2, 189— 91; Bartsch, Ckrest* 175—8.
* p. p. Pio Rajna, Rom. 3, 291— 4.
' Bartsch, Denkmäler 57 — 63.
* L. Constans, Les manuscrits provengaux de Cheltenham, Paris 1882, 66 — 115
(Auch Rev. des 1. r. 20, 105 — 38, 157 — 79, 209 20 und 26I — 76).
46 LllTERATUKGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV, LlTr.
Scham, Hoffnung u. a. ; sie erteilt ihren Untergebenen ausführliche Lehren,
worauf Cortesia darlegt, worin das Wesen echter Liebe bestehe. Ganz ähn-
lichen Inhalt hat eine vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandene alle-
gorische Ich-Nouvelle eines Peire Guilhem,^ welcher vielleicht iden-
tisch ist mit dem Lyriker Peire Guilhem de Tolosa. Wir erfahren, wie der
Dichter auf einem Spazierritte einer Schaar allegorischer Figuren, wie Gnade,
Schamhaftigkcit, Treue u. a. begegnet, an deren Spitze sich Amors befindet.
Er richtet an letztere verschiedene Fragen, welche dieselbe beantwortet und
zugleich mit Ratschlägen begleitet. Die Achtsilbler sind hier ab und zu
durch Verse von nur 4 Silben unterbrochen, die jedoch auch stets mit dem
dazu gehörigen Achtsilbler reimen. Ein drittes, leider unvollständig überliefertes
allegorisches Gedicht des 13. Jahrhunderts, Chastel d'Amors,^ in welchem der
unbekannte Verfasser (wie es scheint, ein Italiener) den Weg zur Liebe nebst
den sich entgegenstellenden Schwierigkeiten und Hindernissen mit dem Zu-
gange zu einer festen Burg vergleicht, zeigt Strophen von je 6 Siebcnsilblern,
deren 5 erste den gleichen Reim aufweisen, während die sechste mit den 5 An-
fangszeilen der folgenden Strophe reimt. Erhalten sind 30 Strophen, also
180 Verse, von denen allerdings mehrere nicht völlig leserlich sind.
44. Zu den moralisierenden Erzählungen muss man auch diejenigen
rechnen, welche den Zweck haben, ihre Leser zu erbauen. Sehr beliebt
waren solche über die Freuden der Maria, in welchen nämlich alle diejenigen
Ereignisse aus dem Leben der heiligen Jungfrau berichtet werden, bei denen
ihr durch ihren Sohn Freuden zu Teil geworden sind. Im Provenzalischen
kennt man bisher vier Gedichte über diesen Gegenstand *'*, in denen die Zahl
jener Freuden stets 7 beträgt, während die Reihenfolge der als Ursache an-
gegebenen Ereignisse, ja sogar einzelne der letzteren in den verschiedenen
Bearbeitungen von einander abweichen. Zwei derselben zeigen kurze Reim-
paare, die beiden andern sind strophisch gegliedert. Eine gleiche Tendenz
verfolgen die Gedichte über die Zeichen des Weltunterganges, einen
legendarischen Stoff, dem wir bereits am Schlüsse der Bearbeitung des Evan-
geliums Nicodemi begegnet sind (^ 37). Derselbe findet sich jedoch auch
selbständig, einmal in einem Gedichte, von dem uns nur 12 zum Teil ver-
stümmelte Strophen von je 4 paarweise gereimten Achtsilblern erhalten sind *,
sodann in einem anderen von gleichem Bau (17 Strophen), betitelt Sibyllen
Weissagung'"', endlich in einer 258 paarweise gereimte Achtsilbler zählenden
Übersetzung eines altfranzösischen Gedichtes''. Diese Werke gehören wohl
alle dem 13. Jahrh. an und haben ihren Stoff im wesentlichen aus dem
lateinischen Akrostichon des heiligen Augustinus »Judicii Signum tellus sudore
madescet« geschöpft. Das nahe Bevorstehen des Weltunterganges wird man
daran erkennen, dass Sonne und Mond sich verfinstern, die Erde erbeben,
Feuer, Schwefel und blutiger Regen vom Himmel fallen wird u. dgl. Das
zweite der angeführten Gedichte enthält ausserdem noch eine Schilderung des
jüngsten Gerichtes.
1 Raynouarcl, Lex. rom. I, 405—17: Mahn. Werke 1, 241—50; vgl. Bartscli,
Peire Vidal XCIV.
* Chastel d'amors, fragment d'wt poeme proveufal, p. p. M. Tlioirias 1889 (Extrait
des Annales dn Midi No. '2, S. 183-96); ein Bruckstflck davon Bartscli. ChresL* •lT^~'^•
* a. Suchier, Denkmäler 1. 85 — 97; b. ib. 272—82; c. Leys d'AvtorsX, 264 — 7;
(1. V. Meyer, Dmirel et Beton XCII— XCIV.
* P. Meyer, Daurel et Betan XCVII-C.
" Miläy Fantanais, El canto de la Siitla 01 le.ngtia de oc, /\o»i. 9.;i5H— ^>5; Sil cliiej-,
Denkmäler I, 462 — 69.
* Suchier, Denkmäler I, 156-64.
Didaktik: Mokausierende Erzählungen und Abhandlungen. 47
Endlich sind hier noch zwei andre sagenhafte Stoflfe zu erwähnen, die
Geschichte des Kreuzholzcs Christi und die Zerstörung Jerusalems.
Wir werden unten (5 62; je eine Bearbeitung derselben in prosaischer Form
kennen lernen, doch hat es deren auch in poetischer gegeben. Letztere haben
sich allerdings als selbständige Werke nicht erhalten, sondern nur als Teile
der bereits in ^ 7 besprochenen Kompilation, welche die Eroberung von
Arles zum Hauptgegenstande hat. Die zuerst genannte Sage', die nicht früher
als in der Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert herausgebildet worden ist,
berichtet über die Schicksale des Baumes, von welchem später das Holz zum
Kreuze Christi genommen wurde; nach ihr war derselbe aus drei Kernen
herausgewachsen, Welche von der Frucht des Baumes der Erkenntnis her-
stammten, und welche Seth von einer Sendung ins Paradies mitgebracht und
auf Befehl Gottes seinem Vater Adam in den Mund gesteckt hatte. Dem
Kompilator haben zwei verschiedene Gedichte über diesen Gegenstand, eins
in Achtsilblern, das andre in Alexandrinern, vorgelegen, und er hat aus beiden
je einen Teil herübergenommen und den Stoff durch einige Zusätze erweitert.
Auch die zweite Sage, die von der Zerstörung Jerusalems 2, war im Mittel-
alter sehr verbreitet ; nach ihr soll ein römischer Kaiser (in einigen Versionen
ist es Tiberius, in der unsrigen Caesar), als sein Sohn (Vespasian, sonst auch
Titus genannt) durch ein Gewand Jesu (anderswo durch ein Tuch mit dessen
Bilde; von Aussatz oder anderer widerlicher Krankheit geheilt worden, Jeru-
salem zerstört haben, um den Tod des Heilandes zu rächen. Auch hier hat
der Kompilator mehrere anderswoher entlehnte Episoden, seinem Berichte ein-
verleibt. Die von ihm, vermutlich nach seiner Vorlage, verwandten Verse
sind Alexandriner, die allerdings teilweise höchst mangelhaft sind.
C. Michaelis. Quitidecim Signa ante Judickim, ^rcA. 46, 33 — 6o;
N ö 11 e . Die Legende van den ij ZeicAen var dem jüngsten GericIUe,
Paul und Biaiine's Beitr. 6,413—76; K. Peiper, Die i^ Zeichen v(m-
dem jüngsten Gericht, Arcii. für Lit. Gesch. y. 117—37. — W. Meyer,
Geschichte des Kreuzholzes v&r Christus, Ahh. der hayer. Akad. der Wiss.
1881, 103 — 166. — A. Graf, Roma nella iuemoi-ia e nellc immagina-
zioni del media evo, Torino l882-3, Cap. 11.
45. In einigen anderen Gedichten erbaulichen Charakters ist der er-
zählende Inhalt in die Form einer Anrufung, gewöhnlich eines Gebetes ge-
kleidet. So bittet in einer Bearbeitung des »Tractatus beati Bernhardi de
planctu beatae Mariae«^ der Dichter, ebenso wie dessen Vorlage, die heilige
Jungfrau, ihm den Hergang des Leidens ihres Sohnes vorzutragen. Sie
thut dies, indem sie Klagen und Verwünschungen gegen den Tod und die
Juden einflicht. Von V. 599 an ergreift dann der Verfasser selbst das Wort,
erzählt die Ereignisse nach Christi Tode und schliesst mit einem Gebete an
Maria (V. 883 — 908). Einen anderen Bericht über die ganze Passion, und
zwar nach den kirchlichen Stunden, der prima, tertia, nona u. s. w. geordnet,
giebt der in gascognischer Mundart verfasste Romans de las horas de la
crot.^ Derselbe ist, wie das eben erwähnte Gedicht, in paarweise gereimten
Achtsilblern (272) niedergeschrieben und erscheint äusserlich als eine Anrede
an Christus. Ein andrer, ebenfalls nicht bekannter Verfasser berichtet unter der
Form einer Beichte an die h. Jungfrau" über die Verirrungen seines
1 I,e Roman d'Arles S. 15-23-
- il). S. 23—30.
* La Fassiofi du Christ, poeme provenfal p. p. Edström, Göteborg 1877: Alt-
pro7iem. Marienklage hsg. von Musliacke, Halle l8(>o (Roman. Bibliothek No. 3): vgl.
Rev. des 1. r. 33, 125 — 7.
* P. Meyer, Daurel et Beton CIX-CXIX.
^ S u c h i e r . Denkmäler I, 2 1 4 40.
48 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER, — 2. PrOV. LllT.
Lebens; er sei in seiner Jugend Ketzer, Albigenser, gewesen, habe sich dann
aber bekehrt und habe auch die späteren Versuchungen siegreich niederge-
kämpft, sodass er jetzt fest im Glauben stehe. Die metrische Form ist genau
so wie die des ersten Teiles der Albigenserchronik (^ 35); es sind im Ganzen
839 Verse. Alle 3 soeben besprochenen Werke stammen aus dem 13. Jahr-
hundert.
Ein anderes Gedicht ähnlichen Charakters, aus etwa 100 Reimpaaren
von Achtsilblern bestehend, welches schildert, wie Maria am Fusse des Kreuzes
erscheint, und in einer Anrede an den Sohn bittere Klagen über dessen
leidensreiches Leben ausströmt und wie sie schliesslich von Johannes getröstet
und hcimgeleitet wird, ist noch nicht herausgegeben. ' •
b) moralisierende ABHANDLUNGEN.
46. Die provenzalische Litteratur besitzt Gedichte, welche die verschie-
densten Gebiete der Ethik behandeln; teils haben sie einen allgemein mora-
lischen Inhalt, teils richten sie sich ausschliesslich gegen einzelne Arten von
Fehlern, teils endlich sind sie nur für bestimmte Gesellschaftsklassen berechnet.
Wohl das älteste derartige Werk 2 stammt von dem auch als Lyriker bekannten
Arnaut von Maruclh (1170 1200); es enthält 368 paarweise gereimte
Sechssilbler und zählt zunächst die Eigenschaften auf, die man besitzen müsse,
um in der Welt Lob zu erwerben, worauf die Vorzüge und die Schwächen
einzelner Stände, am Schlüsse auch die der Frauen besprochen werden. Der
ebenfalls schon genannte (^ 40) Daude von Pradas verfasste eine Dichtung
(er nennt sie romanz) in 906 Reimpaaren von Achtsilblern über die vier
Haupttugenden, 3 prudentia, fortitudo, continentia und justitia, die jeder
Christ, Jude und Heide besitzen müsse. In vier Abschnitten erläutert er zu-
erst immer das Wesen der betreffenden Tugend und fiihrt diese dann selbst
redend ein, wobei jede angiebt, wie man ihrer teilhaftig werden könne. Das
Gedicht, welches dem Bischof Stephan von Puy (1220 — 31) gewidmet ist,
beruht auf einem angeblich von Seneca, in Wirklichkeit aber von dem portu-
giesischen Bischof Martin von Braga herstammenden lateinischen Traktat.
Aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. besitzen wir eine Sammlung
von Regeln allgemeiner Lebensklugheit, welche sich selbst >->Lo Savi«
nennt, während sie gewöhnlich auf Grund eines darin vorkommenden Zitates
mit dem nicht zutreffenden Titel Lo libre de Seneca* belegt wird. Nach
einer Einleitung, die ein Lob der Weisheit enthält, werden die Sprüche,
welche meist je ein Reimpaar umfassen und die viel volkstümliches enthalten,
einzeln an einander gereiht. Der schon mehrfach (^ 33 und 43) genannte
Peire Cardinal verfasste in dem Versmasse von Guiraut von Cabreiras Ensen-
hamen (^41) eine Predicansa,"^ die in 180 Zeilen vor Hochmut, Habgier
und Trug warnt sowie Adel der Gesinnung verlangt. Eine Strafpredigt über
den allgemeinen sittlichen Verfall enthält der Romans de mondana vida,^ im
Jahre 1284 von Folquet de Lunel verfasst. Er nimmt die einzelnen Stände
vom Kaiser abwärts nach einander vor, indem er deren Sünden und Gebrechen
geisselt. Erhalten sind 539 Verse mit gekreuzten Reimen, und zwar wechseln
1 Anfang und Schluss von P. Meyer, Rom. 14, 530--31.
* Raynouard, Choix IV, 405— 18; Mahn. Werke l, 176—84.
' The romance of Daude de Pradas on the fotir cardinal virtties tA. Ijy A. Stickney,
Florencc l879-
* Bartsch, Denkmäler 1 92 - 2 1 5 .
* Mahn, Gedichte No. 94 1 ; Bayle, Anthologie prov. 120 — 8.
^ Der Troubadour Folquet de Lunel liso;. von Franz Flichelkraut, Diss. Berlin
1872, 26- 42.
Didaktik: Moralisierende Abhandlungen. 49
männliche Achtsilbler mit weiblichen Sechssilblern. Gegen bestimmte Stände
endlich, besonders Juristen und Mediziner, ist ein Gedicht von 141 Versen
gerichtet, welches sein nicht bekannter Verfasser eine Arbalecca ' nennt (V. 4).
Es beginnt mit einem Reimpaar von Achtsilblern, dann folgen immer je ein
Vier- und ein Achtsilbler, die ebenfalls mit einander reimen. Eingefügt ist
diese Strafpredigt in eine Schilderung des jüngsten Gerichtes.
47. Der zweiten Hälfte des 13. Jh. 's gehören sodann noch zwei her-
vorragende Vertreter der didaktischen Poesie an: Guiraut Riquier (vgl. § 40 )
und At von Mons. Unter den hierher gehörigen Werken des ersteren- sind
8 wirkliche Abhandlungen über moralische Gegenstände. ^ Von diesen Ge-
dichten, die sämtlich datiert sind, handeln einige über allgemeine Gegen-
stände, z. B. über unsere Pflicht, Gott zu fürchten, zu lieben und zu ehren,
über die Notwendigkeit des Masshaltens, über die Lebenslagen, in denen der
Mensch Scham empfindet, über die sittliche E'ntartung der Dichtkunst; die
übrigen geben Ratschläge oder Vorschriften der Ethik , und zwei von ihnen
sind sogar für einen bestimmten Freund geschrieben, der allerdings nicht ge-
nannt wird. In vier anderen didaktischen Dichtungen verwendet er die Form
von Sendschreiben,"* die an hochgestellte Freunde oder Gönner gerichtet
sind. Dieselben enthalten neben persönlichen Angelegenheiten des Dichters
wiederum Besprechungen allgemeiner Fragen, namentlich solcher, die sich auf
die Lebensführung, besonders das Verhalten gegen andere beziehen. Interessant
ist endlich eine Denkschrift^, die der Dichter 1274 an den König Alfons X.
von Castilien richtete . in welcher er unter dem Ausdrucke des Bedauerns
darüber, dass man jetzt die Dichter, selbst die besten, mit dem gleichen Aus-
drucke »joglar« bezeichnete, wie die CJaukler und Possenreisser , den König
bat, ftir jene einen anderen Namen zu bestimmen. In einer Antwort 6, die
ohne Zweifel Guiraut Riquier selbst im Auftrage des Königs verfasst hat. geht
dieser auf den Vorschlag ein und setzt für die Dichter die Bezeichnung »trobador«
und »doctor« fest.
Auch Riquiers Zeitgenosse, At von Mons" aus Toulouse, hat mit Vor-
liebe die Form von Briefen verwandt. So richtete er einen über den Ein-
fluss der Sterne auf das Schicksal der Menschen ebenfalls an Alfons X. von
Castilien und ist auch wohl als Verfasser der uns erhaltenen angeblichen Er-
widerung des Königs anzusehen. Zwei andere sind für den König von Aragon,
wahrscheinlich Peter III. (1276 — 85), bestimmt; der eine handelt von den
sittlichen Gütern des Menschen, der zweite warnt die Fürsten vor der Wahl
falscher Ratgeber. Eine weitere gereimte Abhandlung desselben Dichters
endlich geisselt im ersten Teile die Fehler der Grossen und spricht im
zweiten über die Entstehung und das Wesen der Liebe.
Beide eben besprochenen Dichter verwandten in ihren didaktischen Er-
zeugnissen der Regel nach den Sechssilbler ; nur zwei Briefe Ats (die an den
König von Aragon) und einer (iuirauts (Mahn, Werke 4, reo) zeigen Acht-
silbler. Die Verse werden überall paarweise gereimt , doch ist bei Riquier
immer, bei seinem Nachahmer der Regel nach, die Schlusszeile reimlos. Die
Zahl der Verse schwankt bei Riquier in den Abhandlungen zwischen 171 und
577, in den Sendschreiben zwischen 87 und 245; die Denkschrift endlich
* Bartsch, Denkmäler 75 — 79: P. Meyer, Jahrbuch 5, 393—7.
» hsg. von Pf äff als Mahn, Werke B. 4. Berlin 1803.
' Mahn, Werke 4. 106; 11"; 131; 149; 157; 191; '^0\ und 205.
* Mahn, Werke 4, lOO; 123; 125; 143.
* ib. 4, 163.
« ib. 4, 183.
" Die Werke des Trobodors N'At de Maus lisg. von VV i I li. B e r n I1 a r d . Heilbronn 1 887.
C'.RöBER, (Jrundriss, IIb. 4
50 LiTTERATURGESCHtCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. '■ — 2. PrOV. LiT1\
zählt 86 1, die Antwort 393 Zeilen. At von Mons hat seinen Episteln eine
Länge von 1244, 265 und 296, seiner Abhandlung eine solche von 602
Versen gegeben.
48. Nicht weniger beliebt als die Briefform war die dialogische Form
für derartige didaktische Abhandlungen. Dies zeigt sich z. B. an einem Lehr-
gedicht des Catalanen Serveri von Gerona über den Wert der Frauen,'
welches um die Mitte des 13. Jh. 's verfasst und dem K()nig Jacob L von
Aragon gewidmet ist. Erhalten sind 559 Sechssilblcr in Reimpaaren, doch
fehlt der Anfang. Nachdem in V. 43 sq. der Grundgedanke des Gedichtes
ausgesprochen, ein gemeines V^'eib sei weniger wert als irgend etwas anderes
auf der Welt, eine gute Frau dagegen trage den Preis der Ehre und des
Lobes davon, werden in Form einer Disputation von dem Dichter immer die
Schatten-, von dessen Gegner die Lichtseiten der weiblichen Natur hervorgehoben.
Dieselbe Form eines Gespräches ist auch gewählt in einer etwa gleich-
zeitigen, »Las novas de rheretge«^ betitelten Tendenzschrift, in welcher
der Verfasser, ein Dominikanermönch und Inquisitor, Namens Izarn, mit dem
Albigenserbischof Sicart von Figueiras über dessen Lehren disputiert, diese wider-
legt und den Ketzer schliesslich zum Widerruf und zur Bekehrung bewegt.
Das Gedicht besteht aus langen, gereimten Alexandriner-Tiraden, welche immer
mit einem Sechssilblcr schliessen, der nicht mit der eigenen, sondern mit der
folgenden Tirade reimt (vgl. *^ 35, Albigenserchronik, i. Teil). — Erbaulichen
Inhaltes ist auch eine Unterhaltung zwischen der h. Jungfrau und
dem Kreuz,^ die ein Franziscanermönch verfasst und seiner Schwester ge-
widmet hat. Maria macht dem Kreuze heftige Vorwürfe, dass es ihren Sohn
getötet habe ; das Kreuz verteidigt sich mit dem Hinweis auf die Notwendig-
keit jenes Opfertodes. Der Eingang fehlt, es sind nur 228 paarweise gereimte
Achtsilber erhalten.
Ein andres, völlig eigenartiges Gespräch zwischen einem Beich-
tiger und einer Zaubrerin,^ von dem bisher ebenfalls nur der erste Teil
(166 Achtsilbler) aufgefunden ist, scheint nicht ernsthaft gemeint gewesen zu
sein. Bei einem Geistlichen erscheint eine alte Sünderin und berichtet aus-
führlich, wie sie schon mit zehn Jahren für einen Gürtel und einen Kranz ihre
Unschuld hingegeben und sie dann, auf dem begonnenen Wege weiterwandelnd,
die Männer durch alle möglichen Mittel , selbst durch Liebestränke , an sich
gelockt und ausgesogen, schliesslich, da ihre Reize verblüht, als Wahrsagerin
und Zaubrerin erheblichen Besitz erworben habe. Jetzt wolle sie sich jedoch
hessern und bitte den Cieistlichen , ihr eine angemessene Busse aufzuerlegen.
Als dieser versichert, Gott werde ihr bei aufrichtiger Reue verzeihen, und be-
stimmt, sie solle jeden Freitag fasten und ausserdem auch die drei grossen
Fastenzeiten des Jahres streng innehalten , bittet sie , von dieser Forderung
abzusehen ; fasten möge sie nicht, das solle man den Mönchen und den Fratres
überlassen. Hier bricht das Gespräch in der einzigen bisher bekannten Hand-
schrift leider ab.
Endlich ist zu erwähnen , dass die provenzalische Litteratur auch eine
Bearbeitung des im Mittelalter so verbreiteten Streites zwischen Körper
und Seele aufzuweisen hat, die aus dem 14. Jh. stammt, 1166 Achtsilbler
zählt, aber noch nicht herausgegeben ist. ^
1 Sucliier, Denbnäler I, 256 — 71.
^ Debal d' Izarn et de Sicart de Figueiras p. p. P. Meyer. Annuaire- Bulletin de la
Societe de VHistoire de France, XVI, 233 sq. (1879).
^ Debat de la Viers;e et de la Croix p. p. P. Meyer, Datircl et Beton LXXIII —
r.xxxv.
* Dehat de la sorciere et de smi confesseiir p. p. V. Meyer, Rom. 14, 521 --24.
" Paris B. N. 14973.
Didaktik: Moralisierknde äbhanül. Ensenhamens. Religiöse Dichiunöen. 51
49. In ^ 41 haben wir Ensenhamens kennen gelernt, welche dem
Wissen dienen ; es gicbt aber auch solche, die in Bezug auf das äussere Be-
nehmen Belehrung gewähren wollen und die oft für einzelne Gesellschafts-
klassen, zuweilen sogar für bestimmte Personen, männliche oder weibliche,
berechnet sind. Die charakteristische metrische Form dieser Gedichte sind
Reimpaare von Sechssilblern. Das älteste stammt von Garin dem Braunen
aus der zweiten Hälfte des 12. Jh. 's und enthält eingehende Vorschriften
darüber , wie eine Dame sich in den verschiedenen Lebenslagen betragen
müsse. ^ Die äussere Einkleidung ist episch, indem die Frau bei dem Dichter,
als er in seinem Garten sitzt , erscheint und um jene Unterweisung bittet.
Ein um 1200 entstandenes Gedicht des Arnaut Guilhem von Marsan^
könnte man einen Adelsspiegel nennen, da es in etwa 600 Versen einem
Junker Regeln feiner Lebensart erteilt; die Einleitung ist fast genau so wie
bei Garin. Auch Amanieu de Sescas (mit Unrecht oft des Escas genannt)
hat im letzten Viertel des 13. Jh. 's zwei Ensenhamens verfasst, die, wie ge-
wöhnlich, als Erzählung beginnen. Im ersten 3 erteilt er seine Vorschriften
einem Edelknaben , und zwar in Betreff" seines Umganges , seiner Kleidimg,
seines Verhaltens in Liebessachen, seiner Pflichten gegen seinen Herrn u. dgl. ;
in dem zweiten* einer »donzela«, die er mehrfach als »marquesa« anredet.
Seine Weisungen beziehen sich hier sogar auf ihre Toilette und die Pflege
ihres Körpers ; ebenso sehr aber auf ihr Benehmen ihren Nebenmenschen
und selbst einem Liebhaber gegenüber. Das erste dieser beiden Gedichte
wurde von Luncl von Monteg oder Moncog in seinem 1326 entstandenen
Ensenhamen, ''» dem spätesten Werke dieser Gattung, nachgeahmt, das nicht
nur die gleiche Einkleidung, sondern auch einen ähnlichen Inhalt aufweist;
abweichend ist nur die metrische Form , es ist nämlich die der Arbalecca
(§ 46). Zwei weitere Ensenhamens sind in Achtsilbler-Reimpaare gekleidet; das
eine,*' von dem Italicner Sordel aus Mantua verfasst, war für Herrn und
Damen ritterlichen Standes bestimmt, das andere' belehrt in etwa 100 Versen
einen jungen Adligen, wie er sich bei Tische zu betragen habe.
50. Andere didaktische Gedichte haben einen religiösen Inhalt. So
verfasste ein Ritter, Namens Raimon von Castelnou, nachdem er in seiner
Jugend weltliche Lieder gedichtet, in der zweiten Hälfte des 13. Jh. 's gleich-
sam zur Busse ein derartiges Doctrinal. ^ Im Anfange beichtet er seine
Sünden und spricht den Wunsch aus, der 7 Haupttugenden teilhaftig zu werden ;
hierauf berichtet er vom Leben Christi, wiederholt das Glaubensbekenntnis
sowie die 10 Gebote und knüpft daran weitere erbauliche Erörterungen.
Das Werk zählt 391 Alexandriner in Reimtiraden.
Aus ähnlichen Beweggründen schrieb ein Italiener , dessen Namen wir
nicht wissen, im Jahre 1254, als er im Gefängnisse schmachtete, eine Art
von Predigt-' in 844 paarweise gereimten Sechssilblern; unter Hinweis auf
den unvermeidlichen Tod ermahnt er seine Leser, sich von den weltlichen
Dingen abzuwenden und allein das (iute zu erstreben , indem er einerseits
* Bruchstücke hei Bartsch. Garin c'er Braune, Jnhrhuch 3, 399— 409-
2 B'a r t s c h . prov. Lesebuch 1 32— 39.
3 Bartsch. Denkmäler loi - 14; Milä y Fontanals 410— 16.
* Barts eil. prov. Lesebuch 1 40—48; Mild y Fontanals 4 16 — 22.
* Bartsch, Denkmäler 114-24 und P. de Luncl, dit Cavnlier Lunel de Montcch
f). p. E. Forest ie, Montauhan 1891.
^ Palazz i, Le poesie inedite di Sordello, Vcnezia 1887 (Auch Atti deW Istit.vnieto ö.
ser. V).
"^ Bruchslücke abgedruckt von P. Meyer, Rom. 14, 519—20.
** Suchier. Denkmäler I, 241 — 55: vgl. P. Mcvei. Rom. 14. r)33— 3.')-
" K Levy, Pot'sies reli^ieuses (§ 32. Anm. 1) 3*^) -59-
52 LriTERATUKGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTl'.
den im Paradiese zu erhoflFenden Lohn, andrerseits die Qualen der Hölle in
glühenden Farben schildert und auf Christi Oplcrtod hinweist.
Ein mehr lyrisches Metrum zeigt ein um 1200 entstandenes Gedicht
über den heiligen Geist'. Es besteht Ucämlich aus 42 Strophen von
je 6 Siebcnsilblcrn mit dem Reim aaabab (a männlich, 1) weiblich) , deren
jede refrainartig mit sant Espcrit schlies.st. Dasselbe wurde , wie die Epi-
stolae farcitac (^ 38), beim Gottesdienst verwandt (selbstverständlich zu Pfingsten),
beginnt daher ebenfalls mit der Aufforderung, stille zu sein. Es unterscheidet
sich von jenen jedoch dadurch, dass es, abgesehen von einer kurzen Erwähnung
des Pfingstwunders, nichts E^pisches enthält. Es hebt vielmehr die Kraft des
heiligen (ieistes gegenüber der Sünde hervor und fordert mit freier Benutzung
verschiedener Aussprüche des Alten und namentlich des Neuen Testamentes
zu tugendhaftem Leben , Friedfertigkeit und Demut , besonders zu thätiger
Nächstenliebe auf und schliesst mit einem Hinweis auf den Weltuntergang
und das jüngste Gericht. — Von der Abhandlung eines nicht bekannten Ver-
fassers über die Namen der Mutter Gottes^ sind nur der Anfang und
der Schluss, zusammen 72 gleichreimige Alexandriner-Quatrains erhalten. Die-
selbe zählt nach einer kurzen Rekapitulation der Schöpfung, des Sündenfalles,
sowie der Erlösung alle Eigenschaften und Prädikate der h. Jungfrau auf. —
Theologischen Charakters ist auch ein VVeihnachtsbrief'* des schon er-
wähnten Matfre Ermcngaud (J^ 40) an seine Schwester, in welchem er den
Brauch, sich zu Weihnachten gegenseitig mit Honigkuchen, Meth oder einem
Kapaun zu beschenken , allegorisch auf Christum deutet. Die Epistel zählt
69 Reimpaare von Zehnsilblern.
In diese Kategorie gehören auch die geistlichen Dichtungen der
Waldenser*. Die Handschriften, aus denen wir diese Sammlung kennen
lernen, sind meist im 16., die frühesten, wie es scheint, im 15. Jh. aufge-
zeichnet worden , aber die Entstehung der Werke selbst liegt wohl weiter
zurück, vielleicht sogar um mehr als 100 Jahre, wenn auch die frühere h.n-
nähme, dass dieselben bis ins 13. Jh. hinaufreichten, unhaltbar ist. Dieselben
sind betitelt La Nobla I^eyczon,^ La Barca, Lo Novel Sermon, Lo
Novel Confort, Lo Payre Eternal, Lo Despreczi del Mont, L'Avan-
geli de li Quatre Semencz und La Confession; sie enthalten teils
Betrachtungen über die Vergänglichkeit alles Irdischen , teils Busspredigten,
teils Gebete. Die erste ruft ausserdem die Vorgänge der Bibel, besonders
die Leidensgeschichte Christi ins Gedächtnis, die vorletzte behandelt die be-
kannte neutestamentliche Parabel vom Säemanne. Die metrische Form ist
im Laufe der Zeit sehr entstellt und verderbt worden , doch erkennt man,
dass in allen Gedichten gereimte Alexandriner verwandt worden sind, die
entweder zu kurzen Tiraden unbestimmter Zahl oder zu Reimpaaren oder
endlich zu Strophen von je 3, 4 oder 6 Zeilen verbunden waren. An Stelle
des Reimes erscheint zuweilen blosse Assonanz.
Endlich kann man auch einige freie Bearbeitungen von Teilen der Bibel
oder von kirchlichen Symbolen hierher rechnen, die ja ebenfalls erbaulichen
Zwecken dienten. In ersterer Hinsicht sind zu nennen : zwei verschiedene
' p. p. M. Thomas et A. Cohendy, Rimi. 8, 211 — 18; hsg. von F. Kalepky,
Programm der Oberrealschule zu Kiel l887-
2 Lo tractat dels notns de la mayre de Dien p. p. P. Meyer, Danrel et Betör? C —
CVlll.
* Bartsch, Denkmiiler 81 — 5; Breviari d'A?nor p. p. Aza'is II, 675 — 9; vgl. P.
Meyer, Rom. 14, ,^20.
* Religiöse Dickungen der Waldenser, neu hsg. von Fr. Apfelstedt, Archiv 62,
27:^ — 88 und Ztschr. 4, ,330 — 46; 52I— 41.
'^ La A'ohle Legon, texte original p. p. Edouard Montet, Pcuis 1888.
Didaktik: Coblas esparsas. — Drama. 53
gereimte Übertragungen der 7 Busspsalmen aus dem 14. Jh., deren
eine,^ welcher die drei ersten und ein Teil des vierten Psalmes fehlen, paar-
weis oder kreuzweis gereimte Achtsilblcr aufweisen, die zu meist vierzeiligen
Strophen verbunden sind, während die andre,^ durchweg in vierzeiligen Acht-
silbler-Strophen abgefasste , eine gascognisch gefärbte Sprache zeigt ; sodann
die aus derselben Zeit stammende Bearbeitung des Psalmes 108,''' welche
118 Verse verschiedener Länge zählt, von denen bald zwei, bald mehrere
mit einander reimen oder assonicren ; weiter eine Umschreibung der
Sprüche Salomonis,* von einem catalanischenEdclmanne, Guilhem von
Cerveira, nach der Mitte des 13. Jh. 's verfasst, in Alexandrinern, die nicht
nur am Ende sondern auch in der Mitte paarweise reimen. Aus der zweiten
Gattung von Werken besitzen wir Paraphrasen des Glaubensbekennt-
nisses,5 darunter eine in 18 Achtsilbler-Quatrains,^ der 10 Gebote,' des
Vater unsers^ und des Ave Maria^ — • Werke, die allerdings kaum noch
der Dichtung zugezählt zu werden verdienen.
dir. U. Mahn, Geschichte der Ketzer, Bd. 2. Stuttc-ut 1847.
51. Am Schlüsse der Didaktik erwähne ich noch die coblas esparsas,
d. h. einzelne Strophen voll Lehren einer praktischen Lebensklugheit , in
denen viel Volksweisheit enthalten ist. Diese Dichtungen sind also mit den
mittelhochdeutschen »Sprüchen« nahe verwandt, nur dass die provcnzalischen
Dichter sehr verschiedenartige Strophen formen gebrauchten , während jene
wenig Abwechselung zeigen. Der hervorragendste Verfasser derartiger Strophen
ist der in der zweiten Haltte des 13. Jh.'s lebende Bertran Carbonel
aus Marseille. Neben ihm verdienen noch Guiraut de l'Olivier aus
Alles, sodann der Ritter von Moncog, endlich Guilhem von Cer-
veira genannt zu werden , doch giebt es noch zahlreiche weitere coblas
esparsas, welche anonym überliefert sind. '^
D. DRAMA.
Ebensowenig wie die epische kann sich die dramatische Poesie der Pro-
venzalen in Bezug auf ihren Reichtum und ihre Bedeutung mit der
französischen messen. Einerseits fehlen die komischen Erzeugnisse, die also
dazu bestimmt waren, das Volk zu belustigen, ganz ; wir besitzen nur ernste
Stücke, nur Mysterien, und auch diese, deren Zahl wenig erheblich ist, reichen
kaum weiter als bis ins 14. Jh. hinauf, sodass wir nicht, wie im Französi-
schen, im Stande sind, die allmähliche Entwickelung des Dramas aus Teilen
der Liturgie und die schrittweise Loslösung desselben von der Kirche zu ver-
* Traduction des psaumes de la Penitence en vers provenfaiix p. p. C. C h a b a n e a u ,
Paris 1881 (Auch Rev. des l. r. ly, 209—41 und 310).
* Paraphrase des psaumes de la Penitence en vers gascons p. p. C. Chabaneau, Pari.s
1886 (Auch Re7i. des I. r. 20, 69 — 85).
^ B a r t s c li , Denkmäler 71 — 5 '. Chabaneau, Paraphrase des psaumes ;^.=) — 40.
* Bruchstücke: P. lleyse. Romanische Inedita 13 — 20; Mihi y Fontanals
353 — 7; Bartsch, Chresi.* 305— 8.
* P. Meyer, Ancienms poesies reli^ietises 6— 10; iJers.. Rotn. 14. 53,5 — 36.
* Paraphrase du Credo p. p. l'"erdinand .-Xndre, Marseille 1862; p. p. Chaba-
n e a u , Rev. des l. r. 29, 243 — 46.
"^ Suchier, Denkmäler I, 290.
■* Suchier. Denkmäler I, 290 91; P. Meyer, Rom. 14, 491—92 und 528 — 30.
' P. Meyer, Bulhtin de la Soc. des anc. textes fr. 1875, 75 — 6; Ders. , Rom.
14, 492-93; Chabaneau, Re7'. des l r. 29, 242 -3; Dumege, Institutions de la Ville
de Toulouse IV, 199.
'" B a r t s c li , DeiikmäUr 5 - .')(j und '.31 — 2 ; P. .M c y e r , Derniers Iroubadours 65 - 6
und 107—111; P. lieyse, Romanische Inedita 13 — 20; Archiv 50, 262 sq. u. s. \v.
54 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LllT.
folgen ; die uns vorliegenden Mysterien sind sämmtlich erst zu einer Zeit ent-
standen , als jener Emanzipations-Prozcss bereits zum Abschluss gekommen
war. Dennoch ist bei allen diesen dramatischen Erzeugnissen ihr kirchlicher
Ursprung noch deutlich zu erkennen nicht nur an dem Charakter ihrer Stoffe,
die sämtlich der biblischen Geschichte und der Heiligenlegcnde entlehnt sind,
sondern auch an ihrer Tendenz, da sie ausschliesslich den Zweck verfolgen,
die Zuhörer zu erbauen, ihnen jene heiligen Begebenheiten anschaulich, gleich-
sam sinnfällig vor Augen zu führen und durch dieses Mittel eindringlicher auf
sie einzuwirken , als dies etwa durch das Anhören einer Predigt oder durch
die Ivektürc eines frommen Buches möglich gewesen wäre. Auch äusserlich
trug das Drama noch lange deutliche Spuren seiner gelehrten Abstammung
an sich. Das Lateinische , das als Amtssprache der Kirche in den ältesten
dramatischen Hervorbringungen ausschliesslich verwandt worden war und erst
ganz allmählich dem vordringenden Volksidiom hatte Platz machen müssen,
behauptete sich noch lange Zeit hindurch wenigstens in der äusseren Ein-
kleidung der Stücke, indem nicht nur die Personenverzeichnisse, sondern auch
alle Bühnenweisungen, alle beigefügten Noten, welche sicli auf die Interpretation
der Worte sowie auf Inscenierung, auf Dekorationen, Kostüme u. dgl. bezogen
und die oft sehr eingehend waren, nach wie vor in dieser Sprache abgefasst wurden.
53. Wie schon angedeutet, stammen die ältesten, wenigstens der vollständig
erhaltenen provenzalischen Mysterien aus dem 14. Jh. ; aus dem vorangehen-
den besitzen wir zunächst ein Bruchstück von 2 2 Versen , das einst einem
Drama über den bethleemitischen Kindermord,' also einem Weih-
nachtsdrama angehört hat. Dieselben befinden sich auf drei Stückchen Perga-
ment, welche 1850 bei einer Ausbesserung der Saint - Front - Kathedrale zu
Perigueux in einer Öffnung der Mauer aufgefunden worden sind. Die Verse,
paarweise gereimte Achtsilbler, sind auf drei Strophen von 4, 6 und i 2 Zeilen
verteilt und stellen die Rolle einer Nebenperson in dem oben bezeichneten
Drama, nämlich eines alten Mannes Namens Morena, dar. Die erste Strophe
enthält die Antwort jenes Morena an den Seneschall, der ihn zu dem Könige
Herodes entbietet, die zweite seinen Gruss an diesen, die dritte seinen Rat,
alle Knaben unter drei Jahren umbringen zu lassen.
Dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jh. gehört ein vermut-
lich in der Provence entstandenes Stück an , welches in zwei Handschriften
aufbewahrt wird. Die eine derselben giebt ihm den Titel L' Esposalizi de
nostra dona sancta Maria verges c de Josep, obwohl dieser viel zu
eng ist 2. Es stellt dar, wie Joseph unter allen Bewerbern um die Maria als
deren Bräutigam ausgewählt wird , weil die in seiner Hand befindliche Rute
allein zu grünen beginnt , worauf er die Jungfrau heimführt. Es folgt der
Besuch Marias und Josephs bei Elisabeth und Zacharias ; Joseph wird durch
die Mitteilung Marias, dass sie sich Mutter fühle, sehr aufgeregt, doch der
Engel Gabriel, welcher zu ihm kommt, verwandelt seinen Schmerz in Freude.
Hieran schliesst sich unmittelbar die Geburt Christi in der Herberge zu Beth-
leem und die Anbetung der Hirten. Das Drama ist in achtsilbigen Reim-
paaren niedergeschrieben und zählt in der einen Handschrift etwa 850 Zeilen,
in der anderen, allerdings unvollständigen, deren 664.
Pio Kajna, Un nuovo mistero prm'tnzale , Gioni. di fil. rom.
3, 106 — 9; Ctiabaneau, IJ E.tpozcdici de Nostra Dmta, Rev. des l. r.
20, \\\\ sq.
* Fragments d'iui mystire provciifal dccüuverts a Perigueux \i. p. C. Cliabaneaii,
Paris 1874 (Audi Reii. des 1. r. 7, 414 — iS und Bidletin de la Societe historique et archeologüjue
du Perigord).
^ Le Mariage de la Vierge et la N'atlvitl- du Christ |i. |i. P. Mt's er. Rom. 14, 496
— öl 9. \L'l. Rom. 16, 71 -2.
Drama: Agnes. Passion. Jacobus. Petrus und Paulus. 55
54. Alle die übrigen uns erhaltenen dramatischen Erzeugnisse gehören, mit
alleiniger Ausnahme der beiden sogleich und der in 5 57 zu besprechenden
Passionsspiele, dem Osten, d. h. dem zwischen Rhone und den Alpen gelegenen
Teile des Landes an, und es hat demnach den Anschein, dass hier das Interesse
fiir geistliche Schauspiele besonders rege gewesen ist, obwohl von den zahlreichen
Berichten, die uns über derartige Aufführungen vorliegen, einzelne auch anders-
woher stammen. Aus dem vierzehnten Jahrhundert besitzen wir zwei Mysterien.
In dem von der heiligen Agnes', welchem leider der Anfang fehlt, treten
22 Personen auf; es zählt in der uns vorliegenden Gestalt 1182 Verse von
8, 10 oder 12 Silben, die meist zu zweien, seltener zu vieren durch den
gleichen Reim verbunden sind, und behandelt das Martyrium jener Heiligen.
Der Verfasser hat sich ziemlich eng an die von den Bollandisten mitgeteilte
und dem h. Ambrosius zugeschriebene Lebensbeschreibung der Agnes ange-
schlossen, die er durch wenige eigene Zuthaten erweitert hat, aber er verrät
ein nicht unbedeutendes Geschick in der dramatischen Anordnung seines
Stoffes. Was dem Stücke sodann einen erhöhten Reiz verleiht, das sind die an
besonders ergreifenden Stellen eingefügten Lieder, welche nach bestimmten,
jedesmal genau angegebenen Melodien, meist solchen von Volksliedern (vgl.
§ 15), gesungen wurden; es sind ihrer nicht weniger als 18. Im Eingange
des Stückes erfahren wir, dass der kranke Sohn des römischen Präfekten Sem-
pronius die Agnes, die Tochter eines Ritters , welche heimlich Christin ist,
zur Frau begehrt. Der Vater trägt ihr den Wunsch seines Sohnes vor, aber
sie lehnt ab , wird bei dieser Gelegenheit als Christin erkannt und soll nun
der Schande preisgegeben werden. Christus beschützt sie jedoch durch den
Erzengel Michael , und es gelingt ihr sogar , den Sempronius samt seiner
Familie für ihren Glauben zu gewinnen. Das wütende Volk aber zwingt
diesen, sein Amt niederzulegen, und wählt den Aspasius zu seinem Nachfolger.
Dieser verurteilt die Agnes zum Feuertode, aber Engel wehren die Flammen
ab, und auf die Bitte der Jungfrau sendet Christus den Raphael zu ihr, der
ihr ein sanfles Ende bereitet, und ihre Seele wird von Engeln unter Gesängen
in das Paradies getragen.
Etwa gleich alt ist (>in noch unediertes , wohl in der Gascogne ent-
standenes Passions- Mysteri um , das höher hinaufgeht als die frühesten
uns bekannten französischen dramatischen Bearbeitungen dieses Stoffes. Es
umfasst in der vorliegenden, nicht ganz vollständigen Gestalt etwa 2400 Verse
und beginnt mit einigen Wunderthatcn Christi, nämlich der Heilung des Blind-
geborenen und der Auferweckung des Lazarus; es folgt die Vertreibung der
Geldwechsler aus dem Tempel, die Szene mit der Ehebrecherin, der Einzug
in Jerusalem, das Abendmahl, der Verrat des Judas sowie das Leiden und der
Tod des Heilandes. Den letzten Teil bildet die Heilung des Longinus, der
Besuch in der Hölle, die Auferstehung und das Erscheinen Christi bei seinen
Jüngern.
Von einem anderen Passionsspiele, welches 15 10 zu Caylux (Dep. Tarn-
et-Garonne) aufgeführt wurde, vermutlich aber ältenm Ursprunges ist, hat sich
nur ein Bruchstück von 9 Zeilen erhalten (paarweise gereimte Achtsilbler),
in welchem Gott den Erzengel Raphael beauftragt, Johannes dem Täufers seinen
baldigen Tod anzukündigen.
L. (jautier, Un Mystire de la Passion tu langiie d'oc, Le Monde
14. uvril 1876; Sepet, dass., L'Union 28. niars 1880; Chabaneau,
Rev. des l. r. 17, :iol— 5; F. Meyer, Daurel et Beton CXIX-CXXi
' Sancta Agnes, provenzalisclies geistliches Schauspiel lisg. von Iv. Bartscli, Berlin
1869; Le iiiartyre de sainte .ignes , mystire en vieille langiu provenyale p. p. S a r d o ii ,
Paris 1877 /^ mistero prov. di s. Agnese, facs. con pref. di E. Monaci, Rom 1880.
56 LllTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LiTT.
Petit de Julleville, Les Mysieres, Paris l88o. II, 98—9 und
344 — 51; Thomas, Lemystere de la Passion a Martel, Rom. 13.4II — 15.
55. Es folgen nunmehr die Stücke, welche aus dem 15. Jh. stammen.
Dahin gehört zunächst der Ludus Sancti Jacobi', das erste und lange Zeit auch
das einzige provenzalische Drama, das man kannte. Nur der Anfang, 705 Zeilen,
und zwar meist paarweise gereimte Achtsilblcr, ist auf uns gekommen, und auch
dies Bruchstück verdankt seine Erhaltung einem Zufalle. Es wurde 1855 in einem
alten Aktenbündel auf der Schreibstube eines Notars zu Manosque entdeckt. Wir
erfahren in demselben folgendes: Nachdem ein Ausrufer um Ruhe gebeten und
ein Bote den Zuhörern den Inhalt des Stückes mitgeteilt hat, beginnt die eigent-
liche Handlung. Eine Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Sohn, beschliesst,
eine Pilgerfahrt zum Grabe des h. Jakob zu machen ; alle drei begeben sich
auf die Reise, und in einem Wirtshause, das ihnen freundliche Aufnahme ge-
währt , wird die lüsterne Magd Beatrix von heftiger Liebe zu dem Sohne
erfasst. Hier bricht der Text ab, doch erfahren wir aus jener Inhaltsangabe,
dass ursprünglich das Mädchen abgewiesen wurde und nun, um sich zn rächen,
heimlich eine silberne Tasse in den Reisesack des Jünglings legte. In der
That wurde letzterer des Diebstahls angeklagt und zum Tode verurteilt, doch
kam auf sein Gebet der h. Jakob ihm zu Hülfe und entlarvte die Betrügerin,
die darauf lebendig verbrannt wurde.
Die nunmehr zu behandelnden fünf Mysterien sind sämtlich in dem
jetzigen Departement Hautes Alpes, und zwar in der Gegend von Briangon
entstanden, daher auch in dem dort herrschenden Dialekte niedergeschrieben.
Sie sind erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt worden und behandeln die
Schicksale des Petrus und Paulus , des Antonius von Viennt^s , des Pontius,
des Eustachius und des Andreas. Alle sind in dem fiir diese dramatischen
Erzeugnisse üblichen Versmasse, in Reimpaaren von Achtsilblern verfasst, doch
kommen mehrfach Unregelmässigkeiten vor , die wohl nicht immer dem Ab-
schreiber allein in die Schuhe zu schieben sind. Ist auch ihr ästhetischer
Wert nicht allzu gross, so sind sie doch in sprachlicher und namentlich in
kulturgeschichtlicher Hinsicht sehr interessant.
Das erste, zugleich das umfangreichste, das Mysterium des Petrus
und Paulus^, zählt 6135 Zeilen und brauchte zu seiner Aufiftihrung zwei
Tage, von denen der erste 2296, der andere 3839 in Anspruch nahm. Der
Verfasser, unzweifelhaft ein Geistlicher, lebte vermutlich in der zweiten Hälfte
des 15. Jh. Unter den mitwirkenden Personen, deren Zahl 83 beträgt, finden
sich neben den Hauptrollen auch zahlreiche Teufel, wie Luzifer, Satan, Beelze-
bub, Astarot, Belial, Tartarus, Asmodeus u. a., sodann Goti der Vater nebst
Gabriel, Raphael und anderen Engeln, endlich viele Soldaten, Bürger, Henker,
Freudenmädchen und Kranke. Der erste Teil behandelt zahlreiche Wunder
des Apostels Petrus in Jerusalem, Antiochia und Rom und die gegen ihn ge-
richteten Intriguen des Magiers Simon , seines mächtigen Widersachers , dem
es auch gelingt, den Kaiser Claudius Nero für sich zu gewinnen. Erst im
zweiten Teile greift auch Paulus mit in die Handlung ein, wird aber zusam-
men mit Petrus von Nero wiederholt in den Kerker geworfen und zuletzt
enthauptet, während Petrus den Kreuzestod erleidet. Darauf bricht ein Auf-
stand gegen den Kaiser aus, und dieser nimmt sich selbst das Leben.
Das Mysterium des Antonius von Viennds"' liegt uns in einer im
Jahre 1503 angefertigten Kopie vor, an welcher später zu zwei verschiedenen
* Ludiis sancti Jacobi,fraginent d'un mysiere provengal t^ .^. C. Arnaiul. Marseille 1858.
' Istoria Petri et Pauli, mystere en lan^iu provengale du XV^ siede p. )>. l^aiil
G iii 1 1 a u in e , Gap et Pari.s 1 887.
•^ Lc Mystere de Sa)il Aiilhoiii de Viemies Y.\^. Paul Giiillauuie, Gap et Paris 1884.
Drama: Antonius von Viennes. Pontius. Eustachius. Andreas. 57
Malen Veränderungen und Einfügungen vorgenommen worden sind. Aus
einer Stelle im Prolog scheint hervorzugehen , dass der Verfasser aus der
Dauphind war, da er von dem Delphin als «seinem Herrn» spricht. Der
heil. Antonius war auch gerade in diesem Lande sehr populär, da seine Reli-
quien i. J. 1076 dorthin überführt worden waren. Die Zahl der mitwirken-
den Personen ist der des soeben besprochenen Stückes etwa gleich, doch ist
ihr Charakter teilweise ein andrer, da hier zahlreiche Frauen erscheinen, z. B.
die heilige Maria, die Tante und die Schwester des Haupthclden nebst ihren
Dienerinnen sowie mehrere Nonnen. Sodann verdient hervorgehoben zu
werden , dass auch verschiedene allegoiische Figuren , personifizierte Laster,
auftreten und dass selbst Löwen mit eingreifen. Im Eingange giebt Antonius
seinen Verwandten seinen Entschluss zu erkennen, der Welt zu entsagen, und
bleibt auch allen ihren Einwendungen gegenüber fest. Er verkauft seinen
gesamten Besitz, verteilt den Erlös an die Armen und findet in einem Kloster
Aufnahme. Er wird dort schliesslich zum Abt gewählt, widersteht mit Hilfe
Gottes und seiner Engel zahlreichen Versuchungen , die an ihn herantreten,
und bei seinem Tode erklärt der Erzengel Michael, dass seine Seele im
Paradiese Aufnahme gefunden habe. Es ist dies der Inhalt der Lebensge-
schichte des h. Antonius, welcher, 351 in Coma bei Memphis geboren , zu-
erst Mönch, dann Abt wurde und 356 hochbetagt starb.
56. Das Mysterium des Pontius' ist, wie das von Petrus und Paulus,
auf zwei Tage verteilt; auf den ersten fallen 2555, auf den zweiten 2860
Verse, sodass das Ganze 5415 Zeilen umtasst. Bemerkenswert ist die me-
trische Form, da neben dem sonst gebräuchlichen Versmasse einzeln andere
Metra verwandt werden , so Strophen , in denen auf 6 — 8 Achtsilbler mit
gleichem Reim ein Viersilbler folgt, der mit der nächsten Strophe reimt,
ausserdem Viersilbler- Quatraiiis mit gekreuzten Reimen, sodann Rondeaux
u. a. Es nehmen im Ganzen 58 Personen, darunter mehrere Kaiser und
Päpste, heidnische Priester und Juden, an der Handlung Teil. Diese selbst
stellt das Leben des h. Pontius dar, welcher von 257 — 61 Bischof von Cimiez
war und dessen Andenken der 14. Mai gewidmet ist. Das Drama folgt im
Allgemeinen ganz treu der von dem Heiligen überlieferten Legende. Dieser
war nämlich als Sohn eines römischen Senators geboren, wird jedoch schon
als Knabe für den christlichen Glauben gewonnen und bestimmt nicht nur
seine ganze Familie, sondern auch die beiden Kaiser, Philippus Vater und
Sohn dazu, dem Heidentum zu entsagen. Aber Valerianus und Gallienus, die
Nachfolger der letzteren, erlassen strenge Verordnungen gegen die Christen,
weshalb Pontius nach Cimiez in Gallien flieht, dessen Einwohner er bekehrt.
Aber sein langjähriger Feind Claudius wird dort zum Präfekten ernannt, und
nun beginnt seine Leidenszeit. Zwar zerbricht das Werkzeug , mit dem er
gefoltert werden soll, und die Bären, denen er vorgeworfen wird, zerreissen
ihre Führer, auch den Flammen des Scheiterhaufens entgeht es unversehrt;
erst als ihm auf Befehl des Kaisers der Kopf abgeschlagen wird, endet sein
Martyrium; Claudius aber wird von den Teufeln in die Hölle geschleppt.
Das vierte dieser Dramen, in der einzigen uns aufbewahrten Handschrift
Moralitas sancti Eustacii- betitelt, zählt 2849 Verse, von denen aller-
dings einige verstümmelt sind, und enthält mehr als 60 Rollen. Aus einer
Bemerkung am Ende des Manuskripts erfahren wir, dass die uns überlieferte
Fassung die Überarbeitung eines älteren Originals ist , und dass der Überar-
' Istario de Sanct Foncz p. p. Paul Guiliaume, Gap et Paris l88S iiml Rei'. des
l. r. ;{i, 317—420 lind 461 553: 32, .")— 24 iiiui 250-285.
* /jr /)^v/;?r^fl?>.SV7»Wi5'7«/«r//^p. yi. Pa II 1 Gii i I laume, Gap et Paris 1883: 2«e(i. 1H91
(Aiith /i'«/. desl.r. Ul, 105 — 22 und 2^^0—301; 22. 5— ly; 53—70; 180 99 und 209—34).
5? LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LllT.
heiter, Namens B. Chancel, Pfarrer in Puy-Saint- Andre, sein Werk im Jahre
1504 auffuhren liess. Der Gang der Handhing, welche der legcndarischen
Geschichte des Heiligen ziemlich genau folgt, ist kurz dieser. Ein Feld-
herr des Kaisers Trajan, Namens Placidas, welcher sich durch seine Mild-
thätigkeit auszeichnet, erblickt auf einer Hirschjagd in einer Vision Christum
und lässt sich samt seiner Familie taufen , wobei er den Namen Eustachius
annimmt. Nun lässt Gott ihn zu seiner Prüfung in grosse Not kommen.
Er geht mit den Seinen aus dem Lande, und unterwegs stehlen ihm Räuber
seine letzte Habe , worauf ihm auch noch seine Frau und Söhne geraubt
werden ; er selbst tritt bei einem Bauern in Dienst. Inzwischen hat der
Kaiser seinen Feldherrn überall suchen lassen , und es gelingt ihm endlich
nach 1 5 Jahren , denselben aufzufinden. Elustachius wird wieder in seine
Ämter eingesetzt, besiegt den König von der Türkei und findet auch nach
dem Tode Trajans seine Gattin und seine beiden Kinder wieder. Sie alle
aber weigern sich, nach dem Befehle des neuen Kaisers Hadrian, Apollo an-
zubeten und müssen deshalb den Märtyrertod erleiden.
Von dem Mysterium des Andreas^ ist uns nur die zweite Hälfte,
nämlich derjenige Teil, der den zweiten Tag ausfüllte, erhalten. Eine latei-
nisch geschriebene Notiz am Schlüsse der Handschrift berichtet uns, dass ein
Kapellan Marcellin Richard die uns vorliegende Form des Dramas »redi-
giert« habe, was besagen zu wollen scheint, dass er das Stück nicht sowohl
verfasst, als vielmehr nach einer älteren Version umgearbeitet hat. Er ver-
wandte darauf die Zeit vom 29. Januar bis zum 20. April 151 2, und am
20. Juni desselben Jahres wurde das Stück unter Leitung des oben genannten
Pfarrers Chancel aufgeführt. Der uns vorliegende Teil des Mysteriums um-
fasst 2694 Zeilen, wozu noch der Prolog ehies anderen Verfassers (37 Verse)
und am Schlüsse der Handschrift einige Bruchstücke von Szenen (36 Verse)
kommen , deren Zugehörigkeit zu dem Stücke nicht völlig klar ist. Das
Drama führt uns das Martyrium des Andreas vor Augen. Aegeas, König von
Achaia, befiehlt, die Götzen anzubeten, und da der Apostel sich weigert, zu
gehorchen , so muss er , wie einst sein Meister , am Kreuze sterben. Das
Stück schliesst mit dem Tode des von Gewissensbissen gepeinigten Königs,
der seinen Leib und seine Seele den Teufeln vermacht.
57. Etwa derselben Zeit wie die fünf soeben kennen gelernten Mysterien
gehört eine Sammlung von Dramen an, welche Ende 1888 von dem Ober-
stabsarzt L. de Santi unter den Familienpapieren des Schlosses La Barthe
(Dep. Gers) entdeckt und welche um 1470, vermutlich in Rouergue nieder-
geschrieben ist^. Das vierte Stück derselben »Lo Jutjamen de Jesus de Nazaret«
ist offenbar identisch mit einem gleich betitelten Drama , das nach einer
auf uns gekommenen Notiz am 3. April 1440 in der Stadt Rodez aufgeführt
wurde. Die Entstehungszeit der Sammlung fällt demnach vor jenen Termin, doch
wissen wir nicht, wer ihr Verfasser gewesen ist. Sie enthält acht vollständige
Stücke nebst mehreren Fragmenten, und alle mit Ausnahme des letzten, bilden
Teile von dem Cyklus der Passion; es fehlen jedoch einige der gewöhnlich
dazu gehörigen Dramen, z. B. das, welches das Leiden selbst darstellt. Das
letzte »das jüngste Gericht« stammt unzweifelhaft von demselben Dichter und
bildet gleichsam eine Fortsetzung zu den übrigen. (Gedruckt ist bisher nur
das erste, die Schöpfung mit 8 Personen in 302 Versen, welche sich eng
an den Bericht der Bibel anschliesst^. Unter den übrigen verdient das schon
^ Lc JMystcrc de saiiit Andre, ])ar Marcellin Kiclianl p. p. l'aWbr J. l'"azy, Aix lb8;{.
'^ \. Thüinas, Notke snr im recueil de mystcrcs prin<ciii;ait.\ du (/i(inzie»ie snr/e,
AnitaUs du Midi 11, 385 -418.
Drama: Passions-Cyklus. — Prosa: Geistliche. Bibelübersetzungex. 59
genannte vierte, das 1064 Zeilen zählt, in sofern besondere Beachtung, als
es ein Mittelding zwischen einem Mysterium und einer Moralität ist, weil
allegorische Personen darin auftreten. Natura humana begiebt sich nämlich
in der Kleidung eines alten Mannes aus der Hölle zu Gott und beklagt sich,
dass sie nicht aus der Hölle befreit worden, wie ihr von den Propheten im
Namen Gottes versprochen sei. .\ls Gott erwidert , er habe seinen Sohn zu
jenem Zwecke gesandt, mehr könne er nicht thun , verklagt Natura humana
Jesum vor den Richtern des »Gesetzes der Natur«, deren Vorsitz Adam führt,
und diese erklären, Jesus müsse sterben. Seine Mutter Maria appelliert an
den Gerichtshof des »Gesetzes der Schrift« dem David präsidiert , doch be-
stätigt dieses das erste Urteil. Eine neue Berufung an den Hof des »Gesetzes
der Gnade«, den der h. Johannes leitet, hat den gleichen Erfolg, und damit
ist die Verurteilung eine endgültige geworden. Maria wird ohnmächtig, doch
rufen Bonne Patience und Jesus sie ins Bewusstsein zurück und trösten sie.
Die übrigen Stücke behandeln die Auferweckung des Lazarus, das Mahl
bei Simon und den Einzug in Jerusalem, die Auferstehung, Joseph von .\ri-
mathia, endlich die Ausgiessung des heiligen Cieistes.
Petit de Julleville, Les Mysiercs, Paris 1880, II, 564 -8.
PROSA.
mmer erst nach der Poesie erfolgt bei allen modernen Völkern zeitlich
die Entwickclung der Prosa als Litteraturgattung. Man hielt eben bei
jedem Erzeugnisse der Litteratur die gebundene Form für unbedingt not-
wendig, während die Wissenschaft sich damals fast ausschliesslich des Latei-
nischen bediente. So tritt denn auch im Prozenzalischen die Prosa erst verhältnis-
mässig spät, mit geringen .ausnahmen nicht vor dem 13. Jh., in den Vorder-
grund, und auch da ist es ihr nicht gelungen, Werke von irgendwie hervor-
ragender Bedeutung zu erzeugen, Stil und Ausdruck sind in ihren Hervor-
bringungen einfach und schlicht , ja oft ärmlich, ungelenk oder schwerfällig,
und sie bleibt weit hinter dem Reichtum, der Schmiegsamkeit und der Fonn-
vollendung zurück, welche der Poesie, besonders der Lyrik, eigen sind und
welche dieser einen so bestrickenden Glanz verleihen.
Wenn wir von den Urkunden und sonstigen Schriftstücken absehen,
welche rein praktischen Zwecken dienten, daher mit der Litteratur nichts zu
thun haben, so war es in erster Linie wiederum die Kirche, welche sich der
prosaischen Form der Sprache bediente, nämlich in all den Fällen , wo sie
sich an das Volk wenden wollte, da dieses ja die offizielle Ausdrucksweise
der Kirche nicht verstand. Die hierher gehörigen Denkmäler sind Über-
setzungen fremder, meist lateinischer Originale, sodann Heiligengeschichten,
endlich sonstige erbauliche Schriften. Ihnen gegenüber treten die Profan-
werke in die zweite Linie ; wir besitzen Arbeiten historischen Charakters und
wissenschaftliche Abhandlungen, während die Roman litteratur so gut wie gar
nicht vertreten ist.
A. GEISTLICHK PROSA.
I. ÜBERSETZUNGEN.
59. Unter den Übersetzungen stehen die von der Bibel oder von Ab-
schnitten derselben obenan. Ich zähle nur diejenigen auf, welche l)ereits,
sei es ganz, sei es teilweise, herausgegeben worden sind.
6o LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LllT.
Dahin gehört zunächst eine Übersetzung der Kapitel 13 — 17 des Johan-
nes-Evangeliumsi, die aus dem 11. Jh. stammt, daher das älteste uns
bekannte Erzeugnis der provenzalischen Prosa darstellt. Aus späterer Zeit
besitzen wir folgende Übersetzungen. Dem 13. Jh. gehören vier solche des
Neuen Testamentes an; die eine, mehr freie, stellenweise etwas gekürzte,
ist in der Handschrift 2425 der Pariser National-Bibliothek erhalten, welcher
jedoch die ersten 31 Blätter, d. h. das Matthäus- und die ersten 17 Verse
vom Marcus - Evangelium fehlen; von ihr ist bisher nur Lucas 7, 36 — 50^,
sodann das Evangelium Johannis^ und der Epheser-Brief* publiziert.
Die zweite, zu Lyon befindliche, sogenannte Albigenser- Version, ist neuer-
dings vollständig herausgegeben worden •'', nachdem schon früher ein Teil, das
Johannes-Evangelium, erschienen war''. Die dritte, die allerdings nur in
einer Handschrift aus dem 15. Jh. (B. N. fr. 6261}, welche mehrfache Lücken
und Umstellungen aufweist, vorliegt, schliesst sich ebenfalls nicht eng an den
lateinischen Text an, sondern kürzt, erweitert, umschreibt oder erläutert ihn
zuweilen. Von dieser sind bisher erst geringe Proben abgedruckt 7. Endlich
ist kürzlich ein Bruchstück einer noch anderen Übersetzung entdeckt worden,
welches den Schluss des Matthäus- und den Anfang des Marcus-Evangeliums
enthält*^ und welches stellenweise mit der zuletzt genannten Übersetzung wört-
lich übereinstimmt , sodass also für beide sei es ganz sei es teilweise der
gleiche Ursprung anzunehmen ist.
Die Übersetzungen des Alten Testamentes gehen nicht so weit znrück.
Eine freie Übertragung der historischen Teile desselben und einiger Apo-
kryphen (Bücher Mosis, Josua, Richter, Könige, Tobias, Daniel, Susanna,
Judith, Esther, Maccabäer), im 14., vielleicht erst im 15. Jh. angefertigt, und
zwar nicht nach einer lateinischen, sondern einer französischen Vorlage, be-
findet sich in dem Manuskript 242O der National-Bibliothek, woraus Susarina^,
Esther^** und Tobias '^ bereits gedruckt sind, während von einer etwas älteren,
welche sich auf das ganze Alte Testament erstreckt und die in mehreren Hss.
vorliegt (vgl. Rom. 19, 557, Anm. i) bisher nichts ediert ist.
Endlich ist hier die Waldenserbibel zu nennen, die in Wirklichkeit
jedoch nur das Neu() Testament ganz enthält, von dem Alten, resp. den Apo-
kryphen, bloss 5 Bücher (davon einige unvollständig), nämlich die Sprüche,
den Prediger, das Hohelied und die Weisheit Salomos, sowie das Buch Jesus
Sirach. Die 5 Handschriften derselben befinden sich in Carpentras und Dub-
lin, Grenoble und Cambridge (unvollständig), endlich Zürich (enthält nur das
N. T.) und zerfallen in drei Gruppen. Veröffentlicht ist die Züricher
' Bartsch, Chrest.* y— 18.
- Chnbaneau, Sainte Marie Madeleiiie dans la litt. prov. 195 6 (Auch Rev. des l.
r. 2g, 275).
' G i 1 1 y , The Romaunt Version of tlie Gospel according to St. yolitt , ;? ~ yo und
L'Evangüe Selon Saint yean envietix provemal p. [). Wollenberg. Programm, Berlin 1868.
^ Epitre de saint Paul aiix Ephcsiens p. p. Wollenberg, Arch. 28, 75 — 85.
' Le Nouveau Testament tradtiit au XIII^ s. tn langiie pi'oveHfale stiivi d^un rituel
cathare, reproduction photolithographiipue du ms. de Lyon \). p. L. Cledat, Pari.s t888.
" I'hvangile selon Saint Jean, en pro7'eni;al du XIIP .wcle p. [i. W. Köister,
Ren. des l. r. \\\, 105-25 und 157 — 7g.
■^ S. Berger. Rom. 19, 5;-}8 - 48.
^ 1*. Meyer, Fragment a'une jjersioit pnn'ejii:ale ißiconnue du nouveau Icstamcnt, Rom.
18. 4;{u— 38; vgl. ib. 523.
' 1.0 libre de Snsanna \). p. Wollenberg, Arch. 28, 85—88.
'*' Lo libre de Ester la re'yna etc. p. p. Wollenberg, Arch. ;5o, 159 — 67.
" /,() lihre de l'esloria e de la 7>idn de 7W>ias l>on home e /usl [i. [>. Wollenberg,
Arch. ;52, 337 52.
Prosa: Gkistuche. ÜbkrsktzUxNGen. Heiligenleben. 6i
Version ganz', ausserdem das Gleichnis vom verlorenen Sohn^ (Lucas
15, n — 32) und das Evangelium Johannis^, beide nach dem Dubliner
Manuskript, das erste Kapitel letzteren Evangeliums auch nach dem
von Grenoble und Zürich*; ausserdem Kapitel 5 des Lucas^^, Kapitel
9 der Apostelgeschichte^' und Kapitel 5 des Ephcser-Briefes'^, alle
drei nach der Handschrift von Carpentras. Endlich ist das Hohelied zwei-
mal herausgegeben , einmal zugleich mit einer in Genf befindlichen walden-
sischen Auslegung desselben**, sodann der Text des Liedes allein nach der-
selben Genfer Handschrift mit den Varianten der Dubliner''. Es ist möglich,
dass diese Bibelübersetzung mehr oder weniger unmittelbar von derjenigen
stammt, welche der l)ekannte Petrus VValdus um das Jahr lys von Stephan
d' Ansa nach der Vulgata anfertigen Hess und 11 79 auf dem lateranischen
Concil dem Papste Alexander IIL überreichte.
S. Yitxs.ei' . Les Bihks formen cales et vaudoises. Rom. iH. ;{53 — 422-.
P. M e V e r . Reclurches linguistüiues siir Porigine des veisiotts prcn^engaUs
du iioiweau lestameiii, Rom. 18. 42:^— 9; S. Beiger. Notevelies recher-
ches sur les hihles pnn'efnaks et catalams. Rom. 19. 505 — 61.
60. Die übrigen Übersetzungen stehen an Bedeutung erheblich zurück. Wir
besitzen eine im 13. Jh. angefertigte der Regeln des ßenediktincrordens '•',
sodann diejenige von einer dem Origencs zugeschriebenen Predigt über Maria
Magdalena*', die von dem Libcr scintillarum des Beda Venerabilis, d. h.
einer sachlich geordneten Sammlung von Aussprüchen der Apostel imd Kirchen-
väteri-, die der Legenda aurea desjacobus a Vo ragine, aus welcher nur das
in ^ 61 zu erwähnende Leben der heiligen Maria Magdalena veröffentlicht
ist, die eines theologischen Werkes des Honorius Augustodunensis, das
den Titel fuhrt Elucidarium sive dialogus summam totius christianae
theologiae breviter complectens*'*, endlich die vermutlich in der ersten
Hälfte des 14. Jh.'s, und zwar wahrscheinlich in Rouergue, angefertigte der
viel gelesenen Chronik des Pseudo-Turpinus^^. Alle bisher genannte sind
Übertragungen lateinischer Vorlagen ; aber auch altfranzösische Abhandlungen
sind übersetzt worden, so das Doctrinal aus simples gens des Gui de
Roie im 15. Jh. unter dem Titel Lo Doctrinal de Sapiensa*^; ebenso
besitzen wir eine andere, über die Tugenden und Laster, welche den
Titel Somme le Roi führt, weil der Beichtvater Philipps IIL von Frank-
reich, der Predigermönch Laurent, sie für den König auf dessen Bitte nieder--
geschrieben hat, in einer provenzalischen Fassung aus dem 14. Jh. i^ Ein
' n Nitovo TestaTnento valdese, secotido la lezione del Codice di Zur ig 0, edito da C. Sa 1-
vioni, Archivio glottologico 11, 1 - 307.
2 h.sg. von Grözm acher, Jahrbuch 4. 373 4-
^ Gil ly, The Romaunt Version of the Gospel according to St. John 3 — yo (in Parallei-
Colonne mit der in § 56 Anm. 2 erwähnten Version).
* Gilly, L c. XXVIII-XXX; XLIV— XLVII; LII-LIV.
* Fragments d'ttne traduction de la Bible en langue romane p. p. H. de la Comhe.
Rev. des l. r. 23. 209— 221.
* ibidem.
^ ibidem.
* Herzog, Zeitschrift für die historische Theologie 40 (1870), 516 62.
» Derselbe, ebendort 31 (1861). 593-600.
10 Bruchstück: Bartsch, Chrest.* 23 1— 4-
" Chabaneau. Sainte Marie Madeleine dans la liä. proz>. Paris 1887. 35 — 5ö«
>2 ISruchstück: Bartsch, Chrest.* 233 — 8.
'* p. p. Georges Reynaud, Rev. des l. r. 33. 217 — 50.
1* Der provenzalische Pseudo-Turpin hrsg. von O. Schultz, Ztschr. 14, 467 — 520.
" Ein Abschnitt daraus hsg. von N o u 1 e t , Un texte roman de la legende religieuse
rAnge et l'Ermite, Rev. des l. r. 18. 261— 64.
** Bruchstücke: Bartsch, Chrest.* 345 — 50 und P. Meyer, Documents manuscrits
de l'ancienne litt. fr. Paris 1871, 265 — 8.
62 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LlTT.
Abschnitt dieses Werkes, die Auslegung des Vaterunsers enthaltend, liegt in
besonderer Bearbeitung vor'. Eine in einer Pariser Handschrift autbewahrte
Sammlung von Übersetzungen lateinischer Werke wird der zweite Band
von Suchiers »Denkmälern« enthalten.
2. HEILIGENLEBEN UND LEGENDEN.
6i. Obwohl die meisten Lebensbeschreibungen der Heiligen in dichte-
rische Form gekleidet sind (vgl. j^ 36;, so liegen doch auch einige in unge-
bundener Rede vor. Dem 13. Jh. gehören folgende an. Zunächst eine
Sammlung von Heiligengeschichten und Legenden-, die stellen-
weise die Form von Predigten haben und die mehr oder weniger freie Bear-
l)eitungen von lateinischen Vorlagen sind. Da die ersten und letzten Blätter
der Sammlung verloren gegangen sind, so wissen wir über den V^erfasser
nichts. Das Leben des Benedikt"', das auch unter den Übersetzungen
hätte aufgeführt werden können , da es eine ziemlich treue Übertragung der
lateinischen Vita ist, berichtet, wie der Heilige auf Christi (ieheiss und mit
dessen Hülfe bei Avignon eine Brücke über den Rhonefluss erbaute , woran
sich die Zeugenaussagen zur Bestätigung des Wunders schliessen. Das Leben
der Doucelina*, der um 12 15 geborenen Tochter eines reichen Kaufmanns
aus Digne , später Begründerin der Beguinenniederlassungen zu Hy6res und
Marseille sowie Beraterin Karls von Anjou, ist ein Originalwerk, da es auf
den P>lebnissen und Mitteilungen von Augenzeugen beruht. Es ist nach
dem Tode der Heldin (7 am i. Sept. 1274J, und zwar vermutlich kurz vor
dem I. Sept. 1297, wo es zum ersten Male in dem Bcguinenkloster zu Mar-
seille vorgelesen wurde, niedergeschrieben worden ; später hat es jedoch noch
einige Zusätze erhalten. Die Verfasserin war selbst eine Beguine, höchst wahr-
scheinlich Philippine von Porcellet aus Marseille. Die Lebensbeschreibungen
der Maria Magdalena^' (vgl. J^ 36) und der Martha^ sind der in «^ 60 be-
sprochenen provenzalischen Version der Legenda aurea entnommen ; diejenigen
des Elzear und der Delphine, (iräfin von Ariano, die etwa aus dem Ende
des 13. Jh. stammen, befinden sich beide in einer Handschrift zu Paris".
Im Anfange des 14. Jh. 's schrieb Marguerite von Oyngt, Priorin des
Klosters Poletein, und zwar nicht lange vor ihrem am 11. Februar 1311 er-
folgten Tode, in franko-provenzalischem Dialekt die Geschichte der heiligen
Beatrix von Ornacieu, in welcher sie mit warmer Begeisterung die Tugen-
den, die Selbstkasteiungen und die frommen Thaten ihrer Heldin schildert,
welche erst kurz vorher (1305 oder 1309) als Nonne gestorben war^. Auch
von dem Honoratus, dessen Leben wir in dichterischer Form bereits kennen
gelernt haben (§ 36), liegt eine Biographie in Prosa vor, doch ist sie noch
nicht herausgegeben. Endlich kennen wir noch zwei im 14. Jh. entstandene
Sammlungen von Heiligenleben ; die eine, bruchstückweise überliefert, enthält
nur kurze Notizen über die einzelnen Heiligen^, von der anderen, in der
1 Bruchstöcke: P. Meyer, Rom. 14, 532—33-
^ Legendes pieuses en priwengal p. p. C. Cliabaneau et G. Raynaud, Rev. d. L r.
34- '-ioy 303.
^ La vie de Saint ßenezet p. p. Albanes, Marseille 1876.
* La vie de Sainte Dottceline p. p. Albanes, Marseille 1879-
" Chabaneau, Sainte Marie Madeleine dans la litt. prov. Paris 1887, 7 — 34-
« ib. 200—204 (Auch Rev. des l. r. 29, 279—83).
' Bruchstück: P. Meyer, Recueil \ä,b — ^.
** Oetcvres de Marguerite d'Oyngt p. p. Philipon, Lyon l877-
* J'ragtnefits de vies de saints en langne romane du XI V siecle p. p. Dumas de
Rauly, Bulletin de la Socictc archeologique de Tarn-et-Garonne 12, 117 sq. und von Clia-
banean, Rev. des l. r. 2<), 44- 4''>-
Pkosa: Geisi'uche. Legenden. Erbauungs werke. 63
Bibliothek des Lord Ashburnham befindlichen , ist bisher nur die Vita der
Patronilla und Felicula gedruckt. '.
Lefort, La legende de S. Bhiezei etc. Le Maus 1878. — Hisi.
Litt. 29. 526—46. — Hist. Litt. 20, 305-2.'?.
62. Unter den sonstigen legendarischen Stoffen verdient zunächst eine
Sammlung von Wunderthaten der Jungfrau Maria hervorgehoben zu
werden 2. Es sind 1 3 kurze Erzählungen von Begebenheiten , in denen die
heilige Jungfrau thätig eingreift, indem sie den Bedrängten beisteht, die Pflicht-
vergessenen ermahnt und die Anschläge der Bösen vereitelt. Die bereits in
5 44 besprochene Sage von der Sendung des Seth ins Paradies und
der Geschichte des Kreuzholzes Christi liegt in zwei Gestaltungen-^
vor, die aus zwei verschiedenen lateinischen Versionen hervorgegangen sind.
Ähnlich verhält es sich mit einer anderen Sage, dem Besuch des Apostels
Paulus in der Unterwelt*, den dieser in Begleitung des Erzengels Michael
imternahm, bei welcher Gelegenheit Christus auf ihre Bitte den Verdammten von
Sonnabend Abend bis Montag früh Befreiung von ihren Qualen gewährte.
Auch diese geht auf eine lateinische Vorlage, die »Historia Pauli descendentis
cum archangelo Michaele ad inferos« zurück. Die Beschreibung der Höllen-
strafen bildet auch deli Inhalt zweier anderer Legenden, der Reise des
heiligen Patricius ins Fegefeuer, von Raimon von Perilhos am Ende
des 14. Jh. vcrfasst, und die Vision des Tungdalus^ eines irischen Ritters,
ebenfalls auf lateinischen Quellen beruhend. Eine andere wunderbare Sage,
die Zerstörung Jerusalems, von der schon einmal (§ 44) die Rede ge-
wesen ist, ist auch in prosaischer Form auf uns gekommen". Die Quelle
derselben ist noch nicht aufgefunden worden. Schliesslich sei noch erwähnt,
dass auch die im Mittelalter weit verbreitete Legende von Barlaam und
Josaphat in provenzalischer Prosabearbeitung vorliegt". Dies ist bekannt-
lich die sagenhafte Geschichte des Buddha , der als Sohn eines indischen
Königs geboren, der Üppigkeit des Hofes entfloh, um ein ascetisches Leben
zu fuhren. Die christliche Sage bemächtigte sich dieses Stoffes , liess den
Prinzen unter dem Namen Josaphat von dem frommen Einsiedler Barlaam
zum Christentum bekehrt werden , und schliesslich wurden beide unter die
Heiligen aufgenommen. Alle abendländische Fassungen dieses Stof!es sind
mittelbar oder unmittelbar aus einer griechischen Erzählung hervorgegangen,
die ums Jahr 1000 ins Lateinische übersetzt worden ist.
Muss.ifia. Siil/a visione di Tundalo, Vienna 1871.
3. SONSTIGE WERKE ERBAULICHEN CHARAKTERS.
63. Wir beginnen mit den Predigten. Es kommen zunächst zwei in
der gleichen Handschrift aufbewahrte Sammlungen in Betracht, die bis ins
12. Jh. zurückgehen, daher nächst der frühesten Übersetzung des Johannes-
Evangeliums (^ 59) das älteste litterarische Prosadenkmal des Provenzalischen
darstellen. Die erste Sammlung, aus dem Anfange des Jahrhunderts,
* P. Meyer. Recneil 136—38.
- Miracles de Notre Dame en provertfa/ p. p. J. Ulrich, Rom. 8. 1 : — 28.
' Siichier, De7ikviäler I, 165 — 200; die eine aucl; bei Graf. Un tesL^ proveiizale
della leggenda della Croce, Giorn. di fil. rom. 4, 99— 104.
* Bartsch, Denkmäler 310—13.
* Du Mege, Voyage au piirgatoire de Saint Patrice par Perilhos et lo libre de Tindal,
Toulouse 1832.
8 La Prise de jferusalem ou Lm Vengeance du Sawveur p. p. C. Cliabaneau. Paris
1890, sowie Rev. des l. r. 32, 581—608; 33, 31—46 und 600— 609.
■^ Bruchstücke : Bartsch, Lesebuch 1 66 — 74 ; Chrest* 353 — 60 ; Barlaam wid Josaphat,
französisches Gedicht des 13. Jlis hsg. v. Zoten!. erg und Meyer, 352-6.
64 LriTERAmROESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 2. PrOV. LllT.
umfasst deren i8, die zweite, etwa 50 Jahre später niedergeschriebene,
deren 12'. Diese Predigten , welche sich auf die verschiedenen kirchlichen
Feste beziehen, und die von nicht geringer Begabung des Verfassers zeugen,
sind jedoch wohl nicht Originalwcrke , sondern vermutlich zuerst lateinisch
niedergeschrieben gewesen und dann frei übertragen worden ; von drei dieser
Predigten findet sich eine Übersetzung sogar in beiden Sammlungen zugleich.
Von einigen jüngeren l*redigten (13. oder 14. Jh.), sind bisher nur kleine
Bruchstücke veröffentlicht worden'*, während eine solche aus dem 15. Jh.,
Johannes den Täufer betreffend, gedruckt vorliegt 3. tJber eine Predigt von
der Maria Magdalena vgl. ^ 60.
Etwa um 1300 ist von einem uns nicht bekannten Verfasser eine mora-
lisierende Abhandlung* niedergeschrieben, die allerdings nicht vollständig
auf uns gekommen ist. Sie spricht in einzelnen Abschnitten über die Reue,
über die Mittel, Versuchungen von sich fern zu halten oder denselben nicht
zu unterliegen, über die Wege , welche zur Vervollkommnung führen , über
die verschiedenen Arten der Furcht u. dgl.
Erbaulichen Inhaltes ist auch ein Werk der bereits erwähnten (^ 61)
Marguerite von Oyngt, das in der Handschrift den. Titel führt Speculum
sanctae Margaretae virginis, priorissae de Poleteins^; es hat die
Form einer Vision, die, wie die Verfasserin vorgiebt, eine ihr bekannte Person
gehabt habe. Sie berichtet nun in 3 Abschnitten , wie Christus derselben
erschienen sei , und zwar mit einem wund(^rbaren Buche in der Hand , an
dessen Beschreibung sie allegorische Deutungen knüpft, um schliesslich von
der Glückseligkeit zu sprechen , die Gott seinen Getreuen zu Teil werden
lässt. Ein Werk aus dem 14. Jh. über die sieben Schmerzen und die
sieben Freuden der Jungfrau Maria (vgl. ;^ 44J, welches in die Form
eines Gebetes an dieselbe gekleidet ist, kennen wir bisher nur auszugsweise*.
Ähnlichen Charakters ist eine unter dem Titel Salve regina en romans''^
überlieferte provenzalische Umschreibung einer sehr beliebten Antiphona, in
welcher schwärmerische Worte der Verehrung zugleich mit dem Gesuche um.
Fürbitte an die Gottesmutter gerichtet werden. Eine Beicht formel*^ spricht
in 10 Abschnitten das Bekenntnis der verschiedenen Sünden aus, und zwar
in ziemlich engem Anschluss an den Katechismus. Umgekehrt geben 7 Prae-
cepta moralia^ (ein achtes in metrischer Form ist vielmehr eine Beicht-
formel) , die sich in derselben Handschrift befinden , wie die oben an erster
Stelle aufgeführten Predigten , moralische Erläuterungen und Vorschriften in
Betreff der Sakramente, der Werke der Barmherzigkeit , der i o Gebote , der
Busse und des Glaubens, während eine Aufzählung der 7 Sakramente,
7 bonitates, 7 Todsünden, 7 Tugenden und der 10 Gebote'^ zur
Belehrung der Laien bestimmt ist. Kirchlich - liturgischen Zwecken endlich
* Sermons et preceptes religieux en langue (foc du dmizüim stiele p. p. Cha lia neun,
Rerj. des l. r. 18, 105 — 46;' 22, 158 — 179; 23, 53 — 69 und 157 — 69; Sermons du douzümc
siede en vietix provengal p. p. Armitage, Heilbronn 1884.
^ P. Meyer, Documenis manuscrits de l'ancienne litt, de la France, Paris 1871,
262 — 5; Ders. , Rom. 14, 531 — 32.
* P. Meyer, Une homelie provengale du XV^ s., Bulletin de la SocUte des anc. textes
fr. 1883, 61-9.
* De Lollis. Trattato provenzale di Penitenza, Studj di fil. rom. 5, 273 — 340.
* Oeuvres de Margim-ite d'Oyngt p. p. Philipon, Lyon 1877.
* P. Meyer, Bulletin de la Socictc des anc. textes fr. 1881, 58 — 9.
' Suchier, Mariengebete, Halle 1877, 40—8.
^ S^uchier, Denkmäler I, 98 — 106,
' In den Anm. l angeführten Ausgaben von Predigten abgedruckt.
'<• Bartsch, Denkmäler 306.
Prosa: Geistliche. Krbauungswerke. — Weltliche: Chroniken. 65
dient ein walclensischcs Ritual,' das sich in der Lyoner Handschrift des
waldensischen Neuen Testamentes unmittelbar und ohne eigene Bezeichnung
an die Übersetzung anschliesst.
64. Eine Handschrift des Britischen Museums enthält eine Sammlung
von frommen Abhandlungen über die göttliche Liebe- und was damit
zusammenhängt, unzweifelhaft Übersetzungen oder Bearbeitungen lateinischer
Originale , welche letztere einen Franziskaner-Mönch zum Verfasser haben.
Von einem anderen Werke ähnlichen Charakters, Libre dels yssamples^,
ist nur der Anfang erhalten, in welchem im Anschluss an die Geschichte des
Sündenfalles von der Macht des Teufels über den Menschen gehandelt wird.
Ganz eigenartig ist ein Wahrsagebuch, Lcs sorts des apotres"*
betitelt, nämlich eine Sammlung von 56 ziemlich allgemein gehaltenen Sätzen,
die als Antwort auf etwaige Fragen in Betreff zukünftiger Ereignisse dienen
konnten und die sich auf einem Pergamentblatt befinden, an dessen Rand 56
farbige Fäden befestigt sind. Das Wahrsagen geschah in der Weise, dass der
Fragesteller einen der Fäden aufs Geratewohl herausgriff und nun aus den
entsprechenden Sätzen entnahm, wie er sich zu verhalten habe oder was die
Zukunft ihm bringen werde. Den Sprüchen geht ein Gebet voran, in welchem
der Wahrsager (iott und die Heiligen bittet, ihm beizustehen, damit er immer
richtig prophezeie. Der Titel stammt wohl daher, dass in der Apostelgeschichte
(i, 26) berichtet wird, bei der Wahl eines Ersatzjüngers für Judas Ischarioth
habe das Los (sort) entschieden. Auch dies VN'erk ist aus dem Lateinischen
übertragen , weicht jedoch in mehreren Punkten von der uns überlieferten
Gestalt der Sortes Apostolorum ab. Endlich ist hier ein anderes eigen-
artiges Werk belehrenden Inhaltes aus dem Gebiete der Theologie, das weise
Kind,^ zu erwähnen, das aus einer Reihe von Fragen besteht, welche sich
auf biblische oder geschiclitliche Vorgänge beziehen, nebst den dazu gehörigen
Antworten. Letztere werden sämtlich einem durch sein Wissen und seine
Klugheit ausgezeichneten Kinde, jene Fragen verschiedenen Personen, einem
Kaiser, einem Bischof u. a. in den Mund gelegt. Die Schrift liegt in zwei
Fassungen , einer längeren und einer kürzeren vor und beruht, wie alle Be-
arbeitungen dieses im Mittelalter beliebten Stoffes, auf einem lateinischen
Werkchen, Joca Monachorum, dessen Titel schon über dessen Entstehung
aufklärt.
B. PROFANPROSA.
I. WERKE historischen CHARAKTERS.
65. In dieser Gattung nehmen die Biographien der Trobadors*»
das grösstc Interesse in Anspruch. Es gibt deren mehr als hundert, die manch-
mal allerdings in nur wenigen dürftigen Notizen, nicht selten aber auch in aus-
führlichen Lebensnachrichten, in einigen Fällen sogar in höchst romantisch
' Ein katharisches Rituale lisg. von E. C 11 n i t z , Jena 1852 ; photolithographische Wieder-
gabe der ganzen Handsclirift ?. § 59 Anni. ö; Ritual provetigal f Photolithographie) in Col-
lection de reprodtictious de manuscrits p. p. L. Cledat. Paris 1890.
- BruclistOck : P. Meyer. Btdletiyi de la Socicti des aiic. textes fr. 1881, 60 — 4.
^ Suchier. Denkmäler I. 470—2.
* Les Sorts des Saints oii des Apbtres p. p. Rocquain, Bibliotheque de V Ecole des
Charles 1880, 457 — 74; Les Sorts des Apotres p. p. Chabaneau, Paris 1881 (Auch Rev.
des I. r. 18, 157 — 78; 264—74 und 19. 63-4).
^ Bartsch. Denkmäler 306— lo; P. Meyer, L'enfant sage, Bulletin de la Sociele
des anc. textes fr. 1875, 71 — 4.
® Biographien der Troid'adours hsg. von Mahn. Berlin 1853 und 1878; Les Bio-
graphien des Troubadours p. p. C ii a 1) a n e a u , Toulouse 1880 (Aus Hist. generale de Lan-
guedor U)). - j
Gkohkk, Cuiiridriss. 1U>. ä
^6 LlTTERATUKGESCHICHTE DEK KOMANISCHEN VÖLKER. — 2. PROV. LllT.
ausgeschmückten Novellen bestehen, die von einem fabelsüchtigen Chronisten
auf den betreffenden Trobador übertragen worden sind. Ja es kommt vor,
dass ein und dieselbe Biographie in älteren Handschriften einen kurzen Lebens-
abriss darstellt, während sie in jüngeren mit zahlreichen phantastischen, völlig
erfundenen Zuthaten verschen erscheint. Neben den eigentlichen Biographien
sind uns bei einigen Dichtern mehr oder weniger zahlreiche »razos« autbewahrt
worden , d. h. genaue Angaben über die Umstände , welche die Entstehung
eines Sirventes, eines Liedes oder einer Tenzone veranlasst haben. Was die
Verfasser betrifft, so nennt sich Hugo von St. Circ, der selbst Trobador
war (1200 — 56), als den der Vita Bernarts von Ventadorn und Savarics von
Mauleon; unzweifelhaft stammen aber noch andere, vielleicht die Mehrzahl
der uns erhaltenen , von ihm. i Ausser Hugo giebt sich nur noch in dem
Leben Peire Cardinais der Verfasser zu erkennen, es ist Michel de la Tor.
Die meisten dieser Lebensnachrichten sind wohl in der ersten Hälfte des
13. Jhs. entstanden; wenige mögen sei es älter sei es jünger sein. Über die
späteren Lyriker sind keine derartige Aufzeichnungen mehr gemacht worden,
sodass wir von ihren Schicksalen wenig oder nichts wissen.
In das 13. Jh. gehören auch zwei geschichtliche Werke im engeren
Sinne. Zunächst ein Bericht über die Einnahme von Damiette'-^ im fünften
Kreuzzuge, von dem leider die ganze erste Hälfte und ein Teil des Schlusses ver-
loren gegangen ist. P> stammt vermutlich von einem Geistlichen , welcher
vielleicht einen französischen Grossen auf der Expedition als Kapellan begleitet
hat, sodass der Bericht, der wohl bald nach der Eroberung der Stadt (12 19)
niedergeschrieben ist , erheblichen historischen Wert besitzt. Letzteres gilt
dagegen nicht von einer kurzgefassten Genealogie der Grafen von Tou-
louse-"^ von der Zeit Karls des Grossen an bis zur Vereinigung der Grafschaft
mit der Krone Frankreichs 1271, da hier mehrere ungenaue, selbst unrichtige
Angaben vorkommen. Mehr kulturgeschichtlichen Wert besitzt eine Lokal-
chronik der Stadt Beziers, ^ in welcher ein städtischer Beamter, Namens
Jacme Mascaro, für die Zeit von 1336 bis 1390 alle wichtigeren jene
Stadt berührenden Ereignisse aufbewahrt hat.
Einer späteren Zeit gehören einige andere Geschichtswerke an, so die
Chronik von Montpellier, welche die Zeit von Christi Geburt bis 1446
umfasst und einen Teil des sogenannten Petit Thalamus von Montpellier'' bildet.
Dazu kommen noch einige weitere geringeren Umfanges, die aber meist noch
gar nicht oder nur mangelhaft herausgegeben sind. Ausserdem besitzen wir
eine im 14. Jh. niedergeschriebene Chronik über den Albigenserkrieg,^'
die in einer mit einzelnen Zusätzen versehenen Prosaauflösung des in ^ 35
besprochenen Gedichts über denselben Gegenstand besteht.
66. Es sind nun noch einige Denkmäler von mehr oder weniger legen-
darischem Inhalte zu erwähnen. Dahin gehört eine Art Weltchronik^ aus dem
14. Jh., von der Schöpfung und den Ereignissen des alten Testamentes an bis auf
die Zeit Kaiser Constantins , welche auch in catalanischer und italienischer
Fassung vorliegt. Interessant ist, dass auch der Inhalt des in ^37 erwähnten
Evangeliums des Nicodem US mit in diese Kompilation aufgenommen worden
' Gröber. Rom. Stud. 2, 492 sq.
^ La Prise de Damiette en i3ig p. p. P. Meyer, Paris 1877 (Aus Bidi. de VEc. des
Chartes 1877. 497 — 57')' Fi'agmentnm prmniiciale de caplione Damiatae ediclit Paulus Meyer,
Genevae ]88ü (Auch in Ptddications de la Soc. de P Orient latin II).
* Genealogie des Comtes de Totdouse p. p. Laura c, Toulouse 1864.
* Ch. Barbier, Le Libre de Memorias de Jaane Mascaro, Rev. des 1. r. 34. 36 — 98.
' Le petit Tkalamtis de Montpellier p. par la sodete arcJieologitpie de Montpellier 1 840.
•^ riistoire <;merale de Languedoc 8, 1 — 206.
'' Bruclistück : Bartsch. Oirest.* 393—8.
Prosa: Weltliche. Werke wissenschaftlichen Inhalts. 67
ist, ' und zwar hat der Bearbeiter nicht nur das lateinische Evangelium sondern
auch die provenazlische gereimte Bearbeitung desselben , endlich für den
Bericht der Passion , der Auferstehung und der Himmelfahrt auch das neue
Testament als Quelle benutzt.
Ganz fabulös ist eine Schrift, die gewöhnlich Philomena^ betitelt wird,
weil sie angeblich von einem Schreiber Karls des Grossen dieses Namens
verfasst sein soll, während sie unzweifelhaft von einem Geistlichen der Abtei
GrasSa, vermutlich vor der Mitte des 13. Jhs. niedergeschrieben worden ist.
Sie handelt nämlich von der Stiftung jenes Klosters durch Karl den Grossen
auf der Heimkehr von einem Feldzuge gegen die Sarazenen, wobei mehrere
Züge aus der Volkssage entlehnt sind. Bekannter als das Original ist eine
um die Mitte des 13. Jhs. angefertigte lateinische Übersetzung.
2. WERKE wissenschaftlichen INHALTS.
67. Bei der eifrigen Pflege der Dichtkunst im In- und Auslande sowie
in Anbetracht der hohen Anforderungen, welche an jeden Dichter in sprach-
licher und metrischer Hinsicht gestellt wurden, ist es sehr erklärlich, dass man
den Wunsch hatte, die nötigen Kenntnisse sich durch methodische Abhand-
lungen anzueignen. Unter den Werken , die diesem Bedürfnisse abzuhelfen
versuchten, ist das älteste die Grammatik eines sonst nicht bekannten Uc
Faidit, welchen man mit dem in ^ 65 genannten Hugo von St. Circ zu
identifizieren gesucht hat. Er schrieb sein Werk um 1240 im Auftrage zweier
Italiener, des Jakob von Mora und des Corano Zucchi von Stcrleto, und zwar
wohl in Italien selbst, lateinisch sowie provenzalisch nieder, und nannte es
in Anlehnung an den Titel einer damals gebräuchlichen lateinischen Grammatik
Donatus provincialis, Donat proensal.3 Dasselbe umfasst ausser der
eigentlichen Grammatik auch ein Reimlexicon. Etwas jünger ist die grammatische
und poetische Abhandlung des auch als Novellendichter bekannten (vgl. |^ 13)
RaimonVidal aus Besaudun, von ihm selbstLas rasos de tro bar* betitelt.
Von einer Art Poetik, welche darin besteht, dass einzelne Lieder oder
Liederanfange zuerst angeführt und dann erläutert werden, ist nur ein Bruch-
stück auf uns gekommen ;^ vollständig erhalten ist dagegen das berühmteste und
zugleich jüngste Werk dieser Art, die Leys d'amors.** Wir kennen zwei
Redaktionen desselben. Die eine, noch nicht gedruckte, hat viele Ver-
besserungen und Zusätze im Texte aufzuweisen, stellt daher wohl den ersten
Entwurf, die andere die endgültige Fassung dar. Die Arbeit ist, wie schon
oben erwähnt (^ 33), auf Veranlassung der 1324 zu Toulouse gegründeten
Gesellschaft der »Dichtkunst«, (gaia sciensa), entstanden, indem dieselbe ihren
Kanzler Guilhem Molinier beauftragte, eine Unterweisung in der poetischen
Technik abzufassen. Dieselbe behandelt in 3 Teilen die Grammatik, die
Metrik und die Rhetorik.
Gröber, Der Verfasser des Donat proensal, Ztschr. 8, 112—17;
D ers., Zur Widmung des Donat proensal, Ztschr. 8, 290 — 93 ; P. M e r I o,
Suir atitore del Donato provenzale, Giorn. stör. lett. it. 3, 218 — 21.
* Prosaanflösung des poetischen Evangeliums Nicodemi hsg. von S u c h i e r , Denkmäler
1, 387—461.
^ Lange Auszüge bei Du Mege. Histoire de Languedoc II, Additions 16 — 32.
' Granimaires pro7'en(ales de Hiigties Faidit et de Raymond Vidal de Besaudun, 2^ ed.
p. p. Guessard. Paris 1858; Die beiden ältesten proi'enzalisclien Grammatiken J.o donatz
proensals und Las rasos de trohar hsg. von Stengel, Marburg 1878; Biadene, Las
Rasos de trobar e Lo Don atz proensals secondo la lezione del ms. Landau, Studj di fil. rom.
l> 335—402 und 2, 93— 5.
* Vgl. Anm 3.
* Bartsch. Chrest. * 1^1 - 300.
" L.as ßnrs del gay saber estier dirhas Las leys d'amors p. p. G a t i e n - A r n o 11 1 1 in
Momimens de la littirature romane i 3, Toulouse 1841— 43.
5*
68 LllTERATUKGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 2. PrOV. LhT.
68. Die Naturwissenschaft hat ebenfalls einige Prosaabhandliingen auf-
zuweisen. Dahin gehört ein kurzgefasster Bestiarius' über die zum Teil
phantastischen Eigenschaften einiger Tiere und Vögel, jedoch ohne die sonst
üblichen mystischen Deutungen, während die waldensische Littcratur ein in
manchen Punkten eigenartiges Tierbuch^ aufweist, dessen Verfasser Jaco
(vielleicht identisch mit Jaques de Vitry, Erzbischof von Frascati, f 1244)
nach einer Einleitung in 54 Kapiteln von den Vögeln, den Tieren, den Fischen
und den Schlangen handelt und jedesmal eine moralisierende Anwendung auf
den Menschen beilügt. Voji einem Lapidarius,'' auf dem bekannten »liber
de gemmis« des Marbod beruhend, sind nur geringe Bruchstücke auf uns gekommen,
nämlich der Prolog und 22 Kapitel. Eigentümlich ist der ebenfalls in pro-
venzalischer Bearbeitung aus dem 14. Jh. verlicgende angebliche Brief des
Priesters Johannes,'* eines sagenhaften Königs von Indien, an Kaiser Friedrich,
in welchem derselbe über seine Lebensweise, sein Reich, l^esonders über dessen
wundersame Bewohner, Flüsse, Inseln, Quellen, Erzeugnisse, Tiere, Pflanzen,
Mineralien u. s. w. Auskunft erteilt. In ganz ähnlicher Weise beschäftigt sich
mit der Geographie von Irland ein von dem Dominikaner Philipp, Prediger
an der Kirche zu Cork, verfasstes und dem Papste Johann II. (13 16 — 34)
gewidmetes lateinisches Werk, das auch in einer provenzalischen Übertragung
aus dem 14. Jh. vorliegt, deren Verfasser wir nicht kennen.^
Auch einen provenzalischen Kalender besitzen wir, der allerlei prak-
tische Beigaben enthält ^ ; in diesen werden wir z. B. über die für einen Ader-
lass günstigen Tage (dieser Abschnitt ist in einer andern Handschrift für sich
behandelt';, über den Einfluss der verschiedenen Phasen und Konstellationen
des Mondes, über die Glücks- und Unglück.sstunden der Wochentage u. dgl.
aufgeklärt.
Von den auf uns gekommenen medizinischen Originalwerken ist bisher
nur eine kurze Diätetik^, sodann eine Abhandlung über die Wirkungen des
äusserlich angewandten Branntweins, Las vertutz de l'aiga ardcnt,^ und
einige Rezepte, resp. Sammlungen von solchen'", gedruckt, wozu dann noch
eine im 14. Jh. angefertigte Übersetzung der Chirurgie des berühmten, in Spanien
lebenden arabischen Arztes Abul Kassem Khalaf kommt, welcher 1106 oder
1107 in Cordua gestorben ist und gewöhnlich Albucasis genannt wird." Ebenso
sind von zwei juristischen Werken bisher nur kurze Abschnitte herausgegeben
worden, nämlich von dem einen, der BearbeitungdesCodexJustiniani,
ein Teil des Erbrechtes 12^ von der Übertragung des französischen Arbre de
Batailles die Besprechung einiger völkerrechtlicher Fragen. '^ Das
erste dieser beiden Werke ist eine für Laien geschriebene systematische Dar-
' Also son las iiaturas d'alcus auzels e d'alcunas hestias , Bartsch, Lesebuch 162 — 6
= ehrest.*' 333-8.
* Der waldensische Physiologus, zum ersten Mal lisg. von Alfons Mayer, Rom.
Forschungen 5, 392 — 418.
* p. p. L a 1' o r t e du T h e i 1 , Notices et extraits des mamtscrits 5, 689 — 708 ;
Bruclistiick : P. Meyer. Fragments inedits dun lapidaire provenfal, Jahrb. 4, 78-84.
* S u c h i e r , Dettkmäler 1, ,341 — 86.
* F r e r e P li i 1 i p p e , Les Merveilles d Ir lande, texte provengal p. p. J. U irich, Leipzig 1 892.
* Kalender mit Beiga()en in Suchier, Denkmäler I, 107 — 24.
■^ hsg. von C. .Sachs, Le trcsor de Pierre de Corbiac (§ 40, Anni. 5), 9,.Wl.
8 hsg. von W. W ack ern age 1 , Haupts Zeitschrift 5, 16 sq.
* Bartsch, Denkmäler 314— 15.
*" P. Meyer, Jahrbuch 4,80 — 8]; E. Bondurand, Fragment de recettes mcdicales
en langne d'oc, Rom. 12, lOO— 104.
" Ein Teil davon herausgegeben von Tourtoulon, La Chirurgie d'Alhncasis tra-
duiie en dialecte tonlonsain du Ji/V^ siede, Rev. des 1. r. 1, 3—17; 301 — T.
'2 Bartsch, Chrest.* 299 — 304.
'■i Bartsch, Lcseburh 1 74 6 Chresl.* 401-4.
Prosa: Weltliche. ^VISSENSCHAFTLICHE und erzählende Werke. 69
Stellung des römischen Rechts, das jedoch, weil fiir praktische Zwecke bestimmt,
nur diejenigen Abschnitte berücksichtigt, welche auf die damaligen Verhältnisse
anwendbar erschienen. Aus den gewählten Beispielen lässt sich schliessen,
dass das Rechtsbuch um 1149, und zwar in Arles niedergeschrieben worden
ist; von wem, vermögen wir nicht zu sagen.
Zu den Werken encyklopädischen Charakters gehört vor allem das nach
der Mitte des 14. Jhs. entstandene Elucidari de las proprietatz de totas
res naturals. ^ Es ist eine im Auftrage des Grafen Gaston (wahrscheinlich des
Dritten) von Foix gefertigte Übertragung des um 1350 von Bartholomaeus
de Glanvilla compilierten »Opus de proprietatibus rerum« und handelt in 20
Büchern von Gott, den Engeln, Leib und Seele des Menschen, den Himmels-
körpern , den Elementen , den 3 Tierreichen , der Geographie und einigen
speziellen Gegenständen, wie Farben, Gerüchen, Zahlen u. dgl. Bemerkens-
wert ist, dass der Bearbeiter stellenweise sich der metrischen Form bedient.
Über das einleitende Gedicht Palaitz de Savieza vgl. ^ 43. Ähnlicher Art, ob-
wohl weniger umfangreich ist die wohl auch nach einer lateinischen Vorlage
hergestellte provenzalische Version des Buches Sydracs,^ in welchem dieser
Weise alle Fragen aus den verschiedensten Gebieten des Wissens, die ein König
an ihn richtet, eingehend beantwortet.
L a u c li e r t , Geschiclüe des Physiologtis, Strassburg 1 889, 1 49 - 54 •. M.
G o 1 d s t a u b iiiid R. W e n d r i n e r , Ein tosco-venezianisclier Bestiariits, Halle
1892, 211 — 20 (Excurs über den u<aldensiscliefi Bestiarius) — Fitting,
Vorläufige yjitteilungen über eine Summa Codicis in provenfalischer
Sprache, Sitzungsber. der Ac. der Wiss. zu Berlin 1891, 763-6.
3. erzählende werke.
69. Die Profan prosa hat kein Originalwerk erzählenden Charakters, sondern
nur zwei Bearbeitungen aufzuweisen. Die eine besteht in der Übersetzung
des altfranzösischen Prosaromanes Merlin, die wohl im 13. Jh. von einem
nicht bekannten Autor angefertigt worden ist , von der aber leider nur ein
verhältnismässig kurzes Bruchstück, aus zwei Quartblättern bestehend , auf uns
gekommen ist. ^ Die andere, Tersin* betitelt, ist die Prosaauflösung der
ersten Hälfte des dritten Teiles von der in ^ 7 erwähnten Kompilation
»Le Roman d' Arles«. Sie unterscheidet sich jedoch von ihrer Vorlage ab-
gesehen von unbedeutenderen Veränderungen namentlich dadurch , dass als
Hauptgegner Karls des Grossen eine ganz neue Person, nämlich Tersin ein-
geführt worden ist, den jener Roman überhaupt nicht kennt und der am Schlüsse
als der erste christliche Graf von Toulouse bezeichnet wird. Diese Ver-
änderungen haben sich aber als absichtliche und tendenziöse Fälschungen heraus-
gestellt, da unsere Prosa-Auflösung höchst wahrscheinlich von dem bekannten
südfranzösischen Litterarhistoriker und Procurator am Parlament zu Aix in der
Provence Johannes Nostradamus (Jean de Notredamej ums Jahr 1560, aller-
dings ohne Nennung seines Namens, angefertigt worden ist.
C li a b a 11 e a 11 , Notes sur quelqties iiianiiscrits provenfaux perdus oti
cgares, Paris 1886, 81—5.
' Bruchstücke: Barts ch, Z-irj,f(^/«r/! 179 -81 ; Denkmäler YA-—yM.\ C/irest.* :i6H ~-i2;
Kressner, Archiv 55, 288 — 96; C. Apjpel, Der provenzalische Lucidarius, Ztschr. 13,
225 - 52.
* Bruchstück: Bartscli. Chrest.* 309— 14.
' Frat^mejtt d' nii roman de chevalerie en langue vidgaire du /J* siede p. p. Paul
Guillaunie, Gap 1881 und Fragments d'une traduction provenfole du Roman de Merlin
p. p. Chabaneau, Paris 1883 (Auch Rev. des I. r. 22, 105 — lö und 237—42).
■* Tersin. Tradition arlesienne p. p. Paul Meyer, Rom. l, 51 — 68.
III. ABSCHNITT.
LITTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN
VOLKER.
B. DIE LITTERATUREN DER ROMANISCHEN
VÖLKER.
3. KATALANISCHE LITTERATUR
VON
ALFRED MOREL-FATIO.
gegenwärtig ist es, wenn nicht unmöglich, so doch noch sehr schwer
eine wirkliche Geschichte der katalanischen Litteratur zu schreiben.
Denn selbst die Denkmäler dieser Litteratur sind z. T. noch un-
bekannt oder unzugänglich, und die meisten derjenigen, welche in den letzten
vier Jahrhunderten oder zu unserer Zeit durch die einheimischen oder fremden
Romanisten veröffentlicht wurden, sind nicht der Gegenstand so gründlicher,
kritischer Untersuchungen geworden , dass dem Historiker nunmehr möglich
wäre, sie nach ihrem Werte zu würdigen, sie zu ordnen und von Etappe zu
Etappe die vollständige Entwicklung der litterarischen Thätigkeit in den
Ländern katalanischer Zunge vom Mittelalter bis heutzutage zu verfolgen.
Für den Augenblick gestattet uns die Vorsicht nur, Nachrichten zu sammeln
über das uns erreichbar Gewordene, provisorisch die verschiedenen Produkte
des katalanischen Denkens in den einzelnen Perioden zu gruppieren, die
Hauptrichtungen dieses Denkens sowie die Einwirkungen, welche es von aussen
erfahren und den Einfluss, welchen es seinerseits um sich herum hat ausüben
können, zu bestimmen.
2. Da die ersten katalanischen Publikationen zeitlich mit dem politischen
und sozialen Verfall des östlichen Spaniens genau zusammentreffen — eine
notwendige Folge der Vereinigung Aragons mit Kastilien , welches der in
moralischer und materieller Hinsicht vorherrschende Staat der Halbinsel geworden
war, — so folgt daraus, dass diese Publikationen erstens wenig zahlreich waren
' [Übertragen ins Di-utschc von Herrn Dr. II. Sclin e e gans].
Schwierigkeit einer Darsi'ellung der Kat. Litt. — Arbeiten darüber. 7 1
und dann nur einzelne Kundgebungen katalanischen Denkens und Bildens
darboten: Übersetzungen aus der Bibel, erbauliche, moralische, theologische
Abhandlungen und hauswirtschaftliche Schriften, wie z. B. die Compilationen
von Francesch Eximeniz, einige Übersetzungen der im 15. Jh. am gewöhn-
lichsten gelesenen Schriftsteller aus dem Altertum , dann einige poetische
W^erke religiösen oder profanen Inhalts, die letzten Ausläufer jener akademischen
Preisdichtung, die, eine im wesentlichen künstliche Dichtungsweise, von der
Toulouser Schule herstammt.
Im folgendem Jahrhundert veranlasst ein gewisser trotz allem beharrender
Lokalpatriotismus einige Buchdrucker die wichtigsten katalanischen Chroniken,
die des Königs Jacob des Eroberers und Muntaners herauszugeben. Damals
schreibt und veröffentlicht der Archivar Miquel Carbonell seine dem Ruhme
des alten Hauses Aragon gewidmeten Chroniques de Esßanya , und geben
archäologische Forscher die Werke der beiden berühmtesten valenzianischen
Dichter des 15. Jhs., Auzias March und Jaume Roig, in Druck.
Im 1 7. Jh., nichts oder beinahe nichts derart mehr, das Kastilianische dehnt
seine Herrschaft immer weiter aus und überflutet alles : selbst günstigere politische
Umstände — ich meine den Aufstand der Katalanen gegen Philipp IV., welcher
mehr als 15 Jahre dauerte, — bringen weder der alten Nationallitteratur Gewinn
noch lassen sie dieselbe wieder zu grösserer Gunst gelangen. Wenn die
Katalanen auch an ihren Freiheiten und Privilegien in einem Grade festhalten,
dass sie ihnen zu Liebe im Stande sind ihren rechtmässigen König zu verraten
und sich einer fremden Macht in die Arme zu werfen, so empfinden sie doch
keine Schwierigkeit darin, sich in litterarischer Hinsicht Kastilien zu unter-
werfen und sklavisch alles zu kopieren, was ihnen von der cdrie kommt.
Von Männern des 18. Jhs., die zu sehr Anhänger der politischen und
intellektuellen Centralisation waren, konnte man nicht erwarten, dass sie gegen
die immer vollständiger sich vollziehende Assimilation der katalanischen Pro-
vinzen an das kastilianische Spanien zu reagieren versucht hätten. Dafür
tritt aber die historische Gelehrsamkeit auf den Plan, und unbewusst bereiten
die Bibliographen das Restaurationswerk vor, welches, freilich in ganz mo-
dernem Geiste, erst in unsern Tagen vollendet werden wird. Das Signal gab
das an Bildung und Gelehrsamkeit Barcelona überlegene Valencia. Die y>BibUo-
theken«. von Rodriguez und von Jimeno (welche später durch diejenigen
von Fusteri vervollständigt werden sollten) sind die ersten Beispiele jener
bio -bibliographischen Kataloge, welche dem Publikum das Inventar der
litterarischen Produktion einer der Provinzen der alten Krone Aragons in die
Hand geben. Neben diesen eigentlichen Bibliographen tauchen auch hie und
da einige Liebhaber der alten Lokallitteratur auf. Carlos Ros, dem man
einen Wiederabdruck des Poems von Jaume Roig verdankt und welcher
eine Menge von kleinen Schriften in valenzianer Dialekt herausgab , ist der
Typus des überzeugten Mundartfreundes, wie er im 18. Jh. existieren konnte. 2 In
Katalonien muss man aber für ebenso oder beinahe ebenso wichtig wie die Ar-
beiten der Rodriguez und Jimeno die Memorias histdricas sobre la marina, cofnercio
y artcs de la antigua ciudad de Barcelona (1779 — -1792) ansehen, welche auf
1 Die Biblioteca valetitina von Jose Rodriguez wurde 1747 veröffentlicht, aber
der grösste Teil des Werkes war schon 1703 vollendet (P. Salvä, Catdlogo No. 2490);
die Escritores del reyiio de Valencia von Vicente Jimeno erschienen von 1747 bis 1749; '
die Biblioteca valenciaiia von Jiisto Pastor Fuster von 1827 bis 1830.
* er. was über Carlos Ros als Grammatiker, im Grundriss I. 687 mitgeteilt ist.
Eine gewissenhafte Biobibliographie Carlos Ros' ist 1891 von D. Francisco Marti («raj^ilcs
in hl Arcitivo V. 169— 184 veröffentlicht worden.
7 2 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LlTT.
Kosten der Handelskammer (Junta de comercio) dieser Stadt durch D. Antonio
Capmanyi herausgegeben worden sind.
Durch das Licht, welches er auf die Geschichte der Hauptstadt der
alten katalanischen Grafschaft und ihre See- und Handelseinrichtungen zu
werfen wusste, brachte Capmany bei seinen Mitbürgern eine ganze ziemlich
vergessene Vergangenheit und zu gleicher Zeit indirekt auch etwas die Sprache
wieder zu Ehren, in welcher sich solange jene ruhmreichen Fürsten und weisen
Gesetzgeber ausgedrückt hatten.
Aber der wahre Ausgangspunkt der Restauration des littcrarischen Ka-
talanisch, ist die Gramdtica y apologia de la llengua cathalana von D. Joseph
Pau Ballot y Tor res, die im Jahre 1814 herauskam.- Dieses Büchlein,
vvelches in einem ganz praktischen Zweck und hauptsächlich zum Gebrauche
der Fremden verfasst worden ist, welche im Innern Kataloniens Handel treiben
wollen, hat viel grössere Tragweite gehabt, als es sein Verfasser sich hätte
denken können. Ballot bestätigt darin die Lebensfähigkeit einer Sprache, die
man für unwiderruflich in Verfall geraten und der litterarischen Verwendung
hinfort für unfähig hielt. Ausserdem offenbarte der Appendix dieser Grammatik,
den man dem Rechtsgelehrten Josef Salat verdankt, und welcher einen
•>->Catälogo de las obras que se han escrito en lengua catalana desde el rcinado
de D. Jaytne el Cofiquistador«, enthält, vielen, die nur eine verworrene Vor-
stellung davon hatten, die Existenz einer katalanischen Litteratur. Dieser
dünne Katalog, welcher 20 Jahre später in den Memorias para ayudar ä fonnar
un diccionario critico de los escritores catalanes durch D. Felix Torr es Amat
(Barcelona 1836)^ weiter ausgeführt werden sollte, ist, so zu sagen, die erste
Grundlage der Litteraturgeschichte katalanischer Provinzen geblieben.
Ohne hier auf die Restauration der katalanischen Litteratur einzugehen,
welche gegen 1840 durch Dichter, Historiker und Politiker in Angriff genommen
worden ist, ziemt es sich doch wenigstens auf den Umstand aufmerksam zu
machen, dass die ersten Versuche, die litterarische Vergangenheit Kataloniens
wieder aufleben zu lassen, auf die romantische Bewegung und die aus derselben
hervorgegangene Steigerung des Lokalpatriotismus zurückzuführen sind. Milä
y Fontanals, Mariano Aguilö, Antonio de Bofarull, PelayoyBriz,
Victor Balaguer — welche mit verschiedenen Fähigkeiten und verschiedenem
Verdienst an der Erklärung und am Bekanntwerden der Werke der Katalanen
mitgewirkt haben — haben alle Anteil an der katalanischen Romantik ; sie
haben sich alle mehr oder weniger glänzend als Dichter oder Romanschrift-
steller ebenso hervorgethan , wie Aribau und Rubiö y Ors, welche als
die Väter der katalanischen Renaissance gelten; sie haben vornehmlich, im
Jahre 1859, die Jochs Florais von Barcelona ins Leben gerufen, d. h.
die Einrichtung, welche einige Zeit lang die katalanistische Bewegung für sich
in Anspruch genommen hat, indem sie ihr eine archaistische Färbung verlieh,
die sie seitdem verloren hat,
Milä y Fontanals gebührt die Ehre und das Verdienst im Anschluss an
die Arbeiten von Raynouard und Diez, den Wert der mittelalterlichen katalanischen
Poesie bestimmt, unter anderem ihren Charakter als Trabantin der Troubadourpoesie
* Über Capmany und die Junta de Comercio cf. den Artikel von D. Joaquin
Rubiö y Urs, in den Memorias de la Academia de buenas letras de Barcelona. 13d. III (1880)
S. 105 u. fi".
* Die Gramdtica von Ballot ist der yunta de Comercio dediciert worden.
' Es ziemt sich an dieser Stelle an den Mitarbeiter an den Memorias, den französischen
Katalanen, Joseph Tastii, zu erinnern. Cf. diesbezüglich die Arbeit von Amedee
Pages Notice sur la vie et les travatix de Joseph Tastn. Montpellier 188H (Separatabdriick
der Rei'ue des lavgues rctiiones. Bd. XXXII).
Arbeiten über die kat. Litt. Kat. Renaissance. Hss. Kat. Texte. 73
entschieden behauptet und wissenschaftlich das bewiesen zu haben , was der
Dichter Boscan im 16. Jh. in den Worten aussprach: De los Provenzales
salieron muchos autores ccelentes catalanes. \Vas man auch an Irrtümern im
Einzelnen an seinen 1861 erschienenen Trovadores en Espami tadeln kann,
schliesslich ist doch dieses Werk der Ausdruck der Wahrheit geblieben, welche
viele Katalanen, wegen Mangels an Wissen und kritischem Sinn verkannt haben
und noch verkennen. Die Trozuniorcs ebenso wie verschiedene andere Schriften
über die katalanische Poesie im 14. und 15. Jh., welche von Milä in ver-
schiedenen gelehrten Sammlungen herausgegeben worden sind , bilden eine
Reihe unter sich zusammenhängender sorgfältiger und verständiger Unter-
suchungen und Ausftihrungen, deren Hauptergebnisse auch durch spätere Unter-
suchungen der Romanisten nicht werden aufgehoben werden.
Derjenige, welcher nach Milä am meisten dazu beigetragen hat die
alten katalanischen Schriftwerke wieder zu Ehren zu bringen, ist D. Mariano
Aguilo y Fustcr. Während sein Nebenbuhler Milä sein hauptsächlichstes
Bemühen darauf wandte, die Ursprünge der katalanischen Poesie zu studieren
und das Entlehnte und Exotische an ihr auszusondern, zog Aguilo hingegen
vor, in den Werken der Vergangenheit den originellen und reinen Ausdruck
des katafanischen Geistes besonders hervorzuheben.
In seiner Biblioteca catalana, seinem Canfomr und seiner Biblioteca
de oh'etcs Singulars del hon tevips de nostra lengua materna hat er uns in
korrekten Ausgaben , denen es aber leider an Erläuterungen irgend welcher
Art fehlt, Chroniken, Romane, moralische Abhandlungen und Gedichte haupt-
sächlich in der Art der ntn^es rimades zugänglich gemacht, letztere, die einzige
Gattung, in welcher die Katalanen sich mit einiger Freiheit bewegt haben und
in welcher sie nicht bei jedem Schritte ihre Abhängigkeit von fremden Mustern
verraten. Aguilo, welcher auch Dichter sein kann und eine besondere Vor-
liebe für die alten Sagen und Altertümer seiner Heimat hegt , welche er in
archaistischer und geziert gelehrter Sprache zu schildern sucht, ist als Gelehrter
hauptsächlich Bibliograph, und sein leider noch niclit herausgegebenes Haupt-
werk ist jener Catälo^o de obras en lengua catalana impresas desde 1474, welches
die Forscher auf katalanischem Gebiete seit 30 Jahren wie die Juden den
Messias erwarten. In der That, ohne dieses Buch, in welchem alle seit dem
Ende des 15. Jhs. bis heute gedruckten katalanischen Schriften werden ver-
zeichnet und beschrieben werden — darunter auch Seltenheiten, welche zum
ausschliesslichen und wohl gehüteten Eigentum des Verfassers gehören, —
ist es materiell unmöglich sich genaue Rechenschaft abzulegen über die Ent-
wicklung der katalanischen Litteratur in ihren verschiedenen Erscheinungen,
die Jahrhunderte hindurch. Wünschen wir also, dass es erscheinen möge !
Gewiss haben seit dem Tode Mild y Fontanals' (1884) die katalanischen
Studien sowohl in Spanien als auch in der Fremde Fortschritte gemacht,
aber durch kein Werk von der Wichtigkeit der Trovadores oder des Ro-
mancerillo ist dieser Zweig romanischer Philologie bereichert worden. Der
Fortschritt hat hauptsächlich darin liestanden , dass verschiedene unedierte
Texte mit mehr Sorgfalt herausgegeben worden sind , darunter einige sogar
mit grammatischen Anmerkungen nach den Grundsätzen moderner Wissen-
schaft. Heutzutage liegt glücklicherweise die Zeit der ganz unglaublich in-
korrekten Ausgaben der Bofarull oder Pelayo y Briz hinter uns.
3. Da, wie gesagt, ein bedeutender Teil der alten katalanischen Litte-
ratur ungedruckt ist, so ist es von Wichtigkeit hier anzugeben, wo sich die
grössten öffentlichen und reichsten Privatsammlungen katalanischer Hss. befinden.
Madrid. Die Biblioteca Nacional dieser Stadt besitzt unter ihren ältesten
Beständen sowohl als unter den Erwerbungen seit Beginn des Jahrhunderts,
74 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN X^ÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
eine beträchtliche Anzahl katalanischer Hss., wovon ein beschreibender Kata-
log durch J. Massö Torrents veröffenlicht werden soll. Für den Augenblick
ist man darauf angewiesen das kurze, im 2. Bd. des Ensayo de una biblioteca
espafiola de libros raros y acriosos von Gallardo (Madrid 1866) gedruckte In-
ventar und die Kataloge von La Romana, Bohl de Faber und Osuna
zu Rate zu ziehen. — Die Privatbibliothek des Königs ist von J. Massö
Torrents durchforscht und beschrieben worden in Manuscritos catalanes de la
biblioteca de S. M., Barcelona 1888 in 8^. — Für die Bibliothek der Akademie
für Geschichte, eine der reichsten Spaniens, gibt es keinen gedruckten Kata-
log. Unter den katalanischen Hss., welche sie besitzt, sind zwei Exemplare
der Chronik des Königs Peter IV. von Aragon zu erwähnen.
Escorial: Ohne an katalanischen Hss. reich zu sein, besitzt jedoch die
Bibliothek von St. Lorenz einige kostbare Bände, vor allen Dingen die Über-
setzung der Göttlichen Komödie durch Andrea Febrer. Über diese Bibliothek
unterrichtet uns blos ein handschriftlicher Katalog, von dem es mehrere
Exemplare gibt, unter anderen eines, in der Nationalbibliothek von Paris
{Fonds Espagnol Nr. 414). Dasjenige der Münchner Bibliothek (cod. hisp.
Nr. 76) stand A. Ebert zur Verfügung, welcher im Jahrbuch für romanische
Litteratur (Bd. IV. p. 55) eine leider nicht vollständige Liste der katalanischen
Hss. gab, deren Beschreibung er dort vorgefunden hat.
Sevilla. Die berühmte Colombina besitzt — ■ oder besass — einige
katalanische Hss., z. B. das von Jacme March im Jahre 137 1 auf Verlangen
des Königs Peter IV. von Aragon verfasste Reimlexikon. Vier dieser Hss.,
welche gewiss zugleich mit vielen andern Büchern der Colombina entwendet
worden waren, haben glücklicherweise in der Pariser Nationalbibliothek Auf-
nahme gefunden. '
Barcelona : Die Universitätsbibliothek, welche verschiedene Klosterbiblio-
theken Barcelona's, vor allen diejenigen der Barfüsser beerbt hat. Ein Katalog
fehlt. Man muss zum 18. Bd. des Viage literario von Villanucva seine Zu-
flucht nehmen, um einige Kenntnis zu erhalten von den Hss. der alten Klöster
von Barcelona, welche in die Universitätsbibliothek übergegangen sind. —
Die Archive der Krone Aragons haben einen Teil der Bibliotheken der alten
Klöster von Ripoll und San Cugat del Valles^ vor der Vernichtung gerettet,
und die meisten katalanischen Texte, welche sie enthalten, sind (sehr schlecht)
im 13. Bd. der Coleccion de documentos iniditos del archivo general de la Corona
de Aragon gedruckt worden.
Unter den Privatbibliotheken Barcelona's gilt mit Recht diejenige von
D. Mariano Aguilö y Fuster für sehr reich an katalanischen Hss. Freilich
haben wir nur sehr unbestimmte Nachrichten über die darin enthaltenen Schätze.
Über die andern spanischen Bibliotheken , wie die von Saragossa, Va-
lencia, Gerona, Palma de Mallorca etc. kann man sich nur unterrichten, wenn
man den Anuario del cuerpo facultativo de archiveros , bibliotecarios y anti-
cuartos. Madrid 1882 -83 2 Bde. 8" und den Viagc literario von Villanueva
zu Rate zieht.
In Frankreich hat allein die Nationalbibliothck eine wichtige Sammlung
katalanischer Hss. aufzuweisen, welche alle in dem Catalogue des manuscrits
espagnols et Portugals de la Bibliotheque Nationale, Paris 188 1 — 1892. i. Bd.
4'' beschrieben sind. Diejenige von Carpentras besitzt eine sehr kostbare
Sammlung katalanischer (iedichte, welche in der ersten Hälfte dieses Jahr-
' Urandeur et dccadoice. de la Cobinbine, secoiulc ■('•(lition. Paris l88ö |>. :{8 11. H".
"- iM. Mila y Fontanals, Nolkia de la 7iida y esrrilos de D. J'rospero de B<y/ariill
y Mascarö. Baiceluiia 1860 p. 45.
Hss. Kat. Texte. — Poesie. Abhängigkeit v. d. prov. Dichtung. 75
hunderts durch den berüchtigten Libri geplündert worden ist*; der gestohlene
Teil ist, nachdem er in der Sammlung des Lord Asburnham verweilt hat,
nach Frankreich zurückgekommen und in die Nationalbibliothck übernommen
worden, welche ihn jetzt unter Nr. 487 des /onds espagnol bewahrt. 2
Das Britisch Museum besitzt, unter andern, eine katalanische Bibel und
Werke von Ramon Lull (Gayangos Catalogue of the spanish Maniiscripts
in the British Museum. Bd. I). In Cheltenha.m belinden sich auch einige
katalanische Hss., welche in dem Katalog, den Sir Thomas Philipps hat drucken
lassen, angeführt sind. Die königliche Bibliothek von München besitzt Hss.
von Lull, hauptsächlich ein Exemplar von Blanquerna. In Italien muss
man auf den Vatikan hinweisen, welcher die einzige bekannte Hss. des Libre
lie les dones von Jaumc Roig^ besitzt. Andere italienische öffentliche und
private Bibliotheken enthalten ohne Zweifel auch katalanische Hss. , aber
Nachrichten darüber fehlen.
Alte Bibliotheken. Für die Litteraturgeschichte ist nichts nützlicher
als das Studium der Inventare verschwundener oder aufgelöster Bibliotheken.
Nun besitzen wir einige Inventare alter katalanischer Handschriften-Sammlungen,
deren bedeutendste die folgenden sind: i) dasjenige des Königs Martin I.
von Aragon , welches Mihi , allerdings sehr abgekürzt, in seinen Trm>adares
p. 488 abgedruckt hat (die Revue L'Avens hat in ihrer Nummer vom 30.
September 1890 eine vollständige Ausgabe begonnen); 2) dasjenige der Königin
Maria, Gemahlin Alfons' V. von Aragon (gedruckt in der Revista de Archivos,
Bibl. y Museos II. p. 11 ff. u. im Separatabdruck erschienen unter dem Titel
Documcntos histöricos, num. i, Madrid 1872); 3) dasjenige von Don Pedro,
Konnetabel von Portugal, welcher unter der Regierung Johanns II. Ansprüche
auf die Krone von Aragonien machte (gedruckt von A. Balaguer y Merino,
Don Pedro, cl condestable de Portugal, Gerona 1881 p. 20).
A, POESIE.
gs gibt keine romanische Litteratur, in welcher Poesie und Prosa so ver-
schieden von einander sind. Unter Poesie verstehen wir natürlich nicht
die sog. Volkspoesie, von welcher wir übrigens nur moderne Produkte kennen,
sondern die Kunstpoesie, die Kunst des trobar, das nach bestimmten metrischen
und stilistischen Regeln ausgearbeitete Werk. Während des ganzen Mittel-
alters, und selbst noch im 16. Jh., bewegt sich nun diese Poesie nicht nur
in einer ganz besonderen, meistenteils dem katalanischen Geist fremden Ge-
danken- und Gefühlsrichtung, sondern sie hat sogar eine Sprache für sich,
welche nicht diejenige der Prosa, ja sogar nicht die der gehobenen Prosa
ist. Während des ganzen ersten Teils des Mittelalters , bis zum Ende des
13. Jhs. dichteten die katalanischen Dichter in der Sprache der Troubadours,
in einem mehr oder weniger reinen , oft zwar mit Fehlern gegen die gute
Aussprache und die SprachregeH behafteten Provenzalisch, aber immerhin in
einer fremden Sprache, welche von derjenigen, die sie beim Sprechen oder in
der Prosa gebrauchten, sehr verschieden war. Selbst zu einer späteren Zeit,
als die katalanische Sprache dank der zahlreichen Prosaschriften, sich schon
* Beschrieben durch L a in b e r t : Catalogue des mannscrits de la bihliotheque de Car-
pentras. Carpentras 1862. t. 1 p. 198 ii. IT.
- S. Romaiiia Bil. XVI, 106.
' Ein Facsimile und Auszüge aus dieser lls. sind von mir mitgeteilt worden in
meinem Rapport sur une miss'wn philologiqne h Valence. Paris 1885.
* Cf. 7,. B. die Konfusion beim Reime zwischen c und e und die Nichtbeachtung der
I )el<linatioiisrcgchi.
76 LlTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. I>ITT.
I)esser zum Gebrauch in der Poesie eignete, behalten doch die katalanischen
Dichter verschiedene Wörter und Wendungen , welche von der Poesie der
Troubadours oder von der akademischen Toulouser Poesie , die ihr direktes
Muster geworden war, herrühren. Mit um so mehr Recht fahren sie, ebenso
wie früher, fort, die Poetik und Metrik jenseits der Pyrenäen zu beachten; sie
vereinfachen nur, was ihnen in der Toulouser Technik zu kompliziert erscheint,
und reduzieren die Mannigfaltigkeit ihrer Muster auf einige wenige unwandel-
bare Formen. Weniger künstlerisch angelegt als die Troubadours, werden sie in
dem .Ausdruck von Gefühlen, die bei ihren Vorgängern zu kompliziert und raffiniert
waren, dunkel und schwerfällig; und dank dem Einflüsse des Petrarchismus
werden sie sogar eben so langweilig und manieriert als unverständlich. Das
ist der Zustand der katalanischen Poesie vom 14. zum 16. Jh. Was noch
viel bemerkenswerter ist und die oben schon hervorgehobene Scheidung der
katalanischen Poesie von der Prosa noch mehr bezeugt, ist der Umstand,
dass die moderne Poesie der katalanischen Renaissance, diese Poesie der
restaurierten Jochs flor als (Blumenspiele), obgleich jede Tradition seit lange
unterbrochen ist und die heutigen Dichter kaum noch daran denken, sich
direkt von Auzias March oder Mossen Jordi inspirieren zu lassen, damit
fortfährt, ziemlich konventionelle Gefühle zu affektieren , und sich in einer
Sprache ausdrückt, die nicht weniger gesucht ist , als diejenige der Dichter,
die ehemals um die joya am Konsistorium des Gay saber konkurrierten.
5. Es ist freilich schwer anzunehmen, dass, wenigstens auf dem Gebiete
der religiösen Poesie, die Katalanen nicht schon früh in ihrem eigenen Dialekte
gedichtet hätten. Gedichte zum Preise der Gottheit und der Heiligen, eigent-
lich nichts anders als Kommentare der Liturgie, werden in der Sprache des
Volkes selbst gedichtet und gesungen worden sein ; anderseits scheint die
ausserordentliche Popularität einer der Formen dieser religiösen Poesie , der
Goigs , welche heutzutage der beliebteste religiöse Gesang des katalanischen
Volkes sind, einen ziemlich alten Ursprung zu verraten. Einige Proben alter
liturgischer Gedichte, die uns erhalten sind (Mild, Trovadores p. 466 und Villanueva
Viage literario, passim) würden, wenn man nach dem, was verloren ist, urteilen
darf, in der That darauf hinweisen, dass ihre Verfasser, ausser dass sie sich
eines sehr einfachen Versbaues bedienen, auch noch in einer alten verständlichen
Sprache sich auszudrücken versuchen ; die Provenzalismen sind hier weniger
zahlreich als in der profanen Poesie. Ramon Lull (j 1315), der Apostel,
welcher auch von den Unwissendsten verstanden werden will, geht diesen Weg;
seine religiösen Gedichte, wenn auch manchmal von einer etwas komplizierten
Rhythmik, sind doch in einem Katalanisch geschrieben, welches sehr wenig
von dem seiner Prosaschritlen abweicht; eben dasselbe lässt sich sagen von seinem
berühmten Klagcliede (Lo desconori) in einreimigcn Strophen vonZwölfsilbnern. '
Die Dichter hingegen, welche der Zeit angehören, die man die Über-
gangsperiode nennen könnte, von der echten provenzalischen Schule zu der
Gründung des Konsistoriums des Gay Saher von Barcelona, diese Dichter
tragen, noch mehr als Lull, Bedenken, auf die Formen der poetischen Sprache
ihrer Vorgänger zu verzichten. So der Chronist Ramon Muntaner in seinem
Sermö über die Expedition von Sardinien (1323) in einreimigen Strophen von
zwanzig Zwölfsilbncrn - oder der König Peter IV. in seinen cobles ^ die er
1378 an seinen Sohn, d(>n König Martin von Sicilien, gerichtet hatte. Diese
cobks sind schon nach d(;m System der cobla croada unisonant gebaut, d. h.
' Ohras rimadas de Ramon Lull piiblicadas por (i e f ö 11 i in o Rössel lö. Palma
l8,")9. in 8", u. d'. M i 1 .1 Trovadores S. 468.
Lo sermö
IM o , u. LI. ivi 1 la I I ovauoi CS .t. i\\yn.
2 Z/' sirmo d'lin Miintntier per M. M i 1 ä y 1'" o 11 1 a n a 1 s. Montpellier 1880 in 8". —
mo d^ Ell Muntaner. Adicio per M. Mila y Fontana Is. Montpellier 1881. in 8^
Poesie: Religiöse Volksdichtung. Provenzausiekende Kunstdichtung. 77
sie bestehen nicht mehr aus Zwöll-, sondern aus Zchnsilbnern mit einer stehenden
Pause nach der vierten Silbe. ^
6. Das Konsistorium des Gay saber, welches nach dem Vorbilde desjenigen
von Toulouse durch den König Johannes I. (1350 — 1395) gegründet, dann durch
seine Nachfolger Martin I. und Ferdinand I. konsolidiert und befestigt worden
war, verhalf der katalanischen Poesie zu hohem Aufschwung und vermehrte
sehr die Zahl der Dichter , welche dank der Gunst dieser Souveräne häufig
Gelegenheit fanden sich vorteilhaft zu produzieren. 2 Seit dem Ende des
14. Jhs. nimmt auch die katalanische Poesie einen immer berufsmässigeren
Charakter an , und ergeht sich in gewissen metrischen Formen , welche sie
von nun an charakterisieren sollten. VV^enn man auch verschiedene Beispiele von
dofisas, cansös, serventescJis, baladas, lais und virolais darin findet, alles Namen
und Gattungen , welche der provenzalischen Poesie oder der auch in Kata-
lonien sehr beliebten französischen Poesie entlehnt sind , so ist doch die
Hauptform der katalanischen Gaya cieticia die Strophe oder cobla von acht
Zchnsilbnern (bordons), die sich in zwei Halbverse von 4 und 6 (7) Silben
teilen. Die Akzentuierung der vierten Silbe des ersten stets männlichen Halb-
verses verleiht diesem Verse eine ermüdende Monotonie, die aber gewiss den
Katalanen des 15. Jhs. nicht missfiel, weil selbst die begabtesten unter ihnen,
wie Auzias March, nie versuchten, diesen Rhythmus zu variieren. Die Kunst-
fertigkeit der katalanischen Dichter offenbart sich nur in der Anordnung der
Reime. Die cobla hat Kreuzreime (sie ist croada) : abba cddc, oder Ketten-
reime (encadenada) abab cdcd oder vermischt beide Systeme {mig croada e
f/ng encadenada) abba cdcd. Eine andere Art ist die cobla croada oder enca-
denada^ welche mit vier gepaart gereimten Versen schliesst {apariada la meytat):
abba (abab) ccdd. In einem Gedicht {obra oder vers) kann jede Strophe
unabhängig sein und ihre eigenen Reime haben ; in diesem Falle heisst sie
solta; oder ein Reimsystem umfasst das ganze Gedicht, in diesscm Falle heisst
es unisonant. Eine cobla ist capcaudada, wenn ihr letzter Reim im ersten Verse
der folgenden cobla wiederholt wird : abbacddc-ceec u. s. w. ; sie ist capcaiulada de dos
bordons, wenn ihre zwei letzten Reime in den zwei ersten Versen der folgenden
Strophe wiedererscheinen : abbacddc-dccd u. s. w. Die cobla ist capfinida, wenn
der erste Vers einer Strophe mit dem Worte beginnt welches die vorher-
gehende Strophe beschliesst ; sie ist equivocada, wenn sie dasselbe Wort in
zwei verschiedenen Bedeutungen im Reime enthält (z. b. fi, Substantiv u.
Adjektiv) ; sie ist derivativa, wenn sie im Reime auf ein Maskulinum das von
demselben abgeleitete Femininum folgen lässt (z. b. ß und fina).
Die meisten der strophischen Gedichte schlössen mit einer kürzeren,
tornada genannten Strophe von vier Versen , deren Reime diejenigen der
vier letzten Verse der letzten Strophe oder auch nur einen derselben wieder-
holten ; manchmal ist auch die iornada vollständig unabhängig von den früheren
Strophen, was die Reime betrifft. Der erste Halbvers der tornada bildet die
Devise {divis oder senyal) des Dichters; an diesem Zeichen können wir die
Echtheit von Stücken erkennen, welche in den Hss. uns ohne den Namen
des Verfassers überliefert sind ; leider verändern die Dichter häufig ihre Devise,
' Diese Strophen sind liäufig gedruckt worden, zum ersten Male von D. Pröspero
de Bofarull: Los condes de Barcelona. Barcelona 1836. 2 Bde. p. 272; dann in der
Coleccion de doc. ined. del Archwo de Aragon, VI, 366, wo sich überdies das Begleit-
schreihen findet.
^ Über das Konsistorium von Barcelona cf. El arte de trobar von Enrique de
Villena in den Origines de la lengua espanola von May ans (Ausg. Madrid 1 873, S. 269),
die Memorias von Tor res Aniat, s. v. Averso und JuaH /., und die Verordnungen Martin's 1.
vom 1. Mai 1398 und diejenigen Ferdinand's I. vom 17, März 1413 (Coleccion de doc. ined.
del Arcliivo de. Aragon \"1. 469 u. Ms. der l'arist-r Nationalbibl. Esp. No. 225 Kol. \y
78 LlTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 3. KaTAL. LllT.
oder gebrauchen deren verschiedene zu gleicher Zeit , je nach ihrem Gut-
dünken oder nach der Bedeutung , welche sie ihren Versen geben wollen.
Auzias March hat viele seiner cants mit den Devisen gezeichnet: Lir entre
carts (Lilie unter Disteln), oder Plena de seny oder O foll amor, ohne dass
man sähe, was seine Wahl bestimmt liat. An die tornada schliesst sich die Adresse
an {cndressa), eine andere Strophe von vier Versen oder zweite tornada., manch-
mal fi, wie die erste genannt, oder auch seguida.
Rims estramps oder obra estranipa ist der Name für Gedichte in reim-
losen Versen {vejsi sciolti der Italiener) : es gibt deren mehrere Beispiele in den
Werken des Auzias March. Ein einziger reimloser Vers mitten unter andern
unter einander reimenden Versen, heisst perdut.
Eine cobla allein, mit oder ohne tornada, heisst esparsa.
Der Inoch ist ein Vers von geringerem Umfange als der grosse Zehn-
silbner {tronco der Italiener); der ampelt oder empclt (eigentlich Propfreis),
ist ein sehr kurzes Wort, welches mit dem vorhergehenden Verse reimt. Retronx
ist die Wiederholung eines W^ortes oder eines Verses. Man sagt, dass retronx
vorkommt , wenn am Ende jeder Strophe eines Gedichtes ein oder mehrere
Verse wiederholt werden. Es ist also der Refrain. '
Die meisten dieser Ausdrücke gehören , wie leicht zu konstatieren ist,
zur Terminologie der Leys damors, welche der grosse Codex des Konsistoriums
der gaya ciencia und die Grammatik aller Anhänger des art de trobar wurde 2.
Neben dieser Metrik Toulouser Ursprungs, tauchen auch einige Nachahmungen
der französischen Poesie auf; es finden sich Übersetzungen des Alain Chartier
in dem Canfoner d'amor und in der Hs. von Carpentras; dann Entlehnungen
aus der italienischen Poesie. Abgeschn von der Übersetzung der Göttlichen
Komödie durch Andreu Febrer'^, welche die metrische Form des italienischen
Dichters genau kopiert, kann man noch in dem Gedichte der Gloria d'amor
von Fra Rocaberti ein anderes Beispiel von Terzinen erkennen; aber dies-
mal solts: aba, cdc, efe u. s. w.
7. Die Zahl der katalanischen Dichter, welche vom Ende des 14. bis
zum Ende des 15. Jhs. sich in den oben aufgezählten metrischen Formen
versucht haben , und deren Gedichte hauptsächlich in dem Pariser Canfoner
d'amor.^ in dem Liederbuch von Saragossa* und den vier Liederbüchern
Vega-Aguilö^ gesammelt worden sind, kann eine ziemlich bedeutende ge-
nannt werden. An eigentlichen Katalanen und Valenzianern sind es ungefähr
hundert. Übrigens, nur recht wenige haben es über eine gewisse Geschick-
lichkeit in der NichtÜberschreitung der strikten Regeln des trobar gebracht ;
was die Gedanken betrifft, so drücken sie nur mit ziemlicher Mühe moralische
Trivialitäten aus, singen, oder weinen vielmehr, über ihre Liebe, nennen das
Leben traurig und das Glück grausam. Die satirischen oder scherzhaft:en Gedichte
bewegen sich mit grösserer Leichtigkeit ; unter andern die von Äntoni Vall-
' Diese Nomenklatur ist von Bartsch untersucht worden: yahrbuch f. romanische
Literatur Bd. 2, S. 284 u. ff. (nur nach dem Canfoner d'amor), dann durch Milä, im selben
yahrbuch Bd. 5, S. 138 u. ff., in den Trovadores S. 483 und in der Resenya historica y
critica dels antichs poetas catalans (yochs florals von 1865).
^ Über die Terminologie der Toulouser Schule cf. die ausgezeichnete Arbeit von
F. Wolf, Studien S. 235 u. ff.
3 La Comedia de Dant Aüighier traslatada de rims vulgars toscaus en rims vulgars
cathalans per N' And reu Febrer. iiersg. von D. Cayetano Vidal y Valencia no.
Barcelona 1878. in S».
* Über diese Sammlung cf. Tic knor- Julius Bd. 2, S. 700 und Milä yahrbuch
Bd. 5 S. 131. Auszüge davon bei: D.Victor Balaguer, in ^.cmtrHistoria de Cataluna.
Madrid 1886. Bd. 6. S. 328—378.
* Beschrieben durch Milä: Poeies lyrii/ues catalans. Paris 1878. in S*'. (Abdruck au.>i
der Revue des langues romaves).
Poesie: Kunstuichtüng. Pekiouen. Dichter. A. March. 79
manya, welcher ausserdem die Spezialität hatte, bei den Nonnen seiner Zeit
den Liebesboten zu spielen : » Vallvianya m\r fcta per tma 7nonja quitn trames
a un seu enamorat« ist ein Titel von cobles, welcher häufig im Pariser Lieder-
buche wiederkehrt.
Diese Dichter nach dem Inhalte ihrer Werke zu gruppieren ist beinahe
unmöglich, denn sie gleichen einander alle ; sie nach ihrer Herkunft zu ordnen
(ob katalanisch, oder valenzianisch), wie man es schon zu thun versucht hat,
ist illusorisch, da diese verschiedene Herkunft nicht Besonderheiten stilistischer
und metrischer Art entspricht. Die Valenzianer aus dem Königreich Valenzia
oder die Katalanen aus der alten Grafschaft Barcelona bewegen sich in
denselben Bahnen und schreiben dieselbe Sprache; der Lokalgeist bringt es
nicht dazu, in Gedichten so konventioneller Art hervorzutreten. Wir müssen
uns deshalb begnügen diese poetische Produktion chronologisch zu ordnen.
Die drei von Milä y Fontanals vorgeschlagenen Perioden sind im Grossen
und Ganzen annehmbar.
8. Die erste reicht vom König Peter IV. bis zu Auzias March, d. h.
vom Ende des 14. Jhs. bis zum ersten Drittel des folgenden und schliesst
in sich die alten Dichter wie die Jaume und Pere March, die Lorenz o
Mallol, Pere de Queralt, Pau de Belviure, Mosen Jordi de Sant
Jordi etc. Der Markgraf von Santillana zitiert in seinem Briefe an den
Konnetabel von Portugal, nach Guillem de Bergadan, dem katalanischen
Troubadour des 12. Jhs., die Namen von Pau de Bellviure (Benbibre),
Pere March dem Alten und Mosen Jordi de Sant Jordi, diesen als
den moderneren (eti miestros tietnpos florescio) und er lobt seine y>cangion de
ofpösitos« , welche mit dem Vers beginnt: Tots jorns aprench i desaprcnch
ensemps^. Die zweite Periode umfasst die Mitte des 15. Jhs. und erhält ihren
Glanz durch i\uzias March und die katalanischen oder valcnzianischen
Dichter, die sich um dieses Haupt der Schule gruppieren. Das charakteristischste
Zeichen dieser Schule ist der Pctrarchismus, welcher freilich hier viele seiner
Reize eingebüsst hat, etwas pedantisch und traurig ist, und durch die er-
müdende Monotonie der unveränderlichen cobla mit ihren langen so eintönig
geformten Versen noch langweiliger geworden ist.
Auzias March (j den 4. Nov. 1458)- war ein Dichter von Gottes
Gnaden und in seinen Canis d'amor und Cants de mort haben wir überaus
zahlreiche schöne Verse. Er ist glücklich in seinen Bildern , die nicht so
trivialer Art sind, wie diejenigen seiner Zeitgenossen; nichts desto weniger
finden wir selten bei ihm ein Gedicht, welches vollständig, sowohl dem Sinne
als der Form, Genüge thäte. Sein schlimmster Fehler ist die Dunkelheit; sie
beruht teils auf seinen etwas verschwommenen und verworrenen Gedanken,
teils auf der Sprache, in welcher er sich hat ausdrücken wollen, eine Sprache,
die nicht geeignet war, allzu subtile und tiefe Gedanken auszusprechen. Dieser
rätselhafte Dichter war schon zu Lebzeiten sehr geachtet und sehr gepriesen
— der Markgraf von Santillana nannte ihn f>gran trovador i ome de assaz
elevado espiritu« — und wurde es noch mehr nach seinem Tode.
Den Ruhm, zu welchem er nach seinem Tode kam, verdankt er haupt-
sächlich seinen zwei Übersetzern in kastilianischer Sprache, Baltasar de Ro-
mani und Jorge de Montemajor: die erste Übersetzung wurde 1539 gedruckt,
und zwar — was recht bemerkenswert ist — vier Jahre vor der editio princeps
des Originaltextes. Durch sein Vorbild begeisterte Auzias die ersten lyrischen
' Obras del marqtus de Santillana. Madrid 1852. S. lO.
2 A. Pages, Docnmetüs inedits relatifs ii la vie d' Auzias Alarch, in der Romania
Bd. 17, S. 186 u. ff. Auzias — das ist die Schreibweise der Hs. und nicht Ansias — ist
eine Form des Namens Elzear.
80 LllTERAi URGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 3. KaTAL. LiTl".
kastilianischen Dichter des 16. Jhs.jBoscan, Garcilaso de la VegaundMen-
doza. Boscan, welcher als Katalane den Dichter von Valencia in seiner
Originalsprachc lesen konnte, preist ihn mit Begeisterung: «en loor del qtial,
sagt er, si yo agora 7ne metiesc nn poco ^ no podria tan presto volver ä lo gue
agora traigo entrc las maiws<.<.^. Der bedeutenste Petrarchist der Sevillancr Schule,
Fernando de Herrera, welcher in seinem Kommentar über (Jarcilaso
des letzteren Entlehnungen aus Auzias angibt, hat ihn seinerseits nachgeahmt;
auf diese Weise hat sich der Einfluss dieses Dichters in katalanischer Sprache
sehr weit über das Gebiet dieser Sprache ausgedehnt, und hat sein Ruf glück-
licherweise den vollständigen Verfall der sog. Limousiner Schule überlebt. ^
In der dritten Periode des katalanischen trohar ist kein Dichter von
wirklichem Verdienst und grossem Rufe aufgetreten. Nichts destoweniger ist
diese Periode in litterarischer Hinsicht interessant, weil sie uns die langsame
Wandlung der Metrik und die ersten Symptome des kastilianischcn Ein-
flusses zeigt.
Neben dem alten in zwei Vier- und Sechs- (Sieben)silbner sich teilen-
den Zehnsilbner taucht eine neue Form dieses selben Zehnsilbners auf, der
sich nun in zwei Halbverse zu 5 (6) und 5 (6) Silben teilt: es ist dies die
arte mayor der Kastilianer, welche infolge des ungeheueren Rufes von Juan
de Mena in ganz Spanien sich einbürgert. Diese Entwickelung kann haupt-
sächlich in einem Jardhiet d'orats ^ betitelten Liederbuche und bei verschiedenen
Valenzianer Dichtern aus dem Ende des 15. Jhs. beobachtet werden.*
9. Wir müssen nunmehr zur Besprechung einer poetischen Gattung über-
gehen, welche in gewisser Hinsicht von der art de trobar und der gaya ciencia
verschieden ist, oder welche wenigstens die vulgärste und prosaische Form
derselben vertritt. Es handelt sich um die Gedichte in hordons appariats
(Reimpaaren), welche in den Leys d^aviors bereits niroas rimadas (gereimte
Erzählungen) genannt werden. Die Katalanen nahmen sehr frühe diese metrische
Form an, und die mroes rwiades wurden seit dem 14. Jh. und bis ins Ende
des 15. Jhs. sehr häufig. Nach einer Stelle aus dem Briefe des Markgraf
von Santillana an den Konnetabel von Portugal, wären die nmies rimades
den cobles^ vorangegangen. Jedenfalls musste diese nicht-strophische Poesie,
weil viel leichter als die Dichtung in cooles croades oder encadenadcs, viele
Reimer reizen , welche mit den Künsteleien der eigentlichen Kunstpoesie
weniger vertraut waren. Ein mittelmässiger Dichter konnte sich sehr wohl
in dieser für die Schwachen oder Unerfahrenen recht geeigneten Poesie ver-
suchen: ^Car Ignorant suy del estil Dels trobadors del saber gay« hat der
Verfasser einer dieser noves gesagt. Der zäsurlose Vers ist hier gewöhnlich
ein Achtsilbner, seltener ein Zehnsilbner. In diesem Rhythmus sind die meisten
Gedichte der Hs. von Carpentras-Asburnham geschrieben: 6\^ Sete Savis
* Brief an die Herzogin von Sonia.
2 Über den Charakter der Werke des Auzias March cf. J. Rubiö y Ors,
Auslas March y su epoca, Baicelona 1862. Die modernen Ausgaben von Auzias, diejenige
von ]' e I a y o y Biiz (]3aiceIona 1864) oder diejenige von Barcelona 1H88 sind nur niiUel-
massige Wiederabdrucke der alten Ausgaben. Amedee Pages verspricht uns eine kritische
Ausgabe nach allen Hss. und Ausgaben, welche gewiss definitiv sein wird.
* Ed. von Fr. Pelayo y Briz, Barcelona 1869.
* Cf. die Resenya von Mila, und R. Ferrer y Bigne: Estudio histarico critico
sobre los poetas valencianos de los siglos XI TI, XIV v XV, in dem Bolet'ni de la Sociedad
de amigos del pais de Valencia.
* -tiEscrivieron prhneranientc en trovas (Var. novas) rimadas, que son pies ö hordones
largos de sillabas, e algunos ccmsonavan e otros von. Despues desto nsarott el decir en coplas
de diez .uUabns ä ia iftanera de ios /e»nisis<i (Obras p. Kx)
Poesie: Dichtung in Reimpaaren. ]. Roig. Codolada. i6. — 18. Jh. 8t
der Facet u. s. w, i, das Gedicht von Guillem de Torrella, dasjenige
von B. Metge, mehrere Gedichte von Ramon Lull und verschiedene andere
noch. 2 Aber der Meister in dieser Gattung wurde der berühmte Arzt von
Valencia, Jaume Roig (Mitte des 15. Jhs.), dessen Ltdre de coftsells oder de
les dones — eine sowohl durch Privaterlebnisse des Dichters als durch die
Lektüre anderer ähnlicher Verhöhnungen, wie des Matheolus, hervorgerufene
Satire gegen die Frauen — eines Rufes und einer Popularität sich erfreut,
welche seit seiner Veröffentlichung (1531) bis heutzutage noch andauert.
Der Dichter selbst gibt seinem Gedichte den Namen noves rimades, in-
dem er hinzufügt, er habe sie comediades, d. h. um die Hälfte verkürzt. In
der That, er verwendet Viersilbner statt Achtsilbner. Die Neuerung war aber
gewiss nicht glücklich ; sie hat eher den litterarischen Wert des Werkes ver-
mindert als vermehrt. Dieses Kunststück gefiel den Zeitgenossen Roig 's und
überhaupt den Katalanen aller Zeiten sehr ; infolge dessen wurde es sehr oft
nachgeahmt. Im 16. Jh. schreibt Gaspar Guerau von Montemajor in
diesem verkürzten Rhythmus eine Satire der Ärzte Valencias, und im 17. Jh.
sind mehrere politische Pamphlete aus der Revolution von 1640 »<?« rima
de Jaume Roig<c verfasst. ^
10. Eine abgeleitete oder veränderte Form der noves rimades ist die co-
dolada , ein Name, der im 16. und 17. Jh. aufgekommen ist und der sehr
wohl an den Ausdruck capcaudada {obra oder cobla) anknüpfen könnte zur
Bezeichnung eines Gedichtes in Reimpaaren mit ungleichen Versen von acht
oder vier Silben. Die einfachste Formel ist a^brc^^d u. s. w., aber am häufigsten
ist der erste Vers verdoppelt, so dass wir erhalten : aa/^brc/Zd u. s. w. Muster
dieser Reimfolge sind ein Lo venturds pelegrl betiteltes Gedicht und das ergötzliche
Testament des En Bernat Serradell aus Vieh.*
Uli jorn cansat de treballar
E desijos de repausar.
Quan vespre fo,
Eu retorne a la mayso,
Volent sopar etc.
11. TA^ codolada'SvdX in allen katalanischen Provinzen geblüht, hat aber
hauptsächlich auf Mallorca Glück gemacht, wo zahlreiche Dichter von Profession,
genannt glosadors, sie noch heute mit Erfolg verwenden. Es ist zu beachten,
dass der lange Vers der codolada seit dem 16. Jh. gewöhnlich auf einen Sieben-
silbner sich reduziert, das Versmass der kastilianischen Romanze. ^
Im 16. Jh. dauern noch einige Zeit lang, und zwar hauptsächlich in
Valencia, die poetischen Wettspiele fort; aber das gay saber verfällt und
die Tradition verliert sich immer mehr. Ein Dichter wie Joan Pujol aus
Matarö, welcher den Mut hat, in cobles die Schlacht von Lepanto zu besingen
und eine Visiö en somni zu Ehren von Auzias March komponiert, von
* Die Gedichte dieser Hs. sind zum grössten Teile veröffentlicht worden : Die Sete
Savis durch Mussafia (Wien 1876) ; der Dialog zwischen En Buch und seinem Pferde
durch W. Förster in der Zs. f. romanische Phil. Bd. 1, S. 29 ff.; AtrUhre dels mariners
und das Gedicht von Turmeda über die Streitigkeiten auf Mallorca durch D. Mariano
Aguilö y Fuster in seinem Cangomr (Barcelona 1873), mehrere Gedichte aus dem Teile
Asburnham durch P. Meyer, in der Romatiia, Bd. 13 und 20. Das Gedicht, welches man
Liebhaber, Frau und Beichtvater betiteln kann, A^s Buch der drei Dinge und Atx Facet durch
mich selbst in der Homafiia Bd. lo. 12 und 15.
^ cf. Milä: Poetes catalans. Les noves rimades — La codolada. Montpellier 1876.
' Das Gedicht von Roig ist von mir untersucht worden in meinem Rapport sur
une mission philologique a Valence. Paris 1885.
* Von Aguilö herausgegeben in seinem Cangoner. (Barcelona 1873).
* Über die codolctda ci.Mi\ä.: Poetes catalans. Les noves rimades. La codolada. Mont-
pellier 1876.
Gköbbr, Grundriss. IIb. 6
8 2 LiTTERATURGESCmCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
dem er auch einige Gedichte glossiert, steht fast allein in seiner Art. Er
darf als einer der letzten katalanischen Trohadors angesehn werden. ^ Was
Pere Serafi betrifft, so ist er schon vollständig unter dem Banne kastilianischer
Poesie. Seine cobles mit langen Versen sind wahre octavas reales nach der
Formel abababcc, seine Sonette, seine Romanzen, seine »Redondillen« haben
nichts, was sie von den zeitgenössischen kastilianischen Werken unterscheide ;
nur der grosse Zehnsilbner bewahrt bei ihm die männliche Zäsur und betont
stets die vierte Silbe. Serafi ist ein geschickter und anmutiger Reimer; aber
es fehlt ihm an dichterischem Hauche ; so war er denn nicht der Aufgabe
gewachsen, einen Rest von (iunst einer hinsterbenden Litteratur zu erhalten.
Umsonst lobt er in einem seiner Sonette den Auzias March und stellt ihn
unter den Mmlgars« auf dieselbe Stufe wie Dante und Petrarca; diese, übrigens
etwas kalte, Begeisterung vermag Niemanden zu erwärmen. -
Über den Franziskaner Moner, von welchem einige katalanische Gedichte
in einer grösstenteils aus kastilianischen Werken bestehenden Sammlung (gedruckt
1528) vorkommen, vermögen wir angesichts der dürftigen Nachrichten Torrcs
Amat's (Memorias s. v. Moner) nichts zu sagen.
12. Was im Laufe des 17. und 18. Jhs. folgt, ist noch unbedeutender.
Die Katalanen haben einem Zeitgenossen von Lope de Vega, dem Dr. Vicens
Garcia, der in Vallfogona als Pfarrer thätig war, zu einem gewissen Rufe
verholfen. Seine Werke sind im Jahre 1700 gedruckt worden, unter dem
lächerlichen Titel : La Armoiiia del Parnds, mes nnmerosa en las Poesias tmiias
del Atlant del cel poetic lo Dr. Vicent Garcia. Man muss die Romanzen,
die Sonette und die »Redondillen« dieses tändelnden, oft auch schlüpfrigen
Geistlichen gelesen haben, um sich eine Idee von der Armseligkeit des poe-
tischen Schaffens der Katalanen dieser Periode zu machen , sowie auch um
die vollständige Unterwerfung ihrer litterarischen Thätigkeit unter Kastilicn zu
begreifen. '^ Eine >->La Curiositat catalana« betitelte Sammlung, welche viele
Gedichte dieses Garcia und anderer seiner Zeitgenossen enthält, kann einiges
Interesse in kulturgeschichtlicher Hinsicht bieten, in litterarischer Hinsicht gar
keines.* Ebenso muss es sich mit den Schöpfungen des Kanonikus aus
Taragona, Josd Blanch , verhalten, dessen Sammlung Mataläs de toda llana
von Torres Amat {Memorias p. 109) im Brustton der Überzeugung gelobt
wird. In Valencia herrscht dieselbe Armseligkeit, wenn wir nach den
scherzhaften und oft unfeinen Gedichten des Pater Mulet {Obres festives del
Pare Francesc Mulet, Valencia 1876) oder denjenigen anderer Reimer, von
welchen Proben in Estudio histörico crltico de los poetas valencianos de los siglos
XVI, XVII u. XVIII, Valencia 1883, ed. J. M. Puig Torralva u. F. Marti
Grajales , zu finden sind, urteilen. Schon daran haben wir genug, dass die
kastilianischen Verseschmiede uns mit Versen geradezu überschwemmen; wir
verzichten gerne darauf, ihre abgeblassten Nachahmer kennen zu lernen. — Zu
beachten ist übrigens, dass der tiefe Verfall der katalanischen IJtteratur im
1 Die Originalhs. der Gedichte von Pujol gehörte Joseph Tastu und befindet
sich heute in den Händen seines Solines. Das Gedicht ülier Lepanto ist nur in einer kleinen
Anzahl Exemplaren durch den erwähnten Tastu gedruckt worden, welcher sie unter seinen
Freunden verteilt hat. Auszüge bei Torres Amat, s. v. Pujol.
* Die Werke Serafi's sind 1505 in Barcelona gedruckt (P. Salvä Catälogo No.
971) und in derselben Stadt 1840 wieder veröffentliciit worden. Seine kleinen Verse, die
Cangons, haben in der Offizin der Ilnstracid Catalana (oime Jahi) auch die Ehre eines Neu-
drucks erfahren.
* Die beste Arbeit über Vicens (jarcia und seine Gedichte ist die von D. Joaquin
K u b i ö y O r s in dem Certamen de la Acadonia de la juveHtud catdlica de Tortosa en
honor de su escelsv patrona la Virgen siempre pura. Tortosa l879- Cf. auch den Präsidenten
Aragon: Un polte castülan du XVW^ siecle. Montpellier 1880.
* Cf. dit A/ewiȟis de la Acadeinia de buenas letras de Barcelona. Bd. 2. (1868) p. 380 ft'.
Poesie: Verfall. Moderner Katalanismüs. Jochs Florals. 83
17. Jh. mit einem Wiederaufleben des Lokalpatriotismus zusammentrifft. Während
die Katalanen mit sehr grosser Energie ihre politische Unabhängigkeit gegen
das Haus Österreich verteidigen, vervollständigt und vollendet sich immer mehr
ihre Assimilation an das, was man das Regime des kastilianischen Geistes nennen
könnte. Die katalanische Sprache, welche nur in der Verwaltung noch gebräuch-
lich ist, gerät immer mehr in Verfall; sie eignet sich immer weniger zum
litterarischen Gebrauche , sie ist bald nur noch ein Patois flir die Verfasser
von goigs oder codoladas.
13. Schon früher haben wir bemerkt, dass die Arbeiten der Bibliographen
des 18. Jhs., die historischen Studien, welche sich zur Aufgabe gemacht hatten,
den Katalanen den Ruhm ihrer Vergangenheit und hauptsächlich die Macht
des Handels und der Industrie ihrer Hauptstadt wieder zum Bewusstsein zu
bringen, dann anderseits die Romantik im Anfange unseres Jahrhunderts mit
ihren altertümelnden Tendenzen, mit ihrem Geschmacke für das Gotische und
die mittelalterlichen Dinge, bei einigen katalanischen Litteraten den Gedanken
hervorriefen, eine seit zwei Jahrhunderten unterbrochene Tradition wieder auf-
zunehmen , eine verfallene Sprache zu restaurieren und sie zu befähigen, die
Gedanken und die Bestrebungen einer neuen Generation auszudrücken.
Es ist merkwürdig zu konstatieren, dass derjenige, welcher, zwar unbewusst
aber doch anerkanntermassen, den modernen Katalanismus angebahnt hat,
nämlich Carlos Buena Ventura Aribau (geb. in Barcelona, den 4. Nov.
1798), nur nebenbei mit Litteratur sich beschäftigte, dafür aber den giössten
Teil seines Lebens in den Bureaux oder Comptoirs als Vertreter von Handels-
häusern oder als Beamter des Finanzministeriums zugebracht hat. Er ist es
gewesen, welcher 1833 in einer an seinen Beschützer, den Bankier D. Gaspar
Remissa, gerichteten Ode das Signal blies:
A Deu siau. tuions, per sempre ä Den siau. . .
Es ist dies der Gesang eines Sohnes Kataloniens, welcher in seiner Ver-
bannung in apartadas terras, d. h. in Kastilien, nach seinen Bergen sich sehnt
und von Heimweh erfüllt wird, weil er nicht mehr die Klänge seiner heimat-
lichen Sprache hört:
la Uengua d'aquells sabis
Que oinpliren I'univers de llurs costums e Heys,
La Uengua d'aquells forts que acataren los reys,
Defenguercn llurs drets, venjaren llurs agravis.
Das Gedicht, in lamartinischen Stanzen, welches sowohl von schönem
patriotischen Hauch durchweht, als von jener sanften Melancholie durchdrungen
ist , welche die Katalanen anyoransa nennen , hält sich bis zur vorletzten
Strophe vollständig auf der Höhe. An diesem Punkte muss sich aber Aribau
seines guten Herren erinnern ; aus diesem Grunde bittet er, es möge das lemosi
seinen Lippen reich entströmen, damit der Name des Gaspar Remissa auch
der fernsten Nachkommenschaft bekannt werde, was für einen Bankier etwas
übertrieben klingt. In diesem Gedichte fehlt es der Sprache nicht an Bestimmt-
heit und Festigkeit. Interessant an dieser Ode Aribau 's ist aber auch noch
der Umstand, dass sie in metrischer Beziehung vollständig von der damaligen
französischen Poesie abhängig ist. Die vierzeiligen Strophen in Alexandrinern
sind so und so vielen Gedichten der französischen Romantiker nachgebildet. ^
Mit Joaquin Rubiö y Ors tritt die Bewegung schärfer hervor, und
von 1841 an, dem Datum der Veröffentlichung der Gedichtsammlung dieses
Dichters, welcher das Pseudonym Lo gayter del Llobregat annimmt, tauchen
' Eine Erinnerung an die alte katalanische Metrik ist die stets (einen einzigen Fall
ausgenommen) männliche Zäsur. ^ Die zuerst in der Zeitung El Vapm- gediuckte Ode
Ariliau's findet sich bei Torres Amat (s. v. Arihaii).
■ 6*
84 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LlTr.
auf allen Punkten des Gebietes der alten Krone Aragons , sowohl in Kata-
lonien als in Valencia und auf den Balearen, neue Troubadours auf, von
denen die einen in etwas weinerlichem Tone, die andern mit Entrüstung und
Zorn die historischen Erinnerungen ihres Landes wachrufen, das Recht in ihrer
eigenen Sprache zu sprechen und zu schreiben beanspruchen und sich manch-
mal mit heftiger Sprache gegen Ungerechtigkeiten wenden , welche sie den
Kastilianern vorwerfen.
Dem Gayter del Llobregat schliesen sich an der Coblejador de
Monca da (Antonio de Bofarull), der Trovador de Monserrat (Victor Ba-
laguer), der Joglar de Maylorcha (Gerönimo Rossellö) und andere, die es
nicht für angezeigt hielten, sich mit anspruchsvollen Beinamen zu schmücken,
wie z. B. Mariano Aguilö, welcher besonders in der Ballade und in einigen
kleineren, der Volkspoesie nachgebildeten Gedichten glücklich war. Dieser
litterarische Aufschwung, in dem die Quantität die Qualität des Geleisteten
weit hinter sich lässt, und die guten Absichten sehr oft die guten Verse er-
setzen müssen, führt schliesslich 1859 zur Gründung einer Akademie, die
sich unter dem Namen der Jochs florals gewissermassen vornimmt, den Kata-
lanismus völlig für sich in Beschlag zu nehmen. Mit dem Jahre 1859 endet die
erste Periode der katalanischen Renaissance, die heroische Periode, der »Sturm
und Drang« der Romantiker. Dann, von 1860 bis g. 1880 erblüht eine neue
Gattung von Wettspielpoesie , wo das Thema patria , fi, amor, welches die
Devise der Jochs florals ist, viele Reimer begeistert, deren Namen nicht alle
der Geschichte aufbewahrt zu werden verdienen. Unter ihnen ragt einer
hervor, Jacinto Verdaguer, welcher den sehr ehrenwerten Ehrgeiz gehabt
hat, seiner Litteratur Werke von grösserer Tragweite und Bedeutung zu schenken,
als die gewöhnlich den Jochs vorgelegten und durch ihre Vorstände, die mantene-
tors, gekrönten Gedichte; daher die zwei Epen Atlantida (1876) und Canigö
(1886). Neben diesen langen Gedichten , welche vom Talent und Fleisse
des jungen Dichters eine günstige Vorstellung erwecken, werden seine lyrischen
Gedichte, welche in weniger gespreiztem Stile und weniger künstlicher Sprache
geschrieben sind, z. B. die kleine Sammlung betitelt Idilis y cants mistichs (1879)
Beifall erringen.
Übrigens wird wenig von demjenigen, was durch die Dichter der ersten
Periode der Renaissance wie durch die begabtesten Vertreter der zweiten
Generation gedichtet worden ist , der Zeit widerstehen. Aber was auch das
wirkliche Verdienst dieser Verse sein mag , es ist durchaus billig, dass man
den grossherzigen und uneigennützigen Tendenzen ihrer Verfasser und ihren
beharrlichen Bemühungen Rechnung trage. Zu loben sind sie auch, dass sie
für den Geist ihrer Sprache adäquate Ausdrucksmittel gesucht und in metrischer
Beziehung manches Neue geschaffen haben. So haben sie denn, statt sich wie
Aribau an den modernen französischen Alexandriner zu halten (mit der obligato-
rischen Elision in der weiblichen Zäsur) den alten französischen, kastilianischen
und katalanischen Alexandriner zu 13 und 14 Silben wieder aufgenommen.
Fugiu de vostras casas, oli catalans ! La rassa
Que aviiy 110 sab combatrer no te dret al renoni
Sie haben sich, auch in einreimigen Tiraden von Zehnsilbnern mit der
Zäsur nach der sechsten Silbe versucht (das Versmass des Girard de Roussilloti
welches Milä sie gelehrt hatte).
Lo comte Tallaferio | va com lo vent,
Volant per les altures | del Pirineu.
Dies alles verdient Beachtung und ist durchaus nicht abgedroschen.
Seit der Revolution von 1868 hat die Einrichtung der Jochs florals ver-
Poesie: Verfall. Moderner Katalanismus. Dram. Lm\ — Prosa. 85
schieden e Krisen durchgemacht und hat aufgehört die Oberhand in den
litterarischen Bestrebungen Kataloniens zu haben. Da sich in Katalonien die
Politik auch viel in die Litteratur gemischt hat, so begreift sich, dass der
Katalanismus heutzutage sehr verschiedene Dinge bezeichnet. Er bezeichnet
nicht blos eine litterarische Schule, sondern auch eine politische Partei oder
selbst verschiedene politische Parteien, welche in ihrem Programm die Wieder-
herstellung verschiedenartigster Dinge fordern und für ihr Land eine Autonomie
zurückzuerobern versuchen, die durchaus nicht zu den gegenwärtigen Einrichtungen
der spanischen Monarchie passt. Es ist nicht leicht vorauszusehen, was unter
diesen Verhältnissen die katalanische Poesie werden wird, und welche Zukunft
ihr vorbehalten ist. Jedenfalls wird sie nicht mehr der Parole irgend einer
Akademie gehorchen, und wenn sie zu fernerer Blüte berufen ist, so wird sie
ihre Erfolge nur dem Talente gewisser Persönlichkeiten verdanken ; sie wird
von nun an immer individueller werden. ^
14. Die dramatische Litteratur Katalaniens kann, wie unsere
Kenntnisse heute sind, mit wenigen Worten abgethan werden. Über das
liturgische und religiöse Drama des Mittelalters, das ebenso dürftig als wenig
originell erscheint, findet man hie und da einige Angaben in Villanueva. In
neuerer Zeit hat Milä eine Form des alten liturgischen Dramas in einem Auf-
satze {El canto de la silnla en lengua iVoc, Romania. IX, 355 ff.) untersucht und
einige Jahre vor seinem Tode hat er die Veröffentlichung von Noticias de
representaciones catalanas versprochen, welche, wie wir hoffen, in seinen Werken
erscheinen werden , die gegenwärtig in Barcelona im Druck sind. Ander-
seits hat Gabriel Llabres ein merkwürdiges' Mysterium vom heiligen Georg
(16. Jh.) bekannt gemacht {Boleti de la Sociedad arqueolögica liiliana, April 1889)
und die Publikation dramatischer Aufführungen (consnetas) der Seu de Mallorca
versprochen, die sich in einem Ms. des 16. Jhs., vierzig an der Zahl vorfinden.
Für das moderne katalanische Theater ist noch kein Dichter erstanden,
der hinreichend Talent hätte, es dem Einflüsse der kastilianischen saineüstas
zu entziehen , was indessen nicht hindert, dass man an der Aufführung oder
der Lektüre der Stücke Federico Soler's (Serafi Pitarra) und Anderer einiges
Vergnügen finden kaniL
PROSA.
lährend das 16. Jh. hindurch die katalanische Schule der vorher-
gehenden Periode, wenn auch nur schwach und mit zahlreichen Unter-
brechungen, die Poesie weiter pflegt, findet sich vom 16. bis zum 18. Jh.
kein Katalane mehr, welcher Originalwerke in Prosa geschrieben hätte. Die
einzigen katalanischen Prosaiker, die es wenigstens noch wagen, sich ihres Dialektes
zu bedienen, gehören entweder zur Kategorie der Theologen und der Päda-
gogen, welche fiir das Volk fromme Traktate und doctrines schreiben, oder
zu derjenigen der Historiker und Gelehrten , welche alte Texte bearbeitend,
wie Carboneil oder Pujades, es für einfacher gehalten haben, sie in der
Originalsprache zu paraphrasieren als von neuem Erzählungen in kastilianischer
Sprache zu verfassen. Die Revolution von 1640 rief freilich eine ganze
Litteratur politischer Schriften, Pamphlete, Zeitungen u. s. w. hervor ; ungefähr
dasselbe ereignete sich im Anfange des 1 8. Jhs. , als Katalonien sich auf
* Die zwei Arbeiten, welche man über den modernen Katalanismiis zu Rate ziehen
kann, sind: J. Rubio v O-rs, Breve resena del acttial rcuachniento de la lengua y literafura
catalanas. (Memorias de la Acad. de hnenas letras de Harcelona, Bd. 2, 1880) und Fr. M.
Tubino: Historia del reniciniie>?t(> literario roiitemporäueo en Cataluna, Bnleares v Vtt/encia.
Madrid l8«c .
86 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
Seite des Erzherzog Karl schlug und sich zehn Jahre lang gegen die legitime Re-
gierung der Bourbonen auflehnte; aber diese zweiAnwandelungen eines politischen
Katalanismus hatten keine litterarischen Folgen. Wir werden demnach nicht
viel Mühe und Zeit auf die Erwähnung der spärlichen katalanischen Prosa-
werke zu verwenden haben, welche während der langen Periode vom Ende
des 15. Jhs. bis zur modernen Renaissance geschrieben worden sind.
Das Mittelalter hingegen ist reich an Prosaschriften und liefert zahlreiches
Material für unsere Übersicht. Während zwei Jahrhunderten, dem 14. und 15.,
haben die Katalanen mehr geschrieben, als man von einer zugleich kriegerischen
und handeltreibenden Nation erwarten konnte, und wenn auch ein guter Teil
dieser litterarischen Produktion nichts Originelles bietet und nur in Über-
setzungen oder Anpassungen fremder Werke besteht, so bleibt immerhin eine
Anzahl von Werken übrig, die nur dem einheimischen Geist entstammen und
in denen sich der nationale Geist weit ungezwungener und unverholener wieder-
spiegelt, als in den Dichtungen, in welchen das katalanische Denken stets
durch die fremdartige Tracht, die er annehmen muss, beengt zu sein scheint.
Wenn auch das pla catalä ungefähr seit dem ersten Drittel des 13. Jhs.
entwickelt genug war, um die Gedanken auszudrücken, die ein Katalane
seinen Landsleuten mitzuteilen haben konnte, — wie es die Aktenstücke und
die Sendschreiben von Königen , wie Jacobs I. oder Peters III. von Aragon
bezeugen, — so ist doch die Zahl derjenigen litterarischen Schriften, die man,
ich sage nicht in den Anfang, aber doch in die Mitte oder das Ende des
13. Jhs. verlegen kann, ausserordentlich beschränkt. Alle datierten Texte
gehören, mit sehr wenigen Ausn"ahmen, dem 14. oder 15. Jh. an.
15. Heilige Schrift; Übersetzungen; Kommentare. — Die bisher
sehr dunkle Geschichte der katalanischen Übersetzungen der Bibel ist neulich
durch einen der kompetentesten Gelehrten aufgehellt worden, durch S. Berger
in seinen Nouvelles recher ches sur Ics hibles provenfales et catalanes , Romania
XIX 505- — 561. Berger hat gezeigt, dass diese Geschichte verwickelter ist,
als man es sich auf den ersten Blick denken sollte , weil die katalanischen
Übersetzer nicht nur auf die lateinischen Versionen der Vulgata zurückgegangen
sind, sondern auch auf provenzalische oder französische Übersetzungen der
heiligen Schrift.
Die Bibel wurde spätestens in der ersten Hälfte des 14. Jhs. ins
Katalanische übersetzt; dies geht aus einem Briefe hervor, welchen am 1 1. Februar
1350 Peter IV. von Aragon an seine Schwägerin Cecilie, Gräfin von Urgel,
richtete; in demselben ist die Rede von einer >i Biblia que es escrita en vulgär
cathald, la quäl nos donam al alt infant En Jacme, d qui Deus perdö, pare (sie)
nostre 6 marit vostre« ; dieser Infant Jacme ist am 15. November 1347 ge-
storben. 1 Die einzige vollständige katalanische Bibel jedoch, die wir besitzen,
ist diejenige der Pariser Nationalbibliothek (Fonds esp. No. 2-4), und sie
ist im 15. Jahrh. geschrieben worden.- Andere fragmentarische Bibeln aus dem
14. und 15. Jh. enthalten entweder mehr oder minder vollständig das alte
Testament, — wie die Hs. der Pariser Nationalbibliothek (Esp. No. 5 aus
dem Jahre 146 1) oder diejenige des British Museum, Egerton 1526 (aus dem
Jahre 1465) — oder sie enthalten vollständig oder zum Teil das Neue Testament,
wie die Hs. der Pariser Nationalbibliothek (Esp. 486, 14. Jh.) und diejenige
' J. Coroleu, Docitments historic/is ratalans del sigle XIV, Barcelona 1889, p. l,b.
In diesem Briefe ist der Ausdruck pare ein offeiibaier Schreib- oder Lesefehler füi gennä.
- Die Bibliothek der Königin Maria von Aragon besass, nach dem im Jahre 1458
aufgenommenen Inventar (No. 51 — 53), eine katalanische Bibel in zwei Bänden und den ei;sten
Band einei' anrlern {Coleccion de dociimetUos /lisföriros piiblicados en tn Rerisia df arrlih'os,
Madrid 1872).
Prosa: Übersetzungen der Bibel. 87
des 14. oder 15. Jhs., welche Villanueva beschreibt {Viage literario XVIII
273 und 334). Der Gelehrte Perez Bayer besass im vorigen Jahrhundert
einige Blätter von zwei »Limusiner« Versionen der Bibel, aus der Mitte des
15. Jhs., welche einen Teil des Prologs des h. Hieronymus zur Apokalypse
und Bruchstücke des Buchs Daniel, der Machabäer I und der Apostelgeschichte
enthielten (Antonio- Bayer, Bibl. hisp. veius II 214). Dann begegnen für sich
bestehend einige Bücher des alten oder neuen Testaments, hauptsächlich mehrere
Psalter, von denen der eine wenigstens bis zum Anfang des 14. Jhs. zurückreicht,
da er von Romeu Brugucra oder Sa Bruguera aus Mallorca übersetzt worden
ist, welcher zum Orden des h. Dominicus gehörte, 1 3 1 2 Provinzial von Aragon
wurde und im folgenden Jahre starl) ; einer der neuesten wird derjenige des
Joan Roic; de Corella sein, eines valenzianischcn Dichters aus dem Ende des
15. Jhs., dessen Psalteri trellat de lau en romanf in Venedig 1490 gedruckt
wurde (Mendez-Hidalgo, Tipografia csparlola p. 39). ^ Auch von den Sprüchen
haben wir gesonderte Übersetzungen : die sechs ersten Kapitel dieser Samm-
lung befinden sich z. B. in der Hs. der Pariser Nationalbibliothek, Esp. No. 353.
Man muss übrigens berücksichtigen, dass der Titel •>-> Proverbis de Salomo<i. häufig
auf einfache Auszüge verwandt wird, welche den biblischen Text oft nur mit
geringer Treue wiedergeben, wie diejenigen, welche Llabres y Quintana
im I. Bande der Biblioteca it escriptors catalans (Palma 1889) gesammelt hat,
oder sogar auf Bücher mit Sprüchen praktischer Moral, wie diejenige, welche
Villanueva in einer Valenzianer Bibliothek nachgewiesen hat {Viagc lY 141).
Die schöne Bibliothek der Königin Maria von Aragon, der Gemahlin Alfonso's V,
wovon das Inventar 1458 aufgenommen worden ist, enthielt verschiedene
biblische Texte in katalanischer Sprache: Apostelgeschichte (No. i), Psalter
(No. 3), die Evangelien (Nr. 14J u. s. w.2 Nach Untersuchung der meisten
dieser Texte, hat Berger gezeigt, dass die katalanischen Bibeln des 15. Jhs.,
allem Anschein nach, Verjüngungen von solchen des 14. Jhs. sind (mit
verschiedenen von neuen Entlehnungen aus der Vulgata herrührenden Ab-
änderungen), und dass diese letzteren z. T. nicht aus dem lateinischen, sondern
aus dem provenzalischen oder französischen übersetzt worden waren. Was
die Übersetzung der Bibel bctriffl, welche gegen 1470 in Valenzia von einigen
Theologen unternommen wurde, an deren Spitze Bonifaz Ferrer stand, der
Bruder des h. Vincent Ferrer, und von welcher wir einerseits zwei Blätter
aus der Offenbarung Johannis mit dem Impressum von Valenzia 1478, und
anderseits einen Wiederabdruck des Psalters allein ohne Jahr (aber ohne Zweifel
aus dem 15. Jh.) besitzen, so ist sie, nach Allem was man wissen kann, von
den vorhergegangenen Arbeiten vollständig unabhängig.
Den Katalanen musste auch der Gedanke kommen, die Bibel in Verse
zu übertragen. Daher eine »Bib/ia rimada e en romans«^ der Tochter eines
Grafen v. Urgel gewidmet, der 1243 starb, die in Abschrift in der Hs.
der Colombina vorliegt, worin sich der Psalter von Sa Bruguera befindet.
Diese Biblia, deren 32 ersten achtsilbigen Verse mit gepaarten Reimen von
Bover citiert worden sind {Biblioteca de escritores bakares, Palma 1868,
No. 173), enthält, aber nur im Auszug, die beiden Testamente bis und mit
der Offenbarung Johannis. Nichts beweist, was auch immer Bover sagen
mag, dass sie das Werk Sa Bruguera's sei. Dieselbe Bibliothek Colombina
besass in einer Sammlung von Opuscula varia ein Fragment in rims apariats
^ Cf. ebenfalls eine anonyme (ibersetzunf^ des "(.). Psalnies hei Tor res Amat,
Memorias, s. \'. Bariols.
^ Coleccion de docuinentos historicos pnblicados en la Revista de archivos ele. Madrid
1872. — Jose Salat besass eine Hs. vom Jahre 1336, welciie „un extiacto ö sea sinopsis"
der Bibel enthielt. (Cf. seinen Cahilogo, p. 6).
88 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LilT.
von einem Gedicht, in welchem die Passion, die Himmelfahrt, Pfingsten, die
Ankunft des Antichrists und das jüngste Gericht erzählt sind. Besagtes Frag-
ment, von welchem Fr. Michel einige Verse bekannt gemacht hatte {Archives
des missions scientifiques et littiraires 3*^ Serie t. VI, 1880, p. 275) befindet
sich jetzt in der Pariser Nationalbibliothek (Fonds esp. No. 472).
An die heilige Schrift schliesst sich eine Kompilation an, bekannt unter dem
Namen der Genest de scriptum, weil sie mit den Worten beginnt: y>Diu lo
libre de Genesi<s~. Es ist dies eine Übersicht der biblischen Geschichte (altes
und neues Testament), dem einige Kapitel über das wahre Kreuz, über Titus,
Vespasian und die Bekehrung Konstantins folgen, welche apokryphen Büchern
entnommen sind. Von dieser »VVeltchronik« existiert eine provenzalische und
bearnische Übersetzung. Von der ersten derselben stammt ohne Zweifel die
katalanische Übersetzung her, von welcher man mehrere Hss. besitzt; zwei in
der Pariser Nationalbibliothek (Esp. 46 und 205 , diese letztere enthält nur
ein Kapitel des Buches), eine in Florenz (Laurenziana) und eine in Barcelona.
Diese ist 1873 in Barcelona gedruckt worden, in der Biblioteca catalana von
Aguilö, aber in Folge von Blattversetzung in der Hs. ist die fortlaufende
Erzählung häufig gestört worden ; cf. darüber die Denkmäler prm'enzalisc/ier
Littcratur und Sprache, Halle 1883, Bd. I 495 u. ff", von H. Suchier, wo
die verschiedenen Übersetzungen dieses Werkes geprüft und verglichen worden
sind.
Von einer andern, den apokryphen Büchern entstammenden Legende,
mit dem Titel »Die Einnahme Jerusalems« oder die »Rache Jesu Christi«
besitzen wir eine katalanische Version, die ebenfalls aus dem provenzalischen
übersetzt worden ist (P. Meyer, Bulletin de la soci6ti des anciens textes franfais
I. Jahrgang, 1875, P- 54 ff-)- Die Ausgabe, welche die Herausgeber
des 13. Bandes der Coleccion de documentos iniditos del archivo de la corona de
Aragon davon gegeben haben, ist erbärmlich inkorrekt, wie übrigens alle in diesem
Bande veröffentlichten Texte ; es wäre erforderlich, sie nach einer vor kurzem
in die Pariser Nationalbibliothek aufgenommenen Hs. zu korrigieren (Esp.
No. 509) und sie mit der kastilianischen Übersetzung, welche in Sevilla 1498
gedruckt wurde, und mit der portugiesischen Übersetzung, welche in Lissabon
1496 erschien, zu vergleichen (Mendez-Hildago, Tipografia espailola p. 351
"• 373)' Unter dem Titel Mascaron^ ist im 13. Bande p. 107 u. ff. des Archrno
de Aragon eine Rede des Advokaten der Dämonen gegen y>r humanal linage«
herausgegeben worden. Dieser Text, welcher sich an die apokryphe Litteratur
anschliesst, befindet sich in zwei Hss. von San Cugat del Vallds und Ripoll,
und ebenso in einem Bande der Bibliothek Marias von Aragon No. 2.
Verschiedene Texte, welche auf die Geschichte Jesu oder der Apostel
Bezug haben, wie z. B. die Passion (nach Gamaliel), die unschuldigen Kindlein,
die Geschichte vom guten Schacher, von der Dornenkrone sind durch
Villanueva in einer Hs. der Barfüsser von Barcelona nachgewiesen worden
{ViageXWlll 22t — 222) und finden sich auch in einem Ms. »en lengua lemo-
sina« , des Escorial, L — II — 12 (Rodriguez de Castro, Biblioteca espafiola 11,
741). Die Hs. 65 der Bibliothek der Königin Maria von Aragon enthielt
einen Traktat yide la nativitat de Jesu Christ« und die Herausgeber des schon
citiertcn 13. Bandes des Archivo de Aragon haben in diesem Bande p. 131
u. ff", eine Erzählung der Passion abgedruckt, die eine Übersetzung ist des
Tractatus de revelatione facta beato Bernardo a beata Virgine super dolore quem
sensit in passione filii sui; cf. P. Meyer, Bulletin des anciens textes I 62. Was
' Hängt Mascaron mit mäscara oder mit dem Verbum mascar zusammen ? Der Ver-
fasser des Poema de Fernan Gonzalez (sti. 12) nennt den Teufel el bcstia mascaricnlo.
Prosa: Überseizungen der Bibel. Kommentare. Anstandsbücher. 89
die Historia de la Pasid de N. S. (nach dem Johannesevangelium) des valenzianer
Dichters Mossen Bernat Fenollar betrifft, so ist dies eine Erzähhing in
Versen, welche 1493 gedruckt worden ist (Mendez-Hidalgo, Tipografia
espafiola p. 40).
16. Von Kommentaren der h. Bücher kann man verschiedene Über-
setzungen erwähnen; diejenige der Moralia in Job vow Gregor dem Grossen
(s. hier II i, 103) No. 27 der Bibliothek Marias von Aragon, diejenige des
Nikolaus von Lyre in Fsahnos (s.o. II i, 189), No. 60 derselben Bibliothek
und drittens La exposicid dels VII psalms penitencials feta per papa Imwcent III
(s. o. II I, 191), welche sich auf Verlangen des Fr. Berenguer March, des
Ordensmeisters von Montesa (1392 — 1409),« tralladada de lati en romanf per
/rare Johan Romen del orde dels f rares preycadors« nennt. Eine Hs. dieser
letztren Übersetzung befand sich im Kloster von San Francisco de Barcelona
(Villanueva, Viage XVIII 167; cf. Torres Amat s. v. Romen). Man sieht
nicht genau, weder was die Consideracio de /es regles dels Evangelis noch die
Contemplacio sobre lo pater tiosier ist (No. 41 und 43 der Bibliothek Maria von
Aragon). Dieses letzere Werk ist dem Mossen Pere d'Artes , Beamten am
Hofe des Königs Peters IV. (cf Torres Amat, Memorias s. v. Artis) gewidmet.
17. Unter den Büchern, welche zum Zwecke haben das Leben Christi
zu erzählen und welche in die Kategorie der Andachtsbücher gehören,
finden wir eine Übersetzung des Buches des h. Bonaventura y> Contemplatio seu
meditationes vitae D. Nostri Jesu Christi«, (s. II i, 203). Eine Hs. dieser Über-
setzung findet sich in der Bibliothek Marias von Aragon (No. 66); sie ist das
Werk eines -»indigne religiös« und ist in Barcelona gegen Ende des 15. Jhs.
gedruckt worden 1 In seiner Widmung an Schwester Leonor Vilarig, Äbtissin
des Klosters Jerusalem (Franziskanerinnen) in Barcelona, gibt der anonyme
Verfasser an, dass der Grund, welcher ihn dazu geführt hat, den h. Bonaventura
zu übersetzen, in dem Umstände zu suchen sei, dass der schon ins Valenzianische
übersetzte Ludolph von Sachsen zu lang erscheint: »en nostra cathalana lengua
no es estat tränsladada (die Vita Christi des h. Bonaventura) y acabat que lo Cartuxa
se tropia entre nosaltres en lengua valenciana , gue es a la nostra prou con-
forme, empero per ser tan prolixament en quatre grans libres partit, etc.«
(Torres Amat, Memorias, p. 695, und Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp.
p. 266 und 398).
Das »Lo Cartuxa oder Cartoxa« betitelte Buch bezeichnet die Vita Christi
von Ludolph von Sachsen (s. II i, 201). Es wurde von Joan Roiz de
Corella übersetzt y>de lati en Valencia lengua« und in Valenzia gedruckt 1495
bis 1500 (Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 41, 43 und 45, und Ximeno,
Escritores de Valencia t. I p. 62).
Eine andere Vita Christi war das Werk der Schwester Isabel de Villen a,
der natürlichen Tochter des berühmten Enrique de Villena, welche, nach-
dem sie Hofdame bei der Königin Maria von Aragon gewesen war, in einen
Orden trat und von 1463 an Äbtissin des Franziskaner Klosters der Aller-
heiligsten Dreieinigkeit extra muros von Valencia wurde. Ihr häufig in Valencia
und in Barcelona seit dem Jahre 1497 gedrucktes Buch ist, wie ein Biograph
sagt , verfasst worden y>en lengua valenciana, pero con estilo tan elegante, con
clausulas tan doctas y con tan pias voces, que, por divertido que esti el que las
lee, no puede dexar de enter nee er se«. (Ximeno, Escrit. de Valencia, I 56).
Merkwürdig ist es, dass man über die h. Jungfrau in der katalanischen
Litteratur keine Werke von der Bedeutung desjenigen des Gautier de Coinci
* Unter dem Werke „Meditacions-" erwähnt '\. o\xt.% h.md^\. (Memorias p. 707) zwei
Hss. des Escorial und des San Cugat, welche höchst wahrscheinlich das Werk des li. Bona-
vcnturn cnthnltcn.
90 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LllT.
z. B. findet. Abgesehen von einer gewissen Anzahl kleinerer Stücke, Gebete
oder anderer, wie diejenigen, welche im 13. Bd. des Archivo de Aragon
(cf. H. Suchier, Denkmäler prov. Lit. und Sprache pp. 85 und 515) ge-
sammelt oder in den Katalog der Bibliothek der Maria von Aragon eingetragen
worden sind, haben wir kaum etwas anders zu erwähnen, als eine Sammlung
der Wunder der h. Jungtrau (No. 28 desselben Inventars), ein im Inventar der
Bücher Martin's I. (Mila, Trovadores p. 489) angeführtes Llibre de la Verge
Maria en plä und die Vida de la sacratissima Verge Maria von Miguel Perez,
welche in Valencia schon im Jahre 1494 und dann wiederholt, schliess-
lich in Barcelona, 1732, abgedruckt wurde. Eine kastillanische Übersetzung
dieses Buches wurde in Sevilla 1531 veröffentlicht (Antonio-Bayer, Bibl.
vetus II, 338; Ximeno, Escritores de Valencia I 51, und Fuster, Bibl.
valenciana^ I 48).
18. Hagiographie. — Die hagiographischen Sammlungen sind zahlreich
in der katalanischen Litteratur. Die Vilae patrum des Rufin und die Colla-
tiones patrum des Cassian sind beide übersetzt worden, aber es ist nicht leicht
diese zwei Werke in den Verzeichnissen der Bibliotheken oder in den Angaben
der Bibliographen zu unterscheiden. Neben den unter Nr. 59 des Inventars
der Bücher Marias von Aragon angeführten Collacions de Joan Cafia findet
man im selben Dokumente zwei andere Hss., die eine (No. 11), welche zugleich
de vitis patrum und collacions dels sants pares ^ die andere (No. 50), welche
Dels sants pares hermitans^ betitelt ist. Anderseits gibt Tor res Amat (Af^-
morias p. 699) den Titel einer Hs. aus dem Jahre 1448 der Bibliothek von
San Jostf de Barcelona so an: »Dotse sants pares ermitans foran ensemps
aiustats en collaciö qui perlaz>en de Deu« etc. In einer im 15. Jh. geschriebenen
Sammlung des Escorial (N — I— 16) findet sich ein Text, welcher im Katalog
unter dem Titel Autoridades de los santos padres de la Iglesia, en lengua lemo-
sina, verzeichnet ist. — Hier könnte, obwohl dies nicht eigentlich zur hagio-
graphischen Literatur gehört, auch eine katalanische Übersetzung der Epistola
ad Eustochium de custodia virginitatis des heiligen Hieronymus zitiert werden,
die ein gewisser Jerönimo Gil 1 5 1 7 zu Valencia drucken Hess (cf. Fuster,
Bibl. valenciana I, 72).
Von den Dialogen des Papstes Gregor (s. II i, 106) sind verschiedene Hss.
(;iner oder mehrerer katalanischer Übersetzungen durch die Bibliographen
angeführt worden : Dialogos y tnorals de S. Gregori, traduits en catald per un
cavaller de Gerona per la instrucciö de son ßll« (Torres Amat, Memorias
p. 698). Villanueva fand in Santas Creus zwei Exemplare der genannten
Dialoge, das eine aus dem 15. Jh., das andere aus dem Jahre 1340 [Viage
XX 126); und der Katalog der Bücher Marias von Aragon führt unter No. 5
einen Dialogo de Sajtt Gregori an. Das zweite der Mss. von Santas Creus
trägt das expl.: Scriptum fuit per manutn Bernärdi de Olleriis, scriptoris Gerundae,
ad opus quorumdam filiorum suorum, XV Kai. junii anno Domini 13 40 (Torres
Amat, Memorias s. v. Ollers). Kann dieser scriptor aus Gerona, der sich
Ollers nennt, mit dem cavaller aus Gerona identifizirt werden, wie D. Antonio
Rubio y Lluch (El renacimiento cldsico en la literatura catalana , Barcelona
1889 P- 23) meint? Das ist zweifelhaft.
Die Flores sanctorum, welcher entweder direkt aus dem Lateinischen über-
setzt oder nach dem Provenzalischen umgearbeitet oder kompiliert und ursprüng-
lich in katalanischer Sprache geschrieben wurden, müssen in ziemlich grosser
Anzahl vorhanden gewesen sein. Der König Johann I. besass 1389 einen
' No. 4, welches Sunta de collacions e dits dels saitts pares betitelt ist, ist vielleicht
ein Johann von Wales (s. II l, 215).
Prosa: Andachtsbücher. Hagiographie. 91
Flos sanctorum en romanc^ was offenbar heisst in katalanischer Sprache, und
wir finden eines im Katalog der Königin Maria (No. 55) und in demjenigen
des Don Pedro de Portugal (No. 6) angeführt. Torres Amat (p. 701)
und der Katalog des Escorial (cf. Ebert Jahrbuch IV 56) führen einige an,
von denen zwei dem 14. Jh. an gehören, die man nicht identifizieren kann.
Ehensowenig weiss man, was eigentlich zwei Flores bedeuten, die sich
als im Ganzen oder zum Teile von Gerson übersetzt ausgeben. Denn die
Auskunft, welche diejenigen, die sich damit beschäftigt haben, geben konnten,
ist notorisch ungenügend (Torres Amat, Memorias s. v. Coli, und Ba-
laguer y Merino, Revue des langues romanes Bd. XIX, p. 56). Ich füge noch
hinzu, dass Fr. V. A. Domenec, in Bezug auf die Märtyrer von Vieh , den
heiligen Lucian und Martian, von einem y>Flos sanctorum anüquissimo escrito
de tnano en Icngua Hmosina«. (Historia gcneral de los santos de Cataluna,
Gerona, 1630 p. 194) spricht. Von der Legenda aurea (s. -II i, 279) haben
wir eine katalanische Übersetzung, von welcher eine Hs. aus dem 14. Jh. in
der Pariser Nationalbibliothek sich befindet (Esp. No. 44). C. Chabaneau
hat daraus das Leben der h. Anastasia entnommen (Revue des langues romanes
Bd. XIII, 209).
Die Leben einzelner Heiligen bilden natürlich eine reiche Littcratur.
Die katalanische Bibliographie der h. Maria Magdalena ist von Chabaneau
ausgeführt worden (Sainte Marie Madeleine dans la littirature proz>en(ale, Paris
1887 p. 207); sie enthält keinen Text vor dem 15. Jh. Unter den am
weitesten verbreiteten Leben von Heiligen ist dasjenige der h. Margareta und
der h. Maria von Ägygten zu erwähnen. Von der ersten haben wir eine Über-
setzung im 13. Bd. des Archivo de Aragon; die zweite findet sich in einer
Sammlung, die gegen 1320 gemacht worden ist und welche man dem Ramon
Ros aus Tarrega verdankt. Sie enthält ausserdem die Lebensbeschreibungen
der h. Euphrosina, der h. Marina, der h. Paula, des h. Ludwig, Bischofs von
Toulouse, des h. Christoph, des h. Franz des Bekenners, und die Geschichte
der Vision von Clairvaux aus dem Jahre 1159 (Antonio-Bayer, Bibl.
vetus II 121). Eine -»Historia de sant Latzer«, d. h. des h. Lazarus, Bischofs
von Marseille, existierte in einer Hs. der Barfüsser von Barcelona (Villanueva,
XVIII 221), in einer Hs. der Königin Maria von Aragon (No. 2 des
Inventars) und im Ms. L-II-12 des Escorial. Die » Vida e tratisit del glorios sant
Iheronitn« ist in Barcelona gedruckt worden in den Jahren 1482 und 1494
(Torres Amat, Memorias p. 718, und Meildez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 51).
Vielleicht enthielt die Hs. No. 8 des Inventars der Maria von Aragon, welche mit
einer »Interpretaciö del nom de Sent Hieronymi beginnt, auch ein Leben des
h.Hieronymus. Eines der Leben, welches in den südfranzösischen Provinzen am
meisten Erfolg hatte, ist dasjenige des h. Honorat ; es wurde ins Katalanische
übersetzt, nicht nach dem provenzalischen Gedichte des Raimund Feraut,
sondern nach einem lateinischen Texte (P. Meyer, in Romania VIII 483). Diese
Version ist in Valencia 1485 oder 1495 gedruckt worden (Mendez-Hidalgo
Tipogr. esp. p. 36) und die Pariser Nationalbibliothek besitzt davon eine Hs.,
ebenfalls aus dem 15. Jh. (Esp. No. 154J. Ein Leben des h. Onophrius und
eine Übersetzung der /;^eY«/w corporis sancti Antonii sind von Villanueva in
einer Hs. des Klosters von San Onofre extra muros von Valencia nachgewiesen
worden. Dieses Leben des h. Onophrius ist vielleicht dasjenige, welches der
Deutsche Kaufmann in Valenzia 1489 gedruckt hat (ein Exemplar in der Bib-
liothek von Valenzia, s. Anuario I, 227) und was die andere Erzählung
betrifft, so ist sie von D. Bartolome Muntaner veröffentlicht: Invencion del
cuerpo de S. Antonio abad, etc. Palma 1873. Das Inventar der Königin Maria
erwähnt »Zä vida e lo proces de la canonizaciö de Senta EHsabet« (No. 24),
9 2 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LllT.
dann y>Lo libre e Doctrina de la molt vir tuosa dona Santa Angela de Fulgino<(. (Nr. 26),
welches das von dem Franziskaner Arnaldo geschriebene und durch die Bol-
landisten veröffentlichte Leben sein soll, * und schliesslich 2 Hss. des Lebens
der h. Radegunde (No. 39 und 40). Der Valenzianer Miguel Perez, von
dem schon gesprochen worden ist, schrieb ein Leben der h. Catharina von
Siena, welches in Valenzia 1494 gedruckt wurde, und ein Leben des h. Vincent
Ferrer, ebenfalls in Valencia 15 10 gedruckt (s. Fuster, Bibl. valenciana Bd. I
p. 49). Ein Leben des Hospitaliters Julian,'^ welches dem »Llibre de les
ord'macions de la confraria de mercers 0 hotiguers de la ciutat de Barcelona
vulgarment dita dels Julians« entnommen wurde, ist durch D. Maria noAguilö
in seiner Bihlioteca catalana im Anschluss an das Recull de eximplis veröffent-
licht worden. Der h. Georg, der Schutzheilige des Hauses von Aragon und
des von dem König Peter IL gegründeten militärischen Ordens (Orden des
h. Georg von Alfama, später mit dem Orden von Montesa vereinigt), den die
alten Katalanen mossen Sani Jordi nannten, hat viele Panegyriker finden
müssen. Von einem dramatischen Spiel, welches die Thaten dieses Heiligen
zum Gegenstand hat, war bereits die Rede. Eine Vida del glorios martir
monsenycr Sant Jordi befindet sich in der Privatbibliothek des Königs von
Spanien Q. Massö Torrents, p. 11).
Über Leben von Lokalheiligen in katalanischer Sprache findet man
einige wenige Angaben bei A. V. Domenec, Historia general de los santos
de Cataluna, Gerona 1630. Sie sind zahlreicher im Catälogo de Jose Salat,
welcher eine Überführung der h. Abdon und Senen , der Schutzpatrone von
Arles im Roussillon (p. 16), das Leben der h. Eulalia, der Schutzpatronin
von Barcelona, des h. Raimund von Penyafort, der h. Madrona etc. namhaft
macht (p. 17 und 18) und auch bei Torres Amat {Memorias s. v. Vida).
19. Dogmatische, Moral- und mystische Theologie. -~ Wenig Original-
werke ; die meisten der katalanischen theologischen Werke sind ebenso wie
diejenigen, die in die Kategorie »Wissenschaft und Kunst« gehören , Über-
setzungen lateinischer , französischer oder italienischer Bücher. Es empfiehlt
sich jedoch , diese Übersetzungslitteratur zu verzeichnen und zu besprechen,
da sie allein uns über den Kulturzustand der Katalanen während des Mittel-
alters und des Anfangs der modernen Zeit unterrichten kann.
Der Gottesstaat des h. Augustin ist durch einen Anonymus am Ende des
14. Jhs. oder wahrscheinlicher im. 15. Jh. ins Katalanische übersetzt worden.
Torres Amat {Memorias p. 688), welcher zwei Hss. dieser Übersetzung
gesehen hat, die eine in der bischöflichen Bibliothek von Barcelona, die
andere bei den Barfüssern derselben Stadt , berichtet • uns , dass dieselbe
mit gelehrten Anmerkungen versehen ist und dass der Übersetzer auf einen
Traktat anspielt, den er vorher unter dem Titel y>Lo compendi moral de la
cosa publica« geschrieben hatte. Dies zeigt uns, dass diese katalanische Über-
setzung des Gottesstaats nicht nach dem lateinischen Texte, sondern nach der
französischen Übersetzung des Raoul de Presles, des Verfassers des »Com-
pendieux moral de la cliose publique«, gemacht worden ist, welchen er in der
That in den Anmerkungen seiner Übersetzung anführt; s. Lancelot in Mi-
moires de l' Acadimie des Inscriptions t. XIII, (1740) p. 618.
1 Die Vida de saticta Angelina, welche nach einer Hs. der Barfüsser in Barcelona
von Villanueva (Viage XVIII 222) und von Torres Amat (Memorias p. 681) ange-
führt worden ist, wird dasselbe Buch sein.
^ Ein Heiliger, „al qiial tiencn mucha devocion en algunas partes de Cataluna y en
particular en la parro^hia del Fou en el obispado de Barcelona, donde le ticnen por su patron-"
(V. A. Domenec, Historia general de los santos de Cataluna, Gerona 1630, p. 161).
Prosa: Hagiographie. Dogm., Moral- u. myst. Theologie. 93
Homiliae XL in Evängelia des Papstes Gregor des Grossen (s, II i, 104)
gesandt »ad Secundinum Tauromenitanum episcopum«. Man erkennt diese
Sammlung an der Beschreibung von No. 9 der Bibliothek der Königin Maria
von Aragon unter dem Titel Hoinclies de Sant Grcgori. Sic beginnt mit den
V\'orten »AI molt reverent c inolt sant /rare niesire Secundi ensemps hisbe«.
In dem Libre appellat Abbat Isach des Inventars der Königin Maria
(No. 17), welches mit den Worten beginnt: »Anima que aitia Den, en Den
es solament son repos« erkennt man den Isaac de religione , welcher durch
Bernat Boyl, Einsiedler von Montserrat, übersetzt wurde in »aragones, 0 si
mas querres castellano , no daquel mas apurado estilo de la corte, mas daquel
llano que a la profcssion nuestra . . . satisface^<, und welcher 1489 und 1497
gedruckt wurde (Mendez-Hidalgo, Jipogr. esp., p. loi und 154). Die
katalanische Version ist vielleicht nach derjenigen von Boyl gemacht worden.
Man findet anderseits in der Crisi de Catalum des P. Manuel Marcillu
(Barcelona 1685, p. 298) folgende Bemerkung: -»Anönimo catalan traduxo en
lengua catalana al abad Isaac y Htimberto de la Mistica Theologia«. Und
es verzeichnet der Katalog des Escorial in dem Ms. N-I-16 (XV. Jh.) die
Reglas del abad Isaac compendiadas und die Tres vias ordenadas para alcanzar
la verdadera sabiduria por Ir. U?fiberto de Balma (ohne Zweifel Humbert de
Romans, vergl. II i, 193), da^ Ganze en lengua lemosina. Das nämliche Ms.
enthält auch die katalanische Übersetzung von Traktaten des h. Ephräm und
der dem h. Bernhard zugeschriebenen Meditationes.
Vom Speculum ecclesie des Hugo von Saint-Chef oder Saint-Cher,
(s. II I, 192, 189), des ersten Kardinals vom Orden des h. Dominicus, exi-
stiert eine katalanische Übersetzung , die das erste Buch ist , welches in Ca-
gliari gedruckt wurde: »Libre apellat Speculum ecclesie, so es a dir Espill ho
Mir all de la santa hesgleya qui es sobre la missa«. Und am Ende: -»Stampat
en la ciuiat y castel de Callar al primer de octubre de Fany mil CCCCXCIII« .
Das einzige bekannte Exemplar dieser Übersetzung befindet sich in der Uni-
versitätsbibliothek von Palma auf Mallorca (E. Toda y Güell, Bibliografia
espafwla de Cerdena, Madrid 1890, p. 187).
Der Memorial del peccador remut (des erkauften Sünders) von Phelip de
Malla, dem berühmten Theologen und Prediger, welcher durch die Kenige
Ferdinand I. und Alfons V. nach England, Deutschland und nach dem Kon-
stanzer Konzil geschickt wurde, ist ein praktischer Traktat der christlichen
Glaubenslehre »/<? quäl tracta contemplativament de la mort y passiö del fill
de Deu fet home per dar a home perdut reparaciö«. Die zweibändige Hs.
des Peccador remut, welche früher bei den Barfüssern Barcelonas existierte,
ist verschwunden, und wir kennen dieses Werk nur nach der Ausgabe des
ersten Teiles, welcher 1483 gedruckt wurde. Auszüge davon hat D. Francisco
de Bofarull gegeben in seiner Felipe de Malla y el Concilio de Constanza
(Gerona 1882) betitelten Schrift (Auszug der Bände II, III, IV der Revista de
ciencias histöricas von Barcelona).
Eine andere Darlegung der christlichen Glaubenslehre ist das Memorial
de la fee catliolica des Valenzianers Francesch de Pertusa. Die Original-
handschrift dieses Werkes, welches das Münster zu Valencia im vorigen Jahr-
hundert aufbewahrte, wurde 1440 beendigt; sie trug keinen andern Titel als
»Lo Fertusais. (Ximeno, Escritores de Valencia, I 35). Bayer führt vom Memorial
zwei andere Abschriften an und giebt davon den Prolog wieder {Bibl. hisp.
vetus, II 236, cf. auch Torres Amat, Memorias, p. 481, welcher eine Hs.
des Klosters von S. Gerönimo de la Murta anführt).
Die Llum de la vida chrisiiana, welche 1496 in Barcelona gedruckt wurde,
ist eine Übersetzung des kastilianischen -»Lucero de la vida christiana« betitelten
94 LllTERATURGESCUICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 3. KaTAL. LiTT.
Buches von Pedro Ximenez de Prexano (oder Prexamo), dem Bischof von
Coria, welcher 1495 gestorben ist. Dieser Traktat, welcher das Leben Christi,
die h. Sakramente, das alte und das neue Gesetz behandelt, wurde zum ersten
Mal in kastilianischer Sprache in Salamanca 1493 gedruckt. (Antonio-Bayer
Bibl. hisp. vetus, II, 338 und Mendez, Tipografia espaüola, p. 56 und 118).
Als Propagandaschrift kann man eine katalanische Übersetzung der
Summa von Petrus Alfonsus gegen die Juden und Sarazenen (s. II i, 232)
ansehen, von welcher eine Hs. im Katalog der Bücher angeführt ist, welche
der Gegenpapst Benedict XIII. (Pedro de Luna) im Schloss von Penfscola
im Beginne des 15. Jhs. gesammelt hatte: y> Petrus Alfonsi contra Judeos et
Sarracenos in vulgari catalano<c (L. Delisle, Le Cabinet des manuscrits de la
Bibliotheque nationale, I 488), dann fernerhin die Schriften des berühmten
Bischofs von Jaen, Pere Pasqual, der in Granada 1300 den Märtyrertod starb.
Diese Schriften sind vornehmlich populären Charakters. Da der h. Bischof
sie hauptsächlich zur Bekehrung der Juden und Mahomcdaner bestimmte, so
ist es wahrscheinlich, dass sie zuerst in der Vulgärsprache geschrieben worden
sind, und dass der lateinische Text, welcher in den Opera sancti Petri Paschasii
mariyris , Giennensis episcopi, ordinis B. Mariae de mercede redemptoris cap-
tworum (Madrid 1676) niedergelegt ist kein Original ist. Die bekannteste
dieser Schriften ist die Biblia parva, welche häufig in Spanien unter dem
Titel des Catecismo de San Pedro Pascual erwähnt wird. Es ist eine Dar-
legung der christlichen Lehre und ein Handbuch für die einfachen und un-
wissenden Leute, welches ihnen die Mittel in die Hand geben soll, den Un-
gläubigen zu antworten und ihre Gründe gegen sie selbst zu kehren. Wir
kennen davon wenigstens ftinfHss., von denen zwei in der Pariser National-
bibliothek (Esp. N0.48 und 246), die dritte im Vatikan sich befinden (Antonio-
Bayer, Bibl. hisp. vetus, II 99); die vierte gehörte den Barfüssern von Barcelona
und ist von Villanueva beschrieben worden {Vlage XVIII 214); die fünfte
wird im EscorialL-II-i2 aufbewahrt (Rodriguez de Castro, Bibl. esp. II. 740).
Ximeno erwähnt noch eine andere Hs. und sagt, dass das Werk in Bar-
celona 1492 gedruckt worden sei {Escritores de Valencia, I 8). Ein anderer
Traktat des Pere Pasqual , welcher für die Juden bestimmt war , trägt den
Titel , Dispiita del bisbe de Jaen cojitra los Jueus sobre la fe catholica
(Villanueva, Vlage XVIII 215), und in der von diesem Bibliographen be-
schriebenen Hs. folgt dieser Erörterung die katalanische Übersetzung eines
Briefes des Rabbiners Izach an den Rabbiner Samuel über die Wahrheit
der christlichen Religion , welche durch denselben Villanueva veröffentlicht
wurde (Viage II 216). Mehrere Schriften desselben Apostels und Märtyrers
sind uns nur bekannt durch die kastilianischen oder lateinischen Übersetzungen,
welche zur gleichen Zeit oder später erschienen. In Betreff derselben kann
man, ausser Antonio-Bayer und Ximeno auch Rodriguez de Castro zu
Rate ziehen, Biblioteca espafiola II 733.
20. Die Moraltheologie ist zuerst vertreten durch das berühmte,
Philipp dem Kühnen 1279 gewidmete Werk des Bruders Lorens: die Sotmne
des vices et des vertus, auch Somme le roi genannt oder Miroir du Monde. Das
Kloster von San Cugat del Valles besass eine Übersetzung dieses Textes a,us
dem 14. Jh., welche so endigte: y>Aquest libre feu i. frare dels Preycadors
a raquesta del rey Felipe de Fransa, en l'any de la incarnacio de nostre senyor
MCCLXXIX« (Villanueva, Viage XIX 29; Torres Amat, Memorias
p. 700 s. V. Esplicaciö), Ein anderes Exemplar dieser Übersetzung aus dem
14. Jh. befindet sich in der Pariser Nationalbibliothek (Esp. No. 247). Böhmer
hat noch ein drittes in der Bibliothek zu Neapel (Romanische Studien, Heft
IG, p. 132) nachgewiesen. Endlich finden wir noch zwei im Verzeichnis der
Prosa: Dogm., Moral- v. myst. Theologie. 05
Bücher der Maria von Aragon ; das erste (No. 30) ist betitelt Ftds e virtuts
und endigt mit dem Datum »mil CCLXXV1III«\ das zweite (No. 25) trägt
den Titel des Mirall del viou. ' Vielleicht ist die katalanische Übersetzung
der Summa des Loreiis nur eine einfache Bearbeitung der provenzalischen
Übersetzung, von welcher man verschiedene Hss. besitzt.
Mehrere Abhandlungen gibt es über die Beichte, eine von dem Valenzianer
Dominikaner A n t o n i C a n a 1 s, welche der Königin Violante, der 1 43 1 verstorbenen
Gemahlin Johannes I. von Aragon, gewidmet ist. Villanueva führt davon eine
Hs. bei den Barfüssern von Barcelona an {Viage XVIII 270), und es giebt
zwei weitere in dem Katalog der Maria von Aragon (No. 22 u. 38). Cf. auch
Ximeno, Escritores de Valencia I, 33.
Zwei andere anonyme Traktate, welche nicht identisch scheinen , sind
betitelt, der erste Enterrogatori e confessional en quatre parts subtilment dlvidit
(ohne Angabe des Ortes und Jahres gedruckt, aber aus dem Ende des 15. Jhs.,
s. Villanueva, Viage Y^YÄ\ 230) und der zvie.\iG Breit iractai de con/essiö, in
Valencia 1493 gedruckt {Anuario del cuerpo de arcMveros etc., Bd. I p. 288
und Mendez-Hidalgo, Tipograßa espailola p. 40). Vielleicht beruhen diese
Abhandlungen auf der Stwimula confessionis des Antonino von Florenz. Wir
erwähnen noch, nach Torres Amat y>La vera gtiia dels confessors y dels
conßtents inipres en lletra lemosina en Barcelonas 1535 {Memorias p. 701).
demente Sanchez, Archidiakon von Valderas (aus der Diözese Leon),
Verfasser eines Lil>ro de exeniplos por a. b. c, welcher ihm jüngst restituiert
worden ist (Romania, VII, 481), verfasste auch in der ersten Hälfte des 15. Jhs.
ein Sacramental, welches auf der ganzen Halbinsel einen grossen Ruf hatte. Seit
den Jahren 1475 oder 1476 wurde es wiederholt in kastilianischer Sprache ge-
druckt, dann ins Portugiesische und Katalanische übersetzt. Die katalanische
Übersetzung, unter dem Titel Lo sagramcfital arroviangat ab ses allegnacions
en lati, ist 1495 in Ltfrida gedruckt worden (Villanueva, Viage IV 144).
Ein Traktat, welcher im Mittelalter einen ausserordentlichen Ruf genoss
und welcher mit Unrecht dem h. Bernard von Clairvaux zugeschrieben wurde,
ist der Modus benc vivendi ad sororein (s. II i, 211); er musste einen katala-
nischen Übersetzer finden und fand einen in der That in der Person des
Dominikaners Antoni deCanals, welcher seine Übersetzung dem Kammer-
herren Martins I. von Aragon, dem Mossen Galccran de Santmenat widmete.
Diese Widmung enthält eine interessante Stelle über die Lektüre der Zcitge- ■
nossen des Übersetzers in der Vulgär spr ache : »Hom deu legir libres aprovats,
no pas libres vans , axi com les faules de Lanfalot e de Tristany nil Romans
de la guineu ni libres provocatius a cobeianfa, axi com libi'es de amors,
libres de art de amar , Ovidi de vetula, ni libres qui son inutils, axi com de
faules e de rondales, mes libres devots<.< etc. Eine Hs. der Übersetzung von
Ca n als, welche aus der Abtei von Sant Cugat del Valles stammte und welche
Villan ueva erwähnt hatte (FzV?^(? XIX 29), ist von den Herausgebern dies Arckivo
de Aragon Bd. XIII p. 415 ff. gedruckt worden.
Wie man es wohl erwarten konnte, hielt man in Katalonien sehr viel
auf die Schriften des englischen Franziskaners Johann von Wales. Von der
Sumifia colleciiofiuvi (oder collationufn) ad omne genas hominiwi (II i, 21 5)
dieses Verfassers hatte Villanueva ni Barceloner Bibliotheken zwei katalanische
Hss. unter dem Titel Sutna de collacions e aiustaments gefunden, die er nicht
zu identificieren vermochte {Viage XVIII 240 u. 270). Die eine dieser Hss.
aus dem Jahre 1438 wurde auf die Bitte von Mossen Bona, dem berühmten
' Da jedoch der Text dieser Hs. mit den Worten beginnt, „Com natura hnmanal
desig"- , welche nicht das Tncipit der Sonime des Lorenz sind, könnte es sich hier um ein
anderes Werk handeln.
96 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LllT.
Narren Alfonso's V. von Aragon, geschrieben. Übrigens war das Werk schon
früh übersetzt worden, denn wir wissen, dass im Jahre 1373 der König Peter IV.
von Aragon von seinem Vetter Jacob von Aragon, dem Bischof von Valencia,
»/(C librc de Suma de collacions«. zurückfordern liess, welches er ihm geliehen
hatte , um es abschreiben zu lassen. ' Das Inventar der Maria von Aragon
weist zwei Exemplare dieser Suma auf, No. 61 und 62, aber sie sind in kasti-
lianischer Sprache. Da dieses Werk in gewissen Mss. auch Communiloqium be-
titelt ist (cf. Hist. litt, de la France XXV, 181), so darf es mit Sicherheit er-
kannt werden in dem livro que ha nompne Cotminiloquio , welches ein Notar
von Saragosa mit grosser Sorgfalt unter der Regierung Jakobs II. von Aragon
abschrieb {Revista histörica de Barcelona, Jan. -März 1877).
Von dem De reghnine principum des Aegidius v. Colonna (s. II i, 210),
kennen wir mehrere Hss. einer katalanischen Version. Zwei sind von Villa-
nueva beschrieben worden {Viage, XIX 29 u. XX 125). Eine andere befindet
sich im Escorial und trägt den Titel: -»Lo libre de l Regiment dels Princeps, /et
i compilat per Frare Egidi Roma . . . declarat e explanat per Frare Arnau
Stanyol, del orde de Senta Maria dcl Munt del Carme, a instancia del ?nolt alt
e magnifich princep lo senyor infant En Jacme comte (PUrgel e vezcomte d' Agens.
(Antonio-Bayer, Bibl. vetus II, 223). Diese oder eine andere Übersetzung
ist in Barcelona 1480 und 1498 gedruckt worden (Villanueva, ViageXXIl2i^
und Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 48 u. 57).
Was die Sammlungen von sittlichen Vorschriften und Lehren betrifft,
die hauptsächlich zum Gebrauche der Prediger ausgewählt und klassifiziert
wurden, so muss man den Recull de eximplis e miracles, gestes e faules e altres
legendes ordenades per a. b. c, erwähnen, den D. Mariano Aguilö in seiner
Biblioteca catalana, nach einer Hs. des 15. Jhs. veröffentlicht hat (cf. Romania
X 277). Crane hat nachgewiesen, dass diese Sammlung von exempla eine
Übersetzung des Alphabetum narrationum des Stephan von Besangon (s. II i, 196)
ist (Romania XIX 363).
21. Mystische Theologie. — Ein Bruder Anton (vielleicht Antoni
Canals?) hat der Königin Maria von Aragon eine Übersetzung des Traktates
Hugo's von St. Victor Soliloquium de arrha anime (s. II i, 202) gewidmet,
welchen wir in dem Inventar der Bücher dieser Königin, unter No. 10, be-
schrieben finden.
Das Punyiment d'amor, welches unter No. 47 desselben Inventars er-
wähnt wird , ist eine Übersetzung des Stimulus a?noris des h. Bonaventura
(s. II I, 204) oder vielleicht einer der französischen Übersetzungen dieses
Traktates, am ehesten derjenigen des Gerson, welche betitelt ist »L'Esguillon
d'amour divine«.
Unter dem Titel des Spill de la creu hat Fr. PercBusquets, Mönch
aus San Feliu de Guixols, auf die Bitte Marias von Aragon den Specchio della
croce des Dominikaners Domenico Cavalca de Vicopisano und einen anderen
Traktat desselben Autors , in italienischer Sprache , Tractato diclo Pongi
lingua oder auch Della Patienza, ins Katalanische übersetzt. Die katalanischen
Übersetzungen dieser zwei Arbeiten sind von Villanueva angeführt worden
{Viage XVIII 167) und befinden sich im Inventar der Kgn. Maria von Aragon
unter No. 48 u. 37.
Der unter No. 54 beschriebene Band dieses Inventars, welcher Santa
Cateritm de Cena betitelt ist, enthält entweder die Epistole oder die Revelazioni
oder den Dialogo della divina providenza der Heiligen. Dieses Letztere ist
das Wahrscheinlichste, denn der Escorial besitzt, d-IV-6, einen 1546 ge-
' S. Coroleu, Documents historichs catalans del sigle XIV p. 52.
Prosa: Moral- u. myst. Theologie. 97
schriebenen Band, den der Katalog also verzeichnet: Dialogos de S. Catalina
de Sena, escritos en lengua lemosina y dedicados d la monja Gerönima Daraguö.
Der Augustinermönch Bernat Oliver aus Valenzia, welcher Prediger
Peters IV. von Aragon und Bischof von Huesca, von Barcelona und von
Tortosa (f 1348) war, ist der Verfasser eines Exdtatorium mentis in Deum^
dem die Ehre zu Teil wurde , sowohl ins Kastilianische als auch ins Kata-
lanische übersetzt zu werden. Die erste Übersetzung hat den Titel »Esperia-
tniento 6 levantamiento de la voluntad en Dios« (eine Hs. im Escurial) , die
zweite ist unter No. 6 des Inventars Marias von Aragon zitiert (cf. Ximeno,
Escritores de Valencia, I 10; Antonio-Bayer, Bibl. hisp. vetus, II 155 und
Torres Amat, Memorias p. 449).
Ist in der Schrift Del tnenyspreu del ?non durch Ramon Ros eine Über-
setzung der Itnitatio Jesu Christi zu erkennen? Nein, wenn wirklich dieser
Autor 1320 schrieb (cf. Antonio-Bayer, Bibl. hisp. vetus, II 121). Aber
wir haben von der Itnitatio eine andere katalanische Übersetzung des Valen-
cianers MiquelPerez, Explanatiö de lati en valenciana lingua del libre de mestre
Joan Gerson, canceller de Paris, de la Imitaciö de Jesti Christ e del tnenyspreu
de aquest tnon ttüserable , welche jener Isabella de Villena gewidmet wurde,
von der schon gesprochen worden ist (Antonio -Bayer, Bibl. hisp. vetus, II 338
und Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 39).
Zwei Specula: Das erste, Speculutn anittiae , welches Torres Amat
nach einer Hs. des 15. Jhs. beschreibt {Memorias, p. 714), könnte eher eine
christliche Dogmenlehre als ein theologischer Traktat sein. Es beginnt so:
»La materia de la redetnpcio que fou feta per la encarnacid, predicaciö, tniracles
e pasid de Jesu Christ« etc. Das zweite trägt den Titel eines Spill de la
vida religiosa, es ist in drei und vierzig Kapitel eingeteilt, in denen die
Prüfungen erzählt werden, durch welche ein Geistlicher namens Bem-
vull hindurchgehen muss, um schliesslich über seine Leiden zu triumphieren.
Der Druck der Barceloner Ausgabe von 1515 hat den Vermerk, dass das
Buch ist »cotnpot per un devot religiös, lo quäl per hutnilitat calla so notti«.
Torres Amat {Memorias, p. 714) zitiert von diesem Spill eine andere Valen-
cianer Ausgabe von 1529.
Der Llibre de les floretes e (fatnoretes scheint ein mystisches Buch franzis-
kanischen Ursprungs zu sein. Torres Amat zitiert es {Metnorias p. 93) unter
dem Namen des Franziskaners Hugo de Bariols und nach einer Hs., welche
die Sotnme des Bruders Lorens und eine Erklärung der 7 kanonischen Stunden
enthält. Anderseits meint Villa nueva, indem er sich auf das Explicit des
Buches stützt, »feneit lo libre de amoretes; pregats per lo pobre herttiita quil ha
fet«, dass es das Werk eines Einsiedlers von Monteserrat sein müsse, und viel-
leicht des Fr. Bernat Boyl {Viage, XVIII 269).
Man kennt nur nach den Zitationen Villanueva's (Viage, XII 112)
und nach Torres Amat {Memorias p. 469) den Traktat des Franziskaners aus
Castellon de Ampurias, genannt Joan Pascall, »Tractat de beatitut ab tnoltes
tnateries dependens de aquella«.
Ein mystisches Buch y>a modo de dialogo introduint per interlocutors lo
atnor divinal, la esposa anittia y la hutnana rahö«^ das aus dem Italienischen
übersetzt wurde, wie es das Explicit anzeigt und welches 1546 in Barcelona
gedruckt ist {Catälogo de J. Salat, p. 16) habe ich nicht zu identifizieren
vermocht. Man findet das Wort Contemplaciö in den Aufschriften verschiedener
Werke, deren Inhalt nicht immer leicht zu bestimmen ist: Contemplaciö sobre
lo pater noster (Inventar Marias v. Aragon No. 43) ; Contemplaciö de Sent Do-
tningo, Maria v. Aragon gewidmet (ibid. No. 44) ; Cotitemplaciö sobre la passiö
e claus de J. Chr. (ibid. No. 70 und vielleicht auch im Escorial g-IV-25);
OrObbr, Grundriss. Hb. 7
98 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
La Contemplaciö de la Reyna (Inventar des Pedro v. Portugal No. 54) und
endlich eine Escala de contemplaciö in drei, einem König von Aragon ge-
widmeten Bänden, als deren Verfasser Torr es Amat {Memorias, p. 137) den
Antoni Canals erkennen zu können glaubt. Ein anderes Werk, das unbe-
streitbar der mystischen Theologte zugehört, von welchem wir aber nur die
bibliographische Beschreibung des Pedro Salvä {Catälogo No. 3857) haben,
ist die Escala de paradis, verfasst von aqtiell metge plebeyd he laureat mestre
Antoni Boteler (zu Barcelona 1495 gedruckt).
22. Zwei in gleichem Masse populäre Theologen, der eine dem Franzis-
kaner-, der andere dem Dominikanerorden angehörig , beanspruchen für sich
allein eine Besprechung. Der erste ist der berühmte Encyklopädist Francesch
Eximeniz, der zweite, der grosse Prediger Vincent Ferrer.
Francesch Eximeniz, um die Mitte des 14. Jhs. in Gerona geboren, trat
frühe in den Orden des h. Franziscus ein und begab sich nach Valcnzia, wo
er studierte, unterrichtete und, wie wir wissen, bis wenigstens zum Jahre 1399
verweilte. In dieser Stadt trat er ganz naturgemäss in Berührung mit Vincent
Ferrer, der schon damals einen grossen Ruf als Lehrer und Prediger genoss.
Sie wurden gute Freunde , sagt man ; jedoch dürfte ein Wort , welches man
dem Eximeniz über seinen Zeitgenossen y>Frare Vincent, que fa la bji/a«
zuschreibt, wenn es echt ist, glauben lassen, dass doch einige Rivalität zwischen
beiden bestand.^ In den ersten Jahren des 15. Jhs. nahm Eximeniz eifrig
Partei für Benedict XIII. (Pedro de Luna) und wurde für seine Ergebenheit
an den Gegenpapst und an die Sache des Schismas mit der Verwaltung des
Einer Bistums und dem Patriarchat von Jerusalem oder Alexandrien belohnt.
Er starb zu Perpignan den 23. Januar 1409. Seine Werke, welche alle in
das Gebiet der dogmatischen oder moralischen Theologie und der Staats-
oder Wirtschaftslehre gehören , verdienen Beachtung , sowohl wegen ihres
inneren Wertes , der auch ausserhalb Spaniens gewürdigt wurde , wie aucli
durch dasjenige, was man an genauen Beobachtungen über die katalanischen
Sitten und Einrichtungen des Mittelalters daraus entnehmen kann.
Das Hauptwerk unseres Autors ist »Lo libre appellat Crestiä^«!^ eine grosse
christliche Encyklopädie, welche er in dreizehn Teile teilte, deren Inhalt hier
folgt :'^ \) Definition, Ursprung und Vorzüge der christlichen Religion. 2 j Fall
des Christen. 3) Über die Leiden und die Sünden, denen der Christ anheim-
lällt. 4 — iij Abhandlungen über die verschiedenen Heilmittel, welche der
Christ anwenden kann, um sich von seinen Sünden zu befreien. 12) Regierung
der Fürsten und Verwaltung der Gemeinden. 13) Wie sich der Christ aus
den Leiden und Sünden, denen er anheimgefallen ist, durch die Androhung
grosser Strafen und die Versprechungen grosser himmlischer Belohnungen
erhebt.
Von diesen 13 Büchern existieren nur das i., das 3. und das 12. ganz
sicher, sei es als Handschriften oder gedruckt, und sie sind von verschiedenen
glaubwürdigen Gelehrten gesehen und analysiert worden. Das 2. Buch existiert
vielleicht auch in der Madrider Nationalbibliothek, wenn man sich auf die
summarische im Ensayo des Gallardo veröffentlichte Übersicht der Hand-
schriften dieser Bibliothek, verlassen könnte, aber man müsste nachsehen.
1 Rapport sur une mission philologiqtu a Valence. Paris 1885. p. 66.
^ Ganz mit Unrecht betitelt N. Antonio die Encyklopädie des Eximeniz „Crestid
sive de regimetii de princeps e de la cosa publica" (Anton io -Bayer , Bibl. hisp. vetus.
II 180). Dieser zweite Titel ist der Titel des 12. Buches des Crestiä und ist nie dem
Ganzen des Werkes gegeben worden.
* Nach einem Inhaltsverzeichnis dieser dreizehn Bücher, welches in der Vorrede des
ersten Buches eingefügt ist, und das N. Antonio in lateinischer Übersetzung zur Kenntnis
gebracht hat (Dihl. hisp. vetus, II 180,).
Prosa: Theologie. Francesch Eximeniz. 99
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Eximeniz niemals die Zeit fand dieses
ungeheuere Werk zu Ende zu führen , und dass die drei (oder vier) schon
sehr umfangreichen Bücher, die wir besitzen, die einzigen sind, welche er je-
mals redigierte.
Das erste Buch des Crestid hat also zum Zweck zu erklären y>que es
religio crestiana e com e de on pren o ha pres fonatnent, e quines son les sues
altes excellencics e grans digniiats«. Das erste Buch wurde in Valencia 1483
gedruckt , auf Anregung von Mossen Joan Roig de Corella , Übersetzers
Ludolfs von Sachsen (Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 34).
Von dem dritten, noch. nicht herausgegebenen Buch, welches der minu-
tiösen Untersuchung der Sünden gewidmet ist, haben wir eine genügende
Analyse in der guten Arbeit von D. Emilio Grahit, unter dem Titel:
Memoria sobre la vida y obras del escriptor geroni Francesch Exivienes, die in
der Renaxensa Bd. III (1873) p. 185 ff. erschienen ist. Das Explicit der
Barceloner Hs., welche Grahit benutzte, giebt als Datum den 12. Juni 1389
an, welches sich auf das Werk selbst zu beziehen scheint und nicht auf die
Arbeit des Schreibers. Dieses dritte Buch wäre also nach dem 12. geschrieben
worden, was an und für sich sehr annehmbar ist.
Diesem Ter( del Crestiä und dem tractat, welcher besonders das pecat
de gola betrifft , hat D. Josd Balari unter dem Titel Regles de bona crianfa
Tischregeln entnommen {Biblioteca de la Reznsta Catalana), welche denjenigen
ähnlich sind, die in dem 1868 durch die Early English Text Society ver-
öffentlichten Babees Book gesammelt wurden. Die Regeln des Eximeniz
beginnen mit dem Kapitel : » Cotn Catalans inenjen pus graciosament et ab
inillor manera que altres nacions^. Es mag sich so im 14. Jh. verhalten
haben. — Eine den zweiten Teil dieses dritten Buches des Crestid ent-
haltende Hs. wird in der Privatbibliothek des Königs von Spanien auf-
bewahrt (J. Massö Torrents, 1. c. p. 18). Es muss diejenige Hs. sein, welche
Salvä in seinem Catalogue of spanish and portuguese Books No. 781 ankündigte.
Das 12. Buch, welches gewöhnlich Lo dotzi del Crestid genannt wird,
ist nach der Einleitung in 7 Abschnitte geteilt, die von der Stadt und ihrer
Regierung und guten Verwaltung handeln. 1 Der Nebentitel , der ihm am
Anfange des Textes gegeben ist, -»Aquest es lo dotzcn libre , de regiment
dels princeps e de comunitats« hat bewirkt, dass man es öfters genannt hat
»Regiment de pyrinceps'^-. Eximeniz verfasste es 1385 und widmete es Don
Alfonso de Aragon, Enkel Jakobs II. von Aragon, Graf von Denia und Riba-
gorza, später auch Markgraf von Villena, Konnetabel von Kastilien, Herzog
von Gandia (j am 5. März 141 2). Diese staatsrechtliche und staatswissen-
schaftliche Abhandlung wurde nur z. T. (die 4 ersten Teile) auf die Bitte
der -»reverens e honorables senyors e ciutadans« von Valencia, im Jahre 1484,
in dieser selben Stadt veröffentlicht (Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 34
und E. Grahit, 1. c. p. 208 — 212). Die Hs. der Pariser Nationalbibliothek
CEsp. No. 9) enthält ebenfalls nur die vier ersten Teile des Werkes (der letzte
Teil selbst ist unvollständig wegen des Verlustes einiger Blätter).
An dieses Dotzi del Crestid, das letzte Buch der grossen Encyklopädie
des Eximeniz, das wir kennen, knüpft sich eng an der Tractat appellat Doctrifia
cotnpendiosa de viure justamcnt e de regir qualsevol offici publich lealment e
diligent, welcher in der Form eines Dialogs zwischen einem Geistlichen (Exi-
meniz) und den Bürgern einer Stadt, die Valenzia sein muss, gehalten ist.
Diese Doctrina compendiosa ist nach einer im Anfang unvollständigen Hs. von
* In dem Kapitel , welches die Frage behandelt „en qiiins libres den estudinr hon
generös e hon ciiitadan" erwähnt Eximenis unter andern die Collationes und andere Werke
des Johann von Wales.
lOO LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
den Herausgebern des 13. Bds. Ae,^ Archivo de Aragon (p. 311 — 393) veröffent-
licht worden, welche sich natürlich keine Rechenschaft gegeben haben über
das, was sie abdruckten. Die Pariser Nationalbibliothek besitzt zwei Ab-
schriften der Dodrina (Esp. No. 48 und 55), beide aus dem 15. Jh. stam-
mend. Es erübrigte zu wissen, ob das Werk des Eximeniz, welches unter dem
Titel Regijnent de la cosa publica^ in Valenzia 1499 veröffentlicht wurde und
an die jurats dieser Stadt gerichtet war (P. Salvä, Catdlogo No. 3666 und
Mendez-Hidalgo p. 326) von der Doctrina compendiosa verschieden ist
oder nicht. Alles, was wir darüber sagen können, ist, dass in dieser Ausgabe
von 1499 demselben eine sehr merkwürdige Einleitung vorangeht, unter dem
Titel >^Les speciales belleses de la ciutat de Valeficia« wo man, unter anderm,
eine bereits verwertete Stelle liest, über die Fayence von Manises mit metal-
lischem Glanz. Die Vida de Jesucrist und der Libre dels Angels sind die be-
kanntesten theologisch-dogmatischen Bücher des Eximeniz. Das erste, dem
Mossen Pere d'Artes, niestre raciofial de.?, Königs Martin I., gewidmete Buch
wird in den letzten Jahren des 14. Jhs. oder in den ersten des folgenden
verfasst worden sein. Man kennt davon eine ziemlich grosse Anzahl von Hss.,
aber keine katalanische Ausgabe. Im 15. Jh. ins Franz. übersetzt, wurde es
durch die Fürsorge des ersten Erzbischofs von Granada, Fernando de Tala-
vera, welcher es 1496 drucken liess, auch ins kastilianische übertragen. Der
Libre dels angels, welcher im Jahre 1382 verfasst und demselben Pere d'Artes
gewidmet wurde (er war damals mestre racional des Königs Johann I.), hat noch
mehr Erfolg gehabt, als das Leben Jesu Christi. Er wurde 1494 in katalanischer
Sprache gedruckt, durch die Fürsorge des Fr. Miguel de Cuenca und Fr.
Gonzalo de Cördoba 1434 ins kastilianische übertragen, und auch ins
Französische übersetzt. Die Pariser Nationalbibliothek besitzt nicht weniger
denn neun handschriftliche Exemplare dieser letzten Übersetzung. (L. Delisle,
Inventaire des manuscrits franfais I, 61). In mehrfacher Beziehung interessanter
ist für uns der Libre de les dones, welcher einer edlen Dame, Sanxa de Arenos,
Gräfin von Prades, zugeeignet ist. Das Werk ist in zwei sehr ungleiche Teile
geteilt; der erste, in dreizehn Kapiteln, spricht von den Frauen im allge-
meinen; der zweite, der wieder in fünf Traktate zerfällt, die im Ganzen 332
Kapitel zählen, handelt von den fünf Arten von Frauen, als Kinder, Jung-
frauen, Verheiratete, Wittwen und Nonnen, In diesem zweiten Teile haben
wir eine überaus grosse Menge von pikanten und belehrenden Aufschlüssen
über die Lebensart der Katalaninnen des Zeitalters und ihrer Neigungen. Der
sehr oft abgeschriebene Libre de les dones ist in katalanischer Sprache in Barce-
lona im Jahre 1495 gedruckt worden. Unter dem Titel y>Carro de las donas«.
wurde er frei ins Kastilianische übersetzt und in Valladolid, 1542, mit einer
sehr interessanten Vignette veröffentlicht; cf. P. Salvä Catdlogo, No. 3896.
Der Escorial besitzt ein aus der Bibliothek des Alfonso Martinez, des Erz-
priesters von Talavera und Verfassers des Corvacho, stammendes handschriftliches
Exemplar, welches wahrscheinlich mit dem Carro identisch ist.
Für die drei folgenden moral- und mystisch-theologischen Werke ver-
weisen wir auf die Arbeit des D. Emilio Grahit: die Scala Dei, welche
der Königin Maria von Aragon gewidmet ist und die man auch Libre de la
devociö oder Contemplaciö (gedruckt 1494) nennt; das Cercapou oder Confes-
sionari, eine Abhandlung über die Beichte, und endlich L'Art de ben morir.
Wir erwähnen noch : 1 ) eine Art Psalter oder Sammlung frommer in latei-
nischer Sprache von Eximeniz abgefasster Gebete, welche 141 6 ins Katala-
nische durch Guillem Fontana übersetzt wurden und die er einer gewissen
Agnes, Frau des verstorbenen Mossen Ramon Savall, mestre racional des Königs
von Aragon, widmete (Hss. in der Madrider und der Pariser Nationalbibliothck,
Prosa: Theologie. Eximeniz. Vincent Ferrer.
Esp. No. 45; cf. Torres Amat s. v. Fontana und den Catälogo von Salat
p. 7. 2) eine Nachahmung der ßussspsalmen desselben Eximeniz, welche
sich in wenigstens zwei der eben erwähnten Hss. befindet.
Am Ende seiner Notiz gibt D. Emilio Grahit einige Nachrichten über
Schriften des Eximeniz, welche verloren gegangen sind oder deren Existenz
man nur durch Anspielungen von ihm selbst oder anderer kennt. Unter
diesen Hinweisen sind einige , welche sich gewiss auf schon bekannte aber
anders betitelte Werke beziehen, die wir besitzen. So ist der »Dialogo entre
un /rare y cmtadans, en que exhorta a totavirtut'i^ welcher von TorresAmat
erwähnt wird {Memorias p. 698), gewiss die Doctrina compendiosa. Was den
unserm Autor zugeschriebenen Flos sanciorum betrififl:, so ist zu bemerken, dass
die zwei Flor es, von welchen Ochoa spricht, Catälogo de los mantiscritos esp.
de Paris p. 24 und 25) provenzalisch abgefasst sind und mit Eximeniz nichts
gemein haben, und was die von demselben Ochoa p. 40 genannte Hs. bc-
triflft, welche die No. 44 des Fonds esp. der Pariser Nationalbibliothek ist,
so enthält sie die Legenda aurea, die wir oben erwähnt haben. Im bestem
Falle könnte diese Legenda von Eximeniz übersetzt worden sein, wenn man
auf den Umstand bezug nimmt, dass sie in den Text von Varazzo das Leben
des h. Felix und des h. Narcissus von Gerona einfugt.
Während ohne Zweifel Eximeniz zu viel produziert und zu viel kom-
piliert hat, bleiben uns nicht genug Schriften in der Vulgärsprache von seinem
berühmsten Zeitgenossen, dem h. Vincent Ferrer, übrig. Die Geschichte der
Predigerthätigkeit Ferrers in Katalonien und in Frankreich ist ein schönes
Thema, welches mit Zuhilfenahme der Urkunden behandelt werden sollte, die
den Aufenthalt des Bruders Vincent in dieser oder jener Stadt nachweisen und
welche durch die Ausgaben , die sich die Gemeinden auferlegten , um den
Prediger zu empfangen, den ausserordentlichen Einfluss seiner Rede auf die
Massen feststellen. Vorzügliche Beiträge zur Geschichte der Predigerthätigkeit
des h. Vincent Ferrer in Frankreich sind von P. Meyer {Romania X 226 u. ff.)
und A. Thomas und Andre {Annales du midi IV 236, 380 u. 546) geliefert
worden. Der erste dieser Gelehrten hat auch in einer Oxforder Hs. eine
Predigt in der Vulgärsprache wieder gefunden, die von Ferrer in Toulouse
am Charfreitag des Jahres 141 6 gehalten worden ist; er gibt davon Auszüge
[Archives des missions 2. Serie Bd. III p. 266). Was die Predigerthätigkeit
des Heiligen in Katalonien und in Kastilien anbelangt, so haben seine alten
Panegyriker bereits zahlreiche Mitteilungen geliefert. Andere findet man in
der Coleccion de doc. indd. del Archivo de Aragon I 119 und 192; im Boletin
de la Sociedad arqueolögica Itiliana vom 25. März 1889 (Aufenthalt Ferrers in
PoUensa, anno 14 13); in Culmcnares, Historia de Segovia, Kap. XXVIII § 9
etc. Ferrer predigte in seiner Heimat und auch in Frankreich, wenigstens
im Süden Frankreichs, katalanisch, aber es fragt sich, ob und in welcher
Sprache er seine Predigten aufschrieb. Es scheint gewiss zu sein, dass er
selbst deren in lateinischer und katalanischer Sprache geschrieben hat. Zur Zeit
des Villanueva (Viage II 50 tf.) besass das Kolleg Corpus' Christi in Valenzia
einen von Ferrer eigenhändig geschriebenen Band, der in lateinischer Sprache
die von 1410 — 1414 gehaltenen Predigten enthält; die Sprache derselben ist
sehr barbarisch — »sicut hladum cxit per saccum foradatiim subtus<c ist ein von
Villanueva angeführtes Beispiel — und voll von Worten, die der Vulgär-
sprache entlehnt sind, wie varons, bona gent, truchimant , exarop. Anderseits
sprechen derselbe Villanueva (I. c.) und Ximeno {Escritorcs de Valencia
I 31) von fünf handschriftlichen Bänden der Reden des Heiligen in katalanisher
Sprache. Wenn sie noch existieren, wäre es sehr wünschenswert, dass man sie
verötfentlichte.
I02 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTl'.
23. Rechtsgelehrsamkeit. — Die Katalanen haben einen berühmten
Kodex, den Consolat de la mar, dessen erste Redaktion bis ins 13. Jh. zurück-
reicht und welcher zum ersten Male 1484 zu Barcelona unter dem Titel des
Libre de consolat tractant dels fets maritims gedruckt wurde. ' Aber ebenso
wenig als die nicht minder berühmten palatiner Ordonanzen Peters IV. von
Aragon — Ordinacions fetes per lo molt alt senyor en Pere, rey d'Ara^ö, sobrc
lo regiment de tots los officials de la sua cort,^ ■ — gehört dieser Consolat de
la mar zur eigentlichen Litteraturgeschichte.
Der Consolat, desgleichen die Ordinacions, wie die Constitucions de Cata-
lunya, die Fürs von Valenzia, die Costums von Tortosa und viele andere Lokal-
rechte sind Sprachtexte und, von diesem Gesichtspunkte aus, sehr kostbar;
wir haben uns hier mit denselben nicht zu beschäftigen. Unter dieser Rubrik
»Rechtsgelehrsamkeit« haben wir kaum etwas anderes anzuführen als einen Codi
de Justiniä, welcher offenbar nur eine katalanische Übersetzung eines pro-
venzalischen Textes ist, von dem einige Fragmente zur Kenntnis gelangt sind
(cf. Bartsch, Grundriss, J^ 43 und J. Tardif, Annales du midi, V, 34 ff.)
Die katalanische Version ist in einem Bücherinventar der Tempelritter 1308
folgendermassen bezeichnet: »Assi comencen les rubriques de l primer libre del
Codi«. (Villanueva, Viage V 200). Anderseits besass der König Martin I.
in seiner Bibliothek (No. 76 und 129) einen »Codi en cathald<c^ aus dem
Jahre 1309 und einen »Cod. en tlwlozä {com. de totes les coses)«.
Das grosse kastilianische Gesetzbuch, die Siete Fartidas, wurde, wenigstens
teilweise, ins Katalanische übersetzt, vielleicht unter der Regierung Peters IV.
Es existiert im Escorial ein Ms. dieser Übersetzung, das in der Ausgabe der
Siete Fartidas erwähnt wird, welche die Academia de la Historia veranstaltet
hat (Band I p. XXXIX). Diese Hs. enthält nur die erste Fartida. Erwähnen
wir auch, dass ein kastilianisches Ms. der zweiten Fartida (Pariser National-
bibliothek, Esp. No. 58) katalanische Glossen enthält.
Von der Templerregel führt dasselbe Inventar der Tempelritter ein Exemplar
in katalanischer Sprache an : »Assi comenfa lo prolec de la regia de la pobra
cavalleria del Temple<i. und die Hs., welche diese Regel enthält, endigt mit
den Worten »darlis conseyl de lurs malalties«. Torres Amat {Memorias
p. 709) schreibt seinerseits folgenden Artikel des Inventars des Königs Martin I.
ab: »Ordinacions dels TempUs: en catala scrit e7i pergajnins. Comensa: Aques-
tes son les coses; y en lo negrc: la primer a esser obedient ab soti com'ent«.^
Diese Bemerkungen sind ungenügend, um zu bestimmen , welcher Redaktion
der Regel diese katalanischen Texte entsprechen, S. La regle des Templiers
hersg. von H. de Curzon. Paris 1886 in 8".
24. Philosophie. — Von den Philosophen des Altertums ist Aristoteles
den Katalanen , wie es sich von selbst versteht, nur vermittelst sehr in-
direkter Übersetzungen bekannt geworden. Die Ethik ist durch das zweite
Buch des Tresor des Brunetto Latini zugänglich geworden. »Ethiques de
Aristotil a Nicomacho, arromansades per mestre Brunei Lati Florenti, en la
sua obra appellada Lo Tresor« , ist der Titel einer Hs., welche der grosse
Jurist Antonio Augustin besass (Torres Amat, Memorias p. 683).'^ Von
' Ül)er die Bibliographie der verscliiedenen Teile dieser Kompilation et", den Cala-
loguc des matmscrits espagnols de la bibliotheqtie nationale de Paris p. 13 ". 14'
* Cf. ibid. p. 14 u. 1.5.
^ Ausser diesem katalanischen Kxem])lar besass Köni,L' Martin 1. verschiedene M\eni-
plare der Templerregel in franz. Sprache.
■'' Es ist wahrscheinlicii der ganze Tresor des liiunetlo Latini ins Katalanische über-
setzt worden, da ausser der eben erwähnten Ethik eine Hs. der bischöflichen Bibliothek zu
Barcelona auch eine katalanische Version der Rhetorik, d. h. des ersen Teiles des dritten
Buches, uns erhallen hat (A. de Bofarull, Estiidios, sistemn gramatical etc. p. l6t)).
Prosa: Rechtsgei.ehrsamkeit. Philosophie. 103
der Oecononiica haben wir eine valenzianische Übersetzung aus dem 16. Jh.,
welche von Martin Viciana nach dem Latein des Leonardo Aretino
ausgeführt worden ist und welcher, in der Hs. des Escorial, wo sie aufbewahrt
wird , eine »ktra< vorangeht y>tramesa per lo noble Mosen Marti de Viciana,
governador en Regne de Valencia, a la noble Dona Damiata muller siia«
(Antonio -Bayer, Bibl. hisp. vetus, II, 282).
Cicero. — Eine Übersetzung von De Officiis, welche von einem Franzis-
kaner, Namens Nicolas Quils auf die Bitte des ehrenwerten Bürgers von Bar-
celona En Francesch de Conomines oder Colomines hergestellt wurde, ist
von Villanueva in der Bibliothek des Palau in Barcelona nachgewiesen worden
( Viage, XVIII 271). Es existierte davon eine andere Hs. in der Madrider National-
bibliothek fvon Torres Amat, Memorias ^ s. v. Quils zitiert). Sie ist aber
verschwunden, nach dem, was D. Antonio Rubiö y Lluch, welcher noch
eine dritte kennt, uns lehrt {El renacimiento cläsico en la literatura catalana,
Barcelona 1889 p. 21). Von den Paradoxa besitzt man eine, ebenfalls nicht
edierte, Übersetzung durch FerrantValenti aus Mallorca, welche bis in
die Mitte des 15. Jhs. zurückgeht (A. Rubiö, 1. c. p. 45 u. 47 — 48).
Seneca. — Wir beginnen mit einer >->Exposiciö de tots los libres de
Seneca, feyta per /rare Luchas , bisbc auximense, del orde dels Preycadors , al
senyor papa Clement VI.«-^ eine Hs. der ßarceloner Barfüsser aus dem 14. Jh.,
welche Villanueva beschreibt {Viage, XVIII, 240). Der gelehrte Domini-
kaner hat diesen Lucas nicht zu erkennen vermocht, und hat ihn für einen
Katalanen gehalten. A. Rubiö, welcher Villanueva nachschreibt, nennt
ihn auch »nuestro« (1. c. p. 12). Dieser Lucas ist jedoch kein anderer als
der Dominicaner Lucas Manelli, welcher Bischof von Osimo im Jahre 1345
war und 1363 oder 1364 starb (Quetif und Echard Scriptores ord. praed.
I, 652). Der lateinische Titel dieses Werkes, welches ins Katalanische übersetzt
wurde, ist: Epistolarum Senecae ejusque tnoralis philosoplüae scita expositio. Man
hat sodann ein Sumari de Seneca oder ein Resumd der Doctrin des Seneca,
welches von seinem Verfasser, Pere Molla, dem Huch de Lupia, der von
1398 bis 1427 Bischof von Valencia war, zugeeignet ist. Die Hs. dieses
Sumari befand sich bei den Barccloner Barfiissern (Torres Amat, Memorias
s. V. Mollä). Unter den Übersetzungen der bedeutendsten Werke Seneca' s
ist zu zitieren : y>Lo libre de les virtuoses costumes cotnpost per lo notable y
elegant Lucio Seneca de Cordoim« , welches sich im Escorial befindet und
eine Übersetzung aus dem 15. Jh. der Moralia ist (A ntonio -Bayer , Bibl.
hisp. vetus, II, 282, und Torres Amat, Memorias, p. 713); ^ dann die Über-
setzung von De Providentia durch den öfters schon zitierten Dominikaner
Antoni Canals, welcher sein Werk dem Mossen Ramon Boil, Gouverneur
von Valencia, (1393 bis 1406) dedizicrte. Eine Hs. dieser Übersetzung be-
fand sich im Augustinerkloster in Barcelona (Villanueva, Viage XVIII, 172)
und vielleicht auf Grund dieses selben Exemplars ist sie in den Memorias de
la Academia de Buenas Letras von Barcelona (Bd. II p. 561 — 580) mangel-
haft gedruckt worden. D. A. Rubiö zitiert (1. c. p. 29) eine andere Hs.
Schliesslich die Episteln. Dieses in der Pariser Nationalbibliothek (Esp. No. 7)
und fragmentarisch auch in London vorhandene Werk ist nicht aus dem Latei-
nischen, sondern aus dem Französischen übersetzt worden y>translatades de lati
en frances, e puys de frances en ccTthald« ; die französische Übertragung welche
die katalanische Übersetzung benützt hat, ist im Catalogue des manuscrits espagnols
* Der Name Antonius Hlay, welclu-r sich am Kii'Ie der \U. des Escoiial findet und
welchen D. A. Rubiö (/. c. p. 41) für den des Autors liiilt, bezeichnet ohne Zweifel den
Abschreiber.
I04 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. T^ITT.
de la bibliotheqiu Nationale de Paris {). 30 angeführt. ' Die Epistoles de Seneca
abreviades (No. 2 1 des Inventars der Königin Maria) bedeuten wahrschein-
lich dieselbe Übersetzung, welche von Epist. 94 an in der That viel abkürzt.
Den Übersetzungen Sen eca' s lässt sich dasjenige anschliessen, was ein folgender-
massen unter No. 42 des Inventars Marias von Aragon bezeichneter Band
enthält: »Libre ititiiulat: Sent Geronimi sobre Seneca .... comcnfa : Lucio
Anneus Seneca de Cordoz>a«. Wir haben nämlich hier die Notiz des h. Hiero-
nymus über Seneca (cap. XII des de inris illustribus) und vielleicht die apo-
kryphe Korrespondenz des Philosophen und des h. Paulus, welche man nach
dieser Notiz in den Hss. findet (A. Mol inier, Catalogue des manuscrits de
la Mazarine I 374).
Boethius. — Übersetzung der Consolaiio mit dem Kommentar des
heil. Thomas von Aquino, durch den Dominikaner Fr. Pere Saplana,
welcher sie dem Infanten Jacme de Majorque (j 1375) widmete. Diese Über-
setzung wurde auf die Bitte des Valenzianers En Bernat Joan, durch einen
anderen Dominikaner Fr. Antoni de Genebreda vollendet und neu bearbeitet.
Sie ist von D. Mariano Aguilö in seiner Biblioteca catalana veröffentlicht
worden. Mehrere Hss., unter andern diejenige, welcher Aguilö gefolgt ist,
erwähnen den ersten Übersetzer nicht; Villanueva hat seinen Namen in
einer Hs. des Monserrat wiedergefunden {ViageY^^^^. 206). Eine nach dieser
katalanischen Übersetzung angestellte kastilianische Version, die zum ersten
Mal in Tolosa de Francia (Toulouse) im Jahre 1488 gedruckt wurde, gibt
auch einige Auskunft über die von Genebreda unternommene Bearbeitung
(Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 100 u. 377). Ausser den zwei durch
Villanueva nachgewiesenen Hss., besitzt die Pariser Nationalbibliothek eine
(Esp. No. 474), welche aus der Colombina stammt. Es sind auch zwei im
Inventar der Königin Maria, unter No. 34 und 63, verzeichnet.
Unter den scholastischen Philosophen, welche die Katalanen des Mittel-
alters besonders gelesen und studiert zu haben scheinen , befindet sich vor
allen der platonisierende Guillaume de Conches. Sein Dragmaticon philo-
sopMae (s. II i, 228), dessen Analyse bei Haure^au Histoire de la Philosophie
scolastique i. Teil p. 441 — 446 nachgesehen werden kann, ist zweifelsohne im
14. Jh., unter dem ^'xXjqY Suma de filosofia, ins Katalanische übersetzt worden.
Im Inventar des Königs Martin ist ein Exemplar davon unter No. 35 ver-
zeichnet: y>Libre appellat Suma de philosophia en cathala . . . faneix en
vermelho: per mestre Gern de Congues anormani<, und die Pariser Nationalbib-
liothck hat zwei andere Exemplare davon aus dem 1 5. Jh. erworben. (Esp.
255 "• 473)-
Was die Encyklopädien betrifft, so wird, was nicht verwundern kann,
die populärste diejenige des Matfre Ermengau von Beziers gewesen sein.
Ein Katalane aus dem 14. Jh. beschäftigte sich damit, die provenzalischen
Verse des Brnnari d'amor zu übertragen. Man hat in der Pariser National-
bibliothek zwei Hss. dieser katalanischen Prosaübersetzung (Esp. No. 205 u.
353)1 von welcher auch zwei Briefe des Königs Johann von Aragon sprechen,
die aus den Jahren 1393 und 1394 datiert sind (J. Coroleu, Doc. hist.
catalans del sigle XIV, p. 125 u. 130); freilich ist auch möglich, dass es
sich hier um den Originaltext handelt, von welchem es mehr als eine Hs.
in Spanien gegeben hat und noch gibt.
1 Die Epistoles de Setuca en frances sind in den Inventarien der Bibliotheken des
Fürsten von Viana (Archivo de Aragon, XXVI 139) und des Konnetabels von Portugal
Don Pedro angeführt (cf. A. B a 1 a g u e r y Merino, D. Pedro el condestahle de Portugal.
Gerona i88l, p. 23.)
Prosa: Philosophie. R. Lull. 105
Die drei Traktate des Albertano von Brescia, der Liber consolationis
et consilii , De amore et dilcctione Dei et proximi und De doctrina dicendi et
facetuii (s. II i, 209) sind alle drei ins Katalanische übersetzt (Villanucva,
llage XVIII 173 und 265, und Catalogue des manuscrits espagnols de la
Bibl. nat. de Paris p. 29), aber nur das letzte ist veröffentlicht worden, und
leider auf erbärmliche Weise in den Memoiias de la Academia de Bueiias Letras
von Barcelona, Bd. II p. 519 — 613, unter dem Titel »Lo libre lo quäl ha
compüst mestra Alberia de Bretanya (sie), lo quäl iracta de la mauera de ben
parlar^i.
Die Moralitäten des Jacob von Cessoles (s. II i, 2101, welche sich
unter einer weniger trivialen Form darboten als die andern, reizten ebenfalls
zur Übersetzung. Unter dem Titel eines Libre de bones costumes dels homens
i dels oßds dels nobles oder einfach Del joch dels scacs finden wir in zwei
Hss. von Gerona (Villanueva, ViageYA\ 121) und im Vatican (TorresAmat,
Memorias p. 702 s. v. Jochs) eine katalanische Übersetzung des De moribus
hominum et de officiis nobilium super ludo scaccortwi.
25. Es ist hier der Ort zu dem grossen Namen der katalanischen
Litteratur, zu dem viel gepriesenen Ramon Lull (f 131 5) überzugehen (s. II
I, 204 u. passim). In Lull stecken gewissermassen zwei Menschen : ein Apostel,
der zugleich Dichter und des Interesses «und der Bewunderung würdig ist,
anderseits ein von fixer Idee Besessener, den man, wenn er in all seinem
merkwürdigen Dichten und Trachten nicht uneigennützig gewesen wäre,
beinahe geneigt sein könnte einen Charlatan zu nennen. Dieser Besessene
ist er Philosoph, der seine »Kunst« wie ein Universalmittel durch Europa
spazieren fLihrt ; der glaubt die Scholastik untergraben zu können , indem er
ihr ein extravagantes System entgegenstellt, von dem man nicht versteht, wie
hervorragende Geister es einer Untersuchung noch für würdig gehalten haben.
Querkopf ist die Bezeichnung, welche Prantl, der letzte Geschichtsschreiber
der Logik, auf Lull angewandt hat, und sie ist noch gelind. Lange Zeit ist
R. Lull das dramatische Interesse, welches gewisse Vorfalle in seinem Leben
erregen, zu gute gekommen, namentlich seine Heldenthaten als Missionar bei
den Ungläubigen , dann auch der Hass , welchen die seine Lehre und seine
Schriften als ketzerisch verfolgenden Dominikaner , der Inquisitor Nikolaus
Aimerich an der Spitze, gegen ihn hegten. Dies Alles, sowie der Umstand,
dass sich im vorigen Jahrhundert der deutsche Gelehrte Salzinger in Lull
geradezu verliebte, haben den »erleuchteten Doktor« in unseren Tagen wieder
in Gunst gebracht. Diese Gunst wird nicht lange anhalten. Die im 29. Bande
Aer Histoire litt^raire de la France voT\ "Littr 6, Haureau, Renan und Paris
angestellten Nachforschungen, haben die Dinge wieder auf ihr richtiges Mass
zurückgeführt, und der »Philosoph« Lull wird bald nur noch Bewunderer bei
seinen balearischen Landsleuten finden, welche ja gezwungen sind, ihn als den
Stern an ihrem nationalen Himmel anzusehn.
Indem wir hier den »Philosophen« ausser Betracht lassen, wollen wir
nur vom Schriftsteller sprechen und besonders vom Prosaschriftsteller, da wir
schon Gelegenheit gehabt haben, einige Worte über die Verse Lulls zu sagen.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass Lull alle seine Werke in der Vulgärsprache
geschrieben hat, und dass es seine Schüler oder seine Bewunderer gewesen
sind, welche die meisten Schriften ihres Lehrers ins Lateinische übersetzt
haben, um sie im Occident zu verbreiten. Er selbst wäre, wenn man nach
dem Latein, das er in seinem Alter in seinen Briefen schrieb, urteilen soll,
schwerlich im Stande gewesen, seine Gedanken in die Gelehrtensprache zu
übertragen. Die Werke Lulls sind in drei Kategorien zu teilen: i) die
Schriften, von deiien man nur den lateinischen Text hat, 2) die Schriften,
io6 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 3. Katal. Litt.
von denen ein lateinischer und ein Vulgärtext besteht. 3) die Schriften endlich,
von denen nur eine katalanische Bearbeitung vorhanden ist.
In den letzten Jahren sind verschiedene alte katalanische Bearbeitungen
von Werken Lulls aufgefunden worden, welche man nur in der lateinischen
Form kannte oder nach Übersetzungen, die nach dem Lateinischen im 16.
und 17. Jh. gemacht wurden; wahrscheinlich wird man noch andere auffinden.
Der Zweck der von D. Gerönimo Rossello unternommenen Ausgabe, welche
gegenwärtig in Palma, unter dem Titel Obres de Ramon Lull, texto original
erscheint , besteht gerade darin , eine möglichst grosse Zahl von Werken
Lull 's in altkatalanischer Sprache, welche die Muttersprache des Autors war,
in Umlauf zu setzen.
Unter den Werken Lulls, welche wirklich der Litteratur angehören,
ist zunächst der fromme Roman Blanquerna oder Blaqicerna anzuführen, welcher
von den verschiedenen Sünden und Zuständen unter den Menschen handelt
und mit einer Empfehlung des Einsiedlerlebens endigt [Hist. litt. XXIX 252).
Man besitzt von Blanquerna wenigstens zwei gute alte Hss. in Paris und
München, welche es ermöglichen würden, von diesem Roman ebenso wie vom
f/tbre del amich e del amat, welches ihm beigefügt ist, eine sehr gute Ausgabe
zu geben {Romania VI, 504; Zeitschrift f. rom. Philologie III 90 '). Wenn
der Blanquer7ia durch die Einzelheiten, welche er über die Sitten mitteilt,
ein gewisses Licht auf den Zustand der katalanischen Civilisation am Ende
des 13. Jhs. wirft, so hat hingegen der Libre de les fnaravelles (cf. die Aus-
gaben von Agni 16 in der Biblioteca catalana und Rossello (im Druck) sowie
auch die von K. Hofmann herausgegebenen Auszüge einer Münchner Hs. 2)
eine gewisse Bedeutung für die Geschichte der Nachahmungen des Kalilah und
Dimnah in den Vulgärsprachen. Das De les besties betitelte 7. Buch des
Romans von Lull ist in der That zum guten Teil dem orientalischen Werke
entlehnt {Hist. litt. XXIX 345). 3
Der Libre del orde de cavalleria (in gothischer Schrift durch Aguilö,
in Barcelona 1879 gedruckt) hat nicht das Interesse der beiden vorhergehenden
Bücher. * Es ist eine ziemlich dürftige Abhandlung über das Wesen des Ritter-
tums und die Pflichten des Ritters. Don Juan Manuel , welcher dieses Buch
gekannt hat, hat es in seinem Lil>re del caballero i del escudero nachgeahmt
und erweitert, und der Verfasser des Tirant lo Blanch zeigt sich ebenfalls
davon beeinflusst. Wir haben ferner eine Sammlung von Sprüchen oder eher
von Moralsentenzen, unter dem Titel, Libre de mil proverbis (s. II i, 210). Sie
wurde 1302 verfasst, im 18. Jh. mit einer kastilianischen Übersetzung gedruckt,
dann durch Rosellö wieder veröffentlicht {Hist. litt. XXIX 367). Der Libre
del gentil e dels tres sa7>is (s. II i, 232) ist eine Streitschrift zu Propaganda-
zwecken. Sie ist in vier Bücher eingeteilt; das erste handelt von Gott, das
zweite vom Glauben der Juden, das dritte von dem der Christen und das
vierte von dem der Mahometaner (Lfist. litt. XXIX, 90). Dieses Buch wurde,
wie man erwarten konnte, in Spanien sehr beliebt. Rossello hat uns den
katalanischen Text davon gegeben. Es existiert davon eine sehr alte fran-
zösische Übersetzung (Pariser Nationalbibliothek, Ms. frang. 22933) ""^ ^'"^
' Der Blanquerna ebenso wie rlns Libre del ainkh sind irülie ins Französische ilber-
setzt worden (Hist. litt. XXIX, 254).
2 Ein katalanisches Thierepos von Ramon 1. 11 1 1. München 187'J. -j".
' I^er Libre de les maravelles ist. jedenfalls im 15. Jh., ins Französische ühersetzt
worden. (Hist. litt. XXIX, 346).
* Im Katalog der Bücher L. j. Gohier's, l'aris 1831, findet man unter No. 24U)
eine folgendennissen bezeichnete Hs. : ^Libro de la ordeit de caballeria del B. Raymimdo
Liilifl, traducido en lengua castellana de la lemosina en (/tu ftu cscrito ; sale li luz en amhas
lenguas y sf ilustra con algunas notas. Pel. in- 4. rel. en cart.^
Prosa: Philosophie. Lull. Pkakt. Moral. 107
kastilianische Übertragung, die nach dem katalanischen Texte in Valenzia, im
Jahre 1416 durch Gonzalo Sanchez de Uceda ausgeführt wurde (Torres
Amat, Memorias p. 706; V. Salvä, A Catalogue London 1829 s. v. Libro
und Brit. Mus. Add. 14040 aus der Colombina). Der Libre de consolacid iTernüta
ist in gewisser Hinsicht das Gegenstück zum Desconort, mit andern Worten : hier
tröstet Lull einen Einsiedler, während er dort von ihm getröstet wurde. Diese
Consolacid ist eines der letzten Werke Lulls; sie trägt das Datum 1313 {Hist.
litt. XXIX 369). Erwähnen wir schliesslich den Vulgärtext des De doctrina
puerili, eines Werkes, das ins Jahr 1275 gesetzt wird und welches mit Unrecht
von den Verfassern der Histoire littiraire XXIX 325 zu den uncdierten Schriften
gezählt worden ist. Es ist in Palma, im Jahre 1736, zur Belehrung der »minons
de Mallorca«, unter dem Titel y>Llibre de la doctrina pueril, compost en llengua
llamosina per . . . Ramon Lull, mallorqui, traduit a llengua usual mallorquina,
gedruckt worden. Ebenso wie der Libre del gentil , ist die Doctrina pueril
sehr frühe, Ende des 13. oder Anfang des 14. Jhs. , ins Französische über-
setzt worden, und die Übersetzungen dieser zwei Werke befinden sich in einer
schönen Hs. des Herzogs von La Valliere (heute in der Pariser National-
bibliothek, Ms. franr. 22933). Nach dieser Hs. hat Fr. Michel, vom Orien-
talisten Reinaud unterstützt, das vierte Buch des Libre del gentil, d. h. »la loi
au Sarazin« {Roman de Mahomet Paris 1831 p. 95 ff.), veröffentlicht.
Sobald die Ausgabe Rossellö's vollendet sein, und uns, dank der-
selben. Alles zur Hand sein wird, was vom Werke Lulls in der Vulgärsprache
existiert , wird man das Material zu einer allgemeinen Beurteilung seines
Schaffens besitzen, auf welche man für den Augenblick verzichten muss.
26. Über die katalanischen Schriften, welche an die pseudo-aristotelischen
Bücher, wie das Secretu?n secretormn und andere ähnliche anknüpfen , oder
über diejenigen, deren Gegenstand direkt oder indirekt arabischen Büchern
entlehnt worden ist, verbreiten leider nur wenig Licht die zwar sehr ver-
dienstlichen, aber verworrenen Untersuchungen H. Knust' s im Jahrbuch f.
roman. Literatur X 129 ff. und in seinen zwei Schriften Mittheilungen aus
dem Eskurial, Tübingen 1879 und Dos obras diddcticas y dos leyendas sacadas
de manuscritos del Escorial, Madrid 1878. Steinschneider hat mit mehr Kom-
petenz die Quellen des Libre de la saviesa und die Protierbis von Jafuda (Jahr-
buch f. rom. Lit. XII 357 — 58) besprochen, aber das Material, über welches
er verlligte, war unzureichend. Von dem ersten dieser Werke kennen wir
nur kurze Auszüge, und insbesondere die Einleitung, welche nicht zu ent-
scheiden gestatten, ob man dieses Buch, wie man bisher gethan hat , dem
König Jacob I. von Aragon zuschreiben darf. ^ Was das zweite betrifft, welches
auch ins 13. Jh. gesetzt wird, weil man glaubte, es sei Jacob I. zugeeignet, so
gehört es entweder den aller letzten Jahre dieses Jahrhunderts an, oder dem
folgenden, da der Jacob »König von Aragon, von Sicilien, von Mallorca« etc.,
welcher darin erwähnt wird, nur Jacob II. sein kann {Romania XII 230).
Diese wichtige Sammlung, von welcher die Herausgeber des XIII. Bandes des
Archivo de Aragon einen unvollständigen und höchst fehlerhaften Text gegeben
hatten, ist seitdem zwei Mal herausgegeben worden, im Jahre 1889 durch
D. Jose Balari in der Biblioteca de la Reznsta Catalana nach einer Hs. der
Madrider »Nacional« aus dem Jahre 1385, und durch D. Gabriel Llabres
in seiner Biblioteca d'escriptors catalans nach einer andern Hs. des 1 5. Jhs.
Dieser letzte Herausgeber hat über die Person des Juden Jafuda, mit Familien-
' Die Worte „perqtu jo rey En yachme, ven (sie) otjuesles coses, esforzem d'appettdre
com les sabes"- (Rodriguez de Castro. Bibl. esp. II, 605) können sich auch gut auf
Jacob II. beziehen. Cf. A. Helfferich, Raymund Lull und die Anfänge der catalonischen
Literatur, norlin 1858. p. 5."> u. fT.
Io8 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
namen Bonsenyor , sehr interessante Mittheilungeii gemacht, welche er den
Archiven Aragons entnahm. Die Madrider Nationalbibliothek besitzt in der
Hs., in welcher die Prozierbis des Jafuda eingetragen sind, eine katalanische
Übersetzung des Secretuni secretonim, und in einer andern Hs. (L 170J,
diese selbe Übersetzung oder eine verschiedene, deren Titel lautet: -»Lo lihre
apellat de Regiment de senyors, en altra guisa apellat Secrct dels secrets, ordenat
per Aristo tu al grau rey Alexandre« {Jahrbuch f. ront. Lit. X 155).
Zwei andere Kompilationen derselben Art müssen hier noch erwähnt
werden. Zuerst eine Übersetzung des Breinloquium de virtutibus antiguorum
principujn et philosophorum von Johann von Wales (s. II t , 21 5), von welcher
Villanueva bei den Barfüssern Barcelona's ein Exemplar gefunden hat, unter
dem Titel : y>Breu Parlament de les virtuts dels antichs philosophs, compost
per Mestre Johan Galens, /rare del orde dels f rares menors« (Viage XVIII
271), und von welcher ein anderes Exemplar sehr genau im Inventar der
Königin Maria (No. 12) beschrieben ist. Zweitens eine Sammlung von Aus-
sprüchen Weiser und Philosophen, die, wie wir wissen, -»en lenguaje de Cata-
luena'i- geschrieben ist, die wir aber nur durch Vermittelung einer kastilianischen
ilbersetzung kennen, welche im Jahre 1402, auf den Wunsch des Meisters
von Santiago , Don Loren zo Suarez de Figueroa , durch den Juden Jacob
C,"adique aus Ucles ausgeführt worden ist, und von welcher eine Hs. sich im
Escorial befindet {Jahrbuch X 129). Die von Torres Amat {Memorias p. 699)
zitierten Dits de diverses filosofs en romans sind noch zu identifizieren.
27. Als Probe von Abhandlungen über die praktische Moral begegnet
zuerst eine Übersetzung der Disticha Catonis, unter dem Titel Lo libre de
Catö, von welcher ein abgekürzter und unvollständiger Text aus dem Jahre
1462 im Archive de Aragon XIII p. 303 ff. gedruckt wurde, während ein
anderer, korrekterer, und vollständigerer, im ersten Bande der Biblioteca d'es-
criptors catalans (Palma 1889) von G. Llabres sich befindet. An den Libre
de Cato schlicssen sich schicklich die gereimten Moralsprüche des abtrünnigen
Franziskaners An sei m Turme da an: LJibre compost per Frare Anselm Tur-
meda de alguns bons amonestaments, von welchen es alte Abschriften in der
Bibliothek von Barcelona und in Carpentras gibt {Jahrbuch f, rom. Lit. V 164
und Lambert, Catalogue des manuscrits de la bibliotheque de Carpentras I 208J.
Diese kleine Sammlung, welche, wie aus der letzten Vierzeile hervorgeht, im
Jahre 1398 zusammengestellt wurde, hatte einen ungemein grossen Erfolg.
In dieser Schrift, die beinahe ebenso verbreitet ist, wie der Katechismus,
haben bis auf den heutigen Tag die Katalanen lesen gelernt. Man bezeichnet
sie gewöhnlich mit dem Titel Franselm., und die neuen Lesebücher nehmen
gerne, um sich zu empfehlen den Titel eines Nou Fra Anselm an. So haben
wir ein -»Nou Fra Anselm. Llibre de bons consels, compost per un estudiant
de theologia Vieh 1870« vor Augen. Eine andere Sammlung, welche dem
Franselm ähnlich ist und ihm in den Schulen Konkurrenz gemacht hat, ist die-
jenige eines Arztes des Klosters Monserrat Namens Juan Carlos Amat (17. Jh.).
Sic ist betitelt: Los quatrecents aforismes catalans (Torres Amat, Memorias
s. V. Amat). Und um mit den Sammlungen von Sprüchen und Sentenzen ab-
zuschliessen, sei noch diejenige angeführt, welche Villanueva in einer Hs.
der Bibliothek von Santas Creus im Anschluss an einen Tractatus de ludo
scaccorum gefunden hat, und welche sich als Übersetzung aus dem Arabischen
ausgibt (Viage XX 123): sie ist von D. Manuel de Bofarull im Az>en(
(No. vom 30. April, und 30. Mai 1891) veröffentlicht worden. An zweiter
Stelle, die Triaden der Hs. von Carpentras, unter dem Titel Llibre de tres,
eine Nachahmung der Verse der »Sprüche«, die mit Iria su7it beginnen.
Di(5sc Sammlung, welche in der Romania XII 230 veröffentlicht worden ist,
Prosa : Praktische Moral. B. Metge etc. i 09
scheint nicht aus der Zeit vor dem 15. Jh. zu stammen; sie zeigt modernen
Witz und starke Schlüpfrigkeit. Hinsichtlich der Form der Sprüche, kann man
mit ihnen den Lihre des qitatre choses oder Qiiaternaire Saint Thomas und die
italienische Sammlung von Orazio Rinaldi, die im i6. Jh. ins Kastilianische
übersetzt wurde, vergleichen (H. Knust, Dos obras didäcticas p. 30 Anm.).
Die Doctrina tnoral von En Fax aus Mallorca, welcher am Hofe Peters IV. auf-
erzogen wurde und dem König Johann I. als solrrecoch und algutzir diente,
dann sich auf Mallorca zurückzog, ist eine Kompilation von Moralsprüchen
über die Laster und die Tugenden, über Zustände in der Welt u. s. w., welche
der Verfasser zum Unterrichte seiner Kinder zusammengestellt hat. Die be-
nutzten Werke gehören zu den bekanntesten und verbreitetsten des Altertums
und des Mittelalters: Sprüche Salomos, Seneca, Boethius , Disticha
Catonis, der h. Augustin, der h. Bernhard, derKalilah und Dimnah
und unter den modernsten und den Katalanen, Guillem de Cervera, welche
En Pax stets irrtümlich Serveri nennt (A. Thomas, Romania^W 27), schliess-
lich Francesch Eximeniz. Die Doctrina von En Pax, welche in dem
Archivo de Aragon unvollständig und schlecht herausgegeben worden war (Bd.
XIII p. 186 ff.) ist in der Biblioteca d'escriptors catalans von G. Llabrös
(Palma 1889) wieder veröffentlicht worden.
Von der Epistola ad quemdatn militem de cura et modo rei familiaris
guhernandae vom h. Bernhard von Chartres haben wir eine katalanische
Übersetzung von welcher ein Ms. Villanueva im Kloster von San Agostin
in Barcelona gesehen hat {Viage XVIII 172, 226), und ein anderes sich in der
Privatbibliothek des Königs zu Madrid befindet (J. Masö Torrents, 1. c.
p. 35); sie ist, wahrscheinlich nach der Hs. von San Agostin, in den Memorias
de la Academia de Buenas Letras de Barcelona Bd. II 581 — -584, herausgegeben
worden.
Dieser selbe Band der Memorias enthält im Anschluss an diesen Brief
(p. 584 u. ff.) zwei y>Chastoiements^ , welche wohl alle beide, jedenfalls aber
das erste, aus dem Französischen übersetzt sein werden. Dieses erste führt sich
folgendermassen ein: y>Conseyll de bones doctrines que una reyna de Fran(a
dona a umi filla siia que fonch nmller del rey if Anglaterra« : im ganzen
sechzehn Uutcrw eisungen. Das zweite kleine Lehrbuch gibt sich als verfasst
von Alfonso von Aragon, Enkel Jacobs II. von Aragon, Markgraf von Villena,
erstem Konnetabel von Kastilien, dann Herzog von Gandia, von welchem
oben die Rede war: »La letra deiuil scrita feu lo mar que s de Villena e campte
de Ribagorfa, qui apris fo intitulat duc de Gandia, per dona Johana, filla sua,
quant la marida ab don Johan, fill del compte de Cardona, per la quäl li scrivi
castich e bons nodriments«. Villanueva hatte bereits die Existenz desselben
in einer Hs. von San Agostin in Barcelona (Plage XVIII 172) nachgewiesen.
Del Infant Epitus ist der Titel der katalanischen Version des Dialogs
zwischen Adrian und Epitectes, welcher im Französischen unter dem Nameu
L'enfant sage geht. Sie findet sich in einer Hs. des 14. Jhs., welche die
Chronik Peters IV. von Aragonien enthält. A. Pages, der diesen Text in
dem Etiuies romanes didiies ä Gaston Paris p. 181 — 194 herausgab, hat zu-
gleich gezeigt, mit welcher provenz. Redaktion derselbe in Zusammenhang zu
bringen ist.
28. Es erübrigt noch, einige Schriften namhaft zu machen, die sich
durch höheren Gedankenflug, hauptsächlich die erste, auszeichnen. Bernat
Metge, von dem schon früher als Dichter gesprochen worden ist, hat grössere
Bedeutung als Prosaschriftsteller. Er war Sekretär und Vertreter der Fürsten
aus dem Hause Aragon, zuletzt bei Martin I. »Seine offiziellen Depeschen,«
hat Mild gesagt, »sind Muster der schönsten katalanischen Prosa«. Aber er
HO LiTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. KaTAL. LiTT.
hat sich um die katalanische Litteratur hauptsächlich durch seine Somni be-
titelte Schrift verdient gemacht. Der Traum, den er als Gefangener hatte
und in dem ihm zuerst der verstorbene König Johann I. erschien , der über
die Unsterblichkeit der Seele und das künftige Leben disputiert, dann Orpheus
und Tiresias, welche in Gegenwart von Metge sich über die Frauen unter-
halten, wobei der eine sie verteidigt, der andere sie angreift, — dieser ziemlich
zusammenhangslose Traum, der eigentlich nur als Vorwand für philosophische
Erörterungen und satirische Bemerkungen dient, gefällt nichts desto weniger
durch das Frische und Freie seines Stils und das Lebhafte des Dialogs. Wohl
verstanden, die Gedanken Metge' s sind weit entfernt, ihm eigen zu sein, und
ein zeitgenössischer Autor, Ferra nt Valenti, hat bereits bemerkt, dass der
Grundgedanke des Sotiini sich in den Tuskulanen und bei Boccaccio wieder
findet; aber was diesen Dialogen Wert verleiht und das Softini zu einem dei
interessantesten und originellsten Werke der katalanischen Litteratur macht,
ist die glückliche Verwertung der Entlehnungen aus der klassischen und italie-
nischen Litteratur. Der Somni ist mit einer französischen Übersetzung von
J. M. Guardia (Paris 1889), leider ungenügend, herausgegeben (cf. Ro?nama,
XIX 141), und dabei mit einem etwas lächerlichen Manifest über den
Katalanismus versehen worden.
Die Regles de amor y Parlament de un hom y tina fembra, welche
Mossen Domingo Masco, yz^rß/ von Valenzia und Vizekanzler der Könige
Johann L und Martin L zugeschrieben worden, sind, soviel man nach einer
Erwähnung bei V. Salvä (Catalogue of spanish avd portuguese Books. London
1826 No. 1345) und einigen Anftihrungen von J. Massö Torrents (1. c. p. 36)
urteilen kann, Definitionen der Liebe und Muster des galanten Briefstils. Ein
valenzianer Gelehrter des vorigen Jhs., D. Jose Mariano Ortiz, welcher eine
Hs. ^\t,%&( Regles besass, scheint zuerst behauptet zu haben, dass Masco der
Verfasser gewesen ist und sie auf Bitten der Na Carroga de Vilaragut, einer
Hofdame Johanns L und vielleicht Maitresse dieses Herrschers, verfasst habe.
Seine Behauptung entbehrt aber bis jetzt jeglicher Grundlage. Derselbe Ortiz
behauptete, eine andere Hs. zu besitzen, welche eine »L'hom enamorat y la
fembra satis/eta« betitelte Tragödie enthielt, in welcher die Liebe Johannes I.
und Na Carro^a dargestellt wären. Die fragliche »Tragödie« hat aber seit
Ortiz Niemand gesehn; sie scheint auch gar nicht existiert zu haben (Fr.
Danvila, Boletin de la R. Acad. de la Historia^ XIII 401 ff.)
Eine etwas pedantische aber nicht unberedte Abhandlung über die Liebe
und ihre Folgen hat ein Valenzianer Dichter aus dem Ende des 15. Jhs., der
edle Don Francesch Carro^ Pardo de la Cuesta geschrieben: Regonei-
xenfa e moral consideracid contra les persuassions, vicis e forces de atnor. Der
bekannte Macias wird darin schon als berühmtes Opfer der Liebe angeftihrt.
Diese Schrift, welche ohne Ortsangabe und Datum, aber jedenfalls in Valenzia
am Ende des 15. oder Anfang des 16. Jhs. veröffentlicht worden ist, und
von welcher man nur das von Villanueva (Plage XXII 214, cf. Anuario I,
246) beschriebene Exemplar in Palma auf Mallorca kennt, ist von D. Mariano
Aguilö in seiner Biblioteca catalana, im Anschluss an den Boeci wieder ge-
druckt worden.
Zum Schlüsse sei noch eine Übersetzung der berühmten Vision ddec table
Erwähnung gethan, welche von dem »grossen Philosophen« Alfonso de la
Torre zur Unterweisung des Prinzen von Viana, Sohnes Johannes II. von Aragon,
verfasst wurde : es ist dies eine Reihe zwar etwas trivialer und anspruchsvoller
Allegorien, welche aber die Zeitgenossen des Autors entzückten. Der katalanische
Text wurde in Barcelona 1484 gedruckt (Antonio-Bayer, Bibl. hisp. vetus,
II 329; Villanueva, Viage XX 129 ; Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. t^. ^0).
Prosa: Prakt. Moral. — Wissenschafi- u. Kunst.
29. Wissenschaft und Kunst. — Die Werke über Wissenschaft und
Kunst stehen zum grösstcn Teile der Litteratur ebensosehr fern wie diejenigen
über Jurisprudenz ; wir werden uns demnach in Bezug auf sie mit kurzen
Andeutungen begnügen.
An enzyklopädischen Werken könnte etwa Aer Ltiddari en cathald
erwähnt werden, welchen No. 96 der Bibliothek Martins I. enthielt, wenn
derselbe wirklich eine Übersetzung des De proprietatibus verum des Bartholo-
mäus von Glanville ist. Aber der Titel Lucidari ist nicht bezeichnend genug;
er könnte auch mit dem Elucidarius des Honorius von Autun in Beziehung
gebracht werden.
Astrologie und geheime Wissenschaften. — Die astrologischen
Bücher sind im Katalog der Bibliothek Martins I. überaus zahlreich. Auf jeder
Zeile sind Juis de stronomia , Abhandlungen über strologia ^ alphonsinische
Tafeln u. s. w. verzeichnet, und verschiedene Zeugnisse bestätigen, dass mehrere
Könige Aragons, unter andern Peter IV., viel Neigung für diese Wissenschaft
an den Tag gelegt haben. Im Jahre 1359 beauftragte dieser König den
Dalmau Sesplanes und Pere Gilbert mit der Abfassung einer astrologischen
Abhandluug und überliess ihnen, zu diesem Zwecke, die Bücher aus seinen Archiven,
welche ihnen nützlich sein konnten. Diese Abhandlung ist in der Coleccid
(fantichs textos catalans, Barcelona 1 890, veröffentlicht.' Derselbe König Hess
seinen Arzt Bartomeu de Tresvents (Hs. in der Pariser Nationalbibliothek
Esp. No. 411) eine andere Abhandlung über Astrologie verfassen. Villanueva
erwähnt {Viage XX 124) noch mehrere Schriften ähnlichen Inhalts. Wie es
scheint, beschäftigten sich die Könige Aragons im 14. und 15. Jh. hauptsäch-
lich deshalb mit Astrologie, weil sie sich der Genauigkeit gewisser Weissagungen
und Prophezeiungen vergewissern wollten , welche sog. Erleuchtete und
Schwindler, wie der Franziskaner Johann von Roquetaillade, Lasa, Turmeda,
Cervera u. a. veröffentlichten und in grosser Anzahl verbreiteten.'-^ Johann I.,
der abergläubischer war als die Andern, kümmerte sich sehr um die Prophe-
zeiungen, welche ihn und sein Haus betrafen. So Hess er im Jahre 1391
Francesch Eximeniz scharf zur Rede stellen, weil er, scheint es , prophezeit
hatte, dass nach dem Jahre 1400 auf der Welt kein anderer König mehr
existieren würde, als der König von Frankreich. Dies war, wie begreiflich,
durchaus nicht im Sinne des armen Johannes; da er jedoch in die Astrologie
vollständiges Verstrauen setzte, so beeilte er sich hinzuzufügen, dass, wenn
Eximeniz »nach besagter Kunst« seine Prophezeiung beweisen könnte , man
ihn kommen lassen müsse, damit er sich darüber erkläre (J. Coroleu, Doc.
hist. catalans del sigle XIV p. 1 34). Ein ander Mal schickt er seinem Bruder
»un libre del diverses profecies c scripttires autentiques«. zu, welche die könig-
liche Familie betrafen und von seinem Kaplan Pere Lena ausgingen (J. Coroleu
P- 125).
Die Astrologie ist mit den sog. geheimen Wissenschaften , der Nckro-
mantie und Alchemie etc., nahe verwandt. Auch hier haben die drei Könige
Aragons, Peter IV., Johannes I. und Martin I. verschiedentlich zur Entwicke-
lung der Alchemie und Magie die Hand geboten, sie haben sogar diejenigen,
welche nach dem Stein der Weisen suchten und Gold, fabriciertcn, beschützt.
In dieser Beziehung lässt ihre Korrespondenz, welche D. Francisco de
' Eine Anspielung auf das „liörei fite en Dalmati Qi Plana nos Im trasnies del
eclipsi del sol et de la luna'^ etc. findet sich in einem Briefe des „primogenit'' J o a 11 , aus
Perpignan, 12. Sept. 1379 datiert (Revista historica von Barcelona Januar 1876).
2 Die Prophezeiungen von Rocatallada, Lasa und Turmeda. in katalanischer
Sprache, sind in eine Hs. des 15. Jhs. der Bibliothek von Carpentras eingetragen (Lam I) er t
/. c. I, 174)' Die von i'urnieda befinden sich auch in der IIs. N I-13 des Escorial.
112 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 3. K.ATAL. LiTT.
Bofarull, Revista histdrica }2inwdiX 1876, D.Jose Coroleu, Documents histo-
richs catalans del sigle XIV, Barcelona 1889, und D. Jose Ramon Luanco,
La alquimia en Espana Bd. I, Bacelona i88y , gesammelt haben, keine
Zweifel aufkommen. Luanco hat sowohl in dem eben zitierten Buche,
als in den Memorias de la Academia de Biienas Letras von Barcelona III 307
verschiedene Werke katalanischer Alchemisten beschrieben.
30. Die Arzneikunst musste im Vaterland Arnau's von Vilanova (s.
II I, 259) blühen. Vor ihm ist noch der Dominikaner Thederic zu erwähnen,
dessen chirurgische Abhandlung in lateinischer Sprache dem Fr. Andreu von
Albalate, welcher von 1248 — 1276 Bischof von Valenzia war, gewidmet ist;
diese Abhandlung, welche die Katalanen lo Thederic nennen (Villanueva,
Viage V 200) wurde ins Katalanische durch einen gewissen Galien Cor-
reger aus Mallorca, übersetzt, und wurde auch ins Kastilianische übertragen
(Rodriguez de Castro, Bibl. Esp. II 693). Die Hs. der Pariser National-
bibliothek (Esp. 212) enthält nach der katalanischen Chirurgie von Thederic,
eine »La cirurgia dels cavals*f~ betitelte Arbeit, dann eine Abhandlung über
Falkenierkunst und eine Übersetzung des Abnansor. Eine andere chirurgische
Hs., aus dem 15. Jh., welche den »Llwre de Benvengiii de cirurgia, compilat
per mestre Benveiigut Grateffe<i. (Antonius Benivenius aus Florenz?) und die
y> Cirurgia de mestre Bru« d. h. eine Übersetzung der Chirurgia magna oder
der Chirwgia parva Meister Bruno's von Padua enthält, ist von Villanueva
in der Bibliothek des Klosters von Santas Creus ( Viage XX 125) nachgewiesen
worden.
Medizinisches besitzt man unter anderem weiter in einer aus dem 14. Jh.
stammenden Übersetzung des Thesaurus pauperum von Petrus von Spanien,
(Papst Johannes XXI), welche in der Bibliothek der Revista catalana veröffent-
licht ist; dann in einem Werk Albert's des Grossen, welches auf katalanisch
»Quesits 0 perquens sobre coses pertenents a la conservaciö de la vida e sanitat
de rhome quant a la composiciö e phisonomia humana« betitelt und in Barce-
lona 1499 gedruckt worden ist (Anuariol 230); drittens in einer Abhandlung
über die Pest von Luis d'Alcanyis, Regiment preservatiu e curatiu de la pesti-
lencia, in Valenzia am Ende des 15. Jhs. veröffentlicht und von D. Anastasio
Chinchilla, in seinen Anales histöricos de la mediana^ Valenzia 1846, IV 239
u. ff. wieder abgedruckt. Auch ist noch der Traktat über die Geschwüre von
Gui de Chauliac zu erwähnen, welcher 1501 von Antoni Amiguet und
Joan Valls ins Katalanische übersetzt worden ist (Tor res Amat, Memorias,
s. V. Amiguet).
Arnau von Vilanova (7 gegen 1312), dessen katalanische Abstammung
nunmehr vollständig sicher gestellt ist, und dessen Name in der Geschichte
der Medizin zu leben verdient, hat auch das Recht in der katalanischen Litte-
ratur einen Platz einzunehmen, weil er einige der Heilkunde ferner stehende
Schriften verfasst hat; das sind hauptsächlich sein Brief an den König Friedrich
von Sicilien, den Bruder Jacobs IL von Aragon, welcher in einer Reihe von
»chastoiements« besteht, dann sein in Avignon vor dem Papst und den Kar-
dinälen gehaltenes Rahonament ühtr die Träume der zwei oben genannten Könige.
Beide Stücke sind von D. Marcelino Menendez Pelayo in den Anhängen
seines Arnaldo de Vilanova., Madrid 1879, veröffentlicht und in seiner Z^V/c^/'/Vi;
de los heterodoxos espanoles., Madrid 1880, I 745 und 753 wieder abgedruckt
worden. Arnau war ein Phantast; die stete Sorge um den Antichrist und das
Ende der Welt liess ihm keine Ruhe, und er fühlte sich durch die Lehren
der Mystiker wie Joachim von Fiore angezogen. Ausserdem lockten ihn in
seiner Eigenschaft als Arzt die geheimen Wissenschaften, und wenn man auch
zugeben muss, dass man ihm fälschlicherweise viele alchemistische Thorhcitcn
Prosa: Arzneikunst. Herbarien u. a. 113
in die Schuhe geschoben hat, die er niemals geschrieben , so könnte man
doch anderseits nicht behaupten, dass er nicht irgend welchen Anlass zum
Rufe eines Nekromantcn gegeben habe, in welchem er bis heute steht. Wie
sein Zeitgenosse Lull, so hatte auch Arn au de Vilanova von den Domini-
kanern viel zu dulden, welche kurz nach seinem Tode im Jahre 13 16 seine
Schriften verdammten. Wir sind nicht in der Lage die Echtheit der Predk-
cions de mestre Arnau de Vilanova festzustellen, welche Kommentare von Mossen
Ramon Cervera ^ begleiten, die V. Salvd {Caialoguc of spanish and portiiguese
Books No. 2238) zitiert und J. Massö Torrents nach einer Hs. der Privat-
bibliothek des Königs von Spanien (1. c. p. 35) beschreibt, welche mit der
von Sa Iva erwähnten identisch sein muss.
Die Kunst der Behandlung des Pferdes ist von Mossen Manuel
Diez, dem Haushofmeister Alphons V. von Aragon, behandelt worden. Seine
Menescaüa ist sehr häufig abgeschrieben, dann schon am Ende des 15. Jhs. ge-
druckt und ins Kastilianische übersetzt worden (Villanueva Viage IV 136,
XVIII 184 und XXII 218, und Mendez-Hidalgo, Tipogr. esp. p. 72 u. 334).
Villanueva schreibt diesem selben Diez eine medicinische Abhandlung zu,
von welcher er glaubt, dass die Menescalia nur ein abgelöstes Kapitel sei ; diese
Abhandlung, in einer Hs. der Bibliothek von Santo Domingo von Barcelona,
trägt den Titel : Los libres de madesimes fetes de diserses reseptes que c tretes
del Tresor de heutat (s. Viage^ XVIII 184). Ein anderer Traktat über die
Behandlung des Pferdes führt sich in zwei Pariser Hss. (Esp. No. 215 und 297)
ein als »tresladai d'un libre quel rey don Alfonso de Castella niana fer en
feyt dells cavals e de lurs faysons«. Ein Bibliophile in Gerona besitzt eine
Abhandlung über Pferdezucht von Mossen Bernat de Casses, Bürger von
(ierona, welche für Don Fernando, König von Aragonien und Kastilien 1496
geschrieben wurde (R. Beer, Handschriftenschätze Spaniens, No. 165).
31. Die Arbeiten über Heilmittellehre und die Herbarien sind durch
eine Übersetzung des Macer vertreten, von welcher Villanueva eine Hs.
in einer Valenzianer Bibliothek {Viage IV 140) nachgewiesen hat. Eine andere
Hs. befindet sich in der Pariser Nationalbibliothek (Esp. 2 1 o). Dieselbe Bib-
liothek besitzt eine Kompilation de re rustica, die z. T. original, z. T. aus
alten Schriftstellern wie Palladius entnommen ist (Esp. No. 291). Es lässt
sich auch ein »Ländliches Haus« von Fr. Miguel Agusti, Kaplan vom
Orden des h. Johannes von Jerusalem und Prior des Tempels zu Perpignan, der
am Ende des 16. Jhs. geboren wurde, anführen. Diese zum ersten Mal in Barce-
lona 1 6 1 7 , unter dem Titel Llibre dels secrets de agricultara, casa rüstica y
pastoril erschienene Schrift ist ins Kastilianische übersetzt und sehr oft gedruckt
worden. Man nennt sie im Katalanischen gewöhnlich Agricultura del Prior.
Villanueva spricht von zwei Kochbüchern in katalanischer Sprache.
{Viage \S! \aeT- und XVIII 185). Im zweiten, das er ohne ernsten Grund dem
Manuel Diez, dem Haushofmeister Alfonsos V., zuschreibt, wird behauptet,
der Autor habe es nach den Anweisungen eines Koches des Königs von Eng-
land, 1324, geschrieben. Dieses Datum, welches für Diez nicht passend wäre,
möchte Villanueva in 1424 korrigieren. Wie dem auch sein mag, nach dem
nach einer andern Hs. von D. Enrique Serrano in der Revista de Valincia,
II 172, herausgegebenen Inhaltsverzeichnis, gehört das Buch in das 14. oder
15. Jh., und hat in einigen Punkten Ähnlichkeiten mit dem Minagier de
Paris und dem Viandier von Taillevent aufzuweisen.
* Von diesem Ramon Cervera oder Servera (■[- 1 389), welcher „molts e diverses
libres de diverses arts'' hatte, handelt ein Brief Johannes I., vom Jahre 1389 (Revista hislörica,
Januar 1876).
Gröbbr, Grundriss. IIb. 8
114 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LiTT.
32. Die ritterlichen Wissenschaften und Künste, welche so lang
am aragoneser Hofe in Ehre standen, mussten, wie auch in Kastilien, von
französischen Mustern ausgehen. Von den Meistern jenseits der Pyrenäen ward
Honor6 Bon et bevorzugt. Die katalanische Übersetzung des Arbrc des
batailles befindet sich in der Pariser Nationalbibliothek in einer vom Jahre
1429 datierten Hs. (Esp. No. 103) und Villanueva giebt eine längere Be-
schreibung einer andern Hs. der Barfüsser von Barcelona, welche ungefähr
aus derselben Zeit stammen muss ( Viage XVIII 2 34).
Über die Turnierkunst besitzt man eine kleine von Messen Pons de
Menaguerra, auf Bitten der y>covallers de l'esinmeni miliiar« von Valenzia
redigierte Schrift, welche in dieser Stadt, 1532 unter dem Titel La Cavaller
erschien.
Interessante Fehdebriefe von D. Pedro Maza de Lizana und Juan
Francisco Proxita, welche ein Urteil über die ritterlichen Sitten in Valenzia
am Ende des 15. Jhs. gestatten, sind in der Revista de Valencia Bd. II
p. I u. ff. herausgegeben. Andere Fehdebriefe derselben Zeit finden sich in
der Coleccion de doc. inid. del archivo de Aragon VII 57.
33. Geschichte. — Wir haben zunächst verschiedene Übersetzungen
von Schriftstellern aus dem Altertum und dem Mittelalter zu besprechen.
Livius. — Durch die Vermittlung der französischen Übersetzung von
Pierre Bersuire wurde Livius im Mittelalter auf der pyrenäischen Halbinsel
bekannt. Der Kanzler von Kastilien und berühmte Chronist Pedro Lopez
de Ayala hat ihn ins Kastilianische übersetzt (Antonio-Bayer, Bibl. hisp.
veUis, W 194) und ein katalanischer Anonymus vom Ende des 14. Jhs. oder
aus dem folgenden Jh. hat ihn seinerseits in seine Sprache übertragen. Diese
katalanische Übersetzung von Bersuire ist im British Museum in der Hs. Harley
4893 von P. Meyer aufgefunden worden. Er hat auf sie aufmerksam gemacht,
und sie im Auszug veröffentlicht, und zwar so, dass der katalanische Text der
Widmung des Werkes an König Johann I. von Frankreich dem französischen
Texte gegenüber gedruckt wurde (Archives des missions, 2*" serie, t. III 278
u. 327).
Valerius Maximus. — Der Verfasser der Memorabilien fand einen
Übersetzer in dem Dominikaner Antoni Canals, welcher Professor der Theo-
logie in Valenzia von 1390 — 1398 war und 1419 starb. In seiner Widmung
an Jacme von Aragon, Kardinal von St. Sabina und Bischof von Valenzia (von
1369 — 1396), spricht Canals von katalanischen Übersetzungen die der seinigen
vorangegangen waren: -»Ferque jo, a viananicnt de Vostra Senyoria^ el tret
de lati en nostra vulgada lengua materna valmciana axi breu com he poscut,
jassessia que altres l'agen tret en lengun catalana« (Pariser Nat. Bibl. Ms.
Esp. No. 10). Diese früheren Übersetzungen sind nicht bekannt. Das Stadt-
archiv Barcelonas besitzt zwei Exemplare des Werkes von Canals, von denen
das eine ein Widmungsschreiben des Kardinals von Aragon an die Räte Barce-
lona's (aus Valenzia, vom i. Sept. 1395 datiert) und eine Antwort derselben
enthält {Revista de archivos, bibliotecas y museos, IV 370). Die anderen Hss.
sind die des Markgrafen von Dos Aguas, die Fuster zitiert [Bibl. valenciana
I 19), die der Madrider Nationalbibliothek, die der Pariser Nationalbibliothek
(Esp. No. 10) und zwei im Escorial (Ebert, Jahrbuch V^ 56); die meisten
enthalten auch die Briefe des Kardinals und der Räte von Barcelona. Auf
diese valenzianer Übersetzung des Valerius Maximus hielt man in Spanien
so viel, dass der König Johann I. von Kastilien sie Canals selbst in die
kastilianische Sprache übertragen Hess ; diese neue Übersetzung wurde sehr
ofl abgeschrieben (Antonio-Bayer, Bibl. hisp. vetus, II 178, 189 und 237;
Revista de archivos und Jahrbuch, 1. c).
Prosa: Ritterliche Kunst. Geschichte. 115
Justin US. — Über die Übersetzung dieses Schriftstellers ins Katalanische
haben wir keine andere Nachricht als diejenige, welche uns folgende Angabe
im ßücherinventar Martins I. (No. 251) liefert: y>Jicstino en roman(, scrit
en paper. Comenfa: qtie en lo comensavient del mon, et faneix: e retorna Spanya
en forma de provincia«.
Q. Curtius. — Am Ende des 15. Jhs. übersetzt, nicht aus dem Latei-
nischen, sondern nach der italienischen Übersetzung des Pietro Candido,
durch Luis de Fenollet, welcher, um seine Übersetzung zu vervollständigen,
ihr ein Stück aus Plutarch vorangehen Hess »fins en aqiiella pari on lo Quinio
Cnrcio Ruffi comen(a<(. (Gallardo, Ensayo, No. 2172, und P. Salvä, Catä-
logo No. 3441).
Joseph US. — Der lateinische Text der Jüdischen Altertümer wurde ins
Katalanische durch Fr. Pere Lopis, Professor der Theologie, übersetzt unter
Beistand des Nandreu Mir, Notars von Barcelona, und Joan (^acoma, Buchhänd-
lers in derselben Stadt, und in Barcelona, im Jahre 148 1 gedruckt (Villa-
nueva, Viage XVIII 275; Torres Amat, Memorias, p. 684; Mendez-
Hidalgo, Tipogr. esp. p. 49).
Vincenz von Beauvais. — Das Speatlum historiale (s. II i, 249)
wurde im 14. Jh. durch den Dominikaner Jacme Domenech, unter dem
Titel Resutnen historiale frei übersetzt. Die Dominikaner Valenzias besassen
eine Hs. dieser Übersetzung, welche die zwei ersten Bücher enthielt; sie
reichte bis zur Geburt Christi (Villanueva, Viage ^ IV 141). Das dritte
Buch, welches die Erzählung bis zum Jahre 626 fortfuhrt, ist von Villanueva
in einer Hs. der Barfüsser Barcelona's nachgewiesen worden {Viage XVIII
223). Eine Abschrift vom Jahre 1742 in der Pariser Nationalbibliothek (Esp.
Nö. 186) enthält nur das zweite Buch.
Guido delle Colonne. Seine trojanische Chronik wurde 1367
durch JacmeConesa, Protonotar des Königs Peters IV. von Aragon (Antonio-
Bayer, II 369, und Amador de Los Rios, Hist. crit. de la lit. esp. IV 349)
ins Katalanische übersetzt. Amador hat die ersten Sätze dieser Übersetzung
nach einer Hs. der Bibliothek von Osuna abgedruckt (cf. J. M. Roca-
mova, Catdlogo abreviado de los manuscritos de la bibl. del duque de Osuna
No. 90). Andere Hss. sind von Rubiö y Lluch, El Renacimiento p. 23 an-
gefiihrt. 1
Rodrigo Eximcniz oder Rodrigo von Toledo (II i, 317). —
Eine katalanische Übersetzung der Historia gothica wird einem Pere Ribera
de Perpeja zugeschrieben. Das Explicit dieser Übersetzung, wie es von
N. Antonio wiedergegeben wird (nach einer ihm mitgeteilten Notiz von Juan
Francisco Andrea Ustarroz, dem Historiographen Aragons) und aus
welchem hervorgehen würde, dass sie 1266 verfasst wurde, enthält verschiedene
Irrtümer, die sie verdächtig erscheinen lassen (Antonio- Bayer, II 58).
Alfons X., der Gelehrte, — Die Bibliothek des gelehrten Juristen
Antonio Agustin enthielt eine katalanische Hs., welche betitelt war -»Libre
historial compilat de diversos autors per lo rey D. Alfonso, dit lo Sabi, dels
actes e fets en Espanya desde Noe, fins a son temps«, d. h. ganz oder z. T.
eine Übersetzung der Crönica general de Espana (Torres Amat Memorias
P- 703)-
Martin von Troppau. — Eine Übersetzung der Chronik des Bruders
Martin von Polen (s. II 2, 305), befindet sich im Escorial (Ebert, Jahr-
buch IV 57).
' Das Liire de les Ystories Troyanes historiat, welches der König Johann I. am 4. Mai
1389 von einem seiner Unterthanen für die Königin Violante verlangt, ist wahrscheinlich
die Ühersetzung des Conesa (Revista historica von Barcelona. Januar 1876).
I 1 6 LlTTERATURGESCHICHTE DRR ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LiTT.
Leonardo Bruni von Arezzo. — y>Fi de la primera guerra punica, aca-
bada de traduir en vulgär catald . . . a XV de jimy de l'any MCCCC setania
dos« ist das explicit einer Hs. der ßarfiisser, welche von Villanueva be-
schrieben ist (Viage XVIII 239). Der Verfasser der Übersetzung nennt sich
Francesch Alegre und sein Werk ist gewidmet -»al magnifich c avaler e maior
germa Massen Anthoni de Vilatorta«.
Unter dem Titel -»La istoria de Jacob Xalahin, fill del altnorat senyor
de la Turquia, ort se conte quines aventiires si vengueren en la sua 7>ida, ne con
ne en quäl manera find sos dies per mans de Bcsseyt Bey son frare bastart,
qul axi mateix aucis son pare« befindet sich in einer kürzlich von der Pariser
Nationalbibliothek (Esp. No. 475) erworbenen Hs. ein Bericht der Geschichte
Jacoubs, des Sohnes Amurath^s I. und Bruders Bajazet's L, welcher gegen
1389 ermordet wurde. Dieser Text, dessen Ursprung wir nicht kennen, wird
eine Übersetzung sein.
34. Allgemeine Oeschichte Spaniens und besonders des Hauses
Aragon. — Die Geschichtsschreibung in der Vulgärsprache ist eine der am
wenigsten bekannten Teile der katalanischen Litteratur, und es existiert keine
wissenschaftliche Arbeit über die alten Annalisten der verschiedenen Provinzen
der Krone Aragons. Man tappt hier völlig im Dunkeln und niuss sich damit
begnügen, die Manuskripte und Druckschriften anzuführen, welche Universal-
chroniken, Chroniken Spaniens und fortlaufende Geschichten der Grafen von
Barcelona und König von Aragon enthalten.
Der Flos mundi ist eine am Anfang des 15. Jhs. zusammengestellte welt-
geschichtliche Kompilation. Die einzige bekannte Hs. dieses Textes, welche
sich in der Pariser Nationalbibliothek befindet (Esp. No. 11), ist unvollständig;
die Erzählung schliesst mit dem Ende des 13. Jh.
Eine andere sehr kurze Universalchronik, von ungenanntem Verfasser,
wie der Flos^ befindet sich ebenfalls in den Fonds esp. der Pariser National-
bibliothek, unter No. 13. Hier erstreckt sich die Erzählung bis auf Alfons V.
von Aragon.
Das Sumari tP Espanya, ordenat per En Berengucr de Puigpardines, ist
eine mittelmässige Kompilation über allgemeine spanische und aragonesische
Geschichte bis auf Alfons V. von Aragon, deren Redaktion bis zum Ende
des 15. oder Anfang des 16. Jhs. zu reichen scheint. Ein Inlialtsverzeichnis
und Auszüge aus dieser Chronik nach zwei Hss. des Escorials sind in einer
sehr verworrenen, in der Rcvista de cüncias histdricas von Barcelona II, 336
u. ff. veröffentlichten Arbeit abgedruckt. Andere Auszüge sind in den Memo-
rias de la R. Academia de la Historia III 543 und 556 ff. zu finden.
Verschiedene allgemeine Chroniken der Könige von Aragon, Grafen von
Barcelona, sind von Torres Amat, Memorias s. v. Crönica (es ist zu be-
merken, dass die erste, welche er unter dieser Rubrik citiert, ein Desclot ist)
und von J. Mas so Torrens /. c, p. 14 u. ff. angeführt worden.
Von dem Chronicon pinnatense oder Cronlca de San Juan de la Pena
(ein Kloster Aragons) existiert eine katalanische Hs., welche einige Autoren
für das Original des lateinischen Textes und der aragonesischen Version halten,
welche in Saragossa 1876 im ersten Bande der Biblioteca de escritores ara-
goneses sehr schlecht herausgegeben worden sind. Um die Streitfrage zu
erledigen, müsste man diesen katalanischen Text untersuchen, von welchem es
ein Exemplar in der Madrider Nationalbibliothek, ein anderes in Valenzia
(A. Pages Romania^ XVIII 247) gibt, und von welchem A. de Bofarull den
Anfang des ersten Kapitels nach einer dritten Hs. von Barcelona {Estudios,
sistema gramatkal etc. Barcelona 1864 p. 161) mitgeteilt hat.
Prosa: Geschichte. Übersetzungswerke. Span. Geschichte. 117
Der Libre dels feyts Darmes de Cathalunya von Messen Bernat Boades,
welcher 1420 redigiert worden ist, führt die Erzählung bis zur Thronbesteigung
Alphons V. Der Verfasser starb den 9. März 1444 (Torres Amat, Me-
tnorias s. v. Boades) und sein Werk, welches ein wirkliches litterarisches Ver-
dienst hat, ist von Agni 16 in seiner Bibäoteca catalana veröffentlicht worden.
Ein Gelehrter vom Ende des 17. Jhs., Gaspar Roigyjalpi, hatte eine
Abschrift davon mit Anmerkungen versehen, welche dann in die Bibliothek
Campomanes überging (Gallardo, Ensayo de una bibl. csp. II, col. 96).
Die volkstümlichste und auch sagenhafteste allgemeine Geschichte des
Hauses Aragon ist diejenige von Messen Pere Tomich. Die erste Redaktion
dieser Chronik, welche der Autor betitelte »peiit memorial de algunes histories
c fets antichs€ wurde in der Stadt Baga, am 10. Nov. 1448 vollendet und
dem Dalman de Mur, Erzbischof von Saragossa (1431 — 1456) gewidmet;
sie enthält in 47 Kapiteln die Geschichte der Könige von Aragon bis auf
Alphons V. Diese erste Redaktion ist uns in verschiedenen Hss. erhalten,
welche Torres Amat zitiert [Memorias s. v. Tomich), in einer des Escorials,
welche 1493 abgeschrieben wurde (Jahrbuch IV 55) und in zwei Hss. der
Bibliothek Maria's von Aragon (No. 18 und 19). Später wurde die Chronik
von Tom ich verschiedentlich umgearbeitet. Diese Umarbeitungen findet man
in den drei Ausgaben von 1495, 1519 und 1533, und man fügte ihr ver-
schiedene Kapitel hinzu, um die Erzählung bis zum Ende der Regierung
Ferdinands II. zu führen (Mendez-Hidalgo, Tipogr. csp. p. 330)^ Sie
ist jetzt unter dem Titel der Historias e conqucstas dels comtes de. Barcelona
V reis d'Aragö bekannt und in Barcelona t886 wieder abgedruckt worden.
Eine sehr kurze, 1476 redigierte Übersicht der aragonesisch-katalanischen
Geschichte, verdankt man dem Gabriel Turell. Torres Amat hat
Auszüge daraus geliefert {Memorias s. v. Turell). Eine Hs. dieser Über-
sicht, aus dem Jahre 15 18, befindet sich in der Pariser Nationalbibliothek
(Esp. No. 123; cf auch den Catälogo von Jose Salat, p. 13). Die Ver-
c)ffentlichung der Chronik oder Recort dos Gabriel Turell ist eben von der
Revue L" Avenf begonnen worden (cf die Nummer vom 15. Febr. 1893). Nach
einer Hs. des Markgrafen von Mondejar zitiert N. Antonio ein Libre de les
nobleses dels reys, so es dels nobles fets e valentics e cavalleries que feren en fets
ifarmes von einem Jo. Franccsch aus Barcelona (Antonio - Bayer II 242).
Dieses Buch reicht bis zur Thronbesteigung Alfons IV. von Aragon. Es ist
zweifelhaft ob es von demselben Autor ist wie die Barceloner Annalen vom
Jahre xi86 bis 1480, welche, wie sie selbst angeben, von dem Sohne eines
En Joan Francesch Boscä kompiliert sein sollen, und welche Bayer in
einer Hs. der Madrider Nationalbibliothek eingesehen hat (Antonio-Bayer,
II, 242).
Die vom königlichen Archivar Miquel Carbonell (f 1517) ver-
fassten und 1547 gedruckten Chroniques de Espanya übertreffen, was den
kritischen Wert betrifft, kaum die vorhergehenden Werke. Das grosse Ver-
dienst, welches sie haben, ist, dass Carbonell darin vollständig die königl.
Chronik Peters IV. eingefügt hat, welche man bisher nur dank dieser Trans-
cription des treuen Archivars kennt. Carbonell hat nicht bloss dieses Buch
geschrieben ; er hat sich in mehreren Gattungen versucht, selbst in der Poesie.
Seine op er a minor a sind von D. Manuel de Bofarull in den Bänden XXVII
und XXVIII der Coleccion de doc. inid. del archk>o de Aragon gesammelt worden.
' Antonio A g u s t i 11 hesass eine Epitome de la cronica von T o m i c h mit einer
Fortsetzung von Martin de Il)arra. 1534 (Latassa, Bibl. de escrit. aragoneses Saragossa.
1885 I, 330).
Il8 LiTTERATURGESCHICHTE DER RONf ANISCHEN VÖLKER. — 3. KaT. LiTT.
Nur pro memoria ist das Vorhandensein zweier Werke von sehr geringer
Wichtigkeit zu erwähnen. Das eine ist eine Kompilation , welche heimlich
im Jahre 1583, nach den Protokollbüchern des Stadtrates von Barcelona durch
einen Notariatsgchülfen Namens Perejoan Com es angefertigt wurde : der Libre
de algtmes cos es asanyaladcs succehides en Barcelona y altres parts (1410 — 1582),
von D. Josd Puiggari (Barcelona 1878) herausgegeben. Das andere ist die
Cronica de cavallers catalans von Francesch Tarafa, Kanonikus und Archivar
der Kathedrale von Barcelona im 16. Jh.; es ist eine kurze Übersicht der
Geschichte der Grafen von Barcelona und der Herren der spanischen Mark
und gleichzeitig eine Abhandlung über Genealogie und Heraldik. Alle Hss.
die man von diesem Werke besitzt, rühren von einer Abschrift her, welche
Jaume Ramon Vila am Anfange des 17. Jh. nach dem Originalkoncept her-
stellte (Torres Amat, Memorias, s. v. Tarafa; P. Serra y Postius, Pro-
digios y finezas de los santos angelcs, Barcelona 1726, f. 431, und Catalogue
des mss. de la bibl. Nationale de Paris p. 148).
Die Zeit, in welcher die katalanischen Historiker es nicht mehr wagen
konnten, ihre eigene Sprache zu gebrauchen, sollte herankommen. Der Valen-
ziancr Anton Beuter schreibt noch, 1538, eine Primera pari de la historia de
Valencia que tracta de les antiquitats de Spanya\ aber einige Jahre später
übersetzt er seni Buch ins Kastilianische und setzt es in derselben Sprache
fort. Der Katalane Jeronim Pujades thut desgleichen. Seine Cronica uni-
versal del principat de Catalunya, von welcher der erste Teil in katalanischer
Sprache in Barcelona, 1609, erschien, blieb unvollendet; dann schreibt sie
der Verfasser in kastilianische Sprache um und setzt sie in dieser Sprache
fort. Die Originalhs. dieser kastilianischcn Redaktion, welche erst am Beginn
dieses Jahrhunderts veröffentlicht worden ist (Torres Amat s. v. Pujades),
ist in der Pariser Nationalbibliothek (Esp. No. 14 — 29 und 1 17 — i 20) nebst
einer Sammlung von historischen Dokumenten, die Pujades gesammelt hat,
welche aber für uns mehr wert sind als das Werk selbst. Diese FloscuH ge-
nannte Sammlung befindet sich in der Collection Baluze.
35. Chroniken einer oder mehrerer Regierungen, Berichte über be-
sondere Ereignisse. — Auf diesem Gebiete werden wir die vier Perlen
der katalanischen Litteratur des Mittelalters antreffen. Vor allem die Chronik
der Regierung Jacobs I. von Aragon, welche in der ältesten Hs. Libre dels
feyts esdevenguts en la vida del molt alt senyor rey En Jacnic lo Conqueridor
betitelt ist. Die Echtheit dieser Chronik ist zu verschiedenen Malen erörtert
und die Frage ist nicht endgültig entschieden worden. Was man gegenwärtig
sagen kann, läuft auf folgendes hinaus. Vor dem Jahre 13 14 existierte im
Archiv des Hauses Aragon die in der Vulgärsprache abgefasste Erzählung
der Thaten des Königs Jacob I., in welcher der König in erster Person
sprechend eingeführt wurde. Diese zwei Punkte sind sicher gestellt. Der
erste stützt sich auf das Vorwort einer lat. Chronik Jacobs I., die vom Domini-
kaner Pedro Marsilio verfasst ist, und von welcher ein Exemplar auf Per-
gament dem König Jacob am Dreieinigkeitstage 1314 dargebracht wurde.'
Die Stelle lautet, wie folgt: » Tandem 7)alde rationi consonuvi in octilis illustrissimi
domini Jacobi, regis Aragonum, Valentie, Sardinie . . . appariiit, ut victorio-
sissimi avi sui gesta pristinis teniporibus veraci stilo sed vulgari colkcta ac in
archivis domus regle ad perpetuam sue felicitatis memoriam rcposita reducerentur
in medium atque latino sermone diserta . . . nmcni ystorialem et cronicum red-
derent codicem, in quo dicti regis avi sui tnagnorum factorum texeretur series«
' Die Übersetzung des Marsilio sellist gellt dieseui Datum, vielleiclit um mcliiere
Jahre, voran. Die Bibliothek Martins 1. enthielt zwei Excnipi.ire einer Vida del saiil rey
Jacme en lali, die nur das Werk Maisilio'.s sein kann.
Prosa : Chroniken. Geschichtl. Berichte. 119
(Villanueva, Viage XVIII 314). Der zweite Punkt erhellt aus gewissen
Korrekturen der Originalhs.^ Marsilio's, welche noch heutzutage in der
Barceloncr Universitätsbibliothek sich befindet. Marsilio, der sich ent-
schlosssn hatte , den König in der dritten Person sprechen zu lassen , hat
aus Unachtsamkeit manchmal die erste statt der dritten Person gesetzt, dann
seinen Irrtum korrigiert, ein Beweis, dass er wohl unter den Augen einen
Text in der Volkssprache hatte, in dem die direkte Rede fortwährend an-
gewandt war.- Eine andere Frage ist nun folgende: Ist der Vulgärtext
der Chronik, welche gegen 13 14 im königlichen Archiv existierte, derselbe,
den wir unter dem Titel des Libre dels feyts besitzen und dessen älteste
heutzutage bekannte Hs. diejenige ist, welche 1343 der Abt von Pöblet,
En Pons de Copons herstellen Hess? Um diese Frage zu lösen, müsste
man den Libre ^ welcher in der Barceloner Universitätsbibliothek sich be-
findet und von welchem Aguilö eine treue Wiedergabe in seiner Biblioteca
catalana bietet, mit der vollständigen lateinischen Chronik vergleichen, von
welcher nur das Inhaltsverzeichnis herausgegeben ist (Villanueva, ViageY^Wl
313 u.fT.) Welches übrigens auch das Resultat dieser Gegenüberstellung sein mag,
man muss jedenfalls auf die Hoffnung verzichten, einen Vulgärtext aufzufinden,
welcher der Abschrift des Pöblet zeitlich voranginge. Man hat wohl von
einem Originaltext dieser Abschrift gesprochen : früher beschuldigten die Kata-
lanen den Erzbischof Mar ca dieselbe nach Frankreich mitgenommen zu haben;
jetzt erkennen sie, dass er nicht auf diese Weise hat auswandern können
(A. Balaguer, Un document midit relatif ä la chronique catalane du rot
Jacme I. ; Montpellier 1877, p. 5). Aber man weiss nichts bestimmtes über
diesen Originaltext, und alle Anspielungen auf irgend einen Text der Chronik
Jacobs I., die man in der alten katalanischen Litteratur seit Muntaner hat
auffinden können stammen aus späterer Zeit als 13 14 und können sich be-
ziehen, sei es auf den lateinischen Text Marsilio's, sei es auf den vulgären
dem Libre dels feyts entsprechenden Text. Noch eine andere Frage ist es, ob
der König Jacob selbst seine Kommentare in der Form geschrieben oder diktiert
hat, welche uns die Hs. von Pöblet darbietet. Abgesehen davon, dass die
Tradition, welche den Libre zu einer Autobiographie macht, nicht sehr alt
ist, scheint es unwahrscheinlich, dass ein Herrscher wie Jacme sich die Auf-
gabe auferlegt hätte, sein Leben zu schreiben, und selbst wenn diese Chronik
weniger Irrtümer enthielte als sie in der That enthält, so würde daraus doch
nicht folgen, dass sie eher das Werk eines Königs als einer Person aus seiner
Umgebung sei. Übrigens ist der Libre^ aus welcher Feder er auch stamme,
eines der kostbarsten historischen und litterarischen Denkmäler ; es wäre an
der Zeit eine definitive und in gebührender Weise vermittels der diplomatischen
Dokumente der Archive Aragons kontrolierte Ausgabe desselben herzustellen.
Ausser der Hs. von Pöblet gibt es noch verschiedene andere, welche, sei
es in der Rivista de filologia romanza (1. c), sei es in dem Werkchen Bala-
guer's aufgezählt worden sind. Die Ausgabe Aguilö' s gibt genau die Hs.
von 1343 wieder, welche man mit derjenigen vergleichen kann, die im 16. Jh.,
z. T. im Jahre 151 5 und vollständig im Jahre 1557, nach einer anderen im
Archive Valenzia's aufbewahrten Hs. und in einer etwas verjüngten Sprache
herausgegeben wurde (P. Salvä, Catälogo No. 2984).
Chronik von Bernat Desclot. — Alles, was man von Desclot
weiss, und man weiss es nur durch Vermittelung seiner Chronik, ist, dass er
Peter III. von Aragon auf dem Feldzuge begleitete , auf dem dieser König
' Originalhs., was auch Villanueva sagen uiag (Viage XVIII 248).
^ Einige dieser Korrekturen der Hs. Marsilios sind nachgewiesen worden in der
Rivista di filologia romanza. I 125; cf. Zs. f. roin. Philologie III, 31.
I20 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LiTT.
an der Nordgrenze Kataloniens sich dem Einfalle Philipps des Kühnen wider-
setzte; er bekleidete vielleicht irgend ein Amt in dem königlichen Hause.
Seine Chronik bezieht sich auf die Regierungen Jacobs I. und Petc^rs III.,
aber Nachrichten aus erster Hand hat er nur über diesen letzteren. Der
Text Desclot's ist zunächst nur durch die kastilianische Übersetzung bekannt
geworden, welche in Barcelona 1616 erschien und durch den Historiker
Rafael Cervcra hergestellt worden ist. Buchon hat zuerst den katalanischen
Text nach der Hs. der Pariser Nationialbibliothek (Esp. No. 328), in seinen
Chroniques itrangeres relatives aux expiditions franfaises pendant le XIII'' siccle,
Paris 1840, p. 565 u. ff. herausgegeben. Es erübrigt noch, mit Hülfe der in
Spanien in den bischöfllichen und Universitätsbibliotheken Barcelona's in der
Madrider Nationalbibliothek und im Escorial aufbewahrten Hss. eine kritische
Ausgabe herzustellen.
Chronik von Ramon Muntaner. - Durch ihren Verfasser im Jahre
1325 oder 1335 begonnen, erzählt sie die Thaten Peters III., Alfonso's II.
und Jacobs IL, und hört mit der Krönung Alfonso's III. im Jahre 1327 auf.
Der interessanteste Teil bezieht sich auf den katalanischen Zug auf Morea
unter der Leitung Roger 's von Flor und auf die Errichtung der grossen kata-
lanischen Gesellschaft in Griechenland: hier erzählt Muntaner, was er ge-
sehen, und die Ereignisse, an denen er Teil genommen hat. Von allen kata-
lanischen Chroniken ist diejenige Muntaner's die persönlichste, diejenige,
welche am deutlichsten das Gepräge des Geistes des Schriftstellers trägt. Diese
bewunderungswürdige Erzählung, welche man zu gleicher Zeit als Kunstwerk
wie als historische (Quelle vom grössten Werte für die aragoncsische Ge-
schichte des ersten Viertels des 14. Jhs. bezeichnen kann, würde es verdienen
in anderen Ausgaben zugänglich gemacht zu sein, als in den elenden Drucken,
welche davon im Jahre 1558 und 1562 erschienen sind (wieder abgedruckt
in unserer Zeit durch Lanz, 1844, und A. de Bofarull 1860).
Chronik Peters IV. von Aragon. — Bis in die letzten Jahre hinein,
nahm man an, dass der König Peter IV., welcher von 1335 — 1387 regierte,
s(;lbst unter der Form einer Chronik die bedeutendsten Ereignisse seiner Regie-
rung erzählt hätte, aber verschiedene, im Archiv von Aragon aufgefundene Doku-
mente haben die Zweifel, die schon Zurita ausgesprochen hatte, bestätigt,
und dem Bernat Descoll, dem Ratgeber und Rentmeister Johannes L, das
Verdienst wiedergegeben, diese Chronik bis zum Jahre 1380 auf Befehl und
unter der Leitung Peters IV. redigiert zu haben. Alle Nachrichten, die man
über die Arbeit D esc oll' s zu haben wünschen kann, die Hss. un*d die Aus-
gaben der bisher dem König Peter zugeschriebenen Chronik sind in einer
Schrift von A. Pages verzeichnet, welche den Titel führt, Recherches sur la
chronique catalane attrihuie ä Pierre IV. d' Aragon und in Agx Roniania XVIII,
233 u. ff. verzeichnet ist.
Chronik Jacobs, des Grafen von Urgel. — Eine beredte und
rührende Erzählung der letzten Lebensjahre des Grafen von Urgel, Bewerbers
um die Krone Aragons, nach dem Tode Martins I. (1410), welche der Feder
eines leidenschaftlichen Anhängers dieses unglücklichen Fürsten entstammt,
ist diese Chronik, welche ihr letzter Herausgeber La fi de/ comte cf Urgell,
cronica del segle XP\ genannt hat. Das Original war schon im 17. Jh. ver-
schwunden, und es war ein gelehrter Geistlicher Jaume Ramon Vila, welcher
mit Hülfe von zwei unvollständigen Hss. (die wahrscheinlich zerrissen und
absichtlich durch Korrekturen entstellt waren) im Jahre 1624 eine sorgfaltige
Abschrift herstellte, aus welcher die drei andern, die man heute besitzt, her-
rühren: diejenige des Archivars Diego de Monfar, welche allein einen
sehr interessanten Prolog des Jaume Ramon Vila (jetzt in der Acodemia
Prosa: Chroniken. Schöne Liiteratur.
de la Historia) enthält, diejenige der Arsenalbibliothek in Paris, und eine
dritte, welche in diesen letzten Jahren zu Barcelona gefunden wurde, und
welche die in der Biblioteca de la Reinsta catalaria erschienene Ausgabe
ermöglichte.
Zwei Schriften über Lokalgeschichte: Die erste, welche zum
Verfasser Mossen Cristöfol Dcspuig hat und 1557 geschrieben worden ist,
trägt den Titel -»Los colloqiiis de la insigne ciutat de Tortosa«. Es sind dies
gelehrte Gespräche über die Altertümer dieser Stadt, über verschiedene Punkte
der aragonesischcn Geschichte; gelegentlich werden auch sprachliche Fragen
erörtert, wie dessen schon in dem ersten Teile dieses Grundrisses Erwähnung
geschehen ist. Die provisorische Ausgabe der Colloquis ^ welche F. Fita
1877 in Barcelona herstellte, könnte hie und da verbessert werden durch eine
Kollation von Fragmenten dieses Textes, die in den Papieren von Pujades
vorhanden sind (Pariser Nationalbibliothek, Collection Baluze No. 2 39,fol. 175).
Von der andern Schrift -»Relacid sumaria de la antigua fundaciö y cristianismc
de la ciutat de Barcelona vom Oberschreiber dieser Stadt Esteve Gilabert
Bruniquer (Beginn des 17. Jhs,) kann man sagen, dass sie ziemlich schlecht
ihrem Titel entspricht, denn sie bezieht sich fast ausschliesslich auf die Ein-
richtung und das Ceremoniell des Consell von Barcelona. Dieses Schriftchen
ist in Barcelona 1885 hinter einem Wiederabdruck der Chronik Peters IV.
veröffentlicht worden.
36. Litteratur. Die Werke, welche nur litterarischen Inhaltes sind
und die man nicht leicht der einen oder andern der vorigen Paragraphen über-
weisen kann, sind nicht sehr zahlreich. Im Mittelalter ziehen die nur der
Phantasie ihre Entstehung verdankenden Werke gewöhnlich die versificierte
Form der Prosa vor; in den katalanischen Ländern nehmen sie hauptsächlich
die Form der noves rimadcs an. So sind denn, abgesehen von einigen seltenen
Ausnahmen, die nicht gereimten Schriften weder sehr originell noch sehr
wichtig. Wie anderswo beginnen wir auch hier mit Übersetzungen und An-
passungen fremder Werke.
Ovid. — Eine Übersetzung der Metamorphosen von Francesch Alegre,
unter dem Titel Lo llihre de les transformacions del poeta Ovidi, welche vom
Verfasser der Johanna von Aragon, Tochter Ferdinands des Katholischen, d. h.
Johanna der Wahnsinnigen, gewidmet wurde. Diese Übersetzung wurde zu
Barcelona 1494 gedruckt (Mendcz-Hidalgo p. 53, und Torres Amat
S. V. Alegre). ^ — Heroiden : A. Rubiö y Lluch [El renacimiento p. 21)
spricht von einer anonymen Übersetzung dieser Gedichte, welche bis ins 14. Jh.
zurückzureichen scheint. Ausserdem hat Mossen Roig de Cerella von
welchem oben gesprochen worden ist, sich darin gefallen , teils die Meta-
morphosen, teils die Heroiden in einer Reihe kleinerer Stücke nachzuahmen,
von welchen Ximeno die Titel nach einer Hs. von Mayans gibt {Escrit. de
Valencia I 63) ; viele finden sich auch im Jardinet d'orats.
Seneca — Tragödien übersetzt von Mossen Anton Vilaragut. Diese
Übersetzungen sind z. T. verloren; man besitzt nur noch die Medea, den
Thyestes, die Trojanerinnen, und ein Stück aus dem Hippolyt (A. Rubiö y
Lluch El renacimiento, p. 22, wo sich die Bibliographie befindet).
Aesop. — Vom lateinischen ^^j'ö^z/.s- des 12. Jhs. oder wahrscheinlicher
vom französischen Isopet'^ rührt der erste Teil einer Sammlung von Fabeln
in kastilianischer Sprache her, welche auf die Bitte von Don Enrique, dem
' Ein Kapitel aus dieser Ül)ersetzuiig ist in Atv Jienaxensa 111 3 16 wieder abgedruckt
worden.
^ Ein „Isop en franccs' befindet .sich in <ler Bibliothek des Fürsten von Viana
(CokciioH de doc. dd arckivo de Aragon, XXVI, 140.)
122 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LiTl'.
Infanten Aragons und Siciliens, Herzog von Segorve, Grafen von Ampurias,
Herren von Vall de Uxö und Vicekönig von Katalonien hergestellt wurde.
Derselben wurde auch der Infant Fortuna genannt, weil er 1445 nach dem
Tode seines Vaters, des Infanten Don Enrique von Aragon, Sohnes Ferdinands I.
geboren wurde. Diese Sammlung, welche den Titel Ysopete historiado trägt,
ist in Saragossa 1489 und in Burgos 1496 gedruckt worden.' Es existiert
davon eine katalanische Version, welche Torres Amat {Memorias p. 700)
mit folgenden Worten zitiert: -»Faules de Isop en catald. En el prologo dice:
per contemplacid de D. Enrich infant d'Aragö«.. Dieses Zitat soll sich auf eine
Ausgabe dieser Faules von Barcelona aus dem Jahre 1683 beziehen, fP. Salvä,
Catdlogo No. 1795), welche man als korrigiert bezeichnet, und welche gewiss,
was die Sprache betrifft, verjüngt ist. Wir können nicht entscheiden, welche von
den zwei Übersetzungen, der kastilianischen oder katalanischen die ältere ist.
37. Zur Litteratur der Visionen und der Reisen in die jenseitige Welt
gehört eine Erzählung des Fegefeuers des h. Patricius, (s. II i, 277), welche
von Ramon Ros de Tarrega im Jahre 1320 verfasst oder vielleicht einfach
übersetzt worden, und von ihm der Beatrix, der Frau von Guillem von An-
glesola, Herren von Bellpuig gewidmet ist (Antonio-Bayer, Bibl. hisp. vetus
11 121, nach einer Hs. des Escorials). Ist es dieselbe Version, welche der
König Johannes I. von Aragon im Jahre 1394 der Gräfin von Foix, seiner
Tochter, schickte: y>un libret en lo quäl havetn fet trelladar (abschreiben) lo
Pnrgatori de sent Patrici'il'^ Und in welcher Beziehung stehen diese Texte
zu der provenzalischen Version, welche in den Mimoires de la sociäf. arcMo-
loi^ique du midi de la France, t. I (1834) P- 57 — 7^ herausgegeben ist?
Das Alles sind Fragen, die für einen Fernstehenden unmöglich zu lösen sind.
Wir haben ihr ferner eine Visio Tungdnli {wg\. II i, 277) an die Seite zu stellen,
von welcher zwei Abschriften uns erhalten sind, die eine in einer Hs. von
San Cugat delVallds, welche im Archivo de Aragon, Bd. XIII p. 81 u. ff.
veröffentlicht wurde, die andere in einer Münchner Hs., welche Baist in der
Zs. für rom. Philologie V, 318 u. ff. bekannt gemacht hat. Endlich kann
man, abgesehen vom Somni von Metge und von zwei Erzählungen in Versen,
die ol)en erwähnt worden sind, und die alle beide an die Visionenlitteratur
anknüpfen, nämlich Lo 7H'ntur6s pelegri und das lestament de Bernat Serradell,
noch den von D. Cayetano Vidal y Valenciano in Barcelona 1877 heraus-
gegebene Lo viatge fet al infern per Pere Polier (Beginn des 17. Jhs.) zitieren ;
dann ein einer anderen Gattung angehöriges, den erwähnten Schriften immerhin
nicht unähnliches Testament d'amor aus dem 15. Jh., welches hauptsächlich
wegen seiner litterarischen Anspielungen interessant ist (Boletin de la socie-
dad arqueoldg. luliana, September i8go).
Villanueva {Viage XVIII 241) hat in einer l)ei den Barfüssern Barce-
lonas und heute in der Universitätsbibliothek dieser Stadt (A. Rubiö, El
renacimiento p. 27) autbewahrten Hs. ein Werk gesehn, welches auch zur
Kategorie der Visionen zu rechnen wäre: y>Tractat de una disputa i demandes
fetes per un prior dels frares de la orde dels Prehicadors del C07>ent de Bolunya
ab la anima ho spirit de Guido de Corvo, ciutada de Bolunya, a XVL de setem-
bra de Pany MCCC XXXIIII« (vgl. II i, 280). Über dieses merkwürdige Werk,
dessen lateinischer Text schon i486 gedruekt wurde, kann man eine lehr-
reiche aber in ihren Schlussfolgerungen nicht entscheidende Dissertation von
Haureau (in den Notices et extraits, II 328 fit.) naclilesen. Nacli dieser Schrift
' Mit Unrecht glaubt Amador de los Rios (JJi.<t. crit.de la lit. esp. VI 37) dass
der kastiliaiüsclie Ysopete historiado Don E nri q ue, dem Altern, gewidmet worden ist; der-
selbe i^t jedoch niemals Herzog von Segorbe noch Vizekönig von Katalonien gewesen.
"^ J. Coroleu, DociimeiUs Historie hs catalans dd si^lc XIV, p. V^a.
Prosa: Visionen Reisen. Novellen u. Romane. 123
findet sich in derselben Hs. eine y>Epistola Fr. Bernardi de Riparia ad Guidonem,
episcopum Maioricariim, de visione et locutiom giuim ha/mit Fr. Johannes Gobi,
prior Alestensis, quod idcm dicit ac Bononiensis, cum Guilliermo de Corvo de/uncto^<.
38. Novellen und Romane. — Eine wohlbekannte Sage, welche das
Thema einer cantiga Alfons X. liefert und welche Schiller in seinem Gang
nach dem Eisenhammer behandelt hat, ist in die katalanische Litteratur durch
Vermittelung des Französischen übergegangen. Das Vorbild, welches der Über-
setzer gewählt hat, ist eine gereimte fromme Erzählung, unter dem Titel »Du
roi qui 7'oloit faire ardoir le filz de son seneschaU ; er hat sich so nahe an
dasselbe gehalten, dass man in seiner Prosa sogar Reime des Originals wieder
findet; diese Übersetzung ist in der Romania V, 453 u. ff. veröffentlicht
worden.
Zu dem von H. Suchier {Oeuvres de Fh. Beaumanoir, Bd. I, XXIII u. ff.j so
eingehend untersuchten Cyklus von Dichtungen des Manekine-Motifs gehört
die Historia de la filla del rey de Hungria, welche die Herausgeber des Archivo
de Aragon (XIII, 53 ff.) nach den Hss. von Ripoll und San Cugat, und an
zweiter Stelle D. BartolomeMuntaner nach einer Hs. von Palma {Invencion
del cuerpo de S. Antonio ahad etc., Palma 1873) veröffentlicht haben. Eine
andere Version, unter dem Titel : »La istoria de la filla del emperador Contasti«
befindet sich in einer Hs. der Colombina, die vor kurzem von der Pariser
Nationalbibliothek (Esp. No. 475) erworben worden ist.
Eines der unterhaltendsten Bücher der katalanischen Litteratur ist ohne
Zweifel die Disputa del ase contra /rare Enselm Turmeda sobre la natura e
nobleza dels anifnals, welche in Barcelona 1509 gedruckt wurde, die aber die
Inquisition verschwinden liess: das Buch ist in dem 1583 durch den Kardinal
Quiroga veröffentlichten Index verboten (Torres Amat, Memorias^ p. 635).
Wenn wir auch den katalanischen Text dieser Schrift nicht ffir definitiv ver-
loren halten müssen, so können wir doch dasselbe gegenwärtig nur nach einer
französischen Übersetzung beurteilen, welche 1544 in Lyon gedruckt wurde,
und von welcher das Explicit lautet: »Eine la disptitation de frere Anselme avec
les animaulx, auxquels frere Anselme monstre par vives raisons que les filz de
nostre pere Adam sont de plus grande digtiiti' et noblesse que ne sont les animaulx.
Et fut achevie . . . en la citd de Thunicz, le XV jour de septembre 141 8«.
Was dem Buche des abtrünnigen Geistlichen ein ziemlich pikantes Interesse
verleiht, das sind weniger die übrigens geistreichen Beweisführungen des Esels
zu Gunsten seiner Kameraden und des Mönches zu Gunsten der Menschen,
als vielmehr einige ziemlich freie und recht nett erzählte Geschichten über
die Sitten der katalanischen Geistlichen, — die Geschichte des Dominikaners
Juliol und der Na Tecla oder diejenige des Franziskaners Francesch Sitg^s
und der Schwester Antoinette — welche im Geschmacke derjenigen Erzäh-
lung der Cent nouvelles nouvelles gehalten sind, deren Schauplatz Hostairich in
Katalonien ist und welche, wie man weiss, La Fontaine die Cordeliers de
Catalogne eingegeben hat.
Das Buch des »Curial e Guelfnc ist ein Abenteuerroman, welcher,
wie es scheint, nicht jünger ist als die Mitte des 15. Jhs. , es enthält die
Geschichte der Liebesabenteuer des Ritters Curial und der edlen Dame
Guelfa. Das zweite von den drei Büchern, aus denen es besteht, befasst sich
mit den y>chevaleriesi< des Helden, und mau kann unter anderen die interessante
Stelle hervorheben, welche sich auf die Entlehnungen der Katalanen aus der
französischen Ritterlitteratur bezieht« : En aquest libre sc fa menciö de cavallers
errants, jatsia que es maldit errants, cas deulwm dir caminants. Erre est
vocable frances e vol dir cami, e errar vol dir caminar. Empero yo vull la manera
de iiqtuils Cathalans qui trasladaren los libres de Tristan et de Laufarot e tor'
124 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LtTT.
naren los de la lengua francesa en lengua cathalana, e Ms temps digueren
cavallers errants«.. Die einzige Hs. von Curial und Guelfa ist in der Madrider
Nationalbibliothek. Milä y Fontanals hat einige Auszüge daraus veröfifent-
licht, welclie eine vollständige Kenntnis des Buches wünschen lassen {Notes
sur trois fnanuscrits^ Paris 1876, p. 13 u. ff.).
Partenopeus von Blois. Noch nicht entschieden ist die Frage, ob die
Historia del esforfat cavaller Partinobles, co7npte de Bles, die in Katalonien so
populär ist, als ein von einem Katalanen nach einem französischen oder pro-
venzalischen Original verfasster Abenteuerroman angesehen werden darf oder
ob er den Katalanen aus Kastilien hergekommen ist. Es gibt eine kastilianische
Ausgabe dieses Romans, welche 1513 in Alcalä erschien, und die erste kata-
lanische Ausgabe (Tarragona 1588) enthält die Bemerkung: -»novament traduyda
de llengua castellana en la nostra cathalanwi. (P. de Gayangos, Libre de caba-
llerias p. LXXXI).
Die Katalanen haben auch ihren grossen irrenden Ritter, den sie dem
Amadis der Kastilianer gegenüberstellen können ; es ist dies der berühmte
Tirant lo Blanch, dessen Heldenthaten in dem Libre delvaleros e strenu cavaller
Thiint lo Blanch erzählt sind. Mossen Johanot Martorell ist der haupt-
sächliche Verfasser des Buches; er hat drei lange Teile davon geschrieben; der
vierte ist von Mossen Johan de Galba. Der Don Fernando von Portugal
gewidmete Roman behauptet von sich, er sei, 1460, aus dem Englischen ins
Portugiesische, dann aus dem Portugiesischen ins Valenzianische übersetzt worden,
was natürlich kein Mensch zu glauben verpflichtet ist, umsomehr als die meisten
Verfasser von caballerias, um ihren Erfindungen mehr Ansehen zu verschaffen,
sie gern als aus sehr alten Büchern entnommen und in Sprachen, die dem
niederen Volke unzugänglich sind, geschrieben, einführen. Der Tirant hat zu
gleicher Zeit Eigentümlichkeiten des Abenteuerromans und eines Spiegels des
Rittertums aufzuweisen ; aber die beiden Gattungen sind in ihm geschickt
verschmolzen und selbst heutzutage lassen sich die Abenteuer des Ritters aus der
Bretagne mit beinahe ebenso viel Vergnügen lesen, als diejenigen des Amadis.
Der in Valenzia zum ersten Male 1490 gedruckte Tirant lo Blanch ist von
Aguilo in seiner Biblioteca catalana zugänglich gemacht worden. Es existiert
davon eine kastilianische Übersetzung , welche 1 5 1 1 gedruckt ist.
39. Das Studium und die Nachahmung der italienischen Luteratur,
welche schon bei Besprechung der Übersetzung der Göttlichen Komödie von
Andren Febrer erwähnt worden sind und welche Mila in seinen Notas sobre
lainfluencia de la literatura italiana en la catalana (Barcclom 1877) zu summarisch
behandelt hat, treten hier in einigen Schriften, welche Kommentare oder ein-
fache Übersetzungen sind , klar zu Tage. Keiner der Bibliographen ^ die
sich mit dem Kaufmann und Kosmographen , Mossen Jaume Ferrer aus
Blanes — welcher in der Entdeckung der neuen Welt eine gewisse Rolle
spielte — beschäftigt haben, sagt mit Genauigkeit, was unter den Sentencias
catolicas dcl divi poeta Dante, Florenti, zu verstehen ist, einem Werke oder
einer Kompilation dieses Ferrer, das in Barcelona 1545, zu gleicher Zeit,
wie ein anderer Traktat gedruckt wurde, welcher Siimari vteditacio 0 contem-
placiö sobre lo Hoc de Calvari betitelt ist, in welchem von vielen Dingen, von
Kosmographie, von Schiff"fahrt u. s. w. gesprochen wird etc. (Torres Amat,
Meviorias s. v. Ferrer und Vi Hanne va, Viage XVIII 276).
Wir haben keine besseren Nachrichten über die »Comeniari dels cantichs
y estancias dcl Infern del poeta Dant Alighieri«, von welchem Torres Amat
anführt, dass er sich in einer modernen Hs. des San Francisco von Barce-
loiiii befinde.
Prosa: Romane. Nachahmung der ital. Liit. 125
Boccaccio ist durch eine Übersetzung der Fiameta vertreten, von
welcher das Kloster San Cugat del Valles eine Hs. besass (Torrcs Amat
p. 687), wahrscheinlich dieselbe, welche das Archiv von Aragon aufgenommen
hat, und von welcher Tastu, sich eine Abschrift verschaflte: > Fiameta ro?>tana.
Copia del ms. de este titulo, custodiado cn el R. Archivo de la Corona de Aragon«.
(A. Pag^s, Notice sur la vie et les travaux de J. Tastu p. 35).
Petrarca. — Aus der Africa des italienischen Dichters ist zum grossen
Teile das »Rahonament /et cntre Seipid Africd e Anibal, c la batalla entre ells
seguida<i. entnommen, welches der Dominikaner Antoni Canals dem Don
Alfonso, Herzog von Gandia widmete, d. h. entweder dem Don Alfonso von
Aragon, Markgrafen von Villena, dann Herzog von Gandia, oder seinem Sohn,
welcher nur diesen letztern Titel besass. Villanueva hat auf zwei Hss.
dieses Traktats in St. Agustin und bei den Barfiissern von Barcelona ( Viage
XVIII 172 und 241) hingewiesen. Beide existieren noch (A. Rubiö, El
renacimiento p. 28) und nach der ersten scheint das Rahonament in den Memorias
de la Acad. de Buenas Letras II 532 u. ff. gedruckt worden zu sein.
Ein anderes Werk von Petrarca, die Erzählung von Griselidis ist dank
den Bemühungen des Bernat Metge ins Katalanische übergegangen. Sehic
in eleganter und sicherer Sprache abgefasste Übersetzung ist der Madona Isabel
de Guimera dargebracht. Aguilö hat sie in gothischen Lettern und mit Holz-
schnitten aus der Zeit in seiner reizenden und leider zu früh unterbrochenen
Biblioteca d'obretes Singulars del bon temps de nostra lengua materna (Barcelona
1883) reproduziert. In seinem Somni hatte Bernat Metge eine Anspielung
auf diese katalanische Griselidis gemacht ; zugleich bezeugte er die Popularität,
welche die rührende Erzählung Petrarcas in Katalonien genoss, durch die
Worte : »La paciencia, fortitut e amor conjugal de Griselda^ la istoria de la quäl
fon per mi de lati en nostra vulgär transportada, callare , car tant es notoria
que ya la redten per enganar les nits en las vetles e can filen en ivern entorn
del foch«.
Noch einige Proben der künstlichen, manierierten und pedantischen Litte-
ratur des 15. Jhs. Eine kleine litterarische Auseinandersetzung zwischen dem
Fürsten von Viana, welcher kastilianisch schreibt, und dem Dichter Mossen
Joan Roi^ de Corella, welcher katalanisch antwortet und zwar in einem
dunkeln und verworrenen Stile [Rei'ista de Valencia, I 330 u. 523), dann eine
die Stadt Valenzia betreffende Allegorie, welche Villanueva in seinem Viage
abgedruckt hat (II 191), und endlich ein bedeutendes Werk, von dem wir
aber nur die kastilianische Version besitzen, y>Die Arbeiten des Herkules« von
Enrique de Villena, ein Werk, wo jede »Arbeit« den Vorwand zu langen
moralischen Auseinandersetzungen gibt. »Fizolo« sagt der Prolog ^^a prefes
e instantia del vistuoso cavallero Mossen Pero Pardo, consejero del alto e pode-
roso senor rey de Aragon . . . escripto en romanfe catalan, i acaböse en Valencia
del Cid, la vispera de Ramos del am . . . 141"/ en el mes de abril. Et des-
pues trasladölo en lengua castellana«. etc. (Amador de los Rios, Hist. er lt.
de la lit. esp. VI 259).
40. Grammatiken, Rhetoriken und Poetiken. — Die Einrichtung eines
Konsistoriums del gay saber in Barcelona , zur Nachahmung desjenigen von
Toulouse, musste eine ganze Litteratur von grammatikalischen Traktaten und
von Handbüchern über Versifikation und Komposition hervorrufen. Die Leys
d'amors sind der hauptsächliche Kodex, den man in zweifelhaften Fällen zu
Rat zieht, und die Existenz einiger Hss. dieses Werkes in Spanien beweist,
dass die Katalanen ihn sehr viel gelesen und studiert haben. Das Archiv
von Aragon besitzt heute die Hs. des Traktats von Guillaume Molinier (s. S. 67),
welche sich ehemals in San Cugat del Vallds befand und welche Milä, zwar
126 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LiTT.
ohne es zu beweisen, für identisch mit derjenigen hielt, die in der Bibliothek
Martins I. begegnet (Villanueva, F/ö'^^ XIX 29 ; Mihi , Trovadores p. ^']^)^.
Frühe sah man die Notwendigkeit ein, die Lejs d'amors kürzer zu fassen und
ihr Verfasser selbst hat einen gereimten Auszug geschrieben , dem er einen
Titel gab, der mit demjenigen einer der Prosaredaktionen des Originals identisch
war. Las flors del gay saber, was zu Konfusionen Anlass gegeben hat (C.
Chabaneau, Origine et itablissemcnt de F Acaditnie des Jeux ßoraiix, Toulouse
1885 p. 3). Ein anderer Auszug der Leys ist das Conipendi von Castellnou,
welches auf die Bitte eines gewissen Dalmau de Rocaberti, Sohnes des
Vizgrafen von Rocaberti, desselben Namens hergestellt worden ist.
Die andern Traktate, welche, wie konstatiert ist, den katalanischen
Dichtern zur Richtschnur dienten , sind die Razos oder, wie die Katalanen
sagen, die Regles de trovar ihres alten Troubadours Ramon Vidal de Besalü
(s. S. 67), denen eine Doctrina de cotnponare dictatz beigefügt ist, d. h. eine
Reihe von Definitionen der poetischen Gattungen, die man mit grösster Wahr-
scheinlichkeit jenem Vidal zuschreiben kann. Ebenso können andere Regeln
des Benediktiners aus San Feliu de Guixols, Jofre de Foixa, — welcher
am Ende des 13. Jhs. lebte und welcher mit Recht mit dem Troubadour
identifiziert worden ist, dessen Werke Lo monge de Foissan'-^ bezeichnet sind
— - als eine Ergänzung des Traktats von Vidal angesehen werden. Da diese
Regeln auf die Bitte Jacobs IL, Königs von Sicilien, verfasst worden sind,
muss man die Redaktion derselben in die Zeit zwischen den Jahren 1286
und 1291 setzen. Was die Doctrina de cort von Terramagnino de Pisa
betrifft, welche man in einer Hs. zusammen mit den Traktaten der Katalanen
findet, so interessiert sie uns nicht. Wohl aber der Mirall de trobar von
Berenguer von Noya; das Doch-inal de trobar von Ramon de Cornet,
welches von Joan de Castelnou kommentiert und korrigiert und durch ihn
dem Peter von Aragon, Grafen von Ribagorza, Sohn Jacobs II. gewidmet ist;
der Libre de coficordances von Jacme March, und der Torciviany von Luis
d'Aversö, Bürger Barcelonas, — alle 4 noch unedierten Traktate, von welchen
wir nur Auszüge kennen, betreffen ganz direkt die katalanische Poesie. Die
katalanischen Poetiken, welche wir eben erwähnt haben, befanden sich (ausser
dem Torcimany) in einer Hs. der Barfüsser von Barcelona, welche Villanueva
im Einzelnen beschrieben hat {Viage XVIII 230 u. ff.), und welche unglück-
licherweise heute nur noch durch eine moderne Abschrift der Madrider National-
bibliothek (Collect. La Romana) erhalten ist. Vom Compendi Castelnou 's
gibt es jedoch noch eine alte Hs. in der Universitätsbibliothek Barcelona's
(Milä, Trovadores p. 478, cf. Tor res Amat s. v. Castellnou), Der Torci-
many ist im Escorial. Diese gesamte Litteratur lehrhaften Inhalts ist von
Milä analysiert worden, nach der Madrider Hs., in verscliiedenen Artikeln der
Revista de archivos, bibliotecas y tnuseos, VI p. 313, 329, 345 und 361, und
nach derselben Hs. hat P. Meyer in der Romania (Bd. VI, VIII und IX)
die Regles von Vidal mit der Doctrina, den Terramagnino und den Jofre
von Foixä veröffentlicht. Den Namen dieser verschiedenen Grammatiker müsste
man auch, nach Enrique de Villena, diejenigen des Guillem Vedel aus
Mallorca, Verfassers eines Traktates, welcher seinen eigenen Namen trägt, la
Suma Fitulina, hinzufügen : Verfasser und Buch sind uns in gleicher Weise
unbekannt (Mayans, Origenes ed. cit. p. 270).
^ Eine Abschrift dieser Hs. befindet sich in den Papieren Tastu's (A. Pag^s,
1. c. p. 34)-
2 A. Thomas, Romania, X 322. Die Regeln Jofre' s werden von Enrique de
Villena Contintuicion del trobar gtn&nn\.\ cf. die Auszüge stintv Arte de trobar in Mayans
Origenes ed 1873, p. 270.
Prosa: Grammatik. Rhetorik. Poetik. Modernes Zeitalter. 127
Noch in der ersten Hälfte des 16. Jhs. empfindet ein überzeugter An-
hänger der Gaya cienda, da er dieselbe für verfallen und vergessen hält, das
Bedürfnis, das Gedächtnis seiner Landsleute aufzufrischen und fiir sie einen
kleinen Abriss der Kunstregeln zu schreiben. Der Verfasser dieses Kompen-
diums oder Nova art de trobar heisst der Ritter Francesch de Oleza; er
war aus Mallorca, und die Hs. seines Werkes trägt das Datum 1536. Die
N(wa art ist in drei Teile geteilt; der erste definiert den Vers, den Reim,
den Accent, die Qualität der Vokale etc. ; die zweite handelt von den Fehlern,
welche die Dichter " gegen das Silbenmass, den Accent, die Harmonie, die
Grammatik begehen können ; der dritte von den verschiedenen Arten von
Versen und Strophen. In mancher Hinsicht bleibt der Verfasser ausschliess-
lich der provenzalischen Überlieferung treu; in anderer Hinsicht, steht er
unter dem Einfluss der spanischen Grammatiker der Renaissance Nebrija unter
andern, welche er ausdrücklich zitiert. Die Nova art von Oleza ist noch
nicht herausgegeben und man besitzt davon, soviel wir wissen, nur moderne
Abschriften, welche alle von einer Vorlage herrühren , die der Bibliograph
Bover nach dem Original herstellte [Rapport sur une niissio?i philologiquc
ä Majorque, Paris 1882, p, 18 u. Bover Bibl. de escrit baleares II, 6).
MODERNES ZEITALTER.
I n verschiedenen Stellen dieser Darlegungen ist von katalanischen Werken
^ gesprochen worden, welche in die Zeit' nach dem 15. Jh. fallen; sie
sind zum grössten Teile entweder Andachtsbücher oder Geschichtsbücher. Es
erübrigt noch einige Worte über eine littcrarische Gattung in katalanischer
Sprache zu sagen, welche gewisse politische Ereignisse veranlassten, die sich
in den nordöstlichen Provinzen Spaniens im 17. und 18. Jh. abspielten.
41. Der furchtbare Kampf, welchen das katalanische Fürstentum, durch
Richelieu und Mazarin unterstützt, gegen die katholische Monarchie seit dem
Ende des Jahres 1640 zur Verteidigung seiner auf sehr ungeschickte Weise
durch den ersten Minister Philipps IV. und seiner Helfeshelfer verletzten Frei-
heiten fiihrte, dieser Kampf musste ein Echo in der Litteratur finden. Die
Excesse, welche die Soldaten des Olivares an den katalanischen Bauern be-
gingen, wurden sofort in heftigen oder bewegten W^orten durch die lokalen
Publizisten erzählt; anderseits griffen die Juristen zur Feder, um gegen die
Politiker Madrid's zu polemisieren, den Ursprung und die Tragweite der alten
katalanischen Privilegien auseinanderzusetzen und die öffentliche Meinung gegen
die Unternehmungen der kastilianischen Minister und Generäle aufzuwiegeln :
sogar Theologen nahmen an dem Streite teil, indem sie sich auf gewisse
durch die im Fürstentum lagernden Soldaten verübten Kirchenentheiligungen
beriefen.
Ein Teil dieser polemischen Schriften, dieser Pamphete und dieser Proteste
sind in kastilianischer Sprache verfasst, denn es kam darauf an, sich in Madrid
verständlich zu machen, wo berühmte Schriftsteller den Auftrag erhielten, ihre
Feder zu schärfen, um den Katalanen zu antworten. Der litterarische Kampf
begann mit der berühmten Proclamacion catdlica, welche Philipp IV. durch den
Doktor der Theologie Fr. GasparSala yBerart gewidmet wurde (in Barce-
lona anonym gedruckt, 1640) und auf welche der Historiograph und Dichter
Francisco de Rioja in einer Aristarco d censura d la Proclamacion catölica
betitelten Schrift, dann der grosse Quevedo in einer bissigen Flugschrift,
La rebelion de Barcelona, ni es por el guevo ni es por el fuero, antwortete. Je
weiter die Revolution sich ausdehnt, desto mehr befestigt sie sich und desto
128 LiTTERATURGESCHISCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. KaT. LlTT.
zahlreicher werden die politischen Streitschriften, und sobald die Trennung
von Kastilien vollzogen ist, greifen die katalanischen Publizisten um so eifriger
auf ihr lokales Idiom zurück, als sie durch die Benutzung desselben gewisser-
massen ihre feindselige Gesinnung gegen die verwünschte Rc^gierung der Kastil-
ianer an den Tag legen. Unter den bekanntesten Schriften, welche von dem
damaligem Gefühle des katalanischen Volkes Zeugnis ablegen, kann man
die Secrets publichs^ pedra de loch de les intencions del cnemich zitieren, welche
1641 in Barcelona herausgegeben und sofort ins Kastilianische, Französische
und Portugiesische übersetzt wurden. Von einer andern dieser Schriften,
welche der Panegyricus eines der bedeutendsten Helden der Revolution ist,
des Dr. Pau Claris, ^ muss man den Titel vollständig zitieren, um zu zeigen,
dass, wenn die Katalanen in der Politik sich von Kastilien trennten, sie hin-
gegen in litterarischer Hinsicht sehr eng mit Kastilien verbunden blieben :
Occident, eclipse^ obsciiredat funeral. Aurora, claredat, belleza gloriosa. AI sol,
lluna y estela radiant de la esfera, del epiciclc, del firtnament de Cathalunya.
Panegirica alabanfa en lo ultimo vale als manes vencedors del D^^ Pau Claris^
observada per lo D"' Francisco Fontanella (Barcelona 1641J.
Die zweite Rebellion der Katalanen, am Anfang des 18. Jhs., welche
mit der Belagerung Barcelona's, im Jahre 17 14 endigte, war an polemischen
Schriften nicht so fruchtbar wie die erste; verstanden es ja doch die Kata-
lanen noch weniger gegen 1700 ihre Sprache zu schreiben, als ein halbes
Jahrhundert früher. Alles was uns in litterarischer Hinsicht von dem Kampfe
übrig bleibt, den das Fürstentum zu Gunsten des Erzherzogs Karl und gegen
Philipp V. unternahm, beschränkt sich auf Pamphlete, Satiren, lieder geringeren
Wertes und geringerer Bedeutung: Torres Amat hat eine gewisse Zahl der-
selben {Memorias p. 689) angeführt. Übrigens hat im 18. Jh. ebensowenig
wie im 17. ein wirkliches Talent die politische katalanische Litteratur ver-
treten, und man müsste lange in diesem Plunder wühlen , ehe man einige
Seiten schöner entrüsteter Beredsamkeit oder einige bissige und witzige Satiren
fände.
42. Die Koryphäen ^qx Renaxensa haben die Prosa nicht so sehr begünstigt
wie die Verse, und man kann sagen, dass die Einrichtung der Jochs florals^
indem sie die Poesie ungeheuer rühmte und hauptsächlich die Reimer be-
lohnte, der Restauration der guten katalanischen Prosa geschadet hat. Die
von Walter Scott und seinen französischen Nachahmern inspirierten historischen
Novellen, in welchen sich die ersten Katalanisten unserer Zeit, so z. B. Antonio
de Bofarull versucht haben, sind recht mittelmässig. In diesen letzten Jahren
haben andere Schriftsteller wie Cayetano Vidal y Valenciano und Narcis
Oller in dem zeitgenössische lokale Sitten schildernden Roman viel bessere
Erfolge erzielt. Die neuen Zeitschriften, welche die Bewegung leiten und die
litterarischen katalanischen Produktionen aufnehmen, unter andern L'Avenf,
räumen den Prosaschriften, den Romanen, historischen Studien, litterarischen
Kritiken u. s, w. immer mehr Platz ein. Es ist zu wünschen, dass die junge
Generation nach dieser Richtung weiter schreite; wenn es ihr gelingt eine
einfache und kräftige Prosa wieder zu schaffen im Geschmacke derjenigen
der alten Chroniken, welche der grösste Ruhmestitel der Katalanen sind, so
wird sie sich um ihre Heimat und die Litteratur überhaupt wohl verdient
gemacht haben.
* Über die Rolle, welche derselbe spielte, cf. J. Coroleu, Claris y son temps,
Barcelona 1880. in 8».
III. ABSCHNITT.
I.ITTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN
VÖLKER.
B. DIE LITTERATUREN DER ROMANISCHEN
VÖLKER.
4. GESCHICHTE DER PORTUGIESISCHEN LITTERATUR
VON
CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS
UNP
THEOPHILO BRAGA.
A. ALLGEMEINE EINLEITUNG.
ortugal ist das westlichste Land Europas. Es sieht die Sonne am
spätesten aufgehen. Sein Staatswesen ist verhältnismässig jung. Der
Grund dazu ward 1094 gelegt. Fertig gestaltet ist der Länder-
besitz der Monarchie um 1250. Das klare Bewusstsein nationaler Zusammen-
gehörigkeit aber ist erst 1385 vollzogen. Auch seine Litteratur ist daher eine
der jüngsten Schöpfungen der romanischen Zivilisation.
Portugal hat von seinem Eintritt in die Geschichte an bis heute immer
nur über 1V2 bis 4V2 Millionen Menschen verfügt. Seine Litteratur kann
daher nicht reich sein. Ihr eignet naturgemäss nur eine beschränkte, in
wenigen Werken zu vollem Ausdruck kommende Originalität.
Portugal ist ferner ein Teil der Pyrenäenhalbinsel. Keine natürliche
Scheidewand trennt es vom übrigen Spanien. Mit Galliziern, Asturiern und
Leonesen im speziellen, aber auch mit den Aragonesen, Kastilianern, Anda-
lusiern etc. bilden die Portugiesen eigentlich nur eine Nation. Von gleicher
Abstammung, und ungefähr gleicher Mischung, haben sie auf gemeinsamem
Boden den gleichen Entwickelungsgang durchgemacht, an der Erflillung der
gleichen Mission gearbeitet, und darum auch dieselbe Kunst und Religion,
gleiche Sitte und gleiches Recht, nahverwandte Sprachen und ein einheit-
liches Folklore ausgebildet. Nur Geschehnisse haben Portugal zu einem
Gröber, Grundriss. Üb. 9
f
130 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
politisch gesonderten Staatswesen gemacht, und seinen Bewohnern allmählich
ein stark ausgeprägtes Sondergefühl gegeben. — Eine feste alte Grenze
zwischen den beiden Littcraturen gicbt es daher auch nicht. Und ebensowenig
kann zwischen beiden ein markanter Unterschied bestehen, der auch für den
Fernerstehenden und Fremden ohne weiteres greifbar und fühlbar wäre. In
den meisten Äusserungen nationalen Lebens wird aber die kleinere Nation
von der grösseren abhängen, und von ihr Anregungen und Vorbilder em-
pfangen, obgleich auch das Gegenteil in Einzelerscheinungen statthaben kann.
Wir dürfen daher von Portugal nur eine (im Vergleich mit Spanien,
Frankreich und Italien) späte, eine arme, und eine wenig selbständige, der
spanischen naheverwandte Litteratur erwarten.
2. Portugal, trotzdem ihm feste Ostgrenzen fehlen, die es vom stamm-
und sprach verwandten Schwesterstaate scheiden, ist aber dennoch verschieden
von Spanien, d. h. besonders vom binnenländischen oder kastilischen
Spanien , das sich zum Kopf und Herzen des Reiches entwickelte , und den
Typus des Hispaniers ausgestaltete. Der landschaftliche Charakter des lieb-
lichen, wald- und flussreichen, überaus fruchtbaren, von der Natur verschwen-
derisch ausgestatteten Landes ist ein ganz anderer als der des mittelspanischen
Hochlandes. Dort eine grossartige Öde, hierzulande blumige und duftige, von
reichlichen Niederschlägen getränkte Täler und Auen, und in tränenfeuchte Nebel
gehüllte ozeanische serras. Und auch die Bevölkerung zeigt eine abweichende
Volksindividualität: etwas Positives ist an der Aufstellung, das iberische Blut
sei hier mehr als in den spanischen Adern mit keltischem Blute gemischt,
und auch bei der späteren Kreuzung mit römischen, germanischen und arabisch-
maurischen Eroberern sei das Verhältnis ein verschiedenes gewesen. Daher
die anders nuancierte romanische Sprache und Litteratur.
Denn Portugal, das landwärts ausschliesslich peninsularen Einwirkungen
zugänglich ist, ist eben zu gleicher Zeit ein dem Ozean zugewendeter Küsten-
strich, der fremden, seefahrenden Männern aus aller Herren Länder offen
steht. Franzosen, Engländer, Deutsche und Flamänder haben sich gern dort
angesiedelt. Der Verkehr mit Anders-Redenden und Anders-Denkenden bildete
aber das portug. Ohr und die portug. Zunge. Das ausserordentlich beanlagte,
rührige, feinsinnige, sprach- und redegewandte, geschmeidige Volk ward frühe
vertraut mit ausländischen Meinungen und Gewohnheiten , Sitten und Sagen.
Es gab die starre , stolze Abgeschlossenheit des Kastilianers auf, der per se
ist und sein will, schliff die Ecken und Härten der hispanischen Eigenart ab,
und zeigt daher eine beweglichere Physiognomie.
Die dichterische Beanlagung aber musste (gemäss der Natur des Landes,
und der durch dieselbe bedingten Lebensweise, sowie einem dementsprechend
entwickelten Volkscharakter) sich vorwiegend auf dem lyrischen Gebiete be-
thätigen, und zwar am üppigsten und spontansten im bukolischen Genre.
Wenn irgendwo , so musste sie hier eine gewisse Selbständigkeit beweisen :
und das thut sie in den alten, volkstümlichen »Bergreihen« (Serranilhas) und
Parallel-Liedern der Hirten und Bauern der Provinz Tras-os-Montes und der
Schäfer der Beira, und in der Lyrik der höheren Gesellschaftskreise, welche,
von altersher mit Vorliebe, zur Einkleidung ihrer Geftihle, das pastorale Genre
wählten : das Idyll, oder den mit Idyllen durchwobenen Schäferroman. Und
in der That zur Egloga passen , ja zum Idyll prädisponieren die hervor-
stechendsten Eigenschaften der portug. Volksseele : ihre weiche , schwärme-
rische Sentimentalität , ihre melancholische Sehnsucht , die mit dem Worte
saudades am kürzesten und treffendsten charakterisiert wird , und ihre sprich-
wörtliche Verliebtheit, ihr »Sterben vor Liebe«. Auch der Charakter der
vokal- und diphthongen- und nasalreichen Sprache, der es an einem festen
Einleitung: Lage des Landes. Charakter des Volks u. d. Liit. 131
Knochengerüst von Konsonanten gebricht, und die (freilich modernen) himmel-
blau-und-weissen Nationalfarben, die zum fanatischen gelb-und-rot des spa-
nischen Banners in ausdrucksvollem Gegensatze stehen, tragen ein einheitliches
Gepräge.
Die Zugänglichkeit und Empfänglichkeit für Fremdes, das unleugbar
grosse Aneignungs- und Nachahmungstalent des Portugiesen musste aber
naturgemäss den Erfindungstrieb abstumpfen. Und die portug. Litteratur,
die wir in § i eine spätgeborene, arme, mit der spanischen naheverwandte
nannten, wird, weniger originell als diese, vielfachst vom Auslande beein-
flusst, und daher etwas charakterlos sein.
3. Vor einem halben Jahrhundert, als das wissenschaftliche vergleichende
Studium der romanischen Litteraturen begonnen hatte, und von Portugals schwer
zugänglichen alten Schriftwerken bereits Kunde und einige Proben an die
Öffentlichkeit gekommen waren, sind zwei ungefähr gleichartige Sätze aufgestellt
worden, um frühere, von Portugal ausgegangene und durch Bouterwek und
Sismondi verbreitete, irrige Ansichten über Alter, Geschichte und Wert
der portug. Litteratur aus dem Felde zu schlagen. Der eine sagt aus, die
portug. Litteratur sei überhaupt kein auf einheimischer Grundlage, aus volks-
tümlichen Elementen frei entstandener Sonderbau, sondern ein blosser Annex
der spanischen Nationallitteratur. Der andere leugnet ihre Selbständig-
keit zwar nicht ganz, behauptet jedoch: sie sei vorwiegend nachahmend,
stets von fremden Einflüssen abhängig, rein rezeptiv, nie aber im wahren
Sinne des Wortes produktiv gewesen; ihre Grundzüge — denn von Charakter
könne nicht die Rede sein — wären: Abhängigkeit von äusserem, fremdem
Einfluss , Nachahmungssucht , grosse Geftigigkeit und eine an Weichlichkeit
grenzende Weichheit. — F. Wolf hatte (1843) diese zweite, mit der kurzen,
summarischen Darlegung unseres ersten Paragraphen in vollem Einklang
stehende Behauptung noch durchaus massvoll und sachgemäss formuliert,
und sie begründet, soweit die damalige Kenntnis portug. Litteratur es eben
gestattete. Andere haben später bald den einen, bald den anderen Satz nach-
gesprochen, ihn übertreibend statt ihn mildernd zu präzisieren.
Heute, nachdem man auch die Erzeugnise der Volkslitteratur gesammelt
und herausgegeben, weitere wichtige altportug. Monumente gedruckt und im
Zusammenhange mit den anderen romanischen Litteraturen bereits etwas ein-
gehender erforscht hat, und nachdem auch gewisse, damals noch strittige
Einzelfragen erörtert und zu Gunsten Portugals entschieden worden sind,
dürfen jene Behauptungen nicht mehr uneingeschränkt wiederholt werden.
Ganz umzustossen sind sie jedoch nicht. Denn die Hauptsachen: Abhängig-
keit von fremden Einflüssen, intimer Zusammenhang mit der spanischen Litte-
ratur, und ein sentimentaler elegischer Grundzug sind nicht abzuleugnen.
4. Es ist Thatsache, dass die portug. Kunstlitteratur, gleich bei ihrem
ersten Keimen im Mittelalter, sich vor dem geistigen Übergewichte Nord-
und Südfrankreichs beugte, und dass sie von vornherein als höfischer Minne-
sang auftrat, ohne dass seinem Erblühen, wie in Kastilien, eine einheimische,
aus volkstümlichen Elementen hervorgegangene und darauf basierte echt nationale
epische, halb volks-, halb kunstmässige, kirchliche und ritterliche Gegenstände
behandelnde Dichtung vorausgegangen wäre. Es ist Thatsache, dass sie im
Zeitalter des Wiederaufblühens der Künste und Wissenschaften Italiens ge-
lehrige Schülerin ward; Thatsache, dass sie im 15. und 17. Jh. (aber auch
im 16.) im engsten Zusammenhange mit der des so viel volk- und erfindungs-
reicheren Nachbarstaates gestanden, und sich ihr zeitweise vollkommen unter-
geordnet hat, auf gewissen Gebieten fast ganz mit ihr verschmelzend. Und
9"
132 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
Thatsache, dass im i8. Jh. der franz. Klassizismus, und im 19. die Romantik,
hauptsächlich durch ihre franz., aber auch durch ihre engl., span. und deutschen
Vertreter bestimmend auf ihren Entwickelungsgang eingewirkt hat, Spuren
hinterlassend, die noch nicht verwischt sind, obwohl Naturalismus und Posi-
tivismus einerseits, und ganz neuerdings Symbolismus, Mystizismus (= Nephe-
liliatismus) ihre Vertreter in den Hintergrund gedrängt haben.
5. Doch damit ist nicht alles gesagt. Fehlt am Eingange der Litteratur
auch die epische Volkspoesie, so ist doch eine lyrische vorhanden. Den-
selben abendländischen Einflüssen und Strömungen ausgesetzt waren, und ungefähr
den gleichen Entwickelungsgang nahmen auch die übrigen romanischen Litte-
raturen, mit einem Unterschied, von dem gleich die Rede sein wird. Alle
haben empfangen und gegeben, sind Führer und Geführte gewesen. Absolute
Originalität ist nirgends zu finden, weder was den StofT, noch was die Form
betrifit. Darauf allein kommt es doch an, wie sie nachgeahmt haben. Die
blosse Erscheinung, dass die meisten mittelalterlichen und neueren geistigen,
affektiven wie spekulativen Errungenschaften der grossen Kulturen des Occidents
sich überhaupt bis auf den äussersten Westen erstreckt haben, und dass Por-
tugal ihnen nicht teilnahmlos fern bluib, wäre beachtenswert als Gradmesser,
wie für die Intensität jener Äusserungen, so für die Empfänglichkeit und An-
eignungsfähigkeit der Portugiesen. Doch haben diese keineswegs alles unter-
schiedslos an- und aufgenommen, sondern, ihren natürlichen Neigungen gemäss,
eine Auswahl getroffen und anders nachgeahmt, als die übrigen. Sowohl der
Minnesang, wie die Renaissance, der Klassizismus wie die Romantik , sehen
in Portugal portugiesich aus; ja selbst die hispanischen Erzeugnisse tragen
für Kenneraugen ein der nationalen Eigenart entsprechendes, von kastilischem
Geiste recht wohl zu unterscheidendes Gepräge. Auch haben einige von den
verpflanzten Reisern in Portugal kräftig Wurzel geschlagen und Blüten getrieben
von seltener Anmut, verändert in Farbe und Duft.
Die zahlreichen, als blosse Nachahmungen (oder sehr wenig eigentüm-
liche Umgestaltungen) fremder Vorbilder zu bezeichnenden Produkte, sowohl
der Volks- wie der Kunstpoesie werden aufgewogen durch ebenso viele freiere
Gebilde, und in Schatten gestellt durch einige Schöpfungen, welche heimischen
Elementen und der speziell-port. Gefühlswelt ihr Dasein und ihre Lebenskraft
verdanken, als da sind: nicht wenige historische Werke grossen Stils; patrio-
tische Volksbücher, wie die »Seetragödien« ; das Ritterbuch von Amadis\ der
Schäferroman Diana] die Lieder des verliebten Macias; manches Idyll, und
dazu eine ausgebildete Volkslyrik, welche schon die erste Epoche der Trou-
badours wohlthätig beeinflusste. Vor allem aber die historische Epopöe. Denn
das nationale Heldengedicht, welches am Eingange der port. Litteratur fehlt,
steht dafür an ihrem Kulminationspunkte. — Der eigentlich peninsulare
Heros Gesamt-Hispaniens lebte, ehe Portugal als Monarchie existierte. Das
Poema del Cid war fertig, als das junge Westreich eben in die Geschichte
eintrat. Es gehört daher der ganzen Nordhälfte der Halbinsel an, von Coimbra,
über Toledo bis Valencia. Und ungefähr das gleiche gilt vom historischen
Romanzenschatze. Wer kann beweisen, dass der Westen gar keinen Teil
daran hat? Das rein und speziell portugiesische Nationalepos aber bildet
den Schluss-Stein seiner Entwickelung. In vier Jahrhunderten glorreicher Ge-
schichte war, langsam doch sicher, das Vaterlandsgefühl Lusitaniens erwachsen.
Und im Augenblick seines höchsten Erstarkens, als die historische Glanzzeit
abgeschlossen hinter ihm lag, hat es thatkräftig und nicht vergebens danach
gerungen, auch in der Litteratur seinen vollgewichtigen Ausdruck zu finden.
Es verkörperte sich in Luis de Camöes, und nahm Gestalt in der National-
epopöe der Lusiaden (1572), deren patriotischer Geist sich der Nation mit-
Einleitung: Charakter d. fort. Litt. Verhältnis Port.'s zu Spanien. 133
teilte, und (1640) zündend auf die Rückeroberung der 1580 verlorenen poli-
tischen Selbständigkeit einwirkte.
6. Man mag über das Verhältnis von Spanien zu Portugal denken wie
man will, Eines steht fest: unter allen kleinen, einstmals autonomen Staaten
der Halbinsel hat eben nur einer seine Selbständigkeit sieben Jahrhundertc
lang gewahrt (mit nur einmaliger zeitweiliger Unterbrechung von sechzig Jahren) ;
und di?ser eine hat eben eine selbständige Sprache, und eine eigene Litte-
ratur gezeitigt, die sich in steter, nie unterbrochener Entwicklung fortbewegt
hat, bis sie einen Dichter von VVeltruhm und ein Kunstwerk ersten Ranges,
- ein Nationalepos — ihr Eigen nannte. Ihr Werden verdient daher Beachtung
und Interesse, das durch die so oft geringschätzig erhobene, wichtige Erwägung
nur gewinnen kann, dass sie das späte Erzeugnis eines numerisch kleinen, und
ursprünglich vom peninsularen Gesamtgeist und -Charakter wenig verschiedenen,
also abhängigen, und seit dem Ausgang des 16. Jhs. den Strömungen der
europäischen Geschichte ziemlich einfluss- und willenlos hingegebenen Volkes
ist. Die lebensfähige Kraft und Sonderbegabung der westlichen Küstenbewohner
wurzele in verschiedener Racemischung; sie sei ein Resultat der natürlichen
Lage und Gestaltung des Landes, oder nur aus dem geschichtlichen Werden
des staatlichen Individuums zu erklären: sie ist da, und man muss mit ihr
rechnen.
Philipps II. Einigung kam zu spät. Hätte der Schmied der port. Un-
abhängigkeit, Nunalvares Pereira, nicht bei Aljubarrota (1385) die Kastilianer
aufs Haupt geschlagen, und die zweite, unecht-burgundische Dynastie auf den
Thron gesetzt, deren weise, tapfere und hochherzige Regenten die Nation
fortan zur Erfüllung ihrer atlantischen Mission und zu unerhörten CJrossthaten
von Weltbedeutung leiteten; hätte Vasco da Gama und Albuquerque nicht
gehandelt; und Luis de Camöes seine geschichtliche Epopöe nicht geschrieben
— der alte, lange Traum von einer einheitlichen, peninsularen Universal-Macht
wäre wahrscheinlich Wirklichkeit geworden; und wie das Katalanische, wäre
das Portugiesische zum Range eines Dialektes, und. seine Nationallitteratur
zu einer Provinziallitteratur mit intermittierenden Lebensäusserungen herab-
gesunken.
Doch es ist eben anders gekommen. Camöes hat gelebt, und lebt;
und durch ihn das Volk der Lusiaden.
Zwar folgte auf jene kurze camonianische Blütezeit ein langer Zeitraum
des Verfalls. Beim Tode des Dichters führte das Aussterben der zweiten
Dynastie das an seiner unnatürlichen Grösse krankende, menschenarme, durch
Hinduismus, Inquisition und Jesuitismus geistig und moralisch geschwächte Land
in die bereits erwähnte 60 jährige Fremdherrschaft. Und nach der Befreiung
wurde das Siechtum noch merklicher. Erst in diesem Jahrhundert ward die
Litteratur aus ihrem Marasmus durch den patriotischen Impuls eines Almeida-
Garrett und Herculano aufgerüttelt, und an die alten Ruhmestitel erinnert.
Dank ihrer Anregung wurde auch die wissenschaftliche Erforschung der natio-
nalen Vergangenheit ernstlich in Angriff genommen. Seither rastet sie nicht.
Und ob die Litteratur im Grossen und Ganzen auch immer noch im Schlepp-
tau Frankreichs einhergeht, so hat doch die bewusste Einsicht in das was sich
im Laufe der Jahrhunderte als portug. Nationalität krystallisiert hat, dafür
gesorgt, dass Wunsch und Trieb nach echt portug. Rückgestaltung aller Lebf^ns-
äusserungen immer lebendiger wird und dem tiefwurzelnden , als Schwäche
erkannten Hange nach Fremdländischem mehr und mehr Abbruch thut, so
dass eine Neubelebung auch der portug. Litteratur wenigstens zu hoffen ist.
7. Das Misverhältnis zwischen der Beurteilung, welche Einheimische,
bewundernd, und Fremde, geringschätzig, der portug. Litteratur angedeihen
i;^4 I^TTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Hessen und lassen , hat seinen Grund nicht allein in der Unkenntnis dieser,
und eitler Selbstüberhebung jener. Ein besonderer Umstand — oder eigent-
lich deren zwei — erklären und berechtigen, bis zu einem gewissen Punkte,
die beiden Auffassungen. Erstens, Hunderte von portug. Dichtern haben
kas tili seh geschrieben, zur Bereicherung der kastilischen und zur Schwächung
der portug. Litteratur beitragend , und zwar auf allen Gebieten , im Drama,
in der Lyrik und Epik, im Roman, der Novelle, Geschichtsschreibung, Moral-
philosophie, und nicht zum wenigsten im Gebiete der Volksromanze. Und
zweitens: ein grosser Teil dessen was portug. Schriftsteller geschaffen, ist
unbekannt geblieben, verloren, oder verschollen. In der landläufigen Beur-
teilung durqh Fremde, und die Spanier selbst, geht nun den Portugiesen natür-
lich verloren, was sie Spanisch verfassten, und noch mehr als das: auch manches
Portugiesische, was seinen Weg durch Spanien genommen hat, ehe es im Auslande
bekannt ward; denn jeder Peninsular war, und ist noch heute, für den ganz
ungeschultcn Fremden kurz und gut ein Spanier. Das verlorene Hab und Gut
braucht er nicht zu berücksichtigen. Wenn der Portugiese aber veranschlagt, was
ihm die Welt schuldet, so denkt er naturgcmäss auch an alle die Werke, die
er zur kastilischen Litteratur beigesteuert hat; er denkt an seine Lateinisch
schreibenden Humanisten, denkt an alles was abhanden gekommen oder noch
zu heben ist; ja er verwechselt und mischt Schriftsteller - Werke mit Thaten,
rechnet die Heldengestalten seiner Geschichte unter die Figuren seiner
Dichter und Denker und sogar alles was er an Stoffen und Gestalten zu
dichterischen Schöpfungen anderer geliefert hat, schwebt ihm dabei vor.
8. Die Erscheinung, dass nicht wenige Portugiesen ihre Gesamtschriften,
und sehr viele wenigstens einen beträchtlichen Bruchteil ihrer Werke, statt in
der Muttersprache, Kastilisch geschrieben haben, ist sehr verschieden beurteilt,
nie und nirgend aber sachlich und historisch dargelegt worden.
Die Spanier, welche sich gewöhnt haben , übertreibend zu behaupten :
kein bedeutender portug. Schriftsteller existiere, der nicht ostensiv das Spanische
seiner eigenen Sprache vorgezogen habe, wollen darin eine Huldigung erkennen,
die ihrem sonoreren, charaktervollen Idiom und ihrem führenden Genius dar-
gebracht wurde , gleichviel ob bewusst oder unbewusst ; und sie sind damit
zufrieden und einverstanden.
Die ausländische Kritik denkt ungefähr ebenso; rügt aber das Aufgeben
des heiligen Besitzes der Muttersprache als leichtsinnige Charakterlosigkeit,
eitle Spiegelfechterei, Mangel an Patriotismus, ja niedrige Schmeichelei an
die Adresse der Fremdherrscher, deren Gunst man damit zu erkaufen dachte
— (gleich als hätte jene Unsitte erst im philippinischen Zeitalter begonnen !)
Die Portugiesen selbst tadeln teils entschieden das Spanischschreiben
ihrer Landsleute, teils rühmen sie sich ihres talentvollen Polyglottismus, der
nicht selten ein und denselben Dichter befähigt hat, abwechselnd (oder auch
gleichzeitig!) in vier Zungen zu reimen (Portug., Span., Ital. und Lat.);
oder sie entschuldigen und rechtfertigen es mit der Bemerkung: »Niemand
in Europa lese Portugiesisch ; Spanisch hingegen sei Weltsprache gewesen, und
finde selbst heute noch überall ein Ohr« !
Prinzipieller Tadel ist unangebracht. — Ist es doch noch Niemandem
eingefallen, die zahlreichen Nichtportugiesen aus Genua, Sevilla, Burgos, Valla-
dolid u. s. w. zu schmähen, welche, drei Könige an ihrer Spitze, vom 12. bis
zum 15. Jh., sich des Altportugiesischen bedienten, sobald sie höfische Minne-
lieder anstimmen wollten! 1 — Nützlicher und aufklärender ist es, die Haupt-
' Da Altportugiesisch und Altgallizisch ein und dasselbe sind, Gallizien aber zu Spanien
gehölt, konnten diese Hispanier, freilich mit einem gewissen Rechte, die Sprache der penin-
sularen Troubadours für eine heimische ansehen.
EiNLEiT. : Verhältnis Portugals zu Spanien. Span.Littspr. inPortug. 135
daten aus der Geschichte der in der Natur der Sachlage begründeten Er-
scheinung zu skizzieren. Sic ist weniger alt als man denken sollte.
Bis 1350 hat es keinen, und auch bis 1450 nur einen eingeborenen Por-
tugiesen gegeben, der Kastilisch geschrieben hätte. Dass Peter der Grausame
vor 1355 an seine Ines de Castro spanische Lieder gerichtet habe, ist falsch
(s. § 75); falsch auch, dass der Prinz-Regent gleichen Namens (139 2- -1449)
an den kastilischen Hofdichter Juan de Mena in anderer als in der Mutter-
sprache geschrieben habe (s. ^87). Obwohl in den ersten Jahrhunderten das junge
Küstenreich noch keine festen Ostgrenzen hatte, und gewisse Gebietsteile bald
kastilischen (oder leoncsischen), bald portugiesischen Herren gehörten, obgleich
auch die Vasallen und Ricoshomes beider Kronen sich sehr oft entnaturalisierten,
das Löwenbanner mit den Quinas vertauschend, obwohl auch der vielfachst
verschwägerte Adel der Halbinsel nur eine grosse Familie bildete, und
man, bald in gemeinsamem , bald in gegnerischem Kampfe fortwährend mit
einander zu thun hatte, fiel es damals doch noch keinem Dichter ein, seine
Heimatzunge aufzugeben. Alle Dialekte der den Mauren entrissenen Provinzen,
nicht bloss Gallizisch und. Kastilisch, sondern auch Leonesisch und Aragonesisch
waren anfangs gleichberechtigt und gleichwertig. Das Kastilische war eben
noch nicht herrschende Schriftsprache. Auch standen gerade die nörd-
lichen und nordwestlichen Mundarten- — Leonesisch, Asturisch, Gallizisch und Por-
tugiesisch — einander und dem Altkastilischen noch sehr nahe, und man verstand
einander ohne Mühe. Erst mit dem Erblühen einer eigentlichen Hofpoesie
an bestimmten Mittelpunkten kam man dazu, eine grössere Einheitlichkeit zu
erstreben. Dass das Gallizische oder das Portugiesische (denn beides ist
dasselbe) die Sprache aller peninsularen (nicht-katalanischen) Minnesänger ward,
während die Epiker unentwegt kastilisch oder leonesisch schrieben , ist be-
kannt. Das »Warum« gehört nicht an diese Stelle; auch nicht die Dar-
legung, wie, wann und warum die Sprache Kastiliens die herrschende ward.
Als kurz nach 1450 ein von Geblüt portug. Prinz, der jedoch der Sohn eines
aragoncsischen Fürstin war, sein erstes Poem, das er anfangs in der Heimatsprache
verfasst hatte, in Spanien ins Kastilische übertrug, und diese yyNovidade^ an den
portugiesischen Hof sandte, war jene wichtige Wendung angebahnt und vorbe-
reitet, doch noch nicht entschieden durchgeführt. DerältereFreund und Meister des
Prinzen, der 1458 gestorbene Markgraf von Santillana, hat noch ein gallizisches
Lied geschrieben, — wohl das letzte (s. § 107). Die Veranlassung zu jener
Übertragung war eine äussere: das persönliche Lebensschicksal des Condestaval
Dom Pedro de Portugal (1429 — 1466), den des Vaters Tod und Nieder-
lage bei Alfarrobeira (1449) in die Verbannung und an den Hof von Kastilien
getrieben hatte (s. § 102 — 103). Innere Ursache, der grosse Aufschwung, den
die, von Katalonien und Italien beeinflusste kastil. Lyrik damals nahm, gerade als,
nach dem langen portug.-provenzalischen Liederfrühling, in Portugal gänzliches
dichterisches Stillschweigen eingetreten war. Heimgekehrt verpflanzte der
Schüler Santillana's die neuen peninsularen Formen — die oitavas de arte
viayor, die Cancion und andere trovas-redondühas an den portug. Hof. Und
das bewährte Nachahmungstalent der portug. Höflinge, der stets rege Wunsch,
es den Spaniern gleichzuthun, oder sie zu überbieten, führte dahin, dass man
sich jetzt beider Zungen um die Wette bediente. Spanische Prinzessinnen —
Töchter Isabellas, und Töchter und Schwestern Kaiser Karls, vermählten sich
dann, während der nächsten 100 Jahre, mit portug. Herrschern und Prinzen,
während portug. Prinzessinnen schon in ihrer Kindheit für den spanischen
Thron bestimmt und erzogen wurden. Kastilisch ward Hofsprachc, nicht
allein wegen der wachsenden Machtfülle der Habsburger, sondern weil der
Traum eines Einheitsstaates oft seiner Verwirklichung entgegen zu gehen schien.
136 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 4. Port. Litt.
Denn, hoffle man auch lange, dass in diesem Einheitsstaate portug. Dynasten
das Szepter führen würden und hielt man auch Lissabon für die zukünftige Haupt-
stadt, so glaubte doch Niemand ernstlich daran, dass die portug. Sprache
weniger Millionen je die herrschende werden könnte. Spanisch also musste
man lernen. Dazu kamen bei der Einführung der ital. Weisen die erheblichen
Schwierigkeiten , welche die vokalreiche Sprache mit ihren starkverkürzten
Formen für den Hendekasyllabus bot. Mancher Dichter lernte es absichtlich
am Kastilischen, ihn zu handhaben. Es folgte die span. Herrschaft, — sechs
Jahrzehnte, in denen naturgemäss der Hof- und Staatsdienst zur Benutzung des
Kastilischen zwang — , und ihre unvermeidliche Nachwirkung auf die noch
vor 1640 geborene Generation. Als sie vorbei, der Gedanke an die Ge.-
samtmonarchie verflogen und alles Spanische im Niedergang war, hatte das
Spanischschreiben keinen Sinn mehr. Es hörte auf.
Ausschliesslich Spanisch haben übrigens im Ganzen doch nur wenige
Portugiesen geschrieben, und zwar meist solche, die ihre Lebensschicksale aus
dem Vaterlande fortgeführt hatten. Die übrigen begnügten sich damit, dann
und wann spanische Gelegenheitsgedichte abzufassen , dazu veranlasst durch
höfischen oder freundschaftlichen litterarischen Verkehr mit Spaniern und
Spanierinnen. Das genaue Verhältnis ist ein anderes als manche glauben.
Camöes mag als Beispiel dienen. Sein Epos ist portug. geschrieben. Unter
all seinen Canzonen, 1 Oden, Oktaven und Sextinen ist keine einzige spanische;
unter den Elegien stehen nur zwei fremdsprachige, 2 neben 25 in der Mutter-
sprache. Diese zwei aber sind arg entstellt und höchst wahrscheinlich unecht.
Sämtliche Idylle sind national. Nur in oiner singt, folgerichtig, die spanische
Infantin Donna Juana, Philipps Schwester, einen span. Klagegesang auf den
portug. Kronprinzen, ihren Gatten. Im Liederbuche sind von 150 Nummern
nur 15 (oder richtiger nur ein Dutzend^) in der Nachbarzunge verfasst. Und
sie alle sind, ausnahmslos, Glossen und Volten auf spanische Liederfragmente,
mit singbaren Modemelodien, die dem jugendlichen Camöes (1545 — 155°)
bei Hoff, wahrscheinlich von span. Hofdamen der span. Königin, zur Behand-
lung empfohlen waren. Von den 354 Sonetten, die man ihm zugeschrieben,
ist thatsächlich etwa ein Zehntel kastilisch. Doch gehören alle 36, die
ich kenne, zu den erst im 17. Jh., während der span. Herrschaft, von dem
kritiklosen und fanatischen Faria e Sousa in Spanien aus sehr zweifelhaften
Handschriften aufgelesenen. Und welches darunter unbeanstandet als echt zu
bezeichnen wäre, wüsste ich nicht zu sagen. *
In den Bühnenstücken aber, welche von span. Schriftgelehrten oft einfach
für Spanien in Anspruch genommen werden, stehen nur einige kleine span.
(iesangseinlagen und Citate. Ausserdem bedient im Filodemo ein Hirt nebst
seinem Buben, und in den Amphitrionen Merkur, so oft er als Sosias auftritt,
und Sosias selber sich der fremden Zunge, — des künstlerischen Effektes willen,
also abermals mit Absichtlichkeit.
Im ganzen haben von 1450 bis 1750 etwa 500 Portugiesen der erwähnten
Sitte gehuldigt, die man alsPortugiese natürlich beklagen muss, da sie dieNational-
1 Nur Th. Braga schrieb Camöes (1880) eine span. Canzone zu. Mit Unrecht.
Bellisima Isabel cuya hermosura, ist von Figueroa.
^ Elegia XVI: „Zä sierra'^ und XVII: De pena en pena.
•'* Drei sind fremde Arbeit: Olvide y aborreci i.st von Ga rcisanche z. — Ay de mi
von D. Manuel de Portugal und Ted estoy von Diogo Bernardes.
* Es finden sich darunter Sonette, die notorisches Eigentum von Garcilaso,
Mendoza, Montemor, Miranda, Bernardes, Brito, Manuel de Portugal,
Rodrigues de Castro, und Graf Ale n quer sind. — r3ie beiden ersten Ausgaben
der kamonianischen Lyrik (1595 u. 1598) enthalten kein spanisches Sonett!
EiNLEiT.: Span. Littspr. in Port. — Portug. Publtkationsweise. 137
litteratur um manches bedeutende Werk betrogen, viele Talente auf Irrwege
geführt, und im Auslande eine schiefe Meinung vom Patriotismus der Portugiesen
geweckt hat, gerade wie man es beklagen darf, dass im 16. Jh. so viele vor-
treffliche Denker und Forscher, nicht nur ihre gelehrten, humanistischen Prosa-
schriften lateinisch abgefasst, sondern auch ihrer dichterischen Befähigung
mühsame Aufgaben in exotischen Sprachen gestellt haben, statt derselben freie
Entfaltung in der so schönen und reichen , und , seit ihrer Rückbildung zu
grösserer Latinität, auch zu allen dichterichen Zwecken brauchbaren Mutter-
sprache zu erlauben.
9. Auch die Nationalität manches peninsularen Dichters, der Spanisch
geschrieben hat, ist ungewiss. Die Gleichheit vieler Orts- und Familiennamen,
und das häufige Ein- und Auswandern von Spaniern nach Portugal und von
Portugiesen nach Spanien gab Veranlassung zu Irrtümern und Streitigkeiten
über die Zugehörigkeit des einen oder andern. Sie sind von wenig Belang,
weil der einfache gesunde Menschenverstand immer Spanisch-Geschriebencs
zur Span. Litteraturgeschichte rechnen wird, unbekümmert um die Herkunft
des Verfassers. Anders steht es mit Werken, die in beiden Idiomen vorhanden
sind (wie z. B. der Palmeirim von England), und deren Priorität beide Nationen
für sich, doch im Namen verschiedener Dichter, in Anspruch nehmen. Anders
und schwieriger, wenn ein vermeintliches portug. Original verloren oder ver-
schollen ist, und nur die span. Bearbeitung sich erhalten hat, wie beim Amadis.
Mit wie guten Gründen die Portugiesen in solchen Fällen auch ihr Recht auf
verlorenes und gestohlenes Gut verteidigen, wo unanfechtbare Beweisführung
nicht möglich ist, das Ausland wird immer geneigt sein, Partei zu nehmen
für Spanien, an dessen originale Dichterkraft es glaubt, und gegen Portugal,
dessen unerhörter Verschwender-Leichtsinn ihm nur ungenügend bekannt ist,
und, wenn bekannt, vollkommen unverständlich und unglaubwürdig erscheint.
IG. Eine Vorstellung zu geben von der grenzenlosen Sorglosigkeit der
Portugiesen, ihrem Besitze, Ruhme und guten Namen gegenüber, ist schwer.
Diese Untugend — - die hässliche Kehrseite ihrer grossmütigen , chevaleresken
Ritter- und Dichternatur, die dem Idealen nachjagt, und das Reale allzu oft
aus den Augen verliert, — ^ ist seit dem zweiten Viertel des 16. Jhs. von den
Portugiesen selbst andauernd und aufs schärfste als verhängnisvoller »desleixo«
bekannt, beklagt, verlacht, gegeisselt, aber nie aufgegeben worden. Nicht
genug damit, dass so viele Hunderte von Dichtern ihre Geisteskraft dem
Vaterlande entzogen, indem sie fremde Zungen redeten, hat man thatsächlich
nicht einmal dafür Sorge getragen, wenigstens das vorhandene, immerhin noch
reiche, geistige Hab und Gut der Nation zu erhalten und nutzbar zu machen, und
jedem treu und redlich das Seine zu geben. Der Autor selbst dichtete und schaffte,
und Hess sichs genug sein an Preis und Lob der nächsten Freunde. Selten fiel es
ihm ein , seine Werke zu sammeln und zu sichten , und sie , gedruckt oder
geschrieben, in definitiver authentischer Gestalt zu hinterlassen. Ungeordnet, in
Dutzenden von echten und unechten Lesarten, denUnbilden des Zufalls ausgesetzt,
hinterblieben dieselben meisthin zerstreut in handschriftlichen, von Laien zu ihrem
Vergnügen unmethodisch zusammengestellten Gedichtalbums, fast immer ohne
klare Angabe der Autornamen und aufklärende Didaskalien. Oft sind es gleich-
gültige Fernstehende, bestenfalls dankbare Freunde oder Verwandte, in deren
Besitze . die Texte verbleiben. Entschliessen diese, oder spätere Nachkommen
sich zur Herausgabe, oder sammeln sie gar sonsthin Zerstreutes, so geschieht
es doch meist kritiklos und ohne liebevolle Fürsorge. Gute xA.usgaben mit ge-
nügender Drucklegung sind selten. Die Vorreden enthalten meist nur vage
Lobsprüche. Das Leben und Wirken der Dichter bleibt unbekannt: genaue
Daten und Portraits mangeln. Memoiren, Briefwechsel, Autobiographien sind
138 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
äusserst selten. Vieles ist unwiderbringlich verloren: das allzu oft zur Erklärung
herbeigezogene Erdbeben hat thatsächlich manche kostbare Bibliothek zerstört;
die der Klosteraufhebung folgende Plünderung viele Sammlungen in alle Winde
zerstreut. Nicht weniges aber ruht noch heute in öffentlichen Bibliotheken des
In- und Auslandes, oder in Privatbüchereien. — Bei Hunderten von Gedichten
weiss man positiv nicht, wer ihr Verfasser ist; denn nicht einem, sondern
vielen wird ein- und dasselbe Lied in den verschiedenen, unzuverlässigen
Abschriften zuerteilt. Und eine Menge von kleinen Kontroversen, sowie eine
Reihe von recht unerquicklichen Prozessen über Plagiate und Diebstähle knüpfen
sich an solche »zweifelhafte« Werke. Auch Fälschungen und Erfindungen
fehlen keineswegs. Nicht einmal im königlichen Staatsarchiv niedergelegte
Handschriften waren treuer Obhut sicher. Umfangreiche Bände von Königen
und Königssöhnen sind abhanden gekommen. Und wie sehr im Argen die
Lyrik des grössten und gefeiertsten portug. Dichters liegt, ist hinlänglich bekannt.
11. Wie erklärt sich und wo wurzelt diese Missachtung fremden und
eigenen, geistigen Eigentums? Diese leichtsinnige Verschwendung? Die Anti-
pathie gegen Genauigkeit, positive Daten, trockene Thatsachen? Ich halte sie,
wie schon gesagt, für die traurige Kehrseite des portug. Dichtertalentes, ihres
natürlichen Reichtumes, ihres weitherzigen, gross-sinnigen Kosmopolitismus.
Das Dichten wird diesen beanlagten, empfänglichen und empfindlichen Küsten-
bewohnern allzu leicht. Fast jeder kann es. Fast jeder thut es. Und geht
heute ein Lied verloren, so macht man morgen ein neues. Wozu also mühe-
volles, geduldiges, langweiliges Feilen, Sammeln und Kopieren, wenn man so
mühelos zu improvisieren versteht? So wird die hohe Kunst ein Zeitvertreib für
Grosse und Kleine, ein hübsches, geselliges Talent, das der einzelne für einen
regen, kleinen Kreis kultiviert und in Kleinigkeiten verzettelt und verschleudert.
Was man selber ohne Arbeit und Kampf erlangt, achtet man aber meist auch
bei andern wenig. Alles heimische Zeitgenössische wird daher herabgesetzt,
und über die Achsel angesehen. Nur das zeitlich oder räumlich Fernliegende,
Fremde wird bewundert und nachgeahmt. Um das Nationale kümmert man
sich erst wenn es veraltet, oder verloren ist. Man lernt es schätzen erst wenn
nur traditionelle Berichte und vage Erzählungen über einen Autor und sein
Werk übrig sind; oder wenn das Ausland sein lobendes Veredictum über die-
selben abgegeben hat. Gerade aber, weil durch eigene, in ihren besten Eigen-
schaften begründete Scnuld so vieles eingebüsst ist, und der Beweis für so manche
seit Jahrhunderten gläubig nachgesprochene Behauptung nicht zu erbringen ist,
schlägt bei einsichtigen Patrioten die übliche Gleichgültigkeit ge'gen Besitz-
stand, Ruhm und guten Namen der Nation leicht in das Gegenteil um: Ärger,
Groll und Reue über die romantische Uneigennützigkeit und unpraktische
Sentimentalität tönen aus in lautem Prahlen ; man übertreibt die Grösse und den
Wert des verlorenen Schatzes und steigert bis ins Ungemessene die Verehrung
der wirklich vorhandenen grossen Dichter und ihrer Werke, macht dadurch aber
das Ausland immer kritischer und ungläubiger. — Und eine zweite verhängnis-
volle Folge der Einsicht in jene Verluste, ist die Versuchung, entstandene
Lücken durch gefälschte Dokumente auszufüllen.
12. Neuerdings, seitdem die Romantiker Gar rett und Herculano den
Sinn für Erforschung der heimischen Vorzeit geweckt, hat man jedoch ernstlich
versucht, Versäumtes nachzuholen, Verborgenes ans Licht zu ziehen. Ver-
schollenes neu aufzufrischen; wahres Verdienst zu würdigen; falsche Ruhmes-
titel fahren zu lassen; Dichter zweiten Ranges, die zum Preise Grösserer mit Un-
recht herabgesetzt und verunglimpft worden waren,, wieder zu Ehren zu bringen ;
rücksichtslos übertünchten und modernisierten Kunstwerken ihre wahre Gestalt
zurückzugeben, kurz der geschichtlichen Wahrheit nachzuforschen. Manches ist
EiNLEiT. : Port. Bemühungen UM DIE PORT. Litt. Bearbeitungen ders. 139
gethan, und die deutsche Wissenschaft hat kein geringes Teil daran. Sehr
viel aber bleibt noch zu thun. Endgültig aufgeklärt sind wenige Fragen. Wahr-
heit und Dichtung sind noch nicht reinlich von einander geschieden. Eine
Denkmäler-Sammlung, welche wenigstens die Hauptwerke der Litteratur ent-
hielte, ist nicht vorhanden. Kritische Textausgaben fehlen fast ganz. Nur
die Lusiaden (die ja freilich nach Schlegel eine Litteratur bedeuten) sind hin-
länglich gewürdigt, und vielleicht erschöpfend behandelt. Die Biographien der
Dichter sind immer noch zu schreiben. Das Verhältnis zu den fremden Litte-
raturen ist nur skizziert, für keine Epoche, kein Genre, keinen Dichter aber
gründlich bis ins einzelne dargelegt.
13. Eine vollständige und zusammenhängende Geschichte der portug.
Nationallitteratur, welche allen Anforderungen an Kritik, Pragmatismus, Eben-
mass und Genauigkeit durchaus entspräche, ist, da die Vorarbeiten fehlen,
welche die Basis zu solchem Werke bilden, heute daher noch ebenso unaus-
führbar wie zu Wolfs Zeiten. Doch besitzen wir jetzt wenigstens überhaupt
eine »Geschichte der portug. Litteratur« sowohl in breiter Anlage, als auch in
kurzer Übersicht, Dank der grossartigen, unermüdlichen Thätigkeit des portug.
Gelehrten und Dichters, dessen Name neben dem meinen an der Spitze dieses
Abrisses steht. Seine zahlreichen littcrarhistorischen Schriften, in welchen die
Litteratur im Lichte der geschichtlichen Mission Portugals und seines National-
Charakters betrachtet, und der Versuch gemacht wird, darzuthun, wann sie in
Nachahmung träge hinschleichend, im Schlepptau fremder Führer einherging, und
wann sie frisch in organischer Entwicklung emporgeschossen ist, typische Werke
schaffend und ihrerseits andere Litteraturen beeinflussend, sowie das Warum dieser
Erscheinungen aufzudecken, und es zu begründen, an der Hand ethnographischer
'Theorien und philosophischer Systematisierungen, haben die Kenntnis portug.
Schriftwerke bedeutend über den Haltepunkt hinausgeftihrt, bis zu dem die bahn-
brechende Arbeit von Bouterwek und dem ihm nachschreibenden Sismondi,
die Gruppierungen von Ferdinand Denis und Almeida-Garrett und be-
sonders die kritischen Untersuchungen von Bellermann, Diez und F. Wolf sie
gebracht hatten. Theophilo Braga's Werke sind eine Fundgrube von wichtigen
Nachrichten, lichtvollen Gedanken, kühnen und neuen Zusammenstellungen, wert-
vollen Listen und Übersichten, absolut unentbehrlich für Jeden, der sich mit Por-
tugiesischem beschäftigt. Ein fertiges, abgeschlossenes und einheitliches Werk aber
bilden die, unter dem Gesamttitel: »Hisioria da LitteraturaPortugueza<^ zusammen-
gereihten Bände nicht. In der Jugend von einem strebsamen, phantasievollen
Studenten begonnen, der, mit dem Wagemut des Fehlens, das durch Selbst-
studium rasch Erworbene mit unglaublicher Leichtigkeit in Lehrbücher um-
setzte, und 25 Jahre hindurch (1867 — 1892) in gleicher Weise weiterforschte
und weiterschrieb, sind nicht in der Stille, langsam gediehene, ausgereifte,
wissenschaftlich-vollwertige Leistungen, sondern vor der Zeit durch Frühlings-
stürme vom Baum geschüttelte , zum Teil noch recht herbe Früchte. Sein
letztes Wort hat der rastlos weiterschaffende, alle neuentdeckten Quellen aus-
nutzende, fremde Errungenschaften sofort aufnehmende, und kraft derselben
eigene und fremde Irrtümer stürzende Litterarhistoriker in keinem seiner bis-
herigen Werke gesprochen. Eine ruhige und bestimmte, klare und knappe,
genaue und ebenmässige Darstellung, eine einmalige, abschliessende Erörte-
rung jeder Frage, mit einfacher Feststellung des Thatbestandes da, wo Ur-
teile unangebracht sind, erwarte man nicht. Dieselben Dinge werden oft mehr
als ein Mal behandelt und keineswegs immer übereinstimmend entschieden.
So wenig wie Wiederholungen, fehlen unvereinbare Widersprüche, sowohl was
Thatsachen und Daten, als auch Meinungen betrifft. Unbesehen darf der Leser
daher keinen Satz und kein Ergebnis annehmen. Er liefe sonst Gefahr vom
140 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
Verfasser selbst widerlegt zu werden. Der Dispositionsplan » Theoria da Historia
da Litteratura Fortugueza« ist 3 Mal umgestaltet worden ; das Handbuch -»ManuaU
zwei Mal; über die Zusammenordnung der in bunter Reihe erschienenen Bände
ward erst nachträglich und aufrecht verschiedene Weise verfügt; und demgemäss
über die Einteilung der Geschichte in Perioden. (S. § i6).
14. Die folgende Darstellung knüpft an Theophilo Braga's Gesamt-
werk an, und im Besondern an einen für diese Sammlung geschriebenen Abriss,
der seine Meinungen kurzgefasst in ihrem jüngsten Stadium vorführte. Von
einfacher Verdeutschung jener Skizze durch mich konnte und sollte jedoch
nicht die Rede sein : die selbst erworbenen Resultate, der eigene Standpunkt,
meine Ideen, Auffassungen und Urteile sollten darin zur Geltung kommen. Ich
berichtigte Falsches, ergänzte Unvollendetes, fügte Tatsächliches hinzu, präzi-
sierte schärfer, ordnete übersichtlicher, begründete und bewies, was bis heute
nur Hypothese oder Behauptung gewesen war, soweit die für den »Grundriss«
vorgeschriebene kompendiarische Behandlung es zuliess. Bei diesem Verfahren
nahm die ursprüngliche Arbeit natürlich einen neuen Charakter an, und wuchs
bedeutend. Der Raumbeschränkung wegen wird von meiner Redaktion je-
doch nur die erste Hälfte zum Abdruck kommen. Schon in der dritten
Periode ergreift Theophilo ßraga das Wort. Dass den so belangreichen
und so schlecht gekannten ersten beiden Perioden verhältnismässig viel Raum
zugestanden ward, wird dem Leser hoffentlich nicht unerwünscht sein. Zu-
friedenstellen aber kann bei so ungleicher Behandlung dieser Überblick noch
nicht. Scharf, genau und ebenmässig zu zeichnen ist bis heute eben nicht
möglich. - — Was jedoch auch noch an Rohstoff zum Vorschein kommen möge,
wie eingehend man auch die Ursprünge und das Werden der portug. Volks-
und Kunstlitteratur künftig darlege, wie sorgsam man auch den Vergleich mit
den übrigen rom. Litteraturen durchführe, sehr verschieden v^on dem Bilde,
das man heute entwerfen kann, wird das spätere und vollendetere nicht aus-
fallen.
15. Die Titel der wichtigeren Vorarbeiten, aufweiche im Einzelnen oft
verwiesen wird, zähle ich in chronologischer Reihenfolge auf. — Fr. Boutcr-
wek, »GescMchte der portug. Poesie und Beredsamkeit«^ Göttingen 1805,
Bd. 4 der y>Geschichte der Poesie und Beredsamkeit« \ und y> Geschichte der sp an.
Poesie und Beredsamkeit« 1804, Bd. 3 (letzteres in frz. Übersetzung vovciTraducieur
des Lettres ^/i? Jean Müller, Paris 181 2; engl, von Thomas Ross, London
1823; span. von J. Gomez de la Cortina und D. N. Hugalde y Molli-
ne do, Madrid 1829.) — Sismondi, De la littirature du midi de PEurope, Paris
1829; Bd. IV p.260 — 568. — Ferd. Denis, Risume de Thistoire littiraire du Por-
tugal, Parisi826. — Almeida-Garrett, Bosquejo da historia da poesia e lingua
portugueza im Parnaso Lusitano, vol. I. , Paris 1826. — Christ. Fr. Bellermann,
Die alten Liederbücher der Portugiesen, Berlin 1840. — F.Wolf, Zur Geschichte
der port. Literatur im Mittelalter, in Hallische Allg. Litteratur-Zeitung Mail 843 :
Nr. 87 — 91. (frz. von Ed. Du Meril im Journal des Savants de Normandie,
Caen 1844); wiederabgedruckt in den Studien zur Geschichte der span. u. portui:;.
National- Literatur, Berlin 1859 Acad. dasSciencias, Memorias de Litter atura
Portugueza, 8Bde., Liss.1792 — 1814. — Freire de Carvalho, Ensaio sobre a
historia litteraria de Portugal, Liss. 1845. — Costa e Silva, Ensaio Bio-
graphico-Critico sobre os melhores Poetas Portuguezes 10 Bde., Liss. 1850— 1856.
— Pinheiro, Curso de Litteratura Nacional, Rio de Janeiro 1862. — F. Diez,
Über die erste port. Kunst- und Hofpoesie, Bonn 1863. — Andrade Ferreira
und C. Castello-Branco, Curso de Litteratura Portugueza Liss. 1875 — 76. —
Theophilo Braga's y> Historia da Litteratura Portugueza« besteht aus einer
Reihe von Einzelwerken, die ich nach den Jahren des Erscheinens geordnet habe :
Einleitung: Bearbeitung der portüg. Litt. Epochen ders. 141
i) 1870 Introducfaö. — 2) Vida de Gil Vicente e sua eschola. — t^) A Comedia
classica e as Tragicomedias. — 4) 187 1 A Baixa Comedia e a Opera. —
5) Garrett e os Dramas Romanticos (die Bände 2 — 5 tragen zusammen den
Titel: Historia do Theatro Portuguez und umfassen 141 8 Seiten). — 6) Historia
dosQuinhentistas. — ■ 7) Epopeas da Ra(a mosarabe. — 8) Trovadores Galecio-
Portuguezes. — 9) 1872 Poetas Palacianos do Seculo XV. — 10) Bernardim
Ribeiro e os Bucolistas. — 11) 1873 Amadis de Gatila. — 12) Vida de Luiz de
Camöes. — 13) 1874 — 1875 Eschola de Camoes. Parte I: Os Poetas Lyricos;
Parte II: Os Poetas Epicos. — Band 12 u. 13 tragen den Gesamttitel Historia de
Camöes (1033 Seiten). Hier klafft eine Lücke: Das 17. und 18. Jh. sind über-
sprungen. — Es folgten Historia do Romantismo (1880 — 81 ; zu Liss., während
alles Vorhergehende in Porto erschien) ; Modernas Ideias na Litteratura Portu-
gueza, Porto 1892, und Historia da Universidade, Liss. 1892. — Dazwischen
schieben sich die drei Ausgaben der Theoria da Historia da Litt. Port. 1871,
1872 und 1881, die beiden Handbücher Manual da Hist. da Litt. Portug.,
(1875) und Curso de Hist. da Litt. Portug. (i886) sowie die kleinen Schriften:
Questöes de Litteratura e Arte Port. 1881 ; eine portug. Blutenlese, mit Poetik:
Antologia (1876) und ein moderner Parnass »Parnasso« i^Ti. — Die Werke
über Volkslitteratur werden später genannt.
Weitere unentbehrliche bio- und bibliographische Hülfs-Nachschlagewerke
sind: Nicolas Antonio, Bibliotlieca vetus und Bibliot/icca nova (s. Bd. I S. 31J
— Barbosa-Machado, Bibliotheca Lusitana (4Bd. Liss. 1741 — 52). — Pedro
J. da Fonseca, Catalogo de Auetores e Obras, Liss. 1793, als Beigabe zum
Diccionario da Academia. — Innocencio da Silva, Diccionaiio Bibliographico
Portuguez, fortgesetzt von Brito-Aranha (bis heute 15 Bde., 1883 — 90). —
R. Pinto de Mattos, Manual Bibliographico portuguez, Porto 1878. —
Garcia Peres, Catalogo Razonado biografico y bibliograßco de los Autores Portn-
gueses que escribieron en Castellano, Madrid 1890. — J. H. da Cunha Rivara,
Catalogo dos manuscriptos da Bibl. Eborense, 3 Bde., Evora 1850 — 1870. —
F. F. de la Figani^re, Catalogo dos Manuscriptos Portuguezes existentes no
Museu Britannico, Liss. 1853. — Id., Bibliographia Historica Portugueza, Liss.
1850. — Auch Salvä, Barrera Leirado, Gallardo enthalten wichtige Nach-
richten. — Der Manuscripten-Katalog der Pariser Bibliothek, den A. Morel-
fatio versprochen hat, ist noch nicht erschienen.
B. EPOCHEN DER PORTUGIESISCHEN LITTERATURJ
'ach den jedesmaligen fremden Einwirkungen , denen sie sich hingab,
teilt man die portug. Litteratur in mehrere Perioden, die natürlich unge-
fähr die gleiche Aufeinanderfolge zeigen wie die übrigen romanischen Litteraturen,
besonders nahe aber der span. Periodisierung stehen ; nur dass alle abendlän-
dischen Strömungen den äussersten Westen stets etwas später erreichen. Die
erste bezeichnet man als die Periode des provenzalischen Minnesangs, die
zweite als Periode der hispanischen oder peninsularen Hof- und Kon-
versationspoesie; die dritte als italienische oder humanistische; die vierte
als französierende, und die fünfte als romantische, und weist kurz,
bündig und bequem jeder derselben ein Jahrhundert oder zwei als Zeitraum
* Der 1885 H. B. Briggs unterzeichnete Artikel Aar Encydopaedia Britatmica liasiert
auf Th. Braga's eisten litterarhistorischen Veröffentlichungen. Es ist ein sprechender
Beweis dafiir , wie schwer es ist , aus den einander widerstreitenden Ansichten Braga's
die rechte auszulesen. Vor den kurzen Abschnitten über die ersten Jahrhunderte muss ich
entschieden warnen.
142 LrrXERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PoKT. LllT.
ihrer Herrschaft zu. Im 13. und 14. Jh. herrscht die provenz. Schule; im 15.
die spanische; im 16. und 17. die italienische; im 18. überwiegt der französische
Pseudo-Klassizismus ; im 19. die Romantik, Die vierte ital. Aera der Renais-
sance teilt man jedoch meist in zwei Hälften, nicht nur ihrer Ausdehnung
und der Überfülle von Erscheinungen wegen, welche sie bietet, sondern weil
in der 2. Hälfte, also im 17. Jh., die portug. Dichtkunst auf gewissen Gebieten
vollkommen hispanisiert auftritt. Statt fünf hätte man somit sechs Perioden
zu unterscheiden, von denen jede einzelne natürlich wieder in mehrere Unter-
abteilungen zerfällt.
Von einem anderen, höheren Gesichtspunkte aus fasst Theophilo
Braga die beiden ersten Perioden in eins zusammen, und charakterisiert
sie als die mittelalterliche Epoche, mit Rücksicht darauf, dass ihre
Stoffe, ihre Formen und ihre Ideale vorwiegend mittelalterliche sind; stellt
ihnen die folgenden drei als klassische Renaissance-Epoche gegenüber,
weil ihre Stoffe und Vorbilder meist antike, griechisch-römische waren; und
kennzeichnet die letzte, soweit sie bis heute beurteilt werden kann, als Epoche,
in welcher die Nation in ihre eigene Vergangenheit zurückgreift, aus ihrer
Geschichte und Volkspoesie Anregungen zu dichterischen Gestaltungen schöpft,
und mit den antiken Idealen bricht, kurz als nationale. ' Die erste und
dritte sollen demgemäss dem Hervortreten des eigentümlich-portugiesischen
Genius günstig gewesen sein , weil sie sich vom indigenen und spontanen
Folklore nicht getrennt und abgewendet haben, während die zweite, weil sie
in keinerlei Berührung mit dem Mutterboden stand, in (jelehrsamkeit und
Künstelei verkümmerte. Wieviel gegen diese einseitig theoretische Sche-
matisierung einzuwenden ist, liegt auf der Hand: Das Altertum hat auch im
Mittelalter seinen Einfluss geltend gemacht. Von ureigener einheimischer, rein-
portug. Volkspoesie zu reden, ist nur mit starkem Vorbehalt möglich. In der
klassischen Renaissance-Epoche aber kulminiert gerade der nationale Genius,
und bringt die am meisten volkstümlichen Dichter der Portugiesen, und ihren
grössten Sänger hervor. Und in unserem Jahrhundert, wo in kultureller Be-
ziehung gerade alle Schranken niedergerissen sind, von wirklicher National-
dichtung zu reden, ist sehr kühn.
Hält man an der oben erwähnten Einteilung in sechs Perioden fest, so
ist folgende Abgrenzung empfehlenswert, weil sie an bestimmte Merkzeichen
im Entwicklungsgange der Litteratur anknüpft-:
* „As epocas historicas de todas as Litteraturas romanicas säo determinadas pela pre-
ponderaiicia exclusiva 011 comhinada dos dois elementos constitutivos : as tradigöes nacicmaes e
populäres da Edade-media da Europa, e as obras e doutrinas litterarias greco-romanas impostas
pela atictoridade dos er'uditos humanistas e latinistas ecclesiasticos. — Exemplificando com a
historia da litteratur a portugueza temos :
Primeira cpoca, prepotiderando os elementos 7nedievaes; ?nas dd-se uma transigäo para a
admiragäo das obras classicas oti greco-ronianas . . . . (2 Periodos).
Segunda cpoca, prevalece a influencia da Italia da Renascenga que sustenta o gosto das
obras classicas ??iodißca7ido e dando formas definitivas ao Lyrismo occidenlal. (3 Periodos).
Terceira epoca, caractcrisa-se pelo espirito de revivescencia das tradigöes »tedievaes
nacionaes e popidares, incotnpativel com os modelos classicas, porcni 0 criterio scientifico resta-
helece a continuidade historica, apropriando-se dos dois elementos da cimlisagiM occidental, e har-
mornisando-os. c
Diese Doktrin zieht sich durch das ganze Werk Th. Bra gas. Ihre letzte präziseste
Formulierung kopiere ich aus den Modernas Ideias, vol. II p. 338.
* In den summarischen Übersichten über portug. Litteratur, welche ich für die Ency-
klopädien von Brockhaus und Meyer verfasst habe, benutze ich diese Daten, bleibe aber bei
der Einteilung in 5 Perioden stehen , und zwar weil ich auch für Spanien nur deren fünf
angenommen hatte (l 150 — 1 369; 1369— 1516; 1516— 17C1; 170I — 182O; 1820) mit Reciit,
da in Spanien die Blüte des 16. Jlis. im 17. fortdauert, ja eigentlicli mit Cervantes,
Lopc, Calderon erst iiire glossartigste Entfaltung zeigt.
Einleitung: Einteilung der fort. Litt, in Epochen. 143
Epoca 1
I. Jh. XIII u. XIV: Escliola ProveiK^al : Trovador es Gallecio- Parlugiiezes \2QO—\'^^l^
II. Jh. XV : Eschola Hespanhola: Poetas Falaciatws 1385 — 15'.il
Epoca II
III. Jh. XVI : Eschola Italiana: Quinhentistas (Petrarchistas) 1521 — 1580
IV. Jh. XVII : Eschola Hispano-italiana: Seiscentistas. (Culteranistas) 1580 — 1~00
V. Jh. XVIII : Eschola Franceza: Pseudo- Classicistas. (Afade-
micos e Arcades) 1700 — 1825
Epoca III
VI. Jh. XIX : Eschola Romantica: seit l82n
Um feste, unverrückbare Grenzscheiden kann es sich selbstverständlich
nicht handeln. Vorboten und Nachläufer aller Richtungen sind vorhanden.
Auch Übergangszeiten, Stillstand und Unterbrechungen sind da. — Ich sage
kurz, warum ich jene Daten gewählt habe.
I. Das Anfangsdatum der ersten Epoche ist ein ungefähres. Wir wissen
nicht und werden kaum jemals wissen, von wem und wann das früheste hö-
fische Minnelied in portug. Sprache gedichtet ward. Doch lässt sich nachweisen,
nicht nur dass eine ganz beträchtliche Anzahl von Gedichten der ersten
Hälfte des 13. Jhs. angehört, sondern sogar dass mindestens ein Lied noch
wählend der Regierungszeit Sancho's I (1185 — 1212), im ersten Dezennium
des 13. Jhs. verfasst sein muss. Als Endpunkt wähle ich das Jahr 1385,
darum weil so Übereinstimmung mit einem gewichtigen Geschichtsabschnitt(>
erreicht wird, von dem positiv das Erwachen eines neuen Geistes und das
Einlenken in die neue Bahn maritimer Unternehmungen datiert. Ebenso gut
hätte ich auch 1350, das Todesjahr Alfons XI. von Kastilien , oder 1357,
das seines Schwiegervaters Alfons IV. von Portugal, als Endpunkt ansetzen
können, da mit der Thronbesteigung ihrer Nachfolger, welche beide den Namen
Pedro L, und den Zunamen Cruel-Justkeiro d. h. der Grausam-Gerechte
tragen, ein plötzliches Verstummen alles portug. Minnesangs an beiden
Höfen eingetreten zu sein scheint. — Unpraktisch wäre es, die erste Period(^
bis 1450 auszudehnen, die zur zweiten Epoche hinüberleitende Nachblüte
hineinrechnend, da sie auf kastilischcm Boden gedieh; ich meine jene im
Geiste, in der Sprache, und in den Formen der altportug. -»trovadores«. ab-
gefassten Minnelieder des Macias und anderer, welche A^vaCancionero de Baena^
und vereinzelt noch vielen span. Liederbüchern, eingeschaltet sind. Denn fast
gleichzeitig, schon von 1369 an, beginnt der von Kataloniens Gaya Ciencia
beeinflusste, zünftige technisch-ausgebildete Meistersang gelehrter y>dezidores«,
und wenig später die von Italien aus befruchtete, mit antikem Wissen prunkende
Kunst der yypoeias«, welche die zweite Epoche charakterisieren.
II. Die zweite Periode beginnt also mit der Thronbesteigung des
Gründers der zweiten, unechtburgundischen Dynastie (D. Joäo I., 1385 — 1433).
Ich lasse sie enden mit dem Jahre, in dem Emanuel die Augen schloss, und der
Neuerer Sä de Miranda seine italienische Reise antrat. Statt 1521 könnte
ich auch 15 16 sagen, den wichtigen Scheidepunkt wählend, wo Garcia de
Resende, der Sammler des Allgemeinen Liederbuches, in dem der dichterische
Ertrag jenes Zeitalters niedergelegt ist, sein Werk der Öffentlichkeit übergab,
und das mit um so grösserem Rechte als in demselben Jahre in Spanien das
Haus Österreich eine neue Aera einleitet. Auch den Zeitpunkt, in dem Miranda,
von seiner Reise heimgekehrt (1526) den italienischen Hendekasyllabus — diese
bedeutsame Abart des provenzalischen , im 13. und 14. Jh. in Portugal so
beliebten Dekasyllabus — einführt. Die Anfange des Dramas rechne ich zur
dritten Epoche, auf welche sie hinweisen, obwohl es bereits 1502 seine ersten
selbständigen, vom kirchlichen Boden losgelösten Schritte thut. Desgleichen
und aus demselben Grunde die bukolischen Versuche des Christovam Falcäo
144 Ll'i'l'fiKATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
und Bernardim Ribeiro, obwohl beide Dichter, so wie Gil Vicente und
Sä de Miranda, mit kleinen Liedern im Cancioneiro Geral vertreten sind,
also in der zweiten Epoche wurzeln.
III. Die dritte Periode umfasst die grossartigste Entfaltung und höchste
Blüte der portug. Litteratur, sowohl der Lyrik, in peninsusularen Weisen
durch ^\&poetas da medida velha und in klassischen durch die petrarchistas, als der
Epik, des Romanes, der Geschichtsschreibung und des Dramas. Ihren Höhe-
punkt erreicht sie 1572 mit der Drucklegung äex Lusiaden. Mit dem Todes-
jahr des Dichters, das zu gleicher Zeit den Verlust der Selbständigkeit und
den Beginn der span. Fremdhersschafl sah, schliesst seine kurze Glanzzeit ab.
IV. Es folgt eine kräftige Nachblüte bis etwa 1640, ausgefüllt von den
Arbeiten der Schüler und Nachahmer des Camöes, Montemor, Moraes —
dann aber eine Zeit des Verfalls und überhandnehmender Hispanisierung. Das
Jahr 1700 gilt als Ausgangspunkt, weil es ungefähr zusammenfällt mit dem
Wendepunkt peninsularer Geschichte, kraft dessen die Bourbonen und franz.
Geschmack ihre Herrschaft beginnen.
V. Die fünfte, dem franz. Klassizismus huldigende Zeit, in welcher
Sprach- und Geschichts- und schöngeistige Akademien sich vergeblich bemühen,
dem Sinken der Litteratur und der Gallomanie P'inhalt zu thun, sieht ein
kurzes Aufflackern, Dank des guten Geschmackes der »Arkadier«, die danach
strebten mit franz. Eleganz und Korrektheit, den poetischen Geist der ein-
heimischen Meisterwerke des 16. Jhs. zu vereinigen. Ihre Geschmacksrichtung
überdauert freilich das Jahr 1825, doch betrachte ich dasselbe als Anfang
der sechsten Periode und der romantischen Erneuerung, weil das damals
veröffentlichte patriotische Epos »Camöes« des emigrierten Almeid a-Garrett
den Anstoss zur nationalen Wiedergeburt gab.
C. ÄLTESTE DENKMÄLER PORTUGIESISCHER LITTERATUR.
|US dem ersten Jahrhundert portug. Geschichte (1094 — 1200) haben sich
keinerlei Dokumente in der Nationalsprache erhalten, weder Kunstpoesien,
noch volkstümliche Gesänge. Die ersten waren eben noch nicht vorhanden,
und gewisse , als Denkmäler aus jenen Tagen , oder noch älteren Zeiten
(8 — II Jh.), ausgegebene, epische und lyrische Versuche sind, unverkennbar,
gröblichst gefälschte, willkürlich und tendenziös erfundene Apokryphen. Die
letzteren hingegen , — nicht umfangreiche epische , sondern kurze lyrische
Lieder, — waren, aller Wahrscheinlichkeit nach, reichlichst da, lebten aber nur
im Volksmunde, weshalb authentische Überreste so gut wie ganz fehlen, wie
fast überall. Von ihrem Inhalt und ihrer Form können wir uns jedoch eine
ziemlich klare Vorstellung machen: die höfischen Liederbücher bereits der
ersten Epoche bieten nämlich eine sehr grosse Anzahl von Gedichten, welche
durch Gegenstand, Anlass, Bau, und ihren vom Kunststil völlig abweichenden
Charakter als Nachahmungen wirklicher, zeitlich voranstehender Volksweisen
gekennzeichnet sind, und zum Teil sogar unverändert dem Volksmunde ent-
nommene, und von den Troubadours nur musikalisch überarbeitete »Cantos
populäres« zu sein scheinen. Und dazu gesellen sich, innerlich und äusserlich
vollkommen übereinstimmend, erstens einige zwar recht kleine, aber dennoch
bedeutsame Bruchstücke echter Volkslieder aus derselben Zeit (13. und 14. Jh.),
und zweitens genau nach dem gleichen Typus gebildete Lieder aus den nach-
folgenden Jahrhunderten , ja noch aus unseren Tagen. Seine Langlebigkeit
aber beweist, wie national und volksmässig dieser Typus einst gewesen ist. —
Im Anschluss an eine summarische Übersicht über die gesamte Volkslitteratur
ÄLTESfE DeNKM. der PORT. LlTT. — VOLKSLlUTERAlüR. I45
Portugals charakterisiere ich das altportug. Volkslied und untersuche hinterher
den Vorrat der gefälschten (iedichte, zu dem Zwecke eine sichere Grund-
lage für die Darstellung der eigentlichen Litteratur zu gewinnen.
1. VOLKSLITIERATUR
18. Was die portug. Volkslitteratur heute besitzt, wissen wir ziemlich
genau, Dank dem Eifer tüchtiger Folkloristen, die seit 1867 mit wissenschaft-
lichem Ernste sammeln , was der Volksmund singt und sagt. — Zu seinem
keineswegs armen oder stimmungslosen Besitzstande gehören in erster Reihe:
mehr als hundert Märchen und Geschichten (contos, casos, historias, excmplos);
viele Mythen, Legenden und Sagen (lendas); zahlreiche abergläubische Be-
schwörungs- und Besprechungsformeln {esconjuros, ensalmos) ; Gebete und fromme
Weisen (oraföes, rezas, serftwes), oft mit parodistischen Gegenstücken; Kinderreime
und muntere Sprechformeln (rimas hifantis, lengas lengas, per/engas, parlendas,
travalitiguas) ; Rätsel (adivinhas); Spieltexte (Jogas); Wetter- und Bauernregeln
{adagios , ditos) ; und ein erstaunlich reicher und eigenartiger Schatz ernster
und heiterer, moralphilosophischer Sprichwörter {riföes, anexins, ditados, pro-
verbios; alt veröos, a.\\chenxempros, wenn sie sentenzenartig der Moral einer Fabel
oder Erzählung Ausdruck geben). Die Märchen, Geschichten, Legenden und
Sagen, die auf dem Lande, besonders zur Winterzeit, an Spinnabenden {seröes
und fiandöcs) von alten Weibern am Herdfeuer {jiinto ä lareirä), und in den
Städten in der Kinderstube erzählt, und so von Geschlecht zu Geschlecht
überliefert werden, sind natürlich in Prosa abgefasst, die meist schlicht und
ohne Pathos einherschreitet, oft aber, wo Scherz, Witz und Satyre zu Worte
kommen , sehr glückliche Effekte erzielt. Manchmal besteht sie auch aus
regelmässig gegliederten Reihensätzen, die, beim zufälligen oder beabsichtigten
Eintritt etwelchen Gleichklanges, versartig klingen (Beispiel: A formiga e a
neve; Rabo do Gato; Gallo e Pinto etc.). Einige treten sogar ganz in Versen
auf (z. B. die Carouchinha, auf Madeira i). — Sehr häufig sind Reimzeilen in
die Märchen eingestreut, nicht bloss am Schlüsse, für den allerhand herkömm-
liche allgemeine Formeln vorhanden sind, sondern auch mitten in der Er-
zählung, besonders wo die Hauptfiguren Massgebendes zu reden haben. —
Diese Märchenreime nun, so wie auch die stets in gebundener Rede auftretenden
Gebete, Sprüche, Rätsel und Spiele sind überaus einfach in ihrer Konstruktion.
Die kürzesten und primitivsten sind unmittelbar gebundene Zeilenpaare, Distichen
mit vollkommenem oder unvollkommenem Reim; oder sie sind Triaden mit
einer reimlosen Zeile, die beliebig am Anfang, in der Mitte, oder am Ende
steht; oder Vierzeiler, mit überschlagend-wechselnder (und nur in mo-
dernisierten Redaktionen mit eingeschlossener) Reimstellung. Bei grösserer
Länge der Verseinlagen werden die Distichen mit reimlosen Zeilen in beliebiger
Zahl untermischt. Auch kleine, vier oder mehrzeilige Tiraden, und romanzen-
artig klingende Stücke mit durchgehendem Reime nur in den paarigen Zeilen,
kommen vereinzelt vor. - - Dass die grössere Masse der Märchen und Spiele
und Gebetsformeln nicht speziell portug. Eigentum , oder gar nationale Ur-
schöpfung ist, sondern ererbtes, nur nationalisiertes Hab und Gut, zu dem
sich Parallelen in den übrigen Volkslitteraturen finden, bedarf kaum der Er-
wähnung ; ebensowenig dass sie, hier wie allerwärts, uralter und traditioneller
Besitz sind. Hinweise auf einzelne Märchen ziehen sich durch die Kunst-
' Auf Madeira giebt es noch manches andere versificierte Märchen (Gata Borralheira,
Conto do Macaco , Tres Cidras do Amor u. a.) , doch tragen einige davon im Styl und in
ihrer ungeheuren Ausdehnung das Zeichen später juglaresker Bearheitung durch berufsmässige
Volksdichter (cantores) deutlich an sich.
(JKOkKi;, Gruiidriss. Uli. in
146 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
litteratur, rückwärts bis in ihre Anfanget Auch Sprichwörter werden schon
in den ältesten Dokumenten verwertet, und zwar bereits mit dem Zusatz, sie
seien »alte« Worte d. h. verbos antigos e verdadeiros^\ und heute wie ehedem
schmücken sie die Rede des Landvolkes und wahrhaft nationaler Schriftsteller.
Ungleich wertvoller jedoch als der refraneiro , und alle kunstlosen
didaktischen Knittelverse, die nur zum Hersagen bestimmt waren (als romance
de rezar) und als der umfangreiche Prosateil der Volkslitteratur, ist natürlich
ihr Singliederschatz. Er zerfallt in einen Cancioneiro (das eigentliche Buch
der subjektiven, lyrischen Lieder der Liebe) und in den Romanceiro, der die
objektiven episch-lyrischen , gleichfalls zum Absingen bestimmten Gedichte
umfasst {cantar romance, daher männlich: o romance). Rein Episches hat der
spät erwachende portug. Volksgeist, losgelöst vom allgemein peninsularen hispa-
nischen Genius, nicht geschaffen. Das Studium der Volksmusik, leider noch
wenig erfolgreich betrieben, hat noch zu keinen festen Resultaten gefuhrt. ^
19. Der Cancioneiro ist nicht nur materiell reichhaltig, sondern
gedankenvoll und formvollendet. — Wie in der Kunstlyrik zeigt sich auch
in der erotischen Volkslyrik der schwärmerisch sentimentale Grundzug der
portug. Nationalseele. All ihren Gefühlen, so der Freude wie des Schmerzes:
Sehnen und Eifersucht, Liebe wie Verachtung, Trotz und Ergebung, Hoffnung
und Verzweifeln, Bewunderung wie Zorn, Spott und Hohn wissen die Portugiesen,
und zwar Frauen wie Männer, einen lebendigen und natürlichen, bald kraft-
voll frappanten, bald anmutig zarten Ausdruck zu geben. — Gesungen werden die
nach vielen Hunderten zählenden Liebeslieder, je nach Anlass und Inhalt, entweder
allein von Einsamen, bei der Arbeit in Haus und Feld, nach dem Grundsatz
>~>quem canta, seu tnal esßanta«, und in diesem Falle ohne Instrumentalbegleitung;
oder zur 7'iola oder guitarra von vielen zusammen {ein coro) bei gemeinsamer
Thätigkeit oder gemeinsamen Lustbarkeiten im Freien, an Festtagen, bei Spiel
und Tanz, in fröhlichen descantes; oder auch beim Wallfahrtswandern {nas
romarias), daher meist im Sommer. — Auch Wechselgesang zweier Personen
ist sehr üblich. — Neben den Liebesliedern stehen natürlich auch andere: Wiegen-
lieder {cantos ao bergo); wahrhaft religiöse Weisen nur sehr vereinzelt; einige
historische, meist sarkastische Reimereien (z. B. über den Cardeal- Inf ante Dom
Henrjqtie; Junot etc.); zahlreiche, doch keineswegs fromme Verse an Heilige
und ihre Festtage; Mai- und Mitsommernachts-, Weihnachts-, Neujahrs- und Drei-
königslieder {Maias, Janeiras, Reis, Cantos do Matal, Annobom, Cantigas de
S. Joäo^ S. Pedro, S. Antonio etc.) u. a. m. — Auffallend ist, dass für alle
diese stofflich verschiedenartigen Liedergattungen heute nur eine einzige metrische
Form in Anwendung kommt, die freilich so einfach zu handhaben, und der
portug. Sprache so angemessen ist, dass sie zur Improvisation und zu fortwährend
variierender Umarbeitung älterer Lieder wie geschaffen scheint und geradezu
zum Dichten herausfordert. Die Leichtigkeit, mit der denn auch Jedermann
im Volke, wes Standes er auch sei, nach diesem einen herkömmlichen Typus
dichtet, wird durch die Formel »deitar uns versos oder umas cantigas« hin-
reichend gekennzeichnet. Schon halbe Kinder dichten. Kaum anderwärts findet
man so zahlreiche 14jährige Dichter und Dichterinnen wie auf der Halbinsel.
' In den litterarhistorischen Einleitungen zu C o e I h o ' s und B r a g a ' s Märchen-
sanimlungen werden einige der älteren litterarischen Anspielungen erwähnt, und kunstmilssige
Überarbeitungen der Märchenstoffe namhaft gemacht.
* In der Rev. Lusit. 1 69 — 72 habe ich 13, aus den altportug. LiederbCichern ge-
sammelte Sprichwörter kurz behandelt.
' Soeben (Juni 1893) erscheint das 1. Heft eines musikalischen Volkslieder-Buches
y>Ca7icioneirp de Alusicas Populäres para canto e pMno, jior Cesar das Nevcs. coordt-nada
a parte pot-tica poi- Ciualdeno de Canipos, Poito.
VOLKSLllTERATUR IN PrOSA U. VeRS. CaNCIONEIRO. VoLKSLIEDARTEN. 147
Alle lyrischen versos, oder cantigas, oder trozias ^\x\^ nämlich Vierzeiler
{quadras) trochäischen Wandels, mit acht- oder sechssilbigen Zeilen, welche
die modernen Theoretiker versos de redondilha maior e menor nennen, nie mit
gekreuzten oder eingeschlossenen, sondern stets mit überschlagenden Reimen
in Zeile 2 und 4. Vollkommener Reim (consoante) ist das vorwiegende und
theoretisch erstrebte; Assonanz {toante) ist viel seltener als in Spanien. —
Da die Volksinspiration immer kurzatmig, und die portug. Sprache präg-
nanter Kürze fähig ist, genügt dem Dichtenden zur Darlegung seiner Em-
pfindungen gewöhnlich je eine einzige Strophe ; oft ist sogar eine der Zeilen
schon entbehrliches Füllwerk. Gewöhnlich stehen in den qiiadras zwei (be-
danken einander dichotomisch gegenüber, ' von denen der eine sich gern in
die Form eines Bildes oder poetischen Vergleiches kleidet. Nicht selten bildet
jedoch erst eine Reihe von quadras eine abgeschlossene Cantiga-. In W'ett-
gesängen (desaßos) , wie sie an Kirchweihfesten von zwei Sängern {canta-
dores), oder Sänger und Sängerin {cantadeira) veranstaltet werden, die ab-
wechselnd je eine Strophe improvisieren (selten mehr, oder weniger), oder
solche aus dem Schatze ihres Gedächtnisses hervorholen, steht natürlich eine
längere Reihe von quadras inhaltlich in intimem Zusammenhang. Bisweilen
ist derselbe auch äusserlich hergestellt, dadurch dass der Reim der ersten Strophe
festgehalten und durchgeführt wird, oder durch ostensives Fortspinnen des
einmal angeschlagenen Themas, so zwar dass die letzte Zeile jeder Strophe
als erste der nächstfolgenden ganz oder halb wiederholt wird (leixa-prem).
Also gestaltete amöböische Liebesstreit- Gesänge (despiques) sehen, wenn der
Dialog, geschickt fortschreitend, dramatische Lebendigkeit erreicht, einer gewissen
Klasse von Romanzen zum Verwechseln ähnlich, jenen rein dialogischen, genre-
bildlichen Liebesromanzen , die man sich gewöhnt hat xdcaras zu nennen
(vielleicht weil sie, abenteuerlicher Ereignisse bar, kleineSzenen aus demVulgär-
leben reproduzieren, die manchmal mit Streit und Zank enden und dann cantos ä
desgarrada heissen). Proben der cantos ao desafio finden sich denn auch bald unter
den Cantigas, bald unter den Romanzen, je nach dem Geschmacke der Sammler.^
Eine gewisse Schulung, ein litteratenhaftes Gebahren ist jedoch bei einigen
dieser Volkssängcr unverkennbar. — Auch Einzelsänger richten dann und wann
grössere Gedichte her, indem sie durch Gedanken- und Klangassociationen ge-
leitet, verschiedene lose quadras über ein und denselben Gegenstand hinter-
einander singen.
Wenn wir, dem Alter und der Herkunft der Volkslieder, ihrem Einflüsse
auf die Kunstpoesie und ihren Beziehungen zu ähnlichen Gebilden anderer
Nationen nachspürend, die Werke der portug. Litteratur durchmustern, so finden
wir im i8. und 17. Jh. untrügliche Zeichen für das Bestehen und die Popu-
larität der Vierzeiler; und ebenso im 16., teils in echten Proben, teils in
Nachahmungen, die in Drama, Roman und Novelle als Einlage benutzt sind,
teils in kunstmässigen Volten und Glossen, deren Thema sie sehr häufig bilden.
— Daneben finden wir aber auch anders geartete volkstümliche Weisen, noch
primitiveren Charakters, die heute nicht mehr als selbständige Lieder erscheinen;
und sie werden um so häufiger je weiter wir rückwärts greifen. So ver-
zeichnen z. B. Camöes und Sä de Miranda, und ihre Zeitgenossen eine
* Z. B. Inda que 0 Iwtie se apague \ Na cinza fica 0 calor ; || Inda qtte o amor se
ausenle, \ N^o coragäo fica a dbr. — Oder 0 annel que tu me deste \ Era de vidro, quehrou
se ;\\ O amor que tu me tinhas \ Era pouco e acabou-se.
* So in dei" Cantiga da Etigeitada ; do Degradado ; do Soldado etc.
' S. Cancioneiro do Ar eh. Agor.: Despiques de Conversados — Romaiueiro do Algarve :
Os dois Amantes — Cantos Populäres do Brastl : No. 16 Florioso (1 29 u. II 189); Bd. II
p. 50 — 52 Adeus delirias dos olhos etc.
148 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
Reihe von lyrischen Distichen und Triaden, die den Namen cantares velhos
tragen oder »cantar das tnofas ao adu/e«. (= viereckige Schellentrommel)
oder »cantar velho que cantam polas ruas etn dia/ogo« oder troz'as que cantam
em coro; und zwar benutzen die Quinhentistas solche schon in ihren Tagen
veralteten Texte meistenteils als Leitmotiv (niote) für neue Hirten- und Bauern-
lieder {jnlancetes ; span. villanckos), die seibor wieder den Volkston anschlagen.
— Noch früher aber, in den span. - portug. Liederbüchern des i5.*Jhs.,
und in Gil Vicente's, zwischen 1502 und 1536 verfassten und gespielten
Bühnenwerken, begegnen wir, ausser einlachen cantigas, und jenen schlichten
zwei oder dreizeiligen cantares, einer Fülle reizender ausgeführter Tanz- und
Sangesweisen im Volksstyl, die in Versmass, Strophenbau, Charakter und Inhalt
vom Vierzeilertypus ab^veichen, und in der Folgezeit nur ganz vereinzelt vor-
kommen. — Die vorangegangenen Jahrhunderte d. h. die Denkmäler der
ersten Epoche portug. Kunstlitterarur befragend, finden wir sie immer häufiger
und in üppigster Blüte. Daraus muss man folgern, dass die Geschichte des
portug. Volksliedes in zwei Epochen zerfallt, deren spätere, noch heute fort-
dauernde, unter dem Zeichen der redondilha steht, während die frühere zwar
auch den acht- und sechssilbigen Trochäus kennt und ihn in Distichen, Triaden
und Vierzeilern verwertet, doch ohne ihm die Alleinherrscher- Rolle einzu-
räumen.— Dass wir diese frühere als Epoche des Zweizeilers (d. h. der versos
fiareados), der Parallelstrophen, des Kehrreims, der Frauenlieder, und
mann ich fach er (jambischer, trochäischer und anapästischer Rhythmen) be-
zeichnen dürfen , geht aus den Andeutungen des folgenden Paragraphen
hervor. — Die erste Periode dauert bis an den Ausgang des 14. Jhs. Das 15.
ist die Zeit des Überganges, in der das Erstarken des peninsidarcn Nationalgeistes
in der Kunstpoesie zur Bevorzugung derjenigen Formen führte, die man als
spezifisch-hispanische, im Volke und vom Volke entwickelte ansah'. Damals, als
nächst der Romanze die sog. Redondilhas (in Form von cantigas und can-
tares, vilancetes und serranilhas etc.), als ziu- Veredelung und zu variierender
Vervielfältigung geeignete Keime wissentlich und geflissentlich in die Hof-
und Kunstpoesie verpflanzt wurden, aus denen man votierende und glossie-
rende Paraphrasen, sowie Qidntilhas und decimas und nonas und oitavas züch-
tete, kurz alle recht eigentlich hispanischen Dichtungsformen der Lyrik,
da wirkte diese allgemeine Wertschätzung des Einheimischen auch auf die Volks-
poesie zurück. Der Vierzeiler siegte, und drängte alles in den Hintergrund,
was nicht diesen peninsularen Typus trug.- Es haben sich darum bis heute nur
Reste und vereinsamte Nachklänge der abweichenden, altvaterischen Weisen der
Vorzeit erhalten : ganz wenige Refrainlieder in Parallelstrophen in det Nordost-
provinz Tras-os-Montes8; eine aha oA.qt alvorada xmt dem Weckruf : i levada
' In Gil Vicente's Werken finden sich Klänge aus beiden Epochen und zwar
aus Volks- und Kunstpoesie. Sie enthalten einen so buiiten Liederschatz (leider vieles nur
bruchstCickweise und in recht mangelhafter Oberlieferung), dass es scheint, der geniale, für
alles Nationale eingenommene Dichter habe dem Hofe vorführen wollen (dem Zeitgeiste
entsprechend in portug., span., und span. -portug. Zunge) was. schon damals veraltet, nur noch
auf den Gebirgshöhen der Serra da Kstiella und in versteckten Thälern des Cintra-
gebirges zu hören war ; und gleichzeitig was an Melodien und Tänzen Neuestes (Fremdes wie
Heimisches) Anklang suchte. Heute lässt er singen: Ay delafioble Ville de -Paris ; morgen
eine .span. Romanze: dann führt er einen altportug. Ringeltanz vor, ärr'emedando os da serra,
bald eine folia, bald ein vilancete, bald tmt prosa, dann wieder eine rhacota, oder ein Parallel-
strophenlied nach dionysischem Typus, und so fort.
* Wer die Geschichte des peninsularen Volksliedes und .seiner Einwirkung auf die
Kunstpoesie schreiben will , findet in den Pliegos sueltos , den Liederbüchern , Dramen und
Novellen reichen Stoff; doch ist die Sichtung dessen was echt und volkstümlich ist, von
dem was geschickt nachgebildet ward, nicht immer ganz leicht. Der Cancionero Barhieri
enthält kostbares, doch ungeordnetes Material.
* S. Leite d*^ V a s c on c e 1 1 u s , im Annnario de Tradi^ces Populäres Portuguezas.
Volkslied ARTEN in den verschied. Perioden d. fort. Litt. 149
a alval imOrtcCardal(beiPombal*); einige ^(^X^, fados auf Madeira, den .\zoren,
und in der Beira etc.-; verschiedene namenlose Gesäuge in einfachen /</rm/Ä7j
u. a. m. Was der von Kunstdichtern mehrfach erwähnte solau war, wissen wir
nicht''; und ob die Wallfahrtslieder, welche thatsächlich früher eine besondere
Gattung bildeten, den Namen cantos de. ä-^/Z/w jemals getragen haben, bleibt noch
festzustellen^. Von den reizenden erzählenden, zu den Romanzen hinüber-
leitenden serranilhas und vaqueiras (der peninsularen Form der pastorelas)
lebt keine Spur mehr-"»; ebensowenig von den chacotas, folias, hailadas und bai-
lados de terreiro der fröhlichen, vor Gil Vicente liegenden alten Zeit, in der
in jedem portug. Bauernhaus Musik und Tanz ihre Stätte hatten ; noch auch
von den Totenliedcrn {Endechas oder cantos guayados) der Klageweiber (c/iora-
deiras, carpideiras). Der Vierzeiler hat eben alles verdrängt, erneuert und
ersetzt, unterstützt von der, gleichfalls im 15. Jh., als bedeutendster Volks-
schöpfung in Rcdondilhen, triumphierend auflretenden episch-lyrischen Romanze.
Daran dass er bestimmt bereits in der ersten Epoche , oder richtiger, noch
vor dem Beginn der Kunst- und Hofpoesie vorhanden war, ist jedoch
nicht zu zweifeln. Schon Alfons X. hat ihn in seinen portug. cantares
benutzt^. — Dass sich jedoch im Volksmunde auch nur ein einziges Exem-
' \.\\\\^\A\ , Dkcionario Geograpkico III p. 152.
* Der echte, alte /a</() war ein wehmütiges Klagelied, eine Lam enla zioii e, in der
eine Nonne, ein Mönch, ein Seemann, ein Soldat, ein Bauer die Unbilden seines Standes,
sein »I>oos« bejammerte. Demgemäss war er stylistiscli, und gewiss auch musikalisch, ein
Dissonanzenlied (eine Art des-lai, oder descort). Formell knüpft dasselbe an kirchliche Weisen
an (latein. Sequenzen), und steht in Zusammenhang mit den alten, halb volkstümlichen, halb-
kunstmnssigcn, gleichfalls vcrklungenen Waru m- und V'er wünsch u n gs- und A bsch ieds-
Liedern (Porques — Arrenegos — Maldigöes — Despedidas) , denn ihnen allen gemeinsam
ist der unmittelbar gebundene Reim, der refrainartig nach je drei Zeilen auftretende Halb-
vers (eine 4 silbige Cauda) und weiter eine absichtliche Sonderbarkeit. Was strophisch wie ein
Ganzes aussieht, ist es nämlich weder dem Sinne nach, noch grammatikalisch, nocli musika-
lisch: Die 1. Zeile ist reimlos; in den beiden folgenden durch Reim gebundenen Aciitsilbiern ist
mit trotziger Absichtlichkeit Gedanke von Gedanke gerissen; die Halbzeile welche die Strophe
abschliesst, reimt erst mit der nächsten Vollzeile. Beispiele bei Braga sind: der konim-
bricenser Fado do marujo\ der Frade\ und die a^orianische Xäcara da Vida da Freira.
— Heute giebt man den Namen fado o^^x fadinho V u 1 gärl ie der n ähnlichen Inhaltes,
docii in Vierzeilern (wie der Fado da Severa), Decimen oder Uuintilhas, die von städtischen,
fadistas (den lissabonner Bohemiens) zur banza gesungen werden,
' Dem Anschein nach war der solau ein Gedicht in Dreizeilen. Üb er in Beziehung
zu den span. soleares und den galliz. rtiadas steht, ist noch ungewiss, wie auch seine Be-
ziehungen zum fado unklar sind.
* Ein einziges Mal, im 16. Jh. in der Dichtung Crisfal (Str. 42), wird ein kastil.
Wallfahrtsliedchen ( Yo me iba la mi tnadre A Santa Maria del Pino) mit dem Namen
canto de ledino belegt ; doch ist die Lesart de ledino zweifelhaft. Delledino d h. d^elle dino
giebt vielleicht den wahren Sinn. Erörterungen darüber ob ledino so viel wie ladino =
schlau, Oi\*ii' latino = lateinisch bedeute, oder mit ledainha =r litania zusammen-
hänge, oder auf ledo =r laeius als auf das charakteristische Wort der Wallfahrtsgesänge
hinweise, sind daher müssig. — Das von Chris tovam Falcäo verwertete Lied ist,
nebst seiner reizenden Melodie enthalten ini Canc. Musical (No. 38o). Es ist ein Villancico,
dessen Mote und Refrain eine noch ältere Volksweise ist: das catitar von Menga la de!
Bustar. — An Seitenstücken fehlt es nicht, wie Yo me iba mi madre A la romeria (Barbieri
No. 402) imd Yo me iba mi madre A Villareale (Amador W p. 61 2). Wie man sieht, tritt
die Tochter auf und erzählt der Mutter Wallfahrtserlebnisse. Vgl. S. 152 Anm. 6.
* Vom vatikanischen Liederbuche ( No. 410) und dem Erzpriester von Kita (93;?.
961. 971. 996 J über die vier asturischen Mendoza's hinfort (Inigo Lopez, Pero Gon-
zalez, Diego Furtado und den Markgrafen von Santillana) bis zu Bocanegra
und Carvajales in Spanien und Gil Vicente in Portugal lässt sich die Serranilha in
der Litteratur verfolgen. Dann verschwindet sie. Sie scheint aus Frankreich durch Nord-
spanien nach Poitugal gekommen zu sein. Die Redondilha menor war ihre üblichste Form,
in) 14. wie im 16. Jh.
* Z. B. Ben per estä aos reis \ D'amaren sanla Maria \ Ca en as mtii grandcs foiias '
ela OS acorre e giiia. — Diese und die span. Cantigas bei F i ta und A y a 1 a sind schon' Kunst-
gedichte, (loci) weisen sie sei h.st verständlich auf bereits in Spanien vorhandene Volkslieder hin.
150 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
plar von den damals üblichen qicadras unverändert erhalten hätte, ist un-
wahrscheinlich. Die Kürze und Schlichtheit ihrer Form, und ihr durchaus
subjektiver Charakter bringen es mit sich, dass sie ebenso schnell vergehen
wie entstehen, und dass der Liedervorrat sich somit fortwährend erneuert. —
Die Spontaneität seiner Bildung ist damit ausser Frage gestellt. Trotz oft recht
auffälliger Anklänge steht der peninsulare Vierzeiler in keinem direkten Zusammen-
hang mit ähnlichen gleichgearteten Gebilden anderer Völker. Bewusste Nach-
ahmung ist ausgeschlossen. — Die portug. quadras von den span. coplas {de arte
cojnun) zu trennen, geht trotzdem nicht an. Manche völlige Übereinstimmung
weist auf Wanderung und Austausch hin. Beide Länder haben gegeben und
empfangen. Im Grossen und Ganzen aber gehört jedem Lande , ja jeder
Provinz, und jeder Ortschaft sein besonderer einheimischer, wirklich an Ort
und Stelle geschaff'ener Cancioneiro.
20. Die eigenartigste und fruchtbarste, nachhaltigst wirkende Schöpfung
der ersten Epoche portug. Volkspoesie, war eine Gattung äusserst melodischer
und reizvoller Gesänge, die, obwohl aus ganz einfachen Elementen bestehend,
dennoch wie ein Kunstbau aussehen. Wir kennen sie fast nur aus Nach-
bildungen höfischer Dichter. Diese aber schlössen sich, was Gegenstand, Styl
und metrische Form betriff"t, den Vorlagen so treu an, dass man sie vor sich
zu sehen glaubt. Nur die Gedanken und Gefühle zeigen hie und da höfische
Verfeinerung. Das eigentliche Thema besteht , in seiner ursprünglichsten
Form, aus nur zwei Zeilen, die häufig, doch keineswegs immer, proven-
zalische Dekasyllaben mit scharfem Einschnitt nach der vierten Silbe sind.
Linien auch von 6, 8, 12, 14 Silben, jambischen, trochäischen und ana-
pästischen Wandels kommen vor, von denen die längeren immer in zwei,
meist symmetrische Hälften zerfallen. Das Zeilenpaar reimt stets, oft unvoll-
kommen, ist also nichts als eines der bereits erwähnten cantarcillos oder can-
tares velhos, und formell identisch mit so manchem Sprichwort und Märchen-
reim. Nur tritt als unentbehrliches, charakteristisches, lyrisches und musi-
kalisches Element der Kehrreim hinzu ', bisweilen als blosse Klangfigur, ohne
handgreiflichen Sinn, oft als An- oder Ausruf, der die Stimmung des Dichten-
den wiedergiebt, noch häufiger als Satzteil oder selbständiger Satz, der den Ge-
danken des Distichons vollendet. — Zu einem grösseren Ganzen entwickelt sich
das kleine Lied er^t durch Wiederholung, die ja die Seele des Volksliedes ist.
Jeglicher Gedanke wird nämlich im altportug. Parallelstrophenlied doppelt aus-
gesprochen. Was die erstere Strophe sagte, beteuert die zweite noch einmal,
ohne irgendwelche Erweiterung des Sinnes, doch stets mit leiser Änderung des
Ausdruckes, sodass das Reimwort ein anderes (ob auch synonymes) mit ab-
weichender Vokalisation wird. I-o und ä-o sind die beliebtesten Assonanzen ;
amigo und amado die besonders häufig wiederkehrenden Reimworte 2. Bei
2 zeiligem Thema ist damit das Lied fertig. So z. B. in folgenden zwei Strophen
eines melancholischen Hochzeitskarmen, das ein Mädchen an den treulosen
Geliebten richtet. Es scheint mir das älteste der aufbewahrten volkstümlichen
Parallelstrophenlieder :
1 Solo ramo verde e florido 2 Solo florido e verde ramo
vodas fazetn ao meu amigo ! vodas fazem ao meu amado :
e choram olhos damor! e choram olhos d'atnor! (Vat. 454)-'
* Man vergleiche das älteste lyrischeGedicht span. Herkunft: Berceo's -»Eyavelar«
(Duelo de la Vir gen 178).
* Z. B. marido .\xx\A velado\ pino und ramo\ rio und vao\ florido und granado\ oder
mar und ler\ ver und mirar\ denn der Reim ist nicht immer weiblich.
' Die zweite Strophe habe ich ergänzt.
Volkslied der ersten Periode. Parallelstrophenlied. 151
Ist das Thema hingegen etwas länger, — 3, 4 oder 5 zeilig — so wieder-
holt sich in jedem neuhinzutretenden Strophenpaare, in dem die zwei Zeilen des
ersten Gesätzes den Gedankenfaden immer nur um einen Schritt weiters[)innen,
das gleiche wiegende Spiel. Denn die beiden neuhinzutretenden Strophen sind
regelmässig mit den vorangegangenen dadurch verknüpft, dass die zweite Verszeile
der ersten Strophe als erste der dritten wiedererscheint, und ebenso die letzte
der zweiten als erste der vierten. Bei 3 zeiligem Thema setzt sich das Ganze
also aus 4 Strophen zusammen. So in dem Liedchen O anel do meu amigo
I perdi-o solo verde pino. \ Por en chor' eu dona virgo (Vat. 507), oder
in Gil Vicente's bekannten Zeilen: Um amigo que eu hazna \ Matifanas
ifouro m'cnvia \ Garrido amor] Um amigo que eu amava \ Manfanas douro me
manda, \ Garrido amor! Manfanas ifouro tfi'envia \ A melhor era partida! \
Garrido amorP. Bei 4 zeiligem Leitmotiv braucht man 6 Strophen (und so
fort), hat demnach stets paarige Strophen -. Eigentlich reiht der Dichter also
zwei verschieden reimende, sonst aber ganz gleiche Versionen in einander,
gerade so wie es in der asturischen Danzaprima-Kovc\z.v\zG »Ay un galan ifesta
villa, Ay un galan (festa aisa^« und in dem kurzen Tanzliede, »Ay Juami
cuerpo garrido Ay Juana cuerpo galano« geschieht, nur dass hier der Wechsel
nach je einer Zeile und dort nach je zweien eintritt (s. S. 153 Anm. 5). In
beiden Fällen bestehen die Einzelversionen aus einreimigen Tiraden, und ihr
Ineinandergreifen erklärt sich ungezwungen als Wechselgesang und Wcchsel-
tanz zweier Chöre, in Ringel- oder Reihentanz ^. — Von solchen Parallel-
strophenliedern, für die leider ein besonderer portug. Name nicht überliefert
ist"*, bieten die höfischen Cancioneiros der ersten Epoche mehr als sechzig.
Im vatikanischen Liederbuch zähle ich 54^: 40, die den Typus ganz rein
darstellen, und 14 welche abweichen. Davon haben 22 die Reimvokale l-o und
' G. V. II 443. — Strophe 4 fehlt, wie sehr oft bei der Niederschrift. Sie müsste
lauten : Manganas it'ouro me manda, A tneUiar era qiubrada : Garrido amor .' — Man druckt
stets manfanas und sieht darin einen der verpönten Hispanisnien. Nur mit halbem Rechte.
In dem sicherlich alten Liede sang das I-andvolk ohne jeden Zweifel: magä-as (dieisillng
wie manzanas). Die archaische Form misfiel aber am Hofe Emanuels und Johann's 111.
Darum griff man zur volleren span. Form, genau so wie die gelehrten zu latinisierenden
Rückbildungen {tnenor für meor, mayor für n,or etc.).
* Überall, wo es nicht der Fall ist, haben wir nachzubessern, ohne Furcht zu inen.
— Prof. \V. Sture k hat es schon in vielen Liedern mit Glück und Geschick gethan. —
Bei fünfzeiligem Thema haben wir 8 Strophen; bei sechszeiligem lO. Darüber geht das
Volkslied nie hinaus. — Das allgemeingültige Schema ist (mit UnteidrOckung des Refrains) :
ab I AB II bc I BC || cd j CD || u. so fort. — In dem berühmten Blütenliede des Dichter-
königs: Ay ßores ay flores do verde pino bilden flie P' ragen ein selbständiges Ganze; und die
Antworten ein anderes entsprechendes.
' Die vollständige Lesart giebt J. Menendez Pidal {/^omamre XXX). Gegen sein
Kompilationsverfahren ist freilich vieles einzuwenden.
* Gil Vicente lässt im Auio da Feira zwölf Personen, neun Mädchen und drei
Burschen (mogas do monte und mofos) eine folia tanzen , und dazu in zwei Chören ein
Parallelstrophenlied a lo divino singen (l p. 183). In Strophe 2 lese man amar statt amor.
' Der Gallizier nennt seine refrainlosen Parallelstrophenlieder (die schon 1759 ii's
altmodisch bezeichnet wuiden) mu\h\ineiras nicht weil ihr Stoff sich auf Müller oder
Müllerin bezieht, sondern vermutlich weil die Tanzenden sich, mühlradartig, im Kreise be-
wegten. — Der asturische Grande Diego F^irtado de Mendoza betitelte die von ihm
Verfasste parallelistische Tanzweise einen cossante (von cosso Tanzplatz = cursus: oder für
cossoante = consonante). Vgl. de los RiosV 293 und Canc. Gen. No. lOlB. — Braga benutzt
stets den Ausdruck serranilha, der zweideutig und darum schlecht gewählt ist. Die wahre,
erzählende serranilha nuiss im Leitmotiv (d. h. im Mote) das Wort j«rra oA^x serrana an-
wenden. Zu Jener Wahl hat ihn vermutlich die Wahrnehmung gebracht, dass G i 1 Vicente
die seiner Zeit nur in entlegenen Gebirgen weitei- lebenden Weisen von Bergbewohnerinnen
vortragen lässt, und auch eine wirkliche Bergreihe in l^arallelstrophen kleidet (III 214 2l8).
« Vaticana Nos 168—173; »92 195; 2-12 243 245 246 250; 321 ; 368; 401 4U
415 429 438 462 .-07 691 719 726 728; 753—755; 757 76l ; 765; 792-794; 79^ 797
876 878 879 881 883-890 902.
1 5 2 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT, LlTl".
d-0 (oder d-e) ' , und 1 6 darunter führen im ersten Distichonpaarc die Worte
amigo und amado. Hierdurch sind sie als Frauenlieder charakterisiert 2,
als cantares de amigo, (unter welchem umfassenden Namen jedoch auch ganz
anders gestaltete, nicht volkstümliche Gesänge zu verstehen sind). — Davon
schrieb König D. Dinis acht (und seinem feinen Gefühl für volkstümliche
Schönheit verdanken wir vielleicht die Erhaltung dieses Typus); eins gehört
seinem Sohne D. Affonso Sanches; drei sind von einem gallizischen Granden,
Paay Gomes Charinho, der am Hofe Alfons X., als sein Flottenadmiral
eine Rolle gespielt hat; die übrigen sind Werke portug. und galliz. Ritter,
Bürger und Spielleute vom Hofstaate beider Fürsten 3. Eines der Lieder ist
in doppelter Lesart vorhanden, als Werk zweier verschiedener Dichter, des hoch-
begabten Klerikers Ayras Nunes und des Volksbarden Joam Zorro'*, meiner
Meinung nach, weil es ein echtes Volkslied ist, das beide gerade wegen
seiner Ursprünglichkeit und Beliebtheit aufgelesen, und, nach höfischer Weise,
i mit einem neuen som versehen haben ^. Dass dieses Tanzlied »Bailemos ja
I todas, todas ay amigas Sob aquestas avelaneyras ßoridas« thatsächlich von einem
Doppelchore junger Mädchen um einen knospenden Haselbusch zur Maien-
oder Pfingstzeit gesungen ward, lässt sich zwar nicht beweisen, doch ist es
wahrscheinlich, und andere Lieder, in denen Pinie und Granate, oder einfach
ein Blüten zweig vorkommt, bestätigen diese natürliche Deutung Nicht alle
Parallelstrophen sind jedoch Tanzlieder; gar manche sind Wallfahrtsgesängc^,
Morgenständchen, in denen das Wort alva im Kehrreim auftritt', Barkarolen,
4,*^ Botenlieder; andere sind einfache Liebesmonologe, zeugenlosc Gefühlsergüsse,
ic oder auch an Mutter, Schwester, Freundin oder Freund gerichtete Bekennt-
\yy nisse; wieder andere sind' Gespräche zwischen Tochter und Mutter, Freund
/ und Freundin u. s. w. — Denselben Typus parallelistisch gegliederter Distichen
/ mit Refrain im Volksstyle finden wir später ein Dutzend Mal in span. -portug.
I Liederbüchern des 15. Jhs., ohne Angabe von Dichternamen ^, meist in Texten,
' Die übrigen benutzen die Reinivokale ia-äa\ ea-ao\ eo-ao\ ae-ee\ i-ä\ c-d;
ö- i\ d-e\ o- d' et-o.
2 Die Troubadours verstanden darunter Lieder, welche sie selber Frauen (d. h. jungen
Mädchen) in den Mund legten. — In Walirheit sind in Portugal und Gallizien die Frauen nicht nur
die treuesten Bewahrerinnen des Folklore, sondern wirklich Dichterinnen, und die'j'roubadours
fussten auch hierin auf echt nationaler Volkssitte. — Sarmiento .spricht wahr : en Portugal es
tan natural la poesia .... que cada pastor es poeta y cada moza de cantaro poetisa. Esto (pie
es comun en toda Espana es mas particular en Portugal y Galicta .... En la mayor parte
de las coplas .... hablatt las mujeres con bs hombres y es porque ellas son las que componen
las coplas sin artißcio alguno [Memorias 537. 98).
' Nuno Fernandes Torneol; Pero Garcia B urgal es (= aus Burgos) ; Pe-
d rann es Solaz; Bernardo de Bonaval (aus Gallizien) ; Rui Martins doCasal;
Pero Meogo: Martim d e Grij ö, Mar tini C odax; Joam Zorro; Ayras Nunes.
*■ Fa/. 462 und 761. In der ersten Lesart ist Strophe 3 ein unverständiger Zusatz. —
Der lange Kehrreim spricht keineswegs gegen die Volkstümlichkeit des Liedes.
» Wie unendlich oft ist in der Folgezeit ein und dasselbe Lied von verschiedenen
Dichtern dem Volksmund abgeborgt und verschieden paraphrasiert worden!
^ Vgl. S. 149 Anm. 4. — Die ungefähr sechzig Walifahrtslieder der Vatikana . die
ich Cantos de romaria, und nicht Cantos de ledino nenne, enthalten Mädchenbitten um die
Erlaubnis sich beim Kirchweihfeste mit dem Freunde treffen zu dürfen, Pläne und Hoff-
nungen und Befürchtungen, die sich an dies Stelldichein knüpfen, nachträgliche Berichte über
diesen Gang zum Heiltum und Erinnerungen daran. Das Typische ist, dass ein Ort, oder eine
Kirche bei Namen genannt wird. — Wir haben z. B. S. Maria in den Liedern 721—23;
S. Marta 709— 712; S. Servando 734— 750; S. Salvador 845 — 851; S. Cecilia 876-881 :
S. Cremente 805— 808; S. Leuter 857— 860 ; Vigo 884 -88Q; S. Maria de Le(,-a 890- 892 ;
S. Maria do Lago 893. Vgl. 265. 339. 894. — Übrigens sind die wenigsten davon wahre
Parallelsti-ophenlieder. Ganz nach dem von Falcäo benutzten Typus, der dem 15. Jh. an-
gehört, ist auch keines gebaut.
^ Vat. 170. 172. Vgl. 242 und 1049 (771. 772. 782) und Barbüri No. 6.
* Besonders in Barl)ieri's kostbarem Canciomro Mtisical\ doch auch anderwärts,
■I.. B. im Madrider Liederbuch Vli-A-3, den J. Perez (iömez Nieva .so unverantwort-
lich schlecht iierausge^cben hal.
Arten des Parallelstrophenuedes. 153
die, ob auch verderbt, doch deutlich portugiesische oder gallizische Herkunft
verraten'; und wir finden ihn bei den mit altgallizischer Lyrik vertrauten Men-
dozas2 sowie bei Gil Vicente^, und noch im 16. und 17. Jh. in verschiedenen
obras lyricas^, bisweilen a lo divino zugestutzt, wie so oft die vilancetes. Und
vor allem finden wir ihn heute noch lebend im Volksmunde der Gallizier und
Portugiesen, hier in der Ortschaft Rebordäinlios (bei Moncorvo in Tras-os
Montes)^, und dort im ganzen Lande, als Mühlradlieder (Miänhciras). Und
gerade diese letztgenannten Lieder bewegen sich, der Regel nach, in zehn
oder elf silbigen, in der Mitte nach der vierten oder fünften Silbe scharl ein-
geschnittenen, in symmetrische oder unsymmetrische Hälften zerfallenden Lang-
zeilen {hendecasyllabos anapesticos oder de gaita gallega), die beinahe ebenso
unter D. Dinis üblich waren : gewisslich ein unwiderlegliches Zeugnis für die
Volkstümlichkeit und Langlebigkeit dieses portugiesisch-gallizischen Gebildes!
— Wie sehr die Kunstpoesie des 13. Jh. sich der Volkspoesie anschmiegte,
mag man auch daraus ermessen, dass mindestens zwei Drittel aller altportug.
Gedichte Cantigas de refran sind; dass beinahe ein Dritteil aller erhaltenen
Trobadourwerke Frauenlieder sind ; und dass mehr als die Hälfte, also noch ein
gut Teil der eigentlichen Kunstpoesien {de nuiestriä), der Volkssitte huldigen,
den in der ersten Strophe ausgesprochenen Gedanken in allen folgenden nur leise
zu variieren. Näheres im folgenden .Abschnitt. — Ausser den bereits angeführten
zwei Liedern, die ich nicht für höfische Nachbildungen, sondern für echte Volks-
lieder halte {Solo raino und Bailemos), bietet das vatikanische Liederbuch noch
verschiedene andere, gelegentlich zitierte .'\nfange von Liedern, von denen noch ein
paar möglicherweise Parallelstrophenlicder waren: Aie pastorcla: Pela ribeira
do rio I Cantando ia la virgo \ D'amor und Ay estorninho do ca>elanedo, Cantades
i'os e tnoir eu e peiw \ D'amores hei mal^ die alle beide ein und derselben Schäferin
in den Mund gelegt sind (Vat. 454). Abweichend gebaut war die erzählende ser-
ranilha : Na terra de Cintra Apar cfesta serra Vi uma serrana Que braadava guerra;
(Vat. 410); und vielleicht das Bauernlied Ao pee d^esta torre Baila corp'egiolo
(sie!) Vede-lo cos ay cavaleiro (Vat. 1043) ; die bailada: Vos avede los ol/ios verdes
Matar m'edes com elles (ib. 1062) und andere mehr (Vat. 278). — Alle aber
(bis auf die serrafiilha, die man als Vierzeiler em redondilha menor auffassen
darf) bestehen, gleichwie die Parallelstrophenlicder, aus einem unmittelbar
durch Reim oder Assonanz geeinten Zeilenpaare, mit oder ohne Kehrreim,
sind also primitive cantares velhos, und stehen in ausgesprochenem Gegen-
satz zu den rein trochäischen refrainlosen Vierzeilern der zweiten Epoche.
Eine Sammlung aller, der ersten Epoche portug. Dichtkunst angehöriger
Lieder im Volksstile, mit Einschluss sämtlicher portugiesischer und spanischer
' Ich denke z. B. an Barbieri's No. 437"- Meu tiaranjedo florido, el fruto no l'es
venido. 458 : Mens ollws van per lo mare. 50 : Minno atnor tan garrido Feriti-vos vosso marido
und andere.
' Der schon erwälinte Cossante des Diego Furtado beginnt: Aqttel arbol del
bei mirar Faze de manyera flores quiere dar: Algo se le antoxa! Aqttel arbol del bei
veyer Faze de manyera qttiere florezer. (Madr. Canc. ms. VII A-3 ; fl. 6 v.). — Audi ein
knospender Baum!
» Gil Vicente 1 183; II 443. 48l ; lU 214.
* Bei Castillejo und Juan de la Cruz, und iji den musikalischen Lieder-
büchern von Pisador und Saunas.
* S. ob. p. 148, Anm. 3. — Die 4 von Leite de Vasconcellos bekanntgegebenen
Parallelstrophenlieder aus Tras-os-Montes lassen sowohl Reimweclisel als Kehrreim nach je
einer Linie eintreten, zeigen also , wie alle transmontanischen Volksgesänge, nahe Ver-
wandtschaft mit dem asturischen Folklore. Bemerkenswert ist, dass eines darunter sogar
noch das Reimpaar amigo und amado bietet, und also Frauenlied ist, obwohl kein eigent-
liches Liebeslied. Das Thema lautet : Anda Id um peixinho vivo (resp. bravo), Vamolo cagar,
meu amigo (resp. amado) und als Rebain dient : Na ribeirinhn ribeira Naquella ribeira.
154 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTl\
(d. h. gallizischer und asturischer) Nachklänge aus späteren Jahrhunderten, würde
ein zwar etwas eintöniges, aber dennoch sehr anmutiges Liederbuch ergeben. ^
— Romanzen enthielte es nicht, ausser der Z)ansapnma-Roma.r\ZG (die eine
Tanzweise ist), denn leider darf man weder an das Alter noch an die Echt-
heit der Figueiredo-Kom2iV\ZQ glauben, so gut sie mit ihrer partiellen Ineinander-
reihung zweier Versionen hierher passte (S. u. § 27). Die wirklich echten alten
asturischen, gallizischen und portugiesischen Romanzen gehören bereits der im
1 5. Jh. beginnenden zweiten Redondilhenepoche an.
21. Diese objektiven, lyrisch-epischen oder episch-lyrischen Volksgesänge,
sind natürlich umfang- und inhaltreicher, und daher viel bedeutsamer als die
kurzatmigen, nur durch musikalische Wiederholung gedehnten lyrischen Lieder
der ersten und der zweiten Epoche. — Sie tragen in Portugal den gleichen
Namen wie in Spanien. Die litterarisch Gebildeten sprechen in der Zeit von
1516 bis 1851 ausschliesslich von Romanzen. Später beobachtete und
verzeichnete man, dass im Volksmunde, neben dem thatsächlich vorhandenen
Gattungsnamen romance, rcmance, oder rimance, noch andere Bezeichnungen
üblich sind. Erstens die ganz allgemeinen, für alle gesungenen Verse ge-
brauchten Worte : versos, quadras, trobos und trövas. Zweitens die spezielleren
Ausdrücke: estorias, xdcaras oder jäcras- und arabhrs^. In Tras-os-Montes
spricht man gewöhnlich von rimances oder jäcras das segadas d. h. von
P>nteromanzen, weil dieselben gerade während der Kornmahd im Monat Juni
gemeinsam gesungen werden. • — Vollständig gehoben ist der portugiesische
Romanzenschatz noch nicht. Jedenfalls aber kennt man heute die wichtigsten,
meistgesungenen, sowohl was den Kontinent als was die Inseln (Agoren und
Madeira) und Brasilien betrifft. Gedruckt sind etwa hundert stoff'lich ver-
schiedene Romanzen^: darunter manche, denen Aussterben drohte, in nur
einer Lesart, viele hingegen, noch heute wirklich lebenskräftige, in zahlreichen,
oft stark von einander abweichenden Redaktionen. Manche tragen ein äusserst
verschlissenes und verwahrlostes Gewand: die Mehrzahl besitzen wir jedoch
in reinen und schönen, altertümlichen, echten, treu aufbewahrten Versionen,
' Im AItfranz(>sischen und auch im Italienischen kommt Ahnliches vor. — Eine
Ausbildung wie in Portugal hat jedoch die symmetrische Gliederung und der Kelureiin
nirgends sonst gefunden.
2 Das portug. Volk macht iieute — in den Provinzen, welche das Wort xäcara über-
haupt kennen — gar keinen Unterschied zwischen xäcara und romance. Doch macht die Her-
kunft des relativ modernen Wortes es sicher, dass man damit ursprünglich nur Vulgär-
romanzen bezeichnete, später aber, weil die Vulgärromanzen vorwiegend dialogische,
in vierzeiligen quadras abgefasste Liebesstreitgesänge sind , den Namen auf alle Gesprächs-
romanzen übertrug, denen das erzählende Element ganz, oder so gut wie ganz, fehlt. Almeida-
Garrett und Braga, die ersten und bis jetzt einzigen, welche versucht b.aben klarzu-
stellen, was eine xäcara im Unterschiede von einer Jiotnanze ist. sind ungefähr zu dem
gleichen Resultat gekommen, verwenden aber die Bezeichnung oft in ungeiiöriger Weise.
— Xäcara, Jacra ist das s^m\. j'äcara , das bekanntlich nur Gauner-Romanzen benennt, in
denen ein jaque, d. h. ein Raufbold der Held ist. yaque ist der franz. yaijues bonhommt
der Bauernaufstände von \'^^^ Q'acqueries), scheint jedoch erst um 1400 auf Umwegen, über
Deutschland, als Benennung für den Jacken-tragenden Soldaten nach Spanien gekommen zu
sein. — (S. Crmiica de Pero Nino p. l68\
•* Die Bezeichnung arabias {oi\&v als;ar\a\vias) ist nur auf den Acoren üblich. — Ver-
mutlich handelt es sich aucli hier um eine Verallgemeinerung eines ursiirünglioli beschränkten
Begriffes, Man wird die im Vulgärdialekt geschriebenen Gesänge „arabische" d. h. „rot-
wäischc" oder „kauderwälsche" gleichsam verachtend genannt haben. Daraus auf arabischen
Ursprung der |)eninsularen Romanze schlie.ssen zu wollen, ist ein Einfall, dem T h. Brag.i,
kider wiederholt Ausdruck gegeben hat.
* '/.ählt man die einzelnen Redaktionen wie Sonderromanzen, so darf man von etwa
\\(iv Nummern sprechen. Hardung, der keineswegs alle verzeicimet, bietet z. B. 165.
Seitdem sind aber aus Madeira und Brasilien, und aus Portugal selbst, viel neuaufgefundene
Ge.sänge gedruckt worden; und viele ruhen noch ungedruckt in den Sammelmappen der
Folkloristen.
Romanzen und Roafanzenstoffe. 155
ob sie auch im Volksmunde nie so makellos und formvollendet auftreten wie
die geschmackvoll überarbeiteten Texte Almeida-Garrett's das bewundernde
Ausland zuerst glauben machten. — Fast alle sind von dramatischer Lebendigkeit.
Oft bestehen sie ausschliesslich aus Rede und Gegenrede. Einleitung, erzählende
Übergangsstellen und Schluss werden, wo nötig, von den Sängerinnen in
Prosa berichtet, meist kurz und bündig in lakonischen Sätzen, oft ausfuhr-
licher, gleich als wären die gesungenen Partien nur Einlagen zu Märchen
oder Novellen '. — Reinlyrische Zuthaten und Exkurse sind in den Romanzen
recht häufig, und geben den portugiesischen ein vom kastilianischen abweichen-
des Gepräge. Einfach erzählend ist keine einzige. — Alle haben heute die-
selbe metrische Form und Reimweise wie die spanischen Romanzen, d. h.
sie sind Gedichte von beliebiger Länge, ohne Stropheneinteilung, fast immer
in den achtsilbigen, selten in den sechssilbigen '^ trochäischen Kurzzeilen der
cantigas, von denen die paarigen durch Reim oder Assonanz verbunden sind,
während die unpaarigen reimlos dastehen. Einheitlich durchgehende Assonanz
(sehr häufig männlich in ä, ö (oder ou) i (oder ei) und bei Klageromanzen
in /, doch fast ebenso oft weiblich in ia io d-a ä-o d-e)^ ist das übliche und
theoretisch erstrebte, doch nur selten durchgeführte. Unterbrechungen und
Wechsel treten in allen längeren da ein, wo eine neue Szene, Rede oder
Erzählung beginnt"*. Refrain findet sich gedruckt so gut wie nie, doch hört
man ihn bisweilen singen, und zwar zwischen Zeile und Zeile-''. — Mit Rück-
sicht auf die behandelten Ereignisse kann man die Romanzen in drei Haupt-
gruppen zerlegen. Erstens in mittelalterliche weltliche, d. h. wahre eigentliche
Ritter- undAbenteuergeschichten: Romances novellescos oder ccwaZ/mrescos, gegen
60. Zweitens in moderne Genrebilder, ernsten, heiteren oder satirischen Inhaltes,
der meist dem Liebesleben entnommen ist: Xdcaras, ungefähr 30. Und drittens
in Szenen aus dem Leben Christi, der Jungfrau und der Heiligen: Romances
sacros, ungefähr ebensoviel. — Die ersten sind weitaus die schönsten und be-
deutsamsten. Nur zum kleinen Teil gehören sie ganz bestimmten Sagenkreisen
an, wie dem mcrovingischen {Floresventos d. i. Flooimit — Chlodotvig), dem karo-
lingischen {Roncesvalles — Gerineldo — Conde Claros — Gaiferos etc.) ; oder dem
bretonischen {D. Ausenda, Conde Nillo). Die meisten behandeln internationale
Liebesabenteuer ohne bestimmte Lokalisierung {Conde Alarcos — Conde d'Alle-
manha — Bella Infanta — Silvanin/ui. — D. Varäo) und zwar in pathetischer
Darstellung, gern mit tragischem Ausgang, bisweilen mit Einmischung des
' Ich halte das keineswegs für P^ntartung, sondern sehe darin eine alte Vortragssitte.
Von den lyrischen Einlagen der Prosamärchen und von den versifizierten Märchen war
schon die Rede.
2 S. Iria — 0 cego — A Pastorinha — D. Bozo sind die l)ekannte-sten Romanzen
em verso de redottäilha Tnenor oder de endccha. Dass ein und dieselbe Romanze an ver-
schiedenen Orten in beiden Versarten bestände, kommt nicht vor.
' Ausführliches über das interessante und wichtige Kapitel vom „portug. Reim" ist
noch nicht geschrieben; und Ausländer (Diez — Nigra u. A.) irren naturgemäss oft
in der Beurteilung der Assonanzen, erstens weil sie verkennen, wie bedeutungslos der post-
tonische Vokal ist (unter reine ä und «'-a-Assonanzen werden z. B. beliebig weibliche in A-e
und ä-o, seltener in ä-a gemischt), und zweitens weil sie sich über den Wert des altportug.
ä-o und ä-a täuschen, das, als Vertreter des lat. antts ana, noch im 14. Jh. zweisilbig
klang, und noch heute im Versausgang oft zweisilbig gesungen wird, (gleichsam als wäre
es äo-e. Vgl. das pop. Joanne (neben Joäo) das Jaöo-ne gesungen wird.
* In echten , alten Romanzen sind die reimlosen Zeilen graves und die reimenden
agildos, oder umgekehrt. Nur in modernen Vulgarisierungen wurde diese Wohlklangsrück-
sicht ausser Acht gelassen.
* Gedruckt findet sich nur Jesiis Mendigo mit dem Kehrreim Av Jesus oder Ay nteti
Jesus! imd der Principe D. Affonso mit dem kunstniässig klingenden Ausruf: Ay ay av que
forte pena! Ay ay ay que forte mal! — Ich hörte Bella Infanta und Nau Cat/urineta mit
langgezogenem, klagendem Valha-me Dens! und Dom Bozo mit Av men bem! und weiss, dass
die Hirten in Tras-os- Monte s solche Refiain-Zusätze lieben.
T56 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTl'.
Wunderbaren. Dem hispanischen, historischen, oder historisch-sagenhaften Kreise
entstammen sehr wenige Romanzen , und auch diese haben immer roman-
tisches Gepräge {Cid und Urraca:, Conde Juliäo; Rey Rodrigo). — Rein
portugiesische Stoffe kommen nur ganz vereinzelt vor. Als solche betrachtet
man die Legende von der heiligen Irene, (S. Ina), die der Stadt Santarem
den Namen gab, und eine Totenklage auf den 1491 verunglückten Kron-
prinzen D. Affonso. Ein Unikum ist die Seeromanze auf das Schiff Catheri-
neta, doch hat sie ihre Parallelen bei anderen Völkern. Und von den meisten
mittelalterlich-weltlichen, wie auch von den geistlichen, gilt das gleiche : ein
Teil steht kastilischen nahe, ein anderer zeigt Verwandtschaft mit den episch-
lyrischen Cantos Asturiens, Kataloniens, Süd- und Nordfrankreichs und Nord-
italiens, und zwar nicht immer allein was den Stoff, sondern bisweilen auch
was den Aufbau und die Entwickelung der Handlung, die Ausführung einzelner
Szenen, ja sogar Sprachbilder und Redewendungen anbetrifft. — Die Sprache
ist zumeist reines, gewandt und poesievoll gehandhabtes Portugiesisch {D. Varäo
— Nau Catherineta — Bella Infanta — Silvaninha etc.j. Hie und da finden
sich selbstverständlich auch veraltete und dialektische (oft verderbte) Worte
und Formeln. Nicht selten kommen aber auch einzelne spanische Wortbil-
dungen vor^ Ja, in den Grenzprovinzen geschieht es, dass die Singenden
Textgestaltungen benutzen, die halb oder ganz spanisch lauten; oder dass sie
ein und dasselbe Gedicht bald in der einen, bald in der anderen Mundart
singen und sagen. — Daraus, und aus dem fast gänzlichen Mangel an aus-
schliesslich portugiesischen Stoffen haben einige Forscher, wie Coelho und
Leite de Vasconcellos, gefolgert, dass die Romanzen nicht in Portugal ent-
standen oder auch nur Ausbildung erhielten, sondern als fertige Ganze von
Spanien herüber kamen, und somit nichts als mehr oder minder gelungene
Nationalisierungen ursprünglich spanischer Schöpfungen sind. Portugal, weil
alles epischen Geistes bar , soll zum Romanzenschatze absolut nichts beige-
steuert haben, es sei denn hie und da eine humoristische Parodie, ein ironisches
Zerrbild, eine sentimentale Verwässerung, oder eine moderne banale Nach-
ahmung — das minderwertige Genre der Xdcaras"^. — Eine Bestätigung schien
diese Auffassung noch in manch anderer Erscheinung zu finden: besass doch
Portugal bis 1851 überhaupt keinen Romanceiro, während spanische Sammlungen
im 16. und 17. Jh. in Lissabon gedruckt wurden und daselbst kursierten; war
doch auch in Cancioneiros und in lose fliegenden Blättern nicht eine einzige
portugiesische Volksromanze aufgezeichnet worden, wohl aber spanische; waren
doch die überaus häufigen Zitate aus Romanzen, welche portugiesische Schrift-
steller vom Ende des 15. Jhs. an ihren Kunstgesängen, Dramen, Flicken-
briefen {Carlas de centöes oder de giröes), Novellen und Geschichtswerken ein-
fügten, beinahe ausnahmslos in spanischer Sprache abgefasst^; sind doch die
Grenzprovinzen Tras-os-Montes und Beira die romanzenreichsten ; fehlte das
Wort romance als Bezeichnung einer Volksdichtungsform doch der ältesten
portug. Poetik, und kommt es doch vor 15 16 überhaupt in keinem portug.
litteraturwerke vor*. — Alle diese Thatsachen zugestanden, wie auch den
' Die liiiuligst vorkoiiuiienden „ Hispanismen " %\x\A tienc teiiia Henen teuer und venir
venia venido (als Ersatz für portug. fiüher je eine Silbe mehr zählendes tem tiiilia lern ter vir
vinha vindo) ; solia, das gutes Altport, ist ; reäiukar Für rinchar ; mazana oder manzana für magä :
ckristiano christiana und lozano für christüo christä lotizäo ; malo mala, madre und padre ;
lionibre und nina, und hie und da ein Diminutiv in -ita wie chiqnita, mananita. ~ Alles übiige
tritt vereinzelt auf. — Vgl. S. 151 Anin. l. Erst nach vollständiger Sammlung und Sichtung
des einschlägigen Materials lässt sich Endgültiges darüber feststellen.
^ S. Revista Lusitana vol. I ii. 320 -320-
* ich habe bis heute sechzig gesammelt; davon beziehen sich nur 4 auf portug.
Romanzen.
* (iiircia de KcsiMido ist (^.'r crslo, der von R..>m in/.en .ils Rimances i trovas spricht
Romanzen. Stellung Portugals zur Romanzendichtung. 157
Mangel an epischem Sinn und Erfindiingsgeist, ist dennoch jene Deutung nur
halb wahr. Portugal hat nicht nur aus Kastilien, sondern noch von einer
anderen Seite her, die Urbilder zu seinen Volksromanzen erhalten, und keines-
wegs nur fertige Waare, an der es seine Gestaltungsgabc gar nicht mehr be-
thätigt hätte. Jedes einzelne der eben angeführten Argumente lässt sich wider-
legen , freilich nicht mit wenig Worten an dieser Stelle. Hier sei nur das
Wesentlichste angedeutet. Dass Portugal Romanzen in seiner Zunge nicht
früher aufgezeichnet hat, erklärt sich aus der in der Einleitung charakterisierten
Sorglosigkeit und Unterschätzung des Heimischen ; ebenso dass und warum. man
so gern spanische Romanzen sang, hörte, las und druckte. Denn die eigent-
liche Schöpfungs- und Blütezeit der peninsularen Romanzenpoesie, an der die
ganze Nation, und nicht nur das niedere Volk teilnahm, fallt in das 15. Jh.,
d. h. gerade in die Epoche wo, aus bereits dargelegten Ursachen, nicht nur
das Spanisch-N achsingen und Nachsagen, sondern auch das Spanisch-Dichten
und Schaffen in Portugal Sitte und Mode ward. An die fünfhundert bekannten
Portugiesen erinnernd, welche zwischen 1450 und 1750 Spanisch schrieben,
und diejenigen hervorhebend, welche zugestandenermassen einige und sehr schöne
spanische Romanzen gedichtet haben — Gil Vicente, D. Joäo Manoel,
Gabriel Saraiva, Antonio Lopez, Francisco Lopez, Jorge de
Montemor, Gregorio Silvestre, Rodrigues Lobo, Diego Garcia,
Francisco Manoel de Mello u. a. m. ' — darf man fragen: wer ist
im Stande zu beweisen oder es auch nur wahrscheinlich zu machen , dass
unter dem namenlos überlieferten, doch kostbarsten Hab und Gut der Roman-
ceros sich nicht auch etwelche Gedichte portug. Ursprungs befinden? —
Was die eingemischten sogenannten Hispanismen betrifft, so sind die portug.
Ost- und Grenzprovinzen, so viel ich sehe, die einzigen, in denen thatsäch-
lich scheinbar kastilische Wortformen in den Romanzentexten vorkommen ;
doch ist daselbst keineswegs nur die Romanze, sondern auch das Lied, und
nicht nur die Volkspoesie, sondern auch die Volksprosa, und das von jeher
(nachweislich seit dem 13. Jh.)^^ und nicht nur die gedruckte, sondern auch
die gesprochene Alltagsrede mit derartigen Worten und Formeln durchsetzt.
— Die Schriftsteller aber, welche spanische Romanzenzitate benutzten,
schöpften keineswegs vorwiegend aus dem Volksmunde; sie führten treu und
ehrlich an was man zu ihrer Zeit bei Hofe sang, und dass das vielfachst
Kastilisches war, ist nicht zu leugnen. Aber es giebt erstens neben den
span. doch auch portug. Allusionen und Referate — bei Gil Vicente, Jorge
Ferreira de Vasconcellos, Camöes und Mello, welche die nationale
Eigenart neben der allgemein-peninsularen hochhielten — und zweitens sind, wie
gesagt, nachweislich die meisten der span. Romanzen, denen man Zitate ent-
lehnte, historische und sagenhaft historische Ritterromanzen rein litterarischen
Ursprungs (nur ganz wenige wie der Cotide Claros und die Bella malmari-
dada sind populär, und leben noch heute im Munde der Landleute), so dass
Folgerungen über Sprache und Ursprung der Volksromanzen sich daraus nur mit
grossem Vorbehalt ziehen lassen. Das wahre Volk sang sicherlich manches cantar
romance, welches nicht spanisch geboren war, und nicht vom Pallaste zur Hütte
herabstieg und nicht allmählich erst im Volksmunde portug. Gestalt annahm,
und zwar in der Einleitung zum Catuianeiro Geral, in dessen Texten auch bereits einige
Anspielungen und Glossen auf Romanzenmotive vorkommen (Bella mal maridada — Tiempo
Inieno — Rey Rodrigo).
' Von Bernardim Kibeiro ward sogar eine portug. Romanze in die span.
Romanceros aufgenommen fl550).
* Ich denke z. B. an die alten Ortsrechte (Foraes) von Alfaiates und Gaste llo
m e 1 h o r.
158 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
sondern im freien Lande portugiesisch entstand und sich portugiesisch erhielt. —
Denn hätte wirklich Spanien alles geschaffen und gegeben, woher käme es dann,
dass zur Stunde hier so zahlreiche unverkennbar alte Romanzen leben, während
so wenige spanische (ich meine kastilische) heute aus dem Volksmund gesam-
melt sind? Warum haben Madeira und die Acoren und Brasilien ein so reiches
Kontingent gestellt, und das südamerikanische Spanien so weniges? Warum
besitzen wir von so vielen Romanzen nur eine spanische, um 1550 gebuchte
Lesart, und so zahlreiche moderne aus Portugal, die vollständiger, echter, und
volkstümlicher klingen, und den ausländischen Scitenstücken mehr als einmal
ähnlicher sehen als die vor 31/2 Jahrhunderten gedruckten kastilischen? Und wo
stammen die portug. Romanzen her, zu denen kastilische Parallelen überhaupt
nicht existieren? Ist in diesen Fällen (z.B. Flo7-esventos ~Nau Catherineta etc.) das
kastilische Vorbild wirklich spurlos verschwunden? — Trotz Wolf und Milä y
Fontanals, ist eben die Geschichte der spanischen Romanze noch nicht fertig
geschrieben; noch gar manche Frage mit Bezug auf Ursprung und Anfang, älteste
Gestalt und Beziehungen zum In- und Auslande bleibt zu erledigen. Besonders hat
man auch hier den Begriff Spanien und spanischer Romancero nicht immer
richtig gefasst und scharf umgrenzt, und auf Asturien nicht genug Rücksicht ge-
nommen, unbekümmert umAmador de losRios,MenendezPidal undMunthe '. Die
einheitliche metrische Form hat den Glauben an einheitlichen Ursprung genährt,
und der ungeheuere Reichtum wirklich originaler, ausschliesslich spanischer ge-
schichtlicher und sagengeschichtlicher alter Heldenromanzen, die unleugbar dem
Rittergeiste des Kastilianers entstammen, hat dahin geführt, dass man ihm und
nur ihm, alle und jede Romanzenschöpfung zutraut, und Portugal, Gallizien,
Asturien und Katalonien rundweg die Mitarbeiterschaft abspricht. Von jenen ein-
heimischen und ältesten, epischen Hcldenromanzcn (aus dem Sagenkreise des Cid,
Fernan Gonzalez, den Infanten von Lara, Bernardo del Carpio, und König Rode-
rich), deren Entstehen, wie schon gesagt, weit hinter dem 15. Jh. liegt und
zum Teil älter ist als das portug. Sonderbewusstsein, muss man die internatio-
nalen, der ganzen romanischen Welt, und nicht ihr allein, gehörigen Abenteuer-,
Märchen- , Fableaux- und Wunderromanzen trennen , kurz alle Ncn>ellescos e
Cavalheirescos soltos, und auch die bretonischen und karolingischen, die zu ihnen
hinüberleiten. Was von den ersten, speziell spanischen in Portugal und in
Nordspanien lebt, kam thatsächlich aus Kastilien (oder aus Südspanien, wohin
es sich fortgepflanzt hatte) und trägt das Zeichen dieser Herkunft meist
noch an sich, denn es ward als fertiges, sprach verwandtes Ganze wortgetreu
reproduziert (was natürlich nicht hindert, dass im Laufe der Zeiten durch
Vergessen , Vermischen und Überarbeitung starke Abweichungen eintraten).
An ihrer Gestaltung hat Portugal also wirklich keinen nennenswerten Anteil
genommen. — Die mehr lyrischen romanhaften Abenteuerromanzen aber ent-
standen nicht in Kastilien, erlangten nicht in Kastilien ihre üppigste Aus-
bildung und kamen nicht aus Kastilien nach Portugal (der Regel nach,
die natürlich Ausnahmen erleidet). Von ihrem Hauptherde in Frankreich
ausgehend, kamen sie im 15. Jh. allmählich wandernd und umgestaltet, durch
Asturien (über Leon oder Gallizien) 2 nach Portugal, und fanden da-
selbst einen günstigen Boden, einmal weil derselbe noch nicht mit national-
epischen Gesängen gesättigt war, wie der kastilische; und zweitens weil über-
haupt der offene, aneignungsfähige, zum Wunderbaren, Phantastischen und
Sentimentalen hinneigende Geist der Küstenbewohner mehr Sinn für diese
Stoffe zeigte als der originellere Sondergeist des Kastilianers, der seine eigene
' Vgl. Kansta Ltisitana II, Estudos sohre 0 Roiiianceiro feninstäar.
2 .Meikwiirdigervvei.se fehlen gallizisclie Romanzen so gut wie ganz; nnd die wenigen
erhaltenen sind überaus stark vulgaiisiert und entartet.
Anteil Portugals an der Romanzen uichtung. 159
Ilias schon ausgestaltet hatte ^. Dass aber diese Emptanglichkeit für französischen
Geist, und überhaupt der lyrische Grundzug des portugiesischen (undgallizischen
und asturischen) Charakters im Grunde auf Racenverwandtschaft d. h. auf vor-
wiegend keltischem Untergrunde beruht, scheint richtig 2, trotz Gaston Paris'
Einwendungen, die, genau besehen, nichts anderes bedeuten als dass er eben an
diesen keltischen Untergrund der portug. Nationalität nicht glaubt^. — Bei der
Aneignung dieser ursprünglich fremdsprachigen, in sehr verschiedene metrische
Formen gegossenen Volksgesänge * aber mussten Asturien wie Portugel selbstver-
ständlich eine viel grössere Eigenthätigkeit entwickeln als bei der Übernahme
spanischer, in Sprache und Rhythmus beinahe heimatlich und national klingender,
fertiger Romanzen. Selten nahm es ganze Canti auf: nurwenige unter den portug.
Romanzen stimmen genau zu den entsprechenden französischen, katalanischen
und norditalienischen; und selbst von den asturischen, denen sie am nächsten
stehen, entfernen sie sich oft erheblich. Meist blieben nur Motive, Szenen,
Namen und einzelne her\orstechende Züge, Phrasen und Bilder in der Volks-
erinnerung haflen, die mit einer gewissen Freiheit kombiniert und verarbeitet
wurden. Beachtet man diese Einzelmotive, und nicht die Romanzen als Ganzes,
so sind es nicht fünf portug. Romanzen (wieG. Paris aufstellt 5) und nicht nur die
fünfzehn, (welche Nigra erwähnt), die verwandt sind mit anderen romanischen
Balladen, sondern über dreissig^. Und zwar sind es gerade die schönsten und
> Natfirlich kamen nicht wenige von diesen gemeinromanischen Volksgesängen auch
nach Kastilien, durch Asturien mehr als durch Katalonien. Und wanderten sie von da aus
weiter, so konnte es vorkommen, und kam es vor, dass in Portugal ein und dieselbe
Romanze in ganz verschiedenen Bearbeitungen üblich ward. — Umgekehrt, können selbst-
verständlich auch einige sich von Portugal nach Kastilien fortgepflanzt haben. — Hinfällig
ist jedoch Nigra's Ansicht, alle span. Volksromanzen mit oxytonen Assonanzen stammten
aus Portugal, alle proparoxytonen hingegen seien kastil. Schöpfungen und in Portugal ein-
gewanderte Fremdlinge. — Sind auch heute in Portugal thatsächlich die einsilbigen und so-
mit oxytonen, durch Kontraktion stark reduzierten Wortformen häufiger als in Spanien (tem,
vem, cor, dor, dö), so werden ihrer um so weniger, je weiter wir rückwärts gehen. Ich
erwähnte schon (p. 155 Anni. 3 u. 156 Anm. l), dass in der Troubadoursprache äo und Sa
noch zweisilbig, also paroxytonisch sind. Dass dennoch in den Poesien der ganzen ersten Epoche
die rimas agiidas die herrschenden waren, ja dass eigentlich eist in der dritten Epoche der
italianisieiende Kunstgeschmack sie verpönte, und die graves als allein zulässig proklamierte,
habe ich schon vor Jahren klargestellt (Sa de Miranda p. CXXIU — CXXIV).
* C. Nigra, Canti Popolari del Piemoiite, Torino 1888.
3 G. Paris, Chants Poptdaires du Piemont, Paris 1890.
* Es bleibt zu untersuchen, ob franz. Originale in Portugal (und Asturien) dann am
treuesten nachgeahmt worden sind , wenn ihre metrische Grundform dem peninsularen
Romanzenversmass gleich oder ähnlich war. — Alle die recht zahlreichen Lieder, welche
Nigra als im doppio settenario und doppio ottonario (piano tronco oder tronco piano) ge-
schrieben bezeichnet, und seihst die nonarii waren zu unmittelbarer Nachahmung sehr wohl
geeignet. — Als im 15. Jh. der grosse romanische Romanzenfrühling begann, war auf der
Halbinsel die stereotype Romanzenform unbedingt längst ausgestaltet und auf heimatliche
Stoffe angewendet worden : nur so erklärt es sich , dass diese eine und einzige Form auch
für alle aus der Fremde einwandeniden Romanzenmotive die ausschliesslich übliche ward.
* Ich weiss nicht recht genau, welches die fünf sind, deren Abhängigkeit von franz. -
katal.-ital. Vorbildern anerkannt wird. Wohl D. Varäo als Gegenstück zur Giierriera (Nigra
48) ? Ricofranco = Un' eroina ( 1 3) r Gerineldo II ^ Moran d'Inghilterra (42) ? Bella Infanta —
La Prova (54)? Gaiferos =: Moro Saracino (40)? — Quintado — Sposa morta (17)? — In-
feitifoda =r Figlia del Ä (8)? Doch das sind ja schon sieben, an Stelle von fünf!
® Aus der Verwertung einschlägiger Motive kann ich nachweisen, dass z. B. die
Originale, oder Ableitungen, von folgenden Gedichten bekannt gewesen sein müssen: D. Lom-
barda (l), Ragazza assassinata (12); Fior dt Tomba (19); Testament o delF Aweletiato (26); //
ritomo del Soldato (28); Morte occulta (21); Moglie uccisa (29); Marita giustiziere (30);
Z«fr(f2«j! (31) ; Bella Leandra (43); Amor Costante (45); Poter del Canto (47); I MtdiniXt^):
Occasione man,.ata (~i\)\ Cotwegno Tiotturno (jd); Tentazione ("8); Falsa Monaca {"tC)); Strano
vocero (84) ; Liberatrice ; Moglie infedele ; Principessa Giovamta ; Conte Angiolino ; Tentazione
u. s. f. — Und die Verwertung ist oft eine sehr gewandte , doch sind meist mehrere,
ursprünglich verschiedene Elemente zu einem Ganzen zusammengefügt worden.
l6o LiTTERATüRGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTl\
poesievollsten Stoffe, welche die weite Wanderung bis nach Portugal zurück-
gelegt, und daselbst eine neue (lestalt gewonnen haben. — Ureigenes findet
man also im portug. Romaticeiro so gut wie nicht, wohl aber viel Eigenes,
dem Gesamtcharakter der Nation Entsprechendes, und daher echt einheimisch
Aussehendes 1. — Einzelstudien müssen das hier nur ganz allgemein und ohne
Beweise Gesagte später erhärten 2.
2 2. Bibliographisches. A.Sprichwörter: A. Dclicado, A^iagios />o?-^u-
guezes, Liss. 1651. — BentoPereira, Adagios da lingua portugueza, Liss. 1655.
— Philosophia Populär em Provcrbios, Liss. 188 2 (Heft 48 A^r Biblioiheca do Po7>o).
— - B. Allgemein Folkloristisches: Th. Braga, O Poi'o Portuguez, Liss. 1 886,
2 Bde. — Leite de Vasconcellos, Tradiföes Populäres de Portugal, Porto
1882. — ConsiglieriPedroso, 7 radiföes Populäres Portuguezes, 1882 — 83,
15 Hefte. — F. A. Coelho, Raista d' Ethiologia, Liss. 1880 — 1881. —
C. Märchen: F. A. Coelho, Contos Populäres Portugtiezes, Porto 1879; —
engl, von Henriqueta Monteiro als Tales 0/ Old Lusitama (Lond. 1885).
— Braga, Contos Tradicionaes do Pozw Portuguez, 2 Bde., Porto 1883. — ■
Consiglieri Pedroso (engl, von H. Monteiro) Portuguese Folk Tales.
Lond. 1882. — Sylvio Romero , Contos Populäres do Brazil, Liss. 1883. —
D. Lyrisches: Th. Braga, Cancioneiro Populär, Porto 1867 (^'gl- Pomania II
127 — 128). — A. de Neves e Mello, Musicas e Canföes, Liss. 1872. —
Leite de Vasconcellos, Poesia Arno rosa do Povo Portuguez, Liss. 1890
(worin weitere bibliographische Nachweise). — Mild y Fontanals, Poesia
Populär Gallega in Romania VI p. 47 — 75. — E. Romanceiros : Almeida-
Garrett, Romanceiro, 3 Bde., Liss. 1851; 2. Aufl. 1863. — Th. Braga,
Romanceiro Geral, Coimbra 1867 und Cantos Populäres do Archipelago Aforiano,
Porto 1869. — Estacio da Veiga, Romanceiro do Algarve ., Liss. 1870. — Har-
dung, Romanceiro Portuguez., Leipzig 1877. — A. Rodrigues de Azevedo,
Romanceiro do Archipelago da Madeira, Funchal 1880. — Sylvio Romero,
Cantos Populäres do Brazil, Liss. 1883. — Leite de Vasconcellos, Roman-
ceiro, Liss. 1886. — Ballesteros, Cancioneiro Populär Gallego., Madr. 1886,
3 Bde. — Bellermann, Portug. Volkslieder imd Romanzen, Leipzig 1864.
— F. Wolf, Proben portug. und katal. Volksromanzen, Berlin 1856. — - Puy-
maygre, Vieux Chants Portugals, Paris 1081. — F. Parallelstrophen-
lieder: Diez, Hof- und Kunstpoesie p. 48 — -loi. — P. Meyer, Romania I
119 — 122. — Braga und Coelho, Bibliographia Critica p. 244 und 318.
Leite de Vasconcellos, Annuario para Tradiföes Populäres Portuguezas, 1882.
— W. Storck, Camöes Lebe?i § 37. — Ders. : Hundert Altportug. Lieder.
(1885) und y> Portugal und Brasilien« (1892). — Braga, in der Einleitung zum
Cancioneiro Ballesteros. ^
* Die merkwürdige Ansicht Th. Braga' s, dass die gesamte portug. Volkspoesie, in
Sonderheit aber der Romanzenschatz, eine Original-Schöpfung der Mogarabes ist, d. h. der
godos-lites, die sich mit der arabischen Bevölkerung gemischt und viei" Jahrhunderte lang mit
iiir in den Ländern vom Douro bis zum Algarve zusammengelebt hatten, kann ich hier eben
nur registrieren. Die Troubadour- oder Kunstpoesie soll hingegen das minderwertige geistige
l'jzeugnis des nach Asturien, Leon und Gallizien geflüchteten gotisch-römischen Adels sein,
der sich von allem Maurischen fernhielt.
2 Jede Romanze muss einzeln untersucht und analysiert werden. — Viele habe ich
bereits eingehend studiert, von meinen Resultaten aber bis heute wenig veröffentlicht. Zu-
nächst kann ich nur auf Revista Lusitana Bd. 11 und Grftber's Zeitschrift Bd. XVI ver-
weisen.
* A. Jeanroy, Les Ot-igines de la Poesie Lyriqtte en France, Paris 1889, beschäftigt
sich eingehend mit der altportug. Lyrik und im Speziellen mit den Parallelstropheniiedern
(chansons ä repetition). Ich hal)e das schöne und bedeutende Werk leider erst nach Abschluss
dieser Studie kennen gelernt.
Romanzen. Bibliographie. — Apokrypha. i6i
II. APOKRYPHA.
23. Man nennt in Portugal die apokryphen Stilproben aus alten Tagen
gemeinhin (und recht bezeichnend) y>as cinco reliqn-ias da poesia portu-
gueza«, und schlägt ihren Wert hoch an. Sie kamen zu Anfang des 17. Jhs.
ans Tageslicht, d. h. während der span. Herrschaft, zu einer Zeit wo Spanien
und Portugal eifrigst, und zwar in nebenbuhlerischem Wettringen, bemüht
waren, ihre Geschichte und Vorgeschichte bis zurück zu Adams Zeiten, nieder-
zuschreiben , alle Ruhmestitel zu buchen , und den Ursprüngen , wie ihrer
Nationalität, so ihrer Sprache und Litteratur nachzuforschen. Ein an sich
edler Drang, der aber, hier wie dort, zur Fälschung zahlreicher historischer
und litterarischer Dokumente führte! Und der erste Portugiese, welcher
litterarische Reliquien zum Vorschein brachte (natürlich so recht beiläufig und
wie von ungefähr) und seine Nachfolger, welche bei der Bekanntgebimg und
späteren Verbreitung derselben mitgewirkt und weiteres hinzugefügt haben, ge-
hören zur Gruppe jener historischen Fälscher, waren Freunde und Correspondenten,
oder wenigstens Bewunderer und Nacheiferer der Lousadas und Higueras
und Konsorten. Und alle drei: sowohl der portug. Klosterchronist und (Geschichts-
schreiber Frei Bernardo de Brito (1569 — 1617), dessen Fleiss und Patriotis-
mus ebenso sehr ausser Frage stehen, wie sein unkritischer Fanatismus, als
auch der leichtgläubige, beschränkte Miguel Leitäo de Andrada (1555
— 1629), sowie der unermüdliche, aber unglaubwürdige, gewissenlose und
phantastische Polyhistor Manoel de Faria-e-Sousa (1590 — 1649) waren
überdies Dichter, als solche aber reine Nachbildner, gewöhnt sich in fremden
Stilarten zu versuchen. Wer von ihnen nun auch die Reliquien herstellte,
oder sie herstellen Hess, sein Zweck war es, zu beweisen, dass Portugal die
Priorität in der Erfindung gewisser Dichtungsformen zukam. Kunstlyrik und
Kunstepik, die Volksromanze, der Hendekasyllabus, die oitava de arte inayor,
das Sonett, die endecha, das alles sollte uralte portug. Erfindung, von den
Spaniern aber nur nachgeahmt sein. ^ Verleitet wurden jene Vaterlandsfreunde
dazu durch die vaguen traditionellen, damals aber in der Halbinsel oft wieder-
holten Berichte über die alte Blüte portug. Dichtkunst, in «welcher der Hende-
kasyllabus (richtiger sein Vorläufer, der provenz. Dekasyllabus) geherrscht, und
Kunstdichter aus allen Gauen der Halbinsel sich der portug. Sprache bedient
hatten. Die beweisenden Dokumente aber waren verschollen. Man wusste
die Liederbücher des Königs Dom Dinis, und seiner Söhne und der adligen
Troubadours, von denen die Geschlechtsregister sprachen, nicht aufzufinden.
Daher erfand man Ersatzstücke, in dem guten Glauben, die port. Vorzeit,
und ihre Sprache wie ihre Anschauungsweise genügend zu kennen. — - Was
aber so hochverehrte und verdiente Meister wie Brito und Faria-e-Sousa
für echt ausgaben , das nahmen Zeitgenossen und Nachgeborene unbesehen
an.- Der Nachweis der Fälschung wäre zu schwer zu führen gewesen. — -
* Besonders Faria-e-Sousa iiesse fantasista qiie todo lo qturia para sus qumas<(.
■»facil receptador de todas quantas fahilas andani na nossa historian , der Vulgarisator der
Brito'schen Geschichtsdoktrinen und der eigentliche litterarhistorisclie Gesetzgeher jener
'läge, lässt es sich angelegen sein, sowohl im -»Epitome de historia portugiieza«. und in der
T>Europa Portugtiezan. als auch in seinen Camoes-Schriften und in den Vorreden zu seinen
gongoresken Eigendichtungen zu beweisen, dass Portugal in allen litterarisclien Errungen-
schaften die Palme des Erfinders zukommt.
2 Der erste und vielleicht einzige, der die Unechtlieit aller dieser Reliquien rund und
klar ohne jeden Vorbehalt zugegeben hat, war der Portugie.se J. Pedro Ribeiro (■{■ 1S39),
der in seinen Dissertafoes c/innwlogicas (I p. 181) aussagt: . .. iiäo posso reconhecer a ge-
nninidade destes dociimentos 1 ) por falta de priwas da siia antiguidade, sendo huns produzidos
por Leitäo tu> meio de huma noz'ella ein qiie ate pöe na boca das sttas fabulosas personagens
Orübkk, fMUndriss. IIb. \\
102 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
Heute aber, nachdem die Anfänge portug. Geschichte wissenschaftlich erforscht,
ihre Dokumente veröffentlicht, und die historischen Fälschungen des i6. Jhs.
kritisch zergliedert sind'; nachdem die Entwickelung der Nationallittoratur
wenigstens in grossen Zügen entworfen und das Folklore gesammelt ist, und
nahezu 2000 Kunstlieder klar und deutlich zeigen, wie die Altportugiesen
sprachen und dachten, sollte man nicht länger am irommen Rcliquienglauben
der verflossenen Jahrhunderte festhalten. Und man begreift nicht recht, wie
und warum ein so unerschrockener Neuerer wie Th. Braga bis zur Stunde
fortfährt, Lanzen zu brechen, um Unrettbarres zu retten-. Scheinbar übt er
ja strenge Kritik an Brito's, Andrada's, und Faria's Fabeleien; und
leugnet das hohe Alter der Reliquien. Im Grunde aber macht er die Sache
dadurch nur schlimmer, dass er sie aus dem 8. bis 11. Jh. ins 12. und 13.,
und später sogar ganz entschieden ins 14. und 15. verlegt! Mitten unter
echten, uns wohlbekannten Kunstwerken, wirken die fratzenhaften Misgeburten
poetischer Lügenschmiede nur noch abstossender als am leeren Eingänge zur
portug. Litteratur. — Die deutsche Kritik hat sie längst verworfen ; doch leider
nicht entschieden genug.
24. Die ganz zweifellos unechten Reliquien sind: L Eine Canfao de
Go/ifalo Hermiguez, 0 Traga-Mouros, a Ouroana; II. Das Foema da Cava oder
da desiruifdo de Hespanha. III. und IV. Zwei Carlas de Egas Moniz Coelho, a
sua davia (Violanie). Die einzige Reliquie, bei der Zweifel an der Unechtheit
überhaupt möglich sind, weil sie gut gearbeitet ist, und daher innerlich wahr
scheint, ist die Romance de Goesto Ansnres, gewöhnlich Trovas dos Figueiredos^
deutsch Figueiredo-Romanze betitc^lt. Die erste und kürzeste sei abge-
druckt, als für jeden Romanisten beweiskräftige Illustration.
I. Als Einlage zu einem hübsch erzählten , an eine 1 1 7 1 geschehene
Klostcrgründung anknüpfenden Rittermärchen •'^ teilte Brite 1602 in seiner
Chronica de Cister (Livro VI. cap. i.) die nachfolgende Canfäo mit. Stoff und
Lied will er in einem nicht näher bezeichneten und von niemand sonst
gesehenen Codex gefunden haben. * Das formlose, unqualifizirbare Gedicht*'*,
hiim soneto de Camöes ; outrps säo referidos por Brüo, cuja fe he iiefthutna. 2) porque as
palavras qice neues se empregäo, todas de diversas idades da nossa lingtta, formando hmn todo
afeitado, parece ser mais obra de hiim artificio estudado. 3) porqtu as cartas de Egas Moiiiz
Coelho, e a de Gonzalo Hermingnes , täo vizinhas ein tempo a ontros doaimentos vulgares
verdadeiros, eomtudo se distinguevi tanto em barbaridade qtie ate nisso tnosträo a sua afectai;cu\
' Von Herculano, der sich über Brito und seine Helfershelfer wiederholt auf
das Energischste ausspricht und sie kaum anders als falsarios atidazes und fabi-icaiiks de
burlas nennt.
^ Im Jahre 1867 nahm Braga die fünf »kostbaren Reliquien (und noch andere mehr)
in sein »Volksliederbuch« auf, als y>inteiranienk authenticosi. ; besprach sie in gleichem Sinne
ausführlich in den Mosarabes (cap. IV p. 173— 207), in den Trovadores [c^^. VTl p. 64— 66
u. 272) und '\\\\ Amadis (p. 59 — 84), und gab später im Manual {f. 138 — 143J sowie im Curso
(139 — 143) ein Resume seiner Ansichten, dadurch veranlassend, dass nunmehr alle Verfasser
von Hand- und Schulbüchern über portug. I>itteratur, die sich eine eigene Meinung u. Ent-
scheidung selbstverständlich nicht zutrauen, den Lernenden jene Reliquien zur Schau stellen,
auf ihre Echtheit schwören , und so alle Begriffe über Sprache und Litteratur verwirren.
Die »philologischen« Einwendungen des »unbeugsam -strengen« J. P. Ribeiro werden als
niciitige Ausserlichkeiten zurückgewiesen. Aus dem Geist der Zeiten soll man jene Dichtungen
verstehen. — In einem längeren Aufsatz, den ich für Henigs Archiv bestimmt habe, versuche
ich es, T h. Braga und durch ihn, die übrigen portug. I^itteraturkenner von der inneren
und äusseren Unwahrheit der Gedichte zu überzeugen, unter anderem durch den Nachweis,
dass der vermeintliche Cancioneiro Marialva aus dem 15. Jh., an welchen Braga als an die
(Juelischiift aller Berichterstatter glaubt, nicht existiert und vermutlich gar nie existiert hat.
* Es beginnt: -»Etn tempo del Rey D. Affonso Henrüjuest. . . .
* Er nennt ihn „a memoria de que vou tiramlo toda esta historia"' .
^ Brito nennt es nur Versos de Gongalo Ermigez. — Danach (1639) in Faria-e
Sousa's Europa Hl, caj). IX § 7, woher es Sarmiento für seine -»Alemorias". , Baibi
die meisten Litterarhistorikcr nahmen.
Apokryph a: Die 5 Reliquien. 163
innerlich und äusserlieh gleich unwahr, in regellosen, reimlosen Zeilen, und
mit Sprachformen, die nie und nirgend gelebt haben, lautet:^
Twherabos natu tttiherabos Per mil goyvos trehelhando
tat a tal ca monta ov oy bos lomhrego
tinheradestne nom Ihiheradesme algorem se cada folganfu
de la v'mherades de ca filharades asmei eti per que do lerrenho
ca andahia tiido em soma. nom ahi tal perchego
Ouroatia Oiiroana oy fem por certo
que in/ia hida do biher
se alvidrou per teit alvidro perq»e cm cabo
0 qiie cu de la chebone sem referta
tnas näo ha perque se ver.
Wer um den Inhalt der Novelle nicht weiss, versteht kein Wort 2. Das aber war
dem Erfinder ganz recht, der uns übrigens mitteilt, dass der Dichter ein Stotterer
war (gago). Was er beweisen wollte, ist ja nur, dass Portugal schon unter
seinen ersten Monarchen berühmte Liebespaare besass, und dass selbst zu einer
Zeit, wo die Sprache noch barbarisch und unverständlich stotterte, portug. Dichter
schon rhythmisch leidlich gute Sechs- und Acht- und besonders Elfsilbler wie
Zeile 13 und 14 (und 11) zu bauen wussten. Auf diese drei Hendckasyllaben
weisen denn auch alte wie neue Litterarhistoriker , von Faria-e-Sousa bis
Costa-c-Silva, als auf den wertvollsten Edelstein der Reliquie hin! — Das
Wort chehone ersetzte Braga durch checona, chacona'^ und klaubte aus dem
Gedicht die t'berzeugung heraus, dass es ein Überrest einer zum Amadisromane
gehörigen Gruppe von »Chaconas de Oriaiia« sei.
IL Das Foetna da Cava (auch Oitavas na lingoagem antiga quando se
perdeo Hespanha^) dient ähnlichen Zwecken. Als Bruchstück eines elegischen
Heldengedichtes auf den Untergang Spaniens ist es der älteste epische Versuch
der Halbinsel, kurz nach dem Maureneinfall gedichtet, vielleicht von König
Roderich selber''! Bei der Rückeroberung- des Schlosses Lousä (Arunce), unter
' Rein erfunden ist /.. B. die Form tinhera- und auch vinhera, welche Diez (Hof-
poesie p. 5) vergeblich zu erklären sucht. Einzelne Worte (wie cdgorem lombrego) gehören
dem Beiradialekt des l6. Jhs. an, den IJrito, der aus Almeida stammte, ja wohl kennen
musste ! Grobminhotisch ist das b für v. Der Troubadoursprache, welcher Goncalo
Henniguez zeitlich so nahesteht, gehört kein einziges Wort und keine der Lauterscheinungen
an (nicht einmal goivos). Das rätselhafte inha, das in allen Vulgärtexten, von G. V. an, vor-
kommt, halte ich für nichts als eine unschickliche Wiedergabe des durch Schriftzeichen kaum
darstellbaren Klanges, den einsilbiges mha (für minlui) an tonloser Stelle im Volksmunde hat.
- Hätte Bouterwek nicht an die Ehrlichkeit Brito's geglaubt, und Be Her-
rn a n n nicht mit Hülfe der Novelle den Sinn der Vers-Zeilen enträtselt und sie frei und poetisch
verdeutscht, so hätte A Imeida- G arret t vielleicht seine Übertragung ins Neuportug.
nicht geschrieben (1845, Revista Universal V p. 41 7) und das litterarische Unding begegnete
uns nicht allerwärts. Schade, das Diez, Wolf, .\Iilä und Amador de los Rios es
nicht kerniger abfertigten, vorsichtige Zweifel übrig lassend.
' Angeblich weil checona in einem (natürlich abhanden gekommenen) Manuskripte des
alten Portuenser Bibliophilen Dr. Gualter Antunes geschrieben stand, das Braga, ohne
Fug und Recht, mit dem schon ^xw'A\K\it.x\Caiumuiro Marialva identifiziert, in welchem Brito
die Figueiredo-Romanze gesehen haben will. Beide Handschriften stellt er ins 15. Jh. Aber jene
Schreibart ist nicht einmal thatsächlich vorhanden. Der einzige, der jenes Manuskript gesehen
zu haben behauptet, ein Prosaopuskel T>em loiwor da Ungiia portugiuzai. mit Gedichtillust.-ationen,
\as, Am'vn clubome. Es war der ehrliche und nicht unwissende Ribeiro dos San to s (174,^
— 1818), dem jedoch in dieser Frage nicht zu trauen ist, weil er als überzeugter Kelto-
mane , dem das moderne Portug. ein keltischer Dialekt war, für recht unverständliche alt-
portug. Monumente eine erklärliche Vorliebe hegte. Die hs. Abhandlung »/)« origem e
progressos da poesia de PortngaU in der er seine Meinungen darlegt, ruht in der Lissabonner
Nationalbibliothek. — Die Schreibart r/<^f(>«a stammt aus Costa-e- S il va's »Ensaio«, und
ist eine der willkürlichen Änderungen, die dieser Litterarhistoriker sich gestattet hat.
* Es beginnt: O roufo da Caum imprio de tal sanha A Juliam e Horpas a sa grei
dan'mhos.
* Nach Braga ist es vielmehr die Einleitimg zu einem Epos auf die Schlacht am
Salado (1340)! Vgl. § 49.
11*
164 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Affonso Henriques, ward es daselbst in einem blutigen, von Feuchtigkeit
halbzerstörten Manuskript gefunden. Verraten wird uns nicht, wo es dann
von II 20 blieb, bis Leitäo de Andrada es 1629 entdeckte, und in seiner
•)> Miscellanea'^ ,« bei Gelegenheit auch eines Rittermärchens, den Zeitgenossen
mitteilte. Es besteht aus vier, rhythmisch guten und glatten oitavas de arte
?nayor {abba abba), die also gleichfalls von Portugiesen gehandhabt wurden, lange
bevor ein Pseudo-Alfons der Weise sein (unechtes) Klagebuch und seinen
ebenso unechten y>Tesoro« oder »Candado<c (im 15. oder 17. Jh.?) schreiben
Hess 2. Auch hier würden kaum zwei Leser das wunderliche Gehäuse alter-
tümelnder Worte in ganz gleicher Weise deuten, wenn Andrada, und nach
ihm Faria-e-Sousa, nicht Sorge getragen hätten, für den Laien einen Kom-
mentar hinzuzufügen.^
in. und IV. Dasselbe alte, halbzerstörte Manuskript (pedafos de hum livro)
enthielt noch zwei Gedichte, Carlas amatorias eines nach portug. Rezept ver-
liebten Ritters"*, der kein geringerer als ein Vetter des gleichnamigen Königs-
erziehers {aio) Egas MonizCoelho g&vjt,?,ew sein soll". In 23 vierzciligenStröphchen,
die in ihrem regelmässigen Wechsel von 8 und 4 silbigen Trochäen an gewisse
Lieder des Cancionero de Baena erinnern, haucht derselbe Liebesklagen (und Hass
gegen einen spanischen Nebenbuhler) aus ! Die Sprachformen gehören zum grossen
Teile (wie bei dem Liede des Ermiguez und bei der Figueiredo -Romanze)
dem archäischen Beiradialekte des 16. Jhs. an^, so wie er seit Gil Vicente
als Bauern- und Rüpelsprache der portug. Komödie verwendet ward!
Ehe ich von der fünften Reliquie handle, sei verzeichnet, dass noch
andcr(i ähnliche Fabrikate von gleicher Güte , zum Teil aber in eine etwas
spätere Zeit verlegt, vorhanden sind , die von Braga (und anderen) auch als
»durchaus glaubwürdig« und »verbürgt echt« anerkannt werden: die Elegie
eines D. Mendo Vasques de Briteiros auf den romantischen Tod seiner
Frau Ximene, der portug. Lucrezia, die sprachlich und metrisch noch viel
ungeheuerlicher ist als alle übrigen Apokryphen'^; wenige Zeilen eines Lob-
liedes auf Lissabon, welches dem Infanten D. Pedro zugeschrieben wird,
auch von Brito ausgeheckt, zur Bestätigung der Thatsache, dass Hannibal
ein Lissabonner Kind war*^; und ferner Verse König Peters auf den Tod
seiner Ines, in wenigstens schon verständlichem Portugiesisch^. Die beiden,
altportugiesischen, im Namen Alfons' IV. (f 1357) zum Lobe des Vasco de
1 Dialogo XVI, p. 456 (p. 333 der ed. 1867). Vgl. Faria-e-Sousa, Europa 111,
livro IV, cap. 9.
^ Den verso de arte mayor (^^_.^^_^ \ ^_^^_^) kannte Alfons X. tliatächlicli (O
qite pola Virgeni \ d: grado seus dones) und aucli die portug. Troubadours und Volksdichtei^
kannten ihn; nicht aber die 8 zeilige Strophe.
* Dass es an argen Missgriffen, wie in der Wahl der Worte, so in ihrer Auslegung
nicht fehlt, ist selbstverständlich. Sia z. B. für seia sedia ist ein grober Anachronismus.
* Er starb an Liebe — und sie nahm Gift!
* Andrada (Miscellanea, Dial. XVI) und Faria-e-Sousa (Europa III I.e.) sind
natürlicii die ersten, welche die Briefe mitteilten. Der eine beginnt: Fincaredes hos emhora\
Taotn coitada \ Que ei boi-me por hi fora \ De loitgada ; der zweite : Beiit satisfeita ficades i
Corpo d'oiro \ Alegrades a quem amades \ Que ei ja moiro.
* Besonders das ei für eu\ mei für meu\ hoi für vou etc. Dass auch hier sprachliche
Anachronismen nicht fehlen, hat schon Diez bemerkt (so die Personalflexionen ais, eis neben
ades edes).
'' Erst 1827 publizierte FreiFortunato de S.Boa Ventura das Gedicht »^//J(?
da querida mendo jazesv. in scincY y>Historia de Alcobai;a<i. {Prova XVI p. 64) (vgl. Braga,
Canr. Pop. p. 202). In denselben Klostermauern, in denen Brito gewirkt hat, wurden also
aucii diese 5 ziemlich glatt gereimten (abab) Strophen geschmiedet, deren 4 Zeilen
zwisciien 4 und 14 Silben auf- und abwogen. Sie sollen wie endechas aussehen.
•* Man. Lus. I, Livro II cap. lö. — Faria-e-Sousa, Europa II l 38 1.
* Balbi, Essai statistü/ue (1822) p. VII der Dokumente. Ich vermute dass Frei
Fortunato (1778 - 1834) i'"" die Si)rach(iokumente lieferte.
Die 5 Reliquien u. a. Fälschungen. Figueiredoromanze. 165
Lobcira und seines Amadis vom Dr. Antonio Fcrreira vor 1569 ge-
schriebenen Sonette sind Kunststückchen, aber keine Falsifikate, doch müssen
sie an dieser Stelle erwähnt werden, weil sie, 1598 veröffentlicht, nur vier
Jahre bevor Brite sein erstes altportug. Gedicht druckte, möglicherweise die
unschuldige Ursache jener Fälschungen sind; und auch weil Faria-e-Sousa
(nebst Nachfolgern), der sie dem Infanten D. Pedro zuschreibt^, darin die
ältesten peninsularen Sonette und natürlich eine portug. Erfindung ^ erblickt.
— In Abschnitt E habe ich darauf zurückzukommen.
25. Fälschung V, die Figueiredo- Romanze^ unterscheidet sich sehr zu
ihren Gunsten von den vorerwähnten Reliquien. Wer ihre einfachen, durchschau-
lichen Sätze liest, gleichviel ob im portug. Original oder in den Verdeutschungen
Bellermanns oder Storcks'*, nachdem er die anderen durchmustert hat,
atmet erleichtert auf, findet Inhalt und Stil frischlebendig und nicht ohne
dichterischen Wert, und macht nur den einen Einwand, die hübsche Volks-
romanze sei wohl nicht so alt wie die Portugiesen behaupten, sondern stamme
frühestens aus dem 15., wahrscheinlich erst aus dem 16. Jh.^ — Der Stoff
ist peninsular , historisch, oder sagenhaft-historisch. ^ Eingekleidet ist er als
Ich-Romanze, wie so viele andere epische Volksgesänge. Sechs christliche
Jungfrauen werden einem Maurenherrscher als schuldiger Tribut zugeführt.
Der Held des Abenteuers schlägt in einem Feigenwalde das Geleite nieder,
befreit die Mädchen, und bietet der Schönsten, die ihn um Hülfe angerufen,
Herz und Hand. — Auch der Ton der Erzählung ist volkstümlich, reich an
Wiederholungen. Die ersten und die letzten 6 Zeilenpaare haben parallelistische
Gliederung (z. B. ires nittas encontrara, tres rtinas encontrei), wie auch der
vier Mal, nach je 1 2 Zeilpn, wiederholte Kehrreim, der mit den Eingangsworten
identisch ist: no figueiral entrara, no figueiral entreP . Das (nicht völlig reine)
* Fuente de Aganip|)e (1644J Prologo §8 und 9. — C osta-e-Si I va glaubte
noch an ihr Alter!
^ Auch an die Echtheit der volkstümlich sein sollenden Tonadilhas, Segnidilhas und
Cantigas auf den Condestavel, welche Braga dem Karmeliter-Chronisten J. Pereira de
Santa Anna (1696 — 1759) entnahm, {Canc. Pop. Nos 7 — lO; vgl. p. 203) lassen mich ge-
wisse Sprachunrichtigkeiten derselben nicht recht glauben. — Warum weiss die schöne alte
Chronica do Condestavel nichts von diesen Versen ?
^ Die Litterär-Bezeichnung Provas dos Figueiredos (im />/.) [soll nichts weiter
besagen als dass, laut Brito, die Familie »derer von Figueiredo« die im Feigenwalde und mit
einem Feigenaste vollendete That und ihren Helden, sowie sein Pied, als ihr Erbgut und v^rie
eine Illustration 7,u ihrem redenden Feigenblatt- Wappen betrachtet (5 im Wappen ; das 6.. die
Heldin symbolisierend, im Helmschmuck). — Im Liede redet selbstverständlich nur einer,
der Held, und nur von sich: »zum Feigenwalde kam ich; zum Feigenwald ich kam«,
(und nicht er, wie Bellermann übersetzt).
* »Aus Portugal und Brasilien« (1892) Nr. l ; vgl. p. 2,=)3. Eine vorzügliche Nach-
dichtung bis auf ein Missverständnis. In Mal oiwesse la terra (bei Storck »kaum h<>rt ich
von dem Lande«) steckt nicht oicvir , sondern mal hottvesse = mal haja la terra (=: doch
wehe, weh ! dem Lande).
^ Das haben bis heute alle einsichtigen Kritiker gethan, im In- und Auslande. Nur
J. P. Ribeiro verurteilt die Romanze als unecht. Wie A. F. Coelho und Leite de
Vasconcellos denken, weiss ich nicht.
* Der auf der Nordhälfte der Halbinsel sehr verbreiteten Sage nach , bestand der
schuldige Jahreszins in lOO Jungfrauen; der Zinszahler war König Mauregato oder sein Nach-
folger Bermudo (789— 91), der Empfänger der Emir von Cordova .\bderrhaman I.; die
Szene der Handlung sucht man an den verschiedensten Stellen und nicht nur da wo Ort-
schaften wie Figueira Figueiredo Figueiral dazu aufmunterten (vgl. Lope de
V ega , Famosas Asturianas und Doncellas de Simancas). Bestbezeugt ist in Portugal Figuei-
redo das Donas bei Viseu. noch besser in Gallizien (wohin die Sage zeitlich gehört) eine
den bezeichnenden Namen Peito Bordello = Bordell-Zins führendeStätte. — Den Helden-
namen Goesto Ansures kennt ausschliesslich der Chronist. Die alten Adelsbücher ignorieren
ihn und die Sage.
'' So. wie ich drucke, und nicht a no figueiral figiidredo muss es heissen , falls
die Romanze echt ist. Und so wollte sicherlich auch Brito, dass man emendierend läse.
l66 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PoRT. LllT.
Metrum ist der Sechssilbler mit nur zwei Hebungen. Ein Doppelreim, nicht
ganz streng durchgeführt, zieht sich durch die 28 Zeilenpaare hindurch. Die
unpaarigen, immer weiblichen, meist in ara, die paarigen, immer männlichen,
als eigentliche Reimträger, ausnahmslos in ct.
Wie Metrum und Reim, so bietet auch die Sprache nur wenige Uneben-
heiten, d. h. einige Hispanismen i und altmodische, scheinbar dialektische Worte
undFormeln, die wie durch Unverstand verderbte Archaismen aussehen sollen,
und zur Not auch können'-^. — Brito, der seinen Fund natürlich wie eine
wertlose Kleinigkeit behandelt, sie wohlweislich aber der Monarchia Lusitana
einfügt-', will die Romanze in einem handschriftlichen Liederbuch gelesen*,
dann aber auch in seiner Heimatprovinz im Munde von Bauern gehört haben.
Leitaö druckt sie genau nach Brito ab^, versichert aber, auch er habe
sie in algarvischem Volksmunde gehört. Faria-e-Sousa spielt nur auf dieselbe
an^; er hatte Sinn nur für individuell gefärbte Kunstpoesie. Ribeiro dos
San tos fand sie, mit samt den übrigen vier Reliquien, im Prosakodex des
Dr. Gualter Antun es'^. Woher der als Musikforscher namhafte, in litterar-
historischen Fragen aber höchst unsolide Soriano Fuertes zu den Musiknoten
gekommen ist, die er veröffentlicht^, bleibt noch zu ergründen: unverdächtig
sind alle diese vier Quellen nicht. Ganz unverdächtig ist, wie gesagt, auch
nicht die Sprache; und nicht einmal der Stil. Die gute Durchführung der Ich-
form ist äusserst selten ; die Zerteilung einer Volksromanze in vier Abschnitte,
trotz durchgängigen Reimes, ist auffallig. Dazu kommt vor allem dass sie
als Ganzes nach Inhalt und Form vereinsamt dasteht, und vom hergebrachten
peninsularen Romanzentypus abweicht; dass keine einzige andere historische,
erzählende, an eine alte Heldenthat anknüpfende portug. Volksballade vor-
handen ist; dass unter den zahlreichen Romanzenzitaten portug. Schriftsteller
auch nicht eine den tronas dos Figueiredos entstammt, und dass der Volksmund
sie heute nicht kennt; dass also nach rückwärts und vorwärts absolut keine Spur
von der 1609 und 1629 angeblich im Volksmunde zweier'Provinzen lebendigen
Schöpfung zu finden ist^. — Ich halte sie daher für eine Erfindung Brito's^o
Es sollte so aussehen; als sei die Randnote F ig ueired o in seiner Vorlage aus Verseilen in
den Text geraten ; er aber, als treuer Abschreiber, habe nicht einmal den offenbaren Lapsu^
verbessert, verdiene also unbeschränkten Glauben.
' Hombre. — miia — y — vayades — mala — lloray — iiiia — cerca,
^ A für (? — lo la los las — ckantar, pescudar, gargom, machucar\ ausserdem tene, amim-
fe, ano, en tras, auch der Plur. aravias^ doch lässt sich darüber disputieren. Die Sprach-
lorm als »altgallizisch« zu bezeichnen ist absolut unzulässig; und die Ansprüche, die man
daraufhin in Gallizien auf das Gedicht erhebt, sind unbegründet.
' Moii. Lus. II p. 2CX) (p. 416 der 2. Ausg. v. 1690).
' * In dem obengenannten Cancioneiro Marialva. — Der Grat D. Francisco Coutinho,
dem das Gedichtalbum gehört haben soll, starb übrigens erst 1552! Dass seine vermeint-
liche Blütenlese dem XV. Jh. angehört habe, ist eine pure Hypothese, wie auch dass die
übrigen Reliquien darin standen.
* Misccllanea, Dialogo I, p. 25 — 26.
" Europa I, Parte II, Cap. 5.
'' S. p. 163 Anm. 3. Ribeiro dos San tos sagt vorsichtig von seinem Code.\ -»parece
letra do sec. XVi. Doch hat er sicher geirrt. Nicht im XV., erst im XVI. und ganz besonders
im Anf. des XVII. Jhs. schrieb man Werke zu Ehren der Muttersprache (Beispiel Barros
und Du arte Nun es de Leäo).
* Historia de la Musica Espahola (1855 — 56) Bd. I p. Ill — 117. Vom Texte gesteht
dei' Autor ohne weiteres zu, dass er ihn nach Brito kopiert.
* Dabei wird die Sage als solche von Spaniern und Portugiesen oft erwähnt. Vor
Brito z. B. von Moral es (Crotiica general. I>ib..XIIl cap. 27.)
'•* Zu Zweifeln an der Unechtheit führt luich immer von Neuem die Erinnerung an
die parallelen Wiederholungen nach Art der altportug. Lyiik und der asturischen Danza-
p r ima- W^eise ; an die Sechssilbigkeit gewisser gutportug. Volksromanzen (s. ob. § 21
Anm. 5) und daran, dass auch die allerfrüheste portug. Kunstromanze {^Vat. 466), eine
Arbeit des gallizischen Klerikers Ayras Nunes, sich in Scchssilblern und in Strophen be-
FlGUEIREDOROMANZE. — I. EpOCHE D. PORT. LlTT. : LyRIK. 167
der sich übrigens aller Bemerkungen über ihre Enstehungszeit enthält, und nur die
vclhice do verso antigo rühmt, es dem klugen Leser überlassend, zu folgern:
»/</«/ chant historiqiie est contempoi'ain du fait gu'il cÜcbre«. — Dass sie gut
gelang, während die von ihm oder seinen Genossen gefertigten Kunstlieder
so kläglich ausfielen, liegt in der Schlichtheit des Volksstiles und der Schönheit
der zahllosen Muster, die ihm vorlagen , während die altportug. Kunstpoesie
unbekannter Boden war. Wie vorzüglich im 13. Jh. den Troubadours die
Nachahmung der damals üblichen Volksweisen gelungen ist, ward schon er-
wähnt, wie auch dass Brito ein geschickter nachbildender Poet war'.
D. ERSTE EPOCHE: 1200—1385.
1. LYRIK.
PORTUGIESISCHE MINNESÄNGER: (tROVADORES GALLECIO-PORTUGUEZES).
^ie (Tste Epoche portug. Litteratur gehört ziemlich ausschliesslich der
JTroubadour-Poesie an, der höfischen Minnedichtung, die, im 11. Jh. in
der Provence geboren, während des Zeitalters der Kreuzzüge (1095 — 1269)
von Rittern und berufsmässigen Dichtern und Sängern hinausgetragen ward,
zuerst in die nächstliegenden, sprachlich verwandtesten Länder, nordwärts nach
Poiticrs , der Champagne , Artois , Picardie und Flandern und von da nach
Deutschland, und südwärts nach Italien und Katalonien, und von da aus weiter
in die fernerstehenden Gebiete, bis sie im ganzen Abendlande ihr Echo ge-
funden, hier lauter, dort leiser, je nach Anlage, Charakter und Vorbereitung
der das süd- und nordfranzösische Kunstlied empfangenden Völker: in Portugal
zuletzt, doch kräftiger, andauernder, und eigenartiger als irgendwo sonst. —
Ihr Hauptinhalt ist ritterlich-höfische Frauenverehrung. Die Formen, in welche
sie ihn kleidet, sind im Grossen und Ganzen diejenigen, welche die Provence
ausgebildet hatte : Das eigentliche Lob- und iJebesgedicht und das Streitgedicht,
Canzone und Tenzone; und dazu Lai und Descort wie Sirventes;
Pastourelle und Romanze. Ihr charakteristischer Vers ist der jambische
Dekasyllabus. Die Technik des Versbaues; Strophen- wie Reimsysteme
{coblas doblas, Singulars und unisonans ; rinis continuatz; cansös redonda; breu
doble', coblas capßnidas unA capcaudadas; rimas dis solutus; equivocs; derwatius) ;
gewisse Redewendungen und Sprachkünsteleien, und auch die Melodien und
Musikinstrumente, sowie Tracht und Sitten der portug. Troubadours — alles
spricht unverkennbar für franz. Vorbilder. — Zum Überfluss erklären auch
altportug. Dichter selbst noch ausdrücklich ihre Abhängigkeit von den Pro-
venzalen. Singt doch der hervorragendste Troubadour der Halbinsel einmal:
Quer" eu em ?naneira de provenfal Fazer agora um cantar de atnor.- Ja,
hie und da bedient sich sogar der eine oder der andere der süd- und nord-
franz. Zunge. (S. u. § 34).
27. Über diese augenfällige Nachahmung hat denn auch von jeher mir
eine Meinung geherrscht. Schon im 15. Jh. erklärte der erste Peninsular,
welcher eine Geschichte der romanischen Litteraturen skizzirte, der spanische
wegt (von je 6 Kurzzeilen oder 3 Langzeilen). — Jedenfalls lehnte Brito sich an gute
Vorbilder an, was zu Ende des 16. Jhs. leicht war.
' Brito schreibt man, und wohl mit Recht, die Scgunda Parte das tnwas do Son/io
de Crisfal zu, worin der sanfte Stil des Bukolikers Christovam Falciio recht gut getroffen
ist, und die Sylvia de Lisardo.
^ S. Lied 123 des Canc. Vat. und vgl. ebenda Nr. 127: Proenfaes soeti muy heu
trobar sowie Nr. 70, worin einem Segrel vorgeworfen wird : Vös non trobades como proencal. —
Das Wort Proenfa kommt im altportug. Liederbuche ein Mal vor , doch ohne Bezug auf
Dicht- und Sangeskunst (Nr. 937)- — Lcinosiitcs oder ähnliches nie.
l68 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — A. PORT. LllT.
Markgraf von Santillana (1398 — 1458), die altportiig. Lyrik sei ein Nachhall der
limusinischen. 1 Im Zeitalter der Renaissance erkannten das gleiche zwei italie-
nische Humanisten, Kardinal Bembo undAngelo Colocci, welche Forschung
oder Zufall in den Besitz handschriftlicher portug. Liederbücher gesetzt hatte. (S. u.
^45). Und der portug. Gelehrte Francisco de Sä de Miranda, ein Ver-
wandter Vittoria Colonna's, der möglicherweise in Rom, zwischen i 52 i und 1526,
dieselben Codices wie jene beiden einsah, wusste von demEinflussderProvenzalen
auf die span. Dichtkunst und klärte seine Zeitgenossen darüber auf. 2 Zu Aus-
gang des 16. Jhs. verbreiteten dann gelehrte Geschichtsschreiber und Sprach-
forscher, welche die Bedcutujig des Königs Dionysius für Kunst, Wissenschaft,
Sprache und Litteratur darzustellen hatten, in Druckwerken, dieselbe richtige
und sachgemässe Ansicht. *5 Nur die bereits (in Abschnitt C) erwähnten cha-
rakteristischen Fälscher (und spätere Fälscherfreunde und Beschützer) haben
es sich, wie schon erwähnt ward, in den Sinn kommen lassen, die Erfindung
' Die auf portug. Minnesnng bezügliche Stelle aus dem oft gedruckleii oder oft
kommentierten litterarliistorisclien vSendschreihen des Ifiigo Lopes de IVIendoza an den
Condestavel D. Pedro de Portugal (Carla oder Proemio) ist dem Leser unentbelirlich. Darum
drucke ich sie gleich hier vollständig ab. Der Markgraf, welcher proenzal und Icmosin neben
einander verwendet, spricht, in übrigens recht buntem und vagucn Hin und Her, von ital.,
nordfrz. und katal. Dichtern bis Petrarca, M a c h a u t , C h a r t i e r , J o r d i de S a n c t
Jordi, springt zu den Spaniern Fita und Ayala, und fährt dann fort, alle Chronologie
auf den Kopf stellend: E despues (!) fallaroti csta arte que mayor se llatna, e el arte
com Uli, creo en los reinos de Galicia e Portugal, donde non es de dubdar ipie el ex er cid o
destas sciencias mos que en ningunas otras rcgiones ni pfoviiicias de la Espaha se acostumhro,
eil tanto grado que non ha muclio que qualesquier decidores 0 trovadores destas partes (agora
fliesen Castellaiws, Aitdaliices , 0 de la Estremadura) todas sus obras componian en lengua
gallega (0 portuguesa). E aun des tos es cierto rescebimos los notnbres del arte, asi como:
maes tria mayor e menor, enc adena do s , lexapren e mattsobre (S. u. § 42 und
73— 84) — Acuerdome, Sehor muy jnagnifico, siendo yo en edat no provccta, mas asaz mozo pequtno,
en podcr de mi abuela D. Mencia de Cisneros, entre otros libros, aver visto un grant volitmen de
Cantigas, Serranas e Decires Portugueses e Gallegos, de los quales la mayor parte eran del
Rey Don Dionis de Portugal (creo, Senor, fue vuestro bisabuelo\ richtig wäre: tatara-
buelo) cuyas obras aquellos que las leian, loaban de invenciones sutiles e de graciosas e dulccs
palabras. Avia otras de yohan Soares de Pavia, el quäl se dice aver muerto en Galicia
por amores de una Infanta de Portugal. E de otro Fernant G onzales de Sanabria . . .
(§ XIV). Vorher aber hatte er schon erklärt: Es tendier on-se creo de aquellas
tierras e comar cas de los lemosines estas artes a los gallicos (=: Franzosen)
e a esta postrimera e occidental parte que es la nuestra Espana {^-- Hispanien , die ganze
Halbinsel) donde as az prud ente e fermo samente se hau usado (^ X). Den Zehn-
silbler der Katalanen nennt ei' a la manera de los Lemosines (§ XIII). — Vgl.
Sanchez, Col. de Poesias Gast., Bd. I 1779; Annaes das Sciencias e Lettreas II p. 289 — 30,0
(1858) Amador de los Rios, Obras de Santillana, p. l — 18 und Braga, Poet. Pal.
p. 151—169. Deutsch bei Clarus 11 61—70.
2 Poesias ed. C. M. de Vasconcellos Nr. 109, 62.
' Voran ging der gelehrte und gewissenhafte Reichshistoriograph Philipps IL,
Du arte Nun es de Leäo, (geb. um 1540, gest. um 1608), von dem man leider nicht
weiss, ob er Italien bereist hat oder nicht. In seiner Jugendarbeit, der Orthographia da
lingua port., die erst 1576 zum Drucke kam, erwähnt er der altpoitug. Dichtkunst nicht
ftrotz gegenteiliger Behauptungen) , äussert sich jedoch über die Identität des Altiwrtug.
und Altgalliz. Erst 1585, in seiner -»Censura in libellum de Regum Port, originct. gedenkt
er der dichterischen Verdienste des Königs Dionysius : Fuit Dionysius Rex htimanissiiitus,
amoenissimi ingenii et a litterarum studiis non abhorrens eo riidi saeculo. Poeticcs autem Studium
maxime dilexit et fere primus in Portugalia carmina lingua vidgari scripsit nata non ita pridein
huiusmodi poesi versuum similiter cadentiwn apud Siculos e quibus ad Lemovices, Arvernos et
Provincialcs et inde ad Italos et Hispanos einanavit. Extant Iiodie multa eins car-
mina ex quibus apparet imitatum fuisse Lemovices et Arvernos
poetas. Und in seiner Königschronik II p. 76 wiederholt er (1600) seine Angaben über des
Königs und »Anderer« Vulgär-Poesien [»0 que este, e os d' aquelle tempo , comefaram
a fazer ä imit a ( äo dos Arvernos ^/ /'röZ'^w^ö^j«] die nocii einmal ( l6c6) in seinem
Alterswerke: Origem e Orthographia da Lingua Port., cap. 6, wiederkehren (y>compos muitas
cousas em metro aa imitagäo dos Poetas Provenfaes.«^ — Die Nachsprecher über-
gehe ich hier. Vgl. § 37 Anm. 1 und 2.
PoRi-uG. Minnesänger. Provenz.-franz. Einwirkung auf Portugal. 169
des Dekasyllabus, ja überhaupt die Schöpfung der romanischen Kunstlyrik den
Portugiesen zuzuschreiben , und Provenzalen wie Italiener für Nachahmer zu
erklären. '
28 Auf welche Ursachen die fremde Einwirkung zurückzufuhren ist,
sagte die Einleitung. Auf den überwältigenden Zauber einerseits, den Frank-
reichs überlegene Geistes- und Sittenbildung im Mittelalter auf alle romanischen
Staaten ausgeübt, und andererseits auf Portugals lyrische Grundstimmung, die
gerade an der ihr homogenen Minnedichtung verständnisvolles Gefallen fand,
während Kastilien mehr die epischen chansons de geste begünstigte. — In der
Beantwortung der Fragen, wie, wann und aufweichen Wegen die genauere
Kenntnis franz. Dichtung bis nach Portugal kam, gehen die Meinungen aus-
einander. — So lange man nur ganz unbestimmte , auf Tradition beruhende
Vorstellungen von der altportug. Lyrik hatte, d. h. vor 1823, ehe die Ver-
öffentlichung der erhaltenen Quellenwerke begann, behauptete man meisthin,
kurz, und falsch: schon im 11. Jh. habe der Gründer der Dynastie, der bur-
gundischc Graf Heinrich (1095 — in 2) mit seinen ritterlichen franz. Genossen,
eine fertige Hofpoesie sowie Poeten, und franz. Musik sowie Musiker aus der
Heimat mitgebracht, und einfach in Portugal eingeführt.- Später, als man
die lyrischen Gedichte des bedeutendsten Vertreters der Epoche, des Königs
Dionysius (1279 — 1325) und das vermeintliche Liederbuch seines Sohnes, des
Grafen D. Pedro Affonso von Barcellos (71354) kennen lernte, stellte man
den anderen Satz auf: Alfons X. von Kastilien und Leon (1252— 1284) —
den man als den gründlichsten Kenner und den freigebigsten Gönner der
Spätpro venc;alischen Dichtkunst kannte, und von dessen geistlichen I>iedern in
portug. Zunge man wusste — sei der erste gewesen, der nach dem Typus
der Troubadours, in Dekasyllaben Portugiesisches dichtete ; von ihm aber habe
sein Enkel, zu Ende des 13. Jhs., das Minnesingen gelernt.^ Oder auch: der
Schwiegersohn des schriftgelehrten Alfons und Vater des Dionysius, Dom
Affonso III (1245 — 1279) habe sich während seines langen Aufenthaltes
in Frankreich als »Diener« der D. Bianca von Kastilien und Graf von
Boulognc, mit den Musen befreundet und darum den Sohn durch französische
und französierte Lehrer in der gaya sciencia förmlich unterweisen lassen.
(s. J^ 32) Diese Antwort ist zwar bedeutend besser, und enthält ein grosses
Teil Wahrheit; ausreichend aber ist sie keineswegs, weil sie die eigentlich
wichtige Zeit der Vorbereitung und des ersten Keimens und Treibens des alt-
portug. Minnesangs, das gerade zwischen Graf Heinrich und dem Regierungs-
antritt Alfons' III (oder des D. Dinis) liegende Jh., ganz ausser Acht lässt. —
Nicht so früh wie die ersten meinten, und nicht so spät v;ie die letzteren vermu-
teten , und keineswegs urplötzlich, unvorbereitet und wie durch königlichen
Machtspruch, erstand die portugiesisch-gallizische arte de trobar. Allmählich
und auf vielen Pfaden drangen franz. Kultur und Sprachkenntnis in Portugal
ein, und befruchteten den emplänglichen, weichen Boden ; bald direkt, bald
indirekt und auf Umwegen, durch Beziehungen zu den dem Zentrum näher
liegenden und daher früher von ihm aus bewegten Völkern (d. h. durch Ver-
mittelung von Katalonien, Aragon, Navarra, Kastilien und Leon) und selbst
' F aria-e-So US a sagt \m Epitome I 69 (ed. 1674), Dionysius liätte gedidilct >.a
imitacion de los Provetifoles y Ahernos«. In der Europa (11 p. 372 § 64) hingegen lehrt er:
■>->antes parece, lo imitaron de los Portuguezes los Italiauos y Provenzales! (Cf. Fuente de Aganipe,
Pifl-te VI, Prologo).
- Sclion Die'/ erhob den unanfechtbaren Einwand, zu Graf" Heinrichs Zeiten sei
eine Kunstlyrik selbst in Fiankieich noch nicht vorhanden gewesen.
' Namen zw nennen ist unnütz. Alle, welche die Veröffentlichung des Cancioneiro
da Valicana und Colocci- Bra?tcuti nicht erlebt, verlegten den Beginn der portug. I^itteratur an
das Ende des XIII. Jhs,
lyo LllTERATURGESCHICHTE DER KOxMANISCHEN VcU.KER. — 4. PüRT. LiTT.
ZU nord- und süditalienischen Höfen, die ja alle damals nicht viel mehr als
einen Nachhall franz. Geistes zu bieten hatten und provenzal. Kunstlyrik als
das wahre Merkzeichen höfischer Gesittung pflegten. — Direkt sind auf der
berühmten Wallerstrasse nach dem dritten Sanktuarium der Christenheit (die
man bezeichnend genug caminho francez nennt; ^ und von der auch Geschichts-
chroniken, Epen, Volksromanzen und Sprichwörter so unendlich viel mittel-
alterlich Abenteuerliches zu berichten wissen) vom 9. bis zum 15. Jh. nicht
allein französisch-epische wie lyrische Volksweisen von Mund zu Mund ge-
wandert. Auch fromm kirchliche und ritterlich-höfische Melodien und
Texte, lateinisch und em romance vulgär, wurden westwärts getragen durch die
Fürsten und ihr Gefolge, welche die fast obligatorische Pilgerfahrt unternahmen,
und sich oft recht lange in Alt-Gallizien aufhielten, das sich bis zum Mondego
erstreckte. 2 — Doch auch auf anderen Wegen (zu Wasser z. B. durch Kreuz-
fahrerflotten, und zu Lande auf Kreuz- und Querpfaden durch Alt-Kastilien
und Leon) kamen periodisch aus Norden und Osten Ritter und Reisige, um
an den peninsularen Unternehmungen gegen den Halbmond teilzunehmen.
Und nur um weniges später, schon unter Alfons VI (1072— 11 09), dem zwei
Mal franz. Fürstinnen die Hand gereicht hatten , begann , nach der belang-
reichen Rückeroberung Toledo's (1085) die häufige Berufung von franz. Geist-
lichen, Gelehrten und Mönchen aus Cluny und Citeaux^, und von thätigen
Kolonisten, welche alle bei der friedlichen Kulturarbeit halfen und die ent-
völkerten, den Mauren entrissenen Landschaften neu bestellen und christlich
zivilisieren sollten. Überall in den Städten entstanden besondere fränkische
Stadtteile {bairros dos Francos). Der gallikanische Ritus, die fränkische Schrift
und Notation , der Alexandriner der chansons de geste, u. a. m. wurde ange-
nommen. Lehrende, aber auch Studierende, gingen nach Toledo, um sich
mit Geheimwissenschaften 4, Musik und Semitischem zu beschäftigen, und später
auch nach Palencia (1209) und Salamanca (1240). Und mit den einen wie
den anderen kamen zahlreiche fahrende Sänger — segreis, juglares, menestreis^
histriöes und mimos — welche es sich berufsmässig angelegen sein Hessen, ihre
mannigfaltigen Künste zu üben und zu lehren, — So waren geistige Be-
ziehungen zu Frankreich also angeknüpft, ehe ein selbstständiges Portugal
überhaupt bestand. Sie wurden aber naturgemäss viel enger, als Alfons VI.
seine Töchter mit den burgundischen Grafen vermählte (1094 — 95), und in
der Folgezeit um so wertvoller für die Verfeinerung der Sitten und der Geistes-
bildung, je grossartiger Frankreichs Kultur und Litteratur sich im 12. Jh. ent-
wickelte und je ruhiger sich allgemach das peninsulare Leben gestaltete. — Wie
elConde don Anrriquc e elConde don RemoncT^ nebst anderen Franken, Flamändern,
Deutschen und Italienern bei Toledo und Zalaka mitgekämpft, und bei der ersten
' Auch Vat. 278 spricht von diesem oftgenannten catninho francez und n i c h t von einem
beliebigen franz. Wege, wie Braga meint (der fälschlich por um c. fr., statt pelo c. fr., druckt).
* Die Route berührte P a ni p 1 o n a , M i r a n d a , B u r g o s , V^ a I e n c i a , S a h a g u n ,
lycon, Astorga Ponferrada etc. — Unter den Millionen Santiago-Pilgern auch nur
die erlauchtesten zu nennen, würde Seiten füllen. — Nur dass 1137 Wilhelm v. Poitiers.
die Wallfahrt unternahm, sei erwähnt. Den apostql de Compostela nennen Peire Vidal,
(luiraut Riquier, Faulet de Marse 1ha. Die altportug. Lieder gedenken /.. B. des
Pilgerzuges Sancho's IV. (1284).
^ Bernhard von Cluny ward erster Erzbischof von Toledo. Auch in Segovia, Osma,
Sigüen/.a, Salamanca, Santiago, sowie in Braga, Porto und Coimbra wurden die obersten
Kirclienstellen mit franz. Prälaten besetzt.
* Ilelinand sagte noch 1229: y>les clercs voiit k Paris ctiidier les arts lihcraux, a
Orleans les auteurs classiques, a Bolognc le droit, a Salertie la medecine, ä Tolede les diables,
et 7itdle part les bonnes moeurs. Auch Rustebeufs Ausspruch über toledaner Nigromantik
ist bekannt.
* Vgl. Poema del Cid 3136. 3000 und 3100. — Die Portogaleses werden darin, wie
in der Cron. rimada, schon neben den gallezianos genannt.
Provenz.-franz. Einwirkung auf Portugal u. den fort. Minnegesang. 171
Erstürmung der Burgen Santarem , Cintra und Lissabon (1093) mitgeholfen
hatten, so halfen noch später, auf Kreuzfahrerflotten an die Westküste ver-
schlagene Normannen , Lothringer, Flamänder und Deutsche zu wiederholten
Malen bei speziell portug. Waftenthaten : 1147 bei der endgültigen Einnahme
Lissabons, 11 89 bei der Eroberung von Silves, und wiederum 12 17 bei Al-
cacer do Sal. Und viele von ihnen blieben im westlichen Lande, ess(7 tierra
gensor. Wie aber schon bei der Doppelheirat der Töchter des Cid (1075)
und bei den Hochzeitsfesten der burgundischen Grafen vmchas maneras de yo-
glares ihre Gesänge angestimmt und ihre Künste gezeigt hatten, so erschallten
in der Folgezeit neue und neueste Lieder so oft man hispanische und fränkische
Königskinder mit einander vermählte '■ und weckten Sinn und Verständnis für
franz. Poesie und Musik. — Nicht ganz so häufig wie franz. Krieger, Mönche
Pilger und Spielleute die Pyrenäen überschritten, gingen auch umgekehrt
schon im 12. Jh. einzelne Portugiesen \^2.qS\ Francia la garnida, von Thaten-
und Wissensdurst geführt, oder durch Mishelligkeiten aus der Heimat ver-
trieben ". Fürsten und Ritter besuchten die mit ihnen verschwägerten kleinen
südfranz. Höfe, so wie Aragon-Provence, Flandern, Nordfrankreich und Italien ;
kämpften dort, heirateten und traten in Orden; studierten in Paris Theologie,
Medizin in Montpellier, und Rechte in Bologna, seltener in Toulouse und
Salerno; oder sie wallfahrteten nach Rocamador^ und Rom. Und auf aus-
gedehnteren Pilgerreisen und Kriegszügen nach Ultramar träfen Streiter und
Büsser aus aller Herrn Länder zusammen, und bedienten sich, allem Anschein
nach, schon damals des Französischen wie einer allen Gebildeten verständ-
lichen/<m/////^'^2^<ü. — Die aus der Fremde nach Jahren Heimkehrenden brachten
aber sicherlich neue Bildungselemente mit sich.
2g. Wann aber und an welcher Stelle fielen positiv-fruchtbringende
Samenkörner in den also vorbereiteten Boden? Die endlosen heissen Kämpfe,
welche das junge romanische Reich im 12. Jh., während der wahren Blüte des
provenz. Minnesangs, gegen Mauren und christliche Nachbarn um seine Existenz
zu bestehen hatte, und die wilden inneren Fehden zwischen Adel, Geistlich-
keit und Krone, welche die erste Hälfte des 13. Jhs. ausfüllten, liessen ein
echtes und rechtes Hofleben absolut nicht auf kommen. Feste Mittelpunkte
fehlten, welche bedeutende Talente dauernd hätten fesseln können. Besuche
fremder Sänger konnten nur kurz sein und mussten ohne tiefere, nachhaltige
Einwirkung bleiben. Von etwaigen, selbständigen Nachahmungsversuchen der
Söhne und Enkel Heinrichs und ihrer Genossen ist nichts aufbewahrt. Auch
fehlt all und jeder Beweis für irgend welchen persönlichen Verkehr zwischen
ihnen und bestimmten franz. Troubadours oder Trouveres. Kein einziges provenz.
' Die Reihe der Heiraten zwischen Hispaniern und Französinnen oder Prinzesfinnen
aus Staaten, in denen franz. Minnesang schon Wurzel geschlagen hatte, ist sehr lang und
sehr hedeutsam. Hier seien nur die wichtigsten aus der Troubadour -Epoche aufgezählt:
1074 Alfons VI. mit Ines von Aquitanien ; 1079 ders. mit Constanze von Burgund ; uk;4
Urraca mit Raimund von Toulouse; 1095 Theresa mit Heinrich von Besancon und Elviia
mit Ramon de San-Gil; 1130 Alfons VII. mit Berenguela von Aragon; I170 Alfons VIll.
mit Eleonore von Aquitanien ; 1200 Bianca von Kastilicn mit Louis Vlll; 1220 Ferdinand mit
Beatrix von Schwaben; 1246 Alfons X. mit Violante von Aragon ; 1254 D. Leonor Hl mit
Eduard I. von England und D. Sancho 1. mit Dulce von Aragon ; 1180 D. Theresa-lMafalda
mit Philipp von Flandern; 1280 D. Dinis mit Isabella, der Enkelin Manfreds von Sicilien.
^ Der zweite Sohn des D. Affonso Henriques, D. Pedro Affonso (f 1169) lebte z. P.
lange am Hofe des Louis Vll. ; sein Bruder Alfons, starb zu Rhodos als Ordensmeister der
Hospitaliter (1207). Ein Sohn Sancho's I. verbrachte Jahre am aragonesischen Hofe, wo
er sich mit Aurembiax von Urgel vermählte, ihre Grafschaft erbend; sein jüngerer Bruder
D. Fernando (']- 1233) weilte am Hofe von Flandern, heiratete seine Base Johanna von
Flandern, kämpfte 1214 bei Bouvines, fiel in die Hände der Franzosen, schmachtete 12 Jahre
im Louvrethurme, und kehrte dann in die Heimat zurück.
^ S. Maria deRocamador im Canc. da Vat. 1066 erwähnt. (Cfr. 689 u. CBr. 1 15 u. Cant.).
172 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. I.ITT.
Lied ist an einen portug. König gerichtet, oder spricht von ihm; kein einziger
portug. Personen- oder Ortsname kommt in der provenzalischen Litteratur
vor ; keine westliche Waffenthat wird erwähnt ; keiner Schenkung oder Wohl-
that gedacht. In keiner Troubadourbiographie verlautet, dass ein namhafter
Sänger den occidentalischen Küstenstrich betreten hat^. Weder in Lob noch
in Tadel wird Galliziens oder Portugals ausführlicher gedacht'^. Nur drei Mal
kommt in Kreuzesliedern, welche zum Kampfe gegen die peninsularen Sara-
zenen auffordern, das Wort Portugal vor'^ Und dies Schweigen steht in aus-
drucksvollem Gegensatz zu den so überaus zahlreichen herrlichen Lobpreisungen,
mit denen die übrigen vier spanischen Fürsten (die Könige von Leon, Kastilien,
Navarra und Aragon), und so mancher ihrer Grossen aus den Häusern Lara,
Castro, Haro und Cameros, bedacht sind*. — Trotz dieses Schweigens von
provenzalischer Seite wissen wir es nun aber bestimmt, dass schon im
12. Jh. Sancho L französische Gaukler belohnte^; und dass es um 1250
festwurzelnder Brauch war, gelernte juglares als zum Hofstaat gehörig zu be-
trachten 6, wie auch das zu Rosse wandernde Troubadours {segreis oder segleres)
' Auch von Peire Vidal, Marcabrun und Peire d'Alvernha steht es nicht
fest, dass sie Portugal besucht, trotz Fauriel (11,6) Baret (Troubadours ■[>. I19), Milä
y Fontanals {7ro/>. ed. 186] p. 498) und Braga {Vat. XXV— XXVII), der noch im
y>Curso<.< (p. 67 — 68) die Angaben der drei Vorgänger wiederholt. — Die Möglichkeit,
dass es geschehen, ist selbstverständlich nicht 7,u leugnen. — Ja noch andere Sänger, wie
z. B. der weitgereiste Cercamon, der die ganze gangbare Welt durchfahren (cerquet tot lo
mon lai on poc anar) , oder Elias Cairels . der den grössten Teil der bewohnten Welt ge-
schaut (cenjuet la inaior pari de la terra Itahitzada) mögen ihre Reisen noch über Compo-
stella hinaus, bis nach Guimaräes und Coimbra oder sogar bis zum {rioforte betitelten)
Tejostrome ausgedehnt haben.
^ Kaiser Barbarossa j)reist in seinem Völkerepigramm zwar Kataloniens Frauen,
kastilianische Hofsitte und aragonesischen Wuchs. Von den Portugiesen aber weiss er
nichts zu melden. Dasselbe gilt von dem kastilianischen Kanzler Diego do Campo
(1218). Möglich ist jedoch, dass dieser sie unter dieCallaecos rechnet, deren ■»loquela'.'.
ihm rühmenswert scheint.
^ Der gaskognische Jongleur Marcabrun hat in seinen Kreuzliedern an die franz.
und .Span. Christenheit positiv auch die Mithülfe Portugals gegen die Almoraviden im Auge.
In der Canzone, die er II46 beim Aufbruch nach der Halbinsel dichtete {-»AI prim comens
del ivernailh) sagt er zwar nur ».£« Castella et en Portegal Non trametrai aqiiestas salutz.
Mas j Deus los sal .'« In der Cnnzone Emperaire per mi mezeis, vor dem Siege bei Almeria
aber ruft er in deutlicher Anspielung auf das gemeinsame span. -portug. Feldgeschrei (Real,
real\) : Ah la valor de Portegal E del rei Navar atretal. Ah sol qiie Barsalona is vir Ves Tolela
rEitiperial, Segur poerem cridar : reial.'I E paiana getis desconfir. — Und einige Jahizehnte
nachher, als er zum Feldzuge gegen die drohende Heeresmacht der Almohaden aufrief, ver-
wies Gavaudan der Alte mit Bezug auf die Mauren auch auf Portugal: ■» Portugals,
Gallicx, Castelläs, Navars, Aragones, Ferräs (=: Fernandos? oder S tur iäs - Asturianer) lur
avem en harra geqtiitz Qu' eis an rahuzatz et aunitz-^< (im Liede: f>Senhors per los vostrcs
peccatz«). Damit aber ist auch alles bis heute Bekannte erschöpft.
* Gar mancher Satz, der ganz unbestimmt von Espainha oder von span. Königen
reilet, darf natürlich auch auf Portugal angewendet werden. Wo jedoch ausdrücklich von
vier span. Königen die Rede i.st, hat die Nichtbeachtung des jüngsten fünften Bruder-
reiches etwas geradezu .Xuffälliges.
* Ein Aktenstück der Torre do Tombo aus dem Jahre II93 beschäftigt sich
mit zwei Gauklern Sancho's I., einem gewissen Bonamis und seinem Bruder und Kumpan
Acompaniado. Der König hat sie mit einem Grundstück {casal) bedacht und sie unter-
zeichnen und erklären: Nos mimi siipranominati debemus domino nostro Regi pro rohorationi
unum arrentedillum (d. h. ein mbmo, eine Farce, ein theatralisches Schaustück). Vgl. Nova
Malta I 294 und S. Rosa de Viterho, Elucidario s. v. arr e'medilho. Von anderen, minder
gut verbürgten trovadores und dezidores — wie z. B. von Manuel Gonsalves , 0 primeiro
homem quc eni Portugal fez trovas, e ;az no tnosteiro de Pombeiro — schweige ich klüglich.
^ Im Hausregimente König Alfons' III., das zwei berühmte Staatsmänner und Trou-
badours ausgearbeitet haben, D. Joäo d 'Abo im und D. Estevam Annes lautet das
12. Dekret: El Rei aia tres jograres em sa casa, e nom mais ; e o jogral que vecr de cavalo
doutra terra (ou segrel) de-lhe El Rei ataa cem .... (maravedis) ao que chus der, e nom
tnais, se Iho dar quiscr. (Port. Mon. Hist.- Ecges \). 199). Aus dem beschränkenden Wort-
Verkehr zwischen Frankreich u. Portugal. Litter. Vermittelungen. i 73
in Portugal gern gesehene und reich beschenkte Gäste waren. Und aus
provenzalischen Gedichten, welche portugiesische Zeilen enthalten ', sowie
aus provenzalisch und französisch abgefassten Versen von Portugiesen^ erhellt
unumstösslich, dass doch ein Verkehr zwischen portugiesisch (resp. gallizischj
redenden Männern und französischen Dichtern stattgefunden haben muss, und
zwar ein mehr als oberflächlicher Verkehr. — Wie löst sich der scheinbare
Widerspruch? — Einfach so dass dieser Verkehr erst spät, am Ausgang des
12. und Anfang des 13. Jhs., und nicht innerhalb, sondern ausserhalb Portugals
stattfand, der Grenze nahe, in dem älteren Mutterlande Leon und in Kastilien,
wo ein Hofleben sich etwas früher entwickelt, und die Poesie früher eine
Heimstätte gefunden hatte. Dort bot sich den portug. Grossen Gelegenheit
(auch wenn sie die Halbinsel nicht verliessen und die südfranzösischen Sänger
nicht bis zu ihnen kamen), dem occitanischen Minnesang zu lauschen, und
ihn zu erlernen, ohne fremde Vermittelung , aber auch ohne intimere per-
sönliche Beziehungen. Dort also werden die ältesten portug. Gedichte ent-
standen sein. — Wo portug. Freunde der Dichtkunst aber nicht als empfangende
und bewirtende Herren , sondern als bedienstete Vasallen oder als fremde
(iäste auftraten, standen sie naturgemäss nicht im ersten Plane; und die
provenzalischen Troubadours, auch wenn sie Geschenke von ihnen empfingen,
würdigten sie keines unterschiedlichen Dankes, sondern schlössen die porto-
ga/eses (deren Selbständigkeit sie für vorübergehend halten mochten, wie es
die von Gallizien gewesen war) mit ein in das allgemeine y>Esßainha«. ge-
spendete Lob.
30. Wann aber geschah das? Keineswegs erst unter Alfons dem Weisen,
an den selbst heute noch gewöhnlich gedacht wird. Dieser selbst bezieht
sich bereits auf ältere Troubadours, z. B. auf einen portug. Kleriker aus
Alanquer, einen Günstling des Königs Sancho, D. Mar t im AI vi t es, dessen
Liebes- und Spottlieder berühmt waren {Cant. 316). Als an seinem Hofe hundert
Geber unaufgefordert an provenzalische Troubadours^ Geschenke austeilten,
so gross wie mancher König sie nicht spendete, da lebten nachweislich
bei ihm etwelche portug. ricoshojnes, vasallos und infanföes; die den Pro-
venzalen schon nicht mehr wie zage lernende Schüler, sondern als
laut darf man mit Rücksicht auf die vorgenannte Urkunde von II93 schliessen, dass vor
1258 erheblich mehr als je drei Spielleute zum portug. Hofstaate gehörten, und dass die
Herrscher den fahrenden Sängern weit über 100 Goldmünzen zu spenden pflegten.
* Raimbaut de Vaqueiras (l 158 — 1219) hat seinem fünfsprachigen Descort
-»Ära quan vei verdejar€ einige, leider stümperhaft gedichtete oder schlecht überliefet te Zeilen
eingefügt, die ohne Zweifel peninsular sind und für unparteiische Augen und Ohren wie
(unreines) Portugiesisch klingen. Sie lauten : Mas tarn temo vostro pleito; Todo 'n soi escar-
vientado ; Per vos hei pena, e maltreito E' meu corpo lazerado ; La nueii quan soi {oAtYjag^)
en meu leite Scnc muclia vez despertado ; Per vos, crede-o sou tol/ieiio (.-) ; Falhit soi en mei
cuydado und Mon corassö mävetz treito E, tncnit gen faiilan, furtado. — Mihi erkliiit
sie zwar, wie die meisten Kritiker, für inkorrektes Kasti lisch \Trob. ed. l88y p. 132),
und tituliert sie t>acaso los mas antiguos \versos\ que eit nuestra lengua se conservan<i.. Später
aber (p. 54'-i). bricht die Wahrheit sich Bahn, und er giebt zu, sie seien vielleicht Gallizisch.
Sprachlich wie litterarhistorisch ist dies das Wahrscheinlichere. Auch Raim o n V id a I legt
(um 1180) einem hispanischen Troubadour drei Reihen in den Mund, die peninsular sein
so^en und unbedingt eher portug. als kastilisch sind: Tal dona non quero servir ; Per me
non si denke preiar j Ja nmi quero lo sieu prendir.
2 Provenzalisch ist Lied 454 des Canc. C. Br., halbport., halbprov. die 'fenzone Nr. 477.
Franz. Zeilen enthält Nr. 126 des Canc. da Ajuda. S. u. § .34.
* Meine gewiss unvollständige Liste von Troubadours, welche Alfons X. Hof be-
sucht oder ihm Lieder gewidmet haben, umfasst 19 Namen: Aimeric de Belenoi,
Arnaldo Plagues, Bartolome Zorgi, Bernart deRavenac, Bertran d'Ale-
mano, Bertran de Born, Bertran Carbonel, Bonifacio Calvo, Kolquet de
Lunel, Guillem Ademar, Guillem de S aint - Didier , Guilleni de Mon-
tagnagut, Guiraut Riquier, Nat de Mons, Paulet de Marselha. Peire
V i d a I , R a i m o n de 1' o r s , Raimund de C a s t e 1 n a u , U c de K s e a u r a.
174 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
längst geschulte Meister in ihrer eigenen Sprache gegenüber traten,
mit König Alfons um die Wette dichteten und sogar fremdsprachige Dichter
bereits in portug. Troubadours verwandelten. — Auch nicht erst unter seinem
Vater Ferdinand dem Heiligen (12 17 — 1252), der so herzliches Gefallen an
Sordellos Weisen ^ und an den Liedern des Guiraut de Bornelh fand.'-^
Früher noch, schon unter der glorreichen Regierung des Siegers von Navas
de Tolosa, Alfons VIII. von Kastilien (1158 — 1214)^, der einmal als Mittler
zwischen Richard Löwenherz und Philipp August nach Frankreich ging, und
um dessen Gunst die bedeutendsten Troubadours sich mühten*, und ganz
besonders unter seinem Zeitgenossen und Vetter, dem lebenslustigen neunten
Alfons von Leon^ (1188 — 1230), ja sogar schon unter König Alfons VII.
(1126 — 1 157), den Marcabrun undPeire d'Alvernha sowie Aimeric de
Pegulhan besuchten und besangen, bot sich allen dichterisch oder musi-
kalisch begabten Portugiesen und Galliziern Anlass, in relativer Ruhe, süd-
und nordfranzösische Poesie und Musik, und den höfischen Minnedienst regel-
recht zu erlernen, bald in Leon, bald in Burgos, Palencia, Valladolid,
Segovia, Zamora, Castro, Carrion, Campos, Toro oder Toledo, d. h. in allen
Städten, wo die Könige von Leon und Kastilien Hoflager zu halten pflegten.
— Die intimen Verwandtschaftsverhältnisse der Dynastien '^ und Adelshäuser,
sowie der natürliche Zusammenhang der Völker machte, wie schon erwähnt,
während der ganzen ersten Geschichts- und Litteraturperiode zeitweiligen oder
dauernden Aufenthalt spanischer Grossen in Portugal, und umgekehrt portu-
giesischer Kdelen an den Nachbarhöfen zu etwas ganz Alltäglichem. Und
das nicht nur in Zeiten des Friedens und gemeinsamer Aktionen wie Navas
und Salado, sondern auch in den recht häufigen Zeiten offenster Zwietracht.
Die jüngenni Söhne, mehr aber noch die zahlreichen illegitimen Sprösslinge
der portug. Könige, und die mit illegitimen Töchtern vermählten Granden,
mussten als gefahrlichste und gefürchtetstc Unruhstifter ofl genug ihr Vaterland
verlassen — banidos, exerdados, deitados a Castella, wie man sagte — und
fänden im Nachbarlande meist freundliche Aufnahme und einflussreiche Stellen
als Ratgeber, Majordomi, Adelantados, Fronteiros, Meirinhos u. a. m. Gerade
zu Ende des 12. und Beginn des 13. Jhs. — von 1185 bis 1248 — flüchteten
' Dass En Sordel der einzige Troubadour pro venic. Idioms ist, den die Portugiesen
bei Namen nennen, seine Melodien als von ihnen oft geborte preisend, wird weiter unten
nocli zu wiederholen sein.
- Sein Sohn sagt von ihm : y>pagal>a-se mucho de otnes de carte qne sahian hlen de
trmjar et cantar et de joglares (jtie sopiesen bien tocar cstrumentos, ca de esto sc pagaba el
niucho et eutendia qnieu lo facia Inett et quiett noni..
' Deutsche Autoren (/,. 13. Diez und IJartsch) nennen als Sieger von Navas
bald Alfons 111., bald Alfons VIII. und sind Glaubens, es handle sicii um zwei verschiedene
Könige. Oberiiaupt ist die Reihenfolge der Alfonsos ihnen unklar. Die asturischen,
leonesischen und kastilianischen Monarchen jenes Namens werden so gerechnet als hätten
sie alle dieselbe dreifache Krone getragen , während in Wahiheit die frühesten drei nur
in Asturien herrschten; IV.. V. und IX. nur in Leon; VI., Vll., X. und XI. in Ka.stilien
und Leon; VIII. ausschliesslich in Kastilien. In der Troubadourgeschichte kommen, ausser
deiu Weisen, nur noch Alfons VI., VII. und VIII. vor, und diese werden als erste kasti-
lische Alfonsos, auch mit den Zahlen I. II. III. belegt.
* Aimeric de Pegulhan, Bertran de 13orn, Folqu-et de Marselha,
Gavaudan, Guillermo de Bergadan, Guiraut de Bornelh, Guiraut de Ca-
lanson, Hugo de Saint-Circ. Peire Rogier, Peire Vidal, Perdigon, Raim-
baut de Vacjueiras, Savaric de Mauleon und Ramon Vidal sind die Lobredner
Alfon.s' VIII.
5 Alfons IX. feiern: derselbe Aimeric, Ademar, Elias Cairel, Guiraut de
Bornelh, Saint-Circ und Sordel.
" Leonosische Königin war ll,')7— 1188 Urraca von Portugal und von<llyt)-95 die
portug. Fürstin Santa Thoresa. die Tociiter Dulce's (also Enkelin Raimund Berengars). Den
kastilischen Thron teilte von 1215 — 17 D. Mafalda, als Gemahlin Heinrichs I.
Portugiesen an span. Höfen. Beginn der fort, höfisch. Dichtung, i 7 5
thatsächlich in Folge der wilden Bürgerkriege, welche im Lande entbrannten,
erst durch die Präpotenz einer übermächtigen Geistlichkeit, dann um Sanchos I.
Erbschaft und die Vormundschaft Alfons' II., und hernach wegen Sanchos II. Mis-
regierung, zahlreiche portug. Fürsten und Grosse mit ihren Rittern und Knappen,
und gingen an den leonesischen Hof Alfons' IX. (und zum Könige von Kastilien).
Damals also, während des langen Lebens des leichtlebigen Lconesen, begannen,
meiner Ansicht nach, die portugiesischen Adeligen sich systematisch im Dichten
zu üben.
31. Und der Beweis? — Um ihn voll und ganz zu liefern, müsste
die Gesamtheit der portug. Lieder rekonstruiert 1, der lesbare Text erläutert,
genau datiert, und chronologisch geordnet, und es müssten die Biographien
der Dichter geschrieben, und der Vergleich mit der provenzalischen und nord-
französischen Lyrik durchgeführt sein 2. Oder mir müsste Raum zu gründlicher
Erörterung offen stehen. — Da diese Bedingungen fehlen , müssen blosse
Andeutungen genügen. — Alfons IX. gehört (dem Anschein nach) selber zu
den portug. Troubadours (^ 36). — Sehr zahlreiche portug. Gedichte ent-
halten Allusionen auf den leonesischen Hof {corte de Leon — rey de Leofi)
und leonesisches Recht {/oro de Leon — livro de L.eon)'-\ erzählen von den
Wanderungen der Dichter durch die hispanischen Reiche^, und nennen die
spanischen Städte, welche damals Hauptschauplatz dichterischer Wettübungen
in portug. Sprache waren •'>. Unter den historischen Persönlichkeiten, welche
in den bezeichneten Jahrzehnten, und besonders zwischen 12 11 und 121S,
und hernach von 1223 bis 1245 am leonesischen (und auch am kastilianischen)
Hofe eine Rolle gespielt haben, sind, wie ausgiebigst nachweisbar ist'*, viele
Portugiesen, und zwar einige unechte Enkel des ersten '^ und Söhne des
zweiten portug. Königs, und verschiedene Angehörige der mit ihnen vielfach
verschwägerten, damals mächtigsten Adelsfamilien, ganz besonders der Mendes
de Sousa oder Sousöes. Die meisten derselben aber sind Dichter. Und
mindestens drei davon gehörten schon vor 1259 zu den Toten: D. C.il
Sanches (f 1236), der natürliche Sohn des Königs Sancho I.**; D. Abri^
' Tli. Braga's Edigäo crilica restituida des Codex Vaticanits entspricht kritisclien
Anforderungen nicht ganz, erstens weil sie nur den Inhalt eines Liederbuchs bringt und
zweitens weil die Textgestaltung eine vielfach willkürliche, ungleiche und sinnlose ist. In
fler Einleitung dazu und auch in den Trovadores sind Ansätze zur Beantwortung der ein-
schlägigen Fragen ; doch ist keine der Untersuchungen wirklich zu Ende geführt.
2 Die dreifache Aufgabe ist schwierig und nur mit bedeutendem Zeitaufwand und
sorgsamster Mühewaltung zu lösen ; verzweifelt ist sie jedoch keineswegs. Nahezu alles was
subjektives ^linnelied ist, bietet keinerlei reale Anhaltspunkte zum Datieren und liefert nur
spärliches Material für die Biographien der Dichter. Die sachlich höchst wertvollen Scherz-,
Spott-, Rüge-, Streit- und Schimpfgedichte sind aber überreich an Allusionen auf That-
sachen und Personen und geben ausserdem oft in längeren und kürzeren Prosaerklärungen
Aufschluss über Motiv und Anlass {razäo) zu ihrer Abfassung und somit ülter Zeit und Be-
ziehungen der Dichter. Eine aufmerksam vergleichende Ausnutzung des ganzen Liederbuches
liefert daher schon viel brauchbaren Stoffes. Und nimmt man alle sonstigen zeitgenössischen
Quellen zu Hülfe — Urkunden, iVdelsbücher, Chroniken, Grabschriften etc. — , so lässt sich
immerhin Erfreuliches erreichen. Ich denke meine Resultate in einem Einzelwerke über die
erste Periode portug. Dichtkunst zu veröffentlichen, doch erst wenn mein Canäoueiro da
Ajiuia und meine Rekonstruktion des Gesamtliederbuches nebst vergleichendem General-
index gedruckt vorliegt.
* Solche Anspielungen kommen freilich nicht nur in den .Titeren, sondern auch in
späteren Gedichten vor. Im Ganzen wird Portugal mindestens 2u mal , Leon mindestens
U) n\al, Kastilien hingegen nur lO, und Espanha nur 7 mal genannt.
* S. z. B. Vat. 536. Ö55- 562. 642. 664. 6^1. 370.
^ Die häufigst genannten Städte sind Burgos und Carrion; ausserdem kommen
noch .33 span. Ortschaften und 22 portug. vor.
* Ich verweise einfach auf Herculano's Historia de Portugal (Bd. II).
' Enkel des Affonso Henriques (mütterlicherseits) war übrigens auch Alfons IX.
* Geb. um 1208 »0 chus hoiirado clerigo qne ouve ent Ilespanha« , dazu linker Hand ver-
mählt mit D. Maria Garcia de Sousa, Tochter eines und Schwester dreier Troubadours.
176 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
Peres, de Lumiares, der Tochtersohn des D. Affonso Henriques^ und D.
Garcia Mendes, deEixo,aus dem Hause Sousa.- Und ihre Gedichte, obwohl
sie rein lyrischen, subjektiven Charakters sind, legen doch das eine klar, dass
sie der portug. Heimat fern verfasst worden sind^. Andere Lieder beziehen
sich wenigstens auf Persönlichkeiten und Ereignisse, die dem ersten Viertel
des Jahrhunderts angehören^. Eines derselben ist sogar in provenzalischer
Sprache abgefasst, und vielleicht einem provenzalisch dichtenden Sänger
gewidmete Und in diesen ältesten Liedern finden sich zwar nicht direkte Ent-
lehnungen aus Werken solcher Troubadours, welche damals thatsächlich Ferdi-
nand IIL und AlfonsIX. besuchten und f eierten, ^ aber doch Anklänge, und Nach-
bildungen gerade solcher Rhythmen und Strophen- wie Reimsysteme, welche
Aimeric de Pegulhan, Elias Cairel, Guiraut de Bornelh verwendet
haben. Und als besonders oft und gern gehörte Melodien werden einzig
und allein, neben den bretonischen , die Weisen des in Spanien gefeierten
En Sordel namhaft gemacht. — Das allerfrüheste von den Gedichten, die
ich bis heute zu datieren weiss '^, spricht zu der Mutter des obengenannten
D. Gil Sanches, d. h. zu der geliebtesten aller Favoritinnen Sanchos des
Alten (j 1211), D. Maria Paes Ribeiro, der verführerischen Ribeirinha,
die sich später Schutz suchend und Recht heischend nach Leon an Ferdinand
den Heiligen wenden musste, — und zwar, dem Anschein nach, in ihrer
' Er w:ir ein Solin der Hrraca Aflonsü, bekleidete die Iiöchsten Staatsäinter
und fiel (ri45) als Greis in der Bruderschliicht bei Porto. Die f^iebestenzone Vat. 663,
die wir von ihm besitzen, staninU gewiss aus jüngeren Jahren; er streitet darin mit Ber-
naldo de Bonaval, dem Lehrer des segrel Pero da Ponte, der später als Sing-
genosse Alfons' X. auftritt. — Die Behauptinig, das Liederbucli nenne diesen B. de B. den
ersten Troubadeur, beruht auf Irrtum.
'■^ Sein Herrensitz Eixo, (auch Eixoo genannt) liegt bei Aveiro. V.y war der 2. .Sohn
des guten Grafen I). Mendo de Sousa, »<? fmh- senhor que havia 110 re.'mado de D. Sanchos,
der noch bei Silves gekämpft, und hatte mit seinen drei Brüdern, nebst Familien (woruntei-
f). (}onc;alo, D. Joäo und D. Fernan Gar ei a als Dichter glänzen), beim Tode
Sancho's I. Portugal verlassen, kehrte 12 18 zurück und verbündete sich 1223 mit seinem
ganzen ungeheuren Anhang und den übrigen Gaugrafen des Minho und Douro gegen den
ersten Ratgeber und den Günstling des minderjährigen Sancho II. S. Historia Geneal.
XII p. 232; Mon. Ltts. III 11; Link. 152 und öfters.
^ Im 48. Liede des Canc. CBr. spricht D. Gil Sanches zu einem Boten aus
Montemor »7?/ tpie ora vtes de Montemayor«. dem strittigen Erbteil seiner längst vom leo-
nesischen Throne verstossenen Schwester (der beata Tlierezd), um welches sein Schwager
Sousa 1213 einen blutigen Kampf bestand. Aus Lied Nr. 454 von eben diesem D.
(jarcia Mendes spricht Sehnsucht nach seiner fernen Heimat {pago de Sousa): y>e ora nie
7>oUio tornar A Sousa a lo 7non logarv..
* So bezieht sich CBr. 455 (Levaram a Codorniz, Da casa de dorn Rodrigo) ein
Scherzlied des Conde D. Goncalo Garcia, des ältesten Sohnes des D. Garcia (der erst 1286
hochbetagt starb, als Gatte der Königstochter D. Leon or A f f onso) auf den älteren Bruder
des D. Gil Sanches, D. Rodrigo Sanches, den lebenslustigen, heldenhaften und geist-
vollen, gleichfalls landesflüchtigen Recken, der 1245, seinen in der Lide do Porto erhaltenen
Wunden im Kloster Grijö erlag. Seine Grabschrift sagt, dass er (wenn auch kein trovador)
so doch ein berühmter dizedor, de saborosa palavra war : nunquam moestus, sed in omni tempore
laetus — actu verboque facetus — dapsilitatis amicus — alter Kotiäaiidus etc. So tritt P a a y
Soares de Taveiröos, der auch in Spanien gereist ist, in einem anderen, nicht minder
charakteristischen Gedichte (C Br. 142) als Zeitgenosse des gewaltthätigen Urenkels dei-
Königin Therese, D. Rodrigo Gomes de Trastamar auf (f 1225), der wegen seiner
llnth.aten landesverwiesen in Leon weilte. Auch Joam Soares Somesso spricht {CBr. 104)
von D. AbrilPires als von einem Lebenden, sowie von seiner Tochter ürra ca Abril,
und von seinem politischen Gegner Martim Gil de Soverosa, dem treuen Partner
Sanchos II.
* Es ist ein Gedicht des Garcia Mendes {CBr. 455) und scheint an einen Roy
d'Flspanha gerichtet zu sein. Ob es der provenzalisch dichtenie Rodrigo (Bartsch 454) ist?
Man denke an B e r n a r t E s p a n h o I und G u i r a u t d ' E s p a n h a.
" Wenigstens habe ich sie bis jetzt nicht nachweisen können.
7 C. Ajuda Nr. 38.
Beginn des Minnesangs in Leon., fort. Minnes. unter Alfons IL 177
Jugendblüte, noch ehe ihr abenteuerreiches Frauenlieben und Leben bei Hofe
begann, das wäre also bestimmt vor 1208. — Denn der Dichter, der sie -»fiUia
de dorn Paay Moniz « anredet, der Höfling Paay Soares deTaveiröos (dessen
Lebenslauf für mich leider ziemlich ungelichtet ist) scheint mir darin , zum
Lohne für den Liebesdienst, den er ihr geleistet, indem er des Königs Augen
auf ihre Reize gelenkt, das Geschenk eines kostbaren Galakleides von ihr zu
erbitten '. — Ich schweige von anderem unbestreitbar alten Hab und Gut,
das sich nicht mit genügender Sicherheit datieren lässt'^, oder das uns verloren
ist als da sind die Lieder des Pero Rodriguez de Palmeira, der vor Liebe
zu einer Schwägerin der Ribeirinha starb •^; die des Rodrigo Diaz de los
Cameros*, der 1212 bei Navas de Tolosa mitfocht; die des Joäo Martins,
der 1228 amtliche Schriftstücke schon mit dem Zusätze -»Troz'atore«. unter-
zeichnete, und die cantigas de escarnho e de amor des D. Martim Alvi'tes.
32. Wir sind also schon heute berechtigt, sowohl den Beginn der
ersten Epoche um 1200 anzusetzen, als auch ihn nach Leon zu verlegen. —
In Portugal selbst aber ertönte portug. Minnesang bei Hofe vermutlich erst
nach der Rückkehr der Sousas, als Alfons IL -»aqtiel que foi gafo«^ ans Kranken-
zimmer gefesselt, von 12 19 bis zu seinem Tode (1223) ständig in Santarem
weilte. Während der unruhigen Regierung des Nachfolgers, San chos IL, flüchteten
die Musen und ihre Freunde abermals über die Grenze, natürlich nicht ohne
dass einige Dichter in der Nähe des Monarchen unter seinen Getreuen zurück-
bheben^. Sein Bruder Alfons (geb. 1210) hatte 1229 die Heimat verlassen und
sich zu seiner Mutterschwester Bianca von Kastilien an den Hof LudwigsIX. von
Frankreich begeben, wo er sich 6 Jahre später mit Mathilde, der Wittwe Philipp
Hurepels, vermählte, um dann in ihrer Grafschaft Boulogne, dem liederreichen
Flandern nahe, zu verbleiben, umgeben von den zuströmenden unzufriedenen
portugiesischen Granden^, welche durch Sanchos Hader mit der Geistlichkeit und
' Es handelt sich um die interessante »guarvayaK, die Th. Braga zu so abenteuerlich
etymologisierenden Erklärungen verleitet hat {Theoria\Wp.^~\ Qtiestöes p. 87; Fa/. LXXXH;
Ciirso^. 101). Das Wort bezeichnet ein kostbares Gewand, wie es zeitweise, laut der Kleider-
pragmatik des Königs Jaime v. Aragon (1234) und dem Aufwandsgesetze Alfons' IV. von
Portugal, eigentlich nur Könige und ihre Söhne tragen durften. Cfr. Ducange III 489 s. v.
^arvaria.
* Es bleibt z. B. unentschieden, ob der unbekannte Troubadour, von dem uns drei
Gedichte voller Beziehungen zu Santarem erhalten sind {Aj. 278—280), und der seinen
jüngeren Sangesgenossen eine indirekte Rätselfrage vorlegt, in dem Kehrreim-Ausrufe: »so
viele Sänger auch hier um mich sind, keiner ist darunter, der da weiss, warum ich rufe t>AI
{^zz etwas anderes) eAlfanxee al Sesserigo^<. oder auch -!>Ay Sentirigo ! ay Sesserigo !« wirklich
au irgend ein verjährtes Abenteuer denkt, das sich II47 hei der Einnahme der Veste zu-
getragen (und zwar in einem der drei genannten Stadtteile von Santarem) oder nicht vielmehr
an irgend ein späteres, rein persönliches Begebnis. Ebensowenig lässt sich feststellen, ob
im 506. Liede des Cod. Vat. Cor de Leom zu lesen und an Richard Löweniierz zu denken
ist (-}• 1199), oder Cort de Leon -^ ob das Schmählied 1181 wirklich auf einen Abkömmling
franz. Kreuzfahrer anspielt; ob ein den König Sancho von Navarra verspottendes Sirventes
(Nr. 937) thatsächlich, wie Braga will, vor 1 2(X) entstand. — Von Pero daPonte's histo-
rischen Canzonen aus den Jahren 1286. 1238. 1248. 1252 zu sprechen, ist Oberflüssig: sie
gehören bereits in die Tage, wo Alfons X. zum portug. Dichter geworden war.
' Index Colocci Nr. 29 — 30. Vgl. Livros de Linhagens p. 355-
* Index Colocci Nr. 31 — 33.
* Ein treffliches Rügelied auf die treulosen Kastellane (temntes), welche die ihnen
auf Lehnseid von Sancho II. anvertrauten Burgen dem aufrührerischen Usurpator Alfons III.
übergaben, im Voraus freigesprochen vom päpstlichen Legaten, kann nur ein treuer Partei-
gänger des verlassenen Monarchen zwischen 1245 und 1248 gedichtet haben (Vat. 1088).
Sein Verfasser Air es P eres , Vu ituro m gehört also auch zur pra e-alfonsin ischen
Dichtergruppe.
* Nobregas, Valladares, einige Sousas, Baioes, Briteiros, Porto-
carreiros, Pereiras. Vgl. Herculano III. Als Alfons III. in Melun zum Ritter ge-
schlagen ward, Hessen 20 Sänger ihre Künste hören; ebenso 1234 bei der Heirat Ludwigs I.K.
Gröbkr, Grundiiss. IIb. 12
lyS Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 4. Port. Litt.
seine kinderlose Misheirat an jenen als den Thronfolger gewiesen waren. Nach-
dem er, heimgekehrt, den durch päpstlichen Machtspruch entfernten Bruder be-
kämpft und besiegt hatte (1245), richtiger erst nach Sanchos Tode (1248), ent-
wickelte sich dann endlich in Portugal ein rechtes, glänzendes und bewegtes
Hofleben 1, in dem Poesie und Musik eine grosse Rolle spielten, vermutlich nach
Vorbild und Muster der nordfranzösischen Höfe, an denen der Portugiese ganze
1 6 Jahre geweilt hatte. Gleichzeitig aber nahm der portugiesische Minnesang in
dem nun seit 1230 definitiv geeinten Doppelreiche Kastilien-Leon einen mäch-
tigen Aufschwung, besonders seitdem der etwas jüngere (1220 geb.), aber
geistig bedeutendere Alfons X. das Szepter führte (1252). Zwischen zwei weib-
lichen Idealgestalten -»scientias et artes«: thronend, den Spruch Senecas »Non
fuerat nasci nisi ad has<.<~ im Herzen und auf den Lippen, beherrschte er sein
Zeitalter thatsächlich und gab nicht bloss als freigebiger Gönner der Dichter und
Gelehrten 2, sondern auch als selbstschaffender Dichter und Gelehrter ein spornen-
des Beispiel^. Hin und her, von Portugal nach Kastilien , und zurück nach
Portugal, wanderten damals Dichter und Gedichte; und wenige Sänger jener
Tage wird es geben, die nicht in Beziehungen zu den beiden verschwägerten
Fürsten gestanden hätten (Alfons' X. illegitime Tochter Beatrix wurde 1253
Alfons' IIL zweite Gemahlin). Als Alfons X. aber die Augen schloss (1284)
wurde Portugal der mächtigere Anziehungspunkt, und sein jugendlicher König
der erlauchteste Beschützer der Künste und Wissenschaften. — D. Dinis,
der Sohn Alfons' IIL von Portugal und Enkel Alfons' X. (geb. 1259), auf den
des einen wie des anderen Neigungen übergingen, und dessen natürliches
Dichtertalent beide auszubilden bestrebt waren , erhielt französische^ und
französierte Lehrer^; und als man dem frühreifen Jüngling einen eigenen
Hofstaat einrichtete, wurde demselben der portug. Dichter und Staatsmann
D. Joam de Abo im einverleibt ß. Bei seinem Besuche am Hofe seines Gross-
vaters (i 269), der ihn zum Ritter schlug, versäumte der Jüngling sicher nicht, den
gerade anwesenden Provenzalen Bonifacio Calvo, Bertolomd Zorgi und
Guiraut Riquier zu lauschen, und Niederschriften ihrer, und älterer, Lieder
zu erwerben. Gewiss ist, dass er selbst eifriger und klangvoller als irgend einer
in Portugal und Kastilien sang, und die bereits schal gewordenen konventionellen
Formen des Minnesangs erneute, sowie dass aus allen Gauen der Halbinsel die
Dichter nun westwärts wanderten. Sevilla undSantiago, Burgos und Barcelona,
Bearn(V) und Lugo sandten Shx^ juglares ww^ segkres, die da hören sollten, wie
der portugiesische Monarch gallizischen und portugiesischen Volksweisen Eingang
bei Hofe verschaffte, und abwechselnd mit dem salonfähigen Psalterion, der
bretonischen Harfe und der Fiedel, auch die volksübliche Guitarre, die hei-
mische Schellentrommel, das Tambourin und die Castagnetten als charakte-
ristische Begleitung fröhlicher Reihentänze mit munterem Kehrreim ertönen
liess. Unter seiner Aegide erreichte die Dichtkunst ihren Höhepunkt. Mit
seinem Tode (1325) begann der Niedergang, der in Kastilien schon 1284
und am aragonesischen Hofe mit dem Ableben Peters III. (i 283) begonnen hatte.
' Abermals in San tarem, wo AlfonsIII. mit Vorliebe weilte; und erst später in Lissabon.
- Sein Volk murrte über seine stets offene Hand : decian iptc el Rey empobrescia la tierra,
dando algo a las gentes de otros reinos«.
' S. u.^ § 36.
* Aymeric d'Ebrard aus Cahors (-j- 4. Dec. 1295, und begraben im Kloster Paradis
d'Espagnac). Er war in Portugal geblieben und fungierte von 1279 an als Bischof von Coimbra.
^ D. Domingos Annes Jardo, der sich in Paris den Doktorgrad erworben
hatte, war von 1284 — 85 Bischof von Evora , dann bis 1293 Bischof von Lissabon und
Kanzler des D. Dinis und diesem sehr wert {»grande privado«). Er spielte eine bedeutende
Rolle von 1235—93. An der Gründung der Universität hat er Teil.
® Vielleicht sind auch die Hofräte Joäo Velho und Martin Peres mit den
Dichtern gleichen Namens identisch.
Portugiesische Minnesänger. 179
y>Os trobadores qiu pois ficaron
en 0 seil reino e no de Lernt,
110 de Castela e no d Aragon,
nunca pois de sa tnorte trobaron ;
e dos jograres vus quero dizer :
nunca cobrarojt panos nen aver . . . . ,
ca el foy rey assaz mny prestador
et saboroso e d'amor tr ob oder.«. '
Sein Nachfolger, Alfons IV. (1325 — ^1357) — - den man »den Wilden«
nannte y>o bravo<i<, gleichwie den Sohn Alfons' X., Sancho IV., — - scheint, wie
dieser, weniger Freude am lyrischen Getändel gefunden zu haben. Zwar waren
seine Halbbrüder Affonso Sanches und der Graf von Barcellos noch
Dichter, doch mussten dieselben das Vaterland verlassen und am Nachbarhofe
Alfons' XI. Zuflucht suchen (1312 — 1350)2. Um diesen Sohn der Portugiesin
Constanze, und Gatten der wahrhaft grossherzigen Portugiesin Maria, schaarten
sich nun die Epigonen. Er selber griff noch einmal zur Harfe und sang ein
letztes Lied (s. ^ 34). — In der zweiten Hälfte des 13. Jhs., als hier wie dort,
in seltsam andauerndem Parallelismus, ein Pedro, der Grausamgerechte, das
Szepter führte"', verstummte dann endlich auch der letzte und westlichste höfische
Wiederhall der eigentlichen Troubadourpoesie.
33. Der portug. Minnesang erstreckt sich also durch eine Zeitdauer
von über 150 Jahren. Fünf bis sechs Generationen nahmen daran Teil (von den
direkten Enkeln des Affonso Henriques bis zu denen fünften und sechsten
Gliedes), während fünf bis sechs Könige burgundischer Dynastie das Szepter
in Portugal führten und ebenso viele. Blutsverwandte, den bald geeinten, bald
getrennten Doppelthron von Leon und Kastilien einnahmen. Die ganze Epoche
kann, wie aus obigem hervorgeht, in vier Entwicklungsstufen zerlegt werden.
Die früheste, prae-alfonsinische, reicht von 1200 bis 1248; die zweite
alfonsinische dauert von 1248 bis 1280 und man hat darunter einzubegreifen
sowohl was Alfons X. selber nebst seinen Mannen, als auch was Alfons' III.
Höflinge hervorbrachten^; die dritte dionysische geht von 1280 bis 1325.
Die letzte, post-diony siehe Epigonenzeit (1325 — 1350) bildet keine rechte
Sondergruppe, da neue Figuren so gut wie gar nicht darin auftreten, und
besonders weil sie neue Dichtungsformen nicht ausgebildet hat. — Natürlich
reichen viele Sänger des ersten Zeitabschnittes in den zweiten hinüber;
ebenso aus dem zweiten in den dritten; und aus dem dritten in den
vierten — Spanier von Portugiesen zu trennen, oder etwa die am leonesisch-
kastilischen Hofe entstandenen Dichtungen von den in Portugal verfassten,
geht zwar an, hat aber wenig Wert. — Was den Geist der Lieder betrifft,
so ist jegliche zeitliche Trennung eigentlich überflüssig: denn einheitlich, ja
monoton, ohne tiefer greifenden Unterschied sind alle em maneira de procngal
gedachten und ausgeführten Liebeslieder der ganzen anderthalb Jahrhunderte ;
einheitlich ist auch ihre Form, und ihr Stil wie ihre Sprache, und die
aus den Worten heraustönende Denkungsart, und die ihr zu Grunde liegende
Hofsitte wie Unsitte. Nur tritt, wie schon gesagt ward, unter König
1 Vat. 708.
^ Der Jongleur, welcher das Hinscheiden des Königs Dionysius beklagt, ein Leonese
Joam, sagt zum Schlüsse ausdrücklich: Mais atanto me quero confortar Em sen neto qtie
o vay semelhar Em fazer feitos de muy sabio rey. Alfons' XI. Mutter war eine 'lochter des
Verstorbenen.
' Pedro I., o Justiceiro oder Cruel von Portugal, regierte von 1357 — 136?.
Pedro L, El Justicero oder Cruel von Leon und Kastilien von 135O— 1369. — Daneben
haben wir noch Pedro IV., Cruel, von Aragon und Katalonien von 1356 — 1387. Auch
diese drei Monarchen werden oft mit einander verwechselt.
* Th. Braga trennt die beiden ersten nicht von einander und bezeichnet die ein-
schlägigen Dichter zusammen als prae- dionysische Troubadours. (S. Einl. zur Vaticana
und z. B. Curso p. 74).
12*
1 8o Ll'iTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4, PüRT. Ll'lT.
Dionysius, für die beliebten Frauenlieder das volkstümliche Genre der
Parallelstrophen-Gedichte hinzu, wie sie bei Reigen- und Rundtänzen
auf Wallfahrten, im Kahne und am Strande, oder auch als Morgenständchen,
aber meist im Freien und vom Volke gesungen wurden (s. ^ 20). Ratsamer
ist es darum, das altportug. Liederbuch nicht in chronologisch geordnete Gruppen,
sondern sachlich zu zerlegen: a) in Gedichte nach provenzalischem Muster
{phiise limosina, nach Th. Braga), wie solche vom ersten Knospen der arte de
trobar an, bis zu ihrem Welken, die üblichsten wurden und blieben, in Wahrheit
aber bereits in der prae-alfonsinischen Zeit formell ausgebildet waren; und
b) in Gedichte nach heimischen Volkstypen {phase gallezianä), die erst. Dank
dem echtnationalen Sinn des portug. Dichterkönigs hoffähig wurden, vereinzelt
aber auch schon früher versucht sein mögen'. Dazu tritt c) als dritte,
speziell spanisch-alfonsinische Sondergruppe , abseits vom weltlich-höfischen
Minnesang entstanden, das geistliche Liederbuch Alfons' des Weisen. Im
Grossen und Ganzen kommt jedoch in allen Arten , selbst in den technisch
rein provenzalischen Gebilden , das heimisch-nationale Denken und Fühlen
volksmässigsten Zuschnittes recht stark zur Geltung: gallizisch-portugiesisch ist
keineswegs allein die so überaus beliebte Gattung der Frauenlieder, und die
häufige Verwendung des Kehrreims, wie der dialogistischen und amöbäischen
Form, worauf^ 20 hinwies, und die Bevorzugung des 6- und 8 silbigen Trochäus.
Auch dass man beim Nachahmen dem vers vor der chanson den Vorrang
einräumte; ferner die Kürze und Gleichheit der Lieder; die einfache Reim-
verkettung der unendlich oft nur zwei- und nicht dreiteiligen Strophen; der
Mangel an aller individualisierten Bildersprache; die eintönig sentimental-
elegische Färbung der meisten Cantigas de amor; ihre auffällige Gedanken-
armut, die zur systematischen und thematischen Ausnutzung musikalischer
Wiederholungen und Variationen führte; und auch die Rudität und Nudität
der Hohn- und Schimpfgedichte, die alle Grenzen edleren Auslandes rück-
sichtslos überspringen ; die Lust am Parodieren und Persiffiieren und Medisieren ;
und der eigentümlich ungläubige, naiv-ketzerische Ton, in dem mit dem Herr-
gott (Senhor Dens) verkehrt wird: dies alles, und manches andere, wurzelt
im Nationalcharakter. — Der Grund, warum die portug. Kunst- und Hoflyrik,
trotz ihres fremden Ursprungs und der unleugbaren Nachahmung, sich also
doch in gewissem Sinne spontan und eigenartig, und zwar volksmässig, ent-
faltete, liegt in der Blüte der Volkslyrik, aber auch an dem losen und un-
persönlichen Zusammenhange portug. Fürsten und Grossen mit provenz. Dichtern.
Man begnügte sich mit der ein Mal empfangenen ersten mächtigen Anregung,
lernte das Abc des Minnesangs d. h. die formelle Seite, liess es dann aber bei
dieser oberflächlichen Kenntnis bewenden, ging auf die Ideenwelt nicht ein,
und bewegte sich, wirklicher Entlehnungen und gewissenhafter Nachbildungen
als viel zu umständlich gern entratend, dem fremden Vorbild gegenüber mit
bequemer und glücklicher Unabhängigkeit.- Der Hauptgewinn, der aus dem
so gestalteten Verhältnis erwuchs, war, dass man sich der eigenen Sprache
bediente und diese litterarisch ausbildete, und nicht des Provenzalischen oder
Katalanischen, noch des Kastilischen.
34. Sämtliche lyrische Gedichte , welche sich aus der ersten Litteratur-
periode erhalten haben, sind in portug. Sprache abgefasst^. — Eine Ausnahme
' Einige Gedichte in zweizeiligen, unmiUelbar reimenden Strophen mit Refrain kommen
auch bei älteren Troubadours vor, z. B. bei Pedrannes Solaz (Ajuda 284; und 28 1
Eu sei la dona velida, das sich in Parallelstrophen bewegt).
^ Einzelner Entlehnungen aus siid- und nordfranz. Gedichten, die natürlich vorkommen,
kann icii hier nicht gedenken.
' Ich sehe von Berceo's einsamem Vagantenlied ab; sowie von des Erzpriesters
SeriMiil/ias und A y a 1 a ' s Cantigas, die zeitlich ja schon am Ausgang der ersten Epoche liegen.
Geist und Sprache des Minnesangs. Alfons X. i8i
bilden nur ganz wenige Lieder. Wir besitzen nur zwei kastilisch geschriebene:
einen Versuch von Alfons X., bestehend aus einer 8 zeiligen Strophe (die
vielleicht nur Fragment eines etwas grösseren Ganzen ist ') und einen hübschen
Gesang Alfons' XL, als eines der spätesten Troubadourlieder, das schon auf
den sich vollziehenden Geschmackswechsel hinweist 2. — Wir besitzen ferner
ein provenzalisches , ob auch noch so stark verderbtes Lied von dem oben
schon genannten Granden D. Garcia Mendes, de Eixo, aus dem Hause
Sousa^, und ein zweites, etwas späteres Streitgedicht, in dem der eine Dichter
(ein D. Arnaldo) provenzalisch zu singen anhebt, während Alfons X. ihm
portugiesisch regelrecht pelos consoantes antwortet 4. Eine nordfranz. Refrain-
Einlage benutzt ausserdem der Sohn des ebengenannten Sousa, D. Fern am
(iarcia, gcn^nni Esgaravun/m d.h. Kratznagel^. Kirchenlateinische Brocken er-
scheinen hie und da als Schmuckstück 6. Im Übrigen hören wir nur reines
geschmeidiges Portugiesisch, das gerade so wie in den Prosadenkmälern jener
Zeit auftritt. Zwischen der Ausdrucksweise eingeborener Portugiesen und
Gallizier' und derjenigen dichtender Leonesen, Kastilianer, Italiener etc. ist
kein merklicher Unterschied^, abgesehen davon, dass natürlich die geistlichen
Lieder sich anderer Redewendungen bedienen als die nicht erbaulichen
Schimpfgedichte, und diese wieder anderer als die Liebeslieder. — Einige
Provenzalismen kann man zugeben (doch viel weniger als z. B. Diez an-
nahm^). Manche darunter gehören ausschliesslich Alfons X. an. '■* Italianis-
men kommen nicht vor, trotz Braga's Behauptung'*'.
Die Frage, wie es kam, erstens dass leonesisch-kastilische Könige, oder
genauer, dass Alfons X., der sich so ungeheuere Verdienste um die Förderung
gerade des Kastilischen erworben hat, so oft er singen wollte, zu einem Provinzial-
dialekte griff, der noch dazu mit dem Nationalidiom eines fremden Staates iden-
tisch war, und zweitens dass das Portugiesische die Sprache der gesamten nicht zum
occitanischen Sprachgebiet gehörigen peninsularen Kunstlyrik ward, hat man
' Canc. CBr. 471 : Senora por amor de dios. (Reimschema abababba).
- Vat. 209 : En un tiempo cogi ßores.
* Canc. CBr. 454-
* CBr. 477. Auch hier ist der Text jämmerlich verderbt. Dass es sich um Südfran-
zösisches und nicht um Nordfranzösisches handelt, beweisen die Worte //a/ und ya^«/. etc., die
zu portug. vay und ay Reime bilden.
* C. Ajuda 126 Punhei eu muW eti me quitar. Der dreifach wiederholte Refrain lautet:
Or sachiez veroyamen Que je soy votr omellge.
« Z. B. Vat. 1088.
' Die Gedichte des Italieners Bonifacio Calvo aus Genovaund die Werke 37
weiterer Poeten, konnten z. B. von Varnhagen, Diez, Wolf und anderen für die Arbeit eines
einzigen Dichters gehalten werden ! Gerade so machten die Bilder der altportug. Malerschule
auf die Nachwelt einen so homogenen und doch eigentümlichen Eindruck, dass die Besonder-
heit der einzelnen Meister ihnen entging, und alles sich um den einen Namen Gräo Vasco
krystallisierte! Für den, welcher genauer zusieht, schwindet freilich, hier wie da, der ein-
heitliche Ciiarakter. Möglicherweise auch in sprachlicher Beziehung. Ob z. B. das gallizische
c/u cho cha nur von Galliziern benutzt wird, und wodurch Alfons' X. Sprache sich aus-
zeichnet, ist noch nicht untersucht worden.
' Unbedingt borgte man von den Provenzalen die Terminologie der Poetik (s. u.)
und auch der Hofsitte : Worte wie entcndedor, drtido, coiisir; trovador, jogral, segrel, tenfäo
etc. etc. Viel mehr nicht. Was Diez über die Verbformen perdon pes etc. sagt, ist ganz
verfehlt. Kriterium darf nicht sein, ob ein Ausdruck die altport. Lyrik nicht überlebt hat,
da mit dem Verblühen des Minnesangs eine neue Geschichts- und Sprachperiode beginnt, sondern
ob derselbe nur in der Lyrik und nicht auch in der schlichten Prosa jener Tage vorkommt.
Ein gutes altportug. Speziallexikon, welches allen wichtigeren Denkmälern der Epoche ge-
recht wird, kann allein genaue Antwort für jeden Einzelfall geben. Materialien dazu habe
ich gesammelt. Ob ich dazu komme, sie zu verwerten, weiss ich nicht.
* So z. B. senner für senhor, nient, volontcr, toste, estade, tröque, besonna, lasso, gros
sain, en gage, viaz, feramert, fran' und vielleicht antano.
'" Was Braga {Vat. XXXII u. Curso 71) für Italianismen ausgiebt , ist entweder
gemeinromanisch oder provenzalisch.
l82 LriTERATURGESCmCHTE DKK KOMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LllT.
dahin beantwortet, die mannhaft härtere kastilische Sprache, die sich für Erzählen-
des in Epos, Prosa undVolksromanze schon so ausserordentlich geeignet erwiesen
hatte, sei für lyrischen Ausdruck noch ungebildet gewesen, zur Zeit als das an und
für sich weichere Gallizische schon manche Gattungen von Singliedern aus-
gebildet hatte. Die Thatsache hingegen , dass Alfons X. einen Teil seiner
Jugend und Kindheit in Gallizien verbrachte , hat man angezweifelt. Mit
Unrecht! Ja, nicht er allein, sondern fast alle leonesisch-kastilischen Monarchen,
die zwischen 1037 und 1300 regierten, sprachen, wie mir scheint, gewohn-
heitsmässig den westlichen Dialekt. Es war geradezu Brauch, und ein in den
wilden Zeiten beständiger Maurenkriege sehr erklärlicher Brauch, die Königs-
kinder, bis sie Waffen tragen konnten, in den sicheren, dem Kriegslärme
fernen, von maurischen Elementen ziemlich freien Burgen des von den blau-
blütigsten Adligen bewohnten Nordwestens auferziehen zu lassen ^ , dem
verehrten und besuchten Heiltum von Santiago nahe, an dessen Altar sie zu
Rittern geschlagen wurden, und in dessen Kirche so mancher der Könige ruht.
Der «i'//<7 Ferdinand's I. z.B. war der gallizische CondeOsorio. Alfons VI.,
dessen Erzieher und Vormund der gallizische Graf Mendo Gonzalez, ein
Vorfahr der Sousas gewesen, benutzte noch in seinem höchsten Alter die
Sprache seiner Kindheit, wenn die gutverbürgte Tradition auf Wahrheit be-
ruht, die ihn beim Tode seines einzigen heissgeliebten Maurensohnes Sancho
(j 1108 bei Ucles) ausrufen lässt: »Ai meu filhol ai meufilhol alegria de mi(l)
corafon e lume dos ineos olhosl solaz de min ha velhicel ai meu espelho em
(jue inc sota veer e com que tomaba mtii gram prazerl ai meu herdeiro mayorl
Cabalheirosl u melo leixastes? dad-me meu fiUio, Condesl'i. — Alfons VII. wurde
in Gallizien geboren, das sein Vater, der burgundische Raimund verwaltete,
und unter der Obhut des Galliziers Pedro Fröyaz (oder Fröes) de Trava
erzogen. Desgleichen Ferdinand der Heilige, von dem sein Sohn absichtlich
singt: -siSeu avoo quando reynou De Galiza 0 fezer aviir {Cant. 221). Erst von
Alfons XI. an begann man, das System zu wechseln. Dieser Fürst wurde in
Avila und Toro erzogen 2, und sein Chronist erwähnt, bezeichnend genug, von
ihm als etwas ganz Neues »ca la palabra del era bien castellana.«^
35. Die 2 116 portug. Gedichte, welche den Gesamtertrag der Trouba-
dour-Epoche bilden ■•, verteilen sich auf mehr als 150 Dichter ^ Ordnen wir die-
selben zunächst nach ihrem sozialen Range, so kommen an die Spitze die vier
1 -»GaUcia, nwua fertil de poetas (= an K u n s t dichtem), mas si de casas nobles-»
sagt Lope de Vega«. — Als im letzten Viertel des 15. Jhs. die sich einigende span.
Monarchie den Adel bekämpfte, wurden (1476) allein in Gallizien 50 Burgen rasiert. Die
Eigenart und Entwickelung der einzelnen span. Provinzen und Dialekte und ihien Einfluss
auf Geschichte und Litteratur zu verfolgen, ist ausserordentlich interessant. Schon früh galten
die Gallizier, die Schweizer Spaniens, für unkriegerische, in der Fremde heimwehkranke,
aber auch für gewinnsüchtige Bergesleute. F^os de Galicia eran omes de montanas qtie avian
imiy grave de los sacar de la tierra, a menos de les dar algo.
^ Criado por Martin Fernandez, de Toledo.
' Die allmähliche Ausdehnung des romance castellano ist auch noch nirgends dar-
gestellt worden; wie der wechselnde Inhalt des Begriffes -»Hcspanhai. Im Munde von
Portugiesen des 13. Jhs. (oder selbst von Spaniern, die in Portugal weilten und dichteten),
liat (trotz Diez p. 22) das Wort Hespanha durchaus nichts Auffälliges. Sie benutzten es so
oft sie nicht ausschliesslich Castella e Leon bezeichnen wollten. Bis 1640 antwortete im
Auslande jeder Portugiese (nachweislich) auf die Frage, woher er sei: De Hespanha!
* So viele Nummern bleiben übrig , wenn man von den 1 205 Liedern des Codex
Vaticanus und den 442, welche man uns aus dem Codex Colocci-Brancuti im Drucke ge-
boten hat, sowie von den 310 des Codex Ajiida, und den 428 geistlichen Liedern Alfons' X.
alle Duplikate fortstreicht, und alle falschen Zählungen ausgleicht {Vat. 1195; CBr. 438;
Aj. 65; Afi- 418). Quantitativ steht also der portug. Liederschatz hinter dem provenz.
nicht zurück. Ich zähle im Grundriss von Bartsch 2089 Gedichte.
* Genau genommen sind es 163 namhafte und einige anonyme. Die Schaar der
provenz. Dichter ist erheblicher: 460, laut Bartsch,
Warum Alfons X. Galliz, dichtete. Die Minnedichter. 183
Könige, welche, wie schon angedeutet ward, nach einander die Gönner aller
portiig. Singenden, und zu gleicher Zeit selbst Dichter gewesen sind: Alfons IX.
von Leon; Alfons X. der Weise; D. Dinis; und Alfons XI. von Leon
und Kastilien. Dass noch zwei weitere gekrönte Häupter, Alfons III. ^
und IV. 2 von Portugal, gedichtet haben, ist eine unerwiesene Behauptung. ■ —
Auch ob ich Alfons IX. mit Recht hier einreihe, steht für mich selbst noch
nicht ganz ausser Frage 3, doch ist es das Wahrscheinlichere. Die alten Lieder-
bücher nennen nämlich als Verfasser einer Gruppe von 10 oder 1 1 Liedern^ kurz
und bündig: El Rey D. Affonso de Leon, ohne weiteren aufklärenden Zusatz^.
Und da es (Alfons IV. und V. abgerechnet, welche, der Zeit nach, nicht in
Frage kommen 6) nur einen einzigen Alfons von Leon gegeben hat, — eben
den Neunten — so sind wir verpflichtet, diesem 1 1 7 1 geborenen Enkel des
Affonso Henriques, der wiederholt, als Freund und Feind, portug. Boden
betreten hat, als dem ältesten aller portug. dichtenden Könige, den ihm ge-
bührenden ersten Platz anzuweisen, falls der Inhalt der betreffenden Gedichte
sich dem nicht durchaus widersetzt. Und das thut er nicht; denn dass der
derb realistische Witz seiner zum Teil von Jagd handelnden Spottgedichte sich
kaum vom Geiste Alfons' X. unterscheidet, will wenig sagen '^. — Alfons XL
' Den König Alfons III. versetzte, meines Wissens, nur Braga auf den Parnass ( Vat.
p. XLVI). Und das einzig und allein auf Grund einer Randnote Angelo Colocci's in seinem
portug. Liedeibuche. Der grosse Humanist, und auch Kardinal Bembo, sein Berater in roma-
nistischen Fragen, wussten augenscheinlich nicht recht, was sie aus dem T>Rey Affonso de Leon«
machen sollten (und ihre verschiedenen Vorlagen scheinen ihnen auch den Entscheid schwer
gemacht zuhaben). Von peninsularen Königen Namens Alfons, die den Minnesang geübt,
war ihnen, naturgemäss ausser Alfons X., den sie angesichts der Originale nicht für den Autor
der fraglichen Lieder halten durften, nur der aragonesische Fürst Alfons II. bekannt.
So erklärt sich eine erste Randbemerkung Coloccis zur Liedergruppe 456 — 465: Bembo die e
tdi Ragona, figlio di Berenghieri«. . — Eine andere Vorlage aber, welche Colocci zu Rate
zog , enthielt bereits eine scheinbar alte , schwer leserliche Zusatznote , worin die Worte
Portugal und Rey don Sancho vorkamen. Das erhellt aus der zweiten Marginalnote : Alia leclio:
i Portugal Rey don Sancho depöit (r= de Port.} oder deponii.}). Und diese steht in Beziehung
zu einer dritten, modernen, Fussnote am Ende des unmittelbar vorhergehenden Liederheftes. Da
hat Colocci nämlich, wohl zur Kontrolle der Schreiberarbeit verzeichnet: ».^^ (•= segue})
outro R^ (^= Roitdo^ das Cantigas que fez o mui nobre Rey don Sancho depsiti. Das deutet
nun Braga dahin, der als Autor genannte Affonso de Leon sei eigentlich ein Alfons
von Portugal und zwar der, welcher einen Sancho absetzte, also Alfons III. — Ich hin-
gegen meine, die Vorlagen, so weit wir sie kennen, erlauben uns nur Alfons IX. von
Leon (oder Sancho II. von Portugal) für den Dichter der Lieder 456— 465 zu halten,
aber nimmer Alfons III.
2 Alfons IV., der Amadisbewunderer und vermeintliche Autor der berüchtigten,
altportug. redigierten Lobeira-Sonette des Dr. Ferreira, wurde gewisslich nur auf diese
Hypothese hin, für einen Troubadour ausgegeben, und zwar am Ausgang des XVI. Jhs. von den
Historikern Brito , Severim deFaria, Mariz und Faria-e- S o usa , und dann später
von Barbosa Machado und allen Litterarhistorikern (Diez, Wolf, Milä und Braga
nicht ausgeschlossen). — Wie Colocci seinerseits, fast ein Jahrhundert früher, auf den
Gedanken gekommen ist, den König in den Indice di Autori Portoghesi einzuschmuggeln, ist
unschwer zu finden, wenn man nur die einschlägigen Stellen mit Bedacht prüft (S. Indice
und Text No. 405. 1323. 1533—1536 und Vatic. Q07. 1058). Nicht die Vorlagen nennen
ihn einen Dichter, und nur seine persönliche Meinung spricht Colocci in der Formel aus:
El Ret D. Denis (ßlius Alfonsi III et pater Alfonsi IV poetae). Ich denke mir, von
Söhnen des Dionysius kannte Col. nur den Thronfolger D. Affonso (IV), nicht aber den un-
ehelichen Sprössling, der gleichfalls Affonso hiess, ob auch mit dem unpassenden Zunamen
Sanches. Als er nun unter den Dichtern thatsächlich einen Z>. ^^ö«j^ ('.Sa«<rÄtfjrJyf/Äö </if/ ^^/
D. Denis fand, erblickte er darin D. Affonso IV. Für Ausführlicheres ist hier kein Platz.
Braga 's Angaben (Vat. LXVIII, XCIII. LXXIV und Curso 92) sind nicht zu wiederholen.
* Das Warum zeigt die vorstehende Anmerkung l.
* CBr. 456—465 (oder 466, so man den Index statt des Textes befragt).
* Alfons XI. wird deutlich bezeichnet als »0 que venceu 0 rey de Benamariti«. Für
Alfons IX. gab es keinen ähnlichen Ehrentitel, und den Zusatz ^0 que näo foy äs Navas de
TolosaK vermied man natürlich.
* Alfonso IV., el Monge 925 — 930; Alfonso V., el Noble 999— 1027.
■' Sie zu interpretieren ist sehr schwer, und öffentlich noch nicht geschehen.
184 LiTTERATURGESCHICHTK DH;R ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LlTJ".
hat nur einen Beitrag zum Liederbuch gespendet, das spanische Gedicht
Vat. 209 , von dem der Leser schon weiss. — Die beiden anderen Könige,
Alfons X. als der fruchtbarste, und D. Dinis als der zweitfruchtbarste
und dichterisch begabteste aller Troubadours , verdienen etwas eingehendere
Erwähnung.
36. Von Alfons X. besitzen wir im Ganzen 450 Gedichte, also mehr
als ein Fünftel des gesamten Liedervorrates, und sehr viel mehr als irgend
ein anderer Minnesänger geschaffen'; und doch veimutlich noch nicht einmal
sein ganzes Hab und Gut. — - Denn um die Erhaltung seiner weltlich-höfischen
Lieder, die er wie Jugendsünden betrachten und verdammen mochte, hat der
König sich nicht gcliümmert. Nur 32 (resp. 33) Proben davon haben portug.
Sammler aufbewahrt^. Die meisten darunter aber haben satyrischen Inhalt, und
nur ganz wenige sind erotische Lieder. Unbedingt muss Alfons aber, vor 1252,
im Frauendienste, erheblich viel mehr wahre Liebesgedichte verfasst haben**;
sonst hätten seine Beteuerungen, der Mutter Gottes gegenüber, er wolle weltlicher
Minne entsagen und sich zu ihrem Troubadour weihen, keinen rechten Sinn**.
Dafür hingegen, dass die 428 (rcsp. 416) zum Ciesange bestimmten geistlichen
Lieder, welche sein y>Liederhuch der Jungfrau Maria« ausmachen mitsamt den
»schmackhaften« Melodien, die er selber dazu lieferte^, kunstvoll nieder-
geschrieben und treulich autbewahrt würden, hat er Sorge getragen". - - Von
' Kein ])iov. 'l'rovibadoui' oder 'l'rouvere, schrieb auch nur annäliernd so viel wie
Alfons lind D. Dinis; von sonstigen dichtenden Königen erst gar nicht zu reden. Von
Alfons I. von Aragon, so wie von Peire I. nnd II. existieit je ein Lied. Von Thibaut
lie Champagne-Navarra kennt man 81 (resp. <'k)) (iediclite.
"^ Vat. 61—79 und CBr. 466 foder 467) bis 478 (im Ganzen die Nummern 467—496
der O r i g i n a I V o r 1 a g e , worin die Zahlen 468, 47 1 und 474 doppelt vorkommen). Daran dass
der Dichter, welcher -iRey de Castella et de Leon« genannt wird, und der unmittelbar auf den
y>Rey D. Affonso de Leonv. folgt, thatsächlich der Zehnte und Weise ist (wie Wolf, Diez
imd Milä richtig vermuteten, und wie nur Th. Braga früher und lange in Abrede stellte,
z. 13. Vat. U), kann absolut nicht gezweifelt werden, da eines der Lieder, Nr. 467, dasselbe
Salve Rainha ist, welches im geistlichen Liederbuche (als Nö. 40) figuriert. — Eine prächtige
Arbeit darüber, trotz einzelner Fehlgriffe ist: Cesare de Loliis, Cajitigas de Amor e de
Maldizer di Alfonso cl Sabio in: Studj Fil. Rom. 1887.
' Dass man von einem tiCancioneiro Amoroso« des Königs sprechen darf, gebe ich
also zu. Was wir davon kennen, sind jedoch karge Splitter. — Ein alfonsinisches und zwar,
soweit aus dem Titel zu entnehmen ist, weltliches Liederbuch besass noch im 15. Jh.
König Duarte von Portugal als Nr. 63 seiner Bibliothek: »0 Livro das Trovas del Ret D.
Affo^tso, compilado por F. de Montetnor-o-Novo- (encadcrnado em coiro).« Und ungefähr gleich-
zeitig sprach der Markgraf von Santillana von erhaltenen Versen des Monarchen : »En este
reyito de Castilla dixo bien el Rei D. Alonso el Sabio; e yo vi guten vio decires siiyos«..
Genau zu sagen, was er unter decires verstand, ist unmöglich. Ich meine, zum Sagen
bestimmte Spottlieder, in portug. Spiache. An kastilische Gedichte von ihm — das in § 35
erwähnte Pröbchen abgerechnet — glaube ich nicht, weder an den Tesoro , noch an die
Querellas, noch an die schöne Klageromanze: lo sali de la /ni tierra, wie ich an kasti-
lische lyrische Gedichte des Bonifacio de Genova, oder etwelcher anderer Lingua
de oc-T>ic\\itv nicht glaube.
* Quero seer oymais seu trobador ; und 2. Querrei-me leixar de trohar des-y Por oulra
dona, e cuUr a cobrar Por esta quanf en as outras perdi und 3. E.sta dona, qiu tenho por
senltor Et de quc quero seer trobador, Se eu per reu poss' aver seu amor, Dou ao demo 05
oulros amores. Vgl. No. 279.
^ Im Prolog sagt er: E'ezo (oder /es eeu) cantares e so es, Saborosos de cantar, Todos
de senken razoes und im Schlussgedichte No. 401 : macar poucos cantares acabei, e con son. —
Vgl. Cant. 63, 172, 293. 347-
* In seinem Testamente (s. Amador de los RiosIIl5ü3 nach Cronica, ed. 1554)
vermachte Alfons seine Liederbücher derjenigen Kirche , in der man ihn beisetzen würde.
In der Kathedrale von Sevilla, wo er ruht, verblieben denn auch die zwei vollständigsten
und kostbarsten, mit Illuminuren und Musiknoten geschmückten Pergamenthandschriften, bis
Philipp II. sie in die Escurial-Bibliothek bringen Hess, wo sie sich noch heute befinden:
T-j- l, ein Cod. von 256 Bl. mit 195 Liedern und etwa 1250 Miniaturen, und j.-b.-2 von
361 Bl. mit 401 Liedern und 40 Vignettenbildern, nach 1279 abgeschlossen. Ein drittes.
Alfons X. 185
diesen Marienliedern »Canttgas de S. Maria<i^ sind 58, also ein reichliches Zehntel,
lyrische Hymnen zu Ehren der Jungfrau. Jedes 10. Cantar ist nämlich ein
sogenanntes Loblied, so dass wir 41 Loores besitzen. Und dazu kommen
5 spezielle, für die christlichen Hauptfeste, und 10 flir die Marientage be-
stimmte Ivieder ff Fiestas de Jesus Cristo , und 10 Fiestas de Maria) nebst
2 Gebeten Peticiones. Bemerkenswert sind darunter das Mailied: »Ben venhas
Maio!« (No. 421), 6.\e Alba: » Virgen madre gloriosä€ (No. 340) und ein -»Salve
Reginaii (No. 40; CBr. ^61) wegen ihres typischen volksmässigen Charakters.
Die Mehrzahl der Gedichte sind jedoch längere episch- lyrische Berichte
über Marien-Wunder (359), weshalb man meist von den »Cantares de los Miragres
de N. S.« spricht.- Den Stoff für die letzteren lieferte einerseits das Leben der
Königsfamilie von 1209 — 1280, so wie der Monarch es selber erlebte, oder die
Seinen es ihm berichteten, und in etwas weiteren Grenzen die peninsulare Lokal-
geschichte (Portugal nicht ausgeschlossen), wie Zeitgenossen sie ihm darstellten.
Andererseits schöpfte er aus frommen Schriftwerken, dem Speculum historiale. De
miracuUs beatac Mariae Virginis, Gautier de Coincy, und den Legenden-
sammlungen hispanischer Kirchen. So behandelte schon Alfons die Sage vom
Teufelspakte des Theophilus; den Gang nach dem Eisenhammer; das Paradies
und die Hölle; die Creszentiasage ; das Märchen vom Mönche, der dem Sänge
eines Vögleins 300 Jahre lauscht u. a. m. Seine Sprache ist einfach, doch nicht
ungewandt; die Darstellung bisweilen prosaisch trocken, bisweilen aber auch voll
zarten, innigen Gefühls; die metrischen Formen sind mannichfaltig. Provenzalisch
ist eigentlich nur der Dekasyllabus, und etwa der 5, 7, (resp. 14) und 9si]bige
Jambus; heimisch -peninsular sind die 4, 6, 8 (rcsp. 16) silbigen Trochäen,
und auch die 6 und 1 2 silbigen Zeilen anapästischen Wandels {de arte mayor),
sowie der häufige Kehrreim, der meist, themaartig, an der Spitze des Liedes
erscheint ; und der ganz willkürliche Wechsel zwischen männlichen und weib-
lichen Reimen. Von den Strophensystemen sind die üblichsten die 8 zeiligen
mit überschlagenden Reimen, und Gebilde aus 6 Langzeilen, von denen die
ersten drei einreimig sind, während die 4. Reihe den neuen, im 2 zeiligen
älteres Ms. (nach 1257 gefertigt) gehörte der Toledaner Bibl. (mit nur lOO cantares und
27 Zusätzen), befindet sich jedoch seit 1869 in der Madrider National-Bibliothek. Die
Kunde von den »gallizischen« Gedichten des Königs blieb stets lebendig. Zu Ende des
XVI. Jhs. (1588) begann man Probestücke abzudrucken und Einzelfragen zu erörtern.
Die wichtigsten Quellenwerke sind: Argote de Molina, Nobleza de Attdalttcia 1588 ;
Ortiz de Zuniga, Anales de Sevilla l6l7; R. Mendes da Silva, Catalogo real de
Espana 1637; Daniel Papebroquio, Acta vitae Sancti Ferdinandi 168I; Perez
Bayer in seinen Zusätzen zu Nicolas Antonio, Bibl. Vetus 1688 ; Terreros y
Pando (i. c. P®. A. Burriel) Paleografia Espanola 1758; Sarmiento, Memorias
1775; Mondejar, Memorias de Alonso el Sabio 1777; Sanchez, Poesias Castellanas
1779; R. de Castro, Bibl. Esp. 1781 — 86; Mendibil y Silvela, Bibl. Selecta 1819;
Repertorio Americarto 1827; Ocios de Esp. Emigrados l827; M. Morayta in Razon 1856,
Disciision 1856 und Boletin Bibl. 1863. Dazu kommen: Bouterwek-Mollinedo,
Clarus, Bellermann, Helfferich, Wolf, A. de los Rios, Milä und Coelho.
Jetzt endlich hat die langsam vorbereitete, sehnliclist erwartete Gesamtausgabe der Cantigas
de S. Maria durch den Akademiker L. de Cueto, Marqties de Valmar (Madr. 1891) jene
kOiumerlichen Auszüge entbehrlich gemacht! Das Studium der wichtigen Lieder kann daher
beginnen.
' Cantigas ( ^ canticulas), vnid nicht cänligas.
2 Die spanische Ausgabe zählt, im Anschluss an den Cod. Princ, die Gedichte von
1 bis 401 ; giebt den Fiestas de Maria (12) und Fiestas de yesu-Cristo (5) sowie einigen
Zusatz-Mirakeln aus dem Toledaner Codex (5) aparte Numerationen ; und lässt die Prologe (2)
zu den Mirakeln und Festen, sowie 2 aus einem Florentiner Ms. stamn)ende Plus-Gedichte
ungezählt (von denen eines ein I>oor, der 41., und das andeie ein Mirakel ist). Unter
diesen 427 Stücken finden sich jedoch 9 Wiederholungen (165 = 395; 187 = 394; 192 =
397; 210 = Fiesta VI; 267 = 373; 289 = 396; 295 = 388; 340 = Fiesta II; 349 = 387),
so dass es sich in Wahrheit um 418 Stücke handelt. Die Prologe sind natürlich keine
Sangeslieder.
l86 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
Kehrreim fortgeführten Reim anstimmt ^ — Grossen Einfluss scheinen diese in ein-
samen Stunden gefertigten und zu erbaulicher Andacht bestimmten geistlichen
Lieder auf den eigentlich höfischen Minnesang nicht ausgeübt zu haben, ob-
wohl sie von juglares in den Landeskirchen gesungen werden sollten. 2 Nach-
ahmer hat wenigstens Alfons X. nicht gefunden, — mit einer Ausnahme, —
falls wirklich auch D. Dinis der Jungfrau ein Liederbuch geweiht hat.
37. Umgekehrt steht es mit diesem D. Dinis, den sowohl Zeitgenossen wie
Nachkommen als trobador de amor, d. h. als die eigentliche Verkörperung
des Minnesangs in portug. Sprache mit Recht verherrlicht haben 3. Eine
litterarische Mähre berichtet zwar, wie eben angedeutet ward, von einem
dionysischen geistlichen Liederbuche »^(? /(?«z/<7r^^ ^a Virgem N. S.«^ Doch,
falls es je vorhanden war, blieb es verschollen. Von seinen weltlichen
Gedichten besitzen wir hingegen einen reichen Schatz: 138 Stücke. Ob einiges,
und wieviel davon verloren ist , lässt sich nicht feststellen , da wir einen
selbständigen »Cancioneiro de D. Dinis'c nicht besitzen. Dass er bestanden,
steht ausser Frage "^. Der Monarch hat unbedingt von geschulten Kalligraphen,
* Diese Form ist in der ganzen Epoche für die romanzenartig-erzählenden Gedichte
die üblichste.
2 S. Cant. 172: e desto cantares fezemos qtie cantüssetn os Jograres.
* Die Worte des Spielmanns Joam aus Leon verzeichnete § 32. Das Lob San-
lillana's über die »sinnreichen Erfindungen und die anmutige Redeweise« der dionysischen
Verse, das vermutlich aus dem Munde des Pero Gonzalez de Mendoza (f 1385)
und des Diego Furtado stammt, findet der Leser in § 27, Anni. 1. Die Petrarchisten
M i r a n d a , F e r r e i r a und C a m o e s haben vermutlich ein dionysisches Liederbuch gesehen,
oder wenigstens davon gehört. Ferreira {Carta X) nennt den König da sua lingua
amigo, Daquellas musas rusticas amparo und (Epitaphio) sagt von ihm: Honrou as Afusas,
poetou e leo. Camoes in den Lusiadenzeilen: i>fez primeiro em Coimbra exercitar-se 0
valeroso officio de Minerva; E de Helicona as musas fez pas sar-se Apisar do
Mondego a fertil herva« {Lus.\\\<^~) denkt ganz gewiss nicht ausschliesslich an die
Gründung der Universität, sondein auch an des Königs dichterische Verdienste. Gegen Ende
des XVI. Jhs. beginnt dann das systematische Erwähnen der litterarischen Thätigkeit des
Königs, in Geschichtswerken erst durch Duarte Nunes deLeao (s. oben § 27 Anm. 4),
dann durch Pedro AtM.a.rii (Dialogos); Bernardo deBrito (Elogios) und Brandäo
(Man. Ltis.), Faria-e-Sousa, Vasconcellos (Anacephalaeoses), R. Mendes da Silva
u. a. m.
* Wieder war es der gelehrte und zuverlässige Nunes de Leao, der voranging.
Er glaubte das geistliche Liederbuch im Staatsarchiv gesehen zu haben, verwechselte
aber vermutlich das a Ifonsini sehe mit dem dionysischen (vielleicht weil unbefugte
Hände dem 4. Jahrhundert alten Codex absichtlich die echte Titelaufschrift geraubt, und sie
durch eine unechte ersetzt hatten?). In der Folgezeit ward weder das eine noch das andere
in der Torre do Tombo wieder gesehen. War es thatsächlich vorhanden , so darf man an-
nehmen 1) dass es um 1600, noch während der span. Herrschaft, in der wirren Verwaltung
der Lousadas und Genossen abhanden kam; und 2) dass es wie in Titel und Inhalt, so
auch in Geist und Form den Cantigas Alfons' X. ähnlich sah. Die bezüglichen Worte des
portug. Historikers lauten : y>Extant hodie multa eins carmina varia ?nensura tarn de profanis
amoribtis quam de laudibus beatissimae Virginis Deiparae« {\ti%b) und y> Grande trovador e quasi
o primeiro que na lingua portugueza screveo versos, segundo vimos per hum Cancioneiro seu
que em Roma se achou em tempo del Rei D. yoam III. et per öutro que stä na Torre
do Tombo de louvore s da Vir gern N. S. (1600, Chronica dos Reis de Portugal W.\>. 76).
— Pedro de Mariz wiederholte die erste Angabe 1594 in unbestimmterer P'orm : y>compoz
versos e rimas, como se ve em alguns poemas que em louvor de N. S. ainda hoje per7nanece}n'i..
Cfr. Moti. Lus. P. V livro XVI cap. 3.
^ In seinem Testament (S o u s a , Provas I p. lOl ) stehen keine Verfügungen über seinen
Liederschatz. Ein gewisslich ererbtes -»Livro das Provas del Rei D. Dinis«. besass sein Ur-
enkel (tresneto) D. Duarte (No. 38 seiner Bibliothek). In Rom soll in den Tagen Johan-is III.,
d. h. zwischen 1521 und 57, ein »dionysisches Liederbuch« zum Vorschein gekommen sein
(vielleicht 1527, beim saque de Roma}), laut dem in der vorstehenden Anmerkung ausge-
schriebenen Passus der Chronik des Nunes de Leao. Im Escurial behauptet Fran-
cisco de Pina e Mello 175^ einen Cancioneiro de D. Denis erblickt zu haben. Cfr.
Braga. Universidade p. 206. In Thomar soll (laut F. Denis, Portugal p. 31a) noch
1793 ein Exemplar gewesen sein. Und Costa e Silva (•}- 1854) will noch ein Exemplar
{de letra bastante moderna) in den Händen eines Pe J. de Figueiredo gesehen haben.
D. DiNis. D. Pedro Affonso. D. Affonso Sanches u. a. 187
nicht eine, sondern mehrere Niederschriften seiner Werke anfertigen lassen,
und gewiss eine derselben in der -»Camara del Rey«, d. h. im Grundstock
des Staatsarchives , und der königl. Bibliothek hinterlegt; andere vielleicht,
wie es mit allen wichtigen Dokumenten zu geschehen pflegte, den Cartorien
von Alcobaga undThomar etc. übergeben. Weitere Exemplare, Originale,
aber auch Kopien, gingen nach Spanien und später nach Italien, sind aber bis
jetzt nicht gefunden. — Nur in grossen Kompilationen^, die vermutlich noch
bei Lebzeiten des kunstliebenden Monarchen, und auf seinen Befehl angelegt
wurden, sind uns die erwähnten 138 Lieder aufbewahrt'-^. Alle (bis auf zehn)
sprechen von Liebesleid und Lust in rein subjektiven Ergüssen ; 77 in höfi-
scher Form »nach Provenzalenart« , nur einfacher und farbloser. Die
übrigen 51 in objektiver Einkleidung, als erzählende Pastourellen; in Zwie-
gesprächen oder als Frauenlied; 10 darunter im Volkston d. h. in Parallel-
strophen, wie schon gezeigt ward.** Die Formeln y>morrer de amor/a, -Dtnaiar
de amor« und y>Coiia mortah kommen bei D. Dinis mehr als 150 Mal vor.
38. Neben den vier Königen gehören dann verschiedene Königssöhne
und Enkel zum höfischen Dichterkreise. Der bedeutendste darunter ist der
als Prosaschriftsteller hochverdiente D. Pedro Affonso, Graf von Bar-
cellos, ein natürlicher Sohn des Königs Dinis (geb. um 1289, g^^*^- ^^354)»
dess Namen der Gesamtadel der Halbinsel mit Dank nennt, weil er einer der
ersten war, der ihre Stammbäume ordnungsmässig buchte, und dabei ihre
Thaten (und Missethaten) unverblümt aufzeichnete. In seinem »Livro de ün-
liagens« finden wir zahlreiche Historien und Histörchen, welche ein kultur-
historisches Bild jener Zeiten entwerfen, wie man es farbenreicher gar nicht
wünschen könnte , und Personalangaben , welche den Wiederaufbau von
gegen 50 Troubadour -Biographien ermöglichen (S. § 52). Er war es der
zu den Namen einiger Magnaten die Erkärung hinzufügte, sie seien berühmte
»Minnesänger« gewesen.* Und seinem Sammeleifer, den des Vaters Wunsch
geweckt haben mag, danken wir es wahrscheinlich, dass das grosse »allge-
meine Troubadour-Liederbuch« kompiliert wurde.** Von seinen eigenen dich-
terischen Versuchen kennen wir nur elf wenig hervorragende Gedichte :
7 Satyren und 4 Liebeslieder {Vat. 210 — 213, und 1037 — 1042). — Sein
älterer Halbbruder D. Affonso Sanches (1286 — 1329) tritt mit nicht viel
' Das dicke alte Buch, welches man Santillana um 1410 zeigte, war unbedingt schon
eine Kompilation, denn es enthielt, ausser den Gedichten des Königs, noch Lieder von
n)indestens zwei anderen Dichtern. Und Kompilation ist alles was wir heute noch be-
sitzen (S. u. § 45).
2 Vatic. 80—208 bietet nur die 128 Liebeslieder (116 und 144 sind identisch);
C.Br. 406—41,5 hingegen lO Scherz- und Spottgedichte.
3 S. Abschnitt B. § 20.
* Die Adelsbücher nennen: Estevam Annes, de Valladares, o Trovador (p. 199);
D. Fern am Garcia, Esgaravunha, 0 que troboti bem (192 und 290); Joam da Gaya
(qtu foy tiiny boo trobador e niui saboroso (p. 272); Joam Martins, Trobador {'ZO"). 302);
Joam Soares, qtu foi bom trobador, oder 0 trobador (166); Joam Soares, de Pavha
{'\. e. Pävia, modern Parva; und nie Panha oder Pauha), 0 Trobador (201 297. ;}52);
V a s c o P r a g a , de Sandim, que era natural de Galiza e era muy boom trovador (349).
" In seinem Testamente vermachte (1350) der Graf »sein Liederbuch« dem
Gatten seiner Halbschwester D. Maria, Alfons XL, an dessen Hofe er oft und lange ge-
weilt. Daraus hat man geschlossen, dass er, gleichwie Alfons X. und D. Dinis einen ganzen
Band mit eigenen Produktionen gefüllt hat. Doch hat Niemand denselben gesehen, selbst
Severim de Faria nicht. Auch was aus dem Legate geworden, ist uns unbekannt, und
da Alfons XI. vor dem Grafen starb, ist nicht einmal sichei, ob es in Spanien oder Portugal
verblieb. Im Testamente heis.st es übrigens: Item mando 0 meu livro das Cantigas a
el Rey de Castella d. h. das mir gehörige Buch der Lieder; und nicht: 0 livro
das minhas cantigas d. h. das Buch meiner Lieder. — Ich glaube, dass die Kompilation
des Grafen — deren Original verschollen ist — die V^orlage zu den verschiedenen ver-
änderten Abschriften gewesen ist, die wir heute kennen. Vgl. Mon. Lus. Livro XVI, cap. 3.
l88 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
reicherem, noch mit bedeutenderem Besitzstande auf: auch er hat sich in
Liebeslicdern (worunter ein Frauenlied) und in Spottgedichten versucht (Vai.
17 — 27; und 365 — 368).! — Von D. Gil Sanches und D. Abril Peres,
de Lumiares war schon die Rede. — Der Prinz D. Pedro de Aragäo,
in dem man gleichfalls einen Enkel des ersten portug. Königs hat erkennen
wollen^, ist vielmehr ein Bruder der Rainha Santa, also Schwager des D.
Dinis, an dessen Hof er seit 1297 weilte. Erhalten ist uns nichts von ihm.
Wir erfahren nur, dass er es liebte, bretonische Lais zu singen. — Diesen
nächsten Anverwandten des Herrscherhauses reichen daim die ihnen ver-
schwägerten Reichs - Grossen die Hand. Unter ihnen haben recht viele als
Freunde und Günstlinge {privados) der Fürsten, und zu gleicher Zeit als höchste
Würdenträger in der Geschichte der Halbinsel eine Rolle gespielt. ^ Die
meisten sind ricos homes de pcndäo c caldeira: Kanzler (wie D. Estevam
da Guarda), Majordomi (wie D. Joam d'Aboim), Reichs-Bannerträger
(wie der Graf D. Gongalo Garcia)^ oder Burgherren {tenentes) wie D. Rui
Gomes, deBriteiros, D. Affonso Lopes, de Baiam, D. Fernan Fer-
nandes Cogominho; Admirale wie D. Paay Gomes Charinho; Grenz-
hauptleute {fronteiros \\\\^ meirinhos) und Bürgermeister {alcaides) \\.d,.\x\. Dazu
kommen die Vasallen der Granden, Infan(5es geheissen, mit ihren Rittern und
Knappen {cavalleiros und escudeiros) ; dann kleinere em cas del Rey bedienstete
Adlige, Bürger und Spielleute, die auch zum Hofstaate gehörten. Selbst hohe
Geistliche wie der Abt von Valladolid, D. Gomes Garcia und niedere
Kleriker (wie Ruy Fernandes und Aires Nunes aus Santiago, Pay de
Cana, Sancho Sanches etc.) fehlen nicht^. WesentlicheUnterschiede bedingten
diese Standesverschiedenheiten jedoch nicht. Auch die Könige und Grossen
sangen volksmässige Weisen, und auch die Spielleute und Dichter von
Profession, denen es eigentlich nicht erlaubt war, Liebeslieder nach höfischer
Fagon zu gestalten, ahmten die Manier der Grossen nach. Auf feinere Be-
sonderheiten, die natürlich vorhanden sind, kann hier nicht eingegangen werden.
39. Die alphabetisch geordnete Liste der Dichternamen — so wie sie
nach Ausweis historischer Dokumente, und Feststellung der Herrensitze oder
Geburtsorte geschrieben werden müssen ^ , wird willkommen sein. '^ — Eine
' Die Frage, woher man um 1600 wusste, dass D. Pedro und Affonso Sanches
gedichtet haben, kann hier nicht näher erörtert werden. Vermutlich durch Einsicht der kom-
pilierten Liederbücher.
^ Bragas verschiedene Angaben über diesen Infanten sind durchaus irrtümliche (z. B.
Vat. XLVI, LXXIII).
' Wer sie kennen lernen will, muss die Monarchia Lusitana, H e r c u I a n o ; S o u s a ' s ,
Hist. Genealogica, vor allem aber die Königschroniken und die alten Urkunden in Portug.
Mon. Hist. durchforschen.
* Den Grafentitel legte man unterschiedslos allen Herren ober weite Gebietsstrecken
imd zahlreiche Vasallen bei. Mit Recht, d. h. durch eigentliche Belehnung, trug den
Titel unter den Troubadours und ihren Gönnern nur der Graf von Barcellos (seit 1304).
* Die ganz natürliche Vermutung von Diez, im Dichterindex verzeichnete Geist-
liche möchten uns geistliche Lieder hinterlassen haben, trifft absolut nicht zu. Höchst
weltlich und wenig erbaulich wie das Leben vieler Geistlicher sind auch ihre Lieder. Auch
darüber geben die Adelsbücher verblüffende Aufklärung. Es sei an die Dekretalien Clemens' V.
und an die darauf bezugnehmende »Carta de D. Affonso IV. aos Bispos do Reitw sobre os
Crimes dos Ecclesiaslicos« v. J. 1352 erinnert. Unter manchem anderen, was unbeanstandete
Sitte betraf, wird darin verordnet, »ordinierte Priester sollten fürderhin nicht mehr Schlächter,
Schenkwirte, Wucherer, noch öffentliche Spielleute sein : y>non sejam jograres, nen bofoes,
tun ta flies em prafa\<i.
' Dass trotz langer und mühsamer Untersuchungen noch mancher Irrtum zu beseitigen
sein wird, weiss ich natürlich; darf meine Zweifel aber hier nicht darlegen.
"^ Ich berichtige stillschweigend was ich als Fehler der älteren Namenlisten bei Wolf
(nach Tobler), Varnhagen, Monaci und B r a g a erkannt habe, und modernisiere hier
die Namen soweit es Sitte ist, es in Geschichtswerken zu thun. So setze ich V a s c o für
Alphabet. Übersicht über die Minnesänger. 189
Jahreszahl fuge ich nur hinzu, wo sie aus Grabschriflen oder Urkunden sicher
erhellt', i) D. Abril Peres, deLumiares j 1245. — 2) Affons' Eannes,
de oder do Cotom. — 3) Affonso Fernandes, Cubel oder Cobolilha,
cavalleiro. — 4) D- Affonso Lopes, de Baiam, 7 nach 1278. — 5) D.
Affonso Mendes, de Besteiros. — 6) Affonso Paes, de Braga. —
7) D. Affonso Sanches, /i//io de D. Denis, 1289 — 1329. — 8) Affonso
Soares. — 9) Aires, 0 Engeitado. — 10) Aires Moniz, de Asma, —
11) Aires, Corpancho. — 12) Aires Nunes, clerigo, 1284. — 13) Aires
Paes, jograr, 1280. — 14) D. Aires Peres, Vuiturom. — 15) Aires
V'az. — 16) Alvaro Affonso, cantor do senhor Infante. — 17) Alvaro
Gomes, de Sarriä, jograr. — 18) D. Arnaldo. — 19) Bernal(do), de
Bonaval. — 20) Bonifacio (Calvo), de Genova. — 21) Caldeirom,
12902, — 22) Conde Gil Peres, 1250. — 23) Conde D. Gon^alo
Garcia, signifer curiae, j 1286. — 24) Conde D. Pedro (Affonso) de
Portugal, y?//'^ de D. Denis^ um i289bisi354. — 25) Diego Moniz. —
26) Diego Pezelho, jograr. — 27) Estevam Coelho. — 28) Estevam
Froyam (oder Fayam). — 29) Estevam Fernandes, Barreto. — 30) Este-
vam Fernandes, de Elvas. — 31) D. Estevam da Guarda, prwado del
Rey D. Denis. — 32) D. Estevam Peres Froyam, blühte 1286 — 1304. —
33) Estevam Reimondo, de Portocarreiro, 1260. — 34) Estevam
Travanca. — 35) Fernand Eannes. — 36) Fernam oder Fernand'
Esquio. — 37) Fernam do Lago. — 38) Fernam Figueira, de Lemos.
— ■ 39) D. Fernam Fernandes Cogominho, 7 1267. — 40) Fernam
Froyam. — 41) D. Fernam Garcia, Esgaravunha, 7 ii86. — 42) Fer-
nam Gon^alves, de Seabra^. — 43) Fernam Padrom. — 44) D.
Fernam Paes, de Tamalancos. — 45) Fernam Rodrigues, de Cal-
heiros. — 46) Fernam Rodrigues Redondo. — 47) Fernam Soares,
de Quinhones. — 48) Fernam Velho. — 49) Galisteu Fernandes. —
50) D. Garcia Mendes, de Eixo, 7 1239. — 51) Garcia Soares, irmäo
de Martini Soares. — 52) D. Garcia Martins. — ■ 53) D. Garcia Peres.
— 54) D. Gil Sanches, 7 1236. — 55) Golparro. — 56) D. Gomes
Garcia., aMade de Valladolid, 7 1286. — 57) Gongaleannes do Vinhal,
7 1280. — 58) Joam, jograr, ntorador em Leom, 1325. — 59) Joam (Peres)
de Aboim, bl. 1249 — 1279. — 60) Joam Aires, burgues de Santiago, 1326.
— 61) Joam Baveca. — 62) Joam de Cangas. — 63) D. J oam (Soares)
Coelho. — 64) Joam Fernandes, de Ardeleiro. — 65) Joam Garcia,
sobrinho de Nun' Eannes. — 66) Joam de Gaya, escudeiro. — 67) D. Joam
(Garcia) de Guilhade. — 68) Joam Lobeira, blüht 1258 — 1278. — 69) D.
JoamLopes, de Ulhoa. — 70) D. Joam Mendes, de Besteiros. — 7t)
Joam Nunes Camanes. — 72) Joam, de Requeixo. — 73) Joam Romeu,
de Lugo. — 74) Joam Servando. — 75) Joam Soares Somesso. —
76) Joam Soares, de Pävia. — 77) Joam Vasques. — 78) Joam
Vasques, de Talaveira; vielleicht identisch mit dem vorigen. — 79) Joam
Velho, de Pedrogaes. — 80) Joam Zorro. — 81) D. Jusep, 1300. —
82) Juyam Bolseiro, 1350. — 83) 'Lo^o^ jograr. — 84) D. Lope Lias oder
Diaz (de Haro), 1236. — 85) Lourengo, jograr. — 86) Martim Annes
V ;i a s c o ; V a z für V e a z (aus V e 1 a z =: Velah-sohn) ; M e m und M e n d o für M e e in und
Meendo; Pay für Paay; Aires statt Airas; Joam für Joham; Besteiros für
Beesteiros. Die Endungen am und om dürfen hingegen nicht zu modernem äo ausge-
glichen werden.
• Zu erschliessen sind ausserdem mehr oder minder genaue Daten aus den Werken
selber, und aus den Genealogien für fast alle adligen Dichtei".
^ Vermutlich ein Spielmann Sancho's IV. Vgl. A. de los Rios IV 542.
^ Seabra altportug. Form für span. Sanabria. Neu portug. und gall. wäre Saraiva.
190 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. FORT. LlTl.
Marinho. — 87) Martim de Caldas. — 88) Martim Campina. — 89) Mar-
tini Codax (?) — 90) Martim de Grijö (?) — 91) Martim de Moxa, 1330.
— 92) Martim Pedrozellos. — 93) Martim Peres Alvim. — 94) Martim
Soares. — 95) Mendinho. — 96) Mem Paes. — 97) Mem Rodrigues
Tenoiro, 71358. — 98) Mem Roiz de Briteiros, 1250. ^ — • 99) Mem Vas-
ques, de Folhe(n)te. — 100) Nun' Eannes, Cerzeo. — ioi)Nunes. —
102) Nuno Fernandes. — 103) Nuno Fernandes, Mirapeixe. —
104) Nuno Fernandes, Torneol. — 105) Nuno Peres, Sandeu. —
106) Nuno Porco. — 107) Nuno Rodrigues, de Candarei. — 108) Osoir'
Eannes. — 109) Pay Calvo. — iio) Pay de Cana, clerigo. — in) Pay
Gomes Charinho, 7 1295. — 112) Pay Soares. — 113) Pay Soares,
de Taveirös, vielleicht identisch mit dem vorigen. — 114) Pedr' Amigo,
de Sevilha. — 115) Pedr' Eannes, Solaz. — 116) D. Per' Eannes
Marinho, yf//w de Joam Annes de Valladares. — 117) Pero de Ambroa.
— 118) D. Pero d'Armea. — 119)0. Pero Barroso. — 120) Pero de
Dardia. — 121) Pero Garcia. — 122) Pero Garcia, Burgales.' —
123) D. Pero Gomes Barroso. — 124) Pero Gongalves, de Porto-
carreiro. — 125) Pero Guterres, cavalleiro. — 126) Pero Larouco. —
127) Pero Lourengo. — 128) Pero Mafaldo. — 129) Pero Mendcs
da Fonseca. — 130) Pero Martins. — 131) Pero Meogo. — 132) Pero
d'Ornellas. — 133) Pero da Ponte. — 134) Pero de Veer (Braga
liest de Bearn). — 135) Pero Velho, de Taveirös. — 136) Pero
Viviäes. — 137) Picandom. — 138) Rey D. Affonso de Leom. —
139) Rey Ü. Affonso, de Leom e Castella. — 140) Rey D. Affonso,
de Castella e Leom, o que venceu el Rey de Benamarim. — 141) Rey D.
Denis. — 142) Reimon(do) Goncalves. — ■ 143) Rodrigu' Eannes,
vielleicht identisch mit einem der drei folgenden. — 144) Rodrigu' Eannes
d'Alvares. — 145) Rodrigu' Eannes de Vasconcellos. — 146) Rod-
rigu' Eannes Redondo, 7 1330. — 147) Ruy Fernandes, clerigo. —
148) Ruy Fernandes, de Santiago, wahrscheinlich identisch mit dem
vorigen. — 149) D. Ruy Gomes, de Briteiros. — 150) D. Ruy Gomes,
0 Freire. — 151) Ruy Martins, do Casal. — 152) Ruy Martins d'Oli-
veira. — 153) Ruy Paes, de Ribela. — 154) Ruy Queimado. — -
155) Sancho Sanches, clerigo. — 156) D. Vasco. — 157) Vasco Gil.
— 158) Vasco Martins, um 1300^. — 159) Vasco Peres. — 160) Vasco
Peres, Pardal. — 161) Vasco Praga, de Sandim^. — 162) Vasco
Rodrigues, de Calvelo. — 163) Vidal, judeu iVElvas. Dazu kommen
sechs oder sieben Dichter, deren Namen verloren sind (also 169 oder 170)^.
Und weitere elf, deren Werke verschollen sind: vier, welche der Graf von Bar-
cellos namhaft macht: Estevam Annes de Valladares, Joam de Gaya,
Joam Martins, (der, wie erwähnt, 1228 ein Dokument unterzeichnet, mit
dem Zusatz trobatore) und Joam Soares; sechs, deren Werke, ein noch
von A. Colocci benutztes, später verloren gegangenes Liederbuch enthielt: D.
Juano(sic); Joam Velaz; Pero PaesBazoco, Pero Rodrigues de Pal-
* Es hat bestimmt zwei Spielleute aus Burgos, Namens Pero Garcia gegeben.
Der eine war noch ein Zeitgenosse des D. Joam Soares Coelho, der zwischen 1 245 und
1279 blühte. Der andere lebte noch als der Graf von Barcellos 1350 sein Testament machte
(s. Sousa, Provas I p. 140) und wird darin genannt, weil er (oder sein Schwiegervater)
eine Schuldforderung von 1500 maravedis zu stellen hatte.
2 Den Beweis dafür, dass dieser oder ein anderer Dichter Vasco Martins mit
Zunamen de Kesende geheissen, wie Faria-e-Sousa {^Europa III 261 ) behauptet, habe
ich nicht erbringen können.
* Praya de Sandi ist nichts als Wortverdrehung.
* Sieben, wenn man die Tristan und Lanzelot-Lais in Betracht zieht.
Epochen der Minnesänger. Heimatland. Art der Lieder. 191
meira; D. Rodrigo Dias dos Cameiros und Aires Soares; und zum
Schlüsse der von Alfons X. erwähnte D. Martim Alvites. Ausserdem noch
ein knappes Dutzend von Troubadours und Spielleuten, auf deren unbekannte
Werke in den vorhandenen Liedern angespielt und geantwortet wird. ^
40. Prae-alfonsinisch sind davon, nächst D. Gil Sanches, D. Garcia
Mendes de Eixo und Abril Peres de Lumiares, noch Pay Velho, Pero
Velho, Martim Soares, Aires Peres Vuiturom, Joam Soares Somesso,
Rodrigu' Eannes de Vasconcellos, und von Dichtern, deren Lieder uns
fehlen: Joäo Martins, Sueir' Eannes, Ruy Diaz de los Cameros, Pero
Rodrigues de Palmeira und wohl auch Estevam Annes de Valla-
dares. Alfonsinisch sind und vorwiegend in Beziehungen zu Alfons X.
stehen: Pay Gomes Charinho, Pero Gomes Barroso, Gon^al' Eannes
do Vinhal; Affons' Eannes do Cotom; Bernal de Bonaval; Pero
da Ponte; Bonifacio de Genova; Conde Gil Peres; Pero d'Ambroa,
Joam Vasques; Ruy Queimado; Fernam Velho, Pedr' Amigo; Joam
Baveca etc. Vorwiegend am Hofe Alfons' IIL lebten: D. Joam d'Aboim,
D. Affonso Lopes de Baiam; Fernam Garcia, Esgaravunha; Joam
Soares Coelho; Fernam Fernandes, Cogominho; Joam Lobeira;
Martim Peres de Alvim, Estevam Reimundo; Joäo Garcia; Fer-
nam Rodrigues Redondo, Aires Paes u. a. m. Dionysisch darf man
nennen: Estevam da Guarda, D. Estevam Peres Froyam, Joäo Aires,
Estevam Coelho, Joäo de Gaya ausser demKönigund seinen beidenSöhnen.
— Post-dionysisch allenfalls Alfons XL; Mcn Rodrigues Tenoiro,
Rodrigu' Eannes Redondo, Pero Garcia Burgales, Joam de Leom,
Martim Moxa,', Ardeleiro. — Spanier sind, ausser den drei Königen, Pedro
Amigo aus Sevilha, Pero Garcia Burgales d. h. aus Burgos, und der Spielmann
Joam aus Leon, D. Gomes Garcia, aus Vallodolid, Joam Vasques, aus
Talavera, Fernam Soares aus Quinones und Galisteu Fernandes, wohl
aus Galisteo; und will man Gallizien zu Spanien rechnen, die aus Cotom,
Asma, Ardeleiro, Lugo, Sandim, Cangas, Folhente, Santiago,
Lemos, Tamalancos etc. gebürtigen Dichter. Ein Italiener war Bonifacio
Calvo, aus Genua, und möglicherweise der mit Alfons X. tenzonierende
Flottenadmiral D. Arnaldo. — Die bedeutendsten Talente scheinen mir,
nächst D. Dinis und Alfons X., der Kleriker Aires Nunes, Joam de
Guilhade, Pero da Ponte, Pero Garcia, Fernam Garcia und Joam
Aires gewesen zu sein. Besonders starke Dichterindividualitäten sind nicht
unter den 163 Sängern. Wo diese den konventionellen Hofton ausser Acht
lassen, und sich freier bewegen, schlagen sie einen schlichten , innigen und
anmutigen Volkston an , der nicht ohne Reiz , im Grunde aber ebenso un-
persönlich ist wie der aulische.
41. Was enthalten und sind nun die 1698 weltlichen Gedichte, welche
an den drei westlichsten Höfen der Halbinsel zwischen 1200 und 1385 ertönten?
Zuerst und vor allem kennen wir etwa ein Tausend Minnelieder. Davon
trägt die grössere Hälfte (etwa 600) höfisches Gepräge. In ihnen, den sog.
Canti'gas de amor, benimmt der Liebende (er sei König, Reichsgraf, oder
schlichter Ritter) sich als Vasall und Lehnsmann [hofne, Jwme-lige, vassallo)
seiner, stets in unnahbarer Höhe thronenden, und stets unvergleichlich schönen
und klugen Dame, der er, als seiner Herrin {senhor)- den Lehnseid {preiV e
' Ruy Marques; RuiGon^alves; Martin Alvelo; Joam Eannes; Fer-
nand' Escalho; Sueir' Eannes; Martini Galo; D.Pedro de Aragäo u. a. ni.
Citola, Fiedel redet Alfons X. wohl nur im Scherz einen seiner Spielleute an. S. ?^. XXXI.
^ Fast jedes höfische Liebeslied enthält in Strophe eins die Anrede-Formel, mha
senhor oAtv fremosa mha senhor, oder mindestens das Wort sen/ior; seltener </<?wa
oder molhtr.
192 LiTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
menage) geschworen hat. Sie ist natürlich immer adligen Geblüts {{rica-dona
oder hoa-dond)^ oft seine Verwandte {de seu linhagem, seil natural)-^ bisweilen
vermählt {dona)^ doch öfter Jungfrau [donzeld). Demütig wirbt er in allen
Fällen um ihre Neigung; erfleht Zeichen ihrer Huld; preist jede kleine Gunst
und Gabe in Blick, Lächeln oder Wort, die ihm gewährt wird; jubelt über ein
Angebinde {dod), es sei eine seidne oder goldne Schnur {cordd) oder eine Schärpe
[cintd) oder irgend ein anderes Bruchstück ihrer Gewandung {camisa); oder er be-
jammert ihre unholde Strenge; sehnt sich nach ihrer Gegenwart, härmt sich über
ihre Kühle; stirbt vor Liebe; oder ruft wenigstens den Erlöser Tod herbei; rechtet
mit seinen Augen, seinem Herzen, der Frauenwelt, ja dem ganzen Menschen-
geschlecht; klagt Amor und Himmel wie Hölle der Eifersucht und des Neides an.
Meist richtet er seine Bitten und Klagen in Monologen, an die Geliebte, deren
Namen er, den Liebesgesetzen gemäss, verschweigen sollte, die er aber, närrisch
vor Liebe (ensandecido) bisweilen andeutungsweise, und manchmal sogar ausdrück-
lich nennt 1, oder er spricht zu »Gott dem Herrn«; selten zu seinen Freunden.
Ciespräche zeremoniellen Charakters zwischen Ritter und Dame^ kommen vor.
Objektiv berichtende Liebeslieder sind selten. — Die kleinere Hälfte derselben,
die schon so oft genannten cantigas de amigo (57 1), sind Fraucnlieder, also das
Gegenstück zu den ersteren.^ Ein liebendes Mädchen spricht darin, meist gleich-
falls in einsamem Ergüsse, oder recht häufig im Zwiegespräche* mit dem Geliebten,
der Mutter, Schwester oder einer vertrauten Freundin •'*. Sie lacht und weint,
droht und klagt, und berichtet dabei vom frohen oder traurigen Stelldichein
(am kühlen Waldesquell, wo die Hindin zur Tränke kommt, am Flussufer, am
Strande, in der Einsiedelei, oder beim Kirchgange); vom Kriegs- und Hof-
dienste des Freundes; von Abschied, Wiederkehr und Botschaft; von Schelten,
ja Schlagen und Einschliessung durch die zürnende Mutter (nie durch den
Vater, der gar nicht erwähnt wird). ^ Eigenartige Liebes Scherzgedichte ent-
stehen, wenn der Liebende mit Selbstironie von seiner unerwiederten Leiden-
schaft oder von fremdem Miserfolge plaudert. — Gleichartig, wenn auch total
verschieden geartet, stehen neben den idealisierenden »Cantigas de amor e
de amigo<~< einige Hunderte von Hohn- und Schimpfgedichten, y>Cantigas
de escarnho e maldizer~, in denen verblümt und mit zweideutigen Worten oder
* So wird der Name der Geliebten in Rätselfonn als Joana, Sancha ou Maria im
Canc. da Aj. 89. 104. 105. 106 genannt; andeutungsweise ib. 238 a\s filha de Maria; 282
freira de Nogtteira\ 38 filha de Paay Moniz\ netas do Conde im CBr. 147 ; und ganz klar als
D. Maria CBr. 1 12; D. Elvira Aj 62; D. Leonor ib. 198; und sogar mit Vor- und Zunamen
als Mayor Gil ib. 301 ; Guiomar Affonso Gata 142 und 143; Urraca Abril CBr. 78. Von
den nicht gefeierten, sondern verunglimpften Buhldirnen zu schweigen. Seinen eigenen Namen
fügt der Dichter manchmal einem Liede ein. So thun D. J o a ni G a r c i a (oder D. J o a m )
de Guilhade; Joam Aires; Joam Servando und Rodrigu' Eannes Alvares.
2 Seiihor \mA cavalleiro -^ {AJ. 230. 249. 277) oAtr sen/wr \mA amigo {Vat. "iX . ä,o. 176.
Die provenz. Worte entendedor (?ii. u. f. r= für erklärter Liebhaber und erklärte Geliebte)
und drtido werden in der Anrede nie verwendet, wohl aber im Berichte ( Vat. 683. 689.
786. 821. 919. 921. 1008. 1064. 1200).
* Die Redenden sind Mädchen. Eine Verheiratete, natürlich eine hella inahiiari-
dado, tritt in Vat. 188 auf.
* Ich zähle 43 solcher Contrasti.
^ Wie in den Cantigas de amor das Wort »Herrin«, so ist hier das Wort amigo un-
entbehrliches Zubehör der ersten Zeile oder Strophe.
* Frauen selbst treten nicht als Dichterinnen auf. Auch in den Dialogen ist es
der Troubadour, der die Frauenrede redigiert. Oft sieht es freilich so aus, als hätte er
nur thatsächlich erteilte Antworten in Verse gekleidet. Von juglaresas hört man in span.
Dokumenten oft und viel ; in portug. nicht.
' CBr. 1500 — 1578 und Vat. 904 — 1025 (obgleich die Überschrift dieser dritten
Liedergruppe erst vor Lied No. 937 erscheint); dazu noch Vat.d'l—']'^ und CBr. 457 ~47ö;
sowie hie und da eine vereinzelte, unter die Minnelieder geratene Nummer. Im Ganzen
nahezu 400 »Poesien«.
Arten des Minneliedes. Schimpfgedicht nach seinem Inhalt. 193
offen und ohne Schleier, Inneres und Äusseres, Handel und Wandel der Hof-
personen, vom Könige bis herunter zum Stall- und Hundejungen (den mouro-
sinhos), und den fahrenden Söldnerinnen der \Ä(^& (soldadeiras) ^^ bald milder
durchgehechelt, bald grimmig verleumderisch blossgestellt wird. Die Zahl der
Sänger, welche dies sehr beliebte, fast eine nationale Einrichtung bildende
Genre kultiviert haben 2, ist sehr erheblich. In bunter Reihe stehen gerade
hier neben den eigentlichen aristokratischen Troubadours niedere Spielleute.
Gemeinsam treten beide in 30 Tenzonen 2Mi {ten^öes und enten(öes)^, in denen
der Streit sich manchmal um Liebesprobleme , öfter um Sängerrechte , aber
auch um praktische Fragen dreht. — Dazu kommt dann noch ein knappes
Hundert verschiedenartiger Gedichte: einige ernste, sehr gelungene Rüge-
lieder * mit Klagen über die Laster der Welt und den Verfall der Dichtkunst,
für die kein besonderer portugiesischer Name existiert 5, eine historische Ro-
manze {Vat. 466) und historische Canzonen^, ferner mehrere romanzenhaft-
erzählende Genre-Lieder^ , einige Pastourellen ^, eine fragmentarische Ärrarz/jr,
{Vat. ^01), fünf als lais bezeichnete »Verse« über bretonische Stoffe (§ 44);
.vier Zwiespaltslieder (rt^^i'^(>r/y^); einige Tanzweisen (bailadas \m6. bailias ^^) ; ein
Bauernlied (cantiga de viläo) ^^ \ mehrere Morgenständchen (a//5ajr) i'-'; eine Frage
(pergunia)^^ und eine den epischen Ton parodierend anstimmende wichtige
>Gesta de maldizer« ^^. Religiöse Lieder fehlen im »allgemeinen Liederbuche«
' Auch dies ist ein kulturhistorisch interessantes Kapitel. Der gelehrte und geist-
volle Minorit FreiAlvaro Paes, Bischof von Silves (f 1353), sagt in seinem, dem
Erzbischof von Toledo D. Pero Gomes Barroso gewidmeten Werke De planctu Ecclesiae
(II cap. 30) '■ T>Dtuunt maxime reges Hispaniae in domo sua publicas meretrices et qitibusdam
earum sHpendia dant, et necessaria In attla nia ; et dtici permütunt et ccmsentiunli. etc. Und
schon im Hausregimente Alfons' III. musste prophylaktisch verordnet werden: -»soldadeiras
nöm andern em casa del Rey . . . . ; e se vierem soldadeiras a casa del Rey, nom estem hi senom
por tres dias ; e se Ihes el Rey quiser dar algo, de Iho; e senom, väo-se«.
* Por maldizcr ward mancher Todschlag verQbt; apostillas de maldizer enthalten die
Adelsbücher ; von manchem Rittersmann wird gemeldet : era muy loitco nas palawas, e por
esto nom Joy bem amado dos hoos. Strenge, ja brutale Strafen werden von den Ortsrechten und
Gesetzen angedroht wegen Gebrauciies von palavras devedadas. Wiederholte Verbote be-
kämpfen schon unter Ferdinand III. und Alfons X. das Absingen »infamierender« Gedichte.
Die Worte der »Siete Partidas<s. (Part VII, Ley 3. Tit. 9; cfr. A. de los Rios III 500 — 501)
y>que ningun ome non fuese osado de cantar cantiga nin decir rimas nin dictados que fuesen
fechos por deslwnra ö por denuesto de otrov- gehören fieilich nicht ganz hierher, wie die ein-
leitende Formel : -dLos emperadores e los sabios antigos defendieron<i beweist, wohl aber die
anderen : i>enfaman et deslwnran itnos a otros non tan solamiente por palabra mas aun por
escriptura, faciendo cantigas 6 rimas 6 dictados malos, de los que han sabor de etifamar«.. Cfr.
Linh. 227. 284. 314. 341).
» Vat. 14. 27. 472. 556. 642. 663. 786. 826. 920. 1009. 1010. 1011. 1020—1022.
1032. 1034. 1035. 1104—5. 1158. 1186; (vgl. 1198); CBr. 144. 465. 477- 1501. 1509.
1512. 1550—51.
* Aj. 256. 305; und Vat. 455. 502. 937. 47 1 u. a. entfernen sich durch Gedanken
und Ausdruck von den wirklichen Spottgedichten.
* Th. B r a g a benutzt dafür die berechtigte Form sirvente (f.). In der einzigen Beleg-
stelle, welche die Liederbücher aufweisen {Vat. 1021), steht jedoch sirventes (im Reime zu ves).
« Vat. 572—576; 578. 707. 708. —
' Vat. 468. 734- 738. 749. 754- 807. 808. 903 u. a. CBr. 458; 462—63. 475-
1518 u. a.
* Vat. 102. 137. 150. 278. 454. 751. 866. 867. Cfr. 689. Pastor (m. u. f.) be-
deutet : junger Bursche (zagal, rapaz) und jungesMädchen.
* Vat. 481 und 963 (wo ich lese: este cantar fez en son d'un descor) und CBr. 470
und 135, welches endet: e meu descort acabarei.
>" Vat. 1062. Vgl. 195. 336. 462. 464. 761. 796. 889.
" Vat 1043.
'2 Vat. 170. 172 und 1049. Cfr. 242 und 771. 772. 782.
»» Vat. 410 (cfr. 666).
" Vat. 1080 (cfr. 1082). Dies kleine Schmähepos, bestehend aus Alexandriner-
Tiraden (24 in on, 15 in an und 17 in eird), deren jede mit dem onomatopoietischen Rufe:
Eoi\ abschliesst, ist das Werk eines portugiesisch -alfonsinischen Troubadours, des Granden
Gröber, Grundriss. IIb. I3
194 LiTTFRATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
gänzlich; ebenso eigentliche Kreuzlieder und Kriegsgesänge. — Vom ästhe-
tischen Standpunkte aus sind die Cantigas de amor e de amigo die wertvolleren,
da echtes Gefühl aufrichtig selbst durch die hergebrachten Formen und
Gemeinplätze hindurchklingt. Sachlich und kulturhistorisch sind jedoch, wie
schon mehrfach angedeutet ward, die Hohn- und Schimpfgedichte, (und die
cantigas varias) die wichtigeren, trotz ihres sehr oft skandalösen Inhalts.
Mit ihren »raisons ei achoysons pour qu'ils furent faictsK. geben sie ein krasses
Abbild des 13. und 14. Jhs. , wie es sich in Leon, Portugal und Kastilien
gestaltet hatte: studiert man sie an der Hand der Gesetze, Ortsrechte, Ur-
kunden, Chroniken, Adelsbüchcr, und auch der Überreste bildender Kunst, die
sich in Burgen und Klöstern erhalten haben, so wird das hispanische Mittel-
alter lebendig. Auf Rechtswesen und Verwaltung, Kriegsbräuche und Friedens-
sitte, Soldaten- und Ordensleben, Verbrechen und Strafen, höfische Lustbarkeiten
und Volksvergnügungen , Gewohnheiten und Trachten fallen kräftige Schlag-
lichter. — Die grossen historischen Thatsachen werden im Liederbuche meist nur
ganz flüchtig gestreift: den glorreichen Sieg bei Salado, zur Abwehr einer neuen
marrokanischen Völkerwanderung nennt nur eine Überschrift; und eine
Anspielung auf die erste grössere Flottenausrüstung im Hafen von Lissabon,
zur Besitzergreifung der kanarischen Inseln (1344) ahnt man mehr, als dass
man sie erkennt. Selbständige Gedichte haben wir nur auf die Eroberung
Sevilla's durch Ferdinand {Vat. 572) und Valencias durch Jaime (578), sowie auf
den Tod Ferdinands (572) und des Königs Dionysius (708), und auf Sancho'sll.
Entthronung(io88). Beiläufig erwähnt aber werden gar viele Begebnisse: Alfons'X.
Kaiserwahl; Alfons' XL Krönung in Toledo; der Tartareneinfall; der letzte
Kreuzzug; die Kriege zwischen Leon, Kastilien, Aragon und Navarra; die
Expeditionen gegen Jaen, Granada, Ronda; des Infanten Heinrich's Flucht
nach Tunis und Apulien; seine Liebe zur Stiefmutter Jeanne de Ponthieu;
Sancho's IV. Wallfahrt nach Santiago u. v. m. — Die eigentlichen Schmäh -
gedichte beschäftigen sich mit kleineren und intimeren Thatsachen : Alfons' X.
widerspruchsvolle Wandel barkeit und seine Verschwendung, sein Bescheid an
Guiraut Riquier über die Standesunterschiede innerhalb der Sängerzunft,
die Entartung der Tempelritter und Hospitaliter ; der Misbrauch mit den Ordens-
häusern und Asylen (casas de ordern und albergarias)\ berüchtigte Ent- und
Verführungsgeschichten {roussos = raptos) und die sich daran anschliessenden
Zweikämpfe, sowie wahre oder simulierte Busswallfahrten ^ ; Jagdunternehmungen ;
Hunde- , Pferde - und Falkengeschichten ; Bohordieren und Lanzenstechen ;
Würfel- und Kartenexcesse; Steuererhebungen und Kaufgeschäfte jüdischer
Finanzbeamten und Makler (talhadores und correiores); Geistes- und Leibes-
gebrechen der Günstlinge; abergläubische Sterndeuterei und Vogelschau, die
in Gallizien unausrottbar fest wurzelte; Kleidung und Rüstung; Frauenarbeiten
[yitenens Sotisam«) D. Affonso Lopes de Baiam. Ein frischgebackener ricohomem, der
ihm verschwägerte Ex-Infan^om D. Mendo (oder Mem) Gonies de Briteiros, l)e-
nanist Dom Vdpelho = Meister Reineke, wird ob seiner Rangerhöhung gehänselt. In
seinem Ordenshause Longos thront der Parvenü, und seine Vasallen und Ritter marschieren
auf, in grotesk komischem Anzüge, schlecht beritten und bewaffnet, und huldigen ihm, zu
dem Zwecke, dem Könige Alfons III. nachher in Parade {em alardd) vorgeführt 7ai werden.
1 Die Pilgerfahrten nach Ultramar mit zweijährigem Kriegsdienste daselbst waren sehr
häufig die auferlegte Sühne für schwere Gewaltthaten (roussos, incestos ^ic.^. Im Jahre 1269
gingen viele Hispanier zu Schiffe nach Palästina (z. B. der König von Navarra, Juan
Nufies de Lara, D. Gon^alo Mendes de Sousa und D. Gonqalo Gomes de Briteiros, die beiden
letzten als Stellvertreter ihrer verbrecherischen Brüder. Doch hat de Lollis nicht recht,
wenn er alle Ultramarlieder auf dieses eine Datum hin interpretiert. In seinem Testamente
befahl noch D. Dinis: item mundo que um cavaldro, que seja homem de boa vida e de ver-
gonga, que vii por mi d terra santa d' Ultramar e que estee hi por dous aniws compridos, se
a cruzada. för, servindo a Deus por minha alma. — S. Vat. 1004. 1013. 1057. 1066. III6.
1118. 1130 1176. 1195. 1198. 1199. CBr. 143 etc.
Form und Benennungen der Minnelieder. 195
und Kinderstube : alles ziehen die an »Realien« überreichen Cantigas de
escartiK e maldizer und die Sirventese in ihr Bereich. — Gesellige Lieder-
gruppen, die sich um ein und dasselbe Geschehnis drehen, fehlen keineswegs.'
42. Was die Technik betrifft, so zerfallt das ganze Liederbuch in zwei
Gruppen: in refrainlose und in Refraingedichte (vgl. § 20). Die ersten
(etwa 1/3 des Bestandes) '^^i^'&^w cantigas de meestria = Meisterlieder, und sind
die früheren, eigentlich höfischen, nach provenz. Style relativ kunstvoll gebauten.
Die zweiten (denen also 2/3 zufallen) heissen Cantigas de refran und sind
hoffähig gewordene, verfeinerte Volksweisen. Jene sind dem Inhalt nach vor-
wiegend Minne- und Streitgedichte; ^iwoh Descorts, lais, Romanzen und Schimpf-
gedichte. Diese sind meist Frauenlieder oder leichtere Scherz- und Spott-
verse, doch beides ohne Ausschliesslichkeit. Es giebt cantigas de atnigo nach
Provenzalen - Art und cantigas de amor mit Kehrreim '^. — Das Lied im
allgemeinsten Sinne wird cantiga'^ oder cantar genannt; canfäo kommt nur
ein Mal vor (Vat. 102 1) und ein Mal trobar (als Substantiv) "♦. Die Strophe
heisst ^^/^r«; die Zeile /ö'/rtfv'd! ; der Kehrreim nur rif/rdrw (und nicht <?j/;7^//^^,
noch ritornello oder tornelld) ; das Geleit, welches (einfach oder mehrfach) den
Meistergesängen eignet, doch ohne obligatorisch zu sein, nennt sich fiinda (und
nicht cabo, wox^fim^ noch tornada)'^. Der Reim {rima) ist fast immer männlich
^= einsilbig (h-eve); doch auch weiblich = zweisilbig {longa). — »Körner«
heissen ßalavras perdudas. — Der eigentliche aristokratische Liebhaber und sess-
hafte Hofdichter trägt den Namen trobador^ der als Ritter oder Knappe zu
Rosse hin- und herwandernde berufsmässige Dichter ist ein segrel oder segler,
der Spielmann jogral o&e.r Jograr ; ein Liedverfassen ist trobar^, eine Tenzone be-
ginnen entenfar ; komponiren ensoar. — Unter dizedor (und dezidor) versteht
man den redegewandten, witzigen Kopf (s. Vat. 523). — Die Meistergesänge sind
oft mit allerhand kunstvollem Tand ausgestattet. Besonders am Verketten aller
Zeilen und Strophen fand man grosses Gefallen und erblickte darin wohl die
eigentliche Kunst. Nicht nur durch gleichen Reim band man Strophe an
Strophe ; auch grammatikalisch verknüpfte man Satz und Satz, so dass ein ganzes
Gedicht in einem Atem von a bis z weitergeht. Solche mit Hülfe von denn und
wenn, aber, weil und und {e qiie ca pero ^^ etc.) gebaute Kette ngedichte
nannte man cantigas de atafUnda"^ . Die Spielerei, ein und dasselbe Wort oder eine
Formel, an bestimmten Strophenstellen zu wiederholen, heisst dobre (= duplex
:= glockenschlagartiger Wiederklang) 8. Ist das Wort ein veränderliches (be-
sonders ein Zeitwort) und lässt man es thatsächlich variieren (in den Zeiten : vi
vejo verei , oder in den Personen: vej'o ves vi ver) so entsteht ein mor-dobre
(= grosser Doppelklang) ^. Auch Haken- und Ösenreimerei (macho e
' Ein hübsches Beispiel liefern die Gedichte^'. 166; GKr.318 1501. 1511 und Fa/. 786.
1092, die ich Cantigas da Ama -- Ammenlieder nennen möchte. Andersgeartete Liedei-
gnippen nur eines Autors haben wir in Fa/. 169— 71. 252—56; 730— 33; 878 — 80; 887 — 90.
^ Frauenlieder ohne Refrain sind z. B. Aj. 177. 179. 191. 193 und Liebesiieder mit
Refrain Aj. 21 7 und 2 18.
^ Dass wie in den geistlichen, so in den weltlichen Cantigas der paroxytone Accent
des Wortes durch den Reim ausser Frage gestellt wird, bedarf kaum der Erwähnung.
Canticos ist sp'Atcs mot savant; cantigas ist ein illegitimes spanisches Pseudogelehrten-Produkt.
* Vat. 917 Trokar de maldizer.
^ Auch Lieder im Volkstone haben bisweilen ein Geleit. -- Oft sind der Geleite so
viele als ein Gedicht Strophen hat. In Tenzonen muss B. so viele liefern, wie A.
* Für Gedicht kommt auch troba vor (das im volkstümlichen trovas und trbhos
weiterlebt), doch nur einmal : Vat. 387.
"^ Nicht atehudas, wieBraga liest. — Atafiinda bedeutet entweder Binde-sch Hesse
d. h. binde, erst wenn du schliessest (2 Imperative wie in leixa-pren; alga-pöe; vai-vem),
oder ata ä fiinda ■=. binde beim Schlüsse.
* Vgl. Ajuda 231 ; Vat. 33. 98. 566. CBr. 22. 88. 130.
« S. Vat. 567. CBr. 185 u. 231. Aj. 289. Ich habe mich schon oft gefragt, ob und
13*
196 LiTl-ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PoRT. LiTT.
femed) wie ama atno; pavia pavio kommt bereits vor ', doch ohne jenen tech-
nischen Namen. Desgleichen die von Santillana erwähnten leixa-pren-
Lieder, in denen die letzte Zeile einer Strophe als erste der folgenden wieder-
kehrt ; und die ca/ifäo redonda , die mit einem und demselben Worte oder
Satze ihre Strophen beginnen und schliessen lässt^. Zwei Flickenlieder, mit
Einlagen fremder Kunst- und Volkslieder, ahmen wohl französische Muster
nach 3. Doch sind solche Künsteleien im Ganzen selten. Im Allgemeinen
sind selbst die Meistergesänge einfach gebaut. Dunkle Manier und schwere
Reime scheinen wenig Anklang gefunden zu haben. Die Strophen Varietät
aber ist recht gross, und die Dichter suchen sichtlich darin Neues zu finden.
Mit Ausnahme der astrophischen Descoris bestehen alle Gedichte aus mehreren
Abschnitten {talhos), von 2 bis 10, gewöhnlich aus drei oder vier. Davon,
zählt jeder einzelne wiederum 2 bis 10 Zeilen, meistens 4 bis 8. — Auch in
Strophen- und Reimsystem kommt das Kunstprinzip der Dreiteiligkeit durch-
aus nicht immer zur Geltung; ja überhaupt nur, wenn man Kehrreim und
Geleite als Vertreter des Strophen- und Liederabgesanges gelten lässt. Der
Kehrreim ist entweder ein kurzer Ausruf oder eine Verszeile von beliebiger
Silbenzahl; oder ein vollständiges 2 — 4 zeiliges Liedchen mit unabhängigem
Gedanken ; oft aber durch Sinn und Grammatik mit der eigentlichen Strophe
verbunden. Meist steht er am Ende, bisweilen auch am Anfang oder in der
Mitte der Strophen^. Dass in den Volksliedern mit paarigen Reimen für
andere Künste als das Parallelstrophensystem kein Raum bleibt, liegt auf der
Hand. Nächst den volksmässigen pareados und den quadras {abba abab) sind
hier die üblichsten Reimgebilde die 6- und 7 zeiligen: abbacc und abbacca und
zwar in Coblas doblas und unisonans. Die meist benutzten Versarten sind, wie
bei Alfons X., an fallenden der kleine und grosse Redondilhenvers und
damit gemischt 4 silbige {de pi quebradd)\ an steigenden der 6, Sund 10-
silbige (resp. in zwei Hemistichen zerfallende 12 und 14 Silbler). Auch
versos de arte inayor mit anapästischem Wandel lassen sich wie bei Alfons X.
erkennen. Längere mit kürzeren , und jambische mit trochäischen Zeilen
werden nicht oft gemischt. — Hiatus ist erlaubt und sehr häufig. — All zu
plane Einkleidung der Gedanken {trobar igual) war verpönt und wurde vor
Gericht als unstatthaft verworfen. — Höfische Sängerfeste (Cortes) bei denen
Lieder vorgetragen , beurteilt und vielleicht auch prämiiert wurden , hat es
gegeben ö. Lässt doch in einem Frauenliede der Bürger aus Santiago, Joam
Aires, seine Freundin ausrufen : O meu amigo novas sabe ja D'aquestas cortes
que se ora faram; Ricas e nobres dizem que seram; Erneu anngo bem sei que
fard Um cantar etc. und En aquestas Cortes que faz el Rey^. Und
wird doch sonst noch oft genug auf solchen litterarischen Richterspruch der
Könige hingewiesen ^ — Die Terminologie und die Regeln altportugiesischer
wie das unverständliche mansobre des Santillana und Villasandino (No. 255) und mas-obre
des ßaena (No. 261) aus dem dM-^ox\.\x%. tnordobre entstanden sein können, und bin geneigt beide
span. Formen für einfache Ver drehun g oder Ver le s ung der Textherausgeber zu halten.
' Vat. 933.
2 Vat. 568. 650. 852. Aj. 290.
* CBr. 469 und Vat. 454. So viel ich weiss, giebt Cs nur zwei provenz. Canzonen
mit entlehnten Strophenabschlüssen : Mout fai sobreira folia von B. Z o r z i und vom Mönche
von F o i s s a n : Be m'a tone temps tnenat ä gtdza d'aura und eine franz. chanson glosce von
Jacques d'Amiens. Um Petrarca's Canz.^W wusste man nicht. In der Folgezeit
hat man auf der Halbinsel ergiebigen Gebrauch von dieser Manier gemacht.
* S. z. B. AJ. 218.
* Die Bezeichnung Cortes de Amor kommt nicht vor.
* Vat. 597. — Vgl. auch 1 103, obgleich die daselbst erwähnten cortes politische ge-
wesen sein dürften.
^ Im vatik. Liede 509 wendet sich der Ritter Pero Guter res, der seine Herrin
gepriesen hat, im Schlussgesätze an den König und spricht: E senJior rey de Portugal aqui
Versarten. Poetik. Franz. Einfluss auf die portug. Lyrik. 197
Poetik, die hier nur flüchtig angedeutet sind, lassen sich aus den Gedichten
selbst abstrahieren ^ , (wobei wiederum die Prosaüberschriften hervorragende
Dienste leisten) sowie aus alten Randnoten des ausfuhrenden Schreibers im
Codex da Ajudd"'. Zu kontrollieren sind sie nur zum Teile an einer gleich-
zeitigen Poetik, von der ein glücklicher Zufall uns Reststücke erhalten hat.
43. Diese altportugiesische titellose Poetik begleitet als Einleitung das
einzige, in Italien aufbewahrte Exemplar des Gesamtliederbuches, dem nicht
die ersten Blätter fehlen 3. Von sechs früher vorhandenen Kapiteln [titulos),
die in Paragraphen {capitulos) zerfallen, besitzen wir nur das 4. 5. und 6. und
vom dritten die Schlussparagraphen (4 — 9) *. Über den Verfasser und die Zeit
und den Ort der Abfassung lassen sich begründete Vermutungen nicht wohl
aufstellen. Abhängigkeit von den Leys (f Amors, an die Chabaneau glaubt,
ist nur ganz allgemein genommen zuzugeben.^ Die portugiesische Ter-
minologie und die aus den fertigen Liedern zu abstrahierende Doktrin weicht
im Einzelnen doch bedeutend von der limosinischen ab. Was wir, ausser
dem bereits Erörterten, Erhebliches erfahren, ist, dass Liebesdialoge zu den
Cantigas de amor gehören, so oft der Liebende die Unterredung beginnt und
zu den Cantigas de amigo , wenn die Liebende sie einleitet; dass von den
Satyren diejenigen Cantigas de escarnho heissen , welche Hohn und Spott in
verhüllte Worte kleiden {per palabras cubertas), Cantigas de maldiser hm-
gegen, die, viclch^ descubertament, d. h. unverhüllt und rücksichtslos reden^;
dass die Tenzonen sowohl d'amor wie d'atnigo, d' escarnho und de maldizer
sein dürfen'^; dass man unter einem Folgelied (oder seguir) ein Gedicht
versteht, welches seine Melodie, oder mit der Melodie noch das Strophen-
und Ver'ssystem, oder zum dritten , auch noch die Reimworte und den Satz-
bau einer fremden Vorlage entlehnt ^ ; dass auf Wortspielen beruhende Scherz-
JulgacPora etc. — Vgl. 826: et jtdgiiem-tios da tengom por aqui sowie 1021. 1023. I034. II86
{^j'tdgue-nos el Rey). Aus gewissen Phrasen darf man schliessen, dass auch Troubadours als
»Richter« fungierten S. IO23. 1092 u. 1034 : Quero qtu jidguedes, Fero Garcia, D'anire
min e todos os trobadores Que de meu trobar som desdezidores.
' Lieder mit wichtigen Andeutungen über die Technik der Dichtkunst sind Vat. 361.
949 965. 968.971—974. 1000. 1007. 1009. 1011.1020—24. 1032—35. 1042. 1057. 1079.
1086. 1092. 1097. 1103—7. 1184. 1186.
' A. Colocci hat die Liederbücher, welche er besass, mit zahlreichen und sehr in-
teressanten Randnoten versehen, die sich z. T. auf Wortbedeutungen, z. T. auf romanische
Verslehre beziehen. Er sucht im Portug. das Prinzip der Dreiteiligkeit als Beweis
provenzalischen Ursprungs und beachtet darum besonders auch die Strophenzahl und Reim-
ordnung, um Strophe, Antistrophe und Exodon zu entdecken. Ich habe seinen
Theorien einen Aufsatz gewidmet. Hier sei nur vorweg gesagt, dass die sibyllinische,
an die looMal wiederkehrende Formel -»seldissj^ , nach deren Sinn ich lange geforscht,
einfach auf die Anfangsworte von Petrarca's Canzone XV in V. di M. L. verweist, mit deren
Bau einige lOO portug. Cantigas ungefähr übereinstimmen.
' Den Canc. Colocci-Branctüi.
* Es fehlen am Anfang Kapitel 1 und 2 ; und vom dritten die drei ersten Paragraphen.
Das Werkchen war also ein sehr summarisches.
* S. Th. Braga, Monumentos da lingua portugiieza, in Era Nova 1886 p. 414 und
E. Monaci, II trattato di Poetka PortogJiesa, in Miscellanea Caix Canello 1886. Beide
Versuche, den Text wiederherstellen und seinen Sinn zu deuten, sind teilweise gut geglückt.
Der Aufgabe, aus dem Liederbuche die Beispiele zu jedem Lehrsatze zu liefern, hat Braga
sich gar nicht und Monaci nur halb unterzogen.
* Schon die Leye% de Partida fügen ihren Auslassungen über Gedichte a manera de
difamacion die Worte hinzu: -net esto facen d las vegadas paladinamente , et d las vegadas
encub ier tamente«.
^ Tenfoes de amigo sind uns nicht erhalten; de atnor einige wenige, die den jocs
enamoratz gleichkommen, z. B. Vat. 11 und 663.
* Der Gattungsname Seguir {Vat. IO07. IO33. I198) bezieht sich also ausschliess-
lich auf die Form von Gedichten, die nach fremder Melodie zu singen sind und nicht auf
ihren Inhalt, v^i^h^vca Sirventes der Provenzalen der Fall war. Ist dsis seguir (wie wahr-
scheinlich) eine Nachbildung des sirventes, so schlössen sich die Portugiesen der bei Italienern
198 LlTTERATUKGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖI,KER. — 4. PORT. LlTl .
gedichte joguetes ä'arteiro heissen, und dass noch eine besondere Abart davon,
welche auf die Lachmuskeln wirken sollte, als cantigas de risadilha bekannt war '.
44. Dass, neben dem überwiegenden süd franz. Einflüsse, sich auch im
Gebiete der Lyrik nordfranz. Einfluss geltend gemacht hat, hält man für
sicher; und es ist sehr wahrscheinlich. Wie weit derselbe aber reicht,
worin er sich äussert, und ob z. B. (wie ich vermute) unter den praediony-
sischen Troubadours, welche nach 1245 am Hofe Alfons' IIL, des Bolonhes,
dichteten, solche, welche vorher in Beziehungen zu Bianca von Kastilien und
dem Hofe Ludwigs IX. gestanden, und zwischen 1211 und 1233 am flandri-
schen Hofe Joanne und Ferrant de Portugal besucht hatten, thatsächlich die
Lieder des Kastellans von Coucy, Chrdtiens de Troies, Blondels,
Philipps von Nanteuil und vor allem des Thibaut de Champagne zum
Vorbild wählten ; ob ganz und halbvolksmässige franz. Pastourellen und Ro-
manzen sie begeisterten ; und ob die softes chatisons der Puis Nostre Dame
die Gestaltung der Schmählieder irgendwie beeinflussten, muss zunächst dahin
gestellt bleiben , da gründliche Untersuchungen fehlen. 2 Dass man bei zwei
alfonsinischen Troubadours Kenntnis nordfranz. Sprache und Dichtung nach-
weisen kann, ist dem Leser bekannt : bei Fern am Gar cia, der sich homelige
seiner Dame tituliert und einen nordfranz. Kehrreim benutzt 3; und bei D.
Affonso Lopes, der in seinem humoristischen Schmähepos die chansons de
geste parodiert^. Ausserdem kommt nur ein vereinzelter Hinweis auf Roland
und Roncesvalles vor i^Vat. 1066). — Die thatsächliche Bekanntschaft mit
bretonischen Melodien und Sagenstoffen kann sowohl durch süd-als durch nord-
franz. Vermittelung bewirkt sein. Alfons X. und D. Dinis kannten, wie Thibaut
de Champagne, Tristan und Isolde (in der Form Iseu) und nennen sie als
Typus Treuliebender ^. Im übrigen wird von portug. Troubadours Merlin,^
Artus'^ ^ und die besta ladrador der Graalssage erwähnt ^ ; ferner im Allgemeinen
die lais de Bretanha und cantares de Cornoalha ^. — Von grosser Wichtigkeit
und eingehender Erforschung bedürftig sind die fünf, schon kurz zitierten
lais, welche das altportug. Liederbuch im Canc. CBr. eröffnen i^, denn die sie
begleitenden razöes beweisen , mehr noch als die Lieder selbst, Vertrautheit
und Katalanen massgebenden Auffassung an , das sirventes sei also genannt worden, per go
com se serveix e es sotsmes a aquell cantär de qui pren lo so e les rimes.«. {Rom. VI 858.
— Gaspary 21 Anm. 2). — Vgl. S. 22 dieses Halbbandes.
* So lese ich, wo M o 1 1 e n i risaoelha druckt, während B r a g a risoellia und M o n a c i
rifaoelha lesen will, das unmögliche Wort für ein Diminut. von rifao haltend (ein solches wäre
rifaozinho, oder rifaozelho oAn, da nur die Form refram existierte, refranzelho). Die Be-
rechtigung dazu finde ich in den nachfolgenden Worten, -»porque riem ende a vezes os homens«.
An die galliz -^tiradilhas de escarniri. zu erinnern, von denen Milä spricht (Rom. VI 48),
ist geboten.
^ I Jeanroy hat im 5- Kap. seiner »Origines de la pocsie lyrique«. neuerdings einige
Anklänge an Gace, Blondel, Coucy, Thibaut und andere nachgewiesen.]
3 S. § 34 Anm. 5-
* S. S. 193 Anm. 14.
* CBr. 468 und Vat. II5.
^ Vat. 930 und Cantigas 108.
'' Cant. 35 u. 412.
8 Y^t 1,40.
3 Vat. 1007 und 1 140.
'" CBr. 1 bis 5. Das erste wird dem Sachsenherzog Elis o Ba^o in den Mund ge-
legt. Das zweite, spöttische, singen vier tanzende Jungfrauen um Marot von Irland zu
höhnen; das dritte und vierte stimmt Tristam 0 Namorado an, nach langer Abwesenheit; das
fünfte singen Mädchen , die um den Schild Lanzelot's tanzen y>qtiando estava na Insoa da
Lidifa {^—. Liesse), quando a rainha Genevra 0 achoti com afilha do Ret Petes, e Ihi defendeo qiie
nom parecesse auf etat.. Die Urheberschaft wird gleichfalls Tristan zugeschrieben : (Dom Tristam
per Genevra) \ — Mit den mir bekannten franz. /öw und lettres en samblanche de !ai, welciie
im Roman de Tristan zur Harfe gesungen werden , stimmen die portug. nicht überein, —
doch sind das leider nur die von F. Wolf abgedruckten. Vgl. Braga Vat. LXXIl.
Franz. ital. F'influss. — Originale Aufzeichnungen und Sammlungen. 199
mit den altfranzösischen Tristan- und Lanzelot-Prosaromanen, die schon damals
also, mitsamt ihren Liedereinlagen ins Portugiesische übertragen waren (^ 54).
Dass sie in erster Stelle stehen, könnte sogar chronologische Präzedenz
bedeuten, um so mehr als die unmittelbar folgenden Dichter, dem Anscheine
nach, zu den frühesten Troubadours gehören. — Italienischen Einfluss
schlägt Th. Braga sehr hoch an, so hoch dass er sogar die ganze prae -dio-
nysische Zeit als Periodo Italo-Provetifal {ii\^ — 1245!) bezeichnet 1. Mit
Unrecht! Unleugbar ist, dass die erste portug. Königin ausSavoyen stammte; dass
Handelsbeziehungen die erste Mittlerin zwischen Orient und Occident schon
frühe mit der zweiten verknüpften (die ital. nach Flandern segelnden Schiffe
machten in Lissabon halt) ; dass Genuesen den portug. Flottendienst ein-
richteten und Admirale für Spanien und Portugal stellten ^ ; dass gewisse ital.
Einrichtungen in die portug. Städteverwaltung übergingen 3; dass Bologna,
noch vor Bartolo und Baldo, peninsulare Rechtsgelehrte bildete*. Von
litterarischer Einwirkung kann jedoch so frühe (vor Dante und Petrarca) keine
Rede sein. Selbst die Troubadours italienischer Herkunft, welche am Hofe
Jaime's von Aragon und in Leon und Kastilien unter Ferdinand IIL und
Alfons X. glänzten, waren gänzlich provenzalisierte Italiener, ohne natio-
nale Sonderart. Das gilt sowohl von dem venetianischen weit gewanderten
Kaufmann Zorgi, durch den man vielleicht die »Flickenlieder« kennen lernte,
als von dem mantuanischen Meister En Sordello, dessen Melodien man sang
und nachahmte^, und auch von dem adligen Genueser Handelsherrn Bonifazio
Calvo (f 1280) »un souverain maistre en Fart de poisie« den Ferdinand III.
zum Ritter schlug und dem die Liebe zu einer peninsularen Fürstin (oder
Edeldame, Berenguela, des Königs Nichte)** zwischen 1248 und 1261 zwei
portug. Gedichte einflösste (von denen seine Biographien natürlich als von
»hispanischen« sprechen)'^.
45. Was die Niederschriften betrifft, so unterliegt es keinem Zweifel,
dass die ersten Originale der portug. Cantigas wie alle Dokumente auf Perga-
mentblätter [folhas) geschrieben wurden, die man meistens gerollt überreichte
und aufbewahrte, und daher rotulos oder rolos nannte ^. Mehrere solcher
losen Blätter, mit Werken ein und desselben Meisters (oder auch mehrerer
' Cfr. Vat. XXII und XXXIII.
- Im Jahre 1279 berief D. Dinis den Micer Manoel Pezagno (f 1317). auf
dessen Nachkommen später die Admiralitätswürde erblich überging. In kastilischen Diensten
stand schon 1246 Ramon Bonifaz, und 1292 Micer Benito Zacarias.
* In dem Familiennamen Podestä(de) glaubt man wenigstens Erben des Podesta-
titels zu erkennen.
^ Vom Papste Johann XXL, dem Portugiesen Pedro Juiiao, der als Petrus
Hispanus bekannter ist (f 1277) wird behauptet, er habe nächst Paris und Montpellier auch
Bologni besucht; und von Fr. Alvaro Paes (Pelaguis) steht es ausser Zweifel.
* S. Vat. 1021. Der hochadlige, vielgereiste und an den spanischen Höfen gern ge-
sehene D. JoamSoaresCoelho sagt darin zudem wandernden Spielmann P ican den,
vielleicht in Gegenwart des Mantuaners (also zwischen 1225 und 50), er begriffe nicht, wie
dieser (En Sordel), von dem er so viele und so gute Lieder und Melodien höre, für ihn.
den aller Spielmannskunst unkundigen Sänger, bei Sängerfesten habe eintreten und Partei er-
greifen können und selbiger entgegnet: »er sei ebenso viel wert und verdiene ebenso kost-
bare Gaben wie etwelcher andere segrel, der Canzonen, Verse (cobras) und Sirventese rezi-
tiere«. Ich lese nämlich: Vedes, Picandon, som maraviUiado Eu d'En Sordel a quem ou(o
entengoes (oder de ^.) Muitas e böas e mui böos söes , Como fid (=^ fuit) em seu preito tarn
errado, Pois nom sabedes jograria fazer, Por qtie viis fez per Corte guarecer ! Ou vos cm el
dad'ende dorn recado !
« Ajuda 265 und 266. CBr. 449—450.
'' Über Bonijazio vgl. Jahrbuch XI, 15 — 16 und XIII, 41; Zschr. VII 225-. Milä,
Trov. 202 — 209 und Litteraturblatt 1888 p. 539-
* Das Wort i?'' in dieser abbrevierten Form findet sich z. B. im C.CBr, auf fl. lOO v,
wo es heisst: outro R^ das Cantigas que fez etc.
2 00 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT,
wettsingender Dichter) nähte man zu Heften zusammen {cadernos). S. Vat. 68-
Und aus der planlosen oder planvollen Aneinanderreihung mehrerer Hefte
entstanden Bücher {livros). Grössere, so allgemach entstandene Bände Hessen
aber ihre Besitzer (Könige , Fürsten und Reichsgrosse) später gewiss einheit-
lich und kunstvoll von Meistern der Kalligraphie kopieren. Und für hervor-
ragende Dichter und Freunde der Dichtkunst, wie auch für vortragende Spiel-
leute, mussten sie Vervielfältigungen solcher grosser Sammlungen oder von den
älteren Teilstücken derselben anfertigen lassen. Jeder adlige Dichter besass
ausserdem ein Spezialheft seiner eigenen Werke, meist aber auch die seiner
Familienglieder und Freunde. Einen Cancioneiro de mäo , d. h. ein Album
von Werken berühmter Poeten sein zu nennen, war in Portugal und in
Spanien wahrscheinlich schon im 13. und 14. Jh., wie nachweislich im 15.,
16. und 17. festwurzelnde Sitte des Adels; ihn herzustellen Obliegenheit der
zum jeweiligen Hofstaat der ricos honies gehörigen schrift- und sangeskundigen
Kaplane und Kantoren und Schreiber. Meist wurde das habhafte Material
sachlich nach Dichtungsarten geordnet, also in Cantigas de amor — Cantigas
de amigo — Cantigas de escarnho e maldizer ^ ; oft auch ungeordnet kopiert,
je nachdem die Lieder dem Sammlenden zu Händen kamen. Dass sich so
auffällig wenig erhalten hat, und dass auch unser Wissen von früher vor-
handenen Hss. so dürftig ist, ja, dass nicht einmal der Cancioneiro de D. Dinis in
einer Originalniederschrift, noch auch das Livro das Cantigas erhalten ist,
welches der Graf von Barcellos sein nannte, legt Zeugnis ab von der schon
erwähnten beklagenswerten Sorglosigkeit, mit der man in Portugal das nationale
Hab und Gut von jeher verwaltet hat. — Ausser den (drei) alfonsinischen
geistlichen Liederbüchern (s.^36), haben sich, so weit man bis jetzt weiss,
nur drei portugiesische mit weltlichen Liedern erhalten: einer in Portugal
und zwei in Italien, alle in mehr oder minder defektem Zustande 2. Ein
viertes, bis jetzt unzugängliches Exemplar im Besitze eines spanischen Granden,
kommt nicht in Betracht, wenn es wirklich nur eine moderne Kopie des
einen der italienischen Codices ist 3.
46. Der in Portugal aufbewahrte Kodex ist der kleinste, und arg und roh
verstümmelt. Trotzdem ist er in gewissem Sinne -der wertvollste, weil der älteste,
der den Originalen ziemlich nahe steht. Er führt den Namen y^ Cancioneiro
da Ajuda« , weil er jetzt (seit 1825) im Königsschlosse Ajuda bei Lissabon
aufbewahrt wird. Früher nannte man ihn y>Cancioneiro do Collegio dos Nobres«,
weil er in die Bücherei dieser hauptstädtischen Adelsschule als Erbstück aus
dem Fonds der im 18. Jh. aufgehobenen Jesuitenkollegien geraten war; oder
auch y> Livro das Cantigas do Conde de Barcellos« ^ weil man darin die Lieder
dieses einen Troubadours zu besitzen glaubte 4. Unter beiden Titeln ver-
öffentlicht, ein erstes Mal von Lord Stuart Rothsey, in nur 25 Exemplaren
(1823), ein zweites Mal von Varnhagen in unkritischer Textgestaltung, wird
er hoffentlich bald in definitiver, seit 1880 angekündigter Ausgabe vorliegen.
— Schon bevor er im 16. Jh. in italienischem Stile gebunden ward, war
* Ein und derselbe Dichter kommt thatsächlich in den bekannten Liederbüchern,
wenn er sich in allen drei Genren versucht hat, auch drei Mai vcr. — Doch sind den Kom-
pilationen auch einzelne Spezialhefte mit ungeordneten Liedern bestimmter Trou-
badours eingefügt (z. B. die Alfons' X. und des Aires Nunes). Der Canc. da Ajuda
enthält nur Minnelieder, weil wir von ihm nur Teilstücke seiner ersten Hälfte besitzen.
2 Die Frage, auf welchem Wege die portug. Manuskripte nach Italien gekommen
sein können, ist für jeden halbwegs Unterrichteten, eine müssige; und noch überflüssiger ist
es zu erörtern, wie z. B. der alte Codex, den Santillana erwähnt, nach Spanien und in die
Bibliotkek seines 1385 bei Aljubarrota gebliebenen Grossvaters geraten sein kann.
* Es war Varnhagen (Canciomirinho de Trovas Antigas), welcher besagte Abschrift
1857 in Madrid sah und kopieren Hess.
< Wie ich über das Livro das Cantigas denke, deutet § 38. Anm. 2 an.
CANaONEIRO DA AjUDA, VaTICANA U. COLOCa-BRANCUTI, 20I
dieser Kodex höchst unvollständig. Nachher aber ward er noch ganz van-
dalisch von Pergamentmardern zerschnitten. Heute bietet er auf 88 liniierten
Pergamentblättern nur noch 310, zum Teil fragmentarische Cantigas de amor,
die in 38 kleine, mit 16 skizzierten Vignetten 1 anhebende Einzelgruppen zer-
fallen. Jegliche davon stellt das Liederheft eines besonderen Sängers dar. Es ist
das der Überrest eines viel grösseren Ganzen. Noch beim Binden umfasste der
Cancioneiro nachweislich mindestens ein Drittteil mehr ; und früher noch Weiteres.
Die Ausführung ist unvollendet geblieben ; es fehlt fast alles was buntfarbig,
(vielleicht von einem besonderen Illuminator) ausgeführt werden sollte, d. h. die
grösseren gezierten Majuskeln , die Miniaturen der Vignetten , und besonders
an der Spitze jedes Liederheftes der Name des betreffenden Dichters! Es
fehlen auch die Musiknoten, für die der Raum bei jeder ersten Strophe und
oft noch beim Geleite aufgespart ist , sowie etwaige Prosarubriken. Ohne
jeglichen Zweifel stammt der Kodex noch aus der Troubadourepoche, ent-
weder aus der ersten Hälfte des 14. oder aus der letzten des 13. Jhs.2 und
die geplante Hinzufügung der Noten, sowie die sorgsame Arbeit des Schreibers
lassen darauf schliessen , dass er , wenn nicht direkt nach Originalrollen , so
doch nach einer sich unmittelbar auf jene stützenden Abschrift gefertigt worden
ist. Die sehr verständige knappe Orthographie verwendet für mouilliertes //
und / die Doppelkonsonanz, nach alter, auch von xAlfons X. befolgter Sitte
(und nicht wie die anderen Liederbücher das provenz. nh Ih, noch mh bh etc.)
und für den portugiesischen Nasalauslaut ausnahmslos das n. — Die beiden
italienischen I>iederbücher führen die Namen Cancioneiro da Vaticana und
Cancioneiro Colocci-Brancuti. Beide , sowohl der codex vaticanus 4803 (be-
stehend aus 210 -(- 18 Papierblättern), als auch der noch vollständigere (355
Blätter umfassende) Kodex des Grafen Brancuti di Cagli, wurden im 16. Jh.
in Italien , nach bis jetzt nicht entdeckten Vorlagen abgeschrieben , denen
scheinbar die Notation bereits fehlte, und zwar im Auftrage des Humanisten
Angelo Colocci (f 1548), der, hier wie dort, Randnoten, Dichternamen,
Paginationen, Registrationsbuchstaben und Numerierungen eintrug, sowie Ver-
weise auf ein anderes drittes, möglicherweise dem Kardinal Bembo gehöriges
Liederbuch. Ausserdem schrieb er mit eigener Hand ein selbständiges, kost-
bares Inhaltsverzeichnis, mit Namen, Zahlen und Titeln, die Tavola Colocciana
{Cod. Vat. 3217), vermutlich auf Grund eines dritten vollständigsten, uns un-
bekannten Manuskriptes, das sich vielleicht noch in Italien wiederfindet. An-
nähernd passt dieser Index freilich auch für die beiden erhaltenen Lieder-
bücher, ja zum Teil sogar fiir den Canc. daAjuda. Denn alle, ob auch in Einzeln-
heiten vielfachst verschieden, geben Liedergruppen von gleicher Grösse und
gleichem Inhalt ungefähr in der gleichen Ordnung, führen also in letzter Linie
unbedingt auf ein und dasselbe grosse kompilatorische Gesamtwerk zurück,
welches das Hab und Gut der ganzen portugiesischen Minnedichtung ver-
zeichnen sohlte ^. — Auch die beiden italienischen Handschriften sind unvoll-
ständig, doch ergänzen sie sich in sehr glücklicher Weise. Trotzdem fehlen
* Für die Weiteren 22 ist der Raum ausgespart.
^ Aus dem Inhalte Sicheres zu schliessen, ist sehr schwer, da wir eben nur ein
Fragment vor uns haben. Diemeistender vertretenen Dichter sind prae-alfonsinische
und alfonsinische. Über einige, wie Pero Garcia Burgales und Meni Rodri-
gues Tenoiro bin ich in Zweifel. Sind beide die gleichnamigen Zeitgenossen des Grafen
von Barcellos, so kann das Manuskript nicht gut vor 1310 geschrieben sein. Hinsichtlicli
des Ausseren seien hier nur Herculano's Worte citiert : -»Os signaes paleographicos e intrin-
secos näo permiitem assignar Ihe tima epoca precisa. Poder-se-hia fazer remontar ao reinado
de D. Dinis, ou descer ate 0 de D. Fernando. O foral de Villanova d'Alvito de 128g estä
e scripta etn car acter es inteiramente semelhantes em grandeza e forma aos do Nobiliario e da
Cancioneiro«.
? M o n a c i und de f^ p 1 i } s sind etwas anderer Ansicht,
202 Lin'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
mindestens 75 von den Gedichten, welche noch der Index buchte. Und
dass es dem alten Sammler des Livro das Cantigas nicht gelungen war, aller
der überhaupt verfassten Minnelieder habhaft zu werden, ist selbstverständlich. ^
47. Auch die altportugiesischen Lieder waren zu gesanglichem Vor-
trage bestimmt.- Das beweist der Name: cantiga und ccmiar. Es beweist es
der Cancioneiro da Ajuda, mit seinem für die Notation aufgespartem Räume.
Es beweisen es die begleitenden Vignetten, welche uns stets einen lehrenden
Meister (den Dichter?) auf einer Bank sitzend und ein oder zwei, mit Musik-
instrumenten versehene Sänger vorführen; und es beweisen es Dutzende von
Liedern, in denen von den Melodien und den Singenden und Spielenden die
Rede ist. ^ Wie in der Provence so verfasste auch in Portugal, der Regel
nach, der Troubadour die Melodie, den som (oder assom) zu jeglichem neuem
Liede , dasselbe komponierend {ensoar -^-^ sonum dare). Fehlte ihm diese
Gabe, so rief er einen seiner sachkundigen Bediensteten zu Hülfe; oder er
passte seinen Text bereits vorhandenen Melodien an, wie wir wissen denen
des En Sordello ., oder bretonischen, oder portugiesischen Weisen, unfreie
»Folgelieder« schaffend. — Erhalten ist uns keine einzige weltliche Melodie,
nur die Musik der geistlichen Cantares von Alfons X. Dass diese entschiedene
Ähnlichkeit mit der provenzalischen Musik hat, — dabei aber dennoch ganz den-
selben Geschmack zeigt, wie er in den gallizischen und portugiesischen Lände-
reien noch jetzt im Volke herrscht (?) — , und dass auch die Notierungsweise
übereinstimmt, ist die Ansicht aller Sachverständigen *, Ähnlich wird es sich
also auch mit den weltlichen Melodien verhalten. — Das Hauptinstrument, das
jeder Spielmann , gut oder schlecht , zu gebrauchen wusste , war die Fiedel
citöla"^. Fiedel spielen heisst citolar. Spielte Jemand schlecht, kratzte er {rascar
Vat. II 06 und 1107)1 so ward er verlacht und verhöhnt. — Doch beherrschten
manche Troubadours und Spielleute noch andere Instrumente. — Auf den Vignetten
erscheint die Harfe; die mit dem Bogen gestrichene vierseitige Viella; das mit
dem Piektrum berührte Psalterion in mannichfacher Gestalt; die Guitarre; und
als begleitendes, den Saiteninstrumenten oft beigegebenes Instrument die
Schellentrommel {-^pandeiro, wenn sie rund ist, und adufe wenn viereckig), das
Tambourin und die Kastagnetten (in Parallellogrammgestalt) 6. Ob die ver-
schiedenen Kombinationen der Instrumente thatsächlich zu bestimmten Ge-
dieh tgruppen gehörten, bleibt dahin gestellt. '^ Auch ist es unmöglich zu ent-
scheiden, ob wirklich alle Cantigas^ auch die Schmählieder (!), gesungen wurden,
oder ob es »dizeres« gab (wie Santillana anzunehmen scheint.)^
^ Ausser den in § 39 erwähnten Dichtern, deren Werke abhanden gekommen sind,
hat es sicher noch manche andere gegeben! Und wer weiss z. B. ob das unfindbare Liederbuch
des span. D. Juan Manuel Portugiesisches oder Kastilianisches enthielt? Er schrieb be-
kanntlich vor 1329 ein lihro de Cantigas, und vor 1335 ein libro de las reglas como se deve
tr-ovar ! Und was waren die poemas en lengua gallega antigita del tiempo del Rey D. Alonso
cl Sabio, die Argote de Molina um 1600 sah?
2 Die Zweifel, welche D ie z darüber äussert, (Kunstpoesie p. 102) sind ungerechtfertigt.
=» S. z. B. Vat. 930. 931. 928. 1042. 1073. 1077. 1078. 1087. 1097. Von einem
livro dos sons spricht Vat. Nr. 72,
* S. z. B. Terreros, Soriano Fuertes und Arabros, Geschichte der Musik II 232.
■'' Dass Alfons X. sogar einen Spielmann Citola anredet (Vat.~}) ward schon gesagt.
^ Dass das Wort rota gar nicht vorkommt, ist auffällig.
■^ Die 16 Vignetten bieten uns: Je einmal die Fiedel und die Harfe allein; zwei
Mal beide Instrumente zusammen; zwei Mal die blosse Guitarre; vier Mal das Psalterion
mit Kastagnetten; zwei Mal die Fiedel nebst Kastagnetten; ein Mal Guitarre mit Kastag-
netten ; und drei Mal Fiedel nebst Schellentrommel. Das Tambourin erscheint nur in einem
verzierten Buchstaben.
* Dafür dass dizeres so viel wie ("spottende) Sprechlieder bedeutet, im Gegensatz zu
cantares, könnte man ausser dizedor (dezidor) noch andere Ableitungen anführen : ditos für
Witzworte (bans tnots) ; dichotes für grobkörnige Witze, und ditados (deytados) für senten-
ziöse Verse.
Melodie u. Vortrag der Minnelieder. Bibliogr. — Epos. 203
48. BiBUOGRAPHiE : a. Texte: i) C.Stuart, Fragmentos de hum Cancio-
neiro inedito que se acha na Uvraria do Real Collegio dos Nobres de Lisboa.
Paris 1823. — 2) C. Lopes de Moura, Cancioneiro dEl Rei D. Diniz.
Paris 1847. — 3) Varnhagen, Trovas e Cantares de um codice do XIV seculo,
Ott antes, tnui provavelmente 0 livro das cantigas do Conde de Barcellos. Madrid
184g. — Dazu Postscript iwi und Novas Paginas de notas. 1868. — 4) Grüz-
macher, Zur gallicischen Liederpoesie in Jahrbuch VI p. 357 — 361. 1865. —
5) Varnhagen, Cancioneirinho de Trovas antigas. Wien 1872. — 6) E.
Monaci, Canti antichi portoghesi. Imola 1873. — 7) ly&rs.^ Cantos de ledino.
Halle 1875. — ^) Ders. , // Canzoniere Portoghese della Bibliotheca Vaticana.
Halle 1875. — 9) Th. Braga, Cancioneiro Portuguez da Vaticatui. Lissabon
1878. — 10) E. Molteni, // Canzoniere Portoghese Colocci-Brancuti. Halle
1888. — 11) W. Storck, Hundert altportugiesische Lieder. Paderborn 1885.
12) P. E. Wagner, Altport. Lieder, komponiert. Paderborn 1886. — b. Kri-
tisches: 1825 Raynouard in Journal des Savants p. 485 — 495. — 1830
Dicz in Jahrb. f. wissenschaftl. Kritik, No. 21 und 22. — 1835 J-P'Ri-
hz'xxo^ Reflexöes philologicas. No. II. — 1840 Bellermann, Z>/<r a//^« Z/V^/<fr-
bücher etc. — 1842 Rivara in Panoranux I p. 409. — • 1844 J. da Cunha in
Panorama III. — 1844 Ders. , in Acta das Sessöes da Academia Real. — 1847
Diario do Governo No. 191, — 1847 Revista Populär W.. — 1849 Costa
e Silva, Ensaio \\. — 1859 Wolf, Studien. — 1863 Diez, Kunst- u. Hof-
poesie. — 1871 Th. Braga, Trovadores. — 1877 Ders. in Zschr. I. —
1880 Canelloin Saggi di Critica Letter aria. — 1885 Th. Braga in Revista
dos Estudos Livres. — Auf Jeanroy sei hier, nachtragend, noch einmal hin-
gewiesen (s. S. 160).
II. EPOS.
49. Von den cantares romances der hispanischen Volksdichtung, welche
klassische , karolingische , bretonische und peninsulare Stoffe behandeln und
von dem Anteil, den der Westen- und Nordwesten vermutlich an ihrer Aus-
gestaltung genommen, war schon in Abschnitt C die Rede; und ebenso von
dem apokryphen Cßz/a-Gedichte y>el primer poema heroico que liallamos ... en
Espana<i. ." — Das früheste echte Kunstepos in portugiesischer Sprache, ^ von
dem wir sichere Nachricht und wenigstens einige magere Überreste besitzen,
entstand am Ausgang der ersten Epoche. ^ Es behandelt einen heimischen
und zeitgenössischen historischen Stoff, jenen gewaltigsten Sieg des 14. Jhs.,
welchen Spanier und Portugiesen mit Flotte und Landheer, gemeinsam,
über die marrokanische Völkermacht bei Tarifa, am Flüsschen Salado, den
30. Oktober 1340 erfochten. Von dem Sturm nationaler Begeisterung, den die
rühm- und erfolgreiche Waffenthat weckte, ist das portug. Poema da Batalha
do Salado keineswegs der einzige Nachklang. Der Dichter desselben, ein im
Übrigen unbekannter Affonso Giraldes, der als Augenzeuge und Mitkämpfer
zugegen gewesen sein soll und wird*, schrieb sein historisches Gedicht, (dem
' Faria-e-Sousa, Epitotne ed. 1674 P- 409 und Europa II p. 372 § 69.
- Die Frage , ob es sachlicher ist , alle alten leonesischen (resp. bercianisclien und
astur, wie galliz.) Schriftdenkmäler zum westlichen Sprachgebiete zu rechnen oder zum
Kastilischen , ist noch nicht einmal aufgeworfen worden , selbst von denen nicht , die sich
im Spezieilen damit befassten. Aus durchaus begreiflichen Gründen. Vergleicht doch selbst
Saco-Arce die Sprachformen seiner ga 11 i zischen Muttersprache lieber mit dem
Kastilianischen als mit dem Portug.
* Dass das betreffende Gedicht acto continuo im Jahre 1340 verfasst wurde, behauptet einer
von den wenigen, die es gelesen, Frei FranciscoBrandäo. Ob mit Recht ist unerweislich.
* Auch diese Behauptung stammt aus Brandäo's Feder. — Dass der Dichter ein
ßdalgo portuguez gewesen, ist eine als Thatsache hingestellte Vermutung von Am. de los
Rios IV p. 413.
2 04 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
die, welche es gelesen, den Titel Romanze, möglicherweise auf eigene Faust,
gaben'), wahrscheinlich im Dienst und Auftrage seines königlichen Herren,
Alfons IV., vielleicht gar als berulsmässiger Spielmann oder segrcl, der mit dem
Absingen nicht nur lyrischer Cantigas sondern auch mit dem Hersagen epischer
Cantares de gesta (in kastilischer oder leonesischer Sprache? oder selbst in
französischer Zunge?) gleich vertraut war. Denn , obwohl in halb-volks-
mässigen, glatten und geschmeidigen Redondilhenstrophen mit überschlagenden
nach Belieben stumpfen, oder klingenden, oder zwischen beiden alternierenden,
Reimen abgefasst^, ist das Gedicht, welches das Leben und die sonstigen
Thaten des portugiesischen Königs mit in sein Bereich zog, und das glanz-
und ruhmvolle Auftreten gerade der portugiesischen Recken bei Salado
gewisslich besonders hervorhob, dennoch eine höfische Reimchronik, deren
an und für sich poesievoller StofiF, erfundener poetischer Ausschmückung ent-
raten konnte. — In Inhalt wie Form ist das Poema do Salado ein Pendant
zum Poema de Alfonso Onceno ^ , welches in kastilischer Sprache über den
gleichen Gegenstand auch von einem Kampfgenossen gedichtet ward, (viel-
leicht Namens Rodrigo Eannes'*, und jedenfalls von einem Unterthan
des biien rey de Castiella e Leon) mit dem einzigen, naturgemässen, doch mar-
kanten Unterschiede, dass dieser das Leben und die Thaten seines Herrn
und Königs, und die Schlachttriumphe der Kastilianer besonders feiert,
über Portugal und seinen König (»den schlummernden Löwen«), sowie Admiral,
Flotte und Heer des Nachbarlandes hingegen manch kritisierendes Wort äussert.
Für entschieden verfehlt halte ich den Versuch die 2456 Coplas des gleichfalls
unvollständigen spanischen Gedichtes für Portugal zu vindizieren, und darin
eine fast wörtliche Übertragung eines beliebigen unbekannten portugiesischen
(resp. galliz.) Originals zu erkennen, wie J. Cornu will 5, oder gar eine Über-
setzung des fragmentarisch erhaltenen Gedichtes von Affonso Giraldes, wie
Th. Braga nachzuweisen überkühn unternommen^. Dass hie und da aus
den Sprachformen der kastilianischen Reimchronik ein portugiesischer (oder
einfach ein leonesischer) Untergrund durchschimmert — besonders im Per-
fektum der Verben da, wo sie den Reim bilden — gebe ich ohne weiteres.
' Frei Antonio Brandäo. Sein Neffe Francisco spricht nur von rimas.
^ Bellermann wollte in einer der portug. Strophen jambischen Tonfall, in einer
anderen trochäischen Rhythmus erkennen. Soweit der Begriff trochäisch überhaupt fin-
den Romanzen-Achtsilbler passt, haben wir ihn auch auf den fallenden Wandel im Poema
do Salado anzuwenden.
* Gedruckt von Janer 1863 in Sonderausgabe, und 1864 im 57. Bande der Bibl. de
Aut. Esp. nach dem Escurial-Manuskript, das der grosse Humanist und Staatsmann Mendoza
1513 in Granada entdeckte.
^ Den Namen Rodrigo Yanes nennt die 1841. Strophe des Gedichtes. Ob damit
nur der Schreiber oder der Redakteur der merlinischen Prophezeiungen (1807 bis
1844, doch vgl. 242—246) gemeint ist, (die vielleicht interpolirt sind), oder der Dichter
des ganzen Epos, lässt sich hier nicht brevi manu entscheiden.
^ Die geistvolle Hypothese des scharfsinnigen Prager Gelehrten kennen seine Freunde
bisher leider nur durch mündlichen Bericht, oder (wie ich) durch Briefe. Sie stützt sich
auf die Beobachtung, dass die 3. Pers. des Perf in -6 r= avit (port. oii) nur mit sich selbst
reimt : iö — ivit (pg. iu) ebenso ; und ebenso io = evit (pg. eti).
* S. Curso 94—99 und Questoes 143. — Früher ehe Cornu gesprochen, z. B. im
Manual ()h neigte Braga dahin, das portug. Gedicht für Nachahmung des span. zu er-
klären. — Schon Milä (foes. Her. -Pop. p. 417) hatte (1874) Zusammenhang beider Werke
angenommen, es unentschieden lassend, welches von beiden Vorbild und welches Nachahmung
gewesen sein möchte. Ich sehe die Notwendigkeit eines solchen Abhängigkeitsverhältnisses
durchaus nicht ein. Nur aus dem Mangel an sonstigen altportug. Epen Hesse sie sich be-
gründen , nicht aber aus der Wahl des Stoffes. Irgend welche Vereinbarung zwischen
den beiden Kampfgenossen, ja eine Art Wettgesang zwischen den Vertretern der beiden
Könige und ihrer Völker ist hingegen sehr wohl möglich.
Affonso Giraldes, Batalha DO Salado u. a. 205
auf Grund selbständiger Untersuchung, zu^. Diese Thatsache aber ist keines-
wegs auf das Poema beschränkt, sondern eignet mehr oder minder der ganzen,
stark nach Westen weisenden altspanischen Litteratur. Und ich erkläre sie
daraus, dass der Verfasser — er heisse nun Rodrigo Eannes oder anders, er
stamme aus Zamora oder Logrono oder sonstwoher, und sei mestre de Christo
em Portugal gewesen, oder nicht^ — daran gewöhnt war, wie so viele
seiner Zeit- und Berufsgenossen, auch portugiesisch zu sprechen, oder wenig-
stens zu dichten, und dass er nur auf Wunsch und Befehl des königlichen
Auftraggebers,^ (als dessen secretario ihn der kluge D. Diego de Men-
doza hinstellt "*) , fiir seine gesta semi-popular das Kastilische wählte, ver-
geblich nach voller Spracheinheit ringend. — So dürftig auch die über-
lieferten Reste des portugiesischen Gedichtes sind (40 Verse in 4 kleinen
Einzelfragmenten von i -|- 2 -j- 6 + i Vierzeilern 5) so steht seine Echtheit
wie sein Charakter und der Name des Verfassers, den gewiss der Text mit-
teilte, ausser Zweifel. Im Jahre 1433 schrieb der Infant D. Pedro an seinen
Bruder, König D. Duarte, den Urenkel Alfons' IV., in einem Glückwunsch-
briefe, den ich besitze, »er möge seines Landes so segensreich walten, dass er es
seinem Sohne ebenso hinterlassen könne, wie Affonso Giraldes schreibt,
dass König Dionysius sein Reich dem Nachfolger vermachte«^. —
Zwei Jahrhunderte später befand sich das Gedicht im Besitze des Reichs-
historiographen Frei Antonio Brandäo (1581 — 1637') und nach ihm ver-
* Dass C o r n u gerade auf diesen Punkt viel Wert legt, deutete Anm. 5 S. 204 an. T h.
Braga berücksichtigt eine einzige der einschlägigen Strophen (1500). Im Übrigen entdeckt er im
span. Gedichte und in den port. Fragmenten zw^ei gleichgestaltete P hr äsen ! Beide Dichter
reimen nämlich auf den Namen des portug. Bannerträgers Go n (ja l(o) Gomes de Azevedo
die Formel sin medo (pg. sem medo), und verwenden den Satz : todas estas cortesias este rey mandoii
fazer {s^an. ellnien rey hizo faze)\ — Hauptinhalt mein er Ergebnisse ist, dass modernes J —
avit darum nicht mit io = ivit und evit reimen konnte, weil der Verfasser, nach westlicher (d. h.
altleonesischer und gallizischer, im Portug. streng durchgeführter) Yolksart das Perfek-
tum der er-Kon]. von dem der /r-Konj. noch trennte, d. h. nicht für beide, iö, noch auch iü und
eü sprach, sondern iu (resp. to) und eu (resp. eo). Nur so sind die Strophen 62 1, 1500, l88y.
2199 und 2418 erklärlich, in denen die Zeilen 1 und 8 in ö, die Zeilen 2 und 4 in cu
reimen (oder in hi oder umgekehrt). Ein Portugiese hätte nimmermehr wie in Strophe 40.
294- 320 1031. 2150 und 2181 geschieht morio (pg. morre'u) mit vio sirvio complw salio oyo
gradescio reimen können, wohl aber ein I>eonese, dessen Mundart kastilisches wmr (neben
portug. morrer) besass. Im Übrigen fehlt im Gedichte 61 Mal der Reim (resp. die Assonanz)
gänzlich; 121 Mal ist er unvollkommen, gleichviel ob wir den Text portug. oder kastilisch
lesen; 87 Mal haben wir im Kastilischen gute Reime, wo die entsprechende portug. Lesart
reimlos bliebe (alle Formen von ieiier, venir und poner eingerechnet, die natürlich eine andere
Deutung verlangen), und nur 57 Mal wird der im Kastil. als Konsonanz unvollkommene (als
Assonanz aber im Volksstile zulässige imd im Leonesischen gute) Reim im Portug. voll-
kommener. Facit wie oben : Der Dichter war einLeonese, aber höchst wahr-
scheinlich gewohnt, das Portug. als Dichter zu handhaben!
2 Die Prosachronik Ferdinands IV. nennt in Kap. 4 einen Rodrigo Yanez, de
Zamora; einen eben solchen aus Logroüo nennt die Chronik Alfons' XI. Kap. 18
(nicht 21), und ebenso den Ordensmeister (l354).
* Daran, dass Alfons XI. das Kasti 1 ische begünstigte und pflegte,
sogar schon im lyrischen Troubadourliede, sei hier noch einmal er-
innert.
* S. Amador de los Rios IV 413.
" S. Braga, Curso p. 95—97 und Antologia Nr. 41, wo jedoch eine Strophe fehlt!
Von nur 2 erhaltenen Strophen reden irrtümtich Bellermann und Wolf. im Manual
p. 65 wird fälschlich von 12 Strophen gesprochen.
* E porem, Senhor, vos trabalhay quanto poderdes como as primicias de vosso reinado
sej'am praziveis a Dens e proveitosas a vossos sogeitos, e [como] crecendo em melhar por multos
annos, acabeis em seu servifo e leixeis vossos reynos ao Ifante meu senhor e
vosso filho em aqiielle potito que Affonso Gyraldes escreve que 0 deixou
El Rey Dom Denis ao seu.
' Monarch. Lusit. III: liv. X cap. 45. Brandäo sagt: um romance tenho que
trata da batalha do Salado composto por Afonso Giraldes etc. Vgl. Curso 95.
2o6 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
wahrte es sein Neffe und Fortsetzer Frei Francisco Brandäo (1601 — 1680),
der drei Stellen daraus anfuhrt ' und sein Manuskript gelehrten Freunden wie
Faria-e-Sousa2, Padre Joäo Soares de Brito^ und Jorge Cardolo
(1606— 1669) mitteilte. Dieser letztere kopierte den vierten BruchteiH. Alle
Späteren, auch Bluteau'* und Barbosa Machado,^ verwerteten ausschliess-
lich die Angaben ihrer Vorgänger. Niemand hat hernach das Manuskript
wiedergesehen'. Auf seinen Inhalt und die Art der Darstellung kann man
jedoch Schlüsse ziehen, wenn man, ausser den 10 erhaltenen quadros , die
lat.-portug. Schilderung im Cartorio da Si de Lisboa und die dem Livro de
linhagens eingefügte lebensvolle Darstellung der Schlacht, vom Grafen Pedro
Affonso de Barcellos, liest, der selbst mit dabei gewesen ist; sowie anderer-
seits das spanische Poem und die spanischen Prosaberichte ^.
50. Das vierte unter den erhaltenen Bruchteilen lautet: »Outros falam
da gran razom De Bistoris, gram sabedor, E do Abbade Dom Joam Que venceo
Rei Almanfor^. Es stellt ausser Zweifel, dass um die Mitte des 14. Jhs. noch
andere romanzenartig erzählende Gedichte von anderen Autoren existierten.
Als Beispiel nennt Giraldes ein Poem über den unbekannten grossen Weisen
»Bistoris« (oder Abistoris? Lesefehler für Aristotlis = Aristoteles? das
wäre eine poetische Version der Secreta^^ secretortim'^.) und ein zweites über
den Abhas Laurbanensis {de Lorväo) und seine sagenumwobene Verteidigung
der Veste Montemör gegen den Kalifen Almanzor von Cordova (888). —
Sie sind spurlos verschollen und mit ihnen alles was sonst etwa Ähnliches
vorhanden war.
' Mon. lus. V, liv. XVI cap. 13 (gedr. 1650). In diesem Kapitel über Pay Correa
wird die .Strophe über seinen Urgrossneffen , den Bannerträger Gon^alo Gomes de
Azevedo. citiert. Im folgenden Bande (gedr. 1672), liv. XVIII cap. 5, werden betreffs der
Bestimmungen über die Tracht der portug. Juden und Mauren die zwei Strophen über die
sinaes und ahnexias kopiert. Im 32. Kap. folgen die weiteren sechs über Kindheit,
Jugend und Heimat Alfons' IV.
2 Epitonie (gedr. 1628/29. 1663. 1674. 1677. 1736) liv. IV cap. 18; EuropaWl 354
und 11 170; Asia, No. 82 des Elencho das obras manuscriptas . Überall wird, fast mit
Brandao's Werten, Alonso Giraldes kurz citiert und sein Foema mredondillas de la
hatalla del Salado en que se hallö.
* Theatrum Lusit.: A No. 11.
* Agiologio Lusitano, vol. I p. 328 (gedr. 1652). Wie Bellermann dazu ge-
kommen ist, das Datum 1757 anzugeben, weiss ich nicht. Bezeichnet es etwa die Zeit, w^o
der Padre Antonio dos Reis, seinen Enthtisiasmus Poeticus schrieb, und unter No. 1 92
(Corpus Poetarum, vol. VIII) des Giraldes gedachte.
^ S. Vo^abulario vol. I p. 270 (1712) s. v. Almexia. Dass Bluteau die Beleg
stellen dem Manuskript entnahm, ist eine willkürliche Behauptung. Er benutzte Brandäo.
« Bibl. Lus. I p. 37.
' Weder P. Francisco Freire, Reflexoes III 59; noch Bei 1 ermann p. 21 und
48; A. de los Rios, Judios 50; Milä oder Wolf, Jahrb. VI 92 und Studien 87 und
720 etc. Aus dem Datum eines Wiederabdrucks der Monarchia Lusitana folgern zu wollen,
das Manuskript .sei noch 1751 vorhanden gewesen, wie Braga thut (Curso 97), ist min-
destens unerlaubt!
* üb es so frisch, dramatisch und volkstümlich war, und so viele Romanzenformeln
und -Zeilen wie das span. Gedicht enthielt, niuss natürlich dahingestellt bleiben.
* Jorge Cardoso, der die Legende vom heiligen Abte erzählt, fügt hinzu : Corrobora
se mais esta verdade com hum Romance que nos communicott 0 Chronista Mor Fr. Francisco
Brandäo, 0 quäl allega ja seu tio na j Parte da Mon. Lus., feito em tempo del Rei D.
Afonso IV por Afonso Giraldes cerca da memoravel batalha do Salado, e recontando 0 que
cantäräo tnititos em seus Poemas diz assi etc. Braga, der diesen Passus (wie auch den Hin-
weis darauf bei Barb. Machado und Bellermann) hätte kennen müssen, las die be-
treffende copla, welche zur Einleitung gehörte, nur bei A. de los Rios (IV 41 3). unf'
baute darauf die müssige Hypothese : »der span. Litterarhistoriker habe vielleicht ein hand-
schriftl. Fragment des port. Saladogedichtes besessen". Auch die Idee, der gratn sabedor
Bistoris sei der biblische Engpass Betzacharah(\), wird sich keinen Freund erwerben.
'** Die Segredos besass z. B. D. Du arte.
Affonso GiRALDES. — Prosa : Charakter. Histor. Schriften. 207
III. PROSA.
51. Über die ältesten Denkmäler in ungebundener Rede sind wir sehr
ungenügend unterrichtet. Von dem Wenigen was sich bis auf unsere Tage
erhalten hat, ruht das meiste noch ungedruckt und unverwertet in portugie-
sischen oder ausländischen Bibliotheken und von zahlreichen , heute ver-
schollenen Büchern »em linguagem«, deren Titel uns erhalten sind, weil sie
einst, im 15. Jh., in den Bibliotheken portugiesischer Könige und Fürsten aut-
bewahrt wurden, wissen wir nicht einmal mit Sicherheit, ob sie überhaupt
em portugtiez, oder in irgend einem anderen romance vulgär abgefasst waren '.
Soweit man urteilen kann, war jedoch die Prosaproduktion der ersten Epoche
eine äusserst dürftige. Die Wissenschaften, die sich mit der Aneignung dessen
begnügten was frühere Zeitalter und fremde höher kultivierte Nationen gefunden
hatten 2, und die Geschichtsschreibung, die kaum mehr that, als kurze anna-
listische Notizen lose aneinanderzureihen, bedienten sich des Lateinischen,
und nur wo man bestimmte Kenntnisse vulgarisieren wollte oder musste,
griff man zum Portugiesischen. — Unbeholfen tastend, in kleinen Sätzen, von
denen jeder für sich dasteht, oder in unlogischen und ungelenken Fügungen,
wenn man den lateinischen Periodenbau oder die provenzalisierenden Dich-
tungen nachahmen wollte , begann die Prosa wie überall später und ent-
wickelte sich langsamer als die Poesie, so dass man eigentlich für sie eine
besondere Periodeneinteilung vornehmen müsste, deren früheste erst mit dem
Jahre 1300 beginnend, bis weit über 1400 hinausdauerte (1450). Das Jahr
1350 oder 1385 bezeichnet jedenfalls keinen Abschnitt für die im Werden
begrifiene Prosagcstaltung und gewisse (nicht alle) Werke des 15. Jhs. gehören
nach Stoff, Geist und Sprachstil noch durchaus der ersten Periode an'^. —
Was vorhanden ist, hat teils kirchlichen, teils höfischen Charakter, be-
schränkt sich aber in beiden Fällen fast ausschliesslich auf Übersetzungen oder,
bald resümierende, bald paraphrastische Bearbeitungen lateinischer, französischer
oder spanischer Vorbilder. — In den Klöstern und Klosterschulen vulgarisierte
man einzelne Bücher der heiligen Schrift — Genest — Os Evafigelhos — Os
Actos dos Apostolos — O livro de Salamäo^ — oder etwas später die ganze
Bibel — Blivia — , sowie dazu gehörige Erläuterungen — Collaföes — ; dazu
fromme Legenden, Märtyrer- und Heiligenleben — Livro dos Martires — Livro
dos Padres Santos — ; Ordensregeln, Gebete, Erbauungsschriften und Predigten
— Fregaföes, Meditaföes — und moralphilosophische Abhandlungen, nicht
selten in Form von Beispiel- oder Sentenzensammlungen. Auch zeichnete man
daselbst summarische Regesten auf. Bei Hofe kompilierte man Adels- und
Jagdbücher 5 und Pallastgesetze, schrieb gleichfalls kurze Chroniken und ergötzte
sich an der Lektüre und Übertragung der grossen altfranzösischen Ritter-
romane und Fabliaux, die man direkt oder auf Umwegen übernahm, sowie der
^ D. Du arte's Bücherverzeichnis nennt zuerst 20 lat. Werke (de latim) die er be-
sessen, dann 64 romanische em Hngoagem; und wir wären unbedingt berechtigt, portug.
Texte darunter zu verstehen (wo nicht ausdrücklich y>per casteläo oder per aragoez etc. ge-
sagt ist), stände nicht, zum Unglück auch einmal per parhigues neben einem der Werke.
2 S.Port Mott. Hist. : Scriptares, vol. I. — Mindestens zwei bedeutende Beiträge steuerte
Portugal jedoch zum mittelalterlichen Bücherschatze bei: die Snmmulae Logicales und den
Thesaurus Panpertim des schon früher genannten Petrus Hispanus.
* Herausgeber wie Herculano (in den Scriptores) und Frei Fortunato de S.
Boa Ventura in seiner Collecgäo de Ineditos Partuguezes trennen die Texte des 14. jhs.
gar nicht von denen des 15.
* Möglich ist, dass das altportug., natürlich unbekannte Livro de Salomäo der humo-
ristische Salomäo-Marcolpho war.
^ Ob vor D. Joäo I. irgend ein Livro de Monteria oder de Cetreria portug. ge-
schrieben ward, bleibt noch zu erweisen.
2o8 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LllT.
berühmtesten unter den mittellateinischen, in der ganzen europäischen Litte-
ratur umgehenden Geschichten (aus der Disciplina ckricalis, s. II i , 210; Gesta
Romanorum, s. II i, 321 und Septem Sapientes, s. II i, 321). — Es wirkt daher
fast befremdend und erweckt begreifliche Zweifel, wenn man erfährt, dass eine,
ganz vereinzelt dastehende, selbständige und epochemachende Kunstschöpfung
noch aus den Tagen des Königs Dionysius stammt. Dennoch scheint es heute
gewiss, dass am Hofe dieses Monarchen, also vor 1325, der erste Amadis-
Roman erfunden ward. (S. u. § 55.)
52. Historische Schriften. Von allen eigentlich juridischen Do-
kumenten, wie sie von 1192 an zuerst spärlich und erst von 1250 an etwas
reichlicher auftauchen, ist hier selbstverständlich zu abstrahieren, so viel des
wissenschaftlich Interessanten sie auch bieten 1. Nur von Chroniken und Adels-
büchern haben wir zu reden. Von den letzteren zuerst, weil sie umfang-
reicher sind und Sitte, Geist, Denkungsart und die vulgäre Redeweise der Zeit
treuer und lebendiger abspiegeln als die meist summarischen Aufzeichnungen
der ältesten Geschichtsbücher. — Wir besitzen vier verschiedene Redaktionen
der livros de linhagem (denen das 16. Jh. den vornehmeren Titel »Nobiliarios«
gab). Zwei sind vollständige Werke (I u. IV), das eine ältere ist kurz, das
jüngere breit angelegt ; die zwei anderen sind unvollständige Bruchstücke, von
denen wiederum das ältere (II) knapp, das jüngere aber weitläufig ausgeführt
ist (III). Alle sprechen die Sprache des 13. und 14. Jhs., d. h. die Sprache
der Troubadours. — Geschlechtsregister muss es vom Beginn der Monarchie
an gegeben haben , mit Angabe der Allianzen , Stiftungen , Rechte und Ver-
dienste der einzelnen Adelsfamilien. Sie hatten unbedingt offiziellen Charakter,
d. h. waren »escripturas« und gehörten zum Staatsarchiv {chancellaria; camara
del Rey; Recabedo re^ni). Da sie in stetem Werden und Wachsen begriffen
waren, wurden Neuschriften mehrfach nötig. Als die individuelle Arbeit
Einzelner sind sie daher nicht zu betrachten; selbst die dem Grafen von
Barcellos zugeschriebene jüngste, mit vielem Beiwerk ausgestattete Redaktion
nur mit Vorbehalt.^ — I. Die älteste erhaltene trägt meist den Titel Livro
velho^. Sie verzeichnet die portugiesischen Geschlechter von 1085 an bis
nach 1300, und ward auf höheren Befehl angelegt*, ich denke, bald nachdem
im Lateranischen Konzil von 121 5 über die Erlaubtheit von Heiraten unter
Verwandten neue Beschlüsse gefasst waren. Zu den schlichten Namenlisten
sind drastische Necknamen und bereits kurze Andeutungen über hervorstechende
Schand- und Heldenthaten hinzugefügt, nebst einer Einleitung über Grund
und Zweck des Werkes. Die letzten Zusätze zu dem 1343 transscribierten
Exemplar, auf das sich unser Wissen basiert, sind nach 1328, dem Geburts-
jahre Peters des Grausamen, geschrieben &. — • II. Das zweite Adelsbuch ist
* Y g\. Port. Mon. Bist.: Diplomata et Chartae. — Inquisitiones. — Leges et Consuetudines.
^ Abgedruckt stehen alle vier in der ebengenannten akademischen Publikation , im
Bande dtr Scrip tores , vol. I p. 132 — 390. Die beste Untersuchung lieferte Herculano,
(ebenda p. 132 — 143 und in den Memorias da Academia, vol. I l854), doch sind seine Aus-
führungen weder fehlerlos noch erschöpfend, wie auch die Textbehandlung an mancher
kleinen Schwäche krankt.
* Um 1580 entdeckte der Fälscher Lousada die aus der Torre do 7b/«(5ö stammende
Handschrift von 1343, welche mit dem Schlusssatz endet: Ego Martimis Joann. scripsi
era MCCCLXXXI-^ Brandäo benutzte sie 1634; ein gewisser Torre fertigte danach für
den Herzog von Abrantes eine Kopie, welche Sousa, der Verfasser der Historia Genealo-
gica 1739 in den y>Provas« vol. I p. 141 — 173 abdruckte. Was aus dem alten Ms. geworden,
ist unbekannt. Herculano konnte Sousa's Text mit zwei weiteren Kopien kollationieren.
* Vermutlich war der Auftraggeber ein König (Sancho II. oder Alfons III.). Der
in der Schlussrubrik genannte Dekan von Lissabon Hess wohl nur die A b schrift für sich
herstellen. y>Faze7nos escrever este livro«. heisst es in der Einleitung.
'' Nicht vor 1318, wie Lousada meinte, gewisse Angaben und Sprachformen mis-
verstehend {seve das Perf. von seer = sedere hielt er, wie alle späteren Herausgeber, Her-
Prosa: Historische Schriften. 209
ein knappes Fragment, welches äusserlich dieselben Schicksale wie das Livro
vdho durchgemacht hat und meist unter jenen Titel mit einbegriffen wird, ge-
hört jedoch zu einem anderen Werke von abweichender Anlage. Ausser der
Würze, die schon jenes bietet, enthält es eine ausführliche Geschichtslegende:
A lenda de Gaya (aus dem Salman-Morolfzyklus)!. — III. Das dritte Adels-
buch ist seit dem 16. Jh. mit dem Cancioneiro da Ajuda zusammengebunden,
sicherlich weil der Besitzer in beiden Pergamenten des 14. Jhs. Reste der
Werke des Grafen von Barcellos zu erkennen glaubte. Vorhanden sind heute
nur Kapitel 21 bis 35 (das erste wie das letzte, und noch mehrere andere, nur
halb)-. Die fortwährenden »Allegationen« und Verweise auf Vorangehendes
und Nachfolgendes geben jedoch unfehlbar sicheren Aufschluss darüber, dass
das Buch ursprünglich aus mindestens 58 (und vielleicht 76) Abschnitten be-
stand, deren Inhalt wir rekonstruieren können 3. Und zwar stimmt das Vor-
handene wie das Fehlende nicht absolut, aber dennoch so genau zu den
entsprechenden Teilen des Grafenbuches, dass wir es fiir eine alte, im 1 4. Jh.
zu praktischen Zwecken als Nachschlagebuch und zur Aufnahme von Nach-
trägen angefertigte , doch bereits überarbeitete Kopie des verlorenen Grafen-
originals zu betrachten haben. — Eine Sonderbeilage, die allen übrigen Abschriften
fehlt, bildet im 2 1 . Kapitel eine leider fragmentarische, lebensvolle Schilderung
der Schlacht am Salado, auf die ich schon hindeutete (§ 49). — Gemeinhin be-
zeichnet man dies Adelsbuch als -»Nobiliario do Collegio dos Nob^res«. (§ 46).
IV. Das letzte, — welches die Kritik »<? Livro do Condcs. oder >^ Nobiliario do
Conde D. Pedro« nennt, — wird noch heute im Staatsarchive (Torrc do Tombo)
aufbewahrt, doch nur in einer Pergamentabschrift (von 228 Blättern) aus dem
Ende des XV. Jhs.*, ist ausserdem aber in zahllosen Codices auf der ganzen
Halbinsel verbreitet. Das Original, dessen der Graf in seinem Testamente
nicht gedenkt, ist verloren^. Auch reproduziert weder III noch IV den Text
genau so wie er aus der Feder des Grafen (vermutlich vor 1325 und auf
Wunsch und Auftrag seines Vaters D. Dinis)^ hervorging. Beide Texte enthalten
deutlich erkennbare Zusätze ^ und Interpolationen, im Einklänge mit und als
culano nicht ausgeschlossen, für se ve d. h. für das praes. von reflex. ver). — Doch sind
keineswegs alle Stammbäume bis zu dem Datum 1328 fortgeführt.
1 S. Ro7}iania VII 46 1 und IX 436.
' Die Kapitel heissen » Titulösv. (wie in der Poetik) und zerfallen wiederum in Para-
graphen.
' So viele (76) Kapitel bietet nämlich das vierte Livro de linhagem. Verweise auf
die letzten 18 Abschnitte kommen nicht vor, wahrscheinlich weil die in demselben be-
handelten, wenig bedeutenden Familien keinen Anlass dazu gaben; vielleicht aber auch weil
jene einen späteren Zusatz bilden (?). Dass er sein Werk also einteilen und behufs leichterer
Orientierung sich der »Allegationen« bedienen würde, hatte der Graf im Prologe vermerkt.
In der ältesten vorhandenen Abschrift aus dem 15. Jahrbuch fehlen jedoch, wohl infolge der
Bequemlichkeit der Schreiber, oder weil durch Zusatzparagraphen die Ordnung verschoben
war, die Paragraphen-Nummein. In Fragment III bestehen sie noch zu Recht.
* Noch 1693 war diese Ersatzkopie ungebunden; und ein ganzes Heft, das abhanden
gekommen war, musste nach einem guten Exemplar der Bragaitgas ergänzt werden ! Heraus-
gegeben ward das Nobiliario zum ersten Male 1640 durch J. B. Lavana (Rom); dann
(Madr. 1646) durch Faria-e-Sousa in spanischer Überarbeitung.
* Auch das Original ward sicherlich im Staatsarchiv aufbewahrt, und die vorhandene
Kopie darnach gefertigt, als jenes sachlich oder materiell unbrauchbar geworden war. Nur
die Auffassung, die Adelsbücher seien zu den Escripturas gerechnet worden, macht begreif-
lich, dass z. B. König D. Duarte kein Exemplar davon in seiner Bibliothek barg.
* D. Dinis Hess gründliche Inquirtgots in allen Klöstern des Landes anstellen.
■^ Sie sind erkennbar durch Inhalt und Fassung. Was z. B. über ihn selbst in dritter
Person berichtet wird (p. 227 und 313; 193 und 29O; 256; 257) und was die Regierungs-
zeit Peters I. von Kastilien, und Peters von Portugal, sowie seines jungen Erben betrifft,
kann der Graf z. T. überhaupt nicht, oder s o nicht geschrieben haben. Doch nicht allein
Aussagen, welche zeitlich über seinen Tod (1354) hinausgehen, auch manche viel früher,
ÜKÖBER, Grundriss. IIb. I4
2IO LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER, — 4. PORT. LllT.
Antwort auf die ganz natürliche , vom Grafen selbst im Prologe geäusserte
Bitte, »die Nachkommen möchten seine Angaben vervollständigen« ^ Beide
haben auch hie und da, doch nicht ganz gleichmässig, schlimme Anekdoten aus-
radiert, und sich gegen einzelne Darstellungen des Grafen aufgelehnt 2. Daran
zu zweifeln, ob III und IV wirklich das Grafenbuch repräsentieren, sehe ich
keinen stichhaltigen Grund. — Von I und II entfernen beide sich erheblich (IV
ist zehnmal so umfangreich wiel). Während jene nur von portugiesischen Familien
handeln, beschäftigen diese sich auch mit Kastilien, Aragon, Leon, Gallizien
und Navarra, ja sogar mit Frankreich und Brittanien. Jene wollen nur Klarheit über
die Familienbeziehungen schaffen; diese versuchen Weltgeschichte zu schreiben.
Dort erfahren wir nur kurze Anekdoten, hier ausführliche Geschichten und Sagen.
Jene schliessen unter D. Dinis ab ^ ; das Grafenbuch aber führt bis zu den Leb-
zeiten König Ferdinands. Dort haben wir keinen Hinweis auf irgend eine
Quelle, hier sagt uns der Verfasser er habe »mit heissem Bemühen« die alten
Geschlechtsregister 4 und viele Dokumente durchforscht, das Land durchreiscnd'%
und verweist ausserdem auf die Siete Partidas , die Estoria de Espanha und
die Weltchronik Alfons' X (möglicherweise auch nur auf die darauf basierte
Chronica abreviada seines Freundes und Vetters D. Juan Manuel); ferner
erwähnt er die estoria do Conde Fernan Gonzalez und mit Rücksicht auf den
Cid auch die Chronica dos reys (d. h. das Lib. Regtwi) und »ouiros livros
viuitos« ; er zitiert eine estoria de Troia, kennt Merlint, Arthiis, Lancelot; den
BrtU; die Isla Avalon; die Doze Pares; den Aristoteles (Segredösf); die Bibel
(a leemda und a %>edra ley) u. a. m. Er fügt die Sage von König Lear ein, sowie
die Mährchen von »Dame Ziegenfuss« und vom »Meerweibe« und berichtet
besonders Genaues von den Thaten und dem Charakter seiner portugiesischen
wie spanischen Zeitgenossen. — Als einen unentbehrlichen Kommentar zu
den realistischen Spott- und Schmähgedichten, aber auch zu den Liebesliedern
des Cancioneiro, haben wir die vier Adelsbücher zu betrachten. Als historische
Quellen ziemlich unbrauchbar^, sind sie sittengeschichtlich sehr wertvoll.
j!j. Chroniken. An erster Stelle, obgleich in der einzigen vorhandenen Hs.
erst vom Jahre 1 39 1 {erai/\.2()) datiert, steht eine ganz kurze sogenannte »Chrotnca
breve do Archivo National«^' die ihren Namen mit Recht trägt, denn sie
besteht aus nichts als einer Reihe dürrer und loser annalistischer Notizen über
vor 1343, niedergescliriebene Nachträge stammen nicht mehr aus des Grafen Feder, der sein
Werk, meiner Ansicht nach, vor 1325 abschloss und seihst nicht wieder berührt hat.
* E rogo a aquelles que depois mym veerem e vontade oitverem de saber os linhagens,
que accrecentem em estos titolos deste livro aqtielles que adiantc decenderem dos nobres fidalgos
da Espanha, e os ponham e esprevam nos logares hu conve»t.
2 So wird 7,. B. im Tit. 35 eine vom Grafen erzjihlte Skandalgeschichte für eine
apostiUa de maldizer erklärt. — Man sollte annehmen dürfen, dass alte Zusätze zu einem im
Staatsarchive niedergelegten historischen Dokumente nur aus der befugten Feder der Reichs-
chronisten und Guardas stammen können, oder in ihrem Auftrage durch die Escriväes das
Escripturas da Torre gefertigt wuiden. Ob aber Fern am Lopes oder Joäo das
Regras, die beide das Grafenbuch ergiebig benutzt haben, wie angenommen worden ist,
thatsächlich einige davon schrieben, wird sich kaum entscheiden lassen. Ich halte alle
Zusatz-Bemerkungen für älter als jene beide Autoren. Von systematischem Weiterbau
ist übrigens nicht die Rede. Nicht einmal was des Grafen Genealogie angeht (z. B. seine
dritte Heirat) wird gebucht.
* Ganz vereinzelte Zusätze, wie die Notiz über Alforis IV., abgerechnet.
^ Er spricht von escripturas que fallavam dos linhagens, und benutzte thatsächlich und
selbstverständlich das Livro velho, und gewiss noch andere uns unbekannte Geschlechtsregister.
^ Poren eu, Conde D. Pedro, filho do inuy nobre Rey D. Dinis, ouve de catar por gratn
trabalho por tmiitas t er ras e veemdo as escripturas com grande estudo, c em como
fallavatn doutros grandes feitos, compuge estc livro.
^ Der G eschichts Schreiber darf sie ^um Babel de quantos con tos absurdes se foram
Jorjando duranle a idade medial, nennen.
' Port. Mon. Ilist. : Scriptores T j). 22 -23.
Prosa : Chroniken. Fromme u. lehrhafte Schriften. 211
das Leben (d. h. Regierungsantritt, Todesjahr, Begräbnisstätte und Descendenz)
der "ersten sechs portug. Könige von 1150 bis 1325. ^- Denselben Zeitab-
schnitt behandeln bedeutend ausführlicher und Thaten berichtend, die bereits
dem 15. Jh. angehörigen vier -»Chrotiicas breves e Memorias avulsas de S. Cruz«^.
und das -»Liuro da Noa de S. Cruz« das lateinisch beginnt und portug. fortfahrt
(bis 1406).''^ — Hübsch und interessant ist eine mit gefälligen Legenden verbrämte
Darstellung der Eroberung Lissabons und Gründung des Vincenzklosters y> Chro-
nica dos Vicentes« oder -»da fundafäo do Moesleiro de S. Vicente de Lixboa« 3, die
als freie, doch treue (nur mit Hülfe der Tradition und uns unbekannten Quellen
erweiterte) Bearbeitung eines 1088 geschriebenen, auf den Bericht zweier Augen-
zeugen basierten lateinischen •» Indiculum<i. zu betrachten ist. •* — Die dem
Geiste nach verwandte » Vida de D. Tello e Noticia da Ftindagäo do Moesteiro
de S. Cruz de Coivibra« ist viel später entstanden (15 s.)^. — Hinzu kommt
nur die »Chronica da Conquista do Algarve«^^ und die legendenartig gehaltene
Vida de S. Isabel, Portugals heiliger Elisabeth ". — Übertragen wurden , an-
geblich auf Befehl des D. Dinis, aus dem Spanischen Stücke der Seite Fartidas,
d. h. die sich mit römischem Recht befassende Fariida- 1^, die VVeltchronik
Alfons' des Weisen als -»Estoria geral«. 9, die Coronica de Hespanha '*^ und ver-
mutlich auch die »Gran Conquista de Ultramar«. ^^ Aus dem Arabischen u. a.
durch den Kapellan Gil Peres die Geschichte und Geographie der Halbinsel
des Mauren Razis de Cordova^'^.
53. B. Fromme und lehrhaft-didaktische Schriften. — In Alco-
ba^a und S. Cruz, wo frühe vorzügliche gelehrte Schulen entstanden, ward
fleissig übersetzt, kompiliert und kopiert, und aus der Handschriften-Bibliothek,
besonders des erstgenannten Klosters, hat sich mancher wertvolle Band ge-
rettet '3. Auch die Namen einiger emsiger schriftgelehrter Mönche aus Alcobaga
sind durch die Hss. überliefert (Frei Hilario da Lourinhä, Hermene-
' Port. M(m. Hist., p. 23—32.
^ Sous.i, Provas I, 375— 390; Espana Sagrada, Bd. 23.
* ib. p. 407 — 414, nach einem Ms. der Torre do Tombo. Einen besseren Text liess
Johann III. 1538 in S. Cruz drucken. Eine Neuausgabe davon erschien 1873 in Porto. Vgl.
ßraga, Questöes, p. 123 — 128: Primordios de Historia Portttgtteza.
* Scriptores p. 91 — 94. Die Gewährsmänner hiessen Fernam Pires und Otha,
(sie) natione theutoniais. Letzterer war wahrscheinlich einer der kölnischen oder lothrin-
gischen Kreuzfahrer , die bei der Erstürmung Lissabons mithalfen. Den fremdländischen
Berichten steht der portug. an historischem Werte bedeutend nach, wie Ulrich Cosack
bewiesen (Dr.-Dissert. v. 1875).
* ib. p. 75 — 78. Der Dominikaner Padre Alvaro da Motta arbeitete daran 1455.
* Memorias de Litteratura vol. I p. 74 — 98 und Scriptores 415- 420.
'' Ein Exemplar des Livro da Raiftha Dona Ilizabeth gehörte 1415 dem »Standhaften
Prinzen«. — Brandäo druckte es nach einer im Kloster der heiligen Klara aufbewahrten
Handschrift in Mon. Lus: VI p. 495 — .534-
8 Bibl. de D. Ikiarte Nr. 80.
* Bibl. de D. Duarte No. 24. Die Madrider Nationalbibliothek besitzt eine Handschrift,
die bestimmt aus dem 14. Jh. stammt (X 14). Spätere Abschriften in etwas veränderter
Sprache und mit Zusätzen, die bis 1455 reichen, finden sich in Lissabon (Torre do Tombo)
und Paris; einen Abdruck (von 192 Seiten) begann 1863 in Coimbra der Dr. Nun es de
Carvalho. Vgl. Bibliographia Critica p. 142.
'" Eine Estoria de Espanha em long. port. besass D. Duarte Nr. 26 und 55, wie
auch Isabella die Katholische. Heute ruht eines der Exemplare im Eskurial, noch un-
verwertet.
" Auch dies Werk beherbergte D. Duarte No. 57.
'^ Vgl. Documetitos e Memorias da Real Academia da Historia 1724, Heft XVII p. 9
und XIX p. 6. — Dazu Nie. Ant. No. 280.
'* Ein Teil dieser Schriften befindet sich in der Lissaboner National-Bibliothek ; ein
Teil im Staatsarchiv. Der alte Index Bibliolhecae Alcobatiae (Liss. 1775) giebt den oft viel-
fältigen Inhalt der Pergamente nicht vollständig an. Vgl. Romania Y^ Z'iA und Fernandes
Thomas, Bote /im Bibliographico I 211 — 212.
14*
2 12 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
gildo de Payopelle, Hermenegildo de Tancos, Francisco de Mel-
gago, Bernardo de Melgago, Nicolau Vieyra u. s. f.). Gedruckt sind,
Dank der Fürsorge eines sachkundigen Klosterbruders , ' Bruchstücke einer
alten Ordensregel des Heiligen Benediktus ; eine Deutung der zehn Gebote ;
eine Darstellung der Apostelgeschichte ; eine Bearbeitung des alten Testa-
mentes (nach Petrus Comestor)''^. — Eine Vida de S. Eufrosina; eine
Legende der S. Maria Egypcia; zwei Dutzend kleiner Beispielserzählungcn
über die »Todesstunde, Sinnenlust und Keuschheit« veröffentlichte neuerdings
J. Cornu^. Eine Anzahl Mährchen mit moralisch-didaktischem Zweck zog Th.
Braga aus einer »Des Bräutigams Lustgarten« [Orto do Sposd) betitelten Bei-
spielsammlung'*. — - Von weiteren zahlreichen, kirchlichen und erbaulichen
Büchern , die noch der Veröffentlichung harren , sind dem Stoffe nach die
interessantesten zwei Bearbeitungen der Himmel- und Höllenvision des Tun g-
dal^ (s. II, I, 277), und die beliebte Legende vom »seligen Leben des Infanten
Josaphat*'. Dazu kommen eine Blütenlese lehrhafter Sentenzen unter dem
Titel: »Trostgarten« {Virgeu de Consolafäo)^ angeblich nach einem spanisch-
lateinischen Viridarium des S. Pedro Paschal, de Jaen'; eine Bearbeitung
der y> Dialogos << des h. Gregorius (s. II, i, io6); eine andere der Meditaföes
des h. Bernard (s. II, i, 202); ein »Soliloqiiium« des h. Augustinus, ein
y>Libro das Conßssöes<.<. (1399)^; ein ascetisches y> Gaste llo Per igoso«. 1362 von
Frei Victorio de Braga'^; verschiedene Nationalisierungen des Johannes
Cassianus und zahlreiche ans Novellenhafle streifende Heiligenleben — alles
natürlich in mehr oder minder enger Abhängigkeit von lat., frz. und span.
Vorlagen ^0.
54. C. Romanhaftes. — Aus dem antiken Sagenkreise hat sich nur
eine Historia Troyana erhalten, in einer im Dezember 1350 vom Schreiber
Nicolas Gonzales vollendeten Hs., deren Text aus dem frz. Roman de Troie
des Benoit de Sainte-More geflossen ist^^ — Dass auch der Hannib a l ww^
der Julio Cesar, welche um 1430 in D. Duarte's Bibliothek standen, auf frz.
Bearbeitungen beruhen , ist wahrscheinlich , obwohl bereits klassische Werke
zum Besitzstande des gelehrten Königs gehörten 12. — Der spätgriechische Aben-
* Frei Fortunato de S. Boa Ventura, Collecgäo de Ineditos Portwtiezes dos
secidos XIV e XV; Coimbra 1829; 3 Bde.
* Regra de S. Bento. Os Dez Mandamentos que som dictos »noraaes e naturaaes : Ex-
plicagäo — Os actos dos apostolos — Historias abreviadas do testamento velho.
' Romania XI.
* Contos Tradicionaes, vol. II p. 38 — 60. Dieser i>Orto do Sposo, edeficado de tnuitos
exemplos para instrucgäo e recreagäo das almas«. scheint beliebt gewesen zu sein. Auch D.
Du arte und der Condestavel D. Pedro besassen Exemplare davon. Untersuchungen
über Vorlage oder Quellen fehlen noch gänzlich.
* Estoria de htm cavaleyro que chamaiä Tungtdu. Cod. 266 und 273-
* Vgl. Braga, Curso p. 115.
■^ Wohl derselbe Traktat, vi^elcher dem Italiener Bono Giamboni vorlag, als er
um 1290 seinen y>Giardino della Consolazione<i. schrieb (gedr. Florenz 1836).
* Cod. Ale. 251 — 252.
' Cod. Ale. 276 ; nach franz. Vorbilde.
'" Ob die nach Gautier de Coinsy gearbeitete Crescentialegende noch vorhanden
ist, (de latim tresladado en frances, et de fratices en gallego), deren kastil. Version IMussafia
herausgab (Wien 1866), ist zweifelhaft.
" Osuna-Bibl. I No. 16 (heute in der Bibl. Nac). Vgl. A. de 1 os Rios IV 344
und Mussafia, Span. Version A^x Historia Trojana. Wien 1871. Der portug. Text stimmt
vollkommen mit dem span. überein ; auch der Schreiber ist nur einer. Vgl. Crescentiasagc
und Vespasian!
'* Braga (//ist. da Universidade p. 222 und 226) denkt heute an Caesar 's nCom-
tnetttariosi. und gleichzeitig an Sueton's De Julia Cesare\ sow^ie an eine Vita Hannibalis.
Früher {Introducfäo p. 241 und 247) war er abweichender Ansicht, und dachte, wie ich,
an die mittelalterlichen Romane.
Prosa: Romanhaftes. 213
teuer roman von der heissen und treuen Liebe zwischen Flos und Bianca flos,
der später auf den portug. ritterlichen Liebesroman grossen Einfluss gewann und
in der Volksromanze noch heute weiterlebt, war zwar schon 1245 dem Trou-
badour Joam de Guilhade bekannt (wie später dem König D. Dinis), doch
ist keine Spur eines altportug. Prosatextes zu entdecken. — Auch die in Spanien
so beliebten heldenhaften karolingischen Motive sind in Portugal so früh nicht
verwertet worden. — Der bretonische Cyklus hingegen, die Artussage,
die mit den keltischen Traditionen so viele kirchliche Legenden verwebt hatte,
das bretonische Harren auf die Wiederkehr des Königs, die Zauber- und Weissage-
kunst des Merlin, die mystische Graalssage, die Liebestragödie Tristans und Isoldes
und das in jenen wirren und zuchtlosen Zeiten so wundersam berührende Ritter-
ideal, welches der »reine Jüngling« Galaaz darstellt, fand schon in der ersten
Epoche Bewunderer und Nachahmer. — Alfons X. zitiert wie oben gesagt
wurde, nur Tristan e Iseu, Merlin und Artus. Sein Enkel erwähnt das Liebespaar;
dessen Kanzler Estevam da Guar da weiss vom Abenteuer des Merlin mit
der Fee Vivianc, seinem körperlosen Wohnen im Dornbusch und seinem durch-
dringenden Geschrei (hrado) ' ; ein anderer Minnesänger gedenkt des »bellenden
Graalsungetüms« (s.^ 44); Rodrigo Eannes deutet die Prophezeiungen Merlins;
der Graf von Barccllos benutzt die Historia regum Brittaniae etc. Doch
das beweist nur Bekanntschaft, nicht Einbürgerung. — Dafür dass je-
doch auch letztere noch während der Troubadour-Epoche eintrat, legen die
fünf bretonischen lais mit ihren Prosazuthaten Zeugnis ab. Und aus noch
manch anderer Thatsache muss man folgern , dass es damals bereits portug.
Prosabearbeitungen (resp. Übersetzungen) der altfranz. Tristan-, Lancelot- und
Merlin-Romane wie der Graalssage gab. Ich erwähne hier nur, dass ich
schon 1359 >Lan(arote« als portugiesischen Taufnamen nachweisen kann^;
dass bereits unter König Ferdinands Regierung der Santo Condestavel,
Nunalvares Pereira, den Helden der Demanda do Santo Graal, die er
»estoria de Galaaz«. nennt (em que se continhi toda a somma da Tavola Re-
donda), zu seinem Vorbild und Ideal auserkor; dass 1385 König Johann I.
mit seinen Kriegern bei der Belagerung von Coria über die Tugenden der
»Ritter von der Tafelrunde« reden konnte^, und besonders, dass der Aus-
arbeitung des Amadis-RovcidiVi?, unbedingt eine gewisse Vertrautheit des Lese-
publikums mit den übersetzten bretonischen Romanen, ja eine Art Fanatis-
mus für dieselben vorhergegangen ist*. — Was man besass, war, dem An-
schein nach, eine Prosakompilation in drei Teilen. — Der erste, betitelt
Joseph al> Aramat/iia, erzählte die Vorgeschichte der Abendmahls-Schüssel. Der
zweite, ein Merlini oder Conto do Brado^ der die Stiftung der Tafelrunde meldet,
bildete das Bindeglied zwischen jener noch halb sagenhaft - historischen Ge-
schichte und dem eigentlichen Ritterroman. Der dritte Hauptteil war eine
»Qiieste du Saint Graal« ^ welche die Abenteuer der Artusritter und besonders
des Galaaz behandelt. - — Dazu kam vermutlich ein Tristam ; ein Lanf arote ;
und ein Band mit merlinischen Prophezeiungen ^. — Vorhanden ist heute
^ Vat. 930 »All wie es Merlin geschah, der da sterben musste, weil er sein grosses
Wissen mitgeteilt einer Frau, die ihn zu Oberlisten verstand, gerade so hat sich zu Grunde
gerichtet Martini Vaasques, soviel ich von ihm gehört ; denn ihn hat eine Frau getötet,
welche er zu seinem Leide sein Wissen gelehrt. Und gerade darum fällt es ihm schwer,
weil er ihr die Mittel gegeben , ihn zu bannen an eine Stätte , wo er erwarten muss den-
selben Tod, an dem M e r 1 i m gestorben und wo er schreien wird bis an sein Ende« etc.
^ In Spanien gab es schon 1344 den Taufnamen Lajtgarote^ auch Falken trugen schon
damals diesen wie den Namen Galvan.
* Galaaz, Tristam, Latifarote, Qiua und Artus.
* D. Duarte besass ein L'ivro de Tristäo (No. 29); O livro de Galaaz (36) und
Merlim (33). (S. Braga, Introduc(äo und Utiiversidade).
* Wie beliebt sie waren , zeigen zahlreiche litterarische Anspielungen und Nach-
2r4 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
der bedeutendste dritte Teil der G^r^d-Z-Geschichte: die leider unvollständige
»Demanda do Sancto Graal«. Ihr Held ist Galnaz^, sie spricht voll und ganz
die Sprache der Troubadours, ob auch die einzige Hs., (der Wiener Pergament-
kodex No. 2594) aus dem 15. Jh. stammt; beruft sich ausdrücklich auf einen
Franzosen, Robert de Boron', den Verfasser der Graals-Trilogie in Versen
{Arimathie — Merlin — Perceval), dem auch die Prosakompilation der Queste du
S. Graal zugeschrieben ward ; gedenkt jedoch auch einer älteren lateinischen
Version; weist öfters auf früher Berichtetes zurück, und vorweg auf den Tod
des Artus; nennt sich selber mehrfachst einen dritten Teil; zitiert aus-
drücklich den zweiten als ein -»Conto, Livro oder Romanfo do Brado"^'^ und
erwähnt ausserdem noch eine Estoria de Tristam, die estoria grande de Lan-
f arote und ferner eine estoria de Pärcivaß^ als wären es besondere Werke*.
Hie und da tritt auch der namenlose Bearbeiter der portugiesischen Version,
wo er sich von seiner Vorlage entfernt, in erster Person redend auf"*. — Erst
ein Drittel des Werkes ist gedruckt ß, so dass das genauere Studium zunächst
noch unmöglich bleibt'^. — Vorhanden ist ferner ein erster Teil der Graals-
sage, d. h. ein Joseph ab Arimathia. Als solchen betrachte ich wenigstens die
-»Estoria do Emperador Vespasiano«, oder das »Livro da Destruifäo de Jerusalem« 8.
Denn wenn auch die altchristliche Legende und das sagenhaft historische
Element in diesem Werke überwiegt, so sind doch seine Beziehungen zum
bretonisierten Graalromane deutlich charakterisiert. An die Geschichten von
der Heilung des aussatzkranken Kaisers Vespasian (ga/o) durch das Schweiss-
tuch der heil. Veronika, welche durch den römischen mestresala Gays nach der
Stadt geführt wird, von der Eroberung Jerusalems, der Bestrafung des Archelaus
und des Pilatus, und dem Hungertode der Clarissa, knüpft sich der Bericht über
die Befreiung des Joseph von Arimathia aus dem Gefangnisse in Acre, wo er
40 Jahre gesessen, getröstet vom Heiland, dessen Leib er vom Kreuze ge-
nommen und begraben hatte, und erhalten durch die Wunderkraft der ihm über-
gebenen Abendmahls-Schüssel ^. Auch ein ausdrücklicher Verweis auf eine
ahimingen ; das Volksbi'iclilein vom Feiticeiro Merlim oder Melrim, und die Phrase
vom melrinho. Dass ein Buch »merlinischer Prophezeiungen« unter vielen anderen
Prophecias in der Torre do Tombo ruht, behauptet Braga. (hitrod. p. 228 und Canc. Pop.
p. 207 und 216).
' Z. B. in Kap. 39. 62 und 170.
2 Drei Mal im 3g. Kap., ferner auf fl. 179l). l8oa. 181 a. 193a. 194«.
' Dabei sei erwähnt, dass Meraugis de Portlesguez keineswegs, gleich dem Torrent of
Portugal, ein echo longinquo de Portugal ist, wie Coelho {Bibl. Grit. p. 143) und Braga
annehmen. Porlesguez ist nichts als par-les-gues, per-les-vaus {cL par -ce-val). Die
Demanda do Santo Graal (p. 60) nennt den fraglichen Helden Meragis do Porto dos Vaos.
* Dürfte man aus den spanischen, spcäter Oberarbeiteten und gedruckten Werken einen
Schluss ziehen, so käme zum Merlim (Baladro und Prophecias 1498 und 1500); Joseph de
Arimathia (=: Vespasian, 1496 portug. und 1498 span.); Santo Graal oder Galaaz (1515.
1535); Tristan (1501. 1528. 1533. 1544); Lanzarote 1528 (?j und Parcival (\h2f)) noch ein
besonderer Artus hinzu (1501).
5 S. Kap. 39-
® K. V. Reinhardstoettner verdanken wir die VeröflFentlichung der ^Historia
dos Cavalleiros da Mesa Redonda e da Demanda do Santo Graall (Berlin l887)- Erster Bd.
von 142 S. (77 Bl. von 199). Siehe über das Werk : 1838 J. Mone, Attzeiger ^\\\ 1856F.
Wolf, Priimvera p. XXXIV; 1859 Ds. Studien p. 502; 1865 Ds. vhev Paoul de Hotidenc
p. 183; 1870 Varnhagen, Cancioneirinho p. 165 — 169, und 1872 Cavallarias; Braga,
Introducfäo 207; Poetas Palacianos p. 13; Manual \X\\ Questöes 96; Curso 145. Vgl.
Romania X 335 ; XVI 582 ; XVII 1 80 ; X VIII 589 und G r o e b e r XII 284 sowie B o e h m e r ,
V 557.
"^ Was ich über den bretonischen Sagenkreis auf der Hali)insel an Materialien zu-
sammengetragen, bleibt daher zunächst unbenutzt, weil unfertig.
* So wird der Vespasian in der Liste der Bücher genannt, welche Emanuel an den
Joao Preste das Indias sandte.
* Im 23. Kap. heisst es: »/? em quanto esteve na pr es am tomou ante si 0 sancto
grao continuadamente 0 quäl Ute enviou nosso senhor Jesu- Christo logo como foy im presam.
Prora: Romanhaftes. Amadis. 215
Fortsetzung als Livro do San Graao (sie) fehlt nicht. ^ Ein französisches
Vorbild wird nicht erwähnt; der Name Robert de Boron nicht genannt.
Als Verfasser werden vielmehr Jacob, der Vater Mariae Jacobi, Joseph von
Arimathia selbst und besonders sein Vetter Jafel angegeben^. Dass Jakob,
Jafel und sein Neffe, wie auch der mestresala Gays, bei ihrer Christung
in Rom andere Namen empfingen und daher später vermutlich unter neuer
Bezeichnung auftreten, wird wenigstens angedeutet 3. Welch hohen Ansehens
das Werk in Portugal genoss , geht daraus hervor, dass es schon 1496 ge-
druckt ward*, und dass König Emanuel etwas später ganze 100 Exemplare
davon — unter lauter rein religiösen Werken — an den Preste das Indias
versandte! Das heute in einem einzigen Exemplare vorhandene Werk^' be-
steht aus 29, zum Teil ganz kurzen Kapiteln und ist zweifelsohne eine stark
verkürzte Neuredaktion eines älteren, ausfuhrlicheren Textes, bei deren Her-
stellung im 15. Jh. die Sprache wie gewöhnlich modernisiert worden ist**. —
Die ältere dem 14. Jh. angehörige Textredaktion ist vielleicht noch vorhanden.
Im Jahre 1856 sah und benutzte Varnhagen (dessen Angaben ich vollen
Glauben schenke), ein handschriftliches ZzVr^ ^/^y^f^-^/^ Abarimathia intitu-
lado a Prinieira Parte do Santo Grial, das zwischen 1521 und 1557 nach
einer illuminierten Pergamenths. aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. kopiert ward
(vielleicht im Jahre 1312)'^. Soweit sich aus den Kapitelüberschriften ergiebt, er-
zählte es genau das Gleiche wie der 1496 gedruckte Vespasian^ nur in breiterer
Form, falls wirklich die 29 Kapitel ganze 311 Blätter füllten. Ja ^s scheint,
als hätte die Weitschweifigkeit der Darstellung zu Klagen Anlass gegeben
(und also indirekt die abreviertc Form hervorgerufen), wenn die im Canäoneiro
de Resende vorkommende, dunkle Anspielung auf den -»cumprido mestreescola
ou Joseph (T Arimathia«^ sich thatsächlich auf das Varnhagen'sche Werk
bezieht, das ein mestre escola (aus Astorga, also ein Leonese) anfertigen liess^.
— Auch eine Historia de Lancelote, Lconel e Galvan lässt sich vielleicht noch
wieder ans Licht ziehen '^.
* y>Mas esto deixaro estar (sie!) porque yafel nö no poera em esqtuecimento ; e fallara
delle no livro do sancto graaoi.
* Kap. 2Q y>Esta estoria ordenaru Jacob e yosep abaramatia qiie a todas estas cotisas
foro presentes. E jafel que per sua mäao a escrifnuo etc.
' »it depois se batitizaro Jacob e Jafel e seu sobrinho e o mestresalla, e a muytos mttdarö
OS nomes.*
* -»Estoria do muy twbre Vespasiano Emperador de Roman. Am Schlüsse heissl es :
Foy empremida a presente estoria . . . em a muy nobre e sempre leal (idade de Lixboa per
Valentino de moravia a louvor de d's e exalcalm'eio da sua santaffe catholica na era de Mill
CCCCLXXXXVI. A XX dias do mes de abriU. — Zwei Jahre später ward das gleiche Werk
in span. Sprache in Sevilla gedruckt. Ams dem Schliisspassus zu schliessen, stimmt auch
liier wieder die portug. Textredaktion wörtlich mit der kastilischen überein.
* Bibl. Nac. dl Lisboa. Ich habe das kleine Werk genau studiert und mir, behufs
Herausgabe, eine diplomatisch treue Kopie davon anfertigen lassen. Den ebenso seltenen
Sevillaner Band kenne ich nur aus den Angaben Anderer.
" Die Unterschiede sind gering; vielleicht beschränken sie sich sogar auf Kontraktion
der 2. P. PI. aller Verben.
'^ S. Cancioneirinho p. 165.
» Vol. I p. 278.
® Die absonderliche Schlu.ssformel des alten Manuskriptes lautete: (fl. 311). Este
livro mandou fazer Joäo Sanches, mestre escola d'' Astorga, no ^^ anno qtu o estudo [de^ Coimbra
foy feito; eno tempo do papa demente que destroio a ordem del Temple, e fez 0 concilio gerat
em Viana, e pos )io interdicto em Castela ; e neste ano se finou a rainha D. Costafifa em S.
Fagundo \ e casou 0 Inf ante D. Felipe eom a filha de D. A. ano de 13 e Xll anos.
'" Aus der Bibl. des Conde-Duque ging in das Sevillaner Convento del Angel ein
Pergamentkodex ^■>em portuguesi mit dem oben angegebenen Titel über {Caja Ln 3). Vgl.
Gallardo, Ensayo No. 4541. Eine Kopie dieses wichtigen Codex habe ich noch nicht
erhalten können.
2l6 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — A. PORT. LllT.
DER AMADIS.
55. In der einzigen und relativ jungen Gestalt, in welcher dieses »be-
liebteste, schönste und einflussreichste aller im engeren Sinne sogenannten
Ritterbücher« uns erhalten ist, d. h. in der um 1480 niedergeschriebenen
(vermutlich seit 1492, ob auch nachweislich erst seit 1508 gedruckten)^ kasti-
lischen Textbearbeitung des Garci-Ordofkz de Montalvo (aus Medina del Campe),
welche von 1 540 an ihren Triumphzug durch Europa hielt, bis das ironische
Lachen des Cervantes ihm Einhalt gebot, gehört der Amadis'^ nicht der
ersten Periode, ja überhaupt nicht der portugiesischen Nationallitteratur
an. — Trotzdem muss an dieses Stelle die Rede vom »Urvater des modernen
Romans« sein, der zum erstenmale Liebe ohne Zaubertrank zum Brennpunkt
des Lebensinteresses seines Helden machte, die Ungeheuerlichkeiten seiner
übernatürlichen Thaten und wunderbaren Erlebnisse durch die menschlich
schöne Innerlichkeit seines Seelenlebens adelnd, und der kraft dieser echten Vor-
züge für den erotisch-phantastischen Prosaroman der Halbinsel das ward, was
Karl der Grosse für den französischen und Arthus für den bretonischen Sagen-
kreis gewesen ist, d. h. typisches Vorbild und Stamm oder Ausgangspunkt, an
welchen die späteren Ritterromane immer wieder anknüpfen. Denn ehe er welt-
bekannt wurde, hatte er, gleich dem Graal, dem Tristan und Lanzelot auf der
Halbinsel verschiedene Veränderungen durchgemacht. Die früheste verlorene
Redaktion aber gehört noch dem 13. Jh. an, ist, aller W^ahrschein-
lichkeit nach, das Werk eines portugiesischen Troubadours, und
ursprünglich in portugiesischer Sprache geschrieben.
56. Eine eingehende Erörterung der wichtigen und interessanten, schon
oftmals, doch nie und nirgends mit genügender Sachkenntnis, unparteiisch
und mit klarem, ruhigen Eingehen auf das gegenseitige Verhältnis der spanischen
zur portugiesischen Litteratur , wie auf den Sondergeist der beiden Nachbar-
völker behandelten Afnadis-¥xa.go, ist hier unmöglich, so erforderlich sie auch
wäre^. — Nur die wichtigsten äusseren litterar-historischen Gründe, welche
* Die Vorrede entstand nach Granadas Fall; der Text früher (zw. 1465 und 92).
- Schon an den Namen Amadis knüpft sich so manche Frage. Ist er eine willkür-
liche, auf der Halbinsel entstandene Abänderung aus dem frz. Amadas (engl. Amadace) lati-
nisirt zu Amadasitts} d. h. eine wohlklingendere Analogiebildung zu dem portug. Namen
Dinis? also Amad-ysius ? Man vergleiche einerseits: Belis Fiis Leonis Luis Belianis Beller is\
Assiz Aviz-^ Moniz Mariz etc., und andererseits das alte Adj. amadioso, heute (a)mavioso.
Oder gab es eine frz. Form in -is, wie die bereits 1292 vorkommende ital. (Amadigi) wahr-
scheinlich machen würde, falls sie erwiesen echt wäre (s. Rom. XVII 185)? Oder sprach
man ursprünglich gar Amddis- Amddes, als wäre es eine patronymische Ableitung von Amädo,
also »Sohn des Geliebten« ? Der Roman selber erzählt, sein Held sei nach einem in Klein-
Brittanien sehr gefeierten Heiligen benannt worden. Ist 5. ^wfl/«j gemeint? odtr Amadeus}
Amandus gewiss nicht.
* Ich hoffe das Buch vom Amadis noch zu schreiben und darin endgültig mit allen
falschen Angaben, Behauptungen, Hypothesen und Folgerungen aufzuräumen, die sich all-
mählich angesammelt haben. Die Frage nach dem Ursprung behandelten ausführlicher, und
zwar als Verfechter der span. Ansprüche:
a) Gayangos im Discurso Preliminar der Libros de Caballeria: 1857 (Bd. 40 der
Bibl. Rivadetteyra).
b) Amador de los Rios in Literattira Es/>anola, Bd. V, p. 78 — 97, 1864.
c) E. Baret in Z>e PAmadis de Gaule et de son influence, l873, (l. Ausg. 1853).
und besonders d) Braunfels in Kritischer Versuch über den Amadis von Gallien, 1876.
Vgl. Zeitschr. I 131 und Bibl. I p. 95. Centralbl. 1877 No. 46. Academia II p. 34- Posi-
tivismo H 1879. Alle vier schrieben jedoch ehe das Erscheinen des Canc. C. Br. und des Graal
der Frage eine neue und entschiedene Wendung zu Gunsten Portugals gab. Aber auch von
dieser Hauptsache abgesehen, irren sie sämtlich in zahlreichen Einzelheiten, Braunfels
keineswegs ausgeschlossen, der zwar sehr fleissig »gesehen« und »nachgeschlagen«, aber nicht
genug »gelesen«, »gedacht« und kombiniert hat. Was er über Zurara und den Cornea-
Prosa : Amadis. 217
für den portugiesischen Ursprung des Werkes und für das von mir ange-
nommene Alter ausschlaggebend sind, können aufgezählt werden.
57. Erstens: Der Ritter undRegidorMontalvo sagt selber klar und deut-
lich im Prolog und Titel seines Amadis, er habe ein altes, durch die Hand vieler
Schreiber (oder Schriftsteller = escritores) und einiger Setzer (=- componedores)
gegangenes Buch fortgesetzt, die vorhandenen Teile ^ aber im Stile verbessert,
d. h. modernisiert, und mit schönen zeitgemässen, moralphilosophischen Be-
trachtungen geziert. Und zahlreiche, vor seiner Zeit liegende Anspielungen
(2X\{ Amadis, Oriana, Lisuarte, Florestan, Macandon, sowie die Zaubergründungen
des Apolidon und seines Neffen), die bis in die Jugend des spanischen Gross-
kanzlers Lopez de Ayala (1332 — 1407) zurückgehen^, stellen ausser Zweifel,
dass man bereits um 1359 in Spanien einen in 3 Büchern abgefassten Amadis-
Roman las, der im Wesentlichen mit dem vorhandenen übereinstimmte^.
— Irgend Jemand muss denselben in der i. Hälfte des 14. Jhs., oder noch
früher, geschrieben haben. — Wer aber, und in welcher Sprache, und wann,
darüber verlautet unter den Spaniern vor Montalvo kein Wort. Erst reich-
lich später, nachdem der spanische Text allgemein beliebt war, ja nachdem
er durch die französische Nachbildung von d' Herberay (1540) und die
italienische von B. Tasso (1544) Berühmtheit erlangt hatte, tauchten (in der
2. Hälfte des 16. und 17. Jhs.) litterarhistorische Notizen über den Verfasser
des »Ritter-, Tugend- und liebes-Spiegels« auf. Zum Teil verzeichnete man
einfach und durchaus sachlich (nur manchmal mit leisem Spotte) das aus
Portugal stammende, unbestimmte Gerücht über einen vermeintlichen Urheber,
Namens (Vasco) Lobeira*. Zum Teil verbreitete man aber auch selbständig
dador, Ferreira und den Infanten Aifons, Nunes de Leäo und Vasco de
Lol)eira,Faria-e-Sousa und Nicolas Antonio, den Tirant und den Palineiiini
mitteilt, ist z.T. unvollständig, z. T. felilerliaft, und führt zu ganz unannehmbaren Ergebnissen.
Als Anwalt Portugals (für das sich, ausser Clemencin, Bouterwek, Sis-
mondi, Puymaygre, Ticknor, Southey, Warton, ganz besonders einsichtig
Wolf und L e m c k e ausgesprochen hatten) trat am energischsten ein :
e) Th. Braga, zuerst 1871 in den Trovadores p. 203; dann l873 in Filol. Rom. I
fasc. 3 und vor allem im ^ Amadis de Gaula<.< l873; später (Braunfels kritisierend, und
zuletzt schon mit Rücksicht auf die neuesten Funde) in den Qtustöes p. 98 — 127 (1881)
und im Cnrso p. 145 — 152. Seine Amadis-Untersuchungen gehören zum Besten was Bra ga
geschrieben; sie treffen in der Hauptsache das Richtige; im Einzelnen aber ist seine Dar-
stellung und Argumentation eigentümlich ungenau und schief, besonders was die Briolanja-
Episode anbelangt.
Alles was zur Würdigung des Ro?nans und seines Einflusses hier zu sagen wäre, oder
seinen Inhalt und die ihm zu Grunde liegenden etwaigen bretonischen Stoffe franz., oder franz. -
engl., Redaktion betrifft, kommt dem s])anischen Berichterstatter zu; desgleichen die Biblio-
graphie der Amadis- Ausgaben , Fortsetzungen und Übersetzungen wie Nachahmungen. —
Grässe (1842), Brinkmeyer) 1844), Dunlop-Liebrecht (l85l)'Und Eticyd. Britt. s. v. Ro7nance
(1886) seien wenigstens genannt.
* üb es drei oder schon vier waren, bleibt unentschieden.
' Zu den ältesten bekannten von Braun fels gut erläuterten Stellen aus Ayala's
Rimado de Palacio Str. 162 und aus dem Canc. de Baena I p. 46; "3 und 168; 205 u. 239;
322 II 103 und 270 (der I.eipz. Ausg.) kann ich (unter anderen) eine etwas spätere, aber
sachlich wichtige, aus einem Gedichte von Juan Duefias hinzufügen (Canc. Inedito v. A. G.
Perez Nieva p. 70 und 71). in welcher der magische Blumenkranz als capilla und die
Festlandsinsel mit dem abweichenden Namen Insola del Ploro erwähnt wird.
* Wieviel von dem Texte, den wir heute lesen, dem ersten Erfinder, wieviel dem
spätesten Verf)esserer, und was etwaigen Zwischenarbeitern zukommt, lässt sich natürlich
sicher und reinlich nicht mehr ausscheiden. Doch ist es immerhin möglich, auch hierin
weiter als Braun fels zu gehen, dessen Ansichten über diesen Punkt ich übrigens im Ganzen
teile. Am Grundrisse hat Montalvo kaum etwas geändert : dazu war der alte Amadis zu
bekannt und zu beliebt. Auch lässt sich aus den Anspielungen folgern, dass die wichtigsten
Ereignisse und die Hauptcharaktere, sowie iiire Beziehungen zu einander bereits der frühesten
Redaktion angehörten.
* Die betreffenden Stellen aus Ant. Augustin und Nicolas Antonio, wie alle sonstigen
Zitate suche man bei Braunfels.
2l8 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — A. PORT. LlTT.
in Spanien entstandene Märchen über die Autorschaft, die durchweg boden-
und haltlos sind. Man nannte die Spanier Lopez de Ayala und Alonso
de Cartagena; einen spanisch-schreibenden Saracenen (von dem anachro-
nistischen Irrtum zu schweigen, der die heilige Therese ins Spiel zieht)';
oder man nannte hier einen »spanisch-schreibenden Portugiesen«, dort »eine
portugiesische Dame« , oder den angeblichen Vorfahren des Lusiadensängers
Vasco Peres (oder Lopes) de Camöes; dann wieder den vielgereisten
Infanten D. Pedro, und selbst den Fürsten D. Fernando de Braganga
(s. u. ^ 59 Anm. 2). 2
58. Zweitens: In Portugal hingegen wurde einLobeira als Verfasser des
Romans genannt, noch ehe Montalvo auftrat, seit dem Tage, wo sich über-
haupt der Amadis als in Portugal bekannt nachweisen lässt. 3 Und zwar ge-
denkt man seiner um 1450 ohne lauten Beifall, vielmehr furchtsam und mit
misbilligendem Tadel, dessen Hintergrund der Gedanke bildet, die so viel und
so gern gelesene »Estoria em estilo antiguo«. enthalte bloss eitel erfundene und
erlogene pairams, und nicht glaubwürdige feiios de cavalleria, wie die nicht
minder poesie- und abenteuerreichen portugiesischen Geschichtschroniken,
deren lange und glänzende Reihe der Anonymus, welcher die Chronica do
Condestavd schrieb, und der Vater der portugiesischen Geschichtsschreibung
Fern am Lopes bereits eröffnet hatten. — Die Nachricht über Fulano
Lobeira (sie stamme aus mündlicher Tradition oder aus handschriftlicher,
im Titel oder im Texte der alten Redaktion angebrachter Aufzeichnung) scheint
freilich , infolge echt portugiesischer Sorglosigkeit , nichts als eben jenen
Familiennamen aufbewahrt zu haben. In ihren Angaben über Zeit, Vorname
und Stellung des Dichters gehen wenigstens die verschiedenen portugiesischen
Berichte auseinander. *
Der erste Schriftsteller, welcher einen Lobeira als Verfasser des
Amadis erwähnt, war der Reichshistoriograph Gomes Eannes de Zurara
(oder d' Azurara, was geradesogut, und vielleicht noch echter ist) und zwar
in seiner 1450 begonnenen und 1463 beendeten Chronica do Conde D. Pedro
de Menezes (Liv. I cap. 63 p. 422''), in einer grammatisch zwar ungelenken,
logisch aber unanfechtbaren und keineswegs interpolierten Stelle^, in welcher
der aus guten Gründen mit litterarischen Zitaten freigebigst prunkende Autor,
der seine proluxidade unaufhörlich entschuldigt, das livro d^ Amadis als typisches
Muster weitschweifiger, auf Kleinigkeiten eingehender Fabelchroniken, in einem
Atem mit ^^x\ feitos de Ingraterra nennt, und dasselbe charakterisiert als »feito a
prazer de hum hörnern que sc chamava Vasco Lobeira etn tempo del Rey D. Fer-
' Eine der Hauptmitarbeiteiinnen am Reformwerk der h. Therese war die Leonesin
D. Ana de Lobera.
^ Zapata, Lope de Vega, Sarmiento, Salv.ä, Gallardo sind die Ver-
breiter der beziiglichen Gerüchte. Vom »berühmten« Goräus oderGorräus schweigeich
absichtlich, da ich ihn nicht kenne.
' Die Cancioneiros der 1. Epoche nennen den Namen Amadis nicht. Ebensowenig
die Nohiliarios und die gelehrten Kompilationen. In der 2. Periode herrscht das gleiche
Schweigen mit der einzigen, im Text besprochenen Ausnahme in einer Chronik, und
einer anderen in den lyrischen Dichtungen des Canc. de Res. aus dem Jahre 1483 (vol. I p. 7
und 14)! Noch auffälliger ist es, dass in keinem der uns bekannten altport. Bibliotheken-
kataloge der Roman verzeichnet steht.
* Die Schwankungen sind jedoch keineswegs so starke wie die span. Fürsprechei-
behaupten. Und für jede Angabe (mit Abzug einer einzigen) lässt sich der Daseinsgrund
ausfindig machen.
* Gedr. erst 1792 von der port. Akademie in den Ineditos de Hist. Port., vol. II.,
nach einer Handschrift aus dem Ende des 15. Jhs. —
* Ähnliche und viel schlimmere (aus dem ursprünglich beabsiciitigten Gefüge heraus-
fallende) Schachtelsätze, die halbe Seiten füllen, lassen sich aus Zurara's fünf Chroniken
und ebenso aus allen anderen Prosawerken des 15. Jhs. zu Dutzenden herausfinden.
Prosa: Amadis. 219
nando, sendo todalas cousas do dito Iwro ßngtdas do Autor«.. ' Oder nein,
nicht dem fleissigen Zurara, sondern einem noch älteren Historiker, der
zwischen 141 5 und 1450 Berichte über die afrikanischen Heldenthaten als
Augenzeuge niederschrieb, gehört die einschlägige Stelle. Nicht von Zurara
selbst, sondern von einem fremden »Comthur« ist in der ersten Hälfte des
Satzes die Rede, in dem es heisst y>Estas cousas, diz 0 Comendador que primeira-
mente esta historia ajuntou e escrepveo, väo assi escriptas etc. « ^
Einen Vasco Lobeira machte, etwa ein Jh. später (zwischen 1540 und
1550) der aus Porto gebürtige Appellations - Gerichtsrat und Privatsekretär
Johann's III., Dr. Joäo de Barros, in seinem reichhaltigen handschriftlichen
Werke über die Altertümer seiner Heimatprovinz^ namhaft. Warum? Um mitzu-
teilen, dass Lobeira zu den aus ihrer Hauptstadt Porto stammenden vater-
ländischen Grössen gehört."* Und da er nach Montalvo schrieb, fügte er
sachgemäss hinzu -»mas como estas cousas se secäo cm nossas mdos, os Castelhanos
Ihc mudarajH a linguagem e atribuiravi a obra a st«:. ^
Fast gleichzeitig (1557) zitierte den Lobeira dann in eigenartiger Weise
der Biedermann und Universitäts-Professor (der Rechte) Dr. Antonio Ferreira
(t '^569), dem Niemand so leicht ein unwahres oder leichtfertiges Wort nach-
weisen wird. Dieser charaktervolle Freund der port. Sprache, der nie eine
span. Zeile geschrieben, sich aber eingehend mit den altport. Litteraturdenk-
mälern beschäftigt hat (s. p. 184 Anm. 4) schrieb zwei Amadis-Sonettc »em
lingoagcm aniiga«, oder, wie 1598 sein Sohn als Herausgeber der «Poemas
Lusitanos« •> durchaus richtig bemerkt y>na lingoagcm que se costumava nestc
reyno cm tempo del Rey D. Dinis«, mit dem bedeutsamen Zusätze »que he a
mesma em que foi composta a historia de Amadis de Gaula, por Vasco de Lobeira,
natural da cidade do Porto, cujo original anda na Casa de Aveiro«"'. Eines
* Braunfels hält die Stelle für eine Fälschung. Doch ist seine Argumentation
hinfällig. Er kennt des Chronisten Werke und ihre Entstehung nicht zur Genüge , oder
heutet wenigstens das Wissenswerte nicht hinreichend aus.
2 Hier sei nur bemerkt 1) dass Zurara, der Regel nach, von sich selber zwar in
1. Person redet (bald im Sg. mit eu, bald im PI. mit nos), oft aber auch die Formel »rtVz
0 Autora auf seine eigene Schriftstellerthätigkeit bezieht (in Kapitelüberschriften und in
Parenthesen, wo er die Reden Anderer mit Apostrophen unterbricht), und dass diese Eigen-
tümlichkeit Braunfels irregeleitet hat; 2) dass Z. sehr oft und ausdrücklich verschiedene
ältere Berichte Ober einzelne Thaten erwähnt, die er mehr oder minder frei nachschrieb (z. B.
p. 3o8. 340. 476. 493. 523. 536. 561) und ihre Verfasser mit Formeln einführt wie y>Diz
aqui o Autor que escreveo os feitos que se passaram» ; 3) dass unter diesen Vorarbeitern
positiv ein Comthur war, der noch anderwärts als an der AmadisSieWt auftritt (z. B.
p. 280 y>Diz aqui aquelle Commendador que escrepveo esta Istoria); 4) Wer der Comthur
gewesen ist , bleibt ungevviss , da nicht weniger als ihrer sieben als Zeugen der Einnahme
und Behauptung Ceuta's und Bekannte des Autors vorgeführt werden (4 in der Chr. de Dom
Pedro, und 3 in der des D. Duarte de Menezes). Haltlos ist die an und für sich berechtigte
Vermutung, der als Gewährsmann angeführte Comthur sei der berühmte Fernam Lopes, den
Z. in der Vorrede zitiert (als pessoa twtavel de \des\communal sciencia e auctaridade) , sein
Vorgänger in Amt und Würden, der unter den Materialien zu den Königschroniken sicher-
lich auch auf die afrikanischen Expeditionen bezügliche Dokumente hinterlassen hat. Einen
Fernam Lopes, Commendador-mör de Christos kennt zwar Z. (p. 31 7); doch ist dieses
Glied der Familie Azevedo nicht identisch mit dem Historiker, wie aus Sousa, Hist. Geneal.
XI 381 erhellt.
* Antigiiidades de Entre Doiro e Minlio.
* S. u. p. 220 Anm. 5.
* In seinem Espelho de Casados (gedr. 1540) gedenkt derselbe Barros der Über-
schwänglichkeiten des Amadis tadelnd wie die meisten seiner Zeitgenossen.
* ytPoemas Lusitanos«. ed. Miguel Leite F e r r e i !• a. Sonetos, livro 11 No. 34 u. 35.
Die Schaar abenteuerlicher Behauptungen, zu denen diese beiden »Studien« die Kritiker ver-
leitet haben (an ihrer S|)itze den oft genannten Fabeischmied Faria-e- So usa) kann uns
hier nicht beschäftigen.
"^ Dass der Dichter Ferreira in intimen Beziehungen zum Herzoge von Aveiro und
seinen Söhnen gestanden hat , kann nur bezweifeln wer seine Werke nicht gelesen hat.
2 20 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
derselben beginnt: -»Born Vasco de Lobeira«, und behandelt den Genannten als
Erfinder, oder wenigstens (wie der Wortlaut zu deuten erlaubt) als Bearbeiter
des Amadis'.
Einen Lobeira, doch einen verschiedenen, Namens Pedro, welcher
Notar in Elvas, in den Tagen des Infanten D. Pedro gewesen sein soll, (also
vor 1449), nennt bald darauf der Hagiograph Jorge Cardoso^, als Ȇber-
setzer« und zwar einer französischen Vorlage^. — Und einen Lobeira
nennen später alle portugiesischen Berichterstatter 4, die hier fehlen dürfen,
da sie nur den vier älteren Quellenschriftstellern nachsprechen , und deren
Aussagen oft höchst willkürlich zu einem Ganzen verweben. Wenn fast alle
sich um den unbekannten, späten Pedro nicht kümmern, und bei Vasco
stehen bleiben, so geschah es, weil, gleich wie die Littcratur, so auch die
Geschichte einen, und zwar einen einzigen Ritter Lobeira, gerade dieses Tauf-
Namens Vasco kennt und nennt, der, laut Aussagen des alten Fcrnam Lopes
(geb. um 1380; gest. nach 1454), bei Aljubarrota kämpfte'^. Mit diesem
Krieger identifizierten sie den Dichter. Den Widerspruch zwischen der so
gewonnenen Zeitangabe (1385, d. h. Ableben Ferdinand's und Thronbesteigung
Johannas L) und der Behauptung Miguel Fcrreira's über die dionysische
Sprache des Amadis wussten sie natürlich nicht zu lösen : die Klügsten wählten
den Ausweg, offen zu bekennen, der Lobeira, welcher den Amadis ver-
fasste, habe entweder in den Tagen des Königs Dionysius (und seines Sohnes
Alfons IV.) oder zur Zeit Ferdinand's und Johann's I. gelebt^.
59. Drittens: Dass nun diese Lobcira-Gerüchte oder Berichte eine sehr
reelle Basis haben, steht seit 1880 fest'^. Es hat einen praedionysischcn, noch
unter D. Dinis lebenden Troubadour Lobeira gegeben, Joäo mit Vornamen,
oder, mit üblicher Verwertung des Vatersnamens: Joäo Pircs Lobeira. —
Braga klärt jedoch auch über dieses, von Braun fels gänzlich misverstandene Verhältnis
nur sehr ungenügend auf.
' S. u. § 65 Anni. 3.
2 Agiolog io Lusitano I p. 40 1.
^ Diesem einen Zeugen schenkt Braun Fels Glauben — Gott weiss warum! —
und ich auch! Er Obersieht es, dass Cardoso selber sich vielfachst auf Barros beruft.
* Faria-e- Sousa , Sousa de Macedo, Barbosa Machado und Gefolge.
» S. Chronica del Rey D. Joäo I; P. II cap. 39 p. 97; gedr. 1644. Die Kritik hat
es bis heute übersehen, dass schon dieser F. I^opes, vor 1450 (nach Queilenaufzeichnungen
über die Ereignisse von 1385) erzählt hatte, Vasco Lobeira sei damals von Johann 1
zum Ritter geschlagen worden, und niclit erst Duarte Nun es deLeao {Chron. fol. 194 —
195), dessen Überarbeitung freilich ein Jahr früher gedruckt erschien, wie sie es übersehen hat,
dass derselbe treffliche Chronist uns an einer anderen Stelle (in seiner Chronica de D. Fernando,
cap. 177), den Vasco bereits vor Aljubarrota und zwar in £/z/aj als Ritter vorführt. Möglich
dass cavalleiro daselbst Druckfehler für escudeiro ist (einfache Versetzung der beiden Worte,
die in derselben Zeile vorkommen). Jedenfalls war Vasco im Todesjahre Ferdinands ein
bereits Erwachsener d. h. entweder ein werdender oder schon gewordener Ritter. Dass er unter
König Ferdinand und Johann I. gelebt, ist also Wahrheit; ebenso dass er in Elvas geweilt hat.
Die Geburt in Porto lässt sich nicht beweisen, doch ist sie nicht unwahrscheinlich, da der
Herrensitz der portug. Lobeira' s, das Gut Alvim, Porto nicht allzufern, unweit von Gui-
maraes, lag und zur Provinz Entre Doiro e M i n h o gehörte. Das Todesjahr 1403 aber,
welches sämtliche Amadisforscher (mit Ausnahme von Braun fels p. 33) angeben, stammt
aus willkürlicher Deutung eines irrtuinsreichen und durch Druckfehler entstellten Satzes aus
Faria-e- Sousa's y>Discurso de los Sonetos-i No. 10. — Das Datum 1279 — 1325- das bei
anderen Litterarhistorikern die mutmassliche Lebensdauer des .4/«art'w- Verfassers bezeichnen
soll, nennt thatsächlich nichts als die Regierungszeit des Königs Dionysius.
" Faria-e- Sousa will in einer von Braun fels nicht beachteten Stelle zwei
Vasco 's ansetzen (was bei der üblichen Vererbung der Namen vom Grossvater auf den
Enkel nahe lag). Er sagt : -»El primer libro de cavallerias qiie sc escriviö en Europa fue el
Amadis ; i su autor Vasco de L. que algimos dizen fue en tiempo del Rey D. Alonso IV si
bien este Autor se halla en tiempo del Rey D. Juan I que es miicho despues. Pero pudieron
ser dos deste nombre<i. (Europa III p. 371 No. 65; cfr. Epitome).
^ S. Zeitschr. IV p. 347-
Prosa: Amadis.
Und da er der (natürliche) Sohn eines erlauchten portug. Ritters und Höflings
ist, des Pero Soares, de Alvim, und vermutlich einer gallizischen Edelen
aus dem Hause derer von Lobeira (bei Lugo), so lässt seine Existenz bei
Hofe sich von 1258 bis 1285 dokumentarisch belegend Die Hauptsache aber
ist, dass dieser Stammvater der portugiesischen Lobeiras nebst anderen Minne-
liedern (Canc. CBr. 244 — 249) und einem Scherzgesange {Vat. 998) ein
Amadisge dicht verfasst hat. Und zwar besteht es aus den graziösen Versen
an das feine Röslein Leonoreta- (d.h. an die jüngere Schwester der Amadis-
Geliebten Oriana), von denen noch heute Stücke, in spanischer Verballhornung,
eine der Hofszenen des Montalvo -Textes illustrieren {Lib. II cap. XI.).^ —
Welches ist die natürlichere Folgerung; dass Lobeira die Romangestalt und
die Erlebnisse der kleinen Leonore, und also den echten, alten portugiesischen
Amadis geschaffen hat? Oder dass ein anderer erst später, auf das Liedchen
hin, die betreffenden Szenen erfand und dem Amadis einfügte?
60. Viertens. Wie gleichfalls noch heute der Montalvo'sche Text er-
zählt {Lib. I cap. XL) — und zwar unbedingt, weil seine alte Vorlage also be-
richtete — hat einstmals ein portugiesischer Infant D. Affonso verlangt, es
solle einem der bedeutungsvollsten Abenteuer des Helden, in welchem seine
Liebestreue auf die härteste Probe gestellt wird, ein anderer Ausgang gegeben
werden, als der, welchen der gemeingültige Text verbreitet hatte. Falls
keine Gegenbeweise da sind, müssen wir annehmen, dass es vom Schöpfer
des portugiesischen Amadis gefordert ward. Der Ritter Oriana's sollte den
Anerbietungen der, um ihrer unvergleichlichen Schönheit willen la nifia hermosa
benamsten Königstochter Briolanja willfahren , als diese ihm , in verliebter
Dankbarkeit für die Zurückeroberung von Krone und Reich, mit der naiven
' Vgl. Monarch. Lusii., liv. XV cap. 48 und XVIII cap. 22 und 23 (nebst den dazu ge-
hörigen Dokumenten im Anhange), sowie Braga, Trov. 202 — 203; Antadts\'^2 unAVat .\^W\\' .
Die alten Adelsbi'icher nennen den Vater und die legitimen Söhne (L. de L. Tit. 30 und 32) ;
den JoTio Lobeira und seinen Bruder Martim (Pires) Lobeira aber nicht. Was fest steht,
ist Folgendes: Im J. 1258 gedachte des J. L. der aus Gallizien stammende (möglicherweise mit
den galliz. Lobeira's verwandte) Lissabonner Bischof D. Ayres Vaaz (der 1245 auf dem
Konzil von Lyon Sancho IL rechtschaffen und eifrig verteidigt hat), und zwar in seinem Testa-
mente. Im J. 1261 tritt J. L. bereits als Volljähriger auf, denn er unterzeichnet eine öffentliche
Urkunde, kraft derer der hochangesehene Troubadour und Majordomus Alfons' III. D. Joao
de Abo im das Schloss Portel gründete. 1262 soll L.'s Name unter dem Ortsrechte von
Terena stehen, nach Angabe von F. Brand äo und aller, die ihm nachschrieben. Ich aber
finde sowohl in der Mon. Ltis. VI p. 56 1 wie auch in den Port. Mon. Hist., p. 700 der
Chartae, neben dem Namen seines Halbbruders Mem Soares de Melle (de Alvim) keinen
Johannes, sondern nur einen Martin us Lobeira, den Grossvater jener Leonor deAlvim,
welche 1 360 die Gattin des Santo Condestavel und somit eine der Ahnfrauen des Hauses
Braganqa ward. (S. Sousa, Hist. Geneal. V p. 97). Auch das hat noch kein ^/«a^w-Forscher
beachtet, obwohl es begreiflich macht, wie und warum verschwommene Gerüchte später die
Bragan^as in Beziehung zu dem yiw«ö'/j- Verfasser brachten. Am 6. Mai 1272 wurde J. L.
durch königl. Verfügung legitimiert: »Notum facto qtiod Petrus Stierij miles dictus de Alvim
venit a?tte nie et dixit qtiod volebat Joannem Liipariam filitim suutn naturalem esse in oiiiniluis
bonis suis legitimum successorem etc.« Im J. 1277 war der miles J. L. zugegen als der Nuntius
Frey Nie o lau dem Könige von Portugal Intimationen der Päpste Gregor und Johann XXI.
vorlas \y>praesentibus . . Joanne Lobeira . . . Fernando Gunsalvis Chancino militibus'(.\ v. Mon.
Lus. XV cap. 46 p. 245 und 255. In der Aera 1323 (d. h. im J. 1285) war er dann in
Lissabon zugegen, als König Dionysius einen Vertrag mit der Stadtkammer abschloss {Mon.
Lus. V p. 315; Escrit. 18). Die Jahreszahl 1323 bei Braga ist also eine falsche. Noch
ein anderes Dokument vom J. 1 278 wird weiter unten erwähnt p. 222 Anm. 5.
* Canc. CBr. 244 und 246b: Leonoreta Finroseta. S. darüber Zeitschr. IV; Monaci
in Rassegna Settimatmle 1880; Braga, Questöes p. 117 — 122.
* Leider fehlt jegliche Prosaerklärung zu diesem lais. Würde sie uns durch einen
glücklichen Zufall noch geboten, und spräche sie klar, die Amadis-Yxi^^t wäre aus der Welt
geschafft! Wichtig ist, dass die metrische Form des Leotioreta-hicdes (die sonst nur 2 mal
im weltlichen altportug. Liederbuche vorkommt) bei Alfons X. mehrfach und im Canc. de
Baejia ausserordentlich oft verwendet wird.
22 2 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
Keckheit so mancher altfranzösischen Romanheldin, Thron, Hand, Herz und
Leib anbot — somit den einheitlich angelegten Plan seines Werkes umstossend
und den Charakter des leal enamorado befleckend. — Diesen Wunsch oder
Befehl des portugiesischen Fürsten, der vielleicht nach einem plausiblen Grunde
für Oriana's Eifersucht und die daraus folgende Verstörtheit und Busse des
zum Bcl-Tenebros gewordenen Helden suchte, erfüllte zwar der Autor, doch
setzte er die neue Lösung scheinbar nur neben die alte (und nicht an ihre
Stelle), in einer Beilage von Blättern', und erklärte wohlweislich, in einer
bis auf den Tag erhaltenen später dem Texte eingefügten Anmerkung, wer
jene unkünstlerische und unwahre Afterversion gewollt hatte^.
61. Fünftens: In diesem Infanten hat der älteste und sachkundigste Inter-
pret der Stelle, d. h. Antonio Ferreira (oder sein Sohn Miguel) den Sohn
des Königs Dionysius, also den späteren Alfons IV. o Bravo erkennen wollen ^,
der (1291 geb.) bis 1325 jenen Titel trug*. Da aber ein urkundliches
Dokument uns den Troubadour Joäo Lobeira, welcher das Amadis-Licd
dichtete, in Beziehungen zu einem anderen, und noch dazu ihm Alters ver-
wandteren D. Affonso vorführt ^ der bis an sein Lebensende Infante de
Portugal blieb, und dess Vasall jener gewesen, so ist es Recht und Pflicht,
diesen, d. h. den Sohn Alfons' III. und Bruder des D. Dinis (geb. 1263
oder, der Grabschrift nach, 1265, und gest. 1312) als Inspirator der zweiten
Amadis-Fassung zu betrachten 6. Selbige entstand somit vor 131 2; wahrschein-
lich sogar vor 1304, denn damals vcrliess D. Affonso sein Vaterland (in
Güte) und ward Kronvasall des kastilischen Königs Ferdinand IV. "^
62. Sechstens: Bedürfte die müssige Frage, wie der portugiesische Roman
an den kastilischen Hof kam, und ob denn ein portugiesischer Text daselbst im
14. Jh. Aussicht hatte, gelesen, verstanden, und ohne Nationaleifersucht gewürdigt
zu werden, überhaupt einer Antwort — ich hoffe dass Niemand, der diese Ab-
handlung bis hierher gelesen, sie aufwerfen wird, — so muss jeder Ehrliche und
Sachkundige die den besonderen Amadis-Fall berücksichtigende Antwort billigen :
' Das ist aus Montalvo's simimarischem Berichte über den Inhalt der abgeänderten
Lesart zu schliessen (die mit den Worten anhebt: De otra guisa contan estes amores) und
aus ähnlichen Einschiebseln selbst in Geschichtswerken,
" Diese, in Montalvo's Text verwebte Anmerkung lautet heute: y>atmqtie el Senor
Infante Don Alfonso de Portugal, habiendo piedad desta fermosa doncella, de otra guisa lo
mandase poner. En esto hizo lo qtte su merced ftu, nias no aquello qtte en effecto de sus amores
se cscribiai..
* Das Sonett: -»Born Vasco de Lobeira<(. ward von Ferreira demjenigen Fürsten in
den Mund gelegt, der die Verbesserung verlangte. Dass er Alfons hiess, sagt der Roman-
text. Dass darunter Alfons IV. zu verstehen sei, war des Herausgebers Ansicht,
welcher behauptet : »Divulgaram -se etn nome do Iffante D. Affonso, filho primogenito del
Rei D. D eniz , per quatn mal este Principe recebera (como se ve da mesma historia) ser a fermosa
Briolanja em seus ajnores täo maltratada<i..
* Bei Kronprinzen pflegt der Hinweis auf ihre Regierung nie zu fehlen.
^ Der Name Joäo Lobeira steht nämlich noch unter der Carla por que el Rey
D. Affonso (III) deu a seu fiUw D. Affonso a Villa de Lourinhäa. Vgl. Sousa, Hist.
Geneal., Provas I p. 62.
^ G a y a n g o s , B r a u n f e 1 s , V a 1 e r a , kurz al le, welche den Ursprung des ersten
peninsularen Atnadis-T^yX^i, zwischen 1325 und 1359 ansetzen, und den Bericht über den
Infanten der späteren Redaktion Montalvo's zuerteilen, statt ihn in seiner Vorlage zu suchen,
sahen sich natürlich gezwungen, nach einem weit späteren Infante D. Alfonso de Por-
tugal aus Montalvo's Tagen zu fahnden, und verfielen dabei auf einen Alfons geheissenen
Sohn Johann's I. Doch ist diese Annahme unzulässig. Der fragliche Fürst (geb. zwischen
1370 und 1385, wahrscheinlich 1377, und gest. nach 1464) konnte, da er ein natürlicher
Sohn war, niemals — auch nicht nach seiner Legitimation (1401) — den ihm nicht ge-
bührenden und streng vorenthaltenen Titel Infant tragen. Er hiess stets und überall o Senhor
D. Affonso oder Conde de Barcellos (Arrayolos, Ourem) und später Primeiro
Duque de Braganqa.
^ Vgl. Sousa, Hist. Geneal. I 185 iqi und Mon. Lnsit., livr. XVUI, cap. 11 u. 14.
Prosa: Amadis. 223
»eben der Infant D. Affonso de Portugal, welcher mit der Spanierin D.
Violante Manuel, der Schwester des berühmten Verfassers des Conde
Lucanor, vermählt war, und dessen Töchter als Gemahlinnen spanischer
Granden' in Spanien bei Hofe lebten, wird 1304 das Buch, für das er sich
so speciell interessiert hatte, mit sich genommen haben ^ und so sein erster
Verbreiter geworden sein. Wie Ayala, so hätte somit auch schon D. Juan
Manuel den Amadis gelesen.
63. Siebentens: Auch wie die Spanier schon im 14. Jh. Amadis -Nach-
ahmungen besitzen konnten (ich sage absichtlich nicht ^>besassen«)^ und von
1350 ab bis zu Montalvo, ja bis zu Cervantes , ganz besonders aber um 1 400,
während der gallizischen Nachblüte des altportugiesischen Minnesangs, fort-
während den Amadis preisen konnten, braucht nicht länger mehr Gegenstand
des Staunens zu sein. — Ebensowenig darf es befremden , dass im letzten
Drittel des 15. Jhs. Montalvo's spanischer Text als Neu -Bearbeitung einer
früheren Redaktion en estilo avtiguo eingeführt werden konnte, ohne dass
darin vom portugiesischen Originale, noch von älteren Übertragungen ins Kasti-
lische, und ihren Verfassern, die Rede ist. Ich glaube, dass thatsächlich schon
lange vor Montalvo der Amadis spanisch gelesen ward, da die Sitte, por-
tugiesisch zu dichten, schon von 1350 an in Verfall geriet, sodass zuerst ein
Nebeneinander portugiesischer und kastilischer Lyrik, bald aber die Oberherr-
schaft und dann die Alleinherrschaft des Kastilischen eintrat. Das einfache Über-
tragen aber, d. h. das Umschreiben {trasladar) aus dem portugiesischen
Urtexte in einen wörtlich entsprechenden kastilischen konnte der erste beste
hi-lingue (gallizische) Schreiber vornehmen'*, vielleicht nach dem Diktate eines
portugiesischen Troubadours spanischer Nation''. Nach dem Autor von Märchen
' Es waren: der Herr von Biscaya, D. Juan Diaz de Haro, el Tuerto; Nuno
Gonqalvez de Lara; und D. Pedro Fernandez de Castro.
2 Der Infant begleitete zuerst das Königspaar nach Aragon (Tarazona) und verblieb
bei der Rückkehr am kastilischen Hofe.
' Den Enrique fijo de Oliva, der schon um 1350 im Poema de Alfoftso XI.{?>\.t. 2174)
genannt wird, kann man eigentlich nicht als ^»/a^w-Nachachmung betrachten. Die Existenz
eines Flor est an-Romanes ist zweifelhaft. Den valencianischen Tirant lo Blanch aber, dessen
Autor den ^wa«/zV gekannt haben wird, und der von Braunfels in die Zeit König Ferdinand's
(d. h. ins letzte Drittel des 14. Jhs.) verlegt wird, halte ich, aus inneren und äusseren Gründen
für eine weit spätere Arbeit, und bleibe bei dem im Drucke angegebenen Datum 1460
stehen. Braun fei s argumentiert mit der Anredeformel : »^^j/ ^'^^0«^« des Geleitbriefes, und
übersetzt mit »erlauchter« und »hochachtbarer« König, was doch nichts als »abwartender«
d. h. zukünftiger König bedeuten kann. Gemeint ist ohne Zweifel (wie schon Braga
richtig erkannt, doch nicht bewiesen hat) Ferdinand, der Bruder Alfons' V. und Vater Emanuel's.
Adoptivsohn und Erbe Heinrich's des Seefahrers, (den Rozmital und von Ehingen Hof
halten sahen wie einen zweiten König); denn dieser (geb. 1433, gest. 1470) war der erst e und
in der in Frage kommenden Zeit auch der einzige portug. Infant, der den Titel y>FrmciJ>e
de FortugaU erhielt und trug, von dem Tage an, wo ihn 1438 die Cortes de Thomar zum
Thronerben feierlich ausriefen bis (im Mai 1455) dem Könige Alfons sein Sohn Johann II.
geboren und im Juni zum Nachfolger pioklamiert ward. 1460 wird Datum der valencia-
nischen Umschrift sein, nicht der ersten (portug.?) Redaktionsarbeit.
* Statt noch einmal an Diego Gonqalves zu erinnern, der die Historia Troyana
aus dem Frz. ins Gall. und Käst, übertrug, sowie an die gall. Hs. der Crescentiasage und
ähnliches, erwähne ich (nach A. de los Rios VI p. 46 und Braga, Univ. p. 205), dass
die Confessio Amantis des John Gower von dem lissabonner Kanonikus Robert Payn
(engl. Herkunft) ins Portug. übersetzt und danach ins Kastil. umgeschrieben ward {Esairiai:
g-ij- 19). Und wenn Martorell (dessen Lebenszeit sicher zu stellen ist) sich der Aus-
sage, er habe den Tirant aus dem Engl, ins Portug., und dann ins Valenc. umgearbeitet,
wirklich nur wie einer Mode-Formel bedient hat (was ich bezweifle), so ist damit wenigstens
bewiesen, dass wahre oder fingierte Übersetzungen portug. Ritterromane in andere penin-
sulare Sprachen im 15. Jh. eben Mode waren. Vgl. p. 124.
^ Einer der früher erwähnten Troubadours; oder D.Juan Manuel; oder Ayala;
oder in der 2. Epoche Villasandino, Ferrus, Vasco Pires de Camoes oder
Mac las, d. h. etwelcher aus der Schaar der Epigonen.
2 24 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
und Geschichten zu fragen, war man nicht gewohnt. Die Einwanderung fremder
Sagenstoffe hatte dagegen gleichgültig gemacht J- — Warum in der Folgezeit
das Ausland durch Tasso und andere nur von einem romanzo spagnuolo erfuhr,
und weshalb der europäische Ruf des Amadis erst begann, als nach Erfindung
des Buchdrucks, dem Falle Granadas und Kastiliens Blüte ein spanischer Rhetor
sein herrliches Pathos über den veralteten Stil eines seit nahezu zwei Jahr-
hunderten vergessenen Anonymus gebreitet hatte; auch wie die bewundernde
Anerkennung des Auslandes dann unter den Spaniern den bislang schwachen
Glauben an heimischen Ursprung nähren musste, das wird der Leser sich
selbst zusammenreimen. Aus meiner Auffassung der portugiesischen National-
litteratur und ihrer Beziehungen zur spanischen, sowie aus der Hand in Hand
damit gehenden Darlegung der sentimentalen Grundstimmung der um ihrer
Trcuverliebtheit willen berühmten und berüchtigten Portugiesen wird er über-
dies die inneren Gründe erschliessen , die für portugiesische Herkunft
des leal enaviorado sprechen.
64. Achtens: Doch wo blieb der Urtext? — Man weiss heute von keiner
portugiesischen Amadis- Handschrift. — In den Werken Ferreira's, der,
wie gesagt, darauf ausging, die Sprachformen des Romans nachzuahmen, und
thatsächlich die Redeweise der altportugiesischen Minnedichtung und der
Demanda do S. Graal verständnissvoll kopiert, wird jedoch angegeben, das
Original des Amadis von (Vasco) Lobeira habe sich, noch im i6. Jh.,
im Fürstenhause Aveiro befunden 2. — Ein Amadis em portuguez soll sogar
noch 1686 in der reichen, später zerstückten Bibliothek des Grafen von Vimieiro
existiert haben 3, — Das ist alles. — Seit Montalvo gedruckt vorlag, zu
einer Zeit, wo am portugiesischen Hofe das Kastilische ostensiv bevorzugt
wurde, las man natürlich den Amadis in der jüngsten Modebearbeitung. Die
alte war für das immer weiter werdende Lesepublikum ungeniessbar geworden *.
Sie ging verloren — oder sie ruht noch irgendwo, unerkannt.
65, Neuntens: Die hartgerügte und beargwöhnte Thatsache, dass die
portug. Berichterstatter in ihren Angaben über Vornamen, Stand, Geburtsort und
Zeit des Lobeira nicht einig sind, bedeutet nicht eben viel. Wie beweglich
alte Überlieferungen sind — nicht allein in Portugal — sollte jeder wissen, der
sich mit Geschichte und Litteratur ernstlich befasst. Schon dass der Name
Lobeira sich von 1258 an erhalten hat, ist nicht wenig. Überdies ward
schon angedeutet, dass die meisten Angaben einen Wahrheitskern in sich
bergen (Elvas — Porto — D. Fernando). Ob der portuenser Krieger
Vasco, der 1384 und 85 für den Mestre d'Aviz das Schwert schwangt,
thatsächlich seinerseits an der Schöpfung seines Vorfahren (ich denke seines
1 Wer kann überhnupt heute wissen, ob der alte Lobeira text nicht auch, gleich so
vielen späteren livros de cavalleria, behauptete, er sei eine Übersetzung aus dem Engl, oder
Frz.? und mit welchem Rechte?
^ S. oben p. 2 19 Anm. 2. Die Herzöge von Aveiro stammten (por bastardia) vom
K(")nigsh;uise ab. Ihre Bibliothek verbrannte beim Erdbeben, wie auch die königliche.
3 S. Memorias da Acad. Real de Bist. Port. 1726, Heft XHI No. 191.
* Nur wenige Dichter, wie Miranda und Ferreira, und etwas später einige
Archäologen, wieSeverim deFaria, Barros und Nun es deLeäo, zeigten Sinn und
Verständnis für die alte Sprache. Wie bitterwenig im Allgemeinen schon zu Anfang des
17. Jhs. selbst die Gelehrteren Bescheid wussten, zeigen die abschreckenden Apokryphen
und ihr Erfolg, sowie alle Abdrücke älterer Dokumente, in denen gewisse Fehler stereotyp
sind (inha für mha oder nha ; se ve für se^e ; dess mm für de smtm).
* Auch ül)er Ritterschlag und Kittertumskandidaten hegt Braunfels Anschauungen,
deren Ungültigkeit die portug. Geschichte beweist.— Wie innig aber der Zusammenhang
zwischen historischen Geschehnissen — Justas e iorneios t\.c. — und dem peninsularen Ritter-
romane ist, wie reichlich dieser aus jenen Nahrung sog (und umgekehrt), das übersieht man,
vor lauter Abneigung gegen die märchenhaften Wunder, Riesen, Zwerge, Feen und Schwaben-
streiciie.
Amadis. 225
Urgrossvaters) Joäoi gearbeitet hat, die alten drei Bücher zu vieren streckend,
durch Einfügung neuer Verwickehingen, Abenteuer und Kriegsthaten, oder ob
die Sage einfach den unbekannt gewordenen Joäo durch Vasco ersetzte,
das muss dahingestellt bleiben 2. An Sprache und Styl war 1385 noch nichts
zu ändern; wie man z. B. den Galaaz liebte und würdigte, so den Amadis,
mit dem einzigen Unterschiede, dass man das in heimatlicher Nähe entstandene
Werk weniger werthielt, und nicht an seine Wahrheit glaubte, wie an die aller
aus weiter Ferne impoitierten Estorias.
66. Zum Schlüsse sei gefragt ob es wirklich befremdend ist, dass zu
derselben Zeit, wo man bretonische lais in portugiesischer Sprache dichtete,
und die französischen Prosaromane von Joseph ab Arimatia, Merlim,
Artus, Tristam, Lancelote und dem Graal übertrug, einer unter den
adligen Troubadours auf den Gedanken kam, selber einen ähnlichen Roman
zu komponieren, in freier Verwendung fremder Reminiscenzen, möglicherweise
aber auch noch in engerem Anschluss an ein bestimmtes verlorenes, englisch-
französisches, poetisches oder prosaisches, Amadas-Gebilde ? Natürlich ein be-
sonders phantasiebegabter idealgesinnter Dichter ', dem die romantischen Ge-
stalten und Motive des keltischen Sagenkreises im Kopfe schwirrten, und den
einerseits die Liebesglut des Tristan , und andererseits die Keuschheit des reinen
Thorcn Galaaz begeisterte?* Sind Minnesang und Ritterroman nicht Ausfluss
ein und desselben Geistes? Musste der zweite nicht im Anschluss an den
ersten mit seinem höfischen Frauenkultus entstehen? Den Amadis sprachlich,
und was Gefühle und Gesinnungen betrifft an das altspanische Epos mit seinem
kernigen Heldengeiste anzugliedern — oder sagen wir lieber an die Poetas
Castellanos und an 6.ie, Escritores en prosa anteriores al siglo XV — wird Niemand
gelingen •''. Mit den altportugiesischen Cancioneiros (an denen ganz Spanien
Teil hat) und mit dem altportugiesischen Graal hingegen, und auch mit zahl-
losen alten Geschichten, Sagen und Anekdoten von liebeskranken Thoren und
abenteuersuchenden , fahrenden Rittern , sowie mit ihrem ständigen Ideale
schwärmerischer, bis in den Tod getreuer Liebe ist der Amadis wohl zu
verknüpfen. Einen Nachgeschmack des Troubadourstils mit seinen typischen
Formeln finde ich heute noch darin. — Und fehlen die Manuscripte; existieren
statt beweiskräftiger Urkunden und zeitgenössischer litterar-historischcr Ver-
merke nur späte und spärliche, gelegentliche und ungenaue, ja widerspruchs-
volle Angaben über den Roman und seinen Verfasser; sind selbst der von
Portugiesen gespendeten Lobsprüche relativ wenige; und werden sie sogar
von tadelnden Äusserungen überwogen, in denen von den mentiras , ficföes,
* Joäo gilt für den Stammvater aller portug. Lo beiras. Dass Vasco nicht sein
Enkel (oder Enkel des Mar t im P. Loheira), sondern Urenkel eines der beiden ist, darf
man aus der Namensgebung und aus der Zeitberechnung schliessen. Auch Joäo I. war Ur-
enkel des D. Dinis. Dass die Lö beiras ursprünglich Gallizier waren und in Gall. und
Leon noch jetzt Familien dieses Namens leben, hat auf die Entwicklung der Amadis-Yv^gQ
scheinbar keinen Einfluss ausgeübt, obgleich des ganzen F ätsels Lösung vielleicht hier steckt.
* Braunfels undLemcke sehen in dem vonFerreira besungenen Vasco nur
einen Nacherzähler und Bearbeiter. Ich selbst bleibe zweifelhaft, ob die Phrase des Sonettes
Dsem quedar ettde por contar i renn, nicht einfach besagen will , der Verfasser habe seinen
Helden bis an sein seliges Ende geleitet. Man vergleiche die Worte des F e r r ü s : y>que le
dios de santo posoa, die freilich auch nicht ganz unzweideutig sind.
* Ein Schmähgedicht von J. Lobeira ist nicht vorhanden.
* Nicht der C o n d e s t a v el allein, sondern noch andere Portugiesen machten Galaaz
zu ihrem Ideale (Kardinal D. Jainie, Sebastian etc.).
* Die ältesten span. Romane Enrique fi de Oliva — Cifar — Guillerme de Inglatierra etc.
sind anders geartet. Und ist die Kenntnis franz. RomanstofFe bei Hita und Ayala und den
höfischen Sängern auch viel bedeutender als bei irgend einem portug. Zeitgenossen, so kennt
man doch bis heute keine kastilisch geschriebene Bearbeitung aus dem bretonischen Cyklus,
die so archaisch und dem Amadis geistig so nahe verwandt wäre, wie der portug. Graal.
ÜR0BBR, Grundriss. IIb. 15
2 26 Litter ATUR GESCHICHTE der romanischen Völker. — 4. Port. Litt.
fabulas, disparates, trunfas und burlas des erfundenen »Lügenromans« die
Rede ist^, so wird dies Fehlen, und dies schweigende Schmählen nur der-
jenige sonderbar finden, der die Portugiesen nicht kennt oder versteht, und
es ausser Acht lässt, dass sie die wirklichen Geschehnisse ihrer poesievollen
Geschichte hoch über die väs fafanhas, phantasticas, fingidas, meniirosas^ der
Romane erhoben bis ihr historisches Epos geschaffen war, und hernach erst
recht. —
Befremdend war es, solange die Denkmäler der ersten Epoche ungedruckt
blieben, dass die altportugiesische Prosa, die scheinbar so spät flügge ward
und so äusserst wenig Selbständiges schuf, noch im 13. Jh. ein, trotz seiner
zahlreichen Anklänge an Älteres und Fremdländisches, doch immerhin eigen
und mit Freiheit gestaltetes belletristisches Werk gezeitigt haben sollte. Seit
der Graal aber vorliegt, und die Cancioneiros studiert sind, lässt sich wenigstens
voraussetzen, gerade Joäo Lobeira könne die lais geformt und die dazu
gehörigen Prosaromane übersetzt, und daran seine Feder geübt haben ! Sind
jene verlorenen Romane mitsamt dem Graal aber auch Arbeiten Anderer, so
war dadurch der Impuls gegeben, der das bewährte Nachahmungstalent der
Portugiesen herausfordern musste.
E. ZWEITE EPOCHE: 1385-1521.
• as 15. Jh. ist für Portugals historische Entwickelung der ereignisreichste
und bedeutsamste Zeitabschnitt. Ihrer Selbständigkeit seit dem Siege
bei Aljubarrota und Begründung der zweiten burgundischen Dynastie ganz sicher,
ja oft der Berufung derselben auch auf den kastilischen Thron gewärtig, be-
greift die kleine Nation ihre weltgeschichtliche Aufgabe, und vertauscht die
ihr zu enge werdenden Heimatfluren mit dem Weltmeere — auf ihrem Sieges-
zuge von Ceuta bis Diu (141 5 — 1535) die mittelalterlichen Fesseln der Welt- und
Völkerkunde sprengend. — Litterarisch aber ist auch diese Epoche arm,
wenigstens was freie Kunstschöpfungen in gebundener und ungebundener Rede
betrifft. — Alle Zeugungskräfte waren eben vollauf durch die Entdecker- und
Eroberer-Thaten in Anspruch genommen, und der sich mittlerweile vollziehende
Auf- und Umschwung in Macht und Wissen, Sitte und Wandel, Selbstschätzung und
Lebensauffassung, den die neue Weltstellung mit sich brachte, konnte nicht
unmittelbar, noch während des Sturmlaufes, den entsprechenden litterarischen
Ausdruck finden , sondern erst nachdem das Ziel und der Höhepunkt der
politischen Entwickelung mit der Besitznahme der Ganges- und Indusländer
erreicht, wenn nicht bereits überschritten war, d. h. in der dritten Epoche.
68. Besonders während der ersten Hälfte der 136 Jahre, welche diese
Periode ausmachen (171, wenn man von 1350 an rechnet), trat ein Stillstand
ein, in Sonderheit in der Entwickelung der Poesie. — Das schon Alfons IV.,
der wildgemute Sohn des Dionysius , nicht mehr als Kenner- und Gönner,
geschweige denn als Pfleger des Minnesangs angesehen werden kann , ward
früher erörtert. Unter seinen Nachfolgern erstarben die abgelebten Kunstformen
dann gänzlich. Weder unter Peter dem Grausamen, noch unter dessen ungleichen
Söhnen gab es in Portugal eine Hofpoesie oder Hofpoeten. — D. Pedro o
Crü oder o Justiceiro, dem das heisse Herz unter Schmerzen hart geworden
war, lebte, sparsam und thätig, der Aufgabe, mit unnachsichtiger Strenge jede
' Ein hispanisierter Portugiese, der Verfasser der Arte de Galanieria, D. Francisco
de Portugal ging im 17. Jh. sogar so weit, zu behaupten, Lobeira habe den Amadis
spanisch geschrieben »weil man in portug. Zunge nicht so unverfroren lügen könne!«
^ Lusiadas I, 11.
2. Epoche: Character des Zeitraums; Bildungszustände. 227
Gesetzesüberschreitung (besonders der Grossen zu ahnden), die Sitten aller
Stände gewaltsam bessernd, ^ und dem Lande 10 Jahre des Friedensund der
Wohlfahrt schenkend, wie dasselbe sie nie gesehen. - — Wollte er sich aber
zerstreuen und belustigen, so war es nicht im geschlossenen Saale, bei ge-
reimten Worttournieren, die dem Stotterer nicht behagten, sondern en plein
air , auf der Jagd und Falkenbeize (montaria e cetreria) , beim Stiergefechte
(touros), oder in berauschendem Strassentanze, zu dem seine musikkundigen Spiel-
leute Joam Mattheus und Lourengo Pallas grell-schmetternde Fanfaren
in Silbertrompeten bliesen. — Während der folgenden 16 kritischen Jahre unter
Ferdinand, dem schwachmütigen und verschwenderischen »Schönen«, den die
ränkesüchtige Spanierin D. Leonor de Guzman umgarnt hielt, ward das Land
durch die Erbansprüche auf Kastilien in Krieg und Elend gestürzt, die unter
dem illegitimen Halbbruder, dem braven und mannhaften Johann L, lähmend
nachwirken. Dieser König »guten Angedenkens« (de boa memoria) hatte erst
den langen Thronfolgestreit durchzukämpfen (bis 141 1), behufs Niederwerfung
des kastilischen Nebenbuhlers und des rebellischen Hochadels, der gegen ihn
Partei genommen ; und dann die Staatsverwaltung neu zu ordnen. An seinem
Hofe, wo in heilsamster Manneszucht, bei ernster Arbeit, in einem gediegenen
und überraschend reichen Familienleben, das auf die ganze Nation veredelnd
wirkte, fünf herrliche Heldensöhne heranwuchsen, war für sentimentales Liebes-
geseufze, ebensowenig Platz wie für unsaubere Schmähgedichte oder frivol-
tändelnde Scherzspiele. 3 Idealen Sinnes, den stolzen, suchenden Blick nach
Afrika und auf den Ocean gerichtet^, pflegten jene Fürsten und ihre Genossen,
als Ritter in des Wortes bester Bedeutung, vorwiegend kriegerische Übungen :
justas, torneios, canas, bofordos, correr pontas etc. — In Wahlsprüchen und
Emblemen ihre Ziele kurz charakterisierend ^ gingen sie auf Reisen und Aben-
teuerfahrten nach Frankreich und England, '^ Burgund, der Schweiz, Österreich,
Ungarn und weiter, gegen die Hussiten und Türken und die Litauer im
deutschen Ordenslande fechtend. — Durch Gelübde {votos denodados) bei feier-
licher Ritterwacht verpflichteten sie sich zu persönlichen Heldenthaten (empresas)
im Kampfspiele oder auf dem Kriegsplatze (wie schon der »Flügel der Ver-
liebten« beiAljubarrota); errangen sich ausländische Ordensbelehnungen (Jarra
de S. Maria; Rosa; Rayo; Banda, Aguia; Tuson, Jarretiera) und
Markgrafschaften (Abranches; Treviso) und stählten und erprobten ihre Kraft,
bis hernach ein Jeder seinem Leben bedeutungsvolleren Inhalt gab, es sei auf
afrikanischen Schlachtfeldern, oder auf mühevollerer »Suche« nach dem märchen-
haften Reiche des Priesterkönigs Johannes, oder auf Seezügen in das niare tene-
brosum, den glücklichen Inseln entgegen. Die Vitae vieler Höflinge dieser
Epoche, — die übrigens mit Vorliebe ihren Söhnen und Töchtern die Namen
von Ritterromanfiguren beilegten'^, — muten daher an, wie Ausschnitte aus
dem Graal oder Amadis.
* Ich sage mit Sä de M i r a n d a -»real, e näo cruel inclinagäoa , trotz der unleug-
baren Härten seines Vorgehens, die man dem noch halb-barbarischen Jh. zu gute halten muss.
2 uNunca Portugal teve taes dez amtos conto deste Reh , so tönt aus dem Munde der
Chronisten die Volksmeinung über ihn.
* Kein unlauteres Wort kam über die Lippen der Söhne Johann's I.: Palavra torpe
nem desonesta nunca foi ouvido da sua bocca. (Zurara).
* Schon Johann I. von Kastilien hatte Respekt vor dem Seemanns-Geiste der Portu-
giesen. Er rüstete eine Flotte ^con qtie les quebrantar la sobervia que ellos tietien por la mari..
* Stets in frz. Sprache: Talant de bien faire — Desir — Le bien me platt u. a. m.
* Auch die Doze de Inglaterra sind zwar sagenumsponnene, aber doch reale Ge-
stalten.
■^ Es giebt Dutzende von Rittern Namens: Lan9arote (do Lago), Tristao,
Lisuarte, Percival, Arthur, EsplandiSo, Amadis, (der Haushofmeister D.
15'
2 28 LiTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
69. Wenn Mars aber ruhte, führte Minerva den Vorsitz im Pallaste. —
Auch den Geist zu pflegen, Hessen die Könige und ihre Mannen sich ernst-
lich angelegen sein. — Der Infant Heinrich nennt sich seit 143 1 ostensiv
y>Protector dos Estudos«. Die Aufgabe, welche, von Johann I. an, die Herrscher
sich stellten, war Aneignung der geistigen Bildung ihrer Zeit, und Pflege
besonders derjenigen Wissenschaften, welche zu ihrer historischen Mission in
Beziehungen standen. Sie kauften Bücher, gründeten Bibliotheken und speicherten
darin auf was das Mittelalter Wichtigstes geschaffen (sowohl Lateinisch als in
den romanischen Vulgärsprachen), ganz besonders aber was sie von den
Schätzen des Altertums erreichen konnten. Sie lasen und lernten. Wenn sie
dann aber zur Feder griffen, hatten sie nur für zweierlei Sinn : Entweder die
Ihren — ihre Familie und ihr Volk — zu unterweisen und zu erziehen,
Wissen verbreitend durch lehrhafte Reproduktionen (Übersetzungen und Kom-
pilationen) oder durch Abfassung von Traktaten aus praktisch selbst durch-
forschten Einzelgebieten (Jagd — Kriegskunst — Staatslehre — Astronomie); oder
von den Grossthaten ihrer eigenen Nationalhelden zu berichten in Chroniken, die
wie schon bemerkt ward, ihnen und den Nachkommen schöner dünkten als alle
Romane. In beiden Fällen aber liessen sie die christliche Sittenlehre und Gottcs-
gelehrtheit natürlich nicht ausser Acht. Im Gegenteil ! Sonnen sie sich auch in
naiver Freudigkeit im Lichte jeder neuerworbenen Kenntnis aus der Antike, an
jedem klassischen Namen und Ausspruch, den sie wiedergeben, so haben sie im
Grunde dabei doch nur einen Zweck, die Bibelworte, durchaus theologisierend,
durch jene zu erläutern, und in christlichem Sinn und Geiste zu erziehen.
Erst nach Ablauf der die grosse historische Blüte vorbereitenden ersten Jahr-
zehnte, als mit der traurigen Katastrophe von Alfarrobeira (1449) ein Wandel,
und ein Stillstand im Entdecken mit dem Tode Heinrich des Seefahrers
(1460) eintrat ', schlug in der glänzenden Hofburg des jungen ritterlichen
Alfons V., des »Afrikaners«, die Flamme der Poesie aus den Aschenhaufen
der ersten Periode von neuem empor, angefacht vom Flügelschlag der bereits
kühn- und hochfliegenden spanischen Aare: es entstand eine neue, der feineren
Geselligkeit des Jahrhunderts angepasste Hof- und Konversations-Poesie —
hispanisch im Geiste, und hispanisch in Gestalt und Sprache. — Inzwischen
aber hatte sich ein neuer peninsularer Dichtungsstil entwickelt. Dessen fertige
Formen übernahm man und ahmte sie nach.
70. Von wie grosser Bedeutung es ist, festzustellen, was man in Portugal
las, braucht nicht dargelegt zu werden. Von drei Bibliotheken sind, nebst
dürftigen und zerstreuten Überbleibseln, die Inventare erhalten: von der Bib-
liothek des Königs D. Duarte (84 Bde.), seines Sohnes D. Fernando (24)
und seines Enkels, des Condestavel D. Pedro, (96). Ausserdem weiss man,
aus Andeutungen zeitgenössischer Werke, dass schon Johann I. sammelte, und
dass Alfons V. ganz bedeutende Manuscripten-Schätze besass, deren Bestand
sich aus den von seinen fleissigen Historiographen hinterlassenen, zitatenreichcn
Werken ungefähr rekonstruiren lässt. Auch über die Büchereien gewisser Klöster
(Alcobaga, S. Domingos de Lisboa) und der Universität, sowie einiger Privat-
leute (z. B. des Dr. Diego Affonso Manga-ancha) ist man unterrichtet.
Im Grossen und Ganzen erwarben die port. Bücherfreunde natürlich dieselben
mittelalterlichen Stahdard-books., welche, als unentbehrlich, auch in den franz.,
ital. und span. Bibliotheken eines Charles VI., Duc d'Anjou, Henri de Navarrc,
Filippo Strozzi, Alfons V. von Neapel, Ferdinand v. Calabrien, Carlos de Vianna;
Duarte's z. B. hiess Aniadis Vasques 1433), und manches Edelfräulein Namens: Iseii,
Genebra, Oriana, Viviana, Briolanja. Vgl. Braga, Poet. Pal. p. 15 — 17.
* In unserem Wissen über die portug. Entdeckungen ist nach 1460 jedenfalls eine
auffallende Lücke.
Gelehrte Studien; fremde Litieraturwerke. — Character der Litt. 2 29
D. Martin de Aragon, Santillana, Villena, Benavente etc. wiederkehrten, ob auch
in beschränkterem Masse. ' Obenan stehen die ganze heilige Schrift und ein-
zelne Bibelbücher, sowie Bibelkommentare und fromme, moralphilosophische
oder rein theologische. Lehr- und Streitschriften. Dazu kommen an Apokryphen
Nikomedes und Gamaliel; Heiligen- und Märtyrerleben {Flos Sanctorum —
Legenda Aurea — Vitae Pairiim)] an Apologetikern Justinus und Lactantius;
an apostolischen Vätern: Hermas und O Pastor; an Gnostikern Karpokrates
und Hermogenes ; an Kirchenvätern und Kirchenlehrern : Origenes, Hieronymus,
Eusebius, Hilarius, Ambrosius, Chrysostomus, Orosius, Johannes Cassianus, Augusti-
nus, Isidorus, Gregorius, Benedictus, Fulgentius; an christlich-philosophischen
Erbauungsschriften Boethius (De Consol.), Beda, Remigius, Bernard v. Clairvaux,
Raimund Lull und ganz besonders die Mystiker Hugo und Ricardus v. S. Victor,
nebst Gautier; von den Scholastikern in erster Reihe : Anseimus, Petrus Lom-
bardus, Thomas v. Aquino, Albertus Magnus und Duns Scotus; — an Kos-
mographen Vincenz v. Beauvais, Nicolas v. Lire und Pierre d'Ailly (Imago
Mundi) und die Araber Alfagran und Aalcabom, — dazu Avicenna und Averroes.
Die Vita Christi und Imitatio Christi wird erst spät eingeftihrt. — An Er-
zichungsbüchern für Fürsten ist, wie überall, das gelesenste De regimine Prin-
cipimt des Aegidius Columna von Rom 2, doch auch P. P. Vergerius. — An
Klassikern verwertete man am eifrigsten Cicero und Seneca, den Magister
Scntentiarum; doch auch Valerius Maximus und Vegetius, Livius, Sallust,
Plinius Caesar, Columella, Josephus, seltener Suetonius, Tacitus, Quintus Curtius.
Von Dichtern nur Lucan, Ovid, Virgil, Tibull. Von den Griechen, zuerst nur
indirekt, Aristoteles »OFhilosopho«^ weniger häufig Plato, vereinzelt auchHcrodot,
Hesiod, Xenophon, Ptolomaeus, Demosthenes; und Homer. — Aus Frankreich
empfing man ausser den bereits in der ersten Epoche gelesenen Romanen, die
natürlich auch jetzt Lieblingslektüre blieben, einige Chansons de geste
(Jean de Lanson); den Isop ; Sidrac; l'Arbre des Batailles von Hon.
Bonnet; Marco Polo; vor allem aber Balladen und Lieder: Les cent ballades;
Guillaume de Machault; Deschamps; Grandson; Christine de Pisan
etc. Aus Italien: Baldo, Bartolo und Cino (sowohl seine juristischen
Schriften als auch seine Canzonen), Guinicelli, Dante (mit Kommentar von
Flaminio), Petrarca und Boccaccio (lat. und ital.) und die Cento
Novelle; — aus Spanien besonders Chroniken (General; Cid; Rodrigo;
Ayala; Lucas de Tuy etc.), die Conquista de Ultramar; Conde
Lucanor; Arcipreste deFita, Santillana, Mena, Perez de Guzman
und die Predigten des Vicentc Ferrer. — Die span. Liederdichter las man
nicht, man hörte sie. — Viele der genannten Werke waren gleichzeitig in
fremden Sprachen und in port. Bearbeitung vertreten.
71. Man nennt die zweite Epoche meist die spanische oder^hispanische.
Man dehnt dabei also eine Bezeichnung auf den ganzen Zeitraum aus, die, genau
genommen, nur für die letzten Jahrzehnte und ihre Lyrik passt. Mit Recht, da
dicseLyrik, dieeinzige Kunstäusserung der Epoche ist, die etwas schöpferisches
Denken offenbart. Doch wäre die Bezeichnung kastilisch-portugiesisch
vorzuziehen. Denn was man damit hatte sagen wollen, ist, dass im XV. Jh. alle,
Kastilien und Portugal eigentümlichen nationalen Dichtungsformen der Halbinsel
ihre Ausbildung erhielten, und zwar unter Vortritt Spaniens, und nicht dass
Portugal in geistiger Hinsicht absolut im Schlepptau der gewaltigeren Schwester
* Man lese darüber Braga, Introd. p. 203 — 264 und die verbesserte Neubearbeitung
in Universidade, cap. IV p. U>0 — 245, obwohl auch darin gar manche Hypothese durch
Thatsachen zu ersetzen ist. Die livros em latim und em lingoagem sind z. B. nicht richtig
von einander gesondert. — Vgl. Gabriel Pereira, Documentos Eborenses , Heft XXIII,
' Zu den mittellatein. Autoren vgl. hier Bd, U Abt. 1.
230 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHKN VÖLKER. 4. PORT. LllT.
einherging, ohne an der Ausgestaltung der peninsularen Trovas-redondilhas
mitthätig zu sein. — Noch auch will kastilisch-portugiesisch heissen, dass
keine anderweitigen Einflüsse das Land berührten. — Die in der ersten Epoche
angeknüpften Beziehungen zum Ausland dauern fort, ja werden enger und
mannigfaltiger. Familien verbin düngen verknüpfen mit England und Burgund;
See- und Handelsunternehmungen mit Flandern, Genua und Venedig. Nach
Paris, zur Hochburg der Dialektiker und Theologen , manchmal auch nach
Uxonia pilgern nach wie vor mit Stipendien versehene studentes^ besonders in
den Tagen des dodor subtilis; nach Bologna (wo 1360 der Spanier Gil de
Albornoz ein hispanisches Collegium gründete) zu Bartolo und Baldo die
Rechtskundigen scholares; nach Padua die Mediziner, nach Florenz die Huma-
nisten. Zu den Kirchen Versammlungen (Constanz — Basel) wurden, als Beiräte
der unter den hervorragendsten Lateinkundigen ausgewählten Gesandten, die
besten Doktoren entsendet, und ebenso als Boten an die Höfe und die Kurie,
seit die Frage »Quid novi ex Africa« überall an der Tagesordnung war. Je
wünschenswerter es aber ward, dass die Welt von den Thaten der Portugiesen
vernähme, um so bereitwilliger beriefen die portug. Machthaber auch aus der
Fremde gewandte Stilisten, damit sie bei Hofe die Fürsten und Grossen, und an
der Universität die lernbegierige Jugend in den artes et scientias unterwiesen, und
durch lat. Darstellung der port. Thaten für Ruhm und Unsterblichkeit sorgten.
Möglichst genau zu bestimmen was jeder heimkehrende Portugiese und ein-
wandernde Fremde an Kultureinflüssen mit sich brachte und verbreitete, an
Menschen und Dingen, Sitten und Trachten, Büchern und Melodien, Kennt-
nissen und Ideen, ist ausserordentlich interessant und lehrreich. Hier aber
fehlt der Raum um zu zeigen, wo die Samen zu den blütenreichen Pflanzen
herstammen, die schliesslich den hispanischen Liederfrühling bildeten. Nur
hie und da wird im Weiteren auf Einzelnes aufmerksam gemacht werden,
besonders auf die lus Italien und Frankreich gekommenen Anregungen. ^
72. In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten haben wir dreierlei
zu untersuchen: I. Die lange Zeit des poetischen Interregnums (1350 — 1449)
unter Hervorhebung der schwachen Nachklänge aus der vorangegangenen Zeit.
II. Die Entwickelung der port. Prosa, die sich an die Anfänge des Humanismus
knüpfte. III. Die Werke der kastilisch-portugiesischen Pallast-Dichter (Foetas
Palacianos) 1449 — 1521.
I. NACHBLÜTE DES ALTPORTUG. MINNESANGS (1350-1449).
73. Die stumme Zeit zwischen dem Abschluss der altport. Liederbücher
und dem Anhub des Cancioneiro de Resende ist eine ungewöhnlich lange. Selbst
' Von wichtigen Daten, die im Nachfolgenden nicht genannt sind, seien als Mark-
steine aufgepflanzt: das Jahr 1341 , in welchem Rodrigueannes de Sa der Dichter-
krönung Petrarca's beigewohnt haben soll. Sicher ist, dass er sich damals mit einer
Colonna vermählte, Cecilia, der Tochter (oder Nichte) Giacomo's. — 1370 kommt
Agapito Colonna als Nuntius nach Portugal. — 1373 lernt Joao Fernandes Andeiro
in England die französischen Hofsitten kennen. — 1384 glänzt am brittischen Hofe I^ouren^o
Annes Fogaga durch sein gewandtes Französisch. — 1429 kommt Van Eyck an den
portug. Hof — 1430 ziehen mit Dame Isabeau zahlreiche Portugiesen nach Burgund, von
denen einige heimkehren, während andere bis 1477 nachfolgen. — 1448 wendet sich ein
»Velasquez de Portugal« an Poggio und bittet um Anweisung wie man zur
Eloquenz gelange, wahrscheinlich derselbe »Messer Velasco di Portogallo«, der
1450, ein Tullius und Demosthenes an Redekraft, in Italien lebte, Petrarca's Sonette
studieite, und Bücher sammelte: libri per parecchi migliaia di fiorini, perchi voleva tutti i piii
belli che trovava (laut Bisticci). — 1459 stirbt in Florenz Kardinal D. Jaime de Por-
tugal, der auch assai buona copia di libri gekauft hatte. Joilo Fernandez Pacheco
berichtet I460 in der Kurie über Afrer und Mauren. Es ist derselbe ritterliche Gesandte, der
die Preussenfahrt unternahm und Froissart den Stoff zu seiner Darstellung portug. Ge-
schichte lieferte. Ihm gegenüber erbietet sich Flavio Biondo (f 1463), eine lat. Dar-
stellung der Afrikaleistungen zu schreiben.
Nachblüte des altportug. Minnesangs. — Pedro I. 231
die Übersättigung mit Minnesang, der persönliche Charakter der gerade
regierenden Dynasten, und die Wechselfalle der historischen Entwickelung
erklären sie nicht ausreichend. Nie und nirgend ist sonst bei einem begabten,
nicht verfallenden, sondern mächtig aufstrebenden Volke ein so plötzliches
und gänzliches Ersterben aller Poesie eingetreten. Beim port. Minnesang aber
kommt noch hinzu, dass derselbe ja auch ausser Landes, in ganz Spanien,
Förderer und Anhänger zählte, die von portug. Geschichte und Hofgunst doch
nicht abhingen. Es ist daher ohne weiteres anzunehmen, dass der Schein
trügt, und dass wie thatsächlich ausserhalb, so auch innerhalb Portugals, im
Schoosse des Volkes und in den Pallästen der Magnaten, nach 1350 wie
vorher, in port. Sprache ruhig, wenn auch weniger eifrig, weiter gedichtet
und musiziert ward. Bei dem Mangel des höfischen Mittel- und Brennpunktes,
und gewisslich auch um ihrer relativen Unbedeutendheit, Seltenheit und geringen
Neuheit willen, kam es aber nicht mehr zur Sammlung der zerstreuten Epigonen-
I Jeder. Sie gingen verloren. Schon Resende fand 1516 kein einziges Gedicht
aus dem 14. Jh., und musste seine Landsleute anklagen weil sie, unpatriotisch,
die Thaten wie die Lieder der Vorfahren der Vergessenheit hatten anheim
fallen lassen. *
74. Darf man sich daher wundern, wenn im 17. Jh. die ersten Histo-
riker, welche über die Anfänge ihrer Litteratur nachzudenken begannen, jener
ungeheuren Kluft gegenüber den Versuch wagten, auch hier mit Hypothesen
und Erfindungen auszuhelfen? und dass die selben Pfadfinder, welche für die
frühesten Jahrhunderte das apokryphe Cava-Gedicht des Königs Roderich,
und die Liebesbriefe des Egas Moniz und Goesto-Ansures, und Verse
von D. Affonso Henriques ersonnen und verbreitet hatten,- nun für die
zweite Periode einige Liebesseufzer Peters des Grausamen an seine Ines de
Castro zubereiteten ? »Wer den Tod der holdseligen Geliebten so furchtbar rächte
und die Inbrunst seiner Leidenschaft durch die grossartige Bestattung der Leiche
und die poesievoll ausgedachten Steinsarkophage in Alcoba^a der Mit- und Nach-
welt bezeugte, der war wohl auch im Stande, ein Paar Verse »/j^ Vita et in
Morte di Madonna A^nese« zu dichten, nein, der musste sie gedichtet
haben«, so reflektierte der geschickte Fabelschmied der Portugiesen Faria-e-
Sousa (der auch das hübsche Märlein von Ines' Krönung ausdachte), und
versetzte flugs D. Pedro in seine Dichterlisten. 3 Dabei fusste er diesmal
wenigstens auf einer Thatsache, die nur falsch ausgedeutet ward.
75. D. Pedro I. Vier Lieder mit der Überschrift »Del Rey D.
Pedro« standen nämlich im Liederbuch des Resende, und kursierten also seit
1516 gedruckt.^ Und ohne lange zu untersuchen, wer dieser dichtende
König Peter war, unbekümmert auch darum, dass kein zeitgenössisches Denk-
mal, kein Chronist, und auch kein Santillana vom Dichtertalent des grausamen
Monarchen etwas geahnt, stimmten alle Nachfolger des Faria-e-Sousa
' Er sagt im Prolog unter anderem : Muyias cousas de folgar e gentUezas sam perdidas
sem aver d'elas noticia . ... wwA: e se as \trovas\ qiie sam perdidas dos nossos passados se
poderam aver, e dos presentes s'escreveram, creo qtie esses grandes poctas que per tantas partes
sam espalhados, nam teveram taitta fania como tem. Vgl. was in § 86 über das Livro das
Trovas del Rey gesagt wird.
2 Dass auch der erste portug. König für einen Dichter erklärt worden ist, durfte
ich in § 23—25 übergehen, weil Niemand es gewagt hat, uns Proben seiner Werke zu
bieten. — Man Hess sich dabei einfach durch seine Homonymität mit einem span. Poeten
des 15. Jhs. Alonso Enrique/, irreleiten (s. z. B. den Canc. de Estuniga). Diesen
identifiziert Braga seinerseits mit einem portug. Dichter Affonso Henriques des
Canc. de Res {Questöes p 145) ; ganz zu Unrecht.
^ Epiiome III cap. 9 und Europa III 354. Beid« Male werden üuu iPofsiaff zu-
gesprochen.
♦ S a«f. Res. II p. 67-6«.
232 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
seiner Auslegung bei, und verbreiteten hundertstimmig die falsche Botschaft
von dem »ausserordentlichen Ruhme«, den D. Pedro »von jeher« als Dichter
genossen. ^ Ja, sie fügten allmählich zu dem ursprünglich kleinen Bestand noch
weitere Raritäten hinzu. Vor der Kritik bestehen jedoch weder die einen, noch
die anderen. Die ältesten vier sind inhaltlich farblose und vague Seufzer an
eine namenlose Dame, welcher ein verliebter Sänger diente; und formell sind
sie Canciones nach dem erst im 15. Jh. ausgebildeten, peninsularen, festen höfi-
schen Sangestypus; d. h. sie bestehen aus einem 4 zeiligen Thema {Motto) und
8 zeiliger umschreibender Volta^ deren letzte quadra in Gedanke und Reim das
Thema ungefähr wiederholt. Zwei der Gedichte bestehen ganz aus Acht-
silblern, die beiden anderen wechseln zwischen Acht- und Viersilblern; eines
in span. Zunge, die übrigen in portugiesischer. — Man beachte die Geburtszeit
jenes metrischen Gebildes; bedenke die Doppelzüngigkeit des Dichters; prüfe
die Sprachformen (die gleichfalls unbedingt dem 15. Jh. angehören); erwäge
dass die Lieder mitten im Cancioneiro (auf fl. 72) und unmittelbar neben den
Trovas des Infanten D. Pedro stehen; lasse sich sagen, dass Resende
noch in einer weiteren Überschrift die Formel y>rey D. Pedro« anwendet, und
zwar mit Bezug auf einen Nebenbuhler des 1493 verstorbenen Gestütmeisters
Johanns II. Fernam da Silveira, der den fraglichen Rey D. Pedro als Verfasser
verschiedentlicher motes d^ainores und hörnern de sangue real behandelt, aber
keineswegs wie einen regierenden Herren -, und man wird keinen Augenblick
daran zweifeln, dass jener Zeitgenosse des Coudel-mor^ der verliebte Verfasser
hispanischer motes d'amor es, (d. i. der vier Canttgas) nicht der 1367 begrabene
grimme D. Pedro, sondern sein liebenswürdiger Urenkel, der gleichnamige
Sohn des Infanten D. Pedro ist, d. h. der unglückliche Nominalkönig von
Aragon (f 1466), der schon als erster Einführer des Spanisch-Dichtens ge-
nannt ward. (S. ^ 6 und vgl. §t^ 102 — 103). Diesen meinte wohl Resende,
und jedenfalls hatte seine Hss.- Vorlage ihn gemeint. Und Faria-e-Sousa
irrte, gleichviel ob wissentlich oder guten Glaubens, und nasführte so alle
unwissenden Albumjäger mitsamt ihren späteren Lesern, die im 17. Jh. die
kostbaren Reliquien von 1357 in ihre Gedichtbücher aufnahmen. Noch gröb-
licher irrte dann Barbosa Machado^ der, im Anschluss an ein solches lieder-
liches Album (1577 vom Pater Pedro Ribeiro geschrieben), sechszehn z. T.
verderbte Hendekasyllaben (!) ital. Stils, mit Binnenreimen — ein
Bruchstück einer Canzone oder Ekloge, — an das Motto des span. Resende-
Liedes anflickte (vermutlich nur, weil beide Fetzen zufallig in einem Codex
neben einander standen), auf diese Weise ein neues Werk D. Pedro's schaffend.
Und der Professor der Rhetorik und Poetik A. Lourengo Caminha (7 1831),
den ich kurz als Nacheiferer des Faria-e-Sousa und Herausgeber vieler
höchst fragwürdiger Inedita charakterisieren will, irrte, so er nicht tückisch
betrog, als er 1791 ein von ihm zwar als anonym bezeichnetes, aber doch
D. Pedro in den Mund gelegtes Klagelied auf den Tod der Ines de Castro
in 5 neunzeiligen Trovas druckte,'* welches dann 1822 von Balbi ausdrück-
* Z. B. der Verfasser des absonderlichen »Panegirico por la Poesiat (Ober den man
Sa Iva No. 853 befrage) auf p. 44 der einzig-zugänglichen Sevillaner Ausgabe von 1886, ob-
wohl er übrigens noch obenein den König mit dem Regenten, seinem Enkel, ver-
wechselt und ihm die gleichfalls gefälschte Strophe auf Lissabon zuspricht , welche seit
Brito auf das Konto des vielgereisten Infanten geschrieben zu werden pflegt. S. § 87.
Vgl. Bouterwek p. 13-. Bellerniann p. 21 und 22; Wolf, Studien 717; Costa e
Silva I 81 ; A. de los Rios VI p. 23 und andere mehr, von denen die wichtigsten in
den folgenden Anmerkungen vorkommen.
2 Canc. Res. I 173-
8 Bibl. Ltis. III 541.
* Ineditos de Perestrello e Galväo p. 164 — 182. S. Anm. 6 der nächsten Seite und
vgl. § 107.
Pedro I. 233
lieh als Arbeit des Königs weiter verbreitet ward.' Von F. Denis anerkannt
und ins Frz. transponiert, 2 ward es hier zu Lande 1878 noch zwei Mal als
neuentdecktes Gut in Umlauf gesetzt unter dem Titel: Versos feiios por D.
Pedro^ morto em ijöy, sobre a tragica morte de sua esposa D. Ines de Castro ^'^
das eine Mal sogar in einem Specialliederbuch des Königs in Gross-Folio,
zusammen mit den übrigen fünf Apokryphen.* Leider haben auch AI meida-
Garrett^ und Th. Braga (der über die Zugehörigkeit der 4 Cantigas richtig
urteilt) 6 die beiden spätgeborenen Fälschungen nicht ohne weiteres aus der
portug. Litteratur ausgewiesen, so dass es noch einer ausführlichen , scharfen
Sonder-Analyse bedürfen wird, um den Glauben an das Dichtertum König
Peters zu zerstören, und festzustellen, dass wenn er den Griffel geführt hätte,
seine Werke portug. geschrieben sein würden, und zwar in den sprachlichen
und metrischen Formen der ersten Epoche.'^
* Essai Statistiqtu sur le Royaume de Portugal: vol. II: App. ä la Geographie litleraiiv
p. VIII, nach vollständig kritiklosen Aufzeichnungen eines portug. Ungenannten. — S. p. 164
Anm. g.
^ Kesiimc Chap. II; und Chronüjtus chevaleresques I 153 — 156.
' Im Almanak Progreso para 1878, p. 214.
* Pereira Caldas, Cattföes de D. Pedro I Rei de Portugal, Poeta do secido XIV,
F i I li o de Cöimbra, Porto, 1878; mit einleitender Biographie. Der glückliche Heraus-
geber besitzt 2 Niederschriften des Balbi' sehen Textes und eine des Gedichtes Ribeiro-
Machado! Selbstverständlich mit »wichtigen Varianten«, die in nichts als im sinnverstüm-
melnden Fehlen gewisser Zeilen bestehen !
* Romattcero I p. 11.
® Braga spricht die 4 Lieder des Canc. Gerat Aem Condestavel zu, in Trov. p. 2ij2
— 2C}6; Poet. Pal. p. 157; Theoria 3. Aufl. p. 108; Curso p. 130. Dass er trotz dieser
Einsicht, an der Echtheit der Hendekasyllaben nur zweifelt und dem Balbi-
Caminhaschen Machwerk seine moderne Künstlichkeit nicht anmerkt, sondern dasselbe für eine
acceptable Arbeit des 15. Jhs. erklärt, gehört zu den beklagenswerten Ungereimtheiten seines
Werkes. S. Questöes p. 140 — 143. Eigentümlicher Weise hat B r a g a auch die Publikationen
Caminha's Obersehen und hält daher den »glaubwürdigen Gelehrten« Bai bi für den Original-
herausgeber des Klageliedes auf D. Ines. Dieser selber aber wusste gleichfalls nichts von
dem erwähnten Quellenwerk. Und auch Pereira Caldas Hess es unbenutzt. Deshalb
entging allen dreien und der Lesewelt bis heute ein siebentes opus des Königs Peter, das
Lied: Amor, porque entendes, und ausserdem ein noch viel herrlicherer Fund: das Sterbelied,
welches die aus 23 Wunden blutende D. Ines auf ihrem letzten Ruhelager dichtete! das älteste
Gedicht einer portug. Dame also, und zugleich die frühesten Quintilhas der Halbinsel ! —
Das von Balbi und den Übrigen abgedruckte Gedicht ist nämlich nur ein Teil eines grösseren
Ganzen : einer , behufs besserer Glaubwürdigkeit fragmentarisch gehaltenen Prosa - Vision
vom Tode der D. Ines, die ein Ungenannter einer »Hoheit« mitteilt -»fietmente trasladada do
seu original antigo. Und darein eingestreut erscheinen drei poetische Stücke. Ausser dem oft
reproduzierten Gedichte: a) noch eine t> Exclamafäo de D. Ignezu, bestehend aus 4 Quintel-
has und 2 daran hängenden 9 zeiligen Provas, von grosser Geschmacklosigkeit, und b) eine
Cantiga, welche D. Pedro, nach dem Verbleichen der Geliebten, im Zimmer auf- und ab-
spazierend, in Gegenwart der weinenden Kleinen, verfasste und deklamierte. Es genügt wohl
zur Charakterisierung dieses von Caminha zu Tage geförderten Denkmals, wenn ich fest-
stelle, dass die 4 Quintilhas aus Resende's Ines-Gedichte (Canc. Ges. HI 616) abgeschrieben
sind? Oder wird trotzdem diese neue Notiz Stoff zu einer vermehrten Ausgabe der
Catiföes de D. Pedro liefern?
^ Wie viele noch daranj[glauben, zeige ein Beispiel: der geistvolle R. T. Burton
macht in seinem Camoens (Lond. 1881 p. 233) aus dem portug. Könige einen man of letters,
gedenkt zweier(!) Gedichte desselben auf den Mord der Geliebten, und berichtet, er sähe
öfters in den Qu aritsch -Katalogen ein iSangbooki des Königs angezeigt. (Ist es die
oben erwähnte Ausgabe Pereira Caldas? Oder liegt Verwechselung vor mit der Varn-
hagen' sehen Ausgabe der Provas des vermeintlichen Grafen D. Pedro de Barcellos?) —
A. Balaguer y Merino begeht hingegen im r, Condestable de Portugal«. (Barcel. l88l) den
Irrtum, die 4 Liedchen des Canc. Ger. Peter dem Grausamen v. Kastilien zuzuerkennen ! —
Dem rechten liesitzer erteilen dieselben : M o r e 1 - F a t io in Romania XI p. 154 — 156 ; S t o r c k
in Camöes, Einl. § 39 und Garcia Peres (ob auch zaudernd). Barbosa-Macha d o's
Canzonen - Fund hatte schon Bellermann (p. 48 Anm. 19) für »unecht« erklärt, und
F. Wolf durchschaute die Unhaltbarkeit des Balbi'schen Stückes, hielt aber sonderbarer-
weise die italianisierenden Hendekasyllaben für eine Glosse des span. Mottos in Kurz«
2 34 Lrn'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTi".
76. Die verjährte Hoffnung, bei gewissenhaftem Forschen wenigstens
so viel Materialien in Form von Restbeständen und Schriftstellernamen zu-
sammenzufinden , dass sich eine Notbrücke über die dichterisch-leeren Jahr-
zehnte schlagen Hesse — Schrittsteine zum Übergang von 1350 bis 1450 —
lasse man also fahren! Alles was ich gefunden, ist eine nicht kurze Reihe
von gelegentlichen Bemerkungen der Prosaisten über Kirchensänger und Musik-
lehrer (caniores), für Feste und Kriegszüge eingeübte fninistriles, spassmachcnde
chocarreiros und tafues. Von dichtenden juglares und troi>adores kann ich
nur je einen Namen nennen: Fernam Lopes gedenkt in seiner Chronik
Johanns I. (P. 11 p. 106) eines Spielmanns König Ferdinands, Anequim
geheisscn. ^ Und sein Fortsetzer Zurara (P. III p. 91) erwähnt einen Jüdischen
Dienstmann der Königin Philippa, Judä Negro, als grossen Troubadour,
und beruft sich auf trovas von ihm, in Briefform, über die Gerüchte, welche
141 5 ob der geheimen Vorbereitungen zur Fahrt nach Ceuta umliefen.
77. Dabei sei erwähnt, dass an der Schwelle der zweiten Periode die
Bezeichnung trovas (im Volksmundc heute auch trobos, wie ich schon sagte),
für alle, objektiv oder subjektiv gehaltenen, bei Hofe von Höflingen, oder
im Gebirge von Bauern, erdachten »Erfindungen« im Volksstyl, d. h. in
den peninsularen Kurzzeilen üblich ward, wohl nachdem sie zuerst solchen
Vulgär-Dichtungen beigelegt worden war, wie sie noch in der ersten Epoche
zünftige Spielleute eben für das Volk angefertigt hatten.'-' Von den höfischen trovas
spricht Abschnitt III dieses Kapitels (^^ iio — 112). Von der Volkslitteratur
im Allgemeinen war schon im Zusammenhang kurz die Rede (^§ 18 — 22).
Die wenigen historischen Volksreime aber, welche bestimmt in unsere leeren
Jahrzehnte fallen, sind für eine Besprechung hier zu unbedeutend (wie die bei
der Belagerung von Lissabon (1384) gesungenen Spottverse auf den spanischen
Feind), 3 oder zu schlecht verbürgt, wie die Condestavel-Liedchen.'* Von den
traditionellen Formen und Gebilden der zwischen Kunst- und Volkspoesie die
Mitte haltenden Vulgär - Poesie {littcratura de cordel^ weil die kleinen Druck-
hefte, auf Schnüre gezogen, auf den Märkten feilgehalten werden) erlangten
die meisten das port. Bürgerrecht gerade jetzt im 14. und 15. Jh.: so der
aus frz. Complaintes und ital. Lamentazioni entstandene wichtige Fado\ die
Debatten und Disputen zwischen Wasser und Wein, Körper und Seele, Liebe
und Tod; die »Ausrufe« {gridas \\w^ pregöes)^ »Ausverkäufe« und »Auktionen«
{leiloes und almoedas) »die Testamente«;^ »die Abeces« und »Zehn Gebote
der Liebe« , die »Warum-fragen« u. a. m. Der metrischen Gestalt nach,
fallen sie übrigens alle unter den Trova- Begriff.
78. Die wahre, und gangbare, ob zwar schmale Brücke vom Caiuionciro
da Vaticana zum Cancioneiro de Resende muss aus Materialien hergestellt
werden, die ausserhalb Portugals entstanden, und aufbewahrt sind. Ich meine
Zeilen ! — Überall Wirrnisse, die ich dem geduldigen Leser zu entwirren versuche, mit grösst-
möglichem Lakonismus.
' Möglicherweise ist es derselbe, den der unzuverlässige Nachschreiber Azenheiro
als chocarreiro que se cliamava Anrique bezeichnet {Ineditos V, 174)- In diesem Falle
also auch nur ein Gaukler.
^ Vgl. Vat. 965: Bemqidsto sodes dos alfayates, Dos peliteircis e dos mocdores ; Do vosso
bando som os trompeires E os jograes dos atamhores.
' Braga, Canc. Pop. No. 6. Diese Reimpaare gegen die span. Belagerer sangen
die einen spanisch, wie bei F. Lo pes L p. 205; die anderen |)ortug., wie bei Azen-
heiro p. \%'.\. Also auch im Volksmundf , und zwar schon 1:^84, gelegentliche und moti-
vierte Doppelzüngigkeit !
* Canc. Pop., Nos 7— lo. Das Schweigen der zeitgenössischen ausführlichen Chroniken
Johanns I. und des Condestavel; die späte klösterliche Überlieferung und die unlauteren
Sprachformen der Gedichte erlauben es nicht, an ihre Echtheit zu glauben.
* S. § 84 p. 241 Anm. 3,
Andre Lyriker. Trovas. Galliz. Lieder. Cancioneiros. Neuer lyr. Stil. 235
aus den sogenannten gallizischen Liedern, welche in Kastilien, am Hofe
Heinrich's II. von Trastamara, Johann's I. und Heinrich's III. und selten noch
unter ihren Nachfolgern, von ritterlich höfischen Minnedichtern gesungen, und
während der Regierung des musenfreundlichen Johanns IL von einem seiner
Scribenten, Joäo Affonso (de Baena), gesammelt wurden, sowie aus einigen
weiteren in andere span. Liederbücher des 15. Jh. aufgenommenen portug.
Gedichten. 1 Ein zwar kleines, aber recht artiges »Gallizisches Über-
gangs-Liederbuch« Hesse sich daraus zusammenstellen. Und dass es ge-
schehe, ist ein grosses Desideratum. Doch müsstcn die von Baena, und den
sonstigen spanischen Sammlern schlecht überlieferten Texte "^ von kundiger
Hand restauriert, und in ihrem Zusammenhange mit der ersten Epoche sachlich,
und sprachlich wie metrisch, aufs Genaueste untersucht werden. — Viel Treff-
liches ward über die span. Cancioneiros bereits geschrieben, von Spaniern und
Deutschen, doch geschah es vor der Zeit wo die Werke der Altportugiesen
und ihre Poetik zugänglich waren, und ehe die Drucklegung der älteren span.
Sammlungen iCanc. de Estimiga — Canc. Patrimonial VII-A-j — Canc.
Musical) und umfangreiche Mitteilungen aus anderen Hss. (durch Ochoa, A.
de los Ries und Gallardo) den vergleichenden Gesamtüberblick über die
Entwickclung der Kunstlyrik aller hispanischen Lande ermöglicht 3 hatten.
Der Scharfsinn eines F. Wolf erkannte zwar schon 1859 die besondere
Wichtigkeit, welche den gallizischen Gedichten des Canc. de Baena beizu-
messen ist, doch konnte er damals unmöglich ausfindig machen was heute
sichtbar ist, nämlich wie ausserordentlich eng sich alles was bis 1400, und
darüber hinaus noch bis 1458, in Spanien an sangbaren Minneliedern {cantigas
asonadas) geschaffen ward, sich an die Cantigas de atnor der portug.-proven-
zalischen Epoche anlehnt, nicht allein was das Strophengefüge betriffl (wie
z. B. die Leonoreia-\^ eho) die Reimkünstleicn (die rimas de tnacho e femea^
— der leixaprem^ — dobre und mordobre ^ — descori — encadeado"^ —
palavra perdida^ — ■ die Coblus unisonans — und andere artes de maestria^
* Es giebt kein einziges Liederbuch des 15. Jhs., welches ausschliesslich Gedichte
in einer der drei peninsularen Schriftsprachen enthielte. Alle mischen, mehr oder minder,
unter die kastil. Texte, welche schnell die Oberhand gewinnen, katal.-valenzianisch-arago-
nesische und portug.-gallizische Verse. — Und daneben noch, charakteristisch genug, franz.
und ital. Lieder. Zeilen, Formeln und Worte.
2 Keiner der alten span. Sammler oder der neuen Herausgeber beherrschte das Portug.
Sie mischen daher fortwährend ungehörige kastil. Formen in die portug. Texte, selbst im
Reime (z. B. oft decir für dizer). Vielleicht in Übereinstimmung mit der damals zu Recht
bestehenden Sprech-Wirklichkeit ? Oft ist man in Zweifel, ob man es mit der einen, oder
der anderen Sprache zu thun hat. — Schrieb aber selbst der Dichter reine Formen nieder,
so mochten Sänger und Kopisten die Texte ad libitum in das ihnen mundgerechte Idiom
transponieren. Mancher Fehler stammt natürlich erst von den modernen Herausgebern her.
Wer sich an die Textkritik heranwagen w^ill, muss in beiden Sätteln gerecht sein, darf aber
nicht ausser Acht lassen, dass im 15. Jh. gallizische und leonesische Vulgär formen ver-
wendet wurden, die in der ersten Epoche nicht vorkommen (wie tnorrei für niorrerei\ tnorir
neben morrer).
' Mit den gedruckten Sammlungen müssen die nur auszugsweise bekannt gegebenen
Texte des Canc. Gallardo S. Roman — d' Herberay Turner — Ixar — Bibl. Patrimonial
Vn-D-4- und VH-A-3 (den Perez Gomez Nieva nicht erschöpfend und höchst mangel-
haft behandelt hat) — sowie der kat. Canfotur d'amor — Canc. de Zaragoza — Canc. Paris.
59.3 etc. verglichen werden.
* Baena Nos 143. I44. 183. 184.
^ Nos. 19. 22. 60. 69. 70. 174- 175- 176. 201. 208. 212. 216. Vgl. 312 und 313.
* No. 45-
' No. 133-
8 Nos. 209. 255.
^ No. 63. 215. 218. Die betreffenden technischen Ausdrücke kommen ausserdem noch
öfters vor; so im Liede 255 und 340b (Bd. H p. 54 der Leipziger Ausg.). Über Sinn
und Ursprung der ganzen technischen Terminologie ( — estribote — estribillo - desfecha etc.)
236 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LllT.
w«j<?r), gewisse Lieblingsworte (wie 5^«>^r, f., entendedor, al, cal, folia, sandeu,
entenfon, soidade, mesura, servir) und ganze Formeln (a que eu vi poi- meu mal
— lume d'esies olhos meus — coiia do meu corafäo — etc.), sondern besonders
nach Inhalt und Geist undVerwertung des sentimental leidenschaftlichen Frauen-
kultus und seiner unterwürfigen Galanterie. An einem befriedigenden, die
nötigen Fragen aufstellenden und lösenden Werke über das Zeitalter der Can-
cioneros fehlt es daher noch. Noch Niemand hat ausgesprochen, dass und wie
der neue lyrische Stil der Halbinsel, welcher. Dank reichlichster Aufnahme
von volkstümlichen Elementen , und der ausschliesslichen Verwertung der
indigenen, mit den peninsularen Sprachen organisch verwachsenen Rhythmen so
eminent national ausschaut, durch die Zusammenarbeit von xAngehörigen der
drei herrschenden Völker, und durch das Ineinanderfliessen dreier Strömungen
entstand: i) der Gefühlsüberschwänglichkeit der Portugiesen und ihrer innig
naiven, an ketzerischen Übertreibungen reichen Erotik; 2) der zu scholastischer
Dialektik und dogmatisch spitzfindigen Diskussionen hinneigenden, etwas schwer-
fälligen und frostigen aber gedankenvollen Gelehrtheit der katalanisch-
aragonesischen Meistersinger und Adepten des 1323 in Toulouse ge-
gründeten, 1356 kodifizierten, und dann 1414 zu Barcelona restaurierten »Con-
tistori del gay saber« (vgl. hier Bd. II Abt. 2 p. 36 u. 77) ; 3) des macht- und glanz-
vollen epischen Heldengeistes der pathetischen Kastilianer, deren historische
National-Romanzen in voller Entwickelung waren, so wie ihrer tief religiösen
Mystik, ihrer überlegenen Ironie und ihres unerschütterlichen Selbstgefühls.
Niemand hat dargestellt wie die hervorragendsten lyrischen Dichtungsarten, die
damals die massgebenden Nationalweisen wurden und bis heute verblieben —
und die wir 1450 in Portugal fertig vorfinden werden — , wie also die Canciones
(oder Caniigas), Villancicos (od. Vilancetes), Glosas, Endechas^ Romances, die Quin-
ülhas, Decimas und Monas und sonstige kunstmässig vervielfältigte Trovas sich bil-
deten (s. § in). Und auch über den weckenden Einfluss, den fremde Kunst
ausübte, ohne der Eigentümlichkeit des Spaniers Abbruch zu thun, d. h. über
den Einfluss der franz. lais, balladas, dangas, complaintas^ chanzones, cMnzonetas,
chantarelas, virolais, rondelas von Machault, Deschamps, Alain Chartier,
Christine de Pisan etc. einerseits', und andererseits der ital. Musik- und
des ital. Humanismus, ist noch nicht genügend Auskunft gegeben,
79. Wer den Werdeprocess der peninsularen Nationallyrik eingehend
erörtern dürfte, hätte in dem Kapitel über portug. Einflüsse, die kastilisch-
portugiesischen Dichter in 5 Gruppen zu sondern: i) geborene Gallizier, die
im alten Stile der ersten Epoche und in ihrer portug.-gall. Heimatsprache dich-
teten. 2) die Kastilianer, welche gleichfalls, dem Brauche der ersten Epoche
treu, auch noch in der zweiten das Portug. als Sprache der Lyrik verwerteten. ^
herrscht noch /iemliche Dunkelheit. Scheijnbar stammt sie halb aus portug., halb aus den
limusinischen Poetiken; in Wahrheit vielleicht aus der verlorenen Arte de trohar des ü.
Juan Mamiel, die möglicherv^reise beide Richtungen berücksichtigt und kodifiziert hatte.
' Im Catic. de Baena kommt bereits eine nicht geringe Anzahl franz. Wörter vor,
die dem Altportug. völlig fremd waren; aus dem Gebiete der Verslehre clianzon, virlais
(deslais) und rondel. Lehrreich sind für die Beziehungen zu Frankreich die Werke S a n -
tillana's und die Chronica de Pero Nim. In der Bibliothek der katholischen Isabella
standen 3 franz. Liederbücher ; der Condestavel besass die Cent ballades und Christine de Pisan.
Johann I. v. Portugal sagte von einer Jagdfanfare : Guilhelme de Machado (— Machatdt) mm
fez tarn fermosa concordanga de melodia; Odo de Gransson widmete seine Complaintes
und Virlays burgundischen Portugiesinnen; von diesen standen Beatriz de Coimbra-
Clev e-Ravenstein, Isabel de Sousa -P oitiers und Alienor de Poitiers
in Beziehungen zu verschiedenen franz. Liederdichtern ihrer Tage.
2 Anton Schmid's Werke über Ottaviano Petrucci', Wien 1845, und der
Canc. Musical enthalten die Beweise.
ä Alle nicht-portug. und nicht-gall. Bewohner der Halbinsel nennt auch der
Portug. kurzweg Castelhanos.
Gallizische Dichter: Fernam Casquicio. Vasco Pires. 237
3) solche Spanier, die zwar noch nach port. Art, aber in span. Zunge dichteten , '
die geborenen Portugiesen, welche weil in Spanien naturalisiert, mit dem neuen
lyrischen Stil des 15. Jhs. auch die kastil. Sprache annahmen. ^ 4) alle Portu-
giesen, welche später innerhalb des eigenen Landes in dieser Weise nachahmend
thätig waren. 3 Das Ergebnis würde sein, dass bis 1458, — kräftig nur bis
1420 und vielleicht noch genauer nur bis zur Thätigkeit Villena's, des Re-
staurators der zünftigen gayosa ciencia (14 14) — in Spanien portug. cantigas
de atnor und cantigas de mal dizer^ nach Portugiesen- Art noch gleichberechtigt
neben den decires, reqüestas wnA perguntas der Katalanisten, und den Visionen
und Allegorien der Dantistas ertönten. Hier aber haben wir uns darauf zu
beschränken, die erste und zweite Gruppe flüchtig zu betrachten. Die übrigen
gehören der span. Litteratur an; und nur die letzten darunter werden später
noch einmal erwähnt.
80. Das Schicksal der dichtenden Gallizier ist um ein kleines günstiger
gewesen als das der Portugiesen. Wenigstens die Namen der drei berühmtesten
hat Santillana aufbewahrt. Da er sie im Anschlüsse an die dionysischen
Dichter nennt, muss man annehmen, dass er sie zur portug. Litteratur rech-
nete. Er zählte sie noch dem 14. Jh. zu. Es sind: Fernam Casquicio,
Vasco Pires de Camöes und Macias.''
81. Das Leben des Fernam Casquicio ist ebenso unbekannt wie seine
Lieder es sind. Ich kenne aus der Zeitgeschichte einen, wahrscheinlich galli-
zischen Junker Ferran Gasquicio oder Gasquizo,^ der im Dienste des
portug.-gall. Magnaten Diego Gomez da Silva stand, und somit zu den
Vasallen des D. Joam Affonso de Albuquerque, des ersten portug.
Ministers des kastil.D. Pedro L, gehörte.'^ Und zwar ward er 1354 als Bote nach
Portugal entsendet. Es ist also möglich dass er mit dem Dichter eins war.**
82. Vasco Pires (oder Perez) de Camöes,^ von dem schon bei
' Ich meine Ferrus, Fernan Sanchez de Talavera, Alfonso Gonzalez
de Castro, Diique D. Fadrique, Alonso Enriquez (s. p. 231 Anm. 2), aucli
M a c i a s und Villasandino, Pero Gonzalez de Mendoza, Diego Furtado
de Mendoza, Ifiigo Lopez el Feo etc. Besonders das Geschlecht der Mendoza's,
deren Stammsitz in Asturien stand, zeigte Sinn und Neigung für das volkstümliche Element
der westlichen Lyrik (serranilhas und Parallelsfrophen-Lieder). Vgl. p. 151 und 153.
2 Ich denke z. B. an D. Juan de Pimente! f 1437; Juan de Merlo f 1443;
Pedro da Cunha; Gomez Carrillo de Acüna; D. AlfonsoPimentel, die z. T.
mit der Königin Beatriz, z. T. während der Erbfolgestreitigkeiten nach Kastilien Obergesiedelt
waren.
' In 6. Reihe dürfte man noch alle diejenigen Gedichte der zw^eiten Epoche untersuchen,
welche überhaupt Beziehungen zwischen Portugal und dem Nachbarlande offenbaren: sie
liefern z. T. überraschende Aufschlüsse.
* Die letzteren hiessen jetzt Catüigas en manera de difamacion.
* Die Worte : y>Despjtes destos vinieron Basco Perez de Camöes, Fernant Casquicio e
aqttel grarrenamorado Maciast. schliessen sich unmittelbar an den in § 27 ausgeschriebenen
Passus. Santillana's Auffassung teilt Argote de Molina. Auch er rechnet Mac ins
zu den Portugiesen : »/ si a alguno por causa de las coplas de Macias referidas le parecicre
qne Macias era Portugtuz, esle advertido que hasta los tiempos del Rey D. Enrique HI knias
las coplas que se liazian cotmtnnunte, por la mayor parte er an en aqiulla manera. <s.
^ Die dritte Lesart Gascon kann Berechtigung nur haben, falls der ungewöhnliche
Name ursprünglich eine alcunha war und die Herkunft der Familie aus der Gascogne
bezeichnete (wie bei den portug. Gascos der Fall sein soll).
' S. Ayala, Cronica de Pedro s. a. 1354, cap. 3.
* Mit dem Einfall Sarmiento's, welchen Sanchez gutheisst, im Briefe Santil-
lana's das Wort Casquicio durch den anklingenden Namen Cascales (Cascaes) zu ersetzen,
ist gar nichts gewonnen. Ebensowenig mitBraga's Vorschlag, den altportug. Troubadour
Fernand Esquio darin zu erblicken, von dem uns ein paar Lieder erhalten sind. {Vat.
899-903 und 1136—1137).
'Ausführlicheres über ihn bieten: Braga, Trov. 312— 32I; Quinh. 325 — 326;
Camöes I 44 — 50 Theoria, 3^ ed. p. 191 und Curso 128—129; Juromenha I 12—13 und 28.
nebst Anm. auf p. 487; Storck, Camöes, Einl. § 39 und Leben, § 4 und 5.
238 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Gelegenheit des Amadis die Rede war, ist hingegen eine bekannte Persön-
lichkeit, die als Urältervater itresavo) des Lusiadensängers in Genealogien, und
als von der Hofgunst König Ferdinands besonders begünstigter Politiker und
Krieger in den Chroniken sehr oft genannt wird. ^ Zwischen 1361 und 1369
wanderte dieser caballero de Galicia in Portugal ein, dem Hasse des span.
Peters des Grausamen, ausweichend 2 wie viele andere Adlige. Am port. Hofe
prosperierte er bis 1383; blieb Parteigänger seines Beschützers Ferdinand auch
nach dessen Tode, und also Gegner des Ordensmeisters von Aviz, 3 gegen
den er als Burgherr die Feste Alemquer verteidigte. Der Sieg der National-
partei beraubte ihn seiner Machtfiille, doch verblieben ihm einige Grundstücke
in Portugal. Die Chroniken nennen ihn nach 1386 nicht wieder; seine Ge-
mahlin und Nachkommen aber sind Portugiesen. Wann, wo und was, und
in welcher Sprache er dichtete, ob vor 1 361 in Spanien (möglicherweise noch
unter Alfons XL), vor 1383 in Portugal, oder, nach 13S6 als Gast im kasti-
lischen Königspallaste, lässt sich nicht entscheiden. Noch um 1559 war jedoch
sein Name in Portugal, freilich neben dem des Spaniers Mena, als Typus
des begüterten, zu Stellung und Ansehen gelangten />ö^/<? «-?///<•<? sprichwörtlich ■♦.
Von seinen Gedichten (die Santillana 1449 vermutlich noch gesehen) ist
nichts übrig. Oder so gut wie nichts: 20 Zeilen (2'/2 oitavas de arte mayor)
in span. Sprache: ein frostig gelehrtes dezir über die Entstehung des Blitzes,
als Antwort auf eine Frage des leonesischen magister theol. et physicae Fray
Diego de Valencia de S. Juan)^ — falls, wie vorauszusetzen, der Vasco
Lopez de Camoes des Cancionero de Baena mit dem Vasco Perez der Ge-
schichte und Santillana's identisch ist.ß Zwei Gedichte, welche die Neuz(;it'
ihm zuweisen möchte , sind untergeschobene Stücke ; wertlose gallizische
Sonette, die ich für Seitenstücke zu Ferreira's Amadis-Gedichten halte und für
durch diese hervorgerufene, und zu schlecht versteckten Zwecke angefertigte
Fabrikate erkläre. Sie wurden 1668 in die Werke des Camoes eingeschmuggelt,
' Fernam Lopes, D. Joam I, P. I p. 12. 34. 41- 55. 94- 112. 177- 143- 191-
301 • 315- 350. 386. 391 ; P. n p. 53. 95. 116. 162; Chron. do Condestavel, cap. 21. 41
und 48; Mon. Lus., Livro XXIII. cap. 27; Cron. de D. Juan I s. a. 1381 (p. 88 und 91
der ed. Rivadeneyra).
2 Im Jahre 1361 war Vasco Peres noch in Spanien, wenn, quo d prob andum, der
gallizische junge Knappe Vasco Peres de Baanionte (sie), von dem Ayala redet,
(Z>. Pedro I s. a. 1361 , cap. 4) unser Camoes ist. Ihn und seinen Verwandten Arias
Vasques de B. Hess der König aus Groll gegen ihre ihm feindliche Sippe wie Verräter
zu einem Zweikampf fordern, in dem der letztgenannte auf unredliche Weise umkam. Der
heil ausgehende Vasco verlie.ss damals die span. Erde, zusammen mit seinem später bei
Aljubarrota gefallenen Vetter Aires Peres.
^ Nicht sonder Wanken. Einmal paktierte er, um Gold, mit D Joao I. Fernam
Lopes rechnet ihn, da er bald wieder zu den Spaniern überging, zu den »unechten« Por-
tugiesen, die er wie »wilde Schösslinge« und »Götzendiener« an den Pranger stellt. Vgl.
P. I p. 315.
* S. Sä de Miranda, No. 2o8 und Kommentar auf p. 873. Er wird kurzweg
Camoes genannt: ■iHa de enfrear stia pena Quem quiser ser mais -Dm^dradoi. Que Camoes e
yoam de Menav.
* S. -ffa^wa No. 493 und 494 (Bd. II p. 175—6 der Leipziger Ausg. und dazu Anm. 23,5).
Vasco scheint mit demselben stockgelehrten Magister noch weitere Doktorbriefe in Reimen
ausgetauscht zu haben. S. Nos 495 (= Frage ohne Antwort) und 509 (= Antwort ohne
Frage).
^ Die Geschichtsschreiber nennen ihn Peres," gemäss den Urkunden der Staatskanzlei
(doch kommt hie und da auch Fernandes und Paes vor, z. B. bei F. Lopes I p. 41, und
sogar der falsche Vorname Gon9alo ib. p. 117)- Die Herausgeber des Canc. de Baciia
lösten vielleicht die Abbreviatur des Patronymikums mangelhaft auf. — Hunderte von Maien
sind bereits Gmz Glz Grz FrzPrzPzd.h. Gomez Gon zalez G arcez Fernandez
Perez Paez mit einander verwechselt worden. Wer den Dichter und den Krieger für ver-
schiedene Figuren ausgeben will, muss erst beweisen, dass es 1384 mehrere Vasco de Camoes
gegeben.
Gallizische Dichter. Macias. 239
wo sie bislang verbleiben, i Selbst wenn Vasco lange genug gelebt hätte,
um die ältesten peninsularen Sonette (Santillana's) kennen zu lernen, so würde
er sie in Versos de arte mayor, und nicht in reinfliessenden HendekasylIab(Mi
abgefasst haben, wie sie noch 1530 in Portugal unerreicht dastanden.
83. Um Macias2, welchen Kastilianer und Portugiesen um die Wette
als -»Espatlol mas amante'^. verherrlicht haben, und den ganz Europa kennt
als sprichwörtlichen Prototypus der peninsularen Verliebten, welche sterben
wenn sie lieben, steht es ein gut Teil besser. Der Hauptinhalt seines Lebens
wird durch ihm huldigende Gedichte erlauchter Schriftsteller des 15. Jhs.
ausser Frage gestellt 3; dass nämlich der aus Padron bei Santiago gebürtige
Sänger noch in jungen Knappenjahren, auf Burg Arjonilla bei Jacn (wo er
begraben liegt) in trutziger Verzweiflung sein Leben seiner Liebesleidcnschalt
opferte, von der Lanze des eifersüchtigen Gatten des geliebten Edelfräuleins
durchbohrt, das jenem auf höheren Befehl die Hand gereicht. Das »Wie«
erzählen sie nicht genauer. Ein 1499 vom »griechischen Komthur« müh-
sam zusammengestoppelter Bericht {Jiistoria remendada a pedazos, wie der Ehr-
liche selbst gesteht), den 1588 Argote de Molina zu einer artigen kleinen
Novelle verarbeitete, und den hinterher noch drei Jahrhunderte in Dramen,
Romanen und Romanzen sanktionierten, giebtan: nach vergeblichem Warnen
habe der mächtige Feudalherr des Macias, der als Astrologe und Nigroman-
tiker gemassregelte , gelehrte Schriftsteller, Dichter und Königsenkel Don
Enrique de Villena (1384 — 1434) den unbotmässigen Knappen einkerkern
lassen. Da er trotzdem fortgefahren, seine Herzensdame in Liedern zu feiern,
habe der misachtete Gatte, ein Edelmann aus Porcuna, sich selbst Recht ver-
schafft und von hohem Rosse herab , die Lanze durch das Gitterfenster des
Gefängnisses geschleudert (laut Fernan Nu nez durch ein agujero del tejadol).
Eine Jahrzehnte ältere, etwa 1450 niedergeschriebene Notiz des oftgenannten
Condestavel D. Pedro dePortugal stellt den Vorgang anders dar: Macias
habe einst die Dame, welcher er als Troubadour diente, mit eigener Lebens-
gefahr vom Tode des Ertrinkens gerettet. Auf einer späteren Begegnung, nach
ihrer Vermählung, habe er zum Grusse und als Lohn für seine Dienste ver-
langt, sie möge vom Saumtiere herabsteigen, was sie gethan. Der hinzugekommene
Gatte aber habe den regungslos und traumversunken in ihren Fusstapfen Stehen-
gebliebenen in wildem Zorne getötet 4. — Wann? — Die Antwort: in der
* Aid en Monte- Rey wwA Porque nie faz Amor. Vgl. Storck II p- 424 und Bragn,
Camoes II 163.
^ Einen weiteren Namen kennt man nicht. Macias ist die gallizische Form für
Matthias und noch heute iiblich als Taufname und als Familienname. In Portugal schrie!)
und sprach man h.Hufiger in popularisieiter Form Mancias. Im 16. Jh. betonten einige
Dichter, die den Dichter nur auf litterarischem Wege kennen gelernt hatten, fälschlich
Mäncias (im Reime zu dnsias).
^ Ich nenne als Beispiele: Mena, Santillana, Padron, Garci Sanchez,
GomezManiique, D. Fadrique, D. Pedro deP©rtugal,D. Joäo deMenezes,
D. Joam Manoel. Im Canc. de Res allein kommt er 18 Mal vor. S. u. § 107. Anm. 9.
* Die Hauptquellen für die Vita sind also zwei: die Satira de felice e infelice Vida
des Cond. de Port, Glosse 8 des Madr. Ms. P. 61 (vgl. A. de los Rios Vl77 und 548)
und der Comendador Griego Fernan Nunez in seinem Kommentar zu den Trecientas
des Metta\ Orden de Venus, Strophe 105 — 108. — Dazu kommen Argote de Molina,
N'ohleza de Andalucia, 1588, II cap. 148, fl. 272 v.; Xiniena, Obispos de Jaen, 1654, p. 171.
2o!^ 236; Sanchez, Poesias Castellanas I Anm. 212 bis 221 zur litterarhist. Epistel San-
tillana's (Bd. I p. 138 — 148); Sarmiento, Memorias p. 33 1. No. 704; Rodriguez
de Castro, Bibl. Esp. I 3 12. Bei weitem das Beste jedoch was bis heute über ihn ge-
sagt ward, lieferte A. Paz y Melia in seiner Ausgabe des Padron p. 401— 405 und 42,"i
Bibliofilos Bd. 22. Natürlich widmen alle neueren span. und portug. Litteiarhistoriker ihm
einige Seiten; wie alle grössten Dichter der Halbinsel, Cervantes, Calderon und
Camoes an der Spitze ihn verherrlicht haben.
240 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT,
I. Hälfte des 15. Jhs. ist zu unbestimmt. Ich sage vor 1434, dem Todesjahre
Villcna's; ja, vor 1429, wo bereits der älteste der vornehmen Sänger starb, welche
des Mac las Lieder zitieren und glossieren ', und aller Wahrscheinlichkeit nach
zwischen 1404 und 1414, während Villen a als Ordensmeister von Calatrava
zeitweilig in Jaen residierte. — So allein erklärt es sich, dass Santillana,
der nur 14 Jahre jünger ist als Villena, den Dichter ins 14. Jh. verlegt,
und 1449 schon von nicht mehr als vier Liedern des Macias Kunde er-
hielt^; und dass auch Baena um dieselbe Zeit nichts als eben jene knappen
vier Proben zu sammeln vermochte^ und dazu ein altes Gerücht, das sie bis
1369 zurückdatieren würde.'* Sie sind Cantigas de anior, vom Dichter vermut-
lich selbst in Musik gesetzt ^ : schmerzliche Klagen mit nachdenklichen Betrach-
tungen untermischt: canciones elegiacas nach Mena; amorosas e de muy fer-
mosas sen/endas i\3ich Santillana — zwei in gall., zwei in kastil. Sprache,
in einfachen Acht- und Viersilblern ^. Doch legten ihm schon im 15. Jh.
die Poefas, die ihn Lieder singend in ihre Testamentos, Querellas, Visiones, Tn-
ßernos und in allegorische Novellen einführen, noch weitere 16 Stücke bei,
die in einer des Sängers Leben und Wirken geweihten Monographie, doch
nicht hier zu untersuchen sind. ''
84. Auch die portug. dichtenden Kastilianer aus den Tagen der Trasta-
marischen Dynasten kennen wir vornehmlich durch Santillana*^ und Baena^.
* Der Duque D. Fadrique, Santillana's Schwager.
^ Macias del quäl non se faUan sino 4 canciones . . .
^ Baena, No. 306 — 310. Das fünfte Lied (311) ist nicht, wie jene vier, unbe-
streitbares Eigentum des Macias, sondern wird schon von Santillana einem anderen
Poeten zuerteilt.
* Von dem gegen die Grausamkeit Amors gerichteten Lied 308 heisst es >->empero
algunos trobadores disen que la fiso contra el Rey D. Pedro!«. Wäre das richtig — und
ganz unmöglich ist es nicht — , so war der Villena, zu dessen Hofstaat Macias gehörte,
der Grossvater des Gelehrten, also D. Alfonso de Aragon, d. h. der wahre Marques de
Villena (1356—93)-
'^ y>Bien asonadai war Cantiga 310-
* Die beiden gallizischen Gedichte sind Spruchpoesien (ohne Motto): jede
Stroplie schliesst mit einer Sentenz ab. In No. 306 sind sie wirkliche Volkssprichwörter,
in No. 310 hingegen vom Dichter selbst geformte Distichen, sogenannte trebellos. Das
Genre ward in der Folgezeit oft nachgeahmt. Ihre Art und ihren Sinn erkannte weder der
franz. Übersetzer de la Beaumelle (bei F. Denis p. 22 und 607) noch der deutsche
Bell ermann. Die beiden Cantigas in span. Sprache haben auch bereits hispanische
Gestalt (mit Motto), doch noch nicht die stereotype Form der Cancion.
'' Alle Dichter, unter deren Namen sonst einzelne der Lieder umgehen, gehören zu
den Epigonen des portug. Minnesangs, und schrieben daher thatsächlich ungefähr denselben
Stil wie Maci as. Hier folgen die Anfangszeilen der Gedichte (gallizisches gesperrt). Mehr
zu geben gestattet leider der Raum nicht. 1 bis 4 sind die von Baena und Santillana
gekannten Poesien.
1 Cativo de mha tristura 11 Pues mi triste corazon
2 Amor cruel e brioso 12 Pues me fallesciö Ventura
3 Senora en que fianga 1 3 Vedes que descortesia
4 Provei de buscar me sura \4 De quien cuido e cuide
,5 Con tan alto poderio \h El gentil nino Narciso
6 Pero te sirvo sin arte 16 Poderoso amor loado
1 Loado sejas Amor '^1 Ay que mal aconsejado
8 De ledo que era triste 18 Amor siempre partire
9 Pois prazer näo posso haver 19 Cuidados e Tnaginanga
10 Crueldad e trocamento 20 Pues que dios y mi Ventura.
» Sanchez Bd. I p. LVni-LXI.
® Über Baena findet man Ausführlicheres in der Einleitung des Marques de Pidal,
welche sowohl die Madrider Ausg. (1851) als auch die Leipziger (1860) begleitet; ferner
in A. de los Rios, II cap. IV und VI; Wolf, Studien \%1 —222 \ Cueto in Revue d. d.
M., XXIII, 1853 p. 726—95; Braga. Trov., cap. IX. — Erschöpft ist jedoch der Gegen-
stand, wie gesagt, noch lange nicht!
PORTUG. DICHTENDE KaSTILIANER. — PrOSA : ÜBERSETZUNGEN. LEHRBÜCHER. 24I
Der erstere nennt sie in unmittelbarem Anschluss an Alfons den Weisen, ohne
die Erscheinung noch einmal besonders zu besprechen, dass sie sich bisweilen
der westlichen Sprache bedient haben, und auch ohne sie von anderen aus-
schliesslich kastilisch dichtenden Minnesängern zu trennen. — Ungefähr das
Gleiche gilt von dem Sammler Baena. Sein keineswegs einheitliches, die
Werke dreier Generationen, dreier Dichterschulen und zweier Sprachen bunt
durch einander rüttelndes Liederbuch bietet aus den 80 Jahren von 1369
(oder 1366) bis 1449 (und nicht 1453) - — also gerade aus unserer stummen
Zeit — unter 576 Werken von 55 Dichtern (katalanisierenden ^'ifs^VÄ^r^i', portug.-
provenz. trovadores und italianisierenden /ö^/^-i-) , unter denen etwa 17 wirk-
lich etwas bedeuten, drei bis vier Dutzend (40) portug. Cantigas , von nur
sechs verschiedenen Autoren (worunter Macias). Die erste Stelle nimmt
Pero Gonzalez de Mendoza ein, der erlauchte Grossvater des Markgrafen,
der 1385 in Portugal das Leben Hess, als er seinem König durch Überlassung
seines Pferdes das Leben rettete. Neben drei kastil. Resten ist bloss ein gall.
Lied von ihm erhalten. Doch ist es wichtig, weil das einzige der Epigonen-
lieder, das noch den jambischen Dekasyllabus anwendet (Baena 251b).
Von einem anderen Mendoza, dem Oheim des Markgrafen, Pero Velez de
Guevara (f 1420), besitzen wir ein scherzhaftes Schmähgedicht auf eine sehr
alte Jungfer, das ein direkter Abkömmling ähnlicher dionysischer Lieder ist
(No. 322). — Von dem sittenschwachen und abenteuerlichen, aber originellen
Renegaten Garci Fernandez aus Gerena (bei Sevilla), der aus Geldgier eine
hübsche maurische Spielfrau freite und als er sich betrogen sah, 1 3 Jahre unter die
Mauren ging (1386 — 1398), blieben fünf Lieder übrig (Baena 556 — 559 und
562 1). — ^ Ein unbekannter Geistlicher, der in der leonesischen Stadt Toro als
Archidiakonus lebte, und anscheinend zu einem grösseren Kreise von Trou-
badours Beziehungen unterhielt'^, schrieb um 1390, im reinsten Portugiesisch und
mit Anwendung von altportug. Reimkünsten, 6 leichtfiiessende Liebeslieder in
Kurzzeilen, worunter ein humoristisches Testament, in welchem er seine Körper-
teile, Sinne und Geisteseigenschaften an selbstgewählte Erben verteilt — ein
in der Folgezeit oft wiederholter und parodierter Vorgang (No. 311 — 316). — ^
Das grösste Kontingent stellte jedoch der Hauptdichter jener Tage, der talent-
volle, zungenfertige und fruchtbare, doch wenig edel gesinnte, in Illescas be-
güterte Ritter und Hofpoet Alfonso Alvares, aus Villasandino bei Biirgos.
Zwei Dutzend hübscher Gedichte, in denen zahlreiche Redewendungen direkt
aus der Sprache der altportug. Troubadours herübergenommen sind, etwa ein
Achtel seines ganzen verskünstlerischen Besitztums, gehören zur portug. Litte-
ratur [Baena. 3. 10. 11. 13 — 20. 22 — 27. 46. 94. 95. 134. 147. 161). *
Dazu kommen aus anderen gedruckten und ungedruckten Liederbüchern dann
noch verschiedentliche Überbleibsel. Ich hebe hervor: aus dem Cancionero
Musical zwei volksmässige Fragmente, weil sie zu den dionysischen Parallel-
1 Stark mit kastil. Formen durchsetzt, aber dennoch unbedenklich als gall. anzusehen.
* S. No. 314: Adeus os trobadores Cent que trobei. Namhaft macht er nur einen:
Lope de Portocarreyro, oder zwei, wenn der Sänger Pedro de Valcacer auch
dichtete (in No. 3 16). Über den Arcediano de Toro spricht Paz y Melia p. 408 seiner
Padron Ausgabe.
' Das Testament des Franzosen G. de Lorris ist vielleicht die älteste romanische
höfische Verwertung der wohl traditionellen Dichtungsart? Ob das am Oster-Vorabend (sabbado
de halkhijah) in Portugal alljährlicii erscheinende 7, Testamento dejudasi., wie die parodierenden
Tier-Testamente der Vulgär-Litteratur, noch anderwärts üblich sind, weiss ich nicht. Die
damit zusammenhängende Verbrennung des Judas halte ich für eine polemische Umfor-
mung des alten Winteraustreibens.
* Auch in seinen kastil. Liedern begegnet man des öfteren gall. Worten und Formeln,
so dass man an der Mundart der echten Texte zweifelhaft wird.
Gröber, Grundriss. IIb. l6
242 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Strophen-Liedern gehören {Nos 437 und 458) i; aus dem Cancionero Patrimonial
VII-A-3 ein Gedicht von dem aragonesischen Convertiten Santafe, weil es zeigt,
dass selbst von den Höflingen Ferdinand's I. und Alfons' V. von Neapel portug.
Texte verstanden wurden-; und schliesslich, als vielleicht spätestes Produkt, San-
tillana's, keineswegs parodistisch-, sondern ernst-gemeintes Lied: Po7- amar
noii saibamente^ . — In der Wahl des stets 8- und 4-silbigen Metrums, in den
Strophenformen, die mich mehr als einmal an die Cantigas Alfons' X.
erinnerten*, in der kecken, freien Handhabung der Sprache, in der Ver-
meidung des Refrains, in dem etwas üppiger werdenden Bilderschmuck ist un-
bedingt eine sich vom portug.-provenz. Typus entfernende Entwickelung zu
konstatieren. — Von Gedichten in span. Sprache, die ich noch zur Troubadour-
dichtung rechne, sei, als Beweis für die Berechtigung meiner Auffassung vom
innigen Zusammenhang span. und portug. Poesie, noch einmal auf den Cossante-
Tanz des Diego Furtado de Mendoza (7 1405) hingewiesen.
II. PROSA.
a) KOMPILATIONEN. ÜBERSETZUNGEN. FACHWISSENSCHAFTLICHE LEHRBÜCHER.
85. Ich sagte bereits, dass die portug. Könige und Königssöhne der
2. Dynastie, lehrhaft thätig, — selber schreibend, oder das Schreiben Anderer
veranlassend, — hier die Führerrolle spielten. Johann I. (geb. 1365, reg.
1385 — 1433) vulgarisierte, laut Zeugnis seines eigenen Sohnes und des Rcichs-
historiographen , ein »Gebetbuch der Jungfrau«, um den Marienkultus
zu fördern'^; redigierte Psalmen für die Totenmesse^ und schrieb ein
umfangreiches, teilweise originelles Jagdbuch (besonders über die Sauhatz)
Livro de Montaria, das, noch vorhanden, der Veröffentlichung (vielleicht in
der Bibl. Venatoria) harrt''. Er Hess von den Mönchen des Alcobacenser
Klosters die Evangelien, die Apostelgeschichte, Episteln Pauli und Heiligen-
leben übertragen ; hiess die span. Weltchronik neu bearbeiten und mit portug.
Zusätzen versehen (die hernach bis 1457 fortgeführt wurden^); und gab die An-
regung zur Einführung von Gower's »Confessio Amantis« sowie zur Kompilation
einert theologischen Encyklopädie (s. ^ 90). Der Fürstenspiegel des Aegidius
wurde in seinem Arbeitszimmer von den Höflingen unablässig befragt.
86. D. Duarte (geb. 1391, reg. 1433 — 38), ein von Natur kontem-
plativer, zur Melancholie neigender, aber edelsinniger, gewissenhafter, nach
* Meu naranjcdo florido El fruto no Fes venido . . . Meu naranjedo gra7iado El fruto
no l'es llegado und Aletis ollios van pelo tnare Mirando vatt Portugale . . . Vgl. Nos 40I. 425.
427 u. a. m.
^ Ed. Gomes Perez Nieva p. 165.
* Ed. A. de los Rios p. 443. Natürlich verderbt und voll kastilischer AVort-
fornien.
■• Auch sprachlich haben die Gedichte des Canc. deBaena manche Züge mit den
Catttigas de S. Maria gemein. Ich erwähne nur die Negation niente, deren die Portugiesen
sich nie bedient haben.
* ]*". Lop es sagt in der Chronica de D. yoam, II p. 41 • • • • '>'>muy dcvoto da preciosa
Vir gern . . . tornou em seu louvor as suas devot as Hör as em lingoagem, apropriando as palavras
dellas d Virgem Maria e a seu hento filho, de guisa que muitos tomäräo devogäo de as rezar,
que ante d'ellas nom aviam relembranga.«
^ D. Duarte erwähnt im Leal Conselheiro cap. 27 p. 94 die -»Horas de S. Marias und
»Salmos para os ßnados«.
"^ Eine Kopie davon vom Jahre 1626 (Cod. P-3-4) ruht in der Liss. Bibl. Nac.
Benutzt ward es zunächst nur von Gama Barros zu seiner inhaltreichen Ilist. da Admini-
stragäo Publica, I^iss. l88ö p. 424 und 1892 von Gabriel Pereira zu seinen Estiid>s
Eborenses: As cafadas. Vgl. Leal. Cons. cap. 27 und Livro de Cavalgar, V cap. 11 p. yi.
* S. Fern am Lopes, II p. 41 und Memorias de Litter. VII 20.
Prosa: Johann I., D. Duarte. 243
Vollkommenheit ringender Fürst, hatte als Kronprinz, nachdem er sich in
Afrika die Sporen verdient, langdauernde Müsse, um seinen Hunger nach
Geistesbildung zu stillen. Die dankbare Nachwelt, die das Sprichwort »Palcmra
de rey näo volta atras« als von ihm ausgegangen und durch ihn bewahrheitet
betrachtet, nennt ihn euphemistisch den »Wohlberedten« (0 Eloquente)^ während
sie ihn nur als Schriftsteller bonae voluntatis bezeichnen dürfte. Da er lang-
sam dachte und gern reiflicher Erwägung pflog, jede Frage möglichst allseitig
beleuchtend, waren mündliche Vorträge und Entscheidungen ihm niisliebig:
er verlangte schriftliche Meinungsäusserung von seinen Ratgebern, und ver-
schaffte sich selber mit der Feder in der Hand Klarheit über das was er zu
wollen hatte, in dem Wahne, so seiner angeborenen Unentschlossenheit
Herr werden zu können. So entstand eine Fülle von kleinen Schriften über
praktische und theoretische Fragen 1. Seine Mappen enthielten in buntem
Durcheinander: Betrachtungen über Wille und Intellekt, — ein Fechterlehr-
buch — Glossen über das Vaterunser, — Pläne zur Regelung des Gottesdienstes
in der königl. Hauskapelle, — Entwürfe für die Leichenreden, welche die
Hofprediger bei der Bestattung des Condestavel, oder seines eigenen Vaters
halten sollten, — bemerkenswerte Anweisungen über die Kunst, aus dem Lat. zu
übersetzen, — Gedanken über Teufelsaustreibung und Synonymik, — die unbe-
fleckte Empfängnis, — astrologische, mineralogische und metereologische Notizen,
— Erwägungen darüber , ob er den Krieg gegen Afrer und Mauren unternehmen
und sein Volk deshalb besteuern dürfe, — Getreidepreise, — die Pest, — Mittel
und Wege zur Erlangung der ewigen Seeligkeit, — Wohl und Wehe seiner Be-
diensteten, — Begriff der Freundschaft u. a. m. — Aus einer Auswahl seiner
inhaltreichsten moralphilosophischen Abhandlungen fügte er ein grösseres
Werk zusammen, als die aragonesische Gemahlin seine Werke zu lesen und
wie einen Gewissensrat zu befragen begehrte. Dementsprechend nannte er
das Sammelwerk den »Treuen Ratgeber«, oder auch »Katechismus der
Rechtlichkeit«. In 90 Abschnitten bietet derselbe nicht ein festgefügtes
System der Moral, aber doch Ansätze dazu: psychologische Auseinander-
setzungen über die intellektuellen Kräfte der Seele (Auffassung und Erinnerung:
apprehensiva e remeniorativa; Urteils- und Empfindungsvermögen = judicativa
e inventvua; Mitteilungs- und Thatkraft = declarativa e executiva; Beharrungs-
vermögen = perseveran(a) , dann über den Willen und sein Verhältnis zum
Intellekt; gründliche Belehrung über die theologischen und moralischen
Tugenden und über die Hauptlaster, mit praktischer Nutzanwendung für ein-
zelne Stände, und mit eingestreuten Parabeln, Gleichnissen und Bildern, die
eine anheimelnde Lebensfarbc erhalten, wenn sie aus dem Wirken und
Schaffen der y>Inclyta gerafäo«. und ihres Santo Condestavel herausgegriffen
sind. Aus dem Leal Conselheiro sprechen gesunde, sittliche Grundsätze, die
einem reinen wohlmeinenden Gemüt entspringen, verständige, ja helle Urteile,
die selten einmal durch eine etwas düstere Frömmigkeit entstellt sind. Überall
bedient D. Duarte sich der schlichten, aber angemessenen, kernigen und
treuherzigen Sprache eines Mannes dem res non verba die Hauptsache waren.
Von Selbständigkeit oder Genie keine Spur. Ganze Kapitel sind anderen
' Über D. Duarte als König und Menschen lese man : R u y de P i n a , Ineditos I
und Duarte Nunes de Leao; Brito, Elogios\ Sousa, Hist. Gen. II Mon. Lus.,
Livro XXIV ; S o a r e s d a S i 1 v a , Memorias ; Schäfer, Gesch. Port. II 368 und O 1 i v e i i" a
Martins, Os fillws de D. Joäo, 1891. Über den Schriftsteller, Kap. VI des letztgenannten
Werkes. Bibliographisches suche man bei Barb. Mach. I, 719 — 721 und Inn. da Silva
II 203; in der Pariser Ausg. der Werke, und bei Oliv. Martins p. 162— 163. Doch
sind alle diese sehr ungleichen Angaben unvollständig und vielfachst ungenau. Andeutungen
bei Bellermann p. 26 und 50.
16«
244 LnTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4, PORT. LlTl\
Autoren entnommen, die jedoch immer ehrlich genannt und gepriesen werdend —
Den Namen »Livro«. verdient ausserdem noch sein »Reiterlehrbuch«, das
er als Jüngling und hervorragender Reitkünstler sachverständig abfasste-. Von
den übrigen Schriften, die er aus dem Leal Conselheiro ausschloss, und die
sämtlich nur kurze Opuskel sind, ward nur gelegentlich hie und da etwas ab-
gedruckt, stets unkritisch und flüchtig, so dass dem Herausgeber noch viel zu
thun übrig bleibt. ^ In seinen gedruckten und handschriftlichen Werken findet
sich nur eine Poesie und eine /rt^z'rt'-Übersetzung des lat. Jiiste ^z^^/if^c-Gebetes'*.
In der oftgenannten Liste der ihm gehörigen Bücher steht jedoch — unter
No. 78 — ein portug. Liederbuch als Livro das Trovas del Rey. Darauf
hin ist es Sitte (seit Caetano de Sousa den Bücherkatalog veröffentlichte-^),
D. Du arte für einen Troubadour auszugeben. Mich däucht, mit Unrecht: in
keiner seiner referenzen-reichen Arbeiten, noch sonst irgendwo, ist von etwaigen
Liedern von ihm die Rede ß; auch nicht das kleinste Stückchen originaler
Dichtungen ist auf uns gekommen ; und Veranlagung wie Denkungsweise des
Königs als Individuum, sowie die vorwiegende Verstandesthätigkeit der Familie
und Generation liessen freie Entfaltung dichterischer Phantasie kaum zu. '^
87. Ahnlich geartet, ob auch hervorragender als Fürst, Mensch und
Schriftsteller war der Infant D. Pedro (geb. 1392, gest. 1449 in der Bruder-
' Die fremden Autoren, denen er zusamnienhängende -Stücke entnahm, sind: S. Gre-
gorio (cap. 7- 89 und 90); Thomas de Aquino (47 und 68); Cicero, De officiis
(59); D. Diego Affonso Manga ancha (59); und I^udolph v. Sachsen (87).
- 0 Leal Conselheiro ward 1842 zu Paris gedruckt durch Roquete, mit wichtigen
Zuthaten des Visconde de Santa rem (doch mit Uberspringung von Kap. 55, weshalb
1854 eine berichtigte Ausgabe erschien) und 1843 zu Liss. durch Ro 1 1 and , beide Male mit
Anfügung des Lyvro da Ensynanga de bem Cavalgar (nach dem einzigen MS.i Paris 70o7)-
Vorher waren umfangreiche Nachrichten in den Annaes das Scicncias erschienen, Bd. Vlll
und, IX von C. J. Kavier.
^ Von den zahlreichen, einst im Cartuxa-Kloster zu Evora aufbewahrten Opuskeln und
Notizchen, welche der Graf Ericeira um 17.3ü kopierte, stehen wie gesagt, mehrere im
Leal Cons. Weitere 9 druckte Sousa 1739 ab, als -aCollecfäo de algumas obras del Rey D.
Diiartei- in Provas da Uist. Geneal., I p. 529 — 548. Ungedruckt sind ebenfalls neun, deren
Kopie ich besitze : vier darunter sind der Lesewelt nicht einmal dem Titel nach bekannt. Ver-
loren scheinen mir nur acht: 7 aus Oliveira Martins' leiste, nämlich: No. k) Da
Misericordia, falls es nicht einfach Kap. 29 oder 33 des Leal Cons. ist; m) Regimento para
apr ender a Jogar as armas\ p) Padre Nosso glossado\ y) Como sc tira 0 demonio; r) 0 qtie
se toma dos parentes\ s) Qtie cousa seja deiracfäo\ u) Valia do päo, und No. 67 aus D. Duarte's
Bibliothek: Capitulos que fcz quando em boa ora foy Rey. — Lateinisch ist, trotz gegen-
teiliger Behauptungen, nur eine Nummer, eine einzige epigrammatische, vielleicht nur aus
irgend einem Autor enthobene Sentenz. Das Werkchen über »gute Rechtspflege«, welches
Brito und Nun es de Leao um 1600 sahen, und zwar im Archiv des Appellations-
Gerichtshofes, und das Sousa (II 491) und Oliveira Martins (/) für ein unbe-
kanntes und lateinisches Buch halten, ist ein portug. Traktätchen, und steht ge-
druckt in den Publikationen der Geschichts- Akademie {^Lneditos \\\ h^"^ w\\^ \va Leal Cons .
cap. 60! [Mittlerweile hat sich noch Gabriel Pereira nach einem Codex A^x Bibl Nac.
(L-6-45) mit D. Duarte's Werken beschäftigt. S. Documentos Ehorenses, Heft XXlIIj.
^ S. Braga, Canc. Pop. No. U und Cur so p. 138.
" Provas 1 p. 54.
* R u y de P i n a sagt : Fez um livro de regimento pera os que custumaretn andar a
cavallo ; e compos per sy outro aderengado d Rainha D. Leonor sua tmdher a que entituloii
i>0 Leal Conselheiro^ abastado de muitas c singidares doutrinas, speciahnente para os bens
dalma. Von Dichtungen nichts. Ebenso Acenheiro p. 238. Darüber hinaus wussten
nur Brito und Nunes deLeäo (cap. 19) von den zwei Werkchen über Rechts|iflege
und Barmherzigkeit. Ihnen schlössen Nie. Antonio und Barb. Mach, sich an.
'' Was jenes Livro das Trovas del Rey enthielt, getraue ich mich nicht zu erraten.
Gedichte eines anderen Königs, dessen Namen am Titelschlusse fehlt? Doch welches Königs?
(Alfons X. und D. Diniz sind schon mit ihren Liederbüchern in der Bibliothek vertreten).
Oder ein dem Könige nur an gehöriges Liederbuch, mit den TVöt^aj der uns unbekannten
Sänger seiner Tage? Wie konnte es in diesem Falle der Höfling Res end e übersehen? Denn
dass 1516 ein im Jahr 1438 noch vorhandenes Königswerk aus der königl. Bibliothek bereits
abhanden gekommen sein sollte, ist wenig glaublich.
Prosa: D. Pedro. 245
Schlacht bei Alfarrobeira • Regent von 1438 — 1448), Herzog von Coimbra
seit auch er sich 141 5 bei Genta die Rittersporen verdient, und Markgraf von
Trcviso durch Kaiser Sigismunds Gnade (i4i8'i9), dem er den venezianischen
Grenzwall gegen die Türken schützen sollte, der Weitgereiste, Sprachenkundige,
dessen Odyssee von Lissabon nach Babilon (s. u.) noch heute sprichwörtlich
ist. 1 Auch er war ein lateinkundiger Bücherfreund; auch er war als hell-
sehender, praktischer Berater des Vaters und Bruders, und als Lehrer seiner
eigenen gottbegnadeten Kinder, so wie seines königlichen Neffen , Mündels
und Schwiegersohnes Alfons' V. und dessen höfischer Conlusores unablässig
thätig, mündlich und schriftlich unterweisend, mahnend, spornend und auf-
klärend. Aufrichtig fromm, bekundete er sein religiöses Empfinden in (ver-
lorenen) »Beichtstunden« und Gebeten (y>a qualquer cristaö tnuy aproveiiosas«)'^
und entwickelte seine Tugendlehre in Briefen, Aufsätzen, Berichten und Gut-
achten. Sachlich jeder eigentümlichen Erfindung bar, und stilistisch ohne
Eleganz und Schmuck, bezeugen alle seine litterarischen Äusserungen eine
ehrenfeste Gesinnung, soliden Wissenseifer, bescheidene Ehrfurcht vor jedem
Geistesmächtigen, ein tiefes Familiengefühl, und wahrhaft humane Denkungs-
weise. Sein Hauptwerk, kurz vor 1433 dem Bruder D. Duarte gewidmet,
über »Tugendsames Wohlthun« {Virtuosa Bemfeitoria)^^ paraphrasiert in
6 Büchern* mit 95 Kapiteln (oder 534 Seiten) Seneca's Abhandlung De bene-
ficiis, die klassische Denkart mit Glossen und Beispielen aus dem Altertum,
der Bibel, den Patres und Scholastikern, den mittelalterlichen Chronisten {Cid;
Clavijd) und der eigenen Lebenserfahrung illustrirend. Es endet mit einem
Traumgesicht (/ö<?.y/^? = Erfindung genannt !), in dem verschiedene Tugenden
als liebliche Jungfrauen erscheinen, Embleme in der Hand und gute Ratschläge
auf den Lippen, welches wiederum passend in ein Gebet ausläuft. Der Licenciat
Frey Joäo Verba, sein Beichtiger, leistete ihm dabei hülfreiche Hand, durch
Auszüge sowie bei der Redaktion und Niederschrift. D.Pedro übersetzte auch, erst
mündlich vor seinen Höflingen, dann schriftlich (für den Bruder), seines Lieb-
lings Cicero philosophische Abhandlung De o/ßciis,^ nach einem dem jüngeren
Bruder Ferdinand (dem /»/a»fe santo) verehrten Codex, damit in der reichen Pallast-
bücherei neben den zahlreichen theoretischen fremdsprachigen auch ein prak-
tisches Handbuch der Moral in portug. Sprache den ungelehrten Laien zugäng-
lich wäre, in der Hoffnung ein gewandterer Stilist werde später seinen Ver-
* Als Quellschriften für Leben und Wirken des D. Pedro sind die mit Bezug *uf
D. Duarte angeführten Werke zu betrachten.
- <i E 0 iffante D. Pedro, meu sobre todos prezado e amado irmao, de ciijos feitos e vida
muvto som contente, compoz o livro da Virhwsa Bemfeitoria e as Oras da Con/is som:<.
{Leal Cons., cap. 27). Vgl. Ruy de Pina. Chron. de D. Affonso V, cap. 125.
* S. die vorige Anm und vgl. noch Leal Cons., cap. 28. Das Buch stand als No. 47
in D. D uarte's Bibliothek. Später soll ein Original-Exemplar, im Kartäuserkloster zu Evora
aufbewahrt worden sein, das, gemeldeterniassen, auch D. Duarte's Werke beherbergte.
Eine alte Abschrift besitzt in Madrid die Akademie der Geschichte — ; eine neue(vonl8l3)
00
das gleiche Institut in Liss. (3 — 12—3). Den Prolog druckte Inn. da Silva VI 375 — 9.
Das ganze Werk zugänglich zu machen, ist eine der vielen Pflichten, welche die gelehrte
Körperschaft bis heute versäumt hat.
* In verkürzter Form lauten die Titel der 6 Bücher: I. Que cotisa he Virtuosa
bemfeitoria. II. Como o beneficio deve ser dado. III. Conto a verd. bemf. dez'e ser requerida.
IV. Cotno 0 beneficio deve ser recebido. V. Que cousa e agradecitnento. VI. Como se podem
perder os beneficios.
* Bibl. de D. Duarte No. 51: Marco Tullio, 0 quäl tirou em lingtiagem o Inf ante
D. Pedro. Es ruht noch heute in Madrid, in einer Hs. mit der Virt. Bemfeitoria. S. Anm. 3.
Zweifel über die Berechtigung der .\ttribution , wie Inn. da Silva sie äussert, sind un-
massgeblich. Der Geleit b rief an D. Duarte, den ich besitze, spricht absolut
deutlich, ganz abgesehen von der darin befindlichen Formel i>nosso irmäo 0 Inf ante D.
Fernando«,
246 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
such vervollkommnen. 1 Laut dem Chronisten Ruy de Pina, der wie Zurara
im königl. Bibliothek - Räume arbeitete , und ihren Inhalt genau kennen
musste (und dem auch Historiker wie Litterarhistoriker berechtigter Weise
Glauben schenkten), übertrug er ferner das hochgeschätzte Kriegsbuch des
Vegetius,2 sowie das Fürsten-Evangelium Acs Aegidius Romanus^ das bereits
in frz., Span, und katal. Vulgarisationen verbreitet war. ^ Meiner Ansicht nach
wurden diese und noch sonstige, heute verschollene Versionen klassischer Grund-
werke — Cicero: De Atnicitia '* und De Senectute ; ^ P 1 i n i u s : Panegyricus Traiano
Augusto^ — und zeitgenössischer Musterschriften, wie das Erziehungsbuch für
Fürsten des ihm in Ungarn persönlich bekanntgewordenen P. P. Vergerius'',
und das ihm von der Stadt Venedig zum Geschenk gegebene Reisewerk ^g,% Marco
Polo, »o Milhäo«,^ nur auf seinen Befehl und nach seinen Angaben, von ihm
unterstellten Doctores hergestellt (was übrigens sein Verdienst nur wenig ver-
ringert). ^ Schöne Geleit- und Auftragsbriefe des Infanten bezeugen es ^o. Seine
sonstigen Episteln, voll staatsmännischer Gedanken, (in der Reiseperiode, ^i
während des Vaters und des Bruders Leben, ^2 und besonders während seiner
eigenen Regierung bis kurz vor der Tragödie von Alfarrobeira geschrieben),^^
sind von hohem Werte nicht allein für den Geschichtsforscher und Biographen,
sondern auch für den Litterarhist jriker und Sprachforscher, der die Entwicke-
lung des Wortschatzes und besonders die so eigentümliche portiig. Syntax be-
obachtet. Mögen seine Gesamtwerke einen Herausgeber finden ! Erschöpft
sind sie mit den hier summarisch aufgereihten Hauptschriften noch nicht.
Auch D. Pedro hat gereimt, nachweislich zwei Mal, möglicherweise viel öfter.
' Sein Dienstmann Dr. V a s c o F e r n a n d e s d e !> u c e n a , den er um seines Wissens
und seines schönen Stiles willen liebte, scheint später diesem Wunsche nachgekommen zu
sein. S. § 90.
2 De Re Militari, das schon Jean de Meuii hoffähig gemacht hatte. Bihl. de D.
Duarte No. 52. Ob der mit der Übersetzung beauftragte ein Pedro Annes Lobato
war, wie ich vermute, gestützt auf Retratos e Elogios ed. 1817 p. 65, bleibe dahingestellt.
Und dass zwei unfindbai^e Kriegsbücher y>Dos Officios Priiicipaes da Milicia«, und » Tratado
da Miliciav- auch D. Diniz und Alfons V. zugesprochen werden (s. u. § 8q) , sei nur bei-
läufig erwähnt, um immer zahlreichere Beispiele für die grenzenlose Fahrlässigkeit portug,
Litterarhistoriker zu liefern.
* Bibl. de D. Duarte No. 13 (lat.), kostbar gebunden in rot und gold, und No. 34
(em vulgär) \ wie bei Vegetius, ohne Angabe des Übersetzernamens, was sicherlich nicht
für die Autorschaft des Fürsten spricht. Laut Herculano {^Panorama IV p. 7) ist ein
Fragment davon vorhanden. Doch wo?
^ S. Sousa, Provas I p. 432: Carta que escreveo 0 Inf ante D. Pedro a D. Duarte.
Der Übersetzer war ein Prior des S. Georgenklosters zu Coimbra (1434)
* Vgl. Prologo do Dr. Vasco Fernaudes de Lttcena sobre 0 Livro de Velhice de Tulio
quc eile tornou de Latim em lingoagem para 0 Snr. Inf. D. Pedro.
® Carta que 0 hifante D. Pedro enviou ao Dr. V. F. de Luceua que Ute tornasse a
Oragäo de Plinio em lijigoagem und Reposta do Dr. a esta Carta. Vgl. § 90.
' Dos virtuosos costumes e dos estudos liberaes dos mancebos reais oder Tratado das
virtudes quc ao Rey pertencem.
* Bibl. de D. Duarte: No. 2 Marco Polo, em latim e lingoagem.
" Dem Infanten war das Latein des Cicero, Seneca und Valerius Maxinms vertraut.
Plinius aber bereitete ihm Schwierigkeiten. Mit stolzer Bescheidenheit sagt er: para
cavalleiro, e näo letrado, eu arrazoadamente entendo latim, mas .... imd ein ander Mai : quam
pouco eu sei de latim, sabe-o V.M. Die Behauptung, er habe aus dem Portug. ins Lat.
übersetzt, steht vollkommen in der I^uft.
1" Auch von diesen interessanten, noch nie erwähnten Ineditos besitze ich z. B. die
unter 9. lo und 11 genannten.
'1 Carta de Bruges, abgedruckt von O liv eira Marti ns in seinen lilAos de D. foäo,
Append. D.
'- Beispiele bei Soares da Silva, Memorias I p. 374— 379; Sousa, Hist. Gen.
V 64 und 120 — 139; J- P- Ribeiro, Dissertagoes I No. 118 p. 398—413-
" S. bei Oliveira Martins, App. F 16 Probestücke nach Originalen des Staat.s-
arcliivs; 73 ruhen in Coimbra, laut Ayres de Campos.
Prosa: D. Pedro. 247
Wir besitzen von ihm zwei schlichte, doch geschickt gebaute portug. Trovas^
zusammen 48 Achtsylbler, die er an die Dichtersonne des kastilischen Hofes,
Juan de Mena, sandte, ihm herzlich für die Übersendung seiner Werke dankend,
und seinen Genius preisend. 1 Den Titel gran poeta, um dos melhores poetas
do seu tefnpo verdient er jedoch nicht, oder nur insofern die übrigen Dichter
seiner Tage eben unbekannte Grössen sind. Er erlangte denselben erst 1 5 1 6
oder um 1600, und führte ihn, mit einem Schein des Rechtes, bis 1876,
weil die Afterkritik des 1 7 . Jhs. ihm irrtümlich ein umfang- und inhalt-
reiches spanisches Poem De Contemphi Mundi zugeschrieben hatte, auf
Grund ungenauer Titelangabe, welche Resende, der Säkelmeister dieser zweiten
Periode, sich zu Schulden kommen liess, indem er in Canc. Geral den be-
kannteren Infanten, mit seinem minder bekannten, jung und in der Fremde
gestorbenen gleichnamigen Sohne, dem Condestavel, verwechselte. (S. unten
J^ 103). 2 Nachdem Brito und Faria-e-Sousa jenen einmal zum bedeutenden
Dichter gestempelt hatten , war bei der lebhaften Phantasie der damaligen
portug. Historiker, die Erfindung und grundlose Zusprechung weiterer Werke
fast unausbleiblich. D. Pedro, der sich um die Stadt Lissabon so hochver-
dient gemacht hatte, dass sie ihm, in seltener klassischer Anwandlung, eine
Bildsäule errichten wollte (was er zurückwies), sollte ein grausam-barockes, die
Sprache des EgasMoniz redendes Loblied auf Ulyssipolis verfasst haben, von
welcher der Zahn der Zeit jedoch schon 1600 nur ein Häppchen übrig-
gelassen hatte ■^. Er sollte überdies ein geistliches Liederbuch zu Ehren der
Jungfrau gedichtet haben {ä la Alfonso und Diniz). Er sollte den Amadis
geschaffen haben ; mitsamt den Lobeira-Sonetten ! Und der Reisende -»o quäl
andou as seile partidas do mundo« * sollte die Mirabilia seiner Wanderungen
in dem witz- und geistlosen y>Aicto<(. (oder ~»Li7>ro<.< oder »Historia do Infante
D. Fedro<.<) wiedergegeben haben,'' das im 17. Jh. nicht aus der peninsularen
* Ca7tc. de Res. II p. 70 — 71 y>Ä'äo vos serä gram loicvor Por serdes de mim louvado,
Que nam sam tarn sabedor(!) Em trovar, que vos dey grado<s. und p. 73- Reprica o Infante:
Como terra frutnosa, Joam de Meiia, respondestes. Der Infant las gewisslich selber mit Freude
und Bewunderung das Labyrinth der Trecientas und die Coronaciön\ besonders aber
mochte er für seinen dichterisch begabten Sohn Mena 's und Santillana's Poemata
als Studienobjekte erbeten haben.
^ Es wird kaum nötig sein, den Leser auch hier auf Faria- e-So usa (Epitome \vc\A
Europa), Pedro deMariz, Du arte Nun es deLeäo und tutti quanti zu ver-
weisen , über Barbosa Machado und Costa-e-Silva hinfort zu Inn. da Silva,
Bei 1er mann, Wolf und Schäfer, die alle an der Verbreitung des alten Irrtums mit-
wirkten, bis zu Braga und Oliveira Martins, die erst ganz neuerdings den wahren
Sachverhalt erkannt haben.
* y>Porque tu foste acolheitai. S. Brito, Mon. Lus.W cap. 15; Fr. Bernardino
da Silva, Defens. da Mon. Lus. II cap. 31-, Faria-e-Sousa, Europa^W 381 ; Barb.
Mach. III 720; B a 1 b i II, ^/>/<?«(/. p. VIII ; Sorian o Fuert es p. II6; Freire deCar-
valho p. 313. Dass andere Autoren, in Folge der leidigen Verwechselung der sechs penin-
sularen Fürsten welche D. Pedro hiessen, die Verse auf Lissabon auch dem portug. König
Peter dem Grausamen zuschrieben, ward schon angedeutet (§ 75 p. 23 1 Anm. 3 u. § 102).
*. Im 14. und 15. Jh. sprach man nur von »ijuattro«^ partidas do mttndo, worunter man
natürlich nicht Erdteile (^^ partes do mundo), sondern die Himmelsgegenden ver-
stand, wendete Jene Formel aber auf alle Weltreisenden an. Die erweiternde Umformung
zur mystischen Siebenzahl — eine unbewusste Reminiscenz an das Gesetzbuch Alfons' des
Weisen --, konnte erst nach der Entdeckung Amerikas Platz greifen. Tatsächlich findet
sich auch die ältere Formel (quattro) noch in einigen Drucken des Reisewerkchens (1554
Liss. und 1595 Barcelona)
* S. Barb. Mach, und Freire de Carvalho. Andere bezeichnen das Auto nur
als von D. Pedro inspiriert. — Sehr viele Fragen, die kritischer Behandlung wert sind, knüpfen
sich daran. Für eitel Wahrheit hat wohl nie irgend ein Gebildeter es angesehen. Enthält
es aber überhaupt einen Kern oder ein Korn Wahrheit ? Erzählt es auch nur e i n Ereignis,
das nachweislich dem Infanten begegnet ist? Ward es wirklich von einem der Reise-
genossen aufgesetzt? Hat je ein Schriftsteller [Joao] Gomes de Santistevam existiert?
248 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
(span. wie portug.) Knaben Händen kam, und das noch heute den (leider)
durch nichts Besseres gestillten Hunger des kleinen Volkes nach spannender
Reiselektüre befriedigen muss. Auch hat es sogar ernste Geschichtsforscher
verführt, des Infanten Pilgerschaft ins Heilige Land, für die es der einzige
Beweis ist, als ein erwiesenes B'aktum hinzunehmen. ^
88. Den Prinzen Heinrich den Seefahrer (geb. 1394, gest. 1460),
dem Erfolge nach den grössten unter den Söhnen Johann's I., unter dessen
kräftigem und hartnäckigem Impuls der Ocean sich den Europäern erschloss,
mochten die Portugiesen auch in den Annalen ihrer Litteraturgeschichte
nicht gerne missen. Und da er thatsächlich bisweilen etwas schrieb — 1428
einen Brief an den Vater über die Hochzeit des Thronfolgers-; 1436 eine
Abhandlung über die Zulässigkeit, ja Pflicht eines neuen afrikanischen Krieges,
eine fröhliche Kriegsfanfare, die den unschlüssigen D. Duarte, der abratenden
klug voraussehenden Warnung D. Pedro's zum Trotze, zu der unglücklichen
Expedition nach Tanger trieb '^, — so fehlt er, dem die Universität unbedingt viel
verdankt, in Barbosa Machado's Gelehrtenlexikon und bei den übrigen
Litterarhistorikern auch nicht."* Doch hat man ihm, voreilig und kritiklos,
noch mancherlei zugeschrieben was ihm nicht gehört: Verhaltungsmassregeln
über die Belagerung von Tanger, die in Wirklichkeit ihm selber von seinem
Bruder D. Duarte erteilt wurden 5, und sogar eine Geschichte seiner Ent-
deckungen, die er dem grossherzigen Alfons V. von Neapel übersandte, die
aber nichts anderes ist als Zurara's >Conquista da Guin^«ß Über ein
Ist die span. oder die portug. Textgestaltung die ältere? Wann taucht das Büchelchen
zum ersten Male auf? Wer zitiert es ? Lassen sich Abhängigkeitsbeziehungen zu irgend
welcher älteren Peregrinatio (oder einem Itinerarium) nachweisen? Einige dieser Fragen hat
0 1 i V. M artins in cap. V und Append. B seines schönen Werkes zu beantworten versucht.
Doch kann ich seine Ergebnisse nicht unterschreiben. Ich halte dafür, dass das ^«/fö nichts
von der wirklichen Reise des Infanten berichtet ; und dass ein Nichtgereister es zu Ende
des 15. oder Anfang des 16. Jhs. aus älteren Jerusalemreisen zurechtgeschnitten, und auf
des Infanten populären Namen getauft hat. • — An verbürgten Ausgaben sind vorhanden min-
destens 9 portug. (1554- 1658. 1664. 1698. 1732. 1739. 1767. 1794. 1882) und 9 span.
(eine datenlose aus Sevilla; 1564. 1570. 1595. 1626. 1657. 1690. 1696. 1873); und wahr-
scheinlich viel mehr, um die ich nicht weiss.
' Die Reise begann 1424 (nicht 1416, und nicht 1418) und führte den Prinzen zu
Schiff nach England (und Frankreich?), dann über Flandern und Burgund, durch Deutschland,
Böhmen und etwas russisches Land nach Ungarn zu Kaiser Sigismund, wo er kämpfte
• — sub Caesare Sigismundo stipendia faciens non mediocrem sibi gloriam ift Turcas piignando
parans laut Aeneas Sylvius, — um hernach durch seine Mark Treviso über Venedig,
Ferrara, Rom und durch Spanien heimzukehren. Seines eigenen Sohnes und des
ersten Chronisten Aufzeichnungen bezeugen das (Zurara, Chron. de D. Pedro II
cap. 13 p. 527; 580 und 618). Und dass Ungarn und der Türkenka mp f sein wahres
Ziel war, ja dass er den Plan hatte, sich in seiner trevisanischen Mark fest anzusiedeln, als
Gottesstreiter wider den Halbmond, ergiebt sich aus verschiedenen Auslassungen D. Duarte's
(z. B. Leal Cons., cap. ä^ä^ foy ao reyno de Ungria, com pequena tenfom de tortiar a
esta terra). Dass er 28. September 1428 wieder in Portugal war, hat nie angezweifelt
werden können. Raum für eine an und für sich ja höchst natürliche Orientreise ist inner-
halb jener vier Jahre schwer zu finden. Und kein einziges Wort über das unbedingt be-
merkenswerte Faktum verlautet im 15. Jh., solange die Wahrheit bekannt sein musste.
^ Gedruckt bei Soares da Silva, Meniorias I cap. 92, p. 410 und Sousa,
Provas I p. 515,
' B a r b. Mach. II 436 erwähnt sie als Conselho sobre a gturra de Africa ; O 1 i v e i r a
Martins benutzt sie nicht. Ich halte sie daher für ungedruckt und gedenke seiner Zeit
das kraftvolle Dokument, das dem standhaften Prinzen sein heiliges Leben kostete, in meiner
geplanten portug. Chrestomathie zu verwerten.
* Barb. Mach. II 436; Freire de Carvalho p. 66 und 303.
* Die also fehlgehenden sind die in der vorigen Anm. genannten beiden Autoren. Sie
verlegen noch dazu den Zug nach Tanger in die Tage Johanns 1. Man kann diese y>Con-
selhos«. bei Sousa, Provas I p. 536 suchen.
* Barb. Mach, fand in Frey Luis deSousa (Hist. de S. Domingos I, 6 cap. 15)
Nachricht über nimm livro qtte \p. Hetirique\ mundo u escrever do successo destes desco-
Prosa: Heinrich der Seefahrer. Publizistik. — D. Filippa de Lencastre. 249
drittes, spanisch geschriebenes »astrologisches« (?) Werk y>Secreto de los
Secretos« • kann ich zunächst nichts äussern als die unbestimmte, bloss auf den
Titel gegründete Vermutung, es handle sich um das mittelalterliche, dem
Aristoteles zugeschriebene Beispielswerk, das auch die portug. Schriftsteller dieser
Periode oft benutzen und zitieren, und das D. Henrique vielleicht für sich
vulgarisieren Hess.
89. Noch von manchen anderen Mitgliedern der Vernunft und Wissenschaft
liebenden Familie des Ordensmeisters von Aviz sind Schriftdenkmäler vor-
handen, die in einer ausführlichen Geschichte der portug. Geistesbildung
nicht unbesprochen bleiben dürften. Weitere zwei von den Brüdern D. Duarte's,
der Infant D. Joäo,2 und der ränkevolle Bastard D. Affonso (von Barcellos
und Braganga)'^ so wie des letzteren Söhne, die Grafen von Arrayolos und
Ourem,** wurden bei Haupt- und Staatsaktionen zu litterarischen Meinungs-
äusserungen veranlasst; und selbst die Herzogin von Burgund sandte aus der
Ferne Berichte und Ratschläge. ^ Unter Alfons V. spielte, der Tradition treu,
die freilich dem eigenwilligen, selbstbewussten Sinn des jungen Königs nicht
allzusehr behagte, jene eigentümliche Ratgeberrolle der Condestavel D. Pedro.
In einem hübschen, sein Poeten- und Philologen-Talent verratenden Aufsatz
erörterte er 1458 das Für- und Wider des afrikanischen Feldzuges. ^ Und
noch unter Johann II. Hess die jüngste Tochter des Regenten D. Filippa
de Lencastre (1437 — 1497) ihre den ehrgeizigen Fürsten gegen Kastilien
spornende Stimme vernehmen (in Betreff der Freigebung seines als Kriegsgeisel
und Friedensbürgen, seit der Niederlage bei Toro, im festen Schlosse Moura
unter Kontrolle auferzogenen Sohnes D. Affonso, und dessen kleiner Braut, der
kastilischen Erbin D. Isabel).'^ Jene vortreffliche Dame — die erste portug.
Dichterin, von der uns Kunde wird — stimmte in der Jugend (nach 1450)
im Kreise ihrer donzellas bei Hofe muntere weltliche Liedchen an. ^ Später
aber, als sie, ohne Ordensgelübde abgelegt zu haben , die letzten 1 6 Jahre
ihres Lebens im Kloster Odivellas das tragische Geschick ihres edlen Hauses
beweinte, Hess die an geistige und praktische Arbeit Gewöhnte, Schreibgriffel
und Pinsel nicht rasten. Nach dem Lat. des venezianischen Patriarchen Lau-
rentius Justinianus soll sie ein Werk über das »Leben in der Einsamkeit« 9
brimentosv.. Davon wird gesagt: este livro etwioti o Infante a hum Rey de Napoles , e tios o
vitnos na cidade de Valenga de Aragäo entre algumas pegas ricas que ficaram da recamara do
Duque de Calabria. Er selber benutzte sie jedoch in verfälschender, interpretatorischer Weise.
Aus dem Wortlaut des Original textes sieht man, wie der erste Berichterstatter dazu kommen
konnte, das in Wahrheit im Auftrage des portug. Königs Alfons unternommene Werk als
auf Befehl des Infanten ausgeführt hinzustellen, dem realiter nur die erzählten Thaten
. beigemessen werden.
' Nr. 4129 der Columbina, laut Gallardo II p. 553- Danach zitiert im Boletin Biblio-
grafico I 53 -55 und von Garcia Peres p. 630. Ob das 1525 in Salamanca gekaufte ^libro
en espanol, de manov, noch vorhanden ist und was es für eine Bewandtnis damit hat, er-
forscht vielleicht die Lissabonner Geogr. Gesellschaft zur 500jährigen Jubelfeier des Infanten?
Wenigstens ist das mein frommer Wunsch.
2 S. Pina, Chron. de D. Dnarte cap. XVII und vgl. Oliv. Martins p. 213. Ab-
schrift aus D. Duarte's Notizbüchern besitze ich.
* Sousa, Provas V 23 »Carta a D. Joäo I«.
* Oliv. Martins, App. E I und II (nach meinen Kopien).
* Treslado de uma Carta que nie mandou a duqueza, aus derselben Quelle.
** Conselho do Senhor D. Pedro a El Rey D. Affonso V. Den gänzlich unbekannten,
ansprechenden Text verdanke ich einem lissab. Beschützer aller Musen.
"^ Conselho e voto da Sra D. Filippa sobre as Tergarias e gturras de Caslella, gedr.
1643 von Frei Francisco Brandäo, mit brauchbarer, ob auch nicht fehlerfieier Ein-
leitung. Aus dem Werkchen erhellt einesteils wie gut diese Fürsten in vaterländischer Ge-
schichte bewandert waren, und anderenteils wie Eifersucht. Neid und Hass zwischen Kastilien
und Portugal damals üppig ins Kraut schössen,
ä Canc. de Res. I 275- III 179 und vgl. III 163.
' » Tratado da vida solitaria«.
250 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
und nach franz. Muster ein »Evangelien- und Homilienbuch« für das
ganze Kirchenjahr portug. redigiert, und selbst kunstvoll niedergeschrieben und
illuminiert haben ;i ferner neue, eigen erdachte »Charfreitagsmeditation en«.-
Bis jetzt ist jedoch Gemeingut der portug. Lesenden (seit 1632), ausser dem
weltlichen Liedchen im Cancioneiro de Resende^ nur eine fromme, warm em-
pfundene Weise »An den Erlöser«. ^
Alfons V. (geb. 1432 reg. 1448 bis 1481) der erste, der den Titel
Rey dos Algarves de aquini e de alhn mar etn Africa annahm , dieser
vorzüglich erzogene, humanistisch gebildete, ritterlich freigebige, aber unstete,
und im Grunde unglückliche Monarch empfing Besuche aller möglichen
Reisenden , * welche die afrikanischen Wunder schauen und in den Feld-
zügen helfen wollten , sowie Gedichte und Sendschreiben zahlreicher Lob-
redner ;5 nahm lebhaften Teil an der würdigen Lösung der patriotischen
Aufgaben , die er seinen Reichshistoriographen stellte, ^ und trat in viel-
fältige Beziehungen zu heimischen und ausländischen litterarischen Grössen,
nach stilgerechter lat. Einkleidung portug. Geschichte begehrend. ' Auch
steht er selbst in der Liste der portug. FederfLihrer, ^ und zwar mit portug,
und span. Schriftstücken. Doch ist es dem Litteraturfreund auch in diesem Falle
bis heute nicht vergönnt, seine Verdienste ernsthaft zu würdigen , da keines
der beiden ihm zugesprochenen Werke — weder die Abhandlung über altportug.
Kriegskunst {^>Da Milicia«) noch die astronomische über das Sternbild des
Hundes {»Da Constellagäo do Cäo<(.) übrig ist. Nur wenige Briefe sind als
dürftige Proben seiner gepriesenen Wohlredenheit gedruckt, darunter ein por-
tugiesischer an Gomes Eannes de Zurara, der ein Ehrendenkmal für beide
ist ;9 und ein span., mit guten Lehren gesättigter Scheidegruss an seine Schwester
D. Juana — (die später ob ihres Leichtsinns berüchtigte Mutter der beklagens-
werten Bei träne ja), — als sie dem sittenlosen Schwächling Enrique IV. von
Kastilien 1455 die Hand reichte. An der Echtheit dieses handschriftlichen
Dokumentes ist ohne Grund gezweifelt worden; ich denke, nur weil man
daran Anstoss nahm, dass der König die jüngere Schwester, sein Mündel,
mit Tochter {hija mia) anredet. 10 Er ahmt darin den vom Condestavel kurz
* J. Cardoso, Agiologio I p. 404 und410— 412; Barb. Mach. I 65; Inn. da
Silva II 29;-i. Laut Borges de Figueiredo (0 mosteiro de Odivellas, 1889 p. 220)
kamen diese Reliquien (1834? oder 1886?) nach 5. Vicente de fora.
* Die -»Nove Estagoes od^v Aleditagoes da Paixäoi. sollen im 16. Jh. gedruckt worden
sein; doch hat Niemand sie gesehen. — Ob sie nicht einfach Übertragungen der »Sermones
funebresv- des Johann v. S. Geminiano (gedr. Lugd. 1499) waren? ('S. II, l, S. 199).
* S. Bellermann p. 32.
* Ich nenne nur den burgunder fahrenden Chevalier Lala im 1445; Ehingen
1455—57; und Rozmital 1465—67, denen unter Johann II. Nik. v. Popp lau 1484 ;
Hier. Müntzer 1494 — 95 und A. v. Harff 1496— 99 folgten. Vorangegangen war 1408
Guilieber t de Launoy.
^ Santillana's ■i>Loor<i. ist nicht das einzige, Alfons V. feiernde Gedicht. P'inen
Band ■»Poesias de arte tnayor dedicadas al Rey D. Alonso V. de Portugal en que se trata de tin
buen prüicipe y las virtudes que ha de teuer <s: erwähnt Gallardo IV p. 1498 und lö25.
^ S. die folgende Anm. Wenn die Geschichtsforscher ihn einmütig als Begründer der
ersten Lissabonner Bibliothek nennen (trotz D. Du arte und D. Jo a o I.J, so kann das nur
bedeuten, dass er im Pallaste gesonderte Räume zur Aufbewahrung der von ihm bedeutend
vermehrten königl. Sammlungen hergab, den Zutritt zu denselben grossmütig den Höflingen
gestattend. Das bezeugt sein Lehrer ausdrücklich, und Zurara's Arbeiten beweisen es.
■^ Über Mattheus de Pisano s. u. § 97. Der Italiener Justus Baldinus,
den Alfons zum Bischof von Ceuta erhob, sollte die Königschroniken des Fern am Lop es
lat. bearbeiten, starb aber vor der Zeit. (S. u. §95). Poggio und Flavio Biondo er-
boten sich zu gleichem Dienste; und Poliziano richtete einen begeisterten Brief an seinen
Nachfolger, die Materialien zur Darstellung der Eroberung Afrika's erbittend.
8 Barb. Mach. I 17 und IV 1. » Ineditos III p. 3.
10 Octavio de Toledo in Rev. Occidental \ 307. Vgl. Mendez-Hidalgo,
Tipografia p. 69; A. de los Rios VII 86; Garcia Peres p. 24.
Prosa: Alfons V. A corte Imperial. Pero Menino. 251
vorher eingeweihten schwülstigen spanischen Stil (ä la Mena, Santillana und
Padron) so treu-ängstlich nach, dass man das «Razonamiento de despedida«, das
als Appendix zu des Condestavel zweitem Glossenpoem aufbewahrt wird
(Madr. M. 64), für ein Produkt dieses Fürsten halten könnte. Chronologisch
nimmt Alfons V. also die zweite Stelle unter den spanisch-schreibenden
Portugiesen ein. Seine Gemahlin Isabella (1431 — 1455)) die Schwester des
Condestavel und D. Filippa's, eine hehre Frauenseele, liess schon 1445 von
dem Alcobacenser Mönch FreiBernardo (7 1478) die mit Recht zu hohem
Ansehen gelangte y>Vita Christi'^, des Strassburger Kartäusermönches ^ Ludolph
von Sachsen (s. II i S. 201) portug. niederschreiben (nicht aber die Ge-
mahlin des Regenten Peter, wie oft behauptet wird).
90. Nicht nur Könige und Fürsten, auch Professoren der Universität
und Klosterschulen, Prälaten, Mönche, Höflinge waren schriftstellerisch thätig,
und überragten jene sicherlich oft an Wissen und Kunst. Doch ist nicht
viel mehr übrig als eine Reihe von Namen und Titeln. Nur äusserst wenige
Werke. Ein Anonymus redigierte, aus der Sprache zu schliesen, noch im
14. Jh., eine grossmächtige, besonders gegen Judentum u. Islam gewendete
Lehrschrift über die Vorzüge der katholischen Kirchenlehre , die Natur der
Dreieinigkeit u. a. m. Und zwar ist es eine aus dem Orient kommende
Königin, welche am Himmelshofe, auf einem in elysäischen Gefilden abge-
haltenen Reichstag (»Cortest^), vor dem höchsten Kaiser und seinen Heer-
schaaren von Engeln und Seelen, die Grundlehren der christlichen Religion
gegen philosophisch gebildete Heiden (Juden und Mauren) verteidigt, selbst-
verständlich mit unermüdeter Benutzung der Heiligen Schrift, der Apokryphen,
sowie der sibyllinischen Bücher, der Vetula des Pseudo-Ovid, des Koran und
anderer arabischer Texte. Dieser »Kaiserhof« =^ -»A Corte Imperiah^ g€höxiG
zu D. Du arte's Bücherei (Nr. 39), wird aber niemals von ihm und den
Seinen benutzt, so dass über den Verfasser nichts verlautet. Dass es König
Johann I. sei, ist eine durch nichts zu erhärtende Behauptung.^ Was an der etwas
farblosen, sprachlich und sachlich aber lehrreichen Kompilation eigene Zuthat
des portug. Bearbeiters ist, und was er etwaigen anderen romanischen oder lat. Vor-
lagen verdankt, bleibt zu untersuchen.* — Ein Buch über Reiher- und Falken-
beize (Livro deCetreriä)^ die in Gallizien und Portugal mit Leidenschaft betrieben
ward, schrieb ein adliger Falkonier König Fcrdinand's Namens Pero Menino^,
* Gedruckt schon 1495 (4 Jahre vor der valenc, und 6 vor der span. Bearbeitung)
auf Befehl ihrer Nachfolgerin. Ob die Formel corregido e revisto sich auf wirkliche Text-
überarbeitung des Revisors Frei Andre bezieht, ist unnachweislich. Dass D. Duarte
die Vita Christi benutzte {^Leal Qms. cap. 87) ward schon in § 86 Anm. 1 gezeigt. Vgl.
S. Boaventura, huditos I p. 17 — 2a
2 Ms. 803 der Portuenser Stadtbibliothek von 134 Bl. in-fl. Herculano machte im
Panorama III darauf aufmerksam. Vgl. Braga, ItUr. 153. 183. 2l8 und besonders 231
bis 236; Poet. Pal. 74; Univers. 220.
' Wo Braga las: eu pecador j ohan do(.') comego este livro (!) heisst es : en pccador
c ofiando comego este livro.
* Der portug. Anonymus sagt: nö como autor e achador das coiisas e eile conthetidas,
mais como simpres ajuntador d' ellas e huü uellume . . . und später kommt die Phrase
vor: de latiin em linguagem portugiies .... doch bin ich nicht sicher, ob sie sich auf das
ganze Werk, oder nur auf irgend ein Teilstück bezieht, da ich das Buch nur einmal gelesen
und kurz excerpiert habe. Höchst notwendig scheint es mir, es mit dem span. tLibro del
Gentü 6 de los tres saiios« zu vergleichen , welches der Cordovaner Gonzalo Sanchez
de Uceda angeblich im J. 1378 aus dem Katalanischen, d. h., meiner Ansicht nach, aus
Raimund Lulls »De gentili et tribus sapientihus« übertrug (Madr. X. 145), sowie mit
weiteren ähnlichen Disputationen (ytidaei cum Christiano; Contra Judaeum qtteitdam); vgl.
II 1. S. 232.
= S. Bibl. Venatoria I p. CLXXI (und III p. 156) No. 76. Ein Bruchstück der span.
Version von Gonzalo Rodriguez de Escobar, das aus dem Besitze eines anderen
portug. Falkoniers, Namens Pomalyno stammt, ruht noch in Madrid. (Vgl. ib. No. 9). Der
252 LlTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4, PoRT. LllT.
den der Kanzler Ayala noch gekannt hat. i Eine hervorragende Rolle
spielte von 1435^ — ^497 ^^s bedeutender Rechtsgelehrter {utriusque juris)
und geschulter lat. Rhetor der aus ursprünglich span. Familie stammende
Vasco Fernandes de Lucena. ^ Da er hohe Ehrenposten bekleidete —
{do Conselho e Desembargo del Ret; Chanceller da Casa do Civel; Chronista-mör ;
Guarda-mör da Torre do Tombo e Livraria del Rey von 1487 — 1497 ^ und
Conde Palatino^) — wird er in Dokumenten und Chroniken häufig erwähnt. ^
Als portug. Redner glänzte er schon 1438 auf dem Reichstag von Torrcs-
Novas und 1485 zu Evora^, als königl. Gesandtschaftsredner in Bologna,
Ferrara , Florenz und Basel, 1435 — 1442 vor Papst Eugen IV.,'' 1450
vor Nikolaus V., und besonders 1485 vor Innocenz VIII. in der ewigen
Stadt, wo seine Rede -»De Obedientia« beifällig aufgenommen, und sofort
durch Drucklegung geehrt ward.^ Besonders schätzte sein Wissen und
liebte die Eleganz seines Stils der Regent, der seinen bem aniado doutor^ be-
hufs Erziehung seines königl. Mündels, viel beschäftigte. ^ In seinem Auftrage
übersetzte Lucena Cicero's Buch »vom Alter«, das Panegyrikum des
Plinius; den Fürstenspiegel des P. P. Vergerius, und verfasste als Ergän-
zung dazu einen selbständigen, dem jungen Alfons V. (1442) gewidmeten
»Tratado das virtudes que ao Rey pertencem«^ worin er besonders (wohl mit
Rücksicht auf die häufige Einkehr fremder Ritter) die Pflichten der Gastfreund-
schaft behandelt, klassische und biblische Beispiele verwertend: »estremando
algüas flores dos abondosos campos dos gentios . . . e . . dos profundos pegos
das sagradas escritiiras<-< nach kunstvollem Stil ringend, doch nicht ohne Dunkel-
heiten. Bis 1755 ruhten diese Schriften handschriftlich in der königl. Bibliothek
und im Pallaste der Herzöge von Aveiro, kamen aber beim Erdbeben um. Nur
die Geleitbriefe sind in Abschriften erhalten. ^^ Treu dankbar erwies Lucena
sich dem Andenken des Regenten durch Übertragung und Einftihrung der
kräftigen vorwurfsvollen Reden {»in Alfonsum V.«), in welchen der Abgesandte
der Herzöge von Burgund, Dekan von Vergy, Sühnung des gegen den Regenten
und seine Familie begangenen Unrechtes erheischt." Nicht von Vasco Fer-
Urtext war wohl in die Bibliothek D. Du arte's aus seines Vaters Erbe übergegangen
(No. 55 des betreffenden Katalogs).
* S. seine Caza de las Aves, cap. 1.
^ Aus Lucena bei Cordova war ein Zweig der Familie unter Ferdinand I. in Portugal
eingewandert.
ä S. J. P. Ribeiro, ffist do Archivo p. 58— 61.
* Über Bedeutung und Verleihung dieses Ehrentitels an höchststehende Juristen oder
jubilierte Rechtslehrer siehe Ferreira, Noticias Chrottologicas da Univesr. (1729), § 871
bis 893.
* Z. B. Pina, Chron. de D. Affonso. cap. 1 1 ; Chron. de D. Joäo, cap. 20; Resende,
D. Joäo II cap. 3. 25. 57- Sousa, Hist. Gen. II 59- 87. 504- Ineditos I p. 14. 62. 64,
II p. 18.
* Ineditos I p. 241. Auch zu Alcacer, in dem vom Fürsten Ferdinand abgehaltenen
Ordenskapitel, war er bestallter Redner.
"^ A. P. de Figueiredo, Portuguezes nos Concilios, p. 49—55; Ferreira, Not.
Chron., § 771 —786; Sousa, Provas V 592. 593. 607.
* Neuabdruck des ausserordentlich seltnen Werkchen 1813 im Jamal de Coimhra
Bd. XIX p. 312, mit Einleitung von J. M. Trigoso p. 309— 311.
* Er sagt z. B.: i>segundo minha affeigäo entre todos os letrados deste rcym vos tendes
assim na fermosura das palavras como no guardar das verdadeiras sentengas grandc perfeigäov..
^^ Auch diese vollkommen unbekannten Schriftstücke besitze ich. In den Anmerkungen
zu § 87 sind 2 derselben erwähnt (Cicero und Plinius). Dazu kommen : Prologo que fez
0 Dr. V. F. de L. a el Rey D. Affonso 0 V sobre 0 Livro de Paulo Vergeriv que Ihe tornou
de Latim im lingoagem por mandado do Inf ante D. Pedro Regedor que foi destes Reynos und
Prologo que 0 Dr. V. F. de L. fez a El Rey D. Affonso o V sobre o Tratado que Ihe fez
das vertudes que ao Rey pcrtencem.
" Sousa, Provas VI p. 364—388.
Prosa: Vasco Fernandes. Vasco de Lucena. — Redner. 253
n an des de Lucena 1 ist die älteste franz. Quintus-Curtius Übersetzung, welche
1468 dem Sohne Dame Isabeaus's, Karl dem Kühnen, von einem Vasco de
Lucena gewidmet ward," der auch die Cyropädie für ihn vulgarisierte. Der
Träger dieses Namens — vertueux escuyer, später eschanson der Wittwe des
Burgunders (Margarethe von York), portugalois de nacion, den Olivier de la
Marche bewundernd preist, — ist, wenn nicht alle Zeichen trügen, eins mit
Valascus de Lucena, Colimbriensis diocesis, der von 1449 bis nach 1454
in Paris als Stipendiat studierte (1449 incipiens; 1454 licenciandus ; später
magisirandus).,^ gemeinsam mit seinem älteren Bruder Ferdinand, der den
burgundischen Herrschaften gleicherweise franz. Werke weihte: 1460 Philipp
dem Guten den Triomphe des Dames und die Chaiere d'honneur des Galliziers
Rodriguez del Padron.* Da des portug. Doktors Vater Fernam Vasquez
de Lucena hiess, und andere portugiesierte Lucena -Zweige um diese Zeit
noch nicht nachweislich sind, so ist es höchst wahrscheinlich, dass beide Söhne
von ihm (resp. Neffen) sind. ^
91. An Rednern war kein Mangel. Kriegerische Allokutionen legen
die Chronisten den Königen in den Mund, besonders Johann L und dem
Befehlshaber von Ceuta D. Pedro de Menezes^, die keinesweges auf Erfindung
beruhen, sondern, wie in einzelnen Fällen erweisbar ist, der Wirklichkeit
nachgeschrieben sind. Der bedeutendste politische Orator war der spitzfindige
Causidicus Dr Joäo das Regras, dessen überwältigender Suada und durch-
triebener Schlauheit der Ordensmeister die Sicherung seines Thrones dankt, '^
ein direkter Schüler des Baldo, der aus Bologna nächst seiner Rechtskennt-
nisse auch Kunde von den Vulgärdichtungen des Cino und Guido heim-
brachte (1382). Nächst ihm stand der Professor Diego Affonso Manga-
ahcha (auf dessen Bücherbesitz schon hingewiesen ward), der in der Aula,
im Ratssaale, im Reichstag und auf den Concilien oft die Tribüne bestieg. ^
Beliebte Kanzclredner waren: der Franziskaner Frey Pedro, der nach dem
Siege bei Aljubarrota die berühmte Triumph-Predigt hielt, deren Grundton
alljährlich mit Variationen im ganzen Lande wiederhallte und den Ärger und
1 Biogr. und Bibliogr. bei Inn. da Silva I 402 und Barb. Mach. III 772 sowie
IV 274, womit man III 777 den Artikel Vasco Mai'tins de Lucena kritisch vergleiciie.
Wert hat darin nur die Angabe , Vicente Nogueira habe Lucena- Manuskripte be-
sessen.
2 Mit einander identifiziert wurden die beiden Schriftsteller fälschlich in Biogr. Didot
(wonach Port. Illustre und Larotisse p. 133) von F. Denis, der aus dem r.Comes Palatinus<.<.
obenein noch einen Grafen macht; und von A. Herculano im Panorama III 346 u. a.
Den wahren Sachveihalt erkannte Inn. da Silva I 408. Über die schöne Alexander-Version
s. P. Paris, Mss. fr. I 5 1 und II 280 ; S a n t a r e ni , Quadro Elementar III 73 ; F i g a n i t- r e ,
Mss. port. du Mus. Brit. p. 189; Dosson, Qumte-Curce, Paris l877 P- 375—77 und vgl.
Romania 1890 p. 60I — 2
* A. Thomas in Romania a. a. O.
* Abgedruckt in Bibliofilos Bd. XXII, nach Brüsseler Manuskripten. Der umsichtige
Herausgeber A. Paz y Melia kannte die Pariser Dokumente über die Brüder Lucena nicht.
* Noch ein dritter Lucena (Affonso de) stand als Arzt in Dame Isabeau's
Diensten (1451). Auch er und ein Joam Rodriguez de L., der lateinkundige Dichter
des Aligemeinen Liederbuches (II 548), sowie der Dr. Diogo, der 1496 zum königl. Ge-
richtshof gehörte, gelten für Söhne Vasco's. In Spanien blühte gleichzeitig der geistvolle
Dr. Juan Ramirez de L., Verfasser der ansprechenden y>Vida Beata (Bibliofilos XXIX).
Ober das Verwandtschaftsverhältnis dieser verschiedenen Sprossen ei nes Stammes ist Näheres
nicht bekannt.
^ S. z. B. Fernam Lopes, II cap. 31 und Zurara, III 9. il. 25.
' F. Lopes, I cap. 176— 179 und 181 — 191.
^ Betreffs einer Schrift von ihm über die Pestseuche sind wir nur durch die Entgeg-
nung D. Du arte's unterrichtet. Seiner Totenrede auf D. Duarte gedenkt Zurara , Chronica
de D. Duarte cap. 5.
2 54 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
Spott der Besiegten herausforderte,* Padre Frey Joham Xira,^ Frey Fer-
nando da Rotea, der 1415 dem Volke klarmachen sollte, warum der König
nach Ceuta segele, und der nach glücklichem Erfolge in der eroberten Veste
^2s Gloria darüber anstimmte'*, Frey Gil Lobo, der gelehrte Beichtiger D.
Duarte's.* Frey Vasco da Lagoa,^ Frey Rodrigo deCintra,^ der beim
Tode Johann's I. Hof und Volk zu Tränen rührte. — Wer Predigten lesen
wollte, griff jedoch zu den feurigen Ansprachen des spanischen Vicente Ferrer.
92. Als Beispiel für die Epistolographie jener Tage sei der echte,
würdige und doch familiäre Brief erwähnt, welchen am 3. April 1385 der
lissabonner Kanonikus Gongalo Domingues an den Alcobacenser Abt Frey
Joäo de Ornellas richtete, betreffs der am Vorabend erfolgten, glücklichen
Ankunft eines Teiles der englischen Hülfskompagnien und ihrer kühnen Ein-
fahrt in den von span. Schiffen besetzten Hafen der Hauptstadt ''. Über die
Hochzeitsreise der Kaiserin Leonor (über Siena nach Wien) berichten der Graf
von Abrantes Lopo de Almeida und Pedro de Sousa (1452)^. Als Muster
eines Reisetagbuches kann das Diario da Jornada dienen que 0 Conde de
Ourem/ez ao Concilio de Basilea^. Von einzelnen Briefen der Söhne Johann's I.
war schon die Rede. Andere werden noch in § 100 und loi erwähnt.
93. An Übersetzungen liesse sich noch mancher mittelalterliche und
klassische Text zitieren, wären sie nicht alle bis auf ärmliche Reste gründlich
vernichtet. Im Escurial befindet sich noch eine Version des Sallust, (s. Jahr-
buch IV 69); eine andere des Pomponius Mela sah ich in der königl.
Bibliothek zu Ajuda. — Auch manches spanische Werk dankt dem Lerneifer
der portug. Könige sein Entstehen. Alfonso de Cartagena (f 1456)
hispanisierte z. B. 1422 während seines Aufenthaltes in Portugal für den da-
maligen Kronprinzen Boccaccio's -»De casibus virorum«- und noch 1433 Cicoro's
Rhetorik (»</ instancias de Ediiarte Riy de Portugal) sowie die Ethik des
Aristoteles; und Mossen Diego de Valera schrieb für Alfons V. ein Waffen-
buch {y>Tratado de las armas«).
b) CHRONIKEN.
94. Mit der patriotischen Aufgabe, das Denkwürdige der portug. Landes-
geschichte darzustellen, wurden von den Königen der Epoche eigens dazu er-
1 F. Lopes II cap. 48. Der geistvolle Satyriker D. Diego deMendoza hinter-
liess einen y> Sermon que solia predicar-se eti Portugal con motivo de la batalla de Aljubarrota,
y noias satiricas<s. (Madr. ms. T. lO; Cc. 73 und Q. 229). Vgl. Mariana, Msi. £s/>.XYlll
cap. 9, sowie Schäfer II 231.
2 C/tron. de D. Joäo, III cap. 51 und 95.
3 Ineditos I 91.
* Ineditos, I 240.
5 Chron. de D. Joäo, I cap. 151 : Entsetzung Lissabons; II 124: Tod des Papstes
Urban; Ined. I 86: Tod Joliann's I., bei welcher Gelegenheit er durch ein sokratisches
Frage- und Anwortspiel die Zuhörer fesselte.
6 Ined. I 87.
■^ Chron. de D. Joäo, II cap. 4. Dieses hübsche Unikum forderte den, mit einem so un-
glückseligem Nachahmungstalent begabten Faria-e-S ousa zum Schmieden eines Pendants
heraus, y>Carta de D. Loureng 0 Arcebispo de Braga ao Abbade de Alcobaga«. Der Heraus-
geber des F. Lopes hängte selbiges stillschweigend, ohne ein Wort der Aufklärung, dem
zweiten Teile der Johannes-Chronik an, nachdem der Erfinder es schon 1639 in den
Lusiadas II p. 322 (und in der Europa II 313) zur Schau gestellt hatte. Die Häufung
archaischer Formen und ungewöhnlicher drastischer Wendungen offenbart die generatio
equivoca: der Ausputz mit der historischen Schmarre des geistlichen Haudegens, in dessen
Namen der Brief geschrieben ist, hat jedoch bis zur Stunde alle Welt getäuscht (selbst so
feine Köpfe wie Oliv. Martins und den Conde de V il 1 a fran ca).
8 S o u s a , Provas I 601 .
9 ib. V p. 573-630.
Epistolographen. Übersetzer. Chronik: Fernam Lopes. 255
nannte Reichshistoriographen betraut. Dem 15. Jh. gehören vier davon an:
Fernam Lopes, Gomes Eannes de Zurara, Vasco Fernandes de
Lucena, Ruy de Pina. Von historischen Arbeiten des dritten verlautet
jedoch nichts. Alle vier waren gleichzeitig Oberverwalter des Staatsarchivs
und der königl. Pallast-Bibliothek. Und wie die Torre do Tovibo und die
Livraria del Rey , so standen alle Klöster- und Kirchenarchive ihnen offen.
Als studierten Leuten waren ihnen die klassischen Geschichtsschreiber bekannt
— Livius, Caesar, Sallust, Tacitus, Sueton, Xenophon — sowie die Vulgär-
chroniken mindestens des Nachbarreiches, und dienten ihnen mehr oder
minder zum Vorbild. Als von der Monarchen Gunst mit Wohlthaten über-
häuften Dienern der Krone ward es ihnen nicht leicht gemacht, historische
Gerechtigkeit walten zu lassen; doch hat keiner von ihnen sich zum blossen
Panegyriker hergegeben. Dem ältesten fiel selbstverständlich die Aufgabe zu,
auch die Vorzeit, d. h. die Thaten der ersten Dynastie vom Grafen Heinrich
l)is zum Tode Ferdinand's darzustellen , mit Benutzung aller während der
I. Epoche in den Klöstern hergestellten Annalen, Regesten und chronicones.
Ihre Werke wurden im Staatsarchiv deponiert. Kopien für Fürsten und Grosse
und Bibliotheken gingen jedoch frühzeitig daraus hervor. In der Folgezeit
aber sind die von olficiellen Kalligraphen kunstgerecht niedergeschriebenen
Originale, aus Mangel an Ordnungssinn und Treue, verwahrlost worden und
abhanden gekommen. Die Nachfolger im Amte blickten meist von oben
herab auf die Arbeit der Vorgänger, verbesserten und modernisierten, und
schrieben hernach sich allein das Verdienst besonders an den so zu sagen herren-
los gewordenen Chroniken der ersten 7 — 9 Könige zu, so dass dieselben mit
Varianten unter den verschiedensten Attributionen umgingen. Erst zu
Anfang dieses Jahrhunderts verbreiteten akademische Forscher einiges Licht
über die recht zahlreichen, sich an die Chroniken knüpfenden Fragen. Zu
Ende geführt haben sie jedoch ihre Aufgabe nicht. Noch immer bleibt viel
zu thun, — Die frühesten Überarbeiter gehören noch an den Ausgang der
Epoche. — Zur Abfassung von Geschichten einzelner Helden , ohne amt-
lichen Auftrag, daher auch ohne Benutzung der Archiv-Dokumente und ohne
Daten , entschlossen sich nur selten ihnen persönlich ergebene Begleiter.
Zwei ruhmvolle Ausnahmen sind die: -»Estoria do CondestaveU und die -»Chronica
do Inf ante Santo«.
95. Fernam Lopes — [Cavalleiro da Casa do Inf ante D. Henrique ;
Vassallo del Rey e Guardador das Escrituras do Tombo; Escriväo da Puridade
do Inf ante D. Fernando; Secretario de D. Duarte laut Aussage von Akten ^) —
arbeitete im Staatsarchive mindestens von 1418 an bis 6. Juni 1454, wo er
alterskrank seinen Posten niederlegte (»/«<? velho e fraco que per sy non pode
bem servir o dito oficio«). Er wird also nicht nach 1380 geboren sein. Dass
D. Duarte ihm 1434 den Auftrag erteilte, die Berichte aus alter Zeit chronikcn-
mässig einzukleiden (de poer em chronica as estorias), steht fest, wie auch,
dass er ihn schon als Kronprinz anwies, die Epoche Johann's I. zu schildern.
Die »Chronica del Rey D. Johann de boa Memoria« ^, die er nur bis zum
Jahre 141 5 vollendete, hat denn auch keinerlei Kritik ihm absprechen können.
Aus ihr aber erhellt unumstösslich sicher, dass auch die Chronica de D. Fer-
* Nächst Bar b. Mach, und Inn. da Silva siehe IneditosW, Einl. von F. M. Ti i-
goso 1816; J. P. Ribeiro, Archivo p. 54 und Panorama III 197.
2 Coronica del Rey D. foham de boa memoria .... capitulada e composta por F. L.
Escriväo da Puridade do Inf. D. Fernando, filho do mesrtio Rey . . . a quäl Coronica o dito
F. L. fez por mandado del Rey D. Duarte sendo Principe, gedruckt erst 1644, Liss von
A. Alvarez, und niemals wieder.
250 LiTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER, — 4. PORT. LiTT.
nando und die Chronica de D. Pedi'o sein Werk sind, ^ wie fernerhin dass er
in einer Prhneira Parte, dem königl. Befehl gehorchend, die ersten 7 Herrscher
behandelt hatte. 2 Dieser erste Teil ward dem schon erwähnten Italiener
Just US Baldinus anvertraut, und kam bei seinem plötzlichen Tode (1360)
abhanden, ohne seinen Zweck erfüllt, d. h. den Grundstoff zur lat. Darstellung
geliefert zu haben. 3 Die Nachfolger (Duarte Galväo, Ruy de Pina und
spätere) benutzten jedoch Abschriften für ihre Neu-Rcdaktionen, verschwiegen
aber, leichtfertig oder böswillig, den Namen des FernamLopes, für dessen
Rechte und Verdienste erst Damiäo de Goes eintrat.^ Sein Hauptwerk,
dem er den Ehrennamen eines port. Froissart verdankt, ist erfüllt von ehrlich
überzeugter Begeisterung für den König Johann, seinen Helden, sowie für den
Kronfeldherrn und den Kanzler, deren Laufbahn er mit angeschen ; doch ist
er aufrichtig bestrebt. Schatten und Licht gerecht zu verteilen 5. Die Sprache
ist treuherzig und kernig. Ungesucht stellt hie und da ein malerisches Bild,
oder ein naiver Merkspruch sich ein. Saftige Anekdoten sowie romantische
Abenteuer liefert die Geschichte selbst. Dokumente, Briefe, Reden, Predigten
— die er meist abreviert wiedergeben musste {brevemente tocado) — unterbrechen
oft die schlichte Erzählung. Mit Reflexionen und philosophischen Betrach-
tungen hält er Haus, und geht sparsam mit fremden Zitaten um. Im Allge-
meinen stellen die Portugiesen ihren Fernam Lopes — 0 Patriarca dos Histo-
riadores — 0 Pae da prosa portugueza — ungeheuer hoch, die dem mittelalter-
lichen Stoffe inwohnende dramatische Urkraft dem Darsteller gutschreibend.
Neuerdings tadelt man ihn, weil er den Vertrag mit England (Rymer, Foe-
dera VII. p. 521) nicht wörtlich abgedruckt und die (in meinen Augen
illusorische) verderbliche Tragweite nicht erkannt hat, welche diese den Zeit-
raum von nur 3 Jahren umspannende Allianz für die fernere geschichtliche
Entwickelung des Landes gehabt hat. Nun wird der redliche Biedermann hinter-
listig und spitzfindig gescholten (asiuio e arteiro), und als Dekan der Schmeichler,
und ältester officiöser Panegyrist und Geschichtsfälscher hingestellt.^ Ich
denke, er geht siegreich aus dieser Prüfung hervor, und auch aus einer zweiten,
welche span. Historiker ihm aufzuerlegen gedenken, durch den Nachweis, er
habe eine ältere span. Chronik plagiiert'^, während er dieselbe wohl nur
pflichtschuldigst benutzte, da er sogar aufs Energischste und wiederholt Ayala's
Fehler, und seine parteiischen (will sagen : portugiesen-feindlichen) Schilde-
rungen bekämpft.
96. Gomes Eannes de Zurara^ (aus Z. in der Beira) war in seiner
Jugend ein Kriegsmann, Ritter und Komthur des Christusordens (was ihn
nicht daran hinderte, sich 1461 von einer reichen bürgerlichen Wittib und
* Gedr. erst 1816 in den IneditosYN. Die Chronik Peters hatte schon J. Pereira.
Bayäo veröffentlicht und weidlich verändert ( 1735 und 1760). Auf die erstgenannte
verweist F ernam Lopes z. B. imD. Joham, I cap. 2. 3. 30. 36. 50. 54. 117. und II
32. 70. 88; auf die zweite cap. 49. 117. 125. II 71. 88. 129- Umgekehrt fehlt es in
beiden auch nicht an Vorwärts-Weisungen auf die Chron. de D. Johmn.
2 S. Parte I cap. 159.
' S. ob. § 89. p. 250, Anm. 6 und 7.
^ Chron. de D. Manoel, IV cap. 38. Auch Nunes de Leäo plaidierte fi'ir ihn
doch ohne Schärfe. Faria-e-Sousa aber verwirrte dann die Frage aufs Neue.
^ Wie ernst er die Quellen durchforschte, und wie ehrlich er seiner Hülfsmittel ge-
denkt, nniss jeder Leser seiner Werke erkennen, die er übrigens sogar bescheiden Kom-
pilationen nennt (I p. 31 1 und 342). Selbst sein Nachfolger bestätigt es: com muito cuidado
vira grandes volumes de livros e desvairadas lingoagens(?) e terms . . . e piibltcas escriptnras
de tnuitos cartorios.
® S. Conde de Vi Ilafranc a, D. yoäo I e a AlUanga ingleza. Liss. 1883, und
Th. Braga, Modernas Ideias, p. 382 u. ff.
' Sanchez Moguel ist mit dieser .Arbeit beschäftigt.
^ S. Ineditos I und II. J. P. Ribeiro, Archivo \). 56. Barros, Dec. I. 2 cap. 1.
GoMES Eannes de Zürara. 257
Handelsfrau, ihres Erbes halber, adoptieren zu lassen. Erst im Mannesalter
begann er wissenschaftliche Studien, und zwar mit solchem Eifer, dass er an
Sprachkenntnissen, Geschichte und Kosmographie eine Leuchte ward ' und sich
Vertrauen und Gunst seines Königs erwarb , von dem er reich mit Glücks-
gütern gesegnet und 1454 zum Nachfolger des F. Lopes ernannt ward. 2 In
dieser Stellung war er bis 1479 unermüdlich thätig an vier Chroniken. Zuerst
verfasste er als 3. Teil der Johannes-Chronik die Geschichte des i. afrikanischen
Feldzuges unter Benutzung der schon zusammengetragenen Dokumente, >' zu
denen er auf mühseliger Afrikafahrt selber das bessere Teil hinzufügte ; dann
im Anschluss daran die Geschichte der beiden ersten reckenhaften Gouver-
neure: D. Pedro de Menezes und D. Duarte de Menezes,* so wie die be-
merkenswerte, 1453 vollendete,^ auf ältere Aufzeichnungen eines Affonso de
Cerveira basierte Geschichte der Entdeckungen (bis 1448), oder Heinrich
des Seefahrers/' Ausserdem begann er als Fortsetzung der Reichschroniken die
Darstellung der Regierung Königs Duarte und Alfons' V., seines Wohlthäters,
beendete sie aber nicht, so dass seine Materialien dem nächsten Chronisten
zu Gute kamen. Was er geleistet, ist aller Ehren wert: seine Erzählung ist
treu und schlicht, zeigt aber trotzdem den in Ritterb üchern erfahrenen
Quattrocentisten. Dass er dieselbe sehr oft mit moralphilosophischen Exkursen
durchsetzt, und den jungen gährenden Most seines frisch gewonnenen Wissens,
naiven Stolzes voll, in hunderten glossierter Zitate überschäumen lässt, sollte
man ihm verzeihen, statt seine Weitschweifigkeit immer wieder zu tadeln {super-
flua abundancia, copia de palavras poeticas e metaphoricas).
97. Zurara's Chronik von der Eroberung Ceuta's ward 1460 in ganz
freier lat. Bearbeitung unter Verwertung mancher dort nicht benutzten Einzel-
heiten, als »Gesia Johannis de hello SeptenshO vom Lehrer Alfons' V., und dessen
Geheiss gemäss, Sallust nachahmend, ausgeführt. Auch sollte derselbe noch
die weiteren afrikanischen Ereignisse behandeln, woran der Tod ihn hinderte.
Man wird im Magister Mathe us de Fisano^ wahrscheinlich den am engl.
Hofe, beim Schwager Johann's L auferzogenen Sohn der berühmten Christina
erkennen dürfen, deren Balladen und Lieder bis nach Spanien und Portugal
gedrungen waren. ^
* Sein Kollege Pisanus sagt von ihm: dum maturae jam aetatis esset et nullam
litteram didicisset, adeo scientiae ctipiditate flagravit, quod confestim effectum est, ut boniis gram-
matictis, iwbilis astrologus et magnus historiographtis evasisset.
* Bibliothecario del Rey ; Chronista-mör und Gtiarda-mör da Torre do lombo. Als Ver-
walter des Staatsarchives fertigte er kurze Resumes aller wichtigeren Dokumente aus der
Zeit Peters bis Johann's, die es verschuldet haben, dass viele von den Originalen un-
beachtet verkamen.
' Gedr. 1644 mit den beiden ersten Teilen.
* Gedr. 1793 in huditos III.
* Also vor Ca-da-Mosto und R a m u s i u s.
* Ckrotiica do Descobrimcnto e cotiquista da Guine, gedr. 1841 zu Paris vom Vis-
conde de Santarem, nach dem schon oben (p. 248 Anm. 1) besprochenen schönen Code.x.
der 1457. dem Anschein nach, an Alfons v. Neapel gesandt ward, und später als Erbe in den
Besitz des Herzogs v. Calabrien überging; 1600 in Valencia von Frey Luis de Sousa
gesehen ward, 1702 in der Bibliothek des Lucas Cortez stand, und 1 837 von F.Denis
in Paris entdeckt wurde (No. 236 des Supplement f rang.) S. Denis, Chroniqtus Cheval. II
p. 43 und vgl. Boletim Bibliogr. I 47 - 49-
"^ Ineditos I, 1790 nach Ms. Penalva.
* Laut Z u r a r a war er poeta laureado e hum dos soficientes philosophos e oradores qne
em setis dias concorreram na christandade.
* S. Vision de Christine, wo die Mutter einen ihrer zwischen 1380 und 88
geborenen Söhne als bei, gracieux, aperte, soubtil und tüchtig in Rhetorik und Poetik schildert,
klüglich ist, dass der Infant D. Pedro ilm I428 in England kennen lernte und hernach nach
l'ortugal berief (1436). - S. Braga, Poet. Pal. p. 186— 189.
(JkObkr, (Jriindri-is. IIb. \~^
358 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
98. Ray de Piiia (geb. vor 1440, gest. nach 1521;! erlangte unter
König Emanuel (1497) den Posten als Archivar und Chronist, nachdem er
vorher afs Kabinets-Sekretär Johann's IL, als Gesandtschaftssekretär und selb-
ständiger Botschafter in Spanien (1482, 1483, 1493) und Rom (1484) mit
wichtigen Missionen betraut, Proben seiner Tüchtigkeit abgelegt hatte. Mit
Zugrundelegung der Zurara'schen Manuskripte, die z. T. noch zu Aufzeich-
nungen des ersten Reichshistoriographen zurückgreifen mögen, redigierte er die
Chronica de D. Duarte und Affonso V.," und, ganz selbständig, die Chronik
Johann's IL, die sein wesentlichster Ruhmestitel ist. ^ Würdevoller als Lopes,
massvoller als Zurara, hält er sich gleich fern von Schmeichelei wie anmassender
Kritik, und spricht eine edle, ob auch mit Adjektiven etwas zu freigebige
Sprache. Er unternahm auch noch die Darstellung der Indischen Grossthaten
unter Emanuel, vom Könige und seinen Helden (worunter auch Albuquerque)
mit Geschenken überreich »belohnt« ; konnte seinen Plan aber nicht zu Ende
führen. An die Chroniken der ersten 7 Könige hat er Hand gelegt, und die
Nachwelt hat sie, mit Ausnahme der allerersten, unter seinem Namen ver-
öffentlicht.* Diese, über Affonso Henriques, war von Duarte Galväo, auch
einem bei Hofe gut angeschriebenen Edelmann, der als Gesandter Rom, Deutsch-
land und Frankreich betreten hatte und in Abessynien auf einer Missionsreise
starb, bereits unkritisch reformiert und mit unglaubwürdigen Sagen ausgeschmückt
worden. 5 Aus Pina's Chronik Johann's IL zog Garcia de Resende, dem
wir noch oft begegnen werden, alles Wesentliche aus, fügte manches Selbst-
geschaute und Erlebte hinzu, und gab seinem kurzen Auszug eine leichte ge-
fällige Form, die ihr raschen Anklang verschaffte.^
99. Die Chronica do CondestaveP , von ihrem unbekannten Verfasser mit
Vorbedacht y>Estoria« betitelt, erzählt, ohne Angabe jeglicher Jahreszahl , in
ansprechender Einfachheit, den Lebenslauf des NunoAlvaresPereira (1362
bis 1432) von den frühesten Jugendjahren mit ihrem halb mystischen, halb
romanhaften Galaaz-Kultus, durch das heldenhafte Mannesalter, bis zur letzten,
wieder halb mystischen Klosterzeit im Lissabonner Carmo. Verfasst ward sie
jedenfalls bald nach seinem Hinscheiden. Übrigens wiederholen die Ferdinands-
und die Johannes-Chronik Dutzende von Kapiteln daraus. Untersucht ward
die Frage noch nicht, ob die Estoria ein bereicherter Ausschnitt aus Fernam
Lopes ist, oder ob dieser Historiker bereits jene benutzte. Das letztere scheint
mir der Fall zu sein.
IOC. Ebenso schön, und trotz aller Schlichtheit durch ihren Inhalt er-
greifend, ist die Chronica da Sancto e virtuoso iffante D. Fernando^ welche Frei
* Über das Leben Pina's, der zuerst als escudeiro, dann als Cavalleiro da Casa de
D. Manoel auftritt, sehe man, nächst Barb. Mach., und den Einleitungen zu den akademischen
Chronikenausgaben {Inediios I und IV), das Düc. da Academia p. CLXVUl ; Panorama III 346.
Resende, D. Jocb II cap. 34. 45- 57- 164. 165. 213 und Pina, D. Joäo cap. 8. 14.
20. 58. 72; über seine Weike auch DamiTio de Goes, D. Manoel IV cap. 37.
^ Beide in Ineditos I, also 1790.
^ Ineditos II 1792.
* Die ersten 5 erschienen 1726 bis 1729 bei M. Lopes Ferreira; die letzte (über
D. Affonso IV.) war schon 1653 von Paulo Craesbeeck gedruckt worden. Unter Gal väo's
Namen kui'siert auch ein geographisches Büchlein : Compendio e Summario das Grandezas e
cousas notaveis de Enfre- Douro-e-Minho (gedr. 1606, zusammen mit der Chronica de D. Affonso
Henriques, worüber Inn. da Silva I 78 und VII 19 1 nachzuschlagen ist); doch wird es
mit mehr Fug und Recht auch Mestre Antonio, dem königl. Leibarzt, zugesprochen.
*> Dicc. da Acad. p. CXXIII und Panorama III 330. Gedr. 1727
* Sein y>Lyvro . . . que trata da vida e gratidissimas virtudes e bodades . . . do Principe
Do Joäo 0 segundo«. erschien 1545 und i554. und als ^Chronicav. 1596. 1607. 1622. 1752.
1798.
'' Gedr. 1526. 1554 und 1848.
^ Gedr. zu Liss. 1527, (doch leider ir. der verbesserten Textgestalt eines J er onymo
Chroniken des Ruy de Pina und Joam Alvares. 259
Joam Alvares, der Geheimschreiber des edlen standhaften Prinzen, verfasste,
einer der 7 Getreuen, welche die Gefangenschaft mit jenem teilten (1438 — 42),
seines Wahlspruches eingedenk : »Le bien nie plaiH, und zugleich der erste, der
sterbliche Überreste von ihm nach der Heimat brachte. Später ward er Abt in
dem altertümlichen Pa(o-de-Sousa-¥Ao'äi^x^ reformierte dort die entartete Mönchs-
zucht; und sandte den Brüdern, als wahrer Seelsorger, erbauliche Briefe, in
origineller Fassung, als er nach Flandern und Burgund zu reisen hatte,
und von dort weiter bis nach Rom, als Sendbote der Schwester des In-
fanten, um von Papst Paul IL die Kanonisation des in Afrika Geopferten
zu beantragen (1468 — 70) J Und mit den Briefen schickte er Bücher: das
erste Exemplar der y>Imitatio Christi<(., sowie die 1 5 sogenannten Augustinischen
Sertnones ad fratres in eremo. Auch übersetzte er ihnen die lat. Texte, und
die Ordensregel, sich dabei allzu stark latinisierter Worte und Sätze bedienend.-
loi. Nach Inhalt und Sprache gehören noch an diese Stelle die Indien-
briefe, welche der grosse Alb u quer que an seinen König richtete. ^ Meisthin
betreffen sie ja nur spezielle Verwaltungsfragen, enthalten also wenig Allgemeines,
und interessieren vorwiegend den Historiker und Kulturhistoriker; dochgiebt ihnen
die altertümliche und durchaus populäre, mit origineller Eigenmacht gehand-
habte Redeweise ein bemerkenswertes Gepräge. Schon Joäo de Barros hatte
von Albu quer que geäussert: era hörnern de muitas grafas e motes . . . Irazia
grandes anexins de ditos pera comprazer äs gentes ...."* Wie treffend wahr
das ist, zeigen die Briefe. Aus den paar Verslein, welche er improvisierte,
solange er bei Hofe lebte und liebte, hätte man das nicht entnehmen
können.^
III. KASTILISCH-PORTÜGIESISCHE PALLAST-DICHTER (1448- 1516).
A) der CONDESTAVEL D. PEDRO DE PORTUGAL.*'
102. Ich gebe diesem Dichter eine Sonderstellung abseits von der Schaar
aller übrigen eigentlichen Pallastdichter, und das nicht bloss weil der wertvollste
Teil seiner Werke in das Allgemeine Liederbuch nicht aufgenommen ward.
Sein Platz ist auf der Schwelle der neuen Dichtungsepoche. Einerseits
schliesst er sich noch unmittelbar an die älteren moralphilosophischen Pro-
saisten an. Er reicht D. Duarte und D. Pedro die Hand, deren Wissens-
Lopes), 1577 in neuer Überarbeitung von Frey Hieronynio de Ramos, und 1730.
Auch hier hat also die Textkritik noch untersuchend einzugreifen. Deutsch von Olfers als
»Leben des standhaften Prinzen«, Berlin und Stettin 1827.
1 J. P. Ribeiro, Dissertaföes I, Doc. 109, p. 364—379.
* Panorama I p. lOl.
' Bis jetzt sind nur die ersten I14 gedruckt: Carlas de Affonso de Albuqtierijue, Liss.
1884. — Nächst seinem Sterbebriefe denke ich in meine Chrestomathie eii;e Reihe seiner
tief ins Fleisch schneidenden Kraftworte über Menschen und Dinge aufzunehmen.
* Dec. II, 10 cap. 8.
* Caru. dt Res. III 198. 204. 247; vgl. 208. 241 und 562. Daran dass er (und
nicht sein Sohn Bras) der Dichter ist, braucht nicht gezweifelt zu werden.
® Es ist dies der vierte portug. Fürst Namens Pedro, dem der Leser hier begegnet.
Eingedenk der Thatsache, dass alle vier auch von vorsichtigen Männern auffallend oft mit ein-
ander verwechselt werden, zähle ich sie noch einmal auf: 1) der Genealogiker und vermeintliche
Verfasser der Travas, D. Pedro Graf v. Barcellos, c. 1289 — 1354, von dem auf S. 179- 187.
210 die Rede war; 2) König Peter I. der Grausame 132O— 1367, mit dem wir uns auf
S. 119. 164. 231. 247 beschäftigten; 3) der vielgereiste Infant und Prinz-Regent 1390— 1449,
über den S. 119. l64und244 — 248 Auskunft gaben; 4) sein Sohn, der Condestavel 1429 — 1466,
auf den schon sehr oft (z. B. 119 und 228) hingewiesen ward. Dazu kommen noch (wie
p. 179 Anm. 3 zeigte) 5) Peter I. der Grausame v. Kastilien (1350 — 1369) und 6) Peter IV.
von Aragon (1366, und nicht 1356,-1387), sowie 7) der sehr viel ältere D. Pedro de
AmgOM, der Bruder der heiligen Elisabeth (s. p. 188).
17'
2 6o LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
drang und Sittlichkeitsideal, und deren Elirt'urcht vor der Antike er teilt. Und
wie sie, pflegte er selber noch die Prosa fast mit grösserem Eifer und Erfolg als
die Dichtkunst. Andererseits aber tritt er als der Herold des neuen Stils auf.
Er ist, meiner Auffassung nach, der erste Portugiese, der eine Scheidelinie
zieht zwischen Reimerei und Poesie [poetria) , seinen Dichterberuf ernst
nimmt, und nicht mit Worten, Bildern und Reimen spielt; der erste, der nicht
trovador, sondern /(^r/r/ sein will; der erste, der aus der Antike hergeholte
Schulbegriffe wie Satira und Tragedia benutzt und erörtert ; der erste, der es
unternimmt Allegorien anzuwenden, ein grosses Poem aufzubauen, dasselbe
mit philosophischem Gedankeninhalt zu füllen, und Klänge aus der altersgrauen
Vorzeit hinein zu weben ; der erste auch, der den epischen Vers der Kastilianer
in grösserem Massstab anwendete ; der erste, der eine Cancion nach dem in
Spanien fixierten musikalischem Schema fertigte; der erste (wie schon wieder-
holt gesagt werden musste), der sich dichtend des Kastilischen bediente;
der erste, der Dante nachahmend, seine Kinderliebe zu verherrlichen unter-
nahm und überhaupt der Minne Qualen, fühlend, besang; der erste, welcher
Santillana, Mena, Manrique und Padron zu Vorbildern Wählte ; der erste,
der Macias verherrlichte ; der erste . . . Doch es sei genug ! Aus dem gesagten
erhellt bereits, dass der Condestavel für die portug. Litteratur in mehr als
einer Beziehung wichtig ist, obschon er zum eigentlichen Nationalschatze nur
3 kleine Lieder beigesteuert hat.
Einige Worte über sein Leben sind unerlässlich , um das Verständnis
seiner Dichterart vorzubereiten, i Kraft seiner Geburt, als Sohn eines In-
fanten, heisst er eigentlich nur »O. Senhor D. Pedro«. Doch hat man
ihn oft auch Infant geheissen. Kraft seiner Würden war er Condestavel
de Portugal und Rei de Aragäo. Die unpassende und zweideutige Be-
zeichnung D. Pedro de Aragäo sollte man jedoch sorglich vermeiden. Geboren
1429 von aragonesischer Mutter (Urgel), 1443 zum Kronfeldherrn, 1444 zum
Ordensmeister von Avis erhoben, doch erst 1445 zum Ritter geschlagen, durch
den »Seefahrer«, als er an der Spitze von 5000 Mann dem König von
Kastilien zu Hülfe entsendet ward gegen den (mittlerweile bei Olmedo aufs
Haupt geschlagenen) aufrührerischen Adel, hatte D. Pedro Gelegenheit am
span. Hofe Johann's IL, in den »salas«, und im Verkehr z. B. mit Alvaro
de Luna, sich für den neuen Stil zu erwärmen. Heimgekehrt, sang der
Frühverliebte, dem vom Vater noch im Speziellen die ritterliche Pflicht
überkommen war, die Frauen mit Schwert und Feder zu ehren 2, einige kleine
Canciones, widmete sich dann aber in Aviz ernsten litterarischen Studien, bei
deren romanistischem Teile Santillana's berühmtes Sendschreiben ihm Führer
ward. Diese friedliche Beschäftigung ward 1449 gewaltsam unterbrochen.
Der Ehren und Güter beraubt, flüchtete der Vaterlose nach Kastilien. In den
7 bis 8 Jahren seiner Verbannung schrieb er seine Werke. Als er 1457 heim-
kehren durfte, blieb er in der Nähe Alfons' V. und geleitete ihn 1458 und 1463
nach Afrika. InCeuta suchte ihn eine katalanische Gesandtschaft auf, um ihm die
' S. Sousa, Hist. Gen. II p. 84 und Provas II 18; Soares da Silva, Memorias
Bd.Iundll; Zurita, Anales de Aragon XVIII fl. 147 v. ; Crottica de D.JuanW, Kx\o 1445,
cap. 10 — 16; Zurara, Guine p. 234; Santa rem, Quadro III 99 — lOl; Octavio
'de Toledo, El Dtujne de Coimbra y sii hijo el Condes table in Rev. Occidental I p. 295
bis 315; A. Balaguer y Merino, Don Pedro el Cotidestable de Portugal considerado
como escritor , erudito y anticuario , Gerona 1881 ; Romania XI p. 154; Braga, Questoes
p. 136; D. Jose Coroleu e Inglada, El Condestable de Portugal rey intrus 0 de Cata-
luna in Revista de Garona, 1878.
* Als Philippa de Lencastre auf dem Totenbette ihren nach Ceuta segelnden Söhnen
die Schwerter einhändigte, weihte sie D.Pedro zum Beschützer der Frauen. Bei seinem
Sohne kommen oft Ausdrücke vor wie . . . »el feminil linage, a quien yo tanto soy temido ,
e loar dcvo<.'..
Pallast-Dichter. Condestavel D. Pedro v. Portugal. 261
aragonesische Krone anzubieten. Am 20. Januar 1464 traf er in Barcelona
eil, und entfaltete allsogleich vielseitig rührigste, friedliche Thätigkeit. Dennoch
miusste er zum Schwert greifen wider den Gegenkönig, obwohl bereits kränkelnd ;
erlitt 1466 bei GranoUers eine Niederlage und starb gleich darauf, nicht an
Gift, wie man behauptet hat, sondern schwindsüchtig. Allüberall, in der
Liebe wie auf dem Throne hatte er — ein Liebling der Götter — a mais for-
mosa hem proporciotiada creatura que entäo se sabia no mundo^ gefunden was er
gesucht: >->paine pour joie«A
103. D. Pedro hinterliess drei grössere aus »Prosa und Metrum« ge-
mischte Werke in spanischer Sprache, und einige kleine Lieder, von denen
schon gesprochen ward (§ 75). Die seinem Urgrossvater zugeschriebenen
motes (Tamores stammen höchstwahrscheinlich aus der Zeit seiner jungen Pagen-
liebe, also aus den Jahren 1443 bis 1448; und da eine der vier im Cancioneiro
Geral aufbewahrten Proben kastilisch abgefasst ist, gehören sie wohl in die
Zeit nach dem ersten Aufenthalt in Spanien, d. h. nach 1445: ich halte sie, wie
schon angedeutet ward, für die frühesten, Portugal gehörigen Canciones.- Drei
weitere, in einem span. Liederbuch (VII-A-3 der kön\g\. Bibl. Patrimonial) stehende
Liederthemen reden daselbst eine so verderbte Mischsprache, dass man nicht
weiss, ob man sie kastilisch oder portug. lesen soll.^ Diese, und ähnliche
andere verlorene »hübsche Sächelchen« sind vermutlich die algunas cosas gentiles,
welche Santillana zu sehen bekam, ehe er seine eigenen Werke einsandte.
Auf Poemas passt die Bezeichnung nur schlecht. ^ Das älteste der Gedichte
ist betitelt: »Satira de felice e infelice vida«, d. h. »Mahnworte über
Lebensglück und Unglück«.^ Der 18 Jahre und 8 Monde zählende Autor
klagt darin verzweifelnd über die Hartherzigkeit seiner kleinen Beatrice, der
er bereits fünf Sommer lang gehuldigt. Sein Verstand {discrecion) tadelt ihn
darob. Er aber flieht, taub gegen jeden Rat, voller Selbstmordgedanken, in
einen abgelegenen Garten. Sieben Frauen erscheinen ihm, natürlich Tugenden,
und hadern mit seiner törichten Leidenschaft. Drei davon : Vorsicht ^= Pnidencia,
Sittsamkeit = Honestidad, und frommer Sinn = Piedad, die Schutzpatroninnen
des weiblichen Geschlechts, entschuldigen und rechtfertigen das holde, spröde
(übrigens ungenannte) Kind. Sein Unstern allein ist Schuld an seinem traurigen
Loos. — Das an sich nicht sehr bedeutende Werk kann man eine halbgelehrte,
halbsentimentale, allegorische Novelle nennen. Der verkünstelte metaphorische
Prosastil, voll guter und schlechter Latinismen, erinnert mächtig an den Siert)o
librc de a?/wr desRodriguez del Padron. -^ Der Prosa folgen pathetische,
nicht minder preziöse Verse (»^/ /w/r^«, wie der Dichter sie bezeichnet): 20
Doppel-Vierzeiler mit einem Halbvers als Bindestrich (abab.c.cddc) und 4 octavas.
' So lautet die Seele seiner Devise auf Bauwerken in Aviz und Barcelona, in seinen
Büchern und auf seinen Manuscripten. Der Körper derselben ist eine Fortuna auf dem
(jlücksrade, natürlich verbundenen Auges. Die in Portugal verbreitete Übersetzung -»Modestia
por alegriaa. ist selbstverständlich unannehmbar.
^ Im Canc. de Res. 1 67-69 stehen die portug. Cantigas: Maes dina de ser
servida; Onde acharäo folganga; Oh desejosa folganga, und die span.:
Buen deseo me envia.
' Im Canc. Nieva finde ich drei (aneinander gereihte) Fragmente: Betndirei d'amor,
Ell Unlw vo7itade und 0 airior me dizia. Vgl. A. de los Rios VII 74; VI 590 und
Braga, Poet. Pol. 127 und i;^2.
* Satira, so erkläi't er, qtiiere dezir reprehension con aninw amigable de corregir !
* Als ganz kurze, doch charakteristische Probe des Stils diene die Überschrift:
Sigiie-se la epistola a la 7tmy famosa, muy excelente princesa, miiy devota, mtiy zdrtiwsa e per-
feita Senora D. Isabel par la deifica mono Reyna de Portugal, gnui sehoi-a en las libianas
partes embiada por el en su obediencia mettor hermaiio e en deseo perpetuo tnayor servidor. Die
konstante Voranstellung der durch adverbielle Bestimmungen noch erweiterten Adjektive
giebt dieser Schreibart ein germanisch aiunutendes Gepräge.
202 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. ±. PORT. LiTT.
Ausserdem gehören zum Texte 78 umfangreiche Glossen, nach Art derer, mit
welchen Santillana seine Proverbios und Gomez Manrique seine Conso-
latoria versah. Sie behandeln alle dem portug. Leserkreise damals noch fern-
stehenden und daher ohne Kommentar unverständlichen Gestalten und Dinge
der klassischen Sagenwelt. Für den modernen Forscher sind die wichtigsten
diejenigen, welche Peninsulares betreffen (d. h. die Glossen über Ardanlier,
Macias, S. Isabel, und den Autor selbst s. v. tierna edad, sowie seinen
Vater und seine Familie). Dass die Satira ein Erstlingswerk, ein tastender
Versuch ist, würden Inhalt und Form verraten, auch wenn es nicht aus-
drücklich gesagt wäre. In der Widmungsepistel an seine Schwester, Portugals
junge Königin Isabella, erklärt D. Pedro, wie er seine Leidensgeschichte
— el primer fruio de mis e studio s , . . . las primicias de mis cuidados —
spanisch redigiert habe, weil verbannt unter Spaniern lebend, halb widerwillig
{mas costrenido de la necesidad qiie de la voluntad), halb getröstet durch die
Voraussicht, die Neuheit seines Unternehmens müsse gefallen. Als die
Katastrophe von Alfarrobeira ihm Familie und Heimat raubte, war nämlich
sein Werk — seit August 48 — bereits in portug. Fassung fertig gewesen, die
Glossen nur zur Hälfte. Die spanische Überarbeitung mag er etwa 1453
beendet haben, jedenfalls vor 1455. ^
Seine zweite Leistung bezeichnet einen merklichen Fortschritt. Sic
besteht in einem moralphilosophischen Lehrgedicht, mit Anruf an Minerva
und stilgcmässen Gleichnissen {exemplificaciones nr\& comparaciofies): De Con-
tcmptu Mundi. In 125 Oktaven, oder 1000 Zeilen, — niil versos^ die im
Titel eine Rolle spielen 2 und sofort an die Trecientas des Mena ge-
mahmen — , philosophiert der durch Unglück gefeite Prinz über die Nichtig-
keit alles Irdischen , nach einander alle Lebensgüter auf die Wagschale der
Kritik legend : Reichtum , Macht , Ehren , Fürstengunst , Sinnenlust , Geburts-
adel, Schönheit, Kindersegen, Jugend, Popularität, Kraft, Langlebigkeit und
Freundschaft, und sie, weil vergänglich, zu leicht befindend, um hinterher
Gottesliebe und Gottesfurcht als einzigechtes Gut, die Tugenden aber als
Staffeln dazu vorzufiihren. Auch zu diesem Gedicht gehören Dutzende von
grundgelehrten Prosaglossen , unter denen wiederum einige die Halbinsel be-
treffen {Alvaro de Luna, und das portug. Fürstenhaus). Der Dichter schrieb
das auf einem Ritt nach Medina ersonnene Werk im Jahre 1455 nieder, und
widmete es mit einem Prolog seinem kunstsinnigen Schwager Alfons V., wie
eine in Madrid aufbewahrte Hs. vom Jahre 1457 beweist (M. 69; 70 fl.).^ Dies
achtungswerte Denkmal eines edlen Geistes, der die höchsten und wichtigsten
praktischen Wahrheiten zu seinem Eigentum gemacht hat, scheint in weiteren
Hss. verbreitet worden zu sein, und fand so viel Anklang, dass es noch im
15. Jh. ein Mal (vielleicht auch mehrmals) gedruckt ward und später weitere
(3) Abdrücke erlebte. •* Trotz dieser seltenen Gunstbezeugung hat die Litte-
1 Die einzige bekannte Hs. , eine 1468 in Katalonien von Cristofol Bosch
librater hergestellte Abschrift, ruht in Madrid (Bibl. Nac. P. 61., 72 fl.). Sie ward benutzt,
von A. de los Rios VII 80—86, Oct. de Toledo zu Rev. Occidental l p. 307 — 312
und A. Paz yMelia zu seiner Ausgabe des Padron fÄM^/öj XXII; s. p 400—401 und
passini). — Neuerdings, 1892, veröffentlichte der letztgenannte span. Gelehrte den Text der
Satira, mit Ausschluss der Glossen, die er für wertlos hält {Bibliofilos XXIX).
^ Coplas fechas por el niuy illustre Senor hifante Doti Pedro de Portogal en las quales
ay mil versos con sus glosas, contenientes del menosprecio e coiiiempto de las cosas ferniosas del
mundo : e demonstrando la stt vana e fehle beldad.
' Sie scheint verschieden von einer Hs. von 153 Seiten, welche Mendez (oder
Hidalgo?) besessen hat.
* Sechs, acht und neun Jahre nachdem der Buchdruck in Basel erfunden ward, soll
es in Bänden, die weiterer Daten entbehren, veröffentlicht worden sein. Wie es sich damit
CONDESTAVEL D. PeDRO V. PORTUGAL. 263
raturgeschichte bis vor ganz kurzem nicht gewusst, dass der Condestavel der
Verfasser ist. Der Leser weiss bereits (aus ^87) dass Garcia de Resende
15 16, den Sohn mit dem berühmteren Vater verwechsehid, zu dem echten alten
Titel »Coplas fechas por el inuy illustre Senor InfatUe D. Pedro de Portugal«
den falschen Zusatz beifiigte -»fylho del rey dorn Joam da gloriosa memoria'^,
und dass, auf seine Rechtlichkeit bauend, die Nachwelt bis 1876 diese Angabe
wiederholt hat 1, und noch wiederholt. Auch über die Glossen dazu verbreitete
man, seit Barbosa Machado, falsche Gerüchte, sie dem spanischen Heraus-
geber Antonio d'Urrea zuschreibend. -
Das letzte, reifste und schönste Werk des Fürsten, die Tragedia de la
insigne Reyna D. Isabel, ist dem frühen und jähen (vielleicht gewaltsamen)
Tode der verehrten Schwester geweiht (f 1455). Es ward 2 Jahre nach
dem Ereignis beendet , und an den gleichfalls der Heimat entrissenen,
jüngeren, liebenswerten Bruder, Kardinal D. Jaime nach Florenz entsendet,
der kurz darauf in S. Miniato al Monte sein herrliches Renaissance - Marmor-
grab fand, seinem Motto treu: Malo mori . . . .'^ Das in Erzählungen, Ge-
sprächsszenen und eingestreute Gesänge zerfallende und somit thatsächlich
eine Art dramatischer Gewandung tragende, aus 8 prosaischen und 8
metrischen Abschnitten bestehende Werk ^ erinnert zwar an andere peninsulare
Totenweihen und erweist sich durch den Titel Tragedia als gegensätzliche
Nachbildung der Co?nedieta de Ponza^ indirekt also (wie die Gesamtheit der alle-
verhält, lässt sich zunächst niclit entsclieiden, da die vor 1755 benutzten Exemplare (lauter
iinica) beim Erdbeben abhanden gekommen sind. Die gleichfalls datenlose Ausgabe, von welcher
heute noch ;{ Proben vorhanden sind (zu Liss. in der Nat.-Bibl., in Madr., und in der Bibl.
^alvä), stammt ansciieinend aus dem Jahre 1478 und aus dem Orte Barcelona. S. Mendez-
Hidajgo, Tipograßa p. b% — 69; Sa Iva No. 854 und 179; Ericeira, Menwrias da Acad.
Hist. 1724 No. 23 p. 7; Ribeiro dos San tos in Memorias de Litter ahira 1856
VIII 62 — 65. Die späteren Ausgaben sind : 15 16 (Canc. de Res) \ 1730 Soares da Silva,
Memorias de D. jfoäo, Bd. II 463; und 1852 (Canc. de Res.).
' Die falsche Angabe, der Infant D. Pedro habe das Weltverachtungs-Poem ge-
sclirieben, findet man (ausser bei den Bibliographen Hain, Villa nueva, Leichius etc.)
bei Nicolas Ant. II No. 269 und 267; Barb. Mach. III 540; Sarmiento 834 (835.
820); F. Denis 13— 14 und 606; Bellermann 21. 48. 62; Wolf 717; A. delosRios
VII 80: Ticknor; Inn. da Silva VI 375; Morel Fatio in i^ö/w««/a XI 157; Braga,
Troz<. 292; Poet. Pal. 21. 32. 97- 157- 174- 365; Oliv. Martins in Revista de Portugal \.
p. 565. — Die Wahrheit erkannte und offenbarte 1875 — 76 Oct. de Toledo, in dem
sciion erwähnten, zu wenig beachteten Aufsatz der Rev. Occidental. Seine Ergebnisse gingen
dann über in Braga, Curso 130 und Qitestoes p. 136; Storck, Camoes, Einleit. § 39. und
Oliveira Martins, Filhos de D.Joäo. Unabhängig davonkam A. Paz y Melia 1892
zur gleichen Einsicht.
^ Dieser katalanische Bücherfreund erklärt im Prologe an seinen Mäcen D. A f f o n s o
de Aragon {lugarteniente geiteral del rey, den illegitimen Sohn König Ferdinands des
Katholischen, über den man Zurita, Anales XX cap. 23 befrage), und zwar ganz ausdrück-
licli, dass keine Silbe von dem was er herausgab sein Werk ist, und dass er nur das eine
Verdienst beansprucht, für Verbreitung der Coplas durch Drucklegung gesorgt zu haben.
Keinem der Kritiker hat also die Einleitung gelesen ; wie auch keiner die Glossen der Durch-
sichtwürdigte. Nicht in ein oder zwei Stellen, sondern in vielen steckt der Beweis erstens
dafür, dass der Autor, der diese Glossen verfasste, vorher schon die Satyra gedichtet hatte ;
zweitens dafür dass er, wie thatsächlich der Condestavel, ein Neffe Johann's II. von
Kastilien und Philipps von Burgund war; und ferner dafür dass er nach der Hinrichtung
des Alvaro de Luna schrieb. — Dass fremde Schriftsteller Prosaglossen zu gelehrten
Dichtungen lieferten, war damals übrigens Mode. Ich erinnere an Mitigo Revulgo (kommen
tiert von Pulgar); Mena kommentiert von Fern an Nunez; und Jorge Manrique
der verschiedene Ausleger fand.
* Über D. Jaime (geb. 1434, gest. 1459 in Florenz) s. Sousa, Hist. Gen. II 91 ;
Aeneas Sylvius, cap. 58; Macedo, Lusitania purpurata fl. 187 und besonders Bisticci,
Vite di Uotnini illnstri del secolo XV, p. 152 der ed. l859-
* Die Gedichte sind Lamentationen, Visionen, Verwünschungen, teils in Kurzzeilen (8,
6 und 4 Silblern), die zu mannigfaltigen Strophen gefügt sind, teils in Octavas.
264 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
gorischen Gebilde jener Zeit), als entfernter Nachklang der Divina Commediw,
hält sich im Einzelnen jedoch von aller erkünstelten Mache und Nachahmung
fern. In geläutertem Kunstgeschmack, unnützer Gelehrsamkeit entratend, in
natürlicher, leichtfliessender, ob auch getragener, von Herzen kommender und
zu Herzen gehender Sprache, offenbart das Trauerspiel die tiefe und sinnige
Gemütlichkeit, die sittliche Hoheit, brüderliche Liebe und zarte durchgeistigte
Frauenverehrung des Schreibers. Der Tod der Königin, durch ein Traum-
gesicht und Zeichen der Natur voraus verkündet, wird dem ahnungsvoll be-
wegten Dichter durch Boten gemeldet. Seine Klagen und Verwünschungen
unterbricht ein mit immergrünem Kranze geschmückter, drei Äpfel in der Hand
tragender, die Zeit symbolisierender Greis. Er spricht dem lange Untröstlichen
beharrlich zu und erreicht es, dass er ergeben und gefesteten Sinnes, seinem
harten Schicksal ins Angesicht schaut. Bis heute ist das Gedicht ungedruckt:
Nur Andeutungen darüber gab Bellermann', der in der National-Bibliothek zu
Lissabon eine hs. Denkschrift über portug. Dichtkunst aus der Feder des tüchtigen
Antonio Ribeiro dos Santos (7 1818) einsah, welche eine Inhaltsangabe
und bedeutende Gedichtproben nach dem einzigen, in Portugal in Privatbesitz
befindlichen Exemplar der Tragedia (v. J. 1459) bietet. ^ Mit dem zweifellos
nach Portugal an Alfons V. gesandten Kodex ist dasselbe nicht identisch. Die
Rückberufung des Condestavel in das geliebte Vaterland ward in meinen Augen
durch den dichterischen Schmcrzensschrei mitbewirkt. — Von neuen Dichtungen
aus dem letzten Lustrum seines kurzen Lebens weiss man nichts. In Be-
ziehungen zu anderen portug. Poeten scheint der Fürst nicht getreten zu sein.
Er hatte erreicht was er wollte, indem er den neuen Stil nach Portugal
verpflanzte ; und widmete sich anderen Aufgaben, als Berater des Königs, im
Ordenshause zu Aviz, auf den afrikanischen Schlachtfeldern, und als Nominal-
könig von Aragon {Rey intruso^ nach katal. Auffassung). Möglich auch, dass
er sich, in seiner anwachsenden Bibliothek studierend, zu neuen litterarischen
Thaten vorbereitete, an deren Ausführung der Tod ihn hinderte.
b) das allgemeine LIEDERBUCH (1448 — I 5 1 6).
104. Wir dürfen jetzt dem portug. -kastilischen Liederfrühling nahen, der
nun mit südlicher Raschheit und Üppigkeit auf dem fruchtbaren Boden Portugals
nach langer Brache erblühte. Trotz der loo jährigen Pause sind der Ähnlich-
keiten und Zusammenhänge mit der i Epoche gar viele. ^ Wie damals
handelt es sich auch jetzt thatsächlich um Kunst und Konversationspoesie : die
Pfleger der Dichtkunst lebten und wirkten sämtlich am königl. Hofe in fest-
geschlossenem Kreise, wandelten sämtlich die gleichen Wege, und entnahmen die
Motive zu ihren zumeist für den Augenblick bestimmten Werken dem geselligen
Pallastleben. Über viele markante Ereignisse ist daher wie früher ein beziehungs-
reicher Gedichtzyklus vorhanden. Allem was diesem gemeinschaftlichen Boden
entsprang, eignet auch jetzt eine gewisse typische Familienähnlichkeit, und die
natürliche, individuelle Sonderart der Dichtenden wird durch die Bevorzugung
* Bellermann, p. 29 und 50.
* Aus dem Besitze des D. Fernando de Lima, dem 18 18 das vorher nie ge-
nannte schöne Pergament gehörte, ging es später in die Hände Sarai va's, und Vorjahren
in die kostbare Bibliothek seines jetzigen Herrn über, Fernando Palha, der mir nicht
nur Benutzung des Originals gestattete, sondern, von meinen Absichten wissend, eine Abschrift
und alle seine Materialien anbot und zur Verfügung stellte Ich bereite die Gesamtausgabe
der Werke des Condestavel vor.
' Nachweisen kann ich das hier nicht. Ich erwähne nur, als Nachtrag zu § 27 und 37,
dass ein Dichter des Canc. de Res. sogar König Dionysius zitiert (was hochwichtig
ist). S. T 460 : Invoco el Rey D. Denis da Urcni;a (rAretiisa!
D. Pedro v. Portugal. — Das allg. Liederbuch. 265
relativ beschränkter immer wiederkehrender Modeformen und durch die kon-
ventionelle Einkleidung beeinträchtigt. Auch jetzt heisst die Dichtkunst im
Allgemeinen noch arte de trovar , und der Dichter Trovador. Liebes- und
Spottlieder — cantigas de amor und cantigas de escarnho e maldizer — sind
nach wie vor die Hauptgattungen. Die Tenzone ist durch Frage und Ant-
wortspiele vertreten. Dennoch sind die Unterschiede zwischen beiden Epochen
recht erhebliche, wie aus Nachfolgendem erhellt.
105. Die Hauptquelle für die Geschichte der neuerwachten Poesie ist
wiederum ein Liederbuch, welches dies Mal (vielleicht auf Wunsch und
Wink von oben) ein Hofbediensteter von 1511 bisi5i6 zusammentrug und sofort
drucken Hess. 1 In der Person des Kronprinzen Johann (HI-)? dem die Lieder
zur Kurzweil (desenfadamento) dienen sollten ^ — (nicht König Emanuels, wie
oft gesagt wird) — widmete Garcia de Resende seine Sammlung den Nach-
kommen, als Vermächtnis der zu Ende gehenden mittelalterlichen Kulturepoche.
Scharfen Blickes mochte der vielseitige, rührige und welterfahrene Höfling aus
bestimmten Zeichen das Heranbrechen des neuen Tages fühlen. — Man nennt
das Liederbuch meist Caftcioneiro de Resende, nach dem Sammler. Dieser selbst
aber wählte den passenden Titel »Allgemeines Liederlich«, im Hinblick auf
den eben in Spanien erschienenen Cancionero General von Castillo weil
er gewillt war, unterschiedslos und ohne Skrupel, Alles zu buchen was von
den für jeden Sonn- und Festtag in die königlichen Pallastsäle zur Abend-
unterhaltung geladenen Gästen zur Belustigung König Johannas IL und Emanuels
an Dichtwerken geschaffen worden, soweit es nicht nur improvisiert, sondern
vorher oder nachher aufgezeichnet und erhalten v/ar. Was aus der nächsten
Vergangenheit, die der um 1470 Geborene nicht erlebt d. h. aus den Tagen
Alfons' V. und des Regenten, unter denen die litterarischen Seröes begonnen
hatten. Gleichartiges übrig war, das schloss er natürlich prinzipiell nicht
aus. Mündlich und schriftlich erheischte er von seinen Kollegen in Apoll ihre
eigenen Verse ; und von nicht selbstthätigen, doch musenfreundlichen Gönnern
erbat er Mitteilung der von ihnen angelegten oder von den Voreltern ererbten
Albums,^ im Vertrauen darauf dass, um der Neuheit willen, ein Jeder gern seine
oder der Seinen Gedichte gedruckt sehen würde. Der Erfolg war über Erwarten
günstig. Der um seiner Jovialität und gesellschaftlichen Vorzüge willen als
gewandter Dichter, Musiker und Zeichner und als Vertrauensmann des Monarchen
beliebte fidalgo da Casa real e escriväo da fazenda do Principe'^ erhielt mit
' Der alte Titel lautet (verkürzt) : Canciotteiro geerall . . . ordenado e emendado por
Gar da de Reesende .... Comegousc em Almeyrym e acabouse na muyto nobre e sempre leall
(idade etc., Lisboa Per Hermä de Cäpos alemä bobardeyro del rey N. S. e empremidio aos 2y
dias de setembro . . de ijiö ; 4+22? Bl. Über den Druck sehe man Tito d e N o r o n h a : O
Cancioneiro Geral 1871 und C. M. de Vasco n c el 1 os , in Ztsclir. V p. 80. Einen will-
kommenen Wiederabdruck der nur in 15 bis 17 Exemplaren erhaltenen Originalausgabe be-
sorgte für den litterarischen Verein A. v. Kausler 1846. 1848. l8ri2 (Bd. XIII. XV und
XXVIJ. Einen recht guten Auszug mit iitterarliistorischer Einleitung lieferte A. de Castilho
für die Lwraria Clasica, Bd. X — XIII. Der erste, welcher den Geist des Liederbuches
treffend charakterisierte, war Bellermann. Vgl. Wolf, Studien 727 und ff. Das ein-
gehendste Spezialwerk schrieb natürlich Th. Braga als Poetas Palaciaitos 1872; doch bleibt
noch manche Frage unerledigt. Vgl. auch Costa e Silva 1 141— 145- Biographisches
bei Bellermann und Braga und in Einzelartikeln bei Barb. Mach. s. v. Fern am
Silveira, D. Joam Manoel, D. Joam de Menezes, Joao Rodriguez de Sä e
Menezes, Joäo Rodrigues de Lucena, Aires Teiles de Menezes, D. Fran-
cisco de Portugal u. a. m.
^ Alles Humoristische waril für seine Hoheit mit Kreuzen markiert, deren ich
genau ein Hundert zähle; und auf den erziehlichen Wert dieser Spotiverse wiid im
Prologe absichtlich hingewiesen (ao Principe N. S.).
3 S. z. B. Canc. de Res 11 184. 315- 476. II 177. III 320.
* Garcia de Resende (geb. um 1470, gest. um 1540) leistete als junger Page
Dienste am Schreibtisch Johanns IL, sowohl im Kabinet wie im Schlafgemach. Unter »10(0 da
266 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 4. Port. Litt.
210 Antworts-Schreiben ebensoviele grössere oder kleinere ¥\nz€i-Cancioneiros^
aus denen er seinen mächtigen Infolioband bildete. 1 Darinnen zusammen
über tausend Poesien 2 von einem hundert bedeutenderer Troubadours und
noch gegen 200 Höflingen, die nur gelegentlich bei Gesellschaftsspielen, auch
einmal hatten »mitmachen« und eine trova , scheinbar aus dem Stegreife,
hersagen oder -singen müssen 3. Seine Sammlung reicht bis ins Jahr des
Druckabschlusses hinein (1516)'^. Genau festzustellen wie weit sie zurück-
greift, ist unmöglich, da die subjektiven Lieder nur in den seltensten Fällen
eine Datierung zulassen. Ausser den oben schon besprochenen Gedichten des
Regenten und des Juan de Mena und den Motes d'amores des Condestavel
nebst den Entgegnungen des Coudel-mor, finde ich kein Gedicht, das mit Be-
stimmtheit vor 1449 geschrieben ward. •'' Ich meine, erst mit dem Tage wo der
jung vermählte Alfons V., lür majorenn erklärt ward, die Zügel der Regierung aus
den Händen des Infanten nahm und eigenes Hoflager hielt, entwickelte sich
jenes glänzende und heitere, von Musik, Dichtkunst, Tanz, Spielen und Schau-
stellungen aller Art belebte Pallastleben, dessen dauerndste und schönste Blüten
die Gedichte des Cancioneiro de Resende sind. Darum wählte ich als Anfangs-
Camara und niofo da escrevaninha hat man eine Art vertrauten Kammerdieners zu verstehen. Den
Haus-, Privat-, Geheim- oder Kabinetssekretär benennt jener Titel sicher nicht.
Auch l)ezeichnet fidalgo nicht den Posten eines »Kammerherrn«, sondern nur eine
Adelskategorie , /u welcher die Kdelknappen (mogos fidalgos) aufrückten. Johann 11. , sein
Soliii Alfons (•]- 1490), Emanuel und Johann IL beschäftigten Resende vielfach. Ausser
dem Drucke des Cancioneiro, der Popularisierung von Pina's ungedruckter Chronik (s. oben
!>. 257 7\nm. 4) und zahlreichen kleinen Prosaschriften dankt man ihm eine Reimchronik über
die historischen und kulturgeschichtlichen Geschehnisse seiner Tage, die bis 1534 hinauf
reicht: »Miscella7iea e variedade de historias, costumes, casos e consas que em seu tet7ipo a-
contecerami.
' Aus so vielen Parzellen besteht das Inhaltsverzeichnis, welches Res ende lieferte
jede einzelne enthält entweder eine Reihe von Gedichten nur eines Autors oder ein ge-
selliges Liederspiel von vielen.
- Ich habe in meinem Gebrauchsexeraplar 1004 numeriert; doch kann inan natür-
lich mehr oder weniger rechnen, je nachdem man Frage und Antwort, Lied und Glosse,
Text und Hülfstexte (= Ajudas) immer nur einfach oder mehrfach zählt. Genaue Ver-
zeichnisse sind ein Bedürfnis.
' Die höchst willkürlichen Angaben über die Dichterzahl, welche bislang veröffent-
licht sind, schwanken zwischen den 75 Namen, welche Resende's summarischer Index
buchen soll — was unbedingt zu wenig ist — und 35 1, was zu viel ist, (da ein und die-
selbe Persönlichkeit unter verschiedenen Bezeichnungen auftritt), auch wenn, wie Rechtens
ist, jeder Verfasser genannt wird. Namensverzeichnisse (von 286 Würfen) stellten her
Inn. da Silva (II p. 17 — 23) mit Hinweis auf die Seitenzahlen des Originals, und Th.
B r a g a (Poet. Pal. p. 429) ohne jeglichen Nachweis. Ich drucke das meine (vollständig
dokumentierte) hier nicht ab, weil es, selbst ohne die eingehenden Erklärungen, deren es
bedarf unverhältnismässig viele Seiten füllen würde. Die von dem portugiesen-freundlichen
Gallizier Sarmiento hingeworfene Bemerkung, der Canc. Geral sei reicher an Liedern und
Liedej-dichtern als das span. Parallel-Werk, wird übrigens durch die Thatsachen I>ögen ge-
straft. Von seinem mannichfaltigeren Inhalt, der glänzenderen Farbenpracht, der grösseren
Originalität absehend, bemerke ich nur, dass allein das 1511 gedruckte Liederbuch 1033 Ge-
dichte von 190 verschiedenen Dichtern bietet.
* Den Beweis suche man z. B. in Band III p. 462.
*> Die sonst frühesten Gedichte scheinen mir die Klagelieder auf den Tod des Re-
genten (Altere historische Begebnisse werden nicht behandelt). Ich glaube jedoch,
dass sie erst einige Jahre nach Alfarrobeira verfasst wurden, als der König anfing, den An-
hängern de; Infanten zu vergeben, entweder als er 1455 die Überführung der Leiche nach
Hatalha gestattete, oder gar erst nach der Heimkehr des Condestavel 1457—58. Als
Kriegs- und llofl)edienstete haben trotzdem manche von den Dichtern schon unter D. Duarte
eine Rolle gespielt. Zu den ältesten Poeten gehören: der Coudel-mor Fern am da
Silveira (geb. erst 1432), Luis de Azevedo, Fernam Teiles, Joao Correa,
Aires Gomes da Silva, Ruy Gomes da Grit, Alvaro Pires de Tavora, Ruy
Gon9alves de Castellobranco.
Das allgemeine Liederbuch. 267
datum das Jahr 1448. 1 — Mit irgend welcher sachlichen oder chronologischen,
oder nach Dichtern geordneten Gruppierung der Lieder befasst sich Resende
nicht. Der selbe Dichter und die selben Dichtarten kommen an verschiedenen
Stellen vor. Je nachdem der Zufall ihm die Liederhefte zuführte, schickte
Resende sie in die Druckerei des königl. Bombardiers deutscher Herkunft Her-
mann aus Kempten am Rhein (erst nach Almeirim, dann nach Lissabon). Dass
bei diesem System nur eine Wiederholung vorkam, ist zu bewundern.- Als
besondere, doch keineswegs vollständige Gruppen heben sich einzig die ge-
selligen Scherz- und Spottgedichte ab — cousas de folgar — und die gleich-
falls geselligen Lob- und Huldigungslieder auf die Damen (louvores). Alles
übrige ist systemlos durcheinander gewürfelt. Und da auch Inhaltsverzeichnisse
und andere praktische Hülfsmittel , welche das Studium erleichtern könnten,
fehlen, so ist die Übersicht äusserst unbequem. Wie oft ein Gedicht das andere
erläuterte, hat man daher nicht erkannt. 3 Dem alten Sammler haben wir trotz-
dem für seine Mühewaltung dankbar zu sein, um so mehr als andere allgemeine
Liederbücher überhaupt nicht geliefert worden sind und spezielle sich
wenigstens nicht erhalten haben. Eine Hs. in Madrid, die man in Portugal für
einen Schatz von Ungedrucktem hält, ist nichts als ein Teilstück des Cancioneiro
Geral^. Ein Liederbuch »de D. Martifiho«^ dessen Resende selbst gedenkt,^
wird kaum mehr als eines der 210 Gedichtalbums gewesen sein, deren Inhalt
er seinem Werke einverleibte. Selbstverständlich ist es jedoch, dass er trotz seines
schönen Eifers nicht alles Vorhandenen habhaft wurde.^ Dass er über Verluste
klagt und die Sorglosigkeit der Portugiesen verurteilt, steht bereits in ^ 73.
Weitere Beweise für die Zersplitterung des litterarischen Ertrags der Jahrzehnte
von 1450- — 1520 sind die Motes d'amores des Condestavel und die in
spanischen Liederbüchern prangenden Verse des D. Joäo Manoel, D. Joäo
de Menezes, Fernam da Silveira, Ruy de Sande u. a. m. ^ Hymnen
und Kirchenlieder (hynos e cänticos que na santa ygreja se cantan) schloss
Resende grundsätzlich aus.^ Lieder und Romanzen aus dem Volksmund zu
' Die übrigen Berichterstatter lassen das Liederbucli um 1350 beginnen, im Glauben
an die Dichtergabe Peters des Grausamen. Braga setzte das Datum 1438 fest, d. h. des
Infanten Regentschaftsanfang, weil er ihm bis vor kurzem das Poem von der Weltverachtung
zusprach, und daraufliin ein so frühes Blühen der Pallastdichtung für sicher hielt.
2 S. z. B. Canc. de Res. II 184 und III 63 1.
* S. z. B. Canc. de Res. 1 442. 462. 332 III 181. 192 lauter Lieder von und über
D. Branca fCoutinho).
* Man sehe darüber Bell er mann. Anm. 31, Sismondi IV, 280 und besonders
Memorias de litt. port. III p. 5y sowie in Ztschr. V p. 8l die Ansicht von Tito de
Noronha, welche Braga teilt. Vgl. auch Hardung, Cancioneiro de Evora. Ichjhabe
den Madrider Cod. M. 28 zwar niclit untersucht, doch lehrt sorgsamer Vergleich des Canc.
de Res. mit den Angaben solcher, die jenen durchblätterten, dass er (wie schon Beller-
mann behauptet hat) nichts Ungedrucktes enthält, selbst nicht von den 18 Zuschu^s-
dichtern, die Noronha darin namhaft macht (die in Wahrheit aber im Resende nicht
fehlen).
* Canc. de Res. III 634. Was ich über den Canciotieiro Marialva, das Livyo das Trovas
del Rey, und über die sonstigen von Braga ins XV. Jh. verlegten Liederbücher denke, braucht
nicht wiederholt zu werden. S. §23— 25 und 77. Im Buch der Apokryphen wären die Oi^raj
Ineditas de Aires Teiles de Menezes zu erledigen, welche A. L. C am in ha 1792 herausgab.
Einige echte Nachträge zum Canc. de Res. enthält der Canc. de Evora (ed. V. E. Hardung
Lisb. 1875. S. Ztschr. V 565 und VII 94). Von einem Dichter des »Allgemeinen Lieder-
buches« sind die y>Senten(as de D. Francisco de Portugal« (gedr. l6o,ö), doch gab dieser
Catäo Portuguez seinen gedankenreichen Apophthegmen prosaisciie Einkleidung.
® Im Canc. de Res. fehlt z. B. der Dichter Affonso Lopes ^apaio (Sampaio ?),
von dem Gil Vicente spricht (III 379), sowie Felipe Guillen fib. 377)- Der Can-
cioneiro Portuguez, welchen Gil Vicente benutzte, war also vom Canc, de Res. verschieden.
^ Braga, Poet. Pal. p. 31—33-
* S. unten p. 273.
2 68 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
sammeln, fiol ihm natürlich nicht^^ein, obwohl er von rymances und volks-
mässigen trovas wusste. '
106. Wer aber sind die Dichtenden? Zuvörderst fällt beim Vergleiche
mit der ersten Epoche auf, dass Könige nicht mehr darunter sind. Schon
D. Joäo I., D. Du arte und D. Pedro arbeiteten einsam in ihrem Studier-
zimmer, wie D. Felipa in ihrer Klosterzelle. Nur schriftlich und nur ein-
mal, und zwar mit einem Fremden, dem höchst-geehrten Hofpoeten des Nach-
barstaates und zu bestimmtem Zwecke tauschte der Regent einige Verse aus:
Nur um ein Paar schöner Augen willen mischte sein Sohn sich in die heimi-
schen Hof kreise, den Modeton angebend; und auch die Tochter D, Felipa
wollte dort wohl nichts als den portug. Damen mit gutem Beispiel vorangehen,
d. h. Führerin der Geister sein. Als ein Mannesalter später der Sohn Johann's II.
ein Prinzesschen feiern wollte, beauftragte er damit bereits eine Vertrauens-
person. 2 Von Alfons V. an, der die Zahl der Hoffähigen (Moradores) ungeheuer
vermehrte, mit so verschwen drisch er Prachtliebe Titel, Würden und Güter
verteilend, dass sein Sohn nur »die Strassen des Landes« erbte, über Johann II.
fort (1481 — ^1495), den »Mann«, el Hdmbre^ oder »wahren Fürsten« {Principe
ferfeiio), der die übermächtig gewordenen Grossen gewaltsam in ihre Schranken
zurückweisen musste, zu Emanuel dem »Glücklichen« (1495 — 1521), dem der
reiche Erntesegen loojähriger Arbeit in den Schooss fiel, waren die Regierenden
in ihrer wechselnden Besitzes- und Machtfülle unnahbarer geworden. Nicht
ganz so unbeteiligt und hoheitsvoll wie Emanuel in der Comedia Trofea des
Torres Naharro zu Rom auf der Bühne erschien, schauten sie im Lissabonner
Pallast bei den glänzenden seröes (Abendfesten), in denen sie Zerstreuung von
den Staatsgeschäften suchten, auf den Kreis der sie amüsierenden Grossen und
Höflinge herab. Ihren feinen Sinn für Musik und Dichtkunst offenbarten sie
wenigstens durch den Beifall, den sie spendeten oder vorenthielten. ^ Selbst
aber verfassten sie höchstens einmal eine Tournier- Devise. Nur bei des ge-
liebten Sohnes Hochzeitsfeier mit der Tochter der katholischen Könige (1490)
trat Johann I. auch in einer dramatischen Schaustellung als Schwanenritter auf.
Und wie die Allerhöchsten nicht mehr teilnehmen wollten am Dichten, so
durften es die Niedrigsten nicht länger: besoldete Spielleute, niedere Geist-
liche, einfache Bürgersleute mischten sich, der Regel nach, nicht in die Hof-
zirkel. "^ Nur Kavaliere d. h. der Adel, von den höchsten Würdenträgern bis
' Im Prologe sagt Res.: »<? assy muytos emperadores, reys e pessoas de memoria, polos
rymances e trovas sabemos siias estoriast, wobei er an Prosaiomane (frz. Ursprungs) nicht
gut denken kann. Auch sein Gedicht auf Ines de Castro, ob auch sell)st keine Romanze,
beweist Kenntnis epischer Volksgesänge. Und die Glosse der span. Tiempo-dtieno-Komanzc
sowie die vielfochen Anspielungen auf die Bella- Malmaridada, und die Verwendung sprich-
wörtlicher Romanzenzeilen zeigen, dass die portug. Hofdichter zum mindesten diejenigen
nationalen Weisen beachteten, welche am span. Hofe glossiert und in die Cancioneros aut-
genommen worden waren. Auch an Sprichwörtern (enxempros), Anspielungen auf Volks-
belustigungen und abergläubischen Bräuchen sowie an folkloristischen Formeln ist kein Mangel.
^ Originell genug wendete er sich an den Ordensprior von S. Cruz, dem ;}'iRitter
sekundiertet) (Canc. de Res. IH 192). Wieder eine Generation später, erklärte die Infantin
I). Maria, die geistvolle und gelehrte jüngste Tochter Emanuels: Se sotibera fazer] trovas.
De qtie mc satis/ezera, Ainda assim as näo fizera. So ändern sich die Begriffe von Würde
und Schicklichkeit.
* Wie tief bei Johann II. der Sinn für Poesie wurzelte, geht z. B. daraus hervor,
dass er sich Abends, im Schlafzimmer, von Re sende das herrliche Klagelied auf den Tod
Rodrigo Manrique's ("j- 1479) rezitieren Hess: Recuerdc el alma dormida.
* Ausnahmen kommen natürlich vor: Luis Anriquez z. B. hatte sein Kavalieis-
(liplom noch nicht erhalten; Alvaro Barreto und Joäo Paes waren Kirchensänger
(cantores)\ Diogo Fernandez Goldschmied; Gregor io Affonso gehörte zum Haus-
halt des Bischofs von Evora. Die schon unter Emanuel auftretenden spanischen Hofnarren
{bbbos und chocarreiros) kleideten ihre beissenden Witze naturgemäss in Prosa. (S. Goes,
Ckronica de D. Manuel, W cap. 84).
Verfasser uer Lieuek des allg. Liederbuchs. 269
herab zu den jüngsten Pagen, tritt uns dichtend entgegen : Herzöge(2), Barone (2),
Markgrafen (2), Grafen (11), dazu 71 den Ehrentitel Dom tragende Vollbhit-
Fidalgos (worunter freilich etwelche Spanier, denen jener Titel unterschiedslos
zukommt), Angehörige der Familien Noronha, Castro, Menezes, Mello,
Coutinho, Sousa, Pereira, Silva und Gama und Albuquerque, ^ als
Oberkämmerer, Marschälle, Kronfeldherrn, Gestütmeister, Schatzkämmerer, Ober-
stallmeister, Ordensgrossmeister, Priore etc. Die Bezeichnung Pallast-Dichter
»Poetas Palacianos« ist also eine durchaus zutreffende. 2 Die volkstümliche
Ader war diesmal somit fast gänzlich unterbunden : der Einklang oder richtiger die
Monotonie der Empfindungs-, Denk- und Redeweise eine nahezu vollkommene.
Ein weiterer, damit verknüpfter, Unterschied besteht darin, dass die Damenwelt
nicht bloss zugegen war und zu Dichtungen begeisterte, sondern wie an Tanz und
Gesang, auch an den Gesellschaftsspielen teilnahm und selbst dichtend auftrat.
Die jungen Mädchen gaben ihrem Galan das Thema zum jeweiligen I.iede;
sie antworteten auf ihnen dargebrachte Huldigungen; verfochten in den Prozessen
bestimmte Meinungen und fanden selbst an Spottturnieren Gefallen. ^ Aus
diesem Grunde und überhaupt in Folge der bedeutend verfeinerten Hofsitten
ist der Ton der Dichtungen , die zum grössten Teil thatsächlich bei Hofe
vorgetragen oder gelesen wurden, ein gemässigterer, ob auch, dem Zeitalter
entsprechend, immer noch die gröbsten Natürlichkeiten unbeanstandet besprochen
und belacht werden konnten. Gewisse unglaublich freche Stückchen , von
bemerkenswerter Plumpheit und Plattheit, kursierten; scheinbar öffentlich,
da Resende es wagte, sie zu drucken und der königl. Hoheit zu widmen,
und zwar noch dazu rot angestrichen. Vor allem aber bedingte das höhere
Bildungsniveau markante Abweichungen von den Gebilden der ersten Periode.
Die mehr und mehr begünstigte humanistische Erziehung bewirkte, dass die
im »Sternbild des Latein« Geborenen — em sino de lathn, wie man scherzend
sagte — neben den trovas de folgar und den Canti^as de amor noch andere,
ernstere Genre und einen höheren Stil kultivierten, voll klassischer Nach-
ahmungen und Anspielungen. Neben der eigentlichen Lyrik daher auch Didak-
tik und einige epische Versuche, sowie dem Drama zustrebende Gespräche.
107. Der wesentliche Unterschied zwischen der ersten und zweiten
Periode der Kunstlyrik betrifft jedoch das Verhältnis zu Spanien. Damals
war Portugal Führerin gewesen; jetzt ist es Spanien. Es sei noch einmal
gesagt, dass nach 1458 ein Nichtspanier, der ernsten Sinnes zur portugiesischen
Lyrik beigesteuert hätte , nicht mehr vorkommt. ^ Wo immer Spanier mit
1 Kaum eine der 40 Adelsfamilien fehlt, deren Wappen in Cintra vom Glänze jener
Tage erzählen.
* Schon im Canc. de Res. III 650 kommt der Ausdruck trcrvar palanciano vor.
* Die zur Ausdeutung vorgeschlagenen Themata sind übrigens keineswegs stets selbst-
erfundene Sentenzen oder Lieder, sondern oft dem Sprichwörterschatz oder den Modeliedern
entnommene Zeilen. Auch antworteten bisweilen im Namen schüchterner Jungfrauen ihie
jralanes (z. B. II 296. 418. 17. III II3). Immerhin aber bleiben 2\2 Dutzend Dichterinnen
übrig als Verfiisserinnen gefälliger, scherzender oder sentimentaler Reihen. Ganze trovas
suche man: III. 13. 23. 163. 170. i6q; II 589; I 27ö". Motes besonders 1 109-112-.
II 23. 181. 317. 331. Die Damen seien hier zum ersten Male genannt: D. Beatriz
d' Ataide, d'Azevedo, Pereira; D. Branca Coutinha; D. Caterina An-
riques; D.FiIippa;D.Filippa d'Almada,Anriques;GuiomardeMenezes,
de Crasto; Ines da Rosa, da Silva, Pereira; Joan na Anr iques. Ferreira, de
Mendonqa, de Sousa; Lianor deMascarenhas, (s. Sä de Mir and No. 51 und 52);
Lianor Moniz, Pereira; Margarida Anriques, Furtada; Maria Jacome, da
Cunha, de Mello, Bobadilha, d'Ataide. de Tavora, de Sousa; und Mecia
Henriques.
* Die Veise, welche der Halbportugiese D. Antonio de Velasco im Namen
des liebeskranken Portugiesen Ruy de Sande schrieb (Caiic. Gen. No. 207*); die ganz ver-
270 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4, PORT. LiTT.
Portugiesen zusammentreffen, benutzt jetzt der Kastilianer unentwegt, für alle
Äusserungen, seine Muttersprache. Auch die, welche an portug. Könige und
Grosse schreiben, oder als Gesandte und ständige Hofbedienstete in Portugal
weilen, verfahren ebenso, i Und selbst was sie an dichterischer Habe in ihrer
eigenen Zunge im fremden Nachbarland hinterlassen, wird immer spärlicher.
Ausser Mena's Widmung an den Regenten stehen im Caiic. Geral nur äusserst
wenige in und für Portugal verfasste Lieder von Spaniern. Nur bei Gelegenheit
der grossartigen Hochzeitsfeste von Evora (1490), und in Zaragoza bei Emanuels
Einzug (1498), als der kleine Lusitano-Kastilianer D. Miguel zum Gesamterben
beider Kronen geschworen ward, beteiligten sich kastilische Granden wie
fechtend an den Tournieren , so dichtend an den Gesellschaftsspielen : der
Condestable de Castilla; Duque de Segorbe; Conde de Haro;
Conde d'Onate; D. Luis Ladron; D. Diego de Mendoza; D. Alonso
Pimentel; Inigo Lopez; D. Rodrigo de Moscoso; D. Antonio de
Velasco; Pero Fernandez de Cordova.'- Umgekehrt aber verfuhren die
Portugiesen. Die Leichtigkeit, mit der sie sich fremde Idiome aneignen, ihre
Courtoisie Ausländern gegenüber, ihre unausrottbare Freude an allem Neuen,
Fremden, Seltsamen führten zum Spanischreden. Dazu kamen von 1490
an die kontinuierlichen Heiraten mit Spanierinnen (an die sich gegenseitige
Absorptionsgelüste schlössen) und der siegreiche Zauber der zahlreichen span.
Hofdamen, die im Gefolge der Infantinnen ins Land zogen. ""^ Vor allem
aber die Obmacht der spanischen, gerade unter Heinrich IV. und Ferdinand
und Isabella einen ungeahnten Aufschwung nehmenden spanischen Dichtkunst,
und der in Portugal stets leidenschaftlich geliebten Musik. Auf Flügeln des
Gesanges drangen Hunderte von wirklich schönen span. Liedern und Romanzen
in Portugal ein. Und nach den gefälligsten, von den Hofsängern der Kapellen
Isabcllas, der Herzöge von Alba und des Condestavel M. Lucas de Iranzo
komponierten Melodien, also in den gleichen metrischen Formen, dichtete man
neue Weisen.* Dem Beispiel des Condestavel D. Pedro folgten rasch andere
Poeten. Als 1490 beim Einzug der jungen Thronfolgerin tourniert ward, hatten
alle xd Kämpen — mit Ausnahme des Königs von Portugal und eines Pero
d'Abreu — ihr huldigend, spanische Devisen gewählt (III 231). Von diesen
kurzen Mottos abgesehen, und natürlich mit Beiseitesetzung aller schon erwähnten
Verse geborener Spanier, stehen im Cancioneiro Geral {salvo errö) 137 kastilisch-
portugiesische Gedichte von 41 Poeten, ^ d. h. : ungefähr ein Siebenteil des
einzelten späteren portug. Lieder von Castillejo und Valdivielso, oder gelegentlich
von Tirso, Lope, Calderon und Gongora angebrachte Fragmente, sowie die Reden
eines »Portugiesen« in den Cortes de la Muerte gehören in ein ganz anderes Kapitel.
* Noch ein Kleines, und der Portugiese durfte grimmig klagen: Somos gregos parn
elles! E o dia que entramos em Castella, cumpre-nos trocar a lingoagem porque tws entendam.
E assi 6 fazemos. E elles, .... em ioda sua vida näo alcangam a nossa, vivendo entre nös !
2 ?,. Cam.de Res. W.äfX'^—A'^'i und 111 131. Hinzukommen noch Arelhano (111 30
und öfters), Curelha, Pedro Aires (111 234) und vielleicht einige nur mit dem Vornamen
als D. Antonio, Carlos, Filippe, Gonzalo, Guterre, Manuel bezeichnete Ritter.
^ Wer portug. Geschichte kennt, wird darum wi.ssen. Namen spanischer Hofdamen
findet man in den Listen der Moradores da Corte bei Sousa, Provas 11 und VI.
* Die lange Liste der span. Lieder, welche vom letzten Viertel des 15. Jhs. an, und
das ganze folgende Jaiirh. hindurch, in Portugal gesungen wurden, ist von hervorragendem
Interesse. Zum Glück kennen wir jetzt statt der blossen Anfangszeilen den ganzen Text und
die Musik von recht vielen. Dank dem Canc. Musical. Resende nennt in seiner Mis-
cellanea (Str. 179) als beliebteste Komponisten: Badajoz, Salcedo, Fuente, Lope
de Baena, ü Cego, Arriaga, Francisquillo, Gabriel, Encina, Madrid.
* Garcia Peres hätte die Pflicht gehabt, dies Verhältnis genau fest- und klarzu-
stellen. Statt dessen spricht er, vague und falsch, von 29 Autoren (p. 95). nennt ihrer aber
nur 10, mit unzulänglichen Stellenangaben, und druckt als einzige Probe der kastilisch-portug.
Charakter der Pallast-Dichtuno. 271
Gesamtschatzes ist nicht portugiesisch. Doch ist damit der spanische Einfluss
noch nicht erschöpft. Spanische Liederanfönge und geflügelte Worte aus allen
möglichen Werken werden ausserdem zu Dutzenden in portug. Poesien hinein-
gearbeitet (z.B. in die Flickenlieder oder Centonesl 406, 501, II 31). Spanische
Mottos zu vielen Dutzenden dienen als Motive für portug. Volias und Glosas ^
und werden als Gesangseinlagen grösserer Werke (I47. 56. 57. 58. 75. 88. 89. 90.
93 und oft.) verwendet.2 Spanische Dichter werden fortwährend als Muster und
Leuchten gepriesen : nächst Macias und seinem gallizischen Schüler Padron
noch Estuniga, Juan de Mena, Jorge Manrique, Aguilar. -^ Einzelne
von ihren Werken werden übersetzt und viele andere nachgeahmt 4, die
Dichtkunst das geschmackloseste Kunststück des ganzen Cancioneiro ab, das 64 fache Akro-
stichon auf Ferdinand den Katholischen (II 21 1). Hier ist meine Liste:
1 Affonso Pires II 343. 353- 23 Gregorio AfTonso II 543- 544-
2 Affonso Valente I 490. 492. 24 Joam Gomes da Ilha II 42.
3 Alvaro de lirito I 201. 213. 25 D. Joam Manoel 1 388. 392. 410.
4 Alvaro Fernandez d'Almeida III 36?. (2 Lieder). 416, A'IO. 424. III 192.
5 Anrique de Sä II 329. 331. 342. 352. 26 D. Joam de Menezes I 107. 109 —
6 Antonio Mendes de Portalegre III 452. 112 (8 Lieder) II4. I17. 118. 125.
7 Bras da Costa II 491. 133- 134-
8 Diogo Brandäo II 208. 352. 27 D. Joam Rodrigues de Casteliohranco
9 Diogo Fernandes II 448. II 30.
lODuarte de Britol 324. 329. 331 28 Joam Rodrigues de Sä II 448.
(8 Lieder). 341. 345- 347- 351- 353- 29 Jorge d'Aguiar II 9- 12.
363. 30 Jorge de Resende III 328. 338. 343-
1 1 Duarte da Gamall 500. 502. (2 Lieder). 351. 354-
12 Duarte de Resende III 444. 447. 448. 31 Luis Anriques II 237. 254- 265.
13 Fernam Bran dao II 342. 344- 346. 268. 270. 272. 273- 275-
347. 350. 351- 32 Manuel de Goyos III 552.
14 Fernam da Silveira I 164. 176. 492. 33 Nuno Pereira III 193-
II 29. 34 D. Pedro, Condestavel II 68. 73.
15 Fernam Teiles I 446. 35 Pedro Homem III 193.
16 Francisco d'Almada III 376. 36 Pero de Bayao II 519- 520.
17 Francisco Homem III 420. 37 Prior de S. Cruz II 192.
18 Francisco Lopes Pereira III 382. 384. 38 D. Rolim I. 444-
19 Francisco de Sali 316. 319. 321. 323. 39 Sancho de Pedrosa I 447-
324. 40 Simäo de Sousa III 409.
20 Garcia de Resende III 584. 598. 41 Vimioso (Conde doj. II 126. 134.
599- 614. 624. 635. 637. 136. 142. 143 (2 Lieder). 146. 147
21 Caspar de Figueiroo II 342. (2 L.). 148 (2 L.). 153- 157-
22 Gonqalo Mendes Zacoto II 526.
Die bedeutendsten und fruchtbarsten spanisch-dichtenden Portugiesen sind D. Juan Manuel
und D. Juan Menezes. Beide haben durch langen Aufenthalt in Spanien, wo sie als
Gesandte weilten, Übung in der Schwestersprache erlangt ; beide haben zum span. Lieder-
buch einige wertvolle Gedichte beigesteuert, und werden daher auch in span. Litteratur-
geschichten gewürdigt (so z. B. bei Clarus II 231 —255). Wie die ältesten und die meisten
der 137 span. Gedichte bei Gelegenheit span. Feste, aus Verehrung für span. Damen, und
in Folge span. Zuschriften und Angriffe entstanden, lässt sich ohne Mühe demonstrieren. Man
lese z. B. I 125. 416. 420 und II 29-
1 Canc. de Res. I 236. 244. II 173- 419- VI 301.
* In diesem, nach modernem Gefühle unschönen und stilwidrigen Sprachgemisch eine
Verachtung der Muttersprache erkennen zu wollen, ist ungerecht. Viele Dichter vermieden
solche Mischung übrigens sorgfältig, und an Spott und Zorn über die acastelhanizados fehlte
es schon damals nicht. S. I 265, III 358. 627. 272 u. a. m., Canc. Gen. No. 2o8 *.
' Macias kommt vor: I 7. 14. 46. 80. 122. 159- 382. 384. 412. 487 II 14- 43-
5l6; Padron I 4. 88. 90. 382; Estuniga I 40. 72; Mena I 36. 40. 41. 99. 267.
382 III 317; Manrique I 41 ; Aguilar I 40. Der gehasste Anton de Montoro,
o Roupeiro wird III 653 und I 240 erwähnt. An Litteraturwerken werden sonst nocii
zitiert: dieConquista de Ultramar II 183 und Esp lan dian III 5 30 (und von nicht
spanischen Arimathial278; VitaChristil59; Cento Novelle II 329 ; Boccaccio's
Fiametta und andere ital.-span. Prosa - No ve 1 1 en I 309. 310).
* Santillana wird »namentlich« nicht genannt, doch war gerade seine Einwirkung eine
ungeheure. Dass man thatsächlich Werke von ihm übersetzt hat, glaube icli trotzdem nicht.
272 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LlTT.
einen genauer , die anderen nur im Allgemeinen , immer aber naturgemäss
in echt peninsularem Geiste. Wesentliche Unterschiede zwischen spanischen
und portugiesischen Gedichten bestehen daher auch jetzt nicht: zu jeglicher
Liedergattung des Canc. de Res. kann man im Canc. Gen. Parallelstücke
finden, es seien Lamentationen, Höllenfahrten, Träume, Visionen, Allegorien,
B'Hckenpoesien, Akrostichen, Labyrinthe, Wortspiele mit dem Namen der Ge-
liebten ; Invenciones e Idras ; Prozesse ; Kartenspiele ; Romanzenglossen ; Ent-
gegnungen auf blasphematorische Übertreibungen; Parodien auf Kirchen-
gebete und Litaneien, oder anderes mehr. Das Dichten an den beiden Höfen
sieht aus wie ein gemeinsames, doch von nebenbuhlerischer Eifersucht be-
schleunigtes Wettlaufen, bei dem bald die eine, bald die andere Nationalität,
meist aber das mächtigere Spanien das Ziel steckte, den Vorsprung hatte und
die Palme gewann.
108. Was die looo Gedichte des Liederbuches der Form und dem
Gegenstand nach sind, ist nicht ganz leicht zu sagen. Die Entstehungsgeschichte
der darin zur Anwendung kommenden peninsularen Dichtungsformen ist ja
leider noch nicht geschrieben, wie oben geklagt ward. ^ Auch ein Lehrbuch
der portug. Poetik aus dieser zweiten Periode gibt es nicht; und die von
den Autoren selbst angewendete Terminologie ist keine systematische, schul-
gemäss ausgebildete, sondern eine äusserst schwankende und willkürliche. Der
Übersichlichkeit halber, teile ich sämtliche Gedichte in zwei Hauptgruppen:
in L Poesias und IL Trovas. Doch sind ihre Grenzscheiden keine feftcn.
Die einen kurzweg Gedichte ernsten Inhalts, die anderen aber Gedichte
heiteren Inhalts zu nennen, geht nicht gut an.
109. Die Verfasser der Poesias beanspruchen für sich, und zwar nur
für sich, den stolzen Titel Foetas, und für ihre Kunst, statt arte de trovar die
Bezeichnung poetria. Denn sie sind gelehrte, litteraturkundige Leute (lettrados)
und als solche bei den Alten (und bei den Italienern) gut zu Hause. Die
meisten handhaben das Lateinische mit Eleganz und Sicherheit; einige ver-
stehen sogar Griechisch. Ihr Wissen stellen sie aber auch als Pallast-Dichter
nicht ganz unter den Scheffel, sondern verbrämen ihre Werke, gleich den
Prosaisten und dem Condestavel, reichlichst mit klassischen Reminiscenzen.
VaxQ, poesias — trovas de poesia — - trovas de obra grande — trovas de arte tnayor sind
gewöhnlich langatmige Werke und fallen wie durch den Umfang, so durch
den Inhalt aus dem Rahmen geselliger Hof- und Konversationslyrik heraus.
Ernsten Sinnes und würdevollen Gebahrens beschäftigen -sie sich mit Tugend
und Laster, Himmel und Hölle, Tod und Unsterblichkeit, moralischen und
theologischen Fragen und wenn mit Liebesproblemen, so stets in allgemeiner
Die 1792 gedruckten sogenannten »Fragmente einer S a n t i 1 1 a n a Übersetzung von Ayres
Tellesi., denen Braga einen Aufsatz gewidmet \\2X (Questoes ■^. 139), stammen, meiner «Über-
zeugung nacb, aus der Feder des erfindungsreichen Herausgel)ers A. L. Caminha (s. ob.
p. 232 und 233 Anm. 4 und 6), und müssen daher im »Buche der Apokryphen« seziert werden.
Ihre künstliche UnvoUkommenheit zeigt die Absicht des Fälschers. Echte Übersetzungen
Span. Originale lieferte der gelehrte und fromme Alcobacenser-Mönch Frei Dr. J o ä o C 1 a r o
(1450—1520). Er bearbeitete für die ungelehiten Klosterbrüder das /"(rr^/r^-AWö, Ave-Maria
und Te Deum laudannis des F ern a n P erez de Guzman, und zwar recht geschickt. Vgl.
Cmic. General Nos 23. 22 und 40 mit den hieditos des Boa Ventura I p. 235 — 238. Echt
sind auch die kargen Reste einer Übertragung des Arcypreste de Fyta (s. oben § 70),
die nicht in D. Du arte's Bibliothek stand. Heute ist nur ein stark beschnittenes Perga-
menthalbblntt davon übrig, das aus S. Cruz stammt, in der PortuenserBibliothek von Braga
entdeckt ward (No. 785) und jetzt in Lissabon aufbewahrt wird. Es enthält die Strophen
59—62; 90—93; 94 — 100; 113 — 120. S. Braga, hitrodiufäo 247 und Questoes p. 128
bis 139 und Revista da Sociedade de Instrtugäo 11 p. 79-84.
1 In dem Abschnitt über span. Litteraturgeschichte würde Eingehenderes über das
Werden der typischen Grundformen hispanischer Dichtung am Platze sein. S. oben § 78.
Spanischer Einfluss. — Formen der Pallastdichtung. 273
philosophierender Weise. Dem entsprechend schlagen sie einen getrageneren
Ton an, schmücken ihre Sprache mit ungewöhnlichen lateinischen Worten,
zahlreichen Superlativen und Epitheten und bedienen sich einer dunklen Rede-
weise und allegorischer Einkleidung. Nach einem vornehmeren Metrum, einer
epischen Langzeile ausschauend, wählen sie, dem peninsularen Zeitgeschmack
entsprechend, meist den span. Zwölfsilbler, der ausschliesslich zu eintönigen
Odavas (abbacddc) gebunden wird (von einigen Variationsversuchen zu schweigen).
Da aber der hüpfende anapästische Rhythmus und die symmetrische Zwei-
teiligkeit dieses span. Versmasses den Portugiesen wenig zusagte, und der jambische
Dekasyllabus der ersten Periode sonderbarerweise nicht national genug, sondern
veraltet deuchte, griffen auch A\e, poeias häufig zu den Kurzzeilen der heimischen
Volkspoesie als zu einem viel geschmeidigeren Material, so dass, nach dieser
Hinsicht, der Unterschied mit den Trovas aufgehoben erscheint. Verhältnis-
mässig wenige Dichter kultivierten dies höhere Genre ^ und, bezeichnend genug,
sind es ungefähr dieselben, welche sich, als Anhänger Mena's und Santil-
lana's, am eifrigsten der span. Sprache angenommen hatten. An Gedichten in
Langzeilen sind nur 2 2 vorhanden ; und rechnet man die trovas de poesia hinzu,
so hat man im Ganzen auch noch kein halbes Hundert — von ganzen
Tausend. 2
Zunächst einige religiöse Lieder. Grosses hat Portugal auf diesem, von
den Spaniern mit so viel Glück gepflegten Gebiete nie geleistet. Was aber
vorhanden ist, hat naturgemäss seine Geburtsstätte meist im Kloster (wie auch in
dieser Epoche D. Filippa's liebevoller Gruss an den Erlöser und einige Hymnen
des Dr. Frei Joäo Claro).^ Dennoch besitzen wir im Canc. de Res. von
erlauchten Höflingen ein Paar recht wohlgelungener frommer Poesien, die
immer in schlichter Trova-Yoxvn auftreten. Luis da Silveira schrieb eine
monologistische Bearbeitung des salomonischen Vanitas Vamtatum, an die sich
eine charakteristische Anekdote knüpft*, (II 456); Luis Anriques (II 254)
lieferte eine Darstellung der Gethsemane-Szene, eine Glosse des Vaterunsers
(II 260) und einen Hymnus an die Gebenedeite {Ave Maris Stella), als er Pest-
kranke im Hause hatte (II 252). Ein ähnliches Gebet dichtete bei gleicher
Veranlassung Anrique de Sä (II 230); und Alvaro de Brito widmete der
Jungfrau vom Krankenlager aus einen Stossseufzer, an den er Betrachtungen über
den Tod knüpfte {Interrogafäo a N. S., l 230). Der hochbeanlagte, feinfiihlige
Oberkämmerer und Königsenkel D. Joäo Manoel hinterliess nächst einigen
schönen Devotionen an die Jungfrau, und einer Ansprache an den Apostel
Andreas, in welcher jedoch die Satyre auf die Sitten der Zeit zu Worte
kommt, ein nach Dante'schem Muster gebautes doktrinäres Poem über die
Todsünden (I 424),'* das in Geist und Sprache zu den weltlichen trovas
* V>fx versos de arte mayor bedienten sich nur: D. Pedro II 73; D. Joä" Manuel
I 374; Luis Anriques II IQO. 246. 268. 270. 277; Diogo Brandäo II 190. 223.
340 ; D. Francisco de Portugal, Conde deVimiosoIIl 55. 1 56 ; Joäo R o d r i -
gues de SäeMenezes II 452; Anrique de Sä II 337. 340. 348; Garcia de
Re sende II 156; Fern am Brandäo II 339. 347 und parodierend der Coudel-
mör I 170 und 172.
' Trovas de poesia spendeten ausser den lO eben genannten Luis de Azevedo,
Duarte de Brito, Alvaro de Brito und Joäo Rodrigues de Lucena.
* Die selbständigen Gedichte dieses schon als Übersetzer genannten Mönches (späteren
Abtes) von Alcobaga sind Gebete und Hymnen in altertümlicher Kirchensprache. S. Boa-
ventura, Ituditos I p. 5 — 13; 174 — 207 und vgl. Braga, Ca7ic. Pop. 13 — 16
* S. Barros, Dec. III 3 cap. 4 und vgl. Bellermann p. 51. Statt des unschein-
baren Schiflfsbreviers diente 1518 in Pegü der stattliche Cancioneiro als »Heilige Schrift»,
auf welche ein Eid geleistet ward, unter Rezitierung der Salomonischen Paraphrase. Andere
Folianten spielten in der Folgezeit im portug. Indien und in Brasilien öfter die gleiche Rolle.
* Es blieb unvollendet, wie Mena's Poem über denselben Gegenstand. Vgl. Clarus
II 232- 236.
Uröbbr, Grundriss. IIb. 18
2 74 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER, — 4. PORT. LiTT.
de poesia hinüberleitet. Die meisten davon sind etwas mystisch angehauchte
Allegorien, vornehm in ihrer Haltung und nicht ungewandt in der Ausfuhrung,
Parallelstücke zu den Versen des Condestavel und seiner Vorbilder. Die besten
scheinen mir eine Unterredung des eben genannten Luis Anriques mit drei
aus dem Pallast der Liebe kommenden Frauen : Melancholie, Bangigkeit
und Hoffnung (II 268), und die gefühlvolle, sehr anmutige Liebeshölle des
Du arte de Brito (I 286), der in Gesellschaft eines gleich ihm liebenden,
aber ungeliebten Freundes von einer Nachtigall — der Stimme des
Herzens — zum Aufenthalt der an Liebesgram Verstorbenen geleitet wird.
Der epische Anruf an Kalliope und die vielen Gleichnisse aus der klassischen
Mythologie {Comparaciones) drücken den leichtfüssigen Kurzzeilen der Erzählung
ein eigentümliches naiv-mittelalterliches Gepräge auf, das nicht ohne Reiz ist.
Von den Toten klagen — trovas em modo de lamentafäo , die sich an lyrischem
Schwung, Tiefe der Empfindung und Adel der Sprache gleichfalls nicht mit ihren
kastilischen Mustern messen können, gelangen abermals am besten die bescheiden
in Trova-Form gegossenen: so eine Klage um den Regenten, die als Predigt dem
Toten selbst auf die Lippen gelegt ist, von Luis d'Azevedo(l45i); der Jammer-
ruf des Alvaro de Brito um den jäh verblichenen Kronprinzen Alfons (I 221),
und ein kunstvoller eingekleidetes, die Jorge-Manriquestrophe nachbildendes
Poem des Luis Anriques (II 237) auf dasselbe beklagenswerte Ereignis. In
epischen Oktaven mit direktem Anruf an den discreto leytor lässt sich noch
bei der gleichen Gelegenheit D. Joäo Manoel vernehmen (I 374). Und
Johann's II. Tod und Bestattung wird dreifach in Langzeilen -Gedichten be-
handelt (II 246 und 249 von Luis Anriques, II 199 von Diogo Brandäo).
Ein kleines Epos — oder richtiger eine Reimchronik in Oktaven — beschäftigt
sich (15 14) mit der Expedition nach Azamor (II 277), und eiiiige Verse
des Joäo Rodrigues de Sä (II 452) bilden eine Art Präludium dazu. Von
der Gegenwart abstrahiert und aus der historischen Vorzeit schöpft einzig und
allein Garcia de Resende in der romanzenartig behandelten Erzählung
vom Lieben und Leiden der Ines de Castro (III 6x6). Gelehrte dunkle Fragen
und noch gelehrtere dunkle Echo-Antworten darauf (polos consoantes)^ nach
dem im Cancioneiro de Baena von Vasco Lopes de Camöes angewendeten
Recepte, em oitavas que levavam muyta poesia^ gefielen am portug. Hofe nur
massig (s. II 156, 340 — 341 und 347-348): nur wenn sie die Metaphysik
der Liebe oder den Kleinkram des höfischen Gescllschaftslebens betrafen und
den volksmässigen Ton anstimmten , fanden sie Beifall und offene Ohren.
Das Hess sich der Humanist Joäo Rodrigues de Sä e Menezes' (das Haupt
einer ganzen Dichterdynastie) wohl gesagt sein : denn auch in einem herul-
dischen Lehrgedichte über die Wappen der erlauchtesten portug. Familien
(II 358) und sogar, wo er direkt aus den Klassikern schöpfte, wie in der Grab-
schrift Tibulls fll 447) und in den Heroidenbriefen nach Ovid und dem Ovid-
genossen Sabinus hielt er an der Trova de arte tnenor fest ; und das gleiche
tat in ähnlichen Werken der Sohn Lucena's, Joäo Rodrigues.- Und
man muss bekennen , dass die antiken Gestalten in dem übergeworfenen,
lockeren, romantischen Gewände dennoch gar nicht uneben dreinschauen.
Wie wenig die Langzeile und der hohe Stil, und unter den ernsten Gedichten
besonders die geistlichen, dem rein höfischen Zeitgeschmack zusagten, be-
weisen überdies zwei oder drei Parodien auf das ganze Genre der poesias,
* Über diesen Portugiesen, dessen Wissen und Charakter noch die Gelehrten des
XVI. Jhs. einstimmig verherrlichten, sehe man Barb. Machado und Sä de Miranda, ed.
1886, p. 749 u. 788.
2 Menezes übertrug die Briefe von Laodicea, Penelope und Dido, und Lucena
die Epistel von Oenone, sowie das Schreiben des Ulysses an Penelope.
Formen der Pallastdichtung: Trovas. 275
in denen der biderbe, ja rüde, alte Coudel-mör, Fernam da Silveira (der
auch das Haupt einer zahlreichen Dichterfamilie ist) die port. Poetas und
ihre Prätentionen verlacht (I 171 und 172). ^ Und es beweisen es nicht minder
die (freilich auch in Spanien nicht seltenen) Zerrbilder frommer Weisen , in
denen z. B. das Stabat mater (III 385) oder die Beichtformeln und selbst die
Worte der Passionsgeschichte von zucht- und sittenlosen »Liebes-Evangelisten«
herabgewürdigt werden (I 495)-
HO. Diese Trovas, die immer eine einfache, natürliche, an familiären
Wendungen reiche Sprache reden, und nur, wo sie scherzen und witzeln, durch
gehäufte Anspielungen und gesuchte Scheit- und Schmähworte unverständlich
werden, bedienen sich ausnahmslos der von Spaniern undPortugiesen mit gleichem
Rechte als nationale Versart betrachteten Kurzzeilen, d. h. des in spanischer
wie portugiesischer Volks- und Kunstpoesie bis auf den Tag herrschenden A.cht-
silblers trochäischen Wandels mit beweglichen Accenten und beliebig
wechselndem oxytonischem und paroxytonischem Reihenschluss, 2 sowie seines
Halbverses, und des nur eine Nebenrolle spielenden Sechssilblers. Über-
aus mannigfaltige Gebilde wurden aus den beiden ersten gebaut: Strophen von
2 bis zu 12 Zeilen, und Gedichte von nur einem Gesätze bis zu Hunderten
von Strophen. Für die wenigsten Arten sind aber im 15. Jh. in Portugal
besondere Namen üblich: alles ist Copla oder noch häufiger eben trova.^
Die Elemente für die ganze bunte Schaar von Trovas- kx\.t,x\ sind a) die selten
gebrauchten, weil allzu schlichten Reimpaare (Fareados) der Volkspoesie ; b) die
Triaden oder Cantarcillos (*aa) und besonders c) die Vierzeiler (abab oder abba) ;
sowie d) die Quintilha (abaab; ababa; ababb; abbaa; abbab) und e) die SextUha
(abaaba oder abcabc) , über deren Entstehen ich mich hier nicht äussern
kann. Durch Zusammensetzung der letzten drei entstehen schon zahlreiche
Spielarten (von 7 bis zu 12 und 13 Zeilen). Nun rechne man aber hinzu,
dass statt des Vollverses der Quebrado von nur 3 oder 4 Silben stehen kann ;
iass solcher Halbverse i bis 6 in der Strophe vorkommen, dass die beiden
symmetrischen oder asymmetrischen Strophenhälften durch den Reim gebunden
sein können oder nicht, und man wird erkennen: i) dass ich die noch nirgends
aufgestellte schematische, mit Beispielen belegte Übersicht hier nicht geben
darf; und 2) dass es leichter, bequemer und amüsanter war, selbst neue Kom-
' Dass die ersten Decimas de arte mayor Parodien (= poesias de disparates) sind,
scheint mir unverkennbar, und auch die beiden Oktaven in Neger-Kauderwälsch wird Niemand
anders beurteilen. Nur das Labyrint fl 172) kfinnte, obwohl eine Spielerei, doch ernst
gemeint sein.
* Über das Verhältnis der männlichen zu den weiblichen Reimen in der 1. und
2. Epoche portug. Dichtkunst sehe man Sä de M i r a n d a p. CXXIII. Daselbst (p. CXI - CXV)
findet man auch einige Angaben über die meisten Arten von trovas, doch sind sie natürlich
unzureichend, weil sie einzig Miranda's Leistungen berücksichtigen.
' Der veriiältnisniässig junge und unpassende Ausdruck redondühas für alle im
Nationalstil geschriebenen Dichtungen, kommt im 15- Jh. nicht vor. Allgemeiner Brauch
war es vielmehr, sämtliche Gedichte der Zeit und Vorzeit trovas zu nennen. Das geht
auch daraus hervor, dass im Katalog zur Bücherei D. Duarte's alle portug. Gedicht-
sammlungen mit jenem Ausdruck bezeichnet werden (No. 38 0. Lrvro das Trovas del Rey
D. Diniz. 63 0 Livro das Trovas del Hey D. Affonso. 78 O livro das Trovas del Rey).
In trovas s'-X-/.'-. '.^. Duarte das \zA.€m. Juste-Judex-G^h^i um; iw trovas richtete der Regent
sein Schreiben an Mena; in trovas transponierte ein Unbekannter die Gedichte des Erz-
priesters von Fita (s. p. 272 Anm.) ; /rtwaj schrieb 1415 Judä Negro. Vgl. § 76 und 77.
- In ihrer schlichtesten Form, welche alle eben genannten Poeten und die ältesten Dichter
des Canc. de Res. vorwiegend anwenden, existierten sie unbedingt schon längst in der ge-
samten peninsularen Volkspoesie, aus der man sie emporhob. Wie oft mochte das Volk
schon in der 1. Periode zwei sinnverwandte quadras hintereinander, wie ein Ganzes, gesungen
haben! An die K u n s t gedichte der l. Periode knüpft hingegen das s\^\^Vi trovas noch jetzt
beigegebene Schlussgesätze — fim oder caio — an, ob es auch vom eigentlichen Geleimte
nichts mehr an sich hat,
18*
276 LiTTERATUR GESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
binationen zu schaffen, als sich auf regelrechtes Nachahmen einiger typischer
Vorbilder zu verlegen ; und 3) dass demgemäss, wenn irgendwo, so hier die
Portugiesen eine relative Unabhängigkeit und Erfindungskraft dokumentieren
mussten. Das ist denn auch thatsächlich der Fall. Muss auch im Einzelnen
genauester Vergleich mit den span. Liederbüchern es erst bestätigen, so glaube
ich doch sagen zu dürfen, dass stofflich wie formell unter den Trovas durchaus
nicht weniges Neue ist. Nur ist das Neue nicht immer schön , sondern oft
absonderlich (wie wenn die Langzeilen der Octava durch Viersilbler unter-
brochen werden). Gerade weil der Portugiese nämlich die konstruktiven Teile,
in denen die eigentliche schöpferische Erfindung steckt, meist fertig über-
nahm, — in der Dichtkunst wie in der Architektur — bethätigte er seine
Phantasie überwiegend am Dekorativen ; das aber oft in massloser Weise, ohne
Rücksicht auf Prinzipien und Reinheit des Stils, abhold allem Regelzwang,
nur scheinbar Eigenartiges produzierend.
Im umfassendsten, nur das Versmass beachtenden Sinn fallt alles was
Dicht j!>oesia ist, unter den Begriff trovas. Doch legt sich die Gattung
— (von den trovas de poesia abgesehen) — in zwei Spezies auseinander:
in frei gebaute, eigentliche trovas, die beliebig viele und beliebig gefügte
Strophen enthalten; und in trovas mit festen Formen, die ich Can-
tigas nenne. Die ersteren erzählen meist lachend und scherzend, oft
spottend und höhnend, von äusseren Geschehnissen; die zweiten sprechen
bald heiter, bald in elegischen Tönen von innerlichen Ereignissen: von
Lieben und Leiden, Seufzen und Sehnen, Gewähren und Verweigern, kurz
von Herzensangelegenheiten, und sind zum grössten Teile wahre Singelieder
{cantigas de amor) , zu denen der Dichter selber, oder ein Hofmusiker, die
für Guitarre, Laute, Harfe, Geige bestimmte Melodie vcrfasste. ^ Die Dichter
der Cantigas nennen sich durchweg noch Minnesänger, während für die Ver-
fasser der freien eine abweichende prägnante Bezeichnung fehlt. Sie werden
meist auch trovadores genannt ; ryfadores nur wenn sie mit beissendem Witze
ihres Spottes Lauge in Liederform (mit ryfam) ausgiessen. Der von Santillana
und im Canc. de Baetia für Verfasser von allen nicht zum Gesänge bestimmten
Sprech-Gedichten benutzte Name dezidores kommt bei Resende nicht vor. —
Neben (rund) 400 Trovas stehen (rund) 600 Cantigas.
III. Die Singlieder (Cantigas) im weiteren Sinne des Wortes, oder sagen
wir die trovas mit fester Form, zerfallen in Esparsas (27), Cantigas im
engeren Sinne (388), Vilancetes (104) und Glosas (60 -f- 21)2 Die Es-
parsa., deren Name im 14. Jh. aus der Provence über Katalonien nach
Kastilien gekommen war, ist nichts als eine Einzal-trova, von nicht weniger
als 9 und der Regel, nach nicht mehr als i6 gleichlangen Zeilen mit will-
kürlich vom Dichter bestimmter Reimordnung, meist nachdenklichen, oft schmerz-
* Das that z. B. Resende III 624 {entoadopor eile) und 625. Vgl. III 71, wo die
alte Bezeichnung Som für Melodie gebraucht wird. Die iui Liederbuch erwähnten Instrumente
sind: rabecas, arpas, alaudes, gnitarras, dazu tamboris, pandeiros , charamelas, sacabuxas,
cornetas, atabales und trombetas.
^ Die Verwertung dieser festen Formen (wie auch der oitavas de poesia) ist ohne Zögern
als Nachbildung d er älteren , spanischen Modelle aufzufassen , ohne Rücksicht darauf
dass dieselben nicht alle ureigene O r i g i n a 1 Schöpfungen Kastiliens sind. Denn, sollten
auch die Wurzeln der Glosse und der esparsa wirklich in der Provence .sein und sollte
selbst das vilancete mit der prov. danfa oder dem uordfrz. virlais und rondel eng zusammen-
hängen (woran man angesichts der bunt mannigfaltigen Versuche des Canc. Mtisical zvi€\Mw
darf), so .sind sie doch durch die Einkleidung in das peninsulare Gewand der Kurzzeilen,
und durch den spanischen Geist, mit dem man sie füllte, neue und eigentümliche hispa-
nische Gestaltungen geworden, an denen nichts fremdartig aussieht.
Formen der Pallastdichtung: Trovas. Cantigas. 277
liehen Inhalts. 1 Ganz verschieden ist die gemeinsame Grundform der übrigen
drei. Sie bestehen stets aus zwei Teilen: einem Thema, das ursprünglich eine
ritterliche Devise, ein Motto war und diesen Namen (mote) auch später beibe-
hielt, und aus einer dasselbe umschreibenden und erklärenden Paraphrase, der
Wendung — volia-^ oder Glosse = g/osa, die vereinzelt, in altertümlichen
Exemplaren , auch ten^äo, entencäo oder entendimento — - A u s 1 e g u n g, S i n n d e u t u ng
genanntwird(II 419). In der knappsten Form, die höchstwahrscheinlich nach ritter-
lichem Tournier, im Frauensaal improvisiert ward, zählt das Motto nur eine Zeile,
und die Volte oder Glosse ihrer bloss vier: sie ist also nichts als eine schlichte
qitadra^ doch mit der unumgänglichen Eigentümlichkeit, dass ihre letzte Reihe
das Motto wiederholt, wörtlich oder nur sinngemäss, doch auch in diesem
Falle mit Beibehaltung des Reimwortes. '^ Zu dieser ersten kurzen Strophe,
welche den Gedanken des Dichters oft nur ungenügend wiedergeben konnte,
trat später dann eine ungefähr doppelt so lange, zweite hinzu. Man gewöhnte
sich, die bereits umschreibende, den verborgenen feineren Sinn der von Damen -
mund vorgeschlagenen Devisen divinatorisch enthüllende Copla, als das eigent-
liche Thema zu betrachten, die reine Devise aber ganz zu unterdrücken.
Drei Arten schieden sich frühe von einander und machten ihre besondei-e
Entwicklung durch. Als diese vollendet war, bestand die typische Muster-
C antig a aus 4 zeiligem Liede und 8 zeiliger Volta^ die im Cancioneiro de
Resende ausnahmslos noch trozm heisst. ^ Das typische Vilancete^ das im
portug. Liederbuch nur ein einziges Mal bukolisch ist (II 301), enthielt
hingegen ein 2 oder 3 zeiliges Motto, (*bb) und eine 7 zeilige Wendung. ^ Bei
Cantigas viiG Vilancetes wwx^c dasMottoliedchen jedoch nicht wörtlich wieder-
holt : der Hörer hatte es noch zu frisch im Ohr ! — Den Namen rifam gibt man
beiden, wenn sie scherzen und spotten. In diesem Falle treten meist zur ersten
Variation noch weitere, oft sogar viele hinzu, bis zu 45 Strophen. Unter solchen
Umständen wird das tonangebende Thema oder Leitmotiv am Schlüsse der Strophen
wiederholt, damit es nicht vergessen werde, und zwar wörtlich, also refrain-
artig. <* Singelieder sind die riföes nicht mehr (?). Sie bilden somit ein Grenz-
gebiet, das zu den freien trovas führte. Strikt notwendig war wörtliche Rcpe-
tition beim Liebesliede mit ein- (oder zweizeiligem) Motto und zehnzeiliger Para-
phrase, welches durchgängig den technischen Namen y>moto grosado« führt. '
Die eigentliche Glosse aber, welche der Portugiese stets als Cantiga grosada
bezeichnete, haben wir erst, wenn eine ganze, mindestens vierzeilige,
cantiga des oben charakterisierten Genres als Thema benutzt ward. Dann
besteht, wie allerwärts, die Glosse aus vielen Strophen (4 bis 16, und mehr), da
je eine derselben zur Erörterung nur je eines Verses des Themas dient und
zwar so, dass die betreffende i. 2. 3. bis letzte Zeile des Themas als letzte
' S. z. B. I 399- 11 119. 133. 220. 227. 265. 314- 322. 324- 325- 467. 498. III
342 11. a. m. •
2 Diese Bezeichnung fehlt noch im Canc. de Res., wjid aber im l6. Jh. ül)lich.
* S. Circulo Camoniano I p. 294 und Storck, Volte und Glosse, Klausenhurg 1877-
* S. z. ß. 1 9. 30. 35. 45. 60. Nächst dem Schema 4 -f 8 ist das üblichste 5 -t' lO.
Doch giebt es auch hier viel mehr Abwechsehing als man gewöhnlich annimmt.
* Canc. de Res. I 130. 131. 132. 134 ahba \\ cddcabba oder (cdcdahab ! cddchaab u. a. m.)
Die Überschriften der Gedichte verwechseln sehr oft die Bezeichnungen Cantiga und Vilancete
mit einander. S. 1 400. 401. II 3. 27. 109. II7. 464- 474- 533-
* S. z. B. I 210.480. II öy, und in Bd. 111 unter den Cousas de folgar, die überaus
zahlreichen riföes. Das Wort rifäo hat ursprünglich vielleicht nichts mit (frz.) refram zu
thun; doch flössen allmählich die beiden klang- und begriffsverwandten Worte zu einem ein-
zigen zusammen, das nun Kernspruch, Witzwort, Spottvers bedeutete.
■^ Statt der einen Strophe stehen auch hier oft ihrer zwei: eine erste kürzere (ö zeilige)
und eine zweite längere, zehnzeilige. S. l 21. 24. II 119- 474- I- 109. 331- 334- 465-
470. 471. Die Kombinationen sind hier noch variierter als bei den Cantigas:
278 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Reihe der i. 2. 3. bis letzten Strophe der Glosse wiederkehrt. Der Abarten
sind jedoch sowohl bei der Cantiga als bei der Glosse überaus zahlreiche,
beinahe so viele als Exemplare da sind ! 1 Auch diesen, nach strengen Kunst-
regeln gebauten Chansons ä forme fixe gegenüber, fiel es dem freie Bewegung
liebenden Küstenbewohner nicht ein, bestimmte alte Modelle als massgebend
zu betrachten. 2 Er variierte unaufhörlich, beeifert augenfällig Neues zu ge-
stalten. — Über den Inhalt der Cantigas liesse sich gar manches sagen, doch
fehlt es an Raum, um dabei zu verweilen. Die Dogmen der Liebe sind ungefähr
dieselben wie in der ersten Periode. »Sterben vor Liebe« und »Todespein« —
morrer de amores und coita mortui — kehren noch unendlich oft wieder. Die
Fama von der Liebesnarrheit der Portugiesen, die erst im nächsten Jahrhundert
kulminierte, mehr auf wirkliche Begebnisse als auf ihren Abglanz in der
Litteratur begründet, beginnt schon jetzt ihren Flug. Es sind unter den Liedern
allerliebste Schmuckstücke, schlichte volksliedermässige aber auch recht spitz-
findige, empfindsame, launische, ausgelassene und schwermütige Worte des
Herzens. Eines derselben, meist als Zigeunerweise bezeichnet »Klinge,
meine Schellentrommel« wird noch heute, freilich in Geibelscher Ver-
deutschung und nach Rubinstein'scher Melodie, gern gesungen. Aber — grau-
samgerechte Ironie des Schicksals — dies Lied ist spanisch abgefasst!^
112. Die wahren freien Trovas — 404 meist längere Stücke — sind
natürlich noch viel mehr als die poesias und cantigas Gelegenheitsgedichte,
und immer an bestimmte Personen gerichtet, deren Entgegnung gewünscht
wird. Es gibt da Dutzende von Briefen : an Damen gerichtete Geständnisse
und Anklagen; an Freunde und Gönner, oder an den König selbst (I 275)
entsandte Schreiben mit Nachrichten (Novas) ^ über öffentliche oder Privat-
angelegenheiten ; Schilderungen von Festen und Mitteilung umlaufender Gerüchte,
sowie Verleumder-Arien ; Bittschriften und Mahnungen an Versprechen; Hand-
billets als Begleitschreiben zu übersandten Geschenken ; anonyme Rügen ;
kecke Fragen -Reihen, deren jede mit Warum? anhebt (Porques?) und die man
dem Könige (oder sonstwem) ins Fenster warf oder auf den Schreibtisch
zauberte (III 238); moralisierende Kernsprüche in populären Reimpaaren, die
mit »Nimmer sah ich« (Nunca 7n I 394) beginnen und einige Hunderte
von Desideratis aufzählen, nach denen der Dichter vergeblich bei Hofe aus-
schaut (I 395 und 399); volksmässig derbe Verwünschungsformeln (Arrenegos^
s- II 534) welche herbeten, was ihm misfallt; Lebensregeln, Ratschläge an Neu-
linge bei Hofe, förmliche Hofbreviere für Frauen , und andere für Männer
(I 144 und II 522); Satyren über Sitten und Unsitten II 508 III 463,
die ob auch manchmal recht ernst gemeint, doch immer einen neckischen Ton
anstimmen. Auf Bitten, Briefe und Fragen erfolgte oft die Antwort, auf Angriffe,
Verteidigung, und so entstanden grössere dialogistische Gedichte; dialektische
Kämpfe über Glaubenssätze aus der Metaphysik der Liebe und gesellige Lieder-
spiele. Bisweilen beteiligen sich nämlich nicht nur zwei, sondern viele Höflinge
* Ihren Platz haben die glossierten Zeilen in Portugal nämlich nicht inniner am Aus-
gang, sondern auch am Eingang der Strophen, oder an beiden Stellen zugleich , oder in der
Mitte, oder an jedem beliebigen Ort (z. B. in Zeile 2 und 6; 1 und 5; 4 und 8; 3—4 und
7 — 8; 2 und 7; 1 und 9; 1 und 6). Eine ganz besondere Finesse ist es, die 1. Zeile an
die 1. Stelle der 1. Strophe, die 2. an die 2. der 2. und sofort zu placieren. S. I 114- 164.
203. 236. 244. 386. 388. ,392. 490. II 41- 134. 148. 173. 208. 301. 316. 318. 495- 545-
III 584-
* Nicht einmal auf Fragen wird stets im gleichen Metrum geantwortet, und selbst bei
Gesellschaftsspielen erlauben es sich bequeme oder ungeübte Mitspieler, in stilloser Willkür
vom vorgeschriebenen Motto einfach Abstand zu nehmen.
' Tango-OS yo, mi pandero im Canc. de Res. III 367. Vgl Sil de Mir an da No. 72
und p. 751.
* Novas 1 136. 275- 317. 356. 44«. II 529- IH 304. 370. 573- 588.
Arten der Cantiga. — Freie Trovas. 279
am Wortgefecht. Heute wetteifern sie im Lob einer gefeierten Schönen, das
von ihr gewählte und zur Schau getragene Motto paraphrasierend ; morgen nehmen
sie Abschied von einer anderen, die den Schleier nehmen will, oder sich ver-
mählt; dann wieder fallen sie in ausgelassenem Spotte über einen Kollegen
her, der sich irgend eine Blosse gegeben, oder dem ein lächerlicher Unfall
zugestossen ist. Selbst die Damen nahmen, wie schon bemerkt ward, teil an diesen
lustigen Scharmützeln, die sich in Gegenwart der Monarchen abspielten. Wer im
Wettstreit Sieger blieb, erhielt wohl vom Besiegten (1 173), oder auch von zarten
Händen, irgend einen Preis. Manchmal zog eine Debatte sich durch mehrere
Abende hin. Die ursprünglich nur. von zweiGegnern vertretenen Ansichten fanden
Verfechter, mantcnedores, wie im Tournier, oder aJudas, Anwälte, wie im Prozess ;
Beweismaterialien wurden herbeigeschafft; ein Urteilsspruch gelallt. Die berühm-
teste unter diesen, ganz juridisch eingekleideten Rechtsstreitigkeiten behandelt auf
100 Seiten die Frage, ob stiller Gram {o cuydar) oder lautes Seufzen {o sus-
pirar) tieferes Herzeleid bekundet (Canc. I i —100). — Von den derben Spott-
uud Hohnversen über Trachten und Sitten und burleske Abenteuer (Cousas
de folgar III 76 — 294) haben manche die Cantiga-Yoxvc\ angenommen, als vor-
züglich zur Mitarbeit Vieler geeignet. Der Spielunternehmer erfindet das
Thema, in dem der Gegenstand des Spottes dargelegt wird und fertigt natür-
lich die erste trova dazu, an welche sich dann beliebig viele Teilhaber an-
schliessen, jeglicher mit einer oder mit mehreren Variationen.
113. Alle drei Dichtungsarten, besonders aber die Trovas^ sind reich
an intimen Anspielungen auf lokale und persönliche Ereignisse, von denen
viele heute undeutbar sind, während andere willkommene Beiträge zur Sitten-
geschichte liefern. Doch werden auch die grossen Geschehnisse und Errungen-
schaften des 15. Jhs. wenigstens vorübergehend gestreift. Alles was zwischen
Alfarroheira und Azamor liegt, fand Widerhall in der Hofdichtung : Eleonorens
Hochzeit mit Kaiser Friedrich; die Rüstung Alfons' V. zum Kreuzzug gegen
die Türken, seine Niederlage bei Toro und die Fahrt nach Frankreich; Johann's II.
Doppelschlag gegen die Bragan^a's; der Einzug und Wiederauszug der span.
Juden; die afrikanischen Etappen: Alcacer-Quebir, Tetuan, Tanger, Arzilla,
Beny, Manicongo, Safim, Azamor ; die Entdeckung der Goldküste und die Um-
schiffung Afrikas. Indien fangt an seine verheissungs- und verhängnisvolle
Rolle zu spielen : Gold, Pfeffer und Sklaven (die mit ihrem Negerportugiesisch
eine lustige Rolle spielen) wecken den Handelsgeist. Das Dreigestirn Vasco
da Gama, Francisco deAlmeida, und Affonso de Albuquerque und
der Besitz Goa's wird erwähnt. Das wachsende Macht- und Nationalgefühl
verkündet sich. ^ Der Wunsch nach epischer Gestaltung wird rege. Dem
Verlangen nach einem Livius folgt die Sehnsucht nach einem Virgil. Immer
eifriger wird das Studium des Lat. und Griech. betrieben. Auf Polizian's
• Anerbieten , die port. Heldenthaten der Nachwelt zu übermitteln , war schon
Johann II. nicht eingegangen. Aus der eigenen Mitte sollte der Herold
hervorgehen. Und schon sind unter den Dichtern elegante Latinisten , die
den Ovid und Virgil kommentieren und sogar einer, welcher Homer, Pindar und
Anakreon glossiert, ein Schüler Polizian's und Freund des Cataldus Siculus,
der seit 1490 portug. Männer und Thaten in lat. Hexametern verherrlicht:
der bereits genannte Joäo Rodrigues de Sä e Menezes (s. ob. p. 274).
Schon müssen, seit 1500, die Hofpagen um ihren Monatssold zu empfangen den
Nachweis führen, dass sie die höfische Lateinschule besucht haben. Schon ist
' Die Bezeichnung y>Lusilanos^ , welche der humanistisch - gebildete Erzbischof D.
Garcia de Menezes 1481 in Rom in einer lat. Rede zum ersten Male benutzt haben
soll, findet im Canc. de Res. schon Anwendung: 1491 wird sie von D. Joäo Manoel
(I 375) und 1495 von Luis Anriques benutzt (II 248; und 246 Lusitania).
2 80 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTl'.
(1501) das erste epochemachende lateinisch-portugiesische Dichtwerk im Druck
erschienen und zwar ein bukolisches, die Eclogae des Henrique Cayado
(Hermigius). Schon stehen im Hintergund die vier Dichter, die als Neuerer
und Nationalisierer der Litteratur sich binnen kurzem einen Namen erwerben:
Gil Vicente, der Schöpfer des Drama's ; Christovam Falcäo, der erste
Bukoliker; Bernardim Ribeiro, der Begründer des Prosaromans; und Sa de
Miranda, der den lyrischen Kunstgeschmack umwandelte und das klassische
Prosadrama einführte. Lusitania's goldenes Zeitalter beginnt.
F. AN DER GRENZE ZWISCHEN MITTELALTER UND NEUZEIT.
1. GIL VICENTE, DER SCHÖPFER DES PORTUG. DRAMAS» (1502-1536).
dramatische Versuche aus der ersten und zweiten Periode giebt es nicht.
Nur dass zwei Gaukler König Sancho dem Alten gegenüber zur
Leistung je eines remedilho, d. h. eines »Nachäfifestückes« oder einer Nachäffe-
Vorstcllung, verpflichtet waren, konnte erwähnt werden (^ 29). Und ich hätte
bemerken dürfen, dass Alfons X. Von einem anderen mimenden jograr reme-
dador erzählt, der gleichfalls jenes Genre kultivierte (8. Cant. de S. Maria
No. 293), wie auch, dass in den Litteraturdenkmälern des 15. Jhs. häufig von
höfischen Maskenfesten, d. h. von momos (Mummenschanz), ausführlich die
Rede ist, an denen Könige und Fürsten sich beteiligten^, sowie von kleinen
szenischen Zwischenessen-Spielen {antremeses)^ welche bei Gastmählern von
bestallten joculatores zwischen den verschiedenen Gängen vorgeführt wurden 3.
— Dass in manchen, von Gesang und Tanz begleiteten Kreisspielen, sowie
in volkstümlichen Fastnachts-, Mai- und Mitsommernachts- Aufzügen Keime
und Ansätze zum Drama stecken, ist bekannt. Auch geistliche Aufführungen, gegen
welche die Synodal-Konstitutionen nachweislich erst von 1534 an eifern,
werden in Portugal wie in den übrigen romanischen Ländern erheblich früher,
noch tief im Mittelalter, zu Ostern und Weihnachten die Nation erbaut und
unterhalten haben. — Die Geburt des eigentlichen Nationalschauspiels fällt
jedoch erst in den Beginn des 16. Jhs. Sie geschah 10 Jahre später als in
Spanien.
115. Am S.Juni 1502 betrat Gil Vicente, den man als den wahren
Schöpfer des gesamten modernen Lustspiels betrachten kann, ein genialer
Kopf, der das Zeug zu einem Lope in sich hatte, in Schäfertracht, scheinbar
* Von den allgemeinen bibliogr. Hülfsmitteln und den Geschichtsschieihern poitug.
LiUeratur abgesehen, unter denen Bouterwek p. 89 — 115, F. Denis p. 150 — 163,
Costa e Silva Bd. III und Th. Braga, Theatro I hervorzuheben sind, beschäftigten sich
mit Gil Vicente: 1817 Trigoso in den Memorias da Acad. V p. 42-76; 1829 Sis-
mondi IV p. 450— 456; 1846 Moritz Rapp in Prutz, Hist. Taschenbuch, der auch
1868 einige ^Mi'öJ in seinem S p a n. T h e a t e r verdeutschte ; l846Clarus 344 — 356; 1849
Ticknor Cap. 14; 1854 Sc hack in den Dram. Nachträgen p. 6-9; l859 F. Wolf
in Er seh und Gruber 's Encyclopädie und 1859 in flen Studien; 1880 C. Castello
ß r n n c o , in Historia e Sentimentalismo p. 1—25 ; 1890 Visconde d'Ouguella in einem
Band Gil Vicente: und Ducarme, in einem Artikel des Museon V, Les Autos de G. V..
der mir unbekannt geblieben ist. Für Klein hat leider die Stunde niclit geschlagen, die
er dem »grossen Dramatiker« widmen wollte. Almeida-Garrett's Drama y>Um auto de
Gil Vicente'.'. ist eine natürlich freie Bearbeitung der Lebensschicksale des Dichters.
2 S. Chronica de D. Joäo I, P. III p. 69 -70; R u y d e P i n a , Chron. de D. Affonso V,
cap. 131 ; Garcia de Resende, Chronica de D. Joäo II, cap. 122. 123. 126; id. Canc.
Ger. II 157. III 395 und vgl. I 254.
3 Canc. de Res. I 186, II 514. III 217. Die von Braga im Theatro Port. I p. 13
zitierte Stelle aus den Werken des Aires Teiles stammt aus den Apokryphen des A. L.
C am in ha.
GiL ViCENTE.
unangemeldet, den Lissaboner Königspallast, drang in das Wöchnerinnenzimmer,
in dem der künftige Johann III. in der Wiege schlummerte, und gratulierte
dem glücklichen Emanuel und den anwesenden Fürstinnen in einem launigen
Monolog, um zum Schlüsse, umgeben von 32 ihm nachströmenden, zu
Schäfern travestierten Höflingen, dem neugeborenen König der Portugiesen
und der jungen Mutter zu huldigen und Weihgeschenke darzubieten. Da diese,
die seit 1500 vermählte Tochter der katholischen Könige, eine Spanierin war,
so sprach er spanisch. Die 1 14 (i i >< 10 - 4) Kurzzeilen dieses Besuchs-
Gedichtes (A Visita(;äo) fanden Anklang: sie waren eine Neuheit — cousa
nova etn Portugal — wie der Autor selbei; feststellt. Die Königin -Wittwe,
Leonore^, die zugegen war, und in deren Diensten Gil Vicente gestanden
zu haben scheint, bestellte eine Wiederholung der Auffiihrung für Weihnachten.
Ihr Schützling aber, ein mindestens 3ojähriger Musiker, Dichter und Jurist^, der
bereits in den seröes mitgewirkt hatte 3, zog es vor, eine neue, gleichfalls span.
Dichtung zu verfassen, und zwar statt des verweltlichten Weihnachts-Autos ein
echt religiöses Krippenspiel, in dem fünf Hirten plaudern, singen, spielen und
schlafen, bis des Engels frohe Botschaft sie weckt und nach Bethlehem zum
Stalle geleitet, wo sie anbetend singen. Wenige Tage später folgte jenem
ersten Auto Pastoril Castelhano ein Dreikönigs-Drama. Und von da ab verging
kein Jahr, ohne dass der von der Gunst und dem Beifall des Königshauses
getragene, ob auch anscheinend nicht reich genug und nicht schnell genug
belohnte Dichter^ seinem erwachenden dramatischen Genie immer neue und
immer höhere Ziele steckte, der Bühnendichtung der Halbinsel einen kräftigen
Impuls gebend. Bis 1556, dem mutmasslichen Todesjahre 5, schrieb er, ausser
dem Monologe, bald auf Bestellung, bald aus freiem Triebe, mindestens 42
Theaterstücke'': 10 (resp. 11) in spanischer Sprache, 14 in portugiesischer,
' Obwohl die Didaskalien zu Vicente 's Stücken, die sicher von ihm selber her-
rühren, nicht völlig klar darüber sprechen, ist es doch ziemlich gewiss, dass seine Beschützerin
die hochgebildete Wittwe Johanns IL war (f 1525), die auch den Buchdruck thatkräftig
begünstigte, und nicht ihre Mutter D. Beatriz (f 1506), die Frau jenes Principe D.
Fernando, dem der Tirant gewidmet ist. Die erstere wird von Vicente sieben Mal bei
Namen genannt (besonders eingehend in der Widmung der Tragikomödie D. Duardos an
Johann III); auch wird Johann II. im ersten Auto mit Sehnsucht erwäiint. Der Name D.
Beatriz kommt hingegen nur ein Mal, in der Didaskalie zum Monologo do Vaqueiro vor.
* Der Dichter ward vermutlich 1470 geboren und starb, dem Anschein nach. 1536,
und nicht erst 1557, wie behauptet worden ist. Dass er Jurist war. ist eine litterar-histo-
rische 'Iradition: und begründete Einwände dagegen lassen sich nicht vorl)ringen. Neuer-
dings hat man ihn mit dem Goldschmied gleichen Namens identifiziert, der aus dem ersten
Golde Indiens das Meisterstück portug. Kleinkunst, die Monstranz {Custodia) von Belem,
schuf. Ohne zureichenden Grund. S. jedoch Braga {Questöes, 192 — 225), der ein eifriger
Verfechter dieser Ansicht ist. .Xuch woher Gil Vicente stammt, ist ungewiss. Seine
Werke verraten Lokalpatriotisnius für die Provinz Beira.
^ S. Canc. de Res. III 534 und vielleicht noch p. 527. Doch könnte Mestre Gil
auch der Hofarzt Mestre Gil da Costa sein.
* Die nur einmal in humoristischem Tone angebrachten Klagen über »Bettehirm u t«
muss man, meines Erachtens, cum grano salis verstehen. Sie mahnten im Einzelfall an ein
Versprechen, mit dessen Erfüllung gesäumt ward (III 38 1). Im Ganzen zeigt sich der Poet
jedoch von edier Bescheidenheit. Und an den »Hungertod« eines Mannes zu glauben, der 34 Jahre
lang seinem Könige Bühnenstücke widmete , dessen Tochter im Dienste der Inf;mtin stand,
und dessen Sohn tnogo da Camara war, während ein anderer in Indien kämpfte-, ist etwas
schwer. Es ist das übrigens nicht die einzige Sage, die sich an seinen Namen geknüpft hat.
F ar ia-e-S ou sa. der die erste verzeichnet, fügt dazu die zweite: der Dichter habe den
eigenen Sohn nach Indien gesandt, aus Eifersucht auf sein giösseres dramatisches Genie! Die
Tochter soll ihm hingegen geholfen haben. Auch für blind geben ihn einige Märchm-
sammler aus.
' Klagen über Alter und Krankheit (z. B. einen Pestanfall) tönen aus vielen Stellen
der letzten, zwischen 1530 und 36 verfassten Stücke.
" So viele enthalten die Ge.samt-Ausgaben seiner Werke. Dazu kommt aber das
nur im Einzeldruck erhaltene, mir unbekannte, des Abdrucks harrende »Auto da Donzella da
282 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTl'.
die meisten jedoch (i8) in beiden Sprachen zusammen ^ Sie sind, dem
traditionellen Brauche treu, -für die üblichen, grössten, festlich begangenen
Kirchentage, oder zur Feier markanter Ereignisse im Leben der Königsfamilie
oder der Nation ersonnen, wie Geburten, Kindtaufen, Vermählungen, Aus- und
Einzug von Prinzessinnen, Kriegsexpeditionen, Türkensiege u. a. m. Manchmal
sind sie auch, ohne besonderen Anlass, bloss zur Unterhaltung des Hofes
erfunden (im Fasching?). Dargestellt wurden sie vor dem Monarchen, bei
religiösen Vorwürfen des Morgens in der Schlosskapelle zu Lissabon, oder in
nahen Klöstern und Kirchen {Santos, Enxobregas^ OdivellaSy Caldas, oder auch
in Almeirim, Evora, Thomar und Cohnbrd)^ bei weltlichen Stoffen Abends, in
den Pallästen, vor demselben übermütig lebensfrohen, aristokratischen Publikum,
das sich dichtend, spielend, tanzend und singend an den von Resende gesam-
melten Cousas de folgar ergötzte 2. Selbst im Kranken- und Sterbezimmer
der Königin D. Maria, die als Wöchnerin das erste Erwachen der Vicente'-
schen Muse gesehen hatte, führte man 1 5 1 7 ein Drama auf : einen Totentanz
•»A harca do inferno«, der im Ganzen zwar bitter ernst gemeint ist, scherz-
hafter Einfälle aber keineswegs enträt. Der auctor war natürlich die Seele
der Aufführungen, Festordner, Regisseur und selber actor'^. Meist übernahm
Gil Vicente die Rolle des Prologo ^ oder des Argumentador's^, und blieb als
solcher wohl ständig auf der Bühne. Mitspieler waren andere kunstliebende,
dem Pallastleben nahestehende Dilettanten vornehmster Sippe bis herab zu den
schlichtesten mimisch begabten Bedienten (worunter Mauren, Moriskos, Juden,
Neger), und nicht Scholaren, wie Braga meint ^. Auch die weiblichen
Rollen lagen in der Hand feiner Damen, und minder feiner Jungfern, unter
denen des Dichters eigene Tochter, Paula Vicente, die zum Hofstaate der
1^1520 geb.) Infantin D. Maria als Saiten Spielerin = tangcdora gehörte, der Sage
nach, hervorgeragt haben soll. Die vorzügliche königliche Musikkapelle mit
ihren 52 Sängern, 8 Kammermusikern, 16 Blasinstrumentisten , 20 Militär-
7>/-r<r« (über das man Salvä 1490, Gallardo 4576 und Barreia y Leirado hefVage),
sowie die scheinbar verschollene »Caga dos Segredos«., die G. V. selbst als in Arbeit erwähnt
(IIl 382); und vielleicht noch das gleichfalls unfindbare Attto de D. Luiz e dos Turcos.
S. § !29.
' Ganz spanisch sind, nächst der Visitagäo und iS.t.\\\ Auto Pastorü Castelhano das A.
dos Keys ma^ös, A. da Sibila Casandra, A. dos qtiatro tempos, A. da Barca da Gloria, A. de S.
Alartinho, Coinedia do Viuvo, D. Duardos, Amadis de Gaula, Farga das Ciganas. G a n /,
portugiesisch (bis auf kleine span. Gesangslieder) sind: das Atäo da Mofina Mendes,
A. Pastoril Porhiguez, A. da Feira, A. da Alma, Barca do . Inferno, Barca do Purgatorio,
Historia de Deos, Resurreigäo, Cananea, Cortes de ytipiter, Serra da Estrella, Velho da Horta,
Almocreves, Clerigo da Beira. Spa nis c h -p or t ugi e sisch ist unter Atx\ Autos nur eines:
ilas Auto da Fe; dazu drei Komödien : Rubena, Coimbra, Floresta dos Enganos, die 6 Tragi-
komödien Nao d'Amores, Fragoa d'amor, Exhortagäo da guerra, Templo cP Apollo, Triumpho
do inverno, Roinagem de agravados und besonders die 8 Faicen : Quem tem farellos ?, India,
Fatna, Fadas, Inez Pereira, yuiz da Beira, Lnsitania und Fisicos. Die üblichen Angaben
sind falsche. Nur bei Salvä stellt Plxaktes. Anlass und Stoff der Stücke rechtfertigen
meist die Wahl der Sprache.
- Oft werden in den Stücken anwesende Fürsten sowie Höflinge und Damen bei
Namen genannt; bisweilen werden direkt an dieselben preisende oder narrende AnredeTi ge-
richtet fll 317. 346. 404. 511; 111 79. 95. 105. 137. 237- 447.
' Der freidenkende Humanist Andre de Resende widmete 1533 dem C<imico ein
lat. Lobgedicht, in dem er ihn ausdrücklich auctor et actor nennt. Später sahen die klassisch
Gebildeten ihn gern über die Achsel an: noch Far ia -e-S o usa nennt seine Werke ipo-
quissima cosa«.
* Die Bühnenstücke stellen den Thatbestand ausser Frage. S. II 371 und 447
Meiner Ansicht nach trat Gil Vicente in folgenden Rollen auf: als Kuhhirt (1502). Bauer
(1023), Merkur (I,ö27), Engel (1527) und Mönch (1534) in den Autos; und in den Komödien
als Licentiat {\h2\), Pilgrim (1527). Frei-Pa(;o (lö33) Philosoph (1536) und zwei Mal
als Gil Vicente, ohne Verkleidung; vielleicht ohne solche auch als Wittwer (ir)l4).
* S, i, B. U 99, und 303, wo die fidalgos do Principe mitwirkten.
GiL ViCENl'E. 283
musikanten und 1 5 Tänzern beiderlei Geschlechts {baüadores und bailadeiras)
ward natürlich zur Hülfe herbeigezogen '. Zur Inszenierung fand man kost-
bare Stoffe und Utensilien in Hülle und Fülle in Emanuels Kleiderkammer,
der als -»senhor da Guini, da conquista, navegafäo, do commercio da Ethiopia,
Arabia, Fersia e India«. seine Reichtümer auch in den Soireen gern zur Schau
stellte. Reichliche Gesangs- und Tanz-Einlagen fehlten keinem der Schau-
spiele-. Vicente selbst komponierte Melodien zu eigens verfassten, ent-
zückenden Liedern und Romanzen 3, doch verwertete er auch vielfach schon
bekannte Liedertexte und Kompositionen fremder Musiker, sowie zahlreiche
volkstümliche Weisen <. Wiederholt wurden die Aufführungen in der Folgezeit
sicherlich auch ausserhalb der Palläste. Nicht bloss die kirchlichen Schau-
stücke, auch die Possen lernte das portug. Volk kennen, da es einer derselben
einen Nebentitel gab^ Von ständigen Bühnen- und Theatertruppen wissen
wir jedoch absolut nichts. — In Spanien, wo Einzelausgaben der kastilisch
geschriebenen Stücke und freie Umarbeitungen der portug. • Texte erschienen
und wo Nachahmungen bis zu den Tagen Lope's und Calderon's nachweis-
lich sind, wie auch in den Ländern, wo bedeutende portug. Kolonien blühten,
inszenierte man die amüsanten Charakterstücke. Von einer Aufführung zu
Brüssel im Hause des Gesandten Mascarenhas hat sich die Kunde erhalten.
Im Beisein von 48 Portugiesen ward daselbst 1532 das Auto da Lusitania ge-
spielt. Damiäo de Goes, der Hausgenosse des Erasmus, gehörte zu den
Zuschauern, wie wir durch einen anderen portug. Korrespondenten des Rotter-
damer Gelehrten wissen 6. Die Sage, der grosse Humanist, dessen Lob der
Narrheit und dessen Sprichwörter man in Portugal eifrig las und lobte wie
tadelte und bekämpfte, habe um Vicente's Werke gewusst, oder gar sich mit
dem Portugiesischen befasst um jene kennen zu lernen, kann daher recht wohl
auf Thatsachen beruhen. Ich bin ihren Spuren jedoch noch nicht weiter
nachgegangen.
116. Der generische Gesamtname für alle Dramen Vicente's ist Auto.
Doch benutzt der Dichter selber daneben in Titel und Text, Widmungen und
Anmerkungen noch andere Spezialbezeichnungen wie/ör^a, comedia, moralidade.
Im Drucke seiner Werke sind die (17) eigentlichen geistlichen Autos als olrras
' Die benutzten Instrumente sind sacaimxa, charamdla, trombeta, atabal, tamharitn,
arpa, viola, guitarra, alaud, orgäo, und zu allen Volkstänzen und Hirtenliedern gaita, rabel.
fatideiro und caraniiUo (die Hirtenflöte aus Rohr).
* Ich zweifle nicht daran, dass Gil Vicente wirkliche Bauern und Sennerinnen
aus Cintra, Sardoal etc. kommen und ihre National-Tänze aufführen Hess. Wirkten sie doch
l)ei Prozessionen und Strassenaufzügen immer mit.
3 Selbstkoniponierte Stücke sind z. B. die Lieder 1 61, 11 339, vgl. IH 323.
* Wir begegnen lat. Kirchenhymnen ; franz. fatrasies (zu y>Ay de la noble Ville de Parti*.
vgl. Canc. Mus. A 29) ; ital. catizotietas (vermutlich nach den Modellen, welche G i u s t i n i a n o ,
Polizian und I>orenzo de Medici verwertet hatten): span. mlancites, deren Melodien
von Badajoz. Madrid, Baena, Torres wenigstens teilweise erhalten sind; portug. prosas.
salmos, salves tic — Jeanroy's ausgezeichnetes Kapitel über Gil Vicente (p. 3,30 — 334)
bespiicht von 125 einschlägigen Liedern (die z. T. nur dem Titel nach aufgeführt sind) nur
die 27 wichtigsten und lässt die Stellen des Textes unbenutzt, welche Zeugnisse für die
Volkstümlichkeit bestimmter Tanz- und Sangesweisen enthalten. Vielleicht liefre ich die
nötigen Nachträge und Berichtigungen für die Romania. Unter bailados de terreiro bezeichnet
man generisch alle Tänze, welche im Freien auf dem Vorplatz der Bauernhäuser, (der mei.st
eine geräumige glatte Tenne ist), vom Volke getanzt werden. Folioes sind die zu ländlichen
Musikbanden (foHas) gehörigen Musikanten und Tänzer (denen die modernen pMarttionieos
entsprechen). »Vor jedem Hause ein Tanzplatz und in jedem Hause Musikinstrumente , das
war. laut G. V. um löOO die gute, alte, portug. Bauemsitte
' y>Este ttome da farfu seguinte: Quem tem f ar el os ? poz -Wo 0 vulgoi. 1 )). 4. nach
den ersten Woiten des Stückes, gerade wie mit dem Roman Menina e Moga geschah.
* Andre de Resende, der 1531 Verse an Erasmus sandte und \h'^1 das Getieth-
liacon Principü LtisUani nachfolgen Hess.
284 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
de devofäo von den (25) weltlichen Stücken gesondert 1. Unter den ersteren,
die zwischen 1502 und 1534 entstanden, sind Passions- uud Auferstehungs-,
Corpus-Christi- und Weihnachts-Spiele (6), doch entfernen die meisten sich
von dem stereotypen mittelalterlichen Modell. So ist z. B. von den Weihnachts-
spielen nur das erste ein gewöhnliches Krippenspiel , mit Darstellung des
Hirtenlebens. .Die Handlung ist fast immer eine erweiterte, der Gedanken-
inhalt originell; die Gestalten sind vervielfältigt (von den 2 bis 6 des Encina
bis zu 15, 16 ja 22), und lebenswahr, doch hat bisweilen das übersinnliche
Prinzip die Oberhand, und Begriffsfiguren menschlicher Tugenden, Laster und
Charaktereigenschaften treten auf. — Im Auto da Alma, das Calderon be-
nutzte, und im Auto da Fi, in dem der Glaube den Hirten das Mysterium
der Erlösung deutet, ist das spätere Frohnleichnamsspiel vorgebildet; im Auto
da Cananea das spätere biblische Drama; im Auto de S. Martinho das drama-
tisierte Heiligenleben. Die bedeutende Trilogie von den drei Barken, welche
die Seelen zu Hölle, Fegefeuer und Paradies führen, die Lope im Viagedel
alma vorgeschwebt hat, ist eine wirkliche moralidade oder moral representacion,
wie der Dichter sagt. Das Auto da Mofina Mendes (d. h. des personifizierten
»Unsterns«), in dem das eigentliche Weihnachtsspiel durch eine Dramatisierung
des Mährchens vom Milchtopf unterbrochen wird, bildet den Übergang zum welt-
lichen Drama. — Die profanen Stücke, die in der Zeit von 1505 — 1536 ent-
standen, zerfallen in Lustspiele {comedias, 4), Schauspiele (tragicomedias, 10)
und Possen (farfas de folg ar, 12). Die Grenzen zwischen den drei Spezies
sind jedoch wenig feste, besonders die zwischen Lustspiel und Posse. Der
letzteren, die im allgemeinen einfacher und kürzer ist und unter wenigen
Personen vor sich geht, mangelt der Prolog {Prologo, Argumenta, Introitd)\
ihre Figuren entstammen den niederen Volksschichten (sind figuras baixas)
und sprechen die vulgäre Umgangssprache. In den Schauspielen erscheinen
hingegen alias ßguras, d. h. Könige und Helden , deren rhetorica y escogido
estylo dichterisches Gepräge trägt: der opern- und ballethafte Prunk, mit dem
sie auftreten, charakterisiert sie als Nachfolger der Mo mos. Die zwei wirklich
wertvollen Ritterdramen D. Duardos und Z>. Amadis bereiten das Helden-
Schauspiel vor, während der Templo d' Apollo ein Vorläufer der allegorischen
Komödien ist. Von relativ höchstem dramatischen Wert ist unter den Possen die
Farfa de Inez Pereira. Die Widersacher des Dichters, — ■ hofnens de hom saber, und
detractores'^ ■ — insinuierten dem Könige, Vicente's Werke seien nicht Eigen-
arbeit, sondern gestohlenes Gut, blosse Plagiate. Da erbot er sich, über
etwelches aufgegebene Thema ein Bühnenstück zu schreiben. Man wählte
das Sprichwort: »Ein Esel der mich trägt, ist mehr wert als ein Ross, das
mich abwirft 3«, und Gil Vicente illustrierte es, nicht eben fein doch dreist
und drastisch, durch die Erfahrungen der romantischen {phantasiosa) Titelheldin,
in erster Ehe mit einem herrschsüchtigen Ritter und in zweiter mit einem bis
zur Infamie gehorsamen, bäuerlichen Dummerjan. — Nationale Stoffe behandeln
und patriotischen Geist atmen: A Exhortafäo d guerra; Lusitania; NaoifAmores
und das Auto da Fama.
^ Unbedingt stammt die Anordnung der ed. princ. nebst Titeln und Didaskalien von
(«. V. selber her. .\uf Befehl Johann's III. bereitete er den Druck seiner Werke vor, zu
der er die Widmung sogar geschrieben hinterliess. Vorher waren dieselben gewiss in Flug-
blattern verbreitet worden t>emp)'emidas pelo meudoi, worauf auch die Verbote von 1551 und
1559 schliessen lassen, sowie die Reproduktionen des 16., 17. und ]8. Jhs., in denen Be-
zeichnungen wie Aloralidade vorkommen.
''' Wahrsclieinlich waren darunter die Verfasser klassischer Regelschauspiele (wie
Miranda) und lat. Schultragödien wie Maldonado, der 1519 am portug. Hofe seine
■> Hispaniola<.<. auffüliren lies (Gallardo 2879).
^ y>Mais qturo asno que tne leve, que cavallo que nie derrube« (111 121).
GlL VlCENTE. . 285
In allen seinen weltlichen Bühnenstücken, und selbst in|;den Autos,
packt der Dichter einzelne Figuren aus dem frischen vollen Menschenleben,
und verpflanzt sie leibhaftig auf die Szene. — Alle Stände, Lebensalter und
Geschlechter sind vertreten: Könige, Ritter, Bürger, Handwerker, Bauern,
Hirten, Seefahrer, jüdische Heiratsvermittler, Ärzte, Juristen, Geistliche, Nonnen,
Kupplerinnen, Marktweiber, Arbeiterinnen, Sennerinnen. Daneben aber er-
scheinen, wie schon angedeutet ward, Ideal- und Phantasiefiguren mannigfacher
Art: Christus und die Jungfrau; Personen aus der Bibel, von Adam bis zu den
Evangelisten; Heilige, Sibyllen, Propheten, Kirchenväter; und in buntem Durch-
einander mit der christlichen Welt, antike Götter und klassische Helden, Engel,
Tod und Teufel, Magier, Drachen, Feen und Zauberspuk; Personifikationen
abstrakter Begriffe : Naturkräfte , Jahreszeiten , Monate , Völkertypen , Städte,
Gebirge, Flüsse, Gestirne. — Einige Gestalten gelingen besonders gut, und
werden typische V'^orbilder für spätere Nachzeichner: der arme, verliebte Edel-
mann, der nichts als seine Guitarre, ein rostiges Schwert, einen Spiegel und
einen Cancioneiro sein nennt, d. h. der von Brot und Radies'chen lebende
raphanophagus des Nicolaus Clenardus, dessen nächtliche Zwiegespräche am
Gitterfenster (vulgo = gargarejosl) noch heute eine Wahrheit sind; dazu seine
hungernde und medisierende Dienerschaft; der zum Hofmann gewordene
Kleriker; der verliebte Alte; der einfaltige Provinziale (ratinho), den man
hänselt, der Tölpel {parvo)^ aus dem sich der gracioso herausbildete u.a.m. —
Dazu kommt das gleichfalls realistische, theatralisch so bedeutsame Moment
des Polyglottismus. Nicht nur die beiden peninsularen Hauptsprachen hand-
habte Gil Vicente meisterhaft, in jeder Stilart, vom gewöhnlichsten Pöbel-
jargon (der Provinz Beira) bis zum feinsten Hofton, und zur zartesten lyrischen
Redeweise, und verwendete sie (auch hierin vorbildlich für alle späteren Drama-
turgen) zu hübschen Kontrastwirkungen: auch das macaronische Latein der
gelehr tthuen den Ärzte und Juristen, und die Zitiersucht der Theologen beutet
er ergiebig aus und führt seit 15 10 radebrechende Franzosen und Italiener
neben lispelnden Zigeunern, Negern {guini) und Mauren {aravid) und Juden
(mit hebräischen Formeln 1525 und 26) vor, deren eigentümliche Jargons
er lautlich und syntaktisch trefflich treu charakterisiert. Lange bevor die Spanier
Rueda und Badajoz sich dieses derbkomischen Wirkungsmittels bedienten,
und selbst ehe Torr es Naharro in seiner Serafina, Soldadesca und Tinelaria
damit glänzte (vor 151 7) *.
Das bunte Gewimmel heterogener Gestalten und verschiedener Sprachen,
die Mischung von derbstem Scherz und heiligstem Ernst, das barocke Neben-
einander von Heidnischem und Christlichem, der Widerstreit zwischen ortho-
doxen 'und aufgeklärt reformatorischen Gedanken und die krasse Roheit vieler
Geschehnisse, lassen den modernen Leser freilich zu reinem Kunstgenuss nicht
kommen. Was Gil Vicente am meisten fehlt, ist jedoch die geschlossene logische
Durchführung der oft gut ersonnenen Fabel. Die Handlung ist zu wenig vom
Unwesentlichen, Zufälligen geläutert; mit sorgloser Einfalt sind die Motive
nebeneinandergestellt und folgen die Szenen aufeinander, ohne innere Ent-
wickelung. Man ergötzt sich nur an vorzüglichen Einzelszenen und an ver-
einzelten wohlgelungenen Charakteren. Dazu an lyrischen Stellen von ent-
zückender Anmut. Von dem wertvollen Liederschatze, den die Vicente' sehen
Dramen in sich bergen, war schon wiederholt die Rede (§ 19. 20. 21 und
öfter). Von klassischen Formen oder ital. Geist und Versmass ist jedoch
(trotz Rapp's und Braga's Versicherungen) hier noch keine Spur. Überall
^ Ich teile also nicht die von A. L. Stiefel, Zschr. XV p. 208 — 9 ausgesprochene
Ansicht.
2S6 LlTrE!-:ATUi<GEäCHICIirE DER^ ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
nur mittelaltcrlich-pcninsiilarc Formen: trovas verschiedenster Bauart und die
üblichen oitavas de arte mayor, mit allen möglichen Variationsversuchen. In
summa', eine höchst bemerkenswerte Weiterführung der Gebilde des 15. Jhs. ;
doch formell nichts wahrhaft Neues.
117. Den ersten Anstoss zur Schöpfung des Vicente'schen Dramas
gab, ohne Zweifel, Juan del Encina mit den 1496 in seinem Cancionero ver-
öffentlichten 8 Eglogas^ Autos oder Represetitaciones. Dass dem so sei, wussten
und bekannten die Zeitgenossen, wie z. B. Vicente's Kamerad Garcia de
Rescnde^ Doch kam ihm Anregung noch von vielen andern Seiten,
wie indirekt die Anklagen seiner Gegner und direkt einige bisher unbeachtete
Aussagen des Dichters selbst bezeugen, in der Vorrede, die er als Einleitung
zu seinen Werken an König Johann III. richtete. Darin sagt er nämlich, er
würde stolz sein, wären seine »ganz elenden Schöpfungen auch nur ein Echo
älterer Genies« und »die alten und neuen Dichter hätten ihm alles Schöne
schon vorweg genommen«: Os antigos e modernos näo leixaram cousa boa por
dizer, nem invengäo linda por achar, nem graga por descubrir. — Encina's
Spuren folgte er nur in seinen ersten geistlichen Stücken. Später gemahnt
nur die häufige Verwendung von Hirten noch an diese Herkunfl. Die früheste
Possc(?) des Spaniers {y> Egloga de Placida y Victoriano«) erschien erst alsVicente
schon in vollem Fahrwasser war. Doch wird er seine dramatischen Studien auch
daran und an Ae.v\ Farsas y Eglogas des Lucas Fernandez(i5i4) besonders
aber an den Comedias des Torres Naharro (1517) fortgesetzt haben, die er
übrigens alle drei an Fruchtbarkeit, Vielseitigkeit, Originalität, Geistesfreiheit
und vis comica weit überflügelt. Französ. mystlres, miracles, moralitis, sotties
und farces, ital. Rappresentazioni und Faschingsaufzüge waren ihm sicher nicht
unbekannt^. Hingegen bleibt es mir zweifelhaft, ob er den schon 1472 ge-
druckten Plautus während seiner Universitätsjahre gelesen hatte. Bestimmte, ob
auch leise Anklänge finde ich in den »Vier Jahreszeiten« und im »Triumph des
Winters« an mittellat. »Conflicttis« {hiemis etveris] s. II i, 167). Das Klagelied der
Säuferin Maria Parda erinnert an Pathelin's Testament (1520) und Ahnliches.
Die Sermone und Kapuziner-Reden weisen auf die Sermons joyeux des clercs
de la BazocJu hin^. Die erste Totenbarke, die Gil Vicente, wie gesagt,
Auto de moralidade betitelt*, stellt Kenntnis franz. moralitis ausser Frage.
Ein serviler Nachtreter ist Gil Vicente Jedoch durchaus nicht. Wenige
dramatische Schriftsteller werden so fest auf eigenen Füssen stehen wie der
»portugiesische Plautus«. — Naturwüchsig durch und durch, aller Be-
schränkung abhold, um Kunstdogmen unbekümmert, moralischer Tendenzen
bar, blieb er auch von Manieren, Geschraubtheit, Pedantismus und jeder Prü-
derie frei: er verwirft und vermeidet keinen noch so derben Einfall und kopiert
unterschiedslos was die Realität ihm vor Augen führt (wobei jedoch gesagt
' S. Miscellanea, Str. 181 (der ed. 1798) : »E vimos singtdarmente Fazer repre-
sentafoes Destilo niuy eloqttente, De niuy novas invenfoes E feitas por Gil Vicente. Elle foy
i> que inventou Isto cä e 0 usou Com mais graga e mais dotitrina, Posto qtu yoam del Enzitia
0 pastoril comegou«.
2 Welclie davon er gekannt und ob er auch mit engl, moral plays und masks ve:-
traut war, bleibt zu untersuchen. Seine Tochter Paula schrieb eine engl. Granuiiatik.
* Von nicht dramatischen Werken hatte er , ausser antiken , niitteialterlicb.en und
modernen lat. Autoren, (worunter Erasmus) besonders span. Ritterromane und Novellen
und vor allem ital. und span. Canzonette musicali studiert. Er zitiert Peregrino y Ginebra II 40
(gedr. 1527) Leriano y Laureola II 40 (gedr. schon 1491) und den ital. Heptameron.
* S. G al I ar do 4573. Diese portug. Totenbarke (oder richtiger Hölle und Paradies
zusammen) soll der Dichter selbst span. neu bearbeitet haben als: Tragicomedia alegorica del
Paraiso y del Infierno. Ein Druck von 1539 ist noch vorhanden. S. Mo rat in, Katalog
No. 60; Barrera y Leirado; und Braga, QuesiSes p. 226 — 237. Die abgedruckten
Proben scheinen in der That einer eigenartigen Überarbeitung zu entstammen.
GiL ViCENlE. BUKOLIK. 287
werden muss, dass seine Werke, mit den spanischen Celesiinas und den ital.
Commedie del Cinquecento verglichen, höchst anständig sind).
Das Fehlen jeglichen konventionellen Zwanges hat, wie mich däucht,
zweierlei schädliche Folgen gehabt. Erstens: Gil Vicente hat zwar Schule
gemacht; seine Schüler aber blieben der bequemen Regel- und Stillosigkeit
des Meisters allzu treu, und haben das so ausserordentlich kraftvoll begonnene
Drama nicht weiter entwickelt. Es blieb in den Windeln stecken. S. ^ 129 — 134.
Zweitens: Die Reaktion gegen das Übermass von Freiheit, das sich darin
bethätigt hatte, konnte nicht ausbleiben. Derselbe König und derselbe Hof,
der vor den Wittenberger Tagen, oder richtiger vor den Tridentiner Conzil-
Beschlüssen die masslosesten Invektiyen gegen den der Regel nach als zucht-
los angefeindeten geistlichen Stand und die unverblümtesten Natürlichkeiten
Vicente's und seiner Genossen belacht hatte, musste gänzlich umsatteln, und
Hess bald nach 1540 sich von der soldatisch geschulten Compagnie Loyola's
freudig und rückhaltlos knechten. Im Todesjahre Vicente's ward die Inqui-
sition eingeführt; seit 1539 gab es eine verschärfte Bücherzensur. — Dass 1561,.
nachdem bereits dies und jenes Stück Vicente's verboten war, eine unbe-
schnittene Gesamtausgabe seiner Werke erscheinen konnte (die erste, lange
zuvor vorbereitete) muss als ein glückliches Versehen bezeichnet werdend
II. ANFÄNGE DER PORTUGIESISCHEN BUKOLIK: CHRISTOVAM FALCÄO
UND BERNARDIM RIBEIRO.
118. So peninsular Gil Vicente auch ist, so kennt doch heute das
Lesepublikum kaum mehr als seinen Namen. Er wird nicht als echter Reprä-
sentant der portug. Nationalität angesehen. Dazu ist er zu verständig, zu
kerngesunden Humors, zu wenig sentimental und lyrisch. Seine anmutigen
volksmässigen Lieder und Romanzen werden nicht als subjektive Geftihls-
äusserungen, sondern als Gemeingut des Volksgeistes betrachtet. — Die ersten
•Individualitäten des 16. Jhs., die als wirklich typische Vertreter und Inter-
preten der alma portugueza anerkannt und noch heute beliebt sind und be-
wundert werden, sind Christm'om Falcäo und Bernarditn Ribeiro, ein wahl-
verwandtes Freundespaar, zwei liebeskranke Schwärmer, die in ihren thränen-
reichen Gedichten nur sich selber geben, in eminent-nationalem und zu gleicher
Zeit so ganz persönlichem'Stil, dass sie mit keinem anderen Dichter vor oder
nach ihnen, wohl aber untereinander zu verwechseln wären. Diese beiden
gleichgesinnten Schöpfer der romantischen Bukolik d. h. der Idylle in
Versen und des Schäferromans in Prosa, wollten leben wie sie dichteten,
scheiterten jedoch an dem Unterfangen, Ideal und Wirklichkeit in Einklang
zu .bringen und starben gebrochenen Herzens, vermutlich in der Fremde, dem
Rufe der Portugiesen als »verliebte Thoren« dadurch neue Nahrung gebend.'^
Sowohl in der einzigen Idylle des Falcäo wie in den ^\xx\i Eglogas des
Ribeiro und in seinem Prosaroman treten sie selber auf, und zwar als Menschen,
' Diese erste 1561/62 gedruckte Ausgabe, mit Holzschnittbildchen, wurde von den
Kindern des Dichters herausgegeben, von Paula, der das Privileg ausgestellt ward,
und von Luis, der eine neue Widmung an König Sebastian schrieb. Die zweite, bereits
verstümmelte, besorgte 1586 ein in der königl. Kapelle bedienst eter A ffon so Lopes. der
sich auch der Dramen von Camoes, Prestes u. a. annahm. Acht span. Szenen und
Stücke nahm Bohl de Faber 1833 i'i sein Teatro Espanol auf. Ausserdem giebt es nur
den Hamburger Neudruck von 1834 fmit unbrauchbarem Glossar) und den Lissabonner von
1852. Über Einzelausgaben unterrichten Barbosa Machajdo, Bar'rera y Leiradof,
Sa Iva und Gallardo 4572—77. Eine kritische Neuausgabe ist ein Bedürfnis.
^ Einige dürftige Proben span. Urteile über die Liebesnarrheit der Portugiesen gab
ich in Ztschr. VII p. 429 Sie lassen sich verzehnfachen.
2 SS LriTERATURÜESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
deren ganzer Lebensinhalt Liebe ist. Bartlose Jünglinge sind sie als sie ihr
Herz verlieren, und Kinder sind die Geliebten; sanfte, mit wenigen Zügen,
in milden Farben gezeichnete Gestalten von prae-raphaelitischem Gepräge
und der etwas eckigen keuschen Grazie sehr früher Jugend. Von Beatrice
und Laura entfernen sie sich jedoch durch einen wesentlichen Zug. Die
ihnen gewidmete Liebe erwiedern die kleinen, gedankenarmen und gefühlvollen
Portugiesinnen sofort, mit gleicher Inbrunst, und zeigen ihr Empfinden ohne
Scheu, mit naivster Natürlichkeit. Die Vernunft wird weder vom starken,
noch vom schwachen Geschlecht herbeigerufen um die Leidenschaft zu zügeln.
Liebe ist unwiderstehlich. Sie kommt und geht. Man giebt ihr willenlos
nach, mit fatalistischer Passivität. Diese Grunddogmen des spezifisch-portug.
Liebeskodex finde ich schon bei beiden Autoren. Sie lauten daselbst: O que
ha de ser^ ha de ser: näo se Ihe pode fiigir und Erros por amores dignos säo
de perdoar. Aus der Thatsache, dass Falcäo und Ribeiro der nationalen
Auffassung von Liebe zum ersten Male Worte liehen, und aus der Spon-
taneität ihrer poetischen Beichten erkläre ich es mir, dass ihre Werke, trotz
recht altvaterischer Geschwätzigkeit, zahlreicher Wiederholungen und geschmack-
widriger Wort- und Reimspielereien, dennoch bis heute nicht veraltet sind.
119. Woher ihnen die Anregung kam, sich selber gerade unter der
Hirten maske vorzuführen (und zwar unter Benutzung leicht durchschaulicher,
oft anagrammatischer Kryptonome), und eigene Erlebnisse in also verschleierter
Form darzustellen, lässt sich aus den Dichtungen nicht deutlich erkennen, —
doch ist es leicht, Vermutungen darüber aufzustellen. Es ist wahrschein Hch,
dass gebildete und vielleicht studierte, adlige Höflinge, wie beide es waren,
an der Schwelle des klassischen Jhs. die virgilianischen Hirtengespräche (in
der Sevillaner Ausg. von 1498?) und ihre mittellat. Nachahmungen kannten,
wie auch die span. Übersetzung der ersteren (1496). Sehr möglich auch, dass
sie Petrarca's bukolisches Gedicht, Boccaccio's Ameto und Ninfale und
Bojardo's Egloghe gelesen haben. Fast sicher, dass Encina's Schäferspiele,
nebst den Pastoralen des Lucas Fernandez und anderer Zeitgenossen, ihnen "
so gut wie Vicente und Resende in Folge höfischer Pallast- Aufführungen
vertraut waren ^ Und gewiss, dass die in ^ 113 erwähnten lat. Idyllen des
Portugiesen Hermigius (1501), in denen Freunde und Genossen zu Hirten
verkleidet auftreten, sie in jene Bahn drängen konnten 2. Einige stereotype
Eingangsformeln ihrer frühesten Pastoralen, durch welche der Schauplatz der
Hirtenszene gemalt wird 3, halte ich jedoch für direkte Nachklänge aus den
heimischen serranilhas, respective aus ihren prov. und nordfranz. Parallelen.
Weiter aber geht die Nachahmung auch nicht. Falcäo und Ribeiro
sind Selbstdichter und ihre Verse dringen, Naturlauten gleich, aus innerster
Herzenstiefe hervor. lo mi son'un che quando Amor spira, noto durften ^ie
sprechen.
Welcher von beiden der ältere war, oder doch seinen Lebensroman zu-
erst poetisch behandelte, ist nicht festzustellen. Ebensowenig wissen wir, wann
* Ich denke z. B. an die Egloga, welche Diego de San-Pedro dem Gefflhls-
roinan Cuestion de Amor einfügte, und die 1512 in Neapel aufgeführt ward.
* Dieser Schüler Polizian's sandte schon 1495. 1496. und 1500 Einzelabschriften
seiner 1501 in Bologna dargestellten und gedruckten Hirtengespräche, an den König und
gewisse Gönner. In einer derselben sind z. B. unter den Decknamen Thyrsus, Alphe-
s i b e u s und L y g d a n u s die drei Brüder T e i x e i r a zu erkennen (T r i s t ä o f 1 479,
Luis und Alvaro), Söhne des Kanzlers Johann's II.
* M.in vcrgleiclic ^Antre Cintra a muy prezada E a scrra de Rihat'jo^ und '>Nas selvas iunio
do mar«, s(j\\ ie t> Anlre Teja e Odiana«. mit folgenden Eingängen A\{i^i Serranilhas : Entre Torres
e Ximena ; A^ terra de Cintra Cerca la Tablada : Lki^ando a Pineda ; Entre Sesa e Cintttra ;
De Lozoya a Navafria ; Passando por la Toscana , Entre Sena e Florencia — wie man sieht
lauter Ort s bezeichnungen an Stelle frz. Zeitumstände (L'autrier) (oft auch daneben).
BüKoLiK. Christovam Falcao. 289
es geschah. Bestimmt zwischen 1500 und 1536, aus welcheni Jahre ein Flug-
blatt mit einer der Eglogas des Ribeiro sich erhalten hat; wahrscheinlich
nach 1516, als beide sich bei Hofe schon als Liederdichter Ruf erworben
hatten, und vori526, ehe in Spanien und Portugal die neue Schule eröffnet
wurde. Zuerst handschriftlich, dann in undatierten pliegos sueltos kursierten die
bukolischen Neuheiten wohl in Spanien und Italien drei Jahrzehnte lang, bis nach
dem Tode oder Verschwinden der beiden Freunde, um 1550 Buchausgaben,
Nachahmungen und verherrlichende Referenzen auf ihre Werke möglich wurden.
Nach Versform und Sprache gehören Falcäo und Ribeiro (die sich auch
in keinem kleinsten Liede des Kastilischen bedienten) ^ an die Grenze zwischen
der 2. und 3. Epoche. Sie verwenden ausschliesslich Kurzzeilen. Ihre Eglogas
sind Trmuis in Dezimen und Nonen. Ihre kleinen Gedichte sind Cantigas,
Vilancetes, Esparsas, Glosas und Ro?nances (in noch nicht stereotypen Formen)
und oft volkstümlichen Gebahrens. Neu ist eine Sextine"^ und ein Echo-
gedicht^. Kenntnis des prov. und portug.-prov. Minnegesangs scheint mir
gewiss*.
120. Christovam Falcäo, aus englischem, 1383 mit D- Filippa
de Lencastre eingewandertem Adelsgeschlecht, dessen zahlreiche Mitglieder
natürlich bei Hofe, im Felde, so wie in der Verwaltung des Reiches und der
Kolonien hohe Ämter bekleideten und unter den Hofpoeten auch nicht fehlen',
verliebte sich als ganz junger Page {-»de pouca idade«.) am Hofe Emanuels,
an dessen seröes er teilnahm*', in ein kleines Mädchen (menina und pequena),
D. Maria Brandäo aus der Familie des portuenser Schatzmeisters, und
tauschte mit ihr im Geheimen das Ehegelöbnis aus. Eine eifersüchtige
Freundin (Joana) verrät sie. Und da er wenig begütert, sie aber sehr reich
war, ward Maria im Cisterzienserkloster Lorväo versteckt gehalten, während
Christovam 5 Jahre lang in Privatgewahrsam schmachtete, bis ihre vornehmen
Verwandten, unter dem Vorwand, Christovam's Liebe sei eine eigennützige,
das Wort eines Kindes aber nicht bindend, sie vermählt hatten. Des Dichters
fernere Schicksale sind unbekannt'. Was die Litterarhistoriker , auf Grund
' Faicao lässt jedocli eine Sennerin (serraua) spinnend das schon früher erwähnte
W MiAwXs- Villaneico singen: Yo me iba la mi niadre A Santa Maria del Pino. S. oben § 19
p. 149 und 152. Ganz zu Unreclit steht Ribeiro im Schril'tstellerkatalog des Garcia
Peres p. 492 und 652.
^ In Achtsilblern. wie eine andere, derselben Zeit gehörige, von Miranda Nr. 74.
Ob Ribeiro oder Falcäo ihr Verfasser ist, vermag ich nicht zu entscheiden.
' Das Echogedicht ward 1536 als Schlusssatz der 3. Egl. von Ribeiro gedruckt.
Ein anderes (?) Echogedicht von ilim soll 1577 in das verschollene Liederbuch des Goenser
Paters Pedro Ribeiro eingetragen worden sein, .\hnliche Kunststücke fertigten Gil
Vicente 11 59 und Miranda No. 88.
* Nicht bloss aus den Sextinen , sondern aus einigen Coblas recordativas, welche
Ribeiro zusan.nien mit Miranda verfasste (Nos. .öl und 52, p. 745 und 771) und aus
des letzteren /«jrfl-/r^/«-Strophen, so wie aus der von ihm nacherzählten Fabel vom Mairegen
( nach P e i r e Cardinal) und aus anderen Anzeichen darf man auf Umgang aller di ei Dichter
mit prov.-portug. Liederbüchern schlie.ssen.
* Carte, de Res. II 369, I 463 und 466; 111 373: lauter Anspielungen auf Joam
Falcäo. der auch an einem Scherzspiel dichtend teilnahm (III 1 25). Es kann der Vater
des Idyllikers sein, dessen vollständiger Name Joam Vaz de Alma da F a 1 c ä o gewesen
sein soll.
* Genannt wird Christovam im Canc. de Res. nicht, doch stehen daselbst unter
den Liedern Ribeiro' s einige (3), die in späteren Drucken Falcäo zugesprochen wurden.
(Nos. 19. 23 und 39 der jüngsten Chrisfal-Ausgabe). Und andererseits finden sich unter
Falcäo's und Ribeiro 's Gedichten Stücke, die unzweifelhaft von Miranda sind (No. 9
und 1 1 der genannten Ausgabe). Die Jugendgedichte der drei Neuerer wurden sicher, als
eines Geistes, gemeinsam verbreitet.
~' Man lese seine Biographie bei ^iao a ^ Bertiardim Ribeiro \). 140 — 178, in der Aus-
gabe des Idylls von I871, und in der Hist. de Cam. II p. 229.
Uröbbr, Grundriss. Hb. 19
290 LiTTEKATURGESCHJCHTE DER ROlVf ANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
gänzlich ungesiebtcr und einander widersprechender Notizen der Genealogiker
über seinen Posten als Flottenadmiral, Statthalter auf Madeira und Komthur
des Christusordens, so wie über seinen angeblich am 24. Mai 1550 in Evora
erfolgten Tod berichten, beruht, so viel ich selie, auf Vermengung seiner vito
mit derjenigen anderer Hcmonynien^ Glaubwürdig scheint die Aussage, er
habe in Indien gekämpft {porque nao casou com sua dama, foi 't>ara a India)
und die Existenz eines illegitimen Sohnes: Christövam Falcäo de Sousa'''.
Am besten endet man seine Biograplüe bis heute, wie er selber sein Gedicht,
mit den Worten : O qiie se fez de Crisfal. Näo sabe certo ninguem.
Die in Form einer anmutigen Erzählung anhebenden »Iroj'a"! de Cris.
Fal.« (aus denen die nach blossen Titeln urteilende Kritik ein Rittorbuch in
Prosa gemacht hat) 8, berichten in 103, durch zwei Liedereinlagen erweiterten
Dezimen die rührende Geschichte dieser ersten unschuldvollen Liebe zwischen
Maria und Crisfal, und besonders die letzte Zusammenkunft des bereits für immer
getrennten Paares, und zwar als Traumvision, die der schmerzzerrissene Hirte
den Gebirgsbächen von Lorväo mitteilt und die eine lauschende Nymphe in eine
Pappelrinde schreibt, »auf dass des Dichters Bekenntnisse bis zu solchen Höhen
emporwüchsen, wo niedere (iedatiken sie nicht erreichen könnten«. Andere
höfische Liebesintriguen, die sich zwischen 1521 und 1531 abspielten, werden
nur flüchtig gestreift.
S(mst besitzen wir von Falcäo nur noch aus dem Gefängnis einen ele-
gischen Dissonanzenbrief in auseinandergerissenen Reimpaaren^ (s. j). 149) und
45 kleinere Gedichte, die jedoch, wie schon angedeutet, noch nicht daraul
hin geprüft worden sind, ob sie etwa Ribeiro oder dem Freund und Genossen
beider, Miranda, angehören ^^. Von den mutmasslichen ältesten Drucken ist
leider keine Spur vorhanden^. Vor 1558 lebte am Hofe Johann's IIL ein
Page Crisfal Diaz, der sicherlich mindestens 10-15 Jahre früher nach dem
bereits berühmten »Schäfer« getauft worden war''. Auch benutzte Camöes
1553 in Indien Verszeilen aus der Idylle^, und Couto nennt dieselbe in seiner
achten Dekade (Kap. 34) y>aquellas antig as e nomeadas (Variante: namoradas)
Trovas de Crifal«. Ein Anonymus, in dem man den geschickten Nachbildner
Bernardo de Brito zu erkennen glaubt, schrieb 1597 unter dem Hirtcn-
namen Lisardo einen zweiten Teil zum Crisfal: »Sonho de Lysardo que he
quasi cotno a 2" parte de Crisfah **.
* Schon 1474 iii'd 77 kann ich einen Clirist. lalcäo \\\i mogo fidalgo de D. AffoiisoV.
nachweisen (Sousa, Provas 11 44 und 46), der 1484 in Diensten Johann's II. wieder-
erscheint (ib. p. 181). Unser Dichter wird den gleichen Rang noch nach 1521 unter
Johann III. eingenommen haben (ib. p. 843).
2 Hist. Geneal. XII 454—55-
* S. Gayangos in Lihros de Cabalkria p. LXXVIII und im Repertorio Americano.
* Carta do mes/no estando preso.
'" Ein verschollenes Jagdbuch: »Criafäo e cura dos falcöes e gaviäes<s. ist möglicher-
weise von einem seinei- Vorfahren; doch kann es natCiilich auch sein Werk sein.
* An Ausgaben existiert: eine datenlose, dem Anschein nach bald nach 1550 als
Trovas de Crisfal gedruckte {Liss. Bibl. Nac, Reserv.idos A-^); eine 1559 in Köln zu-
sammen mit Ribeiro's Roman veröffentlichte, als huma ;««/' nonieada e agradavel Egloga
(vgl. Salvä No. 1693); und fernere ans den Jahren 1571, 1619 (schon mit Zu.satz des
2. Teils), 1639, 1721 und die neueste von Th. Braga besorgte, Porto 187 1, mit Bio-
graphie. Alle, auch diese letzte, sind äu.'serst unvollkommen, was die Textgestaltung betrifft.
Vgl. jedoch Bibliogr. Critica p. 38. Ob auch die älteren Ausgaben der Menina e mofa
(Ferrara 1554 und Evora 1557) den Crisfal bieten, weiss ich nicht; bezweifle es jedoch.
■^ Sousa, Provas VII p. 578.
8 S. Ztsckr. VII p. 439-
9 S. oben p. 167.
Bernardim Ribeiro. 291
121. Bernardim Ribeiro' hat das Geheimnis seiner Liebe mit un-
gleich dichterem Schleier umhüllt als Falcäo, wie man meint, geflissentlich,
weil der hohe Rang seiner Herzensdame und ihre Stellung bei Hofe ihn dazu
nötigten. Das Unterfangen, den Roman seines Lebens klar und rein aus seinen
Dichtungen auszulösen, ist daher ein sehr gewagtes. Drei Deutungsversuche
sind gemacht worden. Die früheste, doch erst nach 1600, wiederum von
Faria-e-Sousa niedergeschriebene, angeblich aus der Tradition geschöpfte
Sage, der Sänger habe die Infantin D.Beatriz, die stolze (1504 geborene) Tochter
Emanuels geliebt, bevor sie i 5 2 1 Fürstin von Savoyen ward, findet weder in der
Geschichte noch in den Werken des Dichters irgend eine Bestätigung^. Gänz-
lich gegenstandslos ist auch das zweite, von Varnhagen ersonnene Märchen^,
die Schöne, die ihn liebeskrank machte, sei die Tochter der katholischen
Könige, Juana la loca, gewesen (geb. 1479, gest. 1555), es sei denn, man
wolle es darauf gründen, dass eine der Hauptfiguren seines Romans den Namen
Aonia trägt, und dass auch die Heldin des persönlichsten unter seinen Hirten-
gedichten Joana heisst* ! Sinnreicher und viel wahrscheinlicher, ob auch noch
höchst unsolide aufgebaut, ist die dritte Aufstellung, von Th. Braga: in der
unglücklich Geliebten sei die zum Hause Braganga gehörige Nichte des 1483
enthaupteten Herzogs, D. Joana de Vilhena zu erkennen, welche noch als
ganz kleines Mädchen nach Spanien geflüchtet ward, 1497 heimkehrte, sich
15 16 mit dem humanistisch gebildeten, dichterisch begabten Grafen vonVimioso
D. Francisco de Portugal vermählte, und 1549 als Wittwe in den Orden der
Freiras mantelatas trat. — Genaue Daten aus dem Leben Ribeiro's, welche
diese Vermutung bestätigten, giebt es nicht. Aus Selbstaussagen und Andeu-
tungen seines Freundes Mir an da, die natürlich mit Vorsicht und Kritik zu
verwerten sind^, wissen wir nur, dass der junge Edelherr, der 151 6 bereits
als Dichter aufgetreten war, und mit Miranda um die Wette vor 1521 die
spröde und hoheitsvolle D. Leonor de Mascarenhas, seine Base, feierte^,
aus Torräo im Alemtejo stammte ; 2 ijährig an den Hof kam um der Not und
Dürre seiner Heimat zu entfliehen und für sein Fortkommen zu sorgen; dort
eine Liebestragödie erlebte, von einem anderen, gleichfalls dichtenden Neben-
l)uhlcr, den ein Mächtiger beschützte, ausgestochen ward ; und in die Fremde floh.
Vermutlich nach Spanien, und weiter bis nach Italien. Was Genealogiker und
Litterarhistoriker, vom 17. Jh. an, über .Abstammung, Stellungen, Vermählung
und Nachkommen melden, beruht, wie bei Falcäo, Gil Vicente und vielen
Dutzenden anderer portug. Dichter, auf kritikloser Aneinanderreihung wider-
sprechender Daten und Thatsachen aus dem Leben verschiedener Homonyme.
In diesem Falle boten sich zur .A.uswahl dar: ein Flottenadmiral , ein Statt-
' M;in sehe über ihn hesondcrs T h. Braga. Bernardim Ribeiro e os Bticolistas ; nebst
Caniues I 192 und 423, sowie 11 227 — 231; C. M. de Vasconcellos, Poesias de Sä de
Miranda p. 765-77. obgleich ich heute vieles besser weiss und manches anders auflasse
als vor 13 Jahren; C. C astel lo -Bra nco, Noites de insomnia ; D. Jose Pessanha iin
Prefacio seiner Ausgabe der Menina e Moga 189I; und Braga in Revista de Portugal IV
p. 244- -251-
^ S. Fuente de Aganipe 1646 : Discurso de los Sanetos § 4, und Europa Port. 11.
P« 4 cap. 1 und III Pe4 aap. 8 No. 22.- Donna Beat ri z sollte das Pendant zu Boccaccio's
Fiammetta bilden. — Faria-e-Sousa folgten A I ni ei da - Garre tt (im Auto de Gil
Vicente und Roinanceiro 111 p. 155— 1 82) und andere Romantiker (s. Panorama 111 276)
und von den Litterarhistorikern Barbosa Machado, nicht aber Costa e Silva (1 132)
trotz B r a g a ' s Behauptung.
* Livros de Cavallarias, Wien 1872.
*• Miranda No. 102 und 103 (Zeile 352. 383 ff. 401. 4o6. 419. 438. 536); 106
Zeile 297; 151 Z. 137- 202. 21.3. 322. 325; 164 Zeile 329- 401-
^ Miranda No. 51 und "52.
* S. Barb. Mach., und dagegen C. C. Branco.
19*
292 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
halter der afrikanischen Feste Mina, ein Komthur des Christusordens, ein
Kapellmeister in Toledo i, ein Auditor aus Caldas, ein Notar aus Barcellos, und
ein Dr. juris, der 1524 zum Sekretair Johann's III. ernannt ward, sowie ein
stud. juris, der von 1507 bis 1 511 12 in der Lissaboner Universität imma-
trikuliert war 2. Dass die beiden in letzter Linie Genannten, Student und
Doktor, ein und dieselbe Person und mit dem Dichter identisch sind, ist mög-
lich-^; sicherstellende Beweise aber sind nicht geliefert'*. Wäre die Identität
sicher, so müsste Bernardim Ribeiro i486 geboren sein; und die Kata-
strophe, die ihn aus dem Vaterlande trieb, könnte nicht vor 1524 fallen^.
Das eigene Herzeleid und andere verliebte Begebenheiten aus der ele-
ganten Welt, darunter die Abenteuer seiner Freunde Falcäo und Miranda^
und des Jorge deMontemör, idealisierte Ribeiro in fünf Idyllen'^, deren vater-
ländische Scenerie die Ufer des Tcjo und Mondego, und das Cintra- und Ossa-
gebirge sind, ganz im Stile des Falcäo, in Versen, deren glühende Zärtlichkeit und
Wärme trotz mancher Inkorrektheit de? Ausdrucks und der Eintönigkeit der Ge-
danken den geborenen Dichter verraten. Den gleichen, damals überraschend neuen
Ton schwermütiger Lebensauffassung stimmen seine übrigen Verse an (Romanzen
und Lieder) '^j sowie der »Buch der Sehnsucht« {Smiäades) betitelte Prosaroman,
' Mir an da p. 770.
* S. Pessanha.
' Dreiviertel aller portug. Dichter vom 15. jli. an bis heute sind Studierende der
Jurisprudenz gewesen.
* Sobald aus den Dokumenten nacligewiesen ist , dass der Student wie der Doktor
aus Torräo stammten, kann man sich /Alfrieden geben, selbst wenn sich nicht herausstellt,
dass auch 1507 Seuchen und Notstand die Provinz Alemtejo heimsuchten und ein Flüchten
nach Lissabon veranlassten.
^ Auch wenn B. Ribeiro. wie ich früher annahm, erst um 1500 (etwa 1496) ge-
boren wäre, hätte er dennoch schon 1,5 16 dichten können. »Absurd« (wie Braga in der
Rev. de Fort, sagt) ist mein Glaube an solche dichterische Frühreife nicht. Ich erinnere
nur an den C o n d e s t a v e 1 D. Pedro, an E n c i n a , L o p e , C a 1 d e r o n und von modernen
Portugiesen an Guerra-Junqueir o , E dunr d o Co im bra und Braga selbst, die alle
schon mit 14 Jahren dichteten und publizierten.
* In Eg^l. II tritt z. B. Mir an da, der Verehrer Celia's als Franco de San-
d o V i r auf.
■^ Egl. I: Persio e Faune, Nas selvas junto do mar in 34 Dezimen, wovon 4 er-
zäiilende, die übrigen aber Gespräche sind; Egl. II: Jano e Franco, Dhevi qiu havia um
pastor Antre 7>/'() « (^(/«a«« in .53 Nonen, nebst 1 Cantiga ; F.gl.\\\: Silvestre eAmadoi,
Um coitado de um pastor in .')2 Dezimen und 1 Echolied; E.gl. IV: Jano, Um pastor Jano
chamado in 36 erzählenden Dezimen; F.gl. V: Ribeiro e Agrestes, Ribeiro t7-iste pastor
in 66 Dezimen, nebst 2 Cantigas. Nur von der dritten hat sich eine Einzelausgabe (1036)
erhalten und zwar eine spanische, unter dem Titel Trovas de dous pastorcs. Die fünfte er-
schien erst 1557 mit dem Vernieik i>a quäl dizcin ser do mesmo autor«..
* Wir besitzen von Ribeiro 13 Gedichte im Canc. de Res. 111 389-92 und 539 44
(3 Cantias, 1 Trova, 3 Esparsas, 1 Vilaneete) doch .befinden sich darunter, wie ich schon
sagte, möglicheiweise Sachen von I'alcao und Miranda; dazu koimnen 2 Gedichthällten
nach provenz. Art für D. Lianor de Mascarenhas (Miranda 51 und 52); eine schöne
Klageromanze in Dissonanzen-Reimpaaren: Ao longo de uma riöeira\ als Einlage der Idyllen
drei Lieder und das Echogedicht; und als Einlage des Prosaromans eine andere Romanze
Pola ribeira de um rio nach dem gewöhnlichen Typus (in ör-Reimen), ein sogenannter solau
in Vierzeilern, und ein vilaneete. Eine der Ausgaben seiner Werke ( 1,559) soll noch eine
Gruppe von Cantigas e Voltas bieten -^^que dizem ser do auctor«. , doch vermute ich , dass es
die selben sind, welche Biaga als Werke des Falcäo veröffentlicht hat. Ein Gedicht
freilich, welches Bouterwek (p. 32) und nach ihm Costa e Silva sowie 1859 Memles
Leal druckte, findet sich in der erwähnten Neuausgabe nicht. — Bestimmt nicht von Ri-
beiro sind drei kastilische Poesien, lun derentwillen Garcia Peres ihn in den Katalog
der spanisch-schreibenden Portugiesen versetzt hat: eine Glo.sse der Ä/<rr/wa-Romanze ; eine
andere Glosse zu yusla fue mi perdieion und das Sonett Pasando el mar Leandro el animoso.
(S. Circtdo Camoniano 1 299). Ebensowenig gehört ihm die Trova No. 71 des Canc. de Evorn,
die einen Capitao Bernardim Ribeiro zum VerfasSfcr hat. Unentschieden bleibt, ob
B. R. in spätem Jahren im Ausland, nach Mir an da 's Beispiel, noch die Schwenkung vom
Bernardim Ribeiro. 293
den man sich gewöhnt hat, nach den Anfangsworten, unpassend genug, »Menina
e mo(a« zu nennen, obwohl der Autor vielleicht die Bezeichnung y>Tristezas<(~
gewählt hatte'.
122. Allegorische Gefühlsromane über Eigenerlebtes, in denen ein Liebes-
paar die Hauptrolle spielt, hatten bereits Rodrigues del Padron und Diego
de San-Pedro in den Erzählungen von Ardanlier y Liessa (1450), Arnalte
y Lucemia (149 1), Leriano y Laureola (1492), Grisel e Mirabella (vor 1500),
Aurelio y Isabella (1516), Peregrino y Ginebra (1527) und in gewissem Sinn auch
Aeneas Sy Ivius in seinem Eur'mlo y Lucrecia (gedr. 1472) den Hispaniern vor-
geführt. Und durch Boccaccio' s »Comniedia delle ninfe fiorentine : P Ameto«
wie durch seine »Fiammetta« (span. gedr. 1497) war das Beispiel gegeben, ein
Weib als Erzählerin einzuführen. Dennoch ist die -»Menina e tno(a« nach
keiner dieser Vorlagen gezeichnet und bedeutet in der That etwas Neues.
Der Hauptheld, der unseren Dichter personifiziert, der Ritter Narbin del, legt
nämlich vor unseren Augen, unmittelbar nach einem mittelalterlichen Holm-
gang, Schwert und Rüstung nieder, und zieht den Hirtenrock an 2, den Namen
wechselnd und bedeutungsvoll umgestaltend zu Bimn arder ( — vim-n'arder =
ich kam und entflammte), um unerkannt in der Nähe der Geliebten weilen
zu können. Er hütet die Rinderheerde, schneidet sich Hirtenflöten, und spielt
und singt vor den Pallastfenstern seiner Aonia. Und diese liebt und erhört
den einfachen Menschen und Schwärmer. Bald aber, während Bimnarder krank
in seiner Strohhütte liegt, reicht sie, dem väterlichen Willen gehorchend, einem
Hochgestellten die Hand. Echte Hirten treten neben manchem Ritter und Edel-
fräulcin als mithandelnde Personen auf. Ländliche Szenerien werden ausgemalt.
Feine psychologische Bemerkungen über Frauen- und Männerherzen fehlen eben-
sowenig wie emotionell gefärbte Beschreibungen der Reize der Natur, und zarte
Analysen ihrer Einwirkung auf die Bewegungen im menschlichen Busen. Die
Nachtigall z. B., die mitten im Singen tot vom Baume in den rauschenden
Bach fällt, unter dem Trauergeläute der welken Blätter, ist noch heute sprich-
wörtlich {-»o rouxinol de B. R.^\ — Als Roman betrachtet, auf den Plan und
seine Durchführung hin untersucht, ist das poetische Buch der Sehnsucht
jedoch eine recht mangelhafte Schöpfung. Der Dichter wollte nach dem
Leben zeichnen, eine Fülle wirklicher Personen idealisieren, und thatsächliche
Geschehnisse zu einem Ganzen verknüpfen, doch fehlte es ihm dazu an Ge-
staltungskraft und klar ordnendem. Unnützes ausscheidendem, künstlerischen
Verstände. Die Fäden der Handlung reissen wiederholt ab; das Ende ent-
spricht nicht dem anfangs Vorausverkündeten. Drei Hauptgeschichten werden
begonnen, und laufen neben einander her, ohne sich zu schneiden: die Ge-
alten Nütionalstil zur ital. Schule mitgemacht hat. Da Mir an da ihm Hendekasyllahen in
den Mund legt (No. 102. 446 s. p. 69F( ff.) als »cantar de estrana parte«., ist es nicht unwahr-
scheinlich. Doch kennen wir nichts von diesen Versuchen, die gewiss nicht den Eigen-
wert seiner Eglogas em trovas gehabt haben. Gefälscht ist in meinen Augen das Bruch-
stück einer italianisierenden Canzone auf die als flüchtige Hindin dargestellte Infantin D.
Beatriz(!), welches Faria-e-Sousa ihm zusclneibt iRimas de Camoes , Bd. V p. 248.
.\\2 und 320). Nicht von ihm ist die Egloga: Ergasto, Delio, Laureno, welche
1622/3 zuerst in der Gedichtsamnilung des C am 0 e s- Adepten Estevam Rodrigues
de Castro zu Ferrara mit den Initialen D. B. R. gedruckt, dann von Faria-e-Sousa
für Camoes in Anspruch genomtnen, und 1779 vom P® Thomas de Aquino in des
Meisters Werke eingeschwärzt wurde, wo sie noch heute als 14. Idylle steht. Diese und
andere mit den gleichen Buchstaben bezeichnete Dichtwerke verfasste mutmasslich der 1631
ge.storbene Poet Bernardo Rodrigues.
• Fünf bis .sechs Stellen des Romans deuten darauf hin.
2 Vielleicht soll hier und sonst, das Travestissement sinnbildlich nur das Eine aus-
drücken: ein Weltmann habe die Hoftracht und den Waffenrock abgelegt, um in .schlichter
'/.ivilkleidung auf seinen Gütern als Fandmann (ä paisana) in dem durch Petrarca zu
neuen Ehren gekommenen Naturleben zu schwelgen.
2 94 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
schichte eines jungen Mädchens, der wahren, namenlosen Metiina e mo(a,
die eigentlich den Roman schreibt, von der wir aber so gut wie nichts er-
fahren {Historia da Donzella em ermo, K.ap. i und 22)'; die Geschichte
einer Frau {Historia da Dona triste, Kap. 2) die auch unvollendet bleibt;
und eine von dieser Frau dem jungen Mädchen, nach Berichten ihres alten
Vaters erzählte Geschichte zweier Freunde {Historia de dous amigos)^ von
welcher die Amores de Aonia e Bimnarder wiederum nur ein Teilstück sind. Sein
schwaches Kompositionstalent sowohl als das Bestreben, die Realität zu ver-
schleiern und manches Ereignis nur vague anzudeuten, und dazu der Wunsch (oder
Zwang), die schmerzliche Verworrenheit seiner Seele durch Verworrenheit des
Romans zu symbolisieren-, haben bewirkt, dass die menina e mo(a Aqx »dunkelste
aller Romane« (laut B outer wo k) geworden, und ein labyrintischcs Fragment
geblieben ist, dessen Rätsel zu immer neuen Deutungsversuchen verlocken.
Anklänge an alle möglichen Liebesabenteuer mag man darin entdecken; ganz
verfehlt aber scheint es mir, das bestimmte Urbild jeglicher Figur im portug.
Pallastleben zu suchen und zu finden, und obendrein noch die Einheitlichkeit,
Treue und Kühnheit des Autors bei seiner Wiedergabe historischer Ereig-
nisse zu bewundern^!
Bedeutend war aber jedenfalls der Eindruck, den Ribeiro durch die
veia blandisitna seiner versos chorosos und durch den romantischen Mysticis-
mus seiner Gefühlswelt, und vielleicht auch durch seine Persönlichkeit auf die
Zeitgenossen ausübte. Frühe ahmte man ihn nach, noch ehe der Buchdruck
seine Werke verbreitet hatte. In Portugal folgten Mir an da und Montemör
seiner Anregung * (ob auch in höchst selbständiger Weise) und durch dieselben
alle späteren nationalen Bukoliker. Dass aber Camöes aus der Lektüre der
Menina e tnofa und der fünf Idyllen, die seinem unendlich viel höherfliegenden
Geiste arm, altmodisch und monoton erscheinen mussten, ein Studium gemacht
und Bernardim Ribeiro seinen »Entiius« geheissen habe, ist nichts als
eine der zahlreichen Fabeln, mit denen Faria-e-Sousa die Unwissenheit der
Nation in Betreff ihrer litterarischen Vergangenheit zu bemänteln versuchte'.
In Spanien ahmten seine Manier mit plagiatähnlicher Treue z. B. A Ion so
de Reinoso und Feliciano de Silva nach: jener in seinem den Roman
Clareo y Florisea begleitenden süsslichen Poesien, dieser im 9. Buche
des Amadis, in den Hirtenszenen zwischen Darinel und Silvia, deren admirables
versos bucolicos Cervantes noch rühmte^. Stücke aus den Idyllen und den Vers-
* Diese menina e moga mit der Aonia des Romans, und beide mit der J o a n a der
zweiten Idylle zu identifizieren, und in allen dreien das Spiegelbild der wirklichen Geliebten
dc^ Bernardim Ribeiro zu sehen, geht nur an, wenn man aller I>ogik den Laufpass giebt.
* Mit den Worten : y>Das tristezas näo se pdde contar tiada ordenadamente, porqiu des-
ordenadamente acontecem elläs« und mit ähnlichen anderen entschuldigt der Dichter sich "beim
I^eser.
* S. Pessanha p. LUX.
* Am sinnfälligsten ist die Nachahmung in der Diana, Liltro 11, im Catito da Ninfa:
Junto a una verde ribera.
* S. Rimas dl Camoes N "iOX 312; II 44. 219 und öfters. Seit F ar ia -e- S o usa 's
Bemühungen um die portug. Litteraturgeschichte führt Gil Vicente den Ehrentitel »Platito
Fortuguez^, B a.rr OS ist der portug. Livius ; Osorio der portug. Cicero ; Sä de Miranda
der portug. Horaz; Camoes der portug. Virgil; und diesem durfte selbstverständlich sein
Ennius nicht fehlen !
* Auch dieses bedeutsame Faktum ist bislang weder in Portugal noch in Spanien
erkannt und gewürdigt worden. — Man lese R i b e i r o ' s Eglogas und hinterher in G a i 1 a r d o " s
Ensaio III p. 990 die Auszüge aus Reinoso's Egloga Basto : Balteo y Argasto um zu
ersehen wie sehr die spin. Bukolik in Nationalweisen von Falcilo und Ribeiro ab-
hängt. Man darf auf persönliche Beziehungen schliessen , welche die damals in Italien
weilenden Peninsularen zu einander unterhielten: Reine so zu Feliciano, dieser zu
Castillejo undCetina, und alle zu Ribeiro und Miranda, spater auch zu Mo n temör.
BeRNARDIM RiBElRO. 295
cinlagcn des Romanes wurden in Musik gesetzt und gern gesungen i. Das
Wiegenlied der Waise (ein solau) ward von einem feinfühligen Gesinnungs-
genossen wirkungsvoll glossiert 2. Die Romanze ward in den span. Canc. de
Romaiues aufgenommen (1550).-' Ob aber des Dichters Schicksal Gegen-
stand einer anderen span. Romanze ward^, und ob Lope im »Narrenhaus
von Valencia« im liebeskranken Portugiesen wirklich Bernardim Ribeiro
darstellen will', bleibe dahingestellt. - Der Roman ward mindestens siebenmal
gedruckt *5 und ins Kastilische übertragen'. Auch ein zweiter Teil erschien
schon vor 1557, doch bleibt es unentschieden ob er ganz und gar das Werk
eines anonymen Fortsetzers ist, oder etv\'a eine Erweiterung hinterlassener
Manuskripte Ribeiro's, oder ganz seine Arbeit. Meiner Ansicht nach, ist
der Anfang (mit der schönen Avalor-Romanze) bis Kapitel 17 bestimmt echt,
doch ging Ribeiro vielleicht der Atem aus, als er objektiv frei erfindend,
weiter erzählen wollte, was sich in Wirklichkeit nicht zugetragen hatte. Auch
dem Übrigen spreche ich jedoch die Authenticilät nicht allzu entschieden ab.
Die Ungleichheiten und Widersprüche würden sich, wie angedeutet, aus dem
Mangel an (iestaltungskrart des Dichters erklären^. — Was der erste Teil 'nur
halb ist, ist der zweite ganz: nämlich ein buntfarbiger Ritterroman, iii,^dem
eine Masse neuer Gestalten auftreten. Was Aonia und Bimnarder betrifft, so
erwacht die erste Liebe in der halb wider Willen Vermählten aufs Neue nach
kurzem Schlummer. Beim ersten Stclldicliein aber überrascht der (iatte
{Fileno, auch Orphiletio) das Paar, und tötet beide.
Zusannncnstellung und Vergleicli der zahlieichen in P^tirrara und Venedig (bei Giolito) lieraus-
gfgtbenen Werke wäre von Nutzen. Die Einleitungen und Widmungen entlmllen gewiss
manches Aufklärende.
* Jorge Feneira de V asco n c e 1 1 es lässt in seiner Atiles^raphia zwei l'.ruch-
stücke aus den Eglogas und eines aus der Meuina e moi;a singen.
' S. Canc. Luis Franco fl. 98. Ich l)esitze das schöne, ungedruckte Gedicht.
* Die Kritik verwechselt diese portug. Ronaanz.e von B ernard im Ribeiro, tAo
longo de tttiia ribeirav., die sdion auf S. 157 erw.llmt ward, oftmals mit der aiideren'gieich-
zeitigen spanischen über einen Don l^ernaldino (Daran 293: » Ki piensa Don RernaJdinot).
dessen »Sterben vor Liebe« sie feieit.
* Natürlich die in der vorigen Anm. erwähnte Komanzi über Don !> er n a 1 di n o ,
in dem man Ribeiro zu erkennen vermeint.
* In ilen Locos de Valencia tritt ein portugucs fatnoso auf, que enamoiaio d: itna^gran
senora PerdiS en Coimbra el seso y por el ?niindj Qiial otro Orlando fite peregrinando.
* S. flie zweitnächste Anmeikung.
"^ Von Bautista Morales, erst 1629, also, wie fast alle Üliersetzungen aus dem Portug
ins Kastilische während der span. Herrschaft.
^ Die des öftern aufgeworfene und zuletzt etwas eingelu-nder bei Pessanlia er-
örterte Frage bedarf noch der kritischen Lösung. Wichtig \< es festzustellen, ob der erste
bekannte Druck des Romans bereits den 2. Teil enthält. Er erschien 1554 zu Ferrara (s.
Hrunet IV p. 80 -81 Nos 1273— 1274) ;ds Hystoria de tnenina <? 7noi;a. Auch ob die Madrider
Hs. der Akademischen Bibliothek No. 76 (laut (iallardo 26151 die Fortsetzung bietet, ist
wissenswert. Die 2. Ausgabe (Evora 1557) fügt zu den .31 Kapiteln des ersten Teils beieits
die 58 des zweiten hinzu als: Parte segunda da hhtoria das sdudades de Bernarditn Ribeiro
a quäl e declarafäo da I"^ parte deste livro. Und in den späteren fehlt derselbe nicht (1559 Köln
und Lissabon, mit lyrischem Anhang; 1645. 1785 und 1852 ^>Obras^). Nur Pessanha
hat ihn 1891 aus seinem guten Neudruck ausgeschlossen. Die -yVersos« ersciiieiien ge-
sondert 1886 in schwer zugänglicher Luxusausgabe, üliei- welche A'ev. Lus. II 274 fl". Auf-
schluss giebt. Dass lange vor dem ital. Drucke Ribeiro's wie F.ilcäo's Werke^grossen
Ruf hatten, steht ausser Zweifel. Sie müssen in Ilmdschriften oder Flugblättern unter den
Lesenden Kurs gehabt haben.
296 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
G. DRITTE EPOCHE 1521-1580.
DAS KLASSISCHE ZEITALTER PORTUGIESISCHER LITTERATUR:
QUINHENTISTAS.
I. I.YRIK: P:1NFÜHRUNG DES ITAL. STILS. SA DE MIRANDA UND SEINE
SCHÜLER.
'c bedeutende Individualitäten Falcäo und Ribeiro und Gil Vicente
auch sind, zu den portug. Klassikern zählen jene auf der Schwelle
zwischen Mittelalter und Neuzeit stehenden Dichter noch nicht.
Der erste Klassiker Portugals ist Francisco de Sä e Miranda (1495
bis 1557)^ ein wirklicher Reformator, der auf die fernere Entwicklung der
portug. Litteratur bestimmend einwirkte, besonders auf dem Gebiete der Lyrik
und des Pastoraldramas.
Dass Zeilen von nur 4 bis 8 Silben für echten lyrischen Schwung und
erhabene, sich feierlich im Kothurnschritt und in kunstvollem Periodenbau
bewegende Gedanken, sowie für ernste und breite epische Gegenstände und
zur lebenswahren Charakteristik dramatischer Personen ungeeignet sind; kurz
dass das Schönheitserbe der klassischen Völker fiir Portugal nicht wahrhaft
fruchtbar gemacht werden konnte, solange die peninsularen Kurzzeilen allcin-
herrschcndes Metrum blieben 2, erkannte zuerst dieser edle Geist, der zu den
besten seines Volkes gehört. Und zwar geschah das gleich, als er, wohl ver-
traut mit den romanischen Litteraturen und innigst befreundet mit den Werken
des Altertums, sein Dichtertalent entdeckte und bei Hofe, zunächst mit dem
Strome schwimmend, sich in hübschen geschmeidigen Salon-Liedern in beiden
Landeszungen versuchte. Von Natur ein moralisierender Denker, welchen
Studium und Lebenserfahrung später zum sesshaften und einsamen stoischen
Philosophen machten, verliess der gelehrte, vornehme, und nicht unbemittelte,
an Jahren reife Dr. juris, der schon kurze Zeit als Rechtslehrer an der Universität
fungiert hatte, 1521 die Heimat, und durchreiste Spanien und Italien mit dem
Zwecke, sich die schönen Wissenschaften {as lettras) an der Quelle gründ-
licher anzueignen und ital. Kunst zu schauen. Fünf bis sechs Jahre (bis
1526) y>em tempo de Hespanhoes e de Franc ezes« blieb er in Italien, knüpfte in
Mailand, Florenz, Rom und Neapel litterarische Beziehungen zu hervorragenden
(Grössen an, seine Kenntnisse ital. Litteratur von Dante und Petrarca bis zu den
Koryphäen des Cinquecento erweiternd; im Umgange mit der ihm verwandten
Vittoria Colonna'^, nebst Bembo, Sadoleto, Giovio sein klassisches
Wissen vertiefend, und den Geist der Renaissance in sich aufnehmend. Am
nachhaltigsten wirkten auf ihn: Sanazzaro (1458 — 1530), Rucellai (1475
— 1526) und Ariosto (1474—1533)- Denn die Bukolik und das Drama
interessierten den I^andsmann und Zeitgenossen Ribeiro's und Vicente's
auf das lebhafteste. In Spanien mag er auf der Rückreise, am kaiserlichen
Hofe noch mit Castiglione (7 1529 in Toledo) zusammengetroffen sein.
* S. Braga, Os Quinhenlistas und C. M. de Vasco n ce 1 1 os, Poesias de Sä de
Miranda, Halle ed. 1886, eine Arbeit, die ich natürlich heute in allen ihren Teilen be-
tieutend erweitern, verfeinern und z. T. auch berichtigen könnte. Eine summarische Bio-
graphie suclie man bei Storck, Carmens Leben § 83.
^ Die xAbneigung der Portugiesen gegen die in Kastilien .so beliebten längeren ziersos
de arte mayor habe ich schon mehrfach berührt.
' Die Säule der Colonna.s gehört zum Wappen der Sas (vgl. p. 230 Anm. 1).
QUINHENTISTAS. ItAL. StIL. SÄ DE MiRANDA. 297
der seinen Cortegiano dem feinsinnigen portug. Kardinal D. Miguel da Silva
zu widmen vorhatte, sowie mit dem jugendlichen Garcilaso, an den ihn
nächst Familienbanden, die gemeinsame Verehrung einer holden Landsmännin
aus Coimbra knüpfte'. Im Hause Alba sprach er vielleicht auch den klugen
ßoscan. Ob er jedoch in Granada den epochemachenden Unterredungen
der beiden Spanier mit Navagiero^ beiwohnte, wissen wir nicht. Solcher
Anregung bedurfte es jedenfalls auch für Mi ran da nicht mehr, der seinen
Feldzugsplan sicher schon in Italien ausgesonnen hatte. Sofort nach der
Rückkehr an den portug. Hof begann er sein ästhetisches Reformwerk, zuerst
noch in direktem Umgange mit König und Hof, in Coimbra und Lissabon,
bald aber (zwischen 1532 und 1536) in der Stille des Landlebens, in welches
er sich für immer zurückzog, seinem natürlichen Hange folgend, veranlasst
aber durch gefährliche Hofintriguen, die ihn in der Seele anwiderten.
Von seinen Versuchen das Theater im italienischen Sinne umzugestalten
wird weiter unten die Rede sein (^ 132). Seine Hauptkraft verwandte er
mit glücklichstem Erfolge auf die Reform der Lyrik. Gleich im Winter
1527—28 entstand ein erstes Kunst-Idyll, die erzählende Fabula do Mondego
(No. iii), in welcher in petrarchistischen Canzonenstrophen^, mit Anruf an
die Musen des Parnass, in Form einer Metamorphose, eine nationale Stadt-
und Flusssage behandelt wird — und zwar in bewusstem Gegensatz zu Gil
Vicente, der gerade das gleiche Thema in seiner unklassischen Weise be-
arbeitet hatte 3. Kurz darauf folgte eine dramatisch aufgebaute, figuren reiche,
unbedingt zur Darstellung bestimmte und gebrachte Egloga Alejo (No. 99) in
nationaler Form, doch mit italianisierender Stanzen-Einlage*. Und Schlag
auf Schlag führte der Neuerer dann der portug. Litteratur, zugleich mit dem
klassischen Wort Lyrica, die wichtigsten Dichtungsformen der Italiener zu,
und damit die unentbehrliche südromanische Langzeile, den Hendeka-
syllabus. Er gab ihr das Sonett, das bis zu Anthero de Quental so viel
tausendfältige Frucht bringen sollte, die Canzone, die Elegie, das Send-
schreiben (Capitulo) in Terzinen, die erzählende Oktave, und das wech-
selnd zu Terzinen, Canzonen, Oktaven und strophenlosen Kettenreimgebilden
greifende Kunstidyll, das bald &\s Epitalaf/tio, bald als ^/V^^ÄV auftrat, bald
andere intime Erlebnisse aus dem eigenen LebenTund dem der galanten Welt
stilgerecht idealisierte, einmal in einfacher epischer Erzählung, ein andermal
als Monolog, häufiger in Dialogform, oder in polyphonem Aufbau. Dazu bot er
dann noch das Epigramm, das Epitaphium und die Tier-Fabel^. Er
war der erste, der den Begriff" sinnlicher und sittlicher Schönheit im antiken Sinne
fassend, eine Reihe von Studien nach klassischen Motiven ausarbeitete (.Amor
und Psyche; Orpheus und Euridice, Hero und Leander, Policena etc.j und
die Zeitgenossen unermüdlich auf Dichter wie Horaz und Martial, Pindar und
.Alcaeus, und auf die Italiener hinwies.
Am besten gelangen ihm die Eglogas. Auch in^denjenigen, welche als
reine Renaissance -Poesie hohen Stils gehalten sind, strebte Miranda, der
ein Freund, Kenner und Beobachter des wahren portug. Bauern- und Hirten-
lebens war, der Natur nahe zu bleiben und seinen Schäfern (die natürlich
ja auch nichts als verkleidete Höflinge sind) ihrer ländlichen Lebensweise an-
* D. lsabel Freyre, die Muse seiner Jugendgedichte (Celia), war Anfang .526
mit der Kaisei in Isabella an den span. Hof übergesiedelt. S. Miranda p. 83,3-
- NmcH Petrarca 's Ganz. W : Nella stagion.
* »Comedia sobre a divisa da cidade de Cohnbra*. I527. Gil Vicente 11 106.
* y>Can(äo . . . em estancias ao modo italiano. No. 102, 726 — 7.^7-
* Nidit als sell)st,ändiges (ianze, doch als häufiger Schmuck seiner nationalen Idyllen
und Briefe.
298 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
gepasste Gedanken und Worte zu leihen. Und thatsächlich erreichte er auch die
relative Wahrheit des Theokrit. Doch sah er bald ein, das? eine mit Bildern
aus der nationalen Wirklichkeit geschmückte, wahrhaft rustike Denk- und Rede-
weise in Widerspruch mit dem vornehmen ital. Metrum und mit den Neo-
logismen der gebildeten Hofsprache stand, und griff daher mehrfach zu den
schlichteren portug. Formen (Kurzzeilen : Doppel- Vierzeiler, Quintilhas, Decimas),
welche Ribciro und Falcäo benutzt hatten und zur archaischen Vulgär-
sprache. Und zwar that er das, so oft ei an Stelle subjektiv gefärbter Ge-
spräche über persönliches oder fremdes Liebesleid allgemeinere spekulative
Unterredungen setzte, in denen er seiner Lebensauffassung Ausdruck giebt, wie
z. B. in der Egloga: Basto, in welcher die Hirten Gil und Bieito, (resp.
Silvestre e Montane) die zwei Seelen in des Dichters Brust verkörpern,
und seine Ansichten über Stadt- und Landleben, Hof- und Dorfsitten, Gesell-
schaft und Einsamkeit, Aktion und Kontemplation, Pessimismus und Optimis-
mus darlegen '. Er verachtete oder bekämpfte also keineswegs die nationalen
Versformen 2. Vielmehr erweiterte er ihr Gebiet, und veredelte ihren Inhalt
wie ihre Gestalt. Die festen alten Salon-Liederformen pflegte er zwar
naturgcmäss in den reifen Mannesjahren und in der ländlichen Zurückgezogen-
heit nicht mehr so ergiebig wie in der Jugend. Wohl aber die schlichtere
und dehnbarere freie, irova redondilha, zu der er absichtlich oder instinktiv griff,
so oft er in nicht solenner, sondern mehr vertraulicher Weise ein lehrhaftes
Wort an Jemand richten wollte. Statt blosser scherzender Nachrichten briefe
voll leichten und seichten Geplauders über Augenblicksgeschehnisse, inaugu-
rierte er ernste, oft tadelnde Tendenz-Episteln »Cartas ou Satyr as«^^ in denen
er, der lakonischen und didaktischen Redeweise des Horaz nachstrebend ad
sodales (Freunde, Gönner und Fürsten), gleich frei von Schmeichelei wie von
Schmähsucht, wuchtige, an kernigen Sentenzen und Beispielen reiche moral-
philosophische Vorlesungen in Versen hält. Mit einsichtiger und kühner
Kritik streift er darin die schon damals in der indischen Conquistadoren-
Epoche zu Tage tretenden Nationalfehler: Ämterschacher, Geldprotzenstolz,
Ahnendünkel und Luxus-Schwelgerci. Den Künsten und Wissenschaften und dem
beschaulichem Philosophenleben singt er hingegen ein Hohes-Lied. Neben
Beispielen aus dem Altertum stehen darin zeitgenössische Anekdoten und zahl-
reiche patriotische Bemerkungen, stolze Rückblicke auf die historische Vergangen-
heit, scharfe Kritik der (jcgenwart, und sorgenvolle Ausblicke auf die Zukunft;
dazu hie und da die damals üblichen Rufe nach einem Virgil oder Homer
(No. IE2 und 165). Und so mächtig und nachhaltig auch der Einfluss war,
den Miranda durch seine italianisierenden Gedichte ausübte, so haben doch
gerade diese Briefe im peninsularen Stil und die geistes- und formverwandten
Egiogas rusticas e moraes^ die meisten und direktesten Nachahmungen hervor-
gerufen. Aus drei Gründen: i) für alle klassischen Gebilde fand man
Vorbilder, und zwar vorzüglichere, in Spanien und Italien. Für diese nationalen
' Auch hier vermute ich hewusste KonkuiTenz mit Gil Vicente, und zwar mit
seinem Auto Pastoril Castelkaiio, das seinerseits auf Encina's Doppel- Ekloge vom Hof-
mann gewordenen Hirten und dem Scliäfer gewordenen Hofmann zurückweist, und damit
indirekt auf manches mittel latein. Hirtengespräch.
^ In fler römischen Campagna iiatte Miranda 'Provas gedichtet, Trovas sendete er
1."):^S tnch Alcalä; und noch in seinen klassischen Terzineiibriefen gedenkt er mit Sehn-
sucht i\c\- riuniielinischen F^iederabende: Oi m^ntos e os seröes de Portugal 7 äj fallados no
mundo, onde. säo idos, E as gragas temperadas da seu saP. (No. 109, 127 IT.)
ä ParU Segunda Nos 103— 108.
* Ich meine das 14 Mal vom Dichter bearbeitete Hirtengespräch Basto (Nos 103.
116. 164. 117 ("und 152) mit den betreffenden Varianten. Die besten Nachahmer dieser
Dichtungsart waren im 16. Jh. Andrade-C aminha und Perestrelio, und später D.
Francisco de Portugal, Francisco Manoel de Mello und Tolentino.
Sä de Miranda. 299
Neuheiten nicht. 2) Sie spiegeln am energischsten die wirkliche, sittlich ge-
sunde Denkart des Dichters wieder, bei dem thatsächlich Leben und Lehre
eins waren. 3) Sie sind ausnahmslos portug. geschrieben, und zwar in
volkstümlich derber Fassung ä la Albuquerquc und Castro, während die
klassischen Gedichte zum grossen Teil spanisch reden.
Im ganzen hat Miranda von 188 Gedichten (worunter 25 vielleicht
unecht sind) 113 mit 6863 Zeilen in der Nationalsprache, und 75 mit 5674
Versen spanisch geschrieben. Das Verhältnis verschiebt sich jedoch, sobald
man nur die neumodischen Hendekasyllaben ins Auge fasst. Dann stehen
neben 37 Stücken mit 4024 kastilischen Reihen nur 33 portug. mit 1853'.
Und zwar entstanden im Grossen und Ganzen die spanischen früher als die
heimischen. Die fünf grossen und berühmten span. Idyllen 2 waren bereits
fertig als Miranda es versuchte, auch eine portug. nach klassischer Manier zu
dichten fNo. 150 Encantamento)^ mit Anwendung aller schon geübten Vers-
gebilde. Auch gelangen die spanischen besser, vielleicht weil Miranda während
der 6 Reisejahre, wie anzunehmen ist, kastilisch gesprochen und gehört hatte,
vielleicht auch weil die Regeln ital. Prosodie viel müheloser auf das Kastilische
als auf das vokal- und hiatenreiche Portugiesische anzuwenden waren, wie ich
schon in der Einleitung (§ 8) vorweg sagte. Musterhaft rhythmisch und melodisch
sind weder die einen noch die anderen, so unsägliche Mühe sich auch der
Dichter gab, der die rudeza do seu estylo e fraca veia oft bedauert, und, streng
gegen sich selbst als Mensch und Dichter, unablässig feilte und nachbesserte.
Selbst von kleinen Liedern sind mehrfache (lehrreiche) Redaktionen erhalten;
von den grösseren viele. Trotzdem bedeuten seine Werke einen erheblichen
Fortschritt an Wissen und Können , eine heilsame Bereicherung der portug.
Dichtkunst, der er neuen Stoff, neuen Geist und neue Formen schenkte.
124. Miranda beherrscht geistig seine Zeit. Seine Werke, obwohl bis
gegen Ausgang des Jhs. nur handschriftlich verbreitet ^ waren Muster und
Massstab für alles was die Dichtergeneration, die zwischen 1530 und 1560
blühte. Lyrisches schuf. Man kann demgemäss alle prae-kamonian ischen
Petrarchistcn oder Quinhentisten Mirandistas nennen, wie ich thue. Dem
»Dichterphilosophen« sandten alle Neulinge ihre italianisierenden Werke zur
Begutachtung nach seiner Quinta da Tapada. Ihn feierten sie als »einsamen
Sänger des Neiva-Flüsschens« * in Sonetten und Oden, und beklagten 1557 in
Elegien und Idyllen seinen Tod. Er aber lehrte, spornte und erkannte neid-
los das Talent des jungen Nachwuchses an -*, den er ausdrücklich auf seine
glänzenderen Kampfgenossen, Garcilaso und Boscan, hinwies, sowie auf
seine italiänischen Vorbilder: Petrarca's Canzoniere, Bembo's Asolani,
Sanazzaro's Arcadia und Eclogae und Ariosto's Orlando und Comtnedie.
Die alte und zahlreiche Garde aus den fröhlichen Tagen Emanuels
konnte sich natürlich zum Geschmackswechscl nicht mehr entschlicssen, son-
' vS. Miranda p. CXXVIII , obwohl es den dortigen Angaben weder an Denk-
nocli an Druckfehlern gebricht.
"^ 1'' a b II 1 a d o M o n d e g o — A n d i" e s — C c 1 i a — N e m o r o s o - E p i t a -
1 a ni io.
* Erste Ausgabe (luit dem Drama: Os Estrangeiros) 1595. wiederabgedruckt 1804.
Zweite, in ganz anderer Textgestalt 1614, mit guter Biographie ; weitere 1632. U)öl. 1677.
1784 und 1885. Die Briefe allein als Satyras 1626.
* .So nannte man ihn im Gedanken an den Sänger der Sorgue, und den des Sebeto.
Auch die späteren portug. Bukoliker werden meist nach ihren Heimatflösschen bezeichnet.
Bernardes als Z/»«asäMger; I>obo als Sänger des Liz; daneben auch nach den besungenen
Schönen /,. B. : Andrade als Cantor de Filis.
* Man lese seine Gedichte an D. Manoel de Portugal, Eerreira, Caniinha,
Bernardes, Montetflör, EalcHO de lies ende,
300 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANFSCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
dern sang in alt-gewohnter Weise »um vilancete brando, ou seja um chiste,
Letras äs invenföes, motes äs damas, Hüa pergunta escura, esparsa triste<c,
oder spottete und scherzte in derben irovas de folgar. Und so viele persön-
liche Freunde und Bewunderer Miranda auch unter dieser Nationalpartei
zählte- — wie den alten Joäo Rodrigues de Sä e Menezes, D. Fernäo
da Silveira, D. Fernando de Menezes^, — so stemmte sie sich doch
anfangs offen gegen den Einlass der fremden »gelahrten« Poesie in die seröes.
An Beweisen für solchen litterarischen Antagonismus zwischen Altportugal
— den poetas da medida velha — und Jungportugal — A^n poetas da medida
nova ("wie man zu sagen pflegt), fehlt es nicht 2, wenigstens nicht aus dem
ersten Decennium der Periode, solange so aktive Geister wie Gil Vicente
und Garcia de Resende für die Hoffeste wirkten^. Erbittert und andauernd
war jedoch dieser Kampf in Portugal nicht. Und so wenig ich zustimmen
kann, wenn die deutsche Kritik die »charakterlosen« Portugiesen tadelt, weil
sie allzu bereitwillig die fremdländische Art annahmen, so wenig kann ich
Braga beipflichten, wenn er von heissen und langen Fehden erzählt. Eine
F.rneuerung der Poetik wie Miranda sie anbahnte, entsprach zu sehr dem
wichtigen Wandel, der sich in Portugal wie im ganzen südlichen und west-
lichen Europa in allen Künsten und in der Wissenschaft bereits vollzogen
hatte, oder noch vollzog. Auch hier vertauschten Architektur und Malerei
um 1530 die manuelinische Gothik, die ihre Hochblüte erreicht hatte, mit
der Renaissance*. Im klassischen Sinne wurden die Klosterschulen (S. Cruz
1527) sowie die Universität (1537) reformiert. Namhafte Humanisten — P-^in-
heimische und Ausländer — berief man nach Coimbra und an den Hof^.
Die Sprache selbst, deren erste Grammatik 1536 erschien^, ward in gelehrter
und kunstreicher Weise umgebildet. Die Studierten und Lateinkundigen sahen
denn auch das Segensreiche der Reform Miranda's und die Unentbehrlich-
keit der jambischen Langzeile schnell ein: Coimbra, Miranda's Vaterstadt,
ward die Hochburg der Petrarchisten. Und von der Universität aus drang
die zeitgemä.ssc Neuerung nach Lissabon in den Pallast , wo ja auch ein
Sigaeus und Hermigius, Aires Barbosa, Andrt^ de Resende, Clenar-
dus und Teive unter den Infanten und Infantinnen mit dem Geschmack an
den Sprachen Roms und Athens, das Verständnis für die Ideale der Renaissance
entwickelten. DieSöhne zweier Hauptvertreter der zweiten Periode, D. Manoel
de Portugal, Sohn desD. Francisco, und D. Francisco de Säe Menezes,
' Dazu noch : I). Antonio de .Sä e Menezes, Antonio d e A z e v e d o .
Manoel d'Oliveira, D. Fernando de Lima, Simäo da Silveira, Manoel
M a 0 h a d o u a. m.
^ Man findet sie nicht allein in Miranda's Gedichten (z.B. No. 150, Oktave 4 der
Kinicitiing sowie 147, 16— 20) und den Autos des Gil Vicente, sondern Reflexe davon
;uich f)ei anderen Autoren, (wie Barros, Jorge Ferreira etc.).
■^ Resend e's Tod glaube icii »um 1540< ansetzen zu müssen (s. .S. 258 und 265),
und nicht erst 1554. wie andere Litterarhistoriker thun. Sein Hofeinfluss war ir->3y zu
Ende. An eine gewisse Feindseligkeit oder mindestens Gleichgültigkeit seinerseits gegen
Miranda und dessen anspruchsvolles Pastoraldrama muss man glauben, fia er in seiner
Keinichronik »Miscellanea«. der wichtigen Neuerung mit keinem Worte gedenkt. Nur die
alte Zeit, die alten Sitten unl die alten hispan. Verse preist er (Manriqtie, Villena, Mena,
Santülana) \ von Portugiesen bloss Gil Vicente. Freilich hat er die Miscellanea schon
1534 abgeschlossen.
* Die capellas iinperfcitas der U at a I h a- Kiiche, mit ihrer Renaissance -Veranda v. J.
1535 sind das i)eredteste Zeugnis für diesen Umschwung.
^ Aires Barbosa - die Gouveias — Clenardus — Vasaeus Fabri-
lius — Teive — Buch an am — Azpilcuela Xavarro - Goes - Osorio —
um nur die berühmtesten zu nennen.
* Von Fernam d'Oliveira. Drei Jahre später folgte Joao de fiarros mit
seiner Grammatica, einer Cartilha, dem Dialogo da Lingua port. etCi S. u. p. 333-
Sä DE MiRANDA. 30!
Sohn des Joäo Rodriguez, waren die ersten Granden, welche den Pallast-
damen, statt Motes und Glosas^ Sonette und Elegien und Oden widmeten, und, an
Stelle harmloser momos und kecker autos^ schwermütige Idyllen einstudieren und
aufführen Hessen. Im Jahre 1540 war es bereits geschehen. Und die Jugend
stellte sich im Königshause natürlich auch auf die Seite der Neuerer. Der
Thronerbe D. Joäo (1537 — 1554J erbat sich (1550 '51) Abschriften von
Miranda's Gesamtwerken'. Sein Halbbruder, o Senhor D. Duarte (1521
— 43) ahmte in seinen Studenten-Reden die Prosa des portug. Meisters nach^.
Die Infanten D. Luis, D. Henrique und D. Duarte nahmen die Wid-
mungen einzelner Werke huldvoll entgegen.
Trotz der Zulassung des neuen Stils ward aber naturgemäss in den
Schlössern die alte Manier nach wie vor ergiebig gepflegt, da das natürliche
Gebiet des Liedes und des improvisierten kurzen Gelegenheitsgedichtes eben
der Salon ist. Ja, die selben Dichter, die in Coimbra und bei ihren ersten
Schultriumphen sich des altklassischen Hexameters in lateinischen Kompo-
sitionen und des ital. Metrums in portugiesischen bedient hatten, scheuten sich
nicht, sich des Altväter-Hausrats zu bedienen, wenn sie bei Hofe ein- und aus-
gingen, froh eine Saite mehr, und noch dazu eine so leicht und klangvoll ertönende,
auf ihrer Leyer zu haben"^. Manche begünstigten dann sogar die alte Troz'a
(z. B. Jorge Ferreira de Vasconcellos und Francisco de Moraes). So
leidenschaftliche Verfechter wie Castillejo fand diese jedoch in Portugal
nicht. Unverbrüchlich treu blieb ihr keiner der neuen Hof- und Kunst-Lyriker.^
Aber auch nur einen gab es unter ihnen, der Jene Volksliederweisen gänz-
lich verachtete, offen bekämpfte, und sich nie dazu herabliess, sie anzuwenden :
Antonio Ferreira, von dem bald die Rede sein wird, derselbe charakter-
feste Patriot, der nie eine Zeile spanisch schrieb^.
125. Kann also, meines Erachtens, nur von 1526 bis 36 (oder 39) von
einem feindlichen Gegenüber der Troznstas und Fetrarchistas bei Hofe die
Rede sein, nach 1540 aber nicht mehr; ertönten in Wirklichkeit daselbst, wie
in den Romanen und auf der Bühne, Gesänge in hispanischer Weise neben
den italianisierenden, so muss die rückblickende Litteraturgeschichte jenen
Gegensatz dennoch festhalten, weil durch ihn eine schroffe Scheidung zwischen
Hof- und Volkspoesie eintrat. Die vornehmen Werke der »Italiener«, welche
mit Neologismen und mit alexandrinisch anmutender gelehrter Verbrämung ge-,
schmückt sind, blieben, kraft ihrer klassischen Stoffe, Gestalten und Gedanken
»Kaviar fürs Volk«. Kein einziger Hcndekasyllabus ward populär (trotz der
Lusiadenj. Und selbst die Kunst-/r^e/<?^ der Quinhejitisten drangen nicht in
die Masse. Denn auch sie wurden jetzt spiritualistischer im Gedanken und
' Dri'i ]\Ial sandte Miranda dem Fürsten Teilstücke seiner AVerke, wie meine Aus-
gal>e zeigt.
^ S. p. 761 meiner Ausgabe.
' An Versiiclien, aus dem Gebiete der neuen Versmasse in das natürliche Bereich
lier altnationalen Weisin überzugreifen, hat es natürlich auch nicht gefehlt. Auch Eglogas in
llendekasyllaben wurden in Musik gesetzt (eine von Camöes, laut J. F. d e V a.scon cello s
in cap. 100 des Sagramor; eine andere von Garcilaso. laut D. Quix. II cap. 58);
Sonette, Canzonen und Oktaven dienten als Thema für Liedei- und Glossen etc., die dadurch
gezwungen wuiden, sich gleichfalls in Langzeilen zu bewegen. Dass sie vereinzelt blieben, ist
selbstverständlich. Braga's Bemerkung, die Lieder in heimischen Kurzzeilen gehörten
stets der ersten Jugend der Dichter an, {Cnrso I.37 und öfters) ist daher nur halb richtig.
Der Weg der ganzen Geistesstiömung, wie der Entwickehmg des Einzelnen, ging von Coimbra
nach Lissal)on.
* Ein Portugiese blieb dennoch den Trovas treu, jedoch auf span. Boden, und zu
Gunsten der span. Litteratur: Gregorio Silvestre.
' Von ihm stammt das Wort: chamou 0 povo a sua itwengäo irovai ... »a antiga
Hespanha deixo ao povon (man zitiert meist untreu >;a antiga trova deixo ao povo) und der
schöne Ausspruch : te cTesla gloria so ßco conlente que a minha terra amei e a mmha geutev.
302 T.ITTERATURCESCHICHTE DER KOMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LlTT.
verfeinerter im Ausdruck, bis Camöes in den unvergleichlichen Quintilhos
über Babel und Zion (Sobolos rios gue väo: 1566) das Meisterstück dieser
echtpeninsularen Richtung lieferte, deren Gesetze um 1600, als sie überlebt
waren, D. Francisco de Portugal (der Jüngere) in seiner Arte de Galan-
teria in Worte fasste. Die Bezeichnung »irovai blieb verpönt, seit Ferreira
gesprochen. Man wählte nun die Bczeiclinung redondilha für alle Nationalweisen,
gleichviel ob sie in losen oder in festen Liedformen auftraten ^ Die Volksmuse
aber ward banaler, ideenärmer und kunstloser, seit der bis 1 500 mehr oder
minder enge Kontakt mit den im Pallaste ertönenden Weisen aufgehört hatte.
126. DieTrovistas, d.h. die wirklich volksmässigcn, oder für die Masse
des Volkes im Nationalstil schreibenden lyrischen und epischen Dichters des
16. Jhs. , sind in ihren dramatischen Produktionen, von denen später die
Rede sein wird, ausnahmslos Schüler Gil Vicente's und als Lyriker aufs
engste verwandt mit diesem selben Dichter, und mit denjenigen Poeten des
Canc. de Res.^ die mit ihm an ungekünsteltem, derben Mutterwitz rivalisieren.
Erhalten ist wenig von ihren Produktionen, teils weil sie nur in fliegend(>u
Blättern erschienen, teils weil die zügellose Freiheit, mit der auch das Heiligste
in den Staub gezogen und parodiert ward, zu Verboten in den Indices Expur-
gatorios''^^ und zu dementsprechender Ausrottung führten, nachdem sie Miranda
und andere Geister seines Schlags zu bitteren Klagen veranlasst hatten^. Das
galt besonders von Romanzen über Stoffe aus der heiligen Schrift [Romances
sacros^ die übrigens meist span. abgefasst waren), von humoristischen Parodien
wie die Coplas da burra — Trovas etn louvoi- do Gallo — Vida da Gali^ von
Gebeten (Ora(öes) und Komödien^. Erhalten sind einige kleine Poesien
von Gil Vicente {Obras meudas), unter denen das bereits erwähnte Klage-
lied der Bacchus - Freundin Maria Parda das populärste ist. Zwei seiner
Kollegen, der talentvolle, aber sittenlose Ex-Mönch Antonio Ribeiro (zu-
benannt »Chiado« und »Dizidor bargante«), und der Mulatte und Franzis-
kaner Affonso Alvares führten einen grimmen Federkrieg mit einander''.
Der erstere lieferte ausserdem »Verwarnungen« (= -»Avisos«.) nach dem Schema
«Hütet Euch« . . . ., eine »Ordensregel« [Regra e Spiritual) , »Grabschriften«
{Lettreiros) und »Narrheiten« in Prosa (Parvdices)^. Luis Brochado aus
Tanger schrieb »Müllerlieder« —= »Trovas do Moleyro«. Der blinde Balthasar
Dias aus Madeira behandelte die karolingische Rittergeschichte vom Marques
de Mantua in Dialogen (nach span. Muster); in schlichter Romanzenform die
Clementia-Sage (Empcratriz Porcina), und gab humoristische Heiratsregeln
{Conselhos para casar) ; sowie Sprüche gegen die Frauen {Malicia das mulheres),
und alle seine Schriften werden heute noch gedruckt und gelesen'^. Die
Romanzen aus dem klassischen und bretonischen Sagenkreise, sowie über vater-
ländische Geschichte, welche der Hofmann Jorge Ferreira de Vascon-
cellos schrieb, drangen hingegen nie ins Volk^. National in wahrem Sinne
waren nur die Prophezeiungen des bibelkundigen Schuhflickers Gongalo
' Miranda hat den Ausdruck redondilha in den dem Kronprinzen zugesandten Texten
nicht benutzt: und ich hätte besser gethan, wenn icli ihn aus den Poesias gänzlich ver-
bannt hätte (s. )). CXlll). — S. ob. p. 275 Anm. 3-
^ Der erste span.-portug. Index erschien 1559 '. bloss portug. : 1564, 1581, 1597,
1624, 1667. 1747. 1791.
» S. z. B. Miranda No. 108, Str. 16-17-
* Auch die obras de grafas e zombarias que andäo m Cajicioneiro gerat wurden vei-
boteii: 1581.
^ S. Obras do Chiado, ed. Pimentel 1889 p. 171— 202.
* Ebenda zu suchen.
^ Ztschr. Bibliogr. 1878 p. 85.
* Sie stehen im it Memorial da Segunda Tavola Redonda<i. und zum Teil in Braga's
bunt zusammen gewürfelter und dennoch unvollständiger y>Floresta Je Roma7!^est,
VOLKSMÄSSIGE LVR. U. EPISCHE DICHTER DES l6. JhS. 303
Kann CS Bandarra aus Trancoso in der Beira (f nach 1556) -»Trovas em ar
de prophecia^^ dessen vague und apokalyptische Träume über Portugals Zukunft
alle älteren handschriftlich kursierenden merlinischen Wahrsagungen aus dem
Felde schlugen, und von Hand zu Hand und Mund zu Mund wanderten. Die
Inquisition, der sie verdächtig wurden, forderte 1541 den einfachen Mann
vor ihr Tribunal, musste ihn aber freisprechen. Auf die peninsulare Idee
einer fünften Weltmonarchie, dann auf das bretonische Erhoffen des Wieder-
kehr Sebastians, und schliesslich auf die Restauration von 1 640 gedeutet, wurden
sie beständig verbreitert, so dass das Echte an dem erst nach 1600 gedruckten
Texte schwer abzugrenzen ist^. — Unter den von Braga erwähnten Arrenegos
eines angeblichen Affonso Valentim sind sicherlich die Arrenegos von Gre-
gorio Affonso zu verstehen, welche schon der Cancioneiro Gerat bot; und
auch die Trovas moraes des D. Luis da Silveira, in denen er verlorene
Unbekannte sucht^, sind, wie mir scheint, nichts als die berühmte ebenda ge-
druckte Paraphrase des salomonischen Vanitas vanitatum. Eine moralisierende
Exclamafäo contra os vicios von Joäo de Barros (1561) ist verschollen.
Eine Pratica entre a velhice com a razäo der dichtenden Nonne D. Joanna
da Gama kann als Beispiel flir die übliche Klosterdichtung gelten 3. Von
einschlägigen Erzeugnissen eigentlicher Hofpoeten gehören hierher nur die
öfters genannte Reimchronik Resende's und einige politische und persön-
liche Satyren, die meist in derbem Schuhwerk einherschreiten. Ich nenne als
Beispiel die »Trovas de Maria Fintieiro« (I554)^ ein genealogisches Schmäh-
gedicht auf die Vorfahren des Grafen von Castanheira Johann's III. allmächtigen
Günstling, weil sie im Leben dreier Portugiesen, Ribeiro's, Miranda's und
des Damiäo de Goes eine verhängnisvolle Rolle gespielt haben; eine Satyra
im Mingo-Revulgo-Stil des Fernam Rodrigues Lobo Soropita"' und
die »Trovas ao modo pastorit de Franco a Sebasto^^, in denen der Graf von
Vimioso (?) , den König Sebastian vor Irrungen warnt. Doch ... sie sind
ja spanisch geschrieben ! Die in allen genannten und in ähnlichen anderen
Stücken angewandten Formen sind stets einfache oder dissonierende Reim-
paare, die erweiterten Pareados der Fado-Form, Romanzentiraden, Vierzeiler,
Fünfzeiler oder ganz reimlose Achtsilbler"^.
127. Unter den Qtüntuntistas prc-camomanos oder Mirandistas ist der
bedeutendste ohne jeden Zweifel Jorge dcMontemör. Jedoch gehört dieser
Dichter, der echteste Künstler, den Portugal vor Camöes hervorgebracht und
der sein herrliches Talent auf allen lyrischen Gebieten bekundete, sowohl was
eigentliche Lieder nach heimischem Muster als was klassische Dichtungen be-
trifft, nicht der portug. sondern der span. Litteraturgeschichte an, da er, von
zwei Liedern, und einigen Reihen Prosa abgesehen^, all seine Werke in der
' 1644 in Nantes, vielleicht jedoch schon 1603 in Paris; später kommentiert von
dem mit vollem Recht berühmten Jesuitenpater Antonio Vieyra. — Letzte Ausg. 1822.
2 Z. B. Cnrso p. 21.3.
* TiDitos da Freyra« lööö und 1872.
* Gedruckt in C. C. Branco's TiCurso de litteratura porttigneza-'^ II p. 313- Dort
wurden die anonymen Strophen Damiao de Goes zugesprociien. N.äher läge es, auf den
Dichter D. L u i s d a S il v e i 1 a zu raten, der vor Castanheira der Günstling Johanns III.
gewesen war. Vgl. Ascites de /nsomnia, Bd. IX.
* S. Braga. Questoes p. 266—273.
^ S. Barbosa Machado 11 230 und Leitao de Andrada, Miscellanea, Dial.
VII p. I.05. Der Autor und sein Werk fehlen bei Garcia Peres.
' Ein Cancioneiro oder besser ein livro das trovas, welches alle einschlägigen Erzeug-
nisse des 16. Jhs. enthielte, fehlt bis heute. Handschriftliche Gedichtalbums mit diesem
Titel hat es jedoch gegeben: zwei befanden sich z. B. 1600 im Nachlass eines Kapitäns
von Tidore und Colombo, Diogo de Azambuja e Mello.
* S. Diana, Libro VII: Os ienipos se mudaräo und Sospiros mitiha lembranga. Die
Prosa ebenda beginnt: Ah pastora, und geht bis esperatifa d'ella.
304 Lrn EkATLRGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. Ll'lT.
Sprache des Nachbarlandes schrieb, dessen Bürger er spätestens 1548 ward,
ihm als Musiker und Dichter, als Ronnanschreiber und Soldat dienend. Der
Geist seiner Dichtungen ist jedoch durchaus und echt portugiesisch. '
128. Nächst Montemör sind die hervorragendsten Schüler Miranda's:
der schon mehrfach erwähnte Doktor und Obertribunalsrat {desembargador) An-
tonio Fcrreira (1528 — 69), der seinen Versen den klassischen Titel -»Poemas
lusiianos« gab;'-^ D. Manoel de Portugal, der als Mäcen des Camöes hochver-
dient ist (1525 — 1606); der korrekte, doch trockene und pedantische Humanist
Pero de Andrade Caminha (c. 1520 — 1580), der als Kämmerer des Infanten
D. Duarte in nahen Beziehungen zum Königshause und allen Höflingen stand;
Andre Falcäo de Resende (1535 — -1599), einer der gelehrten und recht-
schaffenen Neffen des Garcia de Resende und des berühmten Archäologen
Andrd de Resende; der vielseitige Diogo Bernardes, der den Mangel an
regelrechten Studien durch sein natürliches Talent wettmachte (c. 1530— 1605),
und sein nicht minder begabter Bruder Agostinho Pimenta(i54o — 1619),
der jedoch leider seine weltlichen Gedichte zerstörte, ehe sein frommer Sinn
ihn in das Franziskanerkloster Arrabida trieb, wo er als Frei Agostinho
da Cruz eine Fülle zarter und gedankenreicher mystischer Gedichte schrieb"^.
Dazu kommen dann viele Dutzende solcher, die in der schönen Zeit der
jungen Liebe, oder unter dem Beispiele ihnen befreundeter Poeten, sich auch
im Dichten versuchten^, zum grossen Teil höfische Dilettanten, Nachkommen
der im Cancioneiro Geral vertretenen Granden , die ihre wenig zahlreichen
und fast immer wenig bedeutenden Gedichte aber überhaupt nicht sammelten.
Man findet Proben ihrer Thätigkeit , Lobsonette , Anwortscpisteln , Gelegen-
heitsverse, oder auch nur Anspielungen auf dieselben, einzig in den Werken
ihrer berühmteren Freunde. Und im günstigsten Falle können wir Ergänzungen
1 Jorge aus Monte mör-o-Velho bei Coimbra, ein wahrscheinlich illegitimer
Spross der Acielsfamilie P a i v a e P i n a , der deshalb des eigentlichen Familiennamens ent-
behrte, hatte vielleicht eine spanische Künstlerin zur Mutter, unter deren ausschliesslicher Hut
er aufwuchs: so wenigstens würde man seine sorglose Erziehung (er war aller Latinit.ät banr)
und die tadellose Reinheit und musikalische Vollendung seiner kastilischen Rede begreifen,
vom ersten litterarischen Schritte an, den er übrigens noch (1545) in Lissabon that. Diese
Hypothese und manches Thatsäcliliche (übei- seinen Aufenthalt in Sevilla, Valladolid. Valencia
und Flandern, seine Be/ieiiungen zu span. Grossen und Diclitern) , das ich erst neuerdings
entdeckt habe, fehlt in Georg Schönlierr's sonst gut gelungener Doktor - Dissertation
»J. d. M., sein Leben und sein Scii.äferroman , die Siete Libros de la Diaiiav, Halle 1886.
^ y>Da antigtiidade imagem verdadeira«. . wenn luan ein portug. Urteil darüber für
massgebend hä't.
' Die Werke dei' meisten Qu in li e nt is ta s lan-sierten, solange sie lebten, nur hand-
schriftlich, also in eng begrenzten Kreisen. Dass M irand a ' s Gedichte erst 37 Jahre nach
seinem Tode eischienen, weiss der Leser bereits. Ferreira's Lyrik blieb 29 Jnhre un-
gedruckt (bis 1598); die Poesias des Caminha veröffentlichte die Nachwelt erst 17'/^:
die des Falcäo de Resende erschienen sogar erst 1860, und zwar in unterbrochener
und noch heute unvollständiger Ausgabe; die geistlichen Verse des Agostinho da Cruz
hatte man 1771 ans Licht gezogen, liernardes sorgte selbst, ob auch spät, iur seine
Werke, und bot 1594 Rimas ao Born Jesus, und 1596 0 Lyma , sowie Fcores do Lyma\
D. Manoel de Portugal Hess wenigstens seine frommen Weisen als r>Obras<i 160.5
erscheinen. Sein kräftigeres Schriftsteller-Temperament bezeugte iVl o ntem ör auch dadurch,
dass er seine Sciiöpfungen allmählich, stets aber gleich nach ihrem Entstehen, erst in
fliegenden Blättern und dann als T>iederbücher herausgb: 1545 eine Glosa auf den Tod
der portug. Mutter des Infar.ten D Cailos, 1548 einen Psalmo: 1554 seinen Canrionero,
der bis 1588 neun Auflagen erlebte; 1558 den Cancmiero Espiritiial, worin diei Autos \
'558/ 1559 die Diana, die allein im 16. Jh., trotz des Verbotes von 1581, 20 Mal wieder-
gedruckt ward.
* Th. Braga, der die Mirandistas nicht von den Camonistas trennt, bietet in seiner
Hist. de Catn. II 585 eine Liste mit 203 Namen vermeintlicher Poeten des 16. jhs. Viele
Irrtümer sind darin, die ich hier nicht berichtigen darf; doch bleibt die Schaar eine grosse,
auch nach Streichung aller unbefugten Eindi'iuglinge.
Schüler Sä de Miranda's. 305
dazu aus handschriftlichen Gedichtalbums zusammenlesen. Ich nenne, bei-
spielshalber, die Namen der besseren: D. Francisco de Sä e Menezes,
den erlauchten Statthalter Portugals (1580), von dem 66 Sonette in Evora
ruhen; seinen Bruder D. Antonio, die Gebrüder D. Simäo, Heitor und
Vasco da Silveira, Antonio de Castilho, D. Francisco de Moura,
D. Luis und D. Jorge de Menezes, Andre da Fonseca, Pero de Lemos,
Ruy Gomes da Grä, Gomes Freire d'Andrade.
Sie kultivierten alle von Mir an da eingeführten Gedichtarten im ital.
Geschmack, und erlernten es rasch, wohllautende und geschmeidige Hendeka-
syllaben zu bauen. Nur der Königsvetter D. Manoel de Portugal (der erste
Apostel Miranda's) und Ferreira, denen am Inhalte mehr als am Klange
lag, tind die sich, wie ihr Meister, einer lakonischen und didaktischen Rede-
weise befleissigen, rangen noch mühsam mit dem anfangs spröden Material.
In der Canzone wurde weder Vieles noch Glänzendes geschaffen. Im
Sonettenfach, das endlose Wiederholungen und blosse Studien nach be-
rühmten Mustern aufweist , entstand neben manchem Mittelmässigen , vieles
Schöne (das z. T. unter Camöes' Namen umläuft). An nichtigen Spielereien
ist jedoch kein Mangel. Die Sitte, polyglotte Sonette zu schmieden, oder
poitug. Sonette mit einer geflügelten Zeile in anderer Zunge (und zwar meist
in ital., doch auch in spanischer) abschliessen zu lassen, begann schon um
1550, wenn sie auch erst nach 1600 eine der üblichsten Modethorheiten ward.
Dielehrhafte Epistel in Terzinen, welche Mir an da nicht deutlich genug
von der Elegie geschieden hatte, wurde vervollkommnet, besonders von Fer-
reira (der 26 Exemplare lieferte). Die Elegie selbst entwickelte man stil-
gerechter. Epitaph und Epigramm, die Miranda nur ganz nebenbei gepflegt
hatte, verwendete man überreichlich, Ausonius, Martial und Sannazzaro nach-
ahmend. Besonders that dasAndrade Caminha. Die Ode fügte man neu hinzu
(Ferreira, Caminha, Falcäo de Resende). In Blankversen versuchte sich
Ferreira. Den Stoff zu erzählenden Gedichten in Oktaven entnahm man meist
dem Lebender Heiligen ', oder der Wissenschaft, wie in dem Lehrgedicht des
Res ende •» Microcosmographia ou da Creafäo e Composifäo do Hörnerne ^ das einige
Querköpfe noch heute in Camöes' Werken erhalten, wohin es unrechtmässig
geraten war. Religiöse Sermone in einreimigen Elfsilbler-Triaden (Cantares und
Omilias) erfreuten sich einer gewissen Gunst. An direkten Übersetzungen aus
der Antike und nach ital. Musterstücken liess man es nicht fehlen {Horaz —
Martial — Ausonius — Mose hos — Anakreon — Homer i. e. Batrachomyotnachie,
Sannazzaro, Angeriano)^. Für meistwertig galt jedoch das bukolische Genre,
das daher mit Vorliebe gepflegt wurde. Erst der war Meister der Dichtkunst
poeia laureatus — der eine Egloga in Hendekasyllaben unter dem Beifall
des Hofes zur Darstellung gebracht hatte. Frohe und trübe öffentliche Er-
eignisse , die Heirat und der erste Waöengang des Kronprinzen Johann
(1552 53), sein jäher Tod (1554), Sebastians Geburt; das Ableben Johanns III.;
Misgeschicke portug. Waffen auf afrikanischem Boden; die Pest von 1569;
Miranda's Heimgang etc. geben den Anlass zu immer neuem Wettbewerb um
Thalia's Huld. Die Behandlung intimerer Familien- und Herzenstragödien
bestimmte die Widmung der Eglogas amatorias an diesen oder jenen hohen
* Z. B. die Historia de Santa Comba dos Valles von Ferreira und die Historia de
Santa Ursula von Bernardes, welche fanatische Cainoes-Schwärmer (an ihrer Spitze der
unvermeidliche F aria- e- S ousa) mit Beschlag belegt und für kamonianisches Hab und Gut
erklärt haben.
2 Madrigal und Ballata wurden erst später von einigen nach-kamonianischen Seiscen-
tistas eingeführt. (S. u. p. 330). Sie waren mit Vilancete, Cantiga und Esparsa zu
nahe verwandt, um den Reformatoren zu gefallen.
Gröber, Grundriss. IIb. 2U
3o6 LiTTERATURGESCHieHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PüRT. LlTT.
Herrn. Der Dichter wählte wie früher bald lyrische, bald epische, bald drama-
tische, meist aber gemischte Einkleidung. Die redend eingeführten Personen
sind nach wie vor schwach maskierte Figuren aus dem wirklichen Leben (wie
Androgeo -- Andrade, Limiano - der Limasänger Bernardes); oft
aber auch Abstraktionen mit Namen, die einfach den Gebirgshirten charakteri-
sieren (Serrano, Montano, Alpino, Silvestre). Abwechselung erreicht man
durch Einführung von Strandbewohnern (z. B. ein Ribeiro bei Bernardes),
Schnittern (Segadores bei Ferreira), Fischern (s. bei Bernardes eine Pis-
catoria, nach Sannazzaro), oder auch von Nymphen und Faunen. Zu Ele-
menten aus den ältesten, vor Vicente liegenden volkstümlichen Pastoralen griff
nur einmal Ferreira in einem Weihnachts-Idyll {Natal). Im allgemeinen strebt
man dem Virgilischen Ideal nach. Die volle theokritische Natürlichkeit erreicht
keiner der Bukoliker so gut wie Miranda, wie auch keiner von ihnen das alte
Metrum für brauchbar, und Einlagen heimischer Lieder für stilgerecht erachtet
hätte*. Weder Ferreira's ernste, lehrhafte und oft steifleinene, noch
Camin ha 's kalte, höfische Verse haben übrigens echte bukolische Reize.
Dagegen treffen die weichen, schlichten, oft wehmütigen Gefühlsäussrrungen
des Bernardes, der feines Verständnis für alles Volkstümliche hatte, den
Idyllenton so gut, dass Lope de Vega später erklärte, von Bernardes
habe er es gelernt, eine Egloga zu schreiben 2.
Dass alle Schüler Miranda's, mit alleiniger Ausnahme Ferreira's,
dann und wann das peninsulare Metrum in selbständigen, kleinen Salonliedern,
familiären Briefen etc. verwerteten, sei noch einmal bemerkt. Mit Glück und
Geschmack thaten es Bernardes, und, jenseits der Grenze, die beiden Musiker
Montemör und Silvestre.^.
II. DRAMA.
a) VOLKSMÄSSIGE BÜHNENSTÜCKE. — b) KUNSTMÄSSIGE SCHAUSPIELE.
129. a) Das Inventar über die Hinterlassenschaft der Trovistas drama-
ticos ist etwas reichhaltiger als das der Volkslyriker und Epiker.* In Gil
Vicente' s Tagen hatte das Volk sich daran gewöhnt, nicht nur religiösen
' Nur eine Egloga piscatoria von Agostinlio da Cruz bildet eine Ausnahme.
^ Die Beschuldigung, Bernardes habe sich handscliriftliche Werke des Cawo^j zu-
geeigiiet (ausser dem f/r«//a-Epos noch Eglogas, Elcgias, Sonetoa und Redondühas) und die-
selben unter seinen Originalwerken als sein Eigentum drucken lassen, ward erst um die
Mitte des 17. Jhs. erhoben: ich brauche nicht zusagen, von wem. Bekanntwurde sie erst
als der Pater J. Th. de Aquino (1779) einen Teil der unbenutzt gebliebenen Camoes-<Zo\w-
mentare Faria-e-Sousa's verwertete. Sie ist vollkommen grundlos, wie W. Storck
wieder und wieder dargelegt hat , und wie ich noch einmal im Zusammenhang erläutern
werde, da die hässliche Sage von portug. Kritikern (worunter Braga) leider immer von
Neuem wiederholt wird.
^ S. ausser B r a g a ' s : » Quinhentistasi. noch Francisco D i a z , Analyse e combinagces
filosoficas sobre a elocugäo e estylo de Miranda, Bernardes etc.« in den akademischen »Memarias
de Litt., Bd. IV, 1793; Joaquim de Foyos, Sobre a Poesia Bucolica dos Poetas Por-
tuguezes, ib. Bd. 1 1792. Unbekannt ist mir Castonnet-Desfosses. Poesie Pastorale
Portugaise in V Instruction publique 1881. — Die Portugiesen erklären gemeinhin sieben
von ihren BukoJikern für klassisch; von A^tw Mirandistas drei: Miranda, Ferreira und
Bernardes; dann Cam 0 es; und von den C(7»?ö«M/aj drei andere: Alvares do Oriente,
Rodrigues Lobo und Manoel da Veiga. S. u. § 144. Die Zahl der Idyllen, welche
hernach im 17. und 18. Jh. und noch bis 1850 erschienen, ist Legion.
* Man lese Braga, Theatro Portuguez Bd. l Buch 11 p. 2üO. Die Daten des dazu
gehörigen Repertoriums sind jedoch mit grösster Vorsicht zu lienutzen, weil teilweise ent-
schieden falsch. Oft ist als massgebend das Jahr eines zufällig erhaltenen fliegenden Blattes,
oder das Datum irgend eines historischen Ereignisses angesetzt, auf das im betreffenden
Stücke angespielt wird.
Drama: Volksmässige Bühnenstücke. 307
Vorstellungen, sondern auch munteren Possen beizuwohnen : Autos, Praticas,
Passos, Dialogos und Colloquios. In Lissabon z. B. hatte das Krankenhaus
des Klosters Allerheiligen [Hospital de todos os Santos) einen Theaterhof (Pateo
das Cof/iedias), aus dessen nicht bloss hieratischen Vorstellungen es (wie von
allen Stierkämpfen) reichlichen Ertrag zog. Das religiöse Auto kultivierten be-
sonders Geistliche, oft im Auftrage frommer Kongregationen. Die Weihnachts-,
Oster-, Corpus-Christi und Heiligen-Feste verlangten immer neue Einkleidung
der üblichen Stoffe. Die gelungensten davon werden heute noch gedruckt, gelesen
und aufgeführt z. B. in S. Mafamude (Minho), Coi-vo {Douro), und Ligares (Tras-os
Montes) 1. Der schon oft genannte Bedienstete des Erzbischofs von Evora, A f f o n s o
Alvares, schrieb ein Auto de S. Barbara^ einen Sto Antonio^ einen Santiago und
einen verschollenen S. Vicente. Von Frei Antonio deLisboa haben wir ein
VVeihnachtsspiel : Pratica de tres pastores-. Sein Auto dos dous ladröes ist hingegen
unfindbar. Der Pater Francisco \ az aus Guimaräes verfasste ein „Auto da
Paixäo"; Balthasar Dias schon vor 1537 ein „Auto da Paixäo^'- , eme,r\ D.Aleixo
und 6". Catharina.'^ Anchieta, der Apostel Brasiliens, schrieb für seine Missions-
zwecke eine dramatische Bibelgeschichte: Pregafäo Universal. Von Unbekannten
existirt ein »Jüngstes Gericht« {»Dia do Juizo«) »Adam e Eva«, S. Genoveva,
Deus Padre e a Misericordia. Eine moralisirende Allegorie mit idealen Be-
griffsfiguren ist das Auto da Ave Maria von Antonio Prestes, der auch in
seinen weltlichen Dramen gern Personifikationen von Dingen und menschlichen
Eigenschaften anbringt (Dinheiro, Fortutia, Razäo, Justifa u. a. m.). ^
Das weltliche Auto, wie die Nachfolger Gil Vicente's es handhabten,
steht dem wahren Kunstwerk noch viel ferner als des Meisters Bühnenstücke.
Handwerksmässig, ganz ohne Einbildungskraft, mit wenig Witz und viel breitem
Behagen werden die Vorwürfe aus dem (den bürgerlichen Autoren bekannten)
Alltagsleben der niederen Volksschichten gegriffen und mit realistischer Treue,
ohne Vermeidung nackter Worte, vorgeführt. Der Vers und das reinigende
Lachen, das über die Rücksichten der Welt erhebt, sind die einzigen ideali-
sierenden Elemente. Wir verkehren in diesen Grotesken mit hungernden Edel-
leuten und ungehobelten Landjunkern aus den untersten jener 5000 »tnora-
dores«, welche die casa real besoldete. Wir sehen, wie sie mit ihrer schäbigen,
diebischen Dienerschaft feilschen, und wie die knapp gehaltenen und doch
hoch-romantischen Hausfrauen die Sklavinnen schelten ; wir wohnen ehelichen
Zwistszenen, der Langenweile der häuslichen Arbeit, Gevatterklatsch, Trinkge-
lagen, Spielabenden, Weihnachtsschmausereien und Besuchen bei weisen Frauen
bei; wir hören Lebens- und Erziehungsregeln, Schreiben aus Indien, sentimen-
tale Liebesbriefe, welche kleine Schulknaben tür eine Hand voll Kirschen anal-
phabeten Jungfräulein und Zöfchen vorlesen ; sowie Lieder, die meist ergötzliche
Parodien auf die alte, abgestandene Hoflyrik sind ; wir lernen Volksgebräuche und
Provinzial-Sitten kennen; den Jargon der Dorfdoktoren und Richter; das Kauder-
wälsch der Neger; das verstümmelte Spanisch unwissender Gecken, welche als
Dorftroubadours {trovöes und vendecoplas) die höfische Mode nachäffen. Kurz,
ist der Kunstgenuss auch hier abermals »nicht vorhanden«, so ist hinwiederum
der kulturhistorische Ertrag ein ausserordentlich reicher. Und ein gewandter
Darsteller könnte eine Galierie von Bildern ä la Teniers darnach zeichnen.
Am ergiebigsten scheinen mir von den Possen, die ich kenne, die fol-
* S. Zschr., Bibl. 1878, p. 85 wo einige Titel aus der Bibliotheca para o povo an-
gegeben sind. — Vgl. auch Rev. I.usitana II p. 256.
* Gedr. 1887 in Herrig's Archiv Bd. LXV. — » S. Salvä Nos 1220—1223.
* Als Auto-Schreiber werden noch genannt: Antonio Pires, Frei Bras de
Res ende, Francisco Luis, Joäo deEscobar, Siniäo Garcia. Die drei kleinen
autos, weiche Monteniör zwisclien 1548 und 1553 zur Weihnachtfrühmette für Kronprinz
Philipp von Spanien verfasste, sind natörlich spanisch gesclirieben.
ao*
3o8 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
gen den : drei Stücke des schon genannten Chiado (f 1591), das verweltlichte
Weihnachts-Auto, das er »Die Gevattern« betitelt hat (Fratica de Compadres),
»Die Hökerweiber« {As Regateiras) und »Gespräch zwischen 8 Figuren« ;i
die 7 Autos des Antonio Prestes, in denen ausser Abstraktionen und rea-
listischen Typen auch Charakterfiguren wie ein Eifersüchtiger und ein Ver-
trauensseliger auftreten [Auto do Proctirador — do Desembargador — dos doiis
trmäos — da Ciosa — do Mouro Encantado — dos Cantarinhos »representado ein esta
cidade de Lisboa«)'^ ', ferner »der Arzt« (A. do Physico) von einem Bruder des
Chiado, Jeronymo Ribeiro; »Rodrigo e Mendo« von JorgePinto; die »6'.?««
Policiana« von Anrique Lopes, und »Z>. Andri«- von einem Unbekannten^.
Verboten und verloren sind viele Possen mit hübschen Titeln wie: Jiibileu de
Amores — Far(a penada ( — Trauerposse) — Vida do pa(o — Braz Quadrado
(^= der vierschrötige Bras) — Guiomar do Porto — O Duque de Florenfa —
D. Florambel — D. Gonfalo Lhambao — Os empenhos (:= Gönnerschaften).* Dazu
ein vermutlich historisches, schon 1559 untersagtes, Schauspiel über den Kriegs-
zug nach Tunis (1535), in welchem der edle Infant D. Luis (1506 — 55) eine
so glorreiche Rolle spielte : »6? Auto dos Captivos, chamado de D. Luiz e dos
Turcos,« das von einigen Kritikern, auf Grund seines Titels, dem Infanten selbst,
von anderen aber Gil Vicente zugesprochen wird. (S. ob. p. 282 Anm.)
130. Man muss die Monotonie, Kunstlosigkeit und drastische Derbheit
dieser szenischen Jahrmarksbilderbogen kennen, um richtig zu würdigen was
für ein gewandter, feiner und selbständiger Dramatiker in Camöes steckte^.
Ich stehe nicht an, ihn einen Neuerer zu nennen. In jungen Jahren, wahr-
scheinlich zu Lissabon, zwischen 1543 und 49, entwarf er, wohl zur Unter-
haltung eines kleinen Kreises von Gönnern und Freunden, drei frische und
muntere Lustspiele, die, obwohl hastig und mit loser Hand geschrieben, dennoch
den individuellen Stempel des Dichters tragen , und alles überragen was die
dramatische Muse Portugals bis dahin im Nationalgeschmack geschaffen hatte.
Sein Zweck bei diesen Versuchen konnte nur der sein, in bewusstem Gegensatze
einerseits zur Vicente' sehen Schule, und andererseits zur Reform Miranda's
und Ferreira's (von der ^132 spricht) zu zeigen, wie man aus dem unvoll-
kommenen, aber lustigen Vulgärschauspiel und der regelrechten, aber lang-
weiligen, klassischen Schulkomödie durch Verschmelzung ein annehmbares
Gebilde herstellen könne. Zwei Mal holte er seine Stoffe aus der Antike,
mit deren Dramen er auf der Universität durch Schulaufiführungen vertraut
geworden war, modernisierte und nationalisierte sie aber, dem Geschmack und
Geist der akademisch und höfisch gebildeten Jugend gemäss. Das dritte Mal
dramatisierte er eine unbedeutende, mittelalterliche Abenteuernovelle. Alle drei
Mal aber gliederte er seine Fabel gut, schürzte geschickt seinen Knoten,
zeichnete seine Figuren mit Humor (Götter, Könige, Helden, Ritter, Knappen,
Diener, Damen wie Zofen) beschränkte das possenhafte Element, dämmte die
Vielsprachigkeit und die durch Gesang und Tanz erzielten Nebenwirkungen ein,
und schuf, trotz des Rhythmus und des Reimes, einen lebendigen Dialog unter
Vermeidung von Anstössigkeiten, meist in leichtfliessenden trovas redond{ilha)s^^
1 y>Ohras do Poeta CIiiado<f. Liss. 1889. Vgl. Ztschr. XV p. 550-558.
^ Autos de Antonio Prestes, ed. Tito de Noionha Porto 1871. Vgl. Rev. Lus. I 86.
^ Sie stehen mit den Possen des Cliiado, Prestes und den Lustspielen des Camoes
in: Primeira Parte dos Autos e Comedias Portuguezas, welche ein Angehöriger der Hofkapelle,
Affonso Lopes, 1587 herausgab.
■* S. Indice expurgatorio de 1559. 1624 etc.
* Bouterwek und seinen Nachschreibern fehlte die grundlegende Kenntnis. Ihr
Urteil ist darunri nicht massgebend.
' In Strophen von 5. 6. 7. 9. lO und 1 1 Zeilen , wozu Liedereinlagen kommen
{ynotes, und 1 Sonett: Klage des Antiochtis, Storck II No. 212, p. 214 und 410. — Die Be-
zeichnung „trovas redondas" gebrauchte 1574 Magalhäes de üandavo.
Drama: Camöes. Jorge Ferreira de Vasconcellos. 309
hie und da auch in derberer, mit Allusionen, Witzen und Citaten geschmückten
Prosa. 1 Der •»FilodemoK^ behandelt den Doppel-Liebesroman zweier dänischer
Köiiigskinder, welche schifÜDrüchig und als Waisen nach Spanien kommen, des
Filodemo^ der sich in Dionysa verliebt, und der Florimena, um welche Venan-
doro wirbt. Der -»Ret Seleuco«, ein Polterabendscherz •'• mit derb-komischem
Vor- imd Nachspiel in Prosa, befasst sich mit der von Plutarch erzählten und
seit Petrarca hundertfach verwerteten Liebesthat des syrischen Monarchen
Seleukits, Ae^r Stratonike, eine seiner Frauen, dem liebeskranken Sohn Antiochus ab-
tritt. Beide Stücke stehen an Wert weit hinter den y> Enfatriöes« (oder Amphitryöes),
zurück,, einer freien Bearbeitung des plautinischen Lustspiels, worin das Qui-
proquo des wahren und falschen AmpMtriio und des wahren und falschen Sosias
(dessen dramatische Wirksamkeit durch die Zweizüngigkeit des letzteren noch
erhöht wird) zu ergötzlichster Wirkung gebracht wird. '' Das übliche Renais-
sance-Gemisch zwischen griechisch-römischen und christlichen Anschauungen
fehlt auch in dieser Bearbeitung nicht, die sich trotzdem wie ein aus einem Gusse
hervorgegangenes Originalwerk liest. Leider hat Camöes diese Versuche nicht
fortgesetzt. Mindestens je ein Mal sind sie unter Mitwirkung des Autors in höfischen
Kreisen sicherlich zur Darstellnng gekommen,-^ wahrscheinlich aber öfter.
131. Eine ganz andere Bahn betrat Jorge Ferreira de Vasconcellos
{\ 1585), ein kluger und gelehrter und dabei romantischer Hofmann, der
1534 Page des Infanten D. Duarte war, später aber in Diensten Johanns III.
stand, seine Dramen und Ritterromane jedoch dem Kronprinzen D. Joäo hand-
schriftlich , und nach dessen frühem Hinscheiden , im Drucke, dem jungen
Sebastian widmete. Er verfasste in Prosa, und zwar in echter Umgangssprache
(em mera linguagem), einige novellistische, stark moralisierende Buchdramen,
in je fiinf langatmigen Akten, nach dem Muster der span. Celestina\ doch
ahmt er weder die Genialität, noch die Zügellosigkcit des Vorbildes nach. Alle
drei Stücke sind reich an gut beobachteten Sittenbildern, in denen besonders
das nebenbuhlerische Gegenüber der Spanier und Portugiesen, und dazu das
^ Diese Dramen, die wie alle portug. Lustspiele schwer verständlich sind, liegen
in trefflicher Verdeutschung von Store k vor (Bd. VI der Sämtlichen Gedichte, 1885) mit
dankenswerten Erläuterungen, die natürlicli jedoch nicht alle Schwierigkeiten heben. Faria-
e-Sousa hat einen hs. Kommentar hinterlassen, der unfindbar scheint.
^ Der Dichter wollte nicht, dass man diesen Namen als »Volksfreund:' auslegte. Man
soWK^e: Feloäemo %^Y^A\^\\ \\w\ ß-lo-o-detno — »der Teufel machte ihn«, also »Teufels-
junge« darunter verstehen, lls. eihalten im Canc. fjiis Fratua; gedr. 1587. 1615. 1616.
1666 und so oft die »Gesamt-Werke« sp.äter erschienen. Die Annahme, das Stück sei erst
in Goa 1555 entstanden, ist falsch. Daselbst wurde es nur wiederaufgeführt {^icomedia
representada tia India a Francisco Barretoi.).
* Nach Storcks guter Auslegung, ist er der Hochzeitsfeier eines Gonc^alves mit einer
Mendes gewidmet. Vielleicht ward er (wie auch der Filodenw, der mit einer Doppelhochzeit ab-
sciiliesst) im Hause der (}rafen von Linhares inszeniert, dessen Wein-Hof {patio das parreiras)
öfters dramatische Aufführungen sah. Das MS. befand sich in Privatbesitz, und ward erst
1645 veröffentlicht. Die zahlreichen Allusionen darin auf Personen und Geschehnisse zu
deuten (die für Camöes verhängnisvoll geworden sein sollen), ist heute kaum möglich. (S.
S t o r c k , Camoens Leben § 1 76).
* Ober die Amphitriöes lese man, au.sser S t o r c k , noch C. v. Reinhardstoettner:
Dk plaiüinischen Lustspiele in späteren Bearbeitungen, Leipz. 1880 p. 26 —,36, und E. Gigas,
Xyere Digteres Bearbeidelser af Plaiitiis Amphitriw, Kopenh. l87y. p. 120— 123. Der Ver-
gleich mit den damals schon vorhandenen romanischen Bearbeitungen {Collenuccio l,5fX);
Villalobos 1515; Oliva 1530) fällt für Camöes glänzenrl aus.
* Gemeinhin wurde angenommen, der Amph. sei noch während der Studienzeit für
eine Schulaufführung geschrieben (Coimbra 154'-i). doch ist das irrig. Eine Aufführung in
Lissabon wird durch die Erwähnung des .Stadtviertels Alfama (in Zeile 175), und durch
das erhaltene f^obsonett eines Zusciiauers ausser Frage gestellt (Quem e este qiu na harpa
hisitana — ahate as musas gregas e as latinas), auf welches C am des antwortete (S t o rc k
11 p. 378) süw^ie dm-ch ein Citat im Atäo de Rodrigo c Mendo. Dass der Amph. und Filodcmo
zum Pal last- Repertoir gehörten, darf man daraus schliessen , dass ein mo(o da Capella real
beide Stücke zuerst ans Licht zog.
3IO LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
Treiben der Indien fahrer, sowie die Auswüchse des Hoflebens und ihr Einfluss auf
die Provinz mit Geschick dargestellt ist. Überdies sind sie gesättigt einesteils mit
klassischen Anekdoten, anderenteils mit Anspielungen auf Nationales und mit
volkstümlichen Sprichwörtern und Formeln, die zu Hunderten, rosenkranzartig
aufgereiht, besonders von den Nachfolgerinnen Celestina's in ihre »Sermone«
eingeflochten werden. Span, und portug. Lieder in Trovas und Prosabriefe,
sowie ganz span. Rollen fehlen ebenso wenig wie in den Dramen der Troinstas.
Das erste seiner Stücke, die (besonders in Spanien) vielgepriesene »Eiifrosina«,
in welcher der Student noch eine wichtige Rolle spielt, entstand wahrscheinlich
noch während der Lehrjahre (zwischen 1527 und 1534) in der Klosterschule von
S. Cruz'. Die beiden anderen hingegen mit den klassischen Namen »Ulys-
sippo«^ und »Aulegraphia«.^ stammen aus Lissabon, und haben zur Aufgabe, das
Treiben der Hauptstadt und ihren verderblichen Einfluss zu schildern. ^
132. Lange bevor Camöes, und noch ehe Jorge Ferreira de Vas-
concellos die Herrschaft der Vicente' sehen Autos zu brechen suchte,
hatte Miranda den Kampf gegen dieselben aufgenommen. Als er von Italien
heimkehrte , fand er das Hoftheater in demselben Zustand wie vor seiner
Reise, Fünfmal allein im Jahre 1527 bot sich ihm Gelegenheit, den üblichen
Festaufführungen beizuwohnen, und sich die »neuesten« Bühnenstücke anzu-
sehen^. Ihr mittelalterlicher Charakter und ihre Stillosigkeit verblüff"ten den
Dichter, der soeben in Mantua , Ferrara, Rom und Florenz Dramen wie
Machiavelli's Andria und Commedia in Prosa, Bibbiena's Calandra^
Ariosto's Suppositi, Nigromante , Cassaria und Lena^ und andere Nach-
ahmungen der Menaechmi und des Poenulus hatte darstellen sehen (vielleicht
mit Dekorationen von Raphael), und sich, studierend, an Plautus und Terenz
geweidet hatte, die Nutzanwendung für Portugal überdenkend. Um dem Monar-
chen und seinen jüngeren, geistig hervorragenderen Brüdern 6 eine Vorstellung
von dem zu geben was man zur Zeit im Vatikan und an den kleinen ital. Höfen
unter einer Commedia' verstand, und so den portug. Dramaturgen den Weg
zu weisen, schrieb er zwei Intriguenkomödien in Prosa: y>Os Estrangeiros«^
meiner Meinung nach gleich 1527/28 8, und später die » Vilhalpandos« (i 538?)^.
Beide stehen unter dem Einflüsse Bibbiena's und Ariosto's, haben Italien
(Palermo und Rom) zum Schauplatz, und benutzen fast ausschliesslich die auf
der ital. Bühne heimischen (im Grunde ganz oder halbheidnischen) Sitten, Situ-
ationen und Charaktere: den lasterhaften Diener, der seinem jungen Herrn
gegen den betrogenen »Alten« und den »Erzieher« (ayo) beisteht; Hetären
{cortesanas) ^ Zuhälter (rufiäes)^ Parasiten, Heiratsvermittler, Kuppler, renom-
' Spät gedruckt, wie fast alle Erzeugnisse der Zeit, nachdem das Drama als Manuscript
eingereicht und verbreitet worden war; 1560 zu Evora und 1561, dann zu Lissabon 1616, in
Überaibeitung vonRodrigues Lobo. Diesem sprach man irrtümlich die Autorschaft zu.
Und auch als Werk eines }uan de Espera- en- D io s wird es bezeichnet! (In Wirklich-
keit hat Jorge Ferreira einer Figur dieses Namens fd. h. dem »Ewigen Juden:<) den
Prolog der Etifrosina in den Mund gelegt. Spanisch von Fernando de Bai lest er os y
Saavedra, nach Lobo 's Text; herausgegeben von Quevedo 1631 (und IVliö)
^ Gedr. 1618 und schon vorher in datenloser Ausgabe, um 1587.
^ Gedr. 1619. Das Stück ist laut des Dichters schon im Titel ausgedrückter Absicht
»hum largo discurso da Cortesania vulgär«.
* Kritische Neuausgaben sind auch hier ein Bedürfnis.
^ Diesem Jahre gehören an: das Auto da Feira, Historia de Deus, Coimbra, Man
d'amores, Serra da Estrella und vielleicht Resurreigäo.
^ D. Luis, D. Henrique, D. Du arte, sowie der Senhor D. Duarte und
D. JoTio de Lencastre standen in litterarischen Beziehungen zu Miranda.
'' Gil Vicente hatte das griech. Wort zwar .schon 1514. 1,521 und 1527 ange-
wandt, doch, nach Miranda's Begriffen, sicher ohne Fug und Recht.
* Braga datiert das Drama aus dem J. 1545, irrtümlich, soviel ich sehe.
* Laut Braga, vor 1536.
Prosakomödie: Miranda. Ferreira. — Tragödie. 311
mierende Soldaten u. a. m. , wozu als moderne Elemente ein pedantischer
Dr. juris (nach Ariost) kommt, und, aus eigener Erfindung, eine, für Portugal
typische Figur, die frömmelnde Alte {beata) und ein franz. Page. Der Kardinal-
Iiifant Heinrich nahm die Widmung der beiden Comedias ertiditas foder C. de
arte) an '. Für ihn sollen sie auch dargestellt worden sein. Doch entsprach
der zu wenig ergötzliche fremde Gegenstand, und die einfache, natürlich fliessende
Prosa dem Nationalgeschmack nicht, der sich, nach wie vor, an Vicente's
buntem, salligen Allerlei belustigte; und Miranda, der, anscheinend, über
wenig dramatische Erfindungsgabe verfügte , erneuerte seine Versuche nicht.
133. Der einzige unter den Zeitgenossen, der seinem Beispiel folgte
und Prosakomödien im römisch -ital. Geschmacke ohne alle Gesangseinlagen
schrieb, war Ferreira. Noch als Schüler der alma mater^ 24 bis 25Jährig,
verfasste er während einer Ferienmusse zur Selbsterheiterung sein erstes Lust-
spiel y/Brisio«. Die Abenteuer zweier verlorener und am Schlüsse von ihren
Vätern rekognoszierter Kinder bilden den Vorwurf; und 2 Alte, 2 verliebte
Jünglinge mit ihren weiblichen Partnern, und 2 Soldaten, von denen der eine
ein Rhodenser Ritter und zugleich miles gloriosus, der andere aber ein Parasit
und feiger Bramarbas ist, spielen nächst dem kupplerischen Titelhelden, die
Hauptrollen. Die Kommilitonen nahmen (1552 '53) das Lustspiel, das der
Autor mit lateinischem Kunstausdruck als »Comedia mixta, a mor parte
d'ella motoria« bezeichnet, beifällig auf2. Es ward sogar dem Kronprinzen
gewidmet^. Einen bedeutenden Fortschritt bezeichnet sein zweites Stück
»O Cioso« , das wie das erste in Italien spielt. Mit Recht wird es als das
früheste, moderne Charakter-Lustspiel bezeichnet. Sind der Moralabhand-
lungen darin auch zu viele und zu lange, und ist die Figur des eifersüchtigen
Gatten auch etwas karikiert, so sind die meisten übrigen Personen sehr natür-
lich und bestirnmt gezeichnet ; die Prosa der Dialoge ist präzise und elegant,
und an wirklich komischen Szenen kein Mangel.''
134. Dieser selbe tüchtige, von Rom und Griechenland ehrlich be-
geisterte Dichter und Patriot, der ernstlich danach trachtete, die heimische
Litteratur zu heben, und seine Landsleute zum Gefühl für wahre Kunst und
reinen Stil zu erziehen , beschenkte sie noch mit etwas ganz Neuem , der
ersten Tragödie, im Geschmacke der Antike. Nach griechischem Muster,
die drei Einheiten beobachtend (ob auch die der Zeit und des Ortes nicht
völlig), lässt er eine absichtlich sparsame, aller Intrigue baare Handlung sich
unter wenigen Personen in fünf kurzen Akten abspielen (die eigentlich nicht
mehr als Szenen , oder blosse Dialoge sind). Und zwar verwendet er in
allen Monologen und Dialogen ausschliesslich reimlose Langzeilen {versos soltos
von II, selten von 7 Silben), die nur durch einen zwiefachen Chor unter-
brochen werden, der (zum ersten Male in Portugal) in mannigfach wechseln-
den, den Griechen nachgeahmten metrischen (iebilden (worunter Oden, und
Sapphische Strophen) seine Betrachtungen, getragenen Stils, vorträgt. Dabei voll-
brachte er obenein noch etwas, was selbst in Italien und Spanien noch Niemand
gewagt hatte: d. h. er griff, statt zu einem antiken Vorwurf, zu einem Stoffe
aus der vaterländischen Geschichte. Seine Wahl fiel auf die mittelalterliche,
romantische, später so wiederholentlich auf die Bühne gebrachte^ Liebe Peters
' Die Villialpandos wurden, scheints, auch D. Du arte übersandt. S. Miranda p. 761.
^ T>Nesta Universidade recebida e publicadav^.
^ Ich erwähne diese und ähnliche Thatsachen absichtlich, um zu zeigen , dass der
intime Zusammenhang der Dichtkunst mit dem Hofleben auch in der 3- Epoche, noch fort-
daueit, wenn auch gemildert.
' (ledruckt wurden beide Komödien erst 1622. Der Cioso ward ins Engl, (von M u .s gr a v e
182,")). ins Kran/,. ( von F. Denis l83,=S), und ins Deutsche (l 782) von einem H.v.Z. übertragen.
^ Ich könnte lo portug., 4 span. und dazu mehrere Dutzende ausländischer Bearbei-
tungen anführen.
312 Litter A.TURGESCHICHTE der romanischen Völker. — 4. Port. Litt.
des Grausamen zu D. Ines de Castro^ so dass (bezeichnend genug) die früheste
und eigentlich einzige portug. Tragödie eine Liebestragödie ist. Gewiss
hätte sich aus dem vorzüglichen Stoffe Wir-kungsvolleres machen lassen. Den
bewegten, wahrhaft dramatischen Szenen geht Ferreira, geflissentlich oder un-
absichtlich, aus dem Wege. Weder die Liebenden, noch Vater und Sohn stehen
einander auf der Bühne gegenüber. Der Kampf zwischen Pflicht und Neigung in
D. Pedro ist nur angedeutet. Das Pathos ist etwas geschraubt und die Rede
aller Personen zu gleichförmig. Die zarte D. Ines und ihre alte treue Amme, der
Infant und sein Sekretär, der grimme König und seine zum Morde ratenden
und den Mord ausführenden Conselheiros sprechen ein und dieselbe Sprache;
und auch der die Frauen begleitende Chor der Co'i'mbraner Mädchen unter-
scheidet sich nicht hinlänglich vom Ritterchor des Infanten. Doch sind Stellen
von wirklich hervorragender lyrischer Schönheit darin (z. B. der Hymnus an
die Liebe). Und die Zeitgenossen und Nachkommen bewunderten mit vollem
Recht, abgesehen von der Neuheit des kühnen Unterfangens, die Schlichtheit
des Aufbaus, die Reinheit des Stils, und die Hoheit und Würde der portug.
Sprache, die etwas völlig Unerwartetes war.
Obgleich in der Studierstube und für dieselbe verfasst (zwischen 1553
und 1567), ward die Tragödie Ines de Castro (deren genauere Entstehungszeit
unbekannt ist)^ doch in Coimbra gespielt^, vermutlich von den selben Studenten,
welche gewohnt waren, Terenz und Seneca und lateinische Schuldramen ihrer
Professoren aufzuführen^, und zwar unter Ferreira's persönlicher Leitung,
also ehe derselbe seinen Posten als Dozent der Rechte gegen eine Stelle am
Obertribunal zu Lissabon vertauschte, d. h. vor 1567. Gedruckt ward sie
erst 1587 (und in verändertem Texte 1598)*. Vorher aber (1575) hatte
der Gallizier Jeronymo Bermudes, ehe er Dominikanermönch ward, während
seines Aufenthaltes in Portugal, das nach gewohnter Sitte handschriftlich ver-
breitete und von Genossen des Autors bei Lebzeiten dichterisch verherr-
lichte Werk^ kennen gelernt und so grossen Gefallen daran gefunden, dass
er es bald treu, bald freier hispanisierte und zu seiner Übersetzung, die er
y^Nise lastimosa« betitelte, einen (schwachen) zweiten Teil hinzufügte, die
»Nise Laureada«, deren Gegenstand die Krönung der Leiche und die an den
Mördern genommene grausige Rache ist. Da beide Teile, unter dem Pseu-
donym Antonio de Silva als »Primeras Tragedias Espamlas« bereits 1577
gedruckt wurden, so entstand der Irrglaube, Ferreira habe den spanischen
Autor plagiiert. Heute teilt ihn kein Einsichtiger mehr 6.
' Das Datum »vor 1558«, welches man aus Äusserungen des Sohnes in der Vorrede
zu den Poemas Lusitanos erschlossen hat, ist kein sicheres.
^ Die äusserst seltene, den meisten Litteraturkennern völlig unbekannte Ausgabe von
1587 (die möglicherweise nicht einmal die erste ist), nennt den Namen des Autors gar nicht,
sagt aber von der tragedia muy sentida e elegante: ••^foy representada tia Cidade de Coimbran.
S. Castilho: Antonio Ferreira, 3 Bde., Rio 1875 und Sousa Viterbo: Frei Bartlio-
lomeu Ferreira, 1892 p. 35. Übersetzt ward die Tragödie ins Engl, von Musgrave 1826.
* Schon im 15. Jh. las man Seneca' s Tragödien {Medea, Hercules, Hypolito) und
citierte sie gern. Noch vor der Reform von 1537 studierte man Terenz und Plautus und
die griech. Tragiker und begann damit, sie zu inszenieren. An gedruckten Hispanisierungen
liegen (ausser dem Amphitruo von Perez de Oliva) die Hecuba des Kuripides und
die FJektra des Sophokles (als Agamemnon) vor, letztere auch von Henrique Ayres
Victoria, und zwar in Kurzzeilen, als t> Tragedia trovadai (1555. -• Aufl.).
■• Im Titelblatte heisst es: y>agora novamente acrescentada« . Das Werk des Bermudes
aber lehnt sich genauer an den Text der Ausgabe von 1587 an.
* Bernardes widmete ihm das Sonett: Ȁ Dona Ines de Castro prestimira-j , und
Ferreira antwortete darauf: -n Bernardes, cuj'o esprito Apollo inspirai.
* In dieser Streitfrage Ber m ude z — F err eira haben sich auch die Spanier, nebst
allen Ausländern, die sich mit span. -portug. Litteratur beschäftigen, entschieden zu Gunsten
Ferreira's Tragödie. — Luis de Camöes. 313
III. LUIS DE CAMOES.
135. Ihre Sommerhöhe erreichte die portug. Litteratur mit Luis de
Camöes (1524/25 bis 10. Juni 1580), der, wie schon berichtet ward, ihre
Dramatik in neue Bahnen zu lenken versuchte, ausserdem ihre Lyrik zur
Vollblüte brachte, vor allem aber in dem Nationalepos »Os Lusiadas«.
ihr Meisterwerk schuf. Wie so manches andere Genie, so führte auch Camöes
ein unglückseliges Erdendasein. Arm, verbannt und gefangen, verspottet und
verleumdet so lange er lebte, ward er hingegen nach seinem Tode ülier-
schwänglich geehrt. Kunst und Wissenschaft wetteiferten im Vaterland und
im Ausland darin, sein Leben und seine Werke zum Gegenstand begeisterter
Huldigungen zu machen. Grabmäler, Erinnerungstafeln, Statuen und Gemälde;
Romane, Dramen, Gedichte und Berge prunkender Rhetorik; illustrierte Pracht-
ausgaben; Übersetzungen, Erläuterungen, Nachahmungen und Parodien seiner
Werke; die 300jährige Jubelfeier seines Todes; eine eigene (ob auch thatenarmc)
Sociedade Nacional Camoniana, eine besondere, ob auch kurzlebige und kleine
Camöcs-Zeitschrifl ' bedeuten eine Apotheose, und haben bereits bibliographi-
sche Wegweiser durch die Camöes-Litteratur notwendig gemacht 2. Als »Fürsten
unter den Dichtern seiner Zeit« bezeichnete ihn schon 15 bis 16 Jahre
nach seinem Tode die von einem edlen Bewunderer gestiftete erste Grabplatte.
Doch war bereits damals, nach einem halben Menschenalter, die genaue Ruhe-
stätte des Toten innerhalb des dürftigen Lissabonner Klosterkirchleins »zur
heiligen Anna« nicht zu finden; noch wusste man Geburts- und Todesjahr
richtig anzugeben. Mythenbildung hatte schon begonnen, wenn nicht noch
bei Lebzeiten, so gleich nach Camöes' Ende. Sie schuf, vor 161 3, die
charakteristischen Worte: »er lebte arm und elend, und also starb er«,
die in Wahrheit nie zur Grabinschrift gehört haben. Aus dem Gedächtnisse
der Nachwelt werden sie trotzdem nicht auszurotten sein , ebensowenig wie
eine lange Reihe sich in gleicher Richtung bewegender alter Camöes-Märchen,
weil sie eine unbestreitbare Thatsache, — dass nämlich der grösste Poet und
Patriot der Nation zu den Unglücklichen und Enterbten gehört hat, — kürzer
und anschaulicher ausdrücken als die positiven Daten seines Lebens.
Von diesen wissen wir bedauerlich wenig. Trotz des humanistischen Ge-
bahrens aller gebildeten Quinhentistas fühlte kein Zeitgenosse sich berufen,
treue und ausführliche Erinnerungen und Nachrichten über Camöes für die
Mit- und Nachwelt aufzuschreiben (vielleicht weil das Gefühl: »finis Portu-
^aliae« 1580 zu bedrückend auf den Gemütern lastete). Die Adelsbücher
schweigen von dem verarmten Edelmann, der eines einst erlauchten Geschlechtes
letzter Sprosse war (s. ^ 82). Soldatische Heldenthaten, welche die Geschichts-
schreiber hätten verzeichnen müssen , vollbrachte der schlichte Afrika- und
Indienkämpfer nicht. Die Kolonial-Archive zu Lissabon und Goa, welche
notwendig Aufzeichnungen über ihn enthalten mussten, waren (nachweislich)
in heillosester Unordnung, und sind auch weder rechtzeitig noch gewissenhaft
Portugals ausgesprochen, und Feireira als ersten Verfasser vaterländischer Tragödien im
(leschmack der Antike anerkannt. Als Bouterwek schrieb, war der Sachverhalt noch
nicht hinlänglich klar. Daher seine Zweifel. — S. Moratin, Cataloiro No. l.SO; Martinez
de laRosa, Tragee/ia p. 4i) —nf> der Pariser Ausg.ibe; .Schack I 27;-{; Ticknor I 462;
Barrera v Leirado p. 38; Schaf fer, Spa». Natwnaldrama I p.6l -63; Braga, Theatro
\\ dp. 4 p. 73 — 114; Castilho Bd. 1; Inn. da Silva. I, 268.
' CirciUo Catnoniano hgg v.J. de Araujo 1889 und 90. Auch die Soc. Nac. Camo-
niana hat den ersten Bd. eines Annuano Camoniatio veröffentlicht (1881).
^ Die wichtigsten bibliogr. Hidfswerke sind; Braga, Bibliographia Camoniana, l>iss.
1880; J. de Vasconcellos, Bihliogr. Camoniana, Porto 1880 und Brito-Aranha
Bd. 14 und 15 des Diccionario Bibl. Portuguez. Liss. 1887 und 88.
314 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
genug durchforscht worden. Von den wenigen, erst 1860 aus dem Staats-
archiv zu Tage geforderten Urkunden betreffen einige (7) — deren Inhalt man
schon 16 13 ungefähr kannte — eine kleine Pension, welche König Sebastian
dem Dichter der Lusiaden bewilligt und Philipp II. später der überlebenden
Mutter zugewiesen hatte; eine andere einen tollen Handel, in dem der Dichter
raufboldartig einen königl. Beamten mit der Waffe verletzt hatte, was ihm
Gefängnis eintrug; und wieder andere (2) die Lusiaden Veröffentlichung'. Ein
angebliches Dokument über die Einschiffung nach Indien, welches Faria-e-
Sousa 1647 benutzt haben will, ist nicht wieder zum Vorschein gekommen. In
allem Übrigen sind wir auf die Selbstaussagen des Dichters angewiesen und auf
gelegentliche Vermerke in Handschriften und Druckwerken. Die letzteren sind
seltene, späte und unsichere Quellen; die erstcren hingegen, die sich im Epos,
der Lyrik, den Dramen und den Briefen des Autors finden, sind sehr zahlreich
und bedeutsam, trotz ihrer poetischen Einkleidung, die selbstverständlich dazu
zwingt, sie mit Bedacht und Kritik zu verwerten. Ich kann hier nicht dar-
stellen, wie aus diesen Elementen, mit Zuhülfenahme von Traditionen, die
Biographie des Camöes allmählich aufgebaut worden ist — von den spär-
lichen Notizen im ältesten Lusiaden - Kommentar des gelehrten Philisters
Manuel Correia an (geschrieben etwa 1595, gedr. 1613) und den ihn be-
gleitenden kurzen Prologseiten des Druckers Pedro de Mariz, über die
knappe, doch vortreffliche Lebensbeschreibung des tüchtigen Severim de
Faria (1624) zur Reform des um die Camöes-Forschung unzweifelhafl hoch-
verdienten, aber Wahrheit und Dichtung skrupellos durch einander mengenden
Faria-e-Sousa (f 1649) der dem Leser nachgerade hinlänglich bekannt ist, und
zu den sich daran knüpfenden Paraphrasen von Mickle, Adamson, Sousa
Botelho und Alexandre Lobo, bis Juromenha's erfolgreiche Durch-
musterung der Torre do Tombo {i2>6o) und Braga's Ausgestaltung der portug.
Litteraturgeschichte einiges Neue zu Tage forderte. Noch viel weniger kann
ich darlegen, wie neuerdings Wilhelm Storck jegliche ältere Behauptung
auf's Gewissenhafteste geprüft, ziemlich alles Unbeweisbare als Märchen aus-
geschieden, aus haarscharfer Analyse der echten Camoniana neue Mut-
massungen zur Ausfüllung der klaflfendsten Lücken gewonnen und ein »geord-
netes« kritischreformiertes y>Luis de Camoens Leben« gestaltet hat. Die fest-
stehenden Daten dürfen jedoch hier nicht fehlen — , da ohne dieselben das
Werk des Dichters unverständlich bleibt 2.
136. Geboren als einziger Sohn eines unbegüterten, bald hernach in
Goa in Folge eines Schiffbruchs verstorbenen Schiffskapitains, zu Lissabon
oder (wahrscheinlicher) zu Coimbra, 1524 oder 25, als Vasco da Gama
starb, mit dem er verwandt war, und an dessen erster Indienfahrt sein Gross-
vater Antäo Vaz teilgenommen hatte, erwarb Luis Vaz de Camöes sich
frühe staunenswerte Kenntnisse, vermutlich an der reformierten Universität,
als deren erster Kanzler der Prior von Santa-Cruz, sein Oheim Bento de
Camöes, drei Jahre lang füngierte (1539 — 41). Schon in Coimbra entbrannte
er in hoher und reiner Minne zu einer blonden Schönen und feierte sie in innigen
schlichten Canzonen, Sonetten und Elegien, die petrarchistisch in der
Form, platonisch im Gedankengange, sich durch die wehmütige Wärme des
Ausdrucks, die Reinheit der Sprache und die Eleganz der Hendekasyllaben vor
allem auszeichnen, was Miranda und die Mirandistas bis 1540 geschaffen
* Der I^eser findet sie geclruci<t bei yuromenha Bd. 1.
2 Die I]ai:[)twerke fCir den, welcher sich über den Dichter iinterricliten will, sind:
\V. Storck, Sämtliche Gedichte, 6 Bde. Paderborn l88o — 8;^ und Luis de Camoens Lebeti,
il). 1891 ; Hragn, Hist. de Camöes 3 Bde. und Camöes e 0 Sentimento Nacional 1891.
Oiiveira Martins, Camöes, os Lusiadas e a Renascetiga, I^orto 1891.
Luis de Camöes. 315
hatten. Nach beendeten Studien siedelte er nach Lissabon über, wo seine
(Geburt dem Cavalleiro fidal^o Einlass bei Hofe und sein Talent ihm Gönner
und Freunde, sein geniales selbstbewusstes Auftreten, die scharfe Zunge und
das noch schärfere Schwert ihm aber Feinde und Neider verschafften. Er
dichtet und singt, geniesst und tändelt, treibt verwegenes Spiel mit Herzen
•»em varias flanimas variamente ardendo«. bis eine Hofdame der Königin, D.
Catherina de Athaide — die Natercia seiner Dichtungen, — im Frühjahr
1 546 (wenn man der poetischen Einkleidung glauben darf, beim Charfreitags-
Ivirchgange !) ihn in Banden schlägt. Eigene Irrtümer, Neid Fortunens und
Amors Lug locken ihn nun ins Verderben. Der Widerstand, den er findet
(nicht von Seiten der Geliebten), die Schwierigkeiten, auf die er stösst, über-
reizen sein leichtbewegtes stürmisches Gemüt: er lässt sich hinreissen zu un-
bedachten Äusserungen und ungestümem Verhalten, und macht Schlimmes
schlimmer, indem er in verwegenen Thaten den Degen sühnen lässt, was die
Zunge gefehlt. Vom Hofe verwiesen trauert er sehnsuchtsvoll an den Ufern des
oberen Tejo {Ribatejo)\ kämpft dann zwei Jahre in Afrika (zwischen 46 und 49);
v^crliert ein Auge durch ein Sprengstück von einer Kanone; findet nach der
Heimkehr weder Anerkennung flir seinen Mut, noch Verzeihung für die alten
Sünden, noch Lohn für seine Gesänge, noch den Preis seiner Liebe; lehnt
sich in wildem Groll gegen die zu harte Strafe für jugendliche Vergehen auf;
wird zum händelsüchtigen valentäo, der Tage und Nächte mit schlechtem oder
höchst leichtfertigem Gesindel durchschwärmt; verwundet am Frohnleichnams-
festc (16. Juni 1552) einen Hofbeamter; (Gongalo Borges); wird mit Kerker
bestraft (bis März 53), und schliesslich nur unter der Bedingung freigelassen,
als Wafifenmann des Königs nach Indien zu gehen. Am 26. März 53 ver-
Jässt er das Vaterland als schlichter Soldat mit dem üblichen Jahressold von
9000 Reis, als echter Renaissance-Dichter die Worte Scipios auf den Lippen:
»Ingrata patria . . .1 Im September erreicht er Goa auf dem S. Bento-
Schifife; nimmt Teil an verschiedenen Kriegszügen, die ihn bis Ormuz und zum
Kap Guardafui {Ras-ef-Fil) bringen; kehrt nach Ablauf des obligatorischen
Trienniums nicht nach Europa zurück, sondern lebt weiter in Goa-Babel, ol)
auch in bitterer Sehnsucht nach der Heimat und der Geliebten (die 56 stirbt),
bald in geordneter Beschäftigung in Krieg und Frieden, bald nur den Musen
dienend; bald arm, bald massig begütert; leichtlebig im Glücke, schwermütig
im Unglück. Er missbraucht abermals Feder und Klinge; zieht sich abermals
Feinde zu, gerät auch vorübergehend in neue (niedere) Liebesbande (einer
buntfarbigen Bajadere); desgleichen in Schuldhaft; wird von einem Gouverneur
nach Macau als »Oberverwalter« der Güter verstorbener und abwesender
Landeskinder entsendet; betritt auf der weiten Fahrt Malakka und die Molukken;
wird vor Ablauf der Frist seines Amtes enthoben und zurückbeordert, weil
straffällig befunden. .Am Mekong erleidet er Schiffbruch und wird in Goa
zur Rechenschaft gezogen und gefangen gesetzt, bald aber wieder freigesprochen ;
tritt 1567 die Heimfahrt an; rastet in Mocjambique zwei Jahre, durch Krank-
heit und Mangel zurückgehalten, um zuletzt durch Freundesgrossmut bis ans
Heimatgestade geführt zu werden. Nach 16 jähriger Abwesenheit betritt er
Lissabon am 7. April 1570, und findet das Zion, nach dem er geseufzt, in
traurigstem Zustande wieder, von der Pest verwüstet, von Inquisition und
Jesuitismus zersetzt, in den Händen eines jungen, phantastischen, misratenen
Monarchen. Doch lässt Camöes sein Epos drucken und widmet es dem
Herrscher mit mannhaft spornenden Worten. Er wird karg abgelohnt; und
lebt noch eine Reihe von trüben Jahren bei seiner alten Mutter. Patriotische
Hoffnungen lodern auf, als Sebastian die afrikanischen Feldzüge unternimmt:
doch geht Camöes selbst nicht mit ihm, als Dichter nicht, weil Diogo
3l6 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Bernardes und Cortereal ihm vorgezogen werden, als Soldat nicht, wohl
seines Alters wegen. Der Wetterschlag von Alcacer-Qucbir brach sein Herz.
Er starb am lO. Juni 1580. Das letzte was er (in einem Briefe) schrieb,
war: »nicht genug damit, im Vaterland zu sterben, sterbe ich mit ihm«, den
bitteren, scipionischen Ausspruch also wettmachend. Der Herzog von Alba
hatte bereits mit Philipps Heer die Grenze überschritten und näherte sich der
portug. Hauptstadt. .So entging der Dichter dem harten Geschick, das so vielen
anderen Dichtern wie eine strafbare Handlung vorgeworfen wird', als Ersatz
für das von König Sebastian erhaltene Jahresgeld (fenfa), einen Gnadensold von
König Philipp anzunehmen. Doch sorgte letzterer für die alte Mutter.
137. Aus dieser selbst in ihren nacktesten Grundzügen noch bunten
und abenteuerreichen Fäa, aus den Schöpfungen des Dichters, welche seine
seelischen Zustände in allen Wechselfällen aufs Klarste ausmalen, und aus
dem was das nationale Herz an Legenden, Anekdoten und Märchenhaftem
in der ersten Zeit, von 1572 bis 1640, hinzugedichtet hat, um die spär-
lichen bekannten Thatsachen liebend zu vervollständigen, fixierte sich ein
bestimmtes Charakterbild, das umzugestalten heute sehr schwer sein wird.
Die Nation erblickt in Camöes den echtesten Typus des Portugiesen, der
Apollo und Mars dient, die Leyer in der einen Hand und das Schwert in der
anderen, im Herzen aber Frau Venus. Sie betont seine sehnsüchtige Ver-
liebtheit, sein martialisches Feuer, seine treue Vaterlandsliebe; und wenig
kommt ihr darauf an , ob die Ausschreitungen, zu denen die Liebeslciden-
schaft und sein Heroismus ihn hinrissen, leichter oder schwererer Art sind,
da er als Genius ja doch nicht nach den Gesetzen landläufiger Moral be-
urteilt werden dürfe. Seine Unfähigkeit, sich ins praktische Leben zu finden
und ein ruhiges bürgerliches Dasein zu führen, durch geregelte Arbeit Güter
zu erwerben und Erworbenes festzuhalten; sein massloses Selbstbewusstsein,
seine Rücksichtslosigkeiten, seine Auflehnung gegen das höfische Milieu, in
dem es ihm zu enge ward; seine Geneigtheit zum Zweikampf; die schein-
bare Gleichgültigkeit gegen alle Familienbande, die Ehe- und Kinderlosigkei'",
der unstäte Wandertrieb: das alles sind Züge, an denen man keinen Anstoss
nimmt, denn sie gehören und passen durchaus zum Typus des Dichter-
Genius. Andererseits betont man die Grausamkeit der auferlegten Strafen, den
Hass und Neid, die Missgunst, Klatschsucht und Tücke der mittelmässigen Gegner
und Nebenbuhler, den Undank der Grossen, wie die Knauserei des Königs.
Man glaubt an möglichst viele Verbannungen und Einkerkerungen, an Ver-
folgung und Anschwärzung durch eine ganze Meute kläffender Halbschlags-
dichter^, an zahllose Spottverse über die Excentricitäten des Dichters, an
wiederholten Diebstahl, den gemeine Naturen an seinem geistigen Hab und
> Den Dicliteni Bernardes, Falcao de Resende, Alvares do Oriente,
Mio;uel Leitao de Andrada, Jeronymo Cortereal, Perestrello u.a.m. (die
ril)rigens fast alle bei Alcacer-Quebir an Sebastians Seite tapfer gefochten hatten und in
Gefangenscliaft geraten waren) wurde der Verlust höfischer Amter, die sie bis 157^ (resp 80)
bekleidet hatten, durch andere Stellen, Pensionen oder Ehren vergütet. Einige von ihnen
wiihnetcn König Philipp und seinen Vertretern ihre Dichtungen, und feierten seinen Triumph.
* CJewiss nicht mit Unrecht. Spriclit doch schon einer der ersten C a m oes- Schüler,
der 1578 bereits ein Mann war, Fernam Alvares do Oriente von ilem -ncsquadräo de
Zoilos e Bavios . . . c/ue pretendiam daiiifical-o< . Doch fehlt es andererseits auch nicht an Be-
weisen von Achtung und Bewunderung, die dem Dichter bei Lebzeiten und unmittelbar nach
seinem Tfxle gezollt wurde. Ich nenne nur die Namen Diogo do Couto, D. .Manoel de
Portugal, Conde de Redondo, Bernardes, Gomes de Azevedo, Falcao
de Resende, sowie Tasso und Herr er a. Daran freilich geht die tendenziöse Kritik
nieist achtlos vorbei, obwohl (iiese widerspruchsvolle Dame sich trotzdem bemüht (z. B.
durch Biaga's Mund in der Hist. Cam.), eine möglichst lange Reihe von -Damigos de CamdesK
aufzu.stellen !
Luis de Camöes. 317
Gut begingen; an arge Verstümmelung seiner Werke durch die Censur der
Inquisitoren; besonders aber an Hunger und schwärzestes Elend. Man kann
und will den für seinen Herren bettelnden javanesischen Sklaven und den
Tod im Hospitale nicht fahren lassen'.
Und Storck's Kampf gegen den also aussehenden Camöes der Legende
scheint mir aussichtslos. Wenn er, hingerissen von der grossartigen Pracht
seiner Werke, von den hochherzigen Gedanken und den durch und durch
edlen Gefühlen der lyrischen und epischen Gedichte, im Lusiadensänger einen
Ehrenmann zeichnet — integer vitae scelerisque pirus^ — der zwar dann und
wann das moralische Gleichgewicht verloren hat, und sich von seinem hitzigen
Temperament und von seiner gewandten Zunge, zur Leichtlebigkeit und zu
manchem schwereren Fehl hat hinreissen lassen, diese menschlichen Schwächen
aber reichlich gesühnt hat ; wenn es ihn empört, dass gewisse Beurteiler aus
dem geistig und körperlich robusten Genius, der 16 Jahre das mörderische
Klima des Orients und See- wie Kiiegsgefahren erduldet hat und dabei un-
ausgesetzt im höchsten Sinne des Wortes geistig thätig war, einen Raufbold und
Mordgesellen und ungetreuen Verwalter, kurz einen halben Galgenvogel ä la
Vi Hon und Bacon machen — so muss man zustimmen. Und viele seiner
Berichtigungen im Einzelnen sind unwiderleglich. Doch nicht alle. Storck
glaubt an regelrecht zurückgelegte Universitätsstudien. Es scheint ihm undenk-
bar, dass der Wenigbemittclte hernach in den Tag hinein, bei und von
reichen Gönnern und Freunden lebte, ohne Stellung und Broterwerb; undenk-
bar auch, dass der Bettelarme dennoch einen Sklaven mit nach Europa brachte.
Er macht ihn daher zum Hauslehrer in Lissabon, lässt ihn in Indien Schreiber-
dienste thun und vom Erworbenen seiner alten Mutter (oder Stiefmutter) mit-
teilen; er nimmt an, der leichtblütige Südländer habe sich um etwaiger Geld-
schulden willen grosse Gewissensbisse gemacht, und sei seinen Pflichten als
Oberverwalter mit preussischer Beamtentreue nachgekommen. Die Liebe zur
schönen Sklavin Barbara (die von Splitterrichtern gemissbilligt und von Camöes
so zart verteidigt ward) verlegt er in die Zeit nach Katharinas Tode (1562J, und
hält sie für eine einmalige, kurze, schwerbereute Verirrung. Er will es nicht wahr
haben, dass der Dichter freiwillig zum Krieger ward, sondern fasst die Dienst-
jahre in Afrika und Indien wie Strafhart auf; und beruft sich auf Poesien,
aus denen Sehnsucht nach ländlichem Stillleben spricht. Eine Civilversorgung
und Katharinas Hand soll sein Ideal gewesen sein, und um es zu erreichen
habe er nach guten Führungs-Attesten gegeizt, Dienstpapiere sorgsam zusammen-
getragen und Immediateingaben gemacht. Das Gnadengehalt von 1 5 000 Reis
hätte immerhin einen äusserst bescheidenen und ökonomischen Herrn vor dem
Hungertode sichern können, und also preist Storck sogar die königl. Gross-
mut. Durch den Nachweis, die von Braga auf Camöes gedeuteten Epi-
gramme des Andrade Caminha (»An einen Einäugigen« — An den Rasenden
— den Sprachneuerer — den Selbstbewussten etc.) seien Studien nach Martial,
glaubt er festgestellt zu haben, sie seien auch nicht auf Camöes gemünzt,
noch auf ihn gedeutet worden. Kurz, Not und Elend, Hass und Feindschaft,
Schwächen und Fehler verflüchtigen sich unter seinem Auge allzusehr. — Irre ich
jedoch nicht sehr, so wird der Portugiese das sittenstrenge Ideal des deutschen
Denkers zwar bewundern, das von der portug. Nation konstruierte Charakterbild
aber für einheitlicher und für poetischer erklären und daran festhalten, in dem Glau-
* Das Urteil, welches die Kritik aus diesen Elementen zusammensetzt, ist freilich
ebenso wenig ein einheitliches, wie das Portrait, welches Maler und Bildhauer aus den über-
lieferten äusseren Zügen herstellen. Die einen machen aus Canioes einen Märtyrer und
Heiligen, andere einen korrekten Höfling und wieder andere einen wildgenialen Künstler, doch
ist dieser letzte Typus der bevorzugte.
31 8 LiTrERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
bei), es entspräche der Wirklichkeit im Grossen und Ganzen mehr als das, ohne
Rücksicht auf die Nationaleigcnschaften und oline Beachtung der Lebensauffassung
der Lateiner des i6. Jhs., im deutschen Dichtergemach geschaute Bild.
Auch will mir scheinen, es sei ein Glück, dass das Schicksal Camöes
nicht gewährte, was er, nach Storck, erstrebte, und sicherlich zeitweise auch
ersehnt hat: »ein Leben stillvergnügt und unbekannt«. Ein Glück, dass es
ihn hinforttrieb erst aus dem Vaterlande und dann aus der zweiten Heimat
in Goa. Weder in ländlicher Müsse, noch in dem sklavenreichen, üppigen
Babel-Lissabon, wo der wild geniale Jüngling sich vor so vielen Fallstricken
zu hüten hatte, noch im verderblichen Lotterleben des schlimmeren Babel-
Goa wäre Camöes der Schöpfer der Lusiaden gewoiden. Dazu brauchte es
des Pfahls im Fleische, den schmerzliches Heimweh und brennendes Vater-
landsgefühl bedeuten. Und ich meine ferner, wir brauchen von den Fehlern,
Schwächen und Verschuldungen des Dichters nichts zu verschweigen noch zu
beschönigen oder abzuschwächen. Er hat sie gesühnt und ausgelöscht durch
den unsäglichen Jammer seines gequälten Lebens, durch die verbüssten Strafen
und den reichlichen Tribut an Blut und Schweiss und Thränen, den er gezahlt.
Seltene Adclskraft, Ausdauer, Geistesstärke und Vaterlandsliebe hat er bewiesen,
indem er 25 Jahre, in drei Welten, unter Gefahren und Beschwerden, wie
wenige Dichter, ja vielleicht keiner sie durchgemacht, festhielt an seinem
patriotischen Lebensziel und Zweck - der Schöpfung der Lusiaden. — Und
ungescheut darf man ihn zu den grossen Genien rechnen.
138. Die Lusiaden. Hätte Camöes also die Wasserstrasse nicht
befahren, die einst Vasco da Gama durchmessen, er wäre der grosse See-
maler nicht, der mit so hinreissender Anschaulichkeit und so unvergleichlicher
Treue alle Schrecken und Reize des Ozeans schildert, und nicht der gestalten-
schaffende Naturbeobachter geworden, der das Stürmekap im Riesen Adamastor
so machtvoll verkörperte. Sein Heldengedicht wäre nicht das vom indivi-
duellen Charakter des Autors durchdrungene, maritime Epos, das es heute ist.
Mit Storck bin ich der Ansicht, dass erst 1553 auf dem Ozeane, gerade
nach den gemüterschütternden Eindrücken der letzten wilden Jahre, während
der sechs langen, einsamen Monate der Orientfahrt, der Plan entstand und
reifte, die Entdeckung des Seeweges als bedeutsamste Lusitanenthat zum
einigende]) Mittelpunkt des Epos zu machen. Der allgemeinere Gedanke hin-
gegen, die Nationalgeschichte überhaupt zu einer Epopöe auszugestalten und
Herold seines Volks zu sein, >~>pregäo do ninho meu patei-no«^ war viel älter,
und hatte den seiner Kraft früh bewussten Dichter unbedingt schon in der
Jugend gepackt. Lag doch der Wunsch, die von den Portugiesen vollbrachten
Heldenthaten gefeiert zu sehen, seit lange in der Luft. Wies doch der be-
sonders seit 1537 zu Coimbra eifrigst gepflogene Umgang mit Dias und
Odyssee, Aeneis, Pharsalia und Argonautica, der zur Abfassung latei-
nischer Epen führte (s. ^ 145), gebieterisch auf diese höchste Preisaufgabe
des Dichters hin. Hegten doch alle Quinhentistas, zunächst und besonders
Miranda, Ferreira, Bernardes, Montemör und dazu Joäo de Barros
(s. u. g 145) das gleiche Verlangen, ein portug. Virgil oder Homer möchte
erstehen. Sich selber aberkannten sie jedoch, in gerechter Einsicht, die
dazu nötige Phantasie und Schöpferkraft, und blieben bei ihren bukolischen
Vorstudien und kleinen Heiligenepen stehen. Ob nun, wie wiederum Storck
in höchst ansprechender Weise darthut, jener Wunsch in Camöes zum festen
Entschlüsse ward gerade als er, nach beendetem Studium, auf dem Marsche
von Coimbra nach Lissabon, im herrlichen Pantheon des zweiten burgundi-
schen Herrscherhauses rastete und, nahe dem Schlachtfelde von Aljubarrota,
am Grabe Heinrichs des Seefahrers und des Siegers von Ceuta kniete, oder
Luis DE CamOes. 319
anderwärts, vielleicht im stillen Kämmerlein bei seinen Geschichtsstudien, schon
in der Vaterstadt, wo in Santa Cruz die ersten Gründer des Reiches ruhen und
der »Liebesquell« die /«^^'-Legende lebendig erhält, — gewiss ist, dass bereits
in Lissabon, etwa 1 544, der Heldensang ihn beschäftigte. Gleich in seinem
ersten Idyll, das ohne Zweifel absichtlich eine schlichte Erzählung in Oktaven
ist, in denen er die Feder übt, verheisst er den historischen Sang'. Und im
zweiten Hirtengedicht, das er der Geliebten (etwa 1546) weiht, nennt ersieh
schon freudetrunken den »neuen Virgil«, und erfleht Kalliope's Schutz fiir
sein rauhes, sein ewiges Lied*. Was er damals schrieb, waren vermutlich
historische Gesänge, denn nur ein historisches Gedicht dachte er zu
gestalten. Er wird das herrliche Schlachtgemälde von Aljiibarrota, die fälsch-
lich »Episode« genannte //;^j'-^/^-Ca.f//<?-Erzählung verfasst, die Schlacht am Salado
mit der Fürbitte der Königin Maria beim Vater für den Gatten, möglicher-
weise die vollständigen Bücher der Könige {C\mto\W und IV) ausgearbeitet haben,
doch werden dieselben später, um sich harmonisch dem nach verändertem Plan
ausgeführten Ganzen einzufügen, unbedingt sehr starke Umgestaltungen er-
fahren haben (meine ich). Solch Meisterwerk entspringt nicht fertig dem
Hirne seines Schöpfers : die Kunst mit wenig Strichen so künstlerisch vollendete
Gemälde zu zeichnen, den Charakter seiner Figuren und den Geist ihrer
Thaten in zwei Zeilen zu bannen , erlernt man nicht beim ersten Versuch.
Das begeisternde Hochgefühl, das den jungen Dichter ohne Zweifel bei seiner
Arbeit, im Bewusstsein seines -»engenho novo e ardente«. ergriff, die damals
überschäumende Kraft hat ihm sicherlich viel weniger massvolle und abgeklärte
Darstellungen eingegeben. Sein wundervolles Gedächtnis wird ihn zur Über-
ladung mit unnötiger Gelehrsamkeit und zur übermässigen Verwertung poeti-
scher Latinismen und Gräcismen verleitet, und der erstrebte >estylo grandiloquo«,
die -»voz altisona«. und die »furia granäe e sonorosaa^ die der Epiker braucht
wenn seine »tuba canora e bel/icosa«. dröhnend erklingen soll, wird ihn zu
stilistischen Übertreibungen hingerissen haben. Ja, daran, dass es den ersten
epischen Versuchen gegenüber an Epigrammen missgünstiger Neider und
an teils gehässiger, teils redlicher Kritik von Seiten der korrekten hof-
männisthen Dichter nicht gefehlt hat, die aufCamöes das aristotelische Woit
vom Genius anwendeten — quadam mixtura dcmentiae — , zweifle ich nicht
(S. p. 316 Anm. 2). Verstummte ihre Stimme doch keineswegs ganz, als 20 Jahre
später das vollendete Meisterwerk erschien ! (S. u.) Die Kritiker irren also,
welche behaupten, das Epos sei in Indien begonnen und vollendet worden;
und Faria-e-Süusa, dessen Ansichten über diesen Punkt oft gewechselt
haben, belügt sich selbst (zweckbewusstj, sowohl wenn er von einer plötzlichen
Inspiration in Indien fabelt-', als wenn er versichert, Camöcs habe die ganzen
ersten sechs Gesänge noch in Portugal beendet. Auch Juromenha's Ver-
mutung, gerade der erste Gesang wäre schon in Portugal fertig gewesen, trifft
nicht zu; und noch viel weniger Braga's Versicherung, derselbe sei 1552/3
im Lissabonncr Gefängnis entstanden, unter dem Eindrucke, den die Lektüre
von Barros' Asia auf Camöes gemacht hatte*. Der erste Gesang gerade
entstand bestimmt später im Orient (am Ras-ef-Filf), gleichviel ob Camöes die
erste Dekade, deren viertes Buch die Fahrt Vasco da Gama's berichtet, im
Kerker las, wie nicht unglaublich ist '^, oder erst auf der Seereise, wie ich für
' S. Idyll V A quem darei queixumes namorados Z. 7—40.
^ Idyll VI Ca?itando par um valle docemente Z. 14-I9; I4— 32 und 332 — 338. Vgl.
Storck, Leben § 161 und 170 — 172.
' Vgl. Storck, Leben § 222.
^ Auch der Gedanke, die Eingangsstrophen seien gleich damals gedichtet woitlen,
und zwar für den Kronprinzen (D. Joäo), ist unberechtigt.
^ Die erste Dekade erschien tatsächlich am 28. Juni 1552, l6 Tage nachdem CamGes
320 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
glaublicher halte. Ein Kenner vaterländischer Geschichte war der mit reichem,
allgemeinen humanistischen Wissen ausgerüstete Dichter schon damals und es
ist sehr möglich, dass er sich auch mit den indischen Ereignissen bereits in
der Heimat vertraut gemacht hatte (aus Castanheda's 1551 gedruckter
y>Historia do Descobrimento« ^ aus den »Lendas« des Gaspar Correia und
aus anderen handschriftlichen Berichten); und dass er Barros mit Eifer las, ist
einfach selbstverständlich; doch erweiterte und vertiefte er die aus Büchern
gewonnenen Kenntnisse über die Geschichte, Geographie und Ethnographie
Indiens unl^edingt systematisch erst an Ort und Stelle, indem er Land und Leute,
die portug. Conquistadoren, sowie die besiegten Völker in Krieg und Frieden
beobachtete , und zu Goa im Archiv der Vicekönige forschte. Mit langer
Geduld, hartnäckiger Arbeit und heller Selbstkritik, linme labor et mora nicht
scheuend, führte er in 15 Jahren den einfachen, lichtvollen und schöpferischen
Grundgedanken durch, den er der Meerfahrt dankte. Der grösste Teil der
Lusiaden entstand also, meiner Ansicht nach, während der indischen Periode,
teils in Goa, teils am Kap Guardafui, besonders aber in der Müsse zu Macau,
und abermals zu Goa. — Die Straf- oder Verbannungszeit erhielt auf diese
Weise einen heiligenden Zweck und einen versöhnenden Inhalt, der den oft
noch leidenschaftlich ergrimmenden Dichter über alle eigenen Irrungen und
über alle Zweifel am Vaterland und an der portug. Nation immer wieder
hinforthob. Erst als sein Werk, das er somit ein Vierteljahrhundert durch
Länder und Meere getragen , in Kerker und Verbannung gefördert, und aus
den Wogen gerettet hatte, so gut wie vollendet dalag, litt es ihn nicht länger
der Heimat fern. Der Wunsch, das so oft schon gefährdete Werk seines
Lebens durch Drucklegung vor Untergang zu bewahren ; dem König und dem
Volke der Portugiesen sein Lied zu weihen, als unwiderleglichen Beweis heisser
Liebe; und seinem viel geschmähten, oft in den Staub gezogenen, den Qualen
der Verleumdung und den schlimmeren Bitternissen gerechter Anklagen aus-
gesetzten Namen Camöes wieder zu Ehren zu bringen, und auf ewig mit
dem der patria zu vereinen, trieb ihn nach Hause. — In Mo^ambique feilte
er nur noch an Einzelheiten. 1570 erhielt er, durch Vermittelung des edlen
D. Manoel de Portugal, die Erlaubnis, sein Gedicht König Sebastian zu
widmen. Da erst wird er die letzten, melancholischen, ob auch immer noch stolzen
Schlussstanzen, geschrieben haben. Vor Juli 1572 begann der Hochgesang
vom Mut und von der Treue der Portugiesen seine Runde durch die Welt. —
139. Seinen epischen Stil hatte Camöes nach Virgil gebildet, dessen
würdevolle Eleganz und Klarheit ihm, wie allen Portugiesen von heute und
gestern, erstrebenswerter erschien als der nicht nachzuahmende urkräftige Zauber
der altgriechischen Epen. Gar manches Gleichnis und manche Phrase ist
dem Mantuaner einfach entnommen. Das metrische Gebilde erborgte Camöes
von Ariosto. Und eine vorzüglichere Strophe als die octava rima wäre fiir die
südromanischen Lateiner auch nicht zu finden gewesen. Alles Übrige ist des
Dichters eigenstes Werk. Die Grundidee der Lusiaden ist neu. Niemand
vor noch nach Camöes hat es gewagt, Volk und Vaterland, d. h. eine
ganze Nation zum epischen Helden zu machen. Denn Vasco da Gama
ist zwar der Führer des heroischen Unternehmens, das den Mittelpunkt der
Handlung bildet, aber keineswegs der Held, wie etwa Aeneas (obwohl er
sogar vom Dichter selbst mit diesem verglichen wird I, 12) oder gar wie
Odysspus und Achilles. Held des Epos sind die Lusiaden, wie der Titel
»Os Lusiiuias<s.^ und die beiden Eingangsstrophen es aussprechen, und das ganze
seine Untat begangen; und die zweite folgte am 24. März 1553, trotz Storck's Gegen-
behauptung (in § 203J, deren Ursprung und Quell mir unbekannt ist.
' Soweit ich sehe, war Camöes der erste, welcher für Lusus- A bkömmli n ge,
aus den epischen Versuclien der Neu-Lateiner statt der in allen gelehrten Piosaschriften
Luis de Camöes. 321
Epos CS bezeugt. Ich singe: as armas e os baröes (im Plural) und nicht: artna
virumque cano. Freiwillig verzichtete der Dichter auf die Kunst, den Leser für
eines einzelnen Menschen Charakter und Schicksal zu erwärmen, und seine Kom-
pisition ist demgemäss gänzlich verschieden von allen vorbestehenden Epen.
Geschichte, d. h. Wahrheit wollte er singen, nicht fabulieren, wie er
wieder und wieder betont hatl. Gleichwie alle Naturerscheinungen, die er
schildert, durch höchste Genauigkeit glänzen (was Humboldt bestätigt) so
hat er sich auch an den Thatsachen, die er erzählt, nicht die leiseste ästhe-
tisierende zweckvolle Abweichung gestattet, noch seiner Phantasie erlaubt, seine
Personen zu Heroen zu idealisieren, oder frei erfundene Menschengestalten
zu den historischen Schaaren hinzuzufügen, die er heraufbeschwört, und denen
er allen von seinem Herzblut zu trinken giebt. Schatten sind sie und
bleiben sie trotzdem für alle diejenigen, denen Portugal Hekuba ist, aber auch
nur diesen 2. Jeder gebildete Portugiese (oder Portugiesenfreund) wird elek-
trisiert von dem heissen patriotischen Mitempfinden, kraft dessen der Dichter
auch die historischen Partien seines Werkes mit Poesie geradezu gesättigt hat.
Damit aber, was durch solche absichtliche Gebundenheit leichtlich dichte-
risch eingekleidete Geschichte geblieben wäre, ja in Reimchronik
hätte ausarten können, zu wahrer Dichtung heranwüchse, erfand Camöes,
als echter Sohn seiner Zeit und enthusiastischer Bewunderer der antiken
Mythologie, aus der er auch für seine Lyrik Kleinodien und Zierrat mit vollen
Händen griff, die das Ganze umrankende Göttermaschinerie, an deren Aus-
malung die sonst zurückgedrängte Phantasie sich gütlich thut. Neben die Real-
gestalten der Portugiesen stellt er eine Sei? aar göttlicher Wesen und symbo-
lischer Figuren. Meist sind es, wie die erstcren, Männer. Damit aber das
sonst gänzlich fehlende weibliche Element seinen unentbehrlichen Zauber in
einer den verliebten Portugiesen genehmen Weise entfalten könnte, musstc
die Mutter der Liebe selbst in berückendster Schöne auftreten, in der Rolle
einer Beschützerin und Belehrerin, Erhalterin und Fortpflanzerin der portug.
Helden. — Neben Venus ist Mars der Helfer und Freund der Lusitanier, Bacchus
aber ihr grimmer Feind, der Lug und Trug gegen sie sinnt und spinnt. Und
was hätte der nach Wahrheit dürstende Dichter Passenderes und Poetischeres
erfinden sollen als diese der Wirklichkeit entsprechenden allegorisch-symbo-
seit mindestens 1481 üblichen Form Lusitanos das präzisierende Patronymikum Lusiadas
in die Vulgärsprache hinübernahm (s. ob. p. 277). Jene hatten es (natürlich nicht ohne Hinblick
auf die Scipiadas der AeneisYl 843, und Ähnliches) vom Landesnamen Lysa, Lysia, d h. von
der verkürzten poetischen Nebenform zu Ltisitania gebildet (die ich schon bei AiresBarbosa
finde), und zwar weil Lüsiädäs wohlklingender ist und besser in den Hexameter passt. Zuerst
bestand neben Lnsiadae Lysiadae auch Lusiades Lysiades (Gen. PI. stets Lusiadum), bald aber
ward die erste Form die vorherrschende. Ich finde sie bei Jorge Coelho (1535) und bei
Andre de Resende (vor 1534), und später sehr häufig. Dass schon AiresBarbosa
(t 1530) sie angewendet bat, ist wahrscheinlich, doch finde ich kein Beispiel in den mir
bekannten (l 536 mit der yi«//»wr/a gedruckten) Poesien. Aus dem, allen Laien ungewohnten
masc. pl. TiOs Lusiadas«-, entstand frühe, im Gedanken an die Uta de, die schiefe Bezeichnung
y>A Lusiada« (deutsch: die Lusiade, und sogar: die Luisiade!) Nicht erstFaria-e-
Sousa, schon Co rreia und Pedro deMariz bedienten sich ihrer, ohne Skrupel. Auch
das ganz vervvrerfliche : tAs Lusiadas<.< ist nicht ohne Beispiel. Der Titel Elusiadas, der
sich im Cancioneiro Luis Franco findet, weist auf die im letzten Viertel des 16. Jhs. kur-
sierenden ethnographischen Märchen Ober Lusus- Elysa als den Gründer von Lys-boa,
das in den campos elysios liegen und später von U-lys-ses nur umgebaut sein sollte.
1 S. z. B. Ltis. I 9: «Ich singe nicht: väs faganhas, Phantasticas , fingidas, mentirosas,
denn: tas verdadeiras vossas säo tamanhas que excedem as sonhadas, fabidosasi, sowie V 88
und 89 „y4 verdade qne eu conto nua e pura Vence toda a grandiloctia escriptura und ferner:
te tudo sem mentir puras verdadesi.
* Zu diesen »Gleichgültigen« gehören manche der Schriftsteller, welche ihre Meinung
über die lOO besten Bücher abgegeben haben. Einer darunter gedenkt sogar mit Abneigung
des »langweiligen« Camöes.
ÜKünKK, Grundriss. IIb, 21
32 2 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
lischen Figuren? — Neptun und Thetis, die Beherrscher des Ozeans, zeigen
sich den Seefahrern anfangs feindlich, werden aber so gänzlich überwunden, dass
schliesslich auf der Insel der Liebe die Vermählung Portugals mit dem Meere
begangen wird. Merkur als Bote ist eine neutrale Figur, wie die übrigen im
Rathe der Olympier auftretenden Götter. — Diese Hereinziehung heidnischer
Mythologie in das christliche und historische Epos, und besonders gewisse
Einzelnheiten: dass die Götter anfangs dem Wissen, Wollen und Wirken
der Portugiesen fern bleiben, und hernach auf der Liebesinsel doch in per-
sönlichsten Verkehr mit ihnen treten; dass Bacchus, der alle möglichen Ge-
stalten annimmt, als christlicher Priester am Zauberaltar fungiert; dass Gama
zu Gott-Vater betet und Venus ihn erhört; dass Thetis an sich selbst poe-
tischen Selbstmord begeht, indem sie sich (und alle Olympier) für eitel Lug
erklärt (IX, 89 und X, 82), hat der Kritik, seit Schlegel, viel Ärgernis
bereitet, obwohl sie schliesslich zugiebt (wie auch ich thue), dass sie die
klassische Schönheit der Götterversammlung, die raphaelisch gezeichnete Für-
bitte der Venus, die Botschaft Merkurs und die Jagd der Nymphen nicht
missen möchte und auch nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen wüsste.
140. Die zehn Gesänge der Epopöe - 1102 achtzeilige Stanzen, also
8816 Hendekasyllaben, mit fast durchgängig weiblichen Reimen — zerfallen
in fünf Gruppen von je zwei Gesängen. Die Handlung, d. h. die Fahrt
Gama's von der Südspitze Afrikas nach Mombaga und Melinde bis Calicut,
und rückwärts zur Heimat durch den grossen Ozean, wo das Zaubereiland
ihn aufnimmt, zieht sich dramatisch belebt eben durch das göttlich-phantastische
Beiwerk, durch die erste, dritte und fünfte Gruppe ohne sie ganz zu füllen
(auch vom siebenten Gesänge nimmt sie noch ein Stück in Anspruch). Die
dazwischen liegende zweite und vierte Gruppe enthält, ohne alle übernatür-
liche Einmischung, das in drei bis fünf Teile zerlegte Gesamtgemälde portug.
Geschichte, von Lusus bis Vasco da Gama: a) Dem König von Melinde
erzählt Vasco auf die übliche epische Frage: »Wer bist Du? von wannen
kommst Du?« die Geschichte der Nation von Affonso Henriques bis zur
Stunde seiner Ankunft, also auch noch den ersten Teil seiner Fahrt {Canto
III und IV, und noch V bis Str. 85); b) Dem Samorim von Calicut deutet
Paulo da Gama die Bilder der portug. Feldzeichen, und holt dabei im Buch
der Helden [Canto VIII) nach, was sich von opferfrohen Portugiesen melden
lässt, die den Ruhm des lusitanischen Namens mehrten (abermals von Lusus
herauf bis zu den Afrika-Streitern); c) Dem Gama selbst zeigt und singt in
prophetischer Vorschau eine vom Seegreis Proteus unterwiesene Nymphe
[Canto IX und X) die Geschicke Indiens, und entwirft ihm, mit Zuhilfenahme
eines Zauber- Weltenglobus nach ptolemäischem System, ein Bild der afiikani-
schen und asiatischen Völker und Regionen, über welche die portug. Herr-
schaft sich bis 1560 erstrecken würde; d) Prophetisch verkündet auch der
Riese Adamastor den tragischsten aller Schiffbrüche, welche Südafrika gesehen
{natifragio de Sepülveda, Canto V); e) Die halb sagenhafte, halb historische
Geschichte der »Zwölf von E^ngland« wird ferner als Märchen auf dem
wogenden Schiffe von einem redegewandten Zeitgenossen erzählt (VI, 48),
die lange Fahrt dem Leser anmutig zu verkürzen 1. Zwischendurch, zu An-
fang und zu Ende der Gesänge, aber auch mittendrinn, unterbricht sich der
Dichter bisweilen und ruft Kalliope oder die Musen insgesamt, oder auch die
portug. Frauenwelt an, damit sie ihn von Neuem mit Begeisterung füllen;
oder er verwebt Fäden aus seiner eigenen Odyssee — wie den Schiffbruch
am Mekong und die ungerechte Amtsentsetzung — in das Gesamtgewebe;
1 S. dariilier Braga, Hist. Cam. II p. 431.
Luis de Camöes. 323
und die Herzenslaute verhaltener Klage, die gerade in solchen Zwischenstrophen
erklingen, sowie die loyalen, doch furchtlosen Anrufe an König und Volk,
erhöhen den ergreifenden Schwung der Dichtung, zu deren Durchführung
vor allem »Seelcnstärke« gehörte.
141. Die geistliche Censurbehörde, in deren Namen der kluge Domini-
kaner Fray Bartholomeu Ferreira sprach, fand an den Lusiaden nichts
Anstössiges noch dem Glauben und den guten Sitten Zuwiderhandelndes. ' Sie
sind also unverstümmelt auf uns gekommen: die Strophen, in denen der Dichter
erklärt, die heidnischen Götter seien Dichterfiktionen, sind kein erzwungener
Zusatz: und der Text der ersten, vom Dichter besorgten Ausgabe von 1572
muss als Standard-Text dienen, an dem man nur die (nicht wenigen) Druck-
fehler zu berichtigen hat, nebst einigen Stellen, die, weil verstümmelt, Anlass zu
kritischen Eiörterungen über ihren Wortlaut und Sinn gegeben haben '^. Ein
Autograph, wonach das geschehen könnte, existiert nicht. Auch alte Abschriften
fehlen, die etwa abweichende Textgestaltungen enthielten. Solche ursprüng-
lichere, später verworfene Redaktionen einzelner Strophen oder grösserer Ab-
schnitte (die unbedingt existiert haben müssen, und die ebenso unbedingt, nach
Ansicht des Dichters, das Schlechtere bedeuteten) hat Camöes höchstwahr-
scheinlich vernichtet, sobald das Bessere geschaffen war. Nur vom ersten
Gesänge bietet der zwischen 1557 und 89 hergestellte Cancioneiro Luis Franco
eine Kopie mit eigenartigen Varianten. Zwei weitere Handschriften entdeckte
Faria-e-Sousa 1638, und holte daraus 70 Plus-Strophen (nebst 11 bemerkens-
werten Lesarten) die er sämtlich für alte, vom Dichter verworfene Estancias
omittidas erklärte 3. Andere haben darin nach 1572 gefertigte Zusätze er-
kennen wollen, in falscher Deutung der Thatsache, dass Camöes im Epos
(und sicher ausführlicher und klarer in dem sein Werk geleitenden Bittgesuch)
König Sebastian versprochen hatte, Zusätze zu den Lusiaden zu liefern, falls
Jener liedeswürdige Thaten (in Afrika) vollbrächte*. — Ich bin der von Storck
verfochtenen Ansicht, dass sie plumpe Fälschungen des Faria-e-Sousa sind.
Was man vermutlich vor 1553 an den ersten Entwürfen und Teilstücken der
Lusiadas tadelte, warf man auch dem vollendeten Werke noch vor: die Kühn-
heit der durch 117 Neologismen bereicherten Sprache und die Überladung
mit klassischem Wissen. Dazu fand man hie und da das Urteil des Camöes
' Vgl. über den Censor Circ. Camoniatw 1 p. 213-225. 253—60 und 364—372, wo-
selbst S o u s a V i t e r b o iorgsamst Notizen über seine Thätigkeit zusammengetragen hat.
2 Neben dieser, recht flüchtig gedruckten Editio Princeps von 1572 (in deren Titel-
blatt der Pelikan nach rechts gewendet ist), steht eine, allem Anschein nach gefälschte, gleichen
Datums (mit nach links gewandtem Pelikan). Sie weicht auch sonst im Einzelnen ab, trotz
des siciitlichen Bestrebens treu nachzuahmen und ist eine Buchhändler-Spekulation, die im
besten Falle unternommen ward, um (1582), bei Anlass der Privileg-Erneuerung, der ge-
fürchteten, innuer engherziger werdenden Censur, auszuweichen. Diese Hess denn auch 1584
das I'oem verunstalten, durch die Hand desselben Censors , der sie 1572 approbiert hatte,
löyi und 97 erschienen Wiederabdrücke; 1589 parodierten drei übermütige Jesuitenzöglinge
den ersten Gesang (vertido de humano em 0 de-vinho)\ 1613 ward der brauchbare, doch
philiströse Kommentar des gelehrten Manoel Correa gedruckt (reprod. 1720); 1621 soll
ein anderer Man o el Correa (Montenegro) es gewagt haben, das Epos stilistisch um-
zuarbeiten, und z. B. alle sdruccioli auszumärzen, doch blieb sein opus ungedruckt; 1631 schrieb
Franco Barreto Inhaltsangaben der Gesänge in Oktaven; 1639 kam die grosse, spanisch
kommentierte, textfeilende Ausgabe des Faria-e-Sousa heraus, die 2 Jhe. lang die
beliebteste blieb, und nach der sehr viele Neudrucke besorgt wurden. Heute existieren beinahe
100 verschiedene Drucke. Übersetzt ward das ganze Epos 45 Mal in 13 europäische Sprachen.
Deutsch: von Heyse 1806, Kuhn und Wink 1er 1807, Donner 1833, Booch-Arkossy
1857. Eitner 1869, Wollheim da Fonseca 1880, Storck 1883, v. Beizig 1886.
» S. Storck § 22.
* S. Circtdo Camoniano I p. 72 — 78: Dr. Joäo Teixeira Soares, As estancias
omittidas na Epopeia de Cam~>es. B r a g a stimmt ihm bei in : Camöes e 0 Sentimento nncioiial
p. lü|— 108.
21*
324 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
Über gewisse Helden ungerecht. Wahr ist, dass die Lusiaden kein der grossen
Masse zugängliches Buch sind; und was man über seine Popularität berichtet, ist
Fabel. Für die portug. Sprache aber hat es Unendliches gethan. Zu klassischer
Schönheit hat erst Camöcs die portug. Dichtersprache herangebildet.
142. Die Lyrik des Camöes. Auch seine lyrischen Gedichte ge-
dachte Camöes herauszugeben. Nachdem er sein »rauhes Lied« beendet
hatte, sammelte, ordnete, sichtete, überarbeitete und kopierte er dieselben 1567
bis 1569, in der zweijährigen von Krankheit und Elend zerrissenen Jammerzeit
in Mogambique (so ich die Aussagen des Geschichtsschreibers Couto richtig deute').
Die losen Liederblätter, die er in Coimbra in der schönen Zeit der jungen Liebe
geschrieben, und dann beim Abschied von der trauten Musenstadt; in Lissabon
während der reichen Jahre ungebändigten Wagemuts, stolzen Wollens und
schweren Fehlens; im Ribatejo als Verwiesener, Heimweh- und Liebeskranker;
in Afrika als mannhaft sühnender und hoffnungsvoll in die Zukunft blickender
Kämpfer; und abermals in Lissabon in der tollen und verhängnisvollen Epoche
trotziger Auflehnung gegen Sitte und Gesetz, zum Teil im Gefängnis, im
Schmerzgefiihl eigener Verschuldung; auf dem Ozean; in Indien; am Kap
Guardafui; auf den Molukken; am Mekong — und wo sonst immer er seinem
übervollen, so masslos leicht erregten Herzen Luft gemacht hat in Liebe,
Hass, Unmut, Zweifel, Eifersucht, Reue, Empörung und Ergebung, in Heim-
weh und Melancholie, sein Papier oft genug mit Thränen netzend, die um
so rührender sind, weil sie aus » schwesterlosem «^ Auge über das wettergebräunte
Gesicht eines alten Seemanns und Soldaten rinnen — er wollte sie uns
überliefern. Vermutlich sollten sie, die bislang nur handschriftlich an Freunde
und Liebhaber der Dichtkunst gekommen waren^, nach den Lusiaden, in der
Hauptstadt erscheinen, unter dem schönen und damals neuen Titel »Parnasso
de Luis de Camöes« ^. Dieser Parnass aber kam ihm thatsächlich abhanden,
»durch notorischen Diebstahl«, wie Couto behauptet! Man ist gezwungen
anzunehmen, dass schändlicher Neider frevelnde Hand den kostbaren Schatz
spurlos vernichtete. Und das ist wahrlich der Schmach und des Verlustes
genug ftir die portug. Litteratur. Dass der ehrlose Räuber jedoch das ge-
stohlene, umfangreiche Werk erst kopiert, oder die Beute, d. h. die Original-
Blätter an eine ganze Bande kundiger, aber eifersüchtiger Dichter verteilt habe,
die, nach dem Tode des Autors, seine Lieder als ihr eigenstes Werk publiziert
hätten, scheint mir eine einfaltige Vermutung. Dennoch hat man dies von
Faria-e-Sousa in Umlauf gesetzte Gerücht über Massen-Plagiate ziemlich
anstandslos verbreitet*. — Ein autographes Gesamt- oder Teil-Manuskript des
> S. Decada VIII und vgl. Storck § 349-
^ Nur eine ad hoc gemachte Gelegenlieitsode an den Vicekönig von Indien (Conde de
Redondo, einen leinsinnigen Beschützer (les Dichters) zum Pieise des Dr. Garcia da Orta
und seines Prosnvverkes d Colloquios dos Simplices e Drogasv. war mit diesem Werke 1563 zu
Goa gedruckt worden. Ein Sonett »Ditosa pennai. an den Kalligraphen Manoe! Barata er-
schien 1572 mit dessen -»Polygraphia«-. Eine F^legie an D. I^eoniz Pereira zur Empfehlung
der -nHistoria de Santa Cruz« von Pedro de Magalhäes Gandavo, mitsamt dem
.Sonette » Vos Nymphas da Qangetica espessura<i folgte lö?*!- Dabei blieb es.
* Braga nimmt fiir gewiss an, der Dichter hätte in seinen Parnasso nur Dichtungen
nach klassisch-italienischer Manier, also in 5füssigen Jamben aufgenommen, die Lieder aber
siclierlich einem besonderen Cancioneiro einverleibt. Vgl. z. B. »ßibl. da Actualidade« Bd. 4
p. 207. Durcliaus willkürlich! Kein einziger analoger Fall berechtigt zu dieser Vermutung.
Auch nicht ein Quinhentista verfuhr also, und schloss seine peninsularen Gedichte aus seinen
Werken aus. V'ielmehr begriff Mf)ntemör gerade in seinen Cancionero auch die ital.
Weisen ein, nach dem Vorbild des span. Cancionero General von 1537, dem sich alle späteren
Drucker (I557J sowie die hs. Liederbücher anschlössen. Man thut also gut, jene unbegründete
Behauptung nicht länger nachzusprechen.
* Besonders drei Diciiter sind dieses Verbrechens beschuldigt worden : Bernardes,
Alvares do Oriente und Rodr igu es Lo bo, d.h. die Besten, die den kamonianischen
Luis de Camoes. 325
Parnasso ist nicht wieder zum Vorschein gekommen ^ — nur spätere, zum Teil
recht schlechte Abschriften einzelner Gedichte in den Cancioneiros der Sammler.
In gerechtem Unmut über so niedrigen Verrat scheint der Dichter nicht den
Versuch gemacht zu haben, aus der Hand der Freunde und Gönner die ihnen
im Lauf der Jahre gewidmeten Originale zurückzuerhalten, um abermals an
seinen Rinias zu feilen, zu sichten und sie herauszugeben. Wir wissen also
nicht, welche chronologische, oder sachliche, oder ästhetische Ordnung
Camöes seinen Gedichten gegeben, welche Auswahl er getroffen, und welche
Textgestaltungen er bevorzugt hätte. Erst 15 Jahre nach seinem Tode fing
ein wohlmeinender und im Ganzen einsichtiger Dichter und Schüler des
Meisters, Fernäo Rodrigues Lobo Soropita, an, aus den livros de mäo
der Genossen in Portugal und Indien einen hübschen Band mit 172 Rimas-
zu sammeln, den er dem Stifter der ersten Grabplatte D. Gon(jalo Coutinho
widmete. Er teilte dieselben nach der äusseren Form in 64 (resp. 65) Sonetos,
10 Canföes] i Sextina, 5 Ödes, 3 Elegias (nebst i Capitulo), 3 Octavas, 8
Eglogas und 72 Redondilhas. Nach und nach ftigten andere Herausgeber noch
sonstige Überreste hinzu: der Buchhändler Estovam Lopes bot im Jahre
1598 weitere 70 Gedichte und i6i6 Domingos Fernandes noch 58; 1663
druckte Antonio Craesbeeck de Mello (und nicht erst 1666 Franco
Barreto) ein neues Sonett; 1668 veröffentlichte D. Antonio Alvares da
Cunha 118 lyrische »Ineditos«, von denen eine grosse Schaar aus dem nach-
gelassenen achtbändigen Manuskripte der kommentierten Rimas-kwsgz.hc des
Faria-e-Sousa herzustammen scheint; 1685 wurden davon die ersten 5 Teile
gedruckt mit 77 unbekannten Gedichten, während aus den heute verschollenen
letzten drei, 1779 nur Bruchstücke (7 Eglogas) vom Pater Thomas de Aquino
ausgewählt wurden 3, Die ersten vier verfuhren bei dieser Vermehrung mit
Einsicht, guter Absicht und einer gewissen Vorsicht, wenn auch keineswegs
ohne zu irren. Faria-e-Sousa aber, dessen Spuren, wie gesagt, Alvares
da Cunha folgte, griff in blinder Anbetung seines Dichters, neben dem er
keine (Grössen duldete, ganz unkritisch eine Masse fremder, nur z. T. anonymer
Werke aus Handschriften und Drucken heraus, die ihm dieser Ehre wert und
würdig schienen, und schwärzte sie in die kamonianischen Rimas ein. Und
Stil am voUkommeiisten nachgeahmt haben. Natürlich geschaii das erst, seit 1685 die bezügliche
Meinung des Faria-e-S oiisa bekannt gegeben war. Bernardes hatte seine Verse zwar erst
1594 und 96, als er schon recht altersschwach war, veröffentlicht, docii waren sie allen Kollegen
längst bekannt, und konnten daher Überraschungen nicht mehr bieten. Die übrigen Angeklagten
haben ihre Werke nicht selber herausgegeben, so dass die entschuldigende Erklärung angenommen
ward, Gedichte von Camoes seien »zufällig« unter ihre Manuskripte geraten. Die Materialien
zu diesem Prozesse stehen im Kommentar des Faria-e-Sousa; in der Camöes- Aus-
gabe des Pater J. Thomas de Aquino (1779), in den Arbeiten von Juromenha und
Braga, bei Storck, und in meinen Ca moes- Opuskeln (Ztschr. und Rmista da Sociedade
de Instrticgäo und Circulo Camoniano). Eine zusammenhängende Darstellung Ijegleitet den
Zusatzband zu meiner Übersetzung von Storck 's Camoens Leben.
' Wo die Herausgeber, statt einfach von livros de mäo, von originaes reden, meinen
sie stets doch nur die »handschriftlichen Vorlagen«, die zur Drucklegung gedient haben. Nur
einer von ihnen, D.Antonio Alvares da Cunha erklärte 1668 ausdrücklich, unter den
verschiedenen Codices, die er benutzt, seien viele da letra do tnesmo Autor gewesen, und
erwähnt im Speziellen eines, aus d. J. 1568, das er durch Güte des Erzbischofs D. Rodrigo
da Cunha erhalten habe. Das Gedicht, welches er daraus bietet (Elegia XX: Saiam desta
almd) ist aber, allem Anschein nach, gar nicht von Camöes, sondern von Alvares do
Oriente!
* Ein fremdes Sonett (von Qnevedo de Castellobranco) und drei fremde Lieder (aus
dem Cafu. de Res.) mischte schon dieser Herausgeber unter das echte Hab und Gut.
* Genaueres über den Inhalt jeder einzelnen der erweiterten A'isgaben bieten Adam-
son 11 279 und 29I; Juromenha V 415 und ff.; Rraga 1 221; Storck und C. M.
de Vascon Cellos in Z.schr. V — VHI; und Braga danach noch einmal in Camoes e 0
Sentimento Nacionat. Nirgends ward jedoch bis heute Fehlerloses und Vollständiges gesagt.
326 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
leider wirkte sein böses Beispiel ansteckend. Noch 1860 vergrössertc Juro-
men ha jene um 96 Stücke; 1873 wurden von Braga weitere 7 Neuheiten geboten,
und 1880 von ebendemselben abermals 42. Dazu trug Storck 2 Sonette
nach (1880), und Thomas Fcrnandes Pippa erklärt seit 1890, in einem
aus Holland gekommenen Codex 27 neue Kompositionen mit dem Namen
des Dichters entdeckt zu haben, von denen 2, vielleicht wirklich echte, probe-
weise 1890 im Circulo Camoniano gedruckt wurden'. Faria-e-Sousa hatte
zweckbewusst, und daher mit einem gewissen Takte und Geschick vorwiegend
solche Poesien ausgewählt, die zur Vita und zum Charakterbilde des Dichters
ungefähr passen^, und reinigte und feilte an den schlechteren Stücken mit so
souverainer Willkür, dass er meistenteils an und für sich annehmbare Stücke
bietet. Juromenha und Braga aber sind zu ehrlich um so zu handeln;
sie gehen plan- und wahllos ohne jede Kritik zu Werke und drucken, ohne
die Stirn zu runzeln, selbst arg verstümmelte Produkte ab, die allen Musen
und der Grammatik wie der Logik hohnsprechen, in dem guten Glauben den
verlorenen Parnasso wieder aufzubauen, durch die wachsende Masse der Publi-
kationen des Dichters sein Leben noch farbenreicher zu gestalten, und seinen
Ruhm zu erhöhen, während doch das Gegenteil der Fall ist. Die vita und das
Charakterbild wird verfälscht, wenn aus den unechten Stücken Belegstellen
gezogen werden, und der einsichtige Leser schreckt vor gewissen Karikaturen
kamonianischer Dichtungen zurück, die man ihm als eitel Schönheit vorführt.
Von den 649 Gedichten, die man Camöes überhaupt zugesprochen hat
(die 27 ungedruckten nicht einbegriffen) druckt man meist in seinen Werken
598, und Storck übersetzte ebensoviel^. Davon aber sind mehr als 150 (genau
166) unglaubwürdige Apokryphen, "^ d. h. jedes vierte Ciedicht ist unecht!
Manche darunter, besonders die ganz herrlichen Idyllen und Sonette des
Diogo Bernardes, und der religiöse Sonettenzyklus des Infanten D. Luis,
sind des Camöes durchaus würdig. Die meisten sind Mittelwaare. Und wieder
andere sind, wie schon gesagt, in ihrem heutigen Zustand, wertloser Ballast.
Ein Reinigungsprozess muss daher mit der kamonianischen Lyrik vorgenommen
werden, so schwierig und heikel die Aufgabe auch ist. Das Unechte ist aus-
zuscheiden; auch das Echte hie und da noch zu berichtigen und zu klären.
Die übliche Ordnung ist aufzuheben, denn sie kommt der schlimmsten Un-
' Über die Apokryphen äussert Braga sich in den Quinhentistas p. 29 1 310; Hist.
de Cam. II p. 32; in der Einleitung zum Parnasso, (1 880) und C. e o Sentimento Nacional.
Noch heute glaubt er an die Unehrlichkeit des Bernardes und ist auch von der Unschuld
der übrigen Dichter nicht überzeugt.
2 -»Doy todo lo que he hallado con sombra de suyo . . . oder con luz de suyo^, bekennt
er selber.
* Es sind 356 Sonette; 23 Kanzonen; 15 Idyllen; 27 Elegien; 6 Sextinen, 12 Oden,
8 Oktaven und 153 Redondilhas wozu 2 fremde an Camöes gerichtete Dichtungen kommen.
* Von diesen 150 Apokryphen gehören 40 Dichtungen dem Bernardes: nächst dem
religiösen Epos über die heilige Ursula, noch 5 Idyllen, 2 Elegien, 21 Sonette und 11 Redon-
dilhas. Mit je 1 bis 13 Poesien sind ferner vertreten: Garci Sanchez de Badajoz,
R e s e n d e , G a r c i 1 a s o , M e n d o z a , F i g u e r o a , M i r a n d a , F e r r e i r a , M o n t e m ö r ,
Quevedo CasteUobranco, Falcao deResende, Brito, Estaqo, Rodrigues
de Castro, Soropita, Leitäo de Andrada, Alvares de Oriente, Galväo,
Peres trello, D. Manuel de Portugal, Inf ante D. Luiz, Marti m de Castro,
Francisco de Andrade, Mendes, Rodrigues Lobo, Silveira, Veiga, Pe-
reira, Pin hei, Astorga, Cunha, Ataide, Vaz, Du que de Aveiro, Con de
de Vimioso, Silva, Bernardo Ro dr igu es, Jorge F ernar des , Pinheiro und
verschiedene Anonymos (mit 29 Stücken). Nur wer eiiiigermassen mit portug. Misch-Lieder-
büchern vertraut ist, wird darüber nicht staunen, dass Herausgeber in Zweifel über die
Zugehörigkeit so vieler Werke sein können. Die (vermutlich allbekannten) Namen der
Autoren wurden in allen jenen zum Privatgebrauch bestimmten Poesie-Albums nieist gar nicht
verzeichnet. >->Soneto<.< — »Outroi — »Do Mesmo» sind die gebräuchlichsten Überschriften.
Luis de Camöes. 327
Ordnung gleich: unter den Eglogas steht z. B. die späteste, die der Dichter
1555 verfasst hat, an erster Stelle; die älteste hingegen, wird die vierte
genannt. Des Dichters Laufbahn ist in Perioden zu zerlegen (Coimbraner
Periode; Lissabonner Hofleben; Verbannung nach dem Ribatejo ; Ceuta; Rück-
kehr nach Lissabon; Seesonette und Meereselegien; indische Periode, mit
mehreren Unterabteilungen; letzte Lebensjahre), und innerhalb derselben ist
die Chronologie möglichst vollkommen herzustellen, unter Beiseitesetzung der
unpersönlichen, rein objektiven Studien (die übrigens zum grössten Teile der
ersten Lissabonner Zeit angehören). In Wilhelm Storck's »Kommentar«
und »Leben« ist an diesen Aufgaben schon mit Fleiss, Glück und Sorgfalt
gearbeitet worden; und dieser thätigste und enthusiastischste aller Camöes-
Freunde wagt sich vielleicht auch noch an jenes mühsame Werk.
143. Man hat Camöes mit den grössten Lyrikern und Epikern Europas
verglichen, um ihm eine bestimmte Rangstufe anzuweisen. Als Epiker räumt
man ihm ziemlich allgemein, seit die Romantiker ihn verherrlichten und Hum-
boldt seine Bedeutung klargelegt, trotz der unläugbaren Anklänge an Virgil,
den ersten Platz unter den Modernen ein, nicht nur weil er der erste war,
der eine Nalionalepopöe schuf und also das grosse Verdienst der Initiative
für sich hat, sondern weil thatsächlich weder sein Nebenbuhler Tasso, der
dem colto e buon Luigi brüderlich die Hand reichte, noch irgend einer der zahl-
reichen Nachahmer, ihm gleichkommt, was die glückliche Wahl des Stoffes,
den kunstvollen Aufbau, den Adel und Wohllaut der prächtigen Stanzen, die
Glut, Tiefe und Gesinnungstüchtigkeit seiner patriotischen Begeisterung an-
belangt. Vom Lyriker lernte man zuerst die Sonette kennen'. Und als
Sonettisten stellte Schlegel ihn neben Petrarca. Diese unvermeidliche
Gtjgenüberstellung beliebt man aber noch heute festzuhalten, nachdem die Ver-
deutschung der »Sämtlichen Werke« auch den Laien in Stand gesetzt hat, neben
dem Epos und den Sonetten, den ganzen Schatz seiner Lyrik, die schlichten
Kanzonen, Idyllen und Elegien der Jugend, die ergreifenden der Mannesjahre;
die klassischen Oden, die vornehmen Oktaven, und die entzückend graziösen
Lieder (und selbst die Dramen) kennen zu lernen. Bald erklärt man dabei den
Portugiesen, bald den Italiener für den Grösseren. Meine Ansicht darüber
ist folgende: die grosse Masse der Gebildeten wird nach wie vor dem ital.
Meister die Palme reichen, der bereits auf 2 Jahrhunderte glorreichster Triumphe
herabblickte und Muster und Vorbild für Hunderte von Dichtern geworden war,
zur Zeit wo Camöes, als einer seiner Schüler, zu dichten begann. Zwar liest
sie nicht die 367 (resp. 378) Gedichte Petrarca' s, die doch nur einen
massigen Band füllen, und noch viel weniger die 500 echten Poesien des
Portugiesen (welche vier Bände ausmachen), aber sie blickt doch dann und
wann in den Canzionere, und blättert wohl auch einmal in Storck's Ver-
deutschung. Da genügt dann ein kurzes Verweilen bei Petrarca, die leichte
und angenehme Lektüre weniger, nach Belieben herausgegriffener Sonette
und Canzonen, und ein Blick auf die stylvolle, im ästhetischen Sinne unver-
gleichliche Zweiteilung in Vita und Morte dt Madonna Laura (und auf die
sorgsame Aussonderung der wenigen andersfarbigen »Farü«) um den P^indruck
hervorzubringen, dass man es mit einem Kunstwerk aus einem Gusse von
klassischer Reinheit zu thun hat. Dank der gewollten strengen Einheitlichkeit,
der bewussten Beschränkung des Stoffes, der steten Wiederkehr gleichartiger
nur anders nuancierter und subtil entwickelter Augenblicks-Emotionen wird
die Illusion vollster Wahrheit, Tiefe und Innerlichkeit seiner Liebe erweckt.
Ganz anders steht es mit Camöes. Seine Werke sind weder so allgemein
* Von Aren tsschil dt 's freie Nachbildungen der Sonette erschienen 1847 u. 1852.
328 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
menschlich typische und leichtverständliche, noch so einheitlich beschränkte.
Sie bieten nicht abgesonderte Ausschnitte aus seinem Gefühlsleben; die inneren
und äusseren Erlebnisse seines vollen Menschenlebens ' schliessen sie in sich,
in dem die Liebe zu Natercia zwar auch eine grosse, aber nicht entfernt die
ausschliessliche Rolle wie Laura im Canzoniere spielt. Die grössere Wahrheit,
Fülle, Mannichfaltigkeit und Individualität ist auf Seiten des Camöes, der
bald als hochpathetischer, patriotischer Sänger, bald als gewandter Kavalier,
und witzig tändelnder Höfling, als leichtlebiger Weltmann, als ernster mora-
lischer Kritiker, als verwegener Haudegen und Abenteurer, als zartsinniger
Beobachter der Natur, als leidenschaftlich begehrender, innigfühlender, schwer-
mütig klagender Liebhaber, als bissiger Sarkastiker und besonnener Denker
auftritt; Tuba wie Flöte gleich gut spielt; und wie die verschiedenartigsten
Gefühle, so die verschiedenartigsten Versformen mit grosser Virtuosität hand-
habt ( — 350 Mal in ital., und 150 Mal in peninularer Manier - — ), es sei
in der einfachen Sprache des Herzens, oder in der mit fremdartigem Schmuck
d. h. mit den kunstvollen Symbolen der Renaissance ausgestatteten Redeweise
der Dichter von Fach. Diese Vielseitigkeit, der bunte Wechsel der Lebens-
lagen und Stimmungen, die er verwertet hat, ist sein Vorzug, aber auch sein
Mangel. Denn erstens ist unter dem vielen Vorzüglichen auch manches Un-
bedeutende; zweitens fehlt es nicht an Inkonsequenzen und Widersprüchen,
so dass man bei so völliger Umwandlung des moralischen Ichs leicht am
Dichter irre werden kann; und drittens und hauptsächlichstens muss der Leser,
um den tieferen Sinn der Idyllen und so mancher Redondilhas zu verstehen
und den gewaltigen Schmerz nachzufühlen, der z. B. aus der Lebenskanzone
( Vinde ca)^ aus der Heimweh-Elegie {Aqiiella que) und aus dem Zion-Psalme (Soholos
sios que väö) spricht (um nur die schönsten drei zu nennen), den ganzen Menschen
und sein Schicksal kennen; gerade wie die Lusiaden, wie ich schon aussprach,
nur derjenige recht zu würdigen weiss, welcher mit portug. Geschichte und dem
Nationalcharakter intim vertraut, und im Stande ist, zu ahnen was jede Strophe,
ja jede Zeile z. B. aus dem Buch der Könige an Erinnerungen zu wecken berufen
ist. Aus diesem Grunde wird die Schaar der Camöes bewunderer klein bleiben,
sehr viel kleiner als die der Petrarcafreunde, selbst wenn erst eine bessere
Textgestaltung, nach Entfernung des Unechten — (und damit einer grossen Masse
von Mittelgut ganz gewöhnlicher Sonettenschreiber, und z. T. auch der fremd-
sprachigen Findlinge, die gleichfalls der Einheit und Reinheit der Lyrik em-
pfindlichen Abbruch thun) — nach Gruppierung des Zusammengehörigen, und
Aussonderung der geselligen Gelegenheitsgedichte an und über Zeitgenossen,
sowie der objektiven Studien über klassische und biblische Gegenstände, den
Überblick über das Seelenleben des Dichters und seine innere Entwickelung
erleichtert haben wird.
IV. DIE SCHÜLER DES CAMÖES (CAMONISTAS).
rt) LYRIKER.
144. Den lyrischen Stil des iVär/^ma-Sängers ahmten bereits die jüngeren
und langlebigeren unter den Mirandzstas nach, wie Falcäo de Resende,
Andrade Caminha, und besonders Bernardes; doch verstehe ich unter
Camonistas im engeren Sinne eigentlich nur die Gesamtheit der auf die
Mirandistas folgenden Dichtergeneration (1560 — 1590 oder 1600). Sowohl
' A viclä\Por 0 mundo em pedagos repartida. Auch in seinen lyrischen Dichtungen
betont der Dichter oft seufzend die Wahrheit seiner Bekenntnisse : Puras verdades ja por
mim passadas .' Oxalä forum fahvlas sonhadas !
Die Schüler des Camöes: Lyriker. 329
was die klassische Einkleidung und mythologische Verbrämung der bukolischen
Stoffe, den platonischen Geist der Gedanken und den elegischen Tonfall, als
auch was den latinisierenden Satzbau, den vornehm bereicherten Wortschatz,
und die alle unschönen Härten vermeidende Prosodie betrifft, schliessen die
Schüler sich dem Meister an, vor allem im Sonetten- und Idyllen fache.
In einzelnen Fällen so getreulich, dass es begreiflich wird, wie Unkundige und
Böswillige dazu kamen, die nachahmenden Gedichte der Camonistas mit den
echten des Camöes zu verwechseln. Den Mangel an Eigenkraft verdecken
sie, indem sie einzelne Zeilen oder Stellen (Oktaven- und Kanzonenstrophen)
oder Sonette von ihm glossieren oder ins Kastilische übersetzen, oder auch
indem sie dieselben , ohne wörtliche Wiederholung , mit veränderten Worten
umkleiden. Von der Mode, überhaupt fremde, ja sogar fremdsprachige
(span. und ital.) Zeilen zu kommentieren und paraphrasieren und polyglotte
Kunststücke herzustellen, war schon die Rede^. Wo diese Sonettisten und
Idylliker jedoch ganz auf eigenen Füssen stehen, bleiben ihre Erzeugnisse
sehr oft nur Handwerkswaare von weit geringerem Werte. Das demnach an
und für sich wenig erfreuliche Studium der zerstreuten Epigonen-Arbeiten wird
aber noch unerquicklicher durch die grosse Ungenauigkeit der Überlieferung,
die Oberflächlichkeit der bis heute vorgenommenen Untersuchungen und die
Verworrenheit der irritierenden Streitfragen, die sich an viele Dutzende von
im Grunde unbedeutenden Reimereien knüpfen. Auf den Aufwand von Zeit
und Mitteln den es kostet, sich die seltenen Drucke, und Einsicht oder Abschrift
der noch seltneren handschriftlichen Werke zu verschaffen, sei nur dies eine
Mal und im Vorübergehen aufmerksam gemacht.
Ein wärmeres, persönliches Interesse würde eine kleine Gruppe von
Poeten (meist sehr vornehmer Herkunft) erwecken , die als ungefähr gleich-
altrige Zeitgenossen und Kameraden des Camöes zu Lissabon (also vor 1553)
oder in Indien (zwischen 1553 und 67) persönlichen, und zwar freundschaft-
lichen Umgang mit ihm gepflogen haben. Dahin gehören D. Jorge da Silva
(1508 — 78), dessen romantische Liebeslegende weniger authentisch ist als die
frommen Werke und Taten seines Alters fvgl. Zschr. VIII, p. 11 und 13)^;
der frohgemute Joäo Lopes Leitäo, der 1552 in Xabregas mit dem Kron-
prinzen tournierte, Seite an Seite mit des Dichters jungem Freunde D.Antonio
de Noronha, und später in Indien auf hoher See starb (etwa 1565); ,der
tapfere Haudegen Heitor da Silveira, der 1570 auf der Heimfahrt ange-
sichts Lissabons, vielleicht in den Armen des Lusiadensängers endete; D.
Gon^alo Coutinho, der schon wiederholt erwähnte Stifter der Grabplatte,
ein grossmüliger Beschützer so manchen unbemittelten Dichters; der Geschichts-
schreiber Diogo do Couto, von dem der Leser schon weiss, dass er sich
in Mogambique so hülfsbereit zeigte und der auch einen Kommentar zu den
Lusiaden begann; der Reichshistoriograph Francisco de Andrade, welcher
den Tod der Catherina de Ataide besang; D. Simäo da Silveira u. a. m.
Jedoch auch ihre lyrischen Gedichte (derer oft von Zeitgenossen gedacht
wird) sind entweder gänzlich verschollen (wie bei Couto der Fall ist), oder
sie stehen, wie bei den Mirandistas zweiten Ranges, in den Werken berühm-
terer Zeitgenossen, oder verzettelt in ungedruckten Cancioneiros misticos (d. h.
' Ich kenne mindestens ein halbes Hundert portug. Dichtungen mit italienischer Schlu^s-
kadenz, die meist aus Petrarca genommen ist; und ebenso viele, die für portug.->;pan.-ital.-
lat. Sprachdenkmäler ausgegeben werden. Faria -e - S ousa verfasste sogar ein langes Idyll,
indem er mosaikartig lauter einzelne Reihen aus den Werken »seines Dichters« an einander
fügte.
* Nur fromnie Traktate von ihm sind gedruckt (S. hin. da Silva IV. 175) und als
Beigabe dazu einige Elegien.
33° LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
mixtos), sowie in Sammeldrucken, in denen fromme Preis -Wettgedichte für
bestimmte Kirchenfeierlichkeiten gebucht sind (z. B. Reliquias de S. Roque,
1588).
Das gleiche gilt von einigen Anderen, deren Freundschaftsbeziehungen
zu Camöes weniger gut verbürgt sind. Luis Franco Correia z. B. nennt
sich selbst »muito amigo e contpanheiro de Luis de Camöes« in dem Gedicht-
buche, das er 1557 —89 in Indien und Lissabon zusammentrug. Von Antonio
de Abreu,o Engenhoso den erst die Nachwelt als amigo e companheiro
de C. no estado da India bezeichnet hat, und von einigen anderen Genossen wie
Pedro da Costa Perestrello (dem Sekretair des Erzherzogs Albrecht, der
Portugal nach 1580 verwaltete), Francisco Galväo und Aires Teiles
de Menezes, die beide zum Hofstaate des Herzogs von Braganga gehörten,
wurden um 1800 durch den bei Beleuchtung der sogenannten Gedichte Peters
des Grausamen (und öfters) genannten Professor der Rhetorik A. L. Caminha
drei kleine Bändchen Gedichte herausgegeben, doch in so tumultuarischer
Weise, dass ein kritisches Auge in den betreffenden y>Obras Ineditas« sofort
Echtes neben Gefälschtem, Eigenes neben Fremdem, Namenloses neben Be-
kaiuitem, Modernes neben Altem, Originales neben Übersetztem erblickt ^
Derselben Sitte kritiklosen Sammeins hatte schon viel früher der Pisaner
Professor Estevam Rodrigues de Castro gehuldigt, dessen hinterlassenes
Album voll eigenen und fremden Gutes (worunter Gedichte des Bernardo
Rodrigues, der die ital. ballata und das Madrigal einführte) von seinem
Sohne (1622/23) herausgegeben ward; sowie Miguel Leitäo de Andrada
(1554 — 1629), der in sexn^r y>Misccllanea« betitelten »Salatschüssel« [=^ En-
salada) dem anspruchslosen Leser jener Tage allerlei Kraut und Rüben vor-
setzt (gedr. 1629 und 1860).
Aus der ungleich grösseren Gruppe der dem Camöes persönlich fern-
stehenden Nachahmer, deren Thätigkeit sich meist bis ins 17. Jh. erstreckt, so
dass sie von manchen Litterarhistorikern der vierten Epoche zugezählt werden,
ragen einige Talente hervor'-. Ich nenne den mystischen Balthasar de Estago,
der übrigens in seinen 1604 gedruckten Versen dem gram Cantor da Oceano Weih-
rauch streut; Fern am Rodrigues Lobo Soropita, den patriotisch gesinnten
ersten Herausgeber der kamonianischen »Rimas«, der eine humoristische und
satyrischc Ader hatte (gedr. erst 1860); und vier wahrhaft bedeutende Buko-
liker, die ihre Schäferromane in Prosa nach Montemör^s Vorgange mit rei-
zenden Hirtengedichten und Elegien nach ital. Schnitte und auch mit Liedern
in Kurzzeilen durchsetzten. Es sind: der aus Goa gebürtige (des Diebstahls
des Parnasso bezichtigte) Fernam Alvares, mit dem Zunamen do Oriente,
unter dessen teilweise überkünstlichen Dichtungen Perlen von reinstem Glänze
sind; der unglückliche, verliebte Schwärmer Manoel da Veiga Tagarro,
dessen y: Laura de Amphriso'c (1627) bereits den Einfluss des Lope de Vega
und sogar Gongora's verrät (was in noch stärkerem Maasse von Eloy, de Soto-
mayor und seinen »Ribeiras do Mondego« gilt, 1623); Rodrigues Lobo aus
Leiria, von dessen Thätigkeit im nächsten Abschnitt (H) die Rede sein müsste,
und Frei Bernardo de Brito wegen der ihm Zugeschriebenen, sich ganz in
Versen bewegenden ^^Sylvia de Lisardo'-'- (1597)^.
* Braga glaubt an ilire Eclitlieit; nicht sn 1 n n. da vS i l v a. S. HUt. de Cam. Bd. III
p. i;V2 — 140. 155—172 und Dicc. Bibl. I 79. 189.
2 Eine Anzalil von Autoren-Naint-n findet der Leser auf Seite 326, Anm. 4. In
religiösen Kl.igeliedern machten nach 1580 viele bedrückte Gemüter sich Luft, wie l. B.
Frei Paulo da Cruz, o Fiadinho daRainba (mit seinem weltlichen Namen Jorge
F ern a nd es).
ä Mit den C a m o n i s t a s beschäftigt sich B r a g a in der Hist. Cam. Bd. III: E s c h o 1 a
de Camöes.
Die Schüler des Camöes: Lyriker. Epiker. 331
ß) EPIKER.
145. Vor Camöes hatte kein Portugiese den Gedanken, ein historisches
Epos in der Nationalsprache abzufassen verwirklicht 1. Nur der Geschichtsschreiber
Joäo de Barros hatte es unternommen, die Nationalgeschichte von D. Affonso
Henriques bis zu D. Manoel (1520) in Reime zu bringen, die er seinem Ritter-
roman Clarimundo (III, 4) einfügte. Doch stehen seine 40 Oktaven nach
altspanischer Art {de arte mayor) wie im Rhythmus, so in Geist und Sprache
ganz und gar auf dem Standpunkt der erzählenden Gedichte des Canc de Res
(S. ^ 109). Die Sage freilich berichtet, abermals durch den Mund des Faria-e-
Sousa, einer der Zeitgenossen des Camöes, der schon unter den Lyrikern
genannte Pedro da Costa Perestrello, habe noch vor 1572 ein Helden-
gedicht gleichfalls über die »Entdeckung Indiens« geschrieben, dasselbe aber
vernichtet sobald die Lusiaden erschienen 2. Doch ich glaube, man kann diese Sage
auf sich beruhen lassen. Thatsache aber ist, dass gleich nach dem Drucke jenes
Meisterwerkes von geschickten Nachbildern eine grössere Reihe von Helden-
gedichten entstanden, die auch von Ercilla's Araucana nicht ganz unbcein-
flusst sind (gedr. 1569 — 78 und 90). Wie dieser Spanier (und in gewissem
Sinne ja auch Camöes) wählten sie einzelne nationale Helden und Helden-
thaten zum Gegenstand ihrer Epen. Jeronymo de Cortereal (j 1593)
feierte zuerst in 21 recht prosaischen Gesängen die zweite Belagerung der
Feste Diu^ illustrierte auch sein Werk eigenhändig mit Schlachtenbildern und
widmete es Sebastian (1574. Neudruck 1783)^; dann behandelte er, in span.
Sprache den Seesieg des D. Juan d'Austria bei Lepanto in einer »Aiistriada«.,
die er Philipp II. zu Füssen legte (1578); um zum dritten den tragischen
Schiftbruch der Galione S. Joäo wieder portug. zu besingen als -»Naufragio
de Sepulveda« (geschr. vor 1589; gedr. 1594, 1783 und 1840)^. Alle drei
bedienen sich des Blankverses, die der Portugiese »Ferso heroico«. nennt.
Alle drei sind mit reichlichem mythologischen Beiwerk ausgestattet. Doch
nur das letzte Gedicht enthält Einlagen in Terzinen und Oktaven, wovon 30
lyrischen Charakter haben, während die einunddreissigste die Gesamtgeschicke
Portugals episch verherrlicht, vom ersten Könige bis zum Untergang bei
Alcacer-Quebir, wo Cortereal übrigens selbst mitfocht und gefangen ward''.
So die Litterarhistoriker Wahrheit berichten, hätte er noch ein viertes, ver-
lorenes, Epos diesem tragischen Ereignis gewidmet, das von Luis Pereira
Brandäo rein-chronikenartig in 18 grossen Oktavengesängen betrauert ward,
die er y>Elegiada« nannte (1588; gedr. auch 1785 als y> Jornada de A/rica«).
Noch weitschweifiger ist Francisco de Andrade in den 20 Cantos seines den
Heldenmut des D. Joäo de Castro verherrlichenden Primeiro Cerco de Diu (i 589).
Vasco Mousinho de Quevedo (oder Cabedo) Castellobranco wählte die
älteren Afrikaexpeditionen zum Gegenstand eines Poems und Affonso V. o .-\fri-
cano zu seinem Helden (1596), doch legt er den Dingen und Ereignissen sym-
' Dass er die Gemüter bewegte, zeigen viele Stellen bei Barros, z. B. Dec. I, h
cap. 1 1 und es zeigen es die lateinischen Epen des J o r ge C o e 1 h o , Andre d e R es e n d e,
Diogo de Teive.
- Auch von Montemor wird Ahnliches erzählt. Perestrello soll aucli noch
eine gleichfalls unfindbare y>Batalha Ausonia-. verfasst haben.
' » Segundo Cerco de Diu, estando D. Joäo de Mascarenhas por Capitäo da Fortaleza ■. .
Ins Spanische übersetzt von Frey Pedro de Padilla 1597.
* Die Angabe, auch Lopo de Sousa Co ut in ho habe denselben Gegenstand im
Livro da perdi^äo de Manuel de Sousa de Sepulveda, sua mulker e fillios {X\s,%. 1594) gleich-
falls in Hjankveisen behandelt, scheint auf Irrtum zu beruhen.
^ Übersetzt ins Spanische von Contreras (1624) und ins Franz. von P'ournier
(1«44>
332 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LlTT.
bolisch-allegorische Bedeutung bei. Die Feste Arzilla z. B. ist ihm eine
Seelenburg; und ihre fünf Thore sind die fünf Sinne. Bereits dem 17. Jh.
gehört die Malacca Conquistada des D. Francisco de Sä e Menezes (junior)
an, sowie der Nunalvares des Rodrigues Lobo, und die Ulyssea des
Gabriel Pereira de Castro, welche in die Fabelzeit der Gründung Lissabons
hinabsteigt ; doch stehen alle drei in intimstem Zusammenhange mit den vor-
genannten Gedichten. National-religiöse Epen lieferten z.B. Frei Paulo da
Cruz (über S. Vicente) und Quevedo Castellobranco über Santa Isabel
(1596). Ein religiöses Lehrgedicht sind CortereaPs: Novissimos do hörnern
(gedr. erst 1768)1.
146. Gänzlich unerwähnt darf hier nicht bleiben, was ^ 7 andeutete:
dass wie anderwärts, so auch in Portugal sehr viele Humanisten, von etwa
1500 an, sich ausschliesslich des Lateinischen als der einzigen ihrem Wissen
und ihren internationalen Verbindungen angemessenen Litterärsprache bedienten.
Gar manche wirklich bedeutende Kraft ging so der schon durch den Abfall
aller Kastilisch-Schreibenden geschmälerten Nationallitteratur verloren, beson-
ders im 16. und 17. Jh. Die Dichtungen des Hermigius Cayado, Aires
Barbosa, Jorge Coelho, Andrd de Resende, Diogo de Teive, An-
tonio Gouveia, Pedro Sanches, Diogo Mendes..de Vasconcellos,
Miguel und Antonio de Quevedo, Manoel da Costa, Lobo Serräo,
und berühmter Frauen wie Luisa Sigea und Joanna Vaz, bilden einen
reichen Besitzstand an Oden, Hymnen, Elegien, Eklogen, Episteln, Epitaphien,
Epigrammen, historischen und religiösen Epen \S. Vicente von Resende;
Tunis von J. Coelho], Lehrgedichten [wie die Antimoria des Aires Barbosa;
die Institutio Sebastianivov\'Y e'xw &•, und Vita aulica von Resende], und Tragödien
{Johannes von Teive 1553), die sich meist mit nationalen Stoffen beschäf-
tigen und keineswegs ohne Einfluss auf die Entwickelung der portug. Litteratur
blieben (wie in einer ausführlichen Darstellung nachzuweisen wäre). Ein Teil
davon war lange relativ leicht zugänglich, weil aufgespeichert in einem, heute
selten gewordenen »Corpus illustrium Poetarum Lusitanorum«. (Liss. 1745 — 48,
8 Bde. gr. 4); doch enthält dasselbe keineswegs den ganzen Vorrat, ja nicht
einmal das Beste und Seltenste 2.
V. PROSA.
147. Auch die Prosa entwickelte sich im 16. Jh. erheblich und zwar natür-
lich in klassischer Richtung. Doch kam sie immer noch nicht dazu, völlig Schritt
mit der Dichtkunst zu halten. Langsamer folgt sie nach, und gleich wie manches
Prosawerk der Quinhentistas, ja eigentlich fast alles was vor 1550 liegt, nach
Stoff, Geist und Sprache noch mittelalterlich ist und der zweiten Epoche
zugezählt werden könnte (s. § 51 und 85), so gehört auch manches noch in
das Bereich der dritten Blüteperiode was erst in der vierten erschien, ja fast
alles was vor 1640 liegt. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. und in den
ersten Decennien des 17. beginnt die Glanzzeit der Prosa, und es entstehen
' Den Epikern widmete Braga den 2. Bd. seiner Hist. de Cam.: Os poetas cpicos. —
F. Denis giebt im Resume, Chap. XVIII — XXU iiusfülirliche Inhaltsübersichten.
2 Band 1 bietet Gedichte von Pedro Sanches, Herrn. Cayado, Manoel de
Costa, Diogo M e n d e s de Vasconcellos, Miguel de Quevedo, Antonio
de Q ue V e do ; 11. J o ä o d e Mel I o de So u sa; III. Diogo de P a iva de An drade;
IV. Lobo Serrao, Francisco de Barcellos; V. Frei Tliomas de Faria,
Antonio F'igueira Duräo; VI, Frei Francisco de S. Agostinho; VII. Frei
Francisco de Macedo, Jorge Coelho, Antonio de (iouveia; V^III. vom
Herausgeber P>-' Antonio dos Rey.s. Gerade ilas wicliligerc 16. Jh. i.'^t sehr .stief-
mütterlich behandelt.
Prosa: Riiterromane. 333
Werke von wirklich klassischer Rundung und Reinheit des Periodenbaus und
Wortschatzes (Lobo — Brito — Frei Luis de Sousa). Ein Camöes blühte der
Prosa jedoch überhaupt nicht: ein epochemachendes Werk wie der D. Quixotc
des Cervantes (der übrigens den gallizischen Familiennamen Saavedra trug)
schuf sie nicht. Der Vorrat an Werken freier Erfindung blieb auch jetzt klein;
der an Gechichtswerkcn gross. Der Unterschied zwischen der Würde, Eleganz
und Urbanität des dichterischen Ausdrucks einerseits und der zerfahrenen Bunt-
heit oder schwerfälligen Stillosigkeit der schönen Prosa im Allgemeinen, ist nach
wie vor ein merklicher 1. Selbst diejenigen Schriftsteller, welche bestrebt sind,
durch Bereicherung, Reinigung, Regelung und Veredelung der familiären Alltags-
rede, einen mustergültigen Stil zu schaffen, und antiken Vorbildern nacheifern,
kommen über ein steifes Pathos und trockenes Ceremoniell nicht eben weit hinaus,
schnellen daraus jedoch häufig unbcwusst zurück zu geschmackwidrigen Vulgari-
täten und veralteten Wort- und Satzbildungen, oder greifen auch zu unpassenden
poetischen Formeln, an die sie sich in ihren Dichtwerken gewöhnt hatten. An
Theoretikern, welche Anweisungen zur Beredsamkeit geschrieben hätten, fehlte
es ziemlich ganz-. Nur die vernachlässigte Natürlichkeit der lebendigen
Gesellschafts-Diction ahmte man, in Komödien, Briefen und moralisierenden
Dialogen, mit grossem Geschick nach und bildete sogar die nationale Sitte,
die Umgangssprache mit Formeln, Sprichwörtern und Citaten zu schmücken, zu
einem besonderen Genre aus. (S. u. ^ 151O
148. A. Belletristisches: «) Der Ritterroman. Wie überall im
gebildeten Europa, so fuhr man auch in Portugal im 16. Jh. fort, sich mit
heiligem Ernst für Ritterromane zu begeistern. Manche hübsche Anekdote
aus dem Hofleben und vom Kriegsschauplatze in Afrika und Indien bezeugt,
wie gern man sich aus der allmählich trüber werdenden Realität mit ihrer
austera, apagada e vil tristeza, in die Idealwelt der Romane flüchtete. Die
alte Liebe für den Amadis, den man fortdauernd im spanischen Texte
Montalvo's las, übertrug man auch auf die sich allmählich von 1496 bis
1O05 daran schliessenden Fortsetzungen [Livros V — XIII) und auf die Nach-
ahmungen (besonders auf y>Palmerin de Oliva'i. und »Fritrialeontn). Mancher
Roman aus dem Amadiscyklus ist Portugiesen gewidmet: so z. B. Buch 8, d. h.
der Luiuirte dem Sohne Johann's IL, Jorge, Duque de Coimbra, 1526; und
Felix magno 1531 einem D. Fadrique de Portugal; manche Ausgabe ward
in Lissabon und Evora gedruckt {Florando Liss. 1545; Florisel 1560 und 66;
Lisuarte 1587, Amadis de Graia 1596; Primaleon 1598 etc.); einige haben,
wenigstens der Sage nach, sogar Portugiesen zum Verfasser {Florando; Pal-
merin; Primaleon). Mit Bestimmtheit wird es von dem einflussreichen Werke
über die neun grössten Helden der Weltgeschichte behauptet -»Los nueite de
la fama<s~ (1630); doch ist der sogenannte »Verfasser« des zum Amadis übrigens
in keiner Beziehung stehenden Buches, der Wappenkönig Johann's III.,
Antonio Rodrigues Portugal, in Wahrheit nichts als der Übersetzer einer
franz. Vorlage, des -»Triomphe des neu/ preux«., oder ^Prouesses«. . . . avec
Fystoire de Bertran du GuesclinK 1487; und noch dazu übersetzte er ins
' Man vergleiche beispielsweise das schöne Ebenmass der Gedichte des C a m 0 e s
mit der krausen Ausdrucksweise seiner seltenen Prosastöcke in den Komödien und Briefen.
^ Weder die Grammatik von Fern am de Oliveira (1536) noch die des Barros
(1540) noch desselben Autiiors »Dialogo em lonvor da nossa lingicagem« (1540), noch die Ortho-
graphia des Duarte Nun es de Leäo (lö76) noch seine höchst beachtenswerte Ab-
handlung y>Origem da lingua portugueza« (1606), noch des Pedro deMagalhäes de
G a n d a V o -»Regras que ensinam a orthographia da lingua portugtuza ; noch sein Dialogo em
defensäo da mesma lingua ( 1574) kommen in Betracht ; und noch viel weniger die gelegent-
lichen Lobpreisungen der Muttersprache, welche Brito, Lobo, Corte I, 9, Alvares
do Oriente (II, 6) und andere ihren Werken eingefügt haben.
334 Li J J ERATUKGEbCHICllTE ÜEK ROMANISClll N VÖLKER. — 4. PüRT. LlTT.
Spanische ^ In poitiig. Sprache ward viel Neues nicht geschaffen, wie ich
schon andeutete, und von dem Neuen, wie üblich, noch weniger zu Tage
gefördert. Handschriftlich blieb z. B. ein D. Belindo (heute in der Liss.
National-Bibliothek). Doch bleibt festzustellen, ob er die Arbeit der D.
Leonor de Coutinho, des Gon^alo Coutinho oder des I). Francisco
de Portugal ist'-. Gänzlich verschollen ist ein »Dominiscaldo« von Alvaro
da Silveira; ein anonymer »Peregrino de Hungria'f.^ und das sogenannte.
14. Buch des Amadis, -»Penalvaf.^ das jenen Helden den Tod im Kampfe
mit einem Portugiesen finden liess. (Nie. Ant. , Bibl. Nova IV, 404) 3. Zu
verwundern ist es, dieser Armut gegenüber, daher nicht, wenn das reiche
Spanien und das Ausland gleich wie in der Amadisfrage nicht leicht daran
glauben wollten, dass der relativ beste Ritterroman auch des 16. Jhs., welchen
Cervantes in güldenem Schrein aufbewahren wollte, das Werk eines Portu-
giesen ist.
149. Dennoch ist es der Fall. Der Palmeiriin de Inglaterra^ der
durch geistreiche Erfindung, geschmackvolle Erzählung, Ideengehalt und Cha-
rakterzeichnung hervorragt , ward von einem Hofbediensteten des Infanten
D. Duarte, Francisco de Moraes, im Jahre 1544 geschrieben, während
derselbe als Gesandschaftssekretair in Paris weilte; oder gleich hernach. Zweifel-
haft ist nur, ob er seinen Roman auch sofort, anonym, zum Druck gab"*, oder
ihn ungedruckt verbreiten liess; unzweifelhaft hingegen, dass zwei litterarische
Freibeuter aus Toledo, der Drucker Miguel Ferrer und der Korrektor und
spätere Pfarrer Luis Hurtado sich das Werk noch vor 1548 aneigneten.
Sie veröffentlichten damals eine elende span. Übersetzung, als wäre sie ein
Original, und schrieben sich dasselbe in zweideutigen Worten zu. Scheinbar
ohne Glauben zu finden. Kein altes, litterarhistorisches Buch nennt sie wenig-
stens als Verfasser des Palmeirim. Erst 1826 haben parteiische Hispanophilen,
von Vicente, Salvä und Gayangos irregeleitet, Lanzen für jene »Schrift-
steller«^ gebrochen ^. Doch ist der unwiderlegliche Beweis für die Autorschaft
des Moraes bereits erbracht^. Die Sprache des span. Textes wimmelt näm-
lich von Lusismen und Fehlern; speziell portug. Ortslegenden (über Thomar,
und Almourol) haben breite Behandlung gefunden; vor allem aber betrifft ein
grosses episodenhaftes Einschiebsel, das sogenannte Kapitel von den franzö-
sischen Hofdamen, das auch im Spanischen nicht fehlt, den persönlichen
Liebesroman des Moraes, welcher 1541/44 in Paris in unglücklicher Leiden-
schaft zu donzella Torcy, einer Hofdame der Königin Leonore und Exkönigin
von Portugal, entbrannte'^. Ihrer Tochter Maria hat Moraes seinen Roman
' Abdrücke erschienen 1552 und 1585 in niodernisieiteni, seiner lAisismen entkleideten
Texte; 1586 erst in portug. Redaktion.
2 S. Sousa, Hist. Geneal. X 565; Braga, Amadis 245; Barb. Macli. II 393.
3 S. Barb. Mach. II 17, 81, 393 und III 11.
^ Eine datenlose Ausgabe ist nämlich vorhanden. Die älteste datierte und mit
dem Namen des portug. Autors nebst Dedikation an die Infantin D. Maria ver.sehene er-
schien erst 1567; doch muss ihr Widmungsschreiben schon 1547 entstanden sein. Spätere
Ausgaben erschienen 1592 1786. 1852.
* An Ferrer's Autorschaft glaubten einzig Salvä und A. de Castro; an diejenige
llurtado's glauben alle bedeutenderen span. Litterarhistoriker von Ticknor bis zu
Wolf. Der gewissenlose Pfarrer scheint ein Geschäft daraus gemacht zu haben, handsciir.
Werke aus dem NachlasseVerstorbener (oder verschollener Grö.ssen) herauszugeben (Sebast ian
F e r n a n d e z ; P e d )• o A 1 v a r e s de A y 1 1 o n ; Miguel de C a r v a j a I ; V a 1 d i v i e 1 s o
u. a. m.j.
* S. Braga, Queslöes p. 248 - 25-< ; sowie C. M. de Vase on cel 1 os , Versuch
über dm Palmeirim, Halle 1883, und vgl. Rom. XI 619.
' Eine kleine Schrift von ihm »Desctdpa de uns seus af>iores que teve em Paris com
itiiia dama franccza da Rainha Dona Leonor, por nomc Torsi, sendo Portugtuz, pela qiial fez
a historia das damas francezas no seit Palmeirim«, (gedr. 1624) stellt die Einzelnheiten dieses
Prosa: Riti'erromane. 335
gewidmet. — Zu den zwei Teilen des Ritterbuches (das auch ins Franz., Ital.
und Englische übertragen ward)^ lieferten zwei andere Portugiesen die Fort-
setzungen: Diogo Fernandes einen dritten und vierten Teil •>->D. Duardos«i
(1587); und Balthaser Gongalves Lobato einen fünften und sechsten
»D. Clarisel de Bretanha<-< (1602). Andere VVeiterführungen blieben ungedruckt,
und gingen verloren.
150. Den seit dem 13. Jh. so beliebten bretonischen Sagenkreis
erweiterte der schon als Dramatiker und Lyriker vorgeführte talentvolle Hof-
mann Jorge Ferreira de Vasconcellos. Er erfand eine zweite »Tafel-
runde« und als ihren Haupthelden einen Enkel des Artus, Sagramor. Ein
Stück zeitgenössischen realen Lebens webte jedoch auch er (wie Moraes,
und alle Idylliker) unter die erdichteten Begebenheiten, — einen wahrheits-
getreuen Bericht über das erste Tournier des Kronprinzen Johann (1552) —
und stattete ausserdem sein Werk mit 34 epischen und lyrischen Gedicht-
einlagen beiderlei Stils, sowie mit wohlgemeinten Ratschlägen über Fürsten-
tugend aus2. Ein verheissener zweiter Teil blieb ungedruckt (falls er Je existiert
hat), und hat sich bis heute auch hschr. nicht finden lassen. — Die Romane
aus dem von jeher weniger beliebten karolingischen Cyklus sind sämtlich
nur Bearbeitungen franz. und span. Vorlagen, ohne Eigenwert. Auch ist die
Zeit ihrer Einführung schwer zu bestimmen, da sich von vermeintlichen alten
Ausgaben keine Exemplare erhalten haben. Von der Historia de Carlofnagno,
die heute noch in der Provinz gern gelesen wird, existiert z. B. nur eine
moderne Überarbeitung von Jeronymo Moreira de Carvalho (1728 bis
1737); und die Litterarhistoriker wissen nichts als den Titel wenig alter Drucke
von 16x5 und 1650 zu berichten. Doch sind der modernen Textredaktion,
die ein Auszug aus dem span. Carloviagno von Nicolau Piamonte (Sevilla
1525) ist, welcher wiederum auf die Conquites du grand Charlemagne zurück-
weist, sicherlich andere vorausgegangen. Der noch -später hinzugefügte dritte
Teil -»Verdadeira terceira parte« von Alex. Caetano Gomes Flaviense
(1745) ist ohne Bedeutung. Und das gleiche gilt vom Cleomades, Magalona,
Roberto 0 Diabo, Donzella Theodora und anderen romanhaften Büchlein, an
denen das Volk sich ergötzte.
Die Gebildeten, und besonders die Fürsten verlangten und ersehnten,
nach der manuelinischen Glanzepoche, auch im Romanfach, statt blosser
Phantasiestücke, Verherrlichungen der Nationalgeschichte: »Wahrheit«, statt
erlogener Geschichten, wie sie sagten. Der erste, der diesem Bedürfnis ent-
gegen kam, war der künftige Geschichtsschreiber Joäo de Barros. In jungen
Jahren, als Page des Thronfolgers Johann (III.), übte er acht Monate lang
seinen Stil bei der Abfassung seines dreibändigen y>Emperador Clarimundo",
den er während seiner knappen Mussestunden in der Pallastgarderobe schrieb,
sich der königlichen Truhen als Tisch bedienend. Er erzählt die natürlich
märchenhafte, doch historisch eingekleidete Vorgeschichte des burgundischen
Fürstenhauses, dessen Stammbaum er in Ungarn sucht. Einer dichterischen Einlage,
Abenteuers fest. Clement Marot hatte der jungen Dame 153^ eine seiner etrennes ge-
widmet.
1 Franz. von J. Vincent 1553 u. 1574 und von Monglave 1829; Engl, von
Southey 1817 ; Ital. von Spineda 1584.
* J. F. de Vasconcellos widmete sein Werk (in dem altmodische mit refor-
mierten Renaissanceformen untermischt sind) ein erstes Mal 1554 dem Kronprinzen, dessen
Mut und Rittel tugenden er dadurcii ernstlich zu stacheln gedachte, unter dem Titel : t> Memorial
das Proezas da Segunda Tavola Redo7tda<.< oder auch -»Triumpho de Sagramorv., vermutlich
nur handschr., vielleicht jedoch auch in einer undatierten Druckausgabe, über welche sichere
Angaben fehlen; und später dem jugendlichen Sebastian in einem Drucke von 1567. Neu-
ausg. 1867. S. Varnhagen, Livros de Cavallarias, Wien 1872.
* Gedr. 1520—23; 1601 : i742 und 1791.
33^ LrrJERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PoRT. LiTT.
des kleinen Epos in spanischen Oktaven , ward schon früher gedacht. Die
hschr. Hefte wurden von D. Joäo (III.) nicht nur gelesen, sondern eigenhändig
verbessert, und fanden grossen Anklang. Nachahmer aber fand Barros nicht.
151. ß. Der Schäferroman. Was B. Ribeiro begonnen und Mon-
temör in seiner Diatia kunstvoll entwickelt hatte (gefolgt von Gil Polo
und Alonso Perez, seinen Fortsetzern) nahm in Portugal erst gegen Aus-
gang des Jhs. Fernam Alvares do Oriente wieder auf; doch schliesst er
sich enger an Sannazaro's Arcadia an. In seinem allegorischen Schäfer-
roman y>A Lusitania transformada« (= »Portugal in Schäfertracht«), der um
1595 verfasst scheint, doch erst 1607 (und 1787), gedruckt ward, erzählt er
in recht glatter und kunstvoller Prosa den eigenen Liebesroman und Erleb-
nisse anderer Goenser Zeitgenossen ; für den modernen Leser ist diese Prosa
jedoch nichts als das schöne Band, welches seine Gedichte aneinanderreiht.
In der »Historia da Arvore triste« verwertet er eine indische Lokalsage, die
noch von einem anderen Portugiesen, angeblich Rodrigues Lobo, behandelt
wurde, und Gegenstand einer kleinen Streitfrage geworden ist. Auch in den drei
zusammenhängenden Schäferromanen des letztgenannten romantischen Dichters
aus Leiria*, die monoton und handlungsarm, doch voll lieblicher Natur-
schilderungen sind, dient die Prosa hauptsächlich als Unterlage zur Einführung
von Hirtengedichten. Die ermüdend \a.vige, Friviavera (1601) ist in Blumen-
plätze {Florestas) geteilt; der Pastor Peregrino (1608) in Jornadas\ und der
»Entzauberte« O desenganado (16 14) in Discursos.
152. y. Novellen. Weder ein echter Ritterroman noch ein Schäfer-
roman, obgleich auf einer »Hirteninsel« geschrieben {Insula Pastoril)^ ist die
»Historia dos traballios da sem-ventura Iseo«. Sie ist eine sentimentale und
allegorische Abenteuer-Novelle, spielt im Orient (in Damascus und Ephesus)
zeitweise aber auch in ganz unbestimmten Lokalitäten wie auf einer Insel
der Grausamkeit, der Insel des Lebens, im Thal des Schmerzes, und im Hause
der Ruhe. Anlehnung an griechische Muster (Heliodor, und seinen Nach-
ahmer Tatius) ist sicher, doch war dem Verfasser ohne Zweifel auch die
Menina e Mofa bekannt (an deren i. und 3. Kapitel die Einleitung deutlich
anklingt), so wie die ältere spanische Romanlitteratur [Padron\ San Pedro).
Der portug. Text ist freilich nur eine sehr gute und freie Übersetzung des
span., welchen Nunez de Reinoso als »Historia de los Amores de Clareo y
Florisea y de los trabajos de Isea« 1544 in Venedig veröffentlicht hatte (S. ob.
p. 294 Anm. 6)2. — Kleinere Novellen und Erzählungen in selbständiger Dar-
stellung, ob auch nicht eigener Erfindung, schrieb 1569, zur Zeit der grossen
Pest und sicherlich nicht ohne Rückblick auf Boccaccio, der nicht ungewandte
Gonyalo Fernandes Trancoso. Seine Stoffe entnahm er zum grösseren
Teile dem altital. Novellenschatze von Sacchetti, Straparola und Boc-
caccio (wie z. B. das 6^rw(?/^w-Märchen), zum kleineren der Volksüberlieferung,
meist mit moralischem Lehrzweck. Sie erschienen 1585 in zwei Teilen als
y>Contos Proveitosos«.^ und 1596, nach des Autors Tode, unter Hinzufügung
eines dritten Abschnittes als y>Contos e historias de proveito e exemplo«. Sonst
finden Erzählungen sich nur eingestreut in grössere Werke wie z. B. in Lobo's
' Über diesen Dichter, der sich in ein Hoffräulein des Herzogs von Caminha ver-
liebte, und auf einer Überfahrt über den Tejo umkam, lese man Bouterwek's ausführ-
liche Darstellung, sowie Costa e Silva Bd. V. Seine Werke sind in den Gesamtausgaben
von 1723 und 1774 leicht zugänglich.
^ Da von der portug. Bearbeitung nur ein einziges Exemplar übrig ist, fehlt es bis
heute an einer eingehenden Untersuchung der Sachlage. S. darüber Dicc. Bibliogr. HI 196
und X 28, nebst Panorama I p. 164. Das span. Original steht abgedruckt in der Bibl. de
Aut. Esp., Bd. 111. - S. Gayangos, Caball p. LXXVIIl und ff., Ticknor-Wolf II 226
und 735; A. de los Rios VII, 396.
Prosa: Schäferroman. Novellen. — Geschichtl. Werke. 337
Anleitung zur Sittenbildung eines Hofmanncs y> Corte na Aldeia ou Noites de
Inverno«: (1619), und in die y> Miscellanea« Andrada's (1629).
153. B. Werke historischen Charakters. Obwohl gerade die be-
deutendsten und gründlichsten Kenner ihre historischen, archäologischen und
humanistischen Werke über Portugal lateinisch schrieben, damit die internationale
Gelehrtenwclt sie lesen könnte, so ist hier dennoch eineReihe bedeutender Namen
und Werke aufzuzählen. Denn schrieben viele der sich der Vulgairsprache be-
fleissigenden Historiker auch im alten Chronikenstil, ist ihre Charakterzeichnung
auch schwach, und ihre Rede meist kunstlos, so sind ihre Stoffe, die sie aus-
schliesslich der engeren und weiteren vaterländischen Geschichte entnehmen, doch
so interessant, und das heroische Nationalgefühl aller Darsteller ist ein so kräftiges,
dass den Werken ein bleibender und allgemeiner, nicht bloss wissenschaftlicher
Wert innewohnt. Den ersten Rang nehmen die »D^cadas« des Joäo de Harros
ein (1496—1570)1 die ein starker epischer Hauch durchweht. Der Autor,
der wie erzählt, zuerst am Clarimundo, und später an vielen anderen kleinen
Schriften historischen, moralphilosophischen und grammatischen Inhalts seine
Feder geübt, sich auf seine grössere Aufgabe aber stilistisch durch das Studium
der Alten, speziell dcsZk'ms, noch besonders vorbereitet hatte, und zwar mit so
viel Glück, dass man seine kernige, mass- und würdevolle Prosa meisthin für
das erste klassische Portugiesisch erklärt, erhielt im J. 1541 von Johann III.
den förmlichen Auftrag, sich an die Abfassung einer Geschichte Portugicsisch-
Itidicns zu machen. Nach sorgsamster Ausnutzung älterer Aufzeichnungen
(worunter Azurara's >> Chronica da Guini« hervorragt), und aller vorhandenen
Urkunden, begann er 9 Jahre später die Veröffentlichung. Der erste Band
der in Dekaden geteilten, den Zeitraum von 141 5 bis 1539 umfassenden
,>Asm«, welcher die Vorgeschichte des indischen Seezugs von den frühesten
afrikanischen Expeditionen an, und dann die Fahrt Vasco da Gama's erzählt,
erschien am 28. Juni 1552 (und nicht 53, wie Storck meint), also vor des
Lusiadensängers Abfahrt nach Indien. Der zweite folgte unmittelbar; er ver-
liess die Presse am 24. März 1553. Der dritte erschien viel später (1563). Der
vierte hinterblieb unfertig und erschien erst ein Menschenalter nach Barros'
Tode (Madrid 161 5) ''^, als sein Nachfolger, der von Philipp II. ernannte
enthusiastische Diogo do Couto (1544 — i6i6)3 die Ereignisse der vierten
Dekade bereits in seiner lebendigen, nach eigener Anschauung malenden
Weise dargestellt hatte. Dieser Chronist hatte nämlich lange Zeit (von 1559
an) in Indien gelebt und gewirkt, erst als Soldat, dann als Organisator und
Verwalter des Reichsarchivs zu Goa, sodass er an Ort und Stelle gründliche
Studien gemacht, und offenen Auges, ob auch blutenden, empörten Herzens den
Verfall der einst so blühenden portug. Herrschaft mitangesehen hatte. In
9 Dekaden (4.— 12.) behandelte er den Zeitraum von 1529 bis 1608, nicht
ohne dass Misgeschick und Diebeshand ihm mehrmals etwas von den Früchten
seiner Arbeit raubten'*. Ausserd3m schilderte er in seinen kulturhistorisch
* Eine gute Vita des Barros schrieb der tüchtige Historiker und Altertumsforscher
Manuel Severim de Faria, und fügte sie seinen »Discursos variosti. ein (1624, 17yi
und 1805). Sie begleitet auch den Clarimundo in der Neuausgabe von 1736; und steht ferner
im Registerbande der grossen Gesamtausgabe der Decadas.
^ Diese akademische Gesamtausgabe erschien 1778 — 88 in 24 Bänden. Eine abge-
kürzte deutsche Übersetzung ist die von So 1 tau (5 Bde., Braunschw. 1821); eine aus-
fülirliche die von Faust, 1844; span. von Torre 1582; ital. von ülloa schon 1562.
' Auch Couto 's Leben erzählte Severim de Faria.
* Decada IV ward l602 gedruckt; die 5te l6l2; die 6te 1614; doch verbrannte sie
bis auf wenige Exemplare; der 7 ten Manuskript fiel auf dem Ozean in Feindes Hand, und
erschien erst 1616; die 8 te und Qte wurde gestohlen, doch von dem 72 jährigen CJreise
summarisch wieder aufgebaut, soweit sein Gedächtnis und seine Aufzeichnungen es erlaubten,
doch erschienen sie erst I673; die lOte schon 1602 vollendete, da sie die früheste war, welche
(jR^BUR, Grundrisü. IIb. 22
338 LiTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
höchst bedeutsamen »Dialogen vom indischen Soldaten« = »Soldado
Pratico€ furchtlos die krassen Mängel und Ausschreitungen der indischen Ver-
waltungi. In matterem Geiste schrieb später noch A. Bocarro, Couto's Nach-
folger als »indischer Chronist« und Verwalter des Archivs von Goa, eine Fort-
setzung der unterbrochenen >>Dicadas«'^^ die ungedruckt blieb, jedoch von
späteren Geschichtsschreibern, wie z. B. von Faria-e-Sousa für seine Asia
benutzt ward.
Daneben hatten zahlreiche andere Männer, die nach Indien gegangen
waren, um Grosses zu erleben, sich ohne offiziellen Auftrag, aus eigenem Antrieb,
besondere historische Aufgaben gestellt. Noch vor Barros verfasste Fern am
Lopes de Castanheda (f 1559) eine Geschichte der indischen Entdeckungen
•»Historia do Descpbriniento dalndin« (1551- — 61 und 1883, 8Bde.),^die rhetorisch
zwar unbedeutend, sachlich aber sehr wertvoll ist. (Caspar Correia hatte nach
3ojährigem Aufenthalt im Orient seine durch Wahrhaftigkeit und biedere Treue aus-
gezeichneten, mit Portraits^ und Festungsplänen versehenen, sonderbarer Weise
»Legenden« betitelten Indischen Geschichten (»Lendas da India«) niederge-
schrieben, welche die erste Epoche von 1497 bis 1550, d. h. die Zeit der Macht
und Grösse umspannen (8 Bde, gedr. 1858 —62). Ein wenig später erzählte, von
Patriotismus und Sohnesliebe getrieben, doch ehrlich und bescheiden, in schmuck-
loser Darstellung [em nua c chä pifitura, wie schon Ferreira treffend sagte) der
würdige Sohn des grossen Albuquerque, Bras (1500 — 1580), demseinKönig
des Vaters Taufnamen D. Affonso beilegte, mit Benutzung von Briefen und Be-
richten, des Helden Ruhmesthaten, in einer mit Hinsicht auf Caesar »Commen-
tarios de Affonso de Alkiquerque« betitelten biographischen Chronik (gedr.i 557.
^579- 1774; frz. 1579). Der sittenreine und uneigennützige, in Indien ge-
borene Apostel der Molukken , Antonio Galväo, der arm im Hospitale
starb (1557), hinterliess einen wertvollen Bericht über indischen Handel und
Wandel »Tratado dos desvairados caminhos . . . da pimenta e dos descobrimentos«
(gedr. 1563). Hervorragende Einzelepisoden aus den indischen Feldzügen
wurden natürlich auch vielfachst gefeiert: so besonders die erste und zweite
Belagerung von Diu (1538 und 1546) nicht bloss von Andrade und Corte-
real in ihren Epen und von Diogo de Teive und Goes in lat.'' Werken,
sondern auch von Lopo de Sousa Coutinho, der selber daran teilgenommen
hatte in seiner y>Hisioria do (2 ") Cereo de Diu« (gedr. 1556 und 1 890); die Belage-
rung von Goa und die von Chaul durch den Reichshistoriographen Antonio de
Castilho (1573); dieEroberung von Pegü durch Man oel d'Abreu Mousinho
{»Congtiista do Pegü«, 1617 und 1829); u. a. m. Die bemerkenswertesten Schiff-
brüche schilderten zwischen 1552 und 1650 gerettete Augenzeugen — Schiffs-
beamte, Priester, Kosmographen und Soldaten — in anschaulichen, oft hoch-
pathetischen Berichten, welche damals mit brennendem Interesse von der ganzen
Conto ausarbeitete, kam sogar erst 1778 ans Licht; die Ute ist verloren und wird durch
einen modernen Abriss ersetzt ; von der 12 ten waren nur die ersten 5 Bücher fertig (gedr. 1645).
Vgl. Memorias de Litt. Port. 1 339.
' Audi diese urkrät'tigen Dialoge, die manchem ■»indiatico« misfallen mussten, wurden
Couto entwendet; und er schrieb sie zum zweiten Male in ganz veränderter Redaktion.
Beide Darstellungen sind jedoch gefunden und 1790 zusammen gedruckt worden.
2 Bocarro behandelte die Ereignisse der Jahre 1613 — 15. S. Memorias de Litt.
III 30 und Memorias da Acad. de Historia, Anno 1724 No. XXII p. 3 "nd XXVII p. 8.
3 Franz. von N. Grouchy 1554; engl, von Linchfield 1582; span. 1558 von
Selves; ital. 1578 von Ulloa; holl. erst 1670.
* Kopien nach den höchst primitiven »Retratos dos Visoreys<.< , welche zu Goa das
Regierungsgebäude schmückten. — Engl, teilweise von Stanley, 1869.
* Jacob i Tevii, Commentarius de Rebus apud Dium gestis anni \ 546 (gedr. 1 548)
und Damiani a Goes, Commentarii ('oder Epitome) rerum gestarum in India anno 1538
(1539); 1111(1 L>i bello camhaico ultimo commentarii tres (1549)«
Prosa: Geschichtliche Werke. 339
Nation gelesen oder gehört wurden, und die noch heute die Herzen bewegen,
wie besonders der »Nai/fragio de Sepülveda«. Zuerst erschienen sie in (meist
verschollenen) fliegenden Blättern; dann fanden sie z. T. wörtlich, z. T. nur
auszugsweise Aufnahme in die »D^cadas«. Zuletzt erschienen sie gesammelt unter
dem Titel »Historia tragico-maritima« '. Einzelne der Berichterstatter schilderten
(wie natürlich die Geschichtsschreiber alle) die Gegenden, welche sie Gelegen-
heit gehabt hatten, kennen zu lernen, wie z. B. Henrique Dias die Insel
Sumatra, und der Priester Manoel Barradas Zeylon mit Colombo. Das
breiteste und inhaltreichste Reisewerk des Jhs. über die asiatischen Länder
lieferte jedoch der weitgewanderte Fernam Mendes Pinto (1509 — 1580),
den man mit Unrecht »Lügenprinz« gescholten hat-. Seine »Peregrinaföes«
bieten ein farbenreiches Bild alles Fremdartigen, was er in Indien, China und
Japan gesehen und erlebt hatte ^. Nachrichten über Persien und China gab
Frei (ia spar da Cruz in seinem inhaltsreichen »Traiado das cousas da China
e de Ormuz« (1569 '70 und 1829). Eine reiche Fundgrube interessanter
Notizen, besonders auch über Japan sind die Briefe der Missionare: »Cartas
(jiie OS Padres e Irmäos da Conipanhia de Jesus escrez'eram^ (1565)« Dem Land-
weg nach Indien widm(>te Antonio Tenreiro zuerst ein Werk, sein wich-
tiges y>ltinerario« (1560 und 1565; mit den Peregrinaföes 171 1 und 1829). Vor-
zugsweise Palästina schilderte Frei Pantaleäo de Aveiro (1563) dessen
>>Iiinerario da Terra Santa« viele Auflagen erlebte*. Werke wie die Schiffsbücher
yRoteiros«. des Vasco da (iama und D. Joäo de Castro (vgl. § 181), sowie
ähnliche andere Aufzeichnungen gehören nicht zur eigentlichen Litteratur-
g(^schichte.
Afrika und Amerika lieferten natürlich gleichfalls den Stoff" zu zahl-
reichen Geschichtswerken. Als besonders wichtig sei genannt: die y>Historia
da Prcn'incia de Santa Cruz« (1576 und 1858) von Pedro de Magalhäes
Gandavo, nebst seinem »Tratado das cousas do Brasil« (1826). Die Helden-
thaten und das Martyrium des D. Christovam da Gama in Aethiopien (1541)
leierte Miguel de Castanhoso in einer »Historia das cousas que 0 muy
es/orfado Capitäo Christovam da Gama fez« (1564)."' Die Niederlage von Alcacer
' Die zwei von B ein ard o Gonies de Brito. Liss. 1735 und 36 herausgegebenen
Bünde enthalten 12 Einzelberichte: l) Naufragio do Galeäo Grande S. Joäo 1552, von
einem Anonymus, und nicht von Alvaro Fernandes, wie Barb. Mach, und Braga
behaupten (es ist der naufr. de Septdveda); 2) N. da Nau S. Bento 1554, von Manuel de
Mesquita Perestrello; 3) Cotueigäo 1555, von Manuel Ran gel; 4) Agtda e Garga
1559, vom P= Manoe 1 Barrad as; 5J S. Paulo 1561, v. Henrique Dias; 6) S. Maria
da Barca 1559, von einem Unbekannten; 7) Naufragio de Jorge Albuqturque Coelho 15^5.
von Bento Teixeira Pinto; 8) Santiago 1585, von Manoel Godinho Cardoso;
g) S. 7'Jiome 1589, von Diogo do Couto; 10) .S". Alberto 1589, von Joäo Baptista
I.avanha, gedr. 1597; 11) S. Francisco 1596 vom P^ Gaspar Affonso; 12) Galiäo
Santiago 1604, von Melchior Estacio do Amaral. Ein dritter, äusserst seltener
Band (über den Inn. da Si Iva I 377 und II yi spricht) umfasst 11 Stücke, von denen fünf
(Nos 5. 7. 8. 10. 11) Wiederholungen aus der ersten Sammlung sind (lo. 8. 12. 1 3).
Gegenstand und Verfasser der übrigen sind: l) Nau S. Loitrenfo 1649, von Antonio
Francisco Card im, gedr. 1651 ; 2) Sacra^iento e N. S. da Atalaya 1650, von Bento
i'eixeira Feijö; 3) 5. Joäo Baptista 1625. von Francisco Vaz de Almada (und
nicht von Fernando Lopes da Silveira); 4) Conceigäo 1621, von JoTio Carvalho
(und nicht Tavares) Mascarenhas, gedr. 1627; 6) N. S. de Beletn 1635, von Jose
de Cabreiro, gedr. 1646; 9) N. Si do Born Despacho 1630, von Frei Nuno da Con-
ceigäo, gedr. 1631. Später erschien getrennt nur noch ein Schiffbruchs - Bericht : der
Naufragio Carmelitano 1750.
^ Fernam, Mentes? Mintoi lautet die scherzhafte in Portugal Qbliche Verdrelunig
seines Namens.
» Gedr. 1614. 1678. 1711- 1725- 17^2. 1829. Übersetzt ins Engl., Frz., Span.
Deutsche.
* Gedr. 1593. 1596. 1600. 1685. 1721. 1733. — " Auch 1855.
22*
340 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — ■ 4. POR'l'. LiTT.
Quebir behandelte Jeronymo deMendonga in s&inar »Jornada de Africa«
(1607 und 1785)'; die Belagerung von Mazagäo (1562) der Augenzeuge
Agostinho de Gavy de Mendonga in seiner -»Historia do fatnoso cerco
que 0 Xarife pos d fortaleza de Mazagäo<c (162g und 1891). Derselben Festung
widmete D. Gongalo Coutinho seinen -»Discurso da jornada de D. G. C. d
nilla de Mazagäo« (1629). Der Dominikaner Frei Joäo dosSantos schrieb
ein wertvolles historisch-geographisches Buch über Äthiopien » Ethiopia OrientaH
(gedr. 1609 und 189 1), 2 welches Land schon früher durch Damiäo de Goes
in einem vorzüglichen lateinischen Opus 3, und durch den Pater Francisco
Alvares in seiner Abhandlung y> Verdadeira inforniagäo das terras do Preste
Joäo« bekannt gemacht worden war (1540 und 1889). Gaspar Fructuoso
gab seiner (beschichte der atlantischen Inseln den romanhaften Titel »Saudades
da terra« mit absichtlichem Anklang an das Werk des Bernardim Ribeiro,
dessen Stil er in seinem »Preambulo« nachahmt. Bis heute ist jedoch nur der
die Insel Madeira betreffende Teil herausgegeben (Funchal 1873)*.
Die Reichshistoriographen und Verwalter des Lissabonner Staatsarchivs
vervollständigten im Auftrage der Monarchen das Corpus der Rönigschroniken.
Zu Ruy de Pina's Werk über Johann II. und zu Resende's Auszug daraus,
fügte der bedeutendste Historiker jener Tage, der als Mensch und Gelehrter
gleich ausgezeichnete Damiäo de Goes (1501^72) eine dritte »Chronica
de D. Joäo II.« , die er jedoch nur als Ergänzungswerk zu seiner gründ-
lichen Hauptarbeit, der »Chronica de D. Manoel« aufifasste (gedr. 1566 67).
Dieser weltkundige Diplomat, der auf seinen Reisen an Luther's und Melanch-
thon's Tische gesessen, mit Dürer verkehrt, lange im Hause des Erasmus
gelebt hatte, und durch eine weit verzweigte (latein.) Correspondenz Umgang
mit Bembo, Sadoleto und anderen europäischen Berühmtheiten unterhielt,
(weshalb er noch im Alter ein Opfer der Inquisition ward), verdiente eine
eingehende Würdigung, an der nur der Raummangel hindert. ^ Die Regierungs-
zeit des »Glücklichen« Emanuel fand noch einen zweiten erlesenen Darsteller
in dem Bischof von Silves Jeronymo Osorio (f 1580) dessen klassisches
Werk -»De rebus Emanuelis libri XII« (gedr. 1586) genannt werden muss,
obwohl es lateinisch geschrieben ist, weil die stilistisch meisterhafte Über-
setzung des Paters Francisco Manoel do Nascimento (Filinto Elysio)
es zu einem nationalen Geschichtswerk gemacht hat: »Da vida e feitos del Rey
D. Manoel« (gedr. 1804). Was sich in Portugal und seinen Besitzungen unter
Johann III. Wichtiges zutrug, buchte Francisco de Andrade (geb. vor
1540, gest. 16 14) in einer mit behaglicher Breite in 4 Bänden geschriebenen
»Chronica de D. Joäo III.« (16 13), zu der später die »Annaes« des Frei
Luis de Sousa hinzukamen (s. ^ 165). Die kurzen Jahre Sebastians stellte
zuerst Frei Bernardo da Cruz dar, der als königlicher Kapellan den afrika-
nischen Feldzug mitgemacht hatte (gedr. 1837). Die noch kürzere Regierungs-
zeit des greisen Kardinal-Infanten behandelte der Minister Miguel de Moura in
der »Chronica do Cardeal-Rei D. Henrique« (gedr. 1840).
' Es ist eine Gegenschrift gegen die Darstellung des in Lissabon lebenden genueser
Kaufmannes Jeronymo F r a n c li i C o n e s t a g i o : Dell uniotu del regno di Portogallo alla
Corona de Castiglia ( 1 585). Die span. »Jornada deAfrica.', welche Juan Baptista Morales
1622 veiöflfentHchte, als wäre sie seine eigene Arbeit, ist nichts als ein Auszug, z. T. sogar
eine wörtliche Übersetz.ung des portug. Textes von Mendon^a.
* Franz. Auszug von Charpy y>Hisiiore de l'Ethiopie Orientale 1684.
' Fides Religio ntoresque Aethiopum 1540.
* Der Gesa'mttitel lautet: Historia das Ilhas do Porto Sancto, Madeira, Desertas e
Selvagens. S. Braga, QuestÖes p. 282 — 294.
' S. Joaquim de Vascon Cellos, Archeologia Artistica Bd. 7 und 8 : Go'esiana.
Porto 1879; Carlas latinas \'<i%f:)\ Vidaix^ Renascenga Portugueza 1880 und. Plutarcho Portuguez
1881.
Prosa: Geschichtliche Werke. 341
Erst gegen Ende des Jhs., gerade als die vaterländische Geschichte in
Folge der Fremdherrschaft einen jähen vorläufigen Abschluss gefunden hatte,
unternahmen es gelehrte patriotische Arbeiter in weit ausholenden Werken
die Gesamtgeschichte Portugals zusammenhängend darzustellen und Land und
Leute sowie die natürlichen Lebensbedingungen und politischen Einrichtungen
zu schildern. Nachdem Pedro de Mariz in seinen »Dialogos de varia
historia« (1594 und 1599) einen ersten Versuch gewagt hatte, trat Balthasar
de Brito eAndrade, oder, wie er als Ordensbruder und Chronist des Cister-
zienser-Klosters Alcobaga hiess Frei Bernardo de Brito (156869 — 1617)
mit den Anfängen seiner »Monarchia Lnsitana« hervor, zu der eine kleine
»Geographia afitiga da Lusitania« die nötige Ergänzung bildet. Doch hatte
er viel zu weit rückwärts gegriffen — wohl um den Spanier Florian de
Ocampo noch zu überbieten — , und die Vorgeschichte des portug. Staats-
wesens und Landes dermassen ausführlich behandelt, dass der 12 Bücher um-
fassende erste Teil (1597 und 1690)1 nur von der Erschaffung dieser Welt
bis Christi Geburt und der zweite, in 7 Büchern (1609), nur bis zur Gründung
der portug. Grafschaft reicht.- Brito benutzte bei diesem gewagten Unter-
nehmen nicht nur alles was er bei den alten Autoren über den Westen der
Halbinsel an Nachrichten auffinden konnte, ohne rechte kritische Sichtung,
sondern er bediente sich daneben ergiebigst auch völlig apokrypher Texte
und sagenhafter Berichte, so dass der wissenschaftliche Wert seines Torso
gering ist. ^ Die Darstellung und Schreibweise ist jedoch vorzüglich klar,
rein und elegant — und vermeidet allen Schwulst. — Über die Fortsetzungen
befrage man ^ 165 (letzte Anm.) Den Gedanken einer vollständigen Ge-
schichte Portugals verwirklichte dann in knapper Form Manoel de Faria-
e-Sousa (1590 — 1649), jedoch in span. Sprache, in seinem y>Epitotne de las
historias portuguezas« (Madr. 1628, u. ö), das in zweiter, stark verändeter und er-
weiterter Bearbeitung den Titel »Europa Foriugueza« trägt* (gedr. erst 1678 — 80
3 Bde). Eine »Africa portugueza<< 1678 — 81 und y>Asia Foriugtieza« (1666 — 75
3 Bde., engl. J. Stevens 1694 — 95) vervollständigen es. Mit einer Neube-
arbeitung der alten Königschroniken von D. Affonso Henriques bis Alfons V.
leistete der verständige Rechtsgelchrte Duarte Nunes de Leäo (7 1608),
den Zeitgenossen einen grossen Dienst. Ausser den »Chronkas dos Reis de
Portugal reformadas« (Teil I 1600 bis zum Ende der ersten Dynastie; II 1643)
bot er noch eine »Descripfäo do Reino« (16 10) und eine »Genealogia de los
Reyes de Portugal con sus elogios<< (span.).
Die Biographie und die historische Lobrede wurden ergiebig zwar
auch erst im 17. Jh. gepflegt (von Brito in den Elogios dos Reys (1603),
die jedoch nur kurzgefasste Nachrichten bieten, und von Severim de Faria
in seinen Lebensabrissen des Barros, Couto und Camöes''), doch hatten
schon Barros (1531) und Couto das Beispiel gegeben, der erstere in den treff-
ichen »Panegyricos de D. Joäo III e da Infanta D. Maria« , der letztere in der
* Der Neudruck der Liss. Akademie T>CoHec(äo dos prituipaes auctores da Hist. Port.«
(1806, 8 Bde.) ist unvollständig, entliält aber die Biographie Brito's.
^ Ein dritter Teil ward nie gedruckt. S. Memorias de Litteratura \ p. 333.
' Die erste Gegenschrift verfiisste Diogo dePaiva de Andrade >Exame de
Antiguidadesv. (1616); die Verteidigung ühernahm F re i Bernardino da Silva y>Defensäo
da Älonarchia Lusitanai {\(i2~i). Vgl. Frei Fortunato d e S. B oa ven t ura »iWlrw^Wa . . .
sobre Frey Hertiardo de Brito-< in den Mem. da Academia Bd. VII p. \\\ — "il (1821) und
y>Alcoba(a Illustradai. p. 107 — H^-
■• Im Epitome schmeichelt der Verfasser dem herrschenden Spanien ; in der Europa
dem wieder selbständig gewordenen Portugal.
* Ich könnte auch die Vida de Sa Miranda nennen (1614), als deren Autor Bar-
hosa Machado den D. Gon^alo Coutinho nennt.
342 LlTTERA TURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. - 4. PORT. LiTT.
)->Vida de D. Paulo de Lima« (gedr. 1765). Einen Nachfolger fand jener in
Antonio de Castilho, der gleichfalls König Johann III. feierte', dieser in
Miguel de Moiira, dem wir die erste portug. Autobiographie verdanken. 2 Auch
die »Vida do Inf ante D. Duarte<-< von Andr(^ de Resendc ist mehr ein
Lebensbild als eine Chronik (geschr. nach 1565 gedr. 1789). ^
154. C. Werke wissenschaftlichen Charakters. Politische Reden
und Schriften — Sittenbilder — Moralphilosophische und philosophische Ab-
handlungen — Werke über Wissenschaften und Kunst. Die Zahl der politischen
Reden ist eine grosse und es sind darunter viele, wirklich schöne Leistungen.
Von den oraföes sehe ich natürlich ab, die Barros und Couto ihren Helden in
den Mund legen und erwähne nur kurz die Reden des D. Antonio Pinheiro
an Johann III., Sebastian und Philipp IL; die von Aleixo de Menezes an
seinen königl. Zögling Sebastian und die von Osorio an den selben Monar-
chen sowie an die Königin Katharina, die in BrieflForm gekleidet sind. * Eine
förmliche Unterweisung über Fürstentugenden schrieb Lourengo de Cäceres
(j 1531) für den Infanten D. Luis, als »Doutrinal de Principe^« (Sousa, Hisi.
Gen., Provas II p. 49). Alle diese und weitere Proben finden sich in dem
Sammelwerke »Filosoßa de Prineipcs« (1789, 2 Bde., hsg. von Bcnto Jose
de Sousa Farinha). Sehr häufig wurden moralphilosophische Fragen in Ge-
sprächsform behandelt: schon Miranda Hess den gesunden Verstand [Des-
querwiento) und die Lüge geistvoll mit einander disputieren, und Barros in
seiner »Rhopiea pnevma hoc est merees spiritualis« (1532 und 1861) führt Zeit,
Verstand, Intellekt und Willen als redende Personen ein. In seinem »Dialogo
da Viciosa Vergonha« und y> Dialogo sobre prcceptos moraes«. (1540 und 1869),
den man einen Katechismus der Sittenlehre nennen könnte, tritt er selbst im
Zwiegespräche mit seinen Kindern auf. Viel später folgte Martim Affonso de
Miranda mit 6 Dialogen, die er »Tempo de agora= Jetztzeit«: betitelte (1622).
Gegenstand seiner Behandlung sind: Ferdade e menlira — Trabalho e ociosidade
— Temperanfa e largueza — Verdadeira e falsa amizade Justifa e infus ti(a —
Douirina para principes. Sittenbilder speziell aus dem indischen Leben führen,
ausser dem Soldado Pratico in unverblümten Schilderungen Francisco Rodri-
gues da Silveira in seinen »Denkwürdigkeiten« ^ und ein Anonymus in der
Abhandlung »Primor e honra da vida soldadesca no Estado da India« vor (gedr.
1630 in Überarbeitung vom PadreMestre Frei Antonio Freire). Einen
ungleich heitreren, ob auch satyrischen Ton schlägt Francisco deMoraes
in dreiColloquien an, die an wirkliche Bühnenszenen gemahnen und verschiedene
Stände drastisch charakterisieren: Fidalgo e Escudeiro; Cavalleiro e Doutor; Re-
gateira e Mo(o da estribeira. — Aufschlüsse über häusliches Leben giebt der
Ehespiegel »Espelho de easados« eines Dr. Joäo de Barros (1540 und 1874),
der von dem Historiographen verschieden ist.^ Die »Obras moraes« des Jorge
Ferreira de Vasconcellos sind verloren. Etwas hausbackene Sentenzen und
* Alle drei -»Panegyricost. wurden 1791 veröffentlicht. Vorbild war natürlich das
Panegyricum des Plinius Ad Trajanum, welches der beredte Bischof von Leiria, D. An-
tonio Pinheiro im 16. Jh. noch einmal übersetzte (s. § QO).
- Vida de Miguel de Moura, gedr. mit der Chronica do Cardeal-Kei.
* Nähere Auskunft über die Geschichtswerke der portug. Litteratur findet der Leser
bei Jorge Cesar de la Figani^re, Bibliographia historica portugiuza. Liss. 1850.
■* Drei davon stehen in Barbosa Mach ad o 's Menwrias del Rei D. Sebasliäo. Alle
ö veröfTentlichte A. L. Caminha 1818 als tObras Ineditasi. und 1819 Verissimo Alves
da Silva. S. auch Sousa, Provas III., wo noch verschiedene andere Praticas und Oragöes
abgedruckt sind.
^ Memorias de um soldado da India, auszugsweise veröffentlicht von Costa Lobo,
Liss. 1877.
^ Er ist der Verfasser der früher erwähnten Antiguidades de Untre Doiro e Minlw.
S. § 58.
Prosa: VVissenschaftl. Werke. 343
lehrhafte Gedankenspähne ordnete die fromme VVittwe, Nonne und Kloster-
gründerin D. Joanna da Gama (7 1586) in alphabetischer Reihe nach Gegen-
ständen unter dem Titel y>Ditos da Freira« zusammen (1555 und 1872). Von
religiösen Schriften erlangten den grössten Ruf die mystischen als » Voz do
Atnado« veröffentlichten Meditationen des Klosterbruders D. Hilariam Brandäo
(1579); die y>Trabal/ws de Jesus« ^ welche Frei Thome de Jesus gleich
nach der afrikanischen Katastrophe schrieb; die oft gedruckten, in alle roma-
nisch(;n Sprachen übersetzten, weil ausserordentlich wirksamen 1 1 Dialoge über
christliche Tugenden, welche Frei Heitor Pinto als »/magern da Vida Christa«
(i. Teil 1563, 2. Teil 1572) herausgab; die gleichfalls sehr beliebten, mehr
lehrhaften y> Dialogos« des Bischofs von Portalegre D. Frei Amador Arraes
(j 1600, gedr. 1589. 1604. 1846J; der »Dialogo Espiritual« des Frei Alvaro
de Torres (1579) und der dogmatische »Dialogo enire dous peregrinos , um
christäo e outro turco« von D. Gaspar de Leäo, dem ersten Bischof von Goa
(t 1576, gedr. 1573).^ Unter den Kanzelrednern erlangte der Dr. Diogo
de Paiva de Andrade grossen Ruf Die Philosophie hat in Portugal nie
zahlreiche Vertreter gehabt. Doch erwarb sich als Verteidiger der aristotelischen
Lehre (gegen Ramus) wenigstens Antonio de Gouveia einen Namen.
Und die Schrift »Quod nihil scitur^ (Lugd. 1581), in welcher der Lehrer der
Medicin und Philosophie Francisco Sanches (1562 — 1632) den Skeptizis-
mus der Alten erneute, hat wahren Wert. '-^
Von sonstigen wissenschaftlichen Werken gehören der Litteraturgeschichte
höchstens an: von Garcia da Orta, die »Colloquios dos Siniplices e Drogas (Goa
1563, in guter Neuausgabc 189 1); 3 von Affonso deMiranda ein »Dialogo da
perfci(äo e partes necessarias do bom viedico« (1562), Von Diogo Fernandes
Ferreira, »Arte da Ca(a da altaneria« (gedr. 1616; und der sehr bedeutende
»Tratado da Sphera« des Kosmographen und (jeometers Pedro Nunes (1492
— 1544), dem die Wissenschaft die Erfindung des »Nonio« dankt.'* Aus dem
Gebiete der Kunst verdienen die »Dialogos da Pintura« (1548) des ideenreichen
und ausserordentlich originellen, aber in der Schreibekunst auch ausserordent-
lich unerfahrenen Francisco de Holla n da Erwähnung, in denen er den
Inhalt der Gespräche lebendig wiedergiebt, die er in Rom mit Michelangelo
und Vittoria Colonna geführt hatte. ^ Ein buntes (iemisch von historischen und
genealogischen Notizen, theologischen Betrachtungen, Märchen, Anekdoten und
Gedichten ist die schon mehr als einmal erwähnte »Miscellanea« des Miguel
Leitäo de Andrada (gedr. 1629 und 1867).
155. Die Gelehrtenbriefe sind fast alle lateinisch geschrieben. In den
familiären Briefen »etn linguagem«, bedienten die littcrarisch Gebildeten, wie
schon angedeutet ward, sich eines eigentümlich preziösen Barockstils, der bald
sentimental, bald satirisch, bald höfisch, bald bäurisch, bald ernst, bald
heiter ausschaut, gewöhnlich aber »jocoserio« ist, »dizendo, zomhando, mais que
' S. Dkc. Bibl. I 51 und II 130.
^ S. Braga, Questöes p. 274 — 282: Um precursor do Positiznsnw und besonders
Ludwig Gerkrath, Francisco Sanches, Wien 1 860.
' Der Herausgeber, Conde de Ficalho, liat sich mit dem gelehrten Doktor und
seinem Werke in einer ausführliclien und sehr lesenswerten Monographie beschäftigt: »Garcia
da Orta e 0 seit tempo<.< Liss. 1886.
* S. Mem. de Litt. VII 250—83.
* Sie bilden nur einen Teil, das 2. Buch seines grossen Werkes y>Tratado da pintura
antiga«. , und wurden 1 88 1 — 82 teilweise in der Zeitschrift A Arte Portugueza, vollständig
1890 — 92 in Vida Moderna gedruckt (ed. Joaquim de V a sc o n c e 1 1 os). Ausser
jenem Werke schrieb Ho Hand a y>Do tirar pelo natural«. 1549 (gedruckt l8y2 in Vida
Modernd) und Da fabrica que falece d cidade de Lisboa sowie Da sciencia do desenho \ 57 1
(gedr. 1879 als No. 6 der Archeologia Artistica).
344 I^l'iTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LlTT.
de siso«, und zwar »em estilo metaforico'i. und mit Benutzung möglichst zahl-
reicher Witzworte, Sprichwörter und Liederverse in möglichst vielen Sprachen.
Weniges hat sich erhalten. Meister im Fache und der eigentliche Pfleger des
(icnres war Fernam Cardoso (Barb. Mach. II 20), doch ist ein Band mit
Briefen von ihm und Camöes , welchen die Bibliothek des Grafen von Vimiciro
beherbergte, verschollen'. Die Episteln, welche Miranda mit seinem Schwager
Manocl Machado de Azevcdo austauschte, waren schon 1660 von Ratten
zerfressen-. Was Miguel Dias und Luis de Lemos ihrem Freunde Camöes
nach Indien schrieben, ist dahin. Was Joäo Lopes Leitäo zu sagen für gut
befand, ist bis heute wenigstens ein Geheimnis^; und von den 21 scherzhaften
Stücken, die den Spottvogel Chiado zum Verfasser hatten, lesen wir nur drei.
Wir kennen ausserdem noch zwei oder drei Schreiben von Camöes, eines vom
Grafen deAlcoutim, nebst der Rückantwort eines Unbekannten 4, einige Briefe
von Jorge Ferreira de Vasconcellos in seinen Komödien, und einige stark
parodistische von Soropita, die mit ihren equivocos und disparates {coqs ä Fäne)
das Vorbild für zahllose spätere Gesellschaftsspiele der akademischen schön-
geistigen Zirkel, sowie fLir humoristische Zeitungsartikel der Gazetas wurden.
156. Dass ein reicher Schatz historischer, geographischer und archäo-
logischer Prosa- Werke in lat. Sprache vorhanden ist, von denen nur drei im Vor-
stehenden genannt wurden, wie auch an gedruckten und ungedruckten, bisweilen
kommentierten Ausgaben und Übersetzungen lat. und griech. Klassiker, darf
eben nur gesagt werden, obwohl viele davon nicht ohne Einwirkung blieben.
H. VIERTE EPOCHE 1580— 1700 ^
NACHBLÜTE UND VERFALL: KULTERANISTEN (CULTERANISTAS,
SEISCENTISTAS).
^M 11 gern eine Einleitung. Die Werke aller romanischen Litteraturen
^^g kranken im 17. Jh. an einem überladenen rhetorischen Stil. Der
Gedanke wird der Form untergeordnet. Seltsamste fernhergeholte Bilder und
die unwahrscheinlichsten Gleichnisse geben der Ausdrucksweise der Schrift-
steller ein barockes Gepräge. An blühendem Unsinn [disparates) ist kein
Mangel. Zwar giebt man vor, zur Natur zurückkehren zu wollen, doch
erscheint die Wirklichkeit in ganz konventionell übertünchter Maske. In
Italien gedeihen seit 1623 die Concetti ä la Marini; in England, dessen
Litteratur der italienischen Strömung folgte, herrschen süssliche und künstliche
Metaphern, die nach Lily's Roman Euphues als Euphuismus bezeichnet werden;
in Frankreich schiessen gleichwertige Spielereien üppig ins Kraut, besonders
nachdem die carte de tendre aus Madame de Scudery's C/<^//(? (1656 — 171°)
das Beispiel gegeben hatte; in Spanien legen fast alle Litteraten ihren Ge-
danken die bauschigen, falten- und schmuckreichen Galakleider an, die Gon-
gora zuerst angewendet hatte; in Portugal wuchert ein die Fehler des spanischen
Musters noch überbietender Kulteranismus. — Die Allgemeinheit der Entartung
weist natürlich auf gemeinsame Ursachen hin. Und dieser Ursachen haupt-
» S. Mem. da Acad. de Hist. Anno 1724 No. XXVII p. ö-
* S. Monte hello, Vida de Manoel Machado p. 85.
* Ein Brief von ihm an seinen Bruder Pedro soll in der Bibl. da Ajuda ruhen.
* S. Ztschr. VIT p. 435 und ff.
5 ' Hier erst ergreift Theophil o Braga das Wort, und nicht schon
in der dritten Periode, wie in § 14 gesagt ist. Seinen portug. Text hahe
ich frei wiedergegeben, und mit einigen Daten sowie den nachfolgen-
den Anmerkungen für den deutschen Leser versehen. — C. M. de V.
Vierte Periode. Kulteranisten : Lyriker. 345
sächlichste ist unbedingt der übertriebene Purismus und Klassizismus des 16.
Jhs. Er musste eine Reaktion hervorrufen, und zwar im Sinne zügelloser,
individueller Freiheit, die am Absonderlichsten Gefallen fand, wenn es nur
die eine Bedingung erfüllte, von den abgenutzten typischen Formen und
Redefiguren der Klassiker abzuweichen. Der Anstoss zur Stil-Erneuerung ging
von Spanien aus, das damals in der Litteratur die Führerrolle spielte: Marini,
der Erfinder der italienischen Concetti, war span. Ursprungs; und spanische Werke
dienten Scarron, Corneille, Moliere, Lesage, Quinault, Hardy und
Rotrou zum Muster. Was AVunder, dass die Portugiesen, die damals unter
der Herrschaft der Spanier standen, das Gleiche thaten, und noch viel weiter
gingen. Nicht genug damit, die Spanier nachzuahmen, und die eigene Litte-
ratur zum blossen Schattenriss der spanischen zu machen , schrieben die
meisten Portugiesen die Sprache der Nachbarn. In der Lyrik, im Drama,
im Novellenfach , im Schelmenroman, in der Geschichtsschreibung, in der
Mystik finden sich viele Arbeiten hispanisierter Portugiesen. ' Und auch was
portug. verfasst ward, unterscheidet sich nur durch die Sprache. Der Stil ist
derselbe: was man in Portugal meisthin Seiscentismo nennt, ist in Wahrheit
nichts als ein auf die Spitze getriebener Gongorismus, mit allen seinen
Schwächen, aber ohne das originelle Kolorit, das er im Lande seiner Ent-
stehung trug. — Die Seiscentistas folgen im Allgemeinen einer Doppelströmung:
einerseits verwerten sie dieselben italienischen Dichtungsformen, wie die Klassiker
Mir an da und Camöes, und benutzen noch die klassischen gelehrten Ver-
brämungen; andererseits aber bedienen sie sich des spanischen Wortschwalls,
künstlicher Fehlschlüsse, gesuchter Metaphern, und einer affektirten, subjektiven
Betrachtung der Wirklichkeit.
158. A. Lyriker. Der schätzenswerteste unter den Dichtern des 17. Jhs.
bleibt, weil er nicht dauernd der Modekrankheit verfiel, der grosse und vielsei-
tige D. Francisco Manoel de Mello (1611— 1666), ein Quevedo, was
die Schärfe und Gewandtheit seiner witzigen Einfalle anbetrifft, und ein Lope
de Vega durch seine Liebesglut uud seinen^|ritterlichen Sinn. 2 — Der in
Lissabon geborene und daselbst im Jesuitcnkollegium erzogene Adlige schlug
die militärische Laufbahn ein, huldigte aber schon früh den Musen. Noch
als Student veröffentlichte er i 2 Sonette auf den Tod der Ines de Castro, und
schrieb die ungedruckte Novelle : »Fruchtlose Gunstbezeugungen« = »Finezas
mallogradas« . Er diente zuerst auf der span. Flotte, schloss sich aber 1640 der
nationalen Bewegung an, welcher er in dem Werke «Poätica militar en avisos
generales« den Boden bereitet hatte. Johann IV. erwies sich Jedoch nicht
dankbar, Hess vielmehr den Schriftsteller, dem J er so vieles schuldete, aus
Eifersucht auf die Gräfin von Villa Nova de Figueirö, 9 Jahre im Kerker
schmachten (1644— 1653J, und verbannte ihn darauf nach Brasilien, von wo
Mello, nach Ablauf von 6 Jahren, erst nach dem Tode des Monarchen zurück-
kehren durfte. Diese langen ungerechten Leiden blieben nicht ohne Einwirkung
auf Gemüt und Geist desj^lheissblütigen , leicht erregbaren Dichters. Seine
Werke sind sehr ungleich. Es findet sich viel Minderwertiges, seinem grossen
' S. S o u s a V i t e r b o : »A Civüisafäo portitgiuza e a Civiltsafäo hest)anhola, Purttj
1892. und von demselben : Poesias de Auetores Portuguezes em Livros de Escriptores Hespatthoes,
CoTinhia i8Q2. — Sorgfältige und reichhaltige Schriften.
* Nachrichten über ihn suciie man, ausser in der Bibl. Lus und im Dicc. Bibl. bei :
Philari'te Chasles, Voyages d'un Critique (Abteilung Espagne: Aufsatz V) l86y.
C. C. Branco in dem Aufsatz, welchen er der Carla de gnia de casados beigab, Porto
1873; Inn. da Silva, in iler Kinleitung, welche er zur Feira de An ex ins schrieb,
f.iss. 187.=,; A. F. Barata, in dem Epilog zu dem historischen Roman »Um duello nas
sombras*. Lissab. 1875. - Mello ist eingehender Beschäftigung wert und bedürftig.
346 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT, LITT.
Talent nicht Ebenbürtiges darin, wenn auch ein feines poetisches Gefühl, und
ein gesunder Sinn für Nationales und Volkstümliches ihn nie gänzlich ver-
liess. — Seine zahlreichen Dichtungen führen den Gesammttitel »Musas de
Melodino« i Doch ist nur der zweite Teil, mit dem Spezialtitel »Die zweiten
3 Musen« portug. abgefasst. ^ Der Dichter erneuert darin die alten Dichtungs-
formen der medida velha. In seinen m )ralischen Idyllen und den Lehrbriefen
in redondilhas erinnert die schlichte kernige Einfalt der Figuren und das
Treffende ihrer Ausdrucksweise an Sä de Miranda's vorbildliche Arbeiten. 3
Im Lustspiel vom »Edelmann als Lehrling =: Fidalgo Aprendiz« greift er gleich-
falls zu den nationalen Formen des alten Theaters von Gil Vicente zurück,
und bringt noch einmal die komische Figur des armen Adligen auf die Bühne,
die der flämische Humanist Clenardus in einem seiner lateinischen Portugal-
briefe so ergötzlich schildert. * Unter Mello's numerisch viel zahlreicheren
Poesien in ital. Geschmack ist in metrischer Beziehung weiter nichts als eine
kleine Anzahl von Madrigalen neu.-'' Alle sonstigen, von ihm angewendeten
Formen waren bereits durch Camöes zur höchsten Ausbildung gebracht worden.
Zum Kultus dieses Genius kehrte er daher zurück, und gab seinem mystischen
Liebesidealismus in unnachahmlichen Sonetten zu einer Zeit Ausdruck wo,
im Lager der Epiker, der Kampf zwischen den Camonisten und den so-
genannten Tassisten tobte, und manche Portugiesen pietätlos den Ruhmes-
kranz des Lusiadensängers zerpflückten. In dem schönen Prosa-Dialoge, den er
das »Siechenhaus der Wissenschaften — - Hospital das Lettras«. betitelt, und in dem
zum ersten Mal in Portugal eine gesunde und weitsichtige litterarischc Kritik
geübt ward, verherrlicht er Camöes, erteilt unter den Quinhentistas die Palme
jedoch dem »grossen Sil«^. — Als echtes Kind seiner Zeit ward Mello auch
Mitglied und Präsident alberner Akademien, und huldigte der von ihnen ver-
tretenen verdorbenen Geschmacksrichtung, indem er allerhand »Obelisken«,
»Labyrinthe«, »Pyramiden«, »Poetische Wälder« und ähnliche Spielereien
verfasstc, wie sie während des ganzen 17. Jhs. in Modegunst blieben'.
' Wie yuevedo, so teilte Mello seine Dichtungen, nacli Inhalt und Foriu in
9 Teile, deren jeder den Namen einer Muse trug. Die ersten drei erschienen 1649 zu Lissabon,
unter dein von Braga zitierten Titel; dann wiederholt, mit Hinzufiigung der weiteren sechs
Musen, 1665 zu [>yon als y>Obras metricas de Don Francisco Manuel, im 2. Band seiner
» Obrasv- .
2 riAs segundas (res A/usas«. - Die ütba de Calliope umtasst lOO Sonette (amorosos,
moraes, festivos, laudatorws, familiäres, heroicos, liricos, sacros) ; die Qanfonlia de Euterpe, Briefe
und Idyllen, vorwiegend in Kurzzeilen ; die viola de Thalia, fioiunie Oktaven und Terzette,
Madrigale, Oden, Wälder, Sapphische Strophen, und dazu voltas, glosas, cptintilhas, decimas,
copLas de Manriqiie, romances, epigramas, Loas, Uedertexte, und e i n grösseres Bühnenstück.
' Der kluge Mann hat seinen verbildeten Geschmack gewaltsam in vernünftige Bahnen
/.urückgeleitet: Zum scnhor leitor sagt er darüber: DÜa so cousa vos lembro que me det'eis um
grande desejo de resucitar o grave estilo de nossos passados . . . . ; afim de vos renovar este
hiteresse .... passei mil descontos com 0 tuen natural que 0 prendi e sopeei, a troco de seguir
aquelles nobres exeinplos . . ., que 0 »leu juizo gostava de ir d India por föra.«.
* Dieser munteren, kulturhistorisch interessanten Posse in Ami jorfmdas, die bei Hofe
zur Aufführung gekommen sein soll, hat Braga Kap. 17 seines Theairo Portugiuz tto
seculo XF// ornwulmet. Gedruckt ward es, wie Anm. 2 sagt, in den A/usas, und allein 1676.
* In § 128 und 144 erwähnte ich bereits, dass schon vor ihmBernardo Rodri-
gues Madrigale und Ballaten schrieb.
* Der wirklich geistvolle Aufsatz »Hospital das lettras«, in welchem j u s tu s L i p s i u s ,
'I"!ajano Boccalino, Quevedo und Mello, als Vertreter des Humanismus, Italiens,
Spaniens und Portugals in einer lissabonner Bibliothek ihre Ansichten über I>itteratur aus-
tauschen, bildet mit diei anderen Gesprächen — den Kelogios fallantes, dem Kscriptorii) ava-
rento und iler Visita das fonies — einen Sammelband, »Dialogos apologaes«, der erst 1721 ans
Licht kan». Alle vier sind werthvolle Sittenstudien, voll Krnst und Scherz, in reich ge-
würzter, echt portug. Sprache, wie damals nur der Sammler der Volksredensarten, der uns
die feira de anexins hinterliess, sie zu schreiben verstand.
' S. u. § 163.
KuLTERANisTEN : Lyriker. 347
159. Der zweitgrösste Lyriker seinerzeit, Francisco Rodrigues Lobo,
(gest. etwa 1625)1 schaltete fast alle seine zahlreichen lyrischen Gedichte in
seine drei allegorischen Schäferromane ein. Unter denselben, die meisthin einer
Hofdame des Herzogs von Caminha gewidmet sind , zeigen die Idyllen sein
hervorragendes Talent am hellsten. Selbst im ital. Hendekassyllabus bedient
er sich volkstümlicher Wendungen; und aus den Liedern in Kurzzeilen, welche
als Einlage zu den Hirtengesprächen vorkommen, spricht nationales Gefühl
in ausserordentlicher Reinheit und Frische, so z. B. aus den kleinen Vilan-
cetes über Violante und Leonor. — Trotzdem unterliess er es nicht, kastilische
Romanzen zu verfassen- und eine Sammlung davon dem spanischen Philipp
(III) bei Gelegenheit seiner Reise nach Portugal zu widmen. " — Der verliebte
Lobo ertrank im Tejo.
160. Schon gegen Ende des i6. Jhs. reagirte auf der Halbinsel eine
mystische Gegenbevvegung voll echt-christlich-katholischen Geistes gegen den
frömmelnden Formalismus der Jesuiten, wie aus den Versen des S. Joäo da
Cruz, Frei Luiz de Leon und der heiligen Theresa de Jesus zu ersehen
ist. In Portugal erhielten die frommen Weisen, in Folge der trostlosen Ent-
mutigung der geknechteten Nation, einen spezifisch melancholischen Charakter.
Nennenswert sind die Elegien des Frei Antonio das Chagas, die als An-
hang zu einer vom Padre Manuel Godinho verfassten »Vida<c veröffent-
licht worden sind*. Sie bilden ein merkwürdiges Gegenstück zu den durchaus
weltlichen, leicht geschürzten, oft sogar zuchtlosen Wäldern von Kunstromanzen
(gegen 1 50), welche er vor seinem Eintritt in den Orden unter seinem richtigen
Namen Antonio da Fonseca Soares geschrieben hat.^ Die »göttlichen
und menschlichen Verse« des D. Francisco de Portugal^; der Farmiso
der Nonne Violante do Ceo (1601 — 93); die y>Soledades do Bussaco>y von D.
Bernarda Ferreira de Lacerda kleiden die seligen Empfindungen frommer
Verzückung in weiche und melodische, oft jedoch mattsüssliche Strophen,
bald in portug., bald in span. Sprache. An diese lyrischen Ergüsse schliesst
sich eine Reihe längerer poetischer Heiligenleben wie z. B. das des Evangelisten
Johannes von Barreto Fuseiro, und ferner das theologische Lehrgedicht
»Os Novissimos do Hörnerne von D. Francisco Child Rolim de Moura
(1572 — 1640), das sich in 4 Gesängen mit den »letzten« Fragen — Tod,
jüngstem Gerichte, Himmmel, und Hölle beschäftigt.^ Der einzige mystische
' Vgl. § 144. 151 und § 164. Eine eingehende Würdigung liess Bouterwek ilnu
widerfaliien ; wie auch Costa e Silva {Ensaio V).
* Romances, primeira e segunda parte, Coiinbra 1596 und Liss. l6ö4. Nicht nuf 2
davon, sondern 5 sind portug., der Sprache nach. Dem Geiste nach sind sie alle ganz spanisch.
Zum Teil treiben sie den Hyperliolismus auf die Spitze (besonders in den romances moiiriscos),
wohl absichtlich, um die »kastilische Renommieisucht = os feros castelhanosj- lächerlich zu
machen, die der Portugiese ebenso gern tadelt, wie der Spanier die portugiesische.
* La Jornada qtie . . . Filippe III hizo al reyno de Portugal .... en varios romances,
Liss. 1623.
* Vida, virtudes e morte com opiniöo de sattctidade do . . . P. Frei Antonio das Chagas
1687 (u. öfter).
' Über das abenteuerreiche weltliche Leben und Wirken dieses typischen, unter dem
Spitznamen Capitao Bonina bekannten Dichters (1631-1682), der bis 1662 als Soldat
kämpfte und als unersättlicher D. Joäo ausschliesslich seinem Behagen lebte, äusserst
frivole Lieheslieder, sowie Kriegsberichte schreibend, lese man A 1 b e r t o P i m en t e I : » Vida
mundana de um frade virtuoso«, Lissab. 1 890.
* »Divitios y liumanos versost nebst »Prisoes e solturas de uma almai. (gedi-. 16,52),
wie üblich ein Gemisch von portug. und span. Gedichten in beiden Stilarten . von denen
keine sich jedoch der obligaten Metaphern, Wortspiele und Hyperbeln enthält. Sehr lehr-
reich ist seine Prosaarbeit : y,Arte de Galante ri<iis. ( 167O) die, im Anschlüsse an hofmännische
Lebensregeln und sittengeschichtlich interessante Anekdoten, ein Gesetzbuch hispanischer
Poetik bietet.
' Gedr. 1623 und 1853. An Dante, Milton oder Klopstock erinnert das
348 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4 PORT. LllT.
Poet jedoch, der eine volkstümliche Ader hatte, war Francisco Lopez,
der mehrere geistliche Poemas in kurzzeiligen Quintilhas abfasste (Santo An-
tonio - - Martyrcs de Marrocos — S. Born Homefn), und auch verschiedene Be-
gebnisse der Revolution von 1640 in gebundener Rede behandelte. Von
den »Rätseln« seines »Passatempo honesto« sind viele traditionell geworden:
an den heute im Volksmunde umlaufenden Texten lassen sich interessante
Umgestaltungen wahrnehmen. —
161. B. Epiker. Der Enthusiasmus für epische Gedichte war, trotz dem
Erbleichen des Heroentums, nicht lauer geworden. Ein Poema heröico galt
weiter für den höchsten Ruhmestitel des Dichters. Man fuhr fort, die national-
geschichtlichen Nachrichten der Chroniken zu versifizieren ; unterliess es aber
dennoch nicht , sogar in den Vorreden und Widmungen zu patriotischen
Reimchroniken dem kastilianischen Usurpator Weihrauch zu streuen. MeisJ;
schöpfte man die stoffliche Grundlage aus Brito's »Monarchie« (^ i.'53)'
Francisco Rodrigues Lobo idealisierte den Helden, durch den bei Alju-
barrota der span. Stolz gebrochen worden war, in den 20 Oitavas-Rimas-Ga-
sängen seines 6<?W<?j-/«f'(?/ (gedr. 1609). — Gabriel Pereira de Castro (71632),
ein bedeutender Rechtslehrer und gelehrter Latinist, ersann, unter Benutzung
der Legenden der Afterchroniken, eine nicht ungewandte y>Ulyssea«. über die
Fabelreise des Ulysses nach der Halbinsel und seine Erbauung Lissabons, die
lange Zeit für die beste Epopöe, nächst den Lusiaden, gegolten hat:* einige
der schmähsüchtigen Widersacher des Camöes — Ma noel Pires de S ousa,
Joäo Soares de Brito, Rolim de Moura und Manoel de Gallegos —
versuchten es sogar, Pereira' s Gedicht für bedeutender als das kamonianische
Nationalepos auszugeben. — Die Sagen über die Entdeckung der Insel Madeira
und den sich daran knüpfenden Liebesroman des Mach im und der Anna
d'Arfete bilden den Gegenstand der »Instilana« (gedr. 1635) von Manoel
Thomaz (gest. 1665). — Francisco de Sä de Menezes (7 1664) griff
in seiner »Malacca Conquistada« (1634) noch einmal zu einem indischen Motive
und Helden (D. Affonso de Albuquerque), und zwar mit solchem Geschick
dass mancher sein Werk noch über die Ulyssea stellt.- In ihrer »Espanha
Uhcrtada« fusst D. Bernard a Ferreira de Lacerda auf alten Berichten
über den Einfall der Araber in die Halbinsel; doch spricht sie das Nachbar-
idiom. Schätzenswerter ist der -»Viriato tragico<^ des Braz Garcia de
Mascarenhas, der nach einem stürmischen Abenteuerleben und schweren
Prüfungen während der Befreiungsepoche sich in die Einsamkeit zurückzog, und
in der Dichtkunst Zerstreuung suchte. Da sein Poem bis 1699 ungedruckt
liegen blieb, bemächtigte sich desselben Andre da Silva Mascarenhas und
plagiierte es in seiner sart- und kraftlosen y>Destrui((Xo d'Espanha«. ■ — Nach
der Restauration von 1640 schuf das neu erwachte Nationalgefühl nicht, wie
mar, hätte erwarten sollen, neue, wirklich patriotische Gebilde: man begnügte
sich damit, die Person Johannas IV. zu feiern, wovon der -»Templo da Memoria«
des Manoel de Gallegos und die ungedruckte Lusifineida des Frei Manoel
de Santa Thereza Zeugniss ablegen können.-^
162. C. Das Drama. — Die spanischen Mantel- und Degenstücke bc-
trockene Lehrgedicht nicht, ebensowenig wie das, in § 145 erwähnte, welches Corte real
als Auto dos qiiattro tiovissi?nos (unter Hinzufflgung eines PVgefeuer-Gesanges) verfasste.
1 ^Ulvssea ou Lis/wa edificada«, geschrieben bald nach l6oo> gedruckt 1636. Den
gieiciien Stoff behandelte in einem niciit minder langatmigen, 13 Gesänge lullenden Epos, noch
ein anderer Zeitgenosse, A ntonio de Sousa de Macedo (1^)06— 82): T>Ulyssipo<.< 1640.
"^ Seit 1641 trug der verwittwete Dichter im Kloster den Namen Frei Francisco
d e Jesus.
' S. darüber 1 n n. da Silva VI liy. Audi der »Pkenix da Lusilania« des oben
erwähnten Manoel Thomaz hätte erwähnt werden können.
Rulteranisten: Epiker. Dramatiker. — Liit. Akademien. 349
herrschten dieportug. Bühne. In den Lustspielen -»Diu«, und -»Al/ea'i von Simäo
Machado sind opernhafte Effekte die Hauptsache.' Der »Dialogo gracioso de
Terracufa« und das »Hospital do nnmdo« von Pedro Salgado sind zwar nicht
schulgerechte Bühnenstücke, aber wenigstens portug. Geistes voll, der den
übrigen Dramaturgen fehlt, die wie Jacinto Cordeiro, Mattes Fragoso,
Antonio Henriquez Gomez und so viele andere, zur Bereicherung des
spanischen Theaters beitrugen-. Der y>Tratado da paixäo« des Paters Joäo Ayres
Moraes hat zwar den Aufbau eines alten hieratischen Auto^ nach Art der Schüler
Vicente's, doch zeigt seine Sprache all den bunten Ausputz der Kulteranisten.
163. D. Litterarische Akademien. In einemLande, das von Gewissens-
freiheit nichts wusste, seit die Furcht vor der Inquisition und ihren autos-da-
ß sowie die Rute der jesuitischen Erziehung die Geister knechtete, und das
der politischen Selbstbestimmung entbehrte, wie Portugal, während es unter
der span. Herrschaft seufzte, und auch hernach unter dem Despotismus der
Bragangas, konnten die Akademien, diese bedeutendste pädagogische Schöpfung
des 17. Jhs. unmöglich streng wissenschaftlichen Charakter haben. Die hei-
mischen Akademien sind nichts als litterarische Kränzchen (tertulias) in denen
die begüterte und äusserlich gebildete Minderheit sich am Luxus litterarischer
Spielereien ergötzte, und es nicht einmal mit dem Bestreben ernst nahm,
den Stil zu vervollkommnen. Auch hier ist die selbe, von Italien und Spanien
ausgehende Doppelströmung bemerkbar, welche ausserhalb der geschlossenen
Zirkel die Litteratur beeinflusste. Einerseits behandelte man Fragen aus dem
Gebiete der (iefUhlskasuistik nach kulteranistischem Rezepte; andererseits
ahmte man die ital. Melodien und Madrigale nach, welche als Vorläufer der
Oper zu betrachten sind^ Die bekannteste unter den zahlreichen schön-
geistigen portug. Akademien ist die der »(irossmütigen« = yGenerosos«, welche
derTruchsess Johanns' IV., D. Antonio Alvares da Cunha (1626 — ^90) im
Jahre 1649 gründete. Den zweiten Rang nimmt die der »Sonderbaren« =^ y>Sin-
gulaies« ein, die 1663 von D. Francisco Manoel de Mello nach dem
Muster der ital. Illuminati, Insensati und Lirid gegründet ward.* — Natürlich
1 *Dm« erschien 1601 ; mit der Ji/ea 1631 ; und 1706 unter Beigabe von 2 Enire-
mezes (nach Ouevedo's Muster) und 4 Loas {^que no son de Lopet). Siniäo Machado,
der nächst einer y>Sylva de Espiritiiales Pensamientos<i. noch einige spanische Novellen schrieh,
starb in Barcelona, nach 1 6:^2, als Klosterbruder Frei Boaventura. Die beiden zwei-
teiligen und zweisprachigen Dramen, die dem Leser sprachlich wie sittengeschichtlich reichen
Ertrag bieten, sind ein sehr interessanter, ob auch mislungener Versuch, das nationale Volks-
Auto mit seinen derben Rüpelscenen und die span. Comedia de tramoya, mit ihren Deko-
rationseffekten, zu einem Ganzen zu verschmelzen.
* Über Cord eiro , Fragoso, Gomes und andere vorwiegend spinisch dichtende
portug. Dramaturgen befrage man Barrera y Leirado und Garcia Peres; über die
portug. dichtenden Th. Braga: Theatro Portiiguez no sec. XVIII. Zwei Sammlungen der
beliebtesten Farcen und Zwischenspiele jener Tage sind die y>Mnsa entretenida<i. von Manuel
Coelho de Rebello, Coimbra 1658 und 1695, und die »Musa Jocosa« des Nuno
Nisceno Suti! 1709. Sie sind grobkörnig, doch lustig.
' Besonders König Joliann IV. war ein bedeutender Musikfreund und Kenner, wie
der Catalogo de musica seiner reichhaltigen 1755 vernichteten Sammlung bezeugt. Drama-
tisch aufgebaute Villancicos, Tonos, Canzonette und Madrigale entstanden zu vielen Hunderten
an seinem Hofe, und noch unter seinen Nachfolgern. — Mello 's Avena de Tersicore bietet
Beispiele dafür.
* Über die vornehmen Mitglieder dieser Akademien (oder Lyceen), deren Protektoren
Johann IV. (f 1656) und Alfons VI. (entthront 166S) waren, unterrichtet am besten Mello
in den humorvollen Knittelversen oder den kunstvollen Prosa-Satzperioden seiner akademischen
Reden. S. Ohras metricas \\ p. 146 — 165. 257—284 und HI 265. Vgl. auch Braga,
Manual 364 und dagegen C. C. Branco, Cur so p. 306 - 308, obwohl keiner von beiden
genügendes bietet. Die Vereinigungen der Generosos fanden zuerst im Hause Mello 's
statt, später (1647 — 1668) im Pallast des Gründers, meist sonntäglich. Die nichtigsten Gegen-
stände wurden zum Gegenstand hochtrabender, langer und kurzer Poesien gemacht. Am
besten gelangen die lustigen Bagatellen. Das genero jocoserio, das bis heute in Portugal be-
350 LlTTERATURGESCHICHTE DER 'ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
waren zahlreiche portug. Dichter auch Mitglieder span. tertulias: so Miguel
da Silveira, der Verfasser des religiösen Epos »^/ Macabeo«, der zur Dichter-
akademie Medrano gehörte — eine Ehre, welche Faria-e-Sousa sich nicht zu
erwerben vermochte. Dieser gab seine zahlreichen lyrischen Gedichte daher
gesondert unter dem bezeichnenden Titel »La fuente de Aganippe« heraus.'
Jede Vereinigung von Akademikern hiess certamen. Und ihre Wettspiele
fanden zur Feier jeglichen öffentlichen Begebnisses, zu Fürsten -Geburtstagen,
und Heiraten, zu Bischofsweihen, Heiligsprechungen u. a. statt. Wenige ihrer
Erzeugnisse sind gedruckt.'-^ Das merkwürdigste Denkmal der Moderichtung jener
Zeit ist daher das Sammelwerk »A Fenix renascida«, in dem auch das so be-
liebte Schelmen-Genre und die Karrikatur einen breiten Raum einnehmen.^ Als
Beispiel für letztere kann die »Jornada äs cor t es do Parnasoi< gelten , worin
Diogo Camacho die peninsularen Dichter respektlos, doch höchst witzig
in ungezwungener Sprache und guten Versen kritisiert. — Der Widersinn des auf
liebt gehlieben ist, ward üppig gepflegt, und da im 16. Jh. die angeborene Spott- und
Parodiersucht der Nation durch den Klassizismus sowie Inquisition und Jesuitismus gewalt-
sam cinged.ämmt worden war , t)rach sie nun mit ungezügelter Naturkraft hervor. Docit
artete sie erst in den sitten- und haltlosen Tagen Johann's V. (1706 - 1750) zu übermässig
roher Natürlichkeit aus.
' Diese heute ausserordentlich seltenen Eigendichtungen oder »Rimas varias*. des Faria-
e-Sousa (1590-1649), füllen 4 B.ände (1624— 27), wozu noch 3 weitere Publikationen
Kommen y>Narciso e Echo^< 1623; Pivinas y hiimanas ßores 1624; N^oches ciaras \b2^. Sic um-
fassen 12 Oktavengedichte, vieleAkrostichen.Esdruxulos, Echogedichte und ahnliche Spielereien,
2oldyllen {Eglogas amorosas, venatorias, maritimas, rüsticas, funebres etc.) und 600 Sonette,
worunter 200portug. sind. Plattes und Schwülstiges steht darin neben Geistreichem und wirk-
lich Effektvollem, Gutausgeführtes neben Flüchtigem. Nicht selten radotiert der Autor voll-
ständig, der als König der Floskel und kritisches Orakel sich selbst für grösser als seinen
Freund Lope de Vega hielt, da er täglich, kraft seiner Behändigkeit , durchschnittlich
12 Bogen Papier beschrieb! Schädlicher noch als seine Dichtungen, die doch nur ein kleiner
Haufen in einer mächtigen Masse waren , wirkten seine grundsatzlosen theoretischen Aus-
lassungen über Dichter, Dichtungen und die Dichtkunst im Allgemeinen, da sie so gut wie
allein dastanden — wenn man von den gelegentlichen, ein beschränktes Gebietsteil berührenden
F.röi'terungen bei L o b o (Corte na Aldeia), M e 1 1 o (Hospital das lettras und Cartas familiäres)
und D. Francisco de Portugal (Arte de Galanteria) absieht — und mit unglaublicher
Sicherheit vorgetragen wurden. Faria-e-Sousa ist nämlich auch als Kritiker der Wort-
redner und Betätiger aller Lizenzen. Er dekretierte ziemlich absolute Gewissens- und
Handelnsfreiheit (oder Willkür); verwischte die Grenzen zwischen gut und schlecht, erlaubt
und unerlaubt, schön und hässlich, gross und klein, wahr und unrichtig; und der falschen
Liberalität seiner Gesetzgebung ist es zum grossen Teil zuzuschreiben, wenn auch auf dem
Gebiete der portug. Litteratur (wie auf so vielen anderen) die verderbliche Doktrin sich mehr
und mehr Geltung verschaffte: licet quod übet und -»As leis säolettra tnorta^ Über den Menschen
Faria-e-Sousa lese man, aussnr seinen Eigenbiographien, die sich gar oft widersprechen,
seinen Lobredner Francisco M o r e n o P o r c e I : » Retrato de Faria-e-Sousa« ( 1650) ; die
Gegenschrift des Grafen von Ericeira; »Juizo histörico do Retrato de Faria-e-Sousa« {\~'X.^
sowie die einsichtigen Erörterungen von C. C. Branco im Curso H 71 f- und Circ. Ca>no?i.
I 311. Über den Dichter was Bouterwek und C osta-e-S il va über ihn äussern. Dazu
Storck, Camoens § 14 und 391.
"^ Die -fiConferetuiasi- At\ Singulares erschienen 1665 (u.68). Vgl. die tApplausos* 1673.
^ Erste Auflagein 5 Bdn. 1721 — 28; zweite 1746. Der bedeutendste unter den
anderthalb Dutzend Dichtern, die zu diesem Cancioneiro beigesteuert haben , ist im ernsten
Genre der korrekte und feinsinnige Erfinder der sogenannten -n Saudades (.<. (worunter man von
nun an elegische Schilderungen verliebter Einsamkeit verstand) Dr. Antonio Barbosa
13 a c e 1 1 a r ( 16 lO — 63), dessen Verse sich direkt an die von Lobo, Alvares do Oriente
und Camoes anlehnen. — Nennenswert sind von den humorvollen noch: D. Thomas
de Noronha (\ 1651) wegen seiner komischen Sonette; Jacintho Freire de An-
drade, der die Exzesse der Gongoristen überbietet, um sie lächerlich zu machen; und der
witzige, unglückliche Jude Antonio Serräo de Castro (1610 — l685),der nach schwerer
Verfolgung von Seiten der Inquisition bettelarm und blind im Hospital starb. In den Kerkern
des Santo-Officio, wo'er lO Jahre verl)lieb, schrieb er ein Scherzgedicht in Kurzzeilen *0s
ratos da Inqnisifäoi, das erst 1883 durch C. C. Branco ans Licht gezogen ward. Es
verwertet sehr oft bekannte Verse von portug. Klassikern , ohne sie als solche zu kenn-
zeichnen.
Akademien. — Hirtenroman u. Novelle. 351
die Spitze getriebenen Kulteranismus zeigt sich am deutlichsten in den Reime-
reien des übrigens talentvollen Jeronymo de Bahia. * —
164. E. Hirtenroman und allegorische Novellen. — Die Prosa-
novelle wird eifrig gepflegt, und zwar in viel mannigfacheren Formen als früher.
Die alte Vorliebe für die Hirtennovelle im Geiste Montemör's dauert zuerst
fort, nur dass sich in der Schreibweise alle sentimentalen Künsteleien der Mode-
dichtung wiederspiegeln. Später wird die Novelle allegorisch, nimmt dann
einen lehrhaft moralisierenden Charakter an, und wird zuletzt sogar ascetisch.
Als realistisches Gegenstück dazu erscheint der spanische Schelmenroman,
dessen hervorragendste Vertreter der bewunderungswürdige Lazarillo de T&rmes,
der Gran Tacäno und der Bachiller Trapaza sind. In Portugal fehlt es nicht
an Nachahmungen aller dieser Gattungen. Doch sind die meisten unsäglich
fade, stilistisch unverdaulich, gedankenarm, und mit unnützen Episoden über-
laden. Nennenswert sind unter den Schäferromanen allein die drei zusammen-
hängenden des Rodrigues Lobo y>A primavera« (1601); y>0 pastor pere-
grino« (1608) und y>0 desenganado« (1614), die trotz ihrer ermüdenden Länge
ein lebendiges poetisches Nationalgefühl verraten, und eine durch Rundung
und Eleganz ausgezeichnete Sprache reden. 2 Viel unbedeutender sind die
•»Ribeiras do Mondego« des Eloy de Soutomayor (1623). Zu den allegorisie-
renden Romanen gehört der y>Pfedestinado peregrino«. des Frey Alexandre
de Guzmäo, doch bleibt er weit hinter der ausserordentlichen Schönheit des
•»Filgiims Frogress« des englischen Anabaptisten Bunyan zurück, den er sich
zum Muster nahm. ■ — Moralisierende Beispiel-Novellen fanden in den Bürger-
familien, in denen man endlich begann, Geschmack an der Lektüre zu finden,
grossen Anklang. Dahin gehören : y>Os infortunios tragicos da constante Florinda«
vom Pater Gaspar Pires Rebello (1665); der »Alivio de tristes e consolafäo
de queixosos« vom Pater Mattheus Ribeiro (1688); und y>A roda da fortuna
e vida de Alexandre e Jacint/ia« von ebendemselben (lögs).^ Der nennens-
werteste Schelmenroman ist y>0 peralvilho de Cordova« von Matheus da Silva
Cabral, der als Fortsetzung zuSolorzanos -»Bachiller Trapaza« aufzufassen ist.
— Der Ritterroman fand immer noch Pfleger und Lese;r, wie aus den, schon
früher erwähnten Fortsetzungen zum Falmeiritn de Inglaterra erhellt (s. ^ 149)
' Eine andere vervollständigende Sammlung von Poesien ans dem 17- Jh- (und aus
der ersten Hälfte des 18.) trägt folgender. ponii)ösen Titel (zu dem sich Dutzende von
Parallelen anführen Hessen): Eccos qtu 0 Clarim da Fama da: Postilhäo de Apollo montado
no Pegaso, girando o Utiiverso, para dividgar ao orbc littenirio as peregrinas flores da poesia
portugueza, gedr. 176I-62 von einem Sammler, welche der Mode treu, seinen Namen
anagrammatisch verdreht hat.— Eine geschmackvolle Auswahl des Besseren aus beiden Werken
enthält John Adamson's Liisitania illustrata. New-Castle 1842. — Da es, nach wie
vor, für vornehmer galt, seine Werke handschriftlich nur bekannten Gönnern und
Gönnerinnen zu übersenden (de mandar im papel), und da manche der unverblümten und
skurril-lustigen Erzeugnisse portug. Witzes (r= der galhofa, chalofa, püheria und brejeirke,
die man unter den Begriff T>gra(a poi-tuguezai zusammen fasst) überhaupt das Licht der
Öffentlichkeit scheuen nius=;ten und müssen, so blieb sehr vieles ungedruckt. Aus den in
öffentlichen und Privat-Bibliotheken ruhenden Canciomiros de tnäo des 17. und 18. Jhs. ziehen
Litteraturfreunde nur daim und wann einige Musterstücke hervor (wie z. B. C. C. Branco.
der unter anderem eine Sammlung von lo Bänden hesass; Inn. da Sil va; A Ib. Piment el;
Garcia Peres; Borges de Figueiredo; und der sonderbare Bernar des Branco).
— Zu dem Dutzend portug. Dichter (des 16. und 17. Jhs.), welche Lope deVega 1630
im Laurd de Apolo g^\)y'Kstn hatte, trug schon 1631 J aci n to C ordeiro in seinem »Elogio
de Poetas Portnguezes« 76 (und nicht 38) Namen nach! Man vergleiche noch Manuel de
Ga lieg OS, »Templo da Memoria i. und P.Antonio dosReys, »Enthtisiasmus Poeikusv.
* Über Lobo, den ich zu den Epigonen der klassischen Periode rechne, sowie Ober
Sotomayor und Veiga, blicke man auf § 144 zurück.
' Desgleichen noch der tRetiro de cuidados e vida de Carlos e Rosaura« von demselben
Verf;isser. Der Leser wird die Erwähnung der »Feinen Abendunterhaltung« des Felix da
Castanheira Turacem vermissen (»Äröö />ö////V(;<, 1704), dessen anmutige Natürlichkeit
Bouterwek zu LobsprOchen veranlasst hat.
^5 2 LirrEKATURGKSCHICHTE UER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
Eingehendere Beachtung als sie ihnen bis heute zu Teil ward, und kritischer
Untersuchung wert, sind die y>Academia nos Montes«. von Manuel de Campos;
die y>Historia do Capuchinho escossez« von D. Diogo Gomes Carneiro
(1657); die y>Paciencia consiante« von Manoel Quintana de Vascon-
cellos (1622); die -»Frodigiosas historiasy> von Manoel Brito Aläo (1637);
die y>Saiisfa(äo de aggravos e confusäo de vingativos« vom Pater Joäo da Fon-
seca (1695) und der -»Peregrino de America<(. von Nuno Mar ques Pereira. ' -
Ahmten die Verse der Akademiker alle Absurditäten des Gongorismus ohne
Stirnrunzeln, ja mit Enthusiasmus nach, so überschlug die Prosa sich förmlich
im Unsinnigen. Den Gipfel der Verrücktheit erklommen symbolisierende Werke
wie die: »Christaes da Alma«, und die »Desmaios de Maio«. (1636)2
165. F. Der Kulteranismus in der Geschichte. Die Geschicht-
schreiber des 17. Jhs., welche in Universität und Schule noch heute als musterhaft
gepriesen werden, sind Frei Luiz de Sousa und Jacintho Freire de An-
drade (f 1657): ihre Schreibart gilt für klassisch. Der erstere gab in der viel-
gerümten Chronik des Dominikanerordens, den stillosen, älteren Aufzeichnungen
des Frei Luiz deCacegas eine elegante kunstgerechte Redaktion, doch fehlt
dem Werke, das an malerischen Beschreibungen reich ist, alle gesunde Kritik:
sein ganzes Verdienst besteht in dem rhetorischen Prunk. Das Leben des Frei
Bartholomeu dos Martyr es spricht eine weniger pomphafte Sprache. Auch
verdient darin die Aufzeichnung gar mancher Anekdote über jenen kernigen
und tugendhaften Erzbischof von Braga Lob. Im Grossen und Ganzen zeigt
der Darsteller jedoch auch hier nur wenig Verständniss für die historische
P^poche, die er schildert, wie schon sein Biograph D. Francisco Alexandre
Lübo bemerkt hat.^ Die unvollständige Chronik Johannas III. von ebendem-
selben, die erst neuerdings ans Licht gezogen worden ist"*, besteht aus Einzeln-
heiten, die durch kein anderes als das äusserliche Band der chronologischen Auf-
einanderfolge geeint sind. — Das Leben des D. Joäo de Castro von Jacintho
Freire de Andrade ahmt den Pleonasmus der spanischen Novellen, in
Sonderheit des »Persiles y Sigismunda« ergiebig nach, besonders in den vielen
' Der Capuchinho ist nichts als eine Übersetzung aus dem Italienischen des Ranuccio;
flif Paciencia ein aus Prosa und Poesie gemischter Hirtenroman; die Prodigiosas historias
sind fromme Wunderherichte aus dem Nazareth-Klosser ; ^\^ Satisfagäo enthält rein religiöse
Gespräche zwischen einem Eremiten und einem Soldaten ; und der Peregritto ist ebensowenig
romanhaft, sondern ein compendio narrativo evi que se tractam varios discursos espiritnaes e
moraes !
* Die vollen Titel lauten: Crystaes da alma, frases do coragäo, rhetorica do senliinento,
e amantes desaliniws, von Gerard o de Escobar und Desmaios de maio em sombras do
Mondego von Diogo F e r r e i r a F i g u e i r o a.
* Das Leben dieses Möncii gewordenen, klassisch-gebildeten Ritters, dessen elegante,
wohllautende Sätze thatsächlich von aller älteren portug. Prosa abweichen, ward frohe legenden-
haft verbrämt. Manuel de Sousa C o u t i n h o , der Sohn jenes L o p o , dessen Geschichts-
werk in § 153 erwähnt wuide, fgeb. 1555 gest. 1632) war Malteser-Ritter; ward zwischen
1,=)74 und 77 bei einer militärischen Expedition in Algier gefangen; vermählte sich lr>85
mit D. Magdalena de Vilhena, der Wittwe des angeblich bei Alcacer-Quebir gefallenen D.
Joäo de Portugal (dessen Vater D. Manoel uns als Dichter und Beschützer desCamoes
begegnet ist); steckte 15^9 seinen Pallast in Brand, als ein span. Gouverneur sich dort ein-
quartieren wollte; entfloh den üblen Folgen, indem er nach Indien ging, von wo er erst
l604/,T heimkehrte, und trat 1614 in das Dominikanerkloster Bemfica, während seine Ge-
mahlin gleichzeitig den Nonnenschleier nahm. Die Sage, welche schon von Cervantes
im Persiles in freier Weise und von A 1 m e i d a - G a r r e 1 1 zu seinem Drama Frei Luis de Sousa
vorwertet ward, erklärt diesen Schritt, indem sie versichert, der erste Gatte D. Magdalena's
sei nicht tot gewesen, sondern habe nach langer Gefangenschaft und frommer Pilgerfahrt
Nachrichten von sich gegeben. S. darüber Frei Antonio da Encarnaqäo in der
Einleitung z\xx Historia de S. Domingos Bd. II (ed. 1662); Bayäo, Chronica de D. Sebastian
\^. 7^6; und besonders Alex Lobe, Obras, II, sowie in den Memorias da Academia VIII,
1 — 101 die Memoria historica äcerca de Frei Luis de Sousa.
* y>Annacs de D. Jodo 111«, Poito 1844.
KULTERANISTEN : GESCHICHTE. — KaNZELREDNER : A. ViEIRA. 353
Reden, die der Autor seinem Helden nach Art des Titus Livius in den Mund
logt. 1 Wahres historisches Verständnis belebt hingegen die »Geschichte des
katalanischen Aufstands« von D. Francisco Manoel de Mello, die aber,
leider, spanisch abgefasst ist.^ Mit Rücksicht auf dieses Buch sagt Phil.
Chasles: »ohne jede gewollte Nachahmung des Altertums erneuert der Autor
die dramatische Lebendigkeit eines Thucydides und Herodot«.-'^
166. G.Eloquenz und Episto] ographie. — Die Beredsamkeit wurde
einzig und allein auf der Kanzel gepflegt. Ihr glänzendster Vertreter ist der Jesu-
itenpater Antonio Vieira (1608 — 1697), der so ungeheuren Einfluss auf die
Regierung Johann's IV. ausübte. Die unermüdliche Thätigkeit dieses Missionars
und Hofpredigers erstreckte sich fast durch das ganze Jahrhundert.'* Die Kritik,
welche er in seiner Predigt vom Montag Sexagesima des Jahres 1653 an den Stil-
sünden der geistlichen Rhetoren übte, stimmt zu den Verfügungen des Papstes
Innocenz XI. an die Oberen der verschiedenen Orden, worin es gemissbilligt wird,
dass die Priester » Concciti \\x\6. Redeblüten« anwenden. — Auch die Moralisten
l)efleissigten sich natürlich des pretiösen Modestils, wie z. B. die Arie de fiirtar
beweisen kann.^ — Das einzige Werk, in welchem die Sprache des Herzens
' Das sehr verschieden beurteilte Werk dieses »Meisters der Grandiloquenz« erschien
1651 und hernach noch mindestens 20nial (engl. 1664J.
^ Historia de los movimientos , separacion y guerra de Cataluna, 1645 (unter dem Pseudo-
nym Clemente Vic torin o) und oft. — Portug. Geschichtsberichte von ihm sind die
y>Epanaphoras de varia historia portugueza (1660), welche fünf Einzelberichte umfassen: l) über
die Kriegsereignisse des Jahres 1637; 2) über den Seekrieg von l627; 3) Entdeckung Madeira's
(frz. I671 Paris, bei Barbin, dem Verleger der weiter unten besprochenen Leüres d'»ne J^e/i-
gimse:\ 4) Kanalkrieg von 1639; 5j Holländisch-brasilischer Krieg von 1654.
* Natürlich existiert daneben eine Fülle anderer historischer Werke, die sich meist
von den Absurditäten des Modestils ziemlich fern halten. Zu besprechen wären besonders
die Fortsetzungen der Monarchia Lusitaua: Parte III und IV (1632), die bis zu Alfons III.
reichen, von Frei Antonio Brand äo (1584 — 1634) über den man die Alemorias da
Acadeniia VIII 36 —80 nachschlage; V und VI (1650 und 1672) über D. Dinis von Frei
l-'rancisco Brandäo (1601— 1680); VII (1683) über Alfons IV. von Frei Raphael
de Jesus (1614—1693) (Parte VIII (1727) von Frei Manoel dos Sanctos gehört
ins 18. Jh.); ferner eine Reihe zeitgenössischer Schriften über Alfons VI. wie z. B. die
tagebuchartigen Monstrtiosidades do tempo e da fortuna (1662 — 80), welche man Frei
Alexandre da Paixao zuschreibt, (gedr. 1888 von Graqa Barret o); A\e Catastropßie,
( vermutlich von D. Fernando Correa de Lacerda); die Anticatastrophe (gedr. 1 845) ;
und die Vida del Rey D . Affo7iso VI escripta em 1684 (gedr. 1875 durch C. C. Branco); von
Ordenschroniken, ausser Brito 's Chronica de Cister (1603), und Sousa's Chronica de S. Do-
mingos (1619). die Chronica da Companhia de Jesus von Balthasar Teiles (gedr. 1645);
von Monographien die Vida de S. Francisco Xavier \on ]oü.o de Lucena 1600 (dem man
freilich vorwirft, Mendes Pinto plagiiert zu haben); dazu das Agioiogio von Cardoso
(1623); die Geschichte der Bischöfe von Porto (1623) sowie der Erzbischöfe von Braga
(i6.3.t) und Lissabon (1640) von D. Rodrigo da Cunha u. a. m.
* iSermces« 15 Bde. 1679 — 90. 1718 und 1748: Auswahl in 6 Bdn. 1852 — 5.3 und
in den 7 ersten Bänden der -nLivraria Classica<s. (Rio 1845 — 46). — Einzelausgaben und Über-
setzungen sind äusserst zahlreich. Die bewunderungswürdigeThatkraft dieses klugen Apostels
der Indianer und Verteidigers der Juden, sowie seine nicht geringen litterarischen Verdienste
würdigt Alex. Lobo, Ohras'^A. II p. 351- Vgl. auch Pe Andre de Barros, Vida do
Padre Vieira, Liss. 1746; und Abbe E. Carel, Vieira, sa vie et ses oeuvres, Paris 1879.
Die anders gearteten, sanfteren Reden des Padre Manoel Bernardes (1644 — 1710) >Sermöes
e Practicasi 1711, und die inbrünstigen des bekehrten Frey Antonio das Chagas
(1690) müssen beachtet werden. Und selbst die zahlreichen fanatischen ^«/ö-a^a-/t'-Predigten
gewöhnlicher Priester darf man, der Kontrastwirkung wegen, nicht übersehen.
* Diese Satyre auf die Unsitte der Zeit, die mit dem Datum 1652 veröffentlicht und
Vieira zugesprochen ward, doch beides erst im Jahre 1744, ist entschieden eine Fälschung,
über deren Urheber zwar viel, doch bis jetzt resultatlos gestritten worden ist. S. Inn. da
Silva I 306 und Candido Lusitano, -d Vieira de/endidov. — Ich habe in dieser Frage
noch keine selbständige Meinung. — An weiteren sittengeschichtlichen und moral-philosophi-
schen Werken ist kein Mangel. Ich nenne ausser dem an Einzelzügen reichen Dialog: yiTeinpo
de agora <- von A f f o n s o d e M i r a n d a , den » Casamen/o perfei(o^< des Diogo de Paiva
de Andrade (1630) mit seinen verständigen Grundsätzen-, die t Curia de guia de casados<i.
Oköbuk, (jruiulriss. IIb. 23
354 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTl".
mit grossartiger Ungekünsteltheit, Worte findet, die völlig wahren Naturlauten
gleichen, sind die fünf Liebesbriefe, welche die Nonne D. Marianna Alco-
forado in Beja schrieb. Die Originale sind zwar verloren: aus der vor-
handenen zeitgenössischen franz. Übersetzung kann man jedoch auf die leiden-
schaftliche Inbrunst dieser Gefühlsergüsse einer portug. Verliebten schliessen. *
— Der erste, welcher in Portugal eine litterarisch-politische Zeitschrift grün-
dete, war Sousa de Macedo.2
J. FÜNFTE EPOCHE 1700-1825.
PSEUDO-KLASSIZISTEN : ACADEMICOS E ARCADES.
[ines der Haupt -Unterscheidungszeichen für das i8. Jhs. ist im übrigen
Europa die Einwirkung, welche Männer der Wissenschart auf Litteratur
und Politik ausüben, ähnlich dem Einflüsse der Rechtsgelehrten im Mittelalter.
England machte den Anfang. Besonders wirksam aber ward die befreiende
Thätigkeit der Gelehrten in Frankreich. Ihre geistige und moralische Diktatur
bereitete auch jenseits der Grenzen die Aufklärung der Völker und die Um-
gestaltung der gesellschaftlichen Einrichtungen vor. In allen Ländern fing
von D. Fiancisco Manoel de Mello, in denen der geistvolle unverheiratete Welt-
mann, in gesitteter, doch familiärer .Sprache mit leichter Ironie, einem l^räutigam, der ihn
um Rat und Meinung geheten hatte, die Pflichten. Freuden und Eigentümlichkeiten des da-
maligen portug. Familienlehens schildert (gedr. 1651, und sehr oft; zuletzt 1873); desselben
Autois bereits erwähnte y>Dialogos apologaes«\ und aus Dutzenden rühmenswerter Erhauungs-
schriften , die des eben genannten Manuel Bernardes (-»Luz e Calor« 1696; iiFloresta
de apophtegmas« , 5 Bde. 1706 — 2S) und -nOhras Espirituaes« des Frei Antonio das
Chagas.
* Obwohl kein geringerer als R o u s s e a u behauptet hat, eine Frau k fi n n e nicht mit
solcher wahren I^eidenschaft von Liebe reden; und obwohl Männer wieHerculano und
C. C. Branco wenigstens daran zweifelten, dass im Jh. der gongoristischen Stilentartung
eine Portugiesin so schlichte Herzensworte gesprochen haben könne, so steht es heute, nach-
dem die Frage genauer untersucht worden ist, doch ganz fest, dass die Marianne der
Briefe ,S o r o r M a r i a n n a d e A 1 c o f o r a d o ist, deren vollen Namen Boissonade 18 lo
im yournal de P Empire (5. Jan.) nacli einer handschriftlicher! Aufzeichnung in einem Exemplar
von 1669 mitteilte. Die 1640 (geborene, \yi\\ (iestori)ene, ward vor ihrem 20. Jahre dem
Kloster da Conceifäo in Beja übergeben, und tiat daselbst in intime Beziehungen zu Noel
Bouton de Chamilly, Grafen von Saint -Leger, dem späteren Marschall von Frank-
reich, der 1663 67 als Offizier des von Ludwig XIV. entsandten Schomberg'schen Heeres
längere Zeit in Beja weilte. Und es ist nicht daran zu zweifehl, dass der nach Frankreich
zurückgekeinte, die ihm zwischen Nov. 67 und Jan. 68 nachgesandten fünf leidenschaft-
lichen Briefe der Nonne, auf die er nichts erwiderte, einzig vom litterarischen Standpunkt
würdigte, und sie im Kreise seiner Freunde herum zeigte, von denen einer (I.,avergne
de Gu i 1 1 era gu es) sie kopierte, übersetzte und schliesslich zum Druck gab. Als
anonyme Lettres Portugaises erschienen sie Januar 69 in l^aris, wurden in wenigen Monaten
3 mal, und hinterher als Lettres d'une religieuse portugaise mehr als 50 mal gedruckt, bald treu,
bald unter Zusatz erfundener Briefe und Antworten (deutsch als »Briefwechsel einei' portug.
Nonne«. Roteniuirg 1788). — Den begreiflicherweise spurlos verschwundenen Urtext haben
ö Portugiesen zu rekonstruieren versucht: Filinto Elysio 1819; Morgado de Ma-
th e u s 1 838 ; L o p e s de M e n d o n ^ a 1852 ; D o m i n g o s Jose E n n e s 1872 ; und
Luciano Cordeiro in seinem sorgfältigen Stuclienweike: TiSoror Mariantia a freira
portjigtteza« Liss. 1890. — Von sonstigen Briefen nehmen die ersten Stellen die markigen
{'Episteln Vieira's ein (»Cartas« 3 Bde., 1735) und die reichhaltigen Cartas /amütares«.
von Mello (Rom 1644; nur 500, aus (ten ersten 6 Kerkerjahren, von 22, 600, die er ge-
schrieben haben soll), sowie die »Cartas Esptn'tua/esa: des Frei Antonio das Chagas
(1684 und 1687. 2 Bde.).
^ Gemeint sind die Mercurios Portuguezes com as novas da guerra entre Porttigal e
CasteUa\ Januar 1663 bis Dezember 66. (50 Nummern; nebst weiteren sieben aus d. J. 67).
Ich muss jedoch bemerken, dass schon bedeutend früher andere y>Gazetas%. erschienen waren:
Nov. 1641 — 47 (wahrscheinlich von Fr. Francisco Brandäo).
FüNPiE Epoche: Pseudo-Klassizisten. 355
man an, sich danach zu sehnen, die mittelalterlichen Fesseln abzuschütteln,
und mit den Verkehitheiten der bestehenden Rechtsordnung aufzuräumen. Die
Grundbedingung für die freiheitliche Entwickelung des Einzelnen wie der Gesamt-
heit ward aber überall die Beschäftigung mit franz. Büchern, und somit dasStudium
der franz. Sprache. In Portugal ward die erste geistige Annäherung an Frank-
reich durch die Mithülfe Richelieus bei der Restauration von 1640 bewirkt.
Die, durch den scharfsichtigen Grafen von Castello-Melhor eingeleitete Heirat
Alfons' VI. mit einer franz. Prinzessin that das Übrige. Zuerst las, bewunderte,
übersetzte und ahmte man die Meisterwerke des siede de Louis XIV. nach.
Auch führte man franz. Sitten in die prunkende Hofhaltung und die häuslichen Ge-
wohnheiten ein. Später, unter der Regierung Pombal's, befreundete man sich
mit den Lehrmeinungen der Economistes\ und schliesslich, nachdem der Herzog
von Laföes die königl. Akademie der Wissenschaften gegründet hatte, ging man
zu begeisterter Vorliebe für die Denker der Encyclopidie über. Voltaire's
philosophische Dramen wurden gegen Ende des 18. Jhs. viel gelesen. - Im
Allgemeinen muss man jedoch sagen, dass ein grosser Teil der portug. Schrift-
steller der 5. Epoche und besonders, dass die Dichter der geistigen Be-
wegung ihrer Zeit vollkommen fremd blieben, und ohne das leiseste Bewusst-
sein der aufklärenden Thätigkeit, die sie hätten ausüben müssen, nach alt-
gewohnter Weise fortfuhren , in den vorgeschriebenen metrischen Geleisen,
wie die Vorfahren, blosse Unterhaltungs- Werke zu verfassen, zufrieden damit,
wenn die Fürsten und Magnaten, unter deren Mecänat sie sich stellten, an
ihren mittelmässigen Leistungen Gefallen fanden. ^
' Ich kann den deutsclien Leser, der diese allzusummarisclie Übersicht cUncl» eigene
Arbeit erweitern möchte. leider auf kein Werk liinweisen, das seinen naturlichen Wünsclien
gerecht würde, und auf dem hier ganz unentbelirlichen l'ntergrund der Geschichte unrl KuUur-
gesdiichte, zusammenfassend. al)er doch mit der nötigen sachhchen Ausführlichkeit, flas
I itterarisclie S|iiegelbilcl des furchtbar harten, ja grauenvollen Kampfes böte, welchen flie
portug. Nation schon seit 1640, unter erschwerten Bedingungen jedocli seit 1703, um ihre
politische, wirtschaftliche und moralische Existenz gefülut iiat. Für den historischen Teil
nenne ich ihm K e b e II o d a ,S i 1 v a , y>Historia de Portugal nos seculos 2i VII e XVIIh< ( 5 Bde.
1860 71), sowie tJliveira Martins' kurze, geistvolle Skizzen in der y>Uistoria de Portugal«.
(1887. 4. Aufl.); für die has-fonds der Politik und Kulturgeschichte, die krassen, anekdoten-
haften Sittenbilder, welche Manuel Bernardes Branco in seinen realistischen Schriften
zeichnet (y>Portugal na Epoca de D. Joäü Vi.. Lissab. l885; ^>As niinhas queridas freirinhas
de Odivellas'. Lissab. 1886); und von den zahlreichen zeitgenössischen Memoiren und Reise-
berichten ausländischer Schriftsteller wenigstens die des berühmten Beckford 1787. Patio-
rama XII (von den historischen Romanen eines Rebello da Silva, Pinheiro Chagas.
Camillo Castello Branco etc. zu schweigen); für das eigentliche Litteraturgebiet aber
die zwar einseitigen, aber durchaus nationalen, selbst den Schwächen und Auswüchsen des
Volkscharakters verständnisvoll und sympatliisch gegenüberstehenden Darstellungen des letzt-
genannten Autors in seinem T>Curso de litteratura« (Bd. 2), in den Einleitungen zu den
»Meniorias do Bispo t'o Gräo-Pard (Porto 1868) und den yRatos da Inquisigäoi. (Pfirto
188,'i), sowie in den iNoites de insomuia«. — Der, für jeden Patrioten tiefschmerzlichen
Aufgabe, diese Zeit des äigsten Verfalls und den Tiefstand ihrer Gesittung und Geistes-
bildung wahrheitsgetreu zu schildern. — das sjirunghafte Hin-und-Her des trotz aller Hinder-
nisse vor sich gehenden Aufschwungs; das immei- wieder gewaltsam unterbrochene Ringen
einzelner und verbündeter Einsichtiger nach freiheitlicher Entwickelung; das unvermittelte
Nebeneinander des neuen Geistes, dem man nicht Zeit Hess, allmählich festen Fuss und
tiefe Wurzel zu fassen und des alten Geistes, den auszurotten einfach unmöglich ist; die
widersprechenden Lebensäusserungen beider, und die dadurch l>edingten antagonistischen Ge-
schmacksrichtungen, klarzulegen, — ist Th Braga bis heute aus dem Wege geganpen. In
seiner Litteraturgeschichte fehlt noch der Band über das 18. Jh., und ein kurzer \' ersuch in
der Kc7nsta de Portugal (Bd. I p. 574—606; über »ö seculo XVIII ent Portugal«, zu wi-lciiem
mehrere Bände und Aufsätze über Einzelerscheinungen hinzukommen, die ich in den Anmer-
kungen zu den Paragraphen 170. 172. 176 l8ü nennen werde, bieten nur ungenügenden
Ersatz. Demgemäss geben auch seine hier gebotenen Andeutungen, und die etwas ausführ-
licheren im Manual, sowie im Citrso und in der Theoria nur unvollständige Aussclmitt-
bilder aus der Litteratur des 18. Jhs. Um die Verstandesarbeit, den Mut und die aus-
23*
356 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT,
168. Der französische Pseudo-Klassizismus. Auf die Schöpfungen
der unmittelbar vorhergegangenen Zeit blickten die besseren, von Frankreich
inspirierten Köpfe wie auf Ausgeburten eines verdammenswert schlechten Ge-
schmacks herab. Bewusst kehrten sie allem den Rücken was an die gongo-
ristischen (spanischen) Vorbilder erinnerte und wandten sich den gegensätz-
dauernde Thatkraft der strebsamen Neuerer, die an der Wiedergel)vat der Litteratur und der
Hebung des Nationalgeistes gearbeitet haben, und die P2rfolge und Misserlblge, die Fehler und
Vorzüge der AVerke sowohl der nüchternen Galli/.isten wie der klassisch-puristischen Arkadier
gerecht zu würdigen, niüsste die ITnterströniung der Altnationalen viel schärfer charakterisiert
werden, die von den bequemen Moden des 17. Jhs. nicht lassen und ihren verbildeten Geschmack
nicht erziehen wollten. Der grenzenlos naive und kurzsichtige fröhliche Cynismus der Baccha-
nalien, welche ihre ])0])uläre Poesie damals feierte, darf nicht mit Stillschweigen übergangen
werden. Auch der Fremde muss Genaueres über die läppischen Kindereien der schöngeistigen
Privat-Akademien erfahren, die zu uns aus vielen Dutzenden von Drucken und Handschriften
sprechen. Er muss die verderblichen Frivolitäten der weltlichen Klosterfeste — oiteiros
(— Musenhügel) und abbadessados — kennen lernen, in denen in der Hauptstadt und Um-
gegend {Odivellas) und auch in der Provinz (Rvora, Coimbrd) bis an 30<) modisch geputzter
Nonnen von den Gallerien der Kapitelsäle herab Mottos (die oft ganz allerliebst, oit aber
nicht besser als Knallbonbon-Verse sind) an die unten versannnelten Geistlichen und Laien aus-
teilten, deren kecke und pikante, bisweilen höchst effektvolle Stegreif- Glcssen {decimas,
quadras und sonetos) mit Süssigkeiten aus den üppigen Klosterküchen bezahlt wurden {toti-
cinho do ceu — holo Celeste — pingos de tocha u. a. in.). S|)ezihsch- portugiesische Ein-
richtungen, an denen noch A 1 ni e i d a - G a rr e 1 1 ( 1827) und C. C. Br a n c o, .sowie andere
lebende Dichter sich bis 1852 ergötzt haben! — Die pittoreske Gestalt des gemeinen Witz-
lings und Hofnarren Johann's V., C a e t a n o J o s e da S i I v a S o 1 1 o m a y o r , eines adligen
Rechtsgelehrten und Akademikers, muss ihm vorgeführt werden, weil die gebildeten Zeit-
genossen sich nicht gescheut haben, ihrem Günstling (fast hätte ich gesagt ihrem Gund-
ling) den Namen ihres damals überhaupt betrübend oft und gern verspotteten, und ange-,
feindeten Nationaldiciiters beizulegen, ihn »o Caiiiues do Rocio« (C. vom RingplatzeJ
nennend. Aus der ungeheuren Schaar der damals als fliegende Blätter oder Kolportage-Neu-
heit {Folhetos, und Litteratiira de cordel) für das Theaterpublikum und die Bürgerhäuser be-
stimmten Schriften in Prosa und Vers muss er wenigstens eine Auswahl des Typischen,
nach Inhalt und Form, vorgeführt bekonniien, um daraus auf den überaus grobschrötigen
Humor der Gassen- und Gossenpoeten zu schliessen, deren einziger Grundsatz es gewesen
zu sein scheint, gar keinen Grundsatz zu befolgen, allen sittlichen und ästhetischen Theorien
ein Schnippchen zu schlagen, und in andauernder Karnevalsfreiheit, nur ihren Naturtrieben
folgend, in Dramen, Epen, Diedern, Predigten und Reden nichts als Karrikaturen, Parodien,
Satyren, Pamphlete, Pasquinaden, Macanonica und Fescennina zu bieten — eine After- und
Nebenpoesie, der jede Ahnung einer freien und stolzen Kunst fehlt. Er muss wissen, dass
drei Viertel flei nicht-akademischen und nicht-.ukadischen Werke — und selbst von diesen ein
nicht kleiner Prozentsatz ■ — Burlesken und Grotesken sind: versos joco-serios ; joco-heroicos,
cotnico-heroicos ', fnoraes e jocosos ; jocofunebres, estramboticos und esqiiipaticos ', palitos metricos ;
bisnagas cscholasticas ; sabonetcs delphicos. Und auch die manierlichere, ernster gemeinte
Hofpoesie mit ihren zahllosen Applauses, Encomios, Paneg\ricos, Threnos, Lamentos, Laridos,
Nenias, Suspiros, Gemidos, Sentimentos fnetricos, Ofrendas lacrimosas in Sonetten, Oden, Oktaven
und Idyllenforni oder in Silvas, worin der Salomon und Krösus des Westens, dem die Diamant-
gruben Brasiliens gehörten, und der giossmütig Kiuist und Wissenschaft beschützte, nebst seiner
ganzen Familie, von subventionierten Verskünstlern in mehr als byzantinischer Unterwürfig-
keit verherrlicht ward, der Forschende muss sie kennen leinen, sowie daneben die eigenartige
sebastianistische I^itteratur des Zeitalters mit ihren mystischen, messianischen Prophezeiungen
von einer fünften Weltmonarchie, die durch das Erdbeben von 1755 nm" neue Nahrung er-
hielten, und von der Geistlichkeit, (besonders der jesuitischen) in gewohnter Dunkelmänner-
Manier ausgenutzt wurden. Viel genauere Angaben über die Übersetzungslitteratur, und
über das was Portugiesen in fremden Zungen schrieben, wäre nötig. Wie die seit 1703
(Vertrag von Methwen) deutlichst fühlbare en gl is c he Einwirkung die franz. bald unter-
stützte, bald befehdete, ohne dass beide den i t a 1. und span. litterarischen Einflüssen gänz-
lich Abbruch gethan hätten; wie giiechische und lateinische Dichter ('J'ragiker, Epiker und
Lyriker) in überaus zahlreichen Veisionen zugänglich gemacht wurden ; wie seit dem Ende
rles 18. Jhs. auch deutsche Geisteserzeugnisse mehr und mehr Beachtung fanden, und in
welcher Weise das alles auf die Nationallitteratur einwirkte, bedürfte der Auseinandersetzung
und gründlich eingehender Behandlung, der Krieg der Arcadia gegen die Gallizisten, wie auch
die nicht geringe wissenschaftliche Au.sbeute des Jahrhunderts. — Vielleicht lassen sich
diese und andere Lücken der vorliegenden Arbeit in einer zweiten, verbesserten Auflage
ausfüllen.
Die franz. Pseudo-Klassizisten. 357
liehen, blassen, nüchternen, korrekten Regelwerken der franz. Klassiker zu.
Den Anstoss dazu gab ein gebildeter Hofmann, der Graf von Ericeira, Fran-
cisco Xavier de Menezes'. Er hatte einer der besseren alten Akademien des
17. Jhs., der Academia das Conferencias discretas (oder eruditas) zugehört, in
welcher naturwissenschaftliche, moralische, philosophische und sprachliche
Fragen von ernsten Gelehrten ernsthaft erörtert wurden (1696 — 1703). In
seinem Pallaste auf dem Annunziatenplatze gründete er nach 1700 einen Bund
der portug »Wissenden« (Acadc?ma Po7-tugueza), den Scavants de France nach-
eifernd, und im Hinblick auf die 1635 von Richelieu in Paris eingesetzte
Acadhttk Fran(aise. Offiziell bestätigt ward sie am 4. November 1720 von
König Johann V. (1705 — 50)2. Den Gleichgesinnten gab der Graf in seiner
Übersetzung der Poetik Boilcaus, zu dem er in litterarische Beziehungen trat,
ein massgebendes Gesetzbuch des litterarischen Geschmacks. Seine Regeln
nahmen die Leute von Welt ohne Weiteres als neueste fashionable Mode an
und befolgten sie nach Kräften. Weitere Übersetzungen schlössen sich daran
' Dieser gelehrte, sprachkuiidige 4. Graf von Ericeira (1673— 1743)- <^ein man
im .Aiislanil aus Versfehen nocli mehr als ihm gebührt (d. li. aucli seines Vaters D. I.uiz,
<les 3. Grafen (1632—90), historische Schriften wie z. B. •)> Portugal restaurado«) zugesprochen
hat, war seiner Zeit eine der Berühmtlieiten Europa's. Nicht genug damit, Boileau's
■»Art Poetit/uea schon 1697 i" Oktaven übersetzt zu haben, studierte er im Speziellen die
Regeln der noch immer höclist-geachteten Epik, und zwar direkt an den Vorbildern
(Homer, Lucan, Statins, Silius; Ariost, Tasso, und vor allem an Virgil, der
auch in seinen Äugender vollkommenste aller Dichter ist), sowie nach den berülnntesten
'l'iieoretikenr. legte ihre Meinungen in einem Traktat »Das regras da poesia cpicav. dar. und
brachte sie in eklektischer Weise in einem Epos von 12 Gesängen zur Anwendiuig. Diese
•i>Henriqmidat. (gedr. 1741) behandelt einen patriotischen Stoff, die Kriegsthaten Heinrichs
von Burgund bis zur Eroberung von Lissabon, unter Anruf der Gottheit, und mit Einführung
einer christlichen Sybille, in meist korrekter Weise, reiner Sprache und glatten Versen; doch
fehlt dem Autor die schöpferische Phantasie und ein wirklich starkes und tiefes Natur-
gefühl. Man merkt Erfindung wie Ausführung den Schweiss der Arbeit allzusehr an. Jeden-
falls war es ein Verdienst, den Gedanken an einen bestimmten Fortschritt und der Kritik
sowie der Methodik Gehör verschafft zu haben. An Nacheiferern hat es dem Autor der
Henriqueida nicht gefehlt: zu dem schon sehr beträchtlichen vorhan<lenen portug. Epenschatz
fügte die Folgezeit eine Achilleida, Elyseida , Zargueida , Pcdreida (von R u a s) . eine
Georoeida, Joanncida, Mtgucleida; eine Christiada, franciada, Iberiada, Hrasiliada , und
Alfoitsiada ( von P i n a L e i t ä o) , nebst einem Alfonso von Francisco B o t e 1 h o : eine
Santarenaida, Portuguezaida, Mtihraida — eine immer öder als die andere. Und als höht
nende Gegenstücke blieben auch zahlreiclie heroisch-komische Epen voll persönlichster Satyre
nicht aus, in denen zum Teil viel Geist und Witz, zum Teil aber auch niedrige Schimpf-
last zu Worte kommt: A\& Bent'eida von Alexandre Antonio de Lima (l 699 — 1 759);
die Agostinh'eida von Nuno Alvares Pereira Pato Moniz (1681-1772; gedr. 1817
inul 1876); eine Mondegueida, eine Lehreida, eine Gaticanea (von Joäo Jorge de Car-
valiio 1781) und ähnliches mehr. — Wert hat allein das Spott-Epos t>0 Reiiio da Estu-
pidezi., welches der Brasilianer Francisco de Mello Franco (l7,ö7— 1823) , der als
Freidenker vier Jahre in» Inquisitionsgefängnis zubrachte , gegen die Unduldsamkeit der
Coimbraner Universität schleuderte (gedr. 1819 und oft; z. B. 1868).
« Die »attischen Nächte« in Ericeira's Bibliothek, welche l8otxj Bände zählte,
waren aus den Conferencias der Geturosos, unter Teilnalune des höchsten Adels hervorgegangen;
und ihre Mitglieder gaben wiederum den llaiiptbestand für die »Acadctnia Portuguezaa her.
Diese konstituierte sich offiziell erst am 8. Dez. 1720, mit ,=io Mitgliedern, unter der .\gide
Johann's V., zur Academia Real da Historia, und unternahm wirklich wertvolle historische
und archäologische Forschungen, ihrem .Motto treu ; Restituet omnia. Ihre Akten sind in
l,'i Foliobänden niedergelegt syDociunentos, Estatutos e iMemoriasa (1721 — 36); nebst einer
■t> Historia da Academia Real Portugiieza« von Manuel Teiles da Sylva (1727). Von
ihren sonstigen bedeutenderen Veröffentliciiungen seien Barbosa Machado's »Afemorias
deD. Sebastiäo« ; C a e t a n o de S o u s a ' s »Historia Geiiealogica da Casa Realv. ( 1 2 Bde. 1 735 —49
nebst 6 Bänden i>Provas<i 1739—48) genannt; Soares da Silva, uMemorias de D. yoäo I«:
die Geographia von Lima und die von Cardoso; die Antiguidad e s \-on Contador
d'Argote; und dazu die Bihliotheca Lusitana; das Wörterbuch von Bluteau; und das
Corpus Poetarum. Genaueres suche man in J. Silvestre Ribeiro's ■^Historia dos Esta-
helecimentos scientificos, litterarios e artisticos em Portugal (15 Bde. 1871— 1887).
358 I.ITTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PüRT. LlTT.
wie z. B. von Raciiie's Athalie durch Francisco Josd Freire (1762) und
von Fenelon's berühmtem Roman durch den Capitäo Manuel de Souza
(1776)1. Der Teletiiach erweckte auch freie Nachbildungen, wie z. H. die
»Aventuras de Diophanes ou Maximas da virtudc e fonnosura com qne Diophancs^
Clymcnea e Hemirena, principes de Thebas, vcnceram os mais apertades lances
da disgrafa'i, von einer Dame, Dorothea Engracia Tavareda d'Almira
(17 77). 2 Ja selbst als die Lissabonner Arcadia gestiftet ward, um den,
trotz Ericeira's Bemühungen noch immer weiter wuchernden schlechten
(icschmack der Seiscentistas auszurotten, folgten ihre Gründer zum Teil der
gallischen Mode: Gar(;äo wählte für seine Cantatas diejenigen Rousseau's zum
Muster; und Diniz da Cruz e Silva hätte, ohne Boileau's Lutiin zu
kennen, sein komisches Heldengedicht »Der Weihwedcl« {O hyssopc)^ nicht ge-
schrieben. Auch auf dem Gebiete des Unterrichtswesens und der Philosophie
war Frankreich tonangebend. Das kartcsianische System brach sich Bahn; die
Bekämpfung der jesuitischen Erziehungsmethode, welche von den Lehrern von
Port- Royal unt(!rnommen worden war, wurde in Portugal von den Vätern der
Con^regacäo da oratorio durchgeführt^. Dieser nützlichen aiitijesuitischen Be-
wegung entstammt das Werk des Archidiakonus Luiz Antonio Verney
(1713 — 92) -» Verdadciro victhodo de esiudar« ^ welches dem grossen Minister
König Joseph's zum Unterbau für sein Unterrichtssystem diente.*
169. Der wiederholte Hinweis auf F'rankreich genügte jedoch, wie an-
gedeutet, nicht, um dem Gongorismus und der Monomanie der ziel- und zweck-
losen rein litterarischen Akademien sofort den Garaus zu machen. Unverändert
fuhr man fort, im Schoosse immer neuentstehender und vergehender, dem Ver-
gnügen geweihter rhetorischer Kränzchen, die südliche Rede- und Dichtfertig-
' Diese 2 Übersetzungen sind willkürlich aus einer langen Kette herausgegritfene
Glieder. Zu Racine, Molieie, Corneille, Balzac; D'Arnaud, La motte,
Crebillon, Regnard; Voltaire, Montesquieu, Feneion, Florian, Con-
d i 1 1 a c etc. treten Pope, Y o u n g , Gray, D r y d e n , Addison, M i 1 1 o n , T li o ni p s o n ,
Swift, Goldsmith, Ossian; Gessner,Cronegk, Gottsched, Haller, Klop-
stock, Lessing, Schiller, Wieland etc.
* Es ist ein Anagramni von D. Theresa Margarida da Silva e Horta,
der wallten Verfasserin des Romans, (17,=S2) den man auch Alexandre de Guzmäo zu-
gesprochen hat. S. Inn. da Silva 1 .34 und VII 31 7. Eine andere Nachahmung des Tele-
mcu/uc ist der auch ins Französische und Spanische übersetzte philosophische Roman »O
feliz independentei^ des gelehrten Oratorianers P"^ Theodoro deAlmeida, (l77y), den
flie öffentliche Meinung, wegen der Länge der eingestreuten Moralbetiachtungen »f infelh
impertinefitei. getauft hat.
* Die hervorragendsten Vertreter dieser verdienstvollen von H a r t h o I o m e d o
Quental (•{- 1698) eingeführten Brüderschaft sind der eben genannte, unter Pombals auf-
geklärtem Despotismus ins Ausland geflüchtete P- T h e o d o r o d e A 1 m e i d a ( 1 722 — 1 804 ),
der in seiner -»Kecrcagäo filosoficai. ( lo Bde. 1751 -99) eine pop'.diire Darstellung der Natur-
philosophie, in Dialogen, lieferte; der P- Antonio Pereir a de F iguei r e do (l 725—97),
der sich besonders die Reform des lat. Unterrichts angelegen sein Hess, und eine treffliche
Bibelübersetzung liefeite (1791), deren Portugiesisch den Geschmack der /.eitgenossen bessei'
traf als die ältere von Joäo Pereira de Almeida (I6S1), dem man seinen Übertritt
zum Kalvinismus nicht verzieh (s. Memorias de Litteratura VII p. T,\ 57); und der P*^
Manuel Monteiro, der erste, der in seinem Nmo Methodo (1746) an der jesuitischen
Grammatik des Manuel A 1 v a r e s rüttelte.
* Veiney (1713-92), der in Rom Zuflucht gegtn Pombals Priesterhass gesucht
iiatte, griff in geharnischten Briefen das gesamte Dnterrichtswesen und den gongoristischen
Geschmack der schöngeistigen Akademien unter dem Pseudonym Frey Barbad in ho
(1746J auf das Energischste an, (2 Jahrzehnte naciidem Feijoo sein -uTeatro Critico'i ver-
öffentlicht hattej. Über die 22 wichtigeren Gegenschriften, welche sein Angriff ins Leben
rief, sehe man Inn. da Silva V p. 222 und VII p. 257. Als Ergänzungsschriften, kann
man auch die ^Carlas sobre a educa(äo da nwcidade« des gelehrten .Antonio Nunes
Ribeiro Sa nc lies betrachten (Köln 1760, imd 1882 in der Rcvista du Soridade de- /;/-
strucfCw do Porto).
Die franz. Pseudo-Klassizisten. Drama. 359
keit in Reimereien über völlig nichtige Kleinigkeiten zu üben. Den »Generosos«
(1647) und »Singulares« (1663) folgten in der Hauptstadt die -»Ationymos« und
Applicados, die Escolhidos, Particulares, Unidos, Problematicos, Con/ormes Lisbo-
nenses, Abandonados ; in Porto eine Acadeniia Instantmiea ; sowie in Santarem
die Solitarios; die Laureados, die Aventureiros und die Academia Scalabitana,
w. a. m. 1 Zu den ausländischen Vereinen trat man in Beziehungen: eine
besondere Ehre war es, der röinischen Arcadia anzugehören. Sogar Johann V.
hatte seinen Sitz in ihrer Mitte, als Alba 110. Der vollständige Mangel an
gründlichem Wissen und gesundem Sinn für die Wirklichkeit führte die An-
gehörigen der erwähnten Vereine dazu, nach wie vor banale Künsteleien aller
Art zu pflegen: Anagramme, Chronogramme , Echogedichte, Lipogramme,
Akrostichen, Labyrinthe, poemas pintados, equivocos, consoantes forgados. Ihnen
erklärte der Kritiker Verney den Krieg. Er nennt sie »lächerliche Mach-
werke, die gegen Ende des 16. Jhs., und während der ersten Hälfte des 17.
allerwärts herrschten, die aber heute (1746), wo man sie aus allen kulti-
vierten Ländern bereits verbannt hat, allein in Portugal ihren Aufenthaltsort
haben. «2 Zu dem Zwecke, diese Auswüchse zu entfernen, gründeten Ver-
ständige eine neue Gesellschart, die der »Occu/tos« ^ deren ungedruckte
Leistungen jedoch ebenso unbekannt sind wie die der »Conferencias discrctas«
und der »Academia Portugueza«. Genannt zu werden verdient jene nur
darum weil aus ihrer Mitte die Kerntruppe der erfolgreicheren Arcadia Lis-
bonense hervorging, von der bald die Rede sein wird.-^
170. Das Drama. Die Pflege der italienischen Oper am Hofe Johann'sV.
zeitigte ein portug. Lustspiel, in welchem Intriguen nach spanisch-italienischer
Manier und mythologische Phantasmagorien sich mit gesungenen Arien, und
volkstümlichen Rüpelszenen im altportug. Geschmack zu einem höchst sonder-
baren Ganzen verbinden. Am bemerkenswertesten sind in diesem Genre,
das man gewöhnlich als portugiesische Oper bezeichnet, die »Operas do
Juden«, d. h. die Bühnenstücke des unglücklichen Israeliten Antonio Jose
da Silva (1705 — 1739)- Zwar sind sie oft von übergrosser drastischer
Derbheit, aber reich an volkstümlichem Witz und Humor. -* Der Autor ward
ein Opfer des Fanatismus: er starb am 18. Oktober 1739 auf einem der
Scheiterhaufen, welche der Obskurantismus immer noch anzündete. ^
' S. darüber J. Silvestrc Rilieiro in den »Estahelecintentos scientificos 1. \ und in
den älteren, noch immer brauclibaren t> Primciros tragos (futna resenlia da Litteratura Portu-
guezavi '.1853) p. 144—150. Auch in kleineren Städten wie Guimanles und Sacavem bildeten
sich Akademien (vgl. z. R. Sessoes litlerarias da Academia dos Ohsequiosos de Sacavem 179t>
:\ Bde.). In Brasilien entstanden zu Rio die Vereinigungen der Felizes (17.^6) Selectos
(1752) und zu Bahia (\it Academia hrasilica dos Esqiiecidos (l7''^4) (s. u. §177)- XTx^ Fleug-
maticos der portug. H-iuptstadt (1730), die ich nirgends erwähnt finde, leisteten in unsinnigen
Heimspielen vielleicht das Höchste, möglicherweise um das Akademiewesen zu verspotten.
2 S. No^'o Methodo, Carta Vll y>Da Poesia«. p. 2 19.
* Johann IV. hatte idealen Sinnes besonders die Kirchenmusik [imtsica sacra) ge-
pflegt. Johann V., der rei freiratico, liebte nur die opira-ballet, und die eigentliche Oper
(Scarlatti 1728: David Perez 1740; und lomelli). S. darüber J. de Vasconcellos
»Ensaio sobre 0 Caialogo de musica dEl Rey D. yoäo /Vi Porto l873. und Th. Braga.
» Theatro Portuguez no secido XVIII«.
* Ober diese zwitterhafte Musik-Komödie, die nach Bouterwek p. 358 dem Mangel
an gesciiulten portug Rezitativsängern ihr Dasein dankt (?). siehe F. Wolf, y Antonio Jose da
Silva i , Wien l8öo; E. David, Paris 1880; und C. M. de Vasconcellos, in Nevista
da Soc. de Instrucgäo 1 p. 85 -92-, sowie Inn. da Silva I 176— 180. Wir besitzen von
ihm 8 Stücke: Lahyriiito de Creta; Variedades de Protheu ; Guerras de Alecrim e Mangerona ;
Vida de D. Quixote (frz. v. F. Denis); Esopaida (eine Eulenspiegeliade) ; Precipicios de
Phaetonte ; Amp/iitriäo und Encanfos de Medea. Sie erschienen als y>Theatro Comiro Portu-
guez<L 17-14 i'i zwei Bänden. Zwei weitere, mit ähnlichen, doch anonymen Dramen unrl
Obersetzungen nach Metastasio folgten 1747 (spätere Ausg. 1787—1792 1.
^ T)as letzte Auto-da-fe fand erst 1761 statt (2ü. Sept.). Mit grausamer Ironie liess
360 I>ITTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LiTT.
171. Das Epos. Zu den Büchern, welche die Flachheit der Epoche
und den Mangel an poetischer Gestaltungskraft am deutlichsten zeigen, gehört
das theologisch-philosophische Heldengedicht in lo Oktaven -Gesängen (von
7792 Zeilen) »Espelho do Tnviswcl, cm que se expöc a Dens um e trino , no
throno da eternidade, as divinas ideas , Christo e a virgetn, o ceo e a terra« !
Troilo de Vasconcellos da Cunha (j 1729) besingt darin die Mysterien
der katholischen Religion. Der y>Triumpho da Religäo« von Francisco de
Pina de Mello (geb. 1695, gest. nach 1765) ist etwas besser (gedr. 1756).
172. Die portug. Prosa blieb durch und durch emphatisch und lobred-
nerisch. 1 Dennoch hintcrliess sie ein wirklich bedeutendes Dokument in den
Briefen des Abtes Antonio da Costa, (1714 — 1780), der mit urwüchsiger
Frische und Kraft die Eindrücke seines Lebens getreu wiedergab. '^
173. Die Arcadia Ulyssiponense. Erst nach dem Erdbeben von 1 7 5 5
beginnt ein neues Leben sich unter dem energischen Impuls des Marquis von
Pombal Sebastiäo Jose de Carvalho e Mello zu regen, König Joseph's
gewaltigem Minister 3. Neues Blut durchströmt auch die Litteratur, beson-
ders seit der Gründung der litterarischen Gesellschaft , welche sich , der
aUen Schäfer-Mode folgend, unpassend genug, »Arcadia Ulyssiponense«
taufte. 4 Eingeweiht wurde sie am 11. März 1756 durch Antonio Diniz
da Cruz e Silva und Manoel Nicolau Esteves Ncgräo unter der Mit-
wirkung eines dritten: Theotonio Gomes de Carvalho. Mehrere ihrer
Mitglieder gingen, wie schon bemerkt ward, aus dem älteren Vereine der
liabei Pombal den Jesuilenpater Galiriel Malagrida (nach dem Moidveisucli auf
Josepli 1 J, da er den Königsniord vertlieidigt hatte, »als Ketzer« verbrennen.
' Diese Behauptung bedarf der Einschränkung. Die Männer der Wissensciiafl be-
fieissigten sich in ihren Piosawerken meistliin eines massvollen Stils. Nur in den offiziellen
Lobreden, welche natürlich auch den reformierten Akademien nicht fehlten, dauert die alte
schwülstige Rhetorik weiter. Die beste nicht rein gelehrte Arbeit des Jlis., die sich durch
tredankeninhalt wie Formgewandtheit gleichmässig auszeichnet und noch lieute mit Gewinn
und (ienuss gelesen wird, ist die Briefsammiung des Cavalieiro deOIiveira (Fran-
cisco Xavier) ■»Carlas familiäres, historicas, politicas c criticas^i (g^^dr. Haag 1741/42 und
IB55, 3 Bde., nebst »Discursos seriös e jocosos«), die hoffentlich noch einmal um weitere 2CX)
ungedruckte vermehrt erscheinen wird. Der am 21. Mai 1702 geborene Verfasser, ging 1734
als Sekretär des portug. Gesandten Conde de Tarouca nach Wien, siedelte 174Q nach
Holland und 1744 nach England über, wo er am 18. Okt. 1783 starb. Er trat (vor 1755)
zum Protestantismus über, und richtete nach dem Erdbeben an König Joseph und Pombal
einen franz. abgefassten -»Discours pathetique^< (l755 und Porto 1893 ; engl. 1756) in dem er
Inquisition und Judenverfolgung auf das Schärfste tadelt und die »heidnischen Bräuche« und
»abergläubischen Formeln« des portug. Katholizismus als Idolatrie an den Pranger stellt. Diese
Kühnheit bewirkte, dass er im letzten Autodafe ( s. ob.) in effigie verbrannt ward, und in
der Fremde ausharren niusste. Wie die Briefe, und Am- Disco urs, so sind auch seine (franz.,
abgefassten und nur stellenweise portug. redigierten) y>Me>tioiresi. (1741) zur Beurteilung des
portug. Nationalcharakters und des Einflusses, den die Berührung mit der Fremde auf den-
selben ausübt, von hohem Interesse.
* »Carlas curiosas escriptas de Roma e de Viennax (1750 — 80), gedr. Porto 1878, mit
kritischer PLinleitung von Joaquim de Vasconcellos. Vgl. Braga, Queslces p. 294
— 321, und Bolelim Bibliographico I p. 93 u. ff.
' Von Pombal s Reformwerk sei nur gesagt, dass er die Jesuiten vertriel), die
2CX) Jahre lang die Erzieher des Volks gewesen waren, und ihre 4 Lissaboniier Oidens-
häuser in eine Adelsschule, ein Armenhaus, ein Hospital und ein Frauenstift verwandelte;
den gesamten Unterricht, von der Elementarschule bis zur Universität reformierte; die
Bücherzensur in freiheitlichem Sinne umgestaltete; die Sklaverei aufhob; die Juden den
Christen rechtlich gleichstellte, und der Inquisition den Todesstoss versetzte, die bis 1732 in
Portugal 23000 Menschen vor ihr Tribunal gefordert und 1454 davon verbrannt hatte.
* Über die Arcadia, ihre Dauer und Leistungen, so wie über ihre Mitglieder und
deren Hirtennamen lese man Trigoso, »Memoria sobre a Arcadia«^ 1840 {Mem. da Acad.
VI 2 p. 62 und 141); Rebello da Silva, »A Arcadia portugueza 1857 (in Annaes
das Sciencias e Lettras Bd. I p. 57. 147 und 197); und J. Silvestre Ribeiro, Bd. I
p. 26Ö— 272.
Pseudo-Klassizisten. Epos. Prosa. Arkadische Akademien. 361
•»Occultos« hervor, der sich bei Gelegenheit der grossen lissabonncr Kata-
strophe in alle Winde zerstreut hatte. Dadurch aber geschah es, dass anfangs
auch in den neuen Dichterbund seiscentistische Elemente eindrangen,
welche die erstrebte Wiedergeburt der verfallenen Poesie und namentlich den
Feldzug gegen den herrschenden Schwulst hindern und stören mussten. ' Nach
längeren inneren Zwistigkeiten, gab ^\^Arcadia sich daher am 19. Juni 1757
eine reformierte Verfassung, bei welcher Gelegenheit diejenigen Mitglieder aus-
traten, die von dem beschlossenen offenen Bruch mit den Seiscentistas und
von klassischem Purismus nichts wissen wollten. Unter diesen Dissidenten ist
Alexandre Antonio de Lima (um 1699 — 1759), der talentvolle Dichter
der lustigen y>Rasgos metricos« und des grobkomischen Heldengedichtes »Ben-
teida^ der bekannteste. - Vielleicht gehörte zu ihnen auch Nicolau Tolen-
tino d'Almeida, der bedeutendste Satyriker des 18. Jhs., der mit Gewandt-
heit, doch ohne Charakter, Jahrelang sein Hungerleider-Loos als Professor der
Rhetorik in Versen bejammerte.
Pombal zeigte sich zuerst den Bestrebungen der Arcadia geneigt, und
v(;rsprach ihr offiziellen Schutz : er wusste den Wert ihrer Bestrebungen, be-
hufs Reinigung der Muttersprache und Hebung der Litteratur durch Anleh-
nung an die guten, nationalen Muster, vollauf zu würdigen. Nach kurzer
Blüte sah das junge Institut sich jedoch von der Regierung verlassen und an-
gefeindet, und erlosch schon 1775.^ Die Werke, welche mittlerweile daraus
hervorgegangen waren , sind zwar nicht sehr zahlreich , doch gab die ziel-
bewusste Arbeit ihrer Verfasser ihnen ein charakteristisches Gepräge, das sich
auch den Dichtungen der nicht arkadischen Zeitgenossen mitteilte, ganz be-
sonders den Werken des Bocage und Macedo, die sich schliesslich be-
wogen fiihlten, eine neue Arcadia einzurichten. (S. ^ 180). Die Mitglieder-
liste der ersten Arcadia Ulyssiponensc ist ziemlich lang, und umfasst Rcchts-
gelehrtc, Geistliche und öffentliche Beamte, Bürgerliche und Edelleute : doch
ragen nur wenige durch individuelle Begabung und Schöpfungen von dauern-
dem Wert hervor. 4
174. Den ersten Rang nimmt Pedro Antonio Correa Garc^äo ein
{Corydon Erytnantheo), dem wegen seiner ungewöhnlichen Sprachkenntnisse die
Redaktion der Regierungszeitung y>Gazeta Portiigiieza<& ühertragen ward. Gar^äo
war besonders ein taktfester Latinist. Seiner Vorliebe für Horaz dankt er eine
knappe, elegante, klassisch reine Ausdrucksweise, (die er selbst auf unter-
' Truncat intäilia war ilir Wahlspruch. In den geschlossenen Monatssitzungen nuisste
jeder Genosse eine litterarische Arbeit in gebundener oder ungebundener Rede einreiclien.
die verlesen und schriftlich wie mündlich, in Disputationen, kritisiert ward. Dieselben
durften in span., ital., lat. oder franz. Sprache geschrieben sein; doch waren portug. Werke
die willkonimensten. Der Versamn)lungsort hiess -»Monte Menalo<i.. Jedes Mitglied nahm
einen lat. oder griech. Hirtennamen an, dem meist ein beziehungsreicher, oft anagrammatischer
Zuname folgt (Duriense, U lyssipo nense, Transtagen se , Almeno). Schutz-
patronin war N. S. da Concei^ao, deren Kultus seit Johann IV. in Blüte stand. Nicht
bloss Standespersonen sondern jedes Talent fand Aufnahme in die Arcadia. wenn es nur be-
flissen schien , die Nationaldichtung zu heben und an dem Krieg gegen die Sprach- und
Geschmacksverderber Teil zu nehmen.
^ Gedr. 1752 und 1876. Die zahlreichen witzelnden Allusionen auf zeitgenössische
Kleinigkeiten machen die ^Bent'eida« heute schwer verständlich. Und der frivole Spott,
welchen Lima in seiner Lyrik mit Weltlichem und Heiligem durch einander treibt, hat
wenig Ansprechendes. Die Vorzüge, welche seine Gedichte über die zahllosen ähnlichen Pro-
duktionen der vor-arkadischen Humoristen wie Thomas Pinto Brandäo (1664 — 1743),
Gregorio de Mattos (1633-I696) u. A. stellten, kenne ich nicht.
' Die letzte Zusammenkunft war schon 1774.
* Die verschiedenen Mitgliederlisten bei J. S i 1 ves tre Kib eir o, C. C. Branco
(Curso), und Braga im Manual, p. 42."i und Curso, p. 347 weichen nicht unbeträchtlich
von einander ab.
362 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. PORT. LllT.
geordnete familiäre Gegenstände anwendet), die Schlagfertigkeit mit der er
auch lehrhaften Betrachtungen eine prägnante Form zu geben weiss, und den
sanften Epikureismus, welcher selbst seinen Kritiken einen eigenen Reiz verleiht.
Seine Episteln und Oden werden immer gern gelesen werden ; und obwohl er
kein eigentlich dramatisches Talent besass, interessieren sogar seine Bühnen-
stücke »^ Assanbleia« und ^Theatro noz'o« durch die lebendige Zeichnung der
haltlosen zeitgenössischen Gesellschaft, die in dem beunruhigenden Übergangs-
stadium von der alten zur neuen Zeit nicht recht aus noch ein wusste. Seine
»Catitata de Dido« ist eine der vollendetsten Dichtungen der ganzen portug.
Poesie. Gar(;äo starb am lo. November 1772 im Limoeiro-Ciefängnis der
Hauptstadt, wohin ihn Pombal, aus persönlicher Rache gebracht hatte. ^
175. Der zweite Platz unter den Arkadiern gebührt Elpino Nonacricnse
d. i. Antonio Diniz da Cruz e Silva (1731 — 1799), der den Dithyrambus
nach Portugal verpflanzte. Seine pindarischen Oden über portug. Ereignisse
sind schwungvoll, doch übermässig emphatisch. Hingegen ist sein komisches
Heldengedicht »Vom Weihwedel« über einen Sakristei-Konflikt zwischen dem
Bischof von Elvas und dem Dekan der Kathedrale, von natürlichster Anmut,
und frisch durchweht von dem freidenkerischen Hauche eines ehrlichen En-
cyklopädisten-Geistes. Der »Hyssope^ ward in Elvas selbst, gleich nachdem
der kleine Kirchenstreit sich in Wirklichkeit zugetragen hatte, begonnen, und
in 7 Gesängen zu Ende geftihrt. Um jedoch das Reformwerk Pombal's zu
verherrlichen, erweiterte Diniz hinterher den 4. Gesang und fügte noch einen
8. hinzu. Veröffentlicht ward das Poem jedoch erst nach seinem Tode, weil
der Verfasser-, der einen hohen Posten in der Magistratur bekleidete, es für
unpassend hielt, öffentlich als Dichter und gar erst als scherzender Dichter
aufzutreten. Während er als desetnbar^ador in Rio de Janeiro weilte (nach
1791), verurteilte er sogar mitleidslos seine berühmten brasilianischen Kollegen
Thomas Antonio Gonzaga, Claudio Manoel da Costa und Alva-
renga Peixoto, die an der Verschwörung teilgenommen hatten, welche die
Provinz Minas-Geraes behufs Erlangung der Selbständigkeit angezettelt hatte.
(S. u. S178).
176. An dritter Stelle verdient Domingos dos Reis Quita*(i728 —
* Die y>Ol>ras Foeticas(.< von Gar^äo erschienen 1778. diucli Fürsorge seines Bruders;
1812 (ohne die Prosasachen); l82ö (desgleichen); und vermehrt, nur unter Ausschhiss einiger
pittoresker Sonette, Rom 1888, mit Einleitung und AnmerUungen von J. A. de Azevedo
Castro. Nicht erwiesen ist die vermeintliche Verfolgung, die Gar quo von Seiten l^om-
hal's erlitten haben soll, weil in seiner schönen Huldigung an den alten Infanten D. Pedro
oh seiner Nichtannahme der Statue, welche f.issabon ihm errichten wollte (§ 87) Anspielungen
auf das Reiterstandhild König Josephs und das am Piedestal enthaltene Medaillon Pomhal's
erblickt wurden. Waiirsclieinlicher ist, dass seine Haft durch strafl)are Liebesabenteuer
veranlasst ward. (}. war ein sehr gescheuter, gesclimackvoller Dichter, der ohne jede
Pedanterie mit feinem Takt daran arbeitete, die durch (iongoristen, Gallizisten und Vulgär-
dichter zu bunter Willkür geführte Sprache zu adeln und zu kamonianischer Schönheit zu
führen. Die läppiscii gewordenen ReimkQnsteleien vermeidet er und zeigt , dass auch ohne
solches -»zumzumii poetische Effekte zu erreichen sin<l. Dass er trotzdem das Reimen ver-
stand, beweisen seine Dithyramben, Glossen und Endechas. Die Oden, ob aucii horazisch,
und die Episteln, ob auch quinhentistisch. sind jjikant gevvüizt mit etwas zeitgenössischem
Realismus, so dass sie nie wie künstliche Nachbildungen aussehen. Vgl. Bouterwek
p. 375—383.
2 Gedr. 1802 und oft. zuletzt 1879, illustriert und mit Konunentar von J. Ramos
Goal ho; franz. von Boissonade 1828; Neuausgabe mit vortrefflicher Einleitung von
F.Denis 1867 als »6^öm//7/ö««. Vgl. von R e i nhar ds t oe 1 1 ner : »Der Hyssope des A D.
in seinem Verhältnisse zu Boileau's Lutrin« ( Lpz. 1877) und Hraga, *Qnes(oes<c p. 339— 350.
Eine Ausgabe der Werke (mit Au.sschluss des Hlpos ) erschien 1807 bis 1817 zu Eiss.
(6 Bde.). Sie enthält mehr als 300 Sonette, viele Eklogen, Oden, Canzonen, Elegien. Epi-
gramme; ein Poem » MetatnorpJwses do Brazil< und eine Komödie: -»0 fa/so herinsmcs..
' Quita's Werke wurden 1766. 1781 und 1831 gedruckt. Die Lycore steht an
Arkadische Akademien. 363
1770) genannt zu werden (ein einfacher Friseur, der im Elend starb), besonders
wogen seiner Verdienste um die Bühne. Als Arkadier hiess er Alcino
Mycenio. Seine Idyllen sind von grosser Lieblichkeit, besonders das längere
Hirtendrama Lycore. Seine Tragödie in Versen über >)Ines de Castro« (gewöhn-
lich -»A segunda Castro« geheissen, wegen Ferreira's älterer Arbeit), ward von
Joäo Baptista Gomes in der Nova Castro plagiiert. ' — ■ Überhaupt war die
Arcadia ernstlich darum bemüht, auch das Theaterpublikum von der Geschmacks-
verwirrung zu heilen, die es dahin gebracht hatte, den possenhaften Opern des
Juden sowie ähnlichen, und noch schlimmeren, roheren Bouffonnerien Beifall zu
klatschen. Denn neben den Farcen eines gewissen Nico lau Luiz-, und
anderen anonymen , die aus Fetzen spanischer und italienischer Lustspiele
kunstlos zusammengeflickt sind, herrschten auf der Bühne damals nur Über-
setzungen und Nachahmungen nach Goldoni und Metastasio, die öffentlich
und in Privathäusern aufgeführt, und in fliegenden Blättern gedruckt wurden
{Comcdias de Cordel). Der lebhafte Wunsch, das Drama wieder national zw
gestalten, und dem schlechtverwöhnten Publikum durch gesundere Kost auf-
zuhelfen, bildete die Lebensaufgabe des Arkadiers Manoel de Figueiredo
(Lycidas Cynthio 1725 — iSoi).^ Doch erlaubten ihm seine schwächlichen
Geistesgaben nicht, seinen trefflichen Plan voll und ganz auszuführen. Wäh-
rend er nämlich in der Wahl seiner Stoffe glücklich und taktvoll war, — ge-
schickte Hände hätten Meisterwerke daraus gemacht — fehlte ihm die Kunst,
seine tragischen und komischen Ideen zu verkörpern, und seine verständigen
Gedanken in gute Verse zu kleiden. 3
177. Von den ausserhalb A&c Arcadia erblühenden Talenten, traten viele
mit Satyren gegen dieselbe hervor. Eine kleine Sammlung von Schriften dieser
Dissidenten erschien unter dem Titel »Guerra dos Foeias« schon im Jahre
1770 und machte die Runde durch die Hauptstadt. Später sammelten die
Abtrünnigen der Arcadia sich um den Padre Francisco Manoel do Nas-
cimento (1734-1819), Niceno und Filinto Elysio^^ und bildeten eine unter
sanften Reizen kaum Tasso's Antinta nach. Auch die Tragödien Astarte, Megara und
Hermione sind durcliaus nicht wertlos.
' Gonies, ein jung (1803) gestorbener Portuenser Kaufmann, errang mit seiner Z»/<:j
de Castro-'^rAooAx^ zu Anfang des ly. Jhs. einen durciischlagenden Erfolg. Noch 1850 gehörte
sie zu den beliebtesten Bühnenstücken. - Franz. von F. Denis 1823; deutsch von H. v. '/...
Weimar 1782, und AI. Witt ich. Lpz. 1841 (mit vergleichender Kritik einiger Ines-
Tragödien und Romane: Houdart de la Motte 1723; Mr Bray 1830, Tlielo 1808,
V Soden ITVI: Ferreira (s. § 134). Quita; J. J. Sahino J8l2 und Gomes). Vgl.
Inn. da Silva 111 30,0 u. Braga, Tluatro no seailo XIX Cap. II.
" tJlier Nicolas Luis, den Verfasser der ^ Maridos Peraltasi, und die -nCoinedia
de cordeh im .MIgemeinen verweise ich auf Inn. da Silva VI 27.=) -287 und Braga's
Tlieatro, oliwohl beide den niciit uninteressanten Gegenstand auch nicht annähernd erschöpfen.
' Figueiredo schrieb 41 Bühnenstücke: Tragödien, worunter patriolische w ie
Ines de Castro, Osinia inid Viriato und ein Edipo ; Komödien; und Übersetzungen (Cor-
neille Cid; und die Iphigenie von Euripides); dazu 5 arkadische R^den über die 'l'echnik des
Dramas. Nur 3 Bände liess er .selbst drucken (1775). Eine Gesamtausgabe besorgte sein
Bruder (14 Bde. 1804 — 1,t). Dazu konnuen noch -aObras posthumas^ (2 Bde. 1804 und
1810;. — Die mei.sten Exemplare wanderten ungenutzt in die Lissabonner Kramläden. Einste
Einheitsdramen machten nur Glück, wt-nn sie aus dem Ausland, mit bereits geprägter Weil-
be/.eichung, importiert wurden. — Eine andere Osmia von D. T h e r e s a d e M e 1 ! o B r e v n e r
wurde zwar von der Akademie gekrönt, welche vergebens Preise für das beste laist- und
Trauerspiel aussetzte (gedr. 178,t; span. 171)8, deutsch 1824 irlalberstadt; vgl. Boutei wek
P- 38,=)— 3yoj, doch gefielen ihre reimlosen Hendeka-tyllaben dem Publikum el)ensowenig wie
die zehn Tragödien des M an uel Caetano Pimenta de Aguiar (Virginia; D.Jcäo 1;
D. Sebasliäo ; Caracter dos Lusitanos etc. 1 81, "1—1820. Vgl. F. Denis, Resiim:, Cap. 33).
oder der Triiimpho da nalureza von Noiasco da Cunha (1773 — 1844), weicher den
Hexameter und den Geschmack für Shakespeare in Portugal einzuführen vei suchte.
^ Auch die Dissidenten legten sich nämlich Hirtennamen i)ei. Wegen liiterodoxer
Meinungen vor das nach Po mbals Sturz wiedenuu eifrig thätige Heilige l'ribunal gefordert.
364 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LllT.
dem Namen »Grupo da Ribeira das Naos« bekannte Sonder - Akademie , der
auch Domingos Pires Monteiro Bandeira, Domingos Maximiano
Tor res (Alfeno Cynthid) und der grosse Satyriker Nicolau Tolentino
d'Almeida (1741 — i8iij beitraten^. Auch in der Provinz entstanden ar-
kadische Reform- Vereine, aus denen einige bedeutende Poeten, wie Joäo
Xavier de Mattos {Alhano Erythreo 7 1789J hervorgingen.- Ja, bis nach
Brasilien verbreitete sich die Bewegung. Die überseeische Academia dos Selectos,
Sociedadc Litter aria, Arcadia ultramarina, Academia dos felizes und Acadetnia
dos Renaseidos legen Zeugnis davon ab.
178. Die Akademie der Wissenschaften. Nach dem Tode König
Josephs wurde, am 4. März 1778, sein grosser Minister seiner Dienste enthoben.
Infolge der Aufwiegelung gehässiger, persönlicher Feinde und der Hetzereien aller
Gegner seiner grossartigen Reformen, wurde ihm sogar wegen Misbrauchs seiner
Amtsgewalt, der Prozess gemacht. Des Königs Tochter und Nachfolgerin D.
Maria I. war herzensgut, aber von verhängnisvoller Bigotterie, die unter dem
unumschränkten Einfluss ihres Beichtsvaters, Frei Ignacio de S. Caetano, zu
krankhaftem Fanatismus und später, unter der Leitung des noch strenggläubigeren
Bischofs von Algarve D. Jose Maria de Mcllo, sogar zu vollkommener
(Icistesumuachtung und religiösem Wahnsinn ausartete. Während ihrer Regierung
trat eine allgemeine Reaktion gegen die vorausgegangene freiheitliche Be-
wegung ein. Der »Philosophismus« ward für verderblich erklärt. Von den
Mäimern der Wissenschaft wanderten die einen aus — wie die Botaniker Jose
Correia da Serra (1750 -1833) und Felix de Avellar Broteiro 1744
— ^1828 — ^, während die anderen, die im Lande blieben, verfolgt und ge-
massregelt wurden, wie der grosse Mathematiker Jose Anastacio da Cunha.
Diese orthodoxe Gegenbewegung nannte man in Portugal y>Rigorismo<~<. Jeder-
mann, der Bücher von Voltaire, Helvetius, Rousseau oder Reynal besass oder
benutzte, wurde vor das wieder eingerichtete heilige Tribunal gerufen. So ward
der eben genannte Jose Anastacio da Cunha (1742 — 1787) gefangen ge-
setzt, weil er den »Candide'.<. und das » Dietionnaire philosophique« besitzen sollte.
So ward auch Filinto Elysio beschuldigt »moderne philosophische Bücher
gelesen zu haben, die eine naturalistische Religion lehren«. Er wanderte am
13. Juli 1778 aus Portugal aus und ging nach Paris, wo er am 25. Februar
1819 starb, in einsamer Zurückgezogenheit, unbekümmert um alle Vorgänge
der Aussenwelt. Selbst aus der Ferne aber übte er auf die vaterländische
entfloii der spracli- und musikkundige Laiea-Piiester und lebte in Holland und Paris, unab-
lässig mit litterarischen Arbeiten beschäftigt, (LJbersetznngen und Eigendichtungen ). — TiOhras
completasv.. Paris 1817 — 19 fll Bde.) und Liss. 1836—40, (22 Bde ). doch ist keine von
beiden vollständig. — i>Odesi. franz. 1 808 von Sane. Vgl. Pereira da Silva, y>Filinto
Elysio e a stia epocai. Rio l8yi und Romero Ortiz. Er ist ein Verskünstler ersten Ranges.
' y>Ohras Poeticasi-, Eiss. l8o2, (2 Bde.), 1828—36 und 1861 mit kritischer Studie
von |. de Torr es. Er aiuiite, wie schon früher gesagt ward, in seinen satyrischen Quintilkas,
den alten sentenzi(")sen Stil Miranda's mit Glück und Geschick nach.
- Die italianisierenden -»Rimas« dieses Hauptes der Arcadki Porttunse wunlen von
1785 bis 1827 allein. 5 mal gedruckt. Sie sind dem Andenken an Camues gevveiht. Er-
wähnung hätten vielleicht noch verdient: Miguel doCouto Guerreiro, der Verfasser
des -»Tratado de Versißcafäo portugtieza« (1784) mit seinen Satyras e Elegias (I786) und
Joaquiin Fort, de Valladares Gamboa »Ohras Poetkas« (1791).
' Von bedeutenden Portugiesen, welche damals das Vaterland verliessen, um Frei
denken und sprechen zu dürfen, und die sich im Ausland Ruhm erwarben, sind ausser den
im Texte erwähnten (Vern ey; Abl)ade Costa; Filinto Elysio; Abbade Serra;
Broteiro; Duque de F/aFöes); nächst dem Cavalleiro d'Oliveira noch der
Arzt Antonio Nunes Ri be i r o Sanc h es (l6yM— 17^3); der Musiker Marcos Por-
tugal (1 762 - 1 827 j ; die Sängerin E u i z a T o d i ( 1 7ri3— 1 833 ) ; der Lexikograph Vieira
Transtagano; die Maler Vieira Portuense (W^'ö— 1805) und Vieyra Eusitano
(1699 — 1783), sowie der Oberst Gomes Freire de.\ndrade (1759— 1817) zu nennen.
Akademie der Wissenschaften. 365
Litteratiir einen entscheidenden Einfluss aus, und zwar im puristischen Sinne,
durch Rückbildung der Sprechweise zur alten, nationalen, von Gallizismen
freien Einfachheit. Die romantische Geschmacksrichtung des nächsten Zeit-
alters bereitete er durch seine poetischen Blankvers-Übersetzungen der »Märtyrer <(.
von Chateaubriand und von Wicland's Oheron (nach einer franz. Prosa-
version) vor. — Gleichzeitig erblühten, dem Mutterlande fern, in Brasilien, das
sich allmählich seiner Kraft bewusst wurde und sich zu einer eigenen Nationalität
auszubilden begann, einige echte Dichtertalente. In der oben erwähnten, 1779
gegründeten Arcadia Ultramarina sammelte sich ein Kreis begabter Litteraten.
Der bedeutendste davon ist Jose Basilio da Gama (1740 — 95;, der Ver-
fasser des kleinen Epos Uruguay. ' Als die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika sich 1789 flir unabhängig erklärten, regten sich auch in Brasilien
republikanische Gelüste und fanden Widerhall in Dichterseelen wie Claudio
Manoel da Costa (1729-90)2, und Thomas Antonio Gonzaga (1744
— 1809)3. Der letztgenannte, zartbesaitete Dichter der »Marilia de Dyrceu«
schlägt in seinen y>Lyras« volksmässige Töne an, welche an die altgallizischen
Weisen der pro venzalischen Epoche {Serranilhas) erinnern. In seiner »Viola de
Lercno« führte Domingos Caldas Barbosa (1740 — 1800 Lereno Selinuntino),
dasselbe Genre in Gestalt leichtfüssiger »Modinhas<.< in die Hauptstadt ein. In
dem Epos » Caramurü « des P*" Santa Rita Duräo (1736-84) sind alte
Traditionen über die Entdeckung Brasiliens benutzt und in kraftvoller Weise
verwertet. Manche Episode, wie die vom Tode Moemä's, ist nicht reizlos.
Trotz des lähmenden Rigorismus der Regierung D. Maria's wurde das
Mutterland mit den Geistesthaten des übrigen Europa immer vertrauter gemacht.
Dank dem persönlichen Eifer und der wirklich wertvollen Thätigkeit des alten
Herzogs von Laföes, der, noch zu Pombals Zeiten, an den bedeutendsten
Höfen gelebt und mit den hervorragendsten Gelehrten verkehrt hatte. ^ Er
ist der wahre Gründer der königl. Akademie der Wissenschaften, welche
am 24. Dezember 1779 in der Hauptstadt, unter Mitwirkung aller strebsamen
Forscher, begründet ward. Zwar wurde dann und wann von der Polizei-
Intendantur eine Kiste Bücher, die für den Herzog aus dem Auslande kam,
mit Beschlag belegt: trotzdem aber wusste er, selbst innerhalb des Ballastes,
der freien, wissenschaftlichen Strömung, Geltung zu verschaffen. Die Akademie
unternahm ernste, gelehrte und zu gleicher Zeit patriotische Arbeiten, deren
' Gedr. 1769 und öfter. Beste Ausgabe, Rio 1855. Es h.^itte sicli empfohlen, die
Entwicklung der brasilianischen Litteratur in einen kurzen Anhang zu skizzieren. Vgl.
F. Sotero dos Reis, Cur so de Litleratura port. e brazileira, Maranhäo 1866. F. Wolf
•iLe Bresil I.ilteraire«, Berlin 1863; Sylvio Romer o, Historia da LUterahtra Brazileira,
Rio 1888, aTJde. Eine kurze Übersicht bietet O 1 iveira Lima, y>Evolin;äo da Litteratura
Brazileiraa. (in Rev. de Portugal Bd. 1 643 — 67); ein summarisches Resume von mir das
Konv.-Lexikon von Brockhaus.
^ S. Bouterwek p. 365—371. — »Obras Foeticas«, Coimbra 1768.
' Gedr. 1800 und weitere l5mMl; 184,5 und 1862 mit Lebensbeschreibung und Wür-
digung. Ital. von Ruscalla 1860; franz. 1825 von Monglave; span. von Vedia.
Als an der Verschwörung von Minas Geraes Beteiligter ward Gonzaga zu lebensläng-
licher Verbannimg nach Angola verurteilt, schliesslich aber zu lojährigem Aufenthalt in
Mo^ambique begnadigt. W.ihrend der 3 jährigen Untersuchungshaft entstanden seine schönsten
Lieder. Geistig gebrochen, lebte er in halbem Wahnsinn noch 15 Jahre.
* D. Joao Carlos de Braganca Sousa e Ligne (17 19 — 1806), ein Enkel
Peters IL Er verliess Portugal 1757 und kehrte erst 1779 heim, nachdem er Jluropa,
Asien und Afrika bereist, für Maria Theresia gegen Friedrich den Grossen, (der ihn später
in Potsdam empfing und mit herrlichen Lobesworten ehrte) gekämpft, in Wien von 1768 — 74
Metastasio und den 12jährigen Mozart und Gluck beschützt, und die Widmung der Oper
Paride ed Elena entgegen genommen hatte , im vertrauten Verkehr mit den erlauchte.sten
Geistern. Vgl. eine Studie Ober ihn von Joaquim de Vasconcellos, im Plutarcho
Portuguez 1881.
306 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. POKT. Ln "1 .
Früchte in den auch im Auslande geschätzten >•> Memoria S€ aufgespeichert wurden. *
Unter der Leitung ihres unermüdlichen Sekretärs, Jost5 Correia da Serra,
der die rechte Hand des Herzogs war, wurden die unschätzbaren <i.lneditos de
Historia Portugueza^. herausgegeben.
179. Didaktische Dichtungen. Die wissenschaftliche Richtung der
akademischen Thätigkcit wirkte auch auf die Erforschung der Nationallitteratur
befruchtend. Die ästhetischen Urteile eines Antonio das Neves Pereira
und Frei Joaquim de Foyos erheben sich freilich nicht eben viel über
rhetorische Erwägungen.- Und in der Dichtkunst nahm ein lehrhafter Ton über-
hand. Man übersetzte fremde Erzeugnisse oder ahmte sie freier nach. Der
»Jardi?n bota?iico«. (1803) von Vicente Pedro Nolasco da Cunha ist eine
Übertragung des englischen Textes von Erasmus Darwin; Bocage nationali-
sierte Aie. >•> Jardins« von Delille; die »Planies« von Castel; die »Agriculiura«
von Rosset und den »Consorcio das ßores« von Lacroix. Der Padre Jose
Agostinho de Macedo (1761 - 1831) der vom 18. ins 19. Jh. hinüberleitet,
schuf hingegen selbständige didaktische Gedichte: y>A Natur eza« , »Ahwtoii«
(181 3), y>A Meditafäo« und »A viagem extatka ao Templo da Sabedoria« .
180. Das neue Arkadien. Nächst Manoel Maria Barbosa du
P>ocage (1765 — 1805) ist Jose Agostinho der bedeutendste Dichter jener
Tage. Seine Kritik war jedoch eine übermässig scharfe und seine Sprache
ist oft gallig und giftig, besonders wo sie zum Werkzeug seiner politischen
Leidenschaften ward, wie in dem Spottepos y>Os Burros« (18 12), und in den
Prosa- Brandschriften »Tripa virada<^ -»Mais tripa« und -»Tripa por uma vez.«.'^
— Er unterfing sich die Bewunderung der Nation fiir die Lusiaden lächerlich
zu machen, und an Stelle des Nationalepos ein neues, zu diesem Zwecke
verfasstes Heldengedicht -»O Gama« (181 1) schieben zu wollen, das er hernach
noch einmal umarbeitete und »ö Oriente« betitelte (1814). — Bocage, den
die Zeitgenossen vergötterten , und unter dessen gefeilten Sonetten Meister-
stücke sind, der sein staunenswertes Improvisations-Talent aber in nichtigen,
zum grossen Teil sogar gemeinen Gelegenheitsgedichten verzettelte, wurde ein
Opfer der Engherzigkeit und Willkür der mit der Inquisition verbündeten Polizei-
herrschaft.'^ Trotz aller Hindernisse fand der Geist der franz. Revolution
' Fünf Bände, 1790—1824 Die hauptsächlichsten periodischen Publikationen der
Akademie sind ausser den im Texte ervvälmten. alle Wissensgebiete umfassenden 1. Metuorias -.
(Serie 1 1797— iBlH- 12 Bde.. Serie 11 1843— 51, 3 Bde.); die Memorias economicas 1789
— 1810. 5 Bde.; Memorias de mathematka e physica 1797— 1814, 3 Bde.; und (da nach
franz. .Sitte auch die schöne Litteratur beachtet ward) die Alemorias de litteratura 1792— 18 14,
7 Bde. Vgl. C. C. Branco, Curso 221—244 und J. Silvestre Ribeiro Bd. I.
2 Vgl. Bouterwek p. 405 — 409. Was dort, und anderwärts, über den Mangel
an Lehrbüchern der Rhetorik und Poetik gesagt wird, ist jedoch ungenau. Seit 17 18 hat
es ihrer genug gegeben (F r a n c i s c o L e i t a o F e r r e i r a ; C a n d i d o L u s i t a n o ; K r i -
ceira; Ribeiro Sanches etc.).
* Diesen abstossenden Titel tragen die Wochenblätter, die Macedo 1820 - 23
herausgab. Dem fruchtbaren und gewandten, aber keineswegs liebenswürdigen Augu-^tiner-
mönch , der 1792 seines sittenlosen Wandels wegen aus dem Orden ausge.stossen ward,
trotzdem aber Welt-Geistlicher und ein berühmter Kanzeirednei- . ja .«ogar Hofprediger und
1830 Chronist des legitimistischen Usurpators D. Miguel ward, iiat A. P. Lopes de
Meli (Ion (ja einen Aufsatz in den Aiinaes das Sciencias e Letras (11 p. 1449) gewidmet »Jose
Agostinho e a siia epochav. Die sehr lange Liste seiner Dichtungen und Streitschriften bieten
Inn. da Silva IV 183— 215 und J. Lopes Carreira de Mello; Macedo, Biographia e
Catniogo de ohras, Porto 1854. — Vgl. auch Romero Ortiz.
* Das kurze und unstäte Leben dieses höchst talentvollen und einHussreichen Dichters,
der wahrhaft volkstümlich wurde und Schule machte; seine militärische Laufbahn, von
Lissabon nach Goa, Damäo, Macau und wieder heimwärts; seinen Eintritt in den 1790 zu
Lissabon von einigen Poeten (Bingre, Semmedo. Barboza) gegründeten Dichterbund,
die Aeaden-ia de Bellas Letras, die man meist als Nmm Arcadia bezeichnet , da ihre .Mit-
glieder sich,auch hirtenmässige Namen beilegten; die bittre Feindschaft, die seine überlegene
Zwkhk AKK.AU1SCHK Akauemik. — Sechstk Epoche: Romantiker. 367
jedoch seinen Weg nach Portugal, obwohl, wie angedeutet, der Intendant
Manique der Verbreitung der neuen Ideen Einhalt zu thun glaubte, wenn
er kein franz. Buch das Zollamt passieren liess, sondern alles Verdächtige
einfach verbrannte. Auf Privattheatern kamen die Dramen Voltaire's zur
Aufführung und besonders unter den Studenten Coimbra's bereiteten sie dem
liberalen Gedanken einen günstigen Boden, in den später die Romantiker neuen
Samen streuen konnten.
K. SECHSTE EPOCHE. SEIT 1825.
ROMAiNTIKER.
[ie Bewegung, welche man in der Litteratur die romantische nennt,
wird durch die bewusste Absicht der Schriftsteller gekennzeichnet,
ihre Stoffe dem nationalen Leben zu entnehmen. In ganz Europa fällt sie
mit den politischen Kämpfen zur Erlangung grösserer Freiheit zusammen, oder
geht daraus hervor. Die Bewunderung für die klassischen Werke des Alter-
tums, gegen deren Nachahmung schon die Encyklopädisten den Fehderuf er-
hoben hatten, wurde zu einem Merkmal des politischen Konservatismus. Ein
Kampf zwischen den am Alten haftenden Klassikern und den sich davon los-
sagenden Romantikern hat nirgend gefehlt, wo die Grundlehren der franz.
Revolution, ob auch gemildert durch die Wirkung der »Verfassungen« (Carias
Constitucionaes) ^ Erfolge errangen. Mit dem liberalen oder revolutionären
Glaubensbekenntnis geht die Geringschätzung aller akademischen Regeln Hand
in Hand. Allem steifen Formelzwang abhold, in litterarischer Beziehung die
gesamte Vorzeit, Altertum wie Mittelalter verachtend, nahmen die Romantiker
die Natur zum einzigen Massstab für alle Wissenschaften (Naturphilosophie,
Naturrecht, Natur religion) und zum Massstab für Kunst und Poesie die Ein-
drücke, welche eben die Natur oder Wirklichkeit auf das Individuum hervor-
bringt. Eine solche Umgestaltung der Denkait ist in den von Lessing und
Goethe so sehr bewunderten Werken Rousseau 's und in den ästhetischen
Theorien Diderot's schon deutlich fühlbar. Diese franz. Vorläufer, welche
auf Deutschland einwirkten, bezeichnete Gervinus später als Protoromantiker.
Die Notwendigkeit, die litterarische Wiedergeburt auf die Traditionen der eigenen
nationalen Vergangenheit zu begründen, und somit dem Mittelalter (statt der
Antike) die Motive zu entnehmen, fühlte jedoch von allen Ländern Deutsch-
land zuerst und am tiefsten. Unter dem Schutze der Fürstin Anna Amalia
von Braunschweig erstand in Weimar, dem Athen Thüringens, jene grossartig
fruchtbare Dichter-Generation, deren Koryphäen Goethe und Schiller sind.
Die neuen litterarischen Theorien der deutschen Romantiker verbreiteten sich
Ironie und rücksiditslose Satyre ihm bald (1793) von Seiten seiner Kollegen eintrug; die
Feliden mit Jose Agostinlio; die Anklage, welclie sein Entluisiasmus für die franz. Re-
volution ihm zuzog; seine Gefangennahme (l797) wegen anfrührischer und gotteslästerlicher
Äusserungen und Schriften, unter denen eine »VerJades dtirasi. fiherschriebene voltairische
Epistel in Versen gegen die Unsterblichkeit die Hau|)trolle spielt {^t>A Pavorosa«.. wegen der
Anfangsworte ~i>Pavorosa ilhtsäo da etertiidade«), seine Katechisation durch das heil. Tribunal,
und sein Ende schildert lebendig Th. Braga in iVida de Bocage e sua epor.a litteraria«.
Sie bildet den Geleitband zur jüngsten Ausgabe seiner Werke (Pf)rto 1876, 7 Bde.). .\ltere
erschienen als Ohras Poeticas Liss. 1806-I4 (in 6 Bdn.) und ebd. 1853 T>Poesias.' , mit
Einleitung von Rebello da Silva und Inn. da Silva. — y>Excerptos e vida«, von
Castilho in der »Livraria Classica«, 1847 und 1865. —Vgl. Ruscalla: Nothie intomw
agli scritti di Bocage, Asti 186O: j\Iax Beil hack, in Herrig'' s Archiv. 1867, Bd. 40 ; mul
Romer o Ortiz. — Bocage's Schüler und Nachfolger heissen Elnumistas nach seinem
arkadischen Namen Elmano Sadino.
368 LiTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
nach England und Frankreich und von da aus nach Italien , Spanien und
Portugal, erhielten hier im Süden Europa's aber als bedeutsamen Hintergrund
die umstrittene, politische Emanzipation der Völker.
182. Wiederbelebung des Nationalcharakters durch die Lit-
ter atur. Die Romantik drang nach Portugal erst als sie bei allen anderen
Nationen schon in das kritische und wissenschaftliche Stadium eingetreten war,
gleichwie man in den entfernteren Provinzen des grossen Römerreiches die
Münzen mit dem Bildnis eines Kaisers noch verehrte, nachdem er selbst von
den Prätorianern längst ermordet oder abgesetzt war. Die Hauptursache dieses
späten Beitritts ist in der politischen Lage des Landes zu suchen. Seit der
Erhebung Portugals gegen die Heere Napoleons hatte die Nation das immer
schwerer lastende Protektorat Englands, seines Bundesgenossen, zu ertragen,
das sich während der Regierung von Beresford in grausamster Weise unter-
drückend bethätigtc. Auf die Ermordung des Generals Gomes Freire de
Andrade folgte nach 1817 eine erste Auswanderung von vaterlandsliebenden
Liberalen. Männer, wie der Mo rgado de Mattheus, Mascarenhas Netto,
Jose Pedro de Mello und Domingos Antonio Sequeira traten jenseits
der (irenzen in Beziehungen zu Vertretern der neuen Geistesströmungen, und
leiteten dieselben in ihr unglückliches, durch Despotismus und Klerikalismus
grenzenlos ausgesogenes und verrottetes Land. Der Mo rgado de Mattheus
(j- 1825) trug durch seine Monumcntalausgabc Aar Lusiadas {i^i"]) zur Weckung
des Nationalgefühls bei. ' Jose Diogo Mascarenhas Netto (71826) gründete
die ersten wissenschaftlichen Zeitschriften 2. Jose Pedro de Mello orga-
nisierte zoologische und mineralogische Sammlungen; Sequeira (f 1837)
pflegte die historische Malerei und schuf, unter anderem, das Gemälde vom
Tode des Lusiadensängers. In der Heimat hätte keines dieser Talente sich
frei entfalten können. Wurde doch um dieselbe Zeit Garrett, der sich bereits
als bedeutender Dichter offenbart hatte, angeklagt und schuldig befunden, in
dem didaktischen Gedicht über die Malerei »O retrato de Venus« freigeistigen
Anschauungen Ausdruck geliehen zu haben. Der schreckliche Pater Jose
Agostinho de Macedo fungierte nämlich noch als amtlicher Zensor und
blieb es bis zum Sturz des Absolutismus (1833).
Eine innigere Bekanntschaft mit den Meisterwerken der Romantik wurde
jedoch erst während der zweiten Emigration erreicht (1823 — -26), als Johann VI.,
der nach der Rückkehr aus Brasilien die Konstitution von 1820 bewilligt hatte,
durch einen Staatsstreich das absolute Regiment wiederherstellte. Garrett,
der zu den begeistertsten Liberalen gehörte, lernte in der Fremde den Wert
des heimischen Volksromanzen - und Liederschatzes kennen , nachdem die
Arbeiten eines Grimm, Walter Scott, Rodd und Depping seinen Blick
angezogen hatten. Nach seiner, durch die Amnestie von 1826 ermöglichten Rück-
kehr beutete er dann, an der Hand von Kindheitserinnerungen, diese poetische
Ader aus, und tränkte von nun an seine eigenen litterarischen Schöpfungen
mit ihrem Lebenssafte. Die dritte Emigration (1829 — 38) führte zu noch viel
eingehenderer Beschäftigung mit der romantischen Bewegung, sowohl in Frank-
reich, wo der -»Globe« seine Triumphe feierte (1824 — 32), als auch in Eng-
' D. Jose Maria de Sousa Botelho, der Gemalil der geistvollen Freundin
Talleyrand's M'»« de Fla haut, welche die Geschichte als M'"^ de Sousa kennt.
Nach den Schmähungen, welche der Pater Macedo in den Reflexoes Criticas (18 11) und
in der Censura dos Lttsiadas (\%20) gegen Canioes geschleudeit hatte, war solciie Eiuung
von Bedeutung.
* Es sind die, unter Mitwirkung von Francisco Sola 110 Consta nein iiml
Candido j o s e X a v ier, von Jose Diogo de M ascaren has Netto herausgegel>enen
Aiinaes das Sciencias , Artes e Letras (1818 — 22j 16 Bde. (verschieden von i\vw nieiui'ach
genannten »Annaes das Sciencias e Letras*.).
Sechste Epoche: Romantiker. 369
land, wohin sich jetzt die meisten der verfolgten Auswanderer wandten.
Alexandre Herculano, der zu dieser Emigrierten - Gruppe gehört, ward
der wahre Einfuhrer des historischen Romans, und der Erneuerer der Geschichts-
studien. Dem berühmten Minister Passos Manoel (s. u.) dankt man eine
Reihe wichtiger, pädagogischer Einrichtungen und Reformen : die ersten medi-
zinischen, polytechnischen und militärischen Hochschulen, das Konservatorium
für Musik und dramatische Kunst, die Akademien der schönen Künste, und
die Nationallycecn. ^ Doch nicht bloss die genannten , sondern alle Schrift-
steller, welche die ausländischen Schöpfungen der Romantik kennen, verstehen
und bewundern lernten, sahen ein, dass auch für Portugal erst die Versenkung
in seine glorreiche Vergangenheit zur wahren Fruchtbarmachung der neuen
freisinnigen Institutionen führen konnte. Die Dramen, die Romane, die
lyrischen Dichtungen , die historischen Forschungen , die in rascher Folge
entstehenden schöngeistigen und fachwissenschaftlichen Zeitschriften, alles
arbeitete an der einen Aufgabe, das mehr denn halb erloschene Vaterlands-
gefiihl wieder anzufachen, und das portug. Leben und Denken wieder national
zu gestalten. Aus den so überaus zahlreichen Schätzen der älteren Litteratur-
Zeiträume hob man Einiges hervor, und brachte es ans Licht: die »Jneditos
de Akol'afa« (1829); einen der Reiseberichte des D. Joäo de Castro,
:»Roteiro«- (1833); den y>Rotei7-o de Vasco da Gatna« (1838^3; den »Leal Con-
selheiro« des Königs Du arte (1843); die »Afinaes de D. Joäo III.« (1844);
die »Chronica do Cardeal D. Henrique^ (1840); die y>Chrojiica de D. Sebastiäo«
von Frei Bernardo da Cruz (1837), und die philosophischen Gedichte des
Jose Anastacio da Cunha (1839)*, um nur einzelnes Hervorragende nam-
haft zu machen. Im -»Parnaso Lusitano« (Paris 1826— 1834) wurden den
sich mit portug. Litteratur Beschäftigenden zum ersten Maie die schönsten Perlen
portug. Dichtkunst vom 16. bis zum 19. Jh. dargeboten, bei welcher Gelegen-
heit Garrett selber mit eigener Hand, gewandt und einsichtig, ob auch mit
wenigen Strichen, ein Bild der Entwickelung der Nationallitteratur skizzierte.
Die Drucklegung des alten »Canciottciro do Collegio dos Nobres<s. durch Lord
Stuart (1826) mit ihren Troubadourliedern aus dem 13. und 14. Jh. fand
freilich noch kein rechtes Verständnis. Man kannte jene entferntere Vorzeit
gar zu wenig. Selbst ein Meister wie Dicz glaubte darin Dichtungen nur
eines Verfassers vor sich zu haben. Im Ganzen aber verstand man die Ver-
gangenheit gut. Edgar Qu in et ftihlte, als er Portugal betrat (1843 — 44)
den heissen x'Vtem des sich erneuenden Lebens und sah ein, welch grossen
Anteil die Schriftsteller an diesem segensreichen Vorgange hatten. ■' Binnen
kurzem jedoch, schon 1847, machte ein neuer Staatsstreich, bei welchem die
Königin D. Maria II. die Waffen der verbündeten heiligen Mächte (Spaniens,
Englands und des orlcanistischen Frankreichs) gegen ihr Volk zu Hülfe rief,
jenem schönen und energischen Aufschwung schon wieder ein jähes Ende.
Seither besitzt Portugal an Stelle wahrer Freiheit nur ihr Scheinbild, in Gestalt
des Parlamentarismus : und in der Litteratur sind an Stelle wirklicher Genien
fast nur unbedeutende phrasenliebende Mittelmässigkeiten am Werke.
1 Nach der nm 30. Mai 1834 erfolgten Aufhebung der Klöster war eine Neugestaltung
des Untenichtswesens eine unumgängliche Forderung.
* Ein zweiter -»Roteiro de Goa a Diui erschien 1 843 ; ein dritter 1 882.
' Der zweite Seebericht Vasco da Gaina's erschien 1861 (ed. Herculano und
Castello de Paiva).
* S. Inn. da Silva IV p. 22<).
* Die in Portugal unendlich oft zitierten sympathischen Äusserungen Qu in et 's iii>er
Portugal finden sich in den »Vacances en Espagna (chap. 29) und in -iLa France et la saivte
alliance«. (Bd. IX und X der Oetcvres Completes).
Gröber, Clruudriss. IIb. 24
370 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
183. Die Romantiker. — Joäo Baptista da Silva Leitäo, Vis-
conde de Almeida Garrett (1799 — ^1854)1 ist der eigentliche Einführer
der Romantik, und das Haupt der neuen Schule, ob auch seine ersten Schriften
beweisen, wie tief ihn in der Jugend der franz. Pseudo-Klassizismus einerseits,
und andererseits die Lyrik des heimischen arkadischen Geschmacks beeinflusst
hatte (der Philintismus mehr als der Elmanismus). Trug er selber doch,
der alten Schäfersitte treu, noch den Dichternamen lonio Duriense, und
schrieb er doch, eingenommen von der zuckersüssen Prosa eines Demoustier
sogar eine »Schule für Damen« (Lyceo das Damas) , während er in den
Dramen Mfrope und Catäo (und anderen), seinen freisinnigen Gedanken folgend,
Voltaire nacheiferte! Wie jener Umschwung eintrat, der ihn veranlasste,
seine wirklich moderne Gefühlsweise in litterarische Schöpfungen umzusetzen,
und dabei zum Romantiker zu werden, ward schon angedeutet. Die Emigration
von 1823 brachte Garrett in Berührung mit Vertretern der neuen Richtung
und klärte ihn darüber auf, wie unendlich viel in Portugal noch zu thun übrig
war. Die durch die Ferne nur gesteigerte, sehnsuchtsvolle Liebe zum Vaterland
bewirkte, dass er, der sich bislang ausfuhrlicher nur in dem Lehrgedicht über
die Malerei »Reirato de Venus <.< und in konventionellen klassischen Tragödien
ausgesprochen hatte, zu der genialen Schöpfung des patriotischen Epos -»Camöes»;
zu der noch gelungeneren des Schauspiels Frey Luiz de Sousa und anderer
Bühnenstücke begeistert ward. — Almeida- Garrett wurde am 4. Februar
1799 in Porto geboren, und auf den Agoren von einem humanistisch ge-
bildeten Oheim, dem Bischof von Angra, D. Frei Alexandre da Sacra Familia
erzogen. Von 1814 bis 1821 besuchte er die Universität Coimbra, woselbst
die Ideen der franz. Revolution in vielen Herzen brannten , und trat offen
der Bewegung bei, welche 1820 das Joch des englischen Protektorats abzu-
schütteln gedachte. Die bei dieser Gelegenheit entstandene Tragödie »Catäo«.
kam bei Nationalfesten wiederholt zur Aufführung, in Portugal und später unter
den Emigrierten auch im Auslande. Als Johann VL 1823 die ein Jahr zuvor
verliehene Konstitution brach und die Parteigänger der nationalen Freiheit und
Selbständigkeit verfolgt wurden, verliess auch Garrett die Halbinsel und ging
über England und Havre nach Paris (1823 — 26). Die Entfernung von der
Heimat und seiner jungen Gattin, und das daraus entspringende Unbehagen,
das durch seine Mittellosigkeit gesteigert ward, gaben dem hier entstehenden
Gedicht »Camöes«. sein tief melancholisches Gepräge-. Im Heimweh gedachte
er der Kindheit und der alten Volksüberlieferungen, die er so gern gehört
hatte. Diese Erinnerungen gaben dem anmutigen Poem »D. Branca«. seine
Färbung.^ Nach der Rückkehr musste Garrett einige Monate im Kerker
zubringen wegen politischer Streitschriften , von denen später eine Auswahl
unter dem Titel »Portugal na balanga da Europa« wieder herausgegeben worden
ist. Als am 28. Februar 1828 D. Miguel, der Vertreter der absolutistischen
Reaktion, in Portugal landete, sah der Dichter sich gezwungen, abermals
' Man lese über Almeida- G arrett das sehr ausführliche, pietätvoll geschriebene
Werk seines Lieblingsschülers Francisco Genies de Amor im: -»Garrett, Memorias
Biographicasv. I-iss. 1 88 1—88, 3 Bde.; daneben Braga, nHistoria do Komantismo em Por-
tugal«. Liss. l88ü, und A. Romero Ortiz, »Za literatura porlugiiesa en el siglo XIX,
Madr. 1870. Eine Gesamtausgabe seiner i>Obras<i umfasst 24 Bändchen. (Liss. 1854—77)
Aus dem reichen Nachlass ist bis jetzt wenig gedruckt. Vgl. auch Bibliographia critica,
Artikel 7 und 39.
2 Dies elegische Heimweh -Poem in lO Blankvers - Gesängen (1. Aufl. Paris 1825,
8. Liss. 1866) ist in deutscher Übersetzung vom Grafen A. F. v. Sc hack vorhanden
(Stüttg. 1890), über welche man Storck in der Zschr. f. vgl. Litt. 1891 nachlese, wie auch
in franz. Prosa- Version von H. Faure, Paris 1880.
* Es ist ein langes episch-lyrisches, Scherz und Ernst mit einander mischendes Ritter-
gedicht in VVielands Manier, mit besonders gegen das Mönchswesen gerichteter Tendenz.
Almeida-Garrett. 371
auszuwandern, um Leben und Freiheit zu retten. Mit anderen Gesinnungs-
genossen suchte er in England Schutz. Von dort aus folgte er mit regem
Interesse der Entwickelung jenes Kampfes, der mit dem Zusammenströmen
der konstitutionell Gesinnten auf der Insel Terceira anhub, und im Jahre 1833
mit der heldenmütigen Verteidigung von Porto, an der Garrett teilnahm, rühm-
lich abschloss. Da D. Pedro IV. ihm gleich nach der Landung in Mindello das
Ministerium des Innern übertrug, fand er Gelegenheit sein hervorragendes or-
ganisatorisches Talent bei der Reform sowohl des Verwaltungswesens als des
Strafrechts und des öffentlichen Unterrichts zu bethätigen. Als 1837 der
Konflikt zwischen Cartistas und Setembristas ausbrach, d. h. zwischen den An-
hängern der 1826 gnädig bewilligten »Carta ouiorgada« und den Revolutionären,
welche grössere nationale Unabhängigkeit erheischten, trat der Dichter, dessen
Charakter sich bei der Arbeit und in den Pressfehden gestählt hatte, unum-
wunden fLir die demokratischen Prinzipien ein, und kämpfte unermüdet an der
Seite des grossen Tribunen der Konstituinte , Manoel da Silva Passos
(Passos Manoel, wie man ihn gewöhnlich zum Unterschied von seinem
Bruder Jose nannte). Er unterstützte denselben bei allen seinen Reformen,
besonders aber bei der Begründung eines Nationaltheaters und des Konser-
vatoriums für dramatische Kunst. — Das ausserordentlich bewegte, thatenreiche
Leben, das Garrett führte, beeinträchtigte jedoch in keiner Weise sein dich-
terisches Schaffen. Im Gegenteil, die aktive Teilnahme an historischen Gescheh-
nissen verlieh seinen Werken allmählich einen kraftvolleren Charakter. Während
der Belagerung begann er den in Porto spielenden geschichtlichen Roman »O
Arco de Santa Anna«^, der zwar unter dem Einfluss von Walter Scott steht,
die portug. Eigenart aber trotzdem deutlich abspiegelt, und durch Garrett's
völlig modernen, leichten Schritts einhergehenden, die alten Formen der portug.
Prosa durchbrechenden Stil einen besonderen Reiz und Wert erhält. Nicht
zufrieden damit, als Generalintendant des Theaters die Aufführungen zu leiten,
schrieb er ferner eine Reihe dramatischer Meisterwerke (in Prosa), die Mark
genug hatten, um die öffentliche Meinung endlich einmal zu heller Begeisterung
hinzureissen. Sie führen sämtlich charakteristische Figuren aus dem National -
leben auf die Bühne: y>0 alfageme de Santareyn«. (1841) steigt in das 14. Jh.,
in die Heldenzeit des Nunalvares Pereira hinab; -»Um auto de Gil Vicente<i.
(1838) in die Zeit Emanuels und seines Komikers; »D. Filippa de Vilhena«
(1840) behandelt ein Ereignis aus der Restaurationsepoche; »Frei Luh de
Sousa« (1844) knüpft an die Katastrophe von Alcacer-Quebir an, und zeigt
das Entstehen des Sebastianismus 2; und selbst kleinere Bühnenstücke, wie »A
Sobrinha do Marquez (d. h. Pombal's) ; »Tio Simplicio« und »Fallar verdade a
mentir« schildern echt portug. Leben und Treiben. Das Sammeln der Volks-
romanzen zu einem Romanceiro beschäftigte ihn angelegentlichst.'^ Er eröffnete
damit die Bahn fiir spätere streng wissenschaftliche Erforschung dieser bedeut-
samen völkerpsychologischen Dokumente. Auch bearbeitete er selbständig
* Der -»Arco de Santa Annai erschien erst 1846, nachdem Herculano den histo-
rischen Roman bereits eingeführt hatte, und als Walter Scott schon in portug. Übersetzungen
(von Ramalho e Sousa) vorlag (1843).
2 Deutsch von W. L., Frankf. a. M. 1847; ital. von Ruscalla 1852; span. von
Olloqui 1859. Über die zu Grunde liegenden romantischen Begebenheiten spricht § 165.
Braga nennt den Frei Luiz de Sousa, in Übereinstimmung mit der in Portugal
herrschenden Ansicht, »0 mais bella creagäo do theairo ewopeu moderno^.{K) Vgl. Oliveira
Martins, Portugal Contemporaneo 1881. Bd. II p. 131 — 137.
* Der Romanceiro enthält in Bd. II und III nächst 5 Romanzen von bekannten Verfassern
32 Volksromanzen , in stark abgerundeter und verfeinerter Textgestalt. Eine Auswahl
daraus teilte F. Wolf in den y>Proben portug. ttnd katal. Volksromanzem mit (1856);
15 Nummern verdeutschte auch v. S ch a c k in dem mit G e i b e 1 herausgegebenen j> Romanzeroi.
(Stuttg. 1860).
24*
372 LlTTERATURGESCHICHlE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. JaTT.
einige der Romanzenmotive, und andere verwandte, der Geschichte, und
dem Volksleben entnommene Sagenstoffe in reizenden Novellen in Versen
(Achtsilblerii) wie Silvaninha; Miragaya ; Por bctn; As Pegas de Lintra, die
er »Ro77uincin)ios<c nannte. ^ Die Beschäftigung mit der Volkspoesie gestaltete
auch seine lyrischen B'ormen gänzlich um. In den Jugendwerken y>Lyrica de
Joäo Minivio« und in den y>Flores scm fructo<i hatte er noch völlig unter der
Einwirkung der postarkadischen Schule des Filinto Elysio gestanden. Be-
redteres, Leidenschaftlicheres, Lebendigeres, Überraschenderes hingegen als die
kleinen Gedichte der »Folhas cahidasf (oder »Herbstblätter«), worin Garrett
eine späte, aber dramatischbewegte Liebe verherrlicht, giebt es schwerlich in
der portug. Littcratur. In den »Viagens da minha terra«, in denen Episoden
aus der Zeit seiner Verbannung geschildert sind, hat seine Prosa einen stark
subjektiv gefärbten Charakter, der besonders in persönlichen, abschweifenden
Bemerkungen zu Tage tritt. 2 In seinen Parlamentsreden zeigt er sich als bedeu-
tender Rhetor. Korrekt, voll feiner Ironie, doch ohne die üblichen »incontinencias
de litigua«, schöpft er seine wirklich echte Begeisterung aus den freisinnigen
politischen Grundsätzen, die er verfocht. Als Gesandter (in Brüssel 1834^ — 36)
und als Minister unterlag er schliesslich der Ungunst der Verhältnisse, erschöpft
durch ein unfruchtbares politisches Regime, das bis auf den Tag so viele
Talente zu (künde gerichtet hat. Nicht der Politik, sondern der Litteratur,
die für ihn eine Zufluchtsstätte und eine Trösterin war, dankt Garrett den
strahlenden Ruhm, der ihn über alle Verleumdungen und Intriguen hinforthob,
in welche die staatsmännische Laufbahn ihn verwickelt hatte, die Herrschaft,
die er über seine Zeitgenossen ausübte, und die dankbare Liebe der Nachwelt.
184. Alexandre Herculano de Carvalho e Araujo (i8io^ 1877)^.
Schulter an Schulter mit Garrett, ob auch verschiedenen Geistes, kämpfte
der jüngere Alexandre Herculano, der gleichfalls seines Freisinns wegen
nach England übersiedelte (1831) und in Plymouth bei einer Aufführung des
»Cafdo« von Bewunderung für den grossen Meister ergriffen ward. In der
Weiterentwickelung der Romantik kommt ihm, Almeida-Garrett gegenüber,
ungefähr die Rolle zu , welche Herder neben Goethe , oder Thierry neben
Victor Hugo gespielt hat. Er war nämlich vorwiegend ein kritischer Kopf, ein
Gelehrter und Moralist; dabei aber auch ein überzeugter, tief religiöser
Katholik. Geboren zu Lissabon am 28. März 18 10 machte er einen Handels-
kursus durch, nachdem er seinen humanistischen Vorstudien bei der frommen
Bruderschaft S. Philippe de Nery oblegen war. Sein litterarisches Talent
erkannte die Marquise von xAlorna, eine berühmte von Filinto mit dem
Namen Alcippe belegte Dichterin, welche verschiedene fremde Meisterwerke
in Portugal nationalisiert und manches Eigenwerk geschaffen hatte.* Ihr ver-
* Diese kleinen Romane in Ronianzenfoiin — die das Vorbild für hundert andere
wurden — füllen Band I des Romanceiro \Adozinda d. i. Silvaninha; Bemal- Fr ancez; NoiU
de S. yoäo ; O anfo e a Princeza ; O chapim d'el Rei ; Rosalinda ; Miragaia ; As Pegas de
Cinlra] .
^ Deutsch VOM A. Seubert als »Der Mönch von Santarein« Lpz. o. J.; S. Univ.-
Bihl. 972 — 974
^ ilher M e r c u 1 a n o berichten, nächst B r a g a ' s t> Romantistnoz. und R o ni e r o O r t i z ,
die »Gedächtnisrede« von DöUinger (Nördl. 1878), und besonders A. de Serpa Pi-
nien t e I , -'^Alexandre Herculano e 0 sen tempov. f>iss. 1881 . Eine Gesamtausgabe seiner Werke
fehlt zui Zeit nocii. Die Geschichte wurde diei Mal gedruckt; nur die belletristischen
Arbeiten haben zahlreichere Auflagen (und Übersetzungen) erlebt.
* D. Leonor d'Almeida. Marqutza d'Alorna. und durch ihre Heirat Gräfin von
Oeynhausen (1750— 1839J. die in Paris und Wien durch ihre hervorragenden Kenntnisse und
ihr bedeutendes Dichtertalent glänzte, hinterliess nObras Poeticas« (1844), in denen viel
Schönes steckt. Auch ilire vorzügliche Paraphrase der Psalmen (gedr. 1833) hat unbedingt
aut Herc u I an o 's religiöse l'oesien ein^ewiikt. — Vj;!. Romeio Ürtiz.
Alexandre Herculano. 373
dankt Herculano heilsame Anregungen, wie z. B. die Bekanntschaft mit
Klopstock's Messias und Schillers Gedichten. Der Aufenthalt in England und
Frankreich gab ihm hernach Gelegenheit, seinen Überblick über die zeit-
genössische Litteratur zu erweitern, wie er andererseits seine Vaterlandsliebe
und seinen religiösen Enthusiasmus anfachte. Unter den schmerzlichen Ein-
drücken, welche der Bürgerkrieg auf ihn hervorbrachte, entstanden religiös-poli-
tische Schriflen und Dichtungen: zuerst erschien (1836J die y>Voz do Propheta«,
worin in rhythmischer Prosa und erhabenem Bibelstil nach Art Lamennais'
(dessen y>Paroles d'un Croyant« 1834 zündend auf ihn gewirkt hatten) die Zukunft
des Vaterlandes in düsteren Visionen .n,.!«?» malt wird; dann die y>Harpa do Crente«
(1838), worin er gesammelt herausgab, \as er seit 1829 zuerst in der Heimat,
dann als Verbannter, und auf dem Mceic als Tapferer von Mindello, sowie
während der Belagerung von Porto gedichtet hatte. ^ Er gründete und leitete
ausserdem (1837) die für damals ausgezeichnete Zeitschrift »0 Panorama«, in
welche er eine Fülle von Aufsätzen über Geschichte und Litteratur einstreute, um
durch dieselben die neue Generation gleichsam litterarisch heranzubilden.- Er
schuf ferner für Portugal den eigentlich-historischen Roman, mit seinem gehalt-
vollen pathetischen, das Priester -Cölibat behandelnden -»Monasticon« (»Das
Mönchswesen«), in 2 Teilen : »Eurico 0 Presbyiero« (1844) einem westgotischen
Chronikcngcdicht, w'^^ er es nennt, und y>0 Monge de Cister« (1848), der
unter der Regierung Johann's I. spielt, dies Mal unter dem Einflüsse Victor
Hugo's, ohne dessen Notre Dame {i2)T,i) ]&v\^,% Werk vielleicht nicht entstanden
wäre. Später folgte die Novelle y>0 Bobo« und eine Reihe kleinerer, historischer
Erzählungen unter dem Titel »Lendas e Narratbas« (1851).^ Da Herculano
sich 1836 der September - Revolution nicht angeschlossen hatte, sondern
Cartista blieb, ernannte der Regent D. Fernando (von Sachsen-Koburg-Kohari)
ihn zum königl. Bibliothekar. Die Müsse, welche diese Stellung ihm in Ajuda
gewährte, widmete Herculano nun dem kritischen Studium der vaterländischen
Vergangenheit, angestachelt durch Schäfer's Geschichte Portugals, die da-
mals zu erscheinen begann ('1836). Seine grundgelehrte Historia de Por-
tugal^ förderte er — unter Verwertung von Savigny's Lehren über das
' Herculano hat nur sehr wenig gedichtet. Die 8 religiösen Studien der »Harpa
do Crente«. bilden, mit Ausschluss eines Stückes auf D. Pedro IV. (das er verwarf), und
unter Hinzufügung zweier Hymnen {T>Deus<.< und y>A Cruz mutilada«) den Hauptbestand
seiner Poesias (1850, 5. Aufl. 1886). Nur noch y lyrische Versuche {»Foesias variast)
nächst einem historischen »Drama lyrico«: t>Os Infantes em Ceata-f. und 7 «Übersetzungen
(nach Millevoye, Lamartine, Beranger, Delavigne, sowie Bürger's Lefwre
und Wilder Jäger) treten hinzu.
* Das Panorama, dessen Redakteur und eifriger Mitarbeiter HercuiaPiO Anfangs
war, — eine Nachahmung A^% Penny Magazine und Magasin Pittoresque — wurde 1837 »zur
Forderung der Nationaibildung« von der Sociedade Propagadora dos Conkecinientos tüeis ge-
gründet, hat aber im Lauf der Jahre grosse Wandlungen durchgemacht. Anfangs bot es
b'oss kleine und anonyme Prosa - Aufsätze aus allen Wissensgebieten; später jedoch auch
grössere, selbständige und unterzeichnete litterarische Arbeiten in Prosa und Versen. [Serie I
1837-41. Bd. 1— ö; Serie H 1842—44, Bd. 6—8-. Serie HI 1846— .=,2, Bd. 9 und 1853
—56, Bd. 10 — 13; Serie IV 1857 —58, Bd. 14 und lö; Serie V 1866—68, Bd. 16— 18I.
Ahnlich geartete Journale aus dem gleichen Zeitabschnitt sind das Archive Pittoresco 1858 -68.
11 Bde.; die Revista Contemporanea de Portugal e Brazil 1 859 —64; 5 Bde.; und die Revista
Poptdar 1859 -62, 15 Bde., Rio de Janeiro. Sie alle enthalten wertvollen Stoff zur Ge-
schichte der portug. Romantik, besonders was die Biographien der Schriftsteller betrifft.
Die wichtigeren Iviederbücher (Cancioneiros) erwähnt § 186. — Dass wiederholte Versuche
span.-portug. Misch-Zeitschriften zu gründen, erfolglos blieben, verdient Beachtung (z. B.
Revista Peninsidar, 1855 — 56, 2 Bdc:; Revista Occidental 1875—76).
* Deutsch von G. Heine. Lpz. 1847; span. von Manuel Ossorio y Bernard
1 H~i6/'n und von Salustiano Rodriguez Bermejo 1 874/77 ; die Leyendas v narraciottes
von dem letztgenannten 1883 und von Ric. Blanco Asenjo 1874.
< Vier Bände 1846— 1853 und 1863.
374 LiTl'ERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LlTT.
römische Recht, Hallam's Studien über die westgotische Feudalepoche, sowie
Guizot's, Thierry's und Niebuhr's Forschungen — auch während der
wilden Parteikämpfe von 1846- -51, an denen er aktiv nicht teilnahm. Die
dazu nötige Durcharbeitung der archivarischen Dokumente aller portug. Stifts-
kirchen [Collegiadas] führte den mittlerweile in die Akademie aufgenommenen
Gelehrten dazu, die alten Urkunden, soweit sie sein Geschichtswerk betrafen,
das leider nur bis zur Regierung Alfons' III. reicht, im Auftrage jener Körper-
schaft als y>Foriugaliae Monumenta Historica'f. herauszugeben, sowie eine grosse
Zahl energischer Streitschriften und Einzelarbeiten {y>Opusculos«) ' abzufassen,
unter denen die Geschichte der Einführung der Inquisition hervorragt (1854
— 59, 3 Bde.). Als 1851 die politische Revolution Saldanha's, die man
regenerafäo nennt, den reaktionären Geist der Regierung bekämpfte, trat Her-
culano noch einmal als Politiker hervor, und gründete die fortschrittliche,
kurzlebige Oppositions-Zeitung »ö Paiz«, doch übermannte ihn bald die Ent-
mutigung. Er zog sich endgültig vom öffentlichen Leben zurück , legte seine
Ämter nieder, brach mit seiner litterarischen und wissenschaftlichen Thätigkeit
so gut wie ganz, und flüchtete in ländliche Einsamkeit, die er von Kindheit
an geliebt hatte, auf seinen Landsitz Val-de-Lobos, bei Santarem, wo er am
13. September 1877 starb. -
185. Antonio Feliciano de Castilho (1800-- 1875)2. — Die Um-
gestaltung der Litteratur, welche Garrett und Herculano bewusst und ge-
wissenhaft unternommen hatten , fand nicht sogleich allseitiges Verständnis,
noch ungeteilte Zustimmung beim Publikum. Castilho, d. h. der Arkadier
Memnide Eginense, setzte unter dem Beifall der Mehrheit, das idyllische
Genre fort*, und versuchte nur vorübergehend, sich der romantischen Ge-
schmacksrichtung anzuschliessen. ^ Von relativem Wert , ob auch noch so
1 Sechs Bände, 1874-84-
' Dieser in der That beklagenswerte Rückzug He reu lano 's, der, nach Garrett's
allzufrühem Tode, der berufene und unentbehrliche Führer der Geister gewesen wäre, hat
die jüngere Generation, die seine Entmutigung nicht begriff und deren stürmischen Neuerungs-
drang er nicht verstand, zu heftigen Anklagen veranlasst. Besonders ein unschöner Brief
mit scharfen sarkastischen Äusserungen über Jung-Portugal, den er dem Almanach das Seii-
nhoras (1874) zusandte, erregte heftigen Unwillen, dem Th. Braga in der Bibl. Critica
No. 33 Ausdruck gab. Die damals ausgesprochenen Ansichten über Herculano, die zu
persönlich und leidenschaftlich waren, um ganz gerecht zu sein, vertritt Braga noch heute.
S. Romafttisnto, Livro H und Modernas Ideias, Introdtugäo.
* v^ber Castilho, den im 6. Jahre infolge bösartiger Masern erblindeten Dichter,
welchen sein Leiden zu einem mehr beschaulichen Still-leben (auf der Landpfarre eines treuen
Bruders) zwang, verweise ich (ausser auf Braga, Romantismo Livro III und Romero
Ortiz) auf seines Sohnes Julio liebevolle und eingehende Biographie 7>Memorias de Castilho«,
Liss. 1881, 3 Bde. Auch ihn verscheuchten die Bürgerkriege zwar aus Portugal, doch kam
er nie in direkte Berührung mit ausländischen Romantikern, da es ihn nicht in die Fremde
trieb. Er blieb unter Portugiesen, weilte 2 Jahre auf den Acoren (1845-47), mit land-
wirthschaftlichen, historischen und pädagogischen Fragen beschäftigt: und ging 1854 als Apostel
einer von ihm erfundenen Lesemethode nach Brasilien (1854—63).
* Seine Dichterlaufbahn begann Castilho (1816— 2l) mit Tausenden von Oden-
und Kantaten-Versen an Mitglieder des portug. Königshauses im pseudoklassischen Stil des
18. jhs. Sein eigentliches Gebiet war jedoch das lyrisch-bukolische. Den 9 »Carlas de
Echo c Narcisov. (1821); den 4 grossen »Primavera« betitelten Gedichten, in denen er im
idyllischen Geiste Florians und Gessner's den Frühling der Natur und der Liebe besingt
(1822); den noch auf der Universität (1828) gedichteten leichtfüssigen Achtsilblern »Amor
e Melancholia ou a Novissi?na Helo'isa«, die einem wirklich erlebten Liebesroman Worte liehen,
und deren wortreiche Süsse dem Zeitgeiste ausserordentlich zusagten; den späteren »Exca-
vagoes Poeticasa (1844), und den letzten selbständigen Herbstgedichten -d Outofuxt. (1863) kann
man gerecht nur werden, wenn man den Lyriker als Schüler von Filinto und Bocage
betrachtet, statt ihn mit den Romantikern des 19. Jhs. zu vergleichen.
* »A Noite do Castello« (1836) ist eines der nicht seltenen Roman-Gedichte, in denen
ein totgeglaubter Kreuzfahrer nach 7 jähriger Abwesenheit heimkehrt, als seine Braut einem
Anderen die Hand reicht. Das ultra-leidenschaftliche Gedicht »Ciumes do Bardo« (1838),
A. F. DE Castilho. — Ultraromantiker. 37 5
paraphrastisch, sind seine Übersetzungen lateinischer und griechischer Autoren :
der Metamorphosen (1841) und Fasten (auch Ars amandi) des Ovid (1862), der
Georgika des Virgil (1867), der Oden des Anakreon (1866) und des Raubes
der Europa von Moschos. 1 Sein wichtigstes Ziel war es, ein leichtfliessendes,
musikalisch angenehmes, reines Portugiesisch zu schreiben. Und seine Rede-
weise ist auch thatsächlich schön, obschon die klassischen Formeln der Quin-
nhentistas und die volkstümlichen Wendungen, die er der lebendigen Sprache
entnahm, bisweilen in scharfem Gegensatze zu einander stehen. Er war ein
trefflicher Metriker, wusste aber nur die Empfindungen Anderer in Worte zu
kleiden, und das nicht einmal mit Treue: er portugiesierte und modernisierte
eine Anzahl von Lustspielen Moliere's, Shakespeare's »Sommernachtstraum«,
und schon in vorgerücktem Alter Goethe's Meisterwerk, den Faust (1872),
nach einer franz. Übersetzung, ohne jedoch den philosophischen Gehalt jener
Schöpfung richtig aufgefasst zu haben. 2
186. Die Ultraromantiker.3 — Das neue Geschlecht, welches in
Garrett's und Herculano's Werken vortreffliche Vorbilder zur Ausgestaltung
einer wirklich nationalen Litteratur gehabt hätte, wurde zum grossen Teil in
die journalistische Thätigkeit hineingedrängt, und durch politischen Ehrgeiz
von seinem Berufe abgelenkt. — Den Mangel an gründlichen Kenntnissen ver-
decken diese Epigonen der Romantik meisthin durch hochtrabende Redens-
arten. Es entstand eine lange Reihe geschichtlicher Romane, denen es an rich-
tigem Urteil über die Vergangenheit gebricht; eine Unzahl historischer und
bürgerlicher Dramen ohne philosophische Analyse der Gemütsbewegungen ;
und schier zahllose Massen lyrischer Gedichte, die sich mit . subjektiver Ideali-
sierung der Gefühle der Verfasser begnügen. Garrett erlebte noch die Tage,
in denen die Ultraromantiker ihre hohlen äusserlichen Nachahmungen mit
leerem Wortschwall ausstaffierten und tadelte ihre Überschwenglichkeit, die
alle natürlichen, einfachen Empfindungen unkenntlich macht. Und auch Her-
culano, dem die mangelhafte Ästhetik, das ungenügende Wissen und die
planlose Arbeitsweise der meisten Schriftsteller nicht entging, misbilligte sie.
Nicht von den wenigen besseren Romanen wie »Odio velho näo canfa« (von
Rebello da Silva); »O Conde Soberano de Castella« (von Oliveira Mar-
reca); »O que forum os Portuguezes«. (von Mendes Leal); »Um anno na
Corte« (von Andrade Corvo), wohl aber von den schwächeren gilt, was
Garrett ohne zu übertreiben, spöttelnd sagte: »man nimmt einige franz.
Romane von Victor Hugo, Sue und Dumas, schneidet von ihren Figuren
diejenigen heraus , die man brauchen kann , klebt sie auf ein modefarbenes
Papier .... stellt aus ihnen nach Belieben Gruppen zusammen, unbekümmert
darum, ob sie mehr oder weniger unsinnig sind. Dann greift man zu einer
alten (portug.) Chronik, holt aus ihr ein Paar Eigennamen, und etliche ausser
ein groteskes Pastiche, das fast wie eine Parodie auf die Romantik aussieht, führt einen
Troubadour vor, der in dei^ Raserei der Eifersucht, unter pathetischen Flüchen auf Weiber-
treue mitten in Sturm und Ungewitter ein Boot besteigt — und verschwindet ! — Spanisch
von Calvo Asensio (1870).
' Die ganze zweite Hälfte seines Lehens war der Übersetzungskunst gewidmet, die
von den Portugiesen überhaupt seit einem Jii. ausserordentlich ergiebig gepflegt worden ist.
Braga ist ein Gegner dieser kosmopolitischen Tendenz, und besonders ein Feind jeglicher
Beschäftigung mit den Alten. Am besten gelang Castilho übrigens die völlig freie Um-
arbeitung des franz. Drama's »Cafnoes« von Victor Per rot und Armand Du Mesnil
(gedr. 1850 in Rio): sie ward ui d wird wie ein Originalwerk betrachtet und gefeiert.
^ Die Faustübersetzung (1872), die keinem Kenner des Originals Freude machen
kann, ward Gegenstand einer äusserst heftigen Polemik gegen den greisen Verskünstler, an
der sich in erster Linie J oaqu im de Vasconcellos beteiligte S. Bibl. Cril. Nö. 1 und lO.
^ Modernas Ideias, Livro I; und bei Komero Ortiz die Abschnitte über Mendes
Lcal, C. Castello Branco und Tho maz Ribeir o.
376 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
Gebrauch gekommene Redensarten . . . . : und so entsteht .... unsere Original-
litteratur ! « ' — Auf der Bühne treten die Fehler der Ultraromantiker noch
schärfer als im Roman hervor. Und so beliebt die Schauer- und Sensations-
geschichten z. B. eines Mendes Leal auch gewesen sind — wie etwa -»Os
dois Renegaäos«. ; »(9 Hörnern da mascara negra« ; »Alva estrella« und »O Pobre
das Mitlas'S. — , auch hier bleibt wahr was Herculano ungeduldig äusserte:
»Mit vollen Händen werden Flüche und Verfluchungen ausgestreut; auf Schritt
und Tritt begegnet man weissgeflügelten Engeln und Dämonen mit schwarzen
Fittichen, sowie glühenden Felsen (und wie das heute schier unentbehrliche
dramatische Zubehör sonst noch heisst) von denen Niemand weiss woher sie
stammen, denn die franz. Dramaturgen, welchen unsere Autoren doch sichtlich
nacheifern, kennen weder jene Staffage noch die aufgebauschten und mass-
losen Phrasen der Portugiesen, bei denen dem gesunden Menschenverstand
schauert« '-^ Auch die Lyrik der Ultraromantiker ist übermässig melancho-
lische Grabespoesie. Als typische Beispiele kann man »ö Firmamento«^ und »ö
noivado do sepulchro« von Soares de Passos (1826 — 60) nennen, wenn diese
auch nicht erkünstelt, sondern der natürliche Ausfluss eines talentvollen, aber
kranken Geistes sind.'^ Die beliebtesten Muster waren Millevoye und La-
martine. "* Der Mittelmässigkeit der Dichtungen entsprach im x\llgemeinen
' » Vae-se aos figurinos francezes de Dumas, de Site, de Victor Hugo, e recorta a gente
de cada um delies as figuras que precisa ,' gruda-os sohre uma folha de papel da cor da moda,
verde, pardo, azul; forma com elles os grupos e situagSes que llie parece: näo importa que sejam
tnais ou menos disparatadas . Depots vae-se ds chronicas, tiram-se uns poucos de nomes e de
palavroes vellws, com os nomes chrismam-se os ßguroes, etc.« Wieviel Wahrheit und wieviel
Übertreibung in diesen Worten steckt, kann ich hier nicht darlegen. — Herculano's be-
deutendster Schiller Rebeilo da Silva hinteriiess ein Bändchen «.\frikanische Novellen"
(1836); die kleine meisterhafte Erzählung: Ultima corrida dos touros reaes em Salvaterra (1839);
5 geschichtliche Romane: Rauso por homizio (1842); das im Text genannte ■» Odio velho 'jiäo
canga« (1849); Mocidade de D. Joäo V. (1851); I.agrimas e Tlusouros (1863) und A^Casa
dos P/iantasmas (1865), von seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu schweigen. Mendes Leal
bot »Chronicas do seculo XVII« und »Infatistas avcnturas do mestre Margal Estouro« und C.
Cnstello Branco (1825—90), der fruchtbarste und gelesenste portug. Romanschrift-
steller, dessen Hauptstärke jedocli im bürgerlichen Sittenroman liegt, schöpfte aus der National-
geschichte die Stoffe zu zahlreichen Bildereien, wie 0 Regicida ; A filha do Regieida; 0
Juden; Lticta de Gigantes; A Caveira da Martyr etc. Ihren Spuren folgten mit mehr oder
weniger Geschick Andrade Corvo, Pinheiro Chagas, Arnaldo Gama, Silva
Gayo, Bernardino Pinheiro und viele mehr.
"^ Unter den Dramatikern war der eben erwähnte Mendes Leal (1818— 86) der
fruchtbarste. Auf eine Reihe melodramatischer Blutdramen, liess er sozialistische Dekla-
mationsstücke und zuletzt akademische Lesedramen über patriotische Themata folgen (im
Ganzen 25). Der bedeutendste aber ist wohl Gomes deAmorim (1827 — 92) mit 12 Stücken,
von denen »Odio de ragm, »Ghigi«, »Alei/oes sociaes« und »Figados de tigre« den meisten Er-
folg hatten. C. C. Branco; Pereira da Cunha; Pinheiro Chagas; Ricardo
Cordeiro; E. Biester, L. Palmeirim reihen sich ilinen an: ungezählte Tragödien,
Komödien, Schauspiele und Parodien (tragedias heraicomicas) gingen Ober die Bühne. Nationale
Stoffe wurden mit Vorliebe gewählt — doch ist kein einziges Werk ersten Ranges darunter,
und das von Garrett erstrebte Ziel, eine Nationalbühne zu schaffen, ward nicht erreicht.
Französischer Geschmack gewann rasch die Oberhand. Und von franz. Lustspielen lebt das
Nationaltheater D. Maria IL
* S. Modernas Ideias, Livro I, cap. III. Die Lyrik zählte, wie von jeher in Por-
tugal, die zahlreichsten Vertreter. Hundert Namen aufzuzählen, wäre nicht unmöglich. Nächst
Liedern (cangoes, modinhas und arias, die besonders von Brasilianern kultiviert wurden,
pflegten die Romantiker ganz besonders die erzählende Ballade (solao, xäcara, hallada, rimance)
in Kurzzeilen; das längere conto, poemeto muA poema in Blankversen; und etwas später den
grossen Roman in Versen (poema-romance) mit fortwährend und völlig frei wechselnden
Metren, unter denen der von den »Jakobinern der Litteratur« mit Vorliebe gehandhabte franz.
Alexandriner noch um 1860 den Reiz der Mode-Neuheit hatte.
* Selbstverständlich treten andere berühmte Vorbilder hinzu: Byron — Espron-
ceda — und alle franz. Grössen, von Musset und V. Hugo Ober Beaudelaire bis zu
Verlaine.
UlTRAROIHANTIKER. — JUNG-PORTUGAL. 377
der ungeheure Überfluss an Dichtern. Wer einen richtigen Begriff von der
Fülle, aber Eintönigkeit jener verfallenden Lyrik erhalten möchte, durch-
blättere die Coimbrancr Zeitschriften y>0 Irozuuior« (1844 — 48) und y>0 Novo
Trovador«. (1851 — 1856), sowie die in Porto erschienene y>Gri)ialda« (1855
— 57) nächst dem y>Bardo« (1852—56) und der »Miscellanea Poetica« (1851,
2 Bde.). ' Das schlimmste Ergebnis der selbst urteilslosen und von keiner
gesunden und strengen Kritik geleiteten Ultraromantik ist, dass sie um ihre
eigene Mittelmässigkeit nicht wusstc, oder dieselbe durch die masslosen Lobes-
erhebungen zu verdecken suchte, mit denen die einzelnen Dichter sich gegen-
seitig beräucherten {Elogio mutiid).
187. Jung-Portugal und die Coimbraner Schule. 2 In allen ro-
manischen Litteraturen mündet die übertriebene und sich selbst zersetzende
Ultraromantik mit ihrer unfruchtbaren Idealisierung des schlechtgekannten Mittel-
alters schliesslich in den Hafen wissenschaftlicher d. h. kritischer Erforschung
eben jener Vorzeit ein, auf Grund des kraftvoll sich erhebenden Studiums der
Gesamtgrammatik der neu -lateinischen Sprachen, sowie der Veröffentlichung
ihrer mittelalterlichen Schriftdenkmäler, (besonders der Troubadour -Poesien,
der epischen Chansons de geste, und der erzählenden Fabliaux) ; dazu des Studiums
der Kommunal- und Feudaleinrichtungen; der Untersuchung der architektonischen
und ikonographischen Denkmäler und der Erforschung der Volkspoesie; kurz
auf Grund alles dessen was die ununterbrochene Fortpflanzung und Fortent-
wickelung der Sitten und Gebräuche des Mittelalters bis in die Neuzeit fest-
zustellen und aufzuhellen berufen ist. Diese kritische Übergangszeit bereitete
auch in Portugal auf die »philosophische Synthese« vor. Der Einfluss von
Hegels und Comte's Werken gab in Coimbra den Anstoss zur Auflehnung
gegen die lächerliche Bevormundung, welche die Anhänger des Elogio vtutuo
unter der Aegide des »posthumen Arkaden Castilho« ausübten. ^ Dieser Geist
' Zu den oben genannten Blättern kommen nocli liinzu: A Aurora 1845; A Harpa
do Mondego 1855; Revista Academica l8ö5; Chrysalida I863 11. a. m.
* Escliola de Covnbra oder Eschola Coimbrä, weil ihre Häupter und Truppen vor-
wiegend der Studentenschaft angehörten, während die Anhänger Castilho's, gegen den
sie sich erklärte, meisthin schon in Lissabon in Amt und Würden waren. Doch ist die Be-
zeichnung keine völlig passende. Es handelt sich weder um eine Schule, noch um eine
auf Coimbra beschränkte Reformbewegung.
* Nach Gar re tt's Tode und H er cul a n o's Rücktritt war die Führerschaft in der
portug. Litteratur an Castilho übergegangen, doch wuchsen ihm die Strönmngen und
Strebungen der jungen Generation bald über den Kopf. Er griff ungeschickt lobend und
tadelnd ein. Schon als er 1861 die Universitätsstadt besuchte, begann man an seinen .Äusse-
rungen zu mäkeln. Als er dann 1863 in der entl'.usiastischen Vorrede zu dem antispanischen,
erzählenden hübsctien Poem Z)._7a_j/»«^ seines Lieblings T ho maz Ribeiro, dieses »patriotische«
Werk auf Kosten der Lusiaden pries, luid unter anderem behauptete »nenhtim bom poeta dos
nossos dias ainda que inferior a Camoes, se resignaria a assignar como sna tinia unica estancia
inteira de todos os 10 Cantos dos Lusiadas« (Conversafäo preambular p. CXI, vom 1 1 . Sept.
1862). da protestierte der grösste der jeweiligen CoTmbraner Lyriker Joao de Dens (im
Bejense IH, No. 150). Und damals sowie in den unmittelbai- folgenden Jahren gingen einige
Jünglinge, unbekümmert um den »Ponti/ex maximus der NationallitteraturA schon neue Wege;
in Coimbra Anthero de Quental. der Dichter-Philosoph mit seinen ersten 21 Sonetten
(1861); dem Poem Beatriz {\^bz) : Fiat lux ( 1863) und Ödes Modernas (gedr. l86,=S), sowie
T h e o p h i 1 o B r a g a , der im Sinn imd in den Formen der Legende des stecles in seiner Visa)
dos tempos (1864) und in den Tempestades Sonoras (1864) weltgeschichtliche Themata anzu-
schlagen unternahm und in Porto Custodio Jose Duarte nebst Guilherme Braga,
auch in hugueskem Geschmack. Gegen die beiden ersten wendete sich Castilho (von
Privatbriefen abgesehen) zuerst und öffentlich in einer Carla litteraria vom 27. Sept. 1865, in
der das gutgesinnte aber herzlich mittelmässige »Poema da Mocidade« von Pinheiro Chagas
übermässig gefeiert, die nebulosidade und der sogenannte germanismo der espiritos noveis hin-
gegen bespöttelt, und auf diese /^(^r^.r tnancebos der Satz gemünzt wird »pelas alturas em que
7>oam confesso humilde c envergonhado qtu muito potico enxergo ni'm atino para onde väo -nem
assento 0 que serä d'elles aßnal.<- Braga zeigte A. de Quental diese Angriffe, wie er er-
378 LriTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 4. PORT. LiTT.
der Empörung verlieh, von 1864 5 an, den lyrischen Dichtungen neue Energie
und eine philosophische Färbung, und den Prosaschriften die mannhafte Sprache
wirklich fester Überzeugungen, die durch wissenschaftliche Arbeit selbst erworben
sind und darum des rhetorischen Aufputzes der Ultraromantiker entraten können.
Der denkwürdige Kampf der Eschola de Coimbra , die auf ihre Fahne die
Worte »Bofft-senso e Botn-gosto« schrieb,' entbrannte 1865. Der zerstörenden
Thätigkeit, welche ihre kurze Sturm- und Drang-Periode charakterisiert, folgte
bald die aufbauende. ^ Ihr dankt man die streng sachliche Erforschung des
nationalen Romanzen-Lieder- und Märchenschatzes ; die Einführung der Sprach-
wissenschaft und Sagenforschung; die kritische Untersuchung der nationalen
Kunst; das Studium der alten Litteraturwerke ; die wissenschaftliche Behandlung
der heimischen Litteratur. Eine Neugestaltung der Poesie im Sinne gedanken-
reicherer und umfassenderer Verwendung allgemein menschlicher und welt-
geschichtlicher Probleme blieb auch nicht aus. Viele Namen könnten rühmend
erwähnt werden. ^ Doch ist es besser solche vorzeitige Ruhmrederei zu ver-
meiden, mit der die Nachwelt oft nicht einverstanden ist. Nur eines sei
gesagt, dass sogar die eigentliche, alte Herzens- oder Liebeslyrik durch den
grossen Dichter Joäo de Deus einen neuen Aufschwung genommen hat:
Rückkehr zum kamonianischen Geist, erneute Berücksichtigung der wahrhaft
volkstümlichen Formen, und eine seltene Spontaneität und ungesuchtc Vollendung
im sprachlichen Ausdruck zeichnen seine Dichtungen aus. "^ Die kritische und
zählt {Modernas Ideias II p. 969). Letzterer eröffnete nunmehr den Kampf gegen Casti 1 h o's
verjährte Geschmacksrichtung.
' Das ist der Titel der ersten in 3 Monaten 3 mal gedruckten Streitschrift, mit welcher
A. de Quental die Coimbraner P'rage einleitete. Es folgten gegen 59 weitere üpuskel,
z. T. ernste und würdige, z. T. übertriebene und unehrerbietige, z. T. grobhurleske Schriftchen.
Ihre Titel findet man bei Inn. da Silva VIII p. 404 — 418, wie auch in den Modernas
Ideias, (nebst Auszügen) doch ist die Darstellung daselbst weder klar, noch unparteiisch.
Nachspiele dieses Kampfes waren die schon erwähnte Faust-Frage ( 1872/73 j und die
Empörung gegen Herculano (1874/75). auf die gleichfiills sciion hingewiesen ward. Was
die jungen, wenig katholischen und noch weniger monarchischen Arbeiter und Denker, in
denen das Studium moderner deutscher und franz. Philosophie, Dichtkunst und Wissenschaft,
[Hegel und C o nite; G oe the und He i ne; V. Hugo,Quinet,Michelet, Proudhon
etc. I eine revolutionäre Gährung hervorgebracht hatte, leisteten und leisten, das verdient un-
bedingt Achtung und Bewunderung. Zum ersten Male tiat die Lyrik als Schwester der
Philosophie auf (in A. de Quental's herrlichen Sonetten); das eintönige Liebesmotiv
ward verlassen, und Geschichte, Sage. Religion und Wissenschaft, kurz Gedanken, Probleme
und Ideale, bildeten den Gegenstand für dichterische Behandlung. Von einheitlicher Richtung
ist jedoch natürlich nicht die Rede: neben Pessimisten stehen Positivisten : neben Sozialisten
und Naturalisten einige Symboliker; neben Satanikern und Parnassiern noch Nachläufer der
Romantik und sogar Bukoliker.
* Braga denkt, wie der Schluss des Aufsatzes zeigt, in erster Linie an die statt-
liche Zahl der von ihm selbst verfassten Werke über Litteratur, Geschichte, den Positivis-
mus Comte's, dessen eifrigster Vertreter er in Portugal ist; dann aber auch an die
Mitarbeiter der Bibliographia Critica (1875), d. h. an Coelho's sprachwissenschaftliche
Arbeiten und an die kunstgeschichtlichen Forschungen von Joaquim deVasconcellos.
* Über die Dichter Jung-Portugals findet der Leser einige Nachrichten in der Revista
de Portugal, 1889 Bd. I p. 1 : A litteratiira portugiieza contemporanea vonMoniz Barretö;
und in der Revista Occidental \'i^~th, Bd. I . Os poetas da escola 7tova sqw 0\'\s ^\.x ■A}A?>.\\.\.r^%\
ferner bei v. Rein ha rdst oet tn er: Portugals neuere Lyrik in Aufsätze und Ab/iandlungen
1887; Maxime Formont, Le mouvement pokiquc conte77iporain en Portugal, Lyon l893.
Candido de Figueiredo, Homens e lettras, 188I; und in der Zeitschrift tiA Renas-
ccnga'i. 1880. Die -»Polha-^ war von 1 868 —73 das Haupt-Organ der Dichtenden (5. Serie);
die »Harpai. von 1873 — 76. Ausgewählte Gedichte bieten Braga 's Parnaso Portuguez
Moderno 1877 und in Obersetzungen VV. Storck's Anthologie: Aus Portugal und
Brasilien 1892.
* Ül)er Joäo de Deus |Nogueira Ramos], den seit 1 855 schaffenden Verfasser
der Flores da Campo (1869), Ranio de Flores (1875) und ungesammelter ^Despedidas de veräv'',
den der Italiener Canini mit einiger Übertreibung il priino poeta d'atnore und Braga sogar
JUNG-PORTUGAL : COIMBRANER ScHULE. 379
wissenschaftliche Thätigkeit der Coimbraner Schule hatte ihre Adepten vor-
zugsweise der deutschen Wissenschaft genähert, wie aus den Abhandlungen
der Bibliographia Critica erhellt. Ein philosophischer Rückblick auf die Ge-
samtentwickelung der Littcratur dieses kleinen romanischen Reiches zeigt jedoch,
dass Portugal stets in innigeren Beziehungen zu Frankreich, dem grossen
geistigen Mittelpunkt der lateinischen Staaten, gestanden hat, und stehen muss.
ERGÄNZUNCJEN UND NACHTRÄGE.
Zu S. 140 ^ 14. Wie Anm. 5 auf S. 344 angiebt, erstreckt meine
selbständige Darstellung sich nun doch bis zum Schluss der dritten Periode.
Zu S. 141 Z. 31. Der Verfasser der Bibl. Hist. heisst Jorge Cesar
de Figaniere. — Nachzutragen sind: M. Kayserling, Bibliotheca Espanola-
Portugueza - Judaica , Strassburg 1890; und Manuel Bernardes ßranco,
Portugal e os Estrangeiros, Liss. 1893. Auch in dieser Neuauflage (die erste
erschien 1879 in 2 Bänden) wird dem Leser ein Chaos von brauchbaren und
völlig unbrauchbaren Notizen und Titeln geboten ; die fremdsprachigen meist
in entsetzlicher Verstümmelung.
Zu S. 143 Z. 10. Dass die Einteilung der portug. Litteratur in Epochen
nur die Dichtkunst berücksichtigt, und dass die Abschnitte in der Entwickelung
der Prosa andere sind, wird auf S. 207 noch ausdrücklich betont.
Zu S. 160. Zur Volkskunde gehören noch: Ettore Toci, Lusitania,
Canti popolari portoghesi {tradotti ed annotati), Livorno 1888; A. Thomas
P i r e s , Cancioneiro populär poliüco, Elvas 1890; und Max Waldstein, Volks-
lieder der Portugiesen und Catalanen in freien Nachbildungen, München 1865.
Zu S. 162 Z. 16. Aus losen Bemerkungen in Schriften von Leite de
Vasconcellos (Poesia Amorosa, p. 72 und Rev. Lus. I, 185) geht hervor,
dass er die »Reliquien« für unecht hält (wie nicht anders zu erwarten war).
Zu S. 165 Anm. 2. Ganz neuerdings hat Oliveira Martins in seiner
Vida de Nun' alvares (1893) für die Echtheit der Condestavel-Lieder eine Lanze
gebrochen, da Grund und Zwek einer Fälschung unfindbar seien. Vergeblich.
Der Versuch, die Apokryphen sprachlich zu reinigen, legt ihre Mängel erst
recht klar an den Tag.
Zu S. 173 Z. 2. Ausser Raimbaut de Vaqueiras und Raimon
Vi dal fügte auch noch Bonifa cio Calvo portug., und nicht kastilische,
Verse in eines seiner Gedichte ein. Denn ob auch Milä (p. 201 — 202) die
betreffenden Worte dunkel findet, und Appel bemerkt, es könne nicht ohne
weiteres gesagt werden, welchem transpyrenäischen Dialekte sie angehören,
so sind in meinen Augen doch unter den folgenden, Alfons X. betreffenden
Zeilen aus dem mehrsprachigen Sirventes: Un nou sirventes ses tardar [Mahn,
Ged. 619, nach Hs. J] mindestens fünf (2 — 6) unbedingt portugiesisch:
0 primeiro lyrico do mundo nennt, unterrichtet die Rev. de Port. 1892 Bd. I und Modernas
Ideias Bd. II. Dem Dichter-Philosophen A. de Quental, der uns Deutschen verwandter
und werter ist, wird das letztgenannte Werk nicht gerecht. Man lese über ihn die schöne
Autobiographie, welche die deutsche Übertragung seiner Sonette (von W. Storck, 1889)
begleitet.
380 Ergänzungen und Nachträge.
Mas ieu oug a maintos dizer [port. wäre: mas eu ou( a muitos dizer]
que el ttoH los quer cometer
si non de menassas, c quen
qer de guer' ondrado seer
sei eu mui bcn qe lli conveti
de meter hi cuidad' e sen,
euer e cors aver et amis (afrz.).
Nach Hs. K. Litteraturblatt 1888, S. 539.
Zu S. 184 Z. 14. Auf den galanten Frauendienst des Königs Alfons
bezieht sich auch Bonifacio Calvo 's Gedicht: Enquer cab sai chans e solatz.
S. Milä p. 209.
Zu S. 18485 Anm. 6. Auch Vicente Nogueira kannte das Lieder-
buch des weisen Königs. Er sagt: »lo vidde assai pezze nelF Escuriale : e
ci sono le poesie del re Alfonso X rAstronomo eletto re de' Romani —
scritte in lingiia portoghese, qiiae tunc in deliciis erat — ma non meritano la
fatica di copiarle.« S. Ztschr. III p. 32.
Zu S. 185 Anm. i. Die Etymologie cantigas = canticulas sollte mit
einem Fragezeichen versehen sein. Vielleicht ist cantiga auch Ve'rbalsubstantiv ;
(von einem volksmässigen cantigar wie trova von trovar).
Zu S. 186 Anm. 3. Auch Francisco Manoel de Mello erwähnt
die üichterthätigkeit des D. Dinis. Er schrieb 1665 an den Infanten D.
Dinis se lee que fue poeta celehre en su tiempo.
Vgl. von demselben (Th. Braga): Os poetas cpicos^
Pedro (II): Del
Zu S. 205
senor D. 1
Anm. 5.
cap. I.
Zu S. 211
s. Mem. de Litt.
Anm. 8.
Port. I p.
Zu S. 212
und 266 von F.
Z. 7. S.
Esteves
Über die portug. Übersetzungen der Siete Partidas
266, 269, 283 — 86.
Vida de S. Aleixo, gedruckt nach Codd. Ale. 36
in Rev. Lus. I p. 332 — 345; eine Übersetzung
aus dem Lateinischen, wie die übrigen Heiligenleben.
S. 214 Anm. 6. Eine kurze Anzeige des Graal von Baist enthält auch
Litthl. 1892, C. 160.
Zu S. 234 Z. 12. JudäNegro, oder genauer D. Juda Ibn-Jachia
Negro war der Sohn des D. David Ibn-Jachia-Negro, der seit 1384 als
Ober-Rabbi der kastil. Juden fungierte und 1385 in Toledo starb. Er kam
1 39 1 aus Spanien nach Portugal, wo er servidor da Rainha D. Filippa ward.
Über die vier, von den an D. Martim Affonso d'Atouguia gerichteten pro-
phetischen Ceuta-Gedichte s. Pisanus, De Bello Septensi (Ined. I p. 24):
•»nemo tarnen praenovit praeter unum jtidaeiim cujus nomen Judas Niger ^r«/
qui quatuor carminibus quasi augurandi scientiam habuissct Martin o Alphonsö
praenuntiavit«. ■— Vgl. Acenheiro, p. 209 (Ined. V); Kayserling, Ge-
schichte der Juden in Portugal p. 40. 43. 44 und A. de los Rios, Hist.
Jud. II 278. Dazu Oliveira Martins, O Condestavel p. 145.
Zu S. 242 Anm. i. Noch ein drittes portug. Parallel-Strophen-Liedchen
enthält der Cancioneiro Musical: No. 50 Minno amor tan garrido Firios vuestro
7narido; Minno amor tan lozano Firios vuestro velado. (sie!). S. p. 153, Anm. i.
Zu S. 242 Z. 6. Noch ein erlauchter Zeitgenosse Santillana's, ver-
sichte eä, portug. zu dichten. Doch ward es ihm recht sauer: er klagt über
die y>grand difcrencia de las /alias«. Um 1450 (noch bei Lebzeiten Jo-
hannas II.) richtete ein Portugiese, D. Alvaro (in dem ich gerne D. Alvaro
Cjonr^ales de Alcantara, den Hausgenossen des Infanten D. Pedro erkennen
möchte, der nach Spanien gesandt ward, um des Markgrafen Werke zu holen)
an Gomez Manrique eine. Frage, in tro7>a-¥orm [4 Acht-Silbler-Strophen
abab ] cdcdd] in portug. Sprache, auf welche jener Magnat pelos consoantes
Ergänzungen und Nachträge. 381
und natürlich in der gleichen, ihm ziemlich fremden Zunge antwortete. Es
gelang, wie gesagt, nicht allzugut. Doch so kläglich verstümmelt wie jetzt
geschehen [1886 im Cancionero deGomez Manrique; Bd. II S. 90 — 93] brauchten
die beiden Gedichte nicht geboten zu werden , da die Varianten es in fast
allen Fällen auch einem Kastilianer ermöglichen, die rechte Lesart herzustellen.
Zu S. 242 ^ 85. Zum Beschützer des Minnesangs macht Bernardes
Branco den König D. Joäo I! (S. 22 des oben zitierten Bandes, der sich
Segunda Parte nennt). D. h. er wiederholt, ohne Kritik, einen alten Schnitzer
von Guinguene (I p. 283), der sich seinerseits wieder auf ein y>Abrigi chron.
de rHist. d' Espagfic«^ , Paris 1777, t. I p. 561 beruft. — »Ce fut cependant
alors qu'un roi de Portugal, Jea7i /"', s'avisa d'envoyer en France une ambassade
solenneile pour demander au roi des poctes et des Chansonniers provengaux etc.i<
Natürlich handelt es sich um eine Verwechselung mit dem Könige von
Aragon.
Zu S. 250 Anm. 5. Dass Alfons V. den Gomez Manrique vergeb-
lich um Einsendung seiner Dichtungen ersuchte, wird von Paz y Melia in
der Einleitung zum Cancionero Gomez Manrique berichtet (I p. 8).
S. 254 Anm. 7. Einige unechte Condestavel-Briefe, von denen ich ge-
schwiegen hatte, muss ich nun doch erwähnen, da Oliveira Martins sie in
seinem Nun'alvares wie echte historische Dokumente behandelt, in gutem
Glauben an die Lauterkeit seiner Vorgänger Soares da Silva (1730) und
Frei Joseph Pereira de Sant Anna (1745). — Die angeblich im Karme-
liter-Kloster befindlichen »Originale« der auf S. 185. 422. 423 abgedruckten
Briefe hat 1755 das Erdbeben vernichtet.
Zu S. 259 ^ loi. Hier ist das bedeutende (1505 vollendete) kosmo-
graphische Werk des Duarte Pacheco Pereira nachzutragen: Esmeraldo de
situ orbis , welches bei Gelegenheit der Columbus-Feste , mit schätzenswerter
Einleitung und reichen Beigaben veröfientlicht wurde [Edifäo conimemorativa
da descoberta da America, Lissab. 1892].
Zu S. 280 ^ 114. Histriones und niinii werden 1309 in der Charta
des D. Dinis erwähnt, welche genaue Verfügungen über die Universität ent-
hält. Schauspieler dürfen weder bei den Doktoren noch bei den Studierenden
nächtigen oder essen. S. LeitäoFerreira, Noticias Chronologicas p. 94 — 99.
^ 220.
Zu S. 280 Anm. i. Der Aufsatz von Ducarme im Mus^on 1885 um-
fasst nur 14 Seiten: p. 369 — 74 und 649— 56.
Zu S. 284 Z. 10. Im »Auto da Alma« erkennt der Visconde d'Ou-
guella das Vorbild zu Goethe's Faust!
Zu S. 285 Z. 32. In Äev. Lus. II p. 340 deutet Leite de Vas-
concellos an, dass er sich mit der Sprache Gil Vicente's zu beschäftigen
gedenkt.
Zu S. 286 Z. 7. Sowohl die ersten 8 Bühnenstücke des Juan del
Encina, als auch die nach 1496 von ihm verfassten sechs erschienen in
einer Gesamtausgabe von Canete und Barbieri, Teatro Completo, Madr. 1893.
Zu S. 289 ^ 120. Eine ausgezeichnete kritische Ausgabe der »Obras
de Christ&väo Falcäo«-^ mit Einleitung, Varianten, Anmerkungen und Exkursen
verdanken wir nun A. Epiphanio da Silva Dias, Porto 1893. Sie ent-
hält die Kgloga und die Carla. Die kleineren Gedichte hält der Herausgeber
für Schöpfungen des Bernardim Ribeiro.
Zu S. 378 Anm. 4. Nicht die seit langem verheissenen »Despedidas
de veräo«. sondern eine veränderte Neuausgabe der älteren Gedichte von Joäo
de De US erschien unter dem Titel »Campo de Floresx, edifäo authentica e de-
finitiva coordenada por Theophilo Braga. Liss. 1893.
382 Berichtigungen.
BERICHTIGUNGEN.
S. 135 Z. 29 /. einer aragonesischen Fürstin. — Das. Z. 36 /. Condestavel. — S. 137
Z. 8 /. dichterischen. — S. 140 Z. 34 /. Tho masin a Ross. — S. 146 Z. 53 -^^ Gualdino
de Campos. — S. 153 Z. 28 /. zia Serratia — S. 158 Z. 31 l- Fabliaux. — S. 160 Z. 41
l. Mosarabes. — S 162 Z. 58 /. Balbi für seinen Essai statistiqtte und die. — S. 163
Z. 1 l. äusserlich gleich. -- S. 163 Z. 37 /. einsilbiges nlia. — S. 164 Z. 37 /. thatsäch-
lich. — S. 165 Z. 46 /. F. A. Coelho. — S. 166 Z. 41 l- haben. — S. 168 Z. 15 l. und
oft kommentierten. — S. 168 Z. 41 l. I^ttras. — S. 173 Z. 31 /. infatifoes Ak. — S. 173
Z. 42 /. m' avetz. — S. 177 Z. 9 l- ist : als. — S. 180 Z. 52 /. gedenken. S. § 44. —
S. 181 Z. 16 l. Gallizier (ohne''). — S. 181 Z. 56 l. tro-que — S. 182 Z. 17 1. Gon-
zalez. — S. 186 Z. 39 /. Jahrhunderte. — S. 188 Z. 38 /. Herculano, Sousa's
Hist. — S. 189 Z. 47 Vela-sohn. — S. 191 Z. 27 l- Valladolid. — S. 192 Z. 46 /.
malmaridada. — S. 197 Z. 48 /. wiederherzustellen. — S. 198 Z. 33 /. per go com se
serveix. — Das. Z. 40 /. ist jedoch geboten. — S. 201 Z. 34 /. auf Grund dieses dritten.
— S. 205 Z. 27 /. hizo fazer. — S. 2o6 Z. 3 /. Jorge Cardoso. — S. 207 Z. 40 /.
Genesis. — S. 208 Z. 9 /. A. Historische Schriften. — Das. Z. 16 /. «. Wir besitzen. —
S. 209 Z. 46 /.Lavana. — S. 211. Z. 37 l- Meslre Alvaro. — S. 229 Z. 7 l- Hermas,
0 Pastor. — S. 241 Z. 50 /. anderwärts. — vS. 243 Z. 47 /. Hist. Gen. \\, Mbn. Lus. —
S. 244 Z. 8 /. und zwar eine trova. — S. 247 Z. 11 /. im Catu. Geral. — S. 248 Z. 33
/. viele mehr. — vS. 249 Z. 40 /. Boletim Bibl. — S. 252 Z. 38 /. Univers. — S. 255
Z. 44 /. D. Joliam. — S. 260 Z. 51 /. Re-vista de Gerona. — S. 261 Z. 2 /. ein, und
entfaltete. — Das. Z. 3 musste. — S. 266 Z. 22 /. Johann Hl. — S. 269 Z. 50 /. Miranda.
— S. 283 Z. 15 l. erschienen. — S. 289 Z. 17 /• 1386—87. — Das. Z. ^^ l. Wallfahrts-
Villancico. — S. 298 Z. 32 1. beschaulichen. — S. 302 Z. 11 /. Dichter. — S. 327
Z. 40 /. Canzoniere. — S 327 Z. 48 /. gleichartiger, nur. — S. 328 Z. 14 /. peninsularer.
— Das. Z. 26 /. rios que väo. — S. 334 Z. 28 /. Vicente Salvä. — Andere kleine
Unregelmässigkeiten, die leider entschlüpft sind, wird der Leser leicht selbst berichtigen.
III. ABSCHNITT.
LITTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN
VÖLKER.
B. DIE LITTERATUREN DER ROMANISCHEN
VÖLKER.
5. DIE SPANISCHE LITTERATUR
VON
GOTTFRIED BAIST.
EINLEITUNG.
^berien war seit Augustus römisches Land, und die einheimischen
|j Litterarhistoriker beginnen ihre Darstellungen mit Hyginus, Portius
Latro und andern Lateinern iberischer Geburt oder Abkunft ; Martial
wird dabei als besonders national hervorgehoben. In Wirklichkeit schliessen
sich jene dem römischen Tagesgeschmack aufs engste an , entstammen wohl
der Halbinsel, aber nicht einmal dem kastilischen Boden, und leben in der
Hauptstadt. Einzig der Name Senecas ist im späteren Spanien falschwährig
volkstümlich geworden. Nach Hadrian finden sich solche Auswanderer nicht
mehr. Erst mit dem Verfall des Reichs und aus dem Christentum heraus
entsteht neben der zähen provinziellen Häresie der Priscillianisten eine pro-
vinzielle Litteratur, die aber diese Bezeichnung nur insofern verdient, als sie
an Ort und Stelle Schule macht, nicht nach ihrem Inhalt, der universal bleibt.
An ihrer Spitze stehen Juvencus, dann zwei Männer, die für das gesamte Mittel-
alter von allgemeinster Bedeutung geworden sind, der hervorragende Dichter
Prudentius und Orosius, der Universalhistoriker. Unter der Westgotenherrschaft
erhielt die Geistlichkeit eine dominierende Stellung , war beflissen die Reste
der Überlieferung zu sammeln und nachzuahmen ; der Niedergang der Bildung
war nicht ganz so tief als in dem benachbarten Frankreich. Dafür fehlen
hier die Keime einer neuen politischen und poetischen Entwicklung, welchen
wir dort begegnen, gipfelt die Zeit in dem sterilen Wissen Isidors, im Gegen-
satz zu der lebenskräftigen Barbarei eines Gregor von Tours. Die Beimischung
384 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 5. Span. Litt.
neuen Blutes war zu gering um den Marasmus der alten Welt zu heilen,
schon die Zahl germanischer Lehnwortc blieb eine auffallend beschränkte.
Als einziger nennenswerter Sonderbesitz aus dieser Epoche — denn Isidor
beeinflusstc das Abendland gleichmässig — ist dem späteren Spanien die Lex
Wisigothorum geblieben, das römischste und uninteressanteste der Volksrechte.
Auch ihr Einfluss tritt indessen im 12. Jh. hinter dem französischer Rechts-
sitte zurück.
2. Musas Schaaren warfen 711 (bzw. 712) ein im Innersten vermorschtes
Volkswesen zu Boden. Die Romanen blieben in dem grössten und kultivier-
testen Teil des Landes nur mehr als eine abhängige Masse, welche unter
wachsendem Druck Religion und Sprache allmählich (teilweise sehr rasch) an
ihre Herrscher verlor. Ein kirchliches und politisches Auflodern des Selbst-
bewusstseins im 9. Jh. beschleunigte zuletzt nur den Prozess. Als die Almo-
haden die letzten christlichen Reste zu Übertritt oder Auswanderung zwangen,
waren diese bis auf Kultus und Recht längst vollständig arabisiert, selbst an
der Nordgrenze, wie die Mozaraber von Toledo zeigen. Der Versuch Simonets^
diesem Bevölkerungselement einen erheblichen Einfluss auf die arabische Lit-
teratur zu vindicieren geht viel zu weit ; es hatte wenig zu geben und noch
weniger wurde von ihm genommen. Auch seine Bedeutung für die Ver-
mittelung geistigen Austausches vom Orient zum Occident darf nicht zu hoch
angeschlagen werden; unter den Übersetzern des 13. Jhs. ist kein Mozaraber
mit Bestimmtheit nachweisbar.
3. An die Stelle der Romanen trat ein neues fremdartiges Volk, eines
der ethnologischen Adelsgeschlechter, von eminenter, und doch sehr begrenzter
geistiger Vorbildung und Entwickelungsfähigkeit. Auch hier bewährte es die
noch heute so merkwürdige Kraft seines Blutes, prägte trotz seiner Minderzahl
der Masse von Syrern, Berbern, Lateinern, Slaven den einheitlichen Stempel
auf, im Guten und Schlimmen, bis es im 11. — 12. Jh., durch die Invasion der
afrikanischen Bauern überdeckt wurde, um zuletzt doch wieder durchzuschlagen.
Die Araber brachten eine raffiniert entwickelte Kunstdichtung- mit sich, deren
Würdigung und Übung ein Kennzeichen des bessern Mannes war, die sich
aber, in Sprache und Denkweise von den vorislamitischen klassischen Vor-
bildern abhängig, der Menge entfremdete. Seit dem 10. Jh., und wohl schon
früher nahmen sie auch produktiv an der Pflege der Wissenschaft Teil, wie
sie der Islam aus der syrisch - byzantinischen Überlieferung heraus in seiner
Art ausbildete. Auf das spätere kastilische Schrifttum vermochte das arabische
nur einen bedingten Einfluss auszuüben. Schon die tiefe Verschiedenheit im
Wesen der beiden Sprachen stand im Wege; obschon es bei den vielfältigen
Berührungen an Zweisprachigen nicht fehlte, musste diesen doch das Ver-
ständnis der Flexion meist verschlossen bleiben, wie das auch im fast voll-
ständigen Fehlen der Zeitworte in den beiderseitigen Entlehnungen zu Tage
tritt. Die eigentliche Kunstpoesie, in der Heimat selbst nur dem Gebildeten
zugänglich, war dem Ausländer so gut wie ganz verschlossen. Dagegen meinte
* Glosario de voces ibericas y latinas nsadas entre los mozarabes, Madrid 1888. Vgl.
bes. p. XLIII ff.
^ ?>q\\?^q.V., Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sicilien , 2 Bde., Berlin
1865. Die span. Übersetzung des schönen Buclies (von Valcra) enthält keine neuen Zu-
gaben. Durchaus zu vergleichen ist auch D o z y , Histoire des musulmans d'Espagne, Leyde
1861 ; deutsch mit einigen Zusätzen des Verfassers von Baudissin, Leipz. 1874. Hamnier-
Purgstalls Litteraturgesch. der Araber ist unbrauchbar, der span. Zweig wird von den
heutigen Orientalisten fast ganz vernachlässigt, und selbst die Geschichte der latein. Über-
setzungen ist noch wesentlich dunkel. An der „Übersetzerschule von Toledo" ist etwas
richtiges, aber eigentlich spricht immer nur einer dem anderen das Wort nach.
Einleitung. Arabische Einflüsse. 385
allerdings Schack^ das mehr populäre Muwaschaha oder Zadschal in einer
kastilischen Form wiederzuerkennen, die seit der Mitte des 14. Jhs. zahlreich
bele^ ist , den sogenannten Villancicos zugezählt werden kann , und die in
der Wiederkehr des Reims eines einleitenden Themas am Strophenschluss
besteht. Die Ähnlichkeit ist allerdings frappant, dabei muss aber beachtet
werden, dass die gleiche Form sich nicht nur bei der sizilischen Dichterschule
sondern auch in den provenzalischen Dansas wiederfindet ^ und sich hier un-
gezwungen aus einer im Einzelnen verfolgbaren Entwickelung der Tornada er-
klärt ; dass ihr Vorkommen im Altfranzösischen, wenn vielleicht nicht direkt zu
belegen, doch durchaus möglich ist. ^ Da die altkastilische Poesie im Übrigen
ganz von der französisch -provenzalischen abhängig ist, die andalusische vor
ihrer Entwickelung schon verstummt war, wird man die Vorbilder auf jener Seite
suchen müssen. Oft zitiert wurden zu der Frage einige Strophen des Archipreste
de Hita*, die indessen kaum etwas anderes besagen, als dass im 14. Jh. in der
Guadarrama jüdische und maurische Tänzerinnen (joglaresas) , die ausdrück-
lich musikalisch und sozial als sehr niederstehend bezeichnet werden, ihr
Publikum durch Tanzlieder in einem gemischten Jargon ergötzten , den bis
ins 17. Jh. das Theater hier und da kultiviert. Einzig bei Petrus Alphonsus
in der Disciplina clericalis, also an sich in einem exzeptionellen Fall, und in
der von Alfonso X. wiedergegebenen Elegie auf Valencia ^, ist die Verwertung
arabischer Verse gesichert; selbst die Übertragung von Anekdoten oder Märchen
von Mund zu Ohr bei Juan Manuel, Conde Lucanor 30, 41, 47 lässt sich
nur in auffallend wenigen anderen Fällen wahrscheinlich machen.
Um so bedeutender ist der Einfluss der lehrhaften Litteratur gewesen.
Mehrere naturwissenschaftliche Schriften werden im 13. Jh. direkt übersetzt,
vor Allem aber eine Reihe didaktischer Schriften im engeren Sinn, Sentenzen-
sammlungen und Rahmenerzählungen. Freie Nachahmungen schlössen sich an
und leiten hinüber bis zu der ausgebildeten Novelle des 16. Jhs. Mit der
Vermittelung wurden vorwiegend jüdische Gelehrte beauftragt, die durch ihre
sprachliche Stellung dazu berufen waren, und sich damals selbst beeiferten
die Werke der arabischen Scholastiker ins Hebräische zu übertragen.
4. Das eigentliche arabische Dichtungsgebiet erstreckte sich nicht über
die Guadarrama und den mittleren Lauf des Ebro hinaus. Der Norden wurde
afrikanischen Hilfsvölkern eingeräumt, in den Pyrenäen begnügte man sich
mit nomineller Abhängigkeit; der kantabrische Küstenstrich, die Asturia de
Sta. Juliana, von je her ein trotzig abgeschlossenes Gebiet, unterwarf sich
überhaupt nicht, und nach wenigen Jahren befreite sich das eigentliche
Asturien unter der Führung des Goten Pelagius. 750 vereinigten sich die
beiden Landstriche, gleichzeitig wanderte die Hauptmasse der Berbern infolge
von Aufständen und einer grossen Hungersnot nach Afrika zurück, und zwischen
den asturischen Bergen und dem Duero erstreckte sich nunmehr ein fast ent-
völkertes Land, das die Christen unter beständigen Kriegszügen von beiden
Seiten in den folgenden Jahrhunderten okkupierten. Das Schwergewicht des
erstarkenden Reiches lag zuerst in dem neugegründeten Oviedo, dann in dem
wieder besetzten Leon. Hier fuhren Geistliche fort in kunstvoller National-
schrift die Lex Wisigotorum, Isidor, die span. Canonensammlung, Heiligen-
' 1. c. II 120 ff.
^ Vgl. Römer, Die volkstümlichen Dichtungsarten der apr. Lyrik, A. u. A. XXVl
S. 45 Anm.
* Vgl. z. B. Bartsch, Afr. Romanzen I, 23. 25; den Vüeli; die Couplets coues
(caudatz) Rom. XIII, 519. 527. 531. XV, 322.
* 1487 ff. ed. Jan er.
5 S. Dozy, Rech. 11» Api). XXIV.
UrObbr, (irundrtss. IIb. 25
386 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LiTT.
leben und weniges andere zu kopieren ^; die eigene Produktion war ver-
schwindend gering, das Wichtigste an ihr, einige Chroniken, sind äusserst
dürftig. Dafür entwickelte sich aus der Besetzung des Neulandes mit Ange-
hörigen der eigenen Nation, der Notwendigkeit Ansiedler heranzuziehen, dem
dauernden Gegensatz zu den Muhammedanern eine wehrhafte Selbständigkeit
und Selbstachtung auch der nichtadligcn Gesamtbevölkerung, die dauernd Recht
und Verkehr bestimmte, sich in den bedeutendsten Erzeugnissen der grossen
Dramatiker verkörpert, und noch in unserer Zeit zu den auffallenden Charakter-
zügen des Landes gehört.
5. Im II. Jh. kam das herangewachsene Reich in die bedeutsamsten Be-
ziehungen zum Westen durch die Aufnahme der Cluniacenser und ihrer Reform,
zuerst 1022 in Leyre in Navarra, unter Alfons VI. im ganzen Land; selbst der
Heckenbischof des Poema del Cid behält seine fremde Nationalität. Von
Rom unterstützt bestrebten sich diese die Reste westgotischer Tradition zu
Gunsten der kirchlichen Einheit zu entfernen. Auf dem Konzil von Leon
(um 1090) ward nicht nur der ältere Beschluss auf Abschaffung der ererbten
Liturgie zu Gunsten der gregorianischen wiederholt, sondern auch befohlen,
dass die Schreiber die fränkische Minuskel an Stelle der Nationalschrift ge-
brauchen sollten. Um dieselbe Zeit sind zahlreiche fränkische Ansiedler 2 in
eroberte und neugegründete Städte aufgenommen worden ; französische Rechts-
sitte'^ ward den etwas andersartigen Verhältnissen aufgezwungen und angepasst,
zahlreiche Lehnworte treten auf. Der Zusammenhang mit dem übrigen Abend-
land wird hergestellt, der geistige Einfluss Frankreichs massgebend.
6. Die Wirkung äussert sich zunächst in der Neubelebung der latei-
nischen Geschichtsschreibung. Von den drei Verfassern der wichtigsten Chronik
des 12. Jhs., der Historia Compostellana (s. II i, 289) ist Hugo sicher, Bernardus
wahrscheinlich B'ranzose. Auch die nie ganz verlorene Verskunst tritt in den
Dienst der Historie, wie in dem Hymnus auf den Cid (s. II i, 407) und dem
Fragment einer Chronik Alfonsos VII. (s. II i, 316). Die kirchliche und
gelehrte Litteratur ist zunächst noch schwach vertreten. Besondere Beachtung
aber verdienen zwei Prosaschriften *, welche Hauptrichtungen der späteren Er-
findung repräsentieren, die Disciplina dericalis (s. II i, 21 6) und das Liber Jacobi.
Der 1106 in dem 10 Jahre vorher eroberten Huesca getaufte Jude Petrus
Alfonsus, der auch eine Verteidigung seiner Bekehrung in Dialogform kleidete,
vereinigt in der Discipl. der. eine Sammlung von Sentenzen und Apologen
aus überwiegend orientalischen Quellen in einem Gespräch zwischen Vater
* Vgl. T a i 1 h a n in C a h i e r , Nouveaux Melattges IV 217 ff. ; Pertz, Nettes Archiv
VI 290.
^ Sie lieissen (in Sahagun, Toledo etc.) schlechthin Franci, eine Bezeichnung, welche
auch Provenzalen meinen könnte und in Wirklichkeit noch manche andere BevöiUerungs-
elemente einschliessen mag. Dass sie vorwiegend Nordfranzosen waren ergiebt sich aus
den historisch bezeugten Hilfsziigen solcher nach Spanien, denjenigen die Dozy, Rech.
II' 332 als Normannenzüge zusammengefasst hat, die aber, wie jener von Barbastro (1065),
der Rotrous de Perche (1II4), sich nicht allein aus der Normändie rekrutierten. Hinzu-
zufügen ist der des Eble von Roucy (1073J, welcher durch seine Verschwägerung mit
Robert Guiscard freilich auch wieder mit den Normannen zusammenhängt. Die Normannen-
einwanderung in Italien entsprang aus dem Wallfahrten nach Monte Gargano und dem heiligen
Land, die nach Spanien aus der nach Santiago : das Liber yacobi zeigt vorwiegenden Zufluss
von Nordfranzosen zu dem Heiltum. Er genügte um auch eine friedliche Immigration zu
fördern. Gleichwertige Hinweise auf die Provence sind nicht vorhanden, wenn diese auch
nicht unbeteiligt war.
* Sie wurde von Munoz y Romero in Spanien, von Ficker in Deutschland
sehr zu Unrecht als westgotische i'radition aufgefasst.
* Hrsg. V. Schmidt, Berlin 1827, mit sehr respektablen Anmerkungen; 1824 von
der Soc. des biblioph. fr an 9. zugleich mit einer der fr. Versionen. Über eine kastil.
iJbersetzung s. Aiuador de los Rios, Hist. crit. II 294.
Beziehgn. z. Westen. I. Periode u. franz. Einflusses. Anf. d. Vulgärspr. 387
und Sohn, die erste abendländische Rahmenerzählung, mit allerdings sehr un-
vollkommener Einfassung. In Spanien ist sie später weniger gelesen worden
als anderswärts, doch lassen sich Spuren ihrer Kenntnis auch hier nachweisen.
Das Liber Jacobi ward gegen 1140 in Compostella angefertigt um den Ruhm
und die Ansprüche des Wallfahrtsortes zu fördern und den Pilgern als eine
Art Bädeker zu dienen; sein 4. Buch ist der berüchtigte Fseudoiurpin^ (s.
II I, 320), in welchem die Chanson de Roland den Lokalinteressen dienst-
bar gemacht wird, in dem 5., einem Itinerarium, zeigt sich die Rolandssage
in Roncesvalles im Detail lokalisiert. Auf Spanien selbst war die Fälschung
nicht berechnet und hat hier keine rechte Wurzel gefasst; nur die Jakobs -
wunder aus dem 2. Buch verbreiteten sich. Aber sie darf als das älteste
Zeugnis des Eindringens französischer Dichtung in Spanien hervorgehoben
werden. — In der zweiten Hälfte des 12. Jhs. treten dann die ersten Denk-
mäler der Volkssprache auf, im Fuero de AviUs, dem Poetna del Cid und viel-
leicht auch dem Misterio de los Reyes Magos.
I. VON DEN ANFÄNGEN BIS AUF PEDRO I. PERIODE DER ALT-
FRANZÖSISCHEN EINFLUSSES.
|an verstand den Prediger nicht mehr, der statt des gewohnten barbari-
schen Verkehrslateins das restaurierte der Karlsschule mit der gelehrten
Aussprache auf die Kanzel brachte; ein Konzil schreibt daher vor romanisch
zu predigen, und der Geistliche konzipiert nun auch romanisch. So tritt in
Frankreich die Volkssprache in die Schrift. In Spanien besitzen wir als direkte
Belege des Vorgangs nur Urkunden, darunter neben mehr oder minder schlecht
lateinischen eine beträchtliche x^nzahl jener, die lediglich erstarrte lateinische
Phrasen in nur äusserlich lateinisch verkleidete Volkssprache mischen. Der
Übergang zum Spanischschreiben war technisch durchaus vorbereitet, wurde
noch gefördert durch die Existenz der französischen Schrift, aus welcher man
das Zeichen ch entnahm. Immerhin meinen noch Dinge wie »<?/ de feridas
et de Chagas et de lanzadas . . . qui los corrir 0 qtii ferir o gut los matar^
etc. im Fuero de Castrotorafe (1129)2 ungefähr lateinisch zu sein.
Das Bewusstwerden des Unterschiedes dürfte auch hier mit einer Steige-
rung der durchschnittlichen Schulbildung in Folge der kirchlichen Reformen
zusammenhängen, die sich allerdings erst im 13. Jh. entschieden bemerkbar
macht, sich zunächst z. B. auf die Forderung der Artikulation des auslautenden
/ und Ähnliches beschränken konnte. Der zweiten Hälfte des 12. Jhs. gehört
das älteste entschlossen vulgärsprachliche Dokument an, das Stadtrecht von
AviUs, im westasturischen, dem gallizischen nahestehenden Dialekt seiner Hei-
mat, dem Datum nach von 11 55. Aureliano Fernandez-Guerra^ hat seine
Ächtheit bestritten, es dem Jahre 1274 zugeschrieben, in welchem Alfonso X.
es bestätigte. Seine ganze Beweisführung wird jedoch dadurch hinfällig, dass
die Hs. dem 12. Jh. angehört. Derartige paläographische Imitation ist aber
in den Fälschungen des Mittelalters nicht belegt, weil sie der damaligen Diplo-
* Zuletzt hrsg. v. Castets, Paris 1880; vgl. Dozy, Recherches II* 372; Romania
XI, 426. Das Itinerarium edierte F. Fita u. d. T. Le Codex de St. yaques de Compostella,
Paris 1882; andere Bruchstücke des Ganzen s. A. SS. 25. Juli; Bibliot. patrum, Colon, t.
XV, Suppl., p. 328.
- Munoz y Romer o, Coleccion de Pueros municipales, Madr. 1847, S. 480. Ahn-
liches a. d. 11. — 12. Jh. z. ß. ib. 171, 222, 273, 28l, 332, 394. 415, 451.
* El Fuero de Aviles (Madrid, Akademie) 1865. Seine sprachgeschichtlichen Argu-
mente sind durchaus, die historischen teilweise unhaltbar, aber es bleiben allerdings Zweifel
bestehen, ob Alfonso VII. wirklich die Urkunde ausgestellt hat.
25'
388 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpaN. LiTT.
matik gegenüber unnötig war, und es erscheint ganz unglaublich, dass sie einer
so kurzen zeitlichen Differenz gegenüber angewendet worden sein sollte. Zu-
dem würde, wer so vollkommen und flüssig die Hand nachzumachen gelernt
hatte, sich in der Sprache nicht geirrt haben. Das Fuero mag unecht sein,
ist aber dann nicht all zu lange nach dem Tod Allonsos VII. angefertigt.
Das nahe verwandte Fuero de Oviedo, angeblich von 1145, lässt sich bei dem
Verlust des Originals nicht sicher beurteilen, aber neben zweideutigeren An-
gaben ist die von Yanguas zu beachten, der die navarresische Übersetzung
des Fuero v. Arguedas (Munoz 329) dem Jahr 1171 zuweist und das Fuero
von Zurita v. J. 11 80 (Burriel S. 270). Wenn sich vorläufig erst seit 1206^
weitere rein volkssprachliche Urkunden nachweisen lassen, kann das bei der
lückenhaften Überlieferung — die Nichtigkeit des vorigen und die Aufklärung
des laufenden Jahrhunderts haben in dem Urkundenmaterial aufgeräumt — und
der ebenso unvollkommenen Untersuchung des Erhaltenen nicht zu sehr auf-
fallen. Sicher ist, dass die königliche Kanzlei bis auf Ferdinand d. Heiligen
ganz oder fast ausschliessend an ihrem Latein festhielt, ebenso sicher aber dass
in der 2. Hälfte des 12. Jhs. die Vulgärsprache zur Schriftsprache erhoben
war. Das ist auch für die poetische Überlieferung von Bedeutung-, berechtigt
die Annahme, dass das XII. Jh. schon Niederschriften seiner Epen besass.
A. POESIE.
8. Wann begann man romanisch zu dichten? und in welchen Maassen?
Nur die Kinderverse halten ungefähr gleichen Schritt mit der Sprache, be-
stimmen aber nicht das Lied der Erwachsenen. Die kirchlichen Hymnen
blieben lange halb verständlich und neben ihrem höheren gestaltete sich ein
niederes Verkehrslatein, das im Gedicht ebenso wie in der Predigt verbreitet
sein mochte. Das Lied auf den h. Faro (s. II, i, 116) gehört hierher, und
selbst der Roland bewahrt noch Formen die auf jene Tradition zurückweisen.
In Spanien lag lange Zeit die alte Sprache dem Volk nicht viel ferner als
später dem Castilier das Portugiesische; es ist wahrscheinlich, dass sie hier
auch im Gesang länger lebendig blieb als in Gallien. Da also die zeitlichen
Vorbedingungen nicht ganz gleichartig sind, da ferner der Verkehr mit dem
Nachbarland vier Jahrhunderte lang vollständig unterbrochen war und der
natürliche Rhythmus der Sprachen ein verschiedener war, muss es überraschen,
wenn sich hier wie dort seit dem 12. Jh. genau die gleichen metrischen Prin-
zipien finden. Auch wenn man nicht so weit geht eine längere Zeit voll-
ständiger Sanglosigkeit anzunehmen, liegt die Vermutung nahe, dass diese ent-
lehnt sind und eine alteinheimische Verskunst verdrängt haben.
Über die Stärke der französisch -provenzalischen Einwirkungen auf die
altspanische Dichtung besteht heute kein Zweifel mehr. Kastilien, dem im
Osten die führende Rolle zufiel, schloss unter den in ^ 6 hervorgehobenen
Einflüssen sich dem französischen Norden an, pflegte die epische und didaktische
Dichtung; selbst was es direkt aus dem Provenzalischen übersetzt, ist im alt-
französischen Geschmack gewählt, erzählend und belehrend. Wohl wurde
der Troubadour am Königshofe von Alfonso VIII. bis auf Alfonso X. gerne
gehört, aber seine Kunst schlug keine Wurzeln. In Gallizien-Portugal spielten
die »Franken« als Einwanderer keine erweisbare Rolle, aber die provenzalische
Kunst fand dort Aufnahme und ausschliessende Pflege^. Diese Scheidung bestand
schon zur Zeit des Misterio und Berceos, war in Kastilien bis auf Alfonso XI.
allgemein anerkannt: Alfonso X., der Meister kastilischer Prosa, verfasst seine
> Staatsvertrag von Cabreros, im leoues. Dialekt, Esp. sagr. XXXVI, App. 63.
^ S. II, 2, 174. Der Verlegung des anfänglichen Schwerpunkts dieser Dichtung nach
dem Osten kann ich nicht l)eipflichten.
Periode d. afr. Einfl. Poesie. Anfänge. Metren. 389
Marienlieder gallizisch (S. II, 2, 184), Raimbaud de Vaqueiras, um spanisch zu
dichten, bedient sich derselben Sprache, ebenso im 13. Jh. BonifaciCalvo', und im
14. findet es Juan Manuel^ nicht auffällig, dass ihr sogar der Refrain eines Spott-
lieds auf ein rein kastilisches Ereignis von 1259 angehört. So durfte denn
im 15. Jh. der Marques du Santillana bemerken: non a mucho tiempo quales-
quier decidores o iroz'adores destas partes, agora fuesen castellanos, andaluces, o
de la Esiremadura, todas sus obras componian en lengua gallega o portugesa.
Alle Erzeugnisse dieser Dichtungsgattung, mit Einschluss der volkstümlichen,
gehen auf provenzalische und nebenbei auch altfranzösische Vorbilder zurück,
nur dass dabei dort etwas vernachlässigte Formen stärker gepflegt werden,
die Nachahmung keine sklavische ist. Das gilt ebenso für die wenigen, sämt-
lich volkstümlich gehaltenen lyrischen Stücke des Archipreste de Hita. Im
eigentlichen kastilischen Dichtungsbereich treten drei Arten der Formgestaltung
zu Tage. 1. Der vierzeilige gereimte Alexandriner (aaaa) der die didaktische
Dichtung bis zum 15. Jh. beherrscht, der y>curso ritnado por la quaderna via<(.
wie ihn Bercco Alex. 2 nennt, wobei er ihn zugleich als eine »grosse Meister-
schaft« bezeichnet, eine »nueva maestria«^ wie der ebenfalls noch der i. Hälfte
des 13. Jhs. angehörige Apolonio sagt: eine rein französische Form, deren
Verwendung sich zugleich durchaus mit der dort gegebenen deckt. 2. Gepaarte
S und 6 Silbner, zumeist in Übersetzungen, aber auch in mehr selbständigen
Produktionen. Unter den Übersetzungen durchbrechen mehrere des 13. Jhs.
die Messung des Originals wo ihre Beibehaltung irgend welche Schwierigkeit ver-
ursacht, verlängern und kürzen nach Bequemlichkeit, ohne jede rhythmische
Empfindung. 3. Die assonierende Tirade im Epos, mit streitigem Versmass, da die
beiden einzigen Denkmäler, die Cidgedichte, spät überliefert und stark beschädigt
sind, thatsächlich ganz überwiegend unregelmässigsteVerse mit scharf hervortreten-
der Cäsur aufweisen. Ernstlich in Frage kommen für den Versuch einer ein-
heitlichen Rekonstruktion nur der Zwölf- und derVierzehnsilbner^ (nach spanischer
Zählung der 14 und 16 Silbner). Für den Zwölfer, den eine erhebliche Anzahl
von Versen der Hs. des Poema del Cid aufweist, und der sich in beträcht-
lichem Umfang ohne Gewaltsamkeit herstellen lässt, spricht die Wahrschein-
lichkeit dass, bei dem Gesamtverhältnis zu Frankreich, die strophenlose Tirade
von dort übernommen und nicht gemeinromanisches Erbteil ist. Es ist wenig
einleuchtend, dass Strophenlosigkeit und Assonanz, nur halb gestützt durch die
lateinische Reimprosa, aber im Gegensatz zur Kirchenpoesie, die Araberzeit
überwunden haben sollten. Der Vierzehner ist in Frankreich spät und selten,
in Spanien tritt er in lyrischer Bindung bei Alfonso X., lyrisch und als
Vierzeiler parallel dem Zwölfsilber beim Archipreste auf, um dann im
15. Jh. die assonierende Tirade der Romanze zu bilden. Er liest sich glatt
im Poema annähernd eben so oft als der Alexandriner, lässt sich, als der
längere, noch häufiger bequem rekonstruieren. Für seine durchgehende Ur-
sprünglichkeit ist Cornu mit methodischer Beweisführung eingetreten"*, hat jeden-
falls gezeigt, dass er in einer beträchtlichen Anzahl von Halbversen nicht hin-
wegkorrigiert werden darf. Im Rodrigo tritt er stärker hervor als im Poema,
wobei es aber befremdlich erscheint, dass dort trotz der sonst durchweg
schlechteren Überlieferung gerade das Metrum besser erhalten und nicht erst
durch die Romanze beeinflusst sein sollte. Nimmt man aber die Cornu'sche
* Milä y Font an als, De los trovadores en Espäha, S. 132. Mahn, Werke d.
Troub. I, 371 ; Mario Pelaez, Di un sirventese-discordo di B. C, Genova 1891.
^ Escritores en prosa ant. al siglo XV, S. 2 60.
' Die scheinbaren Zelinsilbner müssen, auch von dem hier vertretenen Standpunkt aus,
abgelehnt werden.
* ^udes romanees dediees ä Gaston Paris, Paris 1891 S. 419 ff. Rom. XXII, 153. 531.
39 O LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LiTT.
These im ganzen Umfang an, so braucht der Vers darum nicht vorfranzösisch
zu sein. Gerade bei der Übertragung von Alexandrinern musste sich sprach-
lich das Bedürfnis nach einer Verlängerung geltend machen und hier konnte
der in der Lyrik aufgenommene 7 Silbner eintreten, den Alfonso gerne braucht,
der oben erwähnte Refrain zeigt, und der Archipreste in Bindung mit dem
Romanzenvers; 12 und 6 waren gegeben, man konstruierte 14 zu 7. Es
lässt sich indessen eine wichtige Aussage über die frühspanische Metrik nicht
überschlagen. Die schon angeführte Stelle des Berceo lautet vollständiger
y>Fablar curso rimado per la quaderna via A sillauas cimtadas, ca es grant
maestria«:. Nie hätte ein Franzose auf diese Art die Silbenzählung hervor-
gehoben. Wir dürften über das Zeugnis nur dann hinweggehen , wenn die
sonstige Überlieferung ihm widerspräche, aber sie stimmt mit ihm überein.
Die silauas contadas sind eine nueva maestria, und ein mester de clerecia\ der
ungeschulte Dichter findet sich mit der neuen Weise ab, so gut es ihm eben
gelingen will, und es dauert ziemlich lange bis das Richtige auch notwendig
erscheint; noch die gereimten Sentenzen Don Juan Manuels sind aufrichtig
ametrisch. Wie sich im erzählenden musikalischen Vortrag damit auskommen
liess, dafür kann der Singsang des Chiste bei Inzenga, Cantos y Baues popu-
läres de Espana S. 28 als Beispiel dienen. Etwas weiter führt uns das älteste
spanische lyrische Gedicht, das gesungene Wächterlied bei Berceo, Duelo da
la Virgen 178. Der Rechnung mit + i und — i, die für die umgebenden
Alexandriner ausreicht, setzt es entschiedenen Widerstand entgegen, und setzt
sich dabei von selbst in Musik um; der gleichen Form begegnen wir, sobald
wieder rein Volkstümliches auftaucht, z. B. in dem zweizeilig assonierenden
galizischen Tanzliedchen Cando 0 crego andaba no forno in Tirso's Mari-Her-
nandez. Ein ebenso unfranzösisches , nach gewöhnlichem Sprachgebrauch
»unromanisches« Mass taucht dann im 14. Jh. im verso de arte mayor auf,
mit seiner fakultativen Silbe am Verseingang. Nimmt man hinzu, dass sich
noch im heutigen Volkslied ein nie untersuchtes starkes rhythmisches Element
bemerklich macht, so sind die Kriterien gegeben, von welchen der Versuch
eines Rückschlusses auf die verlorene urspanische Dichtung auszugehen hat.
I. DAS EPOS.
9. Als Träger der volksmässigen Dichtung erscheint in Spanien der
joglar , im gleichen , nicht scharf abgrenzenden Gegensatz zum trovador wie
im Westen (Lehnworte ebenso wie der escolar)', Berceo Alex. 1798 teilt die
jograres in musikalische ein und solche , die Affen und Masken führen ;
Alfonso X. Part. II, 5, 20 sagt, dass in der guten alten Zeit die Ritter nur
cantares de gesta von ihnen hätten hören wollen, bezeichnet weiterhin ihren
f ' iBeruf als infamierend. Zuerst erwähnt werden sie im Jahre 1144 {Chron.
Alf. VII., I, 37), sind aber sicher beträchtlich älter. Auch die joglaresa, ^
allein oder mit einem musicieren den Begleiter, war im 13. und 14. Jh. häufig?
Was sie sangen waren indessen nur zum geringsten Teil französische Stoffe.
Die Menschen und die Zustände, Denkweise, Sitte und politische Lage waren
dieselben wie jene, aus denen die Chansons de geste erwachsen sind, die ein-
fache Kunstform übertrug sicii wie von selbst auf die einheimische Sage. Im
spanischen Heldenlied des 12. Jhs. lebt das französische des 10. neu auf, in
unniittelbaren , freien, durchaus nationalen Schöpfungen. Der Urrifang ist
, dyrch die engeren heimischen Grenzen , und durch die iCürze der Zeit be-
'^cÜfänkt, in welcher sich die ächte Tradition gehalten hat; sie geht nicht
über das 10. Jh. zurück. Der bedeutendste Stoff" ist von seiner dichterischen
Behandlung nur durch einige Jahrzehnte getrennt. Im Verhältnis zu dieser
Epos. Karl d. Grosse und Bernardo del Carpio. 391
Begränzung ist indessen die Entwickelung eine reiche gewesen. Unmittelbar
erhalten sind allerdings nur die beiden Cidgedichte, und das Lied vom Graf en
Fernand Gonzalez in Klerikerbearbeitung; über anderes aber geben indirekte
QiTellen*' Auskunft/ vor Allem die Crdnica general de Espaiia Alfonsos des
Gelehrten, eine Schatzkammer der poetischen Tradition ihrer Zeit. Nur mit ^
grösster Vorsicht dürfen die Romanzen des 15. Jhs. zu Rekonstruktionen be-'^"^
nutzt, \yerden; auch in den sehr wenigen, die vielleicht nicht von den Prosa-
auflo'sürigen abhängig sind, hat sich der Inhalt der Cantares zu Einzelbildern
aufgelöst, bei welchen schon das Bedürfnis der Abrundung eine tiefgehende
UmwanäKmg bedingte.'f^^'^^ ^'^
10. Karl der Grosse und Bernardo del CarpioJ Schon bei den
Invektiven des Monachus Silensis^ (um 11 00; s. I^ i, 316) gegen Karl und
die Franken kann man sich des Gedankens kaum erwe^fifen, dass «eben Ein- ^.^^
hard und den Annalen auch das Rolandslied seinen patriotischen Ärger erregt ^^'^^"''^^
habe, wenn er es auch ebensowenig nennt als den Einhard. Etwas später wird
jenes im Pseudoturpin verarbeitet, ungefähr gleichzeitig nennt das, allerdings
von einem Katalanen verfasste, Gedicht auf die Eroberung von Abneria (1147)
Karl, Roldan und Oliver als Vorbider des Heldentums. Rodericus Toledanus,
De reb. Hisp. IV, 10 (s. II i, 317) nimmt die Polemik des Silensis auf, und
spricht sich dabei ausdrücklich gegen die Spielleute aus : y>nonnulli histrionum
fabulis inhaerentes ferunt Carolum cwitates plurimas ... in Hispania acqui-
sisse ...<?/ stratam publicam a Gallis et Germania ad sanctum Jacobum recto
itinere direxisse« . Diese hatten Karl also etwas Neues zugeschrieben , die
Anlage der Pilgerstrasse, die dem Pseudoturpin fremd ist, von ihnen hatte
Rodericus auch die Meinung, dass Karls Lebensthätigkeit in der Bekämpfung
der in Frankreich eingedrungenen Sarrazenen bestanden habe. Ein Portugiese
oder Gallizier endlich parodiert geradezu den Turold, die 10 Silbner und dasAoi,
Lopez de Bayam, in der Gesta de maldizer^. Trotzdem verfiel der Roland der
Vergessenheit; schon das Gedicht von Fernan Gonzalez bezieht seine Karls-
helden aus dem Pseudoturpin, das Schwert Rolands konnte sich in einen/
Helden Durindarte verwandeln, Olivero und Roldan sind, nach Berceo San
Millan 412, nicht mehr zusammen genannt, und die Rencesvalromanzen
{Primavera 183 — 86) beruhen auf sekundärer Vermittelung. Eine Neubildung
gelehrten Ursprungs drängte sich vor, die dem Nationalgefühl besser zusagte,
die Geschichte von Alfonso II. und Bernardo del Carpio. Lucas Tudensis
(s. II I, 317) und Rodericus erzählen sie (gegen 11 30) unabhängig von
einander, das Foema del conde fernan Gonzalez widmet ihr 18 Strophen, und
die Crdnica general vervollständigt ihre Vorgänger nach ausdrücklich erwähnten
Liedern, wahrscheinlich aber zugleich aus einer Prosachronik. ■* Die Chroniken
setzen sich dabei mit stark abweichenden Varianten auseinander, welche den
Gang der Entwickelung noch deutlich erkennen lassen. Zunächst hatte man
bei Einhard die Angabe über Alfonsos Beziehungen zu Karl gefunden, Grund
genug um ihn an den Siegen des Kaisers unmittelbaren Anteil nehmen zu
lassen. Dann aber brachte es die chauvinistische Abläugnung irgend einer
Eroberung oder eines Sieges Karls beim Silensis, der Ärger darüber, dass
sich der König von Oviedo einen Eigenmann des Kaisers genannt haben
sollte zu einer neuen Version : die spanischen Grossen hinderten ihren klein-
mütigen Herrn sich in die fremde|Lehnsherrlichkeit zu geben, und der daraus
folgende Krieg führte zur Niederlage der Franken in Roncesvalles. Kaum
' Mifä, cap. III., Paris, Hist. poet. cap. X.
2 Cap. 18. 19. 36. 37.
' Canzionere della Vaticana, 375.
* Milä; 107. Cron. gen., Zamora 1541, fo. 225 — 28.
392 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LiTT.
die Erwähnung eines Bernaldus de Nublis im Pseudoturpin, der in den meisten
Hss. zum Bernardus wird, eher der Bernard des Haager Fragments, vielleicht
auch unmittelbar die Beheimatung an dem zweiten der grossen Pyrenäenpässe,
den Portus Asperi , zogen einen ziemlich historischen Grafen Bernhard von
Ribagorza in das Karlsheer herein, nachdem ihm schon vorher die Lokal-
geschichte mehrere Maurensiege vindiciert hatte. Weitere Ausschmückung
machte ihn zum Sohn einer Schwester Karls, den diese auf der Compostella-
fahrt geboren haben sollte und vermengte ihn in gelehrter Konfusion mit
Karls Enkel Bernhard von Italien. Dem Fahnenwechsel Alfonsos musste er
notwendig folgen, man liess ihn mit diesem die Franken bei Roncesval schlagen,
und nochmals mit Marsilies in seiner eigentlichen Heimat, an den puertos de
Aspa. Endlich wird er zum Schwestersohn Alfonsos statt Karls ; seinen Vater,
den Grafen von Saldana, der ihn in geheimer Verbindung gezeugt hat, hält
der König gefangen, dieser erzieht den Neffen, der für ihn gegen Karl und
die Mauren kämpft, bis er seine Herkunft erfährt und sich empört um den
Vater zu befreien. Schliesslich betrügt der König Bernardo indem er ihm
für seine Burg Carpio die Leiche des Grafen ausliefert. Es ist diese letztere
Form, welche schon in den Quellen überwiegt, für die spätere Geschichts-
schreibung und Dichtung massgebend wurde, für die Romanzen, die gereimten
Romane Balbuenas und Espinosas, die Dramen Lopes und Cubillos
etc. Nur in dem Bernardo en Francia des Lope de Liano klingt eine alte
Variante nach. Die Neubildung gehört dem 12. Jh. an, da das jüngere der
Cidgedichte auf ihr fusst.
Mit Sicherheit lässt sich ferner die Entlehnung eines spanischen Mainet-
liedes ^ konstatieren. Die Erwähnung der Tradition im Pseudoturpin cap. XII
und XX besagt nicht viel, gewichtiger ist ihr Auftreten im Rodericus Tole-
tanus IV, 1 1 mit Marsilies an der Stelle Braimants ; die General erzählt ziem-
lich ausführlich den Aufenthalt des jungen Karls in Spanien, mit zahlreichen
Assonanzenspuren, und in der gleichzeitigen Legende des h. Nicolaus v. Le-
desma heisst es von Galiana »ut vulgariter dicitur«.2 Nicht sehr viel später
aber zeigt die Gran Conquista de Ultramar gerade in ihren Missverständnissen
bei der Übersetzung eines jüngeren franz. Mainet, dass die spanischen Cantares
ihr schon unbekannt waren. Wie hier spielte auch der Anfang von Flor und
Biancaflor in Spanien, noch dazu am Weg nach Santiago; die General nennt
beide nur als die Altern der Berta, der Archipreste 1675 aber als ein altes
Beispiel der Liebe im Gegensatz zum neuen Tristan, und Berceo hat den Roman
benützt, so dass ein altkastilisches Gedicht wahrscheinlich ist, das vielleicht die
Erfindung der pilgernden Karlsschwester im Bernardo hervorrief. Der seit 1 5 1 2
oft gedruckte Prosaroman, noch heute Volksbuch, hat aber mit jenem Nichts zu
thun, da er auf italienischer Quelle beruht. Fast ebenso verwischt sind An-
zeichen einer Bekanntschaft mit Aimeri: die oben ausgesprochene Vermutung
über die Urgeschichte Bernardo's del Carpio, der zweigespaltene Almerique de
Narbona im Rodr. V, 42 und 784; die Romanze vom Grafen Guarinos {Frimav.
186, Garin d'Anseune), die beiden von Almerique de Narbone (Pr. 196. 197).
Auf die Cantares kann ferner noch zurückgehen der Beiname Ogier's de las
Marchas ^^ de Danemarche in der General und der Gran Conquista de Ultramar,
woraus später ein Marques de Mantua wird; die Diffusion einzelner Züge der
Saisnes, {Frimavera 61 und 165 — 67). Was sonst noch Altfranzösisches in volks-
tümlicher Gestalt im 15. — 16. Jh. auftaucht, bei Milä cap. IX zusammengestellt
ist, stammt aus den Prosaromanen, d. h. aus mittelfranzösischen und italie-
1 Milä S. 330 ff. Cron. gen. fo. 219—21.
* Esp. sagr. XIV, 392.
Epos. Bernardo. Mainet. Fernan Gonzalez. 393
nischen Quellen. Entschieden zur luglartradition gehörte aber noch die Fabel
von der treulosen Frau Salomons, die auf zwei spanische Fürsten übertragen
wurde: den Grafen Garci- Fernan dez von Castilien {Cron. gen. f. 254, Milä
S. 196), und auf Ramir(i II. von Leon in den portugiesischen Livros de lin-
hagem. ' Die kastilische Erzählung , welche gewiss auf einem Lied beruht,
lässt den Kern der Fabel fast ganz fallen, den Verrat der Frau, den Hilfe-
ruf durch das Hörn, weil diese in ihre halbhistorische Fügung nicht passen,
sie bewahrt sich aber die Nebenumstände der portugiesischen Form. Stünde
diese nicht neben ihr, so würde sie sich überhaupt nicht mehr mit Sicher-
heit identifizieren lassen. Nächst dem Bernardo lehrt sie uns die Energie
würdigen, mit der das fremde Material assimiliert wurde.
1 1 . Kastilien verdankte die thatsächliche (noch nicht die formale) Un-
abhängigkeit von Leon dem Grafen Fernan Gonzalez (932 — 70), den Erfolgen
eines stark bewegten und langen Lebens, die ganz dazu angethan waren,
die Phantasie zu beschäftigen. Seine Geschichte ^ linden wir im 13. Jh.
poetisch ausgeschmückt und umgestaltet, darin als die hauptsächlichen Züge:
1. Einen mit Ramiro 933 bei Osma über die Mauren erfochtenen Sieg.
2. Seine Vermählung mit einer Infantin von Navarra, und zweimalige Gefangen-
schaft, in Leon und Navarra. Die letztere wurde mit der Vermählung in Zu-
sammenhang gebracht, man Hess die Infantin den Bräutigam befreien, und
nach gefahrvoller gemeinsamer Flucht den kastilischen Vasallen begegnen,
welche während der Abwesenheit des Grafen seinem Steinbild gehuldigt hatten.
3. Die Gefangenschaft in Leon wurde zeitlich verschoben um auch hier die
Befreiung durch die Gemahlin bewerkstelligen zu lassen. 4. Die Loslösung
Kastiliens: der Verkaufspreis eines Habichts und Pferdes, der sich bei Ver-
säumnis der Zahlung fortwährend verdoppelt, wächst so an, dass der König
seine Lehensherrlichkeit für ihn opfern muss.
Ein Mönch des Klosters San Pedro de Arlanza, in welchem der
Graf begraben lag, hat ihn im 2. Viertel des 13. Jhs. zum Gegenstand des
ältesten nationalen Kunstepos gemacht, in stark hervortretender Nachahmung
von Berceos Alexandre, die bis zu wörtlichen Entlehnungen geht , bei sehr
geringen persönlichen Verdiensten. Von dem Gedicht sind heute nur mehr
740 Strophen in einer sehr fehlerhaften Hs. des 15. Jhs. erhalten, nach
welcher es Janer u. d. T. »Poema dcl Conde Fernan Gonzalez« ^ veröffentlicht
hat. Den Inhalt der fehlenden 2. Hälfte giebt die Cron. gen.., die das Foetna
unter Entfernung der gröbsten geschichtlichen Verstösse umschreibt.* Der
Mönch beruft sich wiederholt auf eine escriptura, lehenda etc., also auf eine
lateinische Vorlage, die aber keine einheitliche zu sein braucht. Dem eigent-
lichen Thema schickt er eine längere Vorgeschichte Spaniens, (Rodrigos,
Pelayos, Bernardos) voraus, in der sich Nachrichten aus verschiedenen Quellen '^
unterscheiden lassen, mit starken Fälschungen und Erweiterungen, die teilweise
dem Dichter zugeschrieben werden dürfen. Genau lässt sich die Entstehung
der oben mit i. bezeichneten Episode verfolgen. Ein kriegerisches Jacobs-
wunder einer Compostellaner Fälschung*^ wurde in San Millan de la Cogolla,
um den Ortsheiligen hereinzubringen, unter Fernan Gonzalez verschoben' und
* s. Rom. IX, 436.
^ Dozy, Histoire des Miistdmans, B. III cap. 2 — 5; Milä, 173 — n9-
* Poetas castellanos anter. al siglo XV, S. 389 ff. und unabhängig von ihm bei
Gallardo, Ensayo I, 763 ff. Vgl. Rios III, 335—67; Milä cap. IV.
* fo. 211—53.
* Aus dem Chronicon Sebastiani (s. II l, 150) nnd dem Anonym. Facetisis, wobei in-
dessen eine komplizierte Vermittelung vorauszusetzen i.st.
« Esp. sagr. XIX, 329.
'' Yepes I.
394 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 4. SpAN. LllT.
in dieser Gestalt von Berceo in seiner Vida de San Millan 362 ff. repro-
duziert. Im Poema finden wir die bisher immerhin poetische Legende zu
Gunsten des eigenen Konvents in zwei Mirakclschlachten zerlegt, die nun-
mehr überwiegend San Pelayo gut geschrieben und mit ein wenig überall
hergeholten absurden Dekorationen ausgestattet werden. Mehrere Details zeigen
dabei Verwandtschaft mit dem Dichter nachweislich bekannten Quellen, so
der Kriegsrat 203 (vgl. 331) mit Alex, 2108, die Beisetzung der Todten
558 — 62 mit dem Pseudoturpin. Die ganze dreiste Umgestaltung rührt von
ihm her, die Lokaltradition bot ihm nicht viel mehr als die Herleitung einiger
Elfenbeinkästchen auf dem Altar von einem Sieg des Klosterstifters über Al-
mansor statt Abderrahman. Seine skrupelfreie Erfindung wird also auch im
Übrigen thätig gewesen sein, zumal bei den Kriegen mit Navarra und es fragt
sich, wie weit er in den oben mit 2—4 bezeichneten Hauptzügen älterer
Überlieferung treu ist. Auffallen muss dasz die Cron. gen., während sie sonst
Varianten der Volksepik mitverzeichnet, hier solche nicht kennt, dass die
älteren Geschichtschreiber keine Spur der Fabelbildung aufweisen, und dass
in 4 eine alte Schulanekdote steckt. Nun hat wohl der Rodrigo eine Variante
von 2 und 4 in seine einleitenden Tiraden aufgenommen, aber auch wieder
in intimer Verbindung mit einem der Cron. gen. nur in älterer Fassung be^
kannten Stück Kirchengeschichte, und gerade die genaue Berührung seiner
Version mit einer Romanze spricht für ihre relative Jugend. Mit innerer
Wahrscheinlichkeit lässt sich auf ein altes Volkslied aus dem Poema nur für
2. schliessen, im Rest ist eine geringe Dosis deformirter Geschichte mit oralen
Lokaltraditionen der kastilischen Klöster und willkürlicher Erfindung ver-
schmolzen. Der Auszug der Crönica general ging in die spanische Geschichts-
schreibung über, aus der er noch heute nicht ganz verschwunden ist, bildete
in etwas veränderter Gestalt ein im 16. — 18. Jh. viel gelesenes Volksbuch.^
Unter den Romanzen entspricht eine altertümliche einem einzelnen Zug des
Rodrigo, andere folgen der Cron. gen., ebenso wie Lope de Vega in einem
seiner besten Schauspiele. So gering die Fähigkeiten des Mönches von
Arlanza an sich waren, besass er die für seinen Gegenstand wichtigsten Eigen-
schaften, die kriegerische Gesinnung und den nationalen Stolz des Castiliers,
so dass seine Schöpfung in das Gedächtnis der Gesamtheit überging.
12. Nur in der Prosaauflösung der Chronik, aber nach Inhalt und Tiraden-
spuren deutlich als Lied erkennbar, besitzen wir die kastilische Geschlechter-
sage von den sieben Infanten (Kinder, Junker) von Lara. ^ Nicht in der
völkerbewegenden Wucht der Ereignisse beruht hier ihre unvergängliche Wir-
kung; der Gegensatz zu den Mauren, dem grossen Almansor und dem hoch-
herzigen Feldherrn Galib (Galve), bildet eigentlich nur den Hintergrund für
die Tragödie, die sich aus dem inneren Gegensatz zwischen der rachsüchtigen
Dona Lambra, dem finsteren Ruy Velasquez und ihren Neffen, den Söhnen
des Gonzalo Gustioz unvermeidlich entwickelt, bis zur Katastrophe, dem Todes-
kampf der verratenen Sieben und ihres treuen Erziehers Nuno Salido. Das
Nachspiel, die Szene, in welcher der gefangene Vater die Häupter der Söhne
erkennt und die Rache des Bastards Mudarra, ist Erfindung, aber den eigent-
lichen Kern bildet jedenfalls eine historische Begebenheit. Gonzalo Gustioz
erscheint in einer kastilischen Urkunde v. J. 969^, und wenn die Crönica den
Vorgang in das Jahr 986 verlegt, ist das wohl nur Kombination, entspricht
aber jenen Daten sowohl wie der in der Erzählung gut festgehaltenen Ge-
' Erster Druck Sevilla 1509; vgl. Gallardo 1, 761 ; Sa Iva II, 62.
^ Milä cap. VI; Cron. gen. f. 261 ; Holland, La tstoria de los siete infqntes de
Lara, aus der Cron. gen. d. Esp. hrsg., Töbingen 1860.
* M u n o z s. 36 ; vgl. ib. s. 56 wegen der Velasquez, die M i 1 a für galizisch hält.
Epos. Fernan GoNzai.EZ. Infanten v. Lara, (jakcia. Perdida de Espana. 395
Samtsituation am Ende des 10. Jhs. Dass diese nicht etwa von Alfonso X.
hergestellt ist, zeigt das ältere Poema del Conde Fernan Gonzalez, welches sich
für seine Schlacht bei Hacinas die Väter des Gonzalo und Rodrigo kon-
struiert, dabei allerdings in für den Verfasser sehr bezeichnender Weise die
Infanten (449, 2) und Nunc Salido (462) mit verwertet. Varianten kannte
die Crönica nicht, eine kurze Erwähnung der Infanten in der Einleitung des
Rodrigo und drei alte volksmässig umgestaltete Romanzen entsprechen genau
der von ihr gegebenen Fassung: dem Werk eines grossen namenlosen Dichters,
das in der warmen Prosa nur wenig verloren hat. Als Volksbuch wurde die
Erzählung nach der Crönica zusammen mit dem Fernan Gonzalez seit 1509
oft gedruckt, und ist heute noch in etwas verschlechterter Gestalt im Umlauf.
Auf jenem beruhen eine Reihe von Romanzen, Dramen und anderen Be-
arbeitungen, die grossenteils bei Holland verseichnet sind. ^
13. In der estoria dell romanz dell inffant Gar da, welche die General
den historischen Berichten gegenüberstellt,- ist umsomehr ein Lied zu sehen,
als eine starke Erinnerung an den Vorfall anderweit in gelegentlichen Er-
zählungen hervortritt. ■'^ Die Ermordung des Grafen Garci'a Sanchez durch
ein feindliches Geschlecht, als er sich in Leon i. J. 1029 Braut und Rönigs-
krone holen wollte, forderte ja auch die Einbildungskraft heraus. Das Volk
vergass später jene Tradition , die das Nationalgeftihl nicht stark genug an-
sprach : auch von den historischen Kunstdichtungen ist sie fast ganz vernach-
lässigt worden. Dafür erscheint eine andere Legendenbildung tief eingewurzelt
und fruchtbar, jene welche den Untergang der Westgoten ausschmückt.'* Sie
ist durchaus gelehrt, weder der König Rodrigo noch Pelayo sind gesungen
worden. Bei Rodericus ist die Fabel sogar fast ganz arabisch, man ging ihr
dort nach, weil man selbst so gar Nichts mehr wusste. Zuerst um 1 100, und es
ist recht wohl möglich, dass seine Erzählung, ebenso wie der Pseudoturpin,
nach Frankreich übermittelt wurde und den Anseis de Cartage anregte. Später
folgten andere Erweiterungen und Entlehnungen, auch noch nach dem 13. Jh.,
deren letztes Ergebnis im 14. Jh. der Roman eines Pedro del Corral, die
Crönica de Don Rodrigo gewesen ist, welche, seit 1492 oft gedruckt, noch
als Volksbuch fortlebt, den Romanzendichtern und Dramatikern als Quelle
diente. Die kriegerische Neigung des ganzen Geschlechts ist auch der Geist-
lichkeit natürlich und tritt mannigfach in Umgestaltungen der Geschichte zu
Tage, die man geneigt sein könnte auf Rechnung des Volkes zu setzen. Be-
zeichnend ist es wie sie den Schimmel des h. Martinus entlieh, um auf ihm
Santiago die Christen führen zu lassen.^ Wir haben gesehen, dass ihr ein
breiter Anteil an der Ausbildung der Sagen von Bernardo del Carpio und
von Fernan Gonzalez zukommt, und werden ihre Hand auch in der Vervoll-
ständigung des Cidcyklus wiederfinden.
14. Der ruhmreichste Repräsentant kastilischcr Ritterschaft in Poesie und
Leben war Rodrigo oder Ruy Diaz von Bibar, dessen Geschichte^ die ganze
spanische Dichtung so erfüllt, (Jass sie auch hier kurz gegeben werden muss.
Zuerst 1064 genannt, nahm er im Heer Sanchos II. die erste Stelle ein, half
ihm 1067 über Navarra siegen, und entschied im Kampf der Brüder durch
einen nicht ganz lauteren Rat die Niederlage Alfonsos von Leon. Als 1072
Sancho bei der Belagerung von Zamora ermordert worden war und der nach
' a. a. ü. S. vni— XU.
* Milä S. 199; nicht im Druck Ocampos.
^ Florez, Reynas de Espana I, 494; Munoz 39.
* Milä cap. 11.
ä Esp. sagr. XIX, 348. 332. XVII. 320.
* Dozy, Ruherches 11 1 — 245.
396 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 5. Span. Litt.
Toledo entflohene Alfonso zurückgerufen wurde, soll Rodrigo an der Spitze
der Kastilier ihn genöthigt haben seine Unschuld an dem Mord eidlich zu
erhärten. Der König gab ihm noch 1074 seine Base Ximena zur Gemahlin,
fand aber, wie er erstarkte, eine Veranlassung den allzu mächtigen Vasallen
1081 zu verbannen. R. trat als Condottiere in die Dienste des Herrschers
von Saragossa; mit seinen Siegen wuchs sein Söldnerheer und lockerte sich
die Abhängigkeit, bis er zuletzt in drohendem Übergewicht inmitten der ara-
bischen Teilstaaten stand. Eine Reihe derselben, so Tortosa, Albarracin,
Valencia waren ihm tributpflichtig; Berengar von Barcelona wurde von ihm
geschlagen und gefangen, er durfte es wagen einen Eingriff des Königs in
seine Interessensphäre durch einen Einfall in Kastilien zurückzuweisen. Innere
Unruhen in Valencia boten ihm den Anlass die grosse Stadt immer enger zu
bedrängen, 1094 zog er als Herrscher in sie ein, behauptete seinen Besitz in
mehreren Siegen über die Almoraviden und nahm 1098 auch Murviedro. Nach
seinem Tode im Jahre 1099 musste Ximena das vorgeschobene Heerfürsten-
tum räumen; sie setzte die Leiche in dem Kloster S. Pedro de Cardena bei.
Seine Töchter Cristina und Elvira waren Gemahlinnen des Grafen Berengar
von Barcelona und des Infanten Ramiro von Aragon. Der Gott seines Heeres,
ebenso berechnend als verwegen, grausam und falsch gegen den Feind, ver-
lässig und grossmütig für den Freund und den der es werden sollte, durch-
aus ähnlich seinem Zeitgenossen dem Normannen Robert, doch dass man jenen
Guiscard nannte, ihn Mio Cid als Herrn der Mauren und Campeador wohl
wegen Einzelkämpfen. Wie diese Namen kündet noch bei seinem Leben ein
lateinischer Hymnus ^ seinen Ruhm ; nicht allzu lange nach seinem Tode wurde
seine Biographie in rauhem Latein geschrieben 2 (s. 11 i, 316), und zur Enkel-
zeit (zwischen 1147 und 57) sagt das Carmen de Almeria von ihm »de quo
cantatur quod ab hostibus hand superatur«, womit nur die Volkssprache gemeint
sein kann.
15. Aller Wahrscheinlichkeit nach beziehen sich die Worte des Carmen
auf das uns erhaltene Poema del Cid'^ für das in V. 3003 der »gute Kaiser«
Alfonso VII. (f II 57) so bekannt ist, dass es ihn nicht zu nennen braucht
und welches sich Portugal (Königreich seit 1139) V. 2926 noch als galizische
Grafschaft zu denken vermag. Wir besitzen in ihm das einzig erhaltene, nur
mechanisch beschädigte Dokument unmittelbarer Umgestaltung nächstliegender
Geschichte zum Epos. Das Bild des Cid erscheint hier im Wesentlichen treu
bewahrt, nur leicht idealisiert, ebenso die historische Gesamtlage, wenn auch
der Interessenkonflikt mit Alfonso ganz, die Beziehungen zu Zaragoza fast ver-
gessen sind. Stärker verschieben sich die Einzelheiten ; doch lassen örtliche
und zeitliche Nähe chronikenartige zum Teil fast trockene Details bestehen,
die in grösserer Entfernung nicht mehr interessiert haben würden und zu Gunsten
stärkerer Anregungen gefallen wären. Die erste Hälfte des Gedichts, von der
Verbannung bis zur Eroberung von Valencia, ist mehr ein Stück episch durch-
setzter Biographie; zum Epos wurde es durch den Hinzutritt einer ganz sagen-
haften Tradition, der Vermählung der Töchter des Cid mit den Infanten von
Carrion. Diese gab Steigerung und Peripetie, in der frevelhaften Kränkung
des Helden und der höchsten denkbaren Genugtuung, bis zur Verschwägerung
' Zts. f. r. Ph. V, 64.
2 Gesta Roderici Campidocti, in: Risco , La Castilla y el mas famoso Castillano,
Madr. 1792.
^ Ausgaben von: San che/,, Coleccion de poes. cast., T. I, Madr. 1779, von dem die
Benennung fibernommen wurde; Damas-Hinar d, Paris 1858; Jan er, Poet, castell. ant.
als. XV, Madrid 1864; Vollmöller, Halle 1879, die einzig brauchbare. Vgl. Milä
229 ff., ferner zur Textkritik Rom. X, 75, XVIII, 502, XXII, 153; Ltbl, 1880. 340; Zts.
f. r. Ph, VI, 167; Gott. gel. Anz. 1882, 509.
Epos. Der Cid. Seine Geschichte. Das Poema. 397
mit den Herrschern Spaniens; sie brachte den Verbannten an den Königs-
hof und dort wurde jede Nachempfindung des Zorns zwischen Herrn und
Vasallen geheilt. Der Dichter hat wohl gefühlt was die Versöhnung zwischen
den Siegern von Toledo und Valencia für seine Hörer bedeutete, hat sie
folgerichtig vorbereitet und aufs würdigste gestaltet. Dass Stoff und Menschen,
so kräftig sie sind, Nichts von dem Titanischen älterer Zeiten an sich haben,
ist gerade ihrem Fortleben in der späteren Poesie zu Gute gekommen. Die
hohe Altertümlichkeit des Gedichtes wird heute allgemein anerkannt. Aller-
dings ist die Beurteilung durch die Art der Überlieferung in Etwas erschwert
worden. Nur eine Hs. ' (3734 V.) ist erhalten, dem 14. Jh. angehörig, am
Ende mit dem Schreiberdatum 1307 2. Verloren ist ausser einem Blatt in der
Mitte das letzte (unbeschriebene) der letzten und das erste der ersten Lage :
nach allen Anzeigen nicht mehr als dies eine mit etwa 40 Versen und der
Erzählung des Auszugs aus Vivar. Neuerdings ist die Ansicht hervorgetreten,
dass wir eine unmittelbare Niederschrift nach mündlicher Überlieferung vor
uns hätten ^ ; mir zeigt sich nur eine Kopie, die mit wenig Zwischengliedern
auf eine bedeutend ältere, der Entstehung fast gleichzeitige Vorlage zurück-
geht, mit starken Korruptelen, aber ohne absichtliche Änderungen. Mündlich
würden so wenig die altertümlichen Sprachformen gewahrt sein als die Einzel-
heiten einer längst vergessenen politischen Geographie. Dem entspricht es,
dass in der Prosaversion der Crm. gen. eine in der zweiten Hälfte sichtlich
etwas jüngere Form der Poema benützt ist. ^ Die äusseren Kriterien des Alters
entsprechen durchaus den inneren : wir besitzen im Wesentlichen das Lied
noch so wie es um die Mitte des 12. Jhs. oder kurz nach ihr gedichtet ist.
Nun kann man sich ein Epos ausschliesslich aus Zeitliedern entstanden
denken. Eine andere Grundlage bildet die Art der Überlieferung, bei welcher
Inselkelten und Nordländer stehen geblieben sind: Fragmente einer überwiegend
lyrischen politischen Gelegenheitsdichtung dienen als Gedächtnishülfen für die
Erzählung, und umgekehrt wären jene Gesänge unverständlich geworden, wenn
die Rede des Vortragenden sie nicht ergänzt hätte. In beiden Fällen wären hier,
wo die Ereignisse und Darstellung so nahe beinander liegen, noch Spuren der
Zeitdichtung zu erwarten, wie sie selbst noch Roland und Raoul in der Berufung
auf Gesänge der Mitkämpfer aufweisen. Nichts davon ist zu finden; der Dichter
folgt allem Anschein nach nur der Sage, nicht dem Sang. Über die ent-
lehnte Form s. oben 8. Sonderartig «ist die Einteilung in Gesten, oder, wie
die Cröti. gen. sagt, Cantares, ^ die indessen nur einen kleinen Schritt weiter
geht als die Formeln, welche auch in den französichen Epen stärkere stoff-
liche Abschnitte hervorheben.
16. Sanchos II. Ermordung vor Zamora, dem Erbe der Infantin Urraca,
hatte die panische Flucht seines Heeres nach sich gezogen; eine kastilische
Schaar schlug sich jedoch mit der Leiche des Königs durch. ^ Daheim ge-
' Im Besitz des Marques de Pidal. Schriftproben bei Monaci, Facsiuiili 6l — 64.
^ Das aber vielleicht auch noch der Vorlage entnommen ist. Der Streit darüber ob
die Änderung in 1207 vom Schreiber selbst herrühre schwindet angesichts der Hs.
' Cornu in Symbolae Pragenses, Wien 1893, S. 17. Die dort in Abrede gestellten
mechanischen Kopistenfehler sind evident z. B. 199 — 200, 571— 72, 1085— 86, 1146 — UöO,
1688—89. Auch die dort versuchte Heiniatsbestimmung kann ich nicht annehmen; das
Poema zeigt doch nicht die asturische (?) Assonanz g auf 0, sondern o auf üe aus g und
M + ^, Verrmuz, nties, fuer.
* Fo. 302 ff. Vgl. Milä 264. Dem Schluss ist eine Gesandtschaft des Sultans von
Persien und die zweite Hochzeit der Töchter des Cid angehängt. Auch diese Version kann
noch erheblich älter sein als Alfonso ; der König benutzte geschriebene Exemplare der Can-
tares: Siehe Part. II. 5, 20.
* V. 1085, 2278; vgl. 1618, 2763.
^ Motiachus Silensis 11 — 12. der einzige authentische Bericht.
398 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LlTT,
nügte das nicht, dfenn ganz ungerochen durfte eine solche That nicht bleiben;
die Flucht wurde vergessen , an ihrer Stelle entwickelte sich aus der festen
Haltung jener Tapferen der Zweikampf um Verrat zwischen Diego Ordonez
und den Söhnen des Arias Gonzalo, des Verteidigers der Stadt, der die edlen
Kinder eines um das andere opfert. Das Lied, auf welches sich die Crdn.
gen. in ausfuhrlicher Wiedergabe beruft, ' erzählte zugleich die Belagerung mit
ihrer Vorgeschichte, und wohl auch noch die Beeidigung König Alfonsos durch
den Cid. 2 Der Cerco de Zamora gehört in seiner kühn bewegten und doch
so gehaltenen Erfindung, die lebenswahr aus der wirklichen Geschichte er-
wächst, zu den wertvollsten Erbstücken der spanischen Heldenzeit. Für die
Späteren bildete er nur einen Teil des Cyclus vom Cid, während diesem im
Gedicht nur eine bedeutende Nebenrolle zukam. Er ist erst durch seine Ver-
bannung ein Volksheld geworden.
Von frühern Thaten Rodrigos nennt das Poema (1333) 5 Hdes campales^
versteht darunter allerdings Feldschlachten , folgt aber einer Tradition über
Einzelkämpfe, wie aus dem lat. Hymnus zu schliessen ist; einen derselben
kennt die Crön. ritnada, dreie die General, zweie eine Geschlechtstafel aus
dem Anfang des 13. Jhs. : eine Erinnerung also die sehr früh unvollständig
und unverständlich wurde. Viel mehr hat man offenbar über die Jugendzeit
nicht gewusst, aber der Wunsch entstand auch die Enfances kennen zu lernen,
und der luglar fand sie unter Benutzung eines alten Motivs. Der Silensis
(cap. 37) lässt Karl dem Kahlen die Eroberung des »diesseitigen Spaniens
bis zur Rhone« drohen ; Bennardo del Carpio hatte es nicht so weit gebracht.
An die Stelle des Karlsieges setzte man nun Rodrigo, für Alfonso Fernando, ^
behielt die Tributforderung des Kaisers bei und die Abhängigkeit des Herrn
vom Vasallen , liess aber den Heerzug über Pyrenäen , Rhone und Savoyen
nach Rom gehen , wo sich dann Kaiser und Pabst vor den Kastiliern ge-
ziemend demütigen. Das ist der Kern des zweiten der als solche erhaltenen
Epen, der sog. Crönica ritnada del Cid^^ oder, wie ihn Milä bezeichnet, des
Rodrigo^. Die einzige Hs.^ gehört dem 15. Jh. an, ist stark fehlerhaft und
am Schluss unvollständig. Die 1126 Verse sind durch ein kurzes Stück in
Prosa eingeleitet, das zu einer Art von epischer Vorgeschichte Kastiliens ge-
hört, welche zu den Thaten Rodrigos hinfiihrt: dem Tod des Grafen Gomez,
der Vermählung mit Ximena, Kämpfen gegen Christen und Mauren, und
endlich dem Romzug. Die General hat das Gedicht ausgezogen, aber in einer
anderen im Ganzen etwas älteren Version. Zunächst fehlte die Einleitung ;
was sich mit dieser berührt, zeigt nur die gegenseitige Unabhängigkeit, so die
Erzählung von der Wiederherstellung Palencias (fo. 278) gegenüber den Versen
49 ff., 707 ff. Auch weiterhin ist eine Reihe von Differenzen vorhanden,
wovon einiges auf Verderbnissen im Rodrigo beruht, der z. B. Rom und Paris
verwechselt, anderes auf Kürzungen die notwendig wurden, da die Chronik
einen jungen und schwachen Fernando und einen unbotmässigen Cid nicht
' fo. 293 ff-; Milä 262 ff.
- Alfonso in Toledo, so lebhaft die Episode bei Rodr. Tolet. und in der General
ausgeschmückt ist, scheint nicht gesungen worden zu sein.
' Ein y>Cantar que dizett del rey Don Fernando« hat in jener Zeit nicht existiert.
Was eine späte Chronik so nennt (Rios III, 49, Milä 203 und 28 1) ist einfach die be-
kannte Romanze Primavera 35.
* Hrsg. V. Fr. Michel, Wiener Jahrbb. II6 (1840), danach bei Du ran, Roman-
cero general II, 65 1 und Damas-Hinard in seiner CrVausgabe. Rios, I/isi. crit. de la
lit. esp. III, 72 ff. und Dozy, Rech. II, 85 haben dem Gedicht ein unhaltbar frühes Datum
beilegen wollen; vgl. neben Milä 254 ff- Ltbl. 1882, 401.
^ Nach der hier bevorzugten Form des Namens, gegenüber dem Ruy Diaz oder
Mio Cid des Poema.
* Morel- Fat io ,. CataL des AIss. espagnols, No. 3 18.
Epos. Cid. Cerco de Zamora. Crönica rimada. Cardena. 399
gelten lassen konnte: daneben bleibt genug um eine weiter zurückliegende
Scheidung erkennen zu lassen. In den hauptsächlichen Zügen aber sind beide
gleich. Das Gedicht dürfte seine jetzige Gestalt in der zweiten Hälfte des
13. Jhs. in der Gegend von Palcncia erhalten haben, von einem Redaktor
der Berceos Alexandre kannte (V. 659) und eine paraphrasierte Genealogie
verwertete. Die weitere handschriftliche Überlieferung war nicht so treu wie
bei dem Foefna, aber sie hat sachlich doch nur nebensächliche Verschiebungen
erzeugt, bewahrt den Standpunkt des 13. Jhs. selbst in ganz untergeordneten
Details. Neben dem Einfluss des Bernardo ist auch der des Poema zu be-
merken ; der getreue Maure Burgos de Ayllon z. B. ist ein Gegenstück zu
Abengalvon, Pero Mudo 845 ff", sehr unpassend entlehnt. Ausserdem wurden
Traditionen der verschiedensten Art verwertet; in dem Lazaruswunder (536 — 79)
steht Rodrigo für Fulco , Lazarus für Christus , Santiago für St. Martin von
Tours. Die Abhängigkeit von den alten Gedichten, der Umstand, dass die
Angabe des Cerco de Zamora über die gemeinsame Erziehung des Cid und
Urracas vergessen ist, weisen schon auf späte Entstehung; mehr noch die
Willkür der Erfindung, der Abstand von dem Poema in der Auffassung des
Helden und in der gesamten Denkweise und Darstellung. Das Erzeugnis der
sinkenden Juglarpoesie lässt sich nicht wohl vor den Anfang des 13. Jhs.
stellen. Sein Aufbau ist anekdotisch, nur auf JHäufung des Stofflichen ge-
richtet, ein roh komischer Ton wendet sich an eine niederstchende Hörer-
schaft. Zum Teil wird die poetische Geringwertigkeit durch das Interesse
ausgcgli<;hen , welches der materielle Reichtum in einer Menge von Rätseln
bietet. Die Crö/i. gefi. hat schon die Gestalt des jungen Cid der des alten
genähert; die spätere Dichtung entnahm ihrer Kompilation die entwicklungs-
fähigen Bestandteile.
17. Auch über das Ende des Cid, seiner Angehörigen und Gefährten
weiss die General^ zu berichten; Carderia besass die Leiche des National-
helden, sie that dort Wunder und noch Philipp IL wollte daraufhin die Heilig-
sprechung bewirken. Ein Mönch des Klosters fälschte auf den Namen eines
getauften Abenalfarax eine Ergänzung zum Poema. Der Klosterroman ent-
hielt neben albern legendarischen einige vortreffliche sagenhafte Züge, wie
den vom Todtensieg des Cid, vom Juden, der ihm den Bart griff, lässt
überhaupt bei dem geistlichen Verfasser einen guten Rest volkstümlichen
Denkens erkennen. Rodrigo und Fernan Gonzalez bezeichnen in verschiedener
Weise den Niedergang der epischen Dichtung; war der Abenalfarax kastilisch
geschrieben, so bedeutet er einen weiteren Schritt in derselben Richtung, den
Übergang zur Prosa. Endgiltig vollzogen wurde dieser als Alfonso der Weise
den gesamten Schatz der vaterländischen Tradition seinem Geschichtswerk ein-
verleibte. Vor der Crönica general verschwinden die Epen ; sie begründet die
Herrschaft der Prosa, auch der erzählenden Kunstdichtung gegenüber. Wir
besitzen von dreien der ausgezogenen Dichjtungen je eine späte Hs., von der
Chronik über 40. Ihr folgen natürlich die Geschichtsschreiber im 14. und
15. Jh.: die Masse der Romanzen geht unmittelbar oder mittelbar auf sie
zurück, nur bei sehr wenigen kann Unabhängigkeit vielleicht vermutet, bei
keiner bewiesen werden. Was sie über den Cid berichtete erlangte eine noch
verstärkte Verbreitung durch einen Auszug , die Crönica particular del Cid, ^^
welcher dem 16. Jh. massgebend ward.
1 fo. 359. Milä 266
* Hss. aus dem 15. Jh., erste Ausg. Burgos 1512(?) dann oft, zuletzt von Huber,
Marbg. 1844. Vgl. Milä 268. Die abweichenden Einzelheiten werden grösstenteils aus
den zum Teil altertümlichen Varianten in der Crdri. gen. stammen, t'ber die poetische
Nachkommenschaft des Cid s. Kestori, La gesta del Cid, Milano 18QO, Brockhaus,
Conversationüexikcni, 14. Aufl., Artikel Cid, Borman in Zts. f. vergl. Literaturgesch. 1893, 5.
400 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LiTT.
2. DIE KUNSTDICHTUNG.
18. Über die Formen der Kunstpoesic ist S. 389 gehandelt worden.
Ihre Pflege ruhte zunächst in den Händen der Geistlichkeit, und auch der
nur dem Namen nach bekannte Domingo Abad, welcher im neueroberten
Sevilla ein Gewerbe aus ihr machte, dichtete für die Kathedrale. ' Sie will
die Menge erbauen und belehren, bleibt daher auch bei historischen Stoffen
dem höfischen Wesen fremd. In der ersten Hälfte des XIII. Jhs. finden wir
sie in kräftiger Entwicklung, bei sehr einfachen Mitteln; Anzeigen einer älteren
Existenz fehlen. Die erhaltenen Denkmäler dieser Zeit zerfallen in drei
Gruppen, Mysterium, Übersetzungen aus dem Französischen oder Provenza-
lischen, und Gedichte der Cuaderna via mit überwiegend lateinischen Vorlagen
und gelehrtem Anstrich ; bei der letzteren scheiden sich wieder geistliche und
weltliche Stoffe. Einen wesentlichen Teil ihrer Aufgabe übernimmt unter
Alfonso X. die erzählende Prosa; damit hängt es zusammen, dass nur dürftige
Belege einer fortdauernden Übung von Berceo zu dem Archipreste hin-
überführen. Bei diesem lebt ein neuer Geist in den überlieferten Formen,
der eine weitgehende Umgestaltung der Lebenshaltung erkennen lässt, und
den Erwerb der Prosadichtung in sich aufgenommen hat. Die portugiesische
Hofpoesie, obwohl der XI. wie der X. Alfonso sie pflegten, bleibt in dieser
Periode noch ein fremdsprachliches Spiel. Erst in der zweiten Hälfte des 14. Jhs.
nimmt sie kastilisches Gewand an, bei Lopez de Ayala in Verbindung mit
der neuen Form der Arte mayor und einer wesentlichen Umgestaltung der
Prosa, so dass wir mit seinem Namen ein neues Kapitel beginnen dürfen.
19. Es konnte kaum ausbleiben, dass mit dem französischen Ritus auch
die in ihm heimischen dramatischen Feiern übernommen wurden ; ungefähr
gleichzeitig mit Deutschland folgte Kastilien dem älteren französischen Vor-
gang in der Anwendung der Volkssprache. Erhalten ist, neben dem abge-
lösten Fragment eines Osterspiels, nur die erste Hälfte eines Weihnachts-
mysteriums, das sog. Misterio de los reyes magos.'^ Eine ungeübte Hand der
ersten Hälfte des 13. Jhs. hat es ziemlich fehlerhaft auf die Rückblätter einer
Hs. der Kapitclbibliothek von Toledo geschrieben. Seine vier Scenen (Auf-
treten der Magier, ihr Zusammentreffen, Gespräch mit Herodes und Synedrium)
zeigen einen reichen metrischen Bau in 8, 12 und 6 Silbnern, wie ihn ähn-
lich französische und lateinische Stücke bieten ; die Vorlage dürfte indessen
lateinisch gewesen sein. Der Reim ist etwas unbeholfen , Auffassung und
Sprache kirchlich einfach, der Ort der parstellung Jedenfalls die Kirche. Ein
vorgeschrittener Standpunkt zeigt sich in der vollständigen Auflösung der litur-
gischen Bestandteile, altertümlich erscheint das Fehlen des Hirtenvorspiels,
das getrennte Auftreten der Magier, eigenartig die Entlassung der Weisen vor
der Befragung der Juden. Die Überlieferung der lateinischen Weihnachts-
spiele ist besonders dürftig, der gesamten Entwicklung des Dramas entsprechend
dürfte aber das Vorbild noch dem 12. Jh. angehört haben.
Inmitten seiner Marienklage wird Gonzalvo de Berceo ungewohnt
lebhaft, verlässt dies einzigemal den gemessenen Alexandriner um Str. 178 — 90
ein derb volkstümliches Grabwächterlicd singen zu lassen. Zweifellos hat er
diesen wie einige andere Zusätze zu seiner Quelle (,^ 21) einem Osterspiel
entnommen ; Gesang und Nebenumstände entsprechen dem Lied der auf-
1 S. Mihi S. 412.
- y/ib. f. r. tt. e. L. 1871, 44; Hart mann, Über das altsp. Dreikönigspiel, Lpz.
Diss. 1879; Diplomat. Abdruck von Baist, Erlangen 1887. Vgl. Zts. f. r. Ph. 4, 443.
Kunstdichtung: Dramat. Feiern. Übersetzungen aus d. Franz. 401
ziehenden Wache im lateinischen Osterspiel von Tours 1 (11. Jh.), der Anrede
der Juden an die Wächter im gleichzeitigen deutschen Spiel von Muri, dem
ständigen burlesken Judengesang der späteren deutschen Spiele. Wir dürfen
also ein kräftiges Leben der beiden ältesten Gestalten des liturgischen Dramas
im ersten Viertel des 13. Jhs. als gesichert betrachten. Hirten- und Passions-
spiel — representaciones — sind ausserdem in den Gesetzen Alfonsos X. (s.
Part. I, 6, 34) Kirche und Klerikern namentlich gestattet 2, während ^\^ juegos
por escarnio in und ausserhalb der Kirche untersagt werden. Dieser Ausdruck
ist etwas unbestimmt, er begreift satyrische Masqueraden in sich (Part. I, 6, 36),
sagt uns nicht ob die Farce litterarisch ausgebildet war. Über zweihundert
Jahre lang fehlt dann jede Spur dramatischer Aufführungen 3; es scheint, dass
das Mysterium, wie in Frankreich, seinen Platz in der Kirche verlor, aber
nicht, wie dort, auf den Markt hinaustrat. Einen Ersatz dafür boten Aufzüge,
welche einzelne Festgottesdienste und Prozessionen schmückten, sich in mannig-
fachen Formen lange erhalten haben, die Entfaltung des Auto im 16. Jh.
begünstigten. Ganz ausgeschlossen ist die Fortdauer der eigentlichen Spiele
nicht, aber sie kann nur eine sehr bescheidene gewesen sein : das zeigt schon
der kindliche Zustand in dem wir im Ausgang des 15. Jhs. das Weihnacht-
spiel bei Juan del Encina wiederfinden.
20. Erheblich tiefer als im Mysterio steht die Verskunst in einigen Über-
setzungen kleinerer Poesien in 8- und 6 Silbnern, die dem 13. Jh. angehören.
In der längsten darunter, der Vida de Santa Maria Egipciaca^ (^445 V.) ist
schon früh eine mehrfach variierte altfr. vie in 8 Silbnern erkannt worden,
welche in sehr notdürftigen Reimen und ohne alles metrische Verständnis
wiedergegeben wird: ein provenzalisches oder katalanisches Zwischenglied lässt
sich aus den Versen keineswegs so sicher erweisen als behauptet worden ist.
Ganz gleichartig ist das in derselben Hs. erhaltene Libre dels tres reys d' Orient^
(244 V.) eigentlich die Legende vom guten Schacher, mit unbekannter Quelle:
Der Titel ist katalanisch, der Schreiber und vielleicht auch der Bearbeiter
beider Stücke gehörte dem Grenzgebiet an. Eher dem Westen des Sprach-
gebiets dürfte das Fragment (74 V.) einer Dispiitatio Corporis et animae^ zu-
zusprechen sein, welches die Sechssilbner seiner französischen Vorlage nicht
sehr geschickt, aber ursprünglich doch metrisch korrekt wiedergiebt, und sich
dabei erhebliche Kürzungen erlaubt. Mehr unbeholfene Selbständigkeit zeigt
die in Aragon niedergeschriebene Kombination einer Romanze mit dem Debat
du vin et de F eau"^ . Der Schüler findet in einem Garten mit Quelle zwei
Gefasse voll Wasser und Wein stehen; eine Taube, die in der Quelle baden
wollte, scheut vor ihm, fliegt in das Gefäss mit Wasser und schüttet es über
den Wein, worauf der Streit der beiden anhebt. Dass eine Dame die Ge-
fasse aufgestellt hat giebt Gelegenheit die Romanze in die Einleitung einzu-
schieben, deren Motiv ist, dass Schüler und Dame sich schon geliebt, aber
noch nicht gesehen haben. Die direkten Vorlagen der 259 Verse sind nicht
* Lange, Lat. Osterfeiern S. 30.
2 S. Wolf, Studien, S. 578.
* In Katalonien allerdings erhielten sich in der Kathedrale von Gerona eine Reihe
von Aufführungen im 14. und 15. Jh. (Esp. sagr. 45, 17 — 23). Aber diese Kirche, die
auch sonst eigenartige Gebräuche bewahrte, stand in viel näherer Beziehung zu Frankreich
als zu Kastilien.
* Hrsg. V. J a n e r , Poetas ant. al s. XV, S. 307 ; vgl. M u ss a f i a , Wiener Sitztaigsber.
43, 153 und Jhrb. f. r. u. e. Lit. 1864 S. 42 1.
^ Hrsg. V. Janer, 1. c, S. 319.
" Hrsg. V. Octavio de Toledo, Zts. f. r. Ph. , 1878, 60, zugleich mit zwei
jüngeren span. Bearbeitungen. Vgl. Kl e inert. Über d. Streit zw. Leib u. Seele, Hall. Diss.
1H80, S. 58.
"^ Aufgefunden und veröffentlicht von Morel-Fatio, Ro7n. XVI, 344 ff.
CJrüber, Grundriss. IIb. 26
402 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LiTT.
bekannt, ihr Maass ist das ungenaue Wiederspiel des Achtsilbners. Es ist
sehr beachtenswert, dass bei einer kaum zu verkennenden Freiheit der Be-
handlung doch die fremdartige Unform beibehalten wird. Als Titel würde
sich aus dem Gedicht heraus empfehlen: Razon de amor y denuesto del vino
y del agua.
21. Gonzalvo de Berceo ist der erste benannte und zugleich der
fruchtbarste altspanische Dichter: wir besitzen von ihm über 20000 Verse.
Er war in dem Dorf geboren, das ihm den Namen giebt, wurde in der be-
nachbarten Abtei St. Millan (3 Stunden von Najera) erzogen und lebte in
dem oberen der beiden Klöster als Geistlicher, nicht als Mönch. Sein Name
fand sich dort in 12 Urkunden von 1220 — 1246; 1221 nennt er sich Diacon,
1237 Priester 1: anzunehmen, dass er noch lange nach 1246 gelebt habe
liegt kein Grund vor, das Schweigen der Urkunden spricht dagegen. Da er
sich in dem Leben der h. Oria alt und müde nennt mag seine Geburt 1 180 — 90
fallen. Nur eine seiner sämtlich der Cuaderna via angehörigen Dichtungen,
der Alexandre, hat einen weltlichen Vorwurf, die anderen behandeln geist-
liche Stoffe. 2 Dreie die Legenden von Heiligen, welche in näherer Be-
ziehung zu seinem Kloster standen. Die Vida de S. Domingo de Silos folgt
einer lateinischen Vita mit angehängter Mirakelsammlung 3; in der Estoria de
S. Millan ist die alte, dem Braulio (s. II i, 106) zugeschriebene Legende'*
mit der in § 11 erwähnten Ergänzung verbunden; die Vida de Sta. Oria nennt
als ihre anscheinend ungedruckte Autorität einen der Heiligen gleichzeitigen
Muno. Eine einheimische Redaktion des Laurentiuslebens lag dem Martyrio
de S. Laurenfio zu Grunde, wie die Angabe von Huesca'' als Geburtsort zeigt.
Von den Milagros de Nuestra Senora sind 21 einer der verbreitetsten lat.
Sammlungen entnommen*', drei einer anderen'^, nur das letzte ist spezifisch
spanisch, aber auch nach geschriebener Quelle. El duelo que fizo la virgen folgt
der verbreiteten dem h. Bernhard (s. II i, 337) zugeschriebenen Marienklage,
mit Benutzung der Evangelien und eines Osterspiels ^, De los signos del juicio
einer Version, die Petrus Comestor (s. II i, 189), Evangel. 141 nahe stand.
Selbst gefunden, so weit man die Aufschichtung biblischer Erinnerungen als
Erfindung bezeichnen kann, sind nur Los loores de Nuestra Senora und El
sacrificio de Id misa. Dazu kommen noch drei Hymnen aus einer der Hss.,
die einzigen rein lyrischen Gedichte in der Form der Cuaderna via, deren
Autorschaft allerdings bestritten worden ist. '-^ Über die Zeitfolge dieser Ge-
^ S. San che z, Coleccion de Poes. Cast,, III, XLIV — LVJ. Dass eine Urkunde von
1264, welche B. nennt, sich dabei auf die Zeit yor 1242 bezieht, ist dort vollkommen klar
gestellt. Dagegen irrte S. als er in dem verstorbenen König des letzten Marienwunders
Ferdipand d. Heiligen suchte; »senor d' Estremaduraa ist unterscheidend betont und kann,
trotz eines genealogischen Fehlers, nur Ferdinand IL von Leon meinen , der das Land er-
oberte und den Titel sich beilegte.
^ Hrsg. v. Sanchez, Col. Bd. II, Madr. 1779; v. Jan er, Poet. Cast. ant. al s. XV
S. 39—146, wenig verbessert. Über die verlorenen Hss. s. neben Sanchez, Sarmiento,
Memorias, 258 — 63. Bruchstücke der Vida de S. Dom. hatte schon J. de Castro, Glorioso
thaicmaturgo, Madr. 1688 veröffentlicht, das ganze Gedicht Vergar-a, Vida y milagros de
S. Dom., Madr. 1 736. Es mag angemerkt sein, dass an letzterer Stelle auch eine Sammlung
von Prosawundern des Heiligen, von Pedro Marin im Jahr 1293 verfasst, mitgeteilt ist.
* s. b. Vergara und bei Mabillon, 1073, 20. Dez.
* s. Rios I, 373.
6 Vgl. A. 55- 15- Aug.
8 Wiener Sitzungsber. II3, S. 937 ff-, No. 1 — 15 gleichlaufend, dann No. 31, 22,
23, 36, 27. 33-
■^ ib. S. 965, No. 41, 43, 60.
* Vgl. Wechssie r. Die roman. Marienklagen, Halle 1893 S. 19.
* Cornu, Rom. IX, 72. Über das Kriterium, den einsilbigen Gebrauch von rey, lässt
sich vielleicht hinwegkommen (Zts. f. r. Ph. IV, 472), da sei entschieden zweisilbig steht.
Kunstdichtung: Cuaderna via. Gonzalvo de Berceo. Alexandre. 403
dichte ergiebt sich aus ihnen selbst nur, dass Süz. Oria im Alter, die Marien-
klage gedichtet ist, als er schon Priester war, d. h. nach 1221, und vor ihr
die Milagros. Innerlich sind sie alle eng verwandt.
Gonzalvo erklärt selbst, dass er schreiben wolle wie der Nachbar zum
Nachbarn redet , seine Sprache ist einfach , absichtlich populär : er ist der
wohlmeinende Landprediger, der seiner Gemeinde die heiligen Stoffe nahe
zu bringen und so recht deutlich zu machen beflissen ist , und dabei auch
gerne die Aufmerksamkeit durch einen Scherz weckt. Rhetorischer Schwulst
in seinen Vorlagen fällt unbeachtet, die trockene Thatsache wird fromm-
realistisch belebt, weitläufig, naiv und trivial, mit recht wenig Phantasie. Nur
ausnahmsweise kommt schlichte religiöse Empfindung zu wärmerem Ausdruck,
nimmt eine Vision den Redner gefangen. Dem Leser bleibt indessen eine
freundliche Empfindung für den redselig redlichen Mann und seinen harm-
losen Humor, er behält ein klösterlich gefärbtes aber lebendiges Bild der
Persönlichkeit und ihrer Umgebung.
Diese besseren Eigenschaften konnten im Alexandre^ nur wenig zur Gel-
tung kommen; seine ca. loooo Verse können fast nur stofflich interessieren.
Dafür zeigt Berceo hier eine nicht unbedeutende Belesenheit; Gautiers von
Chätillon Alexandreis (s. II, i, 408) hat ihm, wie er es sagt, als Grundlage
gedient, daneben ist eine Version Act Historia de proeliis (s. II, i, 151), und
— bei unserem Dichter der einzige erweisbare, zugleich aber vollkommen
sichere Fall der Verwertung einer franz. Quelle — der Roman d^ Alexandre
benutzt. Ausschmückende Erweiterungen lieferten Isidor v. Sevilla, wahr-
scheinlich spanisch Flor und Blancheflor (s. § 10), wahrscheinlich französisch
eine Version des Schwanks vom Neidischen und Habsüchtigen, eines Dit sur
les itats du fnonde. Endlich erzählen 417 Str. den Trojanerkrieg nach Pindarus
Thebanus und einer Guido von Columna (s. II, i, 321) eng verwandten
Quelle, die später in der Crönica troyana Delgados (Sevilla 1509) wieder
auftaucht. Die Auffassung des Altertums ist selbstverständlich rein mittelalterlich,
mit den zwölf Pairs, Achill im Nonnenkloster u. s. w. , doch ohne höfische
Tendenz. Neben der Bedeutung, die der Alexandre als erstes kastilisches
Kunstepos besitzt, hat er vielleicht auch noch jene der Sprache die Form des
Vierzeilers gegeben zu haben. Sie erscheint in den Eingangsversen noch als
ungewöhnlich (s. § 8) ; und wir dürfen daraufhin zugleich das Gedicht als
das älteste Berceos betrachten. Ein auffälliger Segenswunsch für den König
von Sicilien in Str. 1228 2 legt den Gedanken an den Kreuzzug von 1228
sehr nahe. Übrigens ist der Vers, wie überhaupt bei B., bequem aber korrekt
gehandhabt, und auch die unvollkommenen Reime dürften vor der Textkritik
grösstenteils verschwinden. Für den, der sich einmal das Prinzip der fran-
zösischen Metrik klar gemacht hatte, war die Nachahmung nicht schwer, die
portugiesischen Kunstdichter hatten sie schon lange geübt.
Die Autorfrage war früher dadurch verdunkelt , dass in der einzigen
durch ihn leonesisch gefärbten Hs. der Kopist seinen Namen Juan Lorenzo,
natural (nicht -»Segura«) de Astorga am Schluss für den des Verfassers ein-
gesetzt hatte; sie ist erst entschieden worden, als neuerdings ein zweites Ms. 3
auftauchte.
2 2 . Fraglich bleibt allerdings ob der Aleocandre älter ist oder das Libre
* Ausg. V. Sanchez, Coleccion de poes. cast. t. III, Madr. 1782; von Jan er, Poet,
ant. al s. XV, 147 — 224. Eine Neuausgabe wird von A. More 1-Fatio vorbereitet. Vgl.
dessen eindringende Untersuchung über das Gedicht in Rom. IV, 7 — 90.
^ Gerade der lat. Vorlage gegenüber {Rom. IV, 14) ist er doppelt auflFällig.
2 S. Rom. Forsch. VI. 292.
26*
404 LirrSRATÜRGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LiTT,
A
de Apollonio ^, da auch für dieses (sprachlich 2 gleichzeitige) die Form der
Cuaderna via noch eine neue war. Es ist eine ziemlich einfach gehaltene
Bearbeitung der vielgelesenen Historia Apollonii regis Tyri (s. II, i, 178, 429)3;
ihre ganze ländlich-sittliche Art der Berceos nahe verwandt, ohne dass sich
indessen eine Abhängigkeit erweisen liesse. Die Fabel passt ihrer Natur nach
besser in das neue Gewand als der Alexandre^ dieser behält aber seine litterar-
historische, bestimmende Bedeutung, auch wenn wir ihn als den jüngeren be-
trachten. Wir haben seinen Einfluss in der Crönica rimada del Cid bemerkt;
er wurde noch im 15. Jh. zitiert (Marques deSantillana) benutzt (Crönica
de Pero Nim) und kopiert. Unmittelbar an ihn schlössen sich die uns nur
durch ihre Erwähnung beim Marques de Santillana bekannten Votos del
Pavon, eine Bearbeitung des französischen Gedichts von Jacques de Longuyon:
und an ihn lehnt sich das seines nationalen Stoffes wegen in ^ 11 besprochene
Poema del Conde Fernan Gonzalez. Dass eine weitere Entwicklung in dieser
Richtung nicht stattfand ist eine Folge der Entfaltung der Prosadarstellung
und nicht der inneren Unruhen, von welchen allerdings die spätere Regierungs-
zeit Alfonsos X., jene Sanchos und Ferdinands IV., sowie auch die Anfänge
Alfonsos XL erfüllt waren. Nur unter Ferdinand IV. haben diese einen land-
verderberischen Charakter angenommen. Aus diesem Zeitraum sind nur zwei
unbedeutende Denkmäler der Cuaderna erhalten. Ein Kleriker, der uns dabei
mitteilt, dass er als Benefiziat von Ubeda auch eine Magdalenenlegende gereimt
habe, verfasste die Vida de S. IldefonsoA Sie enthält einige den gedruckten
lateinischen Viten ^ fehlende Elemente, ihren -wichtigsten Teil bildet das erste
der Marienwunder Berceos. Die 274 Strophen sind in einer modernen Ab-
schrift unglaublich schlecht überliefert, auch die Angabe des Verfassers über
seine Zeit ist verderbt, so dass sich nicht sicher feststellen lässt, ob er sich
unter Alfonso XI. oder in die Anfänge Ferdinands IV. stellt; wahrscheinlich
ist indessen das letztere. Verbreiteter war ein nur unvollständig ediertes Lehr-
gedicht, das sich, man sieht nicht recht weshalb. Las palabras que dixo
Salomon ^ nennt und in verkürzter Gestalt " im Cancionero des Martinez de
Burgos Aufnahme fand. Es handelt vom Tod und den Sünden der Welt,
mag durch Ecclesiastes I inspiriert sein ; als einziger Anhaltspunkt für eine
Zeitbestimmung müssen die Fehler der Hs. fin. sec. XIV dienen, welche eine
weitläufigere Überlieferung anzeigen. Mit dem Pero Gomez, welchem es
Rios zuschreiben wollte, hat es Nichts zu schaffen.
Weil sie einiges Unheil angerichtet hat mag hier noch eine scherzhafte
Erfindung von Antonio Sanchez erwähnt sein, die er seiner Berceoausgabe
angefügt hat, El loor de Gonzalo de Berceo. Zur selben Litteraturgattung ge-
hören die dreizeiligen Alexandriner auf den Rey Sabio bei Rios, IV, 52,
Anm. 2.
23. Auch Berceo, so friedlich er ist, steht noch unter dem Eindruck
des Existenzkampfes mit den Mauren. Die erste Hälfte des 13. Jhs. hat diesen
entschieden, die Gefahr der Invasion vom Norden genommen, und das hoch
1 Hrsg. V. Pidal i. d. Revista de Madrid, 1840; v. Janer, Poet. ant. S. 283.
2 Zahlreiche Aragonismen im Text dürften auf Rechnung des Schreibers zu stellen
sein. Die Hs. fin. s. XIII enthält auch die Maria Egipciaca und die Tres reys d'Orient
(§ 20). _ - .
* Ausg. von Riese, Lpz. 1893. Die jüngere der beiden dort mitgeteilten-Rezensionen
ist die benützt2.
* Hrsg. V. Jan er, Poet. cast. 323. Vgl. Rios, IV, 60 Anm. 2.
5 Mabillon II, 493, A.SS. 23. Jan., Esp. Sagr. VI, 482— 506.
« Vgl. Rios IV, 52—59, wo 12 Str. mitgeteilt sind, und Rom. X, 300.
■^ Abgedr. bei Tickno r- Julius II, 674 und ungenau in Opüsculos literarios de Ics
siglos XIV— XVI, Madr. 1892, S. 364-
Kunstdichtung: Cuaderna via. Apollonio. S. Ildefonso etc. JuanRuiz. 405
kultivierte Andalusien erworben. Die Rückwirkung auf die Stammlande blieb
nicht aus , in Städten und Städtchen hoben sich Handel und Gewerbe , mit
ihnen die Landwirtschaft, Wolltuche und Seide gingen auf den ausländischen
Markt. Mächtige Dombauten bezeugen den wachsenden Reichtum, Salamanca
tritt (1255) in den Dienst der Gelehrsamkeit, die Fürsten wetteifern in der
Pflege volkssprachlichen Wissens. Die Kunst des Lesens verallgemeinerte sich;
der Knecht des Archipreste las schlecht, aber er las. Auch dieser Um-
stand trug dazu bei dem am Herrenhof verachteten Juglar 1 seine Bedeutung
für die unteren Klassen zu nehmen; im 14. Jh. treibt er noch »cazurrias«
und singt -»dulces cantares«, aber die Benennung verliert nach und nach ihren
alten Sinn, sinkt zu dem des Possenreissers herunter. Darum fehlte der Strasse
keineswegs das Lied ; der Eigengesang des Volkes lebte, - welcher Art er ge-
wesen sein mag und er wird allmählich das System der Silbenzählung an-
genommen haben. Der Neigung singen zu hören diente ein zahlreiches
Völkchen, das bei dem zunehmenden Wohlstand seine Nahrung fand. Danzas
und troteras für Jüdinnen und Maurinnen (und für »entendederas«), Lieder für
Blinde und nachtlaufende Schüler hat, unter Alfonso XL , mehr als auf zehn
Bogen gehen würden, Juan Ruiz der Erzpriester von Hita^ verfasst. Davon
sind nur vier Schülerlieder* halb zufällig erhalten; in sem Buch nahm der
Archipreste selbst die Fliegenden Blätter nicht auf Aber die wenigen Be-
lege knüpfen den Faden wieder an , den wir bei der weltlichen Kleriker-
dichtung in ^ 20 verloren, zeigen uns volkssprachliche Lyrik erwerbsmässig
in einem Kreise gepflegt, auf den die portugiesischen Melodien des Hofes
Einfluss gewinnen mussten. Juan Ruiz verdankt den Vorgängern auf diesem
Gebiet einen Teil seines metrischen Reichtums, aus der Königsprosa kam ihm
die Form der Rahmenerzählung und die didaktische Tendenz, in welche er
seine Schalkheit verkleidet. Sein Buch — el libro de buen amor nennen wir
es mit dem Epilog — ist auch äusserlich das eigenartigste Erzeugnis der alt-
spanischen Litteratur; eine Sammlung oder vielmehr Auswahl seiner Dichtungen,
die er zu einem losen Gewebe verbindet, dessen Einschlag sein persönliches
Liebestreiben, genauer seine Persönlichkeit selbst, bildet. Nach einleitenden
Liedern an Gott und Maria, setzt er sich in Prosa und Vers mit Leser und
Gewissen auseinander. Klärlich hat er sein Buch nicht verfasst um zum
Übel anzuleiten, es dient als Spiegel, um sich davor zu hüten; wenn aber
jemand der närrischen Liebe der Welt fröhnen will , was nicht empfohlen
werden soll, so findet auch der darin nützliche Anleitung; es dient beiden,
dem Weisen und Thoren : da Juan Ruiz ein Mensch ist wie andere Sünder,
hat auch er oft geliebt. Das ist nun ziemlich ernst gemeint; der Archipreste
nimmt einfach für sich dieselbe »Moralität« in Anspruch, mit der man her-
kömmlicher Weise seinen Freund Ovid entschuldigte. Auf einige Liebes-
' Über seine Stellung unter Alfonso X. s. d. Zitate aus den Partidas Mi Li 416;
dazu noch Pari. IV, 14, 3. Ihre Bedeutung liegt weniger in der vom römischen Recht
übernommenen Unehrlichkeit des Spielmanns, als darin , dass die Cantares gelesen werden
wie ein anderes Buch.
^ Sicher überall die Tanzverse, wie heute, in einzelnen Gegenden neben Reimsprüchen
vielleicht die einzige Form. Volkstümlich, abernicht ein Volkslied ist der § 19 besprochene
Gesang der Grabwächter. Über die Romanzen s. b. der folgenden Periode.
' Hrsg. V. Sanchez, Coleccion, T. IV, Madr. 1790, mit Kürzung der anstössigen
Stellen; vollständiger von Jan er Poet, ant., S 225—82, doch auch noch mit sehr mangel-
hafter Benützung der 4 Hss. So hat er z. B. nicht bemerkt, dass nach 739 6 Strophen
fehlen, 32 nach 755, ebensoviel nach 851, und. nach 425, 16 Strophen ausgelassen sind.
* Die Estudiantina, wie sie noch heute Abends umzieht, wenn auch ohne Studenten.
Ebenso singt noch der Blinde, Geistliches und sehr Weltliches. Das Schema der Schüler-
lieder ist bei zweien Thema mit Rundreim : rr, aaar, bbbr ; bei einem ababab ; bei einem
aabbcc; sämmtlich in Siebensilbnern.
4o6 LiTTEKATURGESCHICHTE DER KOMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LlTT.
abenteiier folgt, durchflochten von »Beispielen« aus Joseph und anderen, ein
Streit mit Amor und Belehrung durch ihn und seine »Frau« Venus, frei nach
der Ars amatoria, und eine glänzende Bearbeitung von Paniphilus de amore
(s. II, I, 427); mit Don Melon, wie er den Protagonisten nennt, identifiziert
sich zugleich der Dichter, die Kupplerin Trotaconventos ist zu einem bleiben-
den Typus umgeschaffen. Von da ab spielt nun diese eine Hauptrolle, in
einer Reihe von Liebeshändcln, u. a. mit einer Maurin und einer Nonne;
zwischen hinein Apologe, Pastorellen (Cänticas de Serratia) burlesken Charakters,
auf Kosten des Dichters und der derbschlächtigen Sennerinnen ; Marienlieder,
eine originelle Version des Dcbat de Quaresme et de Charnage mit einem Streit
der Stände um die Bewirtung Amors und Bildern der zwölf Monate; ein
sprechendes Selbstporträt, der Tod der Trotaconventos und ihre Leichenrede,
die abgekürzt wird , um vom I.ob des kleinen Sermons auf das höchst an-
mutige der kleinen Frauen überzugehen ; eine verunglückte Liebessendung des
Dieners mit den 14 guten Eigenschaften; der Epilog und noch vier Marien-
lieder.
All das gibt nur einen schwachen Begriff von der Mannigfaltigkeit des
Inhalts der gegen 7000 Verse, und ebenso mannigfach ist die äussere und
innere Formgebung, bald klassisch einfach, bald launisch überreich. In buntem
Wechsel zieht vorüber was er genossen und geschaut hat, Schilderung und
Erzählung, Geschehenes und Erfundenes, voll Farbe und unmittelbaren Lebens;
inmitten der Archipreste selbst, der sich rückhaltlos giebt wie er ist. Die
Verbindung der I>ebenslust und Leichtfertigkeit mit einer hoch überlegenen
Beobachtungsgabe, die Unbefangenheit, mit welcher er in einem Treiben auf-
geht, das eigentlich unter ihm steht, das Nebeneinander des intakten Glaubens
und des Epikuraeismus vertiefen das Bild der Menschen und der Zeit, giessen
über das Ganze eine höhere Ironie. Wie Geist und Erfindung steht auch die
Sprache weit über allem das die alte kastilische sowohl als portugiesische
Poesie hinterlassen hat.
Die Maasse sind in erster Linie noch der alexandrinische, daneben in er-
heblicher Ausdehnung der 14 silbige Vierzeiler; ausserdem noch 18 verschiedene
lyrische Strophen in über 600 Versen, 7, 6, 4, 5 und 14 silbig, der eingemischte
Dreisilbner mit obligatorischem v/eiblichem Ausgang , die Mehrzahl religiös,
die andern meist burlesk, einige ziemlich künstlich, aber alle fasslich singbar.
Diese Formen stammen direkt oder indirekt aus der Hofpoesie , eine andere
Beziehung zu ihr ist nicht vorhanden. Stark und unmittelbar bleiben dagegen
jene zu Frankreich. Dass sein Ysopete, nach dieser Benennung zu schliessen,
französisch war, ebenso wie sicher mehrere andere seiner Vorbilder \ kommt
weniger in Betracht, die fremden Stoffe werden bei ihm durchaus kastilisch
und persönlich. Es ist der Geist des französischen 13. Jhs. , der in seiner
ausgeprägten Individualität wieder auflebt, niemand ist ihm näher verwandt
als Meister Adam von Arras.
Nach einer doppelten Datierung des Epilogs scheint es, dass Juan
Ruiz sein Buch 1330 redigierte und 1343 einige Stücke hinzufügte, während
er auf Befehl des Erzbischofs Aegidius von Albornoz (1339—52) in Toledo
gefangen sass. Eine der uns in einer Hs. überlieferten Extravaganten, der
überlustige Angriff auf die Kanoniker von Talavera, dürfte sich auf das erste
1 Vgl. über sie die ausgezeichnete Untersuchung von F. Wolf, Studien, Berl. 1859,
S. 99 ff.; einige Ergänzungen dazu finden sich bei P u y maigre, Les vieux atitetirs castillans,
Nouv. ed., II, 257 ff. Die vom heutigen Standpunkt nötigen Ergänzungen hinzuzufügen ist
hier kein Raum. Es mag nur bemerkt sein, dass der Schwank von Fitas Payas, dem bre-
tonischen Maler (Däne bäte bei Lafontaine) mit seiner IMinntasiesprache ein Fablei in der
Art des Renart jongleor, des Frivilige aux Bretons und ähnlicher voraussetzt.
Kunstdichtung: Juan Ruiz. — Prosa. Anfänge. Fuero juzgo. 407
Kapitel der Synode von Alcala (April 1347) beziehen. Im Jahre 1351 fand
Sanchez urkundlich einen anderen Erzpriester in Hita. Nach dem Archipreste
verdrängen andere Einflüsse den der gesunkenen französischen Litteratur, und
er st^lbst erschien den Reimern des 15. Jhs. nicht mehr nachahmenswürdig,
obwohl ihn der Marques de Santillana und Ferrand Manuel (Can(. de
Baenä) kannten. Dafür schloss sich unmittelbar an ihn der Corbacho des
Erzpriesters von Talavera, an diesen wieder die Celestina , welche ihrerseits
eine weittragende Wirkung u. a. auch auf Cervantes gehabt hat: seine Tia
fingida, die Alte in Rviconete y Cortadillo sind Enkelinnen der braven Trota-
convcntos.
B. PROSA.
24. Romanisch für Lateinisch tritt in der Prosa ein, wie die Prosa über-
haupt in die Schrift tritt, platt zweckmässig, unkünstlerisch, in Spanien (g 7)
zunächst in Gesetzen und Urkunden. Während der Zeit Ferdinands III.
des Heiligen, des Eroberers Sevillas und König von Castilien und Leon dringt
es in den Privaturkunden und den königlichen Kanzleien Castiliens, Aragons,
Navarras und Portugals allmählich vor , unter ausschliesslicher Anwendung in
der castilischen Kanzlei seit Alfonso X. 'In derselben Periode finden sich
die ersten vulgärsprachlichen chronistischen Aufzeichnungen , die sog. Anales
Toledanos I, welche von Christus an die lateinischen Complutenses (s. II i, 317)
erweitern, u. a. durch das Datum der Artusschlacht von Camlan, am Schluss,
bis 12 19, aus persönlicher Anschauung, in Toledo abgefasst, ebenso wie
zwischen 11 44 und 50 die Anales Toled. IL ^ Nach 12 17 und vor 1223
sind paraphrasierte Genealogien der Häuser von Kastilien, Navarra, Frankreich
und des Cid'^ niedergeschrieben, welche in der französischen Königsliste un-
zweideutige Gallicismen aufweisen. Der Ausdruck ist durchweg dittologisch
unbeholfen , auch wo er lebhafter zu werden versucht. Über eine ausführ-
liche spanische Geschichte 763 — 1256, zu welcher die Esp. sagr. XXIII,
410 — 12 gedruckten Annalen gehören, fehlen brauchbare Angaben ^''; sie hängt
jedenfalls mit Rodericus Toledanus zusammen, vielleicht mit einer der beiden
noch voralfonsinischen Übersetzungen +, jener der Historia Gothica, die Rios
ohne einen Schatten von Berechtigung dem Erzbischof selbst beilegt, oder
der 1256 gefertigten seiner sämtliclien Chroniken. Als Fernando 1241 Cor-
doba die Lex Visigotorum zum Fuero gab , ordnete er zugleich die An-
fertigung einer Übersetzung, des Fuero juzgo^ an. Das gleiche ist offenbar
um dieselbe Zeit bei einer Anzahl anderer, vorwiegend leonesischer Städte
geschehen, unter Anwendung des örtlichen Dialekts, während dieser weiterhin,
abgesehen von dem selbständigen Navarra und Aragon , auch in den Privat-
urkunden allmählich zurücktritt. Das politische Übergewicht des kastilischen
Elements datiert im Grund von der Eroberung Toledos, und Leon verlor die
Ansprüche, welche er noch erheben konnte, unter seinem Teilkönig Alfonso IX.
1 Esp. sagr. XXIII, 381 ff.
' Florez, Memarias de las reynas catölicas , Madr. 1790. I, 492; Risco, La
Castüla, App. IV. Rios III, 409 nennt sie Linages de los Heys. Über zwei weitere un-
gedruckte Annalen aus jener Zeit s. ib. 405 und 407. Über die gefälschte Estoria de Conca,
vorgeblich von 1212, Munoz y Romero, Diccion. bibliogr. 108.
* Rios III, 427; Ewald im Neuen Archiv VI, 321. ^
* Estoria gotica, hrsg. v. Lidforss in Lunds Univers. Arsskrift T. VIII. Vgl.
Rios, III, 421 u. 428.
* Fiuro juzgo en latin y castellano, cotejado p. la R. Academ. Espaiiola, Madr. 1815.
Trotz erheblicher redaktioneller Differenzen gehen alle bekannten Hss. offenbar auf eine
Version zurück. Alte von der Akad. nicht benutzte Hss. des sprachlich' wichtigen Buchs
in Lissabon, Madrid (Jesuitenkolleg), Paris, München.
4o8 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LiTT.
Die Erlasse Fernandos sind daher kastilianisch , auch wenn sie sich an leo-
nesische Städte richten und selbst wenn ein Zamoraner der Schreiber ist.^
Der König hat mit Beihilfe seines Sohnes das von diesem vollendete ency-
klopädische Septenario begonnen, und, wohl auch unter dessen Einfluss, eine
einheitliche kastilische Gesetzgebung geplant. Der eigentliche Gewinn seiner
Regierung ist die feststehende Kanzleisprache, das Werkzeug für die erstaun-
liche Thätigkeit seines Nachfolgers. Diese war für ein Jahrhundert maszgebend;
in engem Anschluss an ihn pflegt die Herrscherfamilie die didaktische und
historische Litteratur , die religiöse ist wenig bedeutend , die Fiktion bleibt
noch in Übersetzungen befangen : nur die Rahmenerzählung wird zuletzt in
Juan Manuel selbständig, gleichzeitig vielleicht mit den ersten einheimischen
Romanen.
25. Alfonso X., el Sabio, der Weise, geb. 1230, seit 1237 der
erste Diener seines Vaters, trat 1252 das erweiterte und gefestigte Reich
unter den glänzendsten Aussichten an, begabt, erfahren in Regierungsgeschäften
und wafifentüchtig. Ein dem nächstliegenden abgewandter theoretisierender
und schwankender Sinn liess ihn , nach dem Zerstieben seines verderblichen
Kaisertraumes, 1284 im abgefallenen Lande sterben. Dem Lande blieb der
Same der Zwietracht; zugleich verdankt es aber dem König die mächtigste
Förderung seiner geistigen Kultur.
Alfonsos geistliche und weltliche Lyrik (S. II, 2, 184) gehört ganz 2 der
galizisch-portugiesischen Fremddichtung an ; sie zeichnet sich viel mehr durch
Umfang als Gehalt aus, und ist geschichtlich minder wichtig als seine leitende
Thätigkeit in der Einführung fremden , besonders astronomischen ^ Wissens.
Sie erstreckt sich über die ganze Zeit seines schriftstellerischen Wirkens; 1241
erwarb er die arabische Vorlage der 1246 übersetzten, stark astrologischen
Steinbücher, ^ 1279 sind die Formas e imagenes de los cielos abgeschlossen.
Eine ganze Reihe jüdischer und christlicher Gelehrter, auch einige Araber
sind dabei verwendet; bei den Neuarbeiten (Instrumente und Hilfsmittel),
Compilationen und Übersetzungen, die durchaus auf den Arabern fussen, be-
teiligte sich der König erheblich über Auftrag und Auswahl hinaus. Er be-
stimmte, nach dem Vorwort der Tablas Alfonsls^ über Kapiteleinteilung,
verfasste den grösseren Teil der Prologe, und vor allem hat er, wie im
Vorwort zum Libro de la Esfera gesagt ist , stilisiert und sprachlich aus-
geglichen. 6 Bezeichnend ist , dass er eine erste unvollkommene Über-
setzung des Libro de la Azafeha 1277 durch eine neue ersetzen liess. Bei
' Petrus Petri Zamorensis scripsit era J2y8 (= 1240) , B u rr i e 1 , Memorias para la
vida del santo rey S. 5II.
- Mit Ausname vielleicht des kurzen span. Fragments Ganz. Colocci-Branc. 363.
Dasselbe zeigt die Berceo eigene, dialektisch zu verschiedener Zeit, und zwar schon im
Alisterio and Fernan Gonzales verschobene Betonung dtos , welche bfi Alfonso befienidet,
lind an scherzhafte Anwendung des Dialektes der Maitresse denken l.ässt.
•* Risco y Sinobas, Libros del Sabor de Astronomia del Rey Alfonso X. Madrid
1863 — 67, 5 voll. Fol. Trotz ihres Umfangs ist die Publikation noch nicht erschöpfend;
vgl. Rios III, 629 ff. Vgl. auch Wolf, Gesch. der Astron., München l877. S. 78 u. 205.
Die näheren Angaben über eine Akademie von über 50 Gelehrten, die A. nach Toledo be-
rufen h.ltte, über die Kosten, 400000 Goldstücke etc. sind Erfindung.
* Unediert; s. Castro, Bibliot. I, 104. YAx\ von Vollmöller, Heilbr. 1880
herausgeg. kleines span. Steinbuch (Marbod) gehört nach Sprache wie Hs. dem 15- Jh. an,
ein älteres Lapidario ist von Gallardo, Etisayo 8 14 kurz analysiert.
^ Venedig 1483 und oft in latein. Übersetzung (II, 1, 256); nicht bei Risco. Sie
blieben lange massgebend.
^ E despues lo enderezo e mando componer este rey sobredicho, e tollo las razones que
entendio qne eran sobejanas e dobladas e que non eran en castellano derecho, e puso las otras
que entendio que complia, e quanto (n el lenguage ender czolo el por si.
Prosa: Alfonso el Sabio. 409
der wissenschaftlichen Leistung, die über Spanien hinaus von Bedeutung war,
komnnt ihm die Initiative zu , das litterarische Verdienst gehört ihm ganz.
Nur aus dem Prolog zu Juan Manuels Jagdbuch wissen wir von Übersetzungen
des Alcoran, der Mischna (ley de los judios)^ Gemara (talmud) und der Kabala ;
über die der Bibel s. u. Auf seinen Befehl und unter starker persönlicher
Mitwirkung ist ferner das wichtigste der mittelalterlichen Spielbücher 1 ge-
schrieben, Schach, Würfel- und Brettspiel umfassend , leider noch immer un-
ediert. Auffallend gering erscheint seine Anteilnahme an der Übersetzung von
Calila und Ditnna 2 aus dem Arabischen , die er 1 2 5 1 in Auftrag gab ; das
Buch war ihm nicht gelehrt genug.
Während hier die Anteilnahme des Königs durch eine Wendung wie
mandö fazer ausgedrückt wird, bezeichnet er sich in dem Gesetzwerk der Siete
Partidas, seiner spanischen Chronik und dem encyklopädischen Septenario aus-
drücklich als Autor, womit natürlich die dienende Beihilfe anderer nicht aus-
geschlossen ist. Dem Versuch Spanien ein einheitliches romanisierendes und
philosophierendes Gesetzbuch zu geben , hat zunächst der im Auftrag unter
starker persönlicher Beteiligung vor Juni 1253 abgefasste Espejo de todos los
derechos^ dienen sollen, ohne irgendwo Geltung zu erlangen. Auch das grosse
1256 — 63 vollendete Werk der Siete Partidas,^ wie es nach seiner vom
Akrostichon des eigenen Namens bestimmten Einteilung heisst , hat zunächst
gar keine und auch auf den Cortes von 1348 nur supplementaire Annahme
gefunden. In der That ist die umfassende Übertragung römischer und dekre-
taljstischer Bestimmungen und Anschauungen auf die bestehenden Verhältnisse
juristisch missglückt, die Brauchbarkeit schon durch die Breite aufgehoben, in
welcher Reflexion und Staatslehre sich eindrängen. Auch bei der Benutzung
als kulturhistorische Quelle müssen wir auf die Tendenz achten. Diese aller-
dings steht im Einklang mit der Zeit , erfüllt ihre gelehrten Ideale , und die
Einwirkung der Partidas ist daher in Spanien in Moral , Staatslehre , Rechts-
philosophie auch noch über das Mittelalter hinaus zu bemerken. Inhaltlich
und als sprachliches Vorbild waren sie für die Folgezeit kaum minder wichtig
' S. Castro, Bibl. II, 650; Rios III, 549; Brunei y Bellet, El Ajedrez,
Barcel. 1890. 243.
* Hrsg. V. Gayangos, Escrit. en prosa ant. al siglo XV, S. 1 ff. Das Alter der
Angabe über das Patronat wird eben durch die Differenzen der Hss. (ib. S. 4) gesichert.
Wäre sie nur eine spätere Vermutung, so würde auch nicht auf den Infanten, sondern auf
den König geraten worden sein. Daran ändert Nichts dass A. in seiner allgemeinen Welt-
geschichte ein Stück des Rahmens nur nach dem Gedächtnis erzählt (Rios III, 600). Über
die seit 1493 achtmal gedruckte spätere Version aus dem Lateinischen, das Exemplario contra
los engdhos del mundo s. b. Gayangos S. 5-
' Vgl. Schirrmacher, Gesch. v. Spanien IV, 352. Hrsg. mit dem Fuero Real,
den kleineren Leyes de los Adelantados, Nuevas Leyes (Komplementen zum Fuero Real),
Ordenamiento de las Tafurerias (1276, Strafbestimmungen über Spiele und Spielhäuser)
u. d. T. Opüsculos legales del rey D. A. X. 1836 in 2 Bdn. von der histor. Akademie.
Eine alfonsinische Urkundensammlung s. im Memorial histarico B. I. II. Das Fuero Real,
zeigt auch die doktrinäre Art Alfonsos , ist aber ein brauchbares Partikularrecht , das seit
1 25p, einer Reihe von Städten verliehen wurde. Es dürfte das älteste der Gesetzwerke sein,
da im ersten der Nuevas Leyes, ebenso wie im Espejo, der König den seit 1 25.3 von ihm
angenommenen Titel von Algarve noch nicht führt, wenn er sich auch naturgemäss in den
späteren Verieihungsdekreten findet. Das Fuero Real ergänzen und interpretieren Sanchos IV.
Leyes del Estilo (in den Opüsculos). Den Vorschlag eines Landesgesetzbuchs anwendbarer
Art hat der Bastardsohn Alfonsos, Alfonso Fernandez, gest. 1281 (?) ausarbeiten lassen
(Castro 1,258; Memorial historico Bd. 2). Seitdem Scheitern jener sehr unvollkommenen,
aber berechtigten Versuche sind sie in Spanien nicht wiederholt worden. Das Land er-
freut sich heute fa.'t ebenso verwoirener Rechtszustände wie Britannien, nur unter er-
schwerenden Bedingungen.
* Von den zahlreichen Ausgaben seit 1491 ist die der histor. Akademie von 1807
in 3 Bdn. hervorzuheben. Alfonso scheint sich den Titel als Libro de las Leyes gedacht
?u haben, nicht aber, wie auch angegeben wird, als Septenario.
41 0 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LlTF.
als die für uns bedeutendere Crönica general, richtiger Historia oder Crönica
de Espana, ^ welche die spanische Geschichtschreibung monumental eröffnet.
Anregung und Grundlage gaben die älteren Zeitgenossen des Königs, Lucas
Tudensis und Rodericus Toledanus (s. II, 1,317), die er in seiner Weise
vervollständigt. Von den vier Büchern der Ausgabe erzählt das erste von
Anbeginn der Welt die alte Geschichte des Landes, überwiegend die der
römischen Kaiser , nach den meisten damals erreichbaren im Prolog aufge-
führten Quellen, das zweite die gotische, das dritte geht bis auf Fernando L,
das vierte 2 bis zum Tod Ferdinands III. Von arabischen Hilfsmitteln ist, so-
weit erwiesen, nur der Koran für das Leben Muhamets, und eine Erzählung
der ersten Eroberung Sevillas benützt. Für die vom König selbst erlebte
Zeit ist die Chronik eine wichtige Quelle, dass sie den älteren Berichten
gegenüber möglichst wenig Kritik zeigt hat sie zu jener Fundgrube spanischer
Epik gemacht als die wir sie S. 390 — 99 eingehend kennen lernten. Ihre
Darstellung ist überall , wo der Stoff" es zulässt , die eines Epos guter Zeit,
durchdrungen von der Freude an der elementaren Poesie der Geschichte,
unpersönlich auch im Selbsterlebten. Die Zeit der Abfassung fallt wohl in
die erste Hälfte der Regierung des Königs, da ein folgendes, noch umfassen-
deres Unternehmen sich auf sie beruft, die unedierte Grande y General Historia.^
Nach ihrer Anlage war diese bestimmt das umfassendste Geschichtswerk des
Mittelalters überhaupt zu werden : Alfonso hat um den unförmlichen Mittel-
punkt einer vollständigen Bibelübersetzung^ angehäuft, was, lateinisch und
auch aus arabischer Legende, ihm über das Altertum überhaupt bekannt war.
Wie bei den französischen paraphrasierten Bibeln , ist Petrus Comestor (s.
II, I, 189) benützt, stärker aber scheint die Bekanntschaft mit Gottfried's
von Viterbo Pantheon (s. II, i, 404) eingewirkt zu haben. Von den bei
Rios III, 593 ausgezogenen Quellenzitaten kommt ein Teil aus zweiter Hand;
immerhin zeigen sie die ungemeine Ausdehnung des der Kompilation zu
Grunde liegenden Materials. Der Wortlaut der Vorrede spricht für Fortführung
bis auf die eigene Zeit; doch bleibt die Vollendung zweifelhaft, weil gerade
von da an, wo die bekannten Hss. im Stich lassen, Alfonso in der ausführ-
lichen Darstellung der römischen Kaiserzeit in der spanischen Chronik sein
Wissen wesentlich erschöpft hatte. Mehrere Hss. der Cron. de Esp. (Riano
23. 25) zeigen Zweiteilung statt der gewöhnlichen Vierteilung. Es ist anzu-
* Hrsg. von Ocanipo , Zamora 1541 u. d. T. Las quatro partes enteras de la Crotiica
de Espana que mando componer Alonso llamado el Sabio. Neuabdruck Valladolid 1604, nach
dem Katalog der Ticknor Library auch Zamora, 1544- Allem Ansehen nach hat O. seine
Hs ziemlich gut wiedergegeben; da aber die Überlieferung nach allen Mitteilungen sehr
erhebliche Abweichungen aufweist, ist eine kritische Ausgabe dringendes Bedürfnis. — Der
falsche, auf Verwechslung mit der Grande y General beruhende Titel hat sich im littera-
rischen Sprachgebrauch fast unaustilgbar eingebürgert.
2 Ocampo hat sehr ungerechtfertigter Weise bezweifelt, dass Alfonso auch das vierte
Buch verfasst habe.
^ Vgl. Castro, Bibliot. I, 411 ; Riano, Discurso leido a. l. R. Academ. de la Historia
1869. Der Versuch einer genaueren Datierung der Cron. de Esp. bei Ticknor, deutsche
Ausg., I, 132 A. 2 beruht auf einem Missverständnis, bei Rios III, 592 auf haltlosen
Kriterien. Warum Castro die Grande um 1760 begonnen sein lässt, ist nicht ersichtlich.
* Über andere spanische . bersetzungen der Bibel und ihrer Teile im 14., 15- und
16. Jh. s. Castro, Bibliot. I, 428 ff., Böhmer, Spanish Reformers II, 321 ff., ferner Scio, La
hiblia vulgata, trad. al espanol, Madr. 1791 und oft; die Hss. sind erhalten, weil sie auf der
Escorialbibliothek eingesperrt wurden. Eine aragonesische Bibel (Castro 41 1) wird durch
das Verbot der Synode von Tarragona i. J. 1233 nicht vorausgesetzt; mit der Schrift in
romancio ist die provenzalische gemeint, der Beschluss ist durch einen gleichen der Synode
von Toulouse v. J. 1229 hervoi gerufen. Für Spanien scheint ein Verbot erst von Ferdinand
und Isabella erlassen (Reusch, Der Index, S. 44) ohne zunächst besondere Beachtung zu
finden.
Prosa: Alfonso el Sabio. — Arabische Florilegien. 411
nehmen, dass A. sie in dieser Gestalt als 6. und 7. Buch der Grande y
General gezählt hat: so wie diese 1385 der Prolog zu Heredias Istoria de
Espana (s. u.) kannte.
Unzweideutig als abgeschlossen bezeichnet uns dagegen das Septenario ^
sein Prolog, und lässt zugleich deutlich hervortreten, dass es im Wesentlichen
ein Werk Alfonsos und nicht seines Vaters ist. Erhalten ist nur ein Teil des
ersten Buches, das nach einem ausführlichen Lob Fernandos — diesen sieben
Namenslaute den Titel und wohl auch die Einteilung bestimmten — nächst
einer ausführlichen Schilderung Sevillas die sieben freien Künste definiert,
um dann auf die Abgötterei zu kommen und aus ihr die christliche Lehre
zu entwickeln. Auf das Verlorene lässt sich aus dem Erhaltenen nur schliessen,
dass dort für alles und anderes Raum war: auf das Septenario bezieht sich
jedenfalls Juan Manuels Angabe- que fizo trasladar todas las sciencias, tatnbien
de thelogia co?no la logica e todas las artes liberales, vielleicht auch como toda
la arte que dizen mecatiica; möglich ist auch dass die ebenda genannten Bücher
von Jagd, Beize und Fischfang in dem Werke staken, während das libro que
pertenesce a estado de caballeria wohl nur die zweite der Partidas meint.
Alfonso war eine reproduktive Natur ; seine Kompilationen erheben sich
über den Durchschnitt des Mittelalters nur durch ihre Ausdehnung und den
Stil ; seine Doktrin enthält nichts das irgend ein abendländischer Zeitgenosse
anders gedacht haben müsste. Poet ist er in der kongenialen Umschreibung
der Epen, schöpferisch in seiner Sprache, die unmittelbar, ausdrucksvoll, in
lebendiger Fülle dahinfliesst. Dass er sie mit vollem Bewusstsein gepflegt hat,
zeigt die angeführte Stelle der Z. de la Esfera.
26. Alfonso hat in den Partidas einen verbreiteten Fürstenspiegel ency-
klopädischen Charakters benützt, in der Form von Ratschlägen Aristoteles an
Alexander , das ursprünglich arabische Secretum Secretorum : ob aber in der
im 12. Jh. gefertigten lateinischen Version oder in einer spanischen, oder ob
endlich in dem ihm zeitlich jedenfalls nahestehenden spanischen Auszug
Poridad de las Poridades bleibt unklar.^ Die vollständige Schrift ist in Sanchos IV
Castigos y Documentos und Gomez Barrosos L. de l. Consejos (s. u.) verwertet ;
eine aragonesische Version liegt in Hs. der zweiten Hälfte des 14. Jhs. vor.
Eng verwandt ist die arabische Florilegienlitteratur, welche uns früh in
Übersetzungen, dann in Nachahmungen entgegentritt. Mobaschirs Aussprüche
weiser Männer (fin. sec. XI) sind u. d. T. Bocados de oro ^ übertragen, vor Ab-
fassung der zweiten Partida (1257), in welcher sie benutzt sind, und wahrschein-
lich von einem der alfonsinischen Gelehrten. Die griechisch-arabischen Ex-
cerpte , umrahmt von Philosophenleben und Arabesken , fanden warme Auf-
nahme, sind u. a. von Juan Manuel, Sem Tob, dem Marques von Santillana
verwertet und 1495— 1627 mindestens sechsmal aufgelegt worden. Eine lat.
Version wurde weiter ins Französische und Englische übertragen. Der span.
Übersetzer hat einen kleinen arabischen Traktat beigefügt, die Respuestas del
' Castro II, 680 ; Burriel, Memorias 2 16; Kios III, 556.
* L. d. l. Caza, ed. Baist, S. 1. Nichts zu thun hat A. mit der Gran Cotiquista de
Ultramar, mit dem Libro del Tesoro, einer Fälschung, und den Querellas, einer Fiktion
des 15- Jhs., beide im Masse der Arte mayor.
^ S. Knust, Jhb f. r. u e. L , X, 153 u. 303, ebenda über weitere span. Versionen
aus dem 15. u. 17. Jh.
* Hrsg. V. Knust, Mitteilungen a. d. Eskurial, Bibl. d. lit. Ver. in Stuttgart Bd. 141,
S. 66 ff. vgl. S. 538 ff.
*• Die Hss. S. XV teilen sich in zwei Linien, von welchen A (den Drucken ent-
sprechend) eine Vorgeschichte voransetzt und den Filosofo Segundo folgen lässt , B diese
Stücke nicht aufweist , dafür einige Erweiterungen. Der nächstliegende Schluss auf ein
^usatzfreies Original ist nicht sicher, weil auch jüngerer Wegfall der nur lose angefügten
412 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SpAN. LiTT.
filosofo Segundo a las cosas que le pregunto el etnperador Adriano^ welchen
dann Alfonso in die Crönica de Espana einflocht (fol. 95), der aus dem Spani-
schen ins Lateinische übertragen und so von Vincentius Bellovac. recipiert
wurde. Er hat ferner eine Einleitung in 7 Kapiteln vorausgeschickt (oder
mit übernommen ?) unter Verwertung von Hunein ben Ischak's (geb. 809)
schon von Mobaschir selbst cxcerpierten Sittensprüchen der Philosophen. Auch
diese liegen in spanischer Version noch aus dem 13. Jahrh. vor, dem Libro
de los Buenos Froverbios.- Erheblich kürzer und nicht ganz so schmuckreich
wie die Bocados waren sie weniger verbreitet, sicher benutzt in den j^ Sabios
und dem Conde Lucanor. — Trotz nur entfernter Verwandtschaft mit der
Gattung, mag hier die Fabel von der Donzella Theodor^ genannt sein, der
treuen Sklavin, die vor Ar -Raschid, im Spanischen vor Almansor, Astrolog,
Ulema und Dichter in teilweise rätselartigem Fragespiel überwindet. In der
von Knust veröffentlichten Gestalt dürfte die Donzella, weiterhin bis heute
in mehrfach variierter Form eines der beliebtesten Volksbücher, recht wohl
der nächstalfonsinischen Zeit angehören.
In dieselbe fällt die selbständige Kompilation der Flores de Filosofia. ^
Sie ordnen die Sprüche fast schmucklos und zu Sittengesetzen verbunden,
nach Kategorien, nicht, wie Mobaschir und Hunein, nach Meistern; nur ein
kurzes Vorwort sagt, dass die 38 Kapitel von 37 Gelehrten und abschliessend
von Seneca herrühren. Ein unzweideutiger Hinweis auf westliche Einmischung;
doch kann ich Beziehungen zu den im MA. unter dem Namen Senecas um-
laufenden Sentenzensammlungen ^ nicht finden. Dagegen ist ziemlich viel aus
den Bocados entnommen^, auch einige echte Sprüchworte sind eingemischt.
Das Buch ist das best komponierte der Gattung. Weniger durchgearbeitet
scheint die »Weisheit« in dem Z. d. l. Consejos y Consejeros des 1345 als
Kardinal gestorbenen Maestro Pero Gomez Barroso. Die Lehre von den
Fürstenräten ruht, neben den arabischen, aufzahlreichen lateinischen Autoritäten.
Die Bezeichnung maestro deutet auf die früheren Jahre des Verfassers , seine
Bevorzugung der Sechszahl erscheint als ein Kompliment an Sancho IV., der
ihm 1292 eine Präbende zu verschaffen bemüht war. Näheres hat Rios
IV, 84 — 92 mitgeteilt, einige Auszüge Castro II, 729. Als jünger werden
schon durch ihre Einkleidung die Doze Sabios'^ gekennzeichnet: Ferdinand III.
Beigaben von A denkbar ist. Alfonso kennt den Segundo, die Gran Conquista entlehnt
unter seinem Sohn die Einleitung, während das Vorhandensein der B nahestehenden lat.
Version erst durch die franz. Übersetzung für das Ende des H- Jhs. gesichert ist. Ich glaube
nicht dass, wie der Herausgebernieint, duich kritische Ausgabe des arab. Originals, das aller-
dings äusserst komplicierte Verhältnis von A zu B zu latein. geklärt werden wird. Die span.
Version stammt nicht aus der latein., dafür liegen untrügliche Kennzeichen vor; die latein"
kann aus der span. allein kommen, oder aus dem Spanischen und Arabischen, nicht aus dem
Arabischen allein. A ist die wesentlich älteste Form, die Dicta philosophorum sind aus ihr
genommen, haben aber die erhaltenen Hss. von A und B rückschlagend beeinflusst. Hier-
tür spricht auch, dass der Secundus in einer der latein. Hss. (Knust 57o) beigegeben war
— Die Deutung des zugesetzten Rahmens (Reise von Persien nach Indien um dort die
Weisheit zu holen) auf Alfonso ist hinfällig, da das Motiv einfach aus Kaiila und Dimna
entnommen ist. Hieraus auf das Jahr 1251 zu schliessen, hindert die direkte Benutzung
weiterer arabischer Quellen in A, und der Zweifel ob nicht die Erweiterung schon arabisch
voriianden war.
' Hrsg. V. Knust, 1. c. S. 498; vgl. ib. S. 602,
^ Hrsg. v. Knust, Mitteilungen 1; vgl. ib. 519.
•'' ib. 507 u. 613.
* Knust, Dos Obras didäcticas y dos Leyendas, Madrid 1878 (Bibliöfilos 17). S. 1 — 83.
Älteste lis. Anf. d. 14. Jhs.
^ Publilii Syri sententiae, ed. Woelfflin, Lpz. 1869.
* Mit Einschluss der Einleitung in der oben als A bezeichneten Version. Die Be-
ziehungen auch zu den Zusätzen einer der B-Hss. deuten auf eine dritte Quelle.
■' Valladolid, 1502 u. 1509 und bei Burriel, Memorias del Santo Rey, 188— 2o6,
Prosa: Floruegien und Morallehren. Sindibad. 413
lässt aus fremden Landen zwölf Weise zusammen kommen , um ihn zu be-
raten; eine sehr durchsichtige Fiktion, die indessen historisch misverstanden
worden ist. Vorwiegend ein Fürstenspiegcl , zwischcnhinein definieren die
Weisen spruchartig einen Tugendbcgriflf, Cato und Caesarius sind zitiert, eine
äsopische Fabel verwertet, das Meiste scheint Neubildung, aus den Buenos
Proverbios kam die Idee einer Synode, und eines Epicediums auf Ferdinand,
jenem auf Alexander nachgebildet.
In die Jahre Juan Manuels fallt nach Knust ein unediertes Buch der
S4 Weisen ' (in der Hs. ebenfalls Bocados de Oro genannt), deren Sentenzen
noch Sulpicius (?) und Justinus (Martyr) zugeschriebene folgen ; der erste Teil
oder das Ganze — es ist das nicht klar gesagt — grösstenteils auf den
Buenos Proverbios und Bocados beruhend. Aus den letzteren entnahm ferner
Juan Manuel den grössten Teil der Sprüche, welche das 2. — 4. Buch seines
Libro de Patronio (s. u.) bilden , während die Flores de Filosofia fast voll-
ständig in den Cavallero Cifar (s. u.) übergingen. Hierher gehören ferner noch
die in einer aragones. Hs. der 2. Hälfte des 14. Jahrhs. erhaltenen Rams de
flores,^ anscheinend nach erörterten Moralbegriffen geordnet, y>e sacris bibliis,
patribus et philosophis«.. Falls diese fast unbekannte Schrift nicht etwas später
fällt, endet die eigentliche Bocadoslitteratur um die Mitte des 14. Jahrhs.,
allerdings um in der Spruchdichtung {Sem Tob, Marqties de Santillana) weiter
zu leben. In Prosa folgen nunmehr einige Übersetzungen 3, man las aber
noch gern die alten Sammlungen , wie die erhaltenen Hss. und litterarische
Benützung zeigen; das 16. stellte seine Apophthegmata mit neuem Material
und veränderter Gedankenrichtung zusammen, auch wendet es sich dem Sprich-
wort zu, das mit den Sprüchen so gut wie Nichts gemein hat.
Die Florilegien stehen in engem Zusammenhang mit den Morallehren
und Fürstenspiegeln, welchen man mehrere unter ihnen zuzählen kann, und
die alle aus ihnen schöpften. Ebenso eng sind beide, in der Neigung zur
Rahmenform, wie durch Absicht und Inhalt, mit den Apologensammlungen
verwandt. Die DiscipUna clericalis besteht zur Hälfte aus Sprüchen , zum
Teil aus Mobaschir, dessen Sentenzen wieder stark mit Erzählung verwachsen
sind. Es liegt das bei den Sprüchen und populären moralischen Traktaten
in ihrem Wesen, bei den Apologen in der didaktischen Richtung der ganzen
Zeit; ein Unterschied gegenüber den abendländischen Schwesterlitteraturen
liegt nur in der unmittelbaren Abhängigkeit vom Arabischen , die indessen
bei der Gemeinsamkeit der letzten geistigen Grundlagen inhaltlich viel weniger
hervortrittt als man erwarten könnte, etwas mehr in der Form.
27. Wie 1251 Alfonso Calila und Dimna^ Hess 1253 sein Bruder
D. Fadrique den Sindibad aus dem Arabischen übersetzen, das libro de los
enganos e los assaya mientos de las tntigeres;^ interessant durch den Verlust
Vgl. Rios, III, .437; Knust, Mitteilungen, 519; Gayangos, Escrit. ant. al s. XV,
pag. V, Anm. 2.
' Knust Jhb. X, 31 und Mitteilungen 526; Rios III, 543.
2 Nicol. Antonio-Bayer, Bib. Vet., II, 164; Morel-Fatio in Chronique de
Moree, Genf 1885. S. XXIV.
* Burläus (gest. 1337) De vita et moribtis philosophorum als Vida y Costumbres de
los viejos filosofos, vor Mitte des 15. Jhs. ; hrsg. v. Knust, Bibliothek d. litt. Vereins in
Stuttgart, Bd. 177: -Die hos de Sabios y Filosofos, 1402 a. d. Katalan., s. Knust in Jhb.
X, 129. Die Castigos y Dotriftas que un Sabio daba a sus Hijas, bei Knust, Dos Obras
didacticas 251 ff., dem XV. Jh. zugeschrieben, mischen Sprüche nur beiläufig ein, doch noch
vorwiegend aus den Bocados.
* Hrsg. V. Comparetti, Ricerche intorno al libro di Sitidibad, Mil. l86y. Die
letzte Fabel der einzigen Hs. ist in Spanien zugefügt vgl. Montaiglon - Raynaud 88, 15ä.
Die argen Mängel im Text beruhen zum Teil auf evidenter Unfähigkeit des Übersetzers.
414 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LiTT.
des Originals. Die occidentalen Versionen des Sindibad sind nicht nach
Spanien gekommen. Die drei vorhandenen Rahmenerzählungen — mit Ein-
schluss der latein. Disciplina — waren ganz orientalisch, und man sollte nun
wohl ein starkes Hervortreten dieses Elements in der spanischen Erzähler-
tradition erwarten. Doch ist das kaum der Fall. Dass im Archipreste sich
Nichts findet kann Zufall sein ; im Conde Lucanor, welcher unten im Zusammen-
hang zu besprechen ist, findet sich einiges aus Calila und Dimna, aber ganz
ungleich mehr gehört dem Kreise der europäischen Anekdote an. Die be-
kannte Barlaamparabel von der Freundschaftsprobe ^ stammt in Sancho's
Casiigos vielleicht aus der Disciplina, bei Juan Manuel tritt anderswoher die
dort fehlende Ausdeutung hinzu. Der Sindibad ist nirgend nachzuweisen.
Vom 16. Jahrh. an bieten Novellen und Anekdoten, neben dem Gemein-
europäischen, viel kastilisch eigenartiges, ebenso wie Juan Manuel, aber, so-
weit sich das ohne eingehendere Untersuchungen behaupten lässt, wieder
ohne ernstliche Beziehungen zu den im Mittelalter übertragenen lateinischen
Sammlungen. Wohl die älteste darunter, doch kaum früher als das 14. Jahrh.,
sind des Odo von Ccrrugtonia ziemlich trockene Narrationes (s. II, 1,322)
das lihro de los Gatos.'^ Obwohl dem 15. Jahrh. angehörig mag schon hier
des Johannes de Hoveden Specubim laicoriwi, Espejo de los legos^ ge-
nannt sein, von dessen 91 Kapiteln neben der Morallehre und Sprüchen ein
jedes mehrere Apologe enthält, ferner des Climente Sanchez libro de
Exenplos per a. b. c. ^ Der geistliche Redaktor hat im ersten Viertel des
XV. Jahrh. 467 Erzählungen zum Gebrauch des Predigers alphabetisch unter
lateinische Schlagworte gebracht, und diesen dann entsprechende kastilianischc
in gedoppelten Knittelversen beigestellt. Obwohl der praktische Zweck die
Lokalfarbe zurücktreten lässt, darf gesagt werden, dass specifisch kastilisches
Material nicht benutzt ist; wörtlich vieles aus der Disciplina^ den Vitae patrum^
daneben tritt Obcritalien hervor, während das Italienische zwischen hinein
als fremde Zunge bezeichnet ist. Vielleicht ist ein kleineres latein. Alpha-
betarium mit einer anderen latein. Sammlung kombiniert. Die gereimte Moral ^
hat schon vorher Juan Manuel. Dass in der 2. Hälfte des 15. Jahrhs. Alfonsos
Calila und Dimna hinlänglich vergessen war. um einer Übersetzung aus dem
Lateinischen Raum zu geben, ist schon erwähnt.
28. Sancho IV. (1284 — 95) bewahrte in einer kampferfüllten Zeit die
litterarischen Neigungen seines Vaters, selbst die Schätzung orientalischen
Wissens; bei der Rückgabe erbeuteter arabischer Hss. behielt er die natur-
wissenschaftlichen und historischen. 6 Benützt aber hat er diese nicht, man
darf bei ihm geradezu von einer Abkehr von den Arabern sprechen :
' Vgl. Münchener Abhandl., 20, 77. Bei den zwei Disziplinanovellen des Cavallero
Cifar scheint eine franz. Version in der Mitte zu liegen.
* Hrsg. V. Gayangos, Escrit. ant. al s. XV, 543. Neben den II, 1, 322 ange-
führten Stellen vgl. noch Jhb. XII, 129; der sonst unmotivierte span. Titel mag daher
rühren, da.^s die Katzengeschichten 9, 11, 16, 37, 40, 55, 56 in einer illuminierten Hs.
stärker hervortraten.
s Jhb. f. r. u. e. Lit. X, 42.
* Hrsg. V. Gayangos, Escritor. ant. al s. XV S. 443 ff., der dort fehlende Anfang
V. Morel-Fatio , Rom. VII, 482. Einige »rapprochements« bei Puymaigre, Les vietix
auteurs castillans , Paris 1890, II, 108: schon die verschiedenen Publikationen Oesterley's
geben starke Ergänzungen. Eine auffällige Lücke in der Verzweigung ist bei den minder
verbreiteten Erzählungen bemerklich.
* Das zweizeilige Epimythion weist dem Umfang nach auf einen leoninischen
Hexameter als Vorbild, der Gebrauch in den lat. Fabeln — s. b. Hervieux — auf das
Distichon hin. Der genauere Ausgangspunkt ist noch festzustellen. Unrythmisch, wie diese
Zweizeiler, ist auch die Übersetzung eines Gedichtes auf den Tod Alexanders in Ex. 225.
^ Schirrmacher IV, 3,59 nach Ibn Khaldun.
Prosa: Didaktisch-Novellistisches. — Sancho IV. 415
Friedrich II. und Alfonso X. bezeichnen den Höhepunkt und zugleich
das Ende der morgenländischen Beziehungen. Im Auftrag des Königs wurde
Seneca contra la ira e sana'^ und die grosse Encyklopädie Brunetto Latini's
übertragen, das Libro del Tesoro-,- encyklopädisch ist auch sein Lucidario^
106 Fragen aus Theologie, Astrologie und Naturreich. Der Titel und die
Form eines Dialogs zwischen Meister und Schüler müssen aus dem Elucidarius
des Honorius Augustodunensis (s. II, i, 201) kommen, der Inhalt ist
ganz verschieden, eine Auswahl der absurdesten Klügeleien des Mittelalters,
die Sancho schwerlich ohne fremde Beihülfe gelungen ist. Solche wird auch
bei den 1292 verfassten Castigos e documentos que el rey D. S. daba a su
fijo^ nicht gefehlt haben, bei der Überfülle gelehrten Materials in der weit-
läufigen, zum Teil predigtartigen Begründung der zu Eingang jeden Kapitels
gegebenen Lehre. Unter den vielen Beispielen aus geistlicher und weltlicher
Geschichte findet sich nur weniges Novellistische. Die ganz unpersönliche
Weise Alfonsos ist zwar verlassen, individuelles Hervortreten bleibt aber viel
seltener als das Programm des Buches erwarten liesse und als in den nächst-
verwandten Schriften Juan Manuels. Der Gesamtaufbau ist lose, die Sprache
gut. Als Vorbilder wirkten Partidas, Disciplina und Secretum secretorum ein,
ihnen, wie den in 26 besprochenen verwandten Büchern gegenüber, muss die
Abwesenheit jeglicher Reminiscenz aus den Bocados und Buenos Proverbios
hervorgehoben werden , ebenso das Zurücktreten der sententiösen Richtung,
die bei aller didaktischen Plattheit lebendigere praktische Tendenz.
Litterargeschichtlich wichtiger als jene drei Werke ist ein weiteres grosses
Übersetzungsunternehmen, zu dem der König den Auftrag gab, die Gran Con-
quista de Ultramar. ^ Die Grundlage des Ganzen bildet eine der französischen
Versionen der Kreuzzugsgeschichte Wilhelms von Tyrus mit Fortsetzung bis
1 2 7 1 bezw. 1275; mit ihr sind beträchtliche Stücke der Chanson de Jerusalem
Graindor's de Douai (oder einer nächststehenden Kompilation) verbunden,
ferner minder umfassende aus dem provenzalischen Kreuzzugsepos (S. II, 2, 39).
Als Vorgeschichte Gottfrieds von Bouillon ist der ganze Cyklus vom Schwanen-
ritter eingeschoben, im Zusammenhang mit der Genealogie Folquer Ubert's
von Chartres eine Version der Berta und des Mainet (S. 392). Die pro-
venzalischen Fragmente sind derart wörtlich wiedergegeben , dass Durchgang
durch eine französische Quelle ausgeschlossen erscheint. Der Spanier hat
also selbst kompiliert, die Berta-Mainet-Episode allerdings schon in der ge-
gebenen Verbindung vorgefunden ; von sich aus hat er nur bescheidene An-
merkungen beigefügt (bemerkenswert darunter eine eingehende Schilderung des
Spiels der Runden Tafel in II, 43). Die Sammlung vielfach merkwürdiger
1 Castro, II, 45.
2 Rios IV, 17; Castro II, 626.
' Inhaltsverzeichnis bei Gayangos, Escrit. ant. al s. XV, S. 80.
* Hrsg. V. Gayangos, Escrit. ant.- al s. XV, 79—228. Die Varianten der zweiten
Hs. (vgl. Revista de archivos y biöL, IX, 138) sind viel einschneidender als die Ausgabe er-
kennen lässt; vgl. die Bruchstücke bei Rios IV, 570.
* Hrsg. v. Gayangos, Bd. 44 der Biblioteca de antares espanoles, nach dem Druck
von Salamanca 1503, ohne ernstliche Benützung der drei Hss. Die älteste unter diesen,
s. XIV, nennt Sancho als Patron, mit richtiger Angabe der Altern und der Titulatur,
neben welcher ein Schreibfehler in der Zählung unbedenklich bleibt. Eine der anderen,
s. XV, nennt einen Alfonso von Kastilien und Leon, womit ebensowohl der X. als der XI.
gemeint sein kann, ohne nähere Titulatur, mit jedenfalls verkehrtem Mutternamen. Der alte
Druck schickt den Prolog der Bocados de Oro mit dem Namen Alfonsos X. voraus. Es ist
evident, dass der Vatername, der des rey sabio, sich dem des Sohnes substituiert hat. Da
in der alten Titulatur Tarifa fehlt liegt die Abfassung vor jener der Castigos; in diesen ist
mehrfach auf die Geschichte des Königs Gudufre exemplificiert.
41 6 LiTTERATURGESCHICHTE DER KOMANESCHEN VÖLKER. — 5. Span. LiTT.
in der vorliegenden Gestalt meist verlorener französischer Denkmäler i hat zu-
gleich für Spanien eine marquante Bedeutung : wie bei Alfonso das einheimische
Epos wird hier die ausländische erzählende Dichtung in Prosa aufgelöst, Ge-
schichte ist beabsichtigt, der erste Roman geschrieben.
29. Übersetzungen erzählender französischer Dichtungen in kasti-
lische Prosa hat uns ausserdem eine Sammelhs. des XIV. Jahrhs. (Escorial
h— j — 13) erhalten. Da die Vorlagen ihrer lo Stücke sämtlich älter sind als
der Schluss des XIII. Jahrhs., der Schreiber zu ungeschickt kopiert, als dass
man ihm einen Anteil an der offenbar absichtlichen Auswahl rührender geist-
licher und weltlicher Geschichten beimessen möchte, wird man ihre Entstehung
ungefähr dem ersten Viertel des XIV. Jahrhs. zuweisen können. Dem Jüngsten
Karlsepos gehört an Un noble cuento del enperado7- Carlos Maynes de Roma e
de la buena enpei'atriz Sevilla su mujer ^ , die im Original nur fragmentarisch
erhaltene Sebile ; im i6. Jahrh. als Volksbuch bearbeitet. El cuento muy
fermoso del etnperador Otas de Roma e de la infanta Florencia su fija, e del
buen cauallero Esmere^ ist das novellistische Tiradenepos Florence de Rome.
Un muy fermoso cuento de una santa enperatriz que ovo en Roma e de su
castidaf^^ eine verbreitete Variante des auch in den beiden vorgenannten be-
handelten Themas von der unschuldig verfolgten Frau, ist ein Dit Gautiers de
Coinci; dass die Übersetzung durch das (iallizische durchgegangen sei, wird
hier besonders hervorgehoben, während die anderen Stücke keinen Herkunfcs-
vermerk aufweisen. Y)\g Estoria del rey Guillelme^ ist Übersetzung von Crestiens
Guillaume d'Angleterre (nicht von Crestiens Vorlage). Eine andere Behand-
lung des gleichen Stoffes, der getrennten und wiedervereinigten Familie, De
un cavallero Placidas que fue despues cristiano e ovo nombre Eustacio^^ ist die
lateinische Eustachiuslegende (II i, 399). Dazu kommen noch fragmentarisch
die Leben der Maria Magdaletia und Marta,'^ nach Vincentius Bellovacensis,
vollständig Sa. Maria Egipciaca und Sa. Catalina, nach französischen Prosa-
redaktionen.
Während die Conquista noch dem französischen Epos treu bleibt, wenn
auch in seiner spätesten Gestalt, bezeichnet diese Sammlung einen erweiterten
Stoffkreis und zugleich eine weichere Geschmaksrichtung; sie führt hinüber zu
der Aufnahme der höfischen Erzählungen. Im ersten Drittel des 14. Jahrhs.
wurde der Prosatristan in Kastilien übersetzt und in Portugal (II, 2, 212)
gelesen; der i. Hälfte des Jahrhs. gehört die erste selbständige Fiktion an,
der Cavallero Cifar, vielleicht auch noch der Amadis. Gleichzeitig mit der
Rcimerzählung des Archipreste, der Novelle Juan Manuels, tritt der
* Vgl. G. Paris, La Chanson d'Antioche pravengale et la Gran Conquista de Ultramar,
Romania XVII, 513; XIX, 562; XXII, .345-
2 Hrsg. V. Rios, V, 344. Vgl. Jhb. XII, 286. Das fninz. Fragment Bulletins de
l'Acad. de Belgiqtie, 1875, 404.
^ Rios V, 391. Über Florence s. Bulletin de la Soc. des Anciens Textes 1882.
55 und 66.
* Hrsg. V. Mussafia, Wiener Sitztmgsb»richte LIII, 4Q9 u. d. T. : eine altspanische
Darstellung der Crescentiasage.
'•' Hrsg. V. Knust, Dos obras didäcticas S. 159 bezw. 85.
^ Unediert, s. Knust, Geschichte der Legenden der h. Katharina von Alexandrien u.
der h. Maria Aegyptiaca, Halle 1890, S. 82.
7 Hrsg. a. a. O. S. 23 1 flf.
* S. Rios, IV, 69; mit dem Abdruck bei Seb. de Vergara, Vida y milagros
del Thaumaturgo espanol, ist die ältere Analyse beiGoniez de Salaz ar, Aloisett segundo
zu vergleichen. Mit den milagros in der Überlieferung verbunden (vgl. Acad. d. 1. Hist.,
cod. ms. H 18) und wahrscheinlich ebenfalls von Marin verfasst ist eine Historia del cavallero
Muno Sanclw de Finojosa, eine Episode aus dem Leben an der Grenze um 1070 (1122?),
wohl erzählt wie sie Alfonso vorgetragen haben würde, nach einer unbekannten Crönica de
los Reyes.
Prosa: Übers, a. d. Französ. Kirchliche Prosa. Geschichtsschrbg. 417
Ritterroman ins Leben, um auf lange hinaus zu ergötzen. Die Anfange der
Gattung werden im Zusammenhang mit ihrer zahlreichen Nachkommenschaft
im dritten Teil näher besprochen werden.
30. Abgesehen von den angeführten Übersetzungen bleibt nach Alfonso
die Legende vernachlässigt. Nur ein Mönch von Silos, Pedro Marin,
Priester wenigstens seit 1255, hat im Anschluss an Berceo die Wunder des
h. Domingo von 1232 — 93 aufgezeichnet, mehr in der Art des Geschichts-
schreibers als des Theologen. In geistlichen Dingen, die praktische Theologie
eingeschlossen, herrscht noch die lateinische Sprache, bei schwacher Thätigkeit.
Die Vermutung lag nahe, dass der Bischoff von Jaen Pedro Pascual
(II, 2, 94) mehrere nur spanisch erhaltene Traktate, die er 1297 — 1300 in
Granada zur Glaubensstärkung seiner Mitgefangenen schrieb, wirklich in der
Sprache seiner späteren Heimat statt in jener seines Mutterlandes abgefasst
habe; da aber einer darunter, die Biblia pequena , sicher ursprünglisch kata-
lanisch ist, wird das auch bei den andern der Fall sein. Der Convertit
Alfonso von Valladolidi (Rabbi Abner, gest. 1349) verfasste gegen das
Judentum den Mostrador de justicia, die Bücher de las tres gracias und de
las batallas de dios , letzteres im Auftrag einer Schwester Sanchos IV. linker
Hand. Über die Bibelübersetzungen s. S. 410. In den Partidas, den ency-
klopädischen und moralischen Schriften nimmt die Religion den gebührenden
Raum ein. Wenn wir aber zum Schluss der Periode ein dogmatisches Thema
von einem Laien, Juan Manuel, eigens behandelt finden (s. u.), so zeigt
sich darin der Einfluss der populären Bettelorden.
31. Nach zwei wirrenreichen Minoritätsregierungen steht unter dem
ungewöhnlich kraftvollen Alfonso XI. (131 2 — 50, majorenn 1325) das Königs-
haus auch geistig wieder in dem Vordergrund. Die auf den Befehl des Königs
gefertigte Rolle der Behetrias, 2 die Statuten des von ihm errichteten weltlichen
Ritterordens de la Banda^^ die Gesetze der Cortes von Alcala^ mögen bei-
läufig erwähnt sein; ein ausführliches Buch von der Hochjagd, Libro dela
Monteria^^ tritt zur technischen Litteratur, auch eine Albeitetla^ (Ross-Arznei-
kunde) wird als auf seinen Befehl geschrieben bezeichnet und über die von
ihm angeordnete Übersetzung von Benoits Roman de Troie ist noch beim
Roman zu sprechen.
Die Geschichtschreibung hatte nach Alfonso X. geschlummert, auch die
durch sein Vorgehen dauernd in den Hintergrund geschobene lateinische.
Neben der Gran Conquista scheint eine kürzere lateinische Geschichte des
höiligen Landes' übersetzt worden zu sein ; aus einer verlorenen portugiesischen,
im Auftrag König Denis (gest. 1325) hergestellten Übertragung einer arabischen
Geographie Spaniens mit historischem Anhang kam die Crönica del Moro Razis^.
* Rios IV, 85; Rame deVhist. des religions XVIII, 142; Kayserling, Biblioteca
Espanola-Jtidäica, Strassb. 1890, S. 114. Über die in dieser sehr mangelhaften Bibliographie
angeführten Malicwies de los Indios s. Morel -Fatio, Catal. des mss. espagnols, 28.
2 Libro del Bezerro, San tander 1866.
•'' s. Rios, IV, 362.
* In Cortes de Leon y de Castilla, T. II. Sie sind mehr politisch als juristisch be-
deutend: zum erstenmal wurde eine grosse Reihe wichtiger Bestimmungen, mit Einwilligung
der Stände, tatsächlich durchgeführt, die Reichseinheit in eine Interessenkette geschlossen.
^ Gutierrez de la Vega. Bibliot. venatoria, T. 1 . 2. Madr. 1 877- Gegen ihn tritt
Navarro, El libro de la Monteria. Madr. 1878 für die Autorschaft Alfonsos des Weisen
ein, hat aber die Handschriften unrichtig datiert und beurteilt.
•* Morel-Fatio, Manuscr. esp. 96.
' Nur in Abschrift s. XVI, Bibl. Nag. V, 193; s. Neues Archiv VI, 315.
' Vgl. Ga yangos, Memorias leidas en la R. Acid. d. l. Historia T. VIII. Ob zwei
verschiedene Übersetzungen existieren, muss die Vergleichung der von G. nicht benutzten
Hss. der Paiiser u. Madr. Nationall)ibl. lehren. Übrigens ist die sp. Übtrs. niögliclierweise
nicht älter als die älteste Hs. fin. S. XIV.
Gröber, Urundris.s. Hb. 27
\
41 8 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpaN. LiTT,
Das, neben kurzen annalistischen Aufzeichnungen, ist Alles. ^ Im Jahr 1327 2
befahl der junge König die Ausfüllung der klaffenden Lücke zwischen der
Crönica de Espana und seiner eigenen Zeit, und eröffnete so die lange Reihe
der offiziellen Reichschroniken. An die Crönicas de Alfonso X, Sancho IV.,
und Fernando IV. schloss sich die Alfonsos XI. selbst bis zur Eroberung von
Algeziras. Für alle viere^ deutet Sprache und Darstellung auf denselben Ver-
fasser, nach allerdings nur schwach verbürgter Tradition, bei starker innerer
Wahrscheinlichkeit, den Geheimkanzler Fernan Sanchez de Tovar. Das
letzte Kapitel der Crön. Alf. XI. (336) enthält eine Reflexion, die einzige
im Buch, über den König selbst in der Vergangenheit, ist also nach seinem
Tode geschrieben, der Prolog"* aber zu seinen Lebzeiten. Die Denkart deckt
sich vollkommen mit der Handlungsweise des Königs, die Darstellung ist anna-
listisch, sachlich, fast geschäflsmässig. Bei bemerkenswerter Offenheit dient
das Wort doch auch einigemal dem Verschweigen. Im Poema de Alfonso XI.
hat sie bald eine poetische Bearbeitung gefunden. — Ein anmutiges Gedicht
zeigt, dass der König auch die Hofpoesie pflegte.^
33. Don Alfonso hat fast nur angeregt. Sein bedeutendster Gegner,
der Königsenkel Don Juan Manuel (1282 — 1348) nimmt unter den ältesten
Prosaisten die erste Stelle ein nächst seinem Grossvater und Vorbild, dem
Rey Sabio. Die Schriften ^ des Dynasten fallen alle oder fast alle in die be-
wegteste Zeit seines Lebens 1320 — 35, und sind mannigfaltigster Art. Histo-
risch ein Summarium der Crönica de Espana, die Crönica abreviada; kurze
lateinische Annalen von 1258 — 1329, die Crönica complida — eine Fortsetzung
unterblieb vielleicht wegen Alfonsos Unternehmen; der Tractado sobre los
Armas, ein wertvolles Stück Hausgeschichte. El libro dela Caza (vgl. S. 410)
nimmt eine erste Stelle ein unter den Falken büchern, dem einzigen kleinen
Gebiet auf dem das Mittelalter genaue, noch heute wertvolle Naturbeobachtung
aufzuweisen hat. Das verlorene libro de los engenos (Kriegsmaschinen) fusste
jedenfalls auf dem von J. M. anderweit citierten Vegetius, vermittelt vielleicht
durch Aegidius Romanus. -»En manera de fabhella« ist das encyklopädische
/. del Caballero y del Escudero eingekleidet; der junge Ritter fragt den alten
über Geistliches und Weltliches, Himmel und Erde. Der Rahmen ist der
Einleitung zu Ramon Lulls Libre del Orde de Cavalleria (II, 2, 106) nach-
gebildet, sonst finden sich nur wenig Anklänge an den abstrusen Franziskaner,
mehr an die Partidas , aller Wahrscheinlichkeit nach Mancherlei aus dem
' Ober eine bis 1312 reichende, aber erheblich jüngere Kompilation s. RiosIV, 392.
2 S. Morel-Fatio, Mss. esp. S. 49.
' Hrsg. von Rose 11 als Bd. 66 der Bibl. d. aut. esp., Crönicas de los reyes de CastiUa
T. I; Alfonso X. bis Ferdin. IV., Yalladolid 1554; Fernando IV. in Memorias deD. Fern. IV.,
Madr. 1860; Alfonso XI. Vallad. 1551 u. Mad. 1787. Die Überlieferung in den zahlreichen
Hss. ist mangelhaft und jung, die Ausgabe Rosells aber auch für span. Verhältnisse un-
erlaubt schlecht.
* In der Madrider Ausg. v. 1787, S. 1 u. 2. Die Bedenken, welche gegen die
Authenticität dieses Vorworts erhoben werden könnten (escrevir vom Autor, Algecira in der
Titulatur) fallen beim Vergleich mit dem Prolog zur Crön. Alf. X., S. 3 von Rosells
Ausgabe.
* Cang. Vat. 209; Wolf, Studien 102. Es ist, gegen II, 2, 28 1, gallizisch gemeint,
morrer reimt auf fazer.
" Sämmtlich, mit Ausnahme der Chroniken und des Libro dela Caza, bei Gayangos,
Escritores en prosa ant. al s. XV, 229 ff. ; unabhängig davon die Libros de los Estados und
der Tractado delas armas bei Benavides, Memorias de D. lernando IV. ; del Cab. y del
Ese, mit Kommentar von Gräfenberg, Roman. Forsch., VII, 426. Ebenda S. 531 die Crönica
complida. Das Libro dela Caza von Baist, Halle 1880, mit Untersuchungen über die anderen
Schriften; ausserdem in Gutierrez de laVega, Biblioteca venatoria, Bd. III, Madr. 1879.
Die editio princeps des Conde Lucanor von Argote de Molina, Sevilla 1575, ist für
den Philologen fast wertlos.
Prosa: Don Juan Manuel. 419
Septenario (S. 410) und Aegidius. Im Wesentlichen haben wir es jedoch mit
eigener Kenntnis und Weltanschauung zu thun. Sonderartiger sind die beiden
Bücher de los Estados ^ ; sie waren in ursprünglicher, noch erkennbarer Form
als eine Selbstrechtfertigung im Kampf gegen den König abgefasst, u. d. T.
Itbro del Inf ante ^ sind dann zu einer Behandlung aller Stände erweitert, mit
Zugrundelegung der Frage, in welchem unter ihnen der Mensch am Besten
seelig werden könne. Als Einkleidung dient eine Bekehrungsgeschichte, die
an Barlaam und Josaphat anklingt. Über die Herrscherpflichten handelt das
kürzere, an den Erstgeborenen gerichtete Libro infinido ; ein Kapitel del Amor
que los ombres an entre si ist später willkürlich angehängt. Verloren ist ein
den vorgenannten Schriften nahe verwandtes Buch dela Caballeria.'^ Auch ein
Libro de los Sabios muss dem Titel nach lehrhaft und umrahmt gewesein sein;
die Doze Sabios (S. 412), an welche man denken könnte, sind es keinenfalls.
Die überall stark hervortretende theologische Neigung kommt in der spätesten
Schrift, dem an den Dominikaner Marquefa gerichteten Traktat über die körper-
liche Seligkeit der Jungfrau Maria zur ausschliesslichen Geltung. Mehr als
dies Alles ist von den Nachkommen der Conde Liicanor (der Name des ge-
lehrten Grafen stammt aus dem Prosatristan) oder besser das Libro de Patronio
gelesen worden, und auch heute ist dieser Novellenkranz das bekannteste
altspanische Buch. Der Inhalt der 5 1 Erzählungen ist, unter Ausschluss alles
Obscönen, höchst mannigfaltig. ^ Historisches oder Halbhistorisches aus Spanien,
eigene Erlebnisse, einige arabische Traditionen, daneben Phädrus, Calila und
Dimna, Barlaam nebst dem ganzen europäischen Anekdotenschatz, Einzelnes
unübertrefflich erzählt, Alles aus dem Gedächtnis, lebendiges Wort, eigenartig.
Die Doktrin geht neben her, meist auf Stelzen, der Schlussvers (S. 414) fehlt
nicht. Drei Bücher Sprüche aus den Bocados de Oro, zum Teil absicht-
lich verdunkelt, und eines über die Mittel zur Seligkeit, Mensch und Welt
sind angehängt, bei Gayangos falsch abgeteilt. — Der Verlust eines Libro
de los Cantares ist nicht allzuschwer zu beklagen , es liegt kein Grund vor an-
zunehmen, dass J. M., abgesehen vun jenen holprigen Reimsprüchen, kastilisch
statt gallizisch gedichtet habe, umsoweniger als ebenfalls verschwundene Reglas
conto se debe iroz'ar auf genauen Anschluss an die Kunstdichtung hinweisen.
Diese Reg las waren wohl Bearbeitungen eines der katalanischen Traktate
(II, 2, 126). J. M. stand durch Verwandtschaft, Besitz und Leben in genauer
Beziehung zum Nachbarland; dass diese sich auch bei dem Schriftsteller be-
merklich macht, kann noch nicht als symptomatisch betrachtet werden. Ein
stärkerer litterarischer Austausch trat erst erheblich später ein. Neu ist bei
ihm der im folgenden Jahrh. recht bedeutende Einfluss des Predigerordens.
Die Lehrschriften wurden rasch verdrängt als eine ihrer Hauptquellen, des
Aegidius Romanus Bücher de regimine principum (II, i, 270), in den letzten
Jahren Alfonsos XL mit Hinzufügung vieler enxtemplos e castigos von dem
Minoriten Juan Garcia für den Infanten Don Pedro übersetzt^ wurden.
Uns bieten sie ungleich mehr Belehrung als Aegidius und als die Partidas,
mit welchen, wie mit den übrigen Werken Alfonsos X., Don Juan genau ver-
traut ist. Er ist unterrichtet, nicht gelehrt, eine durchaus thatkräftige, prak-
tisch gerichtete Natur. Wir erfahren von ihm wie der kastilische Grosse auf-
' Estados II, 50 ist bei Gayangos irrig als Libro delos fraües predicadores abge-
trennt, ebenso das letzte Kapitel des Libro infinido.
* Vgl. Libro dela Caza,^€d. Baist, S. 153
* Liebrecht in der Übers, von Dunlops History of Fiction, Berl. 1851 S. 501;
Puymaigre, Les vieux auteurs castillans 11^, 200: Quellenstudien, die sich leicht er-
weitern Hessen.
* Zahlreiche Hss. s. XIV u. XV in den Madrider Bibliotheken und dem Escorial;
Druck Sevilla 1494- Vgl. Bibl. zei. II, 179; Rios IV, 340.
27*
42 O LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LlTT.
wuchs, lebte und dachte, die Persönlichkeit durchbricht immer wieder in
direkten Mitteilungen die überlieferte, lehrhaft objektive Schreibart. Auch bei
ihm findet sich sprachliches Kunstbewusstsein : er schreibt nach Estados I, 90
in dem schönsten Romanisch, deutlich und vollkommen, das heisst in so
wenig Worten als möglich. Wir können ihm nur zustimmen, sogar das Selbst-
lob der Kürze ist nicht ohne Berechtigung, und der coordinierende Aufbau
der Sprache, der uns so kunstlos erscheint, ist eben das rechte Spiegelbild
der Denkweise jener Menschen. Don Juan und der Archipreste, so ver-
schieden sie sind, sind gleich ursprünglich; man soll beide neben einander
lesen um ihre Zeit zu kennen, die spätere zu verstehen.
II. VON PEDRO I. BIS UNTER FERDINAND UND ISABELLA.
ZEIT DER HÖFISCHEN DICHTER.
Juan Manuel hatte noch empfunden dass man über sein Schreiben spottete;
alle benannten Autoren der Frühzeit gehören entweder dem Herrscher-
hause an oder dem Klerus, der Ton war ernst und selbst der Witz verkleidete
sich lehrhaft. In der zweiten Hälfte des 14. Jhs. vollzieht sich ein tiefgehen-
der Wandel. Statt Roland und Rodrigo sind Tristan und Amadis Vorbilder,
mit glänzenden Festen verbindet sich die Galanterie, und der Adel pflegt als
integrierenden Bestandteil seiner Bildung die Erbschaft portugiesischer Gelegen-
heitsdichtung in der eigenen Sprache. An die Stelle der gemessenen Cuaderna
via treten Reimspiele, Achtsylbner und eine eigentümlich unruhige Art des
Zehnsylbners. Die Prosa hastet nach Übersetzungen , der Latinismus dringt
in die Wortstellung ein, selbst im Vers. Im Gegensatz zur Vergangenheit
wird die Prosa unabhängiger vom Königshof, während die Dichtung dort ihren
Mittelpunkt findet. Frankreich bleibt die Heimat ritterlichen Wesens; in dem
berühmten Kampfspiel des Suero de Quinones 1434 z. B sind die Devisen
französisch, und noch mancherlei wird übersetzt. Aber die geistige Führung
hat es verloren, sie fallt an Italien, zunächst allein infolge seines kulturellen
Übergewichts, zu dem erst weiterhin enge politische Verbindung ^ hinzutritt.
Nicht in Paris studiert man, sondern in Bologna.
Die Stürme, welche unter D. Pedro über das Land zogen, erdrückten
zeitweilig fast jede geistige Thätigkeit; unter den Trastamara vermochte in-
dessen die Schwäche der Könige die zentralistische Entwicklung nicht mehr
aufzuhalten, konnten alle Wirren die steigende Richtung auf Glanz und Genuss
nicht hindern. In der europäischen Politik ist Kastilien ein wichtiger Faktor
geworden, mit Gil de Albornoz beginnt die Reihe spanischer Kardinäle, auf
dem Konzil von Konstanz beansprucht und erhält Kastilien den Vortritt vor
England. Kastilische Ritter suchen Ehren in Frankreich, England und Deutsch-
land , Sevilla ist eine vorherrschende Stadt geworden , der Verkehr mit dem
Ausland berührt alle Schichten der Gesellschaft. Unter Alfonso V. dringt die
kastilische Hofpoesie in Aragon und Navarra ein , die heimischen Kanzlei-
sprachen sinken zu Dialekten herab, auch einzelne Katalanen folgen der
Schwerkraft. Die Portugiesen beginnen in der zweiten Hälfte des 15. Jhs.
sich der kastilischen Sprache zu bedienen (s. II, 2, 259). Das Zentralland
übernimmt auf der Halbinsel die Führung in der Dichtung, wie es sie in der
Prosa von jeher besessen hatte.
' Nachdem schon vorher Sicilien mit Aragon vereinigt war, erwirbt Alfonso V. 1421
bezw. 1443 Neapel. Seit 1412 aber sind die Herrscher von Zaragora und Barcelona nicht
mehr Katalanen, sondern Trastamaras, wenn auch die Kanzleisprache für Katalonien, Sicilien
und danach Neapel zunächst noch die katalanische blieb Vgl. bes. Croce, La Corte spag-
ntiola di Alfonso d'Aragona a Napoli in Atti della Academia Pontiniana XXIV ; d e r s. , Versi
spagnuoli in Lodi di Lucrezia Borgia, Nap. 1894 ; F a r i n e 1 1 i in Rassegna bibliogr. 1894, 133-
Poesie: Höfische Dichtung. Lopez de Ayala. 421
Rein ästhetisch ist die Masse der Produktion geringwertig ; der Trovador
und der italisierende Poeta sind beide gleich konventionell, die Gelehrsamkeit
äusserlich, das Denken abhängig. Man würde den Eindruck der Senilität er-
halten , wenn nicht die Bewegung in der Aristokratie eine so ausgedehnte
wäre, die Geschichtschreibung die alte Männlichkeit bewahrte, und die epische
Tradition in der Romanze neu erblühte, die leichtere volksmässigere Lyrik
manches Vortreffliche böte: hier regen sich die halbschlummernden Kräfte
der breiteren Massen.
A. POESIE.
I. DIE höfische DICHTUNG.
35. Einige Übergangserscheinungen sind vorweg zu besprechen. Pero
Lopez de Ayala ^ (1332 — 1407) vertrauter Diener Don Pedro's, dann eine
Stütze der Trastamara, seit 1398 Grosskanzler, gehört als Begründer und Meister
der neuen Geschichtschreibung, als Übersetzer und als einer der ältesten Hof-
dichter der neuen Richtung an. Zugleich ist er ungeföhr der letzte der die
Form der Cuaderna via mit dem Alexandriner gepflegt hat. In einem Bruch-
stück von Cancionero de Baena mag sie ungefähr gleichzeitig sein, nur in der
ausserhalb der eigentlichen kastilischen Poesie stehenden judenspanischen Be-
arbeitung eines Schachgedichts und dem maurenspanischen Poema de Josi (S.
u. § 52) ist sie vielleicht jünger. Allerdings findet sie sich in völliger Ver-
einzelung noch einmal in den in Burgos 1563 gedruckten Exemplos de Caton!^
Die wenigen von ihnen mitgeteilten Strophen sind indessen sehr altertümlich
und gehören wohl noch unserer Periode an.
Das Rimado de Palacio^^ in welchem A. seine Lebenserfahrung nieder-
legt , zeigt auch in seiner Struktur noch die Kompositionswillkür des Archi-
preste; es ist zwischen 1378 und 85 zu verschiedenen Zeiten nach Gefallen
fortgesetzt, mit lockerer Anknüpfung der einzelnen Stücke an die vorausgehen-
den. An eine katechetisch geordnete, für Leser wie Autor gemeinte General-
beichte schliesst sich eine Darstellung der Schäden in den verschiedenen
Ständen, die als Strafe der Sünden zu betrachten sind, auf eine Warnung vor
den Zornbildern der Tugenden folgt ein Gebet und Anweisung zum Beten,
darauf die Erfahrungen des Kriegsmanns der bei Hof Geld zu fordern hat,
die Tageslast des Königs, eine Ermahnung zur Friedfertigkeit und gegen die
Habsucht , Regeln für die Rechtspflege , Kennzeichen guter Herrschaft , Ver-
haltungsregeln fiir Vertraute ; dann ein Anhang von Klagen , Marienliedern,
Gebeten aus der Gefangenschaft, mehreres darunter zurückdatiert, zur Hälfte
mit lyrischer Verwendung des Alexandriners neben Formen der Hofdichtung :
darunter zwei 1398 und 1403 beigegebene Klagen über das Schisma im Masse
der Arte mayor. Einsicht und aufrichtiger Wille, Energie des Ausdrucks und
rücksichtslose Wahrheit sind der Satire nachzurühmen, und A. darf, obwohl
' Fl Ol" an es, Vida literaria de P. L. de A., in Coleccion di docum. ined. Bd. 19 — 20.
Die schwerfällige und inhaltsarme Schrift hat jedenfalls das Verdienst längst erwiesen zu
haben, dass die Gefangenschaft Ayalas im Rimado die portugiesische von 1385 und nicht
die englische von 1367 ist. Vgl. au.sserdem Rios V, lOl flf. ; Menendez, Antologia,
IV, 9 ff.
^ Gallardo, Ensayo No. 5 14. Ober eine Bearbeitung dtr Disticha Catonis im Mass
der Arte m.iyor von 1493 durch Garcia de Sta. Maria s. ib. 2316. Versetes de antigo
rimar nennt sie schon Ayala selbst in seinen späteren Tagen, C. Baena II, 201.
^ Hrsg. v. Janer, Escrit. ant. al siglo XV, S. 425; vgl. auch Wol f, Studien, 138 ff.
Die Bezeichnung Rimado de P., bei Santillana Rimos de P., ist dem Gedicht nach seinen
hervorstechendsten Teilen sehr früh beigelegt worden, ihre Meinung übrigens nicht ganz
klar, da span. »Reim« für diese Zeit noch zweifelhaft ist.
42 2 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpaN. LiTT.
weniger Poet als dieser neben Juan Ruiz gestellt werden — den er einen
Satanspriester nennen würde. Nur unvollständig erhalten ist seine poetische
Bearbeitung der vorher von ihm übersetzten (Castro II, 398) Flor es de los
morales sobre Job; in Hs. und Ausgabe falschlich zum Rimado gezogen. Im
Unterschied von jenem zeigt sie nur Alexandriner, nicht auch Vierzehnsilbner.
Ähnlich wie der Alexandriner mit Ayala , verschwindet dessen Halbvers , der
frühspanisch relativ stark vertretene franz. Sechssilbner mit dem älteren Rabbi
Santo von Carrion; Villasandino braucht ihn noch vereinzelt in ge-
mischter Strophe, aber im 16. Jh. ist die Tradition derart unterbrochen, dass
er von Garcilaso aus Petrarca übernommen und italiano quebrado genannt wird.
Die Proverbios morales'^ scheinen noch unter Alfonso XL (s. Str. 673) abge-
fasst, sind aber D. Pedro zugeeignet. Nur verhältnismässig wenige der Ge-
danken stammen aus den alten Apophtegmensammlungen, mehr jedenfalls aus
jüdischer Tradition, die meisten aus eigener resignierter Lebensweisheit. Grosse
Konzision bei vollkommener Leichtigkeit, eine Fülle treffender und glänzen-
der Bilder zeichnen die Vierzeiler aus, das beste Ergebnis der Verbindung
jüdischen und spanischen Wesens. Er steht erheblich über seinen berühmten
Nachfolgern im 15. Jh. (Santillana und Perez de Guzman) ; eine gewisse innere
Verwandtschaft scheint des Konvertiten Alonso de Zamora (blüht noch 1500)
Loor de Fir indes "^ zu zeigen.
Negative Erwähnung mag hier das Poema de Alfonso XI. finden (II, 2,
204). Es ist in seiner kastilischen Überlieferung sicher Transskription eines
portugiesischen oder gallizischen Gedichts (leonesische existieren nicht), das
ebenso gewiss auf der Crönica de Alfonso XI. beruht, wenn auch der Verfasser
zeitlich noch nahe genug stand um einige unerhebliche Ausschmückungen zu-
treffend anbringen zu können.
36. Unsere Kenntnis der höfischen Dichtung 3 beruht fast ausschliesslich
auf den Liedersammlungen, Cancioneros, von welchen einige bestimmte Kreise
bevorzugen, sehr zum Vorteil unserer Einsicht in diese so eng mit ihrer Um-
gebung verknüpfte Poesie, die Mehrzahl ziemlich zufällig zusammengewürfelt
ist. Voran steht unter den erhaltenen und bekannten der C. de Juan Alfonso
de Baena,^ Schreibers Juans IL, der ihn um 1445 für den König und Hof
' Hrsg. von Janer, 1. c. 331. Santo, Die judenspanische Form für Sem Tob
(o. Sehern Tob?) ist wiederholt durch den Reim, wie durch die Schreibung Santillanas
und der besseren Hs. gesichert, also beizubehalten.
^ s. Sa Iva 2187. Spätere Vertreter der Reimweisheit sind, neben dem genannten
Garcia deSta. Maria, Guajardo F •d}a.rdo , Provgrdtos morales, 1524 u. ö.; Lopez
de Janguas, Dichos e sentencias de los siete sabios , in Dreizeilern , offenbar sehr beliebt,
Drucke seit 1549 bekannt, aber anscheinend nicht unerheblich älter; ebenso in Dreizeilern
Pedro Luis Sanz, Proverbios, Consejos y Avisos, um 15.35. Salva 2134, und anonyme
Refranes, Valencia 1551; ßarros, Philosophia cortesana, Madrid 1587. dann oft mit wech-
selndem Titel; Setanti, Avisos de Amigo, Barcel. 16 14; Perez de Herrera, Proverbios
morales, Madrid 1618.
^ s. Rios, Bd. 5 — 7; Pidais Vorrede zum Cang. de Baena\ Wolf, Studien 189
und bei Ticknor, H, 507 ; Puymaigre, La cour litteraire de D. ftian II, Paris l873.
2 Bde.; Menendez y Pelayo, Antologia de poetas liricos, in den Prologen.
* Hrsg. V. Pidal, Gayangos u. Odeon. Madr. 1851 ; v. Francisque Michel,
Lpz. 1860, nur Plagiat der ersten, aber wegen ihrer Zugänglichkeit auch im folgenden für
Zitate benutzt, um so mehr als bei jener in den meisten Exemplaren eine Anzahl frecher
Verse unterdrückt ist. Die Hs. ist unvollständiger als die Herausgeber angeben. Eine vor-
ausgehende inkomplete Tabia zeigt zum Beispiel, dass von Juan Alfonso selbst die Dezires
generales und die Dezires de los reyes fehlen, letztere offenbar identisch mit dem Menendez
Ant. II, 215 nach dem Cancionero der Palastbibliothek veröffentlichten politischen Dezir, das
sich durch seinen Stoff über seine sonstigen Reimereien erhebt. Der königliche Schreiber
Juan Alfonso ist wahrscheinlich jüdischer Konvertit gewesen, wie Antonio de Mon-
t o r o und Juan d e V a 1 1 a d o 1 i d , die später Gunst am Hofe gewinnen, und der vornehmere
Rodrigo Cota. Man darf von einer regen Beteiligung, nicht aber von einer führenden Rolle
dieses Bevölkerungsbestandteils in der Zeitlitteratur sprechen.
Poesie: Höfische Dichtung. Cancioneros. 423
zusammenstellte ; er giebt einen lebendigen BegrifiF des Tones der unter dem
leichtlebigen Fürsten herrschte, und berücksichtigt in ausgedehntem Masse,
bevorzugt sogar die Zeit seiner Vorgänger; einige künstlerisch bezeichnende
Urteile laufen unter, und die ältere Benennung der Formen ist hier dürftig
und unsicher, aber besser als anderwärts gegeben. Ein wertvolles, wenn auch
viel weniger umfängliches und mannigfaltiges Gegenstück bildet der Cancionero
de Stüniga,^ wie er nach dem Verfasser des zuföUig ersten Gedichts genannt
wird. Hier sind die Ritter stark vertreten, welche den gepriesenen Gönner
des Humanismus, Alfonso V. von Aragon, nach Neapel begleiteten, einer von
ihnen, Carvajales, bethätigt sich zugleich italienisch, der jüngere vornehmere
Geschmack begünstigt das farblose Liebeslied, die Entstehung ist am neapoli-
tanischen Hof nicht lange nach 1458 zu suchen. Dem Kreise Santillanas
scheint um die Mitte des Jhs. das bei Salvä Bibliot. 181 beschriebene Lieder-
buch nahezustehen. Die lange Regierung Juans II. begleitet der verschollene
C. de Martinez de Burgos.2 Von der späteren ZeitD. Juans in die D. Enriques IV.
und zum Teil in die Isabellas reichen die von Morel-Fatio, Catal. 586 — 93 be-
schriebenen Hss. der Pariser Nationalbibliothek — ein C. der dem Amadis-
übersetzer d'Herberay gehörte, jetzt im Brit. Mus., abgedruckt bei Gallardo,
Ensayo , 484 — der C. des Brit. Mus. Eg. 939, analysiert von Gayangos,
Catal., I, IT. — der reichhaltige C. de Yxar, 1470 oder etwas später, Gallardo
486 und Ticknor II, 522 beschrieben — der von Gomez Nieva veröffentlichte
C. der Bibliot. patrimonial^ — ein sehr schätzenswertes Ms. im Privatbesitz
zu Madrid, Rios VI, 537 — der Rom. Forsch. VIII, 283 von Rennert mit-
geteilte des Brit. Mus. — zwei nur sehr dürftig bekannte der Bibl. patrimonial
und der Colombina,^ Rios VI, 533 u. 580 und Pidal in Can^. Baena S. CXVIII
— der Gallardo 487 analysierte, gut im 16. Jh., aber mit einigen älteren
Stücken — der C, de Ramon de Llavia, Incunabel o. O. u. J., der Gattin des
Juan Fernandez de Heredia zwischen 1481 und 1503 gewidmet, Salvä 185,
eine Sammlung von meist religiösen längeren Dezires, ähnlich wie verschiedene
Wiegendrucke von Fray Inigo de Mendozas Vita Christi con otras obras, Rios
VII, 241, Pidal 1. c. CXIX, Salvä und Gallardo. Keine dieser Sammlung steht
in Beziehung zu einer der anderen und den noch zu nennenden, und keine, ob-
wohl mehrere sicherlich Kopien sind, ist in mehreren Exemplaren erhalten : ein
Zeichen der ausserordentlichen Zahl in der sie angelegt worden sein müssen. Den
Umfang in welchem sie uns die Gesamtproduktion überliefern , mag ein ein-
zelnes Beispiel klar machen. Gomez Manrique, 1412—90, stand ihnen
allen zeitlich nahe, als Dichter und Magnat in gleich hohem Ansehen. Wir
würden von ihm bei Heranziehung aller Hilfsmittel^ 19 Gedichte auftreiben
können , wenn er nicht in späten Jahren veranlasst worden wäre selbst zu
sammeln, was sich noch finden Hess, so dass wir auf 115 Nummern kommen.
Die Zahl entspricht entfernt nicht seiner gelegentlichen Angabe dass er täglich
2obis 25 Strophen beiläufig zu dichten pflegte, und in der That fehlen von
jenen neunzehn achte im persönlichen Cancionero , obwohl anzunehmen ist,
dass er am leichtesten wieder fand was am beliebtesten war. Das ist ein
Durchschnittsmass, andre kommen besser weg, andre schlechter. So kann es
* Hrsg. V. Fuensante delValle u. Sancho Rayon, Madr. 1872, Col.de libr.
esp. rar. 6 cur. Bd. 4. Vgl. /?om. III, 413.
2 Beschrieben in Crmüa de Alfonso VIII, Madr. 1783. App. CXXXIV.
^ Coleccion de poesias de un C. inedito del siglo XV, Madr. 1884. Der Herausgeber
hat nur son.st ungedrucktes aufgenommen, scheint aber dabei, älteren Angaben gegenüber
{Rios V, 291' VI, 580) nicht alles erschöpft zu haben.
* Fehlt in meinem Auszug aus dem Katalog der viel geplünderten Bibliothek.
^ Abgesehen von der Madrider Kopie (Bibl. Nac. Dd6l) des Cattf. der Colombina.
Der Herausgeber des C. de G. M. erwähnt sie anscheinend ohne sie zu benützen.
424 LiTTERATURGESCHICHTE DER ' ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LiTT.
nicht Wunder nehmen, wenn von den Zeitgenossen rühmend hervorgehobene
Namen nirgend vertreten sind. Das erhaltene ist trotz seines Umfangs nur
ein kleiner Bruchteil des einst vorhandenen, in welchem aber im ganzen das
Bessere bevorzugt ist, und der uns in seiner Mannigfaltigkeit und bei dem
Hinzutritt des persönlichen Cancioneros ein zureichendes Bild der Epoche
giebt. Eine wichtige Vervollständigung erfährt es durch den neueren Fund
eines musikalischen C. , ^ da die lyrischen Gedichte im Grund noch alle für
den Gesang gedacht waren. Die »farpa de Don Tristan«, war zu Ehren ge-
kommen , Juan II. z. B. sang und spielte gut, unter seiner Regierung muss
sich die Kunst bedeutend gehoben haben. Organisierte Kapellen gehörten
zum Hofhalt auch der Grossen , vom ausübenden Musiker (müsico, tanedor,
ministril y cantor) wird der Name juglar hinweg genommen. Die drei- und
vierstimmigen Harmonien des Cancionero musical, von Komponisten die häufig
zugleich Dichter sind, zeigen die Blüte der Kunst unter Isabella und Philipp
dem Schönen, zugleich die Beziehungen des artistischen Gesangs zum Volks-
lied. Mit den Melodien werden die Worte der Tanzweisen und Romanzen
von ihm bereitwillig aufgenommen, die Melodie brachte populäre Motu und
zuletzt die verschmähte Assonanz in die Kunstdichtung. Übrigens finden auch
einige portugiesische und französische Liedchen eine Stätte, italienische Weisen
dauernd bis zur Bourbonenzeit.
Im ersten Jahrzehnt des i6. Jhs. liess Fernandez de Constantina einen
C. llamado guirlanda esmaltada de galanes y eloquentes dezires de diver sos autores ^
drucken; den Inhalt übernahm 151 1 fast vollständig Hernando del Castillo^,
vermehrte ihn um gegen das vierfache (1033 Nummern bei 160 Namen) und
ordnete das Ganze notdürftig; möglichst vollständig, wie er will, seit Juan
de Mena, aber z. B. von den erwähnten 115 Gedichten des Gomez Manrique
stehen bei ihm nur 7 ; gegenüber dem fröhlichen C. music. erscheint das Manirierte
und Gelehrsame bevorzugt. Bis 1573 folgten 8 weitere Ausgaben des Can^.
general, mit Zuthaten und auch Streichungen. Mit Castillo endet die Zeit
der Cancioneros^. Die persönlichen Sammlungen (Santillana, Mena, Gomez
Manrique, Alvarez Gato, Urrea, Fernando de la Torre -^j Fray Inigo Mendoza,
Ambr. Montesino) ergänzen bisher die Anthologien , das Verhältnis wird im
16. Jh., abgesehen von den Romanceros, das umgekehrte, der Dichtername
gilt und will gelten.
37. Wie die vorausgehende in der Cuaderna via^ besitzt diese Periode
einen charakteristischen Vers, den der Arte mayor^. Ihm korrespondiert im
Altfranz, eine wenig häufige Art des Zehnsilbners mit Cäsur nach der fünften
(II, I, 36); altportug. erscheint er vorzugsweise im Tanzlied, während ihn
das Kastilische nur selten rein lyrisch, in grossem Umfang bei längeren Dich-
tungen und anfänglich in der Tenzone anwendet, ganz überwiegend in acht-
zeiliger Strophe. Rein amphibrachischer Gang setzt sich oft lange fort , ist
aber nicht obligatorisch, sodass hierin ein Gegensatz zum Französischen nicht
' Cancionero musical de los siglos XY y XVI, coment. per Fr. Asensio Barbieri.
Madr., Acad., 1892. Enthält 460 Stücke, die Texte ohne Autornamen, gewiss viele, wie bei
dem stark vertretenen Juan del Encina, Eigentum der Komponisten.
^ S. die Beschreibung Ticknor II, 529. In enger Beziehung zu Castillo und Con-
stant., zu letzterem auch im Titel, steht ein kleiner Espejo de enantorados, guirnalda esmalt.
de gal. e eloqu. dez., s. 1. e. a., Gallardo 4510, vielleicht erweiterte Quelle Constantinas.
* Cancionero general de H. d. C, 2 Bde., Madr. 1882, (Soc. de Bibliöf. 21); enthält
die späteren Zusätze nur zum Teil. Über den C. de Obras de Burlas s. Salva 183.
* Über Spanisches im portug. Cancioneiro de Resende s. II, 2, 270, Ausserdem findet
sich noch manches hierher gehörige in katal. u. ital. Liederbüchern, in Beigaben zu Drucken
von Metias Trecientas und den Romanzeros, und sonst zerstreut, neben den genannten Fund.stellen.
* Im Besitz Gayangos; könnte auch noch zu den gemischten gezählt werden.
" Vgl. Morel-Fntio, L'arte mayor et rhendecosyllahe, Rom. XXIll. 209.
Poesie: Höfische Dichtung. Versarten. 425
zu suchen wäre. Neben ihm steht sein Halbvers, quebrado, (älter medio pii),
des Fünfsilbner, nach span. Zählung Sechssilbner, viel w^eniger häufig, meist
selbständig lyrisch, kastilisch zuerst bei Juan Ruiz 1020 — 32, und in weiterer
Teilung die Spielart - - -. Einen fundamentalen Unterschied gegenüber der
sonstigen französisch-romanischen Metrik bezeichnet die Freiheit die erste Silbe
fallen zu lassen, einerlei ob der vorausgehendeVers männlich oder weiblich schliesst,
mit dem Gang _ ^ ^ ~, die erste Silbe notwendig betont , häufig im ersten,
seltener im zweiten Halbvers, eine wohlthätige Unterbrechung seiner Eintönig-
keit. Es ist schon § 8 auf verwandte Vorkommnisse im Wächterlied Berceos
und dem volksmässigen Gesang hingewiesen ^ ; so setzt eine Tanzweise des
Fernan Perez de Guzman (Rios V, 293) Aquel arbol que moz'e la folha =
Aquel arbol del bei mirar ; der Gang. mus. 6 Amigo el que yo mas queria =
Venid al alba del dia; singen die Hirten bei Castillejo Haciame del ojo =
Asiame de la manga u. s. w. Hierher zähle ich auch die in sorgfaltigen arti-
stischen Gedichten recht häufige freie Behandlung der Quebrado, misas rezadas
= quanto conto, bien receber -.= le desplace"^. Ich sehe hierin nicht musika-
lische Einflüsse sondern sprachgemässe Fortsetzung alter Metrik, die sich
neben der Silbenzählung erhielt wie in Deutschland neben dieser das Hebungs-
prinzip.
Maestria de Arte mayor meint ursprünglich etwas ganz anderes, Gedichte
mit gleichreimigen Strophen, ohne Ansehen der Reime. Die Verschiebung der
Benennung findet sich zuerst bei Encina (s. u.) und ist durch ihn herrschend
geworden. Jene Reimkünstelei war veraltet, das Tenzonenspiel hatte seinen
Reiz verloren. Der mit beiden häufig verbundene Vers hat daher etwas an
Boden eingebüsst, ward seit Juan de Mena als pompös empfunden, und schliess-
lich nur mehr zu längeren Kompositionen verwendet. In der ersten Hälfte
des 16. Jhs. wird er dann von dem italienischen Hendecasilabo verdrängt 3.
Ein Sieg besseren Geschmacks, da die eigentümliche Gangart und die Trennung
in zwei zu kurze Hälften gerade in Reflexion und Erzählung eine unangenehm
klappernde Wirkung hervorbringen. Der Halbvers blieb unter dem Namen
verso de redondilla menor.
Neben ihm steht von Anfang gleichberechtigt in allen Dichtungsarten
und mit unbeschränkter Strophenbildung der später so genannte verso de redon-
dilla mayor, altportug. nicht selten, spanisch zuerst beim Archipreste vertreten,
später das dominierende Mass. Sein Langvers existiert nur mehr in der Romanze,
und wird mit dieser unten besprochen.
38. Im Jahr 1349 hat der Marques von Santillana die Sammlung
seiner Gedichte mit einem Briefe über die Geschichte der Kunst eingeleitet,
der die ihr zu Grund liegenden Kenntnisse, Beziehungen und Anschauungen
* S. auch Mihi y Font an als, Obras V, 324.
* Wohl davon zu unterscheiden ist das Enjambemejit des Quebrado mit dem voraus-
gehenden Vers, wie Muy querido~^ Enriquezido , und die proklitische Aussprache des en. Die
mehrfach, z. B. von Guevara eingehaltene Regel, dass der Quebrado nach männlichem Aus-
gang um eine Silbe verlängert wird, hat sich erst jung entwickelt.
' Zu den Ticknor Suppl. S. 44 verzeichneten Spätlingen sind noch manche nach-
zutragen, alle inhaltlich wenig bedeutend. Torres Nahano, der italienische Sonette dichtete,
braucht kastilisch den alten Langvers. Das älteste Drama braucht ihn schon nur ausnahms-
weise; um 1580 will ihn Lopez Pinciano noch für den Prolog gelten lassen. Mehr-
fach verwendet ihn auch Seb. de Horozco ca. 1540— 80; fortlaufenden Gebrauch zeigt
auch ein Flugblatt von 1554, Gallardo 2480. Als vereinzelte Kuriosität wird die Strophe
wohl auch im 17 Jh. verwendet worden sein, lebendig ist in diesem nur mehr der Vers
unter Rückkehr zu seinem Ursprung in assonierender Tanzform der Schäfer im Auto; so
bei Calderon und Bances Candamo.
^ Carta al Condestable de Portugal, Ohras S. 1 ; V i fi a z a , BiH. de la filolgia
castcllajia S. 778.
426 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LiTT.
beleuchtet und insbesondere wertvolle Angaben über ihre nächste Vergangen-
heit macht. Er ergänzt was sich aus dem C. de Baena über die Übergangs-
zeit ermitteln lässt, nachdem man vorher den in diesem enthaltenen gallizischen
Gedichten die kastilische Schreiberverkleidung abgestreift hat ^. Da Alfonso XI.
und Juan Manuel gall. dichteten, obwohl sie Santillana nicht kennt, ist es
wahrscheinlich , dass in Kastilien eine fortdauernde Übung dieser Sitte be-
standen hat. Unter D. Pedro ( — 1369) lebte der Gallizier Macias^, dessen
Liebesklagen eine etwas unverdiente Berühmtheit erlangten, weil ihm der Tod
um der Liebe willen, mit dem so viele drohten, auf irgend eine Weise wirk-
lich zugestossen zu sein scheint. Als Liebesmärtyrer wurde er zur legendarischen
Figur und blieb bis heute ein beliebter Gegenstand der Dichtung. Von zwei
ungefähr gleichzeitigen Landsleuten, die Sant. nennt, ist nichts erhalten 3. An
sie schliessen sich unter Enrique IL ( — 1379), bzw. vor Juan I., die Kastilier
Juan de la Gerda (nur bei Sant.), Gonzalez de Castro (ein oder zwei
Liedchen ^) und Pero Gonzalez de Mendoza (gest. 1385) mit 5 Liedern
in C. B. , deren letztes , der Anfang einer Pastorelle in Rede und Antwort,
ziemlich sicher stellt was sein Enkel Sant. mit der Angabe meint: usö una
manera de decir cantares asy como scenicos Plauto e Terencio, tambien en estram-
l)otes como en serranas. Endlich sind bei Alfonso Alvarez de Villasandino,
einem der gewandtesten , fruchtbarsten und bestüberlieferten Reimer , der bis
ungefähr 1428 lebte, alle diejenigen Gedichte gallizisch , welche noch unter
Enrique IL fallend Ebenso unter Juan I. ( — 1390) alle des witzigen Arce-
diano de Toro und des verdorbenen Genies, Schranzen, Eremiten und Rene-
gaten Garci Fernandez de Gerena. Aber Villasandino beklagt den Tod
D. Enriques kastilisch, während er den Thronerben in der traditionellen Sprache
begrüsst, er wendet diese von da ab nur mehr beiläufig an, seit ungefähr 1410
überhaupt nicht mehr. Nur kastilisch setzt 1379 Pero Feruz ein (C. B. I,
320), um dieselbe Zeit sein Freund Lopez de Ayala mit dem lyrischen Teil
des Rimado de.Palacio und einer Respuesta im C. B. Ungefähr unter Enrique III.
( — 1407) finden sich noch drei vereinzelte gallizische Liedchen^. Wenn weiter
im 15. und 16. Jh. einzelne aus irgend einem Anlass einmal ein paar Verse
in der portug. Nachbarsprache machen, so steht das nicht mehr im Zusammen-
hang mit Macias; schon Rodriguez del Padron fallt es nicht ein seine
Muttersprache zu brauchen.
Wenn II, 2, 240 gesagt war, dass die beiden spanischen Lieder des
Macias in der Ausstattung mit einem Thema auch spanische Gestalt zeigten,
so ist das zu modifizieren , da eben auch jene beiden gallizisch sind. Die
gallizisch-portug. Kunstdichtung am kastil. Hof hatte eben eine von der portu-
giesischen etwas abweichende Richtung eingeschlagen, die sich in spanischer
Sprache fortsetzt. Jene hat auch die thematische Form höfisch gepflegt; die
1 Die Gedichte sind gallizisch wenn der Reim diese Sprache fordert, und wenn im
Inneren der Verse gallizische Formen vorkommen, ohne dass der Reim der Restitution
widerspräche.
* Santillana stellte ihn allem Anschein nach vor Juan I., Baena ausdrücklich
unter Pedro I. Diesen zeitlich nächststehenden Zeugnissen gegenüber sind die späteren
Fabeleien bedeutungslos. Alle Varianten seiner Lebensgeschichte charakterisieren sich als
schiefe Ausdeutungen der einzigen Strophe Aquesia langa sem falha C. B. II, 4. Das Material
z. B. Paz y Melia, Obras de Rodrigtiez del Padron 401. Die vier sicher authentischen
Lieder im C. B. sind entschieden gallizisch, auch das zweifelhafte fünfte, und ebenso die
Mehrzahl derjenigen, die man ihm später irrig zuschrieb, eben wegen ihrer Sprache.
' Auch nicht von Pires de Camoes (II, 2, 237) ; der Lopez de C. im C. B. ist er-
heblich jünger und reimt kastilisch.
* Santillana, Obras S. 14, C. B. II, 5, Gallardo I, 532.
* C. B. I, 21—27, 30—33, 50, 51.
« C. B II, 16, 185; Rios V, 293.
Poesie: Höfische Dichtung. Dichter der Übergangszeit. 427
kastilischer Sprache schliesst sie indessen inhaltlich überwiegend der Art an,
in welche sie bereits dem Archipreste (S. 385, 406) geläufig war, dient dem
volkstümlich gehaltenen geistlichen, dem Hirten- und Bauernlied. Weder die
Spätprovenzalen noch die Katalanen haben mit eingewirkt, wie schon der
Mangel des hauptsächlichen katalanischen Versmasses zeigt (II, 2, 77); eben-
sowenig die von dort übertragenen Verslehren, die verlorene Juan Manuels
und die in wertlosen Fragmenten erhaltene des Enrique de Villen a^. Auch
für die schulmässigste Poesie sind die lebenden Beispiele bestimmend, die
Poetiken nur Hilfen, und hier waren diese obenein fremdsprachlich gedacht.
Santillana, der die Provenzalen nur indirekt, die Katalanen sehr gut kennt,
weiss von solchen Einwirkungen nichts und erklärt ausdrücklich, dass die Ter-
minologie von den Portugiesen gekommen sei 2. In der Form ist diesen gegen-
über (offenbar minder vollständig auch schon auf der gallizischen Zwischen-
stufe) bei den Kastiliern unterscheidend die Aufgabe des, nach franz. Messung,
Sechs-, Acht-, Neun-, der ungleich geteilten Zehn- und des Zwölfsilbers. Es
bleiben nur die in § 3 7 analysierten Masse mit ihren Halbversen ; es bleiben
und wuchern zunächst die Spielereien in Strophenverkettung und Reimkünstelei
aller Art, doch so dass im Lauf des 16. Jhs. bei reicher innerer Gliederung
der einzelnen Strophe das Gedankenspiel dem Reimspiel vorgezogen wird;
Gleichreimigkeit ist besonders im Anfang stark vertreten, im einzelnen Gedicht
wie in der Tenzone. Inhaltlich ist der Wegfall der Freundeslieder zu bemerken,
und mit ihm verschwinden die portug. nicht seltenen warmen Naturlaute in
dem konventionellen, scholastizierten Liebeslied. Das eigentliche Schimpflied,
wenn auch zur Genüge vertreten, ist seltener als dort, die Tenzone häufiger.
Das dort fast ganz fehlende Zeitgedicht ist gepflegt, noch mehr das geistliche
Lied, welches portugiesisch nur durch Alfonso X. vertreten war. Eine starke
didaktische Richtung ist kastilianisch - französische , nicht portugiesische Erb-
schaft.
39. Um oder bald nach 1400 führte ein Sevillaner, genuesischer Ab-
stammung, der Sohn eines Goldschmieds (Bankiers), Dante und Dante's Alle-
gorie in allerdings sehr äusserlicher Nachahmung ein mit ausserordentlichem
Erfolge. Sein Ansehen zeigt uns nicht nur sein Lob bei Santillana: inner-
halb dieser Meisterschule ist es noch bezeichnender, dass er in der Tenzone
mit abweichendem Reim und abweichender Strophe antworten darf; seine
Gelehrsamkeit bethätigt sich in mehrfacher Verwendung fremder Sprachen
und er wahrt immer die Art des vornehmen Mannes. Von ihm ab laufen
Allegorie und Vision neben den alten höfischen kleinen Gedanken ; Moral
und Liebe, Trauer und Politik empfangen die Einkleidung, die Bilder werden
mit Vorliebe unmittelbar bei Dante entlehnt. Den höheren Prätensionen ent-
spricht in der Regel nicht etwa ein höherer Gehalt, aber immerhin wird die
Dichtkunst durch sie über das Niveau eines blossen Spiels gehoben. In den
höfischen Rahmen freilich fügte sich die Nachahmung Dantes ohne weiteres
ein. Von einem Widerstreit zwischen den überlieferten Künsten und der neuen
Kunst kann füglich nicht gesprochen werden. Beide werden von denselben
Personen gleichmässig gepflegt. Von Manuel del Lando, den Santillana
als Nachahmer Imperiais hervorhebt, besitzen wir nur Gedichte der älteren
höfischen Art. Rodriguez del Padron, den man wohl den letzten Ver-
' Zusammengestellt u. ausgezogen sind die Verslehren bei V i n a z a , Biblioteca de la
filologia cast., S. 387 ff., für das 15. Jh. am wichtigsten was Encina in der Einleitung
seines Cancionero, Ant. vonNebrisa in seiner Grammatik sagt, für die spätere Zeit
Herreras Commentare und die seit 1592 oft vermehrt gedruckte Arte des Rengifo.
^ Obras 12: E aun destos es gierto resgevimos los nomhres del arte, asy conto maestria
mayor e menor^ mcadenados, lexapreii 0 mansobre.
428 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LlTT.
treter der alten Schule genannt hat, steht in dem Liedchen: -»Solo ßor ver
ä Maciasi< unter der Einwirkung des Infierno. Zu den so gegebenen Formen
und Gedankenkreisen ist im weiteren Verlauf des Jahrhunderts wenig mehr
hinzugekommen. Den hendecasillabo hat einzig Santillana nachgeahmt;
wo man ihn sonst hat finden wollen, liegen Irrtümer vor. Petrarca war nicht
ganz unbekannt ^ , doch ohne starken Einfluss. Dass Glossen und Motes in
der zweiten Hälfte des 15. Jhs. neu auftreten, verdient kaum Erwähnung.
Wichtig ist, dass die Romanze seit der Spätzeit Juan's II. vereinzelt nachge-
ahmt wird (s. u. S. 430); und in derselben Zeit das Auftreten einer eigentüm-
lichen Wiederholungsform, in der einfachsten Gestalt drei achtsilbige Vierzeiler,
von welchen die mittlere Strophe ungebunden ist, während die erste ganz
oder teilweise, besonders häufig die zwei letzten Verse der ersten in der letzten
variiert werden. Die Zahl der Strophen wie der Verse kann etwas vermehrt
werden, der Name steht nicht fest, ist bald Cancion, bald Letrilla, auch Glosa,
die Einkleidung von entschieden musikalischer Wirkung , für einen leichten
Gedanken besonders passend. Sie ist noch lange in der Zeit der klassischen
Lyrik beliebt geblieben in oft sehr zierlichen Liedchen. Eine bedeutende
Rolle spielt seit Santillana der Dialog, ist aber kaum von ihm zuerst einge-
führt. Über die Gelegenheitsdichtung erhebt sich mehrfach die politische.
Die didaktische Dichtung ist am wahrsten und wirksamsten da, wo sie das
alte Thema von der Vergänglichkeit der irdischen Dinge aufnimmt. An die
ältere populäre Moralpoesie schliesst sich einiges wenige, wie die Doctrina
des Pedro deVeragua und ein Totentanz ungefähr aus der Mitte des Jahr-
hunderts, die man früher viel zu alt ansetzte 2. Bei Gomez Manrique be-
gegnen wir den ersten noch fast rein lyrischen Ansätzen des religiösen Dramas,
dessen Weiterbildung durch Enzina auch noch den Charakter des 15. Jhs.
trägt. Die religiöse Poesie erzeugt zur Zeit Isabella's Gedichte von halb
epischer Anlage. Aber im ganzen bleibt trotz höherer Selbstschätzung und
höherer Leistung nicht nur der Masse nach der Grundzug der der Gelegen-
heitsdichtung, welche zum Sport der galanes de la carte gehört, auf derselben
Linie als Spiel, Tanz und Kleiderpracht: da auch die ernsten Gedichte sich
fast ausschliesslich an die Hofkreise richten und auch die ernsten Dichter,
selbst die Kleriker und Mönche sich an den galanten Spielen beteiligten.
40. Nennenswerte Zeitgenossen Imperial's waren Sanchez Talavera
(in Cancionero Baena fälschlich Calavera), Ruy Paez, der etwas jünger sein
dürfte, Martinez de Medina, bei welchen die Denkweise Ayala's noch
kräftig ist. Unter Juan II. leben nach dem Verzeichnis , welches Rios VI.,
574/95 aufgestellt hat, über 200 Dichter, von welchen uns noch Komposi-
tionen erhalten sind. Ca. 140 jüngere verzeichnet allein der Cancionero gener al
von 151 1. Unter jenen aus der Zeit Juan's IL befindet sich der König
selbst, sein Bruder Alfonso V. von Aragon und Alvaro de Luna, der
königsgleiche und glänzende Minister. Den Höhepunkt des Kulturlebens unter
ihm bezeichnen die Namen Santillana's, seines Oheims Fernan Perez
de Guzman^, Mena's, Rodriguez' del Padron, von welchen allerdings
Fernan Perez als Geschichtsschreiber und in dem Lobgedicht auf die Claros
varones de Espana erheblich höher steht als in seinen kleinen Versen, Pro-
1 Vgl. die Übersetzung des Triomfo d'amore von A 1 v a r Gomez in Cancimiero
Yxar und Gallardo I, 6 18.
2 Aut. ant. al SigloXY, S. 373 f., vgl. G.illardo 4506, und über die franz. Quelle
der Danza de la muerte, Seelmann, die Todlentänze, Lpz. 1893. Über einige untergeordnete
technische Lehrgedichte s. Rios V, 337 und Menendez, Antologia 4, LXXXVI.
* Vgl. Ticknor I, 317, Rios VI, 590. Bequem zugänglich sind von den Ge-
dichten nur die Claros varones und die Proverbios bei Ochoa, Ritnas ineditas, Paris 1851.
sowie die wenigen kleinen Gedichte im Cang. Gen. Vgl. zu den Proverbios: Salvä 18I, 20.
Poesie: Höfische Dichtung. Dichtungsformen. Nennenswerte Dichter. 429
verbios, Allegorien, während Rodriguez' Bedeutung viel mehr in der Romanze
und einer Prosanovelle liegt, als in den wenigen uns von ihm erhaltenen
zierlich - höfischen Gedichten. Inigo Lopez de Mendoza, Marques de
Santillana ^ ist vielleicht die hervorstechendste Persönlichkeit des Jahrhunderts.
Ohne jeden genialen Zug, aber hochgebildet, vornehm denkend, ein Mann,
der ein ungewöhnlich ausgebreitetes Kunstinteresse und ein noch ungewöhn-
licheres Kunstverständnis besass. Dichterisch wertvoll sind seine schalkhaft-
zierlichen Serranillas , darunter die berühmte von der Vaquera de Finoj'osa,
auch einige seiner andern kurzen Gedichte erfreuen durch Frische und Anmut.
Am unbedeutendsten sind die seiner Zeit meistgeschätzten dantesk-allegorischen,
die Comedieta de Ponza 2, Coronacion de Mossen Jordi, Infierno de enamorados
u. a. Interessant El Dialogo de Blas contra Fortuna^ eine Verteidigung der
stoischen Ansicht vom Glück, aus welcher etwas von dem Enthusiasmus der
Renaissance herausklingt, mit vielen einzelnen Schönheiten. Viel gelesen, oft
gedruckt, ward ein anderes didaktisches Werk, die Proverbios in Achtsilbern,
welche indessen erheblich schwächer sind als jene Sem Tob's. Einen erbitterten
politischen Nachruf widmet er in dem Doctrinal de Privados seinem Todfeind
Alvaro de Luna. Die Weite des Blicks, welche der erstmalige Versuch einer
Litteraturgeschichte (s. o. ^ 38) an ihm erkennen lässt, zeigt sich auch darin,
dass er als der erste und einzige dieser Epoche Horaz sowohl als das italienische
Sonett nachgeahmt hat, sowie in der Anregung, die er zu einer Reihe von
Übersetzungen gab. — Juan de Mena^ hat sich in seinem Labirinto die
grosse Aufgabe gestellt, die Wandlungen des Glücks allegorisch-historisch dar-
zustellen in Nacheiferung der Divina Commedia, bei starker Beeinflussung durch
den unheilvollen Lucan. Dem verwegenen Versuch sind seine Kräfte in keiner
Richtung gewachsen. Obwohl ihm mehrfach ein Gefühl für das Grosse und
geschickte Disposition nicht abzusprechen ist, wirkt er im ganzen kahl und
kalt. Trotzdem galten nicht nur den Zeitgenossen, die Trecientas — so ge-
nannt wegen der Zahl der Strophen — als das grösste Kunstwerk der Nation,
auch den späteren Geschlechtern blieb Mena ein klassischer Dichter, der so-
gar dauernd gelesen wurde. Die abstrakte Allegorie, die uns langweilt, galt
eben auch auf dem Höhepunkt der künstlerischen Entwicklung Spaniens noch
als schön an sich, die überladene Gelehrsamkeit als ein Verdienst. Der gleichen
Stilgattung gehört die weitschweifige Feier der Dichterkrönung Santillana's : La
Coronacion und der Dialog: Coplas de los siete pecados mortales an, zu welchen
noch eine Anzahl kleinerer Gedichte kommen. — Bis in die Zeit Isabella's
reichen die Vettern Gomez und Jorge Manrique, Verwandte Santillana's.
Jorge Manrique (ungef. 1440 — 1479) hat das so oft vom Mittelalter variierte
und auch in dieser Periode mehrfach mit wirksamer Aufrichtigkeit behandelte
Thema der Vergänglichkeit des Irdischen in seinen berühmten Coplas^ ge-
sungen, die von milder und tiefer Trauer erfiillt sind und durch die Beziehung
auf den Tod des Vaters subjektiv erwärmt werden. Gomez Manrique
(141 5 — 90) bleibt wie alle Dichter jener Zeit unter seiner wirklichen Befähig-
ung, weil kein bestimmtes, starkes Wollen irgendwelcher Art die Geister lenkt.
' Geb. 19. Aug. 1398, Neffe Lopez de Ayala's, spielte eine wechselnde Rolle in den
Parteikämpfen, war seit dem Sturz Alvaro's de Luna's (1452) wohl der mächtigste Mann
in Kastilien. Starb 25. März 1458. Vgl. die gute Gesamtausgabe der Obras von Rios,
Madrid 1852. Die dort versuchte Rekonstruktion der Bibliothek Santillanas verwertet viel
zu unvorsichtig Quellenzitate zweiter Hand. Vgl. auch Rios VI, 609 f., Menendez,
Ant. 5. LXXIX.
* Eine Vision, in welcher der Dichter im Traume die Königin von Kastilien und
Aragon nebst der Infantin Katharina sich mit Giovanni Boccaccio über die unglückliche
Seeschlacht von Ponza unterhalten hört und zuletzt die Glücksgöttin erscheint.
' 1411 — 14,56. Lateinischer Sekretär Juan's II.
* Die 500 Verse finden .sich von den Wiegendrucken an in fast jeder Anthologie.
43° LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SpAN. LiTT.
Wirklich bedeutend aber ist in ihrem verhaltenen Zorn die Querelia de la
Governacion , Reimsprüche, die wuchtig auf die leichtfertige Regierung Juan's II.
fallen, so dass der König durch den witzigen jüdischen Parasiten Montoro,
genannt El Ropero, erwiedern Hess; nicht minder die politisch-moralischen
Consejos ä Diego Arias. Es mag hier auf die anonyme politische Satire hinge-
wiesen sein, welche unter dem erbärmlichen Henrique IV. wuchert, die Coplas
de Mingo Revulgo^ de la Panadera, die zügellosen del Provencial (1465 — 74);
aus der Zeit Isabella's das Gedicht: Abre, abre las orejas, im Hirtengewand,
wie Mingo Revulgo 1. Ferner auf die zum Teil anonyme und volkstümliche
Partei- und Kriegslyrik im Can(. musical. — Der Zeit nach Santillana, die ent-
schieden eine grössere Zahl von Talenten aufzuweisen hat als die vorausgehende,
gehören ferner noch an : Juan Alvarez Gato^ — Pero Guillen de Sego via
(1413 bis ungef. 1475) — Guevara, ein Freund Gomez Manrique's, dessen
formgewandte Lieder durch eine gewisse Schwermut gefallen, verschieden von
dem Velez Guevara des Can(. Baena — Garci Sanchez de Badajoz,
der seinen Infierno de amor dem Guevara nachgedichtet hat — Puerto
Carrero, von welchem der Canc. gen. einen vortrefflichen, natürlich ge-
haltenen Dialog mit seiner Dame überliefert. ^ — Rodrigo Cota, der seinen
Ruhm allerdings zum grössten Teil der ganz unbegründeten Zuteilung des
Mingo Revulgo und der Celestina (s. u.) verdankt und dessen bemerkenswerter
Didlogo entre el Amor y un Viejo fälschlich als ein Theaterstück betrachtet wurde.
Der Dialog ist lebendig geführt, hat übrigens wahrscheinlich ein auswärtiges Vor-
bild* — Cartagena^, ein Neffe des gelehrten Bischofs von Burgos — der
Aragonese Pedro Manuel de Urrea** — Juan de Encina (s. u.). Dem
Ernst der religiösen Richtung, die sich unter Isabella geltend macht, dienen
die Franziskaner Ambrosio Montesino'^ und Inigo de Mendoza^ beide
schon dem Volke zugewendet, während Juan de Padilla, el Cartnjano in
den Triunfos do los doze Apöstoles^ nicht unwürdig Dante nachstrebt.
II. DIE ROMANZE.
41. Die geringsten Dichter -»Pißmos son aquellos que sin ningun orden,
regia nin cuento fafen estos romanfes e cantares , de que las gentes de baxa y
servil condicion se alegran« '" sagt Santillana, aber in dem Villancio Por una
gentil floresta singen seine drei Schönen drei Volksweisen und zuletzt er selbst
die vierte. Zwar dichten er und die nach ihm kommen nicht mehr selbst
Tanzlieder , wie die Portugiesen gethan hatten , aber der Tanz und die mit
ihm verbundenen Melodien blieben künstlerisches Gemeingut der Gesamtbe-
völkerung (selbst noch durch das 19. Jh.; das mehr vernichtet hat als das 18.).
^ Vgl. Pidal im Cancwnero Baena 1, LXXXXVIII; Menendez Antol. III, 5 u.
171 VI, 4; Gallardo 487 und 21 79; Paz in Obras de Rodriguez del Padron S. 386;
Gayangos, Catal. of mss. I, lOO.
* Cancionero de J. A. G., Hs. der bist. Akad. No. II4. Vgl. Rom. Forsch. X, 13.
^ Vgl. den Liebeshandel Talavera's im Cang. Baena II, 241.
* Ein gleichzeitiges anonymes Gegenstück, das ihm wenig nachsteht, deutet durch die
Personenbezeichnung Senex, Amor, Mulier auf lateinische Provenienz. Miscellania Caix
Seite 179.
^ Vgl. Andangas e viages de Piedra Tafur 396.
* Cancionero de Don P. M. d. U. Logrono 15 1 3. BMiot. de escrit. aragon. Secc. lit. II.
' Cancionero Toledo 1508 u. öfter s. G a 1 1 ard o 31 34/37- Bibl. Aut. Esp. XXXV, 401.
* s. o. S. 423.
* Herausgegeben v. Riego, London 1841.
. ' " y^De arte de ciego juglar Que canta viejas fazanas Que con un solo cantar Cala todas
las Espahas'^ schilt Montoro; ^^Por lindas canciones ?tuevas Los romances de don ßueso^ muss
Alvarez Gate hören ; Menendez VI, 45.
Poesie: Romanze. 431
Kunstdichtung und Kunstgesang schmücken sich gerne mit den populären
Motiven. Der Romanze aber kamen nicht im selben Masse wie den Cantares,
Musik und Tradition zu Hilfe ; wenn wir sie trotzdem die obere Kulturschicht
durchbrechen sehen, so zeigt das wie dünn diese noch war. Die Benennung ^
ist im 15. Jh. schon die uns geläufige: bezeichnet ein volkstümliches, meist
erzählendes Gedicht in Tiradenform, im Mass der Redondilla fnayor, die geraden
Verse assonierend oder reimend, die ungeraden blank. Theoretisch ist das
Mass der romanische Vierzehnsilbner (s. II, i S. 35), im Gesang aber und in
der Empfindung des 15. Jhs. werden daraus zwei Kurzverse, Melodien und meist
auch handschriftliche Abteilung entsprechen der seit Encina giltigen Theorie 2.
Assonanz kennt auch Portugal im Tanzlied in zweizeiliger Bindung, das
Kastilische ebenso und ausserdem in Strophenform mit Refrain , für welche
den ältesten Beleg das Volksliedchen C. mus. 175 bietet, häufig nachgeahmt
im späteren 16. und 17. Jh.^ In der Romanze ist sie das entschieden ur-
sprüngliche; es musste ein starkes Gegengewicht vorhanden sein, um in der
Nachahmung der Kunstdichter schliesslich statt des Reims diese theoretisch
niedrige, ja unverständliche Form durchzusetzen. Unter den anonymen rein
volkstümlichen Romanzen, die sich im 15. Jh. belegen lassen*, assonieren 16,
reimen 2 ^ ; unter den anonymen auf Zeitereignisse , die naturgemäss etwas
nach der gebildeten Seite hinneigen, ist trotzdem Assonanz noch das häufigere,
so in der ältesten datierbaren Albuquerque Albuquerque 1430, während 1466
Lealtad o lealtad reimt (C. m. Nr. 321 und ib. pag. 11)^. Von den ältesten
' Die urspr. Bedeutung war die dem Franz. entlehnte eines erzählenden Gedichts,
das nicht Volksepos ist. S. die Belege Wolf, Studien 401 '.
* Daher die Spielform Gang. mus. 62, mit wechselndem Reim der ungeraden bei
durchlaufendem der geraden Verse.
' Hierher gehört Duran, Romancero gen., Apend. II, und einzelnes in den voraus-
gehenden Abteilungen; vgl. Wolf, Studien S. 457, ferner Encina, Arte cap. 7 »algunos
ay del tienpo antigo de dos pies (Versen) y que de tres no van en cansonante«.
* Bezw. bis zum Canf. gett. de Castil^ und der Zusammenstellung des ungefähr gleich-
zeitigen Gang, musical. Es ist nur der Zeit nach dokumentarisch gesichertes Material heran-
gezogen, weil es die natürliche Grundlage zur Beurteilung der späteren Überlieferung bildet,
auch wo diese altes enthält, und weil es zugleich zur Formulierung giltiger Schlüsse aus-
reicht. Die Beschränkung in der Darstellung war um so mehr geboten als F. Wolf für
seine grundlegenden Untersuchungen, die in den »Studien« zusammengefasst sind, nur ein
Teil gerade dieser Urkunden zu Gebot stand. Von seinen Aufstellungen fällt vor allem jene
Ober die Ursprünglichkeit des Reims und des Reimwechsels.
* Es assonieren: Ya desmayan los franceses C gen. 467 u. 446 Wolf u. Hof mann,
Frimavera y Flor de Romances 183; Tiempo es el caballero C. mus. 333 Pr. 158 vgl. Duran
1359; Per niayo era C. mus. 69 C. g. 461 und App. 223 Pr. II4; Si damor pena sentis
(Gayferos) C. mus. 323 Pr. 155, 173; Airado va el escudero C. m. 325 vgl. ib. 95; Los
brazos traigo cansados C. mus. 344 Pr. 185; Morirse qiiiere Alexandre C. m. 322, Nebrija
cap. 8; Digas tu el ermitano C. Rennert 67 C. mus. 83 C. g. 480 Nebrija 6 u. 8, Bohl
I. 215, Pr. 147; Fönte frida C. m. 95 C. g. 439 Pr. II6; Rosa fresca C. g. 437 Pr. 115;
Yo mera mora moraima C. g. 459 Pr. 132; Maldita seas Ventura C. Rennert 61 C. g. 443;
Gontaros he eti que me vi C. g. 441 (unvollständig); Yo mestava en Barbadillo C. g. 445 Pr. 19;
Rey don Sancho, rey don Sancko Sumario de los reyes p. p. Llaguno S. 25, Pr. 45; Estavase
el rey Ramiro C. g. 449Pr. 99; Bodas se hacen en Francia Espejo de enamor. Gall. 45 lO
Pr. 157. Es reimen Pesame de vos el conde C. m. 329 Pr. 190— 9I; Durandarte C. m. 34
3 C. g. 435 Pr. 180. Trotz des reinen Tons besonders der ersteren muss hervorgehoben
werden, dass diese beiden auf das Liebessterben hinausgehen. Triste estä la reyna C. m. 334
reimt, ist aber nur Prolog zu der fehlenden wahrscheinlich histor. Romanze. Unbestimmbar
sind die Anfänge Oh Gastillo de Montanges C. m. 339; Dormiendo estä el caballero ib. 326;
For aqtulla sierra tnuy alta C. Herberay Gall. 484; Triste estava el caballero C. g. 458, 474;
Amara yo una senora ib. 475-
^ Im C. mus. gehören assonierend noch hierher 318 Caballeros d* Alcala, 324 Yo me
soy la reyna viuda, und 330, 332, 335 aus dem letzten Maurenkampfe; reimend 317 Triste
Espana (von Encina?), aus dem Maurenkampf 327, 328. 331. Assonierend {tvntr Hablando
estava la reyna Rom I, 373 mit dem erst bei Perez de Hita (s. u.) wieder auftretenden, der
Romanze an sich fremden Refrain.
432 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LiTT.
Romanzen benannter Kunstdichter (Spätzeit Juan's II.) assonieren die drei
volksmässigen des Rodriguez del Padron, sowie eine der höfischen Carva-
jals, während dessen andere reimt'. Das Verhalten der ersten Gruppe ist
entscheidend. Männlicher und weiblicher Ausgang sind gleichberechtigt 2.
Encina spricht von vierzeiligen Strophen 3, in Übereinstimmung mit sämtlichen
Melodien des Can(. mus., und es ist nicht zu verkennen dass, wie graphisch in
Drucken und Hss., oft die entsprechenden Einschnitte auch inhaltlich scharf her-
vortreten.'' Doch ist letzteres keineswegs immer der Fall, und wenigstens einmal,
C. mus. 69, sehen wir vor den Vierzeilern zwei Zeilen als Einleitung gesungen.
Das eigentlich charakteristische bleibt die Verbindung der Assonanz mit der Tirade,
und zwar einer Tirade; nicht nur alle oben angeführten Romanzen, sondern
auch die höfischen Contrahechuras des 15. Jhs. sind einreihig. Quelle dieser
Form kann nur das kastilische Epos sein; jene Ansicht, welche umgekehrt
das Epos aus den Romanzen entstehen Hess, lässt sich schon aus dem Poetna
del Cid heraus (s.S. 397) widerlegen. Als Fingerzeig kann dienen, dass heute
von den Blinden die Rezitation langer Romanzen stellenweise durch Gesang
unterbrochen wird-''. Nehmen wir an, dass ähnlich im Vortrag des Epos der
luglar einzelnen Tiraden lyrische Melodien unterlegte, so erklären sich sofort
manche Besonderheiten der Crönica rimada, sowie das isolierte Weiterleben
solcher hervorgehobenen Stellen und der Wegfall des für das Epos an sich
zu postulierenden, in Frankreich gesicherten rezitativen Vortrags.
Von der Form aus kommt man somit zu einem bestimmteren Schluss
über die epischen Romanzen als ihn der Inhalt ermöglichen würde: jene
altertümlichen, bei welchen Zusammenhang mit den Prosaversionen der Crönica
gcneral nicht erweislich ist, kommen wenigstens zum Teil unmittelbar aus dem
Epos. Dabei handelt es sich nur um eine sehr kleine Zahl , da von jenen
die Milä als »antiguo?« gelten lässt, noch einige sekundär sind. Unter den an-
geführten gehören hierher nur das Schlussstück von Pr. 19, Pr. 45, und Pr. 99.
Jenes dem Volkslied gemeinsame unmittelbare Eintreten in den Gegenstand,
das eine so eigenartige Perspektive erzeugt, wird hier ganz besonders fühlbar,
die Erzählung wird als bekannt vorausgesetzt, eine innerlich reich bewegte
Situation in ruhigem knappem Vortrag herausgegriffen. Da die Namen fehlen
dürfen, da wo sie bleiben leicht verdunkelt sind , da ferner sehr leicht Ver-
schiebung oder Kontamination eintreten konnte, sobald sich das gesungene Lied
von seinem Hintergrund ablöste, wird der stoffliche Zusammenhang oft genug
unfindbar bleiben. Doch treten uns innerhalb der vorgeführten ältesten Über-
lieferung neben dem heimischen deutlich zwei weitere Erzählungskreise ent-
gegen, Roncevalles-Turpin (II, 2, 391) in Pr. 183, das Lancelot-Tioletmotiv
vom weissfüssigen Hirsch ^ Pr. 147. Daraus geht hervor, dass Prosaromane,
> Zts. f. r. Ph. XVII, 544; Canc. Stuiiiga = Pr. loo; Gallardo 485 = Menendez 11,
190. Doch ist auch die reimende ohne Zweifel Conü-ahechura einer assonierenden, der spät
überlieferten Alarcosromanze Pr. 163.
2 Da bei männlichem Ausgang innerhalb derselben Melodie nicht immer, aber oft
genug unbetontes, sicher gesprochenes-« gleichwertig erscheint, madre auf -a etc., muss bei
männlichem Ausgang eine vokalische Cadenz nachgesungen worden sein. Vgl. Rios, II, 61 2.
^ Arte cap. 7 '• y OM-n los romances suelen yr de quatro en quatro pks.
*■ Man vgl. die Montesinosromanze Zts. XVII, ,"146, zumal ihren Schluss. Ich halte
auf Grund der Beobachtung z. B. in der Montesinosromanze Pr. 50 die Aufnahme der auch
sachlich sehr guten ersten Variante für geboten, betone aber, dass das scheinbar so bequeme
textkritische Kriterium nur mit grosser Vorsicht angewendet werden darf. Eine Spielart
des Vortrags, C. mus. 95, bei welcher durch Wiederholung zehen Zeilen zu 5 Vierzeilern
werden, ist oben nicht berührt, da das Lied höfisch scheint.
' Inzenga, Cantos y bailes, S. 13: Los ciegos (de Valencia) interrumpen esta decla-
macion para cantar estrofas del mismo romance, u otras coplas apropösito, para seguir despues
decloman-do.
•> Vgl. Hist. lit. de la France XXX, 113, dazu eine inizweideutige Spur im franzö-
Poesie: Romanze. 433
wie Lopez de Ayala für die höheren Klassen bezeugt, auch in den niederen
Volksschichten vorgelesen bezvv. erzählt wurden ^, jedenfalls hier in der ver-
kürzten Gestalt des Volksbuchs. An diese Vorträge, die mindestens teilweise
gewerbsmässig zu denken sind , scheint sich das Lied ebenso angeschlossen
zu haben wie im Epos, wenn auch die gedruckten Volksbücher kein Zeugnis
mehr dafür ablegen, ähnlich den Tiraden im altfranz. Aucassin und Nicolette.
Pr. 147 findet sich mit anderer Assonanz und gleichem Inhalt bei Nebrija
VIII, der Gedanke an die französische Paralleltirade drängt sich auf, obwohl
diese in den beiden Cidepen nicht vorkommt. Noch einen Schritt weiter
vom Epos entfernt sich das durch und durch volkstümliche Lied vom Tod
Alexanders, C. M. 322, welches nicht sowohl an Berceo, als an die Bocados-
litteratur anknüpft ; Fönte frida endlich ist ein durch die Predigt populär ge-
wordenes Motiv aus der Naturgeschichte der Physiologus. Die Form über-
trägt sich auf jeden populär erzählenden Stoff; sehr leicht mochte sie strophisch
assonierende Volkslieder nach der Art der frühfranzösischen Chansons de Toile
(vgl. C. mus. 175) an sich ziehen, konnte selbst ein im Tanzlied gegebenes
Motiv plastisch gestalten. Doch scheint der Zuwachs von dieser Seite oder
auch aus dem Märchen nicht sehr stark gewesen zu sein ; es überwiegt der
Eindruck epischer Situation auf epischer Grundlage. Einlage einer Legende
scheint die volkstümlich - erbauliche Rennert 349 (vgl. Duran 1388), welche
übrigens reimt ; etwas von dem populär-moralischen Ton, den die Flugblätt-
litteratur gerne anschlägt, hat bereits die assonierende Rennert 351 (Duran
292}. Aber auch sie zeigen jenen Gesamtcharakter. — Sobald der Zusammen-
hang undeutlich wurde konnten nur sehr wenige , besonders gern gesungene
und memnonisch bequeme Romanzen sich längere Zeit intakt erhalten , wie
•»Rosa fresca€ ; auch die Drucklegung konnte hier und da einmal konservierend
wirken. In anderen Fällen traten interpretierende Erweiterungen hinzu, so
in Pr. 114 am Ende, in Pr. 147 am Anfang. Die Gayferosromanze verliert
in Pr. 155 ihren alten Sinn vollständig, sie wird Pr. 173 durch Vor- und
Nacherzählung auf den fünfzigfachen Umfang gebracht (i. J. 1550). Bei der
Romanze von den Infanten von Lara Pr. 19, die man im Canf. gen. gedruckt
vor sich hatte, wird gegen 1550 eine erweiterte stoffverwandte mit anderer
Assonanz vorgesetzt, eine Vers- und Motivkreuzung mit der gleich assonieren-
den alten Ximenaromanze Pr. 30 datiert sicher schon aus dem 15. Jh. Es
sind das typische Vorgänge.
Unter den benannten Dichtern hat Rodriguez del Padron überaus glück-
lich und als der einzige den rechten Ton getroffen , der die drei von ihm
überlieferten novellistischen Romanzen im Volke fortleben liess.2 Der gleich-
zeitige Carvajal bietet am Hof Alfonsos V. die ersten zwei Beispiele (s. o.)
der Contrahechura , welche Anfang und Melodie entlehnt, im übrigen sich
frei bewegt: die eine auf ein Zeitereignis von 1448, die andere rein lyrisch.
Die jüngeren Kunstdichter kultivieren neben der Contrahechura die Glosse
[Canf. gen. 433 — 80 und sonst zerstreut), durchaus reimend und lyrisch; der
Anlehnung entschlägt sich bei ihnen nur die offenbar steigend gepflegte reli-
giöse Romanze und jene auf das Zeitereignis. Nachahmung und kyklische
sischen Prosalanzelot P. Paris, Romans de la Table ronde Y, 322. Es ist sicher, dass der
spanische Lanzelot die Episode enthalten hat, ebenso wie der niederländische.
' Vgl. Juan Ruiz 1598: der Diener der Archipreste liest dessen Lieder auf dem
Markte vor.
* Zts. f. rom. Phil. XVIII, 546 ff. Die dritte derselben ist in der jüngeren Gestalt
in das französische Volkslied eingedrungen, Alargiieridette au bord du bois , Beauquier,
Chansons pop. en Franchc-Comte S. 303, T. Mendes, Les plus jolies Chansons, S. II8; sie
kreuzt sich in den beiden jüngeren Formen instruktiv mit Pr. 151, durch welche schon
Rodriguez angeregt sein konnte.
Gröber, Grundriss. Hb. 28
434 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LiTT.
Ergänzung des traditionellen epischen Volkslieds gehören ausschliesslich der
folgenden Periode an.
B. DIE PROSA.
Für die Prosa dieses Zeitraumes ist in erster Linie bezeichnend ein
starkes Bildungsbedürfnis , das sich in einer Menge von Übersetzungen be-
thätigt, eine Richtung, die mit der gleichzeitigen humanistischen Italiens parallel
läuft und wesentlich durch sie beeinflusst wird. Eine Reihe lateinischer Autoren
werden so zum Gemeingut, häufig durch italienische, gelegentlich auch durch
französische Vermittler; in gleichem Rang mit ihnen als klassischer Autor
Boccaccio. Eine direkte Rückwirkung der klassizistischen Tendenz zeigt sich
vor allem in der wichtigen Geschichtsschreibung ; eine ungünstige im Stil,
der häufig in unleidlicher Weise den lateinischen Satzbau nachzuahmen strebt,
eine Mode, die selbst in die Verse mancher Hofdichter eindringt. Zum Teil
gleichzeitig, zum Teil älter als die humanistische Richtung ist die Aufnahme
des französischen Aventureromans und seiner Nachbildungen. An Boccaccio
schliessen sich Anfänge der Novellendichtung. Lehrhafte und erbauliche
Traktate in der Vulgärsprache werden so zahlreich, dass sie im einzelnen nur
ausnahmsweise ein litterarisches Interesse bieten. Die Satire fängt an , sich
auch der ungebundenen Rede zu bedienen.
43. Pellicer's Versuch einer Bibliothek spanischer Übersetzungen^
ist äusserst mangelhaft, jene des 15. Jhs. hat Rios Bd. 6 und 7 Aufmerksamkeit
geschenkt, von demselben ist die umfassende, anregende Thätigkeit Santillana's,
Obras S. 613 fif., verfolgt; die hierhergehörigen Hss. der Escorial-Bibliothek
notiert Ebert Jahrb. i. r. u. e. L. IV, 64, anderes ist den gedruckten Katalogen,
insbesondere der Nationalbibliothek und der Bibl. Osuna, zu entnehmen, vieles
bleibt unsicher. Die Reihe der vornehmen Freunde der alten Litteratur, unter
welchen Santillana die weitaus bedeutendste Stelle einnimmt, eröffnet der ara-
gonesische Grossmeister Fernandez de Heredia^ ([310 — 96) welcher vor
1377 die /^//rt^r Plutarch's teilweise und Eutrop übertragen liess. Ihm folgt Pero
Lopez de Ayala (S. 421), mit Columna's Historia Troiana, der i., 2. und
4. Dekade des Livius (im Auftrag Enrique's III., vollendet auf Anlass Santil-
lana's) und Bocaccio's Caida de principes^ (I — VIII; IX — X später von
Alonso de Cartagena; Druck Sevilla 1495). Enrique de Villena über-
setzt in Prosa und kommentirt 1428 die sechs ersten Bücher der Aenäs und
den ersten Gesang der Divina Comedia^. Den Virgil liess Santillana beenden;
eine Glosse zu Dante schreibt der Arzt Santillana's Gonzalez de Lucena,
bilingue Übersetzungen und Glossen enthält die Bibliothek Osuna. Ausser dem
schon genannten liess Santillana noch Caesar, Frontin, Sallust, Piatos Axiochus
(Rom. XIV, 94), einen Teil der Ilias nach Petrus Candidus, Ov'x^'i Metamorphosen^
Seneca's Tragödien (cf Rios VII, 479) und den für die Poeten jener Zeit so
gefahrlichen Lucan bearbeiten; Fernan Perez de Guzman Quintilian und
Seneca's Episteln. Selbst der leichtsinnige König Juan II. veranlasste eine Um-
gestaltung vielmehr als eine Übersetzung der Werke Seneca's durch den Bischof
von Burgos Alonso de Cartagena (1384 — 1456), der auch mehrere Schriften
' Madrid 1778, 2 Bde.
* Ausserdem ist in seinem Auftrag ürosius bearbeitet, danach später für Santillana
eine kastilianische Version, ferner Hayton's, Fleurs des histoires d'orient, sowie zwei
grössere historische Kompilationen. S. Morel-Fatio, Puhlications de la societe de l' Orient
lafm IV, XIX; Rom. XVII, 491-
^ Ausserdem Boetius, Isidor de Sumnio Bono, Flores de Morales de Job. S. Rios
V. 110.
* Villena. Arte Cisoria, ed. Navarro, Madrid 1879, S. LXV; Menendez, Traductores
de la Eneida, Madrid 1879. S. V; Cotarelo, D. E. d. V., Madr. 1896.
Prosa: Übersetzungen. Geschichtsschreibung. 435
Cicero's bearbeitete, sowie die Übertragung eines latein. Epitome der Ilias durch
Juan Manuel. Bezeichnend für den Eifer ist es, dass Aristoteles' Ethik drei
verschiedene Male hispanisicrt wird, zuletzt von dem Prinzen Carlos de Viana^,
an welchem gelobt wird, dass er sich mehrfach besser ausgedrückt habe als der
lateinische Vermittler und das griechische Original. Trotz der Bedeutung, welche
durch ein solches Lob der Form beigelegt wird auf Kosten der Genauigkeit, sind
die Dichter ausschliesslich in Prosa wiedergegeben. Valerius Maximus, (1467)
Eutropius, Eusebius, Trogus Pompeius, Martinus Polonus, bereichern die ge-
schichtlichen, Vegetius, Palladius die technischen Kenntnisse. Die kirchliche,
wissenschaftliche und erbauliche Litteratur ist ebenfalls reichlich vertreten durch
Isidor's Etymologien (Rios VI, 44), Gregor d. Gr., Hieronymus, Tatian u. a.,
tritt aber hinter der klassizistischen Richtung zurück. Aus dem französischen
Honore Bonet's Arbol de Batallas (zwei Versionen), aus dem katalanischen
verschiedene Schriften von Francesch Eximiniz (II, 2. 98). Auch Original-
schriften des Petrus Candidus und Leonardo Aretino2, deren Vermittlung die
Spanier zu einem grossen Teil ihre klassischen Kenntnisse verdanken , sind
übernommen worden ; der stärkste Einfluss unter den italienischen Humanisten
war aber jener Boccaccio's. Auf die Caida de Principes (s. o.) folgten noch das
Liber de montibus, die Mujeres illustres und die Genealogia de los Dioses, wohl noch
unter Juan II. 3, ebenso das Nimfale (T Ameto^ die Fiammetta und aller Wahr-
scheinlichkeit nach das Decamerone. Der Einfluss der lateinischen Schriften Pet-
rarca's steht jedenfalls erheblich hinter dem Boccaccio's zurück *. Die Thätig-
keit vermindert sich in der zweiten Hälfte des 15. Jhs., aber nur weil dem
Bedürfnis in den wichtigsten Stücken genügt war; das Fortbestehen der
gleichen Interessen zeigt schon der ansehnliche Platz, welchen jene Über-
setzungen unter den Inkunabeln einnehmen.
- 44. Am stärksten tritt in der Geschichtsschreibung der Einfluss der Über-
setzungen hervor, zunächst der des Livius und Plutarch, später der des
Valerius Maximus. Lopez de Ayala (S. 421, 434) fiihrt in die Fort-
setzung der offiziellen Reichschronik •'' (Pedro I. bisEnrique III.) den Schmuck
der fingierten Reden ein, an sich ein höchst mangelhaftes Darstellungsmittel,
das aber einen Fortschritt über die rein auf das Thatsächliche gerichtete
ältere Chronik bezeichnet, da ein Abwägen der Gegensätze und Fällen von
Werturteilen dabei notwendig wird. Vollständig neu ist bei ihm die ein-
dringende Analyse des Charakters Don Pedros. V)'\^ Cronica del rey Juan II.
war in ihrem ersten Teil (1406 — 20) von Alvar Garcia de Santa-Maria
verfasst (Mitglied einer ausgezeichneten Convertitenfamilie, Oheim des Bischofs
Alfonso de Cartagena), eine Fortsetzung bis 1435 stammt von völlig un-
' Desdevises, Don Carlos d' Aragon, Paris 1889, S. 4 16.
^ Vgl. Vollniöller in Studien Bernays gewidmet, Hamburg 1892, S. 233; Biblio-
thique de FEcole de Chartes 1894; Katalog der Bibl. Nac. s. v. Aretino ; Rios VI, 42.
* Rios VI, 41, vgl Beer, Handschriftenschätze 8o, 12. 8l. Zu der Frage, ob die
1496 erstmals gedruckten den Novelas schon in der ersten Hälfte des Jh. vorhanden waren,
s. Ebert a. a. O. S. 50 und Beer 67, 21. Die Bekanntschaft des Archipreste de Talavera
mit dem Corbaccio beweist nicht, dass dieser übersetzt war. Jline eigene Produktion hat das
Decamerone zunächst so wenig hervorgerufen als der vor 1440 vorhandene Ysopete historiado (Rios
VI, 37), die der Scala Cö^// entnommene Version der Stete Sabios (in OpuscTÜos literarios, Madr.,
Bibliof., 1892), und als die Neubearbeitung von Calila und Dimna\ vgl. auch S. 414.
* Insbesondere fehlt jeder Beleg für die von Rios VI, 40 behauptete Übersetzung
von De viris illustribus. Zu beachten sind seine lateinischen Eklogen.
* Cronicas de los reyes de Castilla p. p. Rosell, 3 Bde., Madr. 1875 — 78. Ein Teil
der Königschroniken auch in der Madrid 1779 — ^^7 bei Sancha ohne Gesamttitel erschienenen
wichtigen Sannnlung, deren 7 Bände herkömmlicher Weise nach der Folge des Erscheinens
gezählt werden und die im folgenden als Coleccion Sancha bezeichnet ist. Nicht eingereiht
sind oben Juan de Alfaro, Cron. de Juan I. und Palma, Retribucion, Rios V, 259 und VII,
324, beide unedirt.
28*
436 LiTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LiTT.
bekannter Hand, der dritte Teil bestand ursprünglich aus chronistischen Notizen
zweier Hände, das ganze wurde von Fernan Perez de Cxuzman im Sinn
einer veränderten Politik überarbeit, der dritte Teil dann nochmals zwischen
1481 und i486 von Diego de Valera ergänzt; schliesslich hat der erste
Herausgeber Galindez de Carvajal 1517 die Chronik retouchiert. ' So ist
sie weiter gedruckt worden, nur der zweite Teil liegt in ursprünglicher Gestalt
vor. Die Zeit Enriques IV. behandeln Diego Enriquez Del Castillo
und Diego de Valera (1412 — 86) Memorial de dwersas hazanas, dessen Ver-
hältnis zu den weitergreifenden lateinischen Dekaden des Alfonso de Pa-
lencia (1443 — 92) zweifelhaft ist;2 jene der katholischen Königin Fernando
del Pulgar (bis ca. 1492) und Andres Bernaldez (bis 1513), beide bei
erhöhter Achtsanfikeit auf die Disposition noch chronistisch gebunden, Pulgar
mit allzu reichlicher Einschaltung der fingierten Reden und geringeren Vor-
zügen als in seinen Claros Varones; ferner ungedruckte Chroniken von Diego
de Valera und mehreren anderen. ^
Ins innere Leben jener Zeit, die romanhafte Mischung von Tüchtigkeit
und Abenteuerlichkeit, Festen und ßlutvergiessen, führen uns die farbenreichen
Erzählungen einzelner Leben und Ereignisse. Die Tragödie des glänzenden
Günstlings Alvaro de Luna hat ein unbekannter Anhänger mit ergreifender
Wärme geschrieben. Ein Gefolgsmann des Grafen Pedro Nino (1375 — 1436),
Gutierre Diaz Gamez, hat das romantische Leben seines Herrn mit einem
Rahmen aus historisch-gelehrter Sage umgeben unter dem Titel El Victoral.^
Die Crönica del Condestahle Lucas de Iranzo^^ wahrscheinlich von einem
Juan de Olid, berichtet von einem wackeren Emporkömmling. Leider nur
im Auszug besitzen wir das Libro del Paso honroso^ den Bericht über eine
fantastische Ritterthat des Suero de Quinones im Jahre 1454; über ein
minder abenteuerliches, aber recht merkwürdiges Ereignis des Jahres 1439
El Seguro de 7ordesillas\ hierher lassen sich noch zählen die Andanzas y
Viages de Pero Tafur^ ^437 "nd der Bericht über eine Gesandtschaft an
Timur Tamerlan, der unter dem irreleitenden Titel: Vita del Gran lamerlan
veröffentlicht ist. "^ Mit durchdringender Beobachtung und fester Hand , von
einer ungewöhnlichen Höhe der Anschauung aus, hat Fernan Perez de
' Anders Rios VI, 2 18, vgl. VII, 303. Die Angaben Carvajals erweisen sich
als vollkommen verlässlich, die verkehrte Vermutung, dass der zweite Teil von Juan de
Mena herrühre, wird von ihm eben nur als eine Vermutung dritter registriert. Rosell hat
in seiner Ausgabe die handschriftliche Überliefernng nicht berücksichtigt. Auch der fälsch-
lich unter dem Namen Aivar Garcias in der Col. de docttm. ined. 99, lOO herausgegebene
zweite Teil folgt nicht der erhaltenen Originalhs., sondern einer Kopie, weil jeae schwer
zu lesen und dem Untergange nahe ist. So dürfen in Madrid noch immer die Editoren-
pflichten aufgefasst werden dem wichtigsten Denkmal eines halben Jahrhunderts eigener Ge-
schichte gegenüber.
2 S Fabie in Z>(7j tractatos de A. d. P. S. LXXIV; Rosell S, VI. Die Crönica
de A. d. F., aus welcher Holland, Tübingen 1850, Bruchstücke mitgeteilt hat, ist ein
geringwertiger Auszug der lateinischen Dekaden.
3 Rios VII, 341/42; Rosell III, VIII; Gayangos Catalogue I, 208, 210: Eg.
303, 305, Adt. 20816.
* Die Ausgabe Llaguno's, Coleccicm Sancha Bd. III, verwandelt den Titel in:
Crönica de Don Pedro Nino, v^eil sie den Rahmen, die Wunderthaten Alexanders nach Berceo
und ähnliches unterdrückt, vollständig ist die französische Übersetzung von Circo.urt und
Puymaigre, Paris 1876. Die Cron. de D. Alvaro de Luna, Paso honroso und Sejnro de
Tordesillas, ebenda Bd. 4.
^ Herausg. in Memorial historico, Bd. VIII. Vgl. Schirmacher, Gesch. v, Span.
VI, 730.
^ Coleccion de libros esp. varos 0 curiosos VIII.
"^ In Col. Sancha III., verfasst entweder von Gonzalez de Clavijo, den die
Herausgeber nennen, oder von Fray A Ion so Paez de Santa -Maria.
Prosa: Geschichtsschreibung. Brief. 437
Guzman in seinen Generaciones y Semblanzas^ um 1455 und früher die
knappen Charakterbilder seiner Zeitgenossen gezeichnet. Ihm folgte Fernando
•del Pulgar in seinen Claros Varones de Castilla^ (aus der Zeit Eriques IV.),
die gut geschrieben und entworfen sind, aber hinter dem Vorbild zurückstehen,
wie der Hofgelehrte Isabellas hinter dem Staatsmann. Kurz genannt seien
die spanischen Geschichten des Pedro de Escurias, Diego Rodriguez
■de Almela, die des Diego de Valera {Crdnica Valeriana)^ die auf den
Namen des Garcia de Eugui laufende navarresische v. J. 1389, des Fürsten
Carlos de Viana Crönica de los reyes de Navarra^ die knappe Crönica de
Aragon von Vag ad. Ferner einige Versuche allgemeiner Geschichte, Pablo 's
de Santa-Maria (1350 — 1335, Bruder des obengenannten Alvar Garcia)
Suffia de Crönicas^ des Alfonso Martine z Atalaya de Crönicas (1443), und
Alonso's de Avila Compendio tmiversal de las historias romanas (1499).
Wichtiger sind des Fernan Perez vorerwähntes Mar de las historias und
Alonso's de Toledo Espejo de las historias^ der Caida de Principes nach-
gebildet, beide unediert, sowie des Diego Rodriguez de Almela (ca. 1426
bis 1492)3 Valerio de las historias (1472), dessen Titel das lateinische Vor-
bild nennt, seit 1487 zusammen mit desselben Battallas cafnpales oft gedruckt.
Die Geschichtsschreibung anspruchsvollerer Art neigt seit der Mitte des Jahr-
hunderts wieder zum Gebrauch der lateinischen Sprache (Alfonso de Car-
tagena, Alfonso Fernandez de Palencia u. a.). Verdrängen aber liess
sich das Kastilische aus dieser Domäne nicht mehr.
Eine besondere Erwähnung verdient noch des Pedro de Corral Crönica
Seracina, welche Fernan Perez als Lügenbuch aufflihrt. Es ist, wie man
im 16. Jh. zutreffend annahm, die ganz romanhafte Crönica del rey Rodrigo,
welche zu der Crönica General auch die Crönica del Moro Razis und die
Crönica Troiana benützt, in den zahlreichen Drucken abgekürzt erscheint. *
Sie gehört zu einer Gruppe von Auszügen aus der Crönica Alfonso"', welche
in dieser Zeit entstanden (Rios V, 278) und als Volksbücher bis heute fort-
leben, für die Masse der Bevölkerung die Geschichte Spaniens darstellten,
Inhalt und Denkweise der Kunstromanze und des Dramas mit bestimmten.
Wie die politische satyrische Dichtung (S. 430) gerne die Hirten sprechen
lässt, ist es in dem an Isabella gerichteten Dialog De los pensamientos variables
ein Bauer der sich mit dem König über die bittere Lage seines Standes
unterhält. Die getauften Juden greift das Privilegio que el rey D. Juan II.
diö d un Hidalgo an, feindselig aber nicht ohne Geschick. Solche kleine
Pamphlete^ sind sicher zahlreich verloren, die Vorläufer des Witzes Quevedos.
Proben des Briefstils in öffentlichen Dingen bieten kleine Sammlungen
von Diego de Valera^ und Fernando de Pulgar.'^ Das früher viel be-
rühmte Centon epistolario del bachiller Fernan Gomez de Cibdareal aber
ist eine flotte Fälschung, ^ ohne andere Grundlage als die bekannten Quellen
:zur Geschichte Juans IL; sie mag im 16. Jh. gefertigt sein, da die Sprache
' Nach Rios VI, 207, bezw. nach Rosell. Bd. II eigentlich der dritte Teil seines
Mar de las Histm-ias, dessen erster die Grössen der alten Zeit, der zweite Heilige und Ge-
lehrte behandelt.
- ed. LIaguno, Madrid 177ö-
* Vgl. über über andere Schriften des Rodriguez, Ticknor II, 720.
* Ticknor II, 685-, Rios V, 275; Salvä 1584,
'" Rios VII, 082; Paz y Melia, Sales espanolas, I, 51.
« Madrid, Socied. de Bibliof. 1878.
'' In F. d. P. Claros Varones, Madrid 1775.
* S. u. a. Ticknor II. 540; Gessner, Die Cibdarealfrage, Berlin 1885; Carol. Michaelis
in Rom. Forsch. VII, 133.
438 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SPAN. LlTT.
Anklänge an die antisiefenden Ritterromane zeigt. Wie man sich einen feinen
Liebesbrief dachte zeigen Einlagen des Amadis und der Novellen.
45. Im 13. Jh. sieht der Spanier Geschichte auch in solchen franzö-
sischen Erzählungen, die nur der Unterhaltung dienen wollen. Das Ver-
ständnis für die Existenz der Fiktion gewinnt er erst im 14. Jh. durch die
Bekanntschaft mit der mattere de Bretagne. Wenn Alfonso X. einmal Tristan,
Iseu und Artus nennt, so ist das nur Reflex der provenzalischen Dichtung.
Für den Archipreste de Hita* war der Prosa-Tristan ein neues Buch und
zweifellos ein neues kastilisches. Gleichzeitig entnimmt ihm Juan Manuel
einen recht versteckten Namen (s. o. S. 4x9). Die Übersetzung des Romans
ist in einer Hs. s. xiv — xv erhalten 2, leider nur ein Fragment, das kaum ein
Fünftel des ungeheuren Ganzen umfasst und eine Redaktion aufweist, die
keiner der analysierten französischen 3 genau entspricht. Dass der Schluss
eine eigenartige Mittelstellung zwischen den Rom. XV, 481 besprochenen
Versionen einnahm, wird durch d\G ■^ormx\ze.n Pritnavera 146 a (vgl. Gallardo
3619) wahrscheinlich gemacht. Auch die an dritter Stelle (im Cancionera
Colocci-Brancuti ^x. i — -5) erhaltenen lyrischen Einlagen — galizisch wieder-
gegeben , wie alle Lyrik der Zeit — weisen der französischen Vorlage eine
Sonderstellung zu. Von verwandtem Geist erfüllt war Benoit's Roman de Troye.,
den noch Alfonso XL seinem Schreiber Nicolas Gonzales zu übersetzen
befahl, womit dieser im ersten Jahr seines Nachfolgers zu Ende kam. ^ Eine
andere Version, die Hs. angeblich noch s. XIV, enthält eingestreute Verse,
canciones e romances., anscheinend in grösserem Umfange als der Tristanroman,
aber nach seinem Vorbild : ist vielleicht identisch mit einer versio hispanica
dimetro carmine im Escorial . ^
Neben den zahlreichen Anspielungen auf Tristan, Yseo, Eneas u. s. f.
bei den älteren höfischen Dichtern finden sich solche auf Artus, Ginebra,
Langarote , Galas, Bandemagus, Bryuz (Brehus), auch auf Merlins Grab®,
Langarote als Buchtitel im Rimado de Palacio 162, und etwa 30 Jahre später
die Gran Demanda del Santo Greal^. Ferner in Fernan Perez de Guzman
Mar de las Historias (Gallardo 3439) die Kapitel del Santo Grial und de
Merlin. Welche unter den französischen Romanen diesen Anspielungen und
Zitaten entsprechen, lässt sich nicht genau feststellen. Weder die vorhandenen
Handschriften des Kreises sind bisher einer genaueren Einsicht gewürdigt
worden, noch auch die Drucke der Ritterbücher '^, über welche Gayangos nur
^ 1675: Ca niinca fue tan leal Biancaflor ä Flor es , Nin es agora Tristan con todos
sus amores.
^ Reproduktion einer Seite bei Monaci, Facsimile No. 6. Der gedruckte Tristart
de Leonis, Valladolid 1501 u. öfters, scheint eine Verkürzung zu sein.
*Loeseth, Le roman de Tristan, Paris 1890. Die spanische Version ist dort
nicht benützt.
* s. Mussafia, Wiener Sitzungsber. 69, 39. Die portugiesische Version (II, 2, 211)
ist eine jüngere wörtliche Übersetzung des N. G. Die Hs. nach dem Katalog der ßibl.
Osuna princ. s. XV.
* Bibl. Osuna 1888 ; Mussafia 1. c. 50. 48; Rios IV, 350 Anm. Im Bücher-
verzeichnis Pimentel 1440, (Beer, Handschriftenschäize Spaniens No. 67), steht eine Con-
quista de Iroja e romance de Pedro Chenchilla ; eine Hs. der Bibl. Nag. S. 30, ms. s. XV.
betitelt sich : Historia de ta Destruccion de Troja, tomada especialmente de las historias de
Liomarte (?). Die Guido de Columna folgenden Versionen (Mussafia 49 ff.) bezeichnen
immerhin eine Wendung zur Klassizität, da bei ihm ein guter Teil höfischen Schmucks weg-
gefallen ist; voll ausgesprochen wird diese Wendung als man unter Juan II. durch lat. Ver-
mittlung den Homer kennen lernt. Vgl. V o 1 1 m ö 1 1 er in Studien z. Ltg., Bernays gewidmet,
Hamburg 1893, S. 233; Gallardo 301.5.
* C. B. II, 30 bei Diego Martinez ungefähr im 1. Viertel des 15. Jh. neben
dem Tod Merlins.
■^ Fast unzugänglich, da auftauchende Exemplare sofort in den englischen Privat-
sammlungen beerdigt werden.
Prosa: Einwirkung des altfrz. Romans, 439
ganz knappe Angaben macht und die nicht notwendig mit der Überlieferung
des 15. Jhs. identisch sind. Der Gran Demanda können entsprechen entweder
die gedruckte Demanda del Santo Greal con el Baladro de Merlin (1500?,
^S^Sj ^535) ^" zwei Büchern — ein drittes kennt der Bibliotheks - Katalog
Isabella's der Katholischen und der handschriftl. Langarote del Lago^ Bibl.
Nag. Aa 103 — oder die Kompilation, zu welcher die portugiesische Demanda
gehört. Das in einer Hs. des 14. Jhs. erhaltene Libro de Josep ab Arimatia^
e otrosi del Santo Grial, de Merlin e del rrey Artus^ dürfte der ergänzte
Robert de Boron sein. In derselben steht der Anfang eines Lanfarote. Die
Priorität vor den im ganzen jedenfalls identischen portugiesischen Gralromanen
(II, 2. 213 — 16) ist im allgemeinen durch das höhere Alter der Zitate und den
Gang der litterarischen Entwicklung gesichert 3. Nicht genannt, aber höchst
wahrscheinlich schon vorhanden ist die Cronica de Tablante e Ricamonte^ eine
Bearbeitung des provenzalischen Jaufre^. Neben den antiken und den Artus-
helden werden von den Hofdichtern natürlich auch Karl und Roland erwähnt,
aber sie fehlen in Aufzählungen, wo man ihren Namen erwarten dürfte. Sie
sind offenbar nicht so modern wie jene. Neu ist aus jenem Kreise nur
Henrique fi d'Oliva (C. B. I, 160), ^ auch noch im ersten Viertel des 15. Jhs.
eine unter Pippin gesetzte , spät zusammengeborgte Variante der unschuldig
verfolgten Frau , sicher aus dem franz. , ebenso wie weiterhin von dort das
Volksbuch von Fierabras^^ den Nucve de la Fatna und ähnliches herüber-
kommt. Unter den mehrfach genannten Flores y Biancaflor ist wohl schon
das aus dem italienischen übernommene Volksbuch ^ zu verstehen : eine Lit-
teraturgattung, die von dem Roman wohl unterschieden werden muss. Paris
e Viana (Burgos 1524) wird vor 141 2 erwähnt (C. B. I, 205. 239). Die
Angabc des Pierre de la Seppade (1432, gedr. Anvers 1487), das er aus
dem Provenzalischen übersetze, ist also richtig. Ausserhalb Spaniens noch
nicht gehört war der Name des Amadis , dem wir fast so häufig wie Tristan
begegnen und der ihm in der Gunst des Lesewelt den Rang ablaufen sollte.
Ihm ging als die älteste selbständige kastilische Fiktion der Caballero
Cifar^ voraus; ein wunderliches Machwerk, das die Eustachiusfabel (S. 416)
mit den Flores de Filosofln (S. 412), dem französisch verlorenen, hier schön
erhaltenen Zß/ von Tristan qui otiques ne rist^ und einigen andern Ingredienzen
in einander arbeitet und in diese altertümliche Materie die fahrende Ritter-
' Sicher verschieden von der Historia del rey Vespasiano, Sevilla 1498 und vorher
portugiesisch Lisboa 1496 (Escudero 73, GayangosS. 83), einer Kombination des
Josep mit einem der Pseudoevangelien. Nur indirekt zu dem Kreise gehören die schon
früher bekannten Prophezeiungen Merlins.
* Rom. X, 300 Anm. Vgl. Gayangos, Libros de Caballeria LXIII, Gallard o,
Ensayo I, 8qi. — Über den gedruckten Merlin (1498) G. Paris in Merlin, Roman en prose
du XIII siede S. LXXII. Was dort S. LXXIV Ober den span. Prolog gesagt ist beruht
auf einem Versehen.
* Die Rückdatierung des pg. Livro de Joseph auf die erste Hälfte des 14. Jhs.
(II, 2. 215) ist vollkommen willkürlich und dem Sprachgefühl, vi'elches ib. 214 in der pg.
Demanda des 15- da.s 14. Jh. erkennt, kann ich nach meiner Kenntnis der Zunge keinen
hinreichenden Glauben schenken.
* S. II, 2. 8. Hist. lit. XXX, 216. Ausg. Valladolid 1513 u. ö.
* Sevilla 1498; Madrid, Bibliöfilos, 1871.
* Historia de Carlomagjto y de los doce Pares de Francia, zuletzt gedr. Paris 188I;
vgl. G. Paris, Hist. poet. de Chartern., 2K.
■^ Giorn. di Fit. Rom., IV, 159.
* Sevilla 1512, neu und schlecht hrsg. von Michelant, Bibl. d. Stuttg. lit. V. 112.
Die Pariser Hs. ist S. XIV, Bibl. Osuna No. 140 S. XV, dazu Bibl. Nacion BB 136.
* Im Motiv Maries de France Guigemar verwandt, aber ursprünglicher. Der Ver-
fasser kennt auch den Lanvat-\A\ unter dem Namen Ivains.
440 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 5. Span. Litt.
Schaft hineinbringt, noch nicht die galante. Die Abfassung fällt nach dem
Prolog vor 1349 und in einige Entfernung nach 1300 '.
46. Ganz anders hat der etwa ein Menschenalter jüngere Amadis
Empfindung und Erfindung des höfischen Romans nicht nur sich angeeignet,
sondern auch weiter entwickelt. In der Gralsuche hatte jener ein religiöses
Element in sich aufgenommen. In Lanzelot und Tristan bildet den Faden die
Liebe zu Ginebra und Isolde, zur Frau des andern. Die Keuschheit des Amadis
gilt nicht einem mystischen Endziele, sondern der Geliebten, seine Liebe zu
Oriana ist sittlich-rein und einfach-menschlich, der leichtsinnige Liebhaber
Galaor mit seinen Erfolgen dient dem Helden nur als Folie 2. Frauendienst
und Abenteuer bleiben traditionell, aber zur Courtoisie kommt die Tugend-
lichkeit mit stärkerer Betonung als im französischen. Es herrscht eine weiche,
fast sentimentale Stimmung mit einem starken , rhetorischen Beisatz. Der
Artushof ist aufgegeben, der herkömmliche Schauplatz, Britannien, Griechen-
land mit der Inselwelt des Tristan beibehalten ; der Aufbau im Vergleich mit
den französischen Trümmerhaufen verständig zu nennen , die unendlichen
Abenteuer nicht schlecht erzählt, manches anmutig erfunden, aus den franzö-
sischen Romanen entlehnte Motive geschickt verwertet , die Sprache nicht
frei von gezierter Willkür.
So hat uns Garci-Ordonez de Montalvo aus Medina del Campo
das Buch überliefert, der seine Bearbeitung nach 1492 beendete, aber schon
früher begonnen hatte. Er sagt über sie, dass er die von Schreibern und
Bearbeitern 3 beschädigten drei ersten Bücher bereinigte, das vierte entlehnte
und verbesserte 4 , und das ganz neue fünfte, las Sergas de Esplandian (des
Sohnes des Helden) hinzufügte. Die Sergas sind denn auch in den ältesten
Drucken vom eigentlichen Amadis getrennt '^. Die ersten Kapitel des vierten
Buches sind deutlich erkennbar noch vom dritten herübergezogen, die dreie
kannte schon Pero Feruz (C. B. I, 322) und sie müssen wesentlich mit denen
Montalvo's übereingestimmt haben: auch eine Figur zweiten Ranges, Macandon
wird erwähnt (C. B. I, 73) und zwei wichtige Bestandteile der Decoration. Wir
dürfen also annehmen , dass wir im Wesentlichen den alten Amadis noch
besitzen; Form und Geist, so wie sie bei M. erscheinen, waren durch Tristan
und Lanzelot auf der einen , Juan Manuels Fürstenlehren und die galizische
Hofpoesie auf der anderen Seite genügend vorbereitet.
Mehr Material kommt für die vielumstrittene Frage in Betracht, ob der
erste A. portugiesisch oder kastilisch gewesen sei, und ist schon oben II, 2, 216
verwertet. Eine besonders frühzeitige Bekanntschaft Portugals mit der mauere
■de Bretagne darf aus den sogen, lais des Can(. Vat. (II, 2, 213) nicht gefolgert
' Er erzählt ein Ereignis aus dem Jahr 1300, kennt die loojälirige Periode des
Jubeljahres und nicht die 50jährige. »Erav. wird dabei wiederholt falsch gebraucht, 1339
erscheint aber richtig gleich 1301. Die päpstliche Bulle (Corp. iur. caji., extrav. commun.
V, 9, 1), auf welche Bezug genommen ist, enthält die angegebenen Bestimnuingen nicht.
^ Porque en los autos semejantes que a vir lud de honestad no son conformes, con razon
deve ombre per ellos ligeramente pasar, teniendolos en aqtiel pequeTia grado que merecen ser
tenidos. I, 12.
^ yComponedores-.'. heisst im Spanischen des 15. Jh. stets Dichter, Autoren, Bearbeiter,
mlat. compositor ist in gleicher Bedeutung vorhanden, obwohl bei Du Gange nicht be-
legt; »Setzer« wie Braiinfels, Kritischer Versuch über den Roman Amadis von Gallien,
Leipzig 1876 willkürlich konjiziert, unterschied man überhaupt noch nicht von »Drucker«.
■* -htrasladando y emendando«. \ trasladar ist übersetzen und abschreiben, aber auch
«xcerpieren und bearbeiten. Braunfels, a. a. O. S. 83 fasst das Verhältnis des vierten
Buches zu den Sergas anders, übersieht aber dort, dass Montalvo's Vonede selbst von fünf
Büchern spricht. Vgl. auch cap. 99 der Sergas.
^ Der er-ste erhaltene der 4 Bücher von 1508, der Sergas 1510; vgl. Braunfels
S. 7v5. Salvä 1506 und 1512.
Prosa: Amadis. 441
werden, sie sind, wie schon gesagt, einfach Übersetzungen der lyrischen Ein-
lagen des franz. Tristan, vielleicht von dessen kastilischem Übersetzer gefertigt^,
<la ihr Inhalt die Sprache der Hoflyrik verlangte. Da der Tristan des Archipr.
unzweifelhaft der kastilische ist, werden sich die gleichzeitigen Anspielungen
in Portugal doch wohl auf diesen beziehen. Die Kastilier pflegen Erzählung
und Prosa, die Portugiesen die Lyrik , sie übersetzen kastilische Prosa. Das
umgekehrte kann auch vorkommen, muss aber dann bewiesen werden. Ebenso
wie einen kastilischen, hat es nun im 15. Jh. 2 einen portugiesischen A. ge-
geben, der Chronist Gomes Eannes ^ (1450-63) schreibt ihn dem Ritter
Vasco Lobeira zu, und spätere sind ihm darin gefolgt, ohne etwas anderes
zu kennen als den Montalvo. Dieser Lobeira ward 1385 zum Ritter ge-
schlagen, war also jünger als der Amadis Ayalas, kann nicht Verfasser,
sondern nur Übersetzer gewesen sein. Man hat daher eine ziemlich starke
Verwechslung angenommen, nicht Vasco, sondern Joäo Lobeira soll ihn ver-
fasst haben, der 1258 — 85 blühte und von dem in der That das in den
Amadis eingelegte Leonoretaliedchen herrührt: diese Episode sei ein end-
giltiger Beweis. Sie ist indessen höchst zweideutig, weist nach rückwärts auf
ein unerzähltes Vorkommnis, nach vorwärts dahin, wo (IV, 38, 44) die Leonoreta
für die Fortsetzung gebraucht wird; der Verdacht des Einschubs * ist durch
II, 12 (Übertragung des Abenteuers Gauvains mit dem kleinen Fräulein auf L.
und Amadis) kaum gemildert, verschärft wenn wir beachten, dass die einzige
weitere lyrische Einlage (II, 8), sonst gan^ gleichartig, nicht portugiesisch
sein kann , eine erst der jüngeren Hofpoesie geläufige , in Portugal fehlende
Form hat. Dem Kern des Romans gehören dagegen sicher die echt eng-
lischen Namen an , und unter diesen ist Gravesend kaum vor dem 14. Jh.
möglich^. Endlich steht jene Annahme in schneidendem zeitlichen Wider-
spruch zu allem was wir über die späte Entfaltung der portug. Poesie wissen
— vgl. die noch etwas zu günstigen Ausführungen II, 2, 207 — und würde
überdies nötigen einen portugiesischen Prosalanzelot und Prosatristan um 1250
anzusetzen. Der Amadis bleibt jener Litteraturentwicklung in der er zuerst
bezeugt ist und in die er am besten hineinpasst, der kastilischen. Wohl aber
kann Montalvo für sein viertes Buch die portug. Bearbeitung benutzt haben,
und auf sie mag sich beziehen was er I, 40 von einer vom portugiesischen
Infanten Alfonso^ gewünschten Änderung sagt.
In der zweiten Hälfte des 15. Jhs. muss die Schätzung der Amadis
etwas nachgelassen haben ; neben den zahlreichen Erwähnungen im C. d. B,
kenne ich in den jüngeren Liederbüchern nur mehr dreie , und es kann das
nicht bloss an dem veränderten Charakter der Dichtung liegen. Montalvo's
' Zu bemerken ist die Verwandtschaft der Namen: franz. Sassoigne, Can^. Saxnsonha,
Montalvo Sarxsuena; franz. Morout, Alorlot, Canq. M&root, Montalvo Marlolte.
^ Wenn 1598 ein Portugiese die Sprache jener der Gedichte aus der Zeit des Don
Denis ähnlich hält, so darf kein Sachkundiger daraus auf das 14. Jh. schliesseii.
^ Oder auch ein unbekannter »comettdadori, dem er Mitteilungen aus der Zeit von
14' 5 — 50 verdankt. Man Kann nach Belieben das eine oder das andere aus der konfusen
Stelle herauslesen.
■* Neben diesem Verdacht besteht die Möglichkeit, dass der spanische Autor s XIV
selbst höfische Liedchen nach dem Vorbild des Tristan eingelegt hat, die der lyrischen
Sprache seiner Zeit angehören mussten.
* Es wird mit Gravesham im Doomsdaybook identifiziert; in den mir zugänglichen
englischen Quellen finde ich im 13. Jh. nur einen Stephan von Gravesende in einer Lon-
doner Urkunde. Im 14. besass der Platz ein Königsschloss, das 1379 von den Franzosen
mit Hilfe der Spanier verbrannt wird.
* Dass er dem unächten A. von Braganza den Prinzentitel giebt ist dem Spanier zu
veizeihen. Jener starb 1461, war 1415 erwachsen, somit nicht sehr viel jünger als Vasco
Lobeira.
442 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. — 5. SpAN. LlTT.
Erweiterung kam einerseits die Verbilligung eines so dicken Buches durch die
Buchdruckerkunst, andrerseits wohl auch der Umstand zu gute, dass durch die
Erwerbung Amerikas und Granadas, zum Teil auch die Vertreibung der Mauren
eine Menge von neuen Menschen in die Höhe kamen, die in ihrer Masse auf
den Gesamtgeschmack zurückwirkten.
Die Erzähhing von Orianas Zauberkranz und Amadis Zauberinsel kennt,
unter Johann IL, Juan de Duenasi. Letztere nennt er die insola del Ploro,
Montalvan Insola Firme : jener Name stammt aus der Episode des Chastel des
Pleurs in Tristan, die nachgeahmt, aber stark modifiziert ist, so dass die
Thränen unpassend erschienen. Am weitesten zurück deutet 1378 — 85 Lopez
de Ayala im Riviado de Palacio 162, wo dieser den Zeitverderb mit Lügen-
büchern wie Amadis und Lanzelote in seine Generalbeichte aufnimmt, und
dabei nicht notwendig, doch wahrsclieinlich seine jüngeren Jahre im Auge
hat. Der Roman wird also in den 60er Jahren vorhanden gewesen sein.
Kam er vom Westen oder ist er in Spanien entstanden ? Die Personen-
namen geben keine Auskunft; sie sind zum grösseren Teil Neubildungen in
der Art der geläufigen Muster, zum kleineren neu verwendete von unterge-
ordneten Figuren der franz. Prosaromane , alles so wie es ein Franzose ge-
macht haben würde und auch ein Spanier machen konnte. Die Topographie
zeigt dagegen manches besondere, die traditionellen eigentlichen Artusnamen
treten zurück, eine ungefähre Kenntnis der wirklichen Lage von Bristol, London,
Windsor^, von Schottland und Dänemark scheint vorhanden. Was zwischen
jenen Städten liegt ist phantastisch , von einem Engländer würde bei aller
späteren Schädigung mehr geblieben sein, er würde nicht Gravesend (Gravi-
sanda) mehrere Tagereisen von London legen und zu einer Insel machen.
Was an Wissen vorhanden ist, das konnte ein Spanier des 14. Jhs. eben so
wohl besitzen als ein Nordfranzose oder Provenzale auch noch vor den engen
politischen Berührungen unter Pedro I. Jenseits der Pyrenäen fehlt jede Spur
des Stoffes , es fehlen im Amadis Anklänge an spätfranzösische und spät-
provenzalischc Neuheiten. So weit wir , schlecht genug , die europäische
Litteratur des 13. — 14. Jhs. kennen, gehört am wahrscheinlichsten die Er-
findung des Amadis der pyrenäischen Halbinsel an.
47. Eigene Versuche in der Novelle schlössen sich an Boccaccio's
rhetorisch-sentimentale Fiametta an , die gegen Mitte des Jahrhunderts über-
setzt war 3. Als erster des Rodriguez del Padron: Siervo libre de amor,
in welchem die kurze und fast stofflose Geschichte der Liebenden Ardanlier
und Liessa sich auf eigene Erlebnisse bezieht und von allegorischen Beithaten,
Reflexionen und Gedichten überwuchert wird. Trotz der Neigung zu künst-
licher Wortstellung und sentimentaler Afifektation doch nicht ohne einen ge-
wissen naiven Reiz. Genau verwandt ist La carcel de Amor von Diego de
San Pedro*, eines aus dem Cancionero General bekannten Dichters aus der
Zeit Isabella's , der seine Fabel zwar auch locker genug , aber doch etwas
fester fügt als Rodriguez. Auch hier ist die Einleitung eine Allegorie , die
Novelle verläuft in Briefen, die mit Erzählungen und Reflexionen des Autors
vermischt sind , der Inhalt ist Liebesleid und das Ende der Tod aus Liebes-
^ Catig. del Palacio S. 70.
^ London u. Windsor sind auch dem franz. Roman geläufig, ebenso die hier nur hei-
läufig genannten Winchester u. Glocester, sowie Norgales und Serolis (Sorelois). Auffällig
ist das condado de Clara in nicht zu grosser Entfernung von Bristoya: die Cläre waren in
der That in Glaniorgan u. Cardigan begütert.
^ Hss. der Escorialbibliothek vgl. Jahrb. f. r. u. e. L. IV, 65 Drucke seit 1497.
* Zahlreiche Drucke seit 1491. Vgl. Tic k n o r I, 336. E s c u d e r o , Tipogr. No. 32.
Der genaue Name des Verf. ist Diego Fernandez de S. P.
Prosa: Amadis. Novelle. Unterhaltend-erzieherische Prosa. 443.
kummer, alles in deutlicher Nachahmung des Rodriguez, aber wirksamer, weil
nicht ganz so formlos, bei etwa gleichwertiger Fähigkeit. Von demselben
Verfasser der Tratado de Arnaltey Lucenda^. Des Sevillaners Juan de Flores
Tratato ä su amiga de los amores de Grisel y Mirabella^ didaktisch gerichtet,,
der Entscheid über eine Liebesklage; später von einem Anonymen verändert:
u. d. T. : Aurelio y Isabela;^ des Juan de Segura Proceso de Cartas de Amores
und Lucindoro y Mcdiisina.^ Auch des Comendador Escriba: Queja que
da de su amiga ante el dios de a?nor lässt sich hierher zählen *. Eine Mischung;
von allen möglichen Liebesfragen, Liebesbriefen, Gedichten, Beschreibungen
von Festen und Ereignissen aus Neapel zwischen 1508 und 15 12 ist die viel-
gelesene Question de Amor'^. Juan de Lucena's Vida Beata^ ist lediglich
Übertragung aus dem italienischen des Bartolomeo Fazio.
48. Eine Art von didaktischem Roman sind Enrique's de Villena
(1384 — 1434) Trabajos de Hir etiles'^ (141 7), ein wunderlicher Fürstenspiegel;-
wie man sucht die Lehre in neue, unterhaltende Formen zu bringen, zeigt
auch Juans de San Cristöval Vegecio Spiritual (Rios VI, 324). Zu den
Fürsten- und Adelsschulen gehören ferner noch verschiedene Schriften des^
Diego de Valera^, Ray Sanchez^ Suma de la politica, während des
Alfonso de Cartagena Doctrinal de r^^^a/Z^röi' eine Kompilation des gesetz-
lichen Materials ist. Ein beliebter Vorwurf ist das Frauenlob in Nachahmung
Boccaccio's, so des Rodriguez del Padron'^ Triunfo de las donas, an
die Königin Maria gerichtet; des grossen Günstlings Alvaro de Luna^^ Libro de
las ciaras y virtuosas mugeres, in wohl erzählten Beispielen aus dem Altertum ;^
des Alfonso de Cartagena verlorenes Buch de las mugeres ilustres , stark
benützt in Andres Delgadillo's unedierten Alabamas de la virginidad;
Martin Alonso de Cordova Vergel de nobles doncellas ; Diego de Valera,
Defensa de virtuosas mugeres; Alfonso de Madrigal, De como al omne es-
neccsario amar.^^ Eine Frauenlehre bietet Hernando de Talavera (1428
bis 1507) Como se ha de occupar una senora de cada dia , den Frauen-
tadel desselben Tratado' de vestir , del calzar y del comerA^ Lope de
Barrientos (1382 — 1469) richtete an Juan IL Untersuchungen über höhere
Probleme als sie sonst in der Vulgärsprache behandelt werden. De caso e for-
tuna und Del dormir y despertar : an denselben der gelehrte Alfonso de
' S. Gayangos, Libros de Caballerias S. 78 der Einleitung.
• ^ Vgl. Escudero y Peroso, Tipografia Hispalense , No. 94. Gayangos,
L. d. C. S. 58. Ders. S. 56 schreibt ihm auch Flores y Biancaflor zu. Vgl. Giorn. di FiL.
Rom. IV, 159.
* S. Ticknor I, 337; Gayangos, Libros de Gab. LXXXII.
* Catif. geti. Apend. 147.
^ S. G ro ce , Di un antico romanzo spagnuolo in Archivio storico per le prcvinde Napo-
litane XIX, und Separatdruck Neapel 1894.
« Zamora 1483.
" Zamora 1483, Burgos 1439. Madrid s. a. Vgl. E. d. V. Arte cisoria, herausg. von
Navarro, Madrid 1879, S. XXXXVIII. Navarro hebt hervor, dass die Trabajos noch
frei seien von dem Latinismus in der späteren Prosa Enrique's. Wir dürfen darnach nicht
eine Wendung in der kastilischen Prosa überhaupt datieren. Enrique's natürliche Sprache
war da.s Katalanische, in der er die Trabajos ursprünglich verfasst hatte und es bleibt daher
in der Übersetzung die natürliche romanische Wortstellnng, während er latinisiert, wenn er
kastilisch abfasst und aus dem Lateinischen übersetzt. Vgl. über andere Schriften Enrique's
o. S. 427. 434 und Navarra a. a. O. Über sein Leben ebenda und Gotarelo Espanar
moderna l894. Juli.
»* Epistolas de Mosen D. d. V. Madrid, Soc. de Bibliof., 1878.
^ Nie. Ant., Bib. Vet. II, 304.
'0 Obras, S. 83.
" Soc. d. Biblof., Madrid 1891.
'* In: Opusculos literarios, Madrid, See. Bibliof. 1892.
" Teilweise gedruckt Baeza 1638.
444 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SpAN. LiTT.
Madrigal (gen. El Tostado, 1400 — 1455)^ ein Breviloquio de amor y
amicicia, an die Königin Maria ein Lil>ro de las paradoxas. Derselbe gab den
Laien ein mythologisches Handbüchlein. Alfonsos de Toledo^ De los in-
ventores de las cosas (1474) ist einer der schwerfalligen encyklopäischen Traktate,
die man im 15. Jahrhundert liebte.
Anscheinend der erste, der in Nachahmung der Italiener einen einhei-
mischen Schriftsteller kommentiert, ist Pero Diaz de Toledo (Kaplan San-
tillana's, 7 1499 als Bischof von Malaga), der ^\t, Proverbios Santillana's
und Gomez Manrique's Querella de la Gobernacion (S. 430) glossierte.
Desselben Dialogo en la muerte de Santillana ^ ist eine schwerfallige Besprechung
verschiedener Fragen der Lebenspilgerschaft.
Von Haus aus lateinische Stilübungen, aber vom Verfasser selbst über-
tragen, sind des Alfon so de Palencia (A. Fernandez de P., 1423 — 1492)
Batalla campal de los perros y lobos und Tratado de la perfecion del triunfo
militar^, die letztere nicht ohne Bedeutung für die Entwicklung des kastilischen
Selbstgefühls. Unter den allegorischen Personen des Dialogs ist Exercicio,
der auszieht, den Triunfo zu suchen, ein Spanier, die Discrecion aber in
Italien heimisch. Die Batalla hat kaum didaktische, sicher keine satyrische
Absicht, ist ein Humanistenstück, das auf eine entfernte Bekanntschaft mit der
Batrachomyomachie hinweist. Dass ähnliche Scherze aber auch von Haus aus
spanisch geschrieben werden konnten zeigt ein parodistisches Jagdbuch, libro
de Cetreria que fizo Evangelisia und ein kleines Muster »höheren Blödsinns«,
die Carla burlesca de Godoy^.
49. Die vulgärsprachliche Theologie in Spanien ist ganz überwiegend
praktische Theologie, nicht nur im 15. Jh., sondern auch in der Folgezeit,
in welcher in andern Ländern die schwierigsten dogmatischen Fragen vor allem
Volk erörtert werden. Es ist nicht mit Unrecht darauf hingewiesen worden
(Rio s VII, 215, 29), dass in der Zeit Ferdinands und Isabellas eine gewisse
Geringachtung der Vulgärsprache sich bemerklich machte. Es sind oben zwei
metaphysische Traktate des Lope de Barrientos an Juan II. genannt. Um
dieselbe Zeit scheinen des Pedro Martin Sermones en romance (1425,
Rios VI, 320) theologische Fragen gelehrteren Charakters zu behandeln.
Ganz besonders bemerkenswert ist aber die Neigung, sich mit schwierigen
geistlichen Problemen zu befassen, in den Prcguntas y repuestas des Can-
cionero de Baena zur Zeit der drei Päpste und des Basler Konzils. An
eine solche Frage des B'ernan Sanchez de Talavera über Prädestination
und freien Willen schliessen sich neben acht poetischen Antworten im Can-
cionero selbst ein Prosa-Dialog eines maestro Morante de la Ventura.^
Die religiöse Dichtung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts beschäftigt sich
mit solchen Problemen nicht mehr. Man war in Spanien mit der Lösung,
die das Schisma gefunden hat, zufrieden, und nicht beunruhigt durch das
Scheitern der episkopalen Reform. Damit schwächte sich auch das Interesse
für transcendente Fragen. In jenen Kreisen aber, welche noch durch solche
berührt und bewegt wurden, hatte sich die Kenntnis des Latein gehoben, das
den Begrififapparat fertig lieferte, welchen man in der Vulgärsprache erst hätte
bilden müssen. Die höhere Schätzung der alten Sprache und die Bequem-
* Sa Iva 4021 — 3.
2 M o r e 1 - F a t i o , Mss. Bsp. 81.
^ Opusctdos literarios de los siglos XIV ä XVI, Madrid, Soc. Bihliof. 1H92; Gomez
-Manrique, Cancionero II, 230.
* Dos traiados de A. de P. p. p. Fabie, Madrid 1876, libros de Antano V.
^ Paz y Melia, Saks espauolas, I.
« Morel-Fatio, Catalogue 81 ; Ca 11 9. B. 296.
Prosa: Belehrende Prosa. Theologie. Judenspanisch. 445:
lichkeit wirkten in derselben Richtung, einem schwachen Vulgarisationsbedürfnis
entgegengesetzt. Später kamen die censorischen Bedenken gegen die Erregung
von Ärgernis hinzu.
Innerhalb der populären kirchlichen Litteratur ist das Auftreten alle-
gorischer und travestierender Einkleidung litterarisch bemerkenswert in dem
schon genannten Vegecio Spiritual des Alonso de San Cristöval und in
der Arboleda de los ETifer7nos der Teresa de Cartagena^. Es ist wie
anderwärts die Religion, welche zuerst die in Spanien auch in den höchsten
Ständen noch völlig ungeschulten Frauen zu Worte kommen lässt. Die Mehr-
zahl der erhaltenen Traktate gehört der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an,
über das einzelne bleibt man im wesentlichen auf die betreffenden Abschnitte
in Rios2 V — VII, bezw. auf die Bibliotheca Vetus angewiesen. Das Wieder-
aufleben auch dieses Zweiges schriftstellerischer Thätigkeit nach den Bruder-
kriegen bezeichnet ein libro de la justicia de la vida Spiritual zwischen 1380
und 90 von dem Erzbischof Pero Gomez Barroso in Sevilla verfasst, nicht
von dem älteren Pero Gomez de Albornoz. Auch andere hervorragende
Prälaten sind vertreten die sich sonst der lateinischen Sprache bedienen.
Alfonso de Cartagena mit einem an Fernan Perez de Guzman ge-
richteten Oracional (1455, gedr. 1487), Alfonso de Madrigal genannt El
Tostado, mit zwei Handbüchlein. In manchen Fällen besteht die Vermutung
der Möglichkeit der Übersetzung aus dem Lateinischen. Sicher von einem
Kastilier des 15. Jhs. übertragen ist das Libro de las consolaciones des stets
Latein schreibenden aragonesischen Papstes Luna (Benedikt XIII.), mit er-
haltenem lateinischen Original. Proben der Kanzelberedsamkeit (Rios VI, 312,
VII, 379, 348) sind nich erhalten. Über das Exempelbüchlein des Climente
Sanchez, der auch ein vielbenütztes Pfarrhandbuch hinterliess (Sevilla 1476
u.-ö.) s. o. S. 414. Die Legende ist schwach vertreten, das Vorhandene nur
wenig bekannt. Drei Sammlungen der Bibliotheca nacional hat Sanchez Moguel
eingesehen, der allerdings die eine derselben (Hs. s. XV) noch dem 13. bis
14. Jh. zuschreibt nach dem wenig verlässlichen Kriterium der Sprachformen.
Milagros de Santiago schrieb Rodriguez de Almela^. Die Macariuslegende
fand sich in einer Toledaner Hs., ebendort ein Tundalus und eine Übersetzung
von Berlan e Josaphu,^ die eher dieser Zeit, als jener Juan Manuels gehört.
50. Es mögen noch zwei litterarische Besonderheiten kurz berührt sein,
welche sich mit dieser Periode von dem kastilischen Hauptstamme abzweigen,
die judenspanische und die Aljamia-Litteratur. Unter der ersteren sind nicht
ein zubegreifen die Schriften und Dichtungen vertriebener Israeliten, die be-
sonders in Amsterdam jeweilig die modernsten Sprachmethoden und Dichtungs-
formen der alten Heimat mitzumachen suchten. ° Die Bezeichnung beschränkt
sich auf die Gruppe der Sephardim, welche in den Mittelmeerstädten des
Orients und auf der Balkanhalbinsel bis heute, anfangs auch in Venedig, in
Wort und Schrift einen seltsam gemischten, aber ganz wesentlich kastilischen
Jargon bewahrt hat. Sie hat eine Anzahl von Druckschriften aufzuweisen,
ist aber ästhetisch vollkommen steril geblieben, abgesehen von folkloristischen
1 M a r t i n e z A ii i l> a r r o , Diccionario.
^ Gayangos Escritores en prosa ant. al siglo XV, S. 56 1 ; Bibl. vet. 11^ 211. Über-
haupt wird in den betreffenden Abschnitten bei Rios besonders viel zu berichtigen sein,
so rührt z. B. das Libro de las confessiones, dessen Escorialhandschrift Vll, 354 ins 15. Jh.
gesetzt hat, von Alfonso de Horozco her, der 1500 — Ql lebte.
* Rios V, 272; VI, 312; VIT, 309. Sanchez Mognel Memoria acerca de El
Magico Prodigioso, Madrid 1881, S. 62-65.
* Ronoan. Foisch. VII. 33 1; Roman. X, 300.
5 Kayserling, Bibliotheca espanola-portuguesa-judaica, Strassburg 1890. Wenig voll-
ständig.
446 LiTTERATÜRGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER, 5. SPAN. LiTT.
Kleinigkeiten und ihrem wohl ältesten Vorkommen, in der Bearbeitung eines
hebräischen Schachgedichts im Maass der Cuaderna via, das Rios IV, 470
jedenfalls zu früh noch um 1350 stellt. Viel bedeutender ist, was die hispa-
nisierten Mauren hinterlassen haben. ^ Diese vergassen auch in Andalusien im
Laufe des 16. Jhs. ihre Muttersprache. Ihre litterarische Produktion aber hat
ihre hauptsächliche Heimat vom 15. Jh. bis zur Vertreibung in Aragon, zeigt
daher dialektische Formen mit eingemischten Arabismen. Es werden über
100 Handschriften verzeichnet, ein und die andere darunter ist noch in
neuster Zeit in Schlupfwinkeln gefunden worden, in welchen die Besitzer sie
vor den Augen der Inquisition verborgen hatten. Den Inhalt bilden Trümmer
der eigenen religiösen Kultur mit schwacher kastilischer Beeinflussung. Unter
den Gedichten zeigt das Poema de Jose ^ noch die alte Form der cuaderna
via in sehr unbeholfener Anwendung, während 1603 Muhamet Rabadan ^ die
<jeschichte von der Schöpfung bis auf Mohamet in glatten Romanzenversen
behandelt. Manches interessante bieten die zahlreichen wundersamen Prosa-
Erzählungen,'* zumeist freilich Übersetzungen aus dem Arabischen von Josef
und Alexander, Jesus und Salomon, Mohamet und seinen Gefährten. Eine
•märchenhafte Geschichte spielt in Cordova; Beziehungen zu den moresken
Romanzen und Novellen der Spanier fehlen indessen. Eine Angabe, welche
die in der Mitte des 16. Jhs. von Antonio de Villegas und Montemayor er-
zählte Geschichte des verliebten Abindarraez aus einer Aljamiahandschrift
stammen lässt, scheint unverlässlich.
Wohl das originellste Erzeugnis der Zeit ist 1438 des Erzpriesters von
Talavera, Alfonso Martinez de Toledo, (geb. 1398, Kaplan Juan's II.,)
Buch : De los vicios de las malas mujercs , auch El Corhacho ''* genannt nach
der Schrift Bocaccio's, die der Autor kennt und nennt. Näher als dem
Italiener steht er dem Archipreste de Hita, den er ebenfalls zitiert und
•welchem er die Figur der Trotaconventos entlehnt. Niemals im ganzen Mittel-
alter ist dieses Thema lebhafter und ergötzlicher behandelt. Schilderungen
wie die des Jammers um ein Ei zu Anfang des 2. Buches sind von unüber-
troffener Schärfe der Beobachtung. Bei allem Zorn des Alfonso de Martinez
zeigt er übrigens am Schlüsse auch das Doppelgesicht des mittelalterlichen
Menschen gegen die Frau in einem Epilog, der den Gesinnungen des Juan
Ruiz entspricht. Er bildet das Verbindungsglied zwischen jenem und der
•Celestina^ deren erster Akt bis auf Henrique IV. zurückgehen kann, die aber
mit ihrem ganzen Gefolge bei der nächsten Periode zu besprechen ist.
III. DIE HOCHBLÜTE IM XVI. UND XVII. JAHRHUNDERT.
|.|;w^Jan pflegt sich den Spanier der vergangenen Zeit von vornherein als
fanatisch zu denken, spricht von der Einmischung arabischen Blutes,
der Fortdauer mittelalterlich - orientalischer Tradition. In der That erscheint
im 15. Jh. schon der Kastilianer dem Ausländer formell und stolz. Der
' Discursos leidos ante la Real Acad. Esp. en la Recepcion de D. Ediiardo Saavedra,
Madrid 1878. Ahhnndlung und Bibliographie.
^ Gayangos, Poetas ant. al s. XV, S. 413; Morf in Gratulationsschrift an die Uni-
versität Zürich 1883.
^ Herausg. von Lord Stanley in Asiatic Journal 1867—72,
* Leyendas Moriscas p. p. F. E. Kohles, 3 Bde,, Madrid 1886; I^eyendas de Jose
y de Alejandro Magno von dems. ; Sarragossa 1888 in Bibl. de escr arag. secc. lit. Bd, 5.
* Gedruckt Sevilla 14Q8 (1495 bei Panzer ist Fehler). Über 6 weitere Ausgaben
s. Sa Iva 1893 und bei Escudero-, über die Escorialhs. Ihb. f. r. u. e. L. IV, 60. X, 89
Martinez de Toledo. — Hochblüte im i6. u. 17. Jh. 447
Geist der Litteratur aber zeigt tiefgehende Verschiedenheiten zwischen den
Zeiten der Trastamara und der Habsburger. Das alte Spanien unterscheidet
sich in seiner Religiosität nicht auffällig von dem übrigen Europa ; nur dass
der Einfluss der kirchlichen Organisationen , insbesondere der des Prediger-
ordens der Dominikaner noch weniger verbraucht ist, dass der grosse Streit um
die Kirchenreform viel kleinere Schichten bewegt hat als anderwärts und als
man gerade bei starken religiösen Neigungen erwarten sollte. Die Klagen
aber über den Verfall der Zucht in der Kirche sind so laut und berechtigt
wie irgendwo. Die scherzhafte Behandlung religiöser Dinge steigert sich nicht
nur zur Posse, sondern oft genug zu recht gründlicher Frivolität. Entscheidend
für die Gestaltung der Dinge und des Denkens wurde die kraftvolle Regierung
Isabellas , welcher es gelungen ist , die kriegerischen Kräfte des Landes zu
disziplinieren, wie sie auch in einer durchgreifenden Ordensreform die Kirche
zugleich stärkte und der Macht des Staates unterordnete. In den erstaunlichen
Erfolgen ihrer Zeit, der Eroberung von Granada und der Eröffnung einer
neuen Welt, erschien die Fahne Kastiliens zugleich als jene Gottes. Es war
wie ein Neuaufleben der Kreuzzüge , wobei aber über dem Kreuz noch die
Krone strahlte , so dass unter einer Fremdherrschaft , wie diejenige Karls V.
CS war, der alte Geist des Aufruhrs es nur mehr zu einem ziellosen Wider-
stand brachte, um dann für immer zu erlöschen. Königlich - soldatisch ist
denn auch die Frömmigkeit des Spaniers, sein Verhältnis zur Kirche. Selten
hat sich die innere und äussere Politik eines Herrschers so vollkommen in
Übereinstimmung mit den Anschauungen der Nation br^funden wie jene
Philipps IL und auch in den schlimmsten Tagen des 17. Jhs. bleibt für den
Spanier sein König der erste Herrscher und der katholischste auch gegen den
Papst, an dessen Herrlichkeit jeder einzelne »alte Christ« des Landes seinen
Anteil hat.
Auf jenem Boden konnten weder kirchentrennende Bestrebungen, noch
humanistischer Paganismus Samen gewinnen. Die geistige Ablösung der
Renaissance vom Mittelalter hat hier nicht stattgefunden. Spanien nahm einen
Teil der neuen Anregungen in seine geistige Bewegung auf ohne die ältere
Tradition preiszugeben. Die lebhaften Beziehungen zu der italienischen Ge-
lehrsamkeit, die sich im 15. Jh. aufweisen lassen, setzen sich im 16. fort.
Eine Reihe von kenntnisreichen Männern wirken an der Universität Salamanca
und der neugegründeten von Alcala. Diejenigen Spanier aber, welche zu
jener Zeit stürmischster Geistesbewegung eigene Wege suchten, wie Vives,
Valdes oder gar Servet lebten im Ausland und dachten ausländisch.
In der Gelehrtenrepublik hat Spanien immer nur eine untergeordnete
Stellung eingenommen und dafür geht von ihm die Neubelebung und Neu-
organisierung der alten Kirche im 16. Jh. aus, von dem Soldaten Ignatius
von Loyola die Disziplinierung der Mystik, von Melchior Cano (gest. 1560)
■die Neubelebung der scholastischen Methode.
Die Dichtkunst lässt unter Karl V. noch wenig von jener Richtung er-
kennen, die sich in jenen grossen Söhnen der Kirche verkörpert, trägt noch
überwiegend heiteren Charakter. Die Nachfolger des Archipreste de Fita
dürfen sich einer gelegentlich frivolen Leichtlebigkeit und auch kleiner Ketze-
reien unbehelligt erfreuen. Die Aufnahme der italienischen Formen berührt
den Inhalt nur wenig. Die Entwicklung der realistischen Erzählung vollzieht
sich langsam auf Grund einer angeborenen , scharfen Beobachtungsgabe und
ohne merklichen Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen, ihr Meister
Cervantes ist unter Philipp II. aufgewachsen. Die Ideale der Bevölkerung
fanden ihren Ausdruck zunächst in der Romanze, von dort übernahm sie das
Drama, dem Lope de Vega unter Philipp IL die feste und bleibende Form
44^ LlTTERATURGESCHlCHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LiTT.
schuf. Aus der vollkommenen Übereinstimmung der religiösen und politischen»
Ideale erwächst die künstlerische Einheit. Glänzend und einseitig, eine echt
nationale Bühne, die fast unveränderlich auf gleicher Höhe bleibt, bis der
politischen Agonie die künstlerische folgt, eine Totenstarre, wie sie kein anderes
Land erlebt hat. Die Ursachen des Zusammenbruchs der spanischen Macht
und Kultur hört man oft auf die hiefür völlig bedeutungslose, von den andern
geschlossenen Staaten schon früher vollzogene Ausweisung der Juden zurück-
führen, welche ein Jahrhundert vor Lope und Calderon erfolgte; sowie
auf die Ausstossung des feindlichen arabischen Fremdkörpers, obwohl für diesen
Volksverlust bei gesunden Verhältnissen voller Ersatz sich leicht gefunden
hätte. Eine Reihe verschiedenartigster , verfehlter Massregeln haben auf die
Entwicklung miteingewirkt. Ihre letzte Ursache aber liegt darin , dass das
Land in seiner politischen Stellung sich eine Last aufgeladen hatte , der es
nicht gewachsen war. Es vermochte das Menschenmaterial nicht zu ersetzen,,
welches durch einen unaufhörlichen Kriegszustand in Europa, durch die Aus-
wanderung nach den stets schutzbedürftigen Kolonien verschlungen wurde,,
und hat sich langsam verblutet. Für die im Innern hervortretenden Schäden
zu sorgen , blieb keine Zeit bei der beständigen Anspannung aller Kräfte-
nach aussen.
Während in der vorausgehenden Periode dem Altertum und Italien gegen-
über die Lernbegierde noch wesentlich in mittelalterlicher Weise am Stoff
haftet, wendet sie sich im i6. Jh. der Form zu; zugleich wirkt sie im höheren
Sinne produktiv. Denn wenn auch die tieferen geistigen Strömungen der
Renaissancezeit nur schwach herüberdrangen, führte die Anregung von Aussen
zu kraftvoller Entfaltung der Eigenart. Von einer scharfen zeitlichen Ab-
grenzung muss abgesehen werden. In der Celestina allerdings tritt uns schon auf
der Scheide des Jahrhunderts eine weittragende geistige That entgegen ; das
Theater Encinas weist auf die Zukunft, ist aber noch eng mit der höfischen
Lyrik verbunden ; bei dem Ritterroman zeigt sich ein Unterschied gegen das
14. Jh. nur in der Massenproduktion ; die Lyrik endlich bleibt noch bis 1526
in den alten Geleisen. In der Mitte des Jahrhunderts 1550 — 60 gestaltet,
sich die Prosaerzählung neu im Lazarillo , der Novelle von Abindarraez und
Jarifa , dem Schäferroman ; zugleich tritt das Kunstepos auf. Inmitten des
höchsten Erblühens des Dramas und Romans, ungefähr 1585 — 1620, machen
sich in Gongorismus und Conceptismus die ersten Zeichen des Epigonentums
geltend; Schäferroman und Kunstepos überleben den Abschnitt nicht, und das
Verschwinden des letzteren, mochte es immer minderwertig geblieben sein, ist
doch ein Symptom schwindender Kraft. Die grossen Begabungen , welche
noch auf Lope und Cervantes folgen , Calderon und Quevedo , bringen den
Hispanismus zum schärfsten , aber auch einseitigsten Ausdruck. Nach dem
Eintritt Calderons in den Priesterstand (1651) erhebt sich Nichts mehr zu
selbständiger Bedeutung, allmählich erlischt auch die manirierte Nachahmung
in absoluter Unfruchtbarkeit, die fast ein Jahrhundert andauert. — Die Zugäng-
lichkeit brauchbarer Handbücher (Ticknor, Barrera, Schack, Schäfer) erlaubt
eine ungleich compendiösere Darstellung als in den älteren Zeiten.
A. DIE POESIE AUSSERHALB DES DRAMAS.
I. DIE LYRIKER.
52. Die Nachahmung des italienischen Sonetts durch Santillana war im
15. Jh. trotz aller Abhängigkeit von der italienischen Kultur völlig vereinzelt
geblieben und nahezu vergessen worden ; den Theoretikern Argote de Molina^
Poesie: Lyeik. Nachahmer der ital. Lyrik. 449
Herrera, Cueva ist sie um 1580 zwar bekannt geworden, aber Castillejo (s. u.) weiss
nichts von ihr. Man dachte überhaupt nicht an die Möglichkeit die fremden
Verse zu bilden ; wie seiner Zeit Carvajal dichtete Torres Naharro in italienischer
und spanischer Sprache mit vollkommen verschiedener Metrik. So ist denn auch,
nicht durch die Kenntnis des eigenen katalanischen Hendecasilabo, sondern durch
einen Ausländer, den venetianischen Gesandten Navagiero, ein Halbausländer,
der Katalane Boscan Almogaver^ im Jahre 1526 zu der Neuerung veranlasst
worden. Boscans Talente sind bescheiden, und trotz der Anerkennung, die
der Prosa seiner kastilischen Übersetzung von Castigliones Cortigiano gezollt
wird, bleibt bei ihm die Anwendung der Sprache im Metrum unbeholfen.
Der eigentliche Meister der neuen Schule ward der Kastilianer Garci Laso
de la Vega,i der sich Boscan mit überlegenem Talent alsbald anschloss.
Dem Inhalt nach ist die nunmehr vorbildliche Erotik Petrarcas von jener der
spanischen Hofdichtung nicht all zu verschieden; dort wie hier liegt eine
Fortsetzung der Troubadourdichtung vor; zur Verinnerlichung konnte auch
Horaz,2 dessen Einfluss sich neben jenen Petrarcas stellt, nicht gerade ver-
anlassen, und während alles Italienische in Spanien sofort beachtet, entlehnt
und umgedichtet wird, bleibt, was dort Mächtiges und Individuelles zu finden
war, wie Michel Angelo und die Gaspara Stampa, unbekannt, weil un-
verstanden. Was man neu erwarb war Klarheit des Gedankens, sorgfältige
Disposition, freie Wahl des Worts, und ein genaues Ohr für die Sprachmusik;
mit einem Wort die Form im höheren Sinn, die mit der Metrik begriffen wurde.
Äusserlich besteht der Zuwachs im Hendecasilabo, dem verso suelto (zuerst
in Boscans Leandro) der indes nicht recht Wurzel geschlagen hat, der Terzine
und Ottava rima, den Formen der Canzone, welchen Garcilaso die der -»lira«
hinzufügte, der Ekloge, Elegie, Epistel und Satyre. Bei dem Vorwurf der
Abhängigkeit, der geringen Originalität, darf nicht übersehen werden, dass,
innerhalb der allgemeinen energischen Nachahmung der Italiener, die Spanier
die einzigen geniesbaren sind. Die einheimischen Versmasse, mit Ausnahme
der Arte mayor, blieben dabei besonders für die leichten Dichtungsgattungen
durchaus üblich, und es hat sich wohl jeder Angehörige der neuen Schule
auch in ihnen versucht. Vom einem Kampf der Alten gegen die Jungen
kann eigentlich nicht gesprochen werden. Cristöval de Castillejo 3 pro-
testiert zwar gegen die Geringschätzung der älteren und vermeidet die neuen
Formen, aber er lebte seit 1518 im Ausland, und wenn Galvez de Montalvo
um 1582 in seinem Hirtenroman Filida einmal Vorliebe für die Altspanier
bekundet, so ist das nur antiquarische Spielerei. Nur ein Zeitgenosse Castillejos
in Spanien, von dem wir eine grössere Anzahl Verse besitzen, bleibt noch
1 ca. 1493 — 1542. 1. Ausg. 1543; v- Knapp, Madr. l875; der Cortegiano 1533,
zul. Madr. 1873. Garcilasos Gedichte erschienen von 1543 regelmässig mit denen Boscans
verbunden, kommentiert von Sanchez de Brozas (El Brocense) 1574. von Herrera
1580, von Tamayo de Vergas 1622; Vida von Navarrete, Document. incd. Bd. 16,
vgl. Ticknor, Suppl. 59; beide Dichter in der Sammlung der Foetas liricos de los siglos
XVI y XVII. orden. por Adolfo de Castro, Bd. 32 u. 42 der Bibl. de aut. esp., einer
wichtigen, aber in jeder Hinsicht mangelhaften Auswahl. Noch heute nicht ganz zu entbehren
sind die Coleccion de poetas espanoles, piMicada por Ram. Fernandez (Estala) 20 Bde. Madr.
1789 — 1820 u. bes. Lopez de Sedano, Parnaso e%panol , 9 Bde.. Madr. 1768 — 78. Für
die klassische Frühzeit s. auch den Canciotiero general de iSS4 hei Morel-Fatio, L'Espagne
au 16^ et au //'? siede, Heilbr. 1878.
^ S. Menendez y Pelayo, Horacio en Espana, 2 Bde. Madr. 1895. Vgl. zu dem
Abschnitt auch desselben Historia de las Ideas esteticas en Espana, Bd. 2, Madr. 1884.
' ca. 1491 — 1556, nur in der Satyre bemerkenswert. Obras Madrid 1573 und in der
Bibl. aut. esp- 32.
Gröber, Grnndriss. IIb. 29
45° LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMAN. VÖLKER. — 5. SpAN. LiTT.
ganz in der alten Manier, mit Einschluss der Arte mayor, Sebastian de
Horozco' von Toledo.
Garcilaso bleibt, so sorgsam er sich an seine Vorbilder anlehnt, natürlich,
flüssig und anmutig, zumal in seinen drei klassischen Eklogen. Diego Hurtado
de Mendoza,2 der Urenkel Santillanas, der dritte hauptsächliche Vertreter
der neuen Richtung und Freund Boscans, zeigt seine besondere Begabung in
der auch nach ihm vielfach mit Glück gepflegten Epistel. Die weitere Aus-
bildung und letzte Feilung der Verskunst besorgten dann Fernando de
Acuna,3 Gutierre de Cetina,^ von dem man früher nur einige zarte Verse
kannte, während seine kürzlich vervollständigten Werke einigermassen enttäuscht
haben, und der geborene Portugiese Gregorio Silvestre.'^ Bei Antonio
de Villegas (1565) zeigt sich, dass sie noch nicht allen leicht wurde.
53. Die Nachfolger Garcilasos in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. werden
vielfach und mit einer gewissen Berechtigung in zwei Gruppen geschieden:
Die der Sevillaner und die von Salamanca. Eine eigentliche Schule^ bilden
allerdings nur die Sevillaner. Aber es ist bequem und auch sachlich berech-
tigt, wenn man die liLterarischen Kreise so, wie sie gelebt und verkehrt haben,
zusammenfasst, auch wenn der einzelne Zirkel keine besondern charakteristischen
Züge aufweist. Man kann neben jenen Gruppen noch die von Granada-
Antequera, von Valencia und die Aragonesen unterscheiden.
Dem pedantischen Latinismus Juan de Mena's gegenüber, den das
Fremdwort an sich erfreut, sucht Garcilaso bei seinen direkten oder italienisch
vermittelten Anleihen den Wohlklang und vermeidet in der Regel das gar zu
Auffällige. Der Meister der Sevillaner, Fernando de Herrera,''^ sucht da-
gegen den Prunk in den zahlreichen fremden, wie den Worten der eigenen
Sprache und der ganzen Diktion. Die strenge Klarheit des Gedankens, die
entschieden festgehalten wird, kleidet sich in eine schwungvolle Rhetorik, der
Purismus verbindet sich mit der Fülle und Überfülle. Seine Erotik wird in
dieser Hülle um so kälter, da in ihr, neben Petrarca, Auzias March Vorbild
ist (II, 2, 69), ihr Inhalt noch schattenhafter und abstrakter wird. In eine
glänzende Verbindung dagegen tritt der biblische Schwung der Rede mit wirk-
licher Begeisterung in seinen Hymnen auf den Sieg von Lepanto und den
Untergang des portugiesischen Königs Sebastian. Sein Commentar zu Garcilaso
ist zugleich eine Art persönlichen und künstlerischen Manifests. — Als Erben
und Rivalen Herrera's betrachtete man früher Francisco de Rioja,^ wesentlich
auf Grund zweier ihm falschlich zugeschriebener Gedichte hin: Rodrigo
' Vater des Seb. de Horozco y Covarrubias, Verfassers des berühmten Tesoro de la
lengua castellana. Cancionero de S. d. H., Sevilla 1874. Die Erinnerung H.'s geht bis 1530
zuri'ick, der letzte Datum bei ilim ist 1577.
^ Feldherr, Staatsmann und Geschichtsschreiber, 1503 — 75. Ausg. von Knapp,
Madr. 1877- Vgl. Rom. XXIII, 228.
' ca. 1500 — 1580. Varias Poesias Madr. 1591 u. I803.
* ca. 1520 — 60. Obras ed. Hazanas, 2 Bde., Sevilla 1895. Vgl. Salvi Lopez,
Uti Petrarchista spagtiuolo, Trani 1896.
^ 1520 — 70. S. b. Garcia Peres, Catälogo de los autores portug. que escribieron en
Castellano, Madr. 1890, u. Col. de doc. ined. Bd 16.
* Lasso de la Vega, Historia de la la Escuela pokica Sevillana, Madrid l87^. eine
wenig gründliche Arbeit. Gleichzeitige Quelle ersten Ranges ist des Malers und Dichters
Pacheco Libro de retratos, hrsg. v. Asensio, Sevilla 1886, Porträts und kurze Biographien.
'* 1534 — 1597. Von ihm selbst hrsg. Algunas Ohras, Sevilla lö82; vermehrt die Versos
vom Maler Pacheco 1619; danach bei Castro. Dazu F. d. Herrera, Controversia sobre
sus anotaciones a las obras de Garcilaso de la Vega. Poesias ineditas, Sevilla 1870 Vgl.
Morel-Fatio, L'hymne stir Lepante, Paris 1893.
* Geb. Sevilla ca. I080 — 90, gest. 1659. Poesias hrsg. v. Barrera für die Bibliöfilos,
Madrid 1867; Adiciones ä las poesias, Sevilla 1872. Vgl. Castro, La epistola moral a Fabio,
Cadiz 1875; R. Caro Obras ineditas, Sevilla 1885.
Poesie: Lyrik. Schule von Sevilla und Salamanca. 451
Caro's Ode auf die Ruinen Italica's und ein poetisches Sendschreiben des
Fernandez de Andrada (beide als Dichter sonst wenig bekannt). Es bleiben
ihm eine Anzahl von Sonetten und Silvas, in welchen sich elegische Em-
pfindungen formvollendet aussprechen , allerdings Herrera nahe verwandt.
Hervorragende Glieder des Kreises Herreras waren ferner: der geistvolle und
heitere Epigrammatiker Baltasar de Alcäzar;! Juan de Arguijo;^ die
Maler Cdspedes und Pacheco,^ beide Verfasser von Lehrgedichten über die
Malerei; Jäuregui,"* der Übersetzer der Aminta ^ dem besonders eine Silva
auf die badende Geliebte geglückt ist; auch Juan de Salinas.^ Ziemlich
unbedeutend ist die Lyrik des vielseitig fruchtbaren Juan de la Cueva.^
Francisco de Medrano'^ steht in seiner intimen Nachempfindung und Nach-
dichtung des Horaz viel näher zu Luis de Leon als zu Herrera.
Wo man von einer Schule von Salamanca spricht, pflegt als ihr Haupt
Fray Luis Ponce de Leon^ bezeichnet zu werden, der in seinen Über-
tragungen aus Virgil und Horaz und wenigen eigenen weltlichen Gedichten An-
mut und Natürlichkeit der Sprache verbindet, in seinen religiösen Liedern eine
Tiefe der Empfindung zeigt, wie sie die weltliche Lyrik in Spanien über-
haupt nicht aufzuweisen hat. Auf gleicher dichterischer Höhe steht nur noch
der tiefbewegte San Juan de la Cruz.^ Zunächst unter diesen grössten
der spanischen Mystiker stehen die wenigen Gedichte in der Conversion de
Magdalena des Malon de Chaide.^" Auch ausserhalb des Kreises der Mystik
im engeren Sinne aber erfreut die spanische religiöse Dichtung *1 dauernd
durch Wahrheit und Wärme und volkstümliche Tonart, so vor allem Valdi-
vielso's^^ Roniancero espiritual und Lope de Vega's Rimas sagras. Ihr
Verfall beginnt mit dem Eindringen des Conceptismus, des Spieles mit senti-
mentalen Klügeleien, welche mit Beginn des 17. Jhs. vor allem Alonso de
Ledesma,'^ ein Dichter von wirklicher Begabung, in Schwang brachte.
Unmittelbar neben den weltlichen Dichter Luis de Leon stellen sich
die zarten Verse des Bachiller Francisco de la Torre, die erst spät von
Quevedo veröffentlicht ^^ und längere Zeit diesem zugeschrieben worden sind.
Ausserlich auch Francisco de Figueroa^^ in wohl gefeilten Sonetten und
Elegien. Den klassischen Traditionen treu bleibt dem eindringenden Gongorismus
' 1540 — 1606; Poesias, Sevilla 1878.
^ Gest. vor 1627; hrsg. Sevilla 1841 v. Coloni, mit Noten von dem Zeitgenossen
Fr. de Medina, die in dem sonst anscheinend besseren Abdruck Castro's fehlen.
ä 1538 — 1603 und 1571 — 1654, von beiden nur wenig erh ilten, s. b. Castro, Bd. I.
* 1570 — 164O; vgl. Gallardo 2581.
5 156Ö — 1643; Poesias, Sevilla 1869, 2 Bde.
^ ca. 1550 — 1607. Poemas ineditos, Lund 1887, hrsg. v. Wulff. Vgl. Menendez,
Horacio, II, 49.
■^ Von dunklem Leben. Die l6l7 in Palermo gedruckten Gedichte s. b. Castro.
* Geb. 1527 in Belmonte de Cuenca, s. Gallardo 2676, gest. 1591. Die einzige
brauchbare Ausgabe seiner Werke ist die von Merino, 6 Bde., Madrid 1804: in Bd. 37
Act Bibl. aut. ^j/. nicht benutzt. Vgl. Keusch, Luis de Leon und die spanische Inquisition,
Bonn, 1873; Menendez, De la poesia niistica in Estudios de Critica literarm I, 1.
9 1542 — 1591 ; Ausgabe der Werke Bibl. Aut. Esp. 27, der Gedichte von Storck,
Münster 1854.
'0 Bibl. Aut. Esp. Bd. 27.
" S. besonders Bibl. Aut. Esp. Bd. 35, Komancero y Cancionero sagrados.
'2 Roinancero espirittial, Madrid 1880; vgl. Barrera, Catcdogo del Teatro, S. 412.
^* Ein wenig älter als Ledesma ist Lucas Rodriguez, Conceptos de divina poesia.,
Alcala 1599. Vgl. über die geistlichen Conceptisten Salvä 197, 713 — 21.
^* Madrid 1631. Die falsche Zuteilung in einem Neuabdruck, Madrid 1753. von
Velazquez. Vgl. Aureliano F ernandez-Guerra, Discurso Acad. Esp. 1 857 und Obras
de Quevedo II, 489.
1* 1540 — 162O; Lisboa 1626, Coleccion Fernandez Bd. 20. Vgl. Gallardo 2232 u. bei
Nicol. Antonio.
29*
452 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMAN. VÖLKER. 5. SPAN. LiTT.
gegenüber auch die Gruppe der Granadiner, welche in Pedro Espinosa's
Flores de poetas ilustres ^ und dessen Fortsetzer geschmackvolle Anthologen
fanden. Zu ihnen gehören u. a. Espinosa selbst; Barahona de Soto (s. u.),
Vicente Espinel,- einer der besten unter den Dichtern zweiten Ranges;
Luis Martinez de la Plaza; jünger als die Flores auch Soto de Rojas^
und Jerönimo de Porras,^ die beide gelegentlich auch dem Kultismus
huldigen.
In Valencia war Aldana-'» zu Hause, der mit dem kastilischen Ausdruck
noch zu kämpfen hat, aber besser ist, als mancher höher eingeschätzte; die Früh-
dramatiker Timoneda und Viru es; Gil Polo, der Fortsetzer der Diana Monte-
mayor's (s. u.), der in seinenri Canto del Turia^ die poetischen Berühmtheiten
der Vaterstadt feiert, einige Zeit bevor wir in der Acadimia de los Nocturnes'^
Namen und Verse von gegen fünfzig 1591 — 94 dort vereinigten Schriftstellern
überliefert finden, darunter die bekannten dramatischen Dichter Castro,
Tdrrega, Aguilar, lyrisch am fruchtbarsten unter ihnen Rey de Artieda.
In Zaragoza lebte Pedro Linan de Riaza;^ vor den beiden Leonardo de
Argensola,^ den Brüdern Lupercio und Bartolomeo, den sorgsamsten
unter den Puristen, freilich auch den nüchtersten.
54. Da man in der Form das höchste erreicht wusste, geistige Wand-
lungen nicht möglich waren, beginnt die Lyrik um 1600, zu einer litterarisch
sonst noch kräftigen Zeit, der Manier sich zuzueignen. Das Auftreten des
Conceptismus ist oben schon berührt; die Richtung Herrera's deutet bereits
auf die Verwechslung der Poesie mit dem Reichtum der Darstellung hin,
welche sich in dem Kultismus ausspricht: einer Parallelerscheinung zu dem
italienischen Marinismus, die vielmehr auf gleichartiger Entwicklung als auf
direkter Beeinflussung beruht. Es war einer der begabtesten Dichter, Luis
de Göngora y Argote,^^ der mit Bewusstsein den Weg der Übertreibung
einschlug. Seine älteren Sonette, seine Romanzen, Letrillas und Villancicos
zeichnen sich aus durch Glanz und Energie des Ausdrucks bei einer starken
satirischen Ader. Die späteren (Soledades, Firamo y Tisbe u. a.) treiben in
geschraubter Sprache und gesuchten Bildern den Latinismus und die falsche
^ /« parte por P. Espinosa Valladolid 1605; //'« parte por Ant. Calderon 1611,
hrsg. mit Anm. v. Quiros und Rodriguez Marin, Sevilla 1896. Beide Teile wichtig
auch für andere zeitgenössischen Dichter.
^ 1550 — 1624; Rimas Madrid 1591; Erfinder, wie ziemlich feststeht, der nach ihm
benannten Kiinstform der Espinelas, einer Variante der Dezime, und der fünften Saite der
Guitarre.
3 Desenganos de Amor, Madrid 1623; vgl. Sedano, Parnaso 4, XXXXVI ; Sa Iva
981—83.
■* Rimas varias., Antequera 1689; vgl. Gallardo 3511; Menendez, Horacio 1 Q4.
5 Gest. 1578. Obras, Madrid 1593; vgl. Castro II, LXXXIV.
* Sedano, Parnaso VllI, 265,
"^ Salvä 156, wo aus der Hs. ausführliche Auszüge gegeben sind, deren Vervoll-
ständigung immerhin erwünscht wäre. Mehrere Valenziancr Academias aus der Zeit des
Verfalls in der ebenda No. 157 verzeichneten Sammlung.
^ Bibl. Escrit. Arag. Bd. 1; ungef. 1550 — 1609.
® 15.59 — 1612 bezw, 1562—1631 ; Obras sueltas, 2 Bde., Madrid 1889, hrsg. v. Vinaza,
die ausser den beiden Dramen Lupercios auch die kleinen Prosaschriften der beiden Brüder
enthalten.
^^ 1561 — 1627. Die Beurteilung der Entwicklung G.'s ist dadurch erschwert, dass
er selbst die Überlieferung seiner Gedichte vernachlässigt hat und die erste posthume Ausgabe
von Lopez de Vicuna (1627) nur nach Abschriften hergestellt werden konnte. Ein
zweiter, versprochener Band blieb aus. Erweitert, aber sehr inkorrekt sind die von 1633,
1654, 1659; unzuverlässig auch die Auswahl in Bd. 32 der Bibl. Aut. Esp. Eine ernstliche,
kritische Gesamtausgabe wäre sehr zu wünschen. Vgl. Poesias escogidas de G. con varias
ineditas, Madrid 1863; Churton, Göngora, 2 Bde., London 1862.
Poesie: Lyrik. Rultismus. Romanze. 453
Gelehrsamkeit aufs äusserste. Die Zeitkrankheit des Kulteranismus oder
Gongorismus wirkte um so ansteckender, da sie von einem so bedeutenden
Talent ausging und da sich gleichzeitig das geistige Leben in der Hauptstadt
zentralisierte, wo auch G. den einflussreichsten Teil seines Lebens verbrachte.
Sein Einfluss erstrekte sich auf das Theater und die Prosa, nachwirkend bis
in das späte 18. Jh. Eine Reihe von Kommentatoren verdeutlichte und pries
die Dunkelheiten und auch ausgesprochene Gegner der neuen Richtung sind
selten mehr ganz frei von unerfreulichen Anklängen. Das ist selbst bei G.'s
grösserem Zeitgenossen Lope de Vega gelegentlich einmal der Fall, dessen
beste Lyrik in seinen Dramen steckt. Der jüngere Quevedo,^ der sich aufs
schärfste gegen jenen ausspricht, ist seinerseits Conzeptist, ein ausserordent-
licher Verstand, dem Freude und Schönheit versagt blieb; als satirischer Dichter
allerdings fast noch bedeutender als in seinen Prosaschriften. Bern, de Val-
buena, dessen Eklogen an anmutiger Natürlichkeit allen andern voranstehen,
hat fast sein ganzes Leben ausserhalb Spaniens verbracht. Ein ziemlich
schwacher Klassizist ist Cristöval de Mesa. ^ Bemerkenswert auch als
Lyriker ist der hervorragende dramatische Dichter Mira de Amescua (s. u.)
Der jüngste hervorragende Vertreter der klassischen Richtung ist ein Lands-
mann und Schüler Bartolome Argensolas, Estevan Manuel de Villegas,^
der geschätzte Anakreontiker, der aber auch schon in früher Jugend fast ganz
verstummte. Weiterhin hat das 17. Jh., abgesehen von bissigen Satieren und
einzelnem Religiösen nur noch Mittelmässiges oder Geschmackloses aufzuweisen.
Es mögen genannt sein die Gongoristen Carrillo y Sotomayor; Salcedo
Coronel; Trillo y Figueroa; der Hofprediger Paravicino; Jacinto
Polo, der wie sein Freund Antonio de Solis einer Zeit angehört, die
Konceptismus und Kultismus gleichmässig begünstigt; der Conde de Villa-
media na, ^ der seinen Nachruhm mehr seinem tragischen Geschick als seiner
bissigen Dichtkunst verdankt; Jerönimo de Cancer,'' ein sehr leichtge-
schürzter Gelegenheitsdichter; der meist manierfreie, aber etwas nüchterne
Francisco de Borja,^ principe de Esquilache und der ihm nahe-
stehende Bernardin de Rebolledo;"^ als Repräsentant des schlechten
spanischen Geschmacks im Ausland der Jsraelit Enriquez Gomez. Auch
die wenigen erhaltenen Gedichte des grossen Calderon sind unbedeutend.
In der Versmacherei des 18. Jhs. verschwindet der letzte Rest gesunden
Menschenverstandes.
Eine erste Periode der spanischen klassischen Lyrik schliesst sich an
Garcilaso de la Vega; die zweite beherrschen Herrera, Torre, die Brüder Luis
de Leon und Juan de la Cruz; der erste der einflussreichere, die beiden letzteren
diejenigen, welche allein heute noch voll lebendig sind; die dritte Göngora
und Lope; unter ihnen etwa Bartolome Argensola, Villegas und Valbuena. Der
Verfall tritt ein, während das Drama am kräftigsten lebt.
55. Die Romanze. Erzählende Volkslieder echter Art sind, so viel wir
sehen können, nach dem 15. Jh. nicht mehr entstanden, während die leichte
Poesie der Tanzzeilen noch heute blüht. Es ist mit dem 16. Jh. eine erheb-
' 1580—1645; Poesms, in Bibl. aut. esp. Bd. 69, sehr ungenügend von Jan er
pulilicirt. Die nachgelassene kritische Ausgabe Aureliano Fernandez-Guerra's wird von
den Bibliöfilos andaluzes angekündigt.
- 1559 bis ca. 1630. Vgl. Gallardo 3058.
» 1596 — 1669. Erötkas, Najera 1617; zwei dort fehlende Episteln, die erste an
Argensola gegen den* Gongorismus in .Sedano, Parttaso 9; mit biogr. Notiz Madrid 1797-
* Cotareio, El cotide de F.. Madrid 1886.
* Ende des 16. Jh. — 1655; vgl. Morel-Fatio, UEspagtie au 16° sücle, passim.
* ca. 1581 — 1658; vollständigste Ausgabe der 0(^raji?«7^i?rj-ö Madrid 1639-, vgl. Barrera.
■^ 1597 — 1676. Obras, 3 Bde., Madrid 1778. S. b. Barrera.
454 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMAN. VÖLKER. — 5. SPAN. LiTT.
liehe Verschiebung in der litterarischen Schichtung der Bevölkerung eingetreten.
Kriegsmänner von der Art des Cervantes, der unterste soldatische bäuerliche
Adel, war früherhin sicher noch oft genug illitterat. Vom i6. Jh. ab nimmt
er überall seinen Anteil an der litterarischen Bewegung. Der eigentliche
Nährboden der epischen Poesie aber ist der wehrhafte Teil der Bevölkerung.
Sobald sich in diesem artistische Einflüsse verbreiten, kann jene nicht mehr
gedeihen, auch wenn sie noch gefällt. Die Buchdruckerkunst, welche wesentlich
zu dieser Verschiebung mit beigetragen hat, dient zugleich aber auch der
Erhaltung des alten Gutes, das früher nur beiläufig und zufällig einmal auf-
zeichnet wurde. Eine starke Neigung zu Interpretation und Erweiterung, die
dabei hervortritt (S. 433) lehnt sich an die Manier der religiös-volkstümlichen
Romanze an. Zunächst in Flugblättern (datierte Einzeldrucke seit 1525),
welchen gegen Mitte des Jhs. die erste besondere Sammlung, ^ der Ant-
werpener Cancionero de Roinances s. a. folgte, auf welchem einerseits eine
erweiterte, dann oft wieder abgedruckte Ausgabe von 1750 beruht, anderer-
seits die (ebenfalls wiederholt neugedruckte) Silva de Romances, 3 Teile,
Zaragoza 1750 — 51: die Hauptquellen unserer Kenntnis der traditionellen
Romanzenpoesie und zugleich der vorgängigen , noch ziemlich dürftigen Ent-
wicklung der artistischen und für das Volk gedichteten Romanze. Die be-
schränkte Verwertung der Form durch die Kunstdichter vor Karl V. ist S. 433
bereits berührt. Eine Steigerung konnte in der Zeit des italienischen Ge-
schmacks zunächst nicht eintreten. Fortdauernd erhielt sie sich erzählend-
reflexiv in der religiösen Poesie, entsprechend deren Neigung zu volkstümlicher
Tonart. Gelegentlich kommt auch das Spiel der Contrahechura noch vor,
bei Castillejo (Duran 1359) satirisch verwendet, wie das später besonders
häufig wird. Unter den anonymen für das Volk gedichteten sind die aut
Zeitereignisse wenig zahlreich und zugleich viel weniger kräftig als die ver-
wandten aus der Zeit der katholischen Könige. In nichi unerheblichem Um-
fang macht siah dagegen die Neigung geltend, den Besitz an historischer
Poesie nach den gedruckten Quellen zu erweitern, bald in engem Anschluss,
bald aber auch mit ziemlich energischer Umgestaltung. Gleichzeitig mit dem Er-
scheinen der ersten anonymen Sammlung bemächtigten sich zwei genannte Dichter
der Form, indem sie nach der Weise der Ritterromane eine altertümelnde
Sprache anwenden und zugleich offenbar in derselben Absicht die Assonanz
durchführen, um altspanische Geschichte zu erzählen: Alonso de Fuentes
1550 und Lorenzo de Sepülveda 1551. Fuentes, ein Mann von sehr
geringem poetischem Verständnis, verleugnete halb die Autorschaft und der
Anstoss zu der Bewegung ist sicher vor ihm von einer uns unbekannten
Stelle ausgegangen. Sepülveda zieht seinen Stoff aus der Crönica de Espam
{Cr. General).^ hat das Verdienst, ihr treulich zu folgen, ihre Poesie ohne zu
grosse Schädigung wieder der Masse zugänglich gemacht zu haben. Er ist
höchst populär gewesen; abgesehen von mehrfachen Auflagen, begegnet er
in allen späteren Romanceros. Es folgen mehr oder weniger volkstümlich,
zum Teil ausschliesslich Eigenes enthaltend, neben der Einziehung aller mög-
lichen Stofifkreise doch immer wieder der vaterländischen Geschichte zuge-
wendet, die Sammlungen von: Sayago (1555); Timoneda [Rosa de R.,
1573); Linares (1573); Padilla (1583 und Madr. Bibliöf. 1880); Lucas
Rodriguez (Alcala 1585 und Madrid 1875); Maldonado (1586); Cueva
(1587); die allgemeine Sammlung Flor de värias Romances (1589 — 97); der
Romancero General (Madrid 1600 u. ö.). Daneben waren feine ganze Reihe
kleiner, billiger Auslesen im Umlauf. Den doze Pares de Francia wird um
^ Wolf, Über die Romanzenpoesie der Spamer in Studien 305ff. ; Kam. yahresber.l, 539.
Poesie: Lyrik. Romanze. — Kunstepik. 455
1600 eine besondere, oft aufgelegte Sammlung gewidmet. Noch stärker ver-
breitet war Escobar's Rotnancero del Cid, zuerst Lisboa 1605.1
Seit etwa 1560 ist die assonierende R. eine geläufige Form, die in
steigendem Mass erzählend, schildernd, lyrisch, satirisch, burlesk, beliebig ver-
wendet wird, sich wohl auch mit italienischen Versen verbindet wie bei
Padilla; sie dient dem Conceptismus Ledesma's wie dem Kultismus Göngora's,
und auch wo sie erzählt, ist sie keineswegs immer volkstümlich. Ihre eigent-
liche Aufgabe war indessen, dem Volke zu erzählen; sie ergänzte die Volks-
bücher, lässt in allmählich sich ausbildender cyklischer Ausstattung das heimische
Epos wieder aufleben, giebt der eigenen, sowie auch Ereignissen aus der alten
Geschichte die zugängliche Form. So gewann aus ihr das Drama nicht nur
ein bequemes Metrum, sondern auch eine breite, stoffliche Grundlage. Auch
wenn der dramatische Dichter bei der Verwendung historischer und epischer
Stoffe die Romanze nicht direkt benützte , hatte er den ausserordentlichen
Vorteil , noch bei den letzten seiner Zuhörer Erinnerungen und Anklänge
wachzurufen.
2. DIE KUNSTEPIK.
56. Die Bibliographie, welche Rosell seiner Auswahl der Poemas Epicos'^
vorausschickt, zählt etwa 200 in unser Kapitel fallende Nummern. Der \\'ert
steht in ungefähr umgekehrtem Verhältnis zur Zahl. Die wichtigste Gruppe
bildet die der vaterländischer Geschichte gewidmeten, zahlreicher noch sind
die religiösen, verhältnismässig weniger die Ritterromane. Mit der Behand-
lung kleinerer klassischer Stoffe beginnt schon Boscan; alles andere ist jünger
als die Übersetzung des Orlando furioso von 1550 und des Virgil von 1557.
Es wäre somit die Historia Partenopea^ des Alonso Hernandez,
Rom 15 16, eine halb historische, halb allegorische Verherrlichung des »grossen
Kapitäns« Gonzalo de Cördova, füglich noch der vorigen Periooe zuzuweisen,
der sie auch in ihrer Anlehnung an Mena's Trecientas und dem Versmass
der Arte mayor angehört. Das spätere Mass ist die Ottava rima, nur aus-
nahmsweise der Blankvers (verso stielto). Unter den historischen Epen voran
stehen eine Anzahl von Schilderungen sclbsterlebter Kämpfe in Amerika,
darunter Alfonso de Ercilla's^ berühmte Araucana. Die ersten fiinfzehn
Gesänge sind 1555 — 63 mitunter mit der Treue eines Tagebuchs erzählte
Erlebnisse, frisch, wahrhaft und anschaulich, besonders sympathisch in der Dar-
stellung der indianischen Feinde; die folgenden werden durch allegorisches und
novellistisches Beiwerk unerfreulich verlängert. Die Form ist rauh, das Interesse
liegt wesentlich in den erzählten Thatsachen, aber E. hat diese mit poetischem
Auge gesehen. Ganz anders bei seinem Nachfolger Juan de Castellanos,
dessen Elegias de Varones ilustres de las Indias^ eine historisch höchst wichtige
Reimchronik sind, deren Versform nur belästigend wirkt. Schon die gut
* Vgl. Rotnancero del Cid, hrsg. von Karoline Michaelis, Leipzig 1881. Ül)er eine
Cidsammlung des Katalanen Metge von I626 s. Salvä 370.
2 Bibl. Aut. Esp. 17. 29. Das Verzeichnis ist natürlich der Revision und der Er-
gänzung bedürftig.
* Vgl. Menendez, Antol. VI, 284, Gal Iaido 2329. 2473.
* 1533 — 159v^. Der erste Teil Madrid 1570, der zweite 1578, der dritte 1590, ferner
\a Bibl. Aut. Esp. Bd. 17, letzte Ausgabe von Ferrer del Rio, Madrid 1860. Vgl. Salvä
579, 584; Royer, Etüde litt, sur l' Araucana. Dijon 1880. Fortsetzung von Santistevan
Osorio 1597 u. 1733.
* 1522 — 1606. Teil I 1589; I— III Bibl. Aict. Esp., Bd. IV.; Teil IV u. d. T.
Historia del nuevu reino de Granada 2 Bde., Madrid 1886.' Der Name Elegias, weil die
Geschichte verstorbener Helden in Versen beschrieben wird.
456 LlTTERATURGESCHICHTE DER ROMAN. VÖLKER, — 5. SPAN. LiTT.
spanische Beurteilung der auszurottenden niederen Rasse schliesst bei ihm jede
epische Anteilnahme aus. Ebenso kleben an den Ereignissen oder verunstalten
diese durch die Maschinerie Virgils bei zum Teil nicht unerheblichem doku-
mentarischem Wert Barco Centenera's Argentina; Villagra's Conquista del
nuevo mundo; Ona's Arauco domado (1596, Bibl. Aut. Esp. 29); Alvarez
de Toledo, Puren inddmito (Paris 1862).
Den übrigen geschichtlichen Heldengedichten fehlt grösstenteils auch
die urkundliche Bedeutung, während ihnen zugleich die oben schon berührten
Mängel anhaften, die Fähigkeit zwischen künstlerisch und selbst zwischen rein
historisch Wesentlichem und Unwesentlichem zu scheiden abgeht. Am nam-
haftesten ist die dem Sieger von Lepanto geweihte Austriada des Juan Rufo,^
die in den Einzelheiten manche Qualitäten aufweist, als Ganzes ungeniessbar
ist. Genannt seien noch drei Verherrlichungen Karls, V., von Sempere
1560; Luis de Qapatai565 und Jerön. de Urrea; Cristöval de Mesa's
Patron de Espana, Restauracion de Espam^- und las Navas de Tolosa\ Cueva's
Conquista de la Bäica\ eine grausame Misshandlung des Cid von Ximenez
Ayllon 1579; die Übersetzung des Camoens von Gomez de Tapia 1580.
Zur Zeit der grössten dramatischen Massenproduktion, etwa seit 16 15, wird
das historische Heldengedicht wenig mehr gepflegt; wie Vasconcellos 1612,
so feiert Perez de Culla die Expulsion de los Moriscos; Francisco de
Borjas Napoles recuperada^ steht 1651 ziemlich am Schluss der Produktion.
Eine Stelle für sich nehmen des Jacque de Salas Amantes de Teruel {i6i6)^
ein. Das Gedicht verdankt seine Berühmtheit dem Umstand, dass sein Autor
die Handlung, die tragische Geschichte der beiden Liebenden, für historisch
ausgab, während sie, ebenso wie in den Dramen Montalvan's und einem
älteren anonymen, dem gleichnamigen Schauspiel des Rey de Artieda ent-
nommen, allem Ansehen nach von diesem erfunden ist. Dagegen ist Hartzen-
busch in seiner berühmten Tragödie (1837) dem Salas gefolgt.
57. Die Übersetzung d.Qr Eneida des Hernandez de Velasco (1557)^
kannten fast alle vorgenannten. Zur Behandlung antiker Stoffe im grossen
Stil hat sie kaum verführt. Auch Romero de Cepeda's Destruccion de
Troia und Robo de Helena^ sind das nicht, sondern jene ein Romanzenkranz,
diese eine kurze Popularisierung in Quintillas. Dagegen sind im Anschluss
an die Italiener und Humanisten die mythlogischen Episoden gerne behandelt
worden, nachdem Boscan mit seiner Fabula de Leandro y Hera den Anfang
gemacht hatte. Es folgten mit mehr oder weniger Glück Diego Hurtado
de Mendoza, Lope de Vega u. a. Pyramus und Thisbe sind nicht weniger
als viermal gedichtet (von Villegas, Silvestre, Montemayor, Göngora),
so dass sie schliesslich der Sprache das Zeitwort atisbar lieferten. Besonders
zahlreich werden die mythologischen Versnovellen im 17. Jh., zugleich be-
sonders geringwertig, wohl meist der Schule Göngora's angehörig.
An den Orlando furioso des Urrea (1550) schliesst sich 1555 die
Fortsetzung des Nicolas Espin osa und erzählt, wie Karl der Grosse von
Bernardo del Carpio besiegt wurde. Ähnlich fühlten sich Garrido de
^ 1547 bis ca. 1600. 1. Ausgabe Cordova 1584. Bibl. Aut. esp. 2y. Von dem-
selben existieren zwei Sammlungen von Miscellaneen , auch von Gedichten {Bibl. Aut. esp.
]6 u. 42), vgl. Sa Iva 21 52.
^ Auszüge bei Gallardo 3059.
ä Bibl. Aut. esp. 28.
* ül)er die Fortsetzung durch einen Sohn des Dichters s. bei Latassa. Über die
Fälschung des Salas i.st ein Zweifel nicht möglich.
^ Oder noch einige Jahre älter, s. Sa Iva 1072. Vorausging lf)28 das II. Buch in Versen
der Arte tnayor von Matas, eiiie neue Übersetzung fertigte Cristöval de Mesa I615.
•^ 1583 bezw. 1582, vgl. Salvcä 374, 1388.
Poesie: Kunstepik. 457
Villena, El verdadero Suceso de la Batalla de Roncesvales 1555 iindAgustin
Alonso, Bernardo del Carpio durch die Italiener pariotisch-romantisch ange-
regt; sehr lang, aber das beste all dieser Epen ist Valbuena's Bernardo.^
An den Orlando innamoraio, übersetzt von Garrido de Villena wahrscheinlich
vor 1577,2 schliessen sich des Martin de Bolea Orlando determinado 1578, und
Barahona de Soto, Las lagrimas de Angelica, die ihrer Zeit viel gelobt und
gefeiert wurden, heute vergessen sind. 3 Mit ihm trat Lope de Vega, La hermostira
de Angdica 1588, in Wettbewerb.* Andere Ritterromane sind Arbolanche,
Las Habidas 1566, die Liebschaften einer phantastischen spanischen Königs-
tochter; Gomez de Luque, Celidon de Iheria, Alcalä 1583; Geron. de
Huerta, Florando de Castilla-^ Martinez, Toledana discreta 1599, konfus-
allegorisch; vielleicht auch noch Gual, La Oronta, Neapel 1637. Die Gruppe
ist beschränkt und es ist zu bemerken, dass der Amadis wohl in Italien, aber
nicht mehr in Spanien gesungen wird.
Torquato Tasso^ nachzueifern versuchte Lope de Vega in seiner
Jerüsalen conquistada 1609; er bleibt hier, wie überhaupt in seiner Epik,
weit hinter seinem Namen zurück. Miguel de Silveira, El Macabeo 1638;
Lopez de Zärate, Lnvencion de la Cruz 1648, sind dunkle Nachfolger.
Oliviers de la Mar che Chevalier dilibiri hatte 1553 Hernando de Acuna
nach einer von Karl V. gefertigten Prosaversion in Oktaven gebracht. Die
einzige Nachahmung ist des Juan Hurtado de Mendoza Cavallero
cristiano 1577.
58. Darstellungen aus dem Evangelium war die schlicht volkstümliche
Art der alten Masse viel günstiger als die anspruchsvolle Oktave. Es zeigt
sich das bei Valdivielso's Vida de San JosS'^ gegenüber seinem eigenen
Romancero, wie bei den Passionsdichtungen, verglichen mit der schlichten Art
des alten Fray liiigo de Mendoza.** Die einzige rühmenswerte darunter ist des
Diego de Hojeda Christiada,^ wenn sie auch ihr Vorbild, die Christias des
Vida, nicht erreicht; vor ihr verschwanden jene des Quiros (1552), Coloma
(1578), Giron de Rebolledo (1563), Hernandez Blasco (1584), Guiral
(1588). Des Alonso de Azevedo Creacion del Mundo (1615)1*^ ist deshalb
hervorzuheben, weil sie die Semaine des Dubartas nachahmt, zum erstenmal Be-
ziehungen zu Frankreich wieder anknüpft; unter den Heiligenleben Lope de Vega's
Vida de San Isidro (in Quintillen 1598) wegen des Namens des Autors; des
Gabriel de Mata Cavallero Assisio (1587 — 89) als Parodie. Eine besondere
Stellung nimmt des Cristöval de Virues Monserrate^'^ ein, der hier viel
glücklicher ist, als in seinen Tragödien. Eine interessante Legende, die
freilich nicht bedeutend genug war für ein Epos, und zahlreiche, lebendige
Episoden in guten Versen erheben das seiner Zeit so sehr beliebte Gedicht
* Madrid 1624 u. Bd. 19 der BiM. Aut. esp.
* s. Sa Iva 1540.
* Die einzige Ausgabe von 1086 ist so selten, dass sich nicht kontrolliren iässt, ob
die Anerkennung bei Cervantes, Quijote I, 6 so ungerechtfertigt ist, wie gewöhnlich an-
gegeben wird.
* Bruchstück des verlorenen zweiten Teils in den Dlälogos de la Monteria, Madrid,
Bibliöf. 1890.
^ Alcala l,^88, Bihl. Aut. esp. 36.
* Über Tasso in Spanien vgl. Rassegna bibliogr. 111, 238.
^ EM. Aut. /;sp. 2y.
ä s.o. S. 423; verwandt ist Diego de San Pedro La Pasion, gedr. um 1520; vgl.
Salvä 186.
9 Sevilla 16II; Bibl. Aut. esp. 17.
'0 Bibl. Aut. esp. 29.
" Madrid 1588 u. ö. Bibl. Aut. esp. 17.
458 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SpAN, LiTT.
Über seine Umgebung. — Auch hier wird ein Ermatten der Produktion nach
dem ersten Jahrzehnt des 17. Jhs. bemerklich.
Dem komischen Epos der Italiener und Griechen schliessen sich an
des Juan de la Cueva Batalla de Ranas y Ratones;^ Cintio Meretisso,
La Muerte de Chre Spina Maranzvia7ia, Gata de Juan Chrespo, Paris 1604;
Villaviciosa's Mosqtcea (1615, Biblioteca de autores esp. Bd. 17) und Lope
de Vega's Gatomaquia (ib. Bd. 28), die von Freunden der Gattung noch gerne
gelesen werden. 2
B. DIE PROSAFIKTION.
59. In der Prosa ^ schwindet mit dem 16. Jh. jener pedantische
Latinismus, der im 15. die Entfaltung des Stils zu bedrohen schien. Die
Sprache selbst, Ursprung, grammatisch-stilistische Eigenheiten werden, nach
dem Vorbild des Bembo , zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung
gemacht in Juan Valdes Diälogo de la Lengua (um 1535).^ Die Vor-
herrschaft der lateinischen Sprache in der wissenschaftlichen Thätigkeit ist
ungebrochen, immerhin steht in der Geschichte neben der chronikartigen Er-
zählungsweise eines Guevara, Mejia, Morales, Zurita, neben den soldati-
schen Berichten amerikanischer und flandrischer Mitkämpfer, die Ausbildung
der schon früher bemerkten künstlerischen Anlehnung an Sallust , Livius,
Tacitus, die sich bei Hurtado de Mendoza (S. 450; Guerra de Granada)
Moncada {Expedicion de los Catalanes, nach Muntaner), Manuel de Melo
{Movimientos y Separacion de Cataluna, 1645) und noch in der Zeit des
Absturzes bei Solis (Conquisia de Mexico, 1684) zu wirklicher Bedeutung er-
hebt, wenn auch nicht frei von erkünsteltem Beigeschmack. Ein vollendetes
Kunstwerk in Aufbau, Darstellung und Sprache ist Marianas Historia de Espaiia
(1601 U.Ö.), zugleich die bezeichnendste Urkunde spezifisch kastilischer Geschichts-
auffassung. Schwerfällig gemessen erscheint der politische Briefstil unter
Karl V. in Antonio de Guevaras Mustersammlung der Epistolas familiäres
(1539), stahlscharf zugeschlififen bei Antonio Perez, dem flüchtigen Sekretär
Philipp's II. Sehr zahlreich sind moralische Traktate und Staatslehren, oft
in Dialog und Briefform gekleidet, romanhaft nach Art der Cyropädie in
Antonio de Guevara's viel übersetzter Fürstenuhr (1539); andere von
Perez de Oliva, Mejia, Fernandez de Navarrete, Saavedra Fajardo,
Quevedo. Auch Baltasar Gracian's^ berühmte Aphorismen können hierher
gezählt werden; in seiner Agudeza y Arte de Inginio hat er den Codex des
Conceptismus aufgestellt, der besonders von Quevedo gepflegten Kunst in
Vers und Prosa scharfsinnig mehrdeutig zu sein.
So gross die Einwirkung eines Teils dieser Schriften gewesen ist, wird
sie wohl noch übertroffen durch die der asketisch-mystischen Erbauungsschriften,
der schon oben unter den Dichtern hoch gestellten Fray Luis de Leon,
San Juan de la Cruz, Pedro Malon de Chaide, des berühmten Kanzel-
redners Fray Luis de Granada,^ und vor allen der ausserordentlichen Santa
Teresa de Jesus.' Bei ihr fliesst das edelste Castilianisch in natürlicher
Fülle, so wie es in den Frauengemächern des vornehmen Hauses gesprochen
' Obras Bd. II. Sevilla 1604; s. Gallardo 1965.
2 s. b. Ticknor II, 124.
^ Capmany y de Montpalau, Teatro historico-critico de la elocuencia castcllana,
5 Bde., Madr. 1786; stark veraltet, aber die einzige derartige zusammenfassende Arbeit.
■* ca. löOG — 1541 ; Ausgal)e v. Böhmer, Roman. Shidien XXJI.
'" ca. 1590 — 1658; El Crjticon in Romanform 1650 — 53; Eldiscreto; Oräculo mamial ;
Obras 1664 u. öfter.
« 1504—1488 Bibl. aut. esp. 6. 8. 11.
^ 1505 — 82; Obras Bd. 53 u. 55 der BibL aut. esp.
Prosa: Prosafiction. Ritterroman. Schäferroman. 459
wurde, getragen von hohem Ernst, von einem klaren und freien natürlichen
Verstand, der sich mit der mystischen Hingabe verbindet, so wie das kaum
anders als im Frauencharakter möglich ist. Im 17. Jh. geriet seit Paravicino
(1589 — 1633) auch die Predigt auf jene Abwege, die Isla im 18. in seinem
Gerundio de Campaza bekämpft hat.
60. Vor Cervantes, der für sich Epoche macht, liegt der Ritterroman
und die Entwicklung des an jenen anschliessenden Schäferromans, die eigen-
artige Erzählungsform des 6<?/^^/z«ßdialogs und die älteste Schelmennovelle.
Über die Umgestaltung des älteren Amadis durch Montalvo ist S. 440 ge-
sprochen. Die Masse der Nachkommen hat Gayangos Bd. 40 der Bibl. Aut.
esp. gruppiert und katalogisiert. Dem Amadis selbst wurden neun Bücher
Fortsetzungen angehängt: die Abenteuer Florisandos (von Paez de Ribera;
15 10), Lisuartes von Griechenland und Perions von Gallien {\oi\ Juan Diaz),
des Amadis von Grichenland, Floriselsvon Nicäa und Anaxartes (von Feliciano
de Silva), Rogers von Griechenland und Silves de la Selva (von demselb'^n,
und [1546] von Pedro de Lujan), Sphäramunds von Griechenland {yow unbe-
kanntem Verfasser) und endlich Penalvas (verloren). 151 1 tritt neben den
Amadis eine nicht viel weniger beliebte Nachahmung, der Palmerin de Oliva
von Fr. Vazquez, dem als zweites Buch 1512 der Primaleon folgt und nebst
einigen andern auch der Palmerin de Inglaterra, dessen Autorschaft nunmehr
endgiltig dem Portugiesen Moraes zugewiesen scheint (S. 334). In diesen
und andern einzelstehenden wie des Geron de Urrea Clarisel de las Flores
(Sevilla 1879), dem Felix Marie de Hircania, dem Cavalkro de Febo, einem'
der späteren, der aber 1562—89 noch vier Fortsetzungen erlebte, sind die
Fehler der Gattung dem Amadis gegenüber nur noch verstärkt. Eine ganze
Anzahl sind übrigens nicht mehr als den Titeln nach bekannt und es ist
möglich, dass einzelne unter ihnen noch aus dem 15. Jh. stammen und wert-
volleres Material enthalten als die endlosen Abenteuer des Brüderpaars, das,
nach dem Muster von Amadis und Galaor, der eine fromm, der andere Don
Juan, gewöhnlich in der Mitte steht. Das Wunderbare wird fast vollständig unter-
drückt in dem Lepolemo oder Cavallero de la Cruz (1525); zweiter Teil
Leandro el Bei (1562J von Pedro de Lujan. Im Verhältnis zur Gesamt-
litteratur am zahlreichsten sind die Drucke von 1510 — 30, nach Mitte des
Jahrhunderts nimmt die Vorliebe etwas ab, und seit 1 580 kommen nur mehr
einzelne Nachzügler. Eine Abart waren die libros de cavalleria d lo divino,
der erste des Geronimo de San Pedro Cavalleria celestial (1554), der
letzte der Cavallero Peregrino, Cuenca (16 10), ungefähr das Datum des Er-
löschens der Gattung überhaupt.
Jorge de Montemayor hat den eigentlichen Schäferroman geschaffen.
Seine Diana beruht auf der seit 1547 ins Spanische übertragenen Arcadia
des Sannazaro, war aber auch vorbereitet durch die spanische Eklogondichtung
und durch den Ritterroman. Denn die Amadise und diese gebildeten Schäfer
sind sich ausserordentlich nahe verwandt. Was der neuen Gattung neben
dem Spiel mit der Natur und dem Wechsel zwischen Prosa und Dichtung
einen besonderen Reiz verlieh, für die Nachkommen die gegenteilige Wirkung
hat, war der Umstand, dass die Fiktion regelmässig mit persönlichen Be-
ziehungen durchsetzt ist. Fortsetzungen der Diana schrieben Gil Polo (1564),
Alonso Perez (1564), Hieronimo Texeda (1587); diejenige Gil Polo's
ist Montemayor 1 gleichwertig. Es folgen des Luis Galvez de Montalvo
Pastor de Filida (1582); Cervantes, Galatea (1585); Lope de Vega's
1 1520 — 61. Erste Ausgabe Valencia 1558 oder 59, zuletzt mit der Fortsetzung
Gil Polo's, Barcelona 1886. Vgl. Schönherr, J. d. M.; Zts f. vgl. Dg. N. F. II, 381;
Revue hispanique II, 304.
460 Litter ATURGESCHiCHTE der romanischen Völker. — 5. Span. Litt.
Arcadia (1598); Bernardo de Valbuena'si Siglo de Oro (1608) mit den
schönsten spanischen Eklogen; des Juarez de Figueroa Constante Amarilis
(1609), und einige andere; 2 als die letzte 1633 Los Pastores del Betis von
Saavedra.
61. Die Tragicomedia de Calisto y Melibeafi seit der Antwerpener Aus-
gabe von 1595 nach der Protagonistin La Celestina genannt, erschien 1499
zu Burgos, in erweiterter Gestalt 1500 zu Salamanca. Ein junger Jurist
Fernando de Rojas erklärt, dass er den ersten der 21 »Akte«, in die sie
eingeteilt ist, anonym vorgefunden, die übrigen hinzugefügt habe. Die Angabe
ist der Einheitlichkeit des Ganzen gegenüber verschiedentlich bezweifelt worden,
erscheint aber aus inneren Gründen glaubwürdig. Die Tragikomedia ist ein
dialogisierter Roman, bei dem an die Möglichkeit dramatischer Darstellung
nicht gedacht und nicht zu denken ist. Während die Hauptfigur der Kupplerin
von Alonso Martinez und dem Archipreste entnommen ist, kommt die Form
aus der älteren lateinischen Humanistenkomödie; nur dass diese an der Ein-
teilung in 5 Akte f(>st hielt. Nun umfasst der erste Akt der Celestina that-
sächlich über ein Siebentel des Ganzen; er entspricht in seiner Ausdehnung
einer 5 aktigen Anlage. Rojas kannte diese nicht, es geht auch dieser letzte
Rest der scenischen Überlieferung bei ihm verloren. Aber er hat mit er-
staunlicher Congenialität, vielleicht im Anschluss an ein vorgefundenes
Argument, Handlung und Dialog weiter geführt. Eine fortdauernde Neigung
zu latinistischer Wortstellung überdeckt nur leicht die »goldene« Sprache; die
Kraft der Charakteristik ist so bewunderungswürdig wie der hohe Realismus
der über der Darstellung auch des Niedrigsten herrscht. Das ausserorden-
liche Werk ist die Schöpfung eines Unbekannten, nie zu Erratenden, und
eines Mannes, der nichts weiter geschrieben hat.
Die litterarische Nachkommenschaft der Celestina ist eine sehr starke
gewesen; in den meisten überwiegt der skabröse Stoff die Handlung, keine
erreicht das Vorbild, aber viele besitzen einen Teil seiner Vorzüge und alle
sind wertvoll als Sittenbilder; hier und da zeigen sich auch Beziehungen zu
den italienischen Verwandten (S. IP 159). Fortsetzungen schrieben Silva,
Segunda Comedia de C, 1530;^ Gasp. Gomez de Toledo, j" Comedia 1537;
Sancho Munon die bemerkenswerte Tragic. de Lisandro y Roselia 0 Cuarta
Celestina.'^ Neben verschiedenen Bearbeitungen in Versen wurde die erste
für das Theater eingerichtet in einer Farce und zwar von Romero de Cepeda,
Comedia Seivage 1582, mit anderer Handlung freilich nach dem 2. Akt. Weitere
Verwandte sind Fernandez' Tragedia Policiana (1547); Villegas's Selvago
Comedia Selvagia (1554, Col. de libr, raros^), Hurtado's de la Vera, Comedia
de la Doleria, ein wirres Ehebruchstück mit judenspanischen Anklängen.
Delgado's Lozana Afidaluza schildert das Leben der untersten spanischen
Schichten in Rom (1527, Libros raros^); ähnlich skrupellos wie die 152 1 in
Valencia erschienenen Serafina und Tebaida (Libros raros 22). Bedeutender
und freier^ als irgend eine der Töchter ist endlich ein Jugendwerk Lope
de Vegas, die Dorotea, in welcher er merkwürdig freimütige Selbstbekenntnisse
niedergelegt hat.
^ 1578-1627. Neuaiisg. Madr. 1821. Vgl. S. 453.
^ Rennert, Spanisli pasloral romances, Baltimore 1892. Vgl. Salvä 1717 und
besonders beachtenswert 29 1.
* Bibl. aut. esp. 3. Menendez y Pelayo, Estiidios de Critica II, 75. Zts. f. r.
Ph. XXI, 32 und 405; Romania, XXVI, 324.
* Coleccion de libros raros 6 curiosos Bd. 9; der Verfasser ist bekannt als Schreiber
von Ritterromanen.
^ el)enda Bd. 3.
" Des Velcäzquez de Velasco Lena (1602) gehört zum itaiien. Theater.
Prosa: Prosafiction. Celestina. Cervantes. 461
Nicht weniger überraschend erscheint 1554 in Burgos der Lazarillo de
Tormes,^ an den sich der Schelmenroman geschlossen hat (1555 eine Fort-
setzung in Antwerpen, die vom selben Verfasser herrühren kann, 1600 von
de Lima in Paris). In einer Reihe von zum Teil alt anekdotischen Zügen
werden hauptsächliche Typen der in unteren Schichten auf der Grenze des
Gesetzes Lebenden mit ungemein scharfer Beobachtung in straffer Knappheit
dargestellt, in der Form der Lebenserfahrung des Picaro, des Knaben der
auf der Strasse sich selbst erzieht und erhält. Die Gründe, welche ver-
anlasst haben Diego Hurtado de Mendoza als Verfasser zu bezeichnen
sind ungenügend; wenn Morel-Fatio den Autor in dem Erasmianischen Kreise
zu suchen geneigt ist, so trifft das gewiss in so fern zu, als bis zur Mitte des
i6.Jhs. Capacitäten, wie die hier vorauszusetzende, mehr oder minder erasmisch
angehaucht zu sein pflegten; aber auf einen Namen wird man wohl dauernd
verzichten müssen. 2 Vorläufer sind weniger die allerdings geistesverwandten
Celestinadialoge, als die Farce. Der bedeutendste Nachfolger ist Mateo
Aleman,3 Vida y hechos del picaro Guzman de Alfarache 1599; ein unechter
2. Teil erschien 1603 von Luxan de Sayavedra, der authentische 1605;
ein versprochener dritter ist nicht erschienen. Der Verfasser steht nicht so
hoch über seinem Helden wie der des Lazarillo, trotz der eingestreuten
Moral, ist bequemer und breiter in Schilderung und Sprache. Der dritte im
Bunde ist Cervantes in seiner köstlichen Skizze Rinconete y Cortadillo. Es
folgen Lopez de Ubeda, la Plcara Jusiina 1605; Geronimo de Alcalä,
Alonso nwzo de miichos amos (zwei Teile 1624 u. 26); Castillo Solörzano,
Teresa de Manzanares 1632, Aventuras del Bachiller Trapaza 1632, La Gar-
duna de Sevilla 1634; die anonyme Vida de Estevanillo Gonzalez 164O.* End-
lich das glänzende Erzeugnis des Witzes Quevedos, die Historia y Vida del
Gran Tacano Pablo de Segovia (1626). VicenteEspinel's Vida del escudero
Marcos de Obregon (16 18) gehört kaum mehr hierher.
62. Miguel de Cervantes Saavedra's^ Don Quijote^ in noch höherem
Grade eine Neuschöpfung als Celestina und Lazarillo, war ursprünglich als
Verhöhnung der Ritterromane beabsichtigt. Dem Verfasser ist sein Held und
sein Stoff unter den Händen wert und lebendig geworden. Während der
spanische Realismus sonst scharf von aussen beobachtet , wächst hier der
Mensch von innen heraus. Die durch alle Leiden ungetrübte Milde und
Heiterkeit der Verstümmelten von Lepanto schwebt über dem Ganzen. Be-
kanntlich erschien der schon längere Jahre vorher begonnene i. Teil 1605;
der 2., beschleunigt durch die Usurpation Avellaneda's, 1615; 1617 posthum
der Reiseroman Persiles y Segismunda, eine Gattung, in der Lope de Vega
^ Vgl. Morel-Fatio, Etttdes sur l'Espagne l'^. Hl. Keiner der zahllo.sen Neudrucke
geht auf die erste Ausgabe zurück.
^ Die Heimat ist wahrscheinlich Toledo. Die Heimat einer merkwürdigen gleich-
zeitigen Nachahmung Lucians, El Crotalon de Christophoro Gnophoso (Madr., Bibliöf., 1871),
Gespräche zwischen Hund und Hahn, ist schwerlich ehendort zu suchen.
^ ungef. 1540 — 1610. Neudruck mit dem unedirten 2. Teil Bibl. aut. esp, 3. Luxan
de Sayavedra ist Pseudonym für Juan Marti, einen Valencianer Advokaten.
* Die Picara Justina, Gardmia de Sevilla, Vida de Estev. Gonzalez in Bd. 33 der
Bibl. aut. esp. Hierher wohl auch Garcia, La desordetiada Codicia Madr. l877; Gabriel
Espinosa pastelero de Madrigal in mehreren Hss. der Bibl. Nac, eine von 1595-
= Geb. walirsch. 9. Okt. 1549 zu Alcala de Henares, gest. 23. April 1616. Einzige
Gesamtausgabe ist die von Argamasilla. 5 Bde., 1860. In Bibl. Aut. esp. l fehlt das Theater.
Photographische Reproduktion der ersten Ausgabe des Don Quijote, Barcelona 1872. Die
kommentirte von Clemencin Madr. 1834 u. 1894. Mainez, Vida de Cervantes, Cadiz
1876, ist zu empfehlen; gering die Bibliographie von Watts, London 1881. Vgl. auch
Morel-Fatio, Etudes sur C Espagne II 2, V Espagne de Don Quixote, wo indess C. viel zu
sehr als Satyriker gefasst sein dürfte.
462 LllTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SPAN. LiTT.
1603 mit dem Peregrino en su patria vorausgegangen war; 1613 die zum
Teil erheblich älteren Novelas ejemplares, zu welchen erst in unserm Jahrhundert
noch eine weitere sich hinzugefunden hat: La tia fingidaA Den Novellen
ist in Spanien nicht viel mehr als Celestina und Lazarillo vorausgegangen,
wenn man absieht von der Geschichte vom Abencerajen und der schönen
Jarifa, welche Ant. de Villegas und Montemayor nach älterer Vorlage
ausführlicher gestaltet hatten und die die nächste Vorläuferin von Gin es
Perez de Hita's^ historischem Roman Guerras ctviles de Granada ist. Denn
die älteren spanischen Anekdotensammlungen, mit Einschluss von Timoneda's
Patranuelo und Hidalgo's Carnestolendas de Castilla^^ stehen unendlich unter
soiner Erzählungskunst. Aber auch den Italienern gegenüber, denen er viel
verdankt, hat er die Aufgabe der Novelle ausserordentlich vertieft, den Be-
reich erweitert.
Zu den Nachfolgern des Cervantes und zugleich der Italiener gehören
dann Suarez de Figueroa, El Pasagero (1617); Lope de Vega im 8. Bd.
seiner Obras sueltas; Tirso de Molina in den Cigarrales de Toledo (1621),
darin als bestes Los tres maridos burlados, mit neuer, ascetischer Richtung in
Deleitar aprovechando {i(i'}>S)\ Montalvan's Para todos {i6t,2)'^ der Mariana
de Carbajal Novelas entretenidas 1638; zwei Sammlungen der Maria de
Zayas 1637 u. 47; Castillo Solörzanos Alivios de Casandra und Quinta
de Laura und andere, einzeln oder in Rahmenform, mehr romantisch oder
mehr der Sittenschilderung zugekehrt, wie besonders die zahlreichen des Salas
Barbadillo.'^ Ein phantastisches Element tritt hinzu in dem berühmten
Diablo Cojuelo des Velez de Guevara (1641).^
Der Reichtum der satyrischen Produktion, die von Juan Valdes' von
grossen Gesichtspunkten ausgehendem Diälogo de Mercurio y Caron^ bis
über die Zeit des Verfalles hinandauert, kann hier nur angedeutet werden.'^
Fr. Quevedo de Villegas^ ist ihr klassischer Vertreter; eine starke Phantasie
verbindet sich bei ihm mit durchdringendem Verstand; in dem brillanten
Witz seiner Suenos, Carlas del Caballero de la Tenaza, Cuento de Cuentos,
Perinola verbirgt sich zugleich die Erbitterung einer überlegenen Persönlichkeit
die von unerträglichen Verhältnissen erdrückt wird: sie sind die Anklage
Spaniens gegen Spanien und seine Herren unter Philipp IV.
C. DAS DRAMA.»
63. Wenn auch das geschlossene religiöse Schauspiel des 13. Jhs.
geradezu ausgestorben zu sein scheint (S. 401), bot doch das, was an seine
^ Wahrsch. Bruchstück der Semanas de Jardin , die C in seinen letzten Tagen
beschäftigen.
^ 1595 in Bibl. Aut. esp. 3. Von Perez d. Hita ist dort die maureske Romanze im
Anschluss an die Romanze aus den Grenzkriegen ausgebildet.
^ Bibl. aut. esp. 3 bzw. 36.
* Vgl. Dos Novelas de S. B., Madr. Bibliöf. 1894.
^ Von der phantastischen Satyre Quevedos unterscheidet den Diablo die entwickeltere
humoristische Handlung; auch von des Sevillaners Rodr. Fernandez de Ribera Antojos
de mejor vista, die ihn angeregt haben mögen. Vgl. Hazanas Biograf ia de Fern, de Rib.,
Sevilla 1889, 8. 47.
® ca. 1528; neuster Druck Roman. Studien 14, 1.
" Ein Anfang zur Sammlung ist gemacht in Paz y Melia, Sales espanoles , Bd. 1.
* 1580— 1645. Die Prosawerke, welche zumeist nur handschriftlich umliefen, sind
gesammelt und grösstenteils hrsg. v. Aurel. Fernandez-Guerra, Bibl. aut. esp. 23. 48.
Vgl. Merimee, Essai sur la vie et les oeuvres de Qu, Paris I896.
' Hauptsächliche Hilfsmittel: F. v. Schack, Geschichte der dramatischen Literatur
und Runst in Spanien, 3 Bde., Berlin 1845, Nachträge, Frankfurt 1854. A. Schaeffer,
Geschichte des spanischen Nationaldramas, Leipzig 1890, wichtig bes. durch eine Menge von
Prosa: Prosafiction. Cervantes. — Drama. 463
Stelle getreten war, die Representacion^'^ einen Ersatz, von dem aus es zu
jeder Zeit wieder aufleben konnte. Festliche Aufzüge und Schaustellungen
in Verkleidungen, kirchliche und weltliche, haben offenbar fortgedauert. . Das
Wort konnte dabei ganz fehlen, aber es lag nahe, neben eingeschalteten
Liedern auch die Personen sich selbst in Versen interpretiren zu lassen. Zwei
Schilderungen solcher Krönungs-Repräsentationen in den Jahren 1399 und
14 14 in Zaragoza sind uns erhalten; 2 die allegorischen Figuren erklärten sich
singend. Bei kirchlichen Schaustellungen bringt eigentlich der Gegenstand
an sich ein gewisses Mass von Handlung. Eine solche ist indessen nur in
leisester Andeutung vorhanden in der Representacion del Nacirniento , welche
Gomez Manrique für ein Nonnenkloster in Redondillen dichtete; neben der
heiligen Familie, Engeln und Hirten werden auch die Martern vorgeführt.
Von demselben besitzen wir zwei Mummenschänze (momos): die 7 Tugenden
begrüssen einen Verwandten am Geburtstag, die neun Musen den Prinzen
Alfonso (1467). 3 Ebenso wie es sich iür Katalonien belegen lässt, wird auch
in Kastilien , wo ja die Voeux du Paon übersetzt waren , bei Tafel die
Gäste das entremes unterhalten haben, das auch in einer Mummerei bestehen
konnte, belegt aber ist der Name hier erst ziemlich spät für das Zwischenspiel,
und es muss dahingestellt bleiben, ob er nicht aus Italien kam.
Auf jene einfachsten, halblyrischen Auffuhrungen folgt das Theater
Juan del Encina's,* der nicht ganz mit Unrecht als der Vater der spanischen
Theater bezeichnet wird. Drei der sehr einfachen Stücke, deren stark lyrische
Form jenen Manriques entspricht, sind als representaciones bezeichnet, 10 als
Eklogen, eines als Auto. Der Eklogenname steht im Cancionero neben den
Übersetzungen der Bukoliken Virgils, die Benennung übertrug sich unschwer und
anregend auf die Hirtenscene der Weihnachtsschaustellung. Der Name des
Auto allerdings weist auf italienische Einflüsse, den Aufenthalt Encinas in Rom.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass das possenhafte Element, das sich bei ihm
findet, zum Teil von dort stammt, ganz ausgeschlossen ist aber auch näherer
Zusammenhang mit der französischen Farce nicht. Abhängig von Encina ist
Lucas Fernandez (1514; Madr. 1867), bei dem sich der Name der Färse
(u. Comedia) einfindet; nicht minder der viel genialer veranlagte schöpferische
Portugiese Gil Vicente (s. o. S. 283) und Torres Naharro,^ der in Dialog
und Varietät des Stoffes gegenüber Encina merklichen Fortschritt zeigt, im
Aufbau noch völlig locker ist. Bei ihm findet sich zuerst die Einteilung in
Akte unter dem Namen jornada, der wieder eher auf französischen als auf
italienischen Einfluss hinweist, trotz seines Aufenthalts in Italien. In viel
primitiveren Verhältnissen als bei einem der vorgenannten — Encinas Stücke
wurden im Palast des Herzogs von Alba gespielt, die Vicentes in dem des
Königs — finden wir das Schauspiel bei dem allerdings jüngeren Diego
Sanchez^ in dem weltfernen Badajoz. Seine 28 Stücke sind sämtlich Fest-
Analysen uu7AigängIiclier Stücke (Kl eins Geschichte des spanischen Dramas, Leipzig 1871,
hat vornehmlich die ästhetische Seite im Auge). La Barrera's Catälogo bibtiogräfico y
biogräfico del teatro antiguo espanol, Madrid 1860. Vgl. Morei-Fatio, La Comedie du
XVII' siede, Paris 1885.
^ Das Wort aus Frankreich, wo unter representativtt ebenfalls sowohl ein eigentliches
Schauspiel, als Schaustellungen ohne Worte verstanden wurden.
2 Milä y Fontanals, Obras VI, 236.
* Obras I. 198; II, 30, 122.
* ca. 1469— 1034. Seine Werke, Cancitmero, zuerst 1496. dann mehrfach vermehrt,
zuletzt u. d. T. Teatro completo de J. de E., Madr. 1893, von Asenjo Barbieri. Vgl.
Cotarclo, y. d. E., in Espana moderna 1894, Mai.
* Lebte unter Leo IX. in Rom, 15 17 in Neapel, wo seine Propaladia erschien. Neuausg.
Bd. 1 Madr. 1880.
* Blüht ca. 1530 — 47 posthume Ausg. der Recopitacion 1554, Neudr., 2 Bde., Madr.
18^2. 86.
464 LirrERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5, SpAN. LiTT.
auffiihrungen, auch wo das nicht angedeutet ist, meist auf Weihnachten und Corpus.
Der Hirt, der den Prolog spricht, den Chor und die komische Figur macht,
kommt aus dem WeihnachtsspieJ. Der durchweg einheitliche Ort scheint der
Platz vor der Kirche. In zwei Fällen ist Aufführung durch das Gewerk
wahrscheinlich; der kirchliche Anteil ist zum Teil die Hauptsache, tritt aber
auch bis zur völligen Schrumpfung zurück. Überwiegend erhält man den
Eindruck der Kreuzung zwischen Farce und Moralit(^. — Die rudimentäre Form
des Monologs ist in dem S. 46 1^ erwähnten Crotalon belegt ' und zwar ganz
eigentlich als Entremes.
Völlig unter italienischem Einfluss steht in seinen Comedias Lope de
Rueda,2 einheimisch sind bei ihm eine Farsa in Versen und die köstlich witzigen
Pasos oder Entremeses^ welche seine Ruhmestitel sind. Später stellt sich die
Nachahmung der lateinischen Tragödie ein, wahrscheinlich beiMalara 1527 — 71,
bei GeronimoBermudez(i577), CristöbaldeVirues, Cueva, Lupercio
Argensola, die alle bühnenwidrig bleiben, fast alle ungeniessbar sind, mit Aus-
nahme etwa der Elisa Dido des Virucs und der in all ihren Un Vollkommenheiten
bedeutenden Numancia des Cervantes. Geblieben ist von ihnen nur die
Metrik. An Stelle der sehr unruhigen, weil gesungen gedachten Maasse
Encinas und seiner nächsten Nachfolger waren später etwas einfachere ge-
treten; bei Romero de Cepeda (s. o. S. 460) oder bei Cueva zeigt sich
zuerst die später herrschende Bindung bestimmter altspanischer und italienischer
Formen, welchen dann Lope de Vega bestimmte Aufgaben zuwies. Die fünf-
fache Aktteilung Torres Naharro's scheint zuerst Fr. de Avendaiio (1533)
zu Gunsten der Dreiteilung aufgegeben zu haben , wie vor Lope Cervantes
wieder gethan hat; Vierteilung brauchte Cueva, eine Zeit lang auch andere,
so besonders Lope in seinen ersten Versuchen. Der erste der nationale
Stoffe auf die Bühne brachte war der vielseitige Cueva. ^ All das waren
mehr Äusserlichkeiten: was dieser ganzen Zeit* fehlt, den Latinisten sowohl
wie den italianisierenden und den religiösen Schauspielen, ist das Verständnis
für bühnenfähige Führung der Handlung, während die Einakter aller Art
spielbar sind. Bessere Ansätze, vi\e A\q Joseßna Carvajal's'' (i 546), bleiben
vereinzelt. Es fehlte nicht an Truppen und Zuhörern , aber es fehlte noch
die unerlässliche Voraussetzung einer grossen Tradition, die feste Bühne.
64. Im letzten Drittel des 16. Jhs. sind in Valencia, Sevilla, Madrid
stehende Bühnen^ entstanden. In Madrid 1579 das Theater de la Cruz, 1582
das del Principe. Und in ihnen fand das grosse Genie seine Schule, das
dem spanischen Theater den nationalen Stempel aufdrücken sollte. Es mag
sein, dass Lope de Vega (1562 — 1635)'' seinen Vorgängern und mehr noch
gleichstrebenden Zeitgenossen mehr in Einzelheiten verdankt, als sich direkt
nachweisen lässt.*^ Er bleibt aber doch der Schöpfer der spanischen Comedia.
^ S. 330 : «'^ <^^ aqiullos chocarreros que para semejantes cenas stielen alqtiilar . . .
predico el sermon que los portogtieses suelen predicar el dia que celebran la batalla de Aljubarota.
^ Blüht ca. 1540-66, der erste beri'ihmte Schauspieler. Ohras zuerst 1567 u. 76,
dann in Col. de libr. raros 0 curiosos Madr. 1895, 2 Bde.
^ Fernandez-Guerra reklamirt in der Revista hispano-amer . die Initiative für eine
ältere Heiligenkomödie, die indessen nur nebenbei historisch ist.
•* Ein Namenverzeichnis, wenig mehr, bei Ca fiele, Teatro espaiiol del siglo XVI,
Madr. 1885.
■=* Madr., Bibliof. 1870; vgl. Rom. XV. 462.
^ Corrales genannt von der Entstehung aus gemieteten Höfen. Vgl, Sepülveda,
El Corral de la Pacheca, Madr. 1886; Diaz de Escovar, El Teatro en .Mf/a;^a, Malaga l8y6.
'' Gesamtausgabe 28 Bde., Madr. 1604— 47. Bibl. Aut. esp. 24, 34. 41, 52. Neue
grosse Ausgabe der Akademie seit 1890. Vgl. Hennings, Studien zu L. d. V., Göttingen
1891; Farinelli, Grillparzer mid L. d. V., Berlin I894.
* Vgl. Miguel Sanchez, La Isla bärbar a, p. p. Rennert, Baltimore 1896, S. XII.
Drama: Lope de Vega. 465
Sein geniales Übergewicht verlieh ihr eine feste Abteilung, zweckmässige Ver-
wendung der (überreichen) Versarten, Einheit der Handlung und vor allem
ein richtiges Verständnis für die Bühnenwirkung und den stets lebendigen
Zusammenhang mit einer aus der breiten Masse der Bevölkerung bestehenden
Zuhörerschaft. Ideale und Begriffe, Formen und Inhalt sind die dem Volk
vertrauten, die Bibel, Heiligenleben, die Geschichte wie sie in der Romanze
episch umgebildet war, Volksbücher, Novellen , das Leben des Hauses und
der Strasse, der Stadt und des Dorfes, der Höchsten wie der Niedersten.
Gefährlich war die erstaunliche Raschheit, mit welcher er komponierte. Er
dichtete manchmal in 24 Stunden eine Komödie. Über 1500 Komödien
hat er geschaffen, unangesehen die Autos (einaktige allegorisch-religiöse Fest-
stücke), Loas (Vorspiele) und Eniremeses ; gegen 500 davon sind erhalten. Die
Flüchtigkeit, die dabei naturgemäss oft zu Tage tritt, entsprarg nicht so sehr
einer allerdings vorhandenen relativen Geringachtung einer Dichtungsgattung,
die so sehr allen Vorschriften der Alten widersprach;^ Lope konnte nicht
anders als sich rasch ergiessen, wie seine anderweite schriftstellerische Thätig-
keit zeigt. Nirgends ist er ganz makellos und doch ist die Zahl dauernder
Meisterwerke eine erstaunliche, vor allem unter seinen historischen Schauspielen,
wie Los Tellos de Meneses, Peribanez y el Comendador de Ocana, Fuente Ovejuna,
El fnejor Alcalde el rey, die irrig Tirso zugeteilte El Rey Don Pedro en
Madrid y el Infanzon de Illescas. Sein Beispiel war überwältigend für Zeit-
genossen und Nachkommen. Als eine kleine Gruppe lassen sich unter ihnen
nur die Valencianer aussondern, Gaspar de Aguilar (ca. 1568 — 1623),
Tarrrega (bis ca. 1620), Guillen de Castro (1569 — i63i),2 der Dichter
der Mocedades del Cid, und ein ernstliches Abgehen von den Wegen Lope's
lässt sich auch hier nur bei Castro's Ehebruchsdrama Los mal casados de Valencia
konstatieren. Um Lope gruppieren sich: Luis Velez de Guevara
(1570 — 1644), ein ansehnliches, aber etwas weiches Talent, das sich, wie
früher Lope, später Calderon anschmiegt; MiradeAmescua (ca. 1578 — 1641),
der Dichter des Esclavo del Demonio; Juan Ruiz de Alarcon (1580 — 1639),^
eine ernste und selbständige Natur, die sich in einer gewissen Opposition zu
Lope befand, der Verfasser des Tejedor de Segövia und der Charakterkomödien
Las Paredes oyen und La Verdad sospechosa, des Vorbildes von Corneille's
Menteur; bedeutend schwächer als diese drei der Hausgenosse und Schüler
Lope's, Juan Perez de Montalvan. Unmittelbar neben Lope muss Fray
Gabriel Tellez gestellt werden, der unter dem Namen Tirso de Molina"*
schrieb (1570— 1648), welchem zwar El Burlador de Sevilla (Don Juan)
kaum, El Condenado por desconfiado gewiss nicht gehört, der aber einer der
ersten Meister des Lustspiels aller Zeiten ist; der Verfasser von Maria la
piadosa, La Villana de P^allecas, Don Gil de las Calzas verdes. Die Zahl der
Dichter dritten Ranges, welche für das unersättliche und tägliche Bedürfnis
des Publikums sorgten, ist Legion.
65. Nach dem Tode Lope's beherrschte Don Pedro Calderon de
la Barca (1600 — 1681)^ die Bühne, zuletzt als der offizielle Dramatiker des
* S. seine Arte nuevo de hacer Comedias ; Bibl. Aut. esp. 38.
2 Vgl. Schaeffer, Ocho Comedias desconocidas, Lpz. 1887; Las Mocedades del Cid, p. p.
Merimee, Toulouse 1890.
' Biöl. Aut. esp. Bd. 20 Vgl. Fernandez-Guerra, Don y. Ruiz d. Alarcon,^ia.AT. 1871.
* Teatro escogido, Madr. 1839 — 42, besser als in Bibl. Aut. esp. Bd. 5- Vgl. Cotarelo,
Tirso de Molina Madr. 1893; Menendez, Estudios IV. 130. Der Burlador macht den
Eindruck der noch verworrenen Jugenddichtung eines begabten Kopfes , auch nach den
erheblichen Korrekturen, die Cotarelo zu dem verderbten Bühnendruck beigebracht hat,
und dieser Eindruck dürfte sich schwerlich ändern, auch wenn wir das Original besässen.
* Auf der ersten, höchst mangelhaften Ausgabe von Vera Tassis, Madr. 1683— 91,
(3RÖBRR, Grundriss. Mb. 3O
466 LiTTERATURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 5. SpAN. LlTl".
Hofes und der Hauptstadt. Calderon zeigt ein stärkeres künstlerisches Be-
wusstsein als Lope und als Tirso. Er verkörpert in noch entschiednercm
Maasse als seine Vorgänger die Ideale seiner grossen und mächtigen Nation,
zugleich aber auch die ganze Eigenartigkeit und geistige Willkür ihres Geistes-
lebens. Erst bei ihm ist der Ehrenkodex zur Triebfeder der Handlung ge-
macht, allerdings eine Tendenz, die sich gelegentlich schon in den Romanzen
zeigt, aber bei ihm ihre dogmatische Ausbildung erfährt. Der Reichtum der
metrischen Formen erscheint vereinfacht. Ein technischer Gewinn , aber
ästhetischer Nachteil war die Schabionisierung des Gegenspiels des gracioso.
Bei grossen Gedanken und grosser poetischer Kraft ist er unfreier und enger
als sein Vorgänger , zugleich aber durch seine strenge Geschlossenheit wirk-
samer geblieben. Zu seiner Umgebung gehören: Francisco de Rojas
Zorrilla (1607 bis ca. 1660), dessen Del Key abajo ninguno sich neben die
besten Stücke Calderon's stellt, und Agustin Moreto (1618 — 1669), ein
geschickter Lustspieldichter, der Verfasser von El desden con el desden und El
lindo Don Diego. Die übrigen Nachfolger C.'s, wie Matos Fragoso, Dia-
mante, Antonio Cuello, Cubillo, der Geschichtsschreiber Antonio de
Solis, Salazar y Torres, ahmen seine Mängel nach ohne seinen Geist,
erzeugen im besten Fall Mittelmässiges, technisch Brauchbares. Die letzten
Nachzügler Bauces Cändamo, Canizares (1676 — 1750) und Antonio
de Zamora haben besonders die comedia de figurön gepflegt. Dann erlischt
das glänzende Phänomen.
beruhen alle späteren, die von Keil, 4 Bde., Lpz, 1827, wie die von Hartzenbusch;
Eibl. Aut. esp. 7, 9, 12, 14. Die Autos, 6 Bde., 1715, 2. Ausgabe 1759. Poesias, Cadiz
1845; Poesias ineditas M.aAi'. 1881. S. Schmidt, die Schauspiele Calderon' s, Elberfeld 1857.
M o r e 1 - F a t i o , Calderon, Paris 1881. Menendez Calderon y su teatro Madr. 1 88 1 . Günther
C. und seine Werke, Freiburg 1888. Menendez, Estudios II, 107-
Berichtigungen.
S. 385 Z. 32 /. Siedlungsgebiet; S. 406 Z. 1 /. Ysopet; S. 411 Z. 7 ^ dessen;
S. 413 Z. 21 /. nur mehr; S. 414 Z. 17 /. Ceringtonia; S. 416 Anm. 8 gehört zu S. 417
Z. 7; S. 445 Z. 28 Sanchez Moguel; S. 449 Z. 28 /. allgemeinen europäischen Nach-
ahmung; S. 451 Z. 44 und die spanische Inquisition-,, S. 452 Z. 30 /. die späteren Gedichte;
S. 453 Z. h l. erstreckte; S. 454 Z. 2 /. der Kiiegsmann; Z. 15 l- 1550; Z. \t l. 1550;
Z. 28 l. sich; Z. 48 /. varios; Z. ^2 füge hinzu: Zts.f. r. Phil. 16, 40; S. 460 Z. 14 /. Alfonso
Martinez; S. 461 Z. 25 l. Sevilla; S. 463 Z. 45 füge hinzu: Rom. Jahiesb. 1 u. III'' unter
Span. Theater.
REGISTER.
Abad, Domingo 400.
Abbade Dom Joam 206.
ahliadessados 356.
Ahenalfarax 399.
Abenteurerroman. Einflussdes
französ. A.'s auf die span.
Prosa 434.
Ahiiidanaez und Jarifa 446.
448. 462.
Abiier, Rabbi 417.
Aboim, Joao d' 172. 178.
188. 191.
Abre, abre las nrejas (Span.
Gedicht) 430.
Abreu, Antonio de — o Engen-
boso 330.
Abreu, Pero d' 270.
Abreu Mousinho , Manoel d'
338.
Abril, ürraca 176. \
Abril Peres, deLumiares 175.
176. 188. 189. 191.
Abul Kassem Khalaf 68.
Academia das Conferencias
discretas 357.
Academia das Sciencias 355.
865.
Academia de los Nocturnes
452.
Academia dos Generosos 349.
Academia dos Singulares 349.
3.50.
Academia Portugueza 357.
359.
AcademiaReal daHi.storiaS57.
Accort 27.
Acompaniado 172.
Acuna, Fernando de 450. 457.
Adam von Arras 406.
'Adamson, John 314. 351.
Adelsbücher, Portug. 208 ff.
Ademar, Guillem 18. 20.
173. 174.
Aegidius von Albornoz 406.
Aegidius Romanus 229. 246.
418. 419.
Aeneas Sylvius 248. 293.
Aesop, Kat. Übers. 121 f.
Im Span, verwertet 413.
.\ffonso de Leoiit 190.
Affonso de Leom e Castella
190.
Affonso de Portugal, irmäo
de D. Dinis 222.
Affons' Eannes do Cotom
189. 191.
Affonso P'ernandes , Cubel
189.
Affonso. Gregorio 268. 271.
303.
x^ffonso Henriques , König
von Portugal 231.
Affonso Lopes , de Baiam
188. 189. 191. 193 f. 198.
Affonso Mendes, de Besteiros
189.
Affonso Paes, de Braga 189.
Affonso Sanches 152. 179.
187 f. 189.
Affonso Valente 271.
Affonso s. auch Alfonso.
.^frica portugueza 341.
Agnes, Prov. Drama von der
hl. - 13 f. 55.
Agostinho da Cruz 304. 306.
.\gostinho Pimenta 304.
Aguiar. Jorge d' 271.
Aguilar 271. 452. 465.
Aguilö y Fuster, Mariano 72.
73. 74. 84.
Agusti, Fr. Miguel 113.
Agustin Alonso 457.
Agustin, Antonio 102. 115.
Aigar und Maurin 5.
.Vimeri 392.
Aimeric v. Belenoi 18. 173.
Aimeric de Pegulhan 18. 29.
174. 176.
Aimeric de Sarlat 16
Aires, Joam 189. 191. 196.
Aires, Pedro 270.
Aires Barbosa 300. 332.
Aires, Corpancho 189.
Aires, o Engeitado 189.
Aires Moniz , de Asma 189.
Aires Nunes (clerigo) 152.
166. 188. 189. 191. 200.
Aires Paes, jograr 189. 191.
Aires Peres, Vuiturom 177.
189. 191.
Aires Soares 191.
Aires Vaz 189.
Aires Victoria, Henrique 312.
ajudas 279.
Akademien, Portug. 349.350.
355. 357. 359. 364. 365.
Aktteilung im span. Drama
464.
Alain Chartier 78. 236.
Alarcon. Juan Ruiz de 465.
Alba, Tagelied 26. Geistl,
Lieder in dieser Form 35.
Portug. albas 193.
Albano Erythreo 364.
Albeiteria 417.
Alberic v. Besanqon, Aiexan-
derbruchstück 1 1.
Albertano v. Biescia, Kat.
Übers. 105.
Albertet v. Sesteron 18. 19.
Albertus Magnus, Kat. Übers.
112.
Albigenserchronik 38. 66.
.Albornoz, Aegidius von 406.
Albornoz, Gil de 230. 420.
Albornoz , Pero Gomez de
445.
Albucasis, Chirurgie, Prov.
Übers. 68.
Albuquerque, Affonso de 259.
338. 348.
Albuquerque , Bras de338.
Alcala , Gesetze der Cortes
von — 417.
Alcalä, Geronimo de 461.
Alcanyis, Luis d' 112.
Alcazar, Baltasar de 451.
Alcino Mycenio 363.
Alcippe 372.
Alcobaga-Bibliothek 211.
Alcoforado, Marianna 354.
Alcoran 409.
30*
468
Register.
Alcoutim, Graf 344.
Aldana 452.
Alegre, Francesch 116. 121.
Aleman, Mateo 461.
Aleniquer, Graf 136.
Alexander, Span. Lied vom
Tod A.'s 433.
Alexandre, Roman d' (Prov.)
11.
Alexandre des Berceo 393.
399. 402. 403. 404. 433.
436.
Alexandre de Guzmao 351.
358.
Alexandre da Paixao 353.
Alexandriner im Span. 389.
390. 406. 421. 422.
Alexiuslegende, Prov. 40.
Alfea 349.
Alfeno Cynthio 364.
Alfonso V. Aragon (Enkel
Jacobs II. von Aragon) 99.
109.
Alfonso II. von Aragonien
120. 391.
Alfons III. von Portugal 183.
Alfons IV. von Aragon 117.
Alfons IV. von Portugal 164.
183.
Alfonso V. von Aragonien
96. 113. 116 f. 420. 423.
428. 433.
Alfons V. von Portugal 250 f.
331.
Ahons VI. 386.
Alfonso VII. von Castilien
386. 387 Anm. 3. 388.
396.
Alfonso Vlll. von Castilien
388.
Alfonso IX. von Castilien
407. — von Leon 175.
183.
Alfonso X. von Castilien, der
Weise 123. 164. 169. 173.
178. 181 ff. 184 ff. 191.
198. 200. 211 280. 385.
387. 388. 389. 390. 395.
399. 400. 401. 404. 407.
415. 416. 418. 419. 427.
438. Leben; seine litte-
rarische Bedeutung ; sein
schriftstellerisches Wirken
184 ff. 408. Geistl. u.
weltl. Lyrik 184. 408.
Seine Marienlieder 184.
185. 389. Port cantares
149. 202. Calila y Dinma
409. 413. 414. Gran con-
quista de Ultramar 39. 211.
271 Anm. 3. 392. 411
Anm. 2. 415. 417 (s. Sancho
IV. 415. 416. 417.)Cronica
general oder Historia (Crö-
nica) de Espafia 390 ff. 399.
409. 4]0. 412. 418. Port.
Übers. 210. Kat. Ubers.
1 1 5. Grande y general
Historia 410. Port. Übers.
210. 242. Espejo de todos
losderechos409. Formas e
imagines ('e los cielos 408.
Ley de los Judios 409.
Libro de la Azafeha 408.
Libro de la Esfera 408.
Septenario 408. 409. 411.
419. Siete Partidas 102.
409. 411. 415.417.418.
419. Port. Ühers. 210. 211.
Tablas Alfonsis 408. Seine
Versarten 196.
Alfonso XI. von Castilien
181. 183. 191. 205. 388
400. 404. 405. 415. 417.
418. 419. 422. 426. 438.
Alfonso , Juan 422 Anm. 4.
Alfonso de Cartagena 254.
Alfonso D. Fadrique 413.
414.
Alfonso Fernandez (Bastard-
sohn Alfons X.) 409.
Alfonso de Madrigal (El
Tostado) 443. 444. 445.
Alfonso de Toledo 437. 444.
Alfonso Martinez de Toledo.
Erzpriester von Talas-era
100. 437. 446. 460.
Alfonso von Valladolid (Rabbi
Abner) 417.
Alfonsus, Petrus s. Petrus
Alphonsus.
Aljamia-Litteratur 445. 446.
Aljubarrota-Brief 254.
Allegorische Erzählungen,
Prov. 45. 46.
Allegorische Novellen in
Portugal 351.
Almada, Francisco d' 271.
Almansor 112.
Almeida, Alvaro Fernandez d'
271.
Almeida, Joäo Pereira de 358.
Almeida, Lopo de 254.
Almeida, Nicolau Tolentino
d' 298. 361. 364.
Almeida , Theodoro de 358.
Almeida-Garrett , Joäo Bap-
tista da Silva Leitäo. Vis-
conde de 133. 138. 139.
140. 144. 155. 163. 352.
368. 369. 370 ff. 375 f.
Almela, Diego Rodriguez de
437. 445.
Almeria, Carmen de 391. 396.
Almerique de Narbone 392.
Almohaden 384.
Alonso, Agustin 457.
Alonso de Cartagena 218.
Alonso de Ledesma 45L 455.
Alonso Perez 336. 459.
Alonso de San Cristöval 445.
Alonso de Toledo 487. 444.
Alorna, Marquise von 372.
Alphonsus , Petrus s. Petrus
Alphonsus.
Alvarenga Peixoto 362.
Alvares, Alfonso 237. 241.
302. 307. s. auch Villa-
sandino, Alfonso Alvares
de.
Alvares, Francisco 340.
Alvares, Joam 258 f.
Alvares, Manoel 358.
Alvares, Pedro — de Avlloii
334.
Alvares. Rodrigu' Ennnes d"^
190.
Alvares da Cunha , Antonio
325. 349.
Alvares do Oriente, Fernam
306. 316. 324 f. 330. 336.
Alvarez de Toledo 456.
Alvaro Affonso, cantor do
senhor Infante 189.
Alvaro Fernandes d'x'Mmeida
271.
Alvaro Gomes, de Sarriä 189.
Alvaro Paes 193. 199.
Alvelo, Martin 191.
Alvites.Martim 173. 177. 191.
alvorada 148.
Amadis 41F. 420. 423. 438.
439. 440. 441, 442. 457.
459. Der portugiesische
Amadis 137. 208, 216 ff.
226. 333. 441.
Amadis de Grccia 333. 459.
Amadis - Sonette 165. 219.
222.
Amador Arraes 343.
Amanieu de Sescas 5!.
Amantiuslegende, Prov. 3C>.
Amat, Juan Carlos 108.
Ambroa, Pero de 190. 191.
Amescua. Mira de 453. 465.
Amiel, Gausbert 29.
Amigo, Pedr' — , de Sevilha
190. 191.
Amiguet, Antoni 112.
Ammenlieder, Altport. 195.
Amorim, Gomes de 376.
ampelt, Bedeutung des Aus-
druckes 78.
Amphitrioes 136. 309.
Anales Toledanos I. II. 407.
Anaxartes 459.
Anchieta 307.
Andachtsbücher, Kat. 89.
Andanzas y Viages de Pero
Tafur 430 Anm. 5. 436.
Andrada, Fernandez de 451.
Andrada, Miguel Leitäo de
161 f. 164. 303. 316. 330.
337. 343.
Andrade, Balthasar de Brito
e 341.
Andrade, Diogo de Paiva de
341. 343. 353,
Register.
469
Andrade, Francisco de 329.
331. 338. 340.
Andrade , Gonies Freire d'
305. 364.
Andrade, Jacintho F'reire de
350. 352 f.
Andrade - Caminlia , Pero de
298. 304. 305. 306. 317.
328.
Andrade-Corvo 375.
Andreas , Prov. Mysterium
des — 58.
Andreu von Albalate 112.
Anekdotensammlungen, Span.
462.
Anelier, Guilhem 38 f.
Anequim 234.
Angelina, Vidadesancta —92.
Angelo, Michel 449.
Angeriano 305.
Anuaes de D. Joac III. 340.
352.
Annes, Estevara 172. 187.
190. 191.
Anriqne 234.
Anriquez , Lui.« 268. 271.
273. 274. 279.
Anseis de Cartage 395
Anticatastrophe, Port. Schrift
353.
Antimoria 332.
Anton, Bruder 96.
Antonino von Florenz 95.
Antonio das Chagas 347.
353. 354.
Antonio da Encarnn^ao 352.
Antonio de Guevara 458.
Antonio de Lisboa 307.
Antonio des Reys , P. 351.
Antonio Rodrigues Portugal
333 f.
Antonio Sanchez 404.
Antonio de Solis 453. 458.
406.
Antonius von Vienncs. Prov.
Mysterium des — 56 f.
Antunes, Gualter 166.
Apokryphen der port. Litte-
ratur 161 — 167. 231. 234.
247. 254. 326. Aljubar-
rota-Brief 254. Ainadis-
Sonette 165. 219. 222.
Cava-Gedicht 163. Conde-
stavel-Lieder 234. Egas-
Moniz Briefe 164. Elegie
des Briteiros 164. Figuei-
redo-Romanze 165. Ines
de Castro-Lieder 231. Lob-
lied auf Lissabon 164. 247.
Ouroana-Lied 162. Übers.
Santillana's 272 Anm.
Apollonio, Libre de — 403.
404.
Apolonio 389.
Apostelge.schiciite, Prov.
Übers. 61. Port. 207.
Araber in Spanien , Ihre
Kunstdichtung 384. Ein-
fluss der Araber auf die
span. Litt. 384 ff. 408. 409.
410. 411. Verwertung
arabischer Verse 385.
arabias 1 54.
Arabismen 446.
Aragonesen , Schule der —
450.
Arbalecca, Prov. Gedicht 49.
Arbol de Batallas 435.
Arbolanche 457.
Arbre de Batailles s. Honore
Bonet.
Arcadia 299 336. 358. 459.
460.
Arcadia Nova 366.
Arcadia Ultrainarina 365.
Arcadia Ulyssiponense 360.
Archidiakonus v. Toro 241.
426.
Archipreste de Hita s. Hita.
Arcipreste de Fita s. Hita,
Juan Ruiz , Archipreste
de —
Arelhano 270.
Aretino, Leonardo 103. 435.
Argensola, Bartolomeo Leo-
nardo 452. 453.
Argensola, LupercioI>eonardo
de 452. 464.
Argote , Luis de Gongora y
— s. Gongora y Argote.
Argote de Molina 239. 418
Anm. 6.
Arguedas. Fuero v. — 388.
Arguijo, Juan de 431.
.Aribau, Carlos Buenaventura
72. 83. 84.
Arimathia , Joseph de 213.
214. 215. 271.
Ariosto 296. 299. 310. 455.
456.
Aristoteles 102. 435.
.\rkadier, in Port. 144.
Arlanza , Ein Mönch des
Klosters San Pedro de A.
Verfasser des Gedichtes
«Poenia del Conde Fernan
Gonzalez" 393. 394.
Arles, Roman d" — 6 f. 69.
Armea, Pero d' 190.
Arnald v. Villanova 112 f.
Arnaldo 189. 191.
Arnaldo, Franziskaner 92.
Arnau v. Vilanova s. Arnald
V. Villanova.
Arnaut de Brancaleo 35.
Arnaut de Carcasses 13.
Arnaut Daniel 18. 27.
Arnaut Guilhem v.Marsan 51.
Arnaut v. Maruelh 18. 48.
Arnaut Vidal v. Ca.stelnaudary
9 f. 36.
Arraes, Amador 343.
Arras, Adam von 406.
Arremedillio 172. 280.
Arrenegos 149. 278. 303.
.Arriaga 270
Arte de furtar 353.
Arte de Galanteria 302. 347.
arte de trovar 78. 80. 236.
265. 272.
ArtemayorSO. 164. 168.196.
235. 239. 272. 390 424.
425 449. 450. 455. 456
Anm. 5.
Artes, Mo.ssen Pere d' 89.
100.
Artieda. Rey de 452. 456.
Artus 198. 210. 213. 214.
438. 439. 440. 442.
Arzneibuch, Span. 417.
.\sburnham , Hss.-Sammlung
des Lord — 75.
Asia Portugueza 341.
Assonanz in der span. Kunst-
dichtung 424. — in der
span. Romanze 4 51. 432.
438. 454. 455.
Astrologische Werke, Katal.
111.
At V. Mons 49 f. 173
Athaide, Catherina de 315.
Aucassin und Nicolette 433.
Augustin, Antonio 102. 115.
Augustinus, De civ. Dei, Kat.
Übers. 92. Von En Pax
benutzt 109. Soliloquium,
Port. 212.
Aulegrapiiia 310.
auquiera 26.
Au.'=triada 331.
Auto 401. 425 Anm. 3.
Auto da Donzella da Torre
281.
Auto da Mofina Mendes 282.
Auto de D. Luiz e dos Turcos
282.
Auto do Infante D. Pedro
247.
Auto dos Captivos, chamado
de D. Luiz e dos Turcos
308.
Autos 247. 281. 282. 283.
307. 308.
Auzias March s. March,
Auzias.
Avangeli de li Quatie Se-
mencz, L' — 52.
Aveiro, Pantaleäo de 339.
Avellaneda 461.
Aven?, L' 128.
Avendano, Fr. de 464.
Averso, Luis d' 126.
Avila, Alonso de 437.
Aviles, Stadtrecht von 387.
Ayala , Pero Lopez de 114.
180. 218. 400. 421. 422.
426. 428. 429. 433. 434.
435. 441. 442.
47°
Register.
Ayllon , Pedro Alvares de
334.
Ayllon, Ximenez 456.
Ayras Nunes 152. 166 f. ;88.
189. 191. 200.
Azambuja e Mello, Diogo de
303.
Azemar , Guilheni 18. 20.
173. 174.
Azenheiro 234.
Azevedo, Alonso de 457.
Azevedo, Antonio de 300.
Azevedo, Gomes de 316.
Azevedo, Luis de 273. 274.
Azurara, s. Zurara.
B.
Baamonte, Vasco Peres de
239.
Babees Book 99.
Bachiller Trapaza 351.
Badajoz, Garci -Sanchez de
136. 239. 270. 283. 285.
430.
Baena, Span. Musiker 283.
Baena, Juan Alfonso de 235.
240 f. 283. 421. 422. 423
Bahia, Jeronymo de 351.
Baiaui , Affonso Lopes de
188. 189. 191. l!'3f. 198.
bailadas 149. 153. 193.
bailados de terreiro 149. 283
Baiada , Heikunft u. BegrifT
des Wortes 27.
Balaguer, Victor 72. 84.
Balbuena s. Valbuena.
Baidinus, Justus 250. 256.
Ballade, Prov. Baiada 27.
ballades , Les cent — in
Portugal 229. 236.
Ballesteros y Saavedra, Fer-
nando de 810.
Ballot y Tones, Joseph Pau
72.
Bances Candamo 425 Anm. 3.
466.
Bandarra, Goncj. Eannes 302 f.
Bandeira , Domingos Pires
Monteiro 364.
Barahona de Soto 452. 457.
Barbadillo, Salas 462.
Barbadinho 358.
Barbosa, Aires 300. 332.
Barbosa , Domingo Caldas
365.
Barbosa Bacellar, Ant. 350.
Barca, La 52.
Barcellos , Pedro Affonso,
Graf V. 179. 187. 200.
206. 208. 209 f. 213. 259.
Barcelona, Kat. Hss. in —
74.
Barco Centenera 4.i6.
Barlaam und Josaphat, Prov.
63. Port. 212. — in der
span. Litt. 419. 445.
Barradas, Manoel 339.
Barreto, Alvaro 268.
Barreto, Franco 325.
Barreto Fuseiro 347.
Barrientos, Lope de 443. 444.
Barros, Andre de 353.
Barros, Joao de (Historio-
graph) 219. 300. 302. 303.
318. 319 331. 333. 335 f.
337. 341. 342.
Barros, Joao de, Dr. 342.
Barroso, Pero 190.
Barroso , Pero Gomez —
(v. Sevilla) 445.
Barroso , Pero Gomes —
(v. Toledo) 190. 191. 193.
411. 412.
Bartholomäus de Glanvilla
69. 111,
Bartholomeu dos Martyies
352.
Bartomeu de Tresvents 111.
Batrachomyomachie 444.
Baveca, Joam 189. 191.
Bayam, Lopez de 391.
Bayao 352.
Bayao, Pero de 271.
Bayer, Perez 87.
Bazoco, Pero Paes 190.
Beatrix, Gräfin v. Dia 19.
Beatrix von Ornacieu 62.
Beda, Liher scint., Provenz.
61.
Behetrias 417.
Beichte an die li. Jungfrau.
Prov. Gedicht 47 f.
Beichtformel, Prov. 64.
Belehrende Prosa, Span. 443.
444.
Beiindo, D. — , Port. Ritter-
roman 334.
Bella malmaridada, Romanze
157. 268.
Bellermann, Chr. Fr. 139.
140. 240.
Bembo 168. 296. 299. 458.
Bemvull 97.
Benedictinerregel , Prov. 61.
Port. 212.
Benedikt, Leben des — , Prov.
62.
Benedikt XIII., Papst 94. 98.
445.
Benivenius, Antonius 112.
Benoit de Sainte-More 212.
417. 438.
Benvengut 112.
Berceo , Gonzalvo de 150.
180. 388. 389. 390. 391.
392. 393. 394. 399. 400.
402. 403. 404. 405. 408.
417. 425. 433. 436.
Berenguer v. Noya 126.
Berenguer de Puigpardines
116.
Berger, S. 86 f.
Berlan e Josapha 445.
Bermudez, Geronimo 312.
464.
Bernaldez, Andres 436.
Bernal(do), de Bonaval 152.
176. 189. 191.
Bernaldus de Nublis 392.
Bernard v. Chartres, Epist. ad
quemdam militem , Kat.
Übers. 109.
Bernard v. Clairvaux 95.
212.
Bernardes, Diogo 136. 304.
305. 306. 315. 316. 824 f.
326. 328.
Bernardes, Manoel 353. 354.
Bernardes Branco, Manoel
355.
Bernardin de Rebolledo 453.
Bernardino da Silva 341.
Bernardo 251.
Bernardo de Bonaval 152.
176. 189. 191.
Bernardo del Carpio 391.
392. 393. 395. 398. 399.
456. 457.
Bernardo da Cruz 340. 369.
Bernardus , Verfasser der
Historia Conipostellana
386.
Bernart Arnaut v. Montcuc 24.
Bernart E.spanhol 176.
Bernart de Ravenac l73.
Bernart von Ventadorn 18.20.
66.
Bernartz de Tolosa 5 f.
Bernhard, h. 109. 402.
Bernhard von Ribagorza
392.
Bersuire, Pierre 114.
Berta 415.
Bertolome Zorgi 18 173.
178. 196. 199.
Bertran d'Alemano 173.
Bertran de Born 17. 19. 20.
23. 24. 173. 174.
Bertran v. Lamanon 18.
Beitran v. Marseille 40.
Bertran v. Paris 44.
be.sta ladrador 198.
Bestiarius s. Physiologus.
Bettelorden , Einfluss der-
selben auf Juan Manuel
417.
Beuter, Anton 118.
Bibar , Ruy Diaz von —
395. 396.
Bibbiena 310
Bibelübersetzungen, im Prov.
59 ff. Im Katal. 86 ff.
Im Port. 207. Im Span
410. 417.
Biblia pequefia 417.
Biblia rimada e en romans 87.
Register.
471
Bihliotliek des Königs D.
Duaite 207 228.
bioch, Bedeutung des Wortes
78.
Biondo. Flavio 230. 250.
Bistoris 206.
Blancli, Jose 82.
Blanchemiin v. Forcalquier
19.
Blandin de Cornoalha et
Guiihot ArditdeMiramar9.
Blankvers, im Port. 305. 331.
Im Span. 455.
Blasco, Hernandez 457.
Blumenspiele in Toulouse
36. — in Barcelona 72. 76.
Bluteau 206.
Boades, Bernat 117.
Boaventura 349.
böbos 268.
Bocados de oro 411. 412.
413. 415. 419.
Bocage, Manoel Maria Bar-
bosa du 361. 366 f.
Bocanegra 149.
Bocarro 338.
Boccacio HO. Kat Übers. 125.
In der portug. Litt. 229.
254. 288. 293. 336. Sein
Einfluss auf die span. Litt.
434. 435. 437. 442. 443.
446.
Boccalino, Trajano 346.
Boethius, Kat. Übers. 104.
Von En Fax benutzt 109.
Boethius, Das provenzal.
Gedicht 44 f.
Bofarull. Antonio de 72. 84.
116 128.
Böhmer 94.
Bojardo 288.
Boil, Mossen Ramon 103.
Boileau 357. 358.
Bolea, Martin de 457.
Bolseiro, Juyam 189.
Bonamis 172.
Bonaval, Bernardo de 152.
176. 189 191.
Bonaventura, Katal. Übers.
der Contemplatio seu medi-
tationes vitae D. N. Jesu
Chri.sti 89. Katal. Übers.
des Stimulus Amoris 96.
Bonet, Honore, Kat. Übers.
114. Span. Übers. 435.
In Port. 229. Prov. 68.
Bonifacio Calvo, de Genova
173. 178. 181. 184. 1K9.
191. 199. 379. 380. 389.
Bonina, Capitäo 347.
Bonsenyor 108.
bordons appariats 80.
Borja , principe de Esqui-
lache. Francisco de 453.
456.
Boron, Robert de 214. 439.
Borra 95.
Boscä, Joan Francesch 117.
Boscan 73. 80. 297. 449.
450. 455. 456.
Boteler, Antoni 98.
Botelho, Francisco 357.
Bouterwek 131. 139. 140.
Boyl. Bernat 93. 97.
Brado de Merlim 213.
Braga , Theophilo 1 39 f.
140 f. 160. 162. 165.
204 f. 217. 314. 325 f.
377.
Braga, Victorio de 212.
Branco . Camillo Castello
355. 376
Branco , Manuel Bernardes
355
Brandäo, Antonio 204. 205 f.
353.
Brandäo, Diogo 271. 273.
274.
Brandao, Fernam 271. 273
Brandäo, Francisco 186.203.
206. 353. 354.
Brandäo, Hilariam 343.
Brandäo. Luis Pereira 331.
Brandao, Thomas Pinto 361.
Braunfels 216 f.
Bretonische Sagea in Portu-
gal 2:3.
Breu-doble 27.
Breviari d'Amor 43. 104.
Briefe, Port. 156. 259. 339.
354. 358. 360. Prov. 49.
Span. Brietsammlungen
437. 438. 458.
Bristo 311.
Briteiros, Mem Roiz de 190.
Briteiros, Mendo Gomes de
194.
Briteiros , Mendo Vasques
de 164.
Briteiros, Rui Gomes de 188.
190.
Bri'isch Museum, Kütal. Hss.
in demselben 75.
Brito, Alvaro de 271. 273.
274.
Brito, Balthasar de — e An-
drade 341.
Brito, Bernardo de 136. 161 ff.
167. 186. 251. 290. 330.
341.
Brito. Bernardo Gomes de
339.
Brito, Duarte de 271. 273.
274.
Brito, JoHO Soares de 206.
348.
Brito Aläo, Manoel 352.
Brochado, Luis 302.
Broteiro , Felix de Avellar
364.
Brozas , Sanchez de 449
Anm. 1.
Bru, Cirurgiademestre — 1 12.
Bruguera, Romeu — oder Sa
Bruguera 87.
Brunenc, Uc 20. 29.
Bruni, Leonardo 116.
Bruniquer, Esteve Gilabert
121.
Bruno v. Padua 112.
Brut, Roman de 210.
Buchdruckerkunst. Ihr Ein-
fluss auf die span. Litt.
454.
Bühnen , Stehende — in
Madrid, Sevilla u Valencia
464.
Burgos, Martinez de 404.
423.
Burlador de Sevilla (Don
Juan), El — 465.
Busquets. Pere 96.
Cabreros, Staatsvertrag von
388.
cabriera 26
Cäcegas, Luiz de 352.
Cäceres, Lourenco de 342.
^acoma, Joan 115.
Cadenet 18. 20.
^adique, Jacob 108.
j Caesar 212. 434.
1 Caesarius 413.
i Lairel, Elias 18. 20. 172.
i 174. 176.
Caldas, Martini de 190.
Caldeirom 189.
Calderon, Ant. 452 Anm. 1.
Calderon de la Barca, Pedro
270.284 292.425 Anm. 3.
448. 453. 465. 466.
Calha, Albertet 20.
Calheiros, Fernam Rodrigues,
de — 189.
! Calila y Dimna 409. 414.
419. 435 Anm. 3-
; Calisto y Melibea 460.
'[ Calvo, Bonifacio 173. 178.
181. 184. 189. 191. 199.
379 f. 389.
Calvo, Pay 190.
Camacho, Diogo 350.
Camanes. Joam Nunes 189.
Cameros, Rodrigo Diaz de
los 177. 191.
Camillo Castello-Branco 355.
376.
; Caminha, Antonio Lourenqo
i 232. 233. 272. 330.
I Camoes, Luis de 132. 133.
i 136. 144 147. 157. 186.
238. 287. 290. 294. 302.
305. 308 ff. 313 ff 318
344. 348. 456.
Camoes, Vasco Lopez de
238. 274. 426 Anm. 3-
472
Register.
Camoes, Vasco Piies de 218.
237 f. 426 Anm. 3
Camoes do Rocio 356.
Camonistas 304. 829.
Campina, Martim 190.
Campo, Diego do 172.
Cainpos, Manuel de 352.
Cana, Pay de 188.
Canals, Antoni 9.'>. 96. 98.
103. 114. 125.
can^äo redonda 196.
Cancer, Jeiönimo de 453.
Cancion 135. 232 428.
Cancioneiiinlio de Trovas
Antigas 200.
Cancioneiro da Ajuda 200.
Cancionero de Baena 143.
221. 235. 236. 240 flF. 407.
421.422. 422 Anm. 3. 423.
426. 428. 430. 444.
Cancioneiro do Collegio dos
Noljres 201. 369.
Cancioneiro Colocci- Bran-
cuti 201. 438.
Cancionero de la Colombina
423.
Cancioneiro de D. Dinis
186. 200.
Cancioneiro de Evora 267.
Cancioneiro Fernandes Tho-
ma.s 326.
Cancionero general 265. 424.
428 430. 442
Cancioneiro Geral s. Can-
cioneiro de Resende.
Cancionero Gomez Manrique
380.
Cancionero llaniado guir-
landa esmaitad.i de galanes
y eloquentes dezires de
diver.sos autores 424
Cancioneiro Luis Franco 321.
323.
Cancioneiro Marialva 162.
163. 166. 267.
Cancionero Martinez de Bur-
gos 404.
Cancioneiro de D. Martinho
267.
Cancionero musica] de los
siglos XV y XVI, coment.
per Fr. Asensio Barbieri
152. 235. 236. 241. 276.
424. 424 Anm. 1. 430.
432. 433.
Cancioneiro de Musicas po-
puläres 146.
Cancioneiro do Padre Pedro
Riheiro 289.
Cancionero Patrimonial 235.
242 423.
Cancioneiro Portuguez 267,
Cancionero de Rnnion de
Llavia 423.
Cancioneiro (Geral) de Re-
sende 144. 230. 264 ff.
267. 424 Anm. 4.
Cancionero de Romances454.
Cancionero de Sti'iniga 235.
423. 432 Anm. 1.
Cancionero de Yxar 423.
428 Anm. 1.
Cancioneiro da Vaticana 201.
Cancioneiros de milo 200.
351.
Canqoner d'amor 78.
Candamo, Francisco Bances
425 Anm. 3. 466.
Candarei , Nuno Rodrigues
de 190.
Candido, Pietro 115.
Candido Lusitano 353.
Cangas, Joam de 189.
Cafiizares 466.
Cano, Melchior 447.
Canonensammlung, Spanische
385.
cantadores 147.
cantar das moqas ao adufe
148.
cantarcillos 275.
cantares de Cornoalha 198.
cantares de gesta 390.
cantares velhos 149. 150.
153.
cantigas 146. 276.
Cantigas ao Condestavel 165.
234.
cantigas de amigo 192. 197.
cantigas de amor 180. 197.
265.
cantigas de atafiinda 195.
cantigas de escarnho e mal-
dizer 192 ff. 197. 265.
cantigas de maestria 153.
cantigas de maldizer 197.
cantigas de refran 153. 195.
cantigas de risadilha 198.
Cantigas de S'^. Maria 185.
242.
cantigas de viläo 193.
Cantigas en manera de difa-
macion 237.
cantigas grosadas 277.
cantos ä desgarrada 147.
Cantos ao desafio 147.
cantos de ledino 149. 152.
Cantos de romaria 146. 152.
cantos guayados 149.
Canzone, im Provenzalischen
22. Chanson redonda 27.
Canzone im Port. 297.
C. im Span. 449.
Canzonette , Ital. in Port.
283. 286.
Qapaio, Affonso Lopes 267.
^apata, Luis de 456.
Capitiio Bonina 347.
Capitulo 297.
Capmany, Antonio 72.
Caramurü 365.
Carliajal, Maiiana de 462.
Carbonel, Bertran 53. 173.
Carboneil, Miquel 71.85. 117.
Cardinal. Peire 18. 22. 45.
■iS. 66. 289.
Cardoso, Fernam 344.
Cardoso , Jorge 206. 220.
353.
Carneiro, Diogo Gomes 352.
Caro, Rodrigo 451.
Carpentras, Katal. Hss. in der
Bibliothek zu C. 74. 75.
Carpio, Bernardo del s. Car-
pio.
Carrero, Puerto 430.
Carriilo y Sotomayor 453.
Carla burlesca de Godoy
444.
Carla de guia de casados
353.
Cartagena, Alfonso de 254.
430. 434. 435 437. 443.
445.
Caitagena, Teresa de 445.
Carlas de Albuquerque 259.
Cartas de centöes (od. de
giröes) 156.
Cartas curiosas 360.
Cartas espirituaes 354
Cartas familiäres 354.
Cartas familiäres, historicas,
politicas e critic.is 360.
Cartas que os Padres e Ir-
mäos da Companhia de
Jesus escreveram 339.
Cartas sobre a educa9äo da
mocidade 358.
Cartas s. auch Briefe.
Carvajal 149. 334. 423. 432.
433. 449.
Carvajal, Miguel de 464.
Carvajal, Galindez de 436.
Carvalho, Jeronymo Moreira
de 335.
Carvalho, Joao Jorge de
357.
Casamento perfeito 353.
Casquicio, Fernam 237.
Casses. Mossen Bernat de 113.
Cassianus, Collationes pat-
rum , Katal. Übers. 90.
Port. Bearb. 212.
Castanheda, Fernam Lopes
de 321. 338.
Castanheira Turacem, Felix
da 351.
Ca.stanhoso, Miguel de 339.
Castellanos, Juan de 455.
Castello Branco 355. 876.
Castellobranco, Joam Rodri-
gues de 271.
Castellosa v. Mairona 19.
Castelnou, Joan de 126.
Castiglione 449.
Castilho , Antonio de 305.
338. 342.
Register.
473
Castilho, Antonio Feliciano
de 374 f. 377.
Castillejo 153 Anm. 4. 269
Anni. 4. 294 Anm. 6. 425.
448. 449. 4r»4.
Castillo, Diego Enriquez de
436.
Castillo, Hernando de 424.
Castillo Solorzano 351. 461.
462.
Castro, Elstevam Rodrigues
de 136. 293. 330.
Castro, Gonzalez de 426.
Castro. Giiillen de 452. 465.
Castro, Ines de 135. 231.
233. 268. 274. 312. 319.
363.
Castro, Joao de 339. 369.
Castrotorafe, Fuero de —
387.
Cataldus Siculns 279.
Catalina, Vida de Sa. —
416.
Catalogo de musica de D.
Joao IV. 349. 359.
Catastrophe, Port. Schrift
353.
Caterina de Cena, Santa 96.
97.
Catherina de Atliaide 315.
Cato, Disticlia Catonis, Katal.
Übers. 108. 109. Im Span.
413. 421.
Cava-Gedicht 163. 231.
Cavalca, Domenico — de
Vicopisano, Kat. Übers. 96.
Cavallero, De un cavallero
Placidas que fue despues
cristiano e ovo noinbre
Eustacio 416. 439.
Cavallero Cifar 413. 414.
416. 439.
Cavallero-<le la Cruz 459.
Cavallero del Febo 459.
Cavallero Peregrino 459.
Cayado, Henrique 280. 288.
300. 332.
Celestin.i H09 f. 407. 430.
446. 448. 459. 460. 461.
462.
Centenera, Baico 456.
Gentoes 271.
Cento Novelle in Portugal
229. 271.
Cepeda, Romero de 456.
460. 464.
Cercamon 18. 26. 172.
Cerco de Zamora 398.
Cerda, Juan de la 426.
Ceringtonia , Odo von 414.
Cervantes Saavedra, Miguel
de 352 Anm. 3. 407. 447.
448. 454. 457 Anm. 3.
459. 461. 462. 464.
Cerveira, Affonso de 257.
Cervera, Rafael 120.
Cervera, Ramon 113.
Cespedes 451.
Cetina, Gutierre de 294.
450.
Chaconas de Oriana 163.
chacotas 149.
Chagas, Antonio das 347.
353. 354.
Chaide, Pedro Malon de 451.
458.
Chamilly, Noel Bouton de
354.
Chancel, B. 58.
Chanson de Jerusalem Grain-
dor's de Douai 415.
Chanson de Roland in Spanien
387. 388. 391. 420. 439.
chanson redonda 27.
chansoneta 22.
Chansons de ge.ste 390.
Chansons de Toile 433.
chanzon 236.
Charinho, Paav Gomes 152.
188. 190. 191.
Chartier, Alam 78. 236.
Chastel d'Amors 46.
Chastel des Pleurs 442.
Chateaubriand 365.
Cheltenham, Katal. Hss. da-
selbst 75.
Chiado, Antonio Ribeiro 302.
308. 344.
Child Rolim de Moura,
Francisco 347.
Chirurgische Abhandlungen,
Katal. 112. 113.
Chistes 300.
chocarreiros 268.
choradeivas 149.
Christine de Pisan 236. 257.
Christoph. Leben des h. — ,
Katal. Übers. 91.
Christövam Falcao s. Falcao.
Chronica abreviada 210.
Chronica breve do Archivo
Nacional 210.
Chronica da Companhia de
Jesus 353.
Chronica da Conquista da
Guine 257. 337.
Chronica da Conquista do
Algarve 211. 248.
Chronica de Cister 353.
Chronica de D. Affonso V.
25-'.
Chronica de D. Duarte 258.
Chronica de D. Duarte de
Menezes 257.
Chronica de D. Fernando
221. 255.
Chronica de D. Joao I. 220.
255.
Chronica de D. JoaO II.
340.
Chronica de D. Joao III.
340.
Chronica de D. Manoel 340.
Chronica de D. Pedro 255.
Chronica de D. Pedro de
Menezes 218. 257.
Chronica de D. Sebastiao
340. 352.
Chronica de Pero Nino 236.
Chronica do Cardeal-Rei
Henrique 340
Chronica do Condestavel218.
258.
Chronica do Infante Santo
255.
Chronica dos reys 210.
Chronica dos Vicentes 211.
Chronica s. auch Cronica.
Chronicas breves e Memorias
avulsas de S'« Cruz 211.
Chronicas dos Reis de Portu-
gal reformadas 341.
Chronicon Pinnatense 116.
Chronik der Stadt Beziers,
Prov. 66.
Chronik des Pseudoturpinus,
Prov. Übers. 61.
Chronik über den Albigenser-
krieg, Prov. 38. 66.
Chronik v. Montpellier, Prov.
66.
Chroniken s. Chronica, Chro-
nicon, Chronik , Cronica
u. Geschichtsschreibung.
Cibdareal, Fernan Gomez de
437.
Cicero, Kat. Übers. 103,
Port. 244. 245. 246. 252.
254. Span Übers. 434.
435.
Cid, Poema del Cid 132.
156. 170 f. 386. 387. 389.
391. 396—399. 432. 433.
— Hymnus auf den Cid
386. 407.
— Mocedades del Cid von
Guillen de Castro 465.
— Escobar's Romancero del
Cid 455.
Cigala, Lanfranc 18.
Cino da Pistoja 229. 253.
Cintio Mereti.sso 458.
Cintra, Rodrigo de 254.
Cio.so, Drama 311.
Citola 191. 202.
Cl reo y Florisea 294. 336.
Clarimundo, FLmperador 335.
Claris, Pau 128.
Clarisel de Bietanha, Portug.
Ritterroman 335.
Claro, Dr. Frei Joäo 272. 273.
Clavijo, Gonzalez de 436
Anm. 7.
demente Sancliez 95. 414.
445.
demente Victorino 353
Clenardus, Nicolaus 285.300.
346.
474
Register .
Cleomades 335.
Cluniacenser in Spanien 386.
Cobla capcaudada 77.
Cohla capfinida 77.
cobla croada 77. 80.
cobla derivativa 77.
cobla encadenada 77. 80.
cobla equivocafla 77.
cobla esparsa in der katal
Litt. 78.
Coblas esparsas, in der prov.
Litt. 53.
Coblejador de Moncada (An-
tonio de Bofarull) 84.
Coblen, Prov. 23.
Codax, Martim 152. 190.
Codex Justiniani, Prov. Be-
aibeil. 68 f. Kat. v^bers.
102.
codolada 81. 83.
Coelho. Egas Moniz 162.
164. 231.
Coelho, ]oani Soares 189.
191. 199
Coelho. Jorge 331. 332.
Cogominhü , Fernan Fer-
nandes 188. 189. 191.
CoUoquios dos Simplices e
Drogas 343.
Colocci, Angelo 168. 201.
Colonia 457.
Colornines, En Francesch de
103.
Colonna, Agapito 230.
Colonna , Aegidius, Kat.
Übers. 96.
Columna, Guido de 115. 403.
438 Anm. 5.
Colonna, Vittoria 296. 343.
Coinedia de figurön 466.
Comes, Pere Joan 118.
Comjat 27.
Connuentarios de Affonso de
Albuquerque 338.
coniponedores (Begriff) 440
Anm. 3.
Coniputus, Proven/. 42.
Coms de Tolosa, Lo 5 f.
Conca, Estoria de — - 407
Anm. 2.
Conceptismus in Spanien 448.
451. 452 453. 455. 458.
Concetti 344. 345. 353.
Conde Claros, Romanze 157.
Conde üil Peres 189. 191.
Condenado, El — por des-
confiado 465.
Condestable de Ca.stilla 270.
Condestavel-Lieder 234.
Condestavel, Nunaivares Pe-
reira 213. 258.
Condestavel s. auch Pedro.
Conesa, Jacine 1 15.
Conestagio, Jeronymo Fran-
chi 340.
Confession, La 52.
Confort, Lo Novel 52.
Conomines , En Francesch
de 103.
Conquista de Ultramar, Gran
— s. Alfonso X. und
Sancho IV.
Conseyll de bones doctrines
109.
consoante 147.
Consolat de la mar 102.
Constantina, Fernandez de
424.
Contemptus Mundi , Port.
Gedicht 262.
Contos proveitosos 336.
Contrahechura 432. 433. 454.
Contreras 331.
Coplas de la Panadera 430.
Coplas del Provincial 4H0.
Coplas de Mingo Kevulgo
430.
Cordeiro, Jacinto 349. 351.
Cordeiro, Luciano 354.
Cordova, Gonzalo de 455.
Cordova, Martin Alonso de
443.
Cordova, Pero Fernandes de
270
Corella, Joan Roiq de 87.
89. 99. 121. 125.
Corneille 465.
Cornu 204 f. 389. 390.
Coronel, Salcedo 453.
Corpus illustrium Poetarum
Lusitanorum 332.
Corral, Pedro de 395. 437.
Corrales 464 Anm. 6.
Correa de I^acerda, Fernando
353.
Correia, Caspar 320. 338.
Correia, Luis Franco 330.
Correia, Manuel 314. 323.
Correia da Serra, Jose 364.
366.
Corte Imperial 251.
Corte na Aideia ou Noites
de Inverno 337.
Corte real , Jeronymo de
316. 331. 332. 338.
Cortes de Amor 196.
cos.sante 151. 242.
Costa, Antonio da 360.
Costa, Bras da 271.
Costa, Claudio Manoel da
362. 365.
Costa, Manoel da 332.
Costa, Mestre Gil da 281.
Cota, Rodrigo 422 Anm. 4.
430.
Cotarelo 465 Anm. 4.
Coudel-mör s. Silveira, Fer-
nao da 266. 273.
Cour d'amour, la (prov.)
45 f.
Cousas de folgar 279.
Coutinho, Gonqalo 325. 329.
334. 340. 341.
Coutinho, Leonor 234.
Coutinho, Lopo de Sousa
338.
Couto, Diogo do 316. 3-29.
337 f. 341 f.
Couto-Guerreiro 364.
Covarrubias, Seb. de Horozco
y — 450 Anm. 1.
Craesbeeck, Antonio — de
Mello 325.
Credo, Paraphrase du — 53.
Crescas 42.
Crescentia- Legende in Por-
tugal 212.
Crescentiasage, Altspan. 41&
Anm. 4.
Crestien de Troyes 416.
Crisfal 290.
Cristöval, Alonso de San
445.
Cristöval, Juan de San 443.
Cri.stöval de Virues 452.
457. 464.
Cronica Alfon.so 437.
Crönica de Don Pedro Nifio
236. 404. 436 Anm. 4.
Cronica de Hespanha 211.
Crönica del Condestable Lu-
cas de Iranzo 436.
Crönica del Moro Razis 21 !.
417. 437.
Crönica del Rey Don Rodrigo
395.
Crönica del rey Juan II. 43").
Crönica del rey Rodrigo 437.
Cronica de Tablante e Rica-
monte 439.
Crönica general 432. 437.
454.
Crönica general de Espana
s. Alfonso X., el Sabio.
Crönica particular del Cid
399. Crönica rimada del
Cid 398. 404. 432.
Crönica Seracina 437.
Cronica Troiana 437.
Crönica troyana, vonDelgido
403.
Cronica s. auch Chronica.-
Crotalon, FA — de Christo-
phoro Gnophoso 461
Anm. 2. 464.
Cruz, Agostinho da 304. 306.
Cruz, Bernardo da 340. 369.
Cruz, Gaspar da 339.
Cruz, Juan de la 153. 347.
451. 4.53. 458.
Cruz e Silva, Antonio Diniz
da 358. 362.
Cuaderna via 400. 402. 404.
405. 420. 421. 424. 446.
Cubillo 392. 466.
Cuello. Antonio 466.
Register.
475
Cuenca, Miguel de lüO.
Cuento, El cuento muy fer-
moso del emperador Otas
de Roma e de la infant.i
Florencia su fija, e del buen
cavallero Esniere 416.
Cuento , Un muy fermoso
cuento de una santa en-
peratriz qua ovo en Roma
e de SU castidat 416.
Cuento, Un noble — del
enperador Carlos Maynes
de Roma e de la buena
enperatriz Sevilla su mujer
416.
Cuestion de Amor 288.443..
Cueva, Juan de la 449. 451.
454. 456. 458. 464.
Culla, Perez de 456.
Culteranistas s Kulteranismus.
Cunha, Ant. Alvares da 349.
Cunha , Jose Anastacio da
364. 369.
Cunha. Rodrigo da 353.
Cunha, Troilo de Vascon-
Cellos da 360.
Cunha , Vicente Pedro No-
lasco da 366.
Curelha 270.
Curial e Guelfa 123 f.
Curiositat catalana 82.
curso rimado por la quadern.!
via 389.
Curtius, Quintus 115. 253.
Dalman de Mur 117.
Damiette, Einnahme von — .
Prov. 66.
Daniel, Arnaut 18. 27.
Dansa, Begi iff des Wortes 27.
Dansas, Provenzalische 385'.
— ■ im Span. 405.
Dante Alighieri , D. in der
katal. Litt. 82. 124. Katal.
Übers. der Commedi.'
durch Andreu Febrer 74.
78. D. in Spanien 427.
429. 430. 434.
Dante da Majano 28.
Danza de la muerte 428.
Danznprima-Romanze 154.
Dardia, Pero de 190.
Daude de Pradas 42. 48.
Daurel 'und Beton 6.
Debat de la Sorciere et de
soll confesseur 50.
Debat de la Vierge et de la
Croix 50.
Debat du vin et de l'eau
401.
Decadas da Asia 337.
decimas de arte mayor 275.
decires 237.
Dekasyllabus im Altport
167. 241.
Delgadillo, Andres 443.
Delgado 403. 460.
Delphine, Gräfin von Ariano,
Leben der — , Prov. 62.
Demanda del Santo Greal
213. 438. 439.
Denis, König von Portugal
s. Dinis.
Denis, Ferd. 139. 140.
descantes 146.
Deschamps 236.
Desclot, Bernat 119 f.
Descoll, Bernat 120.
descort 27. 149. 173. 195.
196. 235.
Desenganado, O — 336.
desfecha 235.
deslais 149. 236. ^
Despedidas 149.
despiques 147.
Despreczi del Mont, Lo —
52
Despuig, Cristöfol 121.
Destruicjäo d' Espanha 348.
Devinalh 28.
Devise, in der katal. Lyrik
77 f.
dezidor 143. 241. 276. 302
Dezires de los reyes 422
Anm. 4.
Dezires generales 422 Anm. 4.
Dialogo da perfei(jao e partes
necessarias de bom niedico
343.
Dialogo entre dous pere-
grinos, um christao e outro
turco 343.
Dialogo Espiritual 343.
Dialogos apologaes 354.
Dialogos da Pintura 343.
Dialogos de D. Frei Amador
Arraes 343.
Dialogos de Francisco de
Moraes 342.
Dialogos de S. Gregorio 212.
Dialogos de varia historia
341.
Diamante 466.
Diana , Schäferroman 303.
336. 452. 459.
Diario da Jornada que o
Conde de Ourem fez ao
Concilio de Basilea 254.
Dias, Balthasar 302. 307.
Dias, Henrique 339.
Dias, Miguel 344.
Diätetik, Prov. 42. 68.
Diaz, Juan 459.
Diaz, Ruy — von Bibar 395.
396.
Diaz de los Cameros, Rodrigo
177. 191.
Dichtarten der Trobadors
21 ff.
Dichterschule, Sizilische 385.
Dichterschulen in Spanien
450. 451.
Dichtungsformen im Span.
425 ff. 428. 430 ff.
Didaktik, Prov. 37 ff.
Didaktische Prosa in Spanien
443. 444.
Diego do Campo 172.
Diego Garcia 157.
Diego Moniz 189.
Diego Pezelho , jograr 189.
Diego Sanchez 463.
Diego de San Pedro 288.
298. 442. 443. 457 Anm. 8.
Diego de Valencia de S. Juan
238.
Diez, Fried. 139. 140.
Diez. Manuel 113.
Dinis (Dionys) , König von
Portugal 152. Ibl. 168.
169. 178 f. 183. 186 f. 190.
198. 200. 264. 380. 417.
Disciplinaclericnli.s desPetrus
Alphonsus 385. 386. 413.
414. 415.
disparates 344.
Disputa del ase contra frare
Enselni Turmeda sobre la
natura e nobleza dels ani-
roals 123.
Disputatio Corporis et aniniae
401.
,Disticha Catonis.Katal.Über.s.
108.
Dit sur les etats du monde
403.
Ditos da Freira 343.
Diu 349.
dizedor 195. 202. S. auch
dezidor.
dizeres 202. 237.
dobre 195. 235.
Doctrina dp Cort 43.
Domenech. Jacme 115.
Domingo, Wunder des h —
417.
Domingo Abad 400.
Domingo de Silos , San s.
Berceo, Gonzalvo de 40 ?.
Domingues, Gon(jalo 254.
Dominikaner in Spanien 447.
Domini.scaldo 334.
Domneiaire 28.
Donat proensal, s. Faidit, Uc.
Donzella Theodora 335. 412.
Doucelina, Leben der h. — ,
Prov. 62.
Doutrinal de Principes 342.
Doze Pares 210.
Drama , Katal. 85. Piov.
53 ff. Das span. 400. 401.
462—466.
Duardos. D. 335.
Duarte, König von Portugal
228. 242. 244 ff. 250. 268.
369.
476
Register.
Duarte, Port. Infant 301.
Duarte, Custodio Jose 377.
Dubartas 457.
Duenas, Juan de 442.
Durao, P.e Santa Rita 365.
Eannes, Fernand 189.
Eannes, Joani 191.
Eannes, Pedr' — , Solaz 190.
Eannes, Rodrigo 204 f. 213.
Eannes, Sueir' — 191.
Eannes d' Alvares, Rodrigu'
— 190.
Eannes Redondo, Rodrigu' —
190. 191.
Eannes de Vasconcellos,
Rodrigu' — 190 191.
Echo-Gedichte, Port. 289.
Egas Moniz Coelho 162. 164.
231.
Egiogas 297.
Eglogas amatorias 305.
Einhard 391.
Einnahme v. Daniiette, Prov.
66.
Eixo, Garcia Mendes de 176.
181. 189. 191.
Ekloge, im Span. 449.
Elegiada 331,
Elegie, im Span. 449.
Elegien, Portug. 297.
Eleonore v. Poitou 19.
Elias V. Barjol 20 28.
Elias Cairel 18.20. 172. 174.
176.
Elis o Baqo 198.
Elizabeth, Leben der h. — ,
Katal. 91.
Elmanisn)us 370.
Elogios dos Reys 341.
Elpino Nonacriense 362.
Elucidarius, Katal. 111. Pro-
venz. 61. 69. Im Span.
415.
Elzear, Leben des — , Prov.
62.
Eraanuel, De rebus Enianuelis
libri Xll 340.
empelt, Bedeutung des Aus-
druckes 78.
Emperador Clarimundo 335.
Emperatriz Porcina 302.
Encadenados 168.
Encina, Juan del 270 286.
288. 292. 381. 401. 424
Anm. 1. 425. 428. 430.
431. 432. 463.
endecha 161.
Enias 438.
Enfant sage, L' — 65. 109.
Enimialegende, Prov. 40.
Ennes, Domingos Jose 354.
Enrique II. 426.
Enrique III. 426. 434. 435.
Enrique IV. 423. 430. 436.
437.
Enrique fijo de Oliva 223.
439.
Enriquez, Alonso 231. 237.
Enriquez Gomez 453.
Ensenhamen , Gattung von
Gedichten im Prov. 44. 51.
entencjao (= Tenzone) 277.
entendimento 277.
Enterrogatori e confessional
en quatre parts subtilment
dividit 95.
Enthusiasmus Poeticus 351.
Entrenies 463. 464.
Enueg 23.
Epheser-Brief , Prov. Ü'ners.
60. 61.
Ersehe Dichtung, in Spanien
390 ff. 455 ff. Prov. 2 ff.
Epi.stel im Span. 449. 450.
Epistolae farcitae 41. 52.
Epitome de las historias
portuguezas 341.
Erasmus 283. 286.
Erbauungsschriften , Aske-
tisch mystische in Spanien
458.
Erbauungswerke, Prov. 64.
65.
Ercilla, Aifonso de 331. 455.
Ericeira , Francisco Xavier
de Menezes, Graf v. 350.
357.
Ermengau , Matfre 43. 52.
104.
Erzpriester von Hita s. Hita,
Juan Ruiz , Archipreste
de — .
Erzpriester von Talavera s.
Aifonso Martinez.
Escalho, Fernand' 191.
Escobar, Romancero del Cid
455.
Escobar, Gerard o de 352.
Escobar. Gonzalo Rodrigues
de 251.
Escobar, Joao de 307.
Escola de Coimbra 378.
escolar 390.
Escondig 27.
Escorial, Katal Hss. der E.-
Bibliothek 74.
Escriba , Juan , Comendador
443.
Escurias, Pedro de 437.
esparsas 276. 289.
Espejo de enamoradas, guir-
naida esmalt. de gal. e eloqu.
dez. 424 Anm. 2.
Espelho de Casados 342.
Espinel, Vicente 452. -161.
Espinelas 452 Anm. 2.
Fspinosa, Gabriel 461 Anm. 4.
Espinosa, Nicolas 392. 456.
Espinosa, Pedro 452.
Esplandian, Ritterroman 271.
Esposalizi de nostra dona s.
Maria 54.
Esquilache , Francisco de
Borja, principe de 453.
456.
Esquio, Fernand 189. 237.
Estaqo, Balthasar de 330
E.stampida 28.
Estancias cmittidas dos Lu-
siadas 323.
Estevam Annes de Valladares,
o Trovador 172. 187. 190.
191.
Estevam Coelho 189. 191.
Estevam Fernandes, Barreto
189.
Estevam Fernandes, de Elvas
189.
Estevam Froyam 189.
Estevam da Guarda 188. 189.
191. 213.
Estevam Peres Froyam 189.
191
Estevam Reimondo, de Por-
tocarreiro 189. 191.
Estevam Rodrigues de Castro
136. 293. 330.
Estevam Travanca 189.
Estevanillo Gonzalez , Vida
de — 461.
Esther, Prov. Übers. 60.
Esther , Prov. Gedicht des
Crescas 42.
Estoria de Conca 407 Anm. 2
Estorii de Espanha 210 211.
Estoria de Galaaz 213.
Estoria de huü cavaleyro que
chamavä Tungulu 212.
Estoria dell romanz de!l
inffant Garcia 395.
Estoria del rey Guillelme416.
Estoria de Troia 210
Estoria do Conde Fernaii
Gonzalez 210.
Estoria do Condestavel 255.
258.
Estoria do Emperador Ves-
pasiano 214. 215 Anm. 4.
439 Anm. 1.
Estoria geral 211.
estorias 154.
Estrangeiros, Drama 310.
estribilho 235.
Estribot 28.
estribote 235.
Estuniga 271. Cancioneiro
de— 235. 423. 432 Anm. 1.
Ethiopia Oriental 340.
Eufrosina, Port. Drama 310.
Eugui. Garcia de 437.
Euphrosina, Leben der h. — ,
Katal. 91. Port. 212.
Euphuismus 344.
Europa Portugueza 341.
Eusebius 435.
Register.
477
Eustachius, Prov. Mysterium
(Moralitas) 57 f.
Eustachiusfahel im Span.
416. 439.
Eutropius 434. 435.
Evangelium Johannis, Prov.
Übers. 60. ßl.
Evangeliuni Nicodemi. Prov.
41. 66 f.
Exemplos de Caton 421.
Eximeniz, Francesch 71. 98ff.
109. 111. 435.
Eximeniz. Rodrigo 115.
Eyck, Van — 230.
F.
Fabel. Prov. 45.
Facet, Katal. 81.
Fado 149. 234
Fadrique,Duque237.239.240.
Fajardo.Guajardo 422 Ann).2.
Fajardo, Saavedra 458. 460.
Faidit, Gaucelm 18. 29.
Faidit, Uc 67.
Falcao, Cbristövam 143. 149.
152. 280. 287 ff. 289 f. 381.
Falcao de Resende . Andre
304. 305. 316. 328.
Falkenbuch, Span. 418. Port.
251. 290.
farqa (bei Vicente) 283.
Farce. Die - im Span. 461.
463.
Faria, Seveiim de 314. 337.
341.
Faria e Sousa , Manoel de
136. 16t ff 164. 186. 206.
209. 231. 232. 282. 291.
294. 305. 314. 319. 323.
325 f. 331. 341. 350.
Farinha, Bento Jose de Sousa
342.
Faro, Lied auf den h. — 388.
Faust-Frage in Portugal 375.
378.
Fazio, Bartolomeo 443.
Febrer, Andreu 74. 78. 124.
Feiern , Dramatische — in
Spanien 400. 401.
Feliciano de Silva 294. 459.
460.
Felix-magno 333.
Felix Marte de Hircania 459.
Fenix renascida' 350.
Fenollar, Mossen Bernat 89.
Fenollet, Luis de 115.
Feraut, Raimon 40. 42. 91.
Ferdinand I. 93.
Ferdinand II. 117.
Ferdinand III. 407. 412. 413.
Ferdinand IV., von Spanien
404 418.
Ferdinand V. , von Spanien
420. 444.
FernaniFernandesCogominho
188. 189. 191.
Fernam Figueira, de Lemos
189.
Fernam Froyam 189.
Fernam Garcia, Esgaravunha
176. 181. 187. 189. 191.
198.
P'ernam Gonqalves, de Seabra
(Sanabria) 168. 189.
Fernam do Lago 189.
Fernam Padrom 189.
Fernam Paes, de Tamalancos
189. 191
Fernam Rodrigues , de Cal-
heiros 189.
Fernam Rodrigues Redondo
189. 191.
Fernam Soares, de Quinhones
189. 191.
Fernam Velho 189. 191.
Fernand Eannes 189.
Fernand' Escalho 191.
Fernand' Esquio 189. 237.
Fernandes , Diogo, Portug.
Romanschreiber 335.
Fernandes, Domingos 325.
Fernandes , Joam — , de
Ardeleiro 189 191.
Fernandes , Jorge (Paulo da
Cruz) 330. 332.
Fernandes, Nuno 190.
Fernandes , Niino — , Mira-
peixe 190.
Fernandes, Nuno — , Torneol
152. 190.
Fernandes, Ruy 188. 190.
Fernandes Andeiro, Joao230.
Fernandes Ferreira , Diogo
343.
Fernandes Pacheco , Joäo
230.
Feinandes Trancoso, Gon^alo
336.
Fernandez. Diogo 268. 271.
Fernandez, Lucas 286. 288.
460. 463.
Fernandez, Sebastian 334.
Fernandez de Constantina
424.
Fernandez- Guerra, Aureliano
387.
Fernandez de Heredia s.
Heredia.
Fernando, Portug. Infant 228.
Fernando , König von Ara-
gonien 113.
Fernando de Bragan^a 218.
Fernando , Principe de Por-
tugal 223.
Fernando da Rotea 254.
Fernando de la Tone 424.
Fernan Gonzalez, Estoria do
Conde 210.
Fernan Gonzalez, Poema del
conde 391. 393. 394.
395. 399. 404.
Ferreira, Antonio 165. 183.
Miguel Leite 219.
Diogo
ßer-
186. 219 f. 222. 224. 301.
304. 305. 3U6. 311 f. 363.
Ferreira , Bartholomeu 3 1 2.
323.
Ferreira , Diogo Fernandes
343
Ferreira,
220.
Ferreira Figueiroa
352.
Ferreira de Lacerda,
narda 347. 348.
Ferreira de Vasconcellos,
Jorge 157. 295. 301. 302.
309 f. 335. 342. 344.
Ferrer, Bonifaz 87.
Ferrer, Mossen Jaume 124.
Ferrer, Miguel 334.
Ferrer. Vincent 87. 98. 101.
229. 254.
Ferrus 237.
Feruz, Pero 426. 440.
Festaufführungen in Spanien
463.
Fiammetta 271. 293. 442.
Fidalgo aprendiz 346.
Fideslegende, 'Prov. 39.
Fierabras 7. 439.
Figueira, Fernam, de Lemos
189.
Figueira, Guilhem 20. 22. 23.
Figueiredo, Antonio Pereira
de 358.
Figueiredo, Manoel de 363
Figueiredo - Romanze 154.
162. 164. 165 ff.
Figueiroo, Gaspar de 271.
Figueroa, Francisco de 451.
Figueroa , Suarez de 460.
462.
Filintismus 370.
Filinto Elysio 340. 354.
363. 364.
Filippa de Lencastre 249 f.
273.
Filodemo 136. 309.
Filosofia de Principes 342.
Fita, Arcipreste de s. Hita,
Juan Ruiz , Archipreste
de — .
Flamenca, Roman de 10 f.
Flaviense, Alex. Caetano
Gonies 335.
Flavio Biondo 230. 250.
Flickenlieder 196. 271.
Flor de värios Romances
454.
Flor und Biancaflor, Ein-
fluss auf die port. Litt.
213. — in Spanien 392.
403. 439. 443 Anm. 2.
Florando 333.
Florence de Rome 416.
Flores, Juan de 443.
Flores de Filosofia 412. 413.
439.
478
Register.
Flores sanctorum im Katal.
90 f. 101.
Floresta de apophtegmas
354. 101.
Florestan 223.
Floresventos, Port. Romanze
158.
Florilegien, Aralnsclie 411 ff.
Florisando 459
Florisel 333.
Florisel de Niquea 459.
Flos mundi 116.
Flugblätter, Span. 454.
Foga^a , Lourenqo Annes
230.
Folgelied, Portiig 197.
folias 149. 151. 283.
FolquerUl)eit v.Chartres415.
Folquet de Lunel 48 f 173.
Folquet V. Marseille 18. 20.
35. 174.
Fonsalada, Elias 18.
Fonseca, Andre da 305.
Fonseca, Joao da 352
Fonseca , Pero Mendes da
190.
Fonseca Soares, Ant. da 347.
Fontana, Guillem 100.
Fontaneila, Francisco 128.
Fönte frida 433.
Fortunato de S. Boaventiira
341.
Fournier 331.
Foyos, Joaquim de 366.
Fradinho da Rainha s. Paulo
da Ciuz.
Frage- und Antwortspiele,
Portug. 265.
Fragoso, Matos 349. 466.
Francesch, Joan 1 1 7.
Franci , in Spanien 386
Anm. 2.
Francisco de Jesus 348.
Francisco Manoel do Nas-
cimento 340. 363 364 f.
Francisco de. Melga90 212.
l'^rancisco de Portugal 302.
334. 347. 350.
Francisco de Portugal, Graf
von Vimioso 273. 291.
Francisco de Rioja 127. 450.
Francisco Sanches 343.
Francisco de la Torre 451.
453.
Francisquillo 270.
Franselm 108.
Franz der Bekenner, Lehen
des h. — , Katal. Übers. 91.
Französisch, Einwirkung der
frz. Poesie auf die katal.
77. 78. Französischer Ein-
fluss auf Portugal l70.
198. 283. 354. 358. Ein-
fluss der französ. Litt, auf
diespan. 386 ff. 400. 401.
403. 404. 406. 415 ff.
434. 438 ff. 440. 442.
457. 463.
Frauenlieder, Port. 180. 192.
Freire, Francisco Jose 358.
Freuden der Maria , Prov.
Gedichte 46. Prov. Prosa-
tractat 64.
Friedrich II. 415.
Friedrich von Sicilien, König
112.
Froissart 230.
Frontinus 434.
Froyam, Estevam 189.
Froyani Fernani 189.
Fructuoso, Gaspar 340.
Fuente de Aganippe 165.
169. 350.
Fuentes, Alonso de 454.
Fuero v. Arguedas 388.
Fuero de Aviles 387.
Fuero de Castrotorafe 887.
Fuero de Oviedo 388.
Fuero von Zurita 388.
Fuero juzgo 407.
Fuero Real 409.
Fuertes, Soriano 166.
Furtado de Mendoza, Diego
s. Mendoza.
Fuseiro, Barreto 347.
Fuster, Justo Pastor 71.
G.
Gabriel, el Müsico 270.
Gabriel Tellez s. Tirso de
Molina.
Galaaz, Livro de — 213.
Galba, Johan de 124.
Galceran de Santmenat 95.
Galien Correger 112.
Galindez de Carvajal 436.
Galisteu Fernandes 189. 191.
Gallegos, Manoel de 348.
Gallizisch 134. 135. 143.
182. 202. 203. 223. 235
241.
Galo, Martini 191.
Galvan 213.
Galväo, Antonio 338.
Galvao, Duarte 256 258
Galvao, Francisco 330.
Galvez de Montalvo , Luis
449. 459.
Gama. Duarte da 271.
Gama. Joanna da 303. 343.
Gama, Jose Basilio da 365.
Gama, Vasco da 139. 318.
339.
(jamez, Gutierre Diaz 436.
Gandavo, Pedio de Magal-
haes 324. 333. 339.
Gar^ao, Pedro Antonio Cor-
rea 358. 361 f.
Garcia, Estoria dell romanz
dell inffant — 395.
Garcia, Diego 157.
Garcia, Fernam 176. 181.
187. 191. 198.
Garcia, Gomes 188. 189.
191.
Garcia, Gon9alo 176. 188.
Garcia, Joani — de Guil-
hade 189. 191. 213. 419.
Garcia, Joam , soljrinho de
Nun' Eannes 189.
Garcia, Pero 190. 191.
Garcia, Pero (Burgales) 152.
190. 191. 201.
Garcia, Simao 307.
Garcia, Vicens 82.
Garcia d.- Eugui 437.
Garcia Martins 189.
Garcia de Mascarenhas, Braz
348.
Garcia Mendes, de Eixo 176.
181. 189. 191.
Garcia Peres 189.
Garcia de Sta. Maria, Alvar
421 Anm. 2. 422 Anm. 2.
436 Anm. 1. 435. 437.
Garcia Soares, irmao de
Martim Soares 189.
Gaici Fernandez. de Gerena
241. 426.
Garci-Ordonez de Montalvo
216. 217. 223. 353. 440.
441. 442. 456. 459.
(iarci-Sanchez de Badajoz s.
Badajoz.
Garcilaso de la Vega 80.
136 297. 422. 449. 450.
453.
Gardacors, Lo — de Nostra
Dona Santa Maria 41.
Garin der Braune 51.
(jarrett s. Almeida- Gariett.
Garrido de Villena 456. 457.
Gaspar da Cruz 339.
CJato , Juan Alvarez 424.
430.
Gaucelm Faidit 18. 29.
Gaudairenca v. Miraval 19.
Gausbert Amiel 29.
Gausbert v Puegsibot 28.30.
Gautier von Chätillon 403.
Gautier de Coinci 89. 416.
Gavaudan der .\lte 172. 174.
Gaw de Mcndon^a, Agostin-
hö de 340.
Gay saber, Konsistorium des
— in Toulouse 36. — -
in Barcelona 76 r 81. 125 f.
s. auch Gaya ciencia.
Gaya, Joam de 187. 189.
190. 191.
Gaya ciencia 67. 77. 78. 80.
127. 143. s. auch Gay
saber.
Gayferosromanze 433.
Gayter del Llobregat s.
Rubiö y Ors.
Gazetas 354.
Register.
479
Gebete, Prov. 35.
Geihel 278.
Geistliche Lyrik. Prov. 34 ff.
Geistliche Prosa, Prov. 59 ff.
Geistlichkeit . üire domi-
nierende Stellung in der
span. Litteratur 383.
Gelegeilheitsdichtung , Span.
428.
Geniara 409.
Genealogia de los Reyes de
Portugal con sus elogios
341.
Genealooie der Grafen v.
Toulouse. Prov. 66.
Genealogien der Häuser von
Kastilien. Navarra, Frank-
reich u. des Cid 407.
Genebreda , Antoni de l(i4.
Genesi de scriptura, Katal. 88.
Geographia antiga da Lusi-
tnnia 841.
Georg, der hl., in der katal.
Litt. 85. 92. ~ in der
prov. Litt. 40.
Geiena, Garci Fernandez de
241. 426.
Geionimo de San Pedro 459,
Gerson 91. 96.
Geschiciitsschreibung, Neu-
belebung der latein. —
386.
Ge-chichtsschreibung , Span.
3S6 409. 410. 411. 415 ff.
417. 41S. 434. 435 ff.
458. G. in kalal. Sprache
1 14 ff. — in prov. Sprache
37 ff. 65. 66. Port. 2l0.
254 ff 337 ff 352. 366.
369. 373. /
Geschmack , Gezierter — s.
Kulteranismus.
Gesetzbücher, Katal. 102.
Span 387. 388. 407. 409.
417.
Gesta de nialdizer 193.
Giardino delia Consolazione
212.
Gil, ]eröninio 90.
Gil d'e Alhornoz 230. 420.
Gil de Colonna s. Aegidius.
Gil Lobo 254.
Gil Peres, Conde 189. 191.
Gil Peres (Kapellan) 211.
Gil Polo 336. 4.52. 459.
Gil Sanches 175. 176. 188.
189. 191.
Gil de Soverosa, Martini 176.
Gil Vicente 144. 148. 149.
151. 153. 157. 164. 267.
280 ff. 297. 300. 302. 308.
463.
Gilbert, Pere 111.
Giovio, Paolo 296.
Giraldes, Affonso 203. 204
205. 206.
Girart de Rossillon 3 ff. 84.
Giraut de Bornelh 18. 19 f.
20. 22. 23. 25. 30. 174.
176.
Giraut d'Espanha 176.
Giraut Riquier s. Guiraut
Riquier.
Giron de Rebolledo 457.
Giu.stiniano 283.
Gleichnis vonn verlorenen
Sohn, Prov. Cbers. 61.
Glosa, in der span. Litt. 428.
glosadors 81.
Glosas , in der port. Litt.
271. 276. 277. 289.
Gnophoso, El Crotalon de
Christophoro — 461 Anna.
2. 464.
Gobi, Johann 122. 123.
Godinho, Padre Manoel 347.
Godoy, Carta burlesca de
— 444.
Goes. Damiäo de 256. 268.
283. 303. 33S. 340.
Goe.sto-Ansures 231. S. auch
Figueiredo-Ronianze
goigs 76. 83.
Goldoni 363.
Golparro 189.
Gonies, Alvaro — , de Sarriä
189.
Goines, Antonio Henriquez
349.
Gonies, Joao Bapti.sta 363.
Gonies, Ruv (o Freire) 190.
Gonies de Aniorim 376.
Gonies d'Andrade 305. 364.
Gonies de Azevedo 316.
Gomes Barrosn , Pero s.
Goniez Barroso.
Gomes de Briteiros, Mendo
194.
Gonies de Briteiros, Rui
188. 190.
Gomes de Brito, B'-rnardo
339.
Gomes Carneiro, Diogo 352.
Gonies Eannes de Zurara s.
Zurara.
Gomes Garcia. de Valla-
dolid 188. 189. 191.
Gomes da Gra, Ruy 305.
Gonies da 11ha, Joani 271.
Gomes de Trastamar, Rod-
rigo 176.
Gomez, Alvar 428 Anm. l.
Gomez, Enriquez 453.
Gomez, Pero 404.
Gomez de Albornoz, Pero
445.
Gomez Barroso, Pero (v.
Sevilla) 445.
Gomez I3arroso, Pero (v,
To'edo) 190. 191. 193.
411. 412.
Gomez de Luque 457.
Gomez Manrique s. Manri-
que, Gomez.
Göniez Nieva, J. Perez 152.
235. 423.
Gomez de Tapia 456.
Gomez de Toledo, Gaspar
460.
Gon^aieannes do Vinhal 189.
191.
Gonqalo Doniingues 254.
Gonqalo Eannes Bandarra
302 f.
Gon^alo Fernandes Trancoso
~ 336.
Gongalo Garcia 176. 1~8.
Gon^alves, Fernani — , de
Seabra (SanabriaJ 168. 189.
Gonqalves, Pero — dePorto-
carreiro 190.
Goncalves, Reiinon(do) 190.
Gonqalves, Rui 191.
Göngora y Argote, Luis de
270. 344. 452. 453. 455.
456.
Gongorismus 448. 451. 453.
Gonzaga, Thomas Antonio
362 3B5.
Gonzales, Nicolas 438.
Gonzalez , Vida de Esteva-
nilio — 461.
Gonzalez de Ca.stro, Affonso
237.
Gonzalez de Lucena 434.
Gonzalez de Mendoza, Pero
136. 149. 186. 237. 241.
426.
Gonzalo de Cordova 100.
455.
Gonzalo Sanciiez de Uceda
107.
Goidon 44.
Gottfried von Viterbo 410.
Gouveia, Antonio de 332.
343.
Gower 223. 242.
Goyos, Manoel de 27 L
Graal s. Gralsage.
Gracian, Baltasar 458.
Gracioso , Sp. Komödien-
Figur 285. 466.
Graf von Barcellos s. Pedro
Affonso.
Graindor de Douai 415.
Gralsage in Spanien 438.
439. 440. Graal im Port.
213 ff
Granada, Luis de 458.
Granada-Antequera , Schule
von — 450. 451.
Gran conquista de Ultramar,
La — s. Aifonso X. u.
Sancho IV
Greai, Santo — s. Gralsage.
Gregor der Grosse , Katal.
Übers. der Moral ia in
Job 89. Katal. Übers.
48o
Register.
der Dial. 90. Katal. Übers.
fier Hoiuiliae in Evang.
93. Port. Ül)ers. der
Dial. 212. Span. Übers.
43.0.
Gregor von Tours 383.
Gregorio Affonso s. Affonso,
Gregorio.
Grijö, Martini de 152. 190.
Griseldis in Portugal 386.
Griselidis, Katal. 125.
Guajardo Fajardo 422 Anm. 2.
Gual 457.
Gualter Antunes 166.
Guarda, Estevam de 188.
189. 191. 213.
Guarinos , Romanze vom
Grafen — 392.
Guevara, Antonio 458.
Guevara, Luis Velez de 425
Anm 2. 430 462. 465.
Guevara, Pero Velez de 241.
Gui de Chauliac 112.
Gui de Roie , Prov. Übers.
des Doctrinal 61.
Gui V. Ui.ssel 18 28.
Guia, La vera — dels con-
fe.ssors y dels confitents
impres en lleti-a lemosina
en Barcelona 95.
Guido de Columna 115. 408.
438 Anm. 5.
Guido Guinicelli 229. 253.
Guilhade , Joam Garcia de
— s. Garcia.
Guilielme, Estoria del rey
— 416.
Guilheni, Arnaut — v. Marsan
51.
Guillem Adeniar 18. 20. 173.
174.
Guilhem Anelier 38 f.
Guilhcm v. Autpol 35.
Guillem de Bergadan 79.
174.
Guilhem v. Cerveira 53. 109.
Guillaume de Conches, Katal.
Übers. 104.
Guiliielme de Machado s.
Machault 236.
Guiihelm Magret 20.
Guilhem Mulinier 36. 67.
125 f.
Guillem de Montagnagut 173.
Guiihelm IX. v. Poitiers 85.
Guillem de Saint-Didier 173.
Guilhem de S. Leidier 17.
Guilhem de la Tor 29.
Guillem de Torrella 81.
Guilhem v. Tudela 38,
Guillen, Felipe 267.
Guinicelli, Guido 229. 258.
Guiral 457.
Guiraudo lo Ros 28.
Guirautde Bornelh 174. 176.
Guiraut de Cabreira 5. 44.
Guiraut de Calanso 48. 44.
174.
Guiraut de l'Olivier 58.
Guiraut Riquier 26. 27 f.
36 43. 49 f. 170. 178.
178. 194.
Guterres, Pero 190. 196 f.
Guzman, Fernan Perez de
229. 272. 422. 425. 428.
429. 434. 436. 437. 438.
445.
Guzman de Aifarache 461.
Guzmäo, Alexandre de 351.
358.
H.
Hadrian 383.
Halbcanzone 22.
Handschriften, Katal 73 ff.
Handschriften der Cancio-
neros in der Pariser Natio-
nalbibliothek, beschrieben
von Morel-Fatio 423.
Handschriften der Escorial-
Bibliothek 74. 434.
Handschriftliche Verbreitung
portug. Werke 804.
Hannibal 212.
Haro, Conde de 270.
Haitzenbusch 456.
Heiligenleben , Prov. 39 ff.
62 f. Katal. 90 ff Span.
885. 457. Por'. 207. 212.
Heiliger Geist, Prov. Gedicht
Oiier den — 52.
Heiliges Land , Lat. Ge-
schichte des h. L ins
Span, übers 417.
Heinrich der Seefahrer, Prinz
V. Poitugal 248 f. 301.
Heldengedichte , Geschicht-
liche — in Spanien 456.
Hencra 448.
Hendecasilabo in der span.
Litt. 424. 425. 428. 449.
Hendekasyllahus in Portugal i
297.
Henrique, Port. Infant 248 f.
301.
Henrique IV. 480.
Henrique fi d'Oliva 223. 439.
Henriqueida 357.
Henriques, Affonso 231.
Henriquez Gomez, Antonio
349.
Heptameron 286.
Herbarien, Katal. 118.
Herberay, d' — 217. 423.
Herculano, Alexandre — de |
Carvalho e Araujo 133. I
138. 162. 208. 246. 369.
372 ff. 376. ,
Heredia, Fernandez de 411.
484.
Heredia, Juan Fernandez de
423.
Hermenegildo de Payopelle
211. 212.
Hermenegildo de Tancos212.
Hermigius s. Cayado, Hen-
rique.
Hermiguez,Gonqalol62. l63.
Hernandez, Alonso 455.
Heinandez de Velasco 456.
Herrera, Fernando de 80. 316.
449. 450. 451. 452. 453.
Herrera, Ptrez de422 Anm. 2.
Hidalgo, Gaspar Lucas 462.
Hieronymo de Ramos 259.
Hieronynus, Katal. Übers,
der Epist. ad Eustochium
90. 104. H. in der span.
Litt. 435.
Higuera 161.
Hilario da Lourinha 211.
Hircania, Felix Matte de 459.
Hirtennovellen, Poitug. 351.
Hirtenroman, Portug. 351.
Hirten- u. Passionsspiel (Re-
presentacionesj in Spanien
401. 462. 468.
Hispanismen in portug. Ro-
manzen 156.
Historia Compostellana, ihre
Veifasser 386.
Historia da arvore triste
386.
Historia da Provincia de
Santa Cruz 339.
HLstoria de Carlomagno 83.").
Historia de Espana s. Al-
fonso X., el Sabio.
Historia de la filla del rey
de Hungria 123.
Historia de Lancelote, Leo-
nel e Galvan 215.
Historia del rey Vespasiano
214. 215 Anm. 4. 439
Anm. 1.
Historia de S. Domingos
352.
Historia de sant Latzer 91.
Historia de descobrimento^
da India 838.
Historia do famoso cerca
que o Xarife pos ä foita-
leza de Mazagao 340.
Historia do Infante D. Pedro
247.
Historia dos trabalhos da
sem-ventura Leo 336.
Historia gothica 407.
Historia Pauli descendentis
ad inferos, Prov. 83.
Historia regum Brittaniae
213.
Historia tragico - maritima
339.
Historia Troyana, Port. 212.
Hita, Gines Perez de 431
Anm. 6. 462.
Register.
481
Hita. Juan Ruiz, Archipreste
de — . 180. 229. 272.
275. 385. 389. 390. 392.
400. 405. 406. 407.
414. 416. 420. 421. 422.
424. 425. 427. 433 Anm. 1.
438. 441. 446. 447. 460.
Höfische Dichtung, in Spa-
nien 421 ff.
Hohelied, Das, Prov. Übers.
61.
Hojeda, Diego de 457.
Hollanda, Francisco de 343.
Hörnern, Francisco 271.
Homem, Pedro 271.
Homer 434. 435. 444.
Honorat, Leben des hl., im
Kat. 91. — in prov. Sprache
40. 62.
Honorius v. Augustodunum
41. 61. 111. 415.
Horatius, in Spanien nach-
geahmt 429. 449. 451.
Horosco, Alfonso de 445
Anm. 2.
Horozco, Sebastian de 425
Anm. 3. 450.
Horozco y Covarrubias, Seb.
de 450 Anm. 1.
Hospital das Lettras 346.
Hoveden, Johannes de 414.
Hoch de Lupiä 103.
Huerta, Geron. de 457.
Hugo, Verfasser der Historia
Compostellana 386.
Hugo de Bariols 97.
Hugo V. Pena 18.
Hugo V. Saint - Cher. Katal.
Übers, des Spec. eccl. 98.
Hugo von St. Cirt; 66.
Hugo V. S. Victor, Kat.
Übers, des Soliloquium 96.
Hugolin V. Forcalquier 19.
Humanismus, Einfluss des
- aufdiespan. Litt. 434.
456.
Humanistenkomoedie, Latei-
nische 460.
Hunein ben Ischak 412.
Hurtado de Mendoza, Diego
80. 450. 456. 458. 461.
462.
Hurtado de Mendoza, Juan
457.
Hurtado de la Vera 460.
Hyginus 383.
Hynmus, Prov. 35.
Hyssope 358. 362.
I. J.
Jacme de Majorque 104,
Jacme March 126.
Jacme Mascaro 66.
Jaco, Waldens. Physiologus
68.
Gröber, Grundriss. IIb.
Jacobus, Liber Jacobi 386.
387.
Jacobus, Ludus Sanofi Jacobi
5f>.
Jacob von Aragon , Bischof
von Valencia 96.
Jakob 1. V. Aragon 86. 107.
118. 119. 120.
Jacob II. von Aragon 99.
107. 112. 120.
Jacob von Cessoles, Katal.
Übers. 105.
Jacob der Eroberer, König
71. 118.
Jacob von Mora 67.
Jacob, Graf v. Urgel, Chro-
nik 120 f.
Jacobus de Voragine, Katal.
Obers. 91. 101. Prov.
Übers. 61.
Jacob Xalabin 116.
Jacques de Longuyon 404.
Jacques v. Vitry 68.
jäcras 154.
jäcras das segadas 154.
Jafuda 107 f.
Jagdbücher. Port. 207. 242.
2.)1. 290.343. Span. 417.
418. 444.
Jagdvögel, Prov. Gedicht des
Daude de Pradas 42.
Jaime, Infant von Portugal
und Kardinal 230. 263.
Janguas, Lopez de 422 Anm.2.
Jardinet d'orats 80. 121.
Jardo, Domingos Annes 178.
Jaufre, Roman de 8 f. 439.
Jaufre Rudel von Blaia
17. 20. 23. 24. 28.
Jäuregui 451.
Jean de Meun 246.
Jean de Notredame 69.
Jeronymo de Bahia 351.
Jerönimo de Cancer 453.
Jeronymo de Mendon^a 340.
Jerusalem, Zerstörung J.'s,
Prov. 47. 63. Katal. 88.
Port. 214. Chanson de J.
Graindor's de Douai 415.
Ignacio de S. Caetano 364.
Jimeno Vicente 71.
Ildefonso, Vida de S. — 404.
Ilizabeth, Livro da Rainha
Dona 211.
Imitatio Christi, Kat. Übers.
97.
Imperial 427. 428.
Ines de Castro 135. 231. 363.
268. 274. 312. 319. 233.
Infanten von Lara, Kasti-
lische Geschlechtersage von
den Sieben — 394. 395.
398. 433.
Inigo Lopez 149 Anm. 5.
237 Anm. 1.
— S. auch Santillana, Inigo
Lopez de Mendoza, Mar-
ques de — .
Inigo Lopez de Mendoza,
Marques de Santillana s.
Santillana.
Inigo de Mendoza 423. 430.
457.
Innocenz III., Papst , La
exposiciö dels VII psalms
penitencials , Katal. Über-
setzung 89.
Institutio Sebastian! 332.
Insulana 348.
Joam , morador em Leoai
186. 189. 191.
Joam, Abbade Dom 206.
Joam Aires 189. 191. 196.
Joam Alvares 258. 259.
Joam Baveca 189. 191.
Joam de Cangas 189.
Joam Eannes 191.
Joam Fernandes , de Arde-
leiro 189. 191.
Joam (Garcia) de Guilhade
189. 191. 213.
Joam Garcia, sobrinho de
Nun' Eannes 189.
Joam de Gaya 187. 189,
190. 191
Joam Lobeira s. Lobeira,
Joäo.
Joam Lopes, de Ulhoa 189.
Joarn Martins 177. 187.
190. 191.
Joam Mendes, de Besteiros
189.
Joam Mendes de Sousa 176.
Joam Nunes Camanes 189.
Joam (Peres) de Aboim 189.
Joam de Requeixo 189.
Joam Romeu, de Lugo 189.
Joam Servando 189.
Joam Soares 187. 190.
Joam Soares Coelho 189.
191. 199. •
Joam Soares, de Pavia 168.
187. 189.
Joam Soares Somesso 176.
189, 191.
Joam Vasques 189. 191,
Joam Vasques, de Talaveira
189.
Joam Velaz 190.
Joam Velho, de Pedrogaes
178. 189.
Joam Zorro 152. 189.
Joan, En Bernat 104.
Joao I., König von Portugal
90. 210. 242. 250. 251.
268. 381.
Joao IV., König von Portu-
gal 349.
Joäo d'Aboim 172. 178.
188. 191.
Joao Affonso (de Baena)
235. 240 f. 283.
31
Register.
Joao da Cruz 347.
Joao de Deus (Nogueira
Ramos) 377. 378. 381.
Joao de Lucena 353.
Joao Martins 177. 187. 190.
191.
Joao das Regras 210. 253.
Joao dos Santos 340.
Joao Verba 245.
Joca monachorum 65.
Joe partit 25.
Jochs Florais v. Barcelona
72. 76. 84. 128.
Jofre de Foixä 126.
Jojrlar 14. 15 ff. Joglar in
Spanien 390.
Joglar de Maylorcha (Gerö-
ninio Rossellö) 84.
joglaresas 385. 390.
jograr remedador 280.
jograres 390.
Joliam Xiia 254.
Johan Romeu 89
Johann XXL, Papst 112. 199.
207.
Johann I. von Aragon 104.
109. 111. 114. 120. 122.
Johann II. von Aragon 110.
Johann I., König von Frank-
reich 114.
Johann Gobi, Katal. Übers.
122 f.
Johann I. von Portugal s.
Joäo I.
Johann v. S. Geminiano 250.
Jolianna von Aragon 121.
Johannes, Drama von Teive
332.
Johannes, Priester 68.
Johannes de Hoveden 414.
Johannes Nostradamus 69.
Joliannes v. Wales, Kat.
Übers. 95 f. 99. 108.
Johannes- Evangelium, Prov.
Üb^s 60. 61.
lonio Duriense 370.
Jordi, Mossen 76. 79.
Jornada (— Akt) 463.
Jose, Poema de — 421.
446.
Josef v. Arimathia 214. 215.
439.
Josephus, Kat. Übers. 115.
Irland, Geographie von — ,
Prov. 68.
Isaac de religione , Kat.
Ül)ers. 93.
lsabel, Santa 211. 262. 332.
Isabel Freyre 297.
Isabel de Viilena 89.
Isahella von Kastilien 420.
423. 424. 428. 429. 430.
437. 442. 444. 447.
Isabella von Portugal, Herz.
V. Burgund 230. 253.
Iseu 438.
Isidor 383. 384. 385. 403.
435.
Isla 459.
Isla Avalon 210.
Isolde 196.
Isopet 121.
Istoriade Jacob Xalabin 116.
Istoria de la filla del empe-
rador Contasti, La 123.
Italienisch, Nachahmung der
ital Litt, im Katal. 74.
78. 124. 125. Italienische
Einflüsse in Portugal 143.
229. 230. 234. 249. 250.
251. 253. 271. 279. 283.
286. 287. 288. 293. 296.
297. 299 305 310. 329.
336. 343. 349. 352. 363.
— Ital. Einflüsse in Spa-
nien 420. 424. 429. 442.
444. 447. 448. 449. 450.
454. 455. 457. 460. 362.
463. 464.
Italiener, Portugiesisch dich-
tende — 191. 199.
Italianismen im Altport. 181.
Itinerario da Tena Santa 339.
Itinerarium im Liber Jacobi
387.
Juan I. 426.
Juan II. 423. 424. 428. 430.
431. 434. 435. 437. 442.
443 444. 446.
Juan AIton.so 422 Anm. 4.
Juan de Arguijo 451.
Juan de la Gerda 426.
Juan de la Cruz 153. 347.
451. 453. 458.
Juan del Encina s. Encina,
Juan del.
Juan Garcia 419.
Juan Lorenzo , natural de
Astorga 403.
Juan de Lucena 443.
Juan Manuel s. Manuel, Juan.
Juan de Mena s. Mena,
Juan de.
Juan Rufo 456.
Juan Ruiz, Archipreste de
Hita s. Hita.
Juan Ruiz de Alarcon 465.
Juan de Salinas 451.
Juan de San Cristöval 443.
Juan de Segura 443.
Juan de Valladolid 422
Anm. 4.
Juano 190.
Judcä Negro 234. 380.
Judenspanisch 445. 446.
Juegos por escarnio 401.
Juglarpoesie 390. 399. 405.
424. "432.
Julian, Leben des Hospita-
liters — , Katal. 92.
Juristische Werke , Prov.
68. 69.
Juromenha, Visconde de 314.
325 f.
Jusep 189.
Justinianus, Laurentius 249-
Justinus, Kat. ubers. 115.
Justinus (Martyr) 413.
Juvencus 383.
Juyam Bolseiro 189.
Ivain 439 Anm. 9.
Izach, Rabbiner 94.
Izarn 50.
K.
Kabala 409.
Kalender, Provenz. 68.
Kalilah und Dinmah 106. 109.
Karl V. 447. 454. 456. 457.
458.
Karl der Grosse, in der port.
Litt. 335. — in der span.
Litt.391. 392.416. 439 456.
Katalanische Einflü.sse auf
die port. Lyrik 143 234.
Katalanische Litteratur 70
— 128.
Katharina v. Siena, Kat.
Übers. 96 f.
Kehrreim im Port. 150. 155.
196.
Kind, Das w^eise — , Prov.
65. Kat. 109.
Kinderniord, Bruchstück eines
prov. Dramas über den
bethleemitischen K. 54.
Kindheit Jesu, in d. prov.
Dichtung 40 f.
Kirchliche Prosa in Spanien
416. 417.
Kirchlicher Anteil am span.
Drama 464.
Klagelieder, Prov. 23.
Knu.st 107. 411, 412. 413.
Kochbücher, Katal. 1 13.
Kommentare der h. Bücher,
Katal. 89.
Kreuzholz Christi, im Piov.
47. 63
Kreuzlieder, Prov. 22. 23. 35.
Kulteranismus, in Portugal
344. — in Spanien 452.
453. 455.
Kunstdichtung, Katal. 77 ff.
Prov. 7 ff. 14 ff. Portugie-
sische 424. 426. Span.
384. 400 ff. 426. 448.
453 455 —458.
L.
Lacerda, Bernarda Ferreira
347. 348.
Lacerda . Fernando Correa
de 353.
Ladron, Luis 270.
Lafoes, Herzog von (Joäo
Carlos de Bragan9a Sousa
e Eigne) 355. 365.
Register.
483
Lafontaine 123.
Lais, im Provenz. 27.
— im Portug. lf)3.
Lais de Bretanha 198.
Lancjarote 210. 212. 213.
439. Vgl. Lanz.elot.
Lando, Manuel del 427.
Lanval-Iai 439 Anm. 9.
Lanzelot, in der port. Litt.
198 f. 210. 212. 213. 215.
In der span. Litt. 432 Anm.
6. 439. 440. 441. 442.
Lapidarius, Prov. 68
Lara, Kastil. Geschlechter-
Sage von den Sieben In-
fanten von — 394. 395.
398 433.
Larouco, Pero 190.
Lasa 111.
Lateiner iberischer Abkunft
383.
Lateinisch, Neubelebung der
lat. Geschichtsschreibung
3 "^6. Latinismus in Spa-
nien 452. 458. Nach-
ahmung der lat. Tragödie
in Spanien 464.
Latini, Brunetto, Kat. Obers,
der Ethik 102.
La Torre, Alfonso de 110.
Latro, Portius 383.
Laurel de Apolo 351.
Lauren^io, S. s. Berceo,
Gonzalvo de 402.
Laurent 61.
Lavana, J. B. 209.
Lazarillo de Tormes 448.
-161. 462.
Lazarus , Historia de sant
Latzer 91. s
Leal, Mendes 375. 376.
Leal Conselheiro 243.
Leandro el Bei 459.
Leäo, Duarte Nunes de 168.
186. 220. 333. 341.
Leao, Gaspar de 343.
Leqon, La Noble — 52.
Ledesma, Alonso de 451.
455.
Legenda aurea s. Jacobus de
Voragine.
Legenden, Prov. 39 ff. 62 f.
Span. 416. 445.
Lehnworte, Germanische —
im Spanischen 384.
— Französische — im Spani-
schen 386.
Leib und Seele, Streit zw^i-
schen - s. unter Streit.
Leitäo, Joao Lopes 329. 344.
Leite de Vasconcellos 153.
leixa-pren 147. 168. 196.
235. 289.
Lemos, Luis de 344.
Lemos, Pero de 305.
Lena, Pere 111.
Lenda de Gaya 209.
Lendas da India 338.
Leon, Luis Ponce de 347.
451. 453. 458.
Leonardo de Argensola s.
Argensola.
Leonoreta 221. 235. 441.
Lepolemo 459.
Lereno Selinuntino 365.
Leriano v Laureola 286.
Letrilla 428.
Lettres d'une religieuse por-
tugaise 353. 354.
Lex Wisigothorum 384. 385.
407.
Leys d'amors. Las 36. 45.
67. 78.80. 125 f. s. auch:
Molinier, Guilhem.
Liaüo, Lope de 392.
Liber Jacobi 386. 387.
Libre de Apollonio 403.404.
Libre de Catö , Katal., s.
Disticha Catonis 108.
Libre de consolat tractant
del fets maritims 102.
Libre de Ester la reyna, Lo
— 60.
Libre de la saviesa 107.
Libre de l'estoria e de la
vida de Tobias, Lo — 60.
Libre dels feyts esdevenguts
en la vida del rey En
Jacme lo Conqueridor
118 f.
Libre dels yssamples 65.
Libre del tres reys d' Orient
401 404 Anm. 2.
Libre de Seneca 48.
Libre de Susanna, Lo — 60.
Libro das Confissoes 212.
Libro de Cetreria que fizo
Evangelista 444.
Libro de Josep ab .Arimatia
439.
Libro de la Monteria 417.
Libro de las consolaciones
445.
Libro de los buenos prover-
bios 412. 413. 415.
Libro de los enganos e los
assayamientos de las mu-
geres 413
Libro del Paso honroso 436.
Libros de cavalleria ä lo
divino 459.
Liebesbriefe, Prov. 28.
Liebesnarrheit der Portu-
giesen 287.
Liedersammlungen, Span.
422 ff.
Lily 344.
Lima, Alexandre Antonio de
357. 361.
Lima, Fernando de 300.
Lifian de Riaza, Pedro 452.
Linares 454.
! Linhaure 25.
I Lipsius, Justus 346.
1 Lira 449.
j Lisardo 290.
I Lissabon , Loblied auf —
164. 247.
Lisuarte von Griechenland
333. 459.
Litaneien, Prov. 35.
Litteratura de cordel 234.
356. 363.
Liturgische Gedichte, Prov.
39 ff.
Livius, in der katal. Litt.
114. In der span. Litt.
434 435. 458.
Livio da destruicjäo de Je-
rusalem 214.
Livro da Ensynan^a de bem
cavalgar 244.
Livro da Noa de S. Cruz
211.
Livro da Rainha Dona Iliza-
beth 211.
Livro da Velhice de Tulio
246.
Livro da vktuosa bemfei-
toria 245.
Livro das Cantigas do Conde
de Barcellos 2ü0.
Livro das Trovas 303.
Livro das Trovas del Rey
244. 247.
Livro de Cetreria 207. 251.
Livro de Galaaz 213.
Livro de Horas de D. Duarte
242.
Livrn de Joseph Abarima-
thia intitulado a Primeira
Parte do Santo Grial 215.
Livro de Monteria 207. 242.
Livro de Salamao 207.
Livro de Tristan 213.
Livro de las Querellas 184.
Livro del Tesoro 164. 184.
Livro do Conde 209.
Livro dos Martires 207.
Livro dos Padres Santos
207.
Livro velho 208. 209.
livros de linhagem 208. 393.
Lizana, Pedro Maza de 114.
Llabres y Quintana 87
Llibre de les floretes e d'amo-
retes 97.
Llibre de tres 108 f.
Lobato, Balthasar Gonqalves
335.
Lobato, Pedro Annes 246.
Lobeira, Joao 189. 191. 22 L
222. 226. 441.
Lobeira, Martim 221.
Lobeira, Vasco 164. 165.
217. 218 ff. 441.
Lobo, Francisco Alexandre
314. 352. 353.
31*
484
Register.
Lobo, Francisco Rodrigues
157. 306. 324 f. 330. 332.
336. 347. 348. 350. 351.
Lobo, Gil^254.
Lobo-Serrao 332.
Lobo Soropita, Fernam Rod-
rigues 303. 310. 325. 330.
344.
Longuyon, Jacques de 404.
Lope de Barrientos 443.
444.
Lope de Liafio 392.
Lope Lias od. Dias (de
Haro) 189.
Lope de Portocarreyro 241.
Lope de Rueda 464.
Lope de Vega s. Vega,
Lope de.
Lopes, Affonso 287.
Lopes, Affonso — . de Baiarn
188. 189. 191. 194. 198,
Lopes, Anriqiie 308.
Lopes, Estevam 325.
Lopes, Fernam 118. 210.
218. 219. 220. 234. 238.
254. 255 f. 258.
Lopes, Jeronimo 258. 259.
Lopes , Joaiii — , de Ulhoa
189.
Lopes de Mendon^a 354.
Lopez, Antonio 157.
Lopez, Francisco 348.
Lopez, Francisco, Romanzen-
dichter 157.
Lopez, Ifiigo 149 Anm. 5-
237 Anm. 1.
Lopez de Bayain 391.
Lopez de Janguas 422 Anm. 2.
Lopez de Mendoza, Ifiigo — ,
Marques de Santillana s.
Santillana.
Lopez Pinciano 425 Anm. 3.
Lopez de Ubeda 461.
Lopez de Vicuna 452 Anm.
10.
Lopez de Zärate 457.
Lopis, Pere 115.
Lopo, jograr 189.
Lopo de Almeida 254.
Lorenz , Bruder (Somme le
Roi) 61. 94. 95. 97.
Lorenzo, Juan — . natural
de Astorga 403.
Lor-enzo de Medici 283.
Lorris, G. de 241.
Lourenqo, jograr 189.
Lourenqo, Pero 190.
Lousada 161. 168. 208.
Loyola, Ignatius von 447.
Lucanor, Conde 229. 385.
412. 414. 419. s. auch
Manuel, Juan.
Lucanus 429. 434.
Lucas, Prov. Übers. 61.
Lucas de Iranzo, Crönica del
Condestable — 436.
Lucas Tudensis 391. 410.
415.
Lucena, Affonso de 253.
Lucena, Fernam Vasquez de
253.
Lucena, Gonzalez de 434.
Lucena, Joao de 353.
Lucena, Joao Rodrigues de
253. 273. 274.
Lucena, Juan de 443.
Lucena, Juan Ramirez de —
253.
Lucena, Vasco de 253.
Lucena, Vasco Fernandes de
246. 252 f. 255.
Lucena, Vasco Martins de
253.
Lucian 4til Anm. 2.
Lucidaii en cathalä 110.
Lucidario, Span. 415.
Lucidarius s. Elucidarius.
Ludolf V. Sachsen, Katal.
Übers. 89 99. Port. Übers.
244. 251.
Ludus Sancti Jacobi 56.
Ludwig, Bischof von Tou-
louse , Leben des h — ,
Katal. Übers. 91.
Lujan, Pedro de 459.
Luis, Port. Infant 301. 326.
Luis, Francisco 307.
Luis, Nicolau 363.
Luis de Granada 458.
Luis Ponce de Leon 347.
451. 453. 458.
Lull, Raimund 75. 76. 81.
105 ff. 113. 251. 418.
Lumiares , Abril Peres de
175 f. 188. 189. 191.
Luna, de 461.
Luna (Benedikt XIII.), Papst
94. 98. 445
Luna, Alvaro de 428. 429.
436. 443.
Lunel V. Monteg (Moncog)
51.
Lupia, Huch de 103.
Luque, Gomez de 457.
Lusiadas 313. 321.
Lusitania 279.
Lusitania illustrata 351.
Lusitania transformada 336.
Lusitanos 279. 321.
Luxan de Sayavedra 461.
Lycidas Cinthio 363.
Lycore , Hirtendrama 362.
363.
Lyras de Gonzaga 365.
Lyrica 297.
Lyrik, Prov. 13 ff. Span.
448 ff. 452. 453.
M.
Macabeo 350.
Macariuslegende 445.
Macchiavelli 310.
Macedo, Jose Agostinho de
361. 366. 368.
Macer, Kat. Übers. 113.
Machado, Manoel 300.
Machado, Simao 349.
Machado de Azevedo, Ma-
noel 344.
Machauit 236.
macho e femea-Reime 195.
196. 235.
Macias 132. 143. 239 f. 271.
. 426.
Madrid, Katal. Hss. in der
Bibliot. Nac. zu M. 73. 74.
Madrid, Stehende Bühne da-
sei b.st 464.
Madrid, Span. Musiker 270.
283.
Madrigal , Alfonso de (El
Tostado) 443. 444, 445.
maestria de arte mayor e
menor 168. 235. 425. s.
auch Arte mayor.
Mafaldo, Pero 190
Magalhaes Gandavo , Pedro
de 324. 333. 339.
Magalona 335.
Magdalenenlegende , Span.
404.
Magret, Guilhem 20.
Mainet 392. 393. 415.
Mairegen, Fabel vom — 289.
Malacca Conquistada 332.
Malagrida 360.
Malara 464.
Maldiqoes 149.
Maldizer 193.
Maldonado 284. 454.
Malla, Phelip de 93.
Mallol, Lorenzo 79.
Malon de Chaide, Pedro 451.
458.
Manelli, Lucas 103.
Manga-ancha, Diego Affonso
228. 244. 253.
Manoel, loao 157. 239.
267. 271. 273. 274. 279.
Manoel de Gallegos 348.
Manoel de Portugal 136. 299.
300 f. 304. 305. 316. 320.
352.
Manoel de Santa Thereza 348.
Manoel dos Santos 353.
Manoel Thomas de Santa
Thereza 348.
Manriqne, Gomez 239. 380 f.
423. 424. 428. 429, 430.
444. 463.
Manrique, Jorge 268. 271.
429.
mansobre 168. 196.
mantenedores 279.
Mantua, Marques de 392.
Manuel, Ferrand 407.
Manuel, Juan 106. 202, 223.
385. 389, 390, 408. 409.
Register.
485
411. 412. 413. 414. 415.
416. 417. 418. 419. 420.
426. 427. 435. 438. 440.
Manuel del Lando 427.
Marbod v. Rennes 68.
Marca, Erzbischof 119.
Marcabrun 18. 20. 22. 23.
172. 174.
March, Auzias 71. 76. 77.
78. 79. 81. 82. 450.
March, Berenguer 89.
March, Jaciiie.74. 79. 126,
March, Pere 79.
Marche, Olivier de la 457.
Marco Polo, Port. 246.
Margaretha. Leben der h. — ,
Katal. Übers. 91. — in
prov. Sprache 40.
Marguerite v. Oyngt 62. 64.
Maria, Portug. Infantin 268.
Maria , Leben der h — ,
Katal. Übers. 91.
Maria , Freuden der — ,
Prov. 64.
Maria, Wunderthaten der
Jungfrau — , Prov. 63.
Maria, Santa s. Santa-Maria.
Maria, Gemahlin Alfons' V.
von Aragon 75. 87. 89.
90. 91. 93. 95. 96. 97.
100. 104. 108. 117.
Maria Egipciaca , Vida de
Sa. — 212. 401. 404 Anm.
2. 416.
Maria Magdalena, Leben der
— in prov. Sprache 40.
62. Prov. Predigt über
— 61. In der katal. Litt.
91. Leben der — in der
span. Litt. 416.^
Maria Parda 286. 302.
Maria v. Ventadorn 19.
Mariana 458.
Marie de France 439 Anm. 9.
Marienklage, Prov. 47.
Marienlieder Alfonso'sX. 388.
Marienwunder , Katalanisch.
90.
Marilia de Dyrceu 365.
Marin, Pedro 417.
Marina, Leben der h. — ,
■Katal. Übers. 91.
Marinho, Martini Annes 189.
190.
Marini 344. 345. 452.
Mariz, Pedro de 186. 314.
341.
Marot, Clement 335.
Marques, Ruy 191.
Marques de Mantua 302.
Marques de Santillana s. San-
tillana, Ifiigo Lopez de
Mendoza, Marques de San-
tillana.
Marreca. Oliveira 375.
Marsilio, Pedro 118 f.
Marta, Leben der — , Prov.
62. Span. 416.
Marti. Juan 461 Anm. 3.
Martial 383.
Martim, Alvites 173. 177.
191.
Martim Annes Marinho 189.
190.
Martim de Caldas 190.
Martim Campina 190.
Martim Codax 152. 190.
Martim Galo 191.
Martim Gil de Soverosa 176.
Martim de Grijo 152. 190.
Martim Moxa 190. 191.
Martim Pedrozellos 190.
Martim Peres 178.
Martim Peres (de) Alvim 1 90.
191.
Martim Soares 190.
Martin, Pedro 444.
Martin Alvelo 191.
Martin I. von Aragon 75. 95.
100. 102. 110. 111. 120.
126.
Martin de Bolea 457.
Martin von Braga 48.
Martin de Ibarra 117 Anm.
Martin v. Troppau , Katal.
Übers. 115.
Martinez 457.
Martinez, Alonso 460.
Martinez de Burgos 404. 423.
Martinez de Medina 428.
Martinez de la Plaza, Luis
452.
Martinez de Toledo, Alfonso
100. 437. 446. 460.
Martins, Garcia 189.
Martins, Joao 177. 187. 190.
191.
Martins, Pero 190.
Martins, Rui — do Casal
152.- 190.
Martins. Vasco 190.
Martins d'Oliveira, Ruy 190.
Martins de Resende, Vasco
190.
Martinus Polonus 435.
Martorell, Johanot 124. 223.
Mascarenhas, Andre da Silva
— 348.
Mascarenhas , Braz Garcia
de 348.
Mascarenhas, Leonor de 291.
Mascarenhas Netto , Jose
Diogo 368.
Mascaro, Jacme 66.
Mascaron, Katal. 88.
Masco, Mossen Domingo 110.
Mata, Gabriel de 457.
Matfre Erme:!gaud 43. 52.
104.
Mattheus Pisanus 250. 257.
380.
Mattos, Gregorio de 361.
Mattos, Joao Xavier de 364.
Mattos Fragoso 349. 466.
Mauren , Litterarische i*ro-
duktion der — 446.
Medina. Fr. de 451 Anm. 2.
Medina, Martinez de 428.
medio pie 425.
Medita^oes da Paixäo 250. '
Meditaqöes de S. Bernardo
212.
Medizinische Abhandlungen,
Katal. 112. 113. Mediz.
Werke in prov. Sprache
42. 68.
Medrano, Francisco de 451.
Mejia 458.
Meistergesang, Prov. 36.
Mello, Antonio Craesbeeck
de 325.
Mello , Diogo de Azambuja
e 303.
Mello, Francisco Manoel de
157. 299. 345 f. 349. 350.
353. 354. 380. 458.
Mello, Jose Maria de 364.
Mello, Jose Pedro de 368.
Mello - Breyner, Theresa de
363.
Mello Franco, Francisco de
357.
Melo, Manuel de s. Mello,
Francisco Manoel de.
Mem Paes 190.
Mem Rodrigues Tenoiro 190.
191. 201.
Mem Roiz de Briteiros 190.
Mem Vasques, de Folhe(n)te
190.
Memorias de um soldado da
India 342.
Mena, Juan de 80. 135. 229.
239. 247. 266. 270. 271.
273. 424. 425. 428. 429.
436 Anm. 1. 450. 455. "
Menaguerra, Pons de 1 14.
Mendes, Affonso — , de Bes-
teiros 189.
Mendes, Garcia — , de Eixo
176. 181. 189. 191.
Mendes, Joam — , de Bes-
teiros 189.
Mendes da Fonseca, Pero
190.
Mendes-Leal 375. 376.
Mendes Pinto, Fernam 339.
353.
Mendes de Portalegre, An-
tonio 271.
Mendes da Silva, Rodrigo
186.
Mendes de Sousa, Gongalo
175. 176.
Mendes de Sousa, Joam 176.
Mendes de Vasconcellos,
Diogo 332.
Mendinho 190.
486
Register.
Mendon(;a, Jeronymo de 340.
Mendoza. Diego de 254. 270.
MendOza, Diego Fuitado de
(t H05) 149. 151. 153.
186. 237. 242.
Mendoza, Diego Hurtado de
(t 1575) 80. 450. 456.
'458. 461. 462.
Mendoza, liiigo de 428. 430.
457.
Mendoza, Inigo Lopez de — ,
Marques de Santillana s.
Santillana.
Mendoza , Juan Hurtado de
457.
Mendoza, Pero Gonzalez de
136.149.186.237.241.426.
Menezes , Aires Teiles de
267. 272. 330.
Menezes, Aleixo de 342.
Menezes , Antonio Sä e —
300. 305.
Menezes, Fernando de 300.
Menezes, Francisco de Sä e
— , Port. Epiker 332. 348.
Menezes, Francisco de Sä e
— .Port. Lyriker 300 305.
Menezes , Francisco Xavier
de ~, Graf v. Ericeira
3.50. 357.
Menezes, Garcia de 279.
Menezes, Gonqalo de 176.
Menezes, Joao de 239. 267.
271.
Menezes, Joäo Rodrigues de
Sä e — 271. 273. 274.
279. 300.
Menezes, Jorge de 305.
Menezes, Luis de 305.
Menina e mo^a 293.
Menino, Pero 251 f.
Meogo, Pero 152. 190.
Mfraugis de Portlesguez 214.
Mercurios Portuguezes 354.
Meretrsso, Cintio 458.
Merlin 69. 198. 210. 213.
438. 439.
Mesa, Cristöval de 453. 456.
Mescua s. Amescua.
Metastasio 359. 363.
Metge, Bernat 81. 109 f.
122. 125. 455.
Metrik, Katalanische 77 f.
80 f. 84. Port. Reim 155.
Metrik der port. Trobador-
Poesie 195 f. Formen der
port. Pallastdichtung 275 ff.
Anfänge der span. M. 388.
389. 390. 428. Versarten
in der höfischen Dichtung
421. 424 ff. 428. Metrik
im span. Drama 464. Metrik
in der span. Kunstepik 455.
Metrik in der span. Lyrik
449. M. in der span. Ro-
manze 430 ff.
Meun, Jean de 246.
Michel de la Tor 66.
Mickle 314
Miguel de Silveira 350. 457.
Milä y Fontanais 72 f- 79.
85.
Milicia, Dos officios prin-
cipaes da M. 246. Tra-
tado da M. 246.
Millan, San s. Berceo, Gon-
zalvo de 394. 402.
Mingo Revulgo, Coplas de
— 430.
Minnedichtung, Charakter der
prov. — 28 ff.
Minnehöfe 17.
Mir, Nandreu 115.
Mira de Amescua 453. 465.
Miranda , Affonso de 343.
353.
Miranda, Francisco de Sä de
136. 143. 144. 147. 168.
186. 275. 280. 284. 291.
294. 296 ff. 306. 310 f.
342. 344. 364.
Miranda. Martini Affonso de
342.
Mirandistas 299. 303. 304.
328.
Miscellanea (von Garcia de
Resende) 266. 286. 300.
Miscellanea (Miguel Leitao
de Andrada) ' 300. 337.
343.
Mischna 409.
Misterio de los Reyes Magos
387. 388. 400.
Modinhas 365. 376.
Modus bene vivendi ad so-
rorem, Kat. Übers, v.
Antoni Canals 95.
Molina, Argote de 239. 418
Anm. 6.
Molina, Tirso de 270. 390.
462. 465. 466.
Molinier, Guilhem 36. 67.
125 f.
Mollä, Pere 103.
mömos 280. 463.
Monachus Silensis 391. 397
Anm. 6. 398.
Monarchia Lusitana 341.
Moncada 458.
Mönch von Montaudon 18.
19. 23. 25.
Moner 82.
Monfar, Diego de 120.
Monge de Foissan s. Jofre
de Foixä 126.
Moniz, Aires — , de Asma
189.
Moniz, Nuno Alvares Pereira
Pato 357.
Monstruosidades do tempo
e da fortuna 353.
Montalvan , Juan Perez de
456. 462. 465.
Montalvo, Garci-Ordonez de
216. 217. 223. 353. 440.
441. 442 456. 459.
Montalvo , Luis Galvez de
449. 459.
Monteiro. Manuel 358.
Monteiro Bandeira, Domin-
gos Pires 364
Monteniajor, Gaspar Guerai»
von 81. *
Montemayor, Jorge de 79.
136 144. 157. 294. 303 f.
307. 324. 331. 446. 452.
456. 459. 462.
Montemor, Jorge de s. Monte-
mayor, Jorge de 307. 324.
331.
Montenegro, Manoel Correa
323.
Montesino , Ambrosio 424.
} 430,
! Montoro, Antonio de 271..
i 422 Anm. 4. 430.
Moraes, Francisco de 144.
301. 334. 342. 459.
Moraes, Joäo Ayres 349.
Morales 458.
I Morales, Juan Baptista 295.
1 340.
i Moralidade 283. 285.
Moralisierende Erzählungen-
u. Abhandlungen, Prov.
I 44 ff. 48 ff. 64.
Moralitas sancti Eustacii
57 f.
Morallehren, Span. 413.
Morante de la Ventura 444.
mnr-dobre 195. 235.
Moreira de Carvalho, Jero-
nymo 335.
Moreto, Agustin 466.
Morgado de Matheus s. Sousa
Botelho.
Mo.schabir 411. 412. 413.
Moscoso, Rodrigo de 270>
moto grosado 277.
Moura, Francisco de 305.
Moura, Miguel de 340. 342.
Moura, Rolim de 271. 348.
Mousinho, Manoel d'Abreu
338.
Moxa, Martini 190. 191.
Mozaraber 384.
Muhamet Rabadan 446.
Muinheiras 153.
Mulet, P. Francesc 82.
Mummenschiinze 280. 463.
München , Katal. Hss. in M.
75.
Muiio 402.
Munon, Sancho 460.
Muntaner, Ramon 71. 76.
119. 120. 458.
Musa entretenida 348.
Register.
487
Musa jocosa 349.
Musikinstrumente. M. d. prov.
Tiobadors und Spielleute
16 f. M. bei den port.
.Trobadors 202. 276. 283.
Muwaschaha 385.
Mysterien , im Prov. 53 ff.
Im Katal. 85. Im Span.
400. 401.
Mysterium des Andreas, Prov.
58.
Mysterium des Antonius v.
Viennes, Prov. 56 f.
Mysterium vom hl. Georg,
Katal. 84. 92.
Mysterium des Petrus und
Paulus, Prov. 56.
Mysterium des Pontius 57.
N.
Naharro. Bartolome Torres
268. 285. 286. 425 Anm. 3.
449. 463. 464.
Nasciniento, Francisco Ma-
noel do 340. 363. 364 f.
Nat de Mons 49 f. 173.
Natercia 315. 328.
Nationale Stoffe auf der span.
Biihne 464.
Nau Catherineta, Port. Ro-
manze 158.
Naufragio de Sepulveda 331.
339.
Naufragios 339.
Navagiero 297. 449.
Navarrete 449 Anm. 1. 458.
Nebrija 127.
Negro s. Judä Negro.
Neves-Pereira, Arit. das 366.
Niceno 363.
Nicolas de Lire. Kat. Übers. 89.
Nicolau Vieyra 212.
Nieva, J. Perez Gömez 152.
235. 423.
Niüo , Crönica de Pero —
404. 436.
Nisceno Sutil, Nuno 349.
Nise lastimosa 312
Nise laureada 312.
Noa de S. Cruz. Livro da
— 211.
Nobiliario do Collegio dos
Nobres 209.
Nobiliario do Conde D.
Pedro 209.
Nobiliarios 209.
Nogueira, Vicente 253. 380.
Nogueira Ramos s. Joäo de
Deus.
Nonio 343.
Noronha, Antonio de 329.
Noronha, Thomas de 350.
Nostradamus, Johannes 69.
novas, im Port. 278. — im
Prov. 10. 12.
Novelle, Cento — in Por-
tugal 229. 271.
Novellen. Kat. 123. Prov. Uff.
Novellendichtung in Spanien
434. 442. 443. 448. 462.
Noves rimades 80. 81.
Novissimos do homem 332.
Nueve de la fama 333. 439.
Nunca 278.
Nun' Eannes, Cerzeo 190.
Nunes 190.
Nunes, Aires (Ayras)(cIerigo)
152. 166 188. 189. 191.
200
Nunes, Pedro 343.
Nunes Camanes. Joam 189.
Nunes de Leao. Duarte 168.
186. 220. 333 341.
Nufiez, Comendador Griego
Fernan 239.
Nufiez de Reinoso 294. 336.
Nuno Alvares Pereira 213.
258.
Nuno Fernandes 190.
Nuno Fernandes, Mirapeixe
190.
Nuno Fernandes. Torneol
152. 190.
Nuno Marques Pereira 352.
Nuno Nisceno Sutil 349.
Nuno Pereira 271.
Nuno Peres, Sandeu 190.
Nuno Porco 190.
Nuno Rodrigues, de Can-
darei 190.
Nuno Salido 395.
O.
obra estrampa 78.
Ocampo, Florian de 341.
Odo von Ceringtonia 414.
Odo de Gran.sson 236.
ügier de la Marchas 392.
oitavas de arte mayor 135
161. 164. 273. 286. 331.
oitavas de poesia 276.
Oitavas italianas 297.
oiteiros 356.
Oleza, Francesch de 127.
Olid, Juan de 436.
Oliva, Perez de 312. 458.
Oliveira, Fernam de 300.
333.
Oliveira, Franc. Xav. de 360.
Oliveira, Manoel d' 300.
Oliveira Marreca 375.
Oliveira Martins, Joaquim
Pedro 355.
Oliver, Bernat 97.
Olivier de la Marche 457.
Oller, Narcis 128.
Ona 456.
Onate, Conde de 270.
Onophrius, lieben des h. — ,
Katal. 91.
Operas do Judeu 359.
Oria, Sta. ^ s. Berceo, Gon-
zalvo de 402. 403.
Origines 61.
Orlando furiose 299. 455.
456.
Ornellas, Pero d' 190.
Orosius 383. 434 Anm. 2.
Orta, Garcia da 270. 324.
343.
Ortiz, Jose Mariano 110.
Orto do Sposo 212.
Osmia 363.
Osoir' Eannes 190.
Osorio. Jeronymo 340. 342.
Osterspiel , Fragment eines
span. O.'s 400.
Otas de Roira, cuento 416.
Otha 211.
Ottava rima 449. 455. 457.
Ourem. Conde de (Di:u"io
da Jornada) 254.
Ouroana, . Lied des Gonqalo
Hermiguez an — 162.163.
Ovid 121. 274. 405. 406.
434.
Oviedo , Fuero de — 388.
Pablo de Santa Maria 437.
Pacheco 451.
Pacheco Pereira, Duarte 381.
Padilia 454. 455.
Padilla, Juan de, el Cartu-
jano 430.
Padilla, Pedro de 331.
Padrom, Fernam 189.
Padron. Rodriguez del 253.
261. 271. 293. 426. 427.
428. 429. 432. 433. 442.
443.
Paes, Affonso — , de Braga
189.
Paes, Aires 189. 191.
Paes, Alvaro 193. 199.
Paes, Fernam — , de Ta-
malancos 189. 191.
Paes, Joao 268.
Paes, Mem 190.
Paes Bazoco, Pero 190.
Paes de Ribela, Ruy 190.
428. 459.
Paez de Santa- Maria, Alonso
436 Anm. 7.
Pages, A. 120.
Paiva de Andrade, Diogo de
341. 343. 353.
Paixao , Alexandre da 353.
Palabras, Las — que dixo
Salomon 404.
Palaitz de Savieza 45.
palavra perduda (od. per-
dida 195. 235.
Palencia, Alfonso Fernandez
de 436. 437. 444.
Palladius 113. 435.
Pallastdichtung, Port. 269 ff-
488
Register.
Palmeira, Pero Rodriguez de
177. 190. 191.
Palineirin de Inglaterra 137.
334 f. 351. 459.
Palmerin 333.
Palmerin de Oliva 333. 459.
Panegirico de la Poesia 232.
Pantaleäo de Aveiro 339.
Parabel, Prov. 45.
Parallelstrophen - Gedichte,
Port. 130. 148. 150. 180.
237. 241. 380.
Paravicino 453. 458.
Parda, Maria 286. 302.
Pardo de la Cuesta, Fran-
cesch Carro9 110.
pareados (versos) 148. 196.
275. 303.
Pares, Doze . — de Francia
454.
Paris, Katai. Hss. in der
Pariser National-Bibliothek
74.
Paris e Viana 439.
Parnaso Lusitano 369.
Partidas , Siete — s. Al-
fonso X., von Kastilien.
Partonopeus- Roman, Katal.
Übers. 124.
parvo , Portug. Komödien-
Figur 285.
ParvoVces 302.
Pascal!, Joan 97.
Paschal (Pascual, Pasqual),
Pedro (Pere) — , de Jaen
94. 212. 417.
Passion, Prov. 47.
Passions-Mysterien, Prov. 55.
58.
Passionsspiel, in Spanien 401.
462. 463. Port. 284.
307.
Passos, Manoel da Silva 369.
371.
Passos, Soares de 376.
Pastor 193.
Pastor Peregrino 336.
pastorelas, Port. 153. 198.
Pastourellen, Prov. 26.
Pathelin 286.
Pato Moniz, Nuno Alvares
Pereira 357.
Patrik, Fegefeuer des hl. — ,
Prov. 63. Kat. 122.
Pau de Belviure 79.
Paula, Leben der h. — , Ka-
tal. Übers. 91.
Paulet de Marselha 170. 173.
Paulo da Cruz, Fr. 330. 332.
Paulus, Besuch des Apostels
— in der Unterwelt, Prov.
63.
Pax, En 109.
Pay Cälvo 190.
Pay de Cana, cierigo 188. 190.
Pay Gomes Charinho 152.
188. 190. 191.
Pay Soares 190.
Pay Soares , de Taveirös
176. 177. 190.
Pay Velho 191.
Payre Eternal, Lo — 52.
Pedro, Don 420. 421. 422.
426.
Pedro, Frey 253 f.
Pedro, Diego de San 288.
293. 442. 443. 457 Anm. 8
Pedro j Geronimo de San
459.
Pedro Affonso, Graf von
Barcellos 179. 187. 200.
206. 208. 209 f. 213. 259.
Pedro Aires 270.
Pedr' Amigo , de Sevilha
190. 191.
Pedro de Aragäo 188. 191.
259.
Pedro del Corral 395.
Pedr' Eannes, Solaz 190.
Pedro Hörnern 271.
Pedro Juliäo s. Petrus His-
panus.
Pedro de Lujan 459
Pedro de Luna 94. 98. 445.
Pedro Marin 417.
Pedro de Padilla 331.
Pedro Paschal (Pascual, Pas-
qual) de Jaen 94. 212.417.
Pedro de Portugal, Conde-
stavel, und König von
Aragon 119. 135. 228.
232.239. 247. 249. 259-
264. 266. 267. 270. 271.
273.
Pedro de Portugal , Prinz-
Regent 119. 135. 164.
232. 244—248. 259. 268.
Pedro Sanches 332.
Pedro de Veragua 428.
Pedro s. auch Peter.
Pedrosa, Sancho de 271.
Pedrozellos, Martim 190.
Peire v. Alvernhe 18. 20.
22. 23. 35. 172. 174.
Peire Cardinal 18. 22. 45.
48. 66. 289.
Peire v. Corbiac 43.
Peire Espanhol 35.
Peire Guilhem (Verf. e.
allegor. Gedichts) 46.
Peire Guilhem v. Toulouse
20.
Peire Raimon v. Toulouse 18.
Peire Rogier 18. 19. 20. 30.
174.
Peire Vidal 18. 20. 24. 170.
172. 173. 174.
Peirol 18. 23.
Peixoto, Alvarenga 362.
Pelayo, San 394. 395.
Pelayo y Briz 72.
Pellicer 484.
Penalva 334. 459.
Pensamientos variables. De
los — , Span. Dialog 437.
Perdigon 18. 20. 174.
Pere Mollä 103.
Pere Pasqual v. Jaen 94.
212. 417.
Pere de Queralt 79.
Peregrinaqoes 339.
Peregrino y Ginebra 286.
Peregrino de Hungria 334.
Pereira, Antonio das Neves
366.
Pereira, Duarte Pacheco
381.
Pereira , Francisco Lopes
271.
Pereira, Nuno 271.
Pereira, Nunalvarez 213.
258.
Pereira, Nuno Marques 352.
Pereira de Almeida, Joäo
358.
Pereira Brandäo, Luis 331.
Pereira de Castro , Gabriel
332. 348.
Pereira de Figueiredo, An-
tonio 358.
Pereira de S. Anna, J. 165.
Peres , Aires — , Vuiturom
177. 189. 191.
Peres. Garcia 189.
Peres, Gil — , Conde 189.
191.
Peres, Gil (Kapellan) 211.
Peres, Joam — de Aboim
189.
Peres, Martim 178
Peres, Martim — de Alvim
190. 191.
Peres, Nuno — , Sandeu 190.
Peres, Vasco 190.
Peres, Vasco — de Baa-
nionte 239.
Peres, Vasco — , Pardal 190.
Perestrello, Pedro da Costa
298. 316. 330. 331.
Perez, Alonso 336. 459.
Peiez, Antonio 458.
Perez, Fernan 437.
Perez, Miguel 90. 92. 97.
Perez de Culla 456.
Perez de Guzman, Fernan
229. 272. 422. 425. 428.
429. 434. 436. 437. 438.
445.
Perez de Herrera 422 Anm. 2.
Perez de Hita, Gines 481
Anm. 6. 462.
Perez de Montalvan, Juan
456. 462. 465.
Perez de Oliva 312. 458.
pergunta 193.
Perion de Gaula 459.
Register.
489
Peio de Ambroa 190. 191.
Pero d'Armea 190.
Pero BaiToso 190.
Peio de Bayäo 271.
Pero de Dardia 190.
Pero Diaz de Toledo 444.
Per' Eannes Maiinho 190.
Pero Garcia 190. 191.
Pero Garcia Burgales 152.
190. 19 f. 201.
Pero Gomez 404.
Pero Gomez de Albornoz
445.
Pero Gomez Barroso (v.
Sevilla) 445.
Pero Gomez Barroso (v.
Toledo) 190. 191. 193.
411. 412.
Pero Gon^alves, de Porto-
carreiro 190.
Pero Guterres 190. 196 f.
Pero Larouco 190.
Pero de Lemos 305.
Pero Lopez de Ayala s. Ayala.
Pero Louren^o 190.
Pero Mafaldo 190.
Pero Martins 190.
Pero Mendes da Fonseca 190.
Pero Menino 251 f.
Pero Meogo 152. 190.
Pero d'Ornellas 190.
Pero Paes Bazoco 190.
Pero da Ponte 176. 177. 190.
-191.
Pero Rodrigues de Palmeira
177. 190. 191.
Pero de Veer 190.
Pero Velho, de Taveirös 190.
191.
Pero Viviaes 190>
Persiles y Sigismunda 352.
Pertusa, Francesch de 93.
Peter I. der Grausame, König
von Portugal 119. 135.
164. 179. 226 f. 231 ff.
247. 259.
Peter III. von Aragon 86.
119. 120.
Peter IV. v. Aragon 74. 76 f.
79. 86. 96. 97. 102. 109.
111. 115. 117. 120. 121.
259.
Peter s. auch Pedro.
Petrarca, in der katal. Litt.
82. 125. In der port. Litt.
229. 230. 288. 299. 327.
329. In der span. Litt.
422. 428. 435. 449. 450.
Petrarcliisten, Portug. 144.
301.
Petrus Alphonsus 94 385.
386. 387. 413. 414. 415.
Petius Candidus 434. 435.
Petrus Coniestor 212. 402
410.
Petrus Hispanus 112. 199.
207.
Petrus und Paulus, Mysterium
des — , Prov. 56
Petrus Waldus 61.
Phaedrus 419.
Phelip de Malla 93.
Philipp II. 447. 458.
Philipp IV. 462.
Philippe, Frere 68.
Philipp V. Cork 68.
Philipp der Kühne 94. 120.
Philipp der Schöne 424.
Philippine v. Porcellet 62.
Philomena, Prov. 67.
Physiologus, Prov. u. wal-
dens. 68. In der span.
Litt. 433.
Piamonte, Nicolau 335.
Picandon 190. 199.
Picaro 461.
Pidal, Marques de 397.
Pierre de la Seppade 439.
Pilgrinis Progress 351.
Pinienta, Agostinho 304.
Pimentel, Alonso 270.
Pina. Ruy de 246. 255. 258.
340.
Pina-Leitao 357.
Pina de Mello, Francisco de
360.
Pinciano. Lopez 425 Anm. 3.
Pindarus Thehaiuis 403.
Pinheiro, Antonio 342.
Pinheiro - Chagas 355. 376.
377.
Pinto, Femara Mendes 339.
353
Pinto, Heitnr 343.
Pinto, Jorge 308.
Pinto Brandao, Thomas 361.
Piranio v Tisbe von Gongora
452. 456.
Pires, 'Affonso 271.
Pires, Antonio 307.
Pires, Fernam 211.
Pires de Sousa, Manoel 348.
Pisador 153.
Pisano, Matheus de 250. 257.
380.
Pistoleta 18.
Pitarra, Serafi 85.
Plagues, Arnaldo 173.
Plato 434.
Plauto Portuguez 294
Plaza, Luis Martinez de la
452.
Plinius, Der jüngere, Port.
Übers. 246. 252. 342.
Plutarch 115. 434. 435.
Pöblet, Al.t von — 119.
Poenia da Batalha do Salado,
s. Giraldes, Affonso.
Poema da Cava 162. 163 f.
Poenia de Alfonso Unceno
204 f.
Poema de Jose 421. 446.
Poema del Cid s. Cid.
Poema del conde Fernan
Gonzalez 391. 393. 394.
395. 399. 404.
poetas 143. 241. 272.
poetas da niedida nova 300.
poetas da medida velha 144.
300.
Poetas Palacianos. Port.269 ff.
Poetik, Die altportug. ano-
nyme 197 f. Prov. 67.
Poggio 230. 250.
Poliziano 250. 279. 283.
288.
Polo, Gaspar Gil 336. 452.
459.
Polo, Jacinto 453.
Polo, Marco 246.
Pombal , Marques de 360.
361.
Pomponius Mela 254.
Pons de Capduelh 18. 20.
23.
Pons de Copons 1 19.
Ponte. Pero da 176. 177.
190. 191.
Pontius . Prov. Mysterium
des — 57.
Porcel, Francisco Moreno
350.
Porcellet, Philippine v. 62.
Porcina, Emperatriz 302.
Porco, Nuno 190.
Porques 149. 234. 278.
porquiera 26.
Porras, Jerönimo de 452.
Porta legre, Antonio Mendes
de 271.
Porter, Pere 122.
Portius Latro 383.
Portocarreyro, Lope de 241.
Portugal, Antonio Rodrigues
333 f.
Poiiugal, Francisco de 302.
334. 347. 350.
Portugal, Francisco de. Graf
von Vimioso 273. 291.
Portugal, Manoel de 136.
299. 800 f. 304. 305. 316.
320. 352.
Portugal, Marcos 364.
Portugiesen , Provenzalische
Gedichte von — 173.
Portugiesen, Spanisch dich-
tende — 134. 135. 235.
236. 26'. 270. 271. 282.
299. 303. 420.
Portugiesinnen, Dichtende
192 249. 269.
Portugiesisch dichtende Ita-
liener 191. 199.
Portugiesisch dichtende Spa-
nier 191. 236 380.
Portugiesische Gedichte von
Provenzalen 173.
490
Register.
Portugiesische Kunstdichtung
424. 426.
Portugiesische Litteratur 129
—382.
Postilhao de Apollo 351.
Practica Chirurgiae, in prov.
metr. Bearbeitung 42. 43.
Praecepta nioralia, Prov. 64.
Praga de Sandim, Vasco 187.
190.
Preambulo 340.
Predigt, Prov. 51.63f. Span.
459.
Preguntas y repuestas 444.
Presles, Raoul de 92.
Preste das Indias, Joao 214.
215. 340.
Prestes, Antonio 287. 307.
308.
Prexano, Pedro Ximenez de
93 f.
Prezicansa 28.
Primaieon 333. 459.
Primaveia 336. 43S.
Principe de Portugal, Fer-
nando 223.
Prior de Sta. Cruz 271.
Prisciliianisten 383.
Privilegio que el rey D. Juan
II. dio a un Hidalgo 437.
Provenzalen, Portugiesische
Gedichte von — 173.
Provenzalisch , Einwirkung
der prov. Poesie auf die
katal. 77. 78. Einwirkung
des P. auf die span. Litte-
ratur 386. 388. 389. 390.
400. 401. 415. 439.
Provenzalisciie Gedichte von
Portugiesen 173.
Provenzalische Litteratur 1
— 69.
Provenzalismen im Altport.
181.
Proverbios, Libro de los
Buenos — 412. 413. 415.
Proxita, Juan Francisco 114.
Prudentius 383.
Pseudoturpin 61. 387. 391.
392. 394. 395.
Puerto Carrero 430.
Pujades, Jeronini 118. 121.
Puigpardines, Berenguer 116.
Pujol, Joan 81 f.
Puigar, Fern, del 436. 437.
Pyramus und Thisbe, im
Span. 452. 456.
quaderna via s. cuaderna via.
quadras 147. 154. 196. 277.
quebrado Tverso) 275. 422.
425.
Queimado, Ruy 190. 191.
Quental, Anthero de 377.
878. 379.
Quental, Bartiiolome de 358.
Querellas, Libro de las 184.
Question de Amor 443.
Quevedo, Antonio de 332.
Quevedo, Miguel de 332.
Quevedo Castellobranco,
Vasco Mousinho de 331 f.
Quevedo y Villegas, Fran-
cisco 127. 345. 346. 437.
448. 451. 453. 458. 461.
462.
Quils, Nicolas 103.
Quinet, Edgar 369.
Quiüones , Suero de 420.
436.
Quintana de Vasconcellos,
Manoel 352.
quintilha 275.
Quintilian 434.
Quiros 457.
Quifa, Domingos dos Reis
362 f.
R.
Rahadan, Muhaniet 446.
Rabbi Santo von Carrion
422.
Radegunde, Leben der h. — ,
Katal. 92.
Raimbaut v. Aurenga 17. 28.
Raimbaut de Vaqueiras 18.
19. 27. 28. 173. 174. 379.
389.
Raimon v. Avignon 43.
Raimon v. Ca.stelnou 51. 173.
Raimon Feraut 40. 42. 91.
Raimon v. Miraval 18. 19.
20.
Raimon v. Perilhos 63.
Raimon de Tors 173.
Raimon , Peire , von Tou-
louse 18.
Raimon Vidal 12 f. 43. 67.
126. 173. 174 379.
Raimund Lull 75. 76. 81.
105 ff 251.
Rainols, Guilhem 20.
Ramon de Cornet 126.
Ramos, Hieronymo de 259.
Ramos, Nogueira s. Joäo de
Deus.
Rams de flores 413.
Raoul de Presles 92.
Raphael de Jesus 353.
Rasgos metricos 361.
Rasos de trobar, Las (s.
Vidal, Raimon) 43. 67.
ratinho, Port. Komödien-Fi-
gur 285.
Razis, Crönica del Moro-
211. 417. 437.
Razon de amor y denuesto
del vino y del agua 402.
Rebello, Gaspar Pires 351.
Rebello, Manoel Coelho 349.
Rebello da Silva 355. 375.
376.
Rebolledo, Bernardin de 453.
Rebolledo, Giron de 457.
Recreaqäo fiiosofica 358.
Recull de eximplis e miracles
92. 96.
Redondilhas, Port. 147. 148.
275. 302, 308. R. im
Span. 425. 431.
Redondo, Conde de 316.
Redondo, Fernam Rodrigues
189. 191.
Redondo , Rodrigu' Eannes
190. 191.
Refrain, im Span. 431.
Refrain - Gedichte , Altport.
195.
refran 195. 198.
Refranes (anonyme), Span.
422 Anm. 2.
Regein allgemeiner Lebens-
klugiieit, Prov. 48.
Regras, Joäo das 210. 253.
Reiclischroniken, Span. 418.
435.
Reim, Port. 155. Reim in
der Span. Romanze 431 ff.
Rei Seleuco 309.
Reimchroniken, Prov. 37 ff.
Reimon(do) Gon^alves 190.
Reinoso, Alonso Nufiez de
294. 336.
Religiöse Dichtung, Katal.
76. Prov. 51 ff. — in Spa-
nien 401. 444. 445. 451.
462. 463.
Reliquias fda poesia port.}
161—167.
remedilho 172. 280.
Rengifo 427 Anm. 1.
Rennert 433.
Representaciones, in Spanien»
401. 463.
Resende, Andre de 282. 283.
300. 331. 332. 340. 342.
Resende, Bras de 307.
Resende, Duarte de 271.
Resende, Garcia de 143.231.
258. 263. 265 f. 271. 273.
274. 286. 300. 303. 340.
Resende, Jorge de 271.
Respuestas del filosofo Se-
gundo a las cosas que ie
pregunto el emper^idor
Adriano 411. 412.
Retiro de cuidados e vida de
Carlos e Rosaura 351.
Retroencha 27.
retrönx, Bedeutung des Wor-
tes 78.
Rey de Artieda 452. 456.
Rezepte, Prov. 68.
Rhopica pnevma 342.
Riaza, Pedro Linan de 452.
Register.
491
Ribeiro, Antonio 302. 308.
344.
Ribeiro, Bernardim 144. 280.
287 ff. 291 ff. 340. 381.
Ribeiro, Capitäo Bernardim
292.
Ribeiro, Jeronymo 308.
Ribeiro, Joäo Pedro 161.
162. 165.
Ribeiro, Matheus 351.
Ribeiro, Pedro 161 f.
Ribeiro, Thomaz 377.
Ribeiro - Sanches , Antonio
Nunes 358. 364.
Ribeiro dos Santos 163. 166.
264.
Ribera, Rodr. Fernandez de
462 Anm. 5.
Ribera de Perpeja, Pere 115
Richard, Marcellin 58.
rifäo 277.
Rimado de Palacio 438. 442.
Rims estranips 78.
Rinaldi, ürazio 109.
Rioja, Francisco de 127.
450.
Riquier. Guiraut 26. 27 f.
36. 43. 49 f. 170. 173.
178. 194.
risaoelha s. cantigas de risa-
dilha 198.
Ritter v. Moncog 53.
Ritterromane, in Portugal
-333 ff. 351 f. Span. 438.
448. 457. 459. 461.
Ritual, Waldensisches — ,
Prov. 65.
Robert de Boron 214. 439.
Roberto o Diabo 335.
Rocaberti, Dalmau de 126.
Rocaberti, Fra 78.
Rodericus Toledanus 391.
392. 395. 407. 410.
Rodrigo. Crönica del rey —
437.
Rodrigo de Cintra 254.
Rodrigo Diaz von Bibar
395. 396.
Rodrigo (od. Ruy) Diaz de
los Cameros 177. 191.
Rodrigo Eannes 204 f. 213.
Rodrigo Gomes de Trasta-
mar 176.
Rodrigo Sanches 176.
Rodrigo v. Toledo, Kat.
Übers. 115.
Rodrigu' Eannes d'Alvares
190.
Rodrigu' Eannes Redondo
190. 191.
Rodrigu' Eannes de Vascon-
cellos 190. 191.
Rodrigues , Bernardo 330.
346.
Rodrigues de Calheiros, Fer-
nam 189.
Rodrigues de Calvelo, Vasco '
190.
Rodrigues de Candarei, Nuno
190.
Rodrigues de Castellobranco, !
Joam 271. '
Rodrigues de Castro, Estevam
136. 293. 330.
Rodrigues Lobo Soropita,
Fernam 303. 310. 325-
330. 344. I
Rodrigues de Palmeira, Pero
177. 190. 191.
i Rodrigues Redondo, Fernam |
I 189. 191.
; Rodrigues da Silveira, Fran-
i cisco 342.
Rodrigues Tenoiro, Mem 190.
i 91. 201. \
j Rodriguez, Jose 71.
\ Rodriguez. Lucas 451 Anm.
^ 13. 454. I
j Rodriguez del Padron s.
Padron, Rodriguez del.
Roger von Flor 120.
Roger de Grecia 459.
! Roger von Parma 42 f.
Rogier, Peire 18. 19. 20. 30.
I 174.
I Roi qui voloit faire ardoir
1 le filz de son seneschal.
Du — 123.
] Rojas, Fernando de 460.
Rojas, Soto de 452.
Rojas Zorrilla, Francisco de
466.
Roiq de Corella, Joan 99.
Roig, Jaunie 71. 75. 81.
Roig y Jalpi, Gaspar 117.
Roiz de Briteiros, Mem 190.
Roland, Lokalsagen über ihn
in Südfrankreich 2. — im
Port. 198. Chanson de ;
Roland in Spanien 387.
388. 391. 420. 439.
Rolim de Moura 271. 347.
348.
Roman d'AIexandre, Prov. des
Alberich 11. R. d'A. in
der span. Litt. 403.
Roman d'Arles, Provenz.Epos
6 f. 69.
Roman de Flamenca 10 f.
Roman de Jaufre 8 f.
Roman de Troie 212. 417.
438.
romance. remance ou rimance j
154, !
Romanceiro portuguez 160.
371. l
Romancero del Cid von Es- j
cobar 455.
Romancero general 454.
Romanceros, Span. 424. 454.
Romane, Katal. 123. 124.
Span. 416. 438 ff.
Romaneff, in Spanien 384.
Romani, Baltasar de 79.
Romans de las horas de lä
crot 47.
Romans de mondana vida 48.
Romantik in Portugal 370.
Romanze, im Prov. 26. Im
Port. 154 ff. 193. 195.289.
302. Im Span. 392. 428.
429. 430—434. 453—455.
Romeu, Joam-, de Lugo 189.
Roncesvalles 198.
Rondeau. Prov. 28.
rondel im Port. 236.
Roquetaillade, Joh. von 111.
Ros, Carlos 71.
Ros, Ramon 91. 97. 122.
Rosa fresca 433.
Rossellö, Gerönimo 84.
Rotea, Fernando da 254.
Roteiros 339.
Rotgier, Peire 18. 19. 20.
30. 174.
ruadas 149.
Ruas 357.
Rubinstein 278.
Rubiö y Ors, joaquin 72. 83 f.
Rucellai 296.
Rudel, Jaufre, v. Biaia 17.
20. 23. 24. 28.
Rueda, Lope de 464.
Rufinus, Vitae patrum, Katal.
^bers. 90.
Rufo, Juan 456.
Rui Martins do Casal 152.
Ruiz, Juan — , Archipreste
de Hita s. Hita.
Ruiz de Alarcon, Juan 465.
Rundcanzone 27.
Ruy Diaz v. Bibar 395. 396.
Ruy Fernandes 188. 190.
Ruy Gomes da Grä 305.
Ruy Gomes, de Briteiros 188.
190.
Ruy Gomes, o Freire 190.
Ruy Goncalves 191.
Ruy Marques 191.
Ruy Martins, do Casal 152.
190.
Ruy Martins d'Oliveira 190.
Ruy Paes (de Ribela) 190.
428. 459.
Ruy Queimado 190. 191.
Ruy Sanchez 443.
Ruy de Sande 267. 269.
rvfadores 276.
ryfam 276.
S.
Sä, Anrique de 271. 273.
Sä, Francisco de 271.
Sä, Rodrigueannes de 230.
Sä e Menezes , Antonio de
300. 305.
Sä e Menezes, Francisco de,
Port. Epiker 332. 348.
492
Register.
Sä e Menezes, Francisco de,
Port. Lyriker 300. 305.
Sä e Menezes, Joao Rodri-
gues de 271. 273. 274.
279. 300.
Sä de Miranda, Francisco de
136. 143 144. 147. 168.
186. 275. 280. 284. 291.
294. 296 ff. 306. 310 f.
342. 344. 364.
Saavedra Fajardo 458. 460.
Sabinus 274.
Sabios, Doze — 412. 419.
Sabios, 34— 412. 413.
Sadoleto 296.
Sagramor 335.
Sala y Berart, Gaspar 127.
Salamanca, Schule von —
450. 451.
Salamäo, Livio de 207.
Salas, Jacque de 456.
Salas BarbadiUo 462.
Salat, Josef 72.
Salazar y Torres 466.
Saicedo Coronel 453.
Salgado, Pedro 349.
Salh V. Escola 18.
Salido, Nuno 395.
Saunas, Juan de 153. 451.
Sallu.st, Port. Übers. 254.
In der span. Litt. 434. 458.
Salomo , Sprüche S.'s von
En Pax benutzt 109.
Salomon, Las palabras qua
dixo S. 404.
Salomon u. Morolf in Portu-
gal 207. 209.
Salut 28.
Salve regina en romans 64.
Samuel, Rabbiner 94.
Sanazzaro 296. 299. 305. 336.
Sanches, Affonso 152. 179.
187 f. 189.
Sanches, Francisco 343.
Sanches, Gil 175. 176. 188.
189. 191.
Sanches, Pedro 332.
Sanches, Rodrigo 176.
Sanches, Sancho 188. 190.
Sanchez, Antonio 404.
Sanchez, demente 95. 414.
445.
Sanchez, Diego 463.
Sanchez, Garci s. Badajoz.
Sanchez, Ruy 443.
Sanchez de Brozas 449 Anm. 1 .
Sanchez de Talavera, Fernan
s. Talavera.
Sanchez de Tovar, Fernan
418.
Sanchez de Uceda, Gonzalo
251.
Sancho IV. 411. 412. 414 ff.
418.
Sancho Murion 460.
Sancho Sanches 188. 190.
San Cristöval. Alonso de 445.
Sah Cristöval, Juan de 443.
Sande, Ruy de 267. 269.
San Juan de la Cruz 153.
347. 451. 453. 458.
Sannazaro 459.
San-Pedro, Diego de 288.
293. 442. 443. 457 Anm. 8.
San Pedro, Geronimo de 459.
San Pedro Paschal, de Jaen
212. S. auch Paschal.
SantaCatalina, Vidade — 416.
Santa-fe 242.
Santa Isabel 211. 262. 332.
Santa-Maria, Alonso Paez de
436 Anm. 7-
Santa Maria, Alvar Garcia de
421 Anm. 2, 422 Anm. 2,
436 Anm. 1. 435. 437.
Santa-Maria, Pablo de 437.
Santa Maria Egipciaca, Vida
de — 401.404 Anm. 2 416.
Santa Maria Magdalena siehe
Maria Magdalena.
Santa Marta, Vida de — 416.
Santa Teresa deJesus 347 . 458.
Santi, L. de 58.
Santiago de Compostela 170.
387.
Santillana, Ifiigo Lopez de
Mendoza, Marques de — ,
79. 80. 135. 149. 168.184.
229. 236. 237. 239. 240 f.
242. 247. 250. 270. 271.
273. 389 404. 407. 411.
413. 421 Anm. 3. 422.
423. 424. 425. 426. 427.
428. 429. 430. 434. 444.
Santistevam, Joäo Gomes de
247.
Santo von Carrion, Rabbi 422.
Santo Greal 213. 438. 439.
Santos, Joao dos 340.
Sanxa de Arenos, Gräfin von
Prades 100.
Sanz, Pedro Luiz 422 Anm. 2.
Saplana, Peie 104.
Saragossa , Liederbuch von
— 78.
Saraiva, Gabriel 157.
Satira de felice e infelice
vida 261.
Satire, in Spanien 434. 449.
453. 462.
saudades 292.
Saudades da terra 340.
Savall , Agnes und Mossen
Ramon 100.
Savaric de Mauleon 66. 174.
Savi, lo 48.
Sayago 454.
Sayavedra, Luxan de 461.
Schachgedicht , Span. Bear-
beitung 421. 446.
Schäferroman, Port. 336. 351.
Span. 448. 459.
Schauspiel, Religiöses — in
Spanien 401. 462. 463.
Schelmenroman in Portugal
351. — in Spanien 459.
461.
Schulen, Dichtei schulen in
Spanien 450. 451.
Schölerlieder, Span. 405.
Scott, Walter 128.
Sebile 416.
Secreta secretorum 107. 108.
206. 411. 415.
Secreto de los secretos 249.
Secrets publichs 128.
Segorbe, Duque de 270.
Segovia, Pero Guillen de 430.
segrel 195.
Seguir, Folgelied, im Port.
197. 202.
Segundo Cerco de Diu 331.
Segura, Juan de 443.
Segura, Juan Loi'enzo s. Juan
Lorenzo, natural de As-
torga.
Seguro, El — de Tordesillas
436.
Seiscentistas 344.
Seldiss 197.
Sempere 456.
SemTob411. 413. 422. 429.
Seneca , Kat. Dbers. 103 f.
121. S. von En Pax be-
nutzt 109. Port. 245. In
der span. Litt. 412. 415.
434.
Seneca , Lo libre de — 48.
Senten^as de Francisco de
Portugal 267.
Sephardim 445.
Seppade, Pierre de la 439.
Sepülveda, Lorenzo de 454.
Sequeira, Domingos Antonio
368.
Serafi, Pere 82.
Serafina 460.
Seräo politico 351.
Serena 26.
Sergas, Las — de Esplandian
440.
Sermo 28.
Sermon, Lo Novel 52.
Seroes 265.
Serra, Jose Correia da 364,
366.
Serradell, Bernat 81. 122.
Serrana 193. 289.
Serranilhas, Port. 130. 149.
151. 288. 365.
Seiräo de Castro , Antonio
350.
Servando, Joam 189.
Serveri 50.
Servet 447.
Sesplanes, Dalmau 111.
Setanti 422 Anm. 2.
Register.
493
Sete Savis, Katal. 80. 81.
Severim de Faria 314. 337.
341.
Sevilla, Katal. Hss.daselbst 74.
Sevilla, Schule von — 450.
Sevilla, Stehende Biihne da-
selbst 464.
sextilha 275.
Sextine, von Arnaut Daniel
erfunden 27. Port. 289.
Sibyllen Weissagung, Prov.
46.
Sieben Schmerzen und sieben
Freuden der Jungfrau Maria,
Prov. 46. 64.
Siete Partidas s. Alfonso X.
von Kastilien.
Sigea, Luisa 332.
Sigeo, Diogo 300.
Silensis Monachus 391. 397
Anm. 6. 398.
Silva de Romances 454.
Silva, Antonio de 312.
Silva, Antonio Diniz da Cruz
e — 358. 362.
Silva, Antonio Jose da 359.
Silva, Bernardino da 341.
Silva, Feliciano de 294. 459.
460.
Silva, Jorge da 329.
Silva, Miguel da 297.
Silva, R. Mendes da 186.
Silva - Cabral , Matheus da
351.
Silva e Horta, Theresa Mar-
garida da 358.
Silva-Mascarenhas, Andre da
348.
Silveira, Alvaro da 334^
Silveira, Fernam da 266. 267.
271. 273. 275.
Silveira, Fernäo da 300.
Silveira, Francisco Rodrigues
da 342.
Silveira, Heitor da 305. 329.
Silveira, Luis da 273. 303.
Silveira, Miguel da 350. 457.
Silveira, Simao da 300. 305.
329.
Silveira, Vasco da 305.
Silves de la Selva 459.
Silvestre, Gregorio 157. 301.
450. 456.
Simeon v. Durham 288. 312.
Simon et 384.
Sindibad 413. 414.
Sirventes 22 ff. 197.
Sismondi 131. 139. 140.
Sizilische Dichterschule 385,
Soares, Affonso 189.
Soares, Aires 191.
Soares, Antonio da Fonseca
347.
Soares, Fernam — , de Quin-
hones 189. 191.
Soares, Garcia 189.
Soares, Joam 187. 190.
Soares, Joam — , de Pavia
168. 187. 189.-
Soares, Martini 190.
Soares. Pay 190.
Soares, Pay — . de Taveirös
176. 177. 190.
Soares Coelho , Joam 189.
191. 199.
Soares de Passos 376.
Soares Somesso, Joam 176.
189. 191.
Soares de Taveiröos, Paay
176. 177.
Scbregaya companhia dels
VII trobadors de Tholoza
s. Gay saber und Gaya
ciencia.
Sociedade Nacional Camoni-
ana 313.
solau 149. .376.
Solaz, Pedrannes 152. 180.
Soldado pratico 338. 342.
soleares 149.
Soler, Federico 85.
Soliloquium des h. Augus-
tinus 212.
Solis, Antonio de 453. 458.
466.
Solörzano, Castillo 351. 461.
462.
Som (= Melodie) 202.
Somesso, Joam Soares 176.
189. 191.
Somme le Roi, oder Somme
des vices et des vertus,
Prov. 61. Kat. 94 f. (S.
auch Lorenz, Bruder.)
Sonett, im Prov. 28. S. in
Portugal 297. Span. 448.
451.
Sordel 18. 51. 174. 176. 199.
Sordello 174. 176. 199.
Sor.iano Fuertes 166.
Soropita, Fernam Rodrigues
Loho 303. 310. 325. 330.
344.
Soror Marianna de Alco-
forado, s Alcoforado 354.
Sorts des apotres 65.
Soto, Barahona de 452. 457.
Sotomayor, Eloy de 330. 351.
Sottomayor, Caetano Jose da
Silva 356.
Sousa, Mnie. de 368.
Sousa, Fernam Garcia de 181.
Sousa, Gonqalo Mendes de
175. 176.
Sousa, Joam Mendes de 176.
Sousa, Luis de 340. 352. 370.
Sousa, Manoel Pires de 348.
Sousa, Pedro de 254.
Sousa, Simäo de 271.
Sousa Botelho (Morgado de
Matheus), Jose Maria de
314. 354. 368.
Sousa Coutinho , Lopo de
331. 338
Sousa Coutinho, Manuel de
352.
Sousa Farinha, Bento Jose
de 342.
Sousa Macedo, Antonio de
348. 354.
Sousijes 175.
Souza, Manuel de 358.
Soutomayor, s. Sotomayor.
Spanier, Portugiesisch dich-
tende — 191. 236. 380.
Spanisch dichtende Portu-
giesen 134. 135. 235. 236.
261. 270. 271. 282. 299.
303.
Spanische Gedichte von Trou-
badours 181.
Spanische Lieder in Portugal
270.
Spanische Litteratur 383 —
466.
Speculum animae, Kat. 97.
Sphäramund von Griechen-
land 459.
SpielbOcher, Span. 409.
Spill de la vida religiosa 97.
Spott-Epos (altportug.) 357.
Sprichwörter, Portug. 146.
Span. 412. 413. 415. 429.
Stadtrecht von Aviies 387.
Stampa, Gaspara 449.
Statuten des Ritterordens de
la Banda 417.
Statuten einer Brüderschaft
vom h. Geist, Prov. 43.
Steinbücher, Span. 408.
Stephan. Prov. Gedichte auf
den h. — 41.
Stephan d'Ansa 61.
Stephan von Besan^on, Kat.
Übers. 96.
Storck, Wilhelm 314. 317 f.
Streit zwischen Leib und
Seele, Prov. 50. In der
Span. Litt. 4Ul.
Streitgedichte, im Prov. 23.
24 ff.
Stüniga s. Cancionero de —
und Estuiiiga.
Suarez de Figueroa 1 08. 460.
462.
Suchier, H. 88.
Sueir' Eannes 191.
Suero de QuiSones 420. 436.
Sulpicius 413.
Summulae Logicales 207.
Susanna, Lo libre de — 60.
Sydrac, Prov. 69.
Sylva, Manuel Teiles da 357.
Sylvia de Lisardo 167. 330.
T.
Tacitus 458.
Tafur, Pero 430 Anm. 5. 436.
494
Register.
Tagarro , Manoel da Veiga
330.
Tagelied 26. 193.
Taillevent 113.
Talavera, Alfonso Martinez
de Toledo, Erzpriester von
— IdO. 446. 460.
Talavera, Fernan.Sanchez de
100. 237. 407. 428. 430
?\nm. 3. 443. 444.
Talmud 409.
TainayodeVargas449 Anm.l.
Tainerlan, Timur 436.
Tanzlieder, Prov. 27.
Tapia, Gomez de 456.
Tarafa, Francesch 118.
Tarouca, Conde de 360.
Täirega 452. 465.
Tas^o, B. 217.
Tasso, Torquato 362 Anm. 3.
457.
Tatian 435.
Tavareda d'AImira , Doro-
thea Engracia 358.
Taveiröos, Paay Soares de
176. 177. 190.
Tavola Redonda . Memorial
das Proezas da seguiida —
335.
Teatro de la Cruz 464.
Teatro del principe 464.
Tebaida 460.
Teive, Diogo de 300. 331.
332. 338.
Teixeira, Alvaro 288.
— Luis 28«.
— Tristao 288.
Teiles, Balthasar 353.
Teiles, Fernam 271.
Teiles da Sylva, Manoel 357.
Teile/., Gabriel s. Tirso de
Molina.
'J'emplerregel, in kat. Sprache
102.
Templo da Memoria 348. 351.
Tempo de agora 342. 353.
tencj'äo 277.
Tenoiro.Mem Rodrigues 190.
191. 201.
Teiireiro, Antonio 339.
Tenzone, Prov. 24 ff.
— im Port. 265. 277.
Ter^arias, Conselho sobre as
- 249.
Teresa de Jesus, Santa 347.
458.
Terramagnino v. Pisa, Doc-
trina de Gort 12. 13. 43.
126.
Tersin 69.
tertulias 350.
Terzine, Nachbildung im Ka-
tal. 78. Im Span. 449.
Tesoro. Libro del 164. 184.
Testament d'amor 122.
Testamentos 234. 241.
Texeda, Hieronimo 459.
Theatro Comico Portuguez
359.
Thederic 112.
Theodora, Donzella — 335.
412.
Theologische Werke, Katal.
92 ff. — in Spanien 444.
445.
Theophiluslegende 185.
Theresa de Jesus, die hl. —
s. Teresa de Jesus, Santa.
Thesaurus Pauperum 207.
Thomas de Aquino (Padre)
325.
Thomas de Aquino, S. 104.
244.
Thomaz, Manoel 348.
Thome de Jesus 343.
Tibull 274.
Tiempo-bueno-Romanze
268.
Tierbücher, Prov. 68.
Timoneda 452. 454. 462.
Timur Tamerlan 436.
Tirade , Assonierende — im
Span. 389. 431. 432. 433.
tiraclilhas de escarnir 198.
Tirantlo ßlanch, Katal. Ritter-
roman 124. — im Port.
223.
Tirso de Molina 270. 390.
462. 465. 466.
Tnugdalus, Prov. 63. Kat. 122.
Port. 212. Im Span. 445.
toante 147.
rob. Sem 411. 413. 422.
429.
Tobias, Prov. Übers. 60.
Toledo, Alfonso de 437. 444.
Toledo, Alfonso Martinez 446.
Toledo, Alvarez de 456.
Toledo, Pero Diaz de 444.
Tolentino. Nicolau — d'Al-
meida 298. 361. 364.
Tomich, Pere 117.
Torcy, Mme. 334.
Tornada 77. 78. Ihr Vor-
kommen im Altfranzösi-
schen 385.
torneiamen 25.
Torneol, Nuno Fernandes 1 52.
190.
Toro, Archidiakonus von 241.
Tone, Alfonso de la 110.
Torre, Fernando de la 424
Tone, Francisco de la 451.
455.
Torrent of Portugal 214.
Torrents, J. Massö 74.
Torres, span. Musiker 283.
Torres, Alvaro de 343.
Torres, T^omingos Maximiane
364.
Torres Naharro 268. 285.286.
425 Anm. 3. 449. 463. 464.
Tostado, El — s. Madrigal,
Alfonso de.
Totentanz, Span. 428.
Toulouse, Meistergesang;
Blumenspiele 36 f.
Tovar, Fernan Sanchez de
418.
Trabalhos de Jesus 343.
Tractat de confessiö , Breu
95.
Tractat dtls noms de la mayre
de Dieu, Lo — 52.
Tractatus de revelatione facta
beato Bernardo, Kat. Übers.
88.
Tragedia de la insigne Reyna
D. Isabel 263.
Tragödie, Erste port. 311.
Trancoso, Gongalo Fernandes
336.
trasladar (Begriff) 440 Anm. 4.
Trastamar, Rodrigo Gomes
; de 176.
I Tra.stamara 420. 421. 447.
I Tratado da Paixao 349.
Tratado da Sphera 343.
Tratado da vida solitaria
249.
Tratado das cousas da China
e de Ormuz 339.
Tratado das cousas do Brazil
339.
Tratado das virtudes qua ao
rei pertencem 252.
Tratado de las armas 254.
Tratado dos desvairados ca-
minhos 338.
Tresvents, Bartomeu de 111.
Trillo y Figueroa 453.
Triomphe des neuf preux
333.
Tristan, in der port. Litt.
198 f. 213. 416. T. in
Spanien 416. 420. 438.
439. 440. 441. 442.
Trobador s Troubadours,
tröbos 154.
Trogus Pompejus 435.
Trojanersage 210. 212. 417.
434. 438.
Trophimus - Legende, Prov.
40.
Trotaconventos 406. 407.
446.
troteras, im Span. 405.
Troubadours, Trobador, Tro-
baire 15 ff. Biographien
der Trobadors 65 ff. Die
gallizisch-portugies. Trou-
badour-Poesie 167—203.
Port. Trovadores 24 1 . 265.
276. Alphabetische Liste
der port. Trob. 189 ff.
Metrik der port. Trohador-
Poesie 195 f. Trovador in
Spanien 390. Fortsetzung
Register.
495
fler Troubadourdichtung in
Spanien 449. Span. Ge-
dichte von Troubadours
181.
Trovador de Monserrat (Vic-
tor Balaguer) 84.
trovas 147. 154. 195 234.
272. 275. 276. 289. 301.
Trovas ao modo pastoril de
Franco a Sebasto 303.
trovas de arte mayor 272.
trovas de arte menor 274.
Trovas de Crisfal 290.
Trovas de Maria Parda 302.
Trovas de Maria Pinlieiro 303.
trovas de obra grande 272.
trovas de poesia 272.
Trovas do Moleyro 302.
Trovas dos Figueiredos 162.
Trovas emar de prophecia303.
trovas em modo de lamen-
taqao 274.
Trovas nioraes 363.
trovas-redondilhas 135.
Trovistäs, Port. 301. 302.
Tundalus , Tungdakis, Tun-
gulu s. Tnugdalus.
Tunis-Gedicht 332.
Turell, Gabriel 117.
Turmeda, Anselm 108. 111.
123.
Turold 391.
Turpin, Provenz. 61.
U.
Ubeda, Lopez de 461.
Obersetzungen, im Prov. 59 ff.
— ins Port. 207. 211.
212 fr. 273. 358. — -ins
Span 401. 413. 414. 415.
416 417. 434 flf. 444.
TJbert, Folquer — von Char-
tres 415.
Uc ßrunenc 20. 29.
Uc d'Escaura 173.
Uc Faidit 67.
Uc de Saint Circ 17. 18. 29.
60. 174.
Uceda, Gonzalo Sanchez de
2.-)l.
Ultramar 194.
Ultraromantiker in Portugal
375.
Uly.ssea 332. 348.
Ulyssippo 310.
Ui künden. Volkssprachliche
— in Spanien 387. 388.
Urrea, Antonio d' 263.
Urrea, Jerönimo de 456. 459.
Urre.i, Pedro Manuel de 424.
430.
Uruguay (brasil. Epos) 365.
Vagad 437.
Valbuena 392. 453. 457. 460.
Valcacer, Pedro de 241.
Valdes, Juan 447. 458. 462.
Valdivielso 270. 334. 451.
457,
Valencia, Elegie auf — 385.
Valencia , Poetische Wett-
spiele daselbst 81.
Valencia, Schule von — 450.
Valencia, Stehende Bühne
daselbst 464.
Valente, AfiFonso 271.
Valenti, Ferrant 103. 110.
Valentim, Affonso 303.
Valera, Mossen Diego de
254. 436. 437. 443.
Valerius Maximus , Kat,
Übers. 114. Span. Übers.
435.
Valladares Gamboa, Joaquim
Fort, de 364.
Valladolid, Juan de 422
Anm. 4.
Vallmanva, Antoni 78 f.
Valls, jöan 112.
Van Eyck 230.
vaquiera 26.
Vasco, D. 190.
Vasco Gil 190.
Vasco da Lagoa 254.
Vasco Martins 190.
Vasco Martins de Resende
190.
Vasco Peres 190.
Vasco Peres de Baamonte
239.
Vasco Peres, Pardt»! 190.
Vasco Praga, de Sandim 187.
190.
Vasco Rodrigues, de Cal-
velo 190.
Vasconcellos 456.
Vascuncellos, Antonio 186.
Vasconcellos, Diogo Mendes
de 332.
Vasconcellos, Jorge Ferreira
de 157. 295, 301. 302.
309 f. 335. 342. 344.
Vasconcellos, Leite de 153.
Vasconcellos, Manoel Quin-
tana de .-{52.
Vasconcellos, Rodriga' Ean-
nes de 190. 191.
Vasconcellos da Cunha,Troilo
de 360.
Vasques, Joam 189. 191.
Vasques, Joam-, de Tala-
veira 189.
Vasques, Mem — , de Fol-
he(n)te 190.
Vatikan, Katal. Hss. in dem-
selben 75.
Vaz, Aires 189.
Vaz, Francisco 307.
Vaz, Joanna 332.
Vazquez 459.
Vedel, Guillem 126.
Veer, Pero de 190.
Vega, Garci Laso de la 80.
136. 297. 422. 449. 450.
453.
Vega, Lope de 270. 284.
292. 306. 345. 350. 351.
392. 394. 447. 448. 451.
4i3. 456. 457. 458. 459.
460. 461. 462. 464. 465.
466.
Vega-Aguilo, Liederbücher
78.
Vegetius, Port. Übers. 246.
In der span. Litt. 418.
435.
Veiga, Manoel da 306.
Veiga Tagarro, Manoel da
330.
Velasco, Antonio de 269.
270.
Velasco, Hernandez de 456.
Velasquez de Portugal (=:
Messer Velasco di Porto-
gallo?) 230.
Velaz, Joam 190.
Veläzquez de Velasco 460
Anm. 6.
Velez de Guevara, Luis 425
Anm. 2. 430. 462. 465.
Velez de Guevara, Pero 241.
Velho, Fernam 189. 191.
Velho, Joam — . de Pedrogaes
178. 189.
Velho, Pay 191.
Velho, Pero — , de Taveirös
190. 191.
Ventura, Morante de la 444.
Venturos pelegri, Lo 81. 122.
Vera, Hurtado de la 460,
Veragua, Pedro de 428.
Verba, Joao 245.
Verdadeiro methodo de estu-
dar 358.
Verdaguer, Jacinto 84.
Vergas , Tamayo de 449
Anm. 1.
Vergerius, P. P. 229. 246.
252.
Verney, Luiz Antonio 358.
359.
Vers, Lyr. Gattung im Prov.
21. 22.
versi sciolti 78.
Verskunst s. Metrik,
verso de arte mayor 164.
196. 239. 272. 390. 424.
425 S. auch Arte mayor.
Verso de redondilla mayor
425. 431.
Verso de redondilla menor
425.
Verso suelto 449. 455.
Vertutz de Taiga ardent 68.
Vespasian, Historia del rey
496
Register.
Vespasiano 214.2 15 Anm.4.
439 Anni. 1.
Viana, Fürst v, 125.
Viana, Carlos de 435. 437.
Vicente, S. (Gedicht) 332.
Vicente, Gil 144. 148. 149.
151. 153. 1.Ö7. 164. 267.
280 ff. 297. 300. 302.
308. 463.
Vicente, Paula 282. 286.
287.
Viciana, Martin 103.
Victoiia, Henrique Aires 312.
Victorino, demente 353.
Victorio de Braga 212.
Viciina,Lopezde452Anm.l0.
Vida 457.
Vida de D. Miguel de Moura
342.
Vida de D. Paulo de Lima
342.
Vida de D. Teilo e Noticia
da Fundaqao do Moesteiro
de Sta. Cruz de Coimbra
211.
Vida de Estevanillo Gonzalez
461.
Vida de Sa de Miranda 341.
Vida de sancta Angelina 92.
Vida de Sa. Catalina 416.
Vida de S. Francisco Xavier
353.
Vida de S. Ildefonso 404.
Vida de Santa Maria Egip-
ciaca 212.401. 404 Anm. 2.
416.
Vida de Sa. Maria Magda-
lena 416. s. auch Maria
Magdalena.
Vida de Sa. Marta 416.
Vida do Infante D. Duarte
342.
Vidal, judeu d'Elvas 190.
Vidal, Arnaut, v. Castelnau-
dary 9 f. 36.
Vidal, Peire 18. 20. 24. 170.
172. 173. 174.
Vidal, Raimon 12 f. 43. 67.
126. 173. 174. 379.
Vidal y Valenciano, Caye-
tano 128.
Vieira, Antonio 303. 353.
354.
Vieira Lusitano 364.
Vieira Portuense 364.
Vieira Transtagano 364.
Vieyia, Nicolau 212.
Vila , Jaume Ramon ] 18.
120 f.
vilancete 148. 276. 277.
Vilaragut, Anton 121.
Vilarig, Leonor 89.
Vilhalpandos 310.
Villagra 456.
Villamediana. Conde de 453.
Villancicos 385.
Villasandino, Alfonso Alvares
de 237. 241. 302. 307.
422. 426.
Viliaviciosa 458.
Villegas, Alonso de 460.
Viilegas, Antonio de 446.
450. 456. 462.
Villegas, Estevan Manuel de
453.
Villena, Enrique de 89. 125.
126. 237. 239. 240. 427.
434. 443.
Villena, Garrido de 456. 457.
Villena, Jsahel de 89. 97.
Viniioso, Fiancisco de Portu-
gal, Conde de 271. 273.
302.
Vincentius Bellovacensis 115.
412. 416.
Viola de Lereno 365.
Violante do Ceo 347.
Virgeu de Consolagao 212.
Virgil 434. 451. 455. 456.
463.
Viriato tragico 348.
virlais 236.
Virtuosa Bemfeitoria 245
Virues, Cristöval de 452.
457. 464.
Visio Tungdali s. Tnugdalus.
Vision von Clairvaux, Ge-
schichte der — , Katal.
Übers.. 91.
Vita aulica 332.
Vita Christi 251. 271.
Vita del Gran Tamerlnn 436.
Vitae patrum 414.
Vives 447.
Viviäes, Pero 190.
Voeux du Paon, Span. Über-
setzung derselben 463.
Volksepos, Prov. 2 ff. — - in
Spanien 390 ff.
Volkslitteratur, Portugiesi-
sche 1 45 ff. Span. 430 ff.
Voltas 271. 277.
Votos de) Pavon 404.
Voz do amado 341.
Vuituroiu, Aires Peres 177.
Vulgärsprache in Spanien 387.
388. 434. 444.
W.
Wahrsagebuch, Prov. 65.
Waldenser, Gei.stliche Dich-
tungen 52 f. Ritual 65.
Physiologus 68.
Waldenserbibel 60 f.
Wallfahrts-Villancico s. Can-
tos de romaria 289.
Weihnachtsbrief, Prov. 52.
Weihnachtslied, Prov. 35.
Weihnachtsschaustellung in
Spanien 463. 464.
Weisen, Die sieben — , Kat.
80. 81.
Weisen, Die. 12 — , Span.
412. 419.
Weisen, Die 34 — , Span.
412. 413.
Weltchronik, Prov. 66 f.
Westgotenherrschaft in Spa-
nien 383.
Wieland 365.
Wilhelm v. Berguedan 17.
Wilhelm von Orange, Über-
lieferung in Südfrank-
reich ? 2.
Wilhelm VII. v. Poitou (W.
IX. v. Aquitanien) 17.
Wilhelm von.Tyrus 415.
Wolf, Ferd. 131. 139. 140.
235.
xäcaras 147. 154. 155. 376.
Ximenaromanze 433.
Xira, Joham 254.
Ysopete historiado 12 1 f. 406.
435 Anm. 3.
Z.
Zacoto, Gon^aloMendes 271.
Zadschal 385.
Zamora, Alonso de 422.
Zamorn, Antonio de 466.
Zamora, Cerco de 398.
Zärate, Lopez de 457.
Zayas, Maria de 462.
Zeichen des Weltuntergangs,
Prov. Gedichte 46.
Zerstörung Jerusalems , im
Prov. 47. 63. Katal. 88.
Zorgi (Zorzi), Bartolome 18.
173. 178. 196. 199.
Zorrilla, Francisco de Rojas
466.
Zorro, Joam 152. 189.
Zucchi, Corano — von Ster-
leto 67.
Zuraia, Gomes Eannes de
216. 218 f. 234. 248. 250.
256 f. 337. 441.
Zurita 120. 458.
Zurita, Fuero von — 388.
Zwiegespräche, Altport. 192.
Zwiespaltslieder 193.
Zwisciienessen-Spiele (antre-
meses) 280.
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