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Full text of "Grundiss der romanischen Philologie"

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GRUNDRISS 


DER 


ROMANISCHEN  PHILOLOGIE. 


IL  BAND. 

2.   ABTEILUNG 


La"Rom 


G.e>i^z-^ 


GRUNDRISS 


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DER 


ROMANISCHEN  PHILOLOGIE 


UNTER  MITWIRKUNG 


G.  BAIST,  TH.  BRAGA,  H.  BRESSLAU,  T.  CASINI,  J.  CORNU,  C.  DECURllNS,  W.  DEECKE,  TH. 
GÄRTNER,  M.  GASTER,  G.  GERLAND,  G.  JACOBSTHAL,  F.  KLUGE,  GUST.  MEYER,  W.  MEYER-LÜBKE, 
C.  MICHAELIS  DE  VASCONCELLOS,  A.  MOREL-FATIO,  FR.  d'OVIDIO,  M.  PHIL'.PPSON,  A.  SCHULTZ, 
W.    SCHUM,    CH.    SEYBOLD,    E.  STENGEL,    A.    STIMMING,    H.    SUCHIER,    H.   TIKTIN,    A,  TOBLER, 

W.    WINDELBAND,    E.    WINDISCH 


HERAUSGEGEBEN 


GUSTAV  GRÖBER 

O.    Ö.    PRUFESSOR    DER    ROMANISCHEN    PHILOLOGIE    AN    DER    UNIVERSITÄT   STRASSBUKG. 


IL  BAND,    2.  ABTEILUNG. 


DIE      LITTERATUREN      DER      ROMANISCHEN      VÖLKER  :      3.     PROVEN- 

ZALISCHE     LITTEKATUR.      —      3.      KATALANISCHE     LITTERATUR.     — 

4.     GESCHICHTE     DER     PORTUGIESISCHEN     LITTERATUR.    —     5.     DIE 

SPANISCHE   LITTERATUR. 


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STRASSBURG. 
KARL  J.  TRÜBNER. 

1897. 

Alle  Rechte,  besonders  das  der  Übersetzung    vorbehalten. 


"'ti     ' 


G.  O  1 1  o  '  8  Hof-Buchdruckerei  in  Darmgtßdt 


VORWORT. 


^a  die  Bandausgabe  dieser  nun  abgeschlossenen  zweiten  Abtei- 
ig lung  des  zweiten  Bandes  des  Grundrisses  der  romanischen  Philo- 
logie 1897  als  Jahr  des  Erscheinens  trägt,  ist  nicht  überflüssig  zu 
bemerken ,  dass  die  Provenzalische  und  Katalanische  Litteratur- 
geschichte  schon  im  Jahre  1893  erschien,  die  Portugiesische  im  Jahre 
1893  gedruckt  und  an  der  Spanischen  von  December  1893  bis  Juli 
1897  gearbeitet  wurde.  Einen  schnelleren  Abschluss  der  Abteilung 
herbeizuführen  lag  leider  nicht  in  der  Macht  des  Herausgebers  und 
Verlegers.  Der  Entschuldigung  bedarf  auch,  dass  entgegen  dem  Plane 
(Bd.  I.  S.  152)  die  spanische  Litteraturgeschichte  an  fünfter  statt  an 
vierter  Stelle  erscheint ;  das  Manuscript  war  zur  Zeit  nicht  zur  Stelle 
und  wurde  erst  in  den  letzten  fünf  Jahren  nach  und  nach  eingeliefert. 

• 
Strassburg,    im  Oktober  1897. 

DER  HERAUSGEBER. 


INHALT. 


Seite 
Vorwort  V 

III.  TEIL. 

Darstellung  der  romanischen  Philologie. 

3.  Abschnitt:    Romanische   Litteraturgeschichte. 

B.  Die  Litter aturen  der  romanischen    Völker: 

2.  Provenzalische  Litteratur  von  A.  Stimming 1 

3.  Katalanische  Litteratur  von  A.  Morel-Fatio      ......         70 

4.  Geschichte    der   portugiesischen    Litteratur    von   C.   MiCHAKLis 

DE  Vasconcellos  und  Th.  Braga       129 

5.  Die  spanische  Litteratur  von  G.  Baist       383 


Register  von  W.  LiST ' 467 


Auszug 

aus  dem 

Verlagskatalog  von  Karl  J.  Trübner 

in  Strassburg  i.  E. 


VIII.  Homamfcgc  ^güolojic* 

Baist,  G.,  Spanische  Grammatik.  —  Spanische  Litteraturgeschichte.  Siehe: 
Gnmdriss  der  romanischen  Philologie. 

Baxagiola,  Aristide,  Italienische  Grammatik.  Mit  Berücksichtigung  des 
Lateinischen  und  der  romanischen  Schwestersprachen.  8".  XVII,  2lo  S. 
1880.  JLh  — 

—  —  Crestomazia  italiana  ortofonica.  Prosa.  1)  Lingua  litteraria 
antica  e  moderna,  imitazioni  trecentistiche.  2)  Lingua  parlata  della  gente 
civile.     3)  Dialetti.     8".     XXIV,  494  S.     1881.  JU  1  — 

Die  Anlage  dieser  neuen  Chrestomathie  ist  eine  originelle  und  wohl  entsprechend  dem 
Hauptzweck,  den  sie  offenbar  verfolgt,  als  Hülfsmittel  zum  Studium  des  modernen 
Italienisch  zu  dienen.    Dies  Ziel  erstrebt  sie  in  umfassender  und  interessanter  Weise. 

Literarisches  Centralblatt,  19.  März  1880. 

Der  arme  Heinrich  von   Hartmann  von  Aue.     II  povero  Enrico 

versione  in  prosa  del  tedesco  medioevale.    8^.    IV,  95  S.    1881.   JU  1  20 

—  —  Das  Hildebrandslied;  l'inno  d'Ildebrando  versione  con  introduzione 
ed  appendice.     8«.     19  S.     1881.  M.  \  — 

—  —  Muspilli  ovvero  l'incendio  universale.  Versione  con  introdu- 
zione ed  appendice.     8".     46  S.     1882.  Jl  2  ~ 

Giacomo  Leopardi  Filosofo,  Poeta  e  Prosatore.     Disseitatione 

dottorale  presentata  alla  Facoltä  filosofica  delF  Universitä  di  Strasburgo. 
8».     XV,  65  p.     1876.  (^  1  20)  Vergriffen. 

Bartsch,  Karl,  Die  lateinischen  Sequenzen  des  Mittelalters  in 
musikahscher  und  rhythmischer  Beziehung.    8".    VIII,  245  S.    1868. 

(Ji.  7  50)  Ji  2  — 
(Aus   dem  Verlag   der   Stiller'schen  Hofbuchhandlung   in  Rostock   in   den  meinigen 
übergegangen.) 

—  —   siehe  auch:  YII.  Germanische  Philologie  und  Altertumskunde. 

Becker,  Ph.  Aug.,  Jean  Lemaire,  der  erste  humanistische  Dichter  Frank- 
reich's.     8«.     IX,  390  S.     1898.  ^  12  — 

»Ausgerüstet  mit  einer  hervorragenden  Kenntniss  der  politischen  Zeitgeschichte  und 
der  geistigen  Strömungen,  die  um  die  Wende  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  das  litterarische 
Leben  Frankreichs  beherrschten,  hat  B.  sich  die  schöne  Aufgabe  gestellt,  das  Bild  des 
alten  Hennegauer  Dichters  und  Historiographen,  geläutert  von  den  Entstellungen  eifernder 
Widersacher  alter  und  neuer  Zeit  (S.  251  ff.  und  Litt.  Bl.  1893  Sp.  57),  in  seiner  ganzen 
urwüchsigen  Eigenart  und  historischen  Treue  vor  unseren  Augen  zu  entrollen.  Mit 
glänzender  Beredsamkeit  führt  er  uns  durch  alle  Lebensphasen  des  Dichters,  zeigt  ihn 
in  seinem  Verhältniss  zu  wechselnden  fürstlichen  Gönnern,  zu  Freunden,  zur  grossen 
Welt.  ,Mit  liebevoll  eindringendem  Verständniss  weiss  B.  den  inneren  und  äusseren 
Motiven  in  L.'s  dichterischem  Schaffen  nachzuspüren  und  so  ein  fast  in  allen  Zügen 
höchst  gelungenes  Seelengemälde  des  vielfach  vergessenen  Mannes  zu  entwerfen.  Fragen 
technischer  Art,  besonders  die  Metrik,  werden  eingehend  erörtert.  Das  Buch  ist  für  die 
exakte  Lemaireforschung  bahnbrechend  und  wird  allen  späteren  Arbeiten  über  den 
Dichter  —  eine  solche  wird,  soviel  ich  weiss,  von  Doutrepont  vorbereitet  —  als  Grund- 
lage zu  dienen  haben  .  .  .  .«  Deutsche  Litt.-Ztg.  1893,  Nr.  38. 

—  —  Ueber  den  Ursprung  der  romanischen  Versmasse.  8**.  IV, 
54  S.     1890.  .^  1  20 

Bergmann,  F.  W.,  Der  Jagdhund  und  der  Fünfhundert-zehn-und 
Fünfer  in  Dante's  Commedia.  8".  35  S.  1879.  (In  Kommission.)  Jl  1  2Q 

—  —  siehe  auch:  III.  Indogerman.  Sprachwissenschaft,  Edda,  unter  VII.  German. 
Philologie  und  XI.  Alsatica. 

SBcrtud^,  31  ug.,  fte^e:  3Jiiftrol,  «Ditteto  unb  9ietto. 


62  VERLAGSKATALÖG  von  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassburg. 

Boehmer,  Ed.,  Romanische  Studien  siehe:  Studien,  Romanische. 

—  —  siehe  auch:  Mistral,  Mireio  und  II.  Theologie,  Religionswissenschaft, 
Philosophie. 

Braga,  Th.,  Portugiesische  Litteraturgeschichte  siehe:  Grundriss  der  romanischen 

Philologie. 
Br esslau,  H.  und  M.  Philipp son,  Geschichte  der  romanischen  Völker  siehe: 

Grundriss  der  romanischen  Philologie. 
ten  Brink,  Bernh.,   Dauer   und   Klang.     Ein  Beitrag   zur   Geschichte  der 

Vokalquantität  im  Altfranzösischen,     kl.  8«.     V,  54  S.     1879.        ./«  1  20 

—  —   siehe  auch:  VII.  Germanische  Philologie. 

Büttner,  Dr.  Herm.,  Studien  zu  dem  Roman  de  Renart,  Heft  I,  II  siehe: 
Roman  de  Renart. 

Camces,  Luiz  de,  Os  Lusiadas.  Unter  Vergleichung  der  besten  Texte,  mit 
Angabe  der  bedeutendsten  Varianten  und  einer  kritischen  Einleitung 
herausgegeben  von  Dr.  Carl  von  Reinhardsto  ettner.     8".     pp.  XLI, 

319  S.     1875.  Jl.1  — 

Casini,    Tommaso,    Italienische    Litteraturgeschichte    siehe:     Grundriss    der 

romanischen  Philologie. 
Cornu,.!.,  Portugiesische  Grammatik  siehe:  Grundriss  der  romanischen  Philologie. 
Danker,  Otto,   Die  Laut-  und  Flexionslehre   der  mittelkentischen 

Denkmäler  nebst  romanischem  Wortverzeichnis.  S'*.  63  S.  1879.  Ji  1  60 

Decurtins,    C,    Rätoromanische    Litteraturgeschiclito    siehe:    Grundriss    der 

romanischen  Philologie. 
De  ecke,  Dr.  Wilh.,  Die  italischen  Sprachen  siehe:  Grundriss  der  romanischen 

Philologie. 

—  —   siehe  auch :  VI.  Klassische  Philologie. 

Dolopathos,  Johannis  de  Alta  Silva  Dolopathos  sive  de  rege  et  Septem 
sapicntibus.  Herausgegeben  von  Herm.  Oesterley.  8".  XXIII,  !^9  S. 
1873.  Ji.  4  50 

Enthält  den  Text  des  Jahrhunderte  lang  als  verloren  beklagten,  von  Dr.  Oesterley 
wieder  aufgefundenen  Werkes  des  Mönches  Dam  Jehan  von  Metz  (aus  dem  12.  Jahrh.) 
—  die  lateinische  Vorlage  des  altfranz.  Gedichtes  gleichen  Namens  und  die  älteste 
occidentalische  Fassung  des  Märchens  von  den  sieben  weisen  Meistern. 

Literar.  Centralblatt. 

Ehrichs,  Ludwig,  Les  grandes  et  inestimables  Croniques  de  Gar- 
gan tu  a   und   Rabelais'    ,,Gargantua  et   Pantagruel".     8".     47  S.     1889. 

Ji  1  50 

g-lugt,  5Ufi)n§  \>.,  3)ie  SBon§Ucber  be§  (Sngobitt.  9Jttt  einem  ^Inl^ong 
cngabmifdjev  Süolfältcbcr  im  Driginal  iie6ft  beutfd;ev  Uebcrje^ung.  ft.  8**,  IV, 
85  ©.     1873.  Ji  2  40 

Verfasser  gibt  eine  gute  Übersicht  über  die  Geschichte  der  engadinischen  Volks- 
dichtung von  den  ältesten,  dem  15.  Jahrhundert  angehörenden,  leider  aber  nur  in  dürftigen 
Fragmenten  erhaltenen  historischen  Liedern.  Jahrb.  f.  rom.  u.  engl.  Lit.  N.  F.  II. 

Franz,  W.,  Die  lateinisch-romanischen  Elemente  im  Althoch- 
deutschen.    8«.     79  S.     1883.  {Ji  1  80)  Vergriffen. 

Gärtner,  Th.,  Die  rätoromanischen  Mundarten  siehe:  Grundriss  der  romanischen 
Philologie. 

©oS^orl),  Slbfllf,  ©efd)td)te  ber  Sftolienijdjen  Sitcratur. 

erfter  SSanb:  S)te  üalienifd^e  Literatur  im  «mittelalter.    8«.    VIII,  550  ©. 
1885.  Ji  9  — ,  in  ^albfrana  geb.  Ji  W  ^ 

3 II f) alt:  öiiileitiing.  —  2>ie  £iciüantfd)e  Sicf)tevfrf)iilc.  —  govtfeiniuß  ber  lln'Ucf)en  Si(i)= 
tung  in  Söfittetitalien.  —  ©itibo  ©uiniccKi  »ou  S3oIognn.  —  Sie  froiijöf.  9iittevbirf)tunfl  in 
ODciitalten.  —  SJeligiüfe  unb  niovnlifri)e  *^3oeiie  in  Ööevitnlien.  —  J)ie  reltfliöfe  2>)rif  in 
Umbrien.  —  Sic  *^rofa  im  13.  SoOi'Oun^ert.  —  Sie  aHegovifrf)=bibQftifd)C  Stc^tnng  unb  bie 
:pt)itofo^f).  ü\)x\X  ber  neuen  florenttuifrfjen  Schule.  —  Saute.  —  Sie  (Somöbte.  —  Sa»  14.  %ai)X' 
ijunbert.  —  '(Petrarca.  —  »^Setrarco'5  eanäoniere.  —  Slnljang  bibltograpljifcfjcr  n.  fvit.  a3e= 
merfungen.  —  Dtegifter. 


VIII.  Romanische  Philologie.  63 


&a^patrf,  9tboIf,  ©efd^tdjtc  bcr  ^ftalicnifd^cn  Siteratut  (Fortsetzung). 

3lt)eitcr  SBanb:   3)te  ttalienijc^e  Siteratur   ber   3{eiiatfioncejcit.    8".    VIII, 
704  ©.    1888.  M  12  — ,  in  ^atbfranj  geb.  M  14  — 

Sn^oü:  Boccaccio.  —  Die  (Sptgoncn  ber  grofecn  J^torentiner.  —  33te  .^umauifteit  be§ 
15.  Softr^unbertc-.  —  Xic  SBuUiärfpvac^e  im  15.  3Qt)rf)unbcrt  iiiib  tfjre  Literatur.  —  *ßoIiäiano 
unb  Soienjo  be  SDfebict.  —  3)te  SRitterbic^tuiifl.  'piUct  unb  öojarbo.  —  gjeopet.  *jJontauo 
unb  Sonna.^Qio.  —  ÜJJaccfiiaöellt  u.  ©uicciavbini.  —  öembo.  —  5lvtofto.  —  Goftiglionc.  — 
■ißtctio  9lietiiio.  —  3)ie  ä\}xit  im  16.  SafivOimbeit.  —  I)a§  |)etbenflcbicf)t  im  16.  3of)r^unbeit. 
—  2ie  Xvogöbie.  —  Sie  fiomöbie.  —  Slnljang  bibliogvapl).  u.  fvitifc^er  33emcrfungcn. 

Die  Fortsetzung  dieses  Werkes  hat  Herr  Dr.  Richard  Wendriner  (Breslau)  über- 
nommen; ihm  sind  von  der  Gattin  des  verstorbenen  Verfassers  die  Vorarbeiten,  soweit 
sich  solche  im  Nachlasse  vorfanden,  ausgehändigt  worden. 

»Jeder  der  sich  fortan  mit  der  hier  behandelten  Periode  der  italienischen  Litteratur 
beschäftigen  will,  wird  Gaspary's  Arbeit  zu  seinem  Ausgangspunkte  zu  machen  haben. 
Das  Werk  ist  aber  nicht  nur  ein  streng  wissenschaftliches  für  Fachleute  bestimmtes, 
sondern  gewährt  nebenbei  durch  seine  anziehende  Darstellungsweise  auch  einen  ästhe- 
tischen Genuss;  es  wird  daher  auch  in  weiteren  Kreisen  Verbreitung  finden.« 

Deutsche  Litteraturzeitung. 

»Eine  sehr  tüchtige  wissenschaftliche  Arbeit.  Empfiehlt  sich  das  Buch  einem  grösseren 
Publikum  durch  seinen  leicht  verständlichen  geschmackvollen  Ausdruck,  so  findet  auch 
der  Gelehrte  in  den  im  Anhange  gegebenen  reichen  Anmerkungen  die  bibliographischen 
Nachweise  und  die  kritische  Begründung  bei  schwierigen  zweifelhaften  Punkten.« 

Literarisches  Centralblatt. 

(Aus  dem  Verlag  von  Robert  Oppenheim  in  Berlin  in   den  meinigen  übergegangen.) 
Gast  er,  M.,   Die   nichtlateinischen   Elemente  im  Rumänischen.  —  Rumänische 

Litteraturgeschichte.    Siehe:  Grundriss  der  romanischen  Philologie. 
Gerland,  G.,   Die  Basken  und  die  Iberer   siehe:   Grundriss  der  romanischen 

Philologie. 
Gröber,  Gustav,  siehe:  Grundriss  der  romanischen  Philologie  und  unter  Ab- 
schnitt VII.  Germanische  Philologie. 

Grundriss  der  romanischen  Philologie,  unter  Mitwirkung  von  G.  Baist, 
Th.  Braga,  H.  Bresslau,  T.  Casini,  J.  Cornu,  C.  Decurtins,  W.  Deecke, 
Th.  Gärtner,  M.  Gaster,  G.  Gerland,  G.  JacobstJml,  F.  Kluge,  Gust.  Meger, 
W.  Meyer,  C.  Michaelis  de  Vasconcellos,  A.  Morel-Fatio,  Fr.  d'Ovidio, 
M.  Philippson,  A.  Schultz,  W.  Schum,  Ck.  Segbold,  E.  Stengel,  A.  Stimming, 
H.  Suchier,  H.  Tiktin,  A.  Tobler,  W.  Wimielband,  E.  Windisch  heraus- 
gegeben von  Gustav  Gröber  (o.  ö.  Professor  der  romanischen  Philologie 
an  der  Universität  Strassburg). 

Plan   des   Werkes. 

I.  Einführung  in  die  romanische  Philologie. 

1.  Geschichte   der  romanischen  Philologie  von  G.  Gröber. 

2.  Aufgabe  und  Gliederung   der   romanischen  Philologie 
von  G.  Gröber. 

II.  Anleitung  zur  philologischen  Forschung. 

1.  Die  Quellen  der  romanischen  Philologie: 
A  Die  schriftlichen  Quellen  mit  4  Tafeln  von  W.  Schum. 
B  Die  mündlichen  Quellen  von  G.  Gröber. 

2.  Die  Behandlung  der  Quellen: 
A  Methodik     und     Aufgaben    der     sprachwissenschaftlichen 

Forschung  von  G.  Gröber. 
B  Methodik  der  philologischen  Forschung  von  A.  Tobler. 
III.  Darstellung  der  romanischen  Philologie. 

1.  Abschnitt:  Romanische  Sprachwissenschaft: 

A  Die  vorromanischen  Volkssprachen  der  romanischen  Länder. 

1.  Keltische  Sprache  von  E.  Windisch. 

2.  Die  Basken  und  die  Iberer  von  G.  Gerland. 

3.  Die  italischen  Sprachen  von  W.  Deecke. 

4.  Die  lateinische  Sprache  in  den  romanischen  Ländern 
von  W.  Meyer. 


64  VERLAGSKATALOG  von  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassburg. 

Grundriss  der  romanischen  Philologie  (Fortsetzung). 

5.  Romanen  und  Germanen  in  ihren  Wecliselbeziehungen 
von  F.  Kluge. 

6.  Die   arabische  Sprache   in   den  romanischen  Ländern 
von  Chr.  Seijbold. 

7.  Die  nichtlateinisclien  Elemente  im  Rumänischen  von 
M.  Gaster. 

B  Die  romanischen  Sprachen. 

1.  Ihre  Einteihing  vmd  äussere  Geschichte  von  G.  Gröber. 

2.  Die  rumänische  Sprache  von  //.  Tiktin. 

3.  Die  rätoromanischen  Mundarten  von  T.  Gärtner. 

4.  Die  italienische  Sprache  von  F.  d'Ovidio  u.  W.  Meyer. 

5.  Die  französische  und  provenzahsche  Sprache  und  ihre 
Mundarten  von  //.  Suchier. 

6.  Das  Katalanische  von  Ä.  Morel-Fatio. 

7.  Die  spanische  Sprache  von  G.  Baist. 

8.  Die  portugiesische  Sprache  von  J.  Cornu. 

9.  Die     lateinischen    Elemente     im    Albanesischen    von 
G.  Mei/er. 

2.  Absciinitt:   Lehre  von   der   romanischen  Sprachkunst. 
Romanische  Verslehre  von  E.  Stengel. 

3.  Abschnitt:  Romanische  Litteraturgeschichte. 
A  Uebersicht   über   die   lateinische  Litteratur  von  der  Mitte 

des  6.  Jahrhunderts  bis  1350  von  G.  Gröber. 
B  Die  Litteraturen  der  romanischen  Völker: 

1.  Französische  Litteratur  von  G.  Gröber. 

2.  Provenzahsche  Litteratur  von  A.  Stimming. 

3.  Katalanische  Litteratur  von  A.  Morel-Fatio. 

4.  Portugiesische  Litteratur  von  C.  Michaelis  de  Vascon- 
cellos  und  Th.  Braga. 

5.  Spanische  Litteratur  von  G.  Baist. 

6.  Italienische  Litteratur  von  T.  Casini. 

7.  Rätoromanische  Litteratur  von  C.  Decurtins. 

8.  Rumänische  Litteratur  von  M.  Gaster. 
IV.  Grenzwissenschaften. 

1.  Geschichte  der  romanischen  Völker  von  IL  Bresslau  und 
Philippson. 

2.  Culturgeschichte  der  romanischen  Völker  von ^1. -S'c/jM?te. 

3.  Kunstgeschichte  der  romanischen  Völker: 
A  Musik  von  G.  Jacobsthal. 
B  Bildende  Künste  von  A.  Schultz. 

4.  Die  Wissenschaften   in   den  romanischen  Ländern  von 
W.   Windelband. 

Wort-,  Namen-  und  Sachverzeichnis  von  W.  List. 
Bis  jetzt  sind  erschienen: 
I.  Band.     Lex.  8".     XII,  853  S.  m.  4  Tafeln  u.  13  Karten.     1888. 

Ji  14  — ,'  in  Halbfranz  geb.  Ji  16  — 
Auch  noch  in  einzelnen  Lieferungen  zu 

Jii  4  — ,  Ji  4  —  und  Jl  6  —  zu  haben. 

Lieferung,  16  Bogen.     1893.  Jl.  At  — 

11       „  1893.  .^  2  80 

8      „  1893.  .^  2  — 

,:  8       „  1893.  ^  2  — 

8      „  1894.  US?  2  — 

8      „  1896.  ^  2  — 


Band, 

1. 

Abteilung, 

1. 

1. 

2. 
2. 

2. 
1. 

2. 

)) 

2. 
3. 

3. 
1. 

VIII.  Romanische  Philologie.  65 


Grundriss  der  romanischen  Philologie  (Fortsetzung). 

«In  dem  starken  Bande,  dessen  Titel  diesen  Zeilen  voransteht,  liegt  das  Ergebnis 
eines  neuen,  weit  kühneren  Versuches  vor,  zahlreiche,  und  zwar  von  den  bereitwilligen 
die  besten  Kräfte  zu  nutzbringender  Arbeit  zu  veranlassen  und  zu  vereinigen,  nämlich 
zu  einer  den  Bereich  der  romanischen  Philologie  nach  aussen  abgrenzenden,  nach  innen 
gliedernden,  diese  Wissenschaft  in  ihrer  Geschichte  darstellenden  und  ihren  heutigen 
Inhalt  in  kurzer  Zusammenfassung  vorführenden  Collektivleistung.  Noch  ist  von  der 
ganzen  Arbeit  erst  die  Hälfte  gethan;  aber  schon  jetzt  hat  man  das  Recht,  auszu- 
sprechen, dass  von  diesem  Werke  man  eine  mächtige  Förderung  der  romanistischen 
Studien  hoffen  darf.  Und  das  darf  man  nicht  allein  darum,  weil  es  regsamen  Geistern 
eine  treffliche  erste  Orientirung  auf  einem  Gebiete  gewährt,  wo  von  allen  Seiten  schöne 
Aufgaben  locken,  oder  weil  es  die  Möglichkeit  gibt,  den  Universitätsunterricht  von 
manchen  Verpflichtungen  zu  entlasten,  die  ihn  beim  Streben  nach  höhern  Zielen  hemmten, 
oder  weil  es  nachdrücklichst  auf  die  Mannigfaltigkeit  der  Arbeit  hinweist,  an  der  sich 
wenigstens  empfangend  zu  beteiligen  hat,  wer  auf  den  Namen  eines  Romanisten  An- 
spruch erhebt;  sondern  namentlich  auch  darum,  weil  es  hoch  sich  erhebend  über  blosse 
Buchmacherei,  kritikloses  Verzeichnen  von  Titeln  und  Ausschreiben  landläufiger  Kom- 
pendien, überall  von  einem  Geiste  kräftiger  Selbständigkeit,  mutigen  Eindringens  durch- 
weht ist  und  demgemäss  fast  überall  beträchtlich  hinausgelangt  über  das,  was  die  frühere 
Einzelbehandlung  der  Gegenstände  erreicht  hatte 

Möge  dem  Werke,  das  bestimmt  scheint,  auf  den  Gang  der  romanistischen  Studien 
eine  so  tiefe  und  so  nachhaltige  Wirkung  zu  üben,  wie  sie  seit  manchen  Jahren  kaum 
ein  anderes  geübt  hat,  eine  baldige  glückliche  Vollendung  beschieden  sein.  Es  ins  Leben 
gerufen  und  durch  umfangreiche  und  gediegene  eigene  Mitarbeit  an  seiner  Ausführung 
mitgewirkt  zu  haben,  ist  ein  Verdienst,  das  freudig  anerkennen  wird,  wem  das  Ge- 
deihen der  romanistischen  Studien  am  Herzen  liegt. » 

Berlin.  Adolf  Tobler.     (Deutsche  Litteraturzeitung  1888,  Nr.  36.) 

Hammesfahr.  Alex.,  Zur  Comparation  im  Altfranzösischen.  8®. 
40  S.     1881.  JL  \  -- 

Hartmann,  Gottfried,  siehe:  Wiezels  Veltlinerkrieg. 

Hoefft,  Dr.  Karl  Th.,  France,  Franceis  und  Franc  im  Rolandsliede. 
Lex.  8<>.     74  S.  .^  2  — 

Jacob  st  ha  I,  G.,  Musik  der  romanischen  Völker  siehe:  Grmidriss  der  romanischen 
Philologie. 

Kayserling,  M.,  Biblioteca  espanola-portugueza-judaica.  Diction- 
naire  bibliographique  des  auteurs  juifs,  de  leurs  ouvrages  espagnols  et 
portugais  et  des  oeuvres  sur  et  contre  les  juifs  et  le  judaisme.  Avec 
un  apercju  sur  la  litterature  des  juifs  espagnols  et  une  coUection  des 
proverbes  espagnols.     Lex.  8".     XXI,  155  S.     1890.  Ji  %  — 

Kluge,  Friedr.,  Romanen  und  Germanen  in  ihren  Wechselbeziehungen  siehe: 
Grundriss  der  romanischen  Philologie. 

—  —   siehe  auch:  VII.  Germanische  Philologie. 

Kornmesser,  Ernst,  Die  französischen  Ortsnamen  germanischer 
Abkunft.     I.  Teil.     8«.     59  S.     1889.  JL  1  50 

Lauchert,  Friedr.,   Geschichte   des   Physiologus.     Mit  2  Textbeilagen. 

8".     XIII,  312  S.     1889.  JL  1  — 

Laun,  Dr.  A.,  siehe:  Racine's  Britanniens. 
Laur,  E.,  Louize  Labe.     Zur  Geschichte   der  französischen  Literatur  des 

16.  Jahrhunderts.     8".     84  S.     1873.  JL  1  60 

Mall,  E.,  siehe:  Philipp  von  Thaiui. 
Meyer,  G.,   Die  lateinischen  Elemente  im  Albanesischen  siehe:  Grundriss  der 

romanischen  Philologie. 

—  —   siehe  auch :  III.  Indogermanische  Sprachwissenschaft. 

Meyer,  W.,  Die  lateinische  Sprache  in  den  romanischen  Ländern  siehe:  Grundriss 

der  romanischen  Philologie. 
Michaelis    de    Vasconcellos    imd    Th.  Braga,    Portugiesische   Litteratur- 

geschichte  siehe:  Grundriss  der  romanischen  Philologie. 

Michel,  Ferdinand,  Ueber  Heinrich  von  Morungen  und  die  Trou- 
badours. (Quellen  und  Forschungen,  Heft  XXXVIII.)  8«.  XI,  272  S. 
1880.  JL  Iq  — 


66  VERLAGSKATALOG  von  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassburg. 

9Ktftrn(,  ^rcbcrt,  5!Jlifeto.  5)3rot)en(jolif(?^c  Sichtung.  S)eut[r^  bon  3(uguft  Sertui^. 
5Utit  einer  Einleitung  büu  (Sbuarb  ^oefimer.  ^"'eite  butdigefel^ene  Slupage. 
8«.    XIX,  291  ©.     1896.  biofc^.  Jl.  5  ^-,  in  Seintnanb  geb.  Ji  6— 

Die  Uebersctzung  der  Mireio  durch  Bertuch  darf  um  so  freudiger  begrüsst  werden, 
als  die  vor  mehreren  Jahren  erschienene  deutsche  Uebersetzung  derselben  Dichtung 
auch  hinter  den  bescheidensten  Anforderungen  zurückblieb  und  von  dem  neuen  IJeber- 
setzer  zu  rühmen  ist,  dass  er  bei  hinreichender  Treue  und  gutem  Verständniss  des 
Originals  im  Stande  gewesen  ist,  fast  durchaus  den  entsprechenden  poetischen  Ausdruck 
unserer  Sprache  zu  tinden.  Die  Mirciostrophe  ist  beibehalten  und  auch  die  Schwierig- 
keit des  dreifachen  Reimes  glücklich  überwunden.  Offenbar  sind  durch  das  Bewältigen 
der  kunstvollen  Form  die  Kräfte  des  Uebersctzers  gewachsen,  so  dass  das  neue  Werk 
auch  vor  Bertuch's  Uebersetzung  der  Nerto  den  Vorzug  verdient. 

Erklärende  Anmerkungen  und  ein  Namensverzeichniss  sind  angehängt  und  am 
Schluss  die  phonetische  Umschrift  einiger  Stücke  des  Originals  beigegeben,  welche 
Koschwitz  geliefert  hat. 

Möchte  die  hervorragendste  Blüthe  des  neuprovenzalischen  Dichtergartens  in  ihrem 
deutschen  Gewände  zahlreiche  Leser  finden!         Literarisches  Centralblatt  1893,  Nr.  13. 

5?erto.    ?Prot)enr.alifc^e   (Sr3ätjlung.    Sentfd^  lion   Sluguft  58cttuc^.    8". 

182  ©.     1891.  Brofc^.  JL  3  — ,  in  Seintoanb  geb.  Jt.  4  — 

<' Vorliegender  Uebersetzung  der  poetischen  Erzählung  des  berühmten  provengalischen 
Dichters  gebührt  alles  Lob.  Sie  ist  gewandt-und  hält  sich  treu  an  das  Original,  dessen 
Ton  genau  getroffen  ist. »  Deutsche  Litteraturzeitung. 

Morel-Fatio,  A.,  Catalanische  Grammatik.  —  Catalanische  Litteraturgeschichte. 
Siehe:  Gruiiclri.ss  der  romanischen  Philologie. 

Morf,  Heinrich  (Professor  an  der  Hochschule  Zürich),  Geschichte  der 
neueren  französischen  Litteratur.  (In  Vorbereitung.) 

Oesterley,  Herrn.,  siehe:  Dolopathos. 

d'Ovidio,  F.U.W.  Meyer,  Italienische  Grammatik  siehe:  Grundriss  der  roma- 
nischen Philologie. 

Philipp  von  Thaun,  Li  Cumpoz  Philipe  de  Thaün.  Mit  einer  Einleitung 
über  die  Sprache  des  Autors.  Herausg.  von  Eduard  Mall.  8**.  VII, 
176  S.     1873.  {Ji  4  50)  Vergriffen. 

Philippson,  M.,  Geschichte  der  romanischen  Völker  siehe:  Gmindriss  der 
romanischen  Philologie. 

Racine's  Britannicus  mit  deutschem  Commentar  und  Einleitung,  herausg. 
von  Dr.  A.  Laun,  Professor.     8«.     XXVI,  115  S.     1874.  Ji  2  — 

Reinhardstoettner ,  Dr.  Carl  von,  Grammatik  der  portugiesischen 
Sprache  auf  Grundlage  der  Lateinischen  und  Romanischen  Sprach- 
vergleichung bearbeitet.     8«.     XVI,  416  S.     1878.  Ji  10  — 

Verfasser  konnte  für  seine  Arbeit  eigene  und  fremde  Materialien  benutzen  und 
macht  das  ganze  Buch  den  Eindruck  sorgfältiger  Sichtung  und  angemessener  Anordnung. 
Der  Verfasser  kann  sich  deshalb  aufrichtigen  Dankes  und  warmer  Anerkennung  von 
Seiten  seiner  deutschen  und  ausländischen  Fachgenossen  versichert  halten. 

Jenaer  Literaturztg.  1878,  31. 

—  —  Aufsätze  und  Abhandlungen,  vornehmlich  zur  Literaturgeschichte. 
8°.    IV,  310  S.     1887.  Ji.b—,  geb.  Ji  ^  — 

Inhalt:  1)  Cristoforo  Negri.  —  2)  Über  einige  dramatische  Bearbeitungen  von 
Herodes  und  Mariamne.  —  3)  Napoleon  L  in  der  zeitgenössischen  Dichtung.  —  4)  Vom 
Lernen  und  Lehren  lebender  Sprachen.  —  5)  Luiz  de  Camoes,  der  Sänger  der  Lusiaden. 
—  6)  Der  Hyssope  des  A.  Diniz  in  seinem  Verhältnis  zu  Boileaus  Lutrin.  —  7)  Goethes 
Faust  in  Portugal.  —  8)  Portugals  neuere  Lyrik.  —  9)  Zwei  neuere  Werke  über  die 
Romantiker  in  Portugal.  —  10)  Eine  portugies.  Königschronik. 

(Aus  dem  Verlag  von  Robert  Oppenheim  in  Berlin  in  den  meinigen  übergegangen.) 

—  —   siehe  auch :  Camoes  Lusiadas. 

Le  Roman  de  Renart.  Public  par  Ernest  Martin.  I.  vol.  prem.  partie  du 
texte:  Tanciennc  collection  des  branches.  8".  XXVII,  484 S.  1882.  .^  10  — 

II.  vol.  Seconde  partie  du  Texte:  les  branches  additionelles.   8°.   380 S. 

1885.  Ji  %  — 

III.  vol.  Les  Variantes.    &".     VIII,  611  S.     1887.  ^  12  — 


VIII.  Romanische  Philologie.  67 


Le  Roman  de  Renart,  Observations  sur  le  Roman  de  Renart,  suivies 
d'une  table  alphabetique  des  noms  propres.  Supplement  ä  Tedition  du 
Roman   de  Renart  par  Ernest  Martin.     8".     12  IS.     1888.         Jl.  3  50 

Büttner,  H.,  Studien  zu  dem  Roman  de  Renart  und  dem  Rein- 
hart Fuchs. 

I.  Heft:    Die   Ueberlieferung    des    Roman    de    Renart    und   die 

Handschrift  0.     8".     VI,  229  S.     1891.  JL  5  — 

II.  Heft:    Der   Reinhart   Fuchs   und   seine  französische  Quelle.     8''. 

VI,  123  S.     1891.  Ji  2  50 

Scheffer-Boichorst,  Paul  (Prof.  der  GeschicJite  an  der  Universität  Strass- 
burg).  Aus  Dantes  Verbannung.  Literarhistorische  Studien.  8". 
VIII,  254  S.     1882.  Ji  <(>  — 

Inhalt:  1.  Die  letzten  Jahre  des  Dichters  (Wünsche,  Sorgen  und  Trost  —  Dante 
und  die  Herren  von  Polenta  —  das  Leben  in  Ravenna  —  Correspondenzen  und  Reisen, 
politische  und  literarische  Thätigkeit).  2.  Die  Abfassungszeit  der  Monarchie.  3.  Der 
Brief  an  Cangrande  della  Scala.  4.  Eine  Frage  der  Echtheit  und  der  Chronologie. 
5.  Boccaccios  Vita  di  Dante.    6.  Der  Brief  des  Bruders  Hilarius. 

—  —   siehe  auch:  IX.  Geschichte. 

Scheler,  Aug.,  La  Geste  de  Liege  par  Johannes  Preis  dit  d'Outre- 
meuse.     Glossaire  philologique.     4°.     319  p.     Bruxelles  1882.     Ji  ^  — 

Schneegans,  Dr.  Heinrich  (Privatdocent  der  romanischen  Philologie  an  der 
Universität  Strassburg),  Laute  und  Lautentwicklung  des  siziliani- 
schen  Dialekts.     Mit  einer  Karte.     8«.     204  S.     1888.  Ji  4  — 

—  —  Geschichte  der  grotesken  Satire.  Mit  28  Abbildimgen.  gr.  8''. 
XV,  523  S.     1894.  Jk  18  — 

Inhalt:  Einleitung.  —  Erster  Theil:  Die  Zeit  vor  Rabelais.  Kap.  I:  Die 
Keime  der  grotesken  Satire  im  Mittelalter.  Kap.  II:  Die  italienische  Ritterdichtung. 
Kap.  III:  Die  macaronische  Poesie  der  Italiener.  Kap.  IV:  Die  vom  Humanismus  und 
der  Reformation  ausgehenden  Satiren  Deutschlands.  —  Zweiter  Theil:  Rabelais. 
Kap.  I:  Die  Satiren  der  Ritterromane.  Kap.  II:  Die  Satiren  der  einzelnen  Gesellschafts- 
klassen. Kap.  III:  Der  Stil  Rabelais'.  —  Dritter  Theil.  Die  Zeit  nach  Rabelais. 
Kap.  I:  Die  äusseren  Nachahmer  Rabelais'  und  die  von  ihm  beeinflusste  Kunst.  Kap.  II. 
Die  franzosische  Satire  im  Geiste  Rabelais'.  —  Kap.  III:  Das  Groteske  bei  Fischart: 
Kap.  IV:  Die  Ausläufer  der  grotesken  Satire  und  des  grotesken  Stils.  —  Schluss. 

Zu  dieser  hervorragenden  Arbeit  ist  H.  Schneegans  durch  die  Preisaufgabe  (1889) 
der  Lamey-Stiftung  veranlasst  worden,  welche  eine  Geschichte  des  grotesken  Stils 
verlangte,  doch  modilizierte  er  das  Thema,  indem  er  es  enger  fasste  und  zugleich  ver- 
tiefte und  so  eine  Geschichte  der  grotesken  Satire  schrieb,  deren  Wurzeln  er  im 
Mittelalter  kurz  nachgeht  (S.  59—95),  deren  kräftige  Entwickelung  in  der  Zeit  der  Re- 
naissance er  eingehend  schildert  (S.  96 — 428)  und  deren  letzte  Verzweigungen  er  bis  ins 
18.  Jahrhundert  hinein  verfolgt  (S.  428 — 484).  Dass  er  seine  Erörterungen  mit  reich- 
lichen Proben  aus  den  grotesken  Litteraturdenkmälern  begleitet,  wird  bei  der  Seltenheit 
dieser  vielfach  verschollenen  Schriften  auch  dem  Fachmann  willkommen  sein  und  giebt 
dem  Buche  eine  Anschaulichkeit  der  Darstellung  und  eine  Selbständigkeit,  die  auch 
dem  Laien  genussvolle  Lektüre  und  reiche  Belehrung  sichert 

Die  groteske  Satire  ist  eine  charakteristische  litterarische  Form  jener  Zeit  der 
Übermenschen,  welche  das  „fais  ce  que  voudras"  ihrer  Lebenslehren  auch  zum  Motto 
der  litterarischen  Darstellung  machten.  Sie  ist  das  Bild  der  ungeordneten,  über- 
schäumenden Lebensfülle  der  Renaissance. 

Dieses  Bild  in  reicher  Ausführung,  nach  Farbe,  Zeichnung  und  Perspektive  fesselnd 
und  lebenswahr,  uns  geschenkt  zu  haben,  ist  das  Verdienst  H.  Schneegans'. 

Archiv  f.  neuere  Sprachen  XCVII,  S.  443. 

....  Es  ist  ein  Verdienst  von  Schneegans,  zum  ersten  Male  eine  reinliche  Scheidung 
zwischen  grotesk,  burlesk  und  possenhaft  versucht  und  auf  inductivem  Wege  vollzogen 
zu  haben.  Wir  haben  jetzt  wenigstens  eine  zusammenfassende  Bezeichnung  für 
Rabelais'  Eigenart:  Rabelais  ist  der  Meister  der  grotesken  Satire.  Das  Groteske  beginnt 
mit  der  tollen  Unmöglichkeit,  der  kolossalen  Uebertreibung  .... 

....  Rabelais'  Eigenart  endlich  ins  richtige  Licht  gerückt  zu  haben,  ist  das  Ver- 
dienst des  geistvollen  und  tiefgründigen  Buches  von  H.  Schneegans.  Wesen  und 
Physiognomie  der  grotesken  Satire,  sowie  die  Zeit,  aus  der  sie  ihre  Lebenssäfte  sog, 
treten  mit  gerade  plastischer  Anschaulichkeit  hervor.  Die  neuere  Literaturwissenschaft 
bringt  nicht  alle  Jahre  ein  Werk  hervor,  welches  an  das  hier  besprochene  einigermassen 
hinanreicht.  J.  Sarrazin 

(in  der  Beil.  zur  Allgemeinen  Zeitung  1895,  Nr.  167). 


68  VERLAGSKATALOG  von  KARL  J.  TRÜBNER  in  Strassburg. 

Schuchardt,  Hugo  (Professor  an  der  Universität  Graz),  Romanisches  und 
Keltisches.     Gesammelte  Aufsätze.     8«.     Vlll,  408  S.     1886. 

^  1  50,     geb.  Jl  8  50 

Inhaltsverzeichniss:  L  Pompei  und  seine  Wandinschriften.  —  IL  Virgil  im 
Mittelalter.  —   IIL  Boccaccio.   —   IV.  Die  Geschichte  von  den  drei  Ringen.  —  V.  Ariost. 

—  VI.  Camoens.  —  VII.  Zu  Calderons  Jubelfeier.  —  VIII.  Goethe  und  Calderon.  — 
IX.  G.  G.  Belli  und  die  römische  Satire.  —  X.  Eine  portugiesische  Dorfgeschichte.  — 
XI.  Lorenzo  Stecchetti.  —  XII.  Reim  und  Rhythmus  im  Deutschen  und  Romanischen.  — 
XIII.  Liebesmetaphern.  —  XIV.  Das  Französische  im  neuen  Deutschen  Reich.  — 
XV.  Eine  Diezstiftung.  —  XVI.  Französisch  und  Englisch.  —  XVII.  Keltische  Briefe.  — 
Anmerkungen. 

„Gewährt  dem  Leser  zu  gleicher  Zeit  Genuss,  Anregung  und  Belehrung  in 
einem  Maasse,  wie  wenig  andere  Bücher:  Anregung  und  Belehrung  durch  die  grosse 
Fülle  gedankenreichen  Inhalts,  Genuss  durch  die  überaus  anmuthig  schöne  Form,  in 
der  dieser  Inhalt  geboten  wird." 

Litteraturblatt  für  germanische  und  romanische  Philologie. 

„Es  möge  das  auch  durch  die  von  jeder  Gelehrsamkeit  und  Pedanterie  freie  Dar- 
stellung sich  empfehlende  Buch  viele  Leser,  die  es  durchziehenden  Grundideen  viele 
Nachfolger  haben."  Deutsche  Litteraturzeitung. 

,,Das  Buch  bildet  eine  werthvolle  Bereicherung  der  Essay-Literatur  in  wahrhaft 
classischer  Form  der  Sprache  und  beredter,  sprachgevvaltiger  Darstellung." 

Wochenschrift  für  klassische  Philologie. 

Dieses  Werk  des  berühmten  Romanisten  wird  von  Anton  Schön bach  (Über 
Lesen  und  Bildung  4-.  Aufl.)  in  der  kleinen  Auswahl  des  Besten  aufgeführt,  was  die 
deutsche  Litteratur  an  Prosawerken  bietet. 

(Aus  dem  Verlag  von  R.  Oppenheim  in  Berlin  in  den  meinigen  übergegangen). 

—  siehe  aiicli:  III.  Indogerman.  Sprachwissenschaft. 

Schultz,  A.,  Kulturgeschichte  der  romanischen  Völker  siehe:  Grundriss  der 
romanischen  Philologie. 

siehe  auch:  Gruudri.ss  der  germanischen  Philologie  unter  VII.  Germanische 

Philologie. 

Seh  um,  W.,  Die  schriftlichen  Quellen  der  romanischen  Forschung  siehe:  Grund- 
riss der  romanischen  Philologie. 

Seybold,  Clir.  Die  arabi.sche  Sprache  in  den  romanischen  Ländern  siehe 
Grundriss  der  romanischen  Philologie. 

(B^ai) ,  £«btt)ig,   !^wx  ©efd)id)te    ber   neueren   frottaöjijc^cn   Siterotur 

6ifat)§.     8".     V,  H74  ©.     1877.  Ji  ^t  — 

3iil)alt:  Rouge  et  Noir  Bon  .Oevrn  tooit  ©teitböül  (Cicitvl)  a3el)le).  —  Wotter  u.  ®>ueben= 
Dorg.  —  sl^enutnUmpfuug  (i)oetl)Cä  in  ber  Academie  fran(,-aise.  —  ^llepiibre  Suma-S,  ber 
Slitifleve,  uiib  3ol)n  üeuioine.  —  Soiitartiite.  —  C£aro  in  ber  Academie  l'rangaise.  —  3ule» 
Sanin  unb  Soljn  üemoitie.  —  @oetl)e  intb  (£bmunb  Scfierer.  —  Saniel  Stern.  —  öeovge  Sanb. 
St)r  ®ruitbprincij)  unb  beffeii  ©egner.  —  Slbbö  Sadjeuj  über  (Seiler  bon  taijfeväbevg.  — 
2)oiibanä  ^Briefe.  —  .^»oitore  be  üBatjac;  feine  ßorrefponbeiij.  —  iDJemoireS  »on  *^5l)ilorete 
ef)0Sleij.  —  ^roSper  SöJerimee'sS  Briefe  nn  eine  Unbefonnte.  —  ©iiiiflc  abriefe  bon  iOJevimee. 

„Gewiss  werden  diese  Essay's,  die  nach  echter  Art  dieser  üarstellungsweisc  vom  Ein- 
zelnen ausgehend  ein  Gesammtbild  geben  und  durch  feine  geistreiche  Sprache  anziehen, 
Vielen  eine  genussreiche  Leetüre  gewähren."  Literar.  Centralbl.  1877,  Nr.  ü. 

Stengel,  E. ,  Metrik  und  Stilistik  der  romanischen  Sprachen  siehe:  Grundriss 
der  romanischen  Philologie. 

Stimming,  A.,  Proven§alische  Litteraturgeschichte  siehe:  Grundriss  der  roma- 
nischen Philologie. 

Studien,  Romanische,  herausgegeben  von  Ed.  Boehm er  (Professor  der 
romanischen  Sprachen  an  der  Universität  Strassburg).  8. — 12.  Heft.  8**. 
1873—1879. 

Heft  1  und  2  erschienen  im  Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses,  Halle;  die 
Hefte  3 — 12  sind  in  Eduard  Webers  Verlag  (Julius  Flittner)  in  Bonn  übergegangen. 

Suchier,  H.,  Die  französische  und  proven^-alische  Spradie  und  ihre  Mundarten 
siehe:  Grundriss  der  romanischen  Pliilologie. 

Tappolet,  Ernst,  Die  romanischen  Verwandtschaftsnamen.  Mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  der  französischen  und  italienischen  Mundarten. 
Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Lexikologie.  Mit  zwei  Karten.  VI,  178  S. 
1895.  Ji  Q  — 

. .  .  Tappolet  stellt  sich  die  wichtige  Frage:  was  ist  im  Laufe  der  Zeit  aus  den  lateini- 
schen Verwandtschaftswörtern  geworden,  welche  sind  geblieben,  welche  in  ihrer  Bedeutung 


VIII.  Romanische  Philologie.  69 


Tappolet,  Ernst,  Die  romanischen  Verwandtschaftsnamen  (Fortsetzung). 

verschoben,  welche  verloren  und  durch  andere  ersetzt.  Natürlich  kann  eine  solche  Arbeit, 
wenn  anders  ihre  Resultate  einen  richtigen  Einblick  in  diese  Seite  sprachlicher  Biologie 
gewähren  sollen,  sich  nicht  auf  die  Schriftsprachen  beschränken,  muss  vielmehr  die 
Mundarten  mit  heranziehen.  Das  ist  denn  auch  geschehen.  Der  Verfasser  hat  theils 
durch  fleissiges  Durcharbeiten  von  Texten  und  Wörterbüchern,  theils  durch  ausgedehnteste 
persönliche  und  briefliche  Erkundigungen  ein  ausserordentlich  reiches  Material,  nament- 
lich aus  Italien  und  Frankreich  zusammengetragen  und  geschickt  und  übersichtlich  ge- 
ordnet. Wie  rastlos  die  Sprache  selbst  in  Dingen  sich  ändert,  die  dem  oberflächlichen  Be- 
obachter die  festesten  zu  sein  scheinen,  ergiebt  sich  aus  der  Thatsache,  dass  er  zu 
zweiunddreissig  Erbwörtern  über  zweihundert  freie  Neuschöpfungen  zu  verzeichnen  hat 
und  zwar  ohne  dass  feinere  Schattierungen  der  Verwandtschaft  gemacht  würden. 

Literar.  Centralblatt  1896,  Nr.  U. 

teil  Brink  siehe:  Brink. 

T  i  k  t  i  n ,  H.,  Die  rmnänische  Sprache  siehe :  Grundriss  der  romanischen  Philologie. 

T  0  b  1  e  r ,  A.,  Methodik  der  philologischen  Forschung  siehe :  Grundriss  der  roma- 
nischen Philologie. 

Voigt,  Ernst,  Kleinere  lateinische  Denkmäler  der  Thiersage. 
((Quellen  und  Forschungen,  Heft  XXV.)     S".     VII,  156  S.     1878.     ^  4  50 

siehe  auch:  Ecbasis  Captivi  unter  VII.  Germanische  Philologie. 

Waitz,  Hugo,  Die  Fortsetzungen  von  Chrestien's  Perceval  leGallois 
nach  den  Pariser  Handschriften.     8°.     VI,  87  S.     1890.  Ji  2  — 

Wiezel's,  Gioerin,  Veltlinerkrieg.  Nach  zwei  Handschriften  aus  Boehmers 
Rätoromanischer  Bibliothek  mit  Vergleichung  der  Ausgabe  Flugis  heraus- 
gegeben von  Dr.  Gottfried  Hartmann.     8°.     49  S.     1887.         ^  1  50 

Windelband,  W.,    Die   Wissenschaften  in   den   romanischen  Ländern   siehe 

Grundriss  der  romanischen  Philologie. 
Windisch,  E.,   Die    keltische    Sprache    in    den    romanischen    Ländern    siehe: 

Grundriss  der  romanischen  Philologie. 


M.  Da  Mont-Schauberg,  Straasborg. 


X^l 


III.  ABSCHNITT. 


I.ITTHRATURGESCHICHTR  DER  ROiMANISCHKN 

VÖLKER. 


B.  DIE  LITTERATUREN  DER  ROMANISCHEN 

VÖLKER. 


2.  PROVENZALISCHE  LITTERATUR 

VON 

ALBERT    STIMMING. 


I^n  Südfrankreich  erlangte  die  Sprache  unter  der  Gunst  äusserer  und 
^  j^lj  innerer  Verhältnisse  zuerst  unter  allen  romanischen  Schwestern  jenen 
^,^2ä  hohen  Grad  der  Ausbildung,  welcher  die  Vorbedingung  für  die 
Entfaltung  einer  Litteratur  ist.  Zwar  reichen  einige  französische  Denkmäler 
noch  höher  hinauf  als  das  älteste  uns  bekannte  provenzalische,  aber  während 
der  Ausdruck  in  jenen  noch  ziemlich  unbeholfen  ist,  zeigt  letzteres  bereits 
eine  solche  Vollkommenheit  in  sprachlicher  und  metrischer  Hinsicht,  dass 
damals  die  Litteratur  unzweifelhaft  bereits  einen  verhältnismässig  langen  Ent- 
wickelungsgang  hinter  sich  hatte,  sodass  es  nur  den  ungünstigen  äusseren 
Umständen  zuzuschreiben  ist,  wenn  sich  keine  älteren  Erzeugnisse  erhalten 
haben.  Die  Blütezeit  der  provenzalischen  Litteratur  umfasst  das  elfte  und 
namentlich  das  zwölfte  Jahrhundert,  das  vorangehende  sowie  die  folgenden 
stehen  an  Bedeutung  hinter  jenen  erheblich  zurück.  Der  schnelle  Verfall 
bald  nach  1200  wurde  hauptsächlich  durch  den  blutigen  Albigenserkrieg  be- 
fördert, welcher  die  politische  Selbständigkeit  des  Landes  vernichtete,  dessen 
Reichtum  zerstörte,  dessen  Adel  zum  grossen  Teil  ausrottete  oder  verarmen 
Hess  und  dadurch  auch  der  Poesie  einen  tötlichen  Stoss  versetzte.  —  Wir  be- 
handeln nach  einander  die  epischen,  die  lyrischen,  die  didaktischen  und  drama- 
tischen Erzeugnisse  der  Poesie  und  schliessen  daran  die  Prosa-Denkmäler. 

Allg.  Werkk.  M  i  1 1  o  t ,  Histoire  litleraire  des  tnnibadoiirs,  3  B.  Paris 
'773;  Fauriel,  Histoire  litteraire  des  trotibadatirs,  3  B.  Paris  1844; 
K.  Bartsch,  Gruiidriss  zur  Geschichte  der  provenzalischen  Literatur, 
Elberfeld  1872;  Chabaneau,  Les  Biographies  des  Trotdiadours  en 
langne  proveniale,  Appendice,  Toulouse  1885  (Aus  Histoire  generale  de 
Iji?tgnedoc'^  X);  Restori,  Letteratura  provenzale,  Milano  1891. 
ÜRÖBEK,  Gruiidriss  Uli.  1 


LlTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PROV.    LiTT. 

A.  EPIK. 

a.  VOLKSTÜMLICHE  EPIK. 

IJanter  den  romanischen  Litteraturen  hat  nur  die  französische  und  die  pro- 
^  venzalische  Volksepcn  aufzuweisen,  und  zwar  sind  diese  unter  der  un- 
mittelbaren Einwirkung  der  Germanen  entstanden,  deren  Heldengedichte  der 
unterworfenen  Bevölkerung  als  Vorbilder  und  Muster  dienten.  Die  Wirkungen 
dieses  Einflusses  blieben  jedoch  auch  dann  noch  bestehen,  als  die  beiden 
Nationalitäten  dadurch  mit  einander  verschmolzen ,  dass  die  Eroberer  die 
Sprache  der  Unterworfenen  annahmen.  Die  Romanen  hörten  sehr  bald  auf, 
die  Eindringlinge  als  Fremde  anzusehen :  da  sie  jetzt  Schulter  an  Schulter  mit 
ihnen  die  gleichen  Feinde  bekämpften ,  so  fiihlten  sie  sich  völlig  eins  mit 
ihnen,  und  die  gemeinsamen  Thaten  und  Schicksale  wurden  von  ihnen  in 
ganz  derselben  V\'eise  besungen,  wie  sie  oder  ihre  Vorfahren  dies  einst  bei 
den  Germanen  kennen  gelernt  hatten.  Im  Süden  Frankreichs  hat  diese  volks- 
mässige  Epik  allerdings  bei  weitem  keine  so  grossartige  Entwickelung  erreicht 
wie  im  Norden,  und  unter  den  mannigfachen  Gründen  dafür  ist  einer  wohl 
in  dem  Umstände  zu  suchen,  dass  dort  die  Durchsetzung  mit  germanischen 
Elementen  viel  weniger  stark  und  andauernd  gewesen  ist,  daher  auch  jener 
Einfluss  nicht  so  wirksam  und  so  nachhaltig  sein  konnte,  wie  hier.  Aber 
auch  dort  bewahrte  man  die  -Erinnerung  an  grosse  Waffenthaten,  an  Nieder- 
lagen und  an  Siege  über  die  politischen  oder  religiösen  Feinde  des  Volkes 
in  Form  von  Heldengedichten.  Dafür  spricht,  abgesehen  von  den  uns  er- 
haltenen Epen  unter  anderem  die  Thatsache,  dass  in  Südfrankreich  einige 
Lokalsagen  von  Roland,  dem  berühmten  Neffen  Karls  des  Grossen,  bis  auf 
den  heutigen  Tag  fortleben,  und  dass  die  Thaten  des  Wilhelm  von  Orange, 
eines  südfranzösischen  Helden,  wie  uns  in  dessen  lateinischer  Lebensbeschrei- 
bung berichtet  wird,  überall,  also  wohl  vor  allem  in  seiner  engeren  Heimat, 
gefeiert  wurden.  Wenn  hiernach  das  Vorhandensein  einer  Nationalsagc  in 
jenen  Gegenden  nicht  wohl  bezweifelt  werden  kann,  so  ist  mit  der  gleichen 
Sicherheit  vorauszusetzen,  dass  sich  dieselbe  in  dichterisches  Gewand  gekleidet 
und  in  dieser  Form  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  überliefert  hat,  da  eine 
andere  Form  der  Fortpflanzung  nicht  anzunehmen  ist. 

3.  Diese  Volksepen  waren  also  durchaus  historische,  weil  sie  bestimmten 
geschichtlichen  Vorgängen  ihre  Entstehung  verdankten  und  über  dieselben 
einen,  wenngleich  subjektiv  gefärbten,  so  doch  im  ganzen  treuen  Bericht 
lieferten.  Sie  entstanden  daher  der  Regel  nach  bald  nach  den  betreffenden 
Ereignissen  und  hatten  den  Zweck,  den  Stammgenossen  den  ganzen  Hergang 
wieder  vorzuführen,  zugleich  aber  auch  denjenigen  Stimmungen  Ausdruck  zu 
leihen,  welche  jene  Geschehnisse  bei  allen  hervorgerufen  hatten:  Stolz  und 
Freude  über  einen  Sieg,  Schmerz  und  Trauer  über  eine  Niederlage.  In  Be- 
zug auf  ihren  Charakter,  ihren  Stil,  ihre  metrische  Form  und  sonstige  Eigen- 
tümlichkeiten sowie  auf  die  Art,  wie  sie  vorgetragen  wurden,  unterschieden 
sie  sich  vermutlich  nicht  von  den  gleichzeitigen  französischen  Dichtungen 
gleicher  Gattung,  und  ebenso  wird  auch  der  Entwicklungsgang  bei  beiden 
im  allgemeinen  der  gleiche  gewesen  sein.  Demnach  hatten  diese  Epen  in 
ihrer  ältesten  Gestalt  wohl  nur  einen  massigen  Umfang,  sodass  ein  Volks- 
sänger sie  bequem  auswendig  lernen,  meist  auch  mit  einem  Mal  vortragen  konnte. 
Die  grosse  Mehrzahl  dieser  Gedichte  ist  im  Laufe  der  Zeit  verloren  ge- 
gangen, einige  wenige  haben  sich  zwar  erhalten,  jedoch  nicht  in  der  ursprüng- 
lichen, sondern  in  einer  um  mehrere  Jahrhunderte  jüngeren  und  wesentlich 
voränderten    Form,    welche    sie    durch    wiederholte    Umarbeitungen    erhalten 


Epik:  Volkstümliche  Epik. 


hatten.  Diese  Umarbeitungen  wurden  an  den  einzelnen  Epen  immer  dann 
vorgenommen ,  wenn  das  Bedürfnis  hierzu  vorzuliegen  schien ,  sei  es,  weil 
die  Sprache  sich  inzwischen  geändert  hatte  oder  die  metrische  Form  derselben 
veraltet  war,  sei  es,  weil  die  Gebräuche,  die  Sitten,  die  Anschauungen  und 
damit  die  Ideale  des  Volkes  andere  geworden  waren,  und  nun  das  Epos  in 
allen  diesen  Punkten  «modernisiert»  werden  sollte.  Dieser  Aufgabe  unterzog 
sich  dann  immer  ein  Dichter,  der  den  Beruf  dazu  in  sich  zu  haben  glaubte; 
aber  die  meisten  derselben  benutzten  diese  Gelegenheit,  um  zu  gleicher  Zeit 
ihre  Vorlage  inhaltlich  zu  erweitern,  indem  sie  durch  Einführung  neuer  Per- 
sonen, Einflechtung  neuer  Episoden  und  Ausspinnung  der  einzelnen  Szenen 
den  Umfang  des  Gedichtes  vergrösserten,  wobei  ihnen  der  Wunsch  des  Volkes, 
immer  mehr  Einzelheiten  über  die  Schicksale  seiner  Lieblingshelden  zu  hören, 
sehr  entgegen  kam.  Da  nun  diese  Bearbeiter  oft  sehr  wenig  Rücksicht  darauf 
nahmen,  ob  ihre  Zuthatcn  sowohl  inhaltlich  als  auch  formell  mit  den  älteren 
Bestandteilen  übereinstimmten,  so  erklärt  es  sich,  dass  die  Epen  in  der  uns 
vorliegenden  Gestalt  der  Regel  nach  einerseits  grosse  Ungleichheiten  in  Bezug 
auf  Sprache,  Stil  und  Geist,  andrerseits  in  ihrem  Berichte  zahlreiche  Anachro- 
nismen, Inkonsequenzen  und  selbst  Widersprüche  aufweisen. 

Neben  dieser  Art  von  Volksepen  giebt  es  noch  eine  andere,  denen 
eigentlich  diese  Benennung  nicht  zukommt,  nämlich  solche,  die  nicht  in  der 
soeben  dargelegten  Weise  bestimmten  historischen  Vorgängen  ihre  Entstehung 
verdankten,  sondern  die  von  späteren  Dichtern  in  Nachahmung  jüngerer  Be- 
arbeitungen der  wirklichen  Volksepen  verfasst  worden  sind,  daher,  streng  ge- 
nommen, zur  Kunstdichtung  gehören. 

4.  Das  bei  weitem  hervorragendste  unter  den  provenzalischen  Volksepen 
ist  der  Girart  de  Rossillon.^  Es  behandelt  die  langjährigen  und  wechselvollen 
Kämpfe  zwischen  Karl  Martell  und  dem  trotzigen  Baron,  von  welchem  es 
seinen  Namen  erhalten  hat.  Obwohl  beide  durch  Verheiratung  mit  einem 
Schwesternpaar  in  ein  nahes  Verwandtschaflsverhältnis  getreten  waren,  so  ver- 
anlassten doch  bald  ungerechtfertigte  Forderungen  des  Königs  einen  Krieg 
zwischen  ihnen.  Karl  nahm  Rossillon  durch  Verrat,  verlor  es  aber  bald  darauf 
wieder,  nachdem  ihm  Girart  eine  empfindliche  Schlappe  beigebracht  hatte.  Nun 
wurde  eine  Schlacht  verabredet  und  begonnen,  jedoch  durch  ein  furchtbares 
Gewitter  unterbrochen,  und  unter  dem  Eindruck  dieses  Ereignisses  kam  es  zum 
Frieden.  Derselbe  war  jedoch  nicht  von  Dauer,  und  diesmal  nahm  der  Krieg 
nach  mannigfachen  Wechselfallen  eine  für  Girart  so  ungünstige  Wendung,  dass 
er  zuletzt  allein  mit  seiner  treuen  Gattin  Bertha  in  den  Wald  fliehen  musste, 
wo  er  sich  als  Kohlenbrenner  ernährte,  während  jene  Näherin  wurde.  Aber 
beim  Anblick  eines  Ritterspieles  regte  sich  in  ihrer  Brust  eine  enwiderstehliche 
Sehnsucht  nach  der  Heimat ;  beide  zogen  nach  Orleans,  und  mit  Hülfe  von  Berthas 
Schwester  glückte  es,  die  Verzeihung  des  Königs  zu  erlangen.  Girart  erhielt  seine 
Besitzungen  wieder  und  wurde  mit  grosser  Begeisterung  in  Rossillon  empfangen. 

Das  geschichtliche  Urbild  des  Helden  ist  ein  Graf  Girart  von  Vienne, 
welcher  etwa  während  der  ersten  sieben  Jahrzehnte  des  neunten  Jahrhunderts 
lebte.  Seine  Gemahlin  hiess,  wie  im  Epos,  Bertha,  und  er  hatte  mehrfache 
Kämpfe  mit  Karl  dem  Kahlen  zu  bestehen,  in  deren  Verlauf  Karl  schliesslich 
durch  Bestechung  Vienne  einnahm,  worauf  Girart  mit  seiner  Gattin  das  Land 
verliess.     Über  sein  Ende  wissen  wir  nichts. 

Aber  das  Gedicht  enthält  noch  andere  sagenhafte  Elemente,  welche 
auf  die  Zeit  Karl  Martells  zurückweisen  und  welche  in  den  Kriegen  zu  wurzeln 

*  Hsg.  von  K.  Hofmann.  Berlin  l855  und  von  Fr.  Michel,  Paris  1856;  ein  genauer 
Abdruck  der  Handsclniften  in  Roman.  Studien  5,  1 — 282;  ein  weiteres  Bruchstück  in  Rev. 
de«;  1.  r.  33.   133—7- 


LriTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.   PrOV.    LlTl'. 


scheinen,  die  dieser  König  mit  den  Völkern  des  mittleren  und  südlichen 
Frankreichs  zu  bestehen  hatte.  Demnach  ist  zu  vermuten,  dass  die  epischen 
Dichtungen,  welche  diese  Kriege  besangen,  mit  denjenigen  verschmolzen 
worden  sind,  die  den  Thaten  Girarts  von  Vienne  ihre  Entstehung  verdankten, 
und  es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  das  so  entstandene  Volksepos  den  Namen 
seines  Helden  aus  den  älteren  derselben  erhalten  hat,  wie  dies  mit  dem  Namen 
des  Königs  ja  thatsächlich  der  Fall  ist,  während  die  jüngeren  ihm  seinen 
wesentlichen  Inhalt  geliefert  haben.  Die  Verschmelzung  beider  Sagenstoffe, 
also  die  Abfassung  der  ältesten  Gestalt  des  uns  vorliegenden  Epos  wird  gegen 
Ende  des  neunten  Jahrhunderts  stattgefunden  haben,  als  am  Schlüsse  der 
Regierungszeit  Karls  des  Dicken  (f  888)  Burgund  und  die  Provence  sich  vom 
Frankenreiche  losrissen,  wo  demnach  die  Feindschaft,  die  von  Alters  her  zwischen 
dem  Süden  und  seinen  nördlichen  Beherrschern  bestanden  hatte,  mit  neuer 
Schärfe  hervortrat  und  so  durch  die  gewaltige  Hebung  des  Nationalgefühls 
auch  die  nationale  Dichtung  eine  mächtige  Anregung  erhielt. 

Diese  älteste  Gestalt  des  Epos  ist  unwiderbringlich  verloren,  aber  wir 
vermögen  die  Entwickelungsgcschichte  unseres  Gedichtes  doch  wenigstens 
eine  Strecke  weit  zurück  zu  verfolgen.  Einmal  nämlich  lassen  sich  in  der 
uns  vorliegenden  Form  zahlreiche  Bestandteile  als  jüngere  Zuthaten  nach- 
weisen, durch  deren  Ausscheidung  sich  eine  ziemlich  frühe  Version  inhaltlich 
wiederherstellen  lässt;  sodann  kann  man  den  Inhalt  einer  anderen  Fassung 
aus  einer  uns  überlieferten  lateinischen  Lebensbeschreibung  des  Girart  von 
Rossillon  erschliessen,  die  ein  Mönch  des  Klosters  Pothieres  mit  Benutzung 
eines  alten  Epos  am  Ende  des  ii.  Jhs.  verfasst  hat.  Die  beiden  so  erhaltenen 
Berichte,  welche  in  allen  wesentlichen  Punkten  übereinstimmen  (gewisse 
Verschiedenheiten  im  Detail  lassen  das  von  dem  Mönch  benutzte  Gedicht  als 
etwas  älter  vermuten),  stellen  demnach  die  älteste  für  uns  erreichbare  Gestalt 
des  Epos  und  damit  der  Sage  dar.  Zwischen  dieser  und  der  uns  vorliegen- 
den hat  das  Gedicht  nun  mehrfache  Umarbeitungen  erfahren,  deren  Spuren, 
wie  schon  angedeutet,  sich  zum  grossen  Teil  deutlich  erkennen  lassen.  So 
verdankt  es  einer  derselben  unter  anderem  die  Anfügung  einer  lang  ausge- 
sponnenen Liebesgeschichte  zwischen  Folco,  einem  Vetter  Girarts,  und  Aupais, 
einer  Nichte  Karls,  während  die  Thätigkcit  eines  späteren  Bearbeiters,  ver- 
mutlich eines  Mönclis  des  Klosters  Vezelai,  sich  als  noch  viel  einschneidender 
erwies,  nicht  nur  in  Bezug  auf  den  Inhalt,  sondern  auch  auf  den  Geist. 
Dieser  änderte  nämlich  zunächst  den  Eingang,  indem  er  das  Schwesternpaar, 
die  ursprünglich  Töchter  eines  der  Fürsten  des  Landes  gewesen  waren,  zu 
Töchtern  des  Kaisers  von  Konstantinopel  machte,  sodann  fügte  er  einen  voll- 
ständig neuen  Schluss  an,  in  welchem  er  von  einem  neuen  Kriege  zwischen 
beiden  Gegnern  berichtete  und  dabei  eine  Menge  Legenden  und  fromme  Er- 
zählungen einflocht,  endlich  schob  er  auch  im  Innern  zahlreiche  neue  Episoden 
ein.  Verhängnisvoller  aber  war  sein  Versuch,  dem  Epos  ein  geistliches  Ge- 
präge aufzudrücken,  indem  er  der  Geistlichkeit,  sogar  dem  Papste,  wichtige 
Rollen  zuerteilte,  spezifisch  theologische  Motive  in  die  Handlung  einführte, 
den  Girart  aus  einem  rauhen  Krieger  allmählich  zu  einem  frommen  Mann 
Gottes  werden  Hess  und  überall  salbungsvolle  Reden  anbrachte  oder  kirch- 
liche Ausdrücke  verwendete.  Dieser  Bearbeiter,  dem  also  das  Epos  im  wesent- 
lichen seine  jetzige  Gestalt  verdankt,  lebte  wahrscheinlich  am  Schlüsse  des 
zwölften  Jahrhunderts. 

Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich,  dass  unser  Gedicht  weder  inhaltlich, 
noch  formell  den  Eindruck  eines  einheitlichen  Kunstwerkes  hervorruft:  da 
die  Bearbeiter  sehr  ungleich  an  Begabung  und  Gesinnung  waren,  so  zeigen 
auch  die  von  ihnen  herrührenden  Zuthaten  grosse  Unterschiede  in  Bezug  auf 


Epik:  Volkstümliche  Epik. 


Geist  und  dichterischen  Wert.  Bei  weitem  am  höchsten  stehen  in  dieser 
Hinsicht  die  ältesten  Bestandteile  des  Werkes,  sodass  sich  leicht  erkennen 
lässt,  dass  das  frühere  Epos  zu  den  vorzüglichsten  Erzeugnissen  der  volks- 
tümlichen Epik  gehört  haben  muss.  Pie  verschiedenen  Persönlichkeiten 
sind  dort  scharf  herausgearbeitet  und  die  einzelnen  Charaktere  konsequent 
durchgeführt.  Die  Handlung  schreitet  schnell  vorwärts,  und  die  Aufmerksam- 
keit wird  nicht  durch  Abschweifungen  abgelenkt;  der  Ausdruck  ist  kurz  und 
knapp  und  fast  immer  der  Situation  angemessen;  Bilder,  Vergleiche  und  andrer 
rednerischer  Schmuck  werden  mit  Maass  verwandt,  stets  aber  mit  Geschick 
und  an  der  richtigen  Stelle;  der  Geist  ist  ein  kriegerischer,  durchweg  ernst, 
stellenweise  sogar  rauh ;  das  Motiv  der  Liebe  tritt  völlig  zurück,  die  Frau  er- 
scheint nur  in  der  Rolle  der  treuen,  hingebenden  Gattin.  Bemerkenswert 
endlich  ist  die  metrische  Form:  Tiraden  von  Zehnsilblern  mit  der  Zäsur  nach 
der  sechsten  Silbe,  Verse,  in  denen  durch  das  Übergewicht  des  ersten  Teiles 
schon  äusserlich  der  Eindruck  des  Rauhen,  Schroffen  und  Schweren  hervor- 
gebracht wird. 

P.  Meyer,  La  legende  latine  <ie  Girait  de  Koussillon,  Rom.  7, 
l6l— 230;  Ders  ,  Girait  de  Rmissillon,  chanson  de  geste  hadiiiu  pour 
la  Premiere  fois,  Paris  1884;  A.  Longnon,  Girard  de  Roussillon  dans 
Phistoire,  Reviu  historique  8,  242—79;  A.  Sti  mini  11g ,  Über  den 
proveiizaliscfuH  Girart  von  Rossillon.  Ein  Beitrag  zur  EntuicUeliings- 
geschichte  der  Volksepen.  Halle  1888. 

5.  Die  übrigen  Volksepen  sind  uns  leider  sämtlich  mehr  oder  weniger 
lückenhaft  (>rhalten.  So  besitzen  wir  von  einem,  welches  Aigar  und  Maurin  ' 
betitelt  ist,  nur  einzelne  Bruchstücke,  die  auf  den  Deckel  eines  Buches  geklebt 
waren  und  durch  einen  Zufall  aufgefunden  worden  sind.  Es  sind  im  ganzen 
1437,  zum  Teil  verstümmelte,  Zehnsilbler  mit  der  Zäsur  nach  der  vierten  Silbe, 
welche  in  45  gereimte  Tiraden  gruppiert  sind.  Aus  einzelnen  Anzeichen  lässt 
sich  schliessen,  dass  der  gereimten  Fassung  eine  assonierende  vorhergegangen 
ist.  Das  Epos  berichtet  über  einen  Krieg  zwischen  dem  englisch-normannischen 
Könige  Aigar  (=  Edgar)  und  dessen  aufrührerischen  Vasallen  unter  Führung 
des  Maurin,  dem  sich  später  ein  Verwandter  des  Königs,  Falco,  anschloss. 
In  dem  ersten  Fragment  hören  wir  von  einer  Niederlage,  die  Aigars  Sohn 
erleidet,  und  von  kleineren  Unternehmungen  der  Verbündeten,  im  zweiten 
wohnen  wir  einer  entscheidenden  Schlacht  bei,  deren  Ausgang  wir  jedoch 
nicht  erfahren. 

Das  Gedicht  trägt  auch  inhaltlich  deutliche  Spuren  jüngerer  Überarbei- 
tungen an  sich,  so  in  den  langatmigen  Reden  ohne  wesentlichen  Inhalt  und 
in  den  zahlreichen  Repetitionsstrophen.  Dagegen  zeigen  die  älteren  Teile 
fast  durchweg  die  Vorzüge  der  guten  Epen:  rauhen,  kriegerischen  Geist, 
schnellen  Fortschritt  der  Handlung,  einfachen  und  schmucklosen  Stil.  In  dem 
ganzen  Gedicht  tritt  keine  Frau  handelnd  auf,  und  nur  ein  einziges  Mal  wird 
ganz  nebenbei  eine  Nichte  Aigars  als  eine  angebliche  Erbin  erwähnt.  Wir 
vermögen  nicht  anzugeben,  ob  geschichtliche  Ereignisse  dem  Epos  zu  Grunde 
liegen.  Es  verdient,  hervorgehoben  zu  werden,  dass  sich  bereits  in  einem 
Lehrgedicht  des  Guiraut  de  Cabreira  (um  1170)  eine  Anspielung  auf  das- 
selbe findet. 

Von  einem  andern  Epos  kennen  wir  sogar  nur  72  Verse  (Zehnsilbler), 
welche  vermutlich  ihres  lyrischen  Inhaltes  wegen  aufbewahrt  worden  sind. 
Das  Gedicht,  dem  sie  entlehnt  sind,  führte  wahrscheinlich  den  Titel  Bernartz 
de  Toiosa  oder  Lo  Coms  de  Tolosa-  und  war  vermutlich  die  älteste  Bearbeitung 

'  Aigar  et  Alauriii,  fragments  lü une  chanson  de  geste  pnwengalc  p.  p.  Auguste 
.Sclicler,  Hruxelles   1877. 

*  Hsg.  von  Sqc liier,  Denkmäler  prov.  Li(.  tt.  Sprache  1,  309— U. 


LlTTERATüRGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LllT. 


der  Sage  von  dem  Grafen  von  Toulouse,  die  ursprünglich  in  Südfrankreich 
heimisch,  später  auch  bei  andern  Völkern  Eingang  gefunden  hat  und  deren 
historischer  Kern  in  der  tragischen  Liebe  Bernhards,  des  Sohnes  Wilhelms 
von  Orange  und  Toulouse,  zu  der  schönen  Kaiserin  Judith,  Gemahlin  Lud- 
wigs des  Frommen,  zu  suchen  ist.  Unser  Bruchstück  enthält  ein  Gespräch 
zwischen  der  Königin  und  dem  Grafen,  in  welchem  letzterer  sich  beklagt, 
dass  seine  treue  Liebe  bisher  keinen  Lohn  gefunden.  Sowohl  Gedanken  wie 
Ausdrucksweise  lassen  erkennen,  dass  das  Epos,  aus  dem  die  Verse  herstammen, 
schon  von  der  kunstmässigen   Dichtung  stark  beeinflusst  worden  war. 

6.  Daurel  tmd  Betört^  gehört  zu  der  zweiten  der  oben  (§  3)  aufgestellten 
Arten  von  Volksepen,  in  so  fern  nämlich  der  Stoff  mit  Benutzung  von  Mo- 
tiven, Personen  und  Szenen  andrer,  speziell  französischer,  Heldengedichte 
erfunden,  hierauf  äusserlich  mit  dem  Sagenkreise  Karls  des  Grossen  verknüpft 
und  dann  in  die  bei  den  anderen  volkstümlichen  Gedichten  übliche  Gewandung 
gekleidet  worden  ist.  Es  bildet  nämlich  die  unmittelbare  Fortsetzung  der 
Chanson  de  geste  »Beuve  de  Hanstone«,  denn  es  berichtet  von  den  Schick- 
salen Betons,  des  Sohnes  jenes  Helden,  nanentlich  von  den  Gefahren,  denen 
er  durch  die  Nachstellungen  des  Gui,  eines  treulosen  Vertrauten  seines  Vaters, 
ausgesetzt  wurde.  Der  eigentliche  Träger  der  Handlung  ist  jedoch  Daurel, 
ein  seinem  Herrscherhause  treu  ergebener  Spiclmann,  der  den  jungen  Beton 
durch  Opferung  seines  eigenen  Sohnes  vor  jenem  Verräter  rettet,  ihn  in  die 
Verbannung  zu  dem  .\dmiral  von  Babylon  geleitet,  ihn  erzieht  und  schliess- 
lich auch  die  Rache  an  Gui  ins  VVerk  setzen  hilft.  Der  Schluss  fehlt 
jedoch  auch  hier,  denn  wir  erfahren  nur,  dass  Beton  nach  seiner  Wiederein- 
setzung seinen  Oheim  Karl  den  Grossen  wegen  seines  Anteils  an  dem  Ver- 
rat zur  Rechenschaft  aufforderte,  nicht  aber,  was  weiter  erfolgte.  Das  Ge- 
dicht zählt  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  2198  Verse,  von  denen  die  ersten 
138  je  zwölf,  alle  übrigen  je  zehn  Silben  aufweisen,  offenbar  weil  ein  Be- 
arbeiter begonnen  hatte,  das  Epos  in  Alexandriner  umzudichten,  dann  aber 
bald  von  seinem  Vorhaben  abstand.  Als  Entstehungszeit  wird  von  einigen 
das  dritte  Viertel,  von  andern  das  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  angesehen. 
Der  Verfasser  war  offenbar  ein  Spielmann,  denn  er  hat,  wie  wir  gesehen, 
einem  Berufsgenossen  die  Hauptrolle  übertragen  und  diesem  auch  den  Grund- 
gedanken der  ganzen  Dichtung,  die  Pflicht  opferfreudiger  Liebe  zum  Lehns- 
herrn (V.  1029)  in  den  Mund  gelegt.  Nach  den  vorkommenden  Ortsnamen 
zu  schliessen,  stammte  er  aus  dem  Landstrich  zwischen  Poitiers  und  Agen. 
Er  war  ein  nicht  unbegabter  Dichter,  der  seinen  Stoff  recht  geschickt  zu  er- 
finden und  ansprechend  zu  erzählen  verstanden  hat. 

7.  Ein  andres  Epos,  das  die  Eroberung  von  Arles  behandelte,  ist  nicht 
in  seiner  ursprünglichen  Form  auf  uns  gekommen;  es  liegt  davon  erstens  die 
Prosa-Auflösung  einer  ehemals  gereimten  Version  vor  (cf.  §  69),  sodann  bildet 
dieser  Stoff  den  dritten  Teil  einer  etwas  buntscheckigen  Kompilation, 2  deren 
erster  die  legendarische  Geschichte  des  Kreuzholzes  Christi,  deren  zweiter 
die  Sage  von  der  Zerstörung  Jerusalems  umfasst  (cf.  §  44)'  Diese  poetisch 
äusserst  geringwertige  Kompilation,  die  sich  in  einem  von  1272  bis  1275 
niedergeschriebenen  Manuskript  befindet,  beruht  zwar  auf  dichterischen  Be- 
arbeitungen der  betreffenden  Gegenstände,  doch  erscheint  die  metrische  Form 
arg  vernachlässigt,  stellenweise  ganz  verwischt.  Auch  inhaltlich  hat  sich  der 
Verfasser  seiner  Vorlage  sehr  frei  gegenübergestellt,  indem  er  den  vorgefun- 
denen Stoff  durch  zahlreiche   aus   anderen  Dichtungen    entlehnte  Zusätze   er- 


•   Daurel  et  Beton,    chanson   de  geste  proveufale  p.  p.  Paul   Meyer,  Paris   '.881. 
-  Le  Roman  d* Arles,  texle  provenfal  p.  p.  C.  Cliabaneau,  Paris   l88y. 


Epik:  Volkstümliche  Epik.  —  Kunstmässige  Epik.  7 

heblich  veränderte.  Dennoch  sind  wir  im  Stande,  die  frühere  Gestalt  der 
Sage  im  allgemeinen  anzugeben,  da  sich  in  anderen  Denkmälern,  namentlich 
in  der  mittelhochdeutschen  »Kaiserchronik«,  Bezugnahmen  auf  dieselbe,  und 
selbst  Inhaltsangaben  derselben  finden.  Sie  behandelt  die  wiederholten  Kämpfe 
Karls  des  Grossen  mit  dem  Sarazenenkönig  Thibaut  um  den  Besitz  von  Arles, 
in  welchen  diese  Stadt  durch  Zerstörung  der  Aquädukte,  die  das  Wasser  lieferten, 
schliesslich  zur  Übergabe  gezwungen  wurde.  Auch  diese  Sage  wurzelt  in 
einem  historischen  Vorgange,  nur  gehört  dieser  nicht  der  Geschichte  Karls 
des  Grossen,  sondern  der  Karl  Martells  an,  welcher  im  Laufe  der  Zeit,  wie 
dies*  mehrfach  geschehen  ist,  in  der  Erinnerung  des  Volkes  durch  seinen  be- 
rühmteren Enkel  verdrängt  worden  war.  Karl  Martell  musste  im  Jahre  737 
einen  Feldzug  gegen  die  Araber  unternehmen,  welche,  von  ungetreuen  Baronen 
der  Provence  herbeigerufen,  dies  Land  eingenommen  hatten,  und  eroberte 
bei  dieser  Gelegenheit  wahrscheinlich  auch  Arles  wieder  zurück.  Wenn  es 
hiernach  nicht  bezweifelt  werden  kann,  dass  es  einst  Epen  über  die  Erobe- 
rung von  Arles  gegeben  hat,  so  ist  doch  zu  vermuten,  dass  das  älteste  derselben 
ein  französisches  gewesen  ist,  dass  daher  die  vorauszusetzenden  provenzalischen 
Gedichte  über  diesen  Gegenstand  nur  Bearbeitungen  eines  fremden  Originals 
gewesen  sind. 

Ganz  sicher  ist  letzteres  der  Fall  bei  dem  schliesslich  noch  zu  erwähnen- 
den Epos  Fierabras^^  welches  man  früher  auch  für  eine  Originaldichtung  ge- 
halten hat,  das  aber  nur  die  provenzalische  Fassung  einer  französischen  Chanson 
de  geste  gleiches  Namens  ist.  Wie  uns  darin  berichtet  wird,  meldet  sich 
Olivicr  zu  einem  Zweikampf  mit  dem  Sarazenenprinzen  Fierabras,  gerät  samt 
andern  Christen  in  die  Gefangenschaft  der  Heiden,  vermag  sich  aber  mit 
Hülfe  von  Floripas,  der  Schwester  des  Fierabras,  so  lange  zu  halten,  bis  Karl 
der  Grosse  Hülfe  und  Rettung  bringt.  Wir  kennen  sechs  französische  Versionen 
der  Sage,  aber  keine  derselben  kann  die  Vorlage  unseres  Gedichtes  gewesen 
sein,  da,  abgesehen  von  vielen  Einzelheiten,  sich  in  keiner  die  Beschreibung 
des  einleitenden  Kampfes  (V.  44 — 604)  findet;  aber  auch  die  verloren  ge- 
gangene Vorlage  würde  nicht  die  erreichbar  älteste  Gestalt  der  Sage  darstellen, 
da  aus  einer  Inhaltsangabe  derselben  in  der  Reimchronik  des  Philippe  Mousket 
(T,  4696  sq.),  sowie  aus  inneren  Gründen  folgt,  dass  der  zweite  Teil  der 
jetzigen  Fassung,  also  Oliviers  Gefangenschaft  und  die  sich  daran  schliessenden 
Kämpfe,  erst  jüngeren  Ursprungs  ist. 

G.  Gröber,  Die  handschriftliche  Gestaltung    der  Chanson  de  gestc 
Fierabras,  Leipzig   1869. 

1).  KUNSTMÄSSIGE  EPIK. 

8.  Die  volksmässige  Dichtung  ist  immer  die  ältere,  ja  sie  ist  die  ein- 
zige, so  lange  der  Kulturzustand  der  ganzen  Bevölkerung  im  allgemeinen 
der  gleiche  ist.  Erst  wenn  durch  die  fortschreitende  Bildung,  deren  Erzeug- 
nisse die  oberen  Stände  sich  ja  schneller  und  vollständiger  aneignen,  letztere 
sich  von  den  übrigen  absondern,  und  sie  nun  wie  auf  anderen  geistigen  Ge- 
bieten so  auch  auf  dem  der  Dichtung  etwas  eignes,  ihrer  Ansicht  nach 
feineres  haben  wollen,  erst  dann  entstehen  »kunstmässige«  Dichtwerke.  Im 
Süden  Frankreichs  wurde  diese  Trennung  innerhalb  der  Volksschichten  durch 
das  Auftreten  des  Rittertums  wenn  auch  nicht  hervorgerufen,  doch  wesentlich 
gefordert,  und  der  ritterlichen  Gesellschaft  sagte  die  bisher  allein  gepflegte, 
allen  gemeinsame  Poesie    nicht  mehr  zu;    sie  verlangte   eine  solche,    welche 


'  Der  Roman  von  Fierabras  lisg.  von  Immanuel  Bekker,  Berlin   1829. 


8         LiTTERATURGESCHlCHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LlTF. 


den  Geist  des  Rittertums  atmete  und  dessen  Anschauungen  wiederspiegeltc. 
Daher  unterscheiden  sich  die  kunstmässigen  Epen  in  fast  allen  wesentlichen 
Punkten  von  den  volkstümlichen :  jene  entlehnten  ihre  Stoffe  der  National- 
sage, diese  anderen,  oft  fremden  Quellen,  sogar  der  Phantasie ;  jene  sind  ein 
Abbild  des  christlich-germanischen  Feudalstaates,  wurzeln  also  in  der  Ver- 
gangenheit, diese  ein  solches  der  politischen  und  sozialen  Einrichtungen,  An- 
sichten, Vorurteile  und  Liebhabereien  der  höheren  Gesellschaftsklassen  der 
damaligen  Zeit;  in  jenen  ist  der  Held  das  Ideal  eines  germanischen  Recken, 
hier  das  eines  zwar  auch  mutigen,  zugleich  aber  »höfischen«  Ritters.  Da 
nun  zu  den  wesentlichsten  Pflichten  eines  Ritters  der  Frauendienst  gehörte, 
so  ist  auch  in  dieser  Hinsicht  ein  grosser  Unterschied  bemerkbar.  Dort 
treten  die  Frauen  zurück,  hier  stehen  sie  mit  im  Vordergrunde,  dort  erscheint 
die  Liebe  als  eine  natürliche,  rein  menschliche  Regung,  hier  als  ein  Kultus 
mit  streng  geregelten,  conventionellen  Formen;  der  Held  ist  hier  nicht  der 
siegreiche  Überwinder  der  Herzen,  sondern  der  Dienstmann  seiner  Dame, 
der  schmachtende  Liebhaber,  welcher  von  seinem  Verdienste  nichts,  sondern 
alles  nur  von  der  Gnade  seiner  Herrin  erwartet.  In  den  Volkscpen  ist  so- 
dann die  Darstellungsart  eine  durchaus  objective,  in  den  andern  eine  mehr 
subjektive;  dort  tritt  der  Verfasser  hinter  seinem  Gegenstande  zurück,  hier 
drängt  er  sich  vor,  flicht  zuweilen  allgemeine  Betrachtungen  aller  Art  ein 
und  gefällt  sich  in  der  Schilderung  von  Gemütsstimmungen  und  Seclenzuständen, 
letztere  nicht  selten  in  Form  von  Zwiegesprächen  mit  dem  personifizierten 
Herzen,  der  Liebe  u.  dgl.  Der  Ausdruck  ist  dort  schlicht  und  einfach,  zu- 
weilen derb,  hier  geglättet,  verfeinert,  durch  Redeschmuck  verziert,  manchmal 
selbst  gekünstelt.  Endlich  ist  auch  die  metrische  Form  verschieden :  die 
Volksepen  waren  zum  Singen,  die  andern  zum  Lesen  bestimmt;  daher  waren 
jene  in  längere,  nach  Tiraden  gruppierte  Verse  gekleidet,  die  nach  einer  ge- 
tragenen Melodie  vorgesungen  wurden,  diese  in  Reimpaare  von  Achtsilblern, 
welche  einen  leichteren,  gefälligeren  Eindruck  hervorriefen. 

a.    KUNSTMÄSSIGE    EPEN, 

9.  Die  uns  ^'erhaltenen  Kunstepen  zerfallen  nach  ihrem  Inhalt  in 
drei  Gruppen:  solche,  die  zum  bretonischen  Sagenkreise  zu  rechnen 
sind,  sodann  Abenteuerromane,  endlich  solche,  die  ihren  StoflF  aus  der 
alten  Geschichte  geschöpft  haben.  Die  erste  Gattung,  die  in  der  fran- 
zösichen  Literatur  eine  so  hervorragende  Stellung  einnimmt,  ist  hier  nur  durch 
ein  Gedicht,  den  Roman  de  /auf re"^  vertreten.  Ein  charakteristisches  Merkmal 
dieses  Gedichtes,  wie  aller  andern  zu  dieser  Klasse  gehörigen,  ist  das  Auf- 
treten des  ebenfalls  aus  der  keltischen  Sage  herübergenommenen  Zauber-  und 
Hexenwesens  in  Gestalt  von  Riesen,  Zwergen,  Feen,  verzauberten  Rittern, 
Damen,  Wäldern,  Gärten,  Brunnen  und  Quellen  sowie  andern  übernatürlichen 
Dingen.  Der  Held,  Jaufre,  ist  ein  Ritter  von  der  »Tafelrunde«,  bekanntlich 
eine  Art  von  militärisch-religiösem  Orden,  welchen  der  König  Artus  aus  der 
Blüte  der  Ritterschaft  aller  Länder  um  sich  versammelt  hatte.  Der  Roman 
berichtet  die  Verfolgung  und  Bestrafung  des  Taulat  von  Rugimon ,  der  den 
König  Artus  und  dessen  Gemahlin  einst  an  offener  Hoftafel  schwer  beleidigt 
hatte,  durch  Jaufre,  und  die  Liebe  zwischen  diesem  und  der  schönen  Bru- 
nessen,  Herrin  von  Monbrun.  Der  Dichter  giebt  vor,  dass  er  die  Erzählung 
von  einem  Ritter  am  Hofe    des  Königs  von  Aragon    vernommen  habe.     Aus 

>  Raynouard,  Lexiquc  roman  I,  48—173;  dazu  Ergänzungen  von  K.  Hofmann, 
yitzungsher.  der  bayr.  Acad,   l868,  H,   167-98  und  343—66, 


Epik:   Kunstmässige  Epen. 


den  weiteren  Angaben,  die  er  über  letzteren  macht,  scheint  hervorzugehen, 
dass  Jacob  I  (12 13 — 76)  gemeint  ist,  und  dass  die  Entstehungszeit  des  Ge- 
dichtes etwa  in  die  Jahre  zwischen  1222  und  1232  zu  setzen  ist.  Auf  Grund 
einer  nicht  richtig  aufgefassten  Stelle  am  Schlüsse  desselben  hat  man  behauptet, 
dass  zwei  Verfasser  dabei  beteiligt  gewesen  sind,  doch  spricht  Inhalt,  Sprache 
und  Geist  desselben  dafür,  dass  wir  es  mit  dem  Werke  nur  eines  Dichters 
zu  thun  haben,  der  höchst  wahrscheinlich  ein  Joglar  war,  dessen  Namen  wir 
aber  nicht  kennen.  Derselbe  erscheint  nach  seinem  Gedicht  als  ein  frommer 
Mann,  doch  war  er  nicht  nur  in  der  Bibel,  sondern  auch  in  der  zeitgenössischen 
Litteratur  wohl  bewandert;  er  liebte  einen  glänzenden,  durch  Bilder,  Vergleiche 
und  poetische  Figuren  belebten,  sowie  mit  Sprichwörtern  und  Sentenzen  ge- 
würzten Ausdruck  und  verfügte  dabei  über  einen  klaren,  fliessenden,  überall 
leicht  verständlichen  Stil.  Den  Namen  seines  Helden  scheint  er  wie  die 
ganze  Geschichte,  erfunden  zu  haben,  wenigstens  kommt  ein  Jaufre  sonst 
nicht  unter  den  Begleitern  des  Artus  vor.  Endlich  verdient  bemerkt  zu  werden, 
dass  der  Verfasser  seine  Erzählung  durch  die  darin  verwendeten  Ortsnamen 
in  Südfrankreich  zu  lokalisieren  versucht  hat. 

O.  Petry.  Le  Koman  de  Jaufre,  Jaliresber.  der  Gewerbeschule  zu 
Remscheid,  1873 ;  A  S  t  i  m  ni  in  g ,  Der  Verfasser  des  Roman  de  Jaufre, 
Ztsclu-.  12,  323-47;  Jatifre,  Hist.  Litt.  30,  215—17- 
10.  Das  soeben  besprochene  Gedicht  ist,  wie  wir  gesehen,  im  Grunde 
ein  Abenteuerroman,  der  nur  äusserlich  mit  der  Person  des  Artus  in  Verbindung 
gebracht  ist;  es  gicbt  aber  auch  solche,  welche  ganz  den  gleichen  Charakter 
aufweisen,  d.  h.  solche,  die  unter  Verwendung  des  romantischen  Zauber- 
Apparates  die  wunderbaren,  abenteuerlichen  Thaten  und  die  Liebesgeschichte 
eines  Ritters  behandeln,  ohne  die  Tafelrunde  oder  deren  Haupt  irgendwie 
zu  erwähnen.  Derartige  Abenteuerromane,  die  selbstverständlich  ausschliesslich 
der  Phantasie  der  Verfasser  ihre  Entstehung  verdanken,  besitzen  wir  zwei, 
beide  aus  dem  vierzehnten  Jahrhundert.  Der  eine,  Blandin  de  Cornoallia  et 
Guilhot  Ardit  de  Mir  am  ar'^^  zählt  2394  Verse  und  berichtet  über  die  Schick- 
sale des  in  dem  Titel  des  Gedichtes  genannten  Freundespaares,  welches  be- 
schlossen hatte,  gemeinsam  die  Welt  nach  Abenteuern  zu  durchziehen.  Diese 
wurden  ihnen,  wie  gewöhnlich,  in  Form  von  Kämpfen  mit  grausamen  Rittern, 
mit  Riesen,  Schlangen  und  Drachen  reichlich  zu  Teil,  Kämpfe,  die  sie  schliess- 
lich glücklich  bestanden.  Dem  Blandin  gelang  es  auch,  eine  Dame,  namens 
Brianda,  aus  ihrem  Zauberschlaf  zu  erwecken,  worauf  sie  ihm  ihre  Hand  an- 
bot, während  ihre  Freundin  Irlanda  den  Guillot  heiratete.  Seitdem,  heisst  es, 
war  in  beiden  die  Sucht  nach  Abenteuern  verschwunden.  Von  dem  Verfasser 
wissen  wir  nichts,  doch  scheinen  einige  Umstände  dafür  zu  sprechen,  dass  es 
ein  Catalane  war.  —  Der  zweite,  noch  nicht  herausgegebene  Abenteuerroman 
Guilhem  de  la  Barra  ist  Ende  Mai  des  Jahres  1318  beendet  worden.  Der 
Dichter,  Arnaut  Vidal  von  Castelnaudary,  gehörte  jenem  Kreise  pa- 
triotisch gesinnter  Männer  an,  welche  sich  zusammenthaten,  um  die  Wieder- 
belebung der  altheimischen  Poesie  zu  erstreben  (^  33).  Der  Held  unseres 
Epos  ist  ein  Baron  des  Königs  von  La  Serra,  dem  er  grosse  Dienste  leistet, 
welche  für  ihn  jedoch  eine  Quelle  zahlreicher  glücklicher  und  unglücklicher 
Schicksalsfälle  werden.  Der  Dichter  hat,  wie  es  scheint,  eine  sagenhafte  Er- 
zählung benutzt,  die  mit  einigen  Abweichungen  auch  sonst,  z.  B.  im  Boccaccio 
(II,  8)  erscheint.  Ausserdem  hat  er  verschiedene  einzelne  Züge  verwandt, 
die  schon  vor  ihm  vorgekommen  waren ;  dahin  gehört  die  körperliche  Be- 
sichtigung einer  Prinzessin  durch  die  Gesandten  des  Königs,  der  sie  heiraten 
wollte,  sodann  der  Verführungsversuch  Wilhelms  durch  die  Königin,  der  Zwei- 


p.  p.  V  a  u  I  Meyer,  Rom.  2,   1 70  ~  202. 


lO      LriTERATURGESCHlCHTE    DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LriT. 

kämpf  zwischen  Vater  und  Sohn  u.  a.  Grossen  dichterischen  Wert  hat  dieses 
Gedicht  ebenso  wenig  wie  das  vorige;  beide  tragen  die  Merkmale  der  Ver- 
fallzeit an  sich. 

G u i  1 1  a u m e  de  1  a  B  a i- r a.    Roman  a'aventure.  Notice  p.  p.  Paul 
Meyer,  Paris  1868. 

II.  Waren  die  beiden  zuletzt  kennen  gelernten  Werke  Abenteuer-Romane 
im  engern  Sinne,  so  könnte  man  den  Roman  de  Flamenca  ^  einen  Sittenroman 
nennen.  Leider  ist  derselbe  unvollständig  überliefert,  es  fehlt  unter  anderem 
der  Anfang  und  der  Schluss,  erhalten  sind  jedoch  8087  Verse.  Der  unbekannte 
Verfasser  hat  die  Handlung,  wie  man  berechnet  hat,  in  die  Jahre  1234  und 
1235  verlegt,  sodass  dies  möglicher  Weise  auch  die  Abfassungszeit  des  Ge- 
dichtes ist,  eine  Annahme,  die  durch  innere  Gründe  unterstützt  wird.  Den 
Rahmen  der  Handlung  bildet  eine  Liebschaft  zwischen  dem  jungen  und  ritterlichen 
Wilhelm  von  Nevers  und  der  Gemahlin  des  Archimbald,  Herrn  von  Bourbon, 
Namens  Flamenca,  welche  ihr  Gatte  auf  Grund  eines  falschen  Verdachtes  in 
einem  unzugänglichen  Turme  eingekerkert  hatte.  Durch  eine  äusserst  sinn- 
reiche List  gelang  es  dem  Wilhelm,  den  eifersüchtigen  Gemahl  zu  täuschen, 
sodass  die  Liebenden  ihren  Zweck  völlig  erreichten,  doch  erfahren  wir  nicht, 
welches  der  schliessliche  Ausgang  des  Dramas  war. 

Das  Gedicht  nennt  sich  »novas«,  doch  wird  dieser  Ausdruck  von  den 
Provenzalen  nicht  nur  auf  didaktische  Erzeugnisse,  wie  die  Leys  d'amor  das 
Breviari  d'amor,  die  Novas  de  l'Heretge  u.  a.,  sondern  auch  auf  wirkliche 
Romane,  z.  B.  den  Jaufre  angewandt  (V.  16,  23,  56).  Die  Fabel  beruht 
wohl  auf  Erfindung,  doch  zeigt  sie  manche  Anklänge  an  die  Sage  von  dem 
(trafen  von  Toulouse  (^  5).  Der  Verfasser,  über  den  wir  nichts  sicheres 
wissen,  war  ohne  Zweifel  ein  sehr  begabter  Dichter,  der  sich  nicht  darin 
gefiel,  unglaubliche  Abenteuer  vorzuführen,  sich  vielmehr  an  die  Lösung  psy- 
chologischer Probleme  wagte.  So  lässt  er  uns,  um  die  traurigen  Folgen  der 
Eifersucht  zu  schildern,  einen  Einblick  in  den  Seelenzustand  des  Archimbald 
thun,  zeigt,  wie  die  Leidenschaft  in  ihm  erwachte  und,  durch  allerlei  an  sich 
harmlose  Umstände  genährt,  schliesslich  völlige  Gewalt  über  ihn  erlangte  und 
ihm  unsägliche  Qualen  bereitete.  Die  Komposition  zeugt  von  Geschick,  da 
die  Aufmerksamkeit  stets  rege  erhalten  wird.  Auch  die  Darstellungsgabe  des 
Verfassers  ist  hervorragend.  Er  hat  die  ihn  umgebende  Welt  nicht  nur  scharf 
beobachtet,  sondern  besitzt  auch  das  Talent,  das  Beobachtete  mit  grosser  An- 
schaulichkeit zu  schildern,  so  die  Festlichkeiten  mit  ihren  Gastmählern,  Musikauf- 
führungen und  Turnieren,  die  Toilette  des  Haupthelden,  die  Badeanstalt  und 
sonst  etwa  vorkommende  Örtlichkeiten.  Nur  in  allem  was  die  Liebe  betrifft, 
verzichtet  er  auf  diesen  Realismus  und  folgt  ganz  den  konventionellen  An- 
schauungen seiner  Zeit,  erscheint  daher  zuweilen  maniriert.  Seine  Ausdrucks- 
weise ist  fast  immer  originell,  und  an  mehr  als  einer  Stelle  finden  sich  feine 
und  selbst  geistreiche  Bemerkungen.  Er  liebt  reichen  Redeschmuck,  streut 
daher  Bilder,  Vergleiche,  Wortspiele  und  Sprichwörter  in  grosser  Zahl  ein, 
die  meist  von  gutem  Geschmack  zeugen.  Aber  das  Denkmal  besitzt  neben 
seiner  literarischen  Bedeutung  eine  nicht  geringere  kulturhistorische,  welche 
in  der  erwähnten  naturalistischen  Anlage  des  Verfassers  ihren  Grund  hat.  Da 
er  in  allen  seinen  Beschreibungen  auf  Genauigkeit  und  Naturtreue  bedacht 
gewesen  ist,  so  ergiebt  sich,  dass  sein  Werk  ein  zuverlässiges  Bild  der  ritter- 
lichen Gesellschaft  seiner  Zeit,  nebst  ihren  Gebräuchen,  Anschauungen  und 
Moden  darbietet.  Auch  insofern  ist  dasselbe  ein  historisches  Denkmal,  als 
sich  andrerseits  in  ihm  die  traurigen  Wirkungen  der  Albigenserkriege  wieder- 

*  Le  Roman  de  Flamenca  p.  p.  Paul  Meyer,  l'aris   1865. 


Epik  :  KunstjMässige  Epen.  —  Kleinere  epische  Dichtungen.  i  i 

spiegeln:  bitter  klagt  der  Dichter  über  den  betrübenden  Zustand  der  Gegen- 
wart und  sehnt  die  alte  gute  Zeit  zurück.  In  der  That  beweist  uns  gerade 
sein  Werk,  wie  auf  allen  Gebieten  der  Kultur  der  Norden  dem  Süden  damals 
bereits  den  Rang  abgelaufen  hatte:  die  Schulen  und  Universitäten,  die  erwähnt 
werden,  sind  französische,  nicht  minder  alle  vorkommenden  Erzeugnisse  der 
Industrie,  ja  sogar  bei  der  Aufzählung  der  damals  beliebten  Litteraturdenkmäler 
nimmt  der  Norden  die  erste  Stelle  ein. 

R  e  V  i  1 1  o  u  t ,  De  la  date  possible  du  Roman  de  flanimca,  Revue  des 
l.  r.  8 ,  5  —  1 8 ;  H  e  r  m  a  ii  n  i ,  Die  kulturgeschichtlichen  Momente  im 
proz'engalischen  Roman  Flamenca,  Marburg  1883- 

12.  Das  antike  Epos  ist  wiederum  nur  durch  ein  Denkmal  vertreten, 
das  obenein  unvollständig  vorliegt.  Es  unterscheidet  sich  jedoch  nur  in  Bezug 
auf  den  Inhalt,  nicht  auf  den  Geist  und  den  Charakter  von  den  übrigen  Er- 
zeugnissen der  kunstmässigen  erzählenden  Poesie.  Das  im  Jahre  1852  —  53 
entdeckte  Bruchstück  des  Roman  (f  Alexandre  "^  zählt  105  Achtsilbler,  welche, 
was  sonst  selten  vorkommt,  zu  Tiraden  gruppiert  sind,  deren  jede  lauter  gleiche 
Reime,  und  zwar  ausschliesslich  männliche,  aufweist.  Das  Gedicht,  welchem 
diese  Verse  angehört  haben,  stammte  aus  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hunderts und  war  die  älteste  Bearbeitung  der  Alexandersage  in  irgend  einer 
der  neueren  Sprachen.  Auf  Grund  einer  Angabe  eines  mittelhochdeutschen 
Dichters,  des  Pfaffen  Lamprecht,  der  unser  Werk  mit  als  Quelle  benutzt  hat, 
giebt  man  allgemein  einen  Mönch,  Namens  Alberich  von  Besangen,  als  Ver- 
fasser desselben  an,  doch  weist  die  Sprache  des  Denkmals  auf  ein  südlicheres 
Gebiet,  sodass  die  Ansicht  ausgesprochen  worden  ist,  Lamprecht  habe  Briangon 
statt  Besangon  sagen  wollen  oder  sollen.  Das  Fragment  berichtet  von  der 
Abstammung,  der  Geburt  und  der  Kindheit  Alexanders  des  Grossen,  schildert 
seine  äussere  und  innere  Entwicklung  und  bricht  mitten  in  den  Einzelheiten 
über  seinen  Unterricht  ab.  Aus  dem  Verhalten  der  Denkmäler,  die  das  Epos 
Alberichs  als  Quelle  benutzt  haben,  scheint  hervorzugehen,  dass  letzterer  sein 
Werk  zwar  noch  etwas  weiter,  nämlich  bis  zu  dem  Feldzuge  Alexanders 
gegen  den  König  Nikolaus  von  Caesarea  fortgesetzt,  aber  nicht  zu  Ende  ge- 
bracht hat.  Die  geringe  uns  erhaltene  Probe  zeigt  aber,  dass  derselbe  ein 
bedeutendes  dichterisches  Talent  besass.  Seinen  Stoff  hatte  er  entnommen 
aus  der  von  einem  Julius  Valerius  vor  340  n.  Chr.  verfertigten  lateinischen  Über- 
setzung der  griechischen,  romanhaft  ausgeschmückten  Geschichte  Alexanders, 
welche  gewöhnlich  die  des  Pseudo-Kallisthenes  heisst,  weil  ihr  unbekannter 
Verfasser  sie  als  ein  Werk  des  Historikers  Kallisthenes  ausgab.  Alberich 
stellte  sich  seiner  Quelle  jedoch  einigermassen  frei,  zuweilen  sogar  kritisch 
gegenüber  und  fügte  manche  Einzelheiten  hinzu,  um  sein  Werk  dem  Geiste 
und  dem  Geschmacke  seiner  Zeit  anzupassen. 

Dies  sind  die  wenigen  Kunstepen,  die  auf  uns  gekommen  sind,  nachweislich 
haben  einst  aber  noch  zahlreiche  andre  existiert,  die  jedoch  leider  verloren 
gegangen  sind. 

Alwin  Schmidt,  Über  das  Alexanderlied  des  Alberic  van  Besangon 
und  sein  Ver/iältniss  zur  antiken  Überlieferung,  Diss.    Bonn  1886. 

ß.    KLEINERE    EPISCHE    DICHTUNGEN. 

13.  Neben  den  eigentlichen  Epen  giebt  es  noch  einige  kürzere  er- 
zählende   Gedichte,    die    man    passend    Novellen    genannt    hat.     Auch  bei 


'  Hsg.  von  Paul  Heyse,  Romanische  Inedita.  Berlin  1 856,  S.  1—6;  Stengel, 
Atis%.  u.  Ahh.  I,  72—80-  Paul  Meyer,  Alexandre  le  Grand  dans  la  litt.  fr.  du  m.-a. 
P;\ris   1 886,  I,   1  —  1 5 ;  Förster  u.  K  o  s  c  li  \v  i  t  z ,  Afr.  Übungsbuch.  S.    1 6 1     6. 


12       LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LiTT. 

den  Provenzalen  kommt  die  Bezeichnung  ■»nova,  novda«  vor,  doch  haben 
wir  gesehen  (§  ii),  dass  sie  damit  einen  viel  weiteren  Begriff  verbanden. 
Die  Novellen  sind,  wie  die  Romane,  mit  denen  sie  auch  in  ihrer  metrischen 
Form  übereinstimmen,  ein  treues  Spiegelbild  der  ritterlichen  Gesellschaft  jener 
Zeit  und  bilden  aus  diesem  Grunde  einen  scharfen  Gegensatz  zu  den  fran- 
zösischen Fabliaus,  welche  durchaus  in  dem  Bürgertum  wurzeln,  daher  ihre 
Spitze  oft  gerade  gegen  das  Rittertum  kehren.  Unter  den  Novellendichtern 
nimmt  Raimon  Vi  dal  die  erste  Stelle  ein,  der  aus  Besaudun  im  nördlichen 
Catalonien  gebürtig,  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  blühte.  Eines  seiner 
Gedichte,  das  aus  450  Zeilen  besteht,  giebt  sich  selbst  am  Schlüsse  den  Titel 
Castia-Gilos^  ^  also  etwa  »Der  bestrafte  Eifersüchtige«.  Darin  erzählt  ein 
Spielmann  in  höchst  pikanter  Weise,  wie  ein  aragonischer  Edelmann  durch 
das  Übermass  seiner  Leidenschaft  seine  Gattin  zur  Untreue  geradezu  veran- 
lasst und  schliesslich  durch  diese  im  Bunde  mit  ihrem  Liebhaber  von  seiner 
Leidenschaft  geheilt  wird,  nachdem  er  von  ihnen  schmählich  hinter  das  Licht 
geführt  worden  ist.  Am  Schlüsse  warnt  der  Joglar  seine  Zuhörer  eindringlich 
davor,  der  Eifersucht  Eingang  in  ihr  Herz  zu  gestatten.  —  Eine  zweite  von 
Raimons  Novellen  könnte  etwa  Das  Minnegcricht'^  betitelt  werden.  Es 
handelt  sich  in  derselben  nämlich  um  die  Frage,  welche  von  zwei  Damen 
mehr  Anspruch  auf  einen  bestimmten  jungen  Ritter  habe:  die,  welche  ihn 
nach  siebenjährigem  treuen  Dienst  von  sich  gestossen  hatte,  später  aber  be- 
reute und  ihre  Ansprüche  erneuerte,  oder  die,  welche  sich  des  Verstössen en 
angenommen  und  ihm  Ersatz  geschaffen  hatte.  Der  angerufene  Schiedsrichter 
erklärt  sich  zu  Gunsten  der  ersteren.  In  die  Erzählung  hat  Raimon  zahlreiche 
Aussprüche  und  allgemeine  Sätze  über  alle  Verhältnisse  der  Liebe  eingefügt, 
die  meist  andern  Dichtern  entlehnt  sind,  sodass  wir  hier  eine  interessante 
Blumenlese  von  Gedanken  über  jenen  Gegenstand  erhalten.  Durch  dies  Hervor- 
treten des  Lehrhaften,  das  der  Erzählung  als  solcher  durchaus  nicht  zum  Vor- 
teil gereicht,  ist  das  Gedicht  jedoch  so  in  die  Länge  gezogen,  dass  es,  ob- 
wohl die  Handlung  ganz  einfach  ist,  doch   1397   Verse  zählt. 

In  dem  dritten  und  letzten  hierher  gehörigen  Werke  des  Dichters,  einer  Ich- 
Novelle,  welche  mit  den  Worten  beginnt  Abrilisste  tnays  intravd^  tritt  das  epische 
Moment  noch  mehr  hinter  der  Ausführung  des  Grundgedankes,  Bedauern  über 
den  Verfall  der  Poesie  und  über  die  fortwährende  Abnahme  der  Zahl  ihrer 
Gönner  zurück;  ebenso  sind  auch  hier  zahlreiche  Zitate  zwischengestreut.  An 
einem  schönen  Frühlingstage,  als  Raimon  sich  allein  auf  einem  Platze  seines 
Heimatsortes  Besaudun  befand,  gesellte  sich  zu  ihm  ein  Spielmann  und  schüttete 
ihm  über  die  traurige  Lage  der  Dichtkunst  sein  Herz  aus.  Der  Dichter  lud  ihn 
freundlich  zu  sich  ins  Haus  und  begab  sich  mit  ihm  nach  Tisch  in  den  Garten,  wo 
er  sich  von  ihm  über  seine  Erlebnisse  und  trüben  Erfehrungen  berichten  Hess. 
Bei  vielen  Baronen,  so  erzählte  der  Joglar,  habe  er  vergeblich  auf  Lohn  gehofft 
und  sei  schon  im  Begriff"  gewesen,  seinem  Berufe  zu  entsagen,  als  er  zu  seinem 
Glück  einige  edle  und  freigebige  Gönner  getroffen,  von  denen  der  Delfin  von 
Auvergne  ihm  sogar  eine  äusserst  lehrreiche  Geschichte  von  einem  spanischen 
Sultan  mitgeteilt  habe,  die  wir  dann  auch  kennen  lernen.  Er  sei  nun  gekommen, 
um  sich  darüber  unterrichten  zu  lassen,  welches  die  Gründe  des  traurigen  Zu- 
standcs  seien,  und  wie  er  selbst  es  in  der  Welt  anzufangen  habe.  Als  Antwort 
erzählt  der  Dichter  von  seinen  eigenen  Erlebnissen  und  rühmt  die  Freigebigkeit 

'  Rn  yi»o  uai<l,  Choix  111,  3yb-4i:V,  Galvani  3,»!  -4t>9;  Harlscli,  l.cscintck 
:y_34;  Mahn.  Werk;  \\\.   226-36. 

2  So  fo  cl  (emps  c'om  era Jays.    Novelle  von  Raimon   Vidal.  lisj^.  von  Max  Co 
iiicelius,  Diss.    Berlin   1888. 

*  Bartsch,  Denkmäler  144—92. 


Epik:  Kl.  epische  Dichtungen.  —  Lyrik:  Volkstüml.  —  Kunstmässige.   13 

des  verstorbenen  Königs  Alfons  von  Aragon,  des  hochherzigen  Freundes  der 
Dichtkunst,  und  vieler  sonstiger  fürstlicher  Mäcene,  deren  Gunst  er  mit  andern 
einst  genossen.  Jetzt  seien  die  Verhältnisse  viel  weniger  erfreulich;  daher 
wolle  er  ihm  angeben ,  durch  welche  Mittel  er  zu  Ansehen  und  Beliebtheit 
kommen  könne.  Er  zählt  ihm  nun  alle  Eigenschaften  und  Fertigkeiten  auf, 
die  ein  guter  Joglar  sich  aneignen  müsse,  und  erteilt  ihm  auch  sonst  Ratschläge, 
wie  er  sich  zu  benehmen  habe.  Am  Schluss  berichtet  Raimon,  auf  seine  Ein- 
ladung habe  der  Fremde  auch  noch  bei  ihm  zu  Abend  gespeist,  sowie  über- 
nachtet und  sei  am  nächsten  Morgen  geschieden.  Ob  es  ihm  von  da  ab  in 
der  Welt  besser  ergangen,  wisse  er  nicht,  da  er  ihn  nie  wiedergesehen  habe. 
14.  Ebenfalls  dem  13.  Jh.  gehört  die  Novelle  vom  Fapagai^  an,  so  betitelt, 
weil  die  Hauptrolle  darin  einem  Papagei  zuerteilt  ist,  der  nicht  nur  als  Liebes- 
bote zwischen  einem  Königssohne  und  einer  verheirateten  Dame  dient,  sondern 
auch  die  Mittel  ausfindig  macht  und  zur  Anwendung  bringt,  welche  die  Zu- 
sammenkunft der  Liebenden  ermöglichen.  Die  anmutige,  in  leichtem  Stil  vor- 
getragene Erzählung,  die  wohl  auf  griechischen  Ursprung  zurückgeht,  zählt 
298  Zeilen  und  hat  zum  Verfasser  einen  Arnaut  de  Carcasses .,  der  also  aus 
dem  Gebiete  der  Stadt  Carcassonne  in  Languedoc  stammte,  von  dem  wir  aber 
sonst  nichts  wissen.  —  Endlich  besitzen  wir  noch  ein  Bruchstück  von  49 
Zeilen  aus  einer  andern  Novelle-^  welches  sich  mitten  in  einer  Sammlung 
frommer  Stücke  befindet,  daher  vermutlich  aus  moralischen  Bedenken  von  dem 
Copisten  plötzlich  abgebrochen  worden  ist.  Ein  junger  Knappe,  welcher  eine 
Dame  schwärmerisch  liebt,  muss  zu  seinem  Schmerze  erleben,  dass  diese  an 
einen  vornehmen  Ritter  verheiratet  wird,  fasst  aber  bald  wieder  Mut  und  gesteht 
ihr  einst  in  Abwesenheit  des  Gatten  seine  Liebe.  Man  muss  es  bedauern, 
dass  das  keineswegs  reizlose  Gedicht  nicht  vollsändig  erhalten  ist,  da  viele  Er- 
zeugnisse dieser  Gattung  völlig  untergegangen  sind,  deren  einstiges  Dasein 
durch  zeitgenössische  Zeugnisse  erwiesen  ist.  Obwohl  nun  letztere  Bemerkung 
auch  bei  den  übrigen  epischen  Dichtungsarten  gemacht  werden  musste,  so 
lässt  sich  doch  nicht  leugnen,  dass  die  provenzalische  Epik  an  Reichtum  und 
an  Wert  keinen  Vergleich  mit  der  französischen  aushalten  kann.  Die  Provenzalen 
selbst  waren  sich  hierüber  auch  völlig  klar,  doch  glaubten  sie  den  Grund  dieser 
Erscheinung  eigentümlicher  Weise  in  einer  inneren  Anlage  der  beiden  Sprachen 
suchen  zu  müssen.  Dieser  Ansicht  gab  der  oben  erwähnte  Raimon  Vidal  (^  13) 
in  einem  unten  (§  67)  zu  besprechenden  grammatischen  Werke  durch  die 
Worte  Ausdruck:  La  parladura  fraticesca  val  mais  et  es  plus  avinenz  a  far  romanz 
e  pastorellas,  7nas  cella  de  Lemosin  val  mais  per  far  vers  et  cansons  et  serventes. 


B.  LYRIK. 
1.  VOLKSTÜMLICHE. 

uch  in  der  Lyrik  gab  es  ursprünglich  nur  eine  Art  von  Erzeugnissen, 
welche  bei  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  den  gleichen  Beifall  fanden. 
Von  diesen  sind  uns  jedoch  nur  ganz  geringe  Reste  erhalten  und  auch  diese 
nur  durch  einen  eigentümlichen  Zulall.  In  dem  Drama  von  der  h.  Agnes  (§  54) 
sind  einige  der  eingestreuten  geistlichen  Gesänge  nach  dem  Muster  und  nach 
der  Melodie  volkstümlicher  Lieder  verfasst  worden,  und  da  jedesmal  der  Anfang 

'   Bart  soll,   Lese/nirh  2n  —  29  und  C/irestoniat/iie  2'^^  -Mi:  StengeL   Rh\  di  fd.  r07n. 
1,  HC)  sq. 

"   l'aiil   Meyer,   Daiucl  d  Beton  XCIV-XCVII. 


14      LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.   —    2.    PrOV.    LiTI", 

des  betreffenden  Masters  angeführt  wird,  so  lernen  wir  wenigstens  den  Eingang 
von  mehreren  derselben  kennen.  Diese  Proben  lassen  vermuten,  dass  die 
frühesten  Erzeugnisse  der  provenzalischen  Lyrik  mit  denen  der  französischen, 
die  wir  etwas  genauer  kennen,  grosse  Ähnlichkeit  besassen,  dass  sie  nämlich, 
wie  jene,  ein  stark  hervortretendes  episches  Element  aufzuweisen  hatten,  gewöhn- 
lich von  der  Liebe  zweier  junger  Leute  handelten  sowie  von  den  Hindernissen, 
welche  sich  deren  Vereinigung  entgegenstellten  und  von  deren  Bemühungen, 
diese  zu  überwinden ,  Bemühungen ,  welche  manchmal  glücklich,  manchmal 
unglücklich  endeten.  Aber  diese  Romanzen  (denn  so  kann  man  diese  Gedichte 
sehr  passend  nennen)  gaben  niemals  einen  zusammenhängenden  Bericht  über 
den  zu  Grunde  liegenden  Vorgang,  sondern  begnügten  sich  mit  kurzen  An- 
deutungen ,  hoben  nur  die  hauptsächlichsten  Momente  der  Handlung  hervor 
und  übcrliessen  die  Einzelheiten  zum  grössten  Teile  der  Phantasie  des  Hörers. 
Das  lyrische  Element  in  diesen  Dichtungen  bestand  also  nicht  sowohl  in  dem 
Ausdruck  des  Gefühls  als  vielmehr  dem  des  Mitgefühls  des  Dichters.  Er  ver- 
setzte sich  in  die  Seele  seines  Helden,  pries  dessen  Mut,  feierte  die  Schönheit 
der  Heldin,  beklagte  jede  Schwierigkeit,  die  den  Liebenden  entgegentrat,  drückte 
seine  Freude  über  jeden  Erfolg  und  über  die  schliessliche  Vereinigung  derselben 
aus.  Was  die  Romanzen  formell  wesentlich  von  den  epischen  Erzeugnissen 
unterscheidet,  ist  ihr  strophischer  Bau,  und  ein  charakteristisches  Merkmal  der- 
selben ist  der  Refrain,  der  sich  gewöhnlich  am  Schlüsse  jeder  Strophe  befand. 
Wie  in  der  volkstümlichen  Epik  war  auch  hier  die  Sprache  einfach  und  schmuck- 
los, die  metrische  Form  schlicht  und  ungekünstelt;  als  Reim  begnügte  man 
sich  wohl  mit  dem  Gleichklang  der  Vokale. 

Die  Pflege  dieser  Lyrik  lag,  wie  die  der  Volksepik,  in  den  Händen  eines 
eigenen  Standes,  nämlich  der  Volkssänger  (prov.  joglar,  lat.  joculatorcs,  mini- 
strales,  ministrelli).  Sie  waren  nicht  nur  die  Verfasser  der  Lieder,  sondern 
sie  zogen  auch  durch  die  Städte,  Dörfer  und  Schlösser,  um  die  Erzeugnisse 
ihrer  eigenen  und  fremder  Kunst  mit  Musikbegleitung  überall  vorzusingen. 
Ihre  Zuhörerschaft  bestand  keineswegs  .ausschliesslich  aus  dem  niederen  Volk, 
sondern  in  gleicher  Weise  auch  aus  den  vornehmen  Ständen,  und  sie  wurden 
allgemein  geliebt  und  geachtet,  oft  auch  reich  beschenkt.  Neben  dem  Dichten 
und  Singen  betrieben  manche  von  ihnen  allerdings  auch  andere,  weniger  edle 
Künste,  indem  sie  zur  Unterhaltung  des  Publikums  allerlei  Kunststücke  zum 
Besten  gaben. 

2.  KUNSTMÄSSIGE. 
a)    WELTLICHE    LYRIK. 

i6.  Dieselben  Verhältnisse,  welche  im  ii.  Jh.  innerhalb  der  ursprünglich 
einheitlichen  Epik  die  Spaltung  in  eine  volkstümliche  und  eine  ritterliche  ver- 
anlassten (§  8),  brachten  auch  in  der  Lyrik  die  gleiche  Wirkung  hervor:  nur 
diejenigen  Lieder  fanden  nunmehr  bei  den  oberen  Gesellschaftsklassen  Beifall, 
welche  die  in  deren  Kreisen  herrschenden  Stimmungen,  Ansichten  und  An- 
schauungen zum  Ausdruck  brachten.  Allerdings  ging  diese  Absonderung  nicht 
plötzlich  sondern  allmählich  und  schrittweise  vor  sich ,  sodass  die  neue,  die 
kunstmässige  Lyrik  in  ihren  ersten  Stadien  der  älteren  Schwester  noch  ziemlich 
nahe  stand  und  erst  später  die  ihr  charakteristischen  Eigenschaften  zur  vollen 
Entfaltung  brachte.  Unter  der  Gunst  der  Umstände  nahm  dieselbe  jedoch  bald 
einen  so  gewaltigen  Aufschwung,  dass  sie  durch  ihren  Glanz  alle  anderen 
Dichtgattungen  in  den  Schatten  stellte  und  schliesslich  den  Untergang  der 
volkstümlichen  Erzeugnisse  veranlasste.     Dass  in  Südfrankreich  innerhalb  der 


Lyrik:  Kunstmässige.     Weltliche  Lyrik.     Die  Dichter,  15 

Kunstpoesie  gerade  die  Lyrik  in  so  bevorzugter  Weise  gepflegt  wurde,  ist  wohl 
vornehmlich  dem  Umstände  zuzuschreiben ,  dass  dort  die  Angehörigen  der 
ritterlichen  Stände  selbst  sich  in  der  Dichtkunst  versuchten,  und  zwar  so  eifrig 
und  so  erfolgreich ,  dass  ihr  Beispiel  auch  auf  die  nicht  zu  ihrem  Stande 
gehörigen  Dichter  wirkte.  Da  ihnen  nun  die  Wahl  zwischen  epischer  und 
lyrischer  Poesie  offen  stand,  so  war  es  sehr  natürlich,  dass  sie  sich  fast  aus- 
schliesslich letzterer  zuwandten.  Diese  ist  ja  von  beiden  Gattungen  die  per- 
sönlichere, gewährt  daher  ein  besseres  Mittel,  individuellen  Stimmungen  und 
Gefühlen  Ausdruck  zu  leihen,  sodann  sind  ihre  Erzeugnisse  kürzer,  sodass  jeder 
auch  ohne  grossen  Aufwand  von  Zeit  und  Kraft  etwas  eignes  und  selbständiges 
hervorbringen  kann.  Der  hauptsächlichste  Grund  jener  Bevorzugung  liegt  aber 
in  dem  Hervortreten  des  Frauendienstes.  Dieser  Brauch,  der  seine  Entstehung 
wesentlich  dem  gewaltigen  Aufschwünge  des  Marienkultus  im  elften  Jahrhundert 
verdankte,  fand  in  dem  Rittertum  seine  kräftigste  Förderung,  denn,  indem  man 
die  schwärmerische  Verehrung  für  die  h.  Jungfrau  auf  deren  ganzes  Geschlecht 
übertrug,  erklärte  man  den  Frauendienst  für  ein  notwendiges  Erfordernis  des 
Ritters,  sodass  jeder,  der  diesem  Stand  angehören  wollte,  den  Frauen  seine 
Huldigung  darbringen  musste.  Auf  keine  Weise  konnte  dies  aber  besser  und 
nachdrucksvoller  geschehen  als  durch  Lieder,  die  ja  jedem  Gefühle,  mochte 
es  nun  ein  wirklich  vorhandenes  oder  ein  erheucheltes  sein,  Worte  zu  leihen 
vermochten,  daher  als  das  geeignetste  Werkzeug  dieses  Frauenkultus  erscheinen 
mussten.  Da  nun  das  Institut  des  Rittertums  in  Südfrankreich  nicht  nur  sehr 
früh  sondern  auch  sehr  fest  Wurzel  fasste,  so  musste  dort  auch  die  Kunstlyrik 
eine  besonders  liebevolle  Pflege  finden,  und  als  die  übrigen  Nationen  des  Abend- 
landes jenes  Institut  ebenfalls  bei  sich  einführten,  da  übernahmen  sie  zugleich 
mit  ihm  auch  diese  Bethätigung  desselben,  und  zwar  in  genau  der  Gestalt,  in 
welcher  es  sich  dort  entwickelt  hatte.  So  ist  die  provenzalische  Lyrik  in  Bezug 
auf  Inhalt  und  Form  von  den  Franzosen,  den  Italienern,  den  Catalanen  und 
zum  Teil  von  den  Deutschen ,  in  geringerem  Masse  auch  von  den  übrigen 
Völkern  nachgeahmt  worden,  ja  unter  den  nächsten  Nachbarn,  den  Italienern 
und  den  Catalanen,  haben  sich  sogar  mehrere  eine  so  völlige  Herrschaft  über 
das  fremde  Idiom  erworben,  dass  sie  selbst  sich  in  demselben,  zum  Teil  mit 
grossem  Geschick  und  erheblichem  Erfolg,  dichterisch  bethätigt  haben. 

Paul  Meyer,  De  Pinfliience  des  trmibadotcrs  sur  la  poesie  des 
peiiples  romans,  Rom.  5,  257—68;  Mild  y  Fontanals,  De  los  tro- 
vadores  en  Espana,  Barcelona  1 86 1  und  1889;  Bartsch,  Nachahmung 
provenzalischer  Poesie  im  Deutschen,  Gennania  l,  480  — 82 ;  O.  Schultz, 
Die  Lebensverhältnisse   der  italieniscfun  Trobadors,  Ztschr.  7,   177  —  235. 

a.   DIE  DICHTER.  » 

17.  Als  Benennungen  der  kunstmässigen  Lyriker  begegnen  wir  den  Aus- 
drücken y<7^/ör  und  trobaire,  Acc.  trobador.   Auf  Grund  zeitgenössischer  Angaben 


*  Sonderausgaben  besitzen  wir  von  folgenden:  Guillem  von  Poitou  a)  von  Keller 
Tübingen  1848,  b)  von  Holland  und  Keller,  ib.  1850;  Guillem  von  Berguedan,  von 
Keller,  Mitau  1849;  Guiraut  Riquier,  von  Pfaff,  in  Mahn,  Werke  der  Troubadours, 
Band  IV.  Berlin  1853;  Cercamon,  von  Mahn,  Jahrbuch  f.  roni.  u.  engl.  Lit.  l,  83— lOO; 
Peire  Vidal,  von  Bartsch,  Berlin  l857;  Guillem  de  Cahestanh,  von  Hüffer,  Berlin 
1869;  Jaufre  Rudel,  von  Stimming,  Kiel  l873;  Der  Mönch  von  Montaudon  a)  von 
Philippson,  Halle  l873,  b)  von  Klein,  Marburg  1885;  Guillem  Anelier  von  Toulouse, 
von  Gisi,  Solothurn  l877;  Bertran  de  Born  a)  von  Stimming,  Halle  1879  und  1892, 
b)  p.  p.  Thomas,  Toulouse  1888;  Guillem  Figueira,  von  Levy,  Berlin  1880;  Raniber- 
tino  BuvaleHi,  da  Casini,  Bologna  1880  (auch  Propugnatore  1879);  Pons  de  Capdoill.  von 
Napolski,  Halle  188O;  Renaud  et  Geoffroy  de  Pons  p.  p.  Chabaneau,  Paris  1881  ; 
Paulet  de  Marseille  p.  p.  Levy.  Rev.  des  1.  r.  1882;  Peire  Rogier,  von  Appel,  Berlin 
1882;    Arnoldo    Daniello ,    da    Cancllo,    Halle    1883;    Znrzi ,    von    Levy.    Halle    1883 ; 


l6      LlTl'ERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LiTT. 


kann  man  dieselben  etwa  folgen dermassen  definieren.  Joglar  hiessen  alle  die, 
welche  aus  der  Poesie  oder  Musik  ein  Gewerbe  machten,  gleichviel,  ob  sie  die 
Volks-  oder  Kunstdichtung  pflegten;  Trobador  diejenigen,  welche  sich  mit  der 
Kunstlyrik  beschäftigten,  wes  Standes  sie  auch  sein  mochten,  und  zwar  gleich- 
gültig, ob  sie  aus  Liebhaberei  oder  um  Lohn  dichteten.  Demnach  stehen  die 
beiden  Begriffe  nicht  unbedingt  im  Gegensatz  zu  einander,  decken  sich  viel- 
mehr teilweise,  sodass  man  unter  Umständen  beide  Ausdrücke  auf  ein  und 
dieselbe  Person  anwenden  konnte,  z.  B.  auf  einen  Kunstlyriker,  wenn  er  vom 
Dichten  lebte.  Der  Trobaire  konnte  je  nach  Begabung  oder  Neigung  auch 
die  zu  seinen  Liedern  erforderliche  Melodie  komponieren,  ja  sogar  ausserdem 
dieselben  auch  selbst  vortragen;  er  konnte  jedoch  diese  beiden  letzteren  Funkt- 
ionen ebenso  gut  anderen  übertragen,  ohne  dadurch  den  Anspruch  auf  obige 
Benennung  zu  verlieren. 

Der  Begrifif  Joglar  war  nach  dem  Gesagten  ein  recht  vielseitiger,  es  konnte 
damit  jemand  gemeint  sein ,  der  gewerbsmässig  entweder  volkstümliche  oder 
kunstmässige  Lieder  dichtete  oder  komponierte  oder  vortrug,  ganz  abgesehen 
davon,  dass  man  auch  die  Possenreisser  so  nannte.  Oft  ist  nur  aus  dem  Zu- 
sammenhange zu  erkennen,  welche  dieser  Bedeutungen  vorliegt.  Wenn  z.  B. 
von  Aimeric  de  Sarlat  berichtet  wird,  dass  er  anfänglich  Joglar  gewesen  und 
dann  Trobador  geworden  sei,  so  ist  gemeint,  dass  er  von  der  volkstümlichen 
Lyrik  zur  kunstmässigen  übergegangen  ist.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  ist  unter 
ersterer  Bezeichnung  jedoch  jemand  zu  verstehen,  der  um  Lohn  eigene  oder 
fremde  Lieder  vorsang.  So  traten  die  Jogiars  oft  in  den  Dienst  von  solchen 
Trobadors,  die  ihre  Dichtungen  nicht  selbst  vortragen  wollten  oder  konnten. 
Für  letztere  war  es,  wenn  sie  von  hohem  Stande  waren,  eine  Mode-  ja  fast 
eine  Ehrensache,  einen  oder  mehrere  Jogiars,  Spielleute,  zu  ihrer  Verfügung 
zu  haben.  Diese  führten  oft  Spitznamen,  zum  Teil  satirischen  Charakters,  und 
wurden  auch  zu  Botendiensten  benutzt,  namentlich  um  die  Lieder  ihrer  Trobadors 
den  Damen ,  auf  die  sie  sich  bezogen ,  oder  auch  etwaigen  Freunden  und 
Gönnern  zu  überbringen. 

i8.  Sowohl  der  Joglar  wie  der  Trobador  bedurfte  zur  Ausübung  seiner 
Kunst  neben  dem  Talent  gewisser  technischer  Fertigkeiten ,  wie  die  sichere 
Beherrschung  der  Litterarsprache,  die  allein  verwandt  werden  durfte,  die  Kennt- 
nis der  metrischen  und  prosodischen  Gesetze,  oder  die  Einführung  in  das 
Gebiet  der  theoretischen  und  praktischen  Musik.  Diese  Fertigkeiten  mussten 
natürlich  zunftmässig  erlernt  werden ,  doch  gab  es  zu  diesem  Zwecke  nicht 
etwa  Dichterschulen,  sondern  jeder  suchte  sich  für  seine  Bedürfnisse  einen  Lehrer, 
der  ihn  in  den  verschiedenen  Zweigen  des  Wissens  und  Könnens  unterrichtete. 
Von  mehreren  Trobadors  wird  uns  dies  ausdrücklich  berichtet,  wobei  wir  sogar 
gewöhnlich  den  Namen  des  Lehrmeisters  erfahren. 

Die  zur  Begleitung  verwandten  Instrumente  waren  gewöhnlich  die  Viola, 
eine  Art  Geige,  die  also  mit  dem  Bogen  gestrichen  wurde,  sodann  die  Harfe 
und  die  Zither,  die  beide  noch  heute  in  ähnlicher  Form  gebraucht  werden, 
seltener  endlich  die  Rota,  Leier,  Sackpfeife,  das  Psalterium,  die  Clarinette, 
das  Hörn  u.  a.  Der  Vortrag  der  Lieder  begann  meist  nach  der  Mahlzeit,  und 
zwar  musste  der  Vortragende  die  zu  seinem  Rcpertoir  gehörigen  Stücke  aus- 
wendig wissen.  Je  nach  seinen  Leistungen  wurde  ihm  nicht  nur  mehr  oder 
weniger  lebhafter  Beifall  sondern  auch  mehr  oder  weniger  reicher  Lohn  gespendet, 
an  dem  sich  das  zuhörende  Publikum  und,  wenn  der  Schauplatz  ein  Edelsitz 
war,  vor  allem  der  Schlossherr  beteiligte.    Diese  Spenden  bestanden  seltener 

Blacassetz,  von  Klein,  Wiesbaden  1887;  Peire  de  la  Caravana,  da  Canello,  Giorn.  di 
fil.  rom.  111  (No.  7),  l  — ll;  Vier  ungedruckte  Pastorellen  des  Serveii  von  Gerona.  von 
Max   Kleine!  t,   Halle  1890;  Palais,  da  Kestori,  Creniona  1892  (Nozze  I^aUisteili-Cielo). 


Lyrik:  Kunstmässige.    Weltliche  Lyrik.     Die  Dichter.  17 

in  Geld  als  in  sachlichen  Geschenken,  wie  Kleidungsstücken,  kostbaren  Stoffen, 
Schmuckgegenständen  oder  Waffen,  und  bildeten  gewöhnlich  die  einzige  Erwerbs- 
quelle der  Jogiars.  Es  war  also  für  diese  eine  Lebensfrage,  immer  mit  mög- 
lichst zugkräftigen  Stücken  versehen  zu  sein,  und  es  wird  uns  mehrfach  berichtet, 
dass  einzelne  derselben,  die  also  wohl  selbst  keine  Dichtergabe  besassen,  zu 
Trobadors  mit  der  Bitte  kamen,  ihnen  durch  neue  Lieder  oder  Sirventese  aus 
der  Not  zu  helfen,  sodass  letztere  demnach  einen  erheblichen^ materiellen  Wert 
darstellten.  Manche  Trobadors  traten  ganz  in  den  Dienst  eines  Fürsten 
oder  reichen  Barons,  wurden  also  geradezu  Hofdichter;  aber  auch  diese  wurden 
der  Regel  nach  nicht  durch  klingende  Münze,  sondern'^durch  Pferde,*Sattel- 
zeug,  Rüstungen,  kostbare  Gewänder  und  andere  wertvolle  Gegenstände  belohnt. 
Hatte  nun  ein  derartiger  Hofdichter  selbst  wieder  einen  eignen  Spielmann, 
was  auch  vorkam,  so  erhielt  dieser  einen  Teil  jener  Gesehenke.' 

Nicht  nur  die  Jogiars,  sondern  auch  die  meisten  Trobadors,  so  weit  sie 
nicht  fürstlichen  Geblütes  waren  oder  dem  Stande  der  Hofdichter  angehörten, 
führten  ein  unruhiges  Wanderleben;  selbst  die  vornehmeren  unter  ihnen  hielten 
es  nicht  unter  ihrer  Würde,  sei  es  allein,  sei  es  in  Begleitung*eines  Spielmannes 
das  Land  zu  durchziehen,  um  in  den  Schlössern  der  Fürsten  und  auf  den  Burgen 
der  Edelleute  ihre  Lieder  vorzusingen  oder  vorsingen  zu  lassen,  und  diese  Vor- 
träge bildeten  bei  allen  Gästmälern  und  anderen  festlichen  Veranstaltungen 
einen  wesentlichen  Teil  des  Programmes.  Zwar  kam  es  vor,  dass  zwei  Trobadors 
gemeinschaftlich  dichteten  oder  dass  die  Jogiars  paarweise  umherwanderten, 
aber  niemals  hat  es  feste  poetische  Gesellschaften  gegeben  zur  Veranstaltung 
von  dichterischen  Wettkämpfen  mit  Verteilung  von  Ehrenpreisen.  Ebenso  ist 
die  früher  sehr  häufig  wiederholte  Behauptung,  dass  es  sogenannte  Minnehöfe, 
d.  h.  Gerichtshöfe  gegeben  habe,  welche  von  Damen  gebildet  und  von  denen  Streit- 
sachen zwischen  Liebenden  unter  Beobachtung  juristischer  Formalitäten  sowie 
mit  verbindlicher  Wirkung  für  die  Parteien  entschieden  wurden,  längst  als  eine 
Erfindung  nachgewiesen   worden. 

Diez,  Über  die  Minneh'öfe  (Beiträge  zur  Kenntnis  der  romantischen 
Poesie,    Heft   1).  Berlin   1825;    Trojel,   Middelalderens   Elskovshoffer , 
Copenhagen   1888;    Ders. ,  Sur  les  Cours  d'ammir,    Kev.  des  1.  r.  34. 
179  —  8;?;  Bio  Rajna,  Le  Corti  d'amore,  Milano  l8yo;  V.  Crescini, 
Par  la  questione  delh  Corti  d'amore,  Padova  18QI. 
19.  Wie   beliebt   die  Beschäftigung   mit   der  Lyrik    damals  war,  ergiebt 
sich    aus    der  grossen  Zahl   derer,    welche   sich   in  derselben  mit  mehr  oder 
weniger  Erfolg  versucht  haben.    Denn  obwohl  ein  grosser  Teil  der  Erzeugnisse 
im  Laufe  der  Zeit  verloren  gegangen,  ein  andrer  anonym  auf  uns  gekommen 
ist,  so  sind  uns  doch  von  nicht  weniger  als  etwa  412  Dichtern  des  zwölften 
und  dreizehnten  Jahrhunderts  Lieder  erhalten,   während  von  circa  70  weiteren 
wenigstens  die  Namen  bekannt  geworden  sind.     Genauere  Nachrichten  haben 
wir  allerdings  nur  über  einen  Teil  jener  412,  und  zwar  stammen  diese  in  erster 
Linie  aus  einer  Sammlung  von    104  provenzalischen  Biographien,  die  im  drei- 
zehnten Jahrhundert  aufgezeichnet  worden  sind  (^  65),  sodaim  aus  ihren  Liedern, 
endlich   aus   geschichtlichen    Urkunden.     Man   erkennt   daraus,   dass   die   ver- 
schiedensten Stände  unter  den  Trobadors  vertreten  waren.    So  zählen  wir  unter 
ihnen  5  Könige,  die  allerdings  nichts  hervorragendes  geleistet  haben,  2  Fürsten, 
darunter  Jaufre  Rudel  von  Blaia,    10  Grafen,  zu    denen    auch  der  älteste 
uns  bekannte  Lyriker,  Wilhelm  VII  von  Poitou,  als  Herzog  von  Aqui- 
tanien  Wilhelm  IX,  gehört  (1087  —  1 127),  5  Markgrafen  und  ebenso  viele  Viz- 
grafcn,  unter  denen  Bertran   von  Born  und  Wilhelm  von  Berguedan  die 
bedeutendsten  sind;  6  werden  als  mächtige  Barone  bezeichnet,  z.  B.  Raimbaut 
von  Aurenga,  9  andere,  wie  Guilhem  von  Saint  Leidier,  als  reiche  Schloss- 
herrn, Uc  de  Saint  Circ  war  der  Sohn  eines  armen  Aftervasallen.  Ritter  oder 

Gröber,  Grundriss.    IIb.  2 


l8      LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    2.    PrOV.    LiTT. 


Söhne  von  Rittern  (auch  zwei  Tempelherrn)  waren  29;  zu  ihnen  gehört  unter 
anderen  Pons  von  Capduelh  und  Bertran  von  Lamanon;  9  von  diesen 
erhalten  ausdrücklich  das  Beiwort  arm,  zwischen  denen  sich  vorzügliche  Dichter 
befinden,  wie  Cadenet,  Peirol,  Raimon  von  Miraval,  Raimbaut  von 
Vaqueiras  und  der  Italiener  Sordel.  Allgemein  adligen  Geschlechts  ohne 
nähere  Angabe  werden  Arnaut  Daniel,  der  Mönch  von  Montaudon  und 
noch  3  andere  genannt.  Zwei  Trobadors,  darunter  Lanfranc  Cigala,  be- 
kleideten zugleich  das  Amt  eines  Richters,  16  waren  aus  dem  Bürgerstandc 
hervorgegangen,  so  Gaucelm  Faidit,  Peire  Raimon  von  Toulouse,  Peire 
von  Alvernhe  u.  a.;  der  Vater  Folquets  von  Marseille  war  ein  reicher 
Kaufmann,  der  des  Aimeric  von  Pegulhan  Tuchhändler,  Bartolome 
Zorzi  besass  selbst  ein  kaufmännisches  Geschäft.  AusHandwcrkerkreisen  stamm- 
ten 8,  darunter  der  närrische  Peire  Vidal,  Sohn  eines  Kürschners,  und  Per- 
digon,  dereines  Fischers.  Als  Schreiber  werden  uns  5  bezeichnet,  von  denen 
Arnaut  von  Maruelh  und  Aimeric  von  Belenoi  Erwähnung  verdienen. 
Andere  waren  noch  geringerer  Herkunft,  so  der  begabte  Bernart  von  Ven- 
tadorn,  Sohn  eines  armen  Ofenheizers,  Marcabrun,  ein  uneheliches  Kind 
und  von  seiner  Mutter  ausgesetzt,  endlich  der  gedankentiefe  Giraut  von 
Bornelh,  der,  wie  es  heisst,  von  niedrigem  Stande  war.  Die  Väter  zweier  Dichter, 
des  Albertet  (von  Sesteron)  und  des  Elias  Fonsalada  waren  Spielleute, 
während  wir  von  21  anderen,  z.  B.  von  Cercamon,  nur  hören,  dass  sie 
selbst  Jogiars  waren,  also  von  dem  Erträgnisse  ihrer  Kunst  lebten,  ohne  jedoch 
das  geringste  über  ihre  Herkunft  zu  erfahren. 

Es  kam  nicht  selten  vor,  dass  einzelne  Dichter  so  viel  Geschmack  am 
Wanderleben  fanden,  dass,  da  ihre  äusseren  Verhältnisse  ihnen  nicht  gestatteten, 
als  Trobador  zu  leben,  sie  ihren  ursprünglichen  Beruf  aufgaben,  um  Joglar, 
fahrender  Sänger,  zu  werden.  So  Salh  von  Escola  und  Hugo  von  Pena, 
deren  Väter  Kaufleute  waren,  Elias  Cairel,  der  zuerst  das  Gewerbe  eines 
Goldarbeiters  und  Wappenmalers  betrieben  hatte,  Arnaut  von  Maruelh  und 
Aimeric  von  Belenoi,  welche  Schreiber  gewesen  waren,  Peire  Cardinal 
und  Peire  Rotgier,  die  dem  geistlichen  Stande  angehört  hatten ;  auch  Uc  von 
Saint  Circ  war  von  seinen  Eltern  auf  die  Schule  nach  Montpellier  geschickt 
worden,  um  sich  für  jenen  Stand  vorzubereiten,  wurde  aber  Joglar.  Dasselbe 
that  Gaucelm  Faidit,  ein  vermögender  Bürgerssohn,  nachdem  er  seinen 
gesamten  Besitz  im  Würfelspiel  verloren.  Auffallig  war  es  jedoch  auch  damals, 
wenn  junge  Adlige,  wie  Arnaut  Daniel,  diesen  Beruf  ergriffen,  besonders 
solche,  die  sogar  schon  die  Ritterwürde  besassen.  Zu  letzteren  gehörten  Peirol. 
und  Guilhem  Azemar,  die  beide  den  Ritterschlag  erhalten  hatten,  aber  sich 
zu  jenem  Schritte  entschliessen  mussten,  weil  sie  kein  Vermögen  besassen  und 
ihre  Gönner  die  Hand  von  ihnen  zogen.  Sehr  selten  trat  der  umgekehrte  Fall 
ein,  dass  nämlich  ein  Joglar  in  das  bürgerliche  Leben  zurückkehrte,  wie  uns 
dies  von  Pistoleta  berichtet  wird,  der  das  fahrende  Leben  aufgab  und  Kauf- 
mann wurde. 

Eigentümlich  war  das  Verhältnis  der  Kirche  zu  der  Minnepoesie.  Es 
scheint,  dass  sie  die  Abneigung,  welche  sie  von  Alters  her  gegen  die  Volkssänger 
und  Spielleute  gehegt  hat,  auch  auf  die  Trobadors  übertragen  habe,  wenigstens 
zeigte  sie  sich  denselben  mehrfach  misgünstig,  ja  feindlich  gesinnt.  So  wurde 
Gui  von  Uissel,  Canonicus  von  Briude  undMonferran,  durch  einen  päpstlichen 
Legaten  zu  dem  Schwur  gezwungen,  dem  Liederdichten  hinfort  zu  entsagen. 
Aber  die  Kraft  der  geistigen  Strömung  war  so  gewaltig,  dass  auch  die  Kirche 
sich  auf  die  Dauer  dem  Einflüsse  derselben  nicht  zu  entziehen  vermochte, 
daher  wohl  oder  übel  ein  Auge  zudrücken  musste.  In  der  That  erscheinen 
unter  den  Trobadors,   abgesehen  von  den   oben  erwähnten  abtrünnigen  Mit- 


Lyrik:  Kunstmässige.     Weltliche  Lyrik.     Die  Dichter.  19 

gliedern  des  Standes,  nicht  weniger  als  1 6  Geistliche,  nämlich  je  zwei  Bischöfe, 
Priore,  Pröpste  und  Stiflsherren  (Canoniker)  sowie  8  Mönche.  Von  ihnen 
ist  der  bemerkenswerteste  der  »Mönch  von  Montaudon«,  welcher,  wahr- 
scheinlich aus  dem  Geschlechte  der  Schlossherrn  von  Vic  gebürtig,  die  Priorei 
von  Montaudon  bekleidete  und  nicht  nur  im  Kloster  die  Dichtkunst  übte, 
sondern  auch  mit  Erlaubnis  seines  Abtes  in  seinem  Ordensgewande  im  Lande 
umherzog,  seine  Lieder  auf  den  Burgen  der  Barone  selbst  vorsang,  den  er- 
worbenen Lohn  dagegen  seinem  Kloster  zuwendete. 

Auch  die  Frauen  mussten  der  herrschenden  Mode  ihren  Tribut  zollen; 
es  sind  uns  von  17  »trobairitz«  Lieder  erhalten,  so  von  Beatrix,  Gräfin  von 
Dia,  Castellosa  von  Mairona  und  Maria  von  Ventadorn,  während  uns 
von  einigen  weiteren  wenigstens  die  Namen  erhalten  sind.  Ja  wir  kennen  zwei 
Fälle,  wo  Mann  und  Frau  gleichzeitig  sich  dichterisch  bethätigen:  Raimon 
von  Miraval  nebst  Gaudairenca  sowie  Hugolin  von  Forcalquier  und 
Blanchemain.  Auch  sonst  gab  es  Familien,  in  denen  mehrere  Mitglieder, 
sei  CS  zu  gleicher  Zeit,  sei  es  durch  verschiedene  Generationen  hindurch  sich 
in  jener  Kunst  auszeichneten. 

20.  So  mannichfaltig,  wie  die  Herkunft  der  Dichter,  waren  auch  deren 
Schicksale.  Im  allgemeinen  waren  die  Trobadors  hoch  angesehen  und  durften 
überall  eines  ehrenvollen  Empfanges  sicher  sein.  Eine  Reihe  der  vornehmsten 
Fürsten  jener  Zeit  wetteiferten  mit  einander  in  der  Begünstigung  der  Dicht- 
kunst und  ihrer  Vertreter,  so  im  Lande  selbst  Eleonore  von  Poitou, 
spätere  Gemahlin  Ludwigs  VIL  von  Frankreich  und  dann  Heinrichs  IL  von 
England,  sowie  deren  Sohn,  König  Richard  Löwenherz,  namentlich  aber 
die  Grafen  von  Toulouse  (Raimon  V. — VII.),  von  der  Provence  (Alfons  II., 
Raimon  Berengier  III.,  IV.,  V.  und  Karl  I.)  und  von  Rodes  (Hugo  II.,  Hein- 
rich I.  und  IL),  die  Vizgrafen  Barral  von  Marseille,  Raimon  IL  von 
Turcnne  und  Roger  IL  von  Beziers,  die  Vizgräfin  Ermengarde  von 
Narbonne,  Robert,  Delphin  von  Auvergne,  endlich  Wilhelm  VIII. 
von  Montpellier  und  viele  andere.  Unter  den  fremden  Fürsten  verdienen 
in  erster  Linie  die  auf  der  pyrenäischen  Halbinsel  genannt  zu  werden, 
vor  allen  die  Könige  von  Aragon  (Alfons  IL,  Peter  IL  und  Jakob  L),  von 
Castilien  (Alfons  VIII. ),  von  Navarra  (Sancho  der  Starke)  und  von  Leon 
(Alfons  IX.);  in  Italien  die  Markgrafen  von  Monferrat  (Bonifaz  IL  und 
Wilhelm  IV.)  und  von  Este  (Azzo  VIL,  Obizzo  IL,  Azzo  VIII.)  sowie  Grat 
Alemanni,  ein  genuesischer  Staatsmann;  von  den  übrigen  noch  der  deutsche 
Kaiser  Friedrich  IL,  Emmerich,  König  von  Ungarn,  Graf  Heinrich 
von  Malta,  u.  a.  Einzelne  Trobadors,  so  vor  allem  Bertran  von  Born, 
Bernart  von  Ventadorn,  Giraut  von  Bornelh,  Peire  Rotgier  und  Rai- 
mon von  Miraval  verkehrten  mit  mehreren  dieser  Mäcene  auf  geradezu 
freundschaftlichem  Fusse,  andere  wurden  mit  Würden  und  Geschenken  reich 
bedacht.  Etwa  ein  halbes  Dutzend  derselben,  darunter  solche  ganz  niedriger 
Abkunft,  wurden  ihrer  vortrefflichen  Leistungen  wegen  in  den  Ritterstand  er- 
hoben, einzelne,  z.  B.  Raimbaut  von  Vaqueiras,  erhielten  sogar  obenein 
ausgedehnten  Grundbesitz  geschenkt.  Überhaupt  galt  Freigebigkeit  gegen  die 
Dichter  als  eines  der  vornehmsten  Attribute  eines  hochgestellten  Mannes  (der 
Delphin  von  Auvergne  soll  dadurch  die  HäKte  seines  Besitzes  vergeudet 
haben),  und  die  Beschenkten  sorgten  bestens  dafür,  dass  besondere  Bethäti- 
gungen  jener  Tugend  stets  öffentlich  in  das  gehörige  Licht  gesetzt  wurden, 
um  zur  Nachahmung  anzuspornen.  Schon  hieraus  ergiebt  sich,  dass  das  Ge- 
werbe eines  Dichters  recht  einträglich  war,  und  dies  wird  uns  auch  durch 
verschiedene  Nachrichten  bestätigt.  So  hören  wir,  dass  Albertet  durch 
seine  Kunst  reich  wurde,  dass  Giraut  von  Bornelh  seinen  armen  Verwandten 

2* 


2  0      LriTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    2.    PrOV.    LlTT. 

und  der  Kirche  seines  Heimatsortes  erhebliche  Geschenke  zukommen  Hess, 
dass  Peire  Vi  dal  sich  mehrere  Diener  hielt.  Auch  daraus,  dass  habsüchtige 
Barone  mehrfach  einen  Joglar  seiner  Habe  berauben  liessen,  darf  man  folgern, 
dass  letztere  zuweilen  ganz  beträchtlich  gewesen  sein  muss.  Aber  im  allge- 
meinen scheint  das  Ansammeln  von  Besitztümern  trotz  der  erheblichen  Ein- 
nahmen dem  leichten  Sinn  der  Dichter  jener  Zeit  nicht  zugesagt  zu  haben, 
vielmehr-  haben  sie  offenbar  den  schnell  erworbenen  Gewinn  meist  eben- 
so schnell  wieder  verschwendet.  Von  einigen  wird  uns  ausdrücklich  be- 
richtet, dass  sie  Schlemmer,  Trinker  und  selbst  Spieler  gewesen  seien,  ja 
Guilhem  Figueira  mied  im  Gegensatz  zu  der  Mehrzahl  seiner  Standesge- 
nossen den  Umgang  mit  den  besseren  Ständen  und  suchte  mit  Vorliebe  die 
niedrigsten  Wirtshäuser  auf,  wo  er  mit  allerlei  liederlichem  Volk  verkehrte. 
Während  nun  dieser  und  andere  ihm  ähnliche  in  allgemeiner  Verachtung 
standen,  hören  wir  von  einigen,  wie  Marcabrun  und  Guilhem  Rainols, 
dass  sie  ihrer  bösen  Zunge  und  ihrer  beissenden  Spottgedichte  wegen  weit 
und  breit  gefürchtet  wurden. 

Ein  fast  allen  gemeinsamer  Zug  ist  ein  lebhafter  Trieb  zum  Wandern, 
und  zwar  beschränkten  sie  sich  hierbei  keineswegs  auf  das  provenzalische 
Sprachgebiet,  sondern  zogen  auch  nach  weit  entfernten  Gegenden.  Die  be- 
vorzugten Länder  waren  natürlich  Spanien  und  Italien,  besonders  die  nördlichen 
Teile  dieser  Länder,  aber  auch  England,  Frankreich,  die  Balkanhalbinsel,  Malta, 
Cypern  und  Ungarn  wurden  von  einzelnen  derselben  aufgesucht;  von  Elias 
Cairel  heisst  es  sogar,  dass  er  den  grössten  Teil  der  bewohnten  (wohl  -= 
bekannten)  Erde  durchstreift  habe,  während  umgekehrt  von  Albertet  Calha 
der  Biograph  desselben,  offenbar  als  einen  höchst  auffallenden  Zug,  hervor- 
hebt, dass  er  nie  seine  »Gegend«,  also  seine  engere  Heimat,  verlassen  habe. 

Aber  ihr  Leben  war  nicht  nur  der  Liebe  und  dem  Vergnügen  gewidmet, 
auch  an  allen  öffentlichen  Angelegenheiten  nahmen  sie  regen  Anteil  und 
sprachen  sich  in  ihren  Gedichten  oft  freimütig,  selbst  leidenschaftlich  über 
die  ihre  Zeit  bewegenden  politischen,  religiösen  und  sozialen  Fragen  aus. 
Hierbei  wurde  ihren  Worten  so  viel  Gewicht  zugeschrieben,  dass  manche 
mächtige  Parteigänger  oder  Machthaber  sich  lebhaft  um  eine  derartige  mora- 
lische Unterstützung  bemühten.  So  erhoben  mehrere  von  ihnen  ihre  Stimme 
zu  Gunsten  der  Kreuzzüge,  manche  zogen  selbst  mit  ins  gelobte  Land,  z.  B. 
Girant  von  Bornelh,  der  unter  Richard  Löwenherz  die  Belagerung  von  Accon 
mitmachte  und  dann  noch  ein  Jahr  lang  bei  dem  Fürsten  Boemund  IIL  von 
Antiochia  blieb;  ja  einzelne,  wie  Jaufre  Rudel  und  Pons  von  Capduelh, 
fanden  in  Palästina  ihren  Tod.  Bemerkenswert  ist  endlich  die  nicht  uner- 
hebliche Zahl  derer,  welche  in  den  späteren  Jahren  in  ein  Kloster  eintraten. 
Dies  leichtlebige,  warm  fühlende  Völkchen  empfand  eben  die  unausbleiblichen 
Bitterkeiten  und  Enttäuschungen  des  Lebens  doppelt  schmerzlich.  So  suchten 
Bernart  von  Ventadorn,  Bertran  von  Born,  Perdigon  und  Raimon 
von  Miraval  Zuflucht  bei  den  Cisterziensern,  Peire  Rotgier  und  Guilhem 
Azemar  in  dem  Orden  von  Granmon,  Elias  von  Barjol  bei  den  Benedik- 
tinern, Uc  Brunenc  bei  den  Karthäusern,  bei  noch  anderen  Orden  Peire  von 
Alvernhe,  Cadenet,PeireGuilhem  von  Toulouse  undGuilhemMagret. 
Den  überraschendsten  Lebenslauf  hatte  Folquet  von  Marseille,  der  eben- 
falls Cisterzienser  wurde.  Während  nämlich  die  andern  Trobadors  in  den  von 
ihnen  gewählten  Klöstern  ihr  Leben  beschlossen,  wurde  er  zunächst  Abt  von 
Torondet,  hierauf  Bischof  von  Toulouse  und  zeichnete  sich  als  solcher  durch 
seine  grausame  Ausrottung  der  Albigenser  so  sehr  aus,  dass  er  später  heilig 
gesprochen  wurde. 

Aus  allen  den  angeführten  Thatsachen  erkennt  man,  dass  die  Trobadors 


Lyrik:  Kunstmässige.    Weltuche  Lyrik.    Die  Dicht  arten.  21 

innerhalb  der  damaligen  Gesellschaftskreise  ein    höchst  charakteristisches  und 

cinflussreiches  Element  bildeten. 

Diez,  Leben  und  Werke  der  Troubadours,  Zwickau  1829.  Zweite 
Aufl.  von  K.  Bartsch,  Leipzig  1882;  Milä  y  Fontanals,  De  los  tro- 
vadores  en  Espana,  Barcelona  1861  und  1889;  Balaguer,  Historia 
politica  y  literaria  de  los  trovadores.  6  B.  Madrid  l877  80;  P.  Meyer, 
Les  troubadours  ä  la  cour  des  comtes  de  Toulouse,  in  Hist.  generale  de 
Languedoc  6*.  440 — 8 ;  A.  Thomas,  Francesco  da  Barberino  et  la  lüt. 
prov.  en  Italic  ati  moyen-age .  Paris  1884;  O.  Schultz,  Die  Lebens- 
verhältnisse der  italienischen  Trobadors,  Ztschr.  ",  177—235;  8,406 — 7; 
D  e  r  s. ,  Zu  den  LebensverJiältnissen  einiger  Trobadors ,  Ztschr.  8,  1 16  -  3Ö ; 
T.  Casini,  I  trovatori  nella  Marca  Trevigiana,  Bologna  1885  (aus 
Profnignatore  188^) ;  S  a  r  t  o  r  i ,  Trovatori  provemali  alla  corte  dei  mar- 
chesi  in  Este,  Este  1 889 ;  Bartsch,  Guiraut  Riquier,  Arch.  1 6,  137  —  47; 
Ders. ,  Garin  der  Braune,  Jahrb.  3,  399-409;  Ders. ,  Guillem  von 
Berguedan,  Jahrb,  6.  231— 78  und  8,  126—7;  Hans  B  ischo  f  f.  iffw- 
graphie  des  Troub.  Bernhard  von  Ventadorn,  Berlin  1873  (Gott.  Diss.); 
H.  Suchier,  Der  Troub.  Marcabrun,  Jahrb.  14.  119 -60 ;  273— 3 lO; 
R.  Meyer,  Das  Leben  des  Troub.  Gaucelm  Faidit,  Diss.  Heidelberg 
1876;  K.  Hopf,  Bonifaz  von  Alonf errat  und  der  Troub.  Rambaut  de 
Vaqueiras,  Berlin  1877;  H.  Pratsch,  Biographie  des  Troub.  Folquet 
von  Marseille,  Diss  Göttingen  l879;  E.  Beschnidt,  Die  Biographie 
des  Trab.  Guillem  de  Capestaing,  Diss.  Marb.  l879;  L-  Cledat,  Du 
rble  historique  de  Bertrand  de  Born,  Paris  1879;  M.  Sachse,  über 
das  Leben  und  die  Lieder  des  Troub.  Wilhelm  IX,  Graf  von  Poitou, 
Diss.  Leipzig  1880 ;  A.  Rohleder,  Zu  Zorzi's  Gedichten,  Diss.  Halle 
1885;  C.  Merkel,  Manfredi  I.  e  Manfredi  II.  Lancia,  Torino  1886; 
S.  Schopf,  Beiträge  zur  Biographie  und  Chrotwlogie  der  Lieder  des 
Troub.  Peire  Vidal,  Diss.  Kiel  1887;  Carducci,  Jaufrc  Rudel,  Bo- 
logna 1888;  V.  Crescini,  Appunti  su  Jaitfre  Rudel,  Padova  1890; 
Zenker,  Zu  Guilhem  Ademar ,  Eble  dUisel  und  Cercalmon ,  Ztschr. 
13.  294— 300 ;  C.  Merkel,  Sordello  e  la  sua  dimora  presso  Carlo  I. 
dAngib,  Torino  1890;  V.  Crescini,  Azalais  dAltier,  Ztschr,  14,  128 
—  32;  Appel ,  Zu  Guillem  Ademar,  Grimoart  Gausmar  und  Guillem 
Gasmar,  Ztschr.  14,  160— 8;  Jeanroy,  Sur  la  tengon  Gar  vei  fenir 
(Gtälhalmi  und  Cercalmon),  Rom.   19,  394— 402. 

ft.   DIE   DICHTARTEN.  • 

2  1.  Es  ist  nicht  ganz  leicht,  die  Dichtungen  der  Trobadors  genau  zu 
klassifizieren  und  den  Unterschied  der  einzelnen  Gattungen  sicher  festzustellen, 
da  eine  zeitgenössische  Poetik  nicht  erhalten  ist,  und  die  Unterschiede  von 
den  Dichtern  selbst  nicht  immer  streng  beobachtet,  einzeln  wohl  nicht  ein- 
mal genau  gekannt  worden  sind.  Die  charakteristischen  Merkmale  der  Arten 
beziehen  sich  manchmal  auf  den  Inhalt,  manchmal  auf  die  Form,  zuweilen 
auf  beide  zugleich.      Das  letztere  z.  ß.  ist  der  Fall    bei    dem  Vers  und  der 


'  Die  wichtigsten  Sammelausgaben  sind :  Raynouard,  Choix  des  poesies  originales 
des  troubadours,  6  B.  Paris  1816— 21,  und  Lexique  roman  Paris  1838.  B.  I;  (Roche- 
gude),  Parnasse  occitanien,  Toulouse  18 19;  Mahn,  Die  Werke  der  Troubadours  in  pro- 
venzalischer  Sprache.  Lyrik,  4  B.  Berlin  1846  — 86;  Ders  ,  Gedichte  der  Troubadours,  treu 
nach  den  Handschriften  herausgegeben,  4  B.  Berlin  1856 — 73;  P.  Meyer,  Anciennes poesies 
religieuses  en  langue  d'oc,  Paris  1860  und  Les  derniers  troubadours  de  la  Provence,  Paris 
1871 ;  Azais,  Les  troubadours  de  Beziers,  2«  ed.,  Beziers  1869;  Chabaneau,  Poesies  in- 
cdites  des  Troubadours  du  Pcrigord,  Paris  1885;  O.  Schultz,  Die  provenzalischen  Dichte- 
rinnen, Altenburg  1888;  Appel,  Provenzalische  Inedita,  Leipzig  1890.  Chabaneau. 
V  aria  provittcialia,  textes  provengaux  etc.  Paris  1889  (Aus  Rev.  des  1.  r.  32,  550  — 80  und 
33,  106 — 22),  zum  Teil  identisch  mit  Appel;  C.  Appel,  Poesies  provengales  inidites  tirees 
des  manuscrits  d' Italic,  Rev.  des  1.  r.  34,  5—35;  P.  Rajna,  Un  frammento  di  un  codice 
perduto  di  poesie  provenzali,  Studj  di  fil.  rom.  5,  1  -64;  Chabaneau,  Fragment  d'un 
Chansonnier  provenfal,  Rev.  des  1.  r.  5  I  88—94.  Dazu  kommen  die  diplomatischen  Ab- 
drücke mehrerer  Liederhandschriften  (Arch.  32,  389  —  423;  33.  288— 341  u-  407-66;  34. 
141—202  u.  368  -  438;  3n,  84-  1 10  u.  363-463;  36.  379  -455;  49,  53-88  u.  283  -  324; 
50,  241  —  84;  51,    1-32;    129-52  u.  241      80;  Studj  di  fil.  rom.   tasc.  7—9  und   14). 


2  2      LrrXERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PkOV.    LiTT. 

Canzone  (chanzon),  die  einander  sehr  nahe  stehen  und  in  späterer  Zeit 
auch  nicht  mehr  sorgfaltig  auseinander  gehalten  wurden.  In  formeller  Be- 
ziehung sollte  der  Vers  ursprünglich  ausschliesslich  männliche  Reime  und 
achtsilbige  Zeilen,  eine  beliebige  Zahl  von  Strophen,  dazu  eine  einfache, 
getragene  Melodie  aufweisen,  während  die  Canzone  männliche  und  weibliche 
Reime,  sowie  längere  und  kürzere  Zeilen  kunstvoller  mischen,  auch  die  Me- 
lodie musikalisch  reicher  gliedern  konnte,  dagegen  hinsichtlich  der  Zahl  der 
Strophen  auf  5  bis  7  beschränkt  war.  Was  den  Inhalt  betrifft,  so  behandeln 
beide,  besonders  die  Canzone,  vorwiegend  die  Liebe,  seltener  andere  Gegen- 
stände, z.  B.  der  Vers  solche  der  Moral  oder  der  Politik,  die  Canzone  das  Lob 
eines  Gönners,  die  Verherrlichung  der  h.  Jungfrau  oder  andre  religiöse  Stoffe. 
Die  chansoneta  unterschied  sich,  wie  es  scheint,  nicht  von  der  Canzone, 
die  Halbcanzone  (mieia  chanson)  nur  durch  die  geringere  Strophenzahl. 

Der  Vers  als  die  einfachere  der  beiden  Liederarten  ist  auch  die  ältere; 
in  den  Biographien  des  Marcabrun  und  des  Peire  von  Alvernhe  wird  ausdrück- 
lich hervorgehoben,  dass  man  zu  deren  Lebzeiten  noch  nicht  von  Canzonen, 
sondern  nur  von  Versen  gesprochen  habe.  In  der  That  verwenden  die  frühe- 
sten Trobadors,  wenn  sie  ihre  Lieder  benennen,  fast  ausschliesslich  letzteren 
Ausdruck;  ersterer  findet  sich  zuerst,  und  zwar  ganz  vereinzelt,  bei  Raimbaut 
von  Aurenga  (3,  4);  von  einer  »chansoneta«  reden  je  ein  Mal  Wilhelm  von 
Poitou  (6,  i)  und  Marcabrun  (6,49),  während  z.  B.  Jaufre  Rudel  und  Bernart 
von  Ventadorn,  die  Verfasser  so  schwärmerischer  Liebeslieder,  nur  die  Be- 
zeichnung »Vers«   kennen. 

22.  Das  Sirventes  (auch  sirventesc,  -a)  steht  inhaltlich  (nicht  formell) 
in  schroffem  Gegensatz  zu  der  Canzone,  da  es  die  Liebe  ausschliesst,  alle 
andern  Stoffe  dagegen  zulässt.  Der  Name  ist  von  sirven  »Diener«  abgeleitet, 
bedeutet  daher  eigentlich  Dienstgedicht,  nämlich  ein  solches,  das  im  Dienste, 
resp.  von  den  Dienern  oder  für  die  Diener,  d.  h.  Hofdichter,  eines  Herrn 
verfasst  worden  war  (nach  anderen  ein  solches,  das  in  Betreff  der  Melodie  von 
einem  andern  Gedichte  abhängig  ist,  gleichsam  in  dessen  Diensten  steht).  Es  ist 
meist  ein  Lob-  oder  ein  Rügelied  und  behandelt  entweder  öffentliche  oder  private 
Angelegenheiten  und  Fragen.  Man  kann  die  Sirventese  in  drei  Gruppen  einteilen, 
die  moralischen  oder  religiösen,  die  politischen  und  die  persönlichen. 
Die  zu  der  ersten  Gruppe  gehörigen  (Hauptvertreter  Giraut  von  Bornelh) 
geben  teils  allgemeine  Vorschriften  und  Ratschläge  in  Betreff  eines  sittlich  reinen 
Lebenswandels,  warnen  vor  den  Folgen  der  Sünde  oder  weisen  auf  den  Ernst  der 
Todesstunde  hin,  teils  klagen  sie  über  die  Verschlimmerung  der  Zeiten,  be- 
sonders den  Verfall  des  Rittertums  und  der  durch  dieses  gepflegten  Tugenden, 
teils  endlich  wenden  sie  sich  gegen  die  Verirrungen  und  Fehler  einzelner 
Stände,  so  gegen  die  Uneinigkeit  der  Fürsten,  gegen  die  Knickerei,  die  Streit- 
sucht und  Ungastlichkeit  der  Vornehmen,  gegen  manche  unangenehmen  Eigen- 
schaften der  Spielleute,  gegen  die  Verschwendungssucht,  Falschheit  und  Sinn- 
lichkeit der  Frauen,  gegen  die  Verirrungen  im  ehelichen  Leben  und  ähnliche 
Misstände.  Namentlich  aber  waren  die  Verhältnisse  der  Kirche  ein  Gegenstand 
häufiger  Angriffe,  und  mit  unerhörter  Hefligkeit,  ja  Rücksichtslosigkeit  wurden 
von  einigen  Dichtern,  namentlich  von  Peire  Cardinal  und  Guilhem  Fi- 
gueira,  die  der  Geistlichkeit  und  ihrem  Haupte  anhaftenden  Laster  ange- 
griffen, webei  die  von  denselben ,  namentlich  in  den  Albigcnserkricgen,  be- 
gangenen oder  veranlassten  Grausamkeiten  und  Verbrechen  schonungslos  an 
den  Pranger  gestellt  wurden.  Zu  dieser  ersten  Gruppe  gehören  auch  die 
Kreuzlieder,  die  also  verfasst  wurden,  um  die  Begeisterung  für  die  Befreiung 
des  heiligen  Landes  anzufachen  und  die  oft  den  Entschluss  des  Verfassers  aus- 
drückten, sich  selbst  an  dem  Unternehmen  zu  beteiligen.     Mehrere   der  aus- 


Lyrik:  Kunstmässige.    Weltliche  Lyrik.     Die  Dichtarten.  23 

gezeichnetsten  Trobadors,  wie  Marcabrun,  Jaufre  Rudel,  Peire  von  Al- 
vernhe,  Girant  von  Bornelh,Pons  von  Capduelh,  Guilhem  Figueira, 
vor  allen  Peirol,  haben  dieser  Sache  ihre  Hülfe  geliehen.  —  Endlich  sind 
auch  diejenigen  Gedichte  hierher  zu  rechnen,  in  welchen  der  Verfasser  (be- 
sonders liebt  dies  der  Mönch  von  Montaudon)  sein  Misfallen  über  ge- 
wisse Verhältnisse  und  Zustände  zu  erkennen  giebt  und  denen  die  Proven- 
zalen,  weil  der  Ausdruck  »enoiar«  so  oft  in  ihnen  erscheint,  den  Namen 
Enueg  gegeben  haben;  seltener  sind  diejenigen,  in  denen  der  Dichter  um- 
gekehrt lobt,  was  ihm  gefallt,  woran  er  daher  seine  Freude  hat. 

Die  politischen  Sirventese  sind  Streitgedichte,  durch  welche  die  Tro- 
badors in  den  Kämpfen  ihrer  Zeit  sehr  lebhaft  Partei  ergriffen  und  den  Gegner 
ihrer  oder  der  von  ihnen  gewählten  Sache  mit  unbarmherziger  Schärfe  bloss- 
stellten.  Besonders  erregten  die  Kriege  zwischen  den  englischen  Königen, 
ihren  Landesherrn,  und  den  Franzosen,  sowie  zwischen  letzteren  und  den 
Beschützern  der  Albigenser  ihre  Teilnahme,  und  fast  ohne  Ausnahme  sehen 
wir  die  Trobadors  auf  der  Seite  der  »Ketzer« ;  ihre  Gedichte  atmen  einen 
glühenden  Hass  gegen  die  französischen  Eindringlinge  und  tiefe  Trauer  über 
die  Verwüstung  ihrer  schönen  Heimat.  Aber  kaum  minder  interessierten  sie 
sich  auch  für  andre  Angelegenheiten,  nicht  nur  die  fortwährenden  Streitig- 
keiten der  einheimischen  Fürsten,  sondern  auch  fremder  Staaten,  so  die  der 
italienischen  Städte,  sei  es  unter  einander  oder  mit  dem  Kaiser,  die  der 
spanischen  Fürsten  mit  denen  der  appeninischen  Halbinsel  u.  a.  Auf  dem 
Gebiete  des  politischen  Sirventeses  nimmt  Bertran  von  Born,  der  Freund 
der  Söhne  Heinrichs  IL  von  England,  durch  die  Zahl  und  den  Wert  seiner 
Lieder  bei  weitem  den  ersten  Platz  ein. 

Die  persönlichen  Sirventese  endlich  beziehen  sich  auf  private  Vor- 
gänge und  Verhältnisse  aller  Art.  Oft  dienten  sie  den  Verfassern  als  will- 
kommene und  meist  auch  höchst  wirksame  Waffe,  wenn  in  einem  Streite 
oder  Zwiste  die  überlegene  Macht  des  Gegners  die  Anwendung  der  Gewalt 
unmöglich  erscheinen  liess.  Aber  auch  sonst  wurde  dies  Kampfmittel  gern 
und  oft  verwandt.  Wir  besitzen  eine  Menge  von  Spott-  und  Schmähgedichten, 
die  gegen  einzelne  Personen  oder  auch  einen  ganzen  Stand  gerichtet  sind;  so 
eins  von  Peire  von  Alvernhe  und  ein  andres  in  Nachahmung  des  vorigen 
von  dem  Mönch  von  Montaudon  verfasstes,  die  eine  boshafte  Kritik  der 
hervorragendsten  zeitgenössischen  Trobadors  enthalten,  so  solche  über  die 
Bauern  oder  über  die  Jogiars  im  allgemeinen,  auch  solche,  in  denen  ein 
einzelner  Spielmann  von  einem  Trobador,  den  er  um  ein  Sirventes  gebeten, 
in  humoristisch-satirischer  Weise  verspottet  wird;  letztere  wurden  sirventes 
joglaresc  genannt.  Ja  es  kam  vor,  dass  über  irgend  eine  Streitfrage  oder 
ein  privates  Erlebnis,  namentlich  komischer  Art,  zwischen  zwei  Dichtern  ein 
Austausch  von  Sirventesen  stattfand,  in  denen  sie  sich,  sei  es  in  ernsthaftem, 
sei  es  in  scherzendem  Ton,  über  das  Erlebnis  oder  die  Frage  unterhielten. 
Nicht  selten  wurden  für  den  gleichen  Zweck  auch  satirische  Coblen  ver- 
wandt, also  gewissermassen  einstrophige  Sirventese,  sowohl  zu  einseitigen 
Angriffen  als  auch  zu  witzigen  Redetournieren  oder  zum  Gedankenaustausch 
über  irgend  welche  Geschehnisse  oder  beabsichtigte  Handlungen. 

Wie  man  sich  denken  kann,  war  die  Verfertigung  derartiger  Spott-, 
Schmäh-  und  Rügelieder  keineswegs  immer  gefahrlos,  besonders  wenn  die 
Angegriffenen  mächtig  oder  einflussreich  und  dabei  rachsüchtig  waren.  In 
der  That  hat  mancher  Trobador  seinen  Freimut  schwer  büssen  müssen. 

Zu  den  persönlichen  Sirventesen  gehören  auch  die  Klagelieder  (planh, 
später  complancha),  die  meist  durch  den  Tod  einer  hochstehenden  oder  be- 
freundeten Persönlichkeit,    doch    auch    durch    andre  Anlässe,    wie    Gefangen- 


2  4      LtlTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LiTT. 

nähme  u.  dgl.,  hervorgerufen  wurden.  So  hat  der  Heimgang  vieler  der  oben 
(§  20)  genannten  Gönner  der  Dichtkunst,  auch  der  Ludwigs  des  Heiligen 
von  Frankreich  und  andrer  Fürsten,  daneben  der  der  Geliebten  oder  eines 
Freundes  derartige  Lieder  veranlasst,  während  sonderbarer  Weise  der  eines 
Trobadors  selten  oder  nie  dessen  Standesgenossen  dichterisch  angeregt  hat. 
Diese  Lieder  haben  oft  hohen  poetischen  Wert,  da  sie  meist  der  ungekünstelte 
Ausdruck  eines  warm  empfundenen  Schmerzes  sind.  Auch  die  Form  ist  der 
Regel  nach  schlicht  und  würdevoll;  es  wurden  fast  ausschliesslich  längere 
Verse,  meist  Zehnsilbler,  verwandt,  und  reichere  metrische  Gliederung  ward 
der  Regel  nach  vermieden. 

Obwohl  nun,  wie  gesagt,  die  Sirvcntese  sich  von  den  Canzonen  scharf 
unterschieden,  so  ist  doch  von  einigen  Dichtern  der  Versuch  gemacht  worden, 
beide  Gattungen  zu  verschmelzen.  In  derartigen  Liedern,  die  man  Sirventes- 
Canzoncn  nennt,  überwiegt  entweder  das  eine  oder  das  andere  Element. 
Peire  Vidal  ist  derjenige,  der  am  häufigsten  in  seine  Liebeslieder,  und  zwar 
meist  am  Schluss,  einzelne  Strophen  eingefügt  hat,  welche  moralische,  poli- 
tische oder  persönliche  Gegenstände  behandeln;  ebenso  schliessen  zwei  von 
Jaufre  Rudels  Canzonen  als  Kreuzlieder.  Umgekehrt  fügen  Bertran  von 
Born,  Vater  und  Sohn,  sowie  einige  andere  ihren  Sirventesen  nicht  selten 
eine  oder  mehrere  Strophen  an,  welche  dem  Preise  der  Geliebten  gewidmet 
sind.  Wird  schon  hierdurch  die  künstlerische  Einheit  stark  gefährdet,  so  geht 
sie  völlig  verloren,  wenn  die  Gegenstände,  wie  dies  einmal  bei  Peire  Vidal 
geschieht,  von  Strophe  zu  Strophe  wechseln,  oder  wenn  Bernart  Arnaut 
von  Monte uc  sogar  bei  den  einzelnen  Strophen  in  der  ersten  Hälfte  immer 
seiner  Lust  an  Kampf  und  Krieg,  in  der  zweiten  seiner  Liebe  Ausdruck  ver- 
leiht. —  Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  es  auch  sogenannte  Halb- 
Sirventcse  gab,  welche  also  nur  halb  so  lang  waren,  wie  die  andern. 

S  c  li  i  n  d  1  e  r ,  Die  Kreuzzüge  in  der  altprovenzalischen  und  millel- 
hochdeutschen  Lyrik,  Dresden  l88y.  —  Fr.  Witthoeft,  Sirventes 
joglaresc.  Ein  Blick  auf  das  altfranzdsisclie  Spielmannsleben,  Marburg 
1891. 
23.  Die  Tenzone,  die  dritte  der  hauptsächlichsten  Dichtungsarten, 
ist  in  formeller  Hinsicht  ein  durchaus  selbständiges  und  eigenartiges  Erzeug- 
nis der  provenzalischen  Litteratur.  Wie  nämlich  schon  ihr  Name  andeutet 
(tenzon  geht  zurück  auf  tentionevi  »Streit«  ,  eine  Ableitung  von  tentus,  Part. 
Prät.  von  tendere  »sich  anstrengen,  streiten«),  hat  sie  dialogische  Form  und 
verdankt  ihren  Ursprung  vielleicht  dem  auch  bei  mehreren  anderen  Völkern 
verbreiteten  Brauche  des  improvisierten  Wettgesanges,  bei  welchem  in  einer 
Art  von  poetischem  Tournier  ein  Dichter  einem  anderen  eine  Strophe  zusang, 
die  dieser  alsbald  in  entsprechender  metrischer  Form  und  nach  der  gleichen 
Melodie  beantwortete.  Auch  in  der  Tenzone  wechseln  der  Regel  nach  Rede 
und  Gegenrede  von  Strophe  zu  Strophe,  wobei  die  zusammengehörenden 
Strophen  sich  in  Bezug  auf  metrischen  Bau  und  Reim  gleichen ;  selten  kommt 
es  vor,  dass  der  Wechsel  der  Rede  innerhalb  der  Strophen  stattfindet  oder 
dass  jeder  der  Redenden  mehrere  Strophen  hindurch  das  Wort  behält.  Die 
Tenzonen  stammen  in  der  bei  weitem  überwiegenden  Zahl  von  zwei  ver- 
schiedenen Verfassern,  die  der  Regel  nach  auch  örtlich  beisammen  waren; 
wenige  Gedichte  dieser  Art  sind  so  zu  Stande  gekommen,  dass  die  Verfasser 
sich  die  Strophen  abwechselnd  übersandten.  Nach  ihrem  Inhalte  zerfallen  die 
Tenzonen  in  zwei  Gruppen,  solche,  welche  eine  Disputation  über  eine  Streit- 
frage und  solche ,  welche  einen  wirklichen  Streit  in  dichterischer  Form, 
einen  dialogischen  Redekampf  enthalten.  Die  Gedichte  der  letzteren  Gattung, 
welche  die  älteste,  daher  längere  Zeit  hindurch  die  einzige  war ,  beziehen 
sich  inhaltlich  meist  auf    persönliche  Zustände    oder  Verhältnisse,    besonders 


LVRIK.:    KUNSTiMÄSSlGE.      WüLTUCHE    LyRIK.      DiE    DiCHTARTEN.  25 

auf  gewisse  Eigenschaften,  Fehler  oder  auf  Liebesangelegenheiten,  dumme 
Streiche  oder  sonstige  Thaten  und  Erlebnisse  der  Verfasser,  doch  finden  sich  auch 
Gespräche  über  allgemeine  Fragen;  z.  B.  verhandelt  der  Mönch  von  Mon- 
taudon  mit  Gott  über  das  Schminken  der  Weiber,  Giraut  von  Bornelh 
mit  Linhaure  über  das  sogenannte  »trobar  clus«  u.  ä.  Wie  schon  aus  diesen 
Beispielen  hervorgeht,  kommen,  allerdings  selten,  auch  solche  vor,  in  denen 
der  Interlocutor  eine  fingierte  Person,  wie  Gott,  die  Minne,  eine  beliebige 
Dame  oder  ein  Tier,  z.  B.  ein  Pferd,  eine  Schwalbe,  ja  selbst  ein  Mantel 
oder  ein  anderes  lebloses  Wesen  ist,  die  daher  auch  nicht,  wie  die  übrigen, 
zwei  verschiedene  Verfasser  haben,  sondern  nur  einen;  seltenerfindet  das  Ge- 
spräch zwischen  mehr  als  zwei  Dichtern  statt  und  wird  dann  »torneiamen« 
genannt.  Der  Ton,  in  welchem  die  Tenzonen  dieser  Art  gehalten  sind,  ist 
zuweilen  ein  wohlwollender  und  freundlicher,  häufiger  jedoch  ein  neckender 
und  scherzender,  nicht  selten  sogar  ein  spottender  und  selbst  beissender. 
Letztere  Gattung  berührt  sich  daher  sehr  nahe  mit  den  in  §  22  erwähnten 
Coblen  und  Sirventesen,  welche  zwei  Dichter  unter  einander  austauschten. 

In  den  Gedichten  der  anderen  der  beiden  oben  aufgestellten  Gruppen 
legt  der  Herausforderer  in  der  ersten  Strophe  dem  Gegner  zwei  Sätze  zur 
Auswahl  resp.  zur  Verteidigung  vor,  vertritt  selbst  den  von  jenem  nicht  ge- 
wählten, und  nun  führen  die  beiden  Gegner  abwechselnd  strophenweise  ihre 
Gründe  für  die  Richtigkeit  der  von  ihnen  vertretenen  Ansicht  vor.  Seltener 
beträgt  die  Zahl  der  vorgeschlagenen  Ansichten  drei  oder  sogar  vier,  in  wel- 
chem Falle  sich  natürlich  der  Regel  nach  ebenso  viele  Dichter  an  der  Dis- 
putation beteiligen ;  nur  in  zwei  Fällen  ist  eine  dreiteilige  Frage  von  zwei 
Dichtern  diskutiert  worden.  Jene  zur  Wahl  gestellte  zwei-  oder  mehrgliedrige 
Frage  hiess  joc  partit^  d.  h.  »ausgeteiltes  Spiel«,  auch  wohl  partimen,  seltener 
partida,  partia,  und  in  späterer  Zeit  übertrug  man  diese  Bezeichnungen  auch 
auf  die  Gedichte  selbst,  welche  derartige  Streitfragen  behandelten.  Die  Ten- 
zonen dieser  zweiten  Gattung  scheinen  erst  nach  1180  aufgekommen  zu  sein, 
ihre  Entstehung  ist  wahrscheinlich  auf  eine  Sitte  zurück  zu  führen,  die  von 
Alters  her  als  eine  Übung  des  Witzes  sehr  beliebt  war  und  die  darin  bestand, 
dass  in  Gesellschaften  die  Mitglieder  sich  gegenseitig  mehrgliedrige  Fragen 
zur  Auswahl  vorlegten,  welche  dem  Herausforderer  gegenüber  verteidigt  werden 
mussten.  Die  in  diesen  Tenzonen  behandelten  Gegenstände  beziehen  sich 
in  den  weitaus  meisten  Fällen  auf  das  Gebiet  der  Liebe  und  waren  oft  von 
der  spitzfindigsten  Art,  z.  B.  ist  es  richtiger,  lange  ein  und  derselben  Dame 
zu  dienen  oder  öfter  die  Geliebte  zu  wechseln?  Was  ist  leichter  zu  ertragen, 
der  Tod  oder  der  Verrat  der  Geliebten?  Ist  die  Liebe  zu  einer  Dame 
grösser,  ehe  sie  sich  ganz  ergeben  oder  nachher?  Wer  verdient  mehr  Liebe, 
ein  vornehmer  Baron  mit  mangelhaftem  C^harakter  oder  ein  armer  Mann  von 
niedriger  Geburt,  aber  edler  Gesinnung?  Zuweilen  wurden  die  Fragen  durch 
eine  Erzählung  eingeleitet,  z.  B.  Zwei  Liebhaber  begegneten  auf  dem  Wege 
zu  ihren  Damen  verirrten  Rittern;  der  eine  kehrte  um,  um  jenen  Gastfreund- 
schaft zu  gewähren,  der  andere  eilte  weiter  zu  seiner  Dame;  wer  von  beiden 
hat  recht  gehandelt?  Von  den  nicht  die  Liebe  betreffenden  Gegenständen 
lag  besonders  die  Freigebigkeit  den  Trobadors  am  Herzen,  demnächst  Fragen 
über  den  Wert  des  Wissens,  des  Ruhmes  oder  des  Reichtums,  auch  über  die 
Vorzüge  einzelner  Völker  oder  Stände,  über  persönliche  Verhältnisse  und 
selbst  moralische  Probleme.  Die  Verteidigung  seiner  Ansicht  gab  dann  jedem 
Dichter  Gelegenheit,  möglichst  viel  Geist,  Witz,  Scharfsinn  und  dialektische 
Gewandtheit  an  den  Tag  zu  legen,  ja  selbst  die  Sophistik  wurde  dabei  nicht 
verschmäht.  Als  Beweismittel  wurden  Aussprüche  der  Bibel  oder  berühmter 
Männer    oder    anderer  Autoritäten,  auch  Sentenzen,    Sprichwörter,    Beispiele 


2  0      LlTl'ERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.     2,    PrOV,    LlTl'. 


aus  der  Geschichte  und  Sage,  ja  sogar  Vorgänge  des  täglichen  Lebens  heran- 
gezogen. 

Die  Entscheidung  über  den  Streit  fiel  sehr  verschieden  aus.  Selten  er- 
klärte sich  der  eine  der  Disputanten  für  besiegt  durch  die  Gründe  des  Geg- 
ners; oft  wurde  die  Frage  überhaupt  nicht  entschieden;  in  anderen  Fällen 
kamen  beide  überein,  die  Sache  dem  Urteil  eines  oder  mehrerer  Schiedsrichter, 
Männern  oder  Frauen,  zu  unterbreiten,  die  dann  gewöhnlich  auch  mit  Namen 
genannt  werden  und  denen  man  damit  eine  Ehre  zu  erweisen  beabsichtigte; 
ja  in  einigen  wenigen  Beispielen  ist  uns  sogar  das  Urteil  selbst  erhalten,  das 
in  Bezug  auf  die  metrische  Form  mit  den  Strophen  der  Tenzonc  überein- 
stimmen musste. 

K  n  o  b  i  o  c  h  ,  Die  Streitgedickte  im  Provenzalischen  tittd  AUfran- 
zösischen,  Diss.  Breslau  1886;  Selhach,  Das  Streitgedicht  in  der  alt- 
provenzalischen  Lyrik  etc.  Marburg  1886,  erweitert  in  Ausg.  und  At)h. 
No.  57;  Zenker,  Die  provenzalische  Tenzone,  Leipzig  1888  (auch 
Erlanger  Diss.);  Jeanroy,  La  tenson  provengale,  Annales  du  Midi 
2,  281 -.304;  441  —  62. 

24.  Einige  Liederarten  zeigen  Spuren  volkstümlichen  Ursprunges,  be- 
sonders in  dem  fast  allen  gemeinsamen  Kehrreim.  Dahin  ist  zuerst  die 
Romanze  zu  rechnen  (moderne  Bezeichnung,  die  Provenzalen  schieden  sie 
nicht  von  dem  Vers),  die  kunstmässige  Umgestaltung  der  oben  (^  15)  be- 
sprochenen volkstümlichen  Dichtungen,  welche  in  den  wenigen  uns  erhaltenen 
Beispielen  allerdings  den  Refrain  nicht  aufweisen.  Wie  ihre  volkstümliche 
Schwester  hat  die  Romanze  inhaltlich  einen  stark  epischen  Charakter ;  der 
Dichter  tritt  meist  redend  auf  und  berichtet  über  etwas  selbst  Erlebtes,  ge- 
wöhnlich ein  Zusammentreffen  mit  einer  Dame  oder  einem  Mädchen.  Eine 
Unterart  dieser  Gattung  bildet  die  Pastorelle  (pastorela,  -eta),  die  daher 
ihren  Namen  hat,  dass  die  Heldin  eine  Schäferin  ist.  Ihr  meist  in  dialogi- 
scher Form  vorgeführter  Inhalt  besteht  gewöhnlich  in  einem  Liebesabenteuer 
des  Dichters,  der  sich  meistens  als  Ritter  einführt,  mit  dieser  Heldin,  um 
deren  Gunst  er  mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  wirbt,  seltener  in  anderen 
Vorkommnissen  aus  dem  Leben  der  Hirten.  Cercamon  soll  nach  der 
Lebensnachricht  Pastorellen  a  la  usanza  aniiga,  also  wahrscheinlich  in  volks- 
mässiger  Art,  verfasst  haben ,  die  jedoch  verloren  gegangen  sind.  Erhalten 
sind  uns  30  Gedichte  dieser  Art,  unter  denen  die  im  13.  Jahrh.  entstandenen 
mehr  oder  minder  deutliche  Anzeichen  einer  Beeinflussung  durch  die  fran- 
zösischen Pastorellen  an  sich  tragen.  Die  Leys  d'amors  nennen  noch  einige 
Spielarten,  wie  vaquiera,  porquiera,  auquiera,  cabriera  u.  s.  w.,  in 
denen  also  eine  Kuh-,  Schweine-,  Gänse-,  Ziegen-  u.  s.  w.  Hirtin  erscheint, 
doch  ist  uns  nur  von  der  zuerst  genannten  Gattung  ein  Beispiel  erhalten.  — 
Die  Alba,  das  Tagelied,  wurde  so  benannt,  weil  das  Wort  alba  (Morgen- 
röte) im  Refrain  vorkam,  und  zwar  meist  am  Schluss,  doch  auch  am  Anfang 
oder  in  der  Mitte  des  Verses.  Es  handelt  sich  in  diesen  Liedern  immer  um 
ein  Liebespaar,  das  nach  wonnig  verbrachter  Nacht  sich  zur  Trennung  ge- 
zwungen sieht.  In  einigen  wird  der  Wächter  redend  eingeführt,  der  den 
Anbruch  des  Morgens  verkündet;  einzeln  thut  dies  ein  Freund,  der  daran 
die  Mahnung  zum  Aufbruch  knüpft.  In  andern  hören  wir  den  Lieb- 
haber oder  die  Dame  (seltener  beide  im  Zwiegespräch)  beim  Weckruf 
des  Wächters  über  den  bevorstehenden  Abschied  klagen.  Später  wurden 
auch  Tagelieder  religiösen  Inhalts  verfasst  (§  32).  Das  Gegenstück,  die 
Serena,  ist,  wie  es  scheint,  von  Guiraut  Riquier  erfunden,  jedenfalls 
stammt  von  diesem  das  einzige  uns  bekannt  gewordene  (iedicht  dieser  Art; 
der  Verfasser  erzählt  dort  von  einem  Liebenden,  der  den  Abend  herbeisehnt, 
welcher   ihn  mit   seiner  Dame  vereinigen  soll.     Im  Refrain  kehrt  immer  das 


Lyrik:  Kunstmässige.    Weltliche  Lyrik.     Die  Dichtarten.  27 


Wort  ser  wieder.  —  Die  beiden  Namen  Baiada  und  Dansa  sind  Ablei- 
tungen der  Verba  balar  und  dansar,  welche  zwei  verschiedene  Arten  des 
Tanzes  bezeichneten.  Die  Tanzlieder  waren  also  der  Regel  nach  dazu 
bestimmt,  zum  Tanze  gesungen  zu  werden,  wie  dies  noch  heute  bei  südlichen 
Völkern  geschieht.  Es  ergiebt  sich  hieraus,  dass  es  bei  ihnen  mehr  auf  die 
Melodie  als  auf  den  Text  ankam.  Letzterer  bezieht  sich  in  beiden  Gattungen 
gewöhnlich  auf  die  Liebe,  die  Unterschiede  zwischen  beiden  Benennungen 
werden  von  den  späteren  Provenzalen  als  nur  formelle  bezeichnet.  Die  Dansa 
sollte  nämlich  aus  nicht  mehr  als  drei  Strophen  bestehen  und  eine  heitere 
Singweise  haben,  sodann  sollte  jeder  Vers  höchstens  8  Silben  zählen  und 
der  Refrain  (der  wohl  vom  Chor  gesungen  wurde)  sowohl  an  der  Spitze  des 
Ganzen  als  auch  am  Schlüsse  jeder  Strophe  erscheinen.  Die  Baiada  dagegen 
(auch  bal  genannt)  war  in  Bezug  auf  die  Zahl  der  Strophen  nicht  beschränkt, 
besass  eine  noch  lebhaftere  Melodie  und  verlangte  Instrumentalbegleitung, 
welche  die  Dansa  nicht  kannte.  —  Über  das  Wesen  der  Retroencha  sind 
wir  ebenso  wenig  unterrichtet,  wie  über  die  Herkunft  des  Wortes.  Es  sind 
uns  nur  etwa  6  Lieder  dieser  Gattung  von  4  Dichtern  aus  später  Zeit  er- 
halten, die  sich  inhaltlich  nicht  von  Canzonen  unterscheiden  und  die  am 
Schlüsse  jeder  Strophe  Refrainzeilen  aufweisen  (in  einem  Falle  je  eine  am 
Schluss  und  im  Innern);  in  früherer  Zeit  sind  deren  viele  verfasst  worden. 

Römer,  Die  volkstümlichen  Dichtung! arten  der  aüprovenzalischen 
Lyrik,  Marburg  1884  =  Ausg.  u.  Abli.  No.  26  (daselbst  die  frühere 
Literatur) ;  O.  S  c  h  u  1 1  z  ,  Das  Verhältnis  der  prozenzalischen  Pastourelle 
zur  altfranzösischen,  Ztschr.  8,  lo6— 12;  Stengel,  Der Entivickelungs- 
gang  der  pravenzalischen  Alba,  Ztschr.  9,  407 — 12  und  lo,  l6u— 2. 
25.  Von  den  noch  übrig  bleibenden,  im  ganzen  selten  vorkommen- 
den Dichtarten  sind  einige  im  Grunde  Canzonen,  denen  die  Provenzalen  nur 
ihres  scharf  ausgeprägten  Inhaltes  wegen  besondere  Bezeichnungen  zuerteilt 
haben.  Dahin  gehört  das  Escondig  (Rechtfertigung),  in  welchem  der  Dichter 
die  erzürnte  Geliebte  zu  versöhnen  suchte,  sodann  das  Comjat  (Abschied), 
durch  welches  er  sich,  wenn  sie  unversöhnlich  oder  treulos  war,  von  ihr  los- 
sagte. Auch  das  D  esc  ort  (Zwiespalt)  könnte  man  hierher  rechnen,  obwohl 
der  Name  sich  ursprünglich  nur  auf  die  Form  bezieht.  Diese  Dichtgattung, 
welche  formell  auf  die  lateinischen  Sequenzen  zurückzuführen  ist,  zeigt  näm- 
lich der  Regel  nach  von  Strophe  zu  Strophe  einen  Wechsel  des  Metrums 
(Versart  und  -zahl)  sowie  der  Melodie,  ja  in  einem  Falle  (Raimbaut  von 
Vaqueiras)  sogar  der  Sprache.  Seltener  erstreckt  sich  der  Wechsel  nicht 
auf  das  ganze  Gedicht,  sondern  nur  auf  3 — 4  auf  einander  folgende  Strophen 
und  wiederholt  sich  dann  immer  in  gleicher  Weise,  sodass  dadurch  das  ganze 
Lied  in  mehrere  kongruente  Strophengruppen  zerfallt.  Inhaltlich  ist  das 
Descort,  wie  gesagt,  ein  Minnelied,  nur  wurde  es  später,  entsprechend  seiner 
unsymmetrischen  Form,  zum  Ausdruck  des  Schmerzes  über  unerwiedrrte  Liebe 
verwandt.  Ein  anonymes  Lied,  das  die  Form  eines  Descort  zeigt,  neimt  sein 
Verfasser  ein  Accort,  weil  er  mit  der  Liebe  nicht  im  Zwiespalte  sei.  Die 
Lais,  welche  mit  den  Descorts  gleichen  Ursprung  haben  und  auch  formell 
schwer  von  diesen  zu  unterscheiden  sind,  waren  bei  den  Provenzalen  wenig 
beliebt;  es  sind  uns  nur  drei  so  bezeichnete  Gedichte  erhalten,  die  obenein 
französischen  Einfluss  zu  verraten  scheinen. 

Einige  Gedichte,  die  ebenfalls  von  der  Liebe  handeln,  benennen  sich 
ausschliesslich  nach  äusseren  Merkmalen.  In  der  Sextine,  die  von  Arnaut 
Daniel  erfunden  ist,  wechseln  in  6 Strophen  6 Reimwörter  nach  einer  bestimmten 
Reihenfolge.  Ebenso  wechseln  in  der  Rundcanzone  (chanson  redonda)  die 
Reime  von  Strophe  zu  Strophe  in  fester  Ordnung,  nur  werden  nicht,  wie  dort, 
in  allen  auch  die  gleichen  Reimwörter  verwandt.    Breu-doble,  also  Doppelt- 


2  8      I.ITTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —     2.    PrOV.    LiTT. 

kurz,  nennt  Guiraut  Riquier  eines  seiner  Gedichte  wegen  der  Kürze  der 
darin  verwandten  Strophen  und  Verse.  Originell  ist  ein  Liebeslied  des  Raim- 
baut  von  Aurenga,  in  welchem  an  jede  Strophe  und  inhaltlich  mit  ihr 
zusammenhängend  sich  ein  Prosasatz  anschliesst;  der  Dichter  giebt  ihm  den 
Namen  „no  so  que  s'es".  Fremden  Ursprungs  ist  das  nur  von  einem  auch  proven- 
zalisch  schreibenden  Italiener  (Dante  da  Majano)  gepflegte  Sonett  sowie  das 
den  Franzosen  entlehnte  Ron  deau  (Redondel,  afr.  Reondel);  höchstwahrschein- 
lich auch  die  Estampida,  afr.  estampie  (von  dih<l,stamphjan  »aufstampfen«,  also 
ursprünglich  Tanzlied),  denn  das  einzige  uns  bekannt  gewordene  Beispiel  dieser 
Art  ist  von  Raimbaut  von  Vaqueiras  in  Nachahmung,  ja  sogar  in  der 
Melodie  einer  von  2  französischen  Jongleurs  in  seiner  Gegenwart  vorgetragenen 
Estampie  verfasst;  dasselbe  ist  ein  Minnelied  und  zeigt  kurze  Verse  sowie  einen 
lebhaften  Rhythmus,  aber  keinen  Kehrreim.  —  Sonst  ist  noch  zu  erwähnen 
das  Devinalh  (Rätsel),  das  aus  lauter  Sätzen  besteht,  welche  einander  wider- 
sprechen oder  zu  widersprechen  scheinen,  ja  oft  nur  Wortspiele  enthalten,  und 
das  Es  tri  bot,  welches  Sirventes-Inhalt  hat,  dessen  unterscheidende  Merkmale 
wir  jedoch  nicht  anzugeben  vermögen;  auch  die  Ausdrücke  S  e  r  m  o  und  Prezicansa 
begegnen  als  Bezeichnung  für  moralische  und   polititische  Sirventese. 

Endlich  verdienen  noch  dieLiebesbricfe  (breu,letra)  genannt  zu  werden, 
welche,  weil  meist  keine  strophische  Gliederung  zeigend,  sondern  gewöhnlich 
in  Reimpaare  gekleidet ,  eigentlich  nur  inhaltlich,  nicht  auch  formell  in  die 
Lyrik  gehören.  Sic  sind  immer  an  eine  Dame  gerichtet  und  führen  den 
besondern  Titel  Salut,  wenn  sie  mit  einem  Gruss  an  die  Geliebte  beginnen, 
Domneiaire,  wenn  sie  mit  dem  Worte  Domna  anheben  und  schliessen. 
Es  gab  auch  einige  poetische  Episteln  über  moralische  Gegenstände. 

C.  Appei,  Vom  Descort,  Ztschr.  11,  212 — 30 ;  Zingarelli,  Un 
Descortz  dt  Aimeric  de  Pegulhan ,  Ferrara  1890  (Nozze  Maltioli-  De 
Alber li)\  P.  Meyer,  Le  salut  d'amour  dans  les  litt.  prov.  et  f rang. 
Paris   1867. 

y.   CHARAKTER   DER   MINNEDICHTUNG. 

26.  Die  provenzalische  Liebespoesie  ist  eine  wesentlich  conventionelle, 
weil  das  Verhältnis  zwischen  dem  Dichter  und  dem  Gegenstand  seiner  Neigung 
der  Regel  nach  ein  conventionelles  war.  Um  dies  klar  zu  machen,  genügt 
es,  daran  zu  erinnern,  dass  die  Dame  fast  immer,  der  Liebhaber  wenigstens  in 
zahlreichen  Fällen  verheiratet  war.  In  der  That  ist  es  sehr  selten  vorgekommen, 
dass  ein  Trobador  ein  Fräulein  besang,  wie  Gui  von  Uissel,  Gausbert 
von  Puegsibot,  Guiraudo  der  Rote  und  wahrscheinlich  auch  Jaufre 
Rudel,  während  Elias  von  Barjols  in  seinen  Liedern  eine  Wittwe  feierte, 
nämlich  die  Gräfin  Garsenda  von  Forcalquier,  deren  Gatte  auf  Sizilien  gestorben 
war.  Aber  während  bei  der  natürlichen  Liebe  die  Ehe  stets  das  Ziel  eines 
Liebesverältnisses  ist,  so  war  dies  nicht  einmal  bei  den  genannten  Trobadors 
der  Regel  nach  der  Fall ;  von  Gausbert  von  Puegsibot  allein  erfahren  wir,  dass 
die  Dame  seines  Herzens  ihn  nur  unter  der  Bedingung  annehmen  wollte,  dass 
er  Ritter  würde  und  sie  heiratete,  was  ihm  beides  mit  Hülfe  seines  Gönners 
Savaric  von  Mauleon  gelang.  Ja  Gui  von  Uissel,  welchem  von  Gidas  de  Mondas 
die  Wahl  gelassen  wurde,  ob  er  ihr  Buhle  oder  ihr  Gatte  werden  wolle,  ent- 
schied sich  für  das  erstere,  und  sie  heiratete  auch  wirklich  einen  andern. 

Die  Ehe  war  aber  nicht  nur  nicht  das  Ziel  einer  Trobador-Liebschaft, 
sondern  sie  stand  sogar  in  sofern  in  einem  gewissen  Gegensatz  zu  dieser,  als 
ein  derartiges  Verhältnis  unter  Ehegatten  als  einfach  lächerlich,  als  geradezu 
unmöglich  angesehen  wurde.  Es  kam  ebenso  wenig  vor,  dass  die  Trobairitz, 
die  sämtlich  vorheiratet  waren,  ihre  Gatten  besangen,  wie  dass  die  verheirateten 


Lyrik:  Kunstmassige.  Weltliche  Lyrik.   Charakter  d.  Minnedichtung.  29 

Trobadors  ihre  Frauen  feierten,  obwohl  einige  derselben,  wie  Guilhem  de  la 
Tor  u.  a. ,  die  ihrige  zärtlich  liebten.  Das  eheliche  Verhältnis,  sei  es  das 
eigne  oder  ein  fremdes,  wurde  durch  eine  derartige  Liebschaft  nach  damaliger 
Auffassung  eben  gar  nicht  berührt,  sodass  z.  B.  vornehme  Frauen  die  Huldigungen 
eines  Dichters  wie  Gaucelm  Faidit  freundlich  entgegennahmen,  obwohl  dieser 
eine  gemeine  Strassendirne  geehelicht  hatte.  Wie  nämlich  einerseits  der  Frauen- 
dienst eins  der  hauptsächlichsten  Erfordernisse  eines  Ritters  war,  so  verlangte  die 
Sitte,  dass  jede  Frau  von  Stand  einen  oder  mehrere  Verehrer  hätte,  der  sie  dichterisch 
verherrlichte.  Dichter  und  Dame  zollten  also  durch  das  Eingehen  einer  der- 
artigen Verbindung  nur  ihren  Tribut  an  den  herrschenden  Brauch,  und  nie- 
mand fand  darin  etwas  anstössiges;  ja  mehrfach  veranlasste  der  Gatte  oder  der 
Bruder  einer  Dame  geradezu  einen  Trobador,  dieser  den  Hof  zu  machen,  da 
es  jeder  Frau  zum  Ruhm  und  zu  Ehre  gereichte,  wenn  sie  einen  hervorragenden 
Dichter  unter  ihren  Anbetern  zählte.  Ebenso  strebten  andrerseits  die  Trobadors 
danach,  mit  möglichst  hochstehenden  Frauen,  Fürstinnen  und  Gräfinnen,  Lieb- 
schaften anzufangen.  Dies  war  so  sehr  die  Regel,  dass  es  von  Gausbert 
Amiel  als  etwas  aufalliges  hervorgehoben  wird,  dass  er  nie  eine  höher  stehende 
Dame  besungen,  sowie  von  Aimeric  von  Pegulhan  und  Uc  Brunenc, 
dass  sie  eine  Bürgerfrau  geliebt  und  gefeiert  haben.  So  erklärt  es  sich  denn 
auch,  dass  die  Lebensnachrichten  vieler  Trobadors  von  zahlreichen  Liebschaften 
erzählen,  die  sie,  meist  allerdings  nach  einander,  anknüpften,  und  dass  manche 
Dame  mehrere  Verehrer,  darunter  auch  Dichter,  zu  gleicher  Zeit  hatte. 

27.  Es  lässt  sich  denken,  dass  ein  derartiges  Verhältnis,  das  doch  der  Natur 
durchaus  nicht  entsprach,  mancherlei  Miss tän de  im  Gefolge  hatte.  So  hören 
wir  z.  B.  von  Uc  von  Saint  Circ,  dass  er  zu  den  Damen,  die  er  pries,  gar 
keine  Liebe  gefühlt  sondern  nur  geheuchelt  habe,  und  ähnlich  hat  es  sich 
auch  wohl  bei  anderen  verhalten.  Ebenso  war  es  schon  damals  allgemein 
bekannt,  dass  manche  Dame,  selbst  der  höchsten  Kreise,  einem  Trobador  ihre 
Gunst  weniger  aus  innerer  Neigung,  als  zu  dem  Zwecke  schenkte,  damit  er 
sie  besinge,  d.  h.  wegen  der  Ehre,  die  ihr  daraus  erwuchs,  ja  dass  einzelne 
sogar  allerlei  Mittel  anwandten,  um  einen  derartigen  Verehrer  anzulocken,  sei 
es,  dass  sie  ihm  Geschenke  machten,  ihm  Briefe  schrieben,  oder  ihm  sonst 
auf  jede  Weise  entgegenkamen.  War  dies  gelungen,  so  galt  es,  den  gewonnenen 
auch  dauernd  zu  fesseln.  Die  eine  bemühte  sich  zu  diesem  Zwecke  nach 
Kräften,  dem  ihr  gespendeten  Lobe  auch  durch  ihre  Thaten  zu  entsprechen, 
andere  dagegen  suchten  durch  Verheissungen  aller  Art,  selbst  indem  sie  die 
höchsten  Gunstbezeugungen  in  Aussicht  stellten,  ihren  Wunsch  zu  erreichen. 
Ja  einzelne  heuchelten ,  sogar  nachdem  sie  sich  einem  andern  Buhlen  hin- 
gegeben, nach  wie  vor  Liebe  zu  ihrem  verratenen  Trobador,  nur  um  diesen 
nicht  als  Verkündiger  ihres  Ruhmes  zu  verlieren.  Erschien  es  nun  trotzdem 
aus  irgend  welchen  Gründen  wünschenswert,  einen  Trobador-Liebhaber  zu 
verabschieden,  so  wurden  zuweilen  die  listigsten  Anschläge  erdacht,  damit  er 
ja  nicht  als  Feind  ginge,  da  die  Damen  immer  fürchteten,  dass  bei  einem 
etwaigen  offenen  Bruche  der  erzürnte  Dichter  aus  Rache  ihnen  gegenüber  von 
der  gefahrlichen  Waffe  seiner  Kunst  Gebrauch  machen  und  sie  dadurch  vor 
aller  Welt  blossstellen  möchte. 

Was  nun  die  sittliche  Seite  jener  Liebesverhältnisse  betrifft,  so  wurde 
vorausgetzt  und  erwartet,  dass  dieselben  die  Schranken  des  Anstandes  nicht 
überschritten.  Von  mehreren  Damen  wird  ausdrücklich  berichtet,  dass  sie  der 
Bitte  eines  Sängers,  ihm  ihre  Liebe  zu  schenken,  bloss  unter  der  Bedingung 
willfahrten ,  dass  sie  ihn  nur  als  Ritter  und  Diener  (cavalier  e  servidor), 
nicht  aber  als  Buhlen  (drut)  annähmen.  Dies  schloss  aber  die  Gewährung 
gewisser  Gunstbezeugungen  nicht  aus,  ja  die  Grenze  derselben  war,  wenigstens 


30      LriTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    I^ITT. 

nach  unseren  Begriffen,  ziemlich  weit  gezogen.  Häufig  kam  es  vor,  dass  die 
Dame  ihrem  Trobador  einen  Ring,  einen  ihrer  Handschuhe  oder  einen  anderen 
Teil  ihrer  Kleidung  als  Liebeszeichen  schenkte,  auch  der  Kuss  galt  als  erlaubt, 
ja  es  wurden  manche  Vertraulichkeiten  gestattet,  die  heutzutage  ganz  unerhört 
erscheinen  würden.  Dagegen  war  der  Ehebruch  auch  damals  verpönt,  und 
wenn  es  bekannt  wurde,  dass  eine  Frau  sich  einen  solchen  hatte  zu  Schulden 
kommen  lassen,  so  brachte  ihr  das  Schande  ein.  Die  Vizgräfin  Ermengarde 
von  Narbonne  gab  dem  Peire  Rotgier  den  Abschied,  weil  der  blosse  Ver- 
dacht, sie  habe  ihm  unerlaubte  Gunst  gewährt,  sie  in  einen  schlimmen  Ruf 
gebracht  hatte,  und  ähnlich  verfuhr  Alamanda  von  Estancs  mit  Giraut  von 
Bornelh.  Manchmal  schritt  auch  der  Gatte  oder  der  Bruder  ein,  wenn  er 
Grund  zu  der  Annahme  zu  haben  glaubte,  dass  die  Ehre  der  Familie  verletzt 
worden  sei;  er  sperrte  dann  die  wirkliche  oder  vermeintliche  Sündige  ein  oder 
jagte  den  Dichter  aus  dem  Hause,  ja  spielte  diesem  zuweilen  noch  empfind- 
licher mit. 

Aber  wenngleich  die  Einhaltung  der  Grenze  strenger  Sittlichkeit  gefordert, 
meist  auch  wohl  beobachtet  wurde,  so  kamen  doch  auch  recht  häufig  Über- 
schreitungen vor.  Vor  allen  Dingen  begnügten  sich  die  Trobadors  selbst 
gewöhnlich  nicht  mit  der  rein  platonischen  Liebe,  sondern  forderten  mehr,  und 
obwohl  sie  in  einigen  wenigen  Fällen  nicht  nur  abgewiesen  sondern  sogar 
verabschiedet  wurden,  so  erreichten  sie  doch  auch  nicht  selten  ihren  Zweck, 
und  mehrere  derselben  haben  sich  offen  ihrer  Erfolge  in  dieser  Hinsicht  gerühmt. 
Es  ist  sogar  vorgekommen,  dass  eine  Frau  sich  einem  Dichter  hingab,  nur 
um  diesen  einer  anderen  zu  entfremden;  dagegen  scheint  eine  regelrechte 
Entführung  zu  den  seltneren  Ausnahmen  gehört  zu  haben,  obwohl  wir  auch 
hiervon  Beispiele  kennen.  Aber  zuweilen  wurden  auch  die  Trobadors  selbst 
von  demjenigen  Schicksal  betroffen,  das  sie  so  gern  anderen  bereiteten;  es 
wurde  ihnen  nicht  selten,  nachdem  sie  lange  mit  der  Aussicht  auf  die  höchste 
Gunst  hingehalten  worden  waren,  schliesslich  ein  glücklicherer  Liebhaber  vor- 
gezogen, ja  einzelne  verheiratete  sind  selber  zum  Hahnrei  gemacht  worden, 
so  der  oben  genannte  Gausbert  von  Puegsibot,  dessen  Frau  sich  an  einen 
englischen  Ritter  schmählich  wegwarf. 

Alle  diese  Ausschreitungen  gehörten  jedoch,  wie  schon  angedeutet,  zu 
den  Ausnahmen.  In  der  Regel  blieben  die  Trobadorliebschaften  innerhalb 
der  gezogenen  Schranken ;  jedenfalls  suchte  man ,  wenn  diese  überschritten 
waren,  dies  auf  jede  mögliche  Weise  zu  verdecken  und  zu  verheimlichen, 
und  vor  allem  galt  es  als  unumstössliches  Gesetz,  dass  die  auf  die  Geliebte 
gesungenen  Lieder  nie  zu  Verrätern  an  derselben  werden  durften. 

28.  Aus  dem  gesagten  ergiebt  sich  schon,  worin  im  allgemeinen  der 
Inhalt  der  provenzalischen  Minnepoesie  bestand.  Dieselbe  spiegelte  das  Ver- 
hältnis zwischen  Dichter  und  Dame  weniger  so  wieder,  wie  es  in  Wirklich- 
keit war,  als  vielmehr  so,  wie  es  nach  der  Forderung  der  damaligen  höfischen 
Sitte  eigentlich  stets  hätte  sein  sollen.  Einer  ihrer  vornehmsten  Gegenstände 
ist  natürlich  das  Preisen  der  Geliebten.  Sie  ist  der  Inbegriff  aller  körperlichen 
wie  geistigen  Reize  und  Vorzüge,  welche  mit  den  glühendsten  Farben  geschildert 
werden;  und  zwar  geschieht  dies  bald  direkt,  bald  durch  Bilder  und  Vergleiche, 
bald  durch  Wendungen  wie:  Gott  hat  nichts  vollkommeres  geschaffen  als  sie, 
ihre  Schönheit  durchleuchtet  die  Nacht,  sie  würde  einer  Kaiser-  oder  Königs- 
krone zur  Ehre  gereichen,  sogar  ihre  Feinde  müssen  ihren  Wert  zugestehen, 
ihre  Nähe  erheitert  die  Traurigen,  heilt  die  Kranken  und  macht  die  Bäurischen 
höfisch  u.   dgl. 

Daher  versichert  der  Dichter  denn  auch,  dass  seine  Liebe,  seine  Er- 
gebenheit unbegrenzt  ist;   er  will  lieber  sterben,  als  sich  von  ihr  abwenden; 


Lyrik:  Kunstmässige.  Weltliche  Lyrik.  Charakter  d.  Minnedichtung.  31 

mit  gefalteten  Händen  möchte  er  vor  ihr  niederknieen ,  denn  er  sieht  sich 
als  ihren  Lehnsmann ,  ihren  -Diener,  ihren  Gefangenen,  ja  ihren  Leibeignen 
an  und  giebt  ihr  völlige  Gewalt  und  Verfügung  über  ihn,  körperliche  wie  geistige. 
Seine  Liebe  ist  ihm  mehr  wert  als  alle  Schätze  der  Welt,  selbst  als  sein  Seelen- 
heil, denn  ohne  dieselbe  würde  ihm  die  Welt  freudlos  sein;  der  Geliebten 
verdankt  er  ja,  was  ihm  an  Gutem  und  Schönem  gelingt.  Daher  ist  ihm  das 
geringste  Zeichen  von  Neigung  oder  auch  nur  die  Hoffnung  darauf,  ja  sogar 
Qual  und  Schmerz  von  ihr  lieber,  als  die  höchsten  Gunstbezeugungen  von 
einer  anderen.  Überhaupt  ist  er  jetzt  allen  übrigen  Damen  völlig  entfremdet 
oder  wenigstens  nur  um  ihretwillen  geneigt,  nämlich  weil  sie  ihr  ähnlich  sehen ; 
dagegen  fühlt  er  sich  zu  jedermann  hingezogen,  der  zu  ihr  in  irgend  einer 
Beziehung  steht,  sei  er  nun  ihr  Verwandter,  ihr  Nachbar,  ihr  Landsmann 
oder  auch  nur  einer  ihrer  Diener,  ja  er  ist  schon  glücklich,  wenn  jemand  zu 
ihm  von  ihrem  Schlosse  spricht. 

Ebenso  reich  fliessen  des  Dichters  Gedanken,  wenn  es  sich  darum  handelt, 
mitzuteilen  ,  wie  seine  Liebe  sich  äussert  und  welche  Wirkungen  sie  in  ihm 
hervorbringt.  Seine  Stimmung  schwankt  fortwährend  zwischen  höchster  Fröh- 
lichkeit und  tiefster  Niedergeschlagenheit,  schwere  Seufzer  entringen  sich  seiner 
Brust,  bittere  Thränen  seinen  Augen ;  Zittern  und  Beben  ergreift  ihn  im  Schlafen 
und  im  Wachen,  Frost  und  Hitze  wechseln  wie  im  Fieber;  sein  Herz,  sein 
Geist,  seine  Seele  weilen  Tag  und  Nacht  bei  ihr,  er  kann  nichts  andres  denken 
als  sie,  von  nichts  andrem  sprechen  als  von  ihr,  ja  sogar  wenn  er  zu  Gott 
betet,  schwebt  immer  nur  ihr  Bild  ihm  vor.  Die  Leidenschaft,  welche  ihn 
so  ganz  erfüllt,  verändert  denn  auch  seinen  ganzen  inneren  und  äusseren 
Menschen:  sie  verschafft  ihm  nicht  nur  die  höchste  Wonne,  wahre  Paradieses- 
genüsse, sondern  sie  veredelt  auch  sein  Wesen,  macht  ihn  besser,  tüchtiger, 
barmherziger,  gegen  seine  Feinde  versöhnlicher,  gegen  jedermann  freundlicher 
und  demütiger,  doch  flösst  sie  ihm  andrerseits  auch  Stolz  und  Selbstvertrauen 
ein;  sie  lindert  sein  Leid  bei  Schicksalsschlägen,  erhöht  ihm  die  Kraft  und 
den  Mut,  befähigt  ihn  für  die  schwierigsten  Aufgaben  und  lässt  ihn  so- 
gar körperliche  Beschwerden  leicht  ertragen;  denn  er  fühlt  nicht  den  kalten 
Wind,  der  Winter  erscheint  ihm  als  wonniger  Frühling,  Eis  und  Schnee  als 
saftiges  Grün  und  duftiger  Blumenflor.  Aber  auch  vieles  unangenehme  hat 
seine  Liebe  für  ihn  im  Gefolge:  sie  raubt  ihm  die  Herrschaft  über  sich  selbst, 
nimmt  ihm  seine  Willens-  und  Geisteskraft,  seinen  Verstand,  seine  Gedanken, 
sogar  seine  Sprache;  er  hört  nicht,  wenn  jemand  ihn  anredet,  ja  man  könnte 
ihn  stehlen,  ohne  dass  er  es  merken  würde.  Er  hat  unerträgliche  Qualen 
auszustehen,  er  klagt,  er  jammert  und  verzehrt  sich  in  Liebesschmerz;  er  ver- 
mag nicht  mehr  zu  schlafen,  nicht  mehr  zu  essen,  sein  Körper  magert  ab 
und  siecht  dahin;  er  fühlt,  dass  sein  Tod  nicht  mehr  fern  ist. 

Aber  obwohl  die  Geliebte  die  Ursache  aller  dieser  Leiden  ist,  so  will 
er  lieber  die  Augen  verlieren,  als  ihr  zürnen  oder  sich  an  ihr  rächen,  ja 
auch  nur  etwas  thun,  was  ihr  misfallen  könnte,  da  es  für  ihn  die  grösste 
Wonne  ist,  durch  sie  herbe  Pein  und  selbst  den  Tod  zu  erleiden,  und  nie- 
mand dürfte  ihn  in  diesem  Falle  bedauern.  Daher  schwächen  jene  Qualen 
seine  Liebe  nicht  nur  nicht,  sondern  lassen  dieselbe  nur  noch  immer  stärker 
werden,  denn  ihn  hält  die  Hoffnung  aufrecht,  es  werde  ihm  gelingen,  die 
Wünsche  seines  Herzens  in  Erfüllung  gehen  zu  sehen. 

29.  Die  Gunstbezeugungen,  welche  er  von  der  Dame  erhofft  oder  er- 
fleht, bewegen  sich  meist  innerhalb  der  bescheidensten  Grenzen.  Er  ersucht 
sie  z.  B.  um  die  Erlaubnis,  ihr  überhaupt  nur  seine  Neigung  gestehen,  sich 
um  ihre  Gunst  bewerben,  ihr  seine  Lieder  widmen,  sich  ihren  Diener,  ihren 
Lehnsmann  nennen,   ja   sie  nur  ansehen    zu  dürfen,    oder    er    bittet  sie,    ihn 


3  3      LllTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.     2,    PROV,    LiTT. 

nicht  zu  hassen,  sondern  womöglich  zu  lieben,  sei  es  auch  nur  wie  einen 
Verwandten,  ihn  ihren  Freund  zu  nennen,  ihm  ein  Lächeln,  einen  wohl- 
wollenden Blick  zu  gewähren,  ein  freundliches  Wort,  einen  Scherz  an  ihn  zu 
richten,  ja  oft  erklärt  er  sich  für  zufriedengestellt,  wenn  sie  ihm  nur  die  Hoff- 
auf ihre  einstige  Liebe  nicht  raube.  Zuweilen  versteigt  er  sich  allerdings 
höher,  er  wünscht  die  Erlaubnis  zu  einem  heimlichen  Besuch,  zu  Umarmung 
und  Kuss,  er  möchte  ihr  beim  An-  und  Auskleiden  behülflich  sein,  ja  nicht  selten 
deutet  er  verhüllt  oder  unverhüllt  auf  die  höchste  (iunst  als  das  Ziel  seiner 
Sehnsucht  hin.  Zuweilen  spricht  er  ganz  allgemein  von  dem  »Lohn«,  den 
er  erwartet,  ohne  ihn  genauer  zu  bezeichnen ,  auch  von  sonstigen  Liebesbe- 
weisen, von  einem  Brief,  einem  Ringe,  einem  Bande  oder  anderen  äusseren 
Pfandern  ihrer  Neigung.  Ganz  einzeln  kommt  es  auch  vor,  dass  er  auf  das 
schnelle  Verfliessen  der  Jugendzeit  hinweist  und  die  Aufforderung  daran  knüpft, 
dieselbe  zu  geniessen. 

Aber  so  hoch  er  auch  seine  Erwartungen  spannen  mag,  nichts  erhofil 
er  auf  Grund  seines  Verdienstes  oder  als  sein  Recht,  sondern  alles  nur  als 
Geschenk  ihrer  Gnade.  Daher  stellt  er  alles  ihrer  Güte,  ihrer  Barmherzigkeit 
und  Herablassung  anheim;  er  wird  durch  unablässiges  Dienen  ihr  Herz  er- 
weichen, ausschliesslich  durch  geduldiges  Ertragen  und  Ausharren  will  er 
etwas  erreichen  und  wird  mit  allem  zufrieden  sein,  was  sie  ihm  etwa  ge- 
währen sollte. 

In  sehr  vielen  Fällen  aber  wagt  der  Dichter  überhaupt  nicht,  der  Dame 
sein  Herz  zu  entdecken,  weil  ihre  Gegenwart  ihn  völlig  einschüchtert  oder 
weil  er  furchtet,  sie  möge  ihm  wegen  seiner  Kühnheit  zürnen.  Dennoch, 
erklärt  er,  werde  er  fortfahren,  sie  zu  lieben,  aber  ganz  für  sich,  im  Geheimen; 
und  da  er  ihr  seine  Neigung  auch  durch  einen  anderen  mitzuteilen  nicht 
den  Mut  hat,  so  will  er,  sei  es  in  einem  Briefe,  sei  es  in  seinen  Liedern, 
aussprechen,  was  ihn  bewegt,  oder  er  wird  durch  seine  Handlungen  andeuten, 
was  er  auszusprechen  nicht  die  Worte  findet,  und  hofft,  die  Geliebte  werde 
seine  Gefühle  daran  doch  wenigstens  ahnen.  Inzwischen  begnügt  er  sich  mit 
eingebildeten  Genüssen,  er  umarmt  und  küsst  sie  in  Gedanken,  herzt  sie  und 
verkehrt  mit  ihr  im  Traume,  und  empfindet  dabei  solche  Seligkeit,  dass  er 
nie  wieder  erwachen  möchte.  Dieser  Minnedienst  ist  ihm  aus  dem  Grunde 
besonders  wert,  weil  kein  Eifersüchtiger  denselben  verbieten  oder  verhin- 
dern kann. 

Recht  häufig  begegnen  wir  aber  auch  Klagen  über  unerwiederte  Liebe; 
der  Dichter  ist  der  Verzweifelung  nahe,  da  seine  Dame  so  kalt,  so  unerbittlich 
ist.  In  einzelnen  Fällen  sucht  er  sie  dann  dadurch  zu  erweichen,  dass  er 
auf  die  oft  verhängnisvollen  Wirkungen  eines  derartigen  Verhaltens  hinweist, 
in  anderen  verzagt  er  und  wünscht  sich  den  Tod  herbei ,  oder  er  erklärt 
trotzig,  er  werde  sie  dennoch  lieben,  möge  es  ihr  gefallen  oder  nicht;  in 
noch  anderen  endlich  findet  er  sich  in  sein  Schicksal,  erkennt  die  Hoffnungs- 
losigkeit seiner  Bemühungen,  erklärt  aber,  der  Geliebten  trotzdem  nicht  zürnen 
zu  wollen,  sondern  verabschiedet  sich  von  ihr,  indem  er  sie  Gott  befiehlt 
und  ihr  in  herzlicher  Weise  alles  Gute  wünscht. 

Manchmal  ist  der  Dichter  jedoch  nicht  so  entsagungsbereit,  sondern 
glaubt  berechtigt  zu  sein,  ihr  Vorwürfe  zu  machen :  sie  thuc  bitteres  Unrecht, 
ja  begehe  geradezu  eine  Sünde,  indem  sie  sich  gegen  ihn  so  hart  zeige,  da 
seine  einzige  Schuld  seine  Liebe  sei;  sie  habe  ihm  anfangs  ihre  Gunst  ver- 
sprochen, dann  aber  ihr  Wort  nicht  gehalten,  ihn  vielmehr  durch  freund- 
lichen Schein  (bei  semblan)  hingehalten  und  schliesslich  getäuscht;  sie  werde 
Ursache  seines  Todes  sein  und  hierdurch  sich  Schaden,  ja  selbst  Schande 
zuziehen.     In  seinem  Unmute   spricht   er  den  Wunsch    aus,    sie    nie  gesehen 


Lyrik:  Kunstmässige.    Weltliche.    Charakter  der  Minnedichtüng.     33 


oder  wenigstens  nie  geliebt,  vielmehr  einer  anderen  sich  zugewandt  zu  haben, 
und  lässt  auch  wohl  die  Drohung  einfliessen,  dass  seine  Geduld  leicht  ein 
Ende  haben  könnte.  Manchmal  aber  hat  er  sich  über  schlimmeres  als  über 
Kälte,  hat  er  sich  über  Untreue  zu  beklagen;  sie  hat  seine  innige  Liebe 
verraten  und  sich  einem  anderen  hingegeben.  In  diesem  Falle  verleiht  er 
seinem  Zorn  und  Unwillen  gewöhnlich  hi  derben  Worten  Ausdruck,  brand- 
markt das  Verfahren  der  Dame  in  schonungsloser  Weise  und  sagt  sich  öffent- 
lich von  ihr  los,  sei  es,  um  für  immer  den  Frauen  und  der  Liebe  den  Rücken 
zu  wenden,  sei  es,  um  bei  einer  anderen  Ersatz  zu  suchen. 

30.  Aber  neben  den  bisher  vorgeführten  Gedanken,  die  sich  im  engeren 
Sinne  auf  das  Verhältnis  zwischen  dem  Dichter  und  der  Geliebten  beziehen, 
enthält  die  provenzalische  Minnepoesie  auch  solche,  welche  allgemeinerer 
Art  sind,  namentlich  verschiedene  die  Liebe  betreffende  Fragen  zum  Gegen- 
stände haben.  In  erster  Linie  wird  allen  Liebenden  Verschwiegenheit  und 
Heimlichkeit  empfohlen;  der  sei  ein  Narr,  der  seinen  Erfolg  ausplaudere, 
nur  die  beiden  Beteiligten  und  Amors  dürfen  darum  wissen.  Der  Dichter 
versichert,  er  werde  sich  nicht  einmal  seinen  nächsten  Verwandten  entdecken, 
lieber  würde  er  sich  töten  lassen;  daher  meide  er  auch  den  Umgang  mit 
anderen  Menschen,  weil  ihm  leicht  wider  Willen  ein  Wort,  das  ihn  verriete, 
entschlüpfen  könnte.  Er  spreche  nicht  einmal  von  ihrem  Wohnsitze  und  ver- 
zichte auch  auf  das  Entsenden  von  Boten,  weil  dies  alles  leicht  zur  Entdeckung 
führen  könne.  Alle  diese  Vorsichtsmassregeln  seien  nun  besonders  den  Fein- 
den der  Liebe  gegenüber  notwendig,  denen,  welche  sich  ein  Gewerbe  daraus 
machen,  heimliche  Liebe  auszukundschaften  und  auszuplaudern,  den  Schwätzern, 
Kläffern  und  Verläumdern ;  auch  die  Eifersüchtigen  gehören  mit  unter  diese 
Feinde,  über  welche  die  Dichter  die  ganze  Schale  ihres  Zornes  ergiessen. 

Im  Gegensatze  dazu  singen  sie  oft  der  Liebe  selbst  ein  begeistertes  Lob; 
»ohne  Liebe  kein  Sang«  ist  ein  häufig  wiederkehrender  Gedanke.  Die  Liebe 
ist  allgewaltig,  ihrer  Macht,  ihrem  Befehl  kann  niemand  Widerstand  entgegen- 
setzen ;  nur  wenn  man  sich  geduldig  in  alles  fügt,  was  sie  schickt,  darf  man 
auf  Erfolg  hoffen.  Die  Liebe  giebt  aber  dem  Leben  auch  erst  seinen  Wert, 
sie  veredelt  den  Menschen,  weil  sie  selbst  gut  ist;  zwar  bringt  sie  nicht  nur 
Freud,  sondern  auch  Leid  mit  sich,  aber  erstere  überwiegt,  und  wegen  des 
letzteren  darf  sie  nicht  getadelt  werden.  Daher  wendet  sich  der  Dichter  oft 
direkt  an  Amors,  um  deren  Hülfe  zu  erbitten  oder  auch,  um  ihr  Vorwürfe 
zu  machen. 

Bei  anderen  Gelegenheiten  wird  das  Wesen  der  Liebe  analysiert,  es 
werden  die  verschiedenen  Arten  derselben  aufgezählt,  oder  die  in  ihrem  Reiche 
herrschenden  Gesetze  werden  hervorgehoben :  die  Liebe  sieht  nicht  auf  Reich- 
tum oder  Macht,  sondern  auf  Tüchtigkeit  und  inneren  Wert;  sie  verlangt 
Demut  und  hasst  daher  Anmassung  und  Selbstüberhebung;  sie  fordert  voll- 
ständige Hingabe  und  belohnt  treues,  stilles  Dienen.  Verstand  und  vorsich- 
tige Berechnung  gehören  der  Regel  nach  nicht  zu  ihrem  Gefolge,  eher  die 
Thorheit,  denn  sie  reisst  zu  mancher  Unbesonnenheit,  zu  manchem  unüber- 
legten Schritte  hin. 

Sehr  ausführlich  wird  von  den  Pflichten  der  Liebenden  gehandelt:  der 
Liebhaber  muss  nach  Ehre  und  höfischem  Benehmen  streben,  muss  ver- 
schwiegen sein,  muss  seiner  Dame  in  allen  Stücken  recht  geben,  darf  keiner 
bösen  Nachrede  über  sie  glauben  und  muss  sich  vor  jeder  Untreue  hüten. 
Die  Dame  dagegen  soll  in  der  Wahl  ihres  Anbeters  sehr  vorsichtig  sein,  nur 
solche  dulden,  die  ihr  zur  Ehre  gereichen,  die  unwürdigen  aber  fern  halten; 
namentlich  soll  sie  sich  nicht  durch  Reichtum  bestechen  lassen,  daher  einen 
armen,    aber    braven   Liebhaber    einem   vornehmen,    aber    charakterlosen  vor- 

Grobkr,  Grundriss.    IIb.  3 


34       LlTl'ERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —     2.    PrOV.    LllT. 

ziehen.  Vor  allem  soll  sie  immer  nur  einen  Verehrer  dulden,  dann  aber 
nicht  zu  spröde  und  unnahbar  sein,  denn  Erhörung  bringt  Ruhm  und  Dank 
obenein ;  allerdings  muss  sie  dabei  stets  darauf  bedacht  sein ,  ihren  guten 
Ruf  rein  zu  erhalten. 

Endlich  verdient  noch  erwähnt  zu  werden,  dass  die  Dichter  in  ihren 
Liedern  auch  verschiedentlich  über  den  Aniass  sowie  den  Zweck  ihres  Dich- 
tens Auskunft  erteilen.  Als  crsterer  wird,  abgesehen  von  der  Liebe,  oft  der 
Wunsch  der  Dame  oder  eines  Gönners  genannt,  vor  allem  aber  die  schöne 
Jahreszeit,  besonders  der  Frühling  mit  seinem  Vogelsang  und  Blütenduft;  ja 
die  Beziehung  der  Stimmung  des  Dichters  auf  die  Natur  ringsherum  ist  für 
den  Eingang  der  Liebeslieder  fast  typisch.  Der  Zweck  derselben  ist  entweder 
der,  in  der  Dichtkunst  Trost  zu  suchen,  auch  wohl  sich  und  andere  zu  er- 
freuen, besonders  aber,  den  Ruhm  der  Geliebten  zu  vermehren.  Die  Dichter 
sprechen  sich  mehrfach  sehr  selbstbewusst  gerade  über  diesen  Punkt  aus  und 
heben  hervor,  dass  die  Dame  ihres  Herzens  das  Ansehen,  das  sie  geniesst, 
zum  grossen  Teil  den  ihr  zu  Ehren  gesungenen  Liedern  verdanke. 

Das  ist  in  kurzem  der  wesentlichste  Inhalt  der  provenzalischen  Minne- 
poesie. Aber  wenngleich  das  Gefühl,  dem  dieselbe  Ausdruck  verleihen  sollte, 
der  Regel  nach  ein  convcntionelles,  ein  nur  geheucheltes  oder  anempfundenes 
war,  so  brauchte  es  dies  doch  nicht  immer  zu  sein,  sondern  konnte  ebenso 
gut  auch  einer  aufrichtigen  Liebe  entsprungen  sein,  und  in  der  That  fühlt 
man  in  nicht  wenigen  Liedern  durch  die  scheinbar  nur  kühle  Reflexion  ver- 
ratende Gewandung  hindurch  das  Glühen  einer  starken,  warmen,  tief  empfun- 
denen Leidenschaft. 

31.  Aber  die  Charakteristik  der  in  Rede  stehenden  Dichtungen  würde 
nicht  vollständig  sein  ohne  den  Hinweis  auf  die  grosse  Sorgfalt,  welche  die 
Verfasser,  und  zwar  je  später  um  so  mehr,  auf  die  äussere  Form  derselben 
verwandten,  nicht  nur  die  metrische,  durch  komplizierte  Verbindung  ver- 
schiedenartiger Versarten  und  -Systeme,  durch  künstliche  Reimverschlingungen, 
durch  Verwendung  von  Refrain  Wörtern,  von  gesuchten  und  schwierigen  Reimen 
u.  dgl.,  sondern  auch  die  sprachliche,  durch  Einstreuung  von  zahlreichen,  mehr 
oder  weniger  zutreffenden  Bildern,  Vergleichen  und  Anspielungen,  von  Rede- 
figuren aller  Art,  von  Wortspielen,  Spruch  Wörtern,  Zitaten  und  durch  andere 
Mittel,  den  Ausdruck  zu  beleben.  Gerade  durch  die  konsequente  Durch- 
führung dieses  Prinzips  erhielt  die  Poesie  vornehmlich  jene  bis  dahin  von 
keiner  Sprache  erreichte  formelle  Vollkommenheit  und  Eleganz,  welche  es 
sehr  erklärlich  erscheinen  lässt,  dass  alle  anderen  Völker  der  Zeit,  von  diesem 
Glänze  geblendet,  nichts  besseres  thun  zu  können  glaubten,  als  dieselbe 
möglichst   schnell    bei   sich  einzuführen  und   in    allen  Punkten   nachzuahmen. 

D  i  e  z  ,  Die  Poesie  der  Troubadours,  Zwickau  1 826.  Zweite  Auf 
läge  von  K.  Bartsch,  Leipzig  1883;  K.  Bartsch,  Die  Reimkunst 
der   Troubadours.   Jahrb.   1,   171  —  97. 

b)    geistliche    LYRIK.  ' 

32.  Die  geistliche  Lyrik  reicht  weder  an  Zahl  noch  an  Bedeutung  ihrer 
Erzeugnisse  auch  nur  im  entferntesten  an  die  weltliche  heran.     Dieselbe  be- 


1  Provenzalische  geistliche  Lieder  des  \%  Jhs.  lisg.  von  I.  Bekker,  Berliner  Aka- 
demie 1842,  387  sq.  (vS.  A.  Geistüchc  Lieder  des  \%  Jhs.,  Provenzalisch ,  Berlin  1844)-. 
Aticietines  pocsies  religieuses  en  laii^ue  d'oc  p.  p.  P.  Meyer.  Paris  1860  (Auch  BihL  de 
rEcole  des  Charles) \  Bartsch.  Denkmäler  63^ — 71  ;  P.  Meyer.  Rotn.  l.  407 — 14  und 
Recueil  d'anciens  textes  pror.  1 3 1  — 6  ;  .S  u  c  h  i  e  r  .  Denkmäler  I,  290  —  6 ;  C  h  a  b  a  n  e  a  u  ,  Sainte 
Marie  Aladeleine    dans    la  litt,  prov.,  Paris    1887,    123  —  7;  Emil  Levy,    Poisies    religieuses 


Lyrik:  Kunstmässige.    Geistliche  Lyrik.    Meistergesang.  35 

diente  sich,  wie  dies  ja  auch  natürlich  ist,  der  Regel  nach  der  Formen  jener 
ihrer  Schwester.  Es  ist  schon  hervorgehoben  worden  (^  21),  dass  z.  B.  die 
Canzonen  zuweilen  religiösen  Inhalt  hatten.  .So  giebt  es  Lieder,  welche  zu 
Ehren  Gottes  oder  Christi  verfasst,  oft  in  form  von  Anrufungen  direkt  an 
diese  gerichtet  sind,  in  denen  der  Dichter  zugleich  mit  dem  Bekenntnisse 
seiner  Sünden  um  Vergebung  und  um  Gnade  bittet.  Einige  dieser  Dichtungen 
sind,  weil  sie  das  für  die  Canzone  zulässige  Mass  überschreiten  (Peire  von  Al- 
vernhe  No.  16  und  21)  oder  hinter  demselben  zurückbleiben  (Arnaut  von 
Brancalo  No.  i)  als  »Vers«  zu  bezeichnen.  .A.uch  ein  Busslied  Guilhems  IX. 
von  Poitiers,  in  welchem  dieser  von  der  Freude  und  dem  Leben  Abschied 
nimmt,  wird  von  seinem  Verfasser  so  benannt.  Mehrere  Lieder  sind  dem 
Lobe  der  h.  Jungfrau  gewidmet;  so  besitzen  wir  einen  Hymnus,  abwechselnd 
in  lateinischen  und  provenzalischen  Strophen,  jedoch  alle  mit  lateinischem 
Refrain,  und  mehrere  eigentliche  Marienlieder,  in  welchen  die  Mutter  Gottes 
angeredet  und  oft  mit  überschwenglichen  Worten  gefeiert  wird,  darunter  eins, 
in  welchem  die  Form  der  sapphischen  Strophe  nachgeahmt  ist.  Andere  sind 
an  den  h.  Geist,  an  die  Apostel,  an  Margaretha,  Maria  Magdalena  oder  andre 
Heilige  gerichtet. 

Unter  den  Sirventesen  gehören  die  Kreuzlieder  (5  22)  hierher.  Auch 
in  die  Form  der  Alba  (§  24;  sind  geistliche  Lieder  gekleidet  worden.  So 
fordert  in  einem  derartigen  Gedichte  des  Folquetvon  Marseille  der  Wächter 
die  Liebenden  auf,  sich  zu  erheben  und  zu  Gott  zu  beten,  und  geht  ihnen 
dann  selbst  darin  mit  seinem  Beispiel  voran.  Einen  ähnlichen  Eingang  bietet 
die  Alba  des  Peire  Espanhol  dar,  in  welcher  dann  der  nahende  Tag  auf 
Christum  und  die  Morgenröte  auf  Maria,  die  uns  von  der  Nacht  der  Sünde 
und  der  Hölle  befreien,  gedeutet  wird.  Auch  Guilhem  von  Autpol  hat 
einem  von  ihm  vcrfassten  schwungvollen  Marienliede  die  Bezeichnung  Alba 
gegeben,  weil  er  darin  die  h.  Jungfrau  allegorisch  als  »Morgenröte«  bezeichnet 
und  jede  Strophe  mit  den   Worten  /ums  e  clartati.  e  alba  enden  lässt. 

Sodann  sind  noch  einige  andere  lyrische  Dichtungen  hierher  zu  rechnen, 
die  sich  teils  durch  ihre  Länge,  teils  durch  ihre  metrische  Form  von  den 
eigentlichen  Liedern  unterscheiden.  So  verschiedene  Klagelieder  der  h.  Maria 
am  Fusse  des  Kreuzes,  sodann  ein  Hymnus'  mit  wechselndem  Metrum,  der 
mit  einem  Glaubensbekenntnis  beginnt  und  mit  einem  Gebete  endet,  endlich 
zwei  Litaneien,  eine-  mit  67  Strophen  zu  je  8  achtsilbigen  Versen,  die 
andre ^  mit  deren  33  zu  je  4  paarweise  gereimten  Achtsilblern ,  in  welchen 
strophenweise  zuerst  Gott  Vater,  Sohn  und  h.  Geist,  dann  Maria,  die  Erzengel, 
Johannes  der  Täufer,  einige  Jünger  und  zahlreiche  Heilige  hinter  einander 
angerufen  werden.  Dagegen  gehören  drei  andere  Gebete '  nur  dem  Inhalte 
nach  hierher,  weil  sie  nicht  strophisch  gegliedert,  sondern  in  fortlaufenden 
Reimpaaren  (von  Achtsilblern)  niedergeschrieben  sind. 

Von  solchen  Gedichten,  welche  aus  Anlass  eines  bestimmten  kirchlichen 
Festes  verfasst  wurden,  hat  sich  nur  ein  Weihnachtslied'*  aus  dem  14.  Jahr- 


prov.  et  fraru.  du  manuscrit  Extravag.  268  de  Wolfenbütiel,  Paris  1887  (Auch  Rev.  des  l. 
r.  31);  Chabaneau,  Rev.  des  l.  r.  32,  578 — 80 ;  P.  Meyer,  Les  trois  Maries,  cantique 
provenfal  du  XV^  siecle,  Rom.  20,   139 — 44. 

^  P.  Meyer,  Anciennes  poes.  rel.  6 — 14  und  Stengel,  Ztschr.   10,   153 — 9. 

^  V.  Lieutaud,  Un  troubadmir  aptesien  de  P ordre  de  Saint-Frangois  au  quatorzihne 
siecle,  Maiseille  et  Aix  1874;  neue  Ausgabe  von  Chabaneau,  Paraphrase  des  Litanies  en 
vers  provenfaux,  Rev.  des  l.  r.  29,  209—42. 

3  Suchier,  Denkmäler  I,  291— 95. 

*  a.  Rom.  1,  408  —  9;  von  b  und  c  Bruckstiicke  in  Bull,  de  la  Soc.  de.s  anc.  t,  fr. 
1881,   53-7. 

*  Bartsch,  Jahrbuch   12,  8— 14. 


36       LiTTERATURGESCHlCHTE   DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LlTl'. 


hundert  erhalten,  das  in  volkstümlichem  Ton  verfasst,  an  die  hauptsächlichsten 
Ereignisse  der  Geburt  Christi  erinnert.  Es  zählt  29  vierzeilige  Strophen,  an 
deren  Schluss  jedesmal  ein  zweizeiliger  Refrain  angefügt  wurde. 

C)    DER    MEISTERGESANG. 

33.  Nachdem  die  lyrische  Poesie  der  Provenzalen,  hauptsächlich  in 
Folge  der  Albigenserkriege,  welche  den  Adel  zu  Grunde  richteten  und  einem 
Teile  des  Landes  die  Selbständigkeit  raubten,  gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
gänzlich  in  Verfall  geraten  war  (der  letzte  Trobador  Guiraut  Riquier  blühte 
1254 — 92),  wurde  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  der  Versuch  gemacht, 
die  altheimische  Trobadordichtung  künstlich  zu  neuem  Leben  zu  erwecken. 
Eine  Gruppe  von  sieben  angesehenen  Bürgern  der  Stadt  Toulouse,  welche 
schon  seit  längerer  Zeit  die  Gewohnheit  hatten,  allsonntäglich  zusammenzu- 
kommen, um  ihre  dichterischen  Erzeugnisse  vorzulesen  und  zu  besprechen, 
stiftete  im  Jahre  1323,  am  Dienstag  nach  Allerheiligen,  eine  (lescllschaft,  die 
»Sobrcgaya  companhia  dels  VII  trobadors  de  Tholoza«,  um  die  vaterländische 
Dichtkunst  zu  fördern,  und  luden  durch  ein  poetisches  Sendschreiben  alle  Dichter 
der  «lengua  d'oo;  zu  einem  Wettkampfe  ein,  der  am  i.  Mai  1324  abgehalten 
werden  und  dessen  Preis  in  einem  Veilchen  aus  reinem  Golde  bestehen  sollte. 
Das  Tournier  fand  statt,  Arnaut  Vidal  von  Castclnaudari  (vgl.§  10)  errang 
den  ausgesetzten  Preis  für  ein  Marienlied,  und  es  wurde  bestimmt,  dass  ein 
derartiges  Fest  am   i.  Mai  jedes  folgenden  Jahres  wiederholt  werden  sollte. 

Die  Gesellschaft  gab  sich  nun  eine  streng  gegliederte  Verfassung,  so- 
dass sie  einen  Kanzler,  7  Vorsteher  (mantenedors),  ein  Konsistorium,  sowie 
Pedelle  besass,  und  schuf  mehrere  dichterische  Titel  und  Würden,  nämlich 
die  des  »bachelier«  und  des  »doctor  de  la  sciensa  del  gay  saber«,  welche 
nur  auf  Grund  bestimmter  poetischer  öffentlicher  Leistungen  von  dem  Kon- 
sistorium verliehen  werden  konnten ,  worüber  besondere  Diplome  ausgestellt 
wurden. 

Da  nun  aber  die  alte  Kunst  sehr  in  Vergessenheit  geraten  war,  so  be- 
auftragte die  Gesellschaft  im  Jahre  1355  ihren  ersten  Kanzler,  Guilhem 
Mo  linier,  alle  auf  die  Poesie  bezüglichen  Regeln  zusammenzustellen,  weil 
man  der  Ansicht  war,  dass  die  Aneignung  der  Technik  genüge,  um  die 
Dichtkunst  wieder  zu  der  früheren  Blüte  zu  bringen.  Das  so  entstandene 
Werk,  die  Leys  d'amors^  werden  wir  unten  (^  67)  weiter  besprechen.  Die 
Meistersänger,  wie  man  sie  nennen  kann,  wiesen  nun  auf  die  Trobadors  als 
ihre  Vorbilder  hin  und  bezeichneten  es  als  ihre  Aufgabe,  die  »Wissenschaft« 
der  Dichtkunst,  welche  von  jenen  geheim  gehalten  worden  sei,  offen  dar- 
zulegen und  jedermann  zugänglich  zu  machen.  Im  Gegensatz  zu  jenen  ge- 
statteten sie  jedoch  nicht,  dass  die  Gedichte  einen  individuellen,  subjektiven 
Charakter  trügen :  weder  die  Canzonen  noch  die  Sirventese  durften  persön- 
liche Verhältnisse  oder  Beziehungen  behandeln,  sondern  mussten  allgemein 
gehalten  sein ;  an  die  Stelle  der  sinnlichen  Liebe  sollte  diejenige  zu  der  heil. 
Jungfrau  treten.  Den  Hauptwert  legten  sie,  wie  dies  bei  zunftmässigen  Poeten 
gewöhnlich  der  Fall  ist,  auf  die  Form;  sie  hielten  also  streng  auf  Anwendung 
der  korrekten  Litteratursprache ,  auf  einen  gewählten  Ausdruck,  auf  reiche 
rhythmische  Gliederung  und  auf  schwere,  d.  h.  gewählte,  ja  sogar  gesuchte 
Reime.  Immer  aber  war  auch  Reinheit  des  Charakters,  sowie  ein  streng 
religiöser  Sinn  Vorbedingung  für  die  Aufnahme  in  ihre  Körperschaft. 

In  späterer  Zeit  wurde  die  Zahl  der  Preise  bei  den  Wettkämpfen  auf 
drei  vermehrt;  zu  dem  goldenen  Veilchen,  welches  nunmehr  für  die  hervor- 
ragendste Leistung  unter  den  vorgetragenen  Canzonen,  Versen   oder  Descorts 


Didaktik:  Reimchroniken.  37 

erteilt  wurde,  kamen  zwei  silberne  Blumen,  nämlich  eine  flor  de  gaug  (Ringel- 
blume) für  das  beste  Tanzlied  und  eine  ayglentina  (wilde  Rose)  für  das  aus- 
gezeichnetste Exemplar  unter  den  Sirventesen  und  den  Pastorellen. 

So  lobenswert  auch  diese  durchaus  patriotischen  und  gutgemeinten  Be- 
strebungen waren,  so  vergeblich  waren  sie  in  rein  künstlerischer  Beziehung, 
und  so  gering  ist  daher  der  dichterische  Wert  der  durch  sie  veranlassten  poe- 
tischen Erzeugnisse  anzuschlagen.  1 

C  ii  a  b  a  n  e  a  u  ,     Ofiginc    et    ctabLusement    de    L'academie    des    jeiix 

floraux,  Toulouse  1885  (Auch    in  Histoire  generale    de  Langtudoc  X); 

P^duard    Scliwan,    Die   Entstehung  der  Bliimenspiele   von   Toulouse, 

Preussische  Jahrbücher,  B.  54,  457 — 67. 


C.  DIDAKTIK. 

[ie  didaktischen  Erzeugnisse  wollen,  wie  schon  ihr  Name  sagt,  Belehrung 
gewähren  und  schliessen  sich  dadurch  eigentlich  von  der  Kunst,  also 
auch  der  Poesie,  aus.  Dennoch  rechnet  man  sie  gewöhnlich  zu  letzterer, 
da  sie  doch  die  Form  mit  ihr  gemeinsam  haben  und  da  sie,  wenigstens  teil- 
weise, auch  inhaltlich  ihr  nahe  stehen.  Die  provenzalische  Didaktik  ist  näm- 
lich, wie  in  fast  allen  abendländischen  Litteraturen,  aus  der  Epik  hervorge- 
gangen und  verdankt  ihren  Ursprung  der  Geistlichkeit.  Wie  die  Kirche  stets 
und  überall  darauf  bedacht  gewesen  ist,  einen  weitverbreiteten  und  allgemein 
geübten  Brauch  in  ihrem  Interesse  auszunutzen,  so  that  sie  dies  auch  mit  der 
Dichtkunst,  deren  Erzeugnisse,  volkstümliche  sowohl  wie  kunstmässige,  sich 
in  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  einer  so  grossen  Beliebtheit  erfreuten.  Sie 
entlehnte  einfach  deren  Form,  um  unter  diesem  wohlbekannten  und  allgemein 
beliebten  (jcwande  dem  Publikum  ihre  eigenen  Stoffe  vorzuführen. 

Aus  diesem  Ursprünge  der  Didaktik  ergiebt  sich,  dass  ihre  Erzeugnisse 
einen  ganz  anderen  Geist  atmen,  einen  ganz  anderen  Zweck  verfolgen  müssen, 
als  die  der  Poesie  im  engeren  Sinne.  Letztere  wollen,  wie  alle  anderen 
Kunstwerke,  ausschliesslich  einen  ästhetischen  Genuss  darbieten,  erstere  wollen 
ausserdem  ihren  Lesern  einen  bestimmten  Inhalt  einprägen,  erstere  wollen 
ergötzen,  letztere  belehren. 

Die  Belehrung  kann  sich  nun  nach  zwei  Richtungen  hin  bewegen,  ent- 
weder nach  der  intellektuellen  oder  nach  der  moralischen,  d.  h.  es  kann  be- 
absichtigt werden,  entweder  das  Wissen  der  Leser  zu  vervollkommnen  oder 
sie  sittlich  zu  bessern,  sie  auf  gewisse  Schwächen,  Unvollkommenheiten,  Mis- 
stände  und  Fehler  aufmerksam  zu  machen  und  diese  auszurotten,  mögen  sie 
nun  der  gesamten  Menschheit  oder  einzelnen  Gesellschaftskreisen  oder  gewissen 
Ständen  oder  bestimmten  Individuen  anhaften.     Danach  unterscheiden  wir : 

1.  GEDICHTE,  WELCHE  DEM  WISSEN  DIENEN  SOLLEN. 
a)    REIMCHRONIKEN. 

35.  Unter  den  Werken  dieser  Gattung,  welche  also  in  dichterischer 
Form  einen  Bericht  über  historische  Ereignisse  geben,  nimmt  die  sogenannte 

'  Las  jovas  del  gay  saber,  Recueil  de  poesies  eu  langue  rotnane,  couronnees  par  le 
consistoire  de  la  gai  science  de  Totiloiise  depuis  t an  132^  jusques  en  Pan  I4()S  p.  p.  N  o  u  1  e  t. 
Toulouse  1849;  P.  de  Lunel,  dit  Cavalier  .IaihcI  de  Montech,  troubadour  du  XfV^^  siede, 
maitttenenr  des  Jeux  ßoraux  de   Toulouse  p.  p.  E.   Korestie,   Montauban    l8yi. 


38       LirrERATURGESCHlCHTE  DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LlTT. 

Albigenserchroniki  die  erste  Stelle  ein.  Dieselbe  ist  jedoch  kein  einheit- 
liches Ganzes,  sondern  sie  besteht  aus  zwei  innerlich  und  äusserlich  verschie- 
denen Teilen,  von  denen  der  erste  den  Verlauf  des  Albigen serkrieges  von 
1208  bis  Anfang  1213  berichtet,  der  zweite  die  unmittelbare  Fortsetzung  bis 
zum  16.  Juni  12 19  giebt.  Hier  bricht  die  Erzählung  plötzlich  ab,  sodass  wir 
eigentlich  zwei  aneinandergereihte  Bruchstücke  haben.  Für  den  Verfasser 
des  ersten  giebt  sich  in  dem  Gedichte  selbst  ein  Guilhem  von  Tudela  aus, 
der  nach  seinen  Andeutungen  Geistlicher  war ,  elf  Jahre  in  Montauban  ge- 
lebt und  dort  auch  seine  Arbeit  begonnen  hat.  Von  da  begab  er  sich  etwa 
12 IG  nach  Bruniquel  zu  dem  Grafen  Balduin,  dem  Bruder  Raimunds  von 
Toulouse,  und  dieser  übertrug  ihm,  wahrscheinlich  im  Sommer  1212,  ein 
Kanonikat  in  Saint-Antonin,  einem  dicht  bei  Montauban  gelegenen  Städtchen.  * 
Es  ist  sogar  möglich,  dass  er  sein  Werk  in  Balduins  Auftrag  unternahm,  und 
dass  jene  Pfründe  der  Lohn  dafür  war,  sodass  vielleicht  die  Unterbrechung 
der  Arbeit  durch  den  1214  erfolgten  Tod  des  Gönners  veranlasst  worden  ist. 

Der  zweite  Teil  beginnt  mit  Tirade  132  (V.  2769),  und  zwar  wird  die 
Erzählung  ohne  neue  Einleitung  einfach  fortgesetzt  und  endet  ohne  Schluss 
nach  6810  weiteren  Versen.  Von  dem  Verfasser  dieses  Abschnittes  wissen 
wir  nichts,  doch  lässt  sich  vermuten,  dass  er  aus  der  Diöcese  von  Toulouse, 
vielleicht  aus  der  Grafschaft  Foix  stammte.  Er  hat  in  seinem  Bericht  nicht 
alle  Ereignisse  berücksichtigt,  während  sein  Vorgänger  ein  möglichst  vollstän- 
diges Bild  jenes  Krieges  zu  geben  bemüht  gewesen  war.  Auch  sonst  unter- 
scheiden sich  beide  in  wesentlichen  Punkten ;  der  erste  steht  mit  seiner 
Sympathie  auf  der  Seite  der  Kreuzfahrer,  der  zweite  auf  der  der  Albigenser, 
jener  ist  in  seiner  Darstellung  möglichst  objektiv,  dieser  mehr  subjektiv;  so- 
dann verwenden  zwar  beide  gereimte  Alexandriner-Tiraden,  die  mit  je  einem 
Sechssilbler  schliessen,  doch  sind  diese  Tiraden  im  ersten  Teile  viel  kürzer 
als  im  zweiten,  und  der  kurze  Vers  reimt  dort  immer  mit  der  folgenden 
Tirade,  ist  dagegen  hier  reimlos,  kehrt  jedoch  jedesmal,  sei  es  wörtlich,  sei 
es  dem  Sinne  nach,  im  ersten  Verse  der  nächsten  Tirade  wieder.  Während 
endlich  der  zweite  Teil  in  ziemlich  gutem ,  nur  etwas  dialektisch  gefärbtem 
Provenzalisch  geschrieben  ist,  weist  der  erste  ein  eigentümliches  Gemisch  von 
Provenzalisch  und  Französisch  auf.  Dies  wird  von  einigen  dadurch  erklärt, 
dass  Guilhem  von  Tudela  als  Ausländer  (Navarrese)  jene  beiden  Idiome  nicht 
völlig  beherrschte  und  durcheinander  warf,  während  nach  anderen  die  uns 
vorliegende  Fassung  dadurch  entstanden  wäre,  dass  ein  südwestfranzösisches 
Original  mehr  oder  weniger  sorgfaltig  in  das  Provenzalische  übertragen  und 
zugleich  von   dem  Bearbeiter  interpoliert  worden  ist. 

Eine  andere  Reimchronik  behandelt  in  etwa  5100,  allerdings  teilweise 
verstümmelten,  Versen  die  Geschichte  des  navarrischen  Krieges  von 
1276—77.-  In  Pampeluna  waren  nämlich  innerhalb  der  Bevölkerung  Streitig- 
keiten entstanden,  und  da  beide  Parteien  die  Hülfe  des  französischen  Königs 
Philipp  III.  (1270  —  85)  anriefen,  so  sandte  dieser  den  Eustache  von  Beau- 
marchais dorthin.  Während  sich  nun  die  eine  Partei  unterwarf,  leistete  die 
andere  heftigen  Widerstand  und  konnte  erst  nach  der  Ankunft  neuer  fran- 
zösischer Truppen  unterworfen  werden.  Als  Verfasser  nennt  sich  in  der  Über- 
schrift Guilhem  Anelier  de  Tolosa,  welcher  den  Krieg  im  Gefolge  des 
Eustache  mitgemacht  und  sein  Werk  wohl  bald  nach  1277  niedergeschrieben 
hat.  Als  Augenzeuge  ergreift  er  mehrfach  in  seinem  Berichte  selbst  das  VN^ort, 
einzeln   spricht  er  jedoch  von  sich  auch  in  der  dritten  Person.     Man  hat  in 

'  Hist.    de    la    Croisade  conire   les   heretiques  Albigeoh   p.  p.  Fauriel,    Paris   l8;^7-, 
La  Chanson  de  Ui  Croisade  contre  les  Albigeois  p.  ]j.   1*  au  1  Meyer,  2  H.,    Paris   1S70     7V- 
-   Ui sl.  de  la  giicrrc  de  Navarrc  p.  p.   Fr.   Michel,  Paris    1856. 


Didaktik:  Reimchroniken.     Heiligenleben  und  Legenden.  39 

ihm  wohl  mit  Recht  den  Trobador  gleiches  Namens  zu  erkennen  geglaubt, 
von  dem  uns  noch  4  Sirventese  erhalten  sind;  dagegen  erscheint  die  Ansicht, 
dass  ihm  auch  der  zweite  Teil  der  Albigenserchronik  zuzuschreiben  sei,  nicht 
genügend  begründet,  obwohl  die  beiden  Gedichte  manche  sprachliche  Über- 
einstimmungen zeigen.  Auch  die  metrische  Form  ist  ähnlich,  da  unsere 
Chronik  ebenfalls  gereimte  Alexandriner-Tiraden  aufweist  mit  dem  bekannten 
Sechssilbler  am  Schluss,  dessen  Behandlung  allerdings  nur  zum  Teil  der  im 
zweiten  Abschnitte,  ebenso  oft  dagegen  der  im  ersten  der  Albigenserchronik 
entspricht. 

Von  weiteren  Werken  dieser  Art,  deren  einstige  Existenz  sich  mehr 
oder  weniger  sicher  nachweisen  lässt,  ist  leider  nichts  auf  uns  gekommen  als 
zwei  Bruchstücke  von  Reimchroniken  über  den  ersten  Kreuzzug,  nämlich  ein 
winziges  von  15,  und  ein  grösseres  von  707  Zeilen,^  welch  letzteres  eine 
Schilderung  der  Schlacht  von  Antiochia  enthält,  die  am  28.  Juni  1098  zwi- 
schen Christen  und  Sarazenen  geschlagen  wurde.  Das  Gedicht,  dem  dies 
Fragment  (vielleicht  auch  das  andere)  einst  angehört  hat,  behandelte  vermutlich 
alle  Ereignisse  des  ersten  Kreuzzuges  und  ist  dann  seinerseits  zusammen  mit 
mehreren  französischen  und  lateinischen  Werken  über  denselben  Gegenstand 
für  eine  grosse  spanische  Prosakompilation  »La  gran  conquista  de  Ultramar« 
als  Quelle  benutzt  worden.  Erhalten  sind  18  Tiraden  ganz  und  eine  neun- 
zehnte zum  grössten  Teil;  sie  bestehen  aus  gereimten  Alexandrinern  und 
haben  am  Schlüsse  je  einen  weiblichen  Sechssilbler,  der  jedoch  weder  formell 
noch  inhaltlich  mit  der  folgenden  Tirade  in  Verbindung  steht,  wie  dies  in 
den  beiden  soeben  besprochenen  Chroniken  der  Fall  ist. 

K  r  a  a  c  k ,  Über  die  Entstehung  und  die  Dichter  der  Clianson  de  la 
Croisade  contre  les  Albigeois,  Marburg  1884  (Ausg.  u.  Abh.  No.  15); 
Guillenn  Anelier  von  Toulouse,  der  Dichter  des  zweiten  Teils  der 
Albigenserchronik,  Marburg  1885  (Ausg.  u.  Abh.  No.  36).  —  G.  Paris, 
La  Chanson  d'Antiüche  provengcUe  et  La  gran  conquista  de  Ultratnar, 
Rom.    17,  ÖI3— 41  ■.   19,  562—91. 

B)    HEILIGENLEBEN,    LEGENDEN    UND    LITURGISCHE    GEDICHTE. 

36.  Die  Heiligenleben,  welche  also  mehr  oder  weniger  sagenhafte 
Lebensbeschreibungen  ihrer  Helden  enthalten,  sind  im  Provenzalischen  nicht 
so  zahlreich  vertreten,  wie  in  anderen  Litteraturen  des  Mittelalters,  was  aller- 
dings zum  Teil  darin  seinen  Grund  hat,  dass  mehrere  derartige  Gedichte,  die 
nachweislich  früher  vorhanden  waren,  verloren  gegangen  sind.  Auch  unter 
den  uns  vorliegenden  sind  einige  unvollständig;  dahin  gehören  zwei  Bruch- 
stücke von  zwei  verschiedenen  Biographien  der  Fides,  deren  eines, 2  aus  nur 
20  Achtsilblern  bestehend,  die  zwei  verschiedenen  Reimtiraden  angehören, 
vielleicht  bis  ins  1 1 .  Jahrhundert  hinaufzurücken  ist ,  während  das  andere,^ 
jüngere,  paarweise  gereimte  Verse  von  8  oder  9  Silben  aufweist  und  über  ein 
Wunder  berichtet,  das  die  Heilige  nach  ihrem  Tode  vollbracht  hat.  Von  dem 
Leben  des  Amantius,*  Bischofs  von  Rodez,  das  wohl  dem  13.  Jahrhimdert 
angehört,  sind  uns  nur  36  Verse,  und  zwar  in  Tiraden  gruppierte,  gereimte 
Alexandriner,  erhalten.  Die  vollständig  auf  uns  gekommenen  Heiligenge- 
schichten sind  alle  im  13.  oder    14.  Jahrhundert  niedergeschrieben.     Die  der 


*  Fragment  d'iine   c/ianson  d' Antioc lu  eit  proveni;al  p.  p.  Meyer,    Paris    1884    (Aus 
Archives  de  l'Orient  Latin  II,  467 — 509}. 

*  Raynouard,   Clwix  II.   144 — h- 

'  f'atel.  Histoire  des  comtes  de   Tolose,   1623,    104  — 17. 

*  Raynouard,   Choix  II,   1 52  —  5- 


40       LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LitT. 


Enimiai  ist  auf  Anregung  des  Priors  eines  am  Tarn  gelegenen  Klosters  der 
Heiligen  von  Bertran  von  Marseille  mit  Benutzung  einer  lateinischen  Vita 
verfasst  worden  und  zählt  2000  paarweise  gereimte  Achtsilbler;  die  des  Hono- 
ratus-  stammt  von  Raimon  Feraut,  Mönch  des  Klosters  Lerins  (bei 
Frejus),  welcher  uns  selbst  mitteilt,  dass  er  seine  lateinische  Quelle  aus  Rom 
mitgebracht  habe  und  dass  er  ihr  gewissenhaft  gefolgt  sei.  Er  verwandte  in 
seinem  Gedichte  Verse  von  6,  8  und  12  Silben,  wechselte  auch  in  der 
Gruppierung  der  Reime  und  teilte  das  ganze  Werk  in  4  Bücher.  Nach  Vollen- 
dung desselben  widmete  er  es  der  Königin  Maria  von  Ungarn,  Gattin  Karls  II., 
Grafen  von  der  Provence  und  Königs  von  Neapel,  und  erhielt  als  Lohn  eine 
von  seinem  Kloster  Lerins  abhängige  Priorei.  Von  den  jioch  übrigen  Lebens- 
beschreibungen kennen  wir  die  Verfasser  nicht.  Die  des  Alexius^J  umfasst 
1 1 1 7  Achtsilbler,  die  meist  zu  zweien,  seltener  zu  dreien  durch  den  Reim, 
einzeln  auch  bloss  durch  Assonanz  verbunden  sind,  und  beruht  auf  einer  in  den 
Acta  Sanctorum  enthaltenen  Biographie  des  Heiligen.  Die  der  Maria  Mag- 
dalena* gehört  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts  an  und  zeigt,  wie  die  des 
Amantius,  Zwölfsilbler  (es  sind  ihrer  1205),  jedoch  nicht  in  Form  von  Tiraden, 
sondern  von  Reimpaaren,  von  denen  allerdings  manchmal  mehrere  gleiche 
auf  einander  folgen.  Eine  andere  erzählt  die  Geschichte  des  Trophimus,'* 
des  Apostels  von  Südfrankreich,  und  ist  durch  das  in  ihr  verwandte  Metrum, 
paarweise  gereimte  Zehnsilbler  mit  der  Zäsur  nach  der  vierten  Silbe,  bemerkens- 
wert, während  die  des  h.  Georg  und  die  der  h.  Margaretha  wie  gewöhnlich 
paarweise  gereimte  Achtsilbler  aufweisen  ;  jene^  zählt  deren  806,  diese  liegt 
in  zwei  verschiedenen  Bearbeitungen  vor,  einer  kürzeren  von  570  Versen,  die 
bisher  allein  herausgegeben  ist,"^  und  einer  ausführlicheren  (etwa  1450  Zeilen), 
von  der  nur  Einleitung  und  Schluss  gedruckt  vorliegen.^ 

C  o  n  s  t  a  n  s  ,  Quelques  mots  sur  la  topographie  du  pocme  prcn'cnfol 
intitule  „Vie  de  sainte  Enimie"',  Rev.  des  1.  r.  16,209 — 17-  —  Hosch, 
Utit er  suchung  eil  über  die  Quellen  und  das  Verhältnis  der  prov.  und  latein. 
Lebensbeschreibung  des  h.  Hottor atus,  Diss.  Berlin  l877;  P.  Meyer, 
La  vie  latine  de  Saint  Honorat  et  Raimon  Feraut,  Rom.  8,  481 — 508 ; 
Stenge],  Die  wieder  aufgefuiidene  Quelle  von  Raimon  Ferauts  prov. 
Gedicht  auf  den  h.  Honorat  und  der  i ^01  gedruckten  lat.  Vita  s.  Honorati, 
Ztschr.  2,584  —  6.  • —  Brauns,  Über  Quelle  und  Entwickelung  der  afr. 
Cattfun  de  Saint  Alexis,  verglic/teti  mit  der  prov.  Vida  etc.  Diss.   Kiel  1884. 

37.  Hieran  schliessen  sich  die  Bearbeitungen  der  apokryphen  Evangelien, 
unter  denen  die  Legende  über  die  Kindheit  Christi  besonders  beliebt  war. 
Wir  haben  von  vier  oder  fünf  verschiedenen  Fassungen  dieser  Geschichte  Kennt- 
nis, doch  ist  bisher  erst  eine  derselben^  vollständig  gedruckt.  Den  Verfasser 
kennen  wir  nicht.  Zwar  hat  Raimon  Feraut  (vgl.  §  36)  nach  seinen  eigenen 
Worten  unter  anderem  auch  diesen  Stoff  dichterisch  behandelt,  doch  scheint 
unser  Gedicht  erst  ins  14.  Jahrhundert  zu  gehören.   Es  erzählt  in  1301  paarweise 

^  Bartsch,  Denkmäler  21 5 — 70  und  La  vie  de  Sainte  Enimie  hrsg.  von  C.  Sachs, 
Berlin   1857. 

^  La  Vida  de  Sant  Honorat,  legende  en  vers  provengaux  par  Raymond  F  e  r  a  u  d 
p.  p.  A.-L.  Sardüu,  Nice  (1875). 

'  Suchier,  Denkmäler  I,   125-    55. 

*  Chabancau,  Sainte  Marie  Madeleine  dans  la  litt.  prov.  Paris  1887,  57—116 
(Aus  Rev.  des  1.  r.  23-31);  cf.  P.  Meyer.  Rom.   14.  525—27. 

*  Bruchstücke  in:  Villeneuve,  Statistique  des  Bouches-du-Rhbtie  1826,  III,  156 — 60 ; 
R  a  y  n  o  u  a  r  il ,  Lex.  vom.  1,571—2;  Bartsch,  Chrcst.  *  39 1 —4 ;  B  a  y  1  e ,  Atttliologie  74  —  6 ; 
Chabaneau,  Le  Roman  d'Arles,  Paris   1889,  Appendice  73 — 6. 

*  Vie  de  .Saint  George  ]).  p.  Chabaneau,  Paris  1887  (Auch  in  Rev.  des  1.  r.  29, 
246 — 54  und  31,  139—56). 

''    Vie  de  Sainte  Marguerile  en  vers  romans  \\.  ]>.   Noulet.  Toulouse   1875. 

*  P.  INleycr,  Rom.   14,  524—25. 

'  Bartsch,  Denkmäler  2  7< )  -  ,305 . 


Didaktik:  Legenden.   Epistolae  farcitae.  VVissenschaftl.  Gedichte.     41 


gereimten  .Achtsilblern  die  Jugendschicksale  Jesu  nebst  zehn  von  diesem  in 
seinen  ersten  Jahren  vollbrachten  Wunderthaten  und  beruht  auf  dem  »Liber 
de  infantia  Mariac  et  Christi  Salvatoris«   und  ähnlichen  Quellen. 

Mit  dem  Leiden  und  Tode  Jesu  sowie  mit  den  darauf  folgenden  Ereig- 
nissen beschäftigt  sich  das  sogenannte  Evangelium  Nicodemi,  ein  Gedicht 
von  2792  Achtsilblern.i  welches  ebenfalls  dem  14.  Jahrhundert  angehört  und 
das  zum  grössten  Teil  aus  einer  gereimten  Bearbeitung  der  »Gesta  Pilati«  und 
des  »Descensus  Christi  ad  inferos«  besteht.  Die  sich  daran  schliessende  Er- 
zählung von  der  Sendung  des  h.  Geistes,  der  Wahl  des  Matthias,  der  Aus- 
sendung der  72  Jünger  und  der  Vorboten  des  jüngsten  Gerichtes  folgt  im 
ganzen  dem  entsprechenden  Berichte  des  Neuen  Testamentes.  Den  Schluss 
bildet  eine  Schilderung  des  Weitendes,  welche  sich  dem  »Elucidarius«  des 
Honorius  Augustodunensis  (IV,  10)  anschliesst,  nebst  Aufzählung  der  15  Zei- 
chen des  nahenden  Unterganges  (vgl.  ,^  44). 

Endlich  sei  noch  eine  bisher  nicht  herausgegebene  Marien-Legende  er- 
wähnt, Lo  Gardacors  de  Nostra  Dona  Santa  Maria,-*  die  in  etwa  900 
paarweise  gereimten  Achtsilblern  von  der  Vertreibung  aus  dem  Paradiese, 
von  Mariae  Verkündigung  und  von  der  Gründung  eines  Klosters  durch  die  h. 
Jungfrau  berichtet. 

K  r  e  s  s  11  e  r  ,  Die  provent;.  Bearbeitung  der  Kindheit  yesii,  Arcliiv 
58,  291  —  310;  R  e  i  n  s  c  li .  Die  Pseitdo-Evangelien  von  Jesu  und  Maria' s 
Kindheit  in  der  ronian.  und german.  Litt.  Halle  1 879,  96  —  1  U(J ;  Edmund 
S  u  c  h  i  e  r ,  Über  prm'enzalische  Bearbeitungen  der  Kindheit  Jesu,  Ztschr. 
8,  522  — 69  und  Halle  1885.  —  Wülker.  Das  Evangelium  Nicodemi 
in  der  abendländisciun  Literatur,   Paderborn    1872. 

38.  Von  den  Heiligenleben  unterscheiden  sich  die  sogenannten  Episto- 
lae farcitae  (Epitres  farcies)  sowohl  durch  ihren  Charakter,  als  auch  durch 
ihre  metrische  Form.  Es  sind  strophisch  gegliederte  Gedichte,  welche  man  beim 
Gottesdienste,  und  zwar  bei  der  Liturgie,  in  der  Weise  verwandte,  dass  sie 
nach  der  Verlesung  der  Epistel ,  welche  den  entsprechenden  Inhalt  hatte, 
vorgetragen  wurden.  Die  provenzalische  Litteratur  besitzt  deren  nur  zwei, 
welche  uns  anonym  überliefert  sind,  in  der  vorliegenden  Gestalt  wohl  beide 
dem  .anfange  des  13.  Jahrhunderts  angehören  und  sich  beide  auf  den  h. 
Stephan  beziehen.  Die  eine^  umfasst  in  ihrem  provenzalischen  Teile  17 
Strophen  zu  je  4  Achtsilblern  mit  gleichem  Reim.  Sie  beginnt  mit  der  Auf- 
forderung, sich  zu  setzen  und  still  zu  sein,  giebt  sodann  die  Apostelgeschichte 
des  Lucas  als  Quelle  der  folgenden  Erzählung  an,  und  darauf  folgt  stück- 
weise der  lateinische  Text  nebst  der  gereimten  Übersetzung.  Eine  Ver- 
gleichung  beider  ergiebt,  dass  der  Übersetzer  sich  ziemlich  eng  an  seine 
Vorlage  (Abschnitt  aus  Apostelgesch.   6  und  7)  angelehnt  hat. 

Die  zweite,'*  vor  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  entstanden,  enthält 
ebenfalls  gleichreimige  Achtsilbler-Strophen,  nur  wechselt  in  ihnen  die  Zahl 
der  Verse,  deren  Gesamtsumme  87  beträgt;  auch  der  Inhalt  ist  genau  der 
gleiche.  Wir  haben  es  jedoch  hier  nicht  mit  einem  Originalwerk,  sondern 
mit  der  Übersetzung  einer  französischen  Vorlage  zu  thun ,  die  gleichfalls, 
allerdings  in  etwas  verjüngter  Gestalt,  aufgefunden  worden  ist. 

*  Su  einer,  Denkmäler  I,   l — 84. 

^  Notizen  und  Auszüge  bei  Fr.  Michel,  Rapport  sur  une  mission  en  Espagne 
(Archives  des  Missions,  3®  serie,  t.  VI,  269  sq.;  P.  Rajna.  Giorn.  di  fil.  rom.  3,  106; 
P.  Meyer,  Rom.   14,  493—6. 

*  Raynouard,  Choix  H,  146  — ,^1  (Planck  de  Sant  Esteve);  L.  Gaudin.  Epitres 
farcies  de  la  Saint-Etienne  en  langue  romafu,  Rev.  des  i.  r.  2,  133—42;  Bartsch,  Chrest.* 
21      24. 

*  (i.  Paris,  Une  epttre  franfaisc  de  Saint-Etienne  copice  en  I.anguedor  au  XJII''  siede, 
Ron).    10,  218 — 23  und  Gaudin,  a.  a.  O. 


42       LllTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —     2.    PrOV.    LlTT. 


39.  Einzig  in  seiner  Art  steht  das  kürzlich  entdeckte  Bruchstück  eines 
Gedichtes  über  Esther'  daj^  welches  in  einer  zu  London  im  Privatbesitz  be- 
lindlichen  hebräischen  Handschrift,  daher  auch  mit  hebräischen  Buchstaben 
niedergeschrieben  ist  und  iti  448  Versen  die  Geschichte  von  der  Verstossung 
und  Hinrichtung  der  Königin  Vasthi  sowie  den  Anfang  der  Berufung  Esthers 
an  ihrer  Stelle  erzählt.  Das  Werk  stammt  von  einem  jüdischen  Arzte  Crescas 
(prov.  =-  Israel),  Sohn  des  Joseph  aus  Caslar  oder  Caylar,  der  es  bald  nach 
1322,  und  zwar,  wie  er  selbst  erzählt,  für  den  Gebrauch  der  Frauen  und 
Kinder  verfasste,  worauf  er  denselben  Gegenstand  auch  in  einem  hebräischen 
Gedichte  für  liturgische  Zwecke  bearbeitete.  Der  Bericht  giebt  viel  mehr 
Einzelheiten  als  der  in  der  Bibel  und  weicht  von  diesem  auch  in  mehreren 
Punkten  ab;  Crescas  hat  nämlich  seinen  Stoff  auch  noch  aus  den  »Glossen«, 
d.  h.  Rabbiner-Kommentaren  zum  Buche  Esther,  Misdrasch  genannt,  entlehnt, 
ausserdem  aber,  wie  es  scheint,  eigene  Zuthaten  hinzugefügt.  Die  Verse  sind 
meist  paarweise  gereimte  Achtsilbler,  doch  kommen  mehrfach  Unregelmässig- 
keiten vor,  z.  B.  zu  viel  oder  zu  wenig  Silben,  sowie  Verwendung  blosser  Asso- 
nanz, andererseits  zeigen  manchmal  2,3,  selbst  4  Verspaare  den  gleichen  Reim. 

C)    LEHRGEDICHTE    ÜBER    GEGENSTÄNDE    DER    WISSENSCHAFT'    ODER    DER   KUNST. 

40.  Die  metrische  Form  war  in  den  mittelalterlichen  Litteraturen  so 
beliebt,  dass  man  sogar  Abhandlungen  aus  den  verschiedensten  Gebieten  in 
Reime  brachte.  Diese  (iedichte  sind  im  Provenzalischen  der  Regel  nach  in 
paarweise  gereimten  Achtsilblern  niedergeschrieben.  So  besitzen  wir  eins 
über  die  Jagdvögel^,  von  Daude  von  Pradas  (vgl.  ^  46)  im  ersten  Viertel 
des  13.  Jahrhunderts  verfasst,  welches  in  3792  Versen  nach  einer  kurzen 
Einleitung  alle  auf  die  Jagdvögel  bezüglichen  Punkte  behandelt:  die  verschie- 
denen Arten  derselben  und  deren  Kennzeichen,  die  Behandlung,  Ernährung 
und  Abrichtung  der  Vögel,  die  ihnen  drohenden  Krankheiten  sowie  die  Mittel 
gegen  dieselben  u.  s.  w.  Auch  ein  sogenannter  Computus  ist  erhalten,  d.  h. 
ein  Traktat  über  die  mit  der  Anfertigung  eines  Kalenders  zusammenhängenden 
Fragen.  Der  uns  vorliegende^  gehört  dem  Schluss  des  13.  Jahrhunderts  an, 
zählt  144  Zeilen  und  hat  die  Form  eines  Gespräches  zwischen  zwei  Prioren, 
von  denen  der  eine  dem  andern  auf  dessen  Fragen  über  die  Berechnung  der 
verschiedenen  Tage  und  Feste  des  Kirchenjahres  Auskunft  erteilt.  Er  stammt 
möglicherweise  von  Raimon  Feraut  (^  36),  da  dieser  nach  seinen  eigenen 
Worten  einen  Computus  verfasst  hat.  Sodann  besitzen  wir  mehrere  Gedichte, 
welche  medizinische  Stoffe  behandeln.  Dahin  gehört  eine  aus  dem  An- 
fang des  13.  Jahrhunderts  stammejide  Diätetik^  in  448  Zeilen,  in  welcher  ein 
unbekannter  Verfasser  angeblich  im  Anschluss  an  Hippokratcs  und  Galen,  in 
Wirklichkeit  aber  an  die  apokryphe  »Epistola  Aristotelis  ad  Alexandrum«, 
die  er  durch  eigene  Zuthaten  erweiterte,  Anweisung  erteilt,  wie  man  leben 
müsse,  um  gesund  zu  bleiben;  sodann  die  um  1200  verfasste  metrische  Be- 
arbeitung der  y, Practica  Chirurgiae«^  des  Roger  von  Parma,   der  auch  Roger 

1  Le  Roman  firiwencal  (PJ'lsther  par  Crescas  du  Caylar,  niidecin  Jttif  du  XIV"  siede 
[)    p.   A.  Neiil);nicr  et  P.   jMfvor.  Rom.  21,    194-227. 

2  Zum  giösstt'ti  Teil  in:  Les  auzels  cassadors,  pohne  provetifal  de  Daude  de  Pradas 
|).  p.  Dr.  Saclis  1"  partie.  Braiidebouig  1865.  4^^;  Genauer  Abdruck  der  römischen  Hand- 
sclirift:  E.  Monaci,   Lo  Romans  dcls  auzds  cassadors,  Studj   di  fil.  rum.   5,  65  — K)2. 

*  Coinput  en  vers  pi-ovengaux  public,  traduit  et  annotc  \yAX  Chabaneau,  Paris  1881 
(Audi  Rev.  des  I.  r.    Uj,   lö7  — ri9). 

*  Su'chier.  Denkmäler  1,  2oi — 1;{. 

■"'  Kiu  Hruchstück  in;  A.  Tliomas.  La  Chirurgie  de  Roger  de  /'arme  en  vcrs  pro- 
Ten^anx,  Rom.    lo,  63' — 74  und  456. 


Didaktik:  Wissenschaftliche  Gedichte.    Moralisierende  Erzählungen.  43 


von  Salcrno  genannt  wird,  nach  der  Stadt,  in  welcher  er  gewirkt  und  auch 
jenes  Werk  um  11 80  niedergeschrieben  hat.  Die  Übertragung  stammt  von 
einem  Raimon  von  A  vignon,  der  selbst  Arzt  war,  in  Salerno  studiert  hatte 
und  seine  Arbeit  auf  Bitten  eines  ihm  befreundeten  Standesgenossen  ange- 
fertigt hat.  Die  metrische  Form  ist  auffallig:  zuerst,  d.  h.  in  der  Einleitung, 
6  Strophen  zu  10,  dann  lauter  solche  zu  4  Versen  mit  gleichem  Reim.  Die 
Verse,  das  Werk  zählt  deren  1571,  sind  Zwölfsilbler,  jedoch  nicht  mit  einer 
Zäsur  in  der  Mitte,  sondern  hinter  der  betonten  vierten  oder  achten  Silbe, 
oft  hinter  beiden  zugleich,  in  welchem  Falle  jede  Zeile  also  drei  gleiche 
Teile  aufweist. 

Auch  die  Philologie  ist  unter  den  Dichtwerken  dieser  Art  vertreten, 
denn  ein  italienischer  Dichter  Namens  Terramagnino  von  Pisa  brachte 
etwa  zwischen  1270  und  1280  die  »Las  razos  de  trobar«  betitelte  Grammatik 
des  Raimon  Vidal  von  Besaudun  (^  67)  in  provenzalische  Verse  (es  sind  806) 
und  nannte  seine  Arbeit  «Doctrina  de  Gort«.  ^  Ein  Originalwerk  ähnlichen 
Charakters  ist  ein  gereimter  Kommentar,  nämlich  die  versifizierte  Er- 
klärung einer  Canzone  des  Guiraut  von  Calanso.  Mit  dieser  Aufgabe  hatte 
der  Graf  Heinrich  II.  von  Rodez  zu  gleicher  Zeit  4  verschiedene  Dichter 
betraut,  unter  welchen  Guiraut  Riquier  den  Sieg  davontrug.  Sein  Gedicht 
»Exposition«  2  deutet  jenes  Lied  Strophe  für  Strophe  und  besteht  aus  947 
Sechssilblern,  die  sämmtlich  paarweise  reimen  bis  auf  den  letzten  jedes  Ab- 
schnittes, welcher  reimlos  ist.  —  Die  Lust  an  dichterischer  Form  war  so 
gross,  dass  man  sogar  die  Statuten  einer  Brüderschaft  vom  h.  Geiste^ 
in  ein  metrisches  Gewand  gekleidet  hat;  es  sind  173  paarweise  gereimte 
Achtsilbler. 

Einen  kurzen  Abriss  des  (iesamtwissens  seiner  Zeit  gab  in  der  ersten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  Peire  von  Corbiac  in  seinem  Te säur.  Wir  be- 
sitzen diesen  »Schatz«  in  zwei  Bearbeitungen,  einer  älteren  kürzeren,*  sodann 
in  einer  erweiterten  und  interpolierten,  also  jüngeren ;  ^  jene  zählt  506,  diese 
840  Zeilen,  und  zwar  sind  es  Alexandriner,  die  alle  auf  den  gleichen  Reim 
(-ens)  ausgehen.  Weit  umfassender  ist  das  34597  Verse  zählende  Breviari 
d'amor^,  welches  in  5  Büchern  eine  Art  Encyklopädie  aller  damaliger  Wissen- 
schaften darstellt.  Der  Verfasser,  Matfre  Ermengaud,  welcher  aus  Beziers 
stammte,  begann  sein  Werk,  wie  er  selbst  mitteilt,  1288;  er  wurde  später 
Franziskanermönch  und  lebte  bis  1322.  Er  verwandte,  wie  gewöhnlich,  kurze 
Reimpaare,  und  zwar  teils  von  männlichen  Achtsilblern,  teils  von  weiblichen 
Siebcnsilblern.  Vielleicht  hat  der  Popularisierung  eines  wissenschaftlichen 
Gegenstandes  auch  ein  Gedicht  gedient,  von  dem  uns  nur  ein  Teil  der  Ein- 
leitung (88  Verse)  erhalten  ist.  ^  Es  stammte  aus  dem  ersten  Drittel  des  13. 
Jahrhunderts  und  hatte  seinen  Stoff"  lateinischen  Quellen  entnommen. 

VVerth,  Altfranzösische  JagdUhrbücker ,  Ztschr.  12,  l6ö— 71- 
—  Baiiquier,  Ramoii  Feraiid  et  sim  Comput,  Ztschr.  '_',  76—7-  — 
K.  Rein  seil.  Über  das  Sectetnm  secretonun  des  Pseiido- Aristoteles  als 
Quelle    eines    noch    uimeröffetttlicltten    provenfalischen    Gedichtes.     Arch. 

'    Terrcunagniiu)  de  Pise,  Doctrina  de  cort  p.   ]).   P.  .Meyer,   Rom.   8,    l8l — '-lo. 
2  Mahn,    Werke  der   Troub.  4,  210—32. 

*  Statuts  d'une  confrerie  du  Saint  Esprit  p.  p.  M.  l'hoiiias  et  Cohendv,  Rom. 
8,  218-20. 

*  (jalvani,  Osservazioiii  sulla  poesia  de'  trovatt>ri,  .Modeiia  l82y.  ;V21  —  36  (Aiisser- 
».leiu  iJruchstCieke  in  nielireren  Saimnelwerken). 

^  Le  Tresor  de  Pierre  de  Corbiac  en  vers  provemaiix  p.  p.  iJr.  Sachs,  Brande- 
buiirs  i8öy. 

*  Le  Breviari  dAnwr  de  Matfre  Ermengaud  suivi  de  sa  lettre  ii  sa  soeur  p.  p. 
Aza/s,    2  B.,  Paris  (1862-81). 

■^   Prologiie  d'un  pohne  inconnii  p.   p.   P.   Meyer,    Rom.    1,  414— 17. 


44     Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  2.  Prov.  Litt. 

68,  9 — 16.  —  A.  Thomas,  La  versification  de  la  Chirurgie  prov.  de 
Raimoii  d'Avignon,  Rom.  11,  203-12.  —  O.  Dammann,  Die  alle- 
gorische Canzmie  des  Gutraut  de  Calanso  „A  Icis  cid  am  de  cor'^  und 
ihre  Deutung,    Diss.    Breslau  1891. 

41.  Endlich  sind  dieser  Gattung  von  Dichtungen  auch  einige  Ensen- 
liamens,  d.  h.  Unterweisungen  zuzurechnen,  nämlich  diejenigen,  welche  den 
Zweck  haben,  Spielleuton  die  für  ihren  Beruf  nötigen  Kenntnisse  beizubringen. 
Das  älteste  derartige  Ensenhamen,  ^  aus  dem  letzten  Viertel  des  12.  Jahr- 
hunderts, ist  von  Guiraut  von  Cabreira,  einem  catalanischen  Edelmann, 
für  einen  Joglar  Namens  Cabra  geschrieben  und  zählt  in  213  Versen  alle 
Künste  sowie  alle  Sagenstoffe  auf,  mit  denen  letzterer  vertraut  sein  müsse. 
Eigentümlich  ist  die  metrische  Form,  indem  auf  ein  Reimpaar  von  Viersilblern 
immer  ein  Achtsilbler  folgt;  die  Achtsilbler  weisen  sämtlich  den  gleichen 
Reim  auf.  Diesem  Muster  folgte  Guiraut  von  Calanson  in  einem  um 
1200  entstandenen  und  an  den  Joglar  Fadet  gerichteten  Gedichte, 2  das  die 
gleiche  Form  (240  Verse)  und  im  allgemeinen  auch  den  gleichen  Inhalt  hat, 
wie  das  seines  Vorgängers,  nur  hat  er  sich  bemüht,  das  von  jenem  gegebene 
Verzeichnis  von  Sagenstoffen  zu  erweitern  und  zu  ergänzen.  Das  dritte  und 
letzte  der  uns  erhaltenen  Ensenhamens^  stammt  von  Bertran  von  Paris  und 
ist  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  für  einen  Spielmann  Namens 
Gordon  verfasst;  es  zeigt  die  bemerkenswerte  Eigentümlichkeit,  dass  es  wie 
ein  lyrisches  Gedicht  gegliedert  ist,  indem  es  aus  10  Strophen  zu  je  acht 
und  drei  Geleiten  zu  je  4  Zeilen,  sämtlich  Zehnsilbler  mit  der  Zäsur  nach  der 
vierten,  besteht.  Es  zählt  weniger  Namen  auf,  als  die  beiden  anderen,  fügt 
aber  fast  immer  eine  Angabe  über  die  Schicksale  der  betreffenden  Person  hinzu. 

Es  ist  jedoch  kaum  anzunehmen,  dass  diese  »Unterweisungen«  ernst 
gemeint  gewesen  sind;  vielmehr  wählten  die  Verfasser  diese  Form  wohl  nur, 
um  ihre  eigenen  Kenntnisse  an  den  Tag  zu  legen.  (Über  eine  andre  Gattung 
von  Ensenhamens  vgl.  ^  49.) 

2.  GEDICHTE  MüRAI.ISCHER  TENDEN'/,. 
a)    moralisierende    ERZÄHLUNGEN. 

42.  Innerhalb  derjenigen  Gedichte,  welche  sich  nicht  an  den  Verstand, 
sondern  an  das  Gemüt  des  Lesers  wenden,  welche  ihn  also  nicht  unterrichten, 
sondern  bessern  wollen,  können  wir  zwei  Gruppen  unterscheiden,  nämlich 
solche,  die  ihren  Zweck  direkt  zu  erreichen  suchen,  d.  h.  in  Form  von  metho- 
dischen Abhandlungen  über  einen  bestimmten  Gegenstand  der  Moral,  und 
solche,  die  dies  gleichsam  indirekt  thun,  d.  h.   mit  Benutzung  einer  Erzählung. 

Unter  den  letzteren  verdient  in  erster  Linie  der  sogenannte  Boethius"* 
hervorgehoben  zu  werden,  welcher,  wohl  in  der  zweiten  Hälfte  des  zehnten 
Jahrhunderts  (nach  anderen  im  Anfange  des  elften)  entstanden,  das  älteste 
Denkmal  der  provenzalischen  Litteratur  darstellt.  Hier  wird  die  I^ebensge- 
schichte  des  römischen  Philosophen  und  Staatsmannes  Boethius  benutzt,    um 

'  Bart.scl\,  Denkmäler  88  —  94;  Mild  y  Fontanals,  De  los  trimadores  etc.  'Ib^—Tf, 
Mahn,   Gedichte  der   Trouh.  3,  212—13. 

2  Bartsch,  Denkmäler  94  — lOl;  Mahn,   Gedichte  der   Trouh.   1,  66  —  7  (No.    lll). 

^  Barts  c  !i ,  Denkmäler  8,")  —  8  ,  W  i  1 1  h  o  e  f  t ,  Sirventes  joglaresc,  Marburg  1 89 1 
S.  66—68. 

*  Rayiiouard,  Clioix  II,  4 — 39;  Die/,,  Altromanische  Sprachdenkmale  39  —  72; 
Bartsch,  Chrest.*  1—8;  V.  Meyer,  Recneil  23—32;  Das  altproiK  Boethinslied  lisg.  von 
Dr.  Franz  llündgen,    üppehi  1884. 


Didaktik:  Moralisierende  Erzählungen.    Allegorien.  45 

daran  den  didaktischen  Inhalt  zu  knüpfen.  Leider  ist  uns  nur  ein  Bruchstück 
des  Ganzen  erhalten,  nämlich  257  Zehnsilbler  in  assonierenden  Tiraden.  Wir 
erfahren  darin,  wie  Boethius  durch  den  römischen  Kaiser  Theoderich  unschuldig 
ins  Gefängnis  geworfen  wird  und  ihm  dort  eine  schöne  Jungfrau  in  wunder- 
samem Aufzuge  erscheint,  woran  sich  dann  die  moralisierende  Deutung  jener 
allegorischen  Vision  schliesst.  Das  Gedicht  beruht  im  wesentlichen  auf  dem 
Werke  des  Boethius  »De  consolatione  philosophiae«,  das  aus  dem  Anfange 
des  sechsten  Jahrhunderts  stammt.  —  Etwas  anders  verfährt  Peire  Cardinal, 
um  die  Verkehrtheit  der  Welt  zu  veranschaulichen.  Er  erzählt  nämlich  in 
einem  Gedichte  von  70  paarweise  gereimten  Achtsilblern ,  welches  er  selbst 
Fabel  und  auch  Sermon  nennt,  das  aber  richtiger  als  Parabel^  zu  bezeichnen 
ist,  wie  ein  Regen  allen  Einwohnern  eioer  Stadt  bis  auf  einen  den  Verstand 
raubte  und  wie  jene  nun  diesen  vernünftig  gebliebenen  für  verrückt  hielten  und 
mishandelten.  An  diese  Erzählung  schliesst  der  Dichter  sofort  die  Deutung 
derselben  an.  Nahe  verwandt  hiermit  sind  die  wirklichen  Fabeln,  welche 
bekanntlich  unter  der  Form  eines  Vorganges  aus  dem  Leben  der  Tiere  einen 
Satz  der  Moral  behandeln,  ja  diesen  auch  gewöhnlich  am  Schlüsse  als  »Lehre« 
mitteilen.  P^s  hat  sich  bisher  leider  erst  ein  winziger  Teil  einer  provenzalischen 
Fabclsammlung  auflinden  lassen,  nämlich  ausser  einer  Fabel,  welche  zweimal 
als  Beispiel  in  den  »Leys  d' Amors«  angeführt  wird  (I,  320  und  III,  290 — 2), 
ein  Bruchstück  von  43  paarweise  gereimten  Achtsilblern,^  zwei  nicht  einmal 
vollständige  Fabeln  enthaltend,  obwohl  zahlreiche  Beweise  vorliegen,  dass 
diese  Dichtgattung  einst  auch  in  Süd-Frankreich  sehr  verbreitet  gewesen  ist. 
Jene  beiden  Fabeln  (von  der  Krähe  und  dem  Pfau,  sowie  von  der  Fliege 
und  dem  Maultiertreiber)  gehörten  einst  einer  Bearbeitung  resp.  Übersetzung 
des  im  12.  Jahrhundert  in  lateinischen  Distichen  niedergeschriebenen  »Ysopus« 
an,  welcher  selbst  auf  den  drei  ersten  Büchern  des  »Romulus»,  einer  älteren 
Sammlung  von  Fabeln,  beruht. 

C.  H  o  f  m  an  n .  Über  dieQudlen  des  ältesten prm'.Gedkhles,  Müncheiicr 
Acad.   1870,  II,   175  —  82. 

43.  In  diese  Gruppe  sind  auch  die  allegorischen  Erzählungen  zu 
rechnen,  in  denen  also  der  berichtete  Vorgang  nicht  wörtlich  zu  nehmen  ist, 
die  vorgeführten  Personen  vielmehr  abstrakte  Begriffe,  wie  die  Philosophie, 
gewisse  Tugenden,  Laster,  Wissenschaften  u.  dgl.  darstellen,  deren  Namen  sie 
auch  meist  tragen.  Schon  in  den  Boethius  war  eine  solche  Allegorie  einge- 
flochten ;  einen  ähnlichen  Charakter  hat  ein  aus  46  Strophen  zu  je  4  gleich- 
reimigen  Zehnsilblern  bestehendes  Gedicht  Palaitz  de  Savieza,-'  aus  der  zweiten 
Hälfle  des  14.  Jahrhunderts,  welches  dem  unten  (^  68)  zu  besprechenden 
»Elucidari«  als  Einleitung  dient  und  in  welchem  der  Verfasser  durch  die  Be- 
schreibung des  Palastes  der  Weisheit  Gelegenheit  findet,  nicht  nur  alle  da- 
mals bekannten  Wissenschaflen  aufzuzählen,  sondern  auch  deren  Zweck  und 
Nutzen  zu  schildern.  —  In  anderen  Erzählungen  treten  die  personifizierten 
Begriffe  selbst  handelnd  auf,  so  in  drei  uns  erhaltenen,  die  im  1 3.  Jahrhundert 
entstanden  sind  und  sich  sämtlich  auf  die  Liebe  beziehen.  In  der  einen, 
von  ihrem  Herausgeber  La  cour  d'amour"*  betitelt,  welche,  obwohl  der 
Schluss  fehlt,  1730  paarweise  gereimte  Achtsilbler  zählt,  wird  die  Liebe  als 
Fürstin    auf  dem  Parnasse    thronend  eingeführt,    umgeben  von  Freude,    Mut, 

'  Raynouard,  Ckoix  1\',  866  —  8;  Farnasse  occitanien  321 — 4;  Mahn,  Werke 
2,   189— 91;  Bartsch,   Ckrest*   175—8. 

*  p.  p.  Pio  Rajna,  Rom.  3,  291— 4. 
'  Bartsch,  Denkmäler  57 — 63. 

*  L.  Constans,  Les  manuscrits  provengaux  de  Cheltenham,  Paris  1882,  66 — 115 
(Auch  Rev.  des  1.  r.   20,    105  — 38,    157  —  79,  209     20  und  26I  — 76). 


46       LllTERATUKGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    2.    PrOV,    LlTr. 

Scham,  Hoffnung  u.  a. ;  sie  erteilt  ihren  Untergebenen  ausführliche  Lehren, 
worauf  Cortesia  darlegt,  worin  das  Wesen  echter  Liebe  bestehe.  Ganz  ähn- 
lichen Inhalt  hat  eine  vor  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  entstandene  alle- 
gorische Ich-Nouvelle  eines  Peire  Guilhem,^  welcher  vielleicht  iden- 
tisch ist  mit  dem  Lyriker  Peire  Guilhem  de  Tolosa.  Wir  erfahren,  wie  der 
Dichter  auf  einem  Spazierritte  einer  Schaar  allegorischer  Figuren,  wie  Gnade, 
Schamhaftigkcit,  Treue  u.  a.  begegnet,  an  deren  Spitze  sich  Amors  befindet. 
Er  richtet  an  letztere  verschiedene  Fragen,  welche  dieselbe  beantwortet  und 
zugleich  mit  Ratschlägen  begleitet.  Die  Achtsilbler  sind  hier  ab  und  zu 
durch  Verse  von  nur  4  Silben  unterbrochen,  die  jedoch  auch  stets  mit  dem 
dazu  gehörigen  Achtsilbler  reimen.  Ein  drittes,  leider  unvollständig  überliefertes 
allegorisches  Gedicht  des  13.  Jahrhunderts,  Chastel  d'Amors,^  in  welchem  der 
unbekannte  Verfasser  (wie  es  scheint,  ein  Italiener)  den  Weg  zur  Liebe  nebst 
den  sich  entgegenstellenden  Schwierigkeiten  und  Hindernissen  mit  dem  Zu- 
gange zu  einer  festen  Burg  vergleicht,  zeigt  Strophen  von  je  6  Siebcnsilblern, 
deren  5  erste  den  gleichen  Reim  aufweisen,  während  die  sechste  mit  den  5  An- 
fangszeilen der  folgenden  Strophe  reimt.  Erhalten  sind  30  Strophen,  also 
180  Verse,  von  denen  allerdings  mehrere  nicht  völlig  leserlich  sind. 

44.  Zu  den  moralisierenden  Erzählungen  muss  man  auch  diejenigen 
rechnen,  welche  den  Zweck  haben,  ihre  Leser  zu  erbauen.  Sehr  beliebt 
waren  solche  über  die  Freuden  der  Maria,  in  welchen  nämlich  alle  diejenigen 
Ereignisse  aus  dem  Leben  der  heiligen  Jungfrau  berichtet  werden,  bei  denen 
ihr  durch  ihren  Sohn  Freuden  zu  Teil  geworden  sind.  Im  Provenzalischen 
kennt  man  bisher  vier  Gedichte  über  diesen  Gegenstand  *'*,  in  denen  die  Zahl 
jener  Freuden  stets  7  beträgt,  während  die  Reihenfolge  der  als  Ursache  an- 
gegebenen Ereignisse,  ja  sogar  einzelne  der  letzteren  in  den  verschiedenen 
Bearbeitungen  von  einander  abweichen.  Zwei  derselben  zeigen  kurze  Reim- 
paare, die  beiden  andern  sind  strophisch  gegliedert.  Eine  gleiche  Tendenz 
verfolgen  die  Gedichte  über  die  Zeichen  des  Weltunterganges,  einen 
legendarischen  Stoff,  dem  wir  bereits  am  Schlüsse  der  Bearbeitung  des  Evan- 
geliums Nicodemi  begegnet  sind  (^  37).  Derselbe  findet  sich  jedoch  auch 
selbständig,  einmal  in  einem  Gedichte,  von  dem  uns  nur  12  zum  Teil  ver- 
stümmelte Strophen  von  je  4  paarweise  gereimten  Achtsilblern  erhalten  sind  *, 
sodann  in  einem  anderen  von  gleichem  Bau  (17  Strophen),  betitelt  Sibyllen 
Weissagung'"',  endlich  in  einer  258  paarweise  gereimte  Achtsilbler  zählenden 
Übersetzung  eines  altfranzösischen  Gedichtes''.  Diese  Werke  gehören  wohl 
alle  dem  13.  Jahrh.  an  und  haben  ihren  Stoff  im  wesentlichen  aus  dem 
lateinischen  Akrostichon  des  heiligen  Augustinus  »Judicii  Signum  tellus  sudore 
madescet«  geschöpft.  Das  nahe  Bevorstehen  des  Weltunterganges  wird  man 
daran  erkennen,  dass  Sonne  und  Mond  sich  verfinstern,  die  Erde  erbeben, 
Feuer,  Schwefel  und  blutiger  Regen  vom  Himmel  fallen  wird  u.  dgl.  Das 
zweite  der  angeführten  Gedichte  enthält  ausserdem  noch  eine  Schilderung  des 
jüngsten  Gerichtes. 


1  Raynouarcl,  Lex.  rom.  I,  405—17:  Mahn.  Werke   1,  241—50;  vgl.  Bartscli, 
Peire  Vidal  XCIV. 

*  Chastel  d'amors,  fragment  d'wt  poeme  proveufal,  p.   p.  M.  Tlioirias   1889  (Extrait 
des  Annales  dn  Midi  No.  '2,  S.    183-96);  ein  Bruckstflck  davon  Bartscli.   ChresL*  •lT^~'^• 

*  a.  Suchier,  Denkmäler  1.  85  —  97;  b.  ib.  272—82;  c.  Leys  d'AvtorsX,    264 — 7; 
(1.  V.  Meyer,   Dmirel  et  Beton  XCII— XCIV. 

*  P.  Meyer,  Daurel  et  Betan  XCVII-C. 

"  Miläy  Fantanais,  El canto  de  la  Siitla  01  le.ngtia  de  oc,  /\o»i.  9.;i5H— ^>5;   Sil  cliiej-, 
Denkmäler  I,  462 — 69. 

*  Suchier,  Denkmäler  I,    156-64. 


Didaktik:  Mokausierende  Erzählungen  und  Abhandlungen.  47 


Endlich  sind  hier  noch  zwei  andre  sagenhafte  Stoflfe  zu  erwähnen,  die 
Geschichte  des  Kreuzholzcs  Christi  und  die  Zerstörung  Jerusalems. 
Wir  werden  unten  (5  62;  je  eine  Bearbeitung  derselben  in  prosaischer  Form 
kennen  lernen,  doch  hat  es  deren  auch  in  poetischer  gegeben.  Letztere  haben 
sich  allerdings  als  selbständige  Werke  nicht  erhalten,  sondern  nur  als  Teile 
der  bereits  in  ^  7  besprochenen  Kompilation,  welche  die  Eroberung  von 
Arles  zum  Hauptgegenstande  hat.  Die  zuerst  genannte  Sage',  die  nicht  früher 
als  in  der  Zeit  vom  12.  bis  zum  14.  Jahrhundert  herausgebildet  worden  ist, 
berichtet  über  die  Schicksale  des  Baumes,  von  welchem  später  das  Holz  zum 
Kreuze  Christi  genommen  wurde;  nach  ihr  war  derselbe  aus  drei  Kernen 
herausgewachsen,  Welche  von  der  Frucht  des  Baumes  der  Erkenntnis  her- 
stammten, und  welche  Seth  von  einer  Sendung  ins  Paradies  mitgebracht  und 
auf  Befehl  Gottes  seinem  Vater  Adam  in  den  Mund  gesteckt  hatte.  Dem 
Kompilator  haben  zwei  verschiedene  Gedichte  über  diesen  Gegenstand,  eins 
in  Achtsilblern,  das  andre  in  Alexandrinern,  vorgelegen,  und  er  hat  aus  beiden 
je  einen  Teil  herübergenommen  und  den  Stoff  durch  einige  Zusätze  erweitert. 
Auch  die  zweite  Sage,  die  von  der  Zerstörung  Jerusalems 2,  war  im  Mittel- 
alter sehr  verbreitet ;  nach  ihr  soll  ein  römischer  Kaiser  (in  einigen  Versionen 
ist  es  Tiberius,  in  der  unsrigen  Caesar),  als  sein  Sohn  (Vespasian,  sonst  auch 
Titus  genannt)  durch  ein  Gewand  Jesu  (anderswo  durch  ein  Tuch  mit  dessen 
Bilde;  von  Aussatz  oder  anderer  widerlicher  Krankheit  geheilt  worden,  Jeru- 
salem zerstört  haben,  um  den  Tod  des  Heilandes  zu  rächen.  Auch  hier  hat 
der  Kompilator  mehrere  anderswoher  entlehnte  Episoden,  seinem  Berichte  ein- 
verleibt. Die  von  ihm,  vermutlich  nach  seiner  Vorlage,  verwandten  Verse 
sind  Alexandriner,  die  allerdings  teilweise  höchst  mangelhaft  sind. 

C.  Michaelis.  Quitidecim  Signa  ante  Judickim,  ^rcA.  46,  33  — 6o; 
N  ö  11  e .  Die  Legende  van  den  ij  ZeicAen  var  dem  jüngsten  GericIUe, 
Paul  und  Biaiine's  Beitr.  6,413—76;  K.  Peiper,  Die  i^  Zeichen  v(m- 
dem  jüngsten  Gericht,  Arcii.  für  Lit.  Gesch.  y.  117—37.  —  W.  Meyer, 
Geschichte  des  Kreuzholzes  v&r  Christus,  Ahh.  der  hayer.  Akad.  der  Wiss. 
1881,  103 — 166.  —  A.  Graf,  Roma  nella  iuemoi-ia  e  nellc  immagina- 
zioni  del  media  evo,    Torino   l882-3,  Cap.   11. 

45.  In  einigen  anderen  Gedichten  erbaulichen  Charakters  ist  der  er- 
zählende Inhalt  in  die  Form  einer  Anrufung,  gewöhnlich  eines  Gebetes  ge- 
kleidet. So  bittet  in  einer  Bearbeitung  des  »Tractatus  beati  Bernhardi  de 
planctu  beatae  Mariae«^  der  Dichter,  ebenso  wie  dessen  Vorlage,  die  heilige 
Jungfrau,  ihm  den  Hergang  des  Leidens  ihres  Sohnes  vorzutragen.  Sie 
thut  dies,  indem  sie  Klagen  und  Verwünschungen  gegen  den  Tod  und  die 
Juden  einflicht.  Von  V.  599  an  ergreift  dann  der  Verfasser  selbst  das  Wort, 
erzählt  die  Ereignisse  nach  Christi  Tode  und  schliesst  mit  einem  Gebete  an 
Maria  (V.  883 — 908).  Einen  anderen  Bericht  über  die  ganze  Passion,  und 
zwar  nach  den  kirchlichen  Stunden,  der  prima,  tertia,  nona  u.  s.  w.  geordnet, 
giebt  der  in  gascognischer  Mundart  verfasste  Romans  de  las  horas  de  la 
crot.^  Derselbe  ist,  wie  das  eben  erwähnte  Gedicht,  in  paarweise  gereimten 
Achtsilblern  (272)  niedergeschrieben  und  erscheint  äusserlich  als  eine  Anrede 
an  Christus.  Ein  andrer,  ebenfalls  nicht  bekannter  Verfasser  berichtet  unter  der 
Form    einer  Beichte    an    die    h.    Jungfrau"    über    die  Verirrungen    seines 


1  I,e  Roman  d'Arles  S.  15-23- 
-  il).  S.  23—30. 

*  La  Fassiofi  du  Christ,  poeme  provenfal  p.  p.  Edström,  Göteborg  1877:  Alt- 
pro7iem.  Marienklage  hsg.  von  Musliacke,  Halle  l8(>o  (Roman.  Bibliothek  No.  3):  vgl. 
Rev.  des  1.  r.  33,   125  — 7. 

*  P.  Meyer,  Daurel  et  Beton  CIX-CXIX. 
^   S  u  c  h  i  e  r  .  Denkmäler  I,   2 1 4     40. 


48       LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER,    —     2.    PrOV.    LllT. 


Lebens;  er  sei  in  seiner  Jugend  Ketzer,  Albigenser,  gewesen,  habe  sich  dann 
aber  bekehrt  und  habe  auch  die  späteren  Versuchungen  siegreich  niederge- 
kämpft, sodass  er  jetzt  fest  im  Glauben  stehe.  Die  metrische  Form  ist  genau 
so  wie  die  des  ersten  Teiles  der  Albigenserchronik  (^  35);  es  sind  im  Ganzen 
839  Verse.  Alle  3  soeben  besprochenen  Werke  stammen  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert. 

Ein  anderes  Gedicht  ähnlichen  Charakters,  aus  etwa  100  Reimpaaren 
von  Achtsilblern  bestehend,  welches  schildert,  wie  Maria  am  Fusse  des  Kreuzes 
erscheint,  und  in  einer  Anrede  an  den  Sohn  bittere  Klagen  über  dessen 
leidensreiches  Leben  ausströmt  und  wie  sie  schliesslich  von  Johannes  getröstet 
und  hcimgeleitet  wird,  ist  noch  nicht  herausgegeben. '      • 

b)    moralisierende    ABHANDLUNGEN. 

46.  Die  provenzalische  Litteratur  besitzt  Gedichte,  welche  die  verschie- 
densten Gebiete  der  Ethik  behandeln;  teils  haben  sie  einen  allgemein  mora- 
lischen Inhalt,  teils  richten  sie  sich  ausschliesslich  gegen  einzelne  Arten  von 
Fehlern,  teils  endlich  sind  sie  nur  für  bestimmte  Gesellschaftsklassen  berechnet. 
Wohl  das  älteste  derartige  Werk  2  stammt  von  dem  auch  als  Lyriker  bekannten 
Arnaut  von  Maruclh  (1170  1200);  es  enthält  368  paarweise  gereimte 
Sechssilbler  und  zählt  zunächst  die  Eigenschaften  auf,  die  man  besitzen  müsse, 
um  in  der  Welt  Lob  zu  erwerben,  worauf  die  Vorzüge  und  die  Schwächen 
einzelner  Stände,  am  Schlüsse  auch  die  der  Frauen  besprochen  werden.  Der 
ebenfalls  schon  genannte  (^  40)  Daude  von  Pradas  verfasste  eine  Dichtung 
(er  nennt  sie  romanz)  in  906  Reimpaaren  von  Achtsilblern  über  die  vier 
Haupttugenden, 3  prudentia,  fortitudo,  continentia  und  justitia,  die  jeder 
Christ,  Jude  und  Heide  besitzen  müsse.  In  vier  Abschnitten  erläutert  er  zu- 
erst immer  das  Wesen  der  betreffenden  Tugend  und  fiihrt  diese  dann  selbst 
redend  ein,  wobei  jede  angiebt,  wie  man  ihrer  teilhaftig  werden  könne.  Das 
Gedicht,  welches  dem  Bischof  Stephan  von  Puy  (1220 — 31)  gewidmet  ist, 
beruht  auf  einem  angeblich  von  Seneca,  in  Wirklichkeit  aber  von  dem  portu- 
giesischen Bischof  Martin  von  Braga  herstammenden  lateinischen  Traktat. 

Aus  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrh.  besitzen  wir  eine  Sammlung 
von  Regeln  allgemeiner  Lebensklugheit,  welche  sich  selbst  >->Lo  Savi« 
nennt,  während  sie  gewöhnlich  auf  Grund  eines  darin  vorkommenden  Zitates 
mit  dem  nicht  zutreffenden  Titel  Lo  libre  de  Seneca*  belegt  wird.  Nach 
einer  Einleitung,  die  ein  Lob  der  Weisheit  enthält,  werden  die  Sprüche, 
welche  meist  je  ein  Reimpaar  umfassen  und  die  viel  volkstümliches  enthalten, 
einzeln  an  einander  gereiht.  Der  schon  mehrfach  (^  33  und  43)  genannte 
Peire  Cardinal  verfasste  in  dem  Versmasse  von  Guiraut  von  Cabreiras  Ensen- 
hamen  (^41)  eine  Predicansa,"^  die  in  180  Zeilen  vor  Hochmut,  Habgier 
und  Trug  warnt  sowie  Adel  der  Gesinnung  verlangt.  Eine  Strafpredigt  über 
den  allgemeinen  sittlichen  Verfall  enthält  der  Romans  de  mondana  vida,^  im 
Jahre  1284  von  Folquet  de  Lunel  verfasst.  Er  nimmt  die  einzelnen  Stände 
vom  Kaiser  abwärts  nach  einander  vor,  indem  er  deren  Sünden  und  Gebrechen 
geisselt.    Erhalten  sind  539  Verse  mit  gekreuzten  Reimen,  und  zwar  wechseln 

1  Anfang  und  Schluss  von  P.  Meyer,  Rom.    14,  530--31. 

*  Raynouard,   Choix  IV,  405— 18;  Mahn.    Werke  l,   176—84. 

'  The  romance  of  Daude  de  Pradas  on  the  fotir  cardinal  virtties  tA.  Ijy  A.  Stickney, 
Florencc  l879- 

*  Bartsch,  Denkmäler  1 92  -  2 1 5 . 

*  Mahn,   Gedichte  No.  94 1 ;  Bayle,  Anthologie  prov.   120 — 8. 

^  Der  Troubadour  Folquet  de  Lunel  liso;.  von  Franz  Flichelkraut,  Diss.  Berlin 
1872,  26-  42. 


Didaktik:    Moralisierende  Abhandlungen.  49 

männliche  Achtsilbler  mit  weiblichen  Sechssilblern.  Gegen  bestimmte  Stände 
endlich,  besonders  Juristen  und  Mediziner,  ist  ein  Gedicht  von  141  Versen 
gerichtet,  welches  sein  nicht  bekannter  Verfasser  eine  Arbalecca  '  nennt  (V.  4). 
Es  beginnt  mit  einem  Reimpaar  von  Achtsilblern,  dann  folgen  immer  je  ein 
Vier-  und  ein  Achtsilbler,  die  ebenfalls  mit  einander  reimen.  Eingefügt  ist 
diese  Strafpredigt  in  eine  Schilderung  des  jüngsten  Gerichtes. 

47.  Der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jh. 's  gehören  sodann  noch  zwei  her- 
vorragende Vertreter  der  didaktischen  Poesie  an:  Guiraut  Riquier  (vgl.  §  40 ) 
und  At  von  Mons.  Unter  den  hierher  gehörigen  Werken  des  ersteren-  sind 
8  wirkliche  Abhandlungen  über  moralische  Gegenstände.  ^  Von  diesen  Ge- 
dichten, die  sämtlich  datiert  sind,  handeln  einige  über  allgemeine  Gegen- 
stände, z.  B.  über  unsere  Pflicht,  Gott  zu  fürchten,  zu  lieben  und  zu  ehren, 
über  die  Notwendigkeit  des  Masshaltens,  über  die  Lebenslagen,  in  denen  der 
Mensch  Scham  empfindet,  über  die  sittliche  E'ntartung  der  Dichtkunst;  die 
übrigen  geben  Ratschläge  oder  Vorschriften  der  Ethik ,  und  zwei  von  ihnen 
sind  sogar  für  einen  bestimmten  Freund  geschrieben,  der  allerdings  nicht  ge- 
nannt wird.  In  vier  anderen  didaktischen  Dichtungen  verwendet  er  die  Form 
von  Sendschreiben,"*  die  an  hochgestellte  Freunde  oder  Gönner  gerichtet 
sind.  Dieselben  enthalten  neben  persönlichen  Angelegenheiten  des  Dichters 
wiederum  Besprechungen  allgemeiner  Fragen,  namentlich  solcher,  die  sich  auf 
die  Lebensführung,  besonders  das  Verhalten  gegen  andere  beziehen.  Interessant 
ist  endlich  eine  Denkschrift^,  die  der  Dichter  1274  an  den  König  Alfons  X. 
von  Castilien  richtete .  in  welcher  er  unter  dem  Ausdrucke  des  Bedauerns 
darüber,  dass  man  jetzt  die  Dichter,  selbst  die  besten,  mit  dem  gleichen  Aus- 
drucke »joglar«  bezeichnete,  wie  die  CJaukler  und  Possenreisser ,  den  König 
bat,  ftir  jene  einen  anderen  Namen  zu  bestimmen.  In  einer  Antwort 6,  die 
ohne  Zweifel  Guiraut  Riquier  selbst  im  Auftrage  des  Königs  verfasst  hat.  geht 
dieser  auf  den  Vorschlag  ein  und  setzt  für  die  Dichter  die  Bezeichnung  »trobador« 
und  »doctor«  fest. 

Auch  Riquiers  Zeitgenosse,  At  von  Mons"  aus  Toulouse,  hat  mit  Vor- 
liebe die  Form  von  Briefen  verwandt.  So  richtete  er  einen  über  den  Ein- 
fluss  der  Sterne  auf  das  Schicksal  der  Menschen  ebenfalls  an  Alfons  X.  von 
Castilien  und  ist  auch  wohl  als  Verfasser  der  uns  erhaltenen  angeblichen  Er- 
widerung des  Königs  anzusehen.  Zwei  andere  sind  für  den  König  von  Aragon, 
wahrscheinlich  Peter  III.  (1276  —  85),  bestimmt;  der  eine  handelt  von  den 
sittlichen  Gütern  des  Menschen,  der  zweite  warnt  die  Fürsten  vor  der  Wahl 
falscher  Ratgeber.  Eine  weitere  gereimte  Abhandlung  desselben  Dichters 
endlich  geisselt  im  ersten  Teile  die  Fehler  der  Grossen  und  spricht  im 
zweiten  über  die  Entstehung  und  das  Wesen  der  Liebe. 

Beide  eben  besprochenen  Dichter  verwandten  in  ihren  didaktischen  Er- 
zeugnissen der  Regel  nach  den  Sechssilbler ;  nur  zwei  Briefe  Ats  (die  an  den 
König  von  Aragon)  und  einer  (iuirauts  (Mahn,  Werke  4,  reo)  zeigen  Acht- 
silbler. Die  Verse  werden  überall  paarweise  gereimt ,  doch  ist  bei  Riquier 
immer,  bei  seinem  Nachahmer  der  Regel  nach,  die  Schlusszeile  reimlos.  Die 
Zahl  der  Verse  schwankt  bei  Riquier  in  den  Abhandlungen  zwischen  171  und 
577,  in    den  Sendschreiben    zwischen  87   und  245;    die  Denkschrift    endlich 


*  Bartsch,  Denkmäler  75 — 79:  P.   Meyer,  Jahrbuch  5,  393—7. 
»  hsg.  von  Pf  äff  als  Mahn,    Werke  B.  4.  Berlin   1803. 

'  Mahn,  Werke  4.   106;   11";   131;    149;   157;   191;  '^0\   und  205. 

*  Mahn,  Werke  4,   lOO;   123;   125;   143. 

*  ib.  4,   163. 
«  ib.  4,   183. 

"  Die  Werke  des  Trobodors  N'At  de  Maus  lisg.  von  VV  i  I  li.  B  e  r  n  I1  a  r  d .  Heilbronn  1 887. 
C'.RöBER,  (Jrundriss,   IIb.  4 


50       LiTTERATURGESCHtCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    '■ —    2.    PrOV.    LiT1\ 

zählt  86 1,  die  Antwort  393  Zeilen.  At  von  Mons  hat  seinen  Episteln  eine 
Länge  von  1244,  265  und  296,  seiner  Abhandlung  eine  solche  von  602 
Versen  gegeben. 

48.  Nicht  weniger  beliebt  als  die  Briefform  war  die  dialogische  Form 
für  derartige  didaktische  Abhandlungen.  Dies  zeigt  sich  z.  B.  an  einem  Lehr- 
gedicht des  Catalanen  Serveri  von  Gerona  über  den  Wert  der  Frauen,' 
welches  um  die  Mitte  des  13.  Jh. 's  verfasst  und  dem  K()nig  Jacob  L  von 
Aragon  gewidmet  ist.  Erhalten  sind  559  Sechssilblcr  in  Reimpaaren,  doch 
fehlt  der  Anfang.  Nachdem  in  V.  43  sq.  der  Grundgedanke  des  Gedichtes 
ausgesprochen,  ein  gemeines  V^'eib  sei  weniger  wert  als  irgend  etwas  anderes 
auf  der  Welt,  eine  gute  Frau  dagegen  trage  den  Preis  der  Ehre  und  des 
Lobes  davon,  werden  in  Form  einer  Disputation  von  dem  Dichter  immer  die 
Schatten-,  von  dessen  Gegner  die  Lichtseiten  der  weiblichen  Natur  hervorgehoben. 

Dieselbe  Form  eines  Gespräches  ist  auch  gewählt  in  einer  etwa  gleich- 
zeitigen, »Las  novas  de  rheretge«^  betitelten  Tendenzschrift,  in  welcher 
der  Verfasser,  ein  Dominikanermönch  und  Inquisitor,  Namens  Izarn,  mit  dem 
Albigenserbischof  Sicart  von  Figueiras  über  dessen  Lehren  disputiert,  diese  wider- 
legt und  den  Ketzer  schliesslich  zum  Widerruf  und  zur  Bekehrung  bewegt. 
Das  Gedicht  besteht  aus  langen,  gereimten  Alexandriner-Tiraden,  welche  immer 
mit  einem  Sechssilblcr  schliessen,  der  nicht  mit  der  eigenen,  sondern  mit  der 
folgenden  Tirade  reimt  (vgl.  *^  35,  Albigenserchronik,  i.  Teil).  —  Erbaulichen 
Inhaltes  ist  auch  eine  Unterhaltung  zwischen  der  h.  Jungfrau  und 
dem  Kreuz,^  die  ein  Franziscanermönch  verfasst  und  seiner  Schwester  ge- 
widmet hat.  Maria  macht  dem  Kreuze  heftige  Vorwürfe,  dass  es  ihren  Sohn 
getötet  habe  ;  das  Kreuz  verteidigt  sich  mit  dem  Hinweis  auf  die  Notwendig- 
keit jenes  Opfertodes.  Der  Eingang  fehlt,  es  sind  nur  228  paarweise  gereimte 
Achtsilber  erhalten. 

Ein  andres,  völlig  eigenartiges  Gespräch  zwischen  einem  Beich- 
tiger und  einer  Zaubrerin,^  von  dem  bisher  ebenfalls  nur  der  erste  Teil 
(166  Achtsilbler)  aufgefunden  ist,  scheint  nicht  ernsthaft  gemeint  gewesen  zu 
sein.  Bei  einem  Geistlichen  erscheint  eine  alte  Sünderin  und  berichtet  aus- 
führlich, wie  sie  schon  mit  zehn  Jahren  für  einen  Gürtel  und  einen  Kranz  ihre 
Unschuld  hingegeben  und  sie  dann,  auf  dem  begonnenen  Wege  weiterwandelnd, 
die  Männer  durch  alle  möglichen  Mittel ,  selbst  durch  Liebestränke ,  an  sich 
gelockt  und  ausgesogen,  schliesslich,  da  ihre  Reize  verblüht,  als  Wahrsagerin 
und  Zaubrerin  erheblichen  Besitz  erworben  habe.  Jetzt  wolle  sie  sich  jedoch 
hessern  und  bitte  den  Cieistlichen ,  ihr  eine  angemessene  Busse  aufzuerlegen. 
Als  dieser  versichert,  Gott  werde  ihr  bei  aufrichtiger  Reue  verzeihen,  und  be- 
stimmt, sie  solle  jeden  Freitag  fasten  und  ausserdem  auch  die  drei  grossen 
Fastenzeiten  des  Jahres  streng  innehalten  ,  bittet  sie ,  von  dieser  Forderung 
abzusehen  ;  fasten  möge  sie  nicht,  das  solle  man  den  Mönchen  und  den  Fratres 
überlassen.  Hier  bricht  das  Gespräch  in  der  einzigen  bisher  bekannten  Hand- 
schrift leider  ab. 

Endlich  ist  zu  erwähnen  ,  dass  die  provenzalische  Litteratur  auch  eine 
Bearbeitung  des  im  Mittelalter  so  verbreiteten  Streites  zwischen  Körper 
und  Seele  aufzuweisen  hat,  die  aus  dem  14.  Jh.  stammt,  1166  Achtsilbler 
zählt,  aber  noch  nicht  herausgegeben  ist.  ^ 

1  Sucliier,  Denbnäler  I,   256 — 71. 

^  Debal  d' Izarn  et  de  Sicart  de  Figueiras  p.  p.  P.  Meyer.  Annuaire- Bulletin  de  la 
Societe  de  VHistoire  de  France,  XVI,   233  sq.   (1879). 

^  Debat   de  la    Viers;e  et  de  la  Croix    p.  p.  P.  Meyer,    Datircl  et    Beton  LXXIII — 

r.xxxv. 

*   Dehat  de  la  sorciere  et  de  smi  confesseiir  p.  p.   V.  Meyer,  Rom.    14,  521 --24. 
"  Paris  B.   N.    14973. 


Didaktik:  Moralisierknde  äbhanül.  Ensenhamens.  Religiöse  Dichiunöen.   51 

49.  In  ^  41  haben  wir  Ensenhamens  kennen  gelernt,  welche  dem 
Wissen  dienen  ;  es  gicbt  aber  auch  solche,  die  in  Bezug  auf  das  äussere  Be- 
nehmen Belehrung  gewähren  wollen  und  die  oft  für  einzelne  Gesellschafts- 
klassen,  zuweilen  sogar  für  bestimmte  Personen,  männliche  oder  weibliche, 
berechnet  sind.  Die  charakteristische  metrische  Form  dieser  Gedichte  sind 
Reimpaare  von  Sechssilblern.  Das  älteste  stammt  von  Garin  dem  Braunen 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jh. 's  und  enthält  eingehende  Vorschriften 
darüber ,  wie  eine  Dame  sich  in  den  verschiedenen  Lebenslagen  betragen 
müsse. ^  Die  äussere  Einkleidung  ist  episch,  indem  die  Frau  bei  dem  Dichter, 
als  er  in  seinem  Garten  sitzt ,  erscheint  und  um  jene  Unterweisung  bittet. 
Ein  um  1200  entstandenes  Gedicht  des  Arnaut  Guilhem  von  Marsan^ 
könnte  man  einen  Adelsspiegel  nennen,  da  es  in  etwa  600  Versen  einem 
Junker  Regeln  feiner  Lebensart  erteilt;  die  Einleitung  ist  fast  genau  so  wie 
bei  Garin.  Auch  Amanieu  de  Sescas  (mit  Unrecht  oft  des  Escas  genannt) 
hat  im  letzten  Viertel  des  13.  Jh. 's  zwei  Ensenhamens  verfasst,  die,  wie  ge- 
wöhnlich, als  Erzählung  beginnen.  Im  ersten  3  erteilt  er  seine  Vorschriften 
einem  Edelknaben ,  und  zwar  in  Betreff"  seines  Umganges  ,  seiner  Kleidimg, 
seines  Verhaltens  in  Liebessachen,  seiner  Pflichten  gegen  seinen  Herrn  u.  dgl.  ; 
in  dem  zweiten*  einer  »donzela«,  die  er  mehrfach  als  »marquesa«  anredet. 
Seine  Weisungen  beziehen  sich  hier  sogar  auf  ihre  Toilette  und  die  Pflege 
ihres  Körpers ;  ebenso  sehr  aber  auf  ihr  Benehmen  ihren  Nebenmenschen 
und  selbst  einem  Liebhaber  gegenüber.  Das  erste  dieser  beiden  Gedichte 
wurde  von  Luncl  von  Monteg  oder  Moncog  in  seinem  1326  entstandenen 
Ensenhamen, ''»  dem  spätesten  Werke  dieser  Gattung,  nachgeahmt,  das  nicht 
nur  die  gleiche  Einkleidung,  sondern  auch  einen  ähnlichen  Inhalt  aufweist; 
abweichend  ist  nur  die  metrische  Form ,  es  ist  nämlich  die  der  Arbalecca 
(§  46).  Zwei  weitere  Ensenhamens  sind  in  Achtsilbler-Reimpaare  gekleidet;  das 
eine,*'  von  dem  Italicner  Sordel  aus  Mantua  verfasst,  war  für  Herrn  und 
Damen  ritterlichen  Standes  bestimmt,  das  andere'  belehrt  in  etwa  100  Versen 
einen  jungen  Adligen,  wie  er  sich  bei  Tische  zu  betragen  habe. 

50.  Andere  didaktische  Gedichte  haben  einen  religiösen  Inhalt.  So 
verfasste  ein  Ritter,  Namens  Raimon  von  Castelnou,  nachdem  er  in  seiner 
Jugend  weltliche  Lieder  gedichtet,  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jh. 's  gleich- 
sam zur  Busse  ein  derartiges  Doctrinal.  ^  Im  Anfange  beichtet  er  seine 
Sünden  und  spricht  den  Wunsch  aus,  der  7  Haupttugenden  teilhaftig  zu  werden ; 
hierauf  berichtet  er  vom  Leben  Christi,  wiederholt  das  Glaubensbekenntnis 
sowie  die  10  Gebote  und  knüpft  daran  weitere  erbauliche  Erörterungen. 
Das  Werk  zählt  391   Alexandriner  in  Reimtiraden. 

Aus  ähnlichen  Beweggründen  schrieb  ein  Italiener ,  dessen  Namen  wir 
nicht  wissen,  im  Jahre  1254,  als  er  im  Gefängnisse  schmachtete,  eine  Art 
von  Predigt-'  in  844  paarweise  gereimten  Sechssilblern;  unter  Hinweis  auf 
den  unvermeidlichen  Tod  ermahnt  er  seine  Leser,  sich  von  den  weltlichen 
Dingen    abzuwenden    und    allein  das  (iute  zu  erstreben ,    indem  er  einerseits 


*  Bruchstücke  hei  Bartsch.   Garin  c'er  Braune,  Jnhrhuch  3,  399— 409- 

2  B'a  r  t  s  c  h  .  prov.  Lesebuch   1 32—  39. 

3  Bartsch.  Denkmäler  loi  -  14;  Milä  y  Fontanals  410— 16. 

*  Barts  eil.  prov.  Lesebuch   1 40—48;   Mild  y  Fontanals  4 16 — 22. 

*  Bartsch,  Denkmäler  114-24  und  P.  de  Luncl,  dit  Cavnlier  Lunel  de  Montcch 
f).  p.  E.  Forest  ie,  Montauhan   1891. 

^  Palazz  i,  Le poesie  inedite  di  Sordello,  Vcnezia  1887  (Auch    Atti  deW  Istit.vnieto  ö. 
ser.  V). 

"^  Bruchslücke  abgedruckt  von  P.  Meyer,  Rom.   14,  519—20. 

**   Suchier.   Denkmäler  I,   241  —  55:   vgl.  P.   Mcvei.  Rom.    14.   r)33— 3.')- 

"  K    Levy,   Pot'sies  reli^ieuses  (§  32.  Anm.    1)  3*^)  -59- 


52      LriTERATUKGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LlTl'. 

den  im  Paradiese  zu  erhoflFenden  Lohn,  andrerseits  die  Qualen  der  Hölle  in 
glühenden  Farben  schildert  und  auf  Christi  Oplcrtod  hinweist. 

Ein  mehr  lyrisches  Metrum  zeigt  ein  um  1200  entstandenes  Gedicht 
über  den  heiligen  Geist'.  Es  besteht  Ucämlich  aus  42  Strophen  von 
je  6  Siebcnsilblcrn  mit  dem  Reim  aaabab  (a  männlich,  1)  weiblich) ,  deren 
jede  refrainartig  mit  sant  Espcrit  schlies.st.  Dasselbe  wurde ,  wie  die  Epi- 
stolae  farcitac  (^  38),  beim  Gottesdienst  verwandt  (selbstverständlich  zu  Pfingsten), 
beginnt  daher  ebenfalls  mit  der  Aufforderung,  stille  zu  sein.  Es  unterscheidet 
sich  von  jenen  jedoch  dadurch,  dass  es,  abgesehen  von  einer  kurzen  Erwähnung 
des  Pfingstwunders,  nichts  E^pisches  enthält.  Es  hebt  vielmehr  die  Kraft  des 
heiligen  (ieistes  gegenüber  der  Sünde  hervor  und  fordert  mit  freier  Benutzung 
verschiedener  Aussprüche  des  Alten  und  namentlich  des  Neuen  Testamentes 
zu  tugendhaftem  Leben ,  Friedfertigkeit  und  Demut ,  besonders  zu  thätiger 
Nächstenliebe  auf  und  schliesst  mit  einem  Hinweis  auf  den  Weltuntergang 
und  das  jüngste  Gericht.  —  Von  der  Abhandlung  eines  nicht  bekannten  Ver- 
fassers über  die  Namen  der  Mutter  Gottes^  sind  nur  der  Anfang  und 
der  Schluss,  zusammen  72  gleichreimige  Alexandriner-Quatrains  erhalten.  Die- 
selbe zählt  nach  einer  kurzen  Rekapitulation  der  Schöpfung,  des  Sündenfalles, 
sowie  der  Erlösung  alle  Eigenschaften  und  Prädikate  der  h.  Jungfrau  auf.  — 
Theologischen  Charakters  ist  auch  ein  VVeihnachtsbrief'*  des  schon  er- 
wähnten Matfre  Ermcngaud  (J^  40)  an  seine  Schwester,  in  welchem  er  den 
Brauch,  sich  zu  Weihnachten  gegenseitig  mit  Honigkuchen,  Meth  oder  einem 
Kapaun  zu  beschenken  ,  allegorisch  auf  Christum  deutet.  Die  Epistel  zählt 
69  Reimpaare  von  Zehnsilblern. 

In  diese  Kategorie  gehören  auch  die  geistlichen  Dichtungen  der 
Waldenser*.  Die  Handschriften,  aus  denen  wir  diese  Sammlung  kennen 
lernen,  sind  meist  im  16.,  die  frühesten,  wie  es  scheint,  im  15.  Jh.  aufge- 
zeichnet worden ,  aber  die  Entstehung  der  Werke  selbst  liegt  wohl  weiter 
zurück,  vielleicht  sogar  um  mehr  als  100  Jahre,  wenn  auch  die  frühere  h.n- 
nähme,  dass  dieselben  bis  ins  13.  Jh.  hinaufreichten,  unhaltbar  ist.  Dieselben 
sind  betitelt  La  Nobla  I^eyczon,^  La  Barca,  Lo  Novel  Sermon,  Lo 
Novel  Confort,  Lo  Payre  Eternal,  Lo  Despreczi  del  Mont,  L'Avan- 
geli  de  li  Quatre  Semencz  und  La  Confession;  sie  enthalten  teils 
Betrachtungen  über  die  Vergänglichkeit  alles  Irdischen ,  teils  Busspredigten, 
teils  Gebete.  Die  erste  ruft  ausserdem  die  Vorgänge  der  Bibel,  besonders 
die  Leidensgeschichte  Christi  ins  Gedächtnis,  die  vorletzte  behandelt  die  be- 
kannte neutestamentliche  Parabel  vom  Säemanne.  Die  metrische  Form  ist 
im  Laufe  der  Zeit  sehr  entstellt  und  verderbt  worden ,  doch  erkennt  man, 
dass  in  allen  Gedichten  gereimte  Alexandriner  verwandt  worden  sind,  die 
entweder  zu  kurzen  Tiraden  unbestimmter  Zahl  oder  zu  Reimpaaren  oder 
endlich  zu  Strophen  von  je  3,  4  oder  6  Zeilen  verbunden  waren.  An  Stelle 
des  Reimes  erscheint  zuweilen  blosse  Assonanz. 

Endlich  kann  man  auch  einige  freie  Bearbeitungen  von  Teilen  der  Bibel 
oder  von  kirchlichen  Symbolen  hierher  rechnen,  die  ja  ebenfalls  erbaulichen 
Zwecken  dienten.     In    ersterer  Hinsicht    sind  zu  nennen :    zwei    verschiedene 


'  p.  p.  M.  Thomas  et  A.  Cohendy,  Rimi.  8,  211  — 18;  hsg.  von  F.  Kalepky, 
Programm  der  Oberrealschule  zu  Kiel  l887- 

2  Lo  tractat  dels  notns  de  la  mayre  de  Dien  p.  p.  P.  Meyer,  Danrel  et  Betör?  C — 
CVlll. 

*  Bartsch,  Denkmiiler  81 — 5;  Breviari  d'A?nor  p.  p.  Aza'is  II,  675 — 9;  vgl.  P. 
Meyer,  Rom.   14,  ,^20. 

*  Religiöse  Dickungen  der  Waldenser,  neu  hsg.  von  Fr.  Apfelstedt,  Archiv  62, 
27:^ — 88  und  Ztschr.  4,  ,330  —  46;  52I— 41. 

'^  La  A'ohle  Legon,  texte  original  p.  p.  Edouard  Montet,  Pcuis   1888. 


Didaktik:   Coblas  esparsas.  —  Drama.  53 

gereimte  Übertragungen  der  7  Busspsalmen  aus  dem  14.  Jh.,  deren 
eine,^  welcher  die  drei  ersten  und  ein  Teil  des  vierten  Psalmes  fehlen,  paar- 
weis oder  kreuzweis  gereimte  Achtsilblcr  aufweisen,  die  zu  meist  vierzeiligen 
Strophen  verbunden  sind,  während  die  andre,^  durchweg  in  vierzeiligen  Acht- 
silbler-Strophen  abgefasste ,  eine  gascognisch  gefärbte  Sprache  zeigt ;  sodann 
die  aus  derselben  Zeit  stammende  Bearbeitung  des  Psalmes  108,'''  welche 
118  Verse  verschiedener  Länge  zählt,  von  denen  bald  zwei,  bald  mehrere 
mit  einander  reimen  oder  assonicren ;  weiter  eine  Umschreibung  der 
Sprüche  Salomonis,*  von  einem  catalanischenEdclmanne,  Guilhem  von 
Cerveira,  nach  der  Mitte  des  13.  Jh. 's  verfasst,  in  Alexandrinern,  die  nicht 
nur  am  Ende  sondern  auch  in  der  Mitte  paarweise  reimen.  Aus  der  zweiten 
Gattung  von  Werken  besitzen  wir  Paraphrasen  des  Glaubensbekennt- 
nisses,5  darunter  eine  in  18  Achtsilbler-Quatrains,^  der  10  Gebote,'  des 
Vater  unsers^  und  des  Ave  Maria^  — •  Werke,  die  allerdings  kaum  noch 
der  Dichtung  zugezählt  zu  werden  verdienen. 

dir.  U.  Mahn,   Geschichte  der  Ketzer,   Bd.   2.    Stuttc-ut   1847. 

51.  Am  Schlüsse  der  Didaktik  erwähne  ich  noch  die  coblas  esparsas, 
d.  h.  einzelne  Strophen  voll  Lehren  einer  praktischen  Lebensklugheit ,  in 
denen  viel  Volksweisheit  enthalten  ist.  Diese  Dichtungen  sind  also  mit  den 
mittelhochdeutschen  »Sprüchen«  nahe  verwandt,  nur  dass  die  provcnzalischen 
Dichter  sehr  verschiedenartige  Strophen  formen  gebrauchten ,  während  jene 
wenig  Abwechselung  zeigen.  Der  hervorragendste  Verfasser  derartiger  Strophen 
ist  der  in  der  zweiten  Haltte  des  13.  Jh.'s  lebende  Bertran  Carbonel 
aus  Marseille.  Neben  ihm  verdienen  noch  Guiraut  de  l'Olivier  aus 
Alles,  sodann  der  Ritter  von  Moncog,  endlich  Guilhem  von  Cer- 
veira genannt  zu  werden ,  doch  giebt  es  noch  zahlreiche  weitere  coblas 
esparsas,  welche  anonym  überliefert  sind.  '^ 

D.  DRAMA. 

Ebensowenig  wie  die  epische  kann  sich  die  dramatische  Poesie  der  Pro- 
venzalen  in  Bezug  auf  ihren  Reichtum  und  ihre  Bedeutung  mit  der 
französischen  messen.  Einerseits  fehlen  die  komischen  Erzeugnisse,  die  also 
dazu  bestimmt  waren,  das  Volk  zu  belustigen,  ganz ;  wir  besitzen  nur  ernste 
Stücke,  nur  Mysterien,  und  auch  diese,  deren  Zahl  wenig  erheblich  ist,  reichen 
kaum  weiter  als  bis  ins  14.  Jh.  hinauf,  sodass  wir  nicht,  wie  im  Französi- 
schen, im  Stande  sind,  die  allmähliche  Entwickelung  des  Dramas  aus  Teilen 
der  Liturgie  und  die  schrittweise  Loslösung  desselben  von  der  Kirche  zu  ver- 


*  Traduction  des  psaumes  de  la  Penitence  en  vers  provenfaiix  p.  p.  C.  C  h  a  b  a  n  e  a  u , 
Paris  1881   (Auch  Rev.  des  l.  r.  ly,  209—41   und  310). 

*  Paraphrase  des  psaumes  de  la  Penitence  en  vers  gascons  p.  p.  C.  Chabaneau,  Pari.s 
1886  (Auch  Re7i.  des  I.  r.  20,  69  —  85). 

^  B  a  r  t  s  c  li ,    Denkmäler  71  —  5 '.    Chabaneau,    Paraphrase    des  psaumes  ;^.=)  —  40. 

*  Bruchstücke:  P.  lleyse.  Romanische  Inedita  13  — 20;  Mihi  y  Fontanals 
353  —  7;  Bartsch,   Chresi.*  305— 8. 

*  P.  Meyer,  Ancienms  poesies  reli^ietises  6— 10;   iJers..   Rotn.    14.   53,5 — 36. 

*  Paraphrase  du  Credo  p.  p.  l'"erdinand  .-Xndre,  Marseille  1862;  p.  p.  Chaba- 
n  e  a  u  ,   Rev.  des  l.  r.   29,   243  —  46. 

"^  Suchier,  Denkmäler  I,   290. 

■*  Suchier.   Denkmäler    I,   290     91;    P.    Meyer,   Rom.    14,  491—92    und  528  — 30. 

'  P.  Meyer,  Bulhtin  de  la  Soc.  des  anc.  textes  fr.  1875,  75 — 6;  Ders. ,  Rom. 
14,  492-93;  Chabaneau,  Re7'.  des  l  r.  29,  242  -3;  Dumege,  Institutions  de  la  Ville 
de   Toulouse  IV,   199. 

'"  B  a  r  t  s  c  li ,  DeiikmäUr  5  -  .')(j  und  '.31  —  2  ;  P.  .M  c  y  e  r  ,  Derniers  Iroubadours  65  -  6 
und    107—111;   P.   lieyse,  Romanische  Inedita   13 — 20;  Archiv  50,   262  sq.  u.  s.  \v. 


54      LllTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LllT. 

folgen  ;  die  uns  vorliegenden  Mysterien  sind  sämmtlich  erst  zu  einer  Zeit  ent- 
standen ,  als  jener  Emanzipations-Prozcss  bereits  zum  Abschluss  gekommen 
war.  Dennoch  ist  bei  allen  diesen  dramatischen  Erzeugnissen  ihr  kirchlicher 
Ursprung  noch  deutlich  zu  erkennen  nicht  nur  an  dem  Charakter  ihrer  Stoffe, 
die  sämtlich  der  biblischen  Geschichte  und  der  Heiligenlegcnde  entlehnt  sind, 
sondern  auch  an  ihrer  Tendenz,  da  sie  ausschliesslich  den  Zweck  verfolgen, 
die  Zuhörer  zu  erbauen,  ihnen  jene  heiligen  Begebenheiten  anschaulich,  gleich- 
sam sinnfällig  vor  Augen  zu  führen  und  durch  dieses  Mittel  eindringlicher  auf 
sie  einzuwirken  ,  als  dies  etwa  durch  das  Anhören  einer  Predigt  oder  durch 
die  Ivektürc  eines  frommen  Buches  möglich  gewesen  wäre.  Auch  äusserlich 
trug  das  Drama  noch  lange  deutliche  Spuren  seiner  gelehrten  Abstammung 
an  sich.  Das  Lateinische ,  das  als  Amtssprache  der  Kirche  in  den  ältesten 
dramatischen  Hervorbringungen  ausschliesslich  verwandt  worden  war  und  erst 
ganz  allmählich  dem  vordringenden  Volksidiom  hatte  Platz  machen  müssen, 
behauptete  sich  noch  lange  Zeit  hindurch  wenigstens  in  der  äusseren  Ein- 
kleidung der  Stücke,  indem  nicht  nur  die  Personenverzeichnisse,  sondern  auch 
alle  Bühnenweisungen,  alle  beigefügten  Noten,  welche  sicli  auf  die  Interpretation 
der  Worte  sowie  auf  Inscenierung,  auf  Dekorationen,  Kostüme  u.  dgl.  bezogen 
und  die  oft  sehr  eingehend  waren,  nach  wie  vor  in  dieser  Sprache  abgefasst  wurden. 

53.  Wie  schon  angedeutet,  stammen  die  ältesten,  wenigstens  der  vollständig 
erhaltenen  provenzalischen  Mysterien  aus  dem  14.  Jh. ;  aus  dem  vorangehen- 
den besitzen  wir  zunächst  ein  Bruchstück  von  2  2  Versen ,  das  einst  einem 
Drama  über  den  bethleemitischen  Kindermord,'  also  einem  Weih- 
nachtsdrama angehört  hat.  Dieselben  befinden  sich  auf  drei  Stückchen  Perga- 
ment, welche  1850  bei  einer  Ausbesserung  der  Saint  -  Front  -  Kathedrale  zu 
Perigueux  in  einer  Öffnung  der  Mauer  aufgefunden  worden  sind.  Die  Verse, 
paarweise  gereimte  Achtsilbler,  sind  auf  drei  Strophen  von  4,  6  und  i  2  Zeilen 
verteilt  und  stellen  die  Rolle  einer  Nebenperson  in  dem  oben  bezeichneten 
Drama,  nämlich  eines  alten  Mannes  Namens  Morena,  dar.  Die  erste  Strophe 
enthält  die  Antwort  jenes  Morena  an  den  Seneschall,  der  ihn  zu  dem  Könige 
Herodes  entbietet,  die  zweite  seinen  Gruss  an  diesen,  die  dritte  seinen  Rat, 
alle  Knaben  unter  drei  Jahren  umbringen  zu  lassen. 

Dem  Ende  des  13.  oder  dem  Anfange  des  14.  Jh.  gehört  ein  vermut- 
lich in  der  Provence  entstandenes  Stück  an  ,  welches  in  zwei  Handschriften 
aufbewahrt  wird.  Die  eine  derselben  giebt  ihm  den  Titel  L'  Esposalizi  de 
nostra  dona  sancta  Maria  verges  c  de  Josep,  obwohl  dieser  viel  zu 
eng  ist  2.  Es  stellt  dar,  wie  Joseph  unter  allen  Bewerbern  um  die  Maria  als 
deren  Bräutigam  ausgewählt  wird ,  weil  die  in  seiner  Hand  befindliche  Rute 
allein  zu  grünen  beginnt ,  worauf  er  die  Jungfrau  heimführt.  Es  folgt  der 
Besuch  Marias  und  Josephs  bei  Elisabeth  und  Zacharias ;  Joseph  wird  durch 
die  Mitteilung  Marias,  dass  sie  sich  Mutter  fühle,  sehr  aufgeregt,  doch  der 
Engel  Gabriel,  welcher  zu  ihm  kommt,  verwandelt  seinen  Schmerz  in  Freude. 
Hieran  schliesst  sich  unmittelbar  die  Geburt  Christi  in  der  Herberge  zu  Beth- 
leem  und  die  Anbetung  der  Hirten.  Das  Drama  ist  in  achtsilbigen  Reim- 
paaren niedergeschrieben  und  zählt  in  der  einen  Handschrift  etwa  850  Zeilen, 
in   der  anderen,  allerdings  unvollständigen,  deren  664. 

Pio  Kajna,  Un  nuovo  mistero  prm'tnzale ,  Gioni.  di  fil.  rom. 
3,  106  — 9;  Ctiabaneau,  IJ E.tpozcdici  de  Nostra  Dmta,  Rev.  des  l.  r. 
20,  \\\\  sq. 

*  Fragments  d'iui  mystire  provciifal  dccüuverts  a  Perigueux  \i.  p.  C.  Cliabaneaii, 
Paris  1874  (Audi  Reii.  des  1.  r.  7,  414 — iS  und  Bidletin  de  la  Societe  historique  et  archeologüjue 
du  Perigord). 

^  Le  Mariage  de  la  Vierge  et  la  N'atlvitl-  du  Christ  |i.  |i.  P.  Mt's  er.  Rom.  14,  496 
—  öl 9.   \L'l.   Rom.    16,   71    -2. 


Drama:   Agnes.    Passion.   Jacobus.    Petrus  und  Paulus.  55 

54.  Alle  die  übrigen  uns  erhaltenen  dramatischen  Erzeugnisse  gehören,  mit 
alleiniger  Ausnahme  der  beiden  sogleich  und  der  in  5  57  zu  besprechenden 
Passionsspiele,  dem  Osten,  d.  h.  dem  zwischen  Rhone  und  den  Alpen  gelegenen 
Teile  des  Landes  an,  und  es  hat  demnach  den  Anschein,  dass  hier  das  Interesse 
fiir  geistliche  Schauspiele  besonders  rege  gewesen  ist,  obwohl  von  den  zahlreichen 
Berichten,  die  uns  über  derartige  Aufführungen  vorliegen,  einzelne  auch  anders- 
woher stammen.  Aus  dem  vierzehnten  Jahrhundert  besitzen  wir  zwei  Mysterien. 
In  dem  von  der  heiligen  Agnes',  welchem  leider  der  Anfang  fehlt,  treten 
22  Personen  auf;  es  zählt  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  1182  Verse  von 
8,  10  oder  12  Silben,  die  meist  zu  zweien,  seltener  zu  vieren  durch  den 
gleichen  Reim  verbunden  sind,  und  behandelt  das  Martyrium  jener  Heiligen. 
Der  Verfasser  hat  sich  ziemlich  eng  an  die  von  den  Bollandisten  mitgeteilte 
und  dem  h.  Ambrosius  zugeschriebene  Lebensbeschreibung  der  Agnes  ange- 
schlossen, die  er  durch  wenige  eigene  Zuthaten  erweitert  hat,  aber  er  verrät 
ein  nicht  unbedeutendes  Geschick  in  der  dramatischen  Anordnung  seines 
Stoffes.  Was  dem  Stücke  sodann  einen  erhöhten  Reiz  verleiht,  das  sind  die  an 
besonders  ergreifenden  Stellen  eingefügten  Lieder,  welche  nach  bestimmten, 
jedesmal  genau  angegebenen  Melodien,  meist  solchen  von  Volksliedern  (vgl. 
§  15),  gesungen  wurden;  es  sind  ihrer  nicht  weniger  als  18.  Im  Eingange 
des  Stückes  erfahren  wir,  dass  der  kranke  Sohn  des  römischen  Präfekten  Sem- 
pronius  die  Agnes,  die  Tochter  eines  Ritters ,  welche  heimlich  Christin  ist, 
zur  Frau  begehrt.  Der  Vater  trägt  ihr  den  Wunsch  seines  Sohnes  vor,  aber 
sie  lehnt  ab ,  wird  bei  dieser  Gelegenheit  als  Christin  erkannt  und  soll  nun 
der  Schande  preisgegeben  werden.  Christus  beschützt  sie  jedoch  durch  den 
Erzengel  Michael ,  und  es  gelingt  ihr  sogar ,  den  Sempronius  samt  seiner 
Familie  für  ihren  Glauben  zu  gewinnen.  Das  wütende  Volk  aber  zwingt 
diesen,  sein  Amt  niederzulegen,  und  wählt  den  Aspasius  zu  seinem  Nachfolger. 
Dieser  verurteilt  die  Agnes  zum  Feuertode,  aber  Engel  wehren  die  Flammen 
ab,  und  auf  die  Bitte  der  Jungfrau  sendet  Christus  den  Raphael  zu  ihr,  der 
ihr  ein  sanfles  Ende  bereitet,  und  ihre  Seele  wird  von  Engeln  unter  Gesängen 
in  das  Paradies  getragen. 

Etwa  gleich  alt  ist  (>in  noch  unediertes ,  wohl  in  der  Gascogne  ent- 
standenes Passions- Mysteri um ,  das  höher  hinaufgeht  als  die  frühesten 
uns  bekannten  französischen  dramatischen  Bearbeitungen  dieses  Stoffes.  Es 
umfasst  in  der  vorliegenden,  nicht  ganz  vollständigen  Gestalt  etwa  2400  Verse 
und  beginnt  mit  einigen  Wunderthatcn  Christi,  nämlich  der  Heilung  des  Blind- 
geborenen und  der  Auferweckung  des  Lazarus;  es  folgt  die  Vertreibung  der 
Geldwechsler  aus  dem  Tempel,  die  Szene  mit  der  Ehebrecherin,  der  Einzug 
in  Jerusalem,  das  Abendmahl,  der  Verrat  des  Judas  sowie  das  Leiden  und  der 
Tod  des  Heilandes.  Den  letzten  Teil  bildet  die  Heilung  des  Longinus,  der 
Besuch  in  der  Hölle,  die  Auferstehung  und  das  Erscheinen  Christi  bei  seinen 
Jüngern. 

Von  einem  anderen  Passionsspiele,  welches  15 10  zu  Caylux  (Dep.  Tarn- 
et-Garonne)  aufgeführt  wurde,  vermutlich  aber  ältenm  Ursprunges  ist,  hat  sich 
nur  ein  Bruchstück  von  9  Zeilen  erhalten  (paarweise  gereimte  Achtsilbler), 
in  welchem  Gott  den  Erzengel  Raphael  beauftragt,  Johannes  dem  Täufers  seinen 
baldigen  Tod  anzukündigen. 

L.  (jautier,  Un  Mystire  de  la  Passion  tu  langiie  d'oc,  Le  Monde 
14.  uvril  1876;  Sepet,  dass.,  L'Union  28.  niars  1880;  Chabaneau, 
Rev.  des  l.  r.  17,  :iol— 5;   F.  Meyer,  Daurel  et  Beton  CXIX-CXXi 

'  Sancta  Agnes,  provenzalisclies  geistliches  Schauspiel  lisg.  von  Iv.  Bartscli,  Berlin 
1869;  Le  iiiartyre  de  sainte  .ignes ,  mystire  en  vieille  langiu  provenyale  p.  p.  S  a  r  d  o  ii , 
Paris   1877  /^  mistero  prov.  di  s.  Agnese,  facs.  con  pref.  di  E.  Monaci,  Rom   1880. 


56      LllTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LiTT. 

Petit     de    Julleville,    Les  Mysieres,    Paris   l88o.    II,  98—9    und 
344 — 51;  Thomas,  Lemystere  de  la  Passion  a  Martel,  Rom.  13.4II  — 15. 

55.  Es  folgen  nunmehr  die  Stücke,  welche  aus  dem  15.  Jh.  stammen. 
Dahin  gehört  zunächst  der  Ludus  Sancti  Jacobi',  das  erste  und  lange  Zeit  auch 
das  einzige  provenzalische  Drama,  das  man  kannte.  Nur  der  Anfang,  705  Zeilen, 
und  zwar  meist  paarweise  gereimte  Achtsilblcr,  ist  auf  uns  gekommen,  und  auch 
dies  Bruchstück  verdankt  seine  Erhaltung  einem  Zufalle.  Es  wurde  1855  in  einem 
alten  Aktenbündel  auf  der  Schreibstube  eines  Notars  zu  Manosque  entdeckt.  Wir 
erfahren  in  demselben  folgendes:  Nachdem  ein  Ausrufer  um  Ruhe  gebeten  und 
ein  Bote  den  Zuhörern  den  Inhalt  des  Stückes  mitgeteilt  hat,  beginnt  die  eigent- 
liche Handlung.  Eine  Familie,  bestehend  aus  Vater,  Mutter  und  Sohn,  beschliesst, 
eine  Pilgerfahrt  zum  Grabe  des  h.  Jakob  zu  machen  ;  alle  drei  begeben  sich 
auf  die  Reise,  und  in  einem  Wirtshause,  das  ihnen  freundliche  Aufnahme  ge- 
währt ,  wird  die  lüsterne  Magd  Beatrix  von  heftiger  Liebe  zu  dem  Sohne 
erfasst.  Hier  bricht  der  Text  ab,  doch  erfahren  wir  aus  jener  Inhaltsangabe, 
dass  ursprünglich  das  Mädchen  abgewiesen  wurde  und  nun,  um  sich  zn  rächen, 
heimlich  eine  silberne  Tasse  in  den  Reisesack  des  Jünglings  legte.  In  der 
That  wurde  letzterer  des  Diebstahls  angeklagt  und  zum  Tode  verurteilt,  doch 
kam  auf  sein  Gebet  der  h.  Jakob  ihm  zu  Hülfe  und  entlarvte  die  Betrügerin, 
die  darauf  lebendig  verbrannt  wurde. 

Die  nunmehr  zu  behandelnden  fünf  Mysterien  sind  sämtlich  in  dem 
jetzigen  Departement  Hautes  Alpes,  und  zwar  in  der  Gegend  von  Briangon 
entstanden,  daher  auch  in  dem  dort  herrschenden  Dialekte  niedergeschrieben. 
Sie  sind  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten  entdeckt  worden  und  behandeln  die 
Schicksale  des  Petrus  und  Paulus ,  des  Antonius  von  Viennt^s ,  des  Pontius, 
des  Eustachius  und  des  Andreas.  Alle  sind  in  dem  fiir  diese  dramatischen 
Erzeugnisse  üblichen  Versmasse,  in  Reimpaaren  von  Achtsilblern  verfasst,  doch 
kommen  mehrfach  Unregelmässigkeiten  vor ,  die  wohl  nicht  immer  dem  Ab- 
schreiber allein  in  die  Schuhe  zu  schieben  sind.  Ist  auch  ihr  ästhetischer 
Wert  nicht  allzu  gross,  so  sind  sie  doch  in  sprachlicher  und  namentlich  in 
kulturgeschichtlicher  Hinsicht  sehr  interessant. 

Das  erste,  zugleich  das  umfangreichste,  das  Mysterium  des  Petrus 
und  Paulus^,  zählt  6135  Zeilen  und  brauchte  zu  seiner  Aufiftihrung  zwei 
Tage,  von  denen  der  erste  2296,  der  andere  3839  in  Anspruch  nahm.  Der 
Verfasser,  unzweifelhaft  ein  Geistlicher,  lebte  vermutlich  in  der  zweiten  Hälfte 
des  15.  Jh.  Unter  den  mitwirkenden  Personen,  deren  Zahl  83  beträgt,  finden 
sich  neben  den  Hauptrollen  auch  zahlreiche  Teufel,  wie  Luzifer,  Satan,  Beelze- 
bub, Astarot,  Belial,  Tartarus,  Asmodeus  u.  a.,  sodann  Goti  der  Vater  nebst 
Gabriel,  Raphael  und  anderen  Engeln,  endlich  viele  Soldaten,  Bürger,  Henker, 
Freudenmädchen  und  Kranke.  Der  erste  Teil  behandelt  zahlreiche  Wunder 
des  Apostels  Petrus  in  Jerusalem,  Antiochia  und  Rom  und  die  gegen  ihn  ge- 
richteten Intriguen  des  Magiers  Simon  ,  seines  mächtigen  Widersachers ,  dem 
es  auch  gelingt,  den  Kaiser  Claudius  Nero  für  sich  zu  gewinnen.  Erst  im 
zweiten  Teile  greift  auch  Paulus  mit  in  die  Handlung  ein,  wird  aber  zusam- 
men mit  Petrus  von  Nero  wiederholt  in  den  Kerker  geworfen  und  zuletzt 
enthauptet,  während  Petrus  den  Kreuzestod  erleidet.  Darauf  bricht  ein  Auf- 
stand gegen   den  Kaiser  aus,  und  dieser  nimmt  sich  selbst  das  Leben. 

Das  Mysterium  des  Antonius  von  Viennds"'  liegt  uns  in  einer  im 
Jahre   1503  angefertigten  Kopie  vor,  an  welcher  später  zu  zwei  verschiedenen 

*  Ludiis sancti  Jacobi,fraginent d'un  mysiere provengal t^ .^.  C.  Arnaiul.  Marseille  1858. 
'  Istoria   Petri    et    Pauli,    mystere   en   lan^iu  provengale   du   XV^   siede   p.   )>.    l^aiil 
G  iii  1 1  a  u  in  e  ,  Gap  et  Pari.s   1 887. 

•^  Lc  Mystere  de  Sa)il  Aiilhoiii  de  Viemies  Y.\^.   Paul  Giiillauuie,  Gap  et  Paris  1884. 


Drama:  Antonius  von  Viennes.    Pontius.    Eustachius.    Andreas.       57 


Malen  Veränderungen  und  Einfügungen  vorgenommen  worden  sind.  Aus 
einer  Stelle  im  Prolog  scheint  hervorzugehen ,  dass  der  Verfasser  aus  der 
Dauphind  war,  da  er  von  dem  Delphin  als  «seinem  Herrn»  spricht.  Der 
heil.  Antonius  war  auch  gerade  in  diesem  Lande  sehr  populär,  da  seine  Reli- 
quien i.  J.  1076  dorthin  überführt  worden  waren.  Die  Zahl  der  mitwirken- 
den Personen  ist  der  des  soeben  besprochenen  Stückes  etwa  gleich,  doch  ist 
ihr  Charakter  teilweise  ein  andrer,  da  hier  zahlreiche  Frauen  erscheinen,  z.  B. 
die  heilige  Maria,  die  Tante  und  die  Schwester  des  Haupthclden  nebst  ihren 
Dienerinnen  sowie  mehrere  Nonnen.  Sodann  verdient  hervorgehoben  zu 
werden ,  dass  auch  verschiedene  allegoiische  Figuren  ,  personifizierte  Laster, 
auftreten  und  dass  selbst  Löwen  mit  eingreifen.  Im  Eingange  giebt  Antonius 
seinen  Verwandten  seinen  Entschluss  zu  erkennen,  der  Welt  zu  entsagen,  und 
bleibt  auch  allen  ihren  Einwendungen  gegenüber  fest.  Er  verkauft  seinen 
gesamten  Besitz,  verteilt  den  Erlös  an  die  Armen  und  findet  in  einem  Kloster 
Aufnahme.  Er  wird  dort  schliesslich  zum  Abt  gewählt,  widersteht  mit  Hilfe 
Gottes  und  seiner  Engel  zahlreichen  Versuchungen  ,  die  an  ihn  herantreten, 
und  bei  seinem  Tode  erklärt  der  Erzengel  Michael,  dass  seine  Seele  im 
Paradiese  Aufnahme  gefunden  habe.  Es  ist  dies  der  Inhalt  der  Lebensge- 
schichte des  h.  Antonius,  welcher,  351  in  Coma  bei  Memphis  geboren ,  zu- 
erst Mönch,  dann  Abt  wurde  und  356  hochbetagt  starb. 

56.  Das  Mysterium  des  Pontius'  ist,  wie  das  von  Petrus  und  Paulus, 
auf  zwei  Tage  verteilt;  auf  den  ersten  fallen  2555,  auf  den  zweiten  2860 
Verse,  sodass  das  Ganze  5415  Zeilen  umtasst.  Bemerkenswert  ist  die  me- 
trische Form,  da  neben  dem  sonst  gebräuchlichen  Versmasse  einzeln  andere 
Metra  verwandt  werden ,  so  Strophen ,  in  denen  auf  6  —  8  Achtsilbler  mit 
gleichem  Reim  ein  Viersilbler  folgt,  der  mit  der  nächsten  Strophe  reimt, 
ausserdem  Viersilbler- Quatraiiis  mit  gekreuzten  Reimen,  sodann  Rondeaux 
u.  a.  Es  nehmen  im  Ganzen  58  Personen,  darunter  mehrere  Kaiser  und 
Päpste,  heidnische  Priester  und  Juden,  an  der  Handlung  Teil.  Diese  selbst 
stellt  das  Leben  des  h.  Pontius  dar,  welcher  von  257 —  61  Bischof  von  Cimiez 
war  und  dessen  Andenken  der  14.  Mai  gewidmet  ist.  Das  Drama  folgt  im 
Allgemeinen  ganz  treu  der  von  dem  Heiligen  überlieferten  Legende.  Dieser 
war  nämlich  als  Sohn  eines  römischen  Senators  geboren,  wird  jedoch  schon 
als  Knabe  für  den  christlichen  Glauben  gewonnen  und  bestimmt  nicht  nur 
seine  ganze  Familie,  sondern  auch  die  beiden  Kaiser,  Philippus  Vater  und 
Sohn  dazu,  dem  Heidentum  zu  entsagen.  Aber  Valerianus  und  Gallienus,  die 
Nachfolger  der  letzteren,  erlassen  strenge  Verordnungen  gegen  die  Christen, 
weshalb  Pontius  nach  Cimiez  in  Gallien  flieht,  dessen  Einwohner  er  bekehrt. 
Aber  sein  langjähriger  Feind  Claudius  wird  dort  zum  Präfekten  ernannt,  und 
nun  beginnt  seine  Leidenszeit.  Zwar  zerbricht  das  Werkzeug ,  mit  dem  er 
gefoltert  werden  soll,  und  die  Bären,  denen  er  vorgeworfen  wird,  zerreissen 
ihre  Führer,  auch  den  Flammen  des  Scheiterhaufens  entgeht  es  unversehrt; 
erst  als  ihm  auf  Befehl  des  Kaisers  der  Kopf  abgeschlagen  wird,  endet  sein 
Martyrium;  Claudius  aber  wird  von  den  Teufeln  in  die  Hölle  geschleppt. 

Das  vierte  dieser  Dramen,  in  der  einzigen  uns  aufbewahrten  Handschrift 
Moralitas  sancti  Eustacii-  betitelt,  zählt  2849  Verse,  von  denen  aller- 
dings einige  verstümmelt  sind,  und  enthält  mehr  als  60  Rollen.  Aus  einer 
Bemerkung  am  Ende  des  Manuskripts  erfahren  wir,  dass  die  uns  überlieferte 
Fassung  die  Überarbeitung  eines  älteren  Originals  ist ,    und   dass  der  Überar- 

'  Istario  de  Sanct  Foncz  p.  p.  Paul  Guiliaume,  Gap  et  Paris  l88S  iiml  Rei'.  des 
l.  r.   ;{i,  317—420  lind  461     553:  32,  .")— 24  iiiui  250-285. 

*  /jr /)^v/;?r^fl?>.SV7»Wi5'7«/«r//^p.  yi.  Pa  II 1  Gii  i  I  laume,  Gap  et  Paris  1883:  2«e(i.  1H91 
(Aiith /i'«/.  desl.r.  Ul,  105  —  22  und  2^^0—301;  22.  5— ly;  53—70;   180     99  und  209—34). 


5?       LllTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LllT. 

heiter,  Namens  B.  Chancel,  Pfarrer  in  Puy-Saint- Andre,  sein  Werk  im  Jahre 
1504  auffuhren  liess.  Der  Gang  der  Handhing,  welche  der  legcndarischen 
Geschichte  des  Heiligen  ziemlich  genau  folgt,  ist  kurz  dieser.  Ein  Feld- 
herr des  Kaisers  Trajan,  Namens  Placidas,  welcher  sich  durch  seine  Mild- 
thätigkeit  auszeichnet,  erblickt  auf  einer  Hirschjagd  in  einer  Vision  Christum 
und  lässt  sich  samt  seiner  Familie  taufen  ,  wobei  er  den  Namen  Eustachius 
annimmt.  Nun  lässt  Gott  ihn  zu  seiner  Prüfung  in  grosse  Not  kommen. 
Er  geht  mit  den  Seinen  aus  dem  Lande,  und  unterwegs  stehlen  ihm  Räuber 
seine  letzte  Habe ,  worauf  ihm  auch  noch  seine  Frau  und  Söhne  geraubt 
werden  ;  er  selbst  tritt  bei  einem  Bauern  in  Dienst.  Inzwischen  hat  der 
Kaiser  seinen  Feldherrn  überall  suchen  lassen  ,  und  es  gelingt  ihm  endlich 
nach  1 5  Jahren ,  denselben  aufzufinden.  Elustachius  wird  wieder  in  seine 
Ämter  eingesetzt,  besiegt  den  König  von  der  Türkei  und  findet  auch  nach 
dem  Tode  Trajans  seine  Gattin  und  seine  beiden  Kinder  wieder.  Sie  alle 
aber  weigern  sich,  nach  dem  Befehle  des  neuen  Kaisers  Hadrian,  Apollo  an- 
zubeten und  müssen  deshalb  den  Märtyrertod  erleiden. 

Von  dem  Mysterium  des  Andreas^  ist  uns  nur  die  zweite  Hälfte, 
nämlich  derjenige  Teil,  der  den  zweiten  Tag  ausfüllte,  erhalten.  Eine  latei- 
nisch geschriebene  Notiz  am  Schlüsse  der  Handschrift  berichtet  uns,  dass  ein 
Kapellan  Marcellin  Richard  die  uns  vorliegende  Form  des  Dramas  »redi- 
giert« habe,  was  besagen  zu  wollen  scheint,  dass  er  das  Stück  nicht  sowohl 
verfasst,  als  vielmehr  nach  einer  älteren  Version  umgearbeitet  hat.  Er  ver- 
wandte darauf  die  Zeit  vom  29.  Januar  bis  zum  20.  April  151 2,  und  am 
20.  Juni  desselben  Jahres  wurde  das  Stück  unter  Leitung  des  oben  genannten 
Pfarrers  Chancel  aufgeführt.  Der  uns  vorliegende  Teil  des  Mysteriums  um- 
fasst  2694  Zeilen,  wozu  noch  der  Prolog  ehies  anderen  Verfassers  (37  Verse) 
und  am  Schlüsse  der  Handschrift  einige  Bruchstücke  von  Szenen  (36  Verse) 
kommen ,  deren  Zugehörigkeit  zu  dem  Stücke  nicht  völlig  klar  ist.  Das 
Drama  führt  uns  das  Martyrium  des  Andreas  vor  Augen.  Aegeas,  König  von 
Achaia,  befiehlt,  die  Götzen  anzubeten,  und  da  der  Apostel  sich  weigert,  zu 
gehorchen ,  so  muss  er ,  wie  einst  sein  Meister ,  am  Kreuze  sterben.  Das 
Stück  schliesst  mit  dem  Tode  des  von  Gewissensbissen  gepeinigten  Königs, 
der  seinen  Leib  und  seine  Seele  den  Teufeln  vermacht. 

57.  Etwa  derselben  Zeit  wie  die  fünf  soeben  kennen  gelernten  Mysterien 
gehört  eine  Sammlung  von  Dramen  an,  welche  Ende  1888  von  dem  Ober- 
stabsarzt L.  de  Santi  unter  den  Familienpapieren  des  Schlosses  La  Barthe 
(Dep.  Gers)  entdeckt  und  welche  um  1470,  vermutlich  in  Rouergue  nieder- 
geschrieben ist^.  Das  vierte  Stück  derselben  »Lo  Jutjamen  de  Jesus  de  Nazaret« 
ist  offenbar  identisch  mit  einem  gleich  betitelten  Drama ,  das  nach  einer 
auf  uns  gekommenen  Notiz  am  3.  April  1440  in  der  Stadt  Rodez  aufgeführt 
wurde.  Die  Entstehungszeit  der  Sammlung  fällt  demnach  vor  jenen  Termin,  doch 
wissen  wir  nicht,  wer  ihr  Verfasser  gewesen  ist.  Sie  enthält  acht  vollständige 
Stücke  nebst  mehreren  Fragmenten,  und  alle  mit  Ausnahme  des  letzten,  bilden 
Teile  von  dem  Cyklus  der  Passion;  es  fehlen  jedoch  einige  der  gewöhnlich 
dazu  gehörigen  Dramen,  z.  B.  das,  welches  das  Leiden  selbst  darstellt.  Das 
letzte  »das  jüngste  Gericht«  stammt  unzweifelhaft  von  demselben  Dichter  und 
bildet  gleichsam  eine  Fortsetzung  zu  den  übrigen.  (Gedruckt  ist  bisher  nur 
das  erste,  die  Schöpfung  mit  8  Personen  in  302  Versen,  welche  sich  eng 
an  den  Bericht  der  Bibel  anschliesst^.     Unter  den  übrigen  verdient  das  schon 

^   Lc  JMystcrc  de  saiiit  Andre,  ])ar  Marcellin   Kiclianl   p.   p.   l'aWbr  J.  l'"azy,   Aix  lb8;{. 
'^  \.  Thüinas,    Notke    snr    im    recueil   de    mystcrcs  prin<ciii;ait.\    du    (/i(inzie»ie    snr/e, 
AnitaUs  du  Midi  11,  385  -418. 


Drama:  Passions-Cyklus.  —  Prosa:  Geistliche.    Bibelübersetzungex.     59 


genannte  vierte,  das  1064  Zeilen  zählt,  in  sofern  besondere  Beachtung,  als 
es  ein  Mittelding  zwischen  einem  Mysterium  und  einer  Moralität  ist,  weil 
allegorische  Personen  darin  auftreten.  Natura  humana  begiebt  sich  nämlich 
in  der  Kleidung  eines  alten  Mannes  aus  der  Hölle  zu  Gott  und  beklagt  sich, 
dass  sie  nicht  aus  der  Hölle  befreit  worden,  wie  ihr  von  den  Propheten  im 
Namen  Gottes  versprochen  sei.  .\ls  Gott  erwidert ,  er  habe  seinen  Sohn  zu 
jenem  Zwecke  gesandt,  mehr  könne  er  nicht  thun ,  verklagt  Natura  humana 
Jesum  vor  den  Richtern  des  »Gesetzes  der  Natur«,  deren  Vorsitz  Adam  führt, 
und  diese  erklären,  Jesus  müsse  sterben.  Seine  Mutter  Maria  appelliert  an 
den  Gerichtshof  des  »Gesetzes  der  Schrift«  dem  David  präsidiert ,  doch  be- 
stätigt dieses  das  erste  Urteil.  Eine  neue  Berufung  an  den  Hof  des  »Gesetzes 
der  Gnade«,  den  der  h.  Johannes  leitet,  hat  den  gleichen  Erfolg,  und  damit 
ist  die  Verurteilung  eine  endgültige  geworden.  Maria  wird  ohnmächtig,  doch 
rufen  Bonne  Patience  und  Jesus  sie  ins  Bewusstsein  zurück  und  trösten  sie. 
Die  übrigen  Stücke  behandeln  die  Auferweckung  des  Lazarus,  das  Mahl 
bei  Simon  und  den  Einzug  in  Jerusalem,  die  Auferstehung,  Joseph  von  .\ri- 
mathia,  endlich  die  Ausgiessung  des  heiligen  Cieistes. 

Petit  de  Julleville,  Les  Mysiercs,   Paris   1880,  II,  564 -8. 

PROSA. 

mmer  erst  nach  der  Poesie  erfolgt  bei  allen  modernen  Völkern  zeitlich 
die  Entwickclung  der  Prosa  als  Litteraturgattung.  Man  hielt  eben  bei 
jedem  Erzeugnisse  der  Litteratur  die  gebundene  Form  für  unbedingt  not- 
wendig, während  die  Wissenschaft  sich  damals  fast  ausschliesslich  des  Latei- 
nischen bediente.  So  tritt  denn  auch  im  Prozenzalischen  die  Prosa  erst  verhältnis- 
mässig spät,  mit  geringen  .ausnahmen  nicht  vor  dem  13.  Jh.,  in  den  Vorder- 
grund, und  auch  da  ist  es  ihr  nicht  gelungen,  Werke  von  irgendwie  hervor- 
ragender Bedeutung  zu  erzeugen,  Stil  und  Ausdruck  sind  in  ihren  Hervor- 
bringungen einfach  und  schlicht ,  ja  oft  ärmlich,  ungelenk  oder  schwerfällig, 
und  sie  bleibt  weit  hinter  dem  Reichtum,  der  Schmiegsamkeit  und  der  Fonn- 
vollendung  zurück,  welche  der  Poesie,  besonders  der  Lyrik,  eigen  sind  und 
welche  dieser  einen  so  bestrickenden  Glanz  verleihen. 

Wenn  wir  von  den  Urkunden  und  sonstigen  Schriftstücken  absehen, 
welche  rein  praktischen  Zwecken  dienten,  daher  mit  der  Litteratur  nichts  zu 
thun  haben,  so  war  es  in  erster  Linie  wiederum  die  Kirche,  welche  sich  der 
prosaischen  Form  der  Sprache  bediente,  nämlich  in  all  den  Fällen  ,  wo  sie 
sich  an  das  Volk  wenden  wollte,  da  dieses  ja  die  offizielle  Ausdrucksweise 
der  Kirche  nicht  verstand.  Die  hierher  gehörigen  Denkmäler  sind  Über- 
setzungen fremder,  meist  lateinischer  Originale,  sodann  Heiligengeschichten, 
endlich  sonstige  erbauliche  Schriften.  Ihnen  gegenüber  treten  die  Profan- 
werke in  die  zweite  Linie ;  wir  besitzen  Arbeiten  historischen  Charakters  und 
wissenschaftliche  Abhandlungen,  während  die  Roman  litteratur  so  gut  wie  gar 
nicht  vertreten  ist. 

A.  GEISTLICHK  PROSA. 
I.    ÜBERSETZUNGEN. 

59.  Unter  den  Übersetzungen  stehen  die  von  der  Bibel  oder  von  Ab- 
schnitten derselben  obenan.  Ich  zähle  nur  diejenigen  auf,  welche  l)ereits, 
sei   es  ganz,  sei  es  teilweise,   herausgegeben  worden  sind. 


6o      LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LllT. 

Dahin  gehört  zunächst  eine  Übersetzung  der  Kapitel  13 — 17  des  Johan- 
nes-Evangeliumsi,  die  aus  dem  11.  Jh.  stammt,  daher  das  älteste  uns 
bekannte  Erzeugnis  der  provenzalischen  Prosa  darstellt.  Aus  späterer  Zeit 
besitzen  wir  folgende  Übersetzungen.  Dem  13.  Jh.  gehören  vier  solche  des 
Neuen  Testamentes  an;  die  eine,  mehr  freie,  stellenweise  etwas  gekürzte, 
ist  in  der  Handschrift  2425  der  Pariser  National-Bibliothek  erhalten,  welcher 
jedoch  die  ersten  31  Blätter,  d.  h.  das  Matthäus-  und  die  ersten  17  Verse 
vom  Marcus  -  Evangelium  fehlen;  von  ihr  ist  bisher  nur  Lucas  7,  36  —  50^, 
sodann  das  Evangelium  Johannis^  und  der  Epheser-Brief*  publiziert. 
Die  zweite,  zu  Lyon  befindliche,  sogenannte  Albigenser- Version,  ist  neuer- 
dings vollständig  herausgegeben  worden  •'',  nachdem  schon  früher  ein  Teil,  das 
Johannes-Evangelium,  erschienen  war''.  Die  dritte,  die  allerdings  nur  in 
einer  Handschrift  aus  dem  15.  Jh.  (B.  N.  fr.  6261},  welche  mehrfache  Lücken 
und  Umstellungen  aufweist,  vorliegt,  schliesst  sich  ebenfalls  nicht  eng  an  den 
lateinischen  Text  an,  sondern  kürzt,  erweitert,  umschreibt  oder  erläutert  ihn 
zuweilen.  Von  dieser  sind  bisher  erst  geringe  Proben  abgedruckt  7.  Endlich 
ist  kürzlich  ein  Bruchstück  einer  noch  anderen  Übersetzung  entdeckt  worden, 
welches  den  Schluss  des  Matthäus-  und  den  Anfang  des  Marcus-Evangeliums 
enthält*^  und  welches  stellenweise  mit  der  zuletzt  genannten  Übersetzung  wört- 
lich übereinstimmt ,  sodass  also  für  beide  sei  es  ganz  sei  es  teilweise  der 
gleiche  Ursprung  anzunehmen  ist. 

Die  Übersetzungen  des  Alten  Testamentes  gehen  nicht  so  weit  znrück. 
Eine  freie  Übertragung  der  historischen  Teile  desselben  und  einiger  Apo- 
kryphen (Bücher  Mosis,  Josua,  Richter,  Könige,  Tobias,  Daniel,  Susanna, 
Judith,  Esther,  Maccabäer),  im  14.,  vielleicht  erst  im  15.  Jh.  angefertigt,  und 
zwar  nicht  nach  einer  lateinischen,  sondern  einer  französischen  Vorlage,  be- 
findet sich  in  dem  Manuskript  242O  der  National-Bibliothek,  woraus  Susarina^, 
Esther^**  und  Tobias  '^  bereits  gedruckt  sind,  während  von  einer  etwas  älteren, 
welche  sich  auf  das  ganze  Alte  Testament  erstreckt  und  die  in  mehreren  Hss. 
vorliegt  (vgl.  Rom.    19,   557,  Anm.    i)  bisher  nichts  ediert  ist. 

Endlich  ist  hier  die  Waldenserbibel  zu  nennen,  die  in  Wirklichkeit 
jedoch  nur  das  Neu()  Testament  ganz  enthält,  von  dem  Alten,  resp.  den  Apo- 
kryphen, bloss  5  Bücher  (davon  einige  unvollständig),  nämlich  die  Sprüche, 
den  Prediger,  das  Hohelied  und  die  Weisheit  Salomos,  sowie  das  Buch  Jesus 
Sirach.  Die  5  Handschriften  derselben  befinden  sich  in  Carpentras  und  Dub- 
lin, Grenoble  und  Cambridge  (unvollständig),  endlich  Zürich  (enthält  nur  das 
N.    T.)    und    zerfallen    in    drei    Gruppen.      Veröffentlicht    ist    die    Züricher 


'  Bartsch,   Chrest.*  y— 18. 

-  Chnbaneau,  Sainte  Marie  Madeleiiie  dans  la  litt.  prov.  195  6  (Auch  Rev.  des  l. 
r.   2g,   275). 

'  G  i  1 1  y ,  The  Romaunt  Version  of  tlie  Gospel  according  to  St.  yolitt ,  ;?  ~  yo  und 
L'Evangüe  Selon  Saint  yean  envietix  provemal  p.  [).   Wollenberg.    Programm,  Berlin  1868. 

^  Epitre  de  saint  Paul  aiix  Ephcsiens  p.  p.   Wollenberg,  Arch.  28,  75  —  85. 

'  Le  Nouveau  Testament  tradtiit  au  XIII^  s.  tn  langiie  pi'oveHfale  stiivi  d^un  rituel 
cathare,  reproduction  photolithographiipue  du  ms.  de  Lyon  \).  p.   L.   Cledat,  Pari.s    t888. 

"  I'hvangile  selon  Saint  Jean,  en  pro7'eni;al  du  XIIP  .wcle  p.  [i.  W.  Köister, 
Ren.  des  l.  r.   \\\,   105-25   und   157  — 7g. 

■^  S.  Berger.  Rom.   19,  5;-}8  -  48. 

^  1*.  Meyer,  Fragment  a'une jjersioit  pnn'ejii:ale  ißiconnue  du  nouveau  Icstamcnt,  Rom. 
18.   4;{u— 38;   vgl.   ib.  523. 

'  1.0  libre  de  Snsanna  \).  p.   Wollenberg,  Arch.  28,  85—88. 

'*'  Lo  libre  de  Ester  la  re'yna  etc.  p.  p.  Wollenberg,  Arch.  ;5o,    159  —  67. 

"  /,()  lihre  de  l'esloria  e  de  la  7>idn  de  7W>ias  l>on  home  e  /usl  [i.  [>.  Wollenberg, 
Arch.   ;52,  337     52. 


Prosa:  Gkistuche.   ÜbkrsktzUxNGen.   Heiligenleben.  6i 


Version  ganz',  ausserdem  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn^  (Lucas 
15,  n — 32)  und  das  Evangelium  Johannis^,  beide  nach  dem  Dubliner 
Manuskript,  das  erste  Kapitel  letzteren  Evangeliums  auch  nach  dem 
von  Grenoble  und  Zürich*;  ausserdem  Kapitel  5  des  Lucas^^,  Kapitel 
9  der  Apostelgeschichte^'  und  Kapitel  5  des  Ephcser-Briefes'^,  alle 
drei  nach  der  Handschrift  von  Carpentras.  Endlich  ist  das  Hohelied  zwei- 
mal herausgegeben  ,  einmal  zugleich  mit  einer  in  Genf  befindlichen  walden- 
sischen  Auslegung  desselben**,  sodann  der  Text  des  Liedes  allein  nach  der- 
selben Genfer  Handschrift  mit  den  Varianten  der  Dubliner''.  Es  ist  möglich, 
dass  diese  Bibelübersetzung  mehr  oder  weniger  unmittelbar  von  derjenigen 
stammt,  welche  der  l)ekannte  Petrus  VValdus  um  das  Jahr  lys  von  Stephan 
d'  Ansa  nach  der  Vulgata  anfertigen  Hess  und  11 79  auf  dem  lateranischen 
Concil  dem  Papste  Alexander  IIL  überreichte. 

S.  Yitxs.ei' .  Les  Bihks  formen cales  et  vaudoises.  Rom.  iH.  ;{53 — 422-. 
P.  M  e  V  e  r  .  Reclurches  linguistüiues  siir  Porigine  des  veisiotts  prcn^engaUs 
du  iioiweau  lestameiii,  Rom.  18.  42:^— 9;  S.  Beiger.  Notevelies  recher- 
ches  sur  les  hihles  pnn'efnaks  et  catalams.  Rom.   19.  505 — 61. 

60.  Die  übrigen  Übersetzungen  stehen  an  Bedeutung  erheblich  zurück.  Wir 
besitzen  eine  im  13.  Jh.  angefertigte  der  Regeln  des  ßenediktincrordens '•', 
sodann  diejenige  von  einer  dem  Origencs  zugeschriebenen  Predigt  über  Maria 
Magdalena*',  die  von  dem  Libcr  scintillarum  des  Beda  Venerabilis,  d.  h. 
einer  sachlich  geordneten  Sammlung  von  Aussprüchen  der  Apostel  imd  Kirchen- 
väteri-,  die  der  Legenda  aurea  desjacobus  a  Vo ragine,  aus  welcher  nur  das 
in  ^  61  zu  erwähnende  Leben  der  heiligen  Maria  Magdalena  veröffentlicht 
ist,  die  eines  theologischen  Werkes  des  Honorius  Augustodunensis,  das 
den  Titel  fuhrt  Elucidarium  sive  dialogus  summam  totius  christianae 
theologiae  breviter  complectens*'*,  endlich  die  vermutlich  in  der  ersten 
Hälfte  des  14.  Jh.'s,  und  zwar  wahrscheinlich  in  Rouergue,  angefertigte  der 
viel  gelesenen  Chronik  des  Pseudo-Turpinus^^.  Alle  bisher  genannte  sind 
Übertragungen  lateinischer  Vorlagen  ;  aber  auch  altfranzösische  Abhandlungen 
sind  übersetzt  worden,  so  das  Doctrinal  aus  simples  gens  des  Gui  de 
Roie  im  15.  Jh.  unter  dem  Titel  Lo  Doctrinal  de  Sapiensa*^;  ebenso 
besitzen  wir  eine  andere,  über  die  Tugenden  und  Laster,  welche  den 
Titel  Somme  le  Roi  führt,  weil  der  Beichtvater  Philipps  IIL  von  Frank- 
reich, der  Predigermönch  Laurent,  sie  für  den  König  auf  dessen  Bitte  nieder-- 
geschrieben  hat,  in  einer   provenzalischen  Fassung    aus    dem    14.  Jh.  i^     Ein 

'  n  Nitovo  TestaTnento  valdese,  secotido  la  lezione  del  Codice  di  Zur  ig  0,  edito  da  C.  Sa  1- 
vioni,  Archivio  glottologico  11,    1  -  307. 

2  h.sg.  von  Grözm acher,  Jahrbuch  4.  373     4- 

^  Gil  ly,  The  Romaunt  Version  of  the  Gospel  according  to  St.  John  3 — yo  (in  Parallei- 
Colonne  mit  der  in  §  56  Anm.   2  erwähnten  Version). 

*  Gilly,  L  c.  XXVIII-XXX;  XLIV— XLVII;  LII-LIV. 

*  Fragments  d'ttne  traduction  de  la  Bible  en  langue  romane  p.  p.  H.  de  la  Comhe. 
Rev.  des  l.  r.  23.  209— 221. 

*  ibidem. 
^  ibidem. 

*  Herzog,  Zeitschrift  für  die  historische   Theologie  40  (1870),  516     62. 
»  Derselbe,  ebendort  31   (1861).  593-600. 

10  Bruchstück:  Bartsch,   Chrest.*  23 1— 4- 

"  Chabaneau.  Sainte  Marie  Madeleine  dans  la  liä.  proz>.    Paris   1887.  35 — 5ö« 

>2  ISruchstück:  Bartsch,   Chrest.*  233  —  8. 

'*  p.  p.  Georges  Reynaud,  Rev.  des  l.  r.  33.  217 — 50. 

1*  Der  provenzalische  Pseudo-Turpin   hrsg.  von  O.  Schultz,  Ztschr.   14,  467 — 520. 

"  Ein  Abschnitt  daraus  hsg.  von  N  o  u  1  e  t ,  Un  texte  roman  de  la  legende  religieuse 
rAnge  et  l'Ermite,  Rev.  des  l.  r.   18.  261— 64. 

**  Bruchstücke:  Bartsch,  Chrest.*  345 — 50  und  P.  Meyer,  Documents  manuscrits 
de  l'ancienne  litt.  fr.  Paris   1871,  265 — 8. 


62      LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    2.    PrOV.    LlTT. 


Abschnitt  dieses  Werkes,  die  Auslegung  des  Vaterunsers  enthaltend,  liegt  in 
besonderer  Bearbeitung  vor'.  Eine  in  einer  Pariser  Handschrift  autbewahrte 
Sammlung  von  Übersetzungen  lateinischer  Werke  wird  der  zweite  Band 
von  Suchiers  »Denkmälern«   enthalten. 

2.    HEILIGENLEBEN  UND    LEGENDEN. 

6i.  Obwohl  die  meisten  Lebensbeschreibungen  der  Heiligen  in  dichte- 
rische Form  gekleidet  sind  (vgl.  j^  36;,  so  liegen  doch  auch  einige  in  unge- 
bundener Rede  vor.  Dem  13.  Jh.  gehören  folgende  an.  Zunächst  eine 
Sammlung  von  Heiligengeschichten  und  Legenden-,  die  stellen- 
weise die  Form  von  Predigten  haben  und  die  mehr  oder  weniger  freie  Bear- 
l)eitungen  von  lateinischen  Vorlagen  sind.  Da  die  ersten  und  letzten  Blätter 
der  Sammlung  verloren  gegangen  sind,  so  wissen  wir  über  den  V^erfasser 
nichts.  Das  Leben  des  Benedikt"',  das  auch  unter  den  Übersetzungen 
hätte  aufgeführt  werden  können ,  da  es  eine  ziemlich  treue  Übertragung  der 
lateinischen  Vita  ist,  berichtet,  wie  der  Heilige  auf  Christi  (ieheiss  und  mit 
dessen  Hülfe  bei  Avignon  eine  Brücke  über  den  Rhonefluss  erbaute ,  woran 
sich  die  Zeugenaussagen  zur  Bestätigung  des  Wunders  schliessen.  Das  Leben 
der  Doucelina*,  der  um  12 15  geborenen  Tochter  eines  reichen  Kaufmanns 
aus  Digne ,  später  Begründerin  der  Beguinenniederlassungen  zu  Hy6res  und 
Marseille  sowie  Beraterin  Karls  von  Anjou,  ist  ein  Originalwerk,  da  es  auf 
den  P>lebnissen  und  Mitteilungen  von  Augenzeugen  beruht.  Es  ist  nach 
dem  Tode  der  Heldin  (7  am  i.  Sept.  1274J,  und  zwar  vermutlich  kurz  vor 
dem  I.  Sept.  1297,  wo  es  zum  ersten  Male  in  dem  Bcguinenkloster  zu  Mar- 
seille vorgelesen  wurde,  niedergeschrieben  worden  ;  später  hat  es  jedoch  noch 
einige  Zusätze  erhalten.  Die  Verfasserin  war  selbst  eine  Beguine,  höchst  wahr- 
scheinlich Philippine  von  Porcellet  aus  Marseille.  Die  Lebensbeschreibungen 
der  Maria  Magdalena^'  (vgl.  J^  36)  und  der  Martha^  sind  der  in  «^  60  be- 
sprochenen provenzalischen  Version  der  Legenda  aurea  entnommen ;  diejenigen 
des  Elzear  und  der  Delphine,  (iräfin  von  Ariano,  die  etwa  aus  dem  Ende 
des   13.  Jh.  stammen,  befinden  sich  beide  in  einer  Handschrift  zu  Paris". 

Im  Anfange  des  14.  Jh. 's  schrieb  Marguerite  von  Oyngt,  Priorin  des 
Klosters  Poletein,  und  zwar  nicht  lange  vor  ihrem  am  11.  Februar  1311  er- 
folgten Tode,  in  franko-provenzalischem  Dialekt  die  Geschichte  der  heiligen 
Beatrix  von  Ornacieu,  in  welcher  sie  mit  warmer  Begeisterung  die  Tugen- 
den, die  Selbstkasteiungen  und  die  frommen  Thaten  ihrer  Heldin  schildert, 
welche  erst  kurz  vorher  (1305  oder  1309)  als  Nonne  gestorben  war^.  Auch 
von  dem  Honoratus,  dessen  Leben  wir  in  dichterischer  Form  bereits  kennen 
gelernt  haben  (§  36),  liegt  eine  Biographie  in  Prosa  vor,  doch  ist  sie  noch 
nicht  herausgegeben.  Endlich  kennen  wir  noch  zwei  im  14.  Jh.  entstandene 
Sammlungen  von  Heiligenleben  ;  die  eine,  bruchstückweise  überliefert,  enthält 
nur  kurze  Notizen  über  die  einzelnen  Heiligen^,    von    der  anderen,    in    der 


1  Bruchstöcke:  P.  Meyer,  Rom.   14,  532—33- 

^  Legendes  pieuses  en  priwengal  p.  p.  C.  Cliabaneau  et  G.  Raynaud,  Rev.  d.  L  r. 
34-  '-ioy     303. 

^  La  vie  de  Saint  ßenezet  p.  p.  Albanes,  Marseille   1876. 

*  La  vie  de  Sainte  Dottceline  p.  p.  Albanes,  Marseille   1879- 

"  Chabaneau,  Sainte  Marie  Madeleine  dans  la  litt.  prov.  Paris   1887,  7 — 34- 

«  ib.  200—204  (Auch  Rev.  des  l.  r.   29,  279—83). 

'  Bruchstück:  P.  Meyer,  Recueil  \ä,b  —  ^. 

**   Oetcvres  de  Marguerite  d'Oyngt  p.  p.  Philipon,  Lyon   l877- 

*  J'ragtnefits  de  vies  de  saints  en  langne  romane  du  XI V  siecle  p.  p.  Dumas  de 
Rauly,  Bulletin  de  la  Socictc  archeologique  de  Tarn-et-Garonne  12,  117  sq.  und  von  Clia- 
banean,  Rev.  des  l.  r.   2<),  44-   4''>- 


Pkosa:  Geisi'uche.   Legenden.    Erbauungs werke.  63 

Bibliothek    des  Lord  Ashburnham  befindlichen ,    ist    bisher    nur   die  Vita    der 
Patronilla  und  Felicula  gedruckt. '. 

Lefort,    La  legende   de  S.  Bhiezei  etc.    Le  Maus     1878.    —    Hisi. 
Litt.  29.  526—46.   —  Hist.  Litt.  20,  305-2.'?. 

62.  Unter  den  sonstigen  legendarischen  Stoffen  verdient  zunächst  eine 
Sammlung  von  Wunderthaten  der  Jungfrau  Maria  hervorgehoben  zu 
werden  2.  Es  sind  1 3  kurze  Erzählungen  von  Begebenheiten ,  in  denen  die 
heilige  Jungfrau  thätig  eingreift,  indem  sie  den  Bedrängten  beisteht,  die  Pflicht- 
vergessenen ermahnt  und  die  Anschläge  der  Bösen  vereitelt.  Die  bereits  in 
5  44  besprochene  Sage  von  der  Sendung  des  Seth  ins  Paradies  und 
der  Geschichte  des  Kreuzholzes  Christi  liegt  in  zwei  Gestaltungen-^ 
vor,  die  aus  zwei  verschiedenen  lateinischen  Versionen  hervorgegangen  sind. 
Ähnlich  verhält  es  sich  mit  einer  anderen  Sage,  dem  Besuch  des  Apostels 
Paulus  in  der  Unterwelt*,  den  dieser  in  Begleitung  des  Erzengels  Michael 
imternahm,  bei  welcher  Gelegenheit  Christus  auf  ihre  Bitte  den  Verdammten  von 
Sonnabend  Abend  bis  Montag  früh  Befreiung  von  ihren  Qualen  gewährte. 
Auch  diese  geht  auf  eine  lateinische  Vorlage,  die  »Historia  Pauli  descendentis 
cum  archangelo  Michaele  ad  inferos«  zurück.  Die  Beschreibung  der  Höllen- 
strafen bildet  auch  deli  Inhalt  zweier  anderer  Legenden,  der  Reise  des 
heiligen  Patricius  ins  Fegefeuer,  von  Raimon  von  Perilhos  am  Ende 
des  14.  Jh.  vcrfasst,  und  die  Vision  des  Tungdalus^  eines  irischen  Ritters, 
ebenfalls  auf  lateinischen  Quellen  beruhend.  Eine  andere  wunderbare  Sage, 
die  Zerstörung  Jerusalems,  von  der  schon  einmal  (§  44)  die  Rede  ge- 
wesen ist,  ist  auch  in  prosaischer  Form  auf  uns  gekommen".  Die  Quelle 
derselben  ist  noch  nicht  aufgefunden  worden.  Schliesslich  sei  noch  erwähnt, 
dass  auch  die  im  Mittelalter  weit  verbreitete  Legende  von  Barlaam  und 
Josaphat  in  provenzalischer  Prosabearbeitung  vorliegt".  Dies  ist  bekannt- 
lich die  sagenhafte  Geschichte  des  Buddha ,  der  als  Sohn  eines  indischen 
Königs  geboren,  der  Üppigkeit  des  Hofes  entfloh,  um  ein  ascetisches  Leben 
zu  fuhren.  Die  christliche  Sage  bemächtigte  sich  dieses  Stoffes ,  liess  den 
Prinzen  unter  dem  Namen  Josaphat  von  dem  frommen  Einsiedler  Barlaam 
zum  Christentum  bekehrt  werden ,  und  schliesslich  wurden  beide  unter  die 
Heiligen  aufgenommen.  Alle  abendländische  Fassungen  dieses  Stof!es  sind 
mittelbar  oder  unmittelbar  aus  einer  griechischen  Erzählung  hervorgegangen, 
die  ums  Jahr   1000  ins  Lateinische  übersetzt  worden  ist. 

Muss.ifia.  Siil/a  visione  di  Tundalo,    Vienna   1871. 

3.    SONSTIGE    WERKE    ERBAULICHEN    CHARAKTERS. 

63.  Wir  beginnen  mit  den  Predigten.  Es  kommen  zunächst  zwei  in 
der  gleichen  Handschrift  aufbewahrte  Sammlungen  in  Betracht,  die  bis  ins 
12.  Jh.  zurückgehen,  daher  nächst  der  frühesten  Übersetzung  des  Johannes- 
Evangeliums  (^  59)  das  älteste  litterarische  Prosadenkmal  des  Provenzalischen 
darstellen.      Die   erste    Sammlung,    aus    dem    Anfange    des  Jahrhunderts, 


*  P.  Meyer.  Recneil  136—38. 

-  Miracles  de  Notre  Dame  en  provertfa/  p.  p.  J.  Ulrich,  Rom.  8.   1 :  —  28. 
'  Siichier,  De7ikviäler  I,   165  — 200;    die  eine  aucl;  bei   Graf.    Un  tesL^  proveiizale 
della  leggenda  della   Croce,  Giorn.  di  fil.   rom.  4,  99— 104. 

*  Bartsch,  Denkmäler  310—13. 

*  Du  Mege,  Voyage  au  piirgatoire  de  Saint  Patrice  par  Perilhos  et  lo  libre  de  Tindal, 
Toulouse   1832. 

8  La  Prise  de  jferusalem  ou  Lm  Vengeance  du  Sawveur  p.  p.  C.  Cliabaneau.  Paris 
1890,  sowie  Rev.  des  l.  r.  32,  581—608;  33,  31—46  und  600— 609. 

■^  Bruchstücke :  Bartsch,  Lesebuch  1 66  —  74 ;  Chrest*  353  —  60 ;  Barlaam  wid  Josaphat, 
französisches   Gedicht   des    13.  Jlis    hsg.   v.  Zoten!. erg   und  Meyer,  352-6. 


64      LriTERAmROESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    2.    PrOV.    LllT. 

umfasst  deren  i8,  die  zweite,  etwa  50  Jahre  später  niedergeschriebene, 
deren  12'.  Diese  Predigten ,  welche  sich  auf  die  verschiedenen  kirchlichen 
Feste  beziehen,  und  die  von  nicht  geringer  Begabung  des  Verfassers  zeugen, 
sind  jedoch  wohl  nicht  Originalwcrke ,  sondern  vermutlich  zuerst  lateinisch 
niedergeschrieben  gewesen  und  dann  frei  übertragen  worden ;  von  drei  dieser 
Predigten  findet  sich  eine  Übersetzung  sogar  in  beiden  Sammlungen  zugleich. 
Von  einigen  jüngeren  l*redigten  (13.  oder  14.  Jh.),  sind  bisher  nur  kleine 
Bruchstücke  veröffentlicht  worden'*,  während  eine  solche  aus  dem  15.  Jh., 
Johannes  den  Täufer  betreffend,  gedruckt  vorliegt  3.  tJber  eine  Predigt  von 
der  Maria  Magdalena  vgl.   ^   60. 

Etwa  um  1300  ist  von  einem  uns  nicht  bekannten  Verfasser  eine  mora- 
lisierende Abhandlung*  niedergeschrieben,  die  allerdings  nicht  vollständig 
auf  uns  gekommen  ist.  Sie  spricht  in  einzelnen  Abschnitten  über  die  Reue, 
über  die  Mittel,  Versuchungen  von  sich  fern  zu  halten  oder  denselben  nicht 
zu  unterliegen,  über  die  Wege ,  welche  zur  Vervollkommnung  führen ,  über 
die  verschiedenen  Arten    der  Furcht  u.  dgl. 

Erbaulichen  Inhaltes  ist  auch  ein  Werk  der  bereits  erwähnten  (^  61) 
Marguerite  von  Oyngt,  das  in  der  Handschrift  den.  Titel  führt  Speculum 
sanctae  Margaretae  virginis,  priorissae  de  Poleteins^;  es  hat  die 
Form  einer  Vision,  die,  wie  die  Verfasserin  vorgiebt,  eine  ihr  bekannte  Person 
gehabt  habe.  Sie  berichtet  nun  in  3  Abschnitten ,  wie  Christus  derselben 
erschienen  sei ,  und  zwar  mit  einem  wund(^rbaren  Buche  in  der  Hand ,  an 
dessen  Beschreibung  sie  allegorische  Deutungen  knüpft,  um  schliesslich  von 
der  Glückseligkeit  zu  sprechen ,  die  Gott  seinen  Getreuen  zu  Teil  werden 
lässt.  Ein  Werk  aus  dem  14.  Jh.  über  die  sieben  Schmerzen  und  die 
sieben  Freuden  der  Jungfrau  Maria  (vgl.  ;^  44J,  welches  in  die  Form 
eines  Gebetes  an  dieselbe  gekleidet  ist,  kennen  wir  bisher  nur  auszugsweise*. 
Ähnlichen  Charakters  ist  eine  unter  dem  Titel  Salve  regina  en  romans''^ 
überlieferte  provenzalische  Umschreibung  einer  sehr  beliebten  Antiphona,  in 
welcher  schwärmerische  Worte  der  Verehrung  zugleich  mit  dem  Gesuche  um. 
Fürbitte  an  die  Gottesmutter  gerichtet  werden.  Eine  Beicht formel*^  spricht 
in  10  Abschnitten  das  Bekenntnis  der  verschiedenen  Sünden  aus,  und  zwar 
in  ziemlich  engem  Anschluss  an  den  Katechismus.  Umgekehrt  geben  7  Prae- 
cepta  moralia^  (ein  achtes  in  metrischer  Form  ist  vielmehr  eine  Beicht- 
formel) ,  die  sich  in  derselben  Handschrift  befinden ,  wie  die  oben  an  erster 
Stelle  aufgeführten  Predigten ,  moralische  Erläuterungen  und  Vorschriften  in 
Betreff  der  Sakramente,  der  Werke  der  Barmherzigkeit ,  der  i  o  Gebote ,  der 
Busse  und  des  Glaubens,  während  eine  Aufzählung  der  7  Sakramente, 
7  bonitates,  7  Todsünden,  7  Tugenden  und  der  10  Gebote'^  zur 
Belehrung    der  Laien    bestimmt   ist.     Kirchlich  -  liturgischen  Zwecken    endlich 

*  Sermons  et  preceptes  religieux  en  langue  (foc  du  dmizüim  stiele  p.  p.  Cha  lia  neun, 
Rerj.  des  l.  r.  18,  105 — 46;'  22,  158  — 179;  23,  53  —  69  und  157 — 69;  Sermons  du  douzümc 
siede  en  vietix  provengal  p.  p.  Armitage,  Heilbronn   1884. 

^  P.  Meyer,  Documenis  manuscrits  de  l'ancienne  litt,  de  la  France,  Paris  1871, 
262  —  5;  Ders. ,  Rom.   14,  531  —  32. 

*  P.  Meyer,  Une  homelie  provengale  du  XV^  s.,  Bulletin  de  la  SocUte  des  anc.  textes 
fr.   1883,  61-9. 

*  De  Lollis.    Trattato  provenzale  di  Penitenza,  Studj  di  fil.  rom.  5,  273 — 340. 

*  Oeuvres  de  Margim-ite  d'Oyngt  p.  p.  Philipon,  Lyon   1877. 

*  P.  Meyer,  Bulletin  de  la  Socictc  des  anc.  textes  fr.   1881,  58 — 9. 
'  Suchier,  Mariengebete,  Halle   1877,  40—8. 

^  S^uchier,  Denkmäler  I,  98  — 106, 

'  In  den  Anm.  l  angeführten  Ausgaben  von  Predigten  abgedruckt. 
'<•  Bartsch,  Denkmäler  306. 


Prosa:  Geistliche.    Krbauungswerke.  —   Weltliche:  Chroniken.       65 

dient  ein  walclensischcs  Ritual,'  das  sich  in  der  Lyoner  Handschrift  des 
waldensischen  Neuen  Testamentes  unmittelbar  und  ohne  eigene  Bezeichnung 
an  die  Übersetzung  anschliesst. 

64.  Eine  Handschrift  des  Britischen  Museums  enthält  eine  Sammlung 
von  frommen  Abhandlungen  über  die  göttliche  Liebe-  und  was  damit 
zusammenhängt,  unzweifelhaft  Übersetzungen  oder  Bearbeitungen  lateinischer 
Originale ,  welche  letztere  einen  Franziskaner-Mönch  zum  Verfasser  haben. 
Von  einem  anderen  Werke  ähnlichen  Charakters,  Libre  dels  yssamples^, 
ist  nur  der  Anfang  erhalten,  in  welchem  im  Anschluss  an  die  Geschichte  des 
Sündenfalles  von  der  Macht  des  Teufels  über  den  Menschen  gehandelt  wird. 

Ganz  eigenartig  ist  ein  Wahrsagebuch,  Lcs  sorts  des  apotres"* 
betitelt,  nämlich  eine  Sammlung  von  56  ziemlich  allgemein  gehaltenen  Sätzen, 
die  als  Antwort  auf  etwaige  Fragen  in  Betreff  zukünftiger  Ereignisse  dienen 
konnten  und  die  sich  auf  einem  Pergamentblatt  befinden,  an  dessen  Rand  56 
farbige  Fäden  befestigt  sind.  Das  Wahrsagen  geschah  in  der  Weise,  dass  der 
Fragesteller  einen  der  Fäden  aufs  Geratewohl  herausgriff  und  nun  aus  den 
entsprechenden  Sätzen  entnahm,  wie  er  sich  zu  verhalten  habe  oder  was  die 
Zukunft  ihm  bringen  werde.  Den  Sprüchen  geht  ein  Gebet  voran,  in  welchem 
der  Wahrsager  (iott  und  die  Heiligen  bittet,  ihm  beizustehen,  damit  er  immer 
richtig  prophezeie.  Der  Titel  stammt  wohl  daher,  dass  in  der  Apostelgeschichte 
(i,  26)  berichtet  wird,  bei  der  Wahl  eines  Ersatzjüngers  für  Judas  Ischarioth 
habe  das  Los  (sort)  entschieden.  Auch  dies  VN'erk  ist  aus  dem  Lateinischen 
übertragen ,  weicht  jedoch  in  mehreren  Punkten  von  der  uns  überlieferten 
Gestalt  der  Sortes  Apostolorum  ab.  Endlich  ist  hier  ein  anderes  eigen- 
artiges Werk  belehrenden  Inhaltes  aus  dem  Gebiete  der  Theologie,  das  weise 
Kind,^  zu  erwähnen,  das  aus  einer  Reihe  von  Fragen  besteht,  welche  sich 
auf  biblische  oder  geschiclitliche  Vorgänge  beziehen,  nebst  den  dazu  gehörigen 
Antworten.  Letztere  werden  sämtlich  einem  durch  sein  Wissen  und  seine 
Klugheit  ausgezeichneten  Kinde,  jene  Fragen  verschiedenen  Personen,  einem 
Kaiser,  einem  Bischof  u.  a.  in  den  Mund  gelegt.  Die  Schrift  liegt  in  zwei 
Fassungen  ,  einer  längeren  und  einer  kürzeren  vor  und  beruht,  wie  alle  Be- 
arbeitungen dieses  im  Mittelalter  beliebten  Stoffes,  auf  einem  lateinischen 
Werkchen,  Joca  Monachorum,  dessen  Titel  schon  über  dessen  Entstehung 
aufklärt. 

B.  PROFANPROSA. 
I.    WERKE    historischen    CHARAKTERS. 

65.  In  dieser  Gattung  nehmen  die  Biographien  der  Trobadors*» 
das  grösstc  Interesse  in  Anspruch.  Es  gibt  deren  mehr  als  hundert,  die  manch- 
mal allerdings  in  nur  wenigen  dürftigen  Notizen,  nicht  selten  aber  auch  in  aus- 
führlichen  Lebensnachrichten,  in  einigen   Fällen    sogar  in   höchst  romantisch 

'  Ein  katharisches Rituale  lisg.  von  E.  C  11  n  i  t  z ,  Jena  1852  ;  photolithographische  Wieder- 
gabe der  ganzen  Handsclirift  ?.  §  59  Anni.  ö;  Ritual  provetigal  f Photolithographie)  in  Col- 
lection  de  reprodtictious  de  manuscrits  p.  p.   L.   Cledat.  Paris   1890. 

-  BruclistOck :  P.  Meyer.  Btdletiyi  de  la  Socicti  des  aiic.  textes  fr.   1881,  60 — 4. 

^  Suchier.  Denkmäler  I.  470—2. 

*  Les  Sorts  des  Saints  oii  des  Apbtres  p.  p.  Rocquain,  Bibliotheque  de  V Ecole  des 
Charles  1880,  457  —  74;  Les  Sorts  des  Apotres  p.  p.  Chabaneau,  Paris  1881  (Auch  Rev. 
des  I.  r.   18,   157  —  78;  264—74  und   19.  63-4). 

^  Bartsch.  Denkmäler  306— lo;  P.  Meyer,  L'enfant  sage,  Bulletin  de  la  Sociele 
des  anc.  textes  fr.   1875,  71 — 4. 

®  Biographien  der  Troid'adours  hsg.  von  Mahn.  Berlin  1853  und  1878;  Les  Bio- 
graphien des  Troubadours  p.  p.  C  ii  a  1)  a  n  e  a  u  ,  Toulouse  1880  (Aus  Hist.  generale  de  Lan- 
guedor   U)).  -  j 

Gkohkk,  Cuiiridriss.   1U>.  ä 


^6       LlTTERATUKGESCHICHTE    DEK    KOMANISCHEN   VÖLKER.    —     2.    PROV.    LllT. 

ausgeschmückten  Novellen  bestehen,  die  von  einem  fabelsüchtigen  Chronisten 
auf  den  betreffenden  Trobador  übertragen  worden  sind.  Ja  es  kommt  vor, 
dass  ein  und  dieselbe  Biographie  in  älteren  Handschriften  einen  kurzen  Lebens- 
abriss  darstellt,  während  sie  in  jüngeren  mit  zahlreichen  phantastischen,  völlig 
erfundenen  Zuthaten  verschen  erscheint.  Neben  den  eigentlichen  Biographien 
sind  uns  bei  einigen  Dichtern  mehr  oder  weniger  zahlreiche  »razos«  autbewahrt 
worden ,  d.  h.  genaue  Angaben  über  die  Umstände ,  welche  die  Entstehung 
eines  Sirventes,  eines  Liedes  oder  einer  Tenzone  veranlasst  haben.  Was  die 
Verfasser  betrifft,  so  nennt  sich  Hugo  von  St.  Circ,  der  selbst  Trobador 
war  (1200 — 56),  als  den  der  Vita  Bernarts  von  Ventadorn  und  Savarics  von 
Mauleon;  unzweifelhaft  stammen  aber  noch  andere,  vielleicht  die  Mehrzahl 
der  uns  erhaltenen ,  von  ihm.  i  Ausser  Hugo  giebt  sich  nur  noch  in  dem 
Leben  Peire  Cardinais  der  Verfasser  zu  erkennen,  es  ist  Michel  de  la  Tor. 
Die    meisten    dieser  Lebensnachrichten    sind   wohl    in    der   ersten  Hälfte   des 

13.  Jhs.  entstanden;  wenige  mögen  sei  es  älter  sei  es  jünger  sein.  Über  die 
späteren  Lyriker  sind  keine  derartige  Aufzeichnungen  mehr  gemacht  worden, 
sodass  wir  von  ihren  Schicksalen  wenig  oder  nichts  wissen. 

In  das  13.  Jh.  gehören  auch  zwei  geschichtliche  Werke  im  engeren 
Sinne.  Zunächst  ein  Bericht  über  die  Einnahme  von  Damiette'-^  im  fünften 
Kreuzzuge,  von  dem  leider  die  ganze  erste  Hälfte  und  ein  Teil  des  Schlusses  ver- 
loren gegangen  ist.  P>  stammt  vermutlich  von  einem  Geistlichen ,  welcher 
vielleicht  einen  französischen  Grossen  auf  der  Expedition  als  Kapellan  begleitet 
hat,  sodass  der  Bericht,  der  wohl  bald  nach  der  Eroberung  der  Stadt  (12 19) 
niedergeschrieben  ist ,  erheblichen  historischen  Wert  besitzt.  Letzteres  gilt 
dagegen  nicht  von  einer  kurzgefassten  Genealogie  der  Grafen  von  Tou- 
louse-"^  von  der  Zeit  Karls  des  Grossen  an  bis  zur  Vereinigung  der  Grafschaft 
mit  der  Krone  Frankreichs  1271,  da  hier  mehrere  ungenaue,  selbst  unrichtige 
Angaben  vorkommen.  Mehr  kulturgeschichtlichen  Wert  besitzt  eine  Lokal- 
chronik  der  Stadt  Beziers, ^  in  welcher  ein  städtischer  Beamter,  Namens 
Jacme  Mascaro,  für  die  Zeit  von  1336  bis  1390  alle  wichtigeren  jene 
Stadt  berührenden  Ereignisse  aufbewahrt  hat. 

Einer  späteren  Zeit  gehören  einige  andere  Geschichtswerke  an,  so  die 
Chronik  von  Montpellier,  welche  die  Zeit  von  Christi  Geburt  bis  1446 
umfasst  und  einen  Teil  des  sogenannten  Petit  Thalamus  von  Montpellier''  bildet. 
Dazu  kommen  noch  einige  weitere  geringeren  Umfanges,  die  aber  meist  noch 
gar  nicht  oder  nur  mangelhaft  herausgegeben  sind.  Ausserdem  besitzen  wir 
eine  im  14.  Jh.  niedergeschriebene  Chronik  über  den  Albigenserkrieg,^' 
die  in  einer  mit  einzelnen  Zusätzen  versehenen  Prosaauflösung  des  in  ^  35 
besprochenen  Gedichts  über  denselben  Gegenstand  besteht. 

66.  Es  sind  nun  noch  einige  Denkmäler  von  mehr  oder  weniger  legen- 
darischem Inhalte  zu  erwähnen.   Dahin  gehört  eine  Art  Weltchronik^  aus  dem 

14.  Jh.,  von  der  Schöpfung  und  den  Ereignissen  des  alten  Testamentes  an  bis  auf 
die  Zeit  Kaiser  Constantins ,  welche  auch  in  catalanischer  und  italienischer 
Fassung  vorliegt.  Interessant  ist,  dass  auch  der  Inhalt  des  in  ^37  erwähnten 
Evangeliums  des  Nicodem US  mit  in  diese  Kompilation  aufgenommen  worden 


'   Gröber.  Rom.  Stud.  2,  492  sq. 

^  La  Prise  de  Damiette  en  i3ig  p.  p.  P.  Meyer,  Paris  1877  (Aus Bidi.  de  VEc.  des 
Chartes  1877.  497  —  57')'  Fi'agmentnm  prmniiciale  de  caplione  Damiatae  ediclit  Paulus  Meyer, 
Genevae   ]88ü  (Auch  in  Ptddications  de  la  Soc.  de  P Orient  latin  II). 

*  Genealogie  des  Comtes  de   Totdouse  p.  p.  Laura  c,  Toulouse   1864. 

*  Ch.  Barbier,  Le  Libre  de  Memorias  de  Jaane  Mascaro,  Rev.  des  1.  r.  34.  36 — 98. 
'  Le  petit  Tkalamtis  de  Montpellier  p.  par  la  sodete  arcJieologitpie  de  Montpellier  1 840. 
•^  riistoire  <;merale  de  Languedoc  8,    1  —  206. 

''   Bruclistück :  Bartsch.   Oirest.*  393—8. 


Prosa:  Weltliche.    Werke  wissenschaftlichen  Inhalts.  67 


ist, '  und  zwar  hat  der  Bearbeiter  nicht  nur  das  lateinische  Evangelium  sondern 
auch  die  provenazlische  gereimte  Bearbeitung  desselben ,  endlich  für  den 
Bericht  der  Passion ,  der  Auferstehung  und  der  Himmelfahrt  auch  das  neue 
Testament  als  Quelle  benutzt. 

Ganz  fabulös  ist  eine  Schrift,  die  gewöhnlich  Philomena^  betitelt  wird, 
weil  sie  angeblich  von  einem  Schreiber  Karls  des  Grossen  dieses  Namens 
verfasst  sein  soll,  während  sie  unzweifelhaft  von  einem  Geistlichen  der  Abtei 
GrasSa,  vermutlich  vor  der  Mitte  des  13.  Jhs.  niedergeschrieben  worden  ist. 
Sie  handelt  nämlich  von  der  Stiftung  jenes  Klosters  durch  Karl  den  Grossen 
auf  der  Heimkehr  von  einem  Feldzuge  gegen  die  Sarazenen,  wobei  mehrere 
Züge  aus  der  Volkssage  entlehnt  sind.  Bekannter  als  das  Original  ist  eine 
um  die  Mitte  des   13.  Jhs.  angefertigte  lateinische  Übersetzung. 

2.    WERKE    wissenschaftlichen    INHALTS. 

67.  Bei  der  eifrigen  Pflege  der  Dichtkunst  im  In-  und  Auslande  sowie 
in  Anbetracht  der  hohen  Anforderungen,  welche  an  jeden  Dichter  in  sprach- 
licher und  metrischer  Hinsicht  gestellt  wurden,  ist  es  sehr  erklärlich,  dass  man 
den  Wunsch  hatte,  die  nötigen  Kenntnisse  sich  durch  methodische  Abhand- 
lungen anzueignen.  Unter  den  Werken ,  die  diesem  Bedürfnisse  abzuhelfen 
versuchten,  ist  das  älteste  die  Grammatik  eines  sonst  nicht  bekannten  Uc 
Faidit,  welchen  man  mit  dem  in  ^  65  genannten  Hugo  von  St.  Circ  zu 
identifizieren  gesucht  hat.  Er  schrieb  sein  Werk  um  1240  im  Auftrage  zweier 
Italiener,  des  Jakob  von  Mora  und  des  Corano  Zucchi  von  Stcrleto,  und  zwar 
wohl  in  Italien  selbst,  lateinisch  sowie  provenzalisch  nieder,  und  nannte  es 
in  Anlehnung  an  den  Titel  einer  damals  gebräuchlichen  lateinischen  Grammatik 
Donatus  provincialis,  Donat  proensal.3  Dasselbe  umfasst  ausser  der 
eigentlichen  Grammatik  auch  ein  Reimlexicon.  Etwas  jünger  ist  die  grammatische 
und  poetische  Abhandlung  des  auch  als  Novellendichter  bekannten  (vgl.  |^  13) 
RaimonVidal  aus  Besaudun,  von  ihm  selbstLas  rasos  de  tro bar*  betitelt. 

Von  einer  Art  Poetik,  welche  darin  besteht,  dass  einzelne  Lieder  oder 
Liederanfange  zuerst  angeführt  und  dann  erläutert  werden,  ist  nur  ein  Bruch- 
stück auf  uns  gekommen  ;^  vollständig  erhalten  ist  dagegen  das  berühmteste  und 
zugleich  jüngste  Werk  dieser  Art,  die  Leys  d'amors.**  Wir  kennen  zwei 
Redaktionen  desselben.  Die  eine,  noch  nicht  gedruckte,  hat  viele  Ver- 
besserungen und  Zusätze  im  Texte  aufzuweisen,  stellt  daher  wohl  den  ersten 
Entwurf,  die  andere  die  endgültige  Fassung  dar.  Die  Arbeit  ist,  wie  schon 
oben  erwähnt  (^  33),  auf  Veranlassung  der  1324  zu  Toulouse  gegründeten 
Gesellschaft  der  »Dichtkunst«,  (gaia  sciensa),  entstanden,  indem  dieselbe  ihren 
Kanzler  Guilhem  Molinier  beauftragte,  eine  Unterweisung  in  der  poetischen 
Technik  abzufassen.  Dieselbe  behandelt  in  3  Teilen  die  Grammatik,  die 
Metrik  und  die  Rhetorik. 

Gröber,  Der  Verfasser  des  Donat  proensal,  Ztschr.  8,  112—17; 
D  ers.,  Zur  Widmung  des  Donat  proensal,  Ztschr.  8,  290 — 93 ;  P.  M  e  r  I  o, 
Suir  atitore  del  Donato  provenzale,  Giorn.  stör.  lett.  it.  3,  218  —  21. 

*  Prosaanflösung  des  poetischen  Evangeliums  Nicodemi  hsg.  von  S  u  c  h  i  e  r ,  Denkmäler 
1,  387—461. 

^  Lange  Auszüge  bei  Du  Mege.  Histoire  de  Languedoc  II,  Additions  16  —  32. 

'  Granimaires  pro7'en(ales  de  Hiigties  Faidit  et  de  Raymond  Vidal  de  Besaudun,  2^  ed. 
p.  p.  Guessard.  Paris  1858;  Die  beiden  ältesten  proi'enzalisclien  Grammatiken  J.o  donatz 
proensals  und  Las  rasos  de  trohar  hsg.  von  Stengel,  Marburg  1878;  Biadene,  Las 
Rasos  de  trobar  e  Lo  Don  atz  proensals  secondo  la  lezione  del  ms.  Landau,  Studj  di  fil.  rom. 
l>  335—402  und  2,  93— 5. 

*  Vgl.  Anm    3. 

*  Bartsch.   Chrest.  *  1^1  -  300. 

"  L.as  ßnrs  del  gay  saber  estier  dirhas  Las  leys  d'amors  p.  p.  G  a  t  i  e  n  -  A  r  n  o  11 1 1  in 
Momimens  de  la  littirature  romane  i     3,  Toulouse    1841— 43. 

5* 


68      LllTERATUKGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —     2.    PrOV.    LhT. 


68.  Die  Naturwissenschaft  hat  ebenfalls  einige  Prosaabhandliingen  auf- 
zuweisen. Dahin  gehört  ein  kurzgefasster  Bestiarius'  über  die  zum  Teil 
phantastischen  Eigenschaften  einiger  Tiere  und  Vögel,  jedoch  ohne  die  sonst 
üblichen  mystischen  Deutungen,  während  die  waldensische  Littcratur  ein  in 
manchen  Punkten  eigenartiges  Tierbuch^  aufweist,  dessen  Verfasser  Jaco 
(vielleicht  identisch  mit  Jaques  de  Vitry,  Erzbischof  von  Frascati,  f  1244) 
nach  einer  Einleitung  in  54  Kapiteln  von  den  Vögeln,  den  Tieren,  den  Fischen 
und  den  Schlangen  handelt  und  jedesmal  eine  moralisierende  Anwendung  auf 
den  Menschen  beilügt.  Voji  einem  Lapidarius,''  auf  dem  bekannten  »liber 
de  gemmis«  des  Marbod  beruhend,  sind  nur  geringe  Bruchstücke  auf  uns  gekommen, 
nämlich  der  Prolog  und  22  Kapitel.  Eigentümlich  ist  der  ebenfalls  in  pro- 
venzalischer  Bearbeitung  aus  dem  14.  Jh.  verlicgende  angebliche  Brief  des 
Priesters  Johannes,'*  eines  sagenhaften  Königs  von  Indien,  an  Kaiser  Friedrich, 
in  welchem  derselbe  über  seine  Lebensweise,  sein  Reich,  l^esonders  über  dessen 
wundersame  Bewohner,  Flüsse,  Inseln,  Quellen,  Erzeugnisse,  Tiere,  Pflanzen, 
Mineralien  u.  s.  w.  Auskunft  erteilt.  In  ganz  ähnlicher  Weise  beschäftigt  sich 
mit  der  Geographie  von  Irland  ein  von  dem  Dominikaner  Philipp,  Prediger 
an  der  Kirche  zu  Cork,  verfasstes  und  dem  Papste  Johann  II.  (13 16 — 34) 
gewidmetes  lateinisches  Werk,  das  auch  in  einer  provenzalischen  Übertragung 
aus  dem   14.  Jh.  vorliegt,  deren  Verfasser  wir  nicht  kennen.^ 

Auch  einen  provenzalischen  Kalender  besitzen  wir,  der  allerlei  prak- 
tische Beigaben  enthält  ^ ;  in  diesen  werden  wir  z.  B.  über  die  für  einen  Ader- 
lass  günstigen  Tage  (dieser  Abschnitt  ist  in  einer  andern  Handschrift  für  sich 
behandelt';,  über  den  Einfluss  der  verschiedenen  Phasen  und  Konstellationen 
des  Mondes,  über  die  Glücks-  und  Unglück.sstunden  der  Wochentage  u.  dgl. 
aufgeklärt. 

Von  den  auf  uns  gekommenen  medizinischen  Originalwerken  ist  bisher 
nur  eine  kurze  Diätetik^,  sodann  eine  Abhandlung  über  die  Wirkungen  des 
äusserlich  angewandten  Branntweins,  Las  vertutz  de  l'aiga  ardcnt,^  und 
einige  Rezepte,  resp.  Sammlungen  von  solchen'",  gedruckt,  wozu  dann  noch 
eine  im  14.  Jh.  angefertigte  Übersetzung  der  Chirurgie  des  berühmten,  in  Spanien 
lebenden  arabischen  Arztes  Abul  Kassem  Khalaf  kommt,  welcher  1106  oder 
1107  in  Cordua  gestorben  ist  und  gewöhnlich Albucasis  genannt  wird."  Ebenso 
sind  von  zwei  juristischen  Werken  bisher  nur  kurze  Abschnitte  herausgegeben 
worden,  nämlich  von  dem  einen,  der  BearbeitungdesCodexJustiniani, 
ein  Teil  des  Erbrechtes  12^  von  der  Übertragung  des  französischen  Arbre  de 
Batailles  die  Besprechung  einiger  völkerrechtlicher  Fragen. '^  Das 
erste  dieser  beiden  Werke  ist  eine  für  Laien  geschriebene  systematische  Dar- 

'  Also  son  las  iiaturas  d'alcus  auzels  e  d'alcunas  hestias ,  Bartsch,  Lesebuch  162  — 6 
=   ehrest.*'  333-8. 

*  Der  waldensische  Physiologus,  zum  ersten  Mal  lisg.  von  Alfons  Mayer,  Rom. 
Forschungen  5,  392  —  418. 

*  p.  p.  L  a  1'  o  r  t  e  du  T  h  e  i  1 ,  Notices  et  extraits  des  mamtscrits  5,  689  —  708  ; 
Bruclistiick :   P.   Meyer.  Fragments  inedits  dun  lapidaire  provenfal,  Jahrb.  4,   78-84. 

*  S  u  c  h  i  e  r ,  Dettkmäler  1,  ,341  —  86. 

*  F  r  e r  e  P  li  i  1  i  p  p  e ,  Les  Merveilles  d Ir lande,  texte provengal p.  p.  J.  U irich,  Leipzig  1 892. 

*  Kalender  mit  Beiga()en  in  Suchier,  Denkmäler  I,   107 — 24. 

■^  hsg.  von  C.  .Sachs,  Le  trcsor  de  Pierre  de  Corbiac  (§  40,  Anni.  5),  9,.Wl. 
8  hsg.  von  W.  W  ack  ern  age  1 ,  Haupts  Zeitschrift  5,   16  sq. 

*  Bartsch,  Denkmäler  314— 15. 

*"  P.  Meyer,  Jahrbuch  4,80  —  8];  E.  Bondurand,  Fragment  de  recettes  mcdicales 
en  langne  d'oc,  Rom.   12,   lOO— 104. 

"  Ein  Teil  davon  herausgegeben  von  Tourtoulon,  La  Chirurgie  d'Alhncasis  tra- 
duiie  en  dialecte  tonlonsain  du  Ji/V^  siede,  Rev.  des  1.  r.   1,  3—17;  301  —  T. 

'2  Bartsch,   Chrest.*  299 — 304. 

'■i  Bartsch,   Lcseburh    1 74     6         Chresl.*  401-4. 


Prosa:  Weltliche.    ^VISSENSCHAFTLICHE  und  erzählende  Werke.        69 

Stellung  des  römischen  Rechts,  das  jedoch,  weil  fiir  praktische  Zwecke  bestimmt, 
nur  diejenigen  Abschnitte  berücksichtigt,  welche  auf  die  damaligen  Verhältnisse 
anwendbar  erschienen.  Aus  den  gewählten  Beispielen  lässt  sich  schliessen, 
dass  das  Rechtsbuch  um  1149,  und  zwar  in  Arles  niedergeschrieben  worden 
ist;  von  wem,  vermögen  wir  nicht  zu  sagen. 

Zu  den  Werken  encyklopädischen  Charakters  gehört  vor  allem  das  nach 
der  Mitte  des  14.  Jhs.  entstandene  Elucidari  de  las  proprietatz  de  totas 
res  naturals.  ^  Es  ist  eine  im  Auftrage  des  Grafen  Gaston  (wahrscheinlich  des 
Dritten)  von  Foix  gefertigte  Übertragung  des  um  1350  von  Bartholomaeus 
de  Glanvilla  compilierten  »Opus  de  proprietatibus  rerum«  und  handelt  in  20 
Büchern  von  Gott,  den  Engeln,  Leib  und  Seele  des  Menschen,  den  Himmels- 
körpern ,  den  Elementen ,  den  3  Tierreichen ,  der  Geographie  und  einigen 
speziellen  Gegenständen,  wie  Farben,  Gerüchen,  Zahlen  u.  dgl.  Bemerkens- 
wert ist,  dass  der  Bearbeiter  stellenweise  sich  der  metrischen  Form  bedient. 
Über  das  einleitende  Gedicht  Palaitz  de  Savieza  vgl.  ^  43.  Ähnlicher  Art,  ob- 
wohl weniger  umfangreich  ist  die  wohl  auch  nach  einer  lateinischen  Vorlage 
hergestellte  provenzalische  Version  des  Buches  Sydracs,^  in  welchem  dieser 
Weise  alle  Fragen  aus  den  verschiedensten  Gebieten  des  Wissens,  die  ein  König 
an  ihn  richtet,  eingehend  beantwortet. 

L  a  u  c  li  e  r  t ,  Geschiclüe  des  Physiologtis,  Strassburg  1 889,  1 49  -  54  •.  M. 
G  o  1  d  s  t a  u  b  iiiid  R.  W  e  n  d  r  i  n  e r ,  Ein  tosco-venezianisclier  Bestiariits,  Halle 
1892,  211 — 20  (Excurs  über  den  u<aldensiscliefi  Bestiarius)  —  Fitting, 
Vorläufige  yjitteilungen  über  eine  Summa  Codicis  in  provenfalischer 
Sprache,  Sitzungsber.  der  Ac.  der  Wiss.  zu  Berlin   1891,  763-6. 

3.  erzählende  werke. 

69.  Die  Profan prosa  hat  kein  Originalwerk  erzählenden  Charakters,  sondern 
nur  zwei  Bearbeitungen  aufzuweisen.  Die  eine  besteht  in  der  Übersetzung 
des  altfranzösischen  Prosaromanes  Merlin,  die  wohl  im  13.  Jh.  von  einem 
nicht  bekannten  Autor  angefertigt  worden  ist ,  von  der  aber  leider  nur  ein 
verhältnismässig  kurzes  Bruchstück,  aus  zwei  Quartblättern  bestehend ,  auf  uns 
gekommen  ist.  ^  Die  andere,  Tersin*  betitelt,  ist  die  Prosaauflösung  der 
ersten  Hälfte  des  dritten  Teiles  von  der  in  ^  7  erwähnten  Kompilation 
»Le  Roman  d' Arles«.  Sie  unterscheidet  sich  jedoch  von  ihrer  Vorlage  ab- 
gesehen von  unbedeutenderen  Veränderungen  namentlich  dadurch ,  dass  als 
Hauptgegner  Karls  des  Grossen  eine  ganz  neue  Person,  nämlich  Tersin  ein- 
geführt worden  ist,  den  jener  Roman  überhaupt  nicht  kennt  und  der  am  Schlüsse 
als  der  erste  christliche  Graf  von  Toulouse  bezeichnet  wird.  Diese  Ver- 
änderungen haben  sich  aber  als  absichtliche  und  tendenziöse  Fälschungen  heraus- 
gestellt, da  unsere  Prosa-Auflösung  höchst  wahrscheinlich  von  dem  bekannten 
südfranzösischen  Litterarhistoriker  und  Procurator  am  Parlament  zu  Aix  in  der 
Provence  Johannes  Nostradamus  (Jean  de  Notredamej  ums  Jahr  1560,  aller- 
dings ohne  Nennung  seines  Namens,  angefertigt  worden  ist. 

C  li  a  b  a  11  e  a  11 ,  Notes  sur  quelqties  iiianiiscrits  provenfaux  perdus  oti 
cgares,  Paris  1886,  81—5. 


'  Bruchstücke:  Barts  ch,  Z-irj,f(^/«r/!  179 -81  ;  Denkmäler  YA-—yM.\  C/irest.*  :i6H  ~-i2; 
Kressner,  Archiv  55,  288  —  96;  C.  Apjpel,  Der  provenzalische  Lucidarius,  Ztschr.  13, 
225  -  52. 

*  Bruchstück:   Bartscli.   Chrest.*  309— 14. 

'  Frat^mejtt  d' nii  roman  de  chevalerie  en  langue  vidgaire  du  /J*  siede  p.  p.  Paul 
Guillaunie,  Gap  1881  und  Fragments  d'une  traduction  provenfole  du  Roman  de  Merlin 
p.  p.  Chabaneau,   Paris   1883   (Auch  Rev.  des  I.  r.  22,   105  — lö  und  237—42). 

■*  Tersin.    Tradition  arlesienne  p.   p.  Paul  Meyer,  Rom.   l,  51 — 68. 


III.  ABSCHNITT. 


LITTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN 

VOLKER. 


B.  DIE  LITTERATUREN  DER  ROMANISCHEN 

VÖLKER. 


3.  KATALANISCHE  LITTERATUR 

VON 

ALFRED   MOREL-FATIO. 


gegenwärtig  ist  es,  wenn  nicht  unmöglich,  so  doch  noch  sehr  schwer 
eine  wirkliche  Geschichte  der  katalanischen  Litteratur  zu  schreiben. 
Denn  selbst  die  Denkmäler  dieser  Litteratur  sind  z.  T.  noch  un- 
bekannt oder  unzugänglich,  und  die  meisten  derjenigen,  welche  in  den  letzten 
vier  Jahrhunderten  oder  zu  unserer  Zeit  durch  die  einheimischen  oder  fremden 
Romanisten  veröffentlicht  wurden,  sind  nicht  der  Gegenstand  so  gründlicher, 
kritischer  Untersuchungen  geworden ,  dass  dem  Historiker  nunmehr  möglich 
wäre,  sie  nach  ihrem  Werte  zu  würdigen,  sie  zu  ordnen  und  von  Etappe  zu 
Etappe  die  vollständige  Entwicklung  der  litterarischen  Thätigkeit  in  den 
Ländern  katalanischer  Zunge  vom  Mittelalter  bis  heutzutage  zu  verfolgen. 
Für  den  Augenblick  gestattet  uns  die  Vorsicht  nur,  Nachrichten  zu  sammeln 
über  das  uns  erreichbar  Gewordene,  provisorisch  die  verschiedenen  Produkte 
des  katalanischen  Denkens  in  den  einzelnen  Perioden  zu  gruppieren,  die 
Hauptrichtungen  dieses  Denkens  sowie  die  Einwirkungen,  welche  es  von  aussen 
erfahren  und  den  Einfluss,  welchen  es  seinerseits  um  sich  herum  hat  ausüben 
können,  zu  bestimmen. 

2.  Da  die  ersten  katalanischen  Publikationen  zeitlich  mit  dem  politischen 
und  sozialen  Verfall  des  östlichen  Spaniens  genau  zusammentreffen  —  eine 
notwendige  Folge  der  Vereinigung  Aragons  mit  Kastilien ,  welches  der  in 
moralischer  und  materieller  Hinsicht  vorherrschende  Staat  der  Halbinsel  geworden 
war,  —   so  folgt  daraus,  dass  diese  Publikationen  erstens  wenig  zahlreich  waren 

'    [Übertragen  ins   Di-utschc  von  Herrn   Dr.   II.   Sclin  e  e  gans]. 


Schwierigkeit  einer  Darsi'ellung  der  Kat.  Litt.  —  Arbeiten  darüber.   7 1 

und  dann  nur  einzelne  Kundgebungen  katalanischen  Denkens  und  Bildens 
darboten:  Übersetzungen  aus  der  Bibel,  erbauliche,  moralische,  theologische 
Abhandlungen  und  hauswirtschaftliche  Schriften,  wie  z.  B.  die  Compilationen 
von  Francesch  Eximeniz,  einige  Übersetzungen  der  im  15.  Jh.  am  gewöhn- 
lichsten gelesenen  Schriftsteller  aus  dem  Altertum ,  dann  einige  poetische 
W^erke  religiösen  oder  profanen  Inhalts,  die  letzten  Ausläufer  jener  akademischen 
Preisdichtung,  die,  eine  im  wesentlichen  künstliche  Dichtungsweise,  von  der 
Toulouser  Schule  herstammt. 

Im  folgendem  Jahrhundert  veranlasst  ein  gewisser  trotz  allem  beharrender 
Lokalpatriotismus  einige  Buchdrucker  die  wichtigsten  katalanischen  Chroniken, 
die  des  Königs  Jacob  des  Eroberers  und  Muntaners  herauszugeben.  Damals 
schreibt  und  veröffentlicht  der  Archivar  Miquel  Carbonell  seine  dem  Ruhme 
des  alten  Hauses  Aragon  gewidmeten  Chroniques  de  Esßanya ,  und  geben 
archäologische  Forscher  die  Werke  der  beiden  berühmtesten  valenzianischen 
Dichter  des    15.  Jhs.,  Auzias  March  und  Jaume  Roig,  in  Druck. 

Im  1 7.  Jh.,  nichts  oder  beinahe  nichts  derart  mehr,  das  Kastilianische  dehnt 
seine  Herrschaft  immer  weiter  aus  und  überflutet  alles :  selbst  günstigere  politische 
Umstände  —  ich  meine  den  Aufstand  der  Katalanen  gegen  Philipp  IV.,  welcher 
mehr  als  15  Jahre  dauerte,  —  bringen  weder  der  alten  Nationallitteratur  Gewinn 
noch  lassen  sie  dieselbe  wieder  zu  grösserer  Gunst  gelangen.  Wenn  die 
Katalanen  auch  an  ihren  Freiheiten  und  Privilegien  in  einem  Grade  festhalten, 
dass  sie  ihnen  zu  Liebe  im  Stande  sind  ihren  rechtmässigen  König  zu  verraten 
und  sich  einer  fremden  Macht  in  die  Arme  zu  werfen,  so  empfinden  sie  doch 
keine  Schwierigkeit  darin,  sich  in  litterarischer  Hinsicht  Kastilien  zu  unter- 
werfen und  sklavisch  alles  zu  kopieren,  was  ihnen  von   der  cdrie  kommt. 

Von  Männern  des  18.  Jhs.,  die  zu  sehr  Anhänger  der  politischen  und 
intellektuellen  Centralisation  waren,  konnte  man  nicht  erwarten,  dass  sie  gegen 
die  immer  vollständiger  sich  vollziehende  Assimilation  der  katalanischen  Pro- 
vinzen an  das  kastilianische  Spanien  zu  reagieren  versucht  hätten.  Dafür 
tritt  aber  die  historische  Gelehrsamkeit  auf  den  Plan,  und  unbewusst  bereiten 
die  Bibliographen  das  Restaurationswerk  vor,  welches,  freilich  in  ganz  mo- 
dernem Geiste,  erst  in  unsern  Tagen  vollendet  werden  wird.  Das  Signal  gab 
das  an  Bildung  und  Gelehrsamkeit  Barcelona  überlegene  Valencia.  Die  y>BibUo- 
theken«.  von  Rodriguez  und  von  Jimeno  (welche  später  durch  diejenigen 
von  Fusteri  vervollständigt  werden  sollten)  sind  die  ersten  Beispiele  jener 
bio -bibliographischen  Kataloge,  welche  dem  Publikum  das  Inventar  der 
litterarischen  Produktion  einer  der  Provinzen  der  alten  Krone  Aragons  in  die 
Hand  geben.  Neben  diesen  eigentlichen  Bibliographen  tauchen  auch  hie  und 
da  einige  Liebhaber  der  alten  Lokallitteratur  auf.  Carlos  Ros,  dem  man 
einen  Wiederabdruck  des  Poems  von  Jaume  Roig  verdankt  und  welcher 
eine  Menge  von  kleinen  Schriften  in  valenzianer  Dialekt  herausgab ,  ist  der 
Typus  des  überzeugten  Mundartfreundes,  wie  er  im  18.  Jh.  existieren  konnte. 2  In 
Katalonien  muss  man  aber  für  ebenso  oder  beinahe  ebenso  wichtig  wie  die  Ar- 
beiten der  Rodriguez  und  Jimeno  die  Memorias  histdricas  sobre  la  marina,  cofnercio 
y  artcs  de  la  antigua  ciudad  de  Barcelona  (1779 — -1792)  ansehen,  welche  auf 

1  Die  Biblioteca  valetitina  von  Jose  Rodriguez  wurde  1747  veröffentlicht,  aber 
der  grösste  Teil  des  Werkes  war  schon  1703  vollendet  (P.  Salvä,  Catdlogo  No.  2490); 
die  Escritores  del  reyiio  de  Valencia  von  Vicente  Jimeno  erschienen  von  1747  bis  1749; ' 
die  Biblioteca  valenciaiia  von  Jiisto  Pastor  Fuster  von   1827  bis   1830. 

*  er.  was  über  Carlos  Ros  als  Grammatiker,  im  Grundriss  I.  687  mitgeteilt  ist. 
Eine  gewissenhafte  Biobibliographie  Carlos  Ros'  ist  1891  von  D.  Francisco  Marti  («raj^ilcs 
in  hl  Arcitivo  V.    169— 184  veröffentlicht  worden. 


7  2      LriTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LlTT. 


Kosten  der  Handelskammer  (Junta  de  comercio)  dieser  Stadt  durch  D.  Antonio 
Capmanyi  herausgegeben  worden  sind. 

Durch  das  Licht,  welches  er  auf  die  Geschichte  der  Hauptstadt  der 
alten  katalanischen  Grafschaft  und  ihre  See-  und  Handelseinrichtungen  zu 
werfen  wusste,  brachte  Capmany  bei  seinen  Mitbürgern  eine  ganze  ziemlich 
vergessene  Vergangenheit  und  zu  gleicher  Zeit  indirekt  auch  etwas  die  Sprache 
wieder  zu  Ehren,  in  welcher  sich  solange  jene  ruhmreichen  Fürsten  und  weisen 
Gesetzgeber  ausgedrückt  hatten. 

Aber  der  wahre  Ausgangspunkt  der  Restauration  des  littcrarischen  Ka- 
talanisch, ist  die  Gramdtica  y  apologia  de  la  llengua  cathalana  von  D.  Joseph 
Pau  Ballot  y  Tor  res,  die  im  Jahre  1814  herauskam.-  Dieses  Büchlein, 
vvelches  in  einem  ganz  praktischen  Zweck  und  hauptsächlich  zum  Gebrauche 
der  Fremden  verfasst  worden  ist,  welche  im  Innern  Kataloniens  Handel  treiben 
wollen,  hat  viel  grössere  Tragweite  gehabt,  als  es  sein  Verfasser  sich  hätte 
denken  können.  Ballot  bestätigt  darin  die  Lebensfähigkeit  einer  Sprache,  die 
man  für  unwiderruflich  in  Verfall  geraten  und  der  litterarischen  Verwendung 
hinfort  für  unfähig  hielt.  Ausserdem  offenbarte  der  Appendix  dieser  Grammatik, 
den  man  dem  Rechtsgelehrten  Josef  Salat  verdankt,  und  welcher  einen 
•>->Catälogo  de  las  obras  que  se  han  escrito  en  lengua  catalana  desde  el  rcinado 
de  D.  Jaytne  el  Cofiquistador«,  enthält,  vielen,  die  nur  eine  verworrene  Vor- 
stellung davon  hatten,  die  Existenz  einer  katalanischen  Litteratur.  Dieser 
dünne  Katalog,  welcher  20  Jahre  später  in  den  Memorias  para  ayudar  ä  fonnar 
un  diccionario  critico  de  los  escritores  catalanes  durch  D.  Felix  Torr  es  Amat 
(Barcelona  1836)^  weiter  ausgeführt  werden  sollte,  ist,  so  zu  sagen,  die  erste 
Grundlage  der  Litteraturgeschichte  katalanischer  Provinzen  geblieben. 

Ohne  hier  auf  die  Restauration  der  katalanischen  Litteratur  einzugehen, 
welche  gegen  1840  durch  Dichter,  Historiker  und  Politiker  in  Angriff  genommen 
worden  ist,  ziemt  es  sich  doch  wenigstens  auf  den  Umstand  aufmerksam  zu 
machen,  dass  die  ersten  Versuche,  die  litterarische  Vergangenheit  Kataloniens 
wieder  aufleben  zu  lassen,  auf  die  romantische  Bewegung  und  die  aus  derselben 
hervorgegangene  Steigerung  des  Lokalpatriotismus  zurückzuführen  sind.  Milä 
y  Fontanals,  Mariano  Aguilö,  Antonio  de  Bofarull,  PelayoyBriz, 
Victor  Balaguer  —  welche  mit  verschiedenen  Fähigkeiten  und  verschiedenem 
Verdienst  an  der  Erklärung  und  am  Bekanntwerden  der  Werke  der  Katalanen 
mitgewirkt  haben  —  haben  alle  Anteil  an  der  katalanischen  Romantik ;  sie 
haben  sich  alle  mehr  oder  weniger  glänzend  als  Dichter  oder  Romanschrift- 
steller ebenso  hervorgethan ,  wie  Aribau  und  Rubiö  y  Ors,  welche  als 
die  Väter  der  katalanischen  Renaissance  gelten;  sie  haben  vornehmlich,  im 
Jahre  1859,  die  Jochs  Florais  von  Barcelona  ins  Leben  gerufen,  d.  h. 
die  Einrichtung,  welche  einige  Zeit  lang  die  katalanistische  Bewegung  für  sich 
in  Anspruch  genommen  hat,  indem  sie  ihr  eine  archaistische  Färbung  verlieh, 
die  sie  seitdem  verloren  hat, 

Milä  y  Fontanals  gebührt  die  Ehre  und  das  Verdienst  im  Anschluss  an 
die  Arbeiten  von  Raynouard  und  Diez,  den  Wert  der  mittelalterlichen  katalanischen 
Poesie  bestimmt,  unter  anderem  ihren  Charakter  als  Trabantin  der  Troubadourpoesie 


*  Über  Capmany  und  die  Junta  de  Comercio  cf.  den  Artikel  von  D.  Joaquin 
Rubiö  y  Urs,  in  den  Memorias  de  la  Academia  de  buenas  letras  de  Barcelona.  13d.  III  (1880) 
S.   105  u.   fi". 

*  Die  Gramdtica  von  Ballot  ist  der  yunta  de  Comercio  dediciert  worden. 

'  Es  ziemt  sich  an  dieser  Stelle  an  den  Mitarbeiter  an  den  Memorias,  den  französischen 
Katalanen,  Joseph  Tastii,  zu  erinnern.  Cf.  diesbezüglich  die  Arbeit  von  Amedee 
Pages  Notice  sur  la  vie  et  les  travatix  de  Joseph  Tastn.  Montpellier  188H  (Separatabdriick 
der  Rei'ue  des  lavgues  rctiiones.    Bd.  XXXII). 


Arbeiten  über  die  kat.  Litt.    Kat.  Renaissance.  Hss.  Kat.  Texte.      73 

entschieden  behauptet  und  wissenschaftlich  das  bewiesen  zu  haben ,  was  der 
Dichter  Boscan  im  16.  Jh.  in  den  Worten  aussprach:  De  los  Provenzales 
salieron  muchos  autores  ccelentes  catalanes.  \Vas  man  auch  an  Irrtümern  im 
Einzelnen  an  seinen  1861  erschienenen  Trovadores  en  Espami  tadeln  kann, 
schliesslich  ist  doch  dieses  Werk  der  Ausdruck  der  Wahrheit  geblieben,  welche 
viele  Katalanen,  wegen  Mangels  an  Wissen  und  kritischem  Sinn  verkannt  haben 
und  noch  verkennen.  Die  Trozuniorcs  ebenso  wie  verschiedene  andere  Schriften 
über  die  katalanische  Poesie  im  14.  und  15.  Jh.,  welche  von  Milä  in  ver- 
schiedenen gelehrten  Sammlungen  herausgegeben  worden  sind ,  bilden  eine 
Reihe  unter  sich  zusammenhängender  sorgfältiger  und  verständiger  Unter- 
suchungen und  Ausftihrungen,  deren  Hauptergebnisse  auch  durch  spätere  Unter- 
suchungen der  Romanisten  nicht  werden  aufgehoben  werden. 

Derjenige,  welcher  nach  Milä  am  meisten  dazu  beigetragen  hat  die 
alten  katalanischen  Schriftwerke  wieder  zu  Ehren  zu  bringen,  ist  D.  Mariano 
Aguilo  y  Fustcr.  Während  sein  Nebenbuhler  Milä  sein  hauptsächlichstes 
Bemühen  darauf  wandte,  die  Ursprünge  der  katalanischen  Poesie  zu  studieren 
und  das  Entlehnte  und  Exotische  an  ihr  auszusondern,  zog  Aguilo  hingegen 
vor,  in  den  Werken  der  Vergangenheit  den  originellen  und  reinen  Ausdruck 
des  katafanischen  Geistes  besonders  hervorzuheben. 

In  seiner  Biblioteca  catalana,  seinem  Canfomr  und  seiner  Biblioteca 
de  oh'etcs  Singulars  del  hon  tevips  de  nostra  lengua  materna  hat  er  uns  in 
korrekten  Ausgaben  ,  denen  es  aber  leider  an  Erläuterungen  irgend  welcher 
Art  fehlt,  Chroniken,  Romane,  moralische  Abhandlungen  und  Gedichte  haupt- 
sächlich in  der  Art  der  ntn^es  rimades  zugänglich  gemacht,  letztere,  die  einzige 
Gattung,  in  welcher  die  Katalanen  sich  mit  einiger  Freiheit  bewegt  haben  und 
in  welcher  sie  nicht  bei  jedem  Schritte  ihre  Abhängigkeit  von  fremden  Mustern 
verraten.  Aguilo,  welcher  auch  Dichter  sein  kann  und  eine  besondere  Vor- 
liebe für  die  alten  Sagen  und  Altertümer  seiner  Heimat  hegt ,  welche  er  in 
archaistischer  und  geziert  gelehrter  Sprache  zu  schildern  sucht,  ist  als  Gelehrter 
hauptsächlich  Bibliograph,  und  sein  leider  noch  niclit  herausgegebenes  Haupt- 
werk ist  jener  Catälo^o  de  obras  en  lengua  catalana  impresas  desde  1474,  welches 
die  Forscher  auf  katalanischem  Gebiete  seit  30  Jahren  wie  die  Juden  den 
Messias  erwarten.  In  der  That,  ohne  dieses  Buch,  in  welchem  alle  seit  dem 
Ende  des  15.  Jhs.  bis  heute  gedruckten  katalanischen  Schriften  werden  ver- 
zeichnet und  beschrieben  werden  —  darunter  auch  Seltenheiten,  welche  zum 
ausschliesslichen  und  wohl  gehüteten  Eigentum  des  Verfassers  gehören,  — 
ist  es  materiell  unmöglich  sich  genaue  Rechenschaft  abzulegen  über  die  Ent- 
wicklung der  katalanischen  Litteratur  in  ihren  verschiedenen  Erscheinungen, 
die  Jahrhunderte  hindurch.     Wünschen  wir  also,  dass  es  erscheinen  möge ! 

Gewiss  haben  seit  dem  Tode  Mild  y  Fontanals'  (1884)  die  katalanischen 
Studien  sowohl  in  Spanien  als  auch  in  der  Fremde  Fortschritte  gemacht, 
aber  durch  kein  Werk  von  der  Wichtigkeit  der  Trovadores  oder  des  Ro- 
mancerillo  ist  dieser  Zweig  romanischer  Philologie  bereichert  worden.  Der 
Fortschritt  hat  hauptsächlich  darin  liestanden ,  dass  verschiedene  unedierte 
Texte  mit  mehr  Sorgfalt  herausgegeben  worden  sind ,  darunter  einige  sogar 
mit  grammatischen  Anmerkungen  nach  den  Grundsätzen  moderner  Wissen- 
schaft. Heutzutage  liegt  glücklicherweise  die  Zeit  der  ganz  unglaublich  in- 
korrekten Ausgaben  der  Bofarull  oder  Pelayo  y  Briz  hinter  uns. 

3.  Da,  wie  gesagt,  ein  bedeutender  Teil  der  alten  katalanischen  Litte- 
ratur ungedruckt  ist,  so  ist  es  von  Wichtigkeit  hier  anzugeben,  wo  sich  die 
grössten  öffentlichen  und  reichsten  Privatsammlungen  katalanischer  Hss.  befinden. 

Madrid.  Die  Biblioteca  Nacional  dieser  Stadt  besitzt  unter  ihren  ältesten 
Beständen    sowohl    als    unter  den  Erwerbungen  seit  Beginn  des  Jahrhunderts, 


74    LlTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    X^ÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LiTT. 


eine  beträchtliche  Anzahl  katalanischer  Hss.,  wovon  ein  beschreibender  Kata- 
log durch  J.  Massö  Torrents  veröffenlicht  werden  soll.  Für  den  Augenblick 
ist  man  darauf  angewiesen  das  kurze,  im  2.  Bd.  des  Ensayo  de  una  biblioteca 
espafiola  de  libros  raros  y  acriosos  von  Gallardo  (Madrid  1866)  gedruckte  In- 
ventar und  die  Kataloge  von  La  Romana,  Bohl  de  Faber  und  Osuna 
zu  Rate  zu  ziehen.  —  Die  Privatbibliothek  des  Königs  ist  von  J.  Massö 
Torrents  durchforscht  und  beschrieben  worden  in  Manuscritos  catalanes  de  la 
biblioteca  de  S.  M.,  Barcelona  1888  in  8^.  —  Für  die  Bibliothek  der  Akademie 
für  Geschichte,  eine  der  reichsten  Spaniens,  gibt  es  keinen  gedruckten  Kata- 
log. Unter  den  katalanischen  Hss.,  welche  sie  besitzt,  sind  zwei  Exemplare 
der  Chronik  des  Königs  Peter  IV.  von  Aragon  zu  erwähnen. 

Escorial:  Ohne  an  katalanischen  Hss.  reich  zu  sein,  besitzt  jedoch  die 
Bibliothek  von  St.  Lorenz  einige  kostbare  Bände,  vor  allen  Dingen  die  Über- 
setzung der  Göttlichen  Komödie  durch  Andrea  Febrer.  Über  diese  Bibliothek 
unterrichtet  uns  blos  ein  handschriftlicher  Katalog,  von  dem  es  mehrere 
Exemplare  gibt,  unter  anderen  eines,  in  der  Nationalbibliothek  von  Paris 
{Fonds  Espagnol  Nr.  414).  Dasjenige  der  Münchner  Bibliothek  (cod.  hisp. 
Nr.  76)  stand  A.  Ebert  zur  Verfügung,  welcher  im  Jahrbuch  für  romanische 
Litteratur  (Bd.  IV.  p.  55)  eine  leider  nicht  vollständige  Liste  der  katalanischen 
Hss.  gab,  deren  Beschreibung  er  dort  vorgefunden  hat. 

Sevilla.  Die  berühmte  Colombina  besitzt  — ■  oder  besass  —  einige 
katalanische  Hss.,  z.  B.  das  von  Jacme  March  im  Jahre  137 1  auf  Verlangen 
des  Königs  Peter  IV.  von  Aragon  verfasste  Reimlexikon.  Vier  dieser  Hss., 
welche  gewiss  zugleich  mit  vielen  andern  Büchern  der  Colombina  entwendet 
worden  waren,  haben  glücklicherweise  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  Auf- 
nahme gefunden. ' 

Barcelona  :  Die  Universitätsbibliothek,  welche  verschiedene  Klosterbiblio- 
theken Barcelona's,  vor  allen  diejenigen  der  Barfüsser  beerbt  hat.  Ein  Katalog 
fehlt.  Man  muss  zum  18.  Bd.  des  Viage  literario  von  Villanucva  seine  Zu- 
flucht nehmen,  um  einige  Kenntnis  zu  erhalten  von  den  Hss.  der  alten  Klöster 
von  Barcelona,  welche  in  die  Universitätsbibliothek  übergegangen  sind.  — 
Die  Archive  der  Krone  Aragons  haben  einen  Teil  der  Bibliotheken  der  alten 
Klöster  von  Ripoll  und  San  Cugat  del  Valles^  vor  der  Vernichtung  gerettet, 
und  die  meisten  katalanischen  Texte,  welche  sie  enthalten,  sind  (sehr  schlecht) 
im  13.  Bd.  der  Coleccion  de  documentos  iniditos  del  archivo  general  de  la  Corona 
de  Aragon  gedruckt  worden. 

Unter  den  Privatbibliotheken  Barcelona's  gilt  mit  Recht  diejenige  von 
D.  Mariano  Aguilö  y  Fuster  für  sehr  reich  an  katalanischen  Hss.  Freilich 
haben  wir  nur  sehr  unbestimmte  Nachrichten  über  die  darin  enthaltenen  Schätze. 

Über  die  andern  spanischen  Bibliotheken ,  wie  die  von  Saragossa,  Va- 
lencia, Gerona,  Palma  de  Mallorca  etc.  kann  man  sich  nur  unterrichten,  wenn 
man  den  Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  archiveros ,  bibliotecarios  y  anti- 
cuartos.  Madrid  1882  -83  2  Bde.  8"  und  den  Viagc  literario  von  Villanueva 
zu  Rate  zieht. 

In  Frankreich  hat  allein  die  Nationalbibliothck  eine  wichtige  Sammlung 
katalanischer  Hss.  aufzuweisen,  welche  alle  in  dem  Catalogue  des  manuscrits 
espagnols  et  Portugals  de  la  Bibliotheque  Nationale,  Paris  188 1  — 1892.  i.  Bd. 
4''  beschrieben  sind.  Diejenige  von  Carpentras  besitzt  eine  sehr  kostbare 
Sammlung    katalanischer   (iedichte,    welche    in    der  ersten   Hälfte  dieses  Jahr- 

'    Urandeur  et  dccadoice.  de  la  Cobinbine,  secoiulc  ■('•(lition.    Paris    l88ö   |>.  :{8   11.    H". 
"-   iM.   Mila  y  Fontanals,  Nolkia  de  la  7iida  y  esrrilos  de  D.  J'rospero  de  B<y/ariill 
y  Mascarö.    Baiceluiia    1860  p.  45. 


Hss.    Kat.  Texte.  —  Poesie.   Abhängigkeit  v.  d.  prov.  Dichtung.     75 


hunderts  durch  den  berüchtigten  Libri  geplündert  worden  ist*;  der  gestohlene 
Teil  ist,  nachdem  er  in  der  Sammlung  des  Lord  Asburnham  verweilt  hat, 
nach  Frankreich  zurückgekommen  und  in  die  Nationalbibliothck  übernommen 
worden,  welche  ihn  jetzt  unter  Nr.  487   des /onds  espagnol  bewahrt.  2 

Das  Britisch  Museum  besitzt,  unter  andern,  eine  katalanische  Bibel  und 
Werke  von  Ramon  Lull  (Gayangos  Catalogue  of  the  spanish  Maniiscripts 
in  the  British  Museum.  Bd.  I).  In  Cheltenha.m  belinden  sich  auch  einige 
katalanische  Hss.,  welche  in  dem  Katalog,  den  Sir  Thomas  Philipps  hat  drucken 
lassen,  angeführt  sind.  Die  königliche  Bibliothek  von  München  besitzt  Hss. 
von  Lull,  hauptsächlich  ein  Exemplar  von  Blanquerna.  In  Italien  muss 
man  auf  den  Vatikan  hinweisen,  welcher  die  einzige  bekannte  Hss.  des  Libre 
lie  les  dones  von  Jaumc  Roig^  besitzt.  Andere  italienische  öffentliche  und 
private  Bibliotheken  enthalten  ohne  Zweifel  auch  katalanische  Hss. ,  aber 
Nachrichten  darüber  fehlen. 

Alte  Bibliotheken.  Für  die  Litteraturgeschichte  ist  nichts  nützlicher 
als  das  Studium  der  Inventare  verschwundener  oder  aufgelöster  Bibliotheken. 
Nun  besitzen  wir  einige  Inventare  alter  katalanischer  Handschriften-Sammlungen, 
deren  bedeutendste  die  folgenden  sind:  i)  dasjenige  des  Königs  Martin  I. 
von  Aragon ,  welches  Mihi ,  allerdings  sehr  abgekürzt,  in  seinen  Trm>adares 
p.  488  abgedruckt  hat  (die  Revue  L'Avens  hat  in  ihrer  Nummer  vom  30. 
September  1890  eine  vollständige  Ausgabe  begonnen);  2)  dasjenige  der  Königin 
Maria,  Gemahlin  Alfons'  V.  von  Aragon  (gedruckt  in  der  Revista  de  Archivos, 
Bibl.  y  Museos  II.  p.  11  ff.  u.  im  Separatabdruck  erschienen  unter  dem  Titel 
Documcntos  histöricos,  num.  i,  Madrid  1872);  3)  dasjenige  von  Don  Pedro, 
Konnetabel  von  Portugal,  welcher  unter  der  Regierung  Johanns  II.  Ansprüche 
auf  die  Krone  von  Aragonien  machte  (gedruckt  von  A.  Balaguer  y  Merino, 
Don  Pedro,  cl  condestable  de  Portugal,  Gerona   1881   p.   20). 

A,  POESIE. 

gs  gibt  keine  romanische  Litteratur,  in  welcher  Poesie  und  Prosa  so  ver- 
schieden von  einander  sind.  Unter  Poesie  verstehen  wir  natürlich  nicht 
die  sog.  Volkspoesie,  von  welcher  wir  übrigens  nur  moderne  Produkte  kennen, 
sondern  die  Kunstpoesie,  die  Kunst  des  trobar,  das  nach  bestimmten  metrischen 
und  stilistischen  Regeln  ausgearbeitete  Werk.  Während  des  ganzen  Mittel- 
alters, und  selbst  noch  im  16.  Jh.,  bewegt  sich  nun  diese  Poesie  nicht  nur 
in  einer  ganz  besonderen,  meistenteils  dem  katalanischen  Geist  fremden  Ge- 
danken- und  Gefühlsrichtung,  sondern  sie  hat  sogar  eine  Sprache  für  sich, 
welche  nicht  diejenige  der  Prosa,  ja  sogar  nicht  die  der  gehobenen  Prosa 
ist.  Während  des  ganzen  ersten  Teils  des  Mittelalters ,  bis  zum  Ende  des 
13.  Jhs.  dichteten  die  katalanischen  Dichter  in  der  Sprache  der  Troubadours, 
in  einem  mehr  oder  weniger  reinen  ,  oft  zwar  mit  Fehlern  gegen  die  gute 
Aussprache  und  die  SprachregeH  behafteten  Provenzalisch,  aber  immerhin  in 
einer  fremden  Sprache,  welche  von  derjenigen,  die  sie  beim  Sprechen  oder  in 
der  Prosa  gebrauchten,  sehr  verschieden  war.  Selbst  zu  einer  späteren  Zeit, 
als  die  katalanische  Sprache  dank  der  zahlreichen  Prosaschriften,    sich  schon 

*  Beschrieben  durch  L  a  in  b  e  r  t :  Catalogue  des  mannscrits  de  la  bihliotheque  de  Car- 
pentras.    Carpentras   1862.  t.  1  p.    198  ii.  IT. 

-  S.  Romaiiia  Bil.  XVI,   106. 

'  Ein  Facsimile  und  Auszüge  aus  dieser  lls.  sind  von  mir  mitgeteilt  worden  in 
meinem    Rapport  sur  une  miss'wn  philologiqne  h    Valence.    Paris   1885. 

*  Cf.  7,.  B.  die  Konfusion  beim  Reime  zwischen  c  und  e  und  die  Nichtbeachtung  der 
I  )el<linatioiisrcgchi. 


76     LlTTERATURGESCHlCHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    I>ITT. 

I)esser  zum  Gebrauch  in  der  Poesie  eignete,  behalten  doch  die  katalanischen 
Dichter  verschiedene  Wörter  und  Wendungen ,  welche  von  der  Poesie  der 
Troubadours  oder  von  der  akademischen  Toulouser  Poesie ,  die  ihr  direktes 
Muster  geworden  war,  herrühren.  Mit  um  so  mehr  Recht  fahren  sie,  ebenso 
wie  früher,  fort,  die  Poetik  und  Metrik  jenseits  der  Pyrenäen  zu  beachten;  sie 
vereinfachen  nur,  was  ihnen  in  der  Toulouser  Technik  zu  kompliziert  erscheint, 
und  reduzieren  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Muster  auf  einige  wenige  unwandel- 
bare Formen.  Weniger  künstlerisch  angelegt  als  die  Troubadours,  werden  sie  in 
dem  .Ausdruck  von  Gefühlen,  die  bei  ihren  Vorgängern  zu  kompliziert  und  raffiniert 
waren,  dunkel  und  schwerfällig;  und  dank  dem  Einflüsse  des  Petrarchismus 
werden  sie  sogar  eben  so  langweilig  und  manieriert  als  unverständlich.  Das 
ist  der  Zustand  der  katalanischen  Poesie  vom  14.  zum  16.  Jh.  Was  noch 
viel  bemerkenswerter  ist  und  die  oben  schon  hervorgehobene  Scheidung  der 
katalanischen  Poesie  von  der  Prosa  noch  mehr  bezeugt,  ist  der  Umstand, 
dass  die  moderne  Poesie  der  katalanischen  Renaissance,  diese  Poesie  der 
restaurierten  Jochs  flor als  (Blumenspiele),  obgleich  jede  Tradition  seit  lange 
unterbrochen  ist  und  die  heutigen  Dichter  kaum  noch  daran  denken,  sich 
direkt  von  Auzias  March  oder  Mossen  Jordi  inspirieren  zu  lassen,  damit 
fortfährt,  ziemlich  konventionelle  Gefühle  zu  affektieren ,  und  sich  in  einer 
Sprache  ausdrückt,  die  nicht  weniger  gesucht  ist ,  als  diejenige  der  Dichter, 
die  ehemals  um  die  joya  am  Konsistorium  des  Gay  saber  konkurrierten. 

5.  Es  ist  freilich  schwer  anzunehmen,  dass,  wenigstens  auf  dem  Gebiete 
der  religiösen  Poesie,  die  Katalanen  nicht  schon  früh  in  ihrem  eigenen  Dialekte 
gedichtet  hätten.  Gedichte  zum  Preise  der  Gottheit  und  der  Heiligen,  eigent- 
lich nichts  anders  als  Kommentare  der  Liturgie,  werden  in  der  Sprache  des 
Volkes  selbst  gedichtet  und  gesungen  worden  sein ;  anderseits  scheint  die 
ausserordentliche  Popularität  einer  der  Formen  dieser  religiösen  Poesie ,  der 
Goigs ,  welche  heutzutage  der  beliebteste  religiöse  Gesang  des  katalanischen 
Volkes  sind,  einen  ziemlich  alten  Ursprung  zu  verraten.  Einige  Proben  alter 
liturgischer  Gedichte,  die  uns  erhalten  sind  (Mild,  Trovadores  p.  466  und  Villanueva 
Viage  literario,  passim)  würden,  wenn  man  nach  dem,  was  verloren  ist,  urteilen 
darf,  in  der  That  darauf  hinweisen,  dass  ihre  Verfasser,  ausser  dass  sie  sich 
eines  sehr  einfachen  Versbaues  bedienen,  auch  noch  in  einer  alten  verständlichen 
Sprache  sich  auszudrücken  versuchen  ;  die  Provenzalismen  sind  hier  weniger 
zahlreich  als  in  der  profanen  Poesie.  Ramon  Lull  (j  1315),  der  Apostel, 
welcher  auch  von  den  Unwissendsten  verstanden  werden  will,  geht  diesen  Weg; 
seine  religiösen  Gedichte,  wenn  auch  manchmal  von  einer  etwas  komplizierten 
Rhythmik,  sind  doch  in  einem  Katalanisch  geschrieben,  welches  sehr  wenig 
von  dem  seiner Prosaschritlen  abweicht;  eben  dasselbe  lässt  sich  sagen  von  seinem 
berühmten  Klagcliede  (Lo  desconori)  in  einreimigcn  Strophen  vonZwölfsilbnern.  ' 

Die  Dichter  hingegen,  welche  der  Zeit  angehören,  die  man  die  Über- 
gangsperiode nennen  könnte,  von  der  echten  provenzalischen  Schule  zu  der 
Gründung  des  Konsistoriums  des  Gay  Saher  von  Barcelona,  diese  Dichter 
tragen,  noch  mehr  als  Lull,  Bedenken,  auf  die  Formen  der  poetischen  Sprache 
ihrer  Vorgänger  zu  verzichten.  So  der  Chronist  Ramon  Muntaner  in  seinem 
Sermö  über  die  Expedition  von  Sardinien  (1323)  in  einreimigen  Strophen  von 
zwanzig  Zwölfsilbncrn  -  oder  der  König  Peter  IV.  in  seinen  cobles  ^  die  er 
1378  an  seinen  Sohn,  d(>n  König  Martin  von  Sicilien,  gerichtet  hatte.  Diese 
cobks  sind  schon    nach   d(;m   System   der  cobla   croada  unisonant  gebaut,   d.  h. 

'  Ohras  rimadas  de  Ramon  Lull  piiblicadas  por  (i  e  f  ö  11  i  in  o  Rössel  lö.  Palma 
l8,")9.   in   8",   u.   d'.   M  i  1 .1    Trovadores  S.  468. 


Lo  sermö 


IM    o  ,    u.    LI.    ivi  1  la     I  I  ovauoi  CS    .t.    i\\yn. 

2  Z/'  sirmo  d'lin  Miintntier  per  M.  M  i  1  ä   y   1'"  o  11 1  a  n  a  1  s.    Montpellier  1880  in  8".  — 
mo  d^ Ell  Muntaner.  Adicio  per  M.  Mila  y  Fontana  Is.    Montpellier   1881.  in  8^ 


Poesie:  Religiöse  Volksdichtung.  Provenzausiekende  Kunstdichtung.  77 


sie  bestehen  nicht  mehr  aus  Zwöll-,  sondern  aus  Zchnsilbnern  mit  einer  stehenden 
Pause  nach  der  vierten  Silbe.  ^ 

6.  Das  Konsistorium  des  Gay  saber,  welches  nach  dem  Vorbilde  desjenigen 
von  Toulouse  durch  den  König  Johannes  I.  (1350 — 1395)  gegründet,  dann  durch 
seine  Nachfolger  Martin  I.  und  Ferdinand  I.  konsolidiert  und  befestigt  worden 
war,  verhalf  der  katalanischen  Poesie  zu  hohem  Aufschwung  und  vermehrte 
sehr  die  Zahl  der  Dichter ,  welche  dank  der  Gunst  dieser  Souveräne  häufig 
Gelegenheit  fanden  sich  vorteilhaft  zu  produzieren.  2  Seit  dem  Ende  des 
14.  Jhs.  nimmt  auch  die  katalanische  Poesie  einen  immer  berufsmässigeren 
Charakter  an ,  und  ergeht  sich  in  gewissen  metrischen  Formen ,  welche  sie 
von  nun  an  charakterisieren  sollten.  VV^enn  man  auch  verschiedene  Beispiele  von 
dofisas,  cansös,  serventescJis,  baladas,  lais  und  virolais  darin  findet,  alles  Namen 
und  Gattungen ,  welche  der  provenzalischen  Poesie  oder  der  auch  in  Kata- 
lonien sehr  beliebten  französischen  Poesie  entlehnt  sind ,  so  ist  doch  die 
Hauptform  der  katalanischen  Gaya  cieticia  die  Strophe  oder  cobla  von  acht 
Zchnsilbnern  (bordons),  die  sich  in  zwei  Halbverse  von  4  und  6  (7)  Silben 
teilen.  Die  Akzentuierung  der  vierten  Silbe  des  ersten  stets  männlichen  Halb- 
verses verleiht  diesem  Verse  eine  ermüdende  Monotonie,  die  aber  gewiss  den 
Katalanen  des  15.  Jhs.  nicht  missfiel,  weil  selbst  die  begabtesten  unter  ihnen, 
wie  Auzias  March,  nie  versuchten,  diesen  Rhythmus  zu  variieren.  Die  Kunst- 
fertigkeit der  katalanischen  Dichter  offenbart  sich  nur  in  der  Anordnung  der 
Reime.  Die  cobla  hat  Kreuzreime  (sie  ist  croada) :  abba  cddc,  oder  Ketten- 
reime (encadenada)  abab  cdcd  oder  vermischt  beide  Systeme  {mig  croada  e 
f/ng  encadenada)  abba  cdcd.  Eine  andere  Art  ist  die  cobla  croada  oder  enca- 
denada^ welche  mit  vier  gepaart  gereimten  Versen  schliesst  {apariada  la  meytat): 
abba  (abab)  ccdd.  In  einem  Gedicht  {obra  oder  vers)  kann  jede  Strophe 
unabhängig  sein  und  ihre  eigenen  Reime  haben ;  in  diesem  Falle  heisst  sie 
solta;  oder  ein  Reimsystem  umfasst  das  ganze  Gedicht,  in  diesscm  Falle  heisst 
es  unisonant.  Eine  cobla  ist  capcaudada,  wenn  ihr  letzter  Reim  im  ersten  Verse 
der  folgenden  cobla  wiederholt  wird :  abbacddc-ceec  u.  s.  w. ;  sie  ist  capcaiulada  de  dos 
bordons,  wenn  ihre  zwei  letzten  Reime  in  den  zwei  ersten  Versen  der  folgenden 
Strophe  wiedererscheinen  :  abbacddc-dccd  u.  s.  w.  Die  cobla  ist  capfinida,  wenn 
der  erste  Vers  einer  Strophe  mit  dem  Worte  beginnt  welches  die  vorher- 
gehende Strophe  beschliesst ;  sie  ist  equivocada,  wenn  sie  dasselbe  Wort  in 
zwei  verschiedenen  Bedeutungen  im  Reime  enthält  (z.  b.  fi,  Substantiv  u. 
Adjektiv) ;  sie  ist  derivativa,  wenn  sie  im  Reime  auf  ein  Maskulinum  das  von 
demselben   abgeleitete  Femininum  folgen  lässt  (z.  b.  ß  und  fina). 

Die  meisten  der  strophischen  Gedichte  schlössen  mit  einer  kürzeren, 
tornada  genannten  Strophe  von  vier  Versen ,  deren  Reime  diejenigen  der 
vier  letzten  Verse  der  letzten  Strophe  oder  auch  nur  einen  derselben  wieder- 
holten ;  manchmal  ist  auch  die  iornada  vollständig  unabhängig  von  den  früheren 
Strophen,  was  die  Reime  betrifft.  Der  erste  Halbvers  der  tornada  bildet  die 
Devise  {divis  oder  senyal)  des  Dichters;  an  diesem  Zeichen  können  wir  die 
Echtheit  von  Stücken  erkennen,  welche  in  den  Hss.  uns  ohne  den  Namen 
des  Verfassers  überliefert  sind ;  leider  verändern  die  Dichter  häufig  ihre  Devise, 

'  Diese  Strophen  sind  liäufig  gedruckt  worden,  zum  ersten  Male  von  D.  Pröspero 
de  Bofarull:  Los  condes  de  Barcelona.  Barcelona  1836.  2  Bde.  p.  272;  dann  in  der 
Coleccion  de  doc.  ined.  del  Archwo  de  Aragon,  VI,  366,  wo  sich  überdies  das  Begleit- 
schreihen  findet. 

^  Über  das  Konsistorium  von  Barcelona  cf.  El  arte  de  trobar  von  Enrique  de 
Villena  in  den  Origines  de  la  lengua  espanola  von  May  ans  (Ausg.  Madrid  1 873,  S.  269), 
die  Memorias  von  Tor  res  Aniat,  s.  v.  Averso  und  JuaH  /.,  und  die  Verordnungen  Martin's  1. 
vom  1.  Mai  1398  und  diejenigen  Ferdinand's  I.  vom  17,  März  1413  (Coleccion  de  doc.  ined. 
del  Arcliivo  de.  Aragon   \"1.   469  u.  Ms.   der  l'arist-r  Nationalbibl.   Esp.   No.   225   Kol.   \y 


78      LlTTERATURGESCHlCHTE  DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.    3.    KaTAL.    LllT. 

oder  gebrauchen  deren  verschiedene  zu  gleicher  Zeit ,  je  nach  ihrem  Gut- 
dünken oder  nach  der  Bedeutung ,  welche  sie  ihren  Versen  geben  wollen. 
Auzias  March  hat  viele  seiner  cants  mit  den  Devisen  gezeichnet:  Lir  entre 
carts  (Lilie  unter  Disteln),  oder  Plena  de  seny  oder  O  foll  amor,  ohne  dass 
man  sähe,  was  seine  Wahl  bestimmt  liat.  An  die  tornada  schliesst  sich  die  Adresse 
an  {cndressa),  eine  andere  Strophe  von  vier  Versen  oder  zweite  tornada.,  manch- 
mal fi,  wie  die  erste  genannt,  oder  auch  seguida. 

Rims  estramps  oder  obra  estranipa  ist  der  Name  für  Gedichte  in  reim- 
losen Versen  {vejsi  sciolti  der  Italiener) :  es  gibt  deren  mehrere  Beispiele  in  den 
Werken  des  Auzias  March.  Ein  einziger  reimloser  Vers  mitten  unter  andern 
unter  einander  reimenden  Versen,  heisst  perdut. 

Eine  cobla  allein,  mit  oder  ohne  tornada,  heisst  esparsa. 

Der  Inoch  ist  ein  Vers  von  geringerem  Umfange  als  der  grosse  Zehn- 
silbner  {tronco  der  Italiener);  der  ampelt  oder  empclt  (eigentlich  Propfreis), 
ist  ein  sehr  kurzes  Wort,  welches  mit  dem  vorhergehenden  Verse  reimt.  Retronx 
ist  die  Wiederholung  eines  W^ortes  oder  eines  Verses.  Man  sagt,  dass  retronx 
vorkommt ,  wenn  am  Ende  jeder  Strophe  eines  Gedichtes  ein  oder  mehrere 
Verse  wiederholt  werden.     Es  ist  also  der  Refrain. ' 

Die  meisten  dieser  Ausdrücke  gehören ,  wie  leicht  zu  konstatieren  ist, 
zur  Terminologie  der  Leys  damors,  welche  der  grosse  Codex  des  Konsistoriums 
der  gaya  ciencia  und  die  Grammatik  aller  Anhänger  des  art  de  trobar  wurde 2. 
Neben  dieser  Metrik  Toulouser  Ursprungs,  tauchen  auch  einige  Nachahmungen 
der  französischen  Poesie  auf;  es  finden  sich  Übersetzungen  des  Alain  Chartier 
in  dem  Canfoner  d'amor  und  in  der  Hs.  von  Carpentras;  dann  Entlehnungen 
aus  der  italienischen  Poesie.  Abgeschn  von  der  Übersetzung  der  Göttlichen 
Komödie  durch  Andreu  Febrer'^,  welche  die  metrische  Form  des  italienischen 
Dichters  genau  kopiert,  kann  man  noch  in  dem  Gedichte  der  Gloria  d'amor 
von  Fra  Rocaberti  ein  anderes  Beispiel  von  Terzinen  erkennen;  aber  dies- 
mal solts:  aba,  cdc,  efe  u.  s.  w. 

7.  Die  Zahl  der  katalanischen  Dichter,  welche  vom  Ende  des  14.  bis 
zum  Ende  des  15.  Jhs.  sich  in  den  oben  aufgezählten  metrischen  Formen 
versucht  haben  ,  und  deren  Gedichte  hauptsächlich  in  dem  Pariser  Canfoner 
d'amor.^  in  dem  Liederbuch  von  Saragossa*  und  den  vier  Liederbüchern 
Vega-Aguilö^  gesammelt  worden  sind,  kann  eine  ziemlich  bedeutende  ge- 
nannt werden.  An  eigentlichen  Katalanen  und  Valenzianern  sind  es  ungefähr 
hundert.  Übrigens,  nur  recht  wenige  haben  es  über  eine  gewisse  Geschick- 
lichkeit in  der  NichtÜberschreitung  der  strikten  Regeln  des  trobar  gebracht ; 
was  die  Gedanken  betrifft,  so  drücken  sie  nur  mit  ziemlicher  Mühe  moralische 
Trivialitäten  aus,  singen,  oder  weinen  vielmehr,  über  ihre  Liebe,  nennen  das 
Leben  traurig  und  das  Glück  grausam.  Die  satirischen  oder  scherzhaft:en  Gedichte 
bewegen  sich  mit  grösserer  Leichtigkeit ;  unter  andern  die  von  Äntoni  Vall- 

'  Diese  Nomenklatur  ist  von  Bartsch  untersucht  worden:  yahrbuch  f.  romanische 
Literatur  Bd.  2,  S.  284  u.  ff.  (nur  nach  dem  Canfoner  d'amor),  dann  durch  Milä,  im  selben 
yahrbuch  Bd.  5,  S.  138  u.  ff.,  in  den  Trovadores  S.  483  und  in  der  Resenya  historica  y 
critica  dels  antichs  poetas  catalans  (yochs  florals  von    1865). 

^  Über  die  Terminologie  der  Toulouser  Schule  cf.  die  ausgezeichnete  Arbeit  von 
F.  Wolf,  Studien  S.  235  u.  ff. 

3  La  Comedia  de  Dant  Aüighier  traslatada  de  rims  vulgars  toscaus  en  rims  vulgars 
cathalans  per  N' And  reu  Febrer.  iiersg.  von  D.  Cayetano  Vidal  y  Valencia  no. 
Barcelona   1878.  in  S». 

*  Über  diese  Sammlung  cf.  Tic  knor- Julius  Bd.  2,  S.  700  und  Milä  yahrbuch 
Bd.  5  S.  131.  Auszüge  davon  bei:  D.Victor  Balaguer,  in  ^.cmtrHistoria  de  Cataluna. 
Madrid  1886.    Bd.  6.   S.  328—378. 

*  Beschrieben  durch  Milä:  Poeies  lyrii/ues  catalans.  Paris  1878.  in  S*'.  (Abdruck  au.>i 
der  Revue  des  langues  romaves). 


Poesie:  Kunstuichtüng.   Pekiouen.    Dichter.   A.  March.  79 

manya,  welcher  ausserdem  die  Spezialität  hatte,  bei  den  Nonnen  seiner  Zeit 
den  Liebesboten  zu  spielen :  »  Vallvianya  m\r  fcta  per  tma  7nonja  quitn  trames 
a  un  seu  enamorat«  ist  ein  Titel  von  cobles,  welcher  häufig  im  Pariser  Lieder- 
buche wiederkehrt. 

Diese  Dichter  nach  dem  Inhalte  ihrer  Werke  zu  gruppieren  ist  beinahe 
unmöglich,  denn  sie  gleichen  einander  alle ;  sie  nach  ihrer  Herkunft  zu  ordnen 
(ob  katalanisch,  oder  valenzianisch),  wie  man  es  schon  zu  thun  versucht  hat, 
ist  illusorisch,  da  diese  verschiedene  Herkunft  nicht  Besonderheiten  stilistischer 
und  metrischer  Art  entspricht.  Die  Valenzianer  aus  dem  Königreich  Valenzia 
oder  die  Katalanen  aus  der  alten  Grafschaft  Barcelona  bewegen  sich  in 
denselben  Bahnen  und  schreiben  dieselbe  Sprache;  der  Lokalgeist  bringt  es 
nicht  dazu,  in  Gedichten  so  konventioneller  Art  hervorzutreten.  Wir  müssen 
uns  deshalb  begnügen  diese  poetische  Produktion  chronologisch  zu  ordnen. 
Die  drei  von  Milä  y  Fontanals  vorgeschlagenen  Perioden  sind  im  Grossen 
und  Ganzen  annehmbar. 

8.  Die  erste  reicht  vom  König  Peter  IV.  bis  zu  Auzias  March,  d.  h. 
vom  Ende  des  14.  Jhs.  bis  zum  ersten  Drittel  des  folgenden  und  schliesst 
in  sich  die  alten  Dichter  wie  die  Jaume  und  Pere  March,  die  Lorenz o 
Mallol,  Pere  de  Queralt,  Pau  de  Belviure,  Mosen  Jordi  de  Sant 
Jordi  etc.  Der  Markgraf  von  Santillana  zitiert  in  seinem  Briefe  an  den 
Konnetabel  von  Portugal,  nach  Guillem  de  Bergadan,  dem  katalanischen 
Troubadour  des  12.  Jhs.,  die  Namen  von  Pau  de  Bellviure  (Benbibre), 
Pere  March  dem  Alten  und  Mosen  Jordi  de  Sant  Jordi,  diesen  als 
den  moderneren  (eti  miestros  tietnpos  florescio)  und  er  lobt  seine  y>cangion  de 
ofpösitos«  ,  welche  mit  dem  Vers  beginnt:  Tots  jorns  aprench  i  desaprcnch 
ensemps^.  Die  zweite  Periode  umfasst  die  Mitte  des  15.  Jhs.  und  erhält  ihren 
Glanz  durch  i\uzias  March  und  die  katalanischen  oder  valcnzianischen 
Dichter,  die  sich  um  dieses  Haupt  der  Schule  gruppieren.  Das  charakteristischste 
Zeichen  dieser  Schule  ist  der  Pctrarchismus,  welcher  freilich  hier  viele  seiner 
Reize  eingebüsst  hat,  etwas  pedantisch  und  traurig  ist,  und  durch  die  er- 
müdende Monotonie  der  unveränderlichen  cobla  mit  ihren  langen  so  eintönig 
geformten  Versen  noch  langweiliger  geworden  ist. 

Auzias  March  (j  den  4.  Nov.  1458)-  war  ein  Dichter  von  Gottes 
Gnaden  und  in  seinen  Canis  d'amor  und  Cants  de  mort  haben  wir  überaus 
zahlreiche  schöne  Verse.  Er  ist  glücklich  in  seinen  Bildern ,  die  nicht  so 
trivialer  Art  sind,  wie  diejenigen  seiner  Zeitgenossen;  nichts  desto  weniger 
finden  wir  selten  bei  ihm  ein  Gedicht,  welches  vollständig,  sowohl  dem  Sinne 
als  der  Form,  Genüge  thäte.  Sein  schlimmster  Fehler  ist  die  Dunkelheit;  sie 
beruht  teils  auf  seinen  etwas  verschwommenen  und  verworrenen  Gedanken, 
teils  auf  der  Sprache,  in  welcher  er  sich  hat  ausdrücken  wollen,  eine  Sprache, 
die  nicht  geeignet  war,  allzu  subtile  und  tiefe  Gedanken  auszusprechen.  Dieser 
rätselhafte  Dichter  war  schon  zu  Lebzeiten  sehr  geachtet  und  sehr  gepriesen 
—  der  Markgraf  von  Santillana  nannte  ihn  f>gran  trovador  i  ome  de  assaz 
elevado  espiritu«   —   und  wurde  es  noch  mehr  nach  seinem  Tode. 

Den  Ruhm,  zu  welchem  er  nach  seinem  Tode  kam,  verdankt  er  haupt- 
sächlich seinen  zwei  Übersetzern  in  kastilianischer  Sprache,  Baltasar  de  Ro- 
mani  und  Jorge  de  Montemajor:  die  erste  Übersetzung  wurde  1539  gedruckt, 
und  zwar  —  was  recht  bemerkenswert  ist  —  vier  Jahre  vor  der  editio  princeps 
des  Originaltextes.    Durch  sein  Vorbild  begeisterte  Auzias  die  ersten  lyrischen 

'    Obras  del  marqtus  de  Santillana.    Madrid    1852.    S.    lO. 

2  A.  Pages,  Docnmetüs  inedits  relatifs  ii  la  vie  d' Auzias  Alarch,  in  der  Romania 
Bd.  17,  S.  186  u.  ff.  Auzias  —  das  ist  die  Schreibweise  der  Hs.  und  nicht  Ansias  —  ist 
eine  Form  des  Namens  Elzear. 


80     LllTERAi URGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    3.    KaTAL.    LiTl". 

kastilianischen  Dichter  des  16.  Jhs.jBoscan,  Garcilaso  de  la  VegaundMen- 
doza.  Boscan,  welcher  als  Katalane  den  Dichter  von  Valencia  in  seiner 
Originalsprachc  lesen  konnte,  preist  ihn  mit  Begeisterung:  «en  loor  del  qtial, 
sagt  er,  si  yo  agora  7ne  metiesc  nn  poco ^  no  podria  tan  presto  volver  ä  lo  gue 
agora  traigo  entrc  las  maiws<.<.^.  Der  bedeutenste  Petrarchist  der  Sevillancr  Schule, 
Fernando  de  Herrera,  welcher  in  seinem  Kommentar  über  (Jarcilaso 
des  letzteren  Entlehnungen  aus  Auzias  angibt,  hat  ihn  seinerseits  nachgeahmt; 
auf  diese  Weise  hat  sich  der  Einfluss  dieses  Dichters  in  katalanischer  Sprache 
sehr  weit  über  das  Gebiet  dieser  Sprache  ausgedehnt,  und  hat  sein  Ruf  glück- 
licherweise   den    vollständigen  Verfall    der  sog.  Limousiner  Schule  überlebt.  ^ 

In  der  dritten  Periode  des  katalanischen  trohar  ist  kein  Dichter  von 
wirklichem  Verdienst  und  grossem  Rufe  aufgetreten.  Nichts  destoweniger  ist 
diese  Periode  in  litterarischer  Hinsicht  interessant,  weil  sie  uns  die  langsame 
Wandlung  der  Metrik  und  die  ersten  Symptome  des  kastilianischcn  Ein- 
flusses zeigt. 

Neben  dem  alten  in  zwei  Vier-  und  Sechs-  (Sieben)silbner  sich  teilen- 
den Zehnsilbner  taucht  eine  neue  Form  dieses  selben  Zehnsilbners  auf,  der 
sich  nun  in  zwei  Halbverse  zu  5  (6)  und  5  (6)  Silben  teilt:  es  ist  dies  die 
arte  mayor  der  Kastilianer,  welche  infolge  des  ungeheueren  Rufes  von  Juan 
de  Mena  in  ganz  Spanien  sich  einbürgert.  Diese  Entwickelung  kann  haupt- 
sächlich in  einem  Jardhiet  d'orats  ^  betitelten  Liederbuche  und  bei  verschiedenen 
Valenzianer  Dichtern  aus  dem  Ende  des   15.  Jhs.  beobachtet  werden.* 

9.  Wir  müssen  nunmehr  zur  Besprechung  einer  poetischen  Gattung  über- 
gehen, welche  in  gewisser  Hinsicht  von  der  art  de  trobar  und  der  gaya  ciencia 
verschieden  ist,  oder  welche  wenigstens  die  vulgärste  und  prosaische  Form 
derselben  vertritt.  Es  handelt  sich  um  die  Gedichte  in  hordons  appariats 
(Reimpaaren),  welche  in  den  Leys  d^aviors  bereits  niroas  rimadas  (gereimte 
Erzählungen)  genannt  werden.  Die  Katalanen  nahmen  sehr  frühe  diese  metrische 
Form  an,  und  die  mroes  rwiades  wurden  seit  dem  14.  Jh.  und  bis  ins  Ende 
des  15.  Jhs.  sehr  häufig.  Nach  einer  Stelle  aus  dem  Briefe  des  Markgraf 
von  Santillana  an  den  Konnetabel  von  Portugal,  wären  die  nmies  rimades 
den  cobles^  vorangegangen.  Jedenfalls  musste  diese  nicht-strophische  Poesie, 
weil  viel  leichter  als  die  Dichtung  in  cooles  croades  oder  encadenadcs,  viele 
Reimer  reizen ,  welche  mit  den  Künsteleien  der  eigentlichen  Kunstpoesie 
weniger  vertraut  waren.  Ein  mittelmässiger  Dichter  konnte  sich  sehr  wohl 
in  dieser  für  die  Schwachen  oder  Unerfahrenen  recht  geeigneten  Poesie  ver- 
suchen:  ^Car  Ignorant  suy  del  estil  Dels  trobadors  del  saber  gay«  hat  der 
Verfasser  einer  dieser  noves  gesagt.  Der  zäsurlose  Vers  ist  hier  gewöhnlich 
ein  Achtsilbner,  seltener  ein  Zehnsilbner.  In  diesem  Rhythmus  sind  die  meisten 
Gedichte  der  Hs.   von  Carpentras-Asburnham   geschrieben:   6\^  Sete  Savis 


*  Brief  an  die  Herzogin  von  Sonia. 

2  Über  den  Charakter  der  Werke  des  Auzias  March  cf.  J.  Rubiö  y  Ors, 
Auslas  March  y  su  epoca,  Baicelona  1862.  Die  modernen  Ausgaben  von  Auzias,  diejenige 
von  ]' e  I  a  y  o  y  Biiz  (]3aiceIona  1864)  oder  diejenige  von  Barcelona  1H88  sind  nur  niiUel- 
massige  Wiederabdrucke  der  alten  Ausgaben.  Amedee  Pages  verspricht  uns  eine  kritische 
Ausgabe  nach  allen  Hss.  und  Ausgaben,  welche  gewiss  definitiv  sein  wird. 

*  Ed.  von  Fr.  Pelayo  y  Briz,  Barcelona   1869. 

*  Cf.  die  Resenya  von  Mila,  und  R.  Ferrer  y  Bigne:  Estudio  histarico  critico 
sobre  los  poetas  valencianos  de  los  siglos  XI TI,  XIV  v  XV,  in  dem  Bolet'ni  de  la  Sociedad 
de  amigos  del  pais  de   Valencia. 

*  -tiEscrivieron  prhneranientc  en  trovas  (Var.  novas)  rimadas,  que  son  pies  ö  hordones 
largos  de  sillabas,  e  algunos  ccmsonavan  e  otros  von.  Despues  desto  nsarott  el  decir  en  coplas 
de  diez  .uUabns  ä  ia  iftanera  de  ios  /e»nisis<i  (Obras  p.    Kx) 


Poesie:   Dichtung  in  Reimpaaren.    ].  Roig.    Codolada.    i6.  — 18.    Jh.    8t 


der  Facet  u.  s.  w,  i,  das  Gedicht  von  Guillem  de  Torrella,  dasjenige 
von  B.  Metge,  mehrere  Gedichte  von  Ramon  Lull  und  verschiedene  andere 
noch.  2  Aber  der  Meister  in  dieser  Gattung  wurde  der  berühmte  Arzt  von 
Valencia,  Jaume  Roig  (Mitte  des  15.  Jhs.),  dessen  Ltdre  de  coftsells  oder  de 
les  dones  —  eine  sowohl  durch  Privaterlebnisse  des  Dichters  als  durch  die 
Lektüre  anderer  ähnlicher  Verhöhnungen,  wie  des  Matheolus,  hervorgerufene 
Satire  gegen  die  Frauen  —  eines  Rufes  und  einer  Popularität  sich  erfreut, 
welche  seit  seiner  Veröffentlichung  (1531)  bis  heutzutage  noch  andauert. 

Der  Dichter  selbst  gibt  seinem  Gedichte  den  Namen  noves  rimades,  in- 
dem er  hinzufügt,  er  habe  sie  comediades,  d.  h.  um  die  Hälfte  verkürzt.  In 
der  That,  er  verwendet  Viersilbner  statt  Achtsilbner.  Die  Neuerung  war  aber 
gewiss  nicht  glücklich ;  sie  hat  eher  den  litterarischen  Wert  des  Werkes  ver- 
mindert als  vermehrt.  Dieses  Kunststück  gefiel  den  Zeitgenossen  Roig 's  und 
überhaupt  den  Katalanen  aller  Zeiten  sehr ;  infolge  dessen  wurde  es  sehr  oft 
nachgeahmt.  Im  16.  Jh.  schreibt  Gaspar  Guerau  von  Montemajor  in 
diesem  verkürzten  Rhythmus  eine  Satire  der  Ärzte  Valencias,  und  im  17.  Jh. 
sind  mehrere  politische  Pamphlete  aus  der  Revolution  von  1640  »<?«  rima 
de  Jaume  Roig<c  verfasst.  ^ 

10.  Eine  abgeleitete  oder  veränderte  Form  der  noves  rimades  ist  die  co- 
dolada ,  ein  Name,  der  im  16.  und  17.  Jh.  aufgekommen  ist  und  der  sehr 
wohl  an  den  Ausdruck  capcaudada  {obra  oder  cobla)  anknüpfen  könnte  zur 
Bezeichnung  eines  Gedichtes  in  Reimpaaren  mit  ungleichen  Versen  von  acht 
oder  vier  Silben.  Die  einfachste  Formel  ist  a^brc^^d  u.  s.  w.,  aber  am  häufigsten 
ist  der  erste  Vers  verdoppelt,  so  dass  wir  erhalten :  aa/^brc/Zd  u.  s.  w.  Muster 
dieser  Reimfolge  sind  ein  Lo  venturds pelegrl  betiteltes  Gedicht  und  das  ergötzliche 
Testament   des  En  Bernat  Serradell  aus  Vieh.* 

Uli  jorn  cansat  de  treballar 
E  desijos  de  repausar. 
Quan  vespre  fo, 
Eu  retorne  a  la  mayso, 
Volent  sopar  etc. 

11.  TA^  codolada'SvdX  in  allen  katalanischen  Provinzen  geblüht,  hat  aber 
hauptsächlich  auf  Mallorca  Glück  gemacht,  wo  zahlreiche  Dichter  von  Profession, 
genannt  glosadors,  sie  noch  heute  mit  Erfolg  verwenden.  Es  ist  zu  beachten, 
dass  der  lange  Vers  der  codolada  seit  dem  16.  Jh.  gewöhnlich  auf  einen  Sieben- 
silbner  sich  reduziert,  das  Versmass  der  kastilianischen  Romanze.  ^ 

Im  16.  Jh.  dauern  noch  einige  Zeit  lang,  und  zwar  hauptsächlich  in 
Valencia,  die  poetischen  Wettspiele  fort;  aber  das  gay  saber  verfällt  und 
die  Tradition  verliert  sich  immer  mehr.  Ein  Dichter  wie  Joan  Pujol  aus 
Matarö,  welcher  den  Mut  hat,  in  cobles  die  Schlacht  von  Lepanto  zu  besingen 
und    eine    Visiö   en   somni   zu  Ehren    von    Auzias    March  komponiert,    von 

*  Die  Gedichte  dieser  Hs.  sind  zum  grössten  Teile  veröffentlicht  worden :  Die  Sete 
Savis  durch  Mussafia  (Wien  1876) ;  der  Dialog  zwischen  En  Buch  und  seinem  Pferde 
durch  W.  Förster  in  der  Zs.  f.  romanische  Phil.  Bd.  1,  S.  29  ff.;  AtrUhre  dels  mariners 
und  das  Gedicht  von  Turmeda  über  die  Streitigkeiten  auf  Mallorca  durch  D.  Mariano 
Aguilö  y  Fuster  in  seinem  Cangomr  (Barcelona  1873),  mehrere  Gedichte  aus  dem  Teile 
Asburnham  durch  P.  Meyer,  in  der  Romatiia,  Bd.  13  und  20.  Das  Gedicht,  welches  man 
Liebhaber,  Frau  und  Beichtvater  betiteln  kann,  A^s  Buch  der  drei  Dinge  und  Atx  Facet  durch 
mich  selbst  in  der  Homafiia  Bd.   lo.   12  und   15. 

^  cf.  Milä:  Poetes  catalans.    Les  noves  rimades  —  La  codolada.    Montpellier   1876. 
'  Das  Gedicht    von  Roig  ist   von   mir   untersucht  worden    in    meinem  Rapport   sur 
une  mission  philologique  a   Valence.    Paris   1885. 

*  Von  Aguilö  herausgegeben  in  seinem  Cangoner.   (Barcelona  1873). 

*  Über  die  codolctda  ci.Mi\ä.:  Poetes  catalans.  Les  noves  rimades.  La  codolada.  Mont- 
pellier 1876. 

Gköbbr,  Grundriss.  IIb.  6 


8  2      LiTTERATURGESCmCHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —     3.    KaTAL.    LiTT. 

dem  er  auch  einige  Gedichte  glossiert,  steht  fast  allein  in  seiner  Art.  Er 
darf  als  einer  der  letzten  katalanischen  Trohadors  angesehn  werden.  ^  Was 
Pere  Serafi  betrifft,  so  ist  er  schon  vollständig  unter  dem  Banne  kastilianischer 
Poesie.  Seine  cobles  mit  langen  Versen  sind  wahre  octavas  reales  nach  der 
Formel  abababcc,  seine  Sonette,  seine  Romanzen,  seine  »Redondillen«  haben 
nichts,  was  sie  von  den  zeitgenössischen  kastilianischen  Werken  unterscheide ; 
nur  der  grosse  Zehnsilbner  bewahrt  bei  ihm  die  männliche  Zäsur  und  betont 
stets  die  vierte  Silbe.  Serafi  ist  ein  geschickter  und  anmutiger  Reimer;  aber 
es  fehlt  ihm  an  dichterischem  Hauche ;  so  war  er  denn  nicht  der  Aufgabe 
gewachsen,  einen  Rest  von  (iunst  einer  hinsterbenden  Litteratur  zu  erhalten. 
Umsonst  lobt  er  in  einem  seiner  Sonette  den  Auzias  March  und  stellt  ihn 
unter  den  Mmlgars«  auf  dieselbe  Stufe  wie  Dante  und  Petrarca;  diese,  übrigens 
etwas  kalte,  Begeisterung  vermag  Niemanden  zu  erwärmen.  - 

Über  den  Franziskaner  Moner,  von  welchem  einige  katalanische  Gedichte 
in  einer  grösstenteils  aus  kastilianischen  Werken  bestehenden  Sammlung  (gedruckt 
1528)  vorkommen,  vermögen  wir  angesichts  der  dürftigen  Nachrichten  Torrcs 
Amat's  (Memorias  s.  v.  Moner)  nichts  zu  sagen. 

12.  Was  im  Laufe  des  17.  und  18.  Jhs.  folgt,  ist  noch  unbedeutender. 
Die  Katalanen  haben  einem  Zeitgenossen  von  Lope  de  Vega,  dem  Dr.  Vicens 
Garcia,  der  in  Vallfogona  als  Pfarrer  thätig  war,  zu  einem  gewissen  Rufe 
verholfen.  Seine  Werke  sind  im  Jahre  1700  gedruckt  worden,  unter  dem 
lächerlichen  Titel :  La  Armoiiia  del  Parnds,  mes  nnmerosa  en  las  Poesias  tmiias 
del  Atlant  del  cel  poetic  lo  Dr.  Vicent  Garcia.  Man  muss  die  Romanzen, 
die  Sonette  und  die  »Redondillen«  dieses  tändelnden,  oft  auch  schlüpfrigen 
Geistlichen  gelesen  haben,  um  sich  eine  Idee  von  der  Armseligkeit  des  poe- 
tischen Schaffens  der  Katalanen  dieser  Periode  zu  machen  ,  sowie  auch  um 
die  vollständige  Unterwerfung  ihrer  litterarischen  Thätigkeit  unter  Kastilicn  zu 
begreifen.  '^  Eine  >->La  Curiositat  catalana«  betitelte  Sammlung,  welche  viele 
Gedichte  dieses  Garcia  und  anderer  seiner  Zeitgenossen  enthält,  kann  einiges 
Interesse  in  kulturgeschichtlicher  Hinsicht  bieten,  in  litterarischer  Hinsicht  gar 
keines.*  Ebenso  muss  es  sich  mit  den  Schöpfungen  des  Kanonikus  aus 
Taragona,  Josd  Blanch  ,  verhalten,  dessen  Sammlung  Mataläs  de  toda  llana 
von  Torres  Amat  {Memorias  p.  109)  im  Brustton  der  Überzeugung  gelobt 
wird.  In  Valencia  herrscht  dieselbe  Armseligkeit,  wenn  wir  nach  den 
scherzhaften  und  oft  unfeinen  Gedichten  des  Pater  Mulet  {Obres  festives  del 
Pare  Francesc  Mulet,  Valencia  1876)  oder  denjenigen  anderer  Reimer,  von 
welchen  Proben  in  Estudio  histörico  crltico  de  los  poetas  valencianos  de  los  siglos 
XVI,  XVII  u.  XVIII,  Valencia  1883,  ed.  J.  M.  Puig  Torralva  u.  F.  Marti 
Grajales ,  zu  finden  sind,  urteilen.  Schon  daran  haben  wir  genug,  dass  die 
kastilianischen  Verseschmiede  uns  mit  Versen  geradezu  überschwemmen;  wir 
verzichten  gerne  darauf,  ihre  abgeblassten  Nachahmer  kennen  zu  lernen.  —  Zu 
beachten  ist  übrigens,  dass  der    tiefe  Verfall   der    katalanischen   IJtteratur  im 

1  Die  Originalhs.  der  Gedichte  von  Pujol  gehörte  Joseph  Tastu  und  befindet 
sich  heute  in  den  Händen  seines  Solines.  Das  Gedicht  ülier  Lepanto  ist  nur  in  einer  kleinen 
Anzahl  Exemplaren  durch  den  erwähnten  Tastu  gedruckt  worden,  welcher  sie  unter  seinen 
Freunden  verteilt  hat.     Auszüge  bei  Torres  Amat,  s.  v.   Pujol. 

*  Die  Werke  Serafi's  sind  1505  in  Barcelona  gedruckt  (P.  Salvä  Catälogo  No. 
971)  und  in  derselben  Stadt  1840  wieder  veröffentliciit  worden.  Seine  kleinen  Verse,  die 
Cangons,  haben  in  der  Offizin  der  Ilnstracid  Catalana  (oime  Jahi)  auch  die  Ehre  eines  Neu- 
drucks erfahren. 

*  Die  beste  Arbeit  über  Vicens  (jarcia  und  seine  Gedichte  ist  die  von  D.  Joaquin 
K  u  b  i  ö  y  O  r  s  in  dem  Certamen  de  la  Acadonia  de  la  juveHtud  catdlica  de  Tortosa  en 
honor  de  su  escelsv  patrona  la  Virgen  siempre  pura.  Tortosa  l879-  Cf.  auch  den  Präsidenten 
Aragon:    Un  polte  castülan  du  XVW^  siecle.    Montpellier  1880. 

*  Cf.  dit  A/ewiȟis  de  la  Acadeinia  de  buenas  letras  de  Barcelona.  Bd.  2.   (1868)  p.  380  ft'. 


Poesie:  Verfall.   Moderner  Katalanismüs.    Jochs  Florals.  83 

17.  Jh.  mit  einem  Wiederaufleben  des  Lokalpatriotismus  zusammentrifft.  Während 
die  Katalanen  mit  sehr  grosser  Energie  ihre  politische  Unabhängigkeit  gegen 
das  Haus  Österreich  verteidigen,  vervollständigt  und  vollendet  sich  immer  mehr 
ihre  Assimilation  an  das,  was  man  das  Regime  des  kastilianischen  Geistes  nennen 
könnte.  Die  katalanische  Sprache,  welche  nur  in  der  Verwaltung  noch  gebräuch- 
lich ist,  gerät  immer  mehr  in  Verfall;  sie  eignet  sich  immer  weniger  zum 
litterarischen  Gebrauche ,  sie  ist  bald  nur  noch  ein  Patois  flir  die  Verfasser 
von  goigs  oder  codoladas. 

13.  Schon  früher  haben  wir  bemerkt,  dass  die  Arbeiten  der  Bibliographen 
des  18.  Jhs.,  die  historischen  Studien,  welche  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatten, 
den  Katalanen  den  Ruhm  ihrer  Vergangenheit  und  hauptsächlich  die  Macht 
des  Handels  und  der  Industrie  ihrer  Hauptstadt  wieder  zum  Bewusstsein  zu 
bringen,  dann  anderseits  die  Romantik  im  Anfange  unseres  Jahrhunderts  mit 
ihren  altertümelnden  Tendenzen,  mit  ihrem  Geschmacke  für  das  Gotische  und 
die  mittelalterlichen  Dinge,  bei  einigen  katalanischen  Litteraten  den  Gedanken 
hervorriefen,  eine  seit  zwei  Jahrhunderten  unterbrochene  Tradition  wieder  auf- 
zunehmen ,  eine  verfallene  Sprache  zu  restaurieren  und  sie  zu  befähigen,  die 
Gedanken  und  die  Bestrebungen  einer  neuen  Generation  auszudrücken. 

Es  ist  merkwürdig  zu  konstatieren,  dass  derjenige,  welcher,  zwar  unbewusst 
aber  doch  anerkanntermassen,  den  modernen  Katalanismus  angebahnt  hat, 
nämlich  Carlos  Buena Ventura  Aribau  (geb.  in  Barcelona,  den  4.  Nov. 
1798),  nur  nebenbei  mit  Litteratur  sich  beschäftigte,  dafür  aber  den  giössten 
Teil  seines  Lebens  in  den  Bureaux  oder  Comptoirs  als  Vertreter  von  Handels- 
häusern oder  als  Beamter  des  Finanzministeriums  zugebracht  hat.  Er  ist  es 
gewesen,  welcher  1833  in  einer  an  seinen  Beschützer,  den  Bankier  D.  Gaspar 
Remissa,  gerichteten  Ode  das  Signal  blies: 

A  Deu  siau.  tuions,  per  sempre  ä  Den  siau.  .  . 
Es  ist   dies    der   Gesang    eines    Sohnes    Kataloniens,  welcher   in    seiner  Ver- 
bannung in  apartadas  terras,  d.  h.  in  Kastilien,  nach  seinen  Bergen  sich  sehnt 
und  von  Heimweh  erfüllt  wird,  weil  er  nicht  mehr  die  Klänge  seiner  heimat- 
lichen Sprache  hört: 

la  Uengua  d'aquells  sabis 
Que  oinpliren  I'univers  de  llurs  costums  e  Heys, 
La  Uengua  d'aquells  forts  que  acataren  los  reys, 
Defenguercn  llurs  drets,  venjaren  llurs  agravis. 

Das  Gedicht,  in  lamartinischen  Stanzen,  welches  sowohl  von  schönem 
patriotischen  Hauch  durchweht,  als  von  jener  sanften  Melancholie  durchdrungen 
ist ,  welche  die  Katalanen  anyoransa  nennen ,  hält  sich  bis  zur  vorletzten 
Strophe  vollständig  auf  der  Höhe.  An  diesem  Punkte  muss  sich  aber  Aribau 
seines  guten  Herren  erinnern  ;  aus  diesem  Grunde  bittet  er,  es  möge  das  lemosi 
seinen  Lippen  reich  entströmen,  damit  der  Name  des  Gaspar  Remissa  auch 
der  fernsten  Nachkommenschaft  bekannt  werde,  was  für  einen  Bankier  etwas 
übertrieben  klingt.  In  diesem  Gedichte  fehlt  es  der  Sprache  nicht  an  Bestimmt- 
heit und  Festigkeit.  Interessant  an  dieser  Ode  Aribau 's  ist  aber  auch  noch 
der  Umstand,  dass  sie  in  metrischer  Beziehung  vollständig  von  der  damaligen 
französischen  Poesie  abhängig  ist.  Die  vierzeiligen  Strophen  in  Alexandrinern 
sind  so  und  so  vielen  Gedichten  der  französischen  Romantiker  nachgebildet. ^ 

Mit  Joaquin  Rubiö  y  Ors  tritt  die  Bewegung  schärfer  hervor,  und 
von  1841  an,  dem  Datum  der  Veröffentlichung  der  Gedichtsammlung  dieses 
Dichters,    welcher  das  Pseudonym  Lo  gayter  del  Llobregat  annimmt,  tauchen 


'  Eine  Erinnerung  an  die  alte  katalanische  Metrik  ist  die  stets  (einen  einzigen  Fall 
ausgenommen)  männliche  Zäsur.  ^  Die  zuerst  in  der  Zeitung  El  Vapm-  gediuckte  Ode 
Ariliau's  findet  sich  bei  Torres  Amat  (s.  v.  Arihaii). 

■    6* 


84     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LlTr. 

auf  allen  Punkten  des  Gebietes  der  alten  Krone  Aragons ,  sowohl  in  Kata- 
lonien als  in  Valencia  und  auf  den  Balearen,  neue  Troubadours  auf,  von 
denen  die  einen  in  etwas  weinerlichem  Tone,  die  andern  mit  Entrüstung  und 
Zorn  die  historischen  Erinnerungen  ihres  Landes  wachrufen,  das  Recht  in  ihrer 
eigenen  Sprache  zu  sprechen  und  zu  schreiben  beanspruchen  und  sich  manch- 
mal mit  heftiger  Sprache  gegen  Ungerechtigkeiten  wenden  ,  welche  sie  den 
Kastilianern  vorwerfen. 

Dem  Gayter  del  Llobregat  schliesen  sich  an  der  Coblejador  de 
Monca da  (Antonio  de  Bofarull),  der  Trovador  de  Monserrat  (Victor  Ba- 
laguer),  der  Joglar  de  Maylorcha  (Gerönimo  Rossellö)  und  andere,  die  es 
nicht  für  angezeigt  hielten,  sich  mit  anspruchsvollen  Beinamen  zu  schmücken, 
wie  z.  B.  Mariano  Aguilö,  welcher  besonders  in  der  Ballade  und  in  einigen 
kleineren,  der  Volkspoesie  nachgebildeten  Gedichten  glücklich  war.  Dieser 
litterarische  Aufschwung,  in  dem  die  Quantität  die  Qualität  des  Geleisteten 
weit  hinter  sich  lässt,  und  die  guten  Absichten  sehr  oft  die  guten  Verse  er- 
setzen müssen,  führt  schliesslich  1859  zur  Gründung  einer  Akademie,  die 
sich  unter  dem  Namen  der  Jochs  florals  gewissermassen  vornimmt,  den  Kata- 
lanismus völlig  für  sich  in  Beschlag  zu  nehmen.  Mit  dem  Jahre  1859  endet  die 
erste  Periode  der  katalanischen  Renaissance,  die  heroische  Periode,  der  »Sturm 
und  Drang«  der  Romantiker.  Dann,  von  1860  bis  g.  1880  erblüht  eine  neue 
Gattung  von  Wettspielpoesie ,  wo  das  Thema  patria ,  fi,  amor,  welches  die 
Devise  der  Jochs  florals  ist,  viele  Reimer  begeistert,  deren  Namen  nicht  alle 
der  Geschichte  aufbewahrt  zu  werden  verdienen.  Unter  ihnen  ragt  einer 
hervor,  Jacinto  Verdaguer,  welcher  den  sehr  ehrenwerten  Ehrgeiz  gehabt 
hat,  seiner  Litteratur  Werke  von  grösserer  Tragweite  und  Bedeutung  zu  schenken, 
als  die  gewöhnlich  den  Jochs  vorgelegten  und  durch  ihre  Vorstände,  die  mantene- 
tors,  gekrönten  Gedichte;  daher  die  zwei  Epen  Atlantida  (1876)  und  Canigö 
(1886).  Neben  diesen  langen  Gedichten ,  welche  vom  Talent  und  Fleisse 
des  jungen  Dichters  eine  günstige  Vorstellung  erwecken,  werden  seine  lyrischen 
Gedichte,  welche  in  weniger  gespreiztem  Stile  und  weniger  künstlicher  Sprache 
geschrieben  sind,  z.  B.  die  kleine  Sammlung  betitelt  Idilis  y  cants  mistichs  (1879) 
Beifall  erringen. 

Übrigens  wird  wenig  von  demjenigen,  was  durch  die  Dichter  der  ersten 
Periode  der  Renaissance  wie  durch  die  begabtesten  Vertreter  der  zweiten 
Generation  gedichtet  worden  ist ,  der  Zeit  widerstehen.  Aber  was  auch  das 
wirkliche  Verdienst  dieser  Verse  sein  mag ,  es  ist  durchaus  billig,  dass  man 
den  grossherzigen  und  uneigennützigen  Tendenzen  ihrer  Verfasser  und  ihren 
beharrlichen  Bemühungen  Rechnung  trage.  Zu  loben  sind  sie  auch,  dass  sie 
für  den  Geist  ihrer  Sprache  adäquate  Ausdrucksmittel  gesucht  und  in  metrischer 
Beziehung  manches  Neue  geschaffen  haben.  So  haben  sie  denn,  statt  sich  wie 
Aribau  an  den  modernen  französischen  Alexandriner  zu  halten  (mit  der  obligato- 
rischen Elision  in  der  weiblichen  Zäsur)  den  alten  französischen,  kastilianischen 
und    katalanischen  Alexandriner    zu   13    und  14  Silben  wieder  aufgenommen. 

Fugiu  de  vostras  casas,  oli  catalans !  La  rassa 
Que  aviiy  110  sab  combatrer  no  te  dret  al  renoni 

Sie  haben  sich,  auch  in  einreimigen  Tiraden  von  Zehnsilbnern  mit  der 
Zäsur  nach  der  sechsten  Silbe  versucht  (das  Versmass  des  Girard  de  Roussilloti 
welches  Milä  sie  gelehrt  hatte). 

Lo  comte  Tallaferio  |  va  com  lo  vent, 
Volant  per  les  altures  |  del  Pirineu. 

Dies  alles  verdient  Beachtung  und  ist  durchaus  nicht  abgedroschen. 
Seit  der  Revolution  von   1868  hat  die  Einrichtung  der  Jochs  florals  ver- 


Poesie:  Verfall.  Moderner  Katalanismus.    Dram.  Lm\  —  Prosa.     85 

schieden e  Krisen  durchgemacht  und  hat  aufgehört  die  Oberhand  in  den 
litterarischen  Bestrebungen  Kataloniens  zu  haben.  Da  sich  in  Katalonien  die 
Politik  auch  viel  in  die  Litteratur  gemischt  hat,  so  begreift  sich,  dass  der 
Katalanismus  heutzutage  sehr  verschiedene  Dinge  bezeichnet.  Er  bezeichnet 
nicht  blos  eine  litterarische  Schule,  sondern  auch  eine  politische  Partei  oder 
selbst  verschiedene  politische  Parteien,  welche  in  ihrem  Programm  die  Wieder- 
herstellung verschiedenartigster  Dinge  fordern  und  für  ihr  Land  eine  Autonomie 
zurückzuerobern  versuchen,  die  durchaus  nicht  zu  den  gegenwärtigen  Einrichtungen 
der  spanischen  Monarchie  passt.  Es  ist  nicht  leicht  vorauszusehen,  was  unter 
diesen  Verhältnissen  die  katalanische  Poesie  werden  wird,  und  welche  Zukunft 
ihr  vorbehalten  ist.  Jedenfalls  wird  sie  nicht  mehr  der  Parole  irgend  einer 
Akademie  gehorchen,  und  wenn  sie  zu  fernerer  Blüte  berufen  ist,  so  wird  sie 
ihre  Erfolge  nur  dem  Talente  gewisser  Persönlichkeiten  verdanken ;  sie  wird 
von  nun  an  immer  individueller  werden.  ^ 

14.  Die  dramatische  Litteratur  Katalaniens  kann,  wie  unsere 
Kenntnisse  heute  sind,  mit  wenigen  Worten  abgethan  werden.  Über  das 
liturgische  und  religiöse  Drama  des  Mittelalters,  das  ebenso  dürftig  als  wenig 
originell  erscheint,  findet  man  hie  und  da  einige  Angaben  in  Villanueva.  In 
neuerer  Zeit  hat  Milä  eine  Form  des  alten  liturgischen  Dramas  in  einem  Auf- 
satze {El  canto  de  la  silnla  en  lengua  iVoc,  Romania.  IX,  355  ff.)  untersucht  und 
einige  Jahre  vor  seinem  Tode  hat  er  die  Veröffentlichung  von  Noticias  de 
representaciones  catalanas  versprochen,  welche,  wie  wir  hoffen,  in  seinen  Werken 
erscheinen  werden ,  die  gegenwärtig  in  Barcelona  im  Druck  sind.  Ander- 
seits hat  Gabriel  Llabres  ein  merkwürdiges'  Mysterium  vom  heiligen  Georg 
(16.  Jh.)  bekannt  gemacht  {Boleti  de  la  Sociedad  arqueolögica  liiliana,  April  1889) 
und  die  Publikation  dramatischer  Aufführungen  (consnetas)  der  Seu  de  Mallorca 
versprochen,  die  sich  in  einem  Ms.  des  16.  Jhs.,  vierzig  an  der  Zahl  vorfinden. 

Für  das  moderne  katalanische  Theater  ist  noch  kein  Dichter  erstanden, 
der  hinreichend  Talent  hätte,  es  dem  Einflüsse  der  kastilianischen  saineüstas 
zu  entziehen ,  was  indessen  nicht  hindert,  dass  man  an  der  Aufführung  oder 
der  Lektüre  der  Stücke  Federico  Soler's  (Serafi  Pitarra)  und  Anderer  einiges 
Vergnügen  finden  kaniL 

PROSA. 

lährend  das  16.  Jh.  hindurch  die  katalanische  Schule  der  vorher- 
gehenden Periode,  wenn  auch  nur  schwach  und  mit  zahlreichen  Unter- 
brechungen, die  Poesie  weiter  pflegt,  findet  sich  vom  16.  bis  zum  18.  Jh. 
kein  Katalane  mehr,  welcher  Originalwerke  in  Prosa  geschrieben  hätte.  Die 
einzigen  katalanischen  Prosaiker,  die  es  wenigstens  noch  wagen,  sich  ihres  Dialektes 
zu  bedienen,  gehören  entweder  zur  Kategorie  der  Theologen  und  der  Päda- 
gogen, welche  fiir  das  Volk  fromme  Traktate  und  doctrines  schreiben,  oder 
zu  derjenigen  der  Historiker  und  Gelehrten ,  welche  alte  Texte  bearbeitend, 
wie  Carboneil  oder  Pujades,  es  für  einfacher  gehalten  haben,  sie  in  der 
Originalsprache  zu  paraphrasieren  als  von  neuem  Erzählungen  in  kastilianischer 
Sprache  zu  verfassen.  Die  Revolution  von  1640  rief  freilich  eine  ganze 
Litteratur  politischer  Schriften,  Pamphlete,  Zeitungen  u.  s.  w.  hervor ;  ungefähr 
dasselbe  ereignete    sich    im  Anfange    des   1 8.  Jhs. ,    als    Katalonien    sich    auf 

*  Die  zwei  Arbeiten,  welche  man  über  den  modernen  Katalanismiis  zu  Rate  ziehen 
kann,  sind:  J.  Rubio  v  O-rs,  Breve  resena  del  acttial  rcuachniento  de  la  lengua y  literafura 
catalanas.  (Memorias  de  la  Acad.  de  hnenas  letras  de  Harcelona,  Bd.  2,  1880)  und  Fr.  M. 
Tubino:  Historia  del  reniciniie>?t(>  literario  roiitemporäueo  en  Cataluna,  Bnleares  v  Vtt/encia. 
Madrid   l8«c . 


86     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LiTT. 


Seite  des  Erzherzog  Karl  schlug  und  sich  zehn  Jahre  lang  gegen  die  legitime  Re- 
gierung der  Bourbonen  auflehnte;  aber  diese  zweiAnwandelungen  eines  politischen 
Katalanismus  hatten  keine  litterarischen  Folgen.  Wir  werden  demnach  nicht 
viel  Mühe  und  Zeit  auf  die  Erwähnung  der  spärlichen  katalanischen  Prosa- 
werke zu  verwenden  haben,  welche  während  der  langen  Periode  vom  Ende 
des   15.  Jhs.  bis  zur  modernen  Renaissance  geschrieben  worden  sind. 

Das  Mittelalter  hingegen  ist  reich  an  Prosaschriften  und  liefert  zahlreiches 
Material  für  unsere  Übersicht.  Während  zwei  Jahrhunderten,  dem  14.  und  15., 
haben  die  Katalanen  mehr  geschrieben,  als  man  von  einer  zugleich  kriegerischen 
und  handeltreibenden  Nation  erwarten  konnte,  und  wenn  auch  ein  guter  Teil 
dieser  litterarischen  Produktion  nichts  Originelles  bietet  und  nur  in  Über- 
setzungen oder  Anpassungen  fremder  Werke  besteht,  so  bleibt  immerhin  eine 
Anzahl  von  Werken  übrig,  die  nur  dem  einheimischen  Geist  entstammen  und 
in  denen  sich  der  nationale  Geist  weit  ungezwungener  und  unverholener  wieder- 
spiegelt, als  in  den  Dichtungen,  in  welchen  das  katalanische  Denken  stets 
durch  die  fremdartige  Tracht,  die  er  annehmen  muss,  beengt  zu  sein  scheint. 

Wenn  auch  das  pla  catalä  ungefähr  seit  dem  ersten  Drittel  des  13.  Jhs. 
entwickelt  genug  war,  um  die  Gedanken  auszudrücken,  die  ein  Katalane 
seinen  Landsleuten  mitzuteilen  haben  konnte,  —  wie  es  die  Aktenstücke  und 
die  Sendschreiben  von  Königen  ,  wie  Jacobs  I.  oder  Peters  III.  von  Aragon 
bezeugen,  —  so  ist  doch  die  Zahl  derjenigen  litterarischen  Schriften,  die  man, 
ich  sage  nicht  in  den  Anfang,    aber  doch  in    die    Mitte   oder    das    Ende   des 

13.  Jhs.  verlegen  kann,  ausserordentlich  beschränkt.  Alle  datierten  Texte 
gehören,  mit  sehr  wenigen  Ausn"ahmen,  dem   14.  oder   15.  Jh.  an. 

15.  Heilige  Schrift;  Übersetzungen;  Kommentare.  —  Die  bisher 
sehr  dunkle  Geschichte  der  katalanischen  Übersetzungen  der  Bibel  ist  neulich 
durch  einen  der  kompetentesten  Gelehrten  aufgehellt  worden,  durch  S.  Berger 
in  seinen  Nouvelles  recher ches  sur  Ics  hibles  provenfales  et  catalanes ,  Romania 
XIX  505- — 561.  Berger  hat  gezeigt,  dass  diese  Geschichte  verwickelter  ist, 
als  man  es  sich  auf  den  ersten  Blick  denken  sollte ,  weil  die  katalanischen 
Übersetzer  nicht  nur  auf  die  lateinischen  Versionen  der  Vulgata  zurückgegangen 
sind,  sondern  auch  auf  provenzalische  oder  französische  Übersetzungen  der 
heiligen  Schrift. 

Die  Bibel  wurde  spätestens  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.  ins 
Katalanische  übersetzt;  dies  geht  aus  einem  Briefe  hervor,  welchen  am  1 1.  Februar 
1350  Peter  IV.  von  Aragon  an  seine  Schwägerin  Cecilie,  Gräfin  von  Urgel, 
richtete;  in  demselben  ist  die  Rede  von  einer  >i Biblia  que  es  escrita  en  vulgär 
cathald,  la  quäl  nos  donam  al  alt  infant  En  Jacme,  d  qui  Deus  perdö,  pare  (sie) 
nostre  6  marit  vostre« ;  dieser  Infant  Jacme  ist  am  15.  November  1347  ge- 
storben. 1  Die  einzige  vollständige  katalanische  Bibel  jedoch,  die  wir  besitzen, 
ist  diejenige  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Fonds  esp.  No.  2-4),  und  sie 
ist  im  15.  Jahrh.  geschrieben  worden.-    Andere  fragmentarische  Bibeln  aus  dem 

14.  und  15.  Jh.  enthalten  entweder  mehr  oder  minder  vollständig  das  alte 
Testament,  —  wie  die  Hs.  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.  No.  5  aus 
dem  Jahre  146 1)  oder  diejenige  des  British  Museum,  Egerton  1526  (aus  dem 
Jahre  1465)  —  oder  sie  enthalten  vollständig  oder  zum  Teil  das  Neue  Testament, 
wie  die  Hs.   der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.    486,    14.  Jh.)   und  diejenige 

'  J.  Coroleu,  Docitments  historic/is  ratalans  del  sigle  XIV,  Barcelona  1889,  p.  l,b. 
In  diesem  Briefe  ist  der  Ausdruck  pare  ein    offeiibaier  Schreib-  oder  Lesefehler  füi  gennä. 

-  Die  Bibliothek  der  Königin  Maria  von  Aragon  besass,  nach  dem  im  Jahre  1458 
aufgenommenen  Inventar  (No.  51  —  53),  eine  katalanische  Bibel  in  zwei  Bänden  und  den  ei;sten 
Band  einei'  anrlern  {Coleccion  de  dociimetUos  /lisföriros  piiblicados  en  tn  Rerisia  df  arrlih'os, 
Madrid   1872). 


Prosa:  Übersetzungen  der  Bibel.  87 


des  14.  oder  15.  Jhs.,  welche  Villanueva  beschreibt  {Viage  literario  XVIII 
273  und  334).  Der  Gelehrte  Perez  Bayer  besass  im  vorigen  Jahrhundert 
einige  Blätter  von  zwei  »Limusiner«  Versionen  der  Bibel,  aus  der  Mitte  des 
15.  Jhs.,  welche  einen  Teil  des  Prologs  des  h.  Hieronymus  zur  Apokalypse 
und  Bruchstücke  des  Buchs  Daniel,  der  Machabäer  I  und  der  Apostelgeschichte 
enthielten  (Antonio- Bayer,  Bibl.  hisp.  veius  II  214).  Dann  begegnen  für  sich 
bestehend  einige  Bücher  des  alten  oder  neuen  Testaments,  hauptsächlich  mehrere 
Psalter,  von  denen  der  eine  wenigstens  bis  zum  Anfang  des  14.  Jhs.  zurückreicht, 
da  er  von  Romeu  Brugucra  oder  Sa  Bruguera  aus  Mallorca  übersetzt  worden 
ist,  welcher  zum  Orden  des  h.  Dominicus  gehörte,  1 3 1 2  Provinzial  von  Aragon 
wurde  und  im  folgenden  Jahre  starl) ;  einer  der  neuesten  wird  derjenige  des 
Joan  Roic;  de  Corella  sein,  eines  valenzianischcn  Dichters  aus  dem  Ende  des 
15.  Jhs.,  dessen  Psalteri  trellat  de  lau  en  romanf  in  Venedig  1490  gedruckt 
wurde  (Mendez-Hidalgo,  Tipografia  csparlola  p.  39). ^  Auch  von  den  Sprüchen 
haben  wir  gesonderte  Übersetzungen  :  die  sechs  ersten  Kapitel  dieser  Samm- 
lung befinden  sich  z.  B.  in  der  Hs.  der  Pariser  Nationalbibliothek,  Esp.  No.  353. 
Man  muss  übrigens  berücksichtigen,  dass  der  Titel  •>-> Proverbis  de  Salomo<i.  häufig 
auf  einfache  Auszüge  verwandt  wird,  welche  den  biblischen  Text  oft  nur  mit 
geringer  Treue  wiedergeben,  wie  diejenigen,  welche  Llabres  y  Quintana 
im  I.  Bande  der  Biblioteca  it escriptors  catalans  (Palma  1889)  gesammelt  hat, 
oder  sogar  auf  Bücher  mit  Sprüchen  praktischer  Moral,  wie  diejenige,  welche 
Villanueva  in  einer  Valenzianer  Bibliothek  nachgewiesen  hat  {Viagc  lY  141). 
Die  schöne  Bibliothek  der  Königin  Maria  von  Aragon,  der  Gemahlin  Alfonso's  V, 
wovon  das  Inventar  1458  aufgenommen  worden  ist,  enthielt  verschiedene 
biblische  Texte  in  katalanischer  Sprache:  Apostelgeschichte  (No.  i),  Psalter 
(No.  3),  die  Evangelien  (Nr.  14J  u.  s.  w.2  Nach  Untersuchung  der  meisten 
dieser  Texte,  hat  Berger  gezeigt,  dass  die  katalanischen  Bibeln  des  15.  Jhs., 
allem  Anschein  nach,  Verjüngungen  von  solchen  des  14.  Jhs.  sind  (mit 
verschiedenen  von  neuen  Entlehnungen  aus  der  Vulgata  herrührenden  Ab- 
änderungen), und  dass  diese  letzteren  z.  T.  nicht  aus  dem  lateinischen,  sondern 
aus  dem  provenzalischen  oder  französischen  übersetzt  worden  waren.  Was 
die  Übersetzung  der  Bibel  bctriffl,  welche  gegen  1470  in  Valenzia  von  einigen 
Theologen  unternommen  wurde,  an  deren  Spitze  Bonifaz  Ferrer  stand,  der 
Bruder  des  h.  Vincent  Ferrer,  und  von  welcher  wir  einerseits  zwei  Blätter 
aus  der  Offenbarung  Johannis  mit  dem  Impressum  von  Valenzia  1478,  und 
anderseits  einen  Wiederabdruck  des  Psalters  allein  ohne  Jahr  (aber  ohne  Zweifel 
aus  dem  15.  Jh.)  besitzen,  so  ist  sie,  nach  Allem  was  man  wissen  kann,  von 
den  vorhergegangenen  Arbeiten  vollständig  unabhängig. 

Den  Katalanen  musste  auch  der  Gedanke  kommen,  die  Bibel  in  Verse 
zu  übertragen.  Daher  eine  »Bib/ia  rimada  e  en  romans«^  der  Tochter  eines 
Grafen  v.  Urgel  gewidmet,  der  1243  starb,  die  in  Abschrift  in  der  Hs. 
der  Colombina  vorliegt,  worin  sich  der  Psalter  von  Sa  Bruguera  befindet. 
Diese  Biblia,  deren  32  ersten  achtsilbigen  Verse  mit  gepaarten  Reimen  von 
Bover  citiert  worden  sind  {Biblioteca  de  escritores  bakares,  Palma  1868, 
No.  173),  enthält,  aber  nur  im  Auszug,  die  beiden  Testamente  bis  und  mit 
der  Offenbarung  Johannis.  Nichts  beweist,  was  auch  immer  Bover  sagen 
mag,  dass  sie  das  Werk  Sa  Bruguera's  sei.  Dieselbe  Bibliothek  Colombina 
besass  in  einer  Sammlung  von  Opuscula  varia  ein  Fragment  in  rims  apariats 


^  Cf.  ebenfalls  eine  anonyme  (ibersetzunf^  des  "(.).  Psalnies  hei  Tor  res  Amat, 
Memorias,  s.   \'.  Bariols. 

^  Coleccion  de  docuinentos  historicos  pnblicados  en  la  Revista  de  archivos  ele.  Madrid 
1872.  —  Jose  Salat  besass  eine  Hs.  vom  Jahre  1336,  welciie  „un  extiacto  ö  sea  sinopsis" 
der  Bibel  enthielt.  (Cf.  seinen   Cahilogo,  p.   6). 


88    LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LilT. 


von  einem  Gedicht,  in  welchem  die  Passion,  die  Himmelfahrt,  Pfingsten,  die 
Ankunft  des  Antichrists  und  das  jüngste  Gericht  erzählt  sind.  Besagtes  Frag- 
ment, von  welchem  Fr.  Michel  einige  Verse  bekannt  gemacht  hatte  {Archives 
des  missions  scientifiques  et  littiraires  3*^  Serie  t.  VI,  1880,  p.  275)  befindet 
sich  jetzt  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Fonds  esp.  No.  472). 

An  die  heilige  Schrift  schliesst  sich  eine  Kompilation  an,  bekannt  unter  dem 
Namen  der  Genest  de  scriptum,  weil  sie  mit  den  Worten  beginnt:  y>Diu  lo 
libre  de  Genesi<s~.  Es  ist  dies  eine  Übersicht  der  biblischen  Geschichte  (altes 
und  neues  Testament),  dem  einige  Kapitel  über  das  wahre  Kreuz,  über  Titus, 
Vespasian  und  die  Bekehrung  Konstantins  folgen,  welche  apokryphen  Büchern 
entnommen  sind.  Von  dieser  »VVeltchronik«  existiert  eine  provenzalische  und 
bearnische  Übersetzung.  Von  der  ersten  derselben  stammt  ohne  Zweifel  die 
katalanische  Übersetzung  her,  von  welcher  man  mehrere  Hss.  besitzt;  zwei  in 
der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.  46  und  205 ,  diese  letztere  enthält  nur 
ein  Kapitel  des  Buches),  eine  in  Florenz  (Laurenziana)  und  eine  in  Barcelona. 
Diese  ist  1873  in  Barcelona  gedruckt  worden,  in  der  Biblioteca  catalana  von 
Aguilö,  aber  in  Folge  von  Blattversetzung  in  der  Hs.  ist  die  fortlaufende 
Erzählung  häufig  gestört  worden ;  cf.  darüber  die  Denkmäler  prm'enzalisc/ier 
Littcratur  und  Sprache,  Halle  1883,  Bd.  I  495  u.  ff",  von  H.  Suchier,  wo 
die  verschiedenen  Übersetzungen  dieses  Werkes  geprüft  und  verglichen  worden 
sind. 

Von  einer  andern,  den  apokryphen  Büchern  entstammenden  Legende, 
mit  dem  Titel  »Die  Einnahme  Jerusalems«  oder  die  »Rache  Jesu  Christi« 
besitzen  wir  eine  katalanische  Version,  die  ebenfalls  aus  dem  provenzalischen 
übersetzt  worden  ist  (P.  Meyer,  Bulletin  de  la  soci6ti  des  anciens  textes  franfais 
I.  Jahrgang,  1875,  P-  54  ff-)-  Die  Ausgabe,  welche  die  Herausgeber 
des  13.  Bandes  der  Coleccion  de  documentos  iniditos  del  archivo  de  la  corona  de 
Aragon  davon  gegeben  haben,  ist  erbärmlich  inkorrekt,  wie  übrigens  alle  in  diesem 
Bande  veröffentlichten  Texte ;  es  wäre  erforderlich,  sie  nach  einer  vor  kurzem 
in  die  Pariser  Nationalbibliothek  aufgenommenen  Hs.  zu  korrigieren  (Esp. 
No.  509)  und  sie  mit  der  kastilianischen  Übersetzung,  welche  in  Sevilla  1498 
gedruckt  wurde,  und  mit  der  portugiesischen  Übersetzung,  welche  in  Lissabon 
1496  erschien,  zu  vergleichen  (Mendez-Hildago,  Tipografia  espailola  p.  351 
"•  373)'  Unter  dem  Titel  Mascaron^  ist  im  13.  Bande  p.  107  u.  ff.  des  Archrno 
de  Aragon  eine  Rede  des  Advokaten  der  Dämonen  gegen  y>r humanal  linage« 
herausgegeben  worden.  Dieser  Text,  welcher  sich  an  die  apokryphe  Litteratur 
anschliesst,  befindet  sich  in  zwei  Hss.  von  San  Cugat  del  Vallds  und  Ripoll, 
und  ebenso  in  einem  Bande   der  Bibliothek  Marias  von  Aragon  No.   2. 

Verschiedene  Texte,  welche  auf  die  Geschichte  Jesu  oder  der  Apostel 
Bezug  haben,  wie  z.  B.  die  Passion  (nach  Gamaliel),  die  unschuldigen  Kindlein, 
die  Geschichte  vom  guten  Schacher,  von  der  Dornenkrone  sind  durch 
Villanueva  in  einer  Hs.  der  Barfüsser  von  Barcelona  nachgewiesen  worden 
{ViageXWlll  22t  —  222)  und  finden  sich  auch  in  einem  Ms.  »en  lengua  lemo- 
sina« ,  des  Escorial,  L — II — 12  (Rodriguez  de  Castro,  Biblioteca  espafiola  11, 
741).  Die  Hs.  65  der  Bibliothek  der  Königin  Maria  von  Aragon  enthielt 
einen  Traktat  yide  la  nativitat  de  Jesu  Christ«  und  die  Herausgeber  des  schon 
citiertcn  13.  Bandes  des  Archivo  de  Aragon  haben  in  diesem  Bande  p.  131 
u.  ff",  eine  Erzählung  der  Passion  abgedruckt,  die  eine  Übersetzung  ist  des 
Tractatus  de  revelatione  facta  beato  Bernardo  a  beata  Virgine  super  dolore  quem 
sensit  in  passione  filii  sui;  cf.  P.  Meyer,  Bulletin  des  anciens  textes  I  62.    Was 


'  Hängt  Mascaron  mit  mäscara  oder  mit  dem  Verbum  mascar  zusammen  ?  Der  Ver- 
fasser des  Poema  de  Fernan  Gonzalez  (sti.    12)  nennt  den  Teufel  el  bcstia  mascaricnlo. 


Prosa:  Überseizungen  der  Bibel.    Kommentare.    Anstandsbücher.      89 


die  Historia  de  la  Pasid  de  N.  S.  (nach  dem  Johannesevangelium)  des  valenzianer 
Dichters  Mossen  Bernat  Fenollar  betrifft,  so  ist  dies  eine  Erzähhing  in 
Versen,  welche  1493  gedruckt  worden  ist  (Mendez-Hidalgo,  Tipografia 
espafiola  p.  40). 

16.  Von  Kommentaren  der  h.  Bücher  kann  man  verschiedene  Über- 
setzungen erwähnen;  diejenige  der  Moralia  in  Job  vow  Gregor  dem  Grossen 
(s.  hier  II  i,  103)  No.  27  der  Bibliothek  Marias  von  Aragon,  diejenige  des 
Nikolaus  von  Lyre  in  Fsahnos  (s.o.  II  i,  189),  No.  60  derselben  Bibliothek 
und  drittens  La  exposicid  dels  VII psalms  penitencials  feta  per  papa  Imwcent  III 
(s.  o.  II  I,  191),  welche  sich  auf  Verlangen  des  Fr.  Berenguer  March,  des 
Ordensmeisters  von  Montesa  (1392  — 1409),«  tralladada  de  lati  en  romanf  per 
/rare  Johan  Romen  del  orde  dels  f rares  preycadors«  nennt.  Eine  Hs.  dieser 
letztren  Übersetzung  befand  sich  im  Kloster  von  San  Francisco  de  Barcelona 
(Villanueva,  Viage  XVIII  167;  cf.  Torres  Amat  s.  v.  Romen).  Man  sieht 
nicht  genau,  weder  was  die  Consideracio  de  /es  regles  dels  Evangelis  noch  die 
Contemplacio  sobre  lo  pater  tiosier  ist  (No.  41  und  43  der  Bibliothek  Maria  von 
Aragon).  Dieses  letzere  Werk  ist  dem  Mossen  Pere  d'Artes ,  Beamten  am 
Hofe  des  Königs  Peters  IV.  (cf  Torres  Amat,  Memorias  s.  v.  Artis)  gewidmet. 

17.  Unter  den  Büchern,  welche  zum  Zwecke  haben  das  Leben  Christi 
zu  erzählen  und  welche  in  die  Kategorie  der  Andachtsbücher  gehören, 
finden  wir  eine  Übersetzung  des  Buches  des  h.  Bonaventura  y>  Contemplatio  seu 
meditationes  vitae  D.  Nostri  Jesu  Christi«,  (s.  II  i,  203).  Eine  Hs.  dieser  Über- 
setzung findet  sich  in  der  Bibliothek  Marias  von  Aragon  (No.  66);  sie  ist  das 
Werk  eines  -»indigne  religiös«  und  ist  in  Barcelona  gegen  Ende  des  15.  Jhs. 
gedruckt  worden  1  In  seiner  Widmung  an  Schwester  Leonor  Vilarig,  Äbtissin 
des  Klosters  Jerusalem  (Franziskanerinnen)  in  Barcelona,  gibt  der  anonyme 
Verfasser  an,  dass  der  Grund,  welcher  ihn  dazu  geführt  hat,  den  h.  Bonaventura 
zu  übersetzen,  in  dem  Umstände  zu  suchen  sei,  dass  der  schon  ins  Valenzianische 
übersetzte  Ludolph  von  Sachsen  zu  lang  erscheint:  »en  nostra  cathalana  lengua 
no  es  estat  tränsladada  (die  Vita  Christi  des  h.  Bonaventura)  y  acabat  que  lo  Cartuxa 
se  tropia  entre  nosaltres  en  lengua  valenciana ,  gue  es  a  la  nostra  prou  con- 
forme,  empero  per  ser  tan  prolixament  en  quatre  grans  libres  partit,  etc.« 
(Torres  Amat,  Memorias,  p.  695,  und  Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  esp. 
p.   266  und  398). 

Das  »Lo  Cartuxa  oder  Cartoxa«  betitelte  Buch  bezeichnet  die  Vita  Christi 
von  Ludolph  von  Sachsen  (s.  II  i,  201).  Es  wurde  von  Joan  Roiz  de 
Corella  übersetzt  y>de  lati  en  Valencia  lengua«  und  in  Valenzia  gedruckt  1495 
bis  1500  (Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  esp.  p.  41,  43  und  45,  und  Ximeno, 
Escritores  de    Valencia  t.  I  p.   62). 

Eine  andere  Vita  Christi  war  das  Werk  der  Schwester  Isabel  de  Villen a, 
der  natürlichen  Tochter  des  berühmten  Enrique  de  Villena,  welche,  nach- 
dem sie  Hofdame  bei  der  Königin  Maria  von  Aragon  gewesen  war,  in  einen 
Orden  trat  und  von  1463  an  Äbtissin  des  Franziskaner  Klosters  der  Aller- 
heiligsten  Dreieinigkeit  extra  muros  von  Valencia  wurde.  Ihr  häufig  in  Valencia 
und  in  Barcelona  seit  dem  Jahre  1497  gedrucktes  Buch  ist,  wie  ein  Biograph 
sagt ,  verfasst  worden  y>en  lengua  valenciana,  pero  con  estilo  tan  elegante,  con 
clausulas  tan  doctas  y  con  tan  pias  voces,  que,  por  divertido  que  esti  el  que  las 
lee,    no  puede   dexar    de  enter  nee  er  se«.   (Ximeno,    Escrit.    de   Valencia,    I   56). 

Merkwürdig  ist  es,  dass  man  über  die  h.  Jungfrau  in  der  katalanischen 
Litteratur  keine  Werke  von  der  Bedeutung  desjenigen  des  Gautier  de  Coinci 

*  Unter  dem  Werke  „Meditacions-"  erwähnt  '\.  o\xt.%  h.md^\.  (Memorias  p.  707)  zwei 
Hss.  des  Escorial  und  des  San  Cugat,  welche  höchst  wahrscheinlich  das  Werk  des  li.  Bona- 
vcnturn  cnthnltcn. 


90     LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LllT. 


z.  B.  findet.  Abgesehen  von  einer  gewissen  Anzahl  kleinerer  Stücke,  Gebete 
oder  anderer,  wie  diejenigen,  welche  im  13.  Bd.  des  Archivo  de  Aragon 
(cf.  H.  Suchier,  Denkmäler  prov.  Lit.  und  Sprache  pp.  85  und  515)  ge- 
sammelt oder  in  den  Katalog  der  Bibliothek  der  Maria  von  Aragon  eingetragen 
worden  sind,  haben  wir  kaum  etwas  anders  zu  erwähnen,  als  eine  Sammlung 
der  Wunder  der  h.  Jungtrau  (No.  28  desselben  Inventars),  ein  im  Inventar  der 
Bücher  Martin's  I.  (Mila,  Trovadores  p.  489)  angeführtes  Llibre  de  la  Verge 
Maria  en  plä  und  die  Vida  de  la  sacratissima  Verge  Maria  von  Miguel  Perez, 
welche  in  Valencia  schon  im  Jahre  1494  und  dann  wiederholt,  schliess- 
lich in  Barcelona,  1732,  abgedruckt  wurde.  Eine  kastillanische  Übersetzung 
dieses  Buches  wurde  in  Sevilla  1531  veröffentlicht  (Antonio-Bayer,  Bibl. 
vetus  II,  338;  Ximeno,  Escritores  de  Valencia  I  51,  und  Fuster,  Bibl. 
valenciana^  I  48). 

18.  Hagiographie.  —  Die  hagiographischen  Sammlungen  sind  zahlreich 
in  der  katalanischen  Litteratur.  Die  Vilae  patrum  des  Rufin  und  die  Colla- 
tiones  patrum  des  Cassian  sind  beide  übersetzt  worden,  aber  es  ist  nicht  leicht 
diese  zwei  Werke  in  den  Verzeichnissen  der  Bibliotheken  oder  in  den  Angaben 
der  Bibliographen  zu  unterscheiden.  Neben  den  unter  Nr.  59  des  Inventars 
der  Bücher  Marias  von  Aragon  angeführten  Collacions  de  Joan  Cafia  findet 
man  im  selben  Dokumente  zwei  andere  Hss.,  die  eine  (No.  11),  welche  zugleich 
de  vitis  patrum  und  collacions  dels  sants  pares  ^  die  andere  (No.  50),  welche 
Dels  sants  pares  hermitans^  betitelt  ist.  Anderseits  gibt  Tor  res  Amat  (Af^- 
morias  p.  699)  den  Titel  einer  Hs.  aus  dem  Jahre  1448  der  Bibliothek  von 
San  Jostf  de  Barcelona  so  an:  »Dotse  sants  pares  ermitans  foran  ensemps 
aiustats  en  collaciö  qui perlaz>en  de  Deu«  etc.  In  einer  im  15.  Jh.  geschriebenen 
Sammlung  des  Escorial  (N — I— 16)  findet  sich  ein  Text,  welcher  im  Katalog 
unter  dem  Titel  Autoridades  de  los  santos  padres  de  la  Iglesia,  en  lengua  lemo- 
sina,  verzeichnet  ist.  —  Hier  könnte,  obwohl  dies  nicht  eigentlich  zur  hagio- 
graphischen Literatur  gehört,  auch  eine  katalanische  Übersetzung  der  Epistola 
ad  Eustochium  de  custodia  virginitatis  des  heiligen  Hieronymus  zitiert  werden, 
die  ein  gewisser  Jerönimo  Gil  1 5 1 7  zu  Valencia  drucken  Hess  (cf.  Fuster, 
Bibl.  valenciana  I,   72). 

Von  den  Dialogen  des  Papstes  Gregor  (s.  II  i,  106)  sind  verschiedene  Hss. 
(;iner  oder  mehrerer  katalanischer  Übersetzungen  durch  die  Bibliographen 
angeführt  worden :  Dialogos  y  tnorals  de  S.  Gregori,  traduits  en  catald  per  un 
cavaller  de  Gerona  per  la  instrucciö  de  son  ßll«  (Torres  Amat,  Memorias 
p.  698).  Villanueva  fand  in  Santas  Creus  zwei  Exemplare  der  genannten 
Dialoge,  das  eine  aus  dem  15.  Jh.,  das  andere  aus  dem  Jahre  1340  [Viage 
XX  126);  und  der  Katalog  der  Bücher  Marias  von  Aragon  führt  unter  No.  5 
einen  Dialogo  de  Sajtt  Gregori  an.  Das  zweite  der  Mss.  von  Santas  Creus 
trägt  das  expl.:  Scriptum  fuit  per  manutn  Bernärdi  de  Olleriis,  scriptoris  Gerundae, 
ad  opus  quorumdam  filiorum  suorum,  XV  Kai.  junii  anno  Domini  13 40  (Torres 
Amat,  Memorias  s.  v.  Ollers).  Kann  dieser  scriptor  aus  Gerona,  der  sich 
Ollers  nennt,  mit  dem  cavaller  aus  Gerona  identifizirt  werden,  wie  D.  Antonio 
Rubio  y  Lluch  (El  renacimiento  cldsico  en  la  literatura  catalana ,  Barcelona 
1889   P-   23)  meint?     Das  ist  zweifelhaft. 

Die  Flores  sanctorum,  welcher  entweder  direkt  aus  dem  Lateinischen  über- 
setzt oder  nach  dem  Provenzalischen  umgearbeitet  oder  kompiliert  und  ursprüng- 
lich in  katalanischer  Sprache  geschrieben  wurden,  müssen  in  ziemlich  grosser 
Anzahl  vorhanden  gewesen  sein.     Der    König   Johann  I.  besass    1389    einen 

'  No.  4,  welches  Sunta  de  collacions  e  dits  dels  saitts  pares  betitelt  ist,  ist  vielleicht 
ein  Johann  von  Wales  (s.  II   l,  215). 


Prosa:  Andachtsbücher.    Hagiographie.  91 


Flos  sanctorum  en  romanc^  was  offenbar  heisst  in  katalanischer  Sprache,  und 
wir  finden  eines  im  Katalog  der  Königin  Maria  (No.  55)  und  in  demjenigen 
des  Don  Pedro  de  Portugal  (No.  6)  angeführt.  Torres  Amat  (p.  701) 
und  der  Katalog  des  Escorial  (cf.  Ebert  Jahrbuch  IV  56)  führen  einige  an, 
von  denen  zwei  dem    14.  Jh.  an  gehören,  die  man  nicht  identifizieren  kann. 

Ehensowenig  weiss  man,  was  eigentlich  zwei  Flores  bedeuten,  die  sich 
als  im  Ganzen  oder  zum  Teile  von  Gerson  übersetzt  ausgeben.  Denn  die 
Auskunft,  welche  diejenigen,  die  sich  damit  beschäftigt  haben,  geben  konnten, 
ist  notorisch  ungenügend  (Torres  Amat,  Memorias  s.  v.  Coli,  und  Ba- 
laguer  y  Merino,  Revue  des  langues  romanes  Bd.  XIX,  p.  56).  Ich  füge  noch 
hinzu,  dass  Fr.  V.  A.  Domenec,  in  Bezug  auf  die  Märtyrer  von  Vieh ,  den 
heiligen  Lucian  und  Martian,  von  einem  y>Flos  sanctorum  anüquissimo  escrito 
de  tnano  en  Icngua  Hmosina«.  (Historia  gcneral  de  los  santos  de  Cataluna, 
Gerona,  1630  p.  194)  spricht.  Von  der  Legenda  aurea  (s.  -II  i,  279)  haben 
wir  eine  katalanische  Übersetzung,  von  welcher  eine  Hs.  aus  dem  14.  Jh.  in 
der  Pariser  Nationalbibliothek  sich  befindet  (Esp.  No.  44).  C.  Chabaneau 
hat  daraus  das  Leben  der  h.  Anastasia  entnommen  (Revue  des  langues  romanes 
Bd.  XIII,   209). 

Die  Leben  einzelner  Heiligen  bilden  natürlich  eine  reiche  Littcratur. 
Die  katalanische  Bibliographie  der  h.  Maria  Magdalena  ist  von  Chabaneau 
ausgeführt  worden  (Sainte  Marie  Madeleine  dans  la  littirature  proz>en(ale,  Paris 
1887  p.  207);  sie  enthält  keinen  Text  vor  dem  15.  Jh.  Unter  den  am 
weitesten  verbreiteten  Leben  von  Heiligen  ist  dasjenige  der  h.  Margareta  und 
der  h.  Maria  von  Ägygten  zu  erwähnen.  Von  der  ersten  haben  wir  eine  Über- 
setzung im  13.  Bd.  des  Archivo  de  Aragon;  die  zweite  findet  sich  in  einer 
Sammlung,  die  gegen  1320  gemacht  worden  ist  und  welche  man  dem  Ramon 
Ros  aus  Tarrega  verdankt.  Sie  enthält  ausserdem  die  Lebensbeschreibungen 
der  h.  Euphrosina,  der  h.  Marina,  der  h.  Paula,  des  h.  Ludwig,  Bischofs  von 
Toulouse,  des  h.  Christoph,  des  h.  Franz  des  Bekenners,  und  die  Geschichte 
der  Vision  von  Clairvaux  aus  dem  Jahre  1159  (Antonio-Bayer,  Bibl. 
vetus  II  121).  Eine  -»Historia  de  sant  Latzer«,  d.  h.  des  h.  Lazarus,  Bischofs 
von  Marseille,  existierte  in  einer  Hs.  der  Barfüsser  von  Barcelona  (Villanueva, 
XVIII  221),  in  einer  Hs.  der  Königin  Maria  von  Aragon  (No.  2  des 
Inventars)  und  im  Ms.  L-II-12  des  Escorial.  Die  »  Vida  e  tratisit  del  glorios  sant 
Iheronitn«  ist  in  Barcelona  gedruckt  worden  in  den  Jahren  1482  und  1494 
(Torres  Amat,  Memorias  p.  718,  und  Meildez-Hidalgo,  Tipogr.  esp.  p.  51). 
Vielleicht  enthielt  die  Hs.  No.  8  des  Inventars  der  Maria  von  Aragon,  welche  mit 
einer  »Interpretaciö  del  nom  de  Sent  Hieronymi  beginnt,  auch  ein  Leben  des 
h.Hieronymus.  Eines  der  Leben,  welches  in  den  südfranzösischen  Provinzen  am 
meisten  Erfolg  hatte,  ist  dasjenige  des  h.  Honorat ;  es  wurde  ins  Katalanische 
übersetzt,  nicht  nach  dem  provenzalischen  Gedichte  des  Raimund  Feraut, 
sondern  nach  einem  lateinischen  Texte  (P.  Meyer,  in  Romania  VIII 483).  Diese 
Version  ist  in  Valencia  1485  oder  1495  gedruckt  worden  (Mendez-Hidalgo 
Tipogr.  esp.  p.  36)  und  die  Pariser  Nationalbibliothek  besitzt  davon  eine  Hs., 
ebenfalls  aus  dem  15.  Jh.  (Esp.  No.  154J.  Ein  Leben  des  h.  Onophrius  und 
eine  Übersetzung  der /;^eY«/w  corporis  sancti  Antonii  sind  von  Villanueva  in 
einer  Hs.  des  Klosters  von  San  Onofre  extra  muros  von  Valencia  nachgewiesen 
worden.  Dieses  Leben  des  h.  Onophrius  ist  vielleicht  dasjenige,  welches  der 
Deutsche  Kaufmann  in  Valenzia  1489  gedruckt  hat  (ein  Exemplar  in  der  Bib- 
liothek von  Valenzia,  s.  Anuario  I,  227)  und  was  die  andere  Erzählung 
betrifft,  so  ist  sie  von  D.  Bartolome  Muntaner  veröffentlicht:  Invencion  del 
cuerpo  de  S.  Antonio  abad,  etc.  Palma  1873.  Das  Inventar  der  Königin  Maria 
erwähnt   »Zä  vida  e  lo  proces  de  la  canonizaciö  de   Senta  EHsabet«   (No.   24), 


9  2     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LllT. 

dann  y>Lo  libre  e  Doctrina  de  la  molt  vir tuosa  dona Santa  Angela  de  Fulgino<(.  (Nr.  26), 
welches  das  von  dem  Franziskaner  Arnaldo  geschriebene  und  durch  die  Bol- 
landisten  veröffentlichte  Leben  sein  soll,  *  und  schliesslich  2  Hss.  des  Lebens 
der  h.  Radegunde  (No.  39  und  40).  Der  Valenzianer  Miguel  Perez,  von 
dem  schon  gesprochen  worden  ist,  schrieb  ein  Leben  der  h.  Catharina  von 
Siena,  welches  in  Valenzia  1494  gedruckt  wurde,  und  ein  Leben  des  h.  Vincent 
Ferrer,  ebenfalls  in  Valencia  15 10  gedruckt  (s.  Fuster,  Bibl.  valenciana  Bd.  I 
p.  49).  Ein  Leben  des  Hospitaliters  Julian,'^  welches  dem  »Llibre  de  les 
ord'macions  de  la  confraria  de  mercers  0  hotiguers  de  la  ciutat  de  Barcelona 
vulgarment  dita  dels  Julians«  entnommen  wurde,  ist  durch  D.  Maria noAguilö 
in  seiner  Bihlioteca  catalana  im  Anschluss  an  das  Recull  de  eximplis  veröffent- 
licht worden.  Der  h.  Georg,  der  Schutzheilige  des  Hauses  von  Aragon  und 
des  von  dem  König  Peter  IL  gegründeten  militärischen  Ordens  (Orden  des 
h.  Georg  von  Alfama,  später  mit  dem  Orden  von  Montesa  vereinigt),  den  die 
alten  Katalanen  mossen  Sani  Jordi  nannten,  hat  viele  Panegyriker  finden 
müssen.  Von  einem  dramatischen  Spiel,  welches  die  Thaten  dieses  Heiligen 
zum  Gegenstand  hat,  war  bereits  die  Rede.  Eine  Vida  del  glorios  martir 
monsenycr  Sant  Jordi  befindet  sich  in  der  Privatbibliothek  des  Königs  von 
Spanien  Q.  Massö  Torrents,  p.   11). 

Über  Leben  von  Lokalheiligen  in  katalanischer  Sprache  findet  man 
einige  wenige  Angaben  bei  A.  V.  Domenec,  Historia  general  de  los  santos 
de  Cataluna,  Gerona  1630.  Sie  sind  zahlreicher  im  Catälogo  de  Jose  Salat, 
welcher  eine  Überführung  der  h.  Abdon  und  Senen  ,  der  Schutzpatrone  von 
Arles  im  Roussillon  (p.  16),  das  Leben  der  h.  Eulalia,  der  Schutzpatronin 
von  Barcelona,  des  h.  Raimund  von  Penyafort,  der  h.  Madrona  etc.  namhaft 
macht   (p.    17    und   18)  und  auch  bei   Torres  Amat  {Memorias  s.  v.    Vida). 

19.  Dogmatische,  Moral-  und  mystische  Theologie.  -~  Wenig  Original- 
werke ;  die  meisten  der  katalanischen  theologischen  Werke  sind  ebenso  wie 
diejenigen,  die  in  die  Kategorie  »Wissenschaft  und  Kunst«  gehören  ,  Über- 
setzungen lateinischer ,  französischer  oder  italienischer  Bücher.  Es  empfiehlt 
sich  jedoch ,  diese  Übersetzungslitteratur  zu  verzeichnen  und  zu  besprechen, 
da  sie  allein  uns  über  den  Kulturzustand  der  Katalanen  während  des  Mittel- 
alters und  des  Anfangs  der  modernen  Zeit  unterrichten  kann. 

Der  Gottesstaat  des  h.  Augustin  ist  durch  einen  Anonymus  am  Ende  des 
14.  Jhs.  oder  wahrscheinlicher  im.  15.  Jh.  ins  Katalanische  übersetzt  worden. 
Torres  Amat  {Memorias  p.  688),  welcher  zwei  Hss.  dieser  Übersetzung 
gesehen  hat,  die  eine  in  der  bischöflichen  Bibliothek  von  Barcelona,  die 
andere  bei  den  Barfüssern  derselben  Stadt ,  berichtet  •  uns ,  dass  dieselbe 
mit  gelehrten  Anmerkungen  versehen  ist  und  dass  der  Übersetzer  auf  einen 
Traktat  anspielt,  den  er  vorher  unter  dem  Titel  y>Lo  compendi  moral  de  la 
cosa  publica«  geschrieben  hatte.  Dies  zeigt  uns,  dass  diese  katalanische  Über- 
setzung des  Gottesstaats  nicht  nach  dem  lateinischen  Texte,  sondern  nach  der 
französischen  Übersetzung  des  Raoul  de  Presles,  des  Verfassers  des  »Com- 
pendieux  moral  de  la  cliose  publique«,  gemacht  worden  ist,  welchen  er  in  der 
That  in  den  Anmerkungen  seiner  Übersetzung  anführt;  s.  Lancelot  in  Mi- 
moires  de  l' Acadimie  des  Inscriptions  t.  XIII,  (1740)  p.   618. 

1  Die  Vida  de  saticta  Angelina,  welche  nach  einer  Hs.  der  Barfüsser  in  Barcelona 
von  Villanueva  (Viage  XVIII  222)  und  von  Torres  Amat  (Memorias  p.  681)  ange- 
führt worden  ist,  wird  dasselbe  Buch  sein. 

^  Ein  Heiliger,  „al  qiial  tiencn  mucha  devocion  en  algunas  partes  de  Cataluna  y  en 
particular  en  la  parro^hia  del  Fou  en  el  obispado  de  Barcelona,  donde  le  ticnen  por  su  patron-" 
(V.    A.   Domenec,  Historia  general  de  los  santos  de  Cataluna,  Gerona  1630,  p.  161). 


Prosa:  Hagiographie.     Dogm.,  Moral-  u.  myst.  Theologie.  93 


Homiliae  XL  in  Evängelia  des  Papstes  Gregor  des  Grossen  (s,  II  i,  104) 
gesandt  »ad  Secundinum  Tauromenitanum  episcopum«.  Man  erkennt  diese 
Sammlung  an  der  Beschreibung  von  No.  9  der  Bibliothek  der  Königin  Maria 
von  Aragon  unter  dem  Titel  Hoinclies  de  Sant  Grcgori.  Sic  beginnt  mit  den 
V\'orten  »AI  molt  reverent  c  inolt  sant  /rare  niesire  Secundi  ensemps  hisbe«. 

In  dem  Libre  appellat  Abbat  Isach  des  Inventars  der  Königin  Maria 
(No.  17),  welches  mit  den  Worten  beginnt:  »Anima  que  aitia  Den,  en  Den 
es  solament  son  repos«  erkennt  man  den  Isaac  de  religione ,  welcher  durch 
Bernat  Boyl,  Einsiedler  von  Montserrat,  übersetzt  wurde  in  »aragones,  0  si 
mas  querres  castellano ,  no  daquel  mas  apurado  estilo  de  la  corte,  mas  daquel 
llano  que  a  la  profcssion  nuestra  .  .  .  satisface^<,  und  welcher  1489  und  1497 
gedruckt  wurde  (Mendez-Hidalgo,  Jipogr.  esp.,  p.  loi  und  154).  Die 
katalanische  Version  ist  vielleicht  nach  derjenigen  von  Boyl  gemacht  worden. 
Man  findet  anderseits  in  der  Crisi  de  Catalum  des  P.  Manuel  Marcillu 
(Barcelona  1685,  p.  298)  folgende  Bemerkung:  -»Anönimo  catalan  traduxo  en 
lengua  catalana  al  abad  Isaac  y  Htimberto  de  la  Mistica  Theologia«.  Und 
es  verzeichnet  der  Katalog  des  Escorial  in  dem  Ms.  N-I-16  (XV.  Jh.)  die 
Reglas  del  abad  Isaac  compendiadas  und  die  Tres  vias  ordenadas  para  alcanzar 
la  verdadera  sabiduria  por  Ir.  U?fiberto  de  Balma  (ohne  Zweifel  Humbert  de 
Romans,  vergl.  II  i,  193),  da^  Ganze  en  lengua  lemosina.  Das  nämliche  Ms. 
enthält  auch  die  katalanische  Übersetzung  von  Traktaten  des  h.  Ephräm  und 
der  dem  h.  Bernhard  zugeschriebenen  Meditationes. 

Vom  Speculum  ecclesie  des  Hugo  von  Saint-Chef  oder  Saint-Cher, 
(s.  II  I,  192,  189),  des  ersten  Kardinals  vom  Orden  des  h.  Dominicus,  exi- 
stiert eine  katalanische  Übersetzung ,  die  das  erste  Buch  ist ,  welches  in  Ca- 
gliari  gedruckt  wurde:  »Libre  apellat  Speculum  ecclesie,  so  es  a  dir  Espill  ho 
Mir  all  de  la  santa  hesgleya  qui  es  sobre  la  missa«.  Und  am  Ende:  -»Stampat 
en  la  ciuiat  y  castel  de  Callar  al  primer  de  octubre  de  Fany  mil  CCCCXCIII« . 
Das  einzige  bekannte  Exemplar  dieser  Übersetzung  befindet  sich  in  der  Uni- 
versitätsbibliothek von  Palma  auf  Mallorca  (E.  Toda  y  Güell,  Bibliografia 
espafwla  de  Cerdena,  Madrid   1890,  p.    187). 

Der  Memorial  del  peccador  remut  (des  erkauften  Sünders)  von  Phelip  de 
Malla,  dem  berühmten  Theologen  und  Prediger,  welcher  durch  die  Kenige 
Ferdinand  I.  und  Alfons  V.  nach  England,  Deutschland  und  nach  dem  Kon- 
stanzer Konzil  geschickt  wurde,  ist  ein  praktischer  Traktat  der  christlichen 
Glaubenslehre  »/<?  quäl  tracta  contemplativament  de  la  mort  y  passiö  del  fill 
de  Deu  fet  home  per  dar  a  home  perdut  reparaciö«.  Die  zweibändige  Hs. 
des  Peccador  remut,  welche  früher  bei  den  Barfüssern  Barcelonas  existierte, 
ist  verschwunden,  und  wir  kennen  dieses  Werk  nur  nach  der  Ausgabe  des 
ersten  Teiles,  welcher  1483  gedruckt  wurde.  Auszüge  davon  hat  D.  Francisco 
de  Bofarull  gegeben  in  seiner  Felipe  de  Malla  y  el  Concilio  de  Constanza 
(Gerona  1882)  betitelten  Schrift  (Auszug  der  Bände  II,  III,  IV  der  Revista  de 
ciencias  histöricas  von  Barcelona). 

Eine  andere  Darlegung  der  christlichen  Glaubenslehre  ist  das  Memorial 
de  la  fee  catliolica  des  Valenzianers  Francesch  de  Pertusa.  Die  Original- 
handschrift dieses  Werkes,  welches  das  Münster  zu  Valencia  im  vorigen  Jahr- 
hundert aufbewahrte,  wurde  1440  beendigt;  sie  trug  keinen  andern  Titel  als 
»Lo  Fertusais.  (Ximeno,  Escritores  de  Valencia,  I  35).  Bayer  führt  vom  Memorial 
zwei  andere  Abschriften  an  und  giebt  davon  den  Prolog  wieder  {Bibl.  hisp. 
vetus,  II  236,  cf.  auch  Torres  Amat,  Memorias,  p.  481,  welcher  eine  Hs. 
des  Klosters  von  S.  Gerönimo  de  la  Murta  anführt). 

Die  Llum  de  la  vida  chrisiiana,  welche  1496  in  Barcelona  gedruckt  wurde, 
ist  eine  Übersetzung  des  kastilianischen  -»Lucero  de  la  vida  christiana«   betitelten 


94     LllTERATURGESCUICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    3.    KaTAL.    LiTT. 


Buches  von  Pedro  Ximenez  de  Prexano  (oder  Prexamo),  dem  Bischof  von 
Coria,  welcher  1495  gestorben  ist.  Dieser  Traktat,  welcher  das  Leben  Christi, 
die  h.  Sakramente,  das  alte  und  das  neue  Gesetz  behandelt,  wurde  zum  ersten 
Mal  in  kastilianischer  Sprache  in  Salamanca  1493  gedruckt.  (Antonio-Bayer 
Bibl.  hisp.  vetus,  II,  338  und  Mendez,   Tipografia  espaüola,  p.   56  und   118). 

Als  Propagandaschrift  kann  man  eine  katalanische  Übersetzung  der 
Summa  von  Petrus  Alfonsus  gegen  die  Juden  und  Sarazenen  (s.  II  i,  232) 
ansehen,  von  welcher  eine  Hs.  im  Katalog  der  Bücher  angeführt  ist,  welche 
der  Gegenpapst  Benedict  XIII.  (Pedro  de  Luna)  im  Schloss  von  Penfscola 
im  Beginne  des  15.  Jhs.  gesammelt  hatte:  y> Petrus  Alfonsi  contra  Judeos  et 
Sarracenos  in  vulgari  catalano<c  (L.  Delisle,  Le  Cabinet  des  manuscrits  de  la 
Bibliotheque  nationale,  I  488),  dann  fernerhin  die  Schriften  des  berühmten 
Bischofs  von  Jaen,  Pere  Pasqual,  der  in  Granada  1300  den  Märtyrertod  starb. 
Diese  Schriften  sind  vornehmlich  populären  Charakters.  Da  der  h.  Bischof 
sie  hauptsächlich  zur  Bekehrung  der  Juden  und  Mahomcdaner  bestimmte,  so 
ist  es  wahrscheinlich,  dass  sie  zuerst  in  der  Vulgärsprache  geschrieben  worden 
sind,  und  dass  der  lateinische  Text,  welcher  in  den  Opera  sancti  Petri  Paschasii 
mariyris ,  Giennensis  episcopi,  ordinis  B.  Mariae  de  mercede  redemptoris  cap- 
tworum  (Madrid  1676)  niedergelegt  ist  kein  Original  ist.  Die  bekannteste 
dieser  Schriften  ist  die  Biblia  parva,  welche  häufig  in  Spanien  unter  dem 
Titel  des  Catecismo  de  San  Pedro  Pascual  erwähnt  wird.  Es  ist  eine  Dar- 
legung der  christlichen  Lehre  und  ein  Handbuch  für  die  einfachen  und  un- 
wissenden Leute,  welches  ihnen  die  Mittel  in  die  Hand  geben  soll,  den  Un- 
gläubigen zu  antworten  und  ihre  Gründe  gegen  sie  selbst  zu  kehren.  Wir 
kennen  davon  wenigstens  ftinfHss.,  von  denen  zwei  in  der  Pariser  National- 
bibliothek (Esp.  N0.48  und  246),  die  dritte  im  Vatikan  sich  befinden  (Antonio- 
Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus,  II  99);  die  vierte  gehörte  den  Barfüssern  von  Barcelona 
und  ist  von  Villanueva  beschrieben  worden  {Vlage  XVIII  214);  die  fünfte 
wird  im  EscorialL-II-i2  aufbewahrt  (Rodriguez  de  Castro,  Bibl.  esp.  II.  740). 
Ximeno  erwähnt  noch  eine  andere  Hs.  und  sagt,  dass  das  Werk  in  Bar- 
celona 1492  gedruckt  worden  sei  {Escritores  de  Valencia,  I  8).  Ein  anderer 
Traktat  des  Pere  Pasqual ,  welcher  für  die  Juden  bestimmt  war ,  trägt  den 
Titel ,  Dispiita  del  bisbe  de  Jaen  cojitra  los  Jueus  sobre  la  fe  catholica 
(Villanueva,  Vlage  XVIII  215),  und  in  der  von  diesem  Bibliographen  be- 
schriebenen Hs.  folgt  dieser  Erörterung  die  katalanische  Übersetzung  eines 
Briefes  des  Rabbiners  Izach  an  den  Rabbiner  Samuel  über  die  Wahrheit 
der  christlichen  Religion ,  welche  durch  denselben  Villanueva  veröffentlicht 
wurde  (Viage  II  216).  Mehrere  Schriften  desselben  Apostels  und  Märtyrers 
sind  uns  nur  bekannt  durch  die  kastilianischen  oder  lateinischen  Übersetzungen, 
welche  zur  gleichen  Zeit  oder  später  erschienen.  In  Betreff  derselben  kann 
man,  ausser  Antonio-Bayer  und  Ximeno  auch  Rodriguez  de  Castro  zu 
Rate  ziehen,  Biblioteca  espafiola  II  733. 

20.  Die  Moraltheologie  ist  zuerst  vertreten  durch  das  berühmte, 
Philipp  dem  Kühnen  1279  gewidmete  Werk  des  Bruders  Lorens:  die  Sotmne 
des  vices  et  des  vertus,  auch  Somme  le  roi  genannt  oder  Miroir  du  Monde.  Das 
Kloster  von  San  Cugat  del  Valles  besass  eine  Übersetzung  dieses  Textes  a,us 
dem  14.  Jh.,  welche  so  endigte:  y>Aquest  libre  feu  i.  frare  dels  Preycadors 
a  raquesta  del  rey  Felipe  de  Fransa,  en  l'any  de  la  incarnacio  de  nostre  senyor 
MCCLXXIX«  (Villanueva,  Viage  XIX  29;  Torres  Amat,  Memorias 
p.  700  s.  V.  Esplicaciö),  Ein  anderes  Exemplar  dieser  Übersetzung  aus  dem 
14.  Jh.  befindet  sich  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.  No.  247).  Böhmer 
hat  noch  ein  drittes  in  der  Bibliothek  zu  Neapel  (Romanische  Studien,  Heft 
IG,  p.  132)  nachgewiesen.    Endlich  finden  wir  noch  zwei  im  Verzeichnis  der 


Prosa:  Dogm.,  Moral-  v.  myst.  Theologie.  05 

Bücher  der  Maria  von  Aragon  ;  das  erste  (No.  30)  ist  betitelt  Ftds  e  virtuts 
und  endigt  mit  dem  Datum  »mil  CCLXXV1III«\  das  zweite  (No.  25)  trägt 
den  Titel  des  Mirall  del  viou.  '  Vielleicht  ist  die  katalanische  Übersetzung 
der  Summa  des  Loreiis  nur  eine  einfache  Bearbeitung  der  provenzalischen 
Übersetzung,  von  welcher  man  verschiedene  Hss.  besitzt. 

Mehrere  Abhandlungen  gibt  es  über  die  Beichte,  eine  von  dem  Valenzianer 
Dominikaner  A n  t  o  n  i  C a n  a  1  s,  welche  der  Königin  Violante,  der  1 43 1  verstorbenen 
Gemahlin  Johannes  I.  von  Aragon,  gewidmet  ist.  Villanueva  führt  davon  eine 
Hs.  bei  den  Barfüssern  von  Barcelona  an  {Viage  XVIII  270),  und  es  giebt 
zwei  weitere  in  dem  Katalog  der  Maria  von  Aragon  (No.  22  u.  38).  Cf.  auch 
Ximeno,  Escritores  de   Valencia  I,  33. 

Zwei  andere  anonyme  Traktate,  welche  nicht  identisch  scheinen ,  sind 
betitelt,  der  erste  Enterrogatori  e  confessional  en  quatre  parts  subtilment  dlvidit 
(ohne  Angabe  des  Ortes  und  Jahres  gedruckt,  aber  aus  dem  Ende  des  15.  Jhs., 
s.  Villanueva,  Viage  Y^YÄ\  230)  und  der  zvie.\iG  Breit  iractai  de  con/essiö,  in 
Valencia  1493  gedruckt  {Anuario  del  cuerpo  de  arcMveros  etc.,  Bd.  I  p.  288 
und  Mendez-Hidalgo,  Tipograßa  espailola  p.  40).  Vielleicht  beruhen  diese 
Abhandlungen  auf  der  Stwimula  confessionis  des  Antonino  von  Florenz.  Wir 
erwähnen  noch,  nach  Torres  Amat  y>La  vera  gtiia  dels  confessors  y  dels 
conßtents  inipres  en  lletra  lemosina  en  Barcelonas    1535   {Memorias  p.   701). 

demente  Sanchez,  Archidiakon  von  Valderas  (aus  der  Diözese  Leon), 
Verfasser  eines  Lil>ro  de  exeniplos  por  a.  b.  c,  welcher  ihm  jüngst  restituiert 
worden  ist  (Romania,  VII,  481),  verfasste  auch  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jhs. 
ein  Sacramental,  welches  auf  der  ganzen  Halbinsel  einen  grossen  Ruf  hatte.  Seit 
den  Jahren  1475  oder  1476  wurde  es  wiederholt  in  kastilianischer  Sprache  ge- 
druckt, dann  ins  Portugiesische  und  Katalanische  übersetzt.  Die  katalanische 
Übersetzung,  unter  dem  Titel  Lo  sagramcfital  arroviangat  ab  ses  allegnacions 
en  lati,    ist   1495    in  Ltfrida   gedruckt   worden   (Villanueva,   Viage  IV   144). 

Ein  Traktat,  welcher  im  Mittelalter  einen  ausserordentlichen  Ruf  genoss 
und  welcher  mit  Unrecht  dem  h.  Bernard  von  Clairvaux  zugeschrieben  wurde, 
ist  der  Modus  benc  vivendi  ad  sororein  (s.  II  i,  211);  er  musste  einen  katala- 
nischen Übersetzer  finden  und  fand  einen  in  der  That  in  der  Person  des 
Dominikaners  Antoni  deCanals,  welcher  seine  Übersetzung  dem  Kammer- 
herren Martins  I.  von  Aragon,  dem  Mossen  Galccran  de  Santmenat  widmete. 
Diese  Widmung  enthält  eine  interessante  Stelle  über  die  Lektüre  der  Zcitge-  ■ 
nossen  des  Übersetzers  in  der  Vulgär spr ache :  »Hom  deu  legir  libres  aprovats, 
no  pas  libres  vans ,  axi  com  les  faules  de  Lanfalot  e  de  Tristany  nil  Romans 
de  la  guineu  ni  libres  provocatius  a  cobeianfa,  axi  com  libi'es  de  amors, 
libres  de  art  de  amar ,  Ovidi  de  vetula,  ni  libres  qui  son  inutils,  axi  com  de 
faules  e  de  rondales,  mes  libres  devots<.<  etc.  Eine  Hs.  der  Übersetzung  von 
Ca n als,  welche  aus  der  Abtei  von  Sant  Cugat  del  Valles  stammte  und  welche 
Villan  ueva  erwähnt  hatte  (FzV?^(?  XIX  29),  ist  von  den  Herausgebern  dies  Arckivo 
de  Aragon  Bd.  XIII  p.  415  ff.   gedruckt  worden. 

Wie  man  es  wohl  erwarten  konnte,  hielt  man  in  Katalonien  sehr  viel 
auf  die  Schriften  des  englischen  Franziskaners  Johann  von  Wales.  Von  der 
Sumifia  colleciiofiuvi  (oder  collationufn)  ad  omne  genas  hominiwi  (II  i,  21 5) 
dieses  Verfassers  hatte  Villanueva  ni  Barceloner  Bibliotheken  zwei  katalanische 
Hss.  unter  dem  Titel  Sutna  de  collacions  e  aiustaments  gefunden,  die  er  nicht 
zu  identificieren  vermochte  {Viage  XVIII  240  u.  270).  Die  eine  dieser  Hss. 
aus  dem  Jahre  1438  wurde  auf  die  Bitte  von  Mossen  Bona,  dem  berühmten 

'  Da  jedoch  der  Text  dieser  Hs.  mit  den  Worten  beginnt,  „Com  natura  hnmanal 
desig"- ,  welche  nicht  das  Tncipit  der  Sonime  des  Lorenz  sind,  könnte  es  sich  hier  um  ein 
anderes  Werk  handeln. 


96     LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LllT. 

Narren  Alfonso's  V.  von  Aragon,  geschrieben.  Übrigens  war  das  Werk  schon 
früh  übersetzt  worden,  denn  wir  wissen,  dass  im  Jahre  1373  der  König  Peter  IV. 
von  Aragon  von  seinem  Vetter  Jacob  von  Aragon,  dem  Bischof  von  Valencia, 
»/(C  librc  de  Suma  de  collacions«.  zurückfordern  liess,  welches  er  ihm  geliehen 
hatte  ,  um  es  abschreiben  zu  lassen.  '  Das  Inventar  der  Maria  von  Aragon 
weist  zwei  Exemplare  dieser  Suma  auf,  No.  61  und  62,  aber  sie  sind  in  kasti- 
lianischer  Sprache.  Da  dieses  Werk  in  gewissen  Mss.  auch  Communiloqium  be- 
titelt ist  (cf.  Hist.  litt,  de  la  France  XXV,  181),  so  darf  es  mit  Sicherheit  er- 
kannt werden  in  dem  livro  que  ha  nompne  Cotminiloquio ,  welches  ein  Notar 
von  Saragosa  mit  grosser  Sorgfalt  unter  der  Regierung  Jakobs  II.  von  Aragon 
abschrieb  {Revista  histörica  de  Barcelona,  Jan. -März   1877). 

Von  dem  De  reghnine  principum  des  Aegidius  v.  Colonna  (s.  II  i,  210), 
kennen  wir  mehrere  Hss.  einer  katalanischen  Version.  Zwei  sind  von  Villa- 
nueva  beschrieben  worden  {Viage,  XIX  29  u.  XX  125).  Eine  andere  befindet 
sich  im  Escorial  und  trägt  den  Titel:  -»Lo  libre  de l  Regiment  dels  Princeps,  /et 
i  compilat  per  Frare  Egidi  Roma  .  .  .  declarat  e  explanat  per  Frare  Arnau 
Stanyol,  del  orde  de  Senta  Maria  dcl  Munt  del  Carme,  a  instancia  del  ?nolt  alt 
e  magnifich  princep  lo  senyor  infant  En  Jacme  comte  (PUrgel  e  vezcomte  d' Agens. 
(Antonio-Bayer,  Bibl.  vetus  II,  223).  Diese  oder  eine  andere  Übersetzung 
ist  in  Barcelona  1480  und  1498  gedruckt  worden  (Villanueva,  ViageXXIl2i^ 
und  Mendez-Hidalgo,   Tipogr.  esp.  p.  48  u.   57). 

Was  die  Sammlungen  von  sittlichen  Vorschriften  und  Lehren  betrifft, 
die  hauptsächlich  zum  Gebrauche  der  Prediger  ausgewählt  und  klassifiziert 
wurden,  so  muss  man  den  Recull  de  eximplis  e  miracles,  gestes  e  faules  e  altres 
legendes  ordenades  per  a.  b.  c,  erwähnen,  den  D.  Mariano  Aguilö  in  seiner 
Biblioteca  catalana,  nach  einer  Hs.  des  15.  Jhs.  veröffentlicht  hat  (cf.  Romania 
X  277).  Crane  hat  nachgewiesen,  dass  diese  Sammlung  von  exempla  eine 
Übersetzung  des  Alphabetum  narrationum  des  Stephan  von  Besangon  (s.  II  i,  196) 
ist  (Romania  XIX  363). 

21.  Mystische  Theologie.  —  Ein  Bruder  Anton  (vielleicht  Antoni 
Canals?)  hat  der  Königin  Maria  von  Aragon  eine  Übersetzung  des  Traktates 
Hugo's  von  St.  Victor  Soliloquium  de  arrha  anime  (s.  II  i,  202)  gewidmet, 
welchen  wir  in  dem  Inventar  der  Bücher  dieser  Königin,  unter  No.  10,  be- 
schrieben finden. 

Das  Punyiment  d'amor,  welches  unter  No.  47  desselben  Inventars  er- 
wähnt wird ,  ist  eine  Übersetzung  des  Stimulus  a?noris  des  h.  Bonaventura 
(s.  II  I,  204)  oder  vielleicht  einer  der  französischen  Übersetzungen  dieses 
Traktates,  am  ehesten  derjenigen  des  Gerson,  welche  betitelt  ist  »L'Esguillon 
d'amour  divine«. 

Unter  dem  Titel  des  Spill  de  la  creu  hat  Fr.  PercBusquets,  Mönch 
aus  San  Feliu  de  Guixols,  auf  die  Bitte  Marias  von  Aragon  den  Specchio  della 
croce  des  Dominikaners  Domenico  Cavalca  de  Vicopisano  und  einen  anderen 
Traktat  desselben  Autors ,  in  italienischer  Sprache ,  Tractato  diclo  Pongi 
lingua  oder  auch  Della  Patienza,  ins  Katalanische  übersetzt.  Die  katalanischen 
Übersetzungen  dieser  zwei  Arbeiten  sind  von  Villanueva  angeführt  worden 
{Viage  XVIII  167)  und  befinden  sich  im  Inventar  der  Kgn.  Maria  von  Aragon 
unter  No.  48   u.   37. 

Der  unter  No.  54  beschriebene  Band  dieses  Inventars,  welcher  Santa 
Cateritm  de  Cena  betitelt  ist,  enthält  entweder  die  Epistole  oder  die  Revelazioni 
oder  den  Dialogo  della  divina  providenza  der  Heiligen.  Dieses  Letztere  ist 
das   Wahrscheinlichste,    denn    der   Escorial    besitzt,    d-IV-6,    einen    1546    ge- 


'  S.  Coroleu,  Documents  historichs  catalans  del  sigle  XIV  p.  52. 


Prosa:  Moral-  u.  myst.  Theologie.  97 


schriebenen  Band,  den  der  Katalog  also  verzeichnet:  Dialogos  de  S.  Catalina 

de  Sena,  escritos  en  lengua  lemosina  y  dedicados  d  la  monja  Gerönima  Daraguö. 

Der  Augustinermönch  Bernat  Oliver  aus  Valenzia,  welcher  Prediger 
Peters  IV.  von  Aragon  und  Bischof  von  Huesca,  von  Barcelona  und  von 
Tortosa  (f  1348)  war,  ist  der  Verfasser  eines  Exdtatorium  mentis  in  Deum^ 
dem  die  Ehre  zu  Teil  wurde ,  sowohl  ins  Kastilianische  als  auch  ins  Kata- 
lanische übersetzt  zu  werden.  Die  erste  Übersetzung  hat  den  Titel  »Esperia- 
tniento  6  levantamiento  de  la  voluntad  en  Dios«  (eine  Hs.  im  Escurial) ,  die 
zweite  ist  unter  No.  6  des  Inventars  Marias  von  Aragon  zitiert  (cf.  Ximeno, 
Escritores  de  Valencia,  I  10;  Antonio-Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus,  II  155  und 
Torres  Amat,  Memorias  p.  449). 

Ist  in  der  Schrift  Del  tnenyspreu  del  ?non  durch  Ramon  Ros  eine  Über- 
setzung der  Itnitatio  Jesu  Christi  zu  erkennen?  Nein,  wenn  wirklich  dieser 
Autor  1320  schrieb  (cf.  Antonio-Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus,  II  121).  Aber 
wir  haben  von  der  Itnitatio  eine  andere  katalanische  Übersetzung  des  Valen- 
cianers MiquelPerez,  Explanatiö  de  lati  en  valenciana  lingua  del  libre  de  mestre 
Joan  Gerson,  canceller  de  Paris,  de  la  Imitaciö  de  Jesti  Christ  e  del  tnenyspreu 
de  aquest  tnon  ttüserable ,  welche  jener  Isabella  de  Villena  gewidmet  wurde, 
von  der  schon  gesprochen  worden  ist  (Antonio -Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus,  II  338 
und  Mendez-Hidalgo,   Tipogr.  esp.  p.  39). 

Zwei  Specula:  Das  erste,  Speculutn  anittiae ,  welches  Torres  Amat 
nach  einer  Hs.  des  15.  Jhs.  beschreibt  {Memorias,  p.  714),  könnte  eher  eine 
christliche  Dogmenlehre  als  ein  theologischer  Traktat  sein.  Es  beginnt  so: 
»La  materia  de  la  redetnpcio  que  fou  feta  per  la  encarnacid,  predicaciö,  tniracles 
e  pasid  de  Jesu  Christ«  etc.  Das  zweite  trägt  den  Titel  eines  Spill  de  la 
vida  religiosa,  es  ist  in  drei  und  vierzig  Kapitel  eingeteilt,  in  denen  die 
Prüfungen  erzählt  werden,  durch  welche  ein  Geistlicher  namens  Bem- 
vull  hindurchgehen  muss,  um  schliesslich  über  seine  Leiden  zu  triumphieren. 
Der  Druck  der  Barceloner  Ausgabe  von  1515  hat  den  Vermerk,  dass  das 
Buch  ist  »cotnpot  per  un  devot  religiös,  lo  quäl  per  hutnilitat  calla  so  notti«. 
Torres  Amat  {Memorias,  p.  714)  zitiert  von  diesem  Spill  eine  andere  Valen- 
cianer Ausgabe  von   1529. 

Der  Llibre  de  les  floretes  e  (fatnoretes  scheint  ein  mystisches  Buch  franzis- 
kanischen Ursprungs  zu  sein.  Torres  Amat  zitiert  es  {Metnorias  p.  93)  unter 
dem  Namen  des  Franziskaners  Hugo  de  Bariols  und  nach  einer  Hs.,  welche 
die  Sotnme  des  Bruders  Lorens  und  eine  Erklärung  der  7  kanonischen  Stunden 
enthält.  Anderseits  meint  Villa nueva,  indem  er  sich  auf  das  Explicit  des 
Buches  stützt,  »feneit  lo  libre  de  amoretes;  pregats  per  lo  pobre  herttiita  quil  ha 
fet«,  dass  es  das  Werk  eines  Einsiedlers  von  Monteserrat  sein  müsse,  und  viel- 
leicht des  Fr.  Bernat  Boyl  {Viage,   XVIII   269). 

Man  kennt  nur  nach  den  Zitationen  Villanueva's  (Viage,  XII  112) 
und  nach  Torres  Amat  {Memorias  p.  469)  den  Traktat  des  Franziskaners  aus 
Castellon  de  Ampurias,  genannt  Joan  Pascall,  »Tractat  de  beatitut  ab  tnoltes 
tnateries  dependens  de  aquella«. 

Ein  mystisches  Buch  y>a  modo  de  dialogo  introduint  per  interlocutors  lo 
atnor  divinal,  la  esposa  anittia  y  la  hutnana  rahö«^  das  aus  dem  Italienischen 
übersetzt  wurde,  wie  es  das  Explicit  anzeigt  und  welches  1546  in  Barcelona 
gedruckt  ist  {Catälogo  de  J.  Salat,  p.  16)  habe  ich  nicht  zu  identifizieren 
vermocht.  Man  findet  das  Wort  Contemplaciö  in  den  Aufschriften  verschiedener 
Werke,  deren  Inhalt  nicht  immer  leicht  zu  bestimmen  ist:  Contemplaciö  sobre 
lo  pater  noster  (Inventar  Marias  v.  Aragon  No.  43) ;  Contemplaciö  de  Sent  Do- 
tningo,  Maria  v.  Aragon  gewidmet  (ibid.  No.  44) ;  Cotitemplaciö  sobre  la  passiö 
e  claus  de  J.   Chr.  (ibid.  No.  70    und  vielleicht  auch   im   Escorial  g-IV-25); 

OrObbr,  Grundriss.   Hb.  7 


98    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LiTT. 


La  Contemplaciö  de  la  Reyna  (Inventar  des  Pedro  v.  Portugal  No.  54)  und 
endlich  eine  Escala  de  contemplaciö  in  drei,  einem  König  von  Aragon  ge- 
widmeten Bänden,  als  deren  Verfasser  Torr  es  Amat  {Memorias,  p.  137)  den 
Antoni  Canals  erkennen  zu  können  glaubt.  Ein  anderes  Werk,  das  unbe- 
streitbar der  mystischen  Theologte  zugehört,  von  welchem  wir  aber  nur  die 
bibliographische  Beschreibung  des  Pedro  Salvä  {Catälogo  No.  3857)  haben, 
ist  die  Escala  de  paradis,  verfasst  von  aqtiell  metge  plebeyd  he  laureat  mestre 
Antoni  Boteler  (zu  Barcelona   1495  gedruckt). 

22.  Zwei  in  gleichem  Masse  populäre  Theologen,  der  eine  dem  Franzis- 
kaner-, der  andere  dem  Dominikanerorden  angehörig ,  beanspruchen  für  sich 
allein  eine  Besprechung.  Der  erste  ist  der  berühmte  Encyklopädist  Francesch 
Eximeniz,  der  zweite,  der  grosse  Prediger  Vincent  Ferrer. 

Francesch  Eximeniz,  um  die  Mitte  des  14.  Jhs.  in  Gerona geboren,  trat 
frühe  in  den  Orden  des  h.  Franziscus  ein  und  begab  sich  nach  Valcnzia,  wo 
er  studierte,  unterrichtete  und,  wie  wir  wissen,  bis  wenigstens  zum  Jahre  1399 
verweilte.  In  dieser  Stadt  trat  er  ganz  naturgemäss  in  Berührung  mit  Vincent 
Ferrer,  der  schon  damals  einen  grossen  Ruf  als  Lehrer  und  Prediger  genoss. 
Sie  wurden  gute  Freunde ,  sagt  man ;  jedoch  dürfte  ein  Wort ,  welches  man 
dem  Eximeniz  über  seinen  Zeitgenossen  y>Frare  Vincent,  que  fa  la  bji/a« 
zuschreibt,  wenn  es  echt  ist,  glauben  lassen,  dass  doch  einige  Rivalität  zwischen 
beiden  bestand.^  In  den  ersten  Jahren  des  15.  Jhs.  nahm  Eximeniz  eifrig 
Partei  für  Benedict  XIII.  (Pedro  de  Luna)  und  wurde  für  seine  Ergebenheit 
an  den  Gegenpapst  und  an  die  Sache  des  Schismas  mit  der  Verwaltung  des 
Einer  Bistums  und  dem  Patriarchat  von  Jerusalem  oder  Alexandrien  belohnt. 
Er  starb  zu  Perpignan  den  23.  Januar  1409.  Seine  Werke,  welche  alle  in 
das  Gebiet  der  dogmatischen  oder  moralischen  Theologie  und  der  Staats- 
oder Wirtschaftslehre  gehören ,  verdienen  Beachtung ,  sowohl  wegen  ihres 
inneren  Wertes ,  der  auch  ausserhalb  Spaniens  gewürdigt  wurde ,  wie  aucli 
durch  dasjenige,  was  man  an  genauen  Beobachtungen  über  die  katalanischen 
Sitten  und  Einrichtungen  des  Mittelalters  daraus  entnehmen  kann. 

Das  Hauptwerk  unseres  Autors  ist  »Lo  libre  appellat  Crestiä^«!^  eine  grosse 
christliche  Encyklopädie,  welche  er  in  dreizehn  Teile  teilte,  deren  Inhalt  hier 
folgt :'^  \)  Definition,  Ursprung  und  Vorzüge  der  christlichen  Religion.  2 j  Fall 
des  Christen.  3)  Über  die  Leiden  und  die  Sünden,  denen  der  Christ  anheim- 
lällt.  4  —  iij  Abhandlungen  über  die  verschiedenen  Heilmittel,  welche  der 
Christ  anwenden  kann,  um  sich  von  seinen  Sünden  zu  befreien.  12)  Regierung 
der  Fürsten  und  Verwaltung  der  Gemeinden.  13)  Wie  sich  der  Christ  aus 
den  Leiden  und  Sünden,  denen  er  anheimgefallen  ist,  durch  die  Androhung 
grosser  Strafen  und  die  Versprechungen  grosser  himmlischer  Belohnungen 
erhebt. 

Von  diesen  13  Büchern  existieren  nur  das  i.,  das  3.  und  das  12.  ganz 
sicher,  sei  es  als  Handschriften  oder  gedruckt,  und  sie  sind  von  verschiedenen 
glaubwürdigen  Gelehrten  gesehen  und  analysiert  worden.  Das  2.  Buch  existiert 
vielleicht  auch  in  der  Madrider  Nationalbibliothek,  wenn  man  sich  auf  die 
summarische  im  Ensayo  des  Gallardo  veröffentlichte  Übersicht  der  Hand- 
schriften dieser  Bibliothek,  verlassen  könnte,  aber  man  müsste  nachsehen. 

1  Rapport  sur  une  mission  philologiqtu  a  Valence.    Paris   1885.  p.  66. 

^  Ganz  mit  Unrecht  betitelt  N.  Antonio  die  Encyklopädie  des  Eximeniz  „Crestid 
sive  de  regimetii  de  princeps  e  de  la  cosa  publica"  (Anton  io -Bayer ,  Bibl.  hisp.  vetus. 
II  180).  Dieser  zweite  Titel  ist  der  Titel  des  12.  Buches  des  Crestiä  und  ist  nie  dem 
Ganzen  des  Werkes  gegeben  worden. 

*  Nach  einem  Inhaltsverzeichnis  dieser  dreizehn  Bücher,  welches  in  der  Vorrede  des 
ersten  Buches  eingefügt  ist,  und  das  N.  Antonio  in  lateinischer  Übersetzung  zur  Kenntnis 
gebracht  hat  (Dihl.  hisp.  vetus,  II   180,). 


Prosa:  Theologie.    Francesch  Eximeniz.  99 


Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  Eximeniz  niemals  die  Zeit  fand  dieses 
ungeheuere  Werk  zu  Ende  zu  führen ,  und  dass  die  drei  (oder  vier)  schon 
sehr  umfangreichen  Bücher,  die  wir  besitzen,  die  einzigen  sind,  welche  er  je- 
mals redigierte. 

Das  erste  Buch  des  Crestid  hat  also  zum  Zweck  zu  erklären  y>que  es 
religio  crestiana  e  com  e  de  on  pren  o  ha  pres  fonatnent,  e  quines  son  les  sues 
altes  excellencics  e  grans  digniiats«.  Das  erste  Buch  wurde  in  Valencia  1483 
gedruckt ,  auf  Anregung  von  Mossen  Joan  Roig  de  Corella ,  Übersetzers 
Ludolfs  von  Sachsen  (Mendez-Hidalgo,    Tipogr.  esp.  p.   34). 

Von  dem  dritten,  noch. nicht  herausgegebenen  Buch,  welches  der  minu- 
tiösen Untersuchung  der  Sünden  gewidmet  ist,  haben  wir  eine  genügende 
Analyse  in  der  guten  Arbeit  von  D.  Emilio  Grahit,  unter  dem  Titel: 
Memoria  sobre  la  vida  y  obras  del  escriptor  geroni  Francesch  Exivienes,  die  in 
der  Renaxensa  Bd.  III  (1873)  p.  185  ff.  erschienen  ist.  Das  Explicit  der 
Barceloner  Hs.,  welche  Grahit  benutzte,  giebt  als  Datum  den  12.  Juni  1389 
an,  welches  sich  auf  das  Werk  selbst  zu  beziehen  scheint  und  nicht  auf  die 
Arbeit  des  Schreibers.  Dieses  dritte  Buch  wäre  also  nach  dem  12.  geschrieben 
worden,  was  an  und  für  sich  sehr  annehmbar  ist. 

Diesem  Ter(  del  Crestiä  und  dem  tractat,  welcher  besonders  das  pecat 
de  gola  betrifft ,  hat  D.  Josd  Balari  unter  dem  Titel  Regles  de  bona  crianfa 
Tischregeln  entnommen  {Biblioteca  de  la  Reznsta  Catalana),  welche  denjenigen 
ähnlich  sind,  die  in  dem  1868  durch  die  Early  English  Text  Society  ver- 
öffentlichten Babees  Book  gesammelt  wurden.  Die  Regeln  des  Eximeniz 
beginnen  mit  dem  Kapitel :  » Cotn  Catalans  inenjen  pus  graciosament  et  ab 
inillor  manera  que  altres  nacions^.  Es  mag  sich  so  im  14.  Jh.  verhalten 
haben.  —  Eine  den  zweiten  Teil  dieses  dritten  Buches  des  Crestid  ent- 
haltende Hs.  wird  in  der  Privatbibliothek  des  Königs  von  Spanien  auf- 
bewahrt (J.  Massö  Torrents,  1.  c.  p.  18).  Es  muss  diejenige  Hs.  sein,  welche 
Salvä  in  seinem  Catalogue  of  spanish  and portuguese  Books  No.  781  ankündigte. 

Das  12.  Buch,  welches  gewöhnlich  Lo  dotzi  del  Crestid  genannt  wird, 
ist  nach  der  Einleitung  in  7  Abschnitte  geteilt,  die  von  der  Stadt  und  ihrer 
Regierung  und  guten  Verwaltung  handeln.  1  Der  Nebentitel ,  der  ihm  am 
Anfange  des  Textes  gegeben  ist,  -»Aquest  es  lo  dotzcn  libre ,  de  regiment 
dels  princeps  e  de  comunitats«  hat  bewirkt,  dass  man  es  öfters  genannt  hat 
»Regiment  de  pyrinceps'^-.  Eximeniz  verfasste  es  1385  und  widmete  es  Don 
Alfonso  de  Aragon,  Enkel  Jakobs  II.  von  Aragon,  Graf  von  Denia  und  Riba- 
gorza,  später  auch  Markgraf  von  Villena,  Konnetabel  von  Kastilien,  Herzog 
von  Gandia  (j  am  5.  März  141 2).  Diese  staatsrechtliche  und  staatswissen- 
schaftliche Abhandlung  wurde  nur  z.  T.  (die  4  ersten  Teile)  auf  die  Bitte 
der  -»reverens  e  honorables  senyors  e  ciutadans«  von  Valencia,  im  Jahre  1484, 
in  dieser  selben  Stadt  veröffentlicht  (Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  esp.  p.  34 
und  E.  Grahit,  1.  c.  p.  208 — 212).  Die  Hs.  der  Pariser  Nationalbibliothek 
CEsp.  No.  9)  enthält  ebenfalls  nur  die  vier  ersten  Teile  des  Werkes  (der  letzte 
Teil  selbst  ist  unvollständig  wegen  des  Verlustes  einiger  Blätter). 

An  dieses  Dotzi  del  Crestid,  das  letzte  Buch  der  grossen  Encyklopädie 
des  Eximeniz,  das  wir  kennen,  knüpft  sich  eng  an  der  Tractat  appellat Doctrifia 
cotnpendiosa  de  viure  justamcnt  e  de  regir  qualsevol  offici  publich  lealment  e 
diligent,  welcher  in  der  Form  eines  Dialogs  zwischen  einem  Geistlichen  (Exi- 
meniz) und  den  Bürgern  einer  Stadt,  die  Valenzia  sein  muss,  gehalten  ist. 
Diese  Doctrina  compendiosa  ist  nach  einer  im  Anfang  unvollständigen  Hs.  von 

*  In  dem  Kapitel ,  welches  die  Frage  behandelt  „en  qiiins  libres  den  estudinr  hon 
generös  e  hon  ciiitadan"  erwähnt  Eximenis  unter  andern  die  Collationes  und  andere  Werke 
des  Johann  von  Wales. 


lOO    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —  3.    KaTAL.    LiTT. 


den  Herausgebern  des  13.  Bds.  Ae,^  Archivo  de  Aragon  (p.  311  —  393)  veröffent- 
licht worden,  welche  sich  natürlich  keine  Rechenschaft  gegeben  haben  über 
das,  was  sie  abdruckten.  Die  Pariser  Nationalbibliothek  besitzt  zwei  Ab- 
schriften der  Dodrina  (Esp.  No.  48  und  55),  beide  aus  dem  15.  Jh.  stam- 
mend. Es  erübrigte  zu  wissen,  ob  das  Werk  des  Eximeniz,  welches  unter  dem 
Titel  Regijnent  de  la  cosa  publica^  in  Valenzia  1499  veröffentlicht  wurde  und 
an  die  jurats  dieser  Stadt  gerichtet  war  (P.  Salvä,  Catdlogo  No.  3666  und 
Mendez-Hidalgo  p.  326)  von  der  Doctrina  compendiosa  verschieden  ist 
oder  nicht.  Alles,  was  wir  darüber  sagen  können,  ist,  dass  in  dieser  Ausgabe 
von  1499  demselben  eine  sehr  merkwürdige  Einleitung  vorangeht,  unter  dem 
Titel  >^Les  speciales  belleses  de  la  ciutat  de  Valeficia«  wo  man,  unter  anderm, 
eine  bereits  verwertete  Stelle  liest,  über  die  Fayence  von  Manises  mit  metal- 
lischem Glanz.  Die  Vida  de  Jesucrist  und  der  Libre  dels  Angels  sind  die  be- 
kanntesten theologisch-dogmatischen  Bücher  des  Eximeniz.  Das  erste,  dem 
Mossen  Pere  d'Artes,  niestre  raciofial  de.?,  Königs  Martin  I.,  gewidmete  Buch 
wird  in  den  letzten  Jahren  des  14.  Jhs.  oder  in  den  ersten  des  folgenden 
verfasst  worden  sein.  Man  kennt  davon  eine  ziemlich  grosse  Anzahl  von  Hss., 
aber  keine  katalanische  Ausgabe.  Im  15.  Jh.  ins  Franz.  übersetzt,  wurde  es 
durch  die  Fürsorge  des  ersten  Erzbischofs  von  Granada,  Fernando  de  Tala- 
vera,  welcher  es  1496  drucken  liess,  auch  ins  kastilianische  übertragen.  Der 
Libre  dels  angels,  welcher  im  Jahre  1382  verfasst  und  demselben  Pere  d'Artes 
gewidmet  wurde  (er  war  damals  mestre  racional  des  Königs  Johann  I.),  hat  noch 
mehr  Erfolg  gehabt,  als  das  Leben  Jesu  Christi.  Er  wurde  1494  in  katalanischer 
Sprache  gedruckt,  durch  die  Fürsorge  des  Fr.  Miguel  de  Cuenca  und  Fr. 
Gonzalo  de  Cördoba  1434  ins  kastilianische  übertragen,  und  auch  ins 
Französische  übersetzt.  Die  Pariser  Nationalbibliothek  besitzt  nicht  weniger 
denn  neun  handschriftliche  Exemplare  dieser  letzten  Übersetzung.  (L.  Delisle, 
Inventaire  des  manuscrits  franfais  I,  61).  In  mehrfacher  Beziehung  interessanter 
ist  für  uns  der  Libre  de  les  dones,  welcher  einer  edlen  Dame,  Sanxa  de  Arenos, 
Gräfin  von  Prades,  zugeeignet  ist.  Das  Werk  ist  in  zwei  sehr  ungleiche  Teile 
geteilt;  der  erste,  in  dreizehn  Kapiteln,  spricht  von  den  Frauen  im  allge- 
meinen; der  zweite,  der  wieder  in  fünf  Traktate  zerfällt,  die  im  Ganzen  332 
Kapitel  zählen,  handelt  von  den  fünf  Arten  von  Frauen,  als  Kinder,  Jung- 
frauen, Verheiratete,  Wittwen  und  Nonnen,  In  diesem  zweiten  Teile  haben 
wir  eine  überaus  grosse  Menge  von  pikanten  und  belehrenden  Aufschlüssen 
über  die  Lebensart  der  Katalaninnen  des  Zeitalters  und  ihrer  Neigungen.  Der 
sehr  oft  abgeschriebene  Libre  de  les  dones  ist  in  katalanischer  Sprache  in  Barce- 
lona im  Jahre  1495  gedruckt  worden.  Unter  dem  Titel  y>Carro  de  las  donas«. 
wurde  er  frei  ins  Kastilianische  übersetzt  und  in  Valladolid,  1542,  mit  einer 
sehr  interessanten  Vignette  veröffentlicht;  cf.  P.  Salvä  Catdlogo,  No.  3896. 
Der  Escorial  besitzt  ein  aus  der  Bibliothek  des  Alfonso  Martinez,  des  Erz- 
priesters von  Talavera  und  Verfassers  des  Corvacho,  stammendes  handschriftliches 
Exemplar,  welches  wahrscheinlich  mit  dem  Carro  identisch  ist. 

Für  die  drei  folgenden  moral-  und  mystisch-theologischen  Werke  ver- 
weisen wir  auf  die  Arbeit  des  D.  Emilio  Grahit:  die  Scala  Dei,  welche 
der  Königin  Maria  von  Aragon  gewidmet  ist  und  die  man  auch  Libre  de  la 
devociö  oder  Contemplaciö  (gedruckt  1494)  nennt;  das  Cercapou  oder  Confes- 
sionari,  eine  Abhandlung  über  die  Beichte,  und  endlich  L'Art  de  ben  morir. 
Wir  erwähnen  noch :  1 )  eine  Art  Psalter  oder  Sammlung  frommer  in  latei- 
nischer Sprache  von  Eximeniz  abgefasster  Gebete,  welche  141 6  ins  Katala- 
nische durch  Guillem  Fontana  übersetzt  wurden  und  die  er  einer  gewissen 
Agnes,  Frau  des  verstorbenen  Mossen  Ramon  Savall,  mestre  racional  des  Königs 
von  Aragon,  widmete  (Hss.  in  der  Madrider  und  der  Pariser  Nationalbibliothck, 


Prosa:  Theologie.    Eximeniz.    Vincent  Ferrer. 


Esp.  No.  45;  cf.  Torres  Amat  s.  v.  Fontana  und  den  Catälogo  von  Salat 
p.  7.  2)  eine  Nachahmung  der  ßussspsalmen  desselben  Eximeniz,  welche 
sich  in  wenigstens  zwei  der  eben  erwähnten  Hss.  befindet. 

Am  Ende  seiner  Notiz  gibt  D.  Emilio  Grahit  einige  Nachrichten  über 
Schriften  des  Eximeniz,  welche  verloren  gegangen  sind  oder  deren  Existenz 
man  nur  durch  Anspielungen  von  ihm  selbst  oder  anderer  kennt.  Unter 
diesen  Hinweisen  sind  einige ,  welche  sich  gewiss  auf  schon  bekannte  aber 
anders  betitelte  Werke  beziehen,  die  wir  besitzen.  So  ist  der  »Dialogo  entre 
un  /rare  y  cmtadans,  en  que  exhorta  a  totavirtut'i^  welcher  von  TorresAmat 
erwähnt  wird  {Memorias  p.  698),  gewiss  die  Doctrina  compendiosa.  Was  den 
unserm  Autor  zugeschriebenen  Flos  sanciorum  betrififl:,  so  ist  zu  bemerken,  dass 
die  zwei  Flor  es,  von  welchen  Ochoa  spricht,  Catälogo  de  los  mantiscritos  esp. 
de  Paris  p.  24  und  25)  provenzalisch  abgefasst  sind  und  mit  Eximeniz  nichts 
gemein  haben,  und  was  die  von  demselben  Ochoa  p.  40  genannte  Hs.  bc- 
triflft,  welche  die  No.  44  des  Fonds  esp.  der  Pariser  Nationalbibliothek  ist, 
so  enthält  sie  die  Legenda  aurea,  die  wir  oben  erwähnt  haben.  Im  bestem 
Falle  könnte  diese  Legenda  von  Eximeniz  übersetzt  worden  sein,  wenn  man 
auf  den  Umstand  bezug  nimmt,  dass  sie  in  den  Text  von  Varazzo  das  Leben 
des  h.  Felix    und  des  h.  Narcissus  von  Gerona  einfugt. 

Während  ohne  Zweifel  Eximeniz  zu  viel  produziert  und  zu  viel  kom- 
piliert hat,  bleiben  uns  nicht  genug  Schriften  in  der  Vulgärsprache  von  seinem 
berühmsten  Zeitgenossen,  dem  h.  Vincent  Ferrer,  übrig.  Die  Geschichte  der 
Predigerthätigkeit  Ferrers  in  Katalonien  und  in  Frankreich  ist  ein  schönes 
Thema,  welches  mit  Zuhilfenahme  der  Urkunden  behandelt  werden  sollte,  die 
den  Aufenthalt  des  Bruders  Vincent  in  dieser  oder  jener  Stadt  nachweisen  und 
welche  durch  die  Ausgaben ,  die  sich  die  Gemeinden  auferlegten ,  um  den 
Prediger  zu  empfangen,  den  ausserordentlichen  Einfluss  seiner  Rede  auf  die 
Massen  feststellen.  Vorzügliche  Beiträge  zur  Geschichte  der  Predigerthätigkeit 
des  h.  Vincent  Ferrer  in  Frankreich  sind  von  P.  Meyer  {Romania  X  226  u.  ff.) 
und  A.  Thomas  und  Andre  {Annales  du  midi  IV  236,  380  u.  546)  geliefert 
worden.  Der  erste  dieser  Gelehrten  hat  auch  in  einer  Oxforder  Hs.  eine 
Predigt  in  der  Vulgärsprache  wieder  gefunden,  die  von  Ferrer  in  Toulouse 
am  Charfreitag  des  Jahres  141 6  gehalten  worden  ist;  er  gibt  davon  Auszüge 
[Archives  des  missions  2.  Serie  Bd.  III  p.  266).  Was  die  Predigerthätigkeit 
des  Heiligen  in  Katalonien  und  in  Kastilien  anbelangt,  so  haben  seine  alten 
Panegyriker  bereits  zahlreiche  Mitteilungen  geliefert.  Andere  findet  man  in 
der  Coleccion  de  doc.  indd.  del  Archivo  de  Aragon  I  119  und  192;  im  Boletin 
de  la  Sociedad  arqueolögica  Itiliana  vom  25.  März  1889  (Aufenthalt  Ferrers  in 
PoUensa,  anno  14 13);  in  Culmcnares,  Historia  de  Segovia,  Kap.  XXVIII  §  9 
etc.  Ferrer  predigte  in  seiner  Heimat  und  auch  in  Frankreich,  wenigstens 
im  Süden  Frankreichs,  katalanisch,  aber  es  fragt  sich,  ob  und  in  welcher 
Sprache  er  seine  Predigten  aufschrieb.  Es  scheint  gewiss  zu  sein,  dass  er 
selbst  deren  in  lateinischer  und  katalanischer  Sprache  geschrieben  hat.  Zur  Zeit 
des  Villanueva  (Viage  II  50  tf.)  besass  das  Kolleg  Corpus'  Christi  in  Valenzia 
einen  von  Ferrer  eigenhändig  geschriebenen  Band,  der  in  lateinischer  Sprache 
die  von  1410  — 1414  gehaltenen  Predigten  enthält;  die  Sprache  derselben  ist 
sehr  barbarisch  —  »sicut  hladum  cxit per  saccum  foradatiim  subtus<c  ist  ein  von 
Villanueva  angeführtes  Beispiel  —  und  voll  von  Worten,  die  der  Vulgär- 
sprache entlehnt  sind,  wie  varons,  bona  gent,  truchimant ,  exarop.  Anderseits 
sprechen  derselbe  Villanueva  (I.  c.)  und  Ximeno  {Escritorcs  de  Valencia 
I  31)  von  fünf  handschriftlichen  Bänden  der  Reden  des  Heiligen  in  katalanisher 
Sprache.  Wenn  sie  noch  existieren,  wäre  es  sehr  wünschenswert,  dass  man  sie 
verötfentlichte. 


I02      LlTTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.  —  3.    KaTAL.    LiTl'. 

23.  Rechtsgelehrsamkeit.  —  Die  Katalanen  haben  einen  berühmten 
Kodex,  den  Consolat  de  la  mar,  dessen  erste  Redaktion  bis  ins  13.  Jh.  zurück- 
reicht und  welcher  zum  ersten  Male  1484  zu  Barcelona  unter  dem  Titel  des 
Libre  de  consolat  tractant  dels  fets  maritims  gedruckt  wurde. '  Aber  ebenso 
wenig  als  die  nicht  minder  berühmten  palatiner  Ordonanzen  Peters  IV.  von 
Aragon  —  Ordinacions  fetes  per  lo  molt  alt  senyor  en  Pere,  rey  d'Ara^ö,  sobrc 
lo  regiment  de  tots  los  officials  de  la  sua  cort,^  ■ —  gehört  dieser  Consolat  de 
la  mar  zur  eigentlichen   Litteraturgeschichte. 

Der  Consolat,  desgleichen  die  Ordinacions,  wie  die  Constitucions  de  Cata- 
lunya,  die  Fürs  von  Valenzia,  die  Costums  von  Tortosa  und  viele  andere  Lokal- 
rechte sind  Sprachtexte  und,  von  diesem  Gesichtspunkte  aus,  sehr  kostbar; 
wir  haben  uns  hier  mit  denselben  nicht  zu  beschäftigen.  Unter  dieser  Rubrik 
»Rechtsgelehrsamkeit«  haben  wir  kaum  etwas  anderes  anzuführen  als  einen  Codi 
de  Justiniä,  welcher  offenbar  nur  eine  katalanische  Übersetzung  eines  pro- 
venzalischen  Textes  ist,  von  dem  einige  Fragmente  zur  Kenntnis  gelangt  sind 
(cf.  Bartsch,  Grundriss,  J^  43  und  J.  Tardif,  Annales  du  midi,  V,  34  ff.) 
Die  katalanische  Version  ist  in  einem  Bücherinventar  der  Tempelritter  1308 
folgendermassen  bezeichnet:  »Assi  comencen  les  rubriques  de l  primer  libre  del 
Codi«.  (Villanueva,  Viage  V  200).  Anderseits  besass  der  König  Martin  I. 
in  seiner  Bibliothek  (No.  76  und  129)  einen  »Codi  en  cathald<c^  aus  dem 
Jahre   1309   und  einen   »Cod.  en  tlwlozä  {com.  de  totes  les  coses)«. 

Das  grosse  kastilianische  Gesetzbuch,  die  Siete  Fartidas,  wurde,  wenigstens 
teilweise,  ins  Katalanische  übersetzt,  vielleicht  unter  der  Regierung  Peters  IV. 
Es  existiert  im  Escorial  ein  Ms.  dieser  Übersetzung,  das  in  der  Ausgabe  der 
Siete  Fartidas  erwähnt  wird,  welche  die  Academia  de  la  Historia  veranstaltet 
hat  (Band  I  p.  XXXIX).  Diese  Hs.  enthält  nur  die  erste  Fartida.  Erwähnen 
wir  auch,  dass  ein  kastilianisches  Ms.  der  zweiten  Fartida  (Pariser  National- 
bibliothek, Esp.  No.   58)  katalanische  Glossen  enthält. 

Von  der  Templerregel  führt  dasselbe  Inventar  der  Tempelritter  ein  Exemplar 
in  katalanischer  Sprache  an  :  »Assi  comenfa  lo  prolec  de  la  regia  de  la  pobra 
cavalleria  del  Temple<i.  und  die  Hs.,  welche  diese  Regel  enthält,  endigt  mit 
den  Worten  »darlis  conseyl  de  lurs  malalties«.  Torres  Amat  {Memorias 
p.  709)  schreibt  seinerseits  folgenden  Artikel  des  Inventars  des  Königs  Martin  I. 
ab:  »Ordinacions  dels  TempUs:  en  catala  scrit  e7i  pergajnins.  Comensa:  Aques- 
tes  son  les  coses;  y  en  lo  negrc:  la  primer a  esser  obedient  ab  soti  com'ent«.^ 
Diese  Bemerkungen  sind  ungenügend,  um  zu  bestimmen  ,  welcher  Redaktion 
der  Regel  diese  katalanischen  Texte  entsprechen,  S.  La  regle  des  Templiers 
hersg.  von   H.  de  Curzon.     Paris   1886  in   8". 

24.  Philosophie.  —  Von  den  Philosophen  des  Altertums  ist  Aristoteles 
den  Katalanen ,  wie  es  sich  von  selbst  versteht,  nur  vermittelst  sehr  in- 
direkter Übersetzungen  bekannt  geworden.  Die  Ethik  ist  durch  das  zweite 
Buch  des  Tresor  des  Brunetto  Latini  zugänglich  geworden.  »Ethiques  de 
Aristotil  a  Nicomacho,  arromansades  per  mestre  Brunei  Lati  Florenti,  en  la 
sua  obra  appellada  Lo  Tresor«  ,  ist  der  Titel  einer  Hs.,  welche  der  grosse 
Jurist  Antonio  Augustin  besass  (Torres  Amat,  Memorias  p.  683).'^     Von 


'  Ül)er  die  Bibliographie  der  verscliiedenen  Teile  dieser  Kompilation  et",  den  Cala- 
loguc  des  matmscrits  espagnols  de  la  bibliotheqtie  nationale  de  Paris  p.    13  ".    14' 

*  Cf.  ibid.  p.    14  u.   1.5. 

^  Ausser  diesem  katalanischen  Kxem])lar  besass  Köni,L'  Martin  1.  verschiedene  M\eni- 
plare  der  Templerregel  in  franz.  Sprache. 

■''  Es  ist  wahrscheinlicii  der  ganze  Tresor  des  liiunetlo  Latini  ins  Katalanische  über- 
setzt worden,  da  ausser  der  eben  erwähnten  Ethik  eine  Hs.  der  bischöflichen  Bibliothek  zu 
Barcelona  auch  eine  katalanische  Version  der  Rhetorik,  d.  h.  des  ersen  Teiles  des  dritten 
Buches,  uns  erhallen  hat  (A.  de  Bofarull,  Estiidios,  sistemn  gramatical  etc.  p.    l6t)). 


Prosa:  Rechtsgei.ehrsamkeit.    Philosophie.  103 


der  Oecononiica  haben  wir  eine  valenzianische  Übersetzung  aus  dem  16.  Jh., 
welche  von  Martin  Viciana  nach  dem  Latein  des  Leonardo  Aretino 
ausgeführt  worden  ist  und  welcher,  in  der  Hs.  des  Escorial,  wo  sie  aufbewahrt 
wird ,  eine  »ktra<  vorangeht  y>tramesa  per  lo  noble  Mosen  Marti  de  Viciana, 
governador  en  Regne  de  Valencia,  a  la  noble  Dona  Damiata  muller  siia« 
(Antonio -Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus,  II,   282). 

Cicero.  —  Eine  Übersetzung  von  De  Officiis,  welche  von  einem  Franzis- 
kaner, Namens  Nicolas  Quils  auf  die  Bitte  des  ehrenwerten  Bürgers  von  Bar- 
celona En  Francesch  de  Conomines  oder  Colomines  hergestellt  wurde,  ist 
von  Villanueva  in  der  Bibliothek  des  Palau  in  Barcelona  nachgewiesen  worden 
( Viage,  XVIII 271).  Es  existierte  davon  eine  andere  Hs.  in  der  Madrider  National- 
bibliothek fvon  Torres  Amat,  Memorias ^  s.  v.  Quils  zitiert).  Sie  ist  aber 
verschwunden,  nach  dem,  was  D.  Antonio  Rubiö  y  Lluch,  welcher  noch 
eine  dritte  kennt,  uns  lehrt  {El  renacimiento  cläsico  en  la  literatura  catalana, 
Barcelona  1889  p.  21).  Von  den  Paradoxa  besitzt  man  eine,  ebenfalls  nicht 
edierte,  Übersetzung  durch  FerrantValenti  aus  Mallorca,  welche  bis  in 
die  Mitte  des   15.  Jhs.  zurückgeht  (A.  Rubiö,  1.  c.  p.  45   u.  47 — 48). 

Seneca.  —  Wir  beginnen  mit  einer  >->Exposiciö  de  tots  los  libres  de 
Seneca,  feyta  per  /rare  Luchas ,  bisbc  auximense,  del  orde  dels  Preycadors ,  al 
senyor  papa  Clement  VI.«-^  eine  Hs.  der  ßarceloner  Barfüsser  aus  dem  14.  Jh., 
welche  Villanueva  beschreibt  {Viage,  XVIII,  240).  Der  gelehrte  Domini- 
kaner hat  diesen  Lucas  nicht  zu  erkennen  vermocht,  und  hat  ihn  für  einen 
Katalanen  gehalten.  A.  Rubiö,  welcher  Villanueva  nachschreibt,  nennt 
ihn  auch  »nuestro«  (1.  c.  p.  12).  Dieser  Lucas  ist  jedoch  kein  anderer  als 
der  Dominicaner  Lucas  Manelli,  welcher  Bischof  von  Osimo  im  Jahre  1345 
war  und  1363  oder  1364  starb  (Quetif  und  Echard  Scriptores  ord.  praed. 
I,  652).  Der  lateinische  Titel  dieses  Werkes,  welches  ins  Katalanische  übersetzt 
wurde,  ist:  Epistolarum  Senecae  ejusque  tnoralis philosoplüae  scita  expositio.  Man 
hat  sodann  ein  Sumari  de  Seneca  oder  ein  Resumd  der  Doctrin  des  Seneca, 
welches  von  seinem  Verfasser,  Pere  Molla,  dem  Huch  de  Lupia,  der  von 
1398  bis  1427  Bischof  von  Valencia  war,  zugeeignet  ist.  Die  Hs.  dieses 
Sumari  befand  sich  bei  den  Barccloner  Barfiissern  (Torres  Amat,  Memorias 
s.  V.  Mollä).  Unter  den  Übersetzungen  der  bedeutendsten  Werke  Seneca' s 
ist  zu  zitieren :  y>Lo  libre  de  les  virtuoses  costumes  cotnpost  per  lo  notable  y 
elegant  Lucio  Seneca  de  Cordoim« ,  welches  sich  im  Escorial  befindet  und 
eine  Übersetzung  aus  dem  15.  Jh.  der  Moralia  ist  (A ntonio -Bayer ,  Bibl. 
hisp.  vetus,  II,  282,  und  Torres  Amat,  Memorias,  p.  713);  ^  dann  die  Über- 
setzung von  De  Providentia  durch  den  öfters  schon  zitierten  Dominikaner 
Antoni  Canals,  welcher  sein  Werk  dem  Mossen  Ramon  Boil,  Gouverneur 
von  Valencia,  (1393  bis  1406)  dedizicrte.  Eine  Hs.  dieser  Übersetzung  be- 
fand sich  im  Augustinerkloster  in  Barcelona  (Villanueva,  Viage  XVIII,  172) 
und  vielleicht  auf  Grund  dieses  selben  Exemplars  ist  sie  in  den  Memorias  de 
la  Academia  de  Buenas  Letras  von  Barcelona  (Bd.  II  p.  561 — 580)  mangel- 
haft gedruckt  worden.  D.  A.  Rubiö  zitiert  (1.  c.  p.  29)  eine  andere  Hs. 
Schliesslich  die  Episteln.  Dieses  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.  No.  7) 
und  fragmentarisch  auch  in  London  vorhandene  Werk  ist  nicht  aus  dem  Latei- 
nischen, sondern  aus  dem  Französischen  übersetzt  worden  y>translatades  de  lati 
en  frances,  e  puys  de  frances  en  ccTthald«  ;  die  französische  Übertragung  welche 
die  katalanische  Übersetzung  benützt  hat,  ist  im  Catalogue  des  manuscrits  espagnols 

*  Der  Name  Antonius  Hlay,  welclu-r  sich  am  Kii'Ie  der  \U.  des  Escoiial  findet  und 
welchen  D.  A.  Rubiö  (/.  c.  p.  41)  für  den  des  Autors  liiilt,  bezeichnet  ohne  Zweifel  den 
Abschreiber. 


I04    LlTTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    T^ITT. 

de  la  bibliotheqiu  Nationale  de  Paris  {).  30  angeführt.  '  Die  Epistoles  de  Seneca 
abreviades  (No.  2 1  des  Inventars  der  Königin  Maria)  bedeuten  wahrschein- 
lich dieselbe  Übersetzung,  welche  von  Epist.  94  an  in  der  That  viel  abkürzt. 
Den  Übersetzungen  Sen  eca'  s  lässt  sich  dasjenige  anschliessen,  was  ein  folgender- 
massen  unter  No.  42  des  Inventars  Marias  von  Aragon  bezeichneter  Band 
enthält:  »Libre  ititiiulat:  Sent  Geronimi  sobre  Seneca  ....  comcnfa :  Lucio 
Anneus  Seneca  de  Cordoz>a«.  Wir  haben  nämlich  hier  die  Notiz  des  h.  Hiero- 
nymus  über  Seneca  (cap.  XII  des  de  inris  illustribus)  und  vielleicht  die  apo- 
kryphe Korrespondenz  des  Philosophen  und  des  h.  Paulus,  welche  man  nach 
dieser  Notiz  in  den  Hss.  findet  (A.  Mol  inier,  Catalogue  des  manuscrits  de 
la   Mazarine  I  374). 

Boethius.  —  Übersetzung  der  Consolaiio  mit  dem  Kommentar  des 
heil.  Thomas  von  Aquino,  durch  den  Dominikaner  Fr.  Pere  Saplana, 
welcher  sie  dem  Infanten  Jacme  de  Majorque  (j  1375)  widmete.  Diese  Über- 
setzung wurde  auf  die  Bitte  des  Valenzianers  En  Bernat  Joan,  durch  einen 
anderen  Dominikaner  Fr.  Antoni  de  Genebreda  vollendet  und  neu  bearbeitet. 
Sie  ist  von  D.  Mariano  Aguilö  in  seiner  Biblioteca  catalana  veröffentlicht 
worden.  Mehrere  Hss.,  unter  andern  diejenige,  welcher  Aguilö  gefolgt  ist, 
erwähnen  den  ersten  Übersetzer  nicht;  Villanueva  hat  seinen  Namen  in 
einer  Hs.  des  Monserrat  wiedergefunden  {ViageY^^^^.  206).  Eine  nach  dieser 
katalanischen  Übersetzung  angestellte  kastilianische  Version,  die  zum  ersten 
Mal  in  Tolosa  de  Francia  (Toulouse)  im  Jahre  1488  gedruckt  wurde,  gibt 
auch  einige  Auskunft  über  die  von  Genebreda  unternommene  Bearbeitung 
(Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  esp.  p.  100  u.  377).  Ausser  den  zwei  durch 
Villanueva  nachgewiesenen  Hss.,  besitzt  die  Pariser  Nationalbibliothek  eine 
(Esp.  No.  474),  welche  aus  der  Colombina  stammt.  Es  sind  auch  zwei  im 
Inventar  der  Königin  Maria,  unter  No.  34  und  63,  verzeichnet. 

Unter  den  scholastischen  Philosophen,  welche  die  Katalanen  des  Mittel- 
alters besonders  gelesen  und  studiert  zu  haben  scheinen ,  befindet  sich  vor 
allen  der  platonisierende  Guillaume  de  Conches.  Sein  Dragmaticon  philo- 
sopMae  (s.  II  i,  228),  dessen  Analyse  bei  Haure^au  Histoire  de  la  Philosophie 
scolastique  i.  Teil  p.  441 — 446  nachgesehen  werden  kann,  ist  zweifelsohne  im 
14.  Jh.,  unter  dem  ^'xXjqY  Suma  de  filosofia,  ins  Katalanische  übersetzt  worden. 
Im  Inventar  des  Königs  Martin  ist  ein  Exemplar  davon  unter  No.  35  ver- 
zeichnet: y>Libre  appellat  Suma  de  philosophia  en  cathala  .  .  .  faneix  en 
vermelho:  per  mestre  Gern  de  Congues  anormani<,  und  die  Pariser  Nationalbib- 
liothck  hat  zwei  andere  Exemplare  davon   aus  dem   1 5.  Jh.  erworben.    (Esp. 

255  "•  473)- 

Was  die  Encyklopädien  betrifft,  so  wird,  was  nicht  verwundern  kann, 
die  populärste  diejenige  des  Matfre  Ermengau  von  Beziers  gewesen  sein. 
Ein  Katalane  aus  dem  14.  Jh.  beschäftigte  sich  damit,  die  provenzalischen 
Verse  des  Brnnari  d'amor  zu  übertragen.  Man  hat  in  der  Pariser  National- 
bibliothek zwei  Hss.  dieser  katalanischen  Prosaübersetzung  (Esp.  No.  205  u. 
353)1  von  welcher  auch  zwei  Briefe  des  Königs  Johann  von  Aragon  sprechen, 
die  aus  den  Jahren  1393  und  1394  datiert  sind  (J.  Coroleu,  Doc.  hist. 
catalans  del  sigle  XIV,  p.  125  u.  130);  freilich  ist  auch  möglich,  dass  es 
sich  hier  um  den  Originaltext  handelt,  von  welchem  es  mehr  als  eine  Hs. 
in  Spanien  gegeben  hat  und  noch  gibt. 


1  Die  Epistoles  de  Setuca  en  frances  sind  in  den  Inventarien  der  Bibliotheken  des 
Fürsten  von  Viana  (Archivo  de  Aragon,  XXVI  139)  und  des  Konnetabels  von  Portugal 
Don  Pedro  angeführt  (cf.  A.  B  a  1  a  g  u  e  r  y  Merino,  D.  Pedro  el  condestahle  de  Portugal. 
Gerona   i88l,  p.  23.) 


Prosa:  Philosophie.    R.  Lull.  105 

Die  drei  Traktate  des  Albertano  von  Brescia,  der  Liber  consolationis 
et  consilii ,  De  amore  et  dilcctione  Dei  et  proximi  und  De  doctrina  dicendi  et 
facetuii  (s.  II  i,  209)  sind  alle  drei  ins  Katalanische  übersetzt  (Villanucva, 
llage  XVIII  173  und  265,  und  Catalogue  des  manuscrits  espagnols  de  la 
Bibl.  nat.  de  Paris  p.  29),  aber  nur  das  letzte  ist  veröffentlicht  worden,  und 
leider  auf  erbärmliche  Weise  in  den  Memoiias  de  la  Academia  de  Bueiias  Letras 
von  Barcelona,  Bd.  II  p.  519  —  613,  unter  dem  Titel  »Lo  libre  lo  quäl  ha 
compüst  mestra  Alberia  de  Bretanya  (sie),  lo  quäl  iracta  de  la  mauera  de  ben 
parlar^i. 

Die  Moralitäten  des  Jacob  von  Cessoles  (s.  II  i,  2101,  welche  sich 
unter  einer  weniger  trivialen  Form  darboten  als  die  andern,  reizten  ebenfalls 
zur  Übersetzung.  Unter  dem  Titel  eines  Libre  de  bones  costumes  dels  homens 
i  dels  oßds  dels  nobles  oder  einfach  Del  joch  dels  scacs  finden  wir  in  zwei 
Hss.  von  Gerona  (Villanueva,  ViageYA\  121)  und  im  Vatican  (TorresAmat, 
Memorias  p.  702  s.  v.  Jochs)  eine  katalanische  Übersetzung  des  De  moribus 
hominum  et  de  officiis  nobilium  super  ludo  scaccortwi. 

25.  Es  ist  hier  der  Ort  zu  dem  grossen  Namen  der  katalanischen 
Litteratur,  zu  dem  viel  gepriesenen  Ramon  Lull  (f  131 5)  überzugehen  (s.  II 
I,  204  u.  passim).  In  Lull  stecken  gewissermassen  zwei  Menschen  :  ein  Apostel, 
der  zugleich  Dichter  und  des  Interesses  «und  der  Bewunderung  würdig  ist, 
anderseits  ein  von  fixer  Idee  Besessener,  den  man,  wenn  er  in  all  seinem 
merkwürdigen  Dichten  und  Trachten  nicht  uneigennützig  gewesen  wäre, 
beinahe  geneigt  sein  könnte  einen  Charlatan  zu  nennen.  Dieser  Besessene 
ist  er  Philosoph,  der  seine  »Kunst«  wie  ein  Universalmittel  durch  Europa 
spazieren  fLihrt ;  der  glaubt  die  Scholastik  untergraben  zu  können ,  indem  er 
ihr  ein  extravagantes  System  entgegenstellt,  von  dem  man  nicht  versteht,  wie 
hervorragende  Geister  es  einer  Untersuchung  noch  für  würdig  gehalten  haben. 
Querkopf  ist  die  Bezeichnung,  welche  Prantl,  der  letzte  Geschichtsschreiber 
der  Logik,  auf  Lull  angewandt  hat,  und  sie  ist  noch  gelind.  Lange  Zeit  ist 
R.  Lull  das  dramatische  Interesse,  welches  gewisse  Vorfalle  in  seinem  Leben 
erregen,  zu  gute  gekommen,  namentlich  seine  Heldenthaten  als  Missionar  bei 
den  Ungläubigen  ,  dann  auch  der  Hass ,  welchen  die  seine  Lehre  und  seine 
Schriften  als  ketzerisch  verfolgenden  Dominikaner ,  der  Inquisitor  Nikolaus 
Aimerich  an  der  Spitze,  gegen  ihn  hegten.  Dies  Alles,  sowie  der  Umstand, 
dass  sich  im  vorigen  Jahrhundert  der  deutsche  Gelehrte  Salzinger  in  Lull 
geradezu  verliebte,  haben  den  »erleuchteten  Doktor«  in  unseren  Tagen  wieder 
in  Gunst  gebracht.  Diese  Gunst  wird  nicht  lange  anhalten.  Die  im  29.  Bande 
Aer  Histoire  litt^raire  de  la  France  voT\  "Littr 6,  Haureau,  Renan  und  Paris 
angestellten  Nachforschungen,  haben  die  Dinge  wieder  auf  ihr  richtiges  Mass 
zurückgeführt,  und  der  »Philosoph«  Lull  wird  bald  nur  noch  Bewunderer  bei 
seinen  balearischen  Landsleuten  finden,  welche  ja  gezwungen  sind,  ihn  als  den 
Stern  an  ihrem  nationalen  Himmel  anzusehn. 

Indem  wir  hier  den  »Philosophen«  ausser  Betracht  lassen,  wollen  wir 
nur  vom  Schriftsteller  sprechen  und  besonders  vom  Prosaschriftsteller,  da  wir 
schon  Gelegenheit  gehabt  haben,  einige  Worte  über  die  Verse  Lulls  zu  sagen. 
Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  Lull  alle  seine  Werke  in  der  Vulgärsprache 
geschrieben  hat,  und  dass  es  seine  Schüler  oder  seine  Bewunderer  gewesen 
sind,  welche  die  meisten  Schriften  ihres  Lehrers  ins  Lateinische  übersetzt 
haben,  um  sie  im  Occident  zu  verbreiten.  Er  selbst  wäre,  wenn  man  nach 
dem  Latein,  das  er  in  seinem  Alter  in  seinen  Briefen  schrieb,  urteilen  soll, 
schwerlich  im  Stande  gewesen,  seine  Gedanken  in  die  Gelehrtensprache  zu 
übertragen.  Die  Werke  Lulls  sind  in  drei  Kategorien  zu  teilen:  i)  die 
Schriften,   von   deiien   man   nur  den    lateinischen  Text    hat,      2)  die  Schriften, 


io6  Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  3.  Katal.  Litt. 


von  denen  ein  lateinischer  und  ein  Vulgärtext  besteht.  3)  die  Schriften  endlich, 
von  denen  nur  eine  katalanische  Bearbeitung  vorhanden   ist. 

In  den  letzten  Jahren  sind  verschiedene  alte  katalanische  Bearbeitungen 
von  Werken  Lulls  aufgefunden  worden,  welche  man  nur  in  der  lateinischen 
Form  kannte  oder  nach  Übersetzungen,  die  nach  dem  Lateinischen  im  16. 
und  17.  Jh.  gemacht  wurden;  wahrscheinlich  wird  man  noch  andere  auffinden. 
Der  Zweck  der  von  D.  Gerönimo  Rossello  unternommenen  Ausgabe,  welche 
gegenwärtig  in  Palma,  unter  dem  Titel  Obres  de  Ramon  Lull,  texto  original 
erscheint ,  besteht  gerade  darin ,  eine  möglichst  grosse  Zahl  von  Werken 
Lull 's  in  altkatalanischer  Sprache,  welche  die  Muttersprache  des  Autors  war, 
in   Umlauf  zu  setzen. 

Unter  den  Werken  Lulls,  welche  wirklich  der  Litteratur  angehören, 
ist  zunächst  der  fromme  Roman  Blanquerna  oder  Blaqicerna  anzuführen,  welcher 
von  den  verschiedenen  Sünden  und  Zuständen  unter  den  Menschen  handelt 
und  mit  einer  Empfehlung  des  Einsiedlerlebens  endigt  [Hist.  litt.  XXIX  252). 
Man  besitzt  von  Blanquerna  wenigstens  zwei  gute  alte  Hss.  in  Paris  und 
München,  welche  es  ermöglichen  würden,  von  diesem  Roman  ebenso  wie  vom 
f/tbre  del  amich  e  del  amat,  welches  ihm  beigefügt  ist,  eine  sehr  gute  Ausgabe 
zu  geben  {Romania  VI,  504;  Zeitschrift  f.  rom.  Philologie  III  90 ').  Wenn 
der  Blanquer7ia  durch  die  Einzelheiten,  welche  er  über  die  Sitten  mitteilt, 
ein  gewisses  Licht  auf  den  Zustand  der  katalanischen  Civilisation  am  Ende 
des  13.  Jhs.  wirft,  so  hat  hingegen  der  Libre  de  les  fnaravelles  (cf.  die  Aus- 
gaben von  Agni  16  in  der  Biblioteca  catalana  und  Rossello  (im  Druck)  sowie 
auch  die  von  K.  Hofmann  herausgegebenen  Auszüge  einer  Münchner  Hs.  2) 
eine  gewisse  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Nachahmungen  des  Kalilah  und 
Dimnah  in  den  Vulgärsprachen.  Das  De  les  besties  betitelte  7.  Buch  des 
Romans  von  Lull  ist  in  der  That  zum  guten  Teil  dem  orientalischen  Werke 
entlehnt  {Hist.  litt.  XXIX  345).  3 

Der  Libre  del  orde  de  cavalleria  (in  gothischer  Schrift  durch  Aguilö, 
in  Barcelona  1879  gedruckt)  hat  nicht  das  Interesse  der  beiden  vorhergehenden 
Bücher.  *  Es  ist  eine  ziemlich  dürftige  Abhandlung  über  das  Wesen  des  Ritter- 
tums und  die  Pflichten  des  Ritters.  Don  Juan  Manuel ,  welcher  dieses  Buch 
gekannt  hat,  hat  es  in  seinem  Lil>re  del  caballero  i  del  escudero  nachgeahmt 
und  erweitert,  und  der  Verfasser  des  Tirant  lo  Blanch  zeigt  sich  ebenfalls 
davon  beeinflusst.  Wir  haben  ferner  eine  Sammlung  von  Sprüchen  oder  eher 
von  Moralsentenzen,  unter  dem  Titel,  Libre  de  mil  proverbis  (s.  II  i,  210).  Sie 
wurde  1302  verfasst,  im  18.  Jh.  mit  einer  kastilianischen  Übersetzung  gedruckt, 
dann  durch  Rosellö  wieder  veröffentlicht  {Hist.  litt.  XXIX  367).  Der  Libre 
del  gentil  e  dels  tres  sa7>is  (s.  II  i,  232)  ist  eine  Streitschrift  zu  Propaganda- 
zwecken. Sie  ist  in  vier  Bücher  eingeteilt;  das  erste  handelt  von  Gott,  das 
zweite  vom  Glauben  der  Juden,  das  dritte  von  dem  der  Christen  und  das 
vierte  von  dem  der  Mahometaner  (Lfist.  litt.  XXIX,  90).  Dieses  Buch  wurde, 
wie  man  erwarten  konnte,  in  Spanien  sehr  beliebt.  Rossello  hat  uns  den 
katalanischen  Text  davon  gegeben.  Es  existiert  davon  eine  sehr  alte  fran- 
zösische Übersetzung  (Pariser  Nationalbibliothek,   Ms.  frang.   22933)  ""^  ^'"^ 

'  Der  Blanquerna  ebenso  wie  rlns  Libre  del  ainkh  sind  irülie  ins  Französische  ilber- 
setzt  worden  (Hist.  litt.  XXIX,  254). 

2  Ein  katalanisches   Thierepos  von  Ramon  1. 11 1 1.    München    187'J.     -j". 

'  I^er  Libre  de  les  maravelles  ist.  jedenfalls  im  15.  Jh.,  ins  Französische  ühersetzt 
worden.  (Hist.  litt.  XXIX,  346). 

*  Im  Katalog  der  Bücher  L.  j.  Gohier's,  l'aris  1831,  findet  man  unter  No.  24U) 
eine  folgendennissen  bezeichnete  Hs. :  ^Libro  de  la  ordeit  de  caballeria  del  B.  Raymimdo 
Liilifl,  traducido  en  lengua  castellana  de  la  lemosina  en  (/tu  ftu  cscrito ;  sale  li  luz  en  amhas 
lenguas  y  sf  ilustra  con  algunas  notas.  Pel.  in- 4.  rel.  en  cart.^ 


Prosa:  Philosophie.    Lull.    Pkakt.  Moral.  107 


kastilianische  Übertragung,  die  nach  dem  katalanischen  Texte  in  Valenzia,  im 
Jahre  1416  durch  Gonzalo  Sanchez  de  Uceda  ausgeführt  wurde  (Torres 
Amat,  Memorias  p.  706;  V.  Salvä,  A  Catalogue  London  1829  s.  v.  Libro 
und  Brit.  Mus.  Add.  14040  aus  der  Colombina).  Der  Libre  de  consolacid  iTernüta 
ist  in  gewisser  Hinsicht  das  Gegenstück  zum  Desconort,  mit  andern  Worten  :  hier 
tröstet  Lull  einen  Einsiedler,  während  er  dort  von  ihm  getröstet  wurde.  Diese 
Consolacid  ist  eines  der  letzten  Werke  Lulls;  sie  trägt  das  Datum  1313  {Hist. 
litt.  XXIX  369).  Erwähnen  wir  schliesslich  den  Vulgärtext  des  De  doctrina 
puerili,  eines  Werkes,  das  ins  Jahr  1275  gesetzt  wird  und  welches  mit  Unrecht 
von  den  Verfassern  der  Histoire  littiraire  XXIX  325  zu  den  uncdierten  Schriften 
gezählt  worden  ist.  Es  ist  in  Palma,  im  Jahre  1736,  zur  Belehrung  der  »minons 
de  Mallorca«,  unter  dem  Titel  y>Llibre  de  la  doctrina  pueril,  compost  en  llengua 
llamosina  per  .  .  .  Ramon  Lull,  mallorqui,  traduit  a  llengua  usual  mallorquina, 
gedruckt  worden.  Ebenso  wie  der  Libre  del  gentil ,  ist  die  Doctrina  pueril 
sehr  frühe,  Ende  des  13.  oder  Anfang  des  14.  Jhs. ,  ins  Französische  über- 
setzt worden,  und  die  Übersetzungen  dieser  zwei  Werke  befinden  sich  in  einer 
schönen  Hs.  des  Herzogs  von  La  Valliere  (heute  in  der  Pariser  National- 
bibliothek, Ms.  franr.  22933).  Nach  dieser  Hs.  hat  Fr.  Michel,  vom  Orien- 
talisten Reinaud  unterstützt,  das  vierte  Buch  des  Libre  del gentil,  d.  h.  »la  loi 
au  Sarazin«  {Roman  de  Mahomet  Paris   1831   p.  95  ff.),  veröffentlicht. 

Sobald  die  Ausgabe  Rossellö's  vollendet  sein,  und  uns,  dank  der- 
selben. Alles  zur  Hand  sein  wird,  was  vom  Werke  Lulls  in  der  Vulgärsprache 
existiert ,  wird  man  das  Material  zu  einer  allgemeinen  Beurteilung  seines 
Schaffens  besitzen,  auf  welche  man  für  den  Augenblick  verzichten  muss. 

26.  Über  die  katalanischen  Schriften,  welche  an  die  pseudo-aristotelischen 
Bücher,  wie  das  Secretu?n  secretormn  und  andere  ähnliche  anknüpfen ,  oder 
über  diejenigen,  deren  Gegenstand  direkt  oder  indirekt  arabischen  Büchern 
entlehnt  worden  ist,  verbreiten  leider  nur  wenig  Licht  die  zwar  sehr  ver- 
dienstlichen, aber  verworrenen  Untersuchungen  H.  Knust' s  im  Jahrbuch  f. 
roman.  Literatur  X  129  ff.  und  in  seinen  zwei  Schriften  Mittheilungen  aus 
dem  Eskurial,  Tübingen  1879  und  Dos  obras  diddcticas  y  dos  leyendas  sacadas 
de  manuscritos  del Escorial,  Madrid  1878.  Steinschneider  hat  mit  mehr  Kom- 
petenz die  Quellen  des  Libre  de  la  saviesa  und  die  Protierbis  von  Jafuda  (Jahr- 
buch f.  rom.  Lit.  XII  357 — 58)  besprochen,  aber  das  Material,  über  welches 
er  verlligte,  war  unzureichend.  Von  dem  ersten  dieser  Werke  kennen  wir 
nur  kurze  Auszüge,  und  insbesondere  die  Einleitung,  welche  nicht  zu  ent- 
scheiden gestatten,  ob  man  dieses  Buch,  wie  man  bisher  gethan  hat ,  dem 
König  Jacob  I.  von  Aragon  zuschreiben  darf.  ^  Was  das  zweite  betrifft,  welches 
auch  ins  13.  Jh.  gesetzt  wird,  weil  man  glaubte,  es  sei  Jacob  I.  zugeeignet,  so 
gehört  es  entweder  den  aller  letzten  Jahre  dieses  Jahrhunderts  an,  oder  dem 
folgenden,  da  der  Jacob  »König  von  Aragon,  von  Sicilien,  von  Mallorca«  etc., 
welcher  darin  erwähnt  wird,  nur  Jacob  II.  sein  kann  {Romania  XII  230). 
Diese  wichtige  Sammlung,  von  welcher  die  Herausgeber  des  XIII.  Bandes  des 
Archivo  de  Aragon  einen  unvollständigen  und  höchst  fehlerhaften  Text  gegeben 
hatten,  ist  seitdem  zwei  Mal  herausgegeben  worden,  im  Jahre  1889  durch 
D.  Jose  Balari  in  der  Biblioteca  de  la  Reznsta  Catalana  nach  einer  Hs.  der 
Madrider  »Nacional«  aus  dem  Jahre  1385,  und  durch  D.  Gabriel  Llabres 
in  seiner  Biblioteca  d'escriptors  catalans  nach  einer  andern  Hs.  des  1 5.  Jhs. 
Dieser  letzte  Herausgeber  hat  über  die  Person  des  Juden  Jafuda,  mit  Familien- 

'  Die  Worte  „perqtu  jo  rey  En  yachme,  ven  (sie)  otjuesles  coses,  esforzem  d'appettdre 
com  les  sabes"-  (Rodriguez  de  Castro.  Bibl.  esp.  II,  605)  können  sich  auch  gut  auf 
Jacob  II.  beziehen.     Cf.  A.  Helfferich,  Raymund  Lull  und  die  Anfänge  der  catalonischen 

Literatur,  norlin    1858.    p.  5.">  u.  fT. 


Io8    LriTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    3.    KaTAL.    LiTT. 


namen  Bonsenyor ,  sehr  interessante  Mittheilungeii  gemacht,  welche  er  den 
Archiven  Aragons  entnahm.  Die  Madrider  Nationalbibliothek  besitzt  in  der 
Hs.,  in  welcher  die  Prozierbis  des  Jafuda  eingetragen  sind,  eine  katalanische 
Übersetzung  des  Secretuni  secretonim,  und  in  einer  andern  Hs.  (L  170J, 
diese  selbe  Übersetzung  oder  eine  verschiedene,  deren  Titel  lautet:  -»Lo  lihre 
apellat  de  Regiment  de  senyors,  en  altra  guisa  apellat  Secrct  dels  secrets,  ordenat 
per  Aristo  tu  al  grau  rey  Alexandre«   {Jahrbuch  f.  ront.   Lit.  X   155). 

Zwei  andere  Kompilationen  derselben  Art  müssen  hier  noch  erwähnt 
werden.  Zuerst  eine  Übersetzung  des  Breinloquium  de  virtutibus  antiguorum 
principujn  et  philosophorum  von  Johann  von  Wales  (s.  II  t ,  21 5),  von  welcher 
Villanueva  bei  den  Barfüssern  Barcelona's  ein  Exemplar  gefunden  hat,  unter 
dem  Titel :  y>Breu  Parlament  de  les  virtuts  dels  antichs  philosophs,  compost 
per  Mestre  Johan  Galens,  /rare  del  orde  dels  f rares  menors«  (Viage  XVIII 
271),  und  von  welcher  ein  anderes  Exemplar  sehr  genau  im  Inventar  der 
Königin  Maria  (No.  12)  beschrieben  ist.  Zweitens  eine  Sammlung  von  Aus- 
sprüchen Weiser  und  Philosophen,  die,  wie  wir  wissen,  -»en  lenguaje  de  Cata- 
luena'i-  geschrieben  ist,  die  wir  aber  nur  durch  Vermittelung  einer  kastilianischen 
ilbersetzung  kennen,  welche  im  Jahre  1402,  auf  den  Wunsch  des  Meisters 
von  Santiago ,  Don  Loren zo  Suarez  de  Figueroa ,  durch  den  Juden  Jacob 
C,"adique  aus  Ucles  ausgeführt  worden  ist,  und  von  welcher  eine  Hs.  sich  im 
Escorial  befindet  {Jahrbuch  X  129).  Die  von  Torres  Amat  {Memorias  p.  699) 
zitierten  Dits  de  diverses  filosofs  en  romans  sind  noch  zu  identifizieren. 

27.  Als  Probe  von  Abhandlungen  über  die  praktische  Moral  begegnet 
zuerst  eine  Übersetzung  der  Disticha  Catonis,  unter  dem  Titel  Lo  libre  de 
Catö,  von  welcher  ein  abgekürzter  und  unvollständiger  Text  aus  dem  Jahre 
1462  im  Archive  de  Aragon  XIII  p.  303  ff.  gedruckt  wurde,  während  ein 
anderer,  korrekterer,  und  vollständigerer,  im  ersten  Bande  der  Biblioteca  d'es- 
criptors  catalans  (Palma  1889)  von  G.  Llabres  sich  befindet.  An  den  Libre 
de  Cato  schlicssen  sich  schicklich  die  gereimten  Moralsprüche  des  abtrünnigen 
Franziskaners  An  sei  m  Turme  da  an:  LJibre  compost  per  Frare  Anselm  Tur- 
meda  de  alguns  bons  amonestaments,  von  welchen  es  alte  Abschriften  in  der 
Bibliothek  von  Barcelona  und  in  Carpentras  gibt  {Jahrbuch  f,  rom.  Lit.  V  164 
und  Lambert,  Catalogue  des  manuscrits  de  la  bibliotheque  de  Carpentras  I  208J. 
Diese  kleine  Sammlung,  welche,  wie  aus  der  letzten  Vierzeile  hervorgeht,  im 
Jahre  1398  zusammengestellt  wurde,  hatte  einen  ungemein  grossen  Erfolg. 
In  dieser  Schrift,  die  beinahe  ebenso  verbreitet  ist,  wie  der  Katechismus, 
haben  bis  auf  den  heutigen  Tag  die  Katalanen  lesen  gelernt.  Man  bezeichnet 
sie  gewöhnlich  mit  dem  Titel  Franselm.,  und  die  neuen  Lesebücher  nehmen 
gerne,  um  sich  zu  empfehlen  den  Titel  eines  Nou  Fra  Anselm  an.  So  haben 
wir  ein  -»Nou  Fra  Anselm.  Llibre  de  bons  consels,  compost  per  un  estudiant 
de  theologia  Vieh  1870«  vor  Augen.  Eine  andere  Sammlung,  welche  dem 
Franselm  ähnlich  ist  und  ihm  in  den  Schulen  Konkurrenz  gemacht  hat,  ist  die- 
jenige eines  Arztes  des  Klosters  Monserrat  Namens  Juan  Carlos  Amat  (17.  Jh.). 
Sic  ist  betitelt:  Los  quatrecents  aforismes  catalans  (Torres  Amat,  Memorias 
s.  V.  Amat).  Und  um  mit  den  Sammlungen  von  Sprüchen  und  Sentenzen  ab- 
zuschliessen,  sei  noch  diejenige  angeführt,  welche  Villanueva  in  einer  Hs. 
der  Bibliothek  von  Santas  Creus  im  Anschluss  an  einen  Tractatus  de  ludo 
scaccorum  gefunden  hat,  und  welche  sich  als  Übersetzung  aus  dem  Arabischen 
ausgibt  (Viage  XX  123):  sie  ist  von  D.  Manuel  de  Bofarull  im  Az>en( 
(No.  vom  30.  April,  und  30.  Mai  1891)  veröffentlicht  worden.  An  zweiter 
Stelle,  die  Triaden  der  Hs.  von  Carpentras,  unter  dem  Titel  Llibre  de  tres, 
eine  Nachahmung  der  Verse  der  »Sprüche«,  die  mit  Iria  su7it  beginnen. 
Di(5sc  Sammlung,   welche  in  der  Romania  XII   230  veröffentlicht  worden  ist, 


Prosa  :    Praktische  Moral.    B.  Metge  etc.  i  09 

scheint  nicht  aus  der  Zeit  vor  dem  15.  Jh.  zu  stammen;  sie  zeigt  modernen 
Witz  und  starke  Schlüpfrigkeit.  Hinsichtlich  der  Form  der  Sprüche,  kann  man 
mit  ihnen  den  Lihre  des  qitatre  choses  oder  Qiiaternaire  Saint  Thomas  und  die 
italienische  Sammlung  von  Orazio  Rinaldi,  die  im  i6.  Jh.  ins  Kastilianische 
übersetzt  wurde,  vergleichen  (H.  Knust,  Dos  obras  didäcticas  p.  30  Anm.). 
Die  Doctrina  tnoral  von  En  Fax  aus  Mallorca,  welcher  am  Hofe  Peters  IV.  auf- 
erzogen wurde  und  dem  König  Johann  I.  als  solrrecoch  und  algutzir  diente, 
dann  sich  auf  Mallorca  zurückzog,  ist  eine  Kompilation  von  Moralsprüchen 
über  die  Laster  und  die  Tugenden,  über  Zustände  in  der  Welt  u.  s.  w.,  welche 
der  Verfasser  zum  Unterrichte  seiner  Kinder  zusammengestellt  hat.  Die  be- 
nutzten Werke  gehören  zu  den  bekanntesten  und  verbreitetsten  des  Altertums 
und  des  Mittelalters:  Sprüche  Salomos,  Seneca,  Boethius ,  Disticha 
Catonis,  der  h.  Augustin,  der  h.  Bernhard,  derKalilah  und  Dimnah 
und  unter  den  modernsten  und  den  Katalanen,  Guillem  de  Cervera,  welche 
En  Pax  stets  irrtümlich  Serveri  nennt  (A.  Thomas,  Romania^W  27),  schliess- 
lich Francesch  Eximeniz.  Die  Doctrina  von  En  Pax,  welche  in  dem 
Archivo  de  Aragon  unvollständig  und  schlecht  herausgegeben  worden  war  (Bd. 
XIII  p.  186  ff.)  ist  in  der  Biblioteca  d'escriptors  catalans  von  G.  Llabrös 
(Palma   1889)  wieder  veröffentlicht  worden. 

Von  der  Epistola  ad  quemdatn  militem  de  cura  et  modo  rei  familiaris 
guhernandae  vom  h.  Bernhard  von  Chartres  haben  wir  eine  katalanische 
Übersetzung  von  welcher  ein  Ms.  Villanueva  im  Kloster  von  San  Agostin 
in  Barcelona  gesehen  hat  {Viage  XVIII  172,  226),  und  ein  anderes  sich  in  der 
Privatbibliothek  des  Königs  zu  Madrid  befindet  (J.  Masö  Torrents,  1.  c. 
p.  35);  sie  ist,  wahrscheinlich  nach  der  Hs.  von  San  Agostin,  in  den  Memorias 
de  la  Academia  de  Buenas  Letras  de  Barcelona  Bd.  II  581 — -584,  herausgegeben 
worden. 

Dieser  selbe  Band  der  Memorias  enthält  im  Anschluss  an  diesen  Brief 
(p.  584  u.  ff.)  zwei  y>Chastoiements^  ,  welche  wohl  alle  beide,  jedenfalls  aber 
das  erste,  aus  dem  Französischen  übersetzt  sein  werden.  Dieses  erste  führt  sich 
folgendermassen  ein:  y>Conseyll  de  bones  doctrines  que  una  reyna  de  Fran(a 
dona  a  umi  filla  siia  que  fonch  nmller  del  rey  if  Anglaterra«  :  im  ganzen 
sechzehn  Uutcrw eisungen.  Das  zweite  kleine  Lehrbuch  gibt  sich  als  verfasst 
von  Alfonso  von  Aragon,  Enkel  Jacobs  II.  von  Aragon,  Markgraf  von  Villena, 
erstem  Konnetabel  von  Kastilien,  dann  Herzog  von  Gandia,  von  welchem 
oben  die  Rede  war:  »La  letra  deiuil  scrita  feu  lo  mar  que  s  de  Villena  e  campte 
de  Ribagorfa,  qui  apris  fo  intitulat  duc  de  Gandia,  per  dona  Johana,  filla  sua, 
quant  la  marida  ab  don  Johan,  fill  del  compte  de  Cardona,  per  la  quäl  li  scrivi 
castich  e  bons  nodriments«.  Villanueva  hatte  bereits  die  Existenz  desselben 
in  einer  Hs.  von  San  Agostin  in  Barcelona  (Plage  XVIII   172)  nachgewiesen. 

Del  Infant  Epitus  ist  der  Titel  der  katalanischen  Version  des  Dialogs 
zwischen  Adrian  und  Epitectes,  welcher  im  Französischen  unter  dem  Nameu 
L'enfant  sage  geht.  Sie  findet  sich  in  einer  Hs.  des  14.  Jhs.,  welche  die 
Chronik  Peters  IV.  von  Aragonien  enthält.  A.  Pages,  der  diesen  Text  in 
dem  Etiuies  romanes  didiies  ä  Gaston  Paris  p.  181  — 194  herausgab,  hat  zu- 
gleich gezeigt,  mit  welcher  provenz.  Redaktion  derselbe  in  Zusammenhang  zu 
bringen  ist. 

28.  Es  erübrigt  noch,  einige  Schriften  namhaft  zu  machen,  die  sich 
durch  höheren  Gedankenflug,  hauptsächlich  die  erste,  auszeichnen.  Bernat 
Metge,  von  dem  schon  früher  als  Dichter  gesprochen  worden  ist,  hat  grössere 
Bedeutung  als  Prosaschriftsteller.  Er  war  Sekretär  und  Vertreter  der  Fürsten 
aus  dem  Hause  Aragon,  zuletzt  bei  Martin  I.  »Seine  offiziellen  Depeschen,« 
hat  Mild  gesagt,   »sind  Muster  der  schönsten   katalanischen  Prosa«.     Aber  er 


HO    LiTTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.   —    3.    KaTAL.    LiTT. 

hat  sich  um  die  katalanische  Litteratur  hauptsächlich  durch  seine  Somni  be- 
titelte Schrift  verdient  gemacht.  Der  Traum,  den  er  als  Gefangener  hatte 
und  in  dem  ihm  zuerst  der  verstorbene  König  Johann  I.  erschien ,  der  über 
die  Unsterblichkeit  der  Seele  und  das  künftige  Leben  disputiert,  dann  Orpheus 
und  Tiresias,  welche  in  Gegenwart  von  Metge  sich  über  die  Frauen  unter- 
halten, wobei  der  eine  sie  verteidigt,  der  andere  sie  angreift,  —  dieser  ziemlich 
zusammenhangslose  Traum,  der  eigentlich  nur  als  Vorwand  für  philosophische 
Erörterungen  und  satirische  Bemerkungen  dient,  gefällt  nichts  desto  weniger 
durch  das  Frische  und  Freie  seines  Stils  und  das  Lebhafte  des  Dialogs.  Wohl 
verstanden,  die  Gedanken  Metge' s  sind  weit  entfernt,  ihm  eigen  zu  sein,  und 
ein  zeitgenössischer  Autor,  Ferra nt  Valenti,  hat  bereits  bemerkt,  dass  der 
Grundgedanke  des  Sotiini  sich  in  den  Tuskulanen  und  bei  Boccaccio  wieder 
findet;  aber  was  diesen  Dialogen  Wert  verleiht  und  das  Softini  zu  einem  dei 
interessantesten  und  originellsten  Werke  der  katalanischen  Litteratur  macht, 
ist  die  glückliche  Verwertung  der  Entlehnungen  aus  der  klassischen  und  italie- 
nischen Litteratur.  Der  Somni  ist  mit  einer  französischen  Übersetzung  von 
J.  M.  Guardia  (Paris  1889),  leider  ungenügend,  herausgegeben  (cf.  Ro?nama, 
XIX  141),  und  dabei  mit  einem  etwas  lächerlichen  Manifest  über  den 
Katalanismus  versehen  worden. 

Die  Regles  de  amor  y  Parlament  de  un  hom  y  tina  fembra,  welche 
Mossen  Domingo  Masco,  yz^rß/  von  Valenzia  und  Vizekanzler  der  Könige 
Johann  L  und  Martin  L  zugeschrieben  worden,  sind,  soviel  man  nach  einer 
Erwähnung  bei  V.  Salvä  (Catalogue  of  spanish  avd  portuguese  Books.  London 
1826  No.  1345)  und  einigen  Anftihrungen  von  J.  Massö  Torrents  (1.  c.  p.  36) 
urteilen  kann,  Definitionen  der  Liebe  und  Muster  des  galanten  Briefstils.  Ein 
valenzianer  Gelehrter  des  vorigen  Jhs.,  D.  Jose  Mariano  Ortiz,  welcher  eine 
Hs.  ^\t,%&(  Regles  besass,  scheint  zuerst  behauptet  zu  haben,  dass  Masco  der 
Verfasser  gewesen  ist  und  sie  auf  Bitten  der  Na  Carroga  de  Vilaragut,  einer 
Hofdame  Johanns  L  und  vielleicht  Maitresse  dieses  Herrschers,  verfasst  habe. 
Seine  Behauptung  entbehrt  aber  bis  jetzt  jeglicher  Grundlage.  Derselbe  Ortiz 
behauptete,  eine  andere  Hs.  zu  besitzen,  welche  eine  »L'hom  enamorat  y  la 
fembra  satis/eta«  betitelte  Tragödie  enthielt,  in  welcher  die  Liebe  Johannes  I. 
und  Na  Carro^a  dargestellt  wären.  Die  fragliche  »Tragödie«  hat  aber  seit 
Ortiz  Niemand  gesehn;  sie  scheint  auch  gar  nicht  existiert  zu  haben  (Fr. 
Danvila,  Boletin  de  la  R.  Acad.  de  la  Historia^  XIII  401  ff.) 

Eine  etwas  pedantische  aber  nicht  unberedte  Abhandlung  über  die  Liebe 
und  ihre  Folgen  hat  ein  Valenzianer  Dichter  aus  dem  Ende  des  15.  Jhs.,  der 
edle  Don  Francesch  Carro^  Pardo  de  la  Cuesta  geschrieben:  Regonei- 
xenfa  e  moral  consideracid  contra  les  persuassions,  vicis  e  forces  de  atnor.  Der 
bekannte  Macias  wird  darin  schon  als  berühmtes  Opfer  der  Liebe  angeftihrt. 
Diese  Schrift,  welche  ohne  Ortsangabe  und  Datum,  aber  jedenfalls  in  Valenzia 
am  Ende  des  15.  oder  Anfang  des  16.  Jhs.  veröffentlicht  worden  ist,  und 
von  welcher  man  nur  das  von  Villanueva  (Plage  XXII  214,  cf.  Anuario  I, 
246)  beschriebene  Exemplar  in  Palma  auf  Mallorca  kennt,  ist  von  D.  Mariano 
Aguilö  in  seiner  Biblioteca  catalana,  im  Anschluss  an  den  Boeci  wieder  ge- 
druckt worden. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  eine  Übersetzung  der  berühmten  Vision  ddec table 
Erwähnung  gethan,  welche  von  dem  »grossen  Philosophen«  Alfonso  de  la 
Torre  zur  Unterweisung  des  Prinzen  von  Viana,  Sohnes  Johannes  II.  von  Aragon, 
verfasst  wurde :  es  ist  dies  eine  Reihe  zwar  etwas  trivialer  und  anspruchsvoller 
Allegorien,  welche  aber  die  Zeitgenossen  des  Autors  entzückten.  Der  katalanische 
Text  wurde  in  Barcelona  1484  gedruckt  (Antonio-Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus, 
II  329;  Villanueva,    Viage  XX  129 ;  Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  esp.  t^.  ^0). 


Prosa:   Prakt.  Moral.  —  Wissenschafi-  u.  Kunst. 


29.  Wissenschaft  und  Kunst.  —  Die  Werke  über  Wissenschaft  und 
Kunst  stehen  zum  grösstcn  Teile  der  Litteratur  ebensosehr  fern  wie  diejenigen 
über  Jurisprudenz ;  wir  werden  uns  demnach  in  Bezug  auf  sie  mit  kurzen 
Andeutungen   begnügen. 

An  enzyklopädischen  Werken  könnte  etwa  Aer  Ltiddari  en  cathald 
erwähnt  werden,  welchen  No.  96  der  Bibliothek  Martins  I.  enthielt,  wenn 
derselbe  wirklich  eine  Übersetzung  des  De  proprietatibus  verum  des  Bartholo- 
mäus von  Glanville  ist.  Aber  der  Titel  Lucidari  ist  nicht  bezeichnend  genug; 
er  könnte  auch  mit  dem  Elucidarius  des  Honorius  von  Autun  in  Beziehung 
gebracht  werden. 

Astrologie  und  geheime  Wissenschaften.  —  Die  astrologischen 
Bücher  sind  im  Katalog  der  Bibliothek  Martins  I.  überaus  zahlreich.  Auf  jeder 
Zeile  sind  Juis  de  stronomia ,  Abhandlungen  über  strologia  ^  alphonsinische 
Tafeln  u.  s.  w.  verzeichnet,  und  verschiedene  Zeugnisse  bestätigen,  dass  mehrere 
Könige  Aragons,  unter  andern  Peter  IV.,  viel  Neigung  für  diese  Wissenschaft 
an  den  Tag  gelegt  haben.  Im  Jahre  1359  beauftragte  dieser  König  den 
Dalmau  Sesplanes  und  Pere  Gilbert  mit  der  Abfassung  einer  astrologischen 
Abhandluug  und  überliess  ihnen,  zu  diesem  Zwecke,  die  Bücher  aus  seinen  Archiven, 
welche  ihnen  nützlich  sein  konnten.  Diese  Abhandlung  ist  in  der  Coleccid 
(fantichs  textos  catalans,  Barcelona  1 890,  veröffentlicht.'  Derselbe  König  Hess 
seinen  Arzt  Bartomeu  de  Tresvents  (Hs.  in  der  Pariser  Nationalbibliothek 
Esp.  No.  411)  eine  andere  Abhandlung  über  Astrologie  verfassen.  Villanueva 
erwähnt  {Viage  XX  124)  noch  mehrere  Schriften  ähnlichen  Inhalts.  Wie  es 
scheint,  beschäftigten  sich  die  Könige  Aragons  im  14.  und  15.  Jh.  hauptsäch- 
lich deshalb  mit  Astrologie,  weil  sie  sich  der  Genauigkeit  gewisser  Weissagungen 
und  Prophezeiungen  vergewissern  wollten ,  welche  sog.  Erleuchtete  und 
Schwindler,  wie  der  Franziskaner  Johann  von  Roquetaillade,  Lasa,  Turmeda, 
Cervera  u.  a.  veröffentlichten  und  in  grosser  Anzahl  verbreiteten.'-^  Johann  I., 
der  abergläubischer  war  als  die  Andern,  kümmerte  sich  sehr  um  die  Prophe- 
zeiungen, welche  ihn  und  sein  Haus  betrafen.  So  Hess  er  im  Jahre  1391 
Francesch  Eximeniz  scharf  zur  Rede  stellen,  weil  er,  scheint  es ,  prophezeit 
hatte,  dass  nach  dem  Jahre  1400  auf  der  Welt  kein  anderer  König  mehr 
existieren  würde,  als  der  König  von  Frankreich.  Dies  war,  wie  begreiflich, 
durchaus  nicht  im  Sinne  des  armen  Johannes;  da  er  jedoch  in  die  Astrologie 
vollständiges  Verstrauen  setzte,  so  beeilte  er  sich  hinzuzufügen,  dass,  wenn 
Eximeniz  »nach  besagter  Kunst«  seine  Prophezeiung  beweisen  könnte ,  man 
ihn  kommen  lassen  müsse,  damit  er  sich  darüber  erkläre  (J.  Coroleu,  Doc. 
hist.  catalans  del  sigle  XIV  p.  1 34).  Ein  ander  Mal  schickt  er  seinem  Bruder 
»un  libre  del  diverses  profecies  c  scripttires  autentiques«.  zu,  welche  die  könig- 
liche Familie  betrafen  und  von  seinem  Kaplan  Pere  Lena  ausgingen  (J.  Coroleu 
P-   125). 

Die  Astrologie  ist  mit  den  sog.  geheimen  Wissenschaften ,  der  Nckro- 
mantie  und  Alchemie  etc.,  nahe  verwandt.  Auch  hier  haben  die  drei  Könige 
Aragons,  Peter  IV.,  Johannes  I.  und  Martin  I.  verschiedentlich  zur  Entwicke- 
lung  der  Alchemie  und  Magie  die  Hand  geboten,  sie  haben  sogar  diejenigen, 
welche  nach  dem  Stein  der  Weisen  suchten  und  Gold,  fabriciertcn,  beschützt. 
In  dieser  Beziehung    lässt   ihre    Korrespondenz,    welche    D.   Francisco    de 

'  Eine  Anspielung  auf  das  „liörei  fite  en  Dalmati  Qi  Plana  nos  Im  trasnies  del 
eclipsi  del  sol  et  de  la  luna'^  etc.  findet  sich  in  einem  Briefe  des  „primogenit''  J  o  a  11 ,  aus 
Perpignan,  12.  Sept.   1379  datiert  (Revista  historica  von  Barcelona  Januar   1876). 

2  Die  Prophezeiungen  von  Rocatallada,  Lasa  und  Turmeda.  in  katalanischer 
Sprache,  sind  in  eine  Hs.  des  15.  Jhs.  der  Bibliothek  von  Carpentras  eingetragen  (Lam  I)  er  t 
/.  c.  I,   174)'    Die  von    i'urnieda  befinden  sich  auch  in  der  IIs.    N  I-13  des  Escorial. 


112    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —    3.    K.ATAL.    LiTT. 

Bofarull,  Revista  histdrica  }2inwdiX  1876,  D.Jose  Coroleu,  Documents  histo- 
richs  catalans  del  sigle  XIV,  Barcelona  1889,  und  D.  Jose  Ramon  Luanco, 
La  alquimia  en  Espana  Bd.  I,  Bacelona  i88y  ,  gesammelt  haben,  keine 
Zweifel  aufkommen.  Luanco  hat  sowohl  in  dem  eben  zitierten  Buche, 
als  in  den  Memorias  de  la  Academia  de  Biienas  Letras  von  Barcelona  III  307 
verschiedene  Werke  katalanischer  Alchemisten  beschrieben. 

30.  Die  Arzneikunst  musste  im  Vaterland  Arnau's  von  Vilanova  (s. 
II  I,  259)  blühen.  Vor  ihm  ist  noch  der  Dominikaner  Thederic  zu  erwähnen, 
dessen  chirurgische  Abhandlung  in  lateinischer  Sprache  dem  Fr.  Andreu  von 
Albalate,  welcher  von  1248  — 1276  Bischof  von  Valenzia  war,  gewidmet  ist; 
diese  Abhandlung,  welche  die  Katalanen  lo  Thederic  nennen  (Villanueva, 
Viage  V  200)  wurde  ins  Katalanische  durch  einen  gewissen  Galien  Cor- 
reger  aus  Mallorca,  übersetzt,  und  wurde  auch  ins  Kastilianische  übertragen 
(Rodriguez  de  Castro,  Bibl.  Esp.  II  693).  Die  Hs.  der  Pariser  National- 
bibliothek (Esp.  212)  enthält  nach  der  katalanischen  Chirurgie  von  Thederic, 
eine  »La  cirurgia  dels  cavals*f~  betitelte  Arbeit,  dann  eine  Abhandlung  über 
Falkenierkunst  und  eine  Übersetzung  des  Abnansor.  Eine  andere  chirurgische 
Hs.,  aus  dem  15.  Jh.,  welche  den  »Llwre  de  Benvengiii  de  cirurgia,  compilat 
per  mestre  Benveiigut  Grateffe<i.  (Antonius  Benivenius  aus  Florenz?)  und  die 
y> Cirurgia  de  mestre  Bru«  d.  h.  eine  Übersetzung  der  Chirurgia  magna  oder 
der  Chirwgia  parva  Meister  Bruno's  von  Padua  enthält,  ist  von  Villanueva 
in  der  Bibliothek  des  Klosters  von  Santas  Creus  ( Viage  XX  125)  nachgewiesen 
worden. 

Medizinisches  besitzt  man  unter  anderem  weiter  in  einer  aus  dem  14.  Jh. 
stammenden  Übersetzung  des  Thesaurus  pauperum  von  Petrus  von  Spanien, 
(Papst  Johannes  XXI),  welche  in  der  Bibliothek  der  Revista  catalana  veröffent- 
licht ist;  dann  in  einem  Werk  Albert's  des  Grossen,  welches  auf  katalanisch 
»Quesits  0  perquens  sobre  coses  pertenents  a  la  conservaciö  de  la  vida  e  sanitat 
de  rhome  quant  a  la  composiciö  e  phisonomia  humana«  betitelt  und  in  Barce- 
lona 1499  gedruckt  worden  ist  (Anuariol  230);  drittens  in  einer  Abhandlung 
über  die  Pest  von  Luis  d'Alcanyis,  Regiment preservatiu  e  curatiu  de  la pesti- 
lencia,  in  Valenzia  am  Ende  des  15.  Jhs.  veröffentlicht  und  von  D.  Anastasio 
Chinchilla,  in  seinen  Anales  histöricos  de  la  mediana^  Valenzia  1846,  IV  239 
u.  ff.  wieder  abgedruckt.  Auch  ist  noch  der  Traktat  über  die  Geschwüre  von 
Gui  de  Chauliac  zu  erwähnen,  welcher  1501  von  Antoni  Amiguet  und 
Joan  Valls  ins  Katalanische  übersetzt  worden  ist  (Tor res  Amat,  Memorias, 
s.  V.  Amiguet). 

Arnau  von  Vilanova  (7  gegen  1312),  dessen  katalanische  Abstammung 
nunmehr  vollständig  sicher  gestellt  ist,  und  dessen  Name  in  der  Geschichte 
der  Medizin  zu  leben  verdient,  hat  auch  das  Recht  in  der  katalanischen  Litte- 
ratur  einen  Platz  einzunehmen,  weil  er  einige  der  Heilkunde  ferner  stehende 
Schriften  verfasst  hat;  das  sind  hauptsächlich  sein  Brief  an  den  König  Friedrich 
von  Sicilien,  den  Bruder  Jacobs  IL  von  Aragon,  welcher  in  einer  Reihe  von 
»chastoiements«  besteht,  dann  sein  in  Avignon  vor  dem  Papst  und  den  Kar- 
dinälen gehaltenes  Rahonament  ühtr  die  Träume  der  zwei  oben  genannten  Könige. 
Beide  Stücke  sind  von  D.  Marcelino  Menendez  Pelayo  in  den  Anhängen 
seines  Arnaldo  de  Vilanova.,  Madrid  1879,  veröffentlicht  und  in  seiner  Z^V/c^/'/Vi; 
de  los  heterodoxos  espanoles.,  Madrid  1880,  I  745  und  753  wieder  abgedruckt 
worden.  Arnau  war  ein  Phantast;  die  stete  Sorge  um  den  Antichrist  und  das 
Ende  der  Welt  liess  ihm  keine  Ruhe,  und  er  fühlte  sich  durch  die  Lehren 
der  Mystiker  wie  Joachim  von  Fiore  angezogen.  Ausserdem  lockten  ihn  in 
seiner  Eigenschaft  als  Arzt  die  geheimen  Wissenschaften,  und  wenn  man  auch 
zugeben  muss,  dass  man  ihm  fälschlicherweise  viele  alchemistische  Thorhcitcn 


Prosa:  Arzneikunst.    Herbarien  u.  a.  113 


in  die  Schuhe  geschoben  hat,  die  er  niemals  geschrieben ,  so  könnte  man 
doch  anderseits  nicht  behaupten,  dass  er  nicht  irgend  welchen  Anlass  zum 
Rufe  eines  Nekromantcn  gegeben  habe,  in  welchem  er  bis  heute  steht.  Wie 
sein  Zeitgenosse  Lull,  so  hatte  auch  Arn  au  de  Vilanova  von  den  Domini- 
kanern viel  zu  dulden,  welche  kurz  nach  seinem  Tode  im  Jahre  13 16  seine 
Schriften  verdammten.  Wir  sind  nicht  in  der  Lage  die  Echtheit  der  Predk- 
cions  de  mestre  Arnau  de  Vilanova  festzustellen,  welche  Kommentare  von  Mossen 
Ramon  Cervera  ^  begleiten,  die  V.  Salvd  {Caialoguc  of  spanish  and  portiiguese 
Books  No.  2238)  zitiert  und  J.  Massö  Torrents  nach  einer  Hs.  der  Privat- 
bibliothek des  Königs  von  Spanien  (1.  c.  p.  35)  beschreibt,  welche  mit  der 
von  Sa  Iva  erwähnten  identisch  sein  muss. 

Die  Kunst  der  Behandlung  des  Pferdes  ist  von  Mossen  Manuel 
Diez,  dem  Haushofmeister  Alphons  V.  von  Aragon,  behandelt  worden.  Seine 
Menescaüa  ist  sehr  häufig  abgeschrieben,  dann  schon  am  Ende  des  15.  Jhs.  ge- 
druckt und  ins  Kastilianische  übersetzt  worden  (Villanueva  Viage  IV  136, 
XVIII  184  und  XXII  218,  und  Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  esp.  p.  72  u.  334). 
Villanueva  schreibt  diesem  selben  Diez  eine  medicinische  Abhandlung  zu, 
von  welcher  er  glaubt,  dass  die  Menescalia  nur  ein  abgelöstes  Kapitel  sei ;  diese 
Abhandlung,  in  einer  Hs.  der  Bibliothek  von  Santo  Domingo  von  Barcelona, 
trägt  den  Titel :  Los  libres  de  madesimes  fetes  de  diserses  reseptes  que  c  tretes 
del  Tresor  de  heutat  (s.  Viage^  XVIII  184).  Ein  anderer  Traktat  über  die 
Behandlung  des  Pferdes  führt  sich  in  zwei  Pariser  Hss.  (Esp.  No.  215  und  297) 
ein  als  »tresladai  d'un  libre  quel  rey  don  Alfonso  de  Castella  niana  fer  en 
feyt  dells  cavals  e  de  lurs  faysons«.  Ein  Bibliophile  in  Gerona  besitzt  eine 
Abhandlung  über  Pferdezucht  von  Mossen  Bernat  de  Casses,  Bürger  von 
(ierona,  welche  für  Don  Fernando,  König  von  Aragonien  und  Kastilien  1496 
geschrieben  wurde  (R.  Beer,  Handschriftenschätze  Spaniens,  No.    165). 

31.  Die  Arbeiten  über  Heilmittellehre  und  die  Herbarien  sind  durch 
eine  Übersetzung  des  Macer  vertreten,  von  welcher  Villanueva  eine  Hs. 
in  einer  Valenzianer  Bibliothek  {Viage  IV  140)  nachgewiesen  hat.  Eine  andere 
Hs.  befindet  sich  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.  2 1  o).  Dieselbe  Bib- 
liothek besitzt  eine  Kompilation  de  re  rustica,  die  z.  T.  original,  z.  T.  aus 
alten  Schriftstellern  wie  Palladius  entnommen  ist  (Esp.  No.  291).  Es  lässt 
sich  auch  ein  »Ländliches  Haus«  von  Fr.  Miguel  Agusti,  Kaplan  vom 
Orden  des  h.  Johannes  von  Jerusalem  und  Prior  des  Tempels  zu  Perpignan,  der 
am  Ende  des  16.  Jhs.  geboren  wurde,  anführen.  Diese  zum  ersten  Mal  in  Barce- 
lona 1 6 1 7 ,  unter  dem  Titel  Llibre  dels  secrets  de  agricultara,  casa  rüstica  y 
pastoril  erschienene  Schrift  ist  ins  Kastilianische  übersetzt  und  sehr  oft  gedruckt 
worden.     Man  nennt  sie  im  Katalanischen  gewöhnlich  Agricultura  del  Prior. 

Villanueva  spricht  von  zwei  Kochbüchern  in  katalanischer  Sprache. 
{Viage  \S!  \aeT-  und  XVIII  185).  Im  zweiten,  das  er  ohne  ernsten  Grund  dem 
Manuel  Diez,  dem  Haushofmeister  Alfonsos  V.,  zuschreibt,  wird  behauptet, 
der  Autor  habe  es  nach  den  Anweisungen  eines  Koches  des  Königs  von  Eng- 
land, 1324,  geschrieben.  Dieses  Datum,  welches  für  Diez  nicht  passend  wäre, 
möchte  Villanueva  in  1424  korrigieren.  Wie  dem  auch  sein  mag,  nach  dem 
nach  einer  andern  Hs.  von  D.  Enrique  Serrano  in  der  Revista  de  Valincia, 
II  172,  herausgegebenen  Inhaltsverzeichnis,  gehört  das  Buch  in  das  14.  oder 
15.  Jh.,  und  hat  in  einigen  Punkten  Ähnlichkeiten  mit  dem  Minagier  de 
Paris  und  dem    Viandier  von  Taillevent  aufzuweisen. 


*  Von  diesem  Ramon  Cervera  oder  Servera  (■[-  1 389),  welcher  „molts  e  diverses 
libres  de  diverses  arts''  hatte,  handelt  ein  Brief  Johannes  I.,  vom  Jahre  1389  (Revista  hislörica, 
Januar  1876). 

Gröbbr,  Grundriss.     IIb.  8 


114    LlTTERATURGESCHICHTE     DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    KaT.    LiTT. 


32.  Die  ritterlichen  Wissenschaften  und  Künste,  welche  so  lang 
am  aragoneser  Hofe  in  Ehre  standen,  mussten,  wie  auch  in  Kastilien,  von 
französischen  Mustern  ausgehen.  Von  den  Meistern  jenseits  der  Pyrenäen  ward 
Honor6  Bon  et  bevorzugt.  Die  katalanische  Übersetzung  des  Arbrc  des 
batailles  befindet  sich  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  in  einer  vom  Jahre 
1429  datierten  Hs.  (Esp.  No.  103)  und  Villanueva  giebt  eine  längere  Be- 
schreibung einer  andern  Hs.  der  Barfüsser  von  Barcelona,  welche  ungefähr 
aus  derselben  Zeit  stammen  muss  ( Viage  XVIII  2  34). 

Über  die  Turnierkunst  besitzt  man  eine  kleine  von  Messen  Pons  de 
Menaguerra,  auf  Bitten  der  y>covallers  de  l'esinmeni  miliiar«  von  Valenzia 
redigierte  Schrift,  welche  in  dieser  Stadt,  1532  unter  dem  Titel  La  Cavaller 
erschien. 

Interessante  Fehdebriefe  von  D.  Pedro  Maza  de  Lizana  und  Juan 
Francisco  Proxita,  welche  ein  Urteil  über  die  ritterlichen  Sitten  in  Valenzia 
am  Ende  des  15.  Jhs.  gestatten,  sind  in  der  Revista  de  Valencia  Bd.  II 
p.  I  u.  ff.  herausgegeben.  Andere  Fehdebriefe  derselben  Zeit  finden  sich  in 
der  Coleccion  de  doc.  inid.  del  archivo  de  Aragon  VII  57. 

33.  Geschichte.  —  Wir  haben  zunächst  verschiedene  Übersetzungen 
von  Schriftstellern  aus  dem  Altertum  und  dem  Mittelalter  zu  besprechen. 

Livius.  —  Durch  die  Vermittlung  der  französischen  Übersetzung  von 
Pierre  Bersuire  wurde  Livius  im  Mittelalter  auf  der  pyrenäischen  Halbinsel 
bekannt.  Der  Kanzler  von  Kastilien  und  berühmte  Chronist  Pedro  Lopez 
de  Ayala  hat  ihn  ins  Kastilianische  übersetzt  (Antonio-Bayer,  Bibl.  hisp. 
veUis,  W  194)  und  ein  katalanischer  Anonymus  vom  Ende  des  14.  Jhs.  oder 
aus  dem  folgenden  Jh.  hat  ihn  seinerseits  in  seine  Sprache  übertragen.  Diese 
katalanische  Übersetzung  von  Bersuire  ist  im  British  Museum  in  der  Hs.  Harley 
4893  von  P.  Meyer  aufgefunden  worden.  Er  hat  auf  sie  aufmerksam  gemacht, 
und  sie  im  Auszug  veröffentlicht,  und  zwar  so,  dass  der  katalanische  Text  der 
Widmung  des  Werkes  an  König  Johann  I.  von  Frankreich  dem  französischen 
Texte  gegenüber  gedruckt  wurde  (Archives  des  missions,  2*"  serie,  t.  III  278 
u.  327). 

Valerius  Maximus.  —  Der  Verfasser  der  Memorabilien  fand  einen 
Übersetzer  in  dem  Dominikaner  Antoni  Canals,  welcher  Professor  der  Theo- 
logie in  Valenzia  von  1390 — 1398  war  und  1419  starb.  In  seiner  Widmung 
an  Jacme  von  Aragon,  Kardinal  von  St.  Sabina  und  Bischof  von  Valenzia  (von 
1369  — 1396),  spricht  Canals  von  katalanischen  Übersetzungen  die  der  seinigen 
vorangegangen  waren:  -»Ferque  jo,  a  viananicnt  de  Vostra  Senyoria^  el  tret 
de  lati  en  nostra  vulgada  lengua  materna  valmciana  axi  breu  com  he  poscut, 
jassessia  que  altres  l'agen  tret  en  lengun  catalana«  (Pariser  Nat.  Bibl.  Ms. 
Esp.  No.  10).  Diese  früheren  Übersetzungen  sind  nicht  bekannt.  Das  Stadt- 
archiv Barcelonas  besitzt  zwei  Exemplare  des  Werkes  von  Canals,  von  denen 
das  eine  ein  Widmungsschreiben  des  Kardinals  von  Aragon  an  die  Räte  Barce- 
lona's  (aus  Valenzia,  vom  i.  Sept.  1395  datiert)  und  eine  Antwort  derselben 
enthält  {Revista  de  archivos,  bibliotecas  y  museos,  IV  370).  Die  anderen  Hss. 
sind  die  des  Markgrafen  von  Dos  Aguas,  die  Fuster  zitiert  [Bibl.  valenciana 
I  19),  die  der  Madrider  Nationalbibliothek,  die  der  Pariser  Nationalbibliothek 
(Esp.  No.  10)  und  zwei  im  Escorial  (Ebert,  Jahrbuch  V^  56);  die  meisten 
enthalten  auch  die  Briefe  des  Kardinals  und  der  Räte  von  Barcelona.  Auf 
diese  valenzianer  Übersetzung  des  Valerius  Maximus  hielt  man  in  Spanien 
so  viel,  dass  der  König  Johann  I.  von  Kastilien  sie  Canals  selbst  in  die 
kastilianische  Sprache  übertragen  Hess ;  diese  neue  Übersetzung  wurde  sehr 
ofl  abgeschrieben  (Antonio-Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus,  II  178,  189  und  237; 
Revista  de  archivos  und  Jahrbuch,  1.  c). 


Prosa:   Ritterliche  Kunst.    Geschichte.  115 


Justin  US.  —  Über  die  Übersetzung  dieses  Schriftstellers  ins  Katalanische 
haben  wir  keine  andere  Nachricht  als  diejenige,  welche  uns  folgende  Angabe 
im  ßücherinventar  Martins  I.  (No.  251)  liefert:  y>Jicstino  en  roman(,  scrit 
en  paper.  Comenfa:  qtie  en  lo  comensavient  del  mon,  et  faneix:  e  retorna  Spanya 
en  forma  de  provincia«. 

Q.  Curtius.  —  Am  Ende  des  15.  Jhs.  übersetzt,  nicht  aus  dem  Latei- 
nischen, sondern  nach  der  italienischen  Übersetzung  des  Pietro  Candido, 
durch  Luis  de  Fenollet,  welcher,  um  seine  Übersetzung  zu  vervollständigen, 
ihr  ein  Stück  aus  Plutarch  vorangehen  Hess  »fins  en  aqiiella  pari  on  lo  Quinio 
Cnrcio  Ruffi  comen(a<(.  (Gallardo,  Ensayo,  No.  2172,  und  P.  Salvä,  Catä- 
logo  No.   3441). 

Joseph  US.  —  Der  lateinische  Text  der  Jüdischen  Altertümer  wurde  ins 
Katalanische  durch  Fr.  Pere  Lopis,  Professor  der  Theologie,  übersetzt  unter 
Beistand  des  Nandreu  Mir,  Notars  von  Barcelona,  und  Joan  (^acoma,  Buchhänd- 
lers in  derselben  Stadt,  und  in  Barcelona,  im  Jahre  148 1  gedruckt  (Villa- 
nueva,  Viage  XVIII  275;  Torres  Amat,  Memorias,  p.  684;  Mendez- 
Hidalgo,   Tipogr.  esp.  p.  49). 

Vincenz  von  Beauvais.  —  Das  Speatlum  historiale  (s.  II  i,  249) 
wurde  im  14.  Jh.  durch  den  Dominikaner  Jacme  Domenech,  unter  dem 
Titel  Resutnen  historiale  frei  übersetzt.  Die  Dominikaner  Valenzias  besassen 
eine  Hs.  dieser  Übersetzung,  welche  die  zwei  ersten  Bücher  enthielt;  sie 
reichte  bis  zur  Geburt  Christi  (Villanueva,  Viage ^  IV  141).  Das  dritte 
Buch,  welches  die  Erzählung  bis  zum  Jahre  626  fortfuhrt,  ist  von  Villanueva 
in  einer  Hs.  der  Barfüsser  Barcelona's  nachgewiesen  worden  {Viage  XVIII 
223).  Eine  Abschrift  vom  Jahre  1742  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp. 
Nö.   186)  enthält  nur  das  zweite  Buch. 

Guido  delle  Colonne.  Seine  trojanische  Chronik  wurde  1367 
durch  JacmeConesa,  Protonotar  des  Königs  Peters  IV.  von  Aragon  (Antonio- 
Bayer,  II  369,  und  Amador  de  Los  Rios,  Hist.  crit.  de  la  lit.  esp.  IV  349) 
ins  Katalanische  übersetzt.  Amador  hat  die  ersten  Sätze  dieser  Übersetzung 
nach  einer  Hs.  der  Bibliothek  von  Osuna  abgedruckt  (cf.  J.  M.  Roca- 
mova,  Catdlogo  abreviado  de  los  manuscritos  de  la  bibl.  del  duque  de  Osuna 
No.  90).  Andere  Hss.  sind  von  Rubiö  y  Lluch,  El  Renacimiento  p.  23  an- 
gefiihrt.  1 

Rodrigo  Eximcniz  oder  Rodrigo  von  Toledo  (II  i,  317).  — 
Eine  katalanische  Übersetzung  der  Historia  gothica  wird  einem  Pere  Ribera 
de  Perpeja  zugeschrieben.  Das  Explicit  dieser  Übersetzung,  wie  es  von 
N.  Antonio  wiedergegeben  wird  (nach  einer  ihm  mitgeteilten  Notiz  von  Juan 
Francisco  Andrea  Ustarroz,  dem  Historiographen  Aragons)  und  aus 
welchem  hervorgehen  würde,  dass  sie  1266  verfasst  wurde,  enthält  verschiedene 
Irrtümer,  die  sie  verdächtig  erscheinen  lassen  (Antonio- Bayer,  II   58). 

Alfons  X.,  der  Gelehrte,  —  Die  Bibliothek  des  gelehrten  Juristen 
Antonio  Agustin  enthielt  eine  katalanische  Hs.,  welche  betitelt  war  -»Libre 
historial  compilat  de  diversos  autors  per  lo  rey  D.  Alfonso,  dit  lo  Sabi,  dels 
actes  e  fets  en  Espanya  desde  Noe,  fins  a  son  temps«,  d.  h.  ganz  oder  z.  T. 
eine  Übersetzung    der    Crönica  general  de   Espana  (Torres   Amat  Memorias 

P-   703)- 

Martin  von  Troppau.  —  Eine  Übersetzung  der  Chronik  des  Bruders 
Martin  von  Polen  (s.  II  2,  305),  befindet  sich  im  Escorial  (Ebert,  Jahr- 
buch IV  57). 

'  Das  Liire  de  les  Ystories  Troyanes  historiat,  welches  der  König  Johann  I.  am  4.  Mai 
1389  von  einem  seiner  Unterthanen  für  die  Königin  Violante  verlangt,  ist  wahrscheinlich 
die  Ühersetzung  des  Conesa  (Revista  historica  von  Barcelona.    Januar   1876). 


I  1 6    LlTTERATURGESCHICHTE    DRR    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    KaT.    LiTT. 


Leonardo  Bruni  von  Arezzo.  —  y>Fi  de  la primera guerra punica,  aca- 
bada  de  traduir  en  vulgär  catald  .  .  .  a  XV  de  jimy  de  l'any  MCCCC  setania 
dos«  ist  das  explicit  einer  Hs.  der  ßarfiisser,  welche  von  Villanueva  be- 
schrieben ist  (Viage  XVIII  239).  Der  Verfasser  der  Übersetzung  nennt  sich 
Francesch  Alegre  und  sein  Werk  ist  gewidmet  -»al  magnifich  c avaler  e  maior 
germa  Massen  Anthoni  de  Vilatorta«. 

Unter  dem  Titel  -»La  istoria  de  Jacob  Xalahin,  fill  del  altnorat  senyor 
de  la  Turquia,  ort  se  conte  quines  aventiires  si  vengueren  en  la  sua  7>ida,  ne  con 
ne  en  quäl  manera  find  sos  dies  per  mans  de  Bcsseyt  Bey  son  frare  bastart, 
qul  axi  mateix  aucis  son  pare«  befindet  sich  in  einer  kürzlich  von  der  Pariser 
Nationalbibliothek  (Esp.  No.  475)  erworbenen  Hs.  ein  Bericht  der  Geschichte 
Jacoubs,  des  Sohnes  Amurath^s  I.  und  Bruders  Bajazet's  L,  welcher  gegen 
1389  ermordet  wurde.  Dieser  Text,  dessen  Ursprung  wir  nicht  kennen,  wird 
eine  Übersetzung  sein. 

34.  Allgemeine  Oeschichte  Spaniens  und  besonders  des  Hauses 
Aragon.  —  Die  Geschichtsschreibung  in  der  Vulgärsprache  ist  eine  der  am 
wenigsten  bekannten  Teile  der  katalanischen  Litteratur,  und  es  existiert  keine 
wissenschaftliche  Arbeit  über  die  alten  Annalisten  der  verschiedenen  Provinzen 
der  Krone  Aragons.  Man  tappt  hier  völlig  im  Dunkeln  und  niuss  sich  damit 
begnügen,  die  Manuskripte  und  Druckschriften  anzuführen,  welche  Universal- 
chroniken, Chroniken  Spaniens  und  fortlaufende  Geschichten  der  Grafen  von 
Barcelona  und  König  von  Aragon  enthalten. 

Der  Flos  mundi  ist  eine  am  Anfang  des  15.  Jhs.  zusammengestellte  welt- 
geschichtliche Kompilation.  Die  einzige  bekannte  Hs.  dieses  Textes,  welche 
sich  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  befindet  (Esp.  No.  11),  ist  unvollständig; 
die  Erzählung  schliesst  mit  dem  Ende  des   13.  Jh. 

Eine  andere  sehr  kurze  Universalchronik,  von  ungenanntem  Verfasser, 
wie  der  Flos^  befindet  sich  ebenfalls  in  den  Fonds  esp.  der  Pariser  National- 
bibliothek, unter  No.  13.  Hier  erstreckt  sich  die  Erzählung  bis  auf  Alfons  V. 
von  Aragon. 

Das  Sumari  tP Espanya,  ordenat  per  En  Berengucr  de  Puigpardines,  ist 
eine  mittelmässige  Kompilation  über  allgemeine  spanische  und  aragonesische 
Geschichte  bis  auf  Alfons  V.  von  Aragon,  deren  Redaktion  bis  zum  Ende 
des  15.  oder  Anfang  des  16.  Jhs.  zu  reichen  scheint.  Ein  Inlialtsverzeichnis 
und  Auszüge  aus  dieser  Chronik  nach  zwei  Hss.  des  Escorials  sind  in  einer 
sehr  verworrenen,  in  der  Rcvista  de  cüncias  histdricas  von  Barcelona  II,  336 
u.  ff.  veröffentlichten  Arbeit  abgedruckt.  Andere  Auszüge  sind  in  den  Memo- 
rias  de  la  R.  Academia  de  la  Historia  III   543   und   556  ff.   zu   finden. 

Verschiedene  allgemeine  Chroniken  der  Könige  von  Aragon,  Grafen  von 
Barcelona,  sind  von  Torres  Amat,  Memorias  s.  v.  Crönica  (es  ist  zu  be- 
merken, dass  die  erste,  welche  er  unter  dieser  Rubrik  citiert,  ein  Desclot  ist) 
und  von  J.  Mas  so  Torrens  /.  c,  p.   14  u.  ff.  angeführt  worden. 

Von  dem  Chronicon  pinnatense  oder  Cronlca  de  San  Juan  de  la  Pena 
(ein  Kloster  Aragons)  existiert  eine  katalanische  Hs.,  welche  einige  Autoren 
für  das  Original  des  lateinischen  Textes  und  der  aragonesischen  Version  halten, 
welche  in  Saragossa  1876  im  ersten  Bande  der  Biblioteca  de  escritores  ara- 
goneses  sehr  schlecht  herausgegeben  worden  sind.  Um  die  Streitfrage  zu 
erledigen,  müsste  man  diesen  katalanischen  Text  untersuchen,  von  welchem  es 
ein  Exemplar  in  der  Madrider  Nationalbibliothek,  ein  anderes  in  Valenzia 
(A.  Pages  Romania^  XVIII  247)  gibt,  und  von  welchem  A.  de  Bofarull  den 
Anfang  des  ersten  Kapitels  nach  einer  dritten  Hs.  von  Barcelona  {Estudios, 
sistema  gramatkal  etc.  Barcelona   1864  p.   161)  mitgeteilt  hat. 


Prosa:   Geschichte.    Übersetzungswerke.    Span.  Geschichte.        117 


Der  Libre  dels  feyts  Darmes  de  Cathalunya  von  Messen  Bernat  Boades, 
welcher  1420  redigiert  worden  ist,  führt  die  Erzählung  bis  zur  Thronbesteigung 
Alphons  V.  Der  Verfasser  starb  den  9.  März  1444  (Torres  Amat,  Me- 
tnorias  s.  v.  Boades)  und  sein  Werk,  welches  ein  wirkliches  litterarisches  Ver- 
dienst hat,  ist  von  Agni  16  in  seiner  Bibäoteca  catalana  veröffentlicht  worden. 
Ein  Gelehrter  vom  Ende  des  17.  Jhs.,  Gaspar  Roigyjalpi,  hatte  eine 
Abschrift  davon  mit  Anmerkungen  versehen,  welche  dann  in  die  Bibliothek 
Campomanes  überging  (Gallardo,    Ensayo   de  una   bibl.   csp.  II,    col.  96). 

Die  volkstümlichste  und  auch  sagenhafteste  allgemeine  Geschichte  des 
Hauses  Aragon  ist  diejenige  von  Messen  Pere  Tomich.  Die  erste  Redaktion 
dieser  Chronik,  welche  der  Autor  betitelte  »peiit  memorial  de  algunes  histories 
c  fets  antichs€  wurde  in  der  Stadt  Baga,  am  10.  Nov.  1448  vollendet  und 
dem  Dalman  de  Mur,  Erzbischof  von  Saragossa  (1431  — 1456)  gewidmet; 
sie  enthält  in  47  Kapiteln  die  Geschichte  der  Könige  von  Aragon  bis  auf 
Alphons  V.  Diese  erste  Redaktion  ist  uns  in  verschiedenen  Hss.  erhalten, 
welche  Torres  Amat  zitiert  [Memorias  s.  v.  Tomich),  in  einer  des  Escorials, 
welche  1493  abgeschrieben  wurde  (Jahrbuch  IV  55)  und  in  zwei  Hss.  der 
Bibliothek  Maria's  von  Aragon  (No.  18  und  19).  Später  wurde  die  Chronik 
von  Tom  ich  verschiedentlich  umgearbeitet.  Diese  Umarbeitungen  findet  man 
in  den  drei  Ausgaben  von  1495,  1519  und  1533,  und  man  fügte  ihr  ver- 
schiedene Kapitel  hinzu,  um  die  Erzählung  bis  zum  Ende  der  Regierung 
Ferdinands  II.  zu  führen  (Mendez-Hidalgo,  Tipogr.  csp.  p.  330)^  Sie 
ist  jetzt  unter  dem  Titel  der  Historias  e  conqucstas  dels  comtes  de.  Barcelona 
V  reis  d'Aragö  bekannt  und  in  Barcelona   t886  wieder  abgedruckt  worden. 

Eine  sehr  kurze,  1476  redigierte  Übersicht  der  aragonesisch-katalanischen 
Geschichte,  verdankt  man  dem  Gabriel  Turell.  Torres  Amat  hat 
Auszüge  daraus  geliefert  {Memorias  s.  v.  Turell).  Eine  Hs.  dieser  Über- 
sicht, aus  dem  Jahre  15 18,  befindet  sich  in  der  Pariser  Nationalbibliothek 
(Esp.  No.  123;  cf  auch  den  Catälogo  von  Jose  Salat,  p.  13).  Die  Ver- 
c)ffentlichung  der  Chronik  oder  Recort  dos  Gabriel  Turell  ist  eben  von  der 
Revue  L" Avenf  begonnen  worden  (cf  die  Nummer  vom  15.  Febr.  1893).  Nach 
einer  Hs.  des  Markgrafen  von  Mondejar  zitiert  N.  Antonio  ein  Libre  de  les 
nobleses  dels  reys,  so  es  dels  nobles  fets  e  valentics  e  cavalleries  que  feren  en  fets 
ifarmes  von  einem  Jo.  Franccsch  aus  Barcelona  (Antonio  -  Bayer  II  242). 
Dieses  Buch  reicht  bis  zur  Thronbesteigung  Alfons  IV.  von  Aragon.  Es  ist 
zweifelhaft  ob  es  von  demselben  Autor  ist  wie  die  Barceloner  Annalen  vom 
Jahre  xi86  bis  1480,  welche,  wie  sie  selbst  angeben,  von  dem  Sohne  eines 
En  Joan  Francesch  Boscä  kompiliert  sein  sollen,  und  welche  Bayer  in 
einer  Hs.  der  Madrider  Nationalbibliothek  eingesehen  hat  (Antonio-Bayer, 
II,   242). 

Die  vom  königlichen  Archivar  Miquel  Carbonell  (f  1517)  ver- 
fassten  und  1547  gedruckten  Chroniques  de  Espanya  übertreffen,  was  den 
kritischen  Wert  betrifft,  kaum  die  vorhergehenden  Werke.  Das  grosse  Ver- 
dienst, welches  sie  haben,  ist,  dass  Carbonell  darin  vollständig  die  königl. 
Chronik  Peters  IV.  eingefügt  hat,  welche  man  bisher  nur  dank  dieser  Trans- 
cription des  treuen  Archivars  kennt.  Carbonell  hat  nicht  bloss  dieses  Buch 
geschrieben ;  er  hat  sich  in  mehreren  Gattungen  versucht,  selbst  in  der  Poesie. 
Seine  op er a  minor a  sind  von  D.  Manuel  de  Bofarull  in  den  Bänden  XXVII 
und  XXVIII  der  Coleccion  de  doc.  inid.  del  archk>o  de  Aragon  gesammelt  worden. 


'  Antonio  A  g  u  s  t  i  11  hesass  eine  Epitome  de  la  cronica  von  T  o  m  i  c  h  mit  einer 
Fortsetzung  von  Martin  de  Il)arra.  1534  (Latassa,  Bibl.  de  escrit.  aragoneses  Saragossa. 
1885  I,  330). 


Il8     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    RONf ANISCHEN  VÖLKER.   —  3.    KaT.    LiTT. 

Nur  pro  memoria  ist  das  Vorhandensein  zweier  Werke  von  sehr  geringer 
Wichtigkeit  zu  erwähnen.  Das  eine  ist  eine  Kompilation ,  welche  heimlich 
im  Jahre  1583,  nach  den  Protokollbüchern  des  Stadtrates  von  Barcelona  durch 
einen  Notariatsgchülfen  Namens  Perejoan  Com  es  angefertigt  wurde :  der  Libre 
de  algtmes  cos  es  asanyaladcs  succehides  en  Barcelona  y  altres  parts  (1410 — 1582), 
von  D.  Josd  Puiggari  (Barcelona  1878)  herausgegeben.  Das  andere  ist  die 
Cronica  de  cavallers  catalans  von  Francesch  Tarafa,  Kanonikus  und  Archivar 
der  Kathedrale  von  Barcelona  im  16.  Jh.;  es  ist  eine  kurze  Übersicht  der 
Geschichte  der  Grafen  von  Barcelona  und  der  Herren  der  spanischen  Mark 
und  gleichzeitig  eine  Abhandlung  über  Genealogie  und  Heraldik.  Alle  Hss. 
die  man  von  diesem  Werke  besitzt,  rühren  von  einer  Abschrift  her,  welche 
Jaume  Ramon  Vila  am  Anfange  des  17.  Jh.  nach  dem  Originalkoncept  her- 
stellte (Torres  Amat,  Memorias,  s.  v.  Tarafa;  P.  Serra  y  Postius,  Pro- 
digios  y  finezas  de  los  santos  angelcs,  Barcelona  1726,  f.  431,  und  Catalogue 
des  mss.  de  la  bibl.  Nationale  de  Paris  p.    148). 

Die  Zeit,  in  welcher  die  katalanischen  Historiker  es  nicht  mehr  wagen 
konnten,  ihre  eigene  Sprache  zu  gebrauchen,  sollte  herankommen.  Der  Valen- 
ziancr  Anton  Beuter  schreibt  noch,  1538,  eine  Primera  pari  de  la  historia  de 
Valencia  que  tracta  de  les  antiquitats  de  Spanya\  aber  einige  Jahre  später 
übersetzt  er  seni  Buch  ins  Kastilianische  und  setzt  es  in  derselben  Sprache 
fort.  Der  Katalane  Jeronim  Pujades  thut  desgleichen.  Seine  Cronica  uni- 
versal del  principat  de  Catalunya,  von  welcher  der  erste  Teil  in  katalanischer 
Sprache  in  Barcelona,  1609,  erschien,  blieb  unvollendet;  dann  schreibt  sie 
der  Verfasser  in  kastilianische  Sprache  um  und  setzt  sie  in  dieser  Sprache 
fort.  Die  Originalhs.  dieser  kastilianischcn  Redaktion,  welche  erst  am  Beginn 
dieses  Jahrhunderts  veröffentlicht  worden  ist  (Torres  Amat  s.  v.  Pujades), 
ist  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  (Esp.  No.  14  —  29  und  1 17  —  i  20)  nebst 
einer  Sammlung  von  historischen  Dokumenten,  die  Pujades  gesammelt  hat, 
welche  aber  für  uns  mehr  wert  sind  als  das  Werk  selbst.  Diese  FloscuH  ge- 
nannte Sammlung   befindet  sich  in  der  Collection  Baluze. 

35.  Chroniken  einer  oder  mehrerer  Regierungen,  Berichte  über  be- 
sondere Ereignisse.  —  Auf  diesem  Gebiete  werden  wir  die  vier  Perlen 
der  katalanischen  Litteratur  des  Mittelalters  antreffen.  Vor  allem  die  Chronik 
der  Regierung  Jacobs  I.  von  Aragon,  welche  in  der  ältesten  Hs.  Libre  dels 
feyts  esdevenguts  en  la  vida  del  molt  alt  senyor  rey  En  Jacnic  lo  Conqueridor 
betitelt  ist.  Die  Echtheit  dieser  Chronik  ist  zu  verschiedenen  Malen  erörtert 
und  die  Frage  ist  nicht  endgültig  entschieden  worden.  Was  man  gegenwärtig 
sagen  kann,  läuft  auf  folgendes  hinaus.  Vor  dem  Jahre  13 14  existierte  im 
Archiv  des  Hauses  Aragon  die  in  der  Vulgärsprache  abgefasste  Erzählung 
der  Thaten  des  Königs  Jacob  I.,  in  welcher  der  König  in  erster  Person 
sprechend  eingeführt  wurde.  Diese  zwei  Punkte  sind  sicher  gestellt.  Der 
erste  stützt  sich  auf  das  Vorwort  einer  lat.  Chronik  Jacobs  I.,  die  vom  Domini- 
kaner Pedro  Marsilio  verfasst  ist,  und  von  welcher  ein  Exemplar  auf  Per- 
gament dem  König  Jacob  am  Dreieinigkeitstage  1314  dargebracht  wurde.' 
Die  Stelle  lautet,  wie  folgt:  »  Tandem  7)alde  rationi  consonuvi  in  octilis  illustrissimi 
domini  Jacobi,  regis  Aragonum,  Valentie,  Sardinie  .  .  .  appariiit,  ut  victorio- 
sissimi  avi  sui  gesta  pristinis  teniporibus  veraci  stilo  sed  vulgari  colkcta  ac  in 
archivis  domus  regle  ad  perpetuam  sue  felicitatis  memoriam  rcposita  reducerentur 
in  medium  atque  latino  sermone  diserta  .  .  .  nmcni  ystorialem  et  cronicum  red- 
derent  codicem,  in  quo  dicti  regis  avi  sui  tnagnorum  factorum  texeretur  series« 

'  Die  Übersetzung  des  Marsilio  sellist  gellt  dieseui  Datum,  vielleiclit  um  mcliiere 
Jahre,  voran.  Die  Bibliothek  Martins  1.  enthielt  zwei  Excnipi.ire  einer  Vida  del  saiil  rey 
Jacme  en  lali,  die    nur  das  Werk  Maisilio'.s  sein  kann. 


Prosa  :  Chroniken.    Geschichtl.  Berichte.  119 

(Villanueva,  Viage  XVIII  314).  Der  zweite  Punkt  erhellt  aus  gewissen 
Korrekturen  der  Originalhs.^  Marsilio's,  welche  noch  heutzutage  in  der 
Barceloncr  Universitätsbibliothek  sich  befindet.  Marsilio,  der  sich  ent- 
schlosssn  hatte ,  den  König  in  der  dritten  Person  sprechen  zu  lassen  ,  hat 
aus  Unachtsamkeit  manchmal  die  erste  statt  der  dritten  Person  gesetzt,  dann 
seinen  Irrtum  korrigiert,  ein  Beweis,  dass  er  wohl  unter  den  Augen  einen 
Text  in  der  Volkssprache  hatte,  in  dem  die  direkte  Rede  fortwährend  an- 
gewandt war.-  Eine  andere  Frage  ist  nun  folgende:  Ist  der  Vulgärtext 
der  Chronik,  welche  gegen  13 14  im  königlichen  Archiv  existierte,  derselbe, 
den  wir  unter  dem  Titel  des  Libre  dels  feyts  besitzen  und  dessen  älteste 
heutzutage  bekannte  Hs.  diejenige  ist,  welche  1343  der  Abt  von  Pöblet, 
En  Pons  de  Copons  herstellen  Hess?  Um  diese  Frage  zu  lösen,  müsste 
man  den  Libre  ^  welcher  in  der  Barceloner  Universitätsbibliothek  sich  be- 
findet und  von  welchem  Aguilö  eine  treue  Wiedergabe  in  seiner  Biblioteca 
catalana  bietet,  mit  der  vollständigen  lateinischen  Chronik  vergleichen,  von 
welcher  nur  das  Inhaltsverzeichnis  herausgegeben  ist  (Villanueva,  ViageY^Wl 
313  u.fT.)  Welches  übrigens  auch  das  Resultat  dieser  Gegenüberstellung  sein  mag, 
man  muss  jedenfalls  auf  die  Hoffnung  verzichten,  einen  Vulgärtext  aufzufinden, 
welcher  der  Abschrift  des  Pöblet  zeitlich  voranginge.  Man  hat  wohl  von 
einem  Originaltext  dieser  Abschrift  gesprochen :  früher  beschuldigten  die  Kata- 
lanen den  Erzbischof  Mar ca  dieselbe  nach  Frankreich  mitgenommen  zu  haben; 
jetzt  erkennen  sie,  dass  er  nicht  auf  diese  Weise  hat  auswandern  können 
(A.  Balaguer,  Un  document  midit  relatif  ä  la  chronique  catalane  du  rot 
Jacme  I.  ;  Montpellier  1877,  p.  5).  Aber  man  weiss  nichts  bestimmtes  über 
diesen  Originaltext,  und  alle  Anspielungen  auf  irgend  einen  Text  der  Chronik 
Jacobs  I.,  die  man  in  der  alten  katalanischen  Litteratur  seit  Muntaner  hat 
auffinden  können  stammen  aus  späterer  Zeit  als  13 14  und  können  sich  be- 
ziehen, sei  es  auf  den  lateinischen  Text  Marsilio's,  sei  es  auf  den  vulgären 
dem  Libre  dels  feyts  entsprechenden  Text.  Noch  eine  andere  Frage  ist  es,  ob 
der  König  Jacob  selbst  seine  Kommentare  in  der  Form  geschrieben  oder  diktiert 
hat,  welche  uns  die  Hs.  von  Pöblet  darbietet.  Abgesehen  davon,  dass  die 
Tradition,  welche  den  Libre  zu  einer  Autobiographie  macht,  nicht  sehr  alt 
ist,  scheint  es  unwahrscheinlich,  dass  ein  Herrscher  wie  Jacme  sich  die  Auf- 
gabe auferlegt  hätte,  sein  Leben  zu  schreiben,  und  selbst  wenn  diese  Chronik 
weniger  Irrtümer  enthielte  als  sie  in  der  That  enthält,  so  würde  daraus  doch 
nicht  folgen,  dass  sie  eher  das  Werk  eines  Königs  als  einer  Person  aus  seiner 
Umgebung  sei.  Übrigens  ist  der  Libre^  aus  welcher  Feder  er  auch  stamme, 
eines  der  kostbarsten  historischen  und  litterarischen  Denkmäler  ;  es  wäre  an 
der  Zeit  eine  definitive  und  in  gebührender  Weise  vermittels  der  diplomatischen 
Dokumente  der  Archive  Aragons  kontrolierte  Ausgabe  desselben  herzustellen. 
Ausser  der  Hs.  von  Pöblet  gibt  es  noch  verschiedene  andere,  welche,  sei 
es  in  der  Rivista  de  filologia  romanza  (1.  c),  sei  es  in  dem  Werkchen  Bala- 
guer's  aufgezählt  worden  sind.  Die  Ausgabe  Aguilö' s  gibt  genau  die  Hs. 
von  1343  wieder,  welche  man  mit  derjenigen  vergleichen  kann,  die  im  16.  Jh., 
z.  T.  im  Jahre  151 5  und  vollständig  im  Jahre  1557,  nach  einer  anderen  im 
Archive  Valenzia's  aufbewahrten  Hs.  und  in  einer  etwas  verjüngten  Sprache 
herausgegeben  wurde  (P.  Salvä,   Catälogo  No.   2984). 

Chronik  von  Bernat  Desclot.  —  Alles,  was  man  von  Desclot 
weiss,  und  man  weiss  es  nur  durch  Vermittelung  seiner  Chronik,  ist,  dass  er 
Peter  III.  von  Aragon  auf  dem  Feldzuge    begleitete ,    auf  dem    dieser  König 

'   Originalhs.,  was  auch  Villanueva  sagen  uiag  (Viage  XVIII  248). 
^  Einige  dieser  Korrekturen  der  Hs.  Marsilios  sind  nachgewiesen  worden  in  der 
Rivista  di  filologia  romanza.  I    125;   cf.   Zs.  f.  roin.  Philologie  III,   31. 


I20    LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.   KaT.    LiTT. 

an  der  Nordgrenze  Kataloniens  sich  dem  Einfalle  Philipps  des  Kühnen  wider- 
setzte; er  bekleidete  vielleicht  irgend  ein  Amt  in  dem  königlichen  Hause. 
Seine  Chronik  bezieht  sich  auf  die  Regierungen  Jacobs  I.  und  Petc^rs  III., 
aber  Nachrichten  aus  erster  Hand  hat  er  nur  über  diesen  letzteren.  Der 
Text  Desclot's  ist  zunächst  nur  durch  die  kastilianische  Übersetzung  bekannt 
geworden,  welche  in  Barcelona  1616  erschien  und  durch  den  Historiker 
Rafael  Cervcra  hergestellt  worden  ist.  Buchon  hat  zuerst  den  katalanischen 
Text  nach  der  Hs.  der  Pariser  Nationialbibliothek  (Esp.  No.  328),  in  seinen 
Chroniques  itrangeres  relatives  aux  expiditions  franfaises  pendant  le  XIII''  siccle, 
Paris  1840,  p.  565  u.  ff.  herausgegeben.  Es  erübrigt  noch,  mit  Hülfe  der  in 
Spanien  in  den  bischöfllichen  und  Universitätsbibliotheken  Barcelona's  in  der 
Madrider  Nationalbibliothek  und  im  Escorial  aufbewahrten  Hss.  eine  kritische 
Ausgabe  herzustellen. 

Chronik  von  Ramon  Muntaner.  -  Durch  ihren  Verfasser  im  Jahre 
1325  oder  1335  begonnen,  erzählt  sie  die  Thaten  Peters  III.,  Alfonso's  II. 
und  Jacobs  IL,  und  hört  mit  der  Krönung  Alfonso's  III.  im  Jahre  1327  auf. 
Der  interessanteste  Teil  bezieht  sich  auf  den  katalanischen  Zug  auf  Morea 
unter  der  Leitung  Roger 's  von  Flor  und  auf  die  Errichtung  der  grossen  kata- 
lanischen Gesellschaft  in  Griechenland:  hier  erzählt  Muntaner,  was  er  ge- 
sehen, und  die  Ereignisse,  an  denen  er  Teil  genommen  hat.  Von  allen  kata- 
lanischen Chroniken  ist  diejenige  Muntaner's  die  persönlichste,  diejenige, 
welche  am  deutlichsten  das  Gepräge  des  Geistes  des  Schriftstellers  trägt.  Diese 
bewunderungswürdige  Erzählung,  welche  man  zu  gleicher  Zeit  als  Kunstwerk 
wie  als  historische  (Quelle  vom  grössten  Werte  für  die  aragoncsische  Ge- 
schichte des  ersten  Viertels  des  14.  Jhs.  bezeichnen  kann,  würde  es  verdienen 
in  anderen  Ausgaben  zugänglich  gemacht  zu  sein,  als  in  den  elenden  Drucken, 
welche  davon  im  Jahre  1558  und  1562  erschienen  sind  (wieder  abgedruckt 
in  unserer  Zeit  durch  Lanz,   1844,  und  A.  de  Bofarull   1860). 

Chronik  Peters  IV.  von  Aragon.  —  Bis  in  die  letzten  Jahre  hinein, 
nahm  man  an,  dass  der  König  Peter  IV.,  welcher  von  1335  — 1387  regierte, 
s(;lbst  unter  der  Form  einer  Chronik  die  bedeutendsten  Ereignisse  seiner  Regie- 
rung erzählt  hätte,  aber  verschiedene,  im  Archiv  von  Aragon  aufgefundene  Doku- 
mente haben  die  Zweifel,  die  schon  Zurita  ausgesprochen  hatte,  bestätigt, 
und  dem  Bernat  Descoll,  dem  Ratgeber  und  Rentmeister  Johannes  L,  das 
Verdienst  wiedergegeben,  diese  Chronik  bis  zum  Jahre  1380  auf  Befehl  und 
unter  der  Leitung  Peters  IV.  redigiert  zu  haben.  Alle  Nachrichten,  die  man 
über  die  Arbeit  D  esc  oll' s  zu  haben  wünschen  kann,  die  Hss.  un*d  die  Aus- 
gaben der  bisher  dem  König  Peter  zugeschriebenen  Chronik  sind  in  einer 
Schrift  von  A.  Pages  verzeichnet,  welche  den  Titel  führt,  Recherches  sur  la 
chronique  catalane  attrihuie  ä  Pierre  IV.  d' Aragon  und  in  Agx  Roniania  XVIII, 
233  u.  ff.  verzeichnet  ist. 

Chronik  Jacobs,  des  Grafen  von  Urgel.  —  Eine  beredte  und 
rührende  Erzählung  der  letzten  Lebensjahre  des  Grafen  von  Urgel,  Bewerbers 
um  die  Krone  Aragons,  nach  dem  Tode  Martins  I.  (1410),  welche  der  Feder 
eines  leidenschaftlichen  Anhängers  dieses  unglücklichen  Fürsten  entstammt, 
ist  diese  Chronik,  welche  ihr  letzter  Herausgeber  La  fi  de/  comte  cf  Urgell, 
cronica  del  segle  XP\  genannt  hat.  Das  Original  war  schon  im  17.  Jh.  ver- 
schwunden, und  es  war  ein  gelehrter  Geistlicher  Jaume  Ramon  Vila,  welcher 
mit  Hülfe  von  zwei  unvollständigen  Hss.  (die  wahrscheinlich  zerrissen  und 
absichtlich  durch  Korrekturen  entstellt  waren)  im  Jahre  1624  eine  sorgfaltige 
Abschrift  herstellte,  aus  welcher  die  drei  andern,  die  man  heute  besitzt,  her- 
rühren: diejenige  des  Archivars  Diego  de  Monfar,  welche  allein  einen 
sehr    interessanten  Prolog  des  Jaume  Ramon   Vila   (jetzt    in    der  Acodemia 


Prosa:  Chroniken.    Schöne  Liiteratur. 


de  la  Historia)  enthält,  diejenige  der  Arsenalbibliothek  in  Paris,  und  eine 
dritte,  welche  in  diesen  letzten  Jahren  zu  Barcelona  gefunden  wurde,  und 
welche  die  in  der  Biblioteca  de  la  Reinsta  catalaria  erschienene  Ausgabe 
ermöglichte. 

Zwei  Schriften  über  Lokalgeschichte:  Die  erste,  welche  zum 
Verfasser  Mossen  Cristöfol  Dcspuig  hat  und  1557  geschrieben  worden  ist, 
trägt  den  Titel  -»Los  colloqiiis  de  la  insigne  ciutat  de  Tortosa«.  Es  sind  dies 
gelehrte  Gespräche  über  die  Altertümer  dieser  Stadt,  über  verschiedene  Punkte 
der  aragonesischcn  Geschichte;  gelegentlich  werden  auch  sprachliche  Fragen 
erörtert,  wie  dessen  schon  in  dem  ersten  Teile  dieses  Grundrisses  Erwähnung 
geschehen  ist.  Die  provisorische  Ausgabe  der  Colloquis ^  welche  F.  Fita 
1877  in  Barcelona  herstellte,  könnte  hie  und  da  verbessert  werden  durch  eine 
Kollation  von  Fragmenten  dieses  Textes,  die  in  den  Papieren  von  Pujades 
vorhanden  sind  (Pariser  Nationalbibliothek,  Collection  Baluze  No.  2  39,fol.  175). 
Von  der  andern  Schrift  -»Relacid  sumaria  de  la  antigua  fundaciö  y  cristianismc 
de  la  ciutat  de  Barcelona  vom  Oberschreiber  dieser  Stadt  Esteve  Gilabert 
Bruniquer  (Beginn  des  17.  Jhs,)  kann  man  sagen,  dass  sie  ziemlich  schlecht 
ihrem  Titel  entspricht,  denn  sie  bezieht  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  Ein- 
richtung und  das  Ceremoniell  des  Consell  von  Barcelona.  Dieses  Schriftchen 
ist  in  Barcelona  1885  hinter  einem  Wiederabdruck  der  Chronik  Peters  IV. 
veröffentlicht  worden. 

36.  Litteratur.  Die  Werke,  welche  nur  litterarischen  Inhaltes  sind 
und  die  man  nicht  leicht  der  einen  oder  andern  der  vorigen  Paragraphen  über- 
weisen kann,  sind  nicht  sehr  zahlreich.  Im  Mittelalter  ziehen  die  nur  der 
Phantasie  ihre  Entstehung  verdankenden  Werke  gewöhnlich  die  versificierte 
Form  der  Prosa  vor;  in  den  katalanischen  Ländern  nehmen  sie  hauptsächlich 
die  Form  der  noves  rimadcs  an.  So  sind  denn,  abgesehen  von  einigen  seltenen 
Ausnahmen,  die  nicht  gereimten  Schriften  weder  sehr  originell  noch  sehr 
wichtig.  Wie  anderswo  beginnen  wir  auch  hier  mit  Übersetzungen  und  An- 
passungen fremder  Werke. 

Ovid.  —  Eine  Übersetzung  der  Metamorphosen  von  Francesch  Alegre, 
unter  dem  Titel  Lo  llihre  de  les  transformacions  del  poeta  Ovidi,  welche  vom 
Verfasser  der  Johanna  von  Aragon,  Tochter  Ferdinands  des  Katholischen,  d.  h. 
Johanna  der  Wahnsinnigen,  gewidmet  wurde.  Diese  Übersetzung  wurde  zu 
Barcelona  1494  gedruckt  (Mendcz-Hidalgo  p.  53,  und  Torres  Amat 
S.  V.  Alegre).  ^  —  Heroiden :  A.  Rubiö  y  Lluch  [El  renacimiento  p.  21) 
spricht  von  einer  anonymen  Übersetzung  dieser  Gedichte,  welche  bis  ins  14.  Jh. 
zurückzureichen  scheint.  Ausserdem  hat  Mossen  Roig  de  Cerella  von 
welchem  oben  gesprochen  worden  ist,  sich  darin  gefallen ,  teils  die  Meta- 
morphosen, teils  die  Heroiden  in  einer  Reihe  kleinerer  Stücke  nachzuahmen, 
von  welchen  Ximeno  die  Titel  nach  einer  Hs.  von  Mayans  gibt  {Escrit.  de 
Valencia  I  63) ;  viele  finden  sich  auch  im  Jardinet  d'orats. 

Seneca  —  Tragödien  übersetzt  von  Mossen  Anton  Vilaragut.  Diese 
Übersetzungen  sind  z.  T.  verloren;  man  besitzt  nur  noch  die  Medea,  den 
Thyestes,  die  Trojanerinnen,  und  ein  Stück  aus  dem  Hippolyt  (A.  Rubiö  y 
Lluch  El  renacimiento,  p.   22,  wo  sich  die  Bibliographie  befindet). 

Aesop.  —  Vom  lateinischen  ^^j'ö^z/.s-  des  12.  Jhs.  oder  wahrscheinlicher 
vom  französischen  Isopet'^  rührt  der  erste  Teil  einer  Sammlung  von  Fabeln 
in  kastilianischer  Sprache  her,  welche  auf  die  Bitte  von  Don  Enrique,  dem 


'  Ein  Kapitel  aus  dieser  Ül)ersetzuiig  ist  in  Atv  Jienaxensa  111  3 16  wieder  abgedruckt 
worden. 

^  Ein  „Isop  en  franccs'  befindet  .sich  in  <ler  Bibliothek  des  Fürsten  von  Viana 
(CokciioH  de  doc.  dd  arckivo  de  Aragon,  XXVI,    140.) 


122     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.  KaT.    LiTl'. 

Infanten  Aragons  und  Siciliens,  Herzog  von  Segorve,  Grafen  von  Ampurias, 
Herren  von  Vall  de  Uxö  und  Vicekönig  von  Katalonien  hergestellt  wurde. 
Derselben  wurde  auch  der  Infant  Fortuna  genannt,  weil  er  1445  nach  dem 
Tode  seines  Vaters,  des  Infanten  Don  Enrique  von  Aragon,  Sohnes  Ferdinands  I. 
geboren  wurde.  Diese  Sammlung,  welche  den  Titel  Ysopete  historiado  trägt, 
ist  in  Saragossa  1489  und  in  Burgos  1496  gedruckt  worden.'  Es  existiert 
davon  eine  katalanische  Version,  welche  Torres  Amat  {Memorias  p.  700) 
mit  folgenden  Worten  zitiert:  -»Faules  de  Isop  en  catald.  En  el  prologo  dice: 
per  contemplacid  de  D.  Enrich  infant  d'Aragö«..  Dieses  Zitat  soll  sich  auf  eine 
Ausgabe  dieser  Faules  von  Barcelona  aus  dem  Jahre  1683  beziehen,  fP.  Salvä, 
Catdlogo  No.  1795),  welche  man  als  korrigiert  bezeichnet,  und  welche  gewiss, 
was  die  Sprache  betrifft,  verjüngt  ist.  Wir  können  nicht  entscheiden,  welche  von 
den   zwei  Übersetzungen,  der  kastilianischen  oder  katalanischen  die  ältere  ist. 

37.  Zur  Litteratur  der  Visionen  und  der  Reisen  in  die  jenseitige  Welt 
gehört  eine  Erzählung  des  Fegefeuers  des  h.  Patricius,  (s.  II  i,  277),  welche 
von  Ramon  Ros  de  Tarrega  im  Jahre  1320  verfasst  oder  vielleicht  einfach 
übersetzt  worden,  und  von  ihm  der  Beatrix,  der  Frau  von  Guillem  von  An- 
glesola,  Herren  von  Bellpuig  gewidmet  ist  (Antonio-Bayer,  Bibl.  hisp.  vetus 
11  121,  nach  einer  Hs.  des  Escorials).  Ist  es  dieselbe  Version,  welche  der 
König  Johannes  I.  von  Aragon  im  Jahre  1394  der  Gräfin  von  Foix,  seiner 
Tochter,  schickte:  y>un  libret  en  lo  quäl  havetn  fet  trelladar  (abschreiben)  lo 
Pnrgatori  de  sent  Patrici'il'^  Und  in  welcher  Beziehung  stehen  diese  Texte 
zu  der  provenzalischen  Version,  welche  in  den  Mimoires  de  la  sociäf.  arcMo- 
loi^ique  du  midi  de  la  France,  t.  I  (1834)  P-  57  —  7^  herausgegeben  ist? 
Das  Alles  sind  Fragen,  die  für  einen  Fernstehenden  unmöglich  zu  lösen  sind. 
Wir  haben  ihr  ferner  eine  Visio  Tungdnli  {wg\.  II  i,  277)  an  die  Seite  zu  stellen, 
von  welcher  zwei  Abschriften  uns  erhalten  sind,  die  eine  in  einer  Hs.  von 
San  Cugat  delVallds,  welche  im  Archivo  de  Aragon,  Bd.  XIII  p.  81  u.  ff. 
veröffentlicht  wurde,  die  andere  in  einer  Münchner  Hs.,  welche  Baist  in  der 
Zs.  für  rom.  Philologie  V,  318  u.  ff.  bekannt  gemacht  hat.  Endlich  kann 
man,  abgesehen  vom  Somni  von  Metge  und  von  zwei  Erzählungen  in  Versen, 
die  ol)en  erwähnt  worden  sind,  und  die  alle  beide  an  die  Visionenlitteratur 
anknüpfen,  nämlich  Lo  7H'ntur6s  pelegri  und  das  lestament  de  Bernat  Serradell, 
noch  den  von  D.  Cayetano  Vidal  y  Valenciano  in  Barcelona  1877  heraus- 
gegebene Lo  viatge  fet  al  infern  per  Pere  Polier  (Beginn  des  17.  Jhs.)  zitieren  ; 
dann  ein  einer  anderen  Gattung  angehöriges,  den  erwähnten  Schriften  immerhin 
nicht  unähnliches  Testament  d'amor  aus  dem  15.  Jh.,  welches  hauptsächlich 
wegen  seiner  litterarischen  Anspielungen  interessant  ist  (Boletin  de  la  socie- 
dad  arqueoldg.   luliana,  September   i8go). 

Villanueva  {Viage  XVIII  241)  hat  in  einer  l)ei  den  Barfüssern  Barce- 
lonas und  heute  in  der  Universitätsbibliothek  dieser  Stadt  (A.  Rubiö,  El 
renacimiento  p.  27)  autbewahrten  Hs.  ein  Werk  gesehn,  welches  auch  zur 
Kategorie  der  Visionen  zu  rechnen  wäre:  y>Tractat  de  una  disputa  i  demandes 
fetes  per  un  prior  dels  frares  de  la  orde  dels  Prehicadors  del  C07>ent  de  Bolunya 
ab  la  anima  ho  spirit  de  Guido  de  Corvo,  ciutada  de  Bolunya,  a  XVL  de  setem- 
bra  de  Pany  MCCC  XXXIIII«  (vgl.  II  i,  280).  Über  dieses  merkwürdige  Werk, 
dessen  lateinischer  Text  schon  i486  gedruekt  wurde,  kann  man  eine  lehr- 
reiche aber  in  ihren  Schlussfolgerungen  nicht  entscheidende  Dissertation  von 
Haureau  (in  den  Notices  et  extraits,  II  328  fit.)  naclilesen.    Nacli  dieser  Schrift 

'  Mit  Unrecht  glaubt  Amador  de  los  Rios  (JJi.<t.  crit.de  la  lit.  esp.  VI  37)  dass 
der  kastiliaiüsclie  Ysopete  historiado  Don  E  nri  q  ue,  dem  Altern,  gewidmet  worden  ist;  der- 
selbe i^t  jedoch  niemals  Herzog  von  Segorbe  noch   Vizekönig    von  Katalonien  gewesen. 

"^  J.  Coroleu,   DociimeiUs  Historie  hs  catalans  dd  si^lc  XIV,  p.    V^a. 


Prosa:  Visionen     Reisen.    Novellen  u.  Romane.  123 


findet  sich  in  derselben  Hs.  eine  y>Epistola  Fr.  Bernardi  de  Riparia  ad  Guidonem, 
episcopum  Maioricariim,  de  visione  et  locutiom  giuim  ha/mit  Fr.  Johannes  Gobi, 
prior  Alestensis,  quod  idcm  dicit  ac  Bononiensis,  cum  Guilliermo  de  Corvo  de/uncto^<. 

38.  Novellen  und  Romane.  —  Eine  wohlbekannte  Sage,  welche  das 
Thema  einer  cantiga  Alfons  X.  liefert  und  welche  Schiller  in  seinem  Gang 
nach  dem  Eisenhammer  behandelt  hat,  ist  in  die  katalanische  Litteratur  durch 
Vermittelung  des  Französischen  übergegangen.  Das  Vorbild,  welches  der  Über- 
setzer gewählt  hat,  ist  eine  gereimte  fromme  Erzählung,  unter  dem  Titel  »Du 
roi  qui  7'oloit  faire  ardoir  le  filz  de  son  seneschaU  ;  er  hat  sich  so  nahe  an 
dasselbe  gehalten,  dass  man  in  seiner  Prosa  sogar  Reime  des  Originals  wieder 
findet;  diese  Übersetzung  ist  in  der  Romania  V,  453  u.  ff.  veröffentlicht 
worden. 

Zu  dem  von  H.  Suchier  {Oeuvres  de  Fh.  Beaumanoir,  Bd.  I, XXIII  u.  ff.j  so 
eingehend  untersuchten  Cyklus  von  Dichtungen  des  Manekine-Motifs  gehört 
die  Historia  de  la  filla  del  rey  de  Hungria,  welche  die  Herausgeber  des  Archivo 
de  Aragon  (XIII,  53  ff.)  nach  den  Hss.  von  Ripoll  und  San  Cugat,  und  an 
zweiter  Stelle  D.  BartolomeMuntaner  nach  einer  Hs.  von  Palma  {Invencion 
del  cuerpo  de  S.  Antonio  ahad  etc.,  Palma  1873)  veröffentlicht  haben.  Eine 
andere  Version,  unter  dem  Titel :  »La  istoria  de  la  filla  del  emperador  Contasti« 
befindet  sich  in  einer  Hs.  der  Colombina,  die  vor  kurzem  von  der  Pariser 
Nationalbibliothek   (Esp.  No.  475)  erworben  worden  ist. 

Eines  der  unterhaltendsten  Bücher  der  katalanischen  Litteratur  ist  ohne 
Zweifel  die  Disputa  del  ase  contra  /rare  Enselm  Turmeda  sobre  la  natura  e 
nobleza  dels  anifnals,  welche  in  Barcelona  1509  gedruckt  wurde,  die  aber  die 
Inquisition  verschwinden  liess:  das  Buch  ist  in  dem  1583  durch  den  Kardinal 
Quiroga  veröffentlichten  Index  verboten  (Torres  Amat,  Memorias^  p.  635). 
Wenn  wir  auch  den  katalanischen  Text  dieser  Schrift  nicht  ffir  definitiv  ver- 
loren halten  müssen,  so  können  wir  doch  dasselbe  gegenwärtig  nur  nach  einer 
französischen  Übersetzung  beurteilen,  welche  1544  in  Lyon  gedruckt  wurde, 
und  von  welcher  das  Explicit  lautet:  »Eine  la  disptitation  de  frere  Anselme  avec 
les  animaulx,  auxquels  frere  Anselme  monstre  par  vives  raisons  que  les  filz  de 
nostre  pere  Adam  sont  de  plus  grande  digtiiti'  et  noblesse  que  ne  sont  les  animaulx. 
Et  fut  achevie  .  .  .  en  la  citd  de  Thunicz,  le  XV  jour  de  septembre  141 8«. 
Was  dem  Buche  des  abtrünnigen  Geistlichen  ein  ziemlich  pikantes  Interesse 
verleiht,  das  sind  weniger  die  übrigens  geistreichen  Beweisführungen  des  Esels 
zu  Gunsten  seiner  Kameraden  und  des  Mönches  zu  Gunsten  der  Menschen, 
als  vielmehr  einige  ziemlich  freie  und  recht  nett  erzählte  Geschichten  über 
die  Sitten  der  katalanischen  Geistlichen,  —  die  Geschichte  des  Dominikaners 
Juliol  und  der  Na  Tecla  oder  diejenige  des  Franziskaners  Francesch  Sitg^s 
und  der  Schwester  Antoinette  —  welche  im  Geschmacke  derjenigen  Erzäh- 
lung der  Cent  nouvelles  nouvelles  gehalten  sind,  deren  Schauplatz  Hostairich  in 
Katalonien  ist  und  welche,  wie  man  weiss,  La  Fontaine  die  Cordeliers  de 
Catalogne  eingegeben  hat. 

Das  Buch  des  »Curial  e  Guelfnc  ist  ein  Abenteuerroman,  welcher, 
wie  es  scheint,  nicht  jünger  ist  als  die  Mitte  des  15.  Jhs. ,  es  enthält  die 
Geschichte  der  Liebesabenteuer  des  Ritters  Curial  und  der  edlen  Dame 
Guelfa.  Das  zweite  von  den  drei  Büchern,  aus  denen  es  besteht,  befasst  sich 
mit  den  y>chevaleriesi<  des  Helden,  und  mau  kann  unter  anderen  die  interessante 
Stelle  hervorheben,  welche  sich  auf  die  Entlehnungen  der  Katalanen  aus  der 
französischen  Ritterlitteratur  bezieht« :  En  aquest  libre  sc  fa  menciö  de  cavallers 
errants,  jatsia  que  es  maldit  errants,  cas  deulwm  dir  caminants.  Erre  est 
vocable  frances  e  vol  dir  cami,  e  errar  vol  dir  caminar.  Empero  yo  vull  la  manera 
de  iiqtuils  Cathalans  qui  trasladaren  los  libres  de   Tristan  et  de  Laufarot  e  tor' 


124    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    KaT.    LtTT. 

naren  los  de  la  lengua  francesa  en  lengua  cathalana,  e  Ms  temps  digueren 
cavallers  errants«..  Die  einzige  Hs.  von  Curial  und  Guelfa  ist  in  der  Madrider 
Nationalbibliothek.  Milä  y  Fontanals  hat  einige  Auszüge  daraus  veröfifent- 
licht,  welclie  eine  vollständige  Kenntnis  des  Buches  wünschen  lassen  {Notes 
sur  trois  fnanuscrits^  Paris   1876,   p.    13   u.  ff.). 

Partenopeus  von  Blois.  Noch  nicht  entschieden  ist  die  Frage,  ob  die 
Historia  del  esforfat  cavaller  Partinobles,  co7npte  de  Bles,  die  in  Katalonien  so 
populär  ist,  als  ein  von  einem  Katalanen  nach  einem  französischen  oder  pro- 
venzalischen  Original  verfasster  Abenteuerroman  angesehen  werden  darf  oder 
ob  er  den  Katalanen  aus  Kastilien  hergekommen  ist.  Es  gibt  eine  kastilianische 
Ausgabe  dieses  Romans,  welche  1513  in  Alcalä  erschien,  und  die  erste  kata- 
lanische Ausgabe  (Tarragona  1588)  enthält  die  Bemerkung:  -»novament  traduyda 
de  llengua  castellana  en  la  nostra  cathalanwi.  (P.  de  Gayangos,  Libre  de  caba- 
llerias  p.  LXXXI). 

Die  Katalanen  haben  auch  ihren  grossen  irrenden  Ritter,  den  sie  dem 
Amadis  der  Kastilianer  gegenüberstellen  können ;  es  ist  dies  der  berühmte 
Tirant  lo  Blanch,  dessen  Heldenthaten  in  dem  Libre  delvaleros  e  strenu  cavaller 
Thiint  lo  Blanch  erzählt  sind.  Mossen  Johanot  Martorell  ist  der  haupt- 
sächliche Verfasser  des  Buches;  er  hat  drei  lange  Teile  davon  geschrieben;  der 
vierte  ist  von  Mossen  Johan  de  Galba.  Der  Don  Fernando  von  Portugal 
gewidmete  Roman  behauptet  von  sich,  er  sei,  1460,  aus  dem  Englischen  ins 
Portugiesische,  dann  aus  dem  Portugiesischen  ins  Valenzianische  übersetzt  worden, 
was  natürlich  kein  Mensch  zu  glauben  verpflichtet  ist,  umsomehr  als  die  meisten 
Verfasser  von  caballerias,  um  ihren  Erfindungen  mehr  Ansehen  zu  verschaffen, 
sie  gern  als  aus  sehr  alten  Büchern  entnommen  und  in  Sprachen,  die  dem 
niederen  Volke  unzugänglich  sind,  geschrieben,  einführen.  Der  Tirant  hat  zu 
gleicher  Zeit  Eigentümlichkeiten  des  Abenteuerromans  und  eines  Spiegels  des 
Rittertums  aufzuweisen ;  aber  die  beiden  Gattungen  sind  in  ihm  geschickt 
verschmolzen  und  selbst  heutzutage  lassen  sich  die  Abenteuer  des  Ritters  aus  der 
Bretagne  mit  beinahe  ebenso  viel  Vergnügen  lesen,  als  diejenigen  des  Amadis. 
Der  in  Valenzia  zum  ersten  Male  1490  gedruckte  Tirant  lo  Blanch  ist  von 
Aguilo  in  seiner  Biblioteca  catalana  zugänglich  gemacht  worden.  Es  existiert 
davon  eine  kastilianische  Übersetzung ,  welche   1 5 1 1   gedruckt  ist. 

39.  Das  Studium  und  die  Nachahmung  der  italienischen  Luteratur, 
welche  schon  bei  Besprechung  der  Übersetzung  der  Göttlichen  Komödie  von 
Andren  Febrer  erwähnt  worden  sind  und  welche  Mila  in  seinen  Notas  sobre 
lainfluencia  de  la  literatura  italiana  en  la  catalana  (Barcclom  1877)  zu  summarisch 
behandelt  hat,  treten  hier  in  einigen  Schriften,  welche  Kommentare  oder  ein- 
fache Übersetzungen  sind ,  klar  zu  Tage.  Keiner  der  Bibliographen  ^  die 
sich  mit  dem  Kaufmann  und  Kosmographen  ,  Mossen  Jaume  Ferrer  aus 
Blanes  —  welcher  in  der  Entdeckung  der  neuen  Welt  eine  gewisse  Rolle 
spielte  —  beschäftigt  haben,  sagt  mit  Genauigkeit,  was  unter  den  Sentencias 
catolicas  dcl  divi  poeta  Dante,  Florenti,  zu  verstehen  ist,  einem  Werke  oder 
einer  Kompilation  dieses  Ferrer,  das  in  Barcelona  1545,  zu  gleicher  Zeit, 
wie  ein  anderer  Traktat  gedruckt  wurde,  welcher  Siimari  vteditacio  0  contem- 
placiö  sobre  lo  Hoc  de  Calvari  betitelt  ist,  in  welchem  von  vielen  Dingen,  von 
Kosmographie,  von  Schiff"fahrt  u.  s.  w.  gesprochen  wird  etc.  (Torres  Amat, 
Meviorias  s.   v.  Ferrer  und  Vi  Hanne  va,    Viage  XVIII   276). 

Wir  haben  keine  besseren  Nachrichten  über  die  »Comeniari  dels  cantichs 
y  estancias  dcl  Infern  del  poeta  Dant  Alighieri«,  von  welchem  Torres  Amat 
anführt,  dass  er  sich  in  einer  modernen  Hs.  des  San  Francisco  von  Barce- 
loiiii  befinde. 


Prosa:  Romane.    Nachahmung  der  ital.  Liit.  125 

Boccaccio  ist  durch  eine  Übersetzung  der  Fiameta  vertreten,  von 
welcher  das  Kloster  San  Cugat  del  Valles  eine  Hs.  besass  (Torrcs  Amat 
p.  687),  wahrscheinlich  dieselbe,  welche  das  Archiv  von  Aragon  aufgenommen 
hat,  und  von  welcher  Tastu,  sich  eine  Abschrift  verschaflte:  > Fiameta  ro?>tana. 
Copia  del  ms.  de  este  titulo,  custodiado  cn  el  R.  Archivo  de  la  Corona  de  Aragon«. 
(A.  Pag^s,   Notice  sur  la  vie  et  les  travaux  de  J.   Tastu  p.   35). 

Petrarca.  —  Aus  der  Africa  des  italienischen  Dichters  ist  zum  grossen 
Teile  das  »Rahonament  /et  cntre  Seipid  Africd  e  Anibal,  c  la  batalla  entre  ells 
seguida<i.  entnommen,  welches  der  Dominikaner  Antoni  Canals  dem  Don 
Alfonso,  Herzog  von  Gandia  widmete,  d.  h.  entweder  dem  Don  Alfonso  von 
Aragon,  Markgrafen  von  Villena,  dann  Herzog  von  Gandia,  oder  seinem  Sohn, 
welcher  nur  diesen  letztern  Titel  besass.  Villanueva  hat  auf  zwei  Hss. 
dieses  Traktats  in  St.  Agustin  und  bei  den  Barfiissern  von  Barcelona  ( Viage 
XVIII  172  und  241)  hingewiesen.  Beide  existieren  noch  (A.  Rubiö,  El 
renacimiento  p.  28)  und  nach  der  ersten  scheint  das  Rahonament  in  den  Memorias 
de  la  Acad.  de  Buenas  Letras  II  532   u.  ff.  gedruckt  worden  zu  sein. 

Ein  anderes  Werk  von  Petrarca,  die  Erzählung  von  Griselidis  ist  dank 
den  Bemühungen  des  Bernat  Metge  ins  Katalanische  übergegangen.  Sehic 
in  eleganter  und  sicherer  Sprache  abgefasste  Übersetzung  ist  der  Madona  Isabel 
de  Guimera  dargebracht.  Aguilö  hat  sie  in  gothischen  Lettern  und  mit  Holz- 
schnitten aus  der  Zeit  in  seiner  reizenden  und  leider  zu  früh  unterbrochenen 
Biblioteca  d'obretes  Singulars  del  bon  temps  de  nostra  lengua  materna  (Barcelona 
1883)  reproduziert.  In  seinem  Somni  hatte  Bernat  Metge  eine  Anspielung 
auf  diese  katalanische  Griselidis  gemacht ;  zugleich  bezeugte  er  die  Popularität, 
welche  die  rührende  Erzählung  Petrarcas  in  Katalonien  genoss,  durch  die 
Worte :  »La  paciencia,  fortitut  e  amor  conjugal  de  Griselda^  la  istoria  de  la  quäl 
fon  per  mi  de  lati  en  nostra  vulgär  transportada,  callare ,  car  tant  es  notoria 
que  ya  la  redten  per  enganar  les  nits  en  las  vetles  e  can  filen  en  ivern  entorn 
del  foch«. 

Noch  einige  Proben  der  künstlichen,  manierierten  und  pedantischen  Litte- 
ratur  des  15.  Jhs.  Eine  kleine  litterarische  Auseinandersetzung  zwischen  dem 
Fürsten  von  Viana,  welcher  kastilianisch  schreibt,  und  dem  Dichter  Mossen 
Joan  Roi^  de  Corella,  welcher  katalanisch  antwortet  und  zwar  in  einem 
dunkeln  und  verworrenen  Stile  [Rei'ista  de  Valencia,  I  330  u.  523),  dann  eine 
die  Stadt  Valenzia  betreffende  Allegorie,  welche  Villanueva  in  seinem  Viage 
abgedruckt  hat  (II  191),  und  endlich  ein  bedeutendes  Werk,  von  dem  wir 
aber  nur  die  kastilianische  Version  besitzen,  y>Die  Arbeiten  des  Herkules«  von 
Enrique  de  Villena,  ein  Werk,  wo  jede  »Arbeit«  den  Vorwand  zu  langen 
moralischen  Auseinandersetzungen  gibt.  »Fizolo«  sagt  der  Prolog  ^^a  prefes 
e  instantia  del  vistuoso  cavallero  Mossen  Pero  Pardo,  consejero  del  alto  e  pode- 
roso  senor  rey  de  Aragon  .  .  .  escripto  en  romanfe  catalan,  i  acaböse  en  Valencia 
del  Cid,  la  vispera  de  Ramos  del  am  .  .  .  141"/  en  el  mes  de  abril.  Et  des- 
pues  trasladölo  en  lengua  castellana«.  etc.  (Amador  de  los  Rios,  Hist.  er  lt. 
de  la  lit.  esp.  VI   259). 

40.  Grammatiken,  Rhetoriken  und  Poetiken.  —  Die  Einrichtung  eines 
Konsistoriums  del  gay  saber  in  Barcelona ,  zur  Nachahmung  desjenigen  von 
Toulouse,  musste  eine  ganze  Litteratur  von  grammatikalischen  Traktaten  und 
von  Handbüchern  über  Versifikation  und  Komposition  hervorrufen.  Die  Leys 
d'amors  sind  der  hauptsächliche  Kodex,  den  man  in  zweifelhaften  Fällen  zu 
Rat  zieht,  und  die  Existenz  einiger  Hss.  dieses  Werkes  in  Spanien  beweist, 
dass  die  Katalanen  ihn  sehr  viel  gelesen  und  studiert  haben.  Das  Archiv 
von  Aragon  besitzt  heute  die  Hs.  des  Traktats  von  Guillaume  Molinier  (s.  S.  67), 
welche  sich  ehemals  in  San  Cugat  del  Vallds  befand  und  welche  Milä,   zwar 


126     LlTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —   4.    KaT.   LiTT. 


ohne  es  zu  beweisen,  für  identisch  mit  derjenigen  hielt,  die  in  der  Bibliothek 
Martins  I.  begegnet  (Villanueva,  F/ö'^^  XIX  29  ;  Mihi ,  Trovadores  p.  ^']^)^. 
Frühe  sah  man  die  Notwendigkeit  ein,  die  Lejs  d'amors  kürzer  zu  fassen  und 
ihr  Verfasser  selbst  hat  einen  gereimten  Auszug  geschrieben  ,  dem  er  einen 
Titel  gab,  der  mit  demjenigen  einer  der  Prosaredaktionen  des  Originals  identisch 
war.  Las  flors  del  gay  saber,  was  zu  Konfusionen  Anlass  gegeben  hat  (C. 
Chabaneau,  Origine  et  itablissemcnt  de  F Acaditnie  des  Jeux  ßoraiix,  Toulouse 
1885  p.  3).  Ein  anderer  Auszug  der  Leys  ist  das  Conipendi  von  Castellnou, 
welches  auf  die  Bitte  eines  gewissen  Dalmau  de  Rocaberti,  Sohnes  des 
Vizgrafen  von  Rocaberti,  desselben  Namens  hergestellt  worden  ist. 

Die  andern  Traktate,  welche,  wie  konstatiert  ist,  den  katalanischen 
Dichtern  zur  Richtschnur  dienten ,  sind  die  Razos  oder,  wie  die  Katalanen 
sagen,  die  Regles  de  trovar  ihres  alten  Troubadours  Ramon  Vidal  de  Besalü 
(s.  S.  67),  denen  eine  Doctrina  de  cotnponare  dictatz  beigefügt  ist,  d.  h.  eine 
Reihe  von  Definitionen  der  poetischen  Gattungen,  die  man  mit  grösster  Wahr- 
scheinlichkeit jenem  Vidal  zuschreiben  kann.  Ebenso  können  andere  Regeln 
des  Benediktiners  aus  San  Feliu  de  Guixols,  Jofre  de  Foixa,  —  welcher 
am  Ende  des  13.  Jhs.  lebte  und  welcher  mit  Recht  mit  dem  Troubadour 
identifiziert  worden  ist,  dessen  Werke  Lo  monge  de  Foissan'-^  bezeichnet  sind 
— -  als  eine  Ergänzung  des  Traktats  von  Vidal  angesehen  werden.  Da  diese 
Regeln  auf  die  Bitte  Jacobs  IL,  Königs  von  Sicilien,  verfasst  worden  sind, 
muss  man  die  Redaktion  derselben  in  die  Zeit  zwischen  den  Jahren  1286 
und  1291  setzen.  Was  die  Doctrina  de  cort  von  Terramagnino  de  Pisa 
betrifft,  welche  man  in  einer  Hs.  zusammen  mit  den  Traktaten  der  Katalanen 
findet,  so  interessiert  sie  uns  nicht.  Wohl  aber  der  Mirall  de  trobar  von 
Berenguer  von  Noya;  das  Doch-inal  de  trobar  von  Ramon  de  Cornet, 
welches  von  Joan  de  Castelnou  kommentiert  und  korrigiert  und  durch  ihn 
dem  Peter  von  Aragon,  Grafen  von  Ribagorza,  Sohn  Jacobs  II.  gewidmet  ist; 
der  Libre  de  coficordances  von  Jacme  March,  und  der  Torciviany  von  Luis 
d'Aversö,  Bürger  Barcelonas,  —  alle  4  noch  unedierten  Traktate,  von  welchen 
wir  nur  Auszüge  kennen,  betreffen  ganz  direkt  die  katalanische  Poesie.  Die 
katalanischen  Poetiken,  welche  wir  eben  erwähnt  haben,  befanden  sich  (ausser 
dem  Torcimany)  in  einer  Hs.  der  Barfüsser  von  Barcelona,  welche  Villanueva 
im  Einzelnen  beschrieben  hat  {Viage  XVIII  230  u.  ff.),  und  welche  unglück- 
licherweise heute  nur  noch  durch  eine  moderne  Abschrift  der  Madrider  National- 
bibliothek (Collect.  La  Romana)  erhalten  ist.  Vom  Compendi  Castelnou 's 
gibt  es  jedoch  noch  eine  alte  Hs.  in  der  Universitätsbibliothek  Barcelona's 
(Milä,  Trovadores  p.  478,  cf.  Tor  res  Amat  s.  v.  Castellnou),  Der  Torci- 
many ist  im  Escorial.  Diese  gesamte  Litteratur  lehrhaften  Inhalts  ist  von 
Milä  analysiert  worden,  nach  der  Madrider  Hs.,  in  verscliiedenen  Artikeln  der 
Revista  de  archivos,  bibliotecas  y  tnuseos,  VI  p.  313,  329,  345  und  361,  und 
nach  derselben  Hs.  hat  P.  Meyer  in  der  Romania  (Bd.  VI,  VIII  und  IX) 
die  Regles  von  Vidal  mit  der  Doctrina,  den  Terramagnino  und  den  Jofre 
von  Foixä  veröffentlicht.  Den  Namen  dieser  verschiedenen  Grammatiker  müsste 
man  auch,  nach  Enrique  de  Villena,  diejenigen  des  Guillem  Vedel  aus 
Mallorca,  Verfassers  eines  Traktates,  welcher  seinen  eigenen  Namen  trägt,  la 
Suma  Fitulina,  hinzufügen :  Verfasser  und  Buch  sind  uns  in  gleicher  Weise 
unbekannt  (Mayans,  Origenes  ed.  cit.  p.   270). 


^  Eine  Abschrift  dieser  Hs.  befindet  sich  in  den  Papieren  Tastu's  (A.  Pag^s, 
1.  c.  p.  34)- 

2  A.  Thomas,  Romania,  X  322.  Die  Regeln  Jofre' s  werden  von  Enrique  de 
Villena  Contintuicion  del  trobar  gtn&nn\.\  cf.  die  Auszüge  stintv  Arte  de  trobar  in  Mayans 
Origenes  ed    1873,  p.  270. 


Prosa:  Grammatik.    Rhetorik.    Poetik.    Modernes  Zeitalter.        127 


Noch  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhs.  empfindet  ein  überzeugter  An- 
hänger der  Gaya  cienda,  da  er  dieselbe  für  verfallen  und  vergessen  hält,  das 
Bedürfnis,  das  Gedächtnis  seiner  Landsleute  aufzufrischen  und  fiir  sie  einen 
kleinen  Abriss  der  Kunstregeln  zu  schreiben.  Der  Verfasser  dieses  Kompen- 
diums oder  Nova  art  de  trobar  heisst  der  Ritter  Francesch  de  Oleza;  er 
war  aus  Mallorca,  und  die  Hs.  seines  Werkes  trägt  das  Datum  1536.  Die 
N(wa  art  ist  in  drei  Teile  geteilt;  der  erste  definiert  den  Vers,  den  Reim, 
den  Accent,  die  Qualität  der  Vokale  etc. ;  die  zweite  handelt  von  den  Fehlern, 
welche  die  Dichter " gegen  das  Silbenmass,  den  Accent,  die  Harmonie,  die 
Grammatik  begehen  können ;  der  dritte  von  den  verschiedenen  Arten  von 
Versen  und  Strophen.  In  mancher  Hinsicht  bleibt  der  Verfasser  ausschliess- 
lich der  provenzalischen  Überlieferung  treu;  in  anderer  Hinsicht,  steht  er 
unter  dem  Einfluss  der  spanischen  Grammatiker  der  Renaissance  Nebrija  unter 
andern,  welche  er  ausdrücklich  zitiert.  Die  Nova  art  von  Oleza  ist  noch 
nicht  herausgegeben  und  man  besitzt  davon,  soviel  wir  wissen,  nur  moderne 
Abschriften,  welche  alle  von  einer  Vorlage  herrühren ,  die  der  Bibliograph 
Bover  nach  dem  Original  herstellte  [Rapport  sur  une  niissio?i  philologiquc 
ä  Majorque,  Paris   1882,  p,    18  u.  Bover  Bibl.  de  escrit  baleares  II,  6). 

MODERNES  ZEITALTER. 

I  n  verschiedenen  Stellen  dieser  Darlegungen  ist  von  katalanischen  Werken 
^  gesprochen  worden,  welche  in  die  Zeit' nach  dem  15.  Jh.  fallen;  sie 
sind  zum  grössten  Teile  entweder  Andachtsbücher  oder  Geschichtsbücher.  Es 
erübrigt  noch  einige  Worte  über  eine  littcrarische  Gattung  in  katalanischer 
Sprache  zu  sagen,  welche  gewisse  politische  Ereignisse  veranlassten,  die  sich 
in  den  nordöstlichen  Provinzen  Spaniens  im    17.  und   18.  Jh.  abspielten. 

41.  Der  furchtbare  Kampf,  welchen  das  katalanische  Fürstentum,  durch 
Richelieu  und  Mazarin  unterstützt,  gegen  die  katholische  Monarchie  seit  dem 
Ende  des  Jahres  1640  zur  Verteidigung  seiner  auf  sehr  ungeschickte  Weise 
durch  den  ersten  Minister  Philipps  IV.  und  seiner  Helfeshelfer  verletzten  Frei- 
heiten fiihrte,  dieser  Kampf  musste  ein  Echo  in  der  Litteratur  finden.  Die 
Excesse,  welche  die  Soldaten  des  Olivares  an  den  katalanischen  Bauern  be- 
gingen, wurden  sofort  in  heftigen  oder  bewegten  W^orten  durch  die  lokalen 
Publizisten  erzählt;  anderseits  griffen  die  Juristen  zur  Feder,  um  gegen  die 
Politiker  Madrid's  zu  polemisieren,  den  Ursprung  und  die  Tragweite  der  alten 
katalanischen  Privilegien  auseinanderzusetzen  und  die  öffentliche  Meinung  gegen 
die  Unternehmungen  der  kastilianischen  Minister  und  Generäle  aufzuwiegeln  : 
sogar  Theologen  nahmen  an  dem  Streite  teil,  indem  sie  sich  auf  gewisse 
durch  die  im  Fürstentum  lagernden  Soldaten  verübten  Kirchenentheiligungen 
beriefen. 

Ein  Teil  dieser  polemischen  Schriften,  dieser  Pamphete  und  dieser  Proteste 
sind  in  kastilianischer  Sprache  verfasst,  denn  es  kam  darauf  an,  sich  in  Madrid 
verständlich  zu  machen,  wo  berühmte  Schriftsteller  den  Auftrag  erhielten,  ihre 
Feder  zu  schärfen,  um  den  Katalanen  zu  antworten.  Der  litterarische  Kampf 
begann  mit  der  berühmten  Proclamacion  catdlica,  welche  Philipp  IV.  durch  den 
Doktor  der  Theologie  Fr.  GasparSala  yBerart  gewidmet  wurde  (in  Barce- 
lona anonym  gedruckt,  1640)  und  auf  welche  der  Historiograph  und  Dichter 
Francisco  de  Rioja  in  einer  Aristarco  d  censura  d  la  Proclamacion  catölica 
betitelten  Schrift,  dann  der  grosse  Quevedo  in  einer  bissigen  Flugschrift, 
La  rebelion  de  Barcelona,  ni  es  por  el  guevo  ni  es  por  el  fuero,  antwortete.  Je 
weiter  die  Revolution  sich  ausdehnt,  desto  mehr  befestigt  sie  sich  und  desto 


128    LiTTERATURGESCHISCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  4.  KaT.    LlTT. 

zahlreicher  werden  die  politischen  Streitschriften,  und  sobald  die  Trennung 
von  Kastilien  vollzogen  ist,  greifen  die  katalanischen  Publizisten  um  so  eifriger 
auf  ihr  lokales  Idiom  zurück,  als  sie  durch  die  Benutzung  desselben  gewisser- 
massen  ihre  feindselige  Gesinnung  gegen  die  verwünschte  Rc^gierung  der  Kastil- 
ianer  an  den  Tag  legen.  Unter  den  bekanntesten  Schriften,  welche  von  dem 
damaligem  Gefühle  des  katalanischen  Volkes  Zeugnis  ablegen,  kann  man 
die  Secrets  publichs^  pedra  de  loch  de  les  intencions  del  cnemich  zitieren,  welche 
1641  in  Barcelona  herausgegeben  und  sofort  ins  Kastilianische,  Französische 
und  Portugiesische  übersetzt  wurden.  Von  einer  andern  dieser  Schriften, 
welche  der  Panegyricus  eines  der  bedeutendsten  Helden  der  Revolution  ist, 
des  Dr.  Pau  Claris,  ^  muss  man  den  Titel  vollständig  zitieren,  um  zu  zeigen, 
dass,  wenn  die  Katalanen  in  der  Politik  sich  von  Kastilien  trennten,  sie  hin- 
gegen in  litterarischer  Hinsicht  sehr  eng  mit  Kastilien  verbunden  blieben : 
Occident,  eclipse^  obsciiredat  funeral.  Aurora,  claredat,  belleza  gloriosa.  AI  sol, 
lluna  y  estela  radiant  de  la  esfera,  del  epiciclc,  del  firtnament  de  Cathalunya. 
Panegirica  alabanfa  en  lo  ultimo  vale  als  manes  vencedors  del  D^^  Pau  Claris^ 
observada  per  lo  D"'  Francisco  Fontanella  (Barcelona   1641J. 

Die  zweite  Rebellion  der  Katalanen,  am  Anfang  des  18.  Jhs.,  welche 
mit  der  Belagerung  Barcelona's,  im  Jahre  17 14  endigte,  war  an  polemischen 
Schriften  nicht  so  fruchtbar  wie  die  erste;  verstanden  es  ja  doch  die  Kata- 
lanen noch  weniger  gegen  1700  ihre  Sprache  zu  schreiben,  als  ein  halbes 
Jahrhundert  früher.  Alles  was  uns  in  litterarischer  Hinsicht  von  dem  Kampfe 
übrig  bleibt,  den  das  Fürstentum  zu  Gunsten  des  Erzherzogs  Karl  und  gegen 
Philipp  V.  unternahm,  beschränkt  sich  auf  Pamphlete,  Satiren,  lieder  geringeren 
Wertes  und  geringerer  Bedeutung:  Torres  Amat  hat  eine  gewisse  Zahl  der- 
selben {Memorias  p.  689)  angeführt.  Übrigens  hat  im  18.  Jh.  ebensowenig 
wie  im  17.  ein  wirkliches  Talent  die  politische  katalanische  Litteratur  ver- 
treten, und  man  müsste  lange  in  diesem  Plunder  wühlen  ,  ehe  man  einige 
Seiten  schöner  entrüsteter  Beredsamkeit  oder  einige  bissige  und  witzige  Satiren 
fände. 

42.  Die  Koryphäen  ^qx Renaxensa  haben  die  Prosa  nicht  so  sehr  begünstigt 
wie  die  Verse,  und  man  kann  sagen,  dass  die  Einrichtung  der  Jochs  florals^ 
indem  sie  die  Poesie  ungeheuer  rühmte  und  hauptsächlich  die  Reimer  be- 
lohnte, der  Restauration  der  guten  katalanischen  Prosa  geschadet  hat.  Die 
von  Walter  Scott  und  seinen  französischen  Nachahmern  inspirierten  historischen 
Novellen,  in  welchen  sich  die  ersten  Katalanisten  unserer  Zeit,  so  z.  B.  Antonio 
de  Bofarull  versucht  haben,  sind  recht  mittelmässig.  In  diesen  letzten  Jahren 
haben  andere  Schriftsteller  wie  Cayetano  Vidal  y  Valenciano  und  Narcis 
Oller  in  dem  zeitgenössische  lokale  Sitten  schildernden  Roman  viel  bessere 
Erfolge  erzielt.  Die  neuen  Zeitschriften,  welche  die  Bewegung  leiten  und  die 
litterarischen  katalanischen  Produktionen  aufnehmen,  unter  andern  L'Avenf, 
räumen  den  Prosaschriften,  den  Romanen,  historischen  Studien,  litterarischen 
Kritiken  u.  s,  w.  immer  mehr  Platz  ein.  Es  ist  zu  wünschen,  dass  die  junge 
Generation  nach  dieser  Richtung  weiter  schreite;  wenn  es  ihr  gelingt  eine 
einfache  und  kräftige  Prosa  wieder  zu  schaffen  im  Geschmacke  derjenigen 
der  alten  Chroniken,  welche  der  grösste  Ruhmestitel  der  Katalanen  sind,  so 
wird  sie  sich  um  ihre  Heimat  und  die  Litteratur  überhaupt  wohl  verdient 
gemacht  haben. 


*  Über   die  Rolle,    welche    derselbe    spielte,    cf.    J.  Coroleu,    Claris  y  son  temps, 
Barcelona  1880.  in  8». 


III.  ABSCHNITT. 

I.ITTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN 

VÖLKER. 

B.  DIE  LITTERATUREN  DER  ROMANISCHEN 

VÖLKER. 

4.  GESCHICHTE  DER  PORTUGIESISCHEN  LITTERATUR 

VON 

CAROLINA  MICHAELIS  DE  VASCONCELLOS 

UNP 

THEOPHILO  BRAGA. 


A.  ALLGEMEINE  EINLEITUNG. 

ortugal  ist  das  westlichste  Land  Europas.  Es  sieht  die  Sonne  am 
spätesten  aufgehen.  Sein  Staatswesen  ist  verhältnismässig  jung.  Der 
Grund  dazu  ward  1094  gelegt.  Fertig  gestaltet  ist  der  Länder- 
besitz der  Monarchie  um  1250.  Das  klare  Bewusstsein  nationaler  Zusammen- 
gehörigkeit aber  ist  erst  1385  vollzogen.  Auch  seine  Litteratur  ist  daher  eine 
der  jüngsten  Schöpfungen  der  romanischen  Zivilisation. 

Portugal  hat  von  seinem  Eintritt  in  die  Geschichte  an  bis  heute  immer 
nur  über  1V2  bis  4V2  Millionen  Menschen  verfügt.  Seine  Litteratur  kann 
daher  nicht  reich  sein.  Ihr  eignet  naturgemäss  nur  eine  beschränkte,  in 
wenigen  Werken  zu  vollem  Ausdruck  kommende  Originalität. 

Portugal  ist  ferner  ein  Teil  der  Pyrenäenhalbinsel.  Keine  natürliche 
Scheidewand  trennt  es  vom  übrigen  Spanien.  Mit  Galliziern,  Asturiern  und 
Leonesen  im  speziellen,  aber  auch  mit  den  Aragonesen,  Kastilianern,  Anda- 
lusiern  etc.  bilden  die  Portugiesen  eigentlich  nur  eine  Nation.  Von  gleicher 
Abstammung,  und  ungefähr  gleicher  Mischung,  haben  sie  auf  gemeinsamem 
Boden  den  gleichen  Entwickelungsgang  durchgemacht,  an  der  Erflillung  der 
gleichen  Mission  gearbeitet,  und  darum  auch  dieselbe  Kunst  und  Religion, 
gleiche  Sitte  und  gleiches  Recht,  nahverwandte  Sprachen  und  ein  einheit- 
liches Folklore  ausgebildet.      Nur   Geschehnisse  haben  Portugal    zu  einem 

Gröber,  Grundriss.     Üb.  9 

f 


130    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


politisch  gesonderten  Staatswesen  gemacht,  und  seinen  Bewohnern  allmählich 
ein  stark  ausgeprägtes  Sondergefühl  gegeben.  —  Eine  feste  alte  Grenze 
zwischen  den  beiden  Littcraturen  gicbt  es  daher  auch  nicht.  Und  ebensowenig 
kann  zwischen  beiden  ein  markanter  Unterschied  bestehen,  der  auch  für  den 
Fernerstehenden  und  Fremden  ohne  weiteres  greifbar  und  fühlbar  wäre.  In 
den  meisten  Äusserungen  nationalen  Lebens  wird  aber  die  kleinere  Nation 
von  der  grösseren  abhängen,  und  von  ihr  Anregungen  und  Vorbilder  em- 
pfangen, obgleich  auch  das  Gegenteil  in  Einzelerscheinungen  statthaben  kann. 

Wir  dürfen  daher  von  Portugal  nur  eine  (im  Vergleich  mit  Spanien, 
Frankreich  und  Italien)  späte,  eine  arme,  und  eine  wenig  selbständige,  der 
spanischen  naheverwandte  Litteratur  erwarten. 

2.  Portugal,  trotzdem  ihm  feste  Ostgrenzen  fehlen,  die  es  vom  stamm- 
und  sprach  verwandten  Schwesterstaate  scheiden,  ist  aber  dennoch  verschieden 
von  Spanien,  d.  h.  besonders  vom  binnenländischen  oder  kastilischen 
Spanien ,  das  sich  zum  Kopf  und  Herzen  des  Reiches  entwickelte ,  und  den 
Typus  des  Hispaniers  ausgestaltete.  Der  landschaftliche  Charakter  des  lieb- 
lichen, wald-  und  flussreichen,  überaus  fruchtbaren,  von  der  Natur  verschwen- 
derisch ausgestatteten  Landes  ist  ein  ganz  anderer  als  der  des  mittelspanischen 
Hochlandes.  Dort  eine  grossartige  Öde,  hierzulande  blumige  und  duftige,  von 
reichlichen  Niederschlägen  getränkte  Täler  und  Auen,  und  in  tränenfeuchte  Nebel 
gehüllte  ozeanische  serras.  Und  auch  die  Bevölkerung  zeigt  eine  abweichende 
Volksindividualität:  etwas  Positives  ist  an  der  Aufstellung,  das  iberische  Blut 
sei  hier  mehr  als  in  den  spanischen  Adern  mit  keltischem  Blute  gemischt, 
und  auch  bei  der  späteren  Kreuzung  mit  römischen,  germanischen  und  arabisch- 
maurischen Eroberern  sei  das  Verhältnis  ein  verschiedenes  gewesen.  Daher 
die  anders  nuancierte  romanische  Sprache  und  Litteratur. 

Denn  Portugal,  das  landwärts  ausschliesslich  peninsularen  Einwirkungen 
zugänglich  ist,  ist  eben  zu  gleicher  Zeit  ein  dem  Ozean  zugewendeter  Küsten- 
strich, der  fremden,  seefahrenden  Männern  aus  aller  Herren  Länder  offen 
steht.  Franzosen,  Engländer,  Deutsche  und  Flamänder  haben  sich  gern  dort 
angesiedelt.  Der  Verkehr  mit  Anders-Redenden  und  Anders-Denkenden  bildete 
aber  das  portug.  Ohr  und  die  portug.  Zunge.  Das  ausserordentlich  beanlagte, 
rührige,  feinsinnige,  sprach-  und  redegewandte,  geschmeidige  Volk  ward  frühe 
vertraut  mit  ausländischen  Meinungen  und  Gewohnheiten ,  Sitten  und  Sagen. 
Es  gab  die  starre ,  stolze  Abgeschlossenheit  des  Kastilianers  auf,  der  per  se 
ist  und  sein  will,  schliff  die  Ecken  und  Härten  der  hispanischen  Eigenart  ab, 
und  zeigt  daher  eine  beweglichere  Physiognomie. 

Die  dichterische  Beanlagung  aber  musste  (gemäss  der  Natur  des  Landes, 
und  der  durch  dieselbe  bedingten  Lebensweise,  sowie  einem  dementsprechend 
entwickelten  Volkscharakter)  sich  vorwiegend  auf  dem  lyrischen  Gebiete  be- 
thätigen,  und  zwar  am  üppigsten  und  spontansten  im  bukolischen  Genre. 
Wenn  irgendwo ,  so  musste  sie  hier  eine  gewisse  Selbständigkeit  beweisen : 
und  das  thut  sie  in  den  alten,  volkstümlichen  »Bergreihen«  (Serranilhas)  und 
Parallel-Liedern  der  Hirten  und  Bauern  der  Provinz  Tras-os-Montes  und  der 
Schäfer  der  Beira,  und  in  der  Lyrik  der  höheren  Gesellschaftskreise,  welche, 
von  altersher  mit  Vorliebe,  zur  Einkleidung  ihrer  Geftihle,  das  pastorale  Genre 
wählten :  das  Idyll,  oder  den  mit  Idyllen  durchwobenen  Schäferroman.  Und 
in  der  That  zur  Egloga  passen ,  ja  zum  Idyll  prädisponieren  die  hervor- 
stechendsten Eigenschaften  der  portug.  Volksseele :  ihre  weiche ,  schwärme- 
rische Sentimentalität ,  ihre  melancholische  Sehnsucht ,  die  mit  dem  Worte 
saudades  am  kürzesten  und  treffendsten  charakterisiert  wird ,  und  ihre  sprich- 
wörtliche Verliebtheit,  ihr  »Sterben  vor  Liebe«.  Auch  der  Charakter  der 
vokal-  und  diphthongen-  und  nasalreichen  Sprache,  der  es    an  einem    festen 


Einleitung:   Lage  des  Landes.   Charakter  des  Volks  u.  d.  Liit.    131 

Knochengerüst  von  Konsonanten  gebricht,  und  die  (freilich  modernen)  himmel- 
blau-und-weissen  Nationalfarben,  die  zum  fanatischen  gelb-und-rot  des  spa- 
nischen Banners  in  ausdrucksvollem  Gegensatze  stehen,  tragen  ein  einheitliches 
Gepräge. 

Die  Zugänglichkeit  und  Empfänglichkeit  für  Fremdes,  das  unleugbar 
grosse  Aneignungs-  und  Nachahmungstalent  des  Portugiesen  musste  aber 
naturgemäss  den  Erfindungstrieb  abstumpfen.  Und  die  portug.  Litteratur, 
die  wir  in  §  i  eine  spätgeborene,  arme,  mit  der  spanischen  naheverwandte 
nannten,  wird,  weniger  originell  als  diese,  vielfachst  vom  Auslande  beein- 
flusst,  und  daher  etwas  charakterlos  sein. 

3.  Vor  einem  halben  Jahrhundert,  als  das  wissenschaftliche  vergleichende 
Studium  der  romanischen  Litteraturen  begonnen  hatte,  und  von  Portugals  schwer 
zugänglichen  alten  Schriftwerken  bereits  Kunde  und  einige  Proben  an  die 
Öffentlichkeit  gekommen  waren,  sind  zwei  ungefähr  gleichartige  Sätze  aufgestellt 
worden,  um  frühere,  von  Portugal  ausgegangene  und  durch  Bouterwek  und 
Sismondi  verbreitete,  irrige  Ansichten  über  Alter,  Geschichte  und  Wert 
der  portug.  Litteratur  aus  dem  Felde  zu  schlagen.  Der  eine  sagt  aus,  die 
portug.  Litteratur  sei  überhaupt  kein  auf  einheimischer  Grundlage,  aus  volks- 
tümlichen Elementen  frei  entstandener  Sonderbau,  sondern  ein  blosser  Annex 
der  spanischen  Nationallitteratur.  Der  andere  leugnet  ihre  Selbständig- 
keit zwar  nicht  ganz,  behauptet  jedoch:  sie  sei  vorwiegend  nachahmend, 
stets  von  fremden  Einflüssen  abhängig,  rein  rezeptiv,  nie  aber  im  wahren 
Sinne  des  Wortes  produktiv  gewesen;  ihre  Grundzüge  —  denn  von  Charakter 
könne  nicht  die  Rede  sein  —  wären:  Abhängigkeit  von  äusserem,  fremdem 
Einfluss ,  Nachahmungssucht ,  grosse  Geftigigkeit  und  eine  an  Weichlichkeit 
grenzende  Weichheit.  —  F.  Wolf  hatte  (1843)  diese  zweite,  mit  der  kurzen, 
summarischen  Darlegung  unseres  ersten  Paragraphen  in  vollem  Einklang 
stehende  Behauptung  noch  durchaus  massvoll  und  sachgemäss  formuliert, 
und  sie  begründet,  soweit  die  damalige  Kenntnis  portug.  Litteratur  es  eben 
gestattete.  Andere  haben  später  bald  den  einen,  bald  den  anderen  Satz  nach- 
gesprochen, ihn  übertreibend  statt  ihn  mildernd  zu  präzisieren. 

Heute,  nachdem  man  auch  die  Erzeugnise  der  Volkslitteratur  gesammelt 
und  herausgegeben,  weitere  wichtige  altportug.  Monumente  gedruckt  und  im 
Zusammenhange  mit  den  anderen  romanischen  Litteraturen  bereits  etwas  ein- 
gehender erforscht  hat,  und  nachdem  auch  gewisse,  damals  noch  strittige 
Einzelfragen  erörtert  und  zu  Gunsten  Portugals  entschieden  worden  sind, 
dürfen  jene  Behauptungen  nicht  mehr  uneingeschränkt  wiederholt  werden. 
Ganz  umzustossen  sind  sie  jedoch  nicht.  Denn  die  Hauptsachen:  Abhängig- 
keit von  fremden  Einflüssen,  intimer  Zusammenhang  mit  der  spanischen  Litte- 
ratur, und  ein  sentimentaler  elegischer  Grundzug  sind  nicht  abzuleugnen. 

4.  Es  ist  Thatsache,  dass  die  portug.  Kunstlitteratur,  gleich  bei  ihrem 
ersten  Keimen  im  Mittelalter,  sich  vor  dem  geistigen  Übergewichte  Nord- 
und  Südfrankreichs  beugte,  und  dass  sie  von  vornherein  als  höfischer  Minne- 
sang auftrat,  ohne  dass  seinem  Erblühen,  wie  in  Kastilien,  eine  einheimische, 
aus  volkstümlichen  Elementen  hervorgegangene  und  darauf  basierte  echt  nationale 
epische,  halb  volks-,  halb  kunstmässige,  kirchliche  und  ritterliche  Gegenstände 
behandelnde  Dichtung  vorausgegangen  wäre.  Es  ist  Thatsache,  dass  sie  im 
Zeitalter  des  Wiederaufblühens  der  Künste  und  Wissenschaften  Italiens  ge- 
lehrige Schülerin  ward;  Thatsache,  dass  sie  im  15.  und  17.  Jh.  (aber  auch 
im  16.)  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  des  so  viel  volk-  und  erfindungs- 
reicheren Nachbarstaates  gestanden,  und  sich  ihr  zeitweise  vollkommen  unter- 
geordnet hat,  auf  gewissen  Gebieten  fast   ganz  mit  ihr  verschmelzend.     Und 

9" 


132    LiTTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LlTT. 

Thatsache,  dass  im  i8.  Jh.  der  franz.  Klassizismus,  und  im  19.  die  Romantik, 
hauptsächlich  durch  ihre  franz.,  aber  auch  durch  ihre  engl.,  span.  und  deutschen 
Vertreter  bestimmend  auf  ihren  Entwickelungsgang  eingewirkt  hat,  Spuren 
hinterlassend,  die  noch  nicht  verwischt  sind,  obwohl  Naturalismus  und  Posi- 
tivismus einerseits,  und  ganz  neuerdings  Symbolismus,  Mystizismus  (=  Nephe- 
liliatismus)  ihre  Vertreter  in  den  Hintergrund  gedrängt  haben. 

5.  Doch  damit  ist  nicht  alles  gesagt.  Fehlt  am  Eingange  der  Litteratur 
auch  die  epische  Volkspoesie,  so  ist  doch  eine  lyrische  vorhanden.  Den- 
selben abendländischen  Einflüssen  und  Strömungen  ausgesetzt  waren,  und  ungefähr 
den  gleichen  Entwickelungsgang  nahmen  auch  die  übrigen  romanischen  Litte- 
raturen,  mit  einem  Unterschied,  von  dem  gleich  die  Rede  sein  wird.  Alle 
haben  empfangen  und  gegeben,  sind  Führer  und  Geführte  gewesen.  Absolute 
Originalität  ist  nirgends  zu  finden,  weder  was  den  StofT,  noch  was  die  Form 
betrifit.  Darauf  allein  kommt  es  doch  an,  wie  sie  nachgeahmt  haben.  Die 
blosse  Erscheinung,  dass  die  meisten  mittelalterlichen  und  neueren  geistigen, 
affektiven  wie  spekulativen  Errungenschaften  der  grossen  Kulturen  des  Occidents 
sich  überhaupt  bis  auf  den  äussersten  Westen  erstreckt  haben,  und  dass  Por- 
tugal ihnen  nicht  teilnahmlos  fern  bluib,  wäre  beachtenswert  als  Gradmesser, 
wie  für  die  Intensität  jener  Äusserungen,  so  für  die  Empfänglichkeit  und  An- 
eignungsfähigkeit  der  Portugiesen.  Doch  haben  diese  keineswegs  alles  unter- 
schiedslos an-  und  aufgenommen,  sondern,  ihren  natürlichen  Neigungen  gemäss, 
eine  Auswahl  getroffen  und  anders  nachgeahmt,  als  die  übrigen.  Sowohl  der 
Minnesang,  wie  die  Renaissance,  der  Klassizismus  wie  die  Romantik ,  sehen 
in  Portugal  portugiesich  aus;  ja  selbst  die  hispanischen  Erzeugnisse  tragen 
für  Kenneraugen  ein  der  nationalen  Eigenart  entsprechendes,  von  kastilischem 
Geiste  recht  wohl  zu  unterscheidendes  Gepräge.  Auch  haben  einige  von  den 
verpflanzten  Reisern  in  Portugal  kräftig  Wurzel  geschlagen  und  Blüten  getrieben 
von  seltener  Anmut,  verändert  in  Farbe  und  Duft. 

Die  zahlreichen,  als  blosse  Nachahmungen  (oder  sehr  wenig  eigentüm- 
liche Umgestaltungen)  fremder  Vorbilder  zu  bezeichnenden  Produkte,  sowohl 
der  Volks-  wie  der  Kunstpoesie  werden  aufgewogen  durch  ebenso  viele  freiere 
Gebilde,  und  in  Schatten  gestellt  durch  einige  Schöpfungen,  welche  heimischen 
Elementen  und  der  speziell-port.  Gefühlswelt  ihr  Dasein  und  ihre  Lebenskraft 
verdanken,  als  da  sind:  nicht  wenige  historische  Werke  grossen  Stils;  patrio- 
tische Volksbücher,  wie  die  »Seetragödien«  ;  das  Ritterbuch  von  Amadis\  der 
Schäferroman  Diana]  die  Lieder  des  verliebten  Macias;  manches  Idyll,  und 
dazu  eine  ausgebildete  Volkslyrik,  welche  schon  die  erste  Epoche  der  Trou- 
badours wohlthätig  beeinflusste.  Vor  allem  aber  die  historische  Epopöe.  Denn 
das  nationale  Heldengedicht,  welches  am  Eingange  der  port.  Litteratur  fehlt, 
steht  dafür  an  ihrem  Kulminationspunkte.  —  Der  eigentlich  peninsulare 
Heros  Gesamt-Hispaniens  lebte,  ehe  Portugal  als  Monarchie  existierte.  Das 
Poema  del  Cid  war  fertig,  als  das  junge  Westreich  eben  in  die  Geschichte 
eintrat.  Es  gehört  daher  der  ganzen  Nordhälfte  der  Halbinsel  an,  von  Coimbra, 
über  Toledo  bis  Valencia.  Und  ungefähr  das  gleiche  gilt  vom  historischen 
Romanzenschatze.  Wer  kann  beweisen,  dass  der  Westen  gar  keinen  Teil 
daran  hat?  Das  rein  und  speziell  portugiesische  Nationalepos  aber  bildet 
den  Schluss-Stein  seiner  Entwickelung.  In  vier  Jahrhunderten  glorreicher  Ge- 
schichte war,  langsam  doch  sicher,  das  Vaterlandsgefühl  Lusitaniens  erwachsen. 
Und  im  Augenblick  seines  höchsten  Erstarkens,  als  die  historische  Glanzzeit 
abgeschlossen  hinter  ihm  lag,  hat  es  thatkräftig  und  nicht  vergebens  danach 
gerungen,  auch  in  der  Litteratur  seinen  vollgewichtigen  Ausdruck  zu  finden. 
Es  verkörperte  sich  in  Luis  de  Camöes,  und  nahm  Gestalt  in  der  National- 
epopöe der  Lusiaden  (1572),  deren  patriotischer  Geist  sich  der  Nation  mit- 


Einleitung:  Charakter  d.  fort.  Litt.  Verhältnis  Port.'s  zu  Spanien.   133 

teilte,  und  (1640)  zündend  auf  die  Rückeroberung  der  1580  verlorenen  poli- 
tischen Selbständigkeit   einwirkte. 

6.  Man  mag  über  das  Verhältnis  von  Spanien  zu  Portugal  denken  wie 
man  will,  Eines  steht  fest:  unter  allen  kleinen,  einstmals  autonomen  Staaten 
der  Halbinsel  hat  eben  nur  einer  seine  Selbständigkeit  sieben  Jahrhundertc 
lang  gewahrt  (mit  nur  einmaliger  zeitweiliger  Unterbrechung  von  sechzig  Jahren) ; 
und  di?ser  eine  hat  eben  eine  selbständige  Sprache,  und  eine  eigene  Litte- 
ratur  gezeitigt,  die  sich  in  steter,  nie  unterbrochener  Entwicklung  fortbewegt 
hat,    bis  sie  einen  Dichter  von  VVeltruhm  und  ein  Kunstwerk  ersten  Ranges, 

-  ein  Nationalepos  —  ihr  Eigen  nannte.  Ihr  Werden  verdient  daher  Beachtung 
und  Interesse,  das  durch  die  so  oft  geringschätzig  erhobene,  wichtige  Erwägung 
nur  gewinnen  kann,  dass  sie  das  späte  Erzeugnis  eines  numerisch  kleinen,  und 
ursprünglich  vom  peninsularen  Gesamtgeist  und  -Charakter  wenig  verschiedenen, 
also  abhängigen,  und  seit  dem  Ausgang  des  16.  Jhs.  den  Strömungen  der 
europäischen  Geschichte  ziemlich  einfluss-  und  willenlos  hingegebenen  Volkes 
ist.  Die  lebensfähige  Kraft  und  Sonderbegabung  der  westlichen  Küstenbewohner 
wurzele  in  verschiedener  Racemischung;  sie  sei  ein  Resultat  der  natürlichen 
Lage  und  Gestaltung  des  Landes,  oder  nur  aus  dem  geschichtlichen  Werden 
des  staatlichen  Individuums  zu  erklären:  sie  ist  da,  und  man  muss  mit  ihr 
rechnen. 

Philipps  II.  Einigung  kam  zu  spät.  Hätte  der  Schmied  der  port.  Un- 
abhängigkeit, Nunalvares  Pereira,  nicht  bei  Aljubarrota  (1385)  die  Kastilianer 
aufs  Haupt  geschlagen,  und  die  zweite,  unecht-burgundische  Dynastie  auf  den 
Thron  gesetzt,  deren  weise,  tapfere  und  hochherzige  Regenten  die  Nation 
fortan  zur  Erfüllung  ihrer  atlantischen  Mission  und  zu  unerhörten  CJrossthaten 
von  Weltbedeutung  leiteten;  hätte  Vasco  da  Gama  und  Albuquerque  nicht 
gehandelt;  und  Luis  de  Camöes  seine  geschichtliche  Epopöe  nicht  geschrieben 
—  der  alte,  lange  Traum  von  einer  einheitlichen,  peninsularen  Universal-Macht 
wäre  wahrscheinlich  Wirklichkeit  geworden;  und  wie  das  Katalanische,  wäre 
das  Portugiesische  zum  Range  eines  Dialektes,  und.  seine  Nationallitteratur 
zu  einer  Provinziallitteratur  mit  intermittierenden  Lebensäusserungen  herab- 
gesunken. 

Doch  es  ist  eben  anders  gekommen.  Camöes  hat  gelebt,  und  lebt; 
und  durch  ihn  das  Volk  der  Lusiaden. 

Zwar  folgte  auf  jene  kurze  camonianische  Blütezeit  ein  langer  Zeitraum 
des  Verfalls.  Beim  Tode  des  Dichters  führte  das  Aussterben  der  zweiten 
Dynastie  das  an  seiner  unnatürlichen  Grösse  krankende,  menschenarme,  durch 
Hinduismus,  Inquisition  und  Jesuitismus  geistig  und  moralisch  geschwächte  Land 
in  die  bereits  erwähnte  60  jährige  Fremdherrschaft.  Und  nach  der  Befreiung 
wurde  das  Siechtum  noch  merklicher.  Erst  in  diesem  Jahrhundert  ward  die 
Litteratur  aus  ihrem  Marasmus  durch  den  patriotischen  Impuls  eines  Almeida- 
Garrett  und  Herculano  aufgerüttelt,  und  an  die  alten  Ruhmestitel  erinnert. 
Dank  ihrer  Anregung  wurde  auch  die  wissenschaftliche  Erforschung  der  natio- 
nalen Vergangenheit  ernstlich  in  Angriff  genommen.  Seither  rastet  sie  nicht. 
Und  ob  die  Litteratur  im  Grossen  und  Ganzen  auch  immer  noch  im  Schlepp- 
tau Frankreichs  einhergeht,  so  hat  doch  die  bewusste  Einsicht  in  das  was  sich 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  als  portug.  Nationalität  krystallisiert  hat,  dafür 
gesorgt,  dass  Wunsch  und  Trieb  nach  echt  portug.  Rückgestaltung  aller  Lebf^ns- 
äusserungen  immer  lebendiger  wird  und  dem  tiefwurzelnden ,  als  Schwäche 
erkannten  Hange  nach  Fremdländischem  mehr  und  mehr  Abbruch  thut,  so 
dass    eine  Neubelebung  auch  der  portug.  Litteratur  wenigstens  zu  hoffen  ist. 

7.  Das  Misverhältnis  zwischen  der  Beurteilung,  welche  Einheimische, 
bewundernd,    und  Fremde,    geringschätzig,  der  portug.  Litteratur   angedeihen 


i;^4    I^TTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.  —    4.    PORT.    LiTT. 


Hessen  und  lassen ,  hat  seinen  Grund  nicht  allein  in  der  Unkenntnis  dieser, 
und  eitler  Selbstüberhebung  jener.  Ein  besonderer  Umstand  —  oder  eigent- 
lich deren  zwei  —  erklären  und  berechtigen,  bis  zu  einem  gewissen  Punkte, 
die  beiden  Auffassungen.  Erstens,  Hunderte  von  portug.  Dichtern  haben 
kas tili  seh  geschrieben,  zur  Bereicherung  der  kastilischen  und  zur  Schwächung 
der  portug.  Litteratur  beitragend ,  und  zwar  auf  allen  Gebieten ,  im  Drama, 
in  der  Lyrik  und  Epik,  im  Roman,  der  Novelle,  Geschichtsschreibung,  Moral- 
philosophie, und  nicht  zum  wenigsten  im  Gebiete  der  Volksromanze.  Und 
zweitens:  ein  grosser  Teil  dessen  was  portug.  Schriftsteller  geschaffen,  ist 
unbekannt  geblieben,  verloren,  oder  verschollen.  In  der  landläufigen  Beur- 
teilung durqh  Fremde,  und  die  Spanier  selbst,  geht  nun  den  Portugiesen  natür- 
lich verloren,  was  sie  Spanisch  verfassten,  und  noch  mehr  als  das:  auch  manches 
Portugiesische,  was  seinen  Weg  durch  Spanien  genommen  hat,  ehe  es  im  Auslande 
bekannt  ward;  denn  jeder  Peninsular  war,  und  ist  noch  heute,  für  den  ganz 
ungeschultcn  Fremden  kurz  und  gut  ein  Spanier.  Das  verlorene  Hab  und  Gut 
braucht  er  nicht  zu  berücksichtigen.  Wenn  der  Portugiese  aber  veranschlagt,  was 
ihm  die  Welt  schuldet,  so  denkt  er  naturgcmäss  auch  an  alle  die  Werke,  die 
er  zur  kastilischen  Litteratur  beigesteuert  hat;  er  denkt  an  seine  Lateinisch 
schreibenden  Humanisten,  denkt  an  alles  was  abhanden  gekommen  oder  noch 
zu  heben  ist;  ja  er  verwechselt  und  mischt  Schriftsteller  -  Werke  mit  Thaten, 
rechnet  die  Heldengestalten  seiner  Geschichte  unter  die  Figuren  seiner 
Dichter  und  Denker  und  sogar  alles  was  er  an  Stoffen  und  Gestalten  zu 
dichterischen  Schöpfungen  anderer  geliefert  hat,  schwebt  ihm  dabei  vor. 

8.  Die  Erscheinung,  dass  nicht  wenige  Portugiesen  ihre  Gesamtschriften, 
und  sehr  viele  wenigstens  einen  beträchtlichen  Bruchteil  ihrer  Werke,  statt  in 
der  Muttersprache,  Kastilisch  geschrieben  haben,  ist  sehr  verschieden  beurteilt, 
nie  und  nirgend  aber  sachlich  und  historisch  dargelegt  worden. 

Die  Spanier,  welche  sich  gewöhnt  haben ,  übertreibend  zu  behaupten : 
kein  bedeutender  portug.  Schriftsteller  existiere,  der  nicht  ostensiv  das  Spanische 
seiner  eigenen  Sprache  vorgezogen  habe,  wollen  darin  eine  Huldigung  erkennen, 
die  ihrem  sonoreren,  charaktervollen  Idiom  und  ihrem  führenden  Genius  dar- 
gebracht wurde ,  gleichviel  ob  bewusst  oder  unbewusst ;  und  sie  sind  damit 
zufrieden  und  einverstanden. 

Die  ausländische  Kritik  denkt  ungefähr  ebenso;  rügt  aber  das  Aufgeben 
des  heiligen  Besitzes  der  Muttersprache  als  leichtsinnige  Charakterlosigkeit, 
eitle  Spiegelfechterei,  Mangel  an  Patriotismus,  ja  niedrige  Schmeichelei  an 
die  Adresse  der  Fremdherrscher,  deren  Gunst  man  damit  zu  erkaufen  dachte 
—  (gleich  als  hätte  jene  Unsitte  erst  im  philippinischen  Zeitalter  begonnen !) 

Die  Portugiesen  selbst  tadeln  teils  entschieden  das  Spanischschreiben 
ihrer  Landsleute,  teils  rühmen  sie  sich  ihres  talentvollen  Polyglottismus,  der 
nicht  selten  ein  und  denselben  Dichter  befähigt  hat,  abwechselnd  (oder  auch 
gleichzeitig!)  in  vier  Zungen  zu  reimen  (Portug.,  Span.,  Ital.  und  Lat.); 
oder  sie  entschuldigen  und  rechtfertigen  es  mit  der  Bemerkung:  »Niemand 
in  Europa  lese  Portugiesisch ;  Spanisch  hingegen  sei  Weltsprache  gewesen,  und 
finde  selbst  heute  noch  überall  ein  Ohr« ! 

Prinzipieller  Tadel  ist  unangebracht.  —  Ist  es  doch  noch  Niemandem 
eingefallen,  die  zahlreichen  Nichtportugiesen  aus  Genua,  Sevilla,  Burgos,  Valla- 
dolid  u.  s.  w.  zu  schmähen,  welche,  drei  Könige  an  ihrer  Spitze,  vom  12.  bis 
zum  15.  Jh.,  sich  des  Altportugiesischen  bedienten,  sobald  sie  höfische  Minne- 
lieder anstimmen  wollten!  1  —  Nützlicher  und  aufklärender  ist  es,  die  Haupt- 

'  Da  Altportugiesisch  und  Altgallizisch  ein  und  dasselbe  sind,  Gallizien  aber  zu  Spanien 
gehölt,  konnten  diese  Hispanier,  freilich  mit  einem  gewissen  Rechte,  die  Sprache  der  penin- 
sularen Troubadours  für  eine  heimische  ansehen. 


EiNLEiT. :  Verhältnis  Portugals  zu  Spanien.  Span.Littspr.  inPortug.  135 

daten  aus    der  Geschichte   der    in   der  Natur   der  Sachlage   begründeten    Er- 
scheinung zu  skizzieren.     Sic  ist  weniger  alt  als  man  denken  sollte. 

Bis  1350  hat  es  keinen,  und  auch  bis  1450  nur  einen  eingeborenen  Por- 
tugiesen gegeben,  der  Kastilisch  geschrieben  hätte.  Dass  Peter  der  Grausame 
vor  1355  an  seine  Ines  de  Castro  spanische  Lieder  gerichtet  habe,  ist  falsch 
(s. §  75);  falsch  auch,  dass  der  Prinz-Regent  gleichen  Namens  (139 2- -1449) 
an  den  kastilischen  Hofdichter  Juan  de  Mena  in  anderer  als  in  der  Mutter- 
sprache geschrieben  habe  (s.  ^87).  Obwohl  in  den  ersten  Jahrhunderten  das  junge 
Küstenreich  noch  keine  festen  Ostgrenzen  hatte,  und  gewisse  Gebietsteile  bald 
kastilischen  (oder  leoncsischen),  bald  portugiesischen  Herren  gehörten,  obgleich 
auch  die  Vasallen  und  Ricoshomes  beider  Kronen  sich  sehr  oft  entnaturalisierten, 
das  Löwenbanner  mit  den  Quinas  vertauschend,  obwohl  auch  der  vielfachst 
verschwägerte  Adel  der  Halbinsel  nur  eine  grosse  Familie  bildete,  und 
man,  bald  in  gemeinsamem ,  bald  in  gegnerischem  Kampfe  fortwährend  mit 
einander  zu  thun  hatte,  fiel  es  damals  doch  noch  keinem  Dichter  ein,  seine 
Heimatzunge  aufzugeben.  Alle  Dialekte  der  den  Mauren  entrissenen  Provinzen, 
nicht  bloss  Gallizisch  und. Kastilisch,  sondern  auch  Leonesisch  und  Aragonesisch 
waren  anfangs  gleichberechtigt  und  gleichwertig.  Das  Kastilische  war  eben 
noch  nicht  herrschende  Schriftsprache.  Auch  standen  gerade  die  nörd- 
lichen und  nordwestlichen  Mundarten- — Leonesisch,  Asturisch,  Gallizisch  und  Por- 
tugiesisch —  einander  und  dem  Altkastilischen  noch  sehr  nahe,  und  man  verstand 
einander  ohne  Mühe.  Erst  mit  dem  Erblühen  einer  eigentlichen  Hofpoesie 
an  bestimmten  Mittelpunkten  kam  man  dazu,  eine  grössere  Einheitlichkeit  zu 
erstreben.  Dass  das  Gallizische  oder  das  Portugiesische  (denn  beides  ist 
dasselbe)  die  Sprache  aller  peninsularen  (nicht-katalanischen)  Minnesänger  ward, 
während  die  Epiker  unentwegt  kastilisch  oder  leonesisch  schrieben ,  ist  be- 
kannt. Das  »Warum«  gehört  nicht  an  diese  Stelle;  auch  nicht  die  Dar- 
legung, wie,  wann  und  warum  die  Sprache  Kastiliens  die  herrschende  ward. 
Als  kurz  nach  1450  ein  von  Geblüt  portug.  Prinz,  der  jedoch  der  Sohn  eines 
aragoncsischen  Fürstin  war,  sein  erstes  Poem,  das  er  anfangs  in  der  Heimatsprache 
verfasst  hatte,  in  Spanien  ins  Kastilische  übertrug,  und  diese  yyNovidade^  an  den 
portugiesischen  Hof  sandte,  war  jene  wichtige  Wendung  angebahnt  und  vorbe- 
reitet, doch  noch  nicht  entschieden  durchgeführt.  DerältereFreund  und  Meister  des 
Prinzen,  der  1458  gestorbene  Markgraf  von  Santillana,  hat  noch  ein  gallizisches 
Lied  geschrieben,  —  wohl  das  letzte  (s.  §  107).  Die  Veranlassung  zu  jener 
Übertragung  war  eine  äussere:  das  persönliche  Lebensschicksal  des  Condestaval 
Dom  Pedro  de  Portugal  (1429 — 1466),  den  des  Vaters  Tod  und  Nieder- 
lage bei  Alfarrobeira  (1449)  in  die  Verbannung  und  an  den  Hof  von  Kastilien 
getrieben  hatte  (s.  §  102 — 103).  Innere  Ursache,  der  grosse  Aufschwung,  den 
die,  von  Katalonien  und  Italien  beeinflusste  kastil.  Lyrik  damals  nahm,  gerade  als, 
nach  dem  langen  portug.-provenzalischen  Liederfrühling,  in  Portugal  gänzliches 
dichterisches  Stillschweigen  eingetreten  war.  Heimgekehrt  verpflanzte  der 
Schüler  Santillana's  die  neuen  peninsularen  Formen  —  die  oitavas  de  arte 
viayor,  die  Cancion  und  andere  trovas-redondühas  an  den  portug.  Hof.  Und 
das  bewährte  Nachahmungstalent  der  portug.  Höflinge,  der  stets  rege  Wunsch, 
es  den  Spaniern  gleichzuthun,  oder  sie  zu  überbieten,  führte  dahin,  dass  man 
sich  jetzt  beider  Zungen  um  die  Wette  bediente.  Spanische  Prinzessinnen  — 
Töchter  Isabellas,  und  Töchter  und  Schwestern  Kaiser  Karls,  vermählten  sich 
dann,  während  der  nächsten  100  Jahre,  mit  portug.  Herrschern  und  Prinzen, 
während  portug.  Prinzessinnen  schon  in  ihrer  Kindheit  für  den  spanischen 
Thron  bestimmt  und  erzogen  wurden.  Kastilisch  ward  Hofsprachc,  nicht 
allein  wegen  der  wachsenden  Machtfülle  der  Habsburger,  sondern  weil  der 
Traum  eines  Einheitsstaates  oft  seiner  Verwirklichung  entgegen  zu  gehen  schien. 


136  Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  4.  Port.  Litt. 

Denn,  hoffle  man  auch  lange,  dass  in  diesem  Einheitsstaate  portug.  Dynasten 
das  Szepter  führen  würden  und  hielt  man  auch  Lissabon  für  die  zukünftige  Haupt- 
stadt, so  glaubte  doch  Niemand  ernstlich  daran,  dass  die  portug.  Sprache 
weniger  Millionen  je  die  herrschende  werden  könnte.  Spanisch  also  musste 
man  lernen.  Dazu  kamen  bei  der  Einführung  der  ital.  Weisen  die  erheblichen 
Schwierigkeiten ,  welche  die  vokalreiche  Sprache  mit  ihren  starkverkürzten 
Formen  für  den  Hendekasyllabus  bot.  Mancher  Dichter  lernte  es  absichtlich 
am  Kastilischen,  ihn  zu  handhaben.  Es  folgte  die  span.  Herrschaft,  —  sechs 
Jahrzehnte,  in  denen  naturgemäss  der  Hof-  und  Staatsdienst  zur  Benutzung  des 
Kastilischen  zwang  — ,  und  ihre  unvermeidliche  Nachwirkung  auf  die  noch 
vor  1640  geborene  Generation.  Als  sie  vorbei,  der  Gedanke  an  die  Ge.- 
samtmonarchie  verflogen  und  alles  Spanische  im  Niedergang  war,  hatte  das 
Spanischschreiben  keinen  Sinn  mehr.     Es  hörte  auf. 

Ausschliesslich  Spanisch  haben  übrigens  im  Ganzen  doch  nur  wenige 
Portugiesen  geschrieben,  und  zwar  meist  solche,  die  ihre  Lebensschicksale  aus 
dem  Vaterlande  fortgeführt  hatten.  Die  übrigen  begnügten  sich  damit,  dann 
und  wann  spanische  Gelegenheitsgedichte  abzufassen ,  dazu  veranlasst  durch 
höfischen  oder  freundschaftlichen  litterarischen  Verkehr  mit  Spaniern  und 
Spanierinnen.  Das  genaue  Verhältnis  ist  ein  anderes  als  manche  glauben. 
Camöes  mag  als  Beispiel  dienen.  Sein  Epos  ist  portug.  geschrieben.  Unter 
all  seinen  Canzonen,  1  Oden,  Oktaven  und  Sextinen  ist  keine  einzige  spanische; 
unter  den  Elegien  stehen  nur  zwei  fremdsprachige,  2  neben  25  in  der  Mutter- 
sprache. Diese  zwei  aber  sind  arg  entstellt  und  höchst  wahrscheinlich  unecht. 
Sämtliche  Idylle  sind  national.  Nur  in  oiner  singt,  folgerichtig,  die  spanische 
Infantin  Donna  Juana,  Philipps  Schwester,  einen  span.  Klagegesang  auf  den 
portug.  Kronprinzen,  ihren  Gatten.  Im  Liederbuche  sind  von  150  Nummern 
nur  15  (oder  richtiger  nur  ein  Dutzend^)  in  der  Nachbarzunge  verfasst.  Und 
sie  alle  sind,  ausnahmslos,  Glossen  und  Volten  auf  spanische  Liederfragmente, 
mit  singbaren  Modemelodien,  die  dem  jugendlichen  Camöes  (1545 — 155°) 
bei  Hoff,  wahrscheinlich  von  span.  Hofdamen  der  span.  Königin,  zur  Behand- 
lung empfohlen  waren.  Von  den  354  Sonetten,  die  man  ihm  zugeschrieben, 
ist  thatsächlich  etwa  ein  Zehntel  kastilisch.  Doch  gehören  alle  36,  die 
ich  kenne,  zu  den  erst  im  17.  Jh.,  während  der  span.  Herrschaft,  von  dem 
kritiklosen  und  fanatischen  Faria  e  Sousa  in  Spanien  aus  sehr  zweifelhaften 
Handschriften  aufgelesenen.  Und  welches  darunter  unbeanstandet  als  echt  zu 
bezeichnen  wäre,  wüsste  ich  nicht  zu  sagen.  * 

In  den  Bühnenstücken  aber,  welche  von  span.  Schriftgelehrten  oft  einfach 
für  Spanien  in  Anspruch  genommen  werden,  stehen  nur  einige  kleine  span. 
(iesangseinlagen  und  Citate.  Ausserdem  bedient  im  Filodemo  ein  Hirt  nebst 
seinem  Buben,  und  in  den  Amphitrionen  Merkur,  so  oft  er  als  Sosias  auftritt, 
und  Sosias  selber  sich  der  fremden  Zunge,  —  des  künstlerischen  Effektes  willen, 
also  abermals  mit  Absichtlichkeit. 

Im  ganzen  haben  von  1450  bis  1750  etwa  500 Portugiesen  der  erwähnten 
Sitte  gehuldigt,  die  man  alsPortugiese  natürlich  beklagen  muss,  da  sie  dieNational- 


1  Nur  Th.  Braga  schrieb  Camöes  (1880)  eine  span.  Canzone  zu.  Mit  Unrecht. 
Bellisima  Isabel  cuya  hermosura,  ist  von  Figueroa. 

^  Elegia  XVI:   „Zä  sierra'^   und  XVII:  De  pena  en  pena. 

•'*  Drei  sind  fremde  Arbeit:  Olvide  y  aborreci  i.st  von  Ga  rcisanche  z.  —  Ay  de  mi 
von  D.  Manuel  de  Portugal  und    Ted  estoy  von  Diogo  Bernardes. 

*  Es  finden  sich  darunter  Sonette,  die  notorisches  Eigentum  von  Garcilaso, 
Mendoza,  Montemor,  Miranda,  Bernardes,  Brito,  Manuel  de  Portugal, 
Rodrigues  de  Castro,  und  Graf  Ale  n  quer  sind.  —  r3ie  beiden  ersten  Ausgaben 
der  kamonianischen  Lyrik  (1595  u.   1598)  enthalten  kein  spanisches  Sonett! 


EiNLEiT.:   Span.  Littspr.  in  Port.  —  Portug.  Publtkationsweise.     137 


litteratur  um  manches  bedeutende  Werk  betrogen,  viele  Talente  auf  Irrwege 
geführt,  und  im  Auslande  eine  schiefe  Meinung  vom  Patriotismus  der  Portugiesen 
geweckt  hat,  gerade  wie  man  es  beklagen  darf,  dass  im  16.  Jh.  so  viele  vor- 
treffliche Denker  und  Forscher,  nicht  nur  ihre  gelehrten,  humanistischen  Prosa- 
schriften lateinisch  abgefasst,  sondern  auch  ihrer  dichterischen  Befähigung 
mühsame  Aufgaben  in  exotischen  Sprachen  gestellt  haben,  statt  derselben  freie 
Entfaltung  in  der  so  schönen  und  reichen ,  und ,  seit  ihrer  Rückbildung  zu 
grösserer  Latinität,  auch  zu  allen  dichterichen  Zwecken  brauchbaren  Mutter- 
sprache zu  erlauben. 

9.  Auch  die  Nationalität  manches  peninsularen  Dichters,  der  Spanisch 
geschrieben  hat,  ist  ungewiss.  Die  Gleichheit  vieler  Orts-  und  Familiennamen, 
und  das  häufige  Ein-  und  Auswandern  von  Spaniern  nach  Portugal  und  von 
Portugiesen  nach  Spanien  gab  Veranlassung  zu  Irrtümern  und  Streitigkeiten 
über  die  Zugehörigkeit  des  einen  oder  andern.  Sie  sind  von  wenig  Belang, 
weil  der  einfache  gesunde  Menschenverstand  immer  Spanisch-Geschriebencs 
zur  Span.  Litteraturgeschichte  rechnen  wird,  unbekümmert  um  die  Herkunft 
des  Verfassers.  Anders  steht  es  mit  Werken,  die  in  beiden  Idiomen  vorhanden 
sind  (wie  z.  B.  der  Palmeirim  von  England),  und  deren  Priorität  beide  Nationen 
für  sich,  doch  im  Namen  verschiedener  Dichter,  in  Anspruch  nehmen.  Anders 
und  schwieriger,  wenn  ein  vermeintliches  portug.  Original  verloren  oder  ver- 
schollen ist,  und  nur  die  span.  Bearbeitung  sich  erhalten  hat,  wie  beim  Amadis. 
Mit  wie  guten  Gründen  die  Portugiesen  in  solchen  Fällen  auch  ihr  Recht  auf 
verlorenes  und  gestohlenes  Gut  verteidigen,  wo  unanfechtbare  Beweisführung 
nicht  möglich  ist,  das  Ausland  wird  immer  geneigt  sein,  Partei  zu  nehmen 
für  Spanien,  an  dessen  originale  Dichterkraft  es  glaubt,  und  gegen  Portugal, 
dessen  unerhörter  Verschwender-Leichtsinn  ihm  nur  ungenügend  bekannt  ist, 
und,  wenn  bekannt,  vollkommen  unverständlich  und  unglaubwürdig  erscheint. 

IG.  Eine  Vorstellung  zu  geben  von  der  grenzenlosen  Sorglosigkeit  der 
Portugiesen,  ihrem  Besitze,  Ruhme  und  guten  Namen  gegenüber,  ist  schwer. 
Diese  Untugend  — -  die  hässliche  Kehrseite  ihrer  grossmütigen ,  chevaleresken 
Ritter-  und  Dichternatur,  die  dem  Idealen  nachjagt,  und  das  Reale  allzu  oft 
aus  den  Augen  verliert,  — ^  ist  seit  dem  zweiten  Viertel  des  16.  Jhs.  von  den 
Portugiesen  selbst  andauernd  und  aufs  schärfste  als  verhängnisvoller  »desleixo« 
bekannt,  beklagt,  verlacht,  gegeisselt,  aber  nie  aufgegeben  worden.  Nicht 
genug  damit,  dass  so  viele  Hunderte  von  Dichtern  ihre  Geisteskraft  dem 
Vaterlande  entzogen,  indem  sie  fremde  Zungen  redeten,  hat  man  thatsächlich 
nicht  einmal  dafür  Sorge  getragen,  wenigstens  das  vorhandene,  immerhin  noch 
reiche,  geistige  Hab  und  Gut  der  Nation  zu  erhalten  und  nutzbar  zu  machen,  und 
jedem  treu  und  redlich  das  Seine  zu  geben.  Der  Autor  selbst  dichtete  und  schaffte, 
und  Hess  sichs  genug  sein  an  Preis  und  Lob  der  nächsten  Freunde.  Selten  fiel  es 
ihm  ein ,  seine  Werke  zu  sammeln  und  zu  sichten ,  und  sie ,  gedruckt  oder 
geschrieben,  in  definitiver  authentischer  Gestalt  zu  hinterlassen.  Ungeordnet,  in 
Dutzenden  von  echten  und  unechten  Lesarten,  denUnbilden  des  Zufalls  ausgesetzt, 
hinterblieben  dieselben  meisthin  zerstreut  in  handschriftlichen,  von  Laien  zu  ihrem 
Vergnügen  unmethodisch  zusammengestellten  Gedichtalbums,  fast  immer  ohne 
klare  Angabe  der  Autornamen  und  aufklärende  Didaskalien.  Oft  sind  es  gleich- 
gültige Fernstehende,  bestenfalls  dankbare  Freunde  oder  Verwandte,  in  deren 
Besitze  .  die  Texte  verbleiben.  Entschliessen  diese,  oder  spätere  Nachkommen 
sich  zur  Herausgabe,  oder  sammeln  sie  gar  sonsthin  Zerstreutes,  so  geschieht 
es  doch  meist  kritiklos  und  ohne  liebevolle  Fürsorge.  Gute  xA.usgaben  mit  ge- 
nügender Drucklegung  sind  selten.  Die  Vorreden  enthalten  meist  nur  vage 
Lobsprüche.  Das  Leben  und  Wirken  der  Dichter  bleibt  unbekannt:  genaue 
Daten  und  Portraits  mangeln.     Memoiren,  Briefwechsel,  Autobiographien  sind 


138    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LlTT. 


äusserst  selten.  Vieles  ist  unwiderbringlich  verloren:  das  allzu  oft  zur  Erklärung 
herbeigezogene  Erdbeben  hat  thatsächlich  manche  kostbare  Bibliothek  zerstört; 
die  der  Klosteraufhebung  folgende  Plünderung  viele  Sammlungen  in  alle  Winde 
zerstreut.  Nicht  weniges  aber  ruht  noch  heute  in  öffentlichen  Bibliotheken  des 
In-  und  Auslandes,  oder  in  Privatbüchereien.  —  Bei  Hunderten  von  Gedichten 
weiss  man  positiv  nicht,  wer  ihr  Verfasser  ist;  denn  nicht  einem,  sondern 
vielen  wird  ein-  und  dasselbe  Lied  in  den  verschiedenen,  unzuverlässigen 
Abschriften  zuerteilt.  Und  eine  Menge  von  kleinen  Kontroversen,  sowie  eine 
Reihe  von  recht  unerquicklichen  Prozessen  über  Plagiate  und  Diebstähle  knüpfen 
sich  an  solche  »zweifelhafte«  Werke.  Auch  Fälschungen  und  Erfindungen 
fehlen  keineswegs.  Nicht  einmal  im  königlichen  Staatsarchiv  niedergelegte 
Handschriften  waren  treuer  Obhut  sicher.  Umfangreiche  Bände  von  Königen 
und  Königssöhnen  sind  abhanden  gekommen.  Und  wie  sehr  im  Argen  die 
Lyrik  des  grössten  und  gefeiertsten  portug.  Dichters  liegt,  ist  hinlänglich  bekannt. 

11.  Wie  erklärt  sich  und  wo  wurzelt  diese  Missachtung  fremden  und 
eigenen,  geistigen  Eigentums?  Diese  leichtsinnige  Verschwendung?  Die  Anti- 
pathie gegen  Genauigkeit,  positive  Daten,  trockene  Thatsachen?  Ich  halte  sie, 
wie  schon  gesagt,  für  die  traurige  Kehrseite  des  portug.  Dichtertalentes,  ihres 
natürlichen  Reichtumes,  ihres  weitherzigen,  gross-sinnigen  Kosmopolitismus. 
Das  Dichten  wird  diesen  beanlagten,  empfänglichen  und  empfindlichen  Küsten- 
bewohnern allzu  leicht.  Fast  jeder  kann  es.  Fast  jeder  thut  es.  Und  geht 
heute  ein  Lied  verloren,  so  macht  man  morgen  ein  neues.  Wozu  also  mühe- 
volles, geduldiges,  langweiliges  Feilen,  Sammeln  und  Kopieren,  wenn  man  so 
mühelos  zu  improvisieren  versteht?  So  wird  die  hohe  Kunst  ein  Zeitvertreib  für 
Grosse  und  Kleine,  ein  hübsches,  geselliges  Talent,  das  der  einzelne  für  einen 
regen,  kleinen  Kreis  kultiviert  und  in  Kleinigkeiten  verzettelt  und  verschleudert. 
Was  man  selber  ohne  Arbeit  und  Kampf  erlangt,  achtet  man  aber  meist  auch 
bei  andern  wenig.  Alles  heimische  Zeitgenössische  wird  daher  herabgesetzt, 
und  über  die  Achsel  angesehen.  Nur  das  zeitlich  oder  räumlich  Fernliegende, 
Fremde  wird  bewundert  und  nachgeahmt.  Um  das  Nationale  kümmert  man 
sich  erst  wenn  es  veraltet,  oder  verloren  ist.  Man  lernt  es  schätzen  erst  wenn 
nur  traditionelle  Berichte  und  vage  Erzählungen  über  einen  Autor  und  sein 
Werk  übrig  sind;  oder  wenn  das  Ausland  sein  lobendes  Veredictum  über  die- 
selben abgegeben  hat.  Gerade  aber,  weil  durch  eigene,  in  ihren  besten  Eigen- 
schaften begründete Scnuld  so  vieles  eingebüsst  ist,  und  der  Beweis  für  so  manche 
seit  Jahrhunderten  gläubig  nachgesprochene  Behauptung  nicht  zu  erbringen  ist, 
schlägt  bei  einsichtigen  Patrioten  die  übliche  Gleichgültigkeit  ge'gen  Besitz- 
stand, Ruhm  und  guten  Namen  der  Nation  leicht  in  das  Gegenteil  um:  Ärger, 
Groll  und  Reue  über  die  romantische  Uneigennützigkeit  und  unpraktische 
Sentimentalität  tönen  aus  in  lautem  Prahlen ;  man  übertreibt  die  Grösse  und  den 
Wert  des  verlorenen  Schatzes  und  steigert  bis  ins  Ungemessene  die  Verehrung 
der  wirklich  vorhandenen  grossen  Dichter  und  ihrer  Werke,  macht  dadurch  aber 
das  Ausland  immer  kritischer  und  ungläubiger.  —  Und  eine  zweite  verhängnis- 
volle Folge  der  Einsicht  in  jene  Verluste,  ist  die  Versuchung,  entstandene 
Lücken  durch  gefälschte  Dokumente  auszufüllen. 

12.  Neuerdings,  seitdem  die  Romantiker  Gar rett  und  Herculano  den 
Sinn  für  Erforschung  der  heimischen  Vorzeit  geweckt,  hat  man  jedoch  ernstlich 
versucht,  Versäumtes  nachzuholen,  Verborgenes  ans  Licht  zu  ziehen.  Ver- 
schollenes neu  aufzufrischen;  wahres  Verdienst  zu  würdigen;  falsche  Ruhmes- 
titel fahren  zu  lassen;  Dichter  zweiten  Ranges,  die  zum  Preise  Grösserer  mit  Un- 
recht herabgesetzt  und  verunglimpft  worden  waren,,  wieder  zu  Ehren  zu  bringen  ; 
rücksichtslos  übertünchten  und  modernisierten  Kunstwerken  ihre  wahre  Gestalt 
zurückzugeben,  kurz  der  geschichtlichen  Wahrheit  nachzuforschen.  Manches  ist 


EiNLEiT. :  Port.  Bemühungen  UM  DIE  PORT.  Litt.   Bearbeitungen  ders.    139 

gethan,  und  die  deutsche  Wissenschaft  hat  kein  geringes  Teil  daran.  Sehr 
viel  aber  bleibt  noch  zu  thun.  Endgültig  aufgeklärt  sind  wenige  Fragen.  Wahr- 
heit und  Dichtung  sind  noch  nicht  reinlich  von  einander  geschieden.  Eine 
Denkmäler-Sammlung,  welche  wenigstens  die  Hauptwerke  der  Litteratur  ent- 
hielte, ist  nicht  vorhanden.  Kritische  Textausgaben  fehlen  fast  ganz.  Nur 
die  Lusiaden  (die  ja  freilich  nach  Schlegel  eine  Litteratur  bedeuten)  sind  hin- 
länglich gewürdigt,  und  vielleicht  erschöpfend  behandelt.  Die  Biographien  der 
Dichter  sind  immer  noch  zu  schreiben.  Das  Verhältnis  zu  den  fremden  Litte- 
raturen  ist  nur  skizziert,  für  keine  Epoche,  kein  Genre,  keinen  Dichter  aber 
gründlich  bis  ins  einzelne  dargelegt. 

13.  Eine  vollständige  und  zusammenhängende  Geschichte  der  portug. 
Nationallitteratur,  welche  allen  Anforderungen  an  Kritik,  Pragmatismus,  Eben- 
mass  und  Genauigkeit  durchaus  entspräche,  ist,  da  die  Vorarbeiten  fehlen, 
welche  die  Basis  zu  solchem  Werke  bilden,  heute  daher  noch  ebenso  unaus- 
führbar wie  zu  Wolfs  Zeiten.  Doch  besitzen  wir  jetzt  wenigstens  überhaupt 
eine  »Geschichte  der  portug.  Litteratur«  sowohl  in  breiter  Anlage,  als  auch  in 
kurzer  Übersicht,  Dank  der  grossartigen,  unermüdlichen  Thätigkeit  des  portug. 
Gelehrten  und  Dichters,  dessen  Name  neben  dem  meinen  an  der  Spitze  dieses 
Abrisses  steht.  Seine  zahlreichen  littcrarhistorischen  Schriften,  in  welchen  die 
Litteratur  im  Lichte  der  geschichtlichen  Mission  Portugals  und  seines  National- 
Charakters  betrachtet,  und  der  Versuch  gemacht  wird,  darzuthun,  wann  sie  in 
Nachahmung  träge  hinschleichend,  im  Schlepptau  fremder  Führer  einherging,  und 
wann  sie  frisch  in  organischer  Entwicklung  emporgeschossen  ist,  typische  Werke 
schaffend  und  ihrerseits  andere  Litteraturen  beeinflussend,  sowie  das  Warum  dieser 
Erscheinungen  aufzudecken,  und  es  zu  begründen,  an  der  Hand  ethnographischer 
'Theorien  und  philosophischer  Systematisierungen,  haben  die  Kenntnis  portug. 
Schriftwerke  bedeutend  über  den  Haltepunkt  hinausgeftihrt,  bis  zu  dem  die  bahn- 
brechende Arbeit  von  Bouterwek  und  dem  ihm  nachschreibenden  Sismondi, 
die  Gruppierungen  von  Ferdinand  Denis  und  Almeida-Garrett  und  be- 
sonders die  kritischen  Untersuchungen  von  Bellermann,  Diez  und  F.  Wolf  sie 
gebracht  hatten.  Theophilo  Braga's  Werke  sind  eine  Fundgrube  von  wichtigen 
Nachrichten,  lichtvollen  Gedanken,  kühnen  und  neuen  Zusammenstellungen,  wert- 
vollen Listen  und  Übersichten,  absolut  unentbehrlich  für  Jeden,  der  sich  mit  Por- 
tugiesischem beschäftigt.  Ein  fertiges,  abgeschlossenes  und  einheitliches  Werk  aber 
bilden  die,  unter  dem  Gesamttitel:  »Hisioria  da  LitteraturaPortugueza<^  zusammen- 
gereihten Bände  nicht.  In  der  Jugend  von  einem  strebsamen,  phantasievollen 
Studenten  begonnen,  der,  mit  dem  Wagemut  des  Fehlens,  das  durch  Selbst- 
studium rasch  Erworbene  mit  unglaublicher  Leichtigkeit  in  Lehrbücher  um- 
setzte, und  25  Jahre  hindurch  (1867 — 1892)  in  gleicher  Weise  weiterforschte 
und  weiterschrieb,  sind  nicht  in  der  Stille,  langsam  gediehene,  ausgereifte, 
wissenschaftlich-vollwertige  Leistungen,  sondern  vor  der  Zeit  durch  Frühlings- 
stürme vom  Baum  geschüttelte ,  zum  Teil  noch  recht  herbe  Früchte.  Sein 
letztes  Wort  hat  der  rastlos  weiterschaffende,  alle  neuentdeckten  Quellen  aus- 
nutzende, fremde  Errungenschaften  sofort  aufnehmende,  und  kraft  derselben 
eigene  und  fremde  Irrtümer  stürzende  Litterarhistoriker  in  keinem  seiner  bis- 
herigen Werke  gesprochen.  Eine  ruhige  und  bestimmte,  klare  und  knappe, 
genaue  und  ebenmässige  Darstellung,  eine  einmalige,  abschliessende  Erörte- 
rung jeder  Frage,  mit  einfacher  Feststellung  des  Thatbestandes  da,  wo  Ur- 
teile unangebracht  sind,  erwarte  man  nicht.  Dieselben  Dinge  werden  oft  mehr 
als  ein  Mal  behandelt  und  keineswegs  immer  übereinstimmend  entschieden. 
So  wenig  wie  Wiederholungen,  fehlen  unvereinbare  Widersprüche,  sowohl  was 
Thatsachen  und  Daten,  als  auch  Meinungen  betrifft.  Unbesehen  darf  der  Leser 
daher  keinen  Satz  und  kein  Ergebnis  annehmen.     Er  liefe  sonst  Gefahr  vom 


140    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LlTT. 


Verfasser  selbst  widerlegt  zu  werden.  Der  Dispositionsplan  »  Theoria  da  Historia 
da  Litteratura Fortugueza«  ist  3  Mal  umgestaltet  worden ;  das  Handbuch  -»ManuaU 
zwei  Mal;  über  die  Zusammenordnung  der  in  bunter  Reihe  erschienenen  Bände 
ward  erst  nachträglich  und  aufrecht  verschiedene  Weise  verfügt;  und  demgemäss 
über  die  Einteilung  der  Geschichte  in  Perioden.  (S.  §   i6). 

14.  Die  folgende  Darstellung  knüpft  an  Theophilo  Braga's  Gesamt- 
werk an,  und  im  Besondern  an  einen  für  diese  Sammlung  geschriebenen  Abriss, 
der  seine  Meinungen  kurzgefasst  in  ihrem  jüngsten  Stadium  vorführte.  Von 
einfacher  Verdeutschung  jener  Skizze  durch  mich  konnte  und  sollte  jedoch 
nicht  die  Rede  sein :  die  selbst  erworbenen  Resultate,  der  eigene  Standpunkt, 
meine  Ideen,  Auffassungen  und  Urteile  sollten  darin  zur  Geltung  kommen.  Ich 
berichtigte  Falsches,  ergänzte  Unvollendetes,  fügte  Tatsächliches  hinzu,  präzi- 
sierte schärfer,  ordnete  übersichtlicher,  begründete  und  bewies,  was  bis  heute 
nur  Hypothese  oder  Behauptung  gewesen  war,  soweit  die  für  den  »Grundriss« 
vorgeschriebene  kompendiarische  Behandlung  es  zuliess.  Bei  diesem  Verfahren 
nahm  die  ursprüngliche  Arbeit  natürlich  einen  neuen  Charakter  an,  und  wuchs 
bedeutend.  Der  Raumbeschränkung  wegen  wird  von  meiner  Redaktion  je- 
doch nur  die  erste  Hälfte  zum  Abdruck  kommen.  Schon  in  der  dritten 
Periode  ergreift  Theophilo  ßraga  das  Wort.  Dass  den  so  belangreichen 
und  so  schlecht  gekannten  ersten  beiden  Perioden  verhältnismässig  viel  Raum 
zugestanden  ward,  wird  dem  Leser  hoffentlich  nicht  unerwünscht  sein.  Zu- 
friedenstellen aber  kann  bei  so  ungleicher  Behandlung  dieser  Überblick  noch 
nicht.  Scharf,  genau  und  ebenmässig  zu  zeichnen  ist  bis  heute  eben  nicht 
möglich.  - —  Was  jedoch  auch  noch  an  Rohstoff  zum  Vorschein  kommen  möge, 
wie  eingehend  man  auch  die  Ursprünge  und  das  Werden  der  portug.  Volks- 
und Kunstlitteratur  künftig  darlege,  wie  sorgsam  man  auch  den  Vergleich  mit 
den  übrigen  rom.  Litteraturen  durchführe,  sehr  verschieden  v^on  dem  Bilde, 
das  man  heute  entwerfen  kann,  wird  das  spätere  und  vollendetere  nicht  aus- 
fallen. 

15.  Die  Titel  der  wichtigeren  Vorarbeiten,  aufweiche  im  Einzelnen  oft 
verwiesen  wird,  zähle  ich  in  chronologischer  Reihenfolge  auf.  —  Fr.  Boutcr- 
wek,  »GescMchte  der  portug.  Poesie  und  Beredsamkeit«^  Göttingen  1805, 
Bd.  4  der  y>Geschichte  der  Poesie  und  Beredsamkeit«  \  und  y> Geschichte  der  sp an. 
Poesie  und  Beredsamkeit«  1804,  Bd.  3  (letzteres  in  frz.  Übersetzung  vovciTraducieur 
des  Lettres  ^/i?  Jean  Müller,  Paris  181 2;  engl,  von  Thomas  Ross,  London 
1823;  span.  von  J.  Gomez  de  la  Cortina  und  D.  N.  Hugalde  y  Molli- 
ne do,  Madrid  1829.)  —  Sismondi,  De  la  littirature  du  midi  de  PEurope,  Paris 
1829;  Bd. IV  p.260 — 568. —  Ferd.  Denis,  Risume  de  Thistoire  littiraire  du  Por- 
tugal, Parisi826.  —  Almeida-Garrett,  Bosquejo  da  historia  da  poesia  e  lingua 

portugueza  im  Parnaso Lusitano,  vol.  I. ,  Paris  1826.  — Christ.  Fr.  Bellermann, 
Die  alten  Liederbücher  der  Portugiesen,  Berlin  1840.  —  F.Wolf,  Zur  Geschichte 
der  port.  Literatur  im  Mittelalter,  in  Hallische  Allg.  Litteratur-Zeitung  Mail 843  : 
Nr.  87 — 91.  (frz.  von  Ed.  Du  Meril  im  Journal  des  Savants  de  Normandie, 
Caen  1844);  wiederabgedruckt  in  den  Studien  zur  Geschichte  der  span.  u.  portui:;. 

National- Literatur,  Berlin  1859 Acad.  dasSciencias,  Memorias  de  Litter  atura 

Portugueza,  8Bde.,  Liss.1792  — 1814.  —  Freire  de  Carvalho,  Ensaio  sobre  a 
historia  litteraria  de  Portugal,  Liss.  1845.  —  Costa  e  Silva,  Ensaio  Bio- 
graphico-Critico  sobre  os  melhores  Poetas  Portuguezes  10  Bde.,  Liss.  1850—  1856. 
—  Pinheiro,  Curso  de  Litteratura  Nacional,  Rio  de  Janeiro  1862.  —  F.  Diez, 
Über  die  erste  port.  Kunst-  und  Hofpoesie,  Bonn  1863.  —  Andrade  Ferreira 
und  C.  Castello-Branco,  Curso  de  Litteratura  Portugueza  Liss.  1875 — 76.  — 
Theophilo  Braga's  y> Historia  da  Litteratura  Portugueza«  besteht  aus  einer 
Reihe  von  Einzelwerken,  die  ich  nach  den  Jahren  des  Erscheinens  geordnet  habe : 


Einleitung:  Bearbeitung  der  portüg.  Litt.    Epochen  ders.         141 

i)  1870  Introducfaö.  —  2)  Vida  de  Gil  Vicente  e  sua  eschola.  —  t^)  A  Comedia 
classica  e  as  Tragicomedias.  —  4)  187 1  A  Baixa  Comedia  e  a  Opera.  — 
5)  Garrett  e  os  Dramas  Romanticos  (die  Bände  2  —  5  tragen  zusammen  den 
Titel:  Historia  do  Theatro  Portuguez  und  umfassen  141 8  Seiten).  —  6)  Historia 
dosQuinhentistas.  — ■  7)  Epopeas  da  Ra(a  mosarabe.  —  8)  Trovadores  Galecio- 
Portuguezes.  —  9)  1872  Poetas  Palacianos  do  Seculo  XV.  —  10)  Bernardim 
Ribeiro  e  os  Bucolistas.  —  11)  1873  Amadis  de  Gatila.  —  12)  Vida  de  Luiz  de 
Camöes.  —  13)  1874 — 1875  Eschola  de  Camoes.  Parte  I:  Os  Poetas  Lyricos; 
Parte  II:  Os  Poetas  Epicos.  —  Band  12  u.  13  tragen  den  Gesamttitel  Historia  de 
Camöes  (1033  Seiten).  Hier  klafft  eine  Lücke:  Das  17.  und  18.  Jh.  sind  über- 
sprungen. —  Es  folgten  Historia  do  Romantismo  (1880 — 81  ;  zu  Liss.,  während 
alles  Vorhergehende  in  Porto  erschien) ;  Modernas  Ideias  na  Litteratura  Portu- 
gueza,  Porto  1892,  und  Historia  da  Universidade,  Liss.  1892.  —  Dazwischen 
schieben  sich  die  drei  Ausgaben  der  Theoria  da  Historia  da  Litt.  Port.  1871, 
1872  und  1881,  die  beiden  Handbücher  Manual  da  Hist.  da  Litt.  Portug., 
(1875)  und  Curso  de  Hist.  da  Litt.  Portug.  (i886)  sowie  die  kleinen  Schriften: 
Questöes  de  Litteratura  e  Arte  Port.  1881 ;  eine  portug.  Blutenlese,  mit  Poetik: 
Antologia  (1876)  und  ein  moderner  Parnass  »Parnasso«  i^Ti.  —  Die  Werke 
über  Volkslitteratur  werden  später  genannt. 

Weitere  unentbehrliche  bio-  und  bibliographische  Hülfs-Nachschlagewerke 
sind:  Nicolas  Antonio,  Bibliotlieca  vetus  und  Bibliot/icca  nova  (s.  Bd.  I  S.  31J 
—  Barbosa-Machado,  Bibliotheca Lusitana  (4Bd.  Liss.  1741 — 52).  —  Pedro 
J.  da  Fonseca,  Catalogo  de  Auetores  e  Obras,  Liss.  1793,  als  Beigabe  zum 
Diccionario  da  Academia. —  Innocencio  da  Silva,  Diccionaiio  Bibliographico 
Portuguez,  fortgesetzt  von  Brito-Aranha  (bis  heute  15  Bde.,  1883 — 90).  — 
R.  Pinto  de  Mattos,  Manual  Bibliographico  portuguez,  Porto  1878.  — 
Garcia  Peres,  Catalogo  Razonado  biografico y  bibliograßco  de  los  Autores  Portn- 
gueses  que  escribieron  en  Castellano,  Madrid  1890.  —  J.  H.  da  Cunha  Rivara, 
Catalogo  dos  manuscriptos  da  Bibl.  Eborense,  3  Bde.,  Evora  1850 — 1870.  — 
F.  F.  de  la  Figani^re,  Catalogo  dos  Manuscriptos  Portuguezes  existentes  no 
Museu  Britannico,  Liss.  1853.  —  Id.,  Bibliographia  Historica  Portugueza,  Liss. 
1850. — Auch  Salvä,  Barrera  Leirado,  Gallardo  enthalten  wichtige  Nach- 
richten. —  Der  Manuscripten-Katalog  der  Pariser  Bibliothek,  den  A.  Morel- 
fatio  versprochen  hat,  ist  noch  nicht  erschienen. 


B.  EPOCHEN  DER  PORTUGIESISCHEN  LITTERATURJ 

'ach  den  jedesmaligen  fremden  Einwirkungen ,  denen  sie  sich  hingab, 
teilt  man  die  portug.  Litteratur  in  mehrere  Perioden,  die  natürlich  unge- 
fähr die  gleiche  Aufeinanderfolge  zeigen  wie  die  übrigen  romanischen  Litteraturen, 
besonders  nahe  aber  der  span.  Periodisierung  stehen ;  nur  dass  alle  abendlän- 
dischen Strömungen  den  äussersten  Westen  stets  etwas  später  erreichen.  Die 
erste  bezeichnet  man  als  die  Periode  des  provenzalischen  Minnesangs,  die 
zweite  als  Periode  der  hispanischen  oder  peninsularen  Hof-  und  Kon- 
versationspoesie;  die  dritte  als  italienische  oder  humanistische;  die  vierte 
als  französierende,  und  die  fünfte  als  romantische,  und  weist  kurz, 
bündig  und  bequem  jeder   derselben  ein  Jahrhundert  oder  zwei  als  Zeitraum 


*  Der  1885  H.  B.  Briggs  unterzeichnete  Artikel  Aar  Encydopaedia  Britatmica  liasiert 
auf  Th.  Braga's  eisten  litterarhistorischen  Veröffentlichungen.  Es  ist  ein  sprechender 
Beweis  dafiir ,  wie  schwer  es  ist ,  aus  den  einander  widerstreitenden  Ansichten  Braga's 
die  rechte  auszulesen.  Vor  den  kurzen  Abschnitten  über  die  ersten  Jahrhunderte  muss  ich 
entschieden  warnen. 


142    LrrXERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    4.    PoKT.    LllT. 


ihrer  Herrschaft  zu.  Im  13.  und  14.  Jh.  herrscht  die  provenz.  Schule;  im  15. 
die  spanische;  im  16.  und  17.  die  italienische;  im  18.  überwiegt  der  französische 
Pseudo-Klassizismus ;  im  19.  die  Romantik,  Die  vierte  ital.  Aera  der  Renais- 
sance teilt  man  jedoch  meist  in  zwei  Hälften,  nicht  nur  ihrer  Ausdehnung 
und  der  Überfülle  von  Erscheinungen  wegen,  welche  sie  bietet,  sondern  weil 
in  der  2.  Hälfte,  also  im  17.  Jh.,  die  portug.  Dichtkunst  auf  gewissen  Gebieten 
vollkommen  hispanisiert  auftritt.  Statt  fünf  hätte  man  somit  sechs  Perioden 
zu  unterscheiden,  von  denen  jede  einzelne  natürlich  wieder  in  mehrere  Unter- 
abteilungen zerfällt. 

Von  einem  anderen,  höheren  Gesichtspunkte  aus  fasst  Theophilo 
Braga  die  beiden  ersten  Perioden  in  eins  zusammen,  und  charakterisiert 
sie  als  die  mittelalterliche  Epoche,  mit  Rücksicht  darauf,  dass  ihre 
Stoffe,  ihre  Formen  und  ihre  Ideale  vorwiegend  mittelalterliche  sind;  stellt 
ihnen  die  folgenden  drei  als  klassische  Renaissance-Epoche  gegenüber, 
weil  ihre  Stoffe  und  Vorbilder  meist  antike,  griechisch-römische  waren;  und 
kennzeichnet  die  letzte,  soweit  sie  bis  heute  beurteilt  werden  kann,  als  Epoche, 
in  welcher  die  Nation  in  ihre  eigene  Vergangenheit  zurückgreift,  aus  ihrer 
Geschichte  und  Volkspoesie  Anregungen  zu  dichterischen  Gestaltungen  schöpft, 
und  mit  den  antiken  Idealen  bricht,  kurz  als  nationale.  '  Die  erste  und 
dritte  sollen  demgemäss  dem  Hervortreten  des  eigentümlich-portugiesischen 
Genius  günstig  gewesen  sein ,  weil  sie  sich  vom  indigenen  und  spontanen 
Folklore  nicht  getrennt  und  abgewendet  haben,  während  die  zweite,  weil  sie 
in  keinerlei  Berührung  mit  dem  Mutterboden  stand,  in  (jelehrsamkeit  und 
Künstelei  verkümmerte.  Wieviel  gegen  diese  einseitig  theoretische  Sche- 
matisierung einzuwenden  ist,  liegt  auf  der  Hand:  Das  Altertum  hat  auch  im 
Mittelalter  seinen  Einfluss  geltend  gemacht.  Von  ureigener  einheimischer,  rein- 
portug.  Volkspoesie  zu  reden,  ist  nur  mit  starkem  Vorbehalt  möglich.  In  der 
klassischen  Renaissance-Epoche  aber  kulminiert  gerade  der  nationale  Genius, 
und  bringt  die  am  meisten  volkstümlichen  Dichter  der  Portugiesen,  und  ihren 
grössten  Sänger  hervor.  Und  in  unserem  Jahrhundert,  wo  in  kultureller  Be- 
ziehung gerade  alle  Schranken  niedergerissen  sind,  von  wirklicher  National- 
dichtung zu  reden,  ist  sehr  kühn. 

Hält  man  an  der  oben  erwähnten  Einteilung  in  sechs  Perioden  fest,  so 
ist  folgende  Abgrenzung  empfehlenswert,  weil  sie  an  bestimmte  Merkzeichen 
im  Entwicklungsgange  der  Litteratur  anknüpft-: 


*  „As  epocas  historicas  de  todas  as  Litteraturas  romanicas  säo  determinadas  pela  pre- 
ponderaiicia  exclusiva  011  comhinada  dos  dois  elementos  constitutivos :  as  tradigöes  nacicmaes  e 
populäres  da  Edade-media  da  Europa,  e  as  obras  e  doutrinas  litterarias  greco-romanas  impostas 
pela  atictoridade  dos  er'uditos  humanistas  e  latinistas  ecclesiasticos.  —  Exemplificando  com  a 
historia  da  litteratur a  portugueza  temos : 

Primeira  cpoca,  prepotiderando  os  elementos  7nedievaes;  ?nas  dd-se  uma  transigäo  para  a 
admiragäo  das  obras  classicas  oti  greco-ronianas  .  .  .  .  (2  Periodos). 

Segunda  cpoca,  prevalece  a  influencia  da  Italia  da  Renascenga  que  sustenta  o  gosto  das 
obras  classicas  ??iodißca7ido  e  dando  formas  definitivas  ao  Lyrismo  occidenlal.    (3  Periodos). 

Terceira  epoca,  caractcrisa-se  pelo  espirito  de  revivescencia  das  tradigöes  »tedievaes 
nacionaes  e  popidares,  incotnpativel  com  os  modelos  classicas,  porcni  0  criterio  scientifico  resta- 
helece  a  continuidade  historica,  apropriando-se  dos  dois  elementos  da  cimlisagiM  occidental,  e  har- 
mornisando-os.  c 

Diese  Doktrin  zieht  sich  durch  das  ganze  Werk  Th.  Bra gas.  Ihre  letzte  präziseste 
Formulierung  kopiere  ich  aus  den  Modernas  Ideias,  vol.  II  p.  338. 

*  In  den  summarischen  Übersichten  über  portug.  Litteratur,  welche  ich  für  die  Ency- 
klopädien  von  Brockhaus  und  Meyer  verfasst  habe,  benutze  ich  diese  Daten,  bleibe  aber  bei 
der  Einteilung  in  5  Perioden  stehen ,  und  zwar  weil  ich  auch  für  Spanien  nur  deren  fünf 
angenommen  hatte  (l  150  —  1 369;  1369— 1516;  1516— 17C1;  170I  — 182O;  1820)  mit  Reciit, 
da  in  Spanien  die  Blüte  des  16.  Jlis.  im  17.  fortdauert,  ja  eigentlicli  mit  Cervantes, 
Lopc,  Calderon  erst  iiire  glossartigste  Entfaltung  zeigt. 


Einleitung:  Einteilung  der  fort.  Litt,  in  Epochen.  143 

Epoca  1 
I.     Jh.  XIII  u.  XIV:  Escliola  ProveiK^al :  Trovador es  Gallecio- Parlugiiezes  \2QO—\'^^l^ 

II.  Jh.  XV  :    Eschola  Hespanhola:  Poetas  Falaciatws  1385 — 15'.il 

Epoca  II 

III.  Jh.  XVI  :  Eschola  Italiana:  Quinhentistas  (Petrarchistas)      1521  — 1580 

IV.  Jh.  XVII  :  Eschola  Hispano-italiana:  Seiscentistas.  (Culteranistas)        1580  — 1~00 
V.     Jh.  XVIII  :  Eschola  Franceza:  Pseudo- Classicistas.    (Afade- 

micos  e  Arcades)  1700 — 1825 

Epoca  III 
VI.     Jh.  XIX  :  Eschola  Romantica:  seit  l82n 

Um  feste,  unverrückbare  Grenzscheiden  kann  es  sich  selbstverständlich 
nicht  handeln.  Vorboten  und  Nachläufer  aller  Richtungen  sind  vorhanden. 
Auch  Übergangszeiten,  Stillstand  und  Unterbrechungen  sind  da.  —  Ich  sage 
kurz,  warum  ich  jene  Daten  gewählt  habe. 

I.  Das  Anfangsdatum  der  ersten  Epoche  ist  ein  ungefähres.  Wir  wissen 
nicht  und  werden  kaum  jemals  wissen,  von  wem  und  wann  das  früheste  hö- 
fische Minnelied  in  portug.  Sprache  gedichtet  ward.  Doch  lässt  sich  nachweisen, 
nicht  nur  dass  eine  ganz  beträchtliche  Anzahl  von  Gedichten  der  ersten 
Hälfte  des  13.  Jhs.  angehört,  sondern  sogar  dass  mindestens  ein  Lied  noch 
wählend  der  Regierungszeit  Sancho's  I  (1185  — 1212),  im  ersten  Dezennium 
des  13.  Jhs.  verfasst  sein  muss.  Als  Endpunkt  wähle  ich  das  Jahr  1385, 
darum  weil  so  Übereinstimmung  mit  einem  gewichtigen  Geschichtsabschnitt(> 
erreicht  wird,  von  dem  positiv  das  Erwachen  eines  neuen  Geistes  und  das 
Einlenken  in  die  neue  Bahn  maritimer  Unternehmungen  datiert.  Ebenso  gut 
hätte  ich  auch  1350,  das  Todesjahr  Alfons  XI.  von  Kastilien ,  oder  1357, 
das  seines  Schwiegervaters  Alfons  IV.  von  Portugal,  als  Endpunkt  ansetzen 
können,  da  mit  der  Thronbesteigung  ihrer  Nachfolger,  welche  beide  den  Namen 
Pedro  L,  und  den  Zunamen  Cruel-Justkeiro  d.  h.  der  Grausam-Gerechte 
tragen,  ein  plötzliches  Verstummen  alles  portug.  Minnesangs  an  beiden 
Höfen  eingetreten  zu  sein  scheint.  —  Unpraktisch  wäre  es,  die  erste  Period(^ 
bis  1450  auszudehnen,  die  zur  zweiten  Epoche  hinüberleitende  Nachblüte 
hineinrechnend,  da  sie  auf  kastilischcm  Boden  gedieh;  ich  meine  jene  im 
Geiste,  in  der  Sprache,  und  in  den  Formen  der  altportug.  -»trovadores«.  ab- 
gefassten  Minnelieder  des  Macias  und  anderer,  welche  A^vaCancionero  de Baena^ 
und  vereinzelt  noch  vielen  span.  Liederbüchern,  eingeschaltet  sind.  Denn  fast 
gleichzeitig,  schon  von  1369  an,  beginnt  der  von  Kataloniens  Gaya  Ciencia 
beeinflusste,  zünftige  technisch-ausgebildete  Meistersang  gelehrter  y>dezidores«, 
und  wenig  später  die  von  Italien  aus  befruchtete,  mit  antikem  Wissen  prunkende 
Kunst  der  yypoeias«,  welche  die  zweite  Epoche  charakterisieren. 

II.  Die  zweite  Periode  beginnt  also  mit  der  Thronbesteigung  des 
Gründers  der  zweiten,  unechtburgundischen  Dynastie  (D.  Joäo  I.,  1385  — 1433). 
Ich  lasse  sie  enden  mit  dem  Jahre,  in  dem  Emanuel  die  Augen  schloss,  und  der 
Neuerer  Sä  de  Miranda  seine  italienische  Reise  antrat.  Statt  1521  könnte 
ich  auch  15 16  sagen,  den  wichtigen  Scheidepunkt  wählend,  wo  Garcia  de 
Resende,  der  Sammler  des  Allgemeinen  Liederbuches,  in  dem  der  dichterische 
Ertrag  jenes  Zeitalters  niedergelegt  ist,  sein  Werk  der  Öffentlichkeit  übergab, 
und  das  mit  um  so  grösserem  Rechte  als  in  demselben  Jahre  in  Spanien  das 
Haus  Österreich  eine  neue  Aera  einleitet.  Auch  den  Zeitpunkt,  in  dem  Miranda, 
von  seiner  Reise  heimgekehrt  (1526)  den  italienischen  Hendekasyllabus —  diese 
bedeutsame  Abart  des  provenzalischen ,  im  13.  und  14.  Jh.  in  Portugal  so 
beliebten  Dekasyllabus  —  einführt.  Die  Anfange  des  Dramas  rechne  ich  zur 
dritten  Epoche,  auf  welche  sie  hinweisen,  obwohl  es  bereits  1502  seine  ersten 
selbständigen,  vom  kirchlichen  Boden  losgelösten  Schritte  thut.  Desgleichen 
und  aus  demselben  Grunde  die  bukolischen  Versuche  des  Christovam  Falcäo 


144   Ll'i'l'fiKATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LlTT. 

und  Bernardim  Ribeiro,  obwohl  beide  Dichter,  so  wie  Gil  Vicente  und 
Sä  de  Miranda,  mit  kleinen  Liedern  im  Cancioneiro  Geral  vertreten  sind, 
also  in  der  zweiten  Epoche  wurzeln. 

III.  Die  dritte  Periode  umfasst  die  grossartigste  Entfaltung  und  höchste 
Blüte  der  portug.  Litteratur,  sowohl  der  Lyrik,  in  peninsusularen  Weisen 
durch  ^\&poetas  da  medida  velha  und  in  klassischen  durch  die  petrarchistas,  als  der 
Epik,  des  Romanes,  der  Geschichtsschreibung  und  des  Dramas.  Ihren  Höhe- 
punkt erreicht  sie  1572  mit  der  Drucklegung  äex  Lusiaden.  Mit  dem  Todes- 
jahr des  Dichters,  das  zu  gleicher  Zeit  den  Verlust  der  Selbständigkeit  und 
den  Beginn  der  span.  Fremdhersschafl  sah,  schliesst  seine  kurze  Glanzzeit  ab. 

IV.  Es  folgt  eine  kräftige  Nachblüte  bis  etwa  1640,  ausgefüllt  von  den 
Arbeiten  der  Schüler  und  Nachahmer  des  Camöes,  Montemor,  Moraes  — 
dann  aber  eine  Zeit  des  Verfalls  und  überhandnehmender  Hispanisierung.  Das 
Jahr  1700  gilt  als  Ausgangspunkt,  weil  es  ungefähr  zusammenfällt  mit  dem 
Wendepunkt  peninsularer  Geschichte,  kraft  dessen  die  Bourbonen  und  franz. 
Geschmack  ihre  Herrschaft  beginnen. 

V.  Die  fünfte,  dem  franz.  Klassizismus  huldigende  Zeit,  in  welcher 
Sprach-  und  Geschichts-  und  schöngeistige  Akademien  sich  vergeblich  bemühen, 
dem  Sinken  der  Litteratur  und  der  Gallomanie  P'inhalt  zu  thun,  sieht  ein 
kurzes  Aufflackern,  Dank  des  guten  Geschmackes  der  »Arkadier«,  die  danach 
strebten  mit  franz.  Eleganz  und  Korrektheit,  den  poetischen  Geist  der  ein- 
heimischen Meisterwerke  des  16.  Jhs.  zu  vereinigen.  Ihre  Geschmacksrichtung 
überdauert  freilich  das  Jahr  1825,  doch  betrachte  ich  dasselbe  als  Anfang 
der  sechsten  Periode  und  der  romantischen  Erneuerung,  weil  das  damals 
veröffentlichte  patriotische  Epos  »Camöes«  des  emigrierten  Almeid a-Garrett 
den  Anstoss  zur  nationalen  Wiedergeburt  gab. 


C.  ÄLTESTE  DENKMÄLER  PORTUGIESISCHER  LITTERATUR. 

|US  dem  ersten  Jahrhundert  portug.  Geschichte  (1094 — 1200)  haben  sich 
keinerlei  Dokumente  in  der  Nationalsprache  erhalten,  weder  Kunstpoesien, 
noch  volkstümliche  Gesänge.  Die  ersten  waren  eben  noch  nicht  vorhanden, 
und  gewisse ,  als  Denkmäler  aus  jenen  Tagen ,  oder  noch  älteren  Zeiten 
(8 — II  Jh.),  ausgegebene,  epische  und  lyrische  Versuche  sind,  unverkennbar, 
gröblichst  gefälschte,  willkürlich  und  tendenziös  erfundene  Apokryphen.  Die 
letzteren  hingegen ,  —  nicht  umfangreiche  epische ,  sondern  kurze  lyrische 
Lieder,  —  waren,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach,  reichlichst  da,  lebten  aber  nur 
im  Volksmunde,  weshalb  authentische  Überreste  so  gut  wie  ganz  fehlen,  wie 
fast  überall.  Von  ihrem  Inhalt  und  ihrer  Form  können  wir  uns  jedoch  eine 
ziemlich  klare  Vorstellung  machen:  die  höfischen  Liederbücher  bereits  der 
ersten  Epoche  bieten  nämlich  eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Gedichten,  welche 
durch  Gegenstand,  Anlass,  Bau,  und  ihren  vom  Kunststil  völlig  abweichenden 
Charakter  als  Nachahmungen  wirklicher,  zeitlich  voranstehender  Volksweisen 
gekennzeichnet  sind,  und  zum  Teil  sogar  unverändert  dem  Volksmunde  ent- 
nommene, und  von  den  Troubadours  nur  musikalisch  überarbeitete  »Cantos 
populäres«  zu  sein  scheinen.  Und  dazu  gesellen  sich,  innerlich  und  äusserlich 
vollkommen  übereinstimmend,  erstens  einige  zwar  recht  kleine,  aber  dennoch 
bedeutsame  Bruchstücke  echter  Volkslieder  aus  derselben  Zeit  (13.  und  14.  Jh.), 
und  zweitens  genau  nach  dem  gleichen  Typus  gebildete  Lieder  aus  den  nach- 
folgenden Jahrhunderten ,  ja  noch  aus  unseren  Tagen.  Seine  Langlebigkeit 
aber  beweist,  wie  national  und  volksmässig  dieser  Typus  einst  gewesen  ist.  — 
Im  Anschluss  an  eine  summarische  Übersicht  über  die  gesamte  Volkslitteratur 


ÄLTESfE    DeNKM.    der    PORT.    LlTT.     —    VOLKSLlUTERAlüR.  I45 

Portugals  charakterisiere  ich  das  altportug.  Volkslied  und  untersuche  hinterher 
den  Vorrat  der  gefälschten  (iedichte,  zu  dem  Zwecke  eine  sichere  Grund- 
lage für  die  Darstellung  der  eigentlichen  Litteratur  zu  gewinnen. 

1.   VOLKSLITIERATUR 

18.  Was  die  portug.  Volkslitteratur  heute  besitzt,  wissen  wir  ziemlich 
genau,  Dank  dem  Eifer  tüchtiger  Folkloristen,  die  seit  1867  mit  wissenschaft- 
lichem Ernste  sammeln ,  was  der  Volksmund  singt  und  sagt.  —  Zu  seinem 
keineswegs  armen  oder  stimmungslosen  Besitzstande  gehören  in  erster  Reihe: 
mehr  als  hundert  Märchen  und  Geschichten  (contos,  casos,  historias,  excmplos); 
viele  Mythen,  Legenden  und  Sagen  (lendas);  zahlreiche  abergläubische  Be- 
schwörungs-  und  Besprechungsformeln  {esconjuros,  ensalmos) ;  Gebete  und  fromme 
Weisen  (oraföes,  rezas,  serftwes),  oft  mit  parodistischen  Gegenstücken; Kinderreime 
und  muntere  Sprechformeln  (rimas  hifantis,  lengas  lengas,  per/engas,  parlendas, 
travalitiguas) ;  Rätsel  (adivinhas);  Spieltexte  (Jogas);  Wetter-  und  Bauernregeln 
{adagios ,  ditos) ;  und  ein  erstaunlich  reicher  und  eigenartiger  Schatz  ernster 
und  heiterer,  moralphilosophischer  Sprichwörter  {riföes,  anexins,  ditados,  pro- 
verbios;  alt  veröos,  a.\\chenxempros,  wenn  sie  sentenzenartig  der  Moral  einer  Fabel 
oder  Erzählung  Ausdruck  geben).  Die  Märchen,  Geschichten,  Legenden  und 
Sagen,  die  auf  dem  Lande,  besonders  zur  Winterzeit,  an  Spinnabenden  {seröes 
und  fiandöcs)  von  alten  Weibern  am  Herdfeuer  {jiinto  ä  lareirä),  und  in  den 
Städten  in  der  Kinderstube  erzählt,  und  so  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
überliefert  werden,  sind  natürlich  in  Prosa  abgefasst,  die  meist  schlicht  und 
ohne  Pathos  einherschreitet,  oft  aber,  wo  Scherz,  Witz  und  Satyre  zu  Worte 
kommen ,  sehr  glückliche  Effekte  erzielt.  Manchmal  besteht  sie  auch  aus 
regelmässig  gegliederten  Reihensätzen,  die,  beim  zufälligen  oder  beabsichtigten 
Eintritt  etwelchen  Gleichklanges,  versartig  klingen  (Beispiel:  A  formiga  e  a 
neve;  Rabo  do  Gato;  Gallo  e  Pinto  etc.).  Einige  treten  sogar  ganz  in  Versen 
auf  (z.  B.  die  Carouchinha,  auf  Madeira  i).  —  Sehr  häufig  sind  Reimzeilen  in 
die  Märchen  eingestreut,  nicht  bloss  am  Schlüsse,  für  den  allerhand  herkömm- 
liche allgemeine  Formeln  vorhanden  sind,  sondern  auch  mitten  in  der  Er- 
zählung, besonders  wo  die  Hauptfiguren  Massgebendes  zu  reden  haben.  — 
Diese  Märchenreime  nun,  so  wie  auch  die  stets  in  gebundener  Rede  auftretenden 
Gebete,  Sprüche,  Rätsel  und  Spiele  sind  überaus  einfach  in  ihrer  Konstruktion. 
Die  kürzesten  und  primitivsten  sind  unmittelbar  gebundene  Zeilenpaare,  Distichen 
mit  vollkommenem  oder  unvollkommenem  Reim;  oder  sie  sind  Triaden  mit 
einer  reimlosen  Zeile,  die  beliebig  am  Anfang,  in  der  Mitte,  oder  am  Ende 
steht;  oder  Vierzeiler,  mit  überschlagend-wechselnder  (und  nur  in  mo- 
dernisierten Redaktionen  mit  eingeschlossener)  Reimstellung.  Bei  grösserer 
Länge  der  Verseinlagen  werden  die  Distichen  mit  reimlosen  Zeilen  in  beliebiger 
Zahl  untermischt.  Auch  kleine,  vier  oder  mehrzeilige  Tiraden,  und  romanzen- 
artig klingende  Stücke  mit  durchgehendem  Reime  nur  in  den  paarigen  Zeilen, 
kommen  vereinzelt  vor.  -  -  Dass  die  grössere  Masse  der  Märchen  und  Spiele 
und  Gebetsformeln  nicht  speziell  portug.  Eigentum ,  oder  gar  nationale  Ur- 
schöpfung  ist,  sondern  ererbtes,  nur  nationalisiertes  Hab  und  Gut,  zu  dem 
sich  Parallelen  in  den  übrigen  Volkslitteraturen  finden,  bedarf  kaum  der  Er- 
wähnung ;  ebensowenig  dass  sie,  hier  wie  allerwärts,  uralter  und  traditioneller 
Besitz    sind.     Hinweise    auf   einzelne  Märchen    ziehen  sich  durch  die  Kunst- 


'  Auf  Madeira  giebt  es  noch  manches  andere  versificierte  Märchen  (Gata  Borralheira, 
Conto  do  Macaco ,  Tres  Cidras  do  Amor  u.  a.) ,  doch  tragen  einige  davon  im  Styl  und  in 
ihrer  ungeheuren  Ausdehnung  das  Zeichen  später  juglaresker  Bearheitung  durch  berufsmässige 
Volksdichter  (cantores)  deutlich  an   sich. 

(JKOkKi;,  Gruiidriss.   Uli.  in 


146    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —    4.    PORT.    LiTT. 

litteratur,  rückwärts  bis  in  ihre  Anfanget  Auch  Sprichwörter  werden  schon 
in  den  ältesten  Dokumenten  verwertet,  und  zwar  bereits  mit  dem  Zusatz,  sie 
seien  »alte«  Worte  d.  h.  verbos  antigos  e  verdadeiros^\  und  heute  wie  ehedem 
schmücken  sie  die  Rede  des  Landvolkes  und  wahrhaft  nationaler  Schriftsteller. 

Ungleich  wertvoller  jedoch  als  der  refraneiro ,  und  alle  kunstlosen 
didaktischen  Knittelverse,  die  nur  zum  Hersagen  bestimmt  waren  (als  romance 
de  rezar)  und  als  der  umfangreiche  Prosateil  der  Volkslitteratur,  ist  natürlich 
ihr  Singliederschatz.  Er  zerfallt  in  einen  Cancioneiro  (das  eigentliche  Buch 
der  subjektiven,  lyrischen  Lieder  der  Liebe)  und  in  den  Romanceiro,  der  die 
objektiven  episch-lyrischen ,  gleichfalls  zum  Absingen  bestimmten  Gedichte 
umfasst  {cantar  romance,  daher  männlich:  o  romance).  Rein  Episches  hat  der 
spät  erwachende  portug.  Volksgeist,  losgelöst  vom  allgemein  peninsularen  hispa- 
nischen Genius,  nicht  geschaffen.  Das  Studium  der  Volksmusik,  leider  noch 
wenig  erfolgreich  betrieben,  hat   noch    zu  keinen    festen  Resultaten    gefuhrt. ^ 

19.  Der  Cancioneiro  ist  nicht  nur  materiell  reichhaltig,  sondern 
gedankenvoll  und  formvollendet.  —  Wie  in  der  Kunstlyrik  zeigt  sich  auch 
in  der  erotischen  Volkslyrik  der  schwärmerisch  sentimentale  Grundzug  der 
portug. Nationalseele.  All  ihren  Gefühlen,  so  der  Freude  wie  des  Schmerzes: 
Sehnen  und  Eifersucht,  Liebe  wie  Verachtung,  Trotz  und  Ergebung,  Hoffnung 
und  Verzweifeln,  Bewunderung  wie  Zorn,  Spott  und  Hohn  wissen  die  Portugiesen, 
und  zwar  Frauen  wie  Männer,  einen  lebendigen  und  natürlichen,  bald  kraft- 
voll frappanten,  bald  anmutig  zarten  Ausdruck  zu  geben.  —  Gesungen  werden  die 
nach  vielen  Hunderten  zählenden  Liebeslieder,  je  nach  Anlass  und  Inhalt,  entweder 
allein  von  Einsamen,  bei  der  Arbeit  in  Haus  und  Feld,  nach  dem  Grundsatz 
>~>quem  canta,  seu  tnal esßanta«,  und  in  diesem  Falle  ohne  Instrumentalbegleitung; 
oder  zur  7'iola  oder  guitarra  von  vielen  zusammen  {ein  coro)  bei  gemeinsamer 
Thätigkeit  oder  gemeinsamen  Lustbarkeiten  im  Freien,  an  Festtagen,  bei  Spiel 
und  Tanz,  in  fröhlichen  descantes;  oder  auch  beim  Wallfahrtswandern  {nas 
romarias),  daher  meist  im  Sommer.  —  Auch  Wechselgesang  zweier  Personen 
ist  sehr  üblich.  — Neben  den  Liebesliedern  stehen  natürlich  auch  andere:  Wiegen- 
lieder {cantos  ao  bergo);  wahrhaft  religiöse  Weisen  nur  sehr  vereinzelt;  einige 
historische,  meist  sarkastische  Reimereien  (z.  B.  über  den  Cardeal- Inf  ante  Dom 
Henrjqtie;  Junot  etc.);  zahlreiche,  doch  keineswegs  fromme  Verse  an  Heilige 
und  ihre  Festtage;  Mai-  und  Mitsommernachts-,  Weihnachts-,  Neujahrs-  und  Drei- 
königslieder {Maias,  Janeiras,  Reis,  Cantos  do  Matal,  Annobom,  Cantigas  de 
S.  Joäo^  S.  Pedro,  S.  Antonio  etc.)  u.  a.  m.  —  Auffallend  ist,  dass  für  alle 
diese  stofflich  verschiedenartigen  Liedergattungen  heute  nur  eine  einzige  metrische 
Form  in  Anwendung  kommt,  die  freilich  so  einfach  zu  handhaben,  und  der 
portug.  Sprache  so  angemessen  ist,  dass  sie  zur  Improvisation  und  zu  fortwährend 
variierender  Umarbeitung  älterer  Lieder  wie  geschaffen  scheint  und  geradezu 
zum  Dichten  herausfordert.  Die  Leichtigkeit,  mit  der  denn  auch  Jedermann 
im  Volke,  wes  Standes  er  auch  sei,  nach  diesem  einen  herkömmlichen  Typus 
dichtet,  wird  durch  die  Formel  »deitar  uns  versos  oder  umas  cantigas«  hin- 
reichend gekennzeichnet.  Schon  halbe  Kinder  dichten.  Kaum  anderwärts  findet 
man  so  zahlreiche  14jährige  Dichter  und  Dichterinnen  wie  auf  der  Halbinsel. 


'  In  den  litterarhistorischen  Einleitungen  zu  C  o  e  I  h  o '  s  und  B  r  a  g  a '  s  Märchen- 
sanimlungen  werden  einige  der  älteren  litterarischen  Anspielungen  erwähnt,  und  kunstmilssige 
Überarbeitungen  der  Märchenstoffe  namhaft  gemacht. 

*  In  der  Rev.  Lusit.  1  69  —  72  habe  ich  13,  aus  den  altportug.  LiederbCichern  ge- 
sammelte Sprichwörter  kurz  behandelt. 

'  Soeben  (Juni  1893)  erscheint  das  1.  Heft  eines  musikalischen  Volkslieder-Buches 
y>Ca7icioneirp  de  Alusicas  Populäres  para  canto  e  pMno,  jior  Cesar  das  Nevcs.  coordt-nada 
a  parte  pot-tica  poi-  Ciualdeno  de  Canipos,  Poito. 


VOLKSLllTERATUR    IN    PrOSA    U.  VeRS.      CaNCIONEIRO.     VoLKSLIEDARTEN.    147 

Alle  lyrischen  versos,  oder  cantigas,  oder  trozias  ^\x\^  nämlich  Vierzeiler 
{quadras)  trochäischen  Wandels,  mit  acht-  oder  sechssilbigen  Zeilen,  welche 
die  modernen  Theoretiker  versos  de  redondilha  maior  e  menor  nennen,  nie  mit 
gekreuzten  oder  eingeschlossenen,  sondern  stets  mit  überschlagenden  Reimen 
in  Zeile  2  und  4.  Vollkommener  Reim  (consoante)  ist  das  vorwiegende  und 
theoretisch  erstrebte;  Assonanz  {toante)  ist  viel  seltener  als  in  Spanien.  — 
Da  die  Volksinspiration  immer  kurzatmig,  und  die  portug.  Sprache  präg- 
nanter Kürze  fähig  ist,  genügt  dem  Dichtenden  zur  Darlegung  seiner  Em- 
pfindungen gewöhnlich  je  eine  einzige  Strophe ;  oft  ist  sogar  eine  der  Zeilen 
schon  entbehrliches  Füllwerk.  Gewöhnlich  stehen  in  den  qiiadras  zwei  (be- 
danken einander  dichotomisch  gegenüber, '  von  denen  der  eine  sich  gern  in 
die  Form  eines  Bildes  oder  poetischen  Vergleiches  kleidet.  Nicht  selten  bildet 
jedoch  erst  eine  Reihe  von  quadras  eine  abgeschlossene  Cantiga-.  In  W'ett- 
gesängen  (desaßos) ,  wie  sie  an  Kirchweihfesten  von  zwei  Sängern  {canta- 
dores),  oder  Sänger  und  Sängerin  {cantadeira)  veranstaltet  werden,  die  ab- 
wechselnd je  eine  Strophe  improvisieren  (selten  mehr,  oder  weniger),  oder 
solche  aus  dem  Schatze  ihres  Gedächtnisses  hervorholen,  steht  natürlich  eine 
längere  Reihe  von  quadras  inhaltlich  in  intimem  Zusammenhang.  Bisweilen 
ist  derselbe  auch  äusserlich  hergestellt,  dadurch  dass  der  Reim  der  ersten  Strophe 
festgehalten  und  durchgeführt  wird,  oder  durch  ostensives  Fortspinnen  des 
einmal  angeschlagenen  Themas,  so  zwar  dass  die  letzte  Zeile  jeder  Strophe 
als  erste  der  nächstfolgenden  ganz  oder  halb  wiederholt  wird  (leixa-prem). 
Also  gestaltete  amöböische  Liebesstreit- Gesänge  (despiques)  sehen,  wenn  der 
Dialog,  geschickt  fortschreitend,  dramatische  Lebendigkeit  erreicht,  einer  gewissen 
Klasse  von  Romanzen  zum  Verwechseln  ähnlich,  jenen  rein  dialogischen,  genre- 
bildlichen Liebesromanzen ,  die  man  sich  gewöhnt  hat  xdcaras  zu  nennen 
(vielleicht  weil  sie,  abenteuerlicher  Ereignisse  bar,  kleineSzenen  aus  demVulgär- 
leben  reproduzieren,  die  manchmal  mit  Streit  und  Zank  enden  und  dann  cantos  ä 
desgarrada  heissen).  Proben  der  cantos  ao  desafio  finden  sich  denn  auch  bald  unter 
den  Cantigas,  bald  unter  den  Romanzen,  je  nach  dem  Geschmacke  der  Sammler.^ 
Eine  gewisse  Schulung,  ein  litteratenhaftes  Gebahren  ist  jedoch  bei  einigen 
dieser  Volkssängcr  unverkennbar.  —  Auch  Einzelsänger  richten  dann  und  wann 
grössere  Gedichte  her,  indem  sie  durch  Gedanken-  und  Klangassociationen  ge- 
leitet, verschiedene  lose  quadras  über  ein  und  denselben  Gegenstand  hinter- 
einander singen. 

Wenn  wir,  dem  Alter  und  der  Herkunft  der  Volkslieder,  ihrem  Einflüsse 
auf  die  Kunstpoesie  und  ihren  Beziehungen  zu  ähnlichen  Gebilden  anderer 
Nationen  nachspürend,  die  Werke  der  portug.  Litteratur  durchmustern,  so  finden 
wir  im  i8.  und  17.  Jh.  untrügliche  Zeichen  für  das  Bestehen  und  die  Popu- 
larität der  Vierzeiler;  und  ebenso  im  16.,  teils  in  echten  Proben,  teils  in 
Nachahmungen,  die  in  Drama,  Roman  und  Novelle  als  Einlage  benutzt  sind, 
teils  in  kunstmässigen  Volten  und  Glossen,  deren  Thema  sie  sehr  häufig  bilden. 
—  Daneben  finden  wir  aber  auch  anders  geartete  volkstümliche  Weisen,  noch 
primitiveren  Charakters,  die  heute  nicht  mehr  als  selbständige  Lieder  erscheinen; 
und  sie  werden  um  so  häufiger  je  weiter  wir  rückwärts  greifen.  So  ver- 
zeichnen z.  B.  Camöes   und  Sä   de  Miranda,   und   ihre  Zeitgenossen  eine 


*  Z.  B.  Inda  que  0  Iwtie  se  apague  \  Na  cinza  fica  0  calor ;  ||  Inda  qtte  o  amor  se 
ausenle,  \  N^o  coragäo  fica  a  dbr.  —  Oder  0  annel  que  tu  me  deste  \  Era  de  vidro,  quehrou 
se ;\\  O  amor  que  tu  me  tinhas  \  Era  pouco  e  acabou-se. 

*  So  in  dei"  Cantiga  da  Etigeitada ;  do  Degradado ;  do  Soldado  etc. 

'  S.  Cancioneiro  do  Ar  eh.  Agor.:  Despiques  de  Conversados  —  Romaiueiro  do  Algarve : 
Os  dois  Amantes  —  Cantos  Populäres  do  Brastl :  No.  16  Florioso  (1  29  u.  II  189);  Bd.  II 
p.  50 — 52   Adeus  delirias  dos  olhos  etc. 


148    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LlTT. 


Reihe  von  lyrischen  Distichen  und  Triaden,  die  den  Namen  cantares  velhos 
tragen  oder  »cantar  das  tnofas  ao  adu/e«.  (=  viereckige  Schellentrommel) 
oder  »cantar  velho  que  cantam  polas  ruas  etn  dia/ogo«  oder  troz'as  que  cantam 
em  coro;  und  zwar  benutzen  die  Quinhentistas  solche  schon  in  ihren  Tagen 
veralteten  Texte  meistenteils  als  Leitmotiv  (niote)  für  neue  Hirten-  und  Bauern- 
lieder {jnlancetes ;  span.  villanckos),  die  seibor  wieder  den  Volkston  anschlagen. 
—  Noch  früher  aber,  in  den  span.  - portug.  Liederbüchern  des  i5.*Jhs., 
und  in  Gil  Vicente's,  zwischen  1502  und  1536  verfassten  und  gespielten 
Bühnenwerken,  begegnen  wir,  ausser  einlachen  cantigas,  und  jenen  schlichten 
zwei  oder  dreizeiligen  cantares,  einer  Fülle  reizender  ausgeführter  Tanz-  und 
Sangesweisen  im  Volksstyl,  die  in  Versmass,  Strophenbau,  Charakter  und  Inhalt 
vom  Vierzeilertypus  ab^veichen,  und  in  der  Folgezeit  nur  ganz  vereinzelt  vor- 
kommen. —  Die  vorangegangenen  Jahrhunderte  d.  h.  die  Denkmäler  der 
ersten  Epoche  portug.  Kunstlitterarur  befragend,  finden  wir  sie  immer  häufiger 
und  in  üppigster  Blüte.  Daraus  muss  man  folgern,  dass  die  Geschichte  des 
portug.  Volksliedes  in  zwei  Epochen  zerfallt,  deren  spätere,  noch  heute  fort- 
dauernde, unter  dem  Zeichen  der  redondilha  steht,  während  die  frühere  zwar 
auch  den  acht-  und  sechssilbigen  Trochäus  kennt  und  ihn  in  Distichen,  Triaden 
und  Vierzeilern  verwertet,  doch  ohne  ihm  die  Alleinherrscher- Rolle  einzu- 
räumen.—  Dass  wir  diese  frühere  als  Epoche  des  Zweizeilers  (d.  h.  der  versos 
fiareados),  der  Parallelstrophen,  des  Kehrreims,  der  Frauenlieder,  und 
mann  ich  fach  er  (jambischer,  trochäischer  und  anapästischer  Rhythmen)  be- 
zeichnen dürfen ,  geht  aus  den  Andeutungen  des  folgenden  Paragraphen 
hervor.  —  Die  erste  Periode  dauert  bis  an  den  Ausgang  des  14.  Jhs.  Das  15. 
ist  die  Zeit  des  Überganges,  in  der  das  Erstarken  des  peninsidarcn  Nationalgeistes 
in  der  Kunstpoesie  zur  Bevorzugung  derjenigen  Formen  führte,  die  man  als 
spezifisch-hispanische,  im  Volke  und  vom  Volke  entwickelte  ansah'.  Damals,  als 
nächst  der  Romanze  die  sog.  Redondilhas  (in  Form  von  cantigas  und  can- 
tares, vilancetes  und  serranilhas  etc.),  als  ziu-  Veredelung  und  zu  variierender 
Vervielfältigung  geeignete  Keime  wissentlich  und  geflissentlich  in  die  Hof- 
und  Kunstpoesie  verpflanzt  wurden,  aus  denen  man  votierende  und  glossie- 
rende Paraphrasen,  sowie  Qidntilhas  und  decimas  und  nonas  und  oitavas  züch- 
tete, kurz  alle  recht  eigentlich  hispanischen  Dichtungsformen  der  Lyrik, 
da  wirkte  diese  allgemeine  Wertschätzung  des  Einheimischen  auch  auf  die  Volks- 
poesie zurück.  Der  Vierzeiler  siegte,  und  drängte  alles  in  den  Hintergrund, 
was  nicht  diesen  peninsularen  Typus  trug.-  Es  haben  sich  darum  bis  heute  nur 
Reste  und  vereinsamte  Nachklänge  der  abweichenden,  altvaterischen  Weisen  der 
Vorzeit  erhalten :  ganz  wenige  Refrainlieder  in  Parallelstrophen  in  det  Nordost- 
provinz Tras-os-Montes8;  eine  aha  oA.qt  alvorada  xmt  dem  Weckruf :  i  levada 

'  In  Gil  Vicente's  Werken  finden  sich  Klänge  aus  beiden  Epochen  und  zwar 
aus  Volks-  und  Kunstpoesie.  Sie  enthalten  einen  so  buiiten  Liederschatz  (leider  vieles  nur 
bruchstCickweise  und  in  recht  mangelhafter  Oberlieferung),  dass  es  scheint,  der  geniale,  für 
alles  Nationale  eingenommene  Dichter  habe  dem  Hofe  vorführen  wollen  (dem  Zeitgeiste 
entsprechend  in  portug.,  span.,  und  span. -portug.  Zunge)  was.  schon  damals  veraltet,  nur  noch 
auf  den  Gebirgshöhen  der  Serra  da  Kstiella  und  in  versteckten  Thälern  des  Cintra- 
gebirges  zu  hören  war ;  und  gleichzeitig  was  an  Melodien  und  Tänzen  Neuestes  (Fremdes  wie 
Heimisches)  Anklang  suchte.  Heute  lässt  er  singen:  Ay  delafioble  Ville  de -Paris ;  morgen 
eine  .span.  Romanze:  dann  führt  er  einen  altportug.  Ringeltanz  vor,  ärr'emedando  os  da  serra, 
bald  eine  folia,  bald  ein  vilancete,  bald  tmt  prosa,  dann  wieder  eine  rhacota,  oder  ein  Parallel- 
strophenlied  nach    dionysischem  Typus,  und  so  fort. 

*  Wer  die  Geschichte  des  peninsularen  Volksliedes  und  .seiner  Einwirkung  auf  die 
Kunstpoesie  schreiben  will ,  findet  in  den  Pliegos  sueltos ,  den  Liederbüchern ,  Dramen  und 
Novellen  reichen  Stoff;  doch  ist  die  Sichtung  dessen  was  echt  und  volkstümlich  ist,  von 
dem  was  geschickt  nachgebildet  ward,  nicht  immer  ganz  leicht.  Der  Cancionero  Barhieri 
enthält  kostbares,  doch  ungeordnetes  Material. 

*  S.   Leite    d*^   V  a  s  c  on  c  e  1 1  u  s  ,   im   Annnario  de    Tradi^ces  Populäres  Portuguezas. 


Volkslied  ARTEN  in  den  verschied.  Perioden  d.  fort.  Litt.         149 

a  alval  imOrtcCardal(beiPombal*);  einige  ^(^X^,  fados  auf  Madeira,  den  .\zoren, 
und  in  der  Beira  etc.-;  verschiedene  namenlose  Gesäuge  in  einfachen /</rm/Ä7j 
u.  a.  m.  Was  der  von  Kunstdichtern  mehrfach  erwähnte  solau  war,  wissen  wir 
nicht'';  und  ob  die  Wallfahrtslieder,  welche  thatsächlich  früher  eine  besondere 
Gattung  bildeten,  den  Namen  cantos  de.  ä-^/Z/w  jemals  getragen  haben,  bleibt  noch 
festzustellen^.  Von  den  reizenden  erzählenden,  zu  den  Romanzen  hinüber- 
leitenden serranilhas  und  vaqueiras  (der  peninsularen  Form  der  pastorelas) 
lebt  keine  Spur  mehr-"»;  ebensowenig  von  den  chacotas,  folias,  hailadas  und  bai- 
lados  de  terreiro  der  fröhlichen,  vor  Gil  Vicente  liegenden  alten  Zeit,  in  der 
in  jedem  portug.  Bauernhaus  Musik  und  Tanz  ihre  Stätte  hatten ;  noch  auch 
von  den  Totenliedcrn  {Endechas  oder  cantos  guayados)  der  Klageweiber  (c/iora- 
deiras,  carpideiras).  Der  Vierzeiler  hat  eben  alles  verdrängt,  erneuert  und 
ersetzt,  unterstützt  von  der,  gleichfalls  im  15.  Jh.,  als  bedeutendster  Volks- 
schöpfung in  Rcdondilhen,  triumphierend  auflretenden  episch-lyrischen  Romanze. 
Daran  dass  er  bestimmt  bereits  in  der  ersten  Epoche ,  oder  richtiger,  noch 
vor  dem  Beginn  der  Kunst-  und  Hofpoesie  vorhanden  war,  ist  jedoch 
nicht  zu  zweifeln.  Schon  Alfons  X.  hat  ihn  in  seinen  portug.  cantares 
benutzt^.   —  Dass  sich  jedoch  im  Volksmunde  auch  nur  ein  einziges   Exem- 


'  \.\\\\^\A\  ,  Dkcionario  Geograpkico  III  p.   152. 

*  Der  echte,  alte /a</()  war  ein  wehmütiges  Klagelied,  eine  Lam  enla  zioii  e,  in  der 
eine  Nonne,  ein  Mönch,  ein  Seemann,  ein  Soldat,  ein  Bauer  die  Unbilden  seines  Standes, 
sein  »I>oos«  bejammerte.  Demgemäss  war  er  stylistiscli,  und  gewiss  auch  musikalisch,  ein 
Dissonanzenlied  (eine  Art  des-lai,  oder  descort).  Formell  knüpft  dasselbe  an  kirchliche  Weisen 
an  (latein.  Sequenzen),  und  steht  in  Zusammenhang  mit  den  alten,  halb  volkstümlichen,  halb- 
kunstmnssigcn,  gleichfalls  vcrklungenen  Waru  m-  und  V'er  wünsch u  n  gs-  und  A  bsch  ieds- 
Liedern  (Porques  —  Arrenegos  —  Maldigöes  —  Despedidas) ,  denn  ihnen  allen  gemeinsam 
ist  der  unmittelbar  gebundene  Reim,  der  refrainartig  nach  je  drei  Zeilen  auftretende  Halb- 
vers (eine  4  silbige  Cauda)  und  weiter  eine  absichtliche  Sonderbarkeit.  Was  strophisch  wie  ein 
Ganzes  aussieht,  ist  es  nämlich  weder  dem  Sinne  nach,  noch  grammatikalisch,  nocli  musika- 
lisch: Die  1.  Zeile  ist  reimlos;  in  den  beiden  folgenden  durch  Reim  gebundenen  Aciitsilbiern  ist 
mit  trotziger  Absichtlichkeit  Gedanke  von  Gedanke  gerissen;  die  Halbzeile  welche  die  Strophe 
abschliesst,  reimt  erst  mit  der  nächsten  Vollzeile.  Beispiele  bei  Braga  sind:  der  konim- 
bricenser  Fado  do  marujo\  der  Frade\  und  die  a^orianische  Xäcara  da  Vida  da  Freira. 
—  Heute  giebt  man  den  Namen  fado  o^^x  fadinho  V  u  1  gärl  ie  der  n  ähnlichen  Inhaltes, 
docii  in  Vierzeilern  (wie  der  Fado  da  Severa),  Decimen  oder  Uuintilhas,  die  von  städtischen, 
fadistas  (den  lissabonner  Bohemiens)  zur  banza  gesungen   werden, 

'  Dem  Anschein  nach  war  der  solau  ein  Gedicht  in  Dreizeilen.  Üb  er  in  Beziehung 
zu  den  span.  soleares  und  den  galliz.  rtiadas  steht,  ist  noch  ungewiss,  wie  auch  seine  Be- 
ziehungen zum  fado  unklar  sind. 

*  Ein  einziges  Mal,  im  16.  Jh.  in  der  Dichtung  Crisfal  (Str.  42),  wird  ein  kastil. 
Wallfahrtsliedchen  ( Yo  me  iba  la  mi  tnadre  A  Santa  Maria  del  Pino)  mit  dem  Namen 
canto  de  ledino  belegt ;  doch  ist  die  Lesart  de  ledino  zweifelhaft.  Delledino  d  h.  d^elle  dino 
giebt  vielleicht  den  wahren  Sinn.  Erörterungen  darüber  ob  ledino  so  viel  wie  ladino  = 
schlau,  Oi\*ii'  latino  =  lateinisch  bedeute,  oder  mit  ledainha  =r  litania  zusammen- 
hänge, oder  auf  ledo  =r  laeius  als  auf  das  charakteristische  Wort  der  Wallfahrtsgesänge 
hinweise,  sind  daher  müssig.  —  Das  von  Chris  tovam  Falcäo  verwertete  Lied  ist, 
nebst  seiner  reizenden  Melodie  enthalten  ini  Canc.  Musical  (No.  38o).  Es  ist  ein  Villancico, 
dessen  Mote  und  Refrain  eine  noch  ältere  Volksweise  ist:  das  catitar  von  Menga  la  de! 
Bustar.  —  An  Seitenstücken  fehlt  es  nicht,  wie  Yo  me  iba  mi  madre  A  la  romeria  (Barbieri 
No.  402)  imd  Yo  me  iba  mi  madre  A  Villareale  (Amador  W  p.  61 2).  Wie  man  sieht,  tritt 
die  Tochter  auf  und  erzählt  der  Mutter  Wallfahrtserlebnisse.     Vgl.  S.    152  Anm.  6. 

*  Vom  vatikanischen  Liederbuche  ( No.  410)  und  dem  Erzpriester  von  Kita  (93;?. 
961.  971.  996 J  über  die  vier  asturischen  Mendoza's  hinfort  (Inigo  Lopez,  Pero  Gon- 
zalez, Diego  Furtado  und  den  Markgrafen  von  Santillana)  bis  zu  Bocanegra 
und  Carvajales  in  Spanien  und  Gil  Vicente  in  Portugal  lässt  sich  die  Serranilha  in 
der  Litteratur  verfolgen.  Dann  verschwindet  sie.  Sie  scheint  aus  Frankreich  durch  Nord- 
spanien nach  Poitugal  gekommen  zu  sein.  Die  Redondilha  menor  war  ihre  üblichste  Form, 
in)  14.  wie  im   16.  Jh. 

*  Z.  B.  Ben  per  estä  aos  reis  \  D'amaren  sanla  Maria  \  Ca  en  as  mtii  grandcs  foiias  ' 
ela  OS  acorre  e  giiia.  —  Diese  und  die  span.  Cantigas  bei  F  i  ta  und  A  y  a  1  a  sind  schon' Kunst- 
gedichte, (loci)  weisen  sie  sei h.st verständlich  auf  bereits  in  Spanien  vorhandene  Volkslieder  hin. 


150    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —  4.    PORT.    LiTT. 


plar  von  den  damals  üblichen  qicadras  unverändert  erhalten  hätte,  ist  un- 
wahrscheinlich. Die  Kürze  und  Schlichtheit  ihrer  Form,  und  ihr  durchaus 
subjektiver  Charakter  bringen  es  mit  sich,  dass  sie  ebenso  schnell  vergehen 
wie  entstehen,  und  dass  der  Liedervorrat  sich  somit  fortwährend  erneuert.  — 
Die  Spontaneität  seiner  Bildung  ist  damit  ausser  Frage  gestellt.  Trotz  oft  recht 
auffälliger  Anklänge  steht  der  peninsulare  Vierzeiler  in  keinem  direkten  Zusammen- 
hang mit  ähnlichen  gleichgearteten  Gebilden  anderer  Völker.  Bewusste  Nach- 
ahmung ist  ausgeschlossen.  —  Die  portug.  quadras  von  den  span.  coplas  {de  arte 
cojnun)  zu  trennen,  geht  trotzdem  nicht  an.  Manche  völlige  Übereinstimmung 
weist  auf  Wanderung  und  Austausch  hin.  Beide  Länder  haben  gegeben  und 
empfangen.  Im  Grossen  und  Ganzen  aber  gehört  jedem  Lande ,  ja  jeder 
Provinz,  und  jeder  Ortschaft  sein  besonderer  einheimischer,  wirklich  an  Ort 
und  Stelle  geschaff'ener  Cancioneiro. 

20.  Die  eigenartigste  und  fruchtbarste,  nachhaltigst  wirkende  Schöpfung 
der  ersten  Epoche  portug.  Volkspoesie,  war  eine  Gattung  äusserst  melodischer 
und  reizvoller  Gesänge,  die,  obwohl  aus  ganz  einfachen  Elementen  bestehend, 
dennoch  wie  ein  Kunstbau  aussehen.  Wir  kennen  sie  fast  nur  aus  Nach- 
bildungen höfischer  Dichter.  Diese  aber  schlössen  sich,  was  Gegenstand,  Styl 
und  metrische  Form  betriff"t,  den  Vorlagen  so  treu  an,  dass  man  sie  vor  sich 
zu  sehen  glaubt.  Nur  die  Gedanken  und  Gefühle  zeigen  hie  und  da  höfische 
Verfeinerung.  Das  eigentliche  Thema  besteht ,  in  seiner  ursprünglichsten 
Form,  aus  nur  zwei  Zeilen,  die  häufig,  doch  keineswegs  immer,  proven- 
zalische  Dekasyllaben  mit  scharfem  Einschnitt  nach  der  vierten  Silbe  sind. 
Linien  auch  von  6,  8,  12,  14  Silben,  jambischen,  trochäischen  und  ana- 
pästischen Wandels  kommen  vor,  von  denen  die  längeren  immer  in  zwei, 
meist  symmetrische  Hälften  zerfallen.  Das  Zeilenpaar  reimt  stets,  oft  unvoll- 
kommen, ist  also  nichts  als  eines  der  bereits  erwähnten  cantarcillos  oder  can- 
tares  velhos,  und  formell  identisch  mit  so  manchem  Sprichwort  und  Märchen- 
reim. Nur  tritt  als  unentbehrliches,  charakteristisches,  lyrisches  und  musi- 
kalisches Element  der  Kehrreim  hinzu  ',  bisweilen  als  blosse  Klangfigur,  ohne 
handgreiflichen  Sinn,  oft  als  An-  oder  Ausruf,  der  die  Stimmung  des  Dichten- 
den wiedergiebt,  noch  häufiger  als  Satzteil  oder  selbständiger  Satz,  der  den  Ge- 
danken des  Distichons  vollendet.  —  Zu  einem  grösseren  Ganzen  entwickelt  sich 
das  kleine  Lied  er^t  durch  Wiederholung,  die  ja  die  Seele  des  Volksliedes  ist. 
Jeglicher  Gedanke  wird  nämlich  im  altportug.  Parallelstrophenlied  doppelt  aus- 
gesprochen. Was  die  erstere  Strophe  sagte,  beteuert  die  zweite  noch  einmal, 
ohne  irgendwelche  Erweiterung  des  Sinnes,  doch  stets  mit  leiser  Änderung  des 
Ausdruckes,  sodass  das  Reimwort  ein  anderes  (ob  auch  synonymes)  mit  ab- 
weichender Vokalisation  wird.  I-o  und  ä-o  sind  die  beliebtesten  Assonanzen ; 
amigo  und  amado  die  besonders  häufig  wiederkehrenden  Reimworte 2.  Bei 
2  zeiligem  Thema  ist  damit  das  Lied  fertig.  So  z.  B.  in  folgenden  zwei  Strophen 
eines  melancholischen  Hochzeitskarmen,  das  ein  Mädchen  an  den  treulosen 
Geliebten  richtet.  Es  scheint  mir  das  älteste  der  aufbewahrten  volkstümlichen 
Parallelstrophenlieder : 

1     Solo  ramo  verde  e  florido  2     Solo  florido  e  verde  ramo 

vodas  fazetn  ao  meu  amigo  !  vodas  fazem  ao  meu  amado  : 

e  choram  olhos  damor!  e  choram  olhos  d'atnor!     (Vat.  454)-' 


*  Man  vergleiche  das  älteste  lyrischeGedicht  span.  Herkunft:  Berceo's  -»Eyavelar« 
(Duelo  de  la    Vir  gen  178). 

*  Z.  B.  marido  .\xx\A  velado\  pino  und  ramo\  rio  und  vao\  florido  und  granado\   oder 
mar  und  ler\  ver  und  mirar\  denn  der  Reim  ist  nicht  immer  weiblich. 

'  Die  zweite  Strophe  habe  ich  ergänzt. 


Volkslied  der  ersten  Periode.    Parallelstrophenlied.  151 

Ist  das  Thema  hingegen  etwas  länger,  —  3,  4  oder  5  zeilig  —  so  wieder- 
holt sich  in  jedem  neuhinzutretenden  Strophenpaare,  in  dem  die  zwei  Zeilen  des 
ersten  Gesätzes  den  Gedankenfaden  immer  nur  um  einen  Schritt  weiters[)innen, 
das  gleiche  wiegende  Spiel.  Denn  die  beiden  neuhinzutretenden  Strophen  sind 
regelmässig  mit  den  vorangegangenen  dadurch  verknüpft,  dass  die  zweite  Verszeile 
der  ersten  Strophe  als  erste  der  dritten  wiedererscheint,  und  ebenso  die  letzte 
der  zweiten  als  erste  der  vierten.  Bei  3  zeiligem  Thema  setzt  sich  das  Ganze 
also  aus  4  Strophen  zusammen.  So  in  dem  Liedchen  O  anel  do  meu  amigo 
I  perdi-o  solo  verde  pino.  \  Por  en  chor'  eu  dona  virgo  (Vat.  507),  oder 
in  Gil  Vicente's  bekannten  Zeilen:  Um  amigo  que  eu  hazna  \  Matifanas 
ifouro  m'cnvia  \  Garrido  amor]  Um  amigo  que  eu  amava  \  Manfanas  douro  me 
manda,  \  Garrido  amor!  Manfanas  ifouro  tfi'envia  \  A  melhor  era  partida!  \ 
Garrido  amorP.  Bei  4 zeiligem  Leitmotiv  braucht  man  6  Strophen  (und  so 
fort),  hat  demnach  stets  paarige  Strophen  -.  Eigentlich  reiht  der  Dichter  also 
zwei  verschieden  reimende,  sonst  aber  ganz  gleiche  Versionen  in  einander, 
gerade  so  wie  es  in  der  asturischen  Danzaprima-Kovc\z.v\zG  »Ay  un  galan  ifesta 
villa,  Ay  un  galan  (festa  aisa^«  und  in  dem  kurzen  Tanzliede,  »Ay  Juami 
cuerpo  garrido  Ay  Juana  cuerpo  galano«  geschieht,  nur  dass  hier  der  Wechsel 
nach  je  einer  Zeile  und  dort  nach  je  zweien  eintritt  (s.  S.  153  Anm.  5).  In 
beiden  Fällen  bestehen  die  Einzelversionen  aus  einreimigen  Tiraden,  und  ihr 
Ineinandergreifen  erklärt  sich  ungezwungen  als  Wechselgesang  und  Wcchsel- 
tanz  zweier  Chöre,  in  Ringel-  oder  Reihentanz  ^.  —  Von  solchen  Parallel- 
strophenliedern,  für  die  leider  ein  besonderer  portug.  Name  nicht  überliefert 
ist"*,  bieten  die  höfischen  Cancioneiros  der  ersten  Epoche  mehr  als  sechzig. 
Im  vatikanischen  Liederbuch  zähle  ich  54^:  40,  die  den  Typus  ganz  rein 
darstellen,  und  14  welche  abweichen.   Davon  haben  22  die  Reimvokale  l-o  und 

'  G.  V.  II  443.  —  Strophe  4  fehlt,  wie  sehr  oft  bei  der  Niederschrift.  Sie  müsste 
lauten :  Manganas  it'ouro  me  manda,  A  tneUiar  era  qiubrada :  Garrido  amor .'  —  Man  druckt 
stets  manfanas  und  sieht  darin  einen  der  verpönten  Hispanisnien.  Nur  mit  halbem  Rechte. 
In  dem  sicherlich  alten  Liede  sang  das  I-andvolk  ohne  jeden  Zweifel:  magä-as  (dieisillng 
wie  manzanas).  Die  archaische  Form  misfiel  aber  am  Hofe  Emanuels  und  Johann's  111. 
Darum  griff  man  zur  volleren  span.  Form,  genau  so  wie  die  gelehrten  zu  latinisierenden 
Rückbildungen  {tnenor  für  meor,  mayor  für  n,or  etc.). 

*  Überall,  wo  es  nicht  der  Fall  ist,  haben  wir  nachzubessern,  ohne  Furcht  zu  inen. 
—  Prof.  \V.  Sture  k  hat  es  schon  in  vielen  Liedern  mit  Glück  und  Geschick  gethan.  — 
Bei  fünfzeiligem  Thema  haben  wir  8  Strophen;  bei  sechszeiligem  lO.  Darüber  geht  das 
Volkslied  nie  hinaus.  —  Das  allgemeingültige  Schema  ist  (mit  UnteidrOckung  des  Refrains) : 
ab  I  AB  II  bc  I  BC  ||  cd  j  CD  ||  u.  so  fort.  —  In  dem  berühmten  Blütenliede  des  Dichter- 
königs: Ay  ßores  ay  flores  do  verde  pino  bilden  flie  P' ragen  ein  selbständiges  Ganze;  und  die 
Antworten  ein  anderes  entsprechendes. 

'  Die  vollständige  Lesart  giebt  J.  Menendez  Pidal  {/^omamre  XXX).  Gegen  sein 
Kompilationsverfahren  ist  freilich  vieles  einzuwenden. 

*  Gil  Vicente  lässt  im  Auio  da  Feira  zwölf  Personen,  neun  Mädchen  und  drei 
Burschen  (mogas  do  monte  und  mofos)  eine  folia  tanzen ,  und  dazu  in  zwei  Chören  ein 
Parallelstrophenlied  a  lo  divino  singen  (l  p.   183).     In  Strophe  2  lese  man  amar  statt  amor. 

'  Der  Gallizier  nennt  seine  refrainlosen  Parallelstrophenlieder  (die  schon  1759  ii's 
altmodisch  bezeichnet  wuiden)  mu\h\ineiras  nicht  weil  ihr  Stoff  sich  auf  Müller  oder 
Müllerin  bezieht,  sondern  vermutlich  weil  die  Tanzenden  sich,  mühlradartig,  im  Kreise  be- 
wegten. —  Der  asturische  Grande  Diego  F^irtado  de  Mendoza  betitelte  die  von  ihm 
Verfasste  parallelistische  Tanzweise  einen  cossante  (von  cosso  Tanzplatz  =  cursus:  oder  für 
cossoante  =  consonante).  Vgl.  de  los  RiosV  293  und  Canc.  Gen.  No.  lOlB.  —  Braga  benutzt 
stets  den  Ausdruck  serranilha,  der  zweideutig  und  darum  schlecht  gewählt  ist.  Die  wahre, 
erzählende  serranilha  nuiss  im  Leitmotiv  (d.  h.  im  Mote)  das  Wort  j«rra  oA^x  serrana  an- 
wenden. Zu  Jener  Wahl  hat  ihn  vermutlich  die  Wahrnehmung  gebracht,  dass  G  i  1  Vicente 
die  seiner  Zeit  nur  in  entlegenen  Gebirgen  weitei-  lebenden  Weisen  von  Bergbewohnerinnen 
vortragen  lässt,  und  auch  eine  wirkliche  Bergreihe  in  l^arallelstrophen  kleidet  (III  214     2l8). 

«  Vaticana  Nos  168—173;  »92  195;  2-12  243  245  246  250;  321 ;  368;  401  4U 
415  429  438  462  .-07  691  719  726  728;  753—755;  757  76l  ;  765;  792-794;  79^  797 
876  878  879  881  883-890  902. 


1 5  2    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT,    LlTl". 

d-0  (oder  d-e) ' ,  und  1 6  darunter  führen  im  ersten  Distichonpaarc  die  Worte 
amigo  und  amado.  Hierdurch  sind  sie  als  Frauenlieder  charakterisiert 2, 
als  cantares  de  amigo,  (unter  welchem  umfassenden  Namen  jedoch  auch  ganz 
anders  gestaltete,  nicht  volkstümliche  Gesänge  zu  verstehen  sind).  —  Davon 
schrieb  König  D.  Dinis  acht  (und  seinem  feinen  Gefühl  für  volkstümliche 
Schönheit  verdanken  wir  vielleicht  die  Erhaltung  dieses  Typus);  eins  gehört 
seinem  Sohne  D.  Affonso  Sanches;  drei  sind  von  einem  gallizischen  Granden, 
Paay  Gomes  Charinho,  der  am  Hofe  Alfons  X.,  als  sein  Flottenadmiral 
eine  Rolle  gespielt  hat;  die  übrigen  sind  Werke  portug.  und  galliz.  Ritter, 
Bürger  und  Spielleute  vom  Hofstaate  beider  Fürsten  3.  Eines  der  Lieder  ist 
in  doppelter  Lesart  vorhanden,  als  Werk  zweier  verschiedener  Dichter,  des  hoch- 
begabten Klerikers  Ayras  Nunes  und  des  Volksbarden  Joam  Zorro'*,  meiner 
Meinung  nach,  weil  es  ein  echtes  Volkslied  ist,  das  beide  gerade  wegen 
seiner  Ursprünglichkeit  und  Beliebtheit  aufgelesen,  und,  nach  höfischer  Weise, 
i  mit  einem  neuen  som  versehen  haben  ^.  Dass  dieses  Tanzlied  »Bailemos  ja 
I  todas,  todas  ay  amigas  Sob  aquestas  avelaneyras ßoridas«  thatsächlich  von  einem 
Doppelchore  junger  Mädchen  um  einen  knospenden  Haselbusch  zur  Maien- 
oder Pfingstzeit  gesungen  ward,  lässt  sich  zwar  nicht  beweisen,  doch  ist  es 
wahrscheinlich,  und  andere  Lieder,  in  denen  Pinie  und  Granate,  oder  einfach 

ein  Blüten  zweig  vorkommt,  bestätigen  diese  natürliche  Deutung Nicht  alle 

Parallelstrophen  sind  jedoch  Tanzlieder;  gar  manche  sind  Wallfahrtsgesängc^, 

Morgenständchen,   in   denen  das  Wort  alva  im  Kehrreim  auftritt',  Barkarolen, 

4,*^       Botenlieder;  andere  sind  einfache  Liebesmonologe,  zeugenlosc  Gefühlsergüsse, 

ic  oder   auch  an  Mutter,  Schwester,    Freundin    oder  Freund   gerichtete  Bekennt- 

\yy  nisse;  wieder  andere    sind'  Gespräche    zwischen  Tochter  und  Mutter,  Freund 

/      und  Freundin  u.  s.  w.  —  Denselben  Typus  parallelistisch  gegliederter  Distichen 

/       mit  Refrain  im  Volksstyle  finden  wir  später  ein  Dutzend  Mal  in  span. -portug. 

I       Liederbüchern  des  15.  Jhs.,  ohne  Angabe  von  Dichternamen ^,  meist  in  Texten, 

'  Die  übrigen  benutzen  die  Reinivokale  ia-äa\  ea-ao\  eo-ao\  ae-ee\  i-ä\  c-d; 
ö- i\  d-e\  o-  d'  et-o. 

2  Die  Troubadours  verstanden  darunter  Lieder,  welche  sie  selber  Frauen  (d.  h.  jungen 
Mädchen)  in  den  Mund  legten.  —  In  Walirheit  sind  in  Portugal  und  Gallizien  die  Frauen  nicht  nur 
die  treuesten  Bewahrerinnen  des  Folklore,  sondern  wirklich  Dichterinnen,  und  die'j'roubadours 
fussten  auch  hierin  auf  echt  nationaler  Volkssitte.  —  Sarmiento  .spricht  wahr  :  en  Portugal  es 
tan  natural  la  poesia  ....  que  cada  pastor  es  poeta  y  cada  moza  de  cantaro  poetisa.  Esto  (pie 
es  comun  en  toda  Espana  es  mas  particular  en  Portugal  y  Galicta  ....  En  la  mayor  parte 
de  las  coplas  ....  hablatt  las  mujeres  con  bs  hombres  y  es  porque  ellas  son  las  que  componen 
las  coplas  sin  artißcio  alguno  [Memorias  537.   98). 

'  Nuno  Fernandes  Torneol;  Pero  Garcia  B  urgal  es  (=  aus  Burgos) ;  Pe- 
d  rann  es  Solaz;  Bernardo  de  Bonaval  (aus  Gallizien) ;  Rui  Martins  doCasal; 
Pero  Meogo:  Martim  d  e  Grij  ö,  Mar  tini  C  odax;  Joam  Zorro;  Ayras  Nunes. 

*■  Fa/.  462  und  761.  In  der  ersten  Lesart  ist  Strophe  3  ein  unverständiger  Zusatz.  — 
Der  lange  Kehrreim  spricht  keineswegs  gegen  die  Volkstümlichkeit  des  Liedes. 

»  Wie  unendlich  oft  ist  in  der  Folgezeit  ein  und  dasselbe  Lied  von  verschiedenen 
Dichtern  dem  Volksmund  abgeborgt  und  verschieden  paraphrasiert  worden! 

^  Vgl.  S.  149  Anm.  4.  —  Die  ungefähr  sechzig  Walifahrtslieder  der  Vatikana .  die 
ich  Cantos  de  romaria,  und  nicht  Cantos  de  ledino  nenne,  enthalten  Mädchenbitten  um  die 
Erlaubnis  sich  beim  Kirchweihfeste  mit  dem  Freunde  treffen  zu  dürfen,  Pläne  und  Hoff- 
nungen und  Befürchtungen,  die  sich  an  dies  Stelldichein  knüpfen,  nachträgliche  Berichte  über 
diesen  Gang  zum  Heiltum  und  Erinnerungen  daran.  Das  Typische  ist,  dass  ein  Ort,  oder  eine 
Kirche  bei  Namen  genannt  wird.  —  Wir  haben  z.  B.  S.  Maria  in  den  Liedern  721—23; 
S.  Marta  709— 712;  S.  Servando  734— 750;  S.  Salvador  845  — 851;  S.  Cecilia  876-881  : 
S.  Cremente  805— 808;  S.  Leuter  857— 860 ;  Vigo  884 -88Q;  S.  Maria  de  Le(,-a  890- 892  ; 
S.  Maria  do  Lago  893.  Vgl.  265.  339.  894.  —  Übrigens  sind  die  wenigsten  davon  wahre 
Parallelsti-ophenlieder.  Ganz  nach  dem  von  Falcäo  benutzten  Typus,  der  dem  15.  Jh.  an- 
gehört, ist  auch  keines  gebaut. 

^    Vat.   170.   172.     Vgl.  242  und   1049  (771.  772.  782)  und  Barbüri  No.  6. 

*  Besonders  in  Barl)ieri's  kostbarem  Canciomro  Mtisical\  doch  auch  anderwärts, 
■I..  B.  im  Madrider  Liederbuch  Vli-A-3,  den  J.  Perez  (iömez  Nieva  .so  unverantwort- 
lich schlecht  iierausge^cben   hal. 


Arten  des  Parallelstrophenuedes.  153 

die,  ob  auch  verderbt,  doch  deutlich  portugiesische  oder  gallizische  Herkunft 
verraten';  und  wir  finden  ihn  bei  den  mit  altgallizischer  Lyrik  vertrauten  Men- 
dozas2  sowie  bei  Gil  Vicente^,  und  noch  im  16.  und  17.  Jh.  in  verschiedenen 
obras  lyricas^,  bisweilen  a  lo  divino  zugestutzt,  wie  so  oft  die  vilancetes.  Und 
vor  allem  finden  wir  ihn  heute  noch  lebend  im  Volksmunde  der  Gallizier  und 
Portugiesen,  hier  in  der  Ortschaft  Rebordäinlios  (bei  Moncorvo  in  Tras-os 
Montes)^,  und  dort  im  ganzen  Lande,  als  Mühlradlieder  (Miänhciras).  Und 
gerade  diese  letztgenannten  Lieder  bewegen  sich,  der  Regel  nach,  in  zehn 
oder  elf  silbigen,  in  der  Mitte  nach  der  vierten  oder  fünften  Silbe  scharl  ein- 
geschnittenen, in  symmetrische  oder  unsymmetrische  Hälften  zerfallenden  Lang- 
zeilen {hendecasyllabos  anapesticos  oder  de  gaita  gallega),  die  beinahe  ebenso 
unter  D.  Dinis  üblich  waren :  gewisslich  ein  unwiderlegliches  Zeugnis  für  die 
Volkstümlichkeit  und  Langlebigkeit  dieses  portugiesisch-gallizischen  Gebildes! 
—  Wie  sehr  die  Kunstpoesie  des  13.  Jh.  sich  der  Volkspoesie  anschmiegte, 
mag  man  auch  daraus  ermessen,  dass  mindestens  zwei  Drittel  aller  altportug. 
Gedichte  Cantigas  de  refran  sind;  dass  beinahe  ein  Dritteil  aller  erhaltenen 
Trobadourwerke  Frauenlieder  sind ;  und  dass  mehr  als  die  Hälfte,  also  noch  ein 
gut  Teil  der  eigentlichen  Kunstpoesien  {de  nuiestriä),  der  Volkssitte  huldigen, 
den  in  der  ersten  Strophe  ausgesprochenen  Gedanken  in  allen  folgenden  nur  leise 
zu  variieren.  Näheres  im  folgenden  .Abschnitt. —  Ausser  den  bereits  angeführten 
zwei  Liedern,  die  ich  nicht  für  höfische  Nachbildungen,  sondern  für  echte  Volks- 
lieder halte  {Solo  raino  und  Bailemos),  bietet  das  vatikanische  Liederbuch  noch 
verschiedene  andere,  gelegentlich  zitierte  .'\nfange  von  Liedern,  von  denen  noch  ein 
paar  möglicherweise  Parallelstrophenlicder  waren:  Aie pastorcla:  Pela  ribeira 
do  rio  I  Cantando  ia  la  virgo  \  D'amor  und  Ay  estorninho  do  ca>elanedo,  Cantades 
i'os  e  tnoir  eu  e peiw  \  D'amores  hei  mal^  die  alle  beide  ein  und  derselben  Schäferin 
in  den  Mund  gelegt  sind  (Vat.  454).  Abweichend  gebaut  war  die  erzählende  ser- 
ranilha :  Na  terra  de  Cintra  Apar  cfesta  serra  Vi  uma  serrana  Que  braadava  guerra; 
(Vat.  410);  und  vielleicht  das  Bauernlied  Ao  pee  d^esta  torre  Baila  corp'egiolo 
(sie!)  Vede-lo  cos  ay  cavaleiro  (Vat.  1043) ;  die  bailada:  Vos  avede  los  ol/ios  verdes 
Matar  m'edes  com  elles  (ib.  1062)  und  andere  mehr  (Vat.  278).  —  Alle  aber 
(bis  auf  die  serrafiilha,  die  man  als  Vierzeiler  em  redondilha  menor  auffassen 
darf)  bestehen,  gleichwie  die  Parallelstrophenlicder,  aus  einem  unmittelbar 
durch  Reim  oder  Assonanz  geeinten  Zeilenpaare,  mit  oder  ohne  Kehrreim, 
sind  also  primitive  cantares  velhos,  und  stehen  in  ausgesprochenem  Gegen- 
satz zu  den  rein  trochäischen  refrainlosen  Vierzeilern  der  zweiten  Epoche. 
Eine  Sammlung  aller,  der  ersten  Epoche  portug.  Dichtkunst  angehöriger 
Lieder  im  Volksstile,  mit  Einschluss  sämtlicher  portugiesischer  und  spanischer 


'  Ich  denke  z.  B.  an  Barbieri's  No.  437"-  Meu  tiaranjedo  florido,  el  fruto  no  l'es 
venido.  458 :  Mens  ollws  van  per  lo  mare.  50 :  Minno  atnor  tan  garrido  Feriti-vos  vosso  marido 
und  andere. 

'  Der  schon  erwälinte  Cossante  des  Diego  Furtado  beginnt:  Aqttel  arbol  del 
bei  mirar  Faze  de  manyera  flores  quiere  dar:  Algo  se  le  antoxa!  Aqttel  arbol  del  bei 
veyer  Faze  de  manyera  qttiere  florezer.  (Madr.  Canc.  ms.  VII  A-3 ;  fl.  6  v.).  —  Audi  ein 
knospender  Baum! 

»  Gil  Vicente  1   183;  II  443.  48l ;  lU  214. 

*  Bei  Castillejo  und  Juan  de  la  Cruz,  und  iji  den  musikalischen  Lieder- 
büchern von  Pisador  und  Saunas. 

*  S.  ob.  p.  148,  Anm.  3.  — Die  4  von  Leite  de  Vasconcellos  bekanntgegebenen 
Parallelstrophenlieder  aus  Tras-os-Montes  lassen  sowohl  Reimweclisel  als  Kehrreim  nach  je 
einer  Linie  eintreten,  zeigen  also ,  wie  alle  transmontanischen  Volksgesänge,  nahe  Ver- 
wandtschaft mit  dem  asturischen  Folklore.  Bemerkenswert  ist,  dass  eines  darunter  sogar 
noch  das  Reimpaar  amigo  und  amado  bietet,  und  also  Frauenlied  ist,  obwohl  kein  eigent- 
liches Liebeslied.  Das  Thema  lautet :  Anda  Id  um  peixinho  vivo  (resp.  bravo),  Vamolo  cagar, 
meu  amigo  (resp.   amado)  und  als  Rebain  dient  :   Na  ribeirinhn  ribeira  Naquella  ribeira. 


154    LlTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —    4.    PORT.    LlTl\ 


(d.  h.  gallizischer  und  asturischer)  Nachklänge  aus  späteren  Jahrhunderten,  würde 
ein  zwar  etwas  eintöniges,  aber  dennoch  sehr  anmutiges  Liederbuch  ergeben. ^ 

—  Romanzen  enthielte  es  nicht,  ausser  der  Z)ansapnma-Roma.r\ZG  (die  eine 
Tanzweise  ist),  denn  leider  darf  man  weder  an  das  Alter  noch  an  die  Echt- 
heit der  Figueiredo-Kom2iV\ZQ  glauben,  so  gut  sie  mit  ihrer  partiellen  Ineinander- 
reihung  zweier  Versionen  hierher  passte  (S.  u.  §  27).  Die  wirklich  echten  alten 
asturischen,  gallizischen  und  portugiesischen  Romanzen  gehören  bereits  der  im 
1 5.  Jh.  beginnenden  zweiten  Redondilhenepoche  an. 

21.  Diese  objektiven,  lyrisch-epischen  oder  episch-lyrischen  Volksgesänge, 
sind  natürlich  umfang-  und  inhaltreicher,  und  daher  viel  bedeutsamer  als  die 
kurzatmigen,  nur  durch  musikalische  Wiederholung  gedehnten  lyrischen  Lieder 
der  ersten  und  der  zweiten  Epoche.  —  Sie  tragen  in  Portugal  den  gleichen 
Namen  wie  in  Spanien.  Die  litterarisch  Gebildeten  sprechen  in  der  Zeit  von 
1516  bis  1851  ausschliesslich  von  Romanzen.  Später  beobachtete  und 
verzeichnete  man,  dass  im  Volksmunde,  neben  dem  thatsächlich  vorhandenen 
Gattungsnamen  romance,  rcmance,  oder  rimance,  noch  andere  Bezeichnungen 
üblich  sind.  Erstens  die  ganz  allgemeinen,  für  alle  gesungenen  Verse  ge- 
brauchten Worte :  versos,  quadras,  trobos  und  trövas.  Zweitens  die  spezielleren 
Ausdrücke:  estorias,  xdcaras  oder  jäcras-  und  arabhrs^.  In  Tras-os-Montes 
spricht  man  gewöhnlich  von  rimances  oder  jäcras  das  segadas  d.  h.  von 
P>nteromanzen,  weil  dieselben  gerade  während  der  Kornmahd  im  Monat  Juni 
gemeinsam  gesungen  werden.  • —  Vollständig  gehoben  ist  der  portugiesische 
Romanzenschatz  noch  nicht.  Jedenfalls  aber  kennt  man  heute  die  wichtigsten, 
meistgesungenen,  sowohl  was  den  Kontinent  als  was  die  Inseln  (Agoren  und 
Madeira)  und  Brasilien  betrifft.  Gedruckt  sind  etwa  hundert  stoff'lich  ver- 
schiedene Romanzen^:  darunter  manche,  denen  Aussterben  drohte,  in  nur 
einer  Lesart,  viele  hingegen,  noch  heute  wirklich  lebenskräftige,  in  zahlreichen, 
oft  stark  von  einander  abweichenden  Redaktionen.  Manche  tragen  ein  äusserst 
verschlissenes  und  verwahrlostes  Gewand:  die  Mehrzahl  besitzen  wir  jedoch 
in  reinen  und  schönen,  altertümlichen,  echten,   treu   aufbewahrten  Versionen, 

'  Im  AItfranz(>sischen  und  auch  im  Italienischen  kommt  Ahnliches  vor.  —  Eine 
Ausbildung  wie  in  Portugal  hat  jedoch  die  symmetrische  Gliederung  und  der  Kelureiin 
nirgends  sonst  gefunden. 

2  Das  portug.  Volk  macht  iieute  —  in  den  Provinzen,  welche  das  Wort  xäcara  über- 
haupt kennen  —  gar  keinen  Unterschied  zwischen  xäcara  und  romance.  Doch  macht  die  Her- 
kunft des  relativ  modernen  Wortes  es  sicher,  dass  man  damit  ursprünglich  nur  Vulgär- 
romanzen bezeichnete,  später  aber,  weil  die  Vulgärromanzen  vorwiegend  dialogische, 
in  vierzeiligen  quadras  abgefasste  Liebesstreitgesänge  sind ,  den  Namen  auf  alle  Gesprächs- 
romanzen übertrug,  denen  das  erzählende  Element  ganz,  oder  so  gut  wie  ganz,  fehlt.  Almeida- 
Garrett  und  Braga,  die  ersten  und  bis  jetzt  einzigen,  welche  versucht  b.aben  klarzu- 
stellen, was  eine  xäcara  im  Unterschiede  von  einer  Jiotnanze  ist.  sind  ungefähr  zu  dem 
gleichen  Resultat    gekommen,  verwenden    aber  die  Bezeichnung   oft  in    ungeiiöriger   Weise. 

—  Xäcara,  Jacra  ist  das  s^m\.  j'äcara ,  das  bekanntlich  nur  Gauner-Romanzen  benennt,  in 
denen  ein  jaque,  d.  h.  ein  Raufbold  der  Held  ist.  yaque  ist  der  franz.  yaijues  bonhommt 
der  Bauernaufstände  von  \'^^^  Q'acqueries),  scheint  jedoch  erst  um  1400  auf  Umwegen,  über 
Deutschland,  als  Benennung  für  den  Jacken-tragenden  Soldaten  nach  Spanien  gekommen  zu 
sein.   —   (S.   Crmiica  de  Pero  Nino  p.   l68\ 

•*  Die  Bezeichnung  arabias  {oi\&v  als;ar\a\vias)  ist  nur  auf  den  Acoren  üblich.  —  Ver- 
mutlich handelt  es  sich  aucli  hier  um  eine  Verallgemeinerung  eines  ursiirünglioli  beschränkten 
Begriffes,  Man  wird  die  im  Vulgärdialekt  geschriebenen  Gesänge  „arabische"  d.  h.  „rot- 
wäischc"  oder  „kauderwälsche"  gleichsam  verachtend  genannt  haben.  Daraus  auf  arabischen 
Ursprung  der  |)eninsularen  Romanze  schlie.ssen  zu  wollen,  ist  ein  Einfall,  dem  T  h.  Brag.i, 
kider  wiederholt  Ausdruck  gegeben  hat. 

*  '/.ählt  man  die  einzelnen  Redaktionen  wie  Sonderromanzen,  so  darf  man  von  etwa 
\\(iv  Nummern  sprechen.  Hardung,  der  keineswegs  alle  verzeicimet,  bietet  z.  B.  165. 
Seitdem  sind  aber  aus  Madeira  und  Brasilien,  und  aus  Portugal  selbst,  viel  neuaufgefundene 
Ge.sänge  gedruckt  worden;  und  viele  ruhen  noch  ungedruckt  in  den  Sammelmappen  der 
Folkloristen. 


Romanzen  und  Roafanzenstoffe.  155 

ob  sie  auch  im  Volksmunde  nie  so  makellos  und  formvollendet  auftreten  wie 
die  geschmackvoll  überarbeiteten  Texte  Almeida-Garrett's  das  bewundernde 
Ausland  zuerst  glauben  machten.  —  Fast  alle  sind  von  dramatischer  Lebendigkeit. 
Oft  bestehen  sie  ausschliesslich  aus  Rede  und  Gegenrede.  Einleitung,  erzählende 
Übergangsstellen  und  Schluss  werden,  wo  nötig,  von  den  Sängerinnen  in 
Prosa  berichtet,  meist  kurz  und  bündig  in  lakonischen  Sätzen,  oft  ausfuhr- 
licher, gleich  als  wären  die  gesungenen  Partien  nur  Einlagen  zu  Märchen 
oder  Novellen '.  —  Reinlyrische  Zuthaten  und  Exkurse  sind  in  den  Romanzen 
recht  häufig,  und  geben  den  portugiesischen  ein  vom  kastilianischen  abweichen- 
des Gepräge.  Einfach  erzählend  ist  keine  einzige.  —  Alle  haben  heute  die- 
selbe metrische  Form  und  Reimweise  wie  die  spanischen  Romanzen,  d.  h. 
sie  sind  Gedichte  von  beliebiger  Länge,  ohne  Stropheneinteilung,  fast  immer 
in  den  achtsilbigen,  selten  in  den  sechssilbigen '^  trochäischen  Kurzzeilen  der 
cantigas,  von  denen  die  paarigen  durch  Reim  oder  Assonanz  verbunden  sind, 
während  die  unpaarigen  reimlos  dastehen.  Einheitlich  durchgehende  Assonanz 
(sehr  häufig  männlich  in  ä,  ö  (oder  ou)  i  (oder  ei)  und  bei  Klageromanzen 
in  /,  doch  fast  ebenso  oft  weiblich  in  ia  io  d-a  ä-o  d-e)^  ist  das  übliche  und 
theoretisch  erstrebte,  doch  nur  selten  durchgeführte.  Unterbrechungen  und 
Wechsel  treten  in  allen  längeren  da  ein,  wo  eine  neue  Szene,  Rede  oder 
Erzählung  beginnt"*.  Refrain  findet  sich  gedruckt  so  gut  wie  nie,  doch  hört 
man  ihn  bisweilen  singen,  und  zwar  zwischen  Zeile  und  Zeile-''.  —  Mit  Rück- 
sicht auf  die  behandelten  Ereignisse  kann  man  die  Romanzen  in  drei  Haupt- 
gruppen zerlegen.  Erstens  in  mittelalterliche  weltliche,  d.  h.  wahre  eigentliche 
Ritter-  undAbenteuergeschichten:  Romances  novellescos  oder  ccwaZ/mrescos,  gegen 
60.  Zweitens  in  moderne  Genrebilder,  ernsten,  heiteren  oder  satirischen  Inhaltes, 
der  meist  dem  Liebesleben  entnommen  ist:  Xdcaras,  ungefähr  30.  Und  drittens 
in  Szenen  aus  dem  Leben  Christi,  der  Jungfrau  und  der  Heiligen:  Romances 
sacros,  ungefähr  ebensoviel.  —  Die  ersten  sind  weitaus  die  schönsten  und  be- 
deutsamsten. Nur  zum  kleinen  Teil  gehören  sie  ganz  bestimmten  Sagenkreisen 
an,  wie  dem  mcrovingischen  {Floresventos  d.  i.  Flooimit  —  Chlodotvig),  dem  karo- 
lingischen  {Roncesvalles  —  Gerineldo  —  Conde  Claros  —  Gaiferos  etc.) ;  oder  dem 
bretonischen  {D.  Ausenda,  Conde  Nillo).  Die  meisten  behandeln  internationale 
Liebesabenteuer  ohne  bestimmte  Lokalisierung  {Conde  Alarcos  —  Conde  d'Alle- 
manha  —  Bella  Infanta  —  Silvanin/ui.  —  D.  Varäo)  und  zwar  in  pathetischer 
Darstellung,   gern    mit    tragischem   Ausgang,    bisweilen   mit   Einmischung   des 

'  Ich  halte  das  keineswegs  für  P^ntartung,  sondern  sehe  darin  eine  alte  Vortragssitte. 
Von  den  lyrischen  Einlagen  der  Prosamärchen  und  von  den  versifizierten  Märchen  war 
schon  die  Rede. 

2  S.  Iria  —  0  cego  —  A  Pastorinha  —  D.  Bozo  sind  die  l)ekannte-sten  Romanzen 
em  verso  de  redottäilha  Tnenor  oder  de  endccha.  Dass  ein  und  dieselbe  Romanze  an  ver- 
schiedenen Orten  in  beiden  Versarten  bestände,  kommt  nicht  vor. 

'  Ausführliches  über  das  interessante  und  wichtige  Kapitel  vom  „portug.  Reim"  ist 
noch  nicht  geschrieben;  und  Ausländer  (Diez  —  Nigra  u.  A.)  irren  naturgemäss  oft 
in  der  Beurteilung  der  Assonanzen,  erstens  weil  sie  verkennen,  wie  bedeutungslos  der  post- 
tonische Vokal  ist  (unter  reine  ä  und  «'-a-Assonanzen  werden  z.  B.  beliebig  weibliche  in  A-e 
und  ä-o,  seltener  in  ä-a  gemischt),  und  zweitens  weil  sie  sich  über  den  Wert  des  altportug. 
ä-o  und  ä-a  täuschen,  das,  als  Vertreter  des  lat.  antts  ana,  noch  im  14.  Jh.  zweisilbig 
klang,  und  noch  heute  im  Versausgang  oft  zweisilbig  gesungen  wird,  (gleichsam  als  wäre 
es  äo-e.    Vgl.  das  pop.  Joanne  (neben  Joäo)  das  Jaöo-ne  gesungen  wird. 

*  In  echten ,  alten  Romanzen  sind  die  reimlosen  Zeilen  graves  und  die  reimenden 
agildos,  oder  umgekehrt.  Nur  in  modernen  Vulgarisierungen  wurde  diese  Wohlklangsrück- 
sicht ausser  Acht  gelassen. 

*  Gedruckt  findet  sich  nur  Jesiis  Mendigo  mit  dem  Kehrreim  Av  Jesus  oder  Ay  nteti 
Jesus!  imd  der  Principe  D.  Affonso  mit  dem  kunstniässig  klingenden  Ausruf:  Ay  ay  av  que 
forte  pena!  Ay  ay  ay  que  forte  mal!  —  Ich  hörte  Bella  Infanta  und  Nau  Cat/urineta  mit 
langgezogenem,  klagendem  Valha-me  Dens!  und  Dom  Bozo  mit  Av  men  bem!  und  weiss,  dass 
die  Hirten  in    Tras-os- Monte s  solche  Refiain-Zusätze  lieben. 


T56    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    4.  PORT.    LlTl'. 

Wunderbaren.  Dem  hispanischen,  historischen,  oder  historisch-sagenhaften  Kreise 
entstammen  sehr  wenige  Romanzen ,  und  auch  diese  haben  immer  roman- 
tisches Gepräge  {Cid  und  Urraca:,  Conde  Juliäo;  Rey  Rodrigo).  —  Rein 
portugiesische  Stoffe  kommen  nur  ganz  vereinzelt  vor.  Als  solche  betrachtet 
man  die  Legende  von  der  heiligen  Irene,  (S.  Ina),  die  der  Stadt  Santarem 
den  Namen  gab,  und  eine  Totenklage  auf  den  1491  verunglückten  Kron- 
prinzen D.  Affonso.  Ein  Unikum  ist  die  Seeromanze  auf  das  Schiff  Catheri- 
neta, doch  hat  sie  ihre  Parallelen  bei  anderen  Völkern.  Und  von  den  meisten 
mittelalterlich-weltlichen,  wie  auch  von  den  geistlichen,  gilt  das  gleiche :  ein 
Teil  steht  kastilischen  nahe,  ein  anderer  zeigt  Verwandtschaft  mit  den  episch- 
lyrischen Cantos  Asturiens,  Kataloniens,  Süd-  und  Nordfrankreichs  und  Nord- 
italiens, und  zwar  nicht  immer  allein  was  den  Stoff,  sondern  bisweilen  auch 
was  den  Aufbau  und  die  Entwickelung  der  Handlung,  die  Ausführung  einzelner 
Szenen,  ja  sogar  Sprachbilder  und  Redewendungen  anbetrifft.  —  Die  Sprache 
ist  zumeist  reines,  gewandt  und  poesievoll  gehandhabtes  Portugiesisch  {D.  Varäo 
—  Nau  Catherineta  —  Bella  Infanta  —  Silvaninha  etc.j.  Hie  und  da  finden 
sich  selbstverständlich  auch  veraltete  und  dialektische  (oft  verderbte)  Worte 
und  Formeln.  Nicht  selten  kommen  aber  auch  einzelne  spanische  Wortbil- 
dungen vor^  Ja,  in  den  Grenzprovinzen  geschieht  es,  dass  die  Singenden 
Textgestaltungen  benutzen,  die  halb  oder  ganz  spanisch  lauten;  oder  dass  sie 
ein  und  dasselbe  Gedicht  bald  in  der  einen,  bald  in  der  anderen  Mundart 
singen  und  sagen.  —  Daraus,  und  aus  dem  fast  gänzlichen  Mangel  an  aus- 
schliesslich portugiesischen  Stoffen  haben  einige  Forscher,  wie  Coelho  und 
Leite  de  Vasconcellos,  gefolgert,  dass  die  Romanzen  nicht  in  Portugal  ent- 
standen oder  auch  nur  Ausbildung  erhielten,  sondern  als  fertige  Ganze  von 
Spanien  herüber  kamen,  und  somit  nichts  als  mehr  oder  minder  gelungene 
Nationalisierungen  ursprünglich  spanischer  Schöpfungen  sind.  Portugal,  weil 
alles  epischen  Geistes  bar ,  soll  zum  Romanzenschatze  absolut  nichts  beige- 
steuert haben,  es  sei  denn  hie  und  da  eine  humoristische  Parodie,  ein  ironisches 
Zerrbild,  eine  sentimentale  Verwässerung,  oder  eine  moderne  banale  Nach- 
ahmung —  das  minderwertige  Genre  der  Xdcaras"^.  —  Eine  Bestätigung  schien 
diese  Auffassung  noch  in  manch  anderer  Erscheinung  zu  finden:  besass  doch 
Portugal  bis  1851  überhaupt  keinen  Romanceiro,  während  spanische  Sammlungen 
im  16.  und  17.  Jh.  in  Lissabon  gedruckt  wurden  und  daselbst  kursierten;  war 
doch  auch  in  Cancioneiros  und  in  lose  fliegenden  Blättern  nicht  eine  einzige 
portugiesische  Volksromanze  aufgezeichnet  worden,  wohl  aber  spanische;  waren 
doch  die  überaus  häufigen  Zitate  aus  Romanzen,  welche  portugiesische  Schrift- 
steller vom  Ende  des  15.  Jhs.  an  ihren  Kunstgesängen,  Dramen,  Flicken- 
briefen {Carlas  de  centöes  oder  de  giröes),  Novellen  und  Geschichtswerken  ein- 
fügten, beinahe  ausnahmslos  in  spanischer  Sprache  abgefasst^;  sind  doch  die 
Grenzprovinzen  Tras-os-Montes  und  Beira  die  romanzenreichsten ;  fehlte  das 
Wort  romance  als  Bezeichnung  einer  Volksdichtungsform  doch  der  ältesten 
portug.  Poetik,  und  kommt  es  doch  vor  15 16  überhaupt  in  keinem  portug. 
litteraturwerke  vor*.    —    Alle  diese  Thatsachen    zugestanden,    wie  auch    den 

'  Die  liiiuligst  vorkoiiuiienden  „  Hispanismen "  %\x\A  tienc  teiiia  Henen  teuer  und  venir 
venia  venido  (als  Ersatz  für  portug.  fiüher  je  eine  Silbe  mehr  zählendes  tem  tiiilia  lern  ter  vir 
vinha  vindo) ;  solia,  das  gutes  Altport,  ist ;  reäiukar  Für  rinchar  ;  mazana  oder  manzana  für  magä  : 
ckristiano  christiana  und  lozano  für  christüo  christä  lotizäo ;  malo  mala,  madre  und  padre ; 
lionibre  und  nina,  und  hie  und  da  ein  Diminutiv  in  -ita  wie  chiqnita,  mananita.  ~  Alles  übiige 
tritt  vereinzelt  auf.  —  Vgl.  S.  151  Anin.  l.  Erst  nach  vollständiger  Sammlung  und  Sichtung 
des  einschlägigen  Materials  lässt  sich  Endgültiges  darüber  feststellen. 

^  S.  Revista  Lusitana  vol.   I   ii.  320  -320- 

*  ich  habe  bis  heute  sechzig  gesammelt;  davon  beziehen  sich  nur  4  auf  portug. 
Romanzen. 

*  (iiircia  de  KcsiMido  ist  (^.'r  crslo,  der  von  R..>m  in/.en  .ils  Rimances  i  trovas  spricht 


Romanzen.    Stellung  Portugals  zur  Romanzendichtung.  157 

Mangel  an  epischem  Sinn  und  Erfindiingsgeist,  ist  dennoch  jene  Deutung  nur 
halb  wahr.  Portugal  hat  nicht  nur  aus  Kastilien,  sondern  noch  von  einer 
anderen  Seite  her,  die  Urbilder  zu  seinen  Volksromanzen  erhalten,  und  keines- 
wegs nur  fertige  Waare,  an  der  es  seine  Gestaltungsgabc  gar  nicht  mehr  be- 
thätigt  hätte.  Jedes  einzelne  der  eben  angeführten  Argumente  lässt  sich  wider- 
legen ,  freilich  nicht  mit  wenig  Worten  an  dieser  Stelle.  Hier  sei  nur  das 
Wesentlichste  angedeutet.  Dass  Portugal  Romanzen  in  seiner  Zunge  nicht 
früher  aufgezeichnet  hat,  erklärt  sich  aus  der  in  der  Einleitung  charakterisierten 
Sorglosigkeit  und  Unterschätzung  des  Heimischen  ;  ebenso  dass  und  warum. man 
so  gern  spanische  Romanzen  sang,  hörte,  las  und  druckte.  Denn  die  eigent- 
liche Schöpfungs-  und  Blütezeit  der  peninsularen  Romanzenpoesie,  an  der  die 
ganze  Nation,  und  nicht  nur  das  niedere  Volk  teilnahm,  fallt  in  das  15.  Jh., 
d.  h.  gerade  in  die  Epoche  wo,  aus  bereits  dargelegten  Ursachen,  nicht  nur 
das  Spanisch-N achsingen  und  Nachsagen,  sondern  auch  das  Spanisch-Dichten 
und  Schaffen  in  Portugal  Sitte  und  Mode  ward.  An  die  fünfhundert  bekannten 
Portugiesen  erinnernd,  welche  zwischen  1450  und  1750  Spanisch  schrieben, 
und  diejenigen  hervorhebend,  welche  zugestandenermassen  einige  und  sehr  schöne 
spanische  Romanzen  gedichtet  haben  —  Gil  Vicente,  D.  Joäo  Manoel, 
Gabriel  Saraiva,  Antonio  Lopez,  Francisco  Lopez,  Jorge  de 
Montemor,  Gregorio  Silvestre,  Rodrigues  Lobo,  Diego  Garcia, 
Francisco  Manoel  de  Mello  u.  a.  m. '  —  darf  man  fragen:  wer  ist 
im  Stande  zu  beweisen  oder  es  auch  nur  wahrscheinlich  zu  machen ,  dass 
unter  dem  namenlos  überlieferten,  doch  kostbarsten  Hab  und  Gut  der  Roman- 
ceros  sich  nicht  auch  etwelche  Gedichte  portug.  Ursprungs  befinden?  — 
Was  die  eingemischten  sogenannten  Hispanismen  betrifft,  so  sind  die  portug. 
Ost-  und  Grenzprovinzen,  so  viel  ich  sehe,  die  einzigen,  in  denen  thatsäch- 
lich  scheinbar  kastilische  Wortformen  in  den  Romanzentexten  vorkommen ; 
doch  ist  daselbst  keineswegs  nur  die  Romanze,  sondern  auch  das  Lied,  und 
nicht  nur  die  Volkspoesie,  sondern  auch  die  Volksprosa,  und  das  von  jeher 
(nachweislich  seit  dem  13.  Jh.)^^  und  nicht  nur  die  gedruckte,  sondern  auch 
die  gesprochene  Alltagsrede  mit  derartigen  Worten  und  Formeln  durchsetzt. 
—  Die  Schriftsteller  aber,  welche  spanische  Romanzenzitate  benutzten, 
schöpften  keineswegs  vorwiegend  aus  dem  Volksmunde;  sie  führten  treu  und 
ehrlich  an  was  man  zu  ihrer  Zeit  bei  Hofe  sang,  und  dass  das  vielfachst 
Kastilisches  war,  ist  nicht  zu  leugnen.  Aber  es  giebt  erstens  neben  den 
span.  doch  auch  portug.  Allusionen  und  Referate  —  bei  Gil  Vicente,  Jorge 
Ferreira  de  Vasconcellos,  Camöes  und  Mello,  welche  die  nationale 
Eigenart  neben  der  allgemein-peninsularen  hochhielten  —  und  zweitens  sind,  wie 
gesagt,  nachweislich  die  meisten  der  span.  Romanzen,  denen  man  Zitate  ent- 
lehnte, historische  und  sagenhaft  historische  Ritterromanzen  rein  litterarischen 
Ursprungs  (nur  ganz  wenige  wie  der  Cotide  Claros  und  die  Bella  malmari- 
dada  sind  populär,  und  leben  noch  heute  im  Munde  der  Landleute),  so  dass 
Folgerungen  über  Sprache  und  Ursprung  der  Volksromanzen  sich  daraus  nur  mit 
grossem  Vorbehalt  ziehen  lassen.  Das  wahre  Volk  sang  sicherlich  manches  cantar 
romance,  welches  nicht  spanisch  geboren  war,  und  nicht  vom  Pallaste  zur  Hütte 
herabstieg  und  nicht  allmählich  erst  im  Volksmunde  portug.  Gestalt  annahm, 


und  zwar  in  der  Einleitung  zum  Catuianeiro  Geral,  in  dessen  Texten  auch  bereits  einige 
Anspielungen  und  Glossen  auf  Romanzenmotive  vorkommen  (Bella  mal  maridada  —  Tiempo 
Inieno  —   Rey  Rodrigo). 

'  Von  Bernardim  Kibeiro  ward  sogar  eine  portug.  Romanze  in  die  span. 
Romanceros  aufgenommen  fl550). 

*  Ich  denke  z.  B.  an  die  alten  Ortsrechte  (Foraes)  von  Alfaiates  und  Gaste  llo 
m  e  1  h  o  r. 


158    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    4.    PORT.    LllT. 

sondern  im  freien  Lande  portugiesisch  entstand  und  sich  portugiesisch  erhielt.  — 
Denn  hätte  wirklich  Spanien  alles  geschaffen  und  gegeben,  woher  käme  es  dann, 
dass  zur  Stunde  hier  so  zahlreiche  unverkennbar  alte  Romanzen  leben,  während 
so  wenige  spanische  (ich  meine  kastilische)  heute  aus  dem  Volksmund  gesam- 
melt sind?  Warum  haben  Madeira  und  die  Acoren  und  Brasilien  ein  so  reiches 
Kontingent  gestellt,  und  das  südamerikanische  Spanien  so  weniges?  Warum 
besitzen  wir  von  so  vielen  Romanzen  nur  eine  spanische,  um  1550  gebuchte 
Lesart,  und  so  zahlreiche  moderne  aus  Portugal,  die  vollständiger,  echter,  und 
volkstümlicher  klingen,  und  den  ausländischen  Scitenstücken  mehr  als  einmal 
ähnlicher  sehen  als  die  vor  31/2  Jahrhunderten  gedruckten  kastilischen?  Und  wo 
stammen  die  portug.  Romanzen  her,  zu  denen  kastilische  Parallelen  überhaupt 
nicht  existieren?  Ist  in  diesen  Fällen  (z.B.  Flo7-esventos  ~Nau  Catherineta  etc.)  das 
kastilische  Vorbild  wirklich  spurlos  verschwunden?  —  Trotz  Wolf  und  Milä  y 
Fontanals,  ist  eben  die  Geschichte  der  spanischen  Romanze  noch  nicht  fertig 
geschrieben;  noch  gar  manche  Frage  mit  Bezug  auf  Ursprung  und  Anfang,  älteste 
Gestalt  und  Beziehungen  zum  In-  und  Auslande  bleibt  zu  erledigen.  Besonders  hat 
man  auch  hier  den  Begriff  Spanien  und  spanischer  Romancero  nicht  immer 
richtig  gefasst  und  scharf  umgrenzt,  und  auf  Asturien  nicht  genug  Rücksicht  ge- 
nommen, unbekümmert  umAmador  de  losRios,MenendezPidal  undMunthe '.  Die 
einheitliche  metrische  Form  hat  den  Glauben  an  einheitlichen  Ursprung  genährt, 
und  der  ungeheuere  Reichtum  wirklich  originaler,  ausschliesslich  spanischer  ge- 
schichtlicher und  sagengeschichtlicher  alter  Heldenromanzen,  die  unleugbar  dem 
Rittergeiste  des  Kastilianers  entstammen,  hat  dahin  geführt,  dass  man  ihm  und 
nur  ihm,  alle  und  jede  Romanzenschöpfung  zutraut,  und  Portugal,  Gallizien, 
Asturien  und  Katalonien  rundweg  die  Mitarbeiterschaft  abspricht.  Von  jenen  ein- 
heimischen und  ältesten,  epischen  Hcldenromanzcn  (aus  dem  Sagenkreise  des  Cid, 
Fernan  Gonzalez,  den  Infanten  von  Lara,  Bernardo  del  Carpio,  und  König  Rode- 
rich), deren  Entstehen,  wie  schon  gesagt,  weit  hinter  dem  15.  Jh.  liegt  und 
zum  Teil  älter  ist  als  das  portug.  Sonderbewusstsein,  muss  man  die  internatio- 
nalen, der  ganzen  romanischen  Welt,  und  nicht  ihr  allein,  gehörigen  Abenteuer-, 
Märchen- ,  Fableaux-  und  Wunderromanzen  trennen  ,  kurz  alle  Ncn>ellescos  e 
Cavalheirescos  soltos,  und  auch  die  bretonischen  und  karolingischen,  die  zu  ihnen 
hinüberleiten.  Was  von  den  ersten,  speziell  spanischen  in  Portugal  und  in 
Nordspanien  lebt,  kam  thatsächlich  aus  Kastilien  (oder  aus  Südspanien,  wohin 
es  sich  fortgepflanzt  hatte)  und  trägt  das  Zeichen  dieser  Herkunft  meist 
noch  an  sich,  denn  es  ward  als  fertiges,  sprach  verwandtes  Ganze  wortgetreu 
reproduziert  (was  natürlich  nicht  hindert,  dass  im  Laufe  der  Zeiten  durch 
Vergessen ,  Vermischen  und  Überarbeitung  starke  Abweichungen  eintraten). 
An  ihrer  Gestaltung  hat  Portugal  also  wirklich  keinen  nennenswerten  Anteil 
genommen.  —  Die  mehr  lyrischen  romanhaften  Abenteuerromanzen  aber  ent- 
standen nicht  in  Kastilien,  erlangten  nicht  in  Kastilien  ihre  üppigste  Aus- 
bildung und  kamen  nicht  aus  Kastilien  nach  Portugal  (der  Regel  nach, 
die  natürlich  Ausnahmen  erleidet).  Von  ihrem  Hauptherde  in  Frankreich 
ausgehend,  kamen  sie  im  15.  Jh.  allmählich  wandernd  und  umgestaltet,  durch 
Asturien  (über  Leon  oder  Gallizien) 2  nach  Portugal,  und  fanden  da- 
selbst einen  günstigen  Boden,  einmal  weil  derselbe  noch  nicht  mit  national- 
epischen Gesängen  gesättigt  war,  wie  der  kastilische;  und  zweitens  weil  über- 
haupt der  offene,  aneignungsfähige,  zum  Wunderbaren,  Phantastischen  und 
Sentimentalen  hinneigende  Geist  der  Küstenbewohner  mehr  Sinn  für  diese 
Stoffe  zeigte  als  der  originellere  Sondergeist  des  Kastilianers,  der  seine  eigene 

'  Vgl.  Kansta  Ltisitana  II,  Estudos  sohre  0  Roiiianceiro  feninstäar. 
2  .Meikwiirdigervvei.se  fehlen  gallizisclie  Romanzen  so  gut  wie  ganz;  nnd  die  wenigen 
erhaltenen  sind  überaus  stark  vulgaiisiert  und  entartet. 


Anteil  Portugals  an  der  Romanzen uichtung.  159 


Ilias  schon  ausgestaltet  hatte  ^.  Dass  aber  diese  Emptanglichkeit  für  französischen 
Geist,  und  überhaupt  der  lyrische  Grundzug  des  portugiesischen  (undgallizischen 
und  asturischen)  Charakters  im  Grunde  auf  Racenverwandtschaft  d.  h.  auf  vor- 
wiegend keltischem  Untergrunde  beruht,  scheint  richtig  2,  trotz  Gaston  Paris' 
Einwendungen,  die,  genau  besehen,  nichts  anderes  bedeuten  als  dass  er  eben  an 
diesen  keltischen  Untergrund  der  portug.  Nationalität  nicht  glaubt^.  —  Bei  der 
Aneignung  dieser  ursprünglich  fremdsprachigen,  in  sehr  verschiedene  metrische 
Formen  gegossenen  Volksgesänge  *  aber  mussten  Asturien  wie  Portugel  selbstver- 
ständlich eine  viel  grössere  Eigenthätigkeit  entwickeln  als  bei  der  Übernahme 
spanischer,  in  Sprache  und  Rhythmus  beinahe  heimatlich  und  national  klingender, 
fertiger  Romanzen.  Selten  nahm  es  ganze  Canti  auf:  nurwenige  unter  den  portug. 
Romanzen  stimmen  genau  zu  den  entsprechenden  französischen,  katalanischen 
und  norditalienischen;  und  selbst  von  den  asturischen,  denen  sie  am  nächsten 
stehen,  entfernen  sie  sich  oft  erheblich.  Meist  blieben  nur  Motive,  Szenen, 
Namen  und  einzelne  her\orstechende  Züge,  Phrasen  und  Bilder  in  der  Volks- 
erinnerung haflen,  die  mit  einer  gewissen  Freiheit  kombiniert  und  verarbeitet 
wurden.  Beachtet  man  diese  Einzelmotive,  und  nicht  die  Romanzen  als  Ganzes, 
so  sind  es  nicht  fünf  portug.  Romanzen  (wieG.  Paris  aufstellt 5)  und  nicht  nur  die 
fünfzehn,  (welche  Nigra  erwähnt),  die  verwandt  sind  mit  anderen  romanischen 
Balladen,  sondern  über  dreissig^.    Und  zwar  sind  es  gerade  die  schönsten  und 


>  Natfirlich  kamen  nicht  wenige  von  diesen  gemeinromanischen  Volksgesängen  auch 
nach  Kastilien,  durch  Asturien  mehr  als  durch  Katalonien.  Und  wanderten  sie  von  da  aus 
weiter,  so  konnte  es  vorkommen,  und  kam  es  vor,  dass  in  Portugal  ein  und  dieselbe 
Romanze  in  ganz  verschiedenen  Bearbeitungen  üblich  ward.  —  Umgekehrt,  können  selbst- 
verständlich auch  einige  sich  von  Portugal  nach  Kastilien  fortgepflanzt  haben.  —  Hinfällig 
ist  jedoch  Nigra's  Ansicht,  alle  span.  Volksromanzen  mit  oxytonen  Assonanzen  stammten 
aus  Portugal,  alle  proparoxytonen  hingegen  seien  kastil.  Schöpfungen  und  in  Portugal  ein- 
gewanderte Fremdlinge.  —  Sind  auch  heute  in  Portugal  thatsächlich  die  einsilbigen  und  so- 
mit oxytonen,  durch  Kontraktion  stark  reduzierten  Wortformen  häufiger  als  in  Spanien  (tem, 
vem,  cor,  dor,  dö),  so  werden  ihrer  um  so  weniger,  je  weiter  wir  rückwärts  gehen.  Ich 
erwähnte  schon  (p.  155  Anni.  3  u.  156  Anm.  l),  dass  in  der  Troubadoursprache  äo  und  Sa 
noch  zweisilbig,  also  paroxytonisch  sind.  Dass  dennoch  in  den  Poesien  der  ganzen  ersten  Epoche 
die  rimas  agiidas  die  herrschenden  waren,  ja  dass  eigentlich  eist  in  der  dritten  Epoche  der 
italianisieiende  Kunstgeschmack  sie  verpönte,  und  die  graves  als  allein  zulässig  proklamierte, 
habe  ich  schon  vor  Jahren  klargestellt  (Sa  de  Miranda  p.  CXXIU  — CXXIV). 

*  C.  Nigra,   Canti  Popolari  del  Piemoiite,  Torino   1888. 
3  G.  Paris,   Chants  Poptdaires  du  Piemont,  Paris   1890. 

*  Es  bleibt  zu  untersuchen,  ob  franz.  Originale  in  Portugal  (und  Asturien)  dann  am 
treuesten  nachgeahmt  worden  sind ,  wenn  ihre  metrische  Grundform  dem  peninsularen 
Romanzenversmass  gleich  oder  ähnlich  war.  —  Alle  die  recht  zahlreichen  Lieder,  welche 
Nigra  als  im  doppio  settenario  und  doppio  ottonario  (piano  tronco  oder  tronco  piano)  ge- 
schrieben bezeichnet,  und  seihst  die  nonarii  waren  zu  unmittelbarer  Nachahmung  sehr  wohl 
geeignet.  —  Als  im  15.  Jh.  der  grosse  romanische  Romanzenfrühling  begann,  war  auf  der 
Halbinsel  die  stereotype  Romanzenform  unbedingt  längst  ausgestaltet  und  auf  heimatliche 
Stoffe  angewendet  worden :  nur  so  erklärt  es  sich ,  dass  diese  eine  und  einzige  Form  auch 
für  alle  aus  der  Fremde    einwandeniden  Romanzenmotive  die  ausschliesslich  übliche  ward. 

*  Ich  weiss  nicht  recht  genau,  welches  die  fünf  sind,  deren  Abhängigkeit  von  franz. - 
katal.-ital.  Vorbildern  anerkannt  wird.  Wohl  D.  Varäo  als  Gegenstück  zur  Giierriera  (Nigra 
48)  ?  Ricofranco  =  Un'  eroina  ( 1 3)  r  Gerineldo  II  ^  Moran  d'Inghilterra  (42)  ?  Bella  Infanta  — 
La  Prova  (54)?  Gaiferos  =:  Moro  Saracino  (40)?  —  Quintado  —  Sposa  morta  (17)?  —  In- 
feitifoda  =r  Figlia  del  Ä  (8)?     Doch  das  sind  ja  schon  sieben,   an  Stelle  von  fünf! 

®  Aus  der  Verwertung  einschlägiger  Motive  kann  ich  nachweisen,  dass  z.  B.  die 
Originale,  oder  Ableitungen,  von  folgenden  Gedichten  bekannt  gewesen  sein  müssen:  D.  Lom- 
barda  (l),  Ragazza  assassinata  (12);  Fior  dt  Tomba  (19);  Testament o  delF  Aweletiato  (26);  // 
ritomo  del  Soldato  (28);  Morte  occulta  (21);  Moglie  uccisa  (29);  Marita  giustiziere  (30); 
Z«fr(f2«j!  (31) ;  Bella  Leandra  (43);  Amor  Costante  (45);  Poter  del  Canto  (47);  I MtdiniXt^): 
Occasione  man,.ata  (~i\)\  Cotwegno  Tiotturno  (jd);  Tentazione  ("8);  Falsa  Monaca  {"tC));  Strano 
vocero  (84) ;  Liberatrice ;  Moglie  infedele ;  Principessa  Giovamta ;  Conte  Angiolino ;  Tentazione 
u.  s.  f.  —  Und  die  Verwertung  ist  oft  eine  sehr  gewandte ,  doch  sind  meist  mehrere, 
ursprünglich  verschiedene  Elemente  zu  einem  Ganzen  zusammengefügt  worden. 


l6o    LiTTERATüRGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LlTl\ 


poesievollsten  Stoffe,  welche  die  weite  Wanderung  bis  nach  Portugal  zurück- 
gelegt, und  daselbst  eine  neue  (lestalt  gewonnen  haben.  —  Ureigenes  findet 
man  also  im  portug.  Romaticeiro  so  gut  wie  nicht,  wohl  aber  viel  Eigenes, 
dem  Gesamtcharakter  der  Nation  Entsprechendes,  und  daher  echt  einheimisch 
Aussehendes  1.  —  Einzelstudien  müssen  das  hier  nur  ganz  allgemein  und  ohne 
Beweise  Gesagte  später  erhärten 2. 

2  2.  Bibliographisches.  A.Sprichwörter:  A.  Dclicado,  A^iagios  />o?-^u- 
guezes,  Liss.  1651.  —  BentoPereira,  Adagios  da  lingua portugueza,  Liss.  1655. 

—  Philosophia  Populär  em  Provcrbios,  Liss.  188  2  (Heft  48  A^r  Biblioiheca  do  Po7>o). 
— -  B.  Allgemein  Folkloristisches:  Th.  Braga,  O  Poi'o  Portuguez,  Liss.  1 886, 

2  Bde.  —  Leite  de  Vasconcellos,  Tradiföes  Populäres  de  Portugal,  Porto 
1882. —  ConsiglieriPedroso,  7 radiföes  Populäres  Portuguezes,  1882 — 83, 
15  Hefte.  —  F.  A.  Coelho,  Raista   d'  Ethiologia,   Liss.    1880 — 1881.    — 

C.  Märchen:  F.  A.  Coelho,  Contos  Populäres  Portugtiezes,  Porto  1879;  — 
engl,  von  Henriqueta  Monteiro  als  Tales  0/  Old  Lusitama  (Lond.    1885). 

—  Braga,  Contos  Tradicionaes  do  Pozw  Portuguez,  2  Bde.,  Porto  1883.  — ■ 
Consiglieri  Pedroso  (engl,  von  H.  Monteiro)  Portuguese  Folk  Tales. 
Lond.    1882. —  Sylvio  Romero ,   Contos  Populäres  do  Brazil,  Liss.  1883.   — 

D.  Lyrisches:  Th.  Braga,  Cancioneiro  Populär,  Porto  1867  (^'gl-  Pomania  II 
127  — 128).  —  A.  de  Neves  e  Mello,  Musicas  e  Canföes,  Liss.  1872.  — 
Leite  de  Vasconcellos,  Poesia  Arno  rosa  do  Povo  Portuguez,  Liss.  1890 
(worin  weitere  bibliographische  Nachweise).  —  Mild  y  Fontanals,  Poesia 
Populär  Gallega  in  Romania  VI  p.  47 — 75.  —  E.  Romanceiros  :  Almeida- 
Garrett,  Romanceiro,  3  Bde.,  Liss.  1851;  2.  Aufl.  1863.  —  Th.  Braga, 
Romanceiro  Geral,  Coimbra  1867  und  Cantos  Populäres  do  Archipelago  Aforiano, 
Porto  1869.  —  Estacio  da  Veiga,  Romanceiro  do  Algarve .,  Liss.  1870.  —  Har- 
dung,  Romanceiro  Portuguez.,  Leipzig  1877.  —  A.  Rodrigues  de  Azevedo, 
Romanceiro  do  Archipelago  da  Madeira,  Funchal  1880.  —  Sylvio  Romero, 
Cantos  Populäres  do  Brazil,  Liss.  1883.  —  Leite  de  Vasconcellos,  Roman- 
ceiro, Liss.    1886.  —  Ballesteros,  Cancioneiro  Populär  Gallego.,  Madr.  1886, 

3  Bde.   —  Bellermann,    Portug.     Volkslieder  imd  Romanzen,    Leipzig  1864. 

—  F.  Wolf,  Proben  portug.  und  katal.  Volksromanzen,  Berlin  1856.  — -  Puy- 
maygre,  Vieux  Chants  Portugals,  Paris  1081.  —  F.  Parallelstrophen- 
lieder:  Diez,  Hof-  und  Kunstpoesie  p.  48 — -loi.  —  P.  Meyer,  Romania  I 
119  — 122.  —  Braga  und  Coelho,  Bibliographia  Critica  p.  244  und  318. 
Leite  de  Vasconcellos,  Annuario para  Tradiföes  Populäres Portuguezas,  1882. 

—  W.  Storck,  Camöes  Lebe?i  §  37.  —  Ders. :  Hundert  Altportug.  Lieder. 
(1885)  und  y> Portugal  und  Brasilien«  (1892).  —  Braga,  in  der  Einleitung  zum 
Cancioneiro  Ballesteros.  ^ 


*  Die  merkwürdige  Ansicht  Th.  Braga' s,  dass  die  gesamte  portug.  Volkspoesie,  in 
Sonderheit  aber  der  Romanzenschatz,  eine  Original-Schöpfung  der  Mogarabes  ist,  d.  h.  der 
godos-lites,  die  sich  mit  der  arabischen  Bevölkerung  gemischt  und  viei"  Jahrhunderte  lang  mit 
iiir  in  den  Ländern  vom  Douro  bis  zum  Algarve  zusammengelebt  hatten,  kann  ich  hier  eben 
nur  registrieren.  Die  Troubadour-  oder  Kunstpoesie  soll  hingegen  das  minderwertige  geistige 
l'jzeugnis  des  nach  Asturien,  Leon  und  Gallizien  geflüchteten  gotisch-römischen  Adels  sein, 
der  sich  von  allem  Maurischen  fernhielt. 

2  Jede  Romanze  muss  einzeln  untersucht  und  analysiert  werden.  —  Viele  habe  ich 
bereits  eingehend  studiert,  von  meinen  Resultaten  aber  bis  heute  wenig  veröffentlicht.  Zu- 
nächst kann  ich  nur  auf  Revista  Lusitana  Bd.  11  und  Grftber's  Zeitschrift  Bd.  XVI  ver- 
weisen. 

*  A.  Jeanroy,  Les  Ot-igines  de  la  Poesie  Lyriqtte  en  France,  Paris  1889,  beschäftigt 
sich  eingehend  mit  der  altportug.  Lyrik  und  im  Speziellen  mit  den  Parallelstropheniiedern 
(chansons  ä  repetition).  Ich  hal)e  das  schöne  und  bedeutende  Werk  leider  erst  nach  Abschluss 
dieser  Studie  kennen  gelernt. 


Romanzen.    Bibliographie.  —  Apokrypha.  i6i 


II.  APOKRYPHA. 

23.  Man  nennt  in  Portugal  die  apokryphen  Stilproben  aus  alten  Tagen 
gemeinhin  (und  recht  bezeichnend)  y>as  cinco  reliqn-ias  da  poesia  portu- 
gueza«,  und  schlägt  ihren  Wert  hoch  an.  Sie  kamen  zu  Anfang  des  17.  Jhs. 
ans  Tageslicht,  d.  h.  während  der  span.  Herrschaft,  zu  einer  Zeit  wo  Spanien 
und  Portugal  eifrigst,  und  zwar  in  nebenbuhlerischem  Wettringen,  bemüht 
waren,  ihre  Geschichte  und  Vorgeschichte  bis  zurück  zu  Adams  Zeiten,  nieder- 
zuschreiben ,  alle  Ruhmestitel  zu  buchen ,  und  den  Ursprüngen ,  wie  ihrer 
Nationalität,  so  ihrer  Sprache  und  Litteratur  nachzuforschen.  Ein  an  sich 
edler  Drang,  der  aber,  hier  wie  dort,  zur  Fälschung  zahlreicher  historischer 
und  litterarischer  Dokumente  führte!  Und  der  erste  Portugiese,  welcher 
litterarische  Reliquien  zum  Vorschein  brachte  (natürlich  so  recht  beiläufig  und 
wie  von  ungefähr)  und  seine  Nachfolger,  welche  bei  der  Bekanntgebimg  und 
späteren  Verbreitung  derselben  mitgewirkt  und  weiteres  hinzugefügt  haben,  ge- 
hören zur  Gruppe  jener  historischen  Fälscher,  waren  Freunde  und  Correspondenten, 
oder  wenigstens  Bewunderer  und  Nacheiferer  der  Lousadas  und  Higueras 
und  Konsorten.  Und  alle  drei:  sowohl  der  portug.  Klosterchronist  und  (Geschichts- 
schreiber Frei  Bernardo  de  Brito  (1569  — 1617),  dessen  Fleiss  und  Patriotis- 
mus ebenso  sehr  ausser  Frage  stehen,  wie  sein  unkritischer  Fanatismus,  als 
auch  der  leichtgläubige,  beschränkte  Miguel  Leitäo  de  Andrada  (1555 
— 1629),  sowie  der  unermüdliche,  aber  unglaubwürdige,  gewissenlose  und 
phantastische  Polyhistor  Manoel  de  Faria-e-Sousa  (1590 — 1649)  waren 
überdies  Dichter,  als  solche  aber  reine  Nachbildner,  gewöhnt  sich  in  fremden 
Stilarten  zu  versuchen.  Wer  von  ihnen  nun  auch  die  Reliquien  herstellte, 
oder  sie  herstellen  Hess,  sein  Zweck  war  es,  zu  beweisen,  dass  Portugal  die 
Priorität  in  der  Erfindung  gewisser  Dichtungsformen  zukam.  Kunstlyrik  und 
Kunstepik,  die  Volksromanze,  der  Hendekasyllabus,  die  oitava  de  arte  inayor, 
das  Sonett,  die  endecha,  das  alles  sollte  uralte  portug.  Erfindung,  von  den 
Spaniern  aber  nur  nachgeahmt  sein.  ^  Verleitet  wurden  jene  Vaterlandsfreunde 
dazu  durch  die  vaguen  traditionellen,  damals  aber  in  der  Halbinsel  oft  wieder- 
holten Berichte  über  die  alte  Blüte  portug.  Dichtkunst,  in  «welcher  der  Hende- 
kasyllabus (richtiger  sein  Vorläufer,  der  provenz.  Dekasyllabus)  geherrscht,  und 
Kunstdichter  aus  allen  Gauen  der  Halbinsel  sich  der  portug.  Sprache  bedient 
hatten.  Die  beweisenden  Dokumente  aber  waren  verschollen.  Man  wusste 
die  Liederbücher  des  Königs  Dom  Dinis,  und  seiner  Söhne  und  der  adligen 
Troubadours,  von  denen  die  Geschlechtsregister  sprachen,  nicht  aufzufinden. 
Daher  erfand  man  Ersatzstücke,  in  dem  guten  Glauben,  die  port.  Vorzeit, 
und  ihre  Sprache  wie  ihre  Anschauungsweise  genügend  zu  kennen.  — -  Was 
aber  so  hochverehrte  und  verdiente  Meister  wie  Brito  und  Faria-e-Sousa 
für  echt  ausgaben ,  das  nahmen  Zeitgenossen  und  Nachgeborene  unbesehen 
an.-     Der  Nachweis    der  Fälschung    wäre  zu  schwer  zu  führen  gewesen.  — - 


*  Besonders  Faria-e-Sousa  iiesse  fantasista  qiie  todo  lo  qturia  para  sus  qumas<(. 
■»facil  receptador  de  todas  quantas  fahilas  andani  na  nossa  historian ,  der  Vulgarisator  der 
Brito'schen  Geschichtsdoktrinen  und  der  eigentliche  litterarhistorisclie  Gesetzgeher  jener 
'läge,  lässt  es  sich  angelegen  sein,  sowohl  im  -»Epitome  de  historia  portugiieza«.  und  in  der 
T>Europa  Portugtiezan.  als  auch  in  seinen  Camoes-Schriften  und  in  den  Vorreden  zu  seinen 
gongoresken  Eigendichtungen  zu  beweisen,  dass  Portugal  in  allen  litterarisclien  Errungen- 
schaften die  Palme  des  Erfinders  zukommt. 

2  Der  erste  und  vielleicht  einzige,  der  die  Unechtlieit  aller  dieser  Reliquien  rund  und 
klar  ohne  jeden  Vorbehalt  zugegeben  hat,  war  der  Portugie.se  J.  Pedro  Ribeiro  (■{■  1S39), 
der  in  seinen  Dissertafoes  c/innwlogicas  (I  p.  181)  aussagt:  .  ..  iiäo  posso  reconhecer  a  ge- 
nninidade  destes  dociimentos  1 )  por  falta  de  priwas  da  siia  antiguidade,  sendo  huns  produzidos 
por  Leitäo  tu>  meio  de  huma  noz'ella  ein  qiie  ate  pöe  na  boca  das  sttas  fabulosas  personagens 
Orübkk,  fMUndriss.    IIb.  \\ 


102     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —  4.  PORT.   LlTT. 

Heute  aber,  nachdem  die  Anfänge  portug.  Geschichte  wissenschaftlich  erforscht, 
ihre  Dokumente  veröffentlicht,  und  die  historischen  Fälschungen  des  i6.  Jhs. 
kritisch  zergliedert  sind';  nachdem  die  Entwickelung  der  Nationallittoratur 
wenigstens  in  grossen  Zügen  entworfen  und  das  Folklore  gesammelt  ist,  und 
nahezu  2000  Kunstlieder  klar  und  deutlich  zeigen,  wie  die  Altportugiesen 
sprachen  und  dachten,  sollte  man  nicht  länger  am  irommen  Rcliquienglauben 
der  verflossenen  Jahrhunderte  festhalten.  Und  man  begreift  nicht  recht,  wie 
und  warum  ein  so  unerschrockener  Neuerer  wie  Th.  Braga  bis  zur  Stunde 
fortfährt,  Lanzen  zu  brechen,  um  Unrettbarres  zu  retten-.  Scheinbar  übt  er 
ja  strenge  Kritik  an  Brito's,  Andrada's,  und  Faria's  Fabeleien;  und 
leugnet  das  hohe  Alter  der  Reliquien.  Im  Grunde  aber  macht  er  die  Sache 
dadurch  nur  schlimmer,  dass  er  sie  aus  dem  8.  bis  11.  Jh.  ins  12.  und  13., 
und  später  sogar  ganz  entschieden  ins  14.  und  15.  verlegt!  Mitten  unter 
echten,  uns  wohlbekannten  Kunstwerken,  wirken  die  fratzenhaften  Misgeburten 
poetischer  Lügenschmiede  nur  noch  abstossender  als  am  leeren  Eingänge  zur 
portug.  Litteratur.  —  Die  deutsche  Kritik  hat  sie  längst  verworfen ;  doch  leider 
nicht  entschieden  genug. 

24.  Die  ganz  zweifellos  unechten  Reliquien  sind:  L  Eine  Canfao  de 
Go/ifalo  Hermiguez,  0  Traga-Mouros,  a  Ouroana;  II.  Das  Foema  da  Cava  oder 
da  desiruifdo  de  Hespanha.  III.  und  IV.  Zwei  Carlas  de  Egas  Moniz  Coelho,  a 
sua  davia  (Violanie).  Die  einzige  Reliquie,  bei  der  Zweifel  an  der  Unechtheit 
überhaupt  möglich  sind,  weil  sie  gut  gearbeitet  ist,  und  daher  innerlich  wahr 
scheint,  ist  die  Romance  de  Goesto  Ansnres,  gewöhnlich  Trovas  dos  Figueiredos^ 
deutsch  Figueiredo-Romanze  betitc^lt.  Die  erste  und  kürzeste  sei  abge- 
druckt, als  für  jeden  Romanisten  beweiskräftige  Illustration. 

I.  Als  Einlage  zu  einem  hübsch  erzählten ,  an  eine  1 1 7 1  geschehene 
Klostcrgründung  anknüpfenden  Rittermärchen •'^  teilte  Brite  1602  in  seiner 
Chronica  de  Cister  (Livro  VI.  cap.  i.)  die  nachfolgende  Canfäo  mit.  Stoff  und 
Lied  will  er  in  einem  nicht  näher  bezeichneten  und  von  niemand  sonst 
gesehenen   Codex  gefunden  haben. *    Das  formlose,  unqualifizirbare  Gedicht*'*, 

hiim  soneto  de  Camöes ;  outrps  säo  referidos  por  Brüo,  cuja  fe  he  iiefthutna.  2)  porque  as 
palavras  qice  neues  se  empregäo,  todas  de  diversas  idades  da  nossa  lingtta,  formando  hmn  todo 
afeitado,  parece  ser  mais  obra  de  hiim  artificio  estudado.  3)  porqtu  as  cartas  de  Egas  Moiiiz 
Coelho,  e  a  de  Gonzalo  Hermingnes ,  täo  vizinhas  ein  tempo  a  ontros  doaimentos  vulgares 
verdadeiros,  eomtudo  se  distinguevi  tanto  em  barbaridade  qtie  ate  nisso  tnosträo  a  sua  afectai;cu\ 

'  Von  Herculano,  der  sich  über  Brito  und  seine  Helfershelfer  wiederholt  auf 
das  Energischste  ausspricht  und  sie  kaum  anders  als  falsarios  atidazes  und  fabi-icaiiks  de 
burlas  nennt. 

^  Im  Jahre  1867  nahm  Braga  die  fünf  »kostbaren  Reliquien  (und  noch  andere  mehr) 
in  sein  »Volksliederbuch«  auf,  als  y>inteiranienk  authenticosi. ;  besprach  sie  in  gleichem  Sinne 
ausführlich  in  den  Mosarabes  (cap.  IV  p.  173— 207),  in  den  Trovadores  [c^^.  VTl  p.  64— 66 
u.  272)  und  '\\\\  Amadis  (p.  59  — 84),  und  gab  später  im  Manual  {f.  138  —  143J  sowie  im  Curso 
(139  — 143)  ein  Resume  seiner  Ansichten,  dadurch  veranlassend,  dass  nunmehr  alle  Verfasser 
von  Hand-  und  Schulbüchern  über  portug.  I>itteratur,  die  sich  eine  eigene  Meinung  u.  Ent- 
scheidung selbstverständlich  nicht  zutrauen,  den  Lernenden  jene  Reliquien  zur  Schau  stellen, 
auf  ihre  Echtheit  schwören ,  und  so  alle  Begriffe  über  Sprache  und  Litteratur  verwirren. 
Die  »philologischen«  Einwendungen  des  »unbeugsam -strengen«  J.  P.  Ribeiro  werden  als 
niciitige  Ausserlichkeiten  zurückgewiesen.  Aus  dem  Geist  der  Zeiten  soll  man  jene  Dichtungen 
verstehen.  —  In  einem  längeren  Aufsatz,  den  ich  für  Henigs  Archiv  bestimmt  habe,  versuche 
ich  es,  T  h.  Braga  und  durch  ihn,  die  übrigen  portug.  I^itteraturkenner  von  der  inneren 
und  äusseren  Unwahrheit  der  Gedichte  zu  überzeugen,  unter  anderem  durch  den  Nachweis, 
dass  der  vermeintliche  Cancioneiro  Marialva  aus  dem  15.  Jh.,  an  welchen  Braga  als  an  die 
(Juelischiift  aller  Berichterstatter  glaubt,  nicht  existiert  und  vermutlich  gar  nie  existiert  hat. 

*  Es  beginnt:   -»Etn  tempo  del  Rey  D.  Affonso  Henrüjuest.  .  .  . 

*  Er  nennt  ihn  „a  memoria  de  que  vou  tiramlo  toda  esta  historia"' . 

^  Brito  nennt  es  nur  Versos  de  Gongalo  Ermigez.  —  Danach  (1639)  in  Faria-e 
Sousa's  Europa  Hl,  caj).  IX  §  7,  woher  es  Sarmiento  für  seine  -»Alemorias". ,  Baibi 
die  meisten  Litterarhistorikcr  nahmen. 


Apokryph a:  Die  5  Reliquien.  163 

innerlich  und  äusserlieh  gleich  unwahr,  in  regellosen,  reimlosen  Zeilen,  und 
mit  Sprachformen,  die  nie  und  nirgend  gelebt  haben,  lautet:^ 

Twherabos  natu  tttiherabos  Per  mil  goyvos  trehelhando 

tat  a  tal  ca  monta  ov  oy  bos  lomhrego 

tinheradestne  nom  Ihiheradesme  algorem  se  cada  folganfu 

de  la  v'mherades  de  ca  filharades  asmei  eti  per  que  do  lerrenho 

ca  andahia  tiido  em  soma.  nom  ahi  tal  perchego 

Ouroatia  Oiiroana  oy  fem  por  certo 

que  in/ia  hida  do  biher 

se  alvidrou  per  teit  alvidro  perq»e  cm  cabo 

0  qiie  cu  de  la  chebone  sem  referta 

tnas  näo  ha  perque  se  ver. 

Wer  um  den  Inhalt  der  Novelle  nicht  weiss,  versteht  kein  Wort  2.  Das  aber  war 
dem  Erfinder  ganz  recht,  der  uns  übrigens  mitteilt,  dass  der  Dichter  ein  Stotterer 
war  (gago).  Was  er  beweisen  wollte,  ist  ja  nur,  dass  Portugal  schon  unter 
seinen  ersten  Monarchen  berühmte  Liebespaare  besass,  und  dass  selbst  zu  einer 
Zeit,  wo  die  Sprache  noch  barbarisch  und  unverständlich  stotterte,  portug.  Dichter 
schon  rhythmisch  leidlich  gute  Sechs-  und  Acht-  und  besonders  Elfsilbler  wie 
Zeile  13  und  14  (und  11)  zu  bauen  wussten.  Auf  diese  drei  Hendckasyllaben 
weisen  denn  auch  alte  wie  neue  Litterarhistoriker ,  von  Faria-e-Sousa  bis 
Costa-c-Silva,  als  auf  den  wertvollsten  Edelstein  der  Reliquie  hin!  —  Das 
Wort  chehone  ersetzte  Braga  durch  checona,  chacona'^  und  klaubte  aus  dem 
Gedicht  die  t'berzeugung  heraus,  dass  es  ein  Überrest  einer  zum  Amadisromane 
gehörigen  Gruppe  von  »Chaconas  de  Oriaiia«   sei. 

IL  Das  Foetna  da  Cava  (auch  Oitavas  na  lingoagem  antiga  quando  se 
perdeo  Hespanha^)  dient  ähnlichen  Zwecken.  Als  Bruchstück  eines  elegischen 
Heldengedichtes  auf  den  Untergang  Spaniens  ist  es  der  älteste  epische  Versuch 
der  Halbinsel,  kurz  nach  dem  Maureneinfall  gedichtet,  vielleicht  von  König 
Roderich  selber''!    Bei  der  Rückeroberung-  des  Schlosses  Lousä  (Arunce),  unter 

'  Rein  erfunden  ist  /..  B.  die  Form  tinhera-  und  auch  vinhera,  welche  Diez  (Hof- 
poesie  p.  5)  vergeblich  zu  erklären  sucht.  Einzelne  Worte  (wie  cdgorem  lombrego)  gehören 
dem  Beiradialekt  des  l6.  Jhs.  an,  den  IJrito,  der  aus  Almeida  stammte,  ja  wohl  kennen 
musste !  Grobminhotisch  ist  das  b  für  v.  Der  Troubadoursprache,  welcher  Goncalo 
Henniguez  zeitlich  so  nahesteht,  gehört  kein  einziges  Wort  und  keine  der  Lauterscheinungen 
an  (nicht  einmal  goivos).  Das  rätselhafte  inha,  das  in  allen  Vulgärtexten,  von  G.  V.  an,  vor- 
kommt, halte  ich  für  nichts  als  eine  unschickliche  Wiedergabe  des  durch  Schriftzeichen  kaum 
darstellbaren  Klanges,  den  einsilbiges  mha  (für  minlui)  an  tonloser  Stelle  im  Volksmunde  hat. 

-  Hätte  Bouterwek  nicht  an  die  Ehrlichkeit  Brito's  geglaubt,  und  Be  Her- 
rn a  n  n  nicht  mit  Hülfe  der  Novelle  den  Sinn  der  Vers-Zeilen  enträtselt  und  sie  frei  und  poetisch 
verdeutscht,  so  hätte  A  Imeida- G  arret  t  vielleicht  seine  Übertragung  ins  Neuportug. 
nicht  geschrieben  (1845,  Revista  Universal  V  p.  41 7)  und  das  litterarische  Unding  begegnete 
uns  nicht  allerwärts.  Schade,  das  Diez,  Wolf,  .\Iilä  und  Amador  de  los  Rios  es 
nicht  kerniger  abfertigten,  vorsichtige  Zweifel  übrig  lassend. 

'  Angeblich  weil  checona  in  einem  (natürlich  abhanden  gekommenen)  Manuskripte  des 
alten  Portuenser  Bibliophilen  Dr.  Gualter  Antunes  geschrieben  stand,  das  Braga,  ohne 
Fug  und  Recht,  mit  dem  schon  ^xw'A\K\it.x\Caiumuiro  Marialva  identifiziert,  in  welchem  Brito 
die  Figueiredo-Romanze  gesehen  haben  will.  Beide  Handschriften  stellt  er  ins  15.  Jh.  Aber  jene 
Schreibart  ist  nicht  einmal  thatsächlich  vorhanden.  Der  einzige,  der  jenes  Manuskript  gesehen 
zu  haben  behauptet,  ein  Prosaopuskel  T>em  loiwor  da  Ungiia portugiuzai.  mit  Gedichtillust.-ationen, 
\as,  Am'vn  clubome.  Es  war  der  ehrliche  und  nicht  unwissende  Ribeiro  dos  San  to  s  (174,^ 
— 1818),  dem  jedoch  in  dieser  Frage  nicht  zu  trauen  ist,  weil  er  als  überzeugter  Kelto- 
mane ,  dem  das  moderne  Portug.  ein  keltischer  Dialekt  war,  für  recht  unverständliche  alt- 
portug.  Monumente  eine  erklärliche  Vorliebe  hegte.  Die  hs.  Abhandlung  »/)«  origem  e 
progressos  da  poesia  de  PortngaU  in  der  er  seine  Meinungen  darlegt,  ruht  in  der  Lissabonner 
Nationalbibliothek.  —  Die  Schreibart  r/<^f(>«a  stammt  aus  Costa-e- S  il  va's  »Ensaio«,  und 
ist  eine  der  willkürlichen  Änderungen,  die  dieser  Litterarhistoriker  sich  gestattet  hat. 

*  Es  beginnt:  O  roufo  da  Caum  imprio  de  tal  sanha  A  Juliam  e  Horpas  a  sa  grei 
dan'mhos. 

*  Nach  Braga  ist  es  vielmehr  die  Einleitimg  zu  einem  Epos  auf  die  Schlacht  am 
Salado  (1340)!    Vgl.  §  49. 

11* 


164    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LiTT. 


Affonso  Henriques,  ward  es  daselbst  in  einem  blutigen,  von  Feuchtigkeit 
halbzerstörten  Manuskript  gefunden.  Verraten  wird  uns  nicht,  wo  es  dann 
von  II 20  blieb,  bis  Leitäo  de  Andrada  es  1629  entdeckte,  und  in  seiner 
•)> Miscellanea'^ ,«  bei  Gelegenheit  auch  eines  Rittermärchens,  den  Zeitgenossen 
mitteilte.  Es  besteht  aus  vier,  rhythmisch  guten  und  glatten  oitavas  de  arte 
?nayor  {abba  abba),  die  also  gleichfalls  von  Portugiesen  gehandhabt  wurden,  lange 
bevor  ein  Pseudo-Alfons  der  Weise  sein  (unechtes)  Klagebuch  und  seinen 
ebenso  unechten  y>Tesoro«  oder  »Candado<c  (im  15.  oder  17.  Jh.?)  schreiben 
Hess  2.  Auch  hier  würden  kaum  zwei  Leser  das  wunderliche  Gehäuse  alter- 
tümelnder  Worte  in  ganz  gleicher  Weise  deuten,  wenn  Andrada,  und  nach 
ihm  Faria-e-Sousa,  nicht  Sorge  getragen  hätten,  für  den  Laien  einen  Kom- 
mentar hinzuzufügen.^ 

in.  und  IV.  Dasselbe  alte,  halbzerstörte  Manuskript  (pedafos  de  hum  livro) 
enthielt  noch  zwei  Gedichte,  Carlas  amatorias  eines  nach  portug.  Rezept  ver- 
liebten Ritters"*,  der  kein  geringerer  als  ein  Vetter  des  gleichnamigen  Königs- 
erziehers {aio) Egas MonizCoelho g&vjt,?,ew  sein  soll".  In 23  vierzciligenStröphchen, 
die  in  ihrem  regelmässigen  Wechsel  von  8  und  4  silbigen  Trochäen  an  gewisse 
Lieder  des  Cancionero  de  Baena  erinnern,  haucht  derselbe  Liebesklagen  (und  Hass 
gegen  einen  spanischen  Nebenbuhler)  aus !  Die  Sprachformen  gehören  zum  grossen 
Teile  (wie  bei  dem  Liede  des  Ermiguez  und  bei  der  Figueiredo -Romanze) 
dem  archäischen  Beiradialekte  des  16.  Jhs.  an^,  so  wie  er  seit  Gil  Vicente 
als  Bauern-  und  Rüpelsprache  der  portug.  Komödie  verwendet  ward! 

Ehe  ich  von  der  fünften  Reliquie  handle,  sei  verzeichnet,  dass  noch 
andcr(i  ähnliche  Fabrikate  von  gleicher  Güte ,  zum  Teil  aber  in  eine  etwas 
spätere  Zeit  verlegt,  vorhanden  sind ,  die  von  Braga  (und  anderen)  auch  als 
»durchaus  glaubwürdig«  und  »verbürgt  echt«  anerkannt  werden:  die  Elegie 
eines  D.  Mendo  Vasques  de  Briteiros  auf  den  romantischen  Tod  seiner 
Frau  Ximene,  der  portug.  Lucrezia,  die  sprachlich  und  metrisch  noch  viel 
ungeheuerlicher  ist  als  alle  übrigen  Apokryphen'^;  wenige  Zeilen  eines  Lob- 
liedes auf  Lissabon,  welches  dem  Infanten  D.  Pedro  zugeschrieben  wird, 
auch  von  Brito  ausgeheckt,  zur  Bestätigung  der  Thatsache,  dass  Hannibal 
ein  Lissabonner  Kind  war*^;  und  ferner  Verse  König  Peters  auf  den  Tod 
seiner  Ines,  in  wenigstens  schon  verständlichem  Portugiesisch^.  Die  beiden, 
altportugiesischen,  im  Namen  Alfons'  IV.  (f  1357)  zum  Lobe  des  Vasco  de 

1  Dialogo  XVI,  p.  456  (p.  333  der  ed.  1867).  Vgl.  Faria-e-Sousa,  Europa  111, 
livro  IV,  cap.  9. 

^  Den  verso  de  arte  mayor  (^^_.^^_^  \  ^_^^_^)  kannte  Alfons  X.  tliatächlicli  (O 
qite  pola  Virgeni  \  d:  grado  seus  dones)  und  aucli  die  portug.  Troubadours  und  Volksdichtei^ 
kannten  ihn;  nicht  aber  die  8  zeilige  Strophe. 

*  Dass  es  an  argen  Missgriffen,  wie  in  der  Wahl  der  Worte,  so  in  ihrer  Auslegung 
nicht  fehlt,  ist  selbstverständlich.     Sia  z.  B.  für  seia  sedia  ist  ein  grober  Anachronismus. 

*  Er  starb  an  Liebe  —  und  sie  nahm  Gift! 

*  Andrada  (Miscellanea,  Dial.  XVI)  und  Faria-e-Sousa  (Europa  III  I.e.)  sind 
natürlicii  die  ersten,  welche  die  Briefe  mitteilten.  Der  eine  beginnt:  Fincaredes  hos  emhora\ 
Taotn  coitada  \  Que  ei  boi-me  por  hi  fora  \  De  loitgada ;  der  zweite :  Beiit  satisfeita  ficades  i 
Corpo  d'oiro  \  Alegrades  a  quem  amades  \  Que  ei  ja  moiro. 

*  Besonders  das  ei  für  eu\  mei  für  meu\  hoi  für  vou  etc.  Dass  auch  hier  sprachliche 
Anachronismen  nicht  fehlen,  hat  schon  Diez  bemerkt  (so  die  Personalflexionen  ais,  eis  neben 
ades  edes). 

''  Erst  1827  publizierte  FreiFortunato  de  S.Boa  Ventura  das  Gedicht  »^//J(? 
da  querida  mendo  jazesv.  in  scincY  y>Historia  de  Alcobai;a<i.  {Prova  XVI  p.  64)  (vgl.  Braga, 
Canr.  Pop.  p.  202).  In  denselben  Klostermauern,  in  denen  Brito  gewirkt  hat,  wurden  also 
aucii  diese  5  ziemlich  glatt  gereimten  (abab)  Strophen  geschmiedet,  deren  4  Zeilen 
zwisciien  4  und   14  Silben  auf-  und  abwogen.     Sie  sollen  wie  endechas  aussehen. 

•*  Man.  Lus.  I,  Livro  II  cap.   lö.  —  Faria-e-Sousa,  Europa  II l  38 1. 

*  Balbi,  Essai  statistü/ue  (1822)  p.  VII  der  Dokumente.  Ich  vermute  dass  Frei 
Fortunato  (1778  -  1834)  i'""  die  Si)rach(iokumente   lieferte. 


Die  5  Reliquien  u.  a.  Fälschungen.    Figueiredoromanze.  165 

Lobcira  und  seines  Amadis  vom  Dr.  Antonio  Fcrreira  vor  1569  ge- 
schriebenen Sonette  sind  Kunststückchen,  aber  keine  Falsifikate,  doch  müssen 
sie  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden,  weil  sie,  1598  veröffentlicht,  nur  vier 
Jahre  bevor  Brite  sein  erstes  altportug.  Gedicht  druckte,  möglicherweise  die 
unschuldige  Ursache  jener  Fälschungen  sind;  und  auch  weil  Faria-e-Sousa 
(nebst  Nachfolgern),  der  sie  dem  Infanten  D.  Pedro  zuschreibt^,  darin  die 
ältesten  peninsularen  Sonette  und  natürlich  eine  portug.  Erfindung  ^  erblickt. 
—  In  Abschnitt  E  habe  ich  darauf  zurückzukommen. 

25.  Fälschung  V,  die  Figueiredo- Romanze^  unterscheidet  sich  sehr  zu 
ihren  Gunsten  von  den  vorerwähnten  Reliquien.  Wer  ihre  einfachen,  durchschau- 
lichen  Sätze  liest,  gleichviel  ob  im  portug.  Original  oder  in  den  Verdeutschungen 
Bellermanns  oder  Storcks'*,  nachdem  er  die  anderen  durchmustert  hat, 
atmet  erleichtert  auf,  findet  Inhalt  und  Stil  frischlebendig  und  nicht  ohne 
dichterischen  Wert,  und  macht  nur  den  einen  Einwand,  die  hübsche  Volks- 
romanze sei  wohl  nicht  so  alt  wie  die  Portugiesen  behaupten,  sondern  stamme 
frühestens  aus  dem  15.,  wahrscheinlich  erst  aus  dem  16.  Jh.^  —  Der  Stoff 
ist  peninsular ,  historisch,  oder  sagenhaft-historisch.  ^  Eingekleidet  ist  er  als 
Ich-Romanze,  wie  so  viele  andere  epische  Volksgesänge.  Sechs  christliche 
Jungfrauen  werden  einem  Maurenherrscher  als  schuldiger  Tribut  zugeführt. 
Der  Held  des  Abenteuers  schlägt  in  einem  Feigenwalde  das  Geleite  nieder, 
befreit  die  Mädchen,  und  bietet  der  Schönsten,  die  ihn  um  Hülfe  angerufen, 
Herz  und  Hand.  —  Auch  der  Ton  der  Erzählung  ist  volkstümlich,  reich  an 
Wiederholungen.  Die  ersten  und  die  letzten  6  Zeilenpaare  haben  parallelistische 
Gliederung  (z.  B.  ires  nittas  encontrara,  tres  rtinas  encontrei),  wie  auch  der 
vier  Mal,  nach  je  1 2  Zeilpn,  wiederholte  Kehrreim,  der  mit  den  Eingangsworten 
identisch  ist:  no  figueiral  entrara,  no  figueiral  entreP .    Das  (nicht  völlig  reine) 

*  Fuente  de  Aganip|)e  (1644J  Prologo  §8  und  9. —  C  osta-e-Si  I  va  glaubte 
noch  an  ihr  Alter! 

^  Auch  an  die  Echtheit  der  volkstümlich  sein  sollenden  Tonadilhas,  Segnidilhas  und 
Cantigas  auf  den  Condestavel,  welche  Braga  dem  Karmeliter-Chronisten  J.  Pereira  de 
Santa  Anna  (1696  — 1759)  entnahm,  {Canc.  Pop.  Nos  7  —  lO;  vgl.  p.  203)  lassen  mich  ge- 
wisse Sprachunrichtigkeiten  derselben  nicht  recht  glauben.  —  Warum  weiss  die  schöne  alte 
Chronica  do  Condestavel  nichts  von  diesen  Versen  ? 

^  Die  Litterär-Bezeichnung  Provas  dos  Figueiredos  (im />/.)  [soll  nichts  weiter 
besagen  als  dass,  laut  Brito,  die  Familie  »derer  von  Figueiredo«  die  im  Feigenwalde  und  mit 
einem  Feigenaste  vollendete  That  und  ihren  Helden,  sowie  sein  Pied,  als  ihr  Erbgut  und  v^rie 
eine  Illustration  7,u  ihrem  redenden  Feigenblatt- Wappen  betrachtet  (5  im  Wappen ;  das  6..  die 
Heldin  symbolisierend,  im  Helmschmuck). —  Im  Liede  redet  selbstverständlich  nur  einer, 
der  Held,  und  nur  von  sich:  »zum  Feigenwalde  kam  ich;  zum  Feigenwald  ich  kam«, 
(und  nicht  er,  wie  Bellermann  übersetzt). 

*  »Aus  Portugal  und  Brasilien«  (1892)  Nr.  l  ;  vgl.  p.  2,=)3.  Eine  vorzügliche  Nach- 
dichtung bis  auf  ein  Missverständnis.  In  Mal  oiwesse  la  terra  (bei  Storck  »kaum  h<>rt  ich 
von  dem  Lande«)  steckt  nicht  oicvir ,  sondern  mal  hottvesse  =  mal  haja  la  terra  (=:  doch 
wehe,  weh !  dem  Lande). 

^  Das  haben  bis  heute  alle  einsichtigen  Kritiker  gethan,  im  In-  und  Auslande.  Nur 
J.  P.  Ribeiro  verurteilt  die  Romanze  als  unecht.  Wie  A.  F.  Coelho  und  Leite  de 
Vasconcellos  denken,  weiss  ich  nicht. 

*  Der  auf  der  Nordhälfte  der  Halbinsel  sehr  verbreiteten  Sage  nach  ,  bestand  der 
schuldige  Jahreszins  in  lOO  Jungfrauen;  der  Zinszahler  war  König  Mauregato  oder  sein  Nach- 
folger Bermudo  (789— 91),  der  Empfänger  der  Emir  von  Cordova  .\bderrhaman  I.;  die 
Szene  der  Handlung  sucht  man  an  den  verschiedensten  Stellen  und  nicht  nur  da  wo  Ort- 
schaften wie  Figueira  Figueiredo  Figueiral  dazu  aufmunterten  (vgl.  Lope  de 
V  ega ,  Famosas  Asturianas  und  Doncellas  de  Simancas).  Bestbezeugt  ist  in  Portugal  Figuei- 
redo das  Donas  bei  Viseu.  noch  besser  in  Gallizien  (wohin  die  Sage  zeitlich  gehört)  eine 
den  bezeichnenden  Namen  Peito  Bordello  =  Bordell-Zins  führendeStätte.  —  Den  Helden- 
namen Goesto  Ansures  kennt  ausschliesslich  der  Chronist.  Die  alten  Adelsbücher  ignorieren 
ihn  und  die  Sage. 

''  So.  wie  ich  drucke,  und  nicht  a  no  figueiral  figiidredo  muss  es  heissen ,  falls 
die  Romanze  echt  ist.     Und  so  wollte  sicherlich  auch  Brito,  dass  man  emendierend  läse. 


l66    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.  PoRT.   LllT. 

Metrum  ist  der  Sechssilbler  mit  nur  zwei  Hebungen.  Ein  Doppelreim,  nicht 
ganz  streng  durchgeführt,  zieht  sich  durch  die  28  Zeilenpaare  hindurch.  Die 
unpaarigen,  immer  weiblichen,  meist  in  ara,  die  paarigen,  immer  männlichen, 
als  eigentliche  Reimträger,  ausnahmslos  in  ct. 

Wie  Metrum  und  Reim,  so  bietet  auch  die  Sprache  nur  wenige  Uneben- 
heiten, d.  h.  einige  Hispanismen  i  und  altmodische,  scheinbar  dialektische  Worte 
undFormeln,  die  wie  durch  Unverstand  verderbte  Archaismen  aussehen  sollen, 
und  zur  Not  auch  können'-^.  —  Brito,  der  seinen  Fund  natürlich  wie  eine 
wertlose  Kleinigkeit  behandelt,  sie  wohlweislich  aber  der  Monarchia  Lusitana 
einfügt-',  will  die  Romanze  in  einem  handschriftlichen  Liederbuch  gelesen*, 
dann  aber  auch  in  seiner  Heimatprovinz  im  Munde  von  Bauern  gehört  haben. 
Leitaö  druckt  sie  genau  nach  Brito  ab^,  versichert  aber,  auch  er  habe 
sie  in  algarvischem  Volksmunde  gehört.  Faria-e-Sousa  spielt  nur  auf  dieselbe 
an^;  er  hatte  Sinn  nur  für  individuell  gefärbte  Kunstpoesie.  Ribeiro  dos 
San  tos  fand  sie,  mit  samt  den  übrigen  vier  Reliquien,  im  Prosakodex  des 
Dr.  Gualter  Antun es'^.  Woher  der  als  Musikforscher  namhafte,  in  litterar- 
historischen  Fragen  aber  höchst  unsolide  Soriano  Fuertes  zu  den  Musiknoten 
gekommen  ist,  die  er  veröffentlicht^,  bleibt  noch  zu  ergründen:  unverdächtig 
sind  alle  diese  vier  Quellen  nicht.  Ganz  unverdächtig  ist,  wie  gesagt,  auch 
nicht  die  Sprache;  und  nicht  einmal  der  Stil.  Die  gute  Durchführung  der  Ich- 
form ist  äusserst  selten ;  die  Zerteilung  einer  Volksromanze  in  vier  Abschnitte, 
trotz  durchgängigen  Reimes,  ist  auffallig.  Dazu  kommt  vor  allem  dass  sie 
als  Ganzes  nach  Inhalt  und  Form  vereinsamt  dasteht,  und  vom  hergebrachten 
peninsularen  Romanzentypus  abweicht;  dass  keine  einzige  andere  historische, 
erzählende,  an  eine  alte  Heldenthat  anknüpfende  portug.  Volksballade  vor- 
handen ist;  dass  unter  den  zahlreichen  Romanzenzitaten  portug.  Schriftsteller 
auch  nicht  eine  den  tronas  dos  Figueiredos  entstammt,  und  dass  der  Volksmund 
sie  heute  nicht  kennt;  dass  also  nach  rückwärts  und  vorwärts  absolut  keine  Spur 
von  der  1609  und  1629  angeblich  im  Volksmunde  zweier'Provinzen  lebendigen 
Schöpfung  zu  finden  ist^.  —  Ich  halte  sie  daher  für  eine  Erfindung  Brito's^o 

Es  sollte  so  aussehen;  als  sei  die  Randnote  F ig ueired  o  in  seiner  Vorlage  aus  Verseilen  in 
den  Text  geraten ;  er  aber,  als  treuer  Abschreiber,  habe  nicht  einmal  den  offenbaren  Lapsu^ 
verbessert,  verdiene  also  unbeschränkten  Glauben. 

'  Hombre.  —  miia  — y  —  vayades  —  mala  —  lloray  —  iiiia  —  cerca, 
^  A  für  (?  —  lo  la  los  las  —  ckantar,  pescudar,  gargom,  machucar\  ausserdem  tene,  amim- 
fe,  ano,  en  tras,  auch  der  Plur.  aravias^  doch    lässt  sich  darüber    disputieren.     Die  Sprach- 
lorm  als  »altgallizisch«   zu  bezeichnen  ist  absolut  unzulässig;  und  die  Ansprüche,   die  man 
daraufhin  in  Gallizien  auf  das  Gedicht  erhebt,  sind  unbegründet. 
'  Moii.  Lus.  II  p.  2CX)  (p.  416  der  2.  Ausg.  v.   1690). 
'      *  In  dem  obengenannten  Cancioneiro  Marialva.  —  Der  Grat  D.  Francisco  Coutinho, 
dem  das  Gedichtalbum  gehört  haben  soll,  starb  übrigens  erst   1552!     Dass    seine   vermeint- 
liche Blütenlese   dem  XV.  Jh.  angehört   habe,    ist  eine  pure  Hypothese,  wie  auch   dass  die 
übrigen  Reliquien  darin  standen. 

*  Misccllanea,  Dialogo  I,  p.  25 — 26. 
"  Europa  I,  Parte  II,  Cap.  5. 

''  S.  p.  163  Anm.  3.  Ribeiro  dos  San  tos  sagt  vorsichtig  von  seinem  Code.\  -»parece 
letra  do  sec.  XVi.  Doch  hat  er  sicher  geirrt.  Nicht  im  XV.,  erst  im  XVI.  und  ganz  besonders 
im  Anf.  des  XVII.  Jhs.  schrieb  man  Werke  zu  Ehren  der  Muttersprache  (Beispiel  Barros 
und  Du  arte  Nun  es   de  Leäo). 

*  Historia  de  la  Musica  Espahola  (1855 — 56)  Bd.  I  p.  Ill  — 117.  Vom  Texte  gesteht 
dei'  Autor  ohne  weiteres  zu,  dass  er  ihn  nach  Brito  kopiert. 

*  Dabei  wird  die  Sage  als  solche  von  Spaniern  und  Portugiesen  oft  erwähnt.  Vor 
Brito  z.  B.  von  Moral  es  (Crotiica  general.  I>ib..XIIl  cap.  27.) 

'•*  Zu  Zweifeln  an  der  Unechtheit  führt  luich  immer  von  Neuem  die  Erinnerung  an 
die  parallelen  Wiederholungen  nach  Art  der  altportug.  Lyiik  und  der  asturischen  Danza- 
p  r  ima- W^eise ;  an  die  Sechssilbigkeit  gewisser  gutportug.  Volksromanzen  (s.  ob.  §  21 
Anm.  5)  und  daran,  dass  auch  die  allerfrüheste  portug.  Kunstromanze  {^Vat.  466),  eine 
Arbeit  des  gallizischen  Klerikers  Ayras  Nunes,  sich  in  Scchssilblern  und  in  Strophen  be- 


FlGUEIREDOROMANZE.    —    I.    EpOCHE   D.    PORT.    LlTT. :    LyRIK.  167 

der  sich  übrigens  aller  Bemerkungen  über  ihre  Enstehungszeit  enthält,  und  nur  die 
vclhice  do  verso  antigo  rühmt,  es  dem  klugen  Leser  überlassend,  zu  folgern: 
»/</«/  chant  historiqiie  est  contempoi'ain  du  fait  gu'il  cÜcbre«.  —  Dass  sie  gut 
gelang,  während  die  von  ihm  oder  seinen  Genossen  gefertigten  Kunstlieder 
so  kläglich  ausfielen,  liegt  in  der  Schlichtheit  des  Volksstiles  und  der  Schönheit 
der  zahllosen  Muster,  die  ihm  vorlagen ,  während  die  altportug.  Kunstpoesie 
unbekannter  Boden  war.  Wie  vorzüglich  im  13.  Jh.  den  Troubadours  die 
Nachahmung  der  damals  üblichen  Volksweisen  gelungen  ist,  ward  schon  er- 
wähnt, wie  auch  dass  Brito  ein  geschickter  nachbildender  Poet  war'. 

D.  ERSTE  EPOCHE:  1200—1385. 

1.  LYRIK. 

PORTUGIESISCHE   MINNESÄNGER:    (tROVADORES    GALLECIO-PORTUGUEZES). 

^ie  (Tste  Epoche  portug.  Litteratur  gehört  ziemlich  ausschliesslich  der 
JTroubadour-Poesie  an,  der  höfischen  Minnedichtung,  die,  im  11.  Jh.  in 
der  Provence  geboren,  während  des  Zeitalters  der  Kreuzzüge  (1095 — 1269) 
von  Rittern  und  berufsmässigen  Dichtern  und  Sängern  hinausgetragen  ward, 
zuerst  in  die  nächstliegenden,  sprachlich  verwandtesten  Länder,  nordwärts  nach 
Poiticrs ,  der  Champagne ,  Artois ,  Picardie  und  Flandern  und  von  da  nach 
Deutschland,  und  südwärts  nach  Italien  und  Katalonien,  und  von  da  aus  weiter 
in  die  fernerstehenden  Gebiete,  bis  sie  im  ganzen  Abendlande  ihr  Echo  ge- 
funden, hier  lauter,  dort  leiser,  je  nach  Anlage,  Charakter  und  Vorbereitung 
der  das  süd-  und  nordfranzösische  Kunstlied  empfangenden  Völker:  in  Portugal 
zuletzt,  doch  kräftiger,  andauernder,  und  eigenartiger  als  irgendwo  sonst.  — 
Ihr  Hauptinhalt  ist  ritterlich-höfische  Frauenverehrung.  Die  Formen,  in  welche 
sie  ihn  kleidet,  sind  im  Grossen  und  Ganzen  diejenigen,  welche  die  Provence 
ausgebildet  hatte :  Das  eigentliche  Lob- und  iJebesgedicht  und  das  Streitgedicht, 
Canzone  und  Tenzone;  und  dazu  Lai  und  Descort  wie  Sirventes; 
Pastourelle  und  Romanze.  Ihr  charakteristischer  Vers  ist  der  jambische 
Dekasyllabus.  Die  Technik  des  Versbaues;  Strophen-  wie  Reimsysteme 
{coblas  doblas,  Singulars  und  unisonans ;  rinis  continuatz;  cansös  redonda;  breu 
doble',  coblas  capßnidas  unA  capcaudadas;  rimas  dis solutus;  equivocs;  derwatius) ; 
gewisse  Redewendungen  und  Sprachkünsteleien,  und  auch  die  Melodien  und 
Musikinstrumente,  sowie  Tracht  und  Sitten  der  portug.  Troubadours  —  alles 
spricht  unverkennbar  für  franz.  Vorbilder.  —  Zum  Überfluss  erklären  auch 
altportug.  Dichter  selbst  noch  ausdrücklich  ihre  Abhängigkeit  von  den  Pro- 
venzalen.  Singt  doch  der  hervorragendste  Troubadour  der  Halbinsel  einmal: 
Quer"  eu  em  ?naneira  de  provenfal  Fazer  agora  um  cantar  de  atnor.-  Ja, 
hie  und  da  bedient  sich  sogar  der  eine  oder  der  andere  der  süd-  und  nord- 
franz.  Zunge.    (S.  u.  §  34). 

27.  Über  diese  augenfällige  Nachahmung  hat  denn  auch  von  jeher  mir 
eine  Meinung  geherrscht.  Schon  im  15.  Jh.  erklärte  der  erste  Peninsular, 
welcher  eine  Geschichte  der  romanischen  Litteraturen  skizzirte,  der  spanische 

wegt  (von  je  6  Kurzzeilen  oder  3  Langzeilen).  —  Jedenfalls  lehnte  Brito  sich  an  gute 
Vorbilder  an,  was  zu  Ende  des   16.  Jhs.  leicht  war. 

'  Brito  schreibt  man,  und  wohl  mit  Recht,  die  Scgunda  Parte  das  tnwas  do  Son/io 
de  Crisfal  zu,  worin  der  sanfte  Stil  des  Bukolikers  Christovam  Falciio  recht  gut  getroffen 
ist,  und  die  Sylvia  de  Lisardo. 

^  S.  Lied  123  des  Canc.  Vat.  und  vgl.  ebenda  Nr.  127:  Proenfaes  soeti  muy  heu 
trobar  sowie  Nr.  70,  worin  einem  Segrel  vorgeworfen  wird :  Vös  non  trobades  como proencal.  — 
Das  Wort  Proenfa  kommt  im  altportug.  Liederbuche  ein  Mal  vor ,  doch  ohne  Bezug  auf 
Dicht-  und  Sangeskunst  (Nr.  937)-   —   Lcinosiitcs  oder  ähnliches  nie. 


l68    LlTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —     A.    PORT.    LllT. 


Markgraf  von  Santillana  (1398 — 1458),  die  altportiig.  Lyrik  sei  ein  Nachhall  der 
limusinischen.  1  Im  Zeitalter  der  Renaissance  erkannten  das  gleiche  zwei  italie- 
nische Humanisten,  Kardinal  Bembo  undAngelo  Colocci,  welche  Forschung 
oder  Zufall  in  den  Besitz  handschriftlicher  portug.  Liederbücher  gesetzt  hatte.  (S.  u. 
^45).  Und  der  portug.  Gelehrte  Francisco  de  Sä  de  Miranda,  ein  Ver- 
wandter Vittoria  Colonna's,  der  möglicherweise  in  Rom,  zwischen  i  52  i  und  1526, 
dieselben  Codices  wie  jene  beiden  einsah,  wusste  von  demEinflussderProvenzalen 
auf  die  span.  Dichtkunst  und  klärte  seine  Zeitgenossen  darüber  auf.  2  Zu  Aus- 
gang des  16.  Jhs.  verbreiteten  dann  gelehrte  Geschichtsschreiber  und  Sprach- 
forscher, welche  die  Bedcutujig  des  Königs  Dionysius  für  Kunst,  Wissenschaft, 
Sprache  und  Litteratur  darzustellen  hatten,  in  Druckwerken,  dieselbe  richtige 
und  sachgemässe  Ansicht.  *5  Nur  die  bereits  (in  Abschnitt  C)  erwähnten  cha- 
rakteristischen Fälscher  (und  spätere  Fälscherfreunde  und  Beschützer)  haben 
es  sich,  wie  schon  erwähnt  ward,  in  den  Sinn  kommen  lassen,  die  Erfindung 

'  Die  auf  portug.  Minnesnng  bezügliche  Stelle  aus  dem  oft  gedruckleii  oder  oft 
kommentierten  litterarliistorisclien  vSendschreihen  des  Ifiigo  Lopes  de  IVIendoza  an  den 
Condestavel  D.  Pedro  de  Portugal  (Carla  oder  Proemio)  ist  dem  Leser  unentbelirlich.  Darum 
drucke  ich  sie  gleich  hier  vollständig  ab.  Der  Markgraf,  welcher  proenzal  und  Icmosin  neben 
einander  verwendet,  spricht,  in  übrigens  recht  buntem  und  vagucn  Hin  und  Her,  von  ital., 
nordfrz.  und  katal.  Dichtern  bis  Petrarca,  M a c h  a  u  t ,  C  h a r t i e r ,  J  o r  d i  de  S  a n  c t 
Jordi,  springt  zu  den  Spaniern  Fita  und  Ayala,  und  fährt  dann  fort,  alle  Chronologie 
auf  den  Kopf  stellend:  E  despues  (!)  fallaroti  csta  arte  que  mayor  se  llatna,  e  el  arte 
com  Uli,  creo  en  los  reinos  de  Galicia  e  Portugal,  donde  non  es  de  dubdar  ipie  el  ex  er  cid o 
destas  sciencias  mos  que  en  ningunas  otras  rcgiones  ni  pfoviiicias  de  la  Espaha  se  acostumhro, 
eil  tanto  grado  que  non  ha  muclio  que  qualesquier  decidores  0  trovadores  destas  partes  (agora 
fliesen  Castellaiws,  Aitdaliices ,  0  de  la  Estremadura)  todas  sus  obras  componian  en  lengua 
gallega  (0  portuguesa).  E  aun  des  tos  es  cierto  rescebimos  los  notnbres  del  arte,  asi  como: 
maes  tria  mayor  e  menor,  enc  adena  do  s ,  lexapren  e  mattsobre  (S.  u.  §  42  und 
73—  84)  —  Acuerdome,  Sehor  muy  jnagnifico,  siendo  yo  en  edat  no provccta,  mas  asaz  mozo  pequtno, 
en  podcr  de  mi  abuela  D.  Mencia  de  Cisneros,  entre  otros  libros,  aver  visto  un  grant  volitmen  de 
Cantigas,  Serranas  e  Decires  Portugueses  e  Gallegos,  de  los  quales  la  mayor  parte  eran  del 
Rey  Don  Dionis  de  Portugal  (creo,  Senor,  fue  vuestro  bisabuelo\  richtig  wäre:  tatara- 
buelo)  cuyas  obras  aquellos  que  las  leian,  loaban  de  invenciones  sutiles  e  de  graciosas  e  dulccs 
palabras.  Avia  otras  de  yohan  Soares  de  Pavia,  el  quäl  se  dice  aver  muerto  en  Galicia 
por  amores  de  una  Infanta  de  Portugal.  E  de  otro  Fernant  G onzales  de  Sanabria  .  .  . 
(§  XIV).  Vorher  aber  hatte  er  schon  erklärt:  Es  tendier  on-se  creo  de  aquellas 
tierras  e  comar cas  de  los  lemosines  estas  artes  a  los  gallicos  (=:  Franzosen) 
e  a  esta  postrimera  e  occidental  parte  que  es  la  nuestra  Espana  {^--  Hispanien ,  die  ganze 
Halbinsel)  donde  as az  prud ente  e  fermo samente  se  hau  usado  (^  X).  Den  Zehn- 
silbler  der  Katalanen  nennt  ei'  a  la  manera  de  los  Lemosines  (§  XIII).  —  Vgl. 
Sanchez,  Col.  de  Poesias  Gast.,  Bd.  I  1779;  Annaes  das  Sciencias  e  Lettreas  II  p.  289 — 30,0 
(1858)  Amador  de  los  Rios,  Obras  de  Santillana,  p.  l  — 18  und  Braga,  Poet.  Pal. 
p.   151—169.    Deutsch  bei  Clarus  11  61—70. 

2  Poesias  ed.  C.  M.  de  Vasconcellos  Nr.    109,  62. 

'  Voran  ging  der  gelehrte  und  gewissenhafte  Reichshistoriograph  Philipps  IL, 
Du  arte  Nun  es  de  Leäo,  (geb.  um  1540,  gest.  um  1608),  von  dem  man  leider  nicht 
weiss,  ob  er  Italien  bereist  hat  oder  nicht.  In  seiner  Jugendarbeit,  der  Orthographia  da 
lingua  port.,  die  erst  1576  zum  Drucke  kam,  erwähnt  er  der  altpoitug.  Dichtkunst  nicht 
ftrotz  gegenteiliger  Behauptungen) ,  äussert  sich  jedoch  über  die  Identität  des  Altiwrtug. 
und  Altgalliz.  Erst  1585,  in  seiner  -»Censura  in  libellum  de  Regum  Port,  originct.  gedenkt 
er  der  dichterischen  Verdienste  des  Königs  Dionysius :  Fuit  Dionysius  Rex  htimanissiiitus, 
amoenissimi  ingenii  et  a  litterarum  studiis  non  abhorrens  eo  riidi  saeculo.  Poeticcs  autem  Studium 
maxime  dilexit  et  fere  primus  in  Portugalia  carmina  lingua  vidgari  scripsit  nata  non  ita  pridein 
huiusmodi  poesi  versuum  similiter  cadentiwn  apud  Siculos  e  quibus  ad  Lemovices,  Arvernos  et 
Provincialcs  et  inde  ad  Italos  et  Hispanos  einanavit.  Extant  Iiodie  multa  eins  car- 
mina   ex    quibus     apparet    imitatum  fuisse    Lemovices    et    Arvernos 

poetas.  Und  in  seiner  Königschronik  II  p.  76  wiederholt  er  (1600)  seine  Angaben  über  des 
Königs  und  »Anderer«  Vulgär-Poesien  [»0  que  este,  e  os  d' aquelle  tempo ,  comefaram 
a  fazer  ä  imit a ( äo  dos  Arvernos  ^/ /'röZ'^w^ö^j«]  die  nocii  einmal  ( l6c6)  in  seinem 
Alterswerke:  Origem  e  Orthographia  da  Lingua  Port.,  cap.  6,  wiederkehren  (y>compos  muitas 
cousas  em  metro  aa  imitagäo  dos  Poetas  Provenfaes.«^  —  Die  Nachsprecher  über- 
gehe ich  hier.     Vgl.  §  37  Anm.   1   und  2. 


PoRi-uG.  Minnesänger.    Provenz.-franz.  Einwirkung  auf  Portugal.    169 


des  Dekasyllabus,  ja  überhaupt  die  Schöpfung  der  romanischen  Kunstlyrik  den 
Portugiesen  zuzuschreiben ,  und  Provenzalen  wie  Italiener  für  Nachahmer  zu 
erklären. ' 

28  Auf  welche  Ursachen  die  fremde  Einwirkung  zurückzufuhren  ist, 
sagte  die  Einleitung.  Auf  den  überwältigenden  Zauber  einerseits,  den  Frank- 
reichs überlegene  Geistes-  und  Sittenbildung  im  Mittelalter  auf  alle  romanischen 
Staaten  ausgeübt,  und  andererseits  auf  Portugals  lyrische  Grundstimmung,  die 
gerade  an  der  ihr  homogenen  Minnedichtung  verständnisvolles  Gefallen  fand, 
während  Kastilien  mehr  die  epischen  chansons  de  geste  begünstigte.  —  In  der 
Beantwortung  der  Fragen,  wie,  wann  und  aufweichen  Wegen  die  genauere 
Kenntnis  franz.  Dichtung  bis  nach  Portugal  kam,  gehen  die  Meinungen  aus- 
einander. —  So  lange  man  nur  ganz  unbestimmte ,  auf  Tradition  beruhende 
Vorstellungen  von  der  altportug.  Lyrik  hatte,  d.  h.  vor  1823,  ehe  die  Ver- 
öffentlichung der  erhaltenen  Quellenwerke  begann,  behauptete  man  meisthin, 
kurz,  und  falsch:  schon  im  11.  Jh.  habe  der  Gründer  der  Dynastie,  der  bur- 
gundischc  Graf  Heinrich  (1095 — in  2)  mit  seinen  ritterlichen  franz.  Genossen, 
eine  fertige  Hofpoesie  sowie  Poeten,  und  franz.  Musik  sowie  Musiker  aus  der 
Heimat  mitgebracht,  und  einfach  in  Portugal  eingeführt.-  Später,  als  man 
die  lyrischen  Gedichte  des  bedeutendsten  Vertreters  der  Epoche,  des  Königs 
Dionysius  (1279  — 1325)  und  das  vermeintliche  Liederbuch  seines  Sohnes,  des 
Grafen  D.  Pedro  Affonso  von  Barcellos  (71354)  kennen  lernte,  stellte  man 
den  anderen  Satz  auf:  Alfons  X.  von  Kastilien  und  Leon  (1252— 1284)  — 
den  man  als  den  gründlichsten  Kenner  und  den  freigebigsten  Gönner  der 
Spätpro venc;alischen  Dichtkunst  kannte,  und  von  dessen  geistlichen  I>iedern  in 
portug.  Zunge  man  wusste  —  sei  der  erste  gewesen,  der  nach  dem  Typus 
der  Troubadours,  in  Dekasyllaben  Portugiesisches  dichtete ;  von  ihm  aber  habe 
sein  Enkel,  zu  Ende  des  13.  Jhs.,  das  Minnesingen  gelernt.^  Oder  auch:  der 
Schwiegersohn  des  schriftgelehrten  Alfons  und  Vater  des  Dionysius,  Dom 
Affonso  III  (1245 — 1279)  habe  sich  während  seines  langen  Aufenthaltes 
in  Frankreich  als  »Diener«  der  D.  Bianca  von  Kastilien  und  Graf  von 
Boulognc,  mit  den  Musen  befreundet  und  darum  den  Sohn  durch  französische 
und  französierte  Lehrer  in  der  gaya  sciencia  förmlich  unterweisen  lassen. 
(s.  J^  32)  Diese  Antwort  ist  zwar  bedeutend  besser,  und  enthält  ein  grosses 
Teil  Wahrheit;  ausreichend  aber  ist  sie  keineswegs,  weil  sie  die  eigentlich 
wichtige  Zeit  der  Vorbereitung  und  des  ersten  Keimens  und  Treibens  des  alt- 
portug. Minnesangs,  das  gerade  zwischen  Graf  Heinrich  und  dem  Regierungs- 
antritt Alfons'  III  (oder  des  D.  Dinis)  liegende  Jh.,  ganz  ausser  Acht  lässt.  — 
Nicht  so  früh  wie  die  ersten  meinten,  und  nicht  so  spät  v;ie  die  letzteren  vermu- 
teten ,  und  keineswegs  urplötzlich,  unvorbereitet  und  wie  durch  königlichen 
Machtspruch,  erstand  die  portugiesisch-gallizische  arte  de  trobar.  Allmählich 
und  auf  vielen  Pfaden  drangen  franz.  Kultur  und  Sprachkenntnis  in  Portugal 
ein,  und  befruchteten  den  emplänglichen,  weichen  Boden ;  bald  direkt,  bald 
indirekt  und  auf  Umwegen,  durch  Beziehungen  zu  den  dem  Zentrum  näher 
liegenden  und  daher  früher  von  ihm  aus  bewegten  Völkern  (d.  h.  durch  Ver- 
mittelung  von  Katalonien,  Aragon,  Navarra,  Kastilien  und  Leon)    und   selbst 

'  F  aria-e-So  US  a  sagt  \m  Epitome  I  69  (ed.  1674),  Dionysius  liätte  gedidilct  >.a 
imitacion  de  los  Provetifoles  y  Ahernos«.  In  der  Europa  (11  p.  372  §  64)  hingegen  lehrt  er: 
■>->antes  parece,  lo  imitaron  de  los  Portuguezes  los  Italiauos  y  Provenzales!  (Cf.  Fuente  de  Aganipe, 
Pifl-te  VI,  Prologo). 

-  Sclion  Die'/  erhob  den  unanfechtbaren  Einwand,  zu  Graf"  Heinrichs  Zeiten  sei 
eine  Kunstlyrik  selbst  in  Fiankieich  noch  nicht  vorhanden  gewesen. 

'  Namen  zw  nennen  ist  unnütz.  Alle,  welche  die  Veröffentlichung  des  Cancioneiro 
da  Valicana  und  Colocci- Bra?tcuti  nicht  erlebt,  verlegten  den  Beginn  der  portug.  I^itteratur  an 
das  Ende  des  XIII.  Jhs, 


lyo    LllTERATURGESCHICHTE    DER    KOxMANISCHEN  VcU.KER.   —   4.    PüRT.    LiTT. 


ZU  nord-  und  süditalienischen  Höfen,  die  ja  alle  damals  nicht  viel  mehr  als 
einen  Nachhall  franz.  Geistes  zu  bieten  hatten  und  provenzal.  Kunstlyrik  als 
das  wahre  Merkzeichen  höfischer  Gesittung  pflegten.  —  Direkt  sind  auf  der 
berühmten  Wallerstrasse  nach  dem  dritten  Sanktuarium  der  Christenheit  (die 
man  bezeichnend  genug  caminho  francez  nennt;  ^  und  von  der  auch  Geschichts- 
chroniken, Epen,  Volksromanzen  und  Sprichwörter  so  unendlich  viel  mittel- 
alterlich Abenteuerliches  zu  berichten  wissen)  vom  9.  bis  zum  15.  Jh.  nicht 
allein  französisch-epische  wie  lyrische  Volksweisen  von  Mund  zu  Mund  ge- 
wandert. Auch  fromm  kirchliche  und  ritterlich-höfische  Melodien  und 
Texte,  lateinisch  und  em  romance  vulgär,  wurden  westwärts  getragen  durch  die 
Fürsten  und  ihr  Gefolge,  welche  die  fast  obligatorische  Pilgerfahrt  unternahmen, 
und  sich  oft  recht  lange  in  Alt-Gallizien  aufhielten,  das  sich  bis  zum  Mondego 
erstreckte. 2  —  Doch  auch  auf  anderen  Wegen  (zu  Wasser  z.  B.  durch  Kreuz- 
fahrerflotten, und  zu  Lande  auf  Kreuz-  und  Querpfaden  durch  Alt-Kastilien 
und  Leon)  kamen  periodisch  aus  Norden  und  Osten  Ritter  und  Reisige,  um 
an  den  peninsularen  Unternehmungen  gegen  den  Halbmond  teilzunehmen. 
Und  nur  um  weniges  später,  schon  unter  Alfons  VI  (1072— 11 09),  dem  zwei 
Mal  franz.  Fürstinnen  die  Hand  gereicht  hatten ,  begann  ,  nach  der  belang- 
reichen Rückeroberung  Toledo's  (1085)  die  häufige  Berufung  von  franz.  Geist- 
lichen, Gelehrten  und  Mönchen  aus  Cluny  und  Citeaux^,  und  von  thätigen 
Kolonisten,  welche  alle  bei  der  friedlichen  Kulturarbeit  halfen  und  die  ent- 
völkerten, den  Mauren  entrissenen  Landschaften  neu  bestellen  und  christlich 
zivilisieren  sollten.  Überall  in  den  Städten  entstanden  besondere  fränkische 
Stadtteile  {bairros  dos  Francos).  Der  gallikanische  Ritus,  die  fränkische  Schrift 
und  Notation ,  der  Alexandriner  der  chansons  de  geste,  u.  a.  m.  wurde  ange- 
nommen. Lehrende,  aber  auch  Studierende,  gingen  nach  Toledo,  um  sich 
mit  Geheimwissenschaften  4,  Musik  und  Semitischem  zu  beschäftigen,  und  später 
auch  nach  Palencia  (1209)  und  Salamanca  (1240).  Und  mit  den  einen  wie 
den  anderen  kamen  zahlreiche  fahrende  Sänger  —  segreis,  juglares,  menestreis^ 
histriöes  und  mimos  —  welche  es  sich  berufsmässig  angelegen  sein  Hessen,  ihre 
mannigfaltigen  Künste  zu  üben  und  zu  lehren,  —  So  waren  geistige  Be- 
ziehungen zu  Frankreich  also  angeknüpft,  ehe  ein  selbstständiges  Portugal 
überhaupt  bestand.  Sie  wurden  aber  naturgemäss  viel  enger,  als  Alfons  VI. 
seine  Töchter  mit  den  burgundischen  Grafen  vermählte  (1094 — 95),  und  in 
der  Folgezeit  um  so  wertvoller  für  die  Verfeinerung  der  Sitten  und  der  Geistes- 
bildung, je  grossartiger  Frankreichs  Kultur  und  Litteratur  sich  im  12.  Jh.  ent- 
wickelte und  je  ruhiger  sich  allgemach  das  peninsulare  Leben  gestaltete.  — Wie 
elConde  don  Anrriquc  e  elConde  don  RemoncT^  nebst  anderen  Franken,  Flamändern, 
Deutschen  und  Italienern  bei  Toledo  und  Zalaka  mitgekämpft,  und  bei  der  ersten 

'  Auch  Vat.  278  spricht  von  diesem  oftgenannten  catninho  francez  und  n  i  c  h  t  von  einem 
beliebigen  franz.  Wege,  wie  Braga  meint  (der  fälschlich  por  um  c.  fr.,  statt  pelo  c.  fr.,  druckt). 

*  Die  Route  berührte  P  a  ni  p  1  o  n  a ,  M  i  r  a  n  d  a ,  B  u  r  g  o  s  ,  V^  a  I  e  n  c  i  a ,  S  a  h  a  g  u  n  , 
lycon,  Astorga  Ponferrada  etc.  —  Unter  den  Millionen  Santiago-Pilgern  auch  nur 
die  erlauchtesten  zu  nennen,  würde  Seiten  füllen.  —  Nur  dass  1137  Wilhelm  v.  Poitiers. 
die  Wallfahrt  unternahm,  sei  erwähnt.  Den  apostql  de  Compostela  nennen  Peire  Vidal, 
(luiraut  Riquier,  Faulet  de  Marse  1ha.  Die  altportug.  Lieder  gedenken  /..  B.  des 
Pilgerzuges  Sancho's  IV.  (1284). 

^  Bernhard  von  Cluny  ward  erster  Erzbischof  von  Toledo.  Auch  in  Segovia,  Osma, 
Sigüen/.a,  Salamanca,  Santiago,  sowie  in  Braga,  Porto  und  Coimbra  wurden  die  obersten 
Kirclienstellen   mit  franz.  Prälaten  besetzt. 

*  Ilelinand  sagte  noch  1229:  y>les  clercs  voiit  k  Paris  ctiidier  les  arts  lihcraux,  a 
Orleans  les  auteurs  classiques,  a  Bolognc  le  droit,  a  Salertie  la  medecine,  ä  Tolede  les  diables, 
et  7itdle  part  les  bonnes  moeurs.  Auch  Rustebeufs  Ausspruch  über  toledaner  Nigromantik 
ist  bekannt. 

*  Vgl.  Poema  del  Cid  3136.  3000  und  3100.  —  Die  Portogaleses  werden  darin,  wie 
in  der  Cron.  rimada,  schon  neben  den  gallezianos  genannt. 


Provenz.-franz.  Einwirkung  auf  Portugal  u.  den  fort.  Minnegesang.  171 


Erstürmung  der  Burgen  Santarem ,  Cintra  und  Lissabon  (1093)  mitgeholfen 
hatten,  so  halfen  noch  später,  auf  Kreuzfahrerflotten  an  die  Westküste  ver- 
schlagene Normannen ,  Lothringer,  Flamänder  und  Deutsche  zu  wiederholten 
Malen  bei  speziell  portug.  Waftenthaten :  1147  bei  der  endgültigen  Einnahme 
Lissabons,  11 89  bei  der  Eroberung  von  Silves,  und  wiederum  12 17  bei  Al- 
cacer  do  Sal.  Und  viele  von  ihnen  blieben  im  westlichen  Lande,  ess(7  tierra 
gensor.  Wie  aber  schon  bei  der  Doppelheirat  der  Töchter  des  Cid  (1075) 
und  bei  den  Hochzeitsfesten  der  burgundischen  Grafen  vmchas  maneras  de  yo- 
glares  ihre  Gesänge  angestimmt  und  ihre  Künste  gezeigt  hatten,  so  erschallten 
in  der  Folgezeit  neue  und  neueste  Lieder  so  oft  man  hispanische  und  fränkische 
Königskinder  mit  einander  vermählte  '■  und  weckten  Sinn  und  Verständnis  für 
franz.  Poesie  und  Musik.  —  Nicht  ganz  so  häufig  wie  franz.  Krieger,  Mönche 
Pilger  und  Spielleute  die  Pyrenäen  überschritten,  gingen  auch  umgekehrt 
schon  im  12.  Jh.  einzelne  Portugiesen  \^2.qS\  Francia  la  garnida,  von  Thaten- 
und  Wissensdurst  geführt,  oder  durch  Mishelligkeiten  aus  der  Heimat  ver- 
trieben ".  Fürsten  und  Ritter  besuchten  die  mit  ihnen  verschwägerten  kleinen 
südfranz.  Höfe,  so  wie  Aragon-Provence,  Flandern,  Nordfrankreich  und  Italien ; 
kämpften  dort,  heirateten  und  traten  in  Orden;  studierten  in  Paris  Theologie, 
Medizin  in  Montpellier,  und  Rechte  in  Bologna,  seltener  in  Toulouse  und 
Salerno;  oder  sie  wallfahrteten  nach  Rocamador^  und  Rom.  Und  auf  aus- 
gedehnteren Pilgerreisen  und  Kriegszügen  nach  Ultramar  träfen  Streiter  und 
Büsser  aus  aller  Herrn  Länder  zusammen,  und  bedienten  sich,  allem  Anschein 
nach,  schon  damals  des  Französischen  wie  einer  allen  Gebildeten  verständ- 
lichen/<m/////^'^2^<ü.  —  Die  aus  der  Fremde  nach  Jahren  Heimkehrenden  brachten 
aber  sicherlich  neue  Bildungselemente  mit  sich. 

2g.  Wann  aber  und  an  welcher  Stelle  fielen  positiv-fruchtbringende 
Samenkörner  in  den  also  vorbereiteten  Boden?  Die  endlosen  heissen  Kämpfe, 
welche  das  junge  romanische  Reich  im  12.  Jh.,  während  der  wahren  Blüte  des 
provenz.  Minnesangs,  gegen  Mauren  und  christliche  Nachbarn  um  seine  Existenz 
zu  bestehen  hatte,  und  die  wilden  inneren  Fehden  zwischen  Adel,  Geistlich- 
keit und  Krone,  welche  die  erste  Hälfte  des  13.  Jhs.  ausfüllten,  liessen  ein 
echtes  und  rechtes  Hofleben  absolut  nicht  auf  kommen.  Feste  Mittelpunkte 
fehlten,  welche  bedeutende  Talente  dauernd  hätten  fesseln  können.  Besuche 
fremder  Sänger  konnten  nur  kurz  sein  und  mussten  ohne  tiefere,  nachhaltige 
Einwirkung  bleiben.  Von  etwaigen,  selbständigen  Nachahmungsversuchen  der 
Söhne  und  Enkel  Heinrichs  und  ihrer  Genossen  ist  nichts  aufbewahrt.  Auch 
fehlt  all  und  jeder  Beweis  für  irgend  welchen  persönlichen  Verkehr  zwischen 
ihnen  und  bestimmten  franz.  Troubadours  oder  Trouveres.  Kein  einziges  provenz. 

'  Die  Reihe  der  Heiraten  zwischen  Hispaniern  und  Französinnen  oder  Prinzesfinnen 
aus  Staaten,  in  denen  franz.  Minnesang  schon  Wurzel  geschlagen  hatte,  ist  sehr  lang  und 
sehr  hedeutsam.  Hier  seien  nur  die  wichtigsten  aus  der  Troubadour -Epoche  aufgezählt: 
1074  Alfons  VI.  mit  Ines  von  Aquitanien ;  1079  ders.  mit  Constanze  von  Burgund ;  uk;4 
Urraca  mit  Raimund  von  Toulouse;  1095  Theresa  mit  Heinrich  von  Besancon  und  Elviia 
mit  Ramon  de  San-Gil;  1130  Alfons  VII.  mit  Berenguela  von  Aragon;  I170  Alfons  VIll. 
mit  Eleonore  von  Aquitanien  ;  1200  Bianca  von  Kastilicn  mit  Louis  Vlll;  1220  Ferdinand  mit 
Beatrix  von  Schwaben;  1246  Alfons  X.  mit  Violante  von  Aragon ;  1254  D.  Leonor  Hl  mit 
Eduard  I.  von  England  und  D.  Sancho  1.  mit  Dulce  von  Aragon ;  1180  D.  Theresa-lMafalda 
mit  Philipp  von  Flandern;   1280  D.  Dinis  mit  Isabella,  der  Enkelin  Manfreds  von  Sicilien. 

^  Der  zweite  Sohn  des  D.  Affonso  Henriques,  D.  Pedro  Affonso  (f  1169)  lebte  z.  P. 
lange  am  Hofe  des  Louis  Vll. ;  sein  Bruder  Alfons,  starb  zu  Rhodos  als  Ordensmeister  der 
Hospitaliter  (1207).  Ein  Sohn  Sancho's  I.  verbrachte  Jahre  am  aragonesischen  Hofe,  wo 
er  sich  mit  Aurembiax  von  Urgel  vermählte,  ihre  Grafschaft  erbend;  sein  jüngerer  Bruder 
D.  Fernando  (']-  1233)  weilte  am  Hofe  von  Flandern,  heiratete  seine  Base  Johanna  von 
Flandern,  kämpfte  1214  bei  Bouvines,  fiel  in  die  Hände  der  Franzosen,  schmachtete  12  Jahre 
im  Louvrethurme,  und  kehrte  dann  in  die  Heimat  zurück. 

^  S.  Maria  deRocamador  im  Canc.  da  Vat.  1066  erwähnt.  (Cfr.  689  u.  CBr.  1 15  u.  Cant.). 


172    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    I.ITT. 

Lied  ist  an  einen  portug.  König  gerichtet,  oder  spricht  von  ihm;  kein  einziger 
portug.  Personen-  oder  Ortsname  kommt  in  der  provenzalischen  Litteratur 
vor ;  keine  westliche  Waffenthat  wird  erwähnt ;  keiner  Schenkung  oder  Wohl- 
that  gedacht.  In  keiner  Troubadourbiographie  verlautet,  dass  ein  namhafter 
Sänger  den  occidentalischen  Küstenstrich  betreten  hat^.  Weder  in  Lob  noch 
in  Tadel  wird  Galliziens  oder  Portugals  ausführlicher  gedacht'^.  Nur  drei  Mal 
kommt  in  Kreuzesliedern,  welche  zum  Kampfe  gegen  die  peninsularen  Sara- 
zenen auffordern,  das  Wort  Portugal  vor'^  Und  dies  Schweigen  steht  in  aus- 
drucksvollem Gegensatz  zu  den  so  überaus  zahlreichen  herrlichen  Lobpreisungen, 
mit  denen  die  übrigen  vier  spanischen  Fürsten  (die  Könige  von  Leon,  Kastilien, 
Navarra  und  Aragon),  und  so  mancher  ihrer  Grossen  aus  den  Häusern  Lara, 
Castro,  Haro  und  Cameros,  bedacht  sind*.  —  Trotz  dieses  Schweigens  von 
provenzalischer  Seite  wissen  wir  es  nun  aber  bestimmt,  dass  schon  im 
12.  Jh.  Sancho  L  französische  Gaukler  belohnte^;  und  dass  es  um  1250 
festwurzelnder  Brauch  war,  gelernte  juglares  als  zum  Hofstaat  gehörig  zu  be- 
trachten 6,  wie  auch  das  zu  Rosse  wandernde  Troubadours  {segreis  oder  segleres) 


'  Auch  von  Peire  Vidal,  Marcabrun  und  Peire  d'Alvernha  steht  es  nicht 
fest,  dass  sie  Portugal  besucht,  trotz  Fauriel  (11,6)  Baret  (Troubadours  ■[>.  I19),  Milä 
y  Fontanals  {7ro/>.  ed.  186]  p.  498)  und  Braga  {Vat.  XXV— XXVII),  der  noch  im 
y>Curso<.<  (p.  67  —  68)  die  Angaben  der  drei  Vorgänger  wiederholt.  —  Die  Möglichkeit, 
dass  es  geschehen,  ist  selbstverständlich  nicht  7,u  leugnen.  —  Ja  noch  andere  Sänger,  wie 
z.  B.  der  weitgereiste  Cercamon,  der  die  ganze  gangbare  Welt  durchfahren  (cerquet  tot  lo 
mon  lai  on  poc  anar) ,  oder  Elias  Cairels .  der  den  grössten  Teil  der  bewohnten  Welt  ge- 
schaut (cenjuet  la  inaior  pari  de  la  terra  Itahitzada)  mögen  ihre  Reisen  noch  über  Compo- 
stella  hinaus,  bis  nach  Guimaräes  und  Coimbra  oder  sogar  bis  zum  {rioforte  betitelten) 
Tejostrome  ausgedehnt  haben. 

^  Kaiser  Barbarossa  j)reist  in  seinem  Völkerepigramm  zwar  Kataloniens  Frauen, 
kastilianische  Hofsitte  und  aragonesischen  Wuchs.  Von  den  Portugiesen  aber  weiss  er 
nichts  zu  melden.  Dasselbe  gilt  von  dem  kastilianischen  Kanzler  Diego  do  Campo 
(1218).  Möglich  ist  jedoch,  dass  dieser  sie  unter  dieCallaecos  rechnet,  deren  ■»loquela'.'. 
ihm  rühmenswert  scheint. 

^  Der  gaskognische  Jongleur  Marcabrun  hat  in  seinen  Kreuzliedern  an  die  franz. 
und  .Span.  Christenheit  positiv  auch  die  Mithülfe  Portugals  gegen  die  Almoraviden  im  Auge. 
In  der  Canzone,  die  er  II46  beim  Aufbruch  nach  der  Halbinsel  dichtete  {-»AI  prim  comens 
del  ivernailh)  sagt  er  zwar  nur  ».£«  Castella  et  en  Portegal  Non  trametrai  aqiiestas  salutz. 
Mas  j  Deus  los  sal .'«  In  der  Cnnzone  Emperaire  per  mi  mezeis,  vor  dem  Siege  bei  Almeria 
aber  ruft  er  in  deutlicher  Anspielung  auf  das  gemeinsame  span. -portug.  Feldgeschrei  (Real, 
real\) :  Ah  la  valor  de  Portegal  E  del  rei  Navar  atretal.  Ah  sol  qiie  Barsalona  is  vir  Ves  Tolela 
rEitiperial,  Segur  poerem  cridar :  reial.'I  E  paiana  getis  desconfir.  —  Und  einige  Jahizehnte 
nachher,  als  er  zum  Feldzuge  gegen  die  drohende  Heeresmacht  der  Almohaden  aufrief,  ver- 
wies Gavaudan  der  Alte  mit  Bezug  auf  die  Mauren  auch  auf  Portugal:  ■» Portugals, 
Gallicx,  Castelläs,  Navars,  Aragones,  Ferräs  (=:  Fernandos?  oder  S  tur  iäs  -  Asturianer)  lur 
avem  en  harra  geqtiitz  Qu' eis  an  rahuzatz  et  aunitz-^<  (im  Liede:  f>Senhors  per  los  vostrcs 
peccatz«).     Damit  aber  ist  auch  alles  bis  heute  Bekannte  erschöpft. 

*  Gar  mancher  Satz,  der  ganz  unbestimmt  von  Espainha  oder  von  span.  Königen 
reilet,  darf  natürlich  auch  auf  Portugal  angewendet  werden.  Wo  jedoch  ausdrücklich  von 
vier  span.  Königen  die  Rede  i.st,  hat  die  Nichtbeachtung  des  jüngsten  fünften  Bruder- 
reiches  etwas  geradezu  .Xuffälliges. 

*  Ein  Aktenstück  der  Torre  do  Tombo  aus  dem  Jahre  II93  beschäftigt  sich 
mit  zwei  Gauklern  Sancho's  I.,  einem  gewissen  Bonamis  und  seinem  Bruder  und  Kumpan 
Acompaniado.  Der  König  hat  sie  mit  einem  Grundstück  {casal)  bedacht  und  sie  unter- 
zeichnen und  erklären:  Nos  mimi  siipranominati  debemus  domino  nostro  Regi  pro  rohorationi 
unum  arrentedillum  (d.  h.  ein  mbmo,  eine  Farce,  ein  theatralisches  Schaustück).  Vgl.  Nova 
Malta  I  294  und  S.  Rosa  de  Viterho,  Elucidario  s.  v.  arr e'medilho.  Von  anderen,  minder 
gut  verbürgten  trovadores  und  dezidores  —  wie  z.  B.  von  Manuel  Gonsalves ,  0  primeiro 
homem  quc  eni  Portugal  fez  trovas,  e  ;az  no  tnosteiro  de  Pombeiro  —  schweige    ich  klüglich. 

^  Im  Hausregimente  König  Alfons'  III.,  das  zwei  berühmte  Staatsmänner  und  Trou- 
badours ausgearbeitet  haben,  D.  Joäo  d 'Abo  im  und  D.  Estevam  Annes  lautet  das 
12.  Dekret:  El  Rei  aia  tres  jograres  em  sa  casa,  e  nom  mais ;  e  o  jogral  que  vecr  de  cavalo 
doutra  terra  (ou  segrel)  de-lhe  El  Rei  ataa  cem  ....  (maravedis)  ao  que  chus  der,  e  nom 
tnais,  se  Iho  dar  quiscr.  (Port.  Mon.  Hist.-  Ecges  \).   199).    Aus    dem  beschränkenden  Wort- 


Verkehr  zwischen  Frankreich  u.  Portugal.  Litter.  Vermittelungen.   i  73 

in  Portugal  gern  gesehene  und  reich  beschenkte  Gäste  waren.  Und  aus 
provenzalischen  Gedichten,  welche  portugiesische  Zeilen  enthalten ',  sowie 
aus  provenzalisch  und  französisch  abgefassten  Versen  von  Portugiesen^  erhellt 
unumstösslich,  dass  doch  ein  Verkehr  zwischen  portugiesisch  (resp.  gallizischj 
redenden  Männern  und  französischen  Dichtern  stattgefunden  haben  muss,  und 
zwar  ein  mehr  als  oberflächlicher  Verkehr.  —  Wie  löst  sich  der  scheinbare 
Widerspruch?  —  Einfach  so  dass  dieser  Verkehr  erst  spät,  am  Ausgang  des 
12.  und  Anfang  des  13.  Jhs.,  und  nicht  innerhalb,  sondern  ausserhalb  Portugals 
stattfand,  der  Grenze  nahe,  in  dem  älteren  Mutterlande  Leon  und  in  Kastilien, 
wo  ein  Hofleben  sich  etwas  früher  entwickelt,  und  die  Poesie  früher  eine 
Heimstätte  gefunden  hatte.  Dort  bot  sich  den  portug.  Grossen  Gelegenheit 
(auch  wenn  sie  die  Halbinsel  nicht  verliessen  und  die  südfranzösischen  Sänger 
nicht  bis  zu  ihnen  kamen),  dem  occitanischen  Minnesang  zu  lauschen,  und 
ihn  zu  erlernen,  ohne  fremde  Vermittelung ,  aber  auch  ohne  intimere  per- 
sönliche Beziehungen.  Dort  also  werden  die  ältesten  portug.  Gedichte  ent- 
standen sein.  —  Wo  portug.  Freunde  der  Dichtkunst  aber  nicht  als  empfangende 
und  bewirtende  Herren ,  sondern  als  bedienstete  Vasallen  oder  als  fremde 
(iäste  auftraten,  standen  sie  naturgemäss  nicht  im  ersten  Plane;  und  die 
provenzalischen  Troubadours,  auch  wenn  sie  Geschenke  von  ihnen  empfingen, 
würdigten  sie  keines  unterschiedlichen  Dankes,  sondern  schlössen  die  porto- 
ga/eses  (deren  Selbständigkeit  sie  für  vorübergehend  halten  mochten,  wie  es 
die  von  Gallizien  gewesen  war)  mit  ein  in  das  allgemeine  y>Esßainha«.  ge- 
spendete Lob. 

30.  Wann  aber  geschah  das?  Keineswegs  erst  unter  Alfons  dem  Weisen, 
an  den  selbst  heute  noch  gewöhnlich  gedacht  wird.  Dieser  selbst  bezieht 
sich  bereits  auf  ältere  Troubadours,  z.  B.  auf  einen  portug.  Kleriker  aus 
Alanquer,  einen  Günstling  des  Königs  Sancho,  D.  Mar  t  im  AI  vi  t  es,  dessen 
Liebes-  und  Spottlieder  berühmt  waren  {Cant.  316).  Als  an  seinem  Hofe  hundert 
Geber  unaufgefordert  an  provenzalische  Troubadours^  Geschenke  austeilten, 
so  gross  wie  mancher  König  sie  nicht  spendete,  da  lebten  nachweislich 
bei  ihm  etwelche  portug.  ricoshojnes,  vasallos  und  infanföes;  die  den  Pro- 
venzalen     schon    nicht     mehr    wie    zage    lernende     Schüler,    sondern     als 

laut  darf  man  mit  Rücksicht  auf  die  vorgenannte  Urkunde  von  II93  schliessen,  dass  vor 
1258  erheblich  mehr  als  je  drei  Spielleute  zum  portug.  Hofstaate  gehörten,  und  dass  die 
Herrscher  den  fahrenden  Sängern  weit  über   100  Goldmünzen  zu  spenden  pflegten. 

*  Raimbaut  de  Vaqueiras  (l  158  —  1219)  hat  seinem  fünfsprachigen  Descort 
-»Ära  quan  vei  verdejar€  einige,  leider  stümperhaft  gedichtete  oder  schlecht  überliefet  te  Zeilen 
eingefügt,  die  ohne  Zweifel  peninsular  sind  und  für  unparteiische  Augen  und  Ohren  wie 
(unreines)  Portugiesisch  klingen.  Sie  lauten :  Mas  tarn  temo  vostro  pleito;  Todo  'n  soi  escar- 
vientado ;  Per  vos  hei  pena,  e  maltreito  E'  meu  corpo  lazerado ;  La  nueii  quan  soi  {oAtYjag^) 
en  meu  leite  Scnc   muclia  vez  despertado ;   Per  vos,  crede-o   sou    tol/ieiio  (.-) ;   Falhit  soi  en    mei 

cuydado und  Mon  corassö  mävetz  treito  E,  tncnit  gen  faiilan,  furtado.  —   Mihi  erkliiit 

sie  zwar,  wie  die  meisten  Kritiker,  für  inkorrektes  Kasti lisch  \Trob.  ed.  l88y  p.  132), 
und  tituliert  sie  t>acaso  los  mas  antiguos  \versos\  que  eit  nuestra  lengua  se  conservan<i..  Später 
aber  (p.  54'-i).  bricht  die  Wahrheit  sich  Bahn,  und  er  giebt  zu,  sie  seien  vielleicht  Gallizisch. 
Sprachlich  wie  litterarhistorisch  ist  dies  das  Wahrscheinlichere.  Auch  Raim  o  n  V  id  a  I  legt 
(um  1180)  einem  hispanischen  Troubadour  drei  Reihen  in  den  Mund,  die  peninsular  sein 
so^en  und  unbedingt  eher  portug.  als  kastilisch  sind:  Tal  dona  non  quero  servir ;  Per  me 
non  si  denke  preiar  j  Ja  nmi  quero  lo  sieu  prendir. 

2  Provenzalisch  ist  Lied  454  des  Canc.  C.  Br.,  halbport.,  halbprov.  die  'fenzone  Nr.  477. 
Franz.  Zeilen  enthält  Nr.    126  des  Canc.  da  Ajuda.     S.  u.  §  .34. 

*  Meine  gewiss  unvollständige  Liste  von  Troubadours,  welche  Alfons  X.  Hof  be- 
sucht oder  ihm  Lieder  gewidmet  haben,  umfasst  19  Namen:  Aimeric  de  Belenoi, 
Arnaldo  Plagues,  Bartolome  Zorgi,  Bernart  deRavenac,  Bertran  d'Ale- 
mano,  Bertran  de  Born,  Bertran  Carbonel,  Bonifacio  Calvo,  Kolquet  de 
Lunel,  Guillem  Ademar,  Guillem  de  S  aint  -  Didier ,  Guilleni  de  Mon- 
tagnagut,  Guiraut  Riquier,  Nat  de  Mons,  Paulet  de  Marselha.  Peire 
V  i d a I ,    R a i m o n   de    1' o r s ,    Raimund   de   C a s t e  1  n a u ,    U c    de    K s e a u r a. 


174    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —   4.    PORT.    LlTT. 

längst  geschulte  Meister  in  ihrer  eigenen  Sprache  gegenüber  traten, 
mit  König  Alfons  um  die  Wette  dichteten  und  sogar  fremdsprachige  Dichter 
bereits  in  portug.  Troubadours  verwandelten.  —  Auch  nicht  erst  unter  seinem 
Vater  Ferdinand  dem  Heiligen  (12 17 — 1252),  der  so  herzliches  Gefallen  an 
Sordellos  Weisen ^  und  an  den  Liedern  des  Guiraut  de  Bornelh  fand.'-^ 
Früher  noch,  schon  unter  der  glorreichen  Regierung  des  Siegers  von  Navas 
de  Tolosa,  Alfons  VIII.  von  Kastilien  (1158 — 1214)^,  der  einmal  als  Mittler 
zwischen  Richard  Löwenherz  und  Philipp  August  nach  Frankreich  ging,  und 
um  dessen  Gunst  die  bedeutendsten  Troubadours  sich  mühten*,  und  ganz 
besonders  unter  seinem  Zeitgenossen  und  Vetter,  dem  lebenslustigen  neunten 
Alfons  von  Leon^  (1188  — 1230),  ja  sogar  schon  unter  König  Alfons  VII. 
(1126  —  1 157),  den  Marcabrun  undPeire  d'Alvernha  sowie  Aimeric  de 
Pegulhan  besuchten  und  besangen,  bot  sich  allen  dichterisch  oder  musi- 
kalisch begabten  Portugiesen  und  Galliziern  Anlass,  in  relativer  Ruhe,  süd- 
und  nordfranzösische  Poesie  und  Musik,  und  den  höfischen  Minnedienst  regel- 
recht zu  erlernen,  bald  in  Leon,  bald  in  Burgos,  Palencia,  Valladolid, 
Segovia,  Zamora,  Castro,  Carrion,  Campos,  Toro  oder  Toledo,  d.  h.  in  allen 
Städten,  wo  die  Könige  von  Leon  und  Kastilien  Hoflager  zu  halten  pflegten. 
—  Die  intimen  Verwandtschaftsverhältnisse  der  Dynastien '^  und  Adelshäuser, 
sowie  der  natürliche  Zusammenhang  der  Völker  machte,  wie  schon  erwähnt, 
während  der  ganzen  ersten  Geschichts-  und  Litteraturperiode  zeitweiligen  oder 
dauernden  Aufenthalt  spanischer  Grossen  in  Portugal,  und  umgekehrt  portu- 
giesischer Kdelen  an  den  Nachbarhöfen  zu  etwas  ganz  Alltäglichem.  Und 
das  nicht  nur  in  Zeiten  des  Friedens  und  gemeinsamer  Aktionen  wie  Navas 
und  Salado,  sondern  auch  in  den  recht  häufigen  Zeiten  offenster  Zwietracht. 
Die  jüngenni  Söhne,  mehr  aber  noch  die  zahlreichen  illegitimen  Sprösslinge 
der  portug.  Könige,  und  die  mit  illegitimen  Töchtern  vermählten  Granden, 
mussten  als  gefahrlichste  und  gefürchtetstc  Unruhstifter  ofl  genug  ihr  Vaterland 
verlassen  —  banidos,  exerdados,  deitados  a  Castella,  wie  man  sagte  —  und 
fänden  im  Nachbarlande  meist  freundliche  Aufnahme  und  einflussreiche  Stellen 
als  Ratgeber,  Majordomi,  Adelantados,  Fronteiros,  Meirinhos  u.  a.  m.  Gerade 
zu  Ende  des   12.  und  Beginn  des  13.  Jhs.  —  von  1185  bis  1248  —  flüchteten 


'  Dass  En  Sordel  der  einzige  Troubadour  pro  venic.  Idioms  ist,  den  die  Portugiesen 
bei  Namen  nennen,  seine  Melodien  als  von  ihnen  oft  geborte  preisend,  wird  weiter  unten 
nocli  zu  wiederholen  sein. 

-  Sein  Sohn  sagt  von  ihm :  y>pagal>a-se  mucho  de  otnes  de  carte  qne  sahian  hlen  de 
trmjar  et  cantar  et  de  joglares  (jtie  sopiesen  bien  tocar  cstrumentos,  ca  de  esto  sc  pagaba  el 
niucho  et  eutendia  qnieu  lo  facia  Inett  et  quiett  noni.. 

'  Deutsche  Autoren  (/,.  13.  Diez  und  IJartsch)  nennen  als  Sieger  von  Navas 
bald  Alfons  111.,  bald  Alfons  VIII.  und  sind  Glaubens,  es  handle  sicii  um  zwei  verschiedene 
Könige.  Oberiiaupt  ist  die  Reihenfolge  der  Alfonsos  ihnen  unklar.  Die  asturischen, 
leonesischen  und  kastilianischen  Monarchen  jenes  Namens  werden  so  gerechnet  als  hätten 
sie  alle  dieselbe  dreifache  Krone  getragen ,  während  in  Wahiheit  die  frühesten  drei  nur 
in  Asturien  herrschten;  IV..  V.  und  IX.  nur  in  Leon;  VI.,  Vll.,  X.  und  XI.  in  Ka.stilien 
und  Leon;  VIII.  ausschliesslich  in  Kastilien.  In  der  Troubadourgeschichte  kommen,  ausser 
deiu  Weisen,  nur  noch  Alfons  VI.,  VII.  und  VIII.  vor,  und  diese  werden  als  erste  kasti- 
lische  Alfonsos,  auch  mit  den  Zahlen  I.  II.  III.  belegt. 

*  Aimeric  de  Pegulhan,  Bertran  de  13orn,  Folqu-et  de  Marselha, 
Gavaudan,  Guillermo  de  Bergadan,  Guiraut  de  Bornelh,  Guiraut  de  Ca- 
lanson,  Hugo  de  Saint-Circ.  Peire  Rogier,  Peire  Vidal,  Perdigon,  Raim- 
baut  de  Vacjueiras,  Savaric  de  Mauleon  und  Ramon  Vidal  sind  die  Lobredner 
Alfon.s'  VIII. 

5  Alfons  IX.  feiern:  derselbe  Aimeric,  Ademar,  Elias  Cairel,  Guiraut  de 
Bornelh,  Saint-Circ  und  Sordel. 

"  Leonosische  Königin  war  ll,')7— 1188  Urraca  von  Portugal  und  von<llyt)-95  die 
portug.  Fürstin  Santa  Thoresa.  die  Tociiter  Dulce's  (also  Enkelin  Raimund  Berengars).  Den 
kastilischen  Thron  teilte  von   1215 — 17  D.  Mafalda,  als  Gemahlin  Heinrichs  I. 


Portugiesen  an  span.  Höfen.    Beginn  der  fort,  höfisch.  Dichtung,  i  7  5 


thatsächlich  in  Folge  der  wilden  Bürgerkriege,  welche  im  Lande  entbrannten, 
erst  durch  die  Präpotenz  einer  übermächtigen  Geistlichkeit,  dann  um  Sanchos  I. 
Erbschaft  und  die  Vormundschaft  Alfons' II.,  und  hernach  wegen  Sanchos  II.  Mis- 
regierung,  zahlreiche  portug. Fürsten  und  Grosse  mit  ihren  Rittern  und  Knappen, 
und  gingen  an  den  leonesischen  Hof  Alfons'  IX.  (und  zum  Könige  von  Kastilien). 
Damals  also,  während  des  langen  Lebens  des  leichtlebigen  Lconesen,  begannen, 
meiner  Ansicht  nach,  die  portugiesischen  Adeligen  sich  systematisch  im  Dichten 
zu  üben. 

31.  Und  der  Beweis?  —  Um  ihn  voll  und  ganz  zu  liefern,  müsste 
die  Gesamtheit  der  portug.  Lieder  rekonstruiert  1,  der  lesbare  Text  erläutert, 
genau  datiert,  und  chronologisch  geordnet,  und  es  müssten  die  Biographien 
der  Dichter  geschrieben,  und  der  Vergleich  mit  der  provenzalischen  und  nord- 
französischen Lyrik  durchgeführt  sein 2.  Oder  mir  müsste  Raum  zu  gründlicher 
Erörterung  offen  stehen.  —  Da  diese  Bedingungen  fehlen ,  müssen  blosse 
Andeutungen  genügen.  —  Alfons  IX.  gehört  (dem  Anschein  nach)  selber  zu 
den  portug.  Troubadours  (^  36).  —  Sehr  zahlreiche  portug.  Gedichte  ent- 
halten Allusionen  auf  den  leonesischen  Hof  {corte  de  Leon  —  rey  de  Leofi) 
und  leonesisches  Recht  {/oro  de  Leon  —  livro  de  L.eon)'-\  erzählen  von  den 
Wanderungen  der  Dichter  durch  die  hispanischen  Reiche^,  und  nennen  die 
spanischen  Städte,  welche  damals  Hauptschauplatz  dichterischer  Wettübungen 
in  portug.  Sprache  waren •'>.  Unter  den  historischen  Persönlichkeiten,  welche 
in  den  bezeichneten  Jahrzehnten,  und  besonders  zwischen  12 11  und  121S, 
und  hernach  von  1223  bis  1245  am  leonesischen  (und  auch  am  kastilianischen) 
Hofe  eine  Rolle  gespielt  haben,  sind,  wie  ausgiebigst  nachweisbar  ist'*,  viele 
Portugiesen,  und  zwar  einige  unechte  Enkel  des  ersten '^  und  Söhne  des 
zweiten  portug.  Königs,  und  verschiedene  Angehörige  der  mit  ihnen  vielfach 
verschwägerten,  damals  mächtigsten  Adelsfamilien,  ganz  besonders  der  Mendes 
de  Sousa  oder  Sousöes.  Die  meisten  derselben  aber  sind  Dichter.  Und 
mindestens  drei  davon  gehörten  schon  vor  1259  zu  den  Toten:  D.  C.il 
Sanches  (f   1236),   der  natürliche  Sohn    des  Königs   Sancho  I.**;  D.  Abri^ 

'  Tli.  Braga's  Edigäo  crilica  restituida  des  Codex  Vaticanits  entspricht  kritisclien 
Anforderungen  nicht  ganz,  erstens  weil  sie  nur  den  Inhalt  eines  Liederbuchs  bringt  und 
zweitens  weil  die  Textgestaltung  eine  vielfach  willkürliche,  ungleiche  und  sinnlose  ist.  In 
fler  Einleitung  dazu  und  auch  in  den  Trovadores  sind  Ansätze  zur  Beantwortung  der  ein- 
schlägigen Fragen ;  doch  ist  keine  der  Untersuchungen  wirklich  zu  Ende  geführt. 

2  Die  dreifache  Aufgabe  ist  schwierig  und  nur  mit  bedeutendem  Zeitaufwand  und 
sorgsamster  Mühewaltung  zu  lösen ;  verzweifelt  ist  sie  jedoch  keineswegs.  Nahezu  alles  was 
subjektives  ^linnelied  ist,  bietet  keinerlei  reale  Anhaltspunkte  zum  Datieren  und  liefert  nur 
spärliches  Material  für  die  Biographien  der  Dichter.  Die  sachlich  höchst  wertvollen  Scherz-, 
Spott-,  Rüge-,  Streit-  und  Schimpfgedichte  sind  aber  überreich  an  Allusionen  auf  That- 
sachen  und  Personen  und  geben  ausserdem  oft  in  längeren  und  kürzeren  Prosaerklärungen 
Aufschluss  über  Motiv  und  Anlass  {razäo)  zu  ihrer  Abfassung  und  somit  ülter  Zeit  und  Be- 
ziehungen der  Dichter.  Eine  aufmerksam  vergleichende  Ausnutzung  des  ganzen  Liederbuches 
liefert  daher  schon  viel  brauchbaren  Stoffes.  Und  nimmt  man  alle  sonstigen  zeitgenössischen 
Quellen  zu  Hülfe  —  Urkunden,  iVdelsbücher,  Chroniken,  Grabschriften  etc.  — ,  so  lässt  sich 
immerhin  Erfreuliches  erreichen.  Ich  denke  meine  Resultate  in  einem  Einzelwerke  über  die 
erste  Periode  portug.  Dichtkunst  zu  veröffentlichen,  doch  erst  wenn  mein  Canäoueiro  da 
Ajiuia  und  meine  Rekonstruktion  des  Gesamtliederbuches  nebst  vergleichendem  General- 
index gedruckt  vorliegt. 

*  Solche  Anspielungen  kommen  freilich  nicht  nur  in  den  .Titeren,  sondern  auch  in 
späteren  Gedichten  vor.  Im  Ganzen  wird  Portugal  mindestens  2u  mal ,  Leon  mindestens 
U)  n\al,  Kastilien  hingegen  nur   lO,  und  Espanha  nur  7  mal  genannt. 

*  S.  z.  B.  Vat.  536.  Ö55-  562.  642.  664.  6^1.  370. 

^  Die  häufigst  genannten  Städte  sind  Burgos  und  Carrion;  ausserdem  kommen 
noch  .33  span.  Ortschaften  und  22  portug.  vor. 

*  Ich  verweise  einfach  auf  Herculano's  Historia  de  Portugal  (Bd.  II). 

'  Enkel  des  Affonso  Henriques  (mütterlicherseits)  war  übrigens  auch  Alfons  IX. 

*  Geb.  um  1208  »0  chus  hoiirado  clerigo  qne  ouve  ent  Ilespanha« ,  dazu  linker  Hand  ver- 
mählt mit  D.  Maria  Garcia  de  Sousa,  Tochter  eines  und  Schwester  dreier  Troubadours. 


176    LlTTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 

Peres,  de  Lumiares,  der  Tochtersohn  des  D.  Affonso  Henriques^  und  D. 
Garcia  Mendes,  deEixo,aus  dem  Hause  Sousa.-  Und  ihre  Gedichte,  obwohl 
sie  rein  lyrischen,  subjektiven  Charakters  sind,  legen  doch  das  eine  klar,  dass 
sie  der  portug.  Heimat  fern  verfasst  worden  sind^.  Andere  Lieder  beziehen 
sich  wenigstens  auf  Persönlichkeiten  und  Ereignisse,  die  dem  ersten  Viertel 
des  Jahrhunderts  angehören^.  Eines  derselben  ist  sogar  in  provenzalischer 
Sprache  abgefasst,  und  vielleicht  einem  provenzalisch  dichtenden  Sänger 
gewidmete  Und  in  diesen  ältesten  Liedern  finden  sich  zwar  nicht  direkte  Ent- 
lehnungen aus  Werken  solcher  Troubadours,  welche  damals  thatsächlich  Ferdi- 
nand IIL  und  AlfonsIX.  besuchten  und  f eierten, ^  aber  doch  Anklänge,  und  Nach- 
bildungen gerade  solcher  Rhythmen  und  Strophen-  wie  Reimsysteme,  welche 
Aimeric  de  Pegulhan,  Elias  Cairel,  Guiraut  de  Bornelh  verwendet 
haben.  Und  als  besonders  oft  und  gern  gehörte  Melodien  werden  einzig 
und  allein,  neben  den  bretonischen ,  die  Weisen  des  in  Spanien  gefeierten 
En  Sordel  namhaft  gemacht.  —  Das  allerfrüheste  von  den  Gedichten,  die 
ich  bis  heute  zu  datieren  weiss '^,  spricht  zu  der  Mutter  des  obengenannten 
D.  Gil  Sanches,  d.  h.  zu  der  geliebtesten  aller  Favoritinnen  Sanchos  des 
Alten  (j  1211),  D.  Maria  Paes  Ribeiro,  der  verführerischen  Ribeirinha, 
die  sich  später  Schutz  suchend  und  Recht  heischend  nach  Leon  an  Ferdinand 
den  Heiligen   wenden   musste,    —  und    zwar,    dem    Anschein    nach,    in    ihrer 


'  Er  w:ir  ein  Solin  der  Hrraca  Aflonsü,  bekleidete  die  Iiöchsten  Staatsäinter 
und  fiel  (ri45)  als  Greis  in  der  Bruderschliicht  bei  Porto.  Die  f^iebestenzone  Vat.  663, 
die  wir  von  ihm  besitzen,  staninU  gewiss  aus  jüngeren  Jahren;  er  streitet  darin  mit  Ber- 
naldo de  Bonaval,  dem  Lehrer  des  segrel  Pero  da  Ponte,  der  später  als  Sing- 
genosse Alfons'  X.  auftritt.  —  Die  Behauptinig,  das  Liederbucli  nenne  diesen  B.  de  B.  den 
ersten  Troubadeur,  beruht  auf  Irrtum. 

'■^  Sein  Herrensitz  Eixo,  (auch  Eixoo  genannt)  liegt  bei  Aveiro.  V.y  war  der  2.  .Sohn 
des  guten  Grafen  I).  Mendo  de  Sousa,  »<?  fmh-  senhor  que  havia  110  re.'mado  de  D.  Sanchos, 
der  noch  bei  Silves  gekämpft,  und  hatte  mit  seinen  drei  Brüdern,  nebst  Familien  (woruntei- 
f).  (}onc;alo,  D.  Joäo  und  D.  Fernan  Gar  ei  a  als  Dichter  glänzen),  beim  Tode 
Sancho's  I.  Portugal  verlassen,  kehrte  12 18  zurück  und  verbündete  sich  1223  mit  seinem 
ganzen  ungeheuren  Anhang  und  den  übrigen  Gaugrafen  des  Minho  und  Douro  gegen  den 
ersten  Ratgeber  und  den  Günstling  des  minderjährigen  Sancho  II.  S.  Historia  Geneal. 
XII  p.  232;  Mon.  Ltts.  III  11;  Link.   152  und  öfters. 

^  Im  48.  Liede  des  Canc.  CBr.  spricht  D.  Gil  Sanches  zu  einem  Boten  aus 
Montemor  »7?/  tpie  ora  vtes  de  Montemayor«.  dem  strittigen  Erbteil  seiner  längst  vom  leo- 
nesischen  Throne  verstossenen  Schwester  (der  beata  Tlierezd),  um  welches  sein  Schwager 
Sousa  1213  einen  blutigen  Kampf  bestand.  Aus  Lied  Nr.  454  von  eben  diesem  D. 
(jarcia  Mendes  spricht  Sehnsucht  nach  seiner  fernen  Heimat  {pago  de  Sousa):  y>e  ora  nie 
7>oUio  tornar  A  Sousa  a  lo  7non  logarv.. 

*  So  bezieht  sich  CBr.  455  (Levaram  a  Codorniz,  Da  casa  de  dorn  Rodrigo)  ein 
Scherzlied  des  Conde  D.  Goncalo  Garcia,  des  ältesten  Sohnes  des  D.  Garcia  (der  erst  1286 
hochbetagt  starb,  als  Gatte  der  Königstochter  D.  Leon  or  A  f  f  onso)  auf  den  älteren  Bruder 
des  D.  Gil  Sanches,  D.  Rodrigo  Sanches,  den  lebenslustigen,  heldenhaften  und  geist- 
vollen, gleichfalls  landesflüchtigen  Recken,  der  1245,  seinen  in  der  Lide  do  Porto  erhaltenen 
Wunden  im  Kloster  Grijö  erlag.  Seine  Grabschrift  sagt,  dass  er  (wenn  auch  kein  trovador) 
so  doch  ein  berühmter  dizedor,  de  saborosa  palavra  war :  nunquam  moestus,  sed  in  omni  tempore 
laetus  —  actu  verboque  facetus  —  dapsilitatis  amicus  —  alter  Kotiäaiidus  etc.  So  tritt  P  a  a  y 
Soares  de  Taveiröos,  der  auch  in  Spanien  gereist  ist,  in  einem  anderen,  nicht  minder 
charakteristischen  Gedichte  (C  Br.  142)  als  Zeitgenosse  des  gewaltthätigen  Urenkels  dei- 
Königin  Therese,  D.  Rodrigo  Gomes  de  Trastamar  auf  (f  1225),  der  wegen  seiner 
llnth.aten  landesverwiesen  in  Leon  weilte.  Auch  Joam  Soares  Somesso  spricht  {CBr.  104) 
von  D.  AbrilPires  als  von  einem  Lebenden,  sowie  von  seiner  Tochter  ürra  ca  Abril, 
und  von  seinem  politischen  Gegner  Martim  Gil  de  Soverosa,  dem  treuen  Partner 
Sanchos  II. 

*  Es  ist  ein  Gedicht  des  Garcia  Mendes  {CBr.  455)  und  scheint  an  einen  Roy 
d'Flspanha  gerichtet  zu  sein.  Ob  es  der  provenzalisch  dichtenie  Rodrigo  (Bartsch  454)  ist? 
Man  denke  an  B  e  r  n  a  r  t  E  s  p  a  n  h  o  I  und  G  u  i  r  a  u  t  d '  E  s  p  a  n  h  a. 

"  Wenigstens  habe  ich  sie  bis  jetzt  nicht  nachweisen   können. 
7  C.  Ajuda  Nr.  38. 


Beginn  des  Minnesangs  in  Leon.,  fort.  Minnes.  unter  Alfons  IL   177 


Jugendblüte,  noch  ehe  ihr  abenteuerreiches  Frauenlieben  und  Leben  bei  Hofe 
begann,  das  wäre  also  bestimmt  vor  1208.  —  Denn  der  Dichter,  der  sie  -»fiUia 
de  dorn  Paay  Moniz «  anredet,  der  Höfling  Paay  Soares  deTaveiröos  (dessen 
Lebenslauf  für  mich  leider  ziemlich  ungelichtet  ist)  scheint  mir  darin ,  zum 
Lohne  für  den  Liebesdienst,  den  er  ihr  geleistet,  indem  er  des  Königs  Augen 
auf  ihre  Reize  gelenkt,  das  Geschenk  eines  kostbaren  Galakleides  von  ihr  zu 
erbitten '.  —  Ich  schweige  von  anderem  unbestreitbar  alten  Hab  und  Gut, 
das  sich  nicht  mit  genügender  Sicherheit  datieren  lässt'^,  oder  das  uns  verloren 
ist  als  da  sind  die  Lieder  des  Pero  Rodriguez  de  Palmeira,  der  vor  Liebe 
zu  einer  Schwägerin  der  Ribeirinha  starb •^;  die  des  Rodrigo  Diaz  de  los 
Cameros*,  der  1212  bei  Navas  de  Tolosa  mitfocht;  die  des  Joäo  Martins, 
der  1228  amtliche  Schriftstücke  schon  mit  dem  Zusätze  -»Troz'atore«.  unter- 
zeichnete, und  die  cantigas  de  escarnho  e  de  amor  des  D.  Martim  Alvi'tes. 
32.  Wir  sind  also  schon  heute  berechtigt,  sowohl  den  Beginn  der 
ersten  Epoche  um  1200  anzusetzen,  als  auch  ihn  nach  Leon  zu  verlegen.  — 
In  Portugal  selbst  aber  ertönte  portug.  Minnesang  bei  Hofe  vermutlich  erst 
nach  der  Rückkehr  der  Sousas,  als  Alfons  IL  -»aqtiel  que  foi  gafo«^  ans  Kranken- 
zimmer gefesselt,  von  12 19  bis  zu  seinem  Tode  (1223)  ständig  in  Santarem 
weilte.  Während  der  unruhigen  Regierung  des  Nachfolgers,  San chos  IL,  flüchteten 
die  Musen  und  ihre  Freunde  abermals  über  die  Grenze,  natürlich  nicht  ohne 
dass  einige  Dichter  in  der  Nähe  des  Monarchen  unter  seinen  Getreuen  zurück- 
bheben^.  Sein  Bruder  Alfons  (geb.  1210)  hatte  1229  die  Heimat  verlassen  und 
sich  zu  seiner  Mutterschwester  Bianca  von  Kastilien  an  den  Hof  LudwigsIX.  von 
Frankreich  begeben,  wo  er  sich  6  Jahre  später  mit  Mathilde,  der  Wittwe  Philipp 
Hurepels,  vermählte,  um  dann  in  ihrer  Grafschaft  Boulogne,  dem  liederreichen 
Flandern  nahe,  zu  verbleiben,  umgeben  von  den  zuströmenden  unzufriedenen 
portugiesischen  Granden^,  welche  durch  Sanchos  Hader  mit  der  Geistlichkeit  und 

'  Es  handelt  sich  um  die  interessante  »guarvayaK,  die  Th.  Braga  zu  so  abenteuerlich 
etymologisierenden  Erklärungen  verleitet  hat  {Theoria\Wp.^~\  Qtiestöes  p.  87;  Fa/.  LXXXH; 
Ciirso^.  101).  Das  Wort  bezeichnet  ein  kostbares  Gewand,  wie  es  zeitweise,  laut  der  Kleider- 
pragmatik des  Königs  Jaime  v.  Aragon  (1234)  und  dem  Aufwandsgesetze  Alfons'  IV.  von 
Portugal,  eigentlich  nur  Könige  und  ihre  Söhne  tragen  durften.  Cfr.  Ducange  III  489  s.  v. 
^arvaria. 

*  Es  bleibt  z.  B.  unentschieden,  ob  der  unbekannte  Troubadour,  von  dem  uns  drei 
Gedichte  voller  Beziehungen  zu  Santarem  erhalten  sind  {Aj.  278—280),  und  der  seinen 
jüngeren  Sangesgenossen  eine  indirekte  Rätselfrage  vorlegt,  in  dem  Kehrreim-Ausrufe:  »so 
viele  Sänger  auch  hier  um  mich  sind,  keiner  ist  darunter,  der  da  weiss,  warum  ich  rufe  t>AI 
{^zz  etwas  anderes)  eAlfanxee  al  Sesserigo^<.  oder  auch  -!>Ay  Sentirigo  !  ay  Sesserigo  !«  wirklich 
au  irgend  ein  verjährtes  Abenteuer  denkt,  das  sich  II47  hei  der  Einnahme  der  Veste  zu- 
getragen (und  zwar  in  einem  der  drei  genannten  Stadtteile  von  Santarem)  oder  nicht  vielmehr 
an  irgend  ein  späteres,  rein  persönliches  Begebnis.  Ebensowenig  lässt  sich  feststellen,  ob 
im  506.  Liede  des  Cod.  Vat.  Cor  de  Leom  zu  lesen  und  an  Richard  Löweniierz  zu  denken 
ist  (-}•  1199),  oder  Cort  de  Leon -^  ob  das  Schmählied  1181  wirklich  auf  einen  Abkömmling 
franz.  Kreuzfahrer  anspielt;  ob  ein  den  König  Sancho  von  Navarra  verspottendes  Sirventes 
(Nr. 937)  thatsächlich,  wie  Braga  will,  vor  1 2(X)  entstand.  —  Von  Pero  daPonte's  histo- 
rischen Canzonen  aus  den  Jahren  1286.  1238.  1248.  1252  zu  sprechen,  ist  Oberflüssig:  sie 
gehören  bereits  in  die  Tage,  wo  Alfons  X.  zum  portug.  Dichter  geworden  war. 

'  Index  Colocci  Nr.  29 — 30.     Vgl.  Livros  de  Linhagens  p.  355- 

*  Index  Colocci  Nr.  31 — 33. 

*  Ein  treffliches  Rügelied  auf  die  treulosen  Kastellane  (temntes),  welche  die  ihnen 
auf  Lehnseid  von  Sancho  II.  anvertrauten  Burgen  dem  aufrührerischen  Usurpator  Alfons  III. 
übergaben,  im  Voraus  freigesprochen  vom  päpstlichen  Legaten,  kann  nur  ein  treuer  Partei- 
gänger des  verlassenen  Monarchen  zwischen  1245  und  1248  gedichtet  haben  (Vat.  1088). 
Sein  Verfasser  Air  es  P  eres  ,  Vu  ituro  m  gehört  also  auch  zur  pra  e-alfonsin  ischen 
Dichtergruppe. 

*  Nobregas,  Valladares,  einige  Sousas,  Baioes,  Briteiros,  Porto- 
carreiros,  Pereiras.  Vgl.  Herculano  III.  Als  Alfons  III.  in  Melun  zum  Ritter  ge- 
schlagen ward,  Hessen  20  Sänger  ihre  Künste  hören;  ebenso  1234  bei  der  Heirat  Ludwigs  I.K. 

Gröbkr,  Grundiiss.     IIb.  12 


lyS  Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  4.  Port.  Litt. 


seine  kinderlose  Misheirat  an  jenen  als  den  Thronfolger  gewiesen  waren.  Nach- 
dem er,  heimgekehrt,  den  durch  päpstlichen  Machtspruch  entfernten  Bruder  be- 
kämpft und  besiegt  hatte  (1245),  richtiger  erst  nach  Sanchos  Tode  (1248),  ent- 
wickelte sich  dann  endlich  in  Portugal  ein  rechtes,  glänzendes  und  bewegtes 
Hofleben  1,  in  dem  Poesie  und  Musik  eine  grosse  Rolle  spielten,  vermutlich  nach 
Vorbild  und  Muster  der  nordfranzösischen  Höfe,  an  denen  der  Portugiese  ganze 
1 6  Jahre  geweilt  hatte.  Gleichzeitig  aber  nahm  der  portugiesische  Minnesang  in 
dem  nun  seit  1230  definitiv  geeinten  Doppelreiche  Kastilien-Leon  einen  mäch- 
tigen Aufschwung,  besonders  seitdem  der  etwas  jüngere  (1220  geb.),  aber 
geistig  bedeutendere  Alfons  X.  das  Szepter  führte  (1252).  Zwischen  zwei  weib- 
lichen Idealgestalten  -»scientias  et  artes«:  thronend,  den  Spruch  Senecas  »Non 
fuerat  nasci  nisi  ad  has<.<~  im  Herzen  und  auf  den  Lippen,  beherrschte  er  sein 
Zeitalter  thatsächlich  und  gab  nicht  bloss  als  freigebiger  Gönner  der  Dichter  und 
Gelehrten  2,  sondern  auch  als  selbstschaffender  Dichter  und  Gelehrter  ein  spornen- 
des Beispiel^.  Hin  und  her,  von  Portugal  nach  Kastilien  ,  und  zurück  nach 
Portugal,  wanderten  damals  Dichter  und  Gedichte;  und  wenige  Sänger  jener 
Tage  wird  es  geben,  die  nicht  in  Beziehungen  zu  den  beiden  verschwägerten 
Fürsten  gestanden  hätten  (Alfons'  X.  illegitime  Tochter  Beatrix  wurde  1253 
Alfons'  IIL  zweite  Gemahlin).  Als  Alfons  X.  aber  die  Augen  schloss  (1284) 
wurde  Portugal  der  mächtigere  Anziehungspunkt,  und  sein  jugendlicher  König 
der  erlauchteste  Beschützer  der  Künste  und  Wissenschaften.  —  D.  Dinis, 
der  Sohn  Alfons' IIL  von  Portugal  und  Enkel  Alfons' X.  (geb.  1259),  auf  den 
des  einen  wie  des  anderen  Neigungen  übergingen,  und  dessen  natürliches 
Dichtertalent  beide  auszubilden  bestrebt  waren  ,  erhielt  französische^  und 
französierte  Lehrer^;  und  als  man  dem  frühreifen  Jüngling  einen  eigenen 
Hofstaat  einrichtete,  wurde  demselben  der  portug.  Dichter  und  Staatsmann 
D.  Joam  de  Abo  im  einverleibt  ß.  Bei  seinem  Besuche  am  Hofe  seines  Gross- 
vaters (i  269),  der  ihn  zum  Ritter  schlug,  versäumte  der  Jüngling  sicher  nicht,  den 
gerade  anwesenden  Provenzalen  Bonifacio  Calvo,  Bertolomd  Zorgi  und 
Guiraut  Riquier  zu  lauschen,  und  Niederschriften  ihrer,  und  älterer,  Lieder 
zu  erwerben.  Gewiss  ist,  dass  er  selbst  eifriger  und  klangvoller  als  irgend  einer 
in  Portugal  und  Kastilien  sang,  und  die  bereits  schal  gewordenen  konventionellen 
Formen  des  Minnesangs  erneute,  sowie  dass  aus  allen  Gauen  der  Halbinsel  die 
Dichter  nun  westwärts  wanderten.  Sevilla  undSantiago,  Burgos  und  Barcelona, 
Bearn(V)  und  Lugo  sandten  Shx^  juglares  ww^  segkres,  die  da  hören  sollten,  wie 
der  portugiesische  Monarch  gallizischen  und  portugiesischen  Volksweisen  Eingang 
bei  Hofe  verschaffte,  und  abwechselnd  mit  dem  salonfähigen  Psalterion,  der 
bretonischen  Harfe  und  der  Fiedel,  auch  die  volksübliche  Guitarre,  die  hei- 
mische Schellentrommel,  das  Tambourin  und  die  Castagnetten  als  charakte- 
ristische Begleitung  fröhlicher  Reihentänze  mit  munterem  Kehrreim  ertönen 
liess.  Unter  seiner  Aegide  erreichte  die  Dichtkunst  ihren  Höhepunkt.  Mit 
seinem  Tode  (1325)  begann  der  Niedergang,  der  in  Kastilien  schon  1284 
und  am  aragonesischen  Hofe  mit  dem  Ableben  Peters  III.  (i  283)  begonnen  hatte. 

'  Abermals  in  San  tarem,  wo  AlfonsIII.  mit  Vorliebe  weilte;  und  erst  später  in  Lissabon. 

-  Sein  Volk  murrte  über  seine  stets  offene  Hand :  decian  iptc  el  Rey  empobrescia  la  tierra, 
dando  algo  a  las  gentes  de  otros  reinos«. 

'  S.  u.^  §  36. 

*  Aymeric  d'Ebrard  aus  Cahors  (-j-  4.  Dec.  1295,  und  begraben  im  Kloster  Paradis 
d'Espagnac).  Er  war  in  Portugal  geblieben  und  fungierte  von  1279  an  als  Bischof  von  Coimbra. 

^  D.  Domingos  Annes  Jardo,  der  sich  in  Paris  den  Doktorgrad  erworben 
hatte,  war  von  1284 — 85  Bischof  von  Evora ,  dann  bis  1293  Bischof  von  Lissabon  und 
Kanzler  des  D.  Dinis  und  diesem  sehr  wert  {»grande privado«).  Er  spielte  eine  bedeutende 
Rolle  von  1235—93.     An  der  Gründung  der  Universität  hat  er  Teil. 

®  Vielleicht  sind  auch  die  Hofräte  Joäo  Velho  und  Martin  Peres  mit  den 
Dichtern  gleichen  Namens  identisch. 


Portugiesische  Minnesänger.  179 

y>Os  trobadores  qiu  pois  ficaron 
en  0  seil  reino  e  no  de  Lernt, 
110  de  Castela  e  no  d  Aragon, 
nunca  pois  de  sa  tnorte  trobaron  ; 
e  dos  jograres  vus  quero  dizer  : 
nunca  cobrarojt  panos  nen  aver  .  .  .  . , 
ca  el  foy  rey  assaz  mny  prestador 
et  saboroso  e  d'amor  tr ob  oder.«. ' 

Sein  Nachfolger,  Alfons  IV.  (1325 — ^1357)  — -  den  man  »den  Wilden« 
nannte  y>o  bravo<i<,  gleichwie  den  Sohn  Alfons'  X.,  Sancho  IV.,  — -  scheint,  wie 
dieser,  weniger  Freude  am  lyrischen  Getändel  gefunden  zu  haben.  Zwar  waren 
seine  Halbbrüder  Affonso  Sanches  und  der  Graf  von  Barcellos  noch 
Dichter,  doch  mussten  dieselben  das  Vaterland  verlassen  und  am  Nachbarhofe 
Alfons'  XI.  Zuflucht  suchen  (1312  — 1350)2.  Um  diesen  Sohn  der  Portugiesin 
Constanze,  und  Gatten  der  wahrhaft  grossherzigen  Portugiesin  Maria,  schaarten 
sich  nun  die  Epigonen.  Er  selber  griff  noch  einmal  zur  Harfe  und  sang  ein 
letztes  Lied  (s.  ^  34).  —  In  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhs.,  als  hier  wie  dort, 
in  seltsam  andauerndem  Parallelismus,  ein  Pedro,  der  Grausamgerechte,  das 
Szepter  führte"',  verstummte  dann  endlich  auch  der  letzte  und  westlichste  höfische 
Wiederhall  der  eigentlichen  Troubadourpoesie. 

33.  Der  portug.  Minnesang  erstreckt  sich  also  durch  eine  Zeitdauer 
von  über  150  Jahren.  Fünf  bis  sechs  Generationen  nahmen  daran  Teil  (von  den 
direkten  Enkeln  des  Affonso  Henriques  bis  zu  denen  fünften  und  sechsten 
Gliedes),  während  fünf  bis  sechs  Könige  burgundischer  Dynastie  das  Szepter 
in  Portugal  führten  und  ebenso  viele.  Blutsverwandte,  den  bald  geeinten,  bald 
getrennten  Doppelthron  von  Leon  und  Kastilien  einnahmen.  Die  ganze  Epoche 
kann,  wie  aus  obigem  hervorgeht,  in  vier  Entwicklungsstufen  zerlegt  werden. 
Die  früheste,  prae-alfonsinische,  reicht  von  1200  bis  1248;  die  zweite 
alfonsinische  dauert  von  1248  bis  1280  und  man  hat  darunter  einzubegreifen 
sowohl  was  Alfons  X.  selber  nebst  seinen  Mannen,  als  auch  was  Alfons'  III. 
Höflinge  hervorbrachten^;  die  dritte  dionysische  geht  von  1280  bis  1325. 
Die  letzte,  post-diony siehe  Epigonenzeit  (1325  — 1350)  bildet  keine  rechte 
Sondergruppe,  da  neue  Figuren  so  gut  wie  gar  nicht  darin  auftreten,  und 
besonders  weil  sie  neue  Dichtungsformen  nicht  ausgebildet  hat.  —  Natürlich 
reichen  viele  Sänger  des  ersten  Zeitabschnittes  in  den  zweiten  hinüber; 
ebenso  aus  dem  zweiten  in  den  dritten;  und  aus  dem  dritten  in  den 
vierten  —  Spanier  von  Portugiesen  zu  trennen,  oder  etwa  die  am  leonesisch- 
kastilischen  Hofe  entstandenen  Dichtungen  von  den  in  Portugal  verfassten, 
geht  zwar  an,  hat  aber  wenig  Wert.  —  Was  den  Geist  der  Lieder  betrifft, 
so  ist  jegliche  zeitliche  Trennung  eigentlich  überflüssig:  denn  einheitlich,  ja 
monoton,  ohne  tiefer  greifenden  Unterschied  sind  alle  em  maneira  de  procngal 
gedachten  und  ausgeführten  Liebeslieder  der  ganzen  anderthalb  Jahrhunderte ; 
einheitlich  ist  auch  ihre  Form,  und  ihr  Stil  wie  ihre  Sprache,  und  die 
aus  den  Worten  heraustönende  Denkungsart,  und  die  ihr  zu  Grunde  liegende 
Hofsitte    wie    Unsitte.      Nur    tritt,    wie    schon    gesagt    ward,     unter    König 

1    Vat.  708. 

^  Der  Jongleur,  welcher  das  Hinscheiden  des  Königs  Dionysius  beklagt,  ein  Leonese 
Joam,  sagt  zum  Schlüsse  ausdrücklich:  Mais  atanto  me  quero  confortar  Em  sen  neto  qtie 
o  vay  semelhar  Em  fazer  feitos  de  muy  sabio  rey.  Alfons'  XI.  Mutter  war  eine  'lochter  des 
Verstorbenen. 

'  Pedro  I.,  o  Justiceiro  oder  Cruel  von  Portugal,  regierte  von  1357  —  136?. 
Pedro  L,  El  Justicero  oder  Cruel  von  Leon  und  Kastilien  von  135O— 1369.  —  Daneben 
haben  wir  noch  Pedro  IV.,  Cruel,  von  Aragon  und  Katalonien  von  1356 — 1387.  Auch 
diese    drei  Monarchen  werden  oft  mit  einander  verwechselt. 

*  Th.  Braga  trennt  die  beiden  ersten  nicht  von  einander  und  bezeichnet  die  ein- 
schlägigen Dichter  zusammen  als  prae- dionysische  Troubadours.  (S.  Einl.  zur  Vaticana 
und  z.  B.   Curso  p.  74). 

12* 


1 8o    Ll'iTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4,  PüRT.    Ll'lT. 

Dionysius,    für    die    beliebten   Frauenlieder    das   volkstümliche   Genre    der 
Parallelstrophen-Gedichte  hinzu,  wie  sie    bei  Reigen-  und  Rundtänzen 
auf  Wallfahrten,  im  Kahne  und  am  Strande,  oder  auch  als  Morgenständchen, 
aber    meist  im  Freien  und  vom  Volke  gesungen    wurden  (s.  ^  20).    Ratsamer 
ist  es  darum,  das  altportug.  Liederbuch  nicht  in  chronologisch  geordnete  Gruppen, 
sondern    sachlich    zu    zerlegen:    a)  in  Gedichte  nach  provenzalischem  Muster 
{phiise  limosina,  nach  Th.  Braga),  wie  solche  vom  ersten  Knospen   der  arte  de 
trobar  an,  bis  zu  ihrem  Welken,  die  üblichsten  wurden  und  blieben,  in  Wahrheit 
aber    bereits    in    der  prae-alfonsinischen  Zeit    formell  ausgebildet  waren;   und 
b)  in  Gedichte  nach  heimischen  Volkstypen   {phase  gallezianä),  die  erst.  Dank 
dem  echtnationalen  Sinn  des  portug.  Dichterkönigs  hoffähig  wurden,  vereinzelt 
aber   auch    schon    früher   versucht   sein    mögen'.      Dazu    tritt    c)    als    dritte, 
speziell   spanisch-alfonsinische  Sondergruppe ,    abseits  vom  weltlich-höfischen 
Minnesang   entstanden,    das   geistliche  Liederbuch  Alfons'  des  Weisen.    Im 
Grossen  und  Ganzen  kommt  jedoch  in  allen  Arten ,    selbst  in  den  technisch 
rein    provenzalischen   Gebilden ,    das   heimisch-nationale  Denken    und  Fühlen 
volksmässigsten  Zuschnittes  recht  stark  zur  Geltung:  gallizisch-portugiesisch  ist 
keineswegs  allein  die  so  überaus  beliebte  Gattung  der  Frauenlieder,    und  die 
häufige  Verwendung  des  Kehrreims,  wie  der  dialogistischen  und  amöbäischen 
Form,  worauf^  20  hinwies,  und  die  Bevorzugung  des  6-  und  8  silbigen  Trochäus. 
Auch    dass    man    beim  Nachahmen    dem    vers   vor    der  chanson  den  Vorrang 
einräumte;  ferner  die  Kürze  und  Gleichheit  der  Lieder;    die  einfache  Reim- 
verkettung   der  unendlich  oft  nur  zwei-  und  nicht  dreiteiligen  Strophen;    der 
Mangel   an    aller    individualisierten    Bildersprache;    die    eintönig    sentimental- 
elegische  Färbung   der   meisten   Cantigas    de  amor;    ihre  auffällige  Gedanken- 
armut,   die    zur    systematischen    und    thematischen    Ausnutzung   musikalischer 
Wiederholungen    und  Variationen  führte;    und  auch  die  Rudität  und  Nudität 
der  Hohn-   und  Schimpfgedichte,    die   alle  Grenzen   edleren  Auslandes    rück- 
sichtslos überspringen ;  die  Lust  am  Parodieren  und  Persiffiieren  und  Medisieren ; 
und  der  eigentümlich  ungläubige,  naiv-ketzerische  Ton,  in  dem  mit  dem  Herr- 
gott (Senhor  Dens)  verkehrt  wird:   dies  alles,    und   manches  andere,    wurzelt 
im  Nationalcharakter.  —  Der  Grund,  warum  die  portug.  Kunst-  und  Hoflyrik, 
trotz   ihres   fremden  Ursprungs  und  der  unleugbaren  Nachahmung,    sich  also 
doch   in  gewissem  Sinne  spontan  und   eigenartig,   und  zwar  volksmässig,  ent- 
faltete,   liegt    in  der  Blüte  der  Volkslyrik,  aber  auch  an  dem  losen  und  un- 
persönlichen Zusammenhange  portug.  Fürsten  und  Grossen  mit  provenz.  Dichtern. 
Man  begnügte  sich  mit  der  ein  Mal  empfangenen  ersten  mächtigen  Anregung, 
lernte  das  Abc  des  Minnesangs  d.  h.  die  formelle  Seite,  liess  es  dann  aber  bei 
dieser  oberflächlichen  Kenntnis  bewenden,   ging  auf  die  Ideenwelt  nicht  ein, 
und  bewegte  sich,  wirklicher  Entlehnungen  und  gewissenhafter  Nachbildungen 
als  viel  zu  umständlich  gern  entratend,    dem  fremden  Vorbild  gegenüber  mit 
bequemer  und  glücklicher  Unabhängigkeit.-     Der  Hauptgewinn,  der  aus  dem 
so  gestalteten  Verhältnis  erwuchs,  war,  dass  man  sich  der  eigenen   Sprache 
bediente  und  diese  litterarisch  ausbildete,  und  nicht  des  Provenzalischen  oder 
Katalanischen,  noch  des  Kastilischen. 

34.  Sämtliche  lyrische  Gedichte ,  welche  sich  aus  der  ersten  Litteratur- 
periode  erhalten  haben,  sind  in  portug.  Sprache  abgefasst^.  —  Eine  Ausnahme 

'  Einige  Gedichte  in  zweizeiligen,  unmiUelbar  reimenden  Strophen  mit  Refrain  kommen 
auch  bei  älteren  Troubadours  vor,  z.  B.  bei  Pedrannes  Solaz  (Ajuda  284;  und  28 1 
Eu  sei  la  dona  velida,  das  sich  in  Parallelstrophen  bewegt). 

^  Einzelner  Entlehnungen  aus  siid-  und  nordfranz.  Gedichten,  die  natürlich  vorkommen, 
kann  icii  hier  nicht  gedenken. 

'  Ich  sehe  von  Berceo's  einsamem  Vagantenlied  ab;  sowie  von  des  Erzpriesters 
SeriMiil/ias  und  A  y  a  1  a  '  s  Cantigas,  die  zeitlich  ja  schon  am  Ausgang  der  ersten  Epoche  liegen. 


Geist  und  Sprache  des  Minnesangs.    Alfons  X.  i8i 

bilden  nur  ganz  wenige  Lieder.  Wir  besitzen  nur  zwei  kastilisch  geschriebene: 
einen  Versuch  von  Alfons  X.,  bestehend  aus  einer  8 zeiligen  Strophe  (die 
vielleicht  nur  Fragment  eines  etwas  grösseren  Ganzen  ist ')  und  einen  hübschen 
Gesang  Alfons'  XL,  als  eines  der  spätesten  Troubadourlieder,  das  schon  auf 
den  sich  vollziehenden  Geschmackswechsel  hinweist  2.  —  Wir  besitzen  ferner 
ein  provenzalisches ,  ob  auch  noch  so  stark  verderbtes  Lied  von  dem  oben 
schon  genannten  Granden  D.  Garcia  Mendes,  de  Eixo,  aus  dem  Hause 
Sousa^,  und  ein  zweites,  etwas  späteres  Streitgedicht,  in  dem  der  eine  Dichter 
(ein  D.  Arnaldo)  provenzalisch  zu  singen  anhebt,  während  Alfons  X.  ihm 
portugiesisch  regelrecht  pelos  consoantes  antwortet 4.  Eine  nordfranz.  Refrain- 
Einlage  benutzt  ausserdem  der  Sohn  des  ebengenannten  Sousa,  D.  Fern  am 
(iarcia,  gcn^nni  Esgaravun/m  d.h.  Kratznagel^.  Kirchenlateinische  Brocken  er- 
scheinen hie  und  da  als  Schmuckstück 6.  Im  Übrigen  hören  wir  nur  reines 
geschmeidiges  Portugiesisch,  das  gerade  so  wie  in  den  Prosadenkmälern  jener 
Zeit  auftritt.  Zwischen  der  Ausdrucksweise  eingeborener  Portugiesen  und 
Gallizier'  und  derjenigen  dichtender  Leonesen,  Kastilianer,  Italiener  etc.  ist 
kein  merklicher  Unterschied^,  abgesehen  davon,  dass  natürlich  die  geistlichen 
Lieder  sich  anderer  Redewendungen  bedienen  als  die  nicht  erbaulichen 
Schimpfgedichte,  und  diese  wieder  anderer  als  die  Liebeslieder.  —  Einige 
Provenzalismen  kann  man  zugeben  (doch  viel  weniger  als  z.  B.  Diez  an- 
nahm^). Manche  darunter  gehören  ausschliesslich  Alfons  X.  an. '■*  Italianis- 
men kommen  nicht  vor,  trotz  Braga's  Behauptung'*'. 

Die  Frage,  wie  es  kam,  erstens  dass  leonesisch-kastilische  Könige,  oder 
genauer,  dass  Alfons  X.,  der  sich  so  ungeheuere  Verdienste  um  die  Förderung 
gerade  des  Kastilischen  erworben  hat,  so  oft  er  singen  wollte,  zu  einem  Provinzial- 
dialekte  griff,  der  noch  dazu  mit  dem  Nationalidiom  eines  fremden  Staates  iden- 
tisch war,  und  zweitens  dass  das  Portugiesische  die  Sprache  der  gesamten  nicht  zum 
occitanischen  Sprachgebiet  gehörigen  peninsularen   Kunstlyrik  ward,  hat  man 

'   Canc.  CBr.  471 :  Senora  por  amor  de  dios.    (Reimschema  abababba). 
-  Vat.  209 :  En  un  tiempo  cogi  ßores. 

*  Canc.   CBr.  454- 

*  CBr.  477.  Auch  hier  ist  der  Text  jämmerlich  verderbt.  Dass  es  sich  um  Südfran- 
zösisches und  nicht  um  Nordfranzösisches  handelt,  beweisen  die  Worte //a/  und ya^«/. etc.,  die 
zu  portug.  vay  und  ay  Reime  bilden. 

*  C.  Ajuda  126  Punhei eu  muW  eti  me  quitar.  Der  dreifach  wiederholte  Refrain  lautet: 
Or  sachiez  veroyamen   Que  je  soy  votr  omellge. 

«  Z.  B.    Vat.   1088. 

'  Die  Gedichte  des  Italieners  Bonifacio  Calvo  aus  Genovaund  die  Werke  37 
weiterer  Poeten,  konnten  z.  B.  von  Varnhagen,  Diez,  Wolf  und  anderen  für  die  Arbeit  eines 
einzigen  Dichters  gehalten  werden !  Gerade  so  machten  die  Bilder  der  altportug.  Malerschule 
auf  die  Nachwelt  einen  so  homogenen  und  doch  eigentümlichen  Eindruck,  dass  die  Besonder- 
heit der  einzelnen  Meister  ihnen  entging,  und  alles  sich  um  den  einen  Namen  Gräo  Vasco 
krystallisierte!  Für  den,  welcher  genauer  zusieht,  schwindet  freilich,  hier  wie  da,  der  ein- 
heitliche Ciiarakter.  Möglicherweise  auch  in  sprachlicher  Beziehung.  Ob  z.  B.  das  gallizische 
c/u  cho  cha  nur  von  Galliziern  benutzt  wird,  und  wodurch  Alfons'  X.  Sprache  sich  aus- 
zeichnet, ist  noch  nicht  untersucht  worden. 

'  Unbedingt  borgte  man  von  den  Provenzalen  die  Terminologie  der  Poetik  (s.  u.) 
und  auch  der  Hofsitte :  Worte  wie  entcndedor,  drtido,  coiisir;  trovador,  jogral,  segrel,  tenfäo 
etc.  etc.  Viel  mehr  nicht.  Was  Diez  über  die  Verbformen  perdon  pes  etc.  sagt,  ist  ganz 
verfehlt.  Kriterium  darf  nicht  sein,  ob  ein  Ausdruck  die  altport.  Lyrik  nicht  überlebt  hat, 
da  mit  dem  Verblühen  des  Minnesangs  eine  neue  Geschichts-  und  Sprachperiode  beginnt,  sondern 
ob  derselbe  nur  in  der  Lyrik  und  nicht  auch  in  der  schlichten  Prosa  jener  Tage  vorkommt. 
Ein  gutes  altportug.  Speziallexikon,  welches  allen  wichtigeren  Denkmälern  der  Epoche  ge- 
recht wird,  kann  allein  genaue  Antwort  für  jeden  Einzelfall  geben.  Materialien  dazu  habe 
ich  gesammelt.     Ob  ich  dazu  komme,  sie  zu  verwerten,  weiss  ich  nicht. 

*  So  z.  B.  senner  für  senhor,  nient,  volontcr,  toste,  estade,  tröque,  besonna,  lasso,  gros 
sain,  en  gage,  viaz,  feramert,  fran'  und  vielleicht  antano. 

'"  Was  Braga  {Vat.  XXXII  u.  Curso  71)  für  Italianismen  ausgiebt ,  ist  entweder 
gemeinromanisch  oder  provenzalisch. 


l82     LriTERATURGESCmCHTE    DKK    KOMANISCHEN    VÖLKER.  4.    PORT.    LllT. 


dahin  beantwortet,  die  mannhaft  härtere  kastilische  Sprache,  die  sich  für  Erzählen- 
des in  Epos,  Prosa  undVolksromanze  schon  so  ausserordentlich  geeignet  erwiesen 
hatte,  sei  für  lyrischen  Ausdruck  noch  ungebildet  gewesen,  zur  Zeit  als  das  an  und 
für  sich  weichere  Gallizische  schon  manche  Gattungen  von  Singliedern  aus- 
gebildet hatte.  Die  Thatsache  hingegen  ,  dass  Alfons  X.  einen  Teil  seiner 
Jugend  und  Kindheit  in  Gallizien  verbrachte ,  hat  man  angezweifelt.  Mit 
Unrecht!  Ja,  nicht  er  allein,  sondern  fast  alle  leonesisch-kastilischen  Monarchen, 
die  zwischen  1037  und  1300  regierten,  sprachen,  wie  mir  scheint,  gewohn- 
heitsmässig  den  westlichen  Dialekt.  Es  war  geradezu  Brauch,  und  ein  in  den 
wilden  Zeiten  beständiger  Maurenkriege  sehr  erklärlicher  Brauch,  die  Königs- 
kinder, bis  sie  Waffen  tragen  konnten,  in  den  sicheren,  dem  Kriegslärme 
fernen,  von  maurischen  Elementen  ziemlich  freien  Burgen  des  von  den  blau- 
blütigsten  Adligen  bewohnten  Nordwestens  auferziehen  zu  lassen  ^ ,  dem 
verehrten  und  besuchten  Heiltum  von  Santiago  nahe,  an  dessen  Altar  sie  zu 
Rittern  geschlagen  wurden,  und  in  dessen  Kirche  so  mancher  der  Könige  ruht. 
Der  «i'//<7  Ferdinand's  I.  z.B.  war  der  gallizische  CondeOsorio.  Alfons  VI., 
dessen  Erzieher  und  Vormund  der  gallizische  Graf  Mendo  Gonzalez,  ein 
Vorfahr  der  Sousas  gewesen,  benutzte  noch  in  seinem  höchsten  Alter  die 
Sprache  seiner  Kindheit,  wenn  die  gutverbürgte  Tradition  auf  Wahrheit  be- 
ruht, die  ihn  beim  Tode  seines  einzigen  heissgeliebten  Maurensohnes  Sancho 
(j  1108  bei  Ucles)  ausrufen  lässt:  »Ai  meu  filhol  ai  meufilhol  alegria  de  mi(l) 
corafon  e  lume  dos  ineos  olhosl  solaz  de  min  ha  velhicel  ai  meu  espelho  em 
(jue  inc  sota  veer  e  com  que  tomaba  mtii  gram  prazerl  ai  meu  herdeiro  mayorl 
Cabalheirosl  u  melo  leixastes?  dad-me  meu  fiUio,  Condesl'i.  —  Alfons  VII.  wurde 
in  Gallizien  geboren,  das  sein  Vater,  der  burgundische  Raimund  verwaltete, 
und  unter  der  Obhut  des  Galliziers  Pedro  Fröyaz  (oder  Fröes)  de  Trava 
erzogen.  Desgleichen  Ferdinand  der  Heilige,  von  dem  sein  Sohn  absichtlich 
singt:  -siSeu  avoo  quando  reynou  De  Galiza  0  fezer aviir  {Cant.  221).  Erst  von 
Alfons  XI.  an  begann  man,  das  System  zu  wechseln.  Dieser  Fürst  wurde  in 
Avila  und  Toro  erzogen  2,  und  sein  Chronist  erwähnt,  bezeichnend  genug,  von 
ihm  als  etwas  ganz  Neues  »ca  la  palabra  del  era  bien  castellana.«^ 

35.  Die  2 116  portug.  Gedichte,  welche  den  Gesamtertrag  der  Trouba- 
dour-Epoche bilden ■•,  verteilen  sich  auf  mehr  als  150  Dichter  ^  Ordnen  wir  die- 
selben zunächst  nach  ihrem  sozialen  Range,  so  kommen  an  die  Spitze  die  vier 

1  -»GaUcia,  nwua  fertil  de  poetas  (=  an  K  u  n  s  t  dichtem),  mas  si  de  casas  nobles-» 
sagt  Lope  de  Vega«.  —  Als  im  letzten  Viertel  des  15.  Jhs.  die  sich  einigende  span. 
Monarchie  den  Adel  bekämpfte,  wurden  (1476)  allein  in  Gallizien  50  Burgen  rasiert.  Die 
Eigenart  und  Entwickelung  der  einzelnen  span.  Provinzen  und  Dialekte  und  ihien  Einfluss 
auf  Geschichte  und  Litteratur  zu  verfolgen,  ist  ausserordentlich  interessant.  Schon  früh  galten 
die  Gallizier,  die  Schweizer  Spaniens,  für  unkriegerische,  in  der  Fremde  heimwehkranke, 
aber  auch  für  gewinnsüchtige  Bergesleute.  F^os  de  Galicia  eran  omes  de  montanas  qtie  avian 
imiy  grave  de  los  sacar  de  la  tierra,  a  menos  de  les  dar  algo. 

^  Criado  por  Martin   Fernandez,  de  Toledo. 

'  Die  allmähliche  Ausdehnung  des  romance  castellano  ist  auch  noch  nirgends  dar- 
gestellt worden;  wie  der  wechselnde  Inhalt  des  Begriffes  -»Hcspanhai.  Im  Munde  von 
Portugiesen  des  13.  Jhs.  (oder  selbst  von  Spaniern,  die  in  Portugal  weilten  und  dichteten), 
liat  (trotz  Diez  p.  22)  das  Wort  Hespanha  durchaus  nichts  Auffälliges.  Sie  benutzten  es  so 
oft  sie  nicht  ausschliesslich  Castella  e  Leon  bezeichnen  wollten.  Bis  1640  antwortete  im 
Auslande  jeder  Portugiese  (nachweislich)  auf  die  Frage,  woher  er  sei:  De  Hespanha! 

*  So  viele  Nummern  bleiben  übrig ,  wenn  man  von  den  1 205  Liedern  des  Codex 
Vaticanus  und  den  442,  welche  man  uns  aus  dem  Codex  Colocci-Brancuti  im  Drucke  ge- 
boten hat,  sowie  von  den  310  des  Codex  Ajiida,  und  den  428  geistlichen  Liedern  Alfons'  X. 
alle  Duplikate  fortstreicht,  und  alle  falschen  Zählungen  ausgleicht  {Vat.  1195;  CBr.  438; 
Aj.  65;  Afi-  418).  Quantitativ  steht  also  der  portug.  Liederschatz  hinter  dem  provenz. 
nicht  zurück.    Ich  zähle  im  Grundriss  von  Bartsch  2089  Gedichte. 

*  Genau  genommen  sind  es  163  namhafte  und  einige  anonyme.  Die  Schaar  der 
provenz.  Dichter  ist  erheblicher:  460,  laut  Bartsch, 


Warum  Alfons  X.  Galliz,  dichtete.    Die  Minnedichter.  183 


Könige,  welche,  wie  schon  angedeutet  ward,  nach  einander  die  Gönner  aller 
portiig.  Singenden,  und  zu  gleicher  Zeit  selbst  Dichter  gewesen  sind:  Alfons  IX. 
von  Leon;  Alfons  X.  der  Weise;  D.  Dinis;  und  Alfons  XI.  von  Leon 
und  Kastilien.  Dass  noch  zwei  weitere  gekrönte  Häupter,  Alfons  III.  ^ 
und  IV.  2  von  Portugal,  gedichtet  haben,  ist  eine  unerwiesene  Behauptung.  ■ — 
Auch  ob  ich  Alfons  IX.  mit  Recht  hier  einreihe,  steht  für  mich  selbst  noch 
nicht  ganz  ausser  Frage 3,  doch  ist  es  das  Wahrscheinlichere.  Die  alten  Lieder- 
bücher nennen  nämlich  als  Verfasser  einer  Gruppe  von  10  oder  1 1  Liedern^  kurz 
und  bündig:  El  Rey  D.  Affonso  de  Leon,  ohne  weiteren  aufklärenden  Zusatz^. 
Und  da  es  (Alfons  IV.  und  V.  abgerechnet,  welche,  der  Zeit  nach,  nicht  in 
Frage  kommen  6)  nur  einen  einzigen  Alfons  von  Leon  gegeben  hat,  —  eben 
den  Neunten  —  so  sind  wir  verpflichtet,  diesem  1 1 7 1  geborenen  Enkel  des 
Affonso  Henriques,  der  wiederholt,  als  Freund  und  Feind,  portug.  Boden 
betreten  hat,  als  dem  ältesten  aller  portug.  dichtenden  Könige,  den  ihm  ge- 
bührenden ersten  Platz  anzuweisen,  falls  der  Inhalt  der  betreffenden  Gedichte 
sich  dem  nicht  durchaus  widersetzt.  Und  das  thut  er  nicht;  denn  dass  der 
derb  realistische  Witz  seiner  zum  Teil  von  Jagd  handelnden  Spottgedichte  sich 
kaum  vom  Geiste  Alfons'  X.  unterscheidet,  will  wenig  sagen '^.  —  Alfons  XL 

'  Den  König  Alfons  III.  versetzte,  meines  Wissens,  nur  Braga  auf  den  Parnass  ( Vat. 
p.  XLVI).  Und  das  einzig  und  allein  auf  Grund  einer  Randnote  Angelo  Colocci's  in  seinem 
portug.  Liedeibuche.  Der  grosse  Humanist,  und  auch  Kardinal  Bembo,  sein  Berater  in  roma- 
nistischen Fragen,  wussten  augenscheinlich  nicht  recht,  was  sie  aus  dem  T>Rey  Affonso  de  Leon« 
machen  sollten  (und  ihre  verschiedenen  Vorlagen  scheinen  ihnen  auch  den  Entscheid  schwer 
gemacht  zuhaben).  Von  peninsularen  Königen  Namens  Alfons,  die  den  Minnesang  geübt, 
war  ihnen,  naturgemäss  ausser  Alfons  X.,  den  sie  angesichts  der  Originale  nicht  für  den  Autor 
der  fraglichen  Lieder  halten  durften,  nur  der  aragonesische  Fürst  Alfons  II.  bekannt. 
So  erklärt  sich  eine  erste  Randbemerkung  Coloccis  zur  Liedergruppe  456  —  465:  Bembo  die e 
tdi  Ragona,  figlio  di  Berenghieri«. .  —  Eine  andere  Vorlage  aber,  welche  Colocci  zu  Rate 
zog ,  enthielt  bereits  eine  scheinbar  alte ,  schwer  leserliche  Zusatznote ,  worin  die  Worte 
Portugal  und  Rey  don  Sancho  vorkamen.  Das  erhellt  aus  der  zweiten  Marginalnote  :  Alia  leclio: 
i  Portugal  Rey  don  Sancho  depöit  (r=  de  Port.}  oder  deponii.}).  Und  diese  steht  in  Beziehung 
zu  einer  dritten,  modernen,  Fussnote  am  Ende  des  unmittelbar  vorhergehenden  Liederheftes.  Da 
hat  Colocci  nämlich,  wohl  zur  Kontrolle  der  Schreiberarbeit  verzeichnet:  ».^^  (•=  segue}) 
outro  R^  (^=  Roitdo^  das  Cantigas  que  fez  o  mui  nobre  Rey  don  Sancho  depsiti.  Das  deutet 
nun  Braga  dahin,  der  als  Autor  genannte  Affonso  de  Leon  sei  eigentlich  ein  Alfons 
von  Portugal  und  zwar  der,  welcher  einen  Sancho  absetzte,  also  Alfons  III. —  Ich  hin- 
gegen meine,  die  Vorlagen,  so  weit  wir  sie  kennen,  erlauben  uns  nur  Alfons  IX.  von 
Leon  (oder  Sancho  II.  von  Portugal)  für  den  Dichter  der  Lieder  456— 465  zu  halten, 
aber  nimmer  Alfons  III. 

2  Alfons  IV.,  der  Amadisbewunderer  und  vermeintliche  Autor  der  berüchtigten, 
altportug.  redigierten  Lobeira-Sonette  des  Dr.  Ferreira,  wurde  gewisslich  nur  auf  diese 
Hypothese  hin,  für  einen  Troubadour  ausgegeben,  und  zwar  am  Ausgang  des  XVI.  Jhs.  von  den 
Historikern  Brito  ,  Severim  deFaria,  Mariz  und  Faria-e- S  o  usa  ,  und  dann  später 
von  Barbosa  Machado  und  allen  Litterarhistorikern  (Diez,  Wolf,  Milä  und  Braga 
nicht  ausgeschlossen).  —  Wie  Colocci  seinerseits,  fast  ein  Jahrhundert  früher,  auf  den 
Gedanken  gekommen  ist,  den  König  in  den  Indice  di  Autori  Portoghesi  einzuschmuggeln,  ist 
unschwer  zu  finden,  wenn  man  nur  die  einschlägigen  Stellen  mit  Bedacht  prüft  (S.  Indice 
und  Text  No.  405.  1323.  1533—1536  und  Vatic.  Q07.  1058).  Nicht  die  Vorlagen  nennen 
ihn  einen  Dichter,  und  nur  seine  persönliche  Meinung  spricht  Colocci  in  der  Formel  aus: 
El  Ret  D.  Denis  (ßlius  Alfonsi  III  et  pater  Alfonsi  IV  poetae).  Ich  denke  mir,  von 
Söhnen  des  Dionysius  kannte  Col.  nur  den  Thronfolger  D.  Affonso  (IV),  nicht  aber  den  un- 
ehelichen Sprössling,  der  gleichfalls  Affonso  hiess,  ob  auch  mit  dem  unpassenden  Zunamen 
Sanches.  Als  er  nun  unter  den  Dichtern  thatsächlich  einen Z>.  ^^ö«j^  ('.Sa«<rÄtfjrJyf/Äö  </if/ ^^/ 
D.  Denis  fand,  erblickte  er  darin  D.  Affonso  IV.  Für  Ausführlicheres  ist  hier  kein  Platz. 
Braga 's  Angaben  (Vat.  LXVIII,  XCIII.  LXXIV  und  Curso  92)  sind  nicht  zu  wiederholen. 

*  Das  Warum  zeigt  die  vorstehende  Anmerkung   l. 

*  CBr.  456—465  (oder  466,  so  man  den  Index  statt  des  Textes  befragt). 

*  Alfons  XI.  wird  deutlich  bezeichnet  als  »0  que  venceu  0  rey  de  Benamariti«.  Für 
Alfons  IX.  gab  es  keinen  ähnlichen  Ehrentitel,  und  den  Zusatz  ^0  que  näo  foy  äs  Navas  de 
TolosaK  vermied  man  natürlich. 

*  Alfonso  IV.,  el  Monge  925 — 930;  Alfonso  V.,  el  Noble  999— 1027. 

■'  Sie  zu  interpretieren  ist  sehr  schwer,  und  öffentlich  noch  nicht  geschehen. 


184    LiTTERATURGESCHICHTK    DH;R    ROMANISCHEN   VÖLKER.    4.    PORT.    LlTJ". 

hat  nur  einen  Beitrag  zum  Liederbuch  gespendet,  das  spanische  Gedicht 
Vat.  209  ,  von  dem  der  Leser  schon  weiss.  —  Die  beiden  anderen  Könige, 
Alfons  X.  als  der  fruchtbarste,  und  D.  Dinis  als  der  zweitfruchtbarste 
und  dichterisch  begabteste  aller  Troubadours ,  verdienen  etwas  eingehendere 
Erwähnung. 

36.  Von  Alfons  X.  besitzen  wir  im  Ganzen  450  Gedichte,  also  mehr 
als  ein  Fünftel  des  gesamten  Liedervorrates,  und  sehr  viel  mehr  als  irgend 
ein  anderer  Minnesänger  geschaffen';  und  doch  veimutlich  noch  nicht  einmal 
sein  ganzes  Hab  und  Gut.  — -  Denn  um  die  Erhaltung  seiner  weltlich-höfischen 
Lieder,  die  er  wie  Jugendsünden  betrachten  und  verdammen  mochte,  hat  der 
König  sich  nicht  gcliümmert.  Nur  32  (resp.  33)  Proben  davon  haben  portug. 
Sammler  aufbewahrt^.  Die  meisten  darunter  aber  haben  satyrischen  Inhalt,  und 
nur  ganz  wenige  sind  erotische  Lieder.  Unbedingt  muss  Alfons  aber,  vor  1252, 
im  Frauendienste,  erheblich  viel  mehr  wahre  Liebesgedichte  verfasst  haben**; 
sonst  hätten  seine  Beteuerungen,  der  Mutter  Gottes  gegenüber,  er  wolle  weltlicher 
Minne  entsagen  und  sich  zu  ihrem  Troubadour  weihen,  keinen  rechten  Sinn**. 
Dafür  hingegen,  dass  die  428  (rcsp.  416)  zum  Ciesange  bestimmten  geistlichen 
Lieder,  welche  sein  y>Liederhuch  der  Jungfrau  Maria«  ausmachen  mitsamt  den 
»schmackhaften«  Melodien,  die  er  selber  dazu  lieferte^,  kunstvoll  nieder- 
geschrieben und  treulich  autbewahrt  würden,  hat  er  Sorge  getragen".   -  -   Von 

'  Kein  ])iov.  'l'rovibadoui'  oder  'l'rouvere,  schrieb  auch  nur  annäliernd  so  viel  wie 
Alfons  lind  D.  Dinis;  von  sonstigen  dichtenden  Königen  erst  gar  nicht  zu  reden.  Von 
Alfons  I.  von  Aragon,  so  wie  von  Peire  I.  nnd  II.  existieit  je  ein  Lied.  Von  Thibaut 
lie  Champagne-Navarra  kennt  man  81   (resp.  <'k))  (iediclite. 

"^  Vat.  61—79  und  CBr.  466  foder  467)  bis  478  (im  Ganzen  die  Nummern  467—496 
der  O  r  i  g  i  n  a  I  V  o  r  1  a  g  e  ,  worin  die  Zahlen  468,  47 1  und  474  doppelt  vorkommen).  Daran  dass 
der  Dichter,  welcher  -iRey  de  Castella  et  de  Leon«  genannt  wird,  und  der  unmittelbar  auf  den 
y>Rey D.  Affonso  de  Leonv.  folgt,  thatsächlich  der  Zehnte  und  Weise  ist  (wie  Wolf,  Diez 
imd  Milä  richtig  vermuteten,  und  wie  nur  Th.  Braga  früher  und  lange  in  Abrede  stellte, 
z.  13.  Vat.  U),  kann  absolut  nicht  gezweifelt  werden,  da  eines  der  Lieder,  Nr.  467,  dasselbe 
Salve  Rainha  ist,  welches  im  geistlichen  Liederbuche  (als  Nö.  40)  figuriert.  —  Eine  prächtige 
Arbeit  darüber,  trotz  einzelner  Fehlgriffe  ist:  Cesare  de  Loliis,  Cajitigas  de  Amor  e  de 
Maldizer  di  Alfonso  cl  Sabio  in:  Studj  Fil.  Rom.   1887. 

'  Dass  man  von  einem  tiCancioneiro  Amoroso«  des  Königs  sprechen  darf,  gebe  ich 
also  zu.  Was  wir  davon  kennen,  sind  jedoch  karge  Splitter. —  Ein  alfonsinisches  und  zwar, 
soweit  aus  dem  Titel  zu  entnehmen  ist,  weltliches  Liederbuch  besass  noch  im  15.  Jh. 
König  Duarte  von  Portugal  als  Nr.  63  seiner  Bibliothek:  »0  Livro  das  Trovas  del  Ret  D. 
Affo^tso,  compilado  por  F.  de  Montetnor-o-Novo-  (encadcrnado  em  coiro).«  Und  ungefähr  gleich- 
zeitig sprach  der  Markgraf  von  Santillana  von  erhaltenen  Versen  des  Monarchen :  »En  este 
reyito  de  Castilla  dixo  bien  el  Rei  D.  Alonso  el  Sabio;  e  yo  vi  guten  vio  decires  siiyos«.. 
Genau  zu  sagen,  was  er  unter  decires  verstand,  ist  unmöglich.  Ich  meine,  zum  Sagen 
bestimmte  Spottlieder,  in  portug.  Spiache.  An  kastilische  Gedichte  von  ihm  —  das  in  §  35 
erwähnte  Pröbchen  abgerechnet  —  glaube  ich  nicht,  weder  an  den  Tesoro ,  noch  an  die 
Querellas,  noch  an  die  schöne  Klageromanze:  lo  sali  de  la  /ni  tierra,  wie  ich  an  kasti- 
lische lyrische  Gedichte  des  Bonifacio  de  Genova,  oder  etwelcher  anderer  Lingua 
de  oc-T>ic\\itv  nicht  glaube. 

*  Quero  seer  oymais  seu  trobador ;  und  2.  Querrei-me  leixar  de  trohar  des-y  Por  oulra 
dona,  e  cuUr  a  cobrar  Por  esta  quanf  en  as  outras  perdi  und  3.  E.sta  dona,  qiu  tenho  por 
senltor  Et  de  quc  quero  seer  trobador,  Se  eu  per  reu  poss'  aver  seu  amor,  Dou  ao  demo  05 
oulros  amores.    Vgl.  No.  279. 

^  Im  Prolog  sagt  er:  E'ezo  (oder /es  eeu)  cantares  e  so  es,  Saborosos  de  cantar,  Todos 
de  senken  razoes  und  im  Schlussgedichte  No.  401  :  macar  poucos  cantares  acabei,  e  con  son.  — 
Vgl.   Cant.  63,    172,   293.  347- 

*  In  seinem  Testamente  (s.  Amador  de  los  RiosIIl5ü3  nach  Cronica,  ed.  1554) 
vermachte  Alfons  seine  Liederbücher  derjenigen  Kirche  ,  in  der  man  ihn  beisetzen  würde. 
In  der  Kathedrale  von  Sevilla,  wo  er  ruht,  verblieben  denn  auch  die  zwei  vollständigsten 
und  kostbarsten,  mit  Illuminuren  und  Musiknoten  geschmückten  Pergamenthandschriften,  bis 
Philipp  II.  sie  in  die  Escurial-Bibliothek  bringen  Hess,  wo  sie  sich  noch  heute  befinden: 
T-j-  l,  ein  Cod.  von  256  Bl.  mit  195  Liedern  und  etwa  1250  Miniaturen,  und  j.-b.-2  von 
361  Bl.  mit  401  Liedern    und   40  Vignettenbildern,  nach   1279  abgeschlossen.     Ein  drittes. 


Alfons  X.  185 

diesen  Marienliedern  »Canttgas de  S.  Maria<i^  sind  58,  also  ein  reichliches  Zehntel, 
lyrische  Hymnen  zu  Ehren  der  Jungfrau.  Jedes  10.  Cantar  ist  nämlich  ein 
sogenanntes  Loblied,  so  dass  wir  41  Loores  besitzen.  Und  dazu  kommen 
5  spezielle,  für  die  christlichen  Hauptfeste,  und  10  flir  die  Marientage  be- 
stimmte Ivieder  ff  Fiestas  de  Jesus  Cristo ,  und  10  Fiestas  de  Maria)  nebst 
2  Gebeten  Peticiones.  Bemerkenswert  sind  darunter  das  Mailied:  »Ben  venhas 
Maio!«  (No.  421),  6.\e  Alba:  »  Virgen  madre  gloriosä€  (No.  340)  und  ein  -»Salve 
Reginaii  (No.  40;  CBr.  ^61)  wegen  ihres  typischen  volksmässigen  Charakters. 
Die  Mehrzahl  der  Gedichte  sind  jedoch  längere  episch- lyrische  Berichte 
über  Marien-Wunder  (359),  weshalb  man  meist  von  den  »Cantares  de  los  Miragres 
de  N.  S.«  spricht.-  Den  Stoff  für  die  letzteren  lieferte  einerseits  das  Leben  der 
Königsfamilie  von  1209  —  1280,  so  wie  der  Monarch  es  selber  erlebte,  oder  die 
Seinen  es  ihm  berichteten,  und  in  etwas  weiteren  Grenzen  die  peninsulare  Lokal- 
geschichte (Portugal  nicht  ausgeschlossen),  wie  Zeitgenossen  sie  ihm  darstellten. 
Andererseits  schöpfte  er  aus  frommen  Schriftwerken,  dem  Speculum  historiale.  De 
miracuUs  beatac  Mariae  Virginis,  Gautier  de  Coincy,  und  den  Legenden- 
sammlungen hispanischer  Kirchen.  So  behandelte  schon  Alfons  die  Sage  vom 
Teufelspakte  des  Theophilus;  den  Gang  nach  dem  Eisenhammer;  das  Paradies 
und  die  Hölle;  die  Creszentiasage ;  das  Märchen  vom  Mönche,  der  dem  Sänge 
eines  Vögleins  300  Jahre  lauscht  u.  a.  m.  Seine  Sprache  ist  einfach,  doch  nicht 
ungewandt;  die  Darstellung  bisweilen  prosaisch  trocken,  bisweilen  aber  auch  voll 
zarten,  innigen  Gefühls;  die  metrischen  Formen  sind  mannichfaltig.  Provenzalisch 
ist  eigentlich  nur  der  Dekasyllabus,  und  etwa  der  5,  7,  (resp.  14)  und  9si]bige 
Jambus;  heimisch -peninsular  sind  die  4,  6,  8  (rcsp.  16)  silbigen  Trochäen, 
und  auch  die  6  und  1 2  silbigen  Zeilen  anapästischen  Wandels  {de  arte  mayor), 
sowie  der  häufige  Kehrreim,  der  meist,  themaartig,  an  der  Spitze  des  Liedes 
erscheint ;  und  der  ganz  willkürliche  Wechsel  zwischen  männlichen  und  weib- 
lichen Reimen.  Von  den  Strophensystemen  sind  die  üblichsten  die  8  zeiligen 
mit  überschlagenden  Reimen,  und  Gebilde  aus  6  Langzeilen,  von  denen  die 
ersten    drei    einreimig    sind,    während  die  4.  Reihe  den  neuen,  im   2  zeiligen 

älteres  Ms.  (nach  1257  gefertigt)  gehörte  der  Toledaner  Bibl.  (mit  nur  lOO  cantares  und 
27  Zusätzen),  befindet  sich  jedoch  seit  1869  in  der  Madrider  National-Bibliothek.  Die 
Kunde  von  den  »gallizischen«  Gedichten  des  Königs  blieb  stets  lebendig.  Zu  Ende  des 
XVI.  Jhs.  (1588)  begann  man  Probestücke  abzudrucken  und  Einzelfragen  zu  erörtern. 
Die  wichtigsten  Quellenwerke  sind:  Argote  de  Molina,  Nobleza  de  Attdalttcia  1588 ; 
Ortiz  de  Zuniga,  Anales  de  Sevilla  l6l7;  R.  Mendes  da  Silva,  Catalogo  real  de 
Espana  1637;  Daniel  Papebroquio,  Acta  vitae  Sancti  Ferdinandi  168I;  Perez 
Bayer  in  seinen  Zusätzen  zu  Nicolas  Antonio,  Bibl.  Vetus  1688 ;  Terreros  y 
Pando  (i.  c.  P®.  A.  Burriel)  Paleografia  Espanola  1758;  Sarmiento,  Memorias 
1775;  Mondejar,  Memorias  de  Alonso  el  Sabio  1777;  Sanchez,  Poesias  Castellanas 
1779;  R.  de  Castro,  Bibl.  Esp.  1781  — 86;  Mendibil  y  Silvela,  Bibl.  Selecta  1819; 
Repertorio  Americarto  1827;  Ocios  de  Esp.  Emigrados  l827;  M.  Morayta  in  Razon  1856, 
Disciision  1856  und  Boletin  Bibl.  1863.  Dazu  kommen:  Bouterwek-Mollinedo, 
Clarus,  Bellermann,  Helfferich,  Wolf,  A.  de  los  Rios,  Milä  und  Coelho. 
Jetzt  endlich  hat  die  langsam  vorbereitete,  sehnliclist  erwartete  Gesamtausgabe  der  Cantigas 
de  S.  Maria  durch  den  Akademiker  L.  de  Cueto,  Marqties  de  Valmar  (Madr.  1891)  jene 
kOiumerlichen  Auszüge  entbehrlich  gemacht!  Das  Studium  der  wichtigen  Lieder  kann  daher 
beginnen. 

'   Cantigas  ( ^  canticulas),  vnid  nicht  cänligas. 

2  Die  spanische  Ausgabe  zählt,  im  Anschluss  an  den  Cod.  Princ,  die  Gedichte  von 
1  bis  401  ;  giebt  den  Fiestas  de  Maria  (12)  und  Fiestas  de  yesu-Cristo  (5)  sowie  einigen 
Zusatz-Mirakeln  aus  dem  Toledaner  Codex  (5)  aparte  Numerationen ;  und  lässt  die  Prologe  (2) 
zu  den  Mirakeln  und  Festen,  sowie  2  aus  einem  Florentiner  Ms.  stamn)ende  Plus-Gedichte 
ungezählt  (von  denen  eines  ein  I>oor,  der  41.,  und  das  andeie  ein  Mirakel  ist).  Unter 
diesen  427  Stücken  finden  sich  jedoch  9  Wiederholungen  (165  =  395;  187  =  394;  192  = 
397;  210  =  Fiesta  VI;  267  =  373;  289  =  396;  295  =  388;  340  =  Fiesta  II;  349  =  387), 
so  dass  es  sich  in  Wahrheit  um  418  Stücke  handelt.  Die  Prologe  sind  natürlich  keine 
Sangeslieder. 


l86    LlTTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LllT. 


Kehrreim  fortgeführten  Reim  anstimmt  ^  —  Grossen  Einfluss  scheinen  diese  in  ein- 
samen Stunden  gefertigten  und  zu  erbaulicher  Andacht  bestimmten  geistlichen 
Lieder  auf  den  eigentlich  höfischen  Minnesang  nicht  ausgeübt  zu  haben,  ob- 
wohl sie  von  juglares  in  den  Landeskirchen  gesungen  werden  sollten.  2  Nach- 
ahmer hat  wenigstens  Alfons  X.  nicht  gefunden,  —  mit  einer  Ausnahme,  — 
falls  wirklich  auch  D.  Dinis  der  Jungfrau  ein  Liederbuch  geweiht  hat. 

37.  Umgekehrt  steht  es  mit  diesem  D.  Dinis,  den  sowohl  Zeitgenossen  wie 
Nachkommen  als  trobador  de  amor,  d.  h.  als  die  eigentliche  Verkörperung 
des  Minnesangs  in  portug.  Sprache  mit  Recht  verherrlicht  haben  3.  Eine 
litterarische  Mähre  berichtet  zwar,  wie  eben  angedeutet  ward,  von  einem 
dionysischen  geistlichen  Liederbuche  »^(? /(?«z/<7r^^  ^a  Virgem  N.  S.«^  Doch, 
falls  es  je  vorhanden  war,  blieb  es  verschollen.  Von  seinen  weltlichen 
Gedichten  besitzen  wir  hingegen  einen  reichen  Schatz:  138  Stücke.  Ob  einiges, 
und  wieviel  davon  verloren  ist ,  lässt  sich  nicht  feststellen ,  da  wir  einen 
selbständigen  »Cancioneiro  de  D.  Dinis'c  nicht  besitzen.  Dass  er  bestanden, 
steht  ausser  Frage "^.    Der  Monarch  hat  unbedingt  von  geschulten  Kalligraphen, 

*  Diese  Form  ist  in  der  ganzen  Epoche  für  die  romanzenartig-erzählenden  Gedichte 
die  üblichste. 

2  S.   Cant.   172:  e  desto  cantares  fezemos  qtie  cantüssetn  os  Jograres. 

*  Die  Worte  des  Spielmanns  Joam  aus  Leon  verzeichnete  §  32.  Das  Lob  San- 
lillana's  über  die  »sinnreichen  Erfindungen  und  die  anmutige  Redeweise«  der  dionysischen 
Verse,  das  vermutlich  aus  dem  Munde  des  Pero  Gonzalez  de  Mendoza  (f  1385) 
und  des  Diego  Furtado  stammt,  findet  der  Leser  in  §  27,  Anni.  1.  Die  Petrarchisten 
M  i  r  a  n  d  a  ,  F  e  r  r  e  i r  a  und  C  a  m  o  e  s  haben  vermutlich  ein  dionysisches  Liederbuch  gesehen, 
oder  wenigstens  davon  gehört.  Ferreira  {Carta  X)  nennt  den  König  da  sua  lingua 
amigo,  Daquellas  musas  rusticas  amparo  und  (Epitaphio)  sagt  von  ihm:  Honrou  as  Afusas, 
poetou  e  leo.  Camoes  in  den  Lusiadenzeilen:  i>fez  primeiro  em  Coimbra  exercitar-se  0 
valeroso  officio  de  Minerva;  E  de  Helicona  as  musas  fez  pas  sar-se  Apisar  do 
Mondego  a  fertil  herva«  {Lus.\\\<^~)  denkt  ganz  gewiss  nicht  ausschliesslich  an  die 
Gründung  der  Universität,  sondein  auch  an  des  Königs  dichterische  Verdienste.  Gegen  Ende 
des  XVI.  Jhs.  beginnt  dann  das  systematische  Erwähnen  der  litterarischen  Thätigkeit  des 
Königs,  in  Geschichtswerken  erst  durch  Duarte  Nunes  deLeao  (s.  oben  §  27  Anm.  4), 
dann  durch  Pedro  AtM.a.rii  (Dialogos);  Bernardo  deBrito  (Elogios)  und  Brandäo 
(Man. Ltis.),  Faria-e-Sousa,  Vasconcellos  (Anacephalaeoses),  R.  Mendes  da  Silva 
u.  a.  m. 

*  Wieder  war  es  der  gelehrte  und  zuverlässige  Nunes  de  Leao,  der  voranging. 
Er  glaubte  das  geistliche  Liederbuch  im  Staatsarchiv  gesehen  zu  haben,  verwechselte 
aber  vermutlich  das  a  Ifonsini  sehe  mit  dem  dionysischen  (vielleicht  weil  unbefugte 
Hände  dem  4.  Jahrhundert  alten  Codex  absichtlich  die  echte  Titelaufschrift  geraubt,  und  sie 
durch  eine  unechte  ersetzt  hatten?).  In  der  Folgezeit  ward  weder  das  eine  noch  das  andere 
in  der  Torre  do  Tombo  wieder  gesehen.  War  es  thatsächlich  vorhanden  ,  so  darf  man  an- 
nehmen 1)  dass  es  um  1600,  noch  während  der  span.  Herrschaft,  in  der  wirren  Verwaltung 
der  Lousadas  und  Genossen  abhanden  kam;  und  2)  dass  es  wie  in  Titel  und  Inhalt,  so 
auch  in  Geist  und  Form  den  Cantigas  Alfons'  X.  ähnlich  sah.  Die  bezüglichen  Worte  des 
portug.  Historikers  lauten  :  y>Extant  hodie  multa  eins  carmina  varia  ?nensura  tarn  de  profanis 
amoribtis  quam  de  laudibus  beatissimae  Virginis  Deiparae«  {\ti%b)  und  y>  Grande  trovador  e  quasi 
o  primeiro  que  na  lingua  portugueza  screveo  versos,  segundo  vimos  per  hum  Cancioneiro  seu 
que  em  Roma  se  achou  em  tempo  del  Rei  D.  yoam  III.  et  per  öutro  que  stä  na  Torre 
do  Tombo  de  louvore  s  da  Vir  gern  N.  S.  (1600,  Chronica  dos  Reis  de  Portugal  W.\>.  76). 
—  Pedro  de  Mariz  wiederholte  die  erste  Angabe  1594  in  unbestimmterer  P'orm :  y>compoz 
versos  e  rimas,  como  se  ve  em  alguns  poemas  que  em  louvor  de  N.  S.  ainda  hoje  per7nanece}n'i.. 
Cfr.  Moti.  Lus.  P.  V  livro  XVI  cap.  3. 

^  In  seinem  Testament  (S  o  u  s  a  ,  Provas  I  p.  lOl )  stehen  keine  Verfügungen  über  seinen 
Liederschatz.  Ein  gewisslich  ererbtes  -»Livro  das  Provas  del  Rei  D.  Dinis«.  besass  sein  Ur- 
enkel (tresneto)  D.  Duarte  (No.  38  seiner  Bibliothek).  In  Rom  soll  in  den  Tagen  Johan-is  III., 
d.  h.  zwischen  1521  und  57,  ein  »dionysisches  Liederbuch«  zum  Vorschein  gekommen  sein 
(vielleicht  1527,  beim  saque  de  Roma}),  laut  dem  in  der  vorstehenden  Anmerkung  ausge- 
schriebenen Passus  der  Chronik  des  Nunes  de  Leao.  Im  Escurial  behauptet  Fran- 
cisco de  Pina  e  Mello  175^  einen  Cancioneiro  de  D.  Denis  erblickt  zu  haben.  Cfr. 
Braga.  Universidade  p.  206.  In  Thomar  soll  (laut  F.  Denis,  Portugal  p.  31a)  noch 
1793  ein  Exemplar  gewesen  sein.  Und  Costa  e  Silva  (•}-  1854)  will  noch  ein  Exemplar 
{de  letra  bastante  moderna)  in  den  Händen  eines  Pe  J.  de  Figueiredo  gesehen  haben. 


D.  DiNis.    D.  Pedro  Affonso.    D.  Affonso  Sanches  u.  a.  187 

nicht  eine,  sondern  mehrere  Niederschriften  seiner  Werke  anfertigen  lassen, 
und  gewiss  eine  derselben  in  der  -»Camara  del  Rey«,  d.  h.  im  Grundstock 
des  Staatsarchives ,  und  der  königl.  Bibliothek  hinterlegt;  andere  vielleicht, 
wie  es  mit  allen  wichtigen  Dokumenten  zu  geschehen  pflegte,  den  Cartorien 
von  Alcobaga  undThomar  etc.  übergeben.  Weitere  Exemplare,  Originale, 
aber  auch  Kopien,  gingen  nach  Spanien  und  später  nach  Italien,  sind  aber  bis 
jetzt  nicht  gefunden.  —  Nur  in  grossen  Kompilationen^,  die  vermutlich  noch 
bei  Lebzeiten  des  kunstliebenden  Monarchen,  und  auf  seinen  Befehl  angelegt 
wurden,  sind  uns  die  erwähnten  138  Lieder  aufbewahrt'-^.  Alle  (bis  auf  zehn) 
sprechen  von  Liebesleid  und  Lust  in  rein  subjektiven  Ergüssen ;  77  in  höfi- 
scher Form  »nach  Provenzalenart« ,  nur  einfacher  und  farbloser.  Die 
übrigen  51  in  objektiver  Einkleidung,  als  erzählende  Pastourellen;  in  Zwie- 
gesprächen oder  als  Frauenlied;  10  darunter  im  Volkston  d.  h.  in  Parallel- 
strophen, wie  schon  gezeigt  ward.**  Die  Formeln  y>morrer  de  amor/a,  -Dtnaiar 
de  amor«  und  y>Coiia  mortah  kommen  bei  D.  Dinis  mehr  als  150  Mal  vor. 
38.  Neben  den  vier  Königen  gehören  dann  verschiedene  Königssöhne 
und  Enkel  zum  höfischen  Dichterkreise.  Der  bedeutendste  darunter  ist  der 
als  Prosaschriftsteller  hochverdiente  D.  Pedro  Affonso,  Graf  von  Bar- 
cellos, ein  natürlicher  Sohn  des  Königs  Dinis  (geb.  um  1289,  g^^*^-  ^^354)» 
dess  Namen  der  Gesamtadel  der  Halbinsel  mit  Dank  nennt,  weil  er  einer  der 
ersten  war,  der  ihre  Stammbäume  ordnungsmässig  buchte,  und  dabei  ihre 
Thaten  (und  Missethaten)  unverblümt  aufzeichnete.  In  seinem  »Livro  de  ün- 
liagens«  finden  wir  zahlreiche  Historien  und  Histörchen,  welche  ein  kultur- 
historisches Bild  jener  Zeiten  entwerfen,  wie  man  es  farbenreicher  gar  nicht 
wünschen  könnte ,  und  Personalangaben ,  welche  den  Wiederaufbau  von 
gegen  50  Troubadour -Biographien  ermöglichen  (S.  §  52).  Er  war  es  der 
zu  den  Namen  einiger  Magnaten  die  Erkärung  hinzufügte,  sie  seien  berühmte 
»Minnesänger«  gewesen.*  Und  seinem  Sammeleifer,  den  des  Vaters  Wunsch 
geweckt  haben  mag,  danken  wir  es  wahrscheinlich,  dass  das  grosse  »allge- 
meine Troubadour-Liederbuch«  kompiliert  wurde.**  Von  seinen  eigenen  dich- 
terischen Versuchen  kennen  wir  nur  elf  wenig  hervorragende  Gedichte : 
7  Satyren  und  4  Liebeslieder  {Vat.  210  —  213,  und  1037 — 1042).  —  Sein 
älterer  Halbbruder  D.  Affonso  Sanches  (1286 — 1329)  tritt  mit   nicht  viel 

'  Das  dicke  alte  Buch,  welches  man  Santillana  um  1410  zeigte,  war  unbedingt  schon 
eine  Kompilation,  denn  es  enthielt,  ausser  den  Gedichten  des  Königs,  noch  Lieder  von 
n)indestens  zwei  anderen  Dichtern.  Und  Kompilation  ist  alles  was  wir  heute  noch  be- 
sitzen (S.  u.  §  45). 

2  Vatic.  80—208  bietet  nur  die  128  Liebeslieder  (116  und  144  sind  identisch); 
C.Br.  406—41,5  hingegen   lO  Scherz-  und  Spottgedichte. 

3  S.  Abschnitt  B.  §  20. 

*  Die  Adelsbücher  nennen:  Estevam  Annes,  de  Valladares,  o  Trovador  (p.  199); 
D.  Fern  am  Garcia,  Esgaravunha,  0  que  troboti  bem  (192  und  290);  Joam  da  Gaya 
(qtu  foy  tiiny  boo  trobador  e  niui  saboroso  (p.  272);  Joam  Martins,  Trobador  {'ZO").  302); 
Joam  Soares,  qtu  foi  bom  trobador,  oder  0  trobador  (166);  Joam  Soares,  de  Pavha 
{'\.  e.  Pävia,  modern  Parva;  und  nie  Panha  oder  Pauha),  0  Trobador  (201  297.  ;}52); 
V  a  s  c  o  P  r  a  g  a  ,  de  Sandim,  que  era  natural  de  Galiza  e  era  muy  boom  trovador  (349). 

"  In  seinem  Testamente  vermachte  (1350)  der  Graf  »sein  Liederbuch«  dem 
Gatten  seiner  Halbschwester  D.  Maria,  Alfons  XL,  an  dessen  Hofe  er  oft  und  lange  ge- 
weilt. Daraus  hat  man  geschlossen,  dass  er,  gleichwie  Alfons  X.  und  D.  Dinis  einen  ganzen 
Band  mit  eigenen  Produktionen  gefüllt  hat.  Doch  hat  Niemand  denselben  gesehen,  selbst 
Severim  de  Faria  nicht.  Auch  was  aus  dem  Legate  geworden,  ist  uns  unbekannt,  und 
da  Alfons  XI.  vor  dem  Grafen  starb,  ist  nicht  einmal  sichei,  ob  es  in  Spanien  oder  Portugal 
verblieb.  Im  Testamente  heis.st  es  übrigens:  Item  mando  0  meu  livro  das  Cantigas  a 
el  Rey  de  Castella  d.  h.  das  mir  gehörige  Buch  der  Lieder;  und  nicht:  0  livro 
das  minhas  cantigas  d.  h.  das  Buch  meiner  Lieder.  —  Ich  glaube,  dass  die  Kompilation 
des  Grafen  —  deren  Original  verschollen  ist  —  die  V^orlage  zu  den  verschiedenen  ver- 
änderten Abschriften  gewesen  ist,  die  wir  heute  kennen.    Vgl.  Mon.  Lus.  Livro  XVI,  cap.  3. 


l88    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LiTT. 


reicherem,  noch  mit  bedeutenderem  Besitzstande  auf:  auch  er  hat  sich  in 
Liebeslicdern  (worunter  ein  Frauenlied)  und  in  Spottgedichten  versucht  (Vai. 
17 — 27;  und  365 — 368).! —  Von  D.  Gil  Sanches  und  D.  Abril  Peres, 
de  Lumiares  war  schon  die  Rede.  —  Der  Prinz  D.  Pedro  de  Aragäo, 
in  dem  man  gleichfalls  einen  Enkel  des  ersten  portug.  Königs  hat  erkennen 
wollen^,  ist  vielmehr  ein  Bruder  der  Rainha  Santa,  also  Schwager  des  D. 
Dinis,  an  dessen  Hof  er  seit  1297  weilte.  Erhalten  ist  uns  nichts  von  ihm. 
Wir  erfahren  nur,  dass  er  es  liebte,  bretonische  Lais  zu  singen.  —  Diesen 
nächsten  Anverwandten  des  Herrscherhauses  reichen  daim  die  ihnen  ver- 
schwägerten Reichs  -  Grossen  die  Hand.  Unter  ihnen  haben  recht  viele  als 
Freunde  und  Günstlinge  {privados)  der  Fürsten,  und  zu  gleicher  Zeit  als  höchste 
Würdenträger  in  der  Geschichte  der  Halbinsel  eine  Rolle  gespielt.  ^  Die 
meisten  sind  ricos  homes  de  pcndäo  c  caldeira:  Kanzler  (wie  D.  Estevam 
da  Guarda),  Majordomi  (wie  D.  Joam  d'Aboim),  Reichs-Bannerträger 
(wie  der  Graf  D.  Gongalo  Garcia)^  oder  Burgherren  {tenentes)  wie  D.  Rui 
Gomes,  deBriteiros,  D.  Affonso  Lopes,  de  Baiam,  D.  Fernan  Fer- 
nandes  Cogominho;  Admirale  wie  D.  Paay  Gomes  Charinho;  Grenz- 
hauptleute {fronteiros  \\\\^  meirinhos)  und  Bürgermeister  {alcaides)  \\.d,.\x\.  Dazu 
kommen  die  Vasallen  der  Granden,  Infan(5es  geheissen,  mit  ihren  Rittern  und 
Knappen  {cavalleiros  und  escudeiros) ;  dann  kleinere  em  cas  del  Rey  bedienstete 
Adlige,  Bürger  und  Spielleute,  die  auch  zum  Hofstaate  gehörten.  Selbst  hohe 
Geistliche  wie  der  Abt  von  Valladolid,  D.  Gomes  Garcia  und  niedere 
Kleriker  (wie  Ruy  Fernandes  und  Aires  Nunes  aus  Santiago,  Pay  de 
Cana,  Sancho  Sanches  etc.)  fehlen  nicht^.  WesentlicheUnterschiede  bedingten 
diese  Standesverschiedenheiten  jedoch  nicht.  Auch  die  Könige  und  Grossen 
sangen  volksmässige  Weisen,  und  auch  die  Spielleute  und  Dichter  von 
Profession,  denen  es  eigentlich  nicht  erlaubt  war,  Liebeslieder  nach  höfischer 
Fagon  zu  gestalten,  ahmten  die  Manier  der  Grossen  nach.  Auf  feinere  Be- 
sonderheiten, die  natürlich  vorhanden  sind,  kann  hier  nicht  eingegangen  werden. 
39.  Die  alphabetisch  geordnete  Liste  der  Dichternamen  —  so  wie  sie 
nach  Ausweis  historischer  Dokumente,  und  Feststellung  der  Herrensitze  oder 
Geburtsorte  geschrieben  werden   müssen  ^  ,  wird  willkommen   sein.  '^  —  Eine 


'  Die  Frage,  woher  man  um  1600  wusste,  dass  D.  Pedro  und  Affonso  Sanches 
gedichtet  haben,  kann  hier  nicht  näher  erörtert  werden.  Vermutlich  durch  Einsicht  der  kom- 
pilierten Liederbücher. 

^  Bragas  verschiedene  Angaben  über  diesen  Infanten  sind  durchaus  irrtümliche  (z.  B. 
Vat.  XLVI,  LXXIII). 

'  Wer  sie  kennen  lernen  will,  muss  die  Monarchia  Lusitana,  H  e  r  c  u  I  a  n  o  ;  S  o  u  s  a '  s , 
Hist.  Genealogica,  vor  allem  aber  die  Königschroniken  und  die  alten  Urkunden  in  Portug. 
Mon.  Hist.  durchforschen. 

*  Den  Grafentitel  legte  man  unterschiedslos  allen  Herren  ober  weite  Gebietsstrecken 
imd  zahlreiche  Vasallen  bei.  Mit  Recht,  d.  h.  durch  eigentliche  Belehnung,  trug  den 
Titel  unter  den  Troubadours  und  ihren  Gönnern  nur  der  Graf  von  Barcellos  (seit  1304). 

*  Die  ganz  natürliche  Vermutung  von  Diez,  im  Dichterindex  verzeichnete  Geist- 
liche möchten  uns  geistliche  Lieder  hinterlassen  haben,  trifft  absolut  nicht  zu.  Höchst 
weltlich  und  wenig  erbaulich  wie  das  Leben  vieler  Geistlicher  sind  auch  ihre  Lieder.  Auch 
darüber  geben  die  Adelsbücher  verblüffende  Aufklärung.  Es  sei  an  die  Dekretalien  Clemens' V. 
und  an  die  darauf  bezugnehmende  »Carta  de  D.  Affonso  IV.  aos  Bispos  do  Reitw  sobre  os 
Crimes  dos  Ecclesiaslicos«  v.  J.  1352  erinnert.  Unter  manchem  anderen,  was  unbeanstandete 
Sitte  betraf,  wird  darin  verordnet,  »ordinierte  Priester  sollten  fürderhin  nicht  mehr  Schlächter, 
Schenkwirte,  Wucherer,  noch  öffentliche  Spielleute  sein :  y>non  sejam  jograres,  nen  bofoes, 
tun   ta flies  em  prafa\<i. 

'  Dass  trotz  langer  und  mühsamer  Untersuchungen  noch  mancher  Irrtum  zu  beseitigen 
sein  wird,  weiss  ich  natürlich;  darf  meine  Zweifel  aber  hier  nicht  darlegen. 

"^  Ich  berichtige  stillschweigend  was  ich  als  Fehler  der  älteren  Namenlisten  bei  Wolf 
(nach  Tobler),  Varnhagen,  Monaci  und  B r a g a  erkannt  habe,  und  modernisiere  hier 
die  Namen  soweit  es  Sitte  ist,  es  in  Geschichtswerken  zu  thun.     So  setze  ich  V  a  s  c  o  für 


Alphabet.  Übersicht  über  die  Minnesänger.  189 


Jahreszahl  fuge  ich  nur  hinzu,  wo  sie  aus  Grabschriflen  oder  Urkunden  sicher 
erhellt',  i)  D.  Abril  Peres,  deLumiares  j  1245.  —  2)  Affons'  Eannes, 
de  oder  do  Cotom.  —  3)  Affonso  Fernandes,  Cubel  oder  Cobolilha, 
cavalleiro.  —  4)  D-  Affonso  Lopes,  de  Baiam,  7  nach  1278.  —  5)  D. 
Affonso  Mendes,  de  Besteiros.  —  6)  Affonso  Paes,  de  Braga.  — 
7)  D.  Affonso  Sanches,  /i//io  de  D.  Denis,  1289  — 1329.  —  8)  Affonso 
Soares.  —  9)  Aires,  0  Engeitado.  —  10)  Aires  Moniz,  de  Asma,  — 
11)  Aires,  Corpancho.  —  12)  Aires  Nunes,  clerigo,  1284.  —  13)  Aires 
Paes,  jograr,  1280.  —  14)  D.  Aires  Peres,  Vuiturom.  —  15)  Aires 
V'az.  —  16)  Alvaro  Affonso,  cantor  do  senhor  Infante.  —  17)  Alvaro 
Gomes,  de  Sarriä,  jograr.  —  18)  D.  Arnaldo.  —  19)  Bernal(do),  de 
Bonaval.  —  20)  Bonifacio  (Calvo),  de  Genova.  —  21)  Caldeirom, 
12902,  —  22)  Conde  Gil  Peres,  1250.  —  23)  Conde  D.  Gon^alo 
Garcia,  signifer  curiae,  j  1286.  —  24)  Conde  D.  Pedro  (Affonso)  de 
Portugal,  y?//'^  de  D.  Denis^  um  i289bisi354.  —  25)  Diego  Moniz.  — 
26)  Diego  Pezelho,  jograr.  —  27)  Estevam  Coelho.  —  28)  Estevam 
Froyam  (oder  Fayam).  —  29)  Estevam  Fernandes,  Barreto.  —  30)  Este- 
vam Fernandes,  de  Elvas.  —  31)  D.  Estevam  da  Guarda,  prwado  del 
Rey  D.  Denis. —  32)  D.  Estevam  Peres  Froyam,  blühte  1286  — 1304.  — 
33)  Estevam  Reimondo,  de  Portocarreiro,  1260.  —  34)  Estevam 
Travanca.  —  35)  Fernand  Eannes.  —  36)  Fernam  oder  Fernand' 
Esquio.  —  37)  Fernam  do  Lago.  —  38)  Fernam  Figueira,  de  Lemos. 
— ■  39)  D.  Fernam  Fernandes  Cogominho,  7  1267.  —  40)  Fernam 
Froyam.  —  41)  D.  Fernam  Garcia,  Esgaravunha,  7  ii86.  —  42)  Fer- 
nam Gon^alves,  de  Seabra^.  —  43)  Fernam  Padrom.  —  44)  D. 
Fernam  Paes,  de  Tamalancos.  —  45)  Fernam  Rodrigues,  de  Cal- 
heiros.  —  46)  Fernam  Rodrigues  Redondo.  —  47)  Fernam  Soares, 
de  Quinhones.  —  48)  Fernam  Velho.  — 49)  Galisteu  Fernandes.  — 
50)  D.  Garcia  Mendes,  de  Eixo,  7  1239.  —  51)  Garcia  Soares,  irmäo 
de  Martini  Soares.  —    52)  D.  Garcia  Martins.   — ■   53)  D.  Garcia  Peres. 

—  54)  D.  Gil  Sanches,  7  1236.  —  55)  Golparro.  —  56)  D.  Gomes 
Garcia.,  aMade  de  Valladolid,  7  1286.  —  57)  Gongaleannes  do  Vinhal, 
7  1280.  —  58)  Joam,  jograr,  ntorador  em  Leom,  1325.  —  59)  Joam  (Peres) 
de  Aboim,  bl.  1249  — 1279.  —  60)  Joam  Aires,  burgues  de  Santiago,  1326. 

—  61)  Joam  Baveca.  —  62)  Joam  de  Cangas.  —  63)  D.  J  oam  (Soares) 
Coelho.  —  64)  Joam  Fernandes,  de  Ardeleiro.  —  65)  Joam  Garcia, 
sobrinho  de  Nun'  Eannes.  —  66)  Joam  de  Gaya,  escudeiro.  —  67)  D.  Joam 
(Garcia)  de  Guilhade. —  68)  Joam  Lobeira,  blüht  1258 — 1278.  —  69)  D. 
JoamLopes,  de  Ulhoa.  —  70)  D.  Joam  Mendes,  de  Besteiros.  —  7t) 
Joam  Nunes  Camanes.  —  72)  Joam,  de  Requeixo.  —  73)  Joam  Romeu, 
de  Lugo.  —  74)  Joam  Servando.  —  75)  Joam  Soares  Somesso.  — 
76)  Joam  Soares,  de  Pävia.  —  77)  Joam  Vasques.  —  78)  Joam 
Vasques,  de  Talaveira;  vielleicht  identisch  mit  dem  vorigen.  —  79)  Joam 
Velho,  de  Pedrogaes.  —  80)  Joam  Zorro.  —  81)  D.  Jusep,  1300.  — 
82)  Juyam  Bolseiro,  1350. —  83)  'Lo^o^  jograr.  —  84)  D.  Lope  Lias  oder 
Diaz  (de  Haro),   1236.  —  85)  Lourengo,  jograr.  —  86)  Martim  Annes 

V  ;i  a  s  c  o ;  V  a  z  für  V  e  a  z  (aus  V  e  1  a  z  =:  Velah-sohn) ;  M  e  m  und  M  e  n  d  o  für  M  e  e  in  und 
Meendo;  Pay  für  Paay;  Aires  statt  Airas;  Joam  für  Joham;  Besteiros  für 
Beesteiros.  Die  Endungen  am  und  om  dürfen  hingegen  nicht  zu  modernem  äo  ausge- 
glichen werden. 

•  Zu  erschliessen  sind  ausserdem  mehr  oder  minder  genaue  Daten  aus  den  Werken 
selber,  und  aus  den  Genealogien  für  fast  alle  adligen  Dichtei". 

^  Vermutlich  ein  Spielmann  Sancho's  IV.    Vgl.  A.  de  los  Rios  IV  542. 

^  Seabra  altportug.  Form  für   span.  Sanabria.     Neu   portug.    und  gall.  wäre  Saraiva. 


190    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  — 4.    FORT.    LlTl. 

Marinho.  —  87)  Martim  de  Caldas.  —  88)  Martim  Campina.  —  89)  Mar- 
tini Codax  (?)  —  90)  Martim  de  Grijö  (?)  —  91)  Martim  de  Moxa,  1330. 

—  92)  Martim  Pedrozellos.  —  93)  Martim  Peres  Alvim.  —  94)  Martim 
Soares.  —  95)  Mendinho.  —  96)  Mem  Paes.  —  97)  Mem  Rodrigues 
Tenoiro,  71358.  —  98)  Mem  Roiz  de  Briteiros,  1250.  ^ — •  99)  Mem  Vas- 
ques,  de  Folhe(n)te.  —  100)  Nun'  Eannes,  Cerzeo. —  ioi)Nunes. — 
102)  Nuno  Fernandes.  —  103)  Nuno  Fernandes,  Mirapeixe.  — 
104)  Nuno  Fernandes,  Torneol.  —  105)  Nuno  Peres,  Sandeu.  — 
106)  Nuno  Porco.  —  107)  Nuno  Rodrigues,  de  Candarei.  —  108)  Osoir' 
Eannes.  —  109)  Pay  Calvo.  —  iio)  Pay  de  Cana,  clerigo.  —  in)  Pay 
Gomes  Charinho,  7  1295. —  112)  Pay  Soares.  —  113)  Pay  Soares, 
de  Taveirös,  vielleicht  identisch  mit  dem  vorigen.  —  114)  Pedr'  Amigo, 
de  Sevilha.  —  115)  Pedr'  Eannes,  Solaz.  —  116)  D.  Per'  Eannes 
Marinho,  yf//w  de  Joam  Annes  de   Valladares.  —   117)  Pero    de  Ambroa. 

—  118)  D.  Pero  d'Armea.  —  119)0.  Pero  Barroso.  —  120)  Pero  de 
Dardia.  —  121)  Pero  Garcia.  —  122)  Pero  Garcia,  Burgales.'  — 
123)  D.  Pero  Gomes  Barroso.  —  124)  Pero  Gongalves,  de  Porto- 
carreiro.  —  125)  Pero  Guterres,  cavalleiro.  —  126)  Pero  Larouco.  — 
127)  Pero  Lourengo.  —  128)  Pero  Mafaldo.  —  129)  Pero  Mendcs 
da  Fonseca.  —  130)  Pero  Martins.  —  131)  Pero  Meogo.  —  132)  Pero 
d'Ornellas.  —  133)  Pero  da  Ponte.  —  134)  Pero  de  Veer  (Braga 
liest  de  Bearn).  —  135)  Pero  Velho,  de  Taveirös.  —  136)  Pero 
Viviäes.  —  137)  Picandom.  —  138)  Rey  D.  Affonso  de  Leom.  — 
139)  Rey  Ü.  Affonso,  de  Leom  e  Castella.  —  140)  Rey  D.  Affonso, 
de  Castella  e  Leom,  o  que  venceu  el  Rey  de  Benamarim.  —  141)  Rey  D. 
Denis.  —  142)  Reimon(do)  Goncalves.  — ■  143)  Rodrigu'  Eannes, 
vielleicht  identisch  mit  einem  der  drei  folgenden.  —  144)  Rodrigu'  Eannes 
d'Alvares.  —  145)  Rodrigu'  Eannes  de  Vasconcellos.  —  146)  Rod- 
rigu' Eannes  Redondo,  7  1330.  —  147)  Ruy  Fernandes,  clerigo.  — 
148)  Ruy  Fernandes,  de  Santiago,  wahrscheinlich  identisch  mit  dem 
vorigen.  —  149)  D.  Ruy  Gomes,  de  Briteiros.  —  150)  D.  Ruy  Gomes, 
0  Freire.  —  151)  Ruy  Martins,  do  Casal.  —  152)  Ruy  Martins  d'Oli- 
veira.  —  153)  Ruy  Paes,  de  Ribela.  —  154)  Ruy  Queimado.  — - 
155)  Sancho  Sanches,  clerigo.   —    156)  D.  Vasco.  —   157)  Vasco   Gil. 

—  158)  Vasco  Martins,  um  1300^.  —  159)  Vasco  Peres.  —  160)  Vasco 
Peres,  Pardal.  —  161)  Vasco  Praga,  de  Sandim^.  —  162)  Vasco 
Rodrigues,  de  Calvelo.  —  163)  Vidal,  judeu  iVElvas.  Dazu  kommen 
sechs  oder  sieben  Dichter,  deren  Namen  verloren  sind  (also  169  oder  170)^. 
Und  weitere  elf,  deren  Werke  verschollen  sind:  vier,  welche  der  Graf  von  Bar- 
cellos namhaft  macht:  Estevam  Annes  de  Valladares,  Joam  de  Gaya, 
Joam  Martins,  (der,  wie  erwähnt,  1228  ein  Dokument  unterzeichnet,  mit 
dem  Zusatz  trobatore)  und  Joam  Soares;  sechs,  deren  Werke,  ein  noch 
von  A.  Colocci  benutztes,  später  verloren  gegangenes  Liederbuch  enthielt:  D. 
Juano(sic);  Joam  Velaz;  Pero  PaesBazoco,   Pero  Rodrigues  de  Pal- 


*  Es  hat  bestimmt  zwei  Spielleute  aus  Burgos,  Namens  Pero  Garcia  gegeben. 
Der  eine  war  noch  ein  Zeitgenosse  des  D.  Joam  Soares  Coelho,  der  zwischen  1 245  und 
1279  blühte.  Der  andere  lebte  noch  als  der  Graf  von  Barcellos  1350  sein  Testament  machte 
(s.  Sousa,  Provas  I  p.  140)  und  wird  darin  genannt,  weil  er  (oder  sein  Schwiegervater) 
eine  Schuldforderung  von  1500  maravedis  zu  stellen  hatte. 

2  Den  Beweis  dafür,  dass  dieser  oder  ein  anderer  Dichter  Vasco  Martins  mit 
Zunamen  de  Kesende  geheissen,  wie  Faria-e-Sousa  {^Europa  III  261 )  behauptet,  habe 
ich  nicht  erbringen  können. 

*  Praya  de  Sandi  ist  nichts  als  Wortverdrehung. 

*  Sieben,  wenn  man  die  Tristan  und  Lanzelot-Lais  in  Betracht  zieht. 


Epochen  der  Minnesänger.    Heimatland.    Art  der  Lieder.         191 


meira;  D.  Rodrigo  Dias  dos  Cameiros  und  Aires  Soares;  und  zum 
Schlüsse  der  von  Alfons  X.  erwähnte  D.  Martim  Alvites.  Ausserdem  noch 
ein  knappes  Dutzend  von  Troubadours  und  Spielleuten,  auf  deren  unbekannte 
Werke  in    den  vorhandenen  Liedern  angespielt  und  geantwortet  wird.  ^ 

40.  Prae-alfonsinisch  sind  davon,  nächst  D.  Gil  Sanches,  D.  Garcia 
Mendes  de  Eixo  und  Abril  Peres  de  Lumiares,  noch  Pay  Velho,  Pero 
Velho,  Martim  Soares,  Aires  Peres  Vuiturom,  Joam  Soares  Somesso, 
Rodrigu'  Eannes  de  Vasconcellos,  und  von  Dichtern,  deren  Lieder  uns 
fehlen:  Joäo  Martins,  Sueir'  Eannes,  Ruy  Diaz  de  los  Cameros,  Pero 
Rodrigues  de  Palmeira  und  wohl  auch  Estevam  Annes  de  Valla- 
dares.  Alfonsinisch  sind  und  vorwiegend  in  Beziehungen  zu  Alfons  X. 
stehen:  Pay  Gomes  Charinho,  Pero  Gomes  Barroso,  Gon^al'  Eannes 
do  Vinhal;  Affons'  Eannes  do  Cotom;  Bernal  de  Bonaval;  Pero 
da  Ponte;  Bonifacio  de  Genova;  Conde  Gil  Peres;  Pero  d'Ambroa, 
Joam  Vasques;  Ruy  Queimado;  Fernam  Velho,  Pedr'  Amigo;  Joam 
Baveca  etc.  Vorwiegend  am  Hofe  Alfons'  IIL  lebten:  D.  Joam  d'Aboim, 
D.  Affonso  Lopes  de  Baiam;  Fernam  Garcia,  Esgaravunha;  Joam 
Soares  Coelho;  Fernam  Fernandes,  Cogominho;  Joam  Lobeira; 
Martim  Peres  de  Alvim,  Estevam  Reimundo;  Joäo  Garcia;  Fer- 
nam Rodrigues  Redondo,  Aires  Paes  u.  a.  m.  Dionysisch  darf  man 
nennen:  Estevam  da  Guarda,  D.  Estevam  Peres  Froyam,  Joäo  Aires, 
Estevam  Coelho,  Joäo  de  Gaya  ausser  demKönigund  seinen  beidenSöhnen. 
—  Post-dionysisch  allenfalls  Alfons  XL;  Mcn  Rodrigues  Tenoiro, 
Rodrigu'  Eannes  Redondo,  Pero  Garcia  Burgales,  Joam  de  Leom, 
Martim  Moxa,',  Ardeleiro.  —  Spanier  sind,  ausser  den  drei  Königen,  Pedro 
Amigo  aus  Sevilha,  Pero  Garcia  Burgales  d.  h.  aus  Burgos,  und  der  Spielmann 
Joam  aus  Leon,  D.  Gomes  Garcia,  aus  Vallodolid,  Joam  Vasques,  aus 
Talavera,  Fernam  Soares  aus  Quinones  und  Galisteu  Fernandes,  wohl 
aus  Galisteo;  und  will  man  Gallizien  zu  Spanien  rechnen,  die  aus  Cotom, 
Asma,  Ardeleiro,  Lugo,  Sandim,  Cangas,  Folhente,  Santiago, 
Lemos,  Tamalancos  etc.  gebürtigen  Dichter.  Ein  Italiener  war  Bonifacio 
Calvo,  aus  Genua,  und  möglicherweise  der  mit  Alfons  X.  tenzonierende 
Flottenadmiral  D.  Arnaldo.  —  Die  bedeutendsten  Talente  scheinen  mir, 
nächst  D.  Dinis  und  Alfons  X.,  der  Kleriker  Aires  Nunes,  Joam  de 
Guilhade,  Pero  da  Ponte,  Pero  Garcia,  Fernam  Garcia  und  Joam 
Aires  gewesen  zu  sein.  Besonders  starke  Dichterindividualitäten  sind  nicht 
unter  den  163  Sängern.  Wo  diese  den  konventionellen  Hofton  ausser  Acht 
lassen,  und  sich  freier  bewegen,  schlagen  sie  einen  schlichten ,  innigen  und 
anmutigen  Volkston  an ,  der  nicht  ohne  Reiz ,  im  Grunde  aber  ebenso  un- 
persönlich ist  wie  der  aulische. 

41.  Was  enthalten  und  sind  nun  die  1698  weltlichen  Gedichte,  welche 
an  den  drei  westlichsten  Höfen  der  Halbinsel  zwischen  1200  und  1385  ertönten? 
Zuerst  und  vor  allem  kennen  wir  etwa  ein  Tausend  Minnelieder.  Davon 
trägt  die  grössere  Hälfte  (etwa  600)  höfisches  Gepräge.  In  ihnen,  den  sog. 
Canti'gas  de  amor,  benimmt  der  Liebende  (er  sei  König,  Reichsgraf,  oder 
schlichter  Ritter)  sich  als  Vasall  und  Lehnsmann  [hofne,  Jwme-lige,  vassallo) 
seiner,  stets  in  unnahbarer  Höhe  thronenden,  und  stets  unvergleichlich  schönen 
und  klugen  Dame,  der  er,    als  seiner  Herrin  {senhor)-  den  Lehnseid  {preiV  e 

'  Ruy  Marques;  RuiGon^alves;  Martin  Alvelo;  Joam  Eannes;  Fer- 
nand' Escalho;  Sueir'  Eannes;  Martini  Galo;  D.Pedro  de  Aragäo  u.  a.  ni. 
Citola,  Fiedel  redet  Alfons  X.  wohl  nur  im  Scherz  einen  seiner  Spielleute  an.  S.   ?^.  XXXI. 

^  Fast  jedes  höfische  Liebeslied  enthält  in  Strophe  eins  die  Anrede-Formel,  mha 
senhor  oAtv  fremosa  mha  senhor,  oder  mindestens  das  Wort  sen/ior;  seltener  </<?wa 
oder  molhtr. 


192    LiTTERATURGESCHlCHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


menage)  geschworen  hat.  Sie  ist  natürlich  immer  adligen  Geblüts  {{rica-dona 
oder  hoa-dond)^  oft  seine  Verwandte  {de  seu  linhagem,  seil  natural)-^  bisweilen 
vermählt  {dona)^  doch  öfter  Jungfrau  [donzeld).  Demütig  wirbt  er  in  allen 
Fällen  um  ihre  Neigung;  erfleht  Zeichen  ihrer  Huld;  preist  jede  kleine  Gunst 
und  Gabe  in  Blick,  Lächeln  oder  Wort,  die  ihm  gewährt  wird;  jubelt  über  ein 
Angebinde  {dod),  es  sei  eine  seidne  oder  goldne  Schnur  {cordd)  oder  eine  Schärpe 
[cintd)  oder  irgend  ein  anderes  Bruchstück  ihrer  Gewandung  {camisa);  oder  er  be- 
jammert ihre  unholde  Strenge;  sehnt  sich  nach  ihrer  Gegenwart,  härmt  sich  über 
ihre  Kühle;  stirbt  vor  Liebe;  oder  ruft  wenigstens  den  Erlöser  Tod  herbei;  rechtet 
mit  seinen  Augen,  seinem  Herzen,  der  Frauenwelt,  ja  dem  ganzen  Menschen- 
geschlecht; klagt  Amor  und  Himmel  wie  Hölle  der  Eifersucht  und  des  Neides  an. 
Meist  richtet  er  seine  Bitten  und  Klagen  in  Monologen,  an  die  Geliebte,  deren 
Namen  er,  den  Liebesgesetzen  gemäss,  verschweigen  sollte,  die  er  aber,  närrisch 
vor  Liebe  (ensandecido)  bisweilen  andeutungsweise,  und  manchmal  sogar  ausdrück- 
lich nennt  1,  oder  er  spricht  zu  »Gott  dem  Herrn«;  selten  zu  seinen  Freunden. 
Ciespräche  zeremoniellen  Charakters  zwischen  Ritter  und  Dame^  kommen  vor. 
Objektiv  berichtende  Liebeslieder  sind  selten.  —  Die  kleinere  Hälfte  derselben, 
die  schon  so  oft  genannten  cantigas  de  amigo  (57 1),  sind  Fraucnlieder,  also  das 
Gegenstück  zu  den  ersteren.^  Ein  liebendes  Mädchen  spricht  darin, meist  gleich- 
falls in  einsamem  Ergüsse,  oder  recht  häufig  im  Zwiegespräche*  mit  dem  Geliebten, 
der  Mutter,  Schwester  oder  einer  vertrauten  Freundin  •'*.  Sie  lacht  und  weint, 
droht  und  klagt,  und  berichtet  dabei  vom  frohen  oder  traurigen  Stelldichein 
(am  kühlen  Waldesquell,  wo  die  Hindin  zur  Tränke  kommt,  am  Flussufer,  am 
Strande,  in  der  Einsiedelei,  oder  beim  Kirchgange);  vom  Kriegs-  und  Hof- 
dienste des  Freundes;  von  Abschied,  Wiederkehr  und  Botschaft;  von  Schelten, 
ja  Schlagen  und  Einschliessung  durch  die  zürnende  Mutter  (nie  durch  den 
Vater,  der  gar  nicht  erwähnt  wird).  ^  Eigenartige  Liebes  Scherzgedichte  ent- 
stehen, wenn  der  Liebende  mit  Selbstironie  von  seiner  unerwiederten  Leiden- 
schaft oder  von  fremdem  Miserfolge  plaudert.  —  Gleichartig,  wenn  auch  total 
verschieden  geartet,  stehen  neben  den  idealisierenden  »Cantigas  de  amor  e 
de  amigo<~<  einige  Hunderte  von  Hohn-  und  Schimpfgedichten,  y>Cantigas 
de  escarnho  e  maldizer~,  in  denen  verblümt  und  mit  zweideutigen  Worten  oder 


*  So  wird  der  Name  der  Geliebten  in  Rätselfonn  als  Joana,  Sancha  ou  Maria  im 
Canc.  da  Aj.  89.  104.  105.  106  genannt;  andeutungsweise  ib.  238  a\s  filha  de  Maria;  282 
freira  de  Nogtteira\  38  filha  de  Paay  Moniz\  netas  do  Conde  im  CBr.  147  ;  und  ganz  klar  als 
D.  Maria  CBr.  1 12;  D.  Elvira  Aj  62;  D.  Leonor  ib.  198;  und  sogar  mit  Vor-  und  Zunamen 
als  Mayor  Gil  ib.  301 ;  Guiomar  Affonso  Gata  142  und  143;  Urraca  Abril  CBr.  78.  Von 
den  nicht  gefeierten,  sondern  verunglimpften  Buhldirnen  zu  schweigen.  Seinen  eigenen  Namen 
fügt  der  Dichter  manchmal  einem  Liede  ein.  So  thun  D.  J  o  a  ni  G  a  r  c  i  a  (oder  D.  J  o  a  m  ) 
de  Guilhade;  Joam  Aires;  Joam  Servando  und  Rodrigu'    Eannes  Alvares. 

2  Seiihor  \mA  cavalleiro -^  {AJ.  230.  249.  277)  oAtr  sen/wr  \mA  amigo  {Vat.  "iX .  ä,o.  176. 
Die  provenz.  Worte  entendedor  (?ii.  u.  f.  r=  für  erklärter  Liebhaber  und  erklärte  Geliebte) 
und  drtido  werden  in  der  Anrede  nie  verwendet,  wohl  aber  im  Berichte  ( Vat.  683.  689. 
786.  821.  919.  921.   1008.   1064.   1200). 

*  Die  Redenden  sind  Mädchen.  Eine  Verheiratete,  natürlich  eine  hella  inahiiari- 
dado,  tritt  in    Vat.   188  auf. 

*  Ich  zähle  43  solcher  Contrasti. 

^  Wie  in  den  Cantigas  de  amor  das  Wort  »Herrin«,  so  ist  hier  das  Wort  amigo  un- 
entbehrliches Zubehör  der  ersten  Zeile  oder  Strophe. 

*  Frauen  selbst  treten  nicht  als  Dichterinnen  auf.  Auch  in  den  Dialogen  ist  es 
der  Troubadour,  der  die  Frauenrede  redigiert.  Oft  sieht  es  freilich  so  aus,  als  hätte  er 
nur  thatsächlich  erteilte  Antworten  in  Verse  gekleidet.  Von  juglaresas  hört  man  in  span. 
Dokumenten  oft  und  viel ;  in  portug.  nicht. 

'  CBr.  1500  —  1578  und  Vat.  904  —  1025  (obgleich  die  Überschrift  dieser  dritten 
Liedergruppe  erst  vor  Lied  No.  937  erscheint);  dazu  noch  Vat.d'l—']'^  und  CBr.  457  ~47ö; 
sowie  hie  und  da  eine  vereinzelte,  unter  die  Minnelieder  geratene  Nummer.  Im  Ganzen 
nahezu  400  »Poesien«. 


Arten  des  Minneliedes.    Schimpfgedicht  nach  seinem  Inhalt.       193 

offen  und  ohne  Schleier,  Inneres  und  Äusseres,  Handel  und  Wandel  der  Hof- 
personen, vom  Könige  bis  herunter  zum  Stall-  und  Hundejungen  (den  mouro- 
sinhos),  und  den  fahrenden  Söldnerinnen  der  \Ä(^&  (soldadeiras) ^^  bald  milder 
durchgehechelt,  bald  grimmig  verleumderisch  blossgestellt  wird.  Die  Zahl  der 
Sänger,  welche  dies  sehr  beliebte,  fast  eine  nationale  Einrichtung  bildende 
Genre  kultiviert  haben  2,  ist  sehr  erheblich.  In  bunter  Reihe  stehen  gerade 
hier  neben  den  eigentlichen  aristokratischen  Troubadours  niedere  Spielleute. 
Gemeinsam  treten  beide  in  30  Tenzonen  2Mi  {ten^öes  und  enten(öes)^,  in  denen 
der  Streit  sich  manchmal  um  Liebesprobleme ,  öfter  um  Sängerrechte ,  aber 
auch  um  praktische  Fragen  dreht.  —  Dazu  kommt  dann  noch  ein  knappes 
Hundert  verschiedenartiger  Gedichte:  einige  ernste,  sehr  gelungene  Rüge- 
lieder *  mit  Klagen  über  die  Laster  der  Welt  und  den  Verfall  der  Dichtkunst, 
für  die  kein  besonderer  portugiesischer  Name  existiert  5,  eine  historische  Ro- 
manze {Vat.  466)  und  historische  Canzonen^,  ferner  mehrere  romanzenhaft- 
erzählende  Genre-Lieder^  ,  einige  Pastourellen ^,  eine  fragmentarische  Ärrarz/jr, 
{Vat.  ^01),  fünf  als  lais  bezeichnete  »Verse«  über  bretonische  Stoffe  (§  44); 
.vier  Zwiespaltslieder  (rt^^i'^(>r/y^);  einige  Tanzweisen  (bailadas  \m6.  bailias  ^^)  ;  ein 
Bauernlied  (cantiga  de  viläo)  ^^  \  mehrere  Morgenständchen  (a//5ajr)  i'-';  eine  Frage 
(pergunia)^^  und  eine  den  epischen  Ton  parodierend  anstimmende  wichtige 
>Gesta  de  maldizer«  ^^.     Religiöse  Lieder  fehlen  im  »allgemeinen  Liederbuche« 

'  Auch  dies  ist  ein  kulturhistorisch  interessantes  Kapitel.  Der  gelehrte  und  geist- 
volle Minorit  FreiAlvaro  Paes,  Bischof  von  Silves  (f  1353),  sagt  in  seinem,  dem 
Erzbischof  von  Toledo  D.  Pero  Gomes  Barroso  gewidmeten  Werke  De  planctu  Ecclesiae 
(II  cap.  30)  '■  T>Dtuunt  maxime  reges  Hispaniae  in  domo  sua  publicas  meretrices  et  qitibusdam 
earum  sHpendia  dant,  et  necessaria  In  attla  nia ;  et  dtici  permütunt  et  ccmsentiunli.  etc.  Und 
schon  im  Hausregimente  Alfons'  III.  musste  prophylaktisch  verordnet  werden:  -»soldadeiras 
nöm  andern  em  casa  del  Rey  .  .  .  . ;  e  se  vierem  soldadeiras  a  casa  del  Rey,  nom  estem  hi  senom 
por  tres  dias ;  e  se  Ihes  el  Rey  quiser  dar  algo,  de  Iho;  e  senom,  väo-se«. 

*  Por  maldizcr  ward  mancher  Todschlag  verQbt;  apostillas  de  maldizer  enthalten  die 
Adelsbücher ;  von  manchem  Rittersmann  wird  gemeldet :  era  muy  loitco  nas  palawas,  e  por 
esto  nom  Joy  bem  amado  dos  hoos.  Strenge,  ja  brutale  Strafen  werden  von  den  Ortsrechten  und 
Gesetzen  angedroht  wegen  Gebrauciies  von  palavras  devedadas.  Wiederholte  Verbote  be- 
kämpfen schon  unter  Ferdinand  III.  und  Alfons  X.  das  Absingen  »infamierender«  Gedichte. 
Die  Worte  der  »Siete  Partidas<s.  (Part  VII,  Ley  3.  Tit.  9;  cfr.  A.  de  los  Rios  III  500 — 501) 
y>que  ningun  ome  non  fuese  osado  de  cantar  cantiga  nin  decir  rimas  nin  dictados  que  fuesen 
fechos  por  deslwnra  ö  por  denuesto  de  otrov-  gehören  fieilich  nicht  ganz  hierher,  wie  die  ein- 
leitende Formel :  -dLos  emperadores  e  los  sabios  antigos  defendieron<i  beweist,  wohl  aber  die 
anderen :  i>enfaman  et  deslwnran  itnos  a  otros  non  tan  solamiente  por  palabra  mas  aun  por 
escriptura,  faciendo  cantigas  6  rimas  6  dictados  malos,  de  los  que  han  sabor  de  etifamar«..  Cfr. 
Linh.   227.  284.  314.  341). 

»  Vat.  14.  27.  472.  556.  642.  663.  786.  826.  920.  1009.  1010.  1011.  1020—1022. 
1032.  1034.  1035.  1104—5.  1158.  1186;  (vgl.  1198);  CBr.  144.  465.  477-  1501.  1509. 
1512.    1550—51. 

*  Aj.  256.  305;  und  Vat.  455.  502.  937.  47 1  u.  a.  entfernen  sich  durch  Gedanken 
und  Ausdruck  von  den  wirklichen  Spottgedichten. 

*  Th.  B  r  a  g  a  benutzt  dafür  die  berechtigte  Form  sirvente  (f.).  In  der  einzigen  Beleg- 
stelle, welche  die  Liederbücher  aufweisen  {Vat.  1021),  steht  jedoch  sirventes  (im  Reime  zu  ves). 

«   Vat.  572—576;  578.  707.  708.  — 

'  Vat.  468.  734-  738.  749.  754-  807.  808.  903  u.  a.  CBr.  458;  462—63.  475- 
1518  u.  a. 

*  Vat.  102.  137.  150.  278.  454.  751.  866.  867.  Cfr.  689.  Pastor  (m.  u.  f.)  be- 
deutet :  junger  Bursche  (zagal,  rapaz)  und  jungesMädchen. 

*  Vat.  481  und  963  (wo  ich  lese:  este  cantar  fez  en  son  d'un  descor)  und  CBr.  470 
und   135,  welches  endet:  e  meu  descort  acabarei. 

>"    Vat.    1062.    Vgl.   195.  336.  462.  464.  761.  796.  889. 

"    Vat   1043. 

'2  Vat.   170.  172  und  1049.  Cfr.  242  und  771.  772.  782. 

»»  Vat.   410  (cfr.  666). 

"  Vat.  1080  (cfr.  1082).  Dies  kleine  Schmähepos,  bestehend  aus  Alexandriner- 
Tiraden  (24  in  on,  15  in  an  und  17  in  eird),  deren  jede  mit  dem  onomatopoietischen  Rufe: 
Eoi\  abschliesst,  ist  das  Werk  eines  portugiesisch -alfonsinischen  Troubadours,  des  Granden 
Gröber,  Grundriss.   IIb.  I3 


194    LiTTFRATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


gänzlich;  ebenso  eigentliche  Kreuzlieder  und  Kriegsgesänge.  —  Vom  ästhe- 
tischen Standpunkte  aus  sind  die  Cantigas  de  amor  e  de  amigo  die  wertvolleren, 
da  echtes  Gefühl  aufrichtig  selbst  durch  die  hergebrachten  Formen  und 
Gemeinplätze  hindurchklingt.  Sachlich  und  kulturhistorisch  sind  jedoch,  wie 
schon  mehrfach  angedeutet  ward,  die  Hohn-  und  Schimpfgedichte,  (und  die 
cantigas  varias)  die  wichtigeren,  trotz  ihres  sehr  oft  skandalösen  Inhalts. 
Mit  ihren  »raisons  ei  achoysons  pour  qu'ils  furent  faictsK.  geben  sie  ein  krasses 
Abbild  des  13.  und  14.  Jhs. ,  wie  es  sich  in  Leon,  Portugal  und  Kastilien 
gestaltet  hatte:  studiert  man  sie  an  der  Hand  der  Gesetze,  Ortsrechte,  Ur- 
kunden, Chroniken,  Adelsbüchcr,  und  auch  der  Überreste  bildender  Kunst,  die 
sich  in  Burgen  und  Klöstern  erhalten  haben,  so  wird  das  hispanische  Mittel- 
alter lebendig.  Auf  Rechtswesen  und  Verwaltung,  Kriegsbräuche  und  Friedens- 
sitte, Soldaten-  und  Ordensleben,  Verbrechen  und  Strafen,  höfische  Lustbarkeiten 
und  Volksvergnügungen ,  Gewohnheiten  und  Trachten  fallen  kräftige  Schlag- 
lichter. —  Die  grossen  historischen  Thatsachen  werden  im  Liederbuche  meist  nur 
ganz  flüchtig  gestreift:  den  glorreichen  Sieg  bei  Salado,  zur  Abwehr  einer  neuen 
marrokanischen  Völkerwanderung  nennt  nur  eine  Überschrift;  und  eine 
Anspielung  auf  die  erste  grössere  Flottenausrüstung  im  Hafen  von  Lissabon, 
zur  Besitzergreifung  der  kanarischen  Inseln  (1344)  ahnt  man  mehr,  als  dass 
man  sie  erkennt.  Selbständige  Gedichte  haben  wir  nur  auf  die  Eroberung 
Sevilla's  durch  Ferdinand  {Vat.  572)  und  Valencias  durch  Jaime  (578),  sowie  auf 
den  Tod  Ferdinands  (572)  und  des  Königs  Dionysius  (708),  und  auf  Sancho'sll. 
Entthronung(io88).  Beiläufig  erwähnt  aber  werden  gar  viele  Begebnisse:  Alfons'X. 
Kaiserwahl;  Alfons'  XL  Krönung  in  Toledo;  der  Tartareneinfall;  der  letzte 
Kreuzzug;  die  Kriege  zwischen  Leon,  Kastilien,  Aragon  und  Navarra;  die 
Expeditionen  gegen  Jaen,  Granada,  Ronda;  des  Infanten  Heinrich's  Flucht 
nach  Tunis  und  Apulien;  seine  Liebe  zur  Stiefmutter  Jeanne  de  Ponthieu; 
Sancho's  IV.  Wallfahrt  nach  Santiago  u.  v.  m.  —  Die  eigentlichen  Schmäh - 
gedichte  beschäftigen  sich  mit  kleineren  und  intimeren  Thatsachen :  Alfons'  X. 
widerspruchsvolle  Wandel  barkeit  und  seine  Verschwendung,  sein  Bescheid  an 
Guiraut  Riquier  über  die  Standesunterschiede  innerhalb  der  Sängerzunft, 
die  Entartung  der  Tempelritter  und  Hospitaliter ;  der  Misbrauch  mit  den  Ordens- 
häusern und  Asylen  (casas  de  ordern  und  albergarias)\  berüchtigte  Ent-  und 
Verführungsgeschichten  {roussos  =  raptos)  und  die  sich  daran  anschliessenden 
Zweikämpfe,  sowie  wahre  oder  simulierte  Busswallfahrten ^ ;  Jagdunternehmungen ; 
Hunde- ,  Pferde  -  und  Falkengeschichten ;  Bohordieren  und  Lanzenstechen ; 
Würfel-  und  Kartenexcesse;  Steuererhebungen  und  Kaufgeschäfte  jüdischer 
Finanzbeamten  und  Makler  (talhadores  und  correiores);  Geistes-  und  Leibes- 
gebrechen der  Günstlinge;  abergläubische  Sterndeuterei  und  Vogelschau,  die 
in  Gallizien  unausrottbar  fest  wurzelte;  Kleidung  und  Rüstung;   Frauenarbeiten 

[yitenens  Sotisam«)  D.  Affonso  Lopes  de  Baiam.  Ein  frischgebackener  ricohomem,  der 
ihm  verschwägerte  Ex-Infan^om  D.  Mendo  (oder  Mem)  Gonies  de  Briteiros,  l)e- 
nanist  Dom  Vdpelho  =  Meister  Reineke,  wird  ob  seiner  Rangerhöhung  gehänselt.  In 
seinem  Ordenshause  Longos  thront  der  Parvenü,  und  seine  Vasallen  und  Ritter  marschieren 
auf,  in  grotesk  komischem  Anzüge,  schlecht  beritten  und  bewaffnet,  und  huldigen  ihm,  zu 
dem  Zwecke,  dem  Könige  Alfons  III.  nachher  in  Parade  {em  alardd)  vorgeführt  7ai  werden. 
1  Die  Pilgerfahrten  nach  Ultramar  mit  zweijährigem  Kriegsdienste  daselbst  waren  sehr 
häufig  die  auferlegte  Sühne  für  schwere  Gewaltthaten  (roussos,  incestos  ^ic.^.  Im  Jahre  1269 
gingen  viele  Hispanier  zu  Schiffe  nach  Palästina  (z.  B.  der  König  von  Navarra,  Juan 
Nufies  de  Lara,  D.  Gon^alo  Mendes  de  Sousa  und  D.  Gonqalo  Gomes  de  Briteiros,  die  beiden 
letzten  als  Stellvertreter  ihrer  verbrecherischen  Brüder.  Doch  hat  de  Lollis  nicht  recht, 
wenn  er  alle  Ultramarlieder  auf  dieses  eine  Datum  hin  interpretiert.  In  seinem  Testamente 
befahl  noch  D.  Dinis:  item  mundo  que  um  cavaldro,  que  seja  homem  de  boa  vida  e  de  ver- 
gonga,  que  vii  por  mi  d  terra  santa  d'  Ultramar  e  que  estee  hi  por  dous  aniws  compridos,  se 
a  cruzada.  för,  servindo  a  Deus  por  minha  alma.  —  S.  Vat.  1004.  1013.  1057.  1066.  III6. 
1118.   1130  1176.   1195.   1198.   1199.    CBr.   143  etc. 


Form  und  Benennungen  der  Minnelieder.  195 

und  Kinderstube :  alles  ziehen  die  an  »Realien«  überreichen  Cantigas  de 
escartiK  e  maldizer  und  die  Sirventese  in  ihr  Bereich.  —  Gesellige  Lieder- 
gruppen, die  sich  um  ein  und  dasselbe  Geschehnis  drehen,  fehlen  keineswegs.' 
42.  Was  die  Technik  betrifft,  so  zerfallt  das  ganze  Liederbuch  in  zwei 
Gruppen:  in  refrainlose  und  in  Refraingedichte  (vgl.  §  20).  Die  ersten 
(etwa  1/3  des  Bestandes)  '^^i^'&^w  cantigas  de  meestria  =  Meisterlieder,  und  sind 
die  früheren,  eigentlich  höfischen,  nach  provenz.  Style  relativ  kunstvoll  gebauten. 
Die  zweiten  (denen  also  2/3  zufallen)  heissen  Cantigas  de  refran  und  sind 
hoffähig  gewordene,  verfeinerte  Volksweisen.  Jene  sind  dem  Inhalt  nach  vor- 
wiegend Minne-  und  Streitgedichte;  ^iwoh  Descorts,  lais,  Romanzen  und  Schimpf- 
gedichte. Diese  sind  meist  Frauenlieder  oder  leichtere  Scherz-  und  Spott- 
verse, doch  beides  ohne  Ausschliesslichkeit.  Es  giebt  cantigas  de  atnigo  nach 
Provenzalen  -  Art  und  cantigas  de  amor  mit  Kehrreim  '^.  —  Das  Lied  im 
allgemeinsten  Sinne  wird  cantiga'^  oder  cantar  genannt;  canfäo  kommt  nur 
ein  Mal  vor  (Vat.  102 1)  und  ein  Mal  trobar  (als  Substantiv) "♦.  Die  Strophe 
heisst  ^^/^r«;  die  Zeile /ö'/rtfv'd! ;  der  Kehrreim  nur  rif/rdrw  (und  nicht  <?j/;7^//^^, 
noch  ritornello  oder  tornelld) ;  das  Geleit,  welches  (einfach  oder  mehrfach)  den 
Meistergesängen  eignet,  doch  ohne  obligatorisch  zu  sein,  nennt  sich  fiinda  (und 
nicht  cabo,  wox^fim^  noch  tornada)'^.  Der  Reim  {rima)  ist  fast  immer  männlich 
^=  einsilbig  (h-eve);  doch  auch  weiblich  =  zweisilbig  {longa).  —  »Körner« 
heissen  ßalavras  perdudas.  —  Der  eigentliche  aristokratische  Liebhaber  und  sess- 
hafte  Hofdichter  trägt  den  Namen  trobador^  der  als  Ritter  oder  Knappe  zu 
Rosse  hin-  und  herwandernde  berufsmässige  Dichter  ist  ein  segrel  oder  segler, 
der  Spielmann  jogral  o&e.r  Jograr ;  ein  Liedverfassen  ist  trobar^,  eine  Tenzone  be- 
ginnen entenfar ;  komponiren  ensoar.  —  Unter  dizedor  (und  dezidor)  versteht 
man  den  redegewandten,  witzigen  Kopf  (s.  Vat.  523).  —  Die  Meistergesänge  sind 
oft  mit  allerhand  kunstvollem  Tand  ausgestattet.  Besonders  am  Verketten  aller 
Zeilen  und  Strophen  fand  man  grosses  Gefallen  und  erblickte  darin  wohl  die 
eigentliche  Kunst.  Nicht  nur  durch  gleichen  Reim  band  man  Strophe  an 
Strophe  ;  auch  grammatikalisch  verknüpfte  man  Satz  und  Satz,  so  dass  ein  ganzes 
Gedicht  in  einem  Atem  von  a  bis  z  weitergeht.  Solche  mit  Hülfe  von  denn  und 
wenn,  aber,  weil  und  und  {e  qiie  ca  pero  ^^  etc.)  gebaute  Kette ngedichte 
nannte  man  cantigas  de  atafUnda"^ .  Die  Spielerei,  ein  und  dasselbe  Wort  oder  eine 
Formel,  an  bestimmten  Strophenstellen  zu  wiederholen,  heisst  dobre  (=  duplex 
:=  glockenschlagartiger  Wiederklang)  8.  Ist  das  Wort  ein  veränderliches  (be- 
sonders ein  Zeitwort)  und  lässt  man  es  thatsächlich  variieren  (in  den  Zeiten :  vi 
vejo  verei ,  oder  in  den  Personen:  vej'o  ves  vi  ver)  so  entsteht  ein  mor-dobre 
(=  grosser  Doppelklang) ^.     Auch    Haken-    und    Ösenreimerei    (macho  e 

'  Ein  hübsches  Beispiel  liefern  die  Gedichte^'.  166;  GKr.318  1501.  1511  und  Fa/.  786. 
1092,  die  ich  Cantigas  da  Ama  --  Ammenlieder  nennen  möchte.  Andersgeartete  Liedei- 
gnippen  nur  eines  Autors  haben  wir  in  Fa/.  169— 71.  252—56;  730— 33;  878 — 80;  887  — 90. 

^  Frauenlieder  ohne  Refrain  sind  z.  B.  Aj.  177.  179.  191.  193  und  Liebesiieder  mit 
Refrain  Aj.  21 7  und  2 18. 

^  Dass  wie  in  den  geistlichen,  so  in  den  weltlichen  Cantigas  der  paroxytone  Accent 
des  Wortes  durch  den  Reim  ausser  Frage  gestellt  wird,  bedarf  kaum  der  Erwähnung. 
Canticos  ist  sp'Atcs  mot  savant;  cantigas  ist  ein  illegitimes  spanisches  Pseudogelehrten-Produkt. 

*  Vat.  917    Trokar  de  maldizer. 

^  Auch  Lieder  im  Volkstone  haben  bisweilen  ein  Geleit.  --  Oft  sind  der  Geleite  so 
viele  als  ein  Gedicht  Strophen  hat.     In  Tenzonen  muss  B.  so  viele  liefern,   wie  A. 

*  Für  Gedicht  kommt  auch  troba  vor  (das  im  volkstümlichen  trovas  und  trbhos 
weiterlebt),  doch  nur  einmal :    Vat.   387. 

"^  Nicht  atehudas,  wieBraga  liest.  —  Atafiinda  bedeutet  entweder  Binde-sch Hesse 
d.  h.  binde,  erst  wenn  du  schliessest  (2  Imperative  wie  in  leixa-pren;  alga-pöe;  vai-vem), 
oder  ata  ä  fiinda  ■=.  binde  beim  Schlüsse. 

*  Vgl.  Ajuda  231  ;  Vat.  33.  98.  566.   CBr.  22.  88.   130. 

«  S.   Vat.  567.  CBr.  185  u.  231.  Aj.  289.    Ich  habe  mich  schon  oft  gefragt,  ob  und 

13* 


196    LiTl-ERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.   —   4.  PoRT.    LiTT. 


femed)  wie  ama  atno;  pavia  pavio  kommt  bereits  vor ',  doch  ohne  jenen  tech- 
nischen Namen.  Desgleichen  die  von  Santillana  erwähnten  leixa-pren- 
Lieder,  in  denen  die  letzte  Zeile  einer  Strophe  als  erste  der  folgenden  wieder- 
kehrt ;  und  die  ca/ifäo  redonda ,  die  mit  einem  und  demselben  Worte  oder 
Satze  ihre  Strophen  beginnen  und  schliessen  lässt^.  Zwei  Flickenlieder,  mit 
Einlagen  fremder  Kunst-  und  Volkslieder,  ahmen  wohl  französische  Muster 
nach 3.  Doch  sind  solche  Künsteleien  im  Ganzen  selten.  Im  Allgemeinen 
sind  selbst  die  Meistergesänge  einfach  gebaut.  Dunkle  Manier  und  schwere 
Reime  scheinen  wenig  Anklang  gefunden  zu  haben.  Die  Strophen  Varietät 
aber  ist  recht  gross,  und  die  Dichter  suchen  sichtlich  darin  Neues  zu  finden. 
Mit  Ausnahme  der  astrophischen  Descoris  bestehen  alle  Gedichte  aus  mehreren 
Abschnitten  {talhos),  von  2  bis  10,  gewöhnlich  aus  drei  oder  vier.  Davon, 
zählt  jeder  einzelne  wiederum  2  bis  10  Zeilen,  meistens  4  bis  8.  —  Auch  in 
Strophen-  und  Reimsystem  kommt  das  Kunstprinzip  der  Dreiteiligkeit  durch- 
aus nicht  immer  zur  Geltung;  ja  überhaupt  nur,  wenn  man  Kehrreim  und 
Geleite  als  Vertreter  des  Strophen-  und  Liederabgesanges  gelten  lässt.  Der 
Kehrreim  ist  entweder  ein  kurzer  Ausruf  oder  eine  Verszeile  von  beliebiger 
Silbenzahl;  oder  ein  vollständiges  2 — 4 zeiliges  Liedchen  mit  unabhängigem 
Gedanken ;  oft  aber  durch  Sinn  und  Grammatik  mit  der  eigentlichen  Strophe 
verbunden.  Meist  steht  er  am  Ende,  bisweilen  auch  am  Anfang  oder  in  der 
Mitte  der  Strophen^.  Dass  in  den  Volksliedern  mit  paarigen  Reimen  für 
andere  Künste  als  das  Parallelstrophensystem  kein  Raum  bleibt,  liegt  auf  der 
Hand.  Nächst  den  volksmässigen  pareados  und  den  quadras  {abba  abab)  sind 
hier  die  üblichsten  Reimgebilde  die  6-  und  7  zeiligen:  abbacc  und  abbacca  und 
zwar  in  Coblas  doblas  und  unisonans.  Die  meist  benutzten  Versarten  sind,  wie 
bei  Alfons  X.,  an  fallenden  der  kleine  und  grosse  Redondilhenvers  und 
damit  gemischt  4  silbige  {de  pi  quebradd)\  an  steigenden  der  6,  Sund  10- 
silbige  (resp.  in  zwei  Hemistichen  zerfallende  12  und  14  Silbler).  Auch 
versos  de  arte  inayor  mit  anapästischem  Wandel  lassen  sich  wie  bei  Alfons  X. 
erkennen.  Längere  mit  kürzeren ,  und  jambische  mit  trochäischen  Zeilen 
werden  nicht  oft  gemischt.  —  Hiatus  ist  erlaubt  und  sehr  häufig.  —  All  zu 
plane  Einkleidung  der  Gedanken  {trobar  igual)  war  verpönt  und  wurde  vor 
Gericht  als  unstatthaft  verworfen.  —  Höfische  Sängerfeste  (Cortes)  bei  denen 
Lieder  vorgetragen ,  beurteilt  und  vielleicht  auch  prämiiert  wurden ,  hat  es 
gegeben  ö.  Lässt  doch  in  einem  Frauenliede  der  Bürger  aus  Santiago,  Joam 
Aires,  seine  Freundin  ausrufen :  O  meu  amigo  novas  sabe  ja  D'aquestas  cortes 
que  se  ora  faram;  Ricas  e  nobres  dizem  que  seram;  Erneu  anngo  bem  sei  que 
fard  Um  cantar  etc.  und  En  aquestas  Cortes  que  faz  el  Rey^.  Und 
wird  doch  sonst  noch  oft  genug  auf  solchen  litterarischen  Richterspruch  der 
Könige  hingewiesen  ^  —  Die  Terminologie  und  die  Regeln  altportugiesischer 

wie  das  unverständliche  mansobre  des  Santillana  und  Villasandino  (No.  255)  und  mas-obre 
des  ßaena  (No.  261)  aus  dem  dM-^ox\.\x%.  tnordobre  entstanden  sein  können,  und  bin  geneigt  beide 
span.  Formen  für  einfache  Ver  drehun  g  oder  Ver  le  s  ung  der  Textherausgeber  zu  halten. 

'    Vat.  933. 

2    Vat.  568.  650.  852.    Aj.  290. 

*  CBr.  469  und  Vat.  454.  So  viel  ich  weiss,  giebt  Cs  nur  zwei  provenz.  Canzonen 
mit  entlehnten  Strophenabschlüssen  :  Mout  fai  sobreira  folia  von  B.  Z  o  r  z  i  und  vom  Mönche 
von  F  o  i  s  s  a  n  :  Be  m'a  tone  temps  tnenat  ä  gtdza  d'aura  und  eine  franz.  chanson  glosce  von 
Jacques  d'Amiens.  Um  Petrarca's  Canz.^W  wusste  man  nicht.  In  der  Folgezeit 
hat    man  auf  der  Halbinsel  ergiebigen  Gebrauch  von  dieser  Manier  gemacht. 

*  S.  z.  B.  AJ.  218. 

*  Die  Bezeichnung  Cortes  de  Amor  kommt  nicht  vor. 

*  Vat.  597.  —  Vgl.  auch  1 103,  obgleich  die  daselbst  erwähnten  cortes  politische  ge- 
wesen sein  dürften. 

^  Im  vatik.  Liede  509  wendet  sich  der  Ritter  Pero  Guter  res,  der  seine  Herrin 
gepriesen  hat,  im  Schlussgesätze  an  den  König  und  spricht:  E  senJior  rey   de  Portugal  aqui 


Versarten.    Poetik.    Franz.  Einfluss  auf  die  portug.  Lyrik.        197 


Poetik,  die  hier  nur  flüchtig  angedeutet  sind,  lassen  sich  aus  den  Gedichten 

selbst  abstrahieren  ^ ,  (wobei  wiederum  die  Prosaüberschriften  hervorragende 
Dienste  leisten)  sowie  aus  alten  Randnoten  des  ausfuhrenden  Schreibers  im 
Codex  da  Ajudd"'.  Zu  kontrollieren  sind  sie  nur  zum  Teile  an  einer  gleich- 
zeitigen Poetik,  von  der  ein  glücklicher  Zufall  uns  Reststücke  erhalten  hat. 
43.  Diese  altportugiesische  titellose  Poetik  begleitet  als  Einleitung  das 
einzige,  in  Italien  aufbewahrte  Exemplar  des  Gesamtliederbuches,  dem  nicht 
die  ersten  Blätter  fehlen  3.  Von  sechs  früher  vorhandenen  Kapiteln  [titulos), 
die  in  Paragraphen  {capitulos)  zerfallen,  besitzen  wir  nur  das  4.  5.  und  6.  und 
vom  dritten  die  Schlussparagraphen  (4 — 9)  *.  Über  den  Verfasser  und  die  Zeit 
und  den  Ort  der  Abfassung  lassen  sich  begründete  Vermutungen  nicht  wohl 
aufstellen.  Abhängigkeit  von  den  Leys  (f  Amors,  an  die  Chabaneau  glaubt, 
ist  nur  ganz  allgemein  genommen  zuzugeben.^  Die  portugiesische  Ter- 
minologie und  die  aus  den  fertigen  Liedern  zu  abstrahierende  Doktrin  weicht 
im  Einzelnen  doch  bedeutend  von  der  limosinischen  ab.  Was  wir,  ausser 
dem  bereits  Erörterten,  Erhebliches  erfahren,  ist,  dass  Liebesdialoge  zu  den 
Cantigas  de  amor  gehören,  so  oft  der  Liebende  die  Unterredung  beginnt  und 
zu  den  Cantigas  de  amigo ,  wenn  die  Liebende  sie  einleitet;  dass  von  den 
Satyren  diejenigen  Cantigas  de  escarnho  heissen  ,  welche  Hohn  und  Spott  in 
verhüllte  Worte  kleiden  {per palabras  cubertas),  Cantigas  de  maldiser  hm- 
gegen,  die,  viclch^ descubertament,  d.  h.  unverhüllt  und  rücksichtslos  reden^; 
dass  die  Tenzonen  sowohl  d'amor  wie  d'atnigo,  d' escarnho  und  de  maldizer 
sein  dürfen'^;  dass  man  unter  einem  Folgelied  (oder  seguir)  ein  Gedicht 
versteht,  welches  seine  Melodie,  oder  mit  der  Melodie  noch  das  Strophen- 
und  Ver'ssystem,  oder  zum  dritten  ,  auch  noch  die  Reimworte  und  den  Satz- 
bau einer  fremden  Vorlage  entlehnt  ^ ;  dass    auf  Wortspielen  beruhende  Scherz- 

JulgacPora  etc.  —  Vgl.  826:  et  jtdgiiem-tios  da  tengom  por  aqui  sowie  1021.  1023.  I034.  II86 
{^j'tdgue-nos  el  Rey).  Aus  gewissen  Phrasen  darf  man  schliessen,  dass  auch  Troubadours  als 
»Richter«  fungierten  S.  IO23.  1092  u.  1034 :  Quero  qtu  jidguedes,  Fero  Garcia,  D'anire 
min  e  todos  os  trobadores  Que  de  meu  trobar  som  desdezidores. 

'  Lieder  mit  wichtigen  Andeutungen  über  die  Technik  der  Dichtkunst  sind  Vat.  361. 
949  965.  968.971—974.  1000.  1007.  1009.  1011.1020—24.  1032—35.  1042.  1057.  1079. 
1086.   1092.   1097.   1103—7.   1184.   1186. 

'  A.  Colocci  hat  die  Liederbücher,  welche  er  besass,  mit  zahlreichen  und  sehr  in- 
teressanten Randnoten  versehen,  die  sich  z.  T.  auf  Wortbedeutungen,  z.  T.  auf  romanische 
Verslehre  beziehen.  Er  sucht  im  Portug.  das  Prinzip  der  Dreiteiligkeit  als  Beweis 
provenzalischen  Ursprungs  und  beachtet  darum  besonders  auch  die  Strophenzahl  und  Reim- 
ordnung, um  Strophe,  Antistrophe  und  Exodon  zu  entdecken.  Ich  habe  seinen 
Theorien  einen  Aufsatz  gewidmet.  Hier  sei  nur  vorweg  gesagt,  dass  die  sibyllinische, 
an  die  looMal  wiederkehrende  Formel  -»seldissj^ ,  nach  deren  Sinn  ich  lange  geforscht, 
einfach  auf  die  Anfangsworte  von  Petrarca's  Canzone  XV  in  V.  di  M.  L.  verweist,  mit  deren 
Bau  einige  lOO  portug.  Cantigas  ungefähr  übereinstimmen. 

'  Den   Canc.  Colocci-Branctüi. 

*  Es  fehlen  am  Anfang  Kapitel  1  und  2 ;  und  vom  dritten  die  drei  ersten  Paragraphen. 
Das  Werkchen  war  also  ein  sehr  summarisches. 

*  S.  Th.  Braga,  Monumentos  da  lingua  portugiieza,  in  Era  Nova  1886  p.  414  und 
E.  Monaci,  II  trattato  di  Poetka  PortogJiesa,  in  Miscellanea  Caix  Canello  1886.  Beide 
Versuche,  den  Text  wiederherstellen  und  seinen  Sinn  zu  deuten,  sind  teilweise  gut  geglückt. 
Der  Aufgabe,  aus  dem  Liederbuche  die  Beispiele  zu  jedem  Lehrsatze  zu  liefern,  hat  Braga 
sich  gar  nicht  und  Monaci  nur  halb  unterzogen. 

*  Schon  die  Leye%  de  Partida  fügen  ihren  Auslassungen  über  Gedichte  a  manera  de 
difamacion  die  Worte  hinzu:  -net  esto  facen  d  las  vegadas  paladinamente ,  et  d  las  vegadas 
encub  ier  tamente«. 

^  Tenfoes  de  amigo  sind  uns  nicht  erhalten;  de  atnor  einige  wenige,  die  den  jocs 
enamoratz  gleichkommen,  z.  B.    Vat.  11  und  663. 

*  Der  Gattungsname  Seguir  {Vat.  IO07.  IO33.  I198)  bezieht  sich  also  ausschliess- 
lich auf  die  Form  von  Gedichten,  die  nach  fremder  Melodie  zu  singen  sind  und  nicht  auf 
ihren  Inhalt,  v^i^h^vca  Sirventes  der  Provenzalen  der  Fall  war.  Ist  dsis  seguir  (wie  wahr- 
scheinlich) eine  Nachbildung  des  sirventes,  so  schlössen  sich  die  Portugiesen  der  bei  Italienern 


198    LlTTERATUKGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖI,KER.    —    4.   PORT.   LlTl . 

gedichte  joguetes  ä'arteiro  heissen,  und  dass  noch  eine  besondere  Abart  davon, 
welche  auf  die  Lachmuskeln  wirken  sollte,  als  cantigas  de  risadilha  bekannt  war  '. 
44.  Dass,  neben  dem  überwiegenden  süd franz.  Einflüsse,  sich  auch  im 
Gebiete  der  Lyrik  nordfranz.  Einfluss  geltend  gemacht  hat,  hält  man  für 
sicher;  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich.  Wie  weit  derselbe  aber  reicht, 
worin  er  sich  äussert,  und  ob  z.  B.  (wie  ich  vermute)  unter  den  praediony- 
sischen  Troubadours,  welche  nach  1245  am  Hofe  Alfons'  IIL,  des  Bolonhes, 
dichteten,  solche,  welche  vorher  in  Beziehungen  zu  Bianca  von  Kastilien  und 
dem  Hofe  Ludwigs  IX.  gestanden,  und  zwischen  1211  und  1233  am  flandri- 
schen Hofe  Joanne  und  Ferrant  de  Portugal  besucht  hatten,  thatsächlich  die 
Lieder  des  Kastellans  von  Coucy,  Chrdtiens  de  Troies,  Blondels, 
Philipps  von  Nanteuil  und  vor  allem  des  Thibaut  de  Champagne  zum 
Vorbild  wählten ;  ob  ganz  und  halbvolksmässige  franz.  Pastourellen  und  Ro- 
manzen sie  begeisterten ;  und  ob  die  softes  chatisons  der  Puis  Nostre  Dame 
die  Gestaltung  der  Schmählieder  irgendwie  beeinflussten,  muss  zunächst  dahin 
gestellt  bleiben ,  da  gründliche  Untersuchungen  fehlen. 2  Dass  man  bei  zwei 
alfonsinischen  Troubadours  Kenntnis  nordfranz.  Sprache  und  Dichtung  nach- 
weisen kann,  ist  dem  Leser  bekannt :  bei  Fern  am  Gar  cia,  der  sich  homelige 
seiner  Dame  tituliert  und  einen  nordfranz.  Kehrreim  benutzt  3;  und  bei  D. 
Affonso  Lopes,  der  in  seinem  humoristischen  Schmähepos  die  chansons  de 
geste  parodiert^.  Ausserdem  kommt  nur  ein  vereinzelter  Hinweis  auf  Roland 
und  Roncesvalles  vor  i^Vat.  1066).  —  Die  thatsächliche  Bekanntschaft  mit 
bretonischen  Melodien  und  Sagenstoffen  kann  sowohl  durch  süd-als  durch  nord- 
franz. Vermittelung  bewirkt  sein.  Alfons  X.  und  D.  Dinis  kannten,  wie  Thibaut 
de  Champagne,  Tristan  und  Isolde  (in  der  Form  Iseu)  und  nennen  sie  als 
Typus  Treuliebender ^.  Im  übrigen  wird  von  portug.  Troubadours  Merlin,^ 
Artus'^ ^  und  die  besta  ladrador  der  Graalssage  erwähnt ^  ;  ferner  im  Allgemeinen 
die  lais  de  Bretanha  und  cantares  de  Cornoalha  ^.  —  Von  grosser  Wichtigkeit 
und  eingehender  Erforschung  bedürftig  sind  die  fünf,  schon  kurz  zitierten 
lais,  welche  das  altportug.  Liederbuch  im  Canc.  CBr.  eröffnen  i^,  denn  die  sie 
begleitenden  razöes  beweisen  ,    mehr  noch  als  die  Lieder  selbst,  Vertrautheit 

und  Katalanen  massgebenden  Auffassung  an ,  das  sirventes  sei  also  genannt  worden,  per  go 
com  se  serveix  e  es  sotsmes  a  aquell  cantär  de  qui  pren  lo  so  e  les  rimes.«.  {Rom.  VI  858. 
—  Gaspary  21  Anm.  2).  —  Vgl.  S.  22  dieses  Halbbandes. 

*  So  lese  ich,  wo  M  o  1 1  e  n  i  risaoelha  druckt,  während  B  r  a  g  a  risoellia  und  M  o  n  a  c  i 
rifaoelha  lesen  will,  das  unmögliche  Wort  für  ein  Diminut.  von  rifao  haltend  (ein  solches  wäre 
rifaozinho,  oder  rifaozelho  oAn,  da  nur  die  Form  refram  existierte,  refranzelho).  Die  Be- 
rechtigung dazu  finde  ich  in  den  nachfolgenden  Worten,  -»porque  riem  ende  a  vezes  os  homens«. 
An  die  galliz  -^tiradilhas  de  escarniri.  zu  erinnern,  von  denen  Milä  spricht  (Rom.  VI  48), 
ist  geboten. 

^  I Jeanroy  hat  im  5-  Kap.  seiner  »Origines  de  la  pocsie  lyrique«.  neuerdings  einige 
Anklänge  an  Gace,  Blondel,  Coucy,  Thibaut  und  andere  nachgewiesen.] 
3  S.  §  34  Anm.  5- 

*  S.  S.   193  Anm.   14. 

*  CBr.  468  und  Vat.   II5. 

^  Vat.  930  und  Cantigas  108. 

''  Cant.   35  u.   412. 

8  Y^t    1,40. 

3  Vat.  1007  und   1 140. 

'"  CBr.  1  bis  5.  Das  erste  wird  dem  Sachsenherzog  Elis  o  Ba^o  in  den  Mund  ge- 
legt. Das  zweite,  spöttische,  singen  vier  tanzende  Jungfrauen  um  Marot  von  Irland  zu 
höhnen;  das  dritte  und  vierte  stimmt  Tristam  0  Namorado  an,  nach  langer  Abwesenheit;  das 
fünfte  singen  Mädchen  ,  die  um  den  Schild  Lanzelot's  tanzen  y>qtiando  estava  na  Insoa  da 
Lidifa  {^—.  Liesse),  quando  a  rainha  Genevra  0  achoti  com  afilha  do  Ret  Petes,  e  Ihi  defendeo  qiie 
nom parecesse  auf  etat..  Die  Urheberschaft  wird  gleichfalls  Tristan  zugeschrieben :  (Dom  Tristam 
per  Genevra)  \  —  Mit  den  mir  bekannten  franz. /öw  und  lettres  en  samblanche  de  !ai,  welciie 
im  Roman  de  Tristan  zur  Harfe  gesungen  werden ,  stimmen  die  portug.  nicht  überein,  — 
doch  sind  das  leider  nur  die  von  F.  Wolf  abgedruckten.    Vgl.  Braga  Vat.  LXXIl. 


Franz.  ital.  F'influss.  —  Originale  Aufzeichnungen  und  Sammlungen.   199 


mit  den  altfranzösischen  Tristan-  und  Lanzelot-Prosaromanen,  die  schon  damals 
also,  mitsamt  ihren  Liedereinlagen  ins  Portugiesische  übertragen  waren  (^  54). 
Dass  sie  in  erster  Stelle  stehen,  könnte  sogar  chronologische  Präzedenz 
bedeuten,  um  so  mehr  als  die  unmittelbar  folgenden  Dichter,  dem  Anscheine 
nach,  zu  den  frühesten  Troubadours  gehören.  —  Italienischen  Einfluss 
schlägt  Th.  Braga  sehr  hoch  an,  so  hoch  dass  er  sogar  die  ganze  prae -dio- 
nysische Zeit  als  Periodo  Italo-Provetifal  {ii\^ — 1245!)  bezeichnet  1.  Mit 
Unrecht!  Unleugbar  ist,  dass  die  erste  portug. Königin  ausSavoyen  stammte;  dass 
Handelsbeziehungen  die  erste  Mittlerin  zwischen  Orient  und  Occident  schon 
frühe  mit  der  zweiten  verknüpften  (die  ital.  nach  Flandern  segelnden  Schiffe 
machten  in  Lissabon  halt) ;  dass  Genuesen  den  portug.  Flottendienst  ein- 
richteten und  Admirale  für  Spanien  und  Portugal  stellten  ^ ;  dass  gewisse  ital. 
Einrichtungen  in  die  portug.  Städteverwaltung  übergingen  3;  dass  Bologna, 
noch  vor  Bartolo  und  Baldo,  peninsulare  Rechtsgelehrte  bildete*.  Von 
litterarischer  Einwirkung  kann  jedoch  so  frühe  (vor  Dante  und  Petrarca)  keine 
Rede  sein.  Selbst  die  Troubadours  italienischer  Herkunft,  welche  am  Hofe 
Jaime's  von  Aragon  und  in  Leon  und  Kastilien  unter  Ferdinand  IIL  und 
Alfons  X.  glänzten,  waren  gänzlich  provenzalisierte  Italiener,  ohne  natio- 
nale Sonderart.  Das  gilt  sowohl  von  dem  venetianischen  weit  gewanderten 
Kaufmann  Zorgi,  durch  den  man  vielleicht  die  »Flickenlieder«  kennen  lernte, 
als  von  dem  mantuanischen  Meister  En  Sordello,  dessen  Melodien  man  sang 
und  nachahmte^,  und  auch  von  dem  adligen  Genueser  Handelsherrn  Bonifazio 
Calvo  (f  1280)  »un  souverain  maistre  en  Fart  de  poisie«  den  Ferdinand  III. 
zum  Ritter  schlug  und  dem  die  Liebe  zu  einer  peninsularen  Fürstin  (oder 
Edeldame,  Berenguela,  des  Königs  Nichte)**  zwischen  1248  und  1261  zwei 
portug.  Gedichte  einflösste  (von  denen  seine  Biographien  natürlich  als  von 
»hispanischen«  sprechen)'^. 

45.  Was  die  Niederschriften  betrifft,  so  unterliegt  es  keinem  Zweifel, 
dass  die  ersten  Originale  der  portug.  Cantigas  wie  alle  Dokumente  auf  Perga- 
mentblätter [folhas)  geschrieben  wurden,  die  man  meistens  gerollt  überreichte 
und  aufbewahrte,  und  daher  rotulos  oder  rolos  nannte  ^.  Mehrere  solcher 
losen  Blätter,    mit  Werken    ein    und  desselben  Meisters  (oder  auch  mehrerer 


'  Cfr.  Vat.  XXII  und  XXXIII. 

-  Im  Jahre  1279  berief  D.  Dinis  den  Micer  Manoel  Pezagno  (f  1317).  auf 
dessen  Nachkommen  später  die  Admiralitätswürde  erblich  überging.  In  kastilischen  Diensten 
stand  schon   1246  Ramon  Bonifaz,  und  1292  Micer  Benito  Zacarias. 

*  In  dem  Familiennamen  Podestä(de)  glaubt  man  wenigstens  Erben  des  Podesta- 
titels  zu  erkennen. 

^  Vom  Papste  Johann  XXL,  dem  Portugiesen  Pedro  Juiiao,  der  als  Petrus 
Hispanus  bekannter  ist  (f  1277)  wird  behauptet,  er  habe  nächst  Paris  und  Montpellier  auch 
Bologni  besucht;  und  von  Fr.  Alvaro  Paes  (Pelaguis)  steht  es  ausser  Zweifel. 

*  S.  Vat.  1021.  Der  hochadlige,  vielgereiste  und  an  den  spanischen  Höfen  gern  ge- 
sehene D.  JoamSoaresCoelho  sagt  darin  zudem  wandernden  Spielmann  P  ican  den, 
vielleicht  in  Gegenwart  des  Mantuaners  (also  zwischen  1225  und  50),  er  begriffe  nicht,  wie 
dieser  (En  Sordel),  von  dem  er  so  viele  und  so  gute  Lieder  und  Melodien  höre,  für  ihn. 
den  aller  Spielmannskunst  unkundigen  Sänger,  bei  Sängerfesten  habe  eintreten  und  Partei  er- 
greifen können  und  selbiger  entgegnet:  »er  sei  ebenso  viel  wert  und  verdiene  ebenso  kost- 
bare Gaben  wie  etwelcher  andere  segrel,  der  Canzonen,  Verse  (cobras)  und  Sirventese  rezi- 
tiere«. Ich  lese  nämlich:  Vedes,  Picandon,  som  maraviUiado  Eu  d'En  Sordel  a  quem  ou(o 
entengoes  (oder  de  ^.)  Muitas  e  böas  e  mui  böos  söes ,  Como  fid  (=^  fuit)  em  seu  preito  tarn 
errado,  Pois  nom  sabedes  jograria  fazer,  Por  qtie  viis  fez  per  Corte  guarecer !  Ou  vos  cm  el 
dad'ende  dorn  recado ! 

«  Ajuda  265  und  266.     CBr.  449—450. 

''  Über  Bonijazio  vgl.  Jahrbuch  XI,  15  — 16  und  XIII,  41;  Zschr.  VII  225-.  Milä, 
Trov.  202  —  209  und  Litteraturblatt  1888  p.  539- 

*  Das  Wort  i?''  in  dieser  abbrevierten  Form  findet  sich  z.  B.  im  C.CBr,  auf  fl.  lOO  v, 
wo  es  heisst:  outro  R^  das  Cantigas  que  fez  etc. 


2  00    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER. 4.    PORT.    LiTT, 


wettsingender  Dichter)  nähte  man  zu  Heften  zusammen  {cadernos).  S.  Vat.  68- 
Und  aus  der  planlosen  oder  planvollen  Aneinanderreihung  mehrerer  Hefte 
entstanden  Bücher  {livros).  Grössere,  so  allgemach  entstandene  Bände  Hessen 
aber  ihre  Besitzer  (Könige ,  Fürsten  und  Reichsgrosse)  später  gewiss  einheit- 
lich und  kunstvoll  von  Meistern  der  Kalligraphie  kopieren.  Und  für  hervor- 
ragende Dichter  und  Freunde  der  Dichtkunst,  wie  auch  für  vortragende  Spiel- 
leute, mussten  sie  Vervielfältigungen  solcher  grosser  Sammlungen  oder  von  den 
älteren  Teilstücken  derselben  anfertigen  lassen.  Jeder  adlige  Dichter  besass 
ausserdem  ein  Spezialheft  seiner  eigenen  Werke,  meist  aber  auch  die  seiner 
Familienglieder  und  Freunde.  Einen  Cancioneiro  de  mäo ,  d.  h.  ein  Album 
von  Werken  berühmter  Poeten  sein  zu  nennen,  war  in  Portugal  und  in 
Spanien  wahrscheinlich  schon  im  13.  und  14.  Jh.,  wie  nachweislich  im  15., 
16.  und  17.  festwurzelnde  Sitte  des  Adels;  ihn  herzustellen  Obliegenheit  der 
zum  jeweiligen  Hofstaat  der  ricos  honies  gehörigen  schrift-  und  sangeskundigen 
Kaplane  und  Kantoren  und  Schreiber.  Meist  wurde  das  habhafte  Material 
sachlich  nach  Dichtungsarten  geordnet,  also  in  Cantigas  de  amor  —  Cantigas 
de  amigo  —  Cantigas  de  escarnho  e  maldizer  ^ ;  oft  auch  ungeordnet  kopiert, 
je  nachdem  die  Lieder  dem  Sammlenden  zu  Händen  kamen.  Dass  sich  so 
auffällig  wenig  erhalten  hat,  und  dass  auch  unser  Wissen  von  früher  vor- 
handenen Hss.  so  dürftig  ist,  ja,  dass  nicht  einmal  der  Cancioneiro  de  D.  Dinis  in 
einer  Originalniederschrift,  noch  auch  das  Livro  das  Cantigas  erhalten  ist, 
welches  der  Graf  von  Barcellos  sein  nannte,  legt  Zeugnis  ab  von  der  schon 
erwähnten  beklagenswerten  Sorglosigkeit,  mit  der  man  in  Portugal  das  nationale 
Hab  und  Gut  von  jeher  verwaltet  hat.  —  Ausser  den  (drei)  alfonsinischen 
geistlichen  Liederbüchern  (s.^36),  haben  sich,  so  weit  man  bis  jetzt  weiss, 
nur  drei  portugiesische  mit  weltlichen  Liedern  erhalten:  einer  in  Portugal 
und  zwei  in  Italien,  alle  in  mehr  oder  minder  defektem  Zustande  2.  Ein 
viertes,  bis  jetzt  unzugängliches  Exemplar  im  Besitze  eines  spanischen  Granden, 
kommt  nicht  in  Betracht,  wenn  es  wirklich  nur  eine  moderne  Kopie  des 
einen  der  italienischen  Codices  ist  3. 

46.  Der  in  Portugal  aufbewahrte  Kodex  ist  der  kleinste,  und  arg  und  roh 
verstümmelt.  Trotzdem  ist  er  in  gewissem  Sinne -der  wertvollste,  weil  der  älteste, 
der  den  Originalen  ziemlich  nahe  steht.  Er  führt  den  Namen  y^  Cancioneiro 
da  Ajuda«  ,  weil  er  jetzt  (seit  1825)  im  Königsschlosse  Ajuda  bei  Lissabon 
aufbewahrt  wird.  Früher  nannte  man  ihn  y>Cancioneiro  do  Collegio  dos  Nobres«, 
weil  er  in  die  Bücherei  dieser  hauptstädtischen  Adelsschule  als  Erbstück  aus 
dem  Fonds  der  im  18.  Jh.  aufgehobenen  Jesuitenkollegien  geraten  war;  oder 
auch  y>  Livro  das  Cantigas  do  Conde  de  Barcellos«  ^  weil  man  darin  die  Lieder 
dieses  einen  Troubadours  zu  besitzen  glaubte 4.  Unter  beiden  Titeln  ver- 
öffentlicht, ein  erstes  Mal  von  Lord  Stuart  Rothsey,  in  nur  25  Exemplaren 
(1823),  ein  zweites  Mal  von  Varnhagen  in  unkritischer  Textgestaltung,  wird 
er  hoffentlich  bald  in  definitiver,  seit  1880  angekündigter  Ausgabe  vorliegen. 
—  Schon  bevor  er   im   16.  Jh.    in    italienischem  Stile    gebunden  ward,    war 

*  Ein  und  derselbe  Dichter  kommt  thatsächlich  in  den  bekannten  Liederbüchern, 
wenn  er  sich  in  allen  drei  Genren  versucht  hat,  auch  drei  Mai  vcr.  —  Doch  sind  den  Kom- 
pilationen auch  einzelne  Spezialhefte  mit  ungeordneten  Liedern  bestimmter  Trou- 
badours eingefügt  (z.  B.  die  Alfons'  X.  und  des  Aires  Nunes).  Der  Canc.  da  Ajuda 
enthält  nur  Minnelieder,  weil  wir  von  ihm  nur  Teilstücke  seiner  ersten  Hälfte  besitzen. 

2  Die  Frage,  auf  welchem  Wege  die  portug.  Manuskripte  nach  Italien  gekommen 
sein  können,  ist  für  jeden  halbwegs  Unterrichteten,  eine  müssige;  und  noch  überflüssiger  ist 
es  zu  erörtern,  wie  z.  B.  der  alte  Codex,  den  Santillana  erwähnt,  nach  Spanien  und  in  die 
Bibliotkek  seines   1385  bei  Aljubarrota  gebliebenen  Grossvaters  geraten  sein  kann. 

*  Es  war  Varnhagen  (Canciomirinho  de  Trovas Antigas),  welcher  besagte  Abschrift 
1857  in  Madrid  sah  und  kopieren  Hess. 

<  Wie  ich  über  das  Livro  das  Cantigas  denke,  deutet  §  38.  Anm.  2  an. 


CANaONEIRO    DA   AjUDA,    VaTICANA    U.    COLOCa-BRANCUTI,  20I 

dieser  Kodex  höchst  unvollständig.  Nachher  aber  ward  er  noch  ganz  van- 
dalisch  von  Pergamentmardern  zerschnitten.  Heute  bietet  er  auf  88  liniierten 
Pergamentblättern  nur  noch  310,  zum  Teil  fragmentarische  Cantigas  de  amor, 
die  in  38  kleine,  mit  16  skizzierten  Vignetten  1  anhebende  Einzelgruppen  zer- 
fallen. Jegliche  davon  stellt  das  Liederheft  eines  besonderen  Sängers  dar.  Es  ist 
das  der  Überrest  eines  viel  grösseren  Ganzen.  Noch  beim  Binden  umfasste  der 
Cancioneiro  nachweislich  mindestens  ein  Drittteil  mehr ;  und  früher  noch  Weiteres. 
Die  Ausführung  ist  unvollendet  geblieben ;  es  fehlt  fast  alles  was  buntfarbig, 
(vielleicht  von  einem  besonderen  Illuminator)  ausgeführt  werden  sollte,  d.  h.  die 
grösseren  gezierten  Majuskeln ,  die  Miniaturen  der  Vignetten  ,  und  besonders 
an  der  Spitze  jedes  Liederheftes  der  Name  des  betreffenden  Dichters!  Es 
fehlen  auch  die  Musiknoten,  für  die  der  Raum  bei  jeder  ersten  Strophe  und 
oft  noch  beim  Geleite  aufgespart  ist ,  sowie  etwaige  Prosarubriken.  Ohne 
jeglichen  Zweifel  stammt  der  Kodex  noch  aus  der  Troubadourepoche,  ent- 
weder aus  der  ersten  Hälfte  des  14.  oder  aus  der  letzten  des  13.  Jhs.2  und 
die  geplante  Hinzufügung  der  Noten,  sowie  die  sorgsame  Arbeit  des  Schreibers 
lassen  darauf  schliessen ,  dass  er ,  wenn  nicht  direkt  nach  Originalrollen ,  so 
doch  nach  einer  sich  unmittelbar  auf  jene  stützenden  Abschrift  gefertigt  worden 
ist.  Die  sehr  verständige  knappe  Orthographie  verwendet  für  mouilliertes  // 
und  /  die  Doppelkonsonanz,  nach  alter,  auch  von  xAlfons  X.  befolgter  Sitte 
(und  nicht  wie  die  anderen  Liederbücher  das  provenz.  nh  Ih,  noch  mh  bh  etc.) 
und  für  den  portugiesischen  Nasalauslaut  ausnahmslos  das  n.  —  Die  beiden 
italienischen  I>iederbücher  führen  die  Namen  Cancioneiro  da  Vaticana  und 
Cancioneiro  Colocci-Brancuti.  Beide ,  sowohl  der  codex  vaticanus  4803  (be- 
stehend aus  210  -(-  18  Papierblättern),  als  auch  der  noch  vollständigere  (355 
Blätter  umfassende)  Kodex  des  Grafen  Brancuti  di  Cagli,  wurden  im  16.  Jh. 
in  Italien ,  nach  bis  jetzt  nicht  entdeckten  Vorlagen  abgeschrieben ,  denen 
scheinbar  die  Notation  bereits  fehlte,  und  zwar  im  Auftrage  des  Humanisten 
Angelo  Colocci  (f  1548),  der,  hier  wie  dort,  Randnoten,  Dichternamen, 
Paginationen,  Registrationsbuchstaben  und  Numerierungen  eintrug,  sowie  Ver- 
weise auf  ein  anderes  drittes,  möglicherweise  dem  Kardinal  Bembo  gehöriges 
Liederbuch.  Ausserdem  schrieb  er  mit  eigener  Hand  ein  selbständiges,  kost- 
bares Inhaltsverzeichnis,  mit  Namen,  Zahlen  und  Titeln,  die  Tavola  Colocciana 
{Cod.  Vat.  3217),  vermutlich  auf  Grund  eines  dritten  vollständigsten,  uns  un- 
bekannten Manuskriptes,  das  sich  vielleicht  noch  in  Italien  wiederfindet.  An- 
nähernd passt  dieser  Index  freilich  auch  für  die  beiden  erhaltenen  Lieder- 
bücher, ja  zum  Teil  sogar  fiir  den  Canc.  daAjuda.  Denn  alle,  ob  auch  in  Einzeln- 
heiten vielfachst  verschieden,  geben  Liedergruppen  von  gleicher  Grösse  und 
gleichem  Inhalt  ungefähr  in  der  gleichen  Ordnung,  führen  also  in  letzter  Linie 
unbedingt  auf  ein  und  dasselbe  grosse  kompilatorische  Gesamtwerk  zurück, 
welches  das  Hab  und  Gut  der  ganzen  portugiesischen  Minnedichtung  ver- 
zeichnen sohlte ^.  —  Auch  die  beiden  italienischen  Handschriften  sind  unvoll- 
ständig, doch  ergänzen  sie  sich  in  sehr  glücklicher  Weise.    Trotzdem  fehlen 

*  Für  die  Weiteren  22  ist  der  Raum  ausgespart. 

^  Aus  dem  Inhalte  Sicheres  zu  schliessen,  ist  sehr  schwer,  da  wir  eben  nur  ein 
Fragment  vor  uns  haben.  Diemeistender  vertretenen  Dichter  sind  prae-alfonsinische 
und  alfonsinische.  Über  einige,  wie  Pero  Garcia  Burgales  und  Meni  Rodri- 
gues  Tenoiro  bin  ich  in  Zweifel.  Sind  beide  die  gleichnamigen  Zeitgenossen  des  Grafen 
von  Barcellos,  so  kann  das  Manuskript  nicht  gut  vor  1310  geschrieben  sein.  Hinsichtlicli 
des  Ausseren  seien  hier  nur  Herculano's  Worte  citiert :  -»Os  signaes  paleographicos  e  intrin- 
secos  näo  permiitem  assignar  Ihe  tima  epoca  precisa.  Poder-se-hia  fazer  remontar  ao  reinado 
de  D.  Dinis,  ou  descer  ate  0  de  D.  Fernando.  O  foral  de  Villanova  d'Alvito  de  128g  estä 
e  scripta  etn  car  acter  es  inteiramente  semelhantes  em  grandeza  e  forma  aos  do  Nobiliario  e  da 
Cancioneiro«. 

?  M o n a c i  und  de  f^ p  1  i } s  sind  etwas  anderer  Ansicht, 


202    Lin'ERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 

mindestens  75  von  den  Gedichten,  welche  noch  der  Index  buchte.  Und 
dass  es  dem  alten  Sammler  des  Livro  das  Cantigas  nicht  gelungen  war,  aller 
der  überhaupt  verfassten  Minnelieder  habhaft  zu  werden,  ist  selbstverständlich.  ^ 
47.  Auch  die  altportugiesischen  Lieder  waren  zu  gesanglichem  Vor- 
trage bestimmt.-  Das  beweist  der  Name:  cantiga  und  ccmiar.  Es  beweist  es 
der  Cancioneiro  da  Ajuda,  mit  seinem  für  die  Notation  aufgespartem  Räume. 
Es  beweisen  es  die  begleitenden  Vignetten,  welche  uns  stets  einen  lehrenden 
Meister  (den  Dichter?)  auf  einer  Bank  sitzend  und  ein  oder  zwei,  mit  Musik- 
instrumenten versehene  Sänger  vorführen;  und  es  beweisen  es  Dutzende  von 
Liedern,  in  denen  von  den  Melodien  und  den  Singenden  und  Spielenden  die 
Rede  ist.  ^  Wie  in  der  Provence  so  verfasste  auch  in  Portugal,  der  Regel 
nach,  der  Troubadour  die  Melodie,  den  som  (oder  assom)  zu  jeglichem  neuem 
Liede ,  dasselbe  komponierend  {ensoar  -^-^  sonum  dare).  Fehlte  ihm  diese 
Gabe,  so  rief  er  einen  seiner  sachkundigen  Bediensteten  zu  Hülfe;  oder  er 
passte  seinen  Text  bereits  vorhandenen  Melodien  an,  wie  wir  wissen  denen 
des  En  Sordello .,  oder  bretonischen,  oder  portugiesischen  Weisen,  unfreie 
»Folgelieder«  schaffend.  —  Erhalten  ist  uns  keine  einzige  weltliche  Melodie, 
nur  die  Musik  der  geistlichen  Cantares  von  Alfons  X.  Dass  diese  entschiedene 
Ähnlichkeit  mit  der  provenzalischen  Musik  hat,  —  dabei  aber  dennoch  ganz  den- 
selben Geschmack  zeigt,  wie  er  in  den  gallizischen  und  portugiesischen  Lände- 
reien noch  jetzt  im  Volke  herrscht  (?) — ,  und  dass  auch  die  Notierungsweise 
übereinstimmt,  ist  die  Ansicht  aller  Sachverständigen  *,  Ähnlich  wird  es  sich 
also  auch  mit  den  weltlichen  Melodien  verhalten.  —  Das  Hauptinstrument,  das 
jeder  Spielmann ,  gut  oder  schlecht ,  zu  gebrauchen  wusste ,  war  die  Fiedel 
citöla"^.  Fiedel  spielen  heisst  citolar.  Spielte  Jemand  schlecht,  kratzte  er  {rascar 
Vat.  II 06  und  1107)1  so  ward  er  verlacht  und  verhöhnt.  —  Doch  beherrschten 
manche  Troubadours  und  Spielleute  noch  andere  Instrumente.  —  Auf  den  Vignetten 
erscheint  die  Harfe;  die  mit  dem  Bogen  gestrichene  vierseitige  Viella;  das  mit 
dem  Piektrum  berührte  Psalterion  in  mannichfacher  Gestalt;  die  Guitarre;  und 
als  begleitendes,  den  Saiteninstrumenten  oft  beigegebenes  Instrument  die 
Schellentrommel  {-^pandeiro,  wenn  sie  rund  ist,  und  adufe  wenn  viereckig),  das 
Tambourin  und  die  Kastagnetten  (in  Parallellogrammgestalt)  6.  Ob  die  ver- 
schiedenen Kombinationen  der  Instrumente  thatsächlich  zu  bestimmten  Ge- 
dieh tgruppen  gehörten,  bleibt  dahin  gestellt.  '^  Auch  ist  es  unmöglich  zu  ent- 
scheiden, ob  wirklich  alle  Cantigas^  auch  die  Schmählieder  (!),  gesungen  wurden, 
oder  ob  es  »dizeres«  gab  (wie  Santillana  anzunehmen  scheint.)^ 

^  Ausser  den  in  §  39  erwähnten  Dichtern,  deren  Werke  abhanden  gekommen  sind, 
hat  es  sicher  noch  manche  andere  gegeben!  Und  wer  weiss  z.  B.  ob  das  unfindbare  Liederbuch 
des  span.  D.  Juan  Manuel  Portugiesisches  oder  Kastilianisches  enthielt?  Er  schrieb  be- 
kanntlich vor  1329  ein  lihro  de  Cantigas,  und  vor  1335  ein  libro  de  las  reglas  como  se  deve 
tr-ovar !  Und  was  waren  die  poemas  en  lengua  gallega  antigita  del  tiempo  del  Rey  D.  Alonso 
cl  Sabio,  die  Argote  de  Molina  um   1600  sah? 

2  Die  Zweifel,  welche  D  ie  z  darüber  äussert,  (Kunstpoesie  p.  102)  sind  ungerechtfertigt. 

=»  S.  z.  B.  Vat.  930.  931.  928.  1042.  1073.  1077.  1078.  1087.  1097.  Von  einem 
livro  dos  sons  spricht  Vat.   Nr.  72, 

*  S.  z.  B.  Terreros,  Soriano  Fuertes  und  Arabros,  Geschichte  der  Musik  II  232. 

■''  Dass  Alfons  X.  sogar  einen  Spielmann  Citola  anredet  (Vat.~})  ward  schon  gesagt. 

^  Dass  das  Wort  rota  gar  nicht  vorkommt,  ist  auffällig. 

■^  Die  16  Vignetten  bieten  uns:  Je  einmal  die  Fiedel  und  die  Harfe  allein;  zwei 
Mal  beide  Instrumente  zusammen;  zwei  Mal  die  blosse  Guitarre;  vier  Mal  das  Psalterion 
mit  Kastagnetten;  zwei  Mal  die  Fiedel  nebst  Kastagnetten;  ein  Mal  Guitarre  mit  Kastag- 
netten ;  und  drei  Mal  Fiedel  nebst  Schellentrommel.  Das  Tambourin  erscheint  nur  in  einem 
verzierten  Buchstaben. 

*  Dafür  dass  dizeres  so  viel  wie  ("spottende)  Sprechlieder  bedeutet,  im  Gegensatz  zu 
cantares,  könnte  man  ausser  dizedor  (dezidor)  noch  andere  Ableitungen  anführen :  ditos  für 
Witzworte  (bans  tnots) ;  dichotes  für  grobkörnige  Witze,  und  ditados  (deytados)  für  senten- 
ziöse  Verse. 


Melodie  u.  Vortrag  der  Minnelieder.    Bibliogr.  —  Epos.  203 


48.  BiBUOGRAPHiE :  a.  Texte:  i)  C.Stuart,  Fragmentos  de  hum  Cancio- 
neiro  inedito  que  se  acha  na  Uvraria  do  Real  Collegio  dos  Nobres  de  Lisboa. 
Paris  1823.  —  2)  C.  Lopes  de  Moura,  Cancioneiro  dEl  Rei  D.  Diniz. 
Paris  1847.  —  3)  Varnhagen,  Trovas  e  Cantares  de  um  codice  do  XIV seculo, 
Ott  antes,  tnui  provavelmente  0  livro  das  cantigas  do  Conde  de  Barcellos.  Madrid 
184g.  —  Dazu  Postscript iwi  und  Novas  Paginas  de  notas.  1868.  —  4)  Grüz- 
macher,  Zur  gallicischen  Liederpoesie  in  Jahrbuch  VI  p.  357 — 361.  1865.  — 
5)  Varnhagen,  Cancioneirinho  de  Trovas  antigas.  Wien  1872.  —  6)  E. 
Monaci,  Canti  antichi  portoghesi.  Imola  1873.  —  7)  ly&rs.^  Cantos  de  ledino. 
Halle  1875.  —  ^)  Ders. ,  //  Canzoniere  Portoghese  della  Bibliotheca  Vaticana. 
Halle  1875.  —  9)  Th.  Braga,  Cancioneiro  Portuguez  da  Vaticatui.  Lissabon 
1878.  —  10)  E.  Molteni,  //  Canzoniere  Portoghese  Colocci-Brancuti.  Halle 
1888.  —  11)  W.  Storck,  Hundert  altportugiesische  Lieder.  Paderborn  1885. 
12)  P.  E.  Wagner,  Altport.  Lieder,  komponiert.  Paderborn  1886.  —  b.  Kri- 
tisches: 1825  Raynouard  in  Journal  des  Savants  p.  485 — 495.  —  1830 
Dicz  in  Jahrb.  f.  wissenschaftl.  Kritik,  No.  21  und  22.  —  1835  J-P'Ri- 
hz'xxo^  Reflexöes philologicas.  No.  II.  —  1840  Bellermann,  Z>/<r  a//^«  Z/V^/<fr- 
bücher  etc.  —  1842  Rivara  in  Panoranux  I  p.  409.  — •  1844  J.  da  Cunha  in 
Panorama  III.  —  1844  Ders. ,  in  Acta  das  Sessöes  da  Academia  Real.  —  1847 
Diario  do  Governo  No.  191,  —  1847  Revista  Populär  W..  —  1849  Costa 
e  Silva,  Ensaio  \\.  —  1859  Wolf,  Studien.  —  1863  Diez,  Kunst-  u.  Hof- 
poesie. —   1871    Th.   Braga,    Trovadores.    —    1877    Ders.    in   Zschr.  I.   — 

1880  Canelloin  Saggi  di  Critica  Letter aria.  —  1885  Th.  Braga  in  Revista 
dos  Estudos  Livres.  —  Auf  Jeanroy  sei  hier,  nachtragend,  noch  einmal  hin- 
gewiesen (s.  S.   160). 

II.  EPOS. 

49.  Von  den  cantares  romances  der  hispanischen  Volksdichtung,  welche 
klassische ,  karolingische ,  bretonische  und  peninsulare  Stoffe  behandeln  und 
von  dem  Anteil,  den  der  Westen-  und  Nordwesten  vermutlich  an  ihrer  Aus- 
gestaltung genommen,  war  schon  in  Abschnitt  C  die  Rede;  und  ebenso  von 
dem  apokryphen  Cßz/a-Gedichte  y>el  primer  poema  heroico  que  liallamos  ...  en 
Espana<i.  ."  —  Das  früheste  echte  Kunstepos  in  portugiesischer  Sprache, ^  von 
dem  wir  sichere  Nachricht  und  wenigstens  einige  magere  Überreste  besitzen, 
entstand  am  Ausgang  der  ersten  Epoche.  ^  Es  behandelt  einen  heimischen 
und  zeitgenössischen  historischen  Stoff,  jenen  gewaltigsten  Sieg  des  14.  Jhs., 
welchen  Spanier  und  Portugiesen  mit  Flotte  und  Landheer,  gemeinsam, 
über  die  marrokanische  Völkermacht  bei  Tarifa,  am  Flüsschen  Salado,  den 
30.  Oktober  1340  erfochten.  Von  dem  Sturm  nationaler  Begeisterung,  den  die 
rühm-  und  erfolgreiche  Waffenthat  weckte,  ist  das  portug.  Poema  da  Batalha 
do  Salado  keineswegs  der  einzige  Nachklang.  Der  Dichter  desselben,  ein  im 
Übrigen  unbekannter  Affonso  Giraldes,  der  als  Augenzeuge  und  Mitkämpfer 
zugegen  gewesen  sein  soll  und  wird*,  schrieb  sein  historisches  Gedicht,  (dem 

'  Faria-e-Sousa,  Epitotne  ed.   1674  P-  409  und  Europa  II  p.  372  §  69. 

-  Die  Frage ,  ob  es  sachlicher  ist ,  alle  alten  leonesischen  (resp.  bercianisclien  und 
astur,  wie  galliz.)  Schriftdenkmäler  zum  westlichen  Sprachgebiete  zu  rechnen  oder  zum 
Kastilischen ,  ist  noch  nicht  einmal  aufgeworfen  worden ,  selbst  von  denen  nicht ,  die  sich 
im  Spezieilen  damit  befassten.  Aus  durchaus  begreiflichen  Gründen.  Vergleicht  doch  selbst 
Saco-Arce  die  Sprachformen  seiner  ga  11  i zischen  Muttersprache  lieber  mit  dem 
Kastilianischen  als  mit  dem  Portug. 

*  Dass  das  betreffende  Gedicht  acto  continuo  im  Jahre  1340  verfasst  wurde,  behauptet  einer 
von  den  wenigen,  die  es  gelesen,  Frei  FranciscoBrandäo.  Ob  mit  Recht  ist  unerweislich. 

*  Auch  diese  Behauptung  stammt  aus  Brandäo's  Feder.  —  Dass  der  Dichter  ein 
ßdalgo  portuguez  gewesen,  ist  eine  als  Thatsache  hingestellte  Vermutung  von  Am.  de  los 
Rios  IV  p.  413. 


2  04    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


die,  welche  es  gelesen,  den  Titel  Romanze,  möglicherweise  auf  eigene  Faust, 
gaben'),  wahrscheinlich  im  Dienst  und  Auftrage  seines  königlichen  Herren, 
Alfons  IV.,  vielleicht  gar  als  berulsmässiger  Spielmann  oder  segrcl,  der  mit  dem 
Absingen  nicht  nur  lyrischer  Cantigas  sondern  auch  mit  dem  Hersagen  epischer 
Cantares  de  gesta  (in  kastilischer  oder  leonesischer  Sprache?  oder  selbst  in 
französischer  Zunge?)  gleich  vertraut  war.  Denn ,  obwohl  in  halb-volks- 
mässigen,  glatten  und  geschmeidigen  Redondilhenstrophen  mit  überschlagenden 
nach  Belieben  stumpfen,  oder  klingenden,  oder  zwischen  beiden  alternierenden, 
Reimen  abgefasst^,  ist  das  Gedicht,  welches  das  Leben  und  die  sonstigen 
Thaten  des  portugiesischen  Königs  mit  in  sein  Bereich  zog,  und  das  glanz- 
und  ruhmvolle  Auftreten  gerade  der  portugiesischen  Recken  bei  Salado 
gewisslich  besonders  hervorhob,  dennoch  eine  höfische  Reimchronik,  deren 
an  und  für  sich  poesievoller  StofiF,  erfundener  poetischer  Ausschmückung  ent- 
raten  konnte.  —  In  Inhalt  wie  Form  ist  das  Poema  do  Salado  ein  Pendant 
zum  Poema  de  Alfonso  Onceno  ^ ,  welches  in  kastilischer  Sprache  über  den 
gleichen  Gegenstand  auch  von  einem  Kampfgenossen  gedichtet  ward,  (viel- 
leicht Namens  Rodrigo  Eannes'*,  und  jedenfalls  von  einem  Unterthan 
des  biien  rey  de  Castiella  e  Leon)  mit  dem  einzigen,  naturgemässen,  doch  mar- 
kanten Unterschiede,  dass  dieser  das  Leben  und  die  Thaten  seines  Herrn 
und  Königs,  und  die  Schlachttriumphe  der  Kastilianer  besonders  feiert, 
über  Portugal  und  seinen  König  (»den  schlummernden  Löwen«),  sowie  Admiral, 
Flotte  und  Heer  des  Nachbarlandes  hingegen  manch  kritisierendes  Wort  äussert. 
Für  entschieden  verfehlt  halte  ich  den  Versuch  die  2456  Coplas  des  gleichfalls 
unvollständigen  spanischen  Gedichtes  für  Portugal  zu  vindizieren,  und  darin 
eine  fast  wörtliche  Übertragung  eines  beliebigen  unbekannten  portugiesischen 
(resp.  galliz.)  Originals  zu  erkennen,  wie  J.  Cornu  will 5,  oder  gar  eine  Über- 
setzung des  fragmentarisch  erhaltenen  Gedichtes  von  Affonso  Giraldes,  wie 
Th.  Braga  nachzuweisen  überkühn  unternommen^.  Dass  hie  und  da  aus 
den  Sprachformen  der  kastilianischen  Reimchronik  ein  portugiesischer  (oder 
einfach  ein  leonesischer)  Untergrund  durchschimmert  —  besonders  im  Per- 
fektum  der  Verben  da,  wo  sie  den  Reim  bilden   —  gebe  ich  ohne  weiteres. 


'  Frei  Antonio  Brandäo.     Sein  Neffe  Francisco  spricht  nur  von  rimas. 

^  Bellermann  wollte  in  einer  der  portug.  Strophen  jambischen  Tonfall,  in  einer 
anderen  trochäischen  Rhythmus  erkennen.  Soweit  der  Begriff  trochäisch  überhaupt  fin- 
den Romanzen-Achtsilbler  passt,  haben  wir  ihn  auch  auf  den  fallenden  Wandel  im  Poema 
do  Salado  anzuwenden. 

*  Gedruckt  von  Janer  1863  in  Sonderausgabe,  und  1864  im  57.  Bande  der  Bibl.  de 
Aut.  Esp.  nach  dem  Escurial-Manuskript,  das  der  grosse  Humanist  und  Staatsmann  Mendoza 
1513  in  Granada  entdeckte. 

^  Den  Namen  Rodrigo  Yanes  nennt  die  1841.  Strophe  des  Gedichtes.  Ob  damit 
nur  der  Schreiber  oder  der  Redakteur  der  merlinischen  Prophezeiungen  (1807  bis 
1844,  doch  vgl.  242—246)  gemeint  ist,  (die  vielleicht  interpolirt  sind),  oder  der  Dichter 
des  ganzen  Epos,  lässt  sich  hier  nicht  brevi  manu  entscheiden. 

^  Die  geistvolle  Hypothese  des  scharfsinnigen  Prager  Gelehrten  kennen  seine  Freunde 
bisher  leider  nur  durch  mündlichen  Bericht,  oder  (wie  ich)  durch  Briefe.  Sie  stützt  sich 
auf  die  Beobachtung,  dass  die  3.  Pers.  des  Perf  in  -6  r=  avit  (port.  oii)  nur  mit  sich  selbst 
reimt :  iö  —  ivit  (pg.  iu)  ebenso ;  und  ebenso  io  =  evit  (pg.  eti). 

*  S.  Curso  94—99  und  Questoes  143.  —  Früher  ehe  Cornu  gesprochen,  z.  B.  im 
Manual  ()h  neigte  Braga  dahin,  das  portug.  Gedicht  für  Nachahmung  des  span.  zu  er- 
klären. —  Schon  Milä  (foes.  Her. -Pop.  p.  417)  hatte  (1874)  Zusammenhang  beider  Werke 
angenommen,  es  unentschieden  lassend,  welches  von  beiden  Vorbild  und  welches  Nachahmung 
gewesen  sein  möchte.  Ich  sehe  die  Notwendigkeit  eines  solchen  Abhängigkeitsverhältnisses 
durchaus  nicht  ein.  Nur  aus  dem  Mangel  an  sonstigen  altportug.  Epen  Hesse  sie  sich  be- 
gründen ,  nicht  aber  aus  der  Wahl  des  Stoffes.  Irgend  welche  Vereinbarung  zwischen 
den  beiden  Kampfgenossen,  ja  eine  Art  Wettgesang  zwischen  den  Vertretern  der  beiden 
Könige  und  ihrer  Völker  ist  hingegen  sehr  wohl  möglich. 


Affonso  Giraldes,  Batalha  DO  Salado  u.  a.  205 


auf  Grund  selbständiger  Untersuchung,  zu^.  Diese  Thatsache  aber  ist  keines- 
wegs auf  das  Poema  beschränkt,  sondern  eignet  mehr  oder  minder  der  ganzen, 
stark  nach  Westen  weisenden  altspanischen  Litteratur.  Und  ich  erkläre  sie 
daraus,  dass  der  Verfasser  —  er  heisse  nun  Rodrigo  Eannes  oder  anders,  er 
stamme  aus  Zamora  oder  Logrono  oder  sonstwoher,  und  sei  mestre  de  Christo 
em  Portugal  gewesen,  oder  nicht^  —  daran  gewöhnt  war,  wie  so  viele 
seiner  Zeit-  und  Berufsgenossen,  auch  portugiesisch  zu  sprechen,  oder  wenig- 
stens zu  dichten,  und  dass  er  nur  auf  Wunsch  und  Befehl  des  königlichen 
Auftraggebers,^  (als  dessen  secretario  ihn  der  kluge  D.  Diego  de  Men- 
doza  hinstellt "*) ,  fiir  seine  gesta  semi-popular  das  Kastilische  wählte,  ver- 
geblich nach  voller  Spracheinheit  ringend.  —  So  dürftig  auch  die  über- 
lieferten Reste  des  portugiesischen  Gedichtes  sind  (40  Verse  in  4  kleinen 
Einzelfragmenten  von  i  -|-  2  -j-  6  +  i  Vierzeilern  5)  so  steht  seine  Echtheit 
wie  sein  Charakter  und  der  Name  des  Verfassers,  den  gewiss  der  Text  mit- 
teilte, ausser  Zweifel.  Im  Jahre  1433  schrieb  der  Infant  D.  Pedro  an  seinen 
Bruder,  König  D.  Duarte,  den  Urenkel  Alfons'  IV.,  in  einem  Glückwunsch- 
briefe, den  ich  besitze,  »er  möge  seines  Landes  so  segensreich  walten,  dass  er  es 
seinem  Sohne  ebenso  hinterlassen  könne,  wie  Affonso  Giraldes  schreibt, 
dass  König  Dionysius  sein  Reich  dem  Nachfolger  vermachte«^. — 
Zwei  Jahrhunderte  später  befand  sich  das  Gedicht  im  Besitze  des  Reichs- 
historiographen  Frei  Antonio  Brandäo  (1581  — 1637')  und  nach  ihm  ver- 

*  Dass  C  o  r  n  u  gerade  auf  diesen  Punkt  viel  Wert  legt,  deutete  Anm.  5  S.  204  an.  T  h. 
Braga  berücksichtigt  eine  einzige  der  einschlägigen  Strophen  (1500).  Im  Übrigen  entdeckt  er  im 
span.  Gedichte  und  in  den  port.  Fragmenten  zw^ei  gleichgestaltete  P  hr  äsen  !  Beide  Dichter 
reimen  nämlich  auf  den  Namen  des  portug.  Bannerträgers  Go  n (ja l(o)  Gomes  de  Azevedo 
die  Formel  sin  medo  (pg.  sem  medo),  und  verwenden  den  Satz :  todas  estas  cortesias  este  rey  mandoii 
fazer  {s^an.  ellnien  rey  hizo  faze)\  —  Hauptinhalt  mein  er  Ergebnisse  ist,  dass  modernes  J  — 
avit  darum  nicht  mit  io  =  ivit  und  evit  reimen  konnte,  weil  der  Verfasser,  nach  westlicher  (d.  h. 
altleonesischer  und  gallizischer,  im  Portug.  streng  durchgeführter)  Yolksart  das  Perfek- 
tum  der  er-Kon].  von  dem  der  /r-Konj.  noch  trennte,  d.  h.  nicht  für  beide,  iö,  noch  auch  iü  und 
eü  sprach,  sondern  iu  (resp.  to)  und  eu  (resp.  eo).  Nur  so  sind  die  Strophen  62 1,  1500,  l88y. 
2199  und  2418  erklärlich,  in  denen  die  Zeilen  1  und  8  in  ö,  die  Zeilen  2  und  4  in  cu 
reimen  (oder  in  hi  oder  umgekehrt).  Ein  Portugiese  hätte  nimmermehr  wie  in  Strophe  40. 
294-  320  1031.  2150  und  2181  geschieht  morio  (pg.  morre'u)  mit  vio  sirvio  complw  salio  oyo 
gradescio  reimen  können,  wohl  aber  ein  I>eonese,  dessen  Mundart  kastilisches  wmr  (neben 
portug.  morrer)  besass.  Im  Übrigen  fehlt  im  Gedichte  61  Mal  der  Reim  (resp.  die  Assonanz) 
gänzlich;  121  Mal  ist  er  unvollkommen,  gleichviel  ob  wir  den  Text  portug.  oder  kastilisch 
lesen;  87  Mal  haben  wir  im  Kastilischen  gute  Reime,  wo  die  entsprechende  portug.  Lesart 
reimlos  bliebe  (alle  Formen  von  ieiier,  venir  und  poner  eingerechnet,  die  natürlich  eine  andere 
Deutung  verlangen),  und  nur  57  Mal  wird  der  im  Kastil.  als  Konsonanz  unvollkommene  (als 
Assonanz  aber  im  Volksstile  zulässige  imd  im  Leonesischen  gute)  Reim  im  Portug.  voll- 
kommener. Facit  wie  oben  :  Der  Dichter  war  einLeonese,  aber  höchst  wahr- 
scheinlich gewohnt,  das  Portug.  als  Dichter  zu  handhaben! 

2  Die  Prosachronik  Ferdinands  IV.  nennt  in  Kap.  4  einen  Rodrigo  Yanez,  de 
Zamora;  einen  eben  solchen  aus  Logroüo  nennt  die  Chronik  Alfons'  XI.  Kap.  18 
(nicht  21),  und  ebenso  den  Ordensmeister  (l354). 

*  Daran,  dass  Alfons  XI.  das  Kasti  1  ische  begünstigte  und  pflegte, 
sogar  schon  im  lyrischen  Troubadourliede,  sei  hier  noch  einmal  er- 
innert. 

*  S.  Amador  de  los  Rios  IV  413. 

"  S.  Braga,  Curso  p.  95—97  und  Antologia  Nr.  41,  wo  jedoch  eine  Strophe  fehlt! 
Von  nur  2  erhaltenen  Strophen  reden  irrtümtich  Bellermann  und  Wolf.  im  Manual 
p.  65  wird  fälschlich  von   12  Strophen  gesprochen. 

*  E  porem,  Senhor,  vos  trabalhay  quanto  poderdes  como  as  primicias  de  vosso  reinado 
sej'am  praziveis  a  Dens  e  proveitosas  a  vossos  sogeitos,  e  [como]  crecendo  em  melhar  por  multos 
annos,  acabeis  em  seu  servifo  e  leixeis  vossos  reynos  ao  Ifante  meu  senhor  e 
vosso  filho  em  aqiielle  potito  que  Affonso  Gyraldes  escreve  que  0  deixou 
El  Rey  Dom  Denis  ao  seu. 

'  Monarch.  Lusit.  III:  liv.  X  cap.  45.  Brandäo  sagt:  um  romance  tenho  que 
trata  da  batalha  do  Salado  composto  por  Afonso  Giraldes  etc.    Vgl.   Curso  95. 


2o6    LiTTERATURGESCHICHTE     DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  4.    PORT.    LiTT. 

wahrte  es  sein  Neffe  und  Fortsetzer  Frei  Francisco  Brandäo  (1601  — 1680), 
der  drei  Stellen  daraus  anfuhrt '  und  sein  Manuskript  gelehrten  Freunden  wie 
Faria-e-Sousa2,  Padre  Joäo  Soares  de  Brito^  und  Jorge  Cardolo 
(1606— 1669)  mitteilte.  Dieser  letztere  kopierte  den  vierten  BruchteiH.  Alle 
Späteren,  auch  Bluteau'*  und  Barbosa  Machado,^  verwerteten  ausschliess- 
lich die  Angaben  ihrer  Vorgänger.  Niemand  hat  hernach  das  Manuskript 
wiedergesehen'.  Auf  seinen  Inhalt  und  die  Art  der  Darstellung  kann  man 
jedoch  Schlüsse  ziehen,  wenn  man,  ausser  den  10  erhaltenen  quadros ,  die 
lat.-portug.  Schilderung  im  Cartorio  da  Si  de  Lisboa  und  die  dem  Livro  de 
linhagens  eingefügte  lebensvolle  Darstellung  der  Schlacht,  vom  Grafen  Pedro 
Affonso  de  Barcellos,  liest,  der  selbst  mit  dabei  gewesen  ist;  sowie  anderer- 
seits das  spanische  Poem  und  die  spanischen  Prosaberichte  ^. 

50.  Das  vierte  unter  den  erhaltenen  Bruchteilen  lautet:  »Outros  falam 
da  gran  razom  De  Bistoris,  gram  sabedor,  E  do  Abbade  Dom  Joam  Que  venceo 
Rei  Almanfor^.  Es  stellt  ausser  Zweifel,  dass  um  die  Mitte  des  14.  Jhs.  noch 
andere  romanzenartig  erzählende  Gedichte  von  anderen  Autoren  existierten. 
Als  Beispiel  nennt  Giraldes  ein  Poem  über  den  unbekannten  grossen  Weisen 
»Bistoris«  (oder  Abistoris?  Lesefehler  für  Aristotlis  =  Aristoteles?  das 
wäre  eine  poetische  Version  der  Secreta^^  secretortim'^.)  und  ein  zweites  über 
den  Abhas  Laurbanensis  {de  Lorväo)  und  seine  sagenumwobene  Verteidigung 
der  Veste  Montemör  gegen  den  Kalifen  Almanzor  von  Cordova  (888).  — 
Sie  sind  spurlos  verschollen  und  mit  ihnen  alles  was  sonst  etwa  Ähnliches 
vorhanden  war. 

'  Mon.  lus.  V,  liv.  XVI  cap.  13  (gedr.  1650).  In  diesem  Kapitel  über  Pay  Correa 
wird  die  .Strophe  über  seinen  Urgrossneffen ,  den  Bannerträger  Gon^alo  Gomes  de 
Azevedo.  citiert.  Im  folgenden  Bande  (gedr.  1672),  liv.  XVIII  cap.  5,  werden  betreffs  der 
Bestimmungen  über  die  Tracht  der  portug.  Juden  und  Mauren  die  zwei  Strophen  über  die 
sinaes  und  ahnexias  kopiert.  Im  32.  Kap.  folgen  die  weiteren  sechs  über  Kindheit, 
Jugend  und  Heimat  Alfons'  IV. 

2  Epitonie  (gedr.  1628/29.  1663.  1674.  1677.  1736)  liv.  IV  cap.  18;  EuropaWl  354 
und  11  170;  Asia,  No.  82  des  Elencho  das  obras  manuscriptas .  Überall  wird,  fast  mit 
Brandao's  Werten,  Alonso  Giraldes  kurz  citiert  und  sein  Foema  mredondillas  de  la 
hatalla  del  Salado  en  que  se  hallö. 

*  Theatrum  Lusit.:  A  No.   11. 

*  Agiologio  Lusitano,  vol.  I  p.  328  (gedr.  1652).  Wie  Bellermann  dazu  ge- 
kommen ist,  das  Datum  1757  anzugeben,  weiss  ich  nicht.  Bezeichnet  es  etwa  die  Zeit,  w^o 
der  Padre  Antonio  dos  Reis,  seinen  Enthtisiasmus  Poeticus  schrieb,  und  unter  No.  1 92 
(Corpus  Poetarum,  vol.  VIII)  des  Giraldes  gedachte. 

^  S.  Vo^abulario  vol.  I  p.  270  (1712)  s.  v.  Almexia.  Dass  Bluteau  die  Beleg 
stellen  dem  Manuskript  entnahm,  ist  eine  willkürliche  Behauptung.    Er  benutzte  Brandäo. 

«  Bibl.  Lus.  I  p.   37. 

'  Weder  P.  Francisco  Freire,  Reflexoes  III  59;  noch  Bei  1  ermann  p.  21  und 
48;  A.  de  los  Rios,  Judios  50;  Milä  oder  Wolf,  Jahrb.  VI  92  und  Studien  87  und 
720  etc.  Aus  dem  Datum  eines  Wiederabdrucks  der  Monarchia  Lusitana  folgern  zu  wollen, 
das  Manuskript  .sei  noch  1751  vorhanden  gewesen,  wie  Braga  thut  (Curso  97),  ist  min- 
destens unerlaubt! 

*  üb  es  so  frisch,  dramatisch  und  volkstümlich  war,  und  so  viele  Romanzenformeln 
und  -Zeilen  wie  das  span.  Gedicht  enthielt,  niuss  natürlich  dahingestellt  bleiben. 

*  Jorge  Cardoso,  der  die  Legende  vom  heiligen  Abte  erzählt,  fügt  hinzu  :  Corrobora 
se  mais  esta  verdade  com  hum  Romance  que  nos  communicott  0  Chronista  Mor  Fr.  Francisco 
Brandäo,  0  quäl  allega  ja  seu  tio  na  j  Parte  da  Mon.  Lus.,  feito  em  tempo  del  Rei  D. 
Afonso  IV por  Afonso  Giraldes  cerca  da  memoravel  batalha  do  Salado,  e  recontando  0  que 
cantäräo  tnititos  em  seus  Poemas  diz  assi  etc.  Braga,  der  diesen  Passus  (wie  auch  den  Hin- 
weis darauf  bei  Barb.  Machado  und  Bellermann)  hätte  kennen  müssen,  las  die  be- 
treffende copla,  welche  zur  Einleitung  gehörte,  nur  bei  A.  de  los  Rios  (IV  41 3).  unf' 
baute  darauf  die  müssige  Hypothese :  »der  span.  Litterarhistoriker  habe  vielleicht  ein  hand- 
schriftl.  Fragment  des  port.  Saladogedichtes  besessen".  Auch  die  Idee,  der  gratn  sabedor 
Bistoris  sei  der  biblische  Engpass  Betzacharah(\),  wird  sich  keinen  Freund  erwerben. 

'**  Die  Segredos  besass  z.  B.  D.  Du  arte. 


Affonso  GiRALDES.   —  Prosa  :  Charakter.    Histor.  Schriften.       207 

III.  PROSA. 

51.  Über  die  ältesten  Denkmäler  in  ungebundener  Rede  sind  wir  sehr 
ungenügend  unterrichtet.  Von  dem  Wenigen  was  sich  bis  auf  unsere  Tage 
erhalten  hat,  ruht  das  meiste  noch  ungedruckt  und  unverwertet  in  portugie- 
sischen oder  ausländischen  Bibliotheken  und  von  zahlreichen ,  heute  ver- 
schollenen Büchern  »em  linguagem«,  deren  Titel  uns  erhalten  sind,  weil  sie 
einst,  im  15.  Jh.,  in  den  Bibliotheken  portugiesischer  Könige  und  Fürsten  aut- 
bewahrt wurden,  wissen  wir  nicht  einmal  mit  Sicherheit,  ob  sie  überhaupt 
em  portugtiez,  oder  in  irgend  einem  anderen  romance  vulgär  abgefasst  waren '. 
Soweit  man  urteilen  kann,  war  jedoch  die  Prosaproduktion  der  ersten  Epoche 
eine  äusserst  dürftige.  Die  Wissenschaften,  die  sich  mit  der  Aneignung  dessen 
begnügten  was  frühere  Zeitalter  und  fremde  höher  kultivierte  Nationen  gefunden 
hatten 2,  und  die  Geschichtsschreibung,  die  kaum  mehr  that,  als  kurze  anna- 
listische Notizen  lose  aneinanderzureihen,  bedienten  sich  des  Lateinischen, 
und  nur  wo  man  bestimmte  Kenntnisse  vulgarisieren  wollte  oder  musste, 
griff  man  zum  Portugiesischen.  —  Unbeholfen  tastend,  in  kleinen  Sätzen,  von 
denen  jeder  für  sich  dasteht,  oder  in  unlogischen  und  ungelenken  Fügungen, 
wenn  man  den  lateinischen  Periodenbau  oder  die  provenzalisierenden  Dich- 
tungen nachahmen  wollte ,  begann  die  Prosa  wie  überall  später  und  ent- 
wickelte sich  langsamer  als  die  Poesie,  so  dass  man  eigentlich  für  sie  eine 
besondere  Periodeneinteilung  vornehmen  müsste,  deren  früheste  erst  mit  dem 
Jahre  1300  beginnend,  bis  weit  über  1400  hinausdauerte  (1450).  Das  Jahr 
1350  oder  1385  bezeichnet  jedenfalls  keinen  Abschnitt  für  die  im  Werden 
begrifiene  Prosagcstaltung  und  gewisse  (nicht  alle)  Werke  des  15.  Jhs.  gehören 
nach  Stoff,  Geist  und  Sprachstil  noch  durchaus  der  ersten  Periode  an'^.  — 
Was  vorhanden  ist,  hat  teils  kirchlichen,  teils  höfischen  Charakter,  be- 
schränkt sich  aber  in  beiden  Fällen  fast  ausschliesslich  auf  Übersetzungen  oder, 
bald  resümierende,  bald  paraphrastische  Bearbeitungen  lateinischer,  französischer 
oder  spanischer  Vorbilder.  —  In  den  Klöstern  und  Klosterschulen  vulgarisierte 
man  einzelne  Bücher  der  heiligen  Schrift  —  Genest  —  Os  Evafigelhos  —  Os 
Actos  dos  Apostolos  —  O  livro  de  Salamäo^  —  oder  etwas  später  die  ganze 
Bibel  —  Blivia  — ,  sowie  dazu  gehörige  Erläuterungen  —  Collaföes  — ;  dazu 
fromme  Legenden,  Märtyrer-  und  Heiligenleben  —  Livro  dos  Martires —  Livro 
dos  Padres  Santos  — ;  Ordensregeln,  Gebete,  Erbauungsschriften  und  Predigten 
—  Fregaföes,  Meditaföes  —  und  moralphilosophische  Abhandlungen,  nicht 
selten  in  Form  von  Beispiel-  oder  Sentenzensammlungen.  Auch  zeichnete  man 
daselbst  summarische  Regesten  auf.  Bei  Hofe  kompilierte  man  Adels-  und 
Jagdbücher  5  und  Pallastgesetze,  schrieb  gleichfalls  kurze  Chroniken  und  ergötzte 
sich  an  der  Lektüre  und  Übertragung  der  grossen  altfranzösischen  Ritter- 
romane und  Fabliaux,  die  man  direkt  oder  auf  Umwegen  übernahm,  sowie  der 


^  D.  Du  arte's  Bücherverzeichnis  nennt  zuerst  20  lat.  Werke  (de  latim)  die  er  be- 
sessen, dann  64  romanische  em  Hngoagem;  und  wir  wären  unbedingt  berechtigt,  portug. 
Texte  darunter  zu  verstehen  (wo  nicht  ausdrücklich  y>per  casteläo  oder  per  aragoez  etc.  ge- 
sagt ist),  stände  nicht,  zum  Unglück  auch  einmal  per  parhigues  neben   einem  der  Werke. 

2  S.Port  Mott.  Hist. :  Scriptares,  vol.  I.  —  Mindestens  zwei  bedeutende  Beiträge  steuerte 
Portugal  jedoch  zum  mittelalterlichen  Bücherschatze  bei:  die  Snmmulae  Logicales  und  den 
Thesaurus  Panpertim  des  schon  früher  genannten  Petrus  Hispanus. 

*  Herausgeber  wie  Herculano  (in  den  Scriptores)  und  Frei  Fortunato  de  S. 
Boa  Ventura  in  seiner  Collecgäo  de  Ineditos  Partuguezes  trennen  die  Texte  des  14.  jhs. 
gar  nicht  von  denen  des  15. 

*  Möglich  ist,  dass  das  altportug.,  natürlich  unbekannte  Livro  de  Salomäo  der  humo- 
ristische Salomäo-Marcolpho  war. 

^  Ob  vor  D.  Joäo  I.  irgend  ein  Livro  de  Monteria  oder  de  Cetreria  portug.  ge- 
schrieben ward,  bleibt  noch  zu  erweisen. 


2o8    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.    PORT.    LllT. 


berühmtesten  unter  den  mittellateinischen,  in  der  ganzen  europäischen  Litte- 
ratur  umgehenden  Geschichten  (aus  der  Disciplina  ckricalis,  s.  II  i ,  210;  Gesta 
Romanorum,  s.  II  i,  321  und  Septem  Sapientes,  s.  II  i,  321).  —  Es  wirkt  daher 
fast  befremdend  und  erweckt  begreifliche  Zweifel,  wenn  man  erfährt,  dass  eine, 
ganz  vereinzelt  dastehende,  selbständige  und  epochemachende  Kunstschöpfung 
noch  aus  den  Tagen  des  Königs  Dionysius  stammt.  Dennoch  scheint  es  heute 
gewiss,  dass  am  Hofe  dieses  Monarchen,  also  vor  1325,  der  erste  Amadis- 
Roman  erfunden  ward.    (S.  u.  §  55.) 

52.  Historische  Schriften.  Von  allen  eigentlich  juridischen  Do- 
kumenten, wie  sie  von  1192  an  zuerst  spärlich  und  erst  von  1250  an  etwas 
reichlicher  auftauchen,  ist  hier  selbstverständlich  zu  abstrahieren,  so  viel  des 
wissenschaftlich  Interessanten  sie  auch  bieten  1.  Nur  von  Chroniken  und  Adels- 
büchern haben  wir  zu  reden.  Von  den  letzteren  zuerst,  weil  sie  umfang- 
reicher sind  und  Sitte,  Geist,  Denkungsart  und  die  vulgäre  Redeweise  der  Zeit 
treuer  und  lebendiger  abspiegeln  als  die  meist  summarischen  Aufzeichnungen 
der  ältesten  Geschichtsbücher.  —  Wir  besitzen  vier  verschiedene  Redaktionen 
der  livros  de  linhagem  (denen  das  16.  Jh.  den  vornehmeren  Titel  »Nobiliarios« 
gab).  Zwei  sind  vollständige  Werke  (I  u.  IV),  das  eine  ältere  ist  kurz,  das 
jüngere  breit  angelegt ;  die  zwei  anderen  sind  unvollständige  Bruchstücke,  von 
denen  wiederum  das  ältere  (II)  knapp,  das  jüngere  aber  weitläufig  ausgeführt 
ist  (III).  Alle  sprechen  die  Sprache  des  13.  und  14.  Jhs.,  d.  h.  die  Sprache 
der  Troubadours.  —  Geschlechtsregister  muss  es  vom  Beginn  der  Monarchie 
an  gegeben  haben ,  mit  Angabe  der  Allianzen ,  Stiftungen ,  Rechte  und  Ver- 
dienste der  einzelnen  Adelsfamilien.  Sie  hatten  unbedingt  offiziellen  Charakter, 
d.  h.  waren  »escripturas«  und  gehörten  zum  Staatsarchiv  {chancellaria;  camara 
del  Rey;  Recabedo  re^ni).  Da  sie  in  stetem  Werden  und  Wachsen  begriffen 
waren,  wurden  Neuschriften  mehrfach  nötig.  Als  die  individuelle  Arbeit 
Einzelner  sind  sie  daher  nicht  zu  betrachten;  selbst  die  dem  Grafen  von 
Barcellos  zugeschriebene  jüngste,  mit  vielem  Beiwerk  ausgestattete  Redaktion 
nur  mit  Vorbehalt.^  —  I.  Die  älteste  erhaltene  trägt  meist  den  Titel  Livro 
velho^.  Sie  verzeichnet  die  portugiesischen  Geschlechter  von  1085  an  bis 
nach  1300,  und  ward  auf  höheren  Befehl  angelegt*,  ich  denke,  bald  nachdem 
im  Lateranischen  Konzil  von  121 5  über  die  Erlaubtheit  von  Heiraten  unter 
Verwandten  neue  Beschlüsse  gefasst  waren.  Zu  den  schlichten  Namenlisten 
sind  drastische  Necknamen  und  bereits  kurze  Andeutungen  über  hervorstechende 
Schand-  und  Heldenthaten  hinzugefügt,  nebst  einer  Einleitung  über  Grund 
und  Zweck  des  Werkes.  Die  letzten  Zusätze  zu  dem  1343  transscribierten 
Exemplar,  auf  das  sich  unser  Wissen  basiert,  sind  nach  1328,  dem  Geburts- 
jahre Peters  des  Grausamen,  geschrieben &.  — •  II.  Das   zweite  Adelsbuch   ist 

*  Y g\. Port. Mon.  Bist.:  Diplomata  et  Chartae.  —  Inquisitiones.  —  Leges  et  Consuetudines. 
^  Abgedruckt    stehen  alle   vier  in    der    ebengenannten   akademischen  Publikation ,  im 

Bande  dtr  Scrip tores ,  vol.  I  p.  132 — 390.  Die  beste  Untersuchung  lieferte  Herculano, 
(ebenda  p.  132 — 143  und  in  den  Memorias  da  Academia,  vol.  I  l854),  doch  sind  seine  Aus- 
führungen weder  fehlerlos  noch  erschöpfend,  wie  auch  die  Textbehandlung  an  mancher 
kleinen  Schwäche  krankt. 

*  Um  1580  entdeckte  der  Fälscher  Lousada  die  aus  der  Torre  do  7b/«(5ö  stammende 

Handschrift  von  1343,  welche  mit  dem  Schlusssatz  endet:  Ego  Martimis  Joann.  scripsi 

era  MCCCLXXXI-^  Brandäo  benutzte  sie  1634;  ein  gewisser  Torre  fertigte  danach  für 
den  Herzog  von  Abrantes  eine  Kopie,  welche  Sousa,  der  Verfasser  der  Historia  Genealo- 
gica  1739  in  den  y>Provas«  vol.  I  p.  141  — 173  abdruckte.  Was  aus  dem  alten  Ms.  geworden, 
ist  unbekannt.    Herculano  konnte  Sousa's  Text  mit  zwei  weiteren  Kopien  kollationieren. 

*  Vermutlich  war  der  Auftraggeber  ein  König  (Sancho  II.  oder  Alfons  III.).  Der 
in  der  Schlussrubrik  genannte  Dekan  von  Lissabon  Hess  wohl  nur  die  A  b  schrift  für  sich 
herstellen.     y>Faze7nos  escrever  este  livro«.  heisst  es  in  der  Einleitung. 

''  Nicht  vor  1318,  wie  Lousada  meinte,  gewisse  Angaben  und  Sprachformen  mis- 
verstehend  {seve  das  Perf.  von  seer  =  sedere  hielt  er,  wie  alle  späteren  Herausgeber,  Her- 


Prosa:  Historische  Schriften.  209 

ein  knappes  Fragment,  welches  äusserlich  dieselben  Schicksale  wie  das  Livro 
vdho  durchgemacht  hat  und  meist  unter  jenen  Titel  mit  einbegriffen  wird,  ge- 
hört jedoch  zu  einem  anderen  Werke  von  abweichender  Anlage.  Ausser  der 
Würze,  die  schon  jenes  bietet,  enthält  es  eine  ausführliche  Geschichtslegende: 
A  lenda  de  Gaya  (aus  dem  Salman-Morolfzyklus)!.  —  III.  Das  dritte  Adels- 
buch ist  seit  dem  16.  Jh.  mit  dem  Cancioneiro  da  Ajuda  zusammengebunden, 
sicherlich  weil  der  Besitzer  in  beiden  Pergamenten  des  14.  Jhs.  Reste  der 
Werke  des  Grafen  von  Barcellos  zu  erkennen  glaubte.  Vorhanden  sind  heute 
nur  Kapitel  21  bis  35  (das  erste  wie  das  letzte,  und  noch  mehrere  andere,  nur 
halb)-.  Die  fortwährenden  »Allegationen«  und  Verweise  auf  Vorangehendes 
und  Nachfolgendes  geben  jedoch  unfehlbar  sicheren  Aufschluss  darüber,  dass 
das  Buch  ursprünglich  aus  mindestens  58  (und  vielleicht  76)  Abschnitten  be- 
stand, deren  Inhalt  wir  rekonstruieren  können  3.  Und  zwar  stimmt  das  Vor- 
handene wie  das  Fehlende  nicht  absolut,  aber  dennoch  so  genau  zu  den 
entsprechenden  Teilen  des  Grafenbuches,  dass  wir  es  fiir  eine  alte,  im  1 4.  Jh. 
zu  praktischen  Zwecken  als  Nachschlagebuch  und  zur  Aufnahme  von  Nach- 
trägen angefertigte ,  doch  bereits  überarbeitete  Kopie  des  verlorenen  Grafen- 
originals zu  betrachten  haben.  —  Eine  Sonderbeilage,  die  allen  übrigen  Abschriften 
fehlt,  bildet  im  2 1 .  Kapitel  eine  leider  fragmentarische,  lebensvolle  Schilderung 
der  Schlacht  am  Salado,  auf  die  ich  schon  hindeutete  (§  49).  —  Gemeinhin  be- 
zeichnet man  dies  Adelsbuch  als  -»Nobiliario  do  Collegio  dos  Nob^res«.  (§  46). 
IV.  Das  letzte,  —  welches  die  Kritik  »<?  Livro  do  Condcs.  oder  >^ Nobiliario  do 
Conde  D.  Pedro«  nennt,  —  wird  noch  heute  im  Staatsarchive  (Torrc  do  Tombo) 
aufbewahrt,  doch  nur  in  einer  Pergamentabschrift  (von  228  Blättern)  aus  dem 
Ende  des  XV.  Jhs.*,  ist  ausserdem  aber  in  zahllosen  Codices  auf  der  ganzen 
Halbinsel  verbreitet.  Das  Original,  dessen  der  Graf  in  seinem  Testamente 
nicht  gedenkt,  ist  verloren^.  Auch  reproduziert  weder  III  noch  IV  den  Text 
genau  so  wie  er  aus  der  Feder  des  Grafen  (vermutlich  vor  1325  und  auf 
Wunsch  und  Auftrag  seines  Vaters  D.  Dinis)^  hervorging.  Beide  Texte  enthalten 
deutlich  erkennbare  Zusätze  ^  und  Interpolationen,  im  Einklänge  mit  und  als 


culano  nicht  ausgeschlossen,  für  se  ve  d.  h.  für  das praes.  von  reflex.  ver).  —  Doch  sind 
keineswegs  alle  Stammbäume  bis  zu  dem  Datum  1328  fortgeführt. 

1  S.  Ro7}iania  VII  46 1   und  IX  436. 

'  Die  Kapitel  heissen  » Titulösv.  (wie  in  der  Poetik)  und  zerfallen  wiederum  in  Para- 
graphen. 

'  So  viele  (76)  Kapitel  bietet  nämlich  das  vierte  Livro  de  linhagem.  Verweise  auf 
die  letzten  18  Abschnitte  kommen  nicht  vor,  wahrscheinlich  weil  die  in  demselben  be- 
handelten, wenig  bedeutenden  Familien  keinen  Anlass  dazu  gaben;  vielleicht  aber  auch  weil 
jene  einen  späteren  Zusatz  bilden  (?).  Dass  er  sein  Werk  also  einteilen  und  behufs  leichterer 
Orientierung  sich  der  »Allegationen«  bedienen  würde,  hatte  der  Graf  im  Prologe  vermerkt. 
In  der  ältesten  vorhandenen  Abschrift  aus  dem  15.  Jahrbuch  fehlen  jedoch,  wohl  infolge  der 
Bequemlichkeit  der  Schreiber,  oder  weil  durch  Zusatzparagraphen  die  Ordnung  verschoben 
war,  die  Paragraphen-Nummein.    In  Fragment  III  bestehen  sie  noch  zu  Recht. 

*  Noch  1693  war  diese  Ersatzkopie  ungebunden;  und  ein  ganzes  Heft,  das  abhanden 
gekommen  war,  musste  nach  einem  guten  Exemplar  der  Bragaitgas  ergänzt  werden !  Heraus- 
gegeben ward  das  Nobiliario  zum  ersten  Male  1640  durch  J.  B.  Lavana  (Rom);  dann 
(Madr.   1646)  durch  Faria-e-Sousa  in  spanischer  Überarbeitung. 

*  Auch  das  Original  ward  sicherlich  im  Staatsarchiv  aufbewahrt,  und  die  vorhandene 
Kopie  darnach  gefertigt,  als  jenes  sachlich  oder  materiell  unbrauchbar  geworden  war.  Nur 
die  Auffassung,  die  Adelsbücher  seien  zu  den  Escripturas  gerechnet  worden,  macht  begreif- 
lich, dass  z.  B.  König  D.  Duarte   kein  Exemplar    davon  in  seiner  Bibliothek  barg. 

*  D.  Dinis  Hess  gründliche  Inquirtgots  in  allen  Klöstern  des  Landes  anstellen. 

■^  Sie  sind  erkennbar  durch  Inhalt  und  Fassung.  Was  z.  B.  über  ihn  selbst  in  dritter 
Person  berichtet  wird  (p.  227  und  313;  193  und  29O;  256;  257)  und  was  die  Regierungs- 
zeit Peters  I.  von  Kastilien,  und  Peters  von  Portugal,  sowie  seines  jungen  Erben  betrifft, 
kann  der  Graf  z.  T.  überhaupt  nicht,  oder  s  o  nicht  geschrieben  haben.  Doch  nicht  allein 
Aussagen,  welche  zeitlich  über  seinen  Tod  (1354)  hinausgehen,  auch  manche  viel  früher, 
ÜKÖBER,  Grundriss.    IIb.  I4 


2IO    LlTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER,  —  4.    PORT.    LllT. 


Antwort  auf  die  ganz  natürliche ,  vom  Grafen  selbst  im  Prologe  geäusserte 
Bitte,  »die  Nachkommen  möchten  seine  Angaben  vervollständigen«  ^  Beide 
haben  auch  hie  und  da,  doch  nicht  ganz  gleichmässig,  schlimme  Anekdoten  aus- 
radiert, und  sich  gegen  einzelne  Darstellungen  des  Grafen  aufgelehnt  2.  Daran 
zu  zweifeln,  ob  III  und  IV  wirklich  das  Grafenbuch  repräsentieren,  sehe  ich 
keinen  stichhaltigen  Grund.  —  Von  I  und  II  entfernen  beide  sich  erheblich  (IV 
ist  zehnmal  so  umfangreich  wiel).  Während  jene  nur  von  portugiesischen  Familien 
handeln,  beschäftigen  diese  sich  auch  mit  Kastilien,  Aragon,  Leon,  Gallizien 
und  Navarra,  ja  sogar  mit  Frankreich  und  Brittanien.  Jene  wollen  nur  Klarheit  über 
die  Familienbeziehungen  schaffen;  diese  versuchen  Weltgeschichte  zu  schreiben. 
Dort  erfahren  wir  nur  kurze  Anekdoten,  hier  ausführliche  Geschichten  und  Sagen. 
Jene  schliessen  unter  D.  Dinis  ab  ^  ;  das  Grafenbuch  aber  führt  bis  zu  den  Leb- 
zeiten König  Ferdinands.  Dort  haben  wir  keinen  Hinweis  auf  irgend  eine 
Quelle,  hier  sagt  uns  der  Verfasser  er  habe  »mit  heissem  Bemühen«  die  alten 
Geschlechtsregister 4  und  viele  Dokumente  durchforscht,  das  Land  durchreiscnd'% 
und  verweist  ausserdem  auf  die  Siete  Partidas ,  die  Estoria  de  Espanha  und 
die  Weltchronik  Alfons'  X  (möglicherweise  auch  nur  auf  die  darauf  basierte 
Chronica  abreviada  seines  Freundes  und  Vetters  D.  Juan  Manuel);  ferner 
erwähnt  er  die  estoria  do  Conde  Fernan  Gonzalez  und  mit  Rücksicht  auf  den 
Cid  auch  die  Chronica  dos  reys  (d.  h.  das  Lib.  Regtwi)  und  »ouiros  livros 
viuitos« ;  er  zitiert  eine  estoria  de  Troia,  kennt  Merlint,  Arthiis,  Lancelot;  den 
BrtU;  die  Isla  Avalon;  die  Doze  Pares;  den  Aristoteles  (Segredösf);  die  Bibel 
(a  leemda  und  a  %>edra  ley)  u.  a.  m.  Er  fügt  die  Sage  von  König  Lear  ein,  sowie 
die  Mährchen  von  »Dame  Ziegenfuss«  und  vom  »Meerweibe«  und  berichtet 
besonders  Genaues  von  den  Thaten  und  dem  Charakter  seiner  portugiesischen 
wie  spanischen  Zeitgenossen.  —  Als  einen  unentbehrlichen  Kommentar  zu 
den  realistischen  Spott-  und  Schmähgedichten,  aber  auch  zu  den  Liebesliedern 
des  Cancioneiro,  haben  wir  die  vier  Adelsbücher  zu  betrachten.  Als  historische 
Quellen  ziemlich  unbrauchbar^,  sind  sie  sittengeschichtlich  sehr  wertvoll. 

j!j.  Chroniken.  An  erster  Stelle,  obgleich  in  der  einzigen  vorhandenen  Hs. 
erst  vom  Jahre  1 39 1  {erai/\.2())  datiert,  steht  eine  ganz  kurze  sogenannte  »Chrotnca 
breve  do  Archivo  National«^'  die  ihren  Namen  mit  Recht  trägt,  denn  sie 
besteht  aus  nichts  als  einer  Reihe  dürrer  und  loser  annalistischer  Notizen  über 


vor  1343,  niedergescliriebene  Nachträge  stammen  nicht  mehr  aus  des   Grafen  Feder,  der  sein 
Werk,  meiner  Ansicht  nach,  vor  1325  abschloss  und  seihst  nicht  wieder  berührt  hat. 

*  E  rogo  a  aquelles  que  depois  mym  veerem  e  vontade  oitverem  de  saber  os  linhagens, 
que  accrecentem  em  estos  titolos  deste  livro  aqtielles  que  adiantc  decenderem  dos  nobres  fidalgos 
da  Espanha,  e  os  ponham  e  esprevam  nos  logares  hu  conve»t. 

2  So  wird  7,.  B.  im  Tit.  35  eine  vom  Grafen  erzjihlte  Skandalgeschichte  für  eine 
apostiUa  de  maldizer  erklärt.  —  Man  sollte  annehmen  dürfen,  dass  alte  Zusätze  zu  einem  im 
Staatsarchive  niedergelegten  historischen  Dokumente  nur  aus  der  befugten  Feder  der  Reichs- 
chronisten und  Guardas  stammen  können,  oder  in  ihrem  Auftrage  durch  die  Escriväes  das 
Escripturas  da  Torre  gefertigt  wuiden.  Ob  aber  Fern  am  Lopes  oder  Joäo  das 
Regras,  die  beide  das  Grafenbuch  ergiebig  benutzt  haben,  wie  angenommen  worden  ist, 
thatsächlich  einige  davon  schrieben,  wird  sich  kaum  entscheiden  lassen.  Ich  halte  alle 
Zusatz-Bemerkungen  für  älter  als  jene  beide  Autoren.  Von  systematischem  Weiterbau 
ist  übrigens  nicht  die  Rede.  Nicht  einmal  was  des  Grafen  Genealogie  angeht  (z.  B.  seine 
dritte  Heirat)  wird  gebucht. 

*  Ganz  vereinzelte  Zusätze,  wie  die  Notiz  über  Alforis  IV.,  abgerechnet. 

^  Er  spricht  von  escripturas  que  fallavam  dos  linhagens,  und  benutzte  thatsächlich  und 
selbstverständlich  das  Livro  velho,  und  gewiss  noch  andere  uns  unbekannte  Geschlechtsregister. 

^  Poren  eu,  Conde  D.  Pedro,  filho  do  inuy  nobre  Rey  D.  Dinis,  ouve  de  catar  por  gratn 

trabalho  por  tmiitas  t  er  ras e  veemdo  as  escripturas   com  grande  estudo,    c  em  como 

fallavatn  doutros  grandes  feitos,  compuge  estc  livro. 

^  Der  G  eschichts  Schreiber  darf  sie  ^um  Babel  de  quantos  con tos  absurdes  se  foram 
Jorjando  duranle  a  idade  medial,  nennen. 

'  Port.   Mon.  Ilist.  :  Scriptores  T   j).   22  -23. 


Prosa  :  Chroniken.    Fromme  u.  lehrhafte  Schriften.  211 

das  Leben  (d.  h.  Regierungsantritt,  Todesjahr,  Begräbnisstätte  und  Descendenz) 
der  "ersten  sechs  portug.  Könige  von  1150  bis  1325.  ^-  Denselben  Zeitab- 
schnitt behandeln  bedeutend  ausführlicher  und  Thaten  berichtend,  die  bereits 
dem  15.  Jh.  angehörigen  vier  -»Chrotiicas  breves  e  Memorias  avulsas  de  S.  Cruz«^. 
und  das  -»Liuro  da  Noa  de  S.  Cruz«  das  lateinisch  beginnt  und  portug.  fortfahrt 
(bis  1406).''^  —  Hübsch  und  interessant  ist  eine  mit  gefälligen  Legenden  verbrämte 
Darstellung  der  Eroberung  Lissabons  und  Gründung  des  Vincenzklosters  y>  Chro- 
nica dos  Vicentes«  oder  -»da  fundafäo  do  Moesleiro  de  S.  Vicente  de  Lixboa«  3,  die 
als  freie,  doch  treue  (nur  mit  Hülfe  der  Tradition  und  uns  unbekannten  Quellen 
erweiterte)  Bearbeitung  eines  1088  geschriebenen,  auf  den  Bericht  zweier  Augen- 
zeugen basierten  lateinischen  •» Indiculum<i.  zu  betrachten  ist.  •*  —  Die  dem 
Geiste  nach  verwandte  »  Vida  de  D.  Tello  e  Noticia  da  Ftindagäo  do  Moesteiro 
de  S.  Cruz  de  Coivibra«  ist  viel  später  entstanden  (15  s.)^.  —  Hinzu  kommt 
nur  die  »Chronica  da  Conquista  do  Algarve«^^  und  die  legendenartig  gehaltene 
Vida  de  S.  Isabel,  Portugals  heiliger  Elisabeth ".  —  Übertragen  wurden ,  an- 
geblich auf  Befehl  des  D.  Dinis,  aus  dem  Spanischen  Stücke  der  Seite  Fartidas, 
d.  h.  die  sich  mit  römischem  Recht  befassende  Fariida- 1^,  die  VVeltchronik 
Alfons'  des  Weisen  als  -»Estoria  geral«.  9,  die  Coronica  de  Hespanha  '*^  und  ver- 
mutlich auch  die  »Gran  Conquista  de  Ultramar«.  ^^  Aus  dem  Arabischen  u.  a. 
durch  den  Kapellan  Gil  Peres  die  Geschichte  und  Geographie  der  Halbinsel 
des  Mauren  Razis  de  Cordova^'^. 

53.  B.  Fromme  und  lehrhaft-didaktische  Schriften.  —  In  Alco- 
ba^a  und  S.  Cruz,  wo  frühe  vorzügliche  gelehrte  Schulen  entstanden,  ward 
fleissig  übersetzt,  kompiliert  und  kopiert,  und  aus  der  Handschriften-Bibliothek, 
besonders  des  erstgenannten  Klosters,  hat  sich  mancher  wertvolle  Band  ge- 
rettet '3.  Auch  die  Namen  einiger  emsiger  schriftgelehrter  Mönche  aus  Alcobaga 
sind  durch  die  Hss.   überliefert  (Frei  Hilario    da   Lourinhä,   Hermene- 


'  Port.  M(m.  Hist.,  p.  23—32. 

^  Sous.i,  Provas  I,  375— 390;  Espana  Sagrada,  Bd.  23. 

*  ib.  p.  407 — 414,  nach  einem  Ms.  der  Torre  do  Tombo.  Einen  besseren  Text  liess 
Johann  III.  1538  in  S.  Cruz  drucken.  Eine  Neuausgabe  davon  erschien  1873  in  Porto.  Vgl. 
ßraga,   Questöes,  p.   123 — 128:  Primordios  de  Historia  Portttgtteza. 

*  Scriptores  p.  91  —  94.  Die  Gewährsmänner  hiessen  Fernam  Pires  und  Otha, 
(sie)  natione  theutoniais.  Letzterer  war  wahrscheinlich  einer  der  kölnischen  oder  lothrin- 
gischen Kreuzfahrer ,  die  bei  der  Erstürmung  Lissabons  mithalfen.  Den  fremdländischen 
Berichten  steht  der  portug.  an  historischem  Werte  bedeutend  nach,  wie  Ulrich  Cosack 
bewiesen  (Dr.-Dissert.   v.   1875). 

*  ib.  p.  75  —  78.    Der  Dominikaner  Padre  Alvaro  da  Motta  arbeitete  daran   1455. 

*  Memorias  de  Litteratura  vol.  I  p.  74 — 98  und  Scriptores  415- 420. 

''  Ein  Exemplar  des  Livro  da  Raiftha  Dona  Ilizabeth  gehörte  1415  dem  »Standhaften 
Prinzen«.  —  Brandäo  druckte  es  nach  einer  im  Kloster  der  heiligen  Klara  aufbewahrten 
Handschrift  in  Mon.  Lus:  VI  p.  495  — .534- 

8  Bibl.  de  D.  Ikiarte  Nr.  80. 

*  Bibl.  de  D.  Duarte  No.  24.  Die  Madrider  Nationalbibliothek  besitzt  eine  Handschrift, 
die  bestimmt  aus  dem  14.  Jh.  stammt  (X  14).  Spätere  Abschriften  in  etwas  veränderter 
Sprache  und  mit  Zusätzen,  die  bis  1455  reichen,  finden  sich  in  Lissabon  (Torre  do  Tombo) 
und  Paris;  einen  Abdruck  (von  192  Seiten)  begann  1863  in  Coimbra  der  Dr.  Nun  es  de 
Carvalho.    Vgl.  Bibliographia  Critica  p.   142. 

'"  Eine  Estoria  de  Espanha  em  long.  port.  besass  D.  Duarte  Nr.  26  und  55,  wie 
auch  Isabella  die  Katholische.  Heute  ruht  eines  der  Exemplare  im  Eskurial,  noch  un- 
verwertet. 

"  Auch  dies  Werk  beherbergte  D.  Duarte  No.  57. 

'^  Vgl.  Documetitos  e  Memorias  da  Real  Academia  da  Historia  1724,  Heft  XVII  p.  9 
und  XIX  p.  6.  —  Dazu  Nie.  Ant.  No.  280. 

'*  Ein  Teil  dieser  Schriften  befindet  sich  in  der  Lissaboner  National-Bibliothek ;  ein 
Teil  im  Staatsarchiv.  Der  alte  Index  Bibliolhecae  Alcobatiae  (Liss.  1775)  giebt  den  oft  viel- 
fältigen Inhalt  der  Pergamente  nicht  vollständig  an.  Vgl.  Romania  Y^  Z'iA  und  Fernandes 
Thomas,  Bote /im  Bibliographico  I  211  —  212. 

14* 


2  12    LllTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LllT. 


gildo  de  Payopelle,  Hermenegildo  de  Tancos,  Francisco  de  Mel- 
gago,  Bernardo  de  Melgago,  Nicolau  Vieyra  u.  s.  f.).  Gedruckt  sind, 
Dank  der  Fürsorge  eines  sachkundigen  Klosterbruders , '  Bruchstücke  einer 
alten  Ordensregel  des  Heiligen  Benediktus ;  eine  Deutung  der  zehn  Gebote ; 
eine  Darstellung  der  Apostelgeschichte ;  eine  Bearbeitung  des  alten  Testa- 
mentes (nach  Petrus  Comestor)''^. —  Eine  Vida  de  S.  Eufrosina;  eine 
Legende  der  S.  Maria  Egypcia;  zwei  Dutzend  kleiner  Beispielserzählungcn 
über  die  »Todesstunde,  Sinnenlust  und  Keuschheit«  veröffentlichte  neuerdings 
J.  Cornu^.  Eine  Anzahl  Mährchen  mit  moralisch-didaktischem  Zweck  zog  Th. 
Braga  aus  einer  »Des  Bräutigams  Lustgarten«  [Orto  do  Sposd)  betitelten  Bei- 
spielsammlung'*. — -  Von  weiteren  zahlreichen,  kirchlichen  und  erbaulichen 
Büchern ,  die  noch  der  Veröffentlichung  harren ,  sind  dem  Stoffe  nach  die 
interessantesten  zwei  Bearbeitungen  der  Himmel-  und  Höllenvision  des  Tun g- 
dal^  (s.  II,  I,  277),  und  die  beliebte  Legende  vom  »seligen  Leben  des  Infanten 
Josaphat*'.  Dazu  kommen  eine  Blütenlese  lehrhafter  Sentenzen  unter  dem 
Titel:  »Trostgarten«  {Virgeu  de  Consolafäo)^  angeblich  nach  einem  spanisch- 
lateinischen Viridarium  des  S.  Pedro  Paschal,  de  Jaen';  eine  Bearbeitung 
der  y> Dialogos <<  des  h.  Gregorius  (s.  II,  i,  io6);  eine  andere  der  Meditaföes 
des  h.  Bernard  (s.  II,  i,  202);  ein  »Soliloqiiium«  des  h.  Augustinus,  ein 
y>Libro  das  Conßssöes<.<.  (1399)^;  ein  ascetisches  y> Gaste llo  Per igoso«.  1362  von 
Frei  Victorio  de  Braga'^;  verschiedene  Nationalisierungen  des  Johannes 
Cassianus  und  zahlreiche  ans  Novellenhafle  streifende  Heiligenleben  —  alles 
natürlich  in  mehr  oder  minder  enger  Abhängigkeit  von  lat.,  frz.  und  span. 
Vorlagen  ^0. 

54.  C.  Romanhaftes.  —  Aus  dem  antiken  Sagenkreise  hat  sich  nur 
eine  Historia  Troyana  erhalten,  in  einer  im  Dezember  1350  vom  Schreiber 
Nicolas  Gonzales  vollendeten  Hs.,  deren  Text  aus  dem  frz.  Roman  de  Troie 
des  Benoit  de  Sainte-More  geflossen  ist^^  —  Dass  auch  der  Hannib a l  ww^ 
der  Julio  Cesar,  welche  um  1430  in  D.  Duarte's  Bibliothek  standen,  auf  frz. 
Bearbeitungen  beruhen ,  ist  wahrscheinlich ,  obwohl  bereits  klassische  Werke 
zum  Besitzstande  des  gelehrten  Königs  gehörten  12.  —  Der  spätgriechische  Aben- 


*  Frei  Fortunato  de  S.  Boa  Ventura,  Collecgäo  de  Ineditos  Portwtiezes  dos 
secidos  XIV  e  XV;  Coimbra   1829;  3  Bde. 

*  Regra  de  S.  Bento.  Os  Dez  Mandamentos  que  som  dictos  »noraaes  e  naturaaes :  Ex- 
plicagäo  —   Os  actos  dos  apostolos  —  Historias  abreviadas  do  testamento  velho. 

'  Romania  XI. 

*  Contos  Tradicionaes,  vol.  II  p.  38  —  60.  Dieser  i>Orto  do  Sposo,  edeficado  de  tnuitos 
exemplos  para  instrucgäo  e  recreagäo  das  almas«.  scheint  beliebt  gewesen  zu  sein.  Auch  D. 
Du  arte  und  der  Condestavel  D.  Pedro  besassen  Exemplare  davon.  Untersuchungen 
über  Vorlage  oder  Quellen  fehlen  noch  gänzlich. 

*  Estoria  de  htm  cavaleyro  que  chamaiä   Tungtdu.  Cod.  266  und  273- 

*  Vgl.  Braga,   Curso  p.   115. 

■^  Wohl  derselbe  Traktat,  vi^elcher  dem  Italiener  Bono  Giamboni  vorlag,  als  er 
um   1290  seinen  y>Giardino  della  Consolazione<i.  schrieb  (gedr.  Florenz   1836). 

*  Cod.  Ale.  251  —  252. 

'  Cod.  Ale.  276 ;  nach  franz.  Vorbilde. 

'"  Ob  die  nach  Gautier  de  Coinsy  gearbeitete  Crescentialegende  noch  vorhanden 
ist,  (de  latim  tresladado  en  frances,  et  de  fratices  en  gallego),  deren  kastil.  Version  IMussafia 
herausgab  (Wien    1866),  ist  zweifelhaft. 

"  Osuna-Bibl.  I  No.  16  (heute  in  der  Bibl.  Nac).  Vgl.  A.  de  1  os  Rios  IV  344 
und  Mussafia,  Span.  Version  A^x  Historia  Trojana.  Wien  1871.  Der  portug.  Text  stimmt 
vollkommen  mit  dem  span.  überein ;  auch  der  Schreiber  ist  nur  einer.  Vgl.  Crescentiasagc 
und  Vespasian! 

'*  Braga  (//ist.  da  Universidade  p.  222  und  226)  denkt  heute  an  Caesar 's  nCom- 
tnetttariosi.  und  gleichzeitig  an  Sueton's  De  Julia  Cesare\  sow^ie  an  eine  Vita  Hannibalis. 
Früher  {Introducfäo  p.  241  und  247)  war  er  abweichender  Ansicht,  und  dachte,  wie  ich, 
an  die  mittelalterlichen  Romane. 


Prosa:  Romanhaftes.  213 


teuer  roman  von  der  heissen  und  treuen  Liebe  zwischen  Flos  und  Bianca flos, 
der  später  auf  den  portug.  ritterlichen  Liebesroman  grossen  Einfluss  gewann  und 
in  der  Volksromanze  noch  heute  weiterlebt,  war  zwar  schon  1245  dem  Trou- 
badour Joam  de  Guilhade  bekannt  (wie  später  dem  König  D.  Dinis),  doch 
ist  keine  Spur  eines  altportug.  Prosatextes  zu  entdecken.  —  Auch  die  in  Spanien 
so  beliebten  heldenhaften  karolingischen  Motive  sind  in  Portugal  so  früh  nicht 
verwertet  worden.  —  Der  bretonische  Cyklus  hingegen,  die  Artussage, 
die  mit  den  keltischen  Traditionen  so  viele  kirchliche  Legenden  verwebt  hatte, 
das  bretonische  Harren  auf  die  Wiederkehr  des  Königs,  die  Zauber-  und  Weissage- 
kunst des  Merlin,  die  mystische  Graalssage,  die  Liebestragödie  Tristans  und  Isoldes 
und  das  in  jenen  wirren  und  zuchtlosen  Zeiten  so  wundersam  berührende  Ritter- 
ideal, welches  der  »reine  Jüngling«  Galaaz  darstellt,  fand  schon  in  der  ersten 
Epoche  Bewunderer  und  Nachahmer.  —  Alfons  X.  zitiert  wie  oben  gesagt 
wurde,  nur  Tristan  e  Iseu,  Merlin  und  Artus.  Sein  Enkel  erwähnt  das  Liebespaar; 
dessen  Kanzler  Estevam  da  Guar  da  weiss  vom  Abenteuer  des  Merlin  mit 
der  Fee  Vivianc,  seinem  körperlosen  Wohnen  im  Dornbusch  und  seinem  durch- 
dringenden Geschrei  (hrado) ' ;  ein  anderer  Minnesänger  gedenkt  des  »bellenden 
Graalsungetüms«  (s.^  44);  Rodrigo  Eannes  deutet  die  Prophezeiungen  Merlins; 
der  Graf  von  Barccllos  benutzt  die  Historia  regum  Brittaniae  etc.  Doch 
das  beweist  nur  Bekanntschaft,  nicht  Einbürgerung.  —  Dafür  dass  je- 
doch auch  letztere  noch  während  der  Troubadour-Epoche  eintrat,  legen  die 
fünf  bretonischen  lais  mit  ihren  Prosazuthaten  Zeugnis  ab.  Und  aus  noch 
manch  anderer  Thatsache  muss  man  folgern  ,  dass  es  damals  bereits  portug. 
Prosabearbeitungen  (resp.  Übersetzungen)  der  altfranz.  Tristan-,  Lancelot-  und 
Merlin-Romane  wie  der  Graalssage  gab.  Ich  erwähne  hier  nur,  dass  ich 
schon  1359  >Lan(arote«  als  portugiesischen  Taufnamen  nachweisen  kann^; 
dass  bereits  unter  König  Ferdinands  Regierung  der  Santo  Condestavel, 
Nunalvares  Pereira,  den  Helden  der  Demanda  do  Santo  Graal,  die  er 
»estoria  de  Galaaz«.  nennt  (em  que  se  continhi  toda  a  somma  da  Tavola  Re- 
donda),  zu  seinem  Vorbild  und  Ideal  auserkor;  dass  1385  König  Johann  I. 
mit  seinen  Kriegern  bei  der  Belagerung  von  Coria  über  die  Tugenden  der 
»Ritter  von  der  Tafelrunde«  reden  konnte^,  und  besonders,  dass  der  Aus- 
arbeitung des  Amadis-RovcidiVi?,  unbedingt  eine  gewisse  Vertrautheit  des  Lese- 
publikums mit  den  übersetzten  bretonischen  Romanen,  ja  eine  Art  Fanatis- 
mus für  dieselben  vorhergegangen  ist*.  —  Was  man  besass,  war,  dem  An- 
schein nach,  eine  Prosakompilation  in  drei  Teilen.  —  Der  erste,  betitelt 
Joseph  al>  Aramat/iia,  erzählte  die  Vorgeschichte  der  Abendmahls-Schüssel.  Der 
zweite,  ein  Merlini  oder  Conto  do  Brado^  der  die  Stiftung  der  Tafelrunde  meldet, 
bildete  das  Bindeglied  zwischen  jener  noch  halb  sagenhaft  -  historischen  Ge- 
schichte und  dem  eigentlichen  Ritterroman.  Der  dritte  Hauptteil  war  eine 
»Qiieste  du  Saint  Graal« ^  welche  die  Abenteuer  der  Artusritter  und  besonders 
des  Galaaz  behandelt.  - —  Dazu  kam  vermutlich  ein  Tristam ;  ein  Lanf arote ; 
und  ein  Band    mit    merlinischen   Prophezeiungen  ^.   —   Vorhanden    ist    heute 

^  Vat.  930  »All  wie  es  Merlin  geschah,  der  da  sterben  musste,  weil  er  sein  grosses 
Wissen  mitgeteilt  einer  Frau,  die  ihn  zu  Oberlisten  verstand,  gerade  so  hat  sich  zu  Grunde 
gerichtet  Martini  Vaasques,  soviel  ich  von  ihm  gehört ;  denn  ihn  hat  eine  Frau  getötet, 
welche  er  zu  seinem  Leide  sein  Wissen  gelehrt.  Und  gerade  darum  fällt  es  ihm  schwer, 
weil  er  ihr  die  Mittel  gegeben ,  ihn  zu  bannen  an  eine  Stätte ,  wo  er  erwarten  muss  den- 
selben Tod,  an  dem  M  e  r  1  i  m  gestorben    und  wo  er  schreien    wird  bis  an    sein  Ende«  etc. 

^  In  Spanien  gab  es  schon  1344  den  Taufnamen  Lajtgarote^  auch  Falken  trugen  schon 
damals  diesen  wie  den  Namen  Galvan. 

*  Galaaz,   Tristam,  Latifarote,   Qiua  und  Artus. 

*  D.  Duarte  besass  ein  L'ivro  de  Tristäo  (No.  29);  O  livro  de  Galaaz  (36)  und 
Merlim  (33).     (S.  Braga,  Introduc(äo  und  Utiiversidade). 

*  Wie   beliebt   sie   waren ,    zeigen    zahlreiche    litterarische   Anspielungen    und   Nach- 


2r4    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   4.  PORT.    LiTT. 


der  bedeutendste  dritte  Teil  der  G^r^d-Z-Geschichte:  die  leider  unvollständige 
»Demanda  do  Sancto  Graal«.  Ihr  Held  ist  Galnaz^,  sie  spricht  voll  und  ganz 
die  Sprache  der  Troubadours,  ob  auch  die  einzige  Hs.,  (der  Wiener  Pergament- 
kodex No.  2594)  aus  dem  15.  Jh.  stammt;  beruft  sich  ausdrücklich  auf  einen 
Franzosen,  Robert  de  Boron',  den  Verfasser  der  Graals-Trilogie  in  Versen 
{Arimathie — Merlin — Perceval),  dem  auch  die  Prosakompilation  der  Queste  du 
S.  Graal  zugeschrieben  ward ;  gedenkt  jedoch  auch  einer  älteren  lateinischen 
Version;  weist  öfters  auf  früher  Berichtetes  zurück,  und  vorweg  auf  den  Tod 
des  Artus;  nennt  sich  selber  mehrfachst  einen  dritten  Teil;  zitiert  aus- 
drücklich den  zweiten  als  ein  -»Conto,  Livro  oder  Romanfo  do  Brado"^'^  und 
erwähnt  ausserdem  noch  eine  Estoria  de  Tristam,  die  estoria  grande  de  Lan- 
f arote  und  ferner  eine  estoria  de  Pärcivaß^  als  wären  es  besondere  Werke*. 
Hie  und  da  tritt  auch  der  namenlose  Bearbeiter  der  portugiesischen  Version, 
wo  er  sich  von  seiner  Vorlage  entfernt,  in  erster  Person  redend  auf"*.  —  Erst 
ein  Drittel  des  Werkes  ist  gedruckt ß,  so  dass  das  genauere  Studium  zunächst 
noch  unmöglich  bleibt'^.  —  Vorhanden  ist  ferner  ein  erster  Teil  der  Graals- 
sage,  d.  h.  ein  Joseph  ab  Arimathia.  Als  solchen  betrachte  ich  wenigstens  die 
-»Estoria  do  Emperador  Vespasiano«,  oder  das  »Livro  da  Destruifäo  de  Jerusalem«  8. 
Denn  wenn  auch  die  altchristliche  Legende  und  das  sagenhaft  historische 
Element  in  diesem  Werke  überwiegt,  so  sind  doch  seine  Beziehungen  zum 
bretonisierten  Graalromane  deutlich  charakterisiert.  An  die  Geschichten  von 
der  Heilung  des  aussatzkranken  Kaisers  Vespasian  (ga/o)  durch  das  Schweiss- 
tuch  der  heil.  Veronika,  welche  durch  den  römischen  mestresala  Gays  nach  der 
Stadt  geführt  wird,  von  der  Eroberung  Jerusalems,  der  Bestrafung  des  Archelaus 
und  des  Pilatus,  und  dem  Hungertode  der  Clarissa,  knüpft  sich  der  Bericht  über 
die  Befreiung  des  Joseph  von  Arimathia  aus  dem  Gefangnisse  in  Acre,  wo  er 
40  Jahre  gesessen,  getröstet  vom  Heiland,  dessen  Leib  er  vom  Kreuze  ge- 
nommen und  begraben  hatte,  und  erhalten  durch  die  Wunderkraft  der  ihm  über- 
gebenen    Abendmahls-Schüssel  ^.      Auch   ein  ausdrücklicher    Verweis  auf   eine 

ahimingen ;  das  Volksbi'iclilein  vom  Feiticeiro  Merlim  oder  Melrim,  und  die  Phrase 
vom  melrinho.  Dass  ein  Buch  »merlinischer  Prophezeiungen«  unter  vielen  anderen 
Prophecias  in  der  Torre  do  Tombo  ruht,  behauptet  Braga.  (hitrod.  p.  228  und  Canc.  Pop. 
p.  207  und  216). 

'  Z.  B.  in  Kap.  39.  62  und   170. 

2  Drei  Mal  im  3g.  Kap.,  ferner  auf  fl.   179l).    l8oa.   181  a.   193a.   194«. 

'  Dabei  sei  erwähnt,  dass  Meraugis  de  Portlesguez  keineswegs,  gleich  dem  Torrent  of 
Portugal,  ein  echo  longinquo  de  Portugal  ist,  wie  Coelho  {Bibl.  Grit.  p.  143)  und  Braga 
annehmen.  Porlesguez  ist  nichts  als  par-les-gues,  per-les-vaus  {cL  par -ce-val).  Die 
Demanda  do  Santo  Graal  (p.  60)  nennt  den  fraglichen  Helden  Meragis  do  Porto  dos  Vaos. 

*  Dürfte  man  aus  den  spanischen,  spcäter  Oberarbeiteten  und  gedruckten  Werken  einen 
Schluss  ziehen,  so  käme  zum  Merlim  (Baladro  und  Prophecias  1498  und  1500);  Joseph  de 
Arimathia  (=:  Vespasian,  1496  portug.  und  1498  span.);  Santo  Graal  oder  Galaaz  (1515. 
1535);  Tristan  (1501.  1528.  1533.  1544);  Lanzarote  1528  (?j  und  Parcival  (\h2f))  noch  ein 
besonderer  Artus  hinzu  (1501). 

5  S.  Kap.  39- 

®  K.  V.  Reinhardstoettner  verdanken  wir  die  VeröflFentlichung  der  ^Historia 
dos  Cavalleiros  da  Mesa  Redonda  e  da  Demanda  do  Santo  Graall  (Berlin  l887)-  Erster  Bd. 
von  142  S.  (77  Bl.  von  199).  Siehe  über  das  Werk :  1838  J.  Mone,  Attzeiger  ^\\\  1856F. 
Wolf,  Priimvera  p.  XXXIV;  1859  Ds.  Studien  p.  502;  1865  Ds.  vhev  Paoul  de  Hotidenc 
p.  183;  1870  Varnhagen,  Cancioneirinho  p.  165  — 169,  und  1872  Cavallarias;  Braga, 
Introducfäo  207;  Poetas  Palacianos  p.  13;  Manual  \X\\  Questöes  96;  Curso  145.  Vgl. 
Romania  X  335 ;  XVI  582 ;  XVII  1 80 ;  X VIII  589  und  G  r  o  e  b  e  r  XII  284  sowie  B  o  e  h  m  e  r , 

V  557. 

"^  Was  ich  über  den  bretonischen  Sagenkreis  auf  der  Hali)insel  an  Materialien  zu- 
sammengetragen, bleibt  daher  zunächst  unbenutzt,  weil  unfertig. 

*  So  wird  der  Vespasian  in  der  Liste  der  Bücher  genannt,  welche  Emanuel  an  den 
Joao  Preste  das  Indias  sandte. 

*  Im  23.  Kap.  heisst  es:  »/?  em  quanto  esteve  na  pr  es  am  tomou  ante  si  0  sancto 
grao  continuadamente  0  quäl  Ute  enviou  nosso  senhor  Jesu- Christo  logo  como  foy   im  presam. 


Prora:  Romanhaftes.    Amadis.  215 

Fortsetzung  als  Livro  do  San  Graao  (sie)  fehlt  nicht.  ^  Ein  französisches 
Vorbild  wird  nicht  erwähnt;  der  Name  Robert  de  Boron  nicht  genannt. 
Als  Verfasser  werden  vielmehr  Jacob,  der  Vater  Mariae  Jacobi,  Joseph  von 
Arimathia  selbst  und  besonders  sein  Vetter  Jafel  angegeben^.  Dass  Jakob, 
Jafel  und  sein  Neffe,  wie  auch  der  mestresala  Gays,  bei  ihrer  Christung 
in  Rom  andere  Namen  empfingen  und  daher  später  vermutlich  unter  neuer 
Bezeichnung  auftreten,  wird  wenigstens  angedeutet  3.  Welch  hohen  Ansehens 
das  Werk  in  Portugal  genoss ,  geht  daraus  hervor,  dass  es  schon  1496  ge- 
druckt ward*,  und  dass  König  Emanuel  etwas  später  ganze  100  Exemplare 
davon  —  unter  lauter  rein  religiösen  Werken  —  an  den  Preste  das  Indias 
versandte!  Das  heute  in  einem  einzigen  Exemplare  vorhandene  Werk^'  be- 
steht aus  29,  zum  Teil  ganz  kurzen  Kapiteln  und  ist  zweifelsohne  eine  stark 
verkürzte  Neuredaktion  eines  älteren,  ausfuhrlicheren  Textes,  bei  deren  Her- 
stellung im  15.  Jh.  die  Sprache  wie  gewöhnlich  modernisiert  worden  ist**.  — 
Die  ältere  dem  14.  Jh.  angehörige  Textredaktion  ist  vielleicht  noch  vorhanden. 
Im  Jahre  1856  sah  und  benutzte  Varnhagen  (dessen  Angaben  ich  vollen 
Glauben  schenke),  ein  handschriftliches  ZzVr^  ^/^y^f^-^/^  Abarimathia  intitu- 
lado  a  Prinieira  Parte  do  Santo  Grial,  das  zwischen  1521  und  1557  nach 
einer  illuminierten  Pergamenths.  aus  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.  kopiert  ward 
(vielleicht  im  Jahre  1312)'^.  Soweit  sich  aus  den  Kapitelüberschriften  ergiebt,  er- 
zählte es  genau  das  Gleiche  wie  der  1496  gedruckte  Vespasian^  nur  in  breiterer 
Form,  falls  wirklich  die  29  Kapitel  ganze  311  Blätter  füllten.  Ja  ^s  scheint, 
als  hätte  die  Weitschweifigkeit  der  Darstellung  zu  Klagen  Anlass  gegeben 
(und  also  indirekt  die  abreviertc  Form  hervorgerufen),  wenn  die  im  Canäoneiro 
de  Resende  vorkommende,  dunkle  Anspielung  auf  den  -»cumprido  mestreescola 
ou  Joseph  (T Arimathia«^  sich  thatsächlich  auf  das  Varnhagen'sche  Werk 
bezieht,  das  ein  mestre  escola  (aus  Astorga,  also  ein  Leonese)  anfertigen  liess^. 
—  Auch  eine  Historia  de  Lancelote,  Lconel  e  Galvan  lässt  sich  vielleicht  noch 
wieder  ans  Licht  ziehen  '^. 


*  y>Mas  esto  deixaro  estar  (sie!)  porque  yafel  nö  no  poera  em  esqtuecimento ;  e  fallara 
delle  no  livro  do  sancto  graaoi. 

*  Kap.  2Q  y>Esta  estoria  ordenaru  Jacob  e  yosep  abaramatia  qiie  a  todas  estas  cotisas 
foro  presentes.     E  jafel  que  per  sua  mäao  a  escrifnuo  etc. 

'  »it  depois  se  batitizaro  Jacob  e  Jafel  e  seu  sobrinho  e  o  mestresalla,  e  a  muytos  mttdarö 
OS  nomes.* 

*  -»Estoria  do  muy  twbre  Vespasiano  Emperador  de  Roman.  Am  Schlüsse  heissl  es : 
Foy  empremida  a  presente  estoria  .  .  .  em  a  muy  nobre  e  sempre  leal  (idade  de  Lixboa  per 
Valentino  de  moravia  a  louvor  de  d's  e  exalcalm'eio  da  sua  santaffe  catholica  na  era  de  Mill 
CCCCLXXXXVI.  A  XX  dias  do  mes  de  abriU.  —  Zwei  Jahre  später  ward  das  gleiche  Werk 
in  span.  Sprache  in  Sevilla  gedruckt.  Ams  dem  Schliisspassus  zu  schliessen,  stimmt  auch 
liier  wieder  die  portug.  Textredaktion  wörtlich  mit  der  kastilischen  überein. 

*  Bibl.  Nac.  dl  Lisboa.  Ich  habe  das  kleine  Werk  genau  studiert  und  mir,  behufs 
Herausgabe,  eine  diplomatisch  treue  Kopie  davon  anfertigen  lassen.  Den  ebenso  seltenen 
Sevillaner  Band  kenne  ich  nur  aus  den  Angaben  Anderer. 

"  Die  Unterschiede  sind  gering;  vielleicht  beschränken  sie  sich  sogar  auf  Kontraktion 
der  2.  P.  PI.  aller  Verben. 

'^   S.   Cancioneirinho  p.    165. 

»    Vol.  I  p.  278. 

®  Die  absonderliche  Schlu.ssformel  des  alten  Manuskriptes  lautete:  (fl.  311).  Este 
livro  mandou  fazer  Joäo  Sanches,  mestre  escola  d'' Astorga,  no  ^^  anno  qtu  o  estudo  [de^  Coimbra 
foy  feito;  eno  tempo  do  papa  demente  que  destroio  a  ordem  del  Temple,  e  fez  0  concilio  gerat 
em  Viana,  e  pos  )io  interdicto  em  Castela ;  e  neste  ano  se  finou  a  rainha  D.  Costafifa  em  S. 
Fagundo  \  e  casou  0  Inf  ante  D.  Felipe  eom  a  filha  de  D.   A.  ano  de  13  e  Xll  anos. 

'"  Aus  der  Bibl.  des  Conde-Duque  ging  in  das  Sevillaner  Convento  del  Angel  ein 
Pergamentkodex  ^■>em  portuguesi  mit  dem  oben  angegebenen  Titel  über  {Caja  Ln  3).  Vgl. 
Gallardo,  Ensayo  No.  4541.  Eine  Kopie  dieses  wichtigen  Codex  habe  ich  noch  nicht 
erhalten  können. 


2l6    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    A.    PORT.    LllT. 


DER    AMADIS. 

55.  In  der  einzigen  und  relativ  jungen  Gestalt,  in  welcher  dieses  »be- 
liebteste, schönste  und  einflussreichste  aller  im  engeren  Sinne  sogenannten 
Ritterbücher«  uns  erhalten  ist,  d.  h.  in  der  um  1480  niedergeschriebenen 
(vermutlich  seit  1492,  ob  auch  nachweislich  erst  seit  1508  gedruckten)^  kasti- 
lischen  Textbearbeitung  des  Garci-Ordofkz  de  Montalvo  (aus  Medina  del  Campe), 
welche  von  1 540  an  ihren  Triumphzug  durch  Europa  hielt,  bis  das  ironische 
Lachen  des  Cervantes  ihm  Einhalt  gebot,  gehört  der  Amadis'^  nicht  der 
ersten  Periode,  ja  überhaupt  nicht  der  portugiesischen  Nationallitteratur 
an.  —  Trotzdem  muss  an  dieses  Stelle  die  Rede  vom  »Urvater  des  modernen 
Romans«  sein,  der  zum  erstenmale  Liebe  ohne  Zaubertrank  zum  Brennpunkt 
des  Lebensinteresses  seines  Helden  machte,  die  Ungeheuerlichkeiten  seiner 
übernatürlichen  Thaten  und  wunderbaren  Erlebnisse  durch  die  menschlich 
schöne  Innerlichkeit  seines  Seelenlebens  adelnd,  und  der  kraft  dieser  echten  Vor- 
züge für  den  erotisch-phantastischen  Prosaroman  der  Halbinsel  das  ward,  was 
Karl  der  Grosse  für  den  französischen  und  Arthus  für  den  bretonischen  Sagen- 
kreis gewesen  ist,  d.  h.  typisches  Vorbild  und  Stamm  oder  Ausgangspunkt,  an 
welchen  die  späteren  Ritterromane  immer  wieder  anknüpfen.  Denn  ehe  er  welt- 
bekannt wurde,  hatte  er,  gleich  dem  Graal,  dem  Tristan  und  Lanzelot  auf  der 
Halbinsel  verschiedene  Veränderungen  durchgemacht.  Die  früheste  verlorene 
Redaktion  aber  gehört  noch  dem  13.  Jh.  an,  ist,  aller  W^ahrschein- 
lichkeit  nach,  das  Werk  eines  portugiesischen  Troubadours,  und 
ursprünglich  in  portugiesischer  Sprache  geschrieben. 

56.  Eine  eingehende  Erörterung  der  wichtigen  und  interessanten,  schon 
oftmals,  doch  nie  und  nirgends  mit  genügender  Sachkenntnis,  unparteiisch 
und  mit  klarem,  ruhigen  Eingehen  auf  das  gegenseitige  Verhältnis  der  spanischen 
zur  portugiesischen  Litteratur ,  wie  auf  den  Sondergeist  der  beiden  Nachbar- 
völker behandelten  Afnadis-¥xa.go,  ist  hier  unmöglich,  so  erforderlich  sie  auch 
wäre^.  —  Nur  die   wichtigsten  äusseren    litterar-historischen  Gründe,  welche 


*  Die  Vorrede    entstand    nach    Granadas  Fall;    der  Text    früher   (zw.   1465  und  92). 

-  Schon  an  den  Namen  Amadis  knüpft  sich  so  manche  Frage.  Ist  er  eine  willkür- 
liche, auf  der  Halbinsel  entstandene  Abänderung  aus  dem  frz.  Amadas  (engl.  Amadace)  lati- 
nisirt  zu  Amadasitts}  d.  h.  eine  wohlklingendere  Analogiebildung  zu  dem  portug.  Namen 
Dinis?  also  Amad-ysius ?  Man  vergleiche  einerseits:  Belis  Fiis  Leonis  Luis  Belianis  Beller is\ 
Assiz  Aviz-^  Moniz  Mariz  etc.,  und  andererseits  das  alte  Adj.  amadioso,  heute  (a)mavioso. 
Oder  gab  es  eine  frz.  Form  in  -is,  wie  die  bereits  1292  vorkommende  ital.  (Amadigi)  wahr- 
scheinlich machen  würde,  falls  sie  erwiesen  echt  wäre  (s.  Rom.  XVII  185)?  Oder  sprach 
man  ursprünglich  gar  Amddis- Amddes,  als  wäre  es  eine  patronymische  Ableitung  von  Amädo, 
also  »Sohn  des  Geliebten«  ?  Der  Roman  selber  erzählt,  sein  Held  sei  nach  einem  in  Klein- 
Brittanien  sehr  gefeierten  Heiligen  benannt  worden.  Ist  5.  ^wfl/«j  gemeint?  odtr  Amadeus} 
Amandus  gewiss  nicht. 

*  Ich  hoffe  das  Buch  vom  Amadis  noch  zu  schreiben  und  darin  endgültig  mit  allen 
falschen  Angaben,  Behauptungen,  Hypothesen  und  Folgerungen  aufzuräumen,  die  sich  all- 
mählich angesammelt  haben.  Die  Frage  nach  dem  Ursprung  behandelten  ausführlicher,  und 
zwar  als  Verfechter  der  span.  Ansprüche: 

a)  Gayangos  im  Discurso  Preliminar  der  Libros  de  Caballeria:  1857  (Bd.  40  der 
Bibl.  Rivadetteyra). 

b)  Amador  de  los  Rios  in  Literattira  Es/>anola,  Bd.  V,  p.  78  —  97,   1864. 

c)  E.  Baret  in  Z>e  PAmadis  de  Gaule  et  de  son  influence,  l873,  (l.  Ausg.  1853). 
und  besonders  d)  Braunfels  in  Kritischer  Versuch  über  den  Amadis  von  Gallien,  1876. 
Vgl.  Zeitschr.  I  131  und  Bibl.  I  p.  95.  Centralbl.  1877  No.  46.  Academia  II  p.  34-  Posi- 
tivismo  H  1879.  Alle  vier  schrieben  jedoch  ehe  das  Erscheinen  des  Canc.  C.  Br.  und  des  Graal 
der  Frage  eine  neue  und  entschiedene  Wendung  zu  Gunsten  Portugals  gab.  Aber  auch  von 
dieser  Hauptsache  abgesehen,  irren  sie  sämtlich  in  zahlreichen  Einzelheiten,  Braunfels 
keineswegs  ausgeschlossen,  der  zwar  sehr  fleissig  »gesehen«  und  »nachgeschlagen«,  aber  nicht 
genug  »gelesen«,  »gedacht«  und  kombiniert  hat.     Was  er  über  Zurara  und  den  Cornea- 


Prosa  :  Amadis.  217 


für  den  portugiesischen  Ursprung  des  Werkes  und  für  das  von  mir  ange- 
nommene Alter  ausschlaggebend  sind,  können  aufgezählt  werden. 

57.  Erstens:  Der  Ritter  undRegidorMontalvo  sagt  selber  klar  und  deut- 
lich im  Prolog  und  Titel  seines  Amadis,  er  habe  ein  altes,  durch  die  Hand  vieler 
Schreiber  (oder  Schriftsteller  =  escritores)  und  einiger  Setzer  (=-  componedores) 
gegangenes  Buch  fortgesetzt,  die  vorhandenen  Teile  ^  aber  im  Stile  verbessert, 
d.  h.  modernisiert,  und  mit  schönen  zeitgemässen,  moralphilosophischen  Be- 
trachtungen geziert.  Und  zahlreiche,  vor  seiner  Zeit  liegende  Anspielungen 
(2X\{  Amadis,  Oriana,  Lisuarte,  Florestan,  Macandon,  sowie  die  Zaubergründungen 
des  Apolidon  und  seines  Neffen),  die  bis  in  die  Jugend  des  spanischen  Gross- 
kanzlers Lopez  de  Ayala  (1332 — 1407)  zurückgehen^,  stellen  ausser  Zweifel, 
dass  man  bereits  um  1359  in  Spanien  einen  in  3  Büchern  abgefassten  Amadis- 
Roman  las,  der  im  Wesentlichen  mit  dem  vorhandenen  übereinstimmte^. 
—  Irgend  Jemand  muss  denselben  in  der  i.  Hälfte  des  14.  Jhs.,  oder  noch 
früher,  geschrieben  haben.  —  Wer  aber,  und  in  welcher  Sprache,  und  wann, 
darüber  verlautet  unter  den  Spaniern  vor  Montalvo  kein  Wort.  Erst  reich- 
lich später,  nachdem  der  spanische  Text  allgemein  beliebt  war,  ja  nachdem 
er  durch  die  französische  Nachbildung  von  d' Herberay  (1540)  und  die 
italienische  von  B.  Tasso  (1544)  Berühmtheit  erlangt  hatte,  tauchten  (in  der 
2.  Hälfte  des  16.  und  17.  Jhs.)  litterarhistorische  Notizen  über  den  Verfasser 
des  »Ritter-,  Tugend-  und  liebes-Spiegels«  auf.  Zum  Teil  verzeichnete  man 
einfach  und  durchaus  sachlich  (nur  manchmal  mit  leisem  Spotte)  das  aus 
Portugal  stammende,  unbestimmte  Gerücht  über  einen  vermeintlichen  Urheber, 
Namens  (Vasco)  Lobeira*.     Zum  Teil  verbreitete  man  aber  auch  selbständig 

dador,  Ferreira  und  den  Infanten  Aifons,  Nunes  de  Leäo  und  Vasco  de 
Lol)eira,Faria-e-Sousa  und  Nicolas  Antonio,  den  Tirant  und  den  Palineiiini 
mitteilt,  ist  z.T.  unvollständig,  z.  T.  felilerliaft,  und  führt  zu  ganz  unannehmbaren  Ergebnissen. 

Als  Anwalt  Portugals  (für  das  sich,  ausser  Clemencin,  Bouterwek,  Sis- 
mondi,  Puymaygre,  Ticknor,  Southey,  Warton,  ganz  besonders  einsichtig 
Wolf  und  L  e  m  c  k  e  ausgesprochen  hatten)  trat  am  energischsten  ein : 

e)  Th.  Braga,  zuerst  1871  in  den  Trovadores  p.  203;  dann  l873  in  Filol.  Rom.  I 
fasc.  3  und  vor  allem  im  ^ Amadis  de  Gaula<.<  l873;  später  (Braunfels  kritisierend,  und 
zuletzt  schon  mit  Rücksicht  auf  die  neuesten  Funde)  in  den  Qtustöes  p.  98  — 127  (1881) 
und  im  Cnrso  p.  145  —  152.  Seine  Amadis-Untersuchungen  gehören  zum  Besten  was  Bra  ga 
geschrieben;  sie  treffen  in  der  Hauptsache  das  Richtige;  im  Einzelnen  aber  ist  seine  Dar- 
stellung und  Argumentation  eigentümlich  ungenau  und  schief,  besonders  was  die  Briolanja- 
Episode  anbelangt. 

Alles  was  zur  Würdigung  des  Ro?nans  und  seines  Einflusses  hier  zu  sagen  wäre,  oder 
seinen  Inhalt  und  die  ihm  zu  Grunde  liegenden  etwaigen  bretonischen  Stoffe  franz.,  oder  franz. - 
engl.,  Redaktion  betrifft,  kommt  dem  s])anischen  Berichterstatter  zu;  desgleichen  die  Biblio- 
graphie der  Amadis- Ausgaben ,  Fortsetzungen  und  Übersetzungen  wie  Nachahmungen.  — 
Grässe  (1842),  Brinkmeyer)  1844),  Dunlop-Liebrecht  (l85l)'Und  Eticyd.  Britt.  s.  v.  Ro7nance 
(1886)  seien  wenigstens  genannt. 

*  üb  es  drei  oder  schon  vier  waren,  bleibt  unentschieden. 

'  Zu  den  ältesten  bekannten  von  Braun  fels  gut  erläuterten  Stellen  aus  Ayala's 
Rimado  de  Palacio  Str.  162  und  aus  dem  Canc.  de  Baena  I  p.  46;  "3  und  168;  205  u.  239; 
322  II  103  und  270  (der  I.eipz.  Ausg.)  kann  ich  (unter  anderen)  eine  etwas  spätere,  aber 
sachlich  wichtige,  aus  einem  Gedichte  von  Juan  Duefias  hinzufügen  (Canc.  Inedito  v.  A.  G. 
Perez  Nieva  p.  70  und  71).  in  welcher  der  magische  Blumenkranz  als  capilla  und  die 
Festlandsinsel  mit  dem  abweichenden  Namen  Insola  del  Ploro  erwähnt  wird. 

*  Wieviel  von  dem  Texte,  den  wir  heute  lesen,  dem  ersten  Erfinder,  wieviel  dem 
spätesten  Verf)esserer,  und  was  etwaigen  Zwischenarbeitern  zukommt,  lässt  sich  natürlich 
sicher  und  reinlich  nicht  mehr  ausscheiden.  Doch  ist  es  immerhin  möglich,  auch  hierin 
weiter  als  Braun  fels  zu  gehen,  dessen  Ansichten  über  diesen  Punkt  ich  übrigens  im  Ganzen 
teile.  Am  Grundrisse  hat  Montalvo  kaum  etwas  geändert :  dazu  war  der  alte  Amadis  zu 
bekannt  und  zu  beliebt.  Auch  lässt  sich  aus  den  Anspielungen  folgern,  dass  die  wichtigsten 
Ereignisse  und  die  Hauptcharaktere,  sowie  iiire  Beziehungen  zu  einander  bereits  der  frühesten 
Redaktion  angehörten. 

*  Die  betreffenden  Stellen  aus  Ant.  Augustin  und  Nicolas  Antonio,  wie  alle  sonstigen 
Zitate  suche  man  bei  Braunfels. 


2l8    LlTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —    A.    PORT.    LlTT. 


in  Spanien  entstandene  Märchen  über  die  Autorschaft,  die  durchweg  boden- 
und  haltlos  sind.  Man  nannte  die  Spanier  Lopez  de  Ayala  und  Alonso 
de  Cartagena;  einen  spanisch-schreibenden  Saracenen  (von  dem  anachro- 
nistischen Irrtum  zu  schweigen,  der  die  heilige  Therese  ins  Spiel  zieht)'; 
oder  man  nannte  hier  einen  »spanisch-schreibenden  Portugiesen«,  dort  »eine 
portugiesische  Dame« ,  oder  den  angeblichen  Vorfahren  des  Lusiadensängers 
Vasco  Peres  (oder  Lopes)  de  Camöes;  dann  wieder  den  vielgereisten 
Infanten  D.  Pedro,  und  selbst  den  Fürsten  D.  Fernando  de  Braganga 
(s.  u.  ^  59  Anm.   2).  2 

58.  Zweitens:  In  Portugal  hingegen  wurde  einLobeira  als  Verfasser  des 
Romans  genannt,  noch  ehe  Montalvo  auftrat,  seit  dem  Tage,  wo  sich  über- 
haupt der  Amadis  als  in  Portugal  bekannt  nachweisen  lässt.  3  Und  zwar  ge- 
denkt man  seiner  um  1450  ohne  lauten  Beifall,  vielmehr  furchtsam  und  mit 
misbilligendem  Tadel,  dessen  Hintergrund  der  Gedanke  bildet,  die  so  viel  und 
so  gern  gelesene  »Estoria  em  estilo  antiguo«.  enthalte  bloss  eitel  erfundene  und 
erlogene  pairams,  und  nicht  glaubwürdige  feiios  de  cavalleria,  wie  die  nicht 
minder  poesie-  und  abenteuerreichen  portugiesischen  Geschichtschroniken, 
deren  lange  und  glänzende  Reihe  der  Anonymus,  welcher  die  Chronica  do 
Condestavd  schrieb,  und  der  Vater  der  portugiesischen  Geschichtsschreibung 
Fern  am  Lopes  bereits  eröffnet  hatten.  —  Die  Nachricht  über  Fulano 
Lobeira  (sie  stamme  aus  mündlicher  Tradition  oder  aus  handschriftlicher, 
im  Titel  oder  im  Texte  der  alten  Redaktion  angebrachter  Aufzeichnung)  scheint 
freilich ,  infolge  echt  portugiesischer  Sorglosigkeit ,  nichts  als  eben  jenen 
Familiennamen  aufbewahrt  zu  haben.  In  ihren  Angaben  über  Zeit,  Vorname 
und  Stellung  des  Dichters  gehen  wenigstens  die  verschiedenen  portugiesischen 
Berichte  auseinander.  * 

Der  erste  Schriftsteller,  welcher  einen  Lobeira  als  Verfasser  des 
Amadis  erwähnt,  war  der  Reichshistoriograph  Gomes  Eannes  de  Zurara 
(oder  d' Azurara,  was  geradesogut,  und  vielleicht  noch  echter  ist)  und  zwar 
in  seiner  1450  begonnenen  und  1463  beendeten  Chronica  do  Conde  D.  Pedro 
de  Menezes  (Liv.  I  cap.  63  p.  422''),  in  einer  grammatisch  zwar  ungelenken, 
logisch  aber  unanfechtbaren  und  keineswegs  interpolierten  Stelle^,  in  welcher 
der  aus  guten  Gründen  mit  litterarischen  Zitaten  freigebigst  prunkende  Autor, 
der  seine  proluxidade  unaufhörlich  entschuldigt,  das  livro  d^ Amadis  als  typisches 
Muster  weitschweifiger,  auf  Kleinigkeiten  eingehender  Fabelchroniken,  in  einem 
Atem  mit  ^^x\  feitos  de  Ingraterra  nennt,  und  dasselbe  charakterisiert  als  »feito  a 
prazer  de  hum  hörnern  que  sc  chamava  Vasco  Lobeira  etn  tempo  del  Rey  D.  Fer- 

'  Eine  der  Hauptmitarbeiteiinnen  am  Reformwerk  der  h.  Therese  war  die  Leonesin 
D.  Ana  de  Lobera. 

^  Zapata,  Lope  de  Vega,  Sarmiento,  Salv.ä,  Gallardo  sind  die  Ver- 
breiter der  beziiglichen  Gerüchte.  Vom  »berühmten«  Goräus  oderGorräus  schweigeich 
absichtlich,  da  ich  ihn  nicht  kenne. 

'  Die  Cancioneiros  der  1.  Epoche  nennen  den  Namen  Amadis  nicht.  Ebensowenig 
die  Nohiliarios  und  die  gelehrten  Kompilationen.  In  der  2.  Periode  herrscht  das  gleiche 
Schweigen  mit  der  einzigen,  im  Text  besprochenen  Ausnahme  in  einer  Chronik,  und 
einer  anderen  in  den  lyrischen  Dichtungen  des  Canc.  de  Res.  aus  dem  Jahre  1483  (vol.  I  p.  7 
und  14)!  Noch  auffälliger  ist  es,  dass  in  keinem  der  uns  bekannten  altport.  Bibliotheken- 
kataloge der  Roman  verzeichnet  steht. 

*  Die  Schwankungen  sind  jedoch  keineswegs  so  starke  wie  die  span.  Fürsprechei- 
behaupten.  Und  für  jede  Angabe  (mit  Abzug  einer  einzigen)  lässt  sich  der  Daseinsgrund 
ausfindig  machen. 

*  Gedr.  erst  1792  von  der  port.  Akademie  in  den  Ineditos  de  Hist.  Port.,  vol.  II., 
nach  einer  Handschrift  aus  dem  Ende  des   15.  Jhs.  — 

*  Ähnliche  und  viel  schlimmere  (aus  dem  ursprünglich  beabsiciitigten  Gefüge  heraus- 
fallende) Schachtelsätze,  die  halbe  Seiten  füllen,  lassen  sich  aus  Zurara's  fünf  Chroniken 
und  ebenso  aus  allen  anderen  Prosawerken  des   15.  Jhs.  zu  Dutzenden  herausfinden. 


Prosa:  Amadis.  219 


nando,  sendo  todalas  cousas  do  dito  Iwro  ßngtdas  do  Autor«..  '  Oder  nein, 
nicht  dem  fleissigen  Zurara,  sondern  einem  noch  älteren  Historiker,  der 
zwischen  141 5  und  1450  Berichte  über  die  afrikanischen  Heldenthaten  als 
Augenzeuge  niederschrieb,  gehört  die  einschlägige  Stelle.  Nicht  von  Zurara 
selbst,  sondern  von  einem  fremden  »Comthur«  ist  in  der  ersten  Hälfte  des 
Satzes  die  Rede,  in  dem  es  heisst  y>Estas  cousas,  diz  0  Comendador  que  primeira- 
mente    esta  historia  ajuntou  e  escrepveo,  väo  assi  escriptas  etc. «  ^ 

Einen  Vasco  Lobeira  machte,  etwa  ein  Jh.  später  (zwischen  1540  und 
1550)  der  aus  Porto  gebürtige  Appellations  -  Gerichtsrat  und  Privatsekretär 
Johann's  III.,  Dr.  Joäo  de  Barros,  in  seinem  reichhaltigen  handschriftlichen 
Werke  über  die  Altertümer  seiner  Heimatprovinz^  namhaft.  Warum?  Um  mitzu- 
teilen, dass  Lobeira  zu  den  aus  ihrer  Hauptstadt  Porto  stammenden  vater- 
ländischen Grössen  gehört."*  Und  da  er  nach  Montalvo  schrieb,  fügte  er 
sachgemäss  hinzu  -»mas  como  estas  cousas  se  secäo  cm  nossas  mdos,  os  Castelhanos 
Ihc  mudarajH   a  linguagem  e  atribuiravi  a  obra  a  st«:.  ^ 

Fast  gleichzeitig  (1557)  zitierte  den  Lobeira  dann  in  eigenartiger  Weise 
der  Biedermann  und  Universitäts-Professor  (der  Rechte)  Dr.  Antonio  Ferreira 
(t  '^569),  dem  Niemand  so  leicht  ein  unwahres  oder  leichtfertiges  Wort  nach- 
weisen wird.  Dieser  charaktervolle  Freund  der  port.  Sprache,  der  nie  eine 
span.  Zeile  geschrieben,  sich  aber  eingehend  mit  den  altport.  Litteraturdenk- 
mälern  beschäftigt  hat  (s.  p.  184  Anm.  4)  schrieb  zwei  Amadis-Sonettc  »em 
lingoagcm  aniiga«,  oder,  wie  1598  sein  Sohn  als  Herausgeber  der  «Poemas 
Lusitanos«  •>  durchaus  richtig  bemerkt  y>na  lingoagcm  que  se  costumava  nestc 
reyno  cm  tempo  del  Rey  D.  Dinis«,  mit  dem  bedeutsamen  Zusätze  »que  he  a 
mesma  em  que  foi  composta  a  historia  de  Amadis  de  Gaula,  por  Vasco  de  Lobeira, 
natural  da  cidade  do  Porto,  cujo    original  anda    na  Casa    de  Aveiro«"'.     Eines 

*  Braunfels  hält  die  Stelle  für  eine  Fälschung.  Doch  ist  seine  Argumentation 
hinfällig.  Er  kennt  des  Chronisten  Werke  und  ihre  Entstehung  nicht  zur  Genüge ,  oder 
heutet  wenigstens  das  Wissenswerte  nicht  hinreichend  aus. 

2  Hier  sei  nur  bemerkt  1)  dass  Zurara,  der  Regel  nach,  von  sich  selber  zwar  in 
1.  Person  redet  (bald  im  Sg.  mit  eu,  bald  im  PI.  mit  nos),  oft  aber  auch  die  Formel  »rtVz 
0  Autora  auf  seine  eigene  Schriftstellerthätigkeit  bezieht  (in  Kapitelüberschriften  und  in 
Parenthesen,  wo  er  die  Reden  Anderer  mit  Apostrophen  unterbricht),  und  dass  diese  Eigen- 
tümlichkeit Braunfels  irregeleitet  hat;  2)  dass  Z.  sehr  oft  und  ausdrücklich  verschiedene 
ältere  Berichte  Ober  einzelne  Thaten  erwähnt,  die  er  mehr  oder  minder  frei  nachschrieb  (z.  B. 
p.  3o8.  340.  476.  493.  523.  536.  561)  und  ihre  Verfasser  mit  Formeln  einführt  wie  y>Diz 
aqui  o  Autor  que  escreveo  os  feitos  que  se  passaram» ;  3)  dass  unter  diesen  Vorarbeitern 
positiv  ein  Comthur  war,  der  noch  anderwärts  als  an  der  AmadisSieWt  auftritt  (z.  B. 
p.  280  y>Diz  aqui  aquelle  Commendador  que  escrepveo  esta  Istoria);  4)  Wer  der  Comthur 
gewesen  ist ,  bleibt  ungevviss ,  da  nicht  weniger  als  ihrer  sieben  als  Zeugen  der  Einnahme 
und  Behauptung  Ceuta's  und  Bekannte  des  Autors  vorgeführt  werden  (4  in  der  Chr.  de  Dom 
Pedro,  und  3  in  der  des  D.  Duarte  de  Menezes).  Haltlos  ist  die  an  und  für  sich  berechtigte 
Vermutung,  der  als  Gewährsmann  angeführte  Comthur  sei  der  berühmte  Fernam  Lopes,  den 
Z.  in  der  Vorrede  zitiert  (als  pessoa  twtavel  de  \des\communal  sciencia  e  auctaridade) ,  sein 
Vorgänger  in  Amt  und  Würden,  der  unter  den  Materialien  zu  den  Königschroniken  sicher- 
lich auch  auf  die  afrikanischen  Expeditionen  bezügliche  Dokumente  hinterlassen  hat.  Einen 
Fernam  Lopes,  Commendador-mör  de  Christos  kennt  zwar  Z.  (p.  31 7);  doch  ist  dieses 
Glied  der  Familie  Azevedo  nicht  identisch  mit  dem  Historiker,  wie  aus  Sousa,  Hist.  Geneal. 
XI  381   erhellt. 

*  Antigiiidades  de  Entre  Doiro  e  Minlio. 

*  S.  u.  p.  220  Anm.  5. 

*  In  seinem  Espelho  de  Casados  (gedr.  1540)  gedenkt  derselbe  Barros  der  Über- 
schwänglichkeiten  des  Amadis  tadelnd  wie  die  meisten  seiner  Zeitgenossen. 

*  ytPoemas  Lusitanos«.  ed.  Miguel  Leite  F  e  r  r  e  i  !•  a.  Sonetos,  livro  11  No.  34  u.  35. 
Die  Schaar  abenteuerlicher  Behauptungen,  zu  denen  diese  beiden  »Studien«  die  Kritiker  ver- 
leitet haben  (an  ihrer  S|)itze  den  oft  genannten  Fabeischmied  Faria-e- So  usa)  kann  uns 
hier  nicht  beschäftigen. 

"^  Dass  der  Dichter  Ferreira  in  intimen  Beziehungen  zum  Herzoge  von  Aveiro  und 
seinen  Söhnen  gestanden    hat ,    kann   nur    bezweifeln    wer    seine    Werke    nicht    gelesen    hat. 


2  20    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LlTT. 

derselben  beginnt:  -»Born  Vasco  de  Lobeira«,  und  behandelt  den  Genannten  als 
Erfinder,  oder  wenigstens  (wie  der  Wortlaut  zu  deuten  erlaubt)  als  Bearbeiter 
des  Amadis'. 

Einen  Lobeira,  doch  einen  verschiedenen,  Namens  Pedro,  welcher 
Notar  in  Elvas,  in  den  Tagen  des  Infanten  D.  Pedro  gewesen  sein  soll,  (also 
vor  1449),  nennt  bald  darauf  der  Hagiograph  Jorge  Cardoso^,  als  Ȇber- 
setzer« und  zwar  einer  französischen  Vorlage^.  —  Und  einen  Lobeira 
nennen  später  alle  portugiesischen  Berichterstatter 4,  die  hier  fehlen  dürfen, 
da  sie  nur  den  vier  älteren  Quellenschriftstellern  nachsprechen ,  und  deren 
Aussagen  oft  höchst  willkürlich  zu  einem  Ganzen  verweben.  Wenn  fast  alle 
sich  um  den  unbekannten,  späten  Pedro  nicht  kümmern,  und  bei  Vasco 
stehen  bleiben,  so  geschah  es,  weil,  gleich  wie  die  Littcratur,  so  auch  die 
Geschichte  einen,  und  zwar  einen  einzigen  Ritter  Lobeira,  gerade  dieses  Tauf- 
Namens  Vasco  kennt  und  nennt,  der,  laut  Aussagen  des  alten  Fcrnam  Lopes 
(geb.  um  1380;  gest.  nach  1454),  bei  Aljubarrota  kämpfte'^.  Mit  diesem 
Krieger  identifizierten  sie  den  Dichter.  Den  Widerspruch  zwischen  der  so 
gewonnenen  Zeitangabe  (1385,  d.  h.  Ableben  Ferdinand's  und  Thronbesteigung 
Johannas  L)  und  der  Behauptung  Miguel  Fcrreira's  über  die  dionysische 
Sprache  des  Amadis  wussten  sie  natürlich  nicht  zu  lösen  :  die  Klügsten  wählten 
den  Ausweg,  offen  zu  bekennen,  der  Lobeira,  welcher  den  Amadis  ver- 
fasste,  habe  entweder  in  den  Tagen  des  Königs  Dionysius  (und  seines  Sohnes 
Alfons  IV.)  oder  zur  Zeit  Ferdinand's  und  Johann's  I.  gelebt^. 

59.  Drittens:  Dass  nun  diese  Lobcira-Gerüchte  oder  Berichte  eine  sehr 
reelle  Basis  haben,  steht  seit  1880  fest'^.  Es  hat  einen  praedionysischcn,  noch 
unter  D.  Dinis  lebenden  Troubadour  Lobeira  gegeben,  Joäo  mit  Vornamen, 
oder,  mit  üblicher  Verwertung  des  Vatersnamens:    Joäo  Pircs  Lobeira.  — 

Braga  klärt  jedoch  auch  über  dieses,  von  Braun  fels  gänzlich  misverstandene  Verhältnis 
nur  sehr  ungenügend  auf. 

'  S.  u.  §  65  Anni.  3. 

2  Agiolog io  Lusitano  I  p.  40 1. 

^  Diesem  einen  Zeugen  schenkt  Braun  Fels  Glauben  —  Gott  weiss  warum!  — 
und  ich  auch!     Er  Obersieht  es,  dass  Cardoso  selber  sich  vielfachst  auf  Barros  beruft. 

*  Faria-e- Sousa ,    Sousa  de  Macedo,    Barbosa  Machado    und  Gefolge. 

»  S.  Chronica  del  Rey  D.  Joäo  I;  P.  II  cap.  39  p.  97;  gedr.  1644.  Die  Kritik  hat 
es  bis  heute  übersehen,  dass  schon  dieser  F.  I^opes,  vor  1450  (nach  Queilenaufzeichnungen 
über  die  Ereignisse  von  1385)  erzählt  hatte,  Vasco  Lobeira  sei  damals  von  Johann  1 
zum  Ritter  geschlagen  worden,  und  niclit  erst  Duarte  Nun  es  deLeao  {Chron.  fol.  194  — 
195),  dessen  Überarbeitung  freilich  ein  Jahr  früher  gedruckt  erschien,  wie  sie  es  übersehen  hat, 
dass  derselbe  treffliche  Chronist  uns  an  einer  anderen  Stelle  (in  seiner  Chronica  de  D.  Fernando, 
cap.  177),  den  Vasco  bereits  vor  Aljubarrota  und  zwar  in  £/z/aj  als  Ritter  vorführt.  Möglich 
dass  cavalleiro  daselbst  Druckfehler  für  escudeiro  ist  (einfache  Versetzung  der  beiden  Worte, 
die  in  derselben  Zeile  vorkommen).  Jedenfalls  war  Vasco  im  Todesjahre  Ferdinands  ein 
bereits  Erwachsener  d.  h.  entweder  ein  werdender  oder  schon  gewordener  Ritter.  Dass  er  unter 
König  Ferdinand  und  Johann  I.  gelebt,  ist  also  Wahrheit;  ebenso  dass  er  in  Elvas  geweilt  hat. 
Die  Geburt  in  Porto  lässt  sich  nicht  beweisen,  doch  ist  sie  nicht  unwahrscheinlich,  da  der 
Herrensitz  der  portug.  Lobeira' s,  das  Gut  Alvim,  Porto  nicht  allzufern,  unweit  von  Gui- 
maraes,  lag  und  zur  Provinz  Entre  Doiro  e  M  i  n  h  o  gehörte.  Das  Todesjahr  1403  aber, 
welches  sämtliche  Amadisforscher  (mit  Ausnahme  von  Braun  fels  p.  33)  angeben,  stammt 
aus  willkürlicher  Deutung  eines  irrtuinsreichen  und  durch  Druckfehler  entstellten  Satzes  aus 
Faria-e- Sousa's  y>Discurso  de  los  Sonetos-i  No.  10.  —  Das  Datum  1279  —  1325-  das  bei 
anderen  Litterarhistorikern  die  mutmassliche  Lebensdauer  des  .4/«art'w- Verfassers  bezeichnen 
soll,  nennt  thatsächlich  nichts  als  die  Regierungszeit  des  Königs  Dionysius. 

"  Faria-e- Sousa  will  in  einer  von  Braun  fels  nicht  beachteten  Stelle  zwei 
Vasco 's  ansetzen  (was  bei  der  üblichen  Vererbung  der  Namen  vom  Grossvater  auf  den 
Enkel  nahe  lag).  Er  sagt :  -»El  primer  libro  de  cavallerias  qiie  sc  escriviö  en  Europa  fue  el 
Amadis ;  i  su  autor  Vasco  de  L.  que  algimos  dizen  fue  en  tiempo  del  Rey  D.  Alonso  IV  si 
bien  este  Autor  se  halla  en  tiempo  del  Rey  D.  Juan  I  que  es  miicho  despues.  Pero  pudieron 
ser  dos  deste  nombre<i.  (Europa  III  p.  371   No.  65;  cfr.  Epitome). 

^   S.  Zeitschr.  IV  p.  347- 


Prosa:  Amadis. 


Und  da  er  der  (natürliche)  Sohn  eines  erlauchten  portug.  Ritters  und  Höflings 
ist,  des  Pero  Soares,  de  Alvim,  und  vermutlich  einer  gallizischen  Edelen 
aus  dem  Hause  derer  von  Lobeira  (bei  Lugo),  so  lässt  seine  Existenz  bei 
Hofe  sich  von  1258  bis  1285  dokumentarisch  belegend  Die  Hauptsache  aber 
ist,  dass  dieser  Stammvater  der  portugiesischen  Lobeiras  nebst  anderen  Minne- 
liedern (Canc.  CBr.  244 — 249)  und  einem  Scherzgesange  {Vat.  998)  ein 
Amadisge dicht  verfasst  hat.  Und  zwar  besteht  es  aus  den  graziösen  Versen 
an  das  feine  Röslein  Leonoreta-  (d.h.  an  die  jüngere  Schwester  der  Amadis- 
Geliebten  Oriana),  von  denen  noch  heute  Stücke,  in  spanischer  Verballhornung, 
eine  der  Hofszenen  des  Montalvo -Textes  illustrieren  {Lib.  II  cap.  XI.).^  — 
Welches  ist  die  natürlichere  Folgerung;  dass  Lobeira  die  Romangestalt  und 
die  Erlebnisse  der  kleinen  Leonore,  und  also  den  echten,  alten  portugiesischen 
Amadis  geschaffen  hat?  Oder  dass  ein  anderer  erst  später,  auf  das  Liedchen 
hin,  die  betreffenden  Szenen  erfand  und  dem  Amadis  einfügte? 

60.  Viertens.  Wie  gleichfalls  noch  heute  der  Montalvo'sche  Text  er- 
zählt {Lib.  I  cap.  XL)  —  und  zwar  unbedingt,  weil  seine  alte  Vorlage  also  be- 
richtete —  hat  einstmals  ein  portugiesischer  Infant  D.  Affonso  verlangt,  es 
solle  einem  der  bedeutungsvollsten  Abenteuer  des  Helden,  in  welchem  seine 
Liebestreue  auf  die  härteste  Probe  gestellt  wird,  ein  anderer  Ausgang  gegeben 
werden,  als  der,  welchen  der  gemeingültige  Text  verbreitet  hatte.  Falls 
keine  Gegenbeweise  da  sind,  müssen  wir  annehmen,  dass  es  vom  Schöpfer 
des  portugiesischen  Amadis  gefordert  ward.  Der  Ritter  Oriana's  sollte  den 
Anerbietungen  der,  um  ihrer  unvergleichlichen  Schönheit  willen  la  nifia  hermosa 
benamsten  Königstochter  Briolanja  willfahren ,  als  diese  ihm ,  in  verliebter 
Dankbarkeit  für  die  Zurückeroberung  von  Krone  und  Reich,    mit   der  naiven 

'  Vgl.  Monarch.  Lusii.,  liv.  XV  cap.  48  und  XVIII  cap.  22  und  23  (nebst  den  dazu  ge- 
hörigen  Dokumenten  im  Anhange),  sowie  Braga,  Trov. 202 — 203;  Antadts\'^2  unAVat  .\^W\\' . 
Die  alten  Adelsbi'icher  nennen  den  Vater  und  die  legitimen  Söhne  (L.  de  L.  Tit.  30  und  32) ; 
den  JoTio  Lobeira  und  seinen  Bruder  Martim  (Pires)  Lobeira  aber  nicht.  Was  fest  steht, 
ist  Folgendes:  Im  J.  1258  gedachte  des  J.  L.  der  aus  Gallizien  stammende  (möglicherweise  mit 
den  galliz.  Lobeira's  verwandte)  Lissabonner  Bischof  D.  Ayres  Vaaz  (der  1245  auf  dem 
Konzil  von  Lyon  Sancho  IL  rechtschaffen  und  eifrig  verteidigt  hat),  und  zwar  in  seinem  Testa- 
mente. Im  J.  1261  tritt  J.  L.  bereits  als  Volljähriger  auf,  denn  er  unterzeichnet  eine  öffentliche 
Urkunde,  kraft  derer  der  hochangesehene  Troubadour  und  Majordomus  Alfons'  III.  D.  Joao 
de  Abo  im  das  Schloss  Portel  gründete.  1262  soll  L.'s  Name  unter  dem  Ortsrechte  von 
Terena  stehen,  nach  Angabe  von  F.  Brand  äo  und  aller,  die  ihm  nachschrieben.  Ich  aber 
finde  sowohl  in  der  Mon.  Ltis.  VI  p.  56 1  wie  auch  in  den  Port.  Mon.  Hist.,  p.  700  der 
Chartae,  neben  dem  Namen  seines  Halbbruders  Mem  Soares  de  Melle  (de  Alvim)  keinen 
Johannes,  sondern  nur  einen  Martin  us  Lobeira,  den  Grossvater  jener  Leonor  deAlvim, 
welche  1 360  die  Gattin  des  Santo  Condestavel  und  somit  eine  der  Ahnfrauen  des  Hauses 
Braganqa  ward.  (S.  Sousa,  Hist.  Geneal.  V  p.  97).  Auch  das  hat  noch  kein  ^/«a^w-Forscher 
beachtet,  obwohl  es  begreiflich  macht,  wie  und  warum  verschwommene  Gerüchte  später  die 
Bragan^as  in  Beziehung  zu  dem  yiw«ö'/j- Verfasser  brachten.  Am  6.  Mai  1272  wurde  J.  L. 
durch  königl.  Verfügung  legitimiert:  »Notum  facto  qtiod Petrus  Stierij  miles  dictus  de  Alvim 
venit  a?tte  nie  et  dixit  qtiod  volebat  Joannem  Liipariam  filitim  suutn  naturalem  esse  in  oiiiniluis 
bonis  suis  legitimum  successorem  etc.«  Im  J.  1277  war  der  miles  J.  L.  zugegen  als  der  Nuntius 
Frey  Nie  o  lau  dem  Könige  von  Portugal  Intimationen  der  Päpste  Gregor  und  Johann  XXI. 
vorlas  \y>praesentibus  .  .  Joanne  Lobeira  .  .  .  Fernando  Gunsalvis  Chancino  militibus'(.\  v.  Mon. 
Lus.  XV  cap.  46  p.  245  und  255.  In  der  Aera  1323  (d.  h.  im  J.  1285)  war  er  dann  in 
Lissabon  zugegen,  als  König  Dionysius  einen  Vertrag  mit  der  Stadtkammer  abschloss  {Mon. 
Lus.  V  p.  315;  Escrit.  18).  Die  Jahreszahl  1323  bei  Braga  ist  also  eine  falsche.  Noch 
ein  anderes  Dokument  vom  J.   1 278  wird  weiter  unten  erwähnt  p.  222  Anm.  5. 

*  Canc.  CBr.  244  und  246b:  Leonoreta  Finroseta.  S.  darüber  Zeitschr.  IV;  Monaci 
in  Rassegna  Settimatmle  1880;  Braga,   Questöes  p.   117 — 122. 

*  Leider  fehlt  jegliche  Prosaerklärung  zu  diesem  lais.  Würde  sie  uns  durch  einen 
glücklichen  Zufall  noch  geboten,  und  spräche  sie  klar,  die  Amadis-Yxi^^t  wäre  aus  der  Welt 
geschafft!  Wichtig  ist,  dass  die  metrische  Form  des  Leotioreta-hicdes  (die  sonst  nur  2  mal 
im  weltlichen  altportug.  Liederbuche  vorkommt)  bei  Alfons  X.  mehrfach  und  im  Canc.  de 
Baejia  ausserordentlich  oft  verwendet  wird. 


22  2    LriTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 

Keckheit  so  mancher  altfranzösischen  Romanheldin,  Thron,  Hand,  Herz  und 
Leib  anbot  —  somit  den  einheitlich  angelegten  Plan  seines  Werkes  umstossend 
und  den  Charakter  des  leal  enamorado  befleckend.  —  Diesen  Wunsch  oder 
Befehl  des  portugiesischen  Fürsten,  der  vielleicht  nach  einem  plausiblen  Grunde 
für  Oriana's  Eifersucht  und  die  daraus  folgende  Verstörtheit  und  Busse  des 
zum  Bcl-Tenebros  gewordenen  Helden  suchte,  erfüllte  zwar  der  Autor,  doch 
setzte  er  die  neue  Lösung  scheinbar  nur  neben  die  alte  (und  nicht  an  ihre 
Stelle),  in  einer  Beilage  von  Blättern',  und  erklärte  wohlweislich,  in  einer 
bis  auf  den  Tag  erhaltenen  später  dem  Texte  eingefügten  Anmerkung,  wer 
jene  unkünstlerische  und  unwahre  Afterversion  gewollt  hatte^. 

61.  Fünftens:  In  diesem  Infanten  hat  der  älteste  und  sachkundigste  Inter- 
pret der  Stelle,  d.  h.  Antonio  Ferreira  (oder  sein  Sohn  Miguel)  den  Sohn 
des  Königs  Dionysius,  also  den  späteren  Alfons  IV.  o  Bravo  erkennen  wollen  ^, 
der  (1291  geb.)  bis  1325  jenen  Titel  trug*.  Da  aber  ein  urkundliches 
Dokument  uns  den  Troubadour  Joäo  Lobeira,  welcher  das  Amadis-Licd 
dichtete,  in  Beziehungen  zu  einem  anderen,  und  noch  dazu  ihm  Alters  ver- 
wandteren D.  Affonso  vorführt ^  der  bis  an  sein  Lebensende  Infante  de 
Portugal  blieb,  und  dess  Vasall  jener  gewesen,  so  ist  es  Recht  und  Pflicht, 
diesen,  d.  h.  den  Sohn  Alfons'  III.  und  Bruder  des  D.  Dinis  (geb.  1263 
oder,  der  Grabschrift  nach,  1265,  und  gest.  1312)  als  Inspirator  der  zweiten 
Amadis-Fassung  zu  betrachten  6.  Selbige  entstand  somit  vor  131 2;  wahrschein- 
lich sogar  vor  1304,  denn  damals  vcrliess  D.  Affonso  sein  Vaterland  (in 
Güte)  und  ward  Kronvasall  des  kastilischen  Königs  Ferdinand  IV.  "^ 

62.  Sechstens:  Bedürfte  die  müssige  Frage,  wie  der  portugiesische  Roman 
an  den  kastilischen  Hof  kam,  und  ob  denn  ein  portugiesischer  Text  daselbst  im 
14.  Jh.  Aussicht  hatte,  gelesen,  verstanden,  und  ohne  Nationaleifersucht  gewürdigt 
zu  werden,  überhaupt  einer  Antwort  —  ich  hoffe  dass  Niemand,  der  diese  Ab- 
handlung bis  hierher  gelesen,  sie  aufwerfen  wird,  —  so  muss  jeder  Ehrliche  und 
Sachkundige  die  den  besonderen  Amadis-Fall  berücksichtigende  Antwort  billigen : 


'  Das  ist  aus  Montalvo's  simimarischem  Berichte  über  den  Inhalt  der  abgeänderten 
Lesart  zu  schliessen  (die  mit  den  Worten  anhebt:  De  otra  guisa  contan  estes  amores)  und 
aus  ähnlichen  Einschiebseln  selbst  in  Geschichtswerken, 

"  Diese,  in  Montalvo's  Text  verwebte  Anmerkung  lautet  heute:  y>atmqtie  el  Senor 
Infante  Don  Alfonso  de  Portugal,  habiendo  piedad  desta  fermosa  doncella,  de  otra  guisa  lo 
mandase  poner.  En  esto  hizo  lo  qtte  su  merced  ftu,  nias  no  aquello  qtte  en  effecto  de  sus  amores 
se  cscribiai.. 

*  Das  Sonett:  -»Born  Vasco  de  Lobeira<(.  ward  von  Ferreira  demjenigen  Fürsten  in 
den  Mund  gelegt,  der  die  Verbesserung  verlangte.  Dass  er  Alfons  hiess,  sagt  der  Roman- 
text. Dass  darunter  Alfons  IV.  zu  verstehen  sei,  war  des  Herausgebers  Ansicht, 
welcher  behauptet :  »Divulgaram -se  etn  nome  do  Iffante  D.  Affonso,  filho primogenito  del 
Rei  D.  D eniz ,  per  quatn  mal  este  Principe  recebera  (como  se  ve  da  mesma  historia)  ser  a  fermosa 
Briolanja  em  seus  ajnores  täo  maltratada<i.. 

*  Bei  Kronprinzen  pflegt  der  Hinweis  auf  ihre  Regierung  nie  zu  fehlen. 

^  Der  Name  Joäo  Lobeira  steht  nämlich  noch  unter  der  Carla  por  que  el  Rey 
D.  Affonso  (III)  deu  a  seu  fiUw  D.  Affonso  a  Villa  de  Lourinhäa.  Vgl.  Sousa,  Hist. 
Geneal.,  Provas  I  p.  62. 

^  G  a  y  a  n  g  o  s ,  B  r  a  u  n  f  e  1  s ,  V  a  1  e  r  a  ,  kurz  al le,  welche  den  Ursprung  des  ersten 
peninsularen  Atnadis-T^yX^i,  zwischen  1325  und  1359  ansetzen,  und  den  Bericht  über  den 
Infanten  der  späteren  Redaktion  Montalvo's  zuerteilen,  statt  ihn  in  seiner  Vorlage  zu  suchen, 
sahen  sich  natürlich  gezwungen,  nach  einem  weit  späteren  Infante  D.  Alfonso  de  Por- 
tugal aus  Montalvo's  Tagen  zu  fahnden,  und  verfielen  dabei  auf  einen  Alfons  geheissenen 
Sohn  Johann's  I.  Doch  ist  diese  Annahme  unzulässig.  Der  fragliche  Fürst  (geb.  zwischen 
1370  und  1385,  wahrscheinlich  1377,  und  gest.  nach  1464)  konnte,  da  er  ein  natürlicher 
Sohn  war,  niemals  —  auch  nicht  nach  seiner  Legitimation  (1401)  —  den  ihm  nicht  ge- 
bührenden und  streng  vorenthaltenen  Titel  Infant  tragen.  Er  hiess  stets  und  überall  o  Senhor 
D.  Affonso  oder  Conde  de  Barcellos  (Arrayolos,  Ourem)  und  später  Primeiro 
Duque  de  Braganqa. 

^  Vgl.  Sousa,  Hist.  Geneal.  I  185     iqi  und  Mon.  Lnsit.,  livr.  XVUI,  cap.  11  u.  14. 


Prosa:  Amadis.  223 


»eben  der  Infant  D.  Affonso  de  Portugal,  welcher  mit  der  Spanierin  D. 
Violante  Manuel,  der  Schwester  des  berühmten  Verfassers  des  Conde 
Lucanor,  vermählt  war,  und  dessen  Töchter  als  Gemahlinnen  spanischer 
Granden'  in  Spanien  bei  Hofe  lebten,  wird  1304  das  Buch,  für  das  er  sich 
so  speciell  interessiert  hatte,  mit  sich  genommen  haben  ^  und  so  sein  erster 
Verbreiter  geworden  sein.  Wie  Ayala,  so  hätte  somit  auch  schon  D.  Juan 
Manuel  den  Amadis  gelesen. 

63.  Siebentens:  Auch  wie  die  Spanier  schon  im  14.  Jh.  Amadis -Nach- 
ahmungen besitzen  konnten  (ich  sage  absichtlich  nicht  ^>besassen«)^  und  von 
1350  ab  bis  zu  Montalvo,  ja  bis  zu  Cervantes ,  ganz  besonders  aber  um  1 400, 
während  der  gallizischen  Nachblüte  des  altportugiesischen  Minnesangs,  fort- 
während den  Amadis  preisen  konnten,  braucht  nicht  länger  mehr  Gegenstand 
des  Staunens  zu  sein.  —  Ebensowenig  darf  es  befremden ,  dass  im  letzten 
Drittel  des  15.  Jhs.  Montalvo's  spanischer  Text  als  Neu -Bearbeitung  einer 
früheren  Redaktion  en  estilo  avtiguo  eingeführt  werden  konnte,  ohne  dass 
darin  vom  portugiesischen  Originale,  noch  von  älteren  Übertragungen  ins  Kasti- 
lische,  und  ihren  Verfassern,  die  Rede  ist.  Ich  glaube,  dass  thatsächlich  schon 
lange  vor  Montalvo  der  Amadis  spanisch  gelesen  ward,  da  die  Sitte,  por- 
tugiesisch zu  dichten,  schon  von  1350  an  in  Verfall  geriet,  sodass  zuerst  ein 
Nebeneinander  portugiesischer  und  kastilischer  Lyrik,  bald  aber  die  Oberherr- 
schaft und  dann  die  Alleinherrschaft  des  Kastilischen  eintrat.  Das  einfache  Über- 
tragen aber,  d.  h.  das  Umschreiben  {trasladar)  aus  dem  portugiesischen 
Urtexte  in  einen  wörtlich  entsprechenden  kastilischen  konnte  der  erste  beste 
hi-lingue  (gallizische)  Schreiber  vornehmen'*,  vielleicht  nach  dem  Diktate  eines 
portugiesischen  Troubadours  spanischer  Nation''.    Nach  dem  Autor  von  Märchen 


'  Es  waren:  der  Herr  von  Biscaya,  D.  Juan  Diaz  de  Haro,  el  Tuerto;  Nuno 
Gonqalvez  de  Lara;  und  D.  Pedro  Fernandez  de  Castro. 

2  Der  Infant  begleitete  zuerst  das  Königspaar  nach  Aragon  (Tarazona)  und  verblieb 
bei  der  Rückkehr  am  kastilischen  Hofe. 

'  Den  Enrique  fijo  de  Oliva,  der  schon  um  1350  im  Poema  de  Alfoftso  XI.{?>\.t.  2174) 
genannt  wird,  kann  man  eigentlich  nicht  als  ^»/a^w-Nachachmung  betrachten.  Die  Existenz 
eines  Flor  est  an-Romanes  ist  zweifelhaft.  Den  valencianischen  Tirant  lo  Blanch  aber,  dessen 
Autor  den  ^wa«/zV  gekannt  haben  wird,  und  der  von  Braunfels  in  die  Zeit  König  Ferdinand's 
(d.  h.  ins  letzte  Drittel  des  14.  Jhs.)  verlegt  wird,  halte  ich,  aus  inneren  und  äusseren  Gründen 
für  eine  weit  spätere  Arbeit,  und  bleibe  bei  dem  im  Drucke  angegebenen  Datum  1460 
stehen.  Braun  fei s  argumentiert  mit  der  Anredeformel :  »^^j/ ^'^^0«^«  des  Geleitbriefes,  und 
übersetzt  mit  »erlauchter«  und  »hochachtbarer«  König,  was  doch  nichts  als  »abwartender« 
d.  h.  zukünftiger  König  bedeuten  kann.  Gemeint  ist  ohne  Zweifel  (wie  schon  Braga 
richtig  erkannt,  doch  nicht  bewiesen  hat)  Ferdinand,  der  Bruder  Alfons' V.  und  Vater  Emanuel's. 
Adoptivsohn  und  Erbe  Heinrich's  des  Seefahrers,  (den  Rozmital  und  von  Ehingen  Hof 
halten  sahen  wie  einen  zweiten  König);  denn  dieser  (geb.  1433,  gest.  1470)  war  der  erst  e  und 
in  der  in  Frage  kommenden  Zeit  auch  der  einzige  portug.  Infant,  der  den  Titel  y>FrmciJ>e 
de  FortugaU  erhielt  und  trug,  von  dem  Tage  an,  wo  ihn  1438  die  Cortes  de  Thomar  zum 
Thronerben  feierlich  ausriefen  bis  (im  Mai  1455)  dem  Könige  Alfons  sein  Sohn  Johann  II. 
geboren  und  im  Juni  zum  Nachfolger  pioklamiert  ward.  1460  wird  Datum  der  valencia- 
nischen Umschrift  sein,  nicht  der  ersten  (portug.?)  Redaktionsarbeit. 

*  Statt  noch  einmal  an  Diego  Gonqalves  zu  erinnern,  der  die  Historia  Troyana 
aus  dem  Frz.  ins  Gall.  und  Käst,  übertrug,  sowie  an  die  gall.  Hs.  der  Crescentiasage  und 
ähnliches,  erwähne  ich  (nach  A.  de  los  Rios  VI  p.  46  und  Braga,  Univ.  p.  205),  dass 
die  Confessio  Amantis  des  John  Gower  von  dem  lissabonner  Kanonikus  Robert  Payn 
(engl.  Herkunft)  ins  Portug.  übersetzt  und  danach  ins  Kastil.  umgeschrieben  ward  {Esairiai: 
g-ij-  19).  Und  wenn  Martorell  (dessen  Lebenszeit  sicher  zu  stellen  ist)  sich  der  Aus- 
sage, er  habe  den  Tirant  aus  dem  Engl,  ins  Portug.,  und  dann  ins  Valenc.  umgearbeitet, 
wirklich  nur  wie  einer  Mode-Formel  bedient  hat  (was  ich  bezweifle),  so  ist  damit  wenigstens 
bewiesen,  dass  wahre  oder  fingierte  Übersetzungen  portug.  Ritterromane  in  andere  penin- 
sulare Sprachen  im   15.  Jh.  eben  Mode  waren.    Vgl.  p.   124. 

^  Einer  der  früher  erwähnten  Troubadours;  oder  D.Juan  Manuel;  oder  Ayala; 
oder  in  der  2.  Epoche  Villasandino,  Ferrus,  Vasco  Pires  de  Camoes  oder 
Mac  las,  d.  h.  etwelcher  aus  der  Schaar  der  Epigonen. 


2  24    LriTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.   —    4.    PORT.    LiTT. 

und  Geschichten  zu  fragen,  war  man  nicht  gewohnt.  Die  Einwanderung  fremder 
Sagenstoffe  hatte  dagegen  gleichgültig  gemacht  J-  —  Warum  in  der  Folgezeit 
das  Ausland  durch  Tasso  und  andere  nur  von  einem  romanzo  spagnuolo  erfuhr, 
und  weshalb  der  europäische  Ruf  des  Amadis  erst  begann,  als  nach  Erfindung 
des  Buchdrucks,  dem  Falle  Granadas  und  Kastiliens  Blüte  ein  spanischer  Rhetor 
sein  herrliches  Pathos  über  den  veralteten  Stil  eines  seit  nahezu  zwei  Jahr- 
hunderten vergessenen  Anonymus  gebreitet  hatte;  auch  wie  die  bewundernde 
Anerkennung  des  Auslandes  dann  unter  den  Spaniern  den  bislang  schwachen 
Glauben  an  heimischen  Ursprung  nähren  musste,  das  wird  der  Leser  sich 
selbst  zusammenreimen.  Aus  meiner  Auffassung  der  portugiesischen  National- 
litteratur  und  ihrer  Beziehungen  zur  spanischen,  sowie  aus  der  Hand  in  Hand 
damit  gehenden  Darlegung  der  sentimentalen  Grundstimmung  der  um  ihrer 
Trcuverliebtheit  willen  berühmten  und  berüchtigten  Portugiesen  wird  er  über- 
dies die  inneren  Gründe  erschliessen ,  die  für  portugiesische  Herkunft 
des  leal  enaviorado  sprechen. 

64.  Achtens:  Doch  wo  blieb  der  Urtext?  —  Man  weiss  heute  von  keiner 
portugiesischen  Amadis- Handschrift.  —  In  den  Werken  Ferreira's,  der, 
wie  gesagt,  darauf  ausging,  die  Sprachformen  des  Romans  nachzuahmen,  und 
thatsächlich  die  Redeweise  der  altportugiesischen  Minnedichtung  und  der 
Demanda  do  S.  Graal  verständnissvoll  kopiert,  wird  jedoch  angegeben,  das 
Original  des  Amadis  von  (Vasco)  Lobeira  habe  sich,  noch  im  i6.  Jh., 
im  Fürstenhause  Aveiro  befunden  2.  —  Ein  Amadis  em  portuguez  soll  sogar 
noch  1686  in  der  reichen,  später  zerstückten  Bibliothek  des  Grafen  von  Vimieiro 
existiert  haben  3,  —  Das  ist  alles.  —  Seit  Montalvo  gedruckt  vorlag,  zu 
einer  Zeit,  wo  am  portugiesischen  Hofe  das  Kastilische  ostensiv  bevorzugt 
wurde,  las  man  natürlich  den  Amadis  in  der  jüngsten  Modebearbeitung.  Die 
alte  war  für  das  immer  weiter  werdende  Lesepublikum  ungeniessbar  geworden  *. 
Sie  ging  verloren  —  oder  sie  ruht  noch  irgendwo,  unerkannt. 

65,  Neuntens:  Die  hartgerügte  und  beargwöhnte  Thatsache,  dass  die 
portug.  Berichterstatter  in  ihren  Angaben  über  Vornamen,  Stand,  Geburtsort  und 
Zeit  des  Lobeira  nicht  einig  sind,  bedeutet  nicht  eben  viel.  Wie  beweglich 
alte  Überlieferungen  sind  —  nicht  allein  in  Portugal  —  sollte  jeder  wissen,  der 
sich  mit  Geschichte  und  Litteratur  ernstlich  befasst.  Schon  dass  der  Name 
Lobeira  sich  von  1258  an  erhalten  hat,  ist  nicht  wenig.  Überdies  ward 
schon  angedeutet,  dass  die  meisten  Angaben  einen  Wahrheitskern  in  sich 
bergen  (Elvas  —  Porto  —  D.  Fernando).  Ob  der  portuenser  Krieger 
Vasco,  der  1384  und  85  für  den  Mestre  d'Aviz  das  Schwert  schwangt, 
thatsächlich  seinerseits  an  der  Schöpfung   seines  Vorfahren  (ich  denke  seines 


1  Wer  kann  überhnupt  heute  wissen,  ob  der  alte  Lobeira  text  nicht  auch,  gleich  so 
vielen  späteren  livros  de  cavalleria,  behauptete,  er  sei  eine  Übersetzung  aus  dem  Engl,  oder 
Frz.?  und  mit  welchem  Rechte? 

^  S.  oben  p.  2 19  Anm.  2.  Die  Herzöge  von  Aveiro  stammten  (por  bastardia)  vom 
K(")nigsh;uise  ab.     Ihre  Bibliothek  verbrannte  beim  Erdbeben,  wie  auch  die  königliche. 

3  S.  Memorias  da  Acad.  Real  de  Bist.  Port.   1726,  Heft  XHI  No.   191. 

*  Nur  wenige  Dichter,  wie  Miranda  und  Ferreira,  und  etwas  später  einige 
Archäologen,  wieSeverim  deFaria,  Barros  und  Nun  es  deLeäo,  zeigten  Sinn  und 
Verständnis  für  die  alte  Sprache.  Wie  bitterwenig  im  Allgemeinen  schon  zu  Anfang  des 
17.  Jhs.  selbst  die  Gelehrteren  Bescheid  wussten,  zeigen  die  abschreckenden  Apokryphen 
und  ihr  Erfolg,  sowie  alle  Abdrücke  älterer  Dokumente,  in  denen  gewisse  Fehler  stereotyp 
sind    (inha  für  mha  oder  nha ;  se  ve  für  se^e ;  dess  mm  für  de  smtm). 

*  Auch  ül)er  Ritterschlag  und  Kittertumskandidaten  hegt  Braunfels  Anschauungen, 
deren  Ungültigkeit  die  portug.  Geschichte  beweist.— Wie  innig  aber  der  Zusammenhang 
zwischen  historischen  Geschehnissen  — Justas  e  iorneios  t\.c.  —  und  dem  peninsularen  Ritter- 
romane ist,  wie  reichlich  dieser  aus  jenen  Nahrung  sog  (und  umgekehrt),  das  übersieht  man, 
vor  lauter  Abneigung  gegen  die  märchenhaften  Wunder,  Riesen,  Zwerge,  Feen  und  Schwaben- 
streiciie. 


Amadis.  225 

Urgrossvaters)  Joäoi  gearbeitet  hat,  die  alten  drei  Bücher  zu  vieren  streckend, 
durch  Einfügung  neuer  Verwickehingen,  Abenteuer  und  Kriegsthaten,  oder  ob 
die  Sage  einfach  den  unbekannt  gewordenen  Joäo  durch  Vasco  ersetzte, 
das  muss  dahingestellt  bleiben  2.  An  Sprache  und  Styl  war  1385  noch  nichts 
zu  ändern;  wie  man  z.  B.  den  Galaaz  liebte  und  würdigte,  so  den  Amadis, 
mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  man  das  in  heimatlicher  Nähe  entstandene 
Werk  weniger  werthielt,  und  nicht  an  seine  Wahrheit  glaubte,  wie  an  die  aller 
aus  weiter  Ferne  impoitierten  Estorias. 

66.  Zum  Schlüsse  sei  gefragt  ob  es  wirklich  befremdend  ist,  dass  zu 
derselben  Zeit,  wo  man  bretonische  lais  in  portugiesischer  Sprache  dichtete, 
und  die  französischen  Prosaromane  von  Joseph  ab  Arimatia,  Merlim, 
Artus,  Tristam,  Lancelote  und  dem  Graal  übertrug,  einer  unter  den 
adligen  Troubadours  auf  den  Gedanken  kam,  selber  einen  ähnlichen  Roman 
zu  komponieren,  in  freier  Verwendung  fremder  Reminiscenzen,  möglicherweise 
aber  auch  noch  in  engerem  Anschluss  an  ein  bestimmtes  verlorenes,  englisch- 
französisches,  poetisches  oder  prosaisches,  Amadas-Gebilde  ?  Natürlich  ein  be- 
sonders phantasiebegabter  idealgesinnter  Dichter ',  dem  die  romantischen  Ge- 
stalten und  Motive  des  keltischen  Sagenkreises  im  Kopfe  schwirrten,  und  den 
einerseits  die  Liebesglut  des  Tristan  ,  und  andererseits  die  Keuschheit  des  reinen 
Thorcn  Galaaz  begeisterte?*  Sind  Minnesang  und  Ritterroman  nicht  Ausfluss 
ein  und  desselben  Geistes?  Musste  der  zweite  nicht  im  Anschluss  an  den 
ersten  mit  seinem  höfischen  Frauenkultus  entstehen?  Den  Amadis  sprachlich, 
und  was  Gefühle  und  Gesinnungen  betrifft  an  das  altspanische  Epos  mit  seinem 
kernigen  Heldengeiste  anzugliedern  —  oder  sagen  wir  lieber  an  die  Poetas 
Castellanos  und  an  6.ie,  Escritores  en  prosa  anteriores  al  siglo  XV —  wird  Niemand 
gelingen  •''.  Mit  den  altportugiesischen  Cancioneiros  (an  denen  ganz  Spanien 
Teil  hat)  und  mit  dem  altportugiesischen  Graal  hingegen,  und  auch  mit  zahl- 
losen alten  Geschichten,  Sagen  und  Anekdoten  von  liebeskranken  Thoren  und 
abenteuersuchenden ,  fahrenden  Rittern ,  sowie  mit  ihrem  ständigen  Ideale 
schwärmerischer,  bis  in  den  Tod  getreuer  Liebe  ist  der  Amadis  wohl  zu 
verknüpfen.  Einen  Nachgeschmack  des  Troubadourstils  mit  seinen  typischen 
Formeln  finde  ich  heute  noch  darin.  —  Und  fehlen  die  Manuscripte;  existieren 
statt  beweiskräftiger  Urkunden  und  zeitgenössischer  litterar-historischcr  Ver- 
merke nur  späte  und  spärliche,  gelegentliche  und  ungenaue,  ja  widerspruchs- 
volle Angaben  über  den  Roman  und  seinen  Verfasser;  sind  selbst  der  von 
Portugiesen  gespendeten  Lobsprüche  relativ  wenige;  und  werden  sie  sogar 
von  tadelnden  Äusserungen  überwogen,    in  denen  von    den    mentiras ,  ficföes, 

*  Joäo  gilt  für  den  Stammvater  aller  portug.  Lo  beiras.  Dass  Vasco  nicht  sein 
Enkel  (oder  Enkel  des  Mar  t im  P.  Loheira),  sondern  Urenkel  eines  der  beiden  ist,  darf 
man  aus  der  Namensgebung  und  aus  der  Zeitberechnung  schliessen.  Auch  Joäo  I.  war  Ur- 
enkel des  D.  Dinis.  Dass  die  Lö beiras  ursprünglich  Gallizier  waren  und  in  Gall.  und 
Leon  noch  jetzt  Familien  dieses  Namens  leben,  hat  auf  die  Entwicklung  der  Amadis-Yv^gQ 
scheinbar  keinen  Einfluss  ausgeübt,  obgleich  des  ganzen  F  ätsels  Lösung  vielleicht  hier  steckt. 

*  Braunfels  undLemcke  sehen  in  dem  vonFerreira  besungenen  Vasco  nur 
einen  Nacherzähler  und  Bearbeiter.  Ich  selbst  bleibe  zweifelhaft,  ob  die  Phrase  des  Sonettes 
Dsem  quedar  ettde  por  contar  i  renn,  nicht  einfach  besagen  will ,  der  Verfasser  habe  seinen 
Helden  bis  an  sein  seliges  Ende  geleitet.  Man  vergleiche  die  Worte  des  F  e  r  r  ü  s :  y>que  le 
dios  de  santo  posoa,  die  freilich  auch  nicht  ganz  unzweideutig  sind. 

*  Ein  Schmähgedicht  von  J.  Lobeira  ist  nicht  vorhanden. 

*  Nicht  der  C  o  n  d  e  s  t  a  v  el  allein,  sondern  noch  andere  Portugiesen  machten  Galaaz 
zu  ihrem  Ideale  (Kardinal  D.  Jainie,  Sebastian  etc.). 

*  Die  ältesten  span.  Romane  Enrique  fi  de  Oliva  —  Cifar  —  Guillerme  de  Inglatierra  etc. 
sind  anders  geartet.  Und  ist  die  Kenntnis  franz.  RomanstofFe  bei  Hita  und  Ayala  und  den 
höfischen  Sängern  auch  viel  bedeutender  als  bei  irgend  einem  portug.  Zeitgenossen,  so  kennt 
man  doch  bis  heute  keine  kastilisch  geschriebene  Bearbeitung  aus  dem  bretonischen  Cyklus, 
die  so  archaisch  und  dem  Amadis  geistig   so  nahe  verwandt  wäre,  wie   der  portug.  Graal. 

ÜR0BBR,  Grundriss.  IIb.  15 


2  26  Litter ATUR GESCHICHTE  der  romanischen  Völker.  —  4.  Port.  Litt. 

fabulas,  disparates,  trunfas  und  burlas  des  erfundenen  »Lügenromans«  die 
Rede  ist^,  so  wird  dies  Fehlen,  und  dies  schweigende  Schmählen  nur  der- 
jenige sonderbar  finden,  der  die  Portugiesen  nicht  kennt  oder  versteht,  und 
es  ausser  Acht  lässt,  dass  sie  die  wirklichen  Geschehnisse  ihrer  poesievollen 
Geschichte  hoch  über  die  väs  fafanhas,  phantasticas,  fingidas,  meniirosas^  der 
Romane  erhoben  bis  ihr  historisches  Epos  geschaffen  war,  und  hernach  erst 
recht.  — 

Befremdend  war  es,  solange  die  Denkmäler  der  ersten  Epoche  ungedruckt 
blieben,  dass  die  altportugiesische  Prosa,  die  scheinbar  so  spät  flügge  ward 
und  so  äusserst  wenig  Selbständiges  schuf,  noch  im  13.  Jh.  ein,  trotz  seiner 
zahlreichen  Anklänge  an  Älteres  und  Fremdländisches,  doch  immerhin  eigen 
und  mit  Freiheit  gestaltetes  belletristisches  Werk  gezeitigt  haben  sollte.  Seit 
der  Graal  aber  vorliegt,  und  die  Cancioneiros  studiert  sind,  lässt  sich  wenigstens 
voraussetzen,  gerade  Joäo  Lobeira  könne  die  lais  geformt  und  die  dazu 
gehörigen  Prosaromane  übersetzt,  und  daran  seine  Feder  geübt  haben !  Sind 
jene  verlorenen  Romane  mitsamt  dem  Graal  aber  auch  Arbeiten  Anderer,  so 
war  dadurch  der  Impuls  gegeben,  der  das  bewährte  Nachahmungstalent  der 
Portugiesen  herausfordern  musste. 

E.  ZWEITE  EPOCHE:  1385-1521. 

•  as  15.  Jh.  ist  für  Portugals  historische  Entwickelung  der  ereignisreichste 
und  bedeutsamste  Zeitabschnitt.  Ihrer  Selbständigkeit  seit  dem  Siege 
bei  Aljubarrota  und  Begründung  der  zweiten  burgundischen  Dynastie  ganz  sicher, 
ja  oft  der  Berufung  derselben  auch  auf  den  kastilischen  Thron  gewärtig,  be- 
greift die  kleine  Nation  ihre  weltgeschichtliche  Aufgabe,  und  vertauscht  die 
ihr  zu  enge  werdenden  Heimatfluren  mit  dem  Weltmeere  —  auf  ihrem  Sieges- 
zuge von  Ceuta  bis  Diu  (141 5 — 1535)  die  mittelalterlichen  Fesseln  der  Welt-  und 
Völkerkunde  sprengend.  —  Litterarisch  aber  ist  auch  diese  Epoche  arm, 
wenigstens  was  freie  Kunstschöpfungen  in  gebundener  und  ungebundener  Rede 
betrifft.  —  Alle  Zeugungskräfte  waren  eben  vollauf  durch  die  Entdecker-  und 
Eroberer-Thaten  in  Anspruch  genommen,  und  der  sich  mittlerweile  vollziehende 
Auf-  und  Umschwung  in  Macht  und  Wissen,  Sitte  und  Wandel,  Selbstschätzung  und 
Lebensauffassung,  den  die  neue  Weltstellung  mit  sich  brachte,  konnte  nicht 
unmittelbar,  noch  während  des  Sturmlaufes,  den  entsprechenden  litterarischen 
Ausdruck  finden ,  sondern  erst  nachdem  das  Ziel  und  der  Höhepunkt  der 
politischen  Entwickelung  mit  der  Besitznahme  der  Ganges-  und  Indusländer 
erreicht,  wenn  nicht  bereits  überschritten  war,  d.  h.  in  der  dritten  Epoche. 
68.  Besonders  während  der  ersten  Hälfte  der  136  Jahre,  welche  diese 
Periode  ausmachen  (171,  wenn  man  von  1350  an  rechnet),  trat  ein  Stillstand 
ein,  in  Sonderheit  in  der  Entwickelung  der  Poesie.  —  Das  schon  Alfons  IV., 
der  wildgemute  Sohn  des  Dionysius ,  nicht  mehr  als  Kenner-  und  Gönner, 
geschweige  denn  als  Pfleger  des  Minnesangs  angesehen  werden  kann ,  ward 
früher  erörtert.  Unter  seinen  Nachfolgern  erstarben  die  abgelebten  Kunstformen 
dann  gänzlich.  Weder  unter  Peter  dem  Grausamen,  noch  unter  dessen  ungleichen 
Söhnen  gab  es  in  Portugal  eine  Hofpoesie  oder  Hofpoeten.  —  D.  Pedro  o 
Crü  oder  o  Justiceiro,  dem  das  heisse  Herz  unter  Schmerzen  hart  geworden 
war,  lebte,  sparsam  und  thätig,  der  Aufgabe,  mit  unnachsichtiger  Strenge  jede 


'  Ein  hispanisierter  Portugiese,  der  Verfasser  der  Arte  de  Galanieria,  D.  Francisco 
de  Portugal  ging  im  17.  Jh.  sogar  so  weit,  zu  behaupten,  Lobeira  habe  den  Amadis 
spanisch  geschrieben  »weil  man  in  portug.  Zunge  nicht  so  unverfroren  lügen  könne!« 

^  Lusiadas  I,   11. 


2.  Epoche:  Character  des  Zeitraums;  Bildungszustände.  227 


Gesetzesüberschreitung  (besonders  der  Grossen  zu  ahnden),  die  Sitten  aller 
Stände  gewaltsam  bessernd,  ^  und  dem  Lande  10  Jahre  des  Friedensund  der 
Wohlfahrt  schenkend,  wie  dasselbe  sie  nie  gesehen.  -  —  Wollte  er  sich  aber 
zerstreuen  und  belustigen,  so  war  es  nicht  im  geschlossenen  Saale,  bei  ge- 
reimten Worttournieren,  die  dem  Stotterer  nicht  behagten,  sondern  en  plein 
air ,  auf  der  Jagd  und  Falkenbeize  (montaria  e  cetreria) ,  beim  Stiergefechte 
(touros),  oder  in  berauschendem  Strassentanze,  zu  dem  seine  musikkundigen  Spiel- 
leute Joam  Mattheus  und  Lourengo  Pallas  grell-schmetternde  Fanfaren 
in  Silbertrompeten  bliesen.  —  Während  der  folgenden  16  kritischen  Jahre  unter 
Ferdinand,  dem  schwachmütigen  und  verschwenderischen  »Schönen«,  den  die 
ränkesüchtige  Spanierin  D.  Leonor  de  Guzman  umgarnt  hielt,  ward  das  Land 
durch  die  Erbansprüche  auf  Kastilien  in  Krieg  und  Elend  gestürzt,  die  unter 
dem  illegitimen  Halbbruder,  dem  braven  und  mannhaften  Johann  L,  lähmend 
nachwirken.  Dieser  König  »guten  Angedenkens«  (de  boa  memoria)  hatte  erst 
den  langen  Thronfolgestreit  durchzukämpfen  (bis  141 1),  behufs  Niederwerfung 
des  kastilischen  Nebenbuhlers  und  des  rebellischen  Hochadels,  der  gegen  ihn 
Partei  genommen  ;  und  dann  die  Staatsverwaltung  neu  zu  ordnen.  An  seinem 
Hofe,  wo  in  heilsamster  Manneszucht,  bei  ernster  Arbeit,  in  einem  gediegenen 
und  überraschend  reichen  Familienleben,  das  auf  die  ganze  Nation  veredelnd 
wirkte,  fünf  herrliche  Heldensöhne  heranwuchsen,  war  für  sentimentales  Liebes- 
geseufze, ebensowenig  Platz  wie  für  unsaubere  Schmähgedichte  oder  frivol- 
tändelnde Scherzspiele.  3  Idealen  Sinnes,  den  stolzen,  suchenden  Blick  nach 
Afrika  und  auf  den  Ocean  gerichtet^,  pflegten  jene  Fürsten  und  ihre  Genossen, 
als  Ritter  in  des  Wortes  bester  Bedeutung,  vorwiegend  kriegerische  Übungen : 
justas,  torneios,  canas,  bofordos,  correr  pontas  etc.  —  In  Wahlsprüchen  und 
Emblemen  ihre  Ziele  kurz  charakterisierend ^  gingen  sie  auf  Reisen  und  Aben- 
teuerfahrten nach  Frankreich  und  England, '^  Burgund,  der  Schweiz,  Österreich, 
Ungarn  und  weiter,  gegen  die  Hussiten  und  Türken  und  die  Litauer  im 
deutschen  Ordenslande  fechtend.  —  Durch  Gelübde  {votos  denodados)  bei  feier- 
licher Ritterwacht  verpflichteten  sie  sich  zu  persönlichen  Heldenthaten  (empresas) 
im  Kampfspiele  oder  auf  dem  Kriegsplatze  (wie  schon  der  »Flügel  der  Ver- 
liebten« beiAljubarrota);  errangen  sich  ausländische  Ordensbelehnungen  (Jarra 
de  S.  Maria;  Rosa;  Rayo;  Banda,  Aguia;  Tuson,  Jarretiera)  und 
Markgrafschaften  (Abranches;  Treviso)  und  stählten  und  erprobten  ihre  Kraft, 
bis  hernach  ein  Jeder  seinem  Leben  bedeutungsvolleren  Inhalt  gab,  es  sei  auf 
afrikanischen  Schlachtfeldern,  oder  auf  mühevollerer  »Suche«  nach  dem  märchen- 
haften Reiche  des  Priesterkönigs  Johannes,  oder  auf  Seezügen  in  das  niare  tene- 
brosum,  den  glücklichen  Inseln  entgegen.  Die  Vitae  vieler  Höflinge  dieser 
Epoche,  —  die  übrigens  mit  Vorliebe  ihren  Söhnen  und  Töchtern  die  Namen 
von  Ritterromanfiguren  beilegten'^,  —  muten  daher  an,  wie  Ausschnitte  aus 
dem  Graal  oder  Amadis. 


*  Ich  sage  mit  Sä  de  M  i  r  a  n  d  a    -»real,  e  näo   cruel  inclinagäoa ,    trotz   der    unleug- 
baren Härten  seines  Vorgehens,  die  man  dem  noch  halb-barbarischen  Jh.  zu  gute  halten  muss. 

2  uNunca  Portugal  teve  taes  dez  amtos  conto  deste  Reh ,  so  tönt   aus  dem  Munde  der 
Chronisten  die  Volksmeinung  über  ihn. 

*  Kein  unlauteres  Wort  kam  über  die  Lippen  der  Söhne  Johann's  I.:    Palavra  torpe 
nem  desonesta  nunca  foi  ouvido  da  sua  bocca.  (Zurara). 

*  Schon  Johann  I.  von  Kastilien  hatte  Respekt  vor  dem  Seemanns-Geiste  der  Portu- 
giesen.   Er  rüstete  eine  Flotte  ^con  qtie  les  quebrantar  la  sobervia  que  ellos  tietien  por  la  mari.. 

*  Stets  in  frz.  Sprache:    Talant  de  bien  faire  —  Desir  —  Le  bien  me  platt  u.   a.  m. 

*  Auch  die  Doze  de  Inglaterra   sind  zwar  sagenumsponnene,    aber   doch  reale  Ge- 
stalten. 

■^  Es  giebt  Dutzende    von  Rittern  Namens:    Lan9arote   (do  Lago),  Tristao, 
Lisuarte,    Percival,   Arthur,   EsplandiSo,    Amadis,    (der   Haushofmeister  D. 

15' 


2  28    LiTl'ERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN   VÖLKER.   —   4.    PORT.    LlTT. 


69.  Wenn  Mars  aber  ruhte,  führte  Minerva  den  Vorsitz  im  Pallaste.  — 
Auch  den  Geist  zu  pflegen,  Hessen  die  Könige  und  ihre  Mannen  sich  ernst- 
lich angelegen  sein.  —  Der  Infant  Heinrich  nennt  sich  seit  143 1  ostensiv 
y>Protector  dos  Estudos«.  Die  Aufgabe,  welche,  von  Johann  I.  an,  die  Herrscher 
sich  stellten,  war  Aneignung  der  geistigen  Bildung  ihrer  Zeit,  und  Pflege 
besonders  derjenigen  Wissenschaften,  welche  zu  ihrer  historischen  Mission  in 
Beziehungen  standen.  Sie  kauften  Bücher,  gründeten  Bibliotheken  und  speicherten 
darin  auf  was  das  Mittelalter  Wichtigstes  geschaffen  (sowohl  Lateinisch  als  in 
den  romanischen  Vulgärsprachen),  ganz  besonders  aber  was  sie  von  den 
Schätzen  des  Altertums  erreichen  konnten.  Sie  lasen  und  lernten.  Wenn  sie 
dann  aber  zur  Feder  griffen,  hatten  sie  nur  für  zweierlei  Sinn :  Entweder  die 
Ihren  —  ihre  Familie  und  ihr  Volk  —  zu  unterweisen  und  zu  erziehen, 
Wissen  verbreitend  durch  lehrhafte  Reproduktionen  (Übersetzungen  und  Kom- 
pilationen) oder  durch  Abfassung  von  Traktaten  aus  praktisch  selbst  durch- 
forschten Einzelgebieten  (Jagd  —  Kriegskunst  —  Staatslehre — Astronomie);  oder 
von  den  Grossthaten  ihrer  eigenen  Nationalhelden  zu  berichten  in  Chroniken,  die 
wie  schon  bemerkt  ward,  ihnen  und  den  Nachkommen  schöner  dünkten  als  alle 
Romane.  In  beiden  Fällen  aber  liessen  sie  die  christliche  Sittenlehre  und  Gottcs- 
gelehrtheit  natürlich  nicht  ausser  Acht.  Im  Gegenteil !  Sonnen  sie  sich  auch  in 
naiver  Freudigkeit  im  Lichte  jeder  neuerworbenen  Kenntnis  aus  der  Antike,  an 
jedem  klassischen  Namen  und  Ausspruch,  den  sie  wiedergeben,  so  haben  sie  im 
Grunde  dabei  doch  nur  einen  Zweck,  die  Bibelworte,  durchaus  theologisierend, 
durch  jene  zu  erläutern,  und  in  christlichem  Sinn  und  Geiste  zu  erziehen. 
Erst  nach  Ablauf  der  die  grosse  historische  Blüte  vorbereitenden  ersten  Jahr- 
zehnte, als  mit  der  traurigen  Katastrophe  von  Alfarrobeira  (1449)  ein  Wandel, 
und  ein  Stillstand  im  Entdecken  mit  dem  Tode  Heinrich  des  Seefahrers 
(1460)  eintrat ',  schlug  in  der  glänzenden  Hofburg  des  jungen  ritterlichen 
Alfons  V.,  des  »Afrikaners«,  die  Flamme  der  Poesie  aus  den  Aschenhaufen 
der  ersten  Periode  von  neuem  empor,  angefacht  vom  Flügelschlag  der  bereits 
kühn-  und  hochfliegenden  spanischen  Aare:  es  entstand  eine  neue,  der  feineren 
Geselligkeit  des  Jahrhunderts  angepasste  Hof-  und  Konversations-Poesie  — 
hispanisch  im  Geiste,  und  hispanisch  in  Gestalt  und  Sprache.  —  Inzwischen 
aber  hatte  sich  ein  neuer  peninsularer  Dichtungsstil  entwickelt.  Dessen  fertige 
Formen  übernahm  man  und  ahmte  sie  nach. 

70.  Von  wie  grosser  Bedeutung  es  ist,  festzustellen,  was  man  in  Portugal 
las,  braucht  nicht  dargelegt  zu  werden.  Von  drei  Bibliotheken  sind,  nebst 
dürftigen  und  zerstreuten  Überbleibseln,  die  Inventare  erhalten:  von  der  Bib- 
liothek des  Königs  D.  Duarte  (84  Bde.),  seines  Sohnes  D.  Fernando  (24) 
und  seines  Enkels,  des  Condestavel  D.  Pedro,  (96).  Ausserdem  weiss  man, 
aus  Andeutungen  zeitgenössischer  Werke,  dass  schon  Johann  I.  sammelte,  und 
dass  Alfons  V.  ganz  bedeutende  Manuscripten-Schätze  besass,  deren  Bestand 
sich  aus  den  von  seinen  fleissigen  Historiographen  hinterlassenen,  zitatenreichcn 
Werken  ungefähr  rekonstruiren  lässt.  Auch  über  die  Büchereien  gewisser  Klöster 
(Alcobaga,  S.  Domingos  de  Lisboa)  und  der  Universität,  sowie  einiger  Privat- 
leute (z.  B.  des  Dr.  Diego  Affonso  Manga-ancha)  ist  man  unterrichtet. 
Im  Grossen  und  Ganzen  erwarben  die  port.  Bücherfreunde  natürlich  dieselben 
mittelalterlichen  Stahdard-books.,  welche,  als  unentbehrlich,  auch  in  den  franz., 
ital.  und  span.  Bibliotheken  eines  Charles  VI.,  Duc  d'Anjou,  Henri  de  Navarrc, 
Filippo  Strozzi,  Alfons  V.  von  Neapel,  Ferdinand  v.  Calabrien,  Carlos  de  Vianna; 


Duarte's  z.  B.  hiess  Aniadis  Vasques  1433),  und  manches  Edelfräulein  Namens:  Iseii, 
Genebra,  Oriana,  Viviana,   Briolanja.    Vgl.  Braga,  Poet.  Pal.  p.  15  — 17. 

*  In  unserem  Wissen  über    die  portug.  Entdeckungen   ist    nach   1460  jedenfalls  eine 
auffallende  Lücke. 


Gelehrte  Studien;  fremde  Litieraturwerke.  —  Character  der  Litt. 2 29 

D.  Martin  de  Aragon,  Santillana,  Villena,  Benavente  etc.  wiederkehrten,  ob  auch 
in  beschränkterem  Masse. '  Obenan  stehen  die  ganze  heilige  Schrift  und  ein- 
zelne Bibelbücher,  sowie  Bibelkommentare  und  fromme,  moralphilosophische 
oder  rein  theologische.  Lehr-  und  Streitschriften.  Dazu  kommen  an  Apokryphen 
Nikomedes  und  Gamaliel;  Heiligen-  und  Märtyrerleben  {Flos  Sanctorum  — 
Legenda  Aurea  —  Vitae  Pairiim)]  an  Apologetikern  Justinus  und  Lactantius; 
an  apostolischen  Vätern:  Hermas  und  O  Pastor;  an  Gnostikern  Karpokrates 
und  Hermogenes ;  an  Kirchenvätern  und  Kirchenlehrern :  Origenes,  Hieronymus, 
Eusebius,  Hilarius,  Ambrosius,  Chrysostomus,  Orosius,  Johannes  Cassianus,  Augusti- 
nus, Isidorus,  Gregorius,  Benedictus,  Fulgentius;  an  christlich-philosophischen 
Erbauungsschriften  Boethius  (De  Consol.),  Beda,  Remigius,  Bernard v. Clairvaux, 
Raimund  Lull  und  ganz  besonders  die  Mystiker  Hugo  und  Ricardus  v.  S.  Victor, 
nebst  Gautier;  von  den  Scholastikern  in  erster  Reihe :  Anseimus,  Petrus  Lom- 
bardus,  Thomas  v.  Aquino,  Albertus  Magnus  und  Duns  Scotus;  —  an  Kos- 
mographen  Vincenz  v.  Beauvais,  Nicolas  v.  Lire  und  Pierre  d'Ailly  (Imago 
Mundi)  und  die  Araber  Alfagran  und  Aalcabom,  —  dazu  Avicenna  und  Averroes. 
Die  Vita  Christi  und  Imitatio  Christi  wird  erst  spät  eingeftihrt.  —  An  Er- 
zichungsbüchern  für  Fürsten  ist,  wie  überall,  das  gelesenste  De  regimine  Prin- 
cipimt  des  Aegidius  Columna  von  Rom  2,  doch  auch  P.  P.  Vergerius.  —  An 
Klassikern  verwertete  man  am  eifrigsten  Cicero  und  Seneca,  den  Magister 
Scntentiarum;  doch  auch  Valerius  Maximus  und  Vegetius,  Livius,  Sallust, 
Plinius  Caesar,  Columella,  Josephus,  seltener  Suetonius,  Tacitus,  Quintus  Curtius. 
Von  Dichtern  nur  Lucan,  Ovid,  Virgil,  Tibull.  Von  den  Griechen,  zuerst  nur 
indirekt,  Aristoteles  »OFhilosopho«^  weniger  häufig Plato,  vereinzelt  auchHcrodot, 
Hesiod,  Xenophon,  Ptolomaeus,  Demosthenes;  und  Homer.  —  Aus  Frankreich 
empfing  man  ausser  den  bereits  in  der  ersten  Epoche  gelesenen  Romanen,  die 
natürlich  auch  jetzt  Lieblingslektüre  blieben,  einige  Chansons  de  geste 
(Jean  de  Lanson);  den  Isop ;  Sidrac;  l'Arbre  des  Batailles  von  Hon. 
Bonnet;  Marco  Polo;  vor  allem  aber  Balladen  und  Lieder:  Les  cent  ballades; 
Guillaume  de  Machault;  Deschamps;  Grandson;  Christine  de  Pisan 
etc.  Aus  Italien:  Baldo,  Bartolo  und  Cino  (sowohl  seine  juristischen 
Schriften  als  auch  seine  Canzonen),  Guinicelli,  Dante  (mit  Kommentar  von 
Flaminio),  Petrarca  und  Boccaccio  (lat.  und  ital.)  und  die  Cento 
Novelle;  —  aus  Spanien  besonders  Chroniken  (General;  Cid;  Rodrigo; 
Ayala;  Lucas  de  Tuy  etc.),  die  Conquista  de  Ultramar;  Conde 
Lucanor;  Arcipreste  deFita,  Santillana,  Mena,  Perez  de  Guzman 
und  die  Predigten  des  Vicentc  Ferrer.  —  Die  span.  Liederdichter  las  man 
nicht,  man  hörte  sie.  —  Viele  der  genannten  Werke  waren  gleichzeitig  in 
fremden  Sprachen  und  in  port.  Bearbeitung  vertreten. 

71.  Man  nennt  die  zweite  Epoche  meist  die  spanische  oder^hispanische. 
Man  dehnt  dabei  also  eine  Bezeichnung  auf  den  ganzen  Zeitraum  aus,  die,  genau 
genommen,  nur  für  die  letzten  Jahrzehnte  und  ihre  Lyrik  passt.  Mit  Recht,  da 
dicseLyrik,  dieeinzige  Kunstäusserung  der  Epoche  ist,  die  etwas  schöpferisches 
Denken  offenbart.  Doch  wäre  die  Bezeichnung  kastilisch-portugiesisch 
vorzuziehen.  Denn  was  man  damit  hatte  sagen  wollen,  ist,  dass  im  XV.  Jh.  alle, 
Kastilien  und  Portugal  eigentümlichen  nationalen  Dichtungsformen  der  Halbinsel 
ihre  Ausbildung  erhielten,  und  zwar  unter  Vortritt  Spaniens,  und  nicht  dass 
Portugal  in  geistiger  Hinsicht  absolut  im  Schlepptau  der  gewaltigeren  Schwester 


*  Man  lese  darüber  Braga,  Introd.  p.  203  —  264  und  die  verbesserte  Neubearbeitung 
in  Universidade,  cap.  IV  p.  U>0 — 245,  obwohl  auch  darin  gar  manche  Hypothese  durch 
Thatsachen  zu  ersetzen  ist.  Die  livros  em  latim  und  em  lingoagem  sind  z.  B.  nicht  richtig 
von  einander  gesondert.  —  Vgl.  Gabriel    Pereira,    Documentos  Eborenses  ,  Heft  XXIII, 

'  Zu  den  mittellatein.  Autoren  vgl.  hier  Bd,  U  Abt.  1. 


230    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHKN    VÖLKER.   4.    PORT.    LllT. 

einherging,  ohne  an  der  Ausgestaltung  der  peninsularen  Trovas-redondilhas 
mitthätig  zu  sein.  —  Noch  auch  will  kastilisch-portugiesisch  heissen,  dass 
keine  anderweitigen  Einflüsse  das  Land  berührten.  —  Die  in  der  ersten  Epoche 
angeknüpften  Beziehungen  zum  Ausland  dauern  fort,  ja  werden  enger  und 
mannigfaltiger.  Familien  verbin  düngen  verknüpfen  mit  England  und  Burgund; 
See-  und  Handelsunternehmungen  mit  Flandern,  Genua  und  Venedig.  Nach 
Paris,  zur  Hochburg  der  Dialektiker  und  Theologen ,  manchmal  auch  nach 
Uxonia  pilgern  nach  wie  vor  mit  Stipendien  versehene  studentes^  besonders  in 
den  Tagen  des  dodor  subtilis;  nach  Bologna  (wo  1360  der  Spanier  Gil  de 
Albornoz  ein  hispanisches  Collegium  gründete)  zu  Bartolo  und  Baldo  die 
Rechtskundigen  scholares;  nach  Padua  die  Mediziner,  nach  Florenz  die  Huma- 
nisten. Zu  den  Kirchen  Versammlungen  (Constanz — Basel)  wurden,  als  Beiräte 
der  unter  den  hervorragendsten  Lateinkundigen  ausgewählten  Gesandten,  die 
besten  Doktoren  entsendet,  und  ebenso  als  Boten  an  die  Höfe  und  die  Kurie, 
seit  die  Frage  »Quid  novi  ex  Africa«  überall  an  der  Tagesordnung  war.  Je 
wünschenswerter  es  aber  ward,  dass  die  Welt  von  den  Thaten  der  Portugiesen 
vernähme,  um  so  bereitwilliger  beriefen  die  portug.  Machthaber  auch  aus  der 
Fremde  gewandte  Stilisten,  damit  sie  bei  Hofe  die  Fürsten  und  Grossen,  und  an 
der  Universität  die  lernbegierige  Jugend  in  den  artes  et  scientias  unterwiesen,  und 
durch  lat.  Darstellung  der  port.  Thaten  für  Ruhm  und  Unsterblichkeit  sorgten. 
Möglichst  genau  zu  bestimmen  was  jeder  heimkehrende  Portugiese  und  ein- 
wandernde Fremde  an  Kultureinflüssen  mit  sich  brachte  und  verbreitete,  an 
Menschen  und  Dingen,  Sitten  und  Trachten,  Büchern  und  Melodien,  Kennt- 
nissen und  Ideen,  ist  ausserordentlich  interessant  und  lehrreich.  Hier  aber 
fehlt  der  Raum  um  zu  zeigen,  wo  die  Samen  zu  den  blütenreichen  Pflanzen 
herstammen,  die  schliesslich  den  hispanischen  Liederfrühling  bildeten.  Nur 
hie  und  da  wird  im  Weiteren  auf  Einzelnes  aufmerksam  gemacht  werden, 
besonders  auf  die  lus  Italien  und  Frankreich  gekommenen  Anregungen.  ^ 

72.  In  Übereinstimmung  mit  dem  oben  Gesagten  haben  wir  dreierlei 
zu  untersuchen:  I.  Die  lange  Zeit  des  poetischen  Interregnums  (1350 — 1449) 
unter  Hervorhebung  der  schwachen  Nachklänge  aus  der  vorangegangenen  Zeit. 
II.  Die  Entwickelung  der  port.  Prosa,  die  sich  an  die  Anfänge  des  Humanismus 
knüpfte.  III.  Die  Werke  der  kastilisch-portugiesischen  Pallast-Dichter  (Foetas 
Palacianos)   1449  — 1521. 

I.  NACHBLÜTE  DES  ALTPORTUG.  MINNESANGS  (1350-1449). 

73.  Die  stumme  Zeit  zwischen  dem  Abschluss  der  altport.  Liederbücher 
und  dem  Anhub  des  Cancioneiro  de  Resende  ist  eine  ungewöhnlich  lange.    Selbst 

'  Von  wichtigen  Daten,  die  im  Nachfolgenden  nicht  genannt  sind,  seien  als  Mark- 
steine aufgepflanzt:  das  Jahr  1341  ,  in  welchem  Rodrigueannes  de  Sa  der  Dichter- 
krönung Petrarca's  beigewohnt  haben  soll.  Sicher  ist,  dass  er  sich  damals  mit  einer 
Colonna  vermählte,  Cecilia,  der  Tochter  (oder  Nichte)  Giacomo's.  —  1370  kommt 
Agapito  Colonna  als  Nuntius  nach  Portugal.  —  1373  lernt  Joao  Fernandes  Andeiro 
in  England  die  französischen  Hofsitten  kennen.  —  1384  glänzt  am  brittischen  Hofe  I^ouren^o 
Annes  Fogaga  durch  sein  gewandtes  Französisch.  —  1429  kommt  Van  Eyck  an  den 
portug.  Hof —  1430  ziehen  mit  Dame  Isabeau  zahlreiche  Portugiesen  nach  Burgund,  von 
denen  einige  heimkehren,  während  andere  bis  1477  nachfolgen.  —  1448  wendet  sich  ein 
»Velasquez  de  Portugal«  an  Poggio  und  bittet  um  Anweisung  wie  man  zur 
Eloquenz  gelange,  wahrscheinlich  derselbe  »Messer  Velasco  di  Portogallo«,  der 
1450,  ein  Tullius  und  Demosthenes  an  Redekraft,  in  Italien  lebte,  Petrarca's  Sonette 
studieite,  und  Bücher  sammelte:  libri  per parecchi  migliaia  di  fiorini,  perchi  voleva  tutti  i  piii 
belli  che  trovava  (laut  Bisticci).  —  1459  stirbt  in  Florenz  Kardinal  D.  Jaime  de  Por- 
tugal, der  auch  assai  buona  copia  di  libri  gekauft  hatte.  Joilo  Fernandez  Pacheco 
berichtet  I460  in  der  Kurie  über  Afrer  und  Mauren.  Es  ist  derselbe  ritterliche  Gesandte,  der 
die  Preussenfahrt  unternahm  und  Froissart  den  Stoff  zu  seiner  Darstellung  portug.  Ge- 
schichte lieferte.  Ihm  gegenüber  erbietet  sich  Flavio  Biondo  (f  1463),  eine  lat.  Dar- 
stellung der  Afrikaleistungen  zu  schreiben. 


Nachblüte  des  altportug.  Minnesangs.  —  Pedro  I.  231 


die  Übersättigung  mit  Minnesang,  der  persönliche  Charakter  der  gerade 
regierenden  Dynasten,  und  die  Wechselfalle  der  historischen  Entwickelung 
erklären  sie  nicht  ausreichend.  Nie  und  nirgend  ist  sonst  bei  einem  begabten, 
nicht  verfallenden,  sondern  mächtig  aufstrebenden  Volke  ein  so  plötzliches 
und  gänzliches  Ersterben  aller  Poesie  eingetreten.  Beim  port.  Minnesang  aber 
kommt  noch  hinzu,  dass  derselbe  ja  auch  ausser  Landes,  in  ganz  Spanien, 
Förderer  und  Anhänger  zählte,  die  von  portug.  Geschichte  und  Hofgunst  doch 
nicht  abhingen.  Es  ist  daher  ohne  weiteres  anzunehmen,  dass  der  Schein 
trügt,  und  dass  wie  thatsächlich  ausserhalb,  so  auch  innerhalb  Portugals,  im 
Schoosse  des  Volkes  und  in  den  Pallästen  der  Magnaten,  nach  1350  wie 
vorher,  in  port.  Sprache  ruhig,  wenn  auch  weniger  eifrig,  weiter  gedichtet 
und  musiziert  ward.  Bei  dem  Mangel  des  höfischen  Mittel-  und  Brennpunktes, 
und  gewisslich  auch  um  ihrer  relativen  Unbedeutendheit,  Seltenheit  und  geringen 
Neuheit  willen,  kam  es  aber  nicht  mehr  zur  Sammlung  der  zerstreuten  Epigonen- 
I Jeder.  Sie  gingen  verloren.  Schon  Resende  fand  1516  kein  einziges  Gedicht 
aus  dem  14.  Jh.,  und  musste  seine  Landsleute  anklagen  weil  sie,  unpatriotisch, 
die  Thaten  wie  die  Lieder  der  Vorfahren  der  Vergessenheit  hatten  anheim 
fallen  lassen.  * 

74.  Darf  man  sich  daher  wundern,  wenn  im  17.  Jh.  die  ersten  Histo- 
riker, welche  über  die  Anfänge  ihrer  Litteratur  nachzudenken  begannen,  jener 
ungeheuren  Kluft  gegenüber  den  Versuch  wagten,  auch  hier  mit  Hypothesen 
und  Erfindungen  auszuhelfen?  und  dass  die  selben  Pfadfinder,  welche  für  die 
frühesten  Jahrhunderte  das  apokryphe  Cava-Gedicht  des  Königs  Roderich, 
und  die  Liebesbriefe  des  Egas  Moniz  und  Goesto-Ansures,  und  Verse 
von  D.  Affonso  Henriques  ersonnen  und  verbreitet  hatten,-  nun  für  die 
zweite  Periode  einige  Liebesseufzer  Peters  des  Grausamen  an  seine  Ines  de 
Castro  zubereiteten  ?  »Wer  den  Tod  der  holdseligen  Geliebten  so  furchtbar  rächte 
und  die  Inbrunst  seiner  Leidenschaft  durch  die  grossartige  Bestattung  der  Leiche 
und  die  poesievoll  ausgedachten  Steinsarkophage  in  Alcoba^a  der  Mit-  und  Nach- 
welt bezeugte,  der  war  wohl  auch  im  Stande,  ein  Paar  Verse  »/j^  Vita  et  in 
Morte  di  Madonna  A^nese«  zu  dichten,  nein,  der  musste  sie  gedichtet 
haben«,  so  reflektierte  der  geschickte  Fabelschmied  der  Portugiesen  Faria-e- 
Sousa  (der  auch  das  hübsche  Märlein  von  Ines'  Krönung  ausdachte),  und 
versetzte  flugs  D.  Pedro  in  seine  Dichterlisten. 3  Dabei  fusste  er  diesmal 
wenigstens  auf  einer  Thatsache,  die  nur  falsch  ausgedeutet  ward. 

75.  D.  Pedro  I.  Vier  Lieder  mit  der  Überschrift  »Del  Rey  D. 
Pedro«  standen  nämlich  im  Liederbuch  des  Resende,  und  kursierten  also  seit 
1516  gedruckt.^  Und  ohne  lange  zu  untersuchen,  wer  dieser  dichtende 
König  Peter  war,  unbekümmert  auch  darum,  dass  kein  zeitgenössisches  Denk- 
mal, kein  Chronist,  und  auch  kein  Santillana  vom  Dichtertalent  des  grausamen 
Monarchen    etwas    geahnt,    stimmten    alle    Nachfolger    des    Faria-e-Sousa 

'  Er  sagt  im  Prolog  unter  anderem :  Muyias  cousas  de  folgar  e  gentUezas  sam  perdidas 
sem  aver  d'elas  noticia  .  ...  wwA:  e  se  as  \trovas\  qiie  sam  perdidas  dos  nossos  passados  se 
poderam  aver,  e  dos  presentes  s'escreveram,  creo  qtie  esses  grandes  poctas  que  per  tantas  partes 
sam  espalhados,  nam  teveram  taitta  fania  como  tem.  Vgl.  was  in  §  86  über  das  Livro  das 
Trovas  del  Rey  gesagt  wird. 

2  Dass  auch  der  erste  portug.  König  für  einen  Dichter  erklärt  worden  ist,  durfte 
ich  in  §  23—25  übergehen,  weil  Niemand  es  gewagt  hat,  uns  Proben  seiner  Werke  zu 
bieten.  —  Man  Hess  sich  dabei  einfach  durch  seine  Homonymität  mit  einem  span.  Poeten 
des  15.  Jhs.  Alonso  Enrique/,  irreleiten  (s.  z.  B.  den  Canc.  de  Estuniga).  Diesen 
identifiziert  Braga  seinerseits  mit  einem  portug.  Dichter  Affonso  Henriques  des 
Canc.  de  Res  {Questöes  p    145) ;  ganz  zu  Unrecht. 

^  Epiiome  III  cap.  9  und  Europa  III  354.  Beid«  Male  werden  üuu  iPofsiaff  zu- 
gesprochen. 

♦  S    a«f.  Res.  II  p.  67-6«. 


232      LiTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.  —  4.  PORT.   LlTT. 


seiner  Auslegung  bei,  und  verbreiteten  hundertstimmig  die  falsche  Botschaft 
von  dem  »ausserordentlichen  Ruhme«,  den  D.  Pedro  »von  jeher«  als  Dichter 
genossen.  ^  Ja,  sie  fügten  allmählich  zu  dem  ursprünglich  kleinen  Bestand  noch 
weitere  Raritäten  hinzu.  Vor  der  Kritik  bestehen  jedoch  weder  die  einen,  noch 
die  anderen.  Die  ältesten  vier  sind  inhaltlich  farblose  und  vague  Seufzer  an 
eine  namenlose  Dame,  welcher  ein  verliebter  Sänger  diente;  und  formell  sind 
sie  Canciones  nach  dem  erst  im  15.  Jh.  ausgebildeten,  peninsularen,  festen  höfi- 
schen Sangestypus;  d.  h.  sie  bestehen  aus  einem  4 zeiligen  Thema  {Motto)  und 
8  zeiliger  umschreibender  Volta^  deren  letzte  quadra  in  Gedanke  und  Reim  das 
Thema  ungefähr  wiederholt.  Zwei  der  Gedichte  bestehen  ganz  aus  Acht- 
silblern,  die  beiden  anderen  wechseln  zwischen  Acht-  und  Viersilblern;  eines 
in  span.  Zunge,  die  übrigen  in  portugiesischer.  —  Man  beachte  die  Geburtszeit 
jenes  metrischen  Gebildes;  bedenke  die  Doppelzüngigkeit  des  Dichters;  prüfe 
die  Sprachformen  (die  gleichfalls  unbedingt  dem  15.  Jh.  angehören);  erwäge 
dass  die  Lieder  mitten  im  Cancioneiro  (auf  fl.  72)  und  unmittelbar  neben  den 
Trovas  des  Infanten  D.  Pedro  stehen;  lasse  sich  sagen,  dass  Resende 
noch  in  einer  weiteren  Überschrift  die  Formel  y>rey  D.  Pedro«  anwendet,  und 
zwar  mit  Bezug  auf  einen  Nebenbuhler  des  1493  verstorbenen  Gestütmeisters 
Johanns  II.  Fernam  da  Silveira,  der  den  fraglichen  Rey  D.  Pedro  als  Verfasser 
verschiedentlicher  motes  d^ainores  und  hörnern  de  sangue  real  behandelt,  aber 
keineswegs  wie  einen  regierenden  Herren  -,  und  man  wird  keinen  Augenblick 
daran  zweifeln,  dass  jener  Zeitgenosse  des  Coudel-mor^  der  verliebte  Verfasser 
hispanischer  motes  d'amor es,  (d.  i.  der  vier  Canttgas)  nicht  der  1367  begrabene 
grimme  D.  Pedro,  sondern  sein  liebenswürdiger  Urenkel,  der  gleichnamige 
Sohn  des  Infanten  D.  Pedro  ist,  d.  h.  der  unglückliche  Nominalkönig  von 
Aragon  (f  1466),  der  schon  als  erster  Einführer  des  Spanisch-Dichtens  ge- 
nannt ward.  (S.  ^  6  und  vgl.  §t^  102  — 103).  Diesen  meinte  wohl  Resende, 
und  jedenfalls  hatte  seine  Hss.- Vorlage  ihn  gemeint.  Und  Faria-e-Sousa 
irrte,  gleichviel  ob  wissentlich  oder  guten  Glaubens,  und  nasführte  so  alle 
unwissenden  Albumjäger  mitsamt  ihren  späteren  Lesern,  die  im  17.  Jh.  die 
kostbaren  Reliquien  von  1357  in  ihre  Gedichtbücher  aufnahmen.  Noch  gröb- 
licher irrte  dann  Barbosa  Machado^  der,  im  Anschluss  an  ein  solches  lieder- 
liches Album  (1577  vom  Pater  Pedro  Ribeiro  geschrieben),  sechszehn  z.  T. 
verderbte  Hendekasyllaben  (!)  ital.  Stils,  mit  Binnenreimen  —  ein 
Bruchstück  einer  Canzone  oder  Ekloge,  —  an  das  Motto  des  span.  Resende- 
Liedes  anflickte  (vermutlich  nur,  weil  beide  Fetzen  zufallig  in  einem  Codex 
neben  einander  standen),  auf  diese  Weise  ein  neues  Werk  D.  Pedro's  schaffend. 
Und  der  Professor  der  Rhetorik  und  Poetik  A.  Lourengo  Caminha  (7  1831), 
den  ich  kurz  als  Nacheiferer  des  Faria-e-Sousa  und  Herausgeber  vieler 
höchst  fragwürdiger  Inedita  charakterisieren  will,  irrte,  so  er  nicht  tückisch 
betrog,  als  er  1791  ein  von  ihm  zwar  als  anonym  bezeichnetes,  aber  doch 
D.  Pedro  in  den  Mund  gelegtes  Klagelied  auf  den  Tod  der  Ines  de  Castro 
in   5  neunzeiligen   Trovas  druckte,'*    welches  dann   1822  von  Balbi  ausdrück- 

*  Z.  B.  der  Verfasser  des  absonderlichen  »Panegirico  por  la  Poesiat  (Ober  den  man 
Sa  Iva  No.  853  befrage)  auf  p.  44  der  einzig-zugänglichen  Sevillaner  Ausgabe  von  1886,  ob- 
wohl er  übrigens  noch  obenein  den  König  mit  dem  Regenten,  seinem  Enkel,  ver- 
wechselt und  ihm  die  gleichfalls  gefälschte  Strophe  auf  Lissabon  zuspricht ,  welche  seit 
Brito  auf  das  Konto  des  vielgereisten  Infanten  geschrieben  zu  werden  pflegt.  S.  §  87. 
Vgl.  Bouterwek  p.  13-.  Bellerniann  p.  21  und  22;  Wolf,  Studien  717;  Costa  e 
Silva  I  81 ;  A.  de  los  Rios  VI  p.  23  und  andere  mehr,  von  denen  die  wichtigsten  in 
den    folgenden  Anmerkungen  vorkommen. 

2  Canc.  Res.  I   173- 
8  Bibl.  Ltis.  III  541. 

*  Ineditos  de  Perestrello  e  Galväo  p.  164 — 182.  S.  Anm.  6  der  nächsten  Seite  und 
vgl.   §   107. 


Pedro  I.  233 

lieh  als  Arbeit  des  Königs  weiter  verbreitet  ward.'  Von  F.  Denis  anerkannt 
und  ins  Frz.  transponiert,  2  ward  es  hier  zu  Lande  1878  noch  zwei  Mal  als 
neuentdecktes  Gut  in  Umlauf  gesetzt  unter  dem  Titel:  Versos  feiios  por  D. 
Pedro^  morto  em  ijöy,  sobre  a  tragica  morte  de  sua  esposa  D.  Ines  de  Castro ^'^ 
das  eine  Mal  sogar  in  einem  Specialliederbuch  des  Königs  in  Gross-Folio, 
zusammen  mit  den  übrigen  fünf  Apokryphen.*  Leider  haben  auch  AI meida- 
Garrett^  und  Th.  Braga  (der  über  die  Zugehörigkeit  der  4  Cantigas  richtig 
urteilt)  6  die  beiden  spätgeborenen  Fälschungen  nicht  ohne  weiteres  aus  der 
portug.  Litteratur  ausgewiesen,  so  dass  es  noch  einer  ausführlichen ,  scharfen 
Sonder-Analyse  bedürfen  wird,  um  den  Glauben  an  das  Dichtertum  König 
Peters  zu  zerstören,  und  festzustellen,  dass  wenn  er  den  Griffel  geführt  hätte, 
seine  Werke  portug.  geschrieben  sein  würden,  und  zwar  in  den  sprachlichen 
und  metrischen  Formen  der  ersten  Epoche.'^ 

*  Essai  Statistiqtu  sur  le  Royaume  de  Portugal:  vol.  II:  App.  ä  la  Geographie  litleraiiv 
p.  VIII,  nach  vollständig  kritiklosen  Aufzeichnungen  eines  portug.  Ungenannten.  —  S.  p.  164 
Anm.  g. 

^  Kesiimc  Chap.  II;  und  Chronüjtus  chevaleresques  I   153  — 156. 
'  Im  Almanak  Progreso  para   1878,  p.  214. 

*  Pereira  Caldas,  Cattföes  de  D.  Pedro  I  Rei  de  Portugal,  Poeta  do  secido  XIV, 
F  i  I  li  o  de  Cöimbra,  Porto,  1878;  mit  einleitender  Biographie.  Der  glückliche  Heraus- 
geber besitzt  2  Niederschriften  des  Balbi' sehen  Textes  und  eine  des  Gedichtes  Ribeiro- 
Machado!  Selbstverständlich  mit  »wichtigen  Varianten«,  die  in  nichts  als  im  sinnverstüm- 
melnden Fehlen  gewisser  Zeilen  bestehen ! 

*  Romattcero  I  p.   11. 

®  Braga  spricht  die  4  Lieder  des  Canc.  Gerat  Aem  Condestavel  zu,  in  Trov.  p.  2ij2 
—  2C}6;  Poet.  Pal.  p.  157;  Theoria  3.  Aufl.  p.  108;  Curso  p.  130.  Dass  er  trotz  dieser 
Einsicht,  an  der  Echtheit  der  Hendekasyllaben  nur  zweifelt  und  dem  Balbi- 
Caminhaschen  Machwerk  seine  moderne  Künstlichkeit  nicht  anmerkt,  sondern  dasselbe  für  eine 
acceptable  Arbeit  des  15.  Jhs.  erklärt,  gehört  zu  den  beklagenswerten  Ungereimtheiten  seines 
Werkes.  S.  Questöes  p.  140  — 143.  Eigentümlicher  Weise  hat  B  r  a  g  a  auch  die  Publikationen 
Caminha's  Obersehen  und  hält  daher  den  »glaubwürdigen  Gelehrten«  Bai  bi  für  den  Original- 
herausgeber des  Klageliedes  auf  D.  Ines.  Dieser  selber  aber  wusste  gleichfalls  nichts  von 
dem  erwähnten  Quellenwerk.  Und  auch  Pereira  Caldas  Hess  es  unbenutzt.  Deshalb 
entging  allen  dreien  und  der  Lesewelt  bis  heute  ein  siebentes  opus  des  Königs  Peter,  das 
Lied:  Amor,  porque  entendes,  und  ausserdem  ein  noch  viel  herrlicherer  Fund:  das  Sterbelied, 
welches  die  aus  23  Wunden  blutende  D.  Ines  auf  ihrem  letzten  Ruhelager  dichtete!  das  älteste 
Gedicht  einer  portug.  Dame  also,  und  zugleich  die  frühesten  Quintilhas  der  Halbinsel !  — 
Das  von  Balbi  und  den  Übrigen  abgedruckte  Gedicht  ist  nämlich  nur  ein  Teil  eines  grösseren 
Ganzen :  einer ,  behufs  besserer  Glaubwürdigkeit  fragmentarisch  gehaltenen  Prosa  -  Vision 
vom  Tode  der  D.  Ines,  die  ein  Ungenannter  einer  »Hoheit«  mitteilt  -»fietmente  trasladada  do 
seu  original  antigo.  Und  darein  eingestreut  erscheinen  drei  poetische  Stücke.  Ausser  dem  oft 
reproduzierten  Gedichte:  a)  noch  eine  t> Exclamafäo  de  D.  Ignezu,  bestehend  aus  4  Quintel- 
has  und  2  daran  hängenden  9  zeiligen  Provas,  von  grosser  Geschmacklosigkeit,  und  b)  eine 
Cantiga,  welche  D.  Pedro,  nach  dem  Verbleichen  der  Geliebten,  im  Zimmer  auf-  und  ab- 
spazierend, in  Gegenwart  der  weinenden  Kleinen,  verfasste  und  deklamierte.  Es  genügt  wohl 
zur  Charakterisierung  dieses  von  Caminha  zu  Tage  geförderten  Denkmals,  wenn  ich  fest- 
stelle, dass  die  4  Quintilhas  aus  Resende's  Ines-Gedichte  (Canc.  Ges.  HI  616)  abgeschrieben 
sind?  Oder  wird  trotzdem  diese  neue  Notiz  Stoff  zu  einer  vermehrten  Ausgabe  der 
Catiföes  de  D.  Pedro  liefern? 

^  Wie  viele  noch  daranj[glauben,  zeige  ein  Beispiel:  der  geistvolle  R.  T.  Burton 
macht  in  seinem  Camoens  (Lond.  1881  p.  233)  aus  dem  portug.  Könige  einen  man  of  letters, 
gedenkt  zweier(!)  Gedichte  desselben  auf  den  Mord  der  Geliebten,  und  berichtet,  er  sähe 
öfters  in  den  Qu  aritsch -Katalogen  ein  iSangbooki  des  Königs  angezeigt.  (Ist  es  die 
oben  erwähnte  Ausgabe  Pereira  Caldas?  Oder  liegt  Verwechselung  vor  mit  der  Varn- 
hagen' sehen  Ausgabe  der  Provas  des  vermeintlichen  Grafen  D.  Pedro  de  Barcellos?)  — 
A.  Balaguer  y  Merino  begeht  hingegen  im  r, Condestable  de  Portugal«.  (Barcel.  l88l)  den 
Irrtum,  die  4  Liedchen  des  Canc.  Ger.  Peter  dem  Grausamen  v.  Kastilien  zuzuerkennen  !  — 
Dem  rechten  liesitzer  erteilen  dieselben  :  M  o  r  e  1  -  F  a  t  io  in  Romania  XI  p.  154  — 156 ;  S  t  o  r  c  k 
in  Camöes,  Einl.  §  39  und  Garcia  Peres  (ob  auch  zaudernd).  Barbosa-Macha  d  o's 
Canzonen  -  Fund  hatte  schon  Bellermann  (p.  48  Anm.  19)  für  »unecht«  erklärt,  und 
F.  Wolf  durchschaute  die  Unhaltbarkeit  des  Balbi'schen  Stückes,  hielt  aber  sonderbarer- 
weise die  italianisierenden  Hendekasyllaben    für   eine  Glosse  des   span.  Mottos   in  Kurz« 


2  34    Lrn'ERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  4.    PORT.    LlTi". 


76.  Die  verjährte  Hoffnung,  bei  gewissenhaftem  Forschen  wenigstens 
so  viel  Materialien  in  Form  von  Restbeständen  und  Schriftstellernamen  zu- 
sammenzufinden ,  dass  sich  eine  Notbrücke  über  die  dichterisch-leeren  Jahr- 
zehnte schlagen  Hesse  —  Schrittsteine  zum  Übergang  von  1350  bis  1450  — 
lasse  man  also  fahren!  Alles  was  ich  gefunden,  ist  eine  nicht  kurze  Reihe 
von  gelegentlichen  Bemerkungen  der  Prosaisten  über  Kirchensänger  und  Musik- 
lehrer (caniores),  für  Feste  und  Kriegszüge  eingeübte  fninistriles,  spassmachcnde 
chocarreiros  und  tafues.  Von  dichtenden  juglares  und  troi>adores  kann  ich 
nur  je  einen  Namen  nennen:  Fernam  Lopes  gedenkt  in  seiner  Chronik 
Johanns  I.  (P.  11  p.  106)  eines  Spielmanns  König  Ferdinands,  Anequim 
geheisscn.  ^  Und  sein  Fortsetzer  Zurara  (P.  III  p.  91)  erwähnt  einen  Jüdischen 
Dienstmann  der  Königin  Philippa,  Judä  Negro,  als  grossen  Troubadour, 
und  beruft  sich  auf  trovas  von  ihm,  in  Briefform,  über  die  Gerüchte,  welche 
141 5  ob  der  geheimen  Vorbereitungen  zur  Fahrt  nach  Ceuta  umliefen. 

77.  Dabei  sei  erwähnt,  dass  an  der  Schwelle  der  zweiten  Periode  die 
Bezeichnung  trovas  (im  Volksmundc  heute  auch  trobos,  wie  ich  schon  sagte), 
für  alle,  objektiv  oder  subjektiv  gehaltenen,  bei  Hofe  von  Höflingen,  oder 
im  Gebirge  von  Bauern,  erdachten  »Erfindungen«  im  Volksstyl,  d.  h.  in 
den  peninsularen  Kurzzeilen  üblich  ward,  wohl  nachdem  sie  zuerst  solchen 
Vulgär-Dichtungen  beigelegt  worden  war,  wie  sie  noch  in  der  ersten  Epoche 
zünftige  Spielleute  eben  für  das  Volk  angefertigt  hatten.'-'  Von  den  höfischen  trovas 
spricht  Abschnitt  III  dieses  Kapitels  (^^  iio — 112).  Von  der  Volkslitteratur 
im  Allgemeinen  war  schon  im  Zusammenhang  kurz  die  Rede  (^§  18 — 22). 
Die  wenigen  historischen  Volksreime  aber,  welche  bestimmt  in  unsere  leeren 
Jahrzehnte  fallen,  sind  für  eine  Besprechung  hier  zu  unbedeutend  (wie  die  bei 
der  Belagerung  von  Lissabon  (1384)  gesungenen  Spottverse  auf  den  spanischen 
Feind),  3  oder  zu  schlecht  verbürgt,  wie  die  Condestavel-Liedchen.'*  Von  den 
traditionellen  Formen  und  Gebilden  der  zwischen  Kunst-  und  Volkspoesie  die 
Mitte  haltenden  Vulgär  -  Poesie  {littcratura  de  cordel^  weil  die  kleinen  Druck- 
hefte, auf  Schnüre  gezogen,  auf  den  Märkten  feilgehalten  werden)  erlangten 
die  meisten  das  port.  Bürgerrecht  gerade  jetzt  im  14.  und  15.  Jh.:  so  der 
aus  frz.  Complaintes  und  ital.  Lamentazioni  entstandene  wichtige  Fado\  die 
Debatten  und  Disputen  zwischen  Wasser  und  Wein,  Körper  und  Seele,  Liebe 
und  Tod;  die  »Ausrufe«  {gridas  \\w^  pregöes)^  »Ausverkäufe«  und  »Auktionen« 
{leiloes  und  almoedas)  »die  Testamente«;^  »die  Abeces«  und  »Zehn  Gebote 
der  Liebe« ,  die  »Warum-fragen«  u.  a.  m.  Der  metrischen  Gestalt  nach, 
fallen  sie  übrigens  alle  unter  den   Trova- Begriff. 

78.  Die  wahre,  und  gangbare,  ob  zwar  schmale  Brücke  vom  Caiuionciro 
da  Vaticana  zum  Cancioneiro  de  Resende  muss  aus  Materialien  hergestellt 
werden,  die  ausserhalb  Portugals  entstanden,  und  aufbewahrt  sind.     Ich  meine 


Zeilen !  —  Überall  Wirrnisse,  die  ich  dem  geduldigen  Leser  zu  entwirren  versuche,  mit  grösst- 
möglichem  Lakonismus. 

'  Möglicherweise  ist  es  derselbe,  den  der  unzuverlässige  Nachschreiber  Azenheiro 
als  chocarreiro  que  se  cliamava  Anrique  bezeichnet  {Ineditos  V,  174)-  In  diesem  Falle 
also  auch  nur  ein  Gaukler. 

^  Vgl.  Vat.  965:  Bemqidsto  sodes  dos  alfayates,  Dos  peliteircis  e  dos  mocdores ;  Do  vosso 
bando  som  os  trompeires  E  os  jograes  dos  atamhores. 

'  Braga,  Canc.  Pop.  No.  6.  Diese  Reimpaare  gegen  die  span.  Belagerer  sangen 
die  einen  spanisch,  wie  bei  F.  Lo  pes  L  p.  205;  die  anderen  |)ortug.,  wie  bei  Azen- 
heiro p.  \%'.\.  Also  auch  im  Volksmundf ,  und  zwar  schon  1:^84,  gelegentliche  und  moti- 
vierte  Doppelzüngigkeit ! 

*  Canc.  Pop.,  Nos  7— lo.  Das  Schweigen  der  zeitgenössischen  ausführlichen  Chroniken 
Johanns  I.  und  des  Condestavel;  die  späte  klösterliche  Überlieferung  und  die  unlauteren 
Sprachformen  der  Gedichte  erlauben  es  nicht,  an  ihre  Echtheit  zu  glauben. 

*  S.  §  84  p.  241   Anm.  3, 


Andre  Lyriker.  Trovas.  Galliz.  Lieder.  Cancioneiros.  Neuer  lyr.  Stil.   235 

aus  den  sogenannten  gallizischen  Liedern,  welche  in  Kastilien,  am  Hofe 
Heinrich's  II.  von  Trastamara,  Johann's  I.  und  Heinrich's  III.  und  selten  noch 
unter  ihren  Nachfolgern,  von  ritterlich  höfischen  Minnedichtern  gesungen,  und 
während  der  Regierung  des  musenfreundlichen  Johanns  IL  von  einem  seiner 
Scribenten,  Joäo  Affonso  (de  Baena),  gesammelt  wurden,  sowie  aus  einigen 
weiteren  in  andere  span.  Liederbücher  des  15.  Jh.  aufgenommenen  portug. 
Gedichten.  1  Ein  zwar  kleines,  aber  recht  artiges  »Gallizisches  Über- 
gangs-Liederbuch« Hesse  sich  daraus  zusammenstellen.  Und  dass  es  ge- 
schehe, ist  ein  grosses  Desideratum.  Doch  müsstcn  die  von  Baena,  und  den 
sonstigen  spanischen  Sammlern  schlecht  überlieferten  Texte  "^  von  kundiger 
Hand  restauriert,  und  in  ihrem  Zusammenhange  mit  der  ersten  Epoche  sachlich, 
und  sprachlich  wie  metrisch,  aufs  Genaueste  untersucht  werden.  —  Viel  Treff- 
liches ward  über  die  span.  Cancioneiros  bereits  geschrieben,  von  Spaniern  und 
Deutschen,  doch  geschah  es  vor  der  Zeit  wo  die  Werke  der  Altportugiesen 
und  ihre  Poetik  zugänglich  waren,  und  ehe  die  Drucklegung  der  älteren  span. 
Sammlungen  iCanc.  de  Estimiga  —  Canc.  Patrimonial  VII-A-j  —  Canc. 
Musical)  und  umfangreiche  Mitteilungen  aus  anderen  Hss.  (durch  Ochoa,  A. 
de  los  Ries  und  Gallardo)  den  vergleichenden  Gesamtüberblick  über  die 
Entwickclung  der  Kunstlyrik  aller  hispanischen  Lande  ermöglicht 3  hatten. 
Der  Scharfsinn  eines  F.  Wolf  erkannte  zwar  schon  1859  die  besondere 
Wichtigkeit,  welche  den  gallizischen  Gedichten  des  Canc.  de  Baena  beizu- 
messen ist,  doch  konnte  er  damals  unmöglich  ausfindig  machen  was  heute 
sichtbar  ist,  nämlich  wie  ausserordentlich  eng  sich  alles  was  bis  1400,  und 
darüber  hinaus  noch  bis  1458,  in  Spanien  an  sangbaren  Minneliedern  {cantigas 
asonadas)  geschaffen  ward,  sich  an  die  Cantigas  de  atnor  der  portug.-proven- 
zalischen  Epoche  anlehnt,  nicht  allein  was  das  Strophengefüge  betriffl  (wie 
z.  B.  die  Leonoreia-\^ eho)  die  Reimkünstleicn  (die  rimas  de  tnacho  e  femea^ 
—  der  leixaprem^  —  dobre  und  mordobre ^  —  descori  —  encadeado"^  — 
palavra  perdida^   — ■    die  Coblus  unisonans  —  und  andere  artes  de  maestria^ 

*  Es  giebt  kein  einziges  Liederbuch  des  15.  Jhs.,  welches  ausschliesslich  Gedichte 
in  einer  der  drei  peninsularen  Schriftsprachen  enthielte.  Alle  mischen,  mehr  oder  minder, 
unter  die  kastil.  Texte,  welche  schnell  die  Oberhand  gewinnen,  katal.-valenzianisch-arago- 
nesische  und  portug.-gallizische  Verse.  —  Und  daneben  noch,  charakteristisch  genug,  franz. 
und  ital.  Lieder.  Zeilen,  Formeln  und  Worte. 

2  Keiner  der  alten  span.  Sammler  oder  der  neuen  Herausgeber  beherrschte  das  Portug. 
Sie  mischen  daher  fortwährend  ungehörige  kastil.  Formen  in  die  portug.  Texte,  selbst  im 
Reime  (z.  B.  oft  decir  für  dizer).  Vielleicht  in  Übereinstimmung  mit  der  damals  zu  Recht 
bestehenden  Sprech-Wirklichkeit  ?  Oft  ist  man  in  Zweifel,  ob  man  es  mit  der  einen,  oder 
der  anderen  Sprache  zu  thun  hat.  —  Schrieb  aber  selbst  der  Dichter  reine  Formen  nieder, 
so  mochten  Sänger  und  Kopisten  die  Texte  ad  libitum  in  das  ihnen  mundgerechte  Idiom 
transponieren.  Mancher  Fehler  stammt  natürlich  erst  von  den  modernen  Herausgebern  her. 
Wer  sich  an  die  Textkritik  heranwagen  w^ill,  muss  in  beiden  Sätteln  gerecht  sein,  darf  aber 
nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  im  15.  Jh.  gallizische  und  leonesische  Vulgär  formen  ver- 
wendet wurden,  die  in  der  ersten  Epoche  nicht  vorkommen  (wie  tnorrei  für  niorrerei\  tnorir 
neben  morrer). 

'  Mit  den  gedruckten  Sammlungen  müssen  die  nur  auszugsweise  bekannt  gegebenen 
Texte  des  Canc.  Gallardo  S.  Roman  —  d' Herberay  Turner  —  Ixar  —  Bibl.  Patrimonial 
Vn-D-4-  und  VH-A-3  (den  Perez  Gomez  Nieva  nicht  erschöpfend  und  höchst  mangel- 
haft behandelt  hat)  —  sowie  der  kat.  Canfotur  d'amor  —  Canc.  de  Zaragoza  —  Canc.  Paris. 
59.3  etc.  verglichen  werden. 

*  Baena  Nos   143.    I44.    183.    184. 

^  Nos.   19.  22.  60.  69.  70.   174-   175-   176.  201.  208.  212.  216.    Vgl.  312  und  313. 

*  No.  45- 

'  No.  133- 

8  Nos.  209.  255. 

^  No.  63.  215.  218.  Die  betreffenden  technischen  Ausdrücke  kommen  ausserdem  noch 
öfters  vor;  so  im  Liede  255  und  340b  (Bd.  H  p.  54  der  Leipziger  Ausg.).  Über  Sinn 
und  Ursprung  der  ganzen  technischen  Terminologie  ( —  estribote  —  estribillo  -  desfecha  etc.) 


236    LiTTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.    4.    PORT.    LllT. 


w«j<?r),  gewisse  Lieblingsworte  (wie  5^«>^r,  f.,  entendedor,  al,  cal,  folia,  sandeu, 
entenfon,  soidade,  mesura,  servir)  und  ganze  Formeln  (a  que  eu  vi  poi-  meu  mal 
—  lume  d'esies  olhos  meus  —  coiia  do  meu  corafäo  —  etc.),  sondern  besonders 
nach  Inhalt  und  Geist  undVerwertung  des  sentimental  leidenschaftlichen  Frauen- 
kultus und  seiner  unterwürfigen  Galanterie.  An  einem  befriedigenden,  die 
nötigen  Fragen  aufstellenden  und  lösenden  Werke  über  das  Zeitalter  der  Can- 
cioneros  fehlt  es  daher  noch.  Noch  Niemand  hat  ausgesprochen,  dass  und  wie 
der  neue  lyrische  Stil  der  Halbinsel,  welcher.  Dank  reichlichster  Aufnahme 
von  volkstümlichen  Elementen ,  und  der  ausschliesslichen  Verwertung  der 
indigenen,  mit  den  peninsularen  Sprachen  organisch  verwachsenen  Rhythmen  so 
eminent  national  ausschaut,  durch  die  Zusammenarbeit  von  xAngehörigen  der 
drei  herrschenden  Völker,  und  durch  das  Ineinanderfliessen  dreier  Strömungen 
entstand:  i)  der  Gefühlsüberschwänglichkeit  der  Portugiesen  und  ihrer  innig 
naiven,  an  ketzerischen  Übertreibungen  reichen  Erotik;  2)  der  zu  scholastischer 
Dialektik  und  dogmatisch  spitzfindigen  Diskussionen  hinneigenden,  etwas  schwer- 
fälligen und  frostigen  aber  gedankenvollen  Gelehrtheit  der  katalanisch- 
aragonesischen  Meistersinger  und  Adepten  des  1323  in  Toulouse  ge- 
gründeten, 1356  kodifizierten,  und  dann  1414  zu  Barcelona  restaurierten  »Con- 
tistori  del gay  saber«  (vgl.  hier  Bd.  II  Abt.  2  p.  36  u.  77) ;  3)  des  macht-  und  glanz- 
vollen epischen  Heldengeistes  der  pathetischen  Kastilianer,  deren  historische 
National-Romanzen  in  voller  Entwickelung  waren,  so  wie  ihrer  tief  religiösen 
Mystik,  ihrer  überlegenen  Ironie  und  ihres  unerschütterlichen  Selbstgefühls. 
Niemand  hat  dargestellt  wie  die  hervorragendsten  lyrischen  Dichtungsarten,  die 
damals  die  massgebenden  Nationalweisen  wurden  und  bis  heute  verblieben  — 
und  die  wir  1450  in  Portugal  fertig  vorfinden  werden  — ,  wie  also  die  Canciones 
(oder  Caniigas),  Villancicos  (od.  Vilancetes),  Glosas,  Endechas^  Romances,  die  Quin- 
ülhas,  Decimas  und  Monas  und  sonstige  kunstmässig  vervielfältigte  Trovas  sich  bil- 
deten (s.  §  in).  Und  auch  über  den  weckenden  Einfluss,  den  fremde  Kunst 
ausübte,  ohne  der  Eigentümlichkeit  des  Spaniers  Abbruch  zu  thun,  d.  h.  über 
den  Einfluss  der  franz.  lais,  balladas,  dangas,  complaintas^  chanzones,  cMnzonetas, 
chantarelas,  virolais,  rondelas  von  Machault,  Deschamps,  Alain  Chartier, 
Christine  de  Pisan  etc.  einerseits',  und  andererseits  der  ital.  Musik-  und 
des  ital.   Humanismus,  ist  noch  nicht  genügend  Auskunft  gegeben, 

79.  Wer  den  Werdeprocess  der  peninsularen  Nationallyrik  eingehend 
erörtern  dürfte,  hätte  in  dem  Kapitel  über  portug.  Einflüsse,  die  kastilisch- 
portugiesischen  Dichter  in  5  Gruppen  zu  sondern:  i)  geborene  Gallizier,  die 
im  alten  Stile  der  ersten  Epoche  und  in  ihrer  portug.-gall.  Heimatsprache  dich- 
teten. 2)  die  Kastilianer,  welche  gleichfalls,  dem  Brauche  der  ersten  Epoche 
treu,  auch  noch  in  der  zweiten  das  Portug.  als  Sprache  der  Lyrik  verwerteten.  ^ 

herrscht  noch  /iemliche  Dunkelheit.  Scheijnbar  stammt  sie  halb  aus  portug.,  halb  aus  den 
limusinischen  Poetiken;  in  Wahrheit  vielleicht  aus  der  verlorenen  Arte  de  trohar  des  ü. 
Juan  Mamiel,  die  möglicherv^reise  beide  Richtungen  berücksichtigt  und  kodifiziert  hatte. 

'  Im  Catic.  de  Baena  kommt  bereits  eine  nicht  geringe  Anzahl  franz.  Wörter  vor, 
die  dem  Altportug.  völlig  fremd  waren;  aus  dem  Gebiete  der  Verslehre  clianzon,  virlais 
(deslais)  und  rondel.  Lehrreich  sind  für  die  Beziehungen  zu  Frankreich  die  Werke  S  a  n  - 
tillana's  und  die  Chronica  de  Pero  Nim.  In  der  Bibliothek  der  katholischen  Isabella 
standen  3  franz.  Liederbücher ;  der  Condestavel  besass  die  Cent  ballades  und  Christine  de  Pisan. 
Johann  I.  v.  Portugal  sagte  von  einer  Jagdfanfare :  Guilhelme  de  Machado  (—  Machatdt)  mm 
fez  tarn  fermosa  concordanga  de  melodia;  Odo  de  Gransson  widmete  seine  Complaintes 
und  Virlays  burgundischen  Portugiesinnen;  von  diesen  standen  Beatriz  de  Coimbra- 
Clev  e-Ravenstein,  Isabel  de  Sousa -P  oitiers  und  Alienor  de  Poitiers 
in  Beziehungen  zu  verschiedenen  franz.  Liederdichtern  ihrer  Tage. 

2  Anton  Schmid's  Werke  über  Ottaviano  Petrucci',  Wien  1845,  und  der 
Canc.  Musical  enthalten  die  Beweise. 

ä  Alle  nicht-portug.  und  nicht-gall.  Bewohner  der  Halbinsel  nennt  auch  der 
Portug.  kurzweg  Castelhanos. 


Gallizische  Dichter:  Fernam  Casquicio.    Vasco  Pires.  237 


3)  solche  Spanier,  die  zwar  noch  nach  port.  Art,  aber  in  span.  Zunge  dichteten , ' 
die  geborenen  Portugiesen,  welche  weil  in  Spanien  naturalisiert,  mit  dem  neuen 
lyrischen  Stil  des  15.  Jhs.  auch  die  kastil.  Sprache  annahmen.  ^  4)  alle  Portu- 
giesen, welche  später  innerhalb  des  eigenen  Landes  in  dieser  Weise  nachahmend 
thätig  waren. 3  Das  Ergebnis  würde  sein,  dass  bis  1458,  —  kräftig  nur  bis 
1420  und  vielleicht  noch  genauer  nur  bis  zur  Thätigkeit  Villena's,  des  Re- 
staurators der  zünftigen  gayosa  ciencia  (14 14)  —  in  Spanien  portug.  cantigas 
de  atnor  und  cantigas  de  mal  dizer^  nach  Portugiesen- Art  noch  gleichberechtigt 
neben  den  decires,  reqüestas  wnA perguntas  der  Katalanisten,  und  den  Visionen 
und  Allegorien  der  Dantistas  ertönten.  Hier  aber  haben  wir  uns  darauf  zu 
beschränken,  die  erste  und  zweite  Gruppe  flüchtig  zu  betrachten.  Die  übrigen 
gehören  der  span.  Litteratur  an;  und  nur  die  letzten  darunter  werden  später 
noch  einmal  erwähnt. 

80.  Das  Schicksal  der  dichtenden  Gallizier  ist  um  ein  kleines  günstiger 
gewesen  als  das  der  Portugiesen.  Wenigstens  die  Namen  der  drei  berühmtesten 
hat  Santillana  aufbewahrt.  Da  er  sie  im  Anschlüsse  an  die  dionysischen 
Dichter  nennt,  muss  man  annehmen,  dass  er  sie  zur  portug.  Litteratur  rech- 
nete. Er  zählte  sie  noch  dem  14.  Jh.  zu.  Es  sind:  Fernam  Casquicio, 
Vasco  Pires  de  Camöes  und  Macias.'' 

81.  Das  Leben  des  Fernam  Casquicio  ist  ebenso  unbekannt  wie  seine 
Lieder  es  sind.  Ich  kenne  aus  der  Zeitgeschichte  einen,  wahrscheinlich  galli- 
zischen  Junker  Ferran  Gasquicio  oder  Gasquizo,^  der  im  Dienste  des 
portug.-gall.  Magnaten  Diego  Gomez  da  Silva  stand,  und  somit  zu  den 
Vasallen  des  D.  Joam  Affonso  de  Albuquerque,  des  ersten  portug. 
Ministers  des  kastil.D.  Pedro  L,  gehörte.'^  Und  zwar  ward  er  1354  als  Bote  nach 
Portugal  entsendet.    Es  ist  also  möglich  dass  er  mit  dem  Dichter  eins  war.** 

82.  Vasco   Pires   (oder  Perez)  de  Camöes,^  von   dem  schon  bei 

'  Ich  meine  Ferrus,  Fernan  Sanchez  de  Talavera,  Alfonso  Gonzalez 
de  Castro,  Diique  D.  Fadrique,  Alonso  Enriquez  (s.  p.  231  Anm.  2),  aucli 
M  a  c  i  a  s  und  Villasandino,  Pero  Gonzalez  de  Mendoza,  Diego  Furtado 
de  Mendoza,  Ifiigo  Lopez  el  Feo  etc.  Besonders  das  Geschlecht  der  Mendoza's, 
deren  Stammsitz  in  Asturien  stand,  zeigte  Sinn  und  Neigung  für  das  volkstümliche  Element 
der  westlichen  Lyrik  (serranilhas  und  Parallelsfrophen-Lieder).     Vgl.  p.    151   und   153. 

2  Ich  denke  z.  B.  an  D.  Juan  de  Pimente!  f  1437;  Juan  de  Merlo  f  1443; 
Pedro  da  Cunha;  Gomez  Carrillo  de  Acüna;  D.  AlfonsoPimentel,  die  z.  T. 
mit  der  Königin  Beatriz,  z.  T.  während  der  Erbfolgestreitigkeiten  nach  Kastilien  Obergesiedelt 
waren. 

'  In  6.  Reihe  dürfte  man  noch  alle  diejenigen  Gedichte  der  zw^eiten  Epoche  untersuchen, 
welche  überhaupt  Beziehungen  zwischen  Portugal  und  dem  Nachbarlande  offenbaren:  sie 
liefern  z.  T.  überraschende  Aufschlüsse. 

*  Die  letzteren  hiessen  jetzt  Catüigas  en  manera  de  difamacion. 

*  Die  Worte :  y>Despjtes  destos  vinieron  Basco  Perez  de  Camöes,  Fernant  Casquicio  e 
aqttel  grarrenamorado  Maciast.  schliessen  sich  unmittelbar  an  den  in  §  27  ausgeschriebenen 
Passus.  Santillana's  Auffassung  teilt  Argote  de  Molina.  Auch  er  rechnet  Mac  ins 
zu  den  Portugiesen :  »/  si  a  alguno  por  causa  de  las  coplas  de  Macias  referidas  le  parecicre 
qne  Macias  era  Portugtuz,  esle  advertido  que  hasta  los  tiempos  del  Rey  D.  Enrique  HI  knias 
las  coplas  que  se  liazian  cotmtnnunte,  por  la  mayor  parte  er  an  en  aqiulla  manera. <s. 

^  Die  dritte  Lesart  Gascon  kann  Berechtigung  nur  haben,  falls  der  ungewöhnliche 
Name  ursprünglich  eine  alcunha  war  und  die  Herkunft  der  Familie  aus  der  Gascogne 
bezeichnete  (wie  bei  den  portug.   Gascos  der  Fall  sein  soll). 

'  S.  Ayala,  Cronica  de  Pedro  s.  a.   1354,  cap.  3. 

*  Mit  dem  Einfall  Sarmiento's,  welchen  Sanchez  gutheisst,  im  Briefe  Santil- 
lana's das  Wort  Casquicio  durch  den  anklingenden  Namen  Cascales  (Cascaes)  zu  ersetzen, 
ist  gar  nichts  gewonnen.  Ebensowenig  mitBraga's  Vorschlag,  den  altportug.  Troubadour 
Fernand  Esquio  darin  zu  erblicken,  von  dem  uns  ein  paar  Lieder  erhalten  sind.  {Vat. 
899-903  und   1136—1137). 

'Ausführlicheres  über  ihn  bieten:  Braga,  Trov.  312— 32I;  Quinh.  325 — 326; 
Camöes  I  44  —  50  Theoria,  3^  ed.  p.  191  und  Curso  128—129;  Juromenha  I  12—13  und  28. 
nebst  Anm.  auf  p.  487;  Storck,   Camöes,  Einl.  §  39  und  Leben,  §  4  und  5. 


238    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

Gelegenheit  des  Amadis  die  Rede  war,  ist  hingegen  eine  bekannte  Persön- 
lichkeit, die  als  Urältervater  itresavo)  des  Lusiadensängers  in  Genealogien,  und 
als  von  der  Hofgunst  König  Ferdinands  besonders  begünstigter  Politiker  und 
Krieger  in  den  Chroniken  sehr  oft  genannt  wird.  ^  Zwischen  1361  und  1369 
wanderte  dieser  caballero  de  Galicia  in  Portugal  ein,  dem  Hasse  des  span. 
Peters  des  Grausamen,  ausweichend 2  wie  viele  andere  Adlige.  Am  port.  Hofe 
prosperierte  er  bis  1383;  blieb  Parteigänger  seines  Beschützers  Ferdinand  auch 
nach  dessen  Tode,  und  also  Gegner  des  Ordensmeisters  von  Aviz,  3  gegen 
den  er  als  Burgherr  die  Feste  Alemquer  verteidigte.  Der  Sieg  der  National- 
partei beraubte  ihn  seiner  Machtfiille,  doch  verblieben  ihm  einige  Grundstücke 
in  Portugal.  Die  Chroniken  nennen  ihn  nach  1386  nicht  wieder;  seine  Ge- 
mahlin und  Nachkommen  aber  sind  Portugiesen.  Wann,  wo  und  was,  und 
in  welcher  Sprache  er  dichtete,  ob  vor  1 361  in  Spanien  (möglicherweise  noch 
unter  Alfons  XL),  vor  1383  in  Portugal,  oder,  nach  13S6  als  Gast  im  kasti- 
lischen  Königspallaste,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Noch  um  1559  war  jedoch 
sein  Name  in  Portugal,  freilich  neben  dem  des  Spaniers  Mena,  als  Typus 
des  begüterten,  zu  Stellung  und  Ansehen  gelangten />ö^/<?  «-?///<•<?  sprichwörtlich  ■♦. 
Von  seinen  Gedichten  (die  Santillana  1449  vermutlich  noch  gesehen)  ist 
nichts  übrig.  Oder  so  gut  wie  nichts:  20  Zeilen  (2'/2  oitavas  de  arte  mayor) 
in  span.  Sprache:  ein  frostig  gelehrtes  dezir  über  die  Entstehung  des  Blitzes, 
als  Antwort  auf  eine  Frage  des  leonesischen  magister  theol.  et  physicae  Fray 
Diego  de  Valencia  de  S.  Juan)^  —  falls,  wie  vorauszusetzen,  der  Vasco 
Lopez  de  Camoes  des  Cancionero  de  Baena  mit  dem  Vasco  Perez  der  Ge- 
schichte und  Santillana's  identisch  ist.ß  Zwei  Gedichte,  welche  die  Neuz(;it' 
ihm  zuweisen  möchte ,  sind  untergeschobene  Stücke ;  wertlose  gallizische 
Sonette,  die  ich  für  Seitenstücke  zu  Ferreira's  Amadis-Gedichten  halte  und  für 
durch  diese  hervorgerufene,  und  zu  schlecht  versteckten  Zwecke  angefertigte 
Fabrikate  erkläre.    Sie  wurden  1668  in  die  Werke  des  Camoes  eingeschmuggelt, 


'  Fernam  Lopes,  D.  Joam  I,  P.  I  p.  12.  34.  41-  55.  94-  112.  177-  143-  191- 
301  •  315-  350.  386.  391 ;  P.  n  p.  53.  95.  116.  162;  Chron.  do  Condestavel,  cap.  21.  41 
und  48;  Mon.  Lus.,  Livro  XXIII.  cap.  27;  Cron.  de  D.  Juan  I  s.  a.  1381  (p.  88  und  91 
der  ed.  Rivadeneyra). 

2  Im  Jahre  1361  war  Vasco  Peres  noch  in  Spanien,  wenn,  quo d prob andum,  der 
gallizische  junge  Knappe  Vasco  Peres  de  Baanionte  (sie),  von  dem  Ayala  redet, 
(Z>.  Pedro  I  s.  a.  1361  ,  cap.  4)  unser  Camoes  ist.  Ihn  und  seinen  Verwandten  Arias 
Vasques  de  B.  Hess  der  König  aus  Groll  gegen  ihre  ihm  feindliche  Sippe  wie  Verräter 
zu  einem  Zweikampf  fordern,  in  dem  der  letztgenannte  auf  unredliche  Weise  umkam.  Der 
heil  ausgehende  Vasco  verlie.ss  damals  die  span.  Erde,  zusammen  mit  seinem  später  bei 
Aljubarrota   gefallenen  Vetter  Aires  Peres. 

^  Nicht  sonder  Wanken.  Einmal  paktierte  er,  um  Gold,  mit  D  Joao  I.  Fernam 
Lopes  rechnet  ihn,  da  er  bald  wieder  zu  den  Spaniern  überging,  zu  den  »unechten«  Por- 
tugiesen, die  er  wie  »wilde  Schösslinge«   und  »Götzendiener«    an    den  Pranger  stellt.     Vgl. 

P.  I  p.  315. 

*  S.  Sä  de  Miranda,  No.  2o8  und  Kommentar  auf  p.  873.  Er  wird  kurzweg 
Camoes  genannt:  ■iHa  de  enfrear  stia  pena  Quem  quiser  ser  mais  -Dm^dradoi.  Que  Camoes  e 
yoam  de  Menav. 

*  S. -ffa^wa  No.  493  und  494  (Bd.  II  p.  175—6  der  Leipziger  Ausg.  und  dazu  Anm.  23,5). 
Vasco  scheint  mit  demselben  stockgelehrten  Magister  noch  weitere  Doktorbriefe  in  Reimen 
ausgetauscht  zu  haben.  S.  Nos  495  (=  Frage  ohne  Antwort)  und  509  (=  Antwort  ohne 
Frage). 

^  Die  Geschichtsschreiber  nennen  ihn  Peres,"  gemäss  den  Urkunden  der  Staatskanzlei 
(doch  kommt  hie  und  da  auch  Fernandes  und  Paes  vor,  z.  B.  bei  F.  Lopes  I  p.  41,  und 
sogar  der  falsche  Vorname  Gon9alo  ib.  p.  117)-  Die  Herausgeber  des  Canc.  de  Baciia 
lösten  vielleicht  die  Abbreviatur  des  Patronymikums  mangelhaft  auf.  —  Hunderte  von  Maien 
sind  bereits  Gmz  Glz  Grz  FrzPrzPzd.h.  Gomez  Gon  zalez  G  arcez  Fernandez 
Perez  Paez  mit  einander  verwechselt  worden.  Wer  den  Dichter  und  den  Krieger  für  ver- 
schiedene Figuren  ausgeben  will,  muss  erst  beweisen,  dass  es  1384  mehrere  Vasco  de  Camoes 
gegeben. 


Gallizische  Dichter.     Macias.  239 

wo  sie  bislang  verbleiben,  i  Selbst  wenn  Vasco  lange  genug  gelebt  hätte, 
um  die  ältesten  peninsularen  Sonette  (Santillana's)  kennen  zu  lernen,  so  würde 
er  sie  in  Versos  de  arte  mayor,  und  nicht  in  reinfliessenden  HendekasylIab(Mi 
abgefasst  haben,  wie  sie  noch   1530  in  Portugal  unerreicht  dastanden. 

83.  Um  Macias2,  welchen  Kastilianer  und  Portugiesen  um  die  Wette 
als  -»Espatlol  mas  amante'^.  verherrlicht  haben,  und  den  ganz  Europa  kennt 
als  sprichwörtlichen  Prototypus  der  peninsularen  Verliebten,  welche  sterben 
wenn  sie  lieben,  steht  es  ein  gut  Teil  besser.  Der  Hauptinhalt  seines  Lebens 
wird  durch  ihm  huldigende  Gedichte  erlauchter  Schriftsteller  des  15.  Jhs. 
ausser  Frage  gestellt  3;  dass  nämlich  der  aus  Padron  bei  Santiago  gebürtige 
Sänger  noch  in  jungen  Knappenjahren,  auf  Burg  Arjonilla  bei  Jacn  (wo  er 
begraben  liegt)  in  trutziger  Verzweiflung  sein  Leben  seiner  Liebesleidcnschalt 
opferte,  von  der  Lanze  des  eifersüchtigen  Gatten  des  geliebten  Edelfräuleins 
durchbohrt,  das  jenem  auf  höheren  Befehl  die  Hand  gereicht.  Das  »Wie« 
erzählen  sie  nicht  genauer.  Ein  1499  vom  »griechischen  Komthur«  müh- 
sam zusammengestoppelter  Bericht  {Jiistoria  remendada  a  pedazos,  wie  der  Ehr- 
liche selbst  gesteht),  den  1588  Argote  de  Molina  zu  einer  artigen  kleinen 
Novelle  verarbeitete,  und  den  hinterher  noch  drei  Jahrhunderte  in  Dramen, 
Romanen  und  Romanzen  sanktionierten,  giebtan:  nach  vergeblichem  Warnen 
habe  der  mächtige  Feudalherr  des  Macias,  der  als  Astrologe  und  Nigroman- 
tiker  gemassregelte ,  gelehrte  Schriftsteller,  Dichter  und  Königsenkel  Don 
Enrique  de  Villena  (1384 — 1434)  den  unbotmässigen  Knappen  einkerkern 
lassen.  Da  er  trotzdem  fortgefahren,  seine  Herzensdame  in  Liedern  zu  feiern, 
habe  der  misachtete  Gatte,  ein  Edelmann  aus  Porcuna,  sich  selbst  Recht  ver- 
schafft und  von  hohem  Rosse  herab ,  die  Lanze  durch  das  Gitterfenster  des 
Gefängnisses  geschleudert  (laut  Fernan  Nu nez  durch  ein  agujero  del  tejadol). 
Eine  Jahrzehnte  ältere,  etwa  1450  niedergeschriebene  Notiz  des  oftgenannten 
Condestavel  D.  Pedro  dePortugal  stellt  den  Vorgang  anders  dar:  Macias 
habe  einst  die  Dame,  welcher  er  als  Troubadour  diente,  mit  eigener  Lebens- 
gefahr vom  Tode  des  Ertrinkens  gerettet.  Auf  einer  späteren  Begegnung,  nach 
ihrer  Vermählung,  habe  er  zum  Grusse  und  als  Lohn  für  seine  Dienste  ver- 
langt, sie  möge  vom  Saumtiere  herabsteigen,  was  sie  gethan.  Der  hinzugekommene 
Gatte  aber  habe  den  regungslos  und  traumversunken  in  ihren  Fusstapfen  Stehen- 
gebliebenen in  wildem  Zorne    getötet 4.   —   Wann?  —  Die  Antwort:    in  der 


*  Aid  en  Monte- Rey  wwA  Porque  nie  faz  Amor.  Vgl.  Storck  II  p- 424  und  Bragn, 
Camoes  II  163. 

^  Einen  weiteren  Namen  kennt  man  nicht.  Macias  ist  die  gallizische  Form  für 
Matthias  und  noch  heute  iiblich  als  Taufname  und  als  Familienname.  In  Portugal  schrie!) 
und  sprach  man  h.Hufiger  in  popularisieiter  Form  Mancias.  Im  16.  Jh.  betonten  einige 
Dichter,  die  den  Dichter  nur  auf  litterarischem  Wege  kennen  gelernt  hatten,  fälschlich 
Mäncias  (im  Reime  zu  dnsias). 

^  Ich  nenne  als  Beispiele:  Mena,  Santillana,  Padron,  Garci  Sanchez, 
GomezManiique,  D.  Fadrique,  D.  Pedro  deP©rtugal,D.  Joäo  deMenezes, 
D.  Joam  Manoel.    Im  Canc.  de  Res  allein  kommt  er  18  Mal  vor.    S.  u.  §   107.  Anm.  9. 

*  Die  Hauptquellen  für  die  Vita  sind  also  zwei:  die  Satira  de  felice  e  infelice  Vida 
des  Cond.  de  Port,  Glosse  8  des  Madr.  Ms.  P.  61  (vgl.  A.  de  los  Rios  Vl77  und  548) 
und  der  Comendador  Griego  Fernan  Nunez  in  seinem  Kommentar  zu  den  Trecientas 
des  Metta\  Orden  de  Venus,  Strophe  105  — 108.  —  Dazu  kommen  Argote  de  Molina, 
N'ohleza  de  Andalucia,  1588,  II  cap.  148,  fl.  272  v.;  Xiniena,  Obispos  de  Jaen,  1654,  p.  171. 
2o!^  236;  Sanchez,  Poesias  Castellanas  I  Anm.  212  bis  221  zur  litterarhist.  Epistel  San- 
tillana's (Bd.  I  p.  138  — 148);  Sarmiento,  Memorias  p.  33 1.  No.  704;  Rodriguez 
de  Castro,  Bibl.  Esp.  I  3 12.  Bei  weitem  das  Beste  jedoch  was  bis  heute  über  ihn  ge- 
sagt ward,  lieferte  A.  Paz  y  Melia  in  seiner  Ausgabe  des  Padron  p.  401— 405  und  42,"i 
Bibliofilos  Bd.  22.  Natürlich  widmen  alle  neueren  span.  und  portug.  Litteiarhistoriker  ihm 
einige  Seiten;  wie  alle  grössten  Dichter  der  Halbinsel,  Cervantes,  Calderon  und 
Camoes  an  der  Spitze  ihn  verherrlicht  haben. 


240    LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN   VÖLKER.    —  4.    PORT.    LiTT, 

I.  Hälfte  des  15.  Jhs.  ist  zu  unbestimmt.  Ich  sage  vor  1434,  dem  Todesjahre 
Villcna's;  ja,  vor  1429,  wo  bereits  der  älteste  der  vornehmen  Sänger  starb,  welche 
des  Mac  las  Lieder  zitieren  und  glossieren ',  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
zwischen  1404  und  1414,  während  Villen a  als  Ordensmeister  von  Calatrava 
zeitweilig  in  Jaen  residierte.  —  So  allein  erklärt  es  sich,  dass  Santillana, 
der  nur  14  Jahre  jünger  ist  als  Villena,  den  Dichter  ins  14.  Jh.  verlegt, 
und  1449  schon  von  nicht  mehr  als  vier  Liedern  des  Macias  Kunde  er- 
hielt^; und  dass  auch  Baena  um  dieselbe  Zeit  nichts  als  eben  jene  knappen 
vier  Proben  zu  sammeln  vermochte^  und  dazu  ein  altes  Gerücht,  das  sie  bis 
1369  zurückdatieren  würde.'*  Sie  sind  Cantigas  de  anior,  vom  Dichter  vermut- 
lich selbst  in  Musik  gesetzt  ^ :  schmerzliche  Klagen  mit  nachdenklichen  Betrach- 
tungen untermischt:  canciones  elegiacas  nach  Mena;  amorosas  e  de  muy  fer- 
mosas  sen/endas  i\3ich  Santillana  —  zwei  in  gall.,  zwei  in  kastil.  Sprache, 
in  einfachen  Acht-  und  Viersilblern ^.  Doch  legten  ihm  schon  im  15.  Jh. 
die  Poefas,  die  ihn  Lieder  singend  in  ihre  Testamentos,  Querellas,  Visiones,  Tn- 
ßernos  und  in  allegorische  Novellen  einführen,  noch  weitere  16  Stücke  bei, 
die  in  einer  des  Sängers  Leben  und  Wirken  geweihten  Monographie,  doch 
nicht  hier  zu  untersuchen  sind. '' 

84.  Auch  die  portug.  dichtenden  Kastilianer  aus  den  Tagen  der  Trasta- 
marischen Dynasten  kennen  wir  vornehmlich  durch  Santillana*^  und  Baena^. 


*  Der  Duque  D.  Fadrique,  Santillana's  Schwager. 
^  Macias  del  quäl  non  se  faUan  sino  4  canciones  .  .  . 

^  Baena,  No.  306  —  310.  Das  fünfte  Lied  (311)  ist  nicht,  wie  jene  vier,  unbe- 
streitbares Eigentum  des  Macias,  sondern  wird  schon  von  Santillana  einem  anderen 
Poeten  zuerteilt. 

*  Von  dem  gegen  die  Grausamkeit  Amors  gerichteten  Lied  308  heisst  es  >->empero 
algunos  trobadores  disen  que  la  fiso  contra  el  Rey  D.  Pedro!«.  Wäre  das  richtig  —  und 
ganz  unmöglich  ist  es  nicht — ,  so  war  der  Villena,  zu  dessen  Hofstaat  Macias  gehörte, 
der  Grossvater  des  Gelehrten,  also  D.  Alfonso  de  Aragon,  d.  h.  der  wahre  Marques  de 
Villena  (1356—93)- 

'^  y>Bien  asonadai  war  Cantiga  310- 

*  Die  beiden  gallizischen  Gedichte  sind  Spruchpoesien  (ohne  Motto):  jede 
Stroplie  schliesst  mit  einer  Sentenz  ab.  In  No.  306  sind  sie  wirkliche  Volkssprichwörter, 
in  No.  310  hingegen  vom  Dichter  selbst  geformte  Distichen,  sogenannte  trebellos.  Das 
Genre  ward  in  der  Folgezeit  oft  nachgeahmt.  Ihre  Art  und  ihren  Sinn  erkannte  weder  der 
franz.  Übersetzer  de  la  Beaumelle  (bei  F.  Denis  p.  22  und  607)  noch  der  deutsche 
Bell  ermann.  Die  beiden  Cantigas  in  span.  Sprache  haben  auch  bereits  hispanische 
Gestalt  (mit  Motto),  doch  noch  nicht  die  stereotype  Form  der  Cancion. 

''  Alle  Dichter,  unter  deren  Namen  sonst  einzelne  der  Lieder  umgehen,  gehören  zu 
den  Epigonen  des  portug.  Minnesangs,  und  schrieben  daher  thatsächlich  ungefähr  denselben 
Stil  wie  Maci  as.  Hier  folgen  die  Anfangszeilen  der  Gedichte  (gallizisches  gesperrt).  Mehr 
zu  geben  gestattet  leider  der  Raum  nicht.  1  bis  4  sind  die  von  Baena  und  Santillana 
gekannten  Poesien. 

1  Cativo  de  mha  tristura  11  Pues  mi  triste  corazon 

2  Amor  cruel  e  brioso  12  Pues  me  fallesciö  Ventura 

3  Senora  en  que  fianga  1 3  Vedes  que  descortesia 

4  Provei  de  buscar  me sura  \4  De  quien  cuido  e  cuide 
,5  Con  tan  alto  poderio  \h  El  gentil  nino  Narciso 
6  Pero  te  sirvo  sin  arte                                            16  Poderoso  amor  loado 

1  Loado  sejas  Amor  '^1  Ay  que  mal  aconsejado 

8  De  ledo  que  era  triste  18  Amor  siempre  partire 

9  Pois  prazer  näo  posso  haver  19  Cuidados  e  Tnaginanga 

10  Crueldad  e  trocamento  20  Pues  que  dios  y  mi  Ventura. 

»  Sanchez  Bd.  I  p.  LVni-LXI. 

®  Über  Baena  findet  man  Ausführlicheres  in  der  Einleitung  des  Marques  de  Pidal, 
welche  sowohl  die  Madrider  Ausg.  (1851)  als  auch  die  Leipziger  (1860)  begleitet;  ferner 
in  A.  de  los  Rios,  II  cap.  IV  und  VI;  Wolf,  Studien  \%1 —222  \  Cueto  in  Revue  d.  d. 
M.,  XXIII,  1853  p.  726—95;  Braga.  Trov.,  cap.  IX.  —  Erschöpft  ist  jedoch  der  Gegen- 
stand, wie  gesagt,  noch  lange  nicht! 


PORTUG.  DICHTENDE  KaSTILIANER.   —  PrOSA  :    ÜBERSETZUNGEN.    LEHRBÜCHER.    24I 

Der  erstere  nennt  sie  in  unmittelbarem  Anschluss  an  Alfons  den  Weisen,  ohne 
die  Erscheinung  noch  einmal  besonders  zu  besprechen,  dass  sie  sich  bisweilen 
der  westlichen  Sprache  bedient  haben,  und  auch  ohne  sie  von  anderen  aus- 
schliesslich kastilisch  dichtenden  Minnesängern  zu  trennen.  —  Ungefähr  das 
Gleiche  gilt  von  dem  Sammler  Baena.  Sein  keineswegs  einheitliches,  die 
Werke  dreier  Generationen,  dreier  Dichterschulen  und  zweier  Sprachen  bunt 
durch  einander  rüttelndes  Liederbuch  bietet  aus  den  80  Jahren  von  1369 
(oder  1366)  bis  1449  (und  nicht  1453)  - —  also  gerade  aus  unserer  stummen 
Zeit  —  unter  576  Werken  von  55  Dichtern  (katalanisierenden  ^'ifs^VÄ^r^i',  portug.- 
provenz.  trovadores  und  italianisierenden /ö^/^-i-) ,  unter  denen  etwa  17  wirk- 
lich etwas  bedeuten,  drei  bis  vier  Dutzend  (40)  portug.  Cantigas ,  von  nur 
sechs  verschiedenen  Autoren  (worunter  Macias).  Die  erste  Stelle  nimmt 
Pero  Gonzalez  de  Mendoza  ein,  der  erlauchte  Grossvater  des  Markgrafen, 
der  1385  in  Portugal  das  Leben  Hess,  als  er  seinem  König  durch  Überlassung 
seines  Pferdes  das  Leben  rettete.  Neben  drei  kastil.  Resten  ist  bloss  ein  gall. 
Lied  von  ihm  erhalten.  Doch  ist  es  wichtig,  weil  das  einzige  der  Epigonen- 
lieder, das  noch  den  jambischen  Dekasyllabus  anwendet  (Baena  251b). 
Von  einem  anderen  Mendoza,  dem  Oheim  des  Markgrafen,  Pero  Velez  de 
Guevara  (f  1420),  besitzen  wir  ein  scherzhaftes  Schmähgedicht  auf  eine  sehr 
alte  Jungfer,  das  ein  direkter  Abkömmling  ähnlicher  dionysischer  Lieder  ist 
(No.  322).  —  Von  dem  sittenschwachen  und  abenteuerlichen,  aber  originellen 
Renegaten  Garci  Fernandez  aus  Gerena  (bei  Sevilla),  der  aus  Geldgier  eine 
hübsche  maurische  Spielfrau  freite  und  als  er  sich  betrogen  sah,  1 3  Jahre  unter  die 
Mauren  ging  (1386 — 1398),  blieben  fünf  Lieder  übrig  (Baena  556  —  559  und 
562  1). — ^  Ein  unbekannter  Geistlicher,  der  in  der  leonesischen  Stadt  Toro  als 
Archidiakonus  lebte,  und  anscheinend  zu  einem  grösseren  Kreise  von  Trou- 
badours Beziehungen  unterhielt'^,  schrieb  um  1390,  im  reinsten  Portugiesisch  und 
mit  Anwendung  von  altportug.  Reimkünsten,  6  leichtfiiessende  Liebeslieder  in 
Kurzzeilen,  worunter  ein  humoristisches  Testament,  in  welchem  er  seine  Körper- 
teile, Sinne  und  Geisteseigenschaften  an  selbstgewählte  Erben  verteilt  —  ein 
in  der  Folgezeit  oft  wiederholter  und  parodierter  Vorgang  (No.  311 — 316). — ^ 
Das  grösste  Kontingent  stellte  jedoch  der  Hauptdichter  jener  Tage,  der  talent- 
volle, zungenfertige  und  fruchtbare,  doch  wenig  edel  gesinnte,  in  Illescas  be- 
güterte Ritter  und  Hofpoet  Alfonso  Alvares,  aus  Villasandino  bei  Biirgos. 
Zwei  Dutzend  hübscher  Gedichte,  in  denen  zahlreiche  Redewendungen  direkt 
aus  der  Sprache  der  altportug.  Troubadours  herübergenommen  sind,  etwa  ein 
Achtel  seines  ganzen  verskünstlerischen  Besitztums,  gehören  zur  portug.  Litte- 
ratur  [Baena.  3.  10.  11.  13 — 20.  22 — 27.  46.  94.  95.  134.  147.  161). * 
Dazu  kommen  aus  anderen  gedruckten  und  ungedruckten  Liederbüchern  dann 
noch  verschiedentliche  Überbleibsel.  Ich  hebe  hervor:  aus  dem  Cancionero 
Musical  zwei  volksmässige  Fragmente,  weil  sie  zu  den  dionysischen  Parallel- 


1  Stark  mit  kastil.  Formen  durchsetzt,  aber  dennoch  unbedenklich  als  gall.  anzusehen. 

*  S.  No.  314:  Adeus  os  trobadores  Cent  que  trobei.  Namhaft  macht  er  nur  einen: 
Lope  de  Portocarreyro,  oder  zwei,  wenn  der  Sänger  Pedro  de  Valcacer  auch 
dichtete  (in  No.  3 16).  Über  den  Arcediano  de  Toro  spricht  Paz  y  Melia  p.  408  seiner 
Padron  Ausgabe. 

'  Das  Testament  des  Franzosen  G.  de  Lorris  ist  vielleicht  die  älteste  romanische 
höfische  Verwertung  der  wohl  traditionellen  Dichtungsart?  Ob  das  am  Oster-Vorabend  (sabbado 
de  halkhijah)  in  Portugal  alljährlicii  erscheinende  7,  Testamento  dejudasi.,  wie  die  parodierenden 
Tier-Testamente  der  Vulgär-Litteratur,  noch  anderwärts  üblich  sind,  weiss  ich  nicht.  Die 
damit  zusammenhängende  Verbrennung  des  Judas  halte  ich  für  eine  polemische  Umfor- 
mung des  alten  Winteraustreibens. 

*  Auch  in  seinen  kastil.  Liedern  begegnet  man  des  öfteren  gall.  Worten  und  Formeln, 
so  dass  man  an  der  Mundart  der  echten  Texte  zweifelhaft  wird. 

Gröber,  Grundriss.  IIb.  l6 


242    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

Strophen-Liedern  gehören  {Nos  437  und  458)  i;  aus  dem  Cancionero  Patrimonial 
VII-A-3  ein  Gedicht  von  dem  aragonesischen  Convertiten  Santafe,  weil  es  zeigt, 
dass  selbst  von  den  Höflingen  Ferdinand's  I.  und  Alfons'  V.  von  Neapel  portug. 
Texte  verstanden  wurden-;  und  schliesslich,  als  vielleicht  spätestes  Produkt,  San- 
tillana's,  keineswegs  parodistisch-,  sondern  ernst-gemeintes  Lied:  Po7-  amar 
noii  saibamente^ .  —  In  der  Wahl  des  stets  8-  und  4-silbigen  Metrums,  in  den 
Strophenformen,  die  mich  mehr  als  einmal  an  die  Cantigas  Alfons'  X. 
erinnerten*,  in  der  kecken,  freien  Handhabung  der  Sprache,  in  der  Ver- 
meidung des  Refrains,  in  dem  etwas  üppiger  werdenden  Bilderschmuck  ist  un- 
bedingt eine  sich  vom  portug.-provenz.  Typus  entfernende  Entwickelung  zu 
konstatieren.  —  Von  Gedichten  in  span.  Sprache,  die  ich  noch  zur  Troubadour- 
dichtung rechne,  sei,  als  Beweis  für  die  Berechtigung  meiner  Auffassung  vom 
innigen  Zusammenhang  span.  und  portug.  Poesie,  noch  einmal  auf  den  Cossante- 
Tanz  des  Diego  Furtado  de  Mendoza  (7   1405)  hingewiesen. 

II.  PROSA. 

a)    KOMPILATIONEN.     ÜBERSETZUNGEN.      FACHWISSENSCHAFTLICHE    LEHRBÜCHER. 

85.  Ich  sagte  bereits,  dass  die  portug.  Könige  und  Königssöhne  der 
2.  Dynastie,  lehrhaft  thätig,  —  selber  schreibend,  oder  das  Schreiben  Anderer 
veranlassend,  —  hier  die  Führerrolle  spielten.  Johann  I.  (geb.  1365,  reg. 
1385  — 1433)  vulgarisierte,  laut  Zeugnis  seines  eigenen  Sohnes  und  des  Rcichs- 
historiographen ,  ein  »Gebetbuch  der  Jungfrau«,  um  den  Marienkultus 
zu  fördern'^;  redigierte  Psalmen  für  die  Totenmesse^  und  schrieb  ein 
umfangreiches,  teilweise  originelles  Jagdbuch  (besonders  über  die  Sauhatz) 
Livro  de  Montaria,  das,  noch  vorhanden,  der  Veröffentlichung  (vielleicht  in 
der  Bibl.  Venatoria)  harrt''.  Er  Hess  von  den  Mönchen  des  Alcobacenser 
Klosters  die  Evangelien,  die  Apostelgeschichte,  Episteln  Pauli  und  Heiligen- 
leben übertragen ;  hiess  die  span.  Weltchronik  neu  bearbeiten  und  mit  portug. 
Zusätzen  versehen  (die  hernach  bis  1457  fortgeführt  wurden^);  und  gab  die  An- 
regung zur  Einführung  von  Gower's  »Confessio  Amantis«  sowie  zur  Kompilation 
einert  theologischen  Encyklopädie  (s.  ^  90).  Der  Fürstenspiegel  des  Aegidius 
wurde  in  seinem  Arbeitszimmer  von  den  Höflingen  unablässig  befragt. 

86.  D.  Duarte  (geb.  1391,  reg.  1433 — 38),  ein  von  Natur  kontem- 
plativer, zur  Melancholie  neigender,  aber   edelsinniger,    gewissenhafter,  nach 


*  Meu  naranjcdo  florido  El  fruto  no  Fes  venido  .  .  .  Meu  naranjedo  gra7iado  El  fruto 
no  l'es  llegado  und  Aletis  ollios  van  pelo  tnare  Mirando  vatt  Portugale  .  .  .  Vgl.  Nos  40I.  425. 
427  u.  a.  m. 

^  Ed.  Gomes  Perez  Nieva  p.   165. 

*  Ed.  A.  de  los  Rios  p.  443.  Natürlich  verderbt  und  voll  kastilischer  AVort- 
fornien. 

■•  Auch  sprachlich  haben  die  Gedichte  des  Canc.  deBaena  manche  Züge  mit  den 
Catttigas  de  S.  Maria  gemein.  Ich  erwähne  nur  die  Negation  niente,  deren  die  Portugiesen 
sich  nie  bedient  haben. 

*  ]*".  Lop  es  sagt  in  der  Chronica  de  D.  yoam,  II  p.  41  •  •  •  •  '>'>muy  dcvoto  da preciosa 
Vir  gern  .  .  .  tornou  em  seu  louvor  as  suas  devot  as  Hör  as  em  lingoagem,  apropriando  as  palavras 
dellas  d  Virgem  Maria  e  a  seu  hento  filho,  de  guisa  que  muitos  tomäräo  devogäo  de  as  rezar, 
que  ante  d'ellas  nom  aviam  relembranga.« 

^  D.  Duarte  erwähnt  im  Leal  Conselheiro  cap.  27  p.  94  die  -»Horas  de  S.  Marias  und 
»Salmos  para  os  ßnados«. 

"^  Eine  Kopie  davon  vom  Jahre  1626  (Cod.  P-3-4)  ruht  in  der  Liss.  Bibl.  Nac. 
Benutzt  ward  es  zunächst  nur  von  Gama  Barros  zu  seiner  inhaltreichen  Ilist.  da  Admini- 
stragäo  Publica,  I^iss.  l88ö  p.  424  und  1892  von  Gabriel  Pereira  zu  seinen  Estiid>s 
Eborenses:  As  cafadas.    Vgl.  Leal.   Cons.  cap.  27  und  Livro  de  Cavalgar,  V  cap.    11    p.  yi. 

*  S.  Fern  am  Lopes,  II  p.  41   und  Memorias  de  Litter.  VII  20. 


Prosa:  Johann  I.,  D.  Duarte.  243 


Vollkommenheit  ringender  Fürst,  hatte  als  Kronprinz,  nachdem  er  sich  in 
Afrika  die  Sporen  verdient,  langdauernde  Müsse,  um  seinen  Hunger  nach 
Geistesbildung  zu  stillen.  Die  dankbare  Nachwelt,  die  das  Sprichwort  »Palcmra 
de  rey  näo  volta  atras«  als  von  ihm  ausgegangen  und  durch  ihn  bewahrheitet 
betrachtet,  nennt  ihn  euphemistisch  den  »Wohlberedten«  (0  Eloquente)^  während 
sie  ihn  nur  als  Schriftsteller  bonae  voluntatis  bezeichnen  dürfte.  Da  er  lang- 
sam dachte  und  gern  reiflicher  Erwägung  pflog,  jede  Frage  möglichst  allseitig 
beleuchtend,  waren  mündliche  Vorträge  und  Entscheidungen  ihm  niisliebig: 
er  verlangte  schriftliche  Meinungsäusserung  von  seinen  Ratgebern,  und  ver- 
schaffte sich  selber  mit  der  Feder  in  der  Hand  Klarheit  über  das  was  er  zu 
wollen  hatte,  in  dem  Wahne,  so  seiner  angeborenen  Unentschlossenheit 
Herr  werden  zu  können.  So  entstand  eine  Fülle  von  kleinen  Schriften  über 
praktische  und  theoretische  Fragen  1.  Seine  Mappen  enthielten  in  buntem 
Durcheinander:  Betrachtungen  über  Wille  und  Intellekt,  —  ein  Fechterlehr- 
buch —  Glossen  über  das  Vaterunser,  —  Pläne  zur  Regelung  des  Gottesdienstes 
in  der  königl.  Hauskapelle,  —  Entwürfe  für  die  Leichenreden,  welche  die 
Hofprediger  bei  der  Bestattung  des  Condestavel,  oder  seines  eigenen  Vaters 
halten  sollten,  —  bemerkenswerte  Anweisungen  über  die  Kunst,  aus  dem  Lat.  zu 
übersetzen,  —  Gedanken  über  Teufelsaustreibung  und  Synonymik,  —  die  unbe- 
fleckte Empfängnis,  —  astrologische,  mineralogische  und  metereologische Notizen, 
—  Erwägungen  darüber ,  ob  er  den  Krieg  gegen  Afrer  und  Mauren  unternehmen 
und  sein  Volk  deshalb  besteuern  dürfe,  —  Getreidepreise,  —  die  Pest,  —  Mittel 
und  Wege  zur  Erlangung  der  ewigen  Seeligkeit,  —  Wohl  und  Wehe  seiner  Be- 
diensteten, —  Begriff  der  Freundschaft  u.  a.  m.  —  Aus  einer  Auswahl  seiner 
inhaltreichsten  moralphilosophischen  Abhandlungen  fügte  er  ein  grösseres 
Werk  zusammen,  als  die  aragonesische  Gemahlin  seine  Werke  zu  lesen  und 
wie  einen  Gewissensrat  zu  befragen  begehrte.  Dementsprechend  nannte  er 
das  Sammelwerk  den  »Treuen  Ratgeber«,  oder  auch  »Katechismus  der 
Rechtlichkeit«.  In  90  Abschnitten  bietet  derselbe  nicht  ein  festgefügtes 
System  der  Moral,  aber  doch  Ansätze  dazu:  psychologische  Auseinander- 
setzungen über  die  intellektuellen  Kräfte  der  Seele  (Auffassung  und  Erinnerung: 
apprehensiva  e  remeniorativa;  Urteils-  und  Empfindungsvermögen  =  judicativa 
e  inventvua;  Mitteilungs-  und  Thatkraft  =  declarativa  e  executiva;  Beharrungs- 
vermögen =  perseveran(a) ,  dann  über  den  Willen  und  sein  Verhältnis  zum 
Intellekt;  gründliche  Belehrung  über  die  theologischen  und  moralischen 
Tugenden  und  über  die  Hauptlaster,  mit  praktischer  Nutzanwendung  für  ein- 
zelne Stände,  und  mit  eingestreuten  Parabeln,  Gleichnissen  und  Bildern,  die 
eine  anheimelnde  Lebensfarbc  erhalten,  wenn  sie  aus  dem  Wirken  und 
Schaffen  der  y>Inclyta  gerafäo«.  und  ihres  Santo  Condestavel  herausgegriffen 
sind.  Aus  dem  Leal  Conselheiro  sprechen  gesunde,  sittliche  Grundsätze,  die 
einem  reinen  wohlmeinenden  Gemüt  entspringen,  verständige,  ja  helle  Urteile, 
die  selten  einmal  durch  eine  etwas  düstere  Frömmigkeit  entstellt  sind.  Überall 
bedient  D.  Duarte  sich  der  schlichten,  aber  angemessenen,  kernigen  und 
treuherzigen  Sprache  eines  Mannes  dem  res  non  verba  die  Hauptsache  waren. 
Von   Selbständigkeit    oder  Genie   keine    Spur.     Ganze  Kapitel    sind    anderen 


'  Über  D.  Duarte  als  König  und  Menschen  lese  man :  R u y  de  P i  n a ,  Ineditos  I 
und  Duarte  Nunes  de  Leao;  Brito,  Elogios\  Sousa,  Hist.  Gen.  II  Mon.  Lus., 
Livro  XXIV ;  S  o  a  r  e  s  d  a  S  i  1  v  a  ,  Memorias ;  Schäfer,  Gesch.  Port.  II  368  und  O  1  i  v  e  i  i"  a 
Martins,  Os  fillws  de  D.  Joäo,  1891.  Über  den  Schriftsteller,  Kap.  VI  des  letztgenannten 
Werkes.  Bibliographisches  suche  man  bei  Barb.  Mach.  I,  719  —  721  und  Inn.  da  Silva 
II  203;  in  der  Pariser  Ausg.  der  Werke,  und  bei  Oliv.  Martins  p.  162— 163.  Doch 
sind  alle  diese  sehr  ungleichen  Angaben  unvollständig  und  vielfachst  ungenau.  Andeutungen 
bei  Bellermann  p.  26  und  50. 

16« 


244    LnTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    4,    PORT.    LlTl\ 

Autoren  entnommen,  die  jedoch  immer  ehrlich  genannt  und  gepriesen  werdend — 
Den  Namen  »Livro«.  verdient  ausserdem  noch  sein  »Reiterlehrbuch«,  das 
er  als  Jüngling  und  hervorragender  Reitkünstler  sachverständig  abfasste-.  Von 
den  übrigen  Schriften,  die  er  aus  dem  Leal  Conselheiro  ausschloss,  und  die 
sämtlich  nur  kurze  Opuskel  sind,  ward  nur  gelegentlich  hie  und  da  etwas  ab- 
gedruckt, stets  unkritisch  und  flüchtig,  so  dass  dem  Herausgeber  noch  viel  zu 
thun  übrig  bleibt.  ^  In  seinen  gedruckten  und  handschriftlichen  Werken  findet 
sich  nur  eine  Poesie  und  eine  /rt^z'rt'-Übersetzung  des  lat.  Jiiste  ^z^^/if^c-Gebetes'*. 
In  der  oftgenannten  Liste  der  ihm  gehörigen  Bücher  steht  jedoch  —  unter 
No.  78  —  ein  portug.  Liederbuch  als  Livro  das  Trovas  del  Rey.  Darauf 
hin  ist  es  Sitte  (seit  Caetano  de  Sousa  den  Bücherkatalog  veröffentlichte-^), 
D.  Du  arte  für  einen  Troubadour  auszugeben.  Mich  däucht,  mit  Unrecht:  in 
keiner  seiner  referenzen-reichen  Arbeiten,  noch  sonst  irgendwo,  ist  von  etwaigen 
Liedern  von  ihm  die  Rede  ß;  auch  nicht  das  kleinste  Stückchen  originaler 
Dichtungen  ist  auf  uns  gekommen ;  und  Veranlagung  wie  Denkungsweise  des 
Königs  als  Individuum,  sowie  die  vorwiegende  Verstandesthätigkeit  der  Familie 
und  Generation  liessen  freie  Entfaltung  dichterischer  Phantasie  kaum  zu.  '^ 

87.  Ahnlich  geartet,  ob  auch  hervorragender  als  Fürst,  Mensch  und 
Schriftsteller  war  der  Infant  D.  Pedro  (geb.  1392,  gest.  1449  in  der  Bruder- 

'  Die  fremden  Autoren,  denen  er  zusamnienhängende  -Stücke  entnahm,  sind:  S.  Gre- 
gorio  (cap.  7-  89  und  90);  Thomas  de  Aquino  (47  und  68);  Cicero,  De  officiis 
(59);    D.  Diego    Affonso    Manga    ancha  (59);    und    I^udolph   v.  Sachsen  (87). 

-  0  Leal  Conselheiro  ward  1842  zu  Paris  gedruckt  durch  Roquete,  mit  wichtigen 
Zuthaten  des  Visconde  de  Santa  rem  (doch  mit  Uberspringung  von  Kap.  55,  weshalb 
1854  eine  berichtigte  Ausgabe  erschien)  und  1843  zu  Liss.  durch  Ro  1 1  and  ,  beide  Male  mit 
Anfügung  des  Lyvro  da  Ensynanga  de  bem  Cavalgar  (nach  dem  einzigen  MS.i  Paris  70o7)- 
Vorher  waren  umfangreiche  Nachrichten  in  den  Annaes  das  Scicncias  erschienen,  Bd.  Vlll 
und,  IX  von  C.  J.  Kavier. 

^  Von  den  zahlreichen,  einst  im  Cartuxa-Kloster  zu  Evora  aufbewahrten  Opuskeln  und 
Notizchen,  welche  der  Graf  Ericeira  um  17.3ü  kopierte,  stehen  wie  gesagt,  mehrere  im 
Leal  Cons.  Weitere  9  druckte  Sousa  1739  ab,  als  -aCollecfäo  de  algumas  obras  del  Rey  D. 
Diiartei-  in  Provas  da  Uist.  Geneal.,  I  p.  529  —  548.  Ungedruckt  sind  ebenfalls  neun,  deren 
Kopie  ich  besitze  :  vier  darunter  sind  der  Lesewelt  nicht  einmal  dem  Titel  nach  bekannt.  Ver- 
loren scheinen  mir  nur  acht:  7  aus  Oliveira  Martins'  leiste,  nämlich:  No.  k)  Da 
Misericordia,  falls  es  nicht  einfach  Kap.  29  oder  33  des  Leal  Cons.  ist;  m)  Regimento  para 
apr ender  a  Jogar  as  armas\  p)  Padre  Nosso  glossado\  y)  Como  sc  tira  0  demonio;  r)  0  qtie 
se  toma  dos parentes\  s)  Qtie  cousa  seja  deiracfäo\  u)  Valia  do  päo,  und  No.  67  aus  D.  Duarte's 
Bibliothek:  Capitulos  que  fcz  quando  em  boa  ora  foy  Rey.  —  Lateinisch  ist,  trotz  gegen- 
teiliger Behauptungen,  nur  eine  Nummer,  eine  einzige  epigrammatische,  vielleicht  nur  aus 
irgend  einem  Autor  enthobene  Sentenz.  Das  Werkchen  über  »gute  Rechtspflege«,  welches 
Brito  und  Nun  es  de  Leao  um  1600  sahen,  und  zwar  im  Archiv  des  Appellations- 
Gerichtshofes,  und  das  Sousa  (II  491)  und  Oliveira  Martins  (/)  für  ein  unbe- 
kanntes und  lateinisches  Buch  halten,  ist  ein  portug.  Traktätchen,  und  steht  ge- 
druckt in  den  Publikationen  der  Geschichts- Akademie  {^Lneditos  \\\  h^"^  w\\^  \va  Leal  Cons . 
cap.  60!  [Mittlerweile  hat  sich  noch  Gabriel  Pereira  nach  einem  Codex  A^x  Bibl  Nac. 
(L-6-45)  mit  D.  Duarte's  Werken  beschäftigt.    S.  Documentos  Ehorenses,  Heft  XXlIIj. 

^  S.  Braga,   Canc.  Pop.  No.   U   und  Cur  so  p.   138. 

"  Provas  1  p.   54. 

*  R u y  de  P i n  a  sagt :  Fez  um  livro  de  regimento  pera  os  que  custumaretn  andar  a 
cavallo ;  e  compos  per  sy  outro  aderengado  d  Rainha  D.  Leonor  sua  tmdher  a  que  entituloii 
i>0  Leal  Conselheiro^  abastado  de  muitas  c  singidares  doutrinas,  speciahnente  para  os  bens 
dalma.  Von  Dichtungen  nichts.  Ebenso  Acenheiro  p.  238.  Darüber  hinaus  wussten 
nur  Brito  und  Nunes  deLeäo  (cap.  19)  von  den  zwei  Werkchen  über  Rechts|iflege 
und  Barmherzigkeit.     Ihnen  schlössen  Nie.  Antonio  und  Barb.  Mach,  sich  an. 

''  Was  jenes  Livro  das  Trovas  del  Rey  enthielt,  getraue  ich  mich  nicht  zu  erraten. 
Gedichte  eines  anderen  Königs,  dessen  Namen  am  Titelschlusse  fehlt?  Doch  welches  Königs? 
(Alfons  X.  und  D.  Diniz  sind  schon  mit  ihren  Liederbüchern  in  der  Bibliothek  vertreten). 
Oder  ein  dem  Könige  nur  an  gehöriges  Liederbuch,  mit  den  TVöt^aj  der  uns  unbekannten 
Sänger  seiner  Tage?  Wie  konnte  es  in  diesem  Falle  der  Höfling  Res  end  e  übersehen?  Denn 
dass  1516  ein  im  Jahr  1438  noch  vorhandenes  Königswerk  aus  der  königl.  Bibliothek  bereits 
abhanden    gekommen  sein  sollte,  ist  wenig  glaublich. 


Prosa:  D.  Pedro.  245 


Schlacht  bei  Alfarrobeira  •  Regent  von  1438 — 1448),  Herzog  von  Coimbra 
seit  auch  er  sich  141 5  bei  Genta  die  Rittersporen  verdient,  und  Markgraf  von 
Trcviso  durch  Kaiser  Sigismunds  Gnade  (i4i8'i9),  dem  er  den  venezianischen 
Grenzwall  gegen  die  Türken  schützen  sollte,  der  Weitgereiste,  Sprachenkundige, 
dessen  Odyssee  von  Lissabon  nach  Babilon  (s.  u.)  noch  heute  sprichwörtlich 
ist.  1  Auch  er  war  ein  lateinkundiger  Bücherfreund;  auch  er  war  als  hell- 
sehender, praktischer  Berater  des  Vaters  und  Bruders,  und  als  Lehrer  seiner 
eigenen  gottbegnadeten  Kinder,  so  wie  seines  königlichen  Neffen ,  Mündels 
und  Schwiegersohnes  Alfons'  V.  und  dessen  höfischer  Conlusores  unablässig 
thätig,  mündlich  und  schriftlich  unterweisend,  mahnend,  spornend  und  auf- 
klärend. Aufrichtig  fromm,  bekundete  er  sein  religiöses  Empfinden  in  (ver- 
lorenen) »Beichtstunden«  und  Gebeten  (y>a  qualquer  cristaö  tnuy  aproveiiosas«)'^ 
und  entwickelte  seine  Tugendlehre  in  Briefen,  Aufsätzen,  Berichten  und  Gut- 
achten. Sachlich  jeder  eigentümlichen  Erfindung  bar,  und  stilistisch  ohne 
Eleganz  und  Schmuck,  bezeugen  alle  seine  litterarischen  Äusserungen  eine 
ehrenfeste  Gesinnung,  soliden  Wissenseifer,  bescheidene  Ehrfurcht  vor  jedem 
Geistesmächtigen,  ein  tiefes  Familiengefühl,  und  wahrhaft  humane  Denkungs- 
weise.  Sein  Hauptwerk,  kurz  vor  1433  dem  Bruder  D.  Duarte  gewidmet, 
über  »Tugendsames  Wohlthun«  {Virtuosa  Bemfeitoria)^^  paraphrasiert  in 
6  Büchern*  mit  95  Kapiteln  (oder  534  Seiten)  Seneca's  Abhandlung  De  bene- 
ficiis,  die  klassische  Denkart  mit  Glossen  und  Beispielen  aus  dem  Altertum, 
der  Bibel,  den  Patres  und  Scholastikern,  den  mittelalterlichen  Chronisten  {Cid; 
Clavijd)  und  der  eigenen  Lebenserfahrung  illustrirend.  Es  endet  mit  einem 
Traumgesicht  (/ö<?.y/^?  =  Erfindung  genannt !),  in  dem  verschiedene  Tugenden 
als  liebliche  Jungfrauen  erscheinen,  Embleme  in  der  Hand  und  gute  Ratschläge 
auf  den  Lippen,  welches  wiederum  passend  in  ein  Gebet  ausläuft.  Der  Licenciat 
Frey  Joäo  Verba,  sein  Beichtiger,  leistete  ihm  dabei  hülfreiche  Hand,  durch 
Auszüge  sowie  bei  der  Redaktion  und  Niederschrift.  D.Pedro  übersetzte  auch,  erst 
mündlich  vor  seinen  Höflingen,  dann  schriftlich  (für  den  Bruder),  seines  Lieb- 
lings Cicero  philosophische  Abhandlung  De  o/ßciis,^  nach  einem  dem  jüngeren 
Bruder  Ferdinand  (dem  /»/a»fe  santo)  verehrten  Codex,  damit  in  der  reichen  Pallast- 
bücherei neben  den  zahlreichen  theoretischen  fremdsprachigen  auch  ein  prak- 
tisches Handbuch  der  Moral  in  portug.  Sprache  den  ungelehrten  Laien  zugäng- 
lich wäre,  in   der  Hoffnung  ein  gewandterer  Stilist  werde  später  seinen  Ver- 

*  Als  Quellschriften  für  Leben  und  Wirken  des  D.  Pedro  sind  die  mit  Bezug  *uf 
D.  Duarte  angeführten  Werke  zu  betrachten. 

-  <i  E  0  iffante  D.  Pedro,  meu  sobre  todos  prezado  e  amado  irmao,  de  ciijos  feitos  e  vida 
muvto  som  contente,  compoz  o  livro  da  Virhwsa  Bemfeitoria  e  as  Oras  da  Con/is som:<. 
{Leal  Cons.,  cap.  27).     Vgl.  Ruy  de  Pina.   Chron.  de  D.  Affonso  V,  cap.    125. 

*  S.  die  vorige  Anm  und  vgl.  noch  Leal  Cons.,  cap.  28.  Das  Buch  stand  als  No.  47 
in  D.  D  uarte's  Bibliothek.  Später  soll  ein  Original-Exemplar,  im  Kartäuserkloster  zu  Evora 
aufbewahrt  worden  sein,    das,   gemeldeterniassen,   auch   D.  Duarte's    Werke    beherbergte. 

Eine  alte  Abschrift  besitzt    in  Madrid  die  Akademie  der  Geschichte  — ;  eine  neue(vonl8l3) 

00 

das  gleiche  Institut  in  Liss.  (3 — 12—3).  Den  Prolog  druckte  Inn.  da  Silva  VI  375  — 9. 
Das  ganze  Werk  zugänglich  zu  machen,  ist  eine  der  vielen  Pflichten,  welche  die  gelehrte 
Körperschaft  bis  heute  versäumt  hat. 

*  In  verkürzter  Form  lauten  die  Titel  der  6  Bücher:  I.  Que  cotisa  he  Virtuosa 
bemfeitoria.  II.  Como  o  beneficio  deve  ser  dado.  III.  Conto  a  verd.  bemf.  dez'e  ser  requerida. 
IV.  Cotno  0  beneficio  deve  ser  recebido.  V.  Que  cousa  e  agradecitnento.  VI.  Como  se  podem 
perder  os  beneficios. 

*  Bibl.  de  D.  Duarte  No.  51:  Marco  Tullio,  0  quäl  tirou  em  lingtiagem  o  Inf  ante 
D.  Pedro.  Es  ruht  noch  heute  in  Madrid,  in  einer  Hs.  mit  der  Virt.  Bemfeitoria.  S.  Anm.  3. 
Zweifel  über  die  Berechtigung  der  .\ttribution ,  wie  Inn.  da  Silva  sie  äussert,  sind  un- 
massgeblich. Der  Geleit  b  rief  an  D.  Duarte,  den  ich  besitze,  spricht  absolut 
deutlich,  ganz  abgesehen  von  der  darin  befindlichen  Formel  i>nosso  irmäo  0  Inf  ante  D. 
Fernando«, 


246    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.   PORT.  LiTT. 

such  vervollkommnen.  1  Laut  dem  Chronisten  Ruy  de  Pina,  der  wie  Zurara 
im  königl.  Bibliothek  -  Räume  arbeitete ,  und  ihren  Inhalt  genau  kennen 
musste  (und  dem  auch  Historiker  wie  Litterarhistoriker  berechtigter  Weise 
Glauben  schenkten),  übertrug  er  ferner  das  hochgeschätzte  Kriegsbuch  des 
Vegetius,2  sowie  das  Fürsten-Evangelium  Acs  Aegidius  Romanus^  das  bereits 
in  frz.,  Span,  und  katal.  Vulgarisationen  verbreitet  war.  ^  Meiner  Ansicht  nach 
wurden  diese  und  noch  sonstige,  heute  verschollene  Versionen  klassischer  Grund- 
werke —  Cicero:  De  Atnicitia  '*  und  De  Senectute ;  ^  P 1  i  n  i  u  s :  Panegyricus  Traiano 
Augusto^  —  und  zeitgenössischer  Musterschriften,  wie  das  Erziehungsbuch  für 
Fürsten  des  ihm  in  Ungarn  persönlich  bekanntgewordenen  P.  P.  Vergerius'', 
und  das  ihm  von  der  Stadt  Venedig  zum  Geschenk  gegebene  Reisewerk  ^g,%  Marco 
Polo,  »o  Milhäo«,^  nur  auf  seinen  Befehl  und  nach  seinen  Angaben,  von  ihm 
unterstellten  Doctores  hergestellt  (was  übrigens  sein  Verdienst  nur  wenig  ver- 
ringert). ^  Schöne  Geleit-  und  Auftragsbriefe  des  Infanten  bezeugen  es  ^o.  Seine 
sonstigen  Episteln,  voll  staatsmännischer  Gedanken,  (in  der  Reiseperiode,  ^i 
während  des  Vaters  und  des  Bruders  Leben,  ^2  und  besonders  während  seiner 
eigenen  Regierung  bis  kurz  vor  der  Tragödie  von  Alfarrobeira  geschrieben),^^ 
sind  von  hohem  Werte  nicht  allein  für  den  Geschichtsforscher  und  Biographen, 
sondern  auch  für  den  Litterarhist  jriker  und  Sprachforscher,  der  die  Entwicke- 
lung  des  Wortschatzes  und  besonders  die  so  eigentümliche  portiig.  Syntax  be- 
obachtet. Mögen  seine  Gesamtwerke  einen  Herausgeber  finden !  Erschöpft 
sind  sie  mit  den  hier  summarisch  aufgereihten  Hauptschriften  noch  nicht. 
Auch  D.  Pedro  hat  gereimt,  nachweislich  zwei  Mal,  möglicherweise  viel  öfter. 


'  Sein  Dienstmann  Dr.  V  a  s  c  o  F  e  r  n  a  n  d  e  s  d  e  !>  u  c  e  n  a  ,  den  er  um  seines  Wissens 
und  seines  schönen  Stiles  willen  liebte,  scheint  später  diesem  Wunsche  nachgekommen  zu 
sein.     S.  §  90. 

2  De  Re  Militari,  das  schon  Jean  de  Meuii  hoffähig  gemacht  hatte.  Bihl.  de  D. 
Duarte  No.  52.  Ob  der  mit  der  Übersetzung  beauftragte  ein  Pedro  Annes  Lobato 
war,  wie  ich  vermute,  gestützt  auf  Retratos  e  Elogios  ed.  1817  p.  65,  bleibe  dahingestellt. 
Und  dass  zwei  unfindbai^e  Kriegsbücher  y>Dos  Officios  Priiicipaes  da  Milicia«,  und  »  Tratado 
da  Miliciav-  auch  D.  Diniz  und  Alfons  V.  zugesprochen  werden  (s.  u.  §  8q)  ,  sei  nur  bei- 
läufig erwähnt,  um  immer  zahlreichere  Beispiele  für  die  grenzenlose  Fahrlässigkeit  portug, 
Litterarhistoriker  zu  liefern. 

*  Bibl.  de  D.  Duarte  No.  13  (lat.),  kostbar  gebunden  in  rot  und  gold,  und  No.  34 
(em  vulgär)  \  wie  bei  Vegetius,  ohne  Angabe  des  Übersetzernamens,  was  sicherlich  nicht 
für  die  Autorschaft  des  Fürsten  spricht.  Laut  Herculano  {^Panorama  IV  p.  7)  ist  ein 
Fragment  davon  vorhanden.    Doch  wo? 

^  S.  Sousa,  Provas  I  p.  432:  Carta  que  escreveo  0  Inf  ante  D.  Pedro  a  D.  Duarte. 
Der  Übersetzer  war  ein  Prior  des  S.  Georgenklosters  zu  Coimbra  (1434) 

*  Vgl.  Prologo  do  Dr.  Vasco  Fernaudes  de  Lttcena  sobre  0  Livro  de  Velhice  de  Tulio 
quc  eile  tornou  de  Latim  em  lingoagem  para  0  Snr.  Inf.  D.  Pedro. 

®  Carta  que  0  hifante  D.  Pedro  enviou  ao  Dr.  V.  F.  de  Luceua  que  Ute  tornasse  a 
Oragäo  de  Plinio  em  lijigoagem  und  Reposta  do  Dr.  a  esta   Carta.    Vgl.  §  90. 

'  Dos  virtuosos  costumes  e  dos  estudos  liberaes  dos  mancebos  reais  oder  Tratado  das 
virtudes  quc  ao  Rey  pertencem. 

*  Bibl.  de  D.  Duarte:  No.   2  Marco  Polo,  em  latim  e  lingoagem. 

"  Dem  Infanten  war  das  Latein  des  Cicero,  Seneca  und  Valerius  Maxinms  vertraut. 
Plinius  aber  bereitete  ihm  Schwierigkeiten.  Mit  stolzer  Bescheidenheit  sagt  er:  para 
cavalleiro,  e  näo  letrado,  eu  arrazoadamente  entendo  latim,  mas  ....  imd  ein  ander  Mai :  quam 
pouco  eu  sei  de  latim,  sabe-o  V.M.  Die  Behauptung,  er  habe  aus  dem  Portug.  ins  Lat. 
übersetzt,  steht  vollkommen  in  der  I^uft. 

1"  Auch  von  diesen  interessanten,  noch  nie  erwähnten  Ineditos  besitze  ich  z.  B.  die 
unter  9.   lo  und   11   genannten. 

'1  Carta  de  Bruges,  abgedruckt  von  O  liv  eira  Marti  ns  in  seinen  lilAos  de  D.  foäo, 
Append.  D. 

'-  Beispiele  bei  Soares  da  Silva,  Memorias  I  p.  374— 379;  Sousa,  Hist.  Gen. 
V  64  und   120  — 139;  J-  P-  Ribeiro,  Dissertagoes  I  No.    118  p.  398—413- 

"  S.  bei  Oliveira  Martins,  App.  F  16  Probestücke  nach  Originalen  des  Staat.s- 
arcliivs;  73  ruhen  in  Coimbra,  laut  Ayres  de  Campos. 


Prosa:  D.  Pedro.  247 

Wir  besitzen  von  ihm  zwei  schlichte,  doch  geschickt  gebaute  portug.  Trovas^ 
zusammen  48  Achtsylbler,  die  er  an  die  Dichtersonne  des  kastilischen  Hofes, 
Juan  de  Mena,  sandte,  ihm  herzlich  für  die  Übersendung  seiner  Werke  dankend, 
und  seinen  Genius  preisend.  1  Den  Titel  gran  poeta,  um  dos  melhores  poetas 
do  seu  tefnpo  verdient  er  jedoch  nicht,  oder  nur  insofern  die  übrigen  Dichter 
seiner  Tage  eben  unbekannte  Grössen  sind.  Er  erlangte  denselben  erst  1 5 1 6 
oder  um  1600,  und  führte  ihn,  mit  einem  Schein  des  Rechtes,  bis  1876, 
weil  die  Afterkritik  des  1 7 .  Jhs.  ihm  irrtümlich  ein  umfang-  und  inhalt- 
reiches spanisches  Poem  De  Contemphi  Mundi  zugeschrieben  hatte,  auf 
Grund  ungenauer  Titelangabe,  welche  Resende,  der  Säkelmeister  dieser  zweiten 
Periode,  sich  zu  Schulden  kommen  liess,  indem  er  in  Canc.  Geral  den  be- 
kannteren Infanten,  mit  seinem  minder  bekannten,  jung  und  in  der  Fremde 
gestorbenen  gleichnamigen  Sohne,  dem  Condestavel,  verwechselte.  (S.  unten 
J^  103). 2  Nachdem  Brito  und  Faria-e-Sousa  jenen  einmal  zum  bedeutenden 
Dichter  gestempelt  hatten ,  war  bei  der  lebhaften  Phantasie  der  damaligen 
portug.  Historiker,  die  Erfindung  und  grundlose  Zusprechung  weiterer  Werke 
fast  unausbleiblich.  D.  Pedro,  der  sich  um  die  Stadt  Lissabon  so  hochver- 
dient gemacht  hatte,  dass  sie  ihm,  in  seltener  klassischer  Anwandlung,  eine 
Bildsäule  errichten  wollte  (was  er  zurückwies),  sollte  ein  grausam-barockes,  die 
Sprache  des  EgasMoniz  redendes  Loblied  auf  Ulyssipolis  verfasst  haben,  von 
welcher  der  Zahn  der  Zeit  jedoch  schon  1600  nur  ein  Häppchen  übrig- 
gelassen hatte  ■^.  Er  sollte  überdies  ein  geistliches  Liederbuch  zu  Ehren  der 
Jungfrau  gedichtet  haben  {ä  la  Alfonso  und  Diniz).  Er  sollte  den  Amadis 
geschaffen  haben ;  mitsamt  den  Lobeira-Sonetten !  Und  der  Reisende  -»o  quäl 
andou  as  seile  partidas  do  mundo«  *  sollte  die  Mirabilia  seiner  Wanderungen 
in  dem  witz-  und  geistlosen  y>Aicto<(.  (oder  ~»Li7>ro<.<  oder  »Historia  do  Infante 
D.  Fedro<.<)  wiedergegeben  haben,''  das  im  17.  Jh.  nicht  aus  der  peninsularen 


*  Ca7tc.  de  Res.  II  p.  70  —  71  y>Ä'äo  vos  serä  gram  loicvor  Por  serdes  de  mim  louvado, 
Que  nam  sam  tarn  sabedor(!)  Em  trovar,  que  vos  dey  grado<s.  und  p.  73-  Reprica  o  Infante: 
Como  terra  frutnosa,  Joam  de  Meiia,  respondestes.  Der  Infant  las  gewisslich  selber  mit  Freude 
und  Bewunderung  das  Labyrinth  der  Trecientas  und  die  Coronaciön\  besonders  aber 
mochte  er  für  seinen  dichterisch  begabten  Sohn  Mena 's  und  Santillana's  Poemata 
als    Studienobjekte  erbeten  haben. 

^  Es  wird  kaum  nötig  sein,  den  Leser  auch  hier  auf  Faria- e-So  usa  (Epitome  \vc\A 
Europa),  Pedro  deMariz,  Du  arte  Nun  es  deLeäo  und  tutti  quanti  zu  ver- 
weisen ,  über  Barbosa  Machado  und  Costa-e-Silva  hinfort  zu  Inn.  da  Silva, 
Bei  1er mann,  Wolf  und  Schäfer,  die  alle  an  der  Verbreitung  des  alten  Irrtums  mit- 
wirkten, bis  zu  Braga  und  Oliveira  Martins,  die  erst  ganz  neuerdings  den  wahren 
Sachverhalt  erkannt  haben. 

*  y>Porque  tu  foste  acolheitai.  S.  Brito,  Mon.  Lus.W  cap.  15;  Fr.  Bernardino 
da  Silva,  Defens.  da  Mon.  Lus.  II  cap.  31-,  Faria-e-Sousa,  Europa^W  381 ;  Barb. 
Mach.  III  720;  B  a  1  b  i  II,  ^/>/<?«(/.  p.  VIII ;  Sorian  o  Fuert  es  p.  II6;  Freire  deCar- 
valho  p.  313.  Dass  andere  Autoren,  in  Folge  der  leidigen  Verwechselung  der  sechs  penin- 
sularen Fürsten  welche  D.  Pedro  hiessen,  die  Verse  auf  Lissabon  auch  dem  portug.  König 
Peter  dem  Grausamen  zuschrieben,  ward  schon  angedeutet  (§  75  p.  23 1    Anm.  3  u.  §  102). 

*.  Im  14.  und  15.  Jh.  sprach  man  nur  von  »ijuattro«^  partidas  do  mttndo,  worunter  man 
natürlich  nicht  Erdteile  (^^  partes  do  mundo),  sondern  die  Himmelsgegenden  ver- 
stand, wendete  Jene  Formel  aber  auf  alle  Weltreisenden  an.  Die  erweiternde  Umformung 
zur  mystischen  Siebenzahl  —  eine  unbewusste  Reminiscenz  an  das  Gesetzbuch  Alfons'  des 
Weisen  --,  konnte  erst  nach  der  Entdeckung  Amerikas  Platz  greifen.  Tatsächlich  findet 
sich  auch  die  ältere  Formel  (quattro)  noch  in  einigen  Drucken  des  Reisewerkchens  (1554 
Liss.  und   1595  Barcelona) 

*  S.  Barb.  Mach,  und  Freire  de  Carvalho.  Andere  bezeichnen  das  Auto  nur 
als  von  D.  Pedro  inspiriert.  —  Sehr  viele  Fragen,  die  kritischer  Behandlung  wert  sind,  knüpfen 
sich  daran.  Für  eitel  Wahrheit  hat  wohl  nie  irgend  ein  Gebildeter  es  angesehen.  Enthält 
es  aber  überhaupt  einen  Kern  oder  ein  Korn  Wahrheit  ?  Erzählt  es  auch  nur  e  i  n  Ereignis, 
das  nachweislich  dem  Infanten  begegnet  ist?  Ward  es  wirklich  von  einem  der  Reise- 
genossen aufgesetzt?  Hat  je  ein  Schriftsteller  [Joao]  Gomes  de  Santistevam  existiert? 


248    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LiTT. 

(span.  wie  portug.)  Knaben  Händen  kam,  und  das  noch  heute  den  (leider) 
durch  nichts  Besseres  gestillten  Hunger  des  kleinen  Volkes  nach  spannender 
Reiselektüre  befriedigen  muss.  Auch  hat  es  sogar  ernste  Geschichtsforscher 
verführt,  des  Infanten  Pilgerschaft  ins  Heilige  Land,  für  die  es  der  einzige 
Beweis  ist,  als  ein  erwiesenes  B'aktum  hinzunehmen.  ^ 

88.  Den  Prinzen  Heinrich  den  Seefahrer  (geb.  1394,  gest.  1460), 
dem  Erfolge  nach  den  grössten  unter  den  Söhnen  Johann's  I.,  unter  dessen 
kräftigem  und  hartnäckigem  Impuls  der  Ocean  sich  den  Europäern  erschloss, 
mochten  die  Portugiesen  auch  in  den  Annalen  ihrer  Litteraturgeschichte 
nicht  gerne  missen.  Und  da  er  thatsächlich  bisweilen  etwas  schrieb  —  1428 
einen  Brief  an  den  Vater  über  die  Hochzeit  des  Thronfolgers-;  1436  eine 
Abhandlung  über  die  Zulässigkeit,  ja  Pflicht  eines  neuen  afrikanischen  Krieges, 
eine  fröhliche  Kriegsfanfare,  die  den  unschlüssigen  D.  Duarte,  der  abratenden 
klug  voraussehenden  Warnung  D.  Pedro's  zum  Trotze,  zu  der  unglücklichen 
Expedition  nach  Tanger  trieb  '^,  —  so  fehlt  er,  dem  die  Universität  unbedingt  viel 
verdankt,  in  Barbosa  Machado's  Gelehrtenlexikon  und  bei  den  übrigen 
Litterarhistorikern  auch  nicht."*  Doch  hat  man  ihm,  voreilig  und  kritiklos, 
noch  mancherlei  zugeschrieben  was  ihm  nicht  gehört:  Verhaltungsmassregeln 
über  die  Belagerung  von  Tanger,  die  in  Wirklichkeit  ihm  selber  von  seinem 
Bruder  D.  Duarte  erteilt  wurden  5,  und  sogar  eine  Geschichte  seiner  Ent- 
deckungen, die  er  dem  grossherzigen  Alfons  V.  von  Neapel  übersandte,  die 
aber    nichts    anderes     ist    als   Zurara's    >Conquista   da  Guin^«ß      Über   ein 

Ist  die  span.  oder  die  portug.  Textgestaltung  die  ältere?  Wann  taucht  das  Büchelchen 
zum  ersten  Male  auf?  Wer  zitiert  es  ?  Lassen  sich  Abhängigkeitsbeziehungen  zu  irgend 
welcher  älteren  Peregrinatio  (oder  einem  Itinerarium)  nachweisen?  Einige  dieser  Fragen  hat 
0  1  i  V.  M  artins  in  cap.  V  und  Append.  B  seines  schönen  Werkes  zu  beantworten  versucht. 
Doch  kann  ich  seine  Ergebnisse  nicht  unterschreiben.  Ich  halte  dafür,  dass  das  ^«/fö  nichts 
von  der  wirklichen  Reise  des  Infanten  berichtet ;  und  dass  ein  Nichtgereister  es  zu  Ende 
des  15.  oder  Anfang  des  16.  Jhs.  aus  älteren  Jerusalemreisen  zurechtgeschnitten,  und  auf 
des  Infanten  populären  Namen  getauft  hat.  • —  An  verbürgten  Ausgaben  sind  vorhanden  min- 
destens 9  portug.  (1554-  1658.  1664.  1698.  1732.  1739.  1767.  1794.  1882)  und  9  span. 
(eine  datenlose  aus  Sevilla;  1564.  1570.  1595.  1626.  1657.  1690.  1696.  1873);  und  wahr- 
scheinlich viel  mehr,  um  die  ich  nicht  weiss. 

'  Die  Reise  begann  1424  (nicht  1416,  und  nicht  1418)  und  führte  den  Prinzen  zu 
Schiff  nach  England  (und  Frankreich?),  dann  über  Flandern  und  Burgund,  durch  Deutschland, 
Böhmen  und  etwas  russisches  Land  nach  Ungarn  zu  Kaiser  Sigismund,  wo  er  kämpfte 
• —  sub  Caesare  Sigismundo  stipendia  faciens  non  mediocrem  sibi  gloriam  ift  Turcas  piignando 
parans  laut  Aeneas  Sylvius,  —  um  hernach  durch  seine  Mark  Treviso  über  Venedig, 
Ferrara,  Rom  und  durch  Spanien  heimzukehren.  Seines  eigenen  Sohnes  und  des 
ersten  Chronisten  Aufzeichnungen  bezeugen  das  (Zurara,  Chron.  de  D.  Pedro  II 
cap.  13  p.  527;  580  und  618).  Und  dass  Ungarn  und  der  Türkenka  mp  f  sein  wahres 
Ziel  war,  ja  dass  er  den  Plan  hatte,  sich  in  seiner  trevisanischen  Mark  fest  anzusiedeln,  als 
Gottesstreiter  wider  den  Halbmond,  ergiebt  sich  aus  verschiedenen  Auslassungen  D.  Duarte's 
(z.  B.  Leal  Cons.,  cap.  ä^ä^  foy  ao  reyno  de  Ungria,  com  pequena  tenfom  de  tortiar  a 
esta  terra).  Dass  er  28.  September  1428  wieder  in  Portugal  war,  hat  nie  angezweifelt 
werden  können.  Raum  für  eine  an  und  für  sich  ja  höchst  natürliche  Orientreise  ist  inner- 
halb jener  vier  Jahre  schwer  zu  finden.  Und  kein  einziges  Wort  über  das  unbedingt  be- 
merkenswerte Faktum  verlautet  im   15.  Jh.,  solange  die  Wahrheit  bekannt  sein  musste. 

^  Gedruckt  bei  Soares  da  Silva,  Meniorias  I  cap.  92,  p.  410  und  Sousa, 
Provas  I  p.  515, 

'  B  a  r  b.  Mach.  II  436  erwähnt  sie  als  Conselho  sobre  a  gturra  de  Africa  ;  O  1  i  v  e  i  r  a 
Martins  benutzt  sie  nicht.  Ich  halte  sie  daher  für  ungedruckt  und  gedenke  seiner  Zeit 
das  kraftvolle  Dokument,  das  dem  standhaften  Prinzen  sein  heiliges  Leben  kostete,  in  meiner 
geplanten  portug.  Chrestomathie  zu  verwerten. 

*  Barb.  Mach.  II  436;  Freire  de  Carvalho  p.  66  und  303. 

*  Die  also  fehlgehenden  sind  die  in  der  vorigen  Anm.  genannten  beiden  Autoren.  Sie 
verlegen  noch  dazu  den  Zug  nach  Tanger  in  die  Tage  Johanns  1.  Man  kann  diese  y>Con- 
selhos«.  bei  Sousa,  Provas  I  p.  536  suchen. 

*  Barb.  Mach,  fand  in  Frey  Luis  deSousa  (Hist.  de  S.  Domingos  I,  6  cap.  15) 
Nachricht  über  nimm  livro  qtte  \p.  Hetirique\  mundo u  escrever  do  successo  destes  desco- 


Prosa:  Heinrich  der  Seefahrer.  Publizistik.  —  D.  Filippa  de  Lencastre.  249 

drittes,  spanisch  geschriebenes  »astrologisches«  (?)  Werk  y>Secreto  de  los 
Secretos«  •  kann  ich  zunächst  nichts  äussern  als  die  unbestimmte,  bloss  auf  den 
Titel  gegründete  Vermutung,  es  handle  sich  um  das  mittelalterliche,  dem 
Aristoteles  zugeschriebene  Beispielswerk,  das  auch  die  portug.  Schriftsteller  dieser 
Periode  oft  benutzen  und  zitieren,  und  das  D.  Henrique  vielleicht  für  sich 
vulgarisieren  Hess. 

89.  Noch  von  manchen  anderen  Mitgliedern  der  Vernunft  und  Wissenschaft 
liebenden  Familie  des  Ordensmeisters  von  Aviz  sind  Schriftdenkmäler  vor- 
handen, die  in  einer  ausführlichen  Geschichte  der  portug.  Geistesbildung 
nicht  unbesprochen  bleiben  dürften.  Weitere  zwei  von  den  Brüdern  D.  Duarte's, 
der  Infant  D.  Joäo,2  und  der  ränkevolle  Bastard  D.  Affonso  (von  Barcellos 
und  Braganga)'^  so  wie  des  letzteren  Söhne,  die  Grafen  von  Arrayolos  und 
Ourem,**  wurden  bei  Haupt-  und  Staatsaktionen  zu  litterarischen  Meinungs- 
äusserungen veranlasst;  und  selbst  die  Herzogin  von  Burgund  sandte  aus  der 
Ferne  Berichte  und  Ratschläge.  ^  Unter  Alfons  V.  spielte,  der  Tradition  treu, 
die  freilich  dem  eigenwilligen,  selbstbewussten  Sinn  des  jungen  Königs  nicht 
allzusehr  behagte,  jene  eigentümliche  Ratgeberrolle  der  Condestavel  D.  Pedro. 
In  einem  hübschen,  sein  Poeten-  und  Philologen-Talent  verratenden  Aufsatz 
erörterte  er  1458  das  Für-  und  Wider  des  afrikanischen  Feldzuges.  ^  Und 
noch  unter  Johann  II.  Hess  die  jüngste  Tochter  des  Regenten  D.  Filippa 
de  Lencastre  (1437 — 1497)  ihre  den  ehrgeizigen  Fürsten  gegen  Kastilien 
spornende  Stimme  vernehmen  (in  Betreff  der  Freigebung  seines  als  Kriegsgeisel 
und  Friedensbürgen,  seit  der  Niederlage  bei  Toro,  im  festen  Schlosse  Moura 
unter  Kontrolle  auferzogenen  Sohnes  D.  Affonso,  und  dessen  kleiner  Braut,  der 
kastilischen  Erbin  D.  Isabel).'^  Jene  vortreffliche  Dame  —  die  erste  portug. 
Dichterin,  von  der  uns  Kunde  wird  —  stimmte  in  der  Jugend  (nach  1450) 
im  Kreise  ihrer  donzellas  bei  Hofe  muntere  weltliche  Liedchen  an.  ^  Später 
aber,  als  sie,  ohne  Ordensgelübde  abgelegt  zu  haben ,  die  letzten  1 6  Jahre 
ihres  Lebens  im  Kloster  Odivellas  das  tragische  Geschick  ihres  edlen  Hauses 
beweinte,  Hess  die  an  geistige  und  praktische  Arbeit  Gewöhnte,  Schreibgriffel 
und  Pinsel  nicht  rasten.  Nach  dem  Lat.  des  venezianischen  Patriarchen  Lau- 
rentius  Justinianus  soll  sie  ein  Werk  über  das  »Leben  in  der  Einsamkeit«  9 

brimentosv..  Davon  wird  gesagt:  este  livro  etwioti  o  Infante  a  hum  Rey  de  Napoles ,  e  tios  o 
vitnos  na  cidade  de  Valenga  de  Aragäo  entre  algumas  pegas  ricas  que  ficaram  da  recamara  do 
Duque  de  Calabria.  Er  selber  benutzte  sie  jedoch  in  verfälschender,  interpretatorischer  Weise. 
Aus  dem  Wortlaut  des  Original  textes  sieht  man,  wie  der  erste  Berichterstatter  dazu  kommen 
konnte,  das  in  Wahrheit  im  Auftrage  des  portug.  Königs  Alfons  unternommene  Werk  als 
auf  Befehl  des  Infanten  ausgeführt  hinzustellen,  dem  realiter  nur  die  erzählten  Thaten 
.  beigemessen  werden. 

'  Nr.  4129  der  Columbina,  laut  Gallardo  II  p.  553-  Danach  zitiert  im  Boletin  Biblio- 
grafico  I  53  -55  und  von  Garcia  Peres  p.  630.  Ob  das  1525  in  Salamanca  gekaufte  ^libro 
en  espanol,  de  manov,  noch  vorhanden  ist  und  was  es  für  eine  Bewandtnis  damit  hat,  er- 
forscht vielleicht  die  Lissabonner  Geogr.  Gesellschaft  zur  500jährigen  Jubelfeier  des  Infanten? 
Wenigstens  ist  das  mein  frommer  Wunsch. 

2  S.  Pina,  Chron.  de  D.  Dnarte  cap.  XVII  und  vgl.  Oliv.  Martins  p.  213.  Ab- 
schrift aus  D.  Duarte's  Notizbüchern  besitze  ich. 

*  Sousa,  Provas  V  23  »Carta  a  D.  Joäo  I«. 

*  Oliv.  Martins,  App.  E  I  und  II  (nach  meinen  Kopien). 

*  Treslado  de  uma  Carta  que  nie  mandou  a  duqueza,  aus  derselben  Quelle. 

**  Conselho  do  Senhor  D.  Pedro  a  El  Rey  D.  Affonso  V.  Den  gänzlich  unbekannten, 
ansprechenden  Text  verdanke  ich  einem  lissab.  Beschützer  aller  Musen. 

"^  Conselho  e  voto  da  Sra  D.  Filippa  sobre  as  Tergarias  e  gturras  de  Caslella,  gedr. 
1643  von  Frei  Francisco  Brandäo,  mit  brauchbarer,  ob  auch  nicht  fehlerfieier  Ein- 
leitung. Aus  dem  Werkchen  erhellt  einesteils  wie  gut  diese  Fürsten  in  vaterländischer  Ge- 
schichte bewandert  waren,  und  anderenteils  wie  Eifersucht.  Neid  und  Hass  zwischen  Kastilien 
und  Portugal  damals  üppig  ins  Kraut  schössen, 

ä  Canc.  de  Res.  I  275-  III  179  und  vgl.  III  163. 

'   » Tratado  da  vida  solitaria«. 


250    LiTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


und  nach  franz.  Muster  ein  »Evangelien-  und  Homilienbuch«  für  das 
ganze  Kirchenjahr  portug.  redigiert,  und  selbst  kunstvoll  niedergeschrieben  und 
illuminiert  haben  ;i  ferner  neue,  eigen  erdachte  »Charfreitagsmeditation  en«.- 
Bis  jetzt  ist  jedoch  Gemeingut  der  portug.  Lesenden  (seit  1632),  ausser  dem 
weltlichen  Liedchen  im  Cancioneiro  de  Resende^  nur  eine  fromme,  warm  em- 
pfundene Weise  »An  den  Erlöser«. ^ 

Alfons  V.  (geb.  1432  reg.  1448  bis  1481)  der  erste,  der  den  Titel 
Rey  dos  Algarves  de  aquini  e  de  alhn  mar  etn  Africa  annahm ,  dieser 
vorzüglich  erzogene,  humanistisch  gebildete,  ritterlich  freigebige,  aber  unstete, 
und  im  Grunde  unglückliche  Monarch  empfing  Besuche  aller  möglichen 
Reisenden ,  *  welche  die  afrikanischen  Wunder  schauen  und  in  den  Feld- 
zügen helfen  wollten ,  sowie  Gedichte  und  Sendschreiben  zahlreicher  Lob- 
redner ;5  nahm  lebhaften  Teil  an  der  würdigen  Lösung  der  patriotischen 
Aufgaben ,  die  er  seinen  Reichshistoriographen  stellte,  ^  und  trat  in  viel- 
fältige Beziehungen  zu  heimischen  und  ausländischen  litterarischen  Grössen, 
nach  stilgerechter  lat.  Einkleidung  portug.  Geschichte  begehrend. '  Auch 
steht  er  selbst  in  der  Liste  der  portug.  FederfLihrer,  ^  und  zwar  mit  portug, 
und  span.  Schriftstücken.  Doch  ist  es  dem  Litteraturfreund  auch  in  diesem  Falle 
bis  heute  nicht  vergönnt,  seine  Verdienste  ernsthaft  zu  würdigen ,  da  keines 
der  beiden  ihm  zugesprochenen  Werke  —  weder  die  Abhandlung  über  altportug. 
Kriegskunst  {^>Da  Milicia«)  noch  die  astronomische  über  das  Sternbild  des 
Hundes  {»Da  Constellagäo  do  Cäo<(.)  übrig  ist.  Nur  wenige  Briefe  sind  als 
dürftige  Proben  seiner  gepriesenen  Wohlredenheit  gedruckt,  darunter  ein  por- 
tugiesischer an  Gomes  Eannes  de  Zurara,  der  ein  Ehrendenkmal  für  beide 
ist  ;9  und  ein  span.,  mit  guten  Lehren  gesättigter  Scheidegruss  an  seine  Schwester 
D.  Juana  —  (die  später  ob  ihres  Leichtsinns  berüchtigte  Mutter  der  beklagens- 
werten Bei  träne  ja),  —  als  sie  dem  sittenlosen  Schwächling  Enrique  IV.  von 
Kastilien  1455  die  Hand  reichte.  An  der  Echtheit  dieses  handschriftlichen 
Dokumentes  ist  ohne  Grund  gezweifelt  worden;  ich  denke,  nur  weil  man 
daran  Anstoss  nahm,  dass  der  König  die  jüngere  Schwester,  sein  Mündel, 
mit  Tochter  {hija  mia)  anredet.  10    Er  ahmt  darin  den  vom  Condestavel  kurz 

*  J.  Cardoso,  Agiologio  I  p.  404  und410— 412;  Barb.  Mach.  I  65;  Inn.  da 
Silva  II  29;-i.  Laut  Borges  de  Figueiredo  (0  mosteiro  de  Odivellas,  1889  p.  220) 
kamen  diese  Reliquien  (1834?  oder  1886?)  nach  5.    Vicente  de  fora. 

*  Die  -»Nove  Estagoes  od^v  Aleditagoes  da  Paixäoi.  sollen  im  16.  Jh.  gedruckt  worden 
sein;  doch  hat  Niemand    sie  gesehen.   —  Ob  sie  nicht  einfach  Übertragungen  der  »Sermones 

funebresv-  des  Johann  v.  S.  Geminiano  (gedr.  Lugd.  1499)  waren?  ('S.  II,   l,   S.  199). 

*  S.  Bellermann  p.  32. 

*  Ich  nenne  nur  den  burgunder  fahrenden  Chevalier  Lala  im  1445;  Ehingen 
1455—57;  und  Rozmital  1465—67,  denen  unter  Johann  II.  Nik.  v.  Popp  lau  1484 ; 
Hier.  Müntzer  1494 — 95  und  A.  v.  Harff  1496— 99  folgten.  Vorangegangen  war  1408 
Guilieber t  de  Launoy. 

^  Santillana's  ■i>Loor<i.  ist  nicht  das  einzige,  Alfons  V.  feiernde  Gedicht.  P'inen 
Band  ■»Poesias  de  arte  tnayor  dedicadas  al  Rey  D.  Alonso  V.  de  Portugal  en  que  se  trata  de  tin 
buen  prüicipe  y  las  virtudes  que  ha  de  teuer <s:  erwähnt  Gallardo  IV  p.   1498  und   lö25. 

^  S.  die  folgende  Anm.  Wenn  die  Geschichtsforscher  ihn  einmütig  als  Begründer  der 
ersten  Lissabonner  Bibliothek  nennen  (trotz  D.  Du  arte  und  D.  Jo  a  o  I.J,  so  kann  das  nur 
bedeuten,  dass  er  im  Pallaste  gesonderte  Räume  zur  Aufbewahrung  der  von  ihm  bedeutend 
vermehrten  königl.  Sammlungen  hergab,  den  Zutritt  zu  denselben  grossmütig  den  Höflingen 
gestattend.     Das  bezeugt  sein  Lehrer  ausdrücklich,   und  Zurara's  Arbeiten    beweisen    es. 

■^  Über  Mattheus  de  Pisano  s.  u.  §  97.  Der  Italiener  Justus  Baldinus, 
den  Alfons  zum  Bischof  von  Ceuta  erhob,  sollte  die  Königschroniken  des  Fern  am  Lop  es 
lat.  bearbeiten,  starb  aber  vor  der  Zeit.  (S.  u.  §95).  Poggio  und  Flavio  Biondo  er- 
boten sich  zu  gleichem  Dienste;  und  Poliziano  richtete  einen  begeisterten  Brief  an  seinen 
Nachfolger,  die  Materialien  zur  Darstellung  der  Eroberung  Afrika's  erbittend. 

8  Barb.  Mach.  I    17   und  IV   1.  »  Ineditos  III  p.   3. 

10  Octavio  de  Toledo  in  Rev.  Occidental  \  307.  Vgl.  Mendez-Hidalgo, 
Tipografia  p.  69;  A.  de  los  Rios  VII  86;  Garcia  Peres  p.  24. 


Prosa:  Alfons  V.    A  corte  Imperial.    Pero  Menino.  251 

vorher  eingeweihten  schwülstigen  spanischen  Stil  (ä  la  Mena,  Santillana  und 
Padron)  so  treu-ängstlich  nach,  dass  man  das  «Razonamiento  de  despedida«,  das 
als  Appendix  zu  des  Condestavel  zweitem  Glossenpoem  aufbewahrt  wird 
(Madr.  M.  64),  für  ein  Produkt  dieses  Fürsten  halten  könnte.  Chronologisch 
nimmt  Alfons  V.  also  die  zweite  Stelle  unter  den  spanisch-schreibenden 
Portugiesen  ein.  Seine  Gemahlin  Isabella  (1431  — 1455))  die  Schwester  des 
Condestavel  und  D.  Filippa's,  eine  hehre  Frauenseele,  liess  schon  1445  von 
dem  Alcobacenser  Mönch  FreiBernardo  (7  1478)  die  mit  Recht  zu  hohem 
Ansehen  gelangte  y>Vita  Christi'^,  des  Strassburger  Kartäusermönches ^  Ludolph 
von  Sachsen  (s.  II  i  S.  201)  portug.  niederschreiben  (nicht  aber  die  Ge- 
mahlin des  Regenten  Peter,  wie  oft  behauptet  wird). 

90.  Nicht  nur  Könige  und  Fürsten,  auch  Professoren  der  Universität 
und  Klosterschulen,  Prälaten,  Mönche,  Höflinge  waren  schriftstellerisch  thätig, 
und  überragten  jene  sicherlich  oft  an  Wissen  und  Kunst.  Doch  ist  nicht 
viel  mehr  übrig  als  eine  Reihe  von  Namen  und  Titeln.  Nur  äusserst  wenige 
Werke.  Ein  Anonymus  redigierte,  aus  der  Sprache  zu  schliesen,  noch  im 
14.  Jh.,  eine  grossmächtige,  besonders  gegen  Judentum  u.  Islam  gewendete 
Lehrschrift  über  die  Vorzüge  der  katholischen  Kirchenlehre ,  die  Natur  der 
Dreieinigkeit  u.  a.  m.  Und  zwar  ist  es  eine  aus  dem  Orient  kommende 
Königin,  welche  am  Himmelshofe,  auf  einem  in  elysäischen  Gefilden  abge- 
haltenen Reichstag  (»Cortest^),  vor  dem  höchsten  Kaiser  und  seinen  Heer- 
schaaren  von  Engeln  und  Seelen,  die  Grundlehren  der  christlichen  Religion 
gegen  philosophisch  gebildete  Heiden  (Juden  und  Mauren)  verteidigt,  selbst- 
verständlich mit  unermüdeter  Benutzung  der  Heiligen  Schrift,  der  Apokryphen, 
sowie  der  sibyllinischen  Bücher,  der  Vetula  des  Pseudo-Ovid,  des  Koran  und 
anderer  arabischer  Texte.  Dieser  »Kaiserhof«  =^  -»A  Corte  Imperiah^  g€höxiG 
zu  D.  Du  arte's  Bücherei  (Nr.  39),  wird  aber  niemals  von  ihm  und  den 
Seinen  benutzt,  so  dass  über  den  Verfasser  nichts  verlautet.  Dass  es  König 
Johann  I.  sei,  ist  eine  durch  nichts  zu  erhärtende  Behauptung.^  Was  an  der  etwas 
farblosen,  sprachlich  und  sachlich  aber  lehrreichen  Kompilation  eigene  Zuthat 
des  portug.  Bearbeiters  ist,  und  was  er  etwaigen  anderen  romanischen  oder  lat.  Vor- 
lagen verdankt,  bleibt  zu  untersuchen.*  —  Ein  Buch  über  Reiher-  und  Falken- 
beize (Livro  deCetreriä)^  die  in  Gallizien  und  Portugal  mit  Leidenschaft  betrieben 
ward,  schrieb  ein  adliger  Falkonier  König  Fcrdinand's  Namens  Pero  Menino^, 

*  Gedruckt  schon  1495  (4  Jahre  vor  der  valenc,  und  6  vor  der  span.  Bearbeitung) 
auf  Befehl  ihrer  Nachfolgerin.  Ob  die  Formel  corregido  e  revisto  sich  auf  wirkliche  Text- 
überarbeitung  des  Revisors  Frei  Andre  bezieht,  ist  unnachweislich.  Dass  D.  Duarte 
die  Vita  Christi  benutzte  {^Leal  Qms.  cap.  87)  ward  schon  in  §  86  Anm.  1  gezeigt.  Vgl. 
S.  Boaventura,  huditos  I  p.   17  —  2a 

2  Ms.  803  der  Portuenser  Stadtbibliothek  von  134  Bl.  in-fl.  Herculano  machte  im 
Panorama  III  darauf  aufmerksam.  Vgl.  Braga,  ItUr.  153.  183.  2l8  und  besonders  231 
bis  236;  Poet.  Pal.  74;    Univers.  220. 

'  Wo  Braga  las:  eu  pecador  j  ohan  do(.')  comego  este  livro  (!)  heisst  es :  en  pccador 
c ofiando  comego  este  livro. 

*  Der  portug.  Anonymus  sagt:  nö  como  autor  e  achador  das  coiisas  e  eile  conthetidas, 
mais  como  simpres  ajuntador  d' ellas  e  huü  uellume  .  .  .  und  später  kommt  die  Phrase 
vor:  de  latiin  em  linguagem  portugiies  ....  doch  bin  ich  nicht  sicher,  ob  sie  sich  auf  das 
ganze  Werk,  oder  nur  auf  irgend  ein  Teilstück  bezieht,  da  ich  das  Buch  nur  einmal  gelesen 
und  kurz  excerpiert  habe.  Höchst  notwendig  scheint  es  mir,  es  mit  dem  span.  tLibro  del 
Gentü  6  de  los  tres  saiios«  zu  vergleichen ,  welches  der  Cordovaner  Gonzalo  Sanchez 
de  Uceda  angeblich  im  J.  1378  aus  dem  Katalanischen,  d.  h.,  meiner  Ansicht  nach,  aus 
Raimund  Lulls  »De  gentili  et  tribus  sapientihus«  übertrug  (Madr.  X.  145),  sowie  mit 
weiteren  ähnlichen  Disputationen  (ytidaei  cum  Christiano;  Contra  Judaeum  qtteitdam);  vgl. 
II  1.  S.  232. 

=  S.  Bibl.  Venatoria  I  p.  CLXXI  (und  III  p.  156)  No.  76.  Ein  Bruchstück  der  span. 
Version  von  Gonzalo  Rodriguez  de  Escobar,  das  aus  dem  Besitze  eines  anderen 
portug.  Falkoniers,  Namens  Pomalyno  stammt,  ruht  noch  in  Madrid.  (Vgl.  ib.  No.  9).  Der 


252    LlTl'ERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  4,   PoRT.    LllT. 

den  der  Kanzler  Ayala  noch  gekannt  hat.  i  Eine  hervorragende  Rolle 
spielte  von  1435^ — ^497  ^^s  bedeutender  Rechtsgelehrter  {utriusque  juris) 
und  geschulter  lat.  Rhetor  der  aus  ursprünglich  span.  Familie  stammende 
Vasco  Fernandes  de  Lucena.  ^  Da  er  hohe  Ehrenposten  bekleidete  — 
{do  Conselho  e  Desembargo  del  Ret;  Chanceller  da  Casa  do  Civel;  Chronista-mör ; 
Guarda-mör  da  Torre  do  Tombo  e  Livraria  del  Rey  von  1487  — 1497  ^  und 
Conde  Palatino^)  —  wird  er  in  Dokumenten  und  Chroniken  häufig  erwähnt.  ^ 
Als  portug.  Redner  glänzte  er  schon  1438  auf  dem  Reichstag  von  Torrcs- 
Novas  und  1485  zu  Evora^,  als  königl.  Gesandtschaftsredner  in  Bologna, 
Ferrara ,  Florenz  und  Basel,  1435  — 1442  vor  Papst  Eugen  IV.,''  1450 
vor  Nikolaus  V.,  und  besonders  1485  vor  Innocenz  VIII.  in  der  ewigen 
Stadt,  wo  seine  Rede  -»De  Obedientia«  beifällig  aufgenommen,  und  sofort 
durch  Drucklegung  geehrt  ward.^  Besonders  schätzte  sein  Wissen  und 
liebte  die  Eleganz  seines  Stils  der  Regent,  der  seinen  bem  aniado  doutor^  be- 
hufs Erziehung  seines  königl.  Mündels,  viel  beschäftigte.  ^  In  seinem  Auftrage 
übersetzte  Lucena  Cicero's  Buch  »vom  Alter«,  das  Panegyrikum  des 
Plinius;  den  Fürstenspiegel  des  P.  P.  Vergerius,  und  verfasste  als  Ergän- 
zung dazu  einen  selbständigen,  dem  jungen  Alfons  V.  (1442)  gewidmeten 
»Tratado  das  virtudes  que  ao  Rey  pertencem«^  worin  er  besonders  (wohl  mit 
Rücksicht  auf  die  häufige  Einkehr  fremder  Ritter)  die  Pflichten  der  Gastfreund- 
schaft behandelt,  klassische  und  biblische  Beispiele  verwertend:  »estremando 
algüas  flores  dos  abondosos  campos  dos  gentios  .  .  .  e  .  .  dos  profundos  pegos 
das  sagradas  escritiiras<-<  nach  kunstvollem  Stil  ringend,  doch  nicht  ohne  Dunkel- 
heiten. Bis  1755  ruhten  diese  Schriften  handschriftlich  in  der  königl.  Bibliothek 
und  im  Pallaste  der  Herzöge  von  Aveiro,  kamen  aber  beim  Erdbeben  um.  Nur 
die  Geleitbriefe  sind  in  Abschriften  erhalten.  ^^  Treu  dankbar  erwies  Lucena 
sich  dem  Andenken  des  Regenten  durch  Übertragung  und  Einftihrung  der 
kräftigen  vorwurfsvollen  Reden  {»in  Alfonsum  V.«),  in  welchen  der  Abgesandte 
der  Herzöge  von  Burgund,  Dekan  von  Vergy,  Sühnung  des  gegen  den  Regenten 
und  seine  Familie  begangenen  Unrechtes  erheischt."    Nicht  von  Vasco  Fer- 


Urtext   war  wohl  in    die    Bibliothek  D.  Du  arte's    aus    seines  Vaters  Erbe    übergegangen 
(No.  55  des  betreffenden  Katalogs). 

*  S.  seine  Caza  de  las  Aves,  cap.   1. 

^  Aus  Lucena  bei  Cordova  war  ein  Zweig  der  Familie  unter  Ferdinand  I.  in  Portugal 
eingewandert. 

ä  S.  J.  P.  Ribeiro,   ffist  do  Archivo  p.  58— 61. 

*  Über  Bedeutung  und  Verleihung  dieses  Ehrentitels  an  höchststehende  Juristen  oder 
jubilierte  Rechtslehrer  siehe  Ferreira,  Noticias  Chrottologicas  da  Univesr.  (1729),  §  871 
bis  893. 

*  Z.  B.  Pina,  Chron.  de  D.  Affonso.  cap.  1 1  ;  Chron.  de  D.  Joäo,  cap.  20;  Resende, 
D.  Joäo  II  cap.  3.  25.  57-  Sousa,  Hist.  Gen.  II  59-  87.  504-  Ineditos  I  p.  14.  62.  64, 
II  p.    18. 

*  Ineditos  I  p.  241.  Auch  zu  Alcacer,  in  dem  vom  Fürsten  Ferdinand  abgehaltenen 
Ordenskapitel,  war  er  bestallter  Redner. 

"^  A.  P.  de  Figueiredo,  Portuguezes  nos  Concilios,  p.  49—55;  Ferreira,  Not. 
Chron.,  §  771 —786;  Sousa,  Provas  V  592.  593.  607. 

*  Neuabdruck  des  ausserordentlich  seltnen  Werkchen  1813  im  Jamal  de  Coimhra 
Bd.  XIX  p.  312,  mit  Einleitung  von  J.  M.  Trigoso  p.  309— 311. 

*  Er  sagt  z.  B.:  i>segundo  minha  affeigäo  entre  todos  os  letrados  deste  rcym  vos  tendes 
assim  na  fermosura  das  palavras  como  no  guardar  das  verdadeiras  sentengas  grandc  perfeigäov.. 

^^  Auch  diese  vollkommen  unbekannten  Schriftstücke  besitze  ich.  In  den  Anmerkungen 
zu  §  87  sind  2  derselben  erwähnt  (Cicero  und  Plinius).  Dazu  kommen :  Prologo  que  fez 
0  Dr.  V.  F.  de  L.  a  el  Rey  D.  Affonso  0  V  sobre  0  Livro  de  Paulo  Vergeriv  que  Ihe  tornou 
de  Latim  im  lingoagem  por  mandado  do  Inf  ante  D.  Pedro  Regedor  que  foi  destes  Reynos  und 
Prologo  que  0  Dr.  V.  F.  de  L.  fez  a  El  Rey  D.  Affonso  o  V  sobre  o  Tratado  que  Ihe  fez 
das  vertudes  que  ao  Rey  pcrtencem. 

"   Sousa,  Provas  VI  p.  364—388. 


Prosa:  Vasco  Fernandes.    Vasco  de  Lucena.  —  Redner.  253 

n  an  des  de  Lucena  1  ist  die  älteste  franz.  Quintus-Curtius  Übersetzung,  welche 
1468  dem  Sohne  Dame  Isabeaus's,  Karl  dem  Kühnen,  von  einem  Vasco  de 
Lucena  gewidmet  ward,"  der  auch  die  Cyropädie  für  ihn  vulgarisierte.  Der 
Träger  dieses  Namens  —  vertueux  escuyer,  später  eschanson  der  Wittwe  des 
Burgunders  (Margarethe  von  York),  portugalois  de  nacion,  den  Olivier  de  la 
Marche  bewundernd  preist,  —  ist,  wenn  nicht  alle  Zeichen  trügen,  eins  mit 
Valascus  de  Lucena,  Colimbriensis  diocesis,  der  von  1449  bis  nach  1454 
in  Paris  als  Stipendiat  studierte  (1449  incipiens;  1454  licenciandus ;  später 
magisirandus).,^  gemeinsam  mit  seinem  älteren  Bruder  Ferdinand,  der  den 
burgundischen  Herrschaften  gleicherweise  franz.  Werke  weihte:  1460  Philipp 
dem  Guten  den  Triomphe  des  Dames  und  die  Chaiere  d'honneur  des  Galliziers 
Rodriguez  del  Padron.*  Da  des  portug.  Doktors  Vater  Fernam  Vasquez 
de  Lucena  hiess,  und  andere  portugiesierte  Lucena -Zweige  um  diese  Zeit 
noch  nicht  nachweislich  sind,  so  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  beide  Söhne 
von  ihm  (resp.  Neffen)  sind.  ^ 

91.  An  Rednern  war  kein  Mangel.  Kriegerische  Allokutionen  legen 
die  Chronisten  den  Königen  in  den  Mund,  besonders  Johann  L  und  dem 
Befehlshaber  von  Ceuta  D.  Pedro  de  Menezes^,  die  keinesweges  auf  Erfindung 
beruhen,  sondern,  wie  in  einzelnen  Fällen  erweisbar  ist,  der  Wirklichkeit 
nachgeschrieben  sind.  Der  bedeutendste  politische  Orator  war  der  spitzfindige 
Causidicus  Dr  Joäo  das  Regras,  dessen  überwältigender  Suada  und  durch- 
triebener Schlauheit  der  Ordensmeister  die  Sicherung  seines  Thrones  dankt, '^ 
ein  direkter  Schüler  des  Baldo,  der  aus  Bologna  nächst  seiner  Rechtskennt- 
nisse auch  Kunde  von  den  Vulgärdichtungen  des  Cino  und  Guido  heim- 
brachte (1382).  Nächst  ihm  stand  der  Professor  Diego  Affonso  Manga- 
ahcha  (auf  dessen  Bücherbesitz  schon  hingewiesen  ward),  der  in  der  Aula, 
im  Ratssaale,  im  Reichstag  und  auf  den  Concilien  oft  die  Tribüne  bestieg.  ^ 
Beliebte  Kanzclredner  waren:  der  Franziskaner  Frey  Pedro,  der  nach  dem 
Siege  bei  Aljubarrota  die  berühmte  Triumph-Predigt  hielt,  deren  Grundton 
alljährlich  mit  Variationen  im  ganzen  Lande  wiederhallte  und  den  Ärger  und 


1  Biogr.  und  Bibliogr.  bei  Inn.  da  Silva  I  402  und  Barb.  Mach.  III  772  sowie 
IV  274,  womit  man  III  777  den  Artikel  Vasco  Mai'tins  de  Lucena  kritisch  vergleiciie. 
Wert  hat  darin  nur  die  Angabe ,  Vicente  Nogueira  habe  Lucena- Manuskripte  be- 
sessen. 

2  Mit  einander  identifiziert  wurden  die  beiden  Schriftsteller  fälschlich  in  Biogr.  Didot 
(wonach  Port.  Illustre  und  Larotisse  p.  133)  von  F.  Denis,  der  aus  dem  r.Comes  Palatinus<.<. 
obenein  noch  einen  Grafen  macht;  und  von  A.  Herculano  im  Panorama  III  346  u.  a. 
Den  wahren  Sachveihalt  erkannte  Inn.  da  Silva  I  408.  Über  die  schöne  Alexander-Version 
s.  P.  Paris,  Mss.  fr.  I  5 1  und  II  280 ;  S  a  n  t  a  r  e  ni ,  Quadro  Elementar  III  73 ;  F  i  g  a  n  i  t-  r  e , 
Mss.  port.  du  Mus.  Brit.  p.  189;  Dosson,  Qumte-Curce,  Paris  l877  P-  375—77  und  vgl. 
Romania   1890  p.   60I  — 2 

*  A.  Thomas  in  Romania  a.  a.  O. 

*  Abgedruckt  in  Bibliofilos  Bd.  XXII,  nach  Brüsseler  Manuskripten.  Der  umsichtige 
Herausgeber  A.  Paz  y  Melia  kannte  die  Pariser  Dokumente  über  die  Brüder  Lucena  nicht. 

*  Noch  ein  dritter  Lucena  (Affonso  de)  stand  als  Arzt  in  Dame  Isabeau's 
Diensten  (1451).  Auch  er  und  ein  Joam  Rodriguez  de  L.,  der  lateinkundige  Dichter 
des  Aligemeinen  Liederbuches  (II  548),  sowie  der  Dr.  Diogo,  der  1496  zum  königl.  Ge- 
richtshof gehörte,  gelten  für  Söhne  Vasco's.  In  Spanien  blühte  gleichzeitig  der  geistvolle 
Dr.  Juan  Ramirez  de  L.,  Verfasser  der  ansprechenden  y>Vida  Beata  (Bibliofilos  XXIX). 
Ober  das  Verwandtschaftsverhältnis  dieser  verschiedenen  Sprossen  ei  nes  Stammes  ist  Näheres 
nicht  bekannt. 

^  S.  z.  B.  Fernam  Lopes,  II  cap.  31  und  Zurara,  III  9.   il.  25. 

'  F.  Lopes,  I  cap.   176— 179  und   181  — 191. 

^  Betreffs  einer  Schrift  von  ihm  über  die  Pestseuche  sind  wir  nur  durch  die  Entgeg- 
nung D.  Du  arte's  unterrichtet.  Seiner  Totenrede  auf  D.  Duarte  gedenkt  Zurara  ,  Chronica 
de  D.  Duarte  cap.  5. 


2  54    LiTTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    4.    PORT.    LllT. 

Spott  der  Besiegten  herausforderte,*  Padre  Frey  Joham  Xira,^  Frey  Fer- 
nando da  Rotea,  der  1415  dem  Volke  klarmachen  sollte,  warum  der  König 
nach  Ceuta  segele,  und  der  nach  glücklichem  Erfolge  in  der  eroberten  Veste 
^2s  Gloria  darüber  anstimmte'*,  Frey  Gil  Lobo,  der  gelehrte  Beichtiger  D. 
Duarte's.*  Frey  Vasco  da  Lagoa,^  Frey  Rodrigo  deCintra,^  der  beim 
Tode  Johann's  I.  Hof  und  Volk  zu  Tränen  rührte.  —  Wer  Predigten  lesen 
wollte,  griff  jedoch  zu  den  feurigen  Ansprachen  des  spanischen  Vicente  Ferrer. 

92.  Als  Beispiel  für  die  Epistolographie  jener  Tage  sei  der  echte, 
würdige  und  doch  familiäre  Brief  erwähnt,  welchen  am  3.  April  1385  der 
lissabonner  Kanonikus  Gongalo  Domingues  an  den  Alcobacenser  Abt  Frey 
Joäo  de  Ornellas  richtete,  betreffs  der  am  Vorabend  erfolgten,  glücklichen 
Ankunft  eines  Teiles  der  englischen  Hülfskompagnien  und  ihrer  kühnen  Ein- 
fahrt in  den  von  span.  Schiffen  besetzten  Hafen  der  Hauptstadt ''.  Über  die 
Hochzeitsreise  der  Kaiserin  Leonor  (über  Siena  nach  Wien)  berichten  der  Graf 
von  Abrantes  Lopo  de  Almeida  und  Pedro  de  Sousa  (1452)^.  Als  Muster 
eines  Reisetagbuches  kann  das  Diario  da  Jornada  dienen  que  0  Conde  de 
Ourem/ez  ao  Concilio  de  Basilea^.  Von  einzelnen  Briefen  der  Söhne  Johann's  I. 
war  schon  die  Rede.     Andere  werden  noch  in  §   100  und   loi   erwähnt. 

93.  An  Übersetzungen  liesse  sich  noch  mancher  mittelalterliche  und 
klassische  Text  zitieren,  wären  sie  nicht  alle  bis  auf  ärmliche  Reste  gründlich 
vernichtet.  Im  Escurial  befindet  sich  noch  eine  Version  des  Sallust,  (s.  Jahr- 
buch IV  69);  eine  andere  des  Pomponius  Mela  sah  ich  in  der  königl. 
Bibliothek  zu  Ajuda. — Auch  manches  spanische  Werk  dankt  dem  Lerneifer 
der  portug.  Könige  sein  Entstehen.  Alfonso  de  Cartagena  (f  1456) 
hispanisierte  z.  B.  1422  während  seines  Aufenthaltes  in  Portugal  für  den  da- 
maligen Kronprinzen  Boccaccio's  -»De  casibus  virorum«-  und  noch  1433  Cicoro's 
Rhetorik  (»</  instancias  de  Ediiarte  Riy  de  Portugal)  sowie  die  Ethik  des 
Aristoteles;  und  Mossen  Diego  de  Valera  schrieb  für  Alfons  V.  ein  Waffen- 
buch {y>Tratado  de  las  armas«). 

b)    CHRONIKEN. 

94.  Mit  der  patriotischen  Aufgabe,  das  Denkwürdige  der  portug.  Landes- 
geschichte darzustellen,  wurden  von  den  Königen  der  Epoche  eigens  dazu  er- 

1  F.  Lopes  II  cap.  48.  Der  geistvolle  Satyriker  D.  Diego  deMendoza  hinter- 
liess  einen  y> Sermon  que  solia  predicar-se  eti  Portugal  con  motivo  de  la  batalla  de  Aljubarrota, 
y  noias  satiricas<s.  (Madr.  ms.  T.  lO;  Cc.  73  und  Q.  229).  Vgl.  Mariana,  Msi.  £s/>.XYlll 
cap.  9,  sowie  Schäfer  II  231. 

2  C/tron.  de  D.  Joäo,  III  cap.  51   und  95. 

3  Ineditos  I  91. 

*  Ineditos,  I  240. 

5  Chron.  de  D.  Joäo,  I  cap.  151  :  Entsetzung  Lissabons;  II  124:  Tod  des  Papstes 
Urban;  Ined.  I  86:  Tod  Joliann's  I.,  bei  welcher  Gelegenheit  er  durch  ein  sokratisches 
Frage-  und  Anwortspiel  die  Zuhörer  fesselte. 

6  Ined.  I  87. 

■^  Chron.  de  D.  Joäo,  II  cap.  4.  Dieses  hübsche  Unikum  forderte  den,  mit  einem  so  un- 
glückseligem Nachahmungstalent  begabten  Faria-e-S  ousa  zum  Schmieden  eines  Pendants 
heraus,  y>Carta  de  D.  Loureng 0  Arcebispo  de  Braga  ao  Abbade  de  Alcobaga«.  Der  Heraus- 
geber des  F.  Lopes  hängte  selbiges  stillschweigend,  ohne  ein  Wort  der  Aufklärung,  dem 
zweiten  Teile  der  Johannes-Chronik  an,  nachdem  der  Erfinder  es  schon  1639  in  den 
Lusiadas  II  p.  322  (und  in  der  Europa  II  313)  zur  Schau  gestellt  hatte.  Die  Häufung 
archaischer  Formen  und  ungewöhnlicher  drastischer  Wendungen  offenbart  die  generatio 
equivoca:  der  Ausputz  mit  der  historischen  Schmarre  des  geistlichen  Haudegens,  in  dessen 
Namen  der  Brief  geschrieben  ist,  hat  jedoch  bis  zur  Stunde  alle  Welt  getäuscht  (selbst  so 
feine  Köpfe  wie  Oliv.  Martins  und  den  Conde  de  V  il  1  a  fran  ca). 

8  S  o  u  s  a ,  Provas  I  601 . 

9  ib.  V  p.  573-630. 


Epistolographen.   Übersetzer.    Chronik:   Fernam  Lopes.  255 

nannte  Reichshistoriographen  betraut.  Dem  15.  Jh.  gehören  vier  davon  an: 
Fernam  Lopes,  Gomes  Eannes  de  Zurara,  Vasco  Fernandes  de 
Lucena,  Ruy  de  Pina.  Von  historischen  Arbeiten  des  dritten  verlautet 
jedoch  nichts.  Alle  vier  waren  gleichzeitig  Oberverwalter  des  Staatsarchivs 
und  der  königl.  Pallast-Bibliothek.  Und  wie  die  Torre  do  Tovibo  und  die 
Livraria  del  Rey ,  so  standen  alle  Klöster-  und  Kirchenarchive  ihnen  offen. 
Als  studierten  Leuten  waren  ihnen  die  klassischen  Geschichtsschreiber  bekannt 
—  Livius,  Caesar,  Sallust,  Tacitus,  Sueton,  Xenophon  —  sowie  die  Vulgär- 
chroniken mindestens  des  Nachbarreiches,  und  dienten  ihnen  mehr  oder 
minder  zum  Vorbild.  Als  von  der  Monarchen  Gunst  mit  Wohlthaten  über- 
häuften Dienern  der  Krone  ward  es  ihnen  nicht  leicht  gemacht,  historische 
Gerechtigkeit  walten  zu  lassen;  doch  hat  keiner  von  ihnen  sich  zum  blossen 
Panegyriker  hergegeben.  Dem  ältesten  fiel  selbstverständlich  die  Aufgabe  zu, 
auch  die  Vorzeit,  d.  h.  die  Thaten  der  ersten  Dynastie  vom  Grafen  Heinrich 
l)is  zum  Tode  Ferdinand's  darzustellen ,  mit  Benutzung  aller  während  der 
I.  Epoche  in  den  Klöstern  hergestellten  Annalen,  Regesten  und  chronicones. 
Ihre  Werke  wurden  im  Staatsarchiv  deponiert.  Kopien  für  Fürsten  und  Grosse 
und  Bibliotheken  gingen  jedoch  frühzeitig  daraus  hervor.  In  der  Folgezeit 
aber  sind  die  von  olficiellen  Kalligraphen  kunstgerecht  niedergeschriebenen 
Originale,  aus  Mangel  an  Ordnungssinn  und  Treue,  verwahrlost  worden  und 
abhanden  gekommen.  Die  Nachfolger  im  Amte  blickten  meist  von  oben 
herab  auf  die  Arbeit  der  Vorgänger,  verbesserten  und  modernisierten,  und 
schrieben  hernach  sich  allein  das  Verdienst  besonders  an  den  so  zu  sagen  herren- 
los gewordenen  Chroniken  der  ersten  7 — 9  Könige  zu,  so  dass  dieselben  mit 
Varianten  unter  den  verschiedensten  Attributionen  umgingen.  Erst  zu 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  verbreiteten  akademische  Forscher  einiges  Licht 
über  die  recht  zahlreichen,  sich  an  die  Chroniken  knüpfenden  Fragen.  Zu 
Ende  geführt  haben  sie  jedoch  ihre  Aufgabe  nicht.  Noch  immer  bleibt  viel 
zu  thun,  —  Die  frühesten  Überarbeiter  gehören  noch  an  den  Ausgang  der 
Epoche.  —  Zur  Abfassung  von  Geschichten  einzelner  Helden ,  ohne  amt- 
lichen Auftrag,  daher  auch  ohne  Benutzung  der  Archiv-Dokumente  und  ohne 
Daten ,  entschlossen  sich  nur  selten  ihnen  persönlich  ergebene  Begleiter. 
Zwei  ruhmvolle  Ausnahmen  sind  die:  -»Estoria  do  CondestaveU  und  die  -»Chronica 
do  Inf  ante  Santo«. 

95.  Fernam  Lopes  —  [Cavalleiro  da  Casa  do  Inf  ante  D.  Henrique ; 
Vassallo  del  Rey  e  Guardador  das  Escrituras  do  Tombo;  Escriväo  da  Puridade 
do  Inf  ante  D.  Fernando;  Secretario  de  D.  Duarte  laut  Aussage  von  Akten  ^)  — 
arbeitete  im  Staatsarchive  mindestens  von  1418  an  bis  6.  Juni  1454,  wo  er 
alterskrank  seinen  Posten  niederlegte  (»/«<?  velho  e  fraco  que  per  sy  non  pode 
bem  servir  o  dito  oficio«).  Er  wird  also  nicht  nach  1380  geboren  sein.  Dass 
D.  Duarte  ihm  1434  den  Auftrag  erteilte,  die  Berichte  aus  alter  Zeit  chronikcn- 
mässig  einzukleiden  (de  poer  em  chronica  as  estorias),  steht  fest,  wie  auch, 
dass  er  ihn  schon  als  Kronprinz  anwies,  die  Epoche  Johann's  I.  zu  schildern. 
Die  »Chronica  del  Rey  D.  Johann  de  boa  Memoria«  ^,  die  er  nur  bis  zum 
Jahre  141 5  vollendete,  hat  denn  auch  keinerlei  Kritik  ihm  absprechen  können. 
Aus  ihr  aber  erhellt  unumstösslich  sicher,  dass  auch  die   Chronica  de  D.  Fer- 


*  Nächst  Bar b.  Mach,  und  Inn.  da  Silva  siehe  IneditosW,  Einl.  von  F.  M.  Ti  i- 
goso   1816;  J.  P.  Ribeiro,  Archivo  p.  54  und  Panorama  III   197. 

2  Coronica  del  Rey  D.  foham  de  boa  memoria  ....  capitulada  e  composta  por  F.  L. 
Escriväo  da  Puridade  do  Inf.  D.  Fernando,  filho  do  mesrtio  Rey  .  .  .  a  quäl  Coronica  o  dito 
F.  L.  fez  por  mandado  del  Rey  D.  Duarte  sendo  Principe,  gedruckt  erst  1644,  Liss  von 
A.  Alvarez,  und  niemals  wieder. 


250    LiTl'ERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER,    —    4.    PORT.    LiTT. 

nando  und  die  Chronica  de  D.  Pedi'o  sein  Werk  sind,  ^  wie  fernerhin  dass  er 
in  einer  Prhneira  Parte,  dem  königl.  Befehl  gehorchend,  die  ersten  7  Herrscher 
behandelt  hatte.  2  Dieser  erste  Teil  ward  dem  schon  erwähnten  Italiener 
Just  US  Baldinus  anvertraut,  und  kam  bei  seinem  plötzlichen  Tode  (1360) 
abhanden,  ohne  seinen  Zweck  erfüllt,  d.  h.  den  Grundstoff  zur  lat.  Darstellung 
geliefert  zu  haben. 3  Die  Nachfolger  (Duarte  Galväo,  Ruy  de  Pina  und 
spätere)  benutzten  jedoch  Abschriften  für  ihre  Neu-Rcdaktionen,  verschwiegen 
aber,  leichtfertig  oder  böswillig,  den  Namen  des  FernamLopes,  für  dessen 
Rechte  und  Verdienste  erst  Damiäo  de  Goes  eintrat.^  Sein  Hauptwerk, 
dem  er  den  Ehrennamen  eines  port.  Froissart  verdankt,  ist  erfüllt  von  ehrlich 
überzeugter  Begeisterung  für  den  König  Johann,  seinen  Helden,  sowie  für  den 
Kronfeldherrn  und  den  Kanzler,  deren  Laufbahn  er  mit  angeschen ;  doch  ist 
er  aufrichtig  bestrebt.  Schatten  und  Licht  gerecht  zu  verteilen  5.  Die  Sprache 
ist  treuherzig  und  kernig.  Ungesucht  stellt  hie  und  da  ein  malerisches  Bild, 
oder  ein  naiver  Merkspruch  sich  ein.  Saftige  Anekdoten  sowie  romantische 
Abenteuer  liefert  die  Geschichte  selbst.  Dokumente,  Briefe,  Reden,  Predigten 
—  die  er  meist  abreviert  wiedergeben  musste  {brevemente  tocado)  —  unterbrechen 
oft  die  schlichte  Erzählung.  Mit  Reflexionen  und  philosophischen  Betrach- 
tungen hält  er  Haus,  und  geht  sparsam  mit  fremden  Zitaten  um.  Im  Allge- 
meinen stellen  die  Portugiesen  ihren  Fernam  Lopes  —  0  Patriarca  dos  Histo- 
riadores  —  0  Pae  da  prosa  portugueza  —  ungeheuer  hoch,  die  dem  mittelalter- 
lichen Stoffe  inwohnende  dramatische  Urkraft  dem  Darsteller  gutschreibend. 
Neuerdings  tadelt  man  ihn,  weil  er  den  Vertrag  mit  England  (Rymer,  Foe- 
dera  VII.  p.  521)  nicht  wörtlich  abgedruckt  und  die  (in  meinen  Augen 
illusorische)  verderbliche  Tragweite  nicht  erkannt  hat,  welche  diese  den  Zeit- 
raum von  nur  3  Jahren  umspannende  Allianz  für  die  fernere  geschichtliche 
Entwickelung  des  Landes  gehabt  hat.  Nun  wird  der  redliche  Biedermann  hinter- 
listig und  spitzfindig  gescholten  (asiuio  e  arteiro),  und  als  Dekan  der  Schmeichler, 
und  ältester  officiöser  Panegyrist  und  Geschichtsfälscher  hingestellt.^  Ich 
denke,  er  geht  siegreich  aus  dieser  Prüfung  hervor,  und  auch  aus  einer  zweiten, 
welche  span.  Historiker  ihm  aufzuerlegen  gedenken,  durch  den  Nachweis,  er 
habe  eine  ältere  span.  Chronik  plagiiert'^,  während  er  dieselbe  wohl  nur 
pflichtschuldigst  benutzte,  da  er  sogar  aufs  Energischste  und  wiederholt  Ayala's 
Fehler,  und  seine  parteiischen  (will  sagen :  portugiesen-feindlichen)  Schilde- 
rungen bekämpft. 

96.  Gomes  Eannes  de  Zurara^  (aus  Z.  in  der  Beira)  war  in  seiner 
Jugend  ein  Kriegsmann,  Ritter  und  Komthur  des  Christusordens  (was  ihn 
nicht  daran  hinderte,   sich  1461   von   einer   reichen   bürgerlichen  Wittib   und 

*  Gedr.  erst  1816  in  den  IneditosYN.  Die  Chronik  Peters  hatte  schon  J.  Pereira. 
Bayäo  veröffentlicht  und  weidlich  verändert  ( 1735  und  1760).  Auf  die  erstgenannte 
verweist  F  ernam  Lopes  z.  B.  imD.  Joham,  I  cap.  2.  3.  30.  36.  50.  54.  117.  und  II 
32.  70.  88;  auf  die  zweite  cap.  49.  117.  125.  II  71.  88.  129-  Umgekehrt  fehlt  es  in 
beiden  auch  nicht  an  Vorwärts-Weisungen  auf  die  Chron.  de  D.  Johmn. 

2  S.  Parte  I  cap.   159. 

'  S.  ob.  §  89.  p.  250,  Anm.  6  und  7. 

^  Chron.  de  D.  Manoel,  IV  cap.  38.  Auch  Nunes  de  Leäo  plaidierte  fi'ir  ihn 
doch  ohne  Schärfe.     Faria-e-Sousa  aber  verwirrte  dann  die  Frage  aufs  Neue. 

^  Wie  ernst  er  die  Quellen  durchforschte,  und  wie  ehrlich  er  seiner  Hülfsmittel  ge- 
denkt, nniss  jeder  Leser  seiner  Werke  erkennen,  die  er  übrigens  sogar  bescheiden  Kom- 
pilationen nennt  (I  p.  31 1  und  342).  Selbst  sein  Nachfolger  bestätigt  es:  com  muito  cuidado 
vira  grandes  volumes  de  livros  e  desvairadas  lingoagens(?)  e  terms  .  .  .  e  piibltcas  escriptnras 
de  tnuitos  cartorios. 

®  S.  Conde  de  Vi  Ilafranc  a,  D.  yoäo  I  e  a  AlUanga  ingleza.  Liss.  1883,  und 
Th.  Braga,  Modernas  Ideias,  p.  382  u.   ff. 

'  Sanchez  Moguel  ist  mit  dieser  .Arbeit  beschäftigt. 

^  S.  Ineditos  I  und  II.    J.  P.  Ribeiro,  Archivo  \).  56.     Barros,  Dec.  I.   2  cap.  1. 


GoMES  Eannes  de  Zürara.  257 

Handelsfrau,  ihres  Erbes  halber,  adoptieren  zu  lassen.  Erst  im  Mannesalter 
begann  er  wissenschaftliche  Studien,  und  zwar  mit  solchem  Eifer,  dass  er  an 
Sprachkenntnissen,  Geschichte  und  Kosmographie  eine  Leuchte  ward  '  und  sich 
Vertrauen  und  Gunst  seines  Königs  erwarb ,  von  dem  er  reich  mit  Glücks- 
gütern gesegnet  und  1454  zum  Nachfolger  des  F.  Lopes  ernannt  ward.  2  In 
dieser  Stellung  war  er  bis  1479  unermüdlich  thätig  an  vier  Chroniken.  Zuerst 
verfasste  er  als  3.  Teil  der  Johannes-Chronik  die  Geschichte  des  i.  afrikanischen 
Feldzuges  unter  Benutzung  der  schon  zusammengetragenen  Dokumente,  >'  zu 
denen  er  auf  mühseliger  Afrikafahrt  selber  das  bessere  Teil  hinzufügte ;  dann 
im  Anschluss  daran  die  Geschichte  der  beiden  ersten  reckenhaften  Gouver- 
neure: D.  Pedro  de  Menezes  und  D.  Duarte  de  Menezes,*  so  wie  die  be- 
merkenswerte, 1453  vollendete,^  auf  ältere  Aufzeichnungen  eines  Affonso  de 
Cerveira  basierte  Geschichte  der  Entdeckungen  (bis  1448),  oder  Heinrich 
des  Seefahrers/'  Ausserdem  begann  er  als  Fortsetzung  der  Reichschroniken  die 
Darstellung  der  Regierung  Königs  Duarte  und  Alfons'  V.,  seines  Wohlthäters, 
beendete  sie  aber  nicht,  so  dass  seine  Materialien  dem  nächsten  Chronisten 
zu  Gute  kamen.  Was  er  geleistet,  ist  aller  Ehren  wert:  seine  Erzählung  ist 
treu  und  schlicht,  zeigt  aber  trotzdem  den  in  Ritterb üchern  erfahrenen 
Quattrocentisten.  Dass  er  dieselbe  sehr  oft  mit  moralphilosophischen  Exkursen 
durchsetzt,  und  den  jungen  gährenden  Most  seines  frisch  gewonnenen  Wissens, 
naiven  Stolzes  voll,  in  hunderten  glossierter  Zitate  überschäumen  lässt,  sollte 
man  ihm  verzeihen,  statt  seine  Weitschweifigkeit  immer  wieder  zu  tadeln  {super- 
flua  abundancia,  copia  de  palavras  poeticas  e  metaphoricas). 

97.  Zurara's  Chronik  von  der  Eroberung  Ceuta's  ward  1460  in  ganz 
freier  lat.  Bearbeitung  unter  Verwertung  mancher  dort  nicht  benutzten  Einzel- 
heiten, als  »Gesia  Johannis  de  hello  SeptenshO  vom  Lehrer  Alfons' V.,  und  dessen 
Geheiss  gemäss,  Sallust  nachahmend,  ausgeführt.  Auch  sollte  derselbe  noch 
die  weiteren  afrikanischen  Ereignisse  behandeln,  woran  der  Tod  ihn  hinderte. 
Man  wird  im  Magister  Mathe us  de  Fisano^  wahrscheinlich  den  am  engl. 
Hofe,  beim  Schwager  Johann's  L  auferzogenen  Sohn  der  berühmten  Christina 
erkennen  dürfen,  deren  Balladen  und  Lieder  bis  nach  Spanien  und  Portugal 
gedrungen  waren. ^ 


*  Sein  Kollege  Pisanus  sagt  von  ihm:  dum  maturae  jam  aetatis  esset  et  nullam 
litteram  didicisset,  adeo  scientiae  ctipiditate  flagravit,  quod  confestim  effectum  est,  ut  boniis  gram- 
matictis,  iwbilis  astrologus  et  magnus  historiographtis  evasisset. 

*  Bibliothecario  del  Rey ;  Chronista-mör  und  Gtiarda-mör  da  Torre  do  lombo.  Als  Ver- 
walter des  Staatsarchives  fertigte  er  kurze  Resumes  aller  wichtigeren  Dokumente  aus  der 
Zeit  Peters  bis  Johann's,  die  es  verschuldet  haben,  dass  viele  von  den  Originalen  un- 
beachtet verkamen. 

'  Gedr.   1644  mit  den  beiden  ersten  Teilen. 

*  Gedr.   1793  in  huditos  III. 

*  Also  vor  Ca-da-Mosto  und  R  a  m  u  s  i  u  s. 

*  Ckrotiica  do  Descobrimcnto  e  cotiquista  da  Guine,  gedr.  1841  zu  Paris  vom  Vis- 
conde  de  Santarem,  nach  dem  schon  oben  (p.  248  Anm.  1)  besprochenen  schönen  Code.x. 
der  1457.  dem  Anschein  nach,  an  Alfons  v.  Neapel  gesandt  ward,  und  später  als  Erbe  in  den 
Besitz  des  Herzogs  v.  Calabrien  überging;  1600  in  Valencia  von  Frey  Luis  de  Sousa 
gesehen  ward,  1702  in  der  Bibliothek  des  Lucas  Cortez  stand,  und  1 837  von  F.Denis 
in  Paris  entdeckt  wurde  (No.  236  des  Supplement  f rang.)  S.  Denis,  Chroniqtus  Cheval.  II 
p.  43  und  vgl.  Boletim  Bibliogr.  I  47  -  49- 

"^  Ineditos  I,    1790  nach  Ms.  Penalva. 

*  Laut  Z  u  r  a  r  a  war  er  poeta  laureado  e  hum  dos  soficientes  philosophos  e  oradores  qne 
em  setis  dias  concorreram  na  christandade. 

*  S.  Vision  de  Christine,  wo  die  Mutter  einen  ihrer  zwischen  1380  und  88 
geborenen  Söhne  als  bei,  gracieux,  aperte,  soubtil  und  tüchtig  in  Rhetorik  und  Poetik  schildert, 
klüglich  ist,  dass  der  Infant  D.  Pedro  ilm  I428  in  England  kennen  lernte  und  hernach  nach 
l'ortugal  berief  (1436).    -    S.  Braga,  Poet.  Pal.  p.   186— 189. 

(JkObkr,  (Jriindri-is.      IIb.  \~^ 


358    LriTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    4.    PORT.    LlTT. 

98.  Ray  de  Piiia  (geb.  vor  1440,  gest.  nach  1521;!  erlangte  unter 
König  Emanuel  (1497)  den  Posten  als  Archivar  und  Chronist,  nachdem  er 
vorher  afs  Kabinets-Sekretär  Johann's  IL,  als  Gesandtschaftssekretär  und  selb- 
ständiger Botschafter  in  Spanien  (1482,  1483,  1493)  und  Rom  (1484)  mit 
wichtigen  Missionen  betraut,  Proben  seiner  Tüchtigkeit  abgelegt  hatte.  Mit 
Zugrundelegung  der  Zurara'schen  Manuskripte,  die  z.  T.  noch  zu  Aufzeich- 
nungen des  ersten  Reichshistoriographen  zurückgreifen  mögen,  redigierte  er  die 
Chronica  de  D.  Duarte  und  Affonso  V.,"  und,  ganz  selbständig,  die  Chronik 
Johann's  IL,  die  sein  wesentlichster  Ruhmestitel  ist.  ^  Würdevoller  als  Lopes, 
massvoller  als  Zurara,  hält  er  sich  gleich  fern  von  Schmeichelei  wie  anmassender 
Kritik,  und  spricht  eine  edle,  ob  auch  mit  Adjektiven  etwas  zu  freigebige 
Sprache.  Er  unternahm  auch  noch  die  Darstellung  der  Indischen  Grossthaten 
unter  Emanuel,  vom  Könige  und  seinen  Helden  (worunter  auch  Albuquerque) 
mit  Geschenken  überreich  »belohnt« ;  konnte  seinen  Plan  aber  nicht  zu  Ende 
führen.  An  die  Chroniken  der  ersten  7  Könige  hat  er  Hand  gelegt,  und  die 
Nachwelt  hat  sie,  mit  Ausnahme  der  allerersten,  unter  seinem  Namen  ver- 
öffentlicht.* Diese,  über  Affonso  Henriques,  war  von  Duarte  Galväo,  auch 
einem  bei  Hofe  gut  angeschriebenen  Edelmann,  der  als  Gesandter  Rom,  Deutsch- 
land und  Frankreich  betreten  hatte  und  in  Abessynien  auf  einer  Missionsreise 
starb,  bereits  unkritisch  reformiert  und  mit  unglaubwürdigen  Sagen  ausgeschmückt 
worden. 5  Aus  Pina's  Chronik  Johann's  IL  zog  Garcia  de  Resende,  dem 
wir  noch  oft  begegnen  werden,  alles  Wesentliche  aus,  fügte  manches  Selbst- 
geschaute  und  Erlebte  hinzu,  und  gab  seinem  kurzen  Auszug  eine  leichte  ge- 
fällige Form,  die  ihr  raschen  Anklang  verschaffte.^ 

99.  Die  Chronica  do  CondestaveP ,  von  ihrem  unbekannten  Verfasser  mit 
Vorbedacht  y>Estoria«  betitelt,  erzählt,  ohne  Angabe  jeglicher  Jahreszahl ,  in 
ansprechender  Einfachheit,  den  Lebenslauf  des  NunoAlvaresPereira  (1362 
bis  1432)  von  den  frühesten  Jugendjahren  mit  ihrem  halb  mystischen,  halb 
romanhaften  Galaaz-Kultus,  durch  das  heldenhafte  Mannesalter,  bis  zur  letzten, 
wieder  halb  mystischen  Klosterzeit  im  Lissabonner  Carmo.  Verfasst  ward  sie 
jedenfalls  bald  nach  seinem  Hinscheiden.  Übrigens  wiederholen  die  Ferdinands- 
und die  Johannes-Chronik  Dutzende  von  Kapiteln  daraus.  Untersucht  ward 
die  Frage  noch  nicht,  ob  die  Estoria  ein  bereicherter  Ausschnitt  aus  Fernam 
Lopes  ist,  oder  ob  dieser  Historiker  bereits  jene  benutzte.  Das  letztere  scheint 
mir  der  Fall  zu  sein. 

IOC.  Ebenso  schön,  und  trotz  aller  Schlichtheit  durch  ihren  Inhalt  er- 
greifend, ist  die  Chronica  da  Sancto  e  virtuoso  iffante  D.  Fernando^  welche  Frei 

*  Über  das  Leben  Pina's,  der  zuerst  als  escudeiro,  dann  als  Cavalleiro  da  Casa  de 
D. Manoel auftritt,  sehe  man,  nächst  Barb.  Mach.,  und  den  Einleitungen  zu  den  akademischen 
Chronikenausgaben  {Inediios  I  und  IV),  das  Düc.  da  Academia  p.  CLXVUl ;  Panorama  III  346. 
Resende,  D.  Jocb  II  cap.  34.  45-  57-  164.  165.  213  und  Pina,  D.  Joäo  cap.  8.  14. 
20.  58.  72;  über  seine  Weike  auch  DamiTio  de  Goes,  D.  Manoel  IV  cap.  37. 

^  Beide  in  Ineditos  I,  also   1790. 
^  Ineditos  II   1792. 

*  Die  ersten  5  erschienen  1726  bis  1729  bei  M.  Lopes  Ferreira;  die  letzte  (über 
D.  Affonso  IV.)  war  schon  1653  von  Paulo  Craesbeeck  gedruckt  worden.  Unter  Gal  väo's 
Namen  kui'siert  auch  ein  geographisches  Büchlein :  Compendio  e  Summario  das  Grandezas  e 
cousas  notaveis  de  Enfre- Douro-e-Minho  (gedr.  1606,  zusammen  mit  der  Chronica  de  D.  Affonso 
Henriques,  worüber  Inn.  da  Silva  I  78  und  VII  19 1  nachzuschlagen  ist);  doch  wird  es 
mit  mehr  Fug  und  Recht  auch  Mestre  Antonio,  dem  königl.  Leibarzt,  zugesprochen. 

*>  Dicc.  da  Acad.  p.  CXXIII  und  Panorama  III  330.     Gedr.   1727 

*  Sein  y>Lyvro  .  .  .  que  trata  da  vida  e  gratidissimas  virtudes  e  bodades  .  .  .  do  Principe 
Do  Joäo  0  segundo«.  erschien  1545  und  i554.  und  als  ^Chronicav.  1596.  1607.  1622.  1752. 
1798. 

''  Gedr.    1526.   1554  und   1848. 

^  Gedr.  zu  Liss.   1527,  (doch  leider  ir.  der  verbesserten  Textgestalt  eines  J  er onymo 


Chroniken  des  Ruy  de  Pina  und  Joam  Alvares.  259 

Joam  Alvares,  der  Geheimschreiber  des  edlen  standhaften  Prinzen,  verfasste, 
einer  der  7  Getreuen,  welche  die  Gefangenschaft  mit  jenem  teilten  (1438 — 42), 
seines  Wahlspruches  eingedenk :  »Le  bien  nie  plaiH,  und  zugleich  der  erste,  der 
sterbliche  Überreste  von  ihm  nach  der  Heimat  brachte.  Später  ward  er  Abt  in 
dem  altertümlichen  Pa(o-de-Sousa-¥Ao'äi^x^  reformierte  dort  die  entartete  Mönchs- 
zucht; und  sandte  den  Brüdern,  als  wahrer  Seelsorger,  erbauliche  Briefe,  in 
origineller  Fassung,  als  er  nach  Flandern  und  Burgund  zu  reisen  hatte, 
und  von  dort  weiter  bis  nach  Rom,  als  Sendbote  der  Schwester  des  In- 
fanten, um  von  Papst  Paul  IL  die  Kanonisation  des  in  Afrika  Geopferten 
zu  beantragen  (1468 — 70) J  Und  mit  den  Briefen  schickte  er  Bücher:  das 
erste  Exemplar  der  y>Imitatio  Christi<(.,  sowie  die  1 5  sogenannten  Augustinischen 
Sertnones  ad  fratres  in  eremo.  Auch  übersetzte  er  ihnen  die  lat.  Texte,  und 
die  Ordensregel,  sich  dabei  allzu  stark  latinisierter  Worte  und  Sätze  bedienend.- 
loi.  Nach  Inhalt  und  Sprache  gehören  noch  an  diese  Stelle  die  Indien- 
briefe, welche  der  grosse  Alb u quer que  an  seinen  König  richtete. ^  Meisthin 
betreffen  sie  ja  nur  spezielle  Verwaltungsfragen,  enthalten  also  wenig  Allgemeines, 
und  interessieren  vorwiegend  den  Historiker  und  Kulturhistoriker;  dochgiebt  ihnen 
die  altertümliche  und  durchaus  populäre,  mit  origineller  Eigenmacht  gehand- 
habte Redeweise  ein  bemerkenswertes  Gepräge.  Schon  Joäo  de  Barros  hatte 
von  Albu  quer  que  geäussert:  era  hörnern  de  muitas  grafas  e  motes  .  .  .  Irazia 
grandes  anexins  de  ditos  pera  comprazer  äs  gentes  ...."*  Wie  treffend  wahr 
das  ist,  zeigen  die  Briefe.  Aus  den  paar  Verslein,  welche  er  improvisierte, 
solange  er  bei  Hofe  lebte  und  liebte,  hätte  man  das  nicht  entnehmen 
können.^ 

III.  KASTILISCH-PORTÜGIESISCHE  PALLAST-DICHTER  (1448- 1516). 
A)    der   CONDESTAVEL    D.    PEDRO    DE    PORTUGAL.*' 

102.  Ich  gebe  diesem  Dichter  eine  Sonderstellung  abseits  von  der  Schaar 
aller  übrigen  eigentlichen  Pallastdichter,  und  das  nicht  bloss  weil  der  wertvollste 
Teil  seiner  Werke  in  das  Allgemeine  Liederbuch  nicht  aufgenommen  ward. 
Sein  Platz  ist  auf  der  Schwelle  der  neuen  Dichtungsepoche.  Einerseits 
schliesst  er  sich  noch  unmittelbar  an  die  älteren  moralphilosophischen  Pro- 
saisten an.     Er  reicht  D.  Duarte  und  D.  Pedro  die  Hand,    deren  Wissens- 


Lopes),  1577  in  neuer  Überarbeitung  von  Frey  Hieronynio  de  Ramos,  und  1730. 
Auch  hier  hat  also  die  Textkritik  noch  untersuchend  einzugreifen.  Deutsch  von  Olfers  als 
»Leben  des  standhaften  Prinzen«,  Berlin  und  Stettin   1827. 

1  J.  P.  Ribeiro,  Dissertaföes  I,  Doc.   109,  p.  364—379. 

*  Panorama  I  p.    lOl. 

'  Bis  jetzt  sind  nur  die  ersten  I14  gedruckt:  Carlas  de  Affonso  de  Albuqtierijue,  Liss. 
1884. —  Nächst  seinem  Sterbebriefe  denke  ich  in  meine  Chrestomathie  eii;e  Reihe  seiner 
tief  ins  Fleisch  schneidenden  Kraftworte  über  Menschen  und  Dinge  aufzunehmen. 

*  Dec.  II,   10  cap.  8. 

*  Caru.  dt  Res.  III  198.  204.  247;  vgl.  208.  241  und  562.  Daran  dass  er  (und 
nicht  sein  Sohn  Bras)  der  Dichter  ist,  braucht  nicht  gezweifelt  zu  werden. 

®  Es  ist  dies  der  vierte  portug.  Fürst  Namens  Pedro,  dem  der  Leser  hier  begegnet. 
Eingedenk  der  Thatsache,  dass  alle  vier  auch  von  vorsichtigen  Männern  auffallend  oft  mit  ein- 
ander verwechselt  werden,  zähle  ich  sie  noch  einmal  auf:  1)  der  Genealogiker  und  vermeintliche 
Verfasser  der  Travas,  D.  Pedro  Graf  v.  Barcellos,  c.  1289  — 1354,  von  dem  auf  S.  179-  187. 
210  die  Rede  war;  2)  König  Peter  I.  der  Grausame  132O— 1367,  mit  dem  wir  uns  auf 
S.  119.  164.  231.  247  beschäftigten;  3)  der  vielgereiste  Infant  und  Prinz-Regent  1390— 1449, 
über  den  S.  119.  l64und244 — 248  Auskunft  gaben;  4)  sein  Sohn,  der  Condestavel  1429  — 1466, 
auf  den  schon  sehr  oft  (z.  B.  119  und  228)  hingewiesen  ward.  Dazu  kommen  noch  (wie 
p.  179  Anm.  3  zeigte)  5)  Peter  I.  der  Grausame  v.  Kastilien  (1350  — 1369)  und  6)  Peter  IV. 
von  Aragon  (1366,  und  nicht  1356,-1387),  sowie  7)  der  sehr  viel  ältere  D.  Pedro  de 
AmgOM,  der  Bruder  der  heiligen  Elisabeth  (s.  p.   188). 

17' 


2  6o    LlTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.   PORT.    LiTT. 

drang  und  Sittlichkeitsideal,  und  deren  Elirt'urcht  vor  der  Antike  er  teilt.  Und 
wie  sie,  pflegte  er  selber  noch  die  Prosa  fast  mit  grösserem  Eifer  und  Erfolg  als 
die  Dichtkunst.  Andererseits  aber  tritt  er  als  der  Herold  des  neuen  Stils  auf. 
Er  ist,  meiner  Auffassung  nach,  der  erste  Portugiese,  der  eine  Scheidelinie 
zieht  zwischen  Reimerei  und  Poesie  [poetria) ,  seinen  Dichterberuf  ernst 
nimmt,  und  nicht  mit  Worten,  Bildern  und  Reimen  spielt;  der  erste,  der  nicht 
trovador,  sondern /(^r/r/  sein  will;  der  erste,  der  aus  der  Antike  hergeholte 
Schulbegriffe  wie  Satira  und  Tragedia  benutzt  und  erörtert ;  der  erste,  der  es 
unternimmt  Allegorien  anzuwenden,  ein  grosses  Poem  aufzubauen,  dasselbe 
mit  philosophischem  Gedankeninhalt  zu  füllen,  und  Klänge  aus  der  altersgrauen 
Vorzeit  hinein  zu  weben ;  der  erste  auch,  der  den  epischen  Vers  der  Kastilianer 
in  grösserem  Massstab  anwendete ;  der  erste,  der  eine  Cancion  nach  dem  in 
Spanien  fixierten  musikalischem  Schema  fertigte;  der  erste  (wie  schon  wieder- 
holt gesagt  werden  musste),  der  sich  dichtend  des  Kastilischen  bediente; 
der  erste,  der  Dante  nachahmend,  seine  Kinderliebe  zu  verherrlichen  unter- 
nahm und  überhaupt  der  Minne  Qualen,  fühlend,  besang;  der  erste,  welcher 
Santillana,  Mena,  Manrique  und  Padron  zu  Vorbildern  Wählte ;  der  erste, 
der  Macias  verherrlichte ;  der  erste  .  .  .  Doch  es  sei  genug !  Aus  dem  gesagten 
erhellt  bereits,  dass  der  Condestavel  für  die  portug.  Litteratur  in  mehr  als 
einer  Beziehung  wichtig  ist,   obschon  er  zum  eigentlichen  Nationalschatze  nur 

3  kleine  Lieder  beigesteuert  hat. 

Einige  Worte  über  sein  Leben  sind  unerlässlich ,  um  das  Verständnis 
seiner  Dichterart  vorzubereiten,  i  Kraft  seiner  Geburt,  als  Sohn  eines  In- 
fanten, heisst  er  eigentlich  nur  »O.  Senhor  D.  Pedro«.  Doch  hat  man 
ihn  oft  auch  Infant  geheissen.  Kraft  seiner  Würden  war  er  Condestavel 
de  Portugal  und  Rei  de  Aragäo.  Die  unpassende  und  zweideutige  Be- 
zeichnung D.  Pedro  de  Aragäo  sollte  man  jedoch  sorglich  vermeiden.  Geboren 
1429  von  aragonesischer  Mutter  (Urgel),  1443  zum  Kronfeldherrn,  1444  zum 
Ordensmeister  von  Avis  erhoben,  doch  erst  1445  zum  Ritter  geschlagen,  durch 
den  »Seefahrer«,  als  er  an  der  Spitze  von  5000  Mann  dem  König  von 
Kastilien  zu  Hülfe  entsendet  ward  gegen  den  (mittlerweile  bei  Olmedo  aufs 
Haupt  geschlagenen)  aufrührerischen  Adel,  hatte  D.  Pedro  Gelegenheit  am 
span.  Hofe  Johann's  IL,  in  den  »salas«,  und  im  Verkehr  z.  B.  mit  Alvaro 
de  Luna,  sich  für  den  neuen  Stil  zu  erwärmen.  Heimgekehrt,  sang  der 
Frühverliebte,  dem  vom  Vater  noch  im  Speziellen  die  ritterliche  Pflicht 
überkommen  war,  die  Frauen  mit  Schwert  und  Feder  zu  ehren 2,  einige  kleine 
Canciones,  widmete  sich  dann  aber  in  Aviz  ernsten  litterarischen  Studien,  bei 
deren  romanistischem  Teile  Santillana's  berühmtes  Sendschreiben  ihm  Führer 
ward.  Diese  friedliche  Beschäftigung  ward  1449  gewaltsam  unterbrochen. 
Der  Ehren  und  Güter  beraubt,  flüchtete  der  Vaterlose  nach  Kastilien.  In  den 
7  bis  8  Jahren  seiner  Verbannung  schrieb  er  seine  Werke.  Als  er  1457  heim- 
kehren durfte,  blieb  er  in  der  Nähe  Alfons'  V.  und  geleitete  ihn  1458  und  1463 
nach  Afrika.  InCeuta  suchte  ihn  eine  katalanische  Gesandtschaft  auf,  um  ihm  die 

'  S.  Sousa,  Hist.  Gen.  II  p.  84  und  Provas  II  18;  Soares  da  Silva,  Memorias 
Bd.Iundll;  Zurita,  Anales  de  Aragon  XVIII  fl.  147  v. ;  Crottica  de  D.JuanW,  Kx\o  1445, 
cap.  10  —  16;  Zurara,  Guine  p.  234;  Santa  rem,  Quadro  III  99  — lOl;  Octavio 
'de  Toledo,  El  Dtujne  de  Coimbra  y  sii  hijo  el  Condes table  in  Rev.  Occidental  I  p.  295 
bis  315;  A.  Balaguer  y  Merino,  Don  Pedro  el  Cotidestable  de  Portugal  considerado 
como  escritor ,  erudito  y  anticuario ,  Gerona  1881 ;  Romania  XI  p.  154;  Braga,  Questoes 
p.  136;  D.  Jose  Coroleu  e  Inglada,  El  Condestable  de  Portugal  rey  intrus  0  de  Cata- 
luna  in  Revista  de  Garona,   1878. 

*  Als  Philippa  de  Lencastre  auf  dem  Totenbette  ihren  nach  Ceuta  segelnden  Söhnen 
die  Schwerter  einhändigte,  weihte  sie  D.Pedro  zum  Beschützer  der  Frauen.  Bei  seinem 
Sohne  kommen  oft  Ausdrücke  vor  wie  .  .  .  »el  feminil  linage,  a  quien  yo  tanto  soy  temido , 
e  loar  dcvo<.'.. 


Pallast-Dichter.    Condestavel  D.  Pedro  v.  Portugal.  261 


aragonesische  Krone  anzubieten.  Am  20.  Januar  1464  traf  er  in  Barcelona 
eil,  und  entfaltete  allsogleich  vielseitig  rührigste,  friedliche  Thätigkeit.  Dennoch 
miusste  er  zum  Schwert  greifen  wider  den  Gegenkönig,  obwohl  bereits  kränkelnd ; 
erlitt  1466  bei  GranoUers  eine  Niederlage  und  starb  gleich  darauf,  nicht  an 
Gift,  wie  man  behauptet  hat,  sondern  schwindsüchtig.  Allüberall,  in  der 
Liebe  wie  auf  dem  Throne  hatte  er  —  ein  Liebling  der  Götter  —  a  mais  for- 
mosa  hem  proporciotiada  creatura  que  entäo  se  sabia  no  mundo^  gefunden  was  er 
gesucht:   >->paine  pour  joie«A 

103.  D.  Pedro  hinterliess  drei  grössere  aus  »Prosa  und  Metrum«  ge- 
mischte Werke  in  spanischer  Sprache,  und  einige  kleine  Lieder,  von  denen 
schon  gesprochen  ward  (§  75).  Die  seinem  Urgrossvater  zugeschriebenen 
motes  (Tamores  stammen  höchstwahrscheinlich  aus  der  Zeit  seiner  jungen  Pagen- 
liebe, also  aus  den  Jahren  1443  bis  1448;  und  da  eine  der  vier  im  Cancioneiro 
Geral  aufbewahrten  Proben  kastilisch  abgefasst  ist,  gehören  sie  wohl  in  die 
Zeit  nach  dem  ersten  Aufenthalt  in  Spanien,  d.  h.  nach  1445:  ich  halte  sie,  wie 
schon  angedeutet  ward,  für  die  frühesten,  Portugal  gehörigen  Canciones.-  Drei 
weitere,  in  einem  span. Liederbuch  (VII-A-3  der  kön\g\.  Bibl.  Patrimonial)  stehende 
Liederthemen  reden  daselbst  eine  so  verderbte  Mischsprache,  dass  man  nicht 
weiss,  ob  man  sie  kastilisch  oder  portug.  lesen  soll.^  Diese,  und  ähnliche 
andere  verlorene  »hübsche  Sächelchen«  sind  vermutlich  die  algunas  cosas  gentiles, 
welche  Santillana  zu  sehen  bekam,  ehe  er  seine  eigenen  Werke  einsandte. 
Auf  Poemas  passt  die  Bezeichnung  nur  schlecht.  ^  Das  älteste  der  Gedichte 
ist  betitelt:  »Satira  de  felice  e  infelice  vida«,  d.  h.  »Mahnworte  über 
Lebensglück  und  Unglück«.^  Der  18  Jahre  und  8  Monde  zählende  Autor 
klagt  darin  verzweifelnd  über  die  Hartherzigkeit  seiner  kleinen  Beatrice,  der 
er  bereits  fünf  Sommer  lang  gehuldigt.  Sein  Verstand  {discrecion)  tadelt  ihn 
darob.  Er  aber  flieht,  taub  gegen  jeden  Rat,  voller  Selbstmordgedanken,  in 
einen  abgelegenen  Garten.  Sieben  Frauen  erscheinen  ihm,  natürlich  Tugenden, 
und  hadern  mit  seiner  törichten  Leidenschaft.  Drei  davon :  Vorsicht  ^=  Pnidencia, 
Sittsamkeit  =  Honestidad,  und  frommer  Sinn  =  Piedad,  die  Schutzpatroninnen 
des  weiblichen  Geschlechts,  entschuldigen  und  rechtfertigen  das  holde,  spröde 
(übrigens  ungenannte)  Kind.  Sein  Unstern  allein  ist  Schuld  an  seinem  traurigen 
Loos.  —  Das  an  sich  nicht  sehr  bedeutende  Werk  kann  man  eine  halbgelehrte, 
halbsentimentale,  allegorische  Novelle  nennen.  Der  verkünstelte  metaphorische 
Prosastil,  voll  guter  und  schlechter  Latinismen,  erinnert  mächtig  an  den  Siert)o 
librc  de  a?/wr  desRodriguez  del  Padron. -^  Der  Prosa  folgen  pathetische, 
nicht  minder  preziöse  Verse  (»^/ /w/r^«,  wie  der  Dichter  sie  bezeichnet):  20 
Doppel-Vierzeiler  mit  einem  Halbvers  als  Bindestrich  (abab.c.cddc)  und  4  octavas. 


'  So  lautet  die  Seele  seiner  Devise  auf  Bauwerken  in  Aviz  und  Barcelona,  in  seinen 
Büchern  und  auf  seinen  Manuscripten.  Der  Körper  derselben  ist  eine  Fortuna  auf  dem 
(jlücksrade,  natürlich  verbundenen  Auges.  Die  in  Portugal  verbreitete  Übersetzung  -»Modestia 
por  alegriaa.  ist  selbstverständlich  unannehmbar. 

^  Im  Canc.  de  Res.  1  67-69  stehen  die  portug.  Cantigas:  Maes  dina  de  ser 
servida;  Onde  acharäo  folganga;  Oh  desejosa  folganga,  und  die  span.: 
Buen  deseo  me  envia. 

'  Im  Canc.  Nieva  finde  ich  drei  (aneinander  gereihte)  Fragmente:  Betndirei  d'amor, 
Ell  Unlw  vo7itade  und  0  airior  me  dizia.  Vgl.  A.  de  los  Rios  VII  74;  VI  590  und 
Braga,  Poet.  Pol.   127  und   i;^2. 

*  Satira,  so  erkläi't  er,  qtiiere  dezir  reprehension  con  aninw  amigable  de  corregir ! 

*  Als  ganz  kurze,  doch  charakteristische  Probe  des  Stils  diene  die  Überschrift: 
Sigiie-se  la  epistola  a  la  7tmy  famosa,  muy  excelente  princesa,  miiy  devota,  mtiy  zdrtiwsa  e  per- 
feita  Senora  D.  Isabel  par  la  deifica  mono  Reyna  de  Portugal,  gnui  sehoi-a  en  las  libianas 
partes  embiada  por  el  en  su  obediencia  mettor  hermaiio  e  en  deseo  perpetuo  tnayor  servidor.  Die 
konstante  Voranstellung  der  durch  adverbielle  Bestimmungen  noch  erweiterten  Adjektive 
giebt  dieser  Schreibart  ein  germanisch  aiunutendes  Gepräge. 


202    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  ±.    PORT.    LiTT. 


Ausserdem  gehören  zum  Texte  78  umfangreiche  Glossen,  nach  Art  derer,  mit 
welchen  Santillana  seine  Proverbios  und  Gomez  Manrique  seine  Conso- 
latoria  versah.  Sie  behandeln  alle  dem  portug.  Leserkreise  damals  noch  fern- 
stehenden und  daher  ohne  Kommentar  unverständlichen  Gestalten  und  Dinge 
der  klassischen  Sagenwelt.  Für  den  modernen  Forscher  sind  die  wichtigsten 
diejenigen,  welche  Peninsulares  betreffen  (d.  h.  die  Glossen  über  Ardanlier, 
Macias,  S.  Isabel,  und  den  Autor  selbst  s.  v.  tierna  edad,  sowie  seinen 
Vater  und  seine  Familie).  Dass  die  Satira  ein  Erstlingswerk,  ein  tastender 
Versuch  ist,  würden  Inhalt  und  Form  verraten,  auch  wenn  es  nicht  aus- 
drücklich gesagt  wäre.  In  der  Widmungsepistel  an  seine  Schwester,  Portugals 
junge  Königin  Isabella,  erklärt  D.  Pedro,  wie  er  seine  Leidensgeschichte 
—  el  primer  fruio  de  mis  e studio s ,  .  .  .  las  primicias  de  mis  cuidados  — 
spanisch  redigiert  habe,  weil  verbannt  unter  Spaniern  lebend,  halb  widerwillig 
{mas  costrenido  de  la  necesidad  qiie  de  la  voluntad),  halb  getröstet  durch  die 
Voraussicht,  die  Neuheit  seines  Unternehmens  müsse  gefallen.  Als  die 
Katastrophe  von  Alfarrobeira  ihm  Familie  und  Heimat  raubte,  war  nämlich 
sein  Werk  —  seit  August  48  —  bereits  in  portug.  Fassung  fertig  gewesen,  die 
Glossen  nur  zur  Hälfte.  Die  spanische  Überarbeitung  mag  er  etwa  1453 
beendet  haben,  jedenfalls  vor   1455.  ^ 

Seine  zweite  Leistung  bezeichnet  einen  merklichen  Fortschritt.  Sic 
besteht  in  einem  moralphilosophischen  Lehrgedicht,  mit  Anruf  an  Minerva 
und  stilgcmässen  Gleichnissen  {exemplificaciones  nr\&  comparaciofies):  De  Con- 
tcmptu  Mundi.  In  125  Oktaven,  oder  1000  Zeilen,  —  niil  versos^  die  im 
Titel  eine  Rolle  spielen 2  und  sofort  an  die  Trecientas  des  Mena  ge- 
mahmen  — ,  philosophiert  der  durch  Unglück  gefeite  Prinz  über  die  Nichtig- 
keit alles  Irdischen ,  nach  einander  alle  Lebensgüter  auf  die  Wagschale  der 
Kritik  legend :  Reichtum  ,  Macht ,  Ehren  ,  Fürstengunst ,  Sinnenlust ,  Geburts- 
adel, Schönheit,  Kindersegen,  Jugend,  Popularität,  Kraft,  Langlebigkeit  und 
Freundschaft,  und  sie,  weil  vergänglich,  zu  leicht  befindend,  um  hinterher 
Gottesliebe  und  Gottesfurcht  als  einzigechtes  Gut,  die  Tugenden  aber  als 
Staffeln  dazu  vorzufiihren.  Auch  zu  diesem  Gedicht  gehören  Dutzende  von 
grundgelehrten  Prosaglossen ,  unter  denen  wiederum  einige  die  Halbinsel  be- 
treffen {Alvaro  de  Luna,  und  das  portug.  Fürstenhaus).  Der  Dichter  schrieb 
das  auf  einem  Ritt  nach  Medina  ersonnene  Werk  im  Jahre  1455  nieder,  und 
widmete  es  mit  einem  Prolog  seinem  kunstsinnigen  Schwager  Alfons  V.,  wie 
eine  in  Madrid  aufbewahrte  Hs.  vom  Jahre  1457  beweist  (M.  69;  70  fl.).^  Dies 
achtungswerte  Denkmal  eines  edlen  Geistes,  der  die  höchsten  und  wichtigsten 
praktischen  Wahrheiten  zu  seinem  Eigentum  gemacht  hat,  scheint  in  weiteren 
Hss.  verbreitet  worden  zu  sein,  und  fand  so  viel  Anklang,  dass  es  noch  im 
15.  Jh.  ein  Mal  (vielleicht  auch  mehrmals)  gedruckt  ward  und  später  weitere 
(3)  Abdrücke  erlebte.  •*     Trotz  dieser  seltenen  Gunstbezeugung   hat  die  Litte- 


1  Die  einzige  bekannte  Hs. ,  eine  1468  in  Katalonien  von  Cristofol  Bosch 
librater  hergestellte  Abschrift,  ruht  in  Madrid  (Bibl.  Nac.  P.  61.,  72  fl.).  Sie  ward  benutzt, 
von  A.  de  los  Rios  VII  80—86,  Oct.  de  Toledo  zu  Rev.  Occidental  l  p.  307  — 312 
und  A.  Paz  yMelia  zu  seiner  Ausgabe  des  Padron  fÄM^/öj  XXII;  s.  p  400—401  und 
passini).  —  Neuerdings,  1892,  veröffentlichte  der  letztgenannte  span.  Gelehrte  den  Text  der 
Satira,  mit  Ausschluss  der  Glossen,  die  er  für  wertlos  hält  {Bibliofilos  XXIX). 

^  Coplas  fechas  por  el  niuy  illustre  Senor  hifante  Doti  Pedro  de  Portogal  en  las  quales 
ay  mil  versos  con  sus  glosas,  contenientes  del  menosprecio  e  coiiiempto  de  las  cosas  ferniosas  del 
mundo :  e  demonstrando  la  stt  vana  e  fehle  beldad. 

'  Sie  scheint  verschieden  von  einer  Hs.  von  153  Seiten,  welche  Mendez  (oder 
Hidalgo?)  besessen  hat. 

*  Sechs,  acht  und  neun  Jahre  nachdem  der  Buchdruck  in  Basel  erfunden  ward,  soll 
es  in  Bänden,  die  weiterer  Daten  entbehren,  veröffentlicht  worden  sein.    Wie  es  sich  damit 


CONDESTAVEL    D.    PeDRO   V.    PORTUGAL.  263 


raturgeschichte  bis  vor  ganz  kurzem  nicht  gewusst,   dass  der  Condestavel  der 

Verfasser  ist.  Der  Leser  weiss  bereits  (aus  ^87)  dass  Garcia  de  Resende 
15 16,  den  Sohn  mit  dem  berühmteren  Vater  verwechsehid,  zu  dem  echten  alten 
Titel  »Coplas  fechas  por  el  inuy  illustre  Senor  InfatUe  D.  Pedro  de  Portugal« 
den  falschen  Zusatz  beifiigte  -»fylho  del  rey  dorn  Joam  da  gloriosa  memoria'^, 
und  dass,  auf  seine  Rechtlichkeit  bauend,  die  Nachwelt  bis  1876  diese  Angabe 
wiederholt  hat  1,  und  noch  wiederholt.  Auch  über  die  Glossen  dazu  verbreitete 
man,  seit  Barbosa  Machado,  falsche  Gerüchte,  sie  dem  spanischen  Heraus- 
geber Antonio  d'Urrea  zuschreibend. - 

Das  letzte,  reifste  und  schönste  Werk  des  Fürsten,  die  Tragedia  de  la 
insigne  Reyna  D.  Isabel,  ist  dem  frühen  und  jähen  (vielleicht  gewaltsamen) 
Tode  der  verehrten  Schwester  geweiht  (f  1455).  Es  ward  2  Jahre  nach 
dem  Ereignis  beendet ,  und  an  den  gleichfalls  der  Heimat  entrissenen, 
jüngeren,  liebenswerten  Bruder,  Kardinal  D.  Jaime  nach  Florenz  entsendet, 
der  kurz  darauf  in  S.  Miniato  al  Monte  sein  herrliches  Renaissance  -  Marmor- 
grab fand,  seinem  Motto  treu:  Malo  mori  .  .  .  .'^  Das  in  Erzählungen,  Ge- 
sprächsszenen und  eingestreute  Gesänge  zerfallende  und  somit  thatsächlich 
eine  Art  dramatischer  Gewandung  tragende,  aus  8  prosaischen  und  8 
metrischen  Abschnitten  bestehende  Werk  ^  erinnert  zwar  an  andere  peninsulare 
Totenweihen  und  erweist  sich  durch  den  Titel  Tragedia  als  gegensätzliche 
Nachbildung  der  Co?nedieta  de  Ponza^  indirekt  also  (wie  die  Gesamtheit  der  alle- 
verhält, lässt  sich  zunächst  niclit  entsclieiden,  da  die  vor  1755  benutzten  Exemplare  (lauter 
iinica)  beim  Erdbeben  abhanden  gekommen  sind.  Die  gleichfalls  datenlose  Ausgabe,  von  welcher 
heute  noch  ;{  Proben  vorhanden  sind  (zu  Liss.  in  der  Nat.-Bibl.,  in  Madr.,  und  in  der  Bibl. 
^alvä),  stammt  ansciieinend  aus  dem  Jahre  1478  und  aus  dem  Orte  Barcelona.  S.  Mendez- 
Hidajgo,  Tipograßa  p.  b% — 69;  Sa  Iva  No.  854  und  179;  Ericeira,  Menwrias  da  Acad. 
Hist.  1724  No.  23  p.  7;  Ribeiro  dos  San  tos  in  Memorias  de  Litter  ahira  1856 
VIII  62 — 65.  Die  späteren  Ausgaben  sind :  15 16  (Canc.  de  Res)  \  1730  Soares  da  Silva, 
Memorias  de  D.  jfoäo,  Bd.  II  463;  und   1852  (Canc.  de  Res.). 

'  Die  falsche  Angabe,  der  Infant  D.  Pedro  habe  das  Weltverachtungs-Poem  ge- 
sclirieben,  findet  man  (ausser  bei  den  Bibliographen  Hain,  Villa nueva,  Leichius  etc.) 
bei  Nicolas  Ant.  II  No.  269  und  267;  Barb.  Mach.  III  540;  Sarmiento  834  (835. 
820);  F.  Denis  13— 14  und  606;  Bellermann  21.  48.  62;  Wolf  717;  A.  delosRios 
VII  80:  Ticknor;  Inn.  da  Silva  VI  375;  Morel  Fatio  in  i^ö/w««/a  XI  157;  Braga, 
Troz<.  292;  Poet.  Pal.  21.  32.  97-  157-  174-  365;  Oliv.  Martins  in  Revista  de  Portugal  \. 
p.  565.  —  Die  Wahrheit  erkannte  und  offenbarte  1875 — 76  Oct.  de  Toledo,  in  dem 
sciion  erwähnten,  zu  wenig  beachteten  Aufsatz  der  Rev.  Occidental.  Seine  Ergebnisse  gingen 
dann  über  in  Braga,  Curso  130  und  Qitestoes  p.  136;  Storck,  Camoes,  Einleit.  §  39.  und 
Oliveira  Martins,  Filhos  de  D.Joäo.  Unabhängig  davonkam  A.  Paz  y  Melia  1892 
zur  gleichen  Einsicht. 

^  Dieser  katalanische  Bücherfreund  erklärt  im  Prologe  an  seinen  Mäcen  D.  A  f  f  o  n  s  o 
de  Aragon  {lugarteniente  geiteral  del  rey,  den  illegitimen  Sohn  König  Ferdinands  des 
Katholischen,  über  den  man  Zurita,  Anales  XX  cap.  23  befrage),  und  zwar  ganz  ausdrück- 
licli,  dass  keine  Silbe  von  dem  was  er  herausgab  sein  Werk  ist,  und  dass  er  nur  das  eine 
Verdienst  beansprucht,  für  Verbreitung  der  Coplas  durch  Drucklegung  gesorgt  zu  haben. 
Keinem  der  Kritiker  hat  also  die  Einleitung  gelesen  ;  wie  auch  keiner  die  Glossen  der  Durch- 
sichtwürdigte. Nicht  in  ein  oder  zwei  Stellen,  sondern  in  vielen  steckt  der  Beweis  erstens 
dafür,  dass  der  Autor,  der  diese  Glossen  verfasste,  vorher  schon  die  Satyra  gedichtet  hatte ; 
zweitens  dafür  dass  er,  wie  thatsächlich  der  Condestavel,  ein  Neffe  Johann's  II.  von 
Kastilien  und  Philipps  von  Burgund  war;  und  ferner  dafür  dass  er  nach  der  Hinrichtung 
des  Alvaro  de  Luna  schrieb.  —  Dass  fremde  Schriftsteller  Prosaglossen  zu  gelehrten 
Dichtungen  lieferten,  war  damals  übrigens  Mode.  Ich  erinnere  an  Mitigo  Revulgo  (kommen 
tiert  von  Pulgar);  Mena  kommentiert  von  Fern  an  Nunez;  und  Jorge  Manrique 
der  verschiedene  Ausleger  fand. 

*  Über  D.  Jaime  (geb.  1434,  gest.  1459  in  Florenz)  s.  Sousa,  Hist.  Gen.  II  91 ; 
Aeneas  Sylvius,  cap.  58;  Macedo,  Lusitania  purpurata  fl.  187  und  besonders  Bisticci, 
Vite  di  Uotnini  illnstri  del  secolo  XV,  p.   152  der  ed.   l859- 

*  Die  Gedichte  sind  Lamentationen,  Visionen,  Verwünschungen,  teils  in  Kurzzeilen  (8, 
6  und  4  Silblern),  die  zu  mannigfaltigen  Strophen  gefügt  sind,  teils  in  Octavas. 


264    LiTTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

gorischen  Gebilde  jener  Zeit),  als  entfernter  Nachklang  der  Divina  Commediw, 
hält  sich  im  Einzelnen  jedoch  von  aller  erkünstelten  Mache  und  Nachahmung 
fern.  In  geläutertem  Kunstgeschmack,  unnützer  Gelehrsamkeit  entratend,  in 
natürlicher,  leichtfliessender,  ob  auch  getragener,  von  Herzen  kommender  und 
zu  Herzen  gehender  Sprache,  offenbart  das  Trauerspiel  die  tiefe  und  sinnige 
Gemütlichkeit,  die  sittliche  Hoheit,  brüderliche  Liebe  und  zarte  durchgeistigte 
Frauenverehrung  des  Schreibers.  Der  Tod  der  Königin,  durch  ein  Traum- 
gesicht und  Zeichen  der  Natur  voraus  verkündet,  wird  dem  ahnungsvoll  be- 
wegten Dichter  durch  Boten  gemeldet.  Seine  Klagen  und  Verwünschungen 
unterbricht  ein  mit  immergrünem  Kranze  geschmückter,  drei  Äpfel  in  der  Hand 
tragender,  die  Zeit  symbolisierender  Greis.  Er  spricht  dem  lange  Untröstlichen 
beharrlich  zu  und  erreicht  es,  dass  er  ergeben  und  gefesteten  Sinnes,  seinem 
harten  Schicksal  ins  Angesicht  schaut.  Bis  heute  ist  das  Gedicht  ungedruckt: 
Nur  Andeutungen  darüber  gab  Bellermann',  der  in  der  National-Bibliothek  zu 
Lissabon  eine  hs.  Denkschrift  über  portug.  Dichtkunst  aus  der  Feder  des  tüchtigen 
Antonio  Ribeiro  dos  Santos  (7  1818)  einsah,  welche  eine  Inhaltsangabe 
und  bedeutende  Gedichtproben  nach  dem  einzigen,  in  Portugal  in  Privatbesitz 
befindlichen  Exemplar  der  Tragedia  (v.  J.  1459)  bietet.  ^  Mit  dem  zweifellos 
nach  Portugal  an  Alfons  V.  gesandten  Kodex  ist  dasselbe  nicht  identisch.  Die 
Rückberufung  des  Condestavel  in  das  geliebte  Vaterland  ward  in  meinen  Augen 
durch  den  dichterischen  Schmcrzensschrei  mitbewirkt.  —  Von  neuen  Dichtungen 
aus  dem  letzten  Lustrum  seines  kurzen  Lebens  weiss  man  nichts.  In  Be- 
ziehungen zu  anderen  portug.  Poeten  scheint  der  Fürst  nicht  getreten  zu  sein. 
Er  hatte  erreicht  was  er  wollte,  indem  er  den  neuen  Stil  nach  Portugal 
verpflanzte ;  und  widmete  sich  anderen  Aufgaben,  als  Berater  des  Königs,  im 
Ordenshause  zu  Aviz,  auf  den  afrikanischen  Schlachtfeldern,  und  als  Nominal- 
könig von  Aragon  {Rey  intruso^  nach  katal.  Auffassung).  Möglich  auch,  dass 
er  sich,  in  seiner  anwachsenden  Bibliothek  studierend,  zu  neuen  litterarischen 
Thaten  vorbereitete,  an  deren  Ausführung  der  Tod  ihn  hinderte. 

b)    das    allgemeine    LIEDERBUCH    (1448 — I  5  1  6). 

104.  Wir  dürfen  jetzt  dem  portug. -kastilischen  Liederfrühling  nahen,  der 
nun  mit  südlicher  Raschheit  und  Üppigkeit  auf  dem  fruchtbaren  Boden  Portugals 
nach  langer  Brache  erblühte.  Trotz  der  loo  jährigen  Pause  sind  der  Ähnlich- 
keiten und  Zusammenhänge  mit  der  i  Epoche  gar  viele. ^  Wie  damals 
handelt  es  sich  auch  jetzt  thatsächlich  um  Kunst  und  Konversationspoesie :  die 
Pfleger  der  Dichtkunst  lebten  und  wirkten  sämtlich  am  königl.  Hofe  in  fest- 
geschlossenem Kreise,  wandelten  sämtlich  die  gleichen  Wege,  und  entnahmen  die 
Motive  zu  ihren  zumeist  für  den  Augenblick  bestimmten  Werken  dem  geselligen 
Pallastleben.  Über  viele  markante  Ereignisse  ist  daher  wie  früher  ein  beziehungs- 
reicher Gedichtzyklus  vorhanden.  Allem  was  diesem  gemeinschaftlichen  Boden 
entsprang,  eignet  auch  jetzt  eine  gewisse  typische  Familienähnlichkeit,  und  die 
natürliche,  individuelle  Sonderart  der  Dichtenden  wird  durch  die  Bevorzugung 


*  Bellermann,  p.  29  und  50. 

*  Aus  dem  Besitze  des  D.  Fernando  de  Lima,  dem  18 18  das  vorher  nie  ge- 
nannte schöne  Pergament  gehörte,  ging  es  später  in  die  Hände  Sarai  va's,  und  Vorjahren 
in  die  kostbare  Bibliothek  seines  jetzigen  Herrn  über,  Fernando  Palha,  der  mir  nicht 
nur  Benutzung  des  Originals  gestattete,  sondern,  von  meinen  Absichten  wissend,  eine  Abschrift 
und  alle  seine  Materialien  anbot  und  zur  Verfügung  stellte  Ich  bereite  die  Gesamtausgabe 
der  Werke  des  Condestavel  vor. 

'  Nachweisen  kann  ich  das  hier  nicht.  Ich  erwähne  nur,  als  Nachtrag  zu  §  27  und  37, 
dass  ein  Dichter  des  Canc.  de  Res.  sogar  König  Dionysius  zitiert  (was  hochwichtig 
ist).     S.  T   460 :   Invoco  el  Rey  D.  Denis  da  Urcni;a  (rAretiisa! 


D.  Pedro  v.  Portugal.  —  Das  allg.  Liederbuch.  265 

relativ  beschränkter  immer  wiederkehrender  Modeformen  und  durch  die  kon- 
ventionelle Einkleidung  beeinträchtigt.  Auch  jetzt  heisst  die  Dichtkunst  im 
Allgemeinen  noch  arte  de  trovar ,  und  der  Dichter  Trovador.  Liebes-  und 
Spottlieder  —  cantigas  de  amor  und  cantigas  de  escarnho  e  maldizer  —  sind 
nach  wie  vor  die  Hauptgattungen.  Die  Tenzone  ist  durch  Frage  und  Ant- 
wortspiele vertreten.  Dennoch  sind  die  Unterschiede  zwischen  beiden  Epochen 
recht  erhebliche,  wie  aus  Nachfolgendem  erhellt. 

105.  Die  Hauptquelle  für  die  Geschichte  der  neuerwachten  Poesie  ist 
wiederum  ein  Liederbuch,  welches  dies  Mal  (vielleicht  auf  Wunsch  und 
Wink  von  oben)  ein  Hofbediensteter  von  1511  bisi5i6  zusammentrug  und  sofort 
drucken  Hess.  1  In  der  Person  des  Kronprinzen  Johann  (HI-)?  dem  die  Lieder 
zur  Kurzweil  (desenfadamento)  dienen  sollten  ^  —  (nicht  König  Emanuels,  wie 
oft  gesagt  wird)  —  widmete  Garcia  de  Resende  seine  Sammlung  den  Nach- 
kommen, als  Vermächtnis  der  zu  Ende  gehenden  mittelalterlichen  Kulturepoche. 
Scharfen  Blickes  mochte  der  vielseitige,  rührige  und  welterfahrene  Höfling  aus 
bestimmten  Zeichen  das  Heranbrechen  des  neuen  Tages  fühlen.  —  Man  nennt 
das  Liederbuch  meist  Caftcioneiro  de  Resende,  nach  dem  Sammler.  Dieser  selbst 
aber  wählte  den  passenden  Titel  »Allgemeines  Liederlich«,  im  Hinblick  auf 
den  eben  in  Spanien  erschienenen  Cancionero  General  von  Castillo  weil 
er  gewillt  war,  unterschiedslos  und  ohne  Skrupel,  Alles  zu  buchen  was  von 
den  für  jeden  Sonn-  und  Festtag  in  die  königlichen  Pallastsäle  zur  Abend- 
unterhaltung geladenen  Gästen  zur  Belustigung  König  Johannas  IL  und  Emanuels 
an  Dichtwerken  geschaffen  worden,  soweit  es  nicht  nur  improvisiert,  sondern 
vorher  oder  nachher  aufgezeichnet  und  erhalten  v/ar.  Was  aus  der  nächsten 
Vergangenheit,  die  der  um  1470  Geborene  nicht  erlebt  d.  h.  aus  den  Tagen 
Alfons'  V.  und  des  Regenten,  unter  denen  die  litterarischen  Seröes  begonnen 
hatten.  Gleichartiges  übrig  war,  das  schloss  er  natürlich  prinzipiell  nicht 
aus.  Mündlich  und  schriftlich  erheischte  er  von  seinen  Kollegen  in  Apoll  ihre 
eigenen  Verse ;  und  von  nicht  selbstthätigen,  doch  musenfreundlichen  Gönnern 
erbat  er  Mitteilung  der  von  ihnen  angelegten  oder  von  den  Voreltern  ererbten 
Albums,^  im  Vertrauen  darauf  dass,  um  der  Neuheit  willen,  ein  Jeder  gern  seine 
oder  der  Seinen  Gedichte  gedruckt  sehen  würde.  Der  Erfolg  war  über  Erwarten 
günstig.  Der  um  seiner  Jovialität  und  gesellschaftlichen  Vorzüge  willen  als 
gewandter  Dichter,  Musiker  und  Zeichner  und  als  Vertrauensmann  des  Monarchen 
beliebte  fidalgo  da  Casa  real  e  escriväo   da  fazenda   do    Principe'^   erhielt   mit 

'  Der  alte  Titel  lautet  (verkürzt) :  Canciotteiro  geerall .  .  .  ordenado  e  emendado  por 
Gar  da  de  Reesende  ....  Comegousc  em  Almeyrym  e  acabouse  na  muyto  nobre  e  sempre  leall 
(idade  etc.,  Lisboa  Per  Hermä  de  Cäpos  alemä  bobardeyro  del  rey  N.  S.  e  empremidio  aos  2y 
dias  de  setembro  .  .  de  ijiö ;  4+22?  Bl.  Über  den  Druck  sehe  man  Tito  d  e  N  o  r  o n  h  a  :  O 
Cancioneiro  Geral  1871  und  C.  M.  de  Vasco  n  c  el  1  os ,  in  Ztsclir.  V  p.  80.  Einen  will- 
kommenen Wiederabdruck  der  nur  in  15  bis  17  Exemplaren  erhaltenen  Originalausgabe  be- 
sorgte für  den  litterarischen  Verein  A.  v.  Kausler  1846.  1848.  l8ri2  (Bd.  XIII.  XV  und 
XXVIJ.  Einen  recht  guten  Auszug  mit  iitterarliistorischer  Einleitung  lieferte  A.  de  Castilho 
für  die  Lwraria  Clasica,  Bd.  X — XIII.  Der  erste,  welcher  den  Geist  des  Liederbuches 
treffend  charakterisierte,  war  Bellermann.  Vgl.  Wolf,  Studien  727  und  ff.  Das  ein- 
gehendste Spezialwerk  schrieb  natürlich  Th.  Braga  als  Poetas  Palaciaitos  1872;  doch  bleibt 
noch  manche  Frage  unerledigt.  Vgl.  auch  Costa  e  Silva  1  141— 145-  Biographisches 
bei  Bellermann  und  Braga  und  in  Einzelartikeln  bei  Barb.  Mach.  s.  v.  Fern  am 
Silveira,  D.  Joam  Manoel,  D.  Joam  de  Menezes,  Joao  Rodriguez  de  Sä  e 
Menezes,  Joäo  Rodrigues  de  Lucena,  Aires  Teiles  de  Menezes,  D.  Fran- 
cisco de  Portugal  u.  a.  m. 

^  Alles  Humoristische  waril  für  seine  Hoheit  mit  Kreuzen  markiert,  deren  ich 
genau  ein  Hundert  zähle;  und  auf  den  erziehlichen  Wert  dieser  Spotiverse  wiid  im 
Prologe  absichtlich  hingewiesen  (ao  Principe  N.  S.). 

3  S.  z.  B.   Canc.  de  Res  11   184.  315-  476.  II   177.   III  320. 

*  Garcia  de  Resende  (geb.  um  1470,  gest.  um  1540)  leistete  als  junger  Page 
Dienste  am  Schreibtisch  Johanns  IL,  sowohl  im  Kabinet  wie  im  Schlafgemach.    Unter  »10(0  da 


266   Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  4.  Port.  Litt. 


210  Antworts-Schreiben  ebensoviele  grössere  oder  kleinere  ¥\nz€i-Cancioneiros^ 
aus  denen  er  seinen  mächtigen  Infolioband  bildete.  1  Darinnen  zusammen 
über  tausend  Poesien  2  von  einem  hundert  bedeutenderer  Troubadours  und 
noch  gegen  200  Höflingen,  die  nur  gelegentlich  bei  Gesellschaftsspielen,  auch 
einmal  hatten  »mitmachen«  und  eine  trova ,  scheinbar  aus  dem  Stegreife, 
hersagen  oder  -singen  müssen  3.  Seine  Sammlung  reicht  bis  ins  Jahr  des 
Druckabschlusses  hinein  (1516)'^.  Genau  festzustellen  wie  weit  sie  zurück- 
greift, ist  unmöglich,  da  die  subjektiven  Lieder  nur  in  den  seltensten  Fällen 
eine  Datierung  zulassen.  Ausser  den  oben  schon  besprochenen  Gedichten  des 
Regenten  und  des  Juan  de  Mena  und  den  Motes  d'amores  des  Condestavel 
nebst  den  Entgegnungen  des  Coudel-mor,  finde  ich  kein  Gedicht,  das  mit  Be- 
stimmtheit vor  1449  geschrieben  ward.  •''  Ich  meine,  erst  mit  dem  Tage  wo  der 
jung  vermählte  Alfons  V.,  lür  majorenn  erklärt  ward,  die  Zügel  der  Regierung  aus 
den  Händen  des  Infanten  nahm  und  eigenes  Hoflager  hielt,  entwickelte  sich 
jenes  glänzende  und  heitere,  von  Musik,  Dichtkunst,  Tanz,  Spielen  und  Schau- 
stellungen aller  Art  belebte  Pallastleben,  dessen  dauerndste  und  schönste  Blüten 
die  Gedichte  des  Cancioneiro  de  Resende  sind.    Darum  wählte  ich  als  Anfangs- 


Camara  und  niofo  da  escrevaninha  hat  man  eine  Art  vertrauten  Kammerdieners  zu  verstehen.  Den 
Haus-,  Privat-,  Geheim-  oder  Kabinetssekretär  benennt  jener  Titel  sicher  nicht. 
Auch  l)ezeichnet  fidalgo  nicht  den  Posten  eines  »Kammerherrn«,  sondern  nur  eine 
Adelskategorie ,  /u  welcher  die  Kdelknappen  (mogos  fidalgos)  aufrückten.  Johann  11. ,  sein 
Soliii  Alfons  (•]-  1490),  Emanuel  und  Johann  IL  beschäftigten  Resende  vielfach.  Ausser 
dem  Drucke  des  Cancioneiro,  der  Popularisierung  von  Pina's  ungedruckter  Chronik  (s.  oben 
!>.  257  7\nm.  4)  und  zahlreichen  kleinen  Prosaschriften  dankt  man  ihm  eine  Reimchronik  über 
die  historischen  und  kulturgeschichtlichen  Geschehnisse  seiner  Tage,  die  bis  1534  hinauf 
reicht:  »Miscella7iea  e  variedade  de  historias,  costumes,  casos  e  consas  que  em  seu  tet7ipo  a- 
contecerami. 

'  Aus  so  vielen  Parzellen  besteht  das  Inhaltsverzeichnis,  welches  Res  ende  lieferte 
jede  einzelne  enthält  entweder  eine  Reihe  von  Gedichten  nur  eines  Autors  oder  ein  ge- 
selliges Liederspiel  von  vielen. 

-  Ich  habe  in  meinem  Gebrauchsexeraplar  1004  numeriert;  doch  kann  inan  natür- 
lich mehr  oder  weniger  rechnen,  je  nachdem  man  Frage  und  Antwort,  Lied  und  Glosse, 
Text  und  Hülfstexte  (=  Ajudas)  immer  nur  einfach  oder  mehrfach  zählt.  Genaue  Ver- 
zeichnisse sind  ein  Bedürfnis. 

'  Die  höchst  willkürlichen  Angaben  über  die  Dichterzahl,  welche  bislang  veröffent- 
licht sind,  schwanken  zwischen  den  75  Namen,  welche  Resende's  summarischer  Index 
buchen  soll  —  was  unbedingt  zu  wenig  ist  —  und  35 1,  was  zu  viel  ist,  (da  ein  und  die- 
selbe Persönlichkeit  unter  verschiedenen  Bezeichnungen  auftritt),  auch  wenn,  wie  Rechtens 
ist,  jeder  Verfasser  genannt  wird.  Namensverzeichnisse  (von  286  Würfen)  stellten  her 
Inn.  da  Silva  (II  p.  17 — 23)  mit  Hinweis  auf  die  Seitenzahlen  des  Originals,  und  Th. 
B  r  a  g  a  (Poet.  Pal.  p.  429)  ohne  jeglichen  Nachweis.  Ich  drucke  das  meine  (vollständig 
dokumentierte)  hier  nicht  ab,  weil  es,  selbst  ohne  die  eingehenden  Erklärungen,  deren  es 
bedarf  unverhältnismässig  viele  Seiten  füllen  würde.  Die  von  dem  portugiesen-freundlichen 
Gallizier  Sarmiento  hingeworfene  Bemerkung,  der  Canc.  Geral  sei  reicher  an  Liedern  und 
Liedej-dichtern  als  das  span.  Parallel-Werk,  wird  übrigens  durch  die  Thatsachen  I>ögen  ge- 
straft. Von  seinem  mannichfaltigeren  Inhalt,  der  glänzenderen  Farbenpracht,  der  grösseren 
Originalität  absehend,  bemerke  ich  nur,  dass  allein  das  1511  gedruckte  Liederbuch  1033  Ge- 
dichte von   190  verschiedenen  Dichtern  bietet. 

*  Den  Beweis  suche  man  z.  B.  in  Band  III  p.  462. 

*>  Die  sonst  frühesten  Gedichte  scheinen  mir  die  Klagelieder  auf  den  Tod  des  Re- 
genten (Altere  historische  Begebnisse  werden  nicht  behandelt).  Ich  glaube  jedoch, 
dass  sie  erst  einige  Jahre  nach  Alfarrobeira  verfasst  wurden,  als  der  König  anfing,  den  An- 
hängern de;  Infanten  zu  vergeben,  entweder  als  er  1455  die  Überführung  der  Leiche  nach 
Hatalha  gestattete,  oder  gar  erst  nach  der  Heimkehr  des  Condestavel  1457—58.  Als 
Kriegs-  und  llofl)edienstete  haben  trotzdem  manche  von  den  Dichtern  schon  unter  D.  Duarte 
eine  Rolle  gespielt.  Zu  den  ältesten  Poeten  gehören:  der  Coudel-mor  Fern  am  da 
Silveira  (geb.  erst  1432),  Luis  de  Azevedo,  Fernam  Teiles,  Joao  Correa, 
Aires  Gomes  da  Silva,  Ruy  Gomes  da  Grit,  Alvaro  Pires  de  Tavora,  Ruy 
Gon9alves  de  Castellobranco. 


Das  allgemeine  Liederbuch.  267 


datum  das  Jahr  1448. 1  —  Mit  irgend  welcher  sachlichen  oder  chronologischen, 
oder  nach  Dichtern  geordneten  Gruppierung  der  Lieder  befasst  sich  Resende 
nicht.  Der  selbe  Dichter  und  die  selben  Dichtarten  kommen  an  verschiedenen 
Stellen  vor.  Je  nachdem  der  Zufall  ihm  die  Liederhefte  zuführte,  schickte 
Resende  sie  in  die  Druckerei  des  königl.  Bombardiers  deutscher  Herkunft  Her- 
mann aus  Kempten  am  Rhein  (erst  nach  Almeirim,  dann  nach  Lissabon).  Dass 
bei  diesem  System  nur  eine  Wiederholung  vorkam,  ist  zu  bewundern.-  Als 
besondere,  doch  keineswegs  vollständige  Gruppen  heben  sich  einzig  die  ge- 
selligen Scherz-  und  Spottgedichte  ab  —  cousas  de  folgar  —  und  die  gleich- 
falls geselligen  Lob-  und  Huldigungslieder  auf  die  Damen  (louvores).  Alles 
übrige  ist  systemlos  durcheinander  gewürfelt.  Und  da  auch  Inhaltsverzeichnisse 
und  andere  praktische  Hülfsmittel ,  welche  das  Studium  erleichtern  könnten, 
fehlen,  so  ist  die  Übersicht  äusserst  unbequem.  Wie  oft  ein  Gedicht  das  andere 
erläuterte,  hat  man  daher  nicht  erkannt. 3  Dem  alten  Sammler  haben  wir  trotz- 
dem für  seine  Mühewaltung  dankbar  zu  sein,  um  so  mehr  als  andere  allgemeine 
Liederbücher  überhaupt  nicht  geliefert  worden  sind  und  spezielle  sich 
wenigstens  nicht  erhalten  haben.  Eine  Hs.  in  Madrid,  die  man  in  Portugal  für 
einen  Schatz  von  Ungedrucktem  hält,  ist  nichts  als  ein  Teilstück  des  Cancioneiro 
Geral^.  Ein  Liederbuch  »de  D.  Martifiho«^  dessen  Resende  selbst  gedenkt,^ 
wird  kaum  mehr  als  eines  der  210  Gedichtalbums  gewesen  sein,  deren  Inhalt 
er  seinem  Werke  einverleibte.  Selbstverständlich  ist  es  jedoch,  dass  er  trotz  seines 
schönen  Eifers  nicht  alles  Vorhandenen  habhaft  wurde.^  Dass  er  über  Verluste 
klagt  und  die  Sorglosigkeit  der  Portugiesen  verurteilt,  steht  bereits  in  ^  73. 
Weitere  Beweise  für  die  Zersplitterung  des  litterarischen  Ertrags  der  Jahrzehnte 
von  1450- — 1520  sind  die  Motes  d'amores  des  Condestavel  und  die  in 
spanischen  Liederbüchern  prangenden  Verse  des  D.  Joäo  Manoel,  D.  Joäo 
de  Menezes,  Fernam  da  Silveira,  Ruy  de  Sande  u.  a.  m.  ^  Hymnen 
und  Kirchenlieder  (hynos  e  cänticos  que  na  santa  ygreja  se  cantan)  schloss 
Resende  grundsätzlich  aus.^     Lieder  und  Romanzen  aus  dem  Volksmund  zu 

'  Die  übrigen  Berichterstatter  lassen  das  Liederbucli  um  1350  beginnen,  im  Glauben 
an  die  Dichtergabe  Peters  des  Grausamen.  Braga  setzte  das  Datum  1438  fest,  d.  h.  des 
Infanten  Regentschaftsanfang,  weil  er  ihm  bis  vor  kurzem  das  Poem  von  der  Weltverachtung 
zusprach,  und  daraufliin  ein  so  frühes  Blühen  der  Pallastdichtung  für  sicher  hielt. 

2  S.  z.  B.  Canc.  de  Res.  II    184   und  III  63 1. 

*  S.  z.  B.  Canc.  de  Res.  1  442.  462.  332  III  181.  192  lauter  Lieder  von  und  über 
D.   Branca  fCoutinho). 

*  Man  sehe  darüber  Bell  er  mann.  Anm.  31,  Sismondi  IV,  280  und  besonders 
Memorias  de  litt.  port.  III  p.  5y  sowie  in  Ztschr.  V  p.  8l  die  Ansicht  von  Tito  de 
Noronha,  welche  Braga  teilt.  Vgl.  auch  Hardung,  Cancioneiro  de  Evora.  Ichjhabe 
den  Madrider  Cod.  M.  28  zwar  niclit  untersucht,  doch  lehrt  sorgsamer  Vergleich  des  Canc. 
de  Res.  mit  den  Angaben  solcher,  die  jenen  durchblätterten,  dass  er  (wie  schon  Beller- 
mann behauptet  hat)  nichts  Ungedrucktes  enthält,  selbst  nicht  von  den  18  Zuschu^s- 
dichtern,  die  Noronha  darin  namhaft  macht  (die  in  Wahrheit  aber  im  Resende  nicht 
fehlen). 

*  Canc.  de  Res.  III  634.  Was  ich  über  den  Canciotieiro  Marialva,  das  Livyo  das  Trovas 
del  Rey,  und  über  die  sonstigen  von  Braga  ins  XV.  Jh.  verlegten  Liederbücher  denke,  braucht 
nicht  wiederholt  zu  werden.  S.  §23— 25  und  77.  Im  Buch  der  Apokryphen  wären  die  Oi^raj 
Ineditas  de  Aires  Teiles  de  Menezes  zu  erledigen,  welche  A.  L.  C  am  in  ha  1792  herausgab. 
Einige  echte  Nachträge  zum  Canc.  de  Res.  enthält  der  Canc.  de  Evora  (ed.  V.  E.  Hardung 
Lisb.  1875.  S.  Ztschr.  V  565  und  VII  94).  Von  einem  Dichter  des  »Allgemeinen  Lieder- 
buches« sind  die  y>Senten(as  de  D.  Francisco  de  Portugal«  (gedr.  l6o,ö),  doch  gab  dieser 
Catäo  Portuguez  seinen  gedankenreichen  Apophthegmen  prosaisciie  Einkleidung. 

®  Im  Canc.  de  Res.  fehlt  z.  B.  der  Dichter  Affonso  Lopes  ^apaio  (Sampaio  ?), 
von  dem  Gil  Vicente  spricht  (III  379),  sowie  Felipe  Guillen  fib.  377)-  Der  Can- 
cioneiro Portuguez,  welchen  Gil  Vicente  benutzte,  war  also  vom  Canc,  de  Res.  verschieden. 

^  Braga,  Poet.  Pal.  p.  31—33- 

*  S.  unten  p.  273. 


2  68    LlTTERATURGESCHICHTE   DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

sammeln,  fiol  ihm  natürlich  nicht^^ein,    obwohl   er  von  rymances  und  volks- 
mässigen  trovas  wusste. ' 

106.  Wer  aber  sind  die  Dichtenden?  Zuvörderst  fällt  beim  Vergleiche 
mit  der  ersten  Epoche  auf,  dass  Könige  nicht  mehr  darunter  sind.  Schon 
D.  Joäo  I.,  D.  Du  arte  und  D.  Pedro  arbeiteten  einsam  in  ihrem  Studier- 
zimmer, wie  D.  Felipa  in  ihrer  Klosterzelle.  Nur  schriftlich  und  nur  ein- 
mal, und  zwar  mit  einem  Fremden,  dem  höchst-geehrten  Hofpoeten  des  Nach- 
barstaates und  zu  bestimmtem  Zwecke  tauschte  der  Regent  einige  Verse  aus: 
Nur  um  ein  Paar  schöner  Augen  willen  mischte  sein  Sohn  sich  in  die  heimi- 
schen Hof  kreise,  den  Modeton  angebend;  und  auch  die  Tochter  D,  Felipa 
wollte  dort  wohl  nichts  als  den  portug.  Damen  mit  gutem  Beispiel  vorangehen, 
d.  h.  Führerin  der  Geister  sein.  Als  ein  Mannesalter  später  der  Sohn  Johann's  II. 
ein  Prinzesschen  feiern  wollte,  beauftragte  er  damit  bereits  eine  Vertrauens- 
person. 2  Von  Alfons  V.  an,  der  die  Zahl  der  Hoffähigen  (Moradores)  ungeheuer 
vermehrte,  mit  so  verschwen  drisch  er  Prachtliebe  Titel,  Würden  und  Güter 
verteilend,  dass  sein  Sohn  nur  »die  Strassen  des  Landes«  erbte,  über  Johann  II. 
fort  (1481 — ^1495),  den  »Mann«,  el  Hdmbre^  oder  »wahren  Fürsten«  {Principe 
ferfeiio),  der  die  übermächtig  gewordenen  Grossen  gewaltsam  in  ihre  Schranken 
zurückweisen  musste,  zu  Emanuel  dem  »Glücklichen«  (1495  — 1521),  dem  der 
reiche  Erntesegen  loojähriger  Arbeit  in  den  Schooss  fiel,  waren  die  Regierenden 
in  ihrer  wechselnden  Besitzes-  und  Machtfülle  unnahbarer  geworden.  Nicht 
ganz  so  unbeteiligt  und  hoheitsvoll  wie  Emanuel  in  der  Comedia  Trofea  des 
Torres  Naharro  zu  Rom  auf  der  Bühne  erschien,  schauten  sie  im  Lissabonner 
Pallast  bei  den  glänzenden  seröes  (Abendfesten),  in  denen  sie  Zerstreuung  von 
den  Staatsgeschäften  suchten,  auf  den  Kreis  der  sie  amüsierenden  Grossen  und 
Höflinge  herab.  Ihren  feinen  Sinn  für  Musik  und  Dichtkunst  offenbarten  sie 
wenigstens  durch  den  Beifall,  den  sie  spendeten  oder  vorenthielten.  ^  Selbst 
aber  verfassten  sie  höchstens  einmal  eine  Tournier- Devise.  Nur  bei  des  ge- 
liebten Sohnes  Hochzeitsfeier  mit  der  Tochter  der  katholischen  Könige  (1490) 
trat  Johann  I.  auch  in  einer  dramatischen  Schaustellung  als  Schwanenritter  auf. 
Und  wie  die  Allerhöchsten  nicht  mehr  teilnehmen  wollten  am  Dichten,  so 
durften  es  die  Niedrigsten  nicht  länger:  besoldete  Spielleute,  niedere  Geist- 
liche, einfache  Bürgersleute  mischten  sich,  der  Regel  nach,  nicht  in  die  Hof- 
zirkel. "^  Nur  Kavaliere  d.  h.  der  Adel,  von  den  höchsten  Würdenträgern  bis 

'  Im  Prologe  sagt  Res.:  »<?  assy  muytos  emperadores,  reys  e  pessoas  de  memoria,  polos 
rymances  e  trovas  sabemos  siias  estoriast,  wobei  er  an  Prosaiomane  (frz.  Ursprungs)  nicht 
gut  denken  kann.  Auch  sein  Gedicht  auf  Ines  de  Castro,  ob  auch  sell)st  keine  Romanze, 
beweist  Kenntnis  epischer  Volksgesänge.  Und  die  Glosse  der  span.  Tiempo-dtieno-Komanzc 
sowie  die  vielfochen  Anspielungen  auf  die  Bella- Malmaridada,  und  die  Verwendung  sprich- 
wörtlicher Romanzenzeilen  zeigen,  dass  die  portug.  Hofdichter  zum  mindesten  diejenigen 
nationalen  Weisen  beachteten,  welche  am  span.  Hofe  glossiert  und  in  die  Cancioneros  aut- 
genommen worden  waren.  Auch  an  Sprichwörtern  (enxempros),  Anspielungen  auf  Volks- 
belustigungen und  abergläubischen  Bräuchen  sowie  an  folkloristischen  Formeln  ist  kein  Mangel. 

^  Originell  genug  wendete  er  sich  an  den  Ordensprior  von  S.  Cruz,  dem  ;}'iRitter 
sekundiertet)  (Canc.  de  Res.  IH  192).  Wieder  eine  Generation  später,  erklärte  die  Infantin 
I).  Maria,  die  geistvolle  und  gelehrte  jüngste  Tochter  Emanuels:  Se  sotibera  fazer] trovas. 
De  qtie  mc  satis/ezera,  Ainda  assim  as  näo  fizera.  So  ändern  sich  die  Begriffe  von  Würde 
und  Schicklichkeit. 

*  Wie  tief  bei  Johann  II.  der  Sinn  für  Poesie  wurzelte,  geht  z.  B.  daraus  hervor, 
dass  er  sich  Abends,  im  Schlafzimmer,  von  Re sende  das  herrliche  Klagelied  auf  den  Tod 
Rodrigo  Manrique's  ("j-  1479)  rezitieren  Hess:  Recuerdc  el  alma  dormida. 

*  Ausnahmen  kommen  natürlich  vor:  Luis  Anriquez  z.  B.  hatte  sein  Kavalieis- 
(liplom  noch  nicht  erhalten;  Alvaro  Barreto  und  Joäo  Paes  waren  Kirchensänger 
(cantores)\  Diogo  Fernandez  Goldschmied;  Gregor io  Affonso  gehörte  zum  Haus- 
halt des  Bischofs  von  Evora.  Die  schon  unter  Emanuel  auftretenden  spanischen  Hofnarren 
{bbbos  und  chocarreiros)  kleideten  ihre  beissenden  Witze  naturgemäss  in  Prosa.  (S.  Goes, 
Ckronica  de  D.  Manuel,   W   cap.   84). 


Verfasser  uer  Lieuek  des  allg.   Liederbuchs.  269 

herab  zu  den  jüngsten  Pagen,  tritt  uns  dichtend  entgegen :  Herzöge(2),  Barone  (2), 
Markgrafen  (2),  Grafen  (11),  dazu  71  den  Ehrentitel  Dom  tragende  Vollbhit- 
Fidalgos  (worunter  freilich  etwelche  Spanier,  denen  jener  Titel  unterschiedslos 
zukommt),  Angehörige  der  Familien  Noronha,  Castro,  Menezes,  Mello, 
Coutinho,  Sousa,  Pereira,  Silva  und  Gama  und  Albuquerque,  ^  als 
Oberkämmerer,  Marschälle,  Kronfeldherrn,  Gestütmeister,  Schatzkämmerer,  Ober- 
stallmeister, Ordensgrossmeister,  Priore  etc.  Die  Bezeichnung  Pallast-Dichter 
»Poetas  Palacianos«  ist  also  eine  durchaus  zutreffende.  2  Die  volkstümliche 
Ader  war  diesmal  somit  fast  gänzlich  unterbunden :  der  Einklang  oder  richtiger  die 
Monotonie  der  Empfindungs-,  Denk-  und  Redeweise  eine  nahezu  vollkommene. 
Ein  weiterer,  damit  verknüpfter,  Unterschied  besteht  darin,  dass  die  Damenwelt 
nicht  bloss  zugegen  war  und  zu  Dichtungen  begeisterte,  sondern  wie  an  Tanz  und 
Gesang,  auch  an  den  Gesellschaftsspielen  teilnahm  und  selbst  dichtend  auftrat. 
Die  jungen  Mädchen  gaben  ihrem  Galan  das  Thema  zum  jeweiligen  I.iede; 
sie  antworteten  auf  ihnen  dargebrachte  Huldigungen;  verfochten  in  den  Prozessen 
bestimmte  Meinungen  und  fanden  selbst  an  Spottturnieren  Gefallen.  ^  Aus 
diesem  Grunde  und  überhaupt  in  Folge  der  bedeutend  verfeinerten  Hofsitten 
ist  der  Ton  der  Dichtungen ,  die  zum  grössten  Teil  thatsächlich  bei  Hofe 
vorgetragen  oder  gelesen  wurden,  ein  gemässigterer,  ob  auch,  dem  Zeitalter 
entsprechend,  immer  noch  die  gröbsten  Natürlichkeiten  unbeanstandet  besprochen 
und  belacht  werden  konnten.  Gewisse  unglaublich  freche  Stückchen ,  von 
bemerkenswerter  Plumpheit  und  Plattheit,  kursierten;  scheinbar  öffentlich, 
da  Resende  es  wagte,  sie  zu  drucken  und  der  königl.  Hoheit  zu  widmen, 
und  zwar  noch  dazu  rot  angestrichen.  Vor  allem  aber  bedingte  das  höhere 
Bildungsniveau  markante  Abweichungen  von  den  Gebilden  der  ersten  Periode. 
Die  mehr  und  mehr  begünstigte  humanistische  Erziehung  bewirkte,  dass  die 
im  »Sternbild  des  Latein«  Geborenen  —  em  sino  de  lathn,  wie  man  scherzend 
sagte  —  neben  den  trovas  de  folgar  und  den  Canti^as  de  amor  noch  andere, 
ernstere  Genre  und  einen  höheren  Stil  kultivierten,  voll  klassischer  Nach- 
ahmungen und  Anspielungen.  Neben  der  eigentlichen  Lyrik  daher  auch  Didak- 
tik und  einige  epische  Versuche,  sowie  dem  Drama  zustrebende  Gespräche. 
107.  Der  wesentliche  Unterschied  zwischen  der  ersten  und  zweiten 
Periode  der  Kunstlyrik  betrifft  jedoch  das  Verhältnis  zu  Spanien.  Damals 
war  Portugal  Führerin  gewesen;  jetzt  ist  es  Spanien.  Es  sei  noch  einmal 
gesagt,  dass  nach  1458  ein  Nichtspanier,  der  ernsten  Sinnes  zur  portugiesischen 
Lyrik  beigesteuert   hätte ,   nicht   mehr  vorkommt.  ^      Wo    immer    Spanier   mit 


1  Kaum  eine  der  40  Adelsfamilien  fehlt,  deren  Wappen  in  Cintra  vom  Glänze  jener 
Tage  erzählen. 

*  Schon  im  Canc.  de  Res.  III  650  kommt  der  Ausdruck  trcrvar  palanciano  vor. 

*  Die  zur  Ausdeutung  vorgeschlagenen  Themata  sind  übrigens  keineswegs  stets  selbst- 
erfundene Sentenzen  oder  Lieder,  sondern  oft  dem  Sprichwörterschatz  oder  den  Modeliedern 
entnommene  Zeilen.  Auch  antworteten  bisweilen  im  Namen  schüchterner  Jungfrauen  ihie 
jralanes  (z.  B.  II  296.  418.  17.  III  II3).  Immerhin  aber  bleiben  2\2  Dutzend  Dichterinnen 
übrig  als  Verfiisserinnen  gefälliger,  scherzender  oder  sentimentaler  Reihen.  Ganze  trovas 
suche  man:  III.  13.  23.  163.  170.  i6q;  II  589;  I  27ö".  Motes  besonders  1  109-112-. 
II  23.  181.  317.  331.  Die  Damen  seien  hier  zum  ersten  Male  genannt:  D.  Beatriz 
d' Ataide,  d'Azevedo,  Pereira;  D.  Branca  Coutinha;  D.  Caterina  An- 
riques;  D.FiIippa;D.Filippa  d'Almada,Anriques;GuiomardeMenezes, 
de  Crasto;  Ines  da  Rosa,  da  Silva,  Pereira;  Joan  na  Anr  iques.  Ferreira,  de 
Mendonqa,  de  Sousa;  Lianor  deMascarenhas,  (s.  Sä  de  Mir  and  No.  51  und  52); 
Lianor  Moniz,  Pereira;  Margarida  Anriques,  Furtada;  Maria  Jacome,  da 
Cunha,  de  Mello,  Bobadilha,  d'Ataide.  de  Tavora,  de  Sousa;  und  Mecia 
Henriques. 

*  Die  Veise,  welche  der  Halbportugiese  D.  Antonio  de  Velasco  im  Namen 
des  liebeskranken  Portugiesen  Ruy  de  Sande  schrieb  (Caiic.  Gen.  No.  207*);  die  ganz  ver- 


270    LriTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4,   PORT.    LiTT. 


Portugiesen  zusammentreffen,  benutzt  jetzt  der  Kastilianer  unentwegt,  für  alle 
Äusserungen,  seine  Muttersprache.  Auch  die,  welche  an  portug.  Könige  und 
Grosse  schreiben,  oder  als  Gesandte  und  ständige  Hofbedienstete  in  Portugal 
weilen,  verfahren  ebenso,  i  Und  selbst  was  sie  an  dichterischer  Habe  in  ihrer 
eigenen  Zunge  im  fremden  Nachbarland  hinterlassen,  wird  immer  spärlicher. 
Ausser  Mena's  Widmung  an  den  Regenten  stehen  im  Caiic.  Geral  nur  äusserst 
wenige  in  und  für  Portugal  verfasste  Lieder  von  Spaniern.  Nur  bei  Gelegenheit 
der  grossartigen  Hochzeitsfeste  von  Evora  (1490),  und  in  Zaragoza  bei  Emanuels 
Einzug  (1498),  als  der  kleine  Lusitano-Kastilianer  D.  Miguel  zum  Gesamterben 
beider  Kronen  geschworen  ward,  beteiligten  sich  kastilische  Granden  wie 
fechtend  an  den  Tournieren ,  so  dichtend  an  den  Gesellschaftsspielen :  der 
Condestable  de  Castilla;  Duque  de  Segorbe;  Conde  de  Haro; 
Conde  d'Onate;  D.  Luis  Ladron;  D.  Diego  de  Mendoza;  D.  Alonso 
Pimentel;  Inigo  Lopez;  D.  Rodrigo  de  Moscoso;  D.  Antonio  de 
Velasco;  Pero  Fernandez  de  Cordova.'-  Umgekehrt  aber  verfuhren  die 
Portugiesen.  Die  Leichtigkeit,  mit  der  sie  sich  fremde  Idiome  aneignen,  ihre 
Courtoisie  Ausländern  gegenüber,  ihre  unausrottbare  Freude  an  allem  Neuen, 
Fremden,  Seltsamen  führten  zum  Spanischreden.  Dazu  kamen  von  1490 
an  die  kontinuierlichen  Heiraten  mit  Spanierinnen  (an  die  sich  gegenseitige 
Absorptionsgelüste  schlössen)  und  der  siegreiche  Zauber  der  zahlreichen  span. 
Hofdamen,  die  im  Gefolge  der  Infantinnen  ins  Land  zogen.  ""^  Vor  allem 
aber  die  Obmacht  der  spanischen,  gerade  unter  Heinrich  IV.  und  Ferdinand 
und  Isabella  einen  ungeahnten  Aufschwung  nehmenden  spanischen  Dichtkunst, 
und  der  in  Portugal  stets  leidenschaftlich  geliebten  Musik.  Auf  Flügeln  des 
Gesanges  drangen  Hunderte  von  wirklich  schönen  span.  Liedern  und  Romanzen 
in  Portugal  ein.  Und  nach  den  gefälligsten,  von  den  Hofsängern  der  Kapellen 
Isabcllas,  der  Herzöge  von  Alba  und  des  Condestavel  M.  Lucas  de  Iranzo 
komponierten  Melodien,  also  in  den  gleichen  metrischen  Formen,  dichtete  man 
neue  Weisen.*  Dem  Beispiel  des  Condestavel  D.  Pedro  folgten  rasch  andere 
Poeten.  Als  1490  beim  Einzug  der  jungen  Thronfolgerin  tourniert  ward,  hatten 
alle  xd  Kämpen  —  mit  Ausnahme  des  Königs  von  Portugal  und  eines  Pero 
d'Abreu  —  ihr  huldigend,  spanische  Devisen  gewählt  (III  231).  Von  diesen 
kurzen  Mottos  abgesehen,  und  natürlich  mit  Beiseitesetzung  aller  schon  erwähnten 
Verse  geborener  Spanier,  stehen  im  Cancioneiro  Geral  {salvo  errö)  137  kastilisch- 
portugiesische  Gedichte  von  41   Poeten, ^  d.  h. :  ungefähr  ein   Siebenteil  des 


einzelten  späteren  portug.  Lieder  von  Castillejo  und  Valdivielso,  oder  gelegentlich 
von  Tirso,  Lope,  Calderon  und  Gongora  angebrachte  Fragmente,  sowie  die  Reden 
eines  »Portugiesen«  in  den   Cortes  de  la  Muerte  gehören  in  ein  ganz  anderes  Kapitel. 

*  Noch  ein  Kleines,  und  der  Portugiese  durfte  grimmig  klagen:  Somos  gregos  parn 
elles!  E  o  dia  que  entramos  em  Castella,  cumpre-nos  trocar  a  lingoagem  porque  tws  entendam. 
E  assi  6  fazemos.     E  elles,  ....  em  ioda  sua  vida  näo  alcangam  a  nossa,  vivendo  entre  nös ! 

2  ?,.  Cam.de Res.  W.äfX'^—A'^'i  und  111  131.  Hinzukommen  noch  Arelhano  (111  30 
und  öfters),  Curelha,  Pedro  Aires  (111  234)  und  vielleicht  einige  nur  mit  dem  Vornamen 
als  D.  Antonio,  Carlos,  Filippe,  Gonzalo,  Guterre,  Manuel  bezeichnete   Ritter. 

^  Wer  portug.  Geschichte  kennt,  wird  darum  wi.ssen.  Namen  spanischer  Hofdamen 
findet  man  in  den  Listen  der  Moradores  da  Corte  bei  Sousa,  Provas  11  und  VI. 

*  Die  lange  Liste  der  span.  Lieder,  welche  vom  letzten  Viertel  des  15.  Jhs.  an,  und 
das  ganze  folgende  Jaiirh.  hindurch,  in  Portugal  gesungen  wurden,  ist  von  hervorragendem 
Interesse.  Zum  Glück  kennen  wir  jetzt  statt  der  blossen  Anfangszeilen  den  ganzen  Text  und 
die  Musik  von  recht  vielen.  Dank  dem  Canc.  Musical.  Resende  nennt  in  seiner  Mis- 
cellanea  (Str.  179)  als  beliebteste  Komponisten:  Badajoz,  Salcedo,  Fuente,  Lope 
de  Baena,  ü  Cego,  Arriaga,  Francisquillo,  Gabriel,  Encina,  Madrid. 

*  Garcia  Peres  hätte  die  Pflicht  gehabt,  dies  Verhältnis  genau  fest-  und  klarzu- 
stellen. Statt  dessen  spricht  er,  vague  und  falsch,  von  29  Autoren  (p.  95).  nennt  ihrer  aber 
nur  10,  mit  unzulänglichen  Stellenangaben,  und  druckt  als  einzige  Probe  der  kastilisch-portug. 


Charakter  der  Pallast-Dichtuno.  271 

Gesamtschatzes  ist  nicht  portugiesisch.  Doch  ist  damit  der  spanische  Einfluss 
noch  nicht  erschöpft.  Spanische  Liederanfönge  und  geflügelte  Worte  aus  allen 
möglichen  Werken  werden  ausserdem  zu  Dutzenden  in  portug.  Poesien  hinein- 
gearbeitet (z.B.  in  die  Flickenlieder  oder  Centonesl  406,  501,  II  31).  Spanische 
Mottos  zu  vielen  Dutzenden  dienen  als  Motive  für  portug.  Volias  und  Glosas  ^ 
und  werden  als  Gesangseinlagen  grösserer  Werke  (I47.  56.  57.  58.  75.  88.  89.  90. 
93  und  oft.)  verwendet.2  Spanische  Dichter  werden  fortwährend  als  Muster  und 
Leuchten  gepriesen :  nächst  Macias  und  seinem  gallizischen  Schüler  Padron 
noch  Estuniga,  Juan  de  Mena,  Jorge  Manrique,  Aguilar. -^  Einzelne 
von    ihren    Werken    werden    übersetzt    und    viele    andere    nachgeahmt  4,    die 


Dichtkunst  das  geschmackloseste  Kunststück  des  ganzen  Cancioneiro  ab,  das  64  fache  Akro- 
stichon auf  Ferdinand  den  Katholischen  (II  21 1).     Hier  ist  meine  Liste: 

1  Affonso  Pires  II  343.  353-  23  Gregorio  AfTonso  II  543-  544- 

2  Affonso  Valente  I  490.  492.  24  Joam  Gomes  da  Ilha  II  42. 

3  Alvaro  de  lirito  I  201.  213.  25  D.  Joam  Manoel   1    388.  392.  410. 

4  Alvaro  Fernandez  d'Almeida  III  36?.  (2  Lieder).  416,  A'IO.  424.  III   192. 

5  Anrique  de  Sä   II  329.  331.  342.  352.  26  D.  Joam  de  Menezes  I  107.    109  — 

6  Antonio  Mendes  de  Portalegre  III  452.  112  (8  Lieder)   II4.   I17.    118.    125. 

7  Bras  da  Costa  II  491.  133-   134- 

8  Diogo  Brandäo  II  208.  352.  27  D.  Joam  Rodrigues    de   Casteliohranco 

9  Diogo  Fernandes  II  448.  II  30. 

lODuarte    de    Britol  324.    329.    331  28  Joam  Rodrigues  de  Sä  II  448. 

(8  Lieder).  341.  345-  347-  351-  353-  29  Jorge  d'Aguiar  II  9-  12. 

363.  30  Jorge   de  Resende    III   328.    338.    343- 

1 1  Duarte  da  Gamall  500.  502.  (2  Lieder).  351.  354- 

12  Duarte  de  Resende  III  444.  447.  448.  31   Luis   Anriques   II    237.    254-    265. 

13  Fernam  Bran  dao  II  342.  344-  346.  268.  270.  272.  273-  275- 

347.  350.  351-  32  Manuel  de  Goyos  III  552. 

14  Fernam    da    Silveira    I    164.   176.  492.  33  Nuno  Pereira  III   193- 

II  29.  34  D.  Pedro,  Condestavel  II  68.  73. 

15  Fernam  Teiles  I  446.  35  Pedro  Homem  III  193. 

16  Francisco  d'Almada  III  376.  36  Pero  de  Bayao  II  519-  520. 

17  Francisco  Homem  III  420.  37  Prior  de  S.  Cruz  II   192. 

18  Francisco  Lopes  Pereira  III  382.  384.  38  D.  Rolim  I.  444- 

19  Francisco  de  Sali  316.  319.  321.  323.  39  Sancho  de  Pedrosa  I  447- 

324.  40  Simäo  de  Sousa  III  409. 

20  Garcia   de  Resende  III  584.  598.  41   Vimioso  (Conde  doj.  II   126.   134. 

599-  614.  624.  635.  637.  136.   142.   143  (2  Lieder).   146.    147 

21  Caspar   de  Figueiroo  II  342.  (2  L.).   148  (2  L.).   153-   157- 

22  Gonqalo  Mendes  Zacoto  II  526. 

Die  bedeutendsten  und  fruchtbarsten  spanisch-dichtenden  Portugiesen  sind  D.  Juan  Manuel 
und  D.  Juan  Menezes.  Beide  haben  durch  langen  Aufenthalt  in  Spanien,  wo  sie  als 
Gesandte  weilten,  Übung  in  der  Schwestersprache  erlangt ;  beide  haben  zum  span.  Lieder- 
buch einige  wertvolle  Gedichte  beigesteuert,  und  werden  daher  auch  in  span.  Litteratur- 
geschichten  gewürdigt  (so  z.  B.  bei  Clarus  II  231  —255).  Wie  die  ältesten  und  die  meisten 
der  137  span.  Gedichte  bei  Gelegenheit  span.  Feste,  aus  Verehrung  für  span.  Damen,  und 
in  Folge  span.  Zuschriften  und  Angriffe  entstanden,  lässt  sich  ohne  Mühe  demonstrieren.  Man 
lese  z.  B.  I  125.  416.  420  und  II  29- 

1   Canc.  de  Res.  I  236.  244.  II   173-  419-  VI  301. 

*  In  diesem,  nach  modernem  Gefühle  unschönen  und  stilwidrigen  Sprachgemisch  eine 
Verachtung  der  Muttersprache  erkennen  zu  wollen,  ist  ungerecht.  Viele  Dichter  vermieden 
solche  Mischung  übrigens  sorgfältig,  und  an  Spott  und  Zorn  über  die  acastelhanizados  fehlte 
es  schon  damals  nicht.     S.  I  265,  III  358.  627.   272  u.  a.  m.,   Canc.   Gen.   No.  2o8  *. 

'  Macias  kommt  vor:  I  7.  14.  46.  80.  122.  159-  382.  384.  412.  487  II  14-  43- 
5l6;  Padron  I  4.  88.  90.  382;  Estuniga  I  40.  72;  Mena  I  36.  40.  41.  99.  267. 
382  III  317;  Manrique  I  41  ;  Aguilar  I  40.  Der  gehasste  Anton  de  Montoro, 
o  Roupeiro  wird  III  653  und  I  240  erwähnt.  An  Litteraturwerken  werden  sonst  nocii 
zitiert:  dieConquista  de  Ultramar  II  183  und  Esp  lan  dian  III  5  30  (und  von  nicht 
spanischen  Arimathial278;  VitaChristil59;  Cento  Novelle  II 329 ;  Boccaccio's 
Fiametta  und  andere  ital.-span.  Prosa  -  No  ve  1 1  en  I  309.  310). 

*  Santillana  wird  »namentlich«  nicht  genannt,  doch  war  gerade  seine  Einwirkung  eine 
ungeheure.    Dass  man  thatsächlich  Werke  von  ihm  übersetzt  hat,  glaube  icli  trotzdem  nicht. 


272    LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.   4.    PORT.    LlTT. 


einen  genauer ,  die  anderen  nur  im  Allgemeinen ,  immer  aber  naturgemäss 
in  echt  peninsularem  Geiste.  Wesentliche  Unterschiede  zwischen  spanischen 
und  portugiesischen  Gedichten  bestehen  daher  auch  jetzt  nicht:  zu  jeglicher 
Liedergattung  des  Canc.  de  Res.  kann  man  im  Canc.  Gen.  Parallelstücke 
finden,  es  seien  Lamentationen,  Höllenfahrten,  Träume,  Visionen,  Allegorien, 
B'Hckenpoesien,  Akrostichen,  Labyrinthe,  Wortspiele  mit  dem  Namen  der  Ge- 
liebten ;  Invenciones  e  Idras ;  Prozesse ;  Kartenspiele  ;  Romanzenglossen  ;  Ent- 
gegnungen auf  blasphematorische  Übertreibungen;  Parodien  auf  Kirchen- 
gebete und  Litaneien,  oder  anderes  mehr.  Das  Dichten  an  den  beiden  Höfen 
sieht  aus  wie  ein  gemeinsames,  doch  von  nebenbuhlerischer  Eifersucht  be- 
schleunigtes Wettlaufen,  bei  dem  bald  die  eine,  bald  die  andere  Nationalität, 
meist  aber  das  mächtigere  Spanien  das  Ziel  steckte,  den  Vorsprung  hatte  und 
die  Palme  gewann. 

108.  Was  die  looo  Gedichte  des  Liederbuches  der  Form  und  dem 
Gegenstand  nach  sind,  ist  nicht  ganz  leicht  zu  sagen.  Die  Entstehungsgeschichte 
der  darin  zur  Anwendung  kommenden  peninsularen  Dichtungsformen  ist  ja 
leider  noch  nicht  geschrieben,  wie  oben  geklagt  ward.  ^  Auch  ein  Lehrbuch 
der  portug.  Poetik  aus  dieser  zweiten  Periode  gibt  es  nicht;  und  die  von 
den  Autoren  selbst  angewendete  Terminologie  ist  keine  systematische,  schul- 
gemäss  ausgebildete,  sondern  eine  äusserst  schwankende  und  willkürliche.  Der 
Übersichlichkeit  halber,  teile  ich  sämtliche  Gedichte  in  zwei  Hauptgruppen: 
in  L  Poesias  und  IL  Trovas.  Doch  sind  ihre  Grenzscheiden  keine  feftcn. 
Die  einen  kurzweg  Gedichte  ernsten  Inhalts,  die  anderen  aber  Gedichte 
heiteren  Inhalts  zu  nennen,  geht  nicht  gut  an. 

109.  Die  Verfasser  der  Poesias  beanspruchen  für  sich,  und  zwar  nur 
für  sich,  den  stolzen  Titel  Foetas,  und  für  ihre  Kunst,  statt  arte  de  trovar  die 
Bezeichnung  poetria.  Denn  sie  sind  gelehrte,  litteraturkundige  Leute  (lettrados) 
und  als  solche  bei  den  Alten  (und  bei  den  Italienern)  gut  zu  Hause.  Die 
meisten  handhaben  das  Lateinische  mit  Eleganz  und  Sicherheit;  einige  ver- 
stehen sogar  Griechisch.  Ihr  Wissen  stellen  sie  aber  auch  als  Pallast-Dichter 
nicht  ganz  unter  den  Scheffel,  sondern  verbrämen  ihre  Werke,  gleich  den 
Prosaisten  und  dem  Condestavel,  reichlichst  mit  klassischen  Reminiscenzen. 
VaxQ, poesias  —  trovas  de  poesia  — -  trovas  de  obra  grande  —  trovas  de  arte  tnayor  sind 
gewöhnlich  langatmige  Werke  und  fallen  wie  durch  den  Umfang,  so  durch 
den  Inhalt  aus  dem  Rahmen  geselliger  Hof-  und  Konversationslyrik  heraus. 
Ernsten  Sinnes  und  würdevollen  Gebahrens  beschäftigen  -sie  sich  mit  Tugend 
und  Laster,  Himmel  und  Hölle,  Tod  und  Unsterblichkeit,  moralischen  und 
theologischen  Fragen  und  wenn  mit  Liebesproblemen,  so  stets  in  allgemeiner 

Die  1792  gedruckten  sogenannten  »Fragmente  einer  S  a  n  t  i  1 1  a  n  a  Übersetzung  von  Ayres 
Tellesi.,  denen  Braga  einen  Aufsatz  gewidmet  \\2X  (Questoes  ■^.  139),  stammen,  meiner  «Über- 
zeugung nacb,  aus  der  Feder  des  erfindungsreichen  Herausgel)ers  A.  L.  Caminha  (s.  ob. 
p.  232  und  233  Anm.  4  und  6),  und  müssen  daher  im  »Buche  der  Apokryphen«  seziert  werden. 
Ihre  künstliche  UnvoUkommenheit  zeigt  die  Absicht  des  Fälschers.  Echte  Übersetzungen 
Span.  Originale  lieferte  der  gelehrte  und  fromme  Alcobacenser-Mönch  Frei  Dr.  J o  ä o  C  1  a r  o 
(1450—1520).  Er  bearbeitete  für  die  ungelehiten  Klosterbrüder  das /"(rr^/r^-AWö,  Ave-Maria 
und  Te  Deum  laudannis  des  F  ern a n  P  erez  de  Guzman,  und  zwar  recht  geschickt.  Vgl. 
Cmic.  General  Nos  23.  22  und  40  mit  den  hieditos  des  Boa  Ventura  I  p.  235 — 238.  Echt 
sind  auch  die  kargen  Reste  einer  Übertragung  des  Arcypreste  de  Fyta  (s.  oben  §  70), 
die  nicht  in  D.  Du  arte's  Bibliothek  stand.  Heute  ist  nur  ein  stark  beschnittenes  Perga- 
menthalbblntt  davon  übrig,  das  aus  S.  Cruz  stammt,  in  der  PortuenserBibliothek  von  Braga 
entdeckt  ward  (No.  785)  und  jetzt  in  Lissabon  aufbewahrt  wird.  Es  enthält  die  Strophen 
59—62;  90—93;  94  —  100;  113  —  120.  S.  Braga,  hitrodiufäo  247  und  Questoes  p.  128 
bis   139  und  Revista  da  Sociedade  de  Instrtugäo  11  p.  79-84. 

1  In  dem  Abschnitt  über  span.  Litteraturgeschichte  würde  Eingehenderes  über  das 
Werden  der  typischen  Grundformen  hispanischer  Dichtung  am  Platze  sein.    S.  oben  §  78. 


Spanischer  Einfluss.  —  Formen  der  Pallastdichtung.  273 

philosophierender  Weise.  Dem  entsprechend  schlagen  sie  einen  getrageneren 
Ton  an,  schmücken  ihre  Sprache  mit  ungewöhnlichen  lateinischen  Worten, 
zahlreichen  Superlativen  und  Epitheten  und  bedienen  sich  einer  dunklen  Rede- 
weise und  allegorischer  Einkleidung.  Nach  einem  vornehmeren  Metrum,  einer 
epischen  Langzeile  ausschauend,  wählen  sie,  dem  peninsularen  Zeitgeschmack 
entsprechend,  meist  den  span.  Zwölfsilbler,  der  ausschliesslich  zu  eintönigen 
Odavas  (abbacddc)  gebunden  wird  (von  einigen  Variationsversuchen  zu  schweigen). 
Da  aber  der  hüpfende  anapästische  Rhythmus  und  die  symmetrische  Zwei- 
teiligkeit dieses  span.  Versmasses  den  Portugiesen  wenig  zusagte,  und  der  jambische 
Dekasyllabus  der  ersten  Periode  sonderbarerweise  nicht  national  genug,  sondern 
veraltet  deuchte,  griffen  auch  A\e,  poeias  häufig  zu  den  Kurzzeilen  der  heimischen 
Volkspoesie  als  zu  einem  viel  geschmeidigeren  Material,  so  dass,  nach  dieser 
Hinsicht,  der  Unterschied  mit  den  Trovas  aufgehoben  erscheint.  Verhältnis- 
mässig wenige  Dichter  kultivierten  dies  höhere  Genre  ^  und,  bezeichnend  genug, 
sind  es  ungefähr  dieselben,  welche  sich,  als  Anhänger  Mena's  und  Santil- 
lana's,  am  eifrigsten  der  span.  Sprache  angenommen  hatten.  An  Gedichten  in 
Langzeilen  sind  nur  2  2  vorhanden ;  und  rechnet  man  die  trovas  de  poesia  hinzu, 
so  hat  man  im  Ganzen  auch  noch  kein  halbes  Hundert  —  von  ganzen 
Tausend.  2 

Zunächst  einige  religiöse  Lieder.  Grosses  hat  Portugal  auf  diesem,  von 
den  Spaniern  mit  so  viel  Glück  gepflegten  Gebiete  nie  geleistet.  Was  aber 
vorhanden  ist,  hat  naturgemäss  seine  Geburtsstätte  meist  im  Kloster  (wie  auch  in 
dieser  Epoche  D.  Filippa's  liebevoller  Gruss  an  den  Erlöser  und  einige  Hymnen 
des  Dr.  Frei  Joäo  Claro).^  Dennoch  besitzen  wir  im  Canc.  de  Res.  von 
erlauchten  Höflingen  ein  Paar  recht  wohlgelungener  frommer  Poesien,  die 
immer  in  schlichter  Trova-Yoxvn  auftreten.  Luis  da  Silveira  schrieb  eine 
monologistische  Bearbeitung  des  salomonischen  Vanitas  Vamtatum,  an  die  sich 
eine  charakteristische  Anekdote  knüpft*,  (II  456);  Luis  Anriques  (II  254) 
lieferte  eine  Darstellung  der  Gethsemane-Szene,  eine  Glosse  des  Vaterunsers 
(II  260)  und  einen  Hymnus  an  die  Gebenedeite  {Ave  Maris  Stella),  als  er  Pest- 
kranke im  Hause  hatte  (II  252).  Ein  ähnliches  Gebet  dichtete  bei  gleicher 
Veranlassung  Anrique  de  Sä  (II  230);  und  Alvaro  de  Brito  widmete  der 
Jungfrau  vom  Krankenlager  aus  einen  Stossseufzer,  an  den  er  Betrachtungen  über 
den  Tod  knüpfte  {Interrogafäo  a  N.  S.,  l  230).  Der  hochbeanlagte,  feinfiihlige 
Oberkämmerer  und  Königsenkel  D.  Joäo  Manoel  hinterliess  nächst  einigen 
schönen  Devotionen  an  die  Jungfrau,  und  einer  Ansprache  an  den  Apostel 
Andreas,  in  welcher  jedoch  die  Satyre  auf  die  Sitten  der  Zeit  zu  Worte 
kommt,  ein  nach  Dante'schem  Muster  gebautes  doktrinäres  Poem  über  die 
Todsünden  (I  424),'*  das  in   Geist  und  Sprache   zu    den    weltlichen    trovas 

*  V>fx  versos  de  arte  mayor  bedienten  sich  nur:  D.  Pedro  II  73;  D.  Joä"  Manuel 

I  374;  Luis  Anriques  II  IQO.  246.  268.  270.  277;  Diogo  Brandäo  II  190.  223. 
340 ;  D.  Francisco  de  Portugal,  Conde  deVimiosoIIl 55.  1 56 ;  Joäo  R o d r i - 
gues  de  SäeMenezes  II  452;  Anrique  de  Sä  II  337.  340.  348;  Garcia  de 
Re  sende  II  156;  Fern  am  Brandäo  II  339.  347  und  parodierend  der  Coudel- 
mör  I   170  und   172. 

'  Trovas  de  poesia  spendeten  ausser  den  lO  eben  genannten  Luis  de  Azevedo, 
Duarte  de  Brito,  Alvaro  de  Brito  und  Joäo  Rodrigues  de  Lucena. 

*  Die  selbständigen  Gedichte  dieses  schon  als  Übersetzer  genannten  Mönches  (späteren 
Abtes)  von  Alcobaga  sind  Gebete  und  Hymnen  in  altertümlicher  Kirchensprache.  S.  Boa- 
ventura,  Ituditos  I  p.  5 — 13;   174  — 207  und  vgl.  Braga,   Ca7ic.  Pop.   13  —  16 

*  S.  Barros,  Dec.  III  3  cap.  4  und  vgl.  Bellermann  p.  51.  Statt  des  unschein- 
baren Schiflfsbreviers  diente  1518  in  Pegü  der  stattliche  Cancioneiro  als  »Heilige  Schrift», 
auf  welche  ein  Eid  geleistet  ward,  unter  Rezitierung  der  Salomonischen  Paraphrase.  Andere 
Folianten  spielten  in  der  Folgezeit  im  portug.  Indien  und  in  Brasilien  öfter  die  gleiche  Rolle. 

*  Es  blieb  unvollendet,  wie  Mena's  Poem  über  denselben  Gegenstand.    Vgl.  Clarus 

II  232-  236. 

Uröbbr,  Grundriss.   IIb.  18 


2  74    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER,    —   4.    PORT.    LiTT. 

de  poesia  hinüberleitet.  Die  meisten  davon  sind  etwas  mystisch  angehauchte 
Allegorien,  vornehm  in  ihrer  Haltung  und  nicht  ungewandt  in  der  Ausfuhrung, 
Parallelstücke  zu  den  Versen  des  Condestavel  und  seiner  Vorbilder.  Die  besten 
scheinen  mir  eine  Unterredung  des  eben  genannten  Luis  Anriques  mit  drei 
aus  dem  Pallast  der  Liebe  kommenden  Frauen  :  Melancholie,  Bangigkeit 
und  Hoffnung  (II  268),  und  die  gefühlvolle,  sehr  anmutige  Liebeshölle  des 
Du  arte  de  Brito  (I  286),  der  in  Gesellschaft  eines  gleich  ihm  liebenden, 
aber  ungeliebten  Freundes  von  einer  Nachtigall  —  der  Stimme  des 
Herzens  —  zum  Aufenthalt  der  an  Liebesgram  Verstorbenen  geleitet  wird. 
Der  epische  Anruf  an  Kalliope  und  die  vielen  Gleichnisse  aus  der  klassischen 
Mythologie  {Comparaciones)  drücken  den  leichtfüssigen  Kurzzeilen  der  Erzählung 
ein  eigentümliches  naiv-mittelalterliches  Gepräge  auf,  das  nicht  ohne  Reiz  ist. 
Von  den  Toten  klagen  —  trovas  em  modo  de  lamentafäo  ,  die  sich  an  lyrischem 
Schwung,  Tiefe  der  Empfindung  und  Adel  der  Sprache  gleichfalls  nicht  mit  ihren 
kastilischen  Mustern  messen  können,  gelangen  abermals  am  besten  die  bescheiden 
in  Trova-Form  gegossenen:  so  eine  Klage  um  den  Regenten,  die  als  Predigt  dem 
Toten  selbst  auf  die  Lippen  gelegt  ist,  von  Luis  d'Azevedo(l45i);  der  Jammer- 
ruf des  Alvaro  de  Brito  um  den  jäh  verblichenen  Kronprinzen  Alfons  (I  221), 
und  ein  kunstvoller  eingekleidetes,  die  Jorge-Manriquestrophe  nachbildendes 
Poem  des  Luis  Anriques  (II  237)  auf  dasselbe  beklagenswerte  Ereignis.  In 
epischen  Oktaven  mit  direktem  Anruf  an  den  discreto  leytor  lässt  sich  noch 
bei  der  gleichen  Gelegenheit  D.  Joäo  Manoel  vernehmen  (I  374).  Und 
Johann's  II.  Tod  und  Bestattung  wird  dreifach  in  Langzeilen -Gedichten  be- 
handelt (II  246  und  249  von  Luis  Anriques,  II 199  von  Diogo  Brandäo). 
Ein  kleines  Epos  —  oder  richtiger  eine  Reimchronik  in  Oktaven  —  beschäftigt 
sich  (15 14)  mit  der  Expedition  nach  Azamor  (II  277),  und  eiiiige  Verse 
des  Joäo  Rodrigues  de  Sä  (II  452)  bilden  eine  Art  Präludium  dazu.  Von 
der  Gegenwart  abstrahiert  und  aus  der  historischen  Vorzeit  schöpft  einzig  und 
allein  Garcia  de  Resende  in  der  romanzenartig  behandelten  Erzählung 
vom  Lieben  und  Leiden  der  Ines  de  Castro  (III  6x6).  Gelehrte  dunkle  Fragen 
und  noch  gelehrtere  dunkle  Echo-Antworten  darauf  (polos  consoantes)^  nach 
dem  im  Cancioneiro  de  Baena  von  Vasco  Lopes  de  Camöes  angewendeten 
Recepte,  em  oitavas  que  levavam  muyta  poesia^  gefielen  am  portug.  Hofe  nur 
massig  (s.  II  156,  340 — 341  und  347-348):  nur  wenn  sie  die  Metaphysik 
der  Liebe  oder  den  Kleinkram  des  höfischen  Gescllschaftslebens  betrafen  und 
den  volksmässigen  Ton  anstimmten ,  fanden  sie  Beifall  und  offene  Ohren. 
Das  Hess  sich  der  Humanist  Joäo  Rodrigues  de  Sä  e  Menezes'  (das  Haupt 
einer  ganzen  Dichterdynastie)  wohl  gesagt  sein :  denn  auch  in  einem  herul- 
dischen  Lehrgedichte  über  die  Wappen  der  erlauchtesten  portug.  Familien 
(II  358)  und  sogar,  wo  er  direkt  aus  den  Klassikern  schöpfte,  wie  in  der  Grab- 
schrift Tibulls  fll  447)  und  in  den  Heroidenbriefen  nach  Ovid  und  dem  Ovid- 
genossen  Sabinus  hielt  er  an  der  Trova  de  arte  tnenor  fest ;  und  das  gleiche 
tat  in  ähnlichen  Werken  der  Sohn  Lucena's,  Joäo  Rodrigues.-  Und 
man  muss  bekennen ,  dass  die  antiken  Gestalten  in  dem  übergeworfenen, 
lockeren,  romantischen  Gewände  dennoch  gar  nicht  uneben  dreinschauen. 
Wie  wenig  die  Langzeile  und  der  hohe  Stil,  und  unter  den  ernsten  Gedichten 
besonders  die  geistlichen,  dem  rein  höfischen  Zeitgeschmack  zusagten,  be- 
weisen überdies    zwei    oder    drei  Parodien  auf   das  ganze  Genre    der  poesias, 

*  Über  diesen  Portugiesen,  dessen  Wissen  und  Charakter  noch  die  Gelehrten  des 
XVI.  Jhs.  einstimmig  verherrlichten,  sehe  man  Barb.  Machado  und  Sä  de  Miranda,  ed. 
1886,  p.  749  u.   788. 

2  Menezes  übertrug  die  Briefe  von  Laodicea,  Penelope  und  Dido,  und  Lucena 
die  Epistel  von  Oenone,  sowie  das  Schreiben  des  Ulysses  an  Penelope. 


Formen  der  Pallastdichtung:  Trovas.  275 

in  denen  der  biderbe,  ja  rüde,  alte  Coudel-mör,  Fernam  da  Silveira  (der 
auch  das  Haupt  einer  zahlreichen  Dichterfamilie  ist)  die  port.  Poetas  und 
ihre  Prätentionen  verlacht  (I  171  und  172).  ^  Und  es  beweisen  es  nicht  minder 
die  (freilich  auch  in  Spanien  nicht  seltenen)  Zerrbilder  frommer  Weisen ,  in 
denen  z.  B.  das  Stabat  mater  (III  385)  oder  die  Beichtformeln  und  selbst  die 
Worte  der  Passionsgeschichte  von  zucht-  und  sittenlosen  »Liebes-Evangelisten« 
herabgewürdigt  werden  (I  495)- 

HO.  Diese  Trovas,  die  immer  eine  einfache,  natürliche,  an  familiären 
Wendungen  reiche  Sprache  reden,  und  nur,  wo  sie  scherzen  und  witzeln,  durch 
gehäufte  Anspielungen  und  gesuchte  Scheit-  und  Schmähworte  unverständlich 
werden,  bedienen  sich  ausnahmslos  der  von  Spaniern  undPortugiesen  mit  gleichem 
Rechte  als  nationale  Versart  betrachteten  Kurzzeilen,  d.  h.  des  in  spanischer 
wie  portugiesischer  Volks-  und  Kunstpoesie  bis  auf  den  Tag  herrschenden  A.cht- 
silblers  trochäischen  Wandels  mit  beweglichen  Accenten  und  beliebig 
wechselndem  oxytonischem  und  paroxytonischem  Reihenschluss,  2  sowie  seines 
Halbverses,  und  des  nur  eine  Nebenrolle  spielenden  Sechssilblers.  Über- 
aus mannigfaltige  Gebilde  wurden  aus  den  beiden  ersten  gebaut:  Strophen  von 
2  bis  zu  12  Zeilen,  und  Gedichte  von  nur  einem  Gesätze  bis  zu  Hunderten 
von  Strophen.  Für  die  wenigsten  Arten  sind  aber  im  15.  Jh.  in  Portugal 
besondere  Namen  üblich:  alles  ist  Copla  oder  noch  häufiger  eben  trova.^ 
Die  Elemente  für  die  ganze  bunte  Schaar  von  Trovas- kx\.t,x\  sind  a)  die  selten 
gebrauchten,  weil  allzu  schlichten  Reimpaare  (Fareados)  der  Volkspoesie ;  b)  die 
Triaden  oder  Cantarcillos  (*aa)  und  besonders  c)  die  Vierzeiler  (abab  oder  abba) ; 
sowie  d)  die  Quintilha  (abaab;  ababa;  ababb;  abbaa;  abbab)  und  e)  die  SextUha 
(abaaba  oder  abcabc) ,  über  deren  Entstehen  ich  mich  hier  nicht  äussern 
kann.  Durch  Zusammensetzung  der  letzten  drei  entstehen  schon  zahlreiche 
Spielarten  (von  7  bis  zu  12  und  13  Zeilen).  Nun  rechne  man  aber  hinzu, 
dass  statt  des  Vollverses  der  Quebrado  von  nur  3  oder  4  Silben  stehen  kann ; 
iass  solcher  Halbverse  i  bis  6  in  der  Strophe  vorkommen,  dass  die  beiden 
symmetrischen  oder  asymmetrischen  Strophenhälften  durch  den  Reim  gebunden 
sein  können  oder  nicht,  und  man  wird  erkennen:  i)  dass  ich  die  noch  nirgends 
aufgestellte  schematische,  mit  Beispielen  belegte  Übersicht  hier  nicht  geben 
darf;  und  2)  dass  es  leichter,  bequemer  und  amüsanter  war,  selbst  neue  Kom- 


'  Dass  die  ersten  Decimas  de  arte  mayor  Parodien  (=  poesias  de  disparates)  sind, 
scheint  mir  unverkennbar,  und  auch  die  beiden  Oktaven  in  Neger-Kauderwälsch  wird  Niemand 
anders  beurteilen.  Nur  das  Labyrint  fl  172)  kfinnte,  obwohl  eine  Spielerei,  doch  ernst 
gemeint  sein. 

*  Über  das  Verhältnis  der  männlichen  zu  den  weiblichen  Reimen  in  der  1.  und 
2.  Epoche  portug.  Dichtkunst  sehe  man  Sä  de  M  i  r  a  n  d  a  p.  CXXIII.  Daselbst  (p.  CXI  -  CXV) 
findet  man  auch  einige  Angaben  über  die  meisten  Arten  von  trovas,  doch  sind  sie  natürlich 
unzureichend,  weil  sie  einzig  Miranda's  Leistungen    berücksichtigen. 

'  Der  veriiältnisniässig  junge  und  unpassende  Ausdruck  redondühas  für  alle  im 
Nationalstil  geschriebenen  Dichtungen,  kommt  im  15- Jh.  nicht  vor.  Allgemeiner  Brauch 
war  es  vielmehr,  sämtliche  Gedichte  der  Zeit  und  Vorzeit  trovas  zu  nennen.  Das  geht 
auch  daraus  hervor,  dass  im  Katalog  zur  Bücherei  D.  Duarte's  alle  portug.  Gedicht- 
sammlungen mit  jenem  Ausdruck  bezeichnet  werden  (No.  38  0.  Lrvro  das  Trovas  del  Rey 
D.  Diniz.  63  0  Livro  das  Trovas  del  Hey  D.  Affonso.  78  O  livro  das  Trovas  del  Rey). 
In  trovas  s'-X-/.'-.  '.^.  Duarte  das  \zA.€m.  Juste-Judex-G^h^i  um;  iw  trovas  richtete  der  Regent 
sein  Schreiben  an  Mena;  in  trovas  transponierte  ein  Unbekannter  die  Gedichte  des  Erz- 
priesters von  Fita  (s.  p.  272  Anm.) ;  /rtwaj  schrieb  1415  Judä  Negro.  Vgl.  §  76  und  77. 
-  In  ihrer  schlichtesten  Form,  welche  alle  eben  genannten  Poeten  und  die  ältesten  Dichter 
des  Canc.  de  Res.  vorwiegend  anwenden,  existierten  sie  unbedingt  schon  längst  in  der  ge- 
samten peninsularen  Volkspoesie,  aus  der  man  sie  emporhob.  Wie  oft  mochte  das  Volk 
schon  in  der  1.  Periode  zwei  sinnverwandte  quadras  hintereinander,  wie  ein  Ganzes,  gesungen 
haben!  An  die  K  u  n  s  t  gedichte  der  l.  Periode  knüpft  hingegen  das  s\^\^Vi  trovas  noch  jetzt 
beigegebene  Schlussgesätze  —  fim  oder  caio  —  an,  ob  es  auch  vom  eigentlichen  Geleimte 
nichts  mehr  an  sich  hat, 

18* 


276    LiTTERATUR GESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


binationen  zu  schaffen,  als  sich  auf  regelrechtes  Nachahmen  einiger  typischer 
Vorbilder  zu  verlegen  ;  und  3)  dass  demgemäss,  wenn  irgendwo,  so  hier  die 
Portugiesen  eine  relative  Unabhängigkeit  und  Erfindungskraft  dokumentieren 
mussten.  Das  ist  denn  auch  thatsächlich  der  Fall.  Muss  auch  im  Einzelnen 
genauester  Vergleich  mit  den  span.  Liederbüchern  es  erst  bestätigen,  so  glaube 
ich  doch  sagen  zu  dürfen,  dass  stofflich  wie  formell  unter  den  Trovas  durchaus 
nicht  weniges  Neue  ist.  Nur  ist  das  Neue  nicht  immer  schön ,  sondern  oft 
absonderlich  (wie  wenn  die  Langzeilen  der  Octava  durch  Viersilbler  unter- 
brochen werden).  Gerade  weil  der  Portugiese  nämlich  die  konstruktiven  Teile, 
in  denen  die  eigentliche  schöpferische  Erfindung  steckt,  meist  fertig  über- 
nahm, —  in  der  Dichtkunst  wie  in  der  Architektur  —  bethätigte  er  seine 
Phantasie  überwiegend  am  Dekorativen ;  das  aber  oft  in  massloser  Weise,  ohne 
Rücksicht  auf  Prinzipien  und  Reinheit  des  Stils,  abhold  allem  Regelzwang, 
nur  scheinbar  Eigenartiges  produzierend. 

Im  umfassendsten,  nur  das  Versmass  beachtenden  Sinn  fallt  alles  was 
Dicht  j!>oesia  ist,  unter  den  Begriff  trovas.  Doch  legt  sich  die  Gattung 
—  (von  den  trovas  de  poesia  abgesehen)  —  in  zwei  Spezies  auseinander: 
in  frei  gebaute,  eigentliche  trovas,  die  beliebig  viele  und  beliebig  gefügte 
Strophen  enthalten;  und  in  trovas  mit  festen  Formen,  die  ich  Can- 
tigas  nenne.  Die  ersteren  erzählen  meist  lachend  und  scherzend,  oft 
spottend  und  höhnend,  von  äusseren  Geschehnissen;  die  zweiten  sprechen 
bald  heiter,  bald  in  elegischen  Tönen  von  innerlichen  Ereignissen:  von 
Lieben  und  Leiden,  Seufzen  und  Sehnen,  Gewähren  und  Verweigern,  kurz 
von  Herzensangelegenheiten,  und  sind  zum  grössten  Teile  wahre  Singelieder 
{cantigas  de  amor) ,  zu  denen  der  Dichter  selber,  oder  ein  Hofmusiker,  die 
für  Guitarre,  Laute,  Harfe,  Geige  bestimmte  Melodie  vcrfasste.  ^  Die  Dichter 
der  Cantigas  nennen  sich  durchweg  noch  Minnesänger,  während  für  die  Ver- 
fasser der  freien  eine  abweichende  prägnante  Bezeichnung  fehlt.  Sie  werden 
meist  auch  trovadores  genannt ;  ryfadores  nur  wenn  sie  mit  beissendem  Witze 
ihres  Spottes  Lauge  in  Liederform  (mit  ryfam)  ausgiessen.  Der  von  Santillana 
und  im  Canc.  de  Baetia  für  Verfasser  von  allen  nicht  zum  Gesänge  bestimmten 
Sprech-Gedichten  benutzte  Name  dezidores  kommt  bei  Resende  nicht  vor.  — 
Neben  (rund)  400   Trovas  stehen  (rund)  600   Cantigas. 

III.  Die  Singlieder  (Cantigas)  im  weiteren  Sinne  des  Wortes,  oder  sagen 
wir  die  trovas  mit  fester  Form,  zerfallen  in  Esparsas  (27),  Cantigas  im 
engeren  Sinne  (388),  Vilancetes  (104)  und  Glosas  (60  -f-  21)2  Die  Es- 
parsa.,  deren  Name  im  14.  Jh.  aus  der  Provence  über  Katalonien  nach 
Kastilien  gekommen  war,  ist  nichts  als  eine  Einzal-trova,  von  nicht  weniger 
als  9  und  der  Regel,  nach  nicht  mehr  als  i6  gleichlangen  Zeilen  mit  will- 
kürlich vom  Dichter  bestimmter  Reimordnung,  meist  nachdenklichen,  oft  schmerz- 


*  Das  that  z.  B.  Resende  III  624  {entoadopor  eile)  und  625.  Vgl.  III  71,  wo  die 
alte  Bezeichnung  Som  für  Melodie  gebraucht  wird.  Die  iui  Liederbuch  erwähnten  Instrumente 
sind:  rabecas,  arpas,  alaudes,  gnitarras,  dazu  tamboris,  pandeiros ,  charamelas,  sacabuxas, 
cornetas,   atabales    und  trombetas. 

^  Die  Verwertung  dieser  festen  Formen  (wie  auch  der  oitavas  de  poesia)  ist  ohne  Zögern 
als  Nachbildung  d  er  älteren  ,  spanischen  Modelle  aufzufassen  ,  ohne  Rücksicht  darauf 
dass  dieselben  nicht  alle  ureigene  O  r i g i n  a  1  Schöpfungen  Kastiliens  sind.  Denn,  sollten 
auch  die  Wurzeln  der  Glosse  und  der  esparsa  wirklich  in  der  Provence  .sein  und  sollte 
selbst  das  vilancete  mit  der  prov.  danfa  oder  dem  uordfrz.  virlais  und  rondel  eng  zusammen- 
hängen (woran  man  angesichts  der  bunt  mannigfaltigen  Versuche  des  Canc.  Mtisical  zvi€\Mw 
darf),  so  .sind  sie  doch  durch  die  Einkleidung  in  das  peninsulare  Gewand  der  Kurzzeilen, 
und  durch  den  spanischen  Geist,  mit  dem  man  sie  füllte,  neue  und  eigentümliche  hispa- 
nische Gestaltungen  geworden,  an  denen  nichts  fremdartig  aussieht. 


Formen  der  Pallastdichtung:  Trovas.  Cantigas.  277 

liehen  Inhalts.  1  Ganz  verschieden  ist  die  gemeinsame  Grundform  der  übrigen 
drei.  Sie  bestehen  stets  aus  zwei  Teilen:  einem  Thema,  das  ursprünglich  eine 
ritterliche  Devise,  ein  Motto  war  und  diesen  Namen  (mote)  auch  später  beibe- 
hielt, und  aus  einer  dasselbe  umschreibenden  und  erklärenden  Paraphrase,  der 
Wendung  —  volia-^  oder  Glosse  =  g/osa,  die  vereinzelt,  in  altertümlichen 
Exemplaren ,  auch  ten^äo,  entencäo  oder  entendimento  — -  A  u  s  1  e  g u  n  g,  S  i n  n  d  e  u  t  u  ng 
genanntwird(II  419).  In  der  knappsten  Form,  die  höchstwahrscheinlich  nach  ritter- 
lichem Tournier,  im  Frauensaal  improvisiert  ward,  zählt  das  Motto  nur  eine  Zeile, 
und  die  Volte  oder  Glosse  ihrer  bloss  vier:  sie  ist  also  nichts  als  eine  schlichte 
qitadra^  doch  mit  der  unumgänglichen  Eigentümlichkeit,  dass  ihre  letzte  Reihe 
das  Motto  wiederholt,  wörtlich  oder  nur  sinngemäss,  doch  auch  in  diesem 
Falle  mit  Beibehaltung  des  Reimwortes.  '^  Zu  dieser  ersten  kurzen  Strophe, 
welche  den  Gedanken  des  Dichters  oft  nur  ungenügend  wiedergeben  konnte, 
trat  später  dann  eine  ungefähr  doppelt  so  lange,  zweite  hinzu.  Man  gewöhnte 
sich,  die  bereits  umschreibende,  den  verborgenen  feineren  Sinn  der  von  Damen - 
mund  vorgeschlagenen  Devisen  divinatorisch  enthüllende  Copla,  als  das  eigent- 
liche Thema  zu  betrachten,  die  reine  Devise  aber  ganz  zu  unterdrücken. 
Drei  Arten  schieden  sich  frühe  von  einander  und  machten  ihre  besondei-e 
Entwicklung  durch.  Als  diese  vollendet  war,  bestand  die  typische  Muster- 
C antig a  aus  4  zeiligem  Liede  und  8  zeiliger  Volta^  die  im  Cancioneiro  de 
Resende  ausnahmslos  noch  trozm  heisst.  ^  Das  typische  Vilancete^  das  im 
portug.  Liederbuch  nur  ein  einziges  Mal  bukolisch  ist  (II  301),  enthielt 
hingegen  ein  2  oder  3  zeiliges  Motto,  (*bb)  und  eine  7  zeilige  Wendung.  ^  Bei 
Cantigas  viiG  Vilancetes  wwx^c  dasMottoliedchen  jedoch  nicht  wörtlich  wieder- 
holt :  der  Hörer  hatte  es  noch  zu  frisch  im  Ohr !  —  Den  Namen  rifam  gibt  man 
beiden,  wenn  sie  scherzen  und  spotten.  In  diesem  Falle  treten  meist  zur  ersten 
Variation  noch  weitere, oft  sogar  viele  hinzu,  bis  zu  45  Strophen.  Unter  solchen 
Umständen  wird  das  tonangebende  Thema  oder  Leitmotiv  am  Schlüsse  der  Strophen 
wiederholt,  damit  es  nicht  vergessen  werde,  und  zwar  wörtlich,  also  refrain- 
artig. <*  Singelieder  sind  die  riföes  nicht  mehr  (?).  Sie  bilden  somit  ein  Grenz- 
gebiet, das  zu  den  freien  trovas  führte.  Strikt  notwendig  war  wörtliche  Rcpe- 
tition  beim  Liebesliede  mit  ein-  (oder  zweizeiligem) Motto  und  zehnzeiliger Para- 
phrase, welches  durchgängig  den  technischen  Namen  y>moto  grosado«  führt. ' 
Die  eigentliche  Glosse  aber,  welche  der  Portugiese  stets  als  Cantiga  grosada 
bezeichnete,  haben  wir  erst,  wenn  eine  ganze,  mindestens  vierzeilige, 
cantiga  des  oben  charakterisierten  Genres  als  Thema  benutzt  ward.  Dann 
besteht,  wie  allerwärts,  die  Glosse  aus  vielen  Strophen  (4  bis  16,  und  mehr),  da 
je  eine  derselben  zur  Erörterung  nur  je  eines  Verses  des  Themas  dient  und 
zwar  so,  dass  die  betreffende   i.  2.  3.   bis  letzte  Zeile  des  Themas  als  letzte 


'  S.  z.  B.  I  399-  11  119.  133.  220.  227.  265.  314-  322.  324-  325-  467.  498.  III 
342   11.  a.  m.  • 

2  Diese  Bezeichnung  fehlt  noch  im   Canc.  de  Res.,  wjid  aber  im   l6.  Jh.  ül)lich. 

*  S.   Circulo  Camoniano  I  p.  294  und  Storck,  Volte  und  Glosse,  Klausenhurg  1877- 

*  S.  z.  ß.  1  9.  30.  35.  45.  60.  Nächst  dem  Schema  4  -f  8  ist  das  üblichste  5  -t'  lO. 
Doch  giebt  es  auch  hier  viel  mehr  Abwechsehing  als  man  gewöhnlich  annimmt. 

*  Canc.  de  Res.  I  130.  131.  132.  134  ahba  \\  cddcabba  oder  (cdcdahab  !  cddchaab  u.  a.  m.) 
Die  Überschriften  der  Gedichte  verwechseln  sehr  oft  die  Bezeichnungen  Cantiga  und  Vilancete 
mit  einander.      S.  1  400.  401.   II  3.   27.    109.   II7.  464-  474-  533- 

*  S.  z.  B.  I  210.480.  II  öy,  und  in  Bd.  111  unter  den  Cousas  de  folgar,  die  überaus 
zahlreichen  riföes.  Das  Wort  rifäo  hat  ursprünglich  vielleicht  nichts  mit  (frz.)  refram  zu 
thun;  doch  flössen  allmählich  die  beiden  klang-  und  begriffsverwandten  Worte  zu  einem  ein- 
zigen zusammen,  das  nun  Kernspruch,   Witzwort,  Spottvers   bedeutete. 

■^  Statt  der  einen  Strophe  stehen  auch  hier  oft  ihrer  zwei:  eine  erste  kürzere  (ö zeilige) 
und  eine  zweite  längere,  zehnzeilige.  S.  l  21.  24.  II  119-  474-  I-  109.  331-  334-  465- 
470.  471.     Die  Kombinationen  sind  hier  noch  variierter  als  bei  den   Cantigas: 


278    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

Reihe  der  i.  2.  3.  bis  letzten  Strophe  der  Glosse  wiederkehrt.  Der  Abarten 
sind  jedoch  sowohl  bei  der  Cantiga  als  bei  der  Glosse  überaus  zahlreiche, 
beinahe  so  viele  als  Exemplare  da  sind  !  1  Auch  diesen,  nach  strengen  Kunst- 
regeln gebauten  Chansons  ä  forme  fixe  gegenüber,  fiel  es  dem  freie  Bewegung 
liebenden  Küstenbewohner  nicht  ein,  bestimmte  alte  Modelle  als  massgebend 
zu  betrachten.  2  Er  variierte  unaufhörlich,  beeifert  augenfällig  Neues  zu  ge- 
stalten. —  Über  den  Inhalt  der  Cantigas  liesse  sich  gar  manches  sagen,  doch 
fehlt  es  an  Raum,  um  dabei  zu  verweilen.  Die  Dogmen  der  Liebe  sind  ungefähr 
dieselben  wie  in  der  ersten  Periode.  »Sterben  vor  Liebe«  und  »Todespein«  — 
morrer  de  amores  und  coita  mortui  —  kehren  noch  unendlich  oft  wieder.  Die 
Fama  von  der  Liebesnarrheit  der  Portugiesen,  die  erst  im  nächsten  Jahrhundert 
kulminierte,  mehr  auf  wirkliche  Begebnisse  als  auf  ihren  Abglanz  in  der 
Litteratur  begründet,  beginnt  schon  jetzt  ihren  Flug.  Es  sind  unter  den  Liedern 
allerliebste  Schmuckstücke,  schlichte  volksliedermässige  aber  auch  recht  spitz- 
findige, empfindsame,  launische,  ausgelassene  und  schwermütige  Worte  des 
Herzens.  Eines  derselben,  meist  als  Zigeunerweise  bezeichnet  »Klinge, 
meine  Schellentrommel«  wird  noch  heute,  freilich  in  Geibelscher  Ver- 
deutschung und  nach  Rubinstein'scher  Melodie,  gern  gesungen.  Aber  —  grau- 
samgerechte Ironie  des  Schicksals  —  dies  Lied  ist  spanisch   abgefasst!^ 

112.  Die  wahren  freien  Trovas  —  404  meist  längere  Stücke  —  sind 
natürlich  noch  viel  mehr  als  die  poesias  und  cantigas  Gelegenheitsgedichte, 
und  immer  an  bestimmte  Personen  gerichtet,  deren  Entgegnung  gewünscht 
wird.  Es  gibt  da  Dutzende  von  Briefen :  an  Damen  gerichtete  Geständnisse 
und  Anklagen;  an  Freunde  und  Gönner,  oder  an  den  König  selbst  (I  275) 
entsandte  Schreiben  mit  Nachrichten  (Novas)  ^  über  öffentliche  oder  Privat- 
angelegenheiten ;  Schilderungen  von  Festen  und  Mitteilung  umlaufender  Gerüchte, 
sowie  Verleumder-Arien ;  Bittschriften  und  Mahnungen  an  Versprechen;  Hand- 
billets  als  Begleitschreiben  zu  übersandten  Geschenken ;  anonyme  Rügen ; 
kecke  Fragen -Reihen,  deren  jede  mit  Warum?  anhebt  (Porques?)  und  die  man 
dem  Könige  (oder  sonstwem)  ins  Fenster  warf  oder  auf  den  Schreibtisch 
zauberte  (III  238);  moralisierende  Kernsprüche  in  populären  Reimpaaren,  die 
mit  »Nimmer  sah  ich«  (Nunca  7n  I  394)  beginnen  und  einige  Hunderte 
von  Desideratis  aufzählen,  nach  denen  der  Dichter  vergeblich  bei  Hofe  aus- 
schaut (I  395  und  399);  volksmässig  derbe  Verwünschungsformeln  (Arrenegos^ 
s-  II  534)  welche  herbeten,  was  ihm  misfallt;  Lebensregeln,  Ratschläge  an  Neu- 
linge bei  Hofe,  förmliche  Hofbreviere  für  Frauen ,  und  andere  für  Männer 
(I  144  und  II  522);  Satyren  über  Sitten  und  Unsitten  II  508  III  463, 
die  ob  auch  manchmal  recht  ernst  gemeint,  doch  immer  einen  neckischen  Ton 
anstimmen.  Auf  Bitten,  Briefe  und  Fragen  erfolgte  oft  die  Antwort,  auf  Angriffe, 
Verteidigung,  und  so  entstanden  grössere  dialogistische  Gedichte;  dialektische 
Kämpfe  über  Glaubenssätze  aus  der  Metaphysik  der  Liebe  und  gesellige  Lieder- 
spiele.   Bisweilen  beteiligen  sich  nämlich  nicht  nur  zwei,  sondern  viele  Höflinge 

*  Ihren  Platz  haben  die  glossierten  Zeilen  in  Portugal  nämlich  nicht  inniner  am  Aus- 
gang, sondern  auch  am  Eingang  der  Strophen,  oder  an  beiden  Stellen  zugleich ,  oder  in  der 
Mitte,  oder  an  jedem  beliebigen  Ort  (z.  B.  in  Zeile  2  und  6;  1  und  5;  4  und  8;  3—4  und 
7 — 8;  2  und  7;  1  und  9;  1  und  6).  Eine  ganz  besondere  Finesse  ist  es,  die  1.  Zeile  an 
die  1.  Stelle  der  1.  Strophe,  die  2.  an  die  2.  der  2.  und  sofort  zu  placieren.  S.  I  114-  164. 
203.  236.  244.  386.  388.  ,392.  490.  II  41-  134.  148.  173.  208.  301.  316.  318.  495-  545- 
III  584- 

*  Nicht  einmal  auf  Fragen  wird  stets  im  gleichen  Metrum  geantwortet,  und  selbst  bei 
Gesellschaftsspielen  erlauben  es  sich  bequeme  oder  ungeübte  Mitspieler,  in  stilloser  Willkür 
vom  vorgeschriebenen  Motto  einfach  Abstand  zu  nehmen. 

'  Tango-OS  yo,  mi  pandero  im  Canc.  de  Res.  III  367.  Vgl  Sil  de  Mir  an  da  No.  72 
und  p.   751. 

*  Novas  1   136.  275-  317.  356.  44«.  II  529-  IH  304.  370.  573-  588. 


Arten  der  Cantiga.  —  Freie  Trovas.  279 


am  Wortgefecht.  Heute  wetteifern  sie  im  Lob  einer  gefeierten  Schönen,  das 
von  ihr  gewählte  und  zur  Schau  getragene  Motto  paraphrasierend ;  morgen  nehmen 
sie  Abschied  von  einer  anderen,  die  den  Schleier  nehmen  will,  oder  sich  ver- 
mählt; dann  wieder  fallen  sie  in  ausgelassenem  Spotte  über  einen  Kollegen 
her,  der  sich  irgend  eine  Blosse  gegeben,  oder  dem  ein  lächerlicher  Unfall 
zugestossen  ist.  Selbst  die  Damen  nahmen,  wie  schon  bemerkt  ward,  teil  an  diesen 
lustigen  Scharmützeln,  die  sich  in  Gegenwart  der  Monarchen  abspielten.  Wer  im 
Wettstreit  Sieger  blieb,  erhielt  wohl  vom  Besiegten  (1  173),  oder  auch  von  zarten 
Händen,  irgend  einen  Preis.  Manchmal  zog  eine  Debatte  sich  durch  mehrere 
Abende  hin.  Die  ursprünglich  nur.  von  zweiGegnern  vertretenen  Ansichten  fanden 
Verfechter,  mantcnedores,  wie  im  Tournier,  oder  aJudas,  Anwälte,  wie  im  Prozess ; 
Beweismaterialien  wurden  herbeigeschafft;  ein  Urteilsspruch  gelallt.  Die  berühm- 
teste unter  diesen,  ganz  juridisch  eingekleideten  Rechtsstreitigkeiten  behandelt  auf 
100  Seiten  die  Frage,  ob  stiller  Gram  {o  cuydar)  oder  lautes  Seufzen  {o  sus- 
pirar)  tieferes  Herzeleid  bekundet  (Canc.  I  i  —100). —  Von  den  derben  Spott- 
uud  Hohnversen  über  Trachten  und  Sitten  und  burleske  Abenteuer  (Cousas 
de  folgar  III  76  —  294)  haben  manche  die  Cantiga-Yoxvc\  angenommen,  als  vor- 
züglich zur  Mitarbeit  Vieler  geeignet.  Der  Spielunternehmer  erfindet  das 
Thema,  in  dem  der  Gegenstand  des  Spottes  dargelegt  wird  und  fertigt  natür- 
lich die  erste  trova  dazu,  an  welche  sich  dann  beliebig  viele  Teilhaber  an- 
schliessen,  jeglicher  mit  einer  oder  mit  mehreren   Variationen. 

113.  Alle  drei  Dichtungsarten,  besonders  aber  die  Trovas^  sind  reich 
an  intimen  Anspielungen  auf  lokale  und  persönliche  Ereignisse,  von  denen 
viele  heute  undeutbar  sind,  während  andere  willkommene  Beiträge  zur  Sitten- 
geschichte liefern.  Doch  werden  auch  die  grossen  Geschehnisse  und  Errungen- 
schaften des  15.  Jhs.  wenigstens  vorübergehend  gestreift.  Alles  was  zwischen 
Alfarroheira  und  Azamor  liegt,  fand  Widerhall  in  der  Hofdichtung :  Eleonorens 
Hochzeit  mit  Kaiser  Friedrich;  die  Rüstung  Alfons'  V.  zum  Kreuzzug  gegen 
die  Türken,  seine  Niederlage  bei  Toro  und  die  Fahrt  nach  Frankreich;  Johann's  II. 
Doppelschlag  gegen  die  Bragan^a's;  der  Einzug  und  Wiederauszug  der  span. 
Juden;  die  afrikanischen  Etappen:  Alcacer-Quebir,  Tetuan,  Tanger,  Arzilla, 
Beny,  Manicongo,  Safim,  Azamor ;  die  Entdeckung  der  Goldküste  und  die  Um- 
schiffung Afrikas.  Indien  fangt  an  seine  verheissungs-  und  verhängnisvolle 
Rolle  zu  spielen :  Gold,  Pfeffer  und  Sklaven  (die  mit  ihrem  Negerportugiesisch 
eine  lustige  Rolle  spielen)  wecken  den  Handelsgeist.  Das  Dreigestirn  Vasco 
da  Gama,  Francisco  deAlmeida,  und  Affonso  de  Albuquerque  und 
der  Besitz  Goa's  wird  erwähnt.  Das  wachsende  Macht-  und  Nationalgefühl 
verkündet  sich.  ^  Der  Wunsch  nach  epischer  Gestaltung  wird  rege.  Dem 
Verlangen  nach  einem  Livius  folgt  die  Sehnsucht  nach  einem  Virgil.  Immer 
eifriger  wird  das  Studium  des  Lat.  und  Griech.  betrieben.  Auf  Polizian's 
•  Anerbieten ,  die  port.  Heldenthaten  der  Nachwelt  zu  übermitteln ,  war  schon 
Johann  II.  nicht  eingegangen.  Aus  der  eigenen  Mitte  sollte  der  Herold 
hervorgehen.  Und  schon  sind  unter  den  Dichtern  elegante  Latinisten ,  die 
den  Ovid  und  Virgil  kommentieren  und  sogar  einer,  welcher  Homer,  Pindar  und 
Anakreon  glossiert,  ein  Schüler  Polizian's  und  Freund  des  Cataldus  Siculus, 
der  seit  1490  portug.  Männer  und  Thaten  in  lat.  Hexametern  verherrlicht: 
der  bereits  genannte  Joäo  Rodrigues  de  Sä  e  Menezes  (s.  ob.  p.  274). 
Schon  müssen,  seit  1500,  die  Hofpagen  um  ihren  Monatssold  zu  empfangen  den 
Nachweis  führen,  dass  sie  die  höfische  Lateinschule  besucht   haben.    Schon  ist 

'  Die  Bezeichnung  y>Lusilanos^  ,  welche  der  humanistisch  -  gebildete  Erzbischof  D. 
Garcia  de  Menezes  1481  in  Rom  in  einer  lat.  Rede  zum  ersten  Male  benutzt  haben 
soll,  findet  im  Canc.  de  Res.  schon  Anwendung:  1491  wird  sie  von  D.  Joäo  Manoel 
(I  375)  und   1495  von  Luis  Anriques  benutzt  (II  248;  und  246  Lusitania). 


2  80    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.  —    4.    PORT.    LlTl'. 

(1501)  das  erste  epochemachende  lateinisch-portugiesische  Dichtwerk  im  Druck 
erschienen  und  zwar  ein  bukolisches,  die  Eclogae  des  Henrique  Cayado 
(Hermigius).  Schon  stehen  im  Hintergund  die  vier  Dichter,  die  als  Neuerer 
und  Nationalisierer  der  Litteratur  sich  binnen  kurzem  einen  Namen  erwerben: 
Gil  Vicente,  der  Schöpfer  des  Drama's ;  Christovam  Falcäo,  der  erste 
Bukoliker;  Bernardim  Ribeiro,  der  Begründer  des  Prosaromans;  und  Sa  de 
Miranda,  der  den  lyrischen  Kunstgeschmack  umwandelte  und  das  klassische 
Prosadrama  einführte.     Lusitania's  goldenes  Zeitalter  beginnt. 


F.  AN  DER  GRENZE  ZWISCHEN  MITTELALTER  UND  NEUZEIT. 

1.  GIL  VICENTE,  DER  SCHÖPFER  DES  PORTUG.  DRAMAS»  (1502-1536). 

dramatische  Versuche  aus  der  ersten  und  zweiten  Periode  giebt  es  nicht. 
Nur  dass  zwei  Gaukler  König  Sancho  dem  Alten  gegenüber  zur 
Leistung  je  eines  remedilho,  d.  h.  eines  »Nachäfifestückes«  oder  einer  Nachäffe- 
Vorstcllung,  verpflichtet  waren,  konnte  erwähnt  werden  (^  29).  Und  ich  hätte 
bemerken  dürfen,  dass  Alfons  X.  Von  einem  anderen  mimenden  jograr  reme- 
dador  erzählt,  der  gleichfalls  jenes  Genre  kultivierte  (8.  Cant.  de  S.  Maria 
No.  293),  wie  auch,  dass  in  den  Litteraturdenkmälern  des  15.  Jhs.  häufig  von 
höfischen  Maskenfesten,  d.  h.  von  momos  (Mummenschanz),  ausführlich  die 
Rede  ist,  an  denen  Könige  und  Fürsten  sich  beteiligten^,  sowie  von  kleinen 
szenischen  Zwischenessen-Spielen  {antremeses)^  welche  bei  Gastmählern  von 
bestallten  joculatores  zwischen  den  verschiedenen  Gängen  vorgeführt  wurden  3. 
—  Dass  in  manchen,  von  Gesang  und  Tanz  begleiteten  Kreisspielen,  sowie 
in  volkstümlichen  Fastnachts-,  Mai-  und  Mitsommernachts- Aufzügen  Keime 
und  Ansätze  zum  Drama  stecken,  ist  bekannt.  Auch  geistliche  Aufführungen,  gegen 
welche  die  Synodal-Konstitutionen  nachweislich  erst  von  1534  an  eifern, 
werden  in  Portugal  wie  in  den  übrigen  romanischen  Ländern  erheblich  früher, 
noch  tief  im  Mittelalter,  zu  Ostern  und  Weihnachten  die  Nation  erbaut  und 
unterhalten  haben.  —  Die  Geburt  des  eigentlichen  Nationalschauspiels  fällt 
jedoch  erst  in  den  Beginn  des  16.  Jhs.  Sie  geschah  10  Jahre  später  als  in 
Spanien. 

115.  Am  S.Juni  1502  betrat  Gil  Vicente,  den  man  als  den  wahren 
Schöpfer  des  gesamten  modernen  Lustspiels  betrachten  kann,  ein  genialer 
Kopf,  der  das  Zeug  zu  einem  Lope  in  sich  hatte,  in  Schäfertracht,  scheinbar 


*  Von  den  allgemeinen  bibliogr.  Hülfsmitteln  und  den  Geschichtsschieihern  poitug. 
LiUeratur  abgesehen,  unter  denen  Bouterwek  p.  89 — 115,  F.  Denis  p.  150 — 163, 
Costa  e  Silva  Bd.  III  und  Th.  Braga,  Theatro  I  hervorzuheben  sind,  beschäftigten  sich 
mit  Gil  Vicente:  1817  Trigoso  in  den  Memorias  da  Acad.  V  p.  42-76;  1829  Sis- 
mondi  IV  p.  450— 456;  1846  Moritz  Rapp  in  Prutz,  Hist.  Taschenbuch,  der  auch 
1868  einige  ^Mi'öJ  in  seinem  S p a n.  T h e a t e r  verdeutschte ;  l846Clarus  344  —  356;  1849 
Ticknor  Cap.  14;  1854  Sc  hack  in  den  Dram.  Nachträgen  p.  6-9;  l859  F.  Wolf 
in  Er  seh  und  Gruber 's  Encyclopädie  und  1859  in  flen  Studien;  1880  C.  Castello 
ß  r  n  n  c  o ,  in  Historia  e  Sentimentalismo  p.  1—25 ;  1890  Visconde  d'Ouguella  in  einem 
Band  Gil  Vicente:  und  Ducarme,  in  einem  Artikel  des  Museon  V,  Les  Autos  de  G.  V.. 
der  mir  unbekannt  geblieben  ist.  Für  Klein  hat  leider  die  Stunde  niclit  geschlagen,  die 
er  dem  »grossen Dramatiker«  widmen  wollte.  Almeida-Garrett's  Drama  y>Um  auto  de 
Gil   Vicente'.'.  ist  eine  natürlich  freie  Bearbeitung  der  Lebensschicksale  des  Dichters. 

2  S.  Chronica  de  D.  Joäo  I,  P.  III  p.  69  -70;  R  u  y  d  e  P  i  n  a  ,  Chron.  de  D.  Affonso  V, 
cap.  131  ;  Garcia  de  Resende,  Chronica  de  D.  Joäo  II,  cap.  122.  123.  126;  id.  Canc. 
Ger.  II   157.  III  395  und  vgl.  I  254. 

3  Canc.  de  Res.  I  186,  II  514.  III  217.  Die  von  Braga  im  Theatro  Port.  I  p.  13 
zitierte  Stelle  aus  den  Werken  des  Aires  Teiles  stammt  aus  den  Apokryphen  des  A.  L. 
C  am  in  ha. 


GiL    ViCENTE. 


unangemeldet,  den  Lissaboner  Königspallast,  drang  in  das  Wöchnerinnenzimmer, 
in  dem  der  künftige  Johann  III.  in  der  Wiege  schlummerte,  und  gratulierte 
dem  glücklichen  Emanuel  und  den  anwesenden  Fürstinnen  in  einem  launigen 
Monolog,  um  zum  Schlüsse,  umgeben  von  32  ihm  nachströmenden,  zu 
Schäfern  travestierten  Höflingen,  dem  neugeborenen  König  der  Portugiesen 
und  der  jungen  Mutter  zu  huldigen  und  Weihgeschenke  darzubieten.  Da  diese, 
die  seit  1500  vermählte  Tochter  der  katholischen  Könige,  eine  Spanierin  war, 
so  sprach  er  spanisch.  Die  1 14  (i  i  ><  10  -  4)  Kurzzeilen  dieses  Besuchs- 
Gedichtes  (A  Visita(;äo)  fanden  Anklang:  sie  waren  eine  Neuheit  —  cousa 
nova  etn  Portugal  —  wie  der  Autor  selbei;  feststellt.  Die  Königin -Wittwe, 
Leonore^,  die  zugegen  war,  und  in  deren  Diensten  Gil  Vicente  gestanden 
zu  haben  scheint,  bestellte  eine  Wiederholung  der  Auffiihrung  für  Weihnachten. 
Ihr  Schützling  aber,  ein  mindestens  3ojähriger  Musiker,  Dichter  und  Jurist^,  der 
bereits  in  den  seröes  mitgewirkt  hatte  3,  zog  es  vor,  eine  neue,  gleichfalls  span. 
Dichtung  zu  verfassen,  und  zwar  statt  des  verweltlichten  Weihnachts-Autos  ein 
echt  religiöses  Krippenspiel,  in  dem  fünf  Hirten  plaudern,  singen,  spielen  und 
schlafen,  bis  des  Engels  frohe  Botschaft  sie  weckt  und  nach  Bethlehem  zum 
Stalle  geleitet,  wo  sie  anbetend  singen.  Wenige  Tage  später  folgte  jenem 
ersten  Auto  Pastoril  Castelhano  ein  Dreikönigs-Drama.  Und  von  da  ab  verging 
kein  Jahr,  ohne  dass  der  von  der  Gunst  und  dem  Beifall  des  Königshauses 
getragene,  ob  auch  anscheinend  nicht  reich  genug  und  nicht  schnell  genug 
belohnte  Dichter^  seinem  erwachenden  dramatischen  Genie  immer  neue  und 
immer  höhere  Ziele  steckte,  der  Bühnendichtung  der  Halbinsel  einen  kräftigen 
Impuls  gebend.  Bis  1556,  dem  mutmasslichen  Todesjahre 5,  schrieb  er,  ausser 
dem  Monologe,  bald  auf  Bestellung,  bald  aus  freiem  Triebe,  mindestens  42 
Theaterstücke'':     10  (resp.    11)    in  spanischer  Sprache,   14  in  portugiesischer, 

'  Obwohl  die  Didaskalien  zu  Vicente 's  Stücken,  die  sicher  von  ihm  selber  her- 
rühren, nicht  völlig  klar  darüber  sprechen,  ist  es  doch  ziemlich  gewiss,  dass  seine  Beschützerin 
die  hochgebildete  Wittwe  Johanns  IL  war  (f  1525),  die  auch  den  Buchdruck  thatkräftig 
begünstigte,  und  nicht  ihre  Mutter  D.  Beatriz  (f  1506),  die  Frau  jenes  Principe  D. 
Fernando,  dem  der  Tirant  gewidmet  ist.  Die  erstere  wird  von  Vicente  sieben  Mal  bei 
Namen  genannt  (besonders  eingehend  in  der  Widmung  der  Tragikomödie  D.  Duardos  an 
Johann  III);  auch  wird  Johann  II.  im  ersten  Auto  mit  Sehnsucht  erwäiint.  Der  Name  D. 
Beatriz  kommt  hingegen  nur  ein  Mal,  in  der  Didaskalie  zum  Monologo  do  Vaqueiro  vor. 

*  Der  Dichter  ward  vermutlich  1470  geboren  und  starb,  dem  Anschein  nach.  1536, 
und  nicht  erst  1557,  wie  behauptet  worden  ist.  Dass  er  Jurist  war.  ist  eine  litterar-histo- 
rische 'Iradition:  und  begründete  Einwände  dagegen  lassen  sich  nicht  vorl)ringen.  Neuer- 
dings hat  man  ihn  mit  dem  Goldschmied  gleichen  Namens  identifiziert,  der  aus  dem  ersten 
Golde  Indiens  das  Meisterstück  portug.  Kleinkunst,  die  Monstranz  {Custodia)  von  Belem, 
schuf.  Ohne  zureichenden  Grund.  S.  jedoch  Braga  {Questöes,  192  —  225),  der  ein  eifriger 
Verfechter  dieser  Ansicht  ist.  .Xuch  woher  Gil  Vicente  stammt,  ist  ungewiss.  Seine 
Werke  verraten  Lokalpatriotisnius  für  die  Provinz  Beira. 

^  S.  Canc.  de  Res.  III  534  und  vielleicht  noch  p.  527.  Doch  könnte  Mestre  Gil 
auch  der  Hofarzt  Mestre  Gil  da  Costa  sein. 

*  Die  nur  einmal  in  humoristischem  Tone  angebrachten  Klagen  über  »Bettehirm  u  t« 
muss  man,  meines  Erachtens,  cum  grano  salis  verstehen.  Sie  mahnten  im  Einzelfall  an  ein 
Versprechen,  mit  dessen  Erfüllung  gesäumt  ward  (III  38 1).  Im  Ganzen  zeigt  sich  der  Poet 
jedoch  von  edier  Bescheidenheit.  Und  an  den  »Hungertod«  eines  Mannes  zu  glauben,  der  34  Jahre 
lang  seinem  Könige  Bühnenstücke  widmete ,  dessen  Tochter  im  Dienste  der  Inf;mtin  stand, 
und  dessen  Sohn  tnogo  da  Camara  war,  während  ein  anderer  in  Indien  kämpfte-,  ist  etwas 
schwer.  Es  ist  das  übrigens  nicht  die  einzige  Sage,  die  sich  an  seinen  Namen  geknüpft  hat. 
F  ar  ia-e-S  ou  sa.  der  die  erste  verzeichnet,  fügt  dazu  die  zweite:  der  Dichter  habe  den 
eigenen  Sohn  nach  Indien  gesandt,  aus  Eifersucht  auf  sein  giösseres  dramatisches  Genie!  Die 
Tochter  soll  ihm  hingegen  geholfen  haben.  Auch  für  blind  geben  ihn  einige  Märchm- 
sammler  aus. 

'  Klagen  über  Alter  und  Krankheit  (z.  B.  einen  Pestanfall)  tönen  aus  vielen  Stellen 
der  letzten,  zwischen   1530  und  36  verfassten  Stücke. 

"  So  viele  enthalten  die  Ge.samt-Ausgaben  seiner  Werke.  Dazu  kommt  aber  das 
nur  im  Einzeldruck  erhaltene,  mir  unbekannte,  des  Abdrucks  harrende   »Auto  da  Donzella  da 


282    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LlTl'. 

die  meisten  jedoch  (i8)  in  beiden  Sprachen  zusammen  ^  Sie  sind,  dem 
traditionellen  Brauche  treu,  -für  die  üblichen,  grössten,  festlich  begangenen 
Kirchentage,  oder  zur  Feier  markanter  Ereignisse  im  Leben  der  Königsfamilie 
oder  der  Nation  ersonnen,  wie  Geburten,  Kindtaufen,  Vermählungen,  Aus-  und 
Einzug  von  Prinzessinnen,  Kriegsexpeditionen,  Türkensiege  u.  a.  m.  Manchmal 
sind  sie  auch,  ohne  besonderen  Anlass,  bloss  zur  Unterhaltung  des  Hofes 
erfunden  (im  Fasching?).  Dargestellt  wurden  sie  vor  dem  Monarchen,  bei 
religiösen  Vorwürfen  des  Morgens  in  der  Schlosskapelle  zu  Lissabon,  oder  in 
nahen  Klöstern  und  Kirchen  {Santos,  Enxobregas^  OdivellaSy  Caldas,  oder  auch 
in  Almeirim,  Evora,  Thomar  und  Cohnbrd)^  bei  weltlichen  Stoffen  Abends,  in 
den  Pallästen,  vor  demselben  übermütig  lebensfrohen,  aristokratischen  Publikum, 
das  sich  dichtend,  spielend,  tanzend  und  singend  an  den  von  Resende  gesam- 
melten Cousas  de  folgar  ergötzte 2.  Selbst  im  Kranken-  und  Sterbezimmer 
der  Königin  D.  Maria,  die  als  Wöchnerin  das  erste  Erwachen  der  Vicente'- 
schen  Muse  gesehen  hatte,  führte  man  1 5 1  7  ein  Drama  auf :  einen  Totentanz 
•»A  harca  do  inferno«,  der  im  Ganzen  zwar  bitter  ernst  gemeint  ist,  scherz- 
hafter Einfälle  aber  keineswegs  enträt.  Der  auctor  war  natürlich  die  Seele 
der  Aufführungen,  Festordner,  Regisseur  und  selber  actor'^.  Meist  übernahm 
Gil  Vicente  die  Rolle  des  Prologo ^  oder  des  Argumentador's^,  und  blieb  als 
solcher  wohl  ständig  auf  der  Bühne.  Mitspieler  waren  andere  kunstliebende, 
dem  Pallastleben  nahestehende  Dilettanten  vornehmster  Sippe  bis  herab  zu  den 
schlichtesten  mimisch  begabten  Bedienten  (worunter  Mauren,  Moriskos,  Juden, 
Neger),  und  nicht  Scholaren,  wie  Braga  meint ^.  Auch  die  weiblichen 
Rollen  lagen  in  der  Hand  feiner  Damen,  und  minder  feiner  Jungfern,  unter 
denen  des  Dichters  eigene  Tochter,  Paula  Vicente,  die  zum  Hofstaate  der 
1^1520  geb.)  Infantin  D.  Maria  als  Saiten  Spielerin  =  tangcdora  gehörte,  der  Sage 
nach,  hervorgeragt  haben  soll.  Die  vorzügliche  königliche  Musikkapelle  mit 
ihren    52   Sängern,    8  Kammermusikern,    16  Blasinstrumentisten ,    20  Militär- 

7>/-r<r«  (über  das  man  Salvä  1490,  Gallardo  4576  und  Barreia  y  Leirado  hefVage), 
sowie  die  scheinbar  verschollene  »Caga  dos  Segredos«.,  die  G.  V.  selbst  als  in  Arbeit  erwähnt 
(IIl  382);  und  vielleicht  noch  das  gleichfalls  unfindbare  Attto  de  D.  Luiz  e  dos  Turcos. 
S.  §   !29. 

'  Ganz  spanisch  sind,  nächst  der  Visitagäo  und  iS.t.\\\  Auto  Pastorü  Castelhano  das  A. 
dos  Keys  ma^ös,  A.  da  Sibila  Casandra,  A.  dos  qtiatro  tempos,  A.  da  Barca  da  Gloria,  A.  de  S. 
Alartinho,  Coinedia  do  Viuvo,  D.  Duardos,  Amadis  de  Gaula,  Farga  das  Ciganas.  G  a  n  /, 
portugiesisch  (bis  auf  kleine  span.  Gesangslieder)  sind:  das  Atäo  da  Mofina  Mendes, 
A.  Pastoril  Porhiguez,  A.  da  Feira,  A.  da  Alma,  Barca  do .  Inferno,  Barca  do  Purgatorio, 
Historia  de  Deos,  Resurreigäo,  Cananea,  Cortes  de  ytipiter,  Serra  da  Estrella,  Velho  da  Horta, 
Almocreves,  Clerigo  da  Beira.  Spa  nis  c  h -p  or  t  ugi  e  sisch  ist  unter  Atx\  Autos  nur  eines: 
ilas  Auto  da  Fe;  dazu  drei  Komödien  :  Rubena,  Coimbra,  Floresta  dos  Enganos,  die  6  Tragi- 
komödien Nao  d'Amores,  Fragoa  d'amor,  Exhortagäo  da  guerra,  Templo  cP Apollo,  Triumpho 
do  inverno,  Roinagem  de  agravados  und  besonders  die  8  Faicen  :  Quem  tem  farellos  ?,  India, 
Fatna,  Fadas,  Inez  Pereira,  yuiz  da  Beira,  Lnsitania  und  Fisicos.  Die  üblichen  Angaben 
sind  falsche.  Nur  bei  Salvä  stellt  Plxaktes.  Anlass  und  Stoff  der  Stücke  rechtfertigen 
meist  die  Wahl  der  Sprache. 

-  Oft  werden  in  den  Stücken  anwesende  Fürsten  sowie  Höflinge  und  Damen  bei 
Namen  genannt;  bisweilen  werden  direkt  an  dieselben  preisende  oder  narrende  AnredeTi  ge- 
richtet fll  317.  346.  404.    511;  111  79.  95.   105.   137.  237-  447. 

'  Der  freidenkende  Humanist  Andre  de  Resende  widmete  1533  dem  C<imico  ein 
lat.  Lobgedicht,  in  dem  er  ihn  ausdrücklich  auctor  et  actor  nennt.  Später  sahen  die  klassisch 
Gebildeten  ihn  gern  über  die  Achsel  an:  noch  Far  ia -e-S  o  usa  nennt  seine  Werke  ipo- 
quissima  cosa«. 

*  Die  Bühnenstücke  stellen  den  Thatbestand  ausser  Frage.  S.  II  371  und  447 
Meiner  Ansicht  nach  trat  Gil  Vicente  in  folgenden  Rollen  auf:  als  Kuhhirt  (1502).  Bauer 
(1023),  Merkur  (I,ö27),  Engel  (1527)  und  Mönch  (1534)  in  den  Autos;  und  in  den  Komödien 
als  Licentiat  {\h2\),  Pilgrim  (1527).  Frei-Pa(;o  (lö33)  Philosoph  (1536)  und  zwei  Mal 
als  Gil   Vicente,  ohne  Verkleidung;  vielleicht  ohne  solche  auch  als  Wittwer  (ir)l4). 

*  S,  i,   B.  U  99,  und  303,  wo  die  fidalgos  do  Principe  mitwirkten. 


GiL    ViCENl'E.  283 

musikanten  und  1 5  Tänzern  beiderlei  Geschlechts  {baüadores  und  bailadeiras) 
ward  natürlich  zur  Hülfe  herbeigezogen '.  Zur  Inszenierung  fand  man  kost- 
bare Stoffe  und  Utensilien  in  Hülle  und  Fülle  in  Emanuels  Kleiderkammer, 
der  als  -»senhor  da  Guini,  da  conquista,  navegafäo,  do  commercio  da  Ethiopia, 
Arabia,  Fersia  e  India«.  seine  Reichtümer  auch  in  den  Soireen  gern  zur  Schau 
stellte.  Reichliche  Gesangs-  und  Tanz-Einlagen  fehlten  keinem  der  Schau- 
spiele-. Vicente  selbst  komponierte  Melodien  zu  eigens  verfassten,  ent- 
zückenden Liedern  und  Romanzen  3,  doch  verwertete  er  auch  vielfach  schon 
bekannte  Liedertexte  und  Kompositionen  fremder  Musiker,  sowie  zahlreiche 
volkstümliche  Weisen  <.  Wiederholt  wurden  die  Aufführungen  in  der  Folgezeit 
sicherlich  auch  ausserhalb  der  Palläste.  Nicht  bloss  die  kirchlichen  Schau- 
stücke, auch  die  Possen  lernte  das  portug.  Volk  kennen,  da  es  einer  derselben 
einen  Nebentitel  gab^  Von  ständigen  Bühnen-  und  Theatertruppen  wissen 
wir  jedoch  absolut  nichts.  —  In  Spanien,  wo  Einzelausgaben  der  kastilisch 
geschriebenen  Stücke  und  freie  Umarbeitungen  der  portug.  •  Texte  erschienen 
und  wo  Nachahmungen  bis  zu  den  Tagen  Lope's  und  Calderon's  nachweis- 
lich sind,  wie  auch  in  den  Ländern,  wo  bedeutende  portug.  Kolonien  blühten, 
inszenierte  man  die  amüsanten  Charakterstücke.  Von  einer  Aufführung  zu 
Brüssel  im  Hause  des  Gesandten  Mascarenhas  hat  sich  die  Kunde  erhalten. 
Im  Beisein  von  48  Portugiesen  ward  daselbst  1532  das  Auto  da  Lusitania  ge- 
spielt. Damiäo  de  Goes,  der  Hausgenosse  des  Erasmus,  gehörte  zu  den 
Zuschauern,  wie  wir  durch  einen  anderen  portug.  Korrespondenten  des  Rotter- 
damer Gelehrten  wissen 6.  Die  Sage,  der  grosse  Humanist,  dessen  Lob  der 
Narrheit  und  dessen  Sprichwörter  man  in  Portugal  eifrig  las  und  lobte  wie 
tadelte  und  bekämpfte,  habe  um  Vicente's  Werke  gewusst,  oder  gar  sich  mit 
dem  Portugiesischen  befasst  um  jene  kennen  zu  lernen,  kann  daher  recht  wohl 
auf  Thatsachen  beruhen.  Ich  bin  ihren  Spuren  jedoch  noch  nicht  weiter 
nachgegangen. 

116.  Der  generische  Gesamtname  für  alle  Dramen  Vicente's  ist  Auto. 
Doch  benutzt  der  Dichter  selber  daneben  in  Titel  und  Text,  Widmungen  und 
Anmerkungen  noch  andere  Spezialbezeichnungen  wie/ör^a,  comedia,  moralidade. 
Im  Drucke  seiner  Werke  sind  die  (17)  eigentlichen  geistlichen  Autos  als  olrras 

'  Die  benutzten  Instrumente  sind  sacaimxa,  charamdla,  trombeta,  atabal,  tamharitn, 
arpa,  viola,  guitarra,  alaud,  orgäo,  und  zu  allen  Volkstänzen  und  Hirtenliedern  gaita,  rabel. 
fatideiro  und  caraniiUo  (die  Hirtenflöte  aus  Rohr). 

*  Ich  zweifle  nicht  daran,  dass  Gil  Vicente  wirkliche  Bauern  und  Sennerinnen 
aus  Cintra,  Sardoal  etc.  kommen  und  ihre  National-Tänze  aufführen  Hess.  Wirkten  sie  doch 
l)ei  Prozessionen  und  Strassenaufzügen  immer  mit. 

3  Selbstkoniponierte  Stücke  sind  z.  B.  die  Lieder  1  61,  11  339,  vgl.  IH   323. 

*  Wir  begegnen  lat.  Kirchenhymnen  ;  franz.  fatrasies  (zu  y>Ay  de  la  noble  Ville  de  Parti*. 
vgl.  Canc.  Mus.  A 29) ;  ital.  catizotietas  (vermutlich  nach  den  Modellen,  welche  G  i  u  s  t  i  n  i  a  n  o  , 
Polizian  und  I>orenzo  de  Medici  verwertet  hatten):  span.  mlancites,  deren  Melodien 
von  Badajoz.  Madrid,  Baena,  Torres  wenigstens  teilweise  erhalten  sind;  portug.  prosas. 
salmos,  salves  tic  —  Jeanroy's  ausgezeichnetes  Kapitel  über  Gil  Vicente  (p.  3,30 — 334) 
bespiicht  von  125  einschlägigen  Liedern  (die  z.  T.  nur  dem  Titel  nach  aufgeführt  sind)  nur 
die  27  wichtigsten  und  lässt  die  Stellen  des  Textes  unbenutzt,  welche  Zeugnisse  für  die 
Volkstümlichkeit  bestimmter  Tanz-  und  Sangesweisen  enthalten.  Vielleicht  liefre  ich  die 
nötigen  Nachträge  und  Berichtigungen  für  die  Romania.  Unter  bailados  de  terreiro  bezeichnet 
man  generisch  alle  Tänze,  welche  im  Freien  auf  dem  Vorplatz  der  Bauernhäuser,  (der  mei.st 
eine  geräumige  glatte  Tenne  ist),  vom  Volke  getanzt  werden.  Folioes  sind  die  zu  ländlichen 
Musikbanden  (foHas)  gehörigen  Musikanten  und  Tänzer  (denen  die  modernen  pMarttionieos 
entsprechen).  »Vor  jedem  Hause  ein  Tanzplatz  und  in  jedem  Hause  Musikinstrumente  ,  das 
war.  laut  G.  V.  um   löOO  die  gute,  alte,  portug.  Bauemsitte 

'  y>Este  ttome  da  farfu  seguinte:  Quem  tem  f  ar el os ?  poz -Wo  0  vulgoi.  1  )).  4.  nach 
den  ersten  Woiten  des  Stückes,  gerade  wie  mit  dem  Roman  Menina  e  Moga  geschah. 

*  Andre  de  Resende,  der  1531  Verse  an  Erasmus  sandte  und  \h'^1  das  Getieth- 
liacon  Principü  LtisUani  nachfolgen  Hess. 


284    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.     —    4.    PORT.    LllT. 

de  devofäo  von  den  (25)  weltlichen  Stücken  gesondert  1.  Unter  den  ersteren, 
die  zwischen  1502  und  1534  entstanden,  sind  Passions-  uud  Auferstehungs-, 
Corpus-Christi-  und  Weihnachts-Spiele  (6),  doch  entfernen  die  meisten  sich 
von  dem  stereotypen  mittelalterlichen  Modell.  So  ist  z.  B.  von  den  Weihnachts- 
spielen nur  das  erste  ein  gewöhnliches  Krippenspiel ,  mit  Darstellung  des 
Hirtenlebens.  .Die  Handlung  ist  fast  immer  eine  erweiterte,  der  Gedanken- 
inhalt originell;  die  Gestalten  sind  vervielfältigt  (von  den  2  bis  6  des  Encina 
bis  zu  15,  16  ja  22),  und  lebenswahr,  doch  hat  bisweilen  das  übersinnliche 
Prinzip  die  Oberhand,  und  Begriffsfiguren  menschlicher  Tugenden,  Laster  und 
Charaktereigenschaften  treten  auf.  —  Im  Auto  da  Alma,  das  Calderon  be- 
nutzte, und  im  Auto  da  Fi,  in  dem  der  Glaube  den  Hirten  das  Mysterium 
der  Erlösung  deutet,  ist  das  spätere  Frohnleichnamsspiel  vorgebildet;  im  Auto 
da  Cananea  das  spätere  biblische  Drama;  im  Auto  de  S.  Martinho  das  drama- 
tisierte Heiligenleben.  Die  bedeutende  Trilogie  von  den  drei  Barken,  welche 
die  Seelen  zu  Hölle,  Fegefeuer  und  Paradies  führen,  die  Lope  im  Viagedel 
alma  vorgeschwebt  hat,  ist  eine  wirkliche  moralidade  oder  moral  representacion, 
wie  der  Dichter  sagt.  Das  Auto  da  Mofina  Mendes  (d.  h.  des  personifizierten 
»Unsterns«),  in  dem  das  eigentliche  Weihnachtsspiel  durch  eine  Dramatisierung 
des  Mährchens  vom  Milchtopf  unterbrochen  wird,  bildet  den  Übergang  zum  welt- 
lichen Drama.  —  Die  profanen  Stücke,  die  in  der  Zeit  von  1505  — 1536  ent- 
standen, zerfallen  in  Lustspiele  {comedias,  4),  Schauspiele  (tragicomedias,  10) 
und  Possen  (farfas  de  folg ar,  12).  Die  Grenzen  zwischen  den  drei  Spezies 
sind  jedoch  wenig  feste,  besonders  die  zwischen  Lustspiel  und  Posse.  Der 
letzteren,  die  im  allgemeinen  einfacher  und  kürzer  ist  und  unter  wenigen 
Personen  vor  sich  geht,  mangelt  der  Prolog  {Prologo,  Argumenta,  Introitd)\ 
ihre  Figuren  entstammen  den  niederen  Volksschichten  (sind  figuras  baixas) 
und  sprechen  die  vulgäre  Umgangssprache.  In  den  Schauspielen  erscheinen 
hingegen  alias  ßguras,  d.  h.  Könige  und  Helden  ,  deren  rhetorica  y  escogido 
estylo  dichterisches  Gepräge  trägt:  der  opern- und  ballethafte  Prunk,  mit  dem 
sie  auftreten,  charakterisiert  sie  als  Nachfolger  der  Mo  mos.  Die  zwei  wirklich 
wertvollen  Ritterdramen  D.  Duardos  und  Z>.  Amadis  bereiten  das  Helden- 
Schauspiel  vor,  während  der  Templo  d' Apollo  ein  Vorläufer  der  allegorischen 
Komödien  ist.  Von  relativ  höchstem  dramatischen  Wert  ist  unter  den  Possen  die 
Farfa  de  Inez  Pereira.  Die  Widersacher  des  Dichters,  — ■  hofnens  de  hom  saber,  und 
detractores'^  ■ —  insinuierten  dem  Könige,  Vicente's  Werke  seien  nicht  Eigen- 
arbeit, sondern  gestohlenes  Gut,  blosse  Plagiate.  Da  erbot  er  sich,  über 
etwelches  aufgegebene  Thema  ein  Bühnenstück  zu  schreiben.  Man  wählte 
das  Sprichwort:  »Ein  Esel  der  mich  trägt,  ist  mehr  wert  als  ein  Ross,  das 
mich  abwirft 3«,  und  Gil  Vicente  illustrierte  es,  nicht  eben  fein  doch  dreist 
und  drastisch,  durch  die  Erfahrungen  der  romantischen  {phantasiosa)  Titelheldin, 
in  erster  Ehe  mit  einem  herrschsüchtigen  Ritter  und  in  zweiter  mit  einem  bis 
zur  Infamie  gehorsamen,  bäuerlichen  Dummerjan.  —  Nationale  Stoffe  behandeln 
und  patriotischen  Geist  atmen:  A Exhortafäo  d  guerra;  Lusitania;  NaoifAmores 
und  das  Auto  da  Fama. 

^  Unbedingt  stammt  die  Anordnung  der  ed.  princ.  nebst  Titeln  und  Didaskalien  von 
(«.  V.  selber  her.  .\uf  Befehl  Johann's  III.  bereitete  er  den  Druck  seiner  Werke  vor,  zu 
der  er  die  Widmung  sogar  geschrieben  hinterliess.  Vorher  waren  dieselben  gewiss  in  Flug- 
blattern verbreitet  worden  t>emp)'emidas  pelo  meudoi,  worauf  auch  die  Verbote  von  1551  und 
1559  schliessen  lassen,  sowie  die  Reproduktionen  des  16.,  17.  und  ]8.  Jhs.,  in  denen  Be- 
zeichnungen  wie  Aloralidade  vorkommen. 

'''  Wahrsclieinlich  waren  darunter  die  Verfasser  klassischer  Regelschauspiele  (wie 
Miranda)  und  lat.  Schultragödien  wie  Maldonado,  der  1519  am  portug.  Hofe  seine 
■> Hispaniola<.<.  auffüliren  lies  (Gallardo   2879). 

^  y>Mais  qturo  asno  que  tne  leve,  que  cavallo  que  nie  derrube«  (111   121). 


GlL    VlCENTE.  .  285 


In  allen  seinen  weltlichen  Bühnenstücken,  und  selbst  in|;den  Autos, 
packt  der  Dichter  einzelne  Figuren  aus  dem  frischen  vollen  Menschenleben, 
und  verpflanzt  sie  leibhaftig  auf  die  Szene.  —  Alle  Stände,  Lebensalter  und 
Geschlechter  sind  vertreten:  Könige,  Ritter,  Bürger,  Handwerker,  Bauern, 
Hirten,  Seefahrer,  jüdische  Heiratsvermittler,  Ärzte,  Juristen,  Geistliche,  Nonnen, 
Kupplerinnen,  Marktweiber,  Arbeiterinnen,  Sennerinnen.  Daneben  aber  er- 
scheinen, wie  schon  angedeutet  ward,  Ideal-  und  Phantasiefiguren  mannigfacher 
Art:  Christus  und  die  Jungfrau;  Personen  aus  der  Bibel,  von  Adam  bis  zu  den 
Evangelisten;  Heilige,  Sibyllen,  Propheten,  Kirchenväter;  und  in  buntem  Durch- 
einander mit  der  christlichen  Welt,  antike  Götter  und  klassische  Helden,  Engel, 
Tod  und  Teufel,  Magier,  Drachen,  Feen  und  Zauberspuk;  Personifikationen 
abstrakter  Begriffe :  Naturkräfte ,  Jahreszeiten  ,  Monate ,  Völkertypen ,  Städte, 
Gebirge,  Flüsse,  Gestirne.  —  Einige  Gestalten  gelingen  besonders  gut,  und 
werden  typische  V'^orbilder  für  spätere  Nachzeichner:  der  arme,  verliebte  Edel- 
mann, der  nichts  als  seine  Guitarre,  ein  rostiges  Schwert,  einen  Spiegel  und 
einen  Cancioneiro  sein  nennt,  d.  h.  der  von  Brot  und  Radies'chen  lebende 
raphanophagus  des  Nicolaus  Clenardus,  dessen  nächtliche  Zwiegespräche  am 
Gitterfenster  (vulgo  =  gargarejosl)  noch  heute  eine  Wahrheit  sind;  dazu  seine 
hungernde  und  medisierende  Dienerschaft;  der  zum  Hofmann  gewordene 
Kleriker;  der  verliebte  Alte;  der  einfaltige  Provinziale  (ratinho),  den  man 
hänselt,  der  Tölpel  {parvo)^  aus  dem  sich  der  gracioso  herausbildete  u.a.m. — 
Dazu  kommt  das  gleichfalls  realistische,  theatralisch  so  bedeutsame  Moment 
des  Polyglottismus.  Nicht  nur  die  beiden  peninsularen  Hauptsprachen  hand- 
habte Gil  Vicente  meisterhaft,  in  jeder  Stilart,  vom  gewöhnlichsten  Pöbel- 
jargon (der  Provinz  Beira)  bis  zum  feinsten  Hofton,  und  zur  zartesten  lyrischen 
Redeweise,  und  verwendete  sie  (auch  hierin  vorbildlich  für  alle  späteren  Drama- 
turgen) zu  hübschen  Kontrastwirkungen:  auch  das  macaronische  Latein  der 
gelehr tthuen den  Ärzte  und  Juristen,  und  die  Zitiersucht  der  Theologen  beutet 
er  ergiebig  aus  und  führt  seit  15 10  radebrechende  Franzosen  und  Italiener 
neben  lispelnden  Zigeunern,  Negern  {guini)  und  Mauren  {aravid)  und  Juden 
(mit  hebräischen  Formeln  1525  und  26)  vor,  deren  eigentümliche  Jargons 
er  lautlich  und  syntaktisch  trefflich  treu  charakterisiert.  Lange  bevor  die  Spanier 
Rueda  und  Badajoz  sich  dieses  derbkomischen  Wirkungsmittels  bedienten, 
und  selbst  ehe  Torr  es  Naharro  in  seiner  Serafina,  Soldadesca  und  Tinelaria 
damit  glänzte  (vor   151  7)  *. 

Das  bunte  Gewimmel  heterogener  Gestalten  und  verschiedener  Sprachen, 
die  Mischung  von  derbstem  Scherz  und  heiligstem  Ernst,  das  barocke  Neben- 
einander von  Heidnischem  und  Christlichem,  der  Widerstreit  zwischen  ortho- 
doxen 'und  aufgeklärt  reformatorischen  Gedanken  und  die  krasse  Roheit  vieler 
Geschehnisse,  lassen  den  modernen  Leser  freilich  zu  reinem  Kunstgenuss  nicht 
kommen.  Was  Gil  Vicente  am  meisten  fehlt,  ist  jedoch  die  geschlossene  logische 
Durchführung  der  oft  gut  ersonnenen  Fabel.  Die  Handlung  ist  zu  wenig  vom 
Unwesentlichen,  Zufälligen  geläutert;  mit  sorgloser  Einfalt  sind  die  Motive 
nebeneinandergestellt  und  folgen  die  Szenen  aufeinander,  ohne  innere  Ent- 
wickelung.  Man  ergötzt  sich  nur  an  vorzüglichen  Einzelszenen  und  an  ver- 
einzelten wohlgelungenen  Charakteren.  Dazu  an  lyrischen  Stellen  von  ent- 
zückender Anmut.  Von  dem  wertvollen  Liederschatze,  den  die  Vicente' sehen 
Dramen  in  sich  bergen,  war  schon  wiederholt  die  Rede  (§  19.  20.  21  und 
öfter).  Von  klassischen  Formen  oder  ital.  Geist  und  Versmass  ist  jedoch 
(trotz  Rapp's  und  Braga's  Versicherungen)  hier  noch  keine  Spur.     Überall 


^  Ich  teile  also  nicht  die  von  A.  L.  Stiefel,  Zschr.  XV  p.  208 — 9  ausgesprochene 

Ansicht. 


2S6     LlTrE!-:ATUi<GEäCHICIirE    DER^  ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.  PORT.    LiTT. 

nur  mittelaltcrlich-pcninsiilarc  Formen:  trovas  verschiedenster  Bauart  und  die 
üblichen  oitavas  de  arte  mayor,  mit  allen  möglichen  Variationsversuchen.  In 
summa',  eine  höchst  bemerkenswerte  Weiterführung  der  Gebilde  des  15.  Jhs. ; 
doch  formell  nichts  wahrhaft  Neues. 

117.  Den  ersten  Anstoss  zur  Schöpfung  des  Vicente'schen  Dramas 
gab,  ohne  Zweifel,  Juan  del  Encina  mit  den  1496  in  seinem  Cancionero  ver- 
öffentlichten 8  Eglogas^  Autos  oder  Represetitaciones.  Dass  dem  so  sei,  wussten 
und  bekannten  die  Zeitgenossen,  wie  z.  B.  Vicente's  Kamerad  Garcia  de 
Rescnde^  Doch  kam  ihm  Anregung  noch  von  vielen  andern  Seiten, 
wie  indirekt  die  Anklagen  seiner  Gegner  und  direkt  einige  bisher  unbeachtete 
Aussagen  des  Dichters  selbst  bezeugen,  in  der  Vorrede,  die  er  als  Einleitung 
zu  seinen  Werken  an  König  Johann  III.  richtete.  Darin  sagt  er  nämlich,  er 
würde  stolz  sein,  wären  seine  »ganz  elenden  Schöpfungen  auch  nur  ein  Echo 
älterer  Genies«  und  »die  alten  und  neuen  Dichter  hätten  ihm  alles  Schöne 
schon  vorweg  genommen«:  Os  antigos  e  modernos  näo  leixaram  cousa  boa por 
dizer,  nem  invengäo  linda  por  achar,  nem  graga  por  descubrir.  —  Encina's 
Spuren  folgte  er  nur  in  seinen  ersten  geistlichen  Stücken.  Später  gemahnt 
nur  die  häufige  Verwendung  von  Hirten  noch  an  diese  Herkunfl.  Die  früheste 
Possc(?)  des  Spaniers  {y> Egloga de Placida y  Victoriano«)  erschien  erst  alsVicente 
schon  in  vollem  Fahrwasser  war.  Doch  wird  er  seine  dramatischen  Studien  auch 
daran  und  an  Ae.v\  Farsas y  Eglogas  des  Lucas  Fernandez(i5i4)  besonders 
aber  an  den  Comedias  des  Torres  Naharro  (1517)  fortgesetzt  haben,  die  er 
übrigens  alle  drei  an  Fruchtbarkeit,  Vielseitigkeit,  Originalität,  Geistesfreiheit 
und  vis  comica  weit  überflügelt.  Französ.  mystlres,  miracles,  moralitis,  sotties 
und  farces,  ital.  Rappresentazioni  und  Faschingsaufzüge  waren  ihm  sicher  nicht 
unbekannt^.  Hingegen  bleibt  es  mir  zweifelhaft,  ob  er  den  schon  1472  ge- 
druckten Plautus  während  seiner  Universitätsjahre  gelesen  hatte.  Bestimmte,  ob 
auch  leise  Anklänge  finde  ich  in  den  »Vier  Jahreszeiten«  und  im  »Triumph  des 
Winters«  an  mittellat.  »Conflicttis«  {hiemis  etveris]  s.  II  i,  167).  Das  Klagelied  der 
Säuferin  Maria  Parda  erinnert  an  Pathelin's  Testament  (1520)  und  Ahnliches. 
Die  Sermone  und  Kapuziner-Reden  weisen  auf  die  Sermons  joyeux  des  clercs 
de  la  BazocJu  hin^.  Die  erste  Totenbarke,  die  Gil  Vicente,  wie  gesagt, 
Auto  de  moralidade  betitelt*,  stellt  Kenntnis  franz.  moralitis  ausser  Frage. 
Ein  serviler  Nachtreter  ist  Gil  Vicente  Jedoch  durchaus  nicht.  Wenige 
dramatische  Schriftsteller  werden  so  fest  auf  eigenen  Füssen  stehen  wie  der 
»portugiesische  Plautus«.  —  Naturwüchsig  durch  und  durch,  aller  Be- 
schränkung abhold,  um  Kunstdogmen  unbekümmert,  moralischer  Tendenzen 
bar,  blieb  er  auch  von  Manieren,  Geschraubtheit,  Pedantismus  und  jeder  Prü- 
derie frei:  er  verwirft  und  vermeidet  keinen  noch  so  derben  Einfall  und  kopiert 
unterschiedslos  was  die  Realität  ihm  vor  Augen    führt   (wobei  jedoch   gesagt 


'  S.  Miscellanea,  Str.  181  (der  ed.  1798)  :  »E  vimos  singtdarmente  Fazer  repre- 
sentafoes  Destilo  niuy  eloqttente,  De  niuy  novas  invenfoes  E  feitas  por  Gil  Vicente.  Elle  foy 
i>  que  inventou  Isto  cä  e  0  usou  Com  mais  graga  e  mais  dotitrina,  Posto  qtu  yoam  del  Enzitia 
0  pastoril  comegou«. 

2  Welclie  davon  er  gekannt  und  ob  er  auch  mit  engl,  moral  plays  und  masks  ve:- 
traut  war,  bleibt  zu  untersuchen.     Seine  Tochter  Paula  schrieb  eine  engl.  Granuiiatik. 

*  Von  nicht  dramatischen  Werken  hatte  er ,  ausser  antiken ,  niitteialterlicb.en  und 
modernen  lat.  Autoren,  (worunter  Erasmus)  besonders  span.  Ritterromane  und  Novellen 
und  vor  allem  ital.  und  span.  Canzonette  musicali  studiert.  Er  zitiert  Peregrino  y  Ginebra  II  40 
(gedr.    1527)  Leriano  y  Laureola   II  40  (gedr.  schon   1491)  und  den  ital.  Heptameron. 

*  S.  G  al  I  ar  do  4573.  Diese  portug.  Totenbarke  (oder  richtiger  Hölle  und  Paradies 
zusammen)  soll  der  Dichter  selbst  span.  neu  bearbeitet  haben  als:  Tragicomedia  alegorica  del 
Paraiso  y  del  Infierno.  Ein  Druck  von  1539  ist  noch  vorhanden.  S.  Mo  rat  in,  Katalog 
No.  60;  Barrera  y  Leirado;  und  Braga,  QuesiSes  p.  226 — 237.  Die  abgedruckten 
Proben  scheinen  in  der  That  einer  eigenartigen  Überarbeitung  zu  entstammen. 


GiL   ViCENlE.    BUKOLIK.  287 


werden  muss,  dass  seine  Werke,  mit  den  spanischen  Celesiinas  und  den  ital. 
Commedie  del  Cinquecento  verglichen,  höchst  anständig  sind). 

Das  Fehlen  jeglichen  konventionellen  Zwanges  hat,  wie  mich  däucht, 
zweierlei  schädliche  Folgen  gehabt.  Erstens:  Gil  Vicente  hat  zwar  Schule 
gemacht;  seine  Schüler  aber  blieben  der  bequemen  Regel-  und  Stillosigkeit 
des  Meisters  allzu  treu,  und  haben  das  so  ausserordentlich  kraftvoll  begonnene 
Drama  nicht  weiter  entwickelt.  Es  blieb  in  den  Windeln  stecken.  S.  ^  129  — 134. 
Zweitens:  Die  Reaktion  gegen  das  Übermass  von  Freiheit,  das  sich  darin 
bethätigt  hatte,  konnte  nicht  ausbleiben.  Derselbe  König  und  derselbe  Hof, 
der  vor  den  Wittenberger  Tagen,  oder  richtiger  vor  den  Tridentiner  Conzil- 
Beschlüssen  die  masslosesten  Invektiyen  gegen  den  der  Regel  nach  als  zucht- 
los angefeindeten  geistlichen  Stand  und  die  unverblümtesten  Natürlichkeiten 
Vicente's  und  seiner  Genossen  belacht  hatte,  musste  gänzlich  umsatteln,  und 
Hess  bald  nach  1540  sich  von  der  soldatisch  geschulten  Compagnie  Loyola's 
freudig  und  rückhaltlos  knechten.  Im  Todesjahre  Vicente's  ward  die  Inqui- 
sition eingeführt;  seit  1539  gab  es  eine  verschärfte  Bücherzensur. —  Dass  1561,. 
nachdem  bereits  dies  und  jenes  Stück  Vicente's  verboten  war,  eine  unbe- 
schnittene Gesamtausgabe  seiner  Werke  erscheinen  konnte  (die  erste,  lange 
zuvor  vorbereitete)  muss  als  ein  glückliches  Versehen  bezeichnet  werdend 

II.  ANFÄNGE  DER  PORTUGIESISCHEN  BUKOLIK:    CHRISTOVAM  FALCÄO 
UND  BERNARDIM  RIBEIRO. 

118.  So  peninsular  Gil  Vicente  auch  ist,  so  kennt  doch  heute  das 
Lesepublikum  kaum  mehr  als  seinen  Namen.  Er  wird  nicht  als  echter  Reprä- 
sentant der  portug.  Nationalität  angesehen.  Dazu  ist  er  zu  verständig,  zu 
kerngesunden  Humors,  zu  wenig  sentimental  und  lyrisch.  Seine  anmutigen 
volksmässigen  Lieder  und  Romanzen  werden  nicht  als  subjektive  Geftihls- 
äusserungen,  sondern  als  Gemeingut  des  Volksgeistes  betrachtet. —  Die  ersten 
•Individualitäten  des  16.  Jhs.,  die  als  wirklich  typische  Vertreter  und  Inter- 
preten der  alma  portugueza  anerkannt  und  noch  heute  beliebt  sind  und  be- 
wundert werden,  sind  Christm'om  Falcäo  und  Bernarditn  Ribeiro,  ein  wahl- 
verwandtes Freundespaar,  zwei  liebeskranke  Schwärmer,  die  in  ihren  thränen- 
reichen  Gedichten  nur  sich  selber  geben,  in  eminent-nationalem  und  zu  gleicher 
Zeit  so  ganz  persönlichem'Stil,  dass  sie  mit  keinem  anderen  Dichter  vor  oder 
nach  ihnen,  wohl  aber  untereinander  zu  verwechseln  wären.  Diese  beiden 
gleichgesinnten  Schöpfer  der  romantischen  Bukolik  d.  h.  der  Idylle  in 
Versen  und  des  Schäferromans  in  Prosa,  wollten  leben  wie  sie  dichteten, 
scheiterten  jedoch  an  dem  Unterfangen,  Ideal  und  Wirklichkeit  in  Einklang 
zu  .bringen  und  starben  gebrochenen  Herzens,  vermutlich  in  der  Fremde,  dem 
Rufe  der  Portugiesen  als   »verliebte  Thoren«   dadurch  neue  Nahrung  gebend.'^ 

Sowohl  in  der  einzigen  Idylle  des  Falcäo  wie  in  den  ^\xx\i  Eglogas  des 
Ribeiro  und  in  seinem  Prosaroman  treten  sie  selber  auf,  und  zwar  als  Menschen, 


'  Diese  erste  1561/62  gedruckte  Ausgabe,  mit  Holzschnittbildchen,  wurde  von  den 
Kindern  des  Dichters  herausgegeben,  von  Paula,  der  das  Privileg  ausgestellt  ward, 
und  von  Luis,  der  eine  neue  Widmung  an  König  Sebastian  schrieb.  Die  zweite,  bereits 
verstümmelte,  besorgte  1586  ein  in  der  königl.  Kapelle  bedienst eter  A  ffon so  Lopes.  der 
sich  auch  der  Dramen  von  Camoes,  Prestes  u.  a.  annahm.  Acht  span.  Szenen  und 
Stücke  nahm  Bohl  de  Faber  1833  i'i  sein  Teatro  Espanol  auf.  Ausserdem  giebt  es  nur 
den  Hamburger  Neudruck  von  1834  fmit  unbrauchbarem  Glossar)  und  den  Lissabonner  von 
1852.  Über  Einzelausgaben  unterrichten  Barbosa  Machajdo,  Bar'rera  y  Leiradof, 
Sa  Iva  und  Gallardo  4572—77.     Eine  kritische  Neuausgabe  ist  ein  Bedürfnis. 

^  Einige  dürftige  Proben  span.  Urteile  über  die  Liebesnarrheit  der  Portugiesen  gab 
ich  in  Ztschr.  VII  p.  429      Sie  lassen  sich  verzehnfachen. 


2 SS    LriTERATURÜESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN     VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 

deren  ganzer  Lebensinhalt  Liebe  ist.  Bartlose  Jünglinge  sind  sie  als  sie  ihr 
Herz  verlieren,  und  Kinder  sind  die  Geliebten;  sanfte,  mit  wenigen  Zügen, 
in  milden  Farben  gezeichnete  Gestalten  von  prae-raphaelitischem  Gepräge 
und  der  etwas  eckigen  keuschen  Grazie  sehr  früher  Jugend.  Von  Beatrice 
und  Laura  entfernen  sie  sich  jedoch  durch  einen  wesentlichen  Zug.  Die 
ihnen  gewidmete  Liebe  erwiedern  die  kleinen,  gedankenarmen  und  gefühlvollen 
Portugiesinnen  sofort,  mit  gleicher  Inbrunst,  und  zeigen  ihr  Empfinden  ohne 
Scheu,  mit  naivster  Natürlichkeit.  Die  Vernunft  wird  weder  vom  starken, 
noch  vom  schwachen  Geschlecht  herbeigerufen  um  die  Leidenschaft  zu  zügeln. 
Liebe  ist  unwiderstehlich.  Sie  kommt  und  geht.  Man  giebt  ihr  willenlos 
nach,  mit  fatalistischer  Passivität.  Diese  Grunddogmen  des  spezifisch-portug. 
Liebeskodex  finde  ich  schon  bei  beiden  Autoren.  Sie  lauten  daselbst:  O  que 
ha  de  ser^  ha  de  ser:  näo  se  Ihe  pode  fiigir  und  Erros  por  amores  dignos  säo 
de  perdoar.  Aus  der  Thatsache,  dass  Falcäo  und  Ribeiro  der  nationalen 
Auffassung  von  Liebe  zum  ersten  Male  Worte  liehen,  und  aus  der  Spon- 
taneität ihrer  poetischen  Beichten  erkläre  ich  es  mir,  dass  ihre  Werke,  trotz 
recht  altvaterischer  Geschwätzigkeit,  zahlreicher  Wiederholungen  und  geschmack- 
widriger Wort-  und  Reimspielereien,  dennoch  bis  heute  nicht  veraltet  sind. 

119.  Woher  ihnen  die  Anregung  kam,  sich  selber  gerade  unter  der 
Hirten maske  vorzuführen  (und  zwar  unter  Benutzung  leicht  durchschaulicher, 
oft  anagrammatischer  Kryptonome),  und  eigene  Erlebnisse  in  also  verschleierter 
Form  darzustellen,  lässt  sich  aus  den  Dichtungen  nicht  deutlich  erkennen, — 
doch  ist  es  leicht,  Vermutungen  darüber  aufzustellen.  Es  ist  wahrschein Hch, 
dass  gebildete  und  vielleicht  studierte,  adlige  Höflinge,  wie  beide  es  waren, 
an  der  Schwelle  des  klassischen  Jhs.  die  virgilianischen  Hirtengespräche  (in 
der  Sevillaner  Ausg.  von  1498?)  und  ihre  mittellat.  Nachahmungen  kannten, 
wie  auch  die  span.  Übersetzung  der  ersteren  (1496).  Sehr  möglich  auch,  dass 
sie  Petrarca's  bukolisches  Gedicht,  Boccaccio's  Ameto  und  Ninfale  und 
Bojardo's  Egloghe  gelesen  haben.  Fast  sicher,  dass  Encina's  Schäferspiele, 
nebst  den  Pastoralen  des  Lucas  Fernandez  und  anderer  Zeitgenossen,  ihnen  " 
so  gut  wie  Vicente  und  Resende  in  Folge  höfischer  Pallast- Aufführungen 
vertraut  waren  ^  Und  gewiss,  dass  die  in  ^  113  erwähnten  lat.  Idyllen  des 
Portugiesen  Hermigius  (1501),  in  denen  Freunde  und  Genossen  zu  Hirten 
verkleidet  auftreten,  sie  in  jene  Bahn  drängen  konnten 2.  Einige  stereotype 
Eingangsformeln  ihrer  frühesten  Pastoralen,  durch  welche  der  Schauplatz  der 
Hirtenszene  gemalt  wird  3,  halte  ich  jedoch  für  direkte  Nachklänge  aus  den 
heimischen  serranilhas,  respective  aus  ihren  prov.  und  nordfranz.  Parallelen. 
Weiter  aber  geht  die  Nachahmung  auch  nicht.  Falcäo  und  Ribeiro 
sind  Selbstdichter  und  ihre  Verse  dringen,  Naturlauten  gleich,  aus  innerster 
Herzenstiefe  hervor.  lo  mi  son'un  che  quando  Amor  spira,  noto  durften  ^ie 
sprechen. 

Welcher  von  beiden  der  ältere  war,  oder  doch  seinen  Lebensroman  zu- 
erst poetisch  behandelte,  ist  nicht  festzustellen.    Ebensowenig  wissen  wir,  wann 

*  Ich  denke  z.  B.  an  die  Egloga,  welche  Diego  de  San-Pedro  dem  Gefflhls- 
roinan   Cuestion  de  Amor  einfügte,  und  die   1512  in  Neapel  aufgeführt  ward. 

*  Dieser  Schüler  Polizian's  sandte  schon  1495.  1496.  und  1500  Einzelabschriften 
seiner  1501  in  Bologna  dargestellten  und  gedruckten  Hirtengespräche,  an  den  König  und 
gewisse  Gönner.  In  einer  derselben  sind  z.  B.  unter  den  Decknamen  Thyrsus,  Alphe- 
s  i  b  e  u  s  und  L  y  g  d  a  n  u  s  die  drei  Brüder  T  e  i  x  e  i  r  a  zu  erkennen  (T  r  i  s  t  ä  o  f  1 479, 
Luis    und  Alvaro),  Söhne  des  Kanzlers  Johann's  II. 

*  M.in  vcrgleiclic  ^Antre  Cintra  a  muy prezada  E  a  scrra  de  Rihat'jo^  und  '>Nas  selvas  iunio 
do  mar«,  s(j\\  ie  t>  Anlre  Teja  e  Odiana«.  mit  folgenden  Eingängen  A\{i^i  Serranilhas :  Entre  Torres 
e  Ximena ;  A^  terra  de  Cintra  Cerca  la  Tablada :  Lki^ando  a  Pineda ;  Entre  Sesa  e  Cintttra ; 
De  Lozoya  a  Navafria  ;  Passando  por  la  Toscana ,  Entre  Sena  e  Florencia  —  wie  man  sieht 
lauter  Ort  s  bezeichnungen  an  Stelle  frz.  Zeitumstände  (L'autrier)  (oft  auch  daneben). 


BüKoLiK.     Christovam  Falcao.  289 

es  geschah.  Bestimmt  zwischen  1500  und  1536,  aus  welcheni  Jahre  ein  Flug- 
blatt mit  einer  der  Eglogas  des  Ribeiro  sich  erhalten  hat;  wahrscheinlich 
nach  1516,  als  beide  sich  bei  Hofe  schon  als  Liederdichter  Ruf  erworben 
hatten,  und  vori526,  ehe  in  Spanien  und  Portugal  die  neue  Schule  eröffnet 
wurde.  Zuerst  handschriftlich,  dann  in  undatierten  pliegos  sueltos  kursierten  die 
bukolischen  Neuheiten  wohl  in  Spanien  und  Italien  drei  Jahrzehnte  lang,  bis  nach 
dem  Tode  oder  Verschwinden  der  beiden  Freunde,  um  1550  Buchausgaben, 
Nachahmungen  und  verherrlichende  Referenzen  auf  ihre  Werke  möglich  wurden. 
Nach  Versform  und  Sprache  gehören  Falcäo  und  Ribeiro  (die  sich  auch 
in  keinem  kleinsten  Liede  des  Kastilischen  bedienten)  ^  an  die  Grenze  zwischen 
der  2.  und  3.  Epoche.  Sie  verwenden  ausschliesslich  Kurzzeilen.  Ihre  Eglogas 
sind  Trmuis  in  Dezimen  und  Nonen.  Ihre  kleinen  Gedichte  sind  Cantigas, 
Vilancetes,  Esparsas,  Glosas  und  Ro?nances  (in  noch  nicht  stereotypen  Formen) 
und  oft  volkstümlichen  Gebahrens.  Neu  ist  eine  Sextine"^  und  ein  Echo- 
gedicht^.  Kenntnis  des  prov.  und  portug.-prov.  Minnegesangs  scheint  mir 
gewiss*. 

120.  Christovam  Falcäo,  aus  englischem,  1383  mit  D-  Filippa 
de  Lencastre  eingewandertem  Adelsgeschlecht,  dessen  zahlreiche  Mitglieder 
natürlich  bei  Hofe,  im  Felde,  so  wie  in  der  Verwaltung  des  Reiches  und  der 
Kolonien  hohe  Ämter  bekleideten  und  unter  den  Hofpoeten  auch  nicht  fehlen', 
verliebte  sich  als  ganz  junger  Page  {-»de  pouca  idade«.)  am  Hofe  Emanuels, 
an  dessen  seröes  er  teilnahm*',  in  ein  kleines  Mädchen  (menina  und  pequena), 
D.  Maria  Brandäo  aus  der  Familie  des  portuenser  Schatzmeisters,  und 
tauschte  mit  ihr  im  Geheimen  das  Ehegelöbnis  aus.  Eine  eifersüchtige 
Freundin  (Joana)  verrät  sie.  Und  da  er  wenig  begütert,  sie  aber  sehr  reich 
war,  ward  Maria  im  Cisterzienserkloster  Lorväo  versteckt  gehalten,  während 
Christovam  5  Jahre  lang  in  Privatgewahrsam  schmachtete,  bis  ihre  vornehmen 
Verwandten,  unter  dem  Vorwand,  Christovam's  Liebe  sei  eine  eigennützige, 
das  Wort  eines  Kindes  aber  nicht  bindend,  sie  vermählt  hatten.  Des  Dichters 
fernere  Schicksale    sind    unbekannt'.      Was    die  Litterarhistoriker ,    auf  Grund 

'  Faicao  lässt  jedocli  eine  Sennerin  (serraua)  spinnend  das  schon  früher  erwähnte 
W MiAwXs- Villaneico  singen:  Yo  me  iba  la  mi  niadre  A  Santa  Maria  del  Pino.  S.  oben  §  19 
p.  149  und  152.  Ganz  zu  Unreclit  steht  Ribeiro  im  Schril'tstellerkatalog  des  Garcia 
Peres  p.  492  und  652. 

^  In  Achtsilblern.  wie  eine  andere,  derselben  Zeit  gehörige,  von  Miranda  Nr.  74. 
Ob  Ribeiro  oder  Falcäo  ihr  Verfasser  ist,  vermag  ich  nicht  zu   entscheiden. 

'  Das  Echogedicht  ward  1536  als  Schlusssatz  der  3.  Egl.  von  Ribeiro  gedruckt. 
Ein  anderes  (?)  Echogedicht  von  ilim  soll  1577  in  das  verschollene  Liederbuch  des  Goenser 
Paters  Pedro  Ribeiro  eingetragen  worden  sein,  .\hnliche  Kunststücke  fertigten  Gil 
Vicente  11  59  und  Miranda  No.  88. 

*  Nicht  bloss  aus  den  Sextinen ,  sondern  aus  einigen  Coblas  recordativas,  welche 
Ribeiro  zusan.nien  mit  Miranda  verfasste  (Nos.  .öl  und  52,  p.  745  und  771)  und  aus 
des  letzteren  /«jrfl-/r^/«-Strophen,  so  wie  aus  der  von  ihm  nacherzählten  Fabel  vom  Mairegen 
( nach  P  e  i  r  e  Cardinal)  und  aus  anderen  Anzeichen  darf  man  auf  Umgang  aller  di  ei  Dichter 
mit  prov.-portug.  Liederbüchern  schlie.ssen. 

*  Carte,  de  Res.  II  369,  I  463  und  466;  111  373:  lauter  Anspielungen  auf  Joam 
Falcäo.  der  auch  an  einem  Scherzspiel  dichtend  teilnahm  (III  1 25).  Es  kann  der  Vater 
des  Idyllikers  sein,  dessen  vollständiger  Name  Joam  Vaz  de  Alma  da  F  a  1  c  ä  o  gewesen 
sein  soll. 

*  Genannt  wird  Christovam  im  Canc.  de  Res.  nicht,  doch  stehen  daselbst  unter 
den  Liedern  Ribeiro'  s  einige  (3),  die  in  späteren  Drucken  Falcäo  zugesprochen  wurden. 
(Nos.  19.  23  und  39  der  jüngsten  Chrisfal-Ausgabe).  Und  andererseits  finden  sich  unter 
Falcäo's  und  Ribeiro 's  Gedichten  Stücke,  die  unzweifelhaft  von  Miranda  sind  (No.  9 
und  1 1  der  genannten  Ausgabe).  Die  Jugendgedichte  der  drei  Neuerer  wurden  sicher,  als 
eines  Geistes,  gemeinsam  verbreitet. 

~'  Man  lese  seine  Biographie  bei  ^iao  a  ^  Bertiardim  Ribeiro  \).  140  — 178,  in  der  Aus- 
gabe des  Idylls  von    I871,  und  in  der  Hist.  de  Cam.  II  p.  229. 

Uröbbr,  Grundriss.  Hb.  19 


290    LiTTEKATURGESCHJCHTE   DER   ROlVf ANISCHEN    VÖLKER.   —    4.    PORT.    LlTT. 

gänzlich  ungesiebtcr  und  einander  widersprechender  Notizen  der  Genealogiker 
über  seinen  Posten  als  Flottenadmiral,  Statthalter  auf  Madeira  und  Komthur 
des  Christusordens,  so  wie  über  seinen  angeblich  am  24.  Mai  1550  in  Evora 
erfolgten  Tod  berichten,  beruht,  so  viel  ich  selie,  auf  Vermengung  seiner  vito 
mit  derjenigen  anderer  Hcmonynien^  Glaubwürdig  scheint  die  Aussage,  er 
habe  in  Indien  gekämpft  {porque  nao  casou  com  sua  dama,  foi  't>ara  a  India) 
und  die  Existenz  eines  illegitimen  Sohnes:  Christövam  Falcäo  de  Sousa'''. 
Am  besten  endet  man  seine  Biograplüe  bis  heute,  wie  er  selber  sein  Gedicht, 
mit  den   Worten :   O  qiie  se  fez  de   Crisfal.  Näo  sabe  certo  ninguem. 

Die  in  Form  einer  anmutigen  Erzählung  anhebenden  »Iroj'a"!  de  Cris. 
Fal.«  (aus  denen  die  nach  blossen  Titeln  urteilende  Kritik  ein  Rittorbuch  in 
Prosa  gemacht  hat) 8,  berichten  in  103,  durch  zwei  Liedereinlagen  erweiterten 
Dezimen  die  rührende  Geschichte  dieser  ersten  unschuldvollen  Liebe  zwischen 
Maria  und  Crisfal,  und  besonders  die  letzte  Zusammenkunft  des  bereits  für  immer 
getrennten  Paares,  und  zwar  als  Traumvision,  die  der  schmerzzerrissene  Hirte 
den  Gebirgsbächen  von  Lorväo  mitteilt  und  die  eine  lauschende  Nymphe  in  eine 
Pappelrinde  schreibt,  »auf  dass  des  Dichters  Bekenntnisse  bis  zu  solchen  Höhen 
emporwüchsen,  wo  niedere  (iedatiken  sie  nicht  erreichen  könnten«.  Andere 
höfische  Liebesintriguen,  die  sich  zwischen  1521  und  1531  abspielten,  werden 
nur  flüchtig  gestreift. 

S(mst  besitzen  wir  von  Falcäo  nur  noch  aus  dem  Gefängnis  einen  ele- 
gischen Dissonanzenbrief  in  auseinandergerissenen  Reimpaaren^  (s.  j).  149)  und 
45  kleinere  Gedichte,  die  jedoch,  wie  schon  angedeutet,  noch  nicht  daraul 
hin  geprüft  worden  sind,  ob  sie  etwa  Ribeiro  oder  dem  Freund  und  Genossen 
beider,  Miranda,  angehören ^^.  Von  den  mutmasslichen  ältesten  Drucken  ist 
leider  keine  Spur  vorhanden^.  Vor  1558  lebte  am  Hofe  Johann's  IIL  ein 
Page  Crisfal  Diaz,  der  sicherlich  mindestens  10-15  Jahre  früher  nach  dem 
bereits  berühmten  »Schäfer«  getauft  worden  war''.  Auch  benutzte  Camöes 
1553  in  Indien  Verszeilen  aus  der  Idylle^,  und  Couto  nennt  dieselbe  in  seiner 
achten  Dekade  (Kap.  34)  y>aquellas  antig as  e  nomeadas  (Variante:  namoradas) 
Trovas  de  Crifal«.  Ein  Anonymus,  in  dem  man  den  geschickten  Nachbildner 
Bernardo  de  Brito  zu  erkennen  glaubt,  schrieb  1597  unter  dem  Hirtcn- 
namen Lisardo  einen  zweiten  Teil  zum  Crisfal:  »Sonho  de  Lysardo  que  he 
quasi  cotno  a  2"  parte  de  Crisfah  **. 


*  Schon  1474  iii'd  77  kann  ich  einen  Clirist.  lalcäo  \\\i  mogo  fidalgo  de  D.  AffoiisoV. 
nachweisen  (Sousa,  Provas  11  44  und  46),  der  1484  in  Diensten  Johann's  II.  wieder- 
erscheint (ib.  p.  181).  Unser  Dichter  wird  den  gleichen  Rang  noch  nach  1521  unter 
Johann  III.  eingenommen  haben  (ib.  p.  843). 

2  Hist.  Geneal.  XII  454—55- 

*  S.  Gayangos  in  Lihros  de  Cabalkria  p.   LXXVIII  und  im   Repertorio  Americano. 

*  Carta  do  mes/no  estando  preso. 

'"  Ein  verschollenes  Jagdbuch:  »Criafäo  e  cura  dos  falcöes  e  gaviäes<s.  ist  möglicher- 
weise von  einem  seinei-  Vorfahren;  doch  kann  es  natCiilich  auch  sein  Werk  sein. 

*  An  Ausgaben  existiert:  eine  datenlose,  dem  Anschein  nach  bald  nach  1550  als 
Trovas  de  Crisfal  gedruckte  {Liss.  Bibl.  Nac,  Reserv.idos  A-^);  eine  1559  in  Köln  zu- 
sammen mit  Ribeiro's  Roman  veröffentlichte,  als  huma  ;««/'  nonieada  e  agradavel  Egloga 
(vgl.  Salvä  No.  1693);  und  fernere  ans  den  Jahren  1571,  1619  (schon  mit  Zu.satz  des 
2.  Teils),  1639,  1721  und  die  neueste  von  Th.  Braga  besorgte,  Porto  187 1,  mit  Bio- 
graphie. Alle,  auch  diese  letzte,  sind  äu.'serst  unvollkommen,  was  die  Textgestaltung  betrifft. 
Vgl.  jedoch  Bibliogr.  Critica  p.  38.  Ob  auch  die  älteren  Ausgaben  der  Menina  e  mofa 
(Ferrara   1554  und  Evora   1557)  den  Crisfal  bieten,  weiss  ich  nicht;  bezweifle  es  jedoch. 

■^  Sousa,  Provas  VII  p.  578. 

8  S.  Ztsckr.  VII  p.  439- 

9  S.  oben  p.  167. 


Bernardim  Ribeiro.  291 


121.  Bernardim  Ribeiro'  hat  das  Geheimnis  seiner  Liebe  mit  un- 
gleich dichterem  Schleier  umhüllt  als  Falcäo,  wie  man  meint,  geflissentlich, 
weil  der  hohe  Rang  seiner  Herzensdame  und  ihre  Stellung  bei  Hofe  ihn  dazu 
nötigten.  Das  Unterfangen,  den  Roman  seines  Lebens  klar  und  rein  aus  seinen 
Dichtungen  auszulösen,  ist  daher  ein  sehr  gewagtes.  Drei  Deutungsversuche 
sind  gemacht  worden.  Die  früheste,  doch  erst  nach  1600,  wiederum  von 
Faria-e-Sousa  niedergeschriebene,  angeblich  aus  der  Tradition  geschöpfte 
Sage,  der  Sänger  habe  die  Infantin  D.Beatriz,  die  stolze  (1504  geborene)  Tochter 
Emanuels  geliebt,  bevor  sie  i  5 2 1  Fürstin  von  Savoyen  ward,  findet  weder  in  der 
Geschichte  noch  in  den  Werken  des  Dichters  irgend  eine  Bestätigung^.  Gänz- 
lich gegenstandslos  ist  auch  das  zweite,  von  Varnhagen  ersonnene  Märchen^, 
die  Schöne,  die  ihn  liebeskrank  machte,  sei  die  Tochter  der  katholischen 
Könige,  Juana  la  loca,  gewesen  (geb.  1479,  gest.  1555),  es  sei  denn,  man 
wolle  es  darauf  gründen,  dass  eine  der  Hauptfiguren  seines  Romans  den  Namen 
Aonia  trägt,  und  dass  auch  die  Heldin  des  persönlichsten  unter  seinen  Hirten- 
gedichten Joana  heisst* !  Sinnreicher  und  viel  wahrscheinlicher,  ob  auch  noch 
höchst  unsolide  aufgebaut,  ist  die  dritte  Aufstellung,  von  Th.  Braga:  in  der 
unglücklich  Geliebten  sei  die  zum  Hause  Braganga  gehörige  Nichte  des  1483 
enthaupteten  Herzogs,  D.  Joana  de  Vilhena  zu  erkennen,  welche  noch  als 
ganz  kleines  Mädchen  nach  Spanien  geflüchtet  ward,  1497  heimkehrte,  sich 
15 16  mit  dem  humanistisch  gebildeten,  dichterisch  begabten  Grafen  vonVimioso 
D.  Francisco  de  Portugal  vermählte,  und  1549  als  Wittwe  in  den  Orden  der 
Freiras  mantelatas  trat.  —  Genaue  Daten  aus  dem  Leben  Ribeiro's,  welche 
diese  Vermutung  bestätigten,  giebt  es  nicht.  Aus  Selbstaussagen  und  Andeu- 
tungen seines  Freundes  Mir  an  da,  die  natürlich  mit  Vorsicht  und  Kritik  zu 
verwerten  sind^,  wissen  wir  nur,  dass  der  junge  Edelherr,  der  151 6  bereits 
als  Dichter  aufgetreten  war,  und  mit  Miranda  um  die  Wette  vor  1521  die 
spröde  und  hoheitsvolle  D.  Leonor  de  Mascarenhas,  seine  Base,  feierte^, 
aus  Torräo  im  Alemtejo  stammte ;  2  ijährig  an  den  Hof  kam  um  der  Not  und 
Dürre  seiner  Heimat  zu  entfliehen  und  für  sein  Fortkommen  zu  sorgen;  dort 
eine  Liebestragödie  erlebte,  von  einem  anderen,  gleichfalls  dichtenden  Neben- 
l)uhlcr,  den  ein  Mächtiger  beschützte,  ausgestochen  ward ;  und  in  die  Fremde  floh. 
Vermutlich  nach  Spanien,  und  weiter  bis  nach  Italien.  Was  Genealogiker  und 
Litterarhistoriker,  vom  17.  Jh.  an,  über  .Abstammung,  Stellungen,  Vermählung 
und  Nachkommen  melden,  beruht,  wie  bei  Falcäo,  Gil  Vicente  und  vielen 
Dutzenden  anderer  portug.  Dichter,  auf  kritikloser  Aneinanderreihung  wider- 
sprechender Daten  und  Thatsachen  aus  dem  Leben  verschiedener  Homonyme. 
In  diesem  Falle   boten  sich  zur  .A.uswahl  dar:   ein   Flottenadmiral ,    ein  Statt- 


'  M;in  sehe  über  ihn  hesondcrs  T  h.  Braga.  Bernardim  Ribeiro  e  os  Bticolistas ;  nebst 
Caniues  I  192  und  423,  sowie  11  227 — 231;  C.  M.  de  Vasconcellos,  Poesias  de  Sä  de 
Miranda  p.  765-77.  obgleich  ich  heute  vieles  besser  weiss  und  manches  anders  auflasse 
als  vor  13  Jahren;  C.  C  astel  lo -Bra  nco,  Noites  de  insomnia ;  D.  Jose  Pessanha  iin 
Prefacio  seiner  Ausgabe  der  Menina  e  Moga   189I;    und  Braga  in  Revista  de  Portugal  IV 

p.  244- -251- 

^  S.  Fuente  de  Aganipe  1646  :  Discurso  de  los  Sanetos  §  4,  und  Europa  Port.  11. 
P«  4  cap.  1  und  III  Pe4  aap.  8  No.  22.-  Donna  Beat  ri  z  sollte  das  Pendant  zu  Boccaccio's 
Fiammetta  bilden.  —  Faria-e-Sousa  folgten  A  I  ni  ei  da  -  Garre  tt  (im  Auto  de  Gil 
Vicente  und  Roinanceiro  111  p.  155— 1 82)  und  andere  Romantiker  (s.  Panorama  111  276) 
und  von  den  Litterarhistorikern  Barbosa  Machado,  nicht  aber  Costa  e  Silva  (1  132) 
trotz  B  r  a  g  a '  s  Behauptung. 

*  Livros  de  Cavallarias,  Wien    1872. 

*•  Miranda  No.   102    und   103  (Zeile  352.  383  ff.    401.  4o6.  419.    438.  536);    106 
Zeile  297;   151   Z.   137-  202.  21.3.  322.  325;   164  Zeile  329-  401- 
^  Miranda  No.  51   und  "52. 

*  S.  Barb.  Mach.,  und  dagegen  C.  C.  Branco. 

19* 


292    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.  —    4.    PORT.  LiTT. 


halter  der  afrikanischen  Feste  Mina,  ein  Komthur  des  Christusordens,  ein 
Kapellmeister  in  Toledo  i,  ein  Auditor  aus  Caldas,  ein  Notar  aus  Barcellos,  und 
ein  Dr.  juris,  der  1524  zum  Sekretair  Johann's  III.  ernannt  ward,  sowie  ein 
stud.  juris,  der  von  1507  bis  1 511  12  in  der  Lissaboner  Universität  imma- 
trikuliert war 2.  Dass  die  beiden  in  letzter  Linie  Genannten,  Student  und 
Doktor,  ein  und  dieselbe  Person  und  mit  dem  Dichter  identisch  sind,  ist  mög- 
lich-^; sicherstellende  Beweise  aber  sind  nicht  geliefert'*.  Wäre  die  Identität 
sicher,  so  müsste  Bernardim  Ribeiro  i486  geboren  sein;  und  die  Kata- 
strophe, die  ihn  aus  dem  Vaterlande  trieb,  könnte  nicht  vor  1524  fallen^. 

Das  eigene  Herzeleid  und  andere  verliebte  Begebenheiten  aus  der  ele- 
ganten Welt,  darunter  die  Abenteuer  seiner  Freunde  Falcäo  und  Miranda^ 
und  des  Jorge  deMontemör,  idealisierte  Ribeiro  in  fünf  Idyllen'^,  deren  vater- 
ländische Scenerie  die  Ufer  des  Tcjo  und  Mondego,  und  das  Cintra-  und  Ossa- 
gebirge  sind,  ganz  im  Stile  des  Falcäo,  in  Versen,  deren  glühende  Zärtlichkeit  und 
Wärme  trotz  mancher  Inkorrektheit  de?  Ausdrucks  und  der  Eintönigkeit  der  Ge- 
danken den  geborenen  Dichter  verraten.  Den  gleichen,  damals  überraschend  neuen 
Ton  schwermütiger  Lebensauffassung  stimmen  seine  übrigen  Verse  an  (Romanzen 
und  Lieder) '^j  sowie  der  »Buch  der  Sehnsucht«  {Smiäades)  betitelte  Prosaroman, 


'  Mir  an  da  p.  770. 

*  S.  Pessanha. 

'  Dreiviertel  aller  portug.  Dichter  vom  15.  jli.  an  bis  heute  sind  Studierende  der 
Jurisprudenz  gewesen. 

*  Sobald  aus  den  Dokumenten  nacligewiesen  ist ,  dass  der  Student  wie  der  Doktor 
aus  Torräo  stammten,  kann  man  sich  /Alfrieden  geben,  selbst  wenn  sich  nicht  herausstellt, 
dass  auch  1507  Seuchen  und  Notstand  die  Provinz  Alemtejo  heimsuchten  und  ein  Flüchten 
nach  Lissabon  veranlassten. 

^  Auch  wenn  B.  Ribeiro.  wie  ich  früher  annahm,  erst  um  1500  (etwa  1496)  ge- 
boren wäre,  hätte  er  dennoch  schon  1,5 16  dichten  können.  »Absurd«  (wie  Braga  in  der 
Rev.  de  Fort,  sagt)  ist  mein  Glaube  an  solche  dichterische  Frühreife  nicht.  Ich  erinnere 
nur  an  den  C  o  n  d  e  s  t  a  v  e  1  D.  Pedro,  an  E  n  c  i  n  a  ,  L  o  p  e ,  C  a  1  d  e r  o  n  und  von  modernen 
Portugiesen  an  Guerra-Junqueir  o  ,  E  dunr  d  o  Co  im  bra  und  Braga  selbst,  die  alle 
schon  mit   14  Jahren  dichteten  und  publizierten. 

*  In  Eg^l.  II  tritt  z.  B.  Mir  an  da,  der  Verehrer  Celia's  als  Franco  de  San- 
d  o  V  i  r  auf. 

■^  Egl.  I:  Persio  e  Faune,  Nas  selvas  junto  do  mar  in  34  Dezimen,  wovon  4  er- 
zäiilende,  die  übrigen  aber  Gespräche  sind;  Egl.  II:  Jano  e  Franco,  Dhevi  qiu  havia  um 
pastor  Antre  7>/'()  «  (^(/«a««  in  .53  Nonen,  nebst  1  Cantiga  ;  F.gl.\\\:  Silvestre  eAmadoi, 
Um  coitado  de  um  pastor  in  .')2  Dezimen  und  1  Echolied;  E.gl.  IV:  Jano,  Um  pastor  Jano 
chamado  in  36  erzählenden  Dezimen;  F.gl.  V:  Ribeiro  e  Agrestes,  Ribeiro  t7-iste pastor 
in  66  Dezimen,  nebst  2  Cantigas.  Nur  von  der  dritten  hat  sich  eine  Einzelausgabe  (1036) 
erhalten  und  zwar  eine  spanische,  unter  dem  Titel  Trovas  de  dous  pastorcs.  Die  fünfte  er- 
schien  erst    1557   mit  dem   Vernieik   i>a  quäl  dizcin  ser  do  mesmo  autor«.. 

*  Wir  besitzen  von  Ribeiro  13  Gedichte  im  Canc.  de  Res.  111  389-92  und  539  44 
(3  Cantias,  1  Trova,  3  Esparsas,  1  Vilaneete)  doch  .befinden  sich  darunter,  wie  ich  schon 
sagte,  möglicheiweise  Sachen  von  I'alcao  und  Miranda;  dazu  koimnen  2  Gedichthällten 
nach  provenz.  Art  für  D.  Lianor  de  Mascarenhas  (Miranda  51  und  52);  eine  schöne 
Klageromanze  in  Dissonanzen-Reimpaaren:  Ao  longo  de  uma  riöeira\  als  Einlage  der  Idyllen 
drei  Lieder  und  das  Echogedicht;  und  als  Einlage  des  Prosaromans  eine  andere  Romanze 
Pola  ribeira  de  um  rio  nach  dem  gewöhnlichen  Typus  (in  ör-Reimen),  ein  sogenannter  solau 
in  Vierzeilern,  und  ein  vilaneete.  Eine  der  Ausgaben  seiner  Werke  ( 1,559)  soll  noch  eine 
Gruppe  von  Cantigas  e  Voltas  bieten  -^^que  dizem  ser  do  auctor«. ,  doch  vermute  ich ,  dass  es 
die  selben  sind,  welche  Biaga  als  Werke  des  Falcäo  veröffentlicht  hat.  Ein  Gedicht 
freilich,  welches  Bouterwek  (p.  32)  und  nach  ihm  Costa  e  Silva  sowie  1859  Memles 
Leal  druckte,  findet  sich  in  der  erwähnten  Neuausgabe  nicht. — Bestimmt  nicht  von  Ri- 
beiro sind  drei  kastilische  Poesien,  lun  derentwillen  Garcia  Peres  ihn  in  den  Katalog 
der  spanisch-schreibenden  Portugiesen  versetzt  hat:  eine  Glo.sse  der  Ä/<rr/wa-Romanze ;  eine 
andere  Glosse  zu  yusla  fue  mi  perdieion  und  das  Sonett  Pasando  el  mar  Leandro  el  animoso. 
(S.  Circtdo  Camoniano  1  299).  Ebensowenig  gehört  ihm  die  Trova  No.  71  des  Canc.  de  Evorn, 
die  einen  Capitao  Bernardim  Ribeiro  zum  VerfasSfcr  hat.  Unentschieden  bleibt,  ob 
B.  R.  in  spätem  Jahren  im  Ausland,  nach  Mir  an  da 's  Beispiel,  noch  die  Schwenkung  vom 


Bernardim  Ribeiro.  293 


den  man  sich  gewöhnt  hat,  nach  den  Anfangsworten,  unpassend  genug,  »Menina 
e  mo(a«  zu  nennen,  obwohl  der  Autor  vielleicht  die  Bezeichnung  y>Tristezas<(~ 
gewählt  hatte'. 

122.  Allegorische  Gefühlsromane  über  Eigenerlebtes,  in  denen  ein  Liebes- 
paar die  Hauptrolle  spielt,  hatten  bereits  Rodrigues  del  Padron  und  Diego 
de  San-Pedro  in  den  Erzählungen  von  Ardanlier  y  Liessa  (1450),  Arnalte 
y  Lucemia  (149 1),  Leriano  y  Laureola  (1492),  Grisel  e  Mirabella  (vor  1500), 
Aurelio  y  Isabella  (1516),  Peregrino  y  Ginebra  (1527)  und  in  gewissem  Sinn  auch 
Aeneas  Sy  Ivius  in  seinem  Eur'mlo  y  Lucrecia  (gedr.  1472)  den  Hispaniern  vor- 
geführt. Und  durch  Boccaccio' s  »Comniedia  delle  ninfe  fiorentine  :  P Ameto« 
wie  durch  seine  »Fiammetta«  (span.  gedr.  1497)  war  das  Beispiel  gegeben,  ein 
Weib  als  Erzählerin  einzuführen.  Dennoch  ist  die  -»Menina  e  tno(a«  nach 
keiner  dieser  Vorlagen  gezeichnet  und  bedeutet  in  der  That  etwas  Neues. 
Der  Hauptheld,  der  unseren  Dichter  personifiziert,  der  Ritter  Narbin  del,  legt 
nämlich  vor  unseren  Augen,  unmittelbar  nach  einem  mittelalterlichen  Holm- 
gang, Schwert  und  Rüstung  nieder,  und  zieht  den  Hirtenrock  an 2,  den  Namen 
wechselnd  und  bedeutungsvoll  umgestaltend  zu  Bimn arder  (  —  vim-n'arder  = 
ich  kam  und  entflammte),  um  unerkannt  in  der  Nähe  der  Geliebten  weilen 
zu  können.  Er  hütet  die  Rinderheerde,  schneidet  sich  Hirtenflöten,  und  spielt 
und  singt  vor  den  Pallastfenstern  seiner  Aonia.  Und  diese  liebt  und  erhört 
den  einfachen  Menschen  und  Schwärmer.  Bald  aber,  während  Bimnarder  krank 
in  seiner  Strohhütte  liegt,  reicht  sie,  dem  väterlichen  Willen  gehorchend,  einem 
Hochgestellten  die  Hand.  Echte  Hirten  treten  neben  manchem  Ritter  und  Edel- 
fräulcin  als  mithandelnde  Personen  auf.  Ländliche  Szenerien  werden  ausgemalt. 
Feine  psychologische  Bemerkungen  über  Frauen-  und  Männerherzen  fehlen  eben- 
sowenig wie  emotionell  gefärbte  Beschreibungen  der  Reize  der  Natur,  und  zarte 
Analysen  ihrer  Einwirkung  auf  die  Bewegungen  im  menschlichen  Busen.  Die 
Nachtigall  z.  B.,  die  mitten  im  Singen  tot  vom  Baume  in  den  rauschenden 
Bach  fällt,  unter  dem  Trauergeläute  der  welken  Blätter,  ist  noch  heute  sprich- 
wörtlich {-»o  rouxinol  de  B.  R.^\  —  Als  Roman  betrachtet,  auf  den  Plan  und 
seine  Durchführung  hin  untersucht,  ist  das  poetische  Buch  der  Sehnsucht 
jedoch  eine  recht  mangelhafte  Schöpfung.  Der  Dichter  wollte  nach  dem 
Leben  zeichnen,  eine  Fülle  wirklicher  Personen  idealisieren,  und  thatsächliche 
Geschehnisse  zu  einem  Ganzen  verknüpfen,  doch  fehlte  es  ihm  dazu  an  Ge- 
staltungskraft und  klar  ordnendem.  Unnützes  ausscheidendem,  künstlerischen 
Verstände.  Die  Fäden  der  Handlung  reissen  wiederholt  ab;  das  Ende  ent- 
spricht nicht  dem  anfangs  Vorausverkündeten.  Drei  Hauptgeschichten  werden 
begonnen,  und  laufen  neben  einander  her,  ohne  sich  zu  schneiden:  die  Ge- 
alten Nütionalstil  zur  ital.  Schule  mitgemacht  hat.  Da  Mir  an  da  ihm  Hendekasyllahen  in 
den  Mund  legt  (No.  102.  446  s.  p.  69F(  ff.)  als  »cantar  de  estrana  parte«.,  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich. Doch  kennen  wir  nichts  von  diesen  Versuchen,  die  gewiss  nicht  den  Eigen- 
wert seiner  Eglogas  em  trovas  gehabt  haben.  Gefälscht  ist  in  meinen  Augen  das  Bruch- 
stück einer  italianisierenden  Canzone  auf  die  als  flüchtige  Hindin  dargestellte  Infantin  D. 
Beatriz(!),  welches  Faria-e-Sousa  ihm  zusclneibt  iRimas  de  Camoes ,  Bd.  V  p.  248. 
.\\2  und  320).  Nicht  von  ihm  ist  die  Egloga:  Ergasto,  Delio,  Laureno,  welche 
1622/3  zuerst  in  der  Gedichtsamnilung  des  C  am  0  e  s- Adepten  Estevam  Rodrigues 
de  Castro  zu  Ferrara  mit  den  Initialen  D.  B.  R.  gedruckt,  dann  von  Faria-e-Sousa 
für  Camoes  in  Anspruch  genomtnen,  und  1779  vom  P®  Thomas  de  Aquino  in  des 
Meisters  Werke  eingeschwärzt  wurde,  wo  sie  noch  heute  als  14.  Idylle  steht.  Diese  und 
andere  mit  den  gleichen  Buchstaben  bezeichnete  Dichtwerke  verfasste  mutmasslich  der  1631 
ge.storbene  Poet  Bernardo  Rodrigues. 

•  Fünf  bis  .sechs  Stellen  des  Romans  deuten  darauf  hin. 

2  Vielleicht  soll  hier  und  sonst,  das  Travestissement  sinnbildlich  nur  das  Eine  aus- 
drücken: ein  Weltmann  habe  die  Hoftracht  und  den  Waffenrock  abgelegt,  um  in  .schlichter 
'/.ivilkleidung  auf  seinen  Gütern  als  Fandmann  (ä  paisana)  in  dem  durch  Petrarca  zu 
neuen  Ehren  gekommenen  Naturleben  zu  schwelgen. 


2  94    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.    PORT.   LiTT. 

schichte  eines  jungen  Mädchens,  der  wahren,  namenlosen  Metiina  e  mo(a, 
die  eigentlich  den  Roman  schreibt,  von  der  wir  aber  so  gut  wie  nichts  er- 
fahren {Historia  da  Donzella  em  ermo,  K.ap.  i  und  22)';  die  Geschichte 
einer  Frau  {Historia  da  Dona  triste,  Kap.  2)  die  auch  unvollendet  bleibt; 
und  eine  von  dieser  Frau  dem  jungen  Mädchen,  nach  Berichten  ihres  alten 
Vaters  erzählte  Geschichte  zweier  Freunde  {Historia  de  dous  amigos)^  von 
welcher  die  Amores  de  Aonia  e  Bimnarder  wiederum  nur  ein  Teilstück  sind.  Sein 
schwaches  Kompositionstalent  sowohl  als  das  Bestreben,  die  Realität  zu  ver- 
schleiern und  manches  Ereignis  nur  vague  anzudeuten,  und  dazu  der  Wunsch  (oder 
Zwang),  die  schmerzliche  Verworrenheit  seiner  Seele  durch  Verworrenheit  des 
Romans  zu  symbolisieren-,  haben  bewirkt,  dass  die  menina  e  mo(a  Aqx  »dunkelste 
aller  Romane«  (laut  B  outer  wo  k)  geworden,  und  ein  labyrintischcs  Fragment 
geblieben  ist,  dessen  Rätsel  zu  immer  neuen  Deutungsversuchen  verlocken. 
Anklänge  an  alle  möglichen  Liebesabenteuer  mag  man  darin  entdecken;  ganz 
verfehlt  aber  scheint  es  mir,  das  bestimmte  Urbild  jeglicher  Figur  im  portug. 
Pallastleben  zu  suchen  und  zu  finden,  und  obendrein  noch  die  Einheitlichkeit, 
Treue  und  Kühnheit  des  Autors  bei  seiner  Wiedergabe  historischer  Ereig- 
nisse zu  bewundern^! 

Bedeutend  war  aber  jedenfalls  der  Eindruck,  den  Ribeiro  durch  die 
veia  blandisitna  seiner  versos  chorosos  und  durch  den  romantischen  Mysticis- 
mus  seiner  Gefühlswelt,  und  vielleicht  auch  durch  seine  Persönlichkeit  auf  die 
Zeitgenossen  ausübte.  Frühe  ahmte  man  ihn  nach,  noch  ehe  der  Buchdruck 
seine  Werke  verbreitet  hatte.  In  Portugal  folgten  Mir  an  da  und  Montemör 
seiner  Anregung  *  (ob  auch  in  höchst  selbständiger  Weise)  und  durch  dieselben 
alle  späteren  nationalen  Bukoliker.  Dass  aber  Camöes  aus  der  Lektüre  der 
Menina  e  tnofa  und  der  fünf  Idyllen,  die  seinem  unendlich  viel  höherfliegenden 
Geiste  arm,  altmodisch  und  monoton  erscheinen  mussten,  ein  Studium  gemacht 
und  Bernardim  Ribeiro  seinen  »Entiius«  geheissen  habe,  ist  nichts  als 
eine  der  zahlreichen  Fabeln,  mit  denen  Faria-e-Sousa  die  Unwissenheit  der 
Nation  in  Betreff  ihrer  litterarischen  Vergangenheit  zu  bemänteln  versuchte'. 
In  Spanien  ahmten  seine  Manier  mit  plagiatähnlicher  Treue  z.  B.  A Ion  so 
de  Reinoso  und  Feliciano  de  Silva  nach:  jener  in  seinem  den  Roman 
Clareo  y  Florisea  begleitenden  süsslichen  Poesien,  dieser  im  9.  Buche 
des  Amadis,  in  den  Hirtenszenen  zwischen  Darinel  und  Silvia,  deren  admirables 
versos  bucolicos  Cervantes  noch  rühmte^.    Stücke  aus  den  Idyllen  und  den  Vers- 


*  Diese  menina  e  moga  mit  der  Aonia  des  Romans,  und  beide  mit  der  J  o  a  n  a  der 
zweiten  Idylle  zu  identifizieren,  und  in  allen  dreien  das  Spiegelbild  der  wirklichen  Geliebten 
dc^  Bernardim  Ribeiro  zu  sehen,  geht  nur  an,  wenn  man  aller  I>ogik  den  Laufpass  giebt. 

*  Mit  den  Worten  :  y>Das  tristezas  näo  se  pdde  contar  tiada  ordenadamente,  porqiu  des- 
ordenadamente  acontecem  elläs«  und  mit  ähnlichen  anderen  entschuldigt  der  Dichter  sich  "beim 
I^eser. 

*  S.  Pessanha  p.  LUX. 

*  Am  sinnfälligsten  ist  die  Nachahmung  in  der  Diana,  Liltro  11,  im  Catito  da  Ninfa: 
Junto  a  una  verde  ribera. 

*  S.  Rimas  dl  Camoes  N  "iOX  312;  II  44.  219  und  öfters.  Seit  F  ar  ia -e- S  o  usa 's 
Bemühungen  um  die  portug.  Litteraturgeschichte  führt  Gil  Vicente  den  Ehrentitel  »Platito 
Fortuguez^,  B  a.rr  OS  ist  der  portug.  Livius ;  Osorio  der  portug.  Cicero  ;  Sä  de  Miranda 
der  portug.  Horaz;  Camoes  der  portug.  Virgil;  und  diesem  durfte  selbstverständlich  sein 
Ennius  nicht  fehlen  ! 

*  Auch  dieses  bedeutsame  Faktum  ist  bislang  weder  in  Portugal  noch  in  Spanien 
erkannt  und  gewürdigt  worden.  —  Man  lese  R  i  b  e  i  r  o  '  s  Eglogas  und  hinterher  in  G  a  i  1  a  r  d  o  "  s 
Ensaio  III  p.  990  die  Auszüge  aus  Reinoso's  Egloga  Basto :  Balteo  y  Argasto  um  zu 
ersehen  wie  sehr  die  spin.  Bukolik  in  Nationalweisen  von  Falcilo  und  Ribeiro  ab- 
hängt. Man  darf  auf  persönliche  Beziehungen  schliessen ,  welche  die  damals  in  Italien 
weilenden  Peninsularen  zu  einander  unterhielten:  Reine  so  zu  Feliciano,  dieser  zu 
Castillejo  undCetina,  und  alle  zu  Ribeiro  und  Miranda,  spater  auch  zu  Mo  n  temör. 


BeRNARDIM    RiBElRO.  295 


cinlagcn  des  Romanes  wurden  in  Musik  gesetzt  und  gern  gesungen  i.  Das 
Wiegenlied  der  Waise  (ein  solau)  ward  von  einem  feinfühligen  Gesinnungs- 
genossen wirkungsvoll  glossiert 2.  Die  Romanze  ward  in  den  span.  Canc.  de 
Romaiues  aufgenommen  (1550).-'  Ob  aber  des  Dichters  Schicksal  Gegen- 
stand einer  anderen  span.  Romanze  ward^,  und  ob  Lope  im  »Narrenhaus 
von  Valencia«  im  liebeskranken  Portugiesen  wirklich  Bernardim  Ribeiro 
darstellen  will',  bleibe  dahingestellt.  -  Der  Roman  ward  mindestens  siebenmal 
gedruckt *5  und  ins  Kastilische  übertragen'.  Auch  ein  zweiter  Teil  erschien 
schon  vor  1557,  doch  bleibt  es  unentschieden  ob  er  ganz  und  gar  das  Werk 
eines  anonymen  Fortsetzers  ist,  oder  etv\'a  eine  Erweiterung  hinterlassener 
Manuskripte  Ribeiro's,  oder  ganz  seine  Arbeit.  Meiner  Ansicht  nach,  ist 
der  Anfang  (mit  der  schönen  Avalor-Romanze)  bis  Kapitel  17  bestimmt  echt, 
doch  ging  Ribeiro  vielleicht  der  Atem  aus,  als  er  objektiv  frei  erfindend, 
weiter  erzählen  wollte,  was  sich  in  Wirklichkeit  nicht  zugetragen  hatte.  Auch 
dem  Übrigen  spreche  ich  jedoch  die  Authenticilät  nicht  allzu  entschieden  ab. 
Die  Ungleichheiten  und  Widersprüche  würden  sich,  wie  angedeutet,  aus  dem 
Mangel  an  (iestaltungskrart  des  Dichters  erklären^. —  Was  der  erste  Teil 'nur 
halb  ist,  ist  der  zweite  ganz:  nämlich  ein  buntfarbiger  Ritterroman,  iii,^dem 
eine  Masse  neuer  Gestalten  auftreten.  Was  Aonia  und  Bimnarder  betrifft,  so 
erwacht  die  erste  Liebe  in  der  halb  wider  Willen  Vermählten  aufs  Neue  nach 
kurzem  Schlummer.  Beim  ersten  Stclldicliein  aber  überrascht  der  (iatte 
{Fileno,  auch  Orphiletio)  das  Paar,  und  tötet  beide. 


Zusannncnstellung  und  Vergleicli  der  zahlieichen  in  P^tirrara  und  Venedig  (bei  Giolito)  lieraus- 
gfgtbenen  Werke  wäre  von  Nutzen.  Die  Einleitungen  und  Widmungen  entlmllen  gewiss 
manches  Aufklärende. 

*  Jorge  Feneira  de  V  asco  n  c  e  1 1  es  lässt  in  seiner  Atiles^raphia  zwei  l'.ruch- 
stücke    aus  den  Eglogas  und  eines  aus  der  Meuina  e  moi;a  singen. 

'   S.   Canc.  Luis  Franco  fl.  98.     Ich  l)esitze  das  schöne,  ungedruckte  Gedicht. 

*  Die  Kritik  verwechselt  diese  portug.  Ronaanz.e  von  B  ernard  im  Ribeiro,  tAo 
longo  de  tttiia  ribeirav.,  die  sdion  auf  S.  157  erw.llmt  ward,  oftmals  mit  der  aiideren'gieich- 
zeitigen  spanischen  über  einen  Don  l^ernaldino  (Daran  293:  »  Ki  piensa  Don  RernaJdinot). 
dessen   »Sterben  vor  Liebe«  sie  feieit. 

*  Natürlich  die  in  der  vorigen  Anm.  erwähnte  Komanzi  über  Don  !>  er  n  a  1  di  n  o  , 
in  dem  man  Ribeiro  zu  erkennen  vermeint. 

*  In  ilen  Locos  de  Valencia  tritt  ein  portugucs  fatnoso  auf,  que  enamoiaio  d:  itna^gran 
senora  PerdiS  en   Coimbra  el  seso  y  por  el  ?niindj   Qiial  otro  Orlando  fite  peregrinando. 

*  S.   flie  zweitnächste  Anmeikung. 

"^  Von  Bautista  Morales,  erst  1629,  also,  wie  fast  alle  Üliersetzungen  aus  dem  Portug 
ins  Kastilische  während  der  span.   Herrschaft. 

^  Die  des  öftern  aufgeworfene  und  zuletzt  etwas  eingelu-nder  bei  Pessanlia  er- 
örterte Frage  bedarf  noch  der  kritischen  Lösung.  Wichtig  \<  es  festzustellen,  ob  der  erste 
bekannte  Druck  des  Romans  bereits  den  2.  Teil  enthält.  Er  erschien  1554  zu  Ferrara  (s. 
Hrunet  IV  p.  80  -81  Nos  1273— 1274)  ;ds  Hystoria  de  tnenina  <?  7noi;a.  Auch  ob  die  Madrider 
Hs.  der  Akademischen  Bibliothek  No.  76  (laut  (iallardo  26151  die  Fortsetzung  bietet,  ist 
wissenswert.  Die  2.  Ausgabe  (Evora  1557)  fügt  zu  den  .31  Kapiteln  des  ersten  Teils  beieits 
die  58  des  zweiten  hinzu  als:  Parte  segunda  da  hhtoria  das  sdudades  de  Bernarditn  Ribeiro 
a  quäl  e  declarafäo  da  I"^  parte  deste  livro.  Und  in  den  späteren  fehlt  derselbe  nicht  (1559  Köln 
und  Lissabon,  mit  lyrischem  Anhang;  1645.  1785  und  1852  ^>Obras^).  Nur  Pessanha 
hat  ihn  1891  aus  seinem  guten  Neudruck  ausgeschlossen.  Die  -yVersos«  ersciiieiien  ge- 
sondert 1886  in  schwer  zugänglicher  Luxusausgabe,  üliei-  welche  A'ev.  Lus.  II  274  fl".  Auf- 
schluss  giebt.  Dass  lange  vor  dem  ital.  Drucke  Ribeiro's  wie  F.ilcäo's  Werke^grossen 
Ruf  hatten,  steht  ausser  Zweifel.  Sie  müssen  in  Ilmdschriften  oder  Flugblättern  unter  den 
Lesenden  Kurs  gehabt  haben. 


296      LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —  4.  PORT.   LlTT. 


G.  DRITTE  EPOCHE  1521-1580. 

DAS  KLASSISCHE  ZEITALTER  PORTUGIESISCHER  LITTERATUR: 

QUINHENTISTAS. 

I.  I.YRIK:    P:1NFÜHRUNG  DES  ITAL.  STILS.    SA  DE  MIRANDA   UND   SEINE 

SCHÜLER. 

'c  bedeutende  Individualitäten  Falcäo  und  Ribeiro  und  Gil  Vicente 
auch  sind,  zu  den  portug.  Klassikern  zählen  jene  auf  der  Schwelle 
zwischen  Mittelalter  und  Neuzeit  stehenden  Dichter  noch  nicht. 

Der  erste  Klassiker  Portugals  ist  Francisco  de  Sä  e  Miranda  (1495 
bis  1557)^  ein  wirklicher  Reformator,  der  auf  die  fernere  Entwicklung  der 
portug.  Litteratur  bestimmend  einwirkte,  besonders  auf  dem  Gebiete  der  Lyrik 
und  des  Pastoraldramas. 

Dass  Zeilen  von  nur  4  bis  8  Silben  für  echten  lyrischen  Schwung  und 
erhabene,  sich  feierlich  im  Kothurnschritt  und  in  kunstvollem  Periodenbau 
bewegende  Gedanken,  sowie  für  ernste  und  breite  epische  Gegenstände  und 
zur  lebenswahren  Charakteristik  dramatischer  Personen  ungeeignet  sind;  kurz 
dass  das  Schönheitserbe  der  klassischen  Völker  fiir  Portugal  nicht  wahrhaft 
fruchtbar  gemacht  werden  konnte,  solange  die  peninsularen  Kurzzeilen  allcin- 
herrschcndes  Metrum  blieben  2,  erkannte  zuerst  dieser  edle  Geist,  der  zu  den 
besten  seines  Volkes  gehört.  Und  zwar  geschah  das  gleich,  als  er,  wohl  ver- 
traut mit  den  romanischen  Litteraturen  und  innigst  befreundet  mit  den  Werken 
des  Altertums,  sein  Dichtertalent  entdeckte  und  bei  Hofe,  zunächst  mit  dem 
Strome  schwimmend,  sich  in  hübschen  geschmeidigen  Salon-Liedern  in  beiden 
Landeszungen  versuchte.  Von  Natur  ein  moralisierender  Denker,  welchen 
Studium  und  Lebenserfahrung  später  zum  sesshaften  und  einsamen  stoischen 
Philosophen  machten,  verliess  der  gelehrte,  vornehme,  und  nicht  unbemittelte, 
an  Jahren  reife  Dr.  juris,  der  schon  kurze  Zeit  als  Rechtslehrer  an  der  Universität 
fungiert  hatte,  1521  die  Heimat,  und  durchreiste  Spanien  und  Italien  mit  dem 
Zwecke,  sich  die  schönen  Wissenschaften  {as  lettras)  an  der  Quelle  gründ- 
licher anzueignen  und  ital.  Kunst  zu  schauen.  Fünf  bis  sechs  Jahre  (bis 
1526)  y>em  tempo  de  Hespanhoes  e  de  Franc ezes«  blieb  er  in  Italien,  knüpfte  in 
Mailand,  Florenz,  Rom  und  Neapel  litterarische  Beziehungen  zu  hervorragenden 
(Grössen  an,  seine  Kenntnisse  ital.  Litteratur  von  Dante  und  Petrarca  bis  zu  den 
Koryphäen  des  Cinquecento  erweiternd;  im  Umgange  mit  der  ihm  verwandten 
Vittoria  Colonna'^,  nebst  Bembo,  Sadoleto,  Giovio  sein  klassisches 
Wissen  vertiefend,  und  den  Geist  der  Renaissance  in  sich  aufnehmend.  Am 
nachhaltigsten  wirkten  auf  ihn:  Sanazzaro  (1458  — 1530),  Rucellai  (1475 
—  1526)  und  Ariosto  (1474—1533)-  Denn  die  Bukolik  und  das  Drama 
interessierten  den  I^andsmann  und  Zeitgenossen  Ribeiro's  und  Vicente's 
auf  das  lebhafteste.  In  Spanien  mag  er  auf  der  Rückreise,  am  kaiserlichen 
Hofe  noch   mit    Castiglione  (7   1529    in  Toledo)   zusammengetroffen    sein. 


*  S.  Braga,  Os  Quinhenlistas  und  C.  M.  de  Vasco  n  ce  1 1  os,  Poesias  de  Sä  de 
Miranda,  Halle  ed.  1886,  eine  Arbeit,  die  ich  natürlich  heute  in  allen  ihren  Teilen  be- 
tieutend  erweitern,  verfeinern  und  z.  T.  auch  berichtigen  könnte.  Eine  summarische  Bio- 
graphie suclie    man    bei  Storck,   Carmens  Leben  §  83. 

^  Die  xAbneigung  der  Portugiesen  gegen  die  in  Kastilien  .so  beliebten  längeren  ziersos 
de  arte  mayor  habe  ich  schon  mehrfach  berührt. 

'  Die  Säule  der  Colonna.s  gehört  zum   Wappen  der  Sas  (vgl.  p.  230  Anm.    1). 


QUINHENTISTAS.      ItAL.    StIL.      SÄ    DE    MiRANDA.  297 

der  seinen  Cortegiano  dem  feinsinnigen  portug.  Kardinal  D.  Miguel  da  Silva 
zu  widmen  vorhatte,  sowie  mit  dem  jugendlichen  Garcilaso,  an  den  ihn 
nächst  Familienbanden,  die  gemeinsame  Verehrung  einer  holden  Landsmännin 
aus  Coimbra  knüpfte'.  Im  Hause  Alba  sprach  er  vielleicht  auch  den  klugen 
ßoscan.  Ob  er  jedoch  in  Granada  den  epochemachenden  Unterredungen 
der  beiden  Spanier  mit  Navagiero^ beiwohnte,  wissen  wir  nicht.  Solcher 
Anregung  bedurfte  es  jedenfalls  auch  für  Mi  ran  da  nicht  mehr,  der  seinen 
Feldzugsplan  sicher  schon  in  Italien  ausgesonnen  hatte.  Sofort  nach  der 
Rückkehr  an  den  portug.  Hof  begann  er  sein  ästhetisches  Reformwerk,  zuerst 
noch  in  direktem  Umgange  mit  König  und  Hof,  in  Coimbra  und  Lissabon, 
bald  aber  (zwischen  1532  und  1536)  in  der  Stille  des  Landlebens,  in  welches 
er  sich  für  immer  zurückzog,  seinem  natürlichen  Hange  folgend,  veranlasst 
aber  durch  gefährliche  Hofintriguen,   die  ihn  in  der  Seele  anwiderten. 

Von  seinen  Versuchen  das  Theater  im  italienischen  Sinne  umzugestalten 
wird  weiter  unten  die  Rede  sein  (^  132).  Seine  Hauptkraft  verwandte  er 
mit  glücklichstem  Erfolge  auf  die  Reform  der  Lyrik.  Gleich  im  Winter 
1527—28  entstand  ein  erstes  Kunst-Idyll,  die  erzählende  Fabula  do  Mondego 
(No.  iii),  in  welcher  in  petrarchistischen  Canzonenstrophen^,  mit  Anruf  an 
die  Musen  des  Parnass,  in  Form  einer  Metamorphose,  eine  nationale  Stadt- 
und  Flusssage  behandelt  wird  —  und  zwar  in  bewusstem  Gegensatz  zu  Gil 
Vicente,  der  gerade  das  gleiche  Thema  in  seiner  unklassischen  Weise  be- 
arbeitet hatte 3.  Kurz  darauf  folgte  eine  dramatisch  aufgebaute,  figuren reiche, 
unbedingt  zur  Darstellung  bestimmte  und  gebrachte  Egloga  Alejo  (No.  99)  in 
nationaler  Form,  doch  mit  italianisierender  Stanzen-Einlage*.  Und  Schlag 
auf  Schlag  führte  der  Neuerer  dann  der  portug.  Litteratur,  zugleich  mit  dem 
klassischen  Wort  Lyrica,  die  wichtigsten  Dichtungsformen  der  Italiener  zu, 
und  damit  die  unentbehrliche  südromanische  Langzeile,  den  Hendeka- 
syllabus.  Er  gab  ihr  das  Sonett,  das  bis  zu  Anthero  de  Quental  so  viel 
tausendfältige  Frucht  bringen  sollte,  die  Canzone,  die  Elegie,  das  Send- 
schreiben (Capitulo)  in  Terzinen,  die  erzählende  Oktave,  und  das  wech- 
selnd zu  Terzinen,  Canzonen,  Oktaven  und  strophenlosen  Kettenreimgebilden 
greifende  Kunstidyll,  das  bald  &\s  Epitalaf/tio,  bald  als  ^/V^^ÄV  auftrat,  bald 
andere  intime  Erlebnisse  aus  dem  eigenen  LebenTund  dem  der  galanten  Welt 
stilgerecht  idealisierte,  einmal  in  einfacher  epischer  Erzählung,  ein  andermal 
als  Monolog,  häufiger  in  Dialogform,  oder  in  polyphonem  Aufbau.  Dazu  bot  er 
dann  noch  das  Epigramm,  das  Epitaphium  und  die  Tier-Fabel^.  Er 
war  der  erste,  der  den  Begriff"  sinnlicher  und  sittlicher  Schönheit  im  antiken  Sinne 
fassend,  eine  Reihe  von  Studien  nach  klassischen  Motiven  ausarbeitete  (.Amor 
und  Psyche;  Orpheus  und  Euridice,  Hero  und  Leander,  Policena  etc.j  und 
die  Zeitgenossen  unermüdlich  auf  Dichter  wie  Horaz  und  Martial,  Pindar  und 
.Alcaeus,  und  auf  die  Italiener  hinwies. 

Am  besten  gelangen  ihm  die  Eglogas.  Auch  in^denjenigen,  welche  als 
reine  Renaissance -Poesie  hohen  Stils  gehalten  sind,  strebte  Miranda,  der 
ein  Freund,  Kenner  und  Beobachter  des  wahren  portug.  Bauern-  und  Hirten- 
lebens  war,  der  Natur  nahe  zu  bleiben  und  seinen  Schäfern  (die  natürlich 
ja  auch  nichts  als  verkleidete  Höflinge  sind)  ihrer  ländlichen  Lebensweise  an- 


*  D.  lsabel  Freyre,  die  Muse  seiner  Jugendgedichte  (Celia),   war  Anfang    .526 
mit  der  Kaisei  in  Isabella  an  den  span.  Hof  übergesiedelt.    S.  Miranda  p.  83,3- 

-  NmcH  Petrarca 's  Ganz.   W :  Nella  stagion. 

*  »Comedia  sobre  a  divisa  da  cidade  de  Cohnbra*.    I527.     Gil   Vicente   11    106. 

*  y>Can(äo  .  .  .  em  estancias  ao  modo  italiano.     No.   102,   726 — 7.^7- 

*  Nidit  als  sell)st,ändiges  (ianze,  doch  als  häufiger  Schmuck  seiner  nationalen  Idyllen 
und  Briefe. 


298    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —  4.    PORT.    LiTT. 


gepasste  Gedanken  und  Worte  zu  leihen.  Und  thatsächlich  erreichte  er  auch  die 
relative  Wahrheit  des  Theokrit.  Doch  sah  er  bald  ein,  das?  eine  mit  Bildern 
aus  der  nationalen  Wirklichkeit  geschmückte,  wahrhaft  rustike  Denk-  und  Rede- 
weise in  Widerspruch  mit  dem  vornehmen  ital.  Metrum  und  mit  den  Neo- 
logismen der  gebildeten  Hofsprache  stand,  und  griff  daher  mehrfach  zu  den 
schlichteren  portug.  Formen  (Kurzzeilen :  Doppel- Vierzeiler,  Quintilhas,  Decimas), 
welche  Ribciro  und  Falcäo  benutzt  hatten  und  zur  archaischen  Vulgär- 
sprache. Und  zwar  that  er  das,  so  oft  ei  an  Stelle  subjektiv  gefärbter  Ge- 
spräche über  persönliches  oder  fremdes  Liebesleid  allgemeinere  spekulative 
Unterredungen  setzte,  in  denen  er  seiner  Lebensauffassung  Ausdruck  giebt,  wie 
z.  B.  in  der  Egloga:  Basto,  in  welcher  die  Hirten  Gil  und  Bieito,  (resp. 
Silvestre  e  Montane)  die  zwei  Seelen  in  des  Dichters  Brust  verkörpern, 
und  seine  Ansichten  über  Stadt-  und  Landleben,  Hof-  und  Dorfsitten,  Gesell- 
schaft und  Einsamkeit,  Aktion  und  Kontemplation,  Pessimismus  und  Optimis- 
mus darlegen '.  Er  verachtete  oder  bekämpfte  also  keineswegs  die  nationalen 
Versformen  2.  Vielmehr  erweiterte  er  ihr  Gebiet,  und  veredelte  ihren  Inhalt 
wie  ihre  Gestalt.  Die  festen  alten  Salon-Liederformen  pflegte  er  zwar 
naturgcmäss  in  den  reifen  Mannesjahren  und  in  der  ländlichen  Zurückgezogen- 
heit nicht  mehr  so  ergiebig  wie  in  der  Jugend.  Wohl  aber  die  schlichtere 
und  dehnbarere  freie,  irova  redondilha,  zu  der  er  absichtlich  oder  instinktiv  griff, 
so  oft  er  in  nicht  solenner,  sondern  mehr  vertraulicher  Weise  ein  lehrhaftes 
Wort  an  Jemand  richten  wollte.  Statt  blosser  scherzender  Nachrichten briefe 
voll  leichten  und  seichten  Geplauders  über  Augenblicksgeschehnisse,  inaugu- 
rierte er  ernste,  oft  tadelnde  Tendenz-Episteln  »Cartas  ou  Satyr as«^^  in  denen 
er,  der  lakonischen  und  didaktischen  Redeweise  des  Horaz  nachstrebend  ad 
sodales  (Freunde,  Gönner  und  Fürsten),  gleich  frei  von  Schmeichelei  wie  von 
Schmähsucht,  wuchtige,  an  kernigen  Sentenzen  und  Beispielen  reiche  moral- 
philosophische Vorlesungen  in  Versen  hält.  Mit  einsichtiger  und  kühner 
Kritik  streift  er  darin  die  schon  damals  in  der  indischen  Conquistadoren- 
Epoche  zu  Tage  tretenden  Nationalfehler:  Ämterschacher,  Geldprotzenstolz, 
Ahnendünkel  und  Luxus-Schwelgerci.  Den  Künsten  und  Wissenschaften  und  dem 
beschaulichem  Philosophenleben  singt  er  hingegen  ein  Hohes-Lied.  Neben 
Beispielen  aus  dem  Altertum  stehen  darin  zeitgenössische  Anekdoten  und  zahl- 
reiche patriotische  Bemerkungen,  stolze  Rückblicke  auf  die  historische  Vergangen- 
heit, scharfe  Kritik  der  (jcgenwart,  und  sorgenvolle  Ausblicke  auf  die  Zukunft; 
dazu  hie  und  da  die  damals  üblichen  Rufe  nach  einem  Virgil  oder  Homer 
(No.  IE2  und  165).  Und  so  mächtig  und  nachhaltig  auch  der  Einfluss  war, 
den  Miranda  durch  seine  italianisierenden  Gedichte  ausübte,  so  haben  doch 
gerade  diese  Briefe  im  peninsularen  Stil  und  die  geistes-  und  formverwandten 
Egiogas  rusticas  e  moraes^  die  meisten  und  direktesten  Nachahmungen  hervor- 
gerufen. Aus  drei  Gründen:  i)  für  alle  klassischen  Gebilde  fand  man 
Vorbilder,  und  zwar  vorzüglichere,  in  Spanien  und  Italien.  Für  diese  nationalen 

'  Auch  hier  vermute  ich  hewusste  KonkuiTenz  mit  Gil  Vicente,  und  zwar  mit 
seinem  Auto  Pastoril  Castelkaiio,  das  seinerseits  auf  Encina's  Doppel- Ekloge  vom  Hof- 
mann  gewordenen  Hirten  und  dem  Scliäfer  gewordenen  Hofmann  zurückweist,  und  damit 
indirekt  auf  manches  mittel latein.  Hirtengespräch. 

^  In  fler  römischen  Campagna  iiatte  Miranda  'Provas  gedichtet,  Trovas  sendete  er 
1."):^S  tnch  Alcalä;  und  noch  in  seinen  klassischen  Terzineiibriefen  gedenkt  er  mit  Sehn- 
sucht i\c\-  riuniielinischen  F^iederabende:  Oi  m^ntos  e  os  seröes  de  Portugal  7 äj  fallados  no 
mundo,  onde.  säo  idos,  E  as  gragas  temperadas  da  seu  saP.   (No.    109,    127   IT.) 

ä  ParU  Segunda  Nos   103— 108. 

*  Ich  meine  das  14  Mal  vom  Dichter  bearbeitete  Hirtengespräch  Basto  (Nos  103. 
116.  164.  117  ("und  152)  mit  den  betreffenden  Varianten.  Die  besten  Nachahmer  dieser 
Dichtungsart  waren  im  16.  Jh.  Andrade-C  aminha  und  Perestrelio,  und  später  D. 
Francisco  de  Portugal,  Francisco  Manoel  de  Mello  und    Tolentino. 


Sä  de  Miranda.  299 


Neuheiten  nicht.  2)  Sie  spiegeln  am  energischsten  die  wirkliche,  sittlich  ge- 
sunde Denkart  des  Dichters  wieder,  bei  dem  thatsächlich  Leben  und  Lehre 
eins  waren.  3)  Sie  sind  ausnahmslos  portug.  geschrieben,  und  zwar  in 
volkstümlich  derber  Fassung  ä  la  Albuquerquc  und  Castro,  während  die 
klassischen  Gedichte  zum  grossen  Teil  spanisch  reden. 

Im  ganzen  hat  Miranda  von  188  Gedichten  (worunter  25  vielleicht 
unecht  sind)  113  mit  6863  Zeilen  in  der  Nationalsprache,  und  75  mit  5674 
Versen  spanisch  geschrieben.  Das  Verhältnis  verschiebt  sich  jedoch,  sobald 
man  nur  die  neumodischen  Hendekasyllaben  ins  Auge  fasst.  Dann  stehen 
neben  37  Stücken  mit  4024  kastilischen  Reihen  nur  33  portug.  mit  1853'. 
Und  zwar  entstanden  im  Grossen  und  Ganzen  die  spanischen  früher  als  die 
heimischen.  Die  fünf  grossen  und  berühmten  span.  Idyllen  2  waren  bereits 
fertig  als  Miranda  es  versuchte,  auch  eine  portug.  nach  klassischer  Manier  zu 
dichten  fNo.  150  Encantamento)^  mit  Anwendung  aller  schon  geübten  Vers- 
gebilde. Auch  gelangen  die  spanischen  besser,  vielleicht  weil  Miranda  während 
der  6  Reisejahre,  wie  anzunehmen  ist,  kastilisch  gesprochen  und  gehört  hatte, 
vielleicht  auch  weil  die  Regeln  ital.  Prosodie  viel  müheloser  auf  das  Kastilische 
als  auf  das  vokal-  und  hiatenreiche  Portugiesische  anzuwenden  waren,  wie  ich 
schon  in  der  Einleitung  (§  8)  vorweg  sagte.  Musterhaft  rhythmisch  und  melodisch 
sind  weder  die  einen  noch  die  anderen,  so  unsägliche  Mühe  sich  auch  der 
Dichter  gab,  der  die  rudeza  do  seu  estylo  e  fraca  veia  oft  bedauert,  und,  streng 
gegen  sich  selbst  als  Mensch  und  Dichter,  unablässig  feilte  und  nachbesserte. 
Selbst  von  kleinen  Liedern  sind  mehrfache  (lehrreiche)  Redaktionen  erhalten; 
von  den  grösseren  viele.  Trotzdem  bedeuten  seine  Werke  einen  erheblichen 
Fortschritt  an  Wissen  und  Können ,  eine  heilsame  Bereicherung  der  portug. 
Dichtkunst,  der  er  neuen  Stoff,  neuen  Geist  und  neue  Formen  schenkte. 

124.  Miranda  beherrscht  geistig  seine  Zeit.  Seine  Werke,  obwohl  bis 
gegen  Ausgang  des  Jhs.  nur  handschriftlich  verbreitet  ^  waren  Muster  und 
Massstab  für  alles  was  die  Dichtergeneration,  die  zwischen  1530  und  1560 
blühte.  Lyrisches  schuf.  Man  kann  demgemäss  alle  prae-kamonian  ischen 
Petrarchistcn  oder  Quinhentisten  Mirandistas  nennen,  wie  ich  thue.  Dem 
»Dichterphilosophen«  sandten  alle  Neulinge  ihre  italianisierenden  Werke  zur 
Begutachtung  nach  seiner  Quinta  da  Tapada.  Ihn  feierten  sie  als  »einsamen 
Sänger  des  Neiva-Flüsschens«  *  in  Sonetten  und  Oden,  und  beklagten  1557  in 
Elegien  und  Idyllen  seinen  Tod.  Er  aber  lehrte,  spornte  und  erkannte  neid- 
los das  Talent  des  jungen  Nachwuchses  an  -*,  den  er  ausdrücklich  auf  seine 
glänzenderen  Kampfgenossen,  Garcilaso  und  Boscan,  hinwies,  sowie  auf 
seine  italiänischen  Vorbilder:  Petrarca's  Canzoniere,  Bembo's  Asolani, 
Sanazzaro's  Arcadia  und  Eclogae  und  Ariosto's   Orlando  und   Comtnedie. 

Die  alte  und  zahlreiche  Garde  aus  den  fröhlichen  Tagen  Emanuels 
konnte  sich  natürlich  zum  Geschmackswechscl  nicht  mehr  entschlicssen,  son- 


'  vS.  Miranda  p.  CXXVIII ,  obwohl  es  den  dortigen  Angaben  weder  an  Denk- 
nocli  an   Druckfehlern  gebricht. 

"^  1''  a  b  II 1  a  d  o  M  o  n  d  e  g  o  —  A  n  d  i"  e  s  —  C  c  1  i  a  —  N  e  m  o  r  o  s  o  -  E  p  i  t  a  - 
1  a  ni  io. 

*  Erste  Ausgabe  (luit  dem  Drama:  Os  Estrangeiros)  1595.  wiederabgedruckt  1804. 
Zweite,  in  ganz  anderer  Textgestalt  1614,  mit  guter  Biographie ;  weitere  1632.  U)öl.  1677. 
1784  und   1885.     Die  Briefe  allein  als  Satyras  1626. 

*  .So  nannte  man  ihn  im  Gedanken  an  den  Sänger  der  Sorgue,  und  den  des  Sebeto. 
Auch  die  späteren  portug.  Bukoliker  werden  meist  nach  ihren  Heimatflösschen  bezeichnet. 
Bernardes  als  Z/»«asäMger;  I>obo  als  Sänger  des  Liz;  daneben  auch  nach  den  besungenen 
Schönen   /,.    B. :    Andrade  als   Cantor  de  Filis. 

*  Man  lese  seine  Gedichte  an  D.  Manoel  de  Portugal,  Eerreira,  Caniinha, 
Bernardes,  Montetflör,  EalcHO  de  lies  ende, 


300    LiTTERATURGESCHICHTE  DER   ROMANFSCHEN   VÖLKER.    —   4.    PORT.    LlTT. 

dern  sang  in  alt-gewohnter  Weise  »um  vilancete  brando,  ou  seja  um  chiste, 
Letras  äs  invenföes,  motes  äs  damas,  Hüa  pergunta  escura,  esparsa  triste<c, 
oder  spottete  und  scherzte  in  derben  irovas  de  folgar.  Und  so  viele  persön- 
liche Freunde  und  Bewunderer  Miranda  auch  unter  dieser  Nationalpartei 
zählte- —  wie  den  alten  Joäo  Rodrigues  de  Sä  e  Menezes,  D.  Fernäo 
da  Silveira,  D.  Fernando  de  Menezes^,  —  so  stemmte  sie  sich  doch 
anfangs  offen  gegen  den  Einlass  der  fremden  »gelahrten«  Poesie  in  die  seröes. 
An  Beweisen  für  solchen  litterarischen  Antagonismus  zwischen  Altportugal 
—  den  poetas  da  medida  velha  —  und  Jungportugal  —  A^n  poetas  da  medida 
nova  ("wie  man  zu  sagen  pflegt),  fehlt  es  nicht 2,  wenigstens  nicht  aus  dem 
ersten  Decennium  der  Periode,  solange  so  aktive  Geister  wie  Gil  Vicente 
und  Garcia  de  Resende  für  die  Hoffeste  wirkten^.  Erbittert  und  andauernd 
war  jedoch  dieser  Kampf  in  Portugal  nicht.  Und  so  wenig  ich  zustimmen 
kann,  wenn  die  deutsche  Kritik  die  »charakterlosen«  Portugiesen  tadelt,  weil 
sie  allzu  bereitwillig  die  fremdländische  Art  annahmen,  so  wenig  kann  ich 
Braga  beipflichten,  wenn  er  von  heissen  und  langen  Fehden  erzählt.  Eine 
F.rneuerung  der  Poetik  wie  Miranda  sie  anbahnte,  entsprach  zu  sehr  dem 
wichtigen  Wandel,  der  sich  in  Portugal  wie  im  ganzen  südlichen  und  west- 
lichen Europa  in  allen  Künsten  und  in  der  Wissenschaft  bereits  vollzogen 
hatte,  oder  noch  vollzog.  Auch  hier  vertauschten  Architektur  und  Malerei 
um  1530  die  manuelinische  Gothik,  die  ihre  Hochblüte  erreicht  hatte,  mit 
der  Renaissance*.  Im  klassischen  Sinne  wurden  die  Klosterschulen  (S.  Cruz 
1527)  sowie  die  Universität  (1537)  reformiert.  Namhafte  Humanisten  —  P-^in- 
heimische  und  Ausländer  —  berief  man  nach  Coimbra  und  an  den  Hof^. 
Die  Sprache  selbst,  deren  erste  Grammatik  1536  erschien^,  ward  in  gelehrter 
und  kunstreicher  Weise  umgebildet.  Die  Studierten  und  Lateinkundigen  sahen 
denn  auch  das  Segensreiche  der  Reform  Miranda's  und  die  Unentbehrlich- 
keit  der  jambischen  Langzeile  schnell  ein:  Coimbra,  Miranda's  Vaterstadt, 
ward  die  Hochburg  der  Petrarchisten.  Und  von  der  Universität  aus  drang 
die  zeitgemä.ssc  Neuerung  nach  Lissabon  in  den  Pallast ,  wo  ja  auch  ein 
Sigaeus  und  Hermigius,  Aires  Barbosa,  Andrt^  de  Resende,  Clenar- 
dus  und  Teive  unter  den  Infanten  und  Infantinnen  mit  dem  Geschmack  an 
den  Sprachen  Roms  und  Athens,  das  Verständnis  für  die  Ideale  der  Renaissance 
entwickelten.  DieSöhne  zweier  Hauptvertreter  der  zweiten  Periode,  D.  Manoel 
de  Portugal,  Sohn  desD.  Francisco,  und  D.  Francisco  de  Säe  Menezes, 

'  Dazu  noch :  I).  Antonio  de  .Sä  e  Menezes,  Antonio  d  e  A  z  e  v  e  d  o  . 
Manoel  d'Oliveira,  D.  Fernando  de  Lima,  Simäo  da  Silveira,  Manoel 
M  a  0  h  a  d  o  u    a.  m. 

^  Man  findet  sie  nicht  allein  in  Miranda's  Gedichten  (z.B.  No.  150,  Oktave  4  der 
Kinicitiing  sowie  147,  16— 20)  und  den  Autos  des  Gil  Vicente,  sondern  Reflexe  davon 
;uich  f)ei  anderen  Autoren,  (wie  Barros,  Jorge  Ferreira  etc.). 

■^  Resend  e's  Tod  glaube  icii  »um  1540<  ansetzen  zu  müssen  (s.  .S.  258  und  265), 
und  nicht  erst  1554.  wie  andere  Litterarhistoriker  thun.  Sein  Hofeinfluss  war  ir->3y  zu 
Ende.  An  eine  gewisse  Feindseligkeit  oder  mindestens  Gleichgültigkeit  seinerseits  gegen 
Miranda  und  dessen  anspruchsvolles  Pastoraldrama  muss  man  glauben,  fia  er  in  seiner 
Keinichronik  »Miscellanea«.  der  wichtigen  Neuerung  mit  keinem  Worte  gedenkt.  Nur  die 
alte  Zeit,  die  alten  Sitten  unl  die  alten  hispan.  Verse  preist  er  (Manriqtie,  Villena,  Mena, 
Santülana) \  von  Portugiesen    bloss  Gil   Vicente.    Freilich    hat    er   die  Miscellanea    schon 

1534  abgeschlossen. 

*  Die  capellas  iinperfcitas  der   U  at  a  I  h  a- Kiiche,   mit  ihrer  Renaissance -Veranda  v.  J. 

1535  sind  das   i)eredteste  Zeugnis   für  diesen    Umschwung. 

^   Aires  Barbosa    -  die  Gouveias    —   Clenardus   —  Vasaeus    Fabri- 

lius    —    Teive   —   Buch  an  am   —   Azpilcuela   Xavarro    -    Goes     -     Osorio    — 
um  nur  die   berühmtesten  zu  nennen. 

*  Von  Fernam  d'Oliveira.  Drei  Jahre  später  folgte  Joao  de  fiarros  mit 
seiner  Grammatica,  einer  Cartilha,  dem  Dialogo  da  Lingua  port.  etCi     S.  u.  p.  333- 


Sä    DE    MiRANDA.  30! 


Sohn  des  Joäo  Rodriguez,  waren  die  ersten  Granden,  welche  den  Pallast- 
damen, statt  Motes  und  Glosas^  Sonette  und  Elegien  und  Oden  widmeten,  und,  an 
Stelle  harmloser  momos  und  kecker  autos^  schwermütige  Idyllen  einstudieren  und 
aufführen  Hessen.  Im  Jahre  1540  war  es  bereits  geschehen.  Und  die  Jugend 
stellte  sich  im  Königshause  natürlich  auch  auf  die  Seite  der  Neuerer.  Der 
Thronerbe  D.  Joäo  (1537 — 1554J  erbat  sich  (1550 '51)  Abschriften  von 
Miranda's  Gesamtwerken'.  Sein  Halbbruder,  o  Senhor  D.  Duarte  (1521 
—  43)  ahmte  in  seinen  Studenten-Reden  die  Prosa  des  portug.  Meisters  nach^. 
Die  Infanten  D.  Luis,  D.  Henrique  und  D.  Duarte  nahmen  die  Wid- 
mungen einzelner  Werke  huldvoll  entgegen. 

Trotz  der  Zulassung  des  neuen  Stils  ward  aber  naturgemäss  in  den 
Schlössern  die  alte  Manier  nach  wie  vor  ergiebig  gepflegt,  da  das  natürliche 
Gebiet  des  Liedes  und  des  improvisierten  kurzen  Gelegenheitsgedichtes  eben 
der  Salon  ist.  Ja,  die  selben  Dichter,  die  in  Coimbra  und  bei  ihren  ersten 
Schultriumphen  sich  des  altklassischen  Hexameters  in  lateinischen  Kompo- 
sitionen und  des  ital. Metrums  in  portugiesischen  bedient  hatten,  scheuten  sich 
nicht,  sich  des  Altväter-Hausrats  zu  bedienen,  wenn  sie  bei  Hofe  ein-  und  aus- 
gingen, froh  eine  Saite  mehr,  und  noch  dazu  eine  so  leicht  und  klangvoll  ertönende, 
auf  ihrer  Leyer  zu  haben"^.  Manche  begünstigten  dann  sogar  die  alte  Troz'a 
(z.  B.  Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos  und  Francisco  de  Moraes).  So 
leidenschaftliche  Verfechter  wie  Castillejo  fand  diese  jedoch  in  Portugal 
nicht.  Unverbrüchlich  treu  blieb  ihr  keiner  der  neuen  Hof-  und  Kunst-Lyriker.^ 
Aber  auch  nur  einen  gab  es  unter  ihnen,  der  Jene  Volksliederweisen  gänz- 
lich verachtete,  offen  bekämpfte,  und  sich  nie  dazu  herabliess,  sie  anzuwenden : 
Antonio  Ferreira,  von  dem  bald  die  Rede  sein  wird,  derselbe  charakter- 
feste Patriot,  der  nie  eine  Zeile  spanisch  schrieb^. 

125.  Kann  also,  meines  Erachtens,  nur  von  1526  bis  36  (oder  39)  von 
einem  feindlichen  Gegenüber  der  Troznstas  und  Fetrarchistas  bei  Hofe  die 
Rede  sein,  nach  1540  aber  nicht  mehr;  ertönten  in  Wirklichkeit  daselbst,  wie 
in  den  Romanen  und  auf  der  Bühne,  Gesänge  in  hispanischer  Weise  neben 
den  italianisierenden,  so  muss  die  rückblickende  Litteraturgeschichte jenen 
Gegensatz  dennoch  festhalten,  weil  durch  ihn  eine  schroffe  Scheidung  zwischen 
Hof-  und  Volkspoesie  eintrat.  Die  vornehmen  Werke  der  »Italiener«,  welche 
mit  Neologismen  und  mit  alexandrinisch  anmutender  gelehrter  Verbrämung  ge-, 
schmückt  sind,  blieben,  kraft  ihrer  klassischen  Stoffe,  Gestalten  und  Gedanken 
»Kaviar  fürs  Volk«.  Kein  einziger  Hcndekasyllabus  ward  populär  (trotz  der 
Lusiadenj.  Und  selbst  die  Kunst-/r^e/<?^  der  Quinhejitisten  drangen  nicht  in 
die  Masse.     Denn    auch   sie  wurden  jetzt  spiritualistischer  im  Gedanken  und 

'  Dri'i  ]\Ial  sandte  Miranda  dem  Fürsten  Teilstücke  seiner  AVerke,  wie  meine  Aus- 
gal>e  zeigt. 

^  S.  p.  761   meiner  Ausgabe. 

'  An  Versiiclien,  aus  dem  Gebiete  der  neuen  Versmasse  in  das  natürliche  Bereich 
lier  altnationalen  Weisin  überzugreifen,  hat  es  natürlich  auch  nicht  gefehlt.  Auch  Eglogas  in 
llendekasyllaben  wurden  in  Musik  gesetzt  (eine  von  Camöes,  laut  J.  F.  d  e  V  a.scon  cello  s 
in  cap.  100  des  Sagramor;  eine  andere  von  Garcilaso.  laut  D.  Quix.  II  cap.  58); 
Sonette,  Canzonen  und  Oktaven  dienten  als  Thema  für  Liedei-  und  Glossen  etc.,  die  dadurch 
gezwungen  wuiden,  sich  gleichfalls  in  Langzeilen  zu  bewegen.  Dass  sie  vereinzelt  blieben,  ist 
selbstverständlich.  Braga's  Bemerkung,  die  Lieder  in  heimischen  Kurzzeilen  gehörten 
stets  der  ersten  Jugend  der  Dichter  an,  {Cnrso  I.37  und  öfters)  ist  daher  nur  halb  richtig. 
Der  Weg  der  ganzen  Geistesstiömung,  wie  der  Entwickehmg  des  Einzelnen,  ging  von  Coimbra 
nach  Lissal)on. 

*  Ein  Portugiese  blieb  dennoch  den  Trovas  treu,  jedoch  auf  span.  Boden,  und  zu 
Gunsten  der  span.  Litteratur:  Gregorio  Silvestre. 

'  Von  ihm  stammt  das  Wort:  chamou  0  povo  a  sua  itwengäo  irovai  ...  »a  antiga 
Hespanha  deixo  ao  povon  (man  zitiert  meist  untreu  >;a  antiga  trova  deixo  ao  povo)  und  der 
schöne  Ausspruch :  te  cTesla  gloria  so  ßco  conlente  que  a  minha  terra  amei  e  a  mmha  geutev. 


302    T.ITTERATURCESCHICHTE    DER    KOMANISCHEN  VÖLKER.   4.    PORT.    LlTT. 


verfeinerter  im  Ausdruck,  bis  Camöes  in  den  unvergleichlichen  Quintilhos 
über  Babel  und  Zion  (Sobolos  rios  gue  väo:  1566)  das  Meisterstück  dieser 
echtpeninsularen  Richtung  lieferte,  deren  Gesetze  um  1600,  als  sie  überlebt 
waren,  D.  Francisco  de  Portugal  (der  Jüngere)  in  seiner  Arte  de  Galan- 
teria  in  Worte  fasste.  Die  Bezeichnung  »irovai  blieb  verpönt,  seit  Ferreira 
gesprochen.  Man  wählte  nun  die  Bczeiclinung  redondilha  für  alle  Nationalweisen, 
gleichviel  ob  sie  in  losen  oder  in  festen  Liedformen  auftraten  ^  Die  Volksmuse 
aber  ward  banaler,  ideenärmer  und  kunstloser,  seit  der  bis  1 500  mehr  oder 
minder  enge  Kontakt  mit  den  im  Pallaste  ertönenden  Weisen  aufgehört  hatte. 
126.  DieTrovistas,  d.h.  die  wirklich  volksmässigcn,  oder  für  die  Masse 
des  Volkes  im  Nationalstil  schreibenden  lyrischen  und  epischen  Dichters  des 
16.  Jhs. ,  sind  in  ihren  dramatischen  Produktionen,  von  denen  später  die 
Rede  sein  wird,  ausnahmslos  Schüler  Gil  Vicente's  und  als  Lyriker  aufs 
engste  verwandt  mit  diesem  selben  Dichter,  und  mit  denjenigen  Poeten  des 
Canc.  de  Res.^  die  mit  ihm  an  ungekünsteltem,  derben  Mutterwitz  rivalisieren. 
Erhalten  ist  wenig  von  ihren  Produktionen,  teils  weil  sie  nur  in  fliegend(>u 
Blättern  erschienen,  teils  weil  die  zügellose  Freiheit,  mit  der  auch  das  Heiligste 
in  den  Staub  gezogen  und  parodiert  ward,  zu  Verboten  in  den  Indices  Expur- 
gatorios''^^  und  zu  dementsprechender  Ausrottung  führten,  nachdem  sie  Miranda 
und  andere  Geister  seines  Schlags  zu  bitteren  Klagen  veranlasst  hatten^.  Das 
galt  besonders  von  Romanzen  über  Stoffe  aus  der  heiligen  Schrift  [Romances 
sacros^  die  übrigens  meist  span.  abgefasst  waren),  von  humoristischen  Parodien 
wie  die  Coplas  da  burra  —  Trovas  etn  louvoi-  do  Gallo  —  Vida  da  Gali^  von 
Gebeten  (Ora(öes)  und  Komödien^.  Erhalten  sind  einige  kleine  Poesien 
von  Gil  Vicente  {Obras  meudas),  unter  denen  das  bereits  erwähnte  Klage- 
lied der  Bacchus  -  Freundin  Maria  Parda  das  populärste  ist.  Zwei  seiner 
Kollegen,  der  talentvolle,  aber  sittenlose  Ex-Mönch  Antonio  Ribeiro  (zu- 
benannt »Chiado«  und  »Dizidor  bargante«),  und  der  Mulatte  und  Franzis- 
kaner Affonso  Alvares  führten  einen  grimmen  Federkrieg  mit  einander''. 
Der  erstere  lieferte  ausserdem  »Verwarnungen«  (=  -»Avisos«.)  nach  dem  Schema 
«Hütet  Euch«  .  .  .  .,  eine  »Ordensregel«  [Regra  e Spiritual) ,  »Grabschriften« 
{Lettreiros)  und  »Narrheiten«  in  Prosa  (Parvdices)^.  Luis  Brochado  aus 
Tanger  schrieb  »Müllerlieder«  —=  »Trovas  do  Moleyro«.  Der  blinde  Balthasar 
Dias  aus  Madeira  behandelte  die  karolingische  Rittergeschichte  vom  Marques 
de  Mantua  in  Dialogen  (nach  span.  Muster);  in  schlichter  Romanzenform  die 
Clementia-Sage  (Empcratriz  Porcina),  und  gab  humoristische  Heiratsregeln 
{Conselhos para  casar)  ;  sowie  Sprüche  gegen  die  Frauen  {Malicia  das  mulheres), 
und  alle  seine  Schriften  werden  heute  noch  gedruckt  und  gelesen'^.  Die 
Romanzen  aus  dem  klassischen  und  bretonischen  Sagenkreise,  sowie  über  vater- 
ländische Geschichte,  welche  der  Hofmann  Jorge  Ferreira  de  Vascon- 
cellos  schrieb,  drangen  hingegen  nie  ins  Volk^.  National  in  wahrem  Sinne 
waren    nur    die   Prophezeiungen    des    bibelkundigen    Schuhflickers    Gongalo 

'  Miranda  hat  den  Ausdruck  redondilha  in  den  dem  Kronprinzen  zugesandten  Texten 
nicht  benutzt:  und  ich  hätte  besser  gethan,  wenn  icli  ihn  aus  den  Poesias  gänzlich  ver- 
bannt hätte  (s.  )).  CXlll).  —   S.  ob.  p.  275  Anm.  3- 

^  Der  erste  span.-portug.  Index  erschien  1559 '.  bloss  portug. :  1564,  1581,  1597, 
1624,   1667.    1747.   1791. 

»  S.  z.  B.  Miranda  No.   108,  Str.   16-17- 

*  Auch  die  obras  de  grafas  e  zombarias  que  andäo  m  Cajicioneiro  gerat  wurden  vei- 
boteii:    1581. 

^  S.  Obras  do  Chiado,  ed.  Pimentel    1889  p.   171— 202. 

*  Ebenda  zu  suchen. 

^  Ztschr.  Bibliogr.    1878  p.  85. 

*  Sie  stehen  im  it Memorial  da  Segunda  Tavola  Redonda<i.  und  zum  Teil  in  Braga's 
bunt  zusammen  gewürfelter  und  dennoch  unvollständiger  y>Floresta  Je  Roma7!^est, 


VOLKSMÄSSIGE    LVR.    U.  EPISCHE    DICHTER    DES    l6.    JhS.  303 

Kann  CS  Bandarra  aus  Trancoso  in  der  Beira  (f  nach  1556)  -»Trovas  em  ar 
de  prophecia^^  dessen  vague  und  apokalyptische  Träume  über  Portugals  Zukunft 
alle  älteren  handschriftlich  kursierenden  merlinischen  Wahrsagungen  aus  dem 
Felde  schlugen,  und  von  Hand  zu  Hand  und  Mund  zu  Mund  wanderten.  Die 
Inquisition,  der  sie  verdächtig  wurden,  forderte  1541  den  einfachen  Mann 
vor  ihr  Tribunal,  musste  ihn  aber  freisprechen.  Auf  die  peninsulare  Idee 
einer  fünften  Weltmonarchie,  dann  auf  das  bretonische  Erhoffen  des  Wieder- 
kehr Sebastians,  und  schliesslich  auf  die  Restauration  von  1 640  gedeutet,  wurden 
sie  beständig  verbreitert,  so  dass  das  Echte  an  dem  erst  nach  1600  gedruckten 
Texte  schwer  abzugrenzen  ist^.  —  Unter  den  von  Braga  erwähnten  Arrenegos 
eines  angeblichen  Affonso  Valentim  sind  sicherlich  die  Arrenegos  von  Gre- 
gorio  Affonso  zu  verstehen,  welche  schon  der  Cancioneiro  Gerat  bot;  und 
auch  die  Trovas  moraes  des  D.  Luis  da  Silveira,  in  denen  er  verlorene 
Unbekannte  sucht^,  sind,  wie  mir  scheint,  nichts  als  die  berühmte  ebenda  ge- 
druckte Paraphrase  des  salomonischen  Vanitas  vanitatum.  Eine  moralisierende 
Exclamafäo  contra  os  vicios  von  Joäo  de  Barros  (1561)  ist  verschollen. 
Eine  Pratica  entre  a  velhice  com  a  razäo  der  dichtenden  Nonne  D.  Joanna 
da  Gama  kann  als  Beispiel  flir  die  übliche  Klosterdichtung  gelten 3.  Von 
einschlägigen  Erzeugnissen  eigentlicher  Hofpoeten  gehören  hierher  nur  die 
öfters  genannte  Reimchronik  Resende's  und  einige  politische  und  persön- 
liche Satyren,  die  meist  in  derbem  Schuhwerk  einherschreiten.  Ich  nenne  als 
Beispiel  die  »Trovas  de  Maria  Fintieiro«  (I554)^  ein  genealogisches  Schmäh- 
gedicht auf  die  Vorfahren  des  Grafen  von  Castanheira  Johann's  III.  allmächtigen 
Günstling,  weil  sie  im  Leben  dreier  Portugiesen,  Ribeiro's,  Miranda's  und 
des  Damiäo  de  Goes  eine  verhängnisvolle  Rolle  gespielt  haben;  eine  Satyra 
im  Mingo-Revulgo-Stil  des  Fernam  Rodrigues  Lobo  Soropita"'  und 
die  »Trovas  ao  modo  pastorit  de  Franco  a  Sebasto^^,  in  denen  der  Graf  von 
Vimioso  (?) ,  den  König  Sebastian  vor  Irrungen  warnt.  Doch  ...  sie  sind 
ja  spanisch  geschrieben  !  Die  in  allen  genannten  und  in  ähnlichen  anderen 
Stücken  angewandten  Formen  sind  stets  einfache  oder  dissonierende  Reim- 
paare, die  erweiterten  Pareados  der  Fado-Form,  Romanzentiraden,  Vierzeiler, 
Fünfzeiler  oder  ganz  reimlose  Achtsilbler"^. 

127.  Unter  den  Qtüntuntistas  prc-camomanos  oder  Mirandistas  ist  der 
bedeutendste  ohne  jeden  Zweifel  Jorge  dcMontemör.  Jedoch  gehört  dieser 
Dichter,  der  echteste  Künstler,  den  Portugal  vor  Camöes  hervorgebracht  und 
der  sein  herrliches  Talent  auf  allen  lyrischen  Gebieten  bekundete,  sowohl  was 
eigentliche  Lieder  nach  heimischem  Muster  als  was  klassische  Dichtungen  be- 
trifft, nicht  der  portug.  sondern  der  span.  Litteraturgeschichte  an,  da  er,  von 
zwei  Liedern,  und  einigen  Reihen  Prosa  abgesehen^,  all  seine  Werke  in  der 

'    1644  in  Nantes,  vielleicht  jedoch    schon   1603    in  Paris;    später    kommentiert   von 
dem  mit  vollem  Recht  berühmten  Jesuitenpater  Antonio  Vieyra.    —  Letzte  Ausg.   1822. 
2  Z.  B.   Cnrso  p.  21.3. 

*  TiDitos  da  Freyra«   lööö  und   1872. 

*  Gedruckt  in  C.  C.  Branco's  TiCurso  de  litteratura  porttigneza-'^  II  p.  313-  Dort 
wurden  die  anonymen  Strophen  Damiao  de  Goes  zugesprociien.  N.äher  läge  es,  auf  den 
Dichter  D.  L  u  i  s  d  a  S  il  v  e  i  1  a  zu  raten,  der  vor  Castanheira  der  Günstling  Johanns  III. 
gewesen  war.     Vgl.  Ascites  de  /nsomnia,  Bd.  IX. 

*  S.  Braga.   Questoes  p.  266—273. 

^  S.  Barbosa  Machado  11  230  und  Leitao  de  Andrada,  Miscellanea,  Dial. 
VII  p.    I.05.     Der  Autor  und  sein  Werk  fehlen   bei  Garcia  Peres. 

'  Ein  Cancioneiro  oder  besser  ein  livro  das  trovas,  welches  alle  einschlägigen  Erzeug- 
nisse des  16.  Jhs.  enthielte,  fehlt  bis  heute.  Handschriftliche  Gedichtalbums  mit  diesem 
Titel  hat  es  jedoch  gegeben:  zwei  befanden  sich  z.  B.  1600  im  Nachlass  eines  Kapitäns 
von  Tidore  und  Colombo,  Diogo  de  Azambuja  e  Mello. 

*  S.  Diana,  Libro  VII:  Os  ienipos  se  mudaräo  und  Sospiros  mitiha  lembranga.  Die 
Prosa  ebenda  beginnt:  Ah  pastora,  und  geht  bis  esperatifa  d'ella. 


304    Lrn  EkATLRGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  4.    PORT.    Ll'lT. 


Sprache  des  Nachbarlandes  schrieb,  dessen  Bürger  er  spätestens  1548  ward, 
ihm  als  Musiker  und  Dichter,  als  Ronnanschreiber  und  Soldat  dienend.  Der 
Geist  seiner  Dichtungen  ist  jedoch  durchaus  und  echt  portugiesisch. ' 

128.  Nächst  Montemör  sind  die  hervorragendsten  Schüler  Miranda's: 
der  schon  mehrfach  erwähnte  Doktor  und  Obertribunalsrat  {desembargador)  An- 
tonio Fcrreira  (1528  —  69),  der  seinen  Versen  den  klassischen  Titel  -»Poemas 
lusiianos«  gab;'-^  D.  Manoel  de  Portugal,  der  als  Mäcen  des  Camöes  hochver- 
dient ist  (1525 — 1606);  der  korrekte,  doch  trockene  und  pedantische  Humanist 
Pero  de  Andrade  Caminha  (c.  1520  — 1580),  der  als  Kämmerer  des  Infanten 
D.  Duarte  in  nahen  Beziehungen  zum  Königshause  und  allen  Höflingen  stand; 
Andre  Falcäo  de  Resende  (1535 — -1599),  einer  der  gelehrten  und  recht- 
schaffenen Neffen  des  Garcia  de  Resende  und  des  berühmten  Archäologen 
Andrd  de  Resende;  der  vielseitige  Diogo  Bernardes,  der  den  Mangel  an 
regelrechten  Studien  durch  sein  natürliches  Talent  wettmachte  (c.  1530—  1605), 
und  sein  nicht  minder  begabter  Bruder  Agostinho  Pimenta(i54o — 1619), 
der  jedoch  leider  seine  weltlichen  Gedichte  zerstörte,  ehe  sein  frommer  Sinn 
ihn  in  das  Franziskanerkloster  Arrabida  trieb,  wo  er  als  Frei  Agostinho 
da  Cruz  eine  Fülle  zarter  und  gedankenreicher  mystischer  Gedichte  schrieb"^. 
Dazu  kommen  dann  viele  Dutzende  solcher,  die  in  der  schönen  Zeit  der 
jungen  Liebe,  oder  unter  dem  Beispiele  ihnen  befreundeter  Poeten,  sich  auch 
im  Dichten  versuchten^,  zum  grossen  Teil  höfische  Dilettanten,  Nachkommen 
der  im  Cancioneiro  Geral  vertretenen  Granden ,  die  ihre  wenig  zahlreichen 
und  fast  immer  wenig  bedeutenden  Gedichte  aber  überhaupt  nicht  sammelten. 
Man  findet  Proben  ihrer  Thätigkeit ,  Lobsonette ,  Anwortscpisteln  ,  Gelegen- 
heitsverse, oder  auch  nur  Anspielungen  auf  dieselben,  einzig  in  den  Werken 
ihrer  berühmteren  Freunde.    Und  im  günstigsten  Falle  können  wir  Ergänzungen 


1  Jorge  aus  Monte mör-o-Velho  bei  Coimbra,  ein  wahrscheinlich  illegitimer 
Spross  der  Acielsfamilie  P  a  i  v  a  e  P  i  n  a  ,  der  deshalb  des  eigentlichen  Familiennamens  ent- 
behrte, hatte  vielleicht  eine  spanische  Künstlerin  zur  Mutter,  unter  deren  ausschliesslicher  Hut 
er  aufwuchs:  so  wenigstens  würde  man  seine  sorglose  Erziehung  (er  war  aller  Latinit.ät  banr) 
und  die  tadellose  Reinheit  und  musikalische  Vollendung  seiner  kastilischen  Rede  begreifen, 
vom  ersten  litterarischen  Schritte  an,  den  er  übrigens  noch  (1545)  in  Lissabon  that.  Diese 
Hypothese  und  manches  Thatsäcliliche  (übei-  seinen  Aufenthalt  in  Sevilla,  Valladolid.  Valencia 
und  Flandern,  seine  Be/ieiiungen  zu  span.  Grossen  und  Diclitern) ,  das  ich  erst  neuerdings 
entdeckt  habe,  fehlt  in  Georg  Schönlierr's  sonst  gut  gelungener  Doktor  -  Dissertation 
»J.  d.  M.,  sein  Leben    und    sein   Scii.äferroman ,  die  Siete  Libros  de  la  Diaiiav,  Halle  1886. 

^  y>Da  antigtiidade  imagem  verdadeira«.  .  wenn  luan  ein  portug.  Urteil  darüber  für 
massgebend  hä't. 

'  Die  Werke  dei'  meisten  Qu  in  li  e  nt  is  ta  s  lan-sierten,  solange  sie  lebten,  nur  hand- 
schriftlich, also  in  eng  begrenzten  Kreisen.  Dass  M  irand  a '  s  Gedichte  erst  37  Jahre  nach 
seinem  Tode  eischienen,  weiss  der  Leser  bereits.  Ferreira's  Lyrik  blieb  29  Jnhre  un- 
gedruckt (bis  1598);  die  Poesias  des  Caminha  veröffentlichte  die  Nachwelt  erst  17'/^: 
die  des  Falcäo  de  Resende  erschienen  sogar  erst  1860,  und  zwar  in  unterbrochener 
und  noch  heute  unvollständiger  Ausgabe;  die  geistlichen  Verse  des  Agostinho  da  Cruz 
hatte  man  1771  ans  Licht  gezogen,  liernardes  sorgte  selbst,  ob  auch  spät,  iur  seine 
Werke,  und  bot  1594  Rimas  ao  Born  Jesus,  und  1596  0  Lyma ,  sowie  Fcores  do  Lyma\ 
D.  Manoel  de  Portugal  Hess  wenigstens  seine  frommen  Weisen  als  r>Obras<i  160.5 
erscheinen.  Sein  kräftigeres  Schriftsteller-Temperament  bezeugte  iVl  o  ntem  ör  auch  dadurch, 
dass  er  seine  Sciiöpfungen  allmählich,  stets  aber  gleich  nach  ihrem  Entstehen,  erst  in 
fliegenden  Blättern  und  dann  als  T>iederbücher  herausgb:  1545  eine  Glosa  auf  den  Tod 
der  portug.  Mutter  des  Infar.ten  D  Cailos,  1548  einen  Psalmo:  1554  seinen  Canrionero, 
der  bis  1588  neun  Auflagen  erlebte;  1558  den  Cancmiero  Espiritiial,  worin  diei  Autos \ 
'558/ 1559  die  Diana,  die  allein  im  16.  Jh.,  trotz  des  Verbotes  von  1581,  20  Mal  wieder- 
gedruckt ward. 

*  Th.  Braga,  der  die  Mirandistas  nicht  von  den  Camonistas  trennt,  bietet  in  seiner 
Hist.  de  Catn.  II  585  eine  Liste  mit  203  Namen  vermeintlicher  Poeten  des  16.  jhs.  Viele 
Irrtümer  sind  darin,  die  ich  hier  nicht  berichtigen  darf;  doch  bleibt  die  Schaar  eine  grosse, 
auch  nach  Streichung  aller  unbefugten  Eindi'iuglinge. 


Schüler  Sä  de  Miranda's.  305 


dazu  aus  handschriftlichen  Gedichtalbums  zusammenlesen.  Ich  nenne,  bei- 
spielshalber, die  Namen  der  besseren:  D.  Francisco  de  Sä  e  Menezes, 
den  erlauchten  Statthalter  Portugals  (1580),  von  dem  66  Sonette  in  Evora 
ruhen;  seinen  Bruder  D.  Antonio,  die  Gebrüder  D.  Simäo,  Heitor  und 
Vasco  da  Silveira,  Antonio  de  Castilho,  D.  Francisco  de  Moura, 
D.  Luis  und  D.  Jorge  de  Menezes,  Andre  da  Fonseca,  Pero  de  Lemos, 
Ruy  Gomes  da  Grä,  Gomes  Freire  d'Andrade. 

Sie  kultivierten  alle  von  Mir  an  da  eingeführten  Gedichtarten  im  ital. 
Geschmack,  und  erlernten  es  rasch,  wohllautende  und  geschmeidige  Hendeka- 
syllaben  zu  bauen.  Nur  der  Königsvetter  D.  Manoel  de  Portugal  (der  erste 
Apostel  Miranda's)  und  Ferreira,  denen  am  Inhalte  mehr  als  am  Klange 
lag,  tind  die  sich,  wie  ihr  Meister,  einer  lakonischen  und  didaktischen  Rede- 
weise befleissigen,  rangen  noch  mühsam  mit  dem  anfangs  spröden  Material. 
In  der  Canzone  wurde  weder  Vieles  noch  Glänzendes  geschaffen.  Im 
Sonettenfach,  das  endlose  Wiederholungen  und  blosse  Studien  nach  be- 
rühmten Mustern  aufweist ,  entstand  neben  manchem  Mittelmässigen ,  vieles 
Schöne  (das  z.  T.  unter  Camöes'  Namen  umläuft).  An  nichtigen  Spielereien 
ist  jedoch  kein  Mangel.  Die  Sitte,  polyglotte  Sonette  zu  schmieden,  oder 
poitug.  Sonette  mit  einer  geflügelten  Zeile  in  anderer  Zunge  (und  zwar  meist 
in  ital.,  doch  auch  in  spanischer)  abschliessen  zu  lassen,  begann  schon  um 
1550,  wenn  sie  auch  erst  nach  1600  eine  der  üblichsten  Modethorheiten  ward. 
Dielehrhafte  Epistel  in  Terzinen,  welche  Mir  an  da  nicht  deutlich  genug 
von  der  Elegie  geschieden  hatte,  wurde  vervollkommnet,  besonders  von  Fer- 
reira (der  26  Exemplare  lieferte).  Die  Elegie  selbst  entwickelte  man  stil- 
gerechter. Epitaph  und  Epigramm,  die  Miranda  nur  ganz  nebenbei  gepflegt 
hatte,  verwendete  man  überreichlich,  Ausonius,  Martial  und  Sannazzaro  nach- 
ahmend. Besonders  that  dasAndrade  Caminha.  Die  Ode  fügte  man  neu  hinzu 
(Ferreira,  Caminha,  Falcäo  de  Resende).  In  Blankversen  versuchte  sich 
Ferreira.  Den  Stoff  zu  erzählenden  Gedichten  in  Oktaven  entnahm  man  meist 
dem  Lebender  Heiligen ',  oder  der  Wissenschaft,  wie  in  dem  Lehrgedicht  des 
Res  ende  •»  Microcosmographia  ou  da  Creafäo  e  Composifäo  do  Hörnerne  ^  das  einige 
Querköpfe  noch  heute  in  Camöes'  Werken  erhalten,  wohin  es  unrechtmässig 
geraten  war.  Religiöse  Sermone  in  einreimigen  Elfsilbler-Triaden  (Cantares  und 
Omilias)  erfreuten  sich  einer  gewissen  Gunst.  An  direkten  Übersetzungen  aus 
der  Antike  und  nach  ital.  Musterstücken  liess  man  es  nicht  fehlen  {Horaz  — 
Martial  —  Ausonius  —  Mose  hos  —  Anakreon  —  Homer  i.  e.  Batrachomyotnachie, 
Sannazzaro,  Angeriano)^.  Für  meistwertig  galt  jedoch  das  bukolische  Genre, 
das  daher  mit  Vorliebe  gepflegt  wurde.  Erst  der  war  Meister  der  Dichtkunst 
poeia  laureatus  —  der  eine  Egloga  in  Hendekasyllaben  unter  dem  Beifall 
des  Hofes  zur  Darstellung  gebracht  hatte.  Frohe  und  trübe  öffentliche  Er- 
eignisse ,  die  Heirat  und  der  erste  Waöengang  des  Kronprinzen  Johann 
(1552  53),  sein  jäher  Tod  (1554),  Sebastians  Geburt;  das  Ableben  Johanns  III.; 
Misgeschicke  portug.  Waffen  auf  afrikanischem  Boden;  die  Pest  von  1569; 
Miranda's  Heimgang  etc.  geben  den  Anlass  zu  immer  neuem  Wettbewerb  um 
Thalia's  Huld.  Die  Behandlung  intimerer  Familien-  und  Herzenstragödien 
bestimmte  die  Widmung  der  Eglogas  amatorias    an  diesen  oder  jenen  hohen 


*  Z.  B.  die  Historia  de  Santa  Comba  dos  Valles  von  Ferreira  und  die  Historia  de 
Santa  Ursula  von  Bernardes,  welche  fanatische  Cainoes-Schwärmer  (an  ihrer  Spitze  der 
unvermeidliche  F  aria- e- S  ousa)  mit  Beschlag  belegt  und  für  kamonianisches  Hab  und  Gut 
erklärt  haben. 

2  Madrigal  und  Ballata  wurden  erst  später  von  einigen  nach-kamonianischen  Seiscen- 
tistas  eingeführt.  (S.  u.  p.  330).  Sie  waren  mit  Vilancete,  Cantiga  und  Esparsa  zu 
nahe  verwandt,  um  den  Reformatoren  zu  gefallen. 

Gröber,  Grundriss.   IIb.  2U 


3o6    LiTTERATURGESCHieHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —   4.    PüRT.    LlTT. 

Herrn.  Der  Dichter  wählte  wie  früher  bald  lyrische,  bald  epische,  bald  drama- 
tische, meist  aber  gemischte  Einkleidung.  Die  redend  eingeführten  Personen 
sind  nach  wie  vor  schwach  maskierte  Figuren  aus  dem  wirklichen  Leben  (wie 
Androgeo  --  Andrade,  Limiano  -  der  Limasänger  Bernardes);  oft 
aber  auch  Abstraktionen  mit  Namen,  die  einfach  den  Gebirgshirten  charakteri- 
sieren (Serrano,  Montano,  Alpino,  Silvestre).  Abwechselung  erreicht  man 
durch  Einführung  von  Strandbewohnern  (z.  B.  ein  Ribeiro  bei  Bernardes), 
Schnittern  (Segadores  bei  Ferreira),  Fischern  (s.  bei  Bernardes  eine  Pis- 
catoria,  nach  Sannazzaro),  oder  auch  von  Nymphen  und  Faunen.  Zu  Ele- 
menten aus  den  ältesten,  vor  Vicente  liegenden  volkstümlichen  Pastoralen  griff 
nur  einmal  Ferreira  in  einem  Weihnachts-Idyll  {Natal).  Im  allgemeinen  strebt 
man  dem  Virgilischen  Ideal  nach.  Die  volle  theokritische  Natürlichkeit  erreicht 
keiner  der  Bukoliker  so  gut  wie  Miranda,  wie  auch  keiner  von  ihnen  das  alte 
Metrum  für  brauchbar,  und  Einlagen  heimischer  Lieder  für  stilgerecht  erachtet 
hätte*.  Weder  Ferreira's  ernste,  lehrhafte  und  oft  steifleinene,  noch 
Camin  ha 's  kalte,  höfische  Verse  haben  übrigens  echte  bukolische  Reize. 
Dagegen  treffen  die  weichen,  schlichten,  oft  wehmütigen  Gefühlsäussrrungen 
des  Bernardes,  der  feines  Verständnis  für  alles  Volkstümliche  hatte,  den 
Idyllenton  so  gut,  dass  Lope  de  Vega  später  erklärte,  von  Bernardes 
habe  er  es  gelernt,  eine  Egloga  zu  schreiben 2. 

Dass  alle  Schüler  Miranda's,  mit  alleiniger  Ausnahme  Ferreira's, 
dann  und  wann  das  peninsulare  Metrum  in  selbständigen,  kleinen  Salonliedern, 
familiären  Briefen  etc.  verwerteten,  sei  noch  einmal  bemerkt.  Mit  Glück  und 
Geschmack  thaten  es  Bernardes,  und,  jenseits  der  Grenze,  die  beiden  Musiker 
Montemör  und  Silvestre.^. 

II.  DRAMA. 

a)    VOLKSMÄSSIGE    BÜHNENSTÜCKE.    —    b)    KUNSTMÄSSIGE    SCHAUSPIELE. 

129.  a)  Das  Inventar  über  die  Hinterlassenschaft  der  Trovistas  drama- 
ticos  ist  etwas  reichhaltiger  als  das  der  Volkslyriker  und  Epiker.*  In  Gil 
Vicente' s  Tagen    hatte    das  Volk    sich  daran  gewöhnt,  nicht  nur  religiösen 

'  Nur  eine  Egloga  piscatoria  von  Agostinlio  da  Cruz  bildet  eine  Ausnahme. 

^  Die  Beschuldigung,  Bernardes  habe  sich  handscliriftliche  Werke  des  Cawo^j  zu- 
geeigiiet  (ausser  dem  f/r«//a-Epos  noch  Eglogas,  Elcgias,  Sonetoa  und  Redondühas)  und  die- 
selben unter  seinen  Originalwerken  als  sein  Eigentum  drucken  lassen,  ward  erst  um  die 
Mitte  des  17.  Jhs.  erhoben:  ich  brauche  nicht  zusagen,  von  wem.  Bekanntwurde  sie  erst 
als  der  Pater  J.  Th.  de  Aquino  (1779)  einen  Teil  der  unbenutzt  gebliebenen  Camoes-<Zo\w- 
mentare  Faria-e-Sousa's  verwertete.  Sie  ist  vollkommen  grundlos,  wie  W.  Storck 
wieder  und  wieder  dargelegt  hat ,  und  wie  ich  noch  einmal  im  Zusammenhang  erläutern 
werde,  da  die  hässliche  Sage  von  portug.  Kritikern  (worunter  Braga)  leider  immer  von 
Neuem  wiederholt  wird. 

^  S.  ausser  B  r  a  g  a '  s :  »  Quinhentistasi.  noch  Francisco  D  i  a  z ,  Analyse  e  combinagces 
filosoficas  sobre  a  elocugäo  e  estylo  de  Miranda,  Bernardes  etc.«  in  den  akademischen  »Memarias 
de  Litt.,  Bd.  IV,  1793;  Joaquim  de  Foyos,  Sobre  a  Poesia  Bucolica  dos  Poetas  Por- 
tuguezes,  ib.  Bd.  1  1792.  Unbekannt  ist  mir  Castonnet-Desfosses.  Poesie  Pastorale 
Portugaise  in  V Instruction  publique  1881.  —  Die  Portugiesen  erklären  gemeinhin  sieben 
von  ihren  BukoJikern  für  klassisch;  von  A^tw  Mirandistas  drei:  Miranda,  Ferreira  und 
Bernardes;  dann  Cam  0  es;  und  von  den  C(7»?ö«M/aj  drei  andere:  Alvares  do  Oriente, 
Rodrigues  Lobo  und  Manoel  da  Veiga.  S.  u.  §  144.  Die  Zahl  der  Idyllen,  welche 
hernach  im   17.  und   18.  Jh.  und  noch  bis   1850  erschienen,  ist  Legion. 

*  Man  lese  Braga,  Theatro  Portuguez  Bd.  l  Buch  11  p.  2üO.  Die  Daten  des  dazu 
gehörigen  Repertoriums  sind  jedoch  mit  grösster  Vorsicht  zu  lienutzen,  weil  teilweise  ent- 
schieden falsch.  Oft  ist  als  massgebend  das  Jahr  eines  zufällig  erhaltenen  fliegenden  Blattes, 
oder  das  Datum  irgend  eines  historischen  Ereignisses  angesetzt,  auf  das  im  betreffenden 
Stücke  angespielt  wird. 


Drama:   Volksmässige  Bühnenstücke.  307 

Vorstellungen,  sondern  auch  munteren  Possen  beizuwohnen  :  Autos,  Praticas, 
Passos,  Dialogos  und  Colloquios.  In  Lissabon  z.  B.  hatte  das  Krankenhaus 
des  Klosters  Allerheiligen  [Hospital  de  todos  os  Santos)  einen  Theaterhof  (Pateo 
das  Cof/iedias),  aus  dessen  nicht  bloss  hieratischen  Vorstellungen  es  (wie  von 
allen  Stierkämpfen)  reichlichen  Ertrag  zog.  Das  religiöse  Auto  kultivierten  be- 
sonders Geistliche,  oft  im  Auftrage  frommer  Kongregationen.  Die  Weihnachts-, 
Oster-,  Corpus-Christi  und  Heiligen-Feste  verlangten  immer  neue  Einkleidung 
der  üblichen  Stoffe.  Die  gelungensten  davon  werden  heute  noch  gedruckt,  gelesen 
und  aufgeführt  z.  B.  in  S.  Mafamude  (Minho),  Coi-vo  {Douro),  und  Ligares  (Tras-os 
Montes)  1.  Der  schon  oft  genannte  Bedienstete  des  Erzbischofs  von  Evora,  A  f  f  o  n  s  o 
Alvares,  schrieb  ein  Auto  de  S.  Barbara^  einen  Sto  Antonio^  einen  Santiago  und 
einen  verschollenen  S.  Vicente.  Von  Frei  Antonio  deLisboa  haben  wir  ein 
VVeihnachtsspiel :  Pratica  de  tres  pastores-.  Sein  Auto  dos  dous  ladröes  ist  hingegen 
unfindbar.  Der  Pater  Francisco  \  az  aus  Guimaräes  verfasste  ein  „Auto  da 
Paixäo";  Balthasar  Dias  schon  vor  1537  ein  „Auto da Paixäo^'- ,  eme,r\  D.Aleixo 
und  6".  Catharina.'^  Anchieta,  der  Apostel  Brasiliens,  schrieb  für  seine  Missions- 
zwecke eine  dramatische  Bibelgeschichte:  Pregafäo  Universal.  Von  Unbekannten 
existirt  ein  »Jüngstes  Gericht«  {»Dia  do  Juizo«)  »Adam  e  Eva«,  S.  Genoveva, 
Deus  Padre  e  a  Misericordia.  Eine  moralisirende  Allegorie  mit  idealen  Be- 
griffsfiguren ist  das  Auto  da  Ave  Maria  von  Antonio  Prestes,  der  auch  in 
seinen  weltlichen  Dramen  gern  Personifikationen  von  Dingen  und  menschlichen 
Eigenschaften  anbringt  (Dinheiro,  Fortutia,  Razäo,  Justifa  u.  a.  m.).  ^ 

Das  weltliche  Auto,  wie  die  Nachfolger  Gil  Vicente's  es  handhabten, 
steht  dem  wahren  Kunstwerk  noch  viel  ferner  als  des  Meisters  Bühnenstücke. 
Handwerksmässig,  ganz  ohne  Einbildungskraft,  mit  wenig  Witz  und  viel  breitem 
Behagen  werden  die  Vorwürfe  aus  dem  (den  bürgerlichen  Autoren  bekannten) 
Alltagsleben  der  niederen  Volksschichten  gegriffen  und  mit  realistischer  Treue, 
ohne  Vermeidung  nackter  Worte,  vorgeführt.  Der  Vers  und  das  reinigende 
Lachen,  das  über  die  Rücksichten  der  Welt  erhebt,  sind  die  einzigen  ideali- 
sierenden Elemente.  Wir  verkehren  in  diesen  Grotesken  mit  hungernden  Edel- 
leuten  und  ungehobelten  Landjunkern  aus  den  untersten  jener  5000  »tnora- 
dores«,  welche  die  casa  real  besoldete.  Wir  sehen,  wie  sie  mit  ihrer  schäbigen, 
diebischen  Dienerschaft  feilschen,  und  wie  die  knapp  gehaltenen  und  doch 
hoch-romantischen  Hausfrauen  die  Sklavinnen  schelten ;  wir  wohnen  ehelichen 
Zwistszenen,  der  Langenweile  der  häuslichen  Arbeit,  Gevatterklatsch,  Trinkge- 
lagen, Spielabenden,  Weihnachtsschmausereien  und  Besuchen  bei  weisen  Frauen 
bei;  wir  hören  Lebens-  und  Erziehungsregeln,  Schreiben  aus  Indien,  sentimen- 
tale Liebesbriefe,  welche  kleine  Schulknaben  tür  eine  Hand  voll  Kirschen  anal- 
phabeten  Jungfräulein  und  Zöfchen  vorlesen ;  sowie  Lieder,  die  meist  ergötzliche 
Parodien  auf  die  alte,  abgestandene  Hoflyrik  sind ;  wir  lernen  Volksgebräuche  und 
Provinzial-Sitten  kennen;  den  Jargon  der  Dorfdoktoren  und  Richter;  das  Kauder- 
wälsch  der  Neger;  das  verstümmelte  Spanisch  unwissender  Gecken,  welche  als 
Dorftroubadours  {trovöes  und  vendecoplas)  die  höfische  Mode  nachäffen.  Kurz, 
ist  der  Kunstgenuss  auch  hier  abermals  »nicht  vorhanden«,  so  ist  hinwiederum 
der  kulturhistorische  Ertrag  ein  ausserordentlich  reicher.  Und  ein  gewandter 
Darsteller  könnte    eine  Galierie    von  Bildern   ä  la   Teniers    darnach   zeichnen. 

Am  ergiebigsten  scheinen  mir  von  den  Possen,  die  ich  kenne,  die  fol- 

*  S.  Zschr.,  Bibl.  1878,  p.  85  wo  einige  Titel  aus  der  Bibliotheca  para  o  povo  an- 
gegeben sind.  —  Vgl.  auch  Rev.  I.usitana  II  p.    256. 

*  Gedr.   1887  in  Herrig's  Archiv  Bd.  LXV.  —  »  S.  Salvä  Nos   1220—1223. 

*  Als  Auto-Schreiber  werden  noch  genannt:  Antonio  Pires,  Frei  Bras  de 
Res  ende,  Francisco  Luis,  Joäo  deEscobar,  Siniäo  Garcia.  Die  drei  kleinen 
autos,  weiche  Monteniör  zwisclien  1548  und  1553  zur  Weihnachtfrühmette  für  Kronprinz 
Philipp  von  Spanien  verfasste,  sind  natörlich  spanisch  gesclirieben. 

ao* 


3o8    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 


gen  den :  drei  Stücke  des  schon  genannten  Chiado  (f  1591),  das  verweltlichte 
Weihnachts-Auto,  das  er  »Die  Gevattern«  betitelt  hat  (Fratica  de  Compadres), 
»Die  Hökerweiber«  {As  Regateiras)  und  »Gespräch  zwischen  8  Figuren«  ;i 
die  7  Autos  des  Antonio  Prestes,  in  denen  ausser  Abstraktionen  und  rea- 
listischen Typen  auch  Charakterfiguren  wie  ein  Eifersüchtiger  und  ein  Ver- 
trauensseliger auftreten  [Auto  do  Proctirador  —  do  Desembargador  —  dos  doiis 
trmäos  —  da  Ciosa  —  do  Mouro  Encantado  —  dos  Cantarinhos  »representado  ein  esta 
cidade  de  Lisboa«)'^ ',  ferner  »der  Arzt«  (A.  do  Physico)  von  einem  Bruder  des 
Chiado,  Jeronymo  Ribeiro;  »Rodrigo  e  Mendo«  von  JorgePinto;  die  »6'.?«« 
Policiana«  von  Anrique  Lopes,  und  »Z>.  Andri«-  von  einem  Unbekannten^. 
Verboten  und  verloren  sind  viele  Possen  mit  hübschen  Titeln  wie:  Jiibileu  de 
Amores  —  Far(a  penada  ( —  Trauerposse)  —  Vida  do  pa(o  —  Braz  Quadrado 
(^=  der  vierschrötige  Bras)  —  Guiomar  do  Porto  —  O  Duque  de  Florenfa  — 
D.  Florambel  —  D.  Gonfalo  Lhambao  —  Os  empenhos  (:=  Gönnerschaften).*  Dazu 
ein  vermutlich  historisches,  schon  1559  untersagtes,  Schauspiel  über  den  Kriegs- 
zug nach  Tunis  (1535),  in  welchem  der  edle  Infant  D.  Luis  (1506 — 55)  eine 
so  glorreiche  Rolle  spielte :  »6?  Auto  dos  Captivos,  chamado  de  D.  Luiz  e  dos 
Turcos,«  das  von  einigen  Kritikern,  auf  Grund  seines  Titels,  dem  Infanten  selbst, 
von   anderen  aber  Gil  Vicente  zugesprochen   wird.     (S.  ob.  p.  282  Anm.) 

130.  Man  muss  die  Monotonie,  Kunstlosigkeit  und  drastische  Derbheit 
dieser  szenischen  Jahrmarksbilderbogen  kennen,  um  richtig  zu  würdigen  was 
für  ein  gewandter,  feiner  und  selbständiger  Dramatiker  in  Camöes  steckte^. 
Ich  stehe  nicht  an,  ihn  einen  Neuerer  zu  nennen.  In  jungen  Jahren,  wahr- 
scheinlich zu  Lissabon,  zwischen  1543  und  49,  entwarf  er,  wohl  zur  Unter- 
haltung eines  kleinen  Kreises  von  Gönnern  und  Freunden,  drei  frische  und 
muntere  Lustspiele,  die,  obwohl  hastig  und  mit  loser  Hand  geschrieben,  dennoch 
den  individuellen  Stempel  des  Dichters  tragen  ,  und  alles  überragen  was  die 
dramatische  Muse  Portugals  bis  dahin  im  Nationalgeschmack  geschaffen  hatte. 
Sein  Zweck  bei  diesen  Versuchen  konnte  nur  der  sein,  in  bewusstem  Gegensatze 
einerseits  zur  Vicente' sehen  Schule,  und  andererseits  zur  Reform  Miranda's 
und  Ferreira's  (von  der  ^132  spricht)  zu  zeigen,  wie  man  aus  dem  unvoll- 
kommenen, aber  lustigen  Vulgärschauspiel  und  der  regelrechten,  aber  lang- 
weiligen, klassischen  Schulkomödie  durch  Verschmelzung  ein  annehmbares 
Gebilde  herstellen  könne.  Zwei  Mal  holte  er  seine  Stoffe  aus  der  Antike, 
mit  deren  Dramen  er  auf  der  Universität  durch  Schulaufiführungen  vertraut 
geworden  war,  modernisierte  und  nationalisierte  sie  aber,  dem  Geschmack  und 
Geist  der  akademisch  und  höfisch  gebildeten  Jugend  gemäss.  Das  dritte  Mal 
dramatisierte  er  eine  unbedeutende,  mittelalterliche  Abenteuernovelle.  Alle  drei 
Mal  aber  gliederte  er  seine  Fabel  gut,  schürzte  geschickt  seinen  Knoten, 
zeichnete  seine  Figuren  mit  Humor  (Götter,  Könige,  Helden,  Ritter,  Knappen, 
Diener,  Damen  wie  Zofen)  beschränkte  das  possenhafte  Element,  dämmte  die 
Vielsprachigkeit  und  die  durch  Gesang  und  Tanz  erzielten  Nebenwirkungen  ein, 
und  schuf,  trotz  des  Rhythmus  und  des  Reimes,  einen  lebendigen  Dialog  unter 
Vermeidung  von  Anstössigkeiten,  meist  in  leichtfliessenden  trovas  redond{ilha)s^^ 

1  y>Ohras  do  Poeta  CIiiado<f.  Liss.   1889.     Vgl.  Ztschr.  XV  p.  550-558. 

^  Autos  de  Antonio  Prestes,  ed.  Tito  de  Noionha  Porto  1871.    Vgl.  Rev.  Lus.  I  86. 

^  Sie  stehen  mit  den  Possen  des  Cliiado,  Prestes  und  den  Lustspielen  des  Camoes 
in:  Primeira  Parte  dos  Autos  e  Comedias  Portuguezas,  welche  ein  Angehöriger  der  Hofkapelle, 
Affonso  Lopes,   1587  herausgab. 

■*  S.   Indice  expurgatorio  de   1559.   1624  etc. 

*  Bouterwek  und  seinen  Nachschreibern  fehlte  die  grundlegende  Kenntnis.  Ihr 
Urteil  ist  darunri  nicht  massgebend. 

'  In  Strophen  von  5.  6.  7.  9.  lO  und  1 1  Zeilen ,  wozu  Liedereinlagen  kommen 
{ynotes,  und  1  Sonett:  Klage  des  Antiochtis,  Storck  II  No.  212,  p.  214  und  410.  —  Die  Be- 
zeichnung „trovas  redondas"  gebrauchte   1574  Magalhäes  de  üandavo. 


Drama:  Camöes.    Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos.  309 

hie  und  da  auch  in  derberer,  mit  Allusionen,  Witzen  und  Citaten  geschmückten 
Prosa.  1  Der  •»FilodemoK^  behandelt  den  Doppel-Liebesroman  zweier  dänischer 
Köiiigskinder,  welche  schifÜDrüchig  und  als  Waisen  nach  Spanien  kommen,  des 
Filodemo^  der  sich  in  Dionysa  verliebt,  und  der  Florimena,  um  welche  Venan- 
doro  wirbt.  Der  -»Ret  Seleuco«,  ein  Polterabendscherz  •'•  mit  derb-komischem 
Vor-  imd  Nachspiel  in  Prosa,  befasst  sich  mit  der  von  Plutarch  erzählten  und 
seit  Petrarca  hundertfach  verwerteten  Liebesthat  des  syrischen  Monarchen 
Seleukits,  Ae^r  Stratonike,  eine  seiner  Frauen,  dem  liebeskranken  Sohn  Antiochus  ab- 
tritt. Beide  Stücke  stehen  an  Wert  weit  hinter  den  y> Enfatriöes«  (oder  Amphitryöes), 
zurück,,  einer  freien  Bearbeitung  des  plautinischen  Lustspiels,  worin  das  Qui- 
proquo  des  wahren  und  falschen  AmpMtriio  und  des  wahren  und  falschen  Sosias 
(dessen  dramatische  Wirksamkeit  durch  die  Zweizüngigkeit  des  letzteren  noch 
erhöht  wird)  zu  ergötzlichster  Wirkung  gebracht  wird. ''  Das  übliche  Renais- 
sance-Gemisch zwischen  griechisch-römischen  und  christlichen  Anschauungen 
fehlt  auch  in  dieser  Bearbeitung  nicht,  die  sich  trotzdem  wie  ein  aus  einem  Gusse 
hervorgegangenes  Originalwerk  liest.  Leider  hat  Camöes  diese  Versuche  nicht 
fortgesetzt.  Mindestens  je  ein  Mal  sind  sie  unter  Mitwirkung  des  Autors  in  höfischen 
Kreisen  sicherlich  zur  Darstellnng  gekommen,-^  wahrscheinlich  aber  öfter. 

131.  Eine  ganz  andere  Bahn  betrat  Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos 
{\  1585),  ein  kluger  und  gelehrter  und  dabei  romantischer  Hofmann,  der 
1534  Page  des  Infanten  D.  Duarte  war,  später  aber  in  Diensten  Johanns  III. 
stand,  seine  Dramen  und  Ritterromane  jedoch  dem  Kronprinzen  D.  Joäo  hand- 
schriftlich ,  und  nach  dessen  frühem  Hinscheiden ,  im  Drucke,  dem  jungen 
Sebastian  widmete.  Er  verfasste  in  Prosa,  und  zwar  in  echter  Umgangssprache 
(em  mera  linguagem),  einige  novellistische,  stark  moralisierende  Buchdramen, 
in  je  fiinf  langatmigen  Akten,  nach  dem  Muster  der  span.  Celestina\  doch 
ahmt  er  weder  die  Genialität,  noch  die  Zügellosigkcit  des  Vorbildes  nach.  Alle 
drei  Stücke  sind  reich  an  gut  beobachteten  Sittenbildern,  in  denen  besonders 
das  nebenbuhlerische  Gegenüber  der  Spanier  und  Portugiesen,  und  dazu  das 

^  Diese  Dramen,  die  wie  alle  portug.  Lustspiele  schwer  verständlich  sind,  liegen 
in  trefflicher  Verdeutschung  von  Store  k  vor  (Bd.  VI  der  Sämtlichen  Gedichte,  1885)  mit 
dankenswerten  Erläuterungen,  die  natürlicli  jedoch  nicht  alle  Schwierigkeiten  heben.  Faria- 
e-Sousa  hat  einen  hs.   Kommentar  hinterlassen,  der  unfindbar  scheint. 

^  Der  Dichter  wollte  nicht,  dass  man  diesen  Namen  als  »Volksfreund:'  auslegte.  Man 
soWK^e:  Feloäemo  %^Y^A\^\\  \\w\  ß-lo-o-detno  —  »der  Teufel  machte  ihn«,  also  »Teufels- 
junge« darunter  verstehen,  lls.  eihalten  im  Canc.  fjiis  Fratua;  gedr.  1587.  1615.  1616. 
1666  und  so  oft  die  »Gesamt-Werke«  sp.äter  erschienen.  Die  Annahme,  das  Stück  sei  erst 
in  Goa  1555  entstanden,  ist  falsch.  Daselbst  wurde  es  nur  wiederaufgeführt  {^icomedia 
representada  tia  India  a  Francisco  Barretoi.). 

*  Nach  Storcks  guter  Auslegung,  ist  er  der  Hochzeitsfeier  eines  Gonc^alves  mit  einer 
Mendes  gewidmet.  Vielleicht  ward  er  (wie  auch  der  Filodenw,  der  mit  einer  Doppelhochzeit  ab- 
sciiliesst)  im  Hause  der  (}rafen  von  Linhares  inszeniert,  dessen  Wein-Hof  {patio  das  parreiras) 
öfters  dramatische  Aufführungen  sah.  Das  MS.  befand  sich  in  Privatbesitz,  und  ward  erst 
1645  veröffentlicht.  Die  zahlreichen  Allusionen  darin  auf  Personen  und  Geschehnisse  zu 
deuten  (die  für  Camöes  verhängnisvoll  geworden  sein  sollen),  ist  heute  kaum  möglich.  (S. 
S  t  o  r  c  k ,   Camoens  Leben  §   1 76). 

*  Ober  die  Amphitriöes  lese  man,  au.sser  S  t  o  r  c  k ,  noch  C.  v.  Reinhardstoettner: 
Dk  plaiüinischen  Lustspiele  in  späteren  Bearbeitungen,  Leipz.  1880  p.  26  —,36,  und  E.  Gigas, 
Xyere  Digteres  Bearbeidelser  af  Plaiitiis  Amphitriw,  Kopenh.  l87y.  p.  120— 123.  Der  Ver- 
gleich mit  den  damals  schon  vorhandenen  romanischen  Bearbeitungen  {Collenuccio  l,5fX); 
Villalobos   1515;   Oliva   1530)  fällt  für   Camöes  glänzenrl  aus. 

*  Gemeinhin  wurde  angenommen,  der  Amph.  sei  noch  während  der  Studienzeit  für 
eine  Schulaufführung  geschrieben  (Coimbra  154'-i).  doch  ist  das  irrig.  Eine  Aufführung  in 
Lissabon  wird  durch  die  Erwähnung  des  .Stadtviertels  Alfama  (in  Zeile  175),  und  durch 
das  erhaltene  f^obsonett  eines  Zusciiauers  ausser  Frage  gestellt  (Quem  e  este  qiu  na  harpa 
hisitana  —  ahate  as  musas  gregas  e  as  latinas),  auf  welches  C  am  des  antwortete  (S  t  o  rc  k 
11  p.  378)  süw^ie  dm-ch  ein  Citat  im  Atäo  de  Rodrigo  c  Mendo.  Dass  der  Amph.  und  Filodcmo 
zum  Pal  last- Repertoir  gehörten,  darf  man  daraus  schliessen ,  dass  ein  mo(o  da  Capella  real 
beide  Stücke  zuerst  ans  Licht  zog. 


3IO    LlTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.  PORT.    LlTT. 

Treiben  der  Indien fahrer,  sowie  die  Auswüchse  des  Hoflebens  und  ihr  Einfluss  auf 
die  Provinz  mit  Geschick  dargestellt  ist.  Überdies  sind  sie  gesättigt  einesteils  mit 
klassischen  Anekdoten,  anderenteils  mit  Anspielungen  auf  Nationales  und  mit 
volkstümlichen  Sprichwörtern  und  Formeln,  die  zu  Hunderten,  rosenkranzartig 
aufgereiht,  besonders  von  den  Nachfolgerinnen  Celestina's  in  ihre  »Sermone« 
eingeflochten  werden.  Span,  und  portug.  Lieder  in  Trovas  und  Prosabriefe, 
sowie  ganz  span.  Rollen  fehlen  ebenso  wenig  wie  in  den  Dramen  der  Troinstas. 
Das  erste  seiner  Stücke,  die  (besonders  in  Spanien)  vielgepriesene  »Eiifrosina«, 
in  welcher  der  Student  noch  eine  wichtige  Rolle  spielt,  entstand  wahrscheinlich 
noch  während  der  Lehrjahre  (zwischen  1527  und  1534)  in  der  Klosterschule  von 
S.  Cruz'.  Die  beiden  anderen  hingegen  mit  den  klassischen  Namen  »Ulys- 
sippo«^  und  »Aulegraphia«.^  stammen  aus  Lissabon,  und  haben  zur  Aufgabe,  das 
Treiben   der  Hauptstadt  und  ihren  verderblichen  Einfluss  zu  schildern.  ^ 

132.  Lange  bevor  Camöes,  und  noch  ehe  Jorge  Ferreira  de  Vas- 
concellos  die  Herrschaft  der  Vicente' sehen  Autos  zu  brechen  suchte, 
hatte  Miranda  den  Kampf  gegen  dieselben  aufgenommen.  Als  er  von  Italien 
heimkehrte ,  fand  er  das  Hoftheater  in  demselben  Zustand  wie  vor  seiner 
Reise,  Fünfmal  allein  im  Jahre  1527  bot  sich  ihm  Gelegenheit,  den  üblichen 
Festaufführungen  beizuwohnen,  und  sich  die  »neuesten«  Bühnenstücke  anzu- 
sehen^. Ihr  mittelalterlicher  Charakter  und  ihre  Stillosigkeit  verblüff"ten  den 
Dichter,  der  soeben  in  Mantua ,  Ferrara,  Rom  und  Florenz  Dramen  wie 
Machiavelli's  Andria  und  Commedia  in  Prosa,  Bibbiena's  Calandra^ 
Ariosto's  Suppositi,  Nigromante ,  Cassaria  und  Lena^  und  andere  Nach- 
ahmungen der  Menaechmi  und  des  Poenulus  hatte  darstellen  sehen  (vielleicht 
mit  Dekorationen  von  Raphael),  und  sich,  studierend,  an  Plautus  und  Terenz 
geweidet  hatte,  die  Nutzanwendung  für  Portugal  überdenkend.  Um  dem  Monar- 
chen und  seinen  jüngeren,  geistig  hervorragenderen  Brüdern  6  eine  Vorstellung 
von  dem  zu  geben  was  man  zur  Zeit  im  Vatikan  und  an  den  kleinen  ital.  Höfen 
unter  einer  Commedia'  verstand,  und  so  den  portug.  Dramaturgen  den  Weg 
zu  weisen,  schrieb  er  zwei  Intriguenkomödien  in  Prosa:  y>Os  Estrangeiros«^ 
meiner  Meinung  nach  gleich  1527/28  8,  und  später  die  »  Vilhalpandos«  (i  538?)^. 
Beide  stehen  unter  dem  Einflüsse  Bibbiena's  und  Ariosto's,  haben  Italien 
(Palermo  und  Rom)  zum  Schauplatz,  und  benutzen  fast  ausschliesslich  die  auf 
der  ital.  Bühne  heimischen  (im  Grunde  ganz  oder  halbheidnischen)  Sitten,  Situ- 
ationen und  Charaktere:  den  lasterhaften  Diener,  der  seinem  jungen  Herrn 
gegen  den  betrogenen  »Alten«  und  den  »Erzieher«  (ayo)  beisteht;  Hetären 
{cortesanas) ^  Zuhälter  (rufiäes)^  Parasiten,  Heiratsvermittler,  Kuppler,  renom- 

'  Spät  gedruckt,  wie  fast  alle  Erzeugnisse  der  Zeit,  nachdem  das  Drama  als  Manuscript 
eingereicht  und  verbreitet  worden  war;  1560  zu  Evora  und  1561,  dann  zu  Lissabon  1616,  in 
Überaibeitung  vonRodrigues  Lobo.  Diesem  sprach  man  irrtümlich  die  Autorschaft  zu. 
Und  auch  als  Werk  eines  }uan  de  Espera- en- D  io  s  wird  es  bezeichnet!  (In  Wirklich- 
keit hat  Jorge  Ferreira  einer  Figur  dieses  Namens  fd.  h.  dem  »Ewigen  Juden:<)  den 
Prolog  der  Etifrosina  in  den  Mund  gelegt.  Spanisch  von  Fernando  de  Bai  lest  er  os  y 
Saavedra,  nach  Lobo 's  Text;  herausgegeben  von  Quevedo   1631    (und   IVliö) 

^  Gedr.    1618  und  schon  vorher  in  datenloser  Ausgabe,  um   1587. 

^  Gedr.  1619.  Das  Stück  ist  laut  des  Dichters  schon  im  Titel  ausgedrückter  Absicht 
»hum  largo  discurso  da   Cortesania  vulgär«. 

*  Kritische  Neuausgaben  sind  auch  hier  ein  Bedürfnis. 

^  Diesem  Jahre  gehören  an:  das  Auto  da  Feira,  Historia  de  Deus,  Coimbra,  Man 
d'amores,  Serra  da  Estrella  und  vielleicht   Resurreigäo. 

^  D.  Luis,  D.  Henrique,  D.  Du  arte,  sowie  der  Senhor  D.  Duarte  und 
D.  JoTio  de  Lencastre  standen  in  litterarischen  Beziehungen  zu  Miranda. 

''  Gil  Vicente  hatte  das  griech.  Wort  zwar  .schon  1514.  1,521  und  1527  ange- 
wandt, doch,  nach  Miranda's  Begriffen,  sicher  ohne  Fug  und  Recht. 

*  Braga  datiert  das  Drama  aus  dem  J.   1545,  irrtümlich,  soviel  ich  sehe. 

*  Laut  Braga,  vor  1536. 


Prosakomödie:  Miranda.    Ferreira.    —  Tragödie.  311 


mierende  Soldaten  u.  a.  m. ,  wozu  als  moderne  Elemente  ein  pedantischer 
Dr.  juris  (nach  Ariost)  kommt,  und,  aus  eigener  Erfindung,  eine,  für  Portugal 
typische  Figur,  die  frömmelnde  Alte  {beata)  und  ein  franz.  Page.  Der  Kardinal- 
Iiifant  Heinrich  nahm  die  Widmung  der  beiden  Comedias  ertiditas  foder  C.  de 
arte)  an '.  Für  ihn  sollen  sie  auch  dargestellt  worden  sein.  Doch  entsprach 
der  zu  wenig  ergötzliche  fremde  Gegenstand,  und  die  einfache,  natürlich  fliessende 
Prosa  dem  Nationalgeschmack  nicht,  der  sich,  nach  wie  vor,  an  Vicente's 
buntem,  salligen  Allerlei  belustigte;  und  Miranda,  der,  anscheinend,  über 
wenig  dramatische  Erfindungsgabe   verfügte ,  erneuerte   seine  Versuche   nicht. 

133.  Der  einzige  unter  den  Zeitgenossen,  der  seinem  Beispiel  folgte 
und  Prosakomödien  im  römisch -ital.  Geschmacke  ohne  alle  Gesangseinlagen 
schrieb,  war  Ferreira.  Noch  als  Schüler  der  alma  mater^  24  bis  25Jährig, 
verfasste  er  während  einer  Ferienmusse  zur  Selbsterheiterung  sein  erstes  Lust- 
spiel y/Brisio«.  Die  Abenteuer  zweier  verlorener  und  am  Schlüsse  von  ihren 
Vätern  rekognoszierter  Kinder  bilden  den  Vorwurf;  und  2  Alte,  2  verliebte 
Jünglinge  mit  ihren  weiblichen  Partnern,  und  2  Soldaten,  von  denen  der  eine 
ein  Rhodenser  Ritter  und  zugleich  miles  gloriosus,  der  andere  aber  ein  Parasit 
und  feiger  Bramarbas  ist,  spielen  nächst  dem  kupplerischen  Titelhelden,  die 
Hauptrollen.  Die  Kommilitonen  nahmen  (1552 '53)  das  Lustspiel,  das  der 
Autor  mit  lateinischem  Kunstausdruck  als  »Comedia  mixta,  a  mor  parte 
d'ella  motoria«  bezeichnet,  beifällig  auf2.  Es  ward  sogar  dem  Kronprinzen 
gewidmet^.  Einen  bedeutenden  Fortschritt  bezeichnet  sein  zweites  Stück 
»O  Cioso«  ,  das  wie  das  erste  in  Italien  spielt.  Mit  Recht  wird  es  als  das 
früheste,  moderne  Charakter-Lustspiel  bezeichnet.  Sind  der  Moralabhand- 
lungen darin  auch  zu  viele  und  zu  lange,  und  ist  die  Figur  des  eifersüchtigen 
Gatten  auch  etwas  karikiert,  so  sind  die  meisten  übrigen  Personen  sehr  natür- 
lich und  bestirnmt  gezeichnet ;  die  Prosa  der  Dialoge  ist  präzise  und  elegant, 
und  an  wirklich  komischen  Szenen  kein  Mangel.'' 

134.  Dieser  selbe  tüchtige,  von  Rom  und  Griechenland  ehrlich  be- 
geisterte Dichter  und  Patriot,  der  ernstlich  danach  trachtete,  die  heimische 
Litteratur  zu  heben,  und  seine  Landsleute  zum  Gefühl  für  wahre  Kunst  und 
reinen  Stil  zu  erziehen ,  beschenkte  sie  noch  mit  etwas  ganz  Neuem ,  der 
ersten  Tragödie,  im  Geschmacke  der  Antike.  Nach  griechischem  Muster, 
die  drei  Einheiten  beobachtend  (ob  auch  die  der  Zeit  und  des  Ortes  nicht 
völlig),  lässt  er  eine  absichtlich  sparsame,  aller  Intrigue  baare  Handlung  sich 
unter  wenigen  Personen  in  fünf  kurzen  Akten  abspielen  (die  eigentlich  nicht 
mehr  als  Szenen ,  oder  blosse  Dialoge  sind).  Und  zwar  verwendet  er  in 
allen  Monologen  und  Dialogen  ausschliesslich  reimlose  Langzeilen  {versos  soltos 
von  II,  selten  von  7  Silben),  die  nur  durch  einen  zwiefachen  Chor  unter- 
brochen werden,  der  (zum  ersten  Male  in  Portugal)  in  mannigfach  wechseln- 
den, den  Griechen  nachgeahmten  metrischen  (iebilden  (worunter  Oden,  und 
Sapphische Strophen)  seine  Betrachtungen,  getragenen  Stils,  vorträgt.  Dabei  voll- 
brachte er  obenein  noch  etwas,  was  selbst  in  Italien  und  Spanien  noch  Niemand 
gewagt  hatte:  d.  h.  er  griff,  statt  zu  einem  antiken  Vorwurf,  zu  einem  Stoffe 
aus  der  vaterländischen  Geschichte.  Seine  Wahl  fiel  auf  die  mittelalterliche, 
romantische,  später  so  wiederholentlich  auf  die  Bühne  gebrachte^  Liebe  Peters 

'  Die  Villialpandos  wurden,  scheints,  auch  D.  Du  arte  übersandt.  S.  Miranda  p.  761. 

^  T>Nesta  Universidade  recebida  e  publicadav^. 

^  Ich  erwähne  diese  und  ähnliche  Thatsachen  absichtlich,  um  zu  zeigen ,  dass  der 
intime  Zusammenhang  der  Dichtkunst  mit  dem  Hofleben  auch  in  der  3-  Epoche,  noch  fort- 
daueit,  wenn  auch  gemildert. 

'  (ledruckt  wurden  beide  Komödien  erst  1622.  Der  Cioso  ward  ins  Engl,  (von  M  u  .s  gr a  v  e 
182,")).  ins  Kran/,.  (  von  F.  Denis  l83,=S),  und  ins  Deutsche  (l  782)  von  einem  H.v.Z.  übertragen. 

^  Ich  könnte  lo  portug.,  4  span.  und  dazu  mehrere  Dutzende  ausländischer  Bearbei- 
tungen anführen. 


312  Litter A.TURGESCHICHTE  der  romanischen  Völker.    —   4.  Port.  Litt. 

des  Grausamen  zu  D.  Ines  de  Castro^  so  dass  (bezeichnend  genug)  die  früheste 
und  eigentlich  einzige  portug.  Tragödie  eine  Liebestragödie  ist.  Gewiss 
hätte  sich  aus  dem  vorzüglichen  Stoffe  Wir-kungsvolleres  machen  lassen.  Den 
bewegten,  wahrhaft  dramatischen  Szenen  geht  Ferreira,  geflissentlich  oder  un- 
absichtlich, aus  dem  Wege.  Weder  die  Liebenden,  noch  Vater  und  Sohn  stehen 
einander  auf  der  Bühne  gegenüber.  Der  Kampf  zwischen  Pflicht  und  Neigung  in 
D.  Pedro  ist  nur  angedeutet.  Das  Pathos  ist  etwas  geschraubt  und  die  Rede 
aller  Personen  zu  gleichförmig.  Die  zarte  D.  Ines  und  ihre  alte  treue  Amme,  der 
Infant  und  sein  Sekretär,  der  grimme  König  und  seine  zum  Morde  ratenden 
und  den  Mord  ausführenden  Conselheiros  sprechen  ein  und  dieselbe  Sprache; 
und  auch  der  die  Frauen  begleitende  Chor  der  Co'i'mbraner  Mädchen  unter- 
scheidet sich  nicht  hinlänglich  vom  Ritterchor  des  Infanten.  Doch  sind  Stellen 
von  wirklich  hervorragender  lyrischer  Schönheit  darin  (z.  B.  der  Hymnus  an 
die  Liebe).  Und  die  Zeitgenossen  und  Nachkommen  bewunderten  mit  vollem 
Recht,  abgesehen  von  der  Neuheit  des  kühnen  Unterfangens,  die  Schlichtheit 
des  Aufbaus,  die  Reinheit  des  Stils,  und  die  Hoheit  und  Würde  der  portug. 
Sprache,   die  etwas  völlig  Unerwartetes  war. 

Obgleich  in  der  Studierstube  und  für  dieselbe  verfasst  (zwischen  1553 
und  1567),  ward  die  Tragödie  Ines  de  Castro  (deren  genauere  Entstehungszeit 
unbekannt  ist)^  doch  in  Coimbra  gespielt^,  vermutlich  von  den  selben  Studenten, 
welche  gewohnt  waren,  Terenz  und  Seneca  und  lateinische  Schuldramen  ihrer 
Professoren  aufzuführen^,  und  zwar  unter  Ferreira's  persönlicher  Leitung, 
also  ehe  derselbe  seinen  Posten  als  Dozent  der  Rechte  gegen  eine  Stelle  am 
Obertribunal  zu  Lissabon  vertauschte,  d.  h.  vor  1567.  Gedruckt  ward  sie 
erst  1587  (und  in  verändertem  Texte  1598)*.  Vorher  aber  (1575)  hatte 
der  Gallizier  Jeronymo  Bermudes,  ehe  er  Dominikanermönch  ward,  während 
seines  Aufenthaltes  in  Portugal,  das  nach  gewohnter  Sitte  handschriftlich  ver- 
breitete und  von  Genossen  des  Autors  bei  Lebzeiten  dichterisch  verherr- 
lichte Werk^  kennen  gelernt  und  so  grossen  Gefallen  daran  gefunden,  dass 
er  es  bald  treu,  bald  freier  hispanisierte  und  zu  seiner  Übersetzung,  die  er 
y^Nise  lastimosa«  betitelte,  einen  (schwachen)  zweiten  Teil  hinzufügte,  die 
»Nise  Laureada«,  deren  Gegenstand  die  Krönung  der  Leiche  und  die  an  den 
Mördern  genommene  grausige  Rache  ist.  Da  beide  Teile,  unter  dem  Pseu- 
donym Antonio  de  Silva  als  »Primeras  Tragedias  Espamlas«  bereits  1577 
gedruckt  wurden,  so  entstand  der  Irrglaube,  Ferreira  habe  den  spanischen 
Autor  plagiiert.     Heute  teilt  ihn  kein  Einsichtiger  mehr  6. 


'  Das  Datum  »vor  1558«,  welches  man  aus  Äusserungen  des  Sohnes  in  der  Vorrede 
zu  den  Poemas  Lusitanos  erschlossen  hat,  ist  kein  sicheres. 

^  Die  äusserst  seltene,  den  meisten  Litteraturkennern  völlig  unbekannte  Ausgabe  von 
1587  (die  möglicherweise  nicht  einmal  die  erste  ist),  nennt  den  Namen  des  Autors  gar  nicht, 
sagt  aber  von  der  tragedia  muy  sentida  e  elegante:  ••^foy  representada  tia  Cidade  de  Coimbran. 
S.  Castilho:  Antonio  Ferreira,  3  Bde.,  Rio  1875  und  Sousa  Viterbo:  Frei  Bartlio- 
lomeu  Ferreira,   1892  p.  35.     Übersetzt  ward  die  Tragödie  ins  Engl,  von   Musgrave   1826. 

*  Schon  im  15.  Jh.  las  man  Seneca' s  Tragödien  {Medea,  Hercules,  Hypolito)  und 
citierte  sie  gern.  Noch  vor  der  Reform  von  1537  studierte  man  Terenz  und  Plautus  und 
die  griech.  Tragiker  und  begann  damit,  sie  zu  inszenieren.  An  gedruckten  Hispanisierungen 
liegen  (ausser  dem  Amphitruo  von  Perez  de  Oliva)  die  Hecuba  des  Kuripides  und 
die  FJektra  des  Sophokles  (als  Agamemnon)  vor,  letztere  auch  von  Henrique  Ayres 
Victoria,  und  zwar  in   Kurzzeilen,  als  t>  Tragedia  trovadai   (1555.   -•  Aufl.). 

■•  Im  Titelblatte  heisst  es:  y>agora  novamente  acrescentada« .  Das  Werk  des  Bermudes 
aber  lehnt  sich  genauer  an  den  Text  der  Ausgabe  von   1587  an. 

*  Bernardes  widmete  ihm  das  Sonett:  Ȁ  Dona  Ines  de  Castro  prestimira-j ,  und 
Ferreira  antwortete  darauf:   -n Bernardes,  cuj'o  esprito  Apollo  inspirai. 

*  In  dieser  Streitfrage  Ber  m  ude  z  —  F  err  eira  haben  sich  auch  die  Spanier,  nebst 
allen  Ausländern,  die  sich  mit  span. -portug.  Litteratur  beschäftigen,  entschieden  zu  Gunsten 


Ferreira's  Tragödie.   —  Luis  de  Camöes.  313 


III.  LUIS  DE  CAMOES. 

135.  Ihre  Sommerhöhe  erreichte  die  portug.  Litteratur  mit  Luis  de 
Camöes  (1524/25  bis  10.  Juni  1580),  der,  wie  schon  berichtet  ward,  ihre 
Dramatik  in  neue  Bahnen  zu  lenken  versuchte,  ausserdem  ihre  Lyrik  zur 
Vollblüte  brachte,  vor  allem  aber  in  dem  Nationalepos  »Os  Lusiadas«. 
ihr  Meisterwerk  schuf.  Wie  so  manches  andere  Genie,  so  führte  auch  Camöes 
ein  unglückseliges  Erdendasein.  Arm,  verbannt  und  gefangen,  verspottet  und 
verleumdet  so  lange  er  lebte,  ward  er  hingegen  nach  seinem  Tode  ülier- 
schwänglich  geehrt.  Kunst  und  Wissenschaft  wetteiferten  im  Vaterland  und 
im  Ausland  darin,  sein  Leben  und  seine  Werke  zum  Gegenstand  begeisterter 
Huldigungen  zu  machen.  Grabmäler,  Erinnerungstafeln,  Statuen  und  Gemälde; 
Romane,  Dramen,  Gedichte  und  Berge  prunkender  Rhetorik;  illustrierte  Pracht- 
ausgaben; Übersetzungen,  Erläuterungen,  Nachahmungen  und  Parodien  seiner 
Werke;  die  300jährige  Jubelfeier  seines  Todes;  eine  eigene  (ob  auch  thatenarmc) 
Sociedade  Nacional  Camoniana,  eine  besondere,  ob  auch  kurzlebige  und  kleine 
Camöcs-Zeitschrifl '  bedeuten  eine  Apotheose,  und  haben  bereits  bibliographi- 
sche Wegweiser  durch  die  Camöes-Litteratur  notwendig  gemacht 2.  Als  »Fürsten 
unter  den  Dichtern  seiner  Zeit«  bezeichnete  ihn  schon  15  bis  16  Jahre 
nach  seinem  Tode  die  von  einem  edlen  Bewunderer  gestiftete  erste  Grabplatte. 
Doch  war  bereits  damals,  nach  einem  halben  Menschenalter,  die  genaue  Ruhe- 
stätte des  Toten  innerhalb  des  dürftigen  Lissabonner  Klosterkirchleins  »zur 
heiligen  Anna«  nicht  zu  finden;  noch  wusste  man  Geburts-  und  Todesjahr 
richtig  anzugeben.  Mythenbildung  hatte  schon  begonnen,  wenn  nicht  noch 
bei  Lebzeiten,  so  gleich  nach  Camöes'  Ende.  Sie  schuf,  vor  161 3,  die 
charakteristischen  Worte:  »er  lebte  arm  und  elend,  und  also  starb  er«, 
die  in  Wahrheit  nie  zur  Grabinschrift  gehört  haben.  Aus  dem  Gedächtnisse 
der  Nachwelt  werden  sie  trotzdem  nicht  auszurotten  sein ,  ebensowenig  wie 
eine  lange  Reihe  sich  in  gleicher  Richtung  bewegender  alter  Camöes-Märchen, 
weil  sie  eine  unbestreitbare  Thatsache,  —  dass  nämlich  der  grösste  Poet  und 
Patriot  der  Nation  zu  den  Unglücklichen  und  Enterbten  gehört  hat,  —  kürzer 
und  anschaulicher  ausdrücken  als  die  positiven  Daten  seines  Lebens. 

Von  diesen  wissen  wir  bedauerlich  wenig.  Trotz  des  humanistischen  Ge- 
bahrens  aller  gebildeten  Quinhentistas  fühlte  kein  Zeitgenosse  sich  berufen, 
treue  und  ausführliche  Erinnerungen  und  Nachrichten  über  Camöes  für  die 
Mit-  und  Nachwelt  aufzuschreiben  (vielleicht  weil  das  Gefühl:  »finis  Portu- 
^aliae«  1580  zu  bedrückend  auf  den  Gemütern  lastete).  Die  Adelsbücher 
schweigen  von  dem  verarmten  Edelmann,  der  eines  einst  erlauchten  Geschlechtes 
letzter  Sprosse  war  (s.  ^  82).  Soldatische  Heldenthaten,  welche  die  Geschichts- 
schreiber hätten  verzeichnen  müssen ,  vollbrachte  der  schlichte  Afrika-  und 
Indienkämpfer  nicht.  Die  Kolonial-Archive  zu  Lissabon  und  Goa,  welche 
notwendig  Aufzeichnungen  über  ihn  enthalten  mussten,  waren  (nachweislich) 
in  heillosester  Unordnung,  und  sind  auch  weder  rechtzeitig  noch  gewissenhaft 

Portugals  ausgesprochen,  und  Feireira  als  ersten  Verfasser  vaterländischer  Tragödien  im 
(leschmack  der  Antike  anerkannt.  Als  Bouterwek  schrieb,  war  der  Sachverhalt  noch 
nicht  hinlänglich  klar.  Daher  seine  Zweifel.  —  S.  Moratin,  Cataloiro  No.  l.SO;  Martinez 
de  laRosa,  Tragee/ia  p.  4i) —nf>  der  Pariser  Ausg.ibe;  .Schack  I  27;-{;  Ticknor  I  462; 
Barrera  v  Leirado  p.  38;  Schaf  fer,  Spa».  Natwnaldrama  I  p.6l  -63;  Braga,  Theatro 
\\  dp.  4  p.  73  —  114;  Castilho  Bd.  1;  Inn.  da   Silva.  I,  268. 

'  CirciUo  Catnoniano  hgg  v.J.  de  Araujo  1889  und  90.  Auch  die  Soc.  Nac.  Camo- 
niana hat  den  ersten  Bd.  eines  Annuano  Camoniatio  veröffentlicht  (1881). 

^  Die  wichtigsten  bibliogr.  Hidfswerke  sind;  Braga,  Bibliographia  Camoniana,  l>iss. 
1880;  J.  de  Vasconcellos,  Bihliogr.  Camoniana,  Porto  1880  und  Brito-Aranha 
Bd.   14  und   15  des  Diccionario  Bibl.  Portuguez.    Liss.   1887  und  88. 


314    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

genug  durchforscht  worden.  Von  den  wenigen,  erst  1860  aus  dem  Staats- 
archiv zu  Tage  geforderten  Urkunden  betreffen  einige  (7)  —  deren  Inhalt  man 
schon  16 13  ungefähr  kannte  — eine  kleine  Pension,  welche  König  Sebastian 
dem  Dichter  der  Lusiaden  bewilligt  und  Philipp  II.  später  der  überlebenden 
Mutter  zugewiesen  hatte;  eine  andere  einen  tollen  Handel,  in  dem  der  Dichter 
raufboldartig  einen  königl.  Beamten  mit  der  Waffe  verletzt  hatte,  was  ihm 
Gefängnis  eintrug;  und  wieder  andere  (2)  die  Lusiaden  Veröffentlichung'.  Ein 
angebliches  Dokument  über  die  Einschiffung  nach  Indien,  welches  Faria-e- 
Sousa  1647  benutzt  haben  will,  ist  nicht  wieder  zum  Vorschein  gekommen.  In 
allem  Übrigen  sind  wir  auf  die  Selbstaussagen  des  Dichters  angewiesen  und  auf 
gelegentliche  Vermerke  in  Handschriften  und  Druckwerken.  Die  letzteren  sind 
seltene,  späte  und  unsichere  Quellen;  die  erstcren  hingegen,  die  sich  im  Epos, 
der  Lyrik,  den  Dramen  und  den  Briefen  des  Autors  finden,  sind  sehr  zahlreich 
und  bedeutsam,  trotz  ihrer  poetischen  Einkleidung,  die  selbstverständlich  dazu 
zwingt,  sie  mit  Bedacht  und  Kritik  zu  verwerten.  Ich  kann  hier  nicht  dar- 
stellen, wie  aus  diesen  Elementen,  mit  Zuhülfenahme  von  Traditionen,  die 
Biographie  des  Camöes  allmählich  aufgebaut  worden  ist  —  von  den  spär- 
lichen Notizen  im  ältesten  Lusiaden  -  Kommentar  des  gelehrten  Philisters 
Manuel  Correia  an  (geschrieben  etwa  1595,  gedr.  1613)  und  den  ihn  be- 
gleitenden kurzen  Prologseiten  des  Druckers  Pedro  de  Mariz,  über  die 
knappe,  doch  vortreffliche  Lebensbeschreibung  des  tüchtigen  Severim  de 
Faria  (1624)  zur  Reform  des  um  die  Camöes-Forschung  unzweifelhafl  hoch- 
verdienten, aber  Wahrheit  und  Dichtung  skrupellos  durch  einander  mengenden 
Faria-e-Sousa  (f  1649)  der  dem  Leser  nachgerade  hinlänglich  bekannt  ist,  und 
zu  den  sich  daran  knüpfenden  Paraphrasen  von  Mickle,  Adamson,  Sousa 
Botelho  und  Alexandre  Lobo,  bis  Juromenha's  erfolgreiche  Durch- 
musterung der  Torre  do  Tombo  {i2>6o)  und  Braga's  Ausgestaltung  der  portug. 
Litteraturgeschichte  einiges  Neue  zu  Tage  forderte.  Noch  viel  weniger  kann 
ich  darlegen,  wie  neuerdings  Wilhelm  Storck  jegliche  ältere  Behauptung 
auf's  Gewissenhafteste  geprüft,  ziemlich  alles  Unbeweisbare  als  Märchen  aus- 
geschieden, aus  haarscharfer  Analyse  der  echten  Camoniana  neue  Mut- 
massungen  zur  Ausfüllung  der  klaflfendsten  Lücken  gewonnen  und  ein  »geord- 
netes« kritischreformiertes  y>Luis  de  Camoens  Leben«  gestaltet  hat.  Die  fest- 
stehenden Daten  dürfen  jedoch  hier  nicht  fehlen  — ,  da  ohne  dieselben  das 
Werk  des  Dichters  unverständlich  bleibt 2. 

136.  Geboren  als  einziger  Sohn  eines  unbegüterten,  bald  hernach  in 
Goa  in  Folge  eines  Schiffbruchs  verstorbenen  Schiffskapitains,  zu  Lissabon 
oder  (wahrscheinlicher)  zu  Coimbra,  1524  oder  25,  als  Vasco  da  Gama 
starb,  mit  dem  er  verwandt  war,  und  an  dessen  erster  Indienfahrt  sein  Gross- 
vater Antäo  Vaz  teilgenommen  hatte,  erwarb  Luis  Vaz  de  Camöes  sich 
frühe  staunenswerte  Kenntnisse,  vermutlich  an  der  reformierten  Universität, 
als  deren  erster  Kanzler  der  Prior  von  Santa-Cruz,  sein  Oheim  Bento  de 
Camöes,  drei  Jahre  lang  füngierte  (1539  — 41).  Schon  in  Coimbra  entbrannte 
er  in  hoher  und  reiner  Minne  zu  einer  blonden  Schönen  und  feierte  sie  in  innigen 
schlichten  Canzonen,  Sonetten  und  Elegien,  die  petrarchistisch  in  der 
Form,  platonisch  im  Gedankengange,  sich  durch  die  wehmütige  Wärme  des 
Ausdrucks,  die  Reinheit  der  Sprache  und  die  Eleganz  der  Hendekasyllaben  vor 
allem  auszeichnen,  was  Miranda   und   die  Mirandistas   bis  1540  geschaffen 


*  Der  I^eser  findet  sie  geclruci<t  bei  yuromenha  Bd.   1. 

2  Die  I]ai:[)twerke  fCir  den,  welcher  sich  über  den  Dichter  iinterricliten  will,  sind: 
\V.  Storck,  Sämtliche  Gedichte,  6  Bde.  Paderborn  l88o — 8;^  und  Luis  de  Camoens  Lebeti, 
il).  1891  ;  Hragn,  Hist.  de  Camöes  3  Bde.  und  Camöes  e  0  Sentimento  Nacional  1891. 
Oiiveira  Martins,   Camöes,  os  Lusiadas  e  a  Renascetiga,  I^orto   1891. 


Luis  de  Camöes.  315 


hatten.  Nach  beendeten  Studien  siedelte  er  nach  Lissabon  über,  wo  seine 
(Geburt  dem  Cavalleiro  fidal^o  Einlass  bei  Hofe  und  sein  Talent  ihm  Gönner 
und  Freunde,  sein  geniales  selbstbewusstes  Auftreten,  die  scharfe  Zunge  und 
das  noch  schärfere  Schwert  ihm  aber  Feinde  und  Neider  verschafften.  Er 
dichtet  und  singt,  geniesst  und  tändelt,  treibt  verwegenes  Spiel  mit  Herzen 
•»em  varias  flanimas  variamente  ardendo«.  bis  eine  Hofdame  der  Königin,  D. 
Catherina  de  Athaide  —  die  Natercia  seiner  Dichtungen,  —  im  Frühjahr 
1 546  (wenn  man  der  poetischen  Einkleidung  glauben  darf,  beim  Charfreitags- 
Ivirchgange !)  ihn  in  Banden  schlägt.  Eigene  Irrtümer,  Neid  Fortunens  und 
Amors  Lug  locken  ihn  nun  ins  Verderben.  Der  Widerstand,  den  er  findet 
(nicht  von  Seiten  der  Geliebten),  die  Schwierigkeiten,  auf  die  er  stösst,  über- 
reizen sein  leichtbewegtes  stürmisches  Gemüt:  er  lässt  sich  hinreissen  zu  un- 
bedachten Äusserungen  und  ungestümem  Verhalten,  und  macht  Schlimmes 
schlimmer,  indem  er  in  verwegenen  Thaten  den  Degen  sühnen  lässt,  was  die 
Zunge  gefehlt.  Vom  Hofe  verwiesen  trauert  er  sehnsuchtsvoll  an  den  Ufern  des 
oberen  Tejo  {Ribatejo)\  kämpft  dann  zwei  Jahre  in  Afrika  (zwischen  46  und  49); 
v^crliert  ein  Auge  durch  ein  Sprengstück  von  einer  Kanone;  findet  nach  der 
Heimkehr  weder  Anerkennung  flir  seinen  Mut,  noch  Verzeihung  für  die  alten 
Sünden,  noch  Lohn  für  seine  Gesänge,  noch  den  Preis  seiner  Liebe;  lehnt 
sich  in  wildem  Groll  gegen  die  zu  harte  Strafe  für  jugendliche  Vergehen  auf; 
wird  zum  händelsüchtigen  valentäo,  der  Tage  und  Nächte  mit  schlechtem  oder 
höchst  leichtfertigem  Gesindel  durchschwärmt;  verwundet  am  Frohnleichnams- 
festc  (16.  Juni  1552)  einen  Hofbeamter;  (Gongalo  Borges);  wird  mit  Kerker 
bestraft  (bis  März  53),  und  schliesslich  nur  unter  der  Bedingung  freigelassen, 
als  Wafifenmann  des  Königs  nach  Indien  zu  gehen.  Am  26.  März  53  ver- 
Jässt  er  das  Vaterland  als  schlichter  Soldat  mit  dem  üblichen  Jahressold  von 
9000  Reis,  als  echter  Renaissance-Dichter  die  Worte  Scipios  auf  den  Lippen: 
»Ingrata  patria  . .  .1  Im  September  erreicht  er  Goa  auf  dem  S.  Bento- 
Schifife;  nimmt  Teil  an  verschiedenen  Kriegszügen,  die  ihn  bis  Ormuz  und  zum 
Kap  Guardafui  {Ras-ef-Fil)  bringen;  kehrt  nach  Ablauf  des  obligatorischen 
Trienniums  nicht  nach  Europa  zurück,  sondern  lebt  weiter  in  Goa-Babel,  ol) 
auch  in  bitterer  Sehnsucht  nach  der  Heimat  und  der  Geliebten  (die  56  stirbt), 
bald  in  geordneter  Beschäftigung  in  Krieg  und  Frieden,  bald  nur  den  Musen 
dienend;  bald  arm,  bald  massig  begütert;  leichtlebig  im  Glücke,  schwermütig 
im  Unglück.  Er  missbraucht  abermals  Feder  und  Klinge;  zieht  sich  abermals 
Feinde  zu,  gerät  auch  vorübergehend  in  neue  (niedere)  Liebesbande  (einer 
buntfarbigen  Bajadere);  desgleichen  in  Schuldhaft;  wird  von  einem  Gouverneur 
nach  Macau  als  »Oberverwalter«  der  Güter  verstorbener  und  abwesender 
Landeskinder  entsendet;  betritt  auf  der  weiten  Fahrt  Malakka  und  die  Molukken; 
wird  vor  Ablauf  der  Frist  seines  Amtes  enthoben  und  zurückbeordert,  weil 
straffällig  befunden.  .Am  Mekong  erleidet  er  Schiffbruch  und  wird  in  Goa 
zur  Rechenschaft  gezogen  und  gefangen  gesetzt,  bald  aber  wieder  freigesprochen ; 
tritt  1567  die  Heimfahrt  an;  rastet  in  Mocjambique  zwei  Jahre,  durch  Krank- 
heit und  Mangel  zurückgehalten,  um  zuletzt  durch  Freundesgrossmut  bis  ans 
Heimatgestade  geführt  zu  werden.  Nach  16 jähriger  Abwesenheit  betritt  er 
Lissabon  am  7.  April  1570,  und  findet  das  Zion,  nach  dem  er  geseufzt,  in 
traurigstem  Zustande  wieder,  von  der  Pest  verwüstet,  von  Inquisition  und 
Jesuitismus  zersetzt,  in  den  Händen  eines  jungen,  phantastischen,  misratenen 
Monarchen.  Doch  lässt  Camöes  sein  Epos  drucken  und  widmet  es  dem 
Herrscher  mit  mannhaft  spornenden  Worten.  Er  wird  karg  abgelohnt;  und 
lebt  noch  eine  Reihe  von  trüben  Jahren  bei  seiner  alten  Mutter.  Patriotische 
Hoffnungen  lodern  auf,  als  Sebastian  die  afrikanischen  Feldzüge  unternimmt: 
doch   geht    Camöes    selbst    nicht    mit    ihm,  als  Dichter   nicht,  weil  Diogo 


3l6    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.     —    4.    PORT.    LiTT. 

Bernardes  und  Cortereal  ihm  vorgezogen  werden,  als  Soldat  nicht,  wohl 
seines  Alters  wegen.  Der  Wetterschlag  von  Alcacer-Qucbir  brach  sein  Herz. 
Er  starb  am  lO.  Juni  1580.  Das  letzte  was  er  (in  einem  Briefe)  schrieb, 
war:  »nicht  genug  damit,  im  Vaterland  zu  sterben,  sterbe  ich  mit  ihm«,  den 
bitteren,  scipionischen  Ausspruch  also  wettmachend.  Der  Herzog  von  Alba 
hatte  bereits  mit  Philipps  Heer  die  Grenze  überschritten  und  näherte  sich  der 
portug.  Hauptstadt.  .So  entging  der  Dichter  dem  harten  Geschick,  das  so  vielen 
anderen  Dichtern  wie  eine  strafbare  Handlung  vorgeworfen  wird',  als  Ersatz 
für  das  von  König  Sebastian  erhaltene  Jahresgeld  (fenfa),  einen  Gnadensold  von 
König  Philipp  anzunehmen.     Doch  sorgte  letzterer  für  die  alte  Mutter. 

137.  Aus  dieser  selbst  in  ihren  nacktesten  Grundzügen  noch  bunten 
und  abenteuerreichen  Fäa,  aus  den  Schöpfungen  des  Dichters,  welche  seine 
seelischen  Zustände  in  allen  Wechselfällen  aufs  Klarste  ausmalen,  und  aus 
dem  was  das  nationale  Herz  an  Legenden,  Anekdoten  und  Märchenhaftem 
in  der  ersten  Zeit,  von  1572  bis  1640,  hinzugedichtet  hat,  um  die  spär- 
lichen bekannten  Thatsachen  liebend  zu  vervollständigen,  fixierte  sich  ein 
bestimmtes  Charakterbild,  das  umzugestalten  heute  sehr  schwer  sein  wird. 
Die  Nation  erblickt  in  Camöes  den  echtesten  Typus  des  Portugiesen,  der 
Apollo  und  Mars  dient,  die  Leyer  in  der  einen  Hand  und  das  Schwert  in  der 
anderen,  im  Herzen  aber  Frau  Venus.  Sie  betont  seine  sehnsüchtige  Ver- 
liebtheit, sein  martialisches  Feuer,  seine  treue  Vaterlandsliebe;  und  wenig 
kommt  ihr  darauf  an ,  ob  die  Ausschreitungen,  zu  denen  die  Liebeslciden- 
schaft  und  sein  Heroismus  ihn  hinrissen,  leichter  oder  schwererer  Art  sind, 
da  er  als  Genius  ja  doch  nicht  nach  den  Gesetzen  landläufiger  Moral  be- 
urteilt werden  dürfe.  Seine  Unfähigkeit,  sich  ins  praktische  Leben  zu  finden 
und  ein  ruhiges  bürgerliches  Dasein  zu  führen,  durch  geregelte  Arbeit  Güter 
zu  erwerben  und  Erworbenes  festzuhalten;  sein  massloses  Selbstbewusstsein, 
seine  Rücksichtslosigkeiten,  seine  Auflehnung  gegen  das  höfische  Milieu,  in 
dem  es  ihm  zu  enge  ward;  seine  Geneigtheit  zum  Zweikampf;  die  schein- 
bare Gleichgültigkeit  gegen  alle  Familienbande,  die  Ehe-  und  Kinderlosigkei'", 
der  unstäte  Wandertrieb:  das  alles  sind  Züge,  an  denen  man  keinen  Anstoss 
nimmt,  denn  sie  gehören  und  passen  durchaus  zum  Typus  des  Dichter- 
Genius.  Andererseits  betont  man  die  Grausamkeit  der  auferlegten  Strafen,  den 
Hass  und  Neid,  die  Missgunst,  Klatschsucht  und  Tücke  der  mittelmässigen  Gegner 
und  Nebenbuhler,  den  Undank  der  Grossen,  wie  die  Knauserei  des  Königs. 
Man  glaubt  an  möglichst  viele  Verbannungen  und  Einkerkerungen,  an  Ver- 
folgung und  Anschwärzung  durch  eine  ganze  Meute  kläffender  Halbschlags- 
dichter^,  an  zahllose  Spottverse  über  die  Excentricitäten  des  Dichters,  an 
wiederholten  Diebstahl,    den  gemeine  Naturen  an  seinem  geistigen  Hab  und 


>  Den  Dicliteni  Bernardes,  Falcao  de  Resende,  Alvares  do  Oriente, 
Mio;uel  Leitao  de  Andrada,  Jeronymo  Cortereal,  Perestrello  u.a.m.  (die 
ril)rigens  fast  alle  bei  Alcacer-Quebir  an  Sebastians  Seite  tapfer  gefochten  hatten  und  in 
Gefangenscliaft  geraten  waren)  wurde  der  Verlust  höfischer  Amter,  die  sie  bis  157^  (resp  80) 
bekleidet  hatten,  durch  andere  Stellen,  Pensionen  oder  Ehren  vergütet.  Einige  von  ihnen 
wiihnetcn  König  Philipp  und  seinen  Vertretern  ihre  Dichtungen,  und  feierten  seinen  Triumph. 

*  CJewiss  nicht  mit  Unrecht.  Spriclit  doch  schon  einer  der  ersten  C  a  m  oes- Schüler, 
der  1578  bereits  ein  Mann  war,  Fernam  Alvares  do  Oriente  von  ilem  -ncsquadräo  de 
Zoilos  e  Bavios  .  .  .  c/ue  pretendiam  daiiifical-o< .  Doch  fehlt  es  andererseits  auch  nicht  an  Be- 
weisen von  Achtung  und  Bewunderung,  die  dem  Dichter  bei  Lebzeiten  und  unmittelbar  nach 
seinem  Tfxle  gezollt  wurde.  Ich  nenne  nur  die  Namen  Diogo  do  Couto,  D.  .Manoel  de 
Portugal,  Conde  de  Redondo,  Bernardes,  Gomes  de  Azevedo,  Falcao 
de  Resende,  sowie  Tasso  und  Herr  er  a.  Daran  freilich  geht  die  tendenziöse  Kritik 
nieist  achtlos  vorbei,  obwohl  (iiese  widerspruchsvolle  Dame  sich  trotzdem  bemüht  (z.  B. 
durch  Biaga's  Mund  in  der  Hist.  Cam.),  eine  möglichst  lange  Reihe  von  -Damigos  de  CamdesK 
aufzu.stellen ! 


Luis  de  Camöes.  317 


Gut  begingen;  an  arge  Verstümmelung  seiner  Werke  durch  die  Censur  der 
Inquisitoren;  besonders  aber  an  Hunger  und  schwärzestes  Elend.  Man  kann 
und  will  den  für  seinen  Herren  bettelnden  javanesischen  Sklaven  und  den 
Tod  im  Hospitale  nicht  fahren  lassen'. 

Und  Storck's  Kampf  gegen  den  also  aussehenden  Camöes  der  Legende 
scheint  mir  aussichtslos.  Wenn  er,  hingerissen  von  der  grossartigen  Pracht 
seiner  Werke,  von  den  hochherzigen  Gedanken  und  den  durch  und  durch 
edlen  Gefühlen  der  lyrischen  und  epischen  Gedichte,  im  Lusiadensänger  einen 
Ehrenmann  zeichnet  —  integer  vitae  scelerisque  pirus^  —  der  zwar  dann  und 
wann  das  moralische  Gleichgewicht  verloren  hat,  und  sich  von  seinem  hitzigen 
Temperament  und  von  seiner  gewandten  Zunge,  zur  Leichtlebigkeit  und  zu 
manchem  schwereren  Fehl  hat  hinreissen  lassen,  diese  menschlichen  Schwächen 
aber  reichlich  gesühnt  hat ;  wenn  es  ihn  empört,  dass  gewisse  Beurteiler  aus 
dem  geistig  und  körperlich  robusten  Genius,  der  16  Jahre  das  mörderische 
Klima  des  Orients  und  See-  wie  Kiiegsgefahren  erduldet  hat  und  dabei  un- 
ausgesetzt im  höchsten  Sinne  des  Wortes  geistig  thätig  war,  einen  Raufbold  und 
Mordgesellen  und  ungetreuen  Verwalter,  kurz  einen  halben  Galgenvogel  ä  la 
Vi  Hon  und  Bacon  machen  —  so  muss  man  zustimmen.  Und  viele  seiner 
Berichtigungen  im  Einzelnen  sind  unwiderleglich.  Doch  nicht  alle.  Storck 
glaubt  an  regelrecht  zurückgelegte  Universitätsstudien.  Es  scheint  ihm  undenk- 
bar, dass  der  Wenigbemittclte  hernach  in  den  Tag  hinein,  bei  und  von 
reichen  Gönnern  und  Freunden  lebte,  ohne  Stellung  und  Broterwerb;  undenk- 
bar auch,  dass  der  Bettelarme  dennoch  einen  Sklaven  mit  nach  Europa  brachte. 
Er  macht  ihn  daher  zum  Hauslehrer  in  Lissabon,  lässt  ihn  in  Indien  Schreiber- 
dienste thun  und  vom  Erworbenen  seiner  alten  Mutter  (oder  Stiefmutter)  mit- 
teilen; er  nimmt  an,  der  leichtblütige  Südländer  habe  sich  um  etwaiger  Geld- 
schulden willen  grosse  Gewissensbisse  gemacht,  und  sei  seinen  Pflichten  als 
Oberverwalter  mit  preussischer  Beamtentreue  nachgekommen.  Die  Liebe  zur 
schönen  Sklavin  Barbara  (die  von  Splitterrichtern  gemissbilligt  und  von  Camöes 
so  zart  verteidigt  ward)  verlegt  er  in  die  Zeit  nach  Katharinas  Tode  (1562J,  und 
hält  sie  für  eine  einmalige,  kurze,  schwerbereute  Verirrung.  Er  will  es  nicht  wahr 
haben,  dass  der  Dichter  freiwillig  zum  Krieger  ward,  sondern  fasst  die  Dienst- 
jahre in  Afrika  und  Indien  wie  Strafhart  auf;  und  beruft  sich  auf  Poesien, 
aus  denen  Sehnsucht  nach  ländlichem  Stillleben  spricht.  Eine  Civilversorgung 
und  Katharinas  Hand  soll  sein  Ideal  gewesen  sein,  und  um  es  zu  erreichen 
habe  er  nach  guten  Führungs-Attesten  gegeizt,  Dienstpapiere  sorgsam  zusammen- 
getragen und  Immediateingaben  gemacht.  Das  Gnadengehalt  von  1 5  000  Reis 
hätte  immerhin  einen  äusserst  bescheidenen  und  ökonomischen  Herrn  vor  dem 
Hungertode  sichern  können,  und  also  preist  Storck  sogar  die  königl.  Gross- 
mut. Durch  den  Nachweis,  die  von  Braga  auf  Camöes  gedeuteten  Epi- 
gramme des  Andrade  Caminha  (»An  einen  Einäugigen«  —  An  den  Rasenden 
—  den  Sprachneuerer  —  den  Selbstbewussten  etc.)  seien  Studien  nach  Martial, 
glaubt  er  festgestellt  zu  haben,  sie  seien  auch  nicht  auf  Camöes  gemünzt, 
noch  auf  ihn  gedeutet  worden.  Kurz,  Not  und  Elend,  Hass  und  Feindschaft, 
Schwächen  und  Fehler  verflüchtigen  sich  unter  seinem  Auge  allzusehr.  —  Irre  ich 
jedoch  nicht  sehr,  so  wird  der  Portugiese  das  sittenstrenge  Ideal  des  deutschen 
Denkers  zwar  bewundern,  das  von  der  portug.  Nation  konstruierte  Charakterbild 
aber  für  einheitlicher  und  für  poetischer  erklären  und  daran  festhalten,  in  dem  Glau- 

*  Das  Urteil,  welches  die  Kritik  aus  diesen  Elementen  zusammensetzt,  ist  freilich 
ebenso  wenig  ein  einheitliches,  wie  das  Portrait,  welches  Maler  und  Bildhauer  aus  den  über- 
lieferten äusseren  Zügen  herstellen.  Die  einen  machen  aus  Canioes  einen  Märtyrer  und 
Heiligen,  andere  einen  korrekten  Höfling  und  wieder  andere  einen  wildgenialen  Künstler,  doch 
ist  dieser  letzte  Typus  der  bevorzugte. 


31 8    LiTrERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    4.    PORT.    LiTT. 

bei),  es  entspräche  der  Wirklichkeit  im  Grossen  und  Ganzen  mehr  als  das,  ohne 
Rücksicht  auf  die  Nationaleigcnschaften  und  oline  Beachtung  der  Lebensauffassung 
der  Lateiner  des   i6.  Jhs.,  im  deutschen  Dichtergemach  geschaute  Bild. 

Auch  will  mir  scheinen,  es  sei  ein  Glück,  dass  das  Schicksal  Camöes 
nicht  gewährte,  was  er,  nach  Storck,  erstrebte,  und  sicherlich  zeitweise  auch 
ersehnt  hat:  »ein  Leben  stillvergnügt  und  unbekannt«.  Ein  Glück,  dass  es 
ihn  hinforttrieb  erst  aus  dem  Vaterlande  und  dann  aus  der  zweiten  Heimat 
in  Goa.  Weder  in  ländlicher  Müsse,  noch  in  dem  sklavenreichen,  üppigen 
Babel-Lissabon,  wo  der  wild  geniale  Jüngling  sich  vor  so  vielen  Fallstricken 
zu  hüten  hatte,  noch  im  verderblichen  Lotterleben  des  schlimmeren  Babel- 
Goa  wäre  Camöes  der  Schöpfer  der  Lusiaden  gewoiden.  Dazu  brauchte  es 
des  Pfahls  im  Fleische,  den  schmerzliches  Heimweh  und  brennendes  Vater- 
landsgefühl bedeuten.  Und  ich  meine  ferner,  wir  brauchen  von  den  Fehlern, 
Schwächen  und  Verschuldungen  des  Dichters  nichts  zu  verschweigen  noch  zu 
beschönigen  oder  abzuschwächen.  Er  hat  sie  gesühnt  und  ausgelöscht  durch 
den  unsäglichen  Jammer  seines  gequälten  Lebens,  durch  die  verbüssten  Strafen 
und  den  reichlichen  Tribut  an  Blut  und  Schweiss  und  Thränen,  den  er  gezahlt. 
Seltene  Adclskraft,  Ausdauer,  Geistesstärke  und  Vaterlandsliebe  hat  er  bewiesen, 
indem  er  25  Jahre,  in  drei  Welten,  unter  Gefahren  und  Beschwerden,  wie 
wenige  Dichter,  ja  vielleicht  keiner  sie  durchgemacht,  festhielt  an  seinem 
patriotischen  Lebensziel  und  Zweck  -  der  Schöpfung  der  Lusiaden.  —  Und 
ungescheut  darf  man  ihn  zu  den  grossen  Genien  rechnen. 

138.  Die  Lusiaden.  Hätte  Camöes  also  die  Wasserstrasse  nicht 
befahren,  die  einst  Vasco  da  Gama  durchmessen,  er  wäre  der  grosse  See- 
maler nicht,  der  mit  so  hinreissender  Anschaulichkeit  und  so  unvergleichlicher 
Treue  alle  Schrecken  und  Reize  des  Ozeans  schildert,  und  nicht  der  gestalten- 
schaffende Naturbeobachter  geworden,  der  das  Stürmekap  im  Riesen  Adamastor 
so  machtvoll  verkörperte.  Sein  Heldengedicht  wäre  nicht  das  vom  indivi- 
duellen Charakter  des  Autors  durchdrungene,  maritime  Epos,  das  es  heute  ist. 
Mit  Storck  bin  ich  der  Ansicht,  dass  erst  1553  auf  dem  Ozeane,  gerade 
nach  den  gemüterschütternden  Eindrücken  der  letzten  wilden  Jahre,  während 
der  sechs  langen,  einsamen  Monate  der  Orientfahrt,  der  Plan  entstand  und 
reifte,  die  Entdeckung  des  Seeweges  als  bedeutsamste  Lusitanenthat  zum 
einigende])  Mittelpunkt  des  Epos  zu  machen.  Der  allgemeinere  Gedanke  hin- 
gegen, die  Nationalgeschichte  überhaupt  zu  einer  Epopöe  auszugestalten  und 
Herold  seines  Volks  zu  sein,  >~>pregäo  do  ninho  meu  patei-no«^  war  viel  älter, 
und  hatte  den  seiner  Kraft  früh  bewussten  Dichter  unbedingt  schon  in  der 
Jugend  gepackt.  Lag  doch  der  Wunsch,  die  von  den  Portugiesen  vollbrachten 
Heldenthaten  gefeiert  zu  sehen,  seit  lange  in  der  Luft.  Wies  doch  der  be- 
sonders seit  1537  zu  Coimbra  eifrigst  gepflogene  Umgang  mit  Dias  und 
Odyssee,  Aeneis,  Pharsalia  und  Argonautica,  der  zur  Abfassung  latei- 
nischer Epen  führte  (s.  ^  145),  gebieterisch  auf  diese  höchste  Preisaufgabe 
des  Dichters  hin.  Hegten  doch  alle  Quinhentistas,  zunächst  und  besonders 
Miranda,  Ferreira,  Bernardes,  Montemör  und  dazu  Joäo  de  Barros 
(s.  u.  g  145)  das  gleiche  Verlangen,  ein  portug.  Virgil  oder  Homer  möchte 
erstehen.  Sich  selber  aberkannten  sie  jedoch,  in  gerechter  Einsicht,  die 
dazu  nötige  Phantasie  und  Schöpferkraft,  und  blieben  bei  ihren  bukolischen 
Vorstudien  und  kleinen  Heiligenepen  stehen.  Ob  nun,  wie  wiederum  Storck 
in  höchst  ansprechender  Weise  darthut,  jener  Wunsch  in  Camöes  zum  festen 
Entschlüsse  ward  gerade  als  er,  nach  beendetem  Studium,  auf  dem  Marsche 
von  Coimbra  nach  Lissabon,  im  herrlichen  Pantheon  des  zweiten  burgundi- 
schen  Herrscherhauses  rastete  und,  nahe  dem  Schlachtfelde  von  Aljubarrota, 
am  Grabe  Heinrichs  des  Seefahrers   und  des  Siegers  von  Ceuta  kniete,    oder 


Luis  DE  CamOes.  319 


anderwärts,  vielleicht  im  stillen  Kämmerlein  bei  seinen  Geschichtsstudien,  schon 
in  der  Vaterstadt,  wo  in  Santa  Cruz  die  ersten  Gründer  des  Reiches  ruhen  und 
der  »Liebesquell«  die  /«^^'-Legende  lebendig  erhält,  —  gewiss  ist,  dass  bereits 
in  Lissabon,  etwa  1 544,  der  Heldensang  ihn  beschäftigte.  Gleich  in  seinem 
ersten  Idyll,  das  ohne  Zweifel  absichtlich  eine  schlichte  Erzählung  in  Oktaven 
ist,  in  denen  er  die  Feder  übt,  verheisst  er  den  historischen  Sang'.  Und  im 
zweiten  Hirtengedicht,  das  er  der  Geliebten  (etwa  1546)  weiht,  nennt  ersieh 
schon  freudetrunken  den  »neuen  Virgil«,  und  erfleht  Kalliope's  Schutz  fiir 
sein  rauhes,  sein  ewiges  Lied*.  Was  er  damals  schrieb,  waren  vermutlich 
historische  Gesänge,  denn  nur  ein  historisches  Gedicht  dachte  er  zu 
gestalten.  Er  wird  das  herrliche  Schlachtgemälde  von  Aljiibarrota,  die  fälsch- 
lich »Episode«  genannte //;^j'-^/^-Ca.f//<?-Erzählung  verfasst,  die  Schlacht  am Salado 
mit  der  Fürbitte  der  Königin  Maria  beim  Vater  für  den  Gatten,  möglicher- 
weise die  vollständigen  Bücher  der  Könige  {C\mto\W  und  IV)  ausgearbeitet  haben, 
doch  werden  dieselben  später,  um  sich  harmonisch  dem  nach  verändertem  Plan 
ausgeführten  Ganzen  einzufügen,  unbedingt  sehr  starke  Umgestaltungen  er- 
fahren haben  (meine  ich).  Solch  Meisterwerk  entspringt  nicht  fertig  dem 
Hirne  seines  Schöpfers :  die  Kunst  mit  wenig  Strichen  so  künstlerisch  vollendete 
Gemälde  zu  zeichnen,  den  Charakter  seiner  Figuren  und  den  Geist  ihrer 
Thaten  in  zwei  Zeilen  zu  bannen ,  erlernt  man  nicht  beim  ersten  Versuch. 
Das  begeisternde  Hochgefühl,  das  den  jungen  Dichter  ohne  Zweifel  bei  seiner 
Arbeit,  im  Bewusstsein  seines  -»engenho  novo  e  ardente«.  ergriff,  die  damals 
überschäumende  Kraft  hat  ihm  sicherlich  viel  weniger  massvolle  und  abgeklärte 
Darstellungen  eingegeben.  Sein  wundervolles  Gedächtnis  wird  ihn  zur  Über- 
ladung mit  unnötiger  Gelehrsamkeit  und  zur  übermässigen  Verwertung  poeti- 
scher Latinismen  und  Gräcismen  verleitet,  und  der  erstrebte  >estylo  grandiloquo«, 
die  -»voz  altisona«.  und  die  »furia  granäe  e  sonorosaa^  die  der  Epiker  braucht 
wenn  seine  »tuba  canora  e  bel/icosa«.  dröhnend  erklingen  soll,  wird  ihn  zu 
stilistischen  Übertreibungen  hingerissen  haben.  Ja,  daran,  dass  es  den  ersten 
epischen  Versuchen  gegenüber  an  Epigrammen  missgünstiger  Neider  und 
an  teils  gehässiger,  teils  redlicher  Kritik  von  Seiten  der  korrekten  hof- 
männisthen  Dichter  nicht  gefehlt  hat,  die  aufCamöes  das  aristotelische  Woit 
vom  Genius  anwendeten  —  quadam  mixtura  dcmentiae  — ,  zweifle  ich  nicht 
(S.  p.  316  Anm.  2).  Verstummte  ihre  Stimme  doch  keineswegs  ganz,  als  20  Jahre 
später  das  vollendete  Meisterwerk  erschien !  (S.  u.)  Die  Kritiker  irren  also, 
welche  behaupten,  das  Epos  sei  in  Indien  begonnen  und  vollendet  worden; 
und  Faria-e-Süusa,  dessen  Ansichten  über  diesen  Punkt  oft  gewechselt 
haben,  belügt  sich  selbst  (zweckbewusstj,  sowohl  wenn  er  von  einer  plötzlichen 
Inspiration  in  Indien  fabelt-',  als  wenn  er  versichert,  Camöcs  habe  die  ganzen 
ersten  sechs  Gesänge  noch  in  Portugal  beendet.  Auch  Juromenha's  Ver- 
mutung, gerade  der  erste  Gesang  wäre  schon  in  Portugal  fertig  gewesen,  trifft 
nicht  zu;  und  noch  viel  weniger  Braga's  Versicherung,  derselbe  sei  1552/3 
im  Lissabonncr  Gefängnis  entstanden,  unter  dem  Eindrucke,  den  die  Lektüre 
von  Barros'  Asia  auf  Camöes  gemacht  hatte*.  Der  erste  Gesang  gerade 
entstand  bestimmt  später  im  Orient  (am  Ras-ef-Filf),  gleichviel  ob  Camöes  die 
erste  Dekade,  deren  viertes  Buch  die  Fahrt  Vasco  da  Gama's  berichtet,  im 
Kerker  las,  wie  nicht  unglaublich  ist  '^,  oder  erst  auf  der  Seereise,  wie  ich  für 

'    S.   Idyll   V  A  quem  darei  queixumes  namorados  Z.   7—40. 

^  Idyll  VI  Ca?itando  par  um  valle  docemente  Z.  14-I9;  I4— 32  und  332 — 338.  Vgl. 
Storck,  Leben  §   161   und   170 — 172. 

'  Vgl.  Storck,  Leben  §  222. 

^  Auch  der  Gedanke,  die  Eingangsstrophen  seien  gleich  damals  gedichtet  woitlen, 
und  zwar  für  den  Kronprinzen  (D.  Joäo),  ist  unberechtigt. 

^  Die  erste  Dekade  erschien  tatsächlich  am  28.  Juni  1552,  l6  Tage  nachdem  CamGes 


320    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  4.    PORT.    LllT. 


glaublicher  halte.  Ein  Kenner  vaterländischer  Geschichte  war  der  mit  reichem, 
allgemeinen  humanistischen  Wissen  ausgerüstete  Dichter  schon  damals  und  es 
ist  sehr  möglich,  dass  er  sich  auch  mit  den  indischen  Ereignissen  bereits  in 
der  Heimat  vertraut  gemacht  hatte  (aus  Castanheda's  1551  gedruckter 
y>Historia  do  Descobrimento«  ^  aus  den  »Lendas«  des  Gaspar  Correia  und 
aus  anderen  handschriftlichen  Berichten);  und  dass  er  Barros  mit  Eifer  las,  ist 
einfach  selbstverständlich;  doch  erweiterte  und  vertiefte  er  die  aus  Büchern 
gewonnenen  Kenntnisse  über  die  Geschichte,  Geographie  und  Ethnographie 
Indiens  unl^edingt  systematisch  erst  an  Ort  und  Stelle,  indem  er  Land  und  Leute, 
die  portug.  Conquistadoren,  sowie  die  besiegten  Völker  in  Krieg  und  Frieden 
beobachtete ,  und  zu  Goa  im  Archiv  der  Vicekönige  forschte.  Mit  langer 
Geduld,  hartnäckiger  Arbeit  und  heller  Selbstkritik,  linme  labor  et  mora  nicht 
scheuend,  führte  er  in  15  Jahren  den  einfachen,  lichtvollen  und  schöpferischen 
Grundgedanken  durch,  den  er  der  Meerfahrt  dankte.  Der  grösste  Teil  der 
Lusiaden  entstand  also,  meiner  Ansicht  nach,  während  der  indischen  Periode, 
teils  in  Goa,  teils  am  Kap  Guardafui,  besonders  aber  in  der  Müsse  zu  Macau, 
und  abermals  zu  Goa.  —  Die  Straf-  oder  Verbannungszeit  erhielt  auf  diese 
Weise  einen  heiligenden  Zweck  und  einen  versöhnenden  Inhalt,  der  den  oft 
noch  leidenschaftlich  ergrimmenden  Dichter  über  alle  eigenen  Irrungen  und 
über  alle  Zweifel  am  Vaterland  und  an  der  portug.  Nation  immer  wieder 
hinforthob.  Erst  als  sein  Werk,  das  er  somit  ein  Vierteljahrhundert  durch 
Länder  und  Meere  getragen ,  in  Kerker  und  Verbannung  gefördert,  und  aus 
den  Wogen  gerettet  hatte,  so  gut  wie  vollendet  dalag,  litt  es  ihn  nicht  länger 
der  Heimat  fern.  Der  Wunsch,  das  so  oft  schon  gefährdete  Werk  seines 
Lebens  durch  Drucklegung  vor  Untergang  zu  bewahren ;  dem  König  und  dem 
Volke  der  Portugiesen  sein  Lied  zu  weihen,  als  unwiderleglichen  Beweis  heisser 
Liebe;  und  seinem  viel  geschmähten,  oft  in  den  Staub  gezogenen,  den  Qualen 
der  Verleumdung  und  den  schlimmeren  Bitternissen  gerechter  Anklagen  aus- 
gesetzten Namen  Camöes  wieder  zu  Ehren  zu  bringen,  und  auf  ewig  mit 
dem  der  patria  zu  vereinen,  trieb  ihn  nach  Hause.  —  In  Mo^ambique  feilte 
er  nur  noch  an  Einzelheiten.  1570  erhielt  er,  durch  Vermittelung  des  edlen 
D.  Manoel  de  Portugal,  die  Erlaubnis,  sein  Gedicht  König  Sebastian  zu 
widmen.  Da  erst  wird  er  die  letzten,  melancholischen,  ob  auch  immer  noch  stolzen 
Schlussstanzen,  geschrieben  haben.  Vor  Juli  1572  begann  der  Hochgesang 
vom  Mut  und  von  der  Treue  der  Portugiesen  seine  Runde  durch  die  Welt.  — 
139.  Seinen  epischen  Stil  hatte  Camöes  nach  Virgil  gebildet,  dessen 
würdevolle  Eleganz  und  Klarheit  ihm,  wie  allen  Portugiesen  von  heute  und 
gestern,  erstrebenswerter  erschien  als  der  nicht  nachzuahmende  urkräftige  Zauber 
der  altgriechischen  Epen.  Gar  manches  Gleichnis  und  manche  Phrase  ist 
dem  Mantuaner  einfach  entnommen.  Das  metrische  Gebilde  erborgte  Camöes 
von  Ariosto.  Und  eine  vorzüglichere  Strophe  als  die  octava  rima  wäre  fiir  die 
südromanischen  Lateiner  auch  nicht  zu  finden  gewesen.  Alles  Übrige  ist  des 
Dichters  eigenstes  Werk.  Die  Grundidee  der  Lusiaden  ist  neu.  Niemand 
vor  noch  nach  Camöes  hat  es  gewagt,  Volk  und  Vaterland,  d.  h.  eine 
ganze  Nation  zum  epischen  Helden  zu  machen.  Denn  Vasco  da  Gama 
ist  zwar  der  Führer  des  heroischen  Unternehmens,  das  den  Mittelpunkt  der 
Handlung  bildet,  aber  keineswegs  der  Held,  wie  etwa  Aeneas  (obwohl  er 
sogar  vom  Dichter  selbst  mit  diesem  verglichen  wird  I,  12)  oder  gar  wie 
Odysspus  und  Achilles.  Held  des  Epos  sind  die  Lusiaden,  wie  der  Titel 
»Os  Lusiiuias<s.^  und  die  beiden  Eingangsstrophen  es  aussprechen,  und  das  ganze 

seine  Untat  begangen;  und  die  zweite  folgte  am    24.   März   1553,  trotz  Storck's  Gegen- 
behauptung (in  §  203J,  deren  Ursprung  und  Quell  mir  unbekannt  ist. 

'  Soweit  ich  sehe,  war  Camöes  der  erste,  welcher  für  Lusus- A  bkömmli  n  ge, 
aus   den    epischen   Versuclien   der    Neu-Lateiner   statt  der  in    allen  gelehrten  Piosaschriften 


Luis  de  Camöes.  321 


Epos  CS  bezeugt.  Ich  singe:  as  armas  e  os  baröes  (im  Plural)  und  nicht:  artna 
virumque  cano.  Freiwillig  verzichtete  der  Dichter  auf  die  Kunst,  den  Leser  für 
eines  einzelnen  Menschen  Charakter  und  Schicksal  zu  erwärmen,  und  seine  Kom- 
pisition  ist  demgemäss  gänzlich  verschieden  von  allen  vorbestehenden  Epen. 
Geschichte,  d.  h.  Wahrheit  wollte  er  singen,  nicht  fabulieren,  wie  er 
wieder  und  wieder  betont  hatl.  Gleichwie  alle  Naturerscheinungen,  die  er 
schildert,  durch  höchste  Genauigkeit  glänzen  (was  Humboldt  bestätigt)  so 
hat  er  sich  auch  an  den  Thatsachen,  die  er  erzählt,  nicht  die  leiseste  ästhe- 
tisierende  zweckvolle  Abweichung  gestattet,  noch  seiner  Phantasie  erlaubt,  seine 
Personen  zu  Heroen  zu  idealisieren,  oder  frei  erfundene  Menschengestalten 
zu  den  historischen  Schaaren  hinzuzufügen,  die  er  heraufbeschwört,  und  denen 
er  allen  von  seinem  Herzblut  zu  trinken  giebt.  Schatten  sind  sie  und 
bleiben  sie  trotzdem  für  alle  diejenigen,  denen  Portugal  Hekuba  ist,  aber  auch 
nur  diesen  2.  Jeder  gebildete  Portugiese  (oder  Portugiesenfreund)  wird  elek- 
trisiert von  dem  heissen  patriotischen  Mitempfinden,  kraft  dessen  der  Dichter 
auch  die  historischen  Partien  seines  Werkes  mit  Poesie  geradezu  gesättigt  hat. 
Damit  aber,  was  durch  solche  absichtliche  Gebundenheit  leichtlich  dichte- 
risch eingekleidete  Geschichte  geblieben  wäre,  ja  in  Reimchronik 
hätte  ausarten  können,  zu  wahrer  Dichtung  heranwüchse,  erfand  Camöes, 
als  echter  Sohn  seiner  Zeit  und  enthusiastischer  Bewunderer  der  antiken 
Mythologie,  aus  der  er  auch  für  seine  Lyrik  Kleinodien  und  Zierrat  mit  vollen 
Händen  griff,  die  das  Ganze  umrankende  Göttermaschinerie,  an  deren  Aus- 
malung die  sonst  zurückgedrängte  Phantasie  sich  gütlich  thut.  Neben  die  Real- 
gestalten der  Portugiesen  stellt  er  eine  Sei? aar  göttlicher  Wesen  und  symbo- 
lischer Figuren.  Meist  sind  es,  wie  die  erstcren,  Männer.  Damit  aber  das 
sonst  gänzlich  fehlende  weibliche  Element  seinen  unentbehrlichen  Zauber  in 
einer  den  verliebten  Portugiesen  genehmen  Weise  entfalten  könnte,  musstc 
die  Mutter  der  Liebe  selbst  in  berückendster  Schöne  auftreten,  in  der  Rolle 
einer  Beschützerin  und  Belehrerin,  Erhalterin  und  Fortpflanzerin  der  portug. 
Helden.  —  Neben  Venus  ist  Mars  der  Helfer  und  Freund  der  Lusitanier,  Bacchus 
aber  ihr  grimmer  Feind,  der  Lug  und  Trug  gegen  sie  sinnt  und  spinnt.  Und 
was  hätte  der  nach  Wahrheit  dürstende  Dichter  Passenderes  und  Poetischeres 
erfinden    sollen   als   diese  der  Wirklichkeit  entsprechenden  allegorisch-symbo- 


seit  mindestens  1481  üblichen  Form  Lusitanos  das  präzisierende  Patronymikum  Lusiadas 
in  die  Vulgärsprache  hinübernahm  (s.  ob.  p.  277).  Jene  hatten  es  (natürlich  nicht  ohne  Hinblick 
auf  die  Scipiadas  der  AeneisYl  843,  und  Ähnliches)  vom  Landesnamen  Lysa,  Lysia,  d  h.  von 
der  verkürzten  poetischen  Nebenform  zu  Ltisitania  gebildet  (die  ich  schon  bei  AiresBarbosa 
finde),  und  zwar  weil  Lüsiädäs  wohlklingender  ist  und  besser  in  den  Hexameter  passt.  Zuerst 
bestand  neben  Lnsiadae  Lysiadae  auch  Lusiades  Lysiades  (Gen.  PI.  stets  Lusiadum),  bald  aber 
ward  die  erste  Form  die  vorherrschende.  Ich  finde  sie  bei  Jorge  Coelho  (1535)  und  bei 
Andre  de  Resende  (vor  1534),  und  später  sehr  häufig.  Dass  schon  AiresBarbosa 
(t  1530)  sie  angewendet  bat,  ist  wahrscheinlich,  doch  finde  ich  kein  Beispiel  in  den  mir 
bekannten  (l 536  mit  der  yi«//»wr/a  gedruckten)  Poesien.  Aus  dem,  allen  Laien  ungewohnten 
masc.  pl.  TiOs  Lusiadas«-,  entstand  frühe,  im  Gedanken  an  die  Uta  de,  die  schiefe  Bezeichnung 
y>A  Lusiada«  (deutsch:  die  Lusiade,  und  sogar:  die  Luisiade!)  Nicht  erstFaria-e- 
Sousa,  schon  Co  rreia  und  Pedro  deMariz  bedienten  sich  ihrer,  ohne  Skrupel.  Auch 
das  ganz  vervvrerfliche :  tAs  Lusiadas<.<  ist  nicht  ohne  Beispiel.  Der  Titel  Elusiadas,  der 
sich  im  Cancioneiro  Luis  Franco  findet,  weist  auf  die  im  letzten  Viertel  des  16.  Jhs.  kur- 
sierenden ethnographischen  Märchen  Ober  Lusus- Elysa  als  den  Gründer  von  Lys-boa, 
das  in  den  campos  elysios  liegen  und  später  von    U-lys-ses  nur  umgebaut  sein  sollte. 

1  S.  z.  B.  Ltis.  I  9:  «Ich  singe  nicht:  väs  faganhas,  Phantasticas ,  fingidas,  mentirosas, 
denn:  tas  verdadeiras  vossas  säo  tamanhas  que  excedem  as  sonhadas,  fabidosasi,  sowie  V  88 
und  89  „y4  verdade  qne  eu  conto  nua  e  pura  Vence  toda  a grandiloctia  escriptura  und  ferner: 
te  tudo  sem  mentir  puras  verdadesi. 

*  Zu  diesen  »Gleichgültigen«  gehören  manche  der  Schriftsteller,  welche  ihre  Meinung 
über  die  lOO  besten  Bücher  abgegeben  haben.  Einer  darunter  gedenkt  sogar  mit  Abneigung 
des  »langweiligen«  Camöes. 

ÜKünKK,  Grundriss.  IIb,  21 


32  2    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —   4.    PORT.    LiTT. 

lischen  Figuren?  —  Neptun  und  Thetis,  die  Beherrscher  des  Ozeans,  zeigen 
sich  den  Seefahrern  anfangs  feindlich,  werden  aber  so  gänzlich  überwunden,  dass 
schliesslich  auf  der  Insel  der  Liebe  die  Vermählung  Portugals  mit  dem  Meere 
begangen  wird.  Merkur  als  Bote  ist  eine  neutrale  Figur,  wie  die  übrigen  im 
Rathe  der  Olympier  auftretenden  Götter.  —  Diese  Hereinziehung  heidnischer 
Mythologie  in  das  christliche  und  historische  Epos,  und  besonders  gewisse 
Einzelnheiten:  dass  die  Götter  anfangs  dem  Wissen,  Wollen  und  Wirken 
der  Portugiesen  fern  bleiben,  und  hernach  auf  der  Liebesinsel  doch  in  per- 
sönlichsten Verkehr  mit  ihnen  treten;  dass  Bacchus,  der  alle  möglichen  Ge- 
stalten annimmt,  als  christlicher  Priester  am  Zauberaltar  fungiert;  dass  Gama 
zu  Gott-Vater  betet  und  Venus  ihn  erhört;  dass  Thetis  an  sich  selbst  poe- 
tischen Selbstmord  begeht,  indem  sie  sich  (und  alle  Olympier)  für  eitel  Lug 
erklärt  (IX,  89  und  X,  82),  hat  der  Kritik,  seit  Schlegel,  viel  Ärgernis 
bereitet,  obwohl  sie  schliesslich  zugiebt  (wie  auch  ich  thue),  dass  sie  die 
klassische  Schönheit  der  Götterversammlung,  die  raphaelisch  gezeichnete  Für- 
bitte der  Venus,  die  Botschaft  Merkurs  und  die  Jagd  der  Nymphen  nicht 
missen  möchte  und  auch  nichts  Besseres  an  ihre  Stelle  zu  setzen  wüsste. 
140.  Die  zehn  Gesänge  der  Epopöe  -  1102  achtzeilige  Stanzen,  also 
8816  Hendekasyllaben,  mit  fast  durchgängig  weiblichen  Reimen  —  zerfallen 
in  fünf  Gruppen  von  je  zwei  Gesängen.  Die  Handlung,  d.  h.  die  Fahrt 
Gama's  von  der  Südspitze  Afrikas  nach  Mombaga  und  Melinde  bis  Calicut, 
und  rückwärts  zur  Heimat  durch  den  grossen  Ozean,  wo  das  Zaubereiland 
ihn  aufnimmt,  zieht  sich  dramatisch  belebt  eben  durch  das  göttlich-phantastische 
Beiwerk,  durch  die  erste,  dritte  und  fünfte  Gruppe  ohne  sie  ganz  zu  füllen 
(auch  vom  siebenten  Gesänge  nimmt  sie  noch  ein  Stück  in  Anspruch).  Die 
dazwischen  liegende  zweite  und  vierte  Gruppe  enthält,  ohne  alle  übernatür- 
liche Einmischung,  das  in  drei  bis  fünf  Teile  zerlegte  Gesamtgemälde  portug. 
Geschichte,  von  Lusus  bis  Vasco  da  Gama:  a)  Dem  König  von  Melinde 
erzählt  Vasco  auf  die  übliche  epische  Frage:  »Wer  bist  Du?  von  wannen 
kommst  Du?«  die  Geschichte  der  Nation  von  Affonso  Henriques  bis  zur 
Stunde  seiner  Ankunft,  also  auch  noch  den  ersten  Teil  seiner  Fahrt  {Canto 
III  und  IV,  und  noch  V  bis  Str.  85);  b)  Dem  Samorim  von  Calicut  deutet 
Paulo  da  Gama  die  Bilder  der  portug.  Feldzeichen,  und  holt  dabei  im  Buch 
der  Helden  [Canto  VIII)  nach,  was  sich  von  opferfrohen  Portugiesen  melden 
lässt,  die  den  Ruhm  des  lusitanischen  Namens  mehrten  (abermals  von  Lusus 
herauf  bis  zu  den  Afrika-Streitern);  c)  Dem  Gama  selbst  zeigt  und  singt  in 
prophetischer  Vorschau  eine  vom  Seegreis  Proteus  unterwiesene  Nymphe 
[Canto  IX  und  X)  die  Geschicke  Indiens,  und  entwirft  ihm,  mit  Zuhilfenahme 
eines  Zauber- Weltenglobus  nach  ptolemäischem  System,  ein  Bild  der  afiikani- 
schen  und  asiatischen  Völker  und  Regionen,  über  welche  die  portug.  Herr- 
schaft sich  bis  1560  erstrecken  würde;  d)  Prophetisch  verkündet  auch  der 
Riese  Adamastor  den  tragischsten  aller  Schiffbrüche,  welche  Südafrika  gesehen 
{natifragio  de  Sepülveda,  Canto  V);  e)  Die  halb  sagenhafte,  halb  historische 
Geschichte  der  »Zwölf  von  E^ngland«  wird  ferner  als  Märchen  auf  dem 
wogenden  Schiffe  von  einem  redegewandten  Zeitgenossen  erzählt  (VI,  48), 
die  lange  Fahrt  dem  Leser  anmutig  zu  verkürzen  1.  Zwischendurch,  zu  An- 
fang und  zu  Ende  der  Gesänge,  aber  auch  mittendrinn,  unterbricht  sich  der 
Dichter  bisweilen  und  ruft  Kalliope  oder  die  Musen  insgesamt,  oder  auch  die 
portug.  Frauenwelt  an,  damit  sie  ihn  von  Neuem  mit  Begeisterung  füllen; 
oder  er  verwebt  Fäden  aus  seiner  eigenen  Odyssee  —  wie  den  Schiffbruch 
am   Mekong    und    die    ungerechte   Amtsentsetzung  —  in  das  Gesamtgewebe; 


1  S.  dariilier  Braga,  Hist.   Cam.  II  p.  431. 


Luis  de  Camöes.  323 


und  die  Herzenslaute  verhaltener  Klage,  die  gerade  in  solchen  Zwischenstrophen 
erklingen,  sowie  die  loyalen,  doch  furchtlosen  Anrufe  an  König  und  Volk, 
erhöhen  den  ergreifenden  Schwung  der  Dichtung,  zu  deren  Durchführung 
vor  allem   »Seelcnstärke«  gehörte. 

141.  Die  geistliche  Censurbehörde,  in  deren  Namen  der  kluge  Domini- 
kaner Fray  Bartholomeu  Ferreira  sprach,  fand  an  den  Lusiaden  nichts 
Anstössiges  noch  dem  Glauben  und  den  guten  Sitten  Zuwiderhandelndes. '  Sie 
sind  also  unverstümmelt  auf  uns  gekommen:  die  Strophen,  in  denen  der  Dichter 
erklärt,  die  heidnischen  Götter  seien  Dichterfiktionen,  sind  kein  erzwungener 
Zusatz:  und  der  Text  der  ersten,  vom  Dichter  besorgten  Ausgabe  von  1572 
muss  als  Standard-Text  dienen,  an  dem  man  nur  die  (nicht  wenigen)  Druck- 
fehler zu  berichtigen  hat,  nebst  einigen  Stellen,  die,  weil  verstümmelt,  Anlass  zu 
kritischen  Eiörterungen  über  ihren  Wortlaut  und  Sinn  gegeben  haben '^.  Ein 
Autograph,  wonach  das  geschehen  könnte,  existiert  nicht.  Auch  alte  Abschriften 
fehlen,  die  etwa  abweichende  Textgestaltungen  enthielten.  Solche  ursprüng- 
lichere, später  verworfene  Redaktionen  einzelner  Strophen  oder  grösserer  Ab- 
schnitte (die  unbedingt  existiert  haben  müssen,  und  die  ebenso  unbedingt,  nach 
Ansicht  des  Dichters,  das  Schlechtere  bedeuteten)  hat  Camöes  höchstwahr- 
scheinlich vernichtet,  sobald  das  Bessere  geschaffen  war.  Nur  vom  ersten 
Gesänge  bietet  der  zwischen  1557  und  89  hergestellte  Cancioneiro  Luis  Franco 
eine  Kopie  mit  eigenartigen  Varianten.  Zwei  weitere  Handschriften  entdeckte 
Faria-e-Sousa  1638,  und  holte  daraus  70  Plus-Strophen  (nebst  11  bemerkens- 
werten Lesarten)  die  er  sämtlich  für  alte,  vom  Dichter  verworfene  Estancias 
omittidas  erklärte 3.  Andere  haben  darin  nach  1572  gefertigte  Zusätze  er- 
kennen wollen,  in  falscher  Deutung  der  Thatsache,  dass  Camöes  im  Epos 
(und  sicher  ausführlicher  und  klarer  in  dem  sein  Werk  geleitenden  Bittgesuch) 
König  Sebastian  versprochen  hatte,  Zusätze  zu  den  Lusiaden  zu  liefern,  falls 
Jener  liedeswürdige  Thaten  (in  Afrika)  vollbrächte*.  —  Ich  bin  der  von  Storck 
verfochtenen  Ansicht,  dass  sie  plumpe  Fälschungen  des  Faria-e-Sousa  sind. 
Was  man  vermutlich  vor  1553  an  den  ersten  Entwürfen  und  Teilstücken  der 
Lusiadas  tadelte,  warf  man  auch  dem  vollendeten  Werke  noch  vor:  die  Kühn- 
heit der  durch  117  Neologismen  bereicherten  Sprache  und  die  Überladung 
mit  klassischem  Wissen.     Dazu  fand  man  hie  und  da  das  Urteil  des  Camöes 


'  Vgl.  über  den  Censor  Circ.  Camoniatw  1  p.  213-225.  253—60  und  364—372,  wo- 
selbst S  o  u  s  a  V  i  t  e  r  b  o    iorgsamst  Notizen  über   seine    Thätigkeit  zusammengetragen  hat. 

2  Neben  dieser,  recht  flüchtig  gedruckten  Editio  Princeps  von  1572  (in  deren  Titel- 
blatt der  Pelikan  nach  rechts  gewendet  ist),  steht  eine,  allem  Anschein  nach  gefälschte,  gleichen 
Datums  (mit  nach  links  gewandtem  Pelikan).  Sie  weicht  auch  sonst  im  Einzelnen  ab,  trotz 
des  siciitlichen  Bestrebens  treu  nachzuahmen  und  ist  eine  Buchhändler-Spekulation,  die  im 
besten  Falle  unternommen  ward,  um  (1582),  bei  Anlass  der  Privileg-Erneuerung,  der  ge- 
fürchteten,  innuer  engherziger  werdenden  Censur,  auszuweichen.  Diese  Hess  denn  auch  1584 
das  I'oem  verunstalten,  durch  die  Hand  desselben  Censors ,  der  sie  1572  approbiert  hatte, 
löyi  und  97  erschienen  Wiederabdrücke;  1589  parodierten  drei  übermütige  Jesuitenzöglinge 
den  ersten  Gesang  (vertido  de  humano  em  0  de-vinho)\  1613  ward  der  brauchbare,  doch 
philiströse  Kommentar  des  gelehrten  Manoel  Correa  gedruckt  (reprod.  1720);  1621  soll 
ein  anderer  Man  o  el  Correa  (Montenegro)  es  gewagt  haben,  das  Epos  stilistisch  um- 
zuarbeiten, und  z.  B.  alle  sdruccioli  auszumärzen,  doch  blieb  sein  opus  ungedruckt;  1631  schrieb 
Franco  Barreto  Inhaltsangaben  der  Gesänge  in  Oktaven;  1639  kam  die  grosse,  spanisch 
kommentierte,  textfeilende  Ausgabe  des  Faria-e-Sousa  heraus,  die  2  Jhe.  lang  die 
beliebteste  blieb,  und  nach  der  sehr  viele  Neudrucke  besorgt  wurden.  Heute  existieren  beinahe 
100  verschiedene  Drucke.  Übersetzt  ward  das  ganze  Epos  45  Mal  in  13  europäische  Sprachen. 
Deutsch:  von  Heyse  1806,  Kuhn  und  Wink  1er  1807,  Donner  1833,  Booch-Arkossy 
1857.  Eitner  1869,  Wollheim  da   Fonseca   1880,  Storck   1883,    v.  Beizig   1886. 

»  S.  Storck  §  22. 

*  S.  Circtdo  Camoniano  I  p.  72 — 78:  Dr.  Joäo  Teixeira  Soares,  As  estancias 
omittidas  na  Epopeia  de  Cam~>es.  B  r  a  g  a  stimmt  ihm  bei  in :  Camöes  e  0  Sentimento  nncioiial 
p.   lü|— 108. 

21* 


324    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN   VÖLKER.  —    4.    PORT.    LlTT. 

Über  gewisse  Helden  ungerecht.  Wahr  ist,  dass  die  Lusiaden  kein  der  grossen 
Masse  zugängliches  Buch  sind;  und  was  man  über  seine  Popularität  berichtet,  ist 
Fabel.  Für  die  portug.  Sprache  aber  hat  es  Unendliches  gethan.  Zu  klassischer 
Schönheit  hat  erst  Camöcs  die  portug.  Dichtersprache  herangebildet. 

142.  Die  Lyrik  des  Camöes.  Auch  seine  lyrischen  Gedichte  ge- 
dachte Camöes  herauszugeben.  Nachdem  er  sein  »rauhes  Lied«  beendet 
hatte,  sammelte,  ordnete,  sichtete,  überarbeitete  und  kopierte  er  dieselben  1567 
bis  1569,  in  der  zweijährigen  von  Krankheit  und  Elend  zerrissenen  Jammerzeit 
in  Mogambique  (so  ich  die  Aussagen  des  Geschichtsschreibers  Couto  richtig  deute'). 
Die  losen  Liederblätter,  die  er  in  Coimbra  in  der  schönen  Zeit  der  jungen  Liebe 
geschrieben,  und  dann  beim  Abschied  von  der  trauten  Musenstadt;  in  Lissabon 
während  der  reichen  Jahre  ungebändigten  Wagemuts,  stolzen  Wollens  und 
schweren  Fehlens;  im  Ribatejo  als  Verwiesener,  Heimweh-  und  Liebeskranker; 
in  Afrika  als  mannhaft  sühnender  und  hoffnungsvoll  in  die  Zukunft  blickender 
Kämpfer;  und  abermals  in  Lissabon  in  der  tollen  und  verhängnisvollen  Epoche 
trotziger  Auflehnung  gegen  Sitte  und  Gesetz,  zum  Teil  im  Gefängnis,  im 
Schmerzgefiihl  eigener  Verschuldung;  auf  dem  Ozean;  in  Indien;  am  Kap 
Guardafui;  auf  den  Molukken;  am  Mekong  —  und  wo  sonst  immer  er  seinem 
übervollen,  so  masslos  leicht  erregten  Herzen  Luft  gemacht  hat  in  Liebe, 
Hass,  Unmut,  Zweifel,  Eifersucht,  Reue,  Empörung  und  Ergebung,  in  Heim- 
weh und  Melancholie,  sein  Papier  oft  genug  mit  Thränen  netzend,  die  um 
so  rührender  sind,  weil  sie  aus  » schwesterlosem «^  Auge  über  das  wettergebräunte 
Gesicht  eines  alten  Seemanns  und  Soldaten  rinnen  —  er  wollte  sie  uns 
überliefern.  Vermutlich  sollten  sie,  die  bislang  nur  handschriftlich  an  Freunde 
und  Liebhaber  der  Dichtkunst  gekommen  waren^,  nach  den  Lusiaden,  in  der 
Hauptstadt  erscheinen,  unter  dem  schönen  und  damals  neuen  Titel  »Parnasso 
de  Luis  de  Camöes«  ^.  Dieser  Parnass  aber  kam  ihm  thatsächlich  abhanden, 
»durch  notorischen  Diebstahl«,  wie  Couto  behauptet!  Man  ist  gezwungen 
anzunehmen,  dass  schändlicher  Neider  frevelnde  Hand  den  kostbaren  Schatz 
spurlos  vernichtete.  Und  das  ist  wahrlich  der  Schmach  und  des  Verlustes 
genug  ftir  die  portug.  Litteratur.  Dass  der  ehrlose  Räuber  jedoch  das  ge- 
stohlene, umfangreiche  Werk  erst  kopiert,  oder  die  Beute,  d.  h.  die  Original- 
Blätter  an  eine  ganze  Bande  kundiger,  aber  eifersüchtiger  Dichter  verteilt  habe, 
die,  nach  dem  Tode  des  Autors,  seine  Lieder  als  ihr  eigenstes  Werk  publiziert 
hätten,  scheint  mir  eine  einfaltige  Vermutung.  Dennoch  hat  man  dies  von 
Faria-e-Sousa  in  Umlauf  gesetzte  Gerücht  über  Massen-Plagiate  ziemlich 
anstandslos  verbreitet*.  —  Ein  autographes  Gesamt-  oder  Teil-Manuskript  des 

>  S.  Decada  VIII  und  vgl.  Storck  §  349- 

^  Nur  eine  ad  hoc  gemachte  Gelegenlieitsode  an  den  Vicekönig  von  Indien  (Conde  de 
Redondo,  einen  leinsinnigen  Beschützer  (les  Dichters)  zum  Pieise  des  Dr.  Garcia  da  Orta 
und  seines  Prosnvverkes  d Colloquios  dos  Simplices  e  Drogasv.  war  mit  diesem  Werke  1563  zu 
Goa  gedruckt  worden.  Ein  Sonett  »Ditosa  pennai.  an  den  Kalligraphen  Manoe!  Barata  er- 
schien 1572  mit  dessen  -»Polygraphia«-.  Eine  F^legie  an  D.  I^eoniz  Pereira  zur  Empfehlung 
der  -nHistoria  de  Santa  Cruz«  von  Pedro  de  Magalhäes  Gandavo,  mitsamt  dem 
.Sonette   »  Vos  Nymphas  da  Qangetica  espessura<i  folgte   lö?*!-     Dabei  blieb  es. 

*  Braga  nimmt  fiir  gewiss  an,  der  Dichter  hätte  in  seinen  Parnasso  nur  Dichtungen 
nach  klassisch-italienischer  Manier,  also  in  5füssigen  Jamben  aufgenommen,  die  Lieder  aber 
siclierlich  einem  besonderen  Cancioneiro  einverleibt.  Vgl.  z.  B.  »ßibl.  da  Actualidade«  Bd.  4 
p.  207.  Durcliaus  willkürlich!  Kein  einziger  analoger  Fall  berechtigt  zu  dieser  Vermutung. 
Auch  nicht  ein  Quinhentista  verfuhr  also,  und  schloss  seine  peninsularen  Gedichte  aus  seinen 
Werken  aus.  V'ielmehr  begriff  Mf)ntemör  gerade  in  seinen  Cancionero  auch  die  ital. 
Weisen  ein,  nach  dem  Vorbild  des  span.  Cancionero  General  von  1537,  dem  sich  alle  späteren 
Drucker  (I557J  sowie  die  hs.  Liederbücher  anschlössen.  Man  thut  also  gut,  jene  unbegründete 
Behauptung  nicht  länger  nachzusprechen. 

*  Besonders  drei  Diciiter  sind  dieses  Verbrechens  beschuldigt  worden :  Bernardes, 
Alvares  do  Oriente  und  Rodr  igu  es  Lo  bo,  d.h.  die  Besten,  die  den  kamonianischen 


Luis  de  Camoes.  325 


Parnasso  ist  nicht  wieder  zum  Vorschein  gekommen  ^  —  nur  spätere,  zum  Teil 
recht  schlechte  Abschriften  einzelner  Gedichte  in  den  Cancioneiros  der  Sammler. 
In  gerechtem  Unmut  über  so  niedrigen  Verrat  scheint  der  Dichter  nicht  den 
Versuch  gemacht  zu  haben,  aus  der  Hand  der  Freunde  und  Gönner  die  ihnen 
im  Lauf  der  Jahre  gewidmeten  Originale  zurückzuerhalten,  um  abermals  an 
seinen  Rinias  zu  feilen,  zu  sichten  und  sie  herauszugeben.  Wir  wissen  also 
nicht,  welche  chronologische,  oder  sachliche,  oder  ästhetische  Ordnung 
Camöes  seinen  Gedichten  gegeben,  welche  Auswahl  er  getroffen,  und  welche 
Textgestaltungen  er  bevorzugt  hätte.  Erst  15  Jahre  nach  seinem  Tode  fing 
ein  wohlmeinender  und  im  Ganzen  einsichtiger  Dichter  und  Schüler  des 
Meisters,  Fernäo  Rodrigues  Lobo  Soropita,  an,  aus  den  livros  de  mäo 
der  Genossen  in  Portugal  und  Indien  einen  hübschen  Band  mit  172  Rimas- 
zu  sammeln,  den  er  dem  Stifter  der  ersten  Grabplatte  D.  Gon(jalo  Coutinho 
widmete.  Er  teilte  dieselben  nach  der  äusseren  Form  in  64  (resp.  65)  Sonetos, 
10  Canföes]  i  Sextina,  5  Ödes,  3  Elegias  (nebst  i  Capitulo),  3  Octavas,  8 
Eglogas  und  72  Redondilhas.  Nach  und  nach  ftigten  andere  Herausgeber  noch 
sonstige  Überreste  hinzu:  der  Buchhändler  Estovam  Lopes  bot  im  Jahre 
1598  weitere  70  Gedichte  und  i6i6  Domingos  Fernandes  noch  58;  1663 
druckte  Antonio  Craesbeeck  de  Mello  (und  nicht  erst  1666  Franco 
Barreto)  ein  neues  Sonett;  1668  veröffentlichte  D.  Antonio  Alvares  da 
Cunha  118  lyrische  »Ineditos«,  von  denen  eine  grosse  Schaar  aus  dem  nach- 
gelassenen achtbändigen  Manuskripte  der  kommentierten  Rimas-kwsgz.hc  des 
Faria-e-Sousa  herzustammen  scheint;  1685  wurden  davon  die  ersten  5  Teile 
gedruckt  mit  77  unbekannten  Gedichten,  während  aus  den  heute  verschollenen 
letzten  drei,  1779  nur  Bruchstücke  (7  Eglogas)  vom  Pater  Thomas  de  Aquino 
ausgewählt  wurden  3,  Die  ersten  vier  verfuhren  bei  dieser  Vermehrung  mit 
Einsicht,  guter  Absicht  und  einer  gewissen  Vorsicht,  wenn  auch  keineswegs 
ohne  zu  irren.  Faria-e-Sousa  aber,  dessen  Spuren,  wie  gesagt,  Alvares 
da  Cunha  folgte,  griff  in  blinder  Anbetung  seines  Dichters,  neben  dem  er 
keine  (Grössen  duldete,  ganz  unkritisch  eine  Masse  fremder,  nur  z.  T.  anonymer 
Werke  aus  Handschriften  und  Drucken  heraus,  die  ihm  dieser  Ehre  wert  und 
würdig  schienen,  und  schwärzte   sie  in  die  kamonianischen  Rimas  ein.     Und 


Stil  am  voUkommeiisten  nachgeahmt  haben.  Natürlich  geschaii  das  erst,  seit  1685  die  bezügliche 
Meinung  des  Faria-e-S  oiisa  bekannt  gegeben  war.  Bernardes  hatte  seine  Verse  zwar  erst 
1594  und  96,  als  er  schon  recht  altersschwach  war,  veröffentlicht,  docii  waren  sie  allen  Kollegen 
längst  bekannt,  und  konnten  daher  Überraschungen  nicht  mehr  bieten.  Die  übrigen  Angeklagten 
haben  ihre  Werke  nicht  selber  herausgegeben,  so  dass  die  entschuldigende  Erklärung  angenommen 
ward,  Gedichte  von  Camoes  seien  »zufällig«  unter  ihre  Manuskripte  geraten.  Die  Materialien 
zu  diesem  Prozesse  stehen  im  Kommentar  des  Faria-e-Sousa;  in  der  Camöes- Aus- 
gabe des  Pater  J.  Thomas  de  Aquino  (1779),  in  den  Arbeiten  von  Juromenha  und 
Braga,  bei  Storck,  und  in  meinen  Ca  moes- Opuskeln  (Ztschr.  und  Rmista  da  Sociedade 
de  Instrticgäo  und  Circulo  Camoniano).  Eine  zusammenhängende  Darstellung  Ijegleitet  den 
Zusatzband  zu  meiner  Übersetzung  von  Storck 's  Camoens  Leben. 

'  Wo  die  Herausgeber,  statt  einfach  von  livros  de  mäo,  von  originaes  reden,  meinen 
sie  stets  doch  nur  die  »handschriftlichen  Vorlagen«,  die  zur  Drucklegung  gedient  haben.  Nur 
einer  von  ihnen,  D.Antonio  Alvares  da  Cunha  erklärte  1668  ausdrücklich,  unter  den 
verschiedenen  Codices,  die  er  benutzt,  seien  viele  da  letra  do  tnesmo  Autor  gewesen,  und 
erwähnt  im  Speziellen  eines,  aus  d.  J.  1568,  das  er  durch  Güte  des  Erzbischofs  D.  Rodrigo 
da  Cunha  erhalten  habe.  Das  Gedicht,  welches  er  daraus  bietet  (Elegia  XX:  Saiam  desta 
almd)  ist  aber,  allem  Anschein  nach,  gar  nicht  von  Camöes,  sondern  von  Alvares  do 
Oriente! 

*  Ein  fremdes  Sonett  (von  Qnevedo  de  Castellobranco)  und  drei  fremde  Lieder  (aus 
dem   Cafu.  de  Res.)  mischte  schon  dieser  Herausgeber  unter  das  echte  Hab  und  Gut. 

*  Genaueres  über  den  Inhalt  jeder  einzelnen  der  erweiterten  A'isgaben  bieten  Adam- 
son  11  279  und  29I;  Juromenha  V  415  und  ff.;  Rraga  1  221;  Storck  und  C.  M. 
de  Vascon  Cellos  in  Z.schr.  V — VHI;  und  Braga  danach  noch  einmal  in  Camoes  e  0 
Sentimento  Nacionat.     Nirgends  ward  jedoch  bis  heute  Fehlerloses  und  Vollständiges  gesagt. 


326    LiTTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

leider  wirkte  sein  böses  Beispiel  ansteckend.  Noch  1860  vergrössertc  Juro- 
men  ha  jene  um  96  Stücke;  1873  wurden  von  Braga  weitere  7  Neuheiten  geboten, 
und  1880  von  ebendemselben  abermals  42.  Dazu  trug  Storck  2  Sonette 
nach  (1880),  und  Thomas  Fcrnandes  Pippa  erklärt  seit  1890,  in  einem 
aus  Holland  gekommenen  Codex  27  neue  Kompositionen  mit  dem  Namen 
des  Dichters  entdeckt  zu  haben,  von  denen  2,  vielleicht  wirklich  echte,  probe- 
weise 1890  im  Circulo  Camoniano  gedruckt  wurden'.  Faria-e-Sousa  hatte 
zweckbewusst,  und  daher  mit  einem  gewissen  Takte  und  Geschick  vorwiegend 
solche  Poesien  ausgewählt,  die  zur  Vita  und  zum  Charakterbilde  des  Dichters 
ungefähr  passen^,  und  reinigte  und  feilte  an  den  schlechteren  Stücken  mit  so 
souverainer  Willkür,  dass  er  meistenteils  an  und  für  sich  annehmbare  Stücke 
bietet.  Juromenha  und  Braga  aber  sind  zu  ehrlich  um  so  zu  handeln; 
sie  gehen  plan-  und  wahllos  ohne  jede  Kritik  zu  Werke  und  drucken,  ohne 
die  Stirn  zu  runzeln,  selbst  arg  verstümmelte  Produkte  ab,  die  allen  Musen 
und  der  Grammatik  wie  der  Logik  hohnsprechen,  in  dem  guten  Glauben  den 
verlorenen  Parnasso  wieder  aufzubauen,  durch  die  wachsende  Masse  der  Publi- 
kationen des  Dichters  sein  Leben  noch  farbenreicher  zu  gestalten,  und  seinen 
Ruhm  zu  erhöhen,  während  doch  das  Gegenteil  der  Fall  ist.  Die  vita  und  das 
Charakterbild  wird  verfälscht,  wenn  aus  den  unechten  Stücken  Belegstellen 
gezogen  werden,  und  der  einsichtige  Leser  schreckt  vor  gewissen  Karikaturen 
kamonianischer  Dichtungen  zurück,  die  man  ihm  als  eitel  Schönheit  vorführt. 
Von  den  649  Gedichten,  die  man  Camöes  überhaupt  zugesprochen  hat 
(die  27  ungedruckten  nicht  einbegriffen)  druckt  man  meist  in  seinen  Werken 
598,  und  Storck  übersetzte  ebensoviel^.  Davon  aber  sind  mehr  als  150  (genau 
166)  unglaubwürdige  Apokryphen,  "^  d.  h.  jedes  vierte  Ciedicht  ist  unecht! 
Manche  darunter,  besonders  die  ganz  herrlichen  Idyllen  und  Sonette  des 
Diogo  Bernardes,  und  der  religiöse  Sonettenzyklus  des  Infanten  D.  Luis, 
sind  des  Camöes  durchaus  würdig.  Die  meisten  sind  Mittelwaare.  Und  wieder 
andere  sind,  wie  schon  gesagt,  in  ihrem  heutigen  Zustand,  wertloser  Ballast. 
Ein  Reinigungsprozess  muss  daher  mit  der  kamonianischen  Lyrik  vorgenommen 
werden,  so  schwierig  und  heikel  die  Aufgabe  auch  ist.  Das  Unechte  ist  aus- 
zuscheiden; auch  das  Echte  hie  und  da  noch  zu  berichtigen  und  zu  klären. 
Die  übliche  Ordnung  ist  aufzuheben,    denn   sie   kommt  der  schlimmsten  Un- 


'  Über  die  Apokryphen  äussert  Braga  sich  in  den  Quinhentistas  p.  29 1  310;  Hist. 
de  Cam.  II  p.  32;  in  der  Einleitung  zum  Parnasso,  (1 880)  und  C.  e  o  Sentimento  Nacional. 
Noch  heute  glaubt  er  an  die  Unehrlichkeit  des  Bernardes  und  ist  auch  von  der  Unschuld 
der  übrigen  Dichter  nicht  überzeugt. 

2  -»Doy  todo  lo  que  he  hallado  con  sombra  de  suyo  .  .  .  oder  con  luz  de  suyo^,  bekennt 
er  selber. 

*  Es  sind  356  Sonette;  23  Kanzonen;  15  Idyllen;  27  Elegien;  6  Sextinen,  12  Oden, 
8  Oktaven  und   153  Redondilhas  wozu  2  fremde  an  Camöes  gerichtete  Dichtungen  kommen. 

*  Von  diesen  150  Apokryphen  gehören  40  Dichtungen  dem  Bernardes:  nächst  dem 
religiösen  Epos  über  die  heilige  Ursula,  noch  5  Idyllen,  2  Elegien,  21  Sonette  und  11  Redon- 
dilhas. Mit  je  1  bis  13  Poesien  sind  ferner  vertreten:  Garci  Sanchez  de  Badajoz, 
R  e  s  e  n  d  e  ,  G  a  r  c  i  1  a  s  o ,  M  e  n  d  o  z  a ,  F  i  g  u  e  r  o  a ,  M  i  r  a  n  d  a  ,  F  e  r  r  e  i  r  a  ,  M  o  n  t  e  m  ö  r , 
Quevedo  CasteUobranco,  Falcao  deResende,  Brito,  Estaqo,  Rodrigues 
de  Castro,  Soropita,  Leitäo  de  Andrada,  Alvares  de  Oriente,  Galväo, 
Peres  trello,  D.  Manuel  de  Portugal,  Inf  ante  D.  Luiz,  Marti  m  de  Castro, 
Francisco  de  Andrade,  Mendes,  Rodrigues  Lobo,  Silveira,  Veiga,  Pe- 
reira,  Pin  hei,  Astorga,  Cunha,  Ataide,  Vaz,  Du  que  de  Aveiro,  Con  de 
de  Vimioso,  Silva,  Bernardo  Ro  dr  igu  es,  Jorge  F  ernar  des  ,  Pinheiro  und 
verschiedene  Anonymos  (mit  29  Stücken).  Nur  wer  eiiiigermassen  mit  portug.  Misch-Lieder- 
büchern  vertraut  ist,  wird  darüber  nicht  staunen,  dass  Herausgeber  in  Zweifel  über  die 
Zugehörigkeit  so  vieler  Werke  sein  können.  Die  (vermutlich  allbekannten)  Namen  der 
Autoren  wurden  in  allen  jenen  zum  Privatgebrauch  bestimmten  Poesie-Albums  nieist  gar  nicht 
verzeichnet.     >->Soneto<.<   —   »Outroi   —  »Do  Mesmo»   sind  die  gebräuchlichsten   Überschriften. 


Luis  de  Camöes.  327 


Ordnung  gleich:  unter  den  Eglogas  steht  z.  B.  die  späteste,  die  der  Dichter 
1555  verfasst  hat,  an  erster  Stelle;  die  älteste  hingegen,  wird  die  vierte 
genannt.  Des  Dichters  Laufbahn  ist  in  Perioden  zu  zerlegen  (Coimbraner 
Periode;  Lissabonner  Hofleben;  Verbannung  nach  dem  Ribatejo ;  Ceuta;  Rück- 
kehr nach  Lissabon;  Seesonette  und  Meereselegien;  indische  Periode,  mit 
mehreren  Unterabteilungen;  letzte  Lebensjahre),  und  innerhalb  derselben  ist 
die  Chronologie  möglichst  vollkommen  herzustellen,  unter  Beiseitesetzung  der 
unpersönlichen,  rein  objektiven  Studien  (die  übrigens  zum  grössten  Teile  der 
ersten  Lissabonner  Zeit  angehören).  In  Wilhelm  Storck's  »Kommentar« 
und  »Leben«  ist  an  diesen  Aufgaben  schon  mit  Fleiss,  Glück  und  Sorgfalt 
gearbeitet  worden;  und  dieser  thätigste  und  enthusiastischste  aller  Camöes- 
Freunde  wagt  sich  vielleicht  auch  noch  an  jenes  mühsame  Werk. 

143.  Man  hat  Camöes  mit  den  grössten  Lyrikern  und  Epikern  Europas 
verglichen,  um  ihm  eine  bestimmte  Rangstufe  anzuweisen.  Als  Epiker  räumt 
man  ihm  ziemlich  allgemein,  seit  die  Romantiker  ihn  verherrlichten  und  Hum- 
boldt seine  Bedeutung  klargelegt,  trotz  der  unläugbaren  Anklänge  an  Virgil, 
den  ersten  Platz  unter  den  Modernen  ein,  nicht  nur  weil  er  der  erste  war, 
der  eine  Nalionalepopöe  schuf  und  also  das  grosse  Verdienst  der  Initiative 
für  sich  hat,  sondern  weil  thatsächlich  weder  sein  Nebenbuhler  Tasso,  der 
dem  colto  e  buon  Luigi  brüderlich  die  Hand  reichte,  noch  irgend  einer  der  zahl- 
reichen Nachahmer,  ihm  gleichkommt,  was  die  glückliche  Wahl  des  Stoffes, 
den  kunstvollen  Aufbau,  den  Adel  und  Wohllaut  der  prächtigen  Stanzen,  die 
Glut,  Tiefe  und  Gesinnungstüchtigkeit  seiner  patriotischen  Begeisterung  an- 
belangt. Vom  Lyriker  lernte  man  zuerst  die  Sonette  kennen'.  Und  als 
Sonettisten  stellte  Schlegel  ihn  neben  Petrarca.  Diese  unvermeidliche 
Gtjgenüberstellung  beliebt  man  aber  noch  heute  festzuhalten,  nachdem  die  Ver- 
deutschung der  »Sämtlichen  Werke«  auch  den  Laien  in  Stand  gesetzt  hat,  neben 
dem  Epos  und  den  Sonetten,  den  ganzen  Schatz  seiner  Lyrik,  die  schlichten 
Kanzonen,  Idyllen  und  Elegien  der  Jugend,  die  ergreifenden  der  Mannesjahre; 
die  klassischen  Oden,  die  vornehmen  Oktaven,  und  die  entzückend  graziösen 
Lieder  (und  selbst  die  Dramen)  kennen  zu  lernen.  Bald  erklärt  man  dabei  den 
Portugiesen,  bald  den  Italiener  für  den  Grösseren.  Meine  Ansicht  darüber 
ist  folgende:  die  grosse  Masse  der  Gebildeten  wird  nach  wie  vor  dem  ital. 
Meister  die  Palme  reichen,  der  bereits  auf  2  Jahrhunderte  glorreichster  Triumphe 
herabblickte  und  Muster  und  Vorbild  für  Hunderte  von  Dichtern  geworden  war, 
zur  Zeit  wo  Camöes,  als  einer  seiner  Schüler,  zu  dichten  begann.  Zwar  liest 
sie  nicht  die  367  (resp.  378)  Gedichte  Petrarca' s,  die  doch  nur  einen 
massigen  Band  füllen,  und  noch  viel  weniger  die  500  echten  Poesien  des 
Portugiesen  (welche  vier  Bände  ausmachen),  aber  sie  blickt  doch  dann  und 
wann  in  den  Canzionere,  und  blättert  wohl  auch  einmal  in  Storck's  Ver- 
deutschung. Da  genügt  dann  ein  kurzes  Verweilen  bei  Petrarca,  die  leichte 
und  angenehme  Lektüre  weniger,  nach  Belieben  herausgegriffener  Sonette 
und  Canzonen,  und  ein  Blick  auf  die  stylvolle,  im  ästhetischen  Sinne  unver- 
gleichliche Zweiteilung  in  Vita  und  Morte  dt  Madonna  Laura  (und  auf  die 
sorgsame  Aussonderung  der  wenigen  andersfarbigen  »Farü«)  um  den  P^indruck 
hervorzubringen,  dass  man  es  mit  einem  Kunstwerk  aus  einem  Gusse  von 
klassischer  Reinheit  zu  thun  hat.  Dank  der  gewollten  strengen  Einheitlichkeit, 
der  bewussten  Beschränkung  des  Stoffes,  der  steten  Wiederkehr  gleichartiger 
nur  anders  nuancierter  und  subtil  entwickelter  Augenblicks-Emotionen  wird 
die  Illusion  vollster  Wahrheit,  Tiefe  und  Innerlichkeit  seiner  Liebe  erweckt. 
Ganz  anders  steht  es  mit  Camöes.     Seine  Werke   sind  weder   so  allgemein 


*  Von  Aren  tsschil  dt 's  freie  Nachbildungen  der  Sonette  erschienen   1847  u.  1852. 


328    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

menschlich  typische  und  leichtverständliche,  noch  so  einheitlich  beschränkte. 
Sie  bieten  nicht  abgesonderte  Ausschnitte  aus  seinem  Gefühlsleben;  die  inneren 
und  äusseren  Erlebnisse  seines  vollen  Menschenlebens '  schliessen  sie  in  sich, 
in  dem  die  Liebe  zu  Natercia  zwar  auch  eine  grosse,  aber  nicht  entfernt  die 
ausschliessliche  Rolle  wie  Laura  im  Canzoniere  spielt.  Die  grössere  Wahrheit, 
Fülle,  Mannichfaltigkeit  und  Individualität  ist  auf  Seiten  des  Camöes,  der 
bald  als  hochpathetischer,  patriotischer  Sänger,  bald  als  gewandter  Kavalier, 
und  witzig  tändelnder  Höfling,  als  leichtlebiger  Weltmann,  als  ernster  mora- 
lischer Kritiker,  als  verwegener  Haudegen  und  Abenteurer,  als  zartsinniger 
Beobachter  der  Natur,  als  leidenschaftlich  begehrender,  innigfühlender,  schwer- 
mütig klagender  Liebhaber,  als  bissiger  Sarkastiker  und  besonnener  Denker 
auftritt;  Tuba  wie  Flöte  gleich  gut  spielt;  und  wie  die  verschiedenartigsten 
Gefühle,  so  die  verschiedenartigsten  Versformen  mit  grosser  Virtuosität  hand- 
habt ( —  350  Mal  in  ital.,  und  150  Mal  in  peninularer  Manier  - — ),  es  sei 
in  der  einfachen  Sprache  des  Herzens,  oder  in  der  mit  fremdartigem  Schmuck 
d.  h.  mit  den  kunstvollen  Symbolen  der  Renaissance  ausgestatteten  Redeweise 
der  Dichter  von  Fach.  Diese  Vielseitigkeit,  der  bunte  Wechsel  der  Lebens- 
lagen und  Stimmungen,  die  er  verwertet  hat,  ist  sein  Vorzug,  aber  auch  sein 
Mangel.  Denn  erstens  ist  unter  dem  vielen  Vorzüglichen  auch  manches  Un- 
bedeutende; zweitens  fehlt  es  nicht  an  Inkonsequenzen  und  Widersprüchen, 
so  dass  man  bei  so  völliger  Umwandlung  des  moralischen  Ichs  leicht  am 
Dichter  irre  werden  kann;  und  drittens  und  hauptsächlichstens  muss  der  Leser, 
um  den  tieferen  Sinn  der  Idyllen  und  so  mancher  Redondilhas  zu  verstehen 
und  den  gewaltigen  Schmerz  nachzufühlen,  der  z.  B.  aus  der  Lebenskanzone 
( Vinde  ca)^  aus  der  Heimweh-Elegie  {Aqiiella  que)  und  aus  dem  Zion-Psalme  (Soholos 
sios  que  väö)  spricht  (um  nur  die  schönsten  drei  zu  nennen),  den  ganzen  Menschen 
und  sein  Schicksal  kennen;  gerade  wie  die  Lusiaden,  wie  ich  schon  aussprach, 
nur  derjenige  recht  zu  würdigen  weiss,  welcher  mit  portug.  Geschichte  und  dem 
Nationalcharakter  intim  vertraut,  und  im  Stande  ist,  zu  ahnen  was  jede  Strophe, 
ja  jede  Zeile  z.  B.  aus  dem  Buch  der  Könige  an  Erinnerungen  zu  wecken  berufen 
ist.  Aus  diesem  Grunde  wird  die  Schaar  der  Camöes bewunderer  klein  bleiben, 
sehr  viel  kleiner  als  die  der  Petrarcafreunde,  selbst  wenn  erst  eine  bessere 
Textgestaltung,  nach  Entfernung  des  Unechten  —  (und  damit  einer  grossen  Masse 
von  Mittelgut  ganz  gewöhnlicher  Sonettenschreiber,  und  z.  T.  auch  der  fremd- 
sprachigen Findlinge,  die  gleichfalls  der  Einheit  und  Reinheit  der  Lyrik  em- 
pfindlichen Abbruch  thun)  —  nach  Gruppierung  des  Zusammengehörigen,  und 
Aussonderung  der  geselligen  Gelegenheitsgedichte  an  und  über  Zeitgenossen, 
sowie  der  objektiven  Studien  über  klassische  und  biblische  Gegenstände,  den 
Überblick  über  das  Seelenleben  des  Dichters  und  seine  innere  Entwickelung 
erleichtert  haben  wird. 

IV.    DIE  SCHÜLER  DES  CAMÖES  (CAMONISTAS). 
rt)   LYRIKER. 

144.  Den  lyrischen  Stil  des  iVär/^ma-Sängers  ahmten  bereits  die  jüngeren 
und  langlebigeren  unter  den  Mirandzstas  nach,  wie  Falcäo  de  Resende, 
Andrade  Caminha,  und  besonders  Bernardes;  doch  verstehe  ich  unter 
Camonistas  im  engeren  Sinne  eigentlich  nur  die  Gesamtheit  der  auf  die 
Mirandistas  folgenden    Dichtergeneration  (1560 — 1590  oder   1600).     Sowohl 

'  A  viclä\Por  0  mundo  em  pedagos  repartida.  Auch  in  seinen  lyrischen  Dichtungen 
betont  der  Dichter  oft  seufzend  die  Wahrheit  seiner  Bekenntnisse :  Puras  verdades  ja  por 
mim  passadas .'  Oxalä  forum  fahvlas  sonhadas ! 


Die  Schüler  des  Camöes:  Lyriker.  329 

was  die  klassische  Einkleidung  und  mythologische  Verbrämung  der  bukolischen 
Stoffe,  den  platonischen  Geist  der  Gedanken  und  den  elegischen  Tonfall,  als 
auch  was  den  latinisierenden  Satzbau,  den  vornehm  bereicherten  Wortschatz, 
und  die  alle  unschönen  Härten  vermeidende  Prosodie  betrifft,  schliessen  die 
Schüler  sich  dem  Meister  an,  vor  allem  im  Sonetten-  und  Idyllen  fache. 
In  einzelnen  Fällen  so  getreulich,  dass  es  begreiflich  wird,  wie  Unkundige  und 
Böswillige  dazu  kamen,  die  nachahmenden  Gedichte  der  Camonistas  mit  den 
echten  des  Camöes  zu  verwechseln.  Den  Mangel  an  Eigenkraft  verdecken 
sie,  indem  sie  einzelne  Zeilen  oder  Stellen  (Oktaven-  und  Kanzonenstrophen) 
oder  Sonette  von  ihm  glossieren  oder  ins  Kastilische  übersetzen,  oder  auch 
indem  sie  dieselben ,  ohne  wörtliche  Wiederholung ,  mit  veränderten  Worten 
umkleiden.  Von  der  Mode,  überhaupt  fremde,  ja  sogar  fremdsprachige 
(span.  und  ital.)  Zeilen  zu  kommentieren  und  paraphrasieren  und  polyglotte 
Kunststücke  herzustellen,  war  schon  die  Rede^.  Wo  diese  Sonettisten  und 
Idylliker  jedoch  ganz  auf  eigenen  Füssen  stehen,  bleiben  ihre  Erzeugnisse 
sehr  oft  nur  Handwerkswaare  von  weit  geringerem  Werte.  Das  demnach  an 
und  für  sich  wenig  erfreuliche  Studium  der  zerstreuten  Epigonen-Arbeiten  wird 
aber  noch  unerquicklicher  durch  die  grosse  Ungenauigkeit  der  Überlieferung, 
die  Oberflächlichkeit  der  bis  heute  vorgenommenen  Untersuchungen  und  die 
Verworrenheit  der  irritierenden  Streitfragen,  die  sich  an  viele  Dutzende  von 
im  Grunde  unbedeutenden  Reimereien  knüpfen.  Auf  den  Aufwand  von  Zeit 
und  Mitteln  den  es  kostet,  sich  die  seltenen  Drucke,  und  Einsicht  oder  Abschrift 
der  noch  seltneren  handschriftlichen  Werke  zu  verschaffen,  sei  nur  dies  eine 
Mal  und  im  Vorübergehen  aufmerksam  gemacht. 

Ein  wärmeres,  persönliches  Interesse  würde  eine  kleine  Gruppe  von 
Poeten  (meist  sehr  vornehmer  Herkunft)  erwecken ,  die  als  ungefähr  gleich- 
altrige Zeitgenossen  und  Kameraden  des  Camöes  zu  Lissabon  (also  vor  1553) 
oder  in  Indien  (zwischen  1553  und  67)  persönlichen,  und  zwar  freundschaft- 
lichen Umgang  mit  ihm  gepflogen  haben.  Dahin  gehören  D.  Jorge  da  Silva 
(1508 — 78),  dessen  romantische  Liebeslegende  weniger  authentisch  ist  als  die 
frommen  Werke  und  Taten  seines  Alters  fvgl.  Zschr.  VIII,  p.  11  und  13)^; 
der  frohgemute  Joäo  Lopes  Leitäo,  der  1552  in  Xabregas  mit  dem  Kron- 
prinzen tournierte,  Seite  an  Seite  mit  des  Dichters  jungem  Freunde  D.Antonio 
de  Noronha,  und  später  in  Indien  auf  hoher  See  starb  (etwa  1565);  ,der 
tapfere  Haudegen  Heitor  da  Silveira,  der  1570  auf  der  Heimfahrt  ange- 
sichts Lissabons,  vielleicht  in  den  Armen  des  Lusiadensängers  endete;  D. 
Gon^alo  Coutinho,  der  schon  wiederholt  erwähnte  Stifter  der  Grabplatte, 
ein  grossmüliger  Beschützer  so  manchen  unbemittelten  Dichters;  der  Geschichts- 
schreiber Diogo  do  Couto,  von  dem  der  Leser  schon  weiss,  dass  er  sich 
in  Mogambique  so  hülfsbereit  zeigte  und  der  auch  einen  Kommentar  zu  den 
Lusiaden  begann;  der  Reichshistoriograph  Francisco  de  Andrade,  welcher 
den  Tod  der  Catherina  de  Ataide  besang;  D.  Simäo  da  Silveira  u.  a.  m. 
Jedoch  auch  ihre  lyrischen  Gedichte  (derer  oft  von  Zeitgenossen  gedacht 
wird)  sind  entweder  gänzlich  verschollen  (wie  bei  Couto  der  Fall  ist),  oder 
sie  stehen,  wie  bei  den  Mirandistas  zweiten  Ranges,  in  den  Werken  berühm- 
terer Zeitgenossen,  oder  verzettelt  in  ungedruckten  Cancioneiros  misticos  (d.  h. 


'  Ich  kenne  mindestens  ein  halbes  Hundert  portug.  Dichtungen  mit  italienischer  Schlu^s- 
kadenz,  die  meist  aus  Petrarca  genommen  ist;  und  ebenso  viele,  die  für  portug.->;pan.-ital.- 
lat.  Sprachdenkmäler  ausgegeben  werden.  Faria -e  -  S  ousa  verfasste  sogar  ein  langes  Idyll, 
indem  er  mosaikartig  lauter  einzelne  Reihen  aus  den  Werken  »seines  Dichters«  an  einander 
fügte. 

*  Nur  fromnie  Traktate  von  ihm  sind  gedruckt  (S.  hin.  da  Silva  IV.  175)  und  als 
Beigabe  dazu  einige  Elegien. 


33°    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 

mixtos),  sowie  in  Sammeldrucken,  in  denen  fromme  Preis -Wettgedichte  für 
bestimmte  Kirchenfeierlichkeiten  gebucht  sind  (z.  B.  Reliquias  de  S.  Roque, 
1588). 

Das  gleiche  gilt  von  einigen  Anderen,  deren  Freundschaftsbeziehungen 
zu  Camöes  weniger  gut  verbürgt  sind.  Luis  Franco  Correia  z.  B.  nennt 
sich  selbst  »muito  amigo  e  contpanheiro  de  Luis  de  Camöes«  in  dem  Gedicht- 
buche, das  er  1557  —89  in  Indien  und  Lissabon  zusammentrug.  Von  Antonio 
de  Abreu,o  Engenhoso  den  erst  die  Nachwelt  als  amigo  e  companheiro 
de  C.  no  estado  da  India  bezeichnet  hat,  und  von  einigen  anderen  Genossen  wie 
Pedro  da  Costa  Perestrello  (dem  Sekretair  des  Erzherzogs  Albrecht,  der 
Portugal  nach  1580  verwaltete),  Francisco  Galväo  und  Aires  Teiles 
de  Menezes,  die  beide  zum  Hofstaate  des  Herzogs  von  Braganga  gehörten, 
wurden  um  1800  durch  den  bei  Beleuchtung  der  sogenannten  Gedichte  Peters 
des  Grausamen  (und  öfters)  genannten  Professor  der  Rhetorik  A.  L.  Caminha 
drei  kleine  Bändchen  Gedichte  herausgegeben,  doch  in  so  tumultuarischer 
Weise,  dass  ein  kritisches  Auge  in  den  betreffenden  y>Obras  Ineditas«  sofort 
Echtes  neben  Gefälschtem,  Eigenes  neben  Fremdem,  Namenloses  neben  Be- 
kaiuitem,  Modernes  neben  Altem,  Originales  neben  Übersetztem  erblickt  ^ 
Derselben  Sitte  kritiklosen  Sammeins  hatte  schon  viel  früher  der  Pisaner 
Professor  Estevam  Rodrigues  de  Castro  gehuldigt,  dessen  hinterlassenes 
Album  voll  eigenen  und  fremden  Gutes  (worunter  Gedichte  des  Bernardo 
Rodrigues,  der  die  ital.  ballata  und  das  Madrigal  einführte)  von  seinem 
Sohne  (1622/23)  herausgegeben  ward;  sowie  Miguel  Leitäo  de  Andrada 
(1554  — 1629),  der  in  sexn^r  y>Misccllanea«  betitelten  »Salatschüssel«  [=^  En- 
salada)  dem  anspruchslosen  Leser  jener  Tage  allerlei  Kraut  und  Rüben  vor- 
setzt (gedr.    1629   und  1860). 

Aus  der  ungleich  grösseren  Gruppe  der  dem  Camöes  persönlich  fern- 
stehenden Nachahmer,  deren  Thätigkeit  sich  meist  bis  ins  17.  Jh.  erstreckt,  so 
dass  sie  von  manchen  Litterarhistorikern  der  vierten  Epoche  zugezählt  werden, 
ragen  einige  Talente  hervor'-.  Ich  nenne  den  mystischen  Balthasar  de  Estago, 
der  übrigens  in  seinen  1604  gedruckten  Versen  dem  gram  Cantor  da  Oceano  Weih- 
rauch streut;  Fern  am  Rodrigues  Lobo  Soropita,  den  patriotisch  gesinnten 
ersten  Herausgeber  der  kamonianischen  »Rimas«,  der  eine  humoristische  und 
satyrischc  Ader  hatte  (gedr.  erst  1860);  und  vier  wahrhaft  bedeutende  Buko- 
liker,  die  ihre  Schäferromane  in  Prosa  nach  Montemör^s  Vorgange  mit  rei- 
zenden Hirtengedichten  und  Elegien  nach  ital.  Schnitte  und  auch  mit  Liedern 
in  Kurzzeilen  durchsetzten.  Es  sind:  der  aus  Goa  gebürtige  (des  Diebstahls 
des  Parnasso  bezichtigte)  Fernam  Alvares,  mit  dem  Zunamen  do  Oriente, 
unter  dessen  teilweise  überkünstlichen  Dichtungen  Perlen  von  reinstem  Glänze 
sind;  der  unglückliche,  verliebte  Schwärmer  Manoel  da  Veiga  Tagarro, 
dessen  y: Laura  de  Amphriso'c  (1627)  bereits  den  Einfluss  des  Lope  de  Vega 
und  sogar  Gongora's  verrät  (was  in  noch  stärkerem  Maasse  von  Eloy, de  Soto- 
mayor  und  seinen  »Ribeiras  do  Mondego«  gilt,  1623);  Rodrigues  Lobo  aus 
Leiria,  von  dessen  Thätigkeit  im  nächsten  Abschnitt  (H)  die  Rede  sein  müsste, 
und  Frei  Bernardo  de  Brito  wegen  der  ihm  Zugeschriebenen,  sich  ganz  in 
Versen   bewegenden   ^^Sylvia  de  Lisardo'-'-   (1597)^. 

*  Braga  glaubt  an  ilire  Eclitlieit;  nicht  sn  1  n  n.  da  vS  i  l  v  a.  S.  HUt.  de  Cam.  Bd.  III 
p.    i;V2  — 140.    155—172  und  Dicc.   Bibl.  I   79.    189. 

2  Eine  Anzalil  von  Autoren-Naint-n  findet  der  Leser  auf  Seite  326,  Anm.  4.  In 
religiösen  Kl.igeliedern  machten  nach  1580  viele  bedrückte  Gemüter  sich  Luft,  wie  l.  B. 
Frei  Paulo  da  Cruz,  o  Fiadinho  daRainba  (mit  seinem  weltlichen  Namen  Jorge 
F  ern  a  nd  es). 

ä  Mit  den  C  a  m  o  n  i  s  t  a  s  beschäftigt  sich  B  r  a  g  a  in  der  Hist.  Cam.  Bd.  III:  E  s  c  h  o  1  a 
de  Camöes. 


Die  Schüler  des  Camöes:  Lyriker.  Epiker.  331 

ß)  EPIKER. 

145.  Vor  Camöes  hatte  kein  Portugiese  den  Gedanken,  ein  historisches 
Epos  in  der  Nationalsprache  abzufassen  verwirklicht  1.  Nur  der  Geschichtsschreiber 
Joäo  de  Barros  hatte  es  unternommen,  die  Nationalgeschichte  von  D.  Affonso 
Henriques  bis  zu  D.  Manoel  (1520)  in  Reime  zu  bringen,  die  er  seinem  Ritter- 
roman Clarimundo  (III,  4)  einfügte.  Doch  stehen  seine  40  Oktaven  nach 
altspanischer  Art  {de  arte  mayor)  wie  im  Rhythmus,  so  in  Geist  und  Sprache 
ganz  und  gar  auf  dem  Standpunkt  der  erzählenden  Gedichte  des  Canc  de  Res 
(S.  ^  109).  Die  Sage  freilich  berichtet,  abermals  durch  den  Mund  des  Faria-e- 
Sousa,  einer  der  Zeitgenossen  des  Camöes,  der  schon  unter  den  Lyrikern 
genannte  Pedro  da  Costa  Perestrello,  habe  noch  vor  1572  ein  Helden- 
gedicht gleichfalls  über  die  »Entdeckung  Indiens«  geschrieben,  dasselbe  aber 
vernichtet  sobald  die  Lusiaden  erschienen  2.  Doch  ich  glaube,  man  kann  diese  Sage 
auf  sich  beruhen  lassen.  Thatsache  aber  ist,  dass  gleich  nach  dem  Drucke  jenes 
Meisterwerkes  von  geschickten  Nachbildern  eine  grössere  Reihe  von  Helden- 
gedichten entstanden,  die  auch  von  Ercilla's  Araucana  nicht  ganz  unbcein- 
flusst  sind  (gedr.  1569  —  78  und  90).  Wie  dieser  Spanier  (und  in  gewissem 
Sinne  ja  auch  Camöes)  wählten  sie  einzelne  nationale  Helden  und  Helden- 
thaten  zum  Gegenstand  ihrer  Epen.  Jeronymo  de  Cortereal  (j  1593) 
feierte  zuerst  in  21  recht  prosaischen  Gesängen  die  zweite  Belagerung  der 
Feste  Diu^  illustrierte  auch  sein  Werk  eigenhändig  mit  Schlachtenbildern  und 
widmete  es  Sebastian  (1574.  Neudruck  1783)^;  dann  behandelte  er,  in  span. 
Sprache  den  Seesieg  des  D.  Juan  d'Austria  bei  Lepanto  in  einer  »Aiistriada«., 
die  er  Philipp  II.  zu  Füssen  legte  (1578);  um  zum  dritten  den  tragischen 
Schiftbruch  der  Galione  S.  Joäo  wieder  portug.  zu  besingen  als  -»Naufragio 
de  Sepulveda«  (geschr.  vor  1589;  gedr.  1594,  1783  und  1840)^.  Alle  drei 
bedienen  sich  des  Blankverses,  die  der  Portugiese  »Ferso  heroico«.  nennt. 
Alle  drei  sind  mit  reichlichem  mythologischen  Beiwerk  ausgestattet.  Doch 
nur  das  letzte  Gedicht  enthält  Einlagen  in  Terzinen  und  Oktaven,  wovon  30 
lyrischen  Charakter  haben,  während  die  einunddreissigste  die  Gesamtgeschicke 
Portugals  episch  verherrlicht,  vom  ersten  Könige  bis  zum  Untergang  bei 
Alcacer-Quebir,  wo  Cortereal  übrigens  selbst  mitfocht  und  gefangen  ward''. 
So  die  Litterarhistoriker  Wahrheit  berichten,  hätte  er  noch  ein  viertes,  ver- 
lorenes, Epos  diesem  tragischen  Ereignis  gewidmet,  das  von  Luis  Pereira 
Brandäo  rein-chronikenartig  in  18  grossen  Oktavengesängen  betrauert  ward, 
die  er  y>Elegiada«  nannte  (1588;  gedr.  auch  1785  als  y> Jornada  de  A/rica«). 
Noch  weitschweifiger  ist  Francisco  de  Andrade  in  den  20  Cantos  seines  den 
Heldenmut  des  D.  Joäo  de  Castro  verherrlichenden  Primeiro  Cerco  de  Diu  (i  589). 
Vasco  Mousinho  de  Quevedo  (oder  Cabedo)  Castellobranco  wählte  die 
älteren  Afrikaexpeditionen  zum  Gegenstand  eines  Poems  und  Affonso  V.  o  .-\fri- 
cano  zu  seinem  Helden  (1596),  doch  legt  er  den  Dingen  und  Ereignissen  sym- 


'  Dass  er  die  Gemüter  bewegte,  zeigen  viele  Stellen  bei  Barros,  z.  B.  Dec.  I,  h 
cap.  1 1  und  es  zeigen  es  die  lateinischen  Epen  des  J  o r  ge  C  o  e  1  h  o  ,  Andre  d  e  R  es e n  d  e, 
Diogo  de  Teive. 

-  Auch  von  Montemor  wird  Ahnliches  erzählt.  Perestrello  soll  aucli  noch 
eine  gleichfalls  unfindbare  y>Batalha  Ausonia-.  verfasst  haben. 

'  » Segundo  Cerco  de  Diu,  estando  D.  Joäo  de  Mascarenhas  por  Capitäo  da  Fortaleza  ■. . 
Ins  Spanische  übersetzt  von  Frey  Pedro  de  Padilla   1597. 

*  Die  Angabe,  auch  Lopo  de  Sousa  Co  ut  in  ho  habe  denselben  Gegenstand  im 
Livro  da  perdi^äo  de  Manuel  de  Sousa  de  Sepulveda,  sua  mulker  e  fillios  {X\s,%.  1594)  gleich- 
falls in  Hjankveisen  behandelt,  scheint  auf  Irrtum  zu  beruhen. 

^  Übersetzt  ins  Spanische  von  Contreras  (1624)  und  ins  Franz.  von  P'ournier 
(1«44> 


332    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN   VÖLKER.     4.    PORT.    LlTT. 

bolisch-allegorische  Bedeutung  bei.  Die  Feste  Arzilla  z.  B.  ist  ihm  eine 
Seelenburg;  und  ihre  fünf  Thore  sind  die  fünf  Sinne.  Bereits  dem  17.  Jh. 
gehört  die  Malacca  Conquistada  des  D.  Francisco  de  Sä  e  Menezes  (junior) 
an,  sowie  der  Nunalvares  des  Rodrigues  Lobo,  und  die  Ulyssea  des 
Gabriel  Pereira  de  Castro,  welche  in  die  Fabelzeit  der  Gründung  Lissabons 
hinabsteigt ;  doch  stehen  alle  drei  in  intimstem  Zusammenhange  mit  den  vor- 
genannten Gedichten.  National-religiöse  Epen  lieferten  z.B.  Frei  Paulo  da 
Cruz  (über  S.  Vicente)  und  Quevedo  Castellobranco  über  Santa  Isabel 
(1596).  Ein  religiöses  Lehrgedicht  sind  CortereaPs:  Novissimos  do  hörnern 
(gedr.  erst   1768)1. 

146.  Gänzlich  unerwähnt  darf  hier  nicht  bleiben,  was  ^  7  andeutete: 
dass  wie  anderwärts,  so  auch  in  Portugal  sehr  viele  Humanisten,  von  etwa 
1500  an,  sich  ausschliesslich  des  Lateinischen  als  der  einzigen  ihrem  Wissen 
und  ihren  internationalen  Verbindungen  angemessenen  Litterärsprache  bedienten. 
Gar  manche  wirklich  bedeutende  Kraft  ging  so  der  schon  durch  den  Abfall 
aller  Kastilisch-Schreibenden  geschmälerten  Nationallitteratur  verloren,  beson- 
ders im  16.  und  17.  Jh.  Die  Dichtungen  des  Hermigius  Cayado,  Aires 
Barbosa,  Jorge  Coelho,  Andrd  de  Resende,  Diogo  de  Teive,  An- 
tonio Gouveia,  Pedro  Sanches,  Diogo  Mendes..de  Vasconcellos, 
Miguel  und  Antonio  de  Quevedo,  Manoel  da  Costa,  Lobo  Serräo, 
und  berühmter  Frauen  wie  Luisa  Sigea  und  Joanna  Vaz,  bilden  einen 
reichen  Besitzstand  an  Oden,  Hymnen,  Elegien,  Eklogen,  Episteln,  Epitaphien, 
Epigrammen,  historischen  und  religiösen  Epen  \S.  Vicente  von  Resende; 
Tunis  von  J.  Coelho],  Lehrgedichten  [wie  die  Antimoria  des  Aires  Barbosa; 
die  Institutio  Sebastianivov\'Y  e'xw  &•,  und  Vita  aulica  von  Resende],  und  Tragödien 
{Johannes  von  Teive  1553),  die  sich  meist  mit  nationalen  Stoffen  beschäf- 
tigen und  keineswegs  ohne  Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  portug.  Litteratur 
blieben  (wie  in  einer  ausführlichen  Darstellung  nachzuweisen  wäre).  Ein  Teil 
davon  war  lange  relativ  leicht  zugänglich,  weil  aufgespeichert  in  einem,  heute 
selten  gewordenen  »Corpus  illustrium  Poetarum  Lusitanorum«.  (Liss.  1745 — 48, 
8  Bde.  gr.  4);  doch  enthält  dasselbe  keineswegs  den  ganzen  Vorrat,  ja  nicht 
einmal  das  Beste  und  Seltenste 2. 

V.  PROSA. 

147.  Auch  die  Prosa  entwickelte  sich  im  16.  Jh.  erheblich  und  zwar  natür- 
lich in  klassischer  Richtung.  Doch  kam  sie  immer  noch  nicht  dazu,  völlig  Schritt 
mit  der  Dichtkunst  zu  halten.  Langsamer  folgt  sie  nach,  und  gleich  wie  manches 
Prosawerk  der  Quinhentistas,  ja  eigentlich  fast  alles  was  vor  1550  liegt,  nach 
Stoff,  Geist  und  Sprache  noch  mittelalterlich  ist  und  der  zweiten  Epoche 
zugezählt  werden  könnte  (s.  §  51  und  85),  so  gehört  auch  manches  noch  in 
das  Bereich  der  dritten  Blüteperiode  was  erst  in  der  vierten  erschien,  ja  fast 
alles  was  vor  1640  liegt.  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.  und  in  den 
ersten  Decennien  des   17.  beginnt  die  Glanzzeit  der  Prosa,  und  es  entstehen 


'  Den  Epikern  widmete  Braga  den  2.  Bd.  seiner  Hist.  de  Cam.:  Os  poetas  cpicos.  — 
F.   Denis  giebt  im  Resume,  Chap.  XVIII  — XXU  iiusfülirliche  Inhaltsübersichten. 

2  Band  1  bietet  Gedichte  von  Pedro  Sanches,  Herrn.  Cayado,  Manoel  de 
Costa,  Diogo  M  e n d e s  de  Vasconcellos,  Miguel  de  Quevedo,  Antonio 
de  Q  ue  V  e  do  ;  11.  J  o  ä  o  d  e  Mel  I  o  de  So  u  sa;  III.  Diogo  de  P  a  iva  de  An  drade; 
IV.  Lobo  Serrao,  Francisco  de  Barcellos;  V.  Frei  Tliomas  de  Faria, 
Antonio  F'igueira  Duräo;  VI,  Frei  Francisco  de  S.  Agostinho;  VII.  Frei 
Francisco  de  Macedo,  Jorge  Coelho,  Antonio  de  (iouveia;  V^III.  vom 
Herausgeber  P>-'  Antonio  dos  Rey.s.  Gerade  ilas  wicliligerc  16.  Jh.  i.'^t  sehr  .stief- 
mütterlich behandelt. 


Prosa:  Riiterromane.  333 


Werke  von  wirklich  klassischer  Rundung  und  Reinheit  des  Periodenbaus  und 
Wortschatzes  (Lobo — Brito — Frei  Luis  de  Sousa).  Ein  Camöes  blühte  der 
Prosa  jedoch  überhaupt  nicht:  ein  epochemachendes  Werk  wie  der  D.  Quixotc 
des  Cervantes  (der  übrigens  den  gallizischen  Familiennamen  Saavedra  trug) 
schuf  sie  nicht.  Der  Vorrat  an  Werken  freier  Erfindung  blieb  auch  jetzt  klein; 
der  an  Gechichtswerkcn  gross.  Der  Unterschied  zwischen  der  Würde,  Eleganz 
und  Urbanität  des  dichterischen  Ausdrucks  einerseits  und  der  zerfahrenen  Bunt- 
heit oder  schwerfälligen  Stillosigkeit  der  schönen  Prosa  im  Allgemeinen,  ist  nach 
wie  vor  ein  merklicher  1.  Selbst  diejenigen  Schriftsteller,  welche  bestrebt  sind, 
durch  Bereicherung,  Reinigung,  Regelung  und  Veredelung  der  familiären  Alltags- 
rede, einen  mustergültigen  Stil  zu  schaffen,  und  antiken  Vorbildern  nacheifern, 
kommen  über  ein  steifes  Pathos  und  trockenes  Ceremoniell  nicht  eben  weit  hinaus, 
schnellen  daraus  jedoch  häufig  unbcwusst  zurück  zu  geschmackwidrigen  Vulgari- 
täten  und  veralteten  Wort-  und  Satzbildungen,  oder  greifen  auch  zu  unpassenden 
poetischen  Formeln,  an  die  sie  sich  in  ihren  Dichtwerken  gewöhnt  hatten.  An 
Theoretikern,  welche  Anweisungen  zur  Beredsamkeit  geschrieben  hätten,  fehlte 
es  ziemlich  ganz-.  Nur  die  vernachlässigte  Natürlichkeit  der  lebendigen 
Gesellschafts-Diction  ahmte  man,  in  Komödien,  Briefen  und  moralisierenden 
Dialogen,  mit  grossem  Geschick  nach  und  bildete  sogar  die  nationale  Sitte, 
die  Umgangssprache  mit  Formeln,  Sprichwörtern  und  Citaten  zu  schmücken,  zu 
einem  besonderen  Genre  aus.    (S.  u.  ^   151O 

148.  A.  Belletristisches:  «)  Der  Ritterroman.  Wie  überall  im 
gebildeten  Europa,  so  fuhr  man  auch  in  Portugal  im  16.  Jh.  fort,  sich  mit 
heiligem  Ernst  für  Ritterromane  zu  begeistern.  Manche  hübsche  Anekdote 
aus  dem  Hofleben  und  vom  Kriegsschauplatze  in  Afrika  und  Indien  bezeugt, 
wie  gern  man  sich  aus  der  allmählich  trüber  werdenden  Realität  mit  ihrer 
austera,  apagada  e  vil  tristeza,  in  die  Idealwelt  der  Romane  flüchtete.  Die 
alte  Liebe  für  den  Amadis,  den  man  fortdauernd  im  spanischen  Texte 
Montalvo's  las,  übertrug  man  auch  auf  die  sich  allmählich  von  1496  bis 
1O05  daran  schliessenden  Fortsetzungen  [Livros  V — XIII)  und  auf  die  Nach- 
ahmungen (besonders  auf  y>Palmerin  de  Oliva'i.  und  »Fritrialeontn).  Mancher 
Roman  aus  dem  Amadiscyklus  ist  Portugiesen  gewidmet:  so  z.  B.  Buch  8,  d.  h. 
der  Luiuirte  dem  Sohne  Johann's  IL,  Jorge,  Duque  de  Coimbra,  1526;  und 
Felix  magno  1531  einem  D.  Fadrique  de  Portugal;  manche  Ausgabe  ward 
in  Lissabon  und  Evora  gedruckt  {Florando  Liss.  1545;  Florisel  1560  und  66; 
Lisuarte  1587,  Amadis  de  Graia  1596;  Primaleon  1598  etc.);  einige  haben, 
wenigstens  der  Sage  nach,  sogar  Portugiesen  zum  Verfasser  {Florando;  Pal- 
merin;  Primaleon).  Mit  Bestimmtheit  wird  es  von  dem  einflussreichen  Werke 
über  die  neun  grössten  Helden  der  Weltgeschichte  behauptet  -»Los  nueite  de 
la  fama<s~  (1630);  doch  ist  der  sogenannte  »Verfasser«  des  zum  Amadis  übrigens 
in  keiner  Beziehung  stehenden  Buches,  der  Wappenkönig  Johann's  III., 
Antonio  Rodrigues  Portugal,  in  Wahrheit  nichts  als  der  Übersetzer  einer 
franz.  Vorlage,  des  -»Triomphe  des  neu/  preux«.,  oder  ^Prouesses«.  .  .  .  avec 
Fystoire   de   Bertran   du    GuesclinK    1487;    und   noch    dazu    übersetzte    er  ins 


'  Man  vergleiche  beispielsweise  das  schöne  Ebenmass  der  Gedichte  des  C  a  m  0  e  s 
mit  der  krausen  Ausdrucksweise  seiner  seltenen  Prosastöcke  in  den  Komödien  und  Briefen. 

^  Weder  die  Grammatik  von  Fern  am  de  Oliveira  (1536)  noch  die  des  Barros 
(1540)  noch  desselben  Autiiors  »Dialogo  em  lonvor  da  nossa  lingicagem«  (1540),  noch  die  Ortho- 
graphia  des  Duarte  Nun  es  de  Leäo  (lö76)  noch  seine  höchst  beachtenswerte  Ab- 
handlung y>Origem  da  lingua  portugueza«  (1606),  noch  des  Pedro  deMagalhäes  de 
G  a  n  d  a  V  o  -»Regras  que  ensinam  a  orthographia  da  lingua  portugtuza ;  noch  sein  Dialogo  em 
defensäo  da  mesma  lingua  ( 1574)  kommen  in  Betracht ;  und  noch  viel  weniger  die  gelegent- 
lichen Lobpreisungen  der  Muttersprache,  welche  Brito,  Lobo,  Corte  I,  9,  Alvares 
do  Oriente  (II,  6)  und  andere  ihren  Werken  eingefügt  haben. 


334    Li  J  J  ERATUKGEbCHICllTE    ÜEK    ROMANISClll  N    VÖLKER.   —    4.    PüRT.    LlTT. 

Spanische ^  In  poitiig.  Sprache  ward  viel  Neues  nicht  geschaffen,  wie  ich 
schon  andeutete,  und  von  dem  Neuen,  wie  üblich,  noch  weniger  zu  Tage 
gefördert.  Handschriftlich  blieb  z.  B.  ein  D.  Belindo  (heute  in  der  Liss. 
National-Bibliothek).  Doch  bleibt  festzustellen,  ob  er  die  Arbeit  der  D. 
Leonor  de  Coutinho,  des  Gon^alo  Coutinho  oder  des  I).  Francisco 
de  Portugal  ist'-.  Gänzlich  verschollen  ist  ein  »Dominiscaldo«  von  Alvaro 
da  Silveira;  ein  anonymer  »Peregrino  de  Hungria'f.^  und  das  sogenannte. 
14.  Buch  des  Amadis,  -»Penalvaf.^  das  jenen  Helden  den  Tod  im  Kampfe 
mit  einem  Portugiesen  finden  liess.  (Nie.  Ant. ,  Bibl.  Nova  IV,  404) 3.  Zu 
verwundern  ist  es,  dieser  Armut  gegenüber,  daher  nicht,  wenn  das  reiche 
Spanien  und  das  Ausland  gleich  wie  in  der  Amadisfrage  nicht  leicht  daran 
glauben  wollten,  dass  der  relativ  beste  Ritterroman  auch  des  16.  Jhs.,  welchen 
Cervantes  in  güldenem  Schrein  aufbewahren  wollte,  das  Werk  eines  Portu- 
giesen ist. 

149.  Dennoch  ist  es  der  Fall.  Der  Palmeiriin  de  Inglaterra^  der 
durch  geistreiche  Erfindung,  geschmackvolle  Erzählung,  Ideengehalt  und  Cha- 
rakterzeichnung hervorragt ,  ward  von  einem  Hofbediensteten  des  Infanten 
D.  Duarte,  Francisco  de  Moraes,  im  Jahre  1544  geschrieben,  während 
derselbe  als  Gesandschaftssekretair  in  Paris  weilte;  oder  gleich  hernach.  Zweifel- 
haft ist  nur,  ob  er  seinen  Roman  auch  sofort,  anonym,  zum  Druck  gab"*,  oder 
ihn  ungedruckt  verbreiten  liess;  unzweifelhaft  hingegen,  dass  zwei  litterarische 
Freibeuter  aus  Toledo,  der  Drucker  Miguel  Ferrer  und  der  Korrektor  und 
spätere  Pfarrer  Luis  Hurtado  sich  das  Werk  noch  vor  1548  aneigneten. 
Sie  veröffentlichten  damals  eine  elende  span.  Übersetzung,  als  wäre  sie  ein 
Original,  und  schrieben  sich  dasselbe  in  zweideutigen  Worten  zu.  Scheinbar 
ohne  Glauben  zu  finden.  Kein  altes,  litterarhistorisches  Buch  nennt  sie  wenig- 
stens als  Verfasser  des  Palmeirim.  Erst  1826  haben  parteiische  Hispanophilen, 
von  Vicente,  Salvä  und  Gayangos  irregeleitet,  Lanzen  für  jene  »Schrift- 
steller«^ gebrochen  ^.  Doch  ist  der  unwiderlegliche  Beweis  für  die  Autorschaft 
des  Moraes  bereits  erbracht^.  Die  Sprache  des  span.  Textes  wimmelt  näm- 
lich von  Lusismen  und  Fehlern;  speziell  portug.  Ortslegenden  (über  Thomar, 
und  Almourol)  haben  breite  Behandlung  gefunden;  vor  allem  aber  betrifft  ein 
grosses  episodenhaftes  Einschiebsel,  das  sogenannte  Kapitel  von  den  franzö- 
sischen Hofdamen,  das  auch  im  Spanischen  nicht  fehlt,  den  persönlichen 
Liebesroman  des  Moraes,  welcher  1541/44  in  Paris  in  unglücklicher  Leiden- 
schaft zu  donzella  Torcy,  einer  Hofdame  der  Königin  Leonore  und  Exkönigin 
von  Portugal,  entbrannte'^.     Ihrer  Tochter  Maria  hat  Moraes  seinen  Roman 

'  Abdrücke  erschienen  1552  und  1585  in  niodernisieiteni,  seiner  lAisismen  entkleideten 
Texte;   1586  erst  in  portug.  Redaktion. 

2  S.  Sousa,  Hist.  Geneal.  X  565;  Braga,  Amadis  245;  Barb.  Macli.  II  393. 

3  S.  Barb.  Mach.  II   17,  81,  393  und  III   11. 

^  Eine  datenlose  Ausgabe  ist  nämlich  vorhanden.  Die  älteste  datierte  und  mit 
dem  Namen  des  portug.  Autors  nebst  Dedikation  an  die  Infantin  D.  Maria  ver.sehene  er- 
schien erst  1567;  doch  muss  ihr  Widmungsschreiben  schon  1547  entstanden  sein.  Spätere 
Ausgaben  erschienen   1592    1786.   1852. 

*  An  Ferrer's  Autorschaft  glaubten  einzig  Salvä  und  A.  de  Castro;  an  diejenige 
llurtado's  glauben  alle  bedeutenderen  span.  Litterarhistoriker  von  Ticknor  bis  zu 
Wolf.  Der  gewissenlose  Pfarrer  scheint  ein  Geschäft  daraus  gemacht  zu  haben,  handsciir. 
Werke  aus  dem  NachlasseVerstorbener  (oder  verschollener Grö.ssen)  herauszugeben  (Sebast  ian 
F  e  r  n  a  n  d  e  z ;  P  e  d  )•  o  A  1  v  a  r  e  s  de  A  y  1 1  o  n  ;  Miguel  de  C  a  r  v  a  j  a  I ;  V  a  1  d  i  v  i  e  1  s  o 
u.   a.  m.j. 

*  S.  Braga,  Queslöes  p.  248  -  25-< ;  sowie  C.  M.  de  Vase  on  cel  1  os  ,  Versuch 
über  dm  Palmeirim,  Halle   1883,  und  vgl.  Rom.  XI    619. 

'  Eine  kleine  Schrift  von  ihm  »Desctdpa  de  uns  seus  af>iores  que  teve  em  Paris  com 
itiiia  dama  franccza  da  Rainha  Dona  Leonor,  por  nomc  Torsi,  sendo  Portugtuz,  pela  qiial  fez 
a  historia  das  damas  francezas  no  seit  Palmeirim«,  (gedr.  1624)  stellt  die  Einzelnheiten  dieses 


Prosa:   Riti'erromane.  335 


gewidmet.  —  Zu  den  zwei  Teilen  des  Ritterbuches  (das  auch  ins  Franz.,  Ital. 
und  Englische  übertragen  ward)^  lieferten  zwei  andere  Portugiesen  die  Fort- 
setzungen: Diogo  Fernandes  einen  dritten  und  vierten  Teil  •>->D.  Duardos«i 
(1587);  und  Balthaser  Gongalves  Lobato  einen  fünften  und  sechsten 
»D.  Clarisel  de  Bretanha<-<  (1602).  Andere  VVeiterführungen  blieben  ungedruckt, 
und  gingen  verloren. 

150.  Den  seit  dem  13.  Jh.  so  beliebten  bretonischen  Sagenkreis 
erweiterte  der  schon  als  Dramatiker  und  Lyriker  vorgeführte  talentvolle  Hof- 
mann Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos.  Er  erfand  eine  zweite  »Tafel- 
runde« und  als  ihren  Haupthelden  einen  Enkel  des  Artus,  Sagramor.  Ein 
Stück  zeitgenössischen  realen  Lebens  webte  jedoch  auch  er  (wie  Moraes, 
und  alle  Idylliker)  unter  die  erdichteten  Begebenheiten,  —  einen  wahrheits- 
getreuen Bericht  über  das  erste  Tournier  des  Kronprinzen  Johann  (1552)  — 
und  stattete  ausserdem  sein  Werk  mit  34  epischen  und  lyrischen  Gedicht- 
einlagen beiderlei  Stils,  sowie  mit  wohlgemeinten  Ratschlägen  über  Fürsten- 
tugend aus2.  Ein  verheissener  zweiter  Teil  blieb  ungedruckt  (falls  er  Je  existiert 
hat),  und  hat  sich  bis  heute  auch  hschr.  nicht  finden  lassen.  —  Die  Romane 
aus  dem  von  jeher  weniger  beliebten  karolingischen  Cyklus  sind  sämtlich 
nur  Bearbeitungen  franz.  und  span.  Vorlagen,  ohne  Eigenwert.  Auch  ist  die 
Zeit  ihrer  Einführung  schwer  zu  bestimmen,  da  sich  von  vermeintlichen  alten 
Ausgaben  keine  Exemplare  erhalten  haben.  Von  der  Historia  de  Carlofnagno, 
die  heute  noch  in  der  Provinz  gern  gelesen  wird,  existiert  z.  B.  nur  eine 
moderne  Überarbeitung  von  Jeronymo  Moreira  de  Carvalho  (1728  bis 
1737);  und  die  Litterarhistoriker  wissen  nichts  als  den  Titel  wenig  alter  Drucke 
von  16x5  und  1650  zu  berichten.  Doch  sind  der  modernen  Textredaktion, 
die  ein  Auszug  aus  dem  span.  Carloviagno  von  Nicolau  Piamonte  (Sevilla 
1525)  ist,  welcher  wiederum  auf  die  Conquites  du  grand  Charlemagne  zurück- 
weist, sicherlich  andere  vorausgegangen.  Der  noch  -später  hinzugefügte  dritte 
Teil  -»Verdadeira  terceira  parte«  von  Alex.  Caetano  Gomes  Flaviense 
(1745)  ist  ohne  Bedeutung.  Und  das  gleiche  gilt  vom  Cleomades,  Magalona, 
Roberto  0  Diabo,  Donzella  Theodora  und  anderen  romanhaften  Büchlein,  an 
denen  das  Volk  sich  ergötzte. 

Die  Gebildeten,  und  besonders  die  Fürsten  verlangten  und  ersehnten, 
nach  der  manuelinischen  Glanzepoche,  auch  im  Romanfach,  statt  blosser 
Phantasiestücke,  Verherrlichungen  der  Nationalgeschichte:  »Wahrheit«,  statt 
erlogener  Geschichten,  wie  sie  sagten.  Der  erste,  der  diesem  Bedürfnis  ent- 
gegen kam,  war  der  künftige  Geschichtsschreiber  Joäo  de  Barros.  In  jungen 
Jahren,  als  Page  des  Thronfolgers  Johann  (III.),  übte  er  acht  Monate  lang 
seinen  Stil  bei  der  Abfassung  seines  dreibändigen  y>Emperador  Clarimundo", 
den  er  während  seiner  knappen  Mussestunden  in  der  Pallastgarderobe  schrieb, 
sich  der  königlichen  Truhen  als  Tisch  bedienend.  Er  erzählt  die  natürlich 
märchenhafte,  doch  historisch  eingekleidete  Vorgeschichte  des  burgundischen 
Fürstenhauses,  dessen  Stammbaum  er  in  Ungarn  sucht.  Einer  dichterischen  Einlage, 

Abenteuers  fest.  Clement  Marot  hatte  der  jungen  Dame  153^  eine  seiner  etrennes  ge- 
widmet. 

1  Franz.  von  J.  Vincent  1553  u.  1574  und  von  Monglave  1829;  Engl,  von 
Southey   1817 ;  Ital.   von  Spineda   1584. 

*  J.  F.  de  Vasconcellos  widmete  sein  Werk  (in  dem  altmodische  mit  refor- 
mierten Renaissanceformen  untermischt  sind)  ein  erstes  Mal  1554  dem  Kronprinzen,  dessen 
Mut  und  Rittel  tugenden  er  dadurcii  ernstlich  zu  stacheln  gedachte,  unter  dem  Titel :  t> Memorial 
das  Proezas  da  Segunda  Tavola  Redo7tda<.<  oder  auch  -»Triumpho  de  Sagramorv.,  vermutlich 
nur  handschr.,  vielleicht  jedoch  auch  in  einer  undatierten  Druckausgabe,  über  welche  sichere 
Angaben  fehlen;  und  später  dem  jugendlichen  Sebastian  in  einem  Drucke  von  1567.  Neu- 
ausg.   1867.     S.  Varnhagen,  Livros  de  Cavallarias,  Wien    1872. 

*  Gedr.   1520—23;   1601  :    i742  und  1791. 


33^    LrrJERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.   PoRT.    LiTT. 

des  kleinen  Epos  in  spanischen  Oktaven ,  ward  schon  früher  gedacht.  Die 
hschr.  Hefte  wurden  von  D.  Joäo  (III.)  nicht  nur  gelesen,  sondern  eigenhändig 
verbessert,  und  fanden  grossen  Anklang.     Nachahmer  aber  fand  Barros  nicht. 

151.  ß.  Der  Schäferroman.  Was  B.  Ribeiro  begonnen  und  Mon- 
temör  in  seiner  Diatia  kunstvoll  entwickelt  hatte  (gefolgt  von  Gil  Polo 
und  Alonso  Perez,  seinen  Fortsetzern)  nahm  in  Portugal  erst  gegen  Aus- 
gang des  Jhs.  Fernam  Alvares  do  Oriente  wieder  auf;  doch  schliesst  er 
sich  enger  an  Sannazaro's  Arcadia  an.  In  seinem  allegorischen  Schäfer- 
roman y>A  Lusitania  transformada«  (=  »Portugal  in  Schäfertracht«),  der  um 
1595  verfasst  scheint,  doch  erst  1607  (und  1787),  gedruckt  ward,  erzählt  er 
in  recht  glatter  und  kunstvoller  Prosa  den  eigenen  Liebesroman  und  Erleb- 
nisse anderer  Goenser  Zeitgenossen ;  für  den  modernen  Leser  ist  diese  Prosa 
jedoch  nichts  als  das  schöne  Band,  welches  seine  Gedichte  aneinanderreiht. 
In  der  »Historia  da  Arvore  triste«  verwertet  er  eine  indische  Lokalsage,  die 
noch  von  einem  anderen  Portugiesen,  angeblich  Rodrigues  Lobo,  behandelt 
wurde,  und  Gegenstand  einer  kleinen  Streitfrage  geworden  ist.  Auch  in  den  drei 
zusammenhängenden  Schäferromanen  des  letztgenannten  romantischen  Dichters 
aus  Leiria*,  die  monoton  und  handlungsarm,  doch  voll  lieblicher  Natur- 
schilderungen sind,  dient  die  Prosa  hauptsächlich  als  Unterlage  zur  Einführung 
von  Hirtengedichten.  Die  ermüdend  \a.vige,  Friviavera  (1601)  ist  in  Blumen- 
plätze {Florestas)  geteilt;  der  Pastor  Peregrino  (1608)  in  Jornadas\  und  der 
»Entzauberte«   O  desenganado  (16 14)  in  Discursos. 

152.  y.  Novellen.  Weder  ein  echter  Ritterroman  noch  ein  Schäfer- 
roman, obgleich  auf  einer  »Hirteninsel«  geschrieben  {Insula  Pastoril)^  ist  die 
»Historia  dos  traballios  da  sem-ventura  Iseo«.  Sie  ist  eine  sentimentale  und 
allegorische  Abenteuer-Novelle,  spielt  im  Orient  (in  Damascus  und  Ephesus) 
zeitweise  aber  auch  in  ganz  unbestimmten  Lokalitäten  wie  auf  einer  Insel 
der  Grausamkeit,  der  Insel  des  Lebens,  im  Thal  des  Schmerzes,  und  im  Hause 
der  Ruhe.  Anlehnung  an  griechische  Muster  (Heliodor,  und  seinen  Nach- 
ahmer Tatius)  ist  sicher,  doch  war  dem  Verfasser  ohne  Zweifel  auch  die 
Menina  e  Mofa  bekannt  (an  deren  i.  und  3.  Kapitel  die  Einleitung  deutlich 
anklingt),  so  wie  die  ältere  spanische  Romanlitteratur  [Padron\  San  Pedro). 
Der  portug.  Text  ist  freilich  nur  eine  sehr  gute  und  freie  Übersetzung  des 
span.,  welchen  Nunez  de  Reinoso  als  »Historia  de  los  Amores  de  Clareo y 
Florisea  y  de  los  trabajos  de  Isea«  1544  in  Venedig  veröffentlicht  hatte  (S.  ob. 
p.  294  Anm.  6)2.  —  Kleinere  Novellen  und  Erzählungen  in  selbständiger  Dar- 
stellung, ob  auch  nicht  eigener  Erfindung,  schrieb  1569,  zur  Zeit  der  grossen 
Pest  und  sicherlich  nicht  ohne  Rückblick  auf  Boccaccio,  der  nicht  ungewandte 
Gonyalo  Fernandes  Trancoso.  Seine  Stoffe  entnahm  er  zum  grösseren 
Teile  dem  altital.  Novellenschatze  von  Sacchetti,  Straparola  und  Boc- 
caccio (wie  z.  B.  das  6^rw(?/^w-Märchen),  zum  kleineren  der  Volksüberlieferung, 
meist  mit  moralischem  Lehrzweck.  Sie  erschienen  1585  in  zwei  Teilen  als 
y>Contos  Proveitosos«.^  und  1596,  nach  des  Autors  Tode,  unter  Hinzufügung 
eines  dritten  Abschnittes  als  y>Contos  e  historias  de  proveito  e  exemplo«.  Sonst 
finden  Erzählungen  sich  nur  eingestreut  in  grössere  Werke  wie  z.  B.  in  Lobo's 

'  Über  diesen  Dichter,  der  sich  in  ein  Hoffräulein  des  Herzogs  von  Caminha  ver- 
liebte, und  auf  einer  Überfahrt  über  den  Tejo  umkam,  lese  man  Bouterwek's  ausführ- 
liche Darstellung,  sowie  Costa  e  Silva  Bd.  V.  Seine  Werke  sind  in  den  Gesamtausgaben 
von   1723  und   1774  leicht  zugänglich. 

^  Da  von  der  portug.  Bearbeitung  nur  ein  einziges  Exemplar  übrig  ist,  fehlt  es  bis 
heute  an  einer  eingehenden  Untersuchung  der  Sachlage.  S.  darüber  Dicc.  Bibliogr.  HI  196 
und  X  28,  nebst  Panorama  I  p.  164.  Das  span.  Original  steht  abgedruckt  in  der  Bibl.  de 
Aut.  Esp.,  Bd.  111.  -  S.  Gayangos,  Caball  p.  LXXVIIl  und  ff.,  Ticknor-Wolf  II  226 
und  735;  A.  de  los  Rios  VII,  396. 


Prosa:  Schäferroman.  Novellen.  —  Geschichtl.  Werke.  337 

Anleitung   zur  Sittenbildung    eines  Hofmanncs    y>  Corte  na  Aldeia  ou  Noites  de 
Inverno«:  (1619),  und  in  die  y> Miscellanea«  Andrada's  (1629). 

153.  B.  Werke  historischen  Charakters.  Obwohl  gerade  die  be- 
deutendsten und  gründlichsten  Kenner  ihre  historischen,  archäologischen  und 
humanistischen  Werke  über  Portugal  lateinisch  schrieben,  damit  die  internationale 
Gelehrtenwclt  sie  lesen  könnte,  so  ist  hier  dennoch  eineReihe  bedeutender  Namen 
und  Werke  aufzuzählen.  Denn  schrieben  viele  der  sich  der  Vulgairsprache  be- 
fleissigenden  Historiker  auch  im  alten  Chronikenstil,  ist  ihre  Charakterzeichnung 
auch  schwach,  und  ihre  Rede  meist  kunstlos,  so  sind  ihre  Stoffe,  die  sie  aus- 
schliesslich der  engeren  und  weiteren  vaterländischen  Geschichte  entnehmen,  doch 
so  interessant,  und  das  heroische  Nationalgefühl  aller  Darsteller  ist  ein  so  kräftiges, 
dass  den  Werken  ein  bleibender  und  allgemeiner,  nicht  bloss  wissenschaftlicher 
Wert  innewohnt.  Den  ersten  Rang  nehmen  die  »D^cadas«  des  Joäo  de  Harros 
ein  (1496—1570)1  die  ein  starker  epischer  Hauch  durchweht.  Der  Autor, 
der  wie  erzählt,  zuerst  am  Clarimundo,  und  später  an  vielen  anderen  kleinen 
Schriften  historischen,  moralphilosophischen  und  grammatischen  Inhalts  seine 
Feder  geübt,  sich  auf  seine  grössere  Aufgabe  aber  stilistisch  durch  das  Studium 
der  Alten,  speziell  dcsZk'ms,  noch  besonders  vorbereitet  hatte,  und  zwar  mit  so 
viel  Glück,  dass  man  seine  kernige,  mass-  und  würdevolle  Prosa  meisthin  für 
das  erste  klassische  Portugiesisch  erklärt,  erhielt  im  J.  1541  von  Johann  III. 
den  förmlichen  Auftrag,  sich  an  die  Abfassung  einer  Geschichte  Portugicsisch- 
Itidicns  zu  machen.  Nach  sorgsamster  Ausnutzung  älterer  Aufzeichnungen 
(worunter  Azurara's  >>  Chronica  da  Guini«  hervorragt),  und  aller  vorhandenen 
Urkunden,  begann  er  9  Jahre  später  die  Veröffentlichung.  Der  erste  Band 
der  in  Dekaden  geteilten,  den  Zeitraum  von  141 5  bis  1539  umfassenden 
,>Asm«,  welcher  die  Vorgeschichte  des  indischen  Seezugs  von  den  frühesten 
afrikanischen  Expeditionen  an,  und  dann  die  Fahrt  Vasco  da  Gama's  erzählt, 
erschien  am  28.  Juni  1552  (und  nicht  53,  wie  Storck  meint),  also  vor  des 
Lusiadensängers  Abfahrt  nach  Indien.  Der  zweite  folgte  unmittelbar;  er  ver- 
liess  die  Presse  am  24. März  1553.  Der  dritte  erschien  viel  später  (1563).  Der 
vierte  hinterblieb  unfertig  und  erschien  erst  ein  Menschenalter  nach  Barros' 
Tode  (Madrid  161 5) ''^,  als  sein  Nachfolger,  der  von  Philipp  II.  ernannte 
enthusiastische  Diogo  do  Couto  (1544 — i6i6)3  die  Ereignisse  der  vierten 
Dekade  bereits  in  seiner  lebendigen,  nach  eigener  Anschauung  malenden 
Weise  dargestellt  hatte.  Dieser  Chronist  hatte  nämlich  lange  Zeit  (von  1559 
an)  in  Indien  gelebt  und  gewirkt,  erst  als  Soldat,  dann  als  Organisator  und 
Verwalter  des  Reichsarchivs  zu  Goa,  sodass  er  an  Ort  und  Stelle  gründliche 
Studien  gemacht,  und  offenen  Auges,  ob  auch  blutenden,  empörten  Herzens  den 
Verfall  der  einst  so  blühenden  portug.  Herrschaft  mitangesehen  hatte.  In 
9  Dekaden  (4.— 12.)  behandelte  er  den  Zeitraum  von  1529  bis  1608,  nicht 
ohne  dass  Misgeschick  und  Diebeshand  ihm  mehrmals  etwas  von  den  Früchten 
seiner    Arbeit  raubten'*.     Ausserd3m   schilderte   er   in    seinen    kulturhistorisch 


*  Eine  gute  Vita  des  Barros  schrieb  der  tüchtige  Historiker  und  Altertumsforscher 
Manuel  Severim  de  Faria,  und  fügte  sie  seinen  »Discursos  variosti.  ein  (1624,  17yi 
und  1805).  Sie  begleitet  auch  den  Clarimundo  in  der  Neuausgabe  von  1736;  und  steht  ferner 
im  Registerbande  der  grossen  Gesamtausgabe  der  Decadas. 

^  Diese  akademische  Gesamtausgabe  erschien  1778  —  88  in  24  Bänden.  Eine  abge- 
kürzte deutsche  Übersetzung  ist  die  von  So  1  tau  (5  Bde.,  Braunschw.  1821);  eine  aus- 
fülirliche  die  von  Faust,   1844;  span.  von  Torre    1582;  ital.   von  ülloa  schon    1562. 

'  Auch  Couto 's  Leben  erzählte  Severim  de  Faria. 

*  Decada  IV  ward  l602  gedruckt;  die  5te  l6l2;  die  6te  1614;  doch  verbrannte  sie 
bis  auf  wenige  Exemplare;  der  7  ten  Manuskript  fiel  auf  dem  Ozean  in  Feindes  Hand,  und 
erschien  erst  1616;  die  8  te  und  Qte  wurde  gestohlen,  doch  von  dem  72  jährigen  CJreise 
summarisch  wieder  aufgebaut,  soweit  sein  Gedächtnis  und  seine  Aufzeichnungen  es  erlaubten, 
doch  erschienen  sie  erst  I673;  die  lOte  schon  1602  vollendete,  da  sie  die  früheste  war,  welche 

(jR^BUR,  Grundrisü.  IIb.  22 


338    LiTl'ERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


höchst  bedeutsamen  »Dialogen  vom  indischen  Soldaten«  =  »Soldado 
Pratico€  furchtlos  die  krassen  Mängel  und  Ausschreitungen  der  indischen  Ver- 
waltungi.  In  matterem  Geiste  schrieb  später  noch  A.  Bocarro,  Couto's  Nach- 
folger als  »indischer  Chronist«  und  Verwalter  des  Archivs  von  Goa,  eine  Fort- 
setzung der  unterbrochenen  >>Dicadas«'^^  die  ungedruckt  blieb,  jedoch  von 
späteren  Geschichtsschreibern,  wie  z.  B.  von  Faria-e-Sousa  für  seine  Asia 
benutzt  ward. 

Daneben  hatten  zahlreiche  andere  Männer,  die  nach  Indien  gegangen 
waren,  um  Grosses  zu  erleben,  sich  ohne  offiziellen  Auftrag,  aus  eigenem  Antrieb, 
besondere  historische  Aufgaben  gestellt.  Noch  vor  Barros  verfasste  Fern  am 
Lopes  de  Castanheda  (f  1559)  eine  Geschichte  der  indischen  Entdeckungen 
•»Historia  do Descpbriniento  dalndin«  (1551- — 61  und  1883,  8Bde.),^die  rhetorisch 
zwar  unbedeutend,  sachlich  aber  sehr  wertvoll  ist.  (Caspar  Correia  hatte  nach 
3ojährigem  Aufenthalt  im  Orient  seine  durch  Wahrhaftigkeit  und  biedere  Treue  aus- 
gezeichneten, mit  Portraits^  und  Festungsplänen  versehenen,  sonderbarer  Weise 
»Legenden«  betitelten  Indischen  Geschichten  (»Lendas  da  India«)  niederge- 
schrieben, welche  die  erste  Epoche  von  1497  bis  1550,  d.  h.  die  Zeit  der  Macht 
und  Grösse  umspannen  (8  Bde,  gedr.  1858 —62).  Ein  wenig  später  erzählte,  von 
Patriotismus  und  Sohnesliebe  getrieben,  doch  ehrlich  und  bescheiden,  in  schmuck- 
loser Darstellung  [em  nua  c  chä pifitura,  wie  schon  Ferreira  treffend  sagte)  der 
würdige  Sohn  des  grossen  Albuquerque,  Bras  (1500 — 1580),  demseinKönig 
des  Vaters  Taufnamen  D.  Affonso  beilegte,  mit  Benutzung  von  Briefen  und  Be- 
richten, des  Helden  Ruhmesthaten,  in  einer  mit  Hinsicht  auf  Caesar  »Commen- 
tarios  de  Affonso  de Alkiquerque«  betitelten  biographischen  Chronik  (gedr.i  557. 
^579-  1774;  frz.  1579).  Der  sittenreine  und  uneigennützige,  in  Indien  ge- 
borene Apostel  der  Molukken ,  Antonio  Galväo,  der  arm  im  Hospitale 
starb  (1557),  hinterliess  einen  wertvollen  Bericht  über  indischen  Handel  und 
Wandel  »Tratado  dos  desvairados  caminhos  .  .  .  da  pimenta  e  dos  descobrimentos« 
(gedr.  1563).  Hervorragende  Einzelepisoden  aus  den  indischen  Feldzügen 
wurden  natürlich  auch  vielfachst  gefeiert:  so  besonders  die  erste  und  zweite 
Belagerung  von  Diu  (1538  und  1546)  nicht  bloss  von  Andrade  und  Corte- 
real  in  ihren  Epen  und  von  Diogo  de  Teive  und  Goes  in  lat.''  Werken, 
sondern  auch  von  Lopo  de  Sousa  Coutinho,  der  selber  daran  teilgenommen 
hatte  in  seiner  y>Hisioria  do  (2  ")  Cereo  de  Diu«  (gedr.  1556  und  1 890);  die  Belage- 
rung von  Goa  und  die  von  Chaul  durch  den  Reichshistoriographen  Antonio  de 
Castilho  (1573);  dieEroberung  von  Pegü  durch  Man oel  d'Abreu  Mousinho 
{»Congtiista  do  Pegü«,  1617  und  1829);  u.  a.  m.  Die  bemerkenswertesten  Schiff- 
brüche schilderten  zwischen  1552  und  1650  gerettete  Augenzeugen  —  Schiffs- 
beamte, Priester,  Kosmographen  und  Soldaten  —  in  anschaulichen,  oft  hoch- 
pathetischen Berichten,  welche  damals  mit  brennendem  Interesse  von  der  ganzen 

Conto  ausarbeitete,  kam  sogar  erst  1778  ans  Licht;  die  Ute  ist  verloren  und  wird  durch 
einen  modernen  Abriss  ersetzt ;  von  der  12  ten  waren  nur  die  ersten  5  Bücher  fertig  (gedr.  1645). 
Vgl.  Memorias  de  Litt.  Port.  1  339. 

'  Audi  diese  urkrät'tigen  Dialoge,  die  manchem  ■»indiatico«  misfallen  mussten,  wurden 
Couto  entwendet;  und  er  schrieb  sie  zum  zweiten  Male  in  ganz  veränderter  Redaktion. 
Beide  Darstellungen  sind  jedoch  gefunden  und   1790  zusammen  gedruckt  worden. 

2  Bocarro  behandelte  die  Ereignisse  der  Jahre  1613  — 15.  S.  Memorias  de  Litt. 
III   30  und  Memorias  da  Acad.    de  Historia,  Anno   1724    No.  XXII  p.  3    "nd  XXVII  p.  8. 

3  Franz.  von  N.  Grouchy  1554;  engl,  von  Linchfield  1582;  span.  1558  von 
Selves;  ital.    1578   von  Ulloa;   holl.   erst    1670. 

*  Kopien  nach  den  höchst  primitiven  »Retratos  dos  Visoreys<.< ,  welche  zu  Goa  das 
Regierungsgebäude  schmückten. —  Engl,  teilweise  von  Stanley,   1869. 

*  Jacob i  Tevii,  Commentarius  de  Rebus  apud  Dium  gestis  anni  \ 546  (gedr.  1 548) 
und  Damiani  a  Goes,  Commentarii  ('oder  Epitome)  rerum  gestarum  in  India  anno  1538 
(1539);  1111(1  L>i  bello  camhaico  ultimo  commentarii  tres  (1549)« 


Prosa:  Geschichtliche  Werke.  339 

Nation  gelesen  oder  gehört  wurden,  und  die  noch  heute  die  Herzen  bewegen, 
wie  besonders  der  »Nai/fragio  de  Sepülveda«.  Zuerst  erschienen  sie  in  (meist 
verschollenen)  fliegenden  Blättern;  dann  fanden  sie  z.  T.  wörtlich,  z.  T.  nur 
auszugsweise  Aufnahme  in  die  »D^cadas«.  Zuletzt  erschienen  sie  gesammelt  unter 
dem  Titel  »Historia  tragico-maritima« '.  Einzelne  der  Berichterstatter  schilderten 
(wie  natürlich  die  Geschichtsschreiber  alle)  die  Gegenden,  welche  sie  Gelegen- 
heit gehabt  hatten,  kennen  zu  lernen,  wie  z.  B.  Henrique  Dias  die  Insel 
Sumatra,  und  der  Priester  Manoel  Barradas  Zeylon  mit  Colombo.  Das 
breiteste  und  inhaltreichste  Reisewerk  des  Jhs.  über  die  asiatischen  Länder 
lieferte  jedoch  der  weitgewanderte  Fernam  Mendes  Pinto  (1509 — 1580), 
den  man  mit  Unrecht  »Lügenprinz«  gescholten  hat-.  Seine  »Peregrinaföes« 
bieten  ein  farbenreiches  Bild  alles  Fremdartigen,  was  er  in  Indien,  China  und 
Japan  gesehen  und  erlebt  hatte ^.  Nachrichten  über  Persien  und  China  gab 
Frei  (ia spar  da  Cruz  in  seinem  inhaltsreichen  »Traiado  das  cousas  da  China 
e  de  Ormuz«  (1569 '70  und  1829).  Eine  reiche  Fundgrube  interessanter 
Notizen,  besonders  auch  über  Japan  sind  die  Briefe  der  Missionare:  »Cartas 
(jiie  OS  Padres  e  Irmäos  da  Conipanhia  de  Jesus  escrez'eram^  (1565)«  Dem  Land- 
weg nach  Indien  widm(>te  Antonio  Tenreiro  zuerst  ein  Werk,  sein  wich- 
tiges y>ltinerario«  (1560  und  1565;  mit  den  Peregrinaföes  171 1  und  1829).  Vor- 
zugsweise Palästina  schilderte  Frei  Pantaleäo  de  Aveiro  (1563)  dessen 
>>Iiinerario  da  Terra  Santa«  viele  Auflagen  erlebte*.  Werke  wie  die  Schiffsbücher 
yRoteiros«.  des  Vasco  da  (iama  und  D.  Joäo  de  Castro  (vgl.  §  181),  sowie 
ähnliche  andere  Aufzeichnungen  gehören  nicht  zur  eigentlichen  Litteratur- 
g(^schichte. 

Afrika  und  Amerika  lieferten  natürlich  gleichfalls  den  Stoff"  zu  zahl- 
reichen Geschichtswerken.  Als  besonders  wichtig  sei  genannt:  die  y>Historia 
da  Prcn'incia  de  Santa  Cruz«  (1576  und  1858)  von  Pedro  de  Magalhäes 
Gandavo,  nebst  seinem  »Tratado  das  cousas  do  Brasil«  (1826).  Die  Helden- 
thaten  und  das  Martyrium  des  D.  Christovam  da  Gama  in  Aethiopien  (1541) 
leierte  Miguel  de  Castanhoso  in  einer  »Historia  das  cousas  que  0  muy 
es/orfado  Capitäo  Christovam  da  Gama  fez«  (1564)."'   Die  Niederlage  von  Alcacer 


'  Die  zwei  von  B  ein  ard  o  Gonies  de  Brito.  Liss.  1735  und  36  herausgegebenen 
Bünde  enthalten  12  Einzelberichte:  l)  Naufragio  do  Galeäo  Grande  S.  Joäo  1552,  von 
einem  Anonymus,  und  nicht  von  Alvaro  Fernandes,  wie  Barb.  Mach,  und  Braga 
behaupten  (es  ist  der  naufr.  de  Septdveda);  2)  N.  da  Nau  S.  Bento  1554,  von  Manuel  de 
Mesquita  Perestrello;  3)  Cotueigäo  1555,  von  Manuel  Ran  gel;  4)  Agtda  e  Garga 
1559,  vom  P=  Manoe  1  Barrad  as;  5J  S.  Paulo  1561,  v.  Henrique  Dias;  6)  S.  Maria 
da  Barca  1559,  von  einem  Unbekannten;  7)  Naufragio  de  Jorge  Albuqturque  Coelho  15^5. 
von  Bento  Teixeira  Pinto;  8)  Santiago  1585,  von  Manoel  Godinho  Cardoso; 
g)  S.  7'Jiome  1589,  von  Diogo  do  Couto;  10)  .S".  Alberto  1589,  von  Joäo  Baptista 
I.avanha,  gedr.  1597;  11)  S.  Francisco  1596  vom  P^  Gaspar  Affonso;  12)  Galiäo 
Santiago  1604,  von  Melchior  Estacio  do  Amaral.  Ein  dritter,  äusserst  seltener 
Band  (über  den  Inn.  da  Si  Iva  I  377  und  II  yi  spricht)  umfasst  11  Stücke,  von  denen  fünf 
(Nos  5.  7.  8.  10.  11)  Wiederholungen  aus  der  ersten  Sammlung  sind  (lo.  8.  12.  1  3). 
Gegenstand  und  Verfasser  der  übrigen  sind:  l)  Nau  S.  Loitrenfo  1649,  von  Antonio 
Francisco  Card  im,  gedr.  1651  ;  2)  Sacra^iento  e  N.  S.  da  Atalaya  1650,  von  Bento 
i'eixeira  Feijö;  3)  5.  Joäo  Baptista  1625.  von  Francisco  Vaz  de  Almada  (und 
nicht  von  Fernando  Lopes  da  Silveira);  4)  Conceigäo  1621,  von  JoTio  Carvalho 
(und  nicht  Tavares)  Mascarenhas,  gedr.  1627;  6)  N.  S.  de  Beletn  1635,  von  Jose 
de  Cabreiro,  gedr.  1646;  9)  N.  Si  do  Born  Despacho  1630,  von  Frei  Nuno  da  Con- 
ceigäo, gedr.  1631.  Später  erschien  getrennt  nur  noch  ein  Schiffbruchs  -  Bericht :  der 
Naufragio  Carmelitano   1750. 

^  Fernam,  Mentes?  Mintoi  lautet  die  scherzhafte  in  Portugal  Qbliche  Verdrelunig 
seines  Namens. 

»  Gedr.  1614.  1678.  1711-  1725-  17^2.  1829.  Übersetzt  ins  Engl.,  Frz.,  Span. 
Deutsche. 

*  Gedr.  1593.  1596.   1600.  1685.  1721.  1733.  —  "  Auch  1855. 

22* 


340    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  ■  4.    POR'l'.    LiTT. 

Quebir  behandelte  Jeronymo  deMendonga  in  s&inar  »Jornada  de  Africa« 
(1607  und  1785)';  die  Belagerung  von  Mazagäo  (1562)  der  Augenzeuge 
Agostinho  de  Gavy  de  Mendonga  in  seiner  -»Historia  do  fatnoso  cerco 
que  0  Xarife  pos  d  fortaleza  de  Mazagäo<c  (162g  und  1891).  Derselben  Festung 
widmete  D.  Gongalo  Coutinho  seinen  -»Discurso  da  jornada  de  D.  G.  C.  d 
nilla  de  Mazagäo«  (1629).  Der  Dominikaner  Frei  Joäo  dosSantos  schrieb 
ein  wertvolles  historisch-geographisches  Buch  über  Äthiopien  » Ethiopia  OrientaH 
(gedr.  1609  und  189 1), 2  welches  Land  schon  früher  durch  Damiäo  de  Goes 
in  einem  vorzüglichen  lateinischen  Opus 3,  und  durch  den  Pater  Francisco 
Alvares  in  seiner  Abhandlung  y>  Verdadeira  inforniagäo  das  terras  do  Preste 
Joäo«  bekannt  gemacht  worden  war  (1540  und  1889).  Gaspar  Fructuoso 
gab  seiner  (beschichte  der  atlantischen  Inseln  den  romanhaften  Titel  »Saudades 
da  terra«  mit  absichtlichem  Anklang  an  das  Werk  des  Bernardim  Ribeiro, 
dessen  Stil  er  in  seinem  »Preambulo«  nachahmt.  Bis  heute  ist  jedoch  nur  der 
die  Insel  Madeira  betreffende  Teil  herausgegeben  (Funchal   1873)*. 

Die  Reichshistoriographen  und  Verwalter  des  Lissabonner  Staatsarchivs 
vervollständigten  im  Auftrage  der  Monarchen  das  Corpus  der  Rönigschroniken. 
Zu  Ruy  de  Pina's  Werk  über  Johann  II.  und  zu  Resende's  Auszug  daraus, 
fügte  der  bedeutendste  Historiker  jener  Tage,  der  als  Mensch  und  Gelehrter 
gleich  ausgezeichnete  Damiäo  de  Goes  (1501^72)  eine  dritte  »Chronica 
de  D.  Joäo  II.« ,  die  er  jedoch  nur  als  Ergänzungswerk  zu  seiner  gründ- 
lichen Hauptarbeit,  der  »Chronica  de  D.  Manoel«  aufifasste  (gedr.  1566  67). 
Dieser  weltkundige  Diplomat,  der  auf  seinen  Reisen  an  Luther's  und  Melanch- 
thon's  Tische  gesessen,  mit  Dürer  verkehrt,  lange  im  Hause  des  Erasmus 
gelebt  hatte,  und  durch  eine  weit  verzweigte  (latein.)  Correspondenz  Umgang 
mit  Bembo,  Sadoleto  und  anderen  europäischen  Berühmtheiten  unterhielt, 
(weshalb  er  noch  im  Alter  ein  Opfer  der  Inquisition  ward),  verdiente  eine 
eingehende  Würdigung,  an  der  nur  der  Raummangel  hindert.  ^  Die  Regierungs- 
zeit des  »Glücklichen«  Emanuel  fand  noch  einen  zweiten  erlesenen  Darsteller 
in  dem  Bischof  von  Silves  Jeronymo  Osorio  (f  1580)  dessen  klassisches 
Werk  -»De  rebus  Emanuelis  libri  XII«  (gedr.  1586)  genannt  werden  muss, 
obwohl  es  lateinisch  geschrieben  ist,  weil  die  stilistisch  meisterhafte  Über- 
setzung des  Paters  Francisco  Manoel  do  Nascimento  (Filinto  Elysio) 
es  zu  einem  nationalen  Geschichtswerk  gemacht  hat:  »Da  vida  e  feitos  del  Rey 
D.  Manoel«  (gedr.  1804).  Was  sich  in  Portugal  und  seinen  Besitzungen  unter 
Johann  III.  Wichtiges  zutrug,  buchte  Francisco  de  Andrade  (geb.  vor 
1540,  gest.  16 14)  in  einer  mit  behaglicher  Breite  in  4  Bänden  geschriebenen 
»Chronica  de  D.  Joäo  III.«  (16 13),  zu  der  später  die  »Annaes«  des  Frei 
Luis  de  Sousa  hinzukamen  (s.  ^  165).  Die  kurzen  Jahre  Sebastians  stellte 
zuerst  Frei  Bernardo  da  Cruz  dar,  der  als  königlicher  Kapellan  den  afrika- 
nischen Feldzug  mitgemacht  hatte  (gedr.  1837).  Die  noch  kürzere  Regierungs- 
zeit des  greisen  Kardinal-Infanten  behandelte  der  Minister  Miguel  de  Moura  in 
der  »Chronica  do  Cardeal-Rei  D.  Henrique«    (gedr.    1840). 

'  Es  ist  eine  Gegenschrift  gegen  die  Darstellung  des  in  Lissabon  lebenden  genueser 
Kaufmannes  Jeronymo  F  r  a  n  c  li  i  C  o  n  e  s  t  a  g  i  o  :  Dell  uniotu  del  regno  di  Portogallo  alla 
Corona  de  Castiglia  (  1 585).  Die  span.  »Jornada  deAfrica.',  welche  Juan  Baptista  Morales 
1622  veiöflfentHchte,  als  wäre  sie  seine  eigene  Arbeit,  ist  nichts  als  ein  Auszug,  z.  T.  sogar 
eine  wörtliche  Übersetz.ung  des  portug.  Textes  von  Mendon^a. 

*  Franz.  Auszug  von  Charpy  y>Hisiiore  de  l'Ethiopie  Orientale  1684. 
'  Fides  Religio  ntoresque  Aethiopum   1540. 

*  Der  Gesa'mttitel  lautet:  Historia  das  Ilhas  do  Porto  Sancto,  Madeira,  Desertas  e 
Selvagens.    S.  Braga,   QuestÖes  p.  282 — 294. 

'  S.  Joaquim  de  Vascon  Cellos,  Archeologia  Artistica  Bd.  7  und  8 :  Go'esiana. 
Porto  1879;  Carlas  latinas  \'<i%f:)\  Vidaix^  Renascenga  Portugueza  1880  und.  Plutarcho  Portuguez 
1881. 


Prosa:  Geschichtliche  Werke.  341 

Erst  gegen  Ende  des  Jhs.,  gerade  als  die  vaterländische  Geschichte  in 
Folge  der  Fremdherrschaft  einen  jähen  vorläufigen  Abschluss  gefunden  hatte, 
unternahmen  es  gelehrte  patriotische  Arbeiter  in  weit  ausholenden  Werken 
die  Gesamtgeschichte  Portugals  zusammenhängend  darzustellen  und  Land  und 
Leute  sowie  die  natürlichen  Lebensbedingungen  und  politischen  Einrichtungen 
zu  schildern.  Nachdem  Pedro  de  Mariz  in  seinen  »Dialogos  de  varia 
historia«  (1594  und  1599)  einen  ersten  Versuch  gewagt  hatte,  trat  Balthasar 
de  Brito  eAndrade,  oder,  wie  er  als  Ordensbruder  und  Chronist  des  Cister- 
zienser-Klosters  Alcobaga  hiess  Frei  Bernardo  de  Brito  (156869  — 1617) 
mit  den  Anfängen  seiner  »Monarchia  Lnsitana«  hervor,  zu  der  eine  kleine 
»Geographia  afitiga  da  Lusitania«  die  nötige  Ergänzung  bildet.  Doch  hatte 
er  viel  zu  weit  rückwärts  gegriffen  —  wohl  um  den  Spanier  Florian  de 
Ocampo  noch  zu  überbieten  — ,  und  die  Vorgeschichte  des  portug.  Staats- 
wesens und  Landes  dermassen  ausführlich  behandelt,  dass  der  12  Bücher  um- 
fassende erste  Teil  (1597  und  1690)1  nur  von  der  Erschaffung  dieser  Welt 
bis  Christi  Geburt  und  der  zweite,  in  7  Büchern  (1609),  nur  bis  zur  Gründung 
der  portug.  Grafschaft  reicht.-  Brito  benutzte  bei  diesem  gewagten  Unter- 
nehmen nicht  nur  alles  was  er  bei  den  alten  Autoren  über  den  Westen  der 
Halbinsel  an  Nachrichten  auffinden  konnte,  ohne  rechte  kritische  Sichtung, 
sondern  er  bediente  sich  daneben  ergiebigst  auch  völlig  apokrypher  Texte 
und  sagenhafter  Berichte,  so  dass  der  wissenschaftliche  Wert  seines  Torso 
gering  ist.  ^  Die  Darstellung  und  Schreibweise  ist  jedoch  vorzüglich  klar, 
rein  und  elegant  —  und  vermeidet  allen  Schwulst.  —  Über  die  Fortsetzungen 
befrage  man  ^  165  (letzte  Anm.)  Den  Gedanken  einer  vollständigen  Ge- 
schichte Portugals  verwirklichte  dann  in  knapper  Form  Manoel  de  Faria- 
e-Sousa  (1590 — 1649),  jedoch  in  span.  Sprache,  in  seinem  y>Epitotne  de  las 
historias portuguezas«  (Madr.  1628,  u.  ö),  das  in  zweiter,  stark  verändeter  und  er- 
weiterter Bearbeitung  den  Titel  »Europa  Foriugueza«  trägt*  (gedr.  erst  1678 — 80 
3  Bde).  Eine  »Africa portugueza<<  1678 — 81  und  y>Asia  Foriugtieza«  (1666 — 75 
3  Bde.,  engl.  J.  Stevens  1694 — 95)  vervollständigen  es.  Mit  einer  Neube- 
arbeitung der  alten  Königschroniken  von  D.  Affonso  Henriques  bis  Alfons  V. 
leistete  der  verständige  Rechtsgelchrte  Duarte  Nunes  de  Leäo  (7  1608), 
den  Zeitgenossen  einen  grossen  Dienst.  Ausser  den  »Chronkas  dos  Reis  de 
Portugal  reformadas«  (Teil  I  1600  bis  zum  Ende  der  ersten  Dynastie;  II  1643) 
bot  er  noch  eine  »Descripfäo  do  Reino«  (16 10)  und  eine  »Genealogia  de  los 
Reyes  de  Portugal  con  sus  elogios<<   (span.). 

Die  Biographie  und  die  historische  Lobrede  wurden  ergiebig  zwar 
auch  erst  im  17.  Jh.  gepflegt  (von  Brito  in  den  Elogios  dos  Reys  (1603), 
die  jedoch  nur  kurzgefasste  Nachrichten  bieten,  und  von  Severim  de  Faria 
in  seinen  Lebensabrissen  des  Barros,  Couto  und  Camöes''),  doch  hatten 
schon  Barros  (1531)  und  Couto  das  Beispiel  gegeben,  der  erstere  in  den  treff- 
ichen  »Panegyricos  de  D.  Joäo  III  e  da  Infanta  D.  Maria« ,   der  letztere  in  der 

*  Der  Neudruck  der  Liss.  Akademie  T>CoHec(äo  dos  prituipaes  auctores  da  Hist.  Port.« 
(1806,  8  Bde.)  ist  unvollständig,  entliält  aber  die  Biographie  Brito's. 

^  Ein  dritter  Teil  ward  nie  gedruckt.    S.  Memorias  de  Litteratura  \  p.  333. 

'  Die  erste  Gegenschrift  verfiisste  Diogo  dePaiva  de  Andrade  >Exame  de 
Antiguidadesv.  (1616);  die  Verteidigung  ühernahm  F  re  i  Bernardino  da  Silva  y>Defensäo 
da  Älonarchia  Lusitanai  {\(i2~i).  Vgl.  Frei  Fortunato  d  e  S.  B  oa  ven  t  ura  »iWlrw^Wa  .  .  . 
sobre  Frey  Hertiardo  de  Brito-<  in  den  Mem.  da  Academia  Bd.  VII  p.  \\\  —  "il  (1821)  und 
y>Alcoba(a  Illustradai.   p.    107  — H^- 

■•  Im  Epitome  schmeichelt  der  Verfasser  dem  herrschenden  Spanien ;  in  der  Europa 
dem  wieder  selbständig  gewordenen  Portugal. 

*  Ich  könnte  auch  die  Vida  de  Sa  Miranda  nennen  (1614),  als  deren  Autor  Bar- 
hosa  Machado  den  D.  Gon^alo  Coutinho  nennt. 


342     LlTTERA  TURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.     -     4.    PORT.    LiTT. 

)->Vida  de  D.  Paulo  de  Lima«  (gedr.  1765).  Einen  Nachfolger  fand  jener  in 
Antonio  de  Castilho,  der  gleichfalls  König  Johann  III.  feierte',  dieser  in 
Miguel  de  Moiira,  dem  wir  die  erste  portug. Autobiographie  verdanken. 2  Auch 
die  »Vida  do  Inf  ante  D.  Duarte<-<  von  Andr(^  de  Resendc  ist  mehr  ein 
Lebensbild  als  eine  Chronik  (geschr.  nach  1565  gedr.  1789). ^ 

154.  C.  Werke  wissenschaftlichen  Charakters.  Politische  Reden 
und  Schriften  —  Sittenbilder  —  Moralphilosophische  und  philosophische  Ab- 
handlungen —  Werke  über  Wissenschaften  und  Kunst.  Die  Zahl  der  politischen 
Reden  ist  eine  grosse  und  es  sind  darunter  viele,  wirklich  schöne  Leistungen. 
Von  den  oraföes  sehe  ich  natürlich  ab,  die  Barros  und  Couto  ihren  Helden  in 
den  Mund  legen  und  erwähne  nur  kurz  die  Reden  des  D.  Antonio  Pinheiro 
an  Johann  III.,  Sebastian  und  Philipp  IL;  die  von  Aleixo  de  Menezes  an 
seinen  königl.  Zögling  Sebastian  und  die  von  Osorio  an  den  selben  Monar- 
chen sowie  an  die  Königin  Katharina,  die  in  BrieflForm  gekleidet  sind.  *  Eine 
förmliche  Unterweisung  über  Fürstentugenden  schrieb  Lourengo  de  Cäceres 
(j  1531)  für  den  Infanten  D.  Luis,  als  »Doutrinal  de  Principe^«  (Sousa,  Hisi. 
Gen.,  Provas  II  p.  49).  Alle  diese  und  weitere  Proben  finden  sich  in  dem 
Sammelwerke  »Filosoßa  de  Prineipcs«  (1789,  2  Bde.,  hsg.  von  Bcnto  Jose 
de  Sousa  Farinha).  Sehr  häufig  wurden  moralphilosophische  Fragen  in  Ge- 
sprächsform behandelt:  schon  Miranda  Hess  den  gesunden  Verstand  [Des- 
querwiento)  und  die  Lüge  geistvoll  mit  einander  disputieren,  und  Barros  in 
seiner  »Rhopiea  pnevma  hoc  est  merees  spiritualis«  (1532  und  1861)  führt  Zeit, 
Verstand,  Intellekt  und  Willen  als  redende  Personen  ein.  In  seinem  »Dialogo 
da  Viciosa  Vergonha«  und  y> Dialogo  sobre  prcceptos  moraes«.  (1540  und  1869), 
den  man  einen  Katechismus  der  Sittenlehre  nennen  könnte,  tritt  er  selbst  im 
Zwiegespräche  mit  seinen  Kindern  auf.  Viel  später  folgte  Martim  Affonso  de 
Miranda  mit  6  Dialogen,  die  er  »Tempo  de  agora= Jetztzeit«:  betitelte  (1622). 
Gegenstand  seiner  Behandlung  sind:  Ferdade  e  menlira —  Trabalho  e  ociosidade 
—  Temperanfa  e  largueza  —  Verdadeira  e  falsa  amizade  Justifa  e  infus ti(a  — 
Douirina  para  principes.  Sittenbilder  speziell  aus  dem  indischen  Leben  führen, 
ausser  dem  Soldado  Pratico  in  unverblümten  Schilderungen  Francisco  Rodri- 
gues  da  Silveira  in  seinen  »Denkwürdigkeiten« ^  und  ein  Anonymus  in  der 
Abhandlung  »Primor  e  honra  da  vida  soldadesca  no  Estado  da  India«  vor  (gedr. 
1630  in  Überarbeitung  vom  PadreMestre  Frei  Antonio  Freire).  Einen 
ungleich  heitreren,  ob  auch  satyrischen  Ton  schlägt  Francisco  deMoraes 
in  dreiColloquien  an,  die  an  wirkliche  Bühnenszenen  gemahnen  und  verschiedene 
Stände  drastisch  charakterisieren:  Fidalgo  e  Escudeiro;  Cavalleiro  e  Doutor;  Re- 
gateira  e  Mo(o  da  estribeira.  —  Aufschlüsse  über  häusliches  Leben  giebt  der 
Ehespiegel  »Espelho  de  easados«  eines  Dr.  Joäo  de  Barros  (1540  und  1874), 
der  von  dem  Historiographen  verschieden  ist.^  Die  »Obras  moraes«  des  Jorge 
Ferreira  de  Vasconcellos  sind  verloren.  Etwas  hausbackene  Sentenzen  und 

*  Alle  drei  -»Panegyricost.  wurden  1791  veröffentlicht.  Vorbild  war  natürlich  das 
Panegyricum  des  Plinius  Ad  Trajanum,  welches  der  beredte  Bischof  von  Leiria,  D.  An- 
tonio Pinheiro  im   16.  Jh.  noch  einmal  übersetzte  (s.  §  QO). 

-    Vida  de  Miguel  de  Moura,  gedr.  mit  der  Chronica  do  Cardeal-Kei. 

*  Nähere  Auskunft  über  die  Geschichtswerke  der  portug.  Litteratur  findet  der  Leser 
bei  Jorge  Cesar  de  la  Figani^re,  Bibliographia  historica  portugiuza.     Liss.   1850. 

■*  Drei  davon  stehen  in  Barbosa  Mach  ad  o 's  Menwrias  del  Rei  D.  Sebasliäo.  Alle 
ö  veröfTentlichte  A.  L.  Caminha  1818  als  tObras  Ineditasi.  und  1819  Verissimo  Alves 
da  Silva.  S.  auch  Sousa,  Provas  III.,  wo  noch  verschiedene  andere  Praticas  und  Oragöes 
abgedruckt  sind. 

^  Memorias  de  um  soldado  da  India,  auszugsweise  veröffentlicht  von  Costa  Lobo, 
Liss.   1877. 

^  Er  ist  der  Verfasser  der  früher  erwähnten  Antiguidades  de  Untre  Doiro  e  Minlw. 
S.  §  58. 


Prosa:  VVissenschaftl.  Werke.  343 

lehrhafte  Gedankenspähne  ordnete  die  fromme  VVittwe,  Nonne  und  Kloster- 
gründerin D.  Joanna  da  Gama  (7  1586)  in  alphabetischer  Reihe  nach  Gegen- 
ständen unter  dem  Titel  y>Ditos  da  Freira«  zusammen  (1555  und  1872).  Von 
religiösen  Schriften  erlangten  den  grössten  Ruf  die  mystischen  als  » Voz  do 
Atnado«  veröffentlichten  Meditationen  des  Klosterbruders  D.  Hilariam  Brandäo 
(1579);  die  y>Trabal/ws  de  Jesus« ^  welche  Frei  Thome  de  Jesus  gleich 
nach  der  afrikanischen  Katastrophe  schrieb;  die  oft  gedruckten,  in  alle  roma- 
nisch(;n  Sprachen  übersetzten,  weil  ausserordentlich  wirksamen  1 1  Dialoge  über 
christliche  Tugenden,  welche  Frei  Heitor  Pinto  als  »/magern  da  Vida  Christa« 
(i.  Teil  1563,  2.  Teil  1572)  herausgab;  die  gleichfalls  sehr  beliebten,  mehr 
lehrhaften  y> Dialogos«  des  Bischofs  von  Portalegre  D.  Frei  Amador  Arraes 
(j  1600,  gedr.  1589.  1604.  1846J;  der  »Dialogo  Espiritual«  des  Frei  Alvaro 
de  Torres  (1579)  und  der  dogmatische  »Dialogo  enire  dous  peregrinos ,  um 
christäo  e  outro  turco«  von  D.  Gaspar  de  Leäo,  dem  ersten  Bischof  von  Goa 
(t  1576,  gedr.  1573).^  Unter  den  Kanzelrednern  erlangte  der  Dr.  Diogo 
de  Paiva  de  Andrade  grossen  Ruf  Die  Philosophie  hat  in  Portugal  nie 
zahlreiche  Vertreter  gehabt.  Doch  erwarb  sich  als  Verteidiger  der  aristotelischen 
Lehre  (gegen  Ramus)  wenigstens  Antonio  de  Gouveia  einen  Namen. 
Und  die  Schrift  »Quod  nihil  scitur^  (Lugd.  1581),  in  welcher  der  Lehrer  der 
Medicin  und  Philosophie  Francisco  Sanches  (1562  — 1632)  den  Skeptizis- 
mus der  Alten  erneute,  hat  wahren   Wert.  '-^ 

Von  sonstigen  wissenschaftlichen  Werken  gehören  der  Litteraturgeschichte 
höchstens  an:  von  Garcia  da  Orta,  die  »Colloquios  dos  Siniplices  e  Drogas  (Goa 
1563,  in  guter  Neuausgabc  189 1);  3  von  Affonso  deMiranda  ein  »Dialogo  da 
perfci(äo  e partes  necessarias  do  bom  viedico«  (1562),  Von  Diogo  Fernandes 
Ferreira,  »Arte  da  Ca(a  da  altaneria«  (gedr.  1616;  und  der  sehr  bedeutende 
»Tratado  da  Sphera«  des  Kosmographen  und  (jeometers  Pedro  Nunes  (1492 
— 1544),  dem  die  Wissenschaft  die  Erfindung  des  »Nonio«  dankt.'*  Aus  dem 
Gebiete  der  Kunst  verdienen  die  »Dialogos  da  Pintura«  (1548)  des  ideenreichen 
und  ausserordentlich  originellen,  aber  in  der  Schreibekunst  auch  ausserordent- 
lich unerfahrenen  Francisco  de  Holla n da  Erwähnung,  in  denen  er  den 
Inhalt  der  Gespräche  lebendig  wiedergiebt,  die  er  in  Rom  mit  Michelangelo 
und  Vittoria  Colonna  geführt  hatte.  ^  Ein  buntes  (iemisch  von  historischen  und 
genealogischen  Notizen,  theologischen  Betrachtungen,  Märchen,  Anekdoten  und 
Gedichten  ist  die  schon  mehr  als  einmal  erwähnte  »Miscellanea«  des  Miguel 
Leitäo  de  Andrada  (gedr.   1629   und   1867). 

155.  Die  Gelehrtenbriefe  sind  fast  alle  lateinisch  geschrieben.  In  den 
familiären  Briefen  »etn  linguagem«,  bedienten  die  littcrarisch  Gebildeten,  wie 
schon  angedeutet  ward,  sich  eines  eigentümlich  preziösen  Barockstils,  der  bald 
sentimental,  bald  satirisch,  bald  höfisch,  bald  bäurisch,  bald  ernst,  bald 
heiter  ausschaut,  gewöhnlich  aber  »jocoserio«  ist,  »dizendo,  zomhando,  mais  que 

'  S.  Dkc.  Bibl.  I  51   und  II   130. 

^  S.  Braga,  Questöes  p.  274 — 282:  Um  precursor  do  Positiznsnw  und  besonders 
Ludwig  Gerkrath,  Francisco  Sanches,   Wien   1 860. 

'  Der  Herausgeber,  Conde  de  Ficalho,  liat  sich  mit  dem  gelehrten  Doktor  und 
seinem  Werke  in  einer  ausführliclien  und  sehr  lesenswerten  Monographie  beschäftigt:  »Garcia 
da   Orta  e  0  seit  tempo<.<    Liss.    1886. 

*  S.  Mem.  de  Litt.   VII  250—83. 

*  Sie  bilden  nur  einen  Teil,  das  2.  Buch  seines  grossen  Werkes  y>Tratado  da  pintura 
antiga«. ,  und  wurden  1 88 1  —  82  teilweise  in  der  Zeitschrift  A  Arte  Portugueza,  vollständig 
1890  —  92  in  Vida  Moderna  gedruckt  (ed.  Joaquim  de  V  a  sc  o  n  c  e  1 1  os).  Ausser 
jenem  Werke  schrieb  Ho  Hand a  y>Do  tirar  pelo  natural«.  1549  (gedruckt  l8y2  in  Vida 
Modernd)  und  Da  fabrica  que  falece  d  cidade  de  Lisboa  sowie  Da  sciencia  do  desenho  \  57 1 
(gedr.   1879  als  No.  6  der  Archeologia  Artistica). 


344    I^l'iTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.    PORT.  LlTT. 

de  siso«,  und  zwar  »em  estilo  metaforico'i.  und  mit  Benutzung  möglichst  zahl- 
reicher Witzworte,  Sprichwörter  und  Liederverse  in  möglichst  vielen  Sprachen. 
Weniges  hat  sich  erhalten.  Meister  im  Fache  und  der  eigentliche  Pfleger  des 
(icnres  war  Fernam  Cardoso  (Barb.  Mach.  II  20),  doch  ist  ein  Band  mit 
Briefen  von  ihm  und  Camöes  ,  welchen  die  Bibliothek  des  Grafen  von  Vimiciro 
beherbergte,  verschollen'.  Die  Episteln,  welche  Miranda  mit  seinem  Schwager 
Manocl  Machado  de  Azevcdo  austauschte,  waren  schon  1660  von  Ratten 
zerfressen-.  Was  Miguel  Dias  und  Luis  de  Lemos  ihrem  Freunde  Camöes 
nach  Indien  schrieben,  ist  dahin.  Was  Joäo  Lopes  Leitäo  zu  sagen  für  gut 
befand,  ist  bis  heute  wenigstens  ein  Geheimnis^;  und  von  den  21  scherzhaften 
Stücken,  die  den  Spottvogel  Chiado  zum  Verfasser  hatten,  lesen  wir  nur  drei. 
Wir  kennen  ausserdem  noch  zwei  oder  drei  Schreiben  von  Camöes,  eines  vom 
Grafen  deAlcoutim,  nebst  der  Rückantwort  eines  Unbekannten  4,  einige  Briefe 
von  Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos  in  seinen  Komödien,  und  einige  stark 
parodistische  von  Soropita,  die  mit  ihren  equivocos  und  disparates  {coqs  ä  Fäne) 
das  Vorbild  für  zahllose  spätere  Gesellschaftsspiele  der  akademischen  schön- 
geistigen Zirkel,  sowie  fLir  humoristische  Zeitungsartikel  der  Gazetas  wurden. 
156.  Dass  ein  reicher  Schatz  historischer,  geographischer  und  archäo- 
logischer Prosa- Werke  in  lat.  Sprache  vorhanden  ist,  von  denen  nur  drei  im  Vor- 
stehenden genannt  wurden,  wie  auch  an  gedruckten  und  ungedruckten,  bisweilen 
kommentierten  Ausgaben  und  Übersetzungen  lat.  und  griech.  Klassiker,  darf 
eben  nur  gesagt  werden,  obwohl  viele  davon  nicht  ohne  Einwirkung  blieben. 


H.  VIERTE  EPOCHE  1580— 1700  ^ 

NACHBLÜTE  UND  VERFALL:    KULTERANISTEN  (CULTERANISTAS, 

SEISCENTISTAS). 

^M 11  gern  eine  Einleitung.  Die  Werke  aller  romanischen  Litteraturen 
^^g  kranken  im  17.  Jh.  an  einem  überladenen  rhetorischen  Stil.  Der 
Gedanke  wird  der  Form  untergeordnet.  Seltsamste  fernhergeholte  Bilder  und 
die  unwahrscheinlichsten  Gleichnisse  geben  der  Ausdrucksweise  der  Schrift- 
steller ein  barockes  Gepräge.  An  blühendem  Unsinn  [disparates)  ist  kein 
Mangel.  Zwar  giebt  man  vor,  zur  Natur  zurückkehren  zu  wollen,  doch 
erscheint  die  Wirklichkeit  in  ganz  konventionell  übertünchter  Maske.  In 
Italien  gedeihen  seit  1623  die  Concetti  ä  la  Marini;  in  England,  dessen 
Litteratur  der  italienischen  Strömung  folgte,  herrschen  süssliche  und  künstliche 
Metaphern,  die  nach  Lily's  Roman  Euphues  als  Euphuismus  bezeichnet  werden; 
in  Frankreich  schiessen  gleichwertige  Spielereien  üppig  ins  Kraut,  besonders 
nachdem  die  carte  de  tendre  aus  Madame  de  Scudery's  C/<^//(?  (1656 — 171°) 
das  Beispiel  gegeben  hatte;  in  Spanien  legen  fast  alle  Litteraten  ihren  Ge- 
danken die  bauschigen,  falten-  und  schmuckreichen  Galakleider  an,  die  Gon- 
gora  zuerst  angewendet  hatte;  in  Portugal  wuchert  ein  die  Fehler  des  spanischen 
Musters  noch  überbietender  Kulteranismus.  —  Die  Allgemeinheit  der  Entartung 
weist  natürlich  auf  gemeinsame  Ursachen  hin.     Und    dieser  Ursachen  haupt- 

»  S.  Mem.  da  Acad.  de  Hist.  Anno   1724  No.  XXVII  p.  ö- 

*  S.  Monte  hello,    Vida  de  Manoel  Machado  p.  85. 

*  Ein  Brief  von  ihm  an  seinen  Bruder  Pedro  soll  in  der  Bibl.  da  Ajuda  ruhen. 

*  S.  Ztschr.  VIT  p.  435  und  ff. 

5  '  Hier  erst  ergreift  Theophil  o  Braga  das  Wort,  und  nicht  schon 
in  der  dritten  Periode,  wie  in  §  14  gesagt  ist.  Seinen  portug.  Text  hahe 
ich  frei  wiedergegeben,  und  mit  einigen  Daten  sowie  den  nachfolgen- 
den   Anmerkungen    für  den  deutschen  Leser  versehen.  —  C.  M.  de  V. 


Vierte  Periode.    Kulteranisten  :  Lyriker.  345 

sächlichste  ist  unbedingt  der  übertriebene  Purismus  und  Klassizismus  des  16. 
Jhs.  Er  musste  eine  Reaktion  hervorrufen,  und  zwar  im  Sinne  zügelloser, 
individueller  Freiheit,  die  am  Absonderlichsten  Gefallen  fand,  wenn  es  nur 
die  eine  Bedingung  erfüllte,  von  den  abgenutzten  typischen  Formen  und 
Redefiguren  der  Klassiker  abzuweichen.  Der  Anstoss  zur  Stil-Erneuerung  ging 
von  Spanien  aus,  das  damals  in  der  Litteratur  die  Führerrolle  spielte:  Marini, 
der  Erfinder  der  italienischen  Concetti,  war  span.  Ursprungs;  und  spanische  Werke 
dienten  Scarron,  Corneille,  Moliere,  Lesage,  Quinault,  Hardy  und 
Rotrou  zum  Muster.  Was  AVunder,  dass  die  Portugiesen,  die  damals  unter 
der  Herrschaft  der  Spanier  standen,  das  Gleiche  thaten,  und  noch  viel  weiter 
gingen.  Nicht  genug  damit,  die  Spanier  nachzuahmen,  und  die  eigene  Litte- 
ratur zum  blossen  Schattenriss  der  spanischen  zu  machen ,  schrieben  die 
meisten  Portugiesen  die  Sprache  der  Nachbarn.  In  der  Lyrik,  im  Drama, 
im  Novellenfach ,  im  Schelmenroman,  in  der  Geschichtsschreibung,  in  der 
Mystik  finden  sich  viele  Arbeiten  hispanisierter  Portugiesen. '  Und  auch  was 
portug.  verfasst  ward,  unterscheidet  sich  nur  durch  die  Sprache.  Der  Stil  ist 
derselbe:  was  man  in  Portugal  meisthin  Seiscentismo  nennt,  ist  in  Wahrheit 
nichts  als  ein  auf  die  Spitze  getriebener  Gongorismus,  mit  allen  seinen 
Schwächen,  aber  ohne  das  originelle  Kolorit,  das  er  im  Lande  seiner  Ent- 
stehung trug.  —  Die  Seiscentistas  folgen  im  Allgemeinen  einer  Doppelströmung: 
einerseits  verwerten  sie  dieselben  italienischen  Dichtungsformen,  wie  die  Klassiker 
Mir  an  da  und  Camöes,  und  benutzen  noch  die  klassischen  gelehrten  Ver- 
brämungen; andererseits  aber  bedienen  sie  sich  des  spanischen  Wortschwalls, 
künstlicher  Fehlschlüsse,  gesuchter  Metaphern,  und  einer  affektirten,  subjektiven 
Betrachtung  der  Wirklichkeit. 

158.  A.  Lyriker.  Der  schätzenswerteste  unter  den  Dichtern  des  17.  Jhs. 
bleibt,  weil  er  nicht  dauernd  der  Modekrankheit  verfiel,  der  grosse  und  vielsei- 
tige D.  Francisco  Manoel  de  Mello  (1611— 1666),  ein  Quevedo,  was 
die  Schärfe  und  Gewandtheit  seiner  witzigen  Einfalle  anbetrifft,  und  ein  Lope 
de  Vega  durch  seine  Liebesglut  uud  seinen^|ritterlichen  Sinn. 2  —  Der  in 
Lissabon  geborene  und  daselbst  im  Jesuitcnkollegium  erzogene  Adlige  schlug 
die  militärische  Laufbahn  ein,  huldigte  aber  schon  früh  den  Musen.  Noch 
als  Student  veröffentlichte  er  i  2  Sonette  auf  den  Tod  der  Ines  de  Castro,  und 
schrieb  die  ungedruckte  Novelle :  »Fruchtlose  Gunstbezeugungen«  =  »Finezas 
mallogradas« .  Er  diente  zuerst  auf  der  span.  Flotte,  schloss  sich  aber  1640  der 
nationalen  Bewegung  an,  welcher  er  in  dem  Werke  «Poätica  militar  en  avisos 
generales«  den  Boden  bereitet  hatte.  Johann  IV.  erwies  sich  Jedoch  nicht 
dankbar,  Hess  vielmehr  den  Schriftsteller,  dem J er  so  vieles  schuldete,  aus 
Eifersucht  auf  die  Gräfin  von  Villa  Nova  de  Figueirö,  9  Jahre  im  Kerker 
schmachten  (1644— 1653J,  und  verbannte  ihn  darauf  nach  Brasilien,  von  wo 
Mello,  nach  Ablauf  von  6  Jahren,  erst  nach  dem  Tode  des  Monarchen  zurück- 
kehren durfte.  Diese  langen  ungerechten  Leiden  blieben  nicht  ohne  Einwirkung 
auf  Gemüt  und  Geist  desj^lheissblütigen ,  leicht  erregbaren  Dichters.  Seine 
Werke  sind  sehr  ungleich.    Es  findet  sich  viel  Minderwertiges,  seinem  grossen 


'  S.  S  o  u  s  a  V  i  t  e  r  b  o :  »A  Civüisafäo  portitgiuza  e  a  Civiltsafäo  hest)anhola,  Purttj 
1892.  und  von  demselben  :  Poesias  de  Auetores  Portuguezes  em  Livros  de  Escriptores  Hespatthoes, 
CoTinhia   i8Q2.   —   Sorgfältige  und  reichhaltige  Schriften. 

*  Nachrichten  über  ihn  suciie  man,  ausser  in  der  Bibl.  Lus  und  im  Dicc.  Bibl.  bei : 
Philari'te  Chasles,  Voyages  d'un  Critique  (Abteilung  Espagne:  Aufsatz  V)  l86y. 
C.  C.  Branco  in  dem  Aufsatz,  welchen  er  der  Carla  de  gnia  de  casados  beigab,  Porto 
1873;  Inn.  da  Silva,  in  iler  Kinleitung,  welche  er  zur  Feira  de  An  ex  ins  schrieb, 
f.iss.  187.=,;  A.  F.  Barata,  in  dem  Epilog  zu  dem  historischen  Roman  »Um  duello  nas 
sombras*.  Lissab.   1875.    -   Mello  ist  eingehender  Beschäftigung  wert  und  bedürftig. 


346    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT,    LITT. 

Talent  nicht  Ebenbürtiges  darin,  wenn  auch  ein  feines  poetisches  Gefühl,  und 
ein  gesunder  Sinn  für  Nationales  und  Volkstümliches  ihn  nie  gänzlich  ver- 
liess.  —  Seine  zahlreichen  Dichtungen  führen  den  Gesammttitel  »Musas  de 
Melodino«  i  Doch  ist  nur  der  zweite  Teil,  mit  dem  Spezialtitel  »Die  zweiten 
3  Musen«  portug.  abgefasst. ^  Der  Dichter  erneuert  darin  die  alten  Dichtungs- 
formen der  medida  velha.  In  seinen  m  )ralischen  Idyllen  und  den  Lehrbriefen 
in  redondilhas  erinnert  die  schlichte  kernige  Einfalt  der  Figuren  und  das 
Treffende  ihrer  Ausdrucksweise  an  Sä  de  Miranda's  vorbildliche  Arbeiten.  3 
Im  Lustspiel  vom  »Edelmann  als  Lehrling  =:  Fidalgo  Aprendiz«  greift  er  gleich- 
falls zu  den  nationalen  Formen  des  alten  Theaters  von  Gil  Vicente  zurück, 
und  bringt  noch  einmal  die  komische  Figur  des  armen  Adligen  auf  die  Bühne, 
die  der  flämische  Humanist  Clenardus  in  einem  seiner  lateinischen  Portugal- 
briefe so  ergötzlich  schildert. *  Unter  Mello's  numerisch  viel  zahlreicheren 
Poesien  in  ital.  Geschmack  ist  in  metrischer  Beziehung  weiter  nichts  als  eine 
kleine  Anzahl  von  Madrigalen  neu.-''  Alle  sonstigen,  von  ihm  angewendeten 
Formen  waren  bereits  durch  Camöes  zur  höchsten  Ausbildung  gebracht  worden. 
Zum  Kultus  dieses  Genius  kehrte  er  daher  zurück,  und  gab  seinem  mystischen 
Liebesidealismus  in  unnachahmlichen  Sonetten  zu  einer  Zeit  Ausdruck  wo, 
im  Lager  der  Epiker,  der  Kampf  zwischen  den  Camonisten  und  den  so- 
genannten Tassisten  tobte,  und  manche  Portugiesen  pietätlos  den  Ruhmes- 
kranz des  Lusiadensängers  zerpflückten.  In  dem  schönen  Prosa-Dialoge,  den  er 
das  »Siechenhaus  der  Wissenschaften  — -  Hospital  das  Lettras«.  betitelt,  und  in  dem 
zum  ersten  Mal  in  Portugal  eine  gesunde  und  weitsichtige  litterarischc  Kritik 
geübt  ward,  verherrlicht  er  Camöes,  erteilt  unter  den  Quinhentistas  die  Palme 
jedoch  dem  »grossen  Sil«^.  —  Als  echtes  Kind  seiner  Zeit  ward  Mello  auch 
Mitglied  und  Präsident  alberner  Akademien,  und  huldigte  der  von  ihnen  ver- 
tretenen verdorbenen  Geschmacksrichtung,  indem  er  allerhand  »Obelisken«, 
»Labyrinthe«,  »Pyramiden«,  »Poetische  Wälder«  und  ähnliche  Spielereien 
verfasstc,  wie  sie  während  des  ganzen    17.  Jhs.  in  Modegunst  blieben'. 

'  Wie  yuevedo,  so  teilte  Mello  seine  Dichtungen,  nacli  Inhalt  und  Foriu  in 
9  Teile,  deren  jeder  den  Namen  einer  Muse  trug.  Die  ersten  drei  erschienen  1649  zu  Lissabon, 
unter  dein  von  Braga  zitierten  Titel;  dann  wiederholt,  mit  Hinzufiigung  der  weiteren  sechs 
Musen,  1665  zu  [>yon  als  y>Obras  metricas  de  Don  Francisco  Manuel,  im  2.  Band  seiner 
»  Obrasv- . 

2  riAs  segundas  (res  A/usas«.  -  Die  ütba  de  Calliope  umtasst  lOO  Sonette  (amorosos, 
moraes,  festivos,  laudatorws,  familiäres,  heroicos,  liricos,  sacros) ;  die  Qanfonlia  de  Euterpe,  Briefe 
und  Idyllen,  vorwiegend  in  Kurzzeilen ;  die  viola  de  Thalia,  fioiunie  Oktaven  und  Terzette, 
Madrigale,  Oden,  Wälder,  Sapphische  Strophen,  und  dazu  voltas,  glosas,  cptintilhas,  decimas, 
copLas  de  Manriqiie,  romances,  epigramas,  Loas,  Uedertexte,  und   e  i  n  grösseres  Bühnenstück. 

'  Der  kluge  Mann  hat  seinen  verbildeten  Geschmack  gewaltsam  in  vernünftige  Bahnen 
/.urückgeleitet:  Zum  scnhor  leitor  sagt  er  darüber:  DÜa  so  cousa  vos  lembro  que  me  det'eis  um 
grande  desejo  de  resucitar  o  grave  estilo  de  nossos  passados  .  .  .  . ;  afim  de  vos  renovar  este 
hiteresse  ....  passei  mil  descontos  com  0  tuen  natural  que  0  prendi  e  sopeei,  a  troco  de  seguir 
aquelles  nobres  exeinplos  .  .  .,  que  0  »leu  juizo  gostava  de   ir  d  India  por  föra.«. 

*  Dieser  munteren,  kulturhistorisch  interessanten  Posse  in  Ami  jorfmdas,  die  bei  Hofe 
zur  Aufführung  gekommen  sein  soll,  hat  Braga  Kap.  17  seines  Theairo  Portugiuz  tto 
seculo  XF// ornwulmet.    Gedruckt  ward  es,   wie  Anm.  2  sagt,  in  den  A/usas,  und  allein  1676. 

*  In  §  128  und  144  erwähnte  ich  bereits,  dass  schon  vor  ihmBernardo  Rodri- 
gues  Madrigale  und  Ballaten  schrieb. 

*  Der  wirklich  geistvolle  Aufsatz  »Hospital  das  lettras«,  in  welchem  j  u  s  tu  s  L  i  p  s  i  u  s , 
'I"!ajano  Boccalino,  Quevedo  und  Mello,  als  Vertreter  des  Humanismus,  Italiens, 
Spaniens  und  Portugals  in  einer  lissabonner  Bibliothek  ihre  Ansichten  über  I>itteratur  aus- 
tauschen, bildet  mit  diei  anderen  Gesprächen  —  den  Kelogios  fallantes,  dem  Kscriptorii)  ava- 
rento  und  iler  Visita  das  fonies  —  einen  Sammelband,  »Dialogos  apologaes«,  der  erst  1721  ans 
Licht  kan».  Alle  vier  sind  werthvolle  Sittenstudien,  voll  Krnst  und  Scherz,  in  reich  ge- 
würzter, echt  portug.  Sprache,  wie  damals  nur  der  Sammler  der  Volksredensarten,  der  uns 
die  feira  de  anexins  hinterliess,  sie  zu  schreiben  verstand. 

'  S.  u.  §   163. 


KuLTERANisTEN :  Lyriker.  347 

159.  Der  zweitgrösste  Lyriker  seinerzeit,  Francisco  Rodrigues  Lobo, 
(gest.  etwa  1625)1  schaltete  fast  alle  seine  zahlreichen  lyrischen  Gedichte  in 
seine  drei  allegorischen  Schäferromane  ein.  Unter  denselben,  die  meisthin  einer 
Hofdame  des  Herzogs  von  Caminha  gewidmet  sind ,  zeigen  die  Idyllen  sein 
hervorragendes  Talent  am  hellsten.  Selbst  im  ital.  Hendekassyllabus  bedient 
er  sich  volkstümlicher  Wendungen;  und  aus  den  Liedern  in  Kurzzeilen,  welche 
als  Einlage  zu  den  Hirtengesprächen  vorkommen,  spricht  nationales  Gefühl 
in  ausserordentlicher  Reinheit  und  Frische,  so  z.  B.  aus  den  kleinen  Vilan- 
cetes  über  Violante  und  Leonor.  —  Trotzdem  unterliess  er  es  nicht,  kastilische 
Romanzen  zu  verfassen-  und  eine  Sammlung  davon  dem  spanischen  Philipp 
(III)  bei  Gelegenheit  seiner  Reise  nach  Portugal  zu  widmen. "  —  Der  verliebte 
Lobo  ertrank  im  Tejo. 

160.  Schon  gegen  Ende  des  i6.  Jhs.  reagirte  auf  der  Halbinsel  eine 
mystische  Gegenbevvegung  voll  echt-christlich-katholischen  Geistes  gegen  den 
frömmelnden  Formalismus  der  Jesuiten,  wie  aus  den  Versen  des  S.  Joäo  da 
Cruz,  Frei  Luiz  de  Leon  und  der  heiligen  Theresa  de  Jesus  zu  ersehen 
ist.  In  Portugal  erhielten  die  frommen  Weisen,  in  Folge  der  trostlosen  Ent- 
mutigung der  geknechteten  Nation,  einen  spezifisch  melancholischen  Charakter. 
Nennenswert  sind  die  Elegien  des  Frei  Antonio  das  Chagas,  die  als  An- 
hang zu  einer  vom  Padre  Manuel  Godinho  verfassten  »Vida<c  veröffent- 
licht worden  sind*.  Sie  bilden  ein  merkwürdiges  Gegenstück  zu  den  durchaus 
weltlichen,  leicht  geschürzten,  oft  sogar  zuchtlosen  Wäldern  von  Kunstromanzen 
(gegen  1 50),  welche  er  vor  seinem  Eintritt  in  den  Orden  unter  seinem  richtigen 
Namen  Antonio  da  Fonseca  Soares  geschrieben  hat.^  Die  »göttlichen 
und  menschlichen  Verse«  des  D.  Francisco  de  Portugal^;  der  Farmiso 
der  Nonne  Violante  do  Ceo  (1601 — 93);  die  y>Soledades  do  Bussaco>y  von  D. 
Bernarda  Ferreira  de  Lacerda  kleiden  die  seligen  Empfindungen  frommer 
Verzückung  in  weiche  und  melodische,  oft  jedoch  mattsüssliche  Strophen, 
bald  in  portug.,  bald  in  span.  Sprache.  An  diese  lyrischen  Ergüsse  schliesst 
sich  eine  Reihe  längerer  poetischer  Heiligenleben  wie  z.  B.  das  des  Evangelisten 
Johannes  von  Barreto  Fuseiro,  und  ferner  das  theologische  Lehrgedicht 
»Os  Novissimos  do  Hörnerne  von  D.  Francisco  Child  Rolim  de  Moura 
(1572  —  1640),  das  sich  in  4  Gesängen  mit  den  »letzten«  Fragen  —  Tod, 
jüngstem  Gerichte,  Himmmel,  und  Hölle  beschäftigt.^     Der  einzige  mystische 

'  Vgl.  §  144.  151  und  §  164.  Eine  eingehende  Würdigung  liess  Bouterwek  ilnu 
widerfaliien ;  wie  auch  Costa  e  Silva  {Ensaio  V). 

*  Romances,  primeira  e  segunda  parte,  Coiinbra  1596  und  Liss.  l6ö4.  Nicht  nuf  2 
davon,  sondern  5  sind  portug.,  der  Sprache  nach.  Dem  Geiste  nach  sind  sie  alle  ganz  spanisch. 
Zum  Teil  treiben  sie  den  Hyperliolismus  auf  die  Spitze  (besonders  in  den  romances  moiiriscos), 
wohl  absichtlich,  um  die  »kastilische  Renommieisucht  =  os  feros  castelhanosj-  lächerlich  zu 
machen,  die  der  Portugiese  ebenso  gern  tadelt,  wie  der  Spanier  die  portugiesische. 

*  La  Jornada  qtie  .  .  .  Filippe  III  hizo  al  reyno  de  Portugal  ....  en  varios  romances, 
Liss.    1623. 

*  Vida,  virtudes  e  morte  com  opiniöo  de  sattctidade  do  .  .  .  P.  Frei  Antonio  das  Chagas 
1687  (u.  öfter). 

'  Über  das  abenteuerreiche  weltliche  Leben  und  Wirken  dieses  typischen,  unter  dem 
Spitznamen  Capitao  Bonina  bekannten  Dichters  (1631-1682),  der  bis  1662  als  Soldat 
kämpfte  und  als  unersättlicher  D.  Joäo  ausschliesslich  seinem  Behagen  lebte,  äusserst 
frivole  Lieheslieder,  sowie  Kriegsberichte  schreibend,  lese  man  A  1  b  e  r  t  o  P  i  m  en  t  e  I :  »  Vida 
mundana  de  um  frade  virtuoso«,  Lissab.    1 890. 

*  »Divitios  y  liumanos  versost  nebst  »Prisoes  e  solturas  de  uma  almai.  (gedi-.  16,52), 
wie  üblich  ein  Gemisch  von  portug.  und  span.  Gedichten  in  beiden  Stilarten  .  von  denen 
keine  sich  jedoch  der  obligaten  Metaphern,  Wortspiele  und  Hyperbeln  enthält.  Sehr  lehr- 
reich ist  seine  Prosaarbeit :  y,Arte  de  Galante ri<iis.  ( 167O)  die,  im  Anschlüsse  an  hofmännische 
Lebensregeln  und  sittengeschichtlich  interessante  Anekdoten,  ein  Gesetzbuch  hispanischer 
Poetik  bietet. 

'  Gedr.    1623    und    1853.      An   Dante,   Milton   oder    Klopstock   erinnert    das 


348    LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    4     PORT.    LllT. 

Poet  jedoch,  der  eine  volkstümliche  Ader  hatte,  war  Francisco  Lopez, 
der  mehrere  geistliche  Poemas  in  kurzzeiligen  Quintilhas  abfasste  (Santo  An- 
tonio -  -  Martyrcs  de  Marrocos  —  S.  Born  Homefn),  und  auch  verschiedene  Be- 
gebnisse der  Revolution  von  1640  in  gebundener  Rede  behandelte.  Von 
den  »Rätseln«  seines  »Passatempo  honesto«  sind  viele  traditionell  geworden: 
an  den  heute  im  Volksmunde  umlaufenden  Texten  lassen  sich  interessante 
Umgestaltungen  wahrnehmen.  — 

161.  B.  Epiker.  Der  Enthusiasmus  für  epische  Gedichte  war,  trotz  dem 
Erbleichen  des  Heroentums,  nicht  lauer  geworden.  Ein  Poema  heröico  galt 
weiter  für  den  höchsten  Ruhmestitel  des  Dichters.  Man  fuhr  fort,  die  national- 
geschichtlichen  Nachrichten  der  Chroniken  zu  versifizieren ;  unterliess  es  aber 
dennoch  nicht ,  sogar  in  den  Vorreden  und  Widmungen  zu  patriotischen 
Reimchroniken  dem  kastilianischen  Usurpator  Weihrauch  zu  streuen.  MeisJ; 
schöpfte  man  die  stoffliche  Grundlage  aus  Brito's  »Monarchie«  (^  i.'53)' 
Francisco  Rodrigues  Lobo  idealisierte  den  Helden,  durch  den  bei  Alju- 
barrota  der  span.  Stolz  gebrochen  worden  war,  in  den  20  Oitavas-Rimas-Ga- 
sängen  seines  6<?W<?j-/«f'(?/ (gedr.  1609).  —  Gabriel  Pereira  de  Castro  (71632), 
ein  bedeutender  Rechtslehrer  und  gelehrter  Latinist,  ersann,  unter  Benutzung 
der  Legenden  der  Afterchroniken,  eine  nicht  ungewandte  y>Ulyssea«.  über  die 
Fabelreise  des  Ulysses  nach  der  Halbinsel  und  seine  Erbauung  Lissabons,  die 
lange  Zeit  für  die  beste  Epopöe,  nächst  den  Lusiaden,  gegolten  hat:*  einige 
der  schmähsüchtigen  Widersacher  des  Camöes  —  Ma  noel  Pires  de  S  ousa, 
Joäo  Soares  de  Brito,  Rolim  de  Moura  und  Manoel  de  Gallegos  — 
versuchten  es  sogar,  Pereira' s  Gedicht  für  bedeutender  als  das  kamonianische 
Nationalepos  auszugeben.  —  Die  Sagen  über  die  Entdeckung  der  Insel  Madeira 
und  den  sich  daran  knüpfenden  Liebesroman  des  Mach  im  und  der  Anna 
d'Arfete  bilden  den  Gegenstand  der  »Instilana«  (gedr.  1635)  von  Manoel 
Thomaz  (gest.  1665).  —  Francisco  de  Sä  de  Menezes  (7  1664)  griff 
in  seiner  »Malacca  Conquistada«  (1634)  noch  einmal  zu  einem  indischen  Motive 
und  Helden  (D.  Affonso  de  Albuquerque),  und  zwar  mit  solchem  Geschick 
dass  mancher  sein  Werk  noch  über  die  Ulyssea  stellt.-  In  ihrer  »Espanha 
Uhcrtada«  fusst  D.  Bernard a  Ferreira  de  Lacerda  auf  alten  Berichten 
über  den  Einfall  der  Araber  in  die  Halbinsel;  doch  spricht  sie  das  Nachbar- 
idiom. Schätzenswerter  ist  der  -»Viriato  tragico<^  des  Braz  Garcia  de 
Mascarenhas,  der  nach  einem  stürmischen  Abenteuerleben  und  schweren 
Prüfungen  während  der  Befreiungsepoche  sich  in  die  Einsamkeit  zurückzog,  und 
in  der  Dichtkunst  Zerstreuung  suchte.  Da  sein  Poem  bis  1699  ungedruckt 
liegen  blieb,  bemächtigte  sich  desselben  Andre  da  Silva  Mascarenhas  und 
plagiierte  es  in  seiner  sart-  und  kraftlosen  y>Destrui((Xo  d'Espanha«.  ■ —  Nach 
der  Restauration  von  1640  schuf  das  neu  erwachte  Nationalgefühl  nicht,  wie 
mar,  hätte  erwarten  sollen,  neue,  wirklich  patriotische  Gebilde:  man  begnügte 
sich  damit,  die  Person  Johannas  IV.  zu  feiern,  wovon  der  -»Templo  da  Memoria« 
des  Manoel  de  Gallegos  und  die  ungedruckte  Lusifineida  des  Frei  Manoel 
de  Santa  Thereza  Zeugniss  ablegen  können.-^ 

162.  C.  Das  Drama.  —  Die  spanischen  Mantel-  und  Degenstücke  bc- 

trockene  Lehrgedicht  nicht,  ebensowenig  wie  das,  in  §  145  erwähnte,  welches  Corte  real 
als  Auto  dos  qiiattro  tiovissi?nos  (unter  Hinzufflgung  eines  PVgefeuer-Gesanges)  verfasste. 

1  ^Ulvssea  ou  Lis/wa  edificada«,  geschrieben  bald  nach  l6oo>  gedruckt  1636.  Den 
gieiciien  Stoff  behandelte  in  einem  niciit  minder  langatmigen,  13  Gesänge  lullenden  Epos,  noch 
ein  anderer  Zeitgenosse,  A  ntonio  de  Sousa  de  Macedo  (1^)06— 82):   T>Ulyssipo<.<  1640. 

"^  Seit  1641  trug  der  verwittwete  Dichter  im  Kloster  den  Namen  Frei  Francisco 
d  e  Jesus. 

'  S.  darüber  1  n  n.  da  Silva  VI  liy.  Audi  der  »Pkenix  da  Lusilania«  des  oben 
erwähnten  Manoel  Thomaz  hätte  erwähnt  werden  können. 


Rulteranisten:   Epiker.    Dramatiker.  —  Liit.  Akademien.         349 


herrschten  dieportug.  Bühne.  In  den  Lustspielen  -»Diu«,  und  -»Al/ea'i  von  Simäo 
Machado  sind  opernhafte  Effekte  die  Hauptsache.'  Der  »Dialogo gracioso  de 
Terracufa«  und  das  »Hospital  do  nnmdo«  von  Pedro  Salgado  sind  zwar  nicht 
schulgerechte  Bühnenstücke,  aber  wenigstens  portug.  Geistes  voll,  der  den 
übrigen  Dramaturgen  fehlt,  die  wie  Jacinto  Cordeiro,  Mattes  Fragoso, 
Antonio  Henriquez  Gomez  und  so  viele  andere,  zur  Bereicherung  des 
spanischen  Theaters  beitrugen-.  Der  y>Tratado  da  paixäo«  des  Paters  Joäo  Ayres 
Moraes  hat  zwar  den  Aufbau  eines  alten  hieratischen  Auto^  nach  Art  der  Schüler 
Vicente's,  doch  zeigt  seine  Sprache  all  den  bunten  Ausputz  der  Kulteranisten. 
163.  D.  Litterarische  Akademien.  In  einemLande,  das  von  Gewissens- 
freiheit nichts  wusste,  seit  die  Furcht  vor  der  Inquisition  und  ihren  autos-da- 
ß  sowie  die  Rute  der  jesuitischen  Erziehung  die  Geister  knechtete,  und  das 
der  politischen  Selbstbestimmung  entbehrte,  wie  Portugal,  während  es  unter 
der  span.  Herrschaft  seufzte,  und  auch  hernach  unter  dem  Despotismus  der 
Bragangas,  konnten  die  Akademien,  diese  bedeutendste  pädagogische  Schöpfung 
des  17.  Jhs.  unmöglich  streng  wissenschaftlichen  Charakter  haben.  Die  hei- 
mischen Akademien  sind  nichts  als  litterarische  Kränzchen  (tertulias)  in  denen 
die  begüterte  und  äusserlich  gebildete  Minderheit  sich  am  Luxus  litterarischer 
Spielereien  ergötzte,  und  es  nicht  einmal  mit  dem  Bestreben  ernst  nahm, 
den  Stil  zu  vervollkommnen.  Auch  hier  ist  die  selbe,  von  Italien  und  Spanien 
ausgehende  Doppelströmung  bemerkbar,  welche  ausserhalb  der  geschlossenen 
Zirkel  die  Litteratur  beeinflusste.  Einerseits  behandelte  man  Fragen  aus  dem 
Gebiete  der  (iefUhlskasuistik  nach  kulteranistischem  Rezepte;  andererseits 
ahmte  man  die  ital.  Melodien  und  Madrigale  nach,  welche  als  Vorläufer  der 
Oper  zu  betrachten  sind^  Die  bekannteste  unter  den  zahlreichen  schön- 
geistigen portug.  Akademien  ist  die  der  »(irossmütigen«  =  yGenerosos«,  welche 
derTruchsess  Johanns'  IV.,  D.  Antonio  Alvares  da  Cunha  (1626 — ^90)  im 
Jahre  1649  gründete.  Den  zweiten  Rang  nimmt  die  der  »Sonderbaren«  =^  y>Sin- 
gulaies«  ein,  die  1663  von  D.  Francisco  Manoel  de  Mello  nach  dem 
Muster  der  ital.  Illuminati,  Insensati  und  Lirid  gegründet  ward.*  —  Natürlich 

1  *Dm«  erschien  1601 ;  mit  der  Ji/ea  1631  ;  und  1706  unter  Beigabe  von  2  Enire- 
mezes  (nach  Ouevedo's  Muster)  und  4  Loas  {^que  no  son  de  Lopet).  Siniäo  Machado, 
der  nächst  einer  y>Sylva  de  Espiritiiales  Pensamientos<i.  noch  einige  spanische  Novellen  schrieh, 
starb  in  Barcelona,  nach  1 6:^2,  als  Klosterbruder  Frei  Boaventura.  Die  beiden  zwei- 
teiligen und  zweisprachigen  Dramen,  die  dem  Leser  sprachlich  wie  sittengeschichtlich  reichen 
Ertrag  bieten,  sind  ein  sehr  interessanter,  ob  auch  mislungener  Versuch,  das  nationale  Volks- 
Auto  mit  seinen  derben  Rüpelscenen  und  die  span.  Comedia  de  tramoya,  mit  ihren  Deko- 
rationseffekten, zu  einem  Ganzen  zu  verschmelzen. 

*  Über  Cord  eiro ,  Fragoso,  Gomes  und  andere  vorwiegend  spinisch  dichtende 
portug.  Dramaturgen  befrage  man  Barrera  y  Leirado  und  Garcia  Peres;  über  die 
portug.  dichtenden  Th.  Braga:  Theatro  Portiiguez  no  sec.  XVIII.  Zwei  Sammlungen  der 
beliebtesten  Farcen  und  Zwischenspiele  jener  Tage  sind  die  y>Mnsa  entretenida<i.  von  Manuel 
Coelho  de  Rebello,  Coimbra  1658  und  1695,  und  die  »Musa  Jocosa«  des  Nuno 
Nisceno  Suti!   1709.     Sie  sind  grobkörnig,  doch  lustig. 

'  Besonders  König  Joliann  IV.  war  ein  bedeutender  Musikfreund  und  Kenner,  wie 
der  Catalogo  de  musica  seiner  reichhaltigen  1755  vernichteten  Sammlung  bezeugt.  Drama- 
tisch aufgebaute  Villancicos,  Tonos,  Canzonette  und  Madrigale  entstanden  zu  vielen  Hunderten 
an  seinem  Hofe,  und  noch  unter  seinen  Nachfolgern.  —  Mello 's  Avena  de  Tersicore  bietet 
Beispiele  dafür. 

*  Über  die  vornehmen  Mitglieder  dieser  Akademien  (oder  Lyceen),  deren  Protektoren 
Johann  IV.  (f  1656)  und  Alfons  VI.  (entthront  166S)  waren,  unterrichtet  am  besten  Mello 
in  den  humorvollen  Knittelversen  oder  den  kunstvollen  Prosa-Satzperioden  seiner  akademischen 
Reden.  S.  Ohras  metricas  \\  p.  146 — 165.  257—284  und  HI  265.  Vgl.  auch  Braga, 
Manual  364  und  dagegen  C.  C.  Branco,  Cur  so  p.  306  -  308,  obwohl  keiner  von  beiden 
genügendes  bietet.  Die  Vereinigungen  der  Generosos  fanden  zuerst  im  Hause  Mello 's 
statt,  später  (1647 — 1668)  im  Pallast  des  Gründers,  meist  sonntäglich.  Die  nichtigsten  Gegen- 
stände wurden  zum  Gegenstand  hochtrabender,  langer  und  kurzer  Poesien  gemacht.  Am 
besten  gelangen  die  lustigen  Bagatellen.   Das  genero  jocoserio,  das  bis  heute  in    Portugal  be- 


350    LlTTERATURGESCHICHTE    DER    'ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

waren  zahlreiche  portug.  Dichter  auch  Mitglieder  span.  tertulias:  so  Miguel 
da  Silveira,  der  Verfasser  des  religiösen  Epos  »^/  Macabeo«,  der  zur  Dichter- 
akademie Medrano  gehörte  —  eine  Ehre,  welche  Faria-e-Sousa  sich  nicht  zu 
erwerben  vermochte.  Dieser  gab  seine  zahlreichen  lyrischen  Gedichte  daher 
gesondert  unter  dem  bezeichnenden  Titel  »La  fuente  de  Aganippe«  heraus.' 
Jede  Vereinigung  von  Akademikern  hiess  certamen.  Und  ihre  Wettspiele 
fanden  zur  Feier  jeglichen  öffentlichen  Begebnisses,  zu  Fürsten -Geburtstagen, 
und  Heiraten,  zu  Bischofsweihen,  Heiligsprechungen  u.  a.  statt.  Wenige  ihrer 
Erzeugnisse  sind  gedruckt.'-^  Das  merkwürdigste  Denkmal  der  Moderichtung  jener 
Zeit  ist  daher  das  Sammelwerk  »A  Fenix  renascida«,  in  dem  auch  das  so  be- 
liebte Schelmen-Genre  und  die  Karrikatur  einen  breiten  Raum  einnehmen.^  Als 
Beispiel  für  letztere  kann  die  »Jornada  äs  cor t es  do  Parnasoi<  gelten ,  worin 
Diogo  Camacho  die  peninsularen  Dichter  respektlos,  doch  höchst  witzig 
in  ungezwungener  Sprache  und  guten  Versen  kritisiert.  —  Der  Widersinn  des  auf 

liebt  gehlieben  ist,  ward  üppig  gepflegt,  und  da  im  16.  Jh.  die  angeborene  Spott-  und 
Parodiersucht  der  Nation  durch  den  Klassizismus  sowie  Inquisition  und  Jesuitismus  gewalt- 
sam cinged.ämmt  worden  war ,  t)rach  sie  nun  mit  ungezügelter  Naturkraft  hervor.  Docit 
artete  sie  erst  in  den  sitten-  und  haltlosen  Tagen  Johann's  V.  (1706  -  1750)  zu  übermässig 
roher  Natürlichkeit  aus. 

'  Diese  heute  ausserordentlich  seltenen  Eigendichtungen  oder  »Rimas  varias*.  des  Faria- 
e-Sousa  (1590-1649),  füllen  4  B.ände  (1624— 27),  wozu  noch  3  weitere  Publikationen 
Kommen  y>Narciso  e  Echo^<  1623;  Pivinas  y  hiimanas ßores  1624;  N^oches  ciaras  \b2^.  Sic  um- 
fassen 12  Oktavengedichte,  vieleAkrostichen.Esdruxulos,  Echogedichte  und  ahnliche  Spielereien, 
2oldyllen  {Eglogas  amorosas,  venatorias,  maritimas,  rüsticas,  funebres  etc.)  und  600  Sonette, 
worunter  200portug.  sind.  Plattes  und  Schwülstiges  steht  darin  neben  Geistreichem  und  wirk- 
lich Effektvollem,  Gutausgeführtes  neben  Flüchtigem.  Nicht  selten  radotiert  der  Autor  voll- 
ständig, der  als  König  der  Floskel  und  kritisches  Orakel  sich  selbst  für  grösser  als  seinen 
Freund  Lope  de  Vega  hielt,  da  er  täglich,   kraft   seiner   Behändigkeit ,    durchschnittlich 

12  Bogen  Papier  beschrieb!  Schädlicher  noch  als  seine  Dichtungen,  die  doch  nur  ein  kleiner 
Haufen  in  einer  mächtigen  Masse  waren ,  wirkten  seine  grundsatzlosen  theoretischen  Aus- 
lassungen über  Dichter,  Dichtungen  und  die  Dichtkunst  im  Allgemeinen,  da  sie  so  gut  wie 
allein  dastanden  —  wenn  man  von  den  gelegentlichen,  ein  beschränktes  Gebietsteil  berührenden 
F.röi'terungen  bei  L  o  b  o  (Corte  na  Aldeia),  M  e  1 1  o  (Hospital  das  lettras  und  Cartas  familiäres) 
und  D.  Francisco  de  Portugal  (Arte  de  Galanteria)  absieht  —  und  mit  unglaublicher 
Sicherheit  vorgetragen  wurden.  Faria-e-Sousa  ist  nämlich  auch  als  Kritiker  der  Wort- 
redner und  Betätiger  aller  Lizenzen.  Er  dekretierte  ziemlich  absolute  Gewissens-  und 
Handelnsfreiheit  (oder  Willkür);  verwischte  die  Grenzen  zwischen  gut  und  schlecht,  erlaubt 
und  unerlaubt,  schön  und  hässlich,  gross  und  klein,  wahr  und  unrichtig;  und  der  falschen 
Liberalität  seiner  Gesetzgebung  ist  es  zum  grossen  Teil  zuzuschreiben,  wenn  auch  auf  dem 
Gebiete  der  portug.  Litteratur  (wie  auf  so  vielen  anderen)  die  verderbliche  Doktrin  sich  mehr 
und  mehr  Geltung  verschaffte:  licet quod übet  und  -»As  leis  säolettra  tnorta^  Über  den  Menschen 
Faria-e-Sousa  lese  man,  aussnr  seinen  Eigenbiographien,  die  sich  gar  oft  widersprechen, 
seinen  Lobredner  Francisco  M  o  r  e  n  o  P  o  r  c  e  I :  » Retrato  de  Faria-e-Sousa«  ( 1650) ;  die 
Gegenschrift  des  Grafen  von  Ericeira;  »Juizo  histörico  do  Retrato  de  Faria-e-Sousa«  {\~'X.^ 
sowie  die  einsichtigen  Erörterungen  von  C.  C.  Branco  im  Curso  H  71  f-  und  Circ.  Ca>no?i. 
I  311.  Über  den  Dichter  was  Bouterwek  und  C  osta-e-S  il  va  über  ihn  äussern.  Dazu 
Storck,   Camoens  §  14  und  391. 

"^  Die  -fiConferetuiasi-  At\  Singulares  erschienen  1665  (u.68).  Vgl.  die  tApplausos*  1673. 

^  Erste  Auflagein  5  Bdn.  1721  — 28;  zweite  1746.  Der  bedeutendste  unter  den 
anderthalb  Dutzend  Dichtern,  die  zu  diesem  Cancioneiro  beigesteuert  haben  ,  ist  im  ernsten 
Genre  der  korrekte  und  feinsinnige  Erfinder  der  sogenannten  -n Saudades (.<.  (worunter  man  von 
nun  an  elegische  Schilderungen    verliebter  Einsamkeit    verstand)    Dr.   Antonio  Barbosa 

13  a  c  e  1 1  a  r  ( 16  lO  —  63),  dessen  Verse  sich  direkt  an  die  von  Lobo,  Alvares  do  Oriente 
und  Camoes  anlehnen.  —  Nennenswert  sind  von  den  humorvollen  noch:  D.  Thomas 
de  Noronha  (\  1651)  wegen  seiner  komischen  Sonette;  Jacintho  Freire  de  An- 
drade,  der  die  Exzesse  der  Gongoristen  überbietet,  um  sie  lächerlich  zu  machen;  und  der 
witzige,  unglückliche  Jude  Antonio  Serräo  de  Castro  (1610 — l685),der  nach  schwerer 
Verfolgung  von  Seiten  der  Inquisition  bettelarm  und  blind  im  Hospital  starb.  In  den  Kerkern 
des  Santo-Officio,  wo'er  lO  Jahre  verl)lieb,  schrieb  er  ein  Scherzgedicht  in  Kurzzeilen  *0s 
ratos  da  Inqnisifäoi,  das  erst  1883  durch  C.  C.  Branco  ans  Licht  gezogen  ward.  Es 
verwertet  sehr  oft  bekannte  Verse  von  portug.  Klassikern ,  ohne  sie  als  solche  zu  kenn- 
zeichnen. 


Akademien.  —  Hirtenroman  u.  Novelle.  351 

die  Spitze  getriebenen  Kulteranismus  zeigt  sich  am  deutlichsten  in  den  Reime- 
reien des  übrigens  talentvollen  Jeronymo  de  Bahia.  *  — 

164.  E.  Hirtenroman  und  allegorische  Novellen.  —  Die  Prosa- 
novelle wird  eifrig  gepflegt,  und  zwar  in  viel  mannigfacheren  Formen  als  früher. 
Die  alte  Vorliebe  für  die  Hirtennovelle  im  Geiste  Montemör's  dauert  zuerst 
fort,  nur  dass  sich  in  der  Schreibweise  alle  sentimentalen  Künsteleien  der  Mode- 
dichtung wiederspiegeln.  Später  wird  die  Novelle  allegorisch,  nimmt  dann 
einen  lehrhaft  moralisierenden  Charakter  an,  und  wird  zuletzt  sogar  ascetisch. 
Als  realistisches  Gegenstück  dazu  erscheint  der  spanische  Schelmenroman, 
dessen  hervorragendste  Vertreter  der  bewunderungswürdige  Lazarillo  de  T&rmes, 
der  Gran  Tacäno  und  der  Bachiller  Trapaza  sind.  In  Portugal  fehlt  es  nicht 
an  Nachahmungen  aller  dieser  Gattungen.  Doch  sind  die  meisten  unsäglich 
fade,  stilistisch  unverdaulich,  gedankenarm,  und  mit  unnützen  Episoden  über- 
laden. Nennenswert  sind  unter  den  Schäferromanen  allein  die  drei  zusammen- 
hängenden des  Rodrigues  Lobo  y>A  primavera«  (1601);  y>0  pastor  pere- 
grino«  (1608)  und  y>0  desenganado«  (1614),  die  trotz  ihrer  ermüdenden  Länge 
ein  lebendiges  poetisches  Nationalgefühl  verraten,  und  eine  durch  Rundung 
und  Eleganz  ausgezeichnete  Sprache  reden.  2  Viel  unbedeutender  sind  die 
•»Ribeiras  do  Mondego«  des  Eloy  de  Soutomayor  (1623).  Zu  den  allegorisie- 
renden  Romanen  gehört  der  y>Pfedestinado  peregrino«.  des  Frey  Alexandre 
de  Guzmäo,  doch  bleibt  er  weit  hinter  der  ausserordentlichen  Schönheit  des 
•»Filgiims  Frogress«  des  englischen  Anabaptisten  Bunyan  zurück,  den  er  sich 
zum  Muster  nahm.  ■ —  Moralisierende  Beispiel-Novellen  fanden  in  den  Bürger- 
familien, in  denen  man  endlich  begann,  Geschmack  an  der  Lektüre  zu  finden, 
grossen  Anklang.  Dahin  gehören :  y>Os  infortunios  tragicos  da  constante  Florinda« 
vom  Pater  Gaspar  Pires  Rebello  (1665);  der  »Alivio  de  tristes  e  consolafäo 
de  queixosos«  vom  Pater  Mattheus  Ribeiro  (1688);  und  y>A  roda  da  fortuna 
e  vida  de  Alexandre  e  Jacint/ia«  von  ebendemselben  (lögs).^  Der  nennens- 
werteste Schelmenroman  ist  y>0 peralvilho  de  Cordova«  von  Matheus  da  Silva 
Cabral,  der  als  Fortsetzung  zuSolorzanos  -»Bachiller  Trapaza«  aufzufassen  ist. 

—  Der  Ritterroman  fand  immer  noch  Pfleger  und  Lese;r,  wie  aus  den,  schon 
früher  erwähnten  Fortsetzungen  zum  Falmeiritn  de  Inglaterra  erhellt  (s.  ^  149) 

'  Eine  andere  vervollständigende  Sammlung  von  Poesien  ans  dem  17-  Jh-  (und  aus 
der  ersten  Hälfte  des  18.)  trägt  folgender.  ponii)ösen  Titel  (zu  dem  sich  Dutzende  von 
Parallelen  anführen  Hessen):  Eccos  qtu  0  Clarim  da  Fama  da:  Postilhäo  de  Apollo  montado 
no  Pegaso,  girando  o  Utiiverso,  para  dividgar  ao  orbc  littenirio  as  peregrinas  flores  da  poesia 
portugueza,  gedr.  176I-62  von  einem  Sammler,  welche  der  Mode  treu,  seinen  Namen 
anagrammatisch  verdreht  hat.—  Eine  geschmackvolle  Auswahl  des  Besseren  aus  beiden  Werken 
enthält  John  Adamson's  Liisitania  illustrata.  New-Castle  1842.  —  Da  es,  nach  wie 
vor,  für  vornehmer  galt,  seine  Werke  handschriftlich  nur  bekannten  Gönnern  und 
Gönnerinnen  zu  übersenden  (de  mandar  im  papel),  und  da  manche  der  unverblümten  und 
skurril-lustigen  Erzeugnisse  portug.  Witzes  (r=  der  galhofa,  chalofa,  püheria  und  brejeirke, 
die  man  unter  den  Begriff  T>gra(a  poi-tuguezai  zusammen fasst)  überhaupt  das  Licht  der 
Öffentlichkeit  scheuen  nius=;ten  und  müssen,  so  blieb  sehr  vieles  ungedruckt.  Aus  den  in 
öffentlichen  und  Privat-Bibliotheken  ruhenden  Canciomiros  de  tnäo  des  17.  und  18.  Jhs.  ziehen 
Litteraturfreunde  nur  daim  und  wann  einige  Musterstücke  hervor  (wie  z.  B.  C.  C.  Branco. 
der  unter  anderem  eine  Sammlung  von  lo  Bänden  hesass;  Inn.  da  Sil  va;  A  Ib.  Piment el; 
Garcia  Peres;  Borges  de  Figueiredo;  und  der  sonderbare  Bernar des  Branco). 

—  Zu  dem  Dutzend  portug.  Dichter  (des  16.  und  17.  Jhs.),  welche  Lope  deVega  1630 
im  Laurd  de  Apolo  g^\)y'Kstn  hatte,  trug  schon  1631  J  aci  n  to  C  ordeiro  in  seinem  »Elogio 
de  Poetas  Portnguezes«  76  (und  nicht  38)  Namen  nach!  Man  vergleiche  noch  Manuel  de 
Ga  lieg  OS,  »Templo  da  Memoria  i.   und  P.Antonio  dosReys,  »Enthtisiasmus  Poeikusv. 

*  Über  Lobo,  den  ich  zu  den  Epigonen  der  klassischen  Periode  rechne,  sowie  Ober 
Sotomayor  und  Veiga,  blicke  man  auf  §   144  zurück. 

'  Desgleichen  noch  der  tRetiro  de  cuidados  e  vida  de  Carlos  e  Rosaura«  von  demselben 
Verf;isser.  Der  Leser  wird  die  Erwähnung  der  »Feinen  Abendunterhaltung«  des  Felix  da 
Castanheira  Turacem  vermissen  (»Äröö />ö////V(;<,  1704),  dessen  anmutige  Natürlichkeit 
Bouterwek  zu  LobsprOchen  veranlasst  hat. 


^5  2    LirrEKATURGKSCHICHTE    UER    ROMANISCHEN    VÖLKER.     —    4.    PORT.    LllT. 

Eingehendere  Beachtung  als  sie  ihnen  bis  heute  zu  Teil  ward,  und  kritischer 
Untersuchung  wert,  sind  die  y>Academia  nos  Montes«.  von  Manuel  de  Campos; 
die  y>Historia  do  Capuchinho  escossez«  von  D.  Diogo  Gomes  Carneiro 
(1657);  die  y>Paciencia  consiante«  von  Manoel  Quintana  de  Vascon- 
cellos  (1622);  die  -»Frodigiosas  historiasy>  von  Manoel  Brito  Aläo  (1637); 
die  y>Saiisfa(äo  de  aggravos  e  confusäo  de  vingativos«  vom  Pater  Joäo  da  Fon- 
seca  (1695)  und  der  -»Peregrino  de  America<(.  von  Nuno  Mar  ques  Pereira. '  - 
Ahmten  die  Verse  der  Akademiker  alle  Absurditäten  des  Gongorismus  ohne 
Stirnrunzeln,  ja  mit  Enthusiasmus  nach,  so  überschlug  die  Prosa  sich  förmlich 
im  Unsinnigen.  Den  Gipfel  der  Verrücktheit  erklommen  symbolisierende  Werke 
wie  die:   »Christaes  da  Alma«,   und  die   »Desmaios  de  Maio«.   (1636)2 

165.  F.  Der  Kulteranismus  in  der  Geschichte.  Die  Geschicht- 
schreiber des  17.  Jhs.,  welche  in  Universität  und  Schule  noch  heute  als  musterhaft 
gepriesen  werden,  sind  Frei  Luiz  de  Sousa  und  Jacintho  Freire  de  An- 
drade  (f  1657):  ihre  Schreibart  gilt  für  klassisch.  Der  erstere  gab  in  der  viel- 
gerümten  Chronik  des  Dominikanerordens,  den  stillosen,  älteren  Aufzeichnungen 
des  Frei  Luiz  deCacegas  eine  elegante  kunstgerechte  Redaktion,  doch  fehlt 
dem  Werke,  das  an  malerischen  Beschreibungen  reich  ist,  alle  gesunde  Kritik: 
sein  ganzes  Verdienst  besteht  in  dem  rhetorischen  Prunk.  Das  Leben  des  Frei 
Bartholomeu  dos  Martyr  es  spricht  eine  weniger  pomphafte  Sprache.  Auch 
verdient  darin  die  Aufzeichnung  gar  mancher  Anekdote  über  jenen  kernigen 
und  tugendhaften  Erzbischof  von  Braga  Lob.  Im  Grossen  und  Ganzen  zeigt 
der  Darsteller  jedoch  auch  hier  nur  wenig  Verständniss  für  die  historische 
P^poche,  die  er  schildert,  wie  schon  sein  Biograph  D.  Francisco  Alexandre 
Lübo  bemerkt  hat.^  Die  unvollständige  Chronik  Johannas  III.  von  ebendem- 
selben, die  erst  neuerdings  ans  Licht  gezogen  worden  ist"*,  besteht  aus  Einzeln- 
heiten, die  durch  kein  anderes  als  das  äusserliche  Band  der  chronologischen  Auf- 
einanderfolge geeint  sind.  —  Das  Leben  des  D.  Joäo  de  Castro  von  Jacintho 
Freire  de  Andrade  ahmt  den  Pleonasmus  der  spanischen  Novellen,  in 
Sonderheit  des  »Persiles  y  Sigismunda«  ergiebig  nach,  besonders  in  den  vielen 


'  Der  Capuchinho  ist  nichts  als  eine  Übersetzung  aus  dem  Italienischen  des  Ranuccio; 
flif  Paciencia  ein  aus  Prosa  und  Poesie  gemischter  Hirtenroman;  die  Prodigiosas  historias 
sind  fromme  Wunderherichte  aus  dem  Nazareth-Klosser ;  ^\^  Satisfagäo  enthält  rein  religiöse 
Gespräche  zwischen  einem  Eremiten  und  einem  Soldaten ;  und  der  Peregritto  ist  ebensowenig 
romanhaft,  sondern  ein  compendio  narrativo  evi  que  se  tractam  varios  discursos  espiritnaes  e 
moraes  ! 

*  Die  vollen  Titel  lauten:  Crystaes  da  alma,  frases  do  coragäo,  rhetorica  do  senliinento, 
e  amantes  desaliniws,  von  Gerard o  de  Escobar  und  Desmaios  de  maio  em  sombras  do 
Mondego  von  Diogo  F  e  r  r  e  i  r  a  F  i  g  u  e  i  r  o  a. 

*  Das  Leben  dieses  Möncii  gewordenen,  klassisch-gebildeten  Ritters,  dessen  elegante, 
wohllautende  Sätze  thatsächlich  von  aller  älteren  portug.  Prosa  abweichen,  ward  frohe  legenden- 
haft verbrämt.  Manuel  de  Sousa  C  o  u  t  i n h o  ,  der  Sohn  jenes  L o  p o ,  dessen  Geschichts- 
werk in  §  153  erwähnt  wuide,  fgeb.  1555  gest.  1632)  war  Malteser-Ritter;  ward  zwischen 
1,=)74  und  77  bei  einer  militärischen  Expedition  in  Algier  gefangen;  vermählte  sich  lr>85 
mit  D.  Magdalena  de  Vilhena,  der  Wittwe  des  angeblich  bei  Alcacer-Quebir  gefallenen  D. 
Joäo  de  Portugal  (dessen  Vater  D.  Manoel  uns  als  Dichter  und  Beschützer  desCamoes 
begegnet  ist);  steckte  15^9  seinen  Pallast  in  Brand,  als  ein  span.  Gouverneur  sich  dort  ein- 
quartieren wollte;  entfloh  den  üblen  Folgen,  indem  er  nach  Indien  ging,  von  wo  er  erst 
l604/,T  heimkehrte,  und  trat  1614  in  das  Dominikanerkloster  Bemfica,  während  seine  Ge- 
mahlin gleichzeitig  den  Nonnenschleier  nahm.  Die  Sage,  welche  schon  von  Cervantes 
im  Persiles  in  freier  Weise  und  von  A  1  m  e  i  d  a  -  G  a  r  r  e  1 1  zu  seinem  Drama  Frei  Luis  de  Sousa 
vorwertet  ward,  erklärt  diesen  Schritt,  indem  sie  versichert,  der  erste  Gatte  D.  Magdalena's 
sei  nicht  tot  gewesen,  sondern  habe  nach  langer  Gefangenschaft  und  frommer  Pilgerfahrt 
Nachrichten  von  sich  gegeben.  S.  darüber  Frei  Antonio  da  Encarnaqäo  in  der 
Einleitung  z\xx  Historia  de  S.  Domingos  Bd.  II  (ed.  1662);  Bayäo,  Chronica  de  D.  Sebastian 
\^.  7^6;  und  besonders  Alex  Lobe,  Obras,  II,  sowie  in  den  Memorias  da  Academia  VIII, 
1  — 101    die  Memoria  historica  äcerca  de  Frei  Luis  de  Sousa. 

*  y>Annacs  de  D.  Jodo  111«,   Poito    1844. 


KULTERANISTEN  :    GESCHICHTE.     —     KaNZELREDNER :    A.   ViEIRA.  353 

Reden,  die  der  Autor  seinem  Helden  nach  Art  des  Titus  Livius  in  den  Mund 
logt.  1  Wahres  historisches  Verständnis  belebt  hingegen  die  »Geschichte  des 
katalanischen  Aufstands«  von  D.  Francisco  Manoel  de  Mello,  die  aber, 
leider,  spanisch  abgefasst  ist.^  Mit  Rücksicht  auf  dieses  Buch  sagt  Phil. 
Chasles:  »ohne  jede  gewollte  Nachahmung  des  Altertums  erneuert  der  Autor 
die  dramatische  Lebendigkeit  eines  Thucydides  und  Herodot«.-'^ 

166.  G.Eloquenz  und  Episto]  ographie.  —  Die  Beredsamkeit  wurde 
einzig  und  allein  auf  der  Kanzel  gepflegt.  Ihr  glänzendster  Vertreter  ist  der  Jesu- 
itenpater Antonio  Vieira  (1608 — 1697),  der  so  ungeheuren  Einfluss  auf  die 
Regierung  Johann's  IV.  ausübte.  Die  unermüdliche  Thätigkeit  dieses  Missionars 
und  Hofpredigers  erstreckte  sich  fast  durch  das  ganze  Jahrhundert.'*  Die  Kritik, 
welche  er  in  seiner  Predigt  vom  Montag  Sexagesima  des  Jahres  1653  an  den  Stil- 
sünden der  geistlichen  Rhetoren  übte,  stimmt  zu  den  Verfügungen  des  Papstes 
Innocenz  XI.  an  die  Oberen  der  verschiedenen  Orden,  worin  es  gemissbilligt  wird, 
dass  die  Priester  » Concciti  \\x\6.  Redeblüten«  anwenden.  —  Auch  die  Moralisten 
l)efleissigten  sich  natürlich  des  pretiösen  Modestils,  wie  z.  B.  die  Arie  de  fiirtar 
beweisen  kann.^  —  Das  einzige  Werk,  in  welchem  die  Sprache  des  Herzens 

'  Das  sehr  verschieden  beurteilte  Werk  dieses  »Meisters  der  Grandiloquenz«  erschien 
1651    und  hernach  noch  mindestens  20nial  (engl.    1664J. 

^  Historia  de  los  movimientos ,  separacion  y  guerra  de  Cataluna,  1645  (unter  dem  Pseudo- 
nym Clemente  Vic  torin  o)  und  oft.  —  Portug.  Geschichtsberichte  von  ihm  sind  die 
y>Epanaphoras  de  varia  historia  portugueza  (1660),  welche  fünf  Einzelberichte  umfassen:  l)  über 
die  Kriegsereignisse  des  Jahres  1637;  2)  über  den  Seekrieg  von  l627;  3)  Entdeckung  Madeira's 
(frz.  I671  Paris,  bei  Barbin,  dem  Verleger  der  weiter  unten  besprochenen  Leüres  d'»ne  J^e/i- 
gimse:\  4)  Kanalkrieg  von   1639;  5j  Holländisch-brasilischer  Krieg  von   1654. 

*  Natürlich  existiert  daneben  eine  Fülle  anderer  historischer  Werke,  die  sich  meist 
von  den  Absurditäten  des  Modestils  ziemlich  fern  halten.  Zu  besprechen  wären  besonders 
die  Fortsetzungen  der  Monarchia  Lusitaua:  Parte  III  und  IV  (1632),  die  bis  zu  Alfons  III. 
reichen,  von  Frei  Antonio  Brand  äo  (1584 — 1634)  über  den  man  die  Alemorias  da 
Acadeniia  VIII  36 —80  nachschlage;  V  und  VI  (1650  und  1672)  über  D.  Dinis  von  Frei 
l-'rancisco  Brandäo  (1601— 1680);  VII  (1683)  über  Alfons  IV.  von  Frei  Raphael 
de  Jesus  (1614—1693)  (Parte  VIII  (1727)  von  Frei  Manoel  dos  Sanctos  gehört 
ins  18.  Jh.);  ferner  eine  Reihe  zeitgenössischer  Schriften  über  Alfons  VI.  wie  z.  B.  die 
tagebuchartigen  Monstrtiosidades  do  tempo  e  da  fortuna  (1662 — 80),  welche  man  Frei 
Alexandre  da  Paixao  zuschreibt,  (gedr.  1888  von  Graqa  Barret o);  A\e  Catastropßie, 
( vermutlich  von  D.  Fernando  Correa  de  Lacerda);  die  Anticatastrophe  (gedr.  1 845) ; 
und  die  Vida  del  Rey  D .  Affo7iso  VI  escripta  em  1684  (gedr.  1875  durch  C.  C.  Branco);  von 
Ordenschroniken,  ausser  Brito  's  Chronica  de  Cister  (1603),  und  Sousa's  Chronica  de  S.  Do- 
mingos (1619).  die  Chronica  da  Companhia  de  Jesus  von  Balthasar  Teiles  (gedr.  1645); 
von  Monographien  die  Vida  de  S.  Francisco  Xavier  \on  ]oü.o  de  Lucena  1600  (dem  man 
freilich  vorwirft,  Mendes  Pinto  plagiiert  zu  haben);  dazu  das  Agioiogio  von  Cardoso 
(1623);  die  Geschichte  der  Bischöfe  von  Porto  (1623)  sowie  der  Erzbischöfe  von  Braga 
(i6.3.t)    und    Lissabon  (1640)  von  D.  Rodrigo  da  Cunha  u.  a.  m. 

*  iSermces«  15  Bde.  1679  —  90.  1718  und  1748:  Auswahl  in  6  Bdn.  1852  — 5.3  und 
in  den  7  ersten  Bänden  der  -nLivraria  Classica<s.  (Rio  1845  —  46).  —  Einzelausgaben  und  Über- 
setzungen sind  äusserst  zahlreich.  Die  bewunderungswürdigeThatkraft  dieses  klugen  Apostels 
der  Indianer  und  Verteidigers  der  Juden,  sowie  seine  nicht  geringen  litterarischen  Verdienste 
würdigt  Alex.  Lobo,  Ohras'^A.  II  p.  351-  Vgl.  auch  Pe  Andre  de  Barros,  Vida  do 
Padre  Vieira,  Liss.  1746;  und  Abbe  E.  Carel,  Vieira,  sa  vie  et  ses  oeuvres,  Paris  1879. 
Die  anders  gearteten,  sanfteren  Reden  des  Padre  Manoel  Bernardes  (1644  — 1710)  >Sermöes 
e  Practicasi  1711,  und  die  inbrünstigen  des  bekehrten  Frey  Antonio  das  Chagas 
(1690)  müssen  beachtet  werden.  Und  selbst  die  zahlreichen  fanatischen  ^«/ö-a^a-/t'-Predigten 
gewöhnlicher  Priester  darf  man,  der  Kontrastwirkung  wegen,  nicht  übersehen. 

*  Diese  Satyre  auf  die  Unsitte  der  Zeit,  die  mit  dem  Datum  1652  veröffentlicht  und 
Vieira  zugesprochen  ward,  doch  beides  erst  im  Jahre  1744,  ist  entschieden  eine  Fälschung, 
über  deren  Urheber  zwar  viel,  doch  bis  jetzt  resultatlos  gestritten  worden  ist.  S.  Inn.  da 
Silva  I  306  und  Candido  Lusitano,  -d  Vieira  de/endidov.  —  Ich  habe  in  dieser  Frage 
noch  keine  selbständige  Meinung.  —  An  weiteren  sittengeschichtlichen  und  moral-philosophi- 
schen  Werken  ist  kein  Mangel.  Ich  nenne  ausser  dem  an  Einzelzügen  reichen  Dialog:  yiTeinpo 
de  agora  <-  von  A  f  f  o  n  s  o  d  e  M  i  r  a  n  d  a  ,  den  »  Casamen/o  perfei(o^<  des  Diogo  de  Paiva 
de  Andrade  (1630)  mit  seinen  verständigen  Grundsätzen-,  die  t Curia  de  guia  de  casados<i. 

Oköbuk,  (jruiulriss.     IIb.  23 


354    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.  PORT.    LiTl". 

mit  grossartiger  Ungekünsteltheit,  Worte  findet,  die  völlig  wahren  Naturlauten 
gleichen,  sind  die  fünf  Liebesbriefe,  welche  die  Nonne  D.  Marianna  Alco- 
forado  in  Beja  schrieb.  Die  Originale  sind  zwar  verloren:  aus  der  vor- 
handenen zeitgenössischen  franz.  Übersetzung  kann  man  jedoch  auf  die  leiden- 
schaftliche Inbrunst  dieser  Gefühlsergüsse  einer  portug.  Verliebten  schliessen.  * 
—  Der  erste,  welcher  in  Portugal  eine  litterarisch-politische  Zeitschrift  grün- 
dete, war  Sousa  de  Macedo.2 


J.  FÜNFTE  EPOCHE  1700-1825. 
PSEUDO-KLASSIZISTEN :  ACADEMICOS  E  ARCADES. 

[ines  der  Haupt -Unterscheidungszeichen  für  das  i8.  Jhs.  ist  im  übrigen 
Europa  die  Einwirkung,  welche  Männer  der  Wissenschart  auf  Litteratur 
und  Politik  ausüben,  ähnlich  dem  Einflüsse  der  Rechtsgelehrten  im  Mittelalter. 
England  machte  den  Anfang.  Besonders  wirksam  aber  ward  die  befreiende 
Thätigkeit  der  Gelehrten  in  Frankreich.  Ihre  geistige  und  moralische  Diktatur 
bereitete  auch  jenseits  der  Grenzen  die  Aufklärung  der  Völker  und  die  Um- 
gestaltung der   gesellschaftlichen  Einrichtungen  vor.      In    allen  Ländern    fing 

von  D.  Fiancisco  Manoel  de  Mello,  in  denen  der  geistvolle  unverheiratete  Welt- 
mann, in  gesitteter,  doch  familiärer  .Sprache  mit  leichter  Ironie,  einem  l^räutigam,  der  ihn 
um  Rat  und  Meinung  geheten  hatte,  die  Pflichten.  Freuden  und  Eigentümlichkeiten  des  da- 
maligen portug.  Familienlehens  schildert  (gedr.  1651,  und  sehr  oft;  zuletzt  1873);  desselben 
Autois  bereits  erwähnte  y>Dialogos  apologaes«\  und  aus  Dutzenden  rühmenswerter  Erhauungs- 
schriften  ,  die  des  eben  genannten  Manuel  Bernardes  (-»Luz  e  Calor«  1696;  iiFloresta 
de  apophtegmas« ,  5  Bde.  1706  —  2S)  und  -nOhras  Espirituaes«  des  Frei  Antonio  das 
Chagas. 

*  Obwohl  kein  geringerer  als  R  o  u  s  s  e  a  u  behauptet  hat,  eine  Frau  k  fi  n  n  e  nicht  mit 
solcher  wahren  I^eidenschaft  von  Liebe  reden;  und  obwohl  Männer  wieHerculano  und 
C.  C.  Branco  wenigstens  daran  zweifelten,  dass  im  Jh.  der  gongoristischen  Stilentartung 
eine  Portugiesin  so  schlichte  Herzensworte  gesprochen  haben  könne,  so  steht  es  heute,  nach- 
dem die  Frage  genauer  untersucht  worden  ist,  doch  ganz  fest,  dass  die  Marianne  der 
Briefe  ,S  o  r  o  r  M  a  r  i  a  n  n  a  d  e  A  1  c  o  f  o  r  a  d  o  ist,  deren  vollen  Namen  Boissonade  18  lo 
im  yournal  de  P Empire  (5.  Jan.)  nacli  einer  handschriftlicher!  Aufzeichnung  in  einem  Exemplar 
von  1669  mitteilte.  Die  1640  (geborene,  \yi\\  (iestori)ene,  ward  vor  ihrem  20.  Jahre  dem 
Kloster  da  Conceifäo  in  Beja  übergeben,  und  tiat  daselbst  in  intime  Beziehungen  zu  Noel 
Bouton  de  Chamilly,  Grafen  von  Saint -Leger,  dem  späteren  Marschall  von  Frank- 
reich, der  1663  67  als  Offizier  des  von  Ludwig  XIV.  entsandten  Schomberg'schen  Heeres 
längere  Zeit  in  Beja  weilte.  Und  es  ist  nicht  daran  zu  zweifehl,  dass  der  nach  Frankreich 
zurückgekeinte,  die  ihm  zwischen  Nov.  67  und  Jan.  68  nachgesandten  fünf  leidenschaft- 
lichen Briefe  der  Nonne,  auf  die  er  nichts  erwiderte,  einzig  vom  litterarischen  Standpunkt 
würdigte,  und  sie  im  Kreise  seiner  Freunde  herum  zeigte,  von  denen  einer  (I.,avergne 
de  Gu  i  1 1  era  gu  es)  sie  kopierte,  übersetzte  und  schliesslich  zum  Druck  gab.  Als 
anonyme  Lettres  Portugaises  erschienen  sie  Januar  69  in  l^aris,  wurden  in  wenigen  Monaten 
3  mal,  und  hinterher  als  Lettres  d'une  religieuse portugaise  mehr  als  50  mal  gedruckt,  bald  treu, 
bald  unter  Zusatz  erfundener  Briefe  und  Antworten  (deutsch  als  »Briefwechsel  einei'  portug. 
Nonne«.  Roteniuirg  1788).  —  Den  begreiflicherweise  spurlos  verschwundenen  Urtext  haben 
ö  Portugiesen  zu  rekonstruieren  versucht:  Filinto  Elysio  1819;  Morgado  de  Ma- 
th e  u  s  1 838 ;  L  o p  e s  de  M e n d  o  n  ^ a  1852 ;  D  o m i  n  g o  s  Jose  E  n n  e s  1872 ;  und 
Luciano  Cordeiro  in  seinem  sorgfältigen  Stuclienweike:  TiSoror  Mariantia  a  freira 
portjigtteza«  Liss.  1890.  —  Von  sonstigen  Briefen  nehmen  die  ersten  Stellen  die  markigen 
{'Episteln  Vieira's  ein  (»Cartas«  3  Bde.,  1735)  und  die  reichhaltigen  Cartas /amütares«. 
von  Mello  (Rom  1644;  nur  500,  aus  (ten  ersten  6  Kerkerjahren,  von  22, 600,  die  er  ge- 
schrieben haben  soll),  sowie  die  »Cartas  Esptn'tua/esa:  des  Frei  Antonio  das  Chagas 
(1684  und   1687.   2  Bde.). 

^  Gemeint  sind  die  Mercurios  Portuguezes  com  as  novas  da  guerra  entre  Porttigal  e 
CasteUa\  Januar  1663  bis  Dezember  66.  (50  Nummern;  nebst  weiteren  sieben  aus  d.  J.  67). 
Ich  muss  jedoch  bemerken,  dass  schon  bedeutend  früher  andere  y>Gazetas%.  erschienen  waren: 
Nov.    1641 — 47  (wahrscheinlich  von   Fr.  Francisco  Brandäo). 


FüNPiE  Epoche:  Pseudo-Klassizisten.  355 

man  an,  sich  danach  zu  sehnen,  die  mittelalterlichen  Fesseln  abzuschütteln, 
und  mit  den  Verkehitheiten  der  bestehenden  Rechtsordnung  aufzuräumen.  Die 
Grundbedingung  für  die  freiheitliche  Entwickelung  des  Einzelnen  wie  der  Gesamt- 
heit ward  aber  überall  die  Beschäftigung  mit  franz.  Büchern,  und  somit  dasStudium 
der  franz.  Sprache.  In  Portugal  ward  die  erste  geistige  Annäherung  an  Frank- 
reich durch  die  Mithülfe  Richelieus  bei  der  Restauration  von  1640  bewirkt. 
Die,  durch  den  scharfsichtigen  Grafen  von  Castello-Melhor  eingeleitete  Heirat 
Alfons'  VI.  mit  einer  franz.  Prinzessin  that  das  Übrige.  Zuerst  las,  bewunderte, 
übersetzte  und  ahmte  man  die  Meisterwerke  des  siede  de  Louis  XIV.  nach. 
Auch  führte  man  franz.  Sitten  in  die  prunkende  Hofhaltung  und  die  häuslichen  Ge- 
wohnheiten ein.  Später,  unter  der  Regierung  Pombal's,  befreundete  man  sich 
mit  den  Lehrmeinungen  der  Economistes\  und  schliesslich,  nachdem  der  Herzog 
von  Laföes  die  königl.  Akademie  der  Wissenschaften  gegründet  hatte,  ging  man 
zu  begeisterter  Vorliebe  für  die  Denker  der  Encyclopidie  über.  Voltaire's 
philosophische  Dramen  wurden  gegen  Ende  des  18.  Jhs.  viel  gelesen.  -  Im 
Allgemeinen  muss  man  jedoch  sagen,  dass  ein  grosser  Teil  der  portug.  Schrift- 
steller der  5.  Epoche  und  besonders,  dass  die  Dichter  der  geistigen  Be- 
wegung ihrer  Zeit  vollkommen  fremd  blieben,  und  ohne  das  leiseste  Bewusst- 
sein  der  aufklärenden  Thätigkeit,  die  sie  hätten  ausüben  müssen,  nach  alt- 
gewohnter Weise  fortfuhren ,  in  den  vorgeschriebenen  metrischen  Geleisen, 
wie  die  Vorfahren,  blosse  Unterhaltungs- Werke  zu  verfassen,  zufrieden  damit, 
wenn  die  Fürsten  und  Magnaten,  unter  deren  Mecänat  sie  sich  stellten,  an 
ihren  mittelmässigen  Leistungen  Gefallen  fanden.  ^ 


'  Ich  kann  den  deutsclien  Leser,  der  diese  allzusummarisclie  Übersicht  cUncl»  eigene 
Arbeit  erweitern  möchte.  leider  auf  kein  Werk  liinweisen,  das  seinen  naturlichen  Wünsclien 
gerecht  würde,  und  auf  dem  hier  ganz  unentbelirlichen  l'ntergrund  der  Geschichte  unrl  KuUur- 
gesdiichte,  zusammenfassend.  al)er  doch  mit  der  nötigen  sachhchen  Ausführlichkeit,  flas 
I  itterarisclie  S|iiegelbilcl  des  furchtbar  harten,  ja  grauenvollen  Kampfes  böte,  welchen  flie 
portug.  Nation  schon  seit  1640,  unter  erschwerten  Bedingungen  jedocli  seit  1703,  um  ihre 
politische,  wirtschaftliche  und  moralische  Existenz  gefülut  iiat.  Für  den  historischen  Teil 
nenne  ich  ihm  K  e  b  e  II  o  d  a  ,S  i  1  v  a ,  y>Historia  de  Portugal  nos  seculos  2i  VII  e  XVIIh<  ( 5  Bde. 
1860  71),  sowie  tJliveira  Martins'  kurze,  geistvolle  Skizzen  in  der  y>Uistoria  de  Portugal«. 
(1887.  4.  Aufl.);  für  die  has-fonds  der  Politik  und  Kulturgeschichte,  die  krassen,  anekdoten- 
haften Sittenbilder,  welche  Manuel  Bernardes  Branco  in  seinen  realistischen  Schriften 
zeichnet  (y>Portugal  na  Epoca  de  D.  Joäü  Vi..  Lissab.  l885;  ^>As  niinhas  queridas  freirinhas 
de  Odivellas'.  Lissab.  1886);  und  von  den  zahlreichen  zeitgenössischen  Memoiren  und  Reise- 
berichten ausländischer  Schriftsteller  wenigstens  die  des  berühmten  Beckford  1787.  Patio- 
rama  XII  (von  den  historischen  Romanen  eines  Rebello  da  Silva,  Pinheiro  Chagas. 
Camillo  Castello  Branco  etc.  zu  schweigen);  für  das  eigentliche  Litteraturgebiet  aber 
die  zwar  einseitigen,  aber  durchaus  nationalen,  selbst  den  Schwächen  und  Auswüchsen  des 
Volkscharakters  verständnisvoll  und  sympatliisch  gegenüberstehenden  Darstellungen  des  letzt- 
genannten Autors  in  seinem  T>Curso  de  litteratura«  (Bd.  2),  in  den  Einleitungen  zu  den 
»Meniorias  do  Bispo  t'o  Gräo-Pard  (Porto  1868)  und  den  yRatos  da  Inquisigäoi.  (Pfirto 
188,'i),  sowie  in  den  iNoites  de  insomuia«.  —  Der,  für  jeden  Patrioten  tiefschmerzlichen 
Aufgabe,  diese  Zeit  des  äigsten  Verfalls  und  den  Tiefstand  ihrer  Gesittung  und  Geistes- 
bildung wahrheitsgetreu  zu  schildern.  —  das  sjirunghafte  Hin-und-Her  des  trotz  aller  Hinder- 
nisse vor  sich  gehenden  Aufschwungs;  das  immei-  wieder  gewaltsam  unterbrochene  Ringen 
einzelner  und  verbündeter  Einsichtiger  nach  freiheitlicher  Entwickelung;  das  unvermittelte 
Nebeneinander  des  neuen  Geistes,  dem  man  nicht  Zeit  Hess,  allmählich  festen  Fuss  und 
tiefe  Wurzel  zu  fassen  und  des  alten  Geistes,  den  auszurotten  einfach  unmöglich  ist;  die 
widersprechenden  Lebensäusserungen  beider,  und  die  dadurch  l>edingten  antagonistischen  Ge- 
schmacksrichtungen, klarzulegen,  —  ist  Th  Braga  bis  heute  aus  dem  Wege  geganpen.  In 
seiner  Litteraturgeschichte  fehlt  noch  der  Band  über  das  18.  Jh.,  und  ein  kurzer  \' ersuch  in 
der  Kc7nsta  de  Portugal  (Bd.  I  p.  574—606;  über  »ö  seculo  XVIII ent  Portugal«,  zu  wi-lciiem 
mehrere  Bände  und  Aufsätze  über  Einzelerscheinungen  hinzukommen,  die  ich  in  den  Anmer- 
kungen zu  den  Paragraphen  170.  172.  176  l8ü  nennen  werde,  bieten  nur  ungenügenden 
Ersatz.  Demgemäss  geben  auch  seine  hier  gebotenen  Andeutungen,  und  die  etwas  ausführ- 
licheren im  Manual,  sowie  im  Citrso  und  in  der  Theoria  nur  unvollständige  Aussclmitt- 
bilder   aus  der  Litteratur   des    18.  Jhs.      Um  die  Verstandesarbeit,   den  Mut    und    die   aus- 

23* 


356    LllTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.   LiTT, 

168.  Der  französische  Pseudo-Klassizismus.  Auf  die  Schöpfungen 
der  unmittelbar  vorhergegangenen  Zeit  blickten  die  besseren,  von  Frankreich 
inspirierten  Köpfe  wie  auf  Ausgeburten  eines  verdammenswert  schlechten  Ge- 
schmacks herab.  Bewusst  kehrten  sie  allem  den  Rücken  was  an  die  gongo- 
ristischen  (spanischen)  Vorbilder   erinnerte  und  wandten  sich    den   gegensätz- 


dauernde  Thatkraft  der  strebsamen  Neuerer,  die  an  der  Wiedergel)vat  der  Litteratur  und  der 
Hebung  des  Nationalgeistes  gearbeitet  haben,  und  die  P2rfolge  und  Misserlblge,  die  Fehler  und 
Vorzüge  der  AVerke  sowohl  der  nüchternen  Galli/.isten  wie  der  klassisch-puristischen  Arkadier 
gerecht  zu  würdigen,  niüsste  die  ITnterströniung  der  Altnationalen  viel  schärfer  charakterisiert 
werden,  die  von  den  bequemen  Moden  des  17.  Jhs.  nicht  lassen  und  ihren  verbildeten  Geschmack 
nicht  erziehen  wollten.  Der  grenzenlos  naive  und  kurzsichtige  fröhliche  Cynismus  der  Baccha- 
nalien, welche  ihre  ])0])uläre  Poesie  damals  feierte,  darf  nicht  mit  Stillschweigen  übergangen 
werden.  Auch  der  Fremde  muss  Genaueres  über  die  läppischen  Kindereien  der  schöngeistigen 
Privat-Akademien  erfahren,  die  zu  uns  aus  vielen  Dutzenden  von  Drucken  und  Handschriften 
sprechen.  Er  muss  die  verderblichen  Frivolitäten  der  weltlichen  Klosterfeste  —  oiteiros 
(—  Musenhügel)  und  abbadessados  —  kennen  lernen,  in  denen  in  der  Hauptstadt  und  Um- 
gegend {Odivellas)  und  auch  in  der  Provinz  (Rvora,  Coimbrd)  bis  an  30<)  modisch  geputzter 
Nonnen  von  den  Gallerien  der  Kapitelsäle  herab  Mottos  (die  oft  ganz  allerliebst,  oit  aber 
nicht  besser  als  Knallbonbon-Verse  sind)  an  die  unten  versannnelten  Geistlichen  und  Laien  aus- 
teilten, deren  kecke  und  pikante,  bisweilen  höchst  effektvolle  Stegreif- Glcssen  {decimas, 
quadras  und  sonetos)  mit  Süssigkeiten  aus  den  üppigen  Klosterküchen  bezahlt  wurden  {toti- 
cinho  do  ceu  —  holo  Celeste  —  pingos  de  tocha  u.  a.  in.).  S|)ezihsch- portugiesische  Ein- 
richtungen, an  denen  noch  A  1  ni e  i d a  -  G  a  rr e 1 1  ( 1827)  und  C.  C.  Br  a  n  c  o,  .sowie  andere 
lebende  Dichter  sich  bis  1852  ergötzt  haben!  —  Die  pittoreske  Gestalt  des  gemeinen  Witz- 
lings  und  Hofnarren  Johann's  V.,  C  a  e  t  a  n  o  J  o  s  e  da  S  i  I  v  a  S  o  1 1  o  m  a  y  o  r ,  eines  adligen 
Rechtsgelehrten  und  Akademikers,  muss  ihm  vorgeführt  werden,  weil  die  gebildeten  Zeit- 
genossen sich  nicht  gescheut  haben,  ihrem  Günstling  (fast  hätte  ich  gesagt  ihrem  Gund- 
ling)  den  Namen  ihres  damals  überhaupt  betrübend  oft  und  gern  verspotteten,  und  ange-, 
feindeten  Nationaldiciiters  beizulegen,  ihn  »o  Caiiiues  do  Rocio«  (C.  vom  RingplatzeJ 
nennend.  Aus  der  ungeheuren  Schaar  der  damals  als  fliegende  Blätter  oder  Kolportage-Neu- 
heit {Folhetos,  und  Litteratiira  de  cordel)  für  das  Theaterpublikum  und  die  Bürgerhäuser  be- 
stimmten Schriften  in  Prosa  und  Vers  muss  er  wenigstens  eine  Auswahl  des  Typischen, 
nach  Inhalt  und  Form,  vorgeführt  bekonniien,  um  daraus  auf  den  überaus  grobschrötigen 
Humor  der  Gassen-  und  Gossenpoeten  zu  schliessen,  deren  einziger  Grundsatz  es  gewesen 
zu  sein  scheint,  gar  keinen  Grundsatz  zu  befolgen,  allen  sittlichen  und  ästhetischen  Theorien 
ein  Schnippchen  zu  schlagen,  und  in  andauernder  Karnevalsfreiheit,  nur  ihren  Naturtrieben 
folgend,  in  Dramen,  Epen,  Diedern,  Predigten  und  Reden  nichts  als  Karrikaturen,  Parodien, 
Satyren,  Pamphlete,  Pasquinaden,  Macanonica  und  Fescennina  zu  bieten  —  eine  After-  und 
Nebenpoesie,  der  jede  Ahnung  einer  freien  und  stolzen  Kunst  fehlt.  Er  muss  wissen,  dass 
drei  Viertel  flei  nicht-akademischen  und  nicht-.ukadischen  Werke  —  und  selbst  von  diesen  ein 
nicht  kleiner  Prozentsatz  ■ —  Burlesken  und  Grotesken  sind:  versos  joco-serios ;  joco-heroicos, 
cotnico-heroicos ',  fnoraes  e  jocosos  ;  jocofunebres,  estramboticos  und  esqiiipaticos ',  palitos  metricos ; 
bisnagas  cscholasticas ;  sabonetcs  delphicos.  Und  auch  die  manierlichere,  ernster  gemeinte 
Hofpoesie  mit  ihren  zahllosen  Applauses,  Encomios,  Paneg\ricos,  Threnos,  Lamentos,  Laridos, 
Nenias,  Suspiros,  Gemidos,  Sentimentos  fnetricos,  Ofrendas  lacrimosas  in  Sonetten,  Oden,  Oktaven 
und  Idyllenforni  oder  in  Silvas,  worin  der  Salomon  und  Krösus  des  Westens,  dem  die  Diamant- 
gruben Brasiliens  gehörten,  und  der  giossmütig  Kiuist  und  Wissenschaft  beschützte,  nebst  seiner 
ganzen  Familie,  von  subventionierten  Verskünstlern  in  mehr  als  byzantinischer  Unterwürfig- 
keit verherrlicht  ward,  der  Forschende  muss  sie  kennen  leinen,  sowie  daneben  die  eigenartige 
sebastianistische  I^itteratur  des  Zeitalters  mit  ihren  mystischen,  messianischen  Prophezeiungen 
von  einer  fünften  Weltmonarchie,  die  durch  das  Erdbeben  von  1755  nm"  neue  Nahrung  er- 
hielten, und  von  der  Geistlichkeit,  (besonders  der  jesuitischen)  in  gewohnter  Dunkelmänner- 
Manier  ausgenutzt  wurden.  Viel  genauere  Angaben  über  die  Übersetzungslitteratur,  und 
über  das  was  Portugiesen  in  fremden  Zungen  schrieben,  wäre  nötig.  Wie  die  seit  1703 
(Vertrag  von  Methwen)  deutlichst  fühlbare  en  gl  is  c  he  Einwirkung  die  franz.  bald  unter- 
stützte, bald  befehdete,  ohne  dass  beide  den  i  t  a  1.  und  span.  litterarischen  Einflüssen  gänz- 
lich Abbruch  gethan  hätten;  wie  giiechische  und  lateinische  Dichter  ('J'ragiker,  Epiker  und 
Lyriker)  in  überaus  zahlreichen  Veisionen  zugänglich  gemacht  wurden ;  wie  seit  dem  Ende 
rles  18.  Jhs.  auch  deutsche  Geisteserzeugnisse  mehr  und  mehr  Beachtung  fanden,  und  in 
welcher  Weise  das  alles  auf  die  Nationallitteratur  einwirkte,  bedürfte  der  Auseinandersetzung 
und  gründlich  eingehender  Behandlung,  der  Krieg  der  Arcadia  gegen  die  Gallizisten,  wie  auch 
die  nicht  geringe  wissenschaftliche  Au.sbeute  des  Jahrhunderts.  —  Vielleicht  lassen  sich 
diese  und  andere  Lücken  der  vorliegenden  Arbeit  in  einer  zweiten,  verbesserten  Auflage 
ausfüllen. 


Die  franz.  Pseudo-Klassizisten.  357 

liehen,  blassen,  nüchternen,  korrekten  Regelwerken  der  franz.  Klassiker  zu. 
Den  Anstoss  dazu  gab  ein  gebildeter  Hofmann,  der  Graf  von  Ericeira,  Fran- 
cisco Xavier  de  Menezes'.  Er  hatte  einer  der  besseren  alten  Akademien  des 
17.  Jhs.,  der  Academia  das  Conferencias  discretas  (oder  eruditas)  zugehört,  in 
welcher  naturwissenschaftliche,  moralische,  philosophische  und  sprachliche 
Fragen  von  ernsten  Gelehrten  ernsthaft  erörtert  wurden  (1696  — 1703).  In 
seinem  Pallaste  auf  dem  Annunziatenplatze  gründete  er  nach  1700  einen  Bund 
der  portug  »Wissenden«  (Acadc?ma  Po7-tugueza),  den  Scavants  de  France  nach- 
eifernd, und  im  Hinblick  auf  die  1635  von  Richelieu  in  Paris  eingesetzte 
Acadhttk  Fran(aise.  Offiziell  bestätigt  ward  sie  am  4.  November  1720  von 
König  Johann  V.  (1705 — 50)2.  Den  Gleichgesinnten  gab  der  Graf  in  seiner 
Übersetzung  der  Poetik  Boilcaus,  zu  dem  er  in  litterarische  Beziehungen  trat, 
ein  massgebendes  Gesetzbuch  des  litterarischen  Geschmacks.  Seine  Regeln 
nahmen  die  Leute  von  Welt  ohne  Weiteres  als  neueste  fashionable  Mode  an 
und  befolgten  sie  nach  Kräften.     Weitere  Übersetzungen  schlössen  sich   daran 

'  Dieser  gelehrte,  sprachkuiidige  4.  Graf  von  Ericeira  (1673— 1743)-  <^ein  man 
im  .Aiislanil  aus  Versfehen  nocli  mehr  als  ihm  gebührt  (d.  li.  aucli  seines  Vaters  D.  I.uiz, 
<les  3.  Grafen  (1632—90),  historische  Schriften  wie  z.  B.  •)>  Portugal  restaurado«)  zugesprochen 
hat,  war  seiner  Zeit  eine  der  Berühmtlieiten  Europa's.  Nicht  genug  damit,  Boileau's 
■»Art  Poetit/uea  schon  1697  i"  Oktaven  übersetzt  zu  haben,  studierte  er  im  Speziellen  die 
Regeln  der  noch  immer  höclist-geachteten  Epik,  und  zwar  direkt  an  den  Vorbildern 
(Homer,  Lucan,  Statins,  Silius;  Ariost,  Tasso,  und  vor  allem  an  Virgil,  der 
auch  in  seinen  Äugender  vollkommenste  aller  Dichter  ist),  sowie  nach  den  berülnntesten 
'l'iieoretikenr.  legte  ihre  Meinungen  in  einem  Traktat  »Das  regras  da  poesia  cpicav.  dar.  und 
brachte  sie  in  eklektischer  Weise  in  einem  Epos  von  12  Gesängen  zur  Anwendiuig.  Diese 
•i>Henriqmidat.  (gedr.  1741)  behandelt  einen  patriotischen  Stoff,  die  Kriegsthaten  Heinrichs 
von  Burgund  bis  zur  Eroberung  von  Lissabon,  unter  Anruf  der  Gottheit,  und  mit  Einführung 
einer  christlichen  Sybille,  in  meist  korrekter  Weise,  reiner  Sprache  und  glatten  Versen;  doch 
fehlt  dem  Autor  die  schöpferische  Phantasie  und  ein  wirklich  starkes  und  tiefes  Natur- 
gefühl. Man  merkt  Erfindung  wie  Ausführung  den  Schweiss  der  Arbeit  allzusehr  an.  Jeden- 
falls war  es  ein  Verdienst,  den  Gedanken  an  einen  bestimmten  Fortschritt  und  der  Kritik 
sowie  der  Methodik  Gehör  verschafft  zu  haben.  An  Nacheiferern  hat  es  dem  Autor  der 
Henriqueida  nicht  gefehlt:  zu  dem  schon  sehr  beträchtlichen  vorhan<lenen  portug.  Epenschatz 
fügte  die  Folgezeit  eine  Achilleida,  Elyseida ,  Zargueida ,  Pcdreida  (von  R  u  a  s) .  eine 
Georoeida,  Joanncida,  Mtgucleida;  eine  Christiada,  franciada,  Iberiada,  Hrasiliada ,  und 
Alfoitsiada  (  von  P  i  n  a  L  e  i  t  ä  o) ,  nebst  einem  Alfonso  von  Francisco  B  o  t  e  1  h  o  :  eine 
Santarenaida,  Portuguezaida,  Mtihraida  —  eine  immer  öder  als  die  andere.  Und  als  höht 
nende  Gegenstücke  blieben  auch  zahlreiclie  heroisch-komische  Epen  voll  persönlichster  Satyre 
nicht  aus,  in  denen  zum  Teil  viel  Geist  und  Witz,  zum  Teil  aber  auch  niedrige  Schimpf- 
last  zu  Worte  kommt:  A\&  Bent'eida  von  Alexandre  Antonio  de  Lima  (l 699  — 1 759); 
die  Agostinh'eida  von  Nuno  Alvares  Pereira  Pato  Moniz  (1681-1772;  gedr.  1817 
inul  1876);  eine  Mondegueida,  eine  Lehreida,  eine  Gaticanea  (von  Joäo  Jorge  de  Car- 
valiio  1781)  und  ähnliches  mehr.  —  Wert  hat  allein  das  Spott-Epos  t>0  Reiiio  da  Estu- 
pidezi., welches  der  Brasilianer  Francisco  de  Mello  Franco  (l7,ö7— 1823) ,  der  als 
Freidenker  vier  Jahre  in»  Inquisitionsgefängnis  zubrachte ,  gegen  die  Unduldsamkeit  der 
Coimbraner  Universität  schleuderte  (gedr.    1819  und  oft;  z.  B.   1868). 

«  Die  »attischen  Nächte«  in  Ericeira's  Bibliothek,  welche  l8otxj  Bände  zählte, 
waren  aus  den  Conferencias  der  Geturosos,  unter  Teilnalune  des  höchsten  Adels  hervorgegangen; 
und  ihre  Mitglieder  gaben  wiederum  den  llaiiptbestand  für  die  »Acadctnia  Portuguezaa  her. 
Diese  konstituierte  sich  offiziell  erst  am  8.  Dez.  1720,  mit  ,=io  Mitgliedern,  unter  der  .\gide 
Johann's  V.,  zur  Academia  Real  da  Historia,  und  unternahm  wirklich  wertvolle  historische 
und  archäologische  Forschungen,  ihrem  .Motto  treu ;  Restituet  omnia.  Ihre  Akten  sind  in 
l,'i  Foliobänden  niedergelegt  syDociunentos,  Estatutos  e  iMemoriasa  (1721  —  36);  nebst  einer 
■t> Historia  da  Academia  Real  Portugiieza«  von  Manuel  Teiles  da  Sylva  (1727).  Von 
ihren  sonstigen  bedeutenderen  Veröffentliciiungen  seien  Barbosa  Machado's  »Afemorias 
deD.  Sebastiäo« ;  C  a  e  t  a  n  o  de  S  o  u  s  a '  s  »Historia  Geiiealogica  da  Casa  Realv.  ( 1 2  Bde.  1 735  —49 
nebst  6  Bänden  i>Provas<i  1739—48)  genannt;  Soares  da  Silva,  uMemorias  de  D.  yoäo  I«: 
die  Geographia  von  Lima  und  die  von  Cardoso;  die  Antiguidad e s  \-on  Contador 
d'Argote;  und  dazu  die  Bihliotheca  Lusitana;  das  Wörterbuch  von  Bluteau;  und  das 
Corpus  Poetarum.  Genaueres  suche  man  in  J.  Silvestre  Ribeiro's  ■^Historia  dos  Esta- 
helecimentos  scientificos,  litterarios  e  artisticos  em  Portugal  (15  Bde.  1871— 1887). 


358     I.ITTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.     —    4.    PüRT.    LlTT. 

wie  z.  B.  von  Raciiie's  Athalie  durch  Francisco  Josd  Freire  (1762)  und 
von  Fenelon's  berühmtem  Roman  durch  den  Capitäo  Manuel  de  Souza 
(1776)1.  Der  Teletiiach  erweckte  auch  freie  Nachbildungen,  wie  z.  H.  die 
»Aventuras  de  Diophanes  ou  Maximas  da  virtudc  e  fonnosura  com  qne  Diophancs^ 
Clymcnea  e  Hemirena,  principes  de  Thebas,  vcnceram  os  mais  apertades  lances 
da  disgrafa'i,  von  einer  Dame,  Dorothea  Engracia  Tavareda  d'Almira 
(17 77). 2  Ja  selbst  als  die  Lissabonner  Arcadia  gestiftet  ward,  um  den, 
trotz  Ericeira's  Bemühungen  noch  immer  weiter  wuchernden  schlechten 
(icschmack  der  Seiscentistas  auszurotten,  folgten  ihre  Gründer  zum  Teil  der 
gallischen  Mode:  Gar(;äo  wählte  für  seine  Cantatas  diejenigen  Rousseau's  zum 
Muster;  und  Diniz  da  Cruz  e  Silva  hätte,  ohne  Boileau's  Lutiin  zu 
kennen,  sein  komisches  Heldengedicht  »Der  Weihwedcl«  {O  hyssopc)^  nicht  ge- 
schrieben. Auch  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichtswesens  und  der  Philosophie 
war  Frankreich  tonangebend.  Das  kartcsianische  System  brach  sich  Bahn;  die 
Bekämpfung  der  jesuitischen  Erziehungsmethode,  welche  von  den  Lehrern  von 
Port- Royal  unt(!rnommen  worden  war,  wurde  in  Portugal  von  den  Vätern  der 
Con^regacäo  da  oratorio  durchgeführt^.  Dieser  nützlichen  aiitijesuitischen  Be- 
wegung entstammt  das  Werk  des  Archidiakonus  Luiz  Antonio  Verney 
(1713 — 92)  -» Verdadciro  victhodo  de  esiudar«  ^  welches  dem  grossen  Minister 
König  Joseph's  zum  Unterbau  für  sein  Unterrichtssystem   diente.* 

169.  Der  wiederholte  Hinweis  auf  F'rankreich  genügte  jedoch,  wie  an- 
gedeutet, nicht,  um  dem  Gongorismus  und  der  Monomanie  der  ziel-  und  zweck- 
losen rein  litterarischen  Akademien  sofort  den  Garaus  zu  machen.  Unverändert 
fuhr  man  fort,  im  Schoosse  immer  neuentstehender  und  vergehender,  dem  Ver- 
gnügen geweihter  rhetorischer  Kränzchen,  die  südliche  Rede-  und  Dichtfertig- 


'  Diese  2  Übersetzungen  sind  willkürlich  aus  einer  langen  Kette  herausgegritfene 
Glieder.  Zu  Racine,  Molieie,  Corneille,  Balzac;  D'Arnaud,  La  motte, 
Crebillon,  Regnard;  Voltaire,  Montesquieu,  Feneion,  Florian,  Con- 
d  i  1 1  a  c  etc.  treten  Pope,  Y  o  u  n  g ,  Gray,  D  r  y  d  e  n  ,  Addison,  M  i  1 1  o  n  ,  T  li  o  ni  p  s  o  n , 
Swift,  Goldsmith,  Ossian;  Gessner,Cronegk,  Gottsched,  Haller,  Klop- 
stock,  Lessing,  Schiller,   Wieland  etc. 

*  Es  ist  ein  Anagramni  von  D.  Theresa  Margarida  da  Silva  e  Horta, 
der  wallten  Verfasserin  des  Romans,  (17,=S2)  den  man  auch  Alexandre  de  Guzmäo  zu- 
gesprochen hat.  S.  Inn.  da  Silva  1  .34  und  VII  31 7.  Eine  andere  Nachahmung  des  Tele- 
mcu/uc  ist  der  auch  ins  Französische  und  Spanische  übersetzte  philosophische  Roman  »O 
feliz  independentei^  des  gelehrten  Oratorianers  P"^  Theodoro  deAlmeida,  (l77y),  den 
flie  öffentliche  Meinung,  wegen  der  Länge  der  eingestreuten  Moralbetiachtungen  »f  infelh 
impertinefitei.   getauft  hat. 

*  Die  hervorragendsten  Vertreter  dieser  verdienstvollen  von  H  a  r  t  h  o  I  o  m  e  d  o 
Quental  (•{-  1698)  eingeführten  Brüderschaft  sind  der  eben  genannte,  unter  Pombals  auf- 
geklärtem Despotismus  ins  Ausland  geflüchtete  P-  T  h  e  o  d  o  r  o  d  e  A  1  m  e  i  d  a  ( 1 722  —  1 804 ), 
der  in  seiner  -»Kecrcagäo  filosoficai.  ( lo  Bde.  1751  -99)  eine  pop'.diire  Darstellung  der  Natur- 
philosophie, in  Dialogen,  lieferte;  der  P-  Antonio  Pereir  a  de  F  iguei  r  e  do  (l  725—97), 
der  sich  besonders  die  Reform  des  lat.  Unterrichts  angelegen  sein  Hess,  und  eine  treffliche 
Bibelübersetzung  liefeite  (1791),  deren  Portugiesisch  den  Geschmack  der  /.eitgenossen  bessei' 
traf  als  die  ältere  von  Joäo  Pereira  de  Almeida  (I6S1),  dem  man  seinen  Übertritt 
zum  Kalvinismus  nicht  verzieh  (s.  Memorias  de  Litteratura  VII  p.  T,\  57);  und  der  P*^ 
Manuel  Monteiro,  der  erste,  der  in  seinem  Nmo  Methodo  (1746)  an  der  jesuitischen 
Grammatik  des  Manuel  A  1  v  a  r  e  s  rüttelte. 

*  Veiney  (1713-92),  der  in  Rom  Zuflucht  gegtn  Pombals  Priesterhass  gesucht 
iiatte,  griff  in  geharnischten  Briefen  das  gesamte  Dnterrichtswesen  und  den  gongoristischen 
Geschmack  der  schöngeistigen  Akademien  unter  dem  Pseudonym  Frey  Barbad  in  ho 
(1746J  auf  das  Energischste  an,  (2  Jahrzehnte  naciidem  Feijoo  sein  -uTeatro  Critico'i  ver- 
öffentlicht hattej.  Über  die  22  wichtigeren  Gegenschriften,  welche  sein  Angriff  ins  Leben 
rief,  sehe  man  Inn.  da  Silva  V  p.  222  und  VII  p.  257.  Als  Ergänzungsschriften,  kann 
man  auch  die  ^Carlas  sobre  a  educa(äo  da  nwcidade«  des  gelehrten  .Antonio  Nunes 
Ribeiro  Sa  nc  lies  betrachten  (Köln  1760,  imd  1882  in  der  Rcvista  du  Soridade  de-  /;/- 
strucfCw  do  Porto). 


Die  franz.  Pseudo-Klassizisten.     Drama.  359 

keit  in  Reimereien  über  völlig  nichtige  Kleinigkeiten  zu  üben.  Den  »Generosos« 
(1647)  und  »Singulares«  (1663)  folgten  in  der  Hauptstadt  die  -»Ationymos«  und 
Applicados,  die  Escolhidos,  Particulares,  Unidos,  Problematicos,  Con/ormes  Lisbo- 
nenses,  Abandonados ;  in  Porto  eine  Acadeniia  Instantmiea ;  sowie  in  Santarem 
die  Solitarios;  die  Laureados,  die  Aventureiros  und  die  Academia  Scalabitana, 
w.  a.  m.  1  Zu  den  ausländischen  Vereinen  trat  man  in  Beziehungen:  eine 
besondere  Ehre  war  es,  der  röinischen  Arcadia  anzugehören.  Sogar  Johann  V. 
hatte  seinen  Sitz  in  ihrer  Mitte,  als  Alba  110.  Der  vollständige  Mangel  an 
gründlichem  Wissen  und  gesundem  Sinn  für  die  Wirklichkeit  führte  die  An- 
gehörigen der  erwähnten  Vereine  dazu,  nach  wie  vor  banale  Künsteleien  aller 
Art  zu  pflegen:  Anagramme,  Chronogramme ,  Echogedichte,  Lipogramme, 
Akrostichen,  Labyrinthe,  poemas  pintados,  equivocos,  consoantes  forgados.  Ihnen 
erklärte  der  Kritiker  Verney  den  Krieg.  Er  nennt  sie  »lächerliche  Mach- 
werke, die  gegen  Ende  des  16.  Jhs.,  und  während  der  ersten  Hälfte  des  17. 
allerwärts  herrschten,  die  aber  heute  (1746),  wo  man  sie  aus  allen  kulti- 
vierten Ländern  bereits  verbannt  hat,  allein  in  Portugal  ihren  Aufenthaltsort 
haben. «2  Zu  dem  Zwecke,  diese  Auswüchse  zu  entfernen,  gründeten  Ver- 
ständige eine  neue  Gesellschart,  die  der  »Occu/tos«  ^  deren  ungedruckte 
Leistungen  jedoch  ebenso  unbekannt  sind  wie  die  der  »Conferencias  discrctas« 
und  der  »Academia  Portugueza«.  Genannt  zu  werden  verdient  jene  nur 
darum  weil  aus  ihrer  Mitte  die  Kerntruppe  der  erfolgreicheren  Arcadia  Lis- 
bonense  hervorging,   von   der  bald  die  Rede  sein  wird.-^ 

170.  Das  Drama.  Die  Pflege  der  italienischen  Oper  am  Hofe  Johann'sV. 
zeitigte  ein  portug.  Lustspiel,  in  welchem  Intriguen  nach  spanisch-italienischer 
Manier  und  mythologische  Phantasmagorien  sich  mit  gesungenen  Arien,  und 
volkstümlichen  Rüpelszenen  im  altportug.  Geschmack  zu  einem  höchst  sonder- 
baren Ganzen  verbinden.  Am  bemerkenswertesten  sind  in  diesem  Genre, 
das  man  gewöhnlich  als  portugiesische  Oper  bezeichnet,  die  »Operas  do 
Juden«,  d.  h.  die  Bühnenstücke  des  unglücklichen  Israeliten  Antonio  Jose 
da  Silva  (1705  — 1739)-  Zwar  sind  sie  oft  von  übergrosser  drastischer 
Derbheit,  aber  reich  an  volkstümlichem  Witz  und  Humor.  -*  Der  Autor  ward 
ein  Opfer  des  Fanatismus:  er  starb  am  18.  Oktober  1739  auf  einem  der 
Scheiterhaufen,  welche  der  Obskurantismus  immer  noch  anzündete.  ^ 


'  S.  darüber  J.  Silvestrc  Rilieiro  in  den  »Estahelecintentos  scientificos  1.  \  und  in 
den  älteren,  noch  immer  brauclibaren  t>  Primciros  tragos  (futna  resenlia  da  Litteratura  Portu- 
guezavi  '.1853)  p.  144—150.  Auch  in  kleineren  Städten  wie  Guimanles  und  Sacavem  bildeten 
sich  Akademien  (vgl.  z.  R.  Sessoes  litlerarias  da  Academia  dos  Ohsequiosos  de  Sacavem  179t> 
:\  Bde.).  In  Brasilien  entstanden  zu  Rio  die  Vereinigungen  der  Felizes  (17.^6)  Selectos 
(1752)  und  zu  Bahia  (\it  Academia  hrasilica  dos  Esqiiecidos  (l7''^4)  (s.  u.  §177)-  XTx^  Fleug- 
maticos  der  portug.  H-iuptstadt  (1730),  die  ich  nirgends  erwähnt  finde,  leisteten  in  unsinnigen 
Heimspielen  vielleicht   das  Höchste,  möglicherweise   um  das  Akademiewesen  zu  verspotten. 

2  S.  No^'o  Methodo,  Carta  Vll  y>Da  Poesia«.   p.  2 19. 

*  Johann  IV.  hatte  idealen  Sinnes  besonders  die  Kirchenmusik  [imtsica  sacra)  ge- 
pflegt. Johann  V.,  der  rei  freiratico,  liebte  nur  die  opira-ballet,  und  die  eigentliche  Oper 
(Scarlatti  1728:  David  Perez  1740;  und  lomelli).  S.  darüber  J.  de  Vasconcellos 
»Ensaio  sobre  0  Caialogo  de  musica  dEl  Rey  D.  yoäo  /Vi  Porto  l873.  und  Th.  Braga. 
»  Theatro  Portuguez  no  secido  XVIII«. 

*  Ober  diese  zwitterhafte  Musik-Komödie,  die  nach  Bouterwek  p.  358  dem  Mangel 
an  gesciiulten  portug  Rezitativsängern  ihr  Dasein  dankt  (?).  siehe  F.  Wolf,  y  Antonio  Jose  da 
Silva  i  ,  Wien  l8öo;  E.  David,  Paris  1880;  und  C.  M.  de  Vasconcellos,  in  Nevista 
da  Soc.  de  Instrucgäo  1  p.  85  -92-,  sowie  Inn.  da  Silva  I  176— 180.  Wir  besitzen  von 
ihm  8  Stücke:   Lahyriiito  de  Creta;   Variedades  de  Protheu ;  Guerras  de  Alecrim  e  Mangerona ; 

Vida  de  D.  Quixote  (frz.  v.  F.  Denis);  Esopaida  (eine  Eulenspiegeliade) ;  Precipicios  de 
Phaetonte ;  Amp/iitriäo  und  Encanfos  de  Medea.  Sie  erschienen  als  y>Theatro  Comiro  Portu- 
guez<L    17-14  i'i  zwei  Bänden.    Zwei  weitere,  mit  ähnlichen,  doch  anonymen  Dramen  unrl 

Obersetzungen  nach  Metastasio  folgten   1747  (spätere  Ausg.   1787—1792  1. 

^  T)as  letzte  Auto-da-fe  fand  erst    1761    statt  (2ü.   Sept.).     Mit  grausamer  Ironie  liess 


360    I>ITTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    4.    PORT.    LiTT. 

171.  Das  Epos.  Zu  den  Büchern,  welche  die  Flachheit  der  Epoche 
und  den  Mangel  an  poetischer  Gestaltungskraft  am  deutlichsten  zeigen,  gehört 
das  theologisch-philosophische  Heldengedicht  in  lo  Oktaven -Gesängen  (von 
7792  Zeilen)  »Espelho  do  Tnviswcl,  cm  que  se  expöc  a  Dens  um  e  trino ,  no 
throno  da  eternidade,  as  divinas  ideas ,  Christo  e  a  virgetn,  o  ceo  e  a  terra« ! 
Troilo  de  Vasconcellos  da  Cunha  (j  1729)  besingt  darin  die  Mysterien 
der  katholischen  Religion.  Der  y>Triumpho  da  Religäo«  von  Francisco  de 
Pina  de  Mello  (geb.  1695,  gest.  nach  1765)  ist  etwas  besser  (gedr.    1756). 

172.  Die  portug.  Prosa  blieb  durch  und  durch  emphatisch  und  lobred- 
nerisch. 1  Dennoch  hintcrliess  sie  ein  wirklich  bedeutendes  Dokument  in  den 
Briefen  des  Abtes  Antonio  da  Costa,  (1714  — 1780),  der  mit  urwüchsiger 
Frische  und  Kraft  die  Eindrücke  seines  Lebens  getreu  wiedergab.  '^ 

173.  Die  Arcadia  Ulyssiponense.  Erst  nach  dem  Erdbeben  von  1 7 5 5 
beginnt  ein  neues  Leben  sich  unter  dem  energischen  Impuls  des  Marquis  von 
Pombal  Sebastiäo  Jose  de  Carvalho  e  Mello  zu  regen,  König  Joseph's 
gewaltigem  Minister  3.  Neues  Blut  durchströmt  auch  die  Litteratur,  beson- 
ders seit  der  Gründung  der  litterarischen  Gesellschaft ,  welche  sich ,  der 
aUen  Schäfer-Mode  folgend,  unpassend  genug,  »Arcadia  Ulyssiponense« 
taufte.  4  Eingeweiht  wurde  sie  am  11.  März  1756  durch  Antonio  Diniz 
da  Cruz  e  Silva  und  Manoel  Nicolau  Esteves  Ncgräo  unter  der  Mit- 
wirkung eines  dritten:  Theotonio  Gomes  de  Carvalho.  Mehrere  ihrer 
Mitglieder  gingen,    wie   schon    bemerkt   ward,    aus  dem   älteren  Vereine  der 


liabei   Pombal    den    Jesuilenpater    Galiriel    Malagrida    (nach    dem    Moidveisucli    auf 
Josepli  1  J,  da  er  den  Königsniord  vertlieidigt  hatte,  »als  Ketzer«   verbrennen. 

'  Diese  Behauptung  bedarf  der  Einschränkung.  Die  Männer  der  Wissensciiafl  be- 
fieissigten  sich  in  ihren  Piosawerken  meistliin  eines  massvollen  Stils.  Nur  in  den  offiziellen 
Lobreden,  welche  natürlich  auch  den  reformierten  Akademien  nicht  fehlten,  dauert  die  alte 
schwülstige  Rhetorik  weiter.  Die  beste  nicht  rein  gelehrte  Arbeit  des  Jlis.,  die  sich  durch 
tredankeninhalt  wie  Formgewandtheit  gleichmässig  auszeichnet  und  noch  lieute  mit  Gewinn 
und  (ienuss  gelesen  wird,  ist  die  Briefsammiung  des  Cavalieiro  deOIiveira  (Fran- 
cisco Xavier)  ■»Carlas  familiäres,  historicas,  politicas  c  criticas^i  (g^^dr.  Haag  1741/42  und 
IB55,  3  Bde.,  nebst  »Discursos  seriös  e  jocosos«),  die  hoffentlich  noch  einmal  um  weitere  2CX) 
ungedruckte  vermehrt  erscheinen  wird.  Der  am  21.  Mai  1702  geborene  Verfasser,  ging  1734 
als  Sekretär  des  portug.  Gesandten  Conde  de  Tarouca  nach  Wien,  siedelte  174Q  nach 
Holland  und  1744  nach  England  über,  wo  er  am  18.  Okt.  1783  starb.  Er  trat  (vor  1755) 
zum  Protestantismus  über,  und  richtete  nach  dem  Erdbeben  an  König  Joseph  und  Pombal 
einen  franz.  abgefassten  -»Discours  pathetique^<  (l755  und  Porto  1893  ;  engl.  1756)  in  dem  er 
Inquisition  und  Judenverfolgung  auf  das  Schärfste  tadelt  und  die  »heidnischen  Bräuche«  und 
»abergläubischen  Formeln«  des  portug.  Katholizismus  als  Idolatrie  an  den  Pranger  stellt.  Diese 
Kühnheit  bewirkte,  dass  er  im  letzten  Autodafe  ( s.  ob.)  in  effigie  verbrannt  ward,  und  in 
der  Fremde  ausharren  niusste.  Wie  die  Briefe,  und  Am-  Disco urs,  so  sind  auch  seine  (franz., 
abgefassten  und  nur  stellenweise  portug.  redigierten)  y>Me>tioiresi.  (1741)  zur  Beurteilung  des 
portug.  Nationalcharakters  und  des  Einflusses,  den  die  Berührung  mit  der  Fremde  auf  den- 
selben ausübt,  von  hohem  Interesse. 

*  »Carlas  curiosas  escriptas  de  Roma  e  de  Viennax  (1750  — 80),  gedr.  Porto  1878,  mit 
kritischer  PLinleitung  von  Joaquim  de  Vasconcellos.  Vgl.  Braga,  Queslces  p.  294 
—  321,   und  Bolelim  Bibliographico  I  p.   93  u.  ff. 

'  Von  Pombal  s  Reformwerk  sei  nur  gesagt,  dass  er  die  Jesuiten  vertriel),  die 
2CX)  Jahre  lang  die  Erzieher  des  Volks  gewesen  waren,  und  ihre  4  Lissaboniier  Oidens- 
häuser  in  eine  Adelsschule,  ein  Armenhaus,  ein  Hospital  und  ein  Frauenstift  verwandelte; 
den  gesamten  Unterricht,  von  der  Elementarschule  bis  zur  Universität  reformierte;  die 
Bücherzensur  in  freiheitlichem  Sinne  umgestaltete;  die  Sklaverei  aufhob;  die  Juden  den 
Christen  rechtlich  gleichstellte,  und  der  Inquisition  den  Todesstoss  versetzte,  die  bis  1732  in 
Portugal   23000  Menschen  vor  ihr  Tribunal  gefordert  und   1454  davon  verbrannt  hatte. 

*  Über  die  Arcadia,  ihre  Dauer  und  Leistungen,  so  wie  über  ihre  Mitglieder  und 
deren  Hirtennamen  lese  man  Trigoso,  »Memoria  sobre  a  Arcadia«^  1840  {Mem.  da  Acad. 
VI  2  p.  62  und  141);  Rebello  da  Silva,  »A  Arcadia  portugueza  1857  (in  Annaes 
das  Sciencias  e  Lettras  Bd.  I  p.  57.  147  und  197);  und  J.  Silvestre  Ribeiro,  Bd.  I 
p.   26Ö— 272. 


Pseudo-Klassizisten.    Epos.    Prosa.    Arkadische  Akademien.         361 

•»Occultos«  hervor,  der  sich  bei  Gelegenheit  der  grossen  lissabonncr  Kata- 
strophe in  alle  Winde  zerstreut  hatte.  Dadurch  aber  geschah  es,  dass  anfangs 
auch  in  den  neuen  Dichterbund  seiscentistische  Elemente  eindrangen, 
welche  die  erstrebte  Wiedergeburt  der  verfallenen  Poesie  und  namentlich  den 
Feldzug  gegen  den  herrschenden  Schwulst  hindern  und  stören  mussten.  '  Nach 
längeren  inneren  Zwistigkeiten,  gab  ^\^Arcadia  sich  daher  am  19.  Juni  1757 
eine  reformierte  Verfassung,  bei  welcher  Gelegenheit  diejenigen  Mitglieder  aus- 
traten, die  von  dem  beschlossenen  offenen  Bruch  mit  den  Seiscentistas  und 
von  klassischem  Purismus  nichts  wissen  wollten.  Unter  diesen  Dissidenten  ist 
Alexandre  Antonio  de  Lima  (um  1699  — 1759),  der  talentvolle  Dichter 
der  lustigen  y>Rasgos  metricos«  und  des  grobkomischen  Heldengedichtes  »Ben- 
teida^  der  bekannteste.  -  Vielleicht  gehörte  zu  ihnen  auch  Nicolau  Tolen- 
tino  d'Almeida,  der  bedeutendste  Satyriker  des  18.  Jhs.,  der  mit  Gewandt- 
heit, doch  ohne  Charakter,  Jahrelang  sein  Hungerleider-Loos  als  Professor  der 
Rhetorik  in  Versen  bejammerte. 

Pombal  zeigte  sich  zuerst  den  Bestrebungen  der  Arcadia  geneigt,  und 
v(;rsprach  ihr  offiziellen  Schutz :  er  wusste  den  Wert  ihrer  Bestrebungen,  be- 
hufs Reinigung  der  Muttersprache  und  Hebung  der  Litteratur  durch  Anleh- 
nung an  die  guten,  nationalen  Muster,  vollauf  zu  würdigen.  Nach  kurzer 
Blüte  sah  das  junge  Institut  sich  jedoch  von  der  Regierung  verlassen  und  an- 
gefeindet, und  erlosch  schon  1775.^  Die  Werke,  welche  mittlerweile  daraus 
hervorgegangen  waren ,  sind  zwar  nicht  sehr  zahlreich ,  doch  gab  die  ziel- 
bewusste  Arbeit  ihrer  Verfasser  ihnen  ein  charakteristisches  Gepräge,  das  sich 
auch  den  Dichtungen  der  nicht  arkadischen  Zeitgenossen  mitteilte,  ganz  be- 
sonders den  Werken  des  Bocage  und  Macedo,  die  sich  schliesslich  be- 
wogen fiihlten,  eine  neue  Arcadia  einzurichten.  (S.  ^  180).  Die  Mitglieder- 
liste der  ersten  Arcadia  Ulyssiponensc  ist  ziemlich  lang,  und  umfasst  Rcchts- 
gelehrtc,  Geistliche  und  öffentliche  Beamte,  Bürgerliche  und  Edelleute :  doch 
ragen  nur  wenige  durch  individuelle  Begabung  und  Schöpfungen  von  dauern- 
dem Wert  hervor.  4 

174.  Den  ersten  Rang  nimmt  Pedro  Antonio  Correa  Garc^äo  ein 
{Corydon  Erytnantheo),  dem  wegen  seiner  ungewöhnlichen  Sprachkenntnisse  die 
Redaktion  der  Regierungszeitung  y>Gazeta  Portiigiieza<&  ühertragen  ward.  Gar^äo 
war  besonders  ein  taktfester  Latinist.  Seiner  Vorliebe  für  Horaz  dankt  er  eine 
knappe,  elegante,    klassisch    reine  Ausdrucksweise,   (die   er  selbst   auf  unter- 


'  Truncat  intäilia  war  ilir  Wahlspruch.  In  den  geschlossenen  Monatssitzungen  nuisste 
jeder  Genosse  eine  litterarische  Arbeit  in  gebundener  oder  ungebundener  Rede  einreiclien. 
die  verlesen  und  schriftlich  wie  mündlich,  in  Disputationen,  kritisiert  ward.  Dieselben 
durften  in  span.,  ital.,  lat.  oder  franz.  Sprache  geschrieben  sein;  doch  waren  portug.  Werke 
die  willkonimensten.  Der  Versamn)lungsort  hiess  -»Monte  Menalo<i..  Jedes  Mitglied  nahm 
einen  lat.  oder  griech.  Hirtennamen  an,  dem  meist  ein  beziehungsreicher,  oft  anagrammatischer 
Zuname  folgt  (Duriense,  U  lyssipo  nense,  Transtagen  se  ,  Almeno).  Schutz- 
patronin war  N.  S.  da  Concei^ao,  deren  Kultus  seit  Johann  IV.  in  Blüte  stand.  Nicht 
bloss  Standespersonen  sondern  jedes  Talent  fand  Aufnahme  in  die  Arcadia.  wenn  es  nur  be- 
flissen schien ,  die  Nationaldichtung  zu  heben  und  an  dem  Krieg  gegen  die  Sprach-  und 
Geschmacksverderber  Teil  zu  nehmen. 

^  Gedr.  1752  und  1876.  Die  zahlreichen  witzelnden  Allusionen  auf  zeitgenössische 
Kleinigkeiten  machen  die  ^Bent'eida«  heute  schwer  verständlich.  Und  der  frivole  Spott, 
welchen  Lima  in  seiner  Lyrik  mit  Weltlichem  und  Heiligem  durch  einander  treibt,  hat 
wenig  Ansprechendes.  Die  Vorzüge,  welche  seine  Gedichte  über  die  zahllosen  ähnlichen  Pro- 
duktionen der  vor-arkadischen  Humoristen  wie  Thomas  Pinto  Brandäo  (1664  — 1743), 
Gregorio  de  Mattos  (1633-I696)  u.  A.  stellten,  kenne  ich  nicht. 

'  Die  letzte  Zusammenkunft  war  schon   1774. 

*  Die  verschiedenen  Mitgliederlisten  bei  J.  S  i  1  ves  tre  Kib  eir  o,  C.  C.  Branco 
(Curso),  und  Braga  im  Manual,  p.  42."i  und  Curso,  p.  347  weichen  nicht  unbeträchtlich 
von  einander  ab. 


362     LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    4.    PORT.   LllT. 

geordnete  familiäre  Gegenstände  anwendet),  die  Schlagfertigkeit  mit  der  er 
auch  lehrhaften  Betrachtungen  eine  prägnante  Form  zu  geben  weiss,  und  den 
sanften  Epikureismus,  welcher  selbst  seinen  Kritiken  einen  eigenen  Reiz  verleiht. 
Seine  Episteln  und  Oden  werden  immer  gern  gelesen  werden ;  und  obwohl  er 
kein  eigentlich  dramatisches  Talent  besass,  interessieren  sogar  seine  Bühnen- 
stücke »^  Assanbleia«  und  ^Theatro  noz'o«  durch  die  lebendige  Zeichnung  der 
haltlosen  zeitgenössischen  Gesellschaft,  die  in  dem  beunruhigenden  Übergangs- 
stadium von  der  alten  zur  neuen  Zeit  nicht  recht  aus  noch  ein  wusste.  Seine 
»Catitata  de  Dido«  ist  eine  der  vollendetsten  Dichtungen  der  ganzen  portug. 
Poesie.  Gar(;äo  starb  am  lo.  November  1772  im  Limoeiro-Ciefängnis  der 
Hauptstadt,  wohin  ihn  Pombal,  aus  persönlicher  Rache  gebracht  hatte.  ^ 

175.  Der  zweite  Platz  unter  den  Arkadiern  gebührt  Elpino  Nonacricnse 
d.  i.  Antonio  Diniz  da  Cruz  e  Silva  (1731 — 1799),  der  den  Dithyrambus 
nach  Portugal  verpflanzte.  Seine  pindarischen  Oden  über  portug.  Ereignisse 
sind  schwungvoll,  doch  übermässig  emphatisch.  Hingegen  ist  sein  komisches 
Heldengedicht  »Vom  Weihwedel«  über  einen  Sakristei-Konflikt  zwischen  dem 
Bischof  von  Elvas  und  dem  Dekan  der  Kathedrale,  von  natürlichster  Anmut, 
und  frisch  durchweht  von  dem  freidenkerischen  Hauche  eines  ehrlichen  En- 
cyklopädisten-Geistes.  Der  »Hyssope^  ward  in  Elvas  selbst,  gleich  nachdem 
der  kleine  Kirchenstreit  sich  in  Wirklichkeit  zugetragen  hatte,  begonnen,  und 
in  7  Gesängen  zu  Ende  geftihrt.  Um  jedoch  das  Reformwerk  Pombal's  zu 
verherrlichen,  erweiterte  Diniz  hinterher  den  4.  Gesang  und  fügte  noch  einen 
8.  hinzu.  Veröffentlicht  ward  das  Poem  jedoch  erst  nach  seinem  Tode,  weil 
der  Verfasser-,  der  einen  hohen  Posten  in  der  Magistratur  bekleidete,  es  für 
unpassend  hielt,  öffentlich  als  Dichter  und  gar  erst  als  scherzender  Dichter 
aufzutreten.  Während  er  als  desetnbar^ador  in  Rio  de  Janeiro  weilte  (nach 
1791),  verurteilte  er  sogar  mitleidslos  seine  berühmten  brasilianischen  Kollegen 
Thomas  Antonio  Gonzaga,  Claudio  Manoel  da  Costa  und  Alva- 
renga  Peixoto,  die  an  der  Verschwörung  teilgenommen  hatten,  welche  die 
Provinz  Minas-Geraes  behufs  Erlangung  der  Selbständigkeit  angezettelt  hatte. 

(S.  u.  S178). 

176.  An  dritter  Stelle  verdient  Domingos  dos  Reis  Quita*(i728 — 

*  Die  y>Ol>ras  Foeticas(.<  von  Gar^äo  erschienen  1778.  diucli  Fürsorge  seines  Bruders; 
1812  (ohne  die  Prosasachen);  l82ö  (desgleichen);  und  vermehrt,  nur  unter  Ausschhiss  einiger 
pittoresker  Sonette,  Rom  1888,  mit  Einleitung  und  AnmerUungen  von  J.  A.  de  Azevedo 
Castro.  Nicht  erwiesen  ist  die  vermeintliche  Verfolgung,  die  Gar  quo  von  Seiten  l^om- 
hal's  erlitten  haben  soll,  weil  in  seiner  schönen  Huldigung  an  den  alten  Infanten  D.  Pedro 
oh  seiner  Nichtannahme  der  Statue,  welche  f.issabon  ihm  errichten  wollte  (§  87)  Anspielungen 
auf  das  Reiterstandhild  König  Josephs  und  das  am  Piedestal  enthaltene  Medaillon  Pomhal's 
erblickt  wurden.  Waiirsclieinlicher  ist,  dass  seine  Haft  durch  strafl)are  Liebesabenteuer 
veranlasst  ward.  (}.  war  ein  sehr  gescheuter,  gesclimackvoller  Dichter,  der  ohne  jede 
Pedanterie  mit  feinem  Takt  daran  arbeitete,  die  durch  (iongoristen,  Gallizisten  und  Vulgär- 
dichter zu  bunter  Willkür  geführte  Sprache  zu  adeln  und  zu  kamonianischer  Schönheit  zu 
führen.  Die  läppiscii  gewordenen  ReimkQnsteleien  vermeidet  er  und  zeigt ,  dass  auch  ohne 
solches  -»zumzumii  poetische  Effekte  zu  erreichen  sin<l.  Dass  er  trotzdem  das  Reimen  ver- 
stand, beweisen  seine  Dithyramben,  Glossen  und  Endechas.  Die  Oden,  ob  aucii  horazisch, 
und  die  Episteln,  ob  auch  quinhentistisch.  sind  jjikant  gevvüizt  mit  etwas  zeitgenössischem 
Realismus,  so  dass  sie  nie  wie  künstliche  Nachbildungen  aussehen.  Vgl.  Bouterwek 
p.  375—383. 

2  Gedr.  1802  und  oft.  zuletzt  1879,  illustriert  und  mit  Konunentar  von  J.  Ramos 
Goal  ho;  franz.  von  Boissonade  1828;  Neuausgabe  mit  vortrefflicher  Einleitung  von 
F.Denis  1867  als  »6^öm//7/ö««.  Vgl.  von  R  e  i  nhar  ds  t  oe  1 1  ner :  »Der  Hyssope  des  A  D. 
in  seinem  Verhältnisse  zu  Boileau's  Lutrin«  ( Lpz.  1877)  und  Hraga,  *Qnes(oes<c  p.  339— 350. 
Eine  Ausgabe  der  Werke  (mit  Au.sschluss  des  Hlpos )  erschien  1807  bis  1817  zu  Eiss. 
(6  Bde.).  Sie  enthält  mehr  als  300  Sonette,  viele  Eklogen,  Oden,  Canzonen,  Elegien.  Epi- 
gramme; ein  Poem   » MetatnorpJwses  do  Brazil<   und  eine  Komödie:   -»0  fa/so  herinsmcs.. 

'  Quita's  Werke    wurden   1766.    1781    und   1831    gedruckt.     Die    Lycore   steht    an 


Arkadische  Akademien.  363 


1770)  genannt  zu  werden  (ein  einfacher  Friseur,  der  im  Elend  starb),  besonders 
wogen  seiner  Verdienste  um  die  Bühne.  Als  Arkadier  hiess  er  Alcino 
Mycenio.  Seine  Idyllen  sind  von  grosser  Lieblichkeit,  besonders  das  längere 
Hirtendrama  Lycore.  Seine  Tragödie  in  Versen  über  >)Ines  de  Castro«  (gewöhn- 
lich -»A  segunda  Castro«  geheissen,  wegen  Ferreira's  älterer  Arbeit),  ward  von 
Joäo  Baptista  Gomes  in  der  Nova  Castro  plagiiert. '  — ■  Überhaupt  war  die 
Arcadia  ernstlich  darum  bemüht,  auch  das  Theaterpublikum  von  der  Geschmacks- 
verwirrung zu  heilen,  die  es  dahin  gebracht  hatte,  den  possenhaften  Opern  des 
Juden  sowie  ähnlichen,  und  noch  schlimmeren,  roheren  Bouffonnerien  Beifall  zu 
klatschen.  Denn  neben  den  Farcen  eines  gewissen  Nico  lau  Luiz-,  und 
anderen  anonymen ,  die  aus  Fetzen  spanischer  und  italienischer  Lustspiele 
kunstlos  zusammengeflickt  sind,  herrschten  auf  der  Bühne  damals  nur  Über- 
setzungen und  Nachahmungen  nach  Goldoni  und  Metastasio,  die  öffentlich 
und  in  Privathäusern  aufgeführt,  und  in  fliegenden  Blättern  gedruckt  wurden 
{Comcdias  de  Cordel).  Der  lebhafte  Wunsch,  das  Drama  wieder  national  zw 
gestalten,  und  dem  schlechtverwöhnten  Publikum  durch  gesundere  Kost  auf- 
zuhelfen, bildete  die  Lebensaufgabe  des  Arkadiers  Manoel  de  Figueiredo 
(Lycidas  Cynthio  1725 — iSoi).^  Doch  erlaubten  ihm  seine  schwächlichen 
Geistesgaben  nicht,  seinen  trefflichen  Plan  voll  und  ganz  auszuführen.  Wäh- 
rend er  nämlich  in  der  Wahl  seiner  Stoffe  glücklich  und  taktvoll  war,  —  ge- 
schickte Hände  hätten  Meisterwerke  daraus  gemacht  —  fehlte  ihm  die  Kunst, 
seine  tragischen  und  komischen  Ideen  zu  verkörpern,  und  seine  verständigen 
Gedanken    in  gute  Verse  zu  kleiden.  3 

177.  Von  den  ausserhalb  A&c  Arcadia  erblühenden  Talenten,  traten  viele 
mit  Satyren  gegen  dieselbe  hervor.  Eine  kleine  Sammlung  von  Schriften  dieser 
Dissidenten  erschien  unter  dem  Titel  »Guerra  dos  Foeias«  schon  im  Jahre 
1770  und  machte  die  Runde  durch  die  Hauptstadt.  Später  sammelten  die 
Abtrünnigen  der  Arcadia  sich  um  den  Padre  Francisco  Manoel  do  Nas- 
cimento  (1734-1819),  Niceno  und  Filinto  Elysio^^  und  bildeten  eine  unter 

sanften  Reizen  kaum  Tasso's  Antinta  nach.  Auch  die  Tragödien  Astarte,  Megara  und 
Hermione  sind  durcliaus  nicht  wertlos. 

'  Gonies,  ein  jung  (1803)  gestorbener  Portuenser  Kaufmann,  errang  mit  seiner  Z»/<:j 
de  Castro-'^rAooAx^  zu  Anfang  des  ly.  Jhs.  einen  durciischlagenden  Erfolg.  Noch  1850  gehörte 
sie  zu  den  beliebtesten  Bühnenstücken.  -  Franz.  von  F.  Denis  1823;  deutsch  von  H.  v.  '/... 
Weimar  1782,  und  AI.  Witt  ich.  Lpz.  1841  (mit  vergleichender  Kritik  einiger  Ines- 
Tragödien  und  Romane:  Houdart  de  la  Motte  1723;  Mr  Bray  1830,  Tlielo  1808, 
V  Soden  ITVI:  Ferreira  (s.  §  134).  Quita;  J.  J.  Sahino  J8l2  und  Gomes).  Vgl. 
Inn.  da  Silva  111  30,0   u.   Braga,    Tluatro  no  seailo  XIX   Cap.  II. 

"  tJlier  Nicolas  Luis,  den  Verfasser  der  ^ Maridos  Peraltasi,  und  die  -nCoinedia 
de  cordeh  im  .MIgemeinen  verweise  ich  auf  Inn.  da  Silva  VI  27.=) -287  und  Braga's 
Tlieatro,  oliwohl  beide  den  niciit  uninteressanten  Gegenstand  auch  nicht  annähernd  erschöpfen. 

'  Figueiredo  schrieb  41  Bühnenstücke:  Tragödien,  worunter  patriolische  w  ie 
Ines  de  Castro,  Osinia  inid  Viriato  und  ein  Edipo ;  Komödien;  und  Übersetzungen  (Cor- 
neille Cid;  und  die  Iphigenie  von  Euripides);  dazu  5  arkadische  R^den  über  die  'l'echnik  des 
Dramas.  Nur  3  Bände  liess  er  .selbst  drucken  (1775).  Eine  Gesamtausgabe  besorgte  sein 
Bruder  (14  Bde.  1804  — 1,t).  Dazu  konnuen  noch  -aObras  posthumas^  (2  Bde.  1804  und 
1810;.  —  Die  mei.sten  Exemplare  wanderten  ungenutzt  in  die  Lissabonner  Kramläden.  Einste 
Einheitsdramen  machten  nur  Glück,  wt-nn  sie  aus  dem  Ausland,  mit  bereits  geprägter  Weil- 
be/.eichung,  importiert  wurden.  —  Eine  andere  Osmia  von  D.  T  h  e  r  e  s  a  d  e  M  e  1 !  o  B  r  e  v  n  e  r 
wurde  zwar  von  der  Akademie  gekrönt,  welche  vergebens  Preise  für  das  beste  laist-  und 
Trauerspiel  aussetzte  (gedr.  178,t;  span.  171)8,  deutsch  1824  irlalberstadt;  vgl.  Boutei  wek 
P-  38,=)— 3yoj,  doch  gefielen  ihre  reimlosen  Hendeka-tyllaben  dem  Publikum  el)ensowenig  wie 
die  zehn  Tragödien  des  M  an  uel  Caetano  Pimenta  de  Aguiar  (Virginia;  D.Jcäo  1; 
D.  Sebasliäo ;  Caracter  dos  Lusitanos  etc.  1 81, "1—1820.  Vgl.  F.  Denis,  Resiim:,  Cap.  33). 
oder  der  Triiimpho  da  nalureza  von  Noiasco  da  Cunha  (1773  — 1844),  weicher  den 
Hexameter   und  den   Geschmack  für  Shakespeare  in   Portugal   einzuführen   vei suchte. 

^  Auch  die  Dissidenten  legten  sich  nämlich  Hirtennamen  i)ei.  Wegen  liiterodoxer 
Meinungen  vor  das  nach  Po  mbals  Sturz  wiedenuu  eifrig  thätige  Heilige  l'ribunal  gefordert. 


364    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —  4.    PORT.    LllT. 

dem  Namen  »Grupo  da  Ribeira  das  Naos«  bekannte  Sonder  -  Akademie ,  der 
auch  Domingos  Pires  Monteiro  Bandeira,  Domingos  Maximiano 
Tor  res  (Alfeno  Cynthid)  und  der  grosse  Satyriker  Nicolau  Tolentino 
d'Almeida  (1741  — i8iij  beitraten^.  Auch  in  der  Provinz  entstanden  ar- 
kadische Reform- Vereine,  aus  denen  einige  bedeutende  Poeten,  wie  Joäo 
Xavier  de  Mattos  {Alhano  Erythreo  7  1789J  hervorgingen.-  Ja,  bis  nach 
Brasilien  verbreitete  sich  die  Bewegung.  Die  überseeische  Academia  dos  Selectos, 
Sociedadc  Litter aria,  Arcadia  ultramarina,  Academia  dos  felizes  und  Acadetnia 
dos  Renaseidos  legen  Zeugnis  davon  ab. 

178.  Die  Akademie  der  Wissenschaften.  Nach  dem  Tode  König 
Josephs  wurde,  am  4.  März  1778,  sein  grosser  Minister  seiner  Dienste  enthoben. 
Infolge  der  Aufwiegelung  gehässiger,  persönlicher  Feinde  und  der  Hetzereien  aller 
Gegner  seiner  grossartigen  Reformen,  wurde  ihm  sogar  wegen  Misbrauchs  seiner 
Amtsgewalt,  der  Prozess  gemacht.  Des  Königs  Tochter  und  Nachfolgerin  D. 
Maria  I.  war  herzensgut,  aber  von  verhängnisvoller  Bigotterie,  die  unter  dem 
unumschränkten  Einfluss  ihres  Beichtsvaters,  Frei  Ignacio  de  S.  Caetano,  zu 
krankhaftem  Fanatismus  und  später,  unter  der  Leitung  des  noch  strenggläubigeren 
Bischofs  von  Algarve  D.  Jose  Maria  de  Mcllo,  sogar  zu  vollkommener 
(Icistesumuachtung  und  religiösem  Wahnsinn  ausartete.  Während  ihrer  Regierung 
trat  eine  allgemeine  Reaktion  gegen  die  vorausgegangene  freiheitliche  Be- 
wegung ein.  Der  »Philosophismus«  ward  für  verderblich  erklärt.  Von  den 
Mäimern  der  Wissenschaft  wanderten  die  einen  aus  —  wie  die  Botaniker  Jose 
Correia  da  Serra  (1750  -1833)  und  Felix  de  Avellar  Broteiro  1744 
— ^1828  — ^,  während  die  anderen,  die  im  Lande  blieben,  verfolgt  und  ge- 
massregelt  wurden,  wie  der  grosse  Mathematiker  Jose  Anastacio  da  Cunha. 
Diese  orthodoxe  Gegenbewegung  nannte  man  in  Portugal  y>Rigorismo<~<.  Jeder- 
mann, der  Bücher  von  Voltaire,  Helvetius,  Rousseau  oder  Reynal  besass  oder 
benutzte,  wurde  vor  das  wieder  eingerichtete  heilige  Tribunal  gerufen.  So  ward 
der  eben  genannte  Jose  Anastacio  da  Cunha  (1742 — 1787)  gefangen  ge- 
setzt, weil  er  den  »Candide'.<.  und  das  » Dietionnaire  philosophique«  besitzen  sollte. 
So  ward  auch  Filinto  Elysio  beschuldigt  »moderne  philosophische  Bücher 
gelesen  zu  haben,  die  eine  naturalistische  Religion  lehren«.  Er  wanderte  am 
13.  Juli  1778  aus  Portugal  aus  und  ging  nach  Paris,  wo  er  am  25.  Februar 
1819  starb,  in  einsamer  Zurückgezogenheit,  unbekümmert  um  alle  Vorgänge 
der  Aussenwelt.     Selbst  aus    der  Ferne  aber   übte    er  auf   die    vaterländische 


entfloii  der  spracli-  und  musikkundige  Laiea-Piiester  und  lebte  in  Holland  und  Paris,  unab- 
lässig mit  litterarischen  Arbeiten  beschäftigt,  (LJbersetznngen  und  Eigendichtungen ).  —  TiOhras 
completasv..  Paris  1817  —  19  fll  Bde.)  und  Liss.  1836—40,  (22  Bde  ).  doch  ist  keine  von 
beiden  vollständig.  —  i>Odesi.  franz.  1 808  von  Sane.  Vgl.  Pereira  da  Silva,  y>Filinto 
Elysio  e  a  stia  epocai.   Rio  l8yi   und  Romero  Ortiz.    Er  ist  ein  Verskünstler  ersten  Ranges. 

'  y>Ohras  Poeticasi-,  Eiss.  l8o2,  (2  Bde.),  1828—36  und  1861  mit  kritischer  Studie 
von  |.  de  Torr  es.  Er  aiuiite,  wie  schon  früher  gesagt  ward,  in  seinen  satyrischen  Quintilkas, 
den  alten  sentenzi(")sen  Stil  Miranda's  mit  Glück  und  Geschick  nach. 

-  Die  italianisierenden  -»Rimas«  dieses  Hauptes  der  Arcadki  Porttunse  wunlen  von 
1785  bis  1827  allein.  5  mal  gedruckt.  Sie  sind  dem  Andenken  an  Camues  gevveiht.  Er- 
wähnung hätten  vielleicht  noch  verdient:  Miguel  doCouto  Guerreiro,  der  Verfasser 
des  -»Tratado  de  Versißcafäo  portugtieza«  (1784)  mit  seinen  Satyras  e  Elegias  (I786)  und 
Joaquiin  Fort,   de   Valladares  Gamboa  »Ohras  Poetkas«  (1791). 

'  Von  bedeutenden  Portugiesen,  welche  damals  das  Vaterland  verliessen,  um  Frei 
denken  und  sprechen  zu  dürfen,  und  die  sich  im  Ausland  Ruhm  erwarben,  sind  ausser  den 
im  Texte  erwähnten  (Vern  ey;  Abl)ade  Costa;  Filinto  Elysio;  Abbade  Serra; 
Broteiro;  Duque  de  F/aFöes);  nächst  dem  Cavalleiro  d'Oliveira  noch  der 
Arzt  Antonio  Nunes  Ri  be  i  r  o  Sanc  h  es  (l6yM— 17^3);  der  Musiker  Marcos  Por- 
tugal (1 762  -  1 827  j ;  die  Sängerin  E  u  i  z  a  T  o  d  i  (  1 7ri3—  1 833 ) ;  der  Lexikograph  Vieira 
Transtagano;  die  Maler  Vieira  Portuense  (W^'ö— 1805)  und  Vieyra  Eusitano 
(1699  —  1783),  sowie  der  Oberst  Gomes   Freire  de.\ndrade  (1759— 1817)  zu  nennen. 


Akademie  der  Wissenschaften.  365 


Litteratiir  einen  entscheidenden  Einfluss  aus,  und  zwar  im  puristischen  Sinne, 
durch  Rückbildung  der  Sprechweise  zur  alten,  nationalen,  von  Gallizismen 
freien  Einfachheit.  Die  romantische  Geschmacksrichtung  des  nächsten  Zeit- 
alters bereitete  er  durch  seine  poetischen  Blankvers-Übersetzungen  der  »Märtyrer <(. 
von  Chateaubriand  und  von  Wicland's  Oheron  (nach  einer  franz.  Prosa- 
version) vor.  —  Gleichzeitig  erblühten,  dem  Mutterlande  fern,  in  Brasilien,  das 
sich  allmählich  seiner  Kraft  bewusst  wurde  und  sich  zu  einer  eigenen  Nationalität 
auszubilden  begann,  einige  echte  Dichtertalente.  In  der  oben  erwähnten,  1779 
gegründeten  Arcadia  Ultramarina  sammelte  sich  ein  Kreis  begabter  Litteraten. 
Der  bedeutendste  davon  ist  Jose  Basilio  da  Gama  (1740 — 95;,  der  Ver- 
fasser des  kleinen  Epos  Uruguay. '  Als  die  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
amerika sich  1789  flir  unabhängig  erklärten,  regten  sich  auch  in  Brasilien 
republikanische  Gelüste  und  fanden  Widerhall  in  Dichterseelen  wie  Claudio 
Manoel  da  Costa  (1729-90)2,  und  Thomas  Antonio  Gonzaga  (1744 
— 1809)3.  Der  letztgenannte,  zartbesaitete  Dichter  der  »Marilia  de  Dyrceu« 
schlägt  in  seinen  y>Lyras«  volksmässige  Töne  an,  welche  an  die  altgallizischen 
Weisen  der  pro venzalischen  Epoche  {Serranilhas)  erinnern.  In  seiner  »Viola  de 
Lercno«  führte  Domingos  Caldas  Barbosa  (1740 — 1800  Lereno Selinuntino), 
dasselbe  Genre  in  Gestalt  leichtfüssiger  »Modinhas<.<  in  die  Hauptstadt  ein.  In 
dem  Epos  » Caramurü «  des  P*"  Santa  Rita  Duräo  (1736-84)  sind  alte 
Traditionen  über  die  Entdeckung  Brasiliens  benutzt  und  in  kraftvoller  Weise 
verwertet.  Manche  Episode,  wie  die  vom  Tode  Moemä's,  ist  nicht  reizlos. 
Trotz  des  lähmenden  Rigorismus  der  Regierung  D.  Maria's  wurde  das 
Mutterland  mit  den  Geistesthaten  des  übrigen  Europa  immer  vertrauter  gemacht. 
Dank  dem  persönlichen  Eifer  und  der  wirklich  wertvollen  Thätigkeit  des  alten 
Herzogs  von  Laföes,  der,  noch  zu  Pombals  Zeiten,  an  den  bedeutendsten 
Höfen  gelebt  und  mit  den  hervorragendsten  Gelehrten  verkehrt  hatte.  ^  Er 
ist  der  wahre  Gründer  der  königl.  Akademie  der  Wissenschaften,  welche 
am  24.  Dezember  1779  in  der  Hauptstadt,  unter  Mitwirkung  aller  strebsamen 
Forscher,  begründet  ward.  Zwar  wurde  dann  und  wann  von  der  Polizei- 
Intendantur  eine  Kiste  Bücher,  die  für  den  Herzog  aus  dem  Auslande  kam, 
mit  Beschlag  belegt:  trotzdem  aber  wusste  er,  selbst  innerhalb  des  Ballastes, 
der  freien,  wissenschaftlichen  Strömung,  Geltung  zu  verschaffen.  Die  Akademie 
unternahm  ernste,  gelehrte  und  zu  gleicher  Zeit  patriotische  Arbeiten,  deren 

'  Gedr.  1769  und  öfter.  Beste  Ausgabe,  Rio  1855.  Es  h.^itte  sicli  empfohlen,  die 
Entwicklung  der  brasilianischen  Litteratur  in  einen  kurzen  Anhang  zu  skizzieren.  Vgl. 
F.  Sotero  dos  Reis,  Cur  so  de  Litleratura  port.  e  brazileira,  Maranhäo  1866.  F.  Wolf 
•iLe  Bresil  I.ilteraire«,  Berlin  1863;  Sylvio  Romer o,  Historia  da  LUterahtra  Brazileira, 
Rio  1888,  aTJde.  Eine  kurze  Übersicht  bietet  O  1  iveira  Lima,  y>Evolin;äo  da  Litteratura 
Brazileiraa.  (in  Rev.  de  Portugal  Bd.  1  643 — 67);  ein  summarisches  Resume  von  mir  das 
Konv.-Lexikon  von  Brockhaus. 

^  S.  Bouterwek  p.  365—371.  —   »Obras  Foeticas«,  Coimbra  1768. 

'  Gedr.  1800  und  weitere  l5mMl;  184,5  und  1862  mit  Lebensbeschreibung  und  Wür- 
digung. Ital.  von  Ruscalla  1860;  franz.  1825  von  Monglave;  span.  von  Vedia. 
Als  an  der  Verschwörung  von  Minas  Geraes  Beteiligter  ward  Gonzaga  zu  lebensläng- 
licher Verbannimg  nach  Angola  verurteilt,  schliesslich  aber  zu  lojährigem  Aufenthalt  in 
Mo^ambique  begnadigt.  W.ihrend  der  3  jährigen  Untersuchungshaft  entstanden  seine  schönsten 
Lieder.     Geistig  gebrochen,  lebte  er  in  halbem  Wahnsinn  noch   15  Jahre. 

*  D.  Joao  Carlos  de  Braganca  Sousa  e  Ligne  (17 19 — 1806),  ein  Enkel 
Peters  IL  Er  verliess  Portugal  1757  und  kehrte  erst  1779  heim,  nachdem  er  Jluropa, 
Asien  und  Afrika  bereist,  für  Maria  Theresia  gegen  Friedrich  den  Grossen,  (der  ihn  später 
in  Potsdam  empfing  und  mit  herrlichen  Lobesworten  ehrte)  gekämpft,  in  Wien  von  1768 — 74 
Metastasio  und  den  12jährigen  Mozart  und  Gluck  beschützt,  und  die  Widmung  der  Oper 
Paride  ed  Elena  entgegen  genommen  hatte ,  im  vertrauten  Verkehr  mit  den  erlauchte.sten 
Geistern.  Vgl.  eine  Studie  Ober  ihn  von  Joaquim  de  Vasconcellos,  im  Plutarcho 
Portuguez   1881. 


306    LriTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    POKT.    Ln "1 . 

Früchte  in  den  auch  im  Auslande  geschätzten  >•>  Memoria S€  aufgespeichert  wurden.  * 
Unter  der  Leitung  ihres  unermüdlichen  Sekretärs,  Jost5  Correia  da  Serra, 
der  die  rechte  Hand  des  Herzogs  war,  wurden  die  unschätzbaren  <i.lneditos  de 
Historia  Portugueza^.   herausgegeben. 

179.  Didaktische  Dichtungen.  Die  wissenschaftliche  Richtung  der 
akademischen  Thätigkcit  wirkte  auch  auf  die  Erforschung  der  Nationallitteratur 
befruchtend.  Die  ästhetischen  Urteile  eines  Antonio  das  Neves  Pereira 
und  Frei  Joaquim  de  Foyos  erheben  sich  freilich  nicht  eben  viel  über 
rhetorische  Erwägungen.-  Und  in  der  Dichtkunst  nahm  ein  lehrhafter  Ton  über- 
hand. Man  übersetzte  fremde  Erzeugnisse  oder  ahmte  sie  freier  nach.  Der 
»Jardi?n  bota?iico«.  (1803)  von  Vicente  Pedro  Nolasco  da  Cunha  ist  eine 
Übertragung  des  englischen  Textes  von  Erasmus  Darwin;  Bocage  nationali- 
sierte Aie.  >•> Jardins«  von  Delille;  die  »Planies«  von  Castel;  die  »Agriculiura« 
von  Rosset  und  den  »Consorcio  das  ßores«  von  Lacroix.  Der  Padre  Jose 
Agostinho  de  Macedo  (1761  -  1831)  der  vom  18.  ins  19.  Jh.  hinüberleitet, 
schuf  hingegen  selbständige  didaktische  Gedichte:  y>A  Natur eza«  ,  »Ahwtoii« 
(181 3),   y>A  Meditafäo«   und   »A  viagem  extatka  ao   Templo  da  Sabedoria« . 

180.  Das  neue  Arkadien.  Nächst  Manoel  Maria  Barbosa  du 
P>ocage  (1765 — 1805)  ist  Jose  Agostinho  der  bedeutendste  Dichter  jener 
Tage.  Seine  Kritik  war  jedoch  eine  übermässig  scharfe  und  seine  Sprache 
ist  oft  gallig  und  giftig,  besonders  wo  sie  zum  Werkzeug  seiner  politischen 
Leidenschaften  ward,  wie  in  dem  Spottepos  y>Os  Burros«  (18 12),  und  in  den 
Prosa- Brandschriften  »Tripa  virada<^  -»Mais  tripa«  und  -»Tripa  por  uma  vez.«.'^ 
—  Er  unterfing  sich  die  Bewunderung  der  Nation  fiir  die  Lusiaden  lächerlich 
zu  machen,  und  an  Stelle  des  Nationalepos  ein  neues,  zu  diesem  Zwecke 
verfasstes  Heldengedicht  -»O  Gama«  (181 1)  schieben  zu  wollen,  das  er  hernach 
noch  einmal  umarbeitete  und  »ö  Oriente«  betitelte  (1814).  —  Bocage,  den 
die  Zeitgenossen  vergötterten ,  und  unter  dessen  gefeilten  Sonetten  Meister- 
stücke sind,  der  sein  staunenswertes  Improvisations-Talent  aber  in  nichtigen, 
zum  grossen  Teil  sogar  gemeinen  Gelegenheitsgedichten  verzettelte,  wurde  ein 
Opfer  der  Engherzigkeit  und  Willkür  der  mit  der  Inquisition  verbündeten  Polizei- 
herrschaft.'^     Trotz    aller   Hindernisse   fand   der   Geist   der   franz.    Revolution 


'  Fünf  Bände,  1790—1824  Die  hauptsächlichsten  periodischen  Publikationen  der 
Akademie  sind  ausser  den  im  Texte  ervvälmten.  alle  Wissensgebiete  umfassenden  1. Metuorias -. 
(Serie  1  1797— iBlH-  12  Bde..  Serie  11  1843— 51,  3  Bde.);  die  Memorias  economicas  1789 
— 1810.  5  Bde.;  Memorias  de  mathematka  e  physica  1797— 1814,  3  Bde.;  und  (da  nach 
franz.  .Sitte  auch  die  schöne  Litteratur  beachtet  ward)  die  Alemorias  de  litteratura  1792— 18 14, 
7   Bde.     Vgl.  C.  C.  Branco,   Curso  221—244  und  J.   Silvestre  Ribeiro  Bd.  I. 

2  Vgl.  Bouterwek  p.  405  — 409.  Was  dort,  und  anderwärts,  über  den  Mangel 
an  Lehrbüchern  der  Rhetorik  und  Poetik  gesagt  wird,  ist  jedoch  ungenau.  Seit  17 18  hat 
es  ihrer  genug  gegeben  (F  r  a  n  c  i  s  c  o  L  e  i  t  a  o  F  e  r  r  e  i  r  a ;  C  a  n  d  i  d  o  L  u  s  i  t  a  n  o ;  K  r  i  - 
ceira;  Ribeiro  Sanches  etc.). 

*  Diesen  abstossenden  Titel  tragen  die  Wochenblätter,  die  Macedo  1820  -  23 
herausgab.  Dem  fruchtbaren  und  gewandten,  aber  keineswegs  liebenswürdigen  Augu-^tiner- 
mönch ,  der  1792  seines  sittenlosen  Wandels  wegen  aus  dem  Orden  ausge.stossen  ward, 
trotzdem  aber  Welt-Geistlicher  und  ein  berühmter  Kanzeirednei- .  ja  .«ogar  Hofprediger  und 
1830  Chronist  des  legitimistischen  Usurpators  D.  Miguel  ward,  iiat  A.  P.  Lopes  de 
Meli  (Ion  (ja  einen  Aufsatz  in  den  Aiinaes  das  Sciencias  e  Letras  (11  p.  1449)  gewidmet  »Jose 
Agostinho  e  a  siia  epochav.  Die  sehr  lange  Liste  seiner  Dichtungen  und  Streitschriften  bieten 
Inn.  da  Silva  IV  183— 215  und  J.  Lopes  Carreira  de  Mello;  Macedo,  Biographia  e 
Catniogo  de  ohras,  Porto   1854.  —   Vgl.  auch  Romero  Ortiz. 

*  Das  kurze  und  unstäte  Leben  dieses  höchst  talentvollen  und  einHussreichen  Dichters, 
der  wahrhaft  volkstümlich  wurde  und  Schule  machte;  seine  militärische  Laufbahn,  von 
Lissabon  nach  Goa,  Damäo,  Macau  und  wieder  heimwärts;  seinen  Eintritt  in  den  1790  zu 
Lissabon  von  einigen  Poeten  (Bingre,  Semmedo.  Barboza)  gegründeten  Dichterbund, 
die  Aeaden-ia  de  Bellas  Letras,  die  man  meist  als  Nmm  Arcadia  bezeichnet ,  da  ihre  .Mit- 
glieder sich,auch  hirtenmässige  Namen  beilegten;  die  bittre  Feindschaft,  die  seine  überlegene 


Zwkhk  AKK.AU1SCHK  Akauemik.    —  Sechstk  Epoche:   Romantiker.     367 


jedoch  seinen  Weg  nach  Portugal,  obwohl,  wie  angedeutet,  der  Intendant 
Manique  der  Verbreitung  der  neuen  Ideen  Einhalt  zu  thun  glaubte,  wenn 
er  kein  franz.  Buch  das  Zollamt  passieren  liess,  sondern  alles  Verdächtige 
einfach  verbrannte.  Auf  Privattheatern  kamen  die  Dramen  Voltaire's  zur 
Aufführung  und  besonders  unter  den  Studenten  Coimbra's  bereiteten  sie  dem 
liberalen  Gedanken  einen  günstigen  Boden,  in  den  später  die  Romantiker  neuen 
Samen  streuen  konnten. 


K.  SECHSTE  EPOCHE.    SEIT  1825. 
ROMAiNTIKER. 

[ie  Bewegung,  welche  man  in  der  Litteratur  die  romantische  nennt, 
wird  durch  die  bewusste  Absicht  der  Schriftsteller  gekennzeichnet, 
ihre  Stoffe  dem  nationalen  Leben  zu  entnehmen.  In  ganz  Europa  fällt  sie 
mit  den  politischen  Kämpfen  zur  Erlangung  grösserer  Freiheit  zusammen,  oder 
geht  daraus  hervor.  Die  Bewunderung  für  die  klassischen  Werke  des  Alter- 
tums, gegen  deren  Nachahmung  schon  die  Encyklopädisten  den  Fehderuf  er- 
hoben hatten,  wurde  zu  einem  Merkmal  des  politischen  Konservatismus.  Ein 
Kampf  zwischen  den  am  Alten  haftenden  Klassikern  und  den  sich  davon  los- 
sagenden Romantikern  hat  nirgend  gefehlt,  wo  die  Grundlehren  der  franz. 
Revolution,  ob  auch  gemildert  durch  die  Wirkung  der  »Verfassungen«  (Carias 
Constitucionaes)  ^  Erfolge  errangen.  Mit  dem  liberalen  oder  revolutionären 
Glaubensbekenntnis  geht  die  Geringschätzung  aller  akademischen  Regeln  Hand 
in  Hand.  Allem  steifen  Formelzwang  abhold,  in  litterarischer  Beziehung  die 
gesamte  Vorzeit,  Altertum  wie  Mittelalter  verachtend,  nahmen  die  Romantiker 
die  Natur  zum  einzigen  Massstab  für  alle  Wissenschaften  (Naturphilosophie, 
Naturrecht,  Natur religion)  und  zum  Massstab  für  Kunst  und  Poesie  die  Ein- 
drücke, welche  eben  die  Natur  oder  Wirklichkeit  auf  das  Individuum  hervor- 
bringt. Eine  solche  Umgestaltung  der  Denkait  ist  in  den  von  Lessing  und 
Goethe  so  sehr  bewunderten  Werken  Rousseau 's  und  in  den  ästhetischen 
Theorien  Diderot's  schon  deutlich  fühlbar.  Diese  franz.  Vorläufer,  welche 
auf  Deutschland  einwirkten,  bezeichnete  Gervinus  später  als  Protoromantiker. 
Die  Notwendigkeit,  die  litterarische  Wiedergeburt  auf  die  Traditionen  der  eigenen 
nationalen  Vergangenheit  zu  begründen,  und  somit  dem  Mittelalter  (statt  der 
Antike)  die  Motive  zu  entnehmen,  fühlte  jedoch  von  allen  Ländern  Deutsch- 
land zuerst  und  am  tiefsten.  Unter  dem  Schutze  der  Fürstin  Anna  Amalia 
von  Braunschweig  erstand  in  Weimar,  dem  Athen  Thüringens,  jene  grossartig 
fruchtbare  Dichter-Generation,  deren  Koryphäen  Goethe  und  Schiller  sind. 
Die  neuen  litterarischen  Theorien   der  deutschen  Romantiker  verbreiteten  sich 


Ironie  und  rücksiditslose  Satyre  ihm  bald  (1793)  von  Seiten  seiner  Kollegen  eintrug;  die 
Feliden  mit  Jose  Agostinlio;  die  Anklage,  welclie  sein  Entluisiasmus  für  die  franz.  Re- 
volution ihm  zuzog;  seine  Gefangennahme  (l797)  wegen  anfrührischer  und  gotteslästerlicher 
Äusserungen  und  Schriften,  unter  denen  eine  »VerJades  dtirasi.  fiherschriebene  voltairische 
Epistel  in  Versen  gegen  die  Unsterblichkeit  die  Hau|)trolle  spielt  {^t>A  Pavorosa«..  wegen  der 
Anfangsworte  ~i>Pavorosa  ilhtsäo  da  etertiidade«),  seine  Katechisation  durch  das  heil.  Tribunal, 
und  sein  Ende  schildert  lebendig  Th.  Braga  in  iVida  de  Bocage  e  sua  epor.a  litteraria«. 
Sie  bildet  den  Geleitband  zur  jüngsten  Ausgabe  seiner  Werke  (Pf)rto  1876,  7  Bde.).  .\ltere 
erschienen  als  Ohras  Poeticas  Liss.  1806-I4  (in  6  Bdn.)  und  ebd.  1853  T>Poesias.' ,  mit 
Einleitung  von  Rebello  da  Silva  und  Inn.  da  Silva.  —  y>Excerptos  e  vida«,  von 
Castilho  in  der  »Livraria  Classica«,  1847  und  1865.  —Vgl.  Ruscalla:  Nothie  intomw 
agli  scritti  di  Bocage,  Asti  186O:  j\Iax  Beil  hack,  in  Herrig'' s  Archiv.  1867,  Bd.  40 ;  mul 
Romer o  Ortiz.  —  Bocage's  Schüler  und  Nachfolger  heissen  Elnumistas  nach  seinem 
arkadischen  Namen  Elmano  Sadino. 


368    LiTTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 


nach  England  und  Frankreich  und  von  da  aus  nach  Italien ,  Spanien  und 
Portugal,  erhielten  hier  im  Süden  Europa's  aber  als  bedeutsamen  Hintergrund 
die  umstrittene,  politische  Emanzipation  der  Völker. 

182.  Wiederbelebung  des  Nationalcharakters  durch  die  Lit- 
ter atur.  Die  Romantik  drang  nach  Portugal  erst  als  sie  bei  allen  anderen 
Nationen  schon  in  das  kritische  und  wissenschaftliche  Stadium  eingetreten  war, 
gleichwie  man  in  den  entfernteren  Provinzen  des  grossen  Römerreiches  die 
Münzen  mit  dem  Bildnis  eines  Kaisers  noch  verehrte,  nachdem  er  selbst  von 
den  Prätorianern  längst  ermordet  oder  abgesetzt  war.  Die  Hauptursache  dieses 
späten  Beitritts  ist  in  der  politischen  Lage  des  Landes  zu  suchen.  Seit  der 
Erhebung  Portugals  gegen  die  Heere  Napoleons  hatte  die  Nation  das  immer 
schwerer  lastende  Protektorat  Englands,  seines  Bundesgenossen,  zu  ertragen, 
das  sich  während  der  Regierung  von  Beresford  in  grausamster  Weise  unter- 
drückend bethätigtc.  Auf  die  Ermordung  des  Generals  Gomes  Freire  de 
Andrade  folgte  nach  1817  eine  erste  Auswanderung  von  vaterlandsliebenden 
Liberalen.  Männer,  wie  der  Mo rgado  de  Mattheus,  Mascarenhas  Netto, 
Jose  Pedro  de  Mello  und  Domingos  Antonio  Sequeira  traten  jenseits 
der  (irenzen  in  Beziehungen  zu  Vertretern  der  neuen  Geistesströmungen,  und 
leiteten  dieselben  in  ihr  unglückliches,  durch  Despotismus  und  Klerikalismus 
grenzenlos  ausgesogenes  und  verrottetes  Land.  Der  Mo  rgado  de  Mattheus 
(j-  1825)  trug  durch  seine  Monumcntalausgabc  Aar  Lusiadas  {i^i"])  zur  Weckung 
des  Nationalgefühls  bei. '  Jose  Diogo  Mascarenhas  Netto  (71826)  gründete 
die  ersten  wissenschaftlichen  Zeitschriften 2.  Jose  Pedro  de  Mello  orga- 
nisierte zoologische  und  mineralogische  Sammlungen;  Sequeira  (f  1837) 
pflegte  die  historische  Malerei  und  schuf,  unter  anderem,  das  Gemälde  vom 
Tode  des  Lusiadensängers.  In  der  Heimat  hätte  keines  dieser  Talente  sich 
frei  entfalten  können.  Wurde  doch  um  dieselbe  Zeit  Garrett,  der  sich  bereits 
als  bedeutender  Dichter  offenbart  hatte,  angeklagt  und  schuldig  befunden,  in 
dem  didaktischen  Gedicht  über  die  Malerei  »O  retrato  de  Venus«  freigeistigen 
Anschauungen  Ausdruck  geliehen  zu  haben.  Der  schreckliche  Pater  Jose 
Agostinho  de  Macedo  fungierte  nämlich  noch  als  amtlicher  Zensor  und 
blieb  es  bis  zum  Sturz  des  Absolutismus  (1833). 

Eine  innigere  Bekanntschaft  mit  den  Meisterwerken  der  Romantik  wurde 
jedoch  erst  während  der  zweiten  Emigration  erreicht  (1823 — -26),  als  Johann  VI., 
der  nach  der  Rückkehr  aus  Brasilien  die  Konstitution  von  1820  bewilligt  hatte, 
durch  einen  Staatsstreich  das  absolute  Regiment  wiederherstellte.  Garrett, 
der  zu  den  begeistertsten  Liberalen  gehörte,  lernte  in  der  Fremde  den  Wert 
des  heimischen  Volksromanzen  -  und  Liederschatzes  kennen ,  nachdem  die 
Arbeiten  eines  Grimm,  Walter  Scott,  Rodd  und  Depping  seinen  Blick 
angezogen  hatten.  Nach  seiner,  durch  die  Amnestie  von  1826  ermöglichten  Rück- 
kehr beutete  er  dann,  an  der  Hand  von  Kindheitserinnerungen,  diese  poetische 
Ader  aus,  und  tränkte  von  nun  an  seine  eigenen  litterarischen  Schöpfungen 
mit  ihrem  Lebenssafte.  Die  dritte  Emigration  (1829  —  38)  führte  zu  noch  viel 
eingehenderer  Beschäftigung  mit  der  romantischen  Bewegung,  sowohl  in  Frank- 
reich, wo  der  -»Globe«   seine  Triumphe  feierte  (1824 — 32),  als  auch  in   Eng- 

'  D.  Jose  Maria  de  Sousa  Botelho,  der  Gemalil  der  geistvollen  Freundin 
Talleyrand's  M'»«  de  Fla  haut,  welche  die  Geschichte  als  M'"^  de  Sousa  kennt. 
Nach  den  Schmähungen,  welche  der  Pater  Macedo  in  den  Reflexoes  Criticas  (18 11)  und 
in  der  Censura  dos  Lttsiadas  (\%20)  gegen  Canioes  geschleudeit  hatte,  war  solciie  Eiuung 
von  Bedeutung. 

*  Es  sind  die,  unter  Mitwirkung  von  Francisco  Sola  110  Consta  nein  iiml 
Candido  j  o  s  e  X  a  v  ier,  von  Jose  Diogo  de  M  ascaren  has  Netto  herausgegel>enen 
Aiinaes  das  Sciencias ,  Artes  e  Letras  (1818  — 22j  16  Bde.  (verschieden  von  i\vw  nieiui'ach 
genannten  »Annaes  das  Sciencias  e  Letras*.). 


Sechste  Epoche:  Romantiker.  369 


land,  wohin  sich  jetzt  die  meisten  der  verfolgten  Auswanderer  wandten. 
Alexandre  Herculano,  der  zu  dieser  Emigrierten  -  Gruppe  gehört,  ward 
der  wahre  Einfuhrer  des  historischen  Romans,  und  der  Erneuerer  der  Geschichts- 
studien. Dem  berühmten  Minister  Passos  Manoel  (s.  u.)  dankt  man  eine 
Reihe  wichtiger,  pädagogischer  Einrichtungen  und  Reformen :  die  ersten  medi- 
zinischen, polytechnischen  und  militärischen  Hochschulen,  das  Konservatorium 
für  Musik  und  dramatische  Kunst,  die  Akademien  der  schönen  Künste,  und 
die  Nationallycecn.  ^  Doch  nicht  bloss  die  genannten ,  sondern  alle  Schrift- 
steller, welche  die  ausländischen  Schöpfungen  der  Romantik  kennen,  verstehen 
und  bewundern  lernten,  sahen  ein,  dass  auch  für  Portugal  erst  die  Versenkung 
in  seine  glorreiche  Vergangenheit  zur  wahren  Fruchtbarmachung  der  neuen 
freisinnigen  Institutionen  führen  konnte.  Die  Dramen,  die  Romane,  die 
lyrischen  Dichtungen ,  die  historischen  Forschungen ,  die  in  rascher  Folge 
entstehenden  schöngeistigen  und  fachwissenschaftlichen  Zeitschriften,  alles 
arbeitete  an  der  einen  Aufgabe,  das  mehr  denn  halb  erloschene  Vaterlands- 
gefiihl  wieder  anzufachen,  und  das  portug.  Leben  und  Denken  wieder  national 
zu  gestalten.  Aus  den  so  überaus  zahlreichen  Schätzen  der  älteren  Litteratur- 
Zeiträume  hob  man  Einiges  hervor,  und  brachte  es  ans  Licht:  die  »Jneditos 
de  Akol'afa«  (1829);  einen  der  Reiseberichte  des  D.  Joäo  de  Castro, 
:»Roteiro«-  (1833);  den  y>Rotei7-o  de  Vasco  da  Gatna«  (1838^3;  den  »Leal  Con- 
selheiro«  des  Königs  Du  arte  (1843);  die  »Afinaes  de  D.  Joäo  III.«  (1844); 
die  »Chronica  do  Cardeal  D.  Henrique^  (1840);  die  y>Chrojiica  de  D.  Sebastiäo« 
von  Frei  Bernardo  da  Cruz  (1837),  und  die  philosophischen  Gedichte  des 
Jose  Anastacio  da  Cunha  (1839)*,  um  nur  einzelnes  Hervorragende  nam- 
haft zu  machen.  Im  -»Parnaso  Lusitano«  (Paris  1826— 1834)  wurden  den 
sich  mit  portug.  Litteratur  Beschäftigenden  zum  ersten  Maie  die  schönsten  Perlen 
portug.  Dichtkunst  vom  16.  bis  zum  19.  Jh.  dargeboten,  bei  welcher  Gelegen- 
heit Garrett  selber  mit  eigener  Hand,  gewandt  und  einsichtig,  ob  auch  mit 
wenigen  Strichen,  ein  Bild  der  Entwickelung  der  Nationallitteratur  skizzierte. 
Die  Drucklegung  des  alten  »Canciottciro  do  Collegio  dos  Nobres<s.  durch  Lord 
Stuart  (1826)  mit  ihren  Troubadourliedern  aus  dem  13.  und  14.  Jh.  fand 
freilich  noch  kein  rechtes  Verständnis.  Man  kannte  jene  entferntere  Vorzeit 
gar  zu  wenig.  Selbst  ein  Meister  wie  Dicz  glaubte  darin  Dichtungen  nur 
eines  Verfassers  vor  sich  zu  haben.  Im  Ganzen  aber  verstand  man  die  Ver- 
gangenheit gut.  Edgar  Qu  in  et  ftihlte,  als  er  Portugal  betrat  (1843 — 44) 
den  heissen  x'Vtem  des  sich  erneuenden  Lebens  und  sah  ein,  welch  grossen 
Anteil  die  Schriftsteller  an  diesem  segensreichen  Vorgange  hatten.  ■'  Binnen 
kurzem  jedoch,  schon  1847,  machte  ein  neuer  Staatsstreich,  bei  welchem  die 
Königin  D.  Maria  II.  die  Waffen  der  verbündeten  heiligen  Mächte  (Spaniens, 
Englands  und  des  orlcanistischen  Frankreichs)  gegen  ihr  Volk  zu  Hülfe  rief, 
jenem  schönen  und  energischen  Aufschwung  schon  wieder  ein  jähes  Ende. 
Seither  besitzt  Portugal  an  Stelle  wahrer  Freiheit  nur  ihr  Scheinbild,  in  Gestalt 
des  Parlamentarismus :  und  in  der  Litteratur  sind  an  Stelle  wirklicher  Genien 
fast  nur  unbedeutende  phrasenliebende  Mittelmässigkeiten  am  Werke. 


1  Nach  der  nm  30.  Mai  1834  erfolgten  Aufhebung  der  Klöster  war  eine  Neugestaltung 
des  Untenichtswesens  eine  unumgängliche  Forderung. 

*  Ein  zweiter  -»Roteiro  de  Goa  a  Diui  erschien    1 843 ;  ein  dritter   1 882. 

'  Der  zweite  Seebericht  Vasco  da  Gaina's  erschien  1861  (ed.  Herculano  und 
Castello  de  Paiva). 

*  S.  Inn.  da  Silva  IV  p.  22<). 

*  Die  in  Portugal  unendlich  oft  zitierten  sympathischen  Äusserungen  Qu  in  et 's  iii>er 
Portugal  finden  sich  in  den  »Vacances  en  Espagna  (chap.  29)  und  in  -iLa  France  et  la  saivte 
alliance«.  (Bd.  IX  und  X  der  Oetcvres  Completes). 

Gröber,  Clruudriss.   IIb.  24 


370    LiTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

183.  Die  Romantiker.  —  Joäo  Baptista  da  Silva  Leitäo,  Vis- 
conde  de  Almeida  Garrett  (1799 — ^1854)1  ist  der  eigentliche  Einführer 
der  Romantik,  und  das  Haupt  der  neuen  Schule,  ob  auch  seine  ersten  Schriften 
beweisen,  wie  tief  ihn  in  der  Jugend  der  franz.  Pseudo-Klassizismus  einerseits, 
und  andererseits  die  Lyrik  des  heimischen  arkadischen  Geschmacks  beeinflusst 
hatte  (der  Philintismus  mehr  als  der  Elmanismus).  Trug  er  selber  doch, 
der  alten  Schäfersitte  treu,  noch  den  Dichternamen  lonio  Duriense,  und 
schrieb  er  doch,  eingenommen  von  der  zuckersüssen  Prosa  eines  Demoustier 
sogar  eine  »Schule  für  Damen«  (Lyceo  das  Damas) ,  während  er  in  den 
Dramen  Mfrope  und  Catäo  (und  anderen),  seinen  freisinnigen  Gedanken  folgend, 
Voltaire  nacheiferte!  Wie  jener  Umschwung  eintrat,  der  ihn  veranlasste, 
seine  wirklich  moderne  Gefühlsweise  in  litterarische  Schöpfungen  umzusetzen, 
und  dabei  zum  Romantiker  zu  werden,  ward  schon  angedeutet.  Die  Emigration 
von  1823  brachte  Garrett  in  Berührung  mit  Vertretern  der  neuen  Richtung 
und  klärte  ihn  darüber  auf,  wie  unendlich  viel  in  Portugal  noch  zu  thun  übrig 
war.  Die  durch  die  Ferne  nur  gesteigerte,  sehnsuchtsvolle  Liebe  zum  Vaterland 
bewirkte,  dass  er,  der  sich  bislang  ausfuhrlicher  nur  in  dem  Lehrgedicht  über 
die  Malerei  »Reirato  de  Venus <.<  und  in  konventionellen  klassischen  Tragödien 
ausgesprochen  hatte,  zu  der  genialen  Schöpfung  des  patriotischen  Epos  -»Camöes»; 
zu  der  noch  gelungeneren  des  Schauspiels  Frey  Luiz  de  Sousa  und  anderer 
Bühnenstücke  begeistert  ward.  —  Almeida- Garrett  wurde  am  4.  Februar 
1799  in  Porto  geboren,  und  auf  den  Agoren  von  einem  humanistisch  ge- 
bildeten Oheim,  dem  Bischof  von  Angra,  D.  Frei  Alexandre  da  Sacra  Familia 
erzogen.  Von  1814  bis  1821  besuchte  er  die  Universität  Coimbra,  woselbst 
die  Ideen  der  franz.  Revolution  in  vielen  Herzen  brannten ,  und  trat  offen 
der  Bewegung  bei,  welche  1820  das  Joch  des  englischen  Protektorats  abzu- 
schütteln gedachte.  Die  bei  dieser  Gelegenheit  entstandene  Tragödie  »Catäo«. 
kam  bei  Nationalfesten  wiederholt  zur  Aufführung,  in  Portugal  und  später  unter 
den  Emigrierten  auch  im  Auslande.  Als  Johann  VL  1823  die  ein  Jahr  zuvor 
verliehene  Konstitution  brach  und  die  Parteigänger  der  nationalen  Freiheit  und 
Selbständigkeit  verfolgt  wurden,  verliess  auch  Garrett  die  Halbinsel  und  ging 
über  England  und  Havre  nach  Paris  (1823 — 26).  Die  Entfernung  von  der 
Heimat  und  seiner  jungen  Gattin,  und  das  daraus  entspringende  Unbehagen, 
das  durch  seine  Mittellosigkeit  gesteigert  ward,  gaben  dem  hier  entstehenden 
Gedicht  »Camöes«.  sein  tief  melancholisches  Gepräge-.  Im  Heimweh  gedachte 
er  der  Kindheit  und  der  alten  Volksüberlieferungen,  die  er  so  gern  gehört 
hatte.  Diese  Erinnerungen  gaben  dem  anmutigen  Poem  »D.  Branca«.  seine 
Färbung.^  Nach  der  Rückkehr  musste  Garrett  einige  Monate  im  Kerker 
zubringen  wegen  politischer  Streitschriften ,  von  denen  später  eine  Auswahl 
unter  dem  Titel  »Portugal  na  balanga  da  Europa«  wieder  herausgegeben  worden 
ist.  Als  am  28.  Februar  1828  D.  Miguel,  der  Vertreter  der  absolutistischen 
Reaktion,    in  Portugal   landete,    sah    der   Dichter  sich   gezwungen,    abermals 

'  Man  lese  über  Almeida- G  arrett  das  sehr  ausführliche,  pietätvoll  geschriebene 
Werk  seines  Lieblingsschülers  Francisco  Genies  de  Amor  im:  -»Garrett,  Memorias 
Biographicasv.  I-iss.  1 88 1—88,  3  Bde.;  daneben  Braga,  nHistoria  do  Komantismo  em  Por- 
tugal«. Liss.  l88ü,  und  A.  Romero  Ortiz,  »Za  literatura  porlugiiesa  en  el  siglo  XIX, 
Madr.  1870.  Eine  Gesamtausgabe  seiner  i>Obras<i  umfasst  24  Bändchen.  (Liss.  1854—77) 
Aus  dem  reichen  Nachlass  ist  bis  jetzt  wenig  gedruckt.  Vgl.  auch  Bibliographia  critica, 
Artikel  7  und  39. 

2  Dies  elegische  Heimweh -Poem  in  lO  Blankvers  -  Gesängen  (1.  Aufl.  Paris  1825, 
8.  Liss.  1866)  ist  in  deutscher  Übersetzung  vom  Grafen  A.  F.  v.  Sc  hack  vorhanden 
(Stüttg.  1890),  über  welche  man  Storck  in  der  Zschr.  f.  vgl.  Litt.  1891  nachlese,  wie  auch 
in  franz.  Prosa- Version  von  H.  Faure,  Paris   1880. 

*  Es  ist  ein  langes  episch-lyrisches,  Scherz  und  Ernst  mit  einander  mischendes  Ritter- 
gedicht in   VVielands  Manier,  mit  besonders  gegen  das  Mönchswesen  gerichteter  Tendenz. 


Almeida-Garrett.  371 


auszuwandern,  um  Leben  und  Freiheit  zu  retten.  Mit  anderen  Gesinnungs- 
genossen suchte  er  in  England  Schutz.  Von  dort  aus  folgte  er  mit  regem 
Interesse  der  Entwickelung  jenes  Kampfes,  der  mit  dem  Zusammenströmen 
der  konstitutionell  Gesinnten  auf  der  Insel  Terceira  anhub,  und  im  Jahre  1833 
mit  der  heldenmütigen  Verteidigung  von  Porto,  an  der  Garrett  teilnahm,  rühm- 
lich abschloss.  Da  D.  Pedro  IV.  ihm  gleich  nach  der  Landung  in  Mindello  das 
Ministerium  des  Innern  übertrug,  fand  er  Gelegenheit  sein  hervorragendes  or- 
ganisatorisches Talent  bei  der  Reform  sowohl  des  Verwaltungswesens  als  des 
Strafrechts  und  des  öffentlichen  Unterrichts  zu  bethätigen.  Als  1837  der 
Konflikt  zwischen  Cartistas  und  Setembristas  ausbrach,  d.  h.  zwischen  den  An- 
hängern der  1826  gnädig  bewilligten  »Carta  ouiorgada«  und  den  Revolutionären, 
welche  grössere  nationale  Unabhängigkeit  erheischten,  trat  der  Dichter,  dessen 
Charakter  sich  bei  der  Arbeit  und  in  den  Pressfehden  gestählt  hatte,  unum- 
wunden fLir  die  demokratischen  Prinzipien  ein,  und  kämpfte  unermüdet  an  der 
Seite  des  grossen  Tribunen  der  Konstituinte ,  Manoel  da  Silva  Passos 
(Passos  Manoel,  wie  man  ihn  gewöhnlich  zum  Unterschied  von  seinem 
Bruder  Jose  nannte).  Er  unterstützte  denselben  bei  allen  seinen  Reformen, 
besonders  aber  bei  der  Begründung  eines  Nationaltheaters  und  des  Konser- 
vatoriums für  dramatische  Kunst.  —  Das  ausserordentlich  bewegte,  thatenreiche 
Leben,  das  Garrett  führte,  beeinträchtigte  jedoch  in  keiner  Weise  sein  dich- 
terisches Schaffen.  Im  Gegenteil,  die  aktive  Teilnahme  an  historischen  Gescheh- 
nissen verlieh  seinen  Werken  allmählich  einen  kraftvolleren  Charakter.  Während 
der  Belagerung  begann  er  den  in  Porto  spielenden  geschichtlichen  Roman  »O 
Arco  de  Santa  Anna«^,  der  zwar  unter  dem  Einfluss  von  Walter  Scott  steht, 
die  portug.  Eigenart  aber  trotzdem  deutlich  abspiegelt,  und  durch  Garrett's 
völlig  modernen,  leichten  Schritts  einhergehenden,  die  alten  Formen  der  portug. 
Prosa  durchbrechenden  Stil  einen  besonderen  Reiz  und  Wert  erhält.  Nicht 
zufrieden  damit,  als  Generalintendant  des  Theaters  die  Aufführungen  zu  leiten, 
schrieb  er  ferner  eine  Reihe  dramatischer  Meisterwerke  (in  Prosa),  die  Mark 
genug  hatten,  um  die  öffentliche  Meinung  endlich  einmal  zu  heller  Begeisterung 
hinzureissen.  Sie  führen  sämtlich  charakteristische  Figuren  aus  dem  National - 
leben  auf  die  Bühne:  y>0  alfageme  de  Santareyn«.  (1841)  steigt  in  das  14.  Jh., 
in  die  Heldenzeit  des  Nunalvares  Pereira  hinab;  -»Um  auto  de  Gil  Vicente<i. 
(1838)  in  die  Zeit  Emanuels  und  seines  Komikers;  »D.  Filippa  de  Vilhena« 
(1840)  behandelt  ein  Ereignis  aus  der  Restaurationsepoche;  »Frei  Luh  de 
Sousa«  (1844)  knüpft  an  die  Katastrophe  von  Alcacer-Quebir  an,  und  zeigt 
das  Entstehen  des  Sebastianismus  2;  und  selbst  kleinere  Bühnenstücke,  wie  »A 
Sobrinha  do  Marquez  (d.  h.  Pombal's) ;  »Tio  Simplicio«  und  »Fallar  verdade  a 
mentir«  schildern  echt  portug.  Leben  und  Treiben.  Das  Sammeln  der  Volks- 
romanzen zu  einem  Romanceiro  beschäftigte  ihn  angelegentlichst.'^  Er  eröffnete 
damit  die  Bahn  fiir  spätere  streng  wissenschaftliche  Erforschung  dieser  bedeut- 
samen  völkerpsychologischen    Dokumente.      Auch    bearbeitete    er   selbständig 

*  Der  -»Arco  de  Santa  Annai  erschien  erst  1846,  nachdem  Herculano  den  histo- 
rischen Roman  bereits  eingeführt  hatte,  und  als  Walter  Scott  schon  in  portug.  Übersetzungen 
(von  Ramalho  e  Sousa)  vorlag  (1843). 

2  Deutsch  von  W.  L.,  Frankf.  a.  M.  1847;  ital.  von  Ruscalla  1852;  span.  von 
Olloqui  1859.  Über  die  zu  Grunde  liegenden  romantischen  Begebenheiten  spricht  §  165. 
Braga  nennt  den  Frei  Luiz  de  Sousa,  in  Übereinstimmung  mit  der  in  Portugal 
herrschenden  Ansicht,  »0  mais  bella  creagäo  do  theairo  ewopeu  moderno^.{K)  Vgl.  Oliveira 
Martins,  Portugal  Contemporaneo   1881.  Bd.  II  p.    131  — 137. 

*  Der  Romanceiro  enthält  in  Bd.  II  und  III  nächst  5  Romanzen  von  bekannten  Verfassern 
32  Volksromanzen ,  in  stark  abgerundeter  und  verfeinerter  Textgestalt.  Eine  Auswahl 
daraus  teilte  F.  Wolf  in  den  y>Proben  portug.  ttnd  katal.  Volksromanzem  mit  (1856); 
15  Nummern  verdeutschte  auch  v.  S  ch  a  c k  in  dem  mit  G  e  i  b  e  1  herausgegebenen  j> Romanzeroi. 
(Stuttg.   1860). 

24* 


372    LlTTERATURGESCHICHlE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.    JaTT. 

einige  der  Romanzenmotive,  und  andere  verwandte,  der  Geschichte,  und 
dem  Volksleben  entnommene  Sagenstoffe  in  reizenden  Novellen  in  Versen 
(Achtsilblerii)  wie  Silvaninha;  Miragaya ;  Por  bctn;  As  Pegas  de  Lintra,  die 
er  »Ro77uincin)ios<c  nannte.  ^  Die  Beschäftigung  mit  der  Volkspoesie  gestaltete 
auch  seine  lyrischen  B'ormen  gänzlich  um.  In  den  Jugendwerken  y>Lyrica  de 
Joäo  Minivio«  und  in  den  y>Flores  scm  fructo<i  hatte  er  noch  völlig  unter  der 
Einwirkung  der  postarkadischen  Schule  des  Filinto  Elysio  gestanden.  Be- 
redteres, Leidenschaftlicheres,  Lebendigeres,  Überraschenderes  hingegen  als  die 
kleinen  Gedichte  der  »Folhas  cahidasf  (oder  »Herbstblätter«),  worin  Garrett 
eine  späte,  aber  dramatischbewegte  Liebe  verherrlicht,  giebt  es  schwerlich  in 
der  portug.  Littcratur.  In  den  »Viagens  da  minha  terra«,  in  denen  Episoden 
aus  der  Zeit  seiner  Verbannung  geschildert  sind,  hat  seine  Prosa  einen  stark 
subjektiv  gefärbten  Charakter,  der  besonders  in  persönlichen,  abschweifenden 
Bemerkungen  zu  Tage  tritt.  2  In  seinen  Parlamentsreden  zeigt  er  sich  als  bedeu- 
tender Rhetor.  Korrekt,  voll  feiner  Ironie,  doch  ohne  die  üblichen  »incontinencias 
de  litigua«,  schöpft  er  seine  wirklich  echte  Begeisterung  aus  den  freisinnigen 
politischen  Grundsätzen,  die  er  verfocht.  Als  Gesandter  (in  Brüssel  1834^ — 36) 
und  als  Minister  unterlag  er  schliesslich  der  Ungunst  der  Verhältnisse,  erschöpft 
durch  ein  unfruchtbares  politisches  Regime,  das  bis  auf  den  Tag  so  viele 
Talente  zu  (künde  gerichtet  hat.  Nicht  der  Politik,  sondern  der  Litteratur, 
die  für  ihn  eine  Zufluchtsstätte  und  eine  Trösterin  war,  dankt  Garrett  den 
strahlenden  Ruhm,  der  ihn  über  alle  Verleumdungen  und  Intriguen  hinforthob, 
in  welche  die  staatsmännische  Laufbahn  ihn  verwickelt  hatte,  die  Herrschaft, 
die  er  über  seine  Zeitgenossen  ausübte,  und  die  dankbare  Liebe  der  Nachwelt. 
184.  Alexandre  Herculano  de  Carvalho  e  Araujo  (i8io^  1877)^. 
Schulter  an  Schulter  mit  Garrett,  ob  auch  verschiedenen  Geistes,  kämpfte 
der  jüngere  Alexandre  Herculano,  der  gleichfalls  seines  Freisinns  wegen 
nach  England  übersiedelte  (1831)  und  in  Plymouth  bei  einer  Aufführung  des 
»Cafdo«  von  Bewunderung  für  den  grossen  Meister  ergriffen  ward.  In  der 
Weiterentwickelung  der  Romantik  kommt  ihm,  Almeida-Garrett  gegenüber, 
ungefähr  die  Rolle  zu ,  welche  Herder  neben  Goethe ,  oder  Thierry  neben 
Victor  Hugo  gespielt  hat.  Er  war  nämlich  vorwiegend  ein  kritischer  Kopf,  ein 
Gelehrter  und  Moralist;  dabei  aber  auch  ein  überzeugter,  tief  religiöser 
Katholik.  Geboren  zu  Lissabon  am  28.  März  18 10  machte  er  einen  Handels- 
kursus durch,  nachdem  er  seinen  humanistischen  Vorstudien  bei  der  frommen 
Bruderschaft  S.  Philippe  de  Nery  oblegen  war.  Sein  litterarisches  Talent 
erkannte  die  Marquise  von  xAlorna,  eine  berühmte  von  Filinto  mit  dem 
Namen  Alcippe  belegte  Dichterin,  welche  verschiedene  fremde  Meisterwerke 
in  Portugal  nationalisiert  und  manches  Eigenwerk  geschaffen  hatte.*    Ihr  ver- 

*  Diese  kleinen  Romane  in  Ronianzenfoiin  —  die  das  Vorbild  für  hundert  andere 
wurden  —  füllen  Band  I  des  Romanceiro  \Adozinda  d.  i.  Silvaninha;  Bemal- Fr ancez;  NoiU 
de  S.  yoäo ;  O  anfo  e  a  Princeza ;  O  chapim  d'el  Rei ;  Rosalinda ;  Miragaia ;  As  Pegas  de 
Cinlra] . 

^  Deutsch  VOM  A.  Seubert  als  »Der  Mönch  von  Santarein«  Lpz.  o.  J.;  S.  Univ.- 
Bihl.  972  —  974 

^  ilher  M  e  r  c  u  1  a  n  o  berichten,  nächst  B  r  a  g  a '  s  t>  Romantistnoz.  und  R  o  ni  e r  o  O  r  t  i  z  , 
die  »Gedächtnisrede«  von  DöUinger  (Nördl.  1878),  und  besonders  A.  de  Serpa  Pi- 
nien t  e  I ,  -'^Alexandre  Herculano  e  0  sen  tempov.  f>iss.  1881 .  Eine  Gesamtausgabe  seiner  Werke 
fehlt  zui  Zeit  nocii.  Die  Geschichte  wurde  diei  Mal  gedruckt;  nur  die  belletristischen 
Arbeiten  haben   zahlreichere  Auflagen  (und   Übersetzungen)  erlebt. 

*  D.  Leonor  d'Almeida.  Marqutza  d'Alorna.  und  durch  ihre  Heirat  Gräfin  von 
Oeynhausen  (1750— 1839J.  die  in  Paris  und  Wien  durch  ihre  hervorragenden  Kenntnisse  und 
ihr  bedeutendes  Dichtertalent  glänzte,  hinterliess  nObras  Poeticas«  (1844),  in  denen  viel 
Schönes  steckt.  Auch  ilire  vorzügliche  Paraphrase  der  Psalmen  (gedr.  1833)  hat  unbedingt 
aut   Herc  u  I  an  o 's  religiöse  l'oesien   ein^ewiikt.   —    Vj;!.  Romeio   Ürtiz. 


Alexandre  Herculano.  373 


dankt  Herculano  heilsame  Anregungen,  wie  z.  B.  die  Bekanntschaft  mit 
Klopstock's  Messias  und  Schillers  Gedichten.  Der  Aufenthalt  in  England  und 
Frankreich  gab  ihm  hernach  Gelegenheit,  seinen  Überblick  über  die  zeit- 
genössische Litteratur  zu  erweitern,  wie  er  andererseits  seine  Vaterlandsliebe 
und  seinen  religiösen  Enthusiasmus  anfachte.  Unter  den  schmerzlichen  Ein- 
drücken, welche  der  Bürgerkrieg  auf  ihn  hervorbrachte,  entstanden  religiös-poli- 
tische Schriflen  und  Dichtungen:  zuerst  erschien  (1836J  die  y>Voz  do  Propheta«, 
worin  in  rhythmischer  Prosa  und  erhabenem  Bibelstil  nach  Art  Lamennais' 
(dessen  y>Paroles  d'un  Croyant«  1834  zündend  auf  ihn  gewirkt  hatten)  die  Zukunft 
des  Vaterlandes  in  düsteren  Visionen  .n,.!«?»  malt  wird;  dann  die  y>Harpa  do  Crente« 
(1838),  worin  er  gesammelt  herausgab,  \as  er  seit  1829  zuerst  in  der  Heimat, 
dann  als  Verbannter,  und  auf  dem  Mceic  als  Tapferer  von  Mindello,  sowie 
während  der  Belagerung  von  Porto  gedichtet  hatte.  ^  Er  gründete  und  leitete 
ausserdem  (1837)  die  für  damals  ausgezeichnete  Zeitschrift  »0  Panorama«,  in 
welche  er  eine  Fülle  von  Aufsätzen  über  Geschichte  und  Litteratur  einstreute,  um 
durch  dieselben  die  neue  Generation  gleichsam  litterarisch  heranzubilden.-  Er 
schuf  ferner  für  Portugal  den  eigentlich-historischen  Roman,  mit  seinem  gehalt- 
vollen pathetischen,  das  Priester -Cölibat  behandelnden  -»Monasticon«  (»Das 
Mönchswesen«),  in  2  Teilen :  »Eurico  0  Presbyiero«  (1844)  einem  westgotischen 
Chronikcngcdicht,  w'^^  er  es  nennt,  und  y>0  Monge  de  Cister«  (1848),  der 
unter  der  Regierung  Johann's  I.  spielt,  dies  Mal  unter  dem  Einflüsse  Victor 
Hugo's,  ohne  dessen  Notre Dame {i2)T,i)  ]&v\^,%  Werk  vielleicht  nicht  entstanden 
wäre.  Später  folgte  die  Novelle  y>0  Bobo«  und  eine  Reihe  kleinerer,  historischer 
Erzählungen  unter  dem  Titel  »Lendas  e  Narratbas«  (1851).^  Da  Herculano 
sich  1836  der  September  -  Revolution  nicht  angeschlossen  hatte,  sondern 
Cartista  blieb,  ernannte  der  Regent  D.  Fernando  (von  Sachsen-Koburg-Kohari) 
ihn  zum  königl.  Bibliothekar.  Die  Müsse,  welche  diese  Stellung  ihm  in  Ajuda 
gewährte,  widmete  Herculano  nun  dem  kritischen  Studium  der  vaterländischen 
Vergangenheit,  angestachelt  durch  Schäfer's  Geschichte  Portugals,  die  da- 
mals zu  erscheinen  begann  ('1836).  Seine  grundgelehrte  Historia  de  Por- 
tugal^  förderte    er  —    unter   Verwertung   von    Savigny's    Lehren    über    das 

'  Herculano  hat  nur  sehr  wenig  gedichtet.  Die  8  religiösen  Studien  der  »Harpa 
do  Crente«.  bilden,  mit  Ausschluss  eines  Stückes  auf  D.  Pedro  IV.  (das  er  verwarf),  und 
unter  Hinzufügung  zweier  Hymnen  {T>Deus<.<  und  y>A  Cruz  mutilada«)  den  Hauptbestand 
seiner  Poesias  (1850,  5.  Aufl.  1886).  Nur  noch  y  lyrische  Versuche  {»Foesias  variast) 
nächst  einem  historischen  »Drama  lyrico«:  t>Os  Infantes  em  Ceata-f.  und  7  «Übersetzungen 
(nach  Millevoye,  Lamartine,  Beranger,  Delavigne,  sowie  Bürger's  Lefwre 
und    Wilder  Jäger)  treten  hinzu. 

*  Das  Panorama,  dessen  Redakteur  und  eifriger  Mitarbeiter  HercuiaPiO  Anfangs 
war,  —  eine  Nachahmung  A^%  Penny  Magazine  und  Magasin  Pittoresque  —  wurde  1837  »zur 
Forderung  der  Nationaibildung«  von  der  Sociedade  Propagadora  dos  Conkecinientos  tüeis  ge- 
gründet, hat  aber  im  Lauf  der  Jahre  grosse  Wandlungen  durchgemacht.  Anfangs  bot  es 
b'oss  kleine  und  anonyme  Prosa  -  Aufsätze  aus  allen  Wissensgebieten;  später  jedoch  auch 
grössere,  selbständige  und  unterzeichnete  litterarische  Arbeiten  in  Prosa  und  Versen.  [Serie  I 
1837-41.  Bd.  1— ö;  Serie  H  1842—44,  Bd.  6—8-.  Serie  HI  1846— .=,2,  Bd.  9  und  1853 
—56,  Bd.  10  —  13;  Serie  IV  1857 —58,  Bd.  14  und  lö;  Serie  V  1866—68,  Bd.  16— 18I. 
Ahnlich  geartete  Journale  aus  dem  gleichen  Zeitabschnitt  sind  das  Archive  Pittoresco  1858  -68. 
11  Bde.;  die  Revista  Contemporanea  de  Portugal  e  Brazil  1 859 —64;  5  Bde.;  und  die  Revista 
Poptdar  1859  -62,  15  Bde.,  Rio  de  Janeiro.  Sie  alle  enthalten  wertvollen  Stoff  zur  Ge- 
schichte der  portug.  Romantik,  besonders  was  die  Biographien  der  Schriftsteller  betrifft. 
Die  wichtigeren  Iviederbücher  (Cancioneiros)  erwähnt  §  186.  —  Dass  wiederholte  Versuche 
span.-portug.  Misch-Zeitschriften  zu  gründen,  erfolglos  blieben,  verdient  Beachtung  (z.  B. 
Revista  Peninsidar,   1855  —  56,   2  Bdc:;  Revista   Occidental  1875—76). 

*  Deutsch  von  G.  Heine.  Lpz.  1847;  span.  von  Manuel  Ossorio  y  Bernard 
1  H~i6/'n  und  von  Salustiano  Rodriguez  Bermejo  1 874/77 ;  die  Leyendas  v  narraciottes 
von  dem   letztgenannten   1883  und  von  Ric.  Blanco  Asenjo  1874. 

<   Vier  Bände   1846— 1853  und   1863. 


374    LiTl'ERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    4.    PORT.  LlTT. 

römische  Recht,  Hallam's  Studien  über  die  westgotische  Feudalepoche,  sowie 
Guizot's,  Thierry's  und  Niebuhr's  Forschungen  —  auch  während  der 
wilden  Parteikämpfe  von  1846- -51,  an  denen  er  aktiv  nicht  teilnahm.  Die 
dazu  nötige  Durcharbeitung  der  archivarischen  Dokumente  aller  portug.  Stifts- 
kirchen [Collegiadas]  führte  den  mittlerweile  in  die  Akademie  aufgenommenen 
Gelehrten  dazu,  die  alten  Urkunden,  soweit  sie  sein  Geschichtswerk  betrafen, 
das  leider  nur  bis  zur  Regierung  Alfons'  III.  reicht,  im  Auftrage  jener  Körper- 
schaft als  y>Foriugaliae  Monumenta  Historica'f.  herauszugeben,  sowie  eine  grosse 
Zahl  energischer  Streitschriften  und  Einzelarbeiten  {y>Opusculos«)  '  abzufassen, 
unter  denen  die  Geschichte  der  Einführung  der  Inquisition  hervorragt  (1854 
—  59,  3  Bde.).  Als  1851  die  politische  Revolution  Saldanha's,  die  man 
regenerafäo  nennt,  den  reaktionären  Geist  der  Regierung  bekämpfte,  trat  Her- 
culano  noch  einmal  als  Politiker  hervor,  und  gründete  die  fortschrittliche, 
kurzlebige  Oppositions-Zeitung  »ö  Paiz«,  doch  übermannte  ihn  bald  die  Ent- 
mutigung. Er  zog  sich  endgültig  vom  öffentlichen  Leben  zurück ,  legte  seine 
Ämter  nieder,  brach  mit  seiner  litterarischen  und  wissenschaftlichen  Thätigkeit 
so  gut  wie  ganz,  und  flüchtete  in  ländliche  Einsamkeit,  die  er  von  Kindheit 
an  geliebt  hatte,  auf  seinen  Landsitz  Val-de-Lobos,  bei  Santarem,  wo  er  am 
13.  September   1877   starb. - 

185.  Antonio  Feliciano  de  Castilho  (1800-- 1875)2.  — Die  Um- 
gestaltung der  Litteratur,  welche  Garrett  und  Herculano  bewusst  und  ge- 
wissenhaft unternommen  hatten ,  fand  nicht  sogleich  allseitiges  Verständnis, 
noch  ungeteilte  Zustimmung  beim  Publikum.  Castilho,  d.  h.  der  Arkadier 
Memnide  Eginense,  setzte  unter  dem  Beifall  der  Mehrheit,  das  idyllische 
Genre  fort*,  und  versuchte  nur  vorübergehend,  sich  der  romantischen  Ge- 
schmacksrichtung anzuschliessen.  ^      Von    relativem  Wert ,   ob    auch  noch    so 

1  Sechs  Bände,   1874-84- 

'  Dieser  in  der  That  beklagenswerte  Rückzug  He  reu  lano 's,  der,  nach  Garrett's 
allzufrühem  Tode,  der  berufene  und  unentbehrliche  Führer  der  Geister  gewesen  wäre,  hat 
die  jüngere  Generation,  die  seine  Entmutigung  nicht  begriff  und  deren  stürmischen  Neuerungs- 
drang er  nicht  verstand,  zu  heftigen  Anklagen  veranlasst.  Besonders  ein  unschöner  Brief 
mit  scharfen  sarkastischen  Äusserungen  über  Jung-Portugal,  den  er  dem  Almanach  das  Seii- 
nhoras  (1874)  zusandte,  erregte  heftigen  Unwillen,  dem  Th.  Braga  in  der  Bibl.  Critica 
No.  33  Ausdruck  gab.  Die  damals  ausgesprochenen  Ansichten  über  Herculano,  die  zu 
persönlich  und  leidenschaftlich  waren,  um  ganz  gerecht  zu  sein,  vertritt  Braga  noch  heute. 
S.  Romafttisnto,  Livro  H  und  Modernas  Ideias,  Introdtugäo. 

*  v^ber  Castilho,  den  im  6.  Jahre  infolge  bösartiger  Masern  erblindeten  Dichter, 
welchen  sein  Leiden  zu  einem  mehr  beschaulichen  Still-leben  (auf  der  Landpfarre  eines  treuen 
Bruders)  zwang,  verweise  ich  (ausser  auf  Braga,  Romantismo  Livro  III  und  Romero 
Ortiz)  auf  seines  Sohnes  Julio  liebevolle  und  eingehende  Biographie  7>Memorias  de  Castilho«, 
Liss.  1881,  3  Bde.  Auch  ihn  verscheuchten  die  Bürgerkriege  zwar  aus  Portugal,  doch  kam 
er  nie  in  direkte  Berührung  mit  ausländischen  Romantikern,  da  es  ihn  nicht  in  die  Fremde 
trieb.  Er  blieb  unter  Portugiesen,  weilte  2  Jahre  auf  den  Acoren  (1845-47),  mit  land- 
wirthschaftlichen,  historischen  und  pädagogischen  Fragen  beschäftigt:  und  ging  1854  als  Apostel 
einer  von  ihm  erfundenen  Lesemethode  nach  Brasilien  (1854—63). 

*  Seine  Dichterlaufbahn  begann  Castilho  (1816— 2l)  mit  Tausenden  von  Oden- 
und  Kantaten-Versen  an  Mitglieder  des  portug.  Königshauses  im  pseudoklassischen  Stil  des 
18.  jhs.  Sein  eigentliches  Gebiet  war  jedoch  das  lyrisch-bukolische.  Den  9  »Carlas  de 
Echo  c  Narcisov.  (1821);  den  4  grossen  »Primavera«  betitelten  Gedichten,  in  denen  er  im 
idyllischen  Geiste  Florians  und  Gessner's  den  Frühling  der  Natur  und  der  Liebe  besingt 
(1822);  den  noch  auf  der  Universität  (1828)  gedichteten  leichtfüssigen  Achtsilblern  »Amor 
e  Melancholia  ou  a  Novissi?na  Helo'isa«,  die  einem  wirklich  erlebten  Liebesroman  Worte  liehen, 
und  deren  wortreiche  Süsse  dem  Zeitgeiste  ausserordentlich  zusagten;  den  späteren  »Exca- 
vagoes  Poeticasa  (1844),  und  den  letzten  selbständigen  Herbstgedichten  -d  Outofuxt.  (1863)  kann 
man  gerecht  nur  werden,  wenn  man  den  Lyriker  als  Schüler  von  Filinto  und  Bocage 
betrachtet,  statt  ihn  mit  den  Romantikern  des   19.  Jhs.  zu  vergleichen. 

*  »A  Noite  do  Castello«  (1836)  ist  eines  der  nicht  seltenen  Roman-Gedichte,  in  denen 
ein  totgeglaubter  Kreuzfahrer  nach  7  jähriger  Abwesenheit  heimkehrt,  als  seine  Braut  einem 
Anderen  die  Hand    reicht.      Das    ultra-leidenschaftliche  Gedicht    »Ciumes  do  Bardo«  (1838), 


A.  F.  DE  Castilho.  —  Ultraromantiker.  37  5 

paraphrastisch,  sind  seine  Übersetzungen  lateinischer  und  griechischer  Autoren : 
der  Metamorphosen  (1841)  und  Fasten  (auch  Ars  amandi)  des  Ovid  (1862),  der 
Georgika  des  Virgil  (1867),  der  Oden  des  Anakreon  (1866)  und  des  Raubes 
der  Europa  von  Moschos.  1  Sein  wichtigstes  Ziel  war  es,  ein  leichtfliessendes, 
musikalisch  angenehmes,  reines  Portugiesisch  zu  schreiben.  Und  seine  Rede- 
weise ist  auch  thatsächlich  schön,  obschon  die  klassischen  Formeln  der  Quin- 
nhentistas  und  die  volkstümlichen  Wendungen,  die  er  der  lebendigen  Sprache 
entnahm,  bisweilen  in  scharfem  Gegensatze  zu  einander  stehen.  Er  war  ein 
trefflicher  Metriker,  wusste  aber  nur  die  Empfindungen  Anderer  in  Worte  zu 
kleiden,  und  das  nicht  einmal  mit  Treue:  er  portugiesierte  und  modernisierte 
eine  Anzahl  von  Lustspielen  Moliere's,  Shakespeare's  »Sommernachtstraum«, 
und  schon  in  vorgerücktem  Alter  Goethe's  Meisterwerk,  den  Faust  (1872), 
nach  einer  franz.  Übersetzung,  ohne  jedoch  den  philosophischen  Gehalt  jener 
Schöpfung  richtig  aufgefasst  zu  haben.  2 

186.  Die  Ultraromantiker.3  —  Das  neue  Geschlecht,  welches  in 
Garrett's  und  Herculano's  Werken  vortreffliche  Vorbilder  zur  Ausgestaltung 
einer  wirklich  nationalen  Litteratur  gehabt  hätte,  wurde  zum  grossen  Teil  in 
die  journalistische  Thätigkeit  hineingedrängt,  und  durch  politischen  Ehrgeiz 
von  seinem  Berufe  abgelenkt.  —  Den  Mangel  an  gründlichen  Kenntnissen  ver- 
decken diese  Epigonen  der  Romantik  meisthin  durch  hochtrabende  Redens- 
arten. Es  entstand  eine  lange  Reihe  geschichtlicher  Romane,  denen  es  an  rich- 
tigem Urteil  über  die  Vergangenheit  gebricht;  eine  Unzahl  historischer  und 
bürgerlicher  Dramen  ohne  philosophische  Analyse  der  Gemütsbewegungen ; 
und  schier  zahllose  Massen  lyrischer  Gedichte,  die  sich  mit .  subjektiver  Ideali- 
sierung der  Gefühle  der  Verfasser  begnügen.  Garrett  erlebte  noch  die  Tage, 
in  denen  die  Ultraromantiker  ihre  hohlen  äusserlichen  Nachahmungen  mit 
leerem  Wortschwall  ausstaffierten  und  tadelte  ihre  Überschwenglichkeit,  die 
alle  natürlichen,  einfachen  Empfindungen  unkenntlich  macht.  Und  auch  Her- 
culano,  dem  die  mangelhafte  Ästhetik,  das  ungenügende  Wissen  und  die 
planlose  Arbeitsweise  der  meisten  Schriftsteller  nicht  entging,  misbilligte  sie. 
Nicht  von  den  wenigen  besseren  Romanen  wie  »Odio  velho  näo  canfa«  (von 
Rebello  da  Silva);  »O  Conde  Soberano  de  Castella«  (von  Oliveira  Mar- 
reca);  »O  que  forum  os  Portuguezes«.  (von  Mendes  Leal);  »Um  anno  na 
Corte«  (von  Andrade  Corvo),  wohl  aber  von  den  schwächeren  gilt,  was 
Garrett  ohne  zu  übertreiben,  spöttelnd  sagte:  »man  nimmt  einige  franz. 
Romane  von  Victor  Hugo,  Sue  und  Dumas,  schneidet  von  ihren  Figuren 
diejenigen  heraus ,  die  man  brauchen  kann  ,  klebt  sie  auf  ein  modefarbenes 
Papier  ....  stellt  aus  ihnen  nach  Belieben  Gruppen  zusammen,  unbekümmert 
darum,  ob  sie  mehr  oder  weniger  unsinnig  sind.  Dann  greift  man  zu  einer 
alten  (portug.)  Chronik,  holt  aus  ihr  ein  Paar  Eigennamen,  und  etliche  ausser 

ein  groteskes  Pastiche,  das  fast  wie  eine  Parodie  auf  die  Romantik  aussieht,  führt  einen 
Troubadour  vor,  der  in  dei^  Raserei  der  Eifersucht,  unter  pathetischen  Flüchen  auf  Weiber- 
treue mitten  in  Sturm  und  Ungewitter  ein  Boot  besteigt  —  und  verschwindet !  —  Spanisch 
von  Calvo  Asensio  (1870). 

'  Die  ganze  zweite  Hälfte  seines  Lehens  war  der  Übersetzungskunst  gewidmet,  die 
von  den  Portugiesen  überhaupt  seit  einem  Jii.  ausserordentlich  ergiebig  gepflegt  worden  ist. 
Braga  ist  ein  Gegner  dieser  kosmopolitischen  Tendenz,  und  besonders  ein  Feind  jeglicher 
Beschäftigung  mit  den  Alten.  Am  besten  gelang  Castilho  übrigens  die  völlig  freie  Um- 
arbeitung des  franz.  Drama's  »Cafnoes«  von  Victor  Per  rot  und  Armand  Du  Mesnil 
(gedr.   1850  in  Rio):  sie  ward  ui  d  wird  wie  ein  Originalwerk  betrachtet  und  gefeiert. 

^  Die  Faustübersetzung  (1872),  die  keinem  Kenner  des  Originals  Freude  machen 
kann,  ward  Gegenstand  einer  äusserst  heftigen  Polemik  gegen  den  greisen  Verskünstler,  an 
der  sich  in  erster  Linie  J  oaqu  im  de  Vasconcellos  beteiligte    S.  Bibl.  Cril.  Nö.  1  und  lO. 

^  Modernas  Ideias,  Livro  I;  und  bei  Komero  Ortiz  die  Abschnitte  über  Mendes 
Lcal,  C.  Castello  Branco  und  Tho  maz  Ribeir o. 


376    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    4.    PORT.    LiTT. 


Gebrauch  gekommene  Redensarten  .  .  .  . :  und  so  entsteht ....  unsere  Original- 
litteratur ! «  '  —  Auf  der  Bühne  treten  die  Fehler  der  Ultraromantiker  noch 
schärfer  als  im  Roman  hervor.  Und  so  beliebt  die  Schauer-  und  Sensations- 
geschichten z.  B.  eines  Mendes  Leal  auch  gewesen  sind  —  wie  etwa  -»Os 
dois  Renegaäos«. ;  »(9  Hörnern  da  mascara  negra«  ;  »Alva  estrella«  und  »O  Pobre 
das  Mitlas'S.  — ,  auch  hier  bleibt  wahr  was  Herculano  ungeduldig  äusserte: 
»Mit  vollen  Händen  werden  Flüche  und  Verfluchungen  ausgestreut;  auf  Schritt 
und  Tritt  begegnet  man  weissgeflügelten  Engeln  und  Dämonen  mit  schwarzen 
Fittichen,  sowie  glühenden  Felsen  (und  wie  das  heute  schier  unentbehrliche 
dramatische  Zubehör  sonst  noch  heisst)  von  denen  Niemand  weiss  woher  sie 
stammen,  denn  die  franz.  Dramaturgen,  welchen  unsere  Autoren  doch  sichtlich 
nacheifern,  kennen  weder  jene  Staffage  noch  die  aufgebauschten  und  mass- 
losen Phrasen  der  Portugiesen,  bei  denen  dem  gesunden  Menschenverstand 
schauert« '-^  Auch  die  Lyrik  der  Ultraromantiker  ist  übermässig  melancho- 
lische Grabespoesie.  Als  typische  Beispiele  kann  man  »ö  Firmamento«^  und  »ö 
noivado  do  sepulchro«  von  Soares  de  Passos  (1826  —  60)  nennen,  wenn  diese 
auch  nicht  erkünstelt,  sondern  der  natürliche  Ausfluss  eines  talentvollen,  aber 
kranken  Geistes  sind.'^  Die  beliebtesten  Muster  waren  Millevoye  und  La- 
martine. "*      Der   Mittelmässigkeit  der  Dichtungen  entsprach  im  x\llgemeinen 


'  »  Vae-se  aos  figurinos  francezes  de  Dumas,  de  Site,  de  Victor  Hugo,  e  recorta  a  gente 
de  cada  um  delies  as  figuras  que  precisa ,'  gruda-os  sohre  uma  folha  de  papel  da  cor  da  moda, 
verde,  pardo,  azul;  forma  com  elles  os  grupos  e  situagSes  que  llie  parece:  näo  importa  que  sejam 
tnais  ou  menos  disparatadas .  Depots  vae-se  ds  chronicas,  tiram-se  uns  poucos  de  nomes  e  de 
palavroes  vellws,  com  os  nomes  chrismam-se  os  ßguroes,  etc.«  Wieviel  Wahrheit  und  wieviel 
Übertreibung  in  diesen  Worten  steckt,  kann  ich  hier  nicht  darlegen.  —  Herculano's  be- 
deutendster Schiller  Rebeilo  da  Silva  hinteriiess  ein  Bändchen  «.\frikanische  Novellen" 
(1836);  die  kleine  meisterhafte  Erzählung:  Ultima  corrida  dos  touros  reaes  em Salvaterra  (1839); 
5  geschichtliche  Romane:  Rauso  por  homizio  (1842);  das  im  Text  genannte  ■» Odio  velho 'jiäo 
canga«  (1849);  Mocidade  de  D.  Joäo  V.  (1851);  I.agrimas  e  Tlusouros  (1863)  und  A^Casa 
dos  P/iantasmas  (1865),  von  seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  zu  schweigen.  Mendes  Leal 
bot  »Chronicas  do  seculo  XVII«  und  »Infatistas  avcnturas  do  mestre  Margal  Estouro«  und  C. 
Cnstello  Branco  (1825—90),  der  fruchtbarste  und  gelesenste  portug.  Romanschrift- 
steller, dessen  Hauptstärke  jedocli  im  bürgerlichen  Sittenroman  liegt,  schöpfte  aus  der  National- 
geschichte die  Stoffe  zu  zahlreichen  Bildereien,  wie  0  Regicida ;  A  filha  do  Regieida;  0 
Juden;  Lticta  de  Gigantes;  A  Caveira  da  Martyr  etc.  Ihren  Spuren  folgten  mit  mehr  oder 
weniger  Geschick  Andrade  Corvo,  Pinheiro  Chagas,  Arnaldo  Gama,  Silva 
Gayo,  Bernardino  Pinheiro  und  viele  mehr. 

"^  Unter  den  Dramatikern  war  der  eben  erwähnte  Mendes  Leal  (1818— 86)  der 
fruchtbarste.  Auf  eine  Reihe  melodramatischer  Blutdramen,  liess  er  sozialistische  Dekla- 
mationsstücke und  zuletzt  akademische  Lesedramen  über  patriotische  Themata  folgen  (im 
Ganzen  25).  Der  bedeutendste  aber  ist  wohl  Gomes  deAmorim  (1827 — 92)  mit  12 Stücken, 
von  denen  »Odio  de  ragm,  »Ghigi«,  »Alei/oes  sociaes«  und  »Figados  de  tigre«  den  meisten  Er- 
folg hatten.  C.  C.  Branco;  Pereira  da  Cunha;  Pinheiro  Chagas;  Ricardo 
Cordeiro;  E.  Biester,  L.  Palmeirim  reihen  sich  ilinen  an:  ungezählte  Tragödien, 
Komödien,  Schauspiele  und  Parodien  (tragedias  heraicomicas)  gingen  Ober  die  Bühne.  Nationale 
Stoffe  wurden  mit  Vorliebe  gewählt  —  doch  ist  kein  einziges  Werk  ersten  Ranges  darunter, 
und  das  von  Garrett  erstrebte  Ziel,  eine  Nationalbühne  zu  schaffen,  ward  nicht  erreicht. 
Französischer  Geschmack  gewann  rasch  die  Oberhand.  Und  von  franz.  Lustspielen  lebt  das 
Nationaltheater  D.  Maria  IL 

*  S.  Modernas  Ideias,  Livro  I,  cap.  III.  Die  Lyrik  zählte,  wie  von  jeher  in  Por- 
tugal, die  zahlreichsten  Vertreter.  Hundert  Namen  aufzuzählen,  wäre  nicht  unmöglich.  Nächst 
Liedern  (cangoes,  modinhas  und  arias,  die  besonders  von  Brasilianern  kultiviert  wurden, 
pflegten  die  Romantiker  ganz  besonders  die  erzählende  Ballade  (solao,  xäcara,  hallada,  rimance) 
in  Kurzzeilen;  das  längere  conto,  poemeto  muA  poema  in  Blankversen;  und  etwas  später  den 
grossen  Roman  in  Versen  (poema-romance)  mit  fortwährend  und  völlig  frei  wechselnden 
Metren,  unter  denen  der  von  den  »Jakobinern  der  Litteratur«  mit  Vorliebe  gehandhabte  franz. 
Alexandriner  noch  um   1860  den  Reiz  der  Mode-Neuheit  hatte. 

*  Selbstverständlich  treten  andere  berühmte  Vorbilder  hinzu:  Byron  —  Espron- 
ceda  —  und  alle  franz.  Grössen,  von  Musset  und  V.  Hugo  Ober  Beaudelaire  bis  zu 
Verlaine. 


UlTRAROIHANTIKER.    —    JUNG-PORTUGAL.  377 

der  ungeheure  Überfluss  an  Dichtern.  Wer  einen  richtigen  Begriff  von  der 
Fülle,  aber  Eintönigkeit  jener  verfallenden  Lyrik  erhalten  möchte,  durch- 
blättere die  Coimbrancr  Zeitschriften  y>0  Irozuuior«  (1844 — 48)  und  y>0  Novo 
Trovador«.  (1851  — 1856),  sowie  die  in  Porto  erschienene  y>Gri)ialda«  (1855 
—  57)  nächst  dem  y>Bardo«  (1852—56)  und  der  »Miscellanea  Poetica«  (1851, 
2  Bde.).  '  Das  schlimmste  Ergebnis  der  selbst  urteilslosen  und  von  keiner 
gesunden  und  strengen  Kritik  geleiteten  Ultraromantik  ist,  dass  sie  um  ihre 
eigene  Mittelmässigkeit  nicht  wusstc,  oder  dieselbe  durch  die  masslosen  Lobes- 
erhebungen zu  verdecken  suchte,  mit  denen  die  einzelnen  Dichter  sich  gegen- 
seitig beräucherten  {Elogio  mutiid). 

187.  Jung-Portugal  und  die  Coimbraner  Schule.  2  In  allen  ro- 
manischen Litteraturen  mündet  die  übertriebene  und  sich  selbst  zersetzende 
Ultraromantik  mit  ihrer  unfruchtbaren  Idealisierung  des  schlechtgekannten  Mittel- 
alters schliesslich  in  den  Hafen  wissenschaftlicher  d.  h.  kritischer  Erforschung 
eben  jener  Vorzeit  ein,  auf  Grund  des  kraftvoll  sich  erhebenden  Studiums  der 
Gesamtgrammatik  der  neu -lateinischen  Sprachen,  sowie  der  Veröffentlichung 
ihrer  mittelalterlichen  Schriftdenkmäler,  (besonders  der  Troubadour -Poesien, 
der  epischen  Chansons  de  geste,  und  der  erzählenden  Fabliaux) ;  dazu  des  Studiums 
der  Kommunal-  und  Feudaleinrichtungen;  der  Untersuchung  der  architektonischen 
und  ikonographischen  Denkmäler  und  der  Erforschung  der  Volkspoesie;  kurz 
auf  Grund  alles  dessen  was  die  ununterbrochene  Fortpflanzung  und  Fortent- 
wickelung der  Sitten  und  Gebräuche  des  Mittelalters  bis  in  die  Neuzeit  fest- 
zustellen und  aufzuhellen  berufen  ist.  Diese  kritische  Übergangszeit  bereitete 
auch  in  Portugal  auf  die  »philosophische  Synthese«  vor.  Der  Einfluss  von 
Hegels  und  Comte's  Werken  gab  in  Coimbra  den  Anstoss  zur  Auflehnung 
gegen  die  lächerliche  Bevormundung,  welche  die  Anhänger  des  Elogio  vtutuo 
unter  der  Aegide  des  »posthumen  Arkaden  Castilho«  ausübten. ^    Dieser  Geist 


'  Zu  den  oben  genannten  Blättern  kommen  nocli  liinzu:  A  Aurora  1845;  A  Harpa 
do  Mondego   1855;   Revista  Academica   l8ö5;   Chrysalida   I863   11.  a.   m. 

*  Escliola  de  Covnbra  oder  Eschola  Coimbrä,  weil  ihre  Häupter  und  Truppen  vor- 
wiegend der  Studentenschaft  angehörten,  während  die  Anhänger  Castilho's,  gegen  den 
sie  sich  erklärte,  meisthin  schon  in  Lissabon  in  Amt  und  Würden  waren.  Doch  ist  die  Be- 
zeichnung keine  völlig  passende.  Es  handelt  sich  weder  um  eine  Schule,  noch  um  eine 
auf  Coimbra   beschränkte  Reformbewegung. 

*  Nach  Gar  re  tt's  Tode  und  H  er  cul  a  n  o's  Rücktritt  war  die  Führerschaft  in  der 
portug.  Litteratur  an  Castilho  übergegangen,  doch  wuchsen  ihm  die  Strönmngen  und 
Strebungen  der  jungen  Generation  bald  über  den  Kopf.  Er  griff  ungeschickt  lobend  und 
tadelnd  ein.  Schon  als  er  1861  die  Universitätsstadt  besuchte,  begann  man  an  seinen  .Äusse- 
rungen zu  mäkeln.  Als  er  dann  1863  in  der  entl'.usiastischen  Vorrede  zu  dem  antispanischen, 
erzählenden  hübsctien Poem Z)._7a_j/»«^  seines  Lieblings  T ho maz  Ribeiro,  dieses  »patriotische« 
Werk  auf  Kosten  der  Lusiaden  pries,  luid  unter  anderem  behauptete  »nenhtim  bom  poeta  dos 
nossos  dias  ainda  que  inferior  a  Camoes,  se  resignaria  a  assignar  como  sna  tinia  unica  estancia 
inteira  de  todos  os  10  Cantos  dos  Lusiadas«  (Conversafäo  preambular  p.  CXI,  vom  1 1 .  Sept. 
1862).  da  protestierte  der  grösste  der  jeweiligen  CoTmbraner  Lyriker  Joao  de  Dens  (im 
Bejense  IH,  No.  150).  Und  damals  sowie  in  den  unmittelbai-  folgenden  Jahren  gingen  einige 
Jünglinge,  unbekümmert  um  den  »Ponti/ex  maximus  der  NationallitteraturA  schon  neue  Wege; 
in  Coimbra  Anthero  de  Quental.  der  Dichter-Philosoph  mit  seinen  ersten  21  Sonetten 
(1861);  dem  Poem  Beatriz  {\^bz) :  Fiat  lux  (  1863)  und  Ödes  Modernas  (gedr.  l86,=S),  sowie 
T  h  e  o  p  h  i  1  o  B  r  a  g  a  ,  der  im  Sinn  imd  in  den  Formen  der  Legende  des  stecles  in  seiner  Visa) 
dos  tempos  (1864)  und  in  den  Tempestades  Sonoras  (1864)  weltgeschichtliche  Themata  anzu- 
schlagen unternahm  und  in  Porto  Custodio  Jose  Duarte  nebst  Guilherme  Braga, 
auch  in  hugueskem  Geschmack.  Gegen  die  beiden  ersten  wendete  sich  Castilho  (von 
Privatbriefen  abgesehen)  zuerst  und  öffentlich  in  einer  Carla  litteraria  vom  27.  Sept.  1865,  in 
der  das  gutgesinnte  aber  herzlich  mittelmässige  »Poema  da  Mocidade«  von  Pinheiro  Chagas 
übermässig  gefeiert,  die  nebulosidade  und  der  sogenannte  germanismo  der  espiritos  noveis  hin- 
gegen bespöttelt,  und  auf  diese /^(^r^.r  tnancebos  der  Satz  gemünzt  wird  »pelas  alturas  em  que 
7>oam  confesso  humilde  c  envergonhado  qtu  muito  potico  enxergo  ni'm  atino  para  onde  väo  -nem 
assento  0  que  serä  d'elles  aßnal.<-   Braga   zeigte  A.   de  Quental  diese  Angriffe,   wie  er  er- 


378    LriTERATURGESCHICHTE    DER  ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    4.    PORT.    LiTT. 

der  Empörung  verlieh,  von  1864  5  an,  den  lyrischen  Dichtungen  neue  Energie 
und  eine  philosophische  Färbung,  und  den  Prosaschriften  die  mannhafte  Sprache 
wirklich  fester  Überzeugungen,  die  durch  wissenschaftliche  Arbeit  selbst  erworben 
sind  und  darum  des  rhetorischen  Aufputzes  der  Ultraromantiker  entraten  können. 
Der  denkwürdige  Kampf  der  Eschola  de  Coimbra ,  die  auf  ihre  Fahne  die 
Worte  »Bofft-senso  e  Botn-gosto«  schrieb,'  entbrannte  1865.  Der  zerstörenden 
Thätigkeit,  welche  ihre  kurze  Sturm-  und  Drang-Periode  charakterisiert,  folgte 
bald  die  aufbauende.  ^  Ihr  dankt  man  die  streng  sachliche  Erforschung  des 
nationalen  Romanzen-Lieder-  und  Märchenschatzes ;  die  Einführung  der  Sprach- 
wissenschaft und  Sagenforschung;  die  kritische  Untersuchung  der  nationalen 
Kunst;  das  Studium  der  alten  Litteraturwerke ;  die  wissenschaftliche  Behandlung 
der  heimischen  Litteratur.  Eine  Neugestaltung  der  Poesie  im  Sinne  gedanken- 
reicherer und  umfassenderer  Verwendung  allgemein  menschlicher  und  welt- 
geschichtlicher Probleme  blieb  auch  nicht  aus.  Viele  Namen  könnten  rühmend 
erwähnt  werden.  ^  Doch  ist  es  besser  solche  vorzeitige  Ruhmrederei  zu  ver- 
meiden, mit  der  die  Nachwelt  oft  nicht  einverstanden  ist.  Nur  eines  sei 
gesagt,  dass  sogar  die  eigentliche,  alte  Herzens-  oder  Liebeslyrik  durch  den 
grossen  Dichter  Joäo  de  Deus  einen  neuen  Aufschwung  genommen  hat: 
Rückkehr  zum  kamonianischen  Geist,  erneute  Berücksichtigung  der  wahrhaft 
volkstümlichen  Formen,  und  eine  seltene  Spontaneität  und  ungesuchtc  Vollendung 
im  sprachlichen  Ausdruck  zeichnen  seine  Dichtungen  aus.  "^    Die  kritische  und 


zählt  {Modernas  Ideias  II  p.  969).    Letzterer  eröffnete  nunmehr  den  Kampf  gegen  Casti  1  h  o's 
verjährte  Geschmacksrichtung. 

'  Das  ist  der  Titel  der  ersten  in  3  Monaten  3  mal  gedruckten  Streitschrift,  mit  welcher 
A.  de  Quental  die  Coimbraner  P'rage  einleitete.  Es  folgten  gegen  59  weitere  üpuskel, 
z.  T.  ernste  und  würdige,  z.  T.  übertriebene  und  unehrerbietige,  z.  T.  grobhurleske  Schriftchen. 
Ihre  Titel  findet  man  bei  Inn.  da  Silva  VIII  p.  404 — 418,  wie  auch  in  den  Modernas 
Ideias,  (nebst  Auszügen)  doch  ist  die  Darstellung  daselbst  weder  klar,  noch  unparteiisch. 
Nachspiele  dieses  Kampfes  waren  die  schon  erwähnte  Faust-Frage  ( 1872/73 j  und  die 
Empörung  gegen  Herculano  (1874/75).  auf  die  gleichfiills  sciion  hingewiesen  ward.  Was 
die  jungen,  wenig  katholischen  und  noch  weniger  monarchischen  Arbeiter  und  Denker,  in 
denen  das  Studium  moderner  deutscher  und  franz.  Philosophie,  Dichtkunst  und  Wissenschaft, 
[Hegel  und  C  o  nite;  G  oe  the  und  He  i  ne;  V.  Hugo,Quinet,Michelet,  Proudhon 
etc.  I  eine  revolutionäre  Gährung  hervorgebracht  hatte,  leisteten  und  leisten,  das  verdient  un- 
bedingt Achtung  und  Bewunderung.  Zum  ersten  Male  tiat  die  Lyrik  als  Schwester  der 
Philosophie  auf  (in  A.  de  Quental's  herrlichen  Sonetten);  das  eintönige  Liebesmotiv 
ward  verlassen,  und  Geschichte,  Sage.  Religion  und  Wissenschaft,  kurz  Gedanken,  Probleme 
und  Ideale,  bildeten  den  Gegenstand  für  dichterische  Behandlung.  Von  einheitlicher  Richtung 
ist  jedoch  natürlich  nicht  die  Rede:  neben  Pessimisten  stehen  Positivisten :  neben  Sozialisten 
und  Naturalisten  einige  Symboliker;  neben  Satanikern  und  Parnassiern  noch  Nachläufer  der 
Romantik  und  sogar  Bukoliker. 

*  Braga  denkt,  wie  der  Schluss  des  Aufsatzes  zeigt,  in  erster  Linie  an  die  statt- 
liche Zahl  der  von  ihm  selbst  verfassten  Werke  über  Litteratur,  Geschichte,  den  Positivis- 
mus Comte's,  dessen  eifrigster  Vertreter  er  in  Portugal  ist;  dann  aber  auch  an  die 
Mitarbeiter  der  Bibliographia  Critica  (1875),  d.  h.  an  Coelho's  sprachwissenschaftliche 
Arbeiten  und  an  die  kunstgeschichtlichen  Forschungen  von  Joaquim  deVasconcellos. 

*  Über  die  Dichter  Jung-Portugals  findet  der  Leser  einige  Nachrichten  in  der  Revista 
de  Portugal,  1889  Bd.  I  p.  1  :  A  litteratiira portugiieza  contemporanea  vonMoniz  Barretö; 
und  in  der  Revista  Occidental  \'i^~th,  Bd.  I .  Os  poetas  da  escola  7tova  sqw  0\'\s  ^\.x  ■A}A?>.\\.\.r^%\ 
ferner  bei  v.  Rein  ha  rdst  oet  tn  er:  Portugals  neuere  Lyrik  in  Aufsätze  und  Ab/iandlungen 
1887;  Maxime  Formont,  Le  mouvement  pokiquc  conte77iporain  en  Portugal,  Lyon  l893. 
Candido  de  Figueiredo,  Homens  e  lettras,  188I;  und  in  der  Zeitschrift  tiA  Renas- 
ccnga'i.  1880.  Die  -»Polha-^  war  von  1 868 —73  das  Haupt-Organ  der  Dichtenden  (5.  Serie); 
die  »Harpai.  von  1873  —  76.  Ausgewählte  Gedichte  bieten  Braga 's  Parnaso  Portuguez 
Moderno  1877  und  in  Obersetzungen  VV.  Storck's  Anthologie:  Aus  Portugal  und 
Brasilien   1892. 

*  Ül)er  Joäo  de  Deus  |Nogueira  Ramos],  den  seit  1 855  schaffenden  Verfasser 
der  Flores  da  Campo  (1869),  Ranio  de  Flores  (1875)  und  ungesammelter  ^Despedidas  de  veräv'', 
den  der  Italiener  Canini  mit  einiger  Übertreibung  il priino  poeta  d'atnore  und  Braga  sogar 


JUNG-PORTUGAL  :    COIMBRANER    ScHULE.  379 

wissenschaftliche  Thätigkeit  der  Coimbraner  Schule  hatte  ihre  Adepten  vor- 
zugsweise der  deutschen  Wissenschaft  genähert,  wie  aus  den  Abhandlungen 
der  Bibliographia  Critica  erhellt.  Ein  philosophischer  Rückblick  auf  die  Ge- 
samtentwickelung der  Littcratur  dieses  kleinen  romanischen  Reiches  zeigt  jedoch, 
dass  Portugal  stets  in  innigeren  Beziehungen  zu  Frankreich,  dem  grossen 
geistigen  Mittelpunkt  der  lateinischen  Staaten,  gestanden  hat,  und  stehen  muss. 


ERGÄNZUNCJEN  UND  NACHTRÄGE. 

Zu  S.  140  ^  14.  Wie  Anm.  5  auf  S.  344  angiebt,  erstreckt  meine 
selbständige  Darstellung  sich  nun  doch  bis   zum  Schluss  der  dritten  Periode. 

Zu  S.  141  Z.  31.  Der  Verfasser  der  Bibl.  Hist.  heisst  Jorge  Cesar 
de  Figaniere.  —  Nachzutragen  sind:  M.  Kayserling,  Bibliotheca  Espanola- 
Portugueza - Judaica ,  Strassburg  1890;  und  Manuel  Bernardes  ßranco, 
Portugal  e  os  Estrangeiros,  Liss.  1893.  Auch  in  dieser  Neuauflage  (die  erste 
erschien  1879  in  2  Bänden)  wird  dem  Leser  ein  Chaos  von  brauchbaren  und 
völlig  unbrauchbaren  Notizen  und  Titeln  geboten  ;  die  fremdsprachigen  meist 
in  entsetzlicher  Verstümmelung. 

Zu  S.  143  Z.  10.  Dass  die  Einteilung  der  portug.  Litteratur  in  Epochen 
nur  die  Dichtkunst  berücksichtigt,  und  dass  die  Abschnitte  in  der  Entwickelung 
der  Prosa  andere  sind,  wird  auf  S.   207   noch  ausdrücklich  betont. 

Zu  S.  160.  Zur  Volkskunde  gehören  noch:  Ettore  Toci,  Lusitania, 
Canti  popolari  portoghesi  {tradotti  ed  annotati),  Livorno  1888;  A.  Thomas 
P i r e s ,  Cancioneiro  populär  poliüco,  Elvas  1890;  und  Max  Waldstein,  Volks- 
lieder der  Portugiesen  und  Catalanen  in  freien  Nachbildungen,  München  1865. 

Zu  S.  162  Z.  16.  Aus  losen  Bemerkungen  in  Schriften  von  Leite  de 
Vasconcellos  (Poesia  Amorosa,  p.  72  und  Rev.  Lus.  I,  185)  geht  hervor, 
dass  er  die   »Reliquien«   für  unecht  hält  (wie  nicht  anders  zu  erwarten  war). 

Zu  S.  165  Anm.  2.  Ganz  neuerdings  hat  Oliveira  Martins  in  seiner 
Vida  de  Nun' alvares  (1893)  für  die  Echtheit  der  Condestavel-Lieder  eine  Lanze 
gebrochen,  da  Grund  und  Zwek  einer  Fälschung  unfindbar  seien.  Vergeblich. 
Der  Versuch,  die  Apokryphen  sprachlich  zu  reinigen,  legt  ihre  Mängel  erst 
recht  klar  an  den  Tag. 

Zu  S.  173  Z.  2.  Ausser  Raimbaut  de  Vaqueiras  und  Raimon 
Vi  dal  fügte  auch  noch  Bonifa  cio  Calvo  portug.,  und  nicht  kastilische, 
Verse  in  eines  seiner  Gedichte  ein.  Denn  ob  auch  Milä  (p.  201  —  202)  die 
betreffenden  Worte  dunkel  findet,  und  Appel  bemerkt,  es  könne  nicht  ohne 
weiteres  gesagt  werden,  welchem  transpyrenäischen  Dialekte  sie  angehören, 
so  sind  in  meinen  Augen  doch  unter  den  folgenden,  Alfons  X.  betreffenden 
Zeilen  aus  dem  mehrsprachigen  Sirventes:  Un  nou  sirventes  ses  tardar  [Mahn, 
Ged.  619,  nach  Hs.  J]  mindestens  fünf  (2 — 6)  unbedingt  portugiesisch: 


0  primeiro  lyrico  do  mundo  nennt,  unterrichtet  die  Rev.  de  Port.  1892  Bd.  I  und  Modernas 
Ideias  Bd.  II.  Dem  Dichter-Philosophen  A.  de  Quental,  der  uns  Deutschen  verwandter 
und  werter  ist,  wird  das  letztgenannte  Werk  nicht  gerecht.  Man  lese  über  ihn  die  schöne 
Autobiographie,  welche  die  deutsche  Übertragung  seiner  Sonette  (von  W.  Storck,  1889) 
begleitet. 


380  Ergänzungen  und  Nachträge. 

Mas  ieu  oug  a  maintos  dizer    [port.  wäre:   mas  eu   ou(  a  muitos  dizer] 

que  el  ttoH  los  quer  cometer 

si  non  de  menassas,  c  quen 

qer  de  guer'  ondrado  seer 

sei  eu  mui  bcn  qe  lli  conveti 

de  meter  hi  cuidad'  e  sen, 

euer  e  cors  aver  et  amis  (afrz.). 

Nach  Hs.    K.  Litteraturblatt   1888,  S.   539. 

Zu  S.  184  Z.  14.  Auf  den  galanten  Frauendienst  des  Königs  Alfons 
bezieht  sich  auch  Bonifacio  Calvo 's  Gedicht:  Enquer  cab  sai  chans  e  solatz. 
S.  Milä  p.   209. 

Zu  S.  18485  Anm.  6.  Auch  Vicente  Nogueira  kannte  das  Lieder- 
buch des  weisen  Königs.  Er  sagt:  »lo  vidde  assai  pezze  nelF  Escuriale :  e 
ci  sono  le  poesie  del  re  Alfonso  X  rAstronomo  eletto  re  de'  Romani  — 
scritte  in  lingiia  portoghese,  qiiae  tunc  in  deliciis  erat  —  ma  non  meritano  la 
fatica  di  copiarle.«     S.  Ztschr.  III  p.   32. 

Zu  S.  185  Anm.  i.  Die  Etymologie  cantigas  =  canticulas  sollte  mit 
einem  Fragezeichen  versehen  sein.  Vielleicht  ist  cantiga  auch  Ve'rbalsubstantiv ; 
(von  einem  volksmässigen  cantigar  wie  trova  von  trovar). 

Zu  S.  186  Anm.  3.  Auch  Francisco  Manoel  de  Mello  erwähnt 
die  üichterthätigkeit    des  D.   Dinis.     Er    schrieb   1665    an    den   Infanten  D. 

Dinis  se  lee  que  fue  poeta  celehre  en  su  tiempo. 
Vgl.  von  demselben  (Th.  Braga):  Os  poetas  cpicos^ 


Pedro  (II):  Del 
Zu  S.  205 

senor   D.   1 
Anm.  5. 

cap.    I. 

Zu  S.   211 
s.   Mem.  de  Litt. 

Anm.  8. 
Port.   I  p. 

Zu  S.   212 
und  266    von  F. 

Z.   7.     S. 

Esteves 

Über  die  portug.  Übersetzungen  der  Siete  Partidas 
266,   269,   283 — 86. 

Vida  de  S.  Aleixo,  gedruckt   nach  Codd.  Ale.   36 
in  Rev.   Lus.  I    p.   332 — 345;    eine   Übersetzung 
aus  dem  Lateinischen,  wie  die  übrigen  Heiligenleben. 

S.  214  Anm.  6.  Eine  kurze  Anzeige  des  Graal  von  Baist  enthält  auch 
Litthl.    1892,  C.   160. 

Zu  S.  234  Z.  12.  JudäNegro,  oder  genauer  D.  Juda  Ibn-Jachia 
Negro  war  der  Sohn  des  D.  David  Ibn-Jachia-Negro,  der  seit  1384  als 
Ober-Rabbi  der  kastil.  Juden  fungierte  und  1385  in  Toledo  starb.  Er  kam 
1 39 1  aus  Spanien  nach  Portugal,  wo  er  servidor  da  Rainha  D.  Filippa  ward. 
Über  die  vier,  von  den  an  D.  Martim  Affonso  d'Atouguia  gerichteten  pro- 
phetischen Ceuta-Gedichte  s.  Pisanus,  De  Bello  Septensi  (Ined.  I  p.  24): 
•»nemo  tarnen  praenovit  praeter  unum  jtidaeiim  cujus  nomen  Judas  Niger  ^r«/ 
qui  quatuor  carminibus  quasi  augurandi  scientiam  habuissct  Martin o  Alphonsö 
praenuntiavit«.  ■—  Vgl.  Acenheiro,  p.  209  (Ined.  V);  Kayserling,  Ge- 
schichte der  Juden  in  Portugal  p.  40.  43.  44  und  A.  de  los  Rios,  Hist. 
Jud.  II   278.      Dazu  Oliveira  Martins,  O  Condestavel  p.   145. 

Zu  S.  242  Anm.  i.  Noch  ein  drittes  portug.  Parallel-Strophen-Liedchen 
enthält  der  Cancioneiro  Musical:  No.  50  Minno  amor  tan  garrido  Firios  vuestro 
7narido;   Minno  amor  tan  lozano  Firios  vuestro  velado.   (sie!).   S.  p.  153,   Anm.  i. 

Zu  S.  242  Z.  6.  Noch  ein  erlauchter  Zeitgenosse  Santillana's,  ver- 
sichte eä,  portug.  zu  dichten.  Doch  ward  es  ihm  recht  sauer:  er  klagt  über 
die  y>grand  difcrencia  de  las  /alias«.  Um  1450  (noch  bei  Lebzeiten  Jo- 
hannas II.)  richtete  ein  Portugiese,  D.  Alvaro  (in  dem  ich  gerne  D.  Alvaro 
Cjonr^ales  de  Alcantara,  den  Hausgenossen  des  Infanten  D.  Pedro  erkennen 
möchte,  der  nach  Spanien  gesandt  ward,  um  des  Markgrafen  Werke  zu  holen) 
an  Gomez  Manrique  eine.  Frage,  in  tro7>a-¥orm  [4  Acht-Silbler-Strophen 
abab  ]  cdcdd]  in  portug.  Sprache,    auf  welche   jener  Magnat  pelos  consoantes 


Ergänzungen  und  Nachträge.  381 

und  natürlich  in  der  gleichen,  ihm  ziemlich  fremden  Zunge  antwortete.  Es 
gelang,  wie  gesagt,  nicht  allzugut.  Doch  so  kläglich  verstümmelt  wie  jetzt 
geschehen  [1886  im  Cancionero  deGomez  Manrique;  Bd.  II  S.  90 — 93]  brauchten 
die  beiden  Gedichte  nicht  geboten  zu  werden  ,  da  die  Varianten  es  in  fast 
allen  Fällen  auch  einem  Kastilianer  ermöglichen,  die  rechte  Lesart  herzustellen. 

Zu  S.  242  ^  85.  Zum  Beschützer  des  Minnesangs  macht  Bernardes 
Branco  den  König  D.  Joäo  I!  (S.  22  des  oben  zitierten  Bandes,  der  sich 
Segunda  Parte  nennt).  D.  h.  er  wiederholt,  ohne  Kritik,  einen  alten  Schnitzer 
von  Guinguene  (I  p.  283),  der  sich  seinerseits  wieder  auf  ein  y>Abrigi  chron. 
de  rHist.  d' Espagfic«^ ,  Paris  1777,  t.  I  p.  561  beruft.  —  »Ce  fut  cependant 
alors  qu'un  roi  de  Portugal,  Jea7i  /"',  s'avisa  d'envoyer  en  France  une  ambassade 
solenneile  pour  demander  au  roi  des  poctes  et  des  Chansonniers  provengaux  etc.i< 
Natürlich  handelt  es  sich  um  eine  Verwechselung  mit  dem  Könige  von 
Aragon. 

Zu  S.  250  Anm.  5.  Dass  Alfons  V.  den  Gomez  Manrique  vergeb- 
lich um  Einsendung  seiner  Dichtungen  ersuchte,  wird  von  Paz  y  Melia  in 
der  Einleitung  zum  Cancionero  Gomez  Manrique  berichtet  (I  p.   8). 

S.  254  Anm.  7.  Einige  unechte  Condestavel-Briefe,  von  denen  ich  ge- 
schwiegen hatte,  muss  ich  nun  doch  erwähnen,  da  Oliveira  Martins  sie  in 
seinem  Nun'alvares  wie  echte  historische  Dokumente  behandelt,  in  gutem 
Glauben  an  die  Lauterkeit  seiner  Vorgänger  Soares  da  Silva  (1730)  und 
Frei  Joseph  Pereira  de  Sant  Anna  (1745).  —  Die  angeblich  im  Karme- 
liter-Kloster befindlichen  »Originale«  der  auf  S.  185.  422.  423  abgedruckten 
Briefe  hat  1755  das  Erdbeben  vernichtet. 

Zu  S.  259  ^  loi.  Hier  ist  das  bedeutende  (1505  vollendete)  kosmo- 
graphische  Werk  des  Duarte  Pacheco  Pereira  nachzutragen:  Esmeraldo  de 
situ  orbis ,  welches  bei  Gelegenheit  der  Columbus-Feste ,  mit  schätzenswerter 
Einleitung  und  reichen  Beigaben  veröfientlicht  wurde  [Edifäo  conimemorativa 
da  descoberta  da  America,  Lissab.    1892]. 

Zu  S.  280  ^  114.  Histriones  und  niinii  werden  1309  in  der  Charta 
des  D.  Dinis  erwähnt,  welche  genaue  Verfügungen  über  die  Universität  ent- 
hält. Schauspieler  dürfen  weder  bei  den  Doktoren  noch  bei  den  Studierenden 
nächtigen  oder  essen.  S.  LeitäoFerreira,  Noticias  Chronologicas  p.  94 — 99. 
^   220. 

Zu  S.  280  Anm.  i.  Der  Aufsatz  von  Ducarme  im  Mus^on  1885  um- 
fasst  nur  14  Seiten:  p.   369  —  74  und  649—  56. 

Zu  S.  284  Z.  10.  Im  »Auto  da  Alma«  erkennt  der  Visconde  d'Ou- 
guella  das  Vorbild  zu  Goethe's  Faust! 

Zu  S.  285  Z.  32.  In  Äev.  Lus.  II  p.  340  deutet  Leite  de  Vas- 
concellos  an,  dass  er  sich  mit  der  Sprache  Gil  Vicente's  zu  beschäftigen 
gedenkt. 

Zu  S.  286  Z.  7.  Sowohl  die  ersten  8  Bühnenstücke  des  Juan  del 
Encina,  als  auch  die  nach  1496  von  ihm  verfassten  sechs  erschienen  in 
einer  Gesamtausgabe  von  Canete  und  Barbieri,  Teatro Completo,  Madr.  1893. 

Zu  S.  289  ^  120.  Eine  ausgezeichnete  kritische  Ausgabe  der  »Obras 
de  Christ&väo  Falcäo«-^  mit  Einleitung,  Varianten,  Anmerkungen  und  Exkursen 
verdanken  wir  nun  A.  Epiphanio  da  Silva  Dias,  Porto  1893.  Sie  ent- 
hält die  Kgloga  und  die  Carla.  Die  kleineren  Gedichte  hält  der  Herausgeber 
für  Schöpfungen  des  Bernardim  Ribeiro. 

Zu  S.  378  Anm.  4.  Nicht  die  seit  langem  verheissenen  »Despedidas 
de  veräo«.  sondern  eine  veränderte  Neuausgabe  der  älteren  Gedichte  von  Joäo 
de  De  US  erschien  unter  dem  Titel  »Campo  de  Floresx,  edifäo  authentica  e  de- 
finitiva  coordenada  por  Theophilo  Braga.     Liss.    1893. 


382  Berichtigungen. 


BERICHTIGUNGEN. 

S.  135  Z.  29  /.  einer  aragonesischen  Fürstin.  —  Das.  Z.  36  /.  Condestavel.  —  S.  137 
Z.  8  /.  dichterischen.  —  S.  140  Z.  34 /.  Tho  masin  a  Ross.  —  S.  146  Z.  53 -^^  Gualdino 
de  Campos.  —  S.  153  Z.  28  /.  zia  Serratia  —  S.  158  Z.  31  l-  Fabliaux.  —  S.  160  Z.  41 
l.  Mosarabes.  —  S  162  Z.  58  /.  Balbi  für  seinen  Essai  statistiqtte  und  die.  —  S.  163 
Z.  1  l.  äusserlich  gleich.  --  S.  163  Z.  37  /.  einsilbiges  nlia.  —  S.  164  Z.  37  /.  thatsäch- 
lich.  —  S.  165  Z.  46  /.  F.  A.  Coelho.  —  S.  166  Z.  41  l-  haben.  —  S.  168  Z.  15  l.  und 
oft  kommentierten.  —  S.  168  Z.  41  l.  I^ttras.  —  S.  173  Z.  31  /.  infatifoes  Ak.  —  S.  173 
Z.  42  /.  m'  avetz.  —  S.  177  Z.  9  l-  ist  :  als.  —  S.  180  Z.  52  /.  gedenken.  S.  §  44.  — 
S.  181  Z.  16  l.  Gallizier  (ohne'').  —  S.  181  Z.  56  l.  tro-que  —  S.  182  Z.  17  1.  Gon- 
zalez. —  S.  186  Z.  39  /.  Jahrhunderte.  —  S.  188  Z.  38  /.  Herculano,  Sousa's 
Hist.  —  S.  189  Z.  47  Vela-sohn.  —  S.  191  Z.  27  l-  Valladolid.  —  S.  192  Z.  46  /. 
malmaridada.  —  S.  197  Z.  48  /.  wiederherzustellen.  —  S.  198  Z.  33  /.  per  go  com  se 
serveix.   —   Das.  Z.  40  /.  ist  jedoch  geboten.   —    S.  201   Z.  34  /.  auf  Grund  dieses  dritten. 

—  S.  205  Z.  27  /.  hizo  fazer.  —  S.  2o6  Z.  3  /.  Jorge  Cardoso.  —  S.  207  Z.  40  /. 
Genesis.  —  S.  208  Z.  9  /.  A.  Historische  Schriften.  —  Das.  Z.  16  /.  «.  Wir  besitzen.  — 
S.  209  Z.  46  /.Lavana.  —  S.  211.  Z.  37  l-  Meslre  Alvaro.  —  S.  229  Z.  7  l-  Hermas, 
0  Pastor.  —  S.  241  Z.  50  /.  anderwärts.  —  vS.  243  Z.  47  /.  Hist.  Gen.  \\,  Mbn.  Lus.  — 
S.  244  Z.  8  /.  und  zwar  eine  trova.  —  S.  247  Z.  11  /.  im  Catu.  Geral.  —  S.  248  Z.  33 
/.  viele  mehr.  —  vS.  249  Z.  40  /.  Boletim  Bibl.  —  S.  252  Z.  38  /.  Univers.  —  S.  255 
Z.  44  /.  D.  Joliam.  —  S.  260  Z.  51  /.  Re-vista  de  Gerona.  —  S.  261  Z.  2  /.  ein,  und 
entfaltete.  —  Das.  Z.  3  musste.  —  S.  266  Z.  22  /.  Johann  Hl.  —  S.  269  Z.  50  /.  Miranda. 

—  S.  283  Z.  15  l.  erschienen.  —  S.  289  Z.  17  /•  1386—87.  —  Das.  Z.  ^^  l.  Wallfahrts- 
Villancico.  —  S.  298  Z.  32  1.  beschaulichen.  —  S.  302  Z.  11  /.  Dichter.  —  S.  327 
Z.  40  /.   Canzoniere.    —    S    327  Z.  48  /.  gleichartiger,  nur.  —   S.  328  Z.   14 /.  peninsularer. 

—  Das.  Z.  26  /.  rios  que  väo.  —  S.  334  Z.  28  /.  Vicente  Salvä.  —  Andere  kleine 
Unregelmässigkeiten,  die  leider  entschlüpft  sind,  wird  der  Leser  leicht  selbst  berichtigen. 


III.  ABSCHNITT. 


LITTERATURGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN 

VÖLKER. 


B.  DIE  LITTERATUREN  DER  ROMANISCHEN 

VÖLKER. 


5.  DIE  SPANISCHE  LITTERATUR 

VON 

GOTTFRIED    BAIST. 


EINLEITUNG. 

^berien  war  seit  Augustus  römisches  Land,  und  die  einheimischen 
|j  Litterarhistoriker  beginnen  ihre  Darstellungen  mit  Hyginus,  Portius 
Latro  und  andern  Lateinern  iberischer  Geburt  oder  Abkunft ;  Martial 
wird  dabei  als  besonders  national  hervorgehoben.  In  Wirklichkeit  schliessen 
sich  jene  dem  römischen  Tagesgeschmack  aufs  engste  an ,  entstammen  wohl 
der  Halbinsel,  aber  nicht  einmal  dem  kastilischen  Boden,  und  leben  in  der 
Hauptstadt.  Einzig  der  Name  Senecas  ist  im  späteren  Spanien  falschwährig 
volkstümlich  geworden.  Nach  Hadrian  finden  sich  solche  Auswanderer  nicht 
mehr.  Erst  mit  dem  Verfall  des  Reichs  und  aus  dem  Christentum  heraus 
entsteht  neben  der  zähen  provinziellen  Häresie  der  Priscillianisten  eine  pro- 
vinzielle Litteratur,  die  aber  diese  Bezeichnung  nur  insofern  verdient,  als  sie 
an  Ort  und  Stelle  Schule  macht,  nicht  nach  ihrem  Inhalt,  der  universal  bleibt. 
An  ihrer  Spitze  stehen  Juvencus,  dann  zwei  Männer,  die  für  das  gesamte  Mittel- 
alter von  allgemeinster  Bedeutung  geworden  sind,  der  hervorragende  Dichter 
Prudentius  und  Orosius,  der  Universalhistoriker.  Unter  der  Westgotenherrschaft 
erhielt  die  Geistlichkeit  eine  dominierende  Stellung ,  war  beflissen  die  Reste 
der  Überlieferung  zu  sammeln  und  nachzuahmen ;  der  Niedergang  der  Bildung 
war  nicht  ganz  so  tief  als  in  dem  benachbarten  Frankreich.  Dafür  fehlen 
hier  die  Keime  einer  neuen  politischen  und  poetischen  Entwicklung,  welchen 
wir  dort  begegnen,  gipfelt  die  Zeit  in  dem  sterilen  Wissen  Isidors,  im  Gegen- 
satz zu  der  lebenskräftigen  Barbarei  eines  Gregor  von  Tours.    Die  Beimischung 


384  Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  5.  Span.  Litt. 


neuen  Blutes  war  zu  gering  um  den  Marasmus  der  alten  Welt  zu  heilen, 
schon  die  Zahl  germanischer  Lehnwortc  blieb  eine  auffallend  beschränkte. 
Als  einziger  nennenswerter  Sonderbesitz  aus  dieser  Epoche  —  denn  Isidor 
beeinflusstc  das  Abendland  gleichmässig  —  ist  dem  späteren  Spanien  die  Lex 
Wisigothorum  geblieben,  das  römischste  und  uninteressanteste  der  Volksrechte. 
Auch  ihr  Einfluss  tritt  indessen  im  12.  Jh.  hinter  dem  französischer  Rechts- 
sitte zurück. 

2.  Musas  Schaaren  warfen  711  (bzw.  712)  ein  im  Innersten  vermorschtes 
Volkswesen  zu  Boden.  Die  Romanen  blieben  in  dem  grössten  und  kultivier- 
testen Teil  des  Landes  nur  mehr  als  eine  abhängige  Masse,  welche  unter 
wachsendem  Druck  Religion  und  Sprache  allmählich  (teilweise  sehr  rasch)  an 
ihre  Herrscher  verlor.  Ein  kirchliches  und  politisches  Auflodern  des  Selbst- 
bewusstseins  im  9.  Jh.  beschleunigte  zuletzt  nur  den  Prozess.  Als  die  Almo- 
haden  die  letzten  christlichen  Reste  zu  Übertritt  oder  Auswanderung  zwangen, 
waren  diese  bis  auf  Kultus  und  Recht  längst  vollständig  arabisiert,  selbst  an 
der  Nordgrenze,  wie  die  Mozaraber  von  Toledo  zeigen.  Der  Versuch  Simonets^ 
diesem  Bevölkerungselement  einen  erheblichen  Einfluss  auf  die  arabische  Lit- 
teratur  zu  vindicieren  geht  viel  zu  weit ;  es  hatte  wenig  zu  geben  und  noch 
weniger  wurde  von  ihm  genommen.  Auch  seine  Bedeutung  für  die  Ver- 
mittelung  geistigen  Austausches  vom  Orient  zum  Occident  darf  nicht  zu  hoch 
angeschlagen  werden;  unter  den  Übersetzern  des  13.  Jhs.  ist  kein  Mozaraber 
mit  Bestimmtheit  nachweisbar. 

3.  An  die  Stelle  der  Romanen  trat  ein  neues  fremdartiges  Volk,  eines 
der  ethnologischen  Adelsgeschlechter,  von  eminenter,  und  doch  sehr  begrenzter 
geistiger  Vorbildung  und  Entwickelungsfähigkeit.  Auch  hier  bewährte  es  die 
noch  heute  so  merkwürdige  Kraft  seines  Blutes,  prägte  trotz  seiner  Minderzahl 
der  Masse  von  Syrern,  Berbern,  Lateinern,  Slaven  den  einheitlichen  Stempel 
auf,  im  Guten  und  Schlimmen,  bis  es  im  11. — 12.  Jh.,  durch  die  Invasion  der 
afrikanischen  Bauern  überdeckt  wurde,  um  zuletzt  doch  wieder  durchzuschlagen. 
Die  Araber  brachten  eine  raffiniert  entwickelte  Kunstdichtung-  mit  sich,  deren 
Würdigung  und  Übung  ein  Kennzeichen  des  bessern  Mannes  war,  die  sich 
aber,  in  Sprache  und  Denkweise  von  den  vorislamitischen  klassischen  Vor- 
bildern abhängig,  der  Menge  entfremdete.  Seit  dem  10.  Jh.,  und  wohl  schon 
früher  nahmen  sie  auch  produktiv  an  der  Pflege  der  Wissenschaft  Teil,  wie 
sie  der  Islam  aus  der  syrisch  -  byzantinischen  Überlieferung  heraus  in  seiner 
Art  ausbildete.  Auf  das  spätere  kastilische  Schrifttum  vermochte  das  arabische 
nur  einen  bedingten  Einfluss  auszuüben.  Schon  die  tiefe  Verschiedenheit  im 
Wesen  der  beiden  Sprachen  stand  im  Wege;  obschon  es  bei  den  vielfältigen 
Berührungen  an  Zweisprachigen  nicht  fehlte,  musste  diesen  doch  das  Ver- 
ständnis der  Flexion  meist  verschlossen  bleiben,  wie  das  auch  im  fast  voll- 
ständigen Fehlen  der  Zeitworte  in  den  beiderseitigen  Entlehnungen  zu  Tage 
tritt.  Die  eigentliche  Kunstpoesie,  in  der  Heimat  selbst  nur  dem  Gebildeten 
zugänglich,  war  dem  Ausländer  so  gut  wie  ganz  verschlossen.    Dagegen  meinte 


*  Glosario  de  voces  ibericas  y  latinas  nsadas  entre  los  mozarabes,  Madrid  1888.  Vgl. 
bes.  p.  XLIII  ff. 

^  ?>q\\?^q.V.,  Poesie  und  Kunst  der  Araber  in  Spanien  und  Sicilien ,  2  Bde.,  Berlin 
1865.  Die  span.  Übersetzung  des  schönen  Buclies  (von  Valcra)  enthält  keine  neuen  Zu- 
gaben. Durchaus  zu  vergleichen  ist  auch  D  o  z  y  ,  Histoire  des  musulmans  d'Espagne,  Leyde 
1861  ;  deutsch  mit  einigen  Zusätzen  des  Verfassers  von  Baudissin,  Leipz.  1874.  Hamnier- 
Purgstalls  Litteraturgesch.  der  Araber  ist  unbrauchbar,  der  span.  Zweig  wird  von  den 
heutigen  Orientalisten  fast  ganz  vernachlässigt,  und  selbst  die  Geschichte  der  latein.  Über- 
setzungen ist  noch  wesentlich  dunkel.  An  der  „Übersetzerschule  von  Toledo"  ist  etwas 
richtiges,  aber  eigentlich  spricht  immer  nur  einer  dem  anderen  das  Wort  nach. 


Einleitung.    Arabische  Einflüsse.  385 

allerdings  Schack^  das  mehr  populäre  Muwaschaha  oder  Zadschal  in  einer 
kastilischen  Form  wiederzuerkennen,  die  seit  der  Mitte  des  14.  Jhs.  zahlreich 
bele^  ist ,  den  sogenannten  Villancicos  zugezählt  werden  kann ,  und  die  in 
der  Wiederkehr  des  Reims  eines  einleitenden  Themas  am  Strophenschluss 
besteht.  Die  Ähnlichkeit  ist  allerdings  frappant,  dabei  muss  aber  beachtet 
werden,  dass  die  gleiche  Form  sich  nicht  nur  bei  der  sizilischen  Dichterschule 
sondern  auch  in  den  provenzalischen  Dansas  wiederfindet  ^  und  sich  hier  un- 
gezwungen aus  einer  im  Einzelnen  verfolgbaren  Entwickelung  der  Tornada  er- 
klärt ;  dass  ihr  Vorkommen  im  Altfranzösischen,  wenn  vielleicht  nicht  direkt  zu 
belegen,  doch  durchaus  möglich  ist.  ^  Da  die  altkastilische  Poesie  im  Übrigen 
ganz  von  der  französisch -provenzalischen  abhängig  ist,  die  andalusische  vor 
ihrer  Entwickelung  schon  verstummt  war,  wird  man  die  Vorbilder  auf  jener  Seite 
suchen  müssen.  Oft  zitiert  wurden  zu  der  Frage  einige  Strophen  des  Archipreste 
de  Hita*,  die  indessen  kaum  etwas  anderes  besagen,  als  dass  im  14.  Jh.  in  der 
Guadarrama  jüdische  und  maurische  Tänzerinnen  (joglaresas)  ,  die  ausdrück- 
lich musikalisch  und  sozial  als  sehr  niederstehend  bezeichnet  werden,  ihr 
Publikum  durch  Tanzlieder  in  einem  gemischten  Jargon  ergötzten ,  den  bis 
ins  17.  Jh.  das  Theater  hier  und  da  kultiviert.  Einzig  bei  Petrus  Alphonsus 
in  der  Disciplina  clericalis,  also  an  sich  in  einem  exzeptionellen  Fall,  und  in 
der  von  Alfonso  X.  wiedergegebenen  Elegie  auf  Valencia  ^,  ist  die  Verwertung 
arabischer  Verse  gesichert;  selbst  die  Übertragung  von  Anekdoten  oder  Märchen 
von  Mund  zu  Ohr  bei  Juan  Manuel,  Conde  Lucanor  30,  41,  47  lässt  sich 
nur  in  auffallend  wenigen  anderen  Fällen  wahrscheinlich  machen. 

Um  so  bedeutender  ist  der  Einfluss  der  lehrhaften  Litteratur  gewesen. 
Mehrere  naturwissenschaftliche  Schriften  werden  im  13.  Jh.  direkt  übersetzt, 
vor  Allem  aber  eine  Reihe  didaktischer  Schriften  im  engeren  Sinn,  Sentenzen- 
sammlungen und  Rahmenerzählungen.  Freie  Nachahmungen  schlössen  sich  an 
und  leiten  hinüber  bis  zu  der  ausgebildeten  Novelle  des  16.  Jhs.  Mit  der 
Vermittelung  wurden  vorwiegend  jüdische  Gelehrte  beauftragt,  die  durch  ihre 
sprachliche  Stellung  dazu  berufen  waren,  und  sich  damals  selbst  beeiferten 
die  Werke  der  arabischen  Scholastiker  ins  Hebräische  zu   übertragen. 

4.  Das  eigentliche  arabische  Dichtungsgebiet  erstreckte  sich  nicht  über 
die  Guadarrama  und  den  mittleren  Lauf  des  Ebro  hinaus.  Der  Norden  wurde 
afrikanischen  Hilfsvölkern  eingeräumt,  in  den  Pyrenäen  begnügte  man  sich 
mit  nomineller  Abhängigkeit;  der  kantabrische  Küstenstrich,  die  Asturia  de 
Sta.  Juliana,  von  je  her  ein  trotzig  abgeschlossenes  Gebiet,  unterwarf  sich 
überhaupt  nicht,  und  nach  wenigen  Jahren  befreite  sich  das  eigentliche 
Asturien  unter  der  Führung  des  Goten  Pelagius.  750  vereinigten  sich  die 
beiden  Landstriche,  gleichzeitig  wanderte  die  Hauptmasse  der  Berbern  infolge 
von  Aufständen  und  einer  grossen  Hungersnot  nach  Afrika  zurück,  und  zwischen 
den  asturischen  Bergen  und  dem  Duero  erstreckte  sich  nunmehr  ein  fast  ent- 
völkertes Land,  das  die  Christen  unter  beständigen  Kriegszügen  von  beiden 
Seiten  in  den  folgenden  Jahrhunderten  okkupierten.  Das  Schwergewicht  des 
erstarkenden  Reiches  lag  zuerst  in  dem  neugegründeten  Oviedo,  dann  in  dem 
wieder  besetzten  Leon.  Hier  fuhren  Geistliche  fort  in  kunstvoller  National- 
schrift die  Lex  Wisigotorum,  Isidor,   die   span.  Canonensammlung,  Heiligen- 


'  1.  c.  II  120  ff. 

^  Vgl.  Römer,  Die  volkstümlichen  Dichtungsarten   der  apr.  Lyrik,    A.  u.  A.  XXVl 
S.  45  Anm. 

*  Vgl.   z.  B.    Bartsch,   Afr.    Romanzen  I,  23.  25;    den  Vüeli;    die    Couplets   coues 
(caudatz)  Rom.  XIII,  519.  527.  531.  XV,  322. 

*  1487  ff.  ed.  Jan  er. 

5  S.  Dozy,  Rech.  11»  Api).  XXIV. 
UrObbr,  (irundrtss.   IIb.  25 


386     LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    —    5.    SpAN.    LiTT. 

leben  und  weniges  andere  zu  kopieren  ^;  die  eigene  Produktion  war  ver- 
schwindend gering,  das  Wichtigste  an  ihr,  einige  Chroniken,  sind  äusserst 
dürftig.  Dafür  entwickelte  sich  aus  der  Besetzung  des  Neulandes  mit  Ange- 
hörigen der  eigenen  Nation,  der  Notwendigkeit  Ansiedler  heranzuziehen,  dem 
dauernden  Gegensatz  zu  den  Muhammedanern  eine  wehrhafte  Selbständigkeit 
und  Selbstachtung  auch  der  nichtadligcn  Gesamtbevölkerung,  die  dauernd  Recht 
und  Verkehr  bestimmte,  sich  in  den  bedeutendsten  Erzeugnissen  der  grossen 
Dramatiker  verkörpert,  und  noch  in  unserer  Zeit  zu  den  auffallenden  Charakter- 
zügen des  Landes  gehört. 

5.  Im  II.  Jh.  kam  das  herangewachsene  Reich  in  die  bedeutsamsten  Be- 
ziehungen zum  Westen  durch  die  Aufnahme  der  Cluniacenser  und  ihrer  Reform, 
zuerst  1022  in  Leyre  in  Navarra,  unter  Alfons  VI.  im  ganzen  Land;  selbst  der 
Heckenbischof  des  Poema  del  Cid  behält  seine  fremde  Nationalität.  Von 
Rom  unterstützt  bestrebten  sich  diese  die  Reste  westgotischer  Tradition  zu 
Gunsten  der  kirchlichen  Einheit  zu  entfernen.  Auf  dem  Konzil  von  Leon 
(um  1090)  ward  nicht  nur  der  ältere  Beschluss  auf  Abschaffung  der  ererbten 
Liturgie  zu  Gunsten  der  gregorianischen  wiederholt,  sondern  auch  befohlen, 
dass  die  Schreiber  die  fränkische  Minuskel  an  Stelle  der  Nationalschrift  ge- 
brauchen sollten.  Um  dieselbe  Zeit  sind  zahlreiche  fränkische  Ansiedler  2  in 
eroberte  und  neugegründete  Städte  aufgenommen  worden ;  französische  Rechts- 
sitte'^  ward  den  etwas  andersartigen  Verhältnissen  aufgezwungen  und  angepasst, 
zahlreiche  Lehnworte  treten  auf.  Der  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  Abend- 
land wird  hergestellt,  der  geistige  Einfluss  Frankreichs  massgebend. 

6.  Die  Wirkung  äussert  sich  zunächst  in  der  Neubelebung  der  latei- 
nischen Geschichtsschreibung.  Von  den  drei  Verfassern  der  wichtigsten  Chronik 
des  12.  Jhs.,  der  Historia  Compostellana  (s.  II  i,  289)  ist  Hugo  sicher,  Bernardus 
wahrscheinlich  B'ranzose.  Auch  die  nie  ganz  verlorene  Verskunst  tritt  in  den 
Dienst  der  Historie,  wie  in  dem  Hymnus  auf  den  Cid  (s.  II  i,  407)  und  dem 
Fragment  einer  Chronik  Alfonsos  VII.  (s.  II  i,  316).  Die  kirchliche  und 
gelehrte  Litteratur  ist  zunächst  noch  schwach  vertreten.  Besondere  Beachtung 
aber  verdienen  zwei  Prosaschriften  *,  welche  Hauptrichtungen  der  späteren  Er- 
findung repräsentieren,  die  Disciplina  dericalis  (s.  II  i,  21 6)  und  das  Liber  Jacobi. 

Der  1106  in  dem  10  Jahre  vorher  eroberten  Huesca  getaufte  Jude  Petrus 
Alfonsus,  der  auch  eine  Verteidigung  seiner  Bekehrung  in  Dialogform  kleidete, 
vereinigt  in  der  Discipl.  der.  eine  Sammlung  von  Sentenzen  und  Apologen 
aus  überwiegend    orientalischen  Quellen    in   einem  Gespräch    zwischen   Vater 

*  Vgl.  T  a  i  1  h  a  n  in  C  a  h  i  e  r ,  Nouveaux  Melattges  IV  217  ff. ;  Pertz,  Nettes  Archiv 
VI  290. 

^  Sie  lieissen  (in  Sahagun,  Toledo  etc.)  schlechthin  Franci,  eine  Bezeichnung,  welche 
auch  Provenzalen  meinen  könnte  und  in  Wirklichkeit  noch  manche  andere  BevöiUerungs- 
elemente  einschliessen  mag.  Dass  sie  vorwiegend  Nordfranzosen  waren  ergiebt  sich  aus 
den  historisch  bezeugten  Hilfsziigen  solcher  nach  Spanien,  denjenigen  die  Dozy,  Rech. 
II'  332  als  Normannenzüge  zusammengefasst  hat,  die  aber,  wie  jener  von  Barbastro  (1065), 
der  Rotrous  de  Perche  (1II4),  sich  nicht  allein  aus  der  Normändie  rekrutierten.  Hinzu- 
zufügen ist  der  des  Eble  von  Roucy  (1073J,  welcher  durch  seine  Verschwägerung  mit 
Robert  Guiscard  freilich  auch  wieder  mit  den  Normannen  zusammenhängt.  Die  Normannen- 
einwanderung  in  Italien  entsprang  aus  dem  Wallfahrten  nach  Monte  Gargano  und  dem  heiligen 
Land,  die  nach  Spanien  aus  der  nach  Santiago :  das  Liber  yacobi  zeigt  vorwiegenden  Zufluss 
von  Nordfranzosen  zu  dem  Heiltum.  Er  genügte  um  auch  eine  friedliche  Immigration  zu 
fördern.  Gleichwertige  Hinweise  auf  die  Provence  sind  nicht  vorhanden,  wenn  diese  auch 
nicht  unbeteiligt  war. 

*  Sie  wurde  von  Munoz  y  Romero  in  Spanien,  von  Ficker  in  Deutschland 
sehr  zu  Unrecht  als  westgotische  i'radition  aufgefasst. 

*  Hrsg.  V.  Schmidt,  Berlin  1827,  mit  sehr  respektablen  Anmerkungen;  1824  von 
der  Soc.  des  biblioph.  fr  an  9.  zugleich  mit  einer  der  fr.  Versionen.  Über  eine  kastil. 
iJbersetzung  s.   Aiuador  de  los   Rios,   Hist.  crit.   II   294. 


Beziehgn.  z.  Westen.  I.  Periode  u.  franz.  Einflusses.  Anf.  d.  Vulgärspr.    387 


und  Sohn,  die  erste  abendländische  Rahmenerzählung,  mit  allerdings  sehr  un- 
vollkommener Einfassung.  In  Spanien  ist  sie  später  weniger  gelesen  worden 
als  anderswärts,  doch  lassen  sich  Spuren  ihrer  Kenntnis  auch  hier  nachweisen. 
Das  Liber  Jacobi  ward  gegen  1140  in  Compostella  angefertigt  um  den  Ruhm 
und  die  Ansprüche  des  Wallfahrtsortes  zu  fördern  und  den  Pilgern  als  eine 
Art  Bädeker  zu  dienen;  sein  4.  Buch  ist  der  berüchtigte  Fseudoiurpin^  (s. 
II  I,  320),  in  welchem  die  Chanson  de  Roland  den  Lokalinteressen  dienst- 
bar gemacht  wird,  in  dem  5.,  einem  Itinerarium,  zeigt  sich  die  Rolandssage 
in  Roncesvalles  im  Detail  lokalisiert.  Auf  Spanien  selbst  war  die  Fälschung 
nicht  berechnet  und  hat  hier  keine  rechte  Wurzel  gefasst;  nur  die  Jakobs - 
wunder  aus  dem  2.  Buch  verbreiteten  sich.  Aber  sie  darf  als  das  älteste 
Zeugnis  des  Eindringens  französischer  Dichtung  in  Spanien  hervorgehoben 
werden.  —  In  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jhs.  treten  dann  die  ersten  Denk- 
mäler der  Volkssprache  auf,  im  Fuero  de  AviUs,  dem  Poetna  del  Cid  und  viel- 
leicht auch  dem  Misterio  de  los  Reyes  Magos. 


I.  VON  DEN  ANFÄNGEN   BIS  AUF   PEDRO  I.     PERIODE   DER   ALT- 
FRANZÖSISCHEN EINFLUSSES. 

|an  verstand  den  Prediger  nicht  mehr,  der  statt  des  gewohnten  barbari- 
schen Verkehrslateins  das  restaurierte  der  Karlsschule  mit  der  gelehrten 
Aussprache  auf  die  Kanzel  brachte;  ein  Konzil  schreibt  daher  vor  romanisch 
zu  predigen,  und  der  Geistliche  konzipiert  nun  auch  romanisch.  So  tritt  in 
Frankreich  die  Volkssprache  in  die  Schrift.  In  Spanien  besitzen  wir  als  direkte 
Belege  des  Vorgangs  nur  Urkunden,  darunter  neben  mehr  oder  minder  schlecht 
lateinischen  eine  beträchtliche  x^nzahl  jener,  die  lediglich  erstarrte  lateinische 
Phrasen  in  nur  äusserlich  lateinisch  verkleidete  Volkssprache  mischen.  Der 
Übergang  zum  Spanischschreiben  war  technisch  durchaus  vorbereitet,  wurde 
noch  gefördert  durch  die  Existenz  der  französischen  Schrift,  aus  welcher  man 
das  Zeichen  ch  entnahm.  Immerhin  meinen  noch  Dinge  wie  »<?/  de  feridas 
et  de  Chagas  et  de  lanzadas  .  .  .  qui  los  corrir  0  qtii  ferir  o  gut  los  matar^ 
etc.  im  Fuero  de  Castrotorafe  (1129)2  ungefähr  lateinisch  zu  sein. 

Das  Bewusstwerden  des  Unterschiedes  dürfte  auch  hier  mit  einer  Steige- 
rung der  durchschnittlichen  Schulbildung  in  Folge  der  kirchlichen  Reformen 
zusammenhängen,  die  sich  allerdings  erst  im  13.  Jh.  entschieden  bemerkbar 
macht,  sich  zunächst  z.  B.  auf  die  Forderung  der  Artikulation  des  auslautenden 
/  und  Ähnliches  beschränken  konnte.  Der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jhs.  gehört 
das  älteste  entschlossen  vulgärsprachliche  Dokument  an,  das  Stadtrecht  von 
AviUs,  im  westasturischen,  dem  gallizischen  nahestehenden  Dialekt  seiner  Hei- 
mat, dem  Datum  nach  von  11 55.  Aureliano  Fernandez-Guerra^  hat  seine 
Ächtheit  bestritten,  es  dem  Jahre  1274  zugeschrieben,  in  welchem  Alfonso  X. 
es  bestätigte.  Seine  ganze  Beweisführung  wird  jedoch  dadurch  hinfällig,  dass 
die  Hs.  dem  12.  Jh.  angehört.  Derartige  paläographische  Imitation  ist  aber 
in  den  Fälschungen  des  Mittelalters  nicht  belegt,  weil  sie  der  damaligen  Diplo- 


*  Zuletzt  hrsg.  v.  Castets,  Paris  1880;  vgl.  Dozy,  Recherches  II*  372;  Romania 
XI,  426.  Das  Itinerarium  edierte  F.  Fita  u.  d.  T.  Le  Codex  de  St.  yaques  de  Compostella, 
Paris  1882;  andere  Bruchstücke  des  Ganzen  s.  A.  SS.  25.  Juli;  Bibliot.  patrum,  Colon,  t. 
XV,  Suppl.,  p.  328. 

-  Munoz  y  Romer o,  Coleccion  de  Pueros  municipales,  Madr.  1847,  S.  480.  Ahn- 
liches a.  d.   11.  — 12.  Jh.  z.  ß.  ib.   171,  222,  273,  28l,  332,  394.  415,  451. 

*  El  Fuero  de  Aviles  (Madrid,  Akademie)  1865.  Seine  sprachgeschichtlichen  Argu- 
mente sind  durchaus,  die  historischen  teilweise  unhaltbar,  aber  es  bleiben  allerdings  Zweifel 
bestehen,  ob  Alfonso  VII.  wirklich  die  Urkunde  ausgestellt  hat. 

25' 


388    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    5.    SpaN.    LiTT. 

matik  gegenüber  unnötig  war,  und  es  erscheint  ganz  unglaublich,  dass  sie  einer 
so  kurzen  zeitlichen  Differenz  gegenüber  angewendet  worden  sein  sollte.  Zu- 
dem würde,  wer  so  vollkommen  und  flüssig  die  Hand  nachzumachen  gelernt 
hatte,  sich  in  der  Sprache  nicht  geirrt  haben.  Das  Fuero  mag  unecht  sein, 
ist  aber  dann  nicht  all  zu  lange  nach  dem  Tod  Allonsos  VII.  angefertigt. 
Das  nahe  verwandte  Fuero  de  Oviedo,  angeblich  von  1145,  lässt  sich  bei  dem 
Verlust  des  Originals  nicht  sicher  beurteilen,  aber  neben  zweideutigeren  An- 
gaben ist  die  von  Yanguas  zu  beachten,  der  die  navarresische  Übersetzung 
des  Fuero  v.  Arguedas  (Munoz  329)  dem  Jahr  1171  zuweist  und  das  Fuero 
von  Zurita  v.  J.  11 80  (Burriel  S.  270).  Wenn  sich  vorläufig  erst  seit  1206^ 
weitere  rein  volkssprachliche  Urkunden  nachweisen  lassen,  kann  das  bei  der 
lückenhaften  Überlieferung  —  die  Nichtigkeit  des  vorigen  und  die  Aufklärung 
des  laufenden  Jahrhunderts  haben  in  dem  Urkundenmaterial  aufgeräumt  —  und 
der  ebenso  unvollkommenen  Untersuchung  des  Erhaltenen  nicht  zu  sehr  auf- 
fallen. Sicher  ist,  dass  die  königliche  Kanzlei  bis  auf  Ferdinand  d.  Heiligen 
ganz  oder  fast  ausschliessend  an  ihrem  Latein  festhielt,  ebenso  sicher  aber  dass 
in  der  2.  Hälfte  des  12.  Jhs.  die  Vulgärsprache  zur  Schriftsprache  erhoben 
war.  Das  ist  auch  für  die  poetische  Überlieferung  von  Bedeutung-,  berechtigt 
die  Annahme,  dass  das  XII.  Jh.  schon  Niederschriften  seiner  Epen  besass. 

A.  POESIE. 

8.  Wann  begann  man  romanisch  zu  dichten?  und  in  welchen  Maassen? 
Nur  die  Kinderverse  halten  ungefähr  gleichen  Schritt  mit  der  Sprache,  be- 
stimmen aber  nicht  das  Lied  der  Erwachsenen.  Die  kirchlichen  Hymnen 
blieben  lange  halb  verständlich  und  neben  ihrem  höheren  gestaltete  sich  ein 
niederes  Verkehrslatein,  das  im  Gedicht  ebenso  wie  in  der  Predigt  verbreitet 
sein  mochte.  Das  Lied  auf  den  h.  Faro  (s.  II,  i,  116)  gehört  hierher,  und 
selbst  der  Roland  bewahrt  noch  Formen  die  auf  jene  Tradition  zurückweisen. 
In  Spanien  lag  lange  Zeit  die  alte  Sprache  dem  Volk  nicht  viel  ferner  als 
später  dem  Castilier  das  Portugiesische;  es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  hier 
auch  im  Gesang  länger  lebendig  blieb  als  in  Gallien.  Da  also  die  zeitlichen 
Vorbedingungen  nicht  ganz  gleichartig  sind,  da  ferner  der  Verkehr  mit  dem 
Nachbarland  vier  Jahrhunderte  lang  vollständig  unterbrochen  war  und  der 
natürliche  Rhythmus  der  Sprachen  ein  verschiedener  war,  muss  es  überraschen, 
wenn  sich  hier  wie  dort  seit  dem  12.  Jh.  genau  die  gleichen  metrischen  Prin- 
zipien finden.  Auch  wenn  man  nicht  so  weit  geht  eine  längere  Zeit  voll- 
ständiger Sanglosigkeit  anzunehmen,  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  diese  ent- 
lehnt sind  und  eine  alteinheimische  Verskunst  verdrängt  haben. 

Über  die  Stärke  der  französisch -provenzalischen  Einwirkungen  auf  die 
altspanische  Dichtung  besteht  heute  kein  Zweifel  mehr.  Kastilien,  dem  im 
Osten  die  führende  Rolle  zufiel,  schloss  unter  den  in  ^  6  hervorgehobenen 
Einflüssen  sich  dem  französischen  Norden  an,  pflegte  die  epische  und  didaktische 
Dichtung;  selbst  was  es  direkt  aus  dem  Provenzalischen  übersetzt,  ist  im  alt- 
französischen Geschmack  gewählt,  erzählend  und  belehrend.  Wohl  wurde 
der  Troubadour  am  Königshofe  von  Alfonso  VIII.  bis  auf  Alfonso  X.  gerne 
gehört,  aber  seine  Kunst  schlug  keine  Wurzeln.  In  Gallizien-Portugal  spielten 
die  »Franken«  als  Einwanderer  keine  erweisbare  Rolle,  aber  die  provenzalische 
Kunst  fand  dort  Aufnahme  und  ausschliessende  Pflege^.  Diese  Scheidung  bestand 
schon  zur  Zeit  des  Misterio  und  Berceos,  war  in  Kastilien  bis  auf  Alfonso  XI. 
allgemein  anerkannt:  Alfonso  X.,  der  Meister  kastilischer  Prosa,  verfasst  seine 

>   Staatsvertrag  von  Cabreros,  im  leoues.  Dialekt,  Esp.  sagr.  XXXVI,  App.  63. 
^  S.  II,  2,   174.    Der  Verlegung  des  anfänglichen  Schwerpunkts  dieser  Dichtung  nach 
dem  Osten  kann  ich  nicht  l)eipflichten. 


Periode  d.  afr.  Einfl.    Poesie.    Anfänge.    Metren.  389 

Marienlieder  gallizisch  (S.  II,  2,  184),  Raimbaud  de  Vaqueiras,  um  spanisch  zu 
dichten,  bedient  sich  derselben  Sprache,  ebenso  im  13.  Jh.  BonifaciCalvo',  und  im 

14.  findet  es  Juan  Manuel^  nicht  auffällig,  dass  ihr  sogar  der  Refrain  eines  Spott- 
lieds auf  ein  rein  kastilisches  Ereignis  von  1259  angehört.  So  durfte  denn 
im  15.  Jh.  der  Marques  du  Santillana  bemerken:  non  a  mucho  tiempo  quales- 
quier  decidores  o  iroz'adores  destas  partes,  agora  fuesen  castellanos,  andaluces,  o 
de  la  Esiremadura,  todas  sus  obras  componian  en  lengua  gallega  o  portugesa. 
Alle  Erzeugnisse  dieser  Dichtungsgattung,  mit  Einschluss  der  volkstümlichen, 
gehen  auf  provenzalische  und  nebenbei  auch  altfranzösische  Vorbilder  zurück, 
nur  dass  dabei  dort  etwas  vernachlässigte  Formen  stärker  gepflegt  werden, 
die  Nachahmung  keine  sklavische  ist.  Das  gilt  ebenso  für  die  wenigen,  sämt- 
lich volkstümlich  gehaltenen  lyrischen  Stücke  des  Archipreste  de  Hita.  Im 
eigentlichen  kastilischen  Dichtungsbereich  treten  drei  Arten  der  Formgestaltung 
zu  Tage.  1.  Der  vierzeilige  gereimte  Alexandriner  (aaaa)  der  die  didaktische 
Dichtung  bis  zum  15.  Jh.  beherrscht,  der  y>curso  ritnado  por  la  quaderna  via<(. 
wie  ihn  Bercco  Alex.  2  nennt,  wobei  er  ihn  zugleich  als  eine  »grosse  Meister- 
schaft« bezeichnet,  eine  »nueva  maestria«^  wie  der  ebenfalls  noch  der  i.  Hälfte 
des  13.  Jhs.  angehörige  Apolonio  sagt:  eine  rein  französische  Form,  deren 
Verwendung  sich  zugleich  durchaus  mit  der  dort  gegebenen  deckt.  2.  Gepaarte 
S  und  6  Silbner,  zumeist  in  Übersetzungen,  aber  auch  in  mehr  selbständigen 
Produktionen.  Unter  den  Übersetzungen  durchbrechen  mehrere  des  13.  Jhs. 
die  Messung  des  Originals  wo  ihre  Beibehaltung  irgend  welche  Schwierigkeit  ver- 
ursacht, verlängern  und  kürzen  nach  Bequemlichkeit,  ohne  jede  rhythmische 
Empfindung.  3.  Die  assonierende  Tirade  im  Epos,  mit  streitigem  Versmass,  da  die 
beiden  einzigen  Denkmäler,  die  Cidgedichte,  spät  überliefert  und  stark  beschädigt 
sind,  thatsächlich  ganz  überwiegend  unregelmässigsteVerse  mit  scharf  hervortreten- 
der Cäsur  aufweisen.  Ernstlich  in  Frage  kommen  für  den  Versuch  einer  ein- 
heitlichen Rekonstruktion  nur  der  Zwölf- und  derVierzehnsilbner^  (nach  spanischer 
Zählung  der  14  und  16  Silbner).  Für  den  Zwölfer,  den  eine  erhebliche  Anzahl 
von  Versen  der  Hs.  des  Poema  del  Cid  aufweist,  und  der  sich  in  beträcht- 
lichem Umfang  ohne  Gewaltsamkeit  herstellen  lässt,  spricht  die  Wahrschein- 
lichkeit dass,  bei  dem  Gesamtverhältnis  zu  Frankreich,  die  strophenlose  Tirade 
von  dort  übernommen  und  nicht  gemeinromanisches  Erbteil  ist.  Es  ist  wenig 
einleuchtend,  dass  Strophenlosigkeit  und  Assonanz,  nur  halb  gestützt  durch  die 
lateinische  Reimprosa,  aber  im  Gegensatz  zur  Kirchenpoesie,  die  Araberzeit 
überwunden  haben  sollten.  Der  Vierzehner  ist  in  Frankreich  spät  und  selten, 
in  Spanien  tritt  er  in  lyrischer  Bindung  bei  Alfonso  X.,  lyrisch  und  als 
Vierzeiler    parallel   dem    Zwölfsilber    beim    Archipreste   auf,    um    dann   im 

15.  Jh.  die  assonierende  Tirade  der  Romanze  zu  bilden.  Er  liest  sich  glatt 
im  Poema  annähernd  eben  so  oft  als  der  Alexandriner,  lässt  sich,  als  der 
längere,  noch  häufiger  bequem  rekonstruieren.  Für  seine  durchgehende  Ur- 
sprünglichkeit ist  Cornu  mit  methodischer  Beweisführung  eingetreten"*,  hat  jeden- 
falls gezeigt,  dass  er  in  einer  beträchtlichen  Anzahl  von  Halbversen  nicht  hin- 
wegkorrigiert werden  darf.  Im  Rodrigo  tritt  er  stärker  hervor  als  im  Poema, 
wobei  es  aber  befremdlich  erscheint,  dass  dort  trotz  der  sonst  durchweg 
schlechteren  Überlieferung  gerade  das  Metrum  besser  erhalten  und  nicht  erst 
durch  die  Romanze  beeinflusst  sein  sollte.    Nimmt  man  aber  die  Cornu'sche 


*  Milä  y  Font  an  als,    De   los   trovadores   en  Espäha,  S.    132.     Mahn,  Werke  d. 
Troub.  I,  371 ;  Mario  Pelaez,  Di  un  sirventese-discordo  di  B.  C,  Genova  1891. 

^  Escritores  en  prosa  ant.  al  siglo  XV,  S.  2  60. 

'  Die  scheinbaren  Zelinsilbner  müssen,  auch  von  dem  hier  vertretenen  Standpunkt  aus, 
abgelehnt  werden. 

*  ^udes  romanees  dediees  ä  Gaston  Paris,  Paris  1891   S.  419  ff.    Rom.  XXII,  153.  531. 


39 O    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.  —    5.    SpAN.    LiTT. 

These  im  ganzen  Umfang  an,  so  braucht  der  Vers  darum  nicht  vorfranzösisch 
zu  sein.  Gerade  bei  der  Übertragung  von  Alexandrinern  musste  sich  sprach- 
lich das  Bedürfnis  nach  einer  Verlängerung  geltend  machen  und  hier  konnte 
der  in  der  Lyrik  aufgenommene  7  Silbner  eintreten,  den  Alfonso  gerne  braucht, 
der  oben  erwähnte  Refrain  zeigt,  und  der  Archipreste  in  Bindung  mit  dem 
Romanzenvers;  12  und  6  waren  gegeben,  man  konstruierte  14  zu  7.  Es 
lässt  sich  indessen  eine  wichtige  Aussage  über  die  frühspanische  Metrik  nicht 
überschlagen.  Die  schon  angeführte  Stelle  des  Berceo  lautet  vollständiger 
y>Fablar  curso  rimado  per  la  quaderna  via  A  sillauas  cimtadas,  ca  es  grant 
maestria«:.  Nie  hätte  ein  Franzose  auf  diese  Art  die  Silbenzählung  hervor- 
gehoben. Wir  dürften  über  das  Zeugnis  nur  dann  hinweggehen ,  wenn  die 
sonstige  Überlieferung  ihm  widerspräche,  aber  sie  stimmt  mit  ihm  überein. 
Die  silauas  contadas  sind  eine  nueva  maestria,  und  ein  mester  de  clerecia\  der 
ungeschulte  Dichter  findet  sich  mit  der  neuen  Weise  ab,  so  gut  es  ihm  eben 
gelingen  will,  und  es  dauert  ziemlich  lange  bis  das  Richtige  auch  notwendig 
erscheint;  noch  die  gereimten  Sentenzen  Don  Juan  Manuels  sind  aufrichtig 
ametrisch.  Wie  sich  im  erzählenden  musikalischen  Vortrag  damit  auskommen 
liess,  dafür  kann  der  Singsang  des  Chiste  bei  Inzenga,  Cantos  y  Baues  popu- 
läres de  Espana  S.  28  als  Beispiel  dienen.  Etwas  weiter  führt  uns  das  älteste 
spanische  lyrische  Gedicht,  das  gesungene  Wächterlied  bei  Berceo,  Duelo  da 
la  Virgen  178.  Der  Rechnung  mit  +  i  und  —  i,  die  für  die  umgebenden 
Alexandriner  ausreicht,  setzt  es  entschiedenen  Widerstand  entgegen,  und  setzt 
sich  dabei  von  selbst  in  Musik  um;  der  gleichen  Form  begegnen  wir,  sobald 
wieder  rein  Volkstümliches  auftaucht,  z.  B.  in  dem  zweizeilig  assonierenden 
galizischen  Tanzliedchen  Cando  0  crego  andaba  no  forno  in  Tirso's  Mari-Her- 
nandez.  Ein  ebenso  unfranzösisches ,  nach  gewöhnlichem  Sprachgebrauch 
»unromanisches«  Mass  taucht  dann  im  14.  Jh.  im  verso  de  arte  mayor  auf, 
mit  seiner  fakultativen  Silbe  am  Verseingang.  Nimmt  man  hinzu,  dass  sich 
noch  im  heutigen  Volkslied  ein  nie  untersuchtes  starkes  rhythmisches  Element 
bemerklich  macht,  so  sind  die  Kriterien  gegeben,  von  welchen  der  Versuch 
eines  Rückschlusses  auf   die  verlorene  urspanische  Dichtung    auszugehen  hat. 

I.    DAS    EPOS. 

9.  Als  Träger  der  volksmässigen  Dichtung  erscheint  in  Spanien  der 
joglar ,  im  gleichen ,  nicht  scharf  abgrenzenden  Gegensatz  zum  trovador  wie 
im  Westen  (Lehnworte  ebenso  wie  der  escolar)',  Berceo  Alex.  1798  teilt  die 
jograres  in  musikalische  ein  und  solche ,  die  Affen  und  Masken  führen ; 
Alfonso  X.  Part.  II,  5,  20  sagt,  dass  in  der  guten  alten  Zeit  die  Ritter  nur 
cantares  de  gesta  von  ihnen  hätten  hören  wollen,  bezeichnet  weiterhin  ihren 

f  '  iBeruf  als  infamierend.  Zuerst  erwähnt  werden  sie  im  Jahre  1144  {Chron. 
Alf.  VII.,  I,  37),  sind  aber  sicher  beträchtlich  älter.  Auch  die  joglaresa,  ^ 
allein  oder  mit  einem  musicieren den  Begleiter,  war  im  13.  und  14.  Jh.  häufig? 
Was  sie  sangen  waren  indessen  nur  zum  geringsten  Teil  französische  Stoffe. 
Die  Menschen  und  die  Zustände,  Denkweise,  Sitte  und  politische  Lage  waren 
dieselben  wie  jene,  aus  denen  die  Chansons  de  geste  erwachsen  sind,  die  ein- 
fache Kunstform  übertrug  sicii  wie  von  selbst  auf  die  einheimische  Sage.  Im 
spanischen  Heldenlied  des  12.  Jhs.  lebt  das  französische  des  10.  neu  auf,  in 
unniittelbaren ,  freien,  durchaus  nationalen  Schöpfungen.  Der  Urrifang  ist 
,  dyrch  die  engeren  heimischen  Grenzen ,   und  durch    die  iCürze    der  Zeit  be- 

'^cÜfänkt,  in  welcher  sich  die  ächte  Tradition  gehalten  hat;  sie  geht  nicht 
über  das  10.  Jh.  zurück.  Der  bedeutendste  Stoff"  ist  von  seiner  dichterischen 
Behandlung  nur  durch  einige  Jahrzehnte    getrennt.     Im  Verhältnis    zu  dieser 


Epos.    Karl  d.  Grosse  und  Bernardo  del  Carpio.  391 


Begränzung  ist  indessen  die  Entwickelung  eine  reiche  gewesen.  Unmittelbar 
erhalten  sind  allerdings  nur  die  beiden  Cidgedichte,  und  das  Lied  vom  Graf en 
Fernand  Gonzalez  in  Klerikerbearbeitung;  über  anderes  aber  geben  indirekte 
QiTellen*' Auskunft/ vor  Allem  die  Crdnica  general  de  Espaiia  Alfonsos  des 
Gelehrten,  eine  Schatzkammer  der  poetischen  Tradition  ihrer  Zeit.  Nur  mit  ^ 
grösster  Vorsicht  dürfen  die  Romanzen  des  15.  Jhs.  zu  Rekonstruktionen  be-'^"^ 
nutzt,  \yerden;  auch  in  den  sehr  wenigen,  die  vielleicht  nicht  von  den  Prosa- 
auflo'sürigen  abhängig  sind,  hat  sich  der  Inhalt  der  Cantares  zu  Einzelbildern 
aufgelöst,  bei  welchen  schon  das  Bedürfnis  der  Abrundung  eine  tiefgehende 
UmwanäKmg  bedingte.'f^^'^^  ^'^ 

10.  Karl  der  Grosse  und  Bernardo  del  CarpioJ  Schon  bei  den 
Invektiven  des  Monachus  Silensis^  (um  11 00;  s.  I^  i,  316)  gegen  Karl  und 
die  Franken  kann  man  sich  des  Gedankens  kaum  erwe^fifen,  dass  «eben  Ein-  ^.^^ 
hard  und  den  Annalen  auch  das  Rolandslied  seinen  patriotischen  Ärger  erregt  ^^'^^"''^^ 
habe,  wenn  er  es  auch  ebensowenig  nennt  als  den  Einhard.  Etwas  später  wird 
jenes  im  Pseudoturpin  verarbeitet,  ungefähr  gleichzeitig  nennt  das,  allerdings 
von  einem  Katalanen  verfasste,  Gedicht  auf  die  Eroberung  von  Abneria  (1147) 
Karl,  Roldan  und  Oliver  als  Vorbider  des  Heldentums.  Rodericus  Toledanus, 
De  reb.  Hisp.  IV,  10  (s.  II  i,  317)  nimmt  die  Polemik  des  Silensis  auf,  und 
spricht  sich  dabei  ausdrücklich  gegen  die  Spielleute  aus :  y>nonnulli  histrionum 
fabulis  inhaerentes  ferunt  Carolum  cwitates  plurimas  ...  in  Hispania  acqui- 
sisse  ...<?/  stratam  publicam  a  Gallis  et  Germania  ad  sanctum  Jacobum  recto 
itinere  direxisse« .  Diese  hatten  Karl  also  etwas  Neues  zugeschrieben ,  die 
Anlage  der  Pilgerstrasse,  die  dem  Pseudoturpin  fremd  ist,  von  ihnen  hatte 
Rodericus  auch  die  Meinung,  dass  Karls  Lebensthätigkeit  in  der  Bekämpfung 
der  in  Frankreich  eingedrungenen  Sarrazenen  bestanden  habe.  Ein  Portugiese 
oder  Gallizier  endlich  parodiert  geradezu  den  Turold,  die  10  Silbner  und  dasAoi, 
Lopez  de  Bayam,  in  der  Gesta  de  maldizer^.  Trotzdem  verfiel  der  Roland  der 
Vergessenheit;  schon  das  Gedicht  von  Fernan  Gonzalez  bezieht  seine  Karls- 
helden aus  dem  Pseudoturpin,  das  Schwert  Rolands  konnte  sich  in  einen/ 
Helden  Durindarte  verwandeln,  Olivero  und  Roldan  sind,  nach  Berceo  San 
Millan  412,  nicht  mehr  zusammen  genannt,  und  die  Rencesvalromanzen 
{Primavera  183 — 86)  beruhen  auf  sekundärer  Vermittelung.  Eine  Neubildung 
gelehrten  Ursprungs  drängte  sich  vor,  die  dem  Nationalgefühl  besser  zusagte, 
die  Geschichte  von  Alfonso  II.  und  Bernardo  del  Carpio.  Lucas  Tudensis 
(s.  II  I,  317)  und  Rodericus  erzählen  sie  (gegen  11 30)  unabhängig  von 
einander,  das  Foema  del  conde  fernan  Gonzalez  widmet  ihr  18  Strophen,  und 
die  Crdnica  general  vervollständigt  ihre  Vorgänger  nach  ausdrücklich  erwähnten 
Liedern,  wahrscheinlich  aber  zugleich  aus  einer  Prosachronik.  ■*  Die  Chroniken 
setzen  sich  dabei  mit  stark  abweichenden  Varianten  auseinander,  welche  den 
Gang  der  Entwickelung  noch  deutlich  erkennen  lassen.  Zunächst  hatte  man 
bei  Einhard  die  Angabe  über  Alfonsos  Beziehungen  zu  Karl  gefunden,  Grund 
genug  um  ihn  an  den  Siegen  des  Kaisers  unmittelbaren  Anteil  nehmen  zu 
lassen.  Dann  aber  brachte  es  die  chauvinistische  Abläugnung  irgend  einer 
Eroberung  oder  eines  Sieges  Karls  beim  Silensis,  der  Ärger  darüber,  dass 
sich  der  König  von  Oviedo  einen  Eigenmann  des  Kaisers  genannt  haben 
sollte  zu  einer  neuen  Version :  die  spanischen  Grossen  hinderten  ihren  klein- 
mütigen Herrn  sich  in  die  fremde|Lehnsherrlichkeit  zu  geben,  und  der  daraus 
folgende  Krieg   führte    zur  Niederlage    der  Franken    in  Roncesvalles.     Kaum 


'  Mifä,  cap.  III.,  Paris,  Hist.  poet.  cap.  X. 

2  Cap.   18.   19.  36.  37. 

'  Canzionere  della  Vaticana,  375. 

*  Milä;   107.     Cron.  gen.,  Zamora   1541,  fo.  225  —  28. 


392    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.     —     5.    SpAN.    LiTT. 


die  Erwähnung  eines  Bernaldus  de  Nublis  im  Pseudoturpin,  der  in  den  meisten 
Hss.  zum  Bernardus  wird,  eher  der  Bernard  des  Haager  Fragments,  vielleicht 
auch  unmittelbar  die  Beheimatung  an  dem  zweiten  der  grossen  Pyrenäenpässe, 
den  Portus  Asperi ,  zogen  einen  ziemlich  historischen  Grafen  Bernhard  von 
Ribagorza  in  das  Karlsheer  herein,  nachdem  ihm  schon  vorher  die  Lokal- 
geschichte mehrere  Maurensiege  vindiciert  hatte.  Weitere  Ausschmückung 
machte  ihn  zum  Sohn  einer  Schwester  Karls,  den  diese  auf  der  Compostella- 
fahrt  geboren  haben  sollte  und  vermengte  ihn  in  gelehrter  Konfusion  mit 
Karls  Enkel  Bernhard  von  Italien.  Dem  Fahnenwechsel  Alfonsos  musste  er 
notwendig  folgen,  man  liess  ihn  mit  diesem  die  Franken  bei  Roncesval  schlagen, 
und  nochmals  mit  Marsilies  in  seiner  eigentlichen  Heimat,  an  den  puertos  de 
Aspa.  Endlich  wird  er  zum  Schwestersohn  Alfonsos  statt  Karls ;  seinen  Vater, 
den  Grafen  von  Saldana,  der  ihn  in  geheimer  Verbindung  gezeugt  hat,  hält 
der  König  gefangen,  dieser  erzieht  den  Neffen,  der  für  ihn  gegen  Karl  und 
die  Mauren  kämpft,  bis  er  seine  Herkunft  erfährt  und  sich  empört  um  den 
Vater  zu  befreien.  Schliesslich  betrügt  der  König  Bernardo  indem  er  ihm 
für  seine  Burg  Carpio  die  Leiche  des  Grafen  ausliefert.  Es  ist  diese  letztere 
Form,  welche  schon  in  den  Quellen  überwiegt,  für  die  spätere  Geschichts- 
schreibung und  Dichtung  massgebend  wurde,  für  die  Romanzen,  die  gereimten 
Romane  Balbuenas  und  Espinosas,  die  Dramen  Lopes  und  Cubillos 
etc.  Nur  in  dem  Bernardo  en  Francia  des  Lope  de  Liano  klingt  eine  alte 
Variante  nach.  Die  Neubildung  gehört  dem  12.  Jh.  an,  da  das  jüngere  der 
Cidgedichte  auf  ihr  fusst. 

Mit  Sicherheit  lässt  sich  ferner  die  Entlehnung  eines  spanischen  Mainet- 
liedes ^  konstatieren.  Die  Erwähnung  der  Tradition  im  Pseudoturpin  cap.  XII 
und  XX  besagt  nicht  viel,  gewichtiger  ist  ihr  Auftreten  im  Rodericus  Tole- 
tanus  IV,  1 1  mit  Marsilies  an  der  Stelle  Braimants ;  die  General  erzählt  ziem- 
lich ausführlich  den  Aufenthalt  des  jungen  Karls  in  Spanien,  mit  zahlreichen 
Assonanzenspuren,  und  in  der  gleichzeitigen  Legende  des  h.  Nicolaus  v.  Le- 
desma  heisst  es  von  Galiana  »ut  vulgariter  dicitur«.2  Nicht  sehr  viel  später 
aber  zeigt  die  Gran  Conquista  de  Ultramar  gerade  in  ihren  Missverständnissen 
bei  der  Übersetzung  eines  jüngeren  franz.  Mainet,  dass  die  spanischen  Cantares 
ihr  schon  unbekannt  waren.  Wie  hier  spielte  auch  der  Anfang  von  Flor  und 
Biancaflor  in  Spanien,  noch  dazu  am  Weg  nach  Santiago;  die  General  nennt 
beide  nur  als  die  Altern  der  Berta,  der  Archipreste  1675  aber  als  ein  altes 
Beispiel  der  Liebe  im  Gegensatz  zum  neuen  Tristan,  und  Berceo  hat  den  Roman 
benützt,  so  dass  ein  altkastilisches  Gedicht  wahrscheinlich  ist,  das  vielleicht  die 
Erfindung  der  pilgernden  Karlsschwester  im  Bernardo  hervorrief.  Der  seit  1 5 1 2 
oft  gedruckte  Prosaroman,  noch  heute  Volksbuch,  hat  aber  mit  jenem  Nichts  zu 
thun,  da  er  auf  italienischer  Quelle  beruht.  Fast  ebenso  verwischt  sind  An- 
zeichen einer  Bekanntschaft  mit  Aimeri:  die  oben  ausgesprochene  Vermutung 
über  die  Urgeschichte  Bernardo's  del  Carpio,  der  zweigespaltene  Almerique  de 
Narbona  im  Rodr.  V,  42  und  784;  die  Romanze  vom  Grafen  Guarinos  {Frimav. 
186,  Garin  d'Anseune),  die  beiden  von  Almerique  de  Narbone  (Pr.  196.  197). 
Auf  die  Cantares  kann  ferner  noch  zurückgehen  der  Beiname  Ogier's  de  las 
Marchas  ^^  de  Danemarche  in  der  General  und  der  Gran  Conquista  de  Ultramar, 
woraus  später  ein  Marques  de  Mantua  wird;  die  Diffusion  einzelner  Züge  der 
Saisnes,  {Frimavera  61  und  165 — 67).  Was  sonst  noch  Altfranzösisches  in  volks- 
tümlicher Gestalt  im  15. — 16.  Jh.  auftaucht,  bei  Milä  cap.  IX  zusammengestellt 
ist,  stammt  aus   den  Prosaromanen,  d.  h.  aus  mittelfranzösischen    und  italie- 


1  Milä  S.  330  ff.     Cron.  gen.  fo.  219—21. 
*  Esp.  sagr.  XIV,  392. 


Epos.    Bernardo.   Mainet.   Fernan  Gonzalez.  393 

nischen  Quellen.    Entschieden  zur  luglartradition  gehörte  aber  noch  die  Fabel 

von  der  treulosen  Frau  Salomons,  die  auf  zwei  spanische  Fürsten  übertragen 
wurde:  den  Grafen  Garci- Fernan dez  von  Castilien  {Cron.  gen.  f.  254,  Milä 
S.  196),  und  auf  Ramir(i  II.  von  Leon  in  den  portugiesischen  Livros  de  lin- 
hagem. '  Die  kastilische  Erzählung ,  welche  gewiss  auf  einem  Lied  beruht, 
lässt  den  Kern  der  Fabel  fast  ganz  fallen,  den  Verrat  der  Frau,  den  Hilfe- 
ruf durch  das  Hörn,  weil  diese  in  ihre  halbhistorische  Fügung  nicht  passen, 
sie  bewahrt  sich  aber  die  Nebenumstände  der  portugiesischen  Form.  Stünde 
diese  nicht  neben  ihr,  so  würde  sie  sich  überhaupt  nicht  mehr  mit  Sicher- 
heit identifizieren  lassen.  Nächst  dem  Bernardo  lehrt  sie  uns  die  Energie 
würdigen,  mit  der  das  fremde  Material  assimiliert  wurde. 

1 1 .  Kastilien  verdankte  die  thatsächliche  (noch  nicht  die  formale)  Un- 
abhängigkeit von  Leon  dem  Grafen  Fernan  Gonzalez  (932  —  70),  den  Erfolgen 
eines  stark  bewegten  und  langen  Lebens,  die  ganz  dazu  angethan  waren, 
die  Phantasie  zu  beschäftigen.  Seine  Geschichte  ^  linden  wir  im  13.  Jh. 
poetisch  ausgeschmückt  und  umgestaltet,  darin  als  die  hauptsächlichen  Züge: 

1.  Einen    mit    Ramiro  933    bei    Osma    über    die    Mauren    erfochtenen    Sieg. 

2.  Seine  Vermählung  mit  einer  Infantin  von  Navarra,  und  zweimalige  Gefangen- 
schaft, in  Leon  und  Navarra.  Die  letztere  wurde  mit  der  Vermählung  in  Zu- 
sammenhang gebracht,  man  Hess  die  Infantin  den  Bräutigam  befreien,  und 
nach  gefahrvoller  gemeinsamer  Flucht  den  kastilischen  Vasallen  begegnen, 
welche  während  der  Abwesenheit  des  Grafen  seinem  Steinbild  gehuldigt  hatten. 

3.  Die  Gefangenschaft  in  Leon  wurde  zeitlich  verschoben  um  auch  hier  die 
Befreiung  durch  die  Gemahlin  bewerkstelligen  zu  lassen.  4.  Die  Loslösung 
Kastiliens:  der  Verkaufspreis  eines  Habichts  und  Pferdes,  der  sich  bei  Ver- 
säumnis der  Zahlung  fortwährend  verdoppelt,  wächst  so  an,  dass  der  König 
seine  Lehensherrlichkeit  für  ihn  opfern  muss. 

Ein  Mönch  des  Klosters  San  Pedro  de  Arlanza,  in  welchem  der 
Graf  begraben  lag,  hat  ihn  im  2.  Viertel  des  13.  Jhs.  zum  Gegenstand  des 
ältesten  nationalen  Kunstepos  gemacht,  in  stark  hervortretender  Nachahmung 
von  Berceos  Alexandre,  die  bis  zu  wörtlichen  Entlehnungen  geht ,  bei  sehr 
geringen  persönlichen  Verdiensten.  Von  dem  Gedicht  sind  heute  nur  mehr 
740  Strophen  in  einer  sehr  fehlerhaften  Hs.  des  15.  Jhs.  erhalten,  nach 
welcher  es  Janer  u.  d.  T.  »Poema  dcl  Conde  Fernan  Gonzalez«  ^  veröffentlicht 
hat.  Den  Inhalt  der  fehlenden  2.  Hälfte  giebt  die  Cron.  gen..,  die  das  Foetna 
unter  Entfernung  der  gröbsten  geschichtlichen  Verstösse  umschreibt.*  Der 
Mönch  beruft  sich  wiederholt  auf  eine  escriptura,  lehenda  etc.,  also  auf  eine 
lateinische  Vorlage,  die  aber  keine  einheitliche  zu  sein  braucht.  Dem  eigent- 
lichen Thema  schickt  er  eine  längere  Vorgeschichte  Spaniens,  (Rodrigos, 
Pelayos,  Bernardos)  voraus,  in  der  sich  Nachrichten  aus  verschiedenen  Quellen  '^ 
unterscheiden  lassen,  mit  starken  Fälschungen  und  Erweiterungen,  die  teilweise 
dem  Dichter  zugeschrieben  werden  dürfen.  Genau  lässt  sich  die  Entstehung 
der  oben  mit  i.  bezeichneten  Episode  verfolgen.  Ein  kriegerisches  Jacobs- 
wunder einer  Compostellaner  Fälschung*^  wurde  in  San  Millan  de  la  Cogolla, 
um  den  Ortsheiligen  hereinzubringen,  unter  Fernan  Gonzalez  verschoben'  und 


*  s.  Rom.  IX,  436. 

^  Dozy,  Histoire  des  Miistdmans,  B.  III  cap.  2  —  5;  Milä,    173  —  n9- 

*  Poetas   castellanos   anter.   al  siglo   XV,    S.    389  ff.    und    unabhängig    von    ihm    bei 
Gallardo,  Ensayo  I,  763  ff.     Vgl.  Rios  III,  335—67;  Milä  cap.  IV. 

*  fo.   211—53. 

*  Aus  dem  Chronicon  Sebastiani  (s.  II  l,  150)  nnd  dem  Anonym.  Facetisis,  wobei  in- 
dessen eine  komplizierte  Vermittelung  vorauszusetzen  i.st. 

«  Esp.  sagr.  XIX,  329. 
''  Yepes  I. 


394    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    4.    SpAN.    LllT. 

in  dieser  Gestalt  von  Berceo  in  seiner  Vida  de  San  Millan  362  ff.  repro- 
duziert. Im  Poema  finden  wir  die  bisher  immerhin  poetische  Legende  zu 
Gunsten  des  eigenen  Konvents  in  zwei  Mirakclschlachten  zerlegt,  die  nun- 
mehr überwiegend  San  Pelayo  gut  geschrieben  und  mit  ein  wenig  überall 
hergeholten  absurden  Dekorationen  ausgestattet  werden.  Mehrere  Details  zeigen 
dabei  Verwandtschaft  mit  dem  Dichter  nachweislich  bekannten  Quellen,  so 
der  Kriegsrat  203  (vgl.  331)  mit  Alex,  2108,  die  Beisetzung  der  Todten 
558 — 62  mit  dem  Pseudoturpin.  Die  ganze  dreiste  Umgestaltung  rührt  von 
ihm  her,  die  Lokaltradition  bot  ihm  nicht  viel  mehr  als  die  Herleitung  einiger 
Elfenbeinkästchen  auf  dem  Altar  von  einem  Sieg  des  Klosterstifters  über  Al- 
mansor  statt  Abderrahman.  Seine  skrupelfreie  Erfindung  wird  also  auch  im 
Übrigen  thätig  gewesen  sein,  zumal  bei  den  Kriegen  mit  Navarra  und  es  fragt 
sich,  wie  weit  er  in  den  oben  mit  2—4  bezeichneten  Hauptzügen  älterer 
Überlieferung  treu  ist.  Auffallen  muss  dasz  die  Cron.  gen.,  während  sie  sonst 
Varianten  der  Volksepik  mitverzeichnet,  hier  solche  nicht  kennt,  dass  die 
älteren  Geschichtschreiber  keine  Spur  der  Fabelbildung  aufweisen,  und  dass 
in  4  eine  alte  Schulanekdote  steckt.  Nun  hat  wohl  der  Rodrigo  eine  Variante 
von  2  und  4  in  seine  einleitenden  Tiraden  aufgenommen,  aber  auch  wieder 
in  intimer  Verbindung  mit  einem  der  Cron.  gen.  nur  in  älterer  Fassung  be^ 
kannten  Stück  Kirchengeschichte,  und  gerade  die  genaue  Berührung  seiner 
Version  mit  einer  Romanze  spricht  für  ihre  relative  Jugend.  Mit  innerer 
Wahrscheinlichkeit  lässt  sich  auf  ein  altes  Volkslied  aus  dem  Poema  nur  für 
2.  schliessen,  im  Rest  ist  eine  geringe  Dosis  deformirter  Geschichte  mit  oralen 
Lokaltraditionen  der  kastilischen  Klöster  und  willkürlicher  Erfindung  ver- 
schmolzen. Der  Auszug  der  Crönica  general  ging  in  die  spanische  Geschichts- 
schreibung über,  aus  der  er  noch  heute  nicht  ganz  verschwunden  ist,  bildete 
in  etwas  veränderter  Gestalt  ein  im  16.  — 18.  Jh.  viel  gelesenes  Volksbuch.^ 
Unter  den  Romanzen  entspricht  eine  altertümliche  einem  einzelnen  Zug  des 
Rodrigo,  andere  folgen  der  Cron.  gen.,  ebenso  wie  Lope  de  Vega  in  einem 
seiner  besten  Schauspiele.  So  gering  die  Fähigkeiten  des  Mönches  von 
Arlanza  an  sich  waren,  besass  er  die  für  seinen  Gegenstand  wichtigsten  Eigen- 
schaften, die  kriegerische  Gesinnung  und  den  nationalen  Stolz  des  Castiliers, 
so  dass  seine  Schöpfung  in  das  Gedächtnis  der  Gesamtheit  überging. 

12.  Nur  in  der  Prosaauflösung  der  Chronik,  aber  nach  Inhalt  und  Tiraden- 
spuren  deutlich  als  Lied  erkennbar,  besitzen  wir  die  kastilische  Geschlechter- 
sage von  den  sieben  Infanten  (Kinder,  Junker)  von  Lara.  ^  Nicht  in  der 
völkerbewegenden  Wucht  der  Ereignisse  beruht  hier  ihre  unvergängliche  Wir- 
kung; der  Gegensatz  zu  den  Mauren,  dem  grossen  Almansor  und  dem  hoch- 
herzigen Feldherrn  Galib  (Galve),  bildet  eigentlich  nur  den  Hintergrund  für 
die  Tragödie,  die  sich  aus  dem  inneren  Gegensatz  zwischen  der  rachsüchtigen 
Dona  Lambra,  dem  finsteren  Ruy  Velasquez  und  ihren  Neffen,  den  Söhnen 
des  Gonzalo  Gustioz  unvermeidlich  entwickelt,  bis  zur  Katastrophe,  dem  Todes- 
kampf der  verratenen  Sieben  und  ihres  treuen  Erziehers  Nuno  Salido.  Das 
Nachspiel,  die  Szene,  in  welcher  der  gefangene  Vater  die  Häupter  der  Söhne 
erkennt  und  die  Rache  des  Bastards  Mudarra,  ist  Erfindung,  aber  den  eigent- 
lichen Kern  bildet  jedenfalls  eine  historische  Begebenheit.  Gonzalo  Gustioz 
erscheint  in  einer  kastilischen  Urkunde  v.  J.  969^,  und  wenn  die  Crönica  den 
Vorgang  in  das  Jahr  986  verlegt,  ist  das  wohl  nur  Kombination,  entspricht 
aber  jenen  Daten    sowohl  wie  der   in   der  Erzählung  gut  festgehaltenen  Ge- 

'  Erster  Druck  Sevilla   1509;  vgl.  Gallardo  1,  761  ;  Sa  Iva  II,  62. 
^  Milä  cap.  VI;   Cron.  gen.  f.  261 ;  Holland,  La  tstoria   de   los  siete   infqntes   de 
Lara,  aus  der  Cron.  gen.  d.  Esp.  hrsg.,  Töbingen   1860. 

*  M  u  n  o  z  s.  36 ;  vgl.  ib.  s.  56    wegen  der  Velasquez,    die  M  i  1  a  für  galizisch  hält. 


Epos.   Fernan  GoNzai.EZ.  Infanten  v.  Lara,  (jakcia.  Perdida  de  Espana.   395 

Samtsituation  am  Ende  des  10.  Jhs.  Dass  diese  nicht  etwa  von  Alfonso  X. 
hergestellt  ist,  zeigt  das  ältere  Poema  del  Conde  Fernan  Gonzalez,  welches  sich 
für  seine  Schlacht  bei  Hacinas  die  Väter  des  Gonzalo  und  Rodrigo  kon- 
struiert, dabei  allerdings  in  für  den  Verfasser  sehr  bezeichnender  Weise  die 
Infanten  (449,  2)  und  Nunc  Salido  (462)  mit  verwertet.  Varianten  kannte 
die  Crönica  nicht,  eine  kurze  Erwähnung  der  Infanten  in  der  Einleitung  des 
Rodrigo  und  drei  alte  volksmässig  umgestaltete  Romanzen  entsprechen  genau 
der  von  ihr  gegebenen  Fassung:  dem  Werk  eines  grossen  namenlosen  Dichters, 
das  in  der  warmen  Prosa  nur  wenig  verloren  hat.  Als  Volksbuch  wurde  die 
Erzählung  nach  der  Crönica  zusammen  mit  dem  Fernan  Gonzalez  seit  1509 
oft  gedruckt,  und  ist  heute  noch  in  etwas  verschlechterter  Gestalt  im  Umlauf. 
Auf  jenem  beruhen  eine  Reihe  von  Romanzen,  Dramen  und  anderen  Be- 
arbeitungen, die  grossenteils  bei  Holland  verseichnet  sind.  ^ 

13.  In  der  estoria  dell  romanz  dell  inffant  Gar  da,  welche  die  General 
den  historischen  Berichten  gegenüberstellt,-  ist  umsomehr  ein  Lied  zu  sehen, 
als  eine  starke  Erinnerung  an  den  Vorfall  anderweit  in  gelegentlichen  Er- 
zählungen hervortritt.  ■'^  Die  Ermordung  des  Grafen  Garci'a  Sanchez  durch 
ein  feindliches  Geschlecht,  als  er  sich  in  Leon  i.  J.  1029  Braut  und  Rönigs- 
krone  holen  wollte,  forderte  ja  auch  die  Einbildungskraft  heraus.  Das  Volk 
vergass  später  jene  Tradition ,  die  das  Nationalgeftihl  nicht  stark  genug  an- 
sprach :  auch  von  den  historischen  Kunstdichtungen  ist  sie  fast  ganz  vernach- 
lässigt worden.  Dafür  erscheint  eine  andere  Legendenbildung  tief  eingewurzelt 
und  fruchtbar,  jene  welche  den  Untergang  der  Westgoten  ausschmückt.'*  Sie 
ist  durchaus  gelehrt,  weder  der  König  Rodrigo  noch  Pelayo  sind  gesungen 
worden.  Bei  Rodericus  ist  die  Fabel  sogar  fast  ganz  arabisch,  man  ging  ihr 
dort  nach,  weil  man  selbst  so  gar  Nichts  mehr  wusste.  Zuerst  um  1 100,  und  es 
ist  recht  wohl  möglich,  dass  seine  Erzählung,  ebenso  wie  der  Pseudoturpin, 
nach  Frankreich  übermittelt  wurde  und  den  Anseis  de  Cartage  anregte.  Später 
folgten  andere  Erweiterungen  und  Entlehnungen,  auch  noch  nach  dem  13.  Jh., 
deren  letztes  Ergebnis  im  14.  Jh.  der  Roman  eines  Pedro  del  Corral,  die 
Crönica  de  Don  Rodrigo  gewesen  ist,  welche,  seit  1492  oft  gedruckt,  noch 
als  Volksbuch  fortlebt,  den  Romanzendichtern  und  Dramatikern  als  Quelle 
diente.  Die  kriegerische  Neigung  des  ganzen  Geschlechts  ist  auch  der  Geist- 
lichkeit natürlich  und  tritt  mannigfach  in  Umgestaltungen  der  Geschichte  zu 
Tage,  die  man  geneigt  sein  könnte  auf  Rechnung  des  Volkes  zu  setzen.  Be- 
zeichnend ist  es  wie  sie  den  Schimmel  des  h.  Martinus  entlieh,  um  auf  ihm 
Santiago  die  Christen  führen  zu  lassen.^  Wir  haben  gesehen,  dass  ihr  ein 
breiter  Anteil  an  der  Ausbildung  der  Sagen  von  Bernardo  del  Carpio  und 
von  Fernan  Gonzalez  zukommt,  und  werden  ihre  Hand  auch  in  der  Vervoll- 
ständigung des  Cidcyklus  wiederfinden. 

14.  Der  ruhmreichste  Repräsentant  kastilischcr  Ritterschaft  in  Poesie  und 
Leben  war  Rodrigo  oder  Ruy  Diaz  von  Bibar,  dessen  Geschichte^  die  ganze 
spanische  Dichtung  so  erfüllt,  (Jass  sie  auch  hier  kurz  gegeben  werden  muss. 
Zuerst  1064  genannt,  nahm  er  im  Heer  Sanchos  II.  die  erste  Stelle  ein,  half 
ihm  1067  über  Navarra  siegen,  und  entschied  im  Kampf  der  Brüder  durch 
einen  nicht  ganz  lauteren  Rat  die  Niederlage  Alfonsos  von  Leon.  Als  1072 
Sancho  bei  der  Belagerung  von  Zamora  ermordert  worden  war  und  der  nach 

'  a.  a.  ü.  S.  vni— XU. 

*  Milä  S.   199;  nicht  im  Druck  Ocampos. 

^  Florez,  Reynas  de  Espana  I,  494;  Munoz  39. 

*  Milä  cap.  11. 

ä  Esp.  sagr.  XIX,  348.  332.  XVII.  320. 

*  Dozy,  Ruherches  11   1  —  245. 


396  Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —   5.  Span.  Litt. 


Toledo  entflohene  Alfonso  zurückgerufen  wurde,  soll  Rodrigo  an  der  Spitze 
der  Kastilier  ihn  genöthigt  haben  seine  Unschuld  an  dem  Mord  eidlich  zu 
erhärten.  Der  König  gab  ihm  noch  1074  seine  Base  Ximena  zur  Gemahlin, 
fand  aber,  wie  er  erstarkte,  eine  Veranlassung  den  allzu  mächtigen  Vasallen 
1081  zu  verbannen.  R.  trat  als  Condottiere  in  die  Dienste  des  Herrschers 
von  Saragossa;  mit  seinen  Siegen  wuchs  sein  Söldnerheer  und  lockerte  sich 
die  Abhängigkeit,  bis  er  zuletzt  in  drohendem  Übergewicht  inmitten  der  ara- 
bischen Teilstaaten  stand.  Eine  Reihe  derselben,  so  Tortosa,  Albarracin, 
Valencia  waren  ihm  tributpflichtig;  Berengar  von  Barcelona  wurde  von  ihm 
geschlagen  und  gefangen,  er  durfte  es  wagen  einen  Eingriff  des  Königs  in 
seine  Interessensphäre  durch  einen  Einfall  in  Kastilien  zurückzuweisen.  Innere 
Unruhen  in  Valencia  boten  ihm  den  Anlass  die  grosse  Stadt  immer  enger  zu 
bedrängen,  1094  zog  er  als  Herrscher  in  sie  ein,  behauptete  seinen  Besitz  in 
mehreren  Siegen  über  die  Almoraviden  und  nahm  1098  auch  Murviedro.  Nach 
seinem  Tode  im  Jahre  1099  musste  Ximena  das  vorgeschobene  Heerfürsten- 
tum räumen;  sie  setzte  die  Leiche  in  dem  Kloster  S.  Pedro  de  Cardena  bei. 
Seine  Töchter  Cristina  und  Elvira  waren  Gemahlinnen  des  Grafen  Berengar 
von  Barcelona  und  des  Infanten  Ramiro  von  Aragon.  Der  Gott  seines  Heeres, 
ebenso  berechnend  als  verwegen,  grausam  und  falsch  gegen  den  Feind,  ver- 
lässig und  grossmütig  für  den  Freund  und  den  der  es  werden  sollte,  durch- 
aus ähnlich  seinem  Zeitgenossen  dem  Normannen  Robert,  doch  dass  man  jenen 
Guiscard  nannte,  ihn  Mio  Cid  als  Herrn  der  Mauren  und  Campeador  wohl 
wegen  Einzelkämpfen.  Wie  diese  Namen  kündet  noch  bei  seinem  Leben  ein 
lateinischer  Hymnus  ^  seinen  Ruhm ;  nicht  allzu  lange  nach  seinem  Tode  wurde 
seine  Biographie  in  rauhem  Latein  geschrieben  2  (s.  11  i,  316),  und  zur  Enkel- 
zeit (zwischen  1147  und  57)  sagt  das  Carmen  de  Almeria  von  ihm  »de  quo 
cantatur  quod  ab  hostibus  hand  superatur«,  womit  nur  die  Volkssprache  gemeint 
sein  kann. 

15.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  beziehen  sich  die  Worte  des  Carmen 
auf  das  uns  erhaltene  Poema  del  Cid'^  für  das  in  V.  3003  der  »gute  Kaiser« 
Alfonso  VII.  (f  II 57)  so  bekannt  ist,  dass  es  ihn  nicht  zu  nennen  braucht 
und  welches  sich  Portugal  (Königreich  seit  1139)  V.  2926  noch  als  galizische 
Grafschaft  zu  denken  vermag.  Wir  besitzen  in  ihm  das  einzig  erhaltene,  nur 
mechanisch  beschädigte  Dokument  unmittelbarer  Umgestaltung  nächstliegender 
Geschichte  zum  Epos.  Das  Bild  des  Cid  erscheint  hier  im  Wesentlichen  treu 
bewahrt,  nur  leicht  idealisiert,  ebenso  die  historische  Gesamtlage,  wenn  auch 
der  Interessenkonflikt  mit  Alfonso  ganz,  die  Beziehungen  zu  Zaragoza  fast  ver- 
gessen sind.  Stärker  verschieben  sich  die  Einzelheiten ;  doch  lassen  örtliche 
und  zeitliche  Nähe  chronikenartige  zum  Teil  fast  trockene  Details  bestehen, 
die  in  grösserer  Entfernung  nicht  mehr  interessiert  haben  würden  und  zu  Gunsten 
stärkerer  Anregungen  gefallen  wären.  Die  erste  Hälfte  des  Gedichts,  von  der 
Verbannung  bis  zur  Eroberung  von  Valencia,  ist  mehr  ein  Stück  episch  durch- 
setzter Biographie;  zum  Epos  wurde  es  durch  den  Hinzutritt  einer  ganz  sagen- 
haften Tradition,  der  Vermählung  der  Töchter  des  Cid  mit  den  Infanten  von 
Carrion.  Diese  gab  Steigerung  und  Peripetie,  in  der  frevelhaften  Kränkung 
des  Helden  und  der  höchsten  denkbaren  Genugtuung,  bis  zur  Verschwägerung 

'  Zts.  f.  r.  Ph.  V,  64. 

2  Gesta  Roderici  Campidocti,  in:  Risco ,  La  Castilla  y  el  mas  famoso  Castillano, 
Madr.   1792. 

^  Ausgaben  von:  San  che/,,  Coleccion  de  poes.  cast.,  T.  I,  Madr.  1779,  von  dem  die 
Benennung  fibernommen  wurde;  Damas-Hinar  d,  Paris  1858;  Jan  er,  Poet,  castell.  ant. 
als.  XV,  Madrid  1864;  Vollmöller,  Halle  1879,  die  einzig  brauchbare.  Vgl.  Milä 
229  ff.,  ferner  zur  Textkritik  Rom.  X,  75,  XVIII,  502,  XXII,  153;  Ltbl,  1880.  340;  Zts. 
f.  r.  Ph,  VI,   167;  Gott.  gel.  Anz.   1882,  509. 


Epos.    Der  Cid.    Seine  Geschichte.    Das  Poema.  397 


mit  den  Herrschern  Spaniens;  sie  brachte  den  Verbannten  an  den  Königs- 
hof und  dort  wurde  jede  Nachempfindung  des  Zorns  zwischen  Herrn  und 
Vasallen  geheilt.  Der  Dichter  hat  wohl  gefühlt  was  die  Versöhnung  zwischen 
den  Siegern  von  Toledo  und  Valencia  für  seine  Hörer  bedeutete,  hat  sie 
folgerichtig  vorbereitet  und  aufs  würdigste  gestaltet.  Dass  Stoff  und  Menschen, 
so  kräftig  sie  sind,  Nichts  von  dem  Titanischen  älterer  Zeiten  an  sich  haben, 
ist  gerade  ihrem  Fortleben  in  der  späteren  Poesie  zu  Gute  gekommen.  Die 
hohe  Altertümlichkeit  des  Gedichtes  wird  heute  allgemein  anerkannt.  Aller- 
dings ist  die  Beurteilung  durch  die  Art  der  Überlieferung  in  Etwas  erschwert 
worden.  Nur  eine  Hs. '  (3734  V.)  ist  erhalten,  dem  14.  Jh.  angehörig,  am 
Ende  mit  dem  Schreiberdatum  1307  2.  Verloren  ist  ausser  einem  Blatt  in  der 
Mitte  das  letzte  (unbeschriebene)  der  letzten  und  das  erste  der  ersten  Lage  : 
nach  allen  Anzeigen  nicht  mehr  als  dies  eine  mit  etwa  40  Versen  und  der 
Erzählung  des  Auszugs  aus  Vivar.  Neuerdings  ist  die  Ansicht  hervorgetreten, 
dass  wir  eine  unmittelbare  Niederschrift  nach  mündlicher  Überlieferung  vor 
uns  hätten  ^ ;  mir  zeigt  sich  nur  eine  Kopie,  die  mit  wenig  Zwischengliedern 
auf  eine  bedeutend  ältere,  der  Entstehung  fast  gleichzeitige  Vorlage  zurück- 
geht, mit  starken  Korruptelen,  aber  ohne  absichtliche  Änderungen.  Mündlich 
würden  so  wenig  die  altertümlichen  Sprachformen  gewahrt  sein  als  die  Einzel- 
heiten einer  längst  vergessenen  politischen  Geographie.  Dem  entspricht  es, 
dass  in  der  Prosaversion  der  Crm.  gen.  eine  in  der  zweiten  Hälfte  sichtlich 
etwas  jüngere  Form  der  Poema  benützt  ist.  ^  Die  äusseren  Kriterien  des  Alters 
entsprechen  durchaus  den  inneren :  wir  besitzen  im  Wesentlichen  das  Lied 
noch  so  wie  es  um  die  Mitte  des   12.  Jhs.   oder  kurz  nach  ihr  gedichtet  ist. 

Nun  kann  man  sich  ein  Epos  ausschliesslich  aus  Zeitliedern  entstanden 
denken.  Eine  andere  Grundlage  bildet  die  Art  der  Überlieferung,  bei  welcher 
Inselkelten  und  Nordländer  stehen  geblieben  sind:  Fragmente  einer  überwiegend 
lyrischen  politischen  Gelegenheitsdichtung  dienen  als  Gedächtnishülfen  für  die 
Erzählung,  und  umgekehrt  wären  jene  Gesänge  unverständlich  geworden,  wenn 
die  Rede  des  Vortragenden  sie  nicht  ergänzt  hätte.  In  beiden  Fällen  wären  hier, 
wo  die  Ereignisse  und  Darstellung  so  nahe  beinander  liegen,  noch  Spuren  der 
Zeitdichtung  zu  erwarten,  wie  sie  selbst  noch  Roland  und  Raoul  in  der  Berufung 
auf  Gesänge  der  Mitkämpfer  aufweisen.  Nichts  davon  ist  zu  finden;  der  Dichter 
folgt  allem  Anschein  nach  nur  der  Sage,  nicht  dem  Sang.  Über  die  ent- 
lehnte Form  s.  oben  8.  Sonderartig  «ist  die  Einteilung  in  Gesten,  oder,  wie 
die  Cröti.  gen.  sagt,  Cantares,  ^  die  indessen  nur  einen  kleinen  Schritt  weiter 
geht  als  die  Formeln,  welche  auch  in  den  französichen  Epen  stärkere  stoff- 
liche Abschnitte  hervorheben. 

16.  Sanchos  II.  Ermordung  vor  Zamora,  dem  Erbe  der  Infantin  Urraca, 
hatte  die  panische  Flucht  seines  Heeres  nach  sich  gezogen;  eine  kastilische 
Schaar  schlug   sich  jedoch  mit  der  Leiche  des  Königs  durch.  ^     Daheim  ge- 

'  Im  Besitz  des  Marques  de  Pidal.     Schriftproben    bei  Monaci,  Facsiuiili  6l — 64. 

^  Das  aber  vielleicht  auch  noch  der  Vorlage  entnommen  ist.  Der  Streit  darüber  ob 
die  Änderung  in   1207  vom  Schreiber  selbst  herrühre  schwindet  angesichts  der  Hs. 

'  Cornu  in  Symbolae  Pragenses,  Wien  1893,  S.  17.  Die  dort  in  Abrede  gestellten 
mechanischen  Kopistenfehler  sind  evident  z.  B.  199 — 200,  571— 72,  1085— 86,  1146  — UöO, 
1688—89.  Auch  die  dort  versuchte  Heiniatsbestimmung  kann  ich  nicht  annehmen;  das 
Poema  zeigt  doch  nicht  die  asturische  (?)  Assonanz  g  auf  0,  sondern  o  auf  üe  aus  g  und 
M  +  ^,    Verrmuz,  nties,  fuer. 

*  Fo.  302  ff.  Vgl.  Milä  264.  Dem  Schluss  ist  eine  Gesandtschaft  des  Sultans  von 
Persien  und  die  zweite  Hochzeit  der  Töchter  des  Cid  angehängt.  Auch  diese  Version  kann 
noch  erheblich  älter  sein  als  Alfonso ;  der  König  benutzte  geschriebene  Exemplare  der  Can- 
tares:  Siehe  Part.  II.  5,  20. 

*  V.   1085,  2278;  vgl.   1618,  2763. 

^  Motiachus  Silensis  11  —  12.  der  einzige  authentische  Bericht. 


398    LlTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN   VÖLKER.    5.    SPAN.    LlTT, 

nügte  das  nicht,  dfenn  ganz  ungerochen  durfte  eine  solche  That  nicht  bleiben; 
die  Flucht  wurde  vergessen ,  an  ihrer  Stelle  entwickelte  sich  aus  der  festen 
Haltung  jener  Tapferen  der  Zweikampf  um  Verrat  zwischen  Diego  Ordonez 
und  den  Söhnen  des  Arias  Gonzalo,  des  Verteidigers  der  Stadt,  der  die  edlen 
Kinder  eines  um  das  andere  opfert.  Das  Lied,  auf  welches  sich  die  Crdn. 
gen.  in  ausfuhrlicher  Wiedergabe  beruft,  '  erzählte  zugleich  die  Belagerung  mit 
ihrer  Vorgeschichte,  und  wohl  auch  noch  die  Beeidigung  König  Alfonsos  durch 
den  Cid. 2  Der  Cerco  de  Zamora  gehört  in  seiner  kühn  bewegten  und  doch 
so  gehaltenen  Erfindung,  die  lebenswahr  aus  der  wirklichen  Geschichte  er- 
wächst, zu  den  wertvollsten  Erbstücken  der  spanischen  Heldenzeit.  Für  die 
Späteren  bildete  er  nur  einen  Teil  des  Cyclus  vom  Cid,  während  diesem  im 
Gedicht  nur  eine  bedeutende  Nebenrolle  zukam.  Er  ist  erst  durch  seine  Ver- 
bannung ein  Volksheld  geworden. 

Von  frühern  Thaten  Rodrigos  nennt  das  Poema  (1333)  5  Hdes  campales^ 
versteht  darunter  allerdings  Feldschlachten ,  folgt  aber  einer  Tradition  über 
Einzelkämpfe,  wie  aus  dem  lat.  Hymnus  zu  schliessen  ist;  einen  derselben 
kennt  die  Crön.  ritnada,  dreie  die  General,  zweie  eine  Geschlechtstafel  aus 
dem  Anfang  des  13.  Jhs. :  eine  Erinnerung  also  die  sehr  früh  unvollständig 
und  unverständlich  wurde.  Viel  mehr  hat  man  offenbar  über  die  Jugendzeit 
nicht  gewusst,  aber  der  Wunsch  entstand  auch  die  Enfances  kennen  zu  lernen, 
und  der  luglar  fand  sie  unter  Benutzung  eines  alten  Motivs.  Der  Silensis 
(cap.  37)  lässt  Karl  dem  Kahlen  die  Eroberung  des  »diesseitigen  Spaniens 
bis  zur  Rhone«  drohen ;  Bennardo  del  Carpio  hatte  es  nicht  so  weit  gebracht. 
An  die  Stelle  des  Karlsieges  setzte  man  nun  Rodrigo,  für  Alfonso  Fernando,  ^ 
behielt  die  Tributforderung  des  Kaisers  bei  und  die  Abhängigkeit  des  Herrn 
vom  Vasallen ,  liess  aber  den  Heerzug  über  Pyrenäen ,  Rhone  und  Savoyen 
nach  Rom  gehen ,  wo  sich  dann  Kaiser  und  Pabst  vor  den  Kastiliern  ge- 
ziemend demütigen.  Das  ist  der  Kern  des  zweiten  der  als  solche  erhaltenen 
Epen,  der  sog.  Crönica  ritnada  del  Cid^^  oder,  wie  ihn  Milä  bezeichnet,  des 
Rodrigo^.  Die  einzige  Hs.^  gehört  dem  15.  Jh.  an,  ist  stark  fehlerhaft  und 
am  Schluss  unvollständig.  Die  1126  Verse  sind  durch  ein  kurzes  Stück  in 
Prosa  eingeleitet,  das  zu  einer  Art  von  epischer  Vorgeschichte  Kastiliens  ge- 
hört, welche  zu  den  Thaten  Rodrigos  hinfiihrt:  dem  Tod  des  Grafen  Gomez, 
der  Vermählung  mit  Ximena,  Kämpfen  gegen  Christen  und  Mauren,  und 
endlich  dem  Romzug.  Die  General  hat  das  Gedicht  ausgezogen,  aber  in  einer 
anderen  im  Ganzen  etwas  älteren  Version.  Zunächst  fehlte  die  Einleitung ; 
was  sich  mit  dieser  berührt,  zeigt  nur  die  gegenseitige  Unabhängigkeit,  so  die 
Erzählung  von  der  Wiederherstellung  Palencias  (fo.  278)  gegenüber  den  Versen 
49  ff.,  707  ff.  Auch  weiterhin  ist  eine  Reihe  von  Differenzen  vorhanden, 
wovon  einiges  auf  Verderbnissen  im  Rodrigo  beruht,  der  z.  B.  Rom  und  Paris 
verwechselt,  anderes  auf  Kürzungen  die  notwendig  wurden,  da  die  Chronik 
einen  jungen  und  schwachen  Fernando   und   einen  unbotmässigen    Cid   nicht 

'  fo.  293  ff-;  Milä  262  ff. 

-  Alfonso  in  Toledo,  so  lebhaft  die  Episode  bei  Rodr.  Tolet.  und  in  der  General 
ausgeschmückt  ist,  scheint  nicht  gesungen  worden  zu  sein. 

'  Ein  y>Cantar  que  dizett  del  rey  Don  Fernando«  hat  in  jener  Zeit  nicht  existiert. 
Was  eine  späte  Chronik  so  nennt  (Rios  III,  49,  Milä  203  und  28 1)  ist  einfach  die  be- 
kannte Romanze  Primavera  35. 

*  Hrsg.  V.  Fr.  Michel,  Wiener  Jahrbb.  II6  (1840),  danach  bei  Du  ran,  Roman- 
cero  general  II,  65 1  und  Damas-Hinard  in  seiner  CrVausgabe.  Rios,  I/isi.  crit.  de  la 
lit.  esp.  III,  72  ff.  und  Dozy,  Rech.  II,  85  haben  dem  Gedicht  ein  unhaltbar  frühes  Datum 
beilegen  wollen;    vgl.  neben  Milä  254  ff-  Ltbl.   1882,  401. 

^  Nach  der  hier  bevorzugten  Form  des  Namens,  gegenüber  dem  Ruy  Diaz  oder 
Mio  Cid  des  Poema. 

*  Morel- Fat  io ,.  CataL  des  AIss.  espagnols,  No.  3 18. 


Epos.    Cid.    Cerco  de  Zamora.     Crönica  rimada.     Cardena.        399 

gelten  lassen  konnte:  daneben  bleibt  genug  um  eine  weiter  zurückliegende 
Scheidung  erkennen  zu  lassen.  In  den  hauptsächlichen  Zügen  aber  sind  beide 
gleich.  Das  Gedicht  dürfte  seine  jetzige  Gestalt  in  der  zweiten  Hälfte  des 
13.  Jhs.  in  der  Gegend  von  Palcncia  erhalten  haben,  von  einem  Redaktor 
der  Berceos  Alexandre  kannte  (V.  659)  und  eine  paraphrasierte  Genealogie 
verwertete.  Die  weitere  handschriftliche  Überlieferung  war  nicht  so  treu  wie 
bei  dem  Foefna,  aber  sie  hat  sachlich  doch  nur  nebensächliche  Verschiebungen 
erzeugt,  bewahrt  den  Standpunkt  des  13.  Jhs.  selbst  in  ganz  untergeordneten 
Details.  Neben  dem  Einfluss  des  Bernardo  ist  auch  der  des  Poema  zu  be- 
merken ;  der  getreue  Maure  Burgos  de  Ayllon  z.  B.  ist  ein  Gegenstück  zu 
Abengalvon,  Pero  Mudo  845  ff",  sehr  unpassend  entlehnt.  Ausserdem  wurden 
Traditionen  der  verschiedensten  Art  verwertet;  in  dem  Lazaruswunder  (536 — 79) 
steht  Rodrigo  für  Fulco ,  Lazarus  für  Christus ,  Santiago  für  St.  Martin  von 
Tours.  Die  Abhängigkeit  von  den  alten  Gedichten,  der  Umstand,  dass  die 
Angabe  des  Cerco  de  Zamora  über  die  gemeinsame  Erziehung  des  Cid  und 
Urracas  vergessen  ist,  weisen  schon  auf  späte  Entstehung;  mehr  noch  die 
Willkür  der  Erfindung,  der  Abstand  von  dem  Poema  in  der  Auffassung  des 
Helden  und  in  der  gesamten  Denkweise  und  Darstellung.  Das  Erzeugnis  der 
sinkenden  Juglarpoesie  lässt  sich  nicht  wohl  vor  den  Anfang  des  13.  Jhs. 
stellen.  Sein  Aufbau  ist  anekdotisch,  nur  auf  JHäufung  des  Stofflichen  ge- 
richtet, ein  roh  komischer  Ton  wendet  sich  an  eine  niederstchende  Hörer- 
schaft. Zum  Teil  wird  die  poetische  Geringwertigkeit  durch  das  Interesse 
ausgcgli<;hen  ,  welches  der  materielle  Reichtum  in  einer  Menge  von  Rätseln 
bietet.  Die  Crö/i.  gefi.  hat  schon  die  Gestalt  des  jungen  Cid  der  des  alten 
genähert;  die  spätere  Dichtung  entnahm  ihrer  Kompilation  die  entwicklungs- 
fähigen Bestandteile. 

17.  Auch  über  das  Ende  des  Cid,  seiner  Angehörigen  und  Gefährten 
weiss  die  General^  zu  berichten;  Carderia  besass  die  Leiche  des  National- 
helden, sie  that  dort  Wunder  und  noch  Philipp  IL  wollte  daraufhin  die  Heilig- 
sprechung bewirken.  Ein  Mönch  des  Klosters  fälschte  auf  den  Namen  eines 
getauften  Abenalfarax  eine  Ergänzung  zum  Poema.  Der  Klosterroman  ent- 
hielt neben  albern  legendarischen  einige  vortreffliche  sagenhafte  Züge,  wie 
den  vom  Todtensieg  des  Cid,  vom  Juden,  der  ihm  den  Bart  griff,  lässt 
überhaupt  bei  dem  geistlichen  Verfasser  einen  guten  Rest  volkstümlichen 
Denkens  erkennen.  Rodrigo  und  Fernan  Gonzalez  bezeichnen  in  verschiedener 
Weise  den  Niedergang  der  epischen  Dichtung;  war  der  Abenalfarax  kastilisch 
geschrieben,  so  bedeutet  er  einen  weiteren  Schritt  in  derselben  Richtung,  den 
Übergang  zur  Prosa.  Endgiltig  vollzogen  wurde  dieser  als  Alfonso  der  Weise 
den  gesamten  Schatz  der  vaterländischen  Tradition  seinem  Geschichtswerk  ein- 
verleibte. Vor  der  Crönica  general  verschwinden  die  Epen ;  sie  begründet  die 
Herrschaft  der  Prosa,  auch  der  erzählenden  Kunstdichtung  gegenüber.  Wir 
besitzen  von  dreien  der  ausgezogenen  Dichjtungen  je  eine  späte  Hs.,  von  der 
Chronik  über  40.  Ihr  folgen  natürlich  die  Geschichtsschreiber  im  14.  und 
15.  Jh.:  die  Masse  der  Romanzen  geht  unmittelbar  oder  mittelbar  auf  sie 
zurück,  nur  bei  sehr  wenigen  kann  Unabhängigkeit  vielleicht  vermutet,  bei 
keiner  bewiesen  werden.  Was  sie  über  den  Cid  berichtete  erlangte  eine  noch 
verstärkte  Verbreitung  durch  einen  Auszug ,  die  Crönica  particular  del  Cid,  ^^ 
welcher  dem   16.  Jh.  massgebend  ward. 

1  fo.  359.  Milä  266 

*  Hss.  aus  dem  15.  Jh.,  erste  Ausg.  Burgos  1512(?)  dann  oft,  zuletzt  von  Huber, 
Marbg.  1844.  Vgl.  Milä  268.  Die  abweichenden  Einzelheiten  werden  grösstenteils  aus 
den  zum  Teil  altertümlichen  Varianten  in  der  Crdri.  gen.  stammen,  t'ber  die  poetische 
Nachkommenschaft  des  Cid  s.  Kestori,  La  gesta  del  Cid,  Milano  18QO,  Brockhaus, 
Conversationüexikcni,  14.  Aufl.,  Artikel  Cid,  Borman  in  Zts.  f.  vergl.  Literaturgesch.   1893,  5. 


400    LlTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    5.    SPAN.    LiTT. 


2.    DIE    KUNSTDICHTUNG. 

18.  Über  die  Formen  der  Kunstpoesic  ist  S.  389  gehandelt  worden. 
Ihre  Pflege  ruhte  zunächst  in  den  Händen  der  Geistlichkeit,  und  auch  der 
nur  dem  Namen  nach  bekannte  Domingo  Abad,  welcher  im  neueroberten 
Sevilla  ein  Gewerbe  aus  ihr  machte,  dichtete  für  die  Kathedrale.  '  Sie  will 
die  Menge  erbauen  und  belehren,  bleibt  daher  auch  bei  historischen  Stoffen 
dem  höfischen  Wesen  fremd.  In  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jhs.  finden  wir 
sie  in  kräftiger  Entwicklung,  bei  sehr  einfachen  Mitteln;  Anzeigen  einer  älteren 
Existenz  fehlen.  Die  erhaltenen  Denkmäler  dieser  Zeit  zerfallen  in  drei 
Gruppen,  Mysterium,  Übersetzungen  aus  dem  Französischen  oder  Provenza- 
lischen,  und  Gedichte  der  Cuaderna  via  mit  überwiegend  lateinischen  Vorlagen 
und  gelehrtem  Anstrich ;  bei  der  letzteren  scheiden  sich  wieder  geistliche  und 
weltliche  Stoffe.  Einen  wesentlichen  Teil  ihrer  Aufgabe  übernimmt  unter 
Alfonso  X.  die  erzählende  Prosa;  damit  hängt  es  zusammen,  dass  nur  dürftige 
Belege  einer  fortdauernden  Übung  von  Berceo  zu  dem  Archipreste  hin- 
überführen. Bei  diesem  lebt  ein  neuer  Geist  in  den  überlieferten  Formen, 
der  eine  weitgehende  Umgestaltung  der  Lebenshaltung  erkennen  lässt,  und 
den  Erwerb  der  Prosadichtung  in  sich  aufgenommen  hat.  Die  portugiesische 
Hofpoesie,  obwohl  der  XI.  wie  der  X.  Alfonso  sie  pflegten,  bleibt  in  dieser 
Periode  noch  ein  fremdsprachliches  Spiel.  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs. 
nimmt  sie  kastilisches  Gewand  an,  bei  Lopez  de  Ayala  in  Verbindung  mit 
der  neuen  Form  der  Arte  mayor  und  einer  wesentlichen  Umgestaltung  der 
Prosa,  so  dass  wir  mit  seinem  Namen  ein  neues  Kapitel  beginnen  dürfen. 

19.  Es  konnte  kaum  ausbleiben,  dass  mit  dem  französischen  Ritus  auch 
die  in  ihm  heimischen  dramatischen  Feiern  übernommen  wurden ;  ungefähr 
gleichzeitig  mit  Deutschland  folgte  Kastilien  dem  älteren  französischen  Vor- 
gang in  der  Anwendung  der  Volkssprache.  Erhalten  ist,  neben  dem  abge- 
lösten Fragment  eines  Osterspiels,  nur  die  erste  Hälfte  eines  Weihnachts- 
mysteriums, das  sog.  Misterio  de  los  reyes  magos.'^  Eine  ungeübte  Hand  der 
ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  hat  es  ziemlich  fehlerhaft  auf  die  Rückblätter  einer 
Hs.  der  Kapitclbibliothek  von  Toledo  geschrieben.  Seine  vier  Scenen  (Auf- 
treten der  Magier,  ihr  Zusammentreffen,  Gespräch  mit  Herodes  und  Synedrium) 
zeigen  einen  reichen  metrischen  Bau  in  8,  12  und  6  Silbnern,  wie  ihn  ähn- 
lich französische  und  lateinische  Stücke  bieten ;  die  Vorlage  dürfte  indessen 
lateinisch  gewesen  sein.  Der  Reim  ist  etwas  unbeholfen ,  Auffassung  und 
Sprache  kirchlich  einfach,  der  Ort  der  parstellung  Jedenfalls  die  Kirche.  Ein 
vorgeschrittener  Standpunkt  zeigt  sich  in  der  vollständigen  Auflösung  der  litur- 
gischen Bestandteile,  altertümlich  erscheint  das  Fehlen  des  Hirtenvorspiels, 
das  getrennte  Auftreten  der  Magier,  eigenartig  die  Entlassung  der  Weisen  vor 
der  Befragung  der  Juden.  Die  Überlieferung  der  lateinischen  Weihnachts- 
spiele ist  besonders  dürftig,  der  gesamten  Entwicklung  des  Dramas  entsprechend 
dürfte  aber  das  Vorbild  noch  dem   12.  Jh.  angehört  haben. 

Inmitten  seiner  Marienklage  wird  Gonzalvo  de  Berceo  ungewohnt 
lebhaft,  verlässt  dies  einzigemal  den  gemessenen  Alexandriner  um  Str.  178 — 90 
ein  derb  volkstümliches  Grabwächterlicd  singen  zu  lassen.  Zweifellos  hat  er 
diesen  wie  einige  andere  Zusätze  zu  seiner  Quelle  (,^  21)  einem  Osterspiel 
entnommen ;    Gesang    und    Nebenumstände    entsprechen    dem   Lied    der    auf- 


1   S.  Mihi  S.  412. 

-  y/ib.  f.  r.  tt.  e.  L.   1871,  44;   Hart  mann,    Über   das   altsp.   Dreikönigspiel,  Lpz. 
Diss.   1879;    Diplomat.  Abdruck    von  Baist,    Erlangen   1887.     Vgl.  Zts.  f.  r.  Ph.  4,  443. 


Kunstdichtung:  Dramat.  Feiern.    Übersetzungen  aus  d.  Franz.    401 


ziehenden  Wache  im  lateinischen  Osterspiel  von  Tours  1  (11.  Jh.),  der  Anrede 
der  Juden  an  die  Wächter  im  gleichzeitigen  deutschen  Spiel  von  Muri,  dem 
ständigen  burlesken  Judengesang  der  späteren  deutschen  Spiele.  Wir  dürfen 
also  ein  kräftiges  Leben  der  beiden  ältesten  Gestalten  des  liturgischen  Dramas 
im  ersten  Viertel  des  13.  Jhs.  als  gesichert  betrachten.  Hirten-  und  Passions- 
spiel —  representaciones  —  sind  ausserdem  in  den  Gesetzen  Alfonsos  X.  (s. 
Part.  I,  6,  34)  Kirche  und  Klerikern  namentlich  gestattet 2,  während  ^\^  juegos 
por  escarnio  in  und  ausserhalb  der  Kirche  untersagt  werden.  Dieser  Ausdruck 
ist  etwas  unbestimmt,  er  begreift  satyrische  Masqueraden  in  sich  (Part.  I,  6,  36), 
sagt  uns  nicht  ob  die  Farce  litterarisch  ausgebildet  war.  Über  zweihundert 
Jahre  lang  fehlt  dann  jede  Spur  dramatischer  Aufführungen 3;  es  scheint,  dass 
das  Mysterium,  wie  in  Frankreich,  seinen  Platz  in  der  Kirche  verlor,  aber 
nicht,  wie  dort,  auf  den  Markt  hinaustrat.  Einen  Ersatz  dafür  boten  Aufzüge, 
welche  einzelne  Festgottesdienste  und  Prozessionen  schmückten,  sich  in  mannig- 
fachen Formen  lange  erhalten  haben,  die  Entfaltung  des  Auto  im  16.  Jh. 
begünstigten.  Ganz  ausgeschlossen  ist  die  Fortdauer  der  eigentlichen  Spiele 
nicht,  aber  sie  kann  nur  eine  sehr  bescheidene  gewesen  sein :  das  zeigt  schon 
der  kindliche  Zustand  in  dem  wir  im  Ausgang  des  15.  Jhs.  das  Weihnacht- 
spiel bei  Juan  del  Encina  wiederfinden. 

20.  Erheblich  tiefer  als  im  Mysterio  steht  die  Verskunst  in  einigen  Über- 
setzungen kleinerer  Poesien  in  8-  und  6  Silbnern,  die  dem  13.  Jh.  angehören. 
In  der  längsten  darunter,  der  Vida  de  Santa  Maria  Egipciaca^  (^445  V.)  ist 
schon  früh  eine  mehrfach  variierte  altfr.  vie  in  8 Silbnern  erkannt  worden, 
welche  in  sehr  notdürftigen  Reimen  und  ohne  alles  metrische  Verständnis 
wiedergegeben  wird:  ein  provenzalisches  oder  katalanisches  Zwischenglied  lässt 
sich  aus  den  Versen  keineswegs  so  sicher  erweisen  als  behauptet  worden  ist. 
Ganz  gleichartig  ist  das  in  derselben  Hs.  erhaltene  Libre  dels  tres  reys  d'  Orient^ 
(244  V.)  eigentlich  die  Legende  vom  guten  Schacher,  mit  unbekannter  Quelle: 
Der  Titel  ist  katalanisch,  der  Schreiber  und  vielleicht  auch  der  Bearbeiter 
beider  Stücke  gehörte  dem  Grenzgebiet  an.  Eher  dem  Westen  des  Sprach- 
gebiets dürfte  das  Fragment  (74  V.)  einer  Dispiitatio  Corporis  et  animae^  zu- 
zusprechen sein,  welches  die  Sechssilbner  seiner  französischen  Vorlage  nicht 
sehr  geschickt,  aber  ursprünglich  doch  metrisch  korrekt  wiedergiebt,  und  sich 
dabei  erhebliche  Kürzungen  erlaubt.  Mehr  unbeholfene  Selbständigkeit  zeigt 
die  in  Aragon  niedergeschriebene  Kombination  einer  Romanze  mit  dem  Debat 
du  vin  et  de  F eau"^ .  Der  Schüler  findet  in  einem  Garten  mit  Quelle  zwei 
Gefasse  voll  Wasser  und  Wein  stehen;  eine  Taube,  die  in  der  Quelle  baden 
wollte,  scheut  vor  ihm,  fliegt  in  das  Gefäss  mit  Wasser  und  schüttet  es  über 
den  Wein,  worauf  der  Streit  der  beiden  anhebt.  Dass  eine  Dame  die  Ge- 
fasse aufgestellt  hat  giebt  Gelegenheit  die  Romanze  in  die  Einleitung  einzu- 
schieben, deren  Motiv  ist,  dass  Schüler  und  Dame  sich  schon  geliebt,  aber 
noch  nicht  gesehen  haben.     Die  direkten  Vorlagen  der  259  Verse  sind  nicht 

*  Lange,  Lat.   Osterfeiern  S.  30. 
2  S.  Wolf,  Studien,  S.  578. 

*  In  Katalonien  allerdings  erhielten  sich  in  der  Kathedrale  von  Gerona  eine  Reihe 
von  Aufführungen  im  14.  und  15.  Jh.  (Esp.  sagr.  45,  17  —  23).  Aber  diese  Kirche,  die 
auch  sonst  eigenartige  Gebräuche  bewahrte,  stand  in  viel  näherer  Beziehung  zu  Frankreich 
als  zu  Kastilien. 

*  Hrsg.  V.  J  a  n  e  r ,  Poetas  ant.  al  s.  XV,  S.  307  ;  vgl.  M  u  ss  a  f  i  a ,  Wiener  Sitztaigsber. 
43,   153  und  Jhrb.  f.  r.  u.  e.  Lit.   1864  S.  42 1. 

^  Hrsg.  V.  Janer,  1.  c,  S.  319. 

"  Hrsg.  V.  Octavio  de  Toledo,  Zts.  f.  r.  Ph. ,  1878,  60,  zugleich  mit  zwei 
jüngeren  span.  Bearbeitungen.  Vgl.  Kl e inert.  Über  d.  Streit  zw.  Leib  u.  Seele,  Hall.  Diss. 
1H80,  S.  58. 

"^  Aufgefunden  und  veröffentlicht  von  Morel-Fatio,  Ro7n.  XVI,  344  ff. 
CJrüber,  Grundriss.    IIb.  26 


402    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    5.  SPAN.    LiTT. 

bekannt,  ihr  Maass  ist  das  ungenaue  Wiederspiel  des  Achtsilbners.  Es  ist 
sehr  beachtenswert,  dass  bei  einer  kaum  zu  verkennenden  Freiheit  der  Be- 
handlung doch  die  fremdartige  Unform  beibehalten  wird.  Als  Titel  würde 
sich  aus  dem  Gedicht  heraus  empfehlen:  Razon  de  amor  y  denuesto  del  vino 
y  del  agua. 

21.  Gonzalvo  de  Berceo  ist  der  erste  benannte  und  zugleich  der 
fruchtbarste  altspanische  Dichter:  wir  besitzen  von  ihm  über  20000  Verse. 
Er  war  in  dem  Dorf  geboren,  das  ihm  den  Namen  giebt,  wurde  in  der  be- 
nachbarten Abtei  St.  Millan  (3  Stunden  von  Najera)  erzogen  und  lebte  in 
dem  oberen  der  beiden  Klöster  als  Geistlicher,  nicht  als  Mönch.  Sein  Name 
fand  sich  dort  in  12  Urkunden  von  1220 — 1246;  1221  nennt  er  sich  Diacon, 
1237  Priester  1:  anzunehmen,  dass  er  noch  lange  nach  1246  gelebt  habe 
liegt  kein  Grund  vor,  das  Schweigen  der  Urkunden  spricht  dagegen.  Da  er 
sich  in  dem  Leben  der  h.  Oria  alt  und  müde  nennt  mag  seine  Geburt  1 180 — 90 
fallen.  Nur  eine  seiner  sämtlich  der  Cuaderna  via  angehörigen  Dichtungen, 
der  Alexandre,  hat  einen  weltlichen  Vorwurf,  die  anderen  behandeln  geist- 
liche Stoffe.  2  Dreie  die  Legenden  von  Heiligen,  welche  in  näherer  Be- 
ziehung zu  seinem  Kloster  standen.  Die  Vida  de  S.  Domingo  de  Silos  folgt 
einer  lateinischen  Vita  mit  angehängter  Mirakelsammlung 3;  in  der  Estoria  de 
S.  Millan  ist  die  alte,  dem  Braulio  (s.  II  i,  106)  zugeschriebene  Legende'* 
mit  der  in  §  11  erwähnten  Ergänzung  verbunden;  die  Vida  de  Sta.  Oria  nennt 
als  ihre  anscheinend  ungedruckte  Autorität  einen  der  Heiligen  gleichzeitigen 
Muno.  Eine  einheimische  Redaktion  des  Laurentiuslebens  lag  dem  Martyrio 
de  S.  Laurenfio  zu  Grunde,  wie  die  Angabe  von  Huesca''  als  Geburtsort  zeigt. 
Von  den  Milagros  de  Nuestra  Senora  sind  21  einer  der  verbreitetsten  lat. 
Sammlungen  entnommen*',  drei  einer  anderen'^,  nur  das  letzte  ist  spezifisch 
spanisch,  aber  auch  nach  geschriebener  Quelle.  El  duelo  que  fizo  la  virgen  folgt 
der  verbreiteten  dem  h.  Bernhard  (s.  II  i,  337)  zugeschriebenen  Marienklage, 
mit  Benutzung  der  Evangelien  und  eines  Osterspiels  ^,  De  los  signos  del  juicio 
einer  Version,  die  Petrus  Comestor  (s.  II  i,  189),  Evangel.  141  nahe  stand. 
Selbst  gefunden,  so  weit  man  die  Aufschichtung  biblischer  Erinnerungen  als 
Erfindung  bezeichnen  kann,  sind  nur  Los  loores  de  Nuestra  Senora  und  El 
sacrificio  de  Id  misa.  Dazu  kommen  noch  drei  Hymnen  aus  einer  der  Hss., 
die  einzigen  rein  lyrischen  Gedichte  in  der  Form  der  Cuaderna  via,  deren 
Autorschaft  allerdings  bestritten  worden  ist.  '-^     Über  die  Zeitfolge  dieser  Ge- 


^  S.  San  che  z,  Coleccion  de  Poes.  Cast,,  III,  XLIV — LVJ.  Dass  eine  Urkunde  von 
1264,  welche  B.  nennt,  sich  dabei  auf  die  Zeit  yor  1242  bezieht,  ist  dort  vollkommen  klar 
gestellt.  Dagegen  irrte  S.  als  er  in  dem  verstorbenen  König  des  letzten  Marienwunders 
Ferdipand  d.  Heiligen  suchte;  »senor  d' Estremaduraa  ist  unterscheidend  betont  und  kann, 
trotz  eines  genealogischen  Fehlers,  nur  Ferdinand  IL  von  Leon  meinen ,  der  das  Land  er- 
oberte und  den  Titel  sich  beilegte. 

^  Hrsg.  v.  Sanchez,  Col.  Bd.  II,  Madr.  1779;  v.  Jan  er,  Poet.  Cast.  ant.  al  s.  XV 
S.  39—146,  wenig  verbessert.  Über  die  verlorenen  Hss.  s.  neben  Sanchez,  Sarmiento, 
Memorias,  258 — 63.  Bruchstücke  der  Vida  de  S.  Dom.  hatte  schon  J.  de  Castro,  Glorioso 
thaicmaturgo,  Madr.  1688  veröffentlicht,  das  ganze  Gedicht  Vergar-a,  Vida  y  milagros  de 
S.  Dom.,  Madr.  1 736.  Es  mag  angemerkt  sein,  dass  an  letzterer  Stelle  auch  eine  Sammlung 
von  Prosawundern  des  Heiligen,  von  Pedro  Marin  im  Jahr   1293  verfasst,  mitgeteilt  ist. 

*  s.  b.  Vergara  und  bei  Mabillon,   1073,  20.  Dez. 

*  s.  Rios  I,  373. 

6  Vgl.  A.  55-   15-  Aug. 

8  Wiener  Sitzungsber.  II3,  S.  937  ff-,  No.  1  — 15  gleichlaufend,  dann  No.  31,  22, 
23,  36,  27.  33- 

■^  ib.  S.  965,  No.  41,  43,  60. 

*  Vgl.  Wechssie r.  Die  roman.  Marienklagen,  Halle  1893  S.  19. 

*  Cornu,  Rom.  IX,  72.  Über  das  Kriterium,  den  einsilbigen  Gebrauch  von  rey,  lässt 
sich  vielleicht  hinwegkommen  (Zts.  f.  r.  Ph.  IV,  472),  da  sei  entschieden  zweisilbig  steht. 


Kunstdichtung:  Cuaderna  via.    Gonzalvo  de  Berceo.   Alexandre.  403 

dichte  ergiebt  sich  aus  ihnen  selbst  nur,  dass  Süz.  Oria  im  Alter,  die  Marien- 
klage gedichtet  ist,  als  er  schon  Priester  war,  d.  h.  nach  1221,  und  vor  ihr 
die  Milagros.     Innerlich  sind  sie  alle  eng  verwandt. 

Gonzalvo  erklärt  selbst,  dass  er  schreiben  wolle  wie  der  Nachbar  zum 
Nachbarn  redet ,  seine  Sprache  ist  einfach ,  absichtlich  populär :  er  ist  der 
wohlmeinende  Landprediger,  der  seiner  Gemeinde  die  heiligen  Stoffe  nahe 
zu  bringen  und  so  recht  deutlich  zu  machen  beflissen  ist ,  und  dabei  auch 
gerne  die  Aufmerksamkeit  durch  einen  Scherz  weckt.  Rhetorischer  Schwulst 
in  seinen  Vorlagen  fällt  unbeachtet,  die  trockene  Thatsache  wird  fromm- 
realistisch belebt,  weitläufig,  naiv  und  trivial,  mit  recht  wenig  Phantasie.  Nur 
ausnahmsweise  kommt  schlichte  religiöse  Empfindung  zu  wärmerem  Ausdruck, 
nimmt  eine  Vision  den  Redner  gefangen.  Dem  Leser  bleibt  indessen  eine 
freundliche  Empfindung  für  den  redselig  redlichen  Mann  und  seinen  harm- 
losen Humor,  er  behält  ein  klösterlich  gefärbtes  aber  lebendiges  Bild  der 
Persönlichkeit  und  ihrer  Umgebung. 

Diese  besseren  Eigenschaften  konnten  im  Alexandre^  nur  wenig  zur  Gel- 
tung kommen;  seine  ca.  loooo  Verse  können  fast  nur  stofflich  interessieren. 
Dafür  zeigt  Berceo  hier  eine  nicht  unbedeutende  Belesenheit;  Gautiers  von 
Chätillon  Alexandreis  (s.  II,  i,  408)  hat  ihm,  wie  er  es  sagt,  als  Grundlage 
gedient,  daneben  ist  eine  Version  Act  Historia  de  proeliis  (s.  II,  i,  151),  und 
—  bei  unserem  Dichter  der  einzige  erweisbare,  zugleich  aber  vollkommen 
sichere  Fall  der  Verwertung  einer  franz.  Quelle  —  der  Roman  d^ Alexandre 
benutzt.  Ausschmückende  Erweiterungen  lieferten  Isidor  v.  Sevilla,  wahr- 
scheinlich spanisch  Flor  und  Blancheflor  (s.  §  10),  wahrscheinlich  französisch 
eine  Version  des  Schwanks  vom  Neidischen  und  Habsüchtigen,  eines  Dit  sur 
les  itats  du  fnonde.  Endlich  erzählen  417  Str.  den  Trojanerkrieg  nach  Pindarus 
Thebanus  und  einer  Guido  von  Columna  (s.  II,  i,  321)  eng  verwandten 
Quelle,  die  später  in  der  Crönica  troyana  Delgados  (Sevilla  1509)  wieder 
auftaucht.  Die  Auffassung  des  Altertums  ist  selbstverständlich  rein  mittelalterlich, 
mit  den  zwölf  Pairs,  Achill  im  Nonnenkloster  u.  s.  w. ,  doch  ohne  höfische 
Tendenz.  Neben  der  Bedeutung,  die  der  Alexandre  als  erstes  kastilisches 
Kunstepos  besitzt,  hat  er  vielleicht  auch  noch  jene  der  Sprache  die  Form  des 
Vierzeilers  gegeben  zu  haben.  Sie  erscheint  in  den  Eingangsversen  noch  als 
ungewöhnlich  (s.  §  8) ;  und  wir  dürfen  daraufhin  zugleich  das  Gedicht  als 
das  älteste  Berceos  betrachten.  Ein  auffälliger  Segenswunsch  für  den  König 
von  Sicilien  in  Str.  1228  2  legt  den  Gedanken  an  den  Kreuzzug  von  1228 
sehr  nahe.  Übrigens  ist  der  Vers,  wie  überhaupt  bei  B.,  bequem  aber  korrekt 
gehandhabt,  und  auch  die  unvollkommenen  Reime  dürften  vor  der  Textkritik 
grösstenteils  verschwinden.  Für  den,  der  sich  einmal  das  Prinzip  der  fran- 
zösischen Metrik  klar  gemacht  hatte,  war  die  Nachahmung  nicht  schwer,  die 
portugiesischen  Kunstdichter  hatten  sie  schon  lange  geübt. 

Die  Autorfrage  war  früher  dadurch  verdunkelt ,  dass  in  der  einzigen 
durch  ihn  leonesisch  gefärbten  Hs.  der  Kopist  seinen  Namen  Juan  Lorenzo, 
natural  (nicht  -»Segura«)  de  Astorga  am  Schluss  für  den  des  Verfassers  ein- 
gesetzt hatte;  sie  ist  erst  entschieden  worden,  als  neuerdings  ein  zweites  Ms. 3 
auftauchte. 

2  2 .    Fraglich  bleibt  allerdings  ob  der  Aleocandre  älter  ist  oder  das  Libre 


*  Ausg.  V.  Sanchez,  Coleccion  de  poes.  cast.  t.  III,  Madr.  1782;  von  Jan  er,  Poet, 
ant.  al  s.  XV,  147 — 224.  Eine  Neuausgabe  wird  von  A.  More  1-Fatio  vorbereitet.  Vgl. 
dessen  eindringende  Untersuchung  über  das  Gedicht  in  Rom.  IV,  7 — 90. 

^  Gerade  der  lat.  Vorlage  gegenüber  {Rom.  IV,   14)  ist  er  doppelt  auflFällig. 

2  S.  Rom.  Forsch.  VI.   292. 

26* 


404   LirrSRATÜRGESCHICHTE  DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    5.    SPAN.    LiTT, 


A 


de  Apollonio  ^,  da  auch  für  dieses  (sprachlich 2  gleichzeitige)  die  Form  der 
Cuaderna  via  noch  eine  neue  war.  Es  ist  eine  ziemlich  einfach  gehaltene 
Bearbeitung  der  vielgelesenen  Historia  Apollonii  regis  Tyri  (s.  II,  i,  178,  429)3; 
ihre  ganze  ländlich-sittliche  Art  der  Berceos  nahe  verwandt,  ohne  dass  sich 
indessen  eine  Abhängigkeit  erweisen  liesse.  Die  Fabel  passt  ihrer  Natur  nach 
besser  in  das  neue  Gewand  als  der  Alexandre^  dieser  behält  aber  seine  litterar- 
historische,  bestimmende  Bedeutung,  auch  wenn  wir  ihn  als  den  jüngeren  be- 
trachten. Wir  haben  seinen  Einfluss  in  der  Crönica  rimada  del  Cid  bemerkt; 
er  wurde  noch  im  15.  Jh.  zitiert  (Marques  deSantillana)  benutzt  (Crönica 
de  Pero  Nim)  und  kopiert.  Unmittelbar  an  ihn  schlössen  sich  die  uns  nur 
durch  ihre  Erwähnung  beim  Marques  de  Santillana  bekannten  Votos  del 
Pavon,  eine  Bearbeitung  des  französischen  Gedichts  von  Jacques  de  Longuyon: 
und  an  ihn  lehnt  sich  das  seines  nationalen  Stoffes  wegen  in  ^  11  besprochene 
Poema  del  Conde  Fernan  Gonzalez.  Dass  eine  weitere  Entwicklung  in  dieser 
Richtung  nicht  stattfand  ist  eine  Folge  der  Entfaltung  der  Prosadarstellung 
und  nicht  der  inneren  Unruhen,  von  welchen  allerdings  die  spätere  Regierungs- 
zeit Alfonsos  X.,  jene  Sanchos  und  Ferdinands  IV.,  sowie  auch  die  Anfänge 
Alfonsos  XL  erfüllt  waren.  Nur  unter  Ferdinand  IV.  haben  diese  einen  land- 
verderberischen  Charakter  angenommen.  Aus  diesem  Zeitraum  sind  nur  zwei 
unbedeutende  Denkmäler  der  Cuaderna  erhalten.  Ein  Kleriker,  der  uns  dabei 
mitteilt,  dass  er  als  Benefiziat  von  Ubeda  auch  eine  Magdalenenlegende  gereimt 
habe,  verfasste  die  Vida  de  S.  IldefonsoA  Sie  enthält  einige  den  gedruckten 
lateinischen  Viten  ^  fehlende  Elemente,  ihren  -wichtigsten  Teil  bildet  das  erste 
der  Marienwunder  Berceos.  Die  274  Strophen  sind  in  einer  modernen  Ab- 
schrift unglaublich  schlecht  überliefert,  auch  die  Angabe  des  Verfassers  über 
seine  Zeit  ist  verderbt,  so  dass  sich  nicht  sicher  feststellen  lässt,  ob  er  sich 
unter  Alfonso  XI.  oder  in  die  Anfänge  Ferdinands  IV.  stellt;  wahrscheinlich 
ist  indessen  das  letztere.  Verbreiteter  war  ein  nur  unvollständig  ediertes  Lehr- 
gedicht, das  sich,  man  sieht  nicht  recht  weshalb.  Las  palabras  que  dixo 
Salomon  ^  nennt  und  in  verkürzter  Gestalt "  im  Cancionero  des  Martinez  de 
Burgos  Aufnahme  fand.  Es  handelt  vom  Tod  und  den  Sünden  der  Welt, 
mag  durch  Ecclesiastes  I  inspiriert  sein ;  als  einziger  Anhaltspunkt  für  eine 
Zeitbestimmung  müssen  die  Fehler  der  Hs.  fin.  sec.  XIV  dienen,  welche  eine 
weitläufigere  Überlieferung  anzeigen.  Mit  dem  Pero  Gomez,  welchem  es 
Rios  zuschreiben  wollte,  hat  es  Nichts  zu  schaffen. 

Weil  sie  einiges  Unheil  angerichtet  hat  mag  hier  noch  eine  scherzhafte 
Erfindung  von  Antonio  Sanchez  erwähnt  sein,  die  er  seiner  Berceoausgabe 
angefügt  hat,  El  loor  de  Gonzalo  de  Berceo.  Zur  selben  Litteraturgattung  ge- 
hören die  dreizeiligen  Alexandriner  auf  den  Rey  Sabio  bei  Rios,  IV,  52, 
Anm.   2. 

23.  Auch  Berceo,  so  friedlich  er  ist,  steht  noch  unter  dem  Eindruck 
des  Existenzkampfes  mit  den  Mauren.  Die  erste  Hälfte  des  13.  Jhs.  hat  diesen 
entschieden,  die  Gefahr  der  Invasion   vom  Norden  genommen,  und  das  hoch 


1  Hrsg.  V.  Pidal  i.  d.  Revista  de  Madrid,   1840;  v.  Janer,  Poet.  ant.  S.  283. 

2  Zahlreiche  Aragonismen  im  Text  dürften  auf  Rechnung  des  Schreibers  zu  stellen 
sein.  Die  Hs.  fin.  s.  XIII  enthält  auch  die  Maria  Egipciaca  und  die  Tres  reys  d'Orient 
(§   20).  _         -  . 

*  Ausg.  von  Riese,  Lpz.  1893.  Die  jüngere  der  beiden  dort  mitgeteilten-Rezensionen 
ist  die  benützt2. 

*  Hrsg.  V.  Jan  er,  Poet.  cast.  323.     Vgl.  Rios,  IV,  60  Anm.  2. 
5  Mabillon  II,  493,  A.SS.  23.  Jan.,  Esp.  Sagr.  VI,  482— 506. 

«  Vgl.  Rios  IV,  52—59,  wo    12  Str.  mitgeteilt  sind,  und  Rom.  X,  300. 
■^  Abgedr.  bei  Tickno  r- Julius  II,  674  und  ungenau  in  Opüsculos  literarios  de  Ics 
siglos  XIV— XVI,  Madr.    1892,   S.   364- 


Kunstdichtung:  Cuaderna  via.  Apollonio.  S.  Ildefonso  etc.  JuanRuiz.  405 

kultivierte  Andalusien  erworben.  Die  Rückwirkung  auf  die  Stammlande  blieb 
nicht  aus ,  in  Städten  und  Städtchen  hoben  sich  Handel  und  Gewerbe ,  mit 
ihnen  die  Landwirtschaft,  Wolltuche  und  Seide  gingen  auf  den  ausländischen 
Markt.  Mächtige  Dombauten  bezeugen  den  wachsenden  Reichtum,  Salamanca 
tritt  (1255)  in  den  Dienst  der  Gelehrsamkeit,  die  Fürsten  wetteifern  in  der 
Pflege  volkssprachlichen  Wissens.  Die  Kunst  des  Lesens  verallgemeinerte  sich; 
der  Knecht  des  Archipreste  las  schlecht,  aber  er  las.  Auch  dieser  Um- 
stand trug  dazu  bei  dem  am  Herrenhof  verachteten  Juglar  1  seine  Bedeutung 
für  die  unteren  Klassen  zu  nehmen;  im  14.  Jh.  treibt  er  noch  »cazurrias« 
und  singt  -»dulces  cantares«,  aber  die  Benennung  verliert  nach  und  nach  ihren 
alten  Sinn,  sinkt  zu  dem  des  Possenreissers  herunter.  Darum  fehlte  der  Strasse 
keineswegs  das  Lied ;  der  Eigengesang  des  Volkes  lebte,  -  welcher  Art  er  ge- 
wesen sein  mag  und  er  wird  allmählich  das  System  der  Silbenzählung  an- 
genommen haben.  Der  Neigung  singen  zu  hören  diente  ein  zahlreiches 
Völkchen,  das  bei  dem  zunehmenden  Wohlstand  seine  Nahrung  fand.  Danzas 
und  troteras  für  Jüdinnen  und  Maurinnen  (und  für  »entendederas«),  Lieder  für 
Blinde  und  nachtlaufende  Schüler  hat,  unter  Alfonso  XL ,  mehr  als  auf  zehn 
Bogen  gehen  würden,  Juan  Ruiz  der  Erzpriester  von  Hita^  verfasst.  Davon 
sind  nur  vier  Schülerlieder*  halb  zufällig  erhalten;  in  sem  Buch  nahm  der 
Archipreste  selbst  die  Fliegenden  Blätter  nicht  auf  Aber  die  wenigen  Be- 
lege knüpfen  den  Faden  wieder  an ,  den  wir  bei  der  weltlichen  Kleriker- 
dichtung in  ^  20  verloren,  zeigen  uns  volkssprachliche  Lyrik  erwerbsmässig 
in  einem  Kreise  gepflegt,  auf  den  die  portugiesischen  Melodien  des  Hofes 
Einfluss  gewinnen  mussten.  Juan  Ruiz  verdankt  den  Vorgängern  auf  diesem 
Gebiet  einen  Teil  seines  metrischen  Reichtums,  aus  der  Königsprosa  kam  ihm 
die  Form  der  Rahmenerzählung  und  die  didaktische  Tendenz,  in  welche  er 
seine  Schalkheit  verkleidet.  Sein  Buch  —  el  libro  de  buen  amor  nennen  wir 
es  mit  dem  Epilog  —  ist  auch  äusserlich  das  eigenartigste  Erzeugnis  der  alt- 
spanischen Litteratur;  eine  Sammlung  oder  vielmehr  Auswahl  seiner  Dichtungen, 
die  er  zu  einem  losen  Gewebe  verbindet,  dessen  Einschlag  sein  persönliches 
Liebestreiben,  genauer  seine  Persönlichkeit  selbst,  bildet.  Nach  einleitenden 
Liedern  an  Gott  und  Maria,  setzt  er  sich  in  Prosa  und  Vers  mit  Leser  und 
Gewissen  auseinander.  Klärlich  hat  er  sein  Buch  nicht  verfasst  um  zum 
Übel  anzuleiten,  es  dient  als  Spiegel,  um  sich  davor  zu  hüten;  wenn  aber 
jemand  der  närrischen  Liebe  der  Welt  fröhnen  will ,  was  nicht  empfohlen 
werden  soll,  so  findet  auch  der  darin  nützliche  Anleitung;  es  dient  beiden, 
dem  Weisen  und  Thoren  :  da  Juan  Ruiz  ein  Mensch  ist  wie  andere  Sünder, 
hat  auch  er  oft  geliebt.  Das  ist  nun  ziemlich  ernst  gemeint;  der  Archipreste 
nimmt  einfach  für  sich  dieselbe  »Moralität«  in  Anspruch,  mit  der  man  her- 
kömmlicher  Weise    seinen   Freund   Ovid    entschuldigte.      Auf   einige    Liebes- 


'  Über  seine  Stellung  unter  Alfonso  X.  s.  d.  Zitate  aus  den  Partidas  Mi  Li  416; 
dazu  noch  Pari.  IV,  14,  3.  Ihre  Bedeutung  liegt  weniger  in  der  vom  römischen  Recht 
übernommenen  Unehrlichkeit  des  Spielmanns,  als  darin ,  dass  die  Cantares  gelesen  werden 
wie  ein  anderes  Buch. 

^  Sicher  überall  die  Tanzverse,  wie  heute,  in  einzelnen  Gegenden  neben  Reimsprüchen 
vielleicht  die  einzige  Form.  Volkstümlich,  abernicht  ein  Volkslied  ist  der  §  19  besprochene 
Gesang  der  Grabwächter.     Über  die  Romanzen  s.  b.  der  folgenden  Periode. 

'  Hrsg.  V.  Sanchez,  Coleccion,  T.  IV,  Madr.  1790,  mit  Kürzung  der  anstössigen 
Stellen;  vollständiger  von  Jan  er  Poet,  ant.,  S  225—82,  doch  auch  noch  mit  sehr  mangel- 
hafter Benützung  der  4  Hss.  So  hat  er  z.  B.  nicht  bemerkt,  dass  nach  739  6  Strophen 
fehlen,  32  nach  755,  ebensoviel  nach  851,  und.  nach  425,   16  Strophen  ausgelassen  sind. 

*  Die  Estudiantina,  wie  sie  noch  heute  Abends  umzieht,  wenn  auch  ohne  Studenten. 
Ebenso  singt  noch  der  Blinde,  Geistliches  und  sehr  Weltliches.  Das  Schema  der  Schüler- 
lieder ist  bei  zweien  Thema  mit  Rundreim :  rr,  aaar,  bbbr ;  bei  einem  ababab ;  bei  einem 
aabbcc;  sämmtlich  in  Siebensilbnern. 


4o6    LiTTEKATURGESCHICHTE    DER    KOMANISCHEN    VÖLKER. 5.    SPAN.    LlTT. 

abenteiier  folgt,  durchflochten  von  »Beispielen«  aus  Joseph  und  anderen,  ein 
Streit  mit  Amor  und  Belehrung  durch  ihn  und  seine  »Frau«  Venus,  frei  nach 
der  Ars  amatoria,  und  eine  glänzende  Bearbeitung  von  Paniphilus  de  amore 
(s.  II,  I,  427);  mit  Don  Melon,  wie  er  den  Protagonisten  nennt,  identifiziert 
sich  zugleich  der  Dichter,  die  Kupplerin  Trotaconventos  ist  zu  einem  bleiben- 
den Typus  umgeschaffen.  Von  da  ab  spielt  nun  diese  eine  Hauptrolle,  in 
einer  Reihe  von  Liebeshändcln,  u.  a.  mit  einer  Maurin  und  einer  Nonne; 
zwischen  hinein  Apologe,  Pastorellen  (Cänticas  de  Serratia)  burlesken  Charakters, 
auf  Kosten  des  Dichters  und  der  derbschlächtigen  Sennerinnen ;  Marienlieder, 
eine  originelle  Version  des  Dcbat  de  Quaresme  et  de  Charnage  mit  einem  Streit 
der  Stände  um  die  Bewirtung  Amors  und  Bildern  der  zwölf  Monate;  ein 
sprechendes  Selbstporträt,  der  Tod  der  Trotaconventos  und  ihre  Leichenrede, 
die  abgekürzt  wird ,  um  vom  I.ob  des  kleinen  Sermons  auf  das  höchst  an- 
mutige der  kleinen  Frauen  überzugehen ;  eine  verunglückte  Liebessendung  des 
Dieners  mit  den  14  guten  Eigenschaften;  der  Epilog  und  noch  vier  Marien- 
lieder. 

All  das  gibt  nur  einen  schwachen  Begriff  von  der  Mannigfaltigkeit  des 
Inhalts  der  gegen  7000  Verse,  und  ebenso  mannigfach  ist  die  äussere  und 
innere  Formgebung,  bald  klassisch  einfach,  bald  launisch  überreich.  In  buntem 
Wechsel  zieht  vorüber  was  er  genossen  und  geschaut  hat,  Schilderung  und 
Erzählung,  Geschehenes  und  Erfundenes,  voll  Farbe  und  unmittelbaren  Lebens; 
inmitten  der  Archipreste  selbst,  der  sich  rückhaltlos  giebt  wie  er  ist.  Die 
Verbindung  der  I>ebenslust  und  Leichtfertigkeit  mit  einer  hoch  überlegenen 
Beobachtungsgabe,  die  Unbefangenheit,  mit  welcher  er  in  einem  Treiben  auf- 
geht, das  eigentlich  unter  ihm  steht,  das  Nebeneinander  des  intakten  Glaubens 
und  des  Epikuraeismus  vertiefen  das  Bild  der  Menschen  und  der  Zeit,  giessen 
über  das  Ganze  eine  höhere  Ironie.  Wie  Geist  und  Erfindung  steht  auch  die 
Sprache  weit  über  allem  das  die  alte  kastilische  sowohl  als  portugiesische 
Poesie  hinterlassen  hat. 

Die  Maasse  sind  in  erster  Linie  noch  der  alexandrinische,  daneben  in  er- 
heblicher Ausdehnung  der  14 silbige  Vierzeiler;  ausserdem  noch  18  verschiedene 
lyrische  Strophen  in  über  600  Versen,  7,  6,  4,  5  und  14 silbig,  der  eingemischte 
Dreisilbner  mit  obligatorischem  v/eiblichem  Ausgang ,  die  Mehrzahl  religiös, 
die  andern  meist  burlesk,  einige  ziemlich  künstlich,  aber  alle  fasslich  singbar. 
Diese  Formen  stammen  direkt  oder  indirekt  aus  der  Hofpoesie ,  eine  andere 
Beziehung  zu  ihr  ist  nicht  vorhanden.  Stark  und  unmittelbar  bleiben  dagegen 
jene  zu  Frankreich.  Dass  sein  Ysopete,  nach  dieser  Benennung  zu  schliessen, 
französisch  war,  ebenso  wie  sicher  mehrere  andere  seiner  Vorbilder  \  kommt 
weniger  in  Betracht,  die  fremden  Stoffe  werden  bei  ihm  durchaus  kastilisch 
und  persönlich.  Es  ist  der  Geist  des  französischen  13.  Jhs. ,  der  in  seiner 
ausgeprägten  Individualität  wieder  auflebt,  niemand  ist  ihm  näher  verwandt 
als  Meister  Adam  von  Arras. 

Nach  einer  doppelten  Datierung  des  Epilogs  scheint  es,  dass  Juan 
Ruiz  sein  Buch  1330  redigierte  und  1343  einige  Stücke  hinzufügte,  während 
er  auf  Befehl  des  Erzbischofs  Aegidius  von  Albornoz  (1339—52)  in  Toledo 
gefangen  sass.  Eine  der  uns  in  einer  Hs.  überlieferten  Extravaganten,  der 
überlustige  Angriff  auf  die  Kanoniker  von  Talavera,  dürfte  sich  auf  das  erste 


1  Vgl.  über  sie  die  ausgezeichnete  Untersuchung  von  F.  Wolf,  Studien,  Berl.  1859, 
S.  99  ff.;  einige  Ergänzungen  dazu  finden  sich  bei  P  u  y  maigre,  Les  vieux  atitetirs  castillans, 
Nouv.  ed.,  II,  257  ff.  Die  vom  heutigen  Standpunkt  nötigen  Ergänzungen  hinzuzufügen  ist 
hier  kein  Raum.  Es  mag  nur  bemerkt  sein,  dass  der  Schwank  von  Fitas  Payas,  dem  bre- 
tonischen Maler  (Däne  bäte  bei  Lafontaine)  mit  seiner  IMinntasiesprache  ein  Fablei  in  der 
Art  des  Renart  jongleor,  des  Frivilige  aux  Bretons  und   ähnlicher  voraussetzt. 


Kunstdichtung:  Juan  Ruiz.  —  Prosa.    Anfänge.    Fuero  juzgo.     407 

Kapitel  der  Synode  von  Alcala  (April  1347)  beziehen.  Im  Jahre  1351  fand 
Sanchez  urkundlich  einen  anderen  Erzpriester  in  Hita.  Nach  dem  Archipreste 
verdrängen  andere  Einflüsse  den  der  gesunkenen  französischen  Litteratur,  und 
er  st^lbst  erschien  den  Reimern  des  15.  Jhs.  nicht  mehr  nachahmenswürdig, 
obwohl  ihn  der  Marques  de  Santillana  und  Ferrand  Manuel  (Can(.  de 
Baenä)  kannten.  Dafür  schloss  sich  unmittelbar  an  ihn  der  Corbacho  des 
Erzpriesters  von  Talavera,  an  diesen  wieder  die  Celestina ,  welche  ihrerseits 
eine  weittragende  Wirkung  u.  a.  auch  auf  Cervantes  gehabt  hat:  seine  Tia 
fingida,  die  Alte  in  Rviconete  y  Cortadillo  sind  Enkelinnen  der  braven  Trota- 
convcntos. 

B.  PROSA. 

24.  Romanisch  für  Lateinisch  tritt  in  der  Prosa  ein,  wie  die  Prosa  über- 
haupt in  die  Schrift  tritt,  platt  zweckmässig,  unkünstlerisch,  in  Spanien  (g  7) 
zunächst  in  Gesetzen  und  Urkunden.  Während  der  Zeit  Ferdinands  III. 
des  Heiligen,  des  Eroberers  Sevillas  und  König  von  Castilien  und  Leon  dringt 
es  in  den  Privaturkunden  und  den  königlichen  Kanzleien  Castiliens,  Aragons, 
Navarras  und  Portugals  allmählich  vor ,  unter  ausschliesslicher  Anwendung  in 
der  castilischen  Kanzlei  seit  Alfonso  X.  'In  derselben  Periode  finden  sich 
die  ersten  vulgärsprachlichen  chronistischen  Aufzeichnungen ,  die  sog.  Anales 
Toledanos  I,  welche  von  Christus  an  die  lateinischen  Complutenses  (s.  II  i,  317) 
erweitern,  u.  a.  durch  das  Datum  der  Artusschlacht  von  Camlan,  am  Schluss, 
bis  12 19,  aus  persönlicher  Anschauung,  in  Toledo  abgefasst,  ebenso  wie 
zwischen  11 44  und  50  die  Anales  Toled.  IL  ^  Nach  12 17  und  vor  1223 
sind  paraphrasierte  Genealogien  der  Häuser  von  Kastilien,  Navarra,  Frankreich 
und  des  Cid'^  niedergeschrieben,  welche  in  der  französischen  Königsliste  un- 
zweideutige Gallicismen  aufweisen.  Der  Ausdruck  ist  durchweg  dittologisch 
unbeholfen ,  auch  wo  er  lebhafter  zu  werden  versucht.  Über  eine  ausführ- 
liche spanische  Geschichte  763 — 1256,  zu  welcher  die  Esp.  sagr.  XXIII, 
410 — 12  gedruckten  Annalen  gehören,  fehlen  brauchbare  Angaben  ^'';  sie  hängt 
jedenfalls  mit  Rodericus  Toledanus  zusammen,  vielleicht  mit  einer  der  beiden 
noch  voralfonsinischen  Übersetzungen +,  jener  der  Historia  Gothica,  die  Rios 
ohne  einen  Schatten  von  Berechtigung  dem  Erzbischof  selbst  beilegt,  oder 
der  1256  gefertigten  seiner  sämtliclien  Chroniken.  Als  Fernando  1241  Cor- 
doba  die  Lex  Visigotorum  zum  Fuero  gab ,  ordnete  er  zugleich  die  An- 
fertigung einer  Übersetzung,  des  Fuero  juzgo^  an.  Das  gleiche  ist  offenbar 
um  dieselbe  Zeit  bei  einer  Anzahl  anderer,  vorwiegend  leonesischer  Städte 
geschehen,  unter  Anwendung  des  örtlichen  Dialekts,  während  dieser  weiterhin, 
abgesehen  von  dem  selbständigen  Navarra  und  Aragon ,  auch  in  den  Privat- 
urkunden allmählich  zurücktritt.  Das  politische  Übergewicht  des  kastilischen 
Elements  datiert  im  Grund  von  der  Eroberung  Toledos,  und  Leon  verlor  die 
Ansprüche,  welche  er  noch  erheben  konnte,  unter  seinem  Teilkönig  Alfonso  IX. 


1  Esp.  sagr.  XXIII,  381  ff. 

'  Florez,  Memarias  de  las  reynas  catölicas ,  Madr.  1790.  I,  492;  Risco,  La 
Castüla,  App.  IV.  Rios  III,  409  nennt  sie  Linages  de  los  Heys.  Über  zwei  weitere  un- 
gedruckte Annalen  aus  jener  Zeit  s.  ib.  405  und  407.  Über  die  gefälschte  Estoria  de  Conca, 
vorgeblich  von  1212,  Munoz  y  Romero,  Diccion.  bibliogr.   108. 

*  Rios  III,  427;  Ewald  im  Neuen  Archiv  VI,  321.  ^ 

*  Estoria  gotica,  hrsg.  v.  Lidforss  in  Lunds  Univers.  Arsskrift  T.  VIII.  Vgl. 
Rios,  III,  421   u.  428. 

*  Fiuro  juzgo  en  latin  y  castellano,  cotejado  p.  la  R.  Academ.  Espaiiola,  Madr.  1815. 
Trotz  erheblicher  redaktioneller  Differenzen  gehen  alle  bekannten  Hss.  offenbar  auf  eine 
Version  zurück.  Alte  von  der  Akad.  nicht  benutzte  Hss.  des  sprachlich'  wichtigen  Buchs 
in  Lissabon,  Madrid  (Jesuitenkolleg),  Paris,  München. 


4o8    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.    SPAN.    LiTT. 


Die  Erlasse  Fernandos  sind  daher  kastilianisch ,  auch  wenn  sie  sich  an  leo- 
nesische  Städte  richten  und  selbst  wenn  ein  Zamoraner  der  Schreiber  ist.^ 
Der  König  hat  mit  Beihilfe  seines  Sohnes  das  von  diesem  vollendete  ency- 
klopädische  Septenario  begonnen,  und,  wohl  auch  unter  dessen  Einfluss,  eine 
einheitliche  kastilische  Gesetzgebung  geplant.  Der  eigentliche  Gewinn  seiner 
Regierung  ist  die  feststehende  Kanzleisprache,  das  Werkzeug  für  die  erstaun- 
liche Thätigkeit  seines  Nachfolgers.  Diese  war  für  ein  Jahrhundert  maszgebend; 
in  engem  Anschluss  an  ihn  pflegt  die  Herrscherfamilie  die  didaktische  und 
historische  Litteratur ,  die  religiöse  ist  wenig  bedeutend ,  die  Fiktion  bleibt 
noch  in  Übersetzungen  befangen  :  nur  die  Rahmenerzählung  wird  zuletzt  in 
Juan  Manuel  selbständig,  gleichzeitig  vielleicht  mit  den  ersten  einheimischen 
Romanen. 

25.  Alfonso  X.,  el  Sabio,  der  Weise,  geb.  1230,  seit  1237  der 
erste  Diener  seines  Vaters,  trat  1252  das  erweiterte  und  gefestigte  Reich 
unter  den  glänzendsten  Aussichten  an,  begabt,  erfahren  in  Regierungsgeschäften 
und  wafifentüchtig.  Ein  dem  nächstliegenden  abgewandter  theoretisierender 
und  schwankender  Sinn  liess  ihn ,  nach  dem  Zerstieben  seines  verderblichen 
Kaisertraumes,  1284  im  abgefallenen  Lande  sterben.  Dem  Lande  blieb  der 
Same  der  Zwietracht;  zugleich  verdankt  es  aber  dem  König  die  mächtigste 
Förderung  seiner  geistigen  Kultur. 

Alfonsos  geistliche  und  weltliche  Lyrik  (S.  II,  2,  184)  gehört  ganz  2  der 
galizisch-portugiesischen  Fremddichtung  an ;  sie  zeichnet  sich  viel  mehr  durch 
Umfang  als  Gehalt  aus,  und  ist  geschichtlich  minder  wichtig  als  seine  leitende 
Thätigkeit  in  der  Einführung  fremden ,  besonders  astronomischen  ^  Wissens. 
Sie  erstreckt  sich  über  die  ganze  Zeit  seines  schriftstellerischen  Wirkens;  1241 
erwarb  er  die  arabische  Vorlage  der  1246  übersetzten,  stark  astrologischen 
Steinbücher,  ^  1279  sind  die  Formas  e  imagenes  de  los  cielos  abgeschlossen. 
Eine  ganze  Reihe  jüdischer  und  christlicher  Gelehrter,  auch  einige  Araber 
sind  dabei  verwendet;  bei  den  Neuarbeiten  (Instrumente  und  Hilfsmittel), 
Compilationen  und  Übersetzungen,  die  durchaus  auf  den  Arabern  fussen,  be- 
teiligte sich  der  König  erheblich  über  Auftrag  und  Auswahl  hinaus.  Er  be- 
stimmte, nach  dem  Vorwort  der  Tablas  Alfonsls^  über  Kapiteleinteilung, 
verfasste  den  grösseren  Teil  der  Prologe,  und  vor  allem  hat  er,  wie  im 
Vorwort  zum  Libro  de  la  Esfera  gesagt  ist ,  stilisiert  und  sprachlich  aus- 
geglichen. 6  Bezeichnend  ist ,  dass  er  eine  erste  unvollkommene  Über- 
setzung des  Libro  de   la  Azafeha  1277   durch   eine  neue   ersetzen  liess.     Bei 


'  Petrus  Petri  Zamorensis  scripsit  era  J2y8  (=  1240) ,  B  u  rr i  e  1 ,  Memorias  para  la 
vida  del  santo  rey  S.  5II. 

-  Mit  Ausname  vielleicht  des  kurzen  span.  Fragments  Ganz.  Colocci-Branc.  363. 
Dasselbe  zeigt  die  Berceo  eigene,  dialektisch  zu  verschiedener  Zeit,  und  zwar  schon  im 
Alisterio  and  Fernan  Gonzales  verschobene  Betonung  dtos ,  welche  bfi  Alfonso  befienidet, 
lind  an  scherzhafte  Anwendung  des  Dialektes  der  Maitresse  denken  l.ässt. 

•*  Risco  y  Sinobas,  Libros  del  Sabor  de  Astronomia  del  Rey  Alfonso  X.  Madrid 
1863  —  67,  5  voll.  Fol.  Trotz  ihres  Umfangs  ist  die  Publikation  noch  nicht  erschöpfend; 
vgl.  Rios  III,  629  ff.  Vgl.  auch  Wolf,  Gesch.  der  Astron.,  München  l877.  S.  78  u.  205. 
Die  näheren  Angaben  über  eine  Akademie  von  über  50  Gelehrten,  die  A.  nach  Toledo  be- 
rufen h.ltte,  über  die  Kosten,  400000  Goldstücke  etc.  sind  Erfindung. 

*  Unediert;  s.  Castro,  Bibliot.  I,  104.  YAx\  von  Vollmöller,  Heilbr.  1880 
herausgeg.  kleines  span.  Steinbuch  (Marbod)  gehört  nach  Sprache  wie  Hs.  dem  15-  Jh.  an, 
ein  älteres  Lapidario  ist  von  Gallardo,  Etisayo  8 14  kurz  analysiert. 

^  Venedig  1483  und  oft  in  latein.  Übersetzung  (II,  1,  256);  nicht  bei  Risco.  Sie 
blieben   lange  massgebend. 

^  E  despues  lo  enderezo  e  mando  componer  este  rey  sobredicho,  e  tollo  las  razones  que 
entendio  qne  eran  sobejanas  e  dobladas  e  que  non  eran  en  castellano  derecho,  e  puso  las  otras 
que  entendio  que  complia,  e  quanto  (n  el  lenguage  ender czolo  el  por  si. 


Prosa:  Alfonso  el  Sabio.  409 


der  wissenschaftlichen  Leistung,  die  über  Spanien  hinaus  von  Bedeutung  war, 
komnnt  ihm  die  Initiative  zu ,  das  litterarische  Verdienst  gehört  ihm  ganz. 
Nur  aus  dem  Prolog  zu  Juan  Manuels  Jagdbuch  wissen  wir  von  Übersetzungen 
des  Alcoran,  der  Mischna  (ley  de  los  judios)^  Gemara  (talmud)  und  der  Kabala ; 
über  die  der  Bibel  s.  u.  Auf  seinen  Befehl  und  unter  starker  persönlicher 
Mitwirkung  ist  ferner  das  wichtigste  der  mittelalterlichen  Spielbücher  1  ge- 
schrieben, Schach,  Würfel-  und  Brettspiel  umfassend ,  leider  noch  immer  un- 
ediert.  Auffallend  gering  erscheint  seine  Anteilnahme  an  der  Übersetzung  von 
Calila  und  Ditnna  2  aus  dem  Arabischen ,  die  er  1 2  5 1  in  Auftrag  gab ;  das 
Buch  war  ihm  nicht  gelehrt  genug. 

Während  hier  die  Anteilnahme  des  Königs  durch  eine  Wendung  wie 
mandö  fazer  ausgedrückt  wird,  bezeichnet  er  sich  in  dem  Gesetzwerk  der  Siete 
Partidas,  seiner  spanischen  Chronik  und  dem  encyklopädischen  Septenario  aus- 
drücklich als  Autor,  womit  natürlich  die  dienende  Beihilfe  anderer  nicht  aus- 
geschlossen ist.  Dem  Versuch  Spanien  ein  einheitliches  romanisierendes  und 
philosophierendes  Gesetzbuch  zu  geben ,  hat  zunächst  der  im  Auftrag  unter 
starker  persönlicher  Beteiligung  vor  Juni  1253  abgefasste  Espejo  de  todos  los 
derechos^  dienen  sollen,  ohne  irgendwo  Geltung  zu  erlangen.  Auch  das  grosse 
1256 — 63  vollendete  Werk  der  Siete  Partidas,^  wie  es  nach  seiner  vom 
Akrostichon  des  eigenen  Namens  bestimmten  Einteilung  heisst ,  hat  zunächst 
gar  keine  und  auch  auf  den  Cortes  von  1348  nur  supplementaire  Annahme 
gefunden.  In  der  That  ist  die  umfassende  Übertragung  römischer  und  dekre- 
taljstischer  Bestimmungen  und  Anschauungen  auf  die  bestehenden  Verhältnisse 
juristisch  missglückt,  die  Brauchbarkeit  schon  durch  die  Breite  aufgehoben,  in 
welcher  Reflexion  und  Staatslehre  sich  eindrängen.  Auch  bei  der  Benutzung 
als  kulturhistorische  Quelle  müssen  wir  auf  die  Tendenz  achten.  Diese  aller- 
dings steht  im  Einklang  mit  der  Zeit ,  erfüllt  ihre  gelehrten  Ideale ,  und  die 
Einwirkung  der  Partidas  ist  daher  in  Spanien  in  Moral ,  Staatslehre ,  Rechts- 
philosophie auch  noch  über  das  Mittelalter  hinaus  zu  bemerken.  Inhaltlich 
und  als  sprachliches  Vorbild  waren  sie  für  die  Folgezeit  kaum  minder  wichtig 

'  S.  Castro,  Bibl.  II,  650;  Rios  III,  549;  Brunei  y  Bellet,  El  Ajedrez, 
Barcel.   1890.  243. 

*  Hrsg.  V.  Gayangos,  Escrit.  en  prosa  ant.  al  siglo  XV,  S.  1  ff.  Das  Alter  der 
Angabe  über  das  Patronat  wird  eben  durch  die  Differenzen  der  Hss.  (ib.  S.  4)  gesichert. 
Wäre  sie  nur  eine  spätere  Vermutung,  so  würde  auch  nicht  auf  den  Infanten,  sondern  auf 
den  König  geraten  worden  sein.  Daran  ändert  Nichts  dass  A.  in  seiner  allgemeinen  Welt- 
geschichte ein  Stück  des  Rahmens  nur  nach  dem  Gedächtnis  erzählt  (Rios  III,  600).  Über 
die  seit  1493  achtmal  gedruckte  spätere  Version  aus  dem  Lateinischen,  das  Exemplario  contra 
los  engdhos  del  mundo  s.  b.  Gayangos  S.  5- 

'  Vgl.  Schirrmacher,  Gesch.  v.  Spanien  IV,  352.  Hrsg.  mit  dem  Fuero  Real, 
den  kleineren  Leyes  de  los  Adelantados,  Nuevas  Leyes  (Komplementen  zum  Fuero  Real), 
Ordenamiento  de  las  Tafurerias  (1276,  Strafbestimmungen  über  Spiele  und  Spielhäuser) 
u.  d.  T.  Opüsculos  legales  del  rey  D.  A.  X.  1836  in  2  Bdn.  von  der  histor.  Akademie. 
Eine  alfonsinische  Urkundensammlung  s.  im  Memorial  histarico  B.  I.  II.  Das  Fuero  Real, 
zeigt  auch  die  doktrinäre  Art  Alfonsos ,  ist  aber  ein  brauchbares  Partikularrecht ,  das  seit 
1 25p,  einer  Reihe  von  Städten  verliehen  wurde.  Es  dürfte  das  älteste  der  Gesetzwerke  sein, 
da  im  ersten  der  Nuevas  Leyes,  ebenso  wie  im  Espejo,  der  König  den  seit  1 25.3  von  ihm 
angenommenen  Titel  von  Algarve  noch  nicht  führt,  wenn  er  sich  auch  naturgemäss  in  den 
späteren  Verieihungsdekreten  findet.  Das  Fuero  Real  ergänzen  und  interpretieren  Sanchos  IV. 
Leyes  del  Estilo  (in  den  Opüsculos).  Den  Vorschlag  eines  Landesgesetzbuchs  anwendbarer 
Art  hat  der  Bastardsohn  Alfonsos,  Alfonso  Fernandez,  gest.  1281  (?)  ausarbeiten  lassen 
(Castro  1,258;  Memorial  historico  Bd.  2).  Seitdem  Scheitern  jener  sehr  unvollkommenen, 
aber  berechtigten  Versuche  sind  sie  in  Spanien  nicht  wiederholt  worden.  Das  Land  er- 
freut sich  heute  fa.'t  ebenso  verwoirener  Rechtszustände  wie  Britannien,  nur  unter  er- 
schwerenden Bedingungen. 

*  Von  den  zahlreichen  Ausgaben  seit  1491  ist  die  der  histor.  Akademie  von  1807 
in  3  Bdn.  hervorzuheben.  Alfonso  scheint  sich  den  Titel  als  Libro  de  las  Leyes  gedacht 
?u  haben,  nicht  aber,  wie  auch  angegeben  wird,  als  Septenario. 


41 0    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.   SPAN.    LlTF. 

als  die  für  uns  bedeutendere  Crönica  general,  richtiger  Historia  oder  Crönica 
de  Espana,  ^  welche  die  spanische  Geschichtschreibung  monumental  eröffnet. 
Anregung  und  Grundlage  gaben  die  älteren  Zeitgenossen  des  Königs,  Lucas 
Tudensis  und  Rodericus  Toledanus  (s.  II,  1,317),  die  er  in  seiner  Weise 
vervollständigt.  Von  den  vier  Büchern  der  Ausgabe  erzählt  das  erste  von 
Anbeginn  der  Welt  die  alte  Geschichte  des  Landes,  überwiegend  die  der 
römischen  Kaiser ,  nach  den  meisten  damals  erreichbaren  im  Prolog  aufge- 
führten Quellen,  das  zweite  die  gotische,  das  dritte  geht  bis  auf  Fernando  L, 
das  vierte  2  bis  zum  Tod  Ferdinands  III.  Von  arabischen  Hilfsmitteln  ist,  so- 
weit erwiesen,  nur  der  Koran  für  das  Leben  Muhamets,  und  eine  Erzählung 
der  ersten  Eroberung  Sevillas  benützt.  Für  die  vom  König  selbst  erlebte 
Zeit  ist  die  Chronik  eine  wichtige  Quelle,  dass  sie  den  älteren  Berichten 
gegenüber  möglichst  wenig  Kritik  zeigt  hat  sie  zu  jener  Fundgrube  spanischer 
Epik  gemacht  als  die  wir  sie  S.  390 — 99  eingehend  kennen  lernten.  Ihre 
Darstellung  ist  überall ,  wo  der  Stoff"  es  zulässt ,  die  eines  Epos  guter  Zeit, 
durchdrungen  von  der  Freude  an  der  elementaren  Poesie  der  Geschichte, 
unpersönlich  auch  im  Selbsterlebten.  Die  Zeit  der  Abfassung  fallt  wohl  in 
die  erste  Hälfte  der  Regierung  des  Königs,  da  ein  folgendes,  noch  umfassen- 
deres Unternehmen  sich  auf  sie  beruft,  die  unedierte  Grande  y  General  Historia.^ 
Nach  ihrer  Anlage  war  diese  bestimmt  das  umfassendste  Geschichtswerk  des 
Mittelalters  überhaupt  zu  werden  :  Alfonso  hat  um  den  unförmlichen  Mittel- 
punkt einer  vollständigen  Bibelübersetzung^  angehäuft,  was,  lateinisch  und 
auch  aus  arabischer  Legende,  ihm  über  das  Altertum  überhaupt  bekannt  war. 
Wie  bei  den  französischen  paraphrasierten  Bibeln ,  ist  Petrus  Comestor  (s. 
II,  I,  189)  benützt,  stärker  aber  scheint  die  Bekanntschaft  mit  Gottfried's 
von  Viterbo  Pantheon  (s.  II,  i,  404)  eingewirkt  zu  haben.  Von  den  bei 
Rios  III,  593  ausgezogenen  Quellenzitaten  kommt  ein  Teil  aus  zweiter  Hand; 
immerhin  zeigen  sie  die  ungemeine  Ausdehnung  des  der  Kompilation  zu 
Grunde  liegenden  Materials.  Der  Wortlaut  der  Vorrede  spricht  für  Fortführung 
bis  auf  die  eigene  Zeit;  doch  bleibt  die  Vollendung  zweifelhaft,  weil  gerade 
von  da  an,  wo  die  bekannten  Hss.  im  Stich  lassen,  Alfonso  in  der  ausführ- 
lichen Darstellung  der  römischen  Kaiserzeit  in  der  spanischen  Chronik  sein 
Wissen  wesentlich  erschöpft  hatte.  Mehrere  Hss.  der  Cron.  de  Esp.  (Riano 
23.   25)  zeigen  Zweiteilung  statt  der  gewöhnlichen  Vierteilung.     Es  ist  anzu- 


*  Hrsg.  von  Ocanipo ,  Zamora  1541  u.  d.  T.  Las  quatro  partes  enteras  de  la  Crotiica 
de  Espana  que  mando  componer  Alonso  llamado  el  Sabio.  Neuabdruck  Valladolid  1604,  nach 
dem  Katalog  der  Ticknor  Library  auch  Zamora,  1544-  Allem  Ansehen  nach  hat  O.  seine 
Hs  ziemlich  gut  wiedergegeben;  da  aber  die  Überlieferung  nach  allen  Mitteilungen  sehr 
erhebliche  Abweichungen  aufweist,  ist  eine  kritische  Ausgabe  dringendes  Bedürfnis.  —  Der 
falsche,  auf  Verwechslung  mit  der  Grande  y  General  beruhende  Titel  hat  sich  im  littera- 
rischen Sprachgebrauch  fast  unaustilgbar  eingebürgert. 

2  Ocampo  hat  sehr  ungerechtfertigter  Weise  bezweifelt,  dass  Alfonso  auch  das  vierte 
Buch  verfasst  habe. 

^  Vgl.  Castro,  Bibliot.  I,  411  ;  Riano,  Discurso  leido  a.  l.  R.  Academ.  de  la  Historia 
1869.  Der  Versuch  einer  genaueren  Datierung  der  Cron.  de  Esp.  bei  Ticknor,  deutsche 
Ausg.,  I,  132  A.  2  beruht  auf  einem  Missverständnis,  bei  Rios  III,  592  auf  haltlosen 
Kriterien.     Warum  Castro  die  Grande  um   1760  begonnen  sein  lässt,  ist  nicht  ersichtlich. 

*  Über  andere  spanische  .  bersetzungen  der  Bibel  und  ihrer  Teile  im  14.,  15-  und 
16.  Jh.  s.  Castro,  Bibliot.  I,  428  ff.,  Böhmer,  Spanish  Reformers  II,  321  ff.,  ferner  Scio,  La 
hiblia  vulgata,  trad.  al  espanol,  Madr.  1791  und  oft;  die  Hss.  sind  erhalten,  weil  sie  auf  der 
Escorialbibliothek  eingesperrt  wurden.  Eine  aragonesische  Bibel  (Castro  41 1)  wird  durch 
das  Verbot  der  Synode  von  Tarragona  i.  J.  1233  nicht  vorausgesetzt;  mit  der  Schrift  in 
romancio  ist  die  provenzalische  gemeint,  der  Beschluss  ist  durch  einen  gleichen  der  Synode 
von  Toulouse  v.  J.  1229  hervoi gerufen.  Für  Spanien  scheint  ein  Verbot  erst  von  Ferdinand 
und  Isabella  erlassen  (Reusch,  Der  Index,  S.  44)  ohne  zunächst  besondere  Beachtung  zu 
finden. 


Prosa:  Alfonso  el  Sabio.  —  Arabische  Florilegien.  411 

nehmen,  dass  A.  sie  in  dieser  Gestalt  als  6.  und  7.  Buch  der  Grande  y 
General  gezählt  hat:  so  wie  diese  1385  der  Prolog  zu  Heredias  Istoria  de 
Espana  (s.  u.)  kannte. 

Unzweideutig  als  abgeschlossen  bezeichnet  uns  dagegen  das  Septenario  ^ 
sein  Prolog,  und  lässt  zugleich  deutlich  hervortreten,  dass  es  im  Wesentlichen 
ein  Werk  Alfonsos  und  nicht  seines  Vaters  ist.  Erhalten  ist  nur  ein  Teil  des 
ersten  Buches,  das  nach  einem  ausführlichen  Lob  Fernandos  —  diesen  sieben 
Namenslaute  den  Titel  und  wohl  auch  die  Einteilung  bestimmten  —  nächst 
einer  ausführlichen  Schilderung  Sevillas  die  sieben  freien  Künste  definiert, 
um  dann  auf  die  Abgötterei  zu  kommen  und  aus  ihr  die  christliche  Lehre 
zu  entwickeln.  Auf  das  Verlorene  lässt  sich  aus  dem  Erhaltenen  nur  schliessen, 
dass  dort  für  alles  und  anderes  Raum  war:  auf  das  Septenario  bezieht  sich 
jedenfalls  Juan  Manuels  Angabe-  que  fizo  trasladar  todas  las  sciencias,  tatnbien 
de  thelogia  co?no  la  logica  e  todas  las  artes  liberales,  vielleicht  auch  como  toda 
la  arte  que  dizen  mecatiica;  möglich  ist  auch  dass  die  ebenda  genannten  Bücher 
von  Jagd,  Beize  und  Fischfang  in  dem  Werke  staken,  während  das  libro  que 
pertenesce  a  estado  de  caballeria  wohl  nur  die  zweite  der  Partidas  meint. 

Alfonso  war  eine  reproduktive  Natur ;  seine  Kompilationen  erheben  sich 
über  den  Durchschnitt  des  Mittelalters  nur  durch  ihre  Ausdehnung  und  den 
Stil ;  seine  Doktrin  enthält  nichts  das  irgend  ein  abendländischer  Zeitgenosse 
anders  gedacht  haben  müsste.  Poet  ist  er  in  der  kongenialen  Umschreibung 
der  Epen,  schöpferisch  in  seiner  Sprache,  die  unmittelbar,  ausdrucksvoll,  in 
lebendiger  Fülle  dahinfliesst.  Dass  er  sie  mit  vollem  Bewusstsein  gepflegt  hat, 
zeigt  die  angeführte  Stelle  der  Z.  de  la  Esfera. 

26.  Alfonso  hat  in  den  Partidas  einen  verbreiteten  Fürstenspiegel  ency- 
klopädischen  Charakters  benützt,  in  der  Form  von  Ratschlägen  Aristoteles  an 
Alexander ,  das  ursprünglich  arabische  Secretum  Secretorum :  ob  aber  in  der 
im  12.  Jh.  gefertigten  lateinischen  Version  oder  in  einer  spanischen,  oder  ob 
endlich  in  dem  ihm  zeitlich  jedenfalls  nahestehenden  spanischen  Auszug 
Poridad  de  las  Poridades  bleibt  unklar.^  Die  vollständige  Schrift  ist  in  Sanchos  IV 
Castigos  y  Documentos  und  Gomez  Barrosos  L.  de  l.  Consejos  (s.  u.)  verwertet ; 
eine  aragonesische  Version  liegt  in  Hs.  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs.  vor. 
Eng  verwandt  ist  die  arabische  Florilegienlitteratur,  welche  uns  früh  in 
Übersetzungen,  dann  in  Nachahmungen  entgegentritt.  Mobaschirs  Aussprüche 
weiser  Männer  (fin.  sec.  XI)  sind  u.  d.  T.  Bocados  de  oro  ^  übertragen,  vor  Ab- 
fassung der  zweiten  Partida  (1257),  in  welcher  sie  benutzt  sind,  und  wahrschein- 
lich von  einem  der  alfonsinischen  Gelehrten.  Die  griechisch-arabischen  Ex- 
cerpte ,  umrahmt  von  Philosophenleben  und  Arabesken  ,  fanden  warme  Auf- 
nahme, sind  u.  a.  von  Juan  Manuel,  Sem  Tob,  dem  Marques  von  Santillana 
verwertet  und  1495— 1627  mindestens  sechsmal  aufgelegt  worden.  Eine  lat. 
Version  wurde  weiter  ins  Französische  und  Englische  übertragen.  Der  span. 
Übersetzer  hat  einen  kleinen  arabischen  Traktat  beigefügt,  die  Respuestas  del 


'  Castro  II,  680 ;  Burriel,  Memorias  2 16;  Kios  III,  556. 

*  L.  d.  l.  Caza,  ed.  Baist,  S.  1.  Nichts  zu  thun  hat  A.  mit  der  Gran  Cotiquista  de 
Ultramar,  mit  dem  Libro  del  Tesoro,  einer  Fälschung,  und  den  Querellas,  einer  Fiktion 
des  15-  Jhs.,  beide  im  Masse  der  Arte  mayor. 

^  S.  Knust,  Jhb  f.  r.  u  e.  L ,  X,  153  u.  303,  ebenda  über  weitere  span.  Versionen 
aus  dem   15.  u.   17.  Jh. 

*  Hrsg.  V.  Knust,  Mitteilungen  a.  d.  Eskurial,  Bibl.  d.  lit.  Ver.  in  Stuttgart  Bd.  141, 
S.  66  ff.  vgl.  S.  538  ff. 

*•  Die  Hss.  S.  XV  teilen  sich  in  zwei  Linien,  von  welchen  A  (den  Drucken  ent- 
sprechend) eine  Vorgeschichte  voransetzt  und  den  Filosofo  Segundo  folgen  lässt ,  B  diese 
Stücke  nicht  aufweist ,  dafür  einige  Erweiterungen.  Der  nächstliegende  Schluss  auf  ein 
^usatzfreies  Original  ist  nicht  sicher,    weil  auch  jüngerer  Wegfall   der   nur  lose   angefügten 


412      LiTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN   VÖLKER.  5.    SpAN.    LiTT. 


filosofo  Segundo  a  las  cosas  que  le  pregunto  el  etnperador  Adriano^  welchen 
dann  Alfonso  in  die  Crönica  de  Espana  einflocht  (fol.  95),  der  aus  dem  Spani- 
schen ins  Lateinische  übertragen  und  so  von  Vincentius  Bellovac.  recipiert 
wurde.  Er  hat  ferner  eine  Einleitung  in  7  Kapiteln  vorausgeschickt  (oder 
mit  übernommen ?)  unter  Verwertung  von  Hunein  ben  Ischak's  (geb.  809) 
schon  von  Mobaschir  selbst  cxcerpierten  Sittensprüchen  der  Philosophen.  Auch 
diese  liegen  in  spanischer  Version  noch  aus  dem  13.  Jahrh.  vor,  dem  Libro 
de  los  Buenos  Froverbios.-  Erheblich  kürzer  und  nicht  ganz  so  schmuckreich 
wie  die  Bocados  waren  sie  weniger  verbreitet,  sicher  benutzt  in  den  j^  Sabios 
und  dem  Conde  Lucanor.  —  Trotz  nur  entfernter  Verwandtschaft  mit  der 
Gattung,  mag  hier  die  Fabel  von  der  Donzella  Theodor^  genannt  sein,  der 
treuen  Sklavin,  die  vor  Ar -Raschid,  im  Spanischen  vor  Almansor,  Astrolog, 
Ulema  und  Dichter  in  teilweise  rätselartigem  Fragespiel  überwindet.  In  der 
von  Knust  veröffentlichten  Gestalt  dürfte  die  Donzella,  weiterhin  bis  heute 
in  mehrfach  variierter  Form  eines  der  beliebtesten  Volksbücher,  recht  wohl 
der  nächstalfonsinischen  Zeit  angehören. 

In  dieselbe  fällt  die  selbständige  Kompilation  der  Flores  de  Filosofia.  ^ 
Sie  ordnen  die  Sprüche  fast  schmucklos  und  zu  Sittengesetzen  verbunden, 
nach  Kategorien,  nicht,  wie  Mobaschir  und  Hunein,  nach  Meistern;  nur  ein 
kurzes  Vorwort  sagt,  dass  die  38  Kapitel  von  37  Gelehrten  und  abschliessend 
von  Seneca  herrühren.  Ein  unzweideutiger  Hinweis  auf  westliche  Einmischung; 
doch  kann  ich  Beziehungen  zu  den  im  MA.  unter  dem  Namen  Senecas  um- 
laufenden Sentenzensammlungen  ^  nicht  finden.  Dagegen  ist  ziemlich  viel  aus 
den  Bocados  entnommen^,  auch  einige  echte  Sprüchworte  sind  eingemischt. 
Das  Buch  ist  das  best  komponierte  der  Gattung.  Weniger  durchgearbeitet 
scheint  die  »Weisheit«  in  dem  Z.  d.  l.  Consejos  y  Consejeros  des  1345  als 
Kardinal  gestorbenen  Maestro  Pero  Gomez  Barroso.  Die  Lehre  von  den 
Fürstenräten  ruht,  neben  den  arabischen,  aufzahlreichen  lateinischen  Autoritäten. 
Die  Bezeichnung  maestro  deutet  auf  die  früheren  Jahre  des  Verfassers ,  seine 
Bevorzugung  der  Sechszahl  erscheint  als  ein  Kompliment  an  Sancho  IV.,  der 
ihm  1292  eine  Präbende  zu  verschaffen  bemüht  war.  Näheres  hat  Rios 
IV,  84 — 92  mitgeteilt,  einige  Auszüge  Castro  II,  729.  Als  jünger  werden 
schon  durch  ihre  Einkleidung  die  Doze  Sabios'^  gekennzeichnet:  Ferdinand  III. 


Beigaben  von  A  denkbar  ist.  Alfonso  kennt  den  Segundo,  die  Gran  Conquista  entlehnt 
unter  seinem  Sohn  die  Einleitung,  während  das  Vorhandensein  der  B  nahestehenden  lat. 
Version  erst  durch  die  franz.  Übersetzung  für  das  Ende  des  H-  Jhs.  gesichert  ist.  Ich  glaube 
nicht  dass,  wie  der  Herausgebernieint,  duich  kritische  Ausgabe  des  arab.  Originals,  das  aller- 
dings äusserst  komplicierte  Verhältnis  von  A  zu  B  zu  latein.  geklärt  werden  wird.  Die  span. 
Version  stammt  nicht  aus  der  latein.,  dafür  liegen  untrügliche  Kennzeichen  vor;  die  latein" 
kann  aus  der  span.  allein  kommen,  oder  aus  dem  Spanischen  und  Arabischen,  nicht  aus  dem 
Arabischen  allein.  A  ist  die  wesentlich  älteste  Form,  die  Dicta  philosophorum  sind  aus  ihr 
genommen,  haben  aber  die  erhaltenen  Hss.  von  A  und  B  rückschlagend  beeinflusst.  Hier- 
tür spricht  auch,  dass  der  Secundus  in  einer  der  latein.  Hss.  (Knust  57o)  beigegeben  war 
—  Die  Deutung  des  zugesetzten  Rahmens  (Reise  von  Persien  nach  Indien  um  dort  die 
Weisheit  zu  holen)  auf  Alfonso  ist  hinfällig,  da  das  Motiv  einfach  aus  Kaiila  und  Dimna 
entnommen  ist.  Hieraus  auf  das  Jahr  1251  zu  schliessen,  hindert  die  direkte  Benutzung 
weiterer  arabischer  Quellen  in  A,  und  der  Zweifel  ob  nicht  die  Erweiterung  schon  arabisch 
voriianden   war. 

'  Hrsg.  V.  Knust,  1.  c.  S.  498;  vgl.  ib.   S.  602, 

^  Hrsg.  v.  Knust,  Mitteilungen   1;  vgl.  ib.  519. 

•''  ib.  507  u.  613. 

*  Knust,  Dos  Obras  didäcticas  y  dos  Leyendas,  Madrid  1878  (Bibliöfilos  17).  S.  1 — 83. 
Älteste  lis.  Anf.  d.   14.  Jhs. 

^  Publilii  Syri  sententiae,  ed.   Woelfflin,   Lpz.    1869. 

*  Mit  Einschluss  der  Einleitung  in  der    oben  als  A  bezeichneten  Version.     Die  Be- 
ziehungen auch  zu  den  Zusätzen  einer  der  B-Hss.  deuten  auf  eine  dritte  Quelle. 

■'  Valladolid,   1502   u.   1509  und    bei  Burriel,  Memorias  del  Santo  Rey,   188— 2o6, 


Prosa:  Floruegien  und  Morallehren.    Sindibad.  413 


lässt  aus  fremden  Landen  zwölf  Weise  zusammen  kommen ,  um  ihn  zu  be- 
raten;  eine  sehr  durchsichtige  Fiktion,  die  indessen  historisch  misverstanden 
worden  ist.  Vorwiegend  ein  Fürstenspiegcl ,  zwischcnhinein  definieren  die 
Weisen  spruchartig  einen  Tugendbcgriflf,  Cato  und  Caesarius  sind  zitiert,  eine 
äsopische  Fabel  verwertet,  das  Meiste  scheint  Neubildung,  aus  den  Buenos 
Proverbios  kam  die  Idee  einer  Synode,  und  eines  Epicediums  auf  Ferdinand, 
jenem  auf  Alexander  nachgebildet. 

In  die  Jahre  Juan  Manuels  fallt  nach  Knust  ein  unediertes  Buch  der 
S4  Weisen  '  (in  der  Hs.  ebenfalls  Bocados  de  Oro  genannt),  deren  Sentenzen 
noch  Sulpicius  (?)  und  Justinus  (Martyr)  zugeschriebene  folgen ;  der  erste  Teil 
oder  das  Ganze  —  es  ist  das  nicht  klar  gesagt  —  grösstenteils  auf  den 
Buenos  Proverbios  und  Bocados  beruhend.  Aus  den  letzteren  entnahm  ferner 
Juan  Manuel  den  grössten  Teil  der  Sprüche,  welche  das  2.  —  4.  Buch  seines 
Libro  de  Patronio  (s.  u.)  bilden ,  während  die  Flores  de  Filosofia  fast  voll- 
ständig in  den  Cavallero  Cifar  (s.  u.)  übergingen.  Hierher  gehören  ferner  noch 
die  in  einer  aragones.  Hs.  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhs.  erhaltenen  Rams  de 
flores,^  anscheinend  nach  erörterten  Moralbegriffen  geordnet,  y>e  sacris  bibliis, 
patribus  et  philosophis«..  Falls  diese  fast  unbekannte  Schrift  nicht  etwas  später 
fällt,  endet  die  eigentliche  Bocadoslitteratur  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhs., 
allerdings  um  in  der  Spruchdichtung  {Sem  Tob,  Marqties  de  Santillana)  weiter 
zu  leben.  In  Prosa  folgen  nunmehr  einige  Übersetzungen  3,  man  las  aber 
noch  gern  die  alten  Sammlungen  ,  wie  die  erhaltenen  Hss.  und  litterarische 
Benützung  zeigen;  das  16.  stellte  seine  Apophthegmata  mit  neuem  Material 
und  veränderter  Gedankenrichtung  zusammen,  auch  wendet  es  sich  dem  Sprich- 
wort zu,  das  mit  den  Sprüchen  so  gut  wie  Nichts  gemein  hat. 

Die  Florilegien  stehen  in  engem  Zusammenhang  mit  den  Morallehren 
und  Fürstenspiegeln,  welchen  man  mehrere  unter  ihnen  zuzählen  kann,  und 
die  alle  aus  ihnen  schöpften.  Ebenso  eng  sind  beide,  in  der  Neigung  zur 
Rahmenform,  wie  durch  Absicht  und  Inhalt,  mit  den  Apologensammlungen 
verwandt.  Die  DiscipUna  clericalis  besteht  zur  Hälfte  aus  Sprüchen ,  zum 
Teil  aus  Mobaschir,  dessen  Sentenzen  wieder  stark  mit  Erzählung  verwachsen 
sind.  Es  liegt  das  bei  den  Sprüchen  und  populären  moralischen  Traktaten 
in  ihrem  Wesen,  bei  den  Apologen  in  der  didaktischen  Richtung  der  ganzen 
Zeit;  ein  Unterschied  gegenüber  den  abendländischen  Schwesterlitteraturen 
liegt  nur  in  der  unmittelbaren  Abhängigkeit  vom  Arabischen ,  die  indessen 
bei  der  Gemeinsamkeit  der  letzten  geistigen  Grundlagen  inhaltlich  viel  weniger 
hervortrittt  als  man  erwarten  könnte,  etwas  mehr  in  der  Form. 

27.  Wie  1251  Alfonso  Calila  und  Dimna^  Hess  1253  sein  Bruder 
D.  Fadrique  den  Sindibad  aus  dem  Arabischen  übersetzen,  das  libro  de  los 
enganos  e  los  assaya  mientos   de  las  tntigeres;^    interessant   durch    den  Verlust 


Vgl.  Rios,  III, .437;  Knust,  Mitteilungen,  519;  Gayangos,  Escrit.  ant.  al  s.  XV, 
pag.  V,  Anm.  2. 

'  Knust  Jhb.  X,  31  und  Mitteilungen  526;  Rios  III,  543. 

2  Nicol.  Antonio-Bayer,  Bib.  Vet.,  II,  164;  Morel-Fatio  in  Chronique  de 
Moree,  Genf  1885.   S.  XXIV. 

*  Burläus  (gest.  1337)  De  vita  et  moribtis  philosophorum  als  Vida  y  Costumbres  de 
los  viejos  filosofos,  vor  Mitte  des  15.  Jhs. ;  hrsg.  v.  Knust,  Bibliothek  d.  litt.  Vereins  in 
Stuttgart,  Bd.  177:  -Die hos  de  Sabios  y  Filosofos,  1402  a.  d.  Katalan.,  s.  Knust  in  Jhb. 
X,  129.  Die  Castigos  y  Dotriftas  que  un  Sabio  daba  a  sus  Hijas,  bei  Knust,  Dos  Obras 
didacticas  251  ff.,  dem  XV.  Jh.  zugeschrieben,  mischen  Sprüche  nur  beiläufig  ein,  doch  noch 
vorwiegend  aus  den  Bocados. 

*  Hrsg.  V.  Comparetti,  Ricerche  intorno  al  libro  di  Sitidibad,  Mil.  l86y.  Die 
letzte  Fabel  der  einzigen  Hs.  ist  in  Spanien  zugefügt  vgl.  Montaiglon  -  Raynaud  88,  15ä. 
Die  argen  Mängel  im  Text  beruhen  zum  Teil  auf  evidenter  Unfähigkeit  des  Übersetzers. 


414    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.     —     5.    SPAN.    LiTT. 

des  Originals.  Die  occidentalen  Versionen  des  Sindibad  sind  nicht  nach 
Spanien  gekommen.  Die  drei  vorhandenen  Rahmenerzählungen  —  mit  Ein- 
schluss  der  latein.  Disciplina  —  waren  ganz  orientalisch,  und  man  sollte  nun 
wohl  ein  starkes  Hervortreten  dieses  Elements  in  der  spanischen  Erzähler- 
tradition erwarten.  Doch  ist  das  kaum  der  Fall.  Dass  im  Archipreste  sich 
Nichts  findet  kann  Zufall  sein ;  im  Conde  Lucanor,  welcher  unten  im  Zusammen- 
hang zu  besprechen  ist,  findet  sich  einiges  aus  Calila  und  Dimna,  aber  ganz 
ungleich  mehr  gehört  dem  Kreise  der  europäischen  Anekdote  an.  Die  be- 
kannte Barlaamparabel  von  der  Freundschaftsprobe  ^  stammt  in  Sancho's 
Casiigos  vielleicht  aus  der  Disciplina,  bei  Juan  Manuel  tritt  anderswoher  die 
dort  fehlende  Ausdeutung  hinzu.  Der  Sindibad  ist  nirgend  nachzuweisen. 
Vom  16.  Jahrh.  an  bieten  Novellen  und  Anekdoten,  neben  dem  Gemein- 
europäischen, viel  kastilisch  eigenartiges,  ebenso  wie  Juan  Manuel,  aber,  so- 
weit sich  das  ohne  eingehendere  Untersuchungen  behaupten  lässt,  wieder 
ohne  ernstliche  Beziehungen  zu  den  im  Mittelalter  übertragenen  lateinischen 
Sammlungen.  Wohl  die  älteste  darunter,  doch  kaum  früher  als  das  14.  Jahrh., 
sind  des  Odo  von  Ccrrugtonia  ziemlich  trockene  Narrationes  (s.  II,  1,322) 
das  lihro  de  los  Gatos.'^  Obwohl  dem  15.  Jahrh.  angehörig  mag  schon  hier 
des  Johannes  de  Hoveden  Specubim  laicoriwi,  Espejo  de  los  legos^  ge- 
nannt sein,  von  dessen  91  Kapiteln  neben  der  Morallehre  und  Sprüchen  ein 
jedes  mehrere  Apologe  enthält,  ferner  des  Climente  Sanchez  libro  de 
Exenplos  per  a.  b.  c.  ^  Der  geistliche  Redaktor  hat  im  ersten  Viertel  des 
XV.  Jahrh.  467  Erzählungen  zum  Gebrauch  des  Predigers  alphabetisch  unter 
lateinische  Schlagworte  gebracht,  und  diesen  dann  entsprechende  kastilianischc 
in  gedoppelten  Knittelversen  beigestellt.  Obwohl  der  praktische  Zweck  die 
Lokalfarbe  zurücktreten  lässt,  darf  gesagt  werden,  dass  specifisch  kastilisches 
Material  nicht  benutzt  ist;  wörtlich  vieles  aus  der  Disciplina^  den  Vitae patrum^ 
daneben  tritt  Obcritalien  hervor,  während  das  Italienische  zwischen  hinein 
als  fremde  Zunge  bezeichnet  ist.  Vielleicht  ist  ein  kleineres  latein.  Alpha- 
betarium  mit  einer  anderen  latein.  Sammlung  kombiniert.  Die  gereimte  Moral ^ 
hat  schon  vorher  Juan  Manuel.  Dass  in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhs.  Alfonsos 
Calila  und  Dimna  hinlänglich  vergessen  war.  um  einer  Übersetzung  aus  dem 
Lateinischen  Raum  zu  geben,  ist  schon  erwähnt. 

28.  Sancho  IV.  (1284 — 95)  bewahrte  in  einer  kampferfüllten  Zeit  die 
litterarischen  Neigungen  seines  Vaters,  selbst  die  Schätzung  orientalischen 
Wissens;  bei  der  Rückgabe  erbeuteter  arabischer  Hss.  behielt  er  die  natur- 
wissenschaftlichen und  historischen.  6  Benützt  aber  hat  er  diese  nicht,  man 
darf    bei    ihm    geradezu    von    einer    Abkehr    von    den    Arabern     sprechen : 


'  Vgl.  Münchener  Abhandl.,  20,  77.  Bei  den  zwei  Disziplinanovellen  des  Cavallero 
Cifar  scheint  eine  franz.  Version  in  der  Mitte  zu  liegen. 

*  Hrsg.  V.  Gayangos,  Escrit.  ant.  al  s.  XV,  543.  Neben  den  II,  1,  322  ange- 
führten Stellen  vgl.  noch  Jhb.  XII,  129;  der  sonst  unmotivierte  span.  Titel  mag  daher 
rühren,  da.^s  die  Katzengeschichten  9,  11,  16,  37,  40,  55,  56  in  einer  illuminierten  Hs. 
stärker  hervortraten. 

s  Jhb.  f.  r.  u.  e.  Lit.  X,  42. 

*  Hrsg.  V.  Gayangos,  Escritor.  ant.  al  s.  XV  S.  443  ff.,  der  dort  fehlende  Anfang 
V.  Morel-Fatio ,  Rom.  VII,  482.  Einige  »rapprochements«  bei  Puymaigre,  Les  vietix 
auteurs  castillans ,  Paris  1890,  II,  108:  schon  die  verschiedenen  Publikationen  Oesterley's 
geben  starke  Ergänzungen.  Eine  auffällige  Lücke  in  der  Verzweigung  ist  bei  den  minder 
verbreiteten  Erzählungen  bemerklich. 

*  Das  zweizeilige  Epimythion  weist  dem  Umfang  nach  auf  einen  leoninischen 
Hexameter  als  Vorbild,  der  Gebrauch  in  den  lat.  Fabeln  —  s.  b.  Hervieux  —  auf  das 
Distichon  hin.  Der  genauere  Ausgangspunkt  ist  noch  festzustellen.  Unrythmisch,  wie  diese 
Zweizeiler,  ist  auch   die  Übersetzung  eines  Gedichtes  auf  den  Tod  Alexanders  in  Ex.  225. 

^  Schirrmacher  IV,  3,59  nach  Ibn  Khaldun. 


Prosa:  Didaktisch-Novellistisches.  —  Sancho  IV.  415 

Friedrich  II.  und  Alfonso  X.  bezeichnen  den  Höhepunkt  und  zugleich 
das  Ende  der  morgenländischen  Beziehungen.  Im  Auftrag  des  Königs  wurde 
Seneca  contra  la  ira  e  sana'^  und  die  grosse  Encyklopädie  Brunetto  Latini's 
übertragen,  das  Libro  del  Tesoro-,-  encyklopädisch  ist  auch  sein  Lucidario^ 
106  Fragen  aus  Theologie,  Astrologie  und  Naturreich.  Der  Titel  und  die 
Form  eines  Dialogs  zwischen  Meister  und  Schüler  müssen  aus  dem  Elucidarius 
des  Honorius  Augustodunensis  (s.  II,  i,  201)  kommen,  der  Inhalt  ist 
ganz  verschieden,  eine  Auswahl  der  absurdesten  Klügeleien  des  Mittelalters, 
die  Sancho  schwerlich  ohne  fremde  Beihülfe  gelungen  ist.  Solche  wird  auch 
bei  den  1292  verfassten  Castigos  e  documentos  que  el  rey  D.  S.  daba  a  su 
fijo^  nicht  gefehlt  haben,  bei  der  Überfülle  gelehrten  Materials  in  der  weit- 
läufigen, zum  Teil  predigtartigen  Begründung  der  zu  Eingang  jeden  Kapitels 
gegebenen  Lehre.  Unter  den  vielen  Beispielen  aus  geistlicher  und  weltlicher 
Geschichte  findet  sich  nur  weniges  Novellistische.  Die  ganz  unpersönliche 
Weise  Alfonsos  ist  zwar  verlassen,  individuelles  Hervortreten  bleibt  aber  viel 
seltener  als  das  Programm  des  Buches  erwarten  liesse  und  als  in  den  nächst- 
verwandten Schriften  Juan  Manuels.  Der  Gesamtaufbau  ist  lose,  die  Sprache 
gut.  Als  Vorbilder  wirkten  Partidas,  Disciplina  und  Secretum  secretorum  ein, 
ihnen,  wie  den  in  26  besprochenen  verwandten  Büchern  gegenüber,  muss  die 
Abwesenheit  jeglicher  Reminiscenz  aus  den  Bocados  und  Buenos  Proverbios 
hervorgehoben  werden ,  ebenso  das  Zurücktreten  der  sententiösen  Richtung, 
die  bei  aller  didaktischen  Plattheit  lebendigere  praktische  Tendenz. 

Litterargeschichtlich  wichtiger  als  jene  drei  Werke  ist  ein  weiteres  grosses 
Übersetzungsunternehmen,  zu  dem  der  König  den  Auftrag  gab,  die  Gran  Con- 
quista  de  Ultramar.  ^  Die  Grundlage  des  Ganzen  bildet  eine  der  französischen 
Versionen  der  Kreuzzugsgeschichte  Wilhelms  von  Tyrus  mit  Fortsetzung  bis 
1 2  7 1  bezw.  1275;  mit  ihr  sind  beträchtliche  Stücke  der  Chanson  de  Jerusalem 
Graindor's  de  Douai  (oder  einer  nächststehenden  Kompilation)  verbunden, 
ferner  minder  umfassende  aus  dem  provenzalischen  Kreuzzugsepos  (S.  II,  2,  39). 
Als  Vorgeschichte  Gottfrieds  von  Bouillon  ist  der  ganze  Cyklus  vom  Schwanen- 
ritter  eingeschoben,  im  Zusammenhang  mit  der  Genealogie  Folquer  Ubert's 
von  Chartres  eine  Version  der  Berta  und  des  Mainet  (S.  392).  Die  pro- 
venzalischen Fragmente  sind  derart  wörtlich  wiedergegeben ,  dass  Durchgang 
durch  eine  französische  Quelle  ausgeschlossen  erscheint.  Der  Spanier  hat 
also  selbst  kompiliert,  die  Berta-Mainet-Episode  allerdings  schon  in  der  ge- 
gebenen Verbindung  vorgefunden ;  von  sich  aus  hat  er  nur  bescheidene  An- 
merkungen beigefügt  (bemerkenswert  darunter  eine  eingehende  Schilderung  des 
Spiels  der  Runden  Tafel  in  II,  43).      Die  Sammlung    vielfach    merkwürdiger 


1  Castro,  II,  45. 

2  Rios  IV,   17;  Castro  II,  626. 

'  Inhaltsverzeichnis  bei  Gayangos,  Escrit.  ant.  al  s.  XV,  S.  80. 

*  Hrsg.  V.  Gayangos,  Escrit.  ant.-  al  s.  XV,  79—228.  Die  Varianten  der  zweiten 
Hs.  (vgl.  Revista  de  archivos  y  biöL,  IX,  138)  sind  viel  einschneidender  als  die  Ausgabe  er- 
kennen lässt;  vgl.  die  Bruchstücke  bei  Rios  IV,  570. 

*  Hrsg.  v.  Gayangos,  Bd.  44  der  Biblioteca  de  antares  espanoles,  nach  dem  Druck 
von  Salamanca  1503,  ohne  ernstliche  Benützung  der  drei  Hss.  Die  älteste  unter  diesen, 
s.  XIV,  nennt  Sancho  als  Patron,  mit  richtiger  Angabe  der  Altern  und  der  Titulatur, 
neben  welcher  ein  Schreibfehler  in  der  Zählung  unbedenklich  bleibt.  Eine  der  anderen, 
s.  XV,  nennt  einen  Alfonso  von  Kastilien  und  Leon,  womit  ebensowohl  der  X.  als  der  XI. 
gemeint  sein  kann,  ohne  nähere  Titulatur,  mit  jedenfalls  verkehrtem  Mutternamen.  Der  alte 
Druck  schickt  den  Prolog  der  Bocados  de  Oro  mit  dem  Namen  Alfonsos  X.  voraus.  Es  ist 
evident,  dass  der  Vatername,  der  des  rey  sabio,  sich  dem  des  Sohnes  substituiert  hat.  Da 
in  der  alten  Titulatur  Tarifa  fehlt  liegt  die  Abfassung  vor  jener  der  Castigos;  in  diesen  ist 
mehrfach  auf  die  Geschichte  des  Königs  Gudufre  exemplificiert. 


41  6    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    KOMANESCHEN  VÖLKER.     —     5.    Span.    LiTT. 


in  der  vorliegenden  Gestalt  meist  verlorener  französischer  Denkmäler  i  hat  zu- 
gleich für  Spanien  eine  marquante  Bedeutung :  wie  bei  Alfonso  das  einheimische 
Epos  wird  hier  die  ausländische  erzählende  Dichtung  in  Prosa  aufgelöst,  Ge- 
schichte ist  beabsichtigt,  der  erste  Roman  geschrieben. 

29.  Übersetzungen  erzählender  französischer  Dichtungen  in  kasti- 
lische  Prosa  hat  uns  ausserdem  eine  Sammelhs.  des  XIV.  Jahrhs.  (Escorial 
h— j  — 13)  erhalten.  Da  die  Vorlagen  ihrer  lo  Stücke  sämtlich  älter  sind  als 
der  Schluss  des  XIII.  Jahrhs.,  der  Schreiber  zu  ungeschickt  kopiert,  als  dass 
man  ihm  einen  Anteil  an  der  offenbar  absichtlichen  Auswahl  rührender  geist- 
licher und  weltlicher  Geschichten  beimessen  möchte,  wird  man  ihre  Entstehung 
ungefähr  dem  ersten  Viertel  des  XIV.  Jahrhs.  zuweisen  können.  Dem  Jüngsten 
Karlsepos  gehört  an  Un  noble  cuento  del  enperado7-  Carlos  Maynes  de  Roma  e 
de  la  buena  enpei'atriz  Sevilla  su  mujer  ^ ,  die  im  Original  nur  fragmentarisch 
erhaltene  Sebile ;  im  i6.  Jahrh.  als  Volksbuch  bearbeitet.  El  cuento  muy 
fermoso  del  etnperador  Otas  de  Roma  e  de  la  infanta  Florencia  su  fija,  e  del 
buen  cauallero  Esmere^  ist  das  novellistische  Tiradenepos  Florence  de  Rome. 
Un  muy  fermoso  cuento  de  una  santa  enperatriz  que  ovo  en  Roma  e  de  su 
castidaf^^  eine  verbreitete  Variante  des  auch  in  den  beiden  vorgenannten  be- 
handelten Themas  von  der  unschuldig  verfolgten  Frau,  ist  ein  Dit  Gautiers  de 
Coinci;  dass  die  Übersetzung  durch  das  (iallizische  durchgegangen  sei,  wird 
hier  besonders  hervorgehoben,  während  die  anderen  Stücke  keinen  Herkunfcs- 
vermerk  aufweisen.  Y)\g  Estoria  del  rey  Guillelme^  ist  Übersetzung  von  Crestiens 
Guillaume  d'Angleterre  (nicht  von  Crestiens  Vorlage).  Eine  andere  Behand- 
lung des  gleichen  Stoffes,  der  getrennten  und  wiedervereinigten  Familie,  De 
un  cavallero  Placidas  que  fue  despues  cristiano  e  ovo  nombre  Eustacio^^  ist  die 
lateinische  Eustachiuslegende  (II  i,  399).  Dazu  kommen  noch  fragmentarisch 
die  Leben  der  Maria  Magdaletia  und  Marta,'^  nach  Vincentius  Bellovacensis, 
vollständig  Sa.  Maria  Egipciaca  und  Sa.  Catalina,  nach  französischen  Prosa- 
redaktionen. 

Während  die  Conquista  noch  dem  französischen  Epos  treu  bleibt,  wenn 
auch  in  seiner  spätesten  Gestalt,  bezeichnet  diese  Sammlung  einen  erweiterten 
Stoffkreis  und  zugleich  eine  weichere  Geschmaksrichtung;  sie  führt  hinüber  zu 
der  Aufnahme  der  höfischen  Erzählungen.  Im  ersten  Drittel  des  14.  Jahrhs. 
wurde  der  Prosatristan  in  Kastilien  übersetzt  und  in  Portugal  (II,  2,  212) 
gelesen;  der  i.  Hälfte  des  Jahrhs.  gehört  die  erste  selbständige  Fiktion  an, 
der  Cavallero  Cifar,  vielleicht  auch  noch  der  Amadis.  Gleichzeitig  mit  der 
Rcimerzählung    des    Archipreste,    der    Novelle    Juan    Manuels,    tritt    der 

*  Vgl.  G.  Paris,  La  Chanson  d'Antioche  pravengale  et  la  Gran  Conquista  de  Ultramar, 
Romania  XVII,  513;  XIX,  562;  XXII,  .345- 

2  Hrsg.  V.  Rios,  V,  344.  Vgl.  Jhb.  XII,  286.  Das  fninz.  Fragment  Bulletins  de 
l'Acad.  de  Belgiqtie,   1875,  404. 

^  Rios  V,  391.  Über  Florence  s.  Bulletin  de  la  Soc.  des  Anciens  Textes  1882. 
55  und  66. 

*  Hrsg.  V.  Mussafia,  Wiener  Sitztmgsb»richte  LIII,  4Q9  u.  d.  T. :  eine  altspanische 
Darstellung  der  Crescentiasage. 

'•'  Hrsg.  V.  Knust,  Dos  obras  didäcticas  S.   159  bezw.  85. 

^  Unediert,  s.  Knust,  Geschichte  der  Legenden  der  h.  Katharina  von  Alexandrien  u. 
der  h.  Maria  Aegyptiaca,  Halle   1890,   S.  82. 
7  Hrsg.  a.  a.  O.  S.  23 1   flf. 

*  S.  Rios,  IV,  69;  mit  dem  Abdruck  bei  Seb.  de  Vergara,  Vida  y  milagros 
del  Thaumaturgo  espanol,  ist  die  ältere  Analyse  beiGoniez  de  Salaz ar,  Aloisett  segundo 
zu  vergleichen.  Mit  den  milagros  in  der  Überlieferung  verbunden  (vgl.  Acad.  d.  1.  Hist., 
cod.  ms.  H  18)  und  wahrscheinlich  ebenfalls  von  Marin  verfasst  ist  eine  Historia  del  cavallero 
Muno  Sanclw  de  Finojosa,  eine  Episode  aus  dem  Leben  an  der  Grenze  um  1070  (1122?), 
wohl  erzählt  wie  sie  Alfonso  vorgetragen  haben  würde,  nach  einer  unbekannten  Crönica  de 
los  Reyes. 


Prosa:  Übers,  a.  d.  Französ.    Kirchliche  Prosa.   Geschichtsschrbg.  417 

Ritterroman  ins  Leben,  um  auf  lange  hinaus  zu  ergötzen.  Die  Anfange  der 
Gattung  werden  im  Zusammenhang  mit  ihrer  zahlreichen  Nachkommenschaft 
im  dritten  Teil  näher  besprochen  werden. 

30.  Abgesehen  von  den  angeführten  Übersetzungen  bleibt  nach  Alfonso 
die  Legende  vernachlässigt.  Nur  ein  Mönch  von  Silos,  Pedro  Marin, 
Priester  wenigstens  seit  1255,  hat  im  Anschluss  an  Berceo  die  Wunder  des 
h.  Domingo  von  1232 — 93  aufgezeichnet,  mehr  in  der  Art  des  Geschichts- 
schreibers als  des  Theologen.  In  geistlichen  Dingen,  die  praktische  Theologie 
eingeschlossen,  herrscht  noch  die  lateinische  Sprache,  bei  schwacher  Thätigkeit. 
Die  Vermutung  lag  nahe,  dass  der  Bischoff  von  Jaen  Pedro  Pascual 
(II,  2,  94)  mehrere  nur  spanisch  erhaltene  Traktate,  die  er  1297  — 1300  in 
Granada  zur  Glaubensstärkung  seiner  Mitgefangenen  schrieb,  wirklich  in  der 
Sprache  seiner  späteren  Heimat  statt  in  jener  seines  Mutterlandes  abgefasst 
habe;  da  aber  einer  darunter,  die  Biblia  pequena ,  sicher  ursprünglisch  kata- 
lanisch ist,  wird  das  auch  bei  den  andern  der  Fall  sein.  Der  Convertit 
Alfonso  von  Valladolidi  (Rabbi  Abner,  gest.  1349)  verfasste  gegen  das 
Judentum  den  Mostrador  de  justicia,  die  Bücher  de  las  tres  gracias  und  de 
las  batallas  de  dios ,  letzteres  im  Auftrag  einer  Schwester  Sanchos  IV.  linker 
Hand.  Über  die  Bibelübersetzungen  s.  S.  410.  In  den  Partidas,  den  ency- 
klopädischen  und  moralischen  Schriften  nimmt  die  Religion  den  gebührenden 
Raum  ein.  Wenn  wir  aber  zum  Schluss  der  Periode  ein  dogmatisches  Thema 
von  einem  Laien,  Juan  Manuel,  eigens  behandelt  finden  (s.  u.),  so  zeigt 
sich  darin  der  Einfluss  der  populären  Bettelorden. 

31.  Nach  zwei  wirrenreichen  Minoritätsregierungen  steht  unter  dem 
ungewöhnlich  kraftvollen  Alfonso  XI.  (131 2 — 50,  majorenn  1325)  das  Königs- 
haus auch  geistig  wieder  in  dem  Vordergrund.  Die  auf  den  Befehl  des  Königs 
gefertigte  Rolle  der  Behetrias,  2  die  Statuten  des  von  ihm  errichteten  weltlichen 
Ritterordens  de  la  Banda^^  die  Gesetze  der  Cortes  von  Alcala^  mögen  bei- 
läufig erwähnt  sein;  ein  ausführliches  Buch  von  der  Hochjagd,  Libro  dela 
Monteria^^  tritt  zur  technischen  Litteratur,  auch  eine  Albeitetla^  (Ross-Arznei- 
kunde)  wird  als  auf  seinen  Befehl  geschrieben  bezeichnet  und  über  die  von 
ihm  angeordnete  Übersetzung  von  Benoits  Roman  de  Troie  ist  noch  beim 
Roman  zu  sprechen. 

Die  Geschichtschreibung  hatte  nach  Alfonso  X.  geschlummert,  auch  die 
durch  sein  Vorgehen  dauernd  in  den  Hintergrund  geschobene  lateinische. 
Neben  der  Gran  Conquista  scheint  eine  kürzere  lateinische  Geschichte  des 
höiligen  Landes'  übersetzt  worden  zu  sein  ;  aus  einer  verlorenen  portugiesischen, 
im  Auftrag  König  Denis  (gest.  1325)  hergestellten  Übertragung  einer  arabischen 
Geographie  Spaniens  mit  historischem  Anhang  kam  die  Crönica  del  Moro  Razis^. 

*  Rios  IV,  85;  Rame  deVhist.  des  religions  XVIII,  142;  Kayserling,  Biblioteca 
Espanola-Jtidäica,  Strassb.  1890,  S.  114.  Über  die  in  dieser  sehr  mangelhaften  Bibliographie 
angeführten  Malicwies  de  los  Indios  s.  Morel -Fatio,   Catal.  des  mss.  espagnols,  28. 

2  Libro  del  Bezerro,  San  tander  1866. 
•''  s.  Rios,  IV,  362. 

*  In  Cortes  de  Leon  y  de  Castilla,  T.  II.  Sie  sind  mehr  politisch  als  juristisch  be- 
deutend: zum  erstenmal  wurde  eine  grosse  Reihe  wichtiger  Bestimmungen,  mit  Einwilligung 
der  Stände,  tatsächlich  durchgeführt,   die  Reichseinheit  in  eine  Interessenkette  geschlossen. 

^  Gutierrez  de  la  Vega.  Bibliot.  venatoria,  T.  1 .  2.  Madr.  1 877-  Gegen  ihn  tritt 
Navarro,  El  libro  de  la  Monteria.  Madr.  1878  für  die  Autorschaft  Alfonsos  des  Weisen 
ein,  hat  aber  die  Handschriften  unrichtig  datiert  und  beurteilt. 

•*  Morel-Fatio,  Manuscr.  esp.  96. 

'  Nur  in  Abschrift  s.  XVI,  Bibl.  Nag.  V,   193;  s.  Neues  Archiv  VI,  315. 

'  Vgl.  Ga  yangos,  Memorias  leidas  en  la  R.  Acid.  d.  l.  Historia  T.  VIII.  Ob  zwei 
verschiedene  Übersetzungen  existieren,  muss  die  Vergleichung  der  von  G.  nicht  benutzten 
Hss.  der  Paiiser  u.  Madr.  Nationall)ibl.  lehren.  Übrigens  ist  die  sp.  Übtrs.  niögliclierweise 
nicht  älter  als  die  älteste  Hs.  fin.  S.  XIV. 

Gröber,  Urundris.s.  Hb.  27 

\ 


41 8    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.  —    5.    SpaN.    LiTT, 

Das,  neben  kurzen  annalistischen  Aufzeichnungen,  ist  Alles.  ^  Im  Jahr  1327  2 
befahl  der  junge  König  die  Ausfüllung  der  klaffenden  Lücke  zwischen  der 
Crönica  de  Espana  und  seiner  eigenen  Zeit,  und  eröffnete  so  die  lange  Reihe 
der  offiziellen  Reichschroniken.  An  die  Crönicas  de  Alfonso  X,  Sancho  IV., 
und  Fernando  IV.  schloss  sich  die  Alfonsos  XI.  selbst  bis  zur  Eroberung  von 
Algeziras.  Für  alle  viere^  deutet  Sprache  und  Darstellung  auf  denselben  Ver- 
fasser, nach  allerdings  nur  schwach  verbürgter  Tradition,  bei  starker  innerer 
Wahrscheinlichkeit,  den  Geheimkanzler  Fernan  Sanchez  de  Tovar.  Das 
letzte  Kapitel  der  Crön.  Alf.  XI.  (336)  enthält  eine  Reflexion,  die  einzige 
im  Buch,  über  den  König  selbst  in  der  Vergangenheit,  ist  also  nach  seinem 
Tode  geschrieben,  der  Prolog"*  aber  zu  seinen  Lebzeiten.  Die  Denkart  deckt 
sich  vollkommen  mit  der  Handlungsweise  des  Königs,  die  Darstellung  ist  anna- 
listisch, sachlich,  fast  geschäflsmässig.  Bei  bemerkenswerter  Offenheit  dient 
das  Wort  doch  auch  einigemal  dem  Verschweigen.  Im  Poema  de  Alfonso  XI. 
hat  sie  bald  eine  poetische  Bearbeitung  gefunden.  —  Ein  anmutiges  Gedicht 
zeigt,  dass  der  König  auch  die  Hofpoesie  pflegte.^ 

33.  Don  Alfonso  hat  fast  nur  angeregt.  Sein  bedeutendster  Gegner, 
der  Königsenkel  Don  Juan  Manuel  (1282  — 1348)  nimmt  unter  den  ältesten 
Prosaisten  die  erste  Stelle  ein  nächst  seinem  Grossvater  und  Vorbild,  dem 
Rey  Sabio.  Die  Schriften ^  des  Dynasten  fallen  alle  oder  fast  alle  in  die  be- 
wegteste Zeit  seines  Lebens  1320  —  35,  und  sind  mannigfaltigster  Art.  Histo- 
risch ein  Summarium  der  Crönica  de  Espana,  die  Crönica  abreviada;  kurze 
lateinische  Annalen  von  1258  — 1329,  die  Crönica  complida  —  eine  Fortsetzung 
unterblieb  vielleicht  wegen  Alfonsos  Unternehmen;  der  Tractado  sobre  los 
Armas,  ein  wertvolles  Stück  Hausgeschichte.  El  libro  dela  Caza  (vgl.  S.  410) 
nimmt  eine  erste  Stelle  ein  unter  den  Falken büchern,  dem  einzigen  kleinen 
Gebiet  auf  dem  das  Mittelalter  genaue,  noch  heute  wertvolle  Naturbeobachtung 
aufzuweisen  hat.  Das  verlorene  libro  de  los  engenos  (Kriegsmaschinen)  fusste 
jedenfalls  auf  dem  von  J.  M.  anderweit  citierten  Vegetius,  vermittelt  vielleicht 
durch  Aegidius  Romanus.  -»En  manera  de  fabhella«  ist  das  encyklopädische 
/.  del  Caballero  y  del  Escudero  eingekleidet;  der  junge  Ritter  fragt  den  alten 
über  Geistliches  und  Weltliches,  Himmel  und  Erde.  Der  Rahmen  ist  der 
Einleitung  zu  Ramon  Lulls  Libre  del  Orde  de  Cavalleria  (II,  2,  106)  nach- 
gebildet, sonst  finden  sich  nur  wenig  Anklänge  an  den  abstrusen  Franziskaner, 
mehr   an    die   Partidas ,   aller   Wahrscheinlichkeit    nach    Mancherlei  aus    dem 

'  Ober  eine  bis  1312  reichende,  aber  erheblich  jüngere  Kompilation  s.  RiosIV,  392. 

2  S.  Morel-Fatio,  Mss.  esp.  S.  49. 

'  Hrsg.  von  Rose  11  als  Bd.  66  der  Bibl.  d.  aut.  esp.,  Crönicas  de  los  reyes  de  CastiUa 
T.  I;  Alfonso  X.  bis  Ferdin.  IV.,  Yalladolid  1554;  Fernando  IV.  in  Memorias  deD.  Fern.  IV., 
Madr.  1860;  Alfonso  XI.  Vallad.  1551  u.  Mad.  1787.  Die  Überlieferung  in  den  zahlreichen 
Hss.  ist  mangelhaft  und  jung,  die  Ausgabe  Rosells  aber  auch  für  span.  Verhältnisse  un- 
erlaubt schlecht. 

*  In  der  Madrider  Ausg.  v.  1787,  S.  1  u.  2.  Die  Bedenken,  welche  gegen  die 
Authenticität  dieses  Vorworts  erhoben  werden  könnten  (escrevir  vom  Autor,  Algecira  in  der 
Titulatur)  fallen  beim  Vergleich  mit  dem  Prolog  zur  Crön.  Alf.  X.,  S.  3  von  Rosells 
Ausgabe. 

*  Cang.  Vat.  209;  Wolf,  Studien  102.  Es  ist,  gegen  II,  2,  28 1,  gallizisch  gemeint, 
morrer  reimt  auf  fazer. 

"  Sämmtlich,  mit  Ausnahme  der  Chroniken  und  des  Libro  dela  Caza,  bei  Gayangos, 
Escritores  en  prosa  ant.  al  s.  XV,  229  ff. ;  unabhängig  davon  die  Libros  de  los  Estados  und 
der  Tractado  delas  armas  bei  Benavides,  Memorias  de  D.  lernando  IV. ;  del  Cab.  y  del 
Ese,  mit  Kommentar  von  Gräfenberg,  Roman.  Forsch.,  VII,  426.  Ebenda  S.  531  die  Crönica 
complida.  Das  Libro  dela  Caza  von  Baist,  Halle  1880,  mit  Untersuchungen  über  die  anderen 
Schriften;  ausserdem  in  Gutierrez  de  laVega,  Biblioteca  venatoria,  Bd.  III,  Madr.  1879. 
Die  editio  princeps  des  Conde  Lucanor  von  Argote  de  Molina,  Sevilla  1575,  ist  für 
den  Philologen   fast  wertlos. 


Prosa:   Don  Juan  Manuel.  419 

Septenario  (S.  410)  und  Aegidius.  Im  Wesentlichen  haben  wir  es  jedoch  mit 
eigener  Kenntnis  und  Weltanschauung  zu  thun.  Sonderartiger  sind  die  beiden 
Bücher  de  los  Estados  ^ ;  sie  waren  in  ursprünglicher,  noch  erkennbarer  Form 
als  eine  Selbstrechtfertigung  im  Kampf  gegen  den  König  abgefasst,  u.  d.  T. 
Itbro  del  Inf  ante  ^  sind  dann  zu  einer  Behandlung  aller  Stände  erweitert,  mit 
Zugrundelegung  der  Frage,  in  welchem  unter  ihnen  der  Mensch  am  Besten 
seelig  werden  könne.  Als  Einkleidung  dient  eine  Bekehrungsgeschichte,  die 
an  Barlaam  und  Josaphat  anklingt.  Über  die  Herrscherpflichten  handelt  das 
kürzere,  an  den  Erstgeborenen  gerichtete  Libro  infinido ;  ein  Kapitel  del  Amor 
que  los  ombres  an  entre  si  ist  später  willkürlich  angehängt.  Verloren  ist  ein 
den  vorgenannten  Schriften  nahe  verwandtes  Buch  dela  Caballeria.'^  Auch  ein 
Libro  de  los  Sabios  muss  dem  Titel  nach  lehrhaft  und  umrahmt  gewesein  sein; 
die  Doze  Sabios  (S.  412),  an  welche  man  denken  könnte,  sind  es  keinenfalls. 
Die  überall  stark  hervortretende  theologische  Neigung  kommt  in  der  spätesten 
Schrift,  dem  an  den  Dominikaner  Marquefa  gerichteten  Traktat  über  die  körper- 
liche Seligkeit  der  Jungfrau  Maria  zur  ausschliesslichen  Geltung.  Mehr  als 
dies  Alles  ist  von  den  Nachkommen  der  Conde  Liicanor  (der  Name  des  ge- 
lehrten Grafen  stammt  aus  dem  Prosatristan)  oder  besser  das  Libro  de  Patronio 
gelesen  worden,  und  auch  heute  ist  dieser  Novellenkranz  das  bekannteste 
altspanische  Buch.  Der  Inhalt  der  5 1  Erzählungen  ist,  unter  Ausschluss  alles 
Obscönen,  höchst  mannigfaltig.  ^  Historisches  oder  Halbhistorisches  aus  Spanien, 
eigene  Erlebnisse,  einige  arabische  Traditionen,  daneben  Phädrus,  Calila  und 
Dimna,  Barlaam  nebst  dem  ganzen  europäischen  Anekdotenschatz,  Einzelnes 
unübertrefflich  erzählt,  Alles  aus  dem  Gedächtnis,  lebendiges  Wort,  eigenartig. 
Die  Doktrin  geht  neben  her,  meist  auf  Stelzen,  der  Schlussvers  (S.  414)  fehlt 
nicht.  Drei  Bücher  Sprüche  aus  den  Bocados  de  Oro,  zum  Teil  absicht- 
lich verdunkelt,  und  eines  über  die  Mittel  zur  Seligkeit,  Mensch  und  Welt 
sind  angehängt,  bei  Gayangos  falsch  abgeteilt.  —  Der  Verlust  eines  Libro 
de  los  Cantares  ist  nicht  allzuschwer  zu  beklagen ,  es  liegt  kein  Grund  vor  an- 
zunehmen, dass  J.  M.,  abgesehen  vun  jenen  holprigen  Reimsprüchen,  kastilisch 
statt  gallizisch  gedichtet  habe,  umsoweniger  als  ebenfalls  verschwundene  Reglas 
conto  se  debe  iroz'ar  auf  genauen  Anschluss  an  die  Kunstdichtung  hinweisen. 
Diese  Reg  las  waren  wohl  Bearbeitungen  eines  der  katalanischen  Traktate 
(II,  2,  126).  J.  M.  stand  durch  Verwandtschaft,  Besitz  und  Leben  in  genauer 
Beziehung  zum  Nachbarland;  dass  diese  sich  auch  bei  dem  Schriftsteller  be- 
merklich macht,  kann  noch  nicht  als  symptomatisch  betrachtet  werden.  Ein 
stärkerer  litterarischer  Austausch  trat  erst  erheblich  später  ein.  Neu  ist  bei 
ihm  der  im  folgenden  Jahrh.  recht  bedeutende  Einfluss  des  Predigerordens. 
Die  Lehrschriften  wurden  rasch  verdrängt  als  eine  ihrer  Hauptquellen,  des 
Aegidius  Romanus  Bücher  de  regimine  principum  (II,  i,  270),  in  den  letzten 
Jahren  Alfonsos  XL  mit  Hinzufügung  vieler  enxtemplos  e  castigos  von  dem 
Minoriten  Juan  Garcia  für  den  Infanten  Don  Pedro  übersetzt^  wurden. 
Uns  bieten  sie  ungleich  mehr  Belehrung  als  Aegidius  und  als  die  Partidas, 
mit  welchen,  wie  mit  den  übrigen  Werken  Alfonsos  X.,  Don  Juan  genau  ver- 
traut ist.  Er  ist  unterrichtet,  nicht  gelehrt,  eine  durchaus  thatkräftige,  prak- 
tisch gerichtete  Natur.    Wir  erfahren  von  ihm  wie  der  kastilische  Grosse  auf- 

'  Estados  II,  50  ist  bei  Gayangos  irrig  als  Libro  delos  fraües  predicadores  abge- 
trennt, ebenso  das  letzte  Kapitel  des  Libro  infinido. 

*  Vgl.  Libro  dela  Caza,^€d.  Baist,  S.  153 

*  Liebrecht  in  der  Übers,  von  Dunlops  History  of  Fiction,  Berl.  1851  S.  501; 
Puymaigre,  Les  vieux  auteurs  castillans  11^,  200:  Quellenstudien,  die  sich  leicht  er- 
weitern Hessen. 

*  Zahlreiche  Hss.  s.  XIV  u.  XV  in  den  Madrider  Bibliotheken  und  dem  Escorial; 
Druck  Sevilla   1494-     Vgl.  Bibl.  zei.  II,   179;  Rios  IV,  340. 

27* 


42  O    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    5.    SPAN.    LlTT. 

wuchs,  lebte  und  dachte,  die  Persönlichkeit  durchbricht  immer  wieder  in 
direkten  Mitteilungen  die  überlieferte,  lehrhaft  objektive  Schreibart.  Auch  bei 
ihm  findet  sich  sprachliches  Kunstbewusstsein :  er  schreibt  nach  Estados  I,  90 
in  dem  schönsten  Romanisch,  deutlich  und  vollkommen,  das  heisst  in  so 
wenig  Worten  als  möglich.  Wir  können  ihm  nur  zustimmen,  sogar  das  Selbst- 
lob der  Kürze  ist  nicht  ohne  Berechtigung,  und  der  coordinierende  Aufbau 
der  Sprache,  der  uns  so  kunstlos  erscheint,  ist  eben  das  rechte  Spiegelbild 
der  Denkweise  jener  Menschen.  Don  Juan  und  der  Archipreste,  so  ver- 
schieden sie  sind,  sind  gleich  ursprünglich;  man  soll  beide  neben  einander 
lesen  um  ihre  Zeit  zu  kennen,  die  spätere  zu  verstehen. 

II.  VON  PEDRO  I.  BIS  UNTER  FERDINAND  UND  ISABELLA. 
ZEIT  DER  HÖFISCHEN  DICHTER. 

Juan  Manuel  hatte  noch  empfunden  dass  man  über  sein  Schreiben  spottete; 
alle  benannten  Autoren  der  Frühzeit  gehören  entweder  dem  Herrscher- 
hause an  oder  dem  Klerus,  der  Ton  war  ernst  und  selbst  der  Witz  verkleidete 
sich  lehrhaft.  In  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs.  vollzieht  sich  ein  tiefgehen- 
der Wandel.  Statt  Roland  und  Rodrigo  sind  Tristan  und  Amadis  Vorbilder, 
mit  glänzenden  Festen  verbindet  sich  die  Galanterie,  und  der  Adel  pflegt  als 
integrierenden  Bestandteil  seiner  Bildung  die  Erbschaft  portugiesischer  Gelegen- 
heitsdichtung in  der  eigenen  Sprache.  An  die  Stelle  der  gemessenen  Cuaderna 
via  treten  Reimspiele,  Achtsylbner  und  eine  eigentümlich  unruhige  Art  des 
Zehnsylbners.  Die  Prosa  hastet  nach  Übersetzungen ,  der  Latinismus  dringt 
in  die  Wortstellung  ein,  selbst  im  Vers.  Im  Gegensatz  zur  Vergangenheit 
wird  die  Prosa  unabhängiger  vom  Königshof,  während  die  Dichtung  dort  ihren 
Mittelpunkt  findet.  Frankreich  bleibt  die  Heimat  ritterlichen  Wesens;  in  dem 
berühmten  Kampfspiel  des  Suero  de  Quinones  1434  z.  B  sind  die  Devisen 
französisch,  und  noch  mancherlei  wird  übersetzt.  Aber  die  geistige  Führung 
hat  es  verloren,  sie  fallt  an  Italien,  zunächst  allein  infolge  seines  kulturellen 
Übergewichts,  zu  dem  erst  weiterhin  enge  politische  Verbindung  ^  hinzutritt. 
Nicht  in  Paris  studiert  man,  sondern  in  Bologna. 

Die  Stürme,  welche  unter  D.  Pedro  über  das  Land  zogen,  erdrückten 
zeitweilig  fast  jede  geistige  Thätigkeit;  unter  den  Trastamara  vermochte  in- 
dessen die  Schwäche  der  Könige  die  zentralistische  Entwicklung  nicht  mehr 
aufzuhalten,  konnten  alle  Wirren  die  steigende  Richtung  auf  Glanz  und  Genuss 
nicht  hindern.  In  der  europäischen  Politik  ist  Kastilien  ein  wichtiger  Faktor 
geworden,  mit  Gil  de  Albornoz  beginnt  die  Reihe  spanischer  Kardinäle,  auf 
dem  Konzil  von  Konstanz  beansprucht  und  erhält  Kastilien  den  Vortritt  vor 
England.  Kastilische  Ritter  suchen  Ehren  in  Frankreich,  England  und  Deutsch- 
land ,  Sevilla  ist  eine  vorherrschende  Stadt  geworden ,  der  Verkehr  mit  dem 
Ausland  berührt  alle  Schichten  der  Gesellschaft.  Unter  Alfonso  V.  dringt  die 
kastilische  Hofpoesie  in  Aragon  und  Navarra  ein ,  die  heimischen  Kanzlei- 
sprachen sinken  zu  Dialekten  herab,  auch  einzelne  Katalanen  folgen  der 
Schwerkraft.  Die  Portugiesen  beginnen  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs. 
sich  der  kastilischen  Sprache  zu  bedienen  (s.  II,  2,  259).  Das  Zentralland 
übernimmt  auf  der  Halbinsel  die  Führung  in  der  Dichtung,  wie  es  sie  in  der 
Prosa  von  jeher  besessen  hatte. 

'  Nachdem  schon  vorher  Sicilien  mit  Aragon  vereinigt  war,  erwirbt  Alfonso  V.  1421 
bezw.  1443  Neapel.  Seit  1412  aber  sind  die  Herrscher  von  Zaragora  und  Barcelona  nicht 
mehr  Katalanen,  sondern  Trastamaras,  wenn  auch  die  Kanzleisprache  für  Katalonien,  Sicilien 
und  danach  Neapel  zunächst  noch  die  katalanische  blieb  Vgl.  bes.  Croce,  La  Corte  spag- 
ntiola  di  Alfonso  d'Aragona  a  Napoli  in  Atti  della  Academia  Pontiniana  XXIV ;  d  e  r  s. ,  Versi 
spagnuoli  in  Lodi  di  Lucrezia  Borgia,  Nap.  1894 ;  F  a  r  i  n  e  1 1  i  in  Rassegna  bibliogr.   1894,  133- 


Poesie:  Höfische  Dichtung.    Lopez  de  Ayala.  421 

Rein  ästhetisch  ist  die  Masse  der  Produktion  geringwertig ;  der  Trovador 
und  der  italisierende  Poeta  sind  beide  gleich  konventionell,  die  Gelehrsamkeit 
äusserlich,  das  Denken  abhängig.  Man  würde  den  Eindruck  der  Senilität  er- 
halten ,  wenn  nicht  die  Bewegung  in  der  Aristokratie  eine  so  ausgedehnte 
wäre,  die  Geschichtschreibung  die  alte  Männlichkeit  bewahrte,  und  die  epische 
Tradition  in  der  Romanze  neu  erblühte,  die  leichtere  volksmässigere  Lyrik 
manches  Vortreffliche  böte:  hier  regen  sich  die  halbschlummernden  Kräfte 
der  breiteren  Massen. 

A.  POESIE. 
I.    DIE    höfische    DICHTUNG. 

35.  Einige  Übergangserscheinungen  sind  vorweg  zu  besprechen.  Pero 
Lopez  de  Ayala  ^  (1332  — 1407)  vertrauter  Diener  Don  Pedro's,  dann  eine 
Stütze  der  Trastamara,  seit  1398  Grosskanzler,  gehört  als  Begründer  und  Meister 
der  neuen  Geschichtschreibung,  als  Übersetzer  und  als  einer  der  ältesten  Hof- 
dichter der  neuen  Richtung  an.  Zugleich  ist  er  ungeföhr  der  letzte  der  die 
Form  der  Cuaderna  via  mit  dem  Alexandriner  gepflegt  hat.  In  einem  Bruch- 
stück von  Cancionero  de  Baena  mag  sie  ungefähr  gleichzeitig  sein,  nur  in  der 
ausserhalb  der  eigentlichen  kastilischen  Poesie  stehenden  judenspanischen  Be- 
arbeitung eines  Schachgedichts  und  dem  maurenspanischen  Poema  de  Josi  (S. 
u.  §  52)  ist  sie  vielleicht  jünger.  Allerdings  findet  sie  sich  in  völliger  Ver- 
einzelung noch  einmal  in  den  in  Burgos  1563  gedruckten  Exemplos  de  Caton!^ 
Die  wenigen  von  ihnen  mitgeteilten  Strophen  sind  indessen  sehr  altertümlich 
und  gehören  wohl  noch  unserer  Periode  an. 

Das  Rimado  de  Palacio^^  in  welchem  A.  seine  Lebenserfahrung  nieder- 
legt ,  zeigt  auch  in  seiner  Struktur  noch  die  Kompositionswillkür  des  Archi- 
preste;  es  ist  zwischen  1378  und  85  zu  verschiedenen  Zeiten  nach  Gefallen 
fortgesetzt,  mit  lockerer  Anknüpfung  der  einzelnen  Stücke  an  die  vorausgehen- 
den. An  eine  katechetisch  geordnete,  für  Leser  wie  Autor  gemeinte  General- 
beichte schliesst  sich  eine  Darstellung  der  Schäden  in  den  verschiedenen 
Ständen,  die  als  Strafe  der  Sünden  zu  betrachten  sind,  auf  eine  Warnung  vor 
den  Zornbildern  der  Tugenden  folgt  ein  Gebet  und  Anweisung  zum  Beten, 
darauf  die  Erfahrungen  des  Kriegsmanns  der  bei  Hof  Geld  zu  fordern  hat, 
die  Tageslast  des  Königs,  eine  Ermahnung  zur  Friedfertigkeit  und  gegen  die 
Habsucht ,  Regeln  für  die  Rechtspflege ,  Kennzeichen  guter  Herrschaft ,  Ver- 
haltungsregeln fiir  Vertraute ;  dann  ein  Anhang  von  Klagen  ,  Marienliedern, 
Gebeten  aus  der  Gefangenschaft,  mehreres  darunter  zurückdatiert,  zur  Hälfte 
mit  lyrischer  Verwendung  des  Alexandriners  neben  Formen  der  Hofdichtung : 
darunter  zwei  1398  und  1403  beigegebene  Klagen  über  das  Schisma  im  Masse 
der  Arte  mayor.  Einsicht  und  aufrichtiger  Wille,  Energie  des  Ausdrucks  und 
rücksichtslose  Wahrheit  sind  der  Satire  nachzurühmen,    und  A.   darf,  obwohl 

'  Fl  Ol"  an  es,  Vida  literaria  de  P.  L.  de  A.,  in  Coleccion  di  docum.  ined.  Bd.  19 — 20. 
Die  schwerfällige  und  inhaltsarme  Schrift  hat  jedenfalls  das  Verdienst  längst  erwiesen  zu 
haben,  dass  die  Gefangenschaft  Ayalas  im  Rimado  die  portugiesische  von  1385  und  nicht 
die  englische  von  1367  ist.  Vgl.  au.sserdem  Rios  V,  lOl  flf. ;  Menendez,  Antologia, 
IV,  9  ff. 

^  Gallardo,  Ensayo  No.  5 14.  Ober  eine  Bearbeitung  dtr  Disticha  Catonis  im  Mass 
der  Arte  m.iyor  von  1493  durch  Garcia  de  Sta.  Maria  s.  ib.  2316.  Versetes  de  antigo 
rimar  nennt  sie  schon  Ayala  selbst  in  seinen  späteren  Tagen,  C.  Baena  II,  201. 

^  Hrsg.  v.  Janer,  Escrit.  ant.  al  siglo  XV,  S.  425;  vgl.  auch  Wol  f,  Studien,  138  ff. 
Die  Bezeichnung  Rimado  de  P.,  bei  Santillana  Rimos  de  P.,  ist  dem  Gedicht  nach  seinen 
hervorstechendsten  Teilen  sehr  früh  beigelegt  worden,  ihre  Meinung  übrigens  nicht  ganz 
klar,  da  span.   »Reim«  für  diese  Zeit  noch  zweifelhaft  ist. 


42  2     LiTTERATURGESCHICHTE   DER     ROMANISCHEN   VÖLKER.  —    5.    SpaN.    LiTT. 

weniger  Poet  als  dieser  neben  Juan  Ruiz  gestellt  werden  —  den  er  einen 
Satanspriester  nennen  würde.  Nur  unvollständig  erhalten  ist  seine  poetische 
Bearbeitung  der  vorher  von  ihm  übersetzten  (Castro  II,  398)  Flor  es  de  los 
morales  sobre  Job;  in  Hs.  und  Ausgabe  falschlich  zum  Rimado  gezogen.  Im 
Unterschied  von  jenem  zeigt  sie  nur  Alexandriner,  nicht  auch  Vierzehnsilbner. 
Ähnlich  wie  der  Alexandriner  mit  Ayala ,  verschwindet  dessen  Halbvers ,  der 
frühspanisch  relativ  stark  vertretene  franz.  Sechssilbner  mit  dem  älteren  Rabbi 
Santo  von  Carrion;  Villasandino  braucht  ihn  noch  vereinzelt  in  ge- 
mischter Strophe,  aber  im  16.  Jh.  ist  die  Tradition  derart  unterbrochen,  dass 
er  von  Garcilaso  aus  Petrarca  übernommen  und  italiano  quebrado  genannt  wird. 
Die  Proverbios  morales'^  scheinen  noch  unter  Alfonso  XL  (s.  Str.  673)  abge- 
fasst,  sind  aber  D.  Pedro  zugeeignet.  Nur  verhältnismässig  wenige  der  Ge- 
danken stammen  aus  den  alten  Apophtegmensammlungen,  mehr  jedenfalls  aus 
jüdischer  Tradition,  die  meisten  aus  eigener  resignierter  Lebensweisheit.  Grosse 
Konzision  bei  vollkommener  Leichtigkeit,  eine  Fülle  treffender  und  glänzen- 
der Bilder  zeichnen  die  Vierzeiler  aus,  das  beste  Ergebnis  der  Verbindung 
jüdischen  und  spanischen  Wesens.  Er  steht  erheblich  über  seinen  berühmten 
Nachfolgern  im  15.  Jh.  (Santillana  und  Perez  de  Guzman) ;  eine  gewisse  innere 
Verwandtschaft  scheint  des  Konvertiten  Alonso  de  Zamora  (blüht  noch  1500) 
Loor  de   Fir indes  "^  zu  zeigen. 

Negative  Erwähnung  mag  hier  das  Poema  de  Alfonso  XI.  finden  (II,  2, 
204).  Es  ist  in  seiner  kastilischen  Überlieferung  sicher  Transskription  eines 
portugiesischen  oder  gallizischen  Gedichts  (leonesische  existieren  nicht),  das 
ebenso  gewiss  auf  der  Crönica  de  Alfonso  XI.  beruht,  wenn  auch  der  Verfasser 
zeitlich  noch  nahe  genug  stand  um  einige  unerhebliche  Ausschmückungen  zu- 
treffend anbringen  zu  können. 

36.  Unsere  Kenntnis  der  höfischen  Dichtung  3  beruht  fast  ausschliesslich 
auf  den  Liedersammlungen,  Cancioneros,  von  welchen  einige  bestimmte  Kreise 
bevorzugen,  sehr  zum  Vorteil  unserer  Einsicht  in  diese  so  eng  mit  ihrer  Um- 
gebung verknüpfte  Poesie,  die  Mehrzahl  ziemlich  zufällig  zusammengewürfelt 
ist.  Voran  steht  unter  den  erhaltenen  und  bekannten  der  C.  de  Juan  Alfonso 
de  Baena,^  Schreibers  Juans  IL,  der  ihn  um  1445  für  den  König  und  Hof 

'  Hrsg.  von  Janer,  1.  c.  331.  Santo,  Die  judenspanische  Form  für  Sem  Tob 
(o.  Sehern  Tob?)  ist  wiederholt  durch  den  Reim,  wie  durch  die  Schreibung  Santillanas 
und  der  besseren  Hs.  gesichert,  also  beizubehalten. 

^  s.  Sa  Iva  2187.  Spätere  Vertreter  der  Reimweisheit  sind,  neben  dem  genannten 
Garcia  deSta.  Maria,  Guajardo  F  •d}a.rdo ,  Provgrdtos  morales,  1524  u.  ö.;  Lopez 
de  Janguas,  Dichos  e  sentencias  de  los  siete  sabios ,  in  Dreizeilern  ,  offenbar  sehr  beliebt, 
Drucke  seit  1549  bekannt,  aber  anscheinend  nicht  unerheblich  älter;  ebenso  in  Dreizeilern 
Pedro  Luis  Sanz,  Proverbios,  Consejos  y  Avisos,  um  15.35.  Salva  2134,  und  anonyme 
Refranes,  Valencia  1551;  ßarros,  Philosophia  cortesana,  Madrid  1587.  dann  oft  mit  wech- 
selndem Titel;  Setanti,  Avisos  de  Amigo,  Barcel.  16 14;  Perez  de  Herrera,  Proverbios 
morales,  Madrid   1618. 

^  s.  Rios,  Bd.  5  —  7;  Pidais  Vorrede  zum  Cang.  de  Baena\  Wolf,  Studien  189 
und  bei  Ticknor,  H,  507 ;  Puymaigre,  La  cour  litteraire  de  D.  ftian  II,  Paris  l873. 
2  Bde.;  Menendez  y  Pelayo,  Antologia  de  poetas  liricos,  in  den  Prologen. 

*  Hrsg.  V.  Pidal,  Gayangos  u.  Odeon.  Madr.  1851 ;  v.  Francisque  Michel, 
Lpz.  1860,  nur  Plagiat  der  ersten,  aber  wegen  ihrer  Zugänglichkeit  auch  im  folgenden  für 
Zitate  benutzt,  um  so  mehr  als  bei  jener  in  den  meisten  Exemplaren  eine  Anzahl  frecher 
Verse  unterdrückt  ist.  Die  Hs.  ist  unvollständiger  als  die  Herausgeber  angeben.  Eine  vor- 
ausgehende inkomplete  Tabia  zeigt  zum  Beispiel,  dass  von  Juan  Alfonso  selbst  die  Dezires 
generales  und  die  Dezires  de  los  reyes  fehlen,  letztere  offenbar  identisch  mit  dem  Menendez 
Ant.  II,  215  nach  dem  Cancionero  der  Palastbibliothek  veröffentlichten  politischen  Dezir,  das 
sich  durch  seinen  Stoff  über  seine  sonstigen  Reimereien  erhebt.  Der  königliche  Schreiber 
Juan  Alfonso  ist  wahrscheinlich  jüdischer  Konvertit  gewesen,  wie  Antonio  de  Mon- 
t  o  r  o  und  Juan  d  e  V  a  1 1  a  d  o  1  i  d ,  die  später  Gunst  am  Hofe  gewinnen,  und  der  vornehmere 
Rodrigo  Cota.  Man  darf  von  einer  regen  Beteiligung,  nicht  aber  von  einer  führenden  Rolle 
dieses  Bevölkerungsbestandteils  in  der  Zeitlitteratur  sprechen. 


Poesie:  Höfische  Dichtung.    Cancioneros.  423 

zusammenstellte ;  er  giebt  einen  lebendigen  BegrifiF  des  Tones  der  unter  dem 
leichtlebigen  Fürsten  herrschte,  und  berücksichtigt  in  ausgedehntem  Masse, 
bevorzugt  sogar  die  Zeit  seiner  Vorgänger;  einige  künstlerisch  bezeichnende 
Urteile  laufen  unter,  und  die  ältere  Benennung  der  Formen  ist  hier  dürftig 
und  unsicher,  aber  besser  als  anderwärts  gegeben.  Ein  wertvolles,  wenn  auch 
viel  weniger  umfängliches  und  mannigfaltiges  Gegenstück  bildet  der  Cancionero 
de  Stüniga,^  wie  er  nach  dem  Verfasser  des  zuföUig  ersten  Gedichts  genannt 
wird.  Hier  sind  die  Ritter  stark  vertreten,  welche  den  gepriesenen  Gönner 
des  Humanismus,  Alfonso  V.  von  Aragon,  nach  Neapel  begleiteten,  einer  von 
ihnen,  Carvajales,  bethätigt  sich  zugleich  italienisch,  der  jüngere  vornehmere 
Geschmack  begünstigt  das  farblose  Liebeslied,  die  Entstehung  ist  am  neapoli- 
tanischen Hof  nicht  lange  nach  1458  zu  suchen.  Dem  Kreise  Santillanas 
scheint  um  die  Mitte  des  Jhs.  das  bei  Salvä  Bibliot.  181  beschriebene  Lieder- 
buch nahezustehen.  Die  lange  Regierung  Juans  II.  begleitet  der  verschollene 
C.  de  Martinez  de  Burgos.2  Von  der  späteren  ZeitD.  Juans  in  die  D.  Enriques  IV. 
und  zum  Teil  in  die  Isabellas  reichen  die  von  Morel-Fatio,  Catal.  586  —  93  be- 
schriebenen Hss.  der  Pariser  Nationalbibliothek  —  ein  C.  der  dem  Amadis- 
übersetzer  d'Herberay  gehörte,  jetzt  im  Brit.  Mus.,  abgedruckt  bei  Gallardo, 
Ensayo ,  484  —  der  C.  des  Brit.  Mus.  Eg.  939,  analysiert  von  Gayangos, 
Catal.,  I,  IT.  —  der  reichhaltige  C.  de  Yxar,  1470  oder  etwas  später,  Gallardo 
486  und  Ticknor  II,  522  beschrieben  —  der  von  Gomez  Nieva  veröffentlichte 
C.  der  Bibliot.  patrimonial^  —  ein  sehr  schätzenswertes  Ms.  im  Privatbesitz 
zu  Madrid,  Rios  VI,  537  —  der  Rom.  Forsch.  VIII,  283  von  Rennert  mit- 
geteilte des  Brit.  Mus.  —  zwei  nur  sehr  dürftig  bekannte  der  Bibl.  patrimonial 
und  der  Colombina,^  Rios  VI,  533  u.  580  und  Pidal  in  Can^.  Baena  S.  CXVIII 
—  der  Gallardo  487  analysierte,  gut  im  16.  Jh.,  aber  mit  einigen  älteren 
Stücken  —  der  C,  de  Ramon  de  Llavia,  Incunabel  o.  O.  u.  J.,  der  Gattin  des 
Juan  Fernandez  de  Heredia  zwischen  1481  und  1503  gewidmet,  Salvä  185, 
eine  Sammlung  von  meist  religiösen  längeren  Dezires,  ähnlich  wie  verschiedene 
Wiegendrucke  von  Fray  Inigo  de  Mendozas  Vita  Christi  con  otras  obras,  Rios 
VII,  241,  Pidal  1.  c.  CXIX,  Salvä  und  Gallardo.  Keine  dieser  Sammlung  steht 
in  Beziehung  zu  einer  der  anderen  und  den  noch  zu  nennenden,  und  keine,  ob- 
wohl mehrere  sicherlich  Kopien  sind,  ist  in  mehreren  Exemplaren  erhalten :  ein 
Zeichen  der  ausserordentlichen  Zahl  in  der  sie  angelegt  worden  sein  müssen.  Den 
Umfang  in  welchem  sie  uns  die  Gesamtproduktion  überliefern ,  mag  ein  ein- 
zelnes Beispiel  klar  machen.  Gomez  Manrique,  1412—90,  stand  ihnen 
allen  zeitlich  nahe,  als  Dichter  und  Magnat  in  gleich  hohem  Ansehen.  Wir 
würden  von  ihm  bei  Heranziehung  aller  Hilfsmittel^  19  Gedichte  auftreiben 
können ,  wenn  er  nicht  in  späten  Jahren  veranlasst  worden  wäre  selbst  zu 
sammeln,  was  sich  noch  finden  Hess,  so  dass  wir  auf  115  Nummern  kommen. 
Die  Zahl  entspricht  entfernt  nicht  seiner  gelegentlichen  Angabe  dass  er  täglich 
2obis  25  Strophen  beiläufig  zu  dichten  pflegte,  und  in  der  That  fehlen  von 
jenen  neunzehn  achte  im  persönlichen  Cancionero ,  obwohl  anzunehmen  ist, 
dass  er  am  leichtesten  wieder  fand  was  am  beliebtesten  war.  Das  ist  ein 
Durchschnittsmass,  andre  kommen  besser  weg,  andre  schlechter.    So  kann  es 

*  Hrsg.  V.  Fuensante  delValle  u.  Sancho  Rayon,  Madr.  1872,  Col.de  libr. 
esp.  rar.  6  cur.  Bd.  4.    Vgl.  /?om.  III,  413. 

2  Beschrieben  in   Crmüa  de  Alfonso   VIII,  Madr.    1783.  App.  CXXXIV. 

^  Coleccion  de  poesias  de  un  C.  inedito  del  siglo  XV,  Madr.  1884.  Der  Herausgeber 
hat  nur  son.st  ungedrucktes  aufgenommen,  scheint  aber  dabei,  älteren  Angaben  gegenüber 
{Rios  V,  291'  VI,  580)  nicht  alles  erschöpft  zu  haben. 

*  Fehlt  in  meinem  Auszug  aus  dem  Katalog  der  viel  geplünderten  Bibliothek. 

^  Abgesehen  von  der  Madrider  Kopie  (Bibl.  Nac.  Dd6l)  des  Cattf.  der  Colombina. 
Der  Herausgeber  des  C.  de  G.  M.  erwähnt  sie  anscheinend  ohne  sie  zu  benützen. 


424     LiTTERATURGESCHICHTE   DER '  ROMANISCHEN   VÖLKER.    —    5.   SpAN.  LiTT. 


nicht  Wunder  nehmen,  wenn  von  den  Zeitgenossen  rühmend  hervorgehobene 
Namen  nirgend  vertreten  sind.  Das  erhaltene  ist  trotz  seines  Umfangs  nur 
ein  kleiner  Bruchteil  des  einst  vorhandenen,  in  welchem  aber  im  ganzen  das 
Bessere  bevorzugt  ist,  und  der  uns  in  seiner  Mannigfaltigkeit  und  bei  dem 
Hinzutritt  des  persönlichen  Cancioneros  ein  zureichendes  Bild  der  Epoche 
giebt.  Eine  wichtige  Vervollständigung  erfährt  es  durch  den  neueren  Fund 
eines  musikalischen  C. ,  ^  da  die  lyrischen  Gedichte  im  Grund  noch  alle  für 
den  Gesang  gedacht  waren.  Die  »farpa  de  Don  Tristan«,  war  zu  Ehren  ge- 
kommen ,  Juan  II.  z.  B.  sang  und  spielte  gut,  unter  seiner  Regierung  muss 
sich  die  Kunst  bedeutend  gehoben  haben.  Organisierte  Kapellen  gehörten 
zum  Hofhalt  auch  der  Grossen ,  vom  ausübenden  Musiker  (müsico,  tanedor, 
ministril y  cantor)  wird  der  Name  juglar  hinweg  genommen.  Die  drei-  und 
vierstimmigen  Harmonien  des  Cancionero  musical,  von  Komponisten  die  häufig 
zugleich  Dichter  sind,  zeigen  die  Blüte  der  Kunst  unter  Isabella  und  Philipp 
dem  Schönen,  zugleich  die  Beziehungen  des  artistischen  Gesangs  zum  Volks- 
lied. Mit  den  Melodien  werden  die  Worte  der  Tanzweisen  und  Romanzen 
von  ihm  bereitwillig  aufgenommen,  die  Melodie  brachte  populäre  Motu  und 
zuletzt  die  verschmähte  Assonanz  in  die  Kunstdichtung.  Übrigens  finden  auch 
einige  portugiesische  und  französische  Liedchen  eine  Stätte,  italienische  Weisen 
dauernd  bis  zur  Bourbonenzeit. 

Im  ersten  Jahrzehnt  des  i6.  Jhs.  liess  Fernandez  de  Constantina  einen 
C.  llamado  guirlanda  esmaltada  de  galanes  y  eloquentes  dezires  de  diver sos  autores  ^ 
drucken;  den  Inhalt  übernahm  151 1  fast  vollständig  Hernando  del  Castillo^, 
vermehrte  ihn  um  gegen  das  vierfache  (1033  Nummern  bei  160  Namen)  und 
ordnete  das  Ganze  notdürftig;  möglichst  vollständig,  wie  er  will,  seit  Juan 
de  Mena,  aber  z.  B.  von  den  erwähnten  115  Gedichten  des  Gomez  Manrique 
stehen  bei  ihm  nur  7  ;  gegenüber  dem  fröhlichen  C.  music.  erscheint  das  Manirierte 
und  Gelehrsame  bevorzugt.  Bis  1573  folgten  8  weitere  Ausgaben  des  Can^. 
general,  mit  Zuthaten  und  auch  Streichungen.  Mit  Castillo  endet  die  Zeit 
der  Cancioneros^.  Die  persönlichen  Sammlungen  (Santillana,  Mena,  Gomez 
Manrique,  Alvarez  Gato,  Urrea,  Fernando  de  la  Torre  -^j  Fray  Inigo  Mendoza, 
Ambr.  Montesino)  ergänzen  bisher  die  Anthologien ,  das  Verhältnis  wird  im 
16.  Jh.,  abgesehen  von  den  Romanceros,  das  umgekehrte,  der  Dichtername 
gilt  und  will  gelten. 

37.  Wie  die  vorausgehende  in  der  Cuaderna  via^  besitzt  diese  Periode 
einen  charakteristischen  Vers,  den  der  Arte  mayor^.  Ihm  korrespondiert  im 
Altfranz,  eine  wenig  häufige  Art  des  Zehnsilbners  mit  Cäsur  nach  der  fünften 
(II,  I,  36);  altportug.  erscheint  er  vorzugsweise  im  Tanzlied,  während  ihn 
das  Kastilische  nur  selten  rein  lyrisch,  in  grossem  Umfang  bei  längeren  Dich- 
tungen und  anfänglich  in  der  Tenzone  anwendet,  ganz  überwiegend  in  acht- 
zeiliger  Strophe.  Rein  amphibrachischer  Gang  setzt  sich  oft  lange  fort ,  ist 
aber  nicht  obligatorisch,  sodass  hierin  ein  Gegensatz  zum  Französischen  nicht 

'  Cancionero  musical  de  los  siglos  XY y  XVI,  coment.  per  Fr.  Asensio  Barbieri. 
Madr.,  Acad.,  1892.  Enthält  460  Stücke,  die  Texte  ohne  Autornamen,  gewiss  viele,  wie  bei 
dem  stark  vertretenen  Juan  del   Encina,  Eigentum  der  Komponisten. 

^  S.  die  Beschreibung  Ticknor  II,  529.  In  enger  Beziehung  zu  Castillo  und  Con- 
stant.,  zu  letzterem  auch  im  Titel,  steht  ein  kleiner  Espejo  de  enantorados,  guirnalda  esmalt. 
de  gal.  e  eloqu.  dez.,  s.  1.  e.  a.,  Gallardo  4510,  vielleicht  erweiterte  Quelle  Constantinas. 

*  Cancionero  general  de  H.  d.  C,  2  Bde.,  Madr.  1882,  (Soc.  de  Bibliöf.  21);  enthält 
die  späteren  Zusätze  nur  zum  Teil.     Über  den  C.  de  Obras  de  Burlas  s.  Salva   183. 

*  Über  Spanisches  im  portug.  Cancioneiro  de  Resende  s.  II,  2,  270,  Ausserdem  findet 
sich  noch  manches  hierher  gehörige  in  katal.  u.  ital.  Liederbüchern,  in  Beigaben  zu  Drucken 
von  Metias  Trecientas  und  den  Romanzeros,  und  sonst  zerstreut,  neben  den  genannten  Fund.stellen. 

*  Im  Besitz  Gayangos;  könnte  auch  noch  zu  den  gemischten  gezählt  werden. 
"  Vgl.  Morel-Fntio,  L'arte  mayor  et  rhendecosyllahe,  Rom.  XXIll.  209. 


Poesie:  Höfische  Dichtung.    Versarten.  425 

zu  suchen  wäre.  Neben  ihm  steht  sein  Halbvers,  quebrado,  (älter  medio  pii), 
des  Fünfsilbner,  nach  span.  Zählung  Sechssilbner,  viel  w^eniger  häufig,  meist 
selbständig  lyrisch,  kastilisch  zuerst  bei  Juan  Ruiz  1020 — 32,  und  in  weiterer 
Teilung  die  Spielart  -  -  -.  Einen  fundamentalen  Unterschied  gegenüber  der 
sonstigen  französisch-romanischen  Metrik  bezeichnet  die  Freiheit  die  erste  Silbe 
fallen  zu  lassen,  einerlei  ob  der  vorausgehendeVers  männlich  oder  weiblich  schliesst, 
mit  dem  Gang  _  ^  ^  ~,  die  erste  Silbe  notwendig  betont ,  häufig  im  ersten, 
seltener  im  zweiten  Halbvers,  eine  wohlthätige  Unterbrechung  seiner  Eintönig- 
keit. Es  ist  schon  §  8  auf  verwandte  Vorkommnisse  im  Wächterlied  Berceos 
und  dem  volksmässigen  Gesang  hingewiesen  ^ ;  so  setzt  eine  Tanzweise  des 
Fernan  Perez  de  Guzman  (Rios  V,  293)  Aquel  arbol  que  moz'e  la  folha  = 
Aquel  arbol  del  bei  mirar ;  der  Gang.  mus.  6  Amigo  el  que  yo  mas  queria  = 
Venid  al  alba  del  dia;  singen  die  Hirten  bei  Castillejo  Haciame  del  ojo  = 
Asiame  de  la  manga  u.  s.  w.  Hierher  zähle  ich  auch  die  in  sorgfaltigen  arti- 
stischen Gedichten  recht  häufige  freie  Behandlung  der  Quebrado,  misas  rezadas 
=  quanto  conto,  bien  receber  -.=  le  desplace"^.  Ich  sehe  hierin  nicht  musika- 
lische Einflüsse  sondern  sprachgemässe  Fortsetzung  alter  Metrik,  die  sich 
neben  der  Silbenzählung  erhielt  wie  in  Deutschland  neben  dieser  das  Hebungs- 
prinzip. 

Maestria  de  Arte  mayor  meint  ursprünglich  etwas  ganz  anderes,  Gedichte 
mit  gleichreimigen  Strophen,  ohne  Ansehen  der  Reime.  Die  Verschiebung  der 
Benennung  findet  sich  zuerst  bei  Encina  (s.  u.)  und  ist  durch  ihn  herrschend 
geworden.  Jene  Reimkünstelei  war  veraltet,  das  Tenzonenspiel  hatte  seinen 
Reiz  verloren.  Der  mit  beiden  häufig  verbundene  Vers  hat  daher  etwas  an 
Boden  eingebüsst,  ward  seit  Juan  de  Mena  als  pompös  empfunden,  und  schliess- 
lich nur  mehr  zu  längeren  Kompositionen  verwendet.  In  der  ersten  Hälfte 
des  16.  Jhs.  wird  er  dann  von  dem  italienischen  Hendecasilabo  verdrängt  3. 
Ein  Sieg  besseren  Geschmacks,  da  die  eigentümliche  Gangart  und  die  Trennung 
in  zwei  zu  kurze  Hälften  gerade  in  Reflexion  und  Erzählung  eine  unangenehm 
klappernde  Wirkung  hervorbringen.  Der  Halbvers  blieb  unter  dem  Namen 
verso  de  redondilla  menor. 

Neben  ihm  steht  von  Anfang  gleichberechtigt  in  allen  Dichtungsarten 
und  mit  unbeschränkter  Strophenbildung  der  später  so  genannte  verso  de  redon- 
dilla mayor,  altportug.  nicht  selten,  spanisch  zuerst  beim  Archipreste  vertreten, 
später  das  dominierende  Mass.  Sein  Langvers  existiert  nur  mehr  in  der  Romanze, 
und  wird  mit  dieser  unten  besprochen. 

38.  Im  Jahr  1349  hat  der  Marques  von  Santillana  die  Sammlung 
seiner  Gedichte  mit  einem  Briefe  über  die  Geschichte  der  Kunst  eingeleitet, 
der  die  ihr  zu  Grund  liegenden  Kenntnisse,  Beziehungen  und  Anschauungen 


*  S.  auch  Mihi  y  Font  an  als,    Obras  V,  324. 

*  Wohl  davon  zu  unterscheiden  ist  das  Enjambemejit  des  Quebrado  mit  dem  voraus- 
gehenden Vers,  wie  Muy  querido~^ Enriquezido ,  und  die  proklitische  Aussprache  des  en.  Die 
mehrfach,  z.  B.  von  Guevara  eingehaltene  Regel,  dass  der  Quebrado  nach  männlichem  Aus- 
gang um  eine  Silbe  verlängert  wird,  hat  sich  erst  jung  entwickelt. 

'  Zu  den  Ticknor  Suppl.  S.  44  verzeichneten  Spätlingen  sind  noch  manche  nach- 
zutragen, alle  inhaltlich  wenig  bedeutend.  Torres  Nahano,  der  italienische  Sonette  dichtete, 
braucht  kastilisch  den  alten  Langvers.  Das  älteste  Drama  braucht  ihn  schon  nur  ausnahms- 
weise; um  1580  will  ihn  Lopez  Pinciano  noch  für  den  Prolog  gelten  lassen.  Mehr- 
fach verwendet  ihn  auch  Seb.  de  Horozco  ca.  1540— 80;  fortlaufenden  Gebrauch  zeigt 
auch  ein  Flugblatt  von  1554,  Gallardo  2480.  Als  vereinzelte  Kuriosität  wird  die  Strophe 
wohl  auch  im  17  Jh.  verwendet  worden  sein,  lebendig  ist  in  diesem  nur  mehr  der  Vers 
unter  Rückkehr  zu  seinem  Ursprung  in  assonierender  Tanzform  der  Schäfer  im  Auto;  so 
bei  Calderon  und  Bances  Candamo. 

^  Carta  al  Condestable  de  Portugal,  Ohras  S.  1  ;  V  i  fi  a  z  a ,  BiH.  de  la  filolgia 
castcllajia  S.   778. 


426    LlTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.  —    5.    SPAN.    LiTT. 

beleuchtet  und  insbesondere  wertvolle  Angaben  über  ihre  nächste  Vergangen- 
heit macht.  Er  ergänzt  was  sich  aus  dem  C.  de  Baena  über  die  Übergangs- 
zeit ermitteln  lässt,  nachdem  man  vorher  den  in  diesem  enthaltenen  gallizischen 
Gedichten  die  kastilische  Schreiberverkleidung  abgestreift  hat  ^.  Da  Alfonso  XI. 
und  Juan  Manuel  gall.  dichteten,  obwohl  sie  Santillana  nicht  kennt,  ist  es 
wahrscheinlich ,  dass  in  Kastilien  eine  fortdauernde  Übung  dieser  Sitte  be- 
standen hat.  Unter  D.  Pedro  ( — 1369)  lebte  der  Gallizier  Macias^,  dessen 
Liebesklagen  eine  etwas  unverdiente  Berühmtheit  erlangten,  weil  ihm  der  Tod 
um  der  Liebe  willen,  mit  dem  so  viele  drohten,  auf  irgend  eine  Weise  wirk- 
lich zugestossen  zu  sein  scheint.  Als  Liebesmärtyrer  wurde  er  zur  legendarischen 
Figur  und  blieb  bis  heute  ein  beliebter  Gegenstand  der  Dichtung.  Von  zwei 
ungefähr  gleichzeitigen  Landsleuten,  die  Sant.  nennt,  ist  nichts  erhalten  3.  An 
sie  schliessen  sich  unter  Enrique  IL  ( — 1379),  bzw.  vor  Juan  I.,  die  Kastilier 
Juan  de  la  Gerda  (nur  bei  Sant.),  Gonzalez  de  Castro  (ein  oder  zwei 
Liedchen ^)  und  Pero  Gonzalez  de  Mendoza  (gest.  1385)  mit  5  Liedern 
in  C.  B. ,  deren  letztes ,  der  Anfang  einer  Pastorelle  in  Rede  und  Antwort, 
ziemlich  sicher  stellt  was  sein  Enkel  Sant.  mit  der  Angabe  meint:  usö  una 
manera  de  decir  cantares  asy  como  scenicos  Plauto  e  Terencio,  tambien  en  estram- 
l)otes  como  en  serranas.  Endlich  sind  bei  Alfonso  Alvarez  de  Villasandino, 
einem  der  gewandtesten ,  fruchtbarsten  und  bestüberlieferten  Reimer ,  der  bis 
ungefähr  1428  lebte,  alle  diejenigen  Gedichte  gallizisch ,  welche  noch  unter 
Enrique  IL  fallend  Ebenso  unter  Juan  I.  ( — 1390)  alle  des  witzigen  Arce- 
diano  de  Toro  und  des  verdorbenen  Genies,  Schranzen,  Eremiten  und  Rene- 
gaten Garci  Fernandez  de  Gerena.  Aber  Villasandino  beklagt  den  Tod 
D.  Enriques  kastilisch,  während  er  den  Thronerben  in  der  traditionellen  Sprache 
begrüsst,  er  wendet  diese  von  da  ab  nur  mehr  beiläufig  an,  seit  ungefähr  1410 
überhaupt  nicht  mehr.  Nur  kastilisch  setzt  1379  Pero  Feruz  ein  (C.  B.  I, 
320),  um  dieselbe  Zeit  sein  Freund  Lopez  de  Ayala  mit  dem  lyrischen  Teil 
des  Rimado  de.Palacio  und  einer  Respuesta  im  C.  B.  Ungefähr  unter  Enrique  III. 
( — 1407)  finden  sich  noch  drei  vereinzelte  gallizische  Liedchen^.  Wenn  weiter 
im  15.  und  16.  Jh.  einzelne  aus  irgend  einem  Anlass  einmal  ein  paar  Verse 
in  der  portug.  Nachbarsprache  machen,  so  steht  das  nicht  mehr  im  Zusammen- 
hang mit  Macias;  schon  Rodriguez  del  Padron  fallt  es  nicht  ein  seine 
Muttersprache  zu  brauchen. 

Wenn  II,  2,  240  gesagt  war,  dass  die  beiden  spanischen  Lieder  des 
Macias  in  der  Ausstattung  mit  einem  Thema  auch  spanische  Gestalt  zeigten, 
so  ist  das  zu  modifizieren ,  da  eben  auch  jene  beiden  gallizisch  sind.  Die 
gallizisch-portug.  Kunstdichtung  am  kastil.  Hof  hatte  eben  eine  von  der  portu- 
giesischen etwas  abweichende  Richtung  eingeschlagen,  die  sich  in  spanischer 
Sprache  fortsetzt.    Jene  hat  auch  die  thematische  Form  höfisch  gepflegt;  die 


1  Die  Gedichte  sind  gallizisch  wenn  der  Reim  diese  Sprache  fordert,  und  wenn  im 
Inneren  der  Verse  gallizische  Formen  vorkommen,  ohne  dass  der  Reim  der  Restitution 
widerspräche. 

*  Santillana  stellte  ihn  allem  Anschein  nach  vor  Juan  I.,  Baena  ausdrücklich 
unter  Pedro  I.  Diesen  zeitlich  nächststehenden  Zeugnissen  gegenüber  sind  die  späteren 
Fabeleien  bedeutungslos.  Alle  Varianten  seiner  Lebensgeschichte  charakterisieren  sich  als 
schiefe  Ausdeutungen  der  einzigen  Strophe  Aquesia  langa  sem  falha  C.  B.  II,  4.  Das  Material 
z.  B.  Paz  y  Melia,  Obras  de  Rodrigtiez  del  Padron  401.  Die  vier  sicher  authentischen 
Lieder  im  C.  B.  sind  entschieden  gallizisch,  auch  das  zweifelhafte  fünfte,  und  ebenso  die 
Mehrzahl  derjenigen,  die  man  ihm  später  irrig  zuschrieb,  eben  wegen  ihrer  Sprache. 

'  Auch  nicht  von  Pires  de  Camoes  (II,  2,  237) ;  der  Lopez  de  C.  im  C.  B.  ist  er- 
heblich jünger  und  reimt  kastilisch. 

*  Santillana,   Obras  S.   14,  C.  B.  II,  5,  Gallardo    I,  532. 

*  C.  B.  I,  21—27,  30—33,  50,  51. 
«  C.  B   II,  16,   185;  Rios  V,  293. 


Poesie:  Höfische  Dichtung.    Dichter  der  Übergangszeit.  427 


kastilischer  Sprache  schliesst  sie  indessen  inhaltlich  überwiegend  der  Art  an, 
in  welche  sie  bereits  dem  Archipreste  (S.  385,  406)  geläufig  war,  dient  dem 
volkstümlich  gehaltenen  geistlichen,  dem  Hirten-  und  Bauernlied.  Weder  die 
Spätprovenzalen  noch  die  Katalanen  haben  mit  eingewirkt,  wie  schon  der 
Mangel  des  hauptsächlichen  katalanischen  Versmasses  zeigt  (II,  2,  77);  eben- 
sowenig die  von  dort  übertragenen  Verslehren,  die  verlorene  Juan  Manuels 
und  die  in  wertlosen  Fragmenten  erhaltene  des  Enrique  de  Villen a^.  Auch 
für  die  schulmässigste  Poesie  sind  die  lebenden  Beispiele  bestimmend,  die 
Poetiken  nur  Hilfen,  und  hier  waren  diese  obenein  fremdsprachlich  gedacht. 
Santillana,  der  die  Provenzalen  nur  indirekt,  die  Katalanen  sehr  gut  kennt, 
weiss  von  solchen  Einwirkungen  nichts  und  erklärt  ausdrücklich,  dass  die  Ter- 
minologie von  den  Portugiesen  gekommen  sei  2.  In  der  Form  ist  diesen  gegen- 
über (offenbar  minder  vollständig  auch  schon  auf  der  gallizischen  Zwischen- 
stufe) bei  den  Kastiliern  unterscheidend  die  Aufgabe  des,  nach  franz.  Messung, 
Sechs-,  Acht-,  Neun-,  der  ungleich  geteilten  Zehn-  und  des  Zwölfsilbers.  Es 
bleiben  nur  die  in  §  3  7  analysierten  Masse  mit  ihren  Halbversen  ;  es  bleiben 
und  wuchern  zunächst  die  Spielereien  in  Strophenverkettung  und  Reimkünstelei 
aller  Art,  doch  so  dass  im  Lauf  des  16.  Jhs.  bei  reicher  innerer  Gliederung 
der  einzelnen  Strophe  das  Gedankenspiel  dem  Reimspiel  vorgezogen  wird; 
Gleichreimigkeit  ist  besonders  im  Anfang  stark  vertreten,  im  einzelnen  Gedicht 
wie  in  der  Tenzone.  Inhaltlich  ist  der  Wegfall  der  Freundeslieder  zu  bemerken, 
und  mit  ihm  verschwinden  die  portug.  nicht  seltenen  warmen  Naturlaute  in 
dem  konventionellen,  scholastizierten  Liebeslied.  Das  eigentliche  Schimpflied, 
wenn  auch  zur  Genüge  vertreten,  ist  seltener  als  dort,  die  Tenzone  häufiger. 
Das  dort  fast  ganz  fehlende  Zeitgedicht  ist  gepflegt,  noch  mehr  das  geistliche 
Lied,  welches  portugiesisch  nur  durch  Alfonso  X.  vertreten  war.  Eine  starke 
didaktische  Richtung  ist  kastilianisch  -  französische ,  nicht  portugiesische  Erb- 
schaft. 

39.  Um  oder  bald  nach  1400  führte  ein  Sevillaner,  genuesischer  Ab- 
stammung, der  Sohn  eines  Goldschmieds  (Bankiers),  Dante  und  Dante's  Alle- 
gorie in  allerdings  sehr  äusserlicher  Nachahmung  ein  mit  ausserordentlichem 
Erfolge.  Sein  Ansehen  zeigt  uns  nicht  nur  sein  Lob  bei  Santillana:  inner- 
halb dieser  Meisterschule  ist  es  noch  bezeichnender,  dass  er  in  der  Tenzone 
mit  abweichendem  Reim  und  abweichender  Strophe  antworten  darf;  seine 
Gelehrsamkeit  bethätigt  sich  in  mehrfacher  Verwendung  fremder  Sprachen 
und  er  wahrt  immer  die  Art  des  vornehmen  Mannes.  Von  ihm  ab  laufen 
Allegorie  und  Vision  neben  den  alten  höfischen  kleinen  Gedanken ;  Moral 
und  Liebe,  Trauer  und  Politik  empfangen  die  Einkleidung,  die  Bilder  werden 
mit  Vorliebe  unmittelbar  bei  Dante  entlehnt.  Den  höheren  Prätensionen  ent- 
spricht in  der  Regel  nicht  etwa  ein  höherer  Gehalt,  aber  immerhin  wird  die 
Dichtkunst  durch  sie  über  das  Niveau  eines  blossen  Spiels  gehoben.  In  den 
höfischen  Rahmen  freilich  fügte  sich  die  Nachahmung  Dantes  ohne  weiteres 
ein.  Von  einem  Widerstreit  zwischen  den  überlieferten  Künsten  und  der  neuen 
Kunst  kann  füglich  nicht  gesprochen  werden.  Beide  werden  von  denselben 
Personen  gleichmässig  gepflegt.  Von  Manuel  del  Lando,  den  Santillana 
als  Nachahmer  Imperiais  hervorhebt,  besitzen  wir  nur  Gedichte  der  älteren 
höfischen  Art.     Rodriguez    del  Padron,    den    man  wohl  den  letzten  Ver- 


'  Zusammengestellt  u.  ausgezogen  sind  die  Verslehren  bei  V  i  n  a  z  a ,  Biblioteca  de  la 
filologia  cast.,  S.  387  ff.,  für  das  15.  Jh.  am  wichtigsten  was  Encina  in  der  Einleitung 
seines  Cancionero,  Ant.  vonNebrisa  in  seiner  Grammatik  sagt,  für  die  spätere  Zeit 
Herreras  Commentare  und  die  seit   1592  oft  vermehrt  gedruckte  Arte  des  Rengifo. 

^  Obras  12:  E  aun  destos  es  gierto  resgevimos  los  nomhres  del  arte,  asy  conto  maestria 
mayor  e  menor^  mcadenados,  lexapreii  0  mansobre. 


428    LlTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    5.    SpAN.    LlTT. 

treter  der  alten  Schule  genannt  hat,  steht  in  dem  Liedchen:  -»Solo  ßor  ver 
ä  Maciasi<  unter  der  Einwirkung  des  Infierno.  Zu  den  so  gegebenen  Formen 
und  Gedankenkreisen  ist  im  weiteren  Verlauf  des  Jahrhunderts  wenig  mehr 
hinzugekommen.  Den  hendecasillabo  hat  einzig  Santillana  nachgeahmt; 
wo  man  ihn  sonst  hat  finden  wollen,  liegen  Irrtümer  vor.  Petrarca  war  nicht 
ganz  unbekannt  ^ ,  doch  ohne  starken  Einfluss.  Dass  Glossen  und  Motes  in 
der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.  neu  auftreten,  verdient  kaum  Erwähnung. 
Wichtig  ist,  dass  die  Romanze  seit  der  Spätzeit  Juan's  II.  vereinzelt  nachge- 
ahmt wird  (s.  u.  S.  430);  und  in  derselben  Zeit  das  Auftreten  einer  eigentüm- 
lichen Wiederholungsform,  in  der  einfachsten  Gestalt  drei  achtsilbige  Vierzeiler, 
von  welchen  die  mittlere  Strophe  ungebunden  ist,  während  die  erste  ganz 
oder  teilweise,  besonders  häufig  die  zwei  letzten  Verse  der  ersten  in  der  letzten 
variiert  werden.  Die  Zahl  der  Strophen  wie  der  Verse  kann  etwas  vermehrt 
werden,  der  Name  steht  nicht  fest,  ist  bald  Cancion,  bald  Letrilla,  auch  Glosa, 
die  Einkleidung  von  entschieden  musikalischer  Wirkung ,  für  einen  leichten 
Gedanken  besonders  passend.  Sie  ist  noch  lange  in  der  Zeit  der  klassischen 
Lyrik  beliebt  geblieben  in  oft  sehr  zierlichen  Liedchen.  Eine  bedeutende 
Rolle  spielt  seit  Santillana  der  Dialog,  ist  aber  kaum  von  ihm  zuerst  einge- 
führt. Über  die  Gelegenheitsdichtung  erhebt  sich  mehrfach  die  politische. 
Die  didaktische  Dichtung  ist  am  wahrsten  und  wirksamsten  da,  wo  sie  das 
alte  Thema  von  der  Vergänglichkeit  der  irdischen  Dinge  aufnimmt.  An  die 
ältere  populäre  Moralpoesie  schliesst  sich  einiges  wenige,  wie  die  Doctrina 
des  Pedro  deVeragua  und  ein  Totentanz  ungefähr  aus  der  Mitte  des  Jahr- 
hunderts, die  man  früher  viel  zu  alt  ansetzte 2.  Bei  Gomez  Manrique  be- 
gegnen wir  den  ersten  noch  fast  rein  lyrischen  Ansätzen  des  religiösen  Dramas, 
dessen  Weiterbildung  durch  Enzina  auch  noch  den  Charakter  des  15.  Jhs. 
trägt.  Die  religiöse  Poesie  erzeugt  zur  Zeit  Isabella's  Gedichte  von  halb 
epischer  Anlage.  Aber  im  ganzen  bleibt  trotz  höherer  Selbstschätzung  und 
höherer  Leistung  nicht  nur  der  Masse  nach  der  Grundzug  der  der  Gelegen- 
heitsdichtung, welche  zum  Sport  der  galanes  de  la  carte  gehört,  auf  derselben 
Linie  als  Spiel,  Tanz  und  Kleiderpracht:  da  auch  die  ernsten  Gedichte  sich 
fast  ausschliesslich  an  die  Hofkreise  richten  und  auch  die  ernsten  Dichter, 
selbst  die  Kleriker  und  Mönche  sich  an  den  galanten  Spielen  beteiligten. 

40.  Nennenswerte  Zeitgenossen  Imperial's  waren  Sanchez  Talavera 
(in  Cancionero  Baena  fälschlich  Calavera),  Ruy  Paez,  der  etwas  jünger  sein 
dürfte,  Martinez  de  Medina,  bei  welchen  die  Denkweise  Ayala's  noch 
kräftig  ist.  Unter  Juan  II.  leben  nach  dem  Verzeichnis ,  welches  Rios  VI., 
574/95  aufgestellt  hat,  über  200  Dichter,  von  welchen  uns  noch  Komposi- 
tionen erhalten  sind.  Ca.  140  jüngere  verzeichnet  allein  der  Cancionero  gener al 
von  151 1.  Unter  jenen  aus  der  Zeit  Juan's  IL  befindet  sich  der  König 
selbst,  sein  Bruder  Alfonso  V.  von  Aragon  und  Alvaro  de  Luna,  der 
königsgleiche  und  glänzende  Minister.  Den  Höhepunkt  des  Kulturlebens  unter 
ihm  bezeichnen  die  Namen  Santillana's,  seines  Oheims  Fernan  Perez 
de  Guzman^,  Mena's,  Rodriguez'  del  Padron,  von  welchen  allerdings 
Fernan  Perez  als  Geschichtsschreiber  und  in  dem  Lobgedicht  auf  die  Claros 
varones  de  Espana  erheblich    höher  steht   als  in  seinen  kleinen  Versen,  Pro- 

1  Vgl.  die  Übersetzung  des  Triomfo  d'amore  von  A 1  v  a  r  Gomez  in  Cancimiero 
Yxar  und  Gallardo  I,  6 18. 

2  Aut.  ant.  al  SigloXY,  S.  373  f.,  vgl.  G.illardo  4506,  und  über  die  franz.  Quelle 
der  Danza  de  la  muerte,  Seelmann,  die  Todlentänze,  Lpz.  1893.  Über  einige  untergeordnete 
technische  Lehrgedichte  s.  Rios  V,  337  und  Menendez,  Antologia  4,  LXXXVI. 

*  Vgl.  Ticknor  I,  317,  Rios  VI,  590.  Bequem  zugänglich  sind  von  den  Ge- 
dichten nur  die  Claros  varones  und  die  Proverbios  bei  Ochoa,  Ritnas  ineditas,  Paris  1851. 
sowie  die  wenigen  kleinen  Gedichte  im  Cang.  Gen.    Vgl.  zu  den  Proverbios:  Salvä  18I,  20. 


Poesie:  Höfische  Dichtung.  Dichtungsformen.  Nennenswerte  Dichter.  429 

verbios,  Allegorien,  während  Rodriguez'  Bedeutung  viel  mehr  in  der  Romanze 
und  einer  Prosanovelle  liegt,  als  in  den  wenigen  uns  von  ihm  erhaltenen 
zierlich  -  höfischen  Gedichten.  Inigo  Lopez  de  Mendoza,  Marques  de 
Santillana  ^  ist  vielleicht  die  hervorstechendste  Persönlichkeit  des  Jahrhunderts. 
Ohne  jeden  genialen  Zug,  aber  hochgebildet,  vornehm  denkend,  ein  Mann, 
der  ein  ungewöhnlich  ausgebreitetes  Kunstinteresse  und  ein  noch  ungewöhn- 
licheres Kunstverständnis  besass.  Dichterisch  wertvoll  sind  seine  schalkhaft- 
zierlichen Serranillas ,  darunter  die  berühmte  von  der  Vaquera  de  Finoj'osa, 
auch  einige  seiner  andern  kurzen  Gedichte  erfreuen  durch  Frische  und  Anmut. 
Am  unbedeutendsten  sind  die  seiner  Zeit  meistgeschätzten  dantesk-allegorischen, 
die  Comedieta  de  Ponza  2,  Coronacion  de  Mossen  Jordi,  Infierno  de  enamorados 
u.  a.  Interessant  El  Dialogo  de  Blas  contra  Fortuna^  eine  Verteidigung  der 
stoischen  Ansicht  vom  Glück,  aus  welcher  etwas  von  dem  Enthusiasmus  der 
Renaissance  herausklingt,  mit  vielen  einzelnen  Schönheiten.  Viel  gelesen,  oft 
gedruckt,  ward  ein  anderes  didaktisches  Werk,  die  Proverbios  in  Achtsilbern, 
welche  indessen  erheblich  schwächer  sind  als  jene  Sem  Tob's.  Einen  erbitterten 
politischen  Nachruf  widmet  er  in  dem  Doctrinal  de  Privados  seinem  Todfeind 
Alvaro  de  Luna.  Die  Weite  des  Blicks,  welche  der  erstmalige  Versuch  einer 
Litteraturgeschichte  (s.  o.  ^  38)  an  ihm  erkennen  lässt,  zeigt  sich  auch  darin, 
dass  er  als  der  erste  und  einzige  dieser  Epoche  Horaz  sowohl  als  das  italienische 
Sonett  nachgeahmt  hat,  sowie  in  der  Anregung,  die  er  zu  einer  Reihe  von 
Übersetzungen  gab.  —  Juan  de  Mena^  hat  sich  in  seinem  Labirinto  die 
grosse  Aufgabe  gestellt,  die  Wandlungen  des  Glücks  allegorisch-historisch  dar- 
zustellen in  Nacheiferung  der  Divina  Commedia,  bei  starker  Beeinflussung  durch 
den  unheilvollen  Lucan.  Dem  verwegenen  Versuch  sind  seine  Kräfte  in  keiner 
Richtung  gewachsen.  Obwohl  ihm  mehrfach  ein  Gefühl  für  das  Grosse  und 
geschickte  Disposition  nicht  abzusprechen  ist,  wirkt  er  im  ganzen  kahl  und 
kalt.  Trotzdem  galten  nicht  nur  den  Zeitgenossen,  die  Trecientas  —  so  ge- 
nannt wegen  der  Zahl  der  Strophen  —  als  das  grösste  Kunstwerk  der  Nation, 
auch  den  späteren  Geschlechtern  blieb  Mena  ein  klassischer  Dichter,  der  so- 
gar dauernd  gelesen  wurde.  Die  abstrakte  Allegorie,  die  uns  langweilt,  galt 
eben  auch  auf  dem  Höhepunkt  der  künstlerischen  Entwicklung  Spaniens  noch 
als  schön  an  sich,  die  überladene  Gelehrsamkeit  als  ein  Verdienst.  Der  gleichen 
Stilgattung  gehört  die  weitschweifige  Feier  der  Dichterkrönung  Santillana's :  La 
Coronacion  und  der  Dialog:  Coplas  de  los  siete  pecados  mortales  an,  zu  welchen 
noch  eine  Anzahl  kleinerer  Gedichte  kommen.  —  Bis  in  die  Zeit  Isabella's 
reichen  die  Vettern  Gomez  und  Jorge  Manrique,  Verwandte  Santillana's. 
Jorge  Manrique  (ungef.  1440 — 1479)  hat  das  so  oft  vom  Mittelalter  variierte 
und  auch  in  dieser  Periode  mehrfach  mit  wirksamer  Aufrichtigkeit  behandelte 
Thema  der  Vergänglichkeit  des  Irdischen  in  seinen  berühmten  Coplas^  ge- 
sungen, die  von  milder  und  tiefer  Trauer  erfiillt  sind  und  durch  die  Beziehung 
auf  den  Tod  des  Vaters  subjektiv  erwärmt  werden.  Gomez  Manrique 
(141 5 — 90)  bleibt  wie  alle  Dichter  jener  Zeit  unter  seiner  wirklichen  Befähig- 
ung, weil  kein  bestimmtes,  starkes  Wollen  irgendwelcher  Art  die  Geister  lenkt. 

'  Geb.  19.  Aug.  1398,  Neffe  Lopez  de  Ayala's,  spielte  eine  wechselnde  Rolle  in  den 
Parteikämpfen,  war  seit  dem  Sturz  Alvaro's  de  Luna's  (1452)  wohl  der  mächtigste  Mann 
in  Kastilien.  Starb  25.  März  1458.  Vgl.  die  gute  Gesamtausgabe  der  Obras  von  Rios, 
Madrid  1852.  Die  dort  versuchte  Rekonstruktion  der  Bibliothek  Santillanas  verwertet  viel 
zu  unvorsichtig  Quellenzitate  zweiter  Hand.  Vgl.  auch  Rios  VI,  609  f.,  Menendez, 
Ant.  5.  LXXIX. 

*  Eine  Vision,  in  welcher  der  Dichter  im  Traume  die  Königin  von  Kastilien  und 
Aragon  nebst  der  Infantin  Katharina  sich  mit  Giovanni  Boccaccio  über  die  unglückliche 
Seeschlacht  von  Ponza  unterhalten  hört  und  zuletzt  die  Glücksgöttin  erscheint. 

'   1411 — 14,56.    Lateinischer  Sekretär  Juan's  II. 

*  Die  500  Verse  finden  .sich  von  den  Wiegendrucken  an  in  fast  jeder  Anthologie. 


43°    LiTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.    SpAN.    LiTT. 

Wirklich  bedeutend  aber  ist  in  ihrem  verhaltenen  Zorn  die  Querelia  de  la 
Governacion ,  Reimsprüche,  die  wuchtig  auf  die  leichtfertige  Regierung  Juan's  II. 
fallen,  so  dass  der  König  durch  den  witzigen  jüdischen  Parasiten  Montoro, 
genannt  El  Ropero,  erwiedern  Hess;  nicht  minder  die  politisch-moralischen 
Consejos  ä  Diego  Arias.  Es  mag  hier  auf  die  anonyme  politische  Satire  hinge- 
wiesen sein,  welche  unter  dem  erbärmlichen  Henrique  IV.  wuchert,  die  Coplas 
de  Mingo  Revulgo^  de  la  Panadera,  die  zügellosen  del  Provencial  (1465  —  74); 
aus  der  Zeit  Isabella's  das  Gedicht:  Abre,  abre  las  orejas,  im  Hirtengewand, 
wie  Mingo  Revulgo  1.  Ferner  auf  die  zum  Teil  anonyme  und  volkstümliche 
Partei-  und  Kriegslyrik  im  Can(.  musical.  —  Der  Zeit  nach  Santillana,  die  ent- 
schieden eine  grössere  Zahl  von  Talenten  aufzuweisen  hat  als  die  vorausgehende, 
gehören  ferner  noch  an :  Juan  Alvarez  Gato^  —  Pero  Guillen  de  Sego  via 
(1413  bis  ungef.  1475)  —  Guevara,  ein  Freund  Gomez  Manrique's,  dessen 
formgewandte  Lieder  durch  eine  gewisse  Schwermut  gefallen,  verschieden  von 
dem  Velez  Guevara  des  Can(.  Baena  —  Garci  Sanchez  de  Badajoz, 
der  seinen  Infierno  de  amor  dem  Guevara  nachgedichtet  hat  —  Puerto 
Carrero,  von  welchem  der  Canc.  gen.  einen  vortrefflichen,  natürlich  ge- 
haltenen Dialog  mit  seiner  Dame  überliefert.  ^  —  Rodrigo  Cota,  der  seinen 
Ruhm  allerdings  zum  grössten  Teil  der  ganz  unbegründeten  Zuteilung  des 
Mingo  Revulgo  und  der  Celestina  (s.  u.)  verdankt  und  dessen  bemerkenswerter 
Didlogo  entre  el  Amor y  un  Viejo  fälschlich  als  ein  Theaterstück  betrachtet  wurde. 
Der  Dialog  ist  lebendig  geführt,  hat  übrigens  wahrscheinlich  ein  auswärtiges  Vor- 
bild* —  Cartagena^,  ein  Neffe  des  gelehrten  Bischofs  von  Burgos  —  der 
Aragonese  Pedro  Manuel  de  Urrea**  —  Juan  de  Encina  (s.  u.).  Dem 
Ernst  der  religiösen  Richtung,  die  sich  unter  Isabella  geltend  macht,  dienen 
die  Franziskaner  Ambrosio  Montesino'^  und  Inigo  de  Mendoza^  beide 
schon  dem  Volke  zugewendet,  während  Juan  de  Padilla,  el  Cartnjano  in 
den   Triunfos  do  los  doze  Apöstoles^  nicht  unwürdig  Dante  nachstrebt. 

II.    DIE   ROMANZE. 

41.  Die  geringsten  Dichter  -»Pißmos  son  aquellos  que  sin  ningun  orden, 
regia  nin  cuento  fafen  estos  romanfes  e  cantares ,  de  que  las  gentes  de  baxa  y 
servil  condicion  se  alegran«  '"  sagt  Santillana,  aber  in  dem  Villancio  Por  una 
gentil floresta  singen  seine  drei  Schönen  drei  Volksweisen  und  zuletzt  er  selbst 
die  vierte.  Zwar  dichten  er  und  die  nach  ihm  kommen  nicht  mehr  selbst 
Tanzlieder ,  wie  die  Portugiesen  gethan  hatten ,  aber  der  Tanz  und  die  mit 
ihm  verbundenen  Melodien  blieben  künstlerisches  Gemeingut  der  Gesamtbe- 
völkerung (selbst  noch  durch  das  19.  Jh.;  das  mehr  vernichtet  hat  als  das  18.). 

^  Vgl.  Pidal  im  Cancwnero  Baena  1,  LXXXXVIII;  Menendez  Antol.  III,  5  u. 
171  VI,  4;  Gallardo  487  und  21 79;  Paz  in  Obras  de  Rodriguez  del  Padron  S.  386; 
Gayangos,  Catal.  of  mss.  I,   lOO. 

*  Cancionero  de  J.  A.   G.,  Hs.  der    bist.  Akad.  No.   II4.    Vgl.  Rom.  Forsch.  X,   13. 
^  Vgl.  den  Liebeshandel  Talavera's  im  Cang.  Baena  II,  241. 

*  Ein  gleichzeitiges  anonymes  Gegenstück,  das  ihm  wenig  nachsteht,  deutet  durch  die 
Personenbezeichnung  Senex,  Amor,  Mulier  auf  lateinische  Provenienz.  Miscellania  Caix 
Seite   179. 

^  Vgl.  Andangas  e  viages  de  Piedra  Tafur  396. 

*  Cancionero  de  Don  P.  M.  d.  U.  Logrono  15 1 3.    BMiot.  de  escrit.  aragon.  Secc.  lit.  II. 
'   Cancionero  Toledo  1508  u.  öfter  s.  G  a  1 1  ard  o  31 34/37-    Bibl.  Aut.  Esp.  XXXV,  401. 

*  s.  o.  S.  423. 

*  Herausgegeben  v.  Riego,  London  1841. 

.  ' "  y^De  arte  de  ciego  juglar  Que  canta  viejas  fazanas  Que  con  un  solo  cantar  Cala  todas 
las  Espahas'^  schilt  Montoro;  ^^Por  lindas  canciones  ?tuevas  Los  romances  de  don  ßueso^  muss 
Alvarez  Gate  hören ;  Menendez  VI,  45. 


Poesie:  Romanze.  431 


Kunstdichtung  und  Kunstgesang  schmücken  sich  gerne  mit  den  populären 
Motiven.  Der  Romanze  aber  kamen  nicht  im  selben  Masse  wie  den  Cantares, 
Musik  und  Tradition  zu  Hilfe ;  wenn  wir  sie  trotzdem  die  obere  Kulturschicht 
durchbrechen  sehen,  so  zeigt  das  wie  dünn  diese  noch  war.  Die  Benennung  ^ 
ist  im  15.  Jh.  schon  die  uns  geläufige:  bezeichnet  ein  volkstümliches,  meist 
erzählendes  Gedicht  in  Tiradenform,  im  Mass  der  Redondilla  fnayor,  die  geraden 
Verse  assonierend  oder  reimend,  die  ungeraden  blank.  Theoretisch  ist  das 
Mass  der  romanische  Vierzehnsilbner  (s.  II,  i  S.  35),  im  Gesang  aber  und  in 
der  Empfindung  des  15.  Jhs.  werden  daraus  zwei  Kurzverse,  Melodien  und  meist 
auch  handschriftliche  Abteilung  entsprechen  der  seit  Encina  giltigen  Theorie  2. 
Assonanz  kennt  auch  Portugal  im  Tanzlied  in  zweizeiliger  Bindung,  das 
Kastilische  ebenso  und  ausserdem  in  Strophenform  mit  Refrain ,  für  welche 
den  ältesten  Beleg  das  Volksliedchen  C.  mus.  175  bietet,  häufig  nachgeahmt 
im  späteren  16.  und  17.  Jh.^  In  der  Romanze  ist  sie  das  entschieden  ur- 
sprüngliche; es  musste  ein  starkes  Gegengewicht  vorhanden  sein,  um  in  der 
Nachahmung  der  Kunstdichter  schliesslich  statt  des  Reims  diese  theoretisch 
niedrige,  ja  unverständliche  Form  durchzusetzen.  Unter  den  anonymen  rein 
volkstümlichen  Romanzen,  die  sich  im  15.  Jh.  belegen  lassen*,  assonieren  16, 
reimen  2  ^ ;  unter  den  anonymen  auf  Zeitereignisse ,  die  naturgemäss  etwas 
nach  der  gebildeten  Seite  hinneigen,  ist  trotzdem  Assonanz  noch  das  häufigere, 
so  in  der  ältesten  datierbaren  Albuquerque  Albuquerque  1430,  während  1466 
Lealtad  o  lealtad  reimt  (C.  m.  Nr.  321   und  ib.  pag.  11)^.     Von  den  ältesten 

'  Die  urspr.  Bedeutung  war  die  dem  Franz.  entlehnte  eines  erzählenden  Gedichts, 
das  nicht  Volksepos  ist.     S.  die  Belege  Wolf,  Studien  401 '. 

*  Daher  die  Spielform  Gang.  mus.  62,  mit  wechselndem  Reim  der  ungeraden  bei 
durchlaufendem  der  geraden  Verse. 

'  Hierher  gehört  Duran,  Romancero  gen.,  Apend.  II,  und  einzelnes  in  den  voraus- 
gehenden Abteilungen;  vgl.  Wolf,  Studien  S.  457,  ferner  Encina,  Arte  cap.  7  »algunos 
ay  del  tienpo  antigo  de  dos  pies  (Versen)  y  que  de  tres  no  van  en  cansonante«. 

*  Bezw.  bis  zum  Canf.  gett.  de  Castil^  und  der  Zusammenstellung  des  ungefähr  gleich- 
zeitigen Gang,  musical.  Es  ist  nur  der  Zeit  nach  dokumentarisch  gesichertes  Material  heran- 
gezogen, weil  es  die  natürliche  Grundlage  zur  Beurteilung  der  späteren  Überlieferung  bildet, 
auch  wo  diese  altes  enthält,  und  weil  es  zugleich  zur  Formulierung  giltiger  Schlüsse  aus- 
reicht. Die  Beschränkung  in  der  Darstellung  war  um  so  mehr  geboten  als  F.  Wolf  für 
seine  grundlegenden  Untersuchungen,  die  in  den  »Studien«  zusammengefasst  sind,  nur  ein 
Teil  gerade  dieser  Urkunden  zu  Gebot  stand.  Von  seinen  Aufstellungen  fällt  vor  allem  jene 
Ober  die  Ursprünglichkeit  des  Reims  und  des  Reimwechsels. 

*  Es  assonieren:  Ya  desmayan  los  franceses  C  gen.  467  u.  446  Wolf  u.  Hof  mann, 
Frimavera  y  Flor  de  Romances  183;  Tiempo  es  el  caballero  C.  mus.  333  Pr.  158  vgl.  Duran 
1359;  Per  niayo  era  C.  mus.  69  C.  g.  461  und  App.  223  Pr.  II4;  Si  damor  pena  sentis 
(Gayferos)  C.  mus.  323  Pr.  155,  173;  Airado  va  el  escudero  C.  m.  325  vgl.  ib.  95;  Los 
brazos  traigo  cansados  C.  mus.  344  Pr.  185;  Morirse  qiiiere  Alexandre  C.  m.  322,  Nebrija 
cap.  8;  Digas  tu  el  ermitano  C.  Rennert  67  C.  mus.  83  C.  g.  480  Nebrija  6  u.  8,  Bohl 
I.  215,  Pr.  147;  Fönte  frida  C.  m.  95  C.  g.  439  Pr.  II6;  Rosa  fresca  C.  g.  437  Pr.  115; 
Yo  mera  mora  moraima  C.  g.  459  Pr.  132;  Maldita  seas  Ventura  C.  Rennert  61  C.  g.  443; 
Gontaros  he  eti  que  me  vi  C.  g.  441  (unvollständig);  Yo  mestava  en  Barbadillo  C.  g.  445  Pr.  19; 
Rey  don  Sancho,  rey  don  Sancko  Sumario  de  los  reyes  p.  p.  Llaguno  S.  25,  Pr.  45;  Estavase 
el  rey  Ramiro  C.  g.  449Pr.  99;  Bodas  se  hacen  en  Francia  Espejo  de  enamor.  Gall.  45 lO 
Pr.  157.  Es  reimen  Pesame  de  vos  el  conde  C.  m.  329  Pr.  190— 9I;  Durandarte  C.  m.  34 
3  C.  g.  435  Pr.  180.  Trotz  des  reinen  Tons  besonders  der  ersteren  muss  hervorgehoben 
werden,  dass  diese  beiden  auf  das  Liebessterben  hinausgehen.  Triste  estä  la  reyna  C.  m.  334 
reimt,  ist  aber  nur  Prolog  zu  der  fehlenden  wahrscheinlich  histor.  Romanze.  Unbestimmbar 
sind  die  Anfänge  Oh  Gastillo  de  Montanges  C.  m.  339;  Dormiendo  estä  el  caballero  ib.  326; 
For  aqtulla  sierra  tnuy  alta  C.  Herberay  Gall.  484;  Triste  estava  el  caballero  C.  g.  458,  474; 
Amara  yo  una  senora  ib.  475- 

^  Im  C.  mus.  gehören  assonierend  noch  hierher  318  Caballeros  d* Alcala,  324  Yo  me 
soy  la  reyna  viuda,  und  330,  332,  335  aus  dem  letzten  Maurenkampfe;  reimend  317  Triste 
Espana  (von  Encina?),  aus  dem  Maurenkampf  327,  328.  331.  Assonierend  {tvntr  Hablando 
estava  la  reyna  Rom  I,  373  mit  dem  erst  bei  Perez  de  Hita  (s.  u.)  wieder  auftretenden,  der 
Romanze  an  sich  fremden  Refrain. 


432     LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —     5.   SpAN.    LiTT. 

Romanzen  benannter  Kunstdichter  (Spätzeit  Juan's  II.)  assonieren  die  drei 
volksmässigen  des  Rodriguez  del  Padron,  sowie  eine  der  höfischen  Carva- 
jals,  während  dessen  andere  reimt'.  Das  Verhalten  der  ersten  Gruppe  ist 
entscheidend.  Männlicher  und  weiblicher  Ausgang  sind  gleichberechtigt  2. 
Encina  spricht  von  vierzeiligen  Strophen  3,  in  Übereinstimmung  mit  sämtlichen 
Melodien  des  Can(.  mus.,  und  es  ist  nicht  zu  verkennen  dass,  wie  graphisch  in 
Drucken  und  Hss.,  oft  die  entsprechenden  Einschnitte  auch  inhaltlich  scharf  her- 
vortreten.'' Doch  ist  letzteres  keineswegs  immer  der  Fall,  und  wenigstens  einmal, 
C.  mus.  69,  sehen  wir  vor  den  Vierzeilern  zwei  Zeilen  als  Einleitung  gesungen. 
Das  eigentlich  charakteristische  bleibt  die  Verbindung  der  Assonanz  mit  der  Tirade, 
und  zwar  einer  Tirade;  nicht  nur  alle  oben  angeführten  Romanzen,  sondern 
auch  die  höfischen  Contrahechuras  des  15.  Jhs.  sind  einreihig.  Quelle  dieser 
Form  kann  nur  das  kastilische  Epos  sein;  jene  Ansicht,  welche  umgekehrt 
das  Epos  aus  den  Romanzen  entstehen  Hess,  lässt  sich  schon  aus  dem  Poetna 
del  Cid  heraus  (s.S.  397)  widerlegen.  Als  Fingerzeig  kann  dienen,  dass  heute 
von  den  Blinden  die  Rezitation  langer  Romanzen  stellenweise  durch  Gesang 
unterbrochen  wird-''.  Nehmen  wir  an,  dass  ähnlich  im  Vortrag  des  Epos  der 
luglar  einzelnen  Tiraden  lyrische  Melodien  unterlegte,  so  erklären  sich  sofort 
manche  Besonderheiten  der  Crönica  rimada,  sowie  das  isolierte  Weiterleben 
solcher  hervorgehobenen  Stellen  und  der  Wegfall  des  für  das  Epos  an  sich 
zu  postulierenden,  in  Frankreich  gesicherten  rezitativen  Vortrags. 

Von  der  Form  aus  kommt  man  somit  zu  einem  bestimmteren  Schluss 
über  die  epischen  Romanzen  als  ihn  der  Inhalt  ermöglichen  würde:  jene 
altertümlichen,  bei  welchen  Zusammenhang  mit  den  Prosaversionen  der  Crönica 
gcneral  nicht  erweislich  ist,  kommen  wenigstens  zum  Teil  unmittelbar  aus  dem 
Epos.  Dabei  handelt  es  sich  nur  um  eine  sehr  kleine  Zahl ,  da  von  jenen 
die  Milä  als  »antiguo?«  gelten  lässt,  noch  einige  sekundär  sind.  Unter  den  an- 
geführten gehören  hierher  nur  das  Schlussstück  von  Pr.  19,  Pr.  45,  und  Pr.  99. 
Jenes  dem  Volkslied  gemeinsame  unmittelbare  Eintreten  in  den  Gegenstand, 
das  eine  so  eigenartige  Perspektive  erzeugt,  wird  hier  ganz  besonders  fühlbar, 
die  Erzählung  wird  als  bekannt  vorausgesetzt,  eine  innerlich  reich  bewegte 
Situation  in  ruhigem  knappem  Vortrag  herausgegriffen.  Da  die  Namen  fehlen 
dürfen,  da  wo  sie  bleiben  leicht  verdunkelt  sind ,  da  ferner  sehr  leicht  Ver- 
schiebung oder  Kontamination  eintreten  konnte,  sobald  sich  das  gesungene  Lied 
von  seinem  Hintergrund  ablöste,  wird  der  stoffliche  Zusammenhang  oft  genug 
unfindbar  bleiben.  Doch  treten  uns  innerhalb  der  vorgeführten  ältesten  Über- 
lieferung neben  dem  heimischen  deutlich  zwei  weitere  Erzählungskreise  ent- 
gegen, Roncevalles-Turpin  (II,  2,  391)  in  Pr.  183,  das  Lancelot-Tioletmotiv 
vom  weissfüssigen  Hirsch ^  Pr.   147.     Daraus  geht  hervor,  dass  Prosaromane, 

>  Zts.  f.  r.  Ph.  XVII,  544;  Canc.  Stuiiiga  =  Pr.  loo;  Gallardo  485  =  Menendez  11, 
190.  Doch  ist  auch  die  reimende  ohne  Zweifel  Conü-ahechura  einer  assonierenden,  der  spät 
überlieferten  Alarcosromanze  Pr.    163. 

2  Da  bei  männlichem  Ausgang  innerhalb  derselben  Melodie  nicht  immer,  aber  oft 
genug  unbetontes,  sicher  gesprochenes-«  gleichwertig  erscheint,  madre  auf  -a  etc.,  muss  bei 
männlichem  Ausgang  eine  vokalische  Cadenz  nachgesungen  worden  sein.  Vgl.  Rios,  II,  61 2. 
^   Arte  cap.   7  '•  y  OM-n  los  romances  suelen  yr  de  quatro  en  quatro  pks. 

*■  Man  vgl.  die  Montesinosromanze  Zts.  XVII,  ,"146,  zumal  ihren  Schluss.  Ich  halte 
auf  Grund  der  Beobachtung  z.  B.  in  der  Montesinosromanze  Pr.  50  die  Aufnahme  der  auch 
sachlich  sehr  guten  ersten  Variante  für  geboten,  betone  aber,  dass  das  scheinbar  so  bequeme 
textkritische  Kriterium  nur  mit  grosser  Vorsicht  angewendet  werden  darf.  Eine  Spielart 
des  Vortrags,  C.  mus.  95,  bei  welcher  durch  Wiederholung  zehen  Zeilen  zu  5  Vierzeilern 
werden,  ist  oben  nicht  berührt,  da  das  Lied  höfisch  scheint. 

'  Inzenga,  Cantos  y  bailes,  S.  13:  Los  ciegos  (de  Valencia)  interrumpen  esta  decla- 
macion  para  cantar  estrofas  del  mismo  romance,  u  otras  coplas  apropösito,  para  seguir  despues 
decloman-do. 

•>  Vgl.  Hist.  lit.  de  la  France  XXX,   113,  dazu  eine  inizweideutige  Spur   im  franzö- 


Poesie:  Romanze.  433 


wie  Lopez  de  Ayala  für  die  höheren  Klassen  bezeugt,  auch  in  den  niederen 
Volksschichten  vorgelesen  bezvv.  erzählt  wurden  ^,  jedenfalls  hier  in  der  ver- 
kürzten Gestalt  des  Volksbuchs.  An  diese  Vorträge,  die  mindestens  teilweise 
gewerbsmässig  zu  denken  sind ,  scheint  sich  das  Lied  ebenso  angeschlossen 
zu  haben  wie  im  Epos,  wenn  auch  die  gedruckten  Volksbücher  kein  Zeugnis 
mehr  dafür  ablegen,  ähnlich  den  Tiraden  im  altfranz.  Aucassin  und  Nicolette. 
Pr.  147  findet  sich  mit  anderer  Assonanz  und  gleichem  Inhalt  bei  Nebrija 
VIII,  der  Gedanke  an  die  französische  Paralleltirade  drängt  sich  auf,  obwohl 
diese  in  den  beiden  Cidepen  nicht  vorkommt.  Noch  einen  Schritt  weiter 
vom  Epos  entfernt  sich  das  durch  und  durch  volkstümliche  Lied  vom  Tod 
Alexanders,  C.  M.  322,  welches  nicht  sowohl  an  Berceo,  als  an  die  Bocados- 
litteratur  anknüpft ;  Fönte  frida  endlich  ist  ein  durch  die  Predigt  populär  ge- 
wordenes Motiv  aus  der  Naturgeschichte  der  Physiologus.  Die  Form  über- 
trägt sich  auf  jeden  populär  erzählenden  Stoff;  sehr  leicht  mochte  sie  strophisch 
assonierende  Volkslieder  nach  der  Art  der  frühfranzösischen  Chansons  de  Toile 
(vgl.  C.  mus.  175)  an  sich  ziehen,  konnte  selbst  ein  im  Tanzlied  gegebenes 
Motiv  plastisch  gestalten.  Doch  scheint  der  Zuwachs  von  dieser  Seite  oder 
auch  aus  dem  Märchen  nicht  sehr  stark  gewesen  zu  sein  ;  es  überwiegt  der 
Eindruck  epischer  Situation  auf  epischer  Grundlage.  Einlage  einer  Legende 
scheint  die  volkstümlich  -  erbauliche  Rennert  349  (vgl.  Duran  1388),  welche 
übrigens  reimt ;  etwas  von  dem  populär-moralischen  Ton,  den  die  Flugblätt- 
litteratur  gerne  anschlägt,  hat  bereits  die  assonierende  Rennert  351  (Duran 
292}.  Aber  auch  sie  zeigen  jenen  Gesamtcharakter.  —  Sobald  der  Zusammen- 
hang undeutlich  wurde  konnten  nur  sehr  wenige ,  besonders  gern  gesungene 
und  memnonisch  bequeme  Romanzen  sich  längere  Zeit  intakt  erhalten ,  wie 
•»Rosa  fresca€  ;  auch  die  Drucklegung  konnte  hier  und  da  einmal  konservierend 
wirken.  In  anderen  Fällen  traten  interpretierende  Erweiterungen  hinzu,  so 
in  Pr.  114  am  Ende,  in  Pr.  147  am  Anfang.  Die  Gayferosromanze  verliert 
in  Pr.  155  ihren  alten  Sinn  vollständig,  sie  wird  Pr.  173  durch  Vor-  und 
Nacherzählung  auf  den  fünfzigfachen  Umfang  gebracht  (i.  J.  1550).  Bei  der 
Romanze  von  den  Infanten  von  Lara  Pr.  19,  die  man  im  Canf.  gen.  gedruckt 
vor  sich  hatte,  wird  gegen  1550  eine  erweiterte  stoffverwandte  mit  anderer 
Assonanz  vorgesetzt,  eine  Vers-  und  Motivkreuzung  mit  der  gleich  assonieren- 
den  alten  Ximenaromanze  Pr.  30  datiert  sicher  schon  aus  dem  15.  Jh.  Es 
sind  das  typische  Vorgänge. 

Unter  den  benannten  Dichtern  hat  Rodriguez  del  Padron  überaus  glück- 
lich und  als  der  einzige  den  rechten  Ton  getroffen  ,  der  die  drei  von  ihm 
überlieferten  novellistischen  Romanzen  im  Volke  fortleben  liess.2  Der  gleich- 
zeitige Carvajal  bietet  am  Hof  Alfonsos  V.  die  ersten  zwei  Beispiele  (s.  o.) 
der  Contrahechura ,  welche  Anfang  und  Melodie  entlehnt,  im  übrigen  sich 
frei  bewegt:  die  eine  auf  ein  Zeitereignis  von  1448,  die  andere  rein  lyrisch. 
Die  jüngeren  Kunstdichter  kultivieren  neben  der  Contrahechura  die  Glosse 
[Canf.  gen.  433 — 80  und  sonst  zerstreut),  durchaus  reimend  und  lyrisch;  der 
Anlehnung  entschlägt  sich  bei  ihnen  nur  die  offenbar  steigend  gepflegte  reli- 
giöse Romanze    und  jene   auf  das  Zeitereignis.     Nachahmung  und  kyklische 


sischen  Prosalanzelot  P.  Paris,  Romans  de  la  Table  ronde  Y,  322.    Es  ist  sicher,  dass  der 
spanische  Lanzelot  die  Episode  enthalten  hat,  ebenso  wie  der  niederländische. 

'  Vgl.  Juan  Ruiz  1598:  der  Diener  der  Archipreste  liest  dessen  Lieder  auf  dem 
Markte  vor. 

*  Zts.  f.  rom.  Phil.  XVIII,  546  ff.  Die  dritte  derselben  ist  in  der  jüngeren  Gestalt 
in  das  französische  Volkslied  eingedrungen,  Alargiieridette  au  bord  du  bois ,  Beauquier, 
Chansons  pop.  en  Franchc-Comte  S.  303,  T.  Mendes,  Les  plus  jolies  Chansons,  S.  II8;  sie 
kreuzt  sich  in  den  beiden  jüngeren  Formen  instruktiv  mit  Pr.  151,  durch  welche  schon 
Rodriguez  angeregt  sein  konnte. 

Gröber,  Grundriss.  Hb.  28 


434    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.    SPAN.    LiTT. 

Ergänzung  des   traditionellen  epischen  Volkslieds   gehören    ausschliesslich  der 
folgenden  Periode  an. 

B.  DIE  PROSA. 

Für  die  Prosa  dieses  Zeitraumes  ist  in  erster  Linie  bezeichnend  ein 
starkes  Bildungsbedürfnis ,  das  sich  in  einer  Menge  von  Übersetzungen  be- 
thätigt,  eine  Richtung,  die  mit  der  gleichzeitigen  humanistischen  Italiens  parallel 
läuft  und  wesentlich  durch  sie  beeinflusst  wird.  Eine  Reihe  lateinischer  Autoren 
werden  so  zum  Gemeingut,  häufig  durch  italienische,  gelegentlich  auch  durch 
französische  Vermittler;  in  gleichem  Rang  mit  ihnen  als  klassischer  Autor 
Boccaccio.  Eine  direkte  Rückwirkung  der  klassizistischen  Tendenz  zeigt  sich 
vor  allem  in  der  wichtigen  Geschichtsschreibung ;  eine  ungünstige  im  Stil, 
der  häufig  in  unleidlicher  Weise  den  lateinischen  Satzbau  nachzuahmen  strebt, 
eine  Mode,  die  selbst  in  die  Verse  mancher  Hofdichter  eindringt.  Zum  Teil 
gleichzeitig,  zum  Teil  älter  als  die  humanistische  Richtung  ist  die  Aufnahme 
des  französischen  Aventureromans  und  seiner  Nachbildungen.  An  Boccaccio 
schliessen  sich  Anfänge  der  Novellendichtung.  Lehrhafte  und  erbauliche 
Traktate  in  der  Vulgärsprache  werden  so  zahlreich,  dass  sie  im  einzelnen  nur 
ausnahmsweise  ein  litterarisches  Interesse  bieten.  Die  Satire  fängt  an ,  sich 
auch  der  ungebundenen  Rede  zu  bedienen. 

43.  Pellicer's  Versuch  einer  Bibliothek  spanischer  Übersetzungen^ 
ist  äusserst  mangelhaft,  jene  des  15.  Jhs.  hat  Rios  Bd.  6  und  7  Aufmerksamkeit 
geschenkt,  von  demselben  ist  die  umfassende,  anregende  Thätigkeit  Santillana's, 
Obras  S.  613  fif.,  verfolgt;  die  hierhergehörigen  Hss.  der  Escorial-Bibliothek 
notiert  Ebert  Jahrb.  i.  r.  u.  e.  L.  IV,  64,  anderes  ist  den  gedruckten  Katalogen, 
insbesondere  der  Nationalbibliothek  und  der  Bibl.  Osuna,  zu  entnehmen,  vieles 
bleibt  unsicher.  Die  Reihe  der  vornehmen  Freunde  der  alten  Litteratur,  unter 
welchen  Santillana  die  weitaus  bedeutendste  Stelle  einnimmt,  eröffnet  der  ara- 
gonesische  Grossmeister  Fernandez  de  Heredia^  ([310 — 96)  welcher  vor 
1377  die  /^//rt^r  Plutarch's  teilweise  und  Eutrop  übertragen  liess.  Ihm  folgt  Pero 
Lopez  de  Ayala  (S.  421),  mit  Columna's  Historia  Troiana,  der  i.,  2.  und 
4.  Dekade  des  Livius  (im  Auftrag  Enrique's  III.,  vollendet  auf  Anlass  Santil- 
lana's) und  Bocaccio's  Caida  de  principes^  (I — VIII;  IX — X  später  von 
Alonso  de  Cartagena;  Druck  Sevilla  1495).  Enrique  de  Villena  über- 
setzt in  Prosa  und  kommentirt  1428  die  sechs  ersten  Bücher  der  Aenäs  und 
den  ersten  Gesang  der  Divina  Comedia^.  Den  Virgil  liess  Santillana  beenden; 
eine  Glosse  zu  Dante  schreibt  der  Arzt  Santillana's  Gonzalez  de  Lucena, 
bilingue  Übersetzungen  und  Glossen  enthält  die  Bibliothek  Osuna.  Ausser  dem 
schon  genannten  liess  Santillana  noch  Caesar,  Frontin,  Sallust,  Piatos  Axiochus 
(Rom.  XIV,  94),  einen  Teil  der  Ilias  nach  Petrus  Candidus,  Ov'x^'i  Metamorphosen^ 
Seneca's  Tragödien  (cf  Rios  VII,  479)  und  den  für  die  Poeten  jener  Zeit  so 
gefahrlichen  Lucan  bearbeiten;  Fernan  Perez  de  Guzman  Quintilian  und 
Seneca's  Episteln.  Selbst  der  leichtsinnige  König  Juan  II.  veranlasste  eine  Um- 
gestaltung vielmehr  als  eine  Übersetzung  der  Werke  Seneca's  durch  den  Bischof 
von  Burgos  Alonso  de  Cartagena  (1384 — 1456),  der  auch  mehrere  Schriften 

'   Madrid   1778,   2  Bde. 

*  Ausserdem  ist  in  seinem  Auftrag  ürosius  bearbeitet,  danach  später  für  Santillana 
eine  kastilianische  Version,  ferner  Hayton's,  Fleurs  des  histoires  d'orient,  sowie  zwei 
grössere  historische  Kompilationen.  S.  Morel-Fatio,  Puhlications  de  la  societe  de  l' Orient 
lafm  IV,  XIX;  Rom.  XVII,  491- 

^  Ausserdem  Boetius,  Isidor  de  Sumnio  Bono,  Flores  de  Morales  de  Job.  S.  Rios 
V.   110. 

*  Villena.  Arte  Cisoria,  ed.  Navarro,  Madrid  1879,  S.  LXV;  Menendez,  Traductores 
de  la  Eneida,  Madrid   1879.  S.   V;  Cotarelo,  D.  E.  d.  V.,  Madr.   1896. 


Prosa:  Übersetzungen.     Geschichtsschreibung.  435 

Cicero's  bearbeitete,  sowie  die  Übertragung  eines  latein.  Epitome  der  Ilias  durch 
Juan  Manuel.  Bezeichnend  für  den  Eifer  ist  es,  dass  Aristoteles'  Ethik  drei 
verschiedene  Male  hispanisicrt  wird,  zuletzt  von  dem  Prinzen  Carlos  de  Viana^, 
an  welchem  gelobt  wird,  dass  er  sich  mehrfach  besser  ausgedrückt  habe  als  der 
lateinische  Vermittler  und  das  griechische  Original.  Trotz  der  Bedeutung,  welche 
durch  ein  solches  Lob  der  Form  beigelegt  wird  auf  Kosten  der  Genauigkeit,  sind 
die  Dichter  ausschliesslich  in  Prosa  wiedergegeben.  Valerius  Maximus,  (1467) 
Eutropius,  Eusebius,  Trogus  Pompeius,  Martinus  Polonus,  bereichern  die  ge- 
schichtlichen, Vegetius,  Palladius  die  technischen  Kenntnisse.  Die  kirchliche, 
wissenschaftliche  und  erbauliche  Litteratur  ist  ebenfalls  reichlich  vertreten  durch 
Isidor's  Etymologien  (Rios  VI,  44),  Gregor  d.  Gr.,  Hieronymus,  Tatian  u.  a., 
tritt  aber  hinter  der  klassizistischen  Richtung  zurück.  Aus  dem  französischen 
Honore  Bonet's  Arbol  de  Batallas  (zwei  Versionen),  aus  dem  katalanischen 
verschiedene  Schriften  von  Francesch  Eximiniz  (II,  2.  98).  Auch  Original- 
schriften des  Petrus  Candidus  und  Leonardo  Aretino2,  deren  Vermittlung  die 
Spanier  zu  einem  grossen  Teil  ihre  klassischen  Kenntnisse  verdanken ,  sind 
übernommen  worden  ;  der  stärkste  Einfluss  unter  den  italienischen  Humanisten 
war  aber  jener  Boccaccio's.  Auf  die  Caida  de  Principes  (s.  o.)  folgten  noch  das 
Liber  de  montibus,  die  Mujeres  illustres  und  die  Genealogia  de  los  Dioses,  wohl  noch 
unter  Juan  II.  3,  ebenso  das  Nimfale  (T  Ameto^  die  Fiammetta  und  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  das  Decamerone.  Der  Einfluss  der  lateinischen  Schriften  Pet- 
rarca's  steht  jedenfalls  erheblich  hinter  dem  Boccaccio's  zurück  *.  Die  Thätig- 
keit  vermindert  sich  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.,  aber  nur  weil  dem 
Bedürfnis  in  den  wichtigsten  Stücken  genügt  war;  das  Fortbestehen  der 
gleichen  Interessen  zeigt  schon  der  ansehnliche  Platz,  welchen  jene  Über- 
setzungen   unter   den  Inkunabeln  einnehmen. 

-  44.  Am  stärksten  tritt  in  der  Geschichtsschreibung  der  Einfluss  der  Über- 
setzungen hervor,  zunächst  der  des  Livius  und  Plutarch,  später  der  des 
Valerius  Maximus.  Lopez  de  Ayala  (S.  421,  434)  fiihrt  in  die  Fort- 
setzung der  offiziellen  Reichschronik  •'' (Pedro  I.  bisEnrique  III.)  den  Schmuck 
der  fingierten  Reden  ein,  an  sich  ein  höchst  mangelhaftes  Darstellungsmittel, 
das  aber  einen  Fortschritt  über  die  rein  auf  das  Thatsächliche  gerichtete 
ältere  Chronik  bezeichnet,  da  ein  Abwägen  der  Gegensätze  und  Fällen  von 
Werturteilen  dabei  notwendig  wird.  Vollständig  neu  ist  bei  ihm  die  ein- 
dringende Analyse  des  Charakters  Don  Pedros.  V)'\^  Cronica  del  rey  Juan  II. 
war  in  ihrem  ersten  Teil  (1406 — 20)  von  Alvar  Garcia  de  Santa-Maria 
verfasst  (Mitglied  einer  ausgezeichneten  Convertitenfamilie,  Oheim  des  Bischofs 
Alfonso  de  Cartagena),  eine  Fortsetzung  bis   1435   stammt  von  völlig  un- 

'  Desdevises,  Don  Carlos  d' Aragon,  Paris   1889,  S.  4 16. 

^  Vgl.  Vollniöller  in  Studien  Bernays  gewidmet,  Hamburg  1892,  S.  233;  Biblio- 
thique  de  FEcole  de  Chartes  1894;  Katalog  der  Bibl.  Nac.  s.  v.  Aretino ;  Rios  VI,  42. 

*  Rios  VI,  41,  vgl  Beer,  Handschriftenschätze  8o,  12.  8l.  Zu  der  Frage,  ob  die 
1496  erstmals  gedruckten  den  Novelas  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Jh.  vorhanden  waren, 
s.  Ebert  a.  a.  O.  S.  50  und  Beer  67,  21.  Die  Bekanntschaft  des  Archipreste  de  Talavera 
mit  dem  Corbaccio  beweist  nicht,  dass  dieser  übersetzt  war.  Jline  eigene  Produktion  hat  das 
Decamerone  zunächst  so  wenig  hervorgerufen  als  der  vor  1440  vorhandene  Ysopete  historiado  (Rios 
VI,  37),  die  der  Scala  Cö^// entnommene  Version  der  Stete  Sabios  (in  OpuscTÜos  literarios,  Madr., 
Bibliof.,   1892),  und  als  die  Neubearbeitung  von   Calila  und  Dimna\  vgl.  auch  S.  414. 

*  Insbesondere  fehlt  jeder  Beleg  für  die  von  Rios  VI,  40  behauptete  Übersetzung 
von  De  viris  illustribus.     Zu  beachten  sind  seine  lateinischen  Eklogen. 

*  Cronicas  de  los  reyes  de  Castilla  p.  p.  Rosell,  3  Bde.,  Madr.  1875  —  78.  Ein  Teil 
der  Königschroniken  auch  in  der  Madrid  1779 — ^^7  bei  Sancha  ohne  Gesamttitel  erschienenen 
wichtigen  Sannnlung,  deren  7  Bände  herkömmlicher  Weise  nach  der  Folge  des  Erscheinens 
gezählt  werden  und  die  im  folgenden  als  Coleccion  Sancha  bezeichnet  ist.  Nicht  eingereiht 
sind  oben  Juan  de  Alfaro,  Cron.  de  Juan  I.  und  Palma,  Retribucion,  Rios  V,  259  und  VII, 
324,  beide  unedirt. 

28* 


436    LiTTERATURGESCHlCHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.   —  5.    SPAN.    LiTT. 

bekannter  Hand,  der  dritte  Teil  bestand  ursprünglich  aus  chronistischen  Notizen 
zweier  Hände,  das  ganze  wurde  von  Fernan  Perez  de  Cxuzman  im  Sinn 
einer  veränderten  Politik  überarbeit,  der  dritte  Teil  dann  nochmals  zwischen 
1481  und  i486  von  Diego  de  Valera  ergänzt;  schliesslich  hat  der  erste 
Herausgeber  Galindez  de  Carvajal  1517  die  Chronik  retouchiert. '  So  ist 
sie  weiter  gedruckt  worden,  nur  der  zweite  Teil  liegt  in  ursprünglicher  Gestalt 
vor.  Die  Zeit  Enriques  IV.  behandeln  Diego  Enriquez  Del  Castillo 
und  Diego  de  Valera  (1412 — 86)  Memorial  de  dwersas  hazanas,  dessen  Ver- 
hältnis zu  den  weitergreifenden  lateinischen  Dekaden  des  Alfonso  de  Pa- 
lencia  (1443 — 92)  zweifelhaft  ist;2  jene  der  katholischen  Königin  Fernando 
del  Pulgar  (bis  ca.  1492)  und  Andres  Bernaldez  (bis  1513),  beide  bei 
erhöhter  Achtsanfikeit  auf  die  Disposition  noch  chronistisch  gebunden,  Pulgar 
mit  allzu  reichlicher  Einschaltung  der  fingierten  Reden  und  geringeren  Vor- 
zügen als  in  seinen  Claros  Varones;  ferner  ungedruckte  Chroniken  von  Diego 
de  Valera  und  mehreren  anderen. ^ 

Ins  innere  Leben  jener  Zeit,  die  romanhafte  Mischung  von  Tüchtigkeit 
und  Abenteuerlichkeit,  Festen  und  ßlutvergiessen,  führen  uns  die  farbenreichen 
Erzählungen  einzelner  Leben  und  Ereignisse.  Die  Tragödie  des  glänzenden 
Günstlings  Alvaro  de  Luna  hat  ein  unbekannter  Anhänger  mit  ergreifender 
Wärme  geschrieben.  Ein  Gefolgsmann  des  Grafen  Pedro  Nino  (1375 — 1436), 
Gutierre  Diaz  Gamez,  hat  das  romantische  Leben  seines  Herrn  mit  einem 
Rahmen  aus  historisch-gelehrter  Sage  umgeben  unter  dem  Titel  El  Victoral.^ 
Die  Crönica  del  Condestahle  Lucas  de  Iranzo^^  wahrscheinlich  von  einem 
Juan  de  Olid,  berichtet  von  einem  wackeren  Emporkömmling.  Leider  nur 
im  Auszug  besitzen  wir  das  Libro  del  Paso  honroso^  den  Bericht  über  eine 
fantastische  Ritterthat  des  Suero  de  Quinones  im  Jahre  1454;  über  ein 
minder  abenteuerliches,  aber  recht  merkwürdiges  Ereignis  des  Jahres  1439 
El  Seguro  de  7ordesillas\  hierher  lassen  sich  noch  zählen  die  Andanzas  y 
Viages  de  Pero  Tafur^  ^437  "nd  der  Bericht  über  eine  Gesandtschaft  an 
Timur  Tamerlan,  der  unter  dem  irreleitenden  Titel:  Vita  del  Gran  lamerlan 
veröffentlicht  ist.  "^  Mit  durchdringender  Beobachtung  und  fester  Hand ,  von 
einer   ungewöhnlichen  Höhe    der  Anschauung    aus,    hat   Fernan    Perez    de 


'  Anders  Rios  VI,  2 18,  vgl.  VII,  303.  Die  Angaben  Carvajals  erweisen  sich 
als  vollkommen  verlässlich,  die  verkehrte  Vermutung,  dass  der  zweite  Teil  von  Juan  de 
Mena  herrühre,  wird  von  ihm  eben  nur  als  eine  Vermutung  dritter  registriert.  Rosell  hat 
in  seiner  Ausgabe  die  handschriftliche  Überliefernng  nicht  berücksichtigt.  Auch  der  fälsch- 
lich unter  dem  Namen  Aivar  Garcias  in  der  Col.  de  docttm.  ined.  99,  lOO  herausgegebene 
zweite  Teil  folgt  nicht  der  erhaltenen  Originalhs.,  sondern  einer  Kopie,  weil  jeae  schwer 
zu  lesen  und  dem  Untergange  nahe  ist.  So  dürfen  in  Madrid  noch  immer  die  Editoren- 
pflichten aufgefasst  werden  dem  wichtigsten  Denkmal  eines  halben  Jahrhunderts  eigener  Ge- 
schichte gegenüber. 

2  S  Fabie  in  Z>(7j  tractatos  de  A.  d.  P.  S.  LXXIV;  Rosell  S,  VI.  Die  Crönica 
de  A.  d.  F.,  aus  welcher  Holland,  Tübingen  1850,  Bruchstücke  mitgeteilt  hat,  ist  ein 
geringwertiger  Auszug  der  lateinischen  Dekaden. 

3  Rios  VII,  341/42;  Rosell  III,  VIII;  Gayangos  Catalogue  I,  208,  210:  Eg. 
303,  305,     Adt.  20816. 

*  Die  Ausgabe  Llaguno's,  Coleccicm  Sancha  Bd.  III,  verwandelt  den  Titel  in: 
Crönica  de  Don  Pedro  Nino,  v^eil  sie  den  Rahmen,  die  Wunderthaten  Alexanders  nach  Berceo 
und  ähnliches  unterdrückt,  vollständig  ist  die  französische  Übersetzung  von  Circo.urt  und 
Puymaigre,  Paris  1876.  Die  Cron.  de  D.  Alvaro  de  Luna,  Paso  honroso  und  Sejnro  de 
Tordesillas,  ebenda  Bd.  4. 

^  Herausg.  in  Memorial  historico,   Bd.  VIII.     Vgl.  Schirmacher,    Gesch.  v,  Span. 

VI,  730. 

^   Coleccion  de  libros  esp.  varos  0  curiosos  VIII. 

"^  In  Col.  Sancha  III.,  verfasst  entweder  von  Gonzalez  de  Clavijo,  den  die 
Herausgeber  nennen,  oder  von  Fray  A  Ion  so  Paez  de  Santa -Maria. 


Prosa:  Geschichtsschreibung.     Brief.  437 

Guzman  in  seinen  Generaciones  y  Semblanzas^  um  1455  und  früher  die 
knappen  Charakterbilder  seiner  Zeitgenossen  gezeichnet.  Ihm  folgte  Fernando 
•del  Pulgar  in  seinen  Claros  Varones  de  Castilla^  (aus  der  Zeit  Eriques  IV.), 
die  gut  geschrieben  und  entworfen  sind,  aber  hinter  dem  Vorbild  zurückstehen, 
wie  der  Hofgelehrte  Isabellas  hinter  dem  Staatsmann.  Kurz  genannt  seien 
die  spanischen  Geschichten  des  Pedro  de  Escurias,  Diego  Rodriguez 
■de  Almela,  die  des  Diego  de  Valera  {Crdnica  Valeriana)^  die  auf  den 
Namen  des  Garcia  de  Eugui  laufende  navarresische  v.  J.  1389,  des  Fürsten 
Carlos  de  Viana  Crönica  de  los  reyes  de  Navarra^  die  knappe  Crönica  de 
Aragon  von  Vag  ad.  Ferner  einige  Versuche  allgemeiner  Geschichte,  Pablo 's 
de  Santa-Maria  (1350 — 1335,  Bruder  des  obengenannten  Alvar  Garcia) 
Suffia  de  Crönicas^  des  Alfonso  Martine z  Atalaya  de  Crönicas  (1443),  und 
Alonso's  de  Avila  Compendio  tmiversal  de  las  historias  romanas  (1499). 
Wichtiger  sind  des  Fernan  Perez  vorerwähntes  Mar  de  las  historias  und 
Alonso's  de  Toledo  Espejo  de  las  historias^  der  Caida  de  Principes  nach- 
gebildet, beide  unediert,  sowie  des  Diego  Rodriguez  de  Almela  (ca.  1426 
bis  1492)3  Valerio  de  las  historias  (1472),  dessen  Titel  das  lateinische  Vor- 
bild nennt,  seit  1487  zusammen  mit  desselben  Battallas  cafnpales  oft  gedruckt. 
Die  Geschichtsschreibung  anspruchsvollerer  Art  neigt  seit  der  Mitte  des  Jahr- 
hunderts wieder  zum  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  (Alfonso  de  Car- 
tagena,  Alfonso  Fernandez  de  Palencia  u.  a.).  Verdrängen  aber  liess 
sich  das  Kastilische  aus  dieser  Domäne  nicht  mehr. 

Eine  besondere  Erwähnung  verdient  noch  des  Pedro  de  Corral  Crönica 
Seracina,  welche  Fernan  Perez  als  Lügenbuch  aufflihrt.  Es  ist,  wie  man 
im  16.  Jh.  zutreffend  annahm,  die  ganz  romanhafte  Crönica  del  rey  Rodrigo, 
welche  zu  der  Crönica  General  auch  die  Crönica  del  Moro  Razis  und  die 
Crönica  Troiana  benützt,  in  den  zahlreichen  Drucken  abgekürzt  erscheint.  * 
Sie  gehört  zu  einer  Gruppe  von  Auszügen  aus  der  Crönica  Alfonso"',  welche 
in  dieser  Zeit  entstanden  (Rios  V,  278)  und  als  Volksbücher  bis  heute  fort- 
leben, für  die  Masse  der  Bevölkerung  die  Geschichte  Spaniens  darstellten, 
Inhalt  und  Denkweise  der  Kunstromanze  und  des  Dramas  mit  bestimmten. 

Wie  die  politische  satyrische  Dichtung  (S.  430)  gerne  die  Hirten  sprechen 
lässt,  ist  es  in  dem  an  Isabella  gerichteten  Dialog  De  los  pensamientos  variables 
ein  Bauer  der  sich  mit  dem  König  über  die  bittere  Lage  seines  Standes 
unterhält.  Die  getauften  Juden  greift  das  Privilegio  que  el  rey  D.  Juan  II. 
diö  d  un  Hidalgo  an,  feindselig  aber  nicht  ohne  Geschick.  Solche  kleine 
Pamphlete^  sind  sicher  zahlreich  verloren,  die  Vorläufer  des  Witzes  Quevedos. 

Proben  des  Briefstils  in  öffentlichen  Dingen  bieten  kleine  Sammlungen 
von  Diego  de  Valera^  und  Fernando  de  Pulgar.'^  Das  früher  viel  be- 
rühmte Centon  epistolario  del  bachiller  Fernan  Gomez  de  Cibdareal  aber 
ist  eine  flotte  Fälschung,  ^  ohne  andere  Grundlage  als  die  bekannten  Quellen 
:zur  Geschichte  Juans  IL;    sie  mag  im   16.  Jh.  gefertigt  sein,  da  die  Sprache 


'  Nach  Rios  VI,  207,  bezw.  nach  Rosell.  Bd.  II  eigentlich  der  dritte  Teil  seines 
Mar  de  las  Histm-ias,  dessen  erster  die  Grössen  der  alten  Zeit,  der  zweite  Heilige  und  Ge- 
lehrte behandelt. 

-  ed.  LIaguno,  Madrid  177ö- 

*  Vgl.  über  über  andere  Schriften  des  Rodriguez,  Ticknor  II,  720. 

*  Ticknor  II,  685-,  Rios  V,  275;  Salvä   1584, 

'"  Rios  VII,  082;  Paz  y  Melia,  Sales  espanolas,  I,  51. 

«  Madrid,  Socied.  de  Bibliof.   1878. 

''   In  F.  d.  P.  Claros  Varones,  Madrid  1775. 

*  S.  u.  a.  Ticknor  II.  540;  Gessner,  Die  Cibdarealfrage,  Berlin  1885;  Carol.  Michaelis 
in  Rom.  Forsch.  VII,    133. 


438    LiTTERATURGESCHICHTE   DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  —    5.    SPAN.    LlTT. 

Anklänge  an  die  antisiefenden  Ritterromane  zeigt.  Wie  man  sich  einen  feinen 
Liebesbrief  dachte  zeigen  Einlagen  des  Amadis  und  der  Novellen. 

45.  Im  13.  Jh.  sieht  der  Spanier  Geschichte  auch  in  solchen  franzö- 
sischen Erzählungen,  die  nur  der  Unterhaltung  dienen  wollen.  Das  Ver- 
ständnis für  die  Existenz  der  Fiktion  gewinnt  er  erst  im  14.  Jh.  durch  die 
Bekanntschaft  mit  der  mattere  de  Bretagne.  Wenn  Alfonso  X.  einmal  Tristan, 
Iseu  und  Artus  nennt,  so  ist  das  nur  Reflex  der  provenzalischen  Dichtung. 
Für  den  Archipreste  de  Hita*  war  der  Prosa-Tristan  ein  neues  Buch  und 
zweifellos  ein  neues  kastilisches.  Gleichzeitig  entnimmt  ihm  Juan  Manuel 
einen  recht  versteckten  Namen  (s.  o.  S.  4x9).  Die  Übersetzung  des  Romans 
ist  in  einer  Hs.  s.  xiv — xv  erhalten  2,  leider  nur  ein  Fragment,  das  kaum  ein 
Fünftel  des  ungeheuren  Ganzen  umfasst  und  eine  Redaktion  aufweist,  die 
keiner  der  analysierten  französischen  3  genau  entspricht.  Dass  der  Schluss 
eine  eigenartige  Mittelstellung  zwischen  den  Rom.  XV,  481  besprochenen 
Versionen  einnahm,  wird  durch  d\G  ■^ormx\ze.n  Pritnavera  146  a  (vgl.  Gallardo 
3619)  wahrscheinlich  gemacht.  Auch  die  an  dritter  Stelle  (im  Cancionera 
Colocci-Brancuti  ^x.  i — -5)  erhaltenen  lyrischen  Einlagen  —  galizisch  wieder- 
gegeben ,  wie  alle  Lyrik  der  Zeit  —  weisen  der  französischen  Vorlage  eine 
Sonderstellung  zu.  Von  verwandtem  Geist  erfüllt  war  Benoit's  Roman  de  Troye., 
den  noch  Alfonso  XL  seinem  Schreiber  Nicolas  Gonzales  zu  übersetzen 
befahl,  womit  dieser  im  ersten  Jahr  seines  Nachfolgers  zu  Ende  kam.  ^  Eine 
andere  Version,  die  Hs.  angeblich  noch  s.  XIV,  enthält  eingestreute  Verse, 
canciones  e  romances.,  anscheinend  in  grösserem  Umfange  als  der  Tristanroman, 
aber  nach  seinem  Vorbild :  ist  vielleicht  identisch  mit  einer  versio  hispanica 
dimetro  carmine  im  Escorial .  ^ 

Neben  den  zahlreichen  Anspielungen  auf  Tristan,  Yseo,  Eneas  u.  s.  f. 
bei  den  älteren  höfischen  Dichtern  finden  sich  solche  auf  Artus,  Ginebra, 
Langarote ,  Galas,  Bandemagus,  Bryuz  (Brehus),  auch  auf  Merlins  Grab®, 
Langarote  als  Buchtitel  im  Rimado  de  Palacio  162,  und  etwa  30  Jahre  später 
die  Gran  Demanda  del  Santo  Greal^.  Ferner  in  Fernan  Perez  de  Guzman 
Mar  de  las  Historias  (Gallardo  3439)  die  Kapitel  del  Santo  Grial  und  de 
Merlin.  Welche  unter  den  französischen  Romanen  diesen  Anspielungen  und 
Zitaten  entsprechen,  lässt  sich  nicht  genau  feststellen.  Weder  die  vorhandenen 
Handschriften  des  Kreises  sind  bisher  einer  genaueren  Einsicht  gewürdigt 
worden,  noch  auch  die  Drucke  der  Ritterbücher  '^,  über  welche  Gayangos  nur 

^  1675:  Ca  niinca  fue  tan  leal  Biancaflor  ä  Flor  es ,  Nin  es  agora  Tristan  con  todos 
sus  amores. 

^  Reproduktion  einer  Seite  bei  Monaci,  Facsimile  No.  6.  Der  gedruckte  Tristart 
de  Leonis,  Valladolid   1501   u.  öfters,  scheint  eine  Verkürzung  zu  sein. 

*Loeseth,  Le  roman  de  Tristan,  Paris  1890.  Die  spanische  Version  ist  dort 
nicht  benützt. 

*  s.  Mussafia,  Wiener  Sitzungsber.  69,  39.  Die  portugiesische  Version  (II,  2,  211) 
ist  eine  jüngere  wörtliche  Übersetzung  des  N.  G.  Die  Hs.  nach  dem  Katalog  der  ßibl. 
Osuna  princ.  s.  XV. 

*  Bibl.  Osuna  1888 ;  Mussafia  1.  c.  50.  48;  Rios  IV,  350  Anm.  Im  Bücher- 
verzeichnis Pimentel  1440,  (Beer,  Handschriftenschäize  Spaniens  No.  67),  steht  eine  Con- 
quista  de  Iroja  e  romance  de  Pedro  Chenchilla ;  eine  Hs.  der  Bibl.  Nag.  S.  30,  ms.  s.  XV. 
betitelt  sich :  Historia  de  ta  Destruccion  de  Troja,  tomada  especialmente  de  las  historias  de 
Liomarte  (?).  Die  Guido  de  Columna  folgenden  Versionen  (Mussafia  49  ff.)  bezeichnen 
immerhin  eine  Wendung  zur  Klassizität,  da  bei  ihm  ein  guter  Teil  höfischen  Schmucks  weg- 
gefallen ist;  voll  ausgesprochen  wird  diese  Wendung  als  man  unter  Juan  II.  durch  lat.  Ver- 
mittlung den  Homer  kennen  lernt.  Vgl.  V  o  1 1  m  ö  1 1  er  in  Studien  z.  Ltg.,  Bernays  gewidmet, 
Hamburg   1893,  S.  233;  Gallardo  301.5. 

*  C.  B.  II,  30  bei  Diego  Martinez  ungefähr  im  1.  Viertel  des  15.  Jh.  neben 
dem  Tod  Merlins. 

■^  Fast  unzugänglich,  da  auftauchende  Exemplare  sofort  in  den  englischen  Privat- 
sammlungen beerdigt  werden. 


Prosa:  Einwirkung  des  altfrz.  Romans,  439 

ganz  knappe  Angaben  macht  und  die  nicht  notwendig  mit  der  Überlieferung 
des  15.  Jhs.  identisch  sind.  Der  Gran  Demanda  können  entsprechen  entweder 
die  gedruckte  Demanda  del  Santo  Greal  con  el  Baladro  de  Merlin  (1500?, 
^S^Sj  ^535)  ^"  zwei  Büchern  —  ein  drittes  kennt  der  Bibliotheks  -  Katalog 
Isabella's  der  Katholischen  und  der  handschriftl.  Langarote  del  Lago^  Bibl. 
Nag.  Aa  103  —  oder  die  Kompilation,  zu  welcher  die  portugiesische  Demanda 
gehört.  Das  in  einer  Hs.  des  14.  Jhs.  erhaltene  Libro  de  Josep  ab  Arimatia^ 
e  otrosi  del  Santo  Grial,  de  Merlin  e  del  rrey  Artus^  dürfte  der  ergänzte 
Robert  de  Boron  sein.  In  derselben  steht  der  Anfang  eines  Lanfarote.  Die 
Priorität  vor  den  im  ganzen  jedenfalls  identischen  portugiesischen  Gralromanen 
(II,  2.  213  — 16)  ist  im  allgemeinen  durch  das  höhere  Alter  der  Zitate  und  den 
Gang  der  litterarischen  Entwicklung  gesichert  3.  Nicht  genannt,  aber  höchst 
wahrscheinlich  schon  vorhanden  ist  die  Cronica  de  Tablante  e  Ricamonte^  eine 
Bearbeitung  des  provenzalischen  Jaufre^.  Neben  den  antiken  und  den  Artus- 
helden werden  von  den  Hofdichtern  natürlich  auch  Karl  und  Roland  erwähnt, 
aber  sie  fehlen  in  Aufzählungen,  wo  man  ihren  Namen  erwarten  dürfte.  Sie 
sind  offenbar  nicht  so  modern  wie  jene.  Neu  ist  aus  jenem  Kreise  nur 
Henrique  fi  d'Oliva  (C.  B.  I,  160), ^  auch  noch  im  ersten  Viertel  des  15.  Jhs. 
eine  unter  Pippin  gesetzte ,  spät  zusammengeborgte  Variante  der  unschuldig 
verfolgten  Frau ,  sicher  aus  dem  franz. ,  ebenso  wie  weiterhin  von  dort  das 
Volksbuch  von  Fierabras^^  den  Nucve  de  la  Fatna  und  ähnliches  herüber- 
kommt. Unter  den  mehrfach  genannten  Flores  y  Biancaflor  ist  wohl  schon 
das  aus  dem  italienischen  übernommene  Volksbuch  ^  zu  verstehen :  eine  Lit- 
teraturgattung,  die  von  dem  Roman  wohl  unterschieden  werden  muss.  Paris 
e  Viana  (Burgos  1524)  wird  vor  141 2  erwähnt  (C.  B.  I,  205.  239).  Die 
Angabc  des  Pierre  de  la  Seppade  (1432,  gedr.  Anvers  1487),  das  er  aus 
dem  Provenzalischen  übersetze,  ist  also  richtig.  Ausserhalb  Spaniens  noch 
nicht  gehört  war  der  Name  des  Amadis ,  dem  wir  fast  so  häufig  wie  Tristan 
begegnen  und  der  ihm  in  der  Gunst  des  Lesewelt  den  Rang  ablaufen  sollte. 
Ihm  ging  als  die  älteste  selbständige  kastilische  Fiktion  der  Caballero 
Cifar^  voraus;  ein  wunderliches  Machwerk,  das  die  Eustachiusfabel  (S.  416) 
mit  den  Flores  de  Filosofln  (S.  412),  dem  französisch  verlorenen,  hier  schön 
erhaltenen  Zß/  von  Tristan  qui  otiques  ne  rist^  und  einigen  andern  Ingredienzen 
in  einander  arbeitet    und    in  diese  altertümliche  Materie  die  fahrende  Ritter- 


'  Sicher  verschieden  von  der  Historia  del  rey  Vespasiano,  Sevilla  1498  und  vorher 
portugiesisch  Lisboa  1496  (Escudero  73,  GayangosS.  83),  einer  Kombination  des 
Josep  mit  einem  der  Pseudoevangelien.  Nur  indirekt  zu  dem  Kreise  gehören  die  schon 
früher  bekannten  Prophezeiungen  Merlins. 

*  Rom.  X,  300  Anm.  Vgl.  Gayangos,  Libros  de  Caballeria  LXIII,  Gallard  o, 
Ensayo  I,  8qi.  —  Über  den  gedruckten  Merlin  (1498)  G.  Paris  in  Merlin,  Roman  en prose 
du  XIII  siede  S.  LXXII.  Was  dort  S.  LXXIV  Ober  den  span.  Prolog  gesagt  ist  beruht 
auf  einem  Versehen. 

*  Die  Rückdatierung  des  pg.  Livro  de  Joseph  auf  die  erste  Hälfte  des  14.  Jhs. 
(II,  2.  215)  ist  vollkommen  willkürlich  und  dem  Sprachgefühl,  vi'elches  ib.  214  in  der  pg. 
Demanda  des  15-  da.s  14.  Jh.  erkennt,  kann  ich  nach  meiner  Kenntnis  der  Zunge  keinen 
hinreichenden  Glauben  schenken. 

*  S.  II,  2.  8.    Hist.  lit.  XXX,  216.    Ausg.  Valladolid  1513  u.  ö. 

*  Sevilla   1498;  Madrid,  Bibliöfilos,   1871. 

*  Historia  de  Carlomagjto  y  de  los  doce  Pares  de  Francia,  zuletzt  gedr.  Paris  188I; 
vgl.  G.   Paris,  Hist.  poet.  de  Chartern.,  2K. 

■^   Giorn.  di  Fit.  Rom.,  IV,    159. 

*  Sevilla  1512,  neu  und  schlecht  hrsg.  von  Michelant,  Bibl.  d.  Stuttg.  lit.  V.  112. 
Die  Pariser  Hs.  ist  S.  XIV,  Bibl.  Osuna  No.   140  S.  XV,  dazu  Bibl.  Nacion  BB   136. 

*  Im  Motiv  Maries  de  France  Guigemar  verwandt,  aber  ursprünglicher.  Der  Ver- 
fasser kennt  auch  den  Lanvat-\A\  unter  dem  Namen  Ivains. 


440   Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —   5.  Span.  Litt. 

Schaft  hineinbringt,  noch  nicht  die  galante.  Die  Abfassung  fällt  nach  dem 
Prolog  vor   1349  und  in  einige  Entfernung  nach   1300  '. 

46.  Ganz  anders  hat  der  etwa  ein  Menschenalter  jüngere  Amadis 
Empfindung  und  Erfindung  des  höfischen  Romans  nicht  nur  sich  angeeignet, 
sondern  auch  weiter  entwickelt.  In  der  Gralsuche  hatte  jener  ein  religiöses 
Element  in  sich  aufgenommen.  In  Lanzelot  und  Tristan  bildet  den  Faden  die 
Liebe  zu  Ginebra  und  Isolde,  zur  Frau  des  andern.  Die  Keuschheit  des  Amadis 
gilt  nicht  einem  mystischen  Endziele,  sondern  der  Geliebten,  seine  Liebe  zu 
Oriana  ist  sittlich-rein  und  einfach-menschlich,  der  leichtsinnige  Liebhaber 
Galaor  mit  seinen  Erfolgen  dient  dem  Helden  nur  als  Folie  2.  Frauendienst 
und  Abenteuer  bleiben  traditionell,  aber  zur  Courtoisie  kommt  die  Tugend- 
lichkeit  mit  stärkerer  Betonung  als  im  französischen.  Es  herrscht  eine  weiche, 
fast  sentimentale  Stimmung  mit  einem  starken ,  rhetorischen  Beisatz.  Der 
Artushof  ist  aufgegeben,  der  herkömmliche  Schauplatz,  Britannien,  Griechen- 
land mit  der  Inselwelt  des  Tristan  beibehalten  ;  der  Aufbau  im  Vergleich  mit 
den  französischen  Trümmerhaufen  verständig  zu  nennen ,  die  unendlichen 
Abenteuer  nicht  schlecht  erzählt,  manches  anmutig  erfunden,  aus  den  franzö- 
sischen Romanen  entlehnte  Motive  geschickt  verwertet ,  die  Sprache  nicht 
frei  von  gezierter  Willkür. 

So  hat  uns  Garci-Ordonez  de  Montalvo  aus  Medina  del  Campo 
das  Buch  überliefert,  der  seine  Bearbeitung  nach  1492  beendete,  aber  schon 
früher  begonnen  hatte.  Er  sagt  über  sie,  dass  er  die  von  Schreibern  und 
Bearbeitern  3  beschädigten  drei  ersten  Bücher  bereinigte,  das  vierte  entlehnte 
und  verbesserte  4 ,  und  das  ganz  neue  fünfte,  las  Sergas  de  Esplandian  (des 
Sohnes  des  Helden)  hinzufügte.  Die  Sergas  sind  denn  auch  in  den  ältesten 
Drucken  vom  eigentlichen  Amadis  getrennt  '^.  Die  ersten  Kapitel  des  vierten 
Buches  sind  deutlich  erkennbar  noch  vom  dritten  herübergezogen,  die  dreie 
kannte  schon  Pero  Feruz  (C.  B.  I,  322)  und  sie  müssen  wesentlich  mit  denen 
Montalvo's  übereingestimmt  haben:  auch  eine  Figur  zweiten  Ranges,  Macandon 
wird  erwähnt  (C.  B.  I,  73)  und  zwei  wichtige  Bestandteile  der  Decoration.  Wir 
dürfen  also  annehmen ,  dass  wir  im  Wesentlichen  den  alten  Amadis  noch 
besitzen;  Form  und  Geist,  so  wie  sie  bei  M.  erscheinen,  waren  durch  Tristan 
und  Lanzelot  auf  der  einen ,  Juan  Manuels  Fürstenlehren  und  die  galizische 
Hofpoesie  auf  der  anderen  Seite  genügend  vorbereitet. 

Mehr  Material  kommt  für  die  vielumstrittene  Frage  in  Betracht,  ob  der 
erste  A.  portugiesisch  oder  kastilisch  gewesen  sei,  und  ist  schon  oben  II,  2,  216 
verwertet.  Eine  besonders  frühzeitige  Bekanntschaft  Portugals  mit  der  mauere 
■de  Bretagne  darf  aus  den  sogen,  lais  des  Can(.  Vat.  (II,  2,  213)  nicht  gefolgert 


'  Er  erzählt  ein  Ereignis  aus  dem  Jahr  1300,  kennt  die  loojälirige  Periode  des 
Jubeljahres  und  nicht  die  50jährige.  »Erav.  wird  dabei  wiederholt  falsch  gebraucht,  1339 
erscheint  aber  richtig  gleich  1301.  Die  päpstliche  Bulle  (Corp.  iur.  caji.,  extrav.  commun. 
V,  9,   1),  auf  welche  Bezug  genommen  ist,  enthält  die  angegebenen  Bestimnuingen  nicht. 

^  Porque  en  los  autos  semejantes  que  a  vir  lud  de  honestad  no  son  conformes,  con  razon 
deve  ombre  per  ellos  ligeramente  pasar,  teniendolos  en  aqtiel  pequeTia  grado  que  merecen  ser 
tenidos.  I,    12. 

^  yComponedores-.'.  heisst  im  Spanischen  des  15.  Jh.  stets  Dichter,  Autoren,  Bearbeiter, 
mlat.  compositor  ist  in  gleicher  Bedeutung  vorhanden,  obwohl  bei  Du  Gange  nicht  be- 
legt; »Setzer«  wie  Braiinfels,  Kritischer  Versuch  über  den  Roman  Amadis  von  Gallien, 
Leipzig  1876  willkürlich  konjiziert,  unterschied   man  überhaupt  noch  nicht  von   »Drucker«. 

■*  -htrasladando  y  emendando«.  \  trasladar  ist  übersetzen  und  abschreiben,  aber  auch 
«xcerpieren  und  bearbeiten.  Braunfels,  a.  a.  O.  S.  83  fasst  das  Verhältnis  des  vierten 
Buches  zu  den  Sergas  anders,  übersieht  aber  dort,  dass  Montalvo's  Vonede  selbst  von  fünf 
Büchern  spricht.    Vgl.  auch  cap.  99  der  Sergas. 

^  Der  er-ste  erhaltene  der  4  Bücher  von  1508,  der  Sergas  1510;  vgl.  Braunfels 
S.  7v5.  Salvä   1506  und   1512. 


Prosa:  Amadis.  441 


werden,  sie  sind,  wie  schon  gesagt,  einfach  Übersetzungen  der  lyrischen  Ein- 
lagen des  franz.  Tristan,  vielleicht  von  dessen  kastilischem  Übersetzer  gefertigt^, 
<la  ihr  Inhalt  die  Sprache  der  Hoflyrik  verlangte.  Da  der  Tristan  des  Archipr. 
unzweifelhaft  der  kastilische  ist,  werden  sich  die  gleichzeitigen  Anspielungen 
in  Portugal  doch  wohl  auf  diesen  beziehen.  Die  Kastilier  pflegen  Erzählung 
und  Prosa,  die  Portugiesen  die  Lyrik ,  sie  übersetzen  kastilische  Prosa.  Das 
umgekehrte  kann  auch  vorkommen,  muss  aber  dann  bewiesen  werden.  Ebenso 
wie  einen  kastilischen,  hat  es  nun  im  15.  Jh. 2  einen  portugiesischen  A.  ge- 
geben, der  Chronist  Gomes  Eannes  ^  (1450-63)  schreibt  ihn  dem  Ritter 
Vasco  Lobeira  zu,  und  spätere  sind  ihm  darin  gefolgt,  ohne  etwas  anderes 
zu  kennen  als  den  Montalvo.  Dieser  Lobeira  ward  1385  zum  Ritter  ge- 
schlagen, war  also  jünger  als  der  Amadis  Ayalas,  kann  nicht  Verfasser, 
sondern  nur  Übersetzer  gewesen  sein.  Man  hat  daher  eine  ziemlich  starke 
Verwechslung  angenommen,  nicht  Vasco,  sondern  Joäo  Lobeira  soll  ihn  ver- 
fasst  haben,  der  1258 — 85  blühte  und  von  dem  in  der  That  das  in  den 
Amadis  eingelegte  Leonoretaliedchen  herrührt:  diese  Episode  sei  ein  end- 
giltiger  Beweis.  Sie  ist  indessen  höchst  zweideutig,  weist  nach  rückwärts  auf 
ein  unerzähltes  Vorkommnis,  nach  vorwärts  dahin,  wo  (IV,  38,  44)  die  Leonoreta 
für  die  Fortsetzung  gebraucht  wird;  der  Verdacht  des  Einschubs  *  ist  durch 
II,  12  (Übertragung  des  Abenteuers  Gauvains  mit  dem  kleinen  Fräulein  auf  L. 
und  Amadis)  kaum  gemildert,  verschärft  wenn  wir  beachten,  dass  die  einzige 
weitere  lyrische  Einlage  (II,  8),  sonst  gan^  gleichartig,  nicht  portugiesisch 
sein  kann  ,  eine  erst  der  jüngeren  Hofpoesie  geläufige ,  in  Portugal  fehlende 
Form  hat.  Dem  Kern  des  Romans  gehören  dagegen  sicher  die  echt  eng- 
lischen Namen  an ,  und  unter  diesen  ist  Gravesend  kaum  vor  dem  14.  Jh. 
möglich^.  Endlich  steht  jene  Annahme  in  schneidendem  zeitlichen  Wider- 
spruch zu  allem  was  wir  über  die  späte  Entfaltung  der  portug.  Poesie  wissen 
—  vgl.  die  noch  etwas  zu  günstigen  Ausführungen  II,  2,  207  —  und  würde 
überdies  nötigen  einen  portugiesischen  Prosalanzelot  und  Prosatristan  um  1250 
anzusetzen.  Der  Amadis  bleibt  jener  Litteraturentwicklung  in  der  er  zuerst 
bezeugt  ist  und  in  die  er  am  besten  hineinpasst,  der  kastilischen.  Wohl  aber 
kann  Montalvo  für  sein  viertes  Buch  die  portug.  Bearbeitung  benutzt  haben, 
und  auf  sie  mag  sich  beziehen  was  er  I,  40  von  einer  vom  portugiesischen 
Infanten  Alfonso^  gewünschten   Änderung  sagt. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.  muss  die  Schätzung  der  Amadis 
etwas  nachgelassen  haben ;  neben  den  zahlreichen  Erwähnungen  im  C.  d.  B, 
kenne  ich  in  den  jüngeren  Liederbüchern  nur  mehr  dreie ,  und  es  kann  das 
nicht  bloss  an  dem  veränderten  Charakter    der  Dichtung  liegen.     Montalvo's 


'  Zu  bemerken  ist  die  Verwandtschaft  der  Namen:  franz.  Sassoigne,  Can^.  Saxnsonha, 
Montalvo  Sarxsuena;  franz.  Morout,  Alorlot,  Canq.  M&root,  Montalvo   Marlolte. 

^  Wenn  1598  ein  Portugiese  die  Sprache  jener  der  Gedichte  aus  der  Zeit  des  Don 
Denis  ähnlich  hält,  so  darf  kein  Sachkundiger  daraus  auf  das  14.  Jh.  schliesseii. 

^  Oder  auch  ein  unbekannter  »comettdadori,  dem  er  Mitteilungen  aus  der  Zeit  von 
14' 5 — 50  verdankt.  Man  Kann  nach  Belieben  das  eine  oder  das  andere  aus  der  konfusen 
Stelle  herauslesen. 

■*  Neben  diesem  Verdacht  besteht  die  Möglichkeit,  dass  der  spanische  Autor  s  XIV 
selbst  höfische  Liedchen  nach  dem  Vorbild  des  Tristan  eingelegt  hat,  die  der  lyrischen 
Sprache  seiner  Zeit  angehören  mussten. 

*  Es  wird  mit  Gravesham  im  Doomsdaybook  identifiziert;  in  den  mir  zugänglichen 
englischen  Quellen  finde  ich  im  13.  Jh.  nur  einen  Stephan  von  Gravesende  in  einer  Lon- 
doner Urkunde.  Im  14.  besass  der  Platz  ein  Königsschloss,  das  1379  von  den  Franzosen 
mit  Hilfe  der  Spanier  verbrannt  wird. 

*  Dass  er  dem  unächten  A.  von  Braganza  den  Prinzentitel  giebt  ist  dem  Spanier  zu 
veizeihen.  Jener  starb  1461,  war  1415  erwachsen,  somit  nicht  sehr  viel  jünger  als  Vasco 
Lobeira. 


442    LiTTERATURGESCHICHTE   DER   ROMANISCHEN  VÖLKER.    —    5.    SpAN.    LlTT. 

Erweiterung  kam  einerseits  die  Verbilligung  eines  so  dicken  Buches  durch  die 
Buchdruckerkunst,  andrerseits  wohl  auch  der  Umstand  zu  gute,  dass  durch  die 
Erwerbung  Amerikas  und  Granadas,  zum  Teil  auch  die  Vertreibung  der  Mauren 
eine  Menge  von  neuen  Menschen  in  die  Höhe  kamen,  die  in  ihrer  Masse  auf 
den  Gesamtgeschmack  zurückwirkten. 

Die  Erzähhing  von  Orianas  Zauberkranz  und  Amadis  Zauberinsel  kennt, 
unter  Johann  IL,  Juan  de  Duenasi.  Letztere  nennt  er  die  insola  del  Ploro, 
Montalvan  Insola  Firme :  jener  Name  stammt  aus  der  Episode  des  Chastel  des 
Pleurs  in  Tristan,  die  nachgeahmt,  aber  stark  modifiziert  ist,  so  dass  die 
Thränen  unpassend  erschienen.  Am  weitesten  zurück  deutet  1378 — 85  Lopez 
de  Ayala  im  Riviado  de  Palacio  162,  wo  dieser  den  Zeitverderb  mit  Lügen- 
büchern wie  Amadis  und  Lanzelote  in  seine  Generalbeichte  aufnimmt,  und 
dabei  nicht  notwendig,  doch  wahrsclieinlich  seine  jüngeren  Jahre  im  Auge 
hat.    Der  Roman  wird  also  in  den   60er  Jahren  vorhanden  gewesen  sein. 

Kam  er  vom  Westen  oder  ist  er  in  Spanien  entstanden  ?  Die  Personen- 
namen geben  keine  Auskunft;  sie  sind  zum  grösseren  Teil  Neubildungen  in 
der  Art  der  geläufigen  Muster,  zum  kleineren  neu  verwendete  von  unterge- 
ordneten Figuren  der  franz.  Prosaromane ,  alles  so  wie  es  ein  Franzose  ge- 
macht haben  würde  und  auch  ein  Spanier  machen  konnte.  Die  Topographie 
zeigt  dagegen  manches  besondere,  die  traditionellen  eigentlichen  Artusnamen 
treten  zurück,  eine  ungefähre  Kenntnis  der  wirklichen  Lage  von  Bristol,  London, 
Windsor^,  von  Schottland  und  Dänemark  scheint  vorhanden.  Was  zwischen 
jenen  Städten  liegt  ist  phantastisch ,  von  einem  Engländer  würde  bei  aller 
späteren  Schädigung  mehr  geblieben  sein,  er  würde  nicht  Gravesend  (Gravi- 
sanda)  mehrere  Tagereisen  von  London  legen  und  zu  einer  Insel  machen. 
Was  an  Wissen  vorhanden  ist,  das  konnte  ein  Spanier  des  14.  Jhs.  eben  so 
wohl  besitzen  als  ein  Nordfranzose  oder  Provenzale  auch  noch  vor  den  engen 
politischen  Berührungen  unter  Pedro  I.  Jenseits  der  Pyrenäen  fehlt  jede  Spur 
des  Stoffes ,  es  fehlen  im  Amadis  Anklänge  an  spätfranzösische  und  spät- 
provenzalischc  Neuheiten.  So  weit  wir ,  schlecht  genug ,  die  europäische 
Litteratur  des  13.  — 14.  Jhs.  kennen,  gehört  am  wahrscheinlichsten  die  Er- 
findung des  Amadis  der  pyrenäischen  Halbinsel  an. 

47.  Eigene  Versuche  in  der  Novelle  schlössen  sich  an  Boccaccio's 
rhetorisch-sentimentale  Fiametta  an ,  die  gegen  Mitte  des  Jahrhunderts  über- 
setzt war  3.  Als  erster  des  Rodriguez  del  Padron:  Siervo  libre  de  amor, 
in  welchem  die  kurze  und  fast  stofflose  Geschichte  der  Liebenden  Ardanlier 
und  Liessa  sich  auf  eigene  Erlebnisse  bezieht  und  von  allegorischen  Beithaten, 
Reflexionen  und  Gedichten  überwuchert  wird.  Trotz  der  Neigung  zu  künst- 
licher Wortstellung  und  sentimentaler  Afifektation  doch  nicht  ohne  einen  ge- 
wissen naiven  Reiz.  Genau  verwandt  ist  La  carcel  de  Amor  von  Diego  de 
San  Pedro*,  eines  aus  dem  Cancionero  General  bekannten  Dichters  aus  der 
Zeit  Isabella's ,  der  seine  Fabel  zwar  auch  locker  genug ,  aber  doch  etwas 
fester  fügt  als  Rodriguez.  Auch  hier  ist  die  Einleitung  eine  Allegorie ,  die 
Novelle  verläuft  in  Briefen,  die  mit  Erzählungen  und  Reflexionen  des  Autors 
vermischt  sind ,  der  Inhalt  ist  Liebesleid  und  das  Ende  der  Tod  aus  Liebes- 


^    Catig.  del  Palacio  S.   70. 

^  London  u.  Windsor  sind  auch  dem  franz.  Roman  geläufig,  ebenso  die  hier  nur  hei- 
läufig genannten  Winchester  u.  Glocester,  sowie  Norgales  und  Serolis  (Sorelois).  Auffällig 
ist  das  condado  de  Clara  in  nicht  zu  grosser  Entfernung  von  Bristoya:  die  Cläre  waren  in 
der  That  in  Glaniorgan  u.  Cardigan  begütert. 

^  Hss.  der    Escorialbibliothek    vgl.  Jahrb.  f.  r.  u.  e.  L.  IV,  65       Drucke  seit  1497. 

*  Zahlreiche  Drucke  seit  1491.  Vgl.  Tic  k n  o r  I,  336.  E  s  c u  d e r  o ,  Tipogr.  No.  32. 
Der  genaue  Name  des  Verf.  ist  Diego  Fernandez  de  S.  P. 


Prosa:  Amadis.     Novelle.     Unterhaltend-erzieherische  Prosa.      443. 

kummer,  alles  in  deutlicher  Nachahmung  des  Rodriguez,  aber  wirksamer,  weil 
nicht  ganz  so  formlos,  bei  etwa  gleichwertiger  Fähigkeit.  Von  demselben 
Verfasser  der  Tratado  de  Arnaltey  Lucenda^.  Des  Sevillaners  Juan  de  Flores 
Tratato  ä  su  amiga  de  los  amores  de  Grisel  y  Mirabella^  didaktisch  gerichtet,, 
der  Entscheid  über  eine  Liebesklage;  später  von  einem  Anonymen  verändert: 
u.  d.  T. :  Aurelio y  Isabela;^  des  Juan  de  Segura  Proceso  de  Cartas  de  Amores 
und  Lucindoro  y  Mcdiisina.^  Auch  des  Comendador  Escriba:  Queja  que 
da  de  su  amiga  ante  el  dios  de  a?nor  lässt  sich  hierher  zählen  *.  Eine  Mischung; 
von  allen  möglichen  Liebesfragen,  Liebesbriefen,  Gedichten,  Beschreibungen 
von  Festen  und  Ereignissen  aus  Neapel  zwischen  1508  und  15 12  ist  die  viel- 
gelesene Question  de  Amor'^.  Juan  de  Lucena's  Vida  Beata^  ist  lediglich 
Übertragung  aus  dem  italienischen  des  Bartolomeo  Fazio. 

48.  Eine  Art  von  didaktischem  Roman  sind  Enrique's  de  Villena 
(1384 — 1434)  Trabajos  de  Hir etiles'^  (141 7),  ein  wunderlicher  Fürstenspiegel;- 
wie  man  sucht  die  Lehre  in  neue,  unterhaltende  Formen  zu  bringen,  zeigt 
auch  Juans  de  San  Cristöval  Vegecio  Spiritual  (Rios  VI,  324).  Zu  den 
Fürsten-  und  Adelsschulen  gehören  ferner  noch  verschiedene  Schriften  des^ 
Diego  de  Valera^,  Ray  Sanchez^  Suma  de  la  politica,  während  des 
Alfonso  de  Cartagena  Doctrinal  de  r^^^a/Z^röi' eine  Kompilation  des  gesetz- 
lichen Materials  ist.  Ein  beliebter  Vorwurf  ist  das  Frauenlob  in  Nachahmung 
Boccaccio's,  so  des  Rodriguez  del  Padron'^  Triunfo  de  las  donas,  an 
die  Königin  Maria  gerichtet;  des  grossen  Günstlings  Alvaro  de  Luna^^  Libro  de 
las  ciaras  y  virtuosas  mugeres,  in  wohl  erzählten  Beispielen  aus  dem  Altertum  ;^ 
des  Alfonso  de  Cartagena  verlorenes  Buch  de  las  mugeres  ilustres ,  stark 
benützt  in  Andres  Delgadillo's  unedierten  Alabamas  de  la  virginidad; 
Martin  Alonso  de  Cordova  Vergel  de  nobles  doncellas ;  Diego  de  Valera, 
Defensa  de  virtuosas  mugeres;  Alfonso  de  Madrigal,  De  como  al  omne  es- 
neccsario  amar.^^  Eine  Frauenlehre  bietet  Hernando  de  Talavera  (1428 
bis  1507)  Como  se  ha  de  occupar  una  senora  de  cada  dia ,  den  Frauen- 
tadel desselben  Tratado'  de  vestir ,  del  calzar  y  del  comerA^  Lope  de 
Barrientos  (1382  — 1469)  richtete  an  Juan  IL  Untersuchungen  über  höhere 
Probleme  als  sie  sonst  in  der  Vulgärsprache  behandelt  werden.  De  caso  e  for- 
tuna   und  Del  dormir  y  despertar :    an  denselben    der   gelehrte  Alfonso    de 

'  S.  Gayangos,  Libros  de  Caballerias  S.  78  der  Einleitung. 
•  ^  Vgl.    Escudero    y    Peroso,    Tipografia    Hispalense ,    No.   94.        Gayangos, 
L.  d.  C.  S.  58.    Ders.  S.  56  schreibt  ihm  auch  Flores  y  Biancaflor  zu.     Vgl.  Giorn.  di  FiL. 
Rom.  IV,   159. 

*  S.  Ticknor  I,  337;  Gayangos,  Libros  de  Gab.  LXXXII. 

*  Catif.  geti.  Apend.   147. 

^  S.  G  ro  ce  ,  Di  un  antico  romanzo  spagnuolo  in  Archivio  storico  per  le prcvinde  Napo- 
litane  XIX,  und  Separatdruck  Neapel    1894. 

«  Zamora  1483. 

"  Zamora  1483,  Burgos  1439.  Madrid  s.  a.  Vgl.  E.  d.  V.  Arte  cisoria,  herausg.  von 
Navarro,  Madrid  1879,  S.  XXXXVIII.  Navarro  hebt  hervor,  dass  die  Trabajos  noch 
frei  seien  von  dem  Latinismus  in  der  späteren  Prosa  Enrique's.  Wir  dürfen  darnach  nicht 
eine  Wendung  in  der  kastilischen  Prosa  überhaupt  datieren.  Enrique's  natürliche  Sprache 
war  da.s  Katalanische,  in  der  er  die  Trabajos  ursprünglich  verfasst  hatte  und  es  bleibt  daher 
in  der  Übersetzung  die  natürliche  romanische  Wortstellnng,  während  er  latinisiert,  wenn  er 
kastilisch  abfasst  und  aus  dem  Lateinischen  übersetzt.  Vgl.  über  andere  Schriften  Enrique's 
o.  S.  427.  434  und  Navarra  a.  a.  O.  Über  sein  Leben  ebenda  und  Gotarelo  Espanar 
moderna   l894.  Juli. 

»*  Epistolas  de  Mosen  D.  d.  V.  Madrid,  Soc.  de  Bibliof.,   1878. 

^  Nie.  Ant.,  Bib.  Vet.  II,  304. 

'0   Obras,  S.   83. 

"  Soc.  d.  Biblof.,  Madrid   1891. 

'*  In:  Opusculos  literarios,  Madrid,  See.  Bibliof.   1892. 

"  Teilweise  gedruckt  Baeza  1638. 


444    LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.    SpAN.    LiTT. 

Madrigal  (gen.  El  Tostado,  1400 — 1455)^  ein  Breviloquio  de  amor  y 
amicicia,  an  die  Königin  Maria  ein  Lil>ro  de  las  paradoxas.  Derselbe  gab  den 
Laien  ein  mythologisches  Handbüchlein.  Alfonsos  de  Toledo^  De  los  in- 
ventores  de  las  cosas  (1474)  ist  einer  der  schwerfalligen  encyklopäischen  Traktate, 
die  man  im    15.   Jahrhundert  liebte. 

Anscheinend  der  erste,  der  in  Nachahmung  der  Italiener  einen  einhei- 
mischen Schriftsteller  kommentiert,  ist  Pero  Diaz  de  Toledo  (Kaplan  San- 
tillana's,  7  1499  als  Bischof  von  Malaga),  der  ^\t,  Proverbios  Santillana's 
und  Gomez  Manrique's  Querella  de  la  Gobernacion  (S.  430)  glossierte. 
Desselben  Dialogo  en  la  muerte  de  Santillana  ^  ist  eine  schwerfallige  Besprechung 
verschiedener  Fragen  der  Lebenspilgerschaft. 

Von  Haus  aus  lateinische  Stilübungen,  aber  vom  Verfasser  selbst  über- 
tragen, sind  des  Alfon  so  de  Palencia  (A.  Fernandez  de  P.,  1423 — 1492) 
Batalla  campal  de  los  perros  y  lobos  und  Tratado  de  la  perfecion  del  triunfo 
militar^,  die  letztere  nicht  ohne  Bedeutung  für  die  Entwicklung  des  kastilischen 
Selbstgefühls.  Unter  den  allegorischen  Personen  des  Dialogs  ist  Exercicio, 
der  auszieht,  den  Triunfo  zu  suchen,  ein  Spanier,  die  Discrecion  aber  in 
Italien  heimisch.  Die  Batalla  hat  kaum  didaktische,  sicher  keine  satyrische 
Absicht,  ist  ein  Humanistenstück,  das  auf  eine  entfernte  Bekanntschaft  mit  der 
Batrachomyomachie  hinweist.  Dass  ähnliche  Scherze  aber  auch  von  Haus  aus 
spanisch  geschrieben  werden  konnten  zeigt  ein  parodistisches  Jagdbuch,  libro 
de  Cetreria  que  fizo  Evangelisia  und  ein  kleines  Muster  »höheren  Blödsinns«, 
die  Carla  burlesca  de  Godoy^. 

49.  Die  vulgärsprachliche  Theologie  in  Spanien  ist  ganz  überwiegend 
praktische  Theologie,  nicht  nur  im  15.  Jh.,  sondern  auch  in  der  Folgezeit, 
in  welcher  in  andern  Ländern  die  schwierigsten  dogmatischen  Fragen  vor  allem 
Volk  erörtert  werden.  Es  ist  nicht  mit  Unrecht  darauf  hingewiesen  worden 
(Rio s  VII,  215,  29),  dass  in  der  Zeit  Ferdinands  und  Isabellas  eine  gewisse 
Geringachtung  der  Vulgärsprache  sich  bemerklich  machte.  Es  sind  oben  zwei 
metaphysische  Traktate  des  Lope  de  Barrientos  an  Juan  II.  genannt.  Um 
dieselbe  Zeit  scheinen  des  Pedro  Martin  Sermones  en  romance  (1425, 
Rios  VI,  320)  theologische  Fragen  gelehrteren  Charakters  zu  behandeln. 
Ganz  besonders  bemerkenswert  ist  aber  die  Neigung,  sich  mit  schwierigen 
geistlichen  Problemen  zu  befassen,  in  den  Prcguntas  y  repuestas  des  Can- 
cionero  de  Baena  zur  Zeit  der  drei  Päpste  und  des  Basler  Konzils.  An 
eine  solche  Frage  des  B'ernan  Sanchez  de  Talavera  über  Prädestination 
und  freien  Willen  schliessen  sich  neben  acht  poetischen  Antworten  im  Can- 
cionero  selbst  ein  Prosa-Dialog  eines  maestro  Morante  de  la  Ventura.^ 
Die  religiöse  Dichtung  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  beschäftigt  sich 
mit  solchen  Problemen  nicht  mehr.  Man  war  in  Spanien  mit  der  Lösung, 
die  das  Schisma  gefunden  hat,  zufrieden,  und  nicht  beunruhigt  durch  das 
Scheitern  der  episkopalen  Reform.  Damit  schwächte  sich  auch  das  Interesse 
für  transcendente  Fragen.  In  jenen  Kreisen  aber,  welche  noch  durch  solche 
berührt  und  bewegt  wurden,  hatte  sich  die  Kenntnis  des  Latein  gehoben,  das 
den  Begrififapparat  fertig  lieferte,  welchen  man  in  der  Vulgärsprache  erst  hätte 
bilden  müssen.     Die  höhere  Schätzung    der  alten  Sprache    und  die  Bequem- 


*  Sa  Iva  4021 — 3. 

2  M  o  r  e  1  -  F  a  t  i  o ,  Mss.  Bsp.  81. 

^   Opusctdos  literarios  de  los  siglos  XIV  ä  XVI,  Madrid,  Soc.  Bihliof.    1H92;  Gomez 
-Manrique,   Cancionero  II,   230. 

*  Dos  traiados  de  A.  de  P.  p.  p.   Fabie,  Madrid    1876,  libros  de  Antano  V. 
^  Paz  y  Melia,  Saks  espauolas,  I. 

«  Morel-Fatio,   Catalogue  81 ;  Ca  11  9.  B.  296. 


Prosa:  Belehrende  Prosa.     Theologie.     Judenspanisch.  445: 

lichkeit  wirkten  in  derselben  Richtung,  einem  schwachen  Vulgarisationsbedürfnis 
entgegengesetzt.  Später  kamen  die  censorischen  Bedenken  gegen  die  Erregung 
von  Ärgernis  hinzu. 

Innerhalb  der  populären  kirchlichen  Litteratur  ist  das  Auftreten  alle- 
gorischer und  travestierender  Einkleidung  litterarisch  bemerkenswert  in  dem 
schon  genannten  Vegecio  Spiritual  des  Alonso  de  San  Cristöval  und  in 
der  Arboleda  de  los  ETifer7nos  der  Teresa  de  Cartagena^.  Es  ist  wie 
anderwärts  die  Religion,  welche  zuerst  die  in  Spanien  auch  in  den  höchsten 
Ständen  noch  völlig  ungeschulten  Frauen  zu  Worte  kommen  lässt.  Die  Mehr- 
zahl der  erhaltenen  Traktate  gehört  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  an, 
über  das  einzelne  bleibt  man  im  wesentlichen  auf  die  betreffenden  Abschnitte 
in  Rios2  V — VII,  bezw.  auf  die  Bibliotheca  Vetus  angewiesen.  Das  Wieder- 
aufleben auch  dieses  Zweiges  schriftstellerischer  Thätigkeit  nach  den  Bruder- 
kriegen bezeichnet  ein  libro  de  la  justicia  de  la  vida  Spiritual  zwischen  1380 
und  90  von  dem  Erzbischof  Pero  Gomez  Barroso  in  Sevilla  verfasst,  nicht 
von  dem  älteren  Pero  Gomez  de  Albornoz.  Auch  andere  hervorragende 
Prälaten  sind  vertreten  die  sich  sonst  der  lateinischen  Sprache  bedienen. 
Alfonso  de  Cartagena  mit  einem  an  Fernan  Perez  de  Guzman  ge- 
richteten Oracional  (1455,  gedr.  1487),  Alfonso  de  Madrigal  genannt  El 
Tostado,  mit  zwei  Handbüchlein.  In  manchen  Fällen  besteht  die  Vermutung 
der  Möglichkeit  der  Übersetzung  aus  dem  Lateinischen.  Sicher  von  einem 
Kastilier  des  15.  Jhs.  übertragen  ist  das  Libro  de  las  consolaciones  des  stets 
Latein  schreibenden  aragonesischen  Papstes  Luna  (Benedikt  XIII.),  mit  er- 
haltenem lateinischen  Original.  Proben  der  Kanzelberedsamkeit  (Rios  VI,  312, 
VII,  379,  348)  sind  nich  erhalten.  Über  das  Exempelbüchlein  des  Climente 
Sanchez,  der  auch  ein  vielbenütztes  Pfarrhandbuch  hinterliess  (Sevilla  1476 
u.-ö.)  s.  o.  S.  414.  Die  Legende  ist  schwach  vertreten,  das  Vorhandene  nur 
wenig  bekannt.  Drei  Sammlungen  der  Bibliotheca  nacional  hat  Sanchez  Moguel 
eingesehen,  der  allerdings  die  eine  derselben  (Hs.  s.  XV)  noch  dem  13.  bis 
14.  Jh.  zuschreibt  nach  dem  wenig  verlässlichen  Kriterium  der  Sprachformen. 
Milagros  de  Santiago  schrieb  Rodriguez  de  Almela^.  Die  Macariuslegende 
fand  sich  in  einer  Toledaner  Hs.,  ebendort  ein  Tundalus  und  eine  Übersetzung 
von  Berlan  e  Josaphu,^    die  eher  dieser  Zeit,  als  jener  Juan  Manuels  gehört. 

50.  Es  mögen  noch  zwei  litterarische  Besonderheiten  kurz  berührt  sein, 
welche  sich  mit  dieser  Periode  von  dem  kastilischen  Hauptstamme  abzweigen, 
die  judenspanische  und  die  Aljamia-Litteratur.  Unter  der  ersteren  sind  nicht 
ein  zubegreifen  die  Schriften  und  Dichtungen  vertriebener  Israeliten,  die  be- 
sonders in  Amsterdam  jeweilig  die  modernsten  Sprachmethoden  und  Dichtungs- 
formen der  alten  Heimat  mitzumachen  suchten. °  Die  Bezeichnung  beschränkt 
sich  auf  die  Gruppe  der  Sephardim,  welche  in  den  Mittelmeerstädten  des 
Orients  und  auf  der  Balkanhalbinsel  bis  heute,  anfangs  auch  in  Venedig,  in 
Wort  und  Schrift  einen  seltsam  gemischten,  aber  ganz  wesentlich  kastilischen 
Jargon  bewahrt  hat.  Sie  hat  eine  Anzahl  von  Druckschriften  aufzuweisen, 
ist  aber  ästhetisch  vollkommen  steril  geblieben,  abgesehen  von  folkloristischen 


1  M  a  r  t  i  n  e  z  A  ii  i  l>  a  r  r  o  ,  Diccionario. 

^  Gayangos  Escritores  en  prosa  ant.  al  siglo  XV,  S.  56 1 ;  Bibl.  vet.  11^  211.  Über- 
haupt wird  in  den  betreffenden  Abschnitten  bei  Rios  besonders  viel  zu  berichtigen  sein, 
so  rührt  z.  B.  das  Libro  de  las  confessiones,  dessen  Escorialhandschrift  Vll,  354  ins  15.  Jh. 
gesetzt  hat,  von  Alfonso  de  Horozco  her,  der  1500 — Ql   lebte. 

*  Rios  V,  272;  VI,  312;  VIT,  309.  Sanchez  Mognel  Memoria  acerca  de  El 
Magico  Prodigioso,  Madrid   1881,   S.  62-65. 

*  Ronoan.  Foisch.  VII.  33 1;  Roman.  X,  300. 

5  Kayserling,  Bibliotheca  espanola-portuguesa-judaica,  Strassburg  1890.  Wenig  voll- 
ständig. 


446    LiTTERATÜRGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER,    5.    SPAN.    LiTT. 

Kleinigkeiten  und  ihrem  wohl  ältesten  Vorkommen,  in  der  Bearbeitung  eines 
hebräischen  Schachgedichts  im  Maass  der  Cuaderna  via,  das  Rios  IV,  470 
jedenfalls  zu  früh  noch  um  1350  stellt.  Viel  bedeutender  ist,  was  die  hispa- 
nisierten  Mauren  hinterlassen  haben. ^  Diese  vergassen  auch  in  Andalusien  im 
Laufe  des  16.  Jhs.  ihre  Muttersprache.  Ihre  litterarische  Produktion  aber  hat 
ihre  hauptsächliche  Heimat  vom  15.  Jh.  bis  zur  Vertreibung  in  Aragon,  zeigt 
daher  dialektische  Formen  mit  eingemischten  Arabismen.  Es  werden  über 
100  Handschriften  verzeichnet,  ein  und  die  andere  darunter  ist  noch  in 
neuster  Zeit  in  Schlupfwinkeln  gefunden  worden,  in  welchen  die  Besitzer  sie 
vor  den  Augen  der  Inquisition  verborgen  hatten.  Den  Inhalt  bilden  Trümmer 
der  eigenen  religiösen  Kultur  mit  schwacher  kastilischer  Beeinflussung.  Unter 
den  Gedichten  zeigt  das  Poema  de  Jose  ^  noch  die  alte  Form  der  cuaderna 
via  in  sehr  unbeholfener  Anwendung,  während  1603  Muhamet  Rabadan  ^  die 
<jeschichte  von  der  Schöpfung  bis  auf  Mohamet  in  glatten  Romanzenversen 
behandelt.  Manches  interessante  bieten  die  zahlreichen  wundersamen  Prosa- 
Erzählungen,'*  zumeist  freilich  Übersetzungen  aus  dem  Arabischen  von  Josef 
und  Alexander,  Jesus  und  Salomon,  Mohamet  und  seinen  Gefährten.  Eine 
•märchenhafte  Geschichte  spielt  in  Cordova;  Beziehungen  zu  den  moresken 
Romanzen  und  Novellen  der  Spanier  fehlen  indessen.  Eine  Angabe,  welche 
die  in  der  Mitte  des  16.  Jhs.  von  Antonio  de  Villegas  und  Montemayor  er- 
zählte Geschichte  des  verliebten  Abindarraez  aus  einer  Aljamiahandschrift 
stammen  lässt,  scheint  unverlässlich. 

Wohl  das  originellste  Erzeugnis  der  Zeit  ist  1438  des  Erzpriesters  von 
Talavera,  Alfonso  Martinez  de  Toledo,  (geb.  1398,  Kaplan  Juan's  II.,) 
Buch :  De  los  vicios  de  las  malas  mujercs ,  auch  El  Corhacho  ''*  genannt  nach 
der  Schrift  Bocaccio's,  die  der  Autor  kennt  und  nennt.  Näher  als  dem 
Italiener  steht  er  dem  Archipreste  de  Hita,  den  er  ebenfalls  zitiert  und 
•welchem  er  die  Figur  der  Trotaconventos  entlehnt.  Niemals  im  ganzen  Mittel- 
alter ist  dieses  Thema  lebhafter  und  ergötzlicher  behandelt.  Schilderungen 
wie  die  des  Jammers  um  ein  Ei  zu  Anfang  des  2.  Buches  sind  von  unüber- 
troffener Schärfe  der  Beobachtung.  Bei  allem  Zorn  des  Alfonso  de  Martinez 
zeigt  er  übrigens  am  Schlüsse  auch  das  Doppelgesicht  des  mittelalterlichen 
Menschen  gegen  die  Frau  in  einem  Epilog,  der  den  Gesinnungen  des  Juan 
Ruiz  entspricht.  Er  bildet  das  Verbindungsglied  zwischen  jenem  und  der 
•Celestina^  deren  erster  Akt  bis  auf  Henrique  IV.  zurückgehen  kann,  die  aber 
mit  ihrem  ganzen  Gefolge  bei  der  nächsten  Periode  zu  besprechen  ist. 


III.    DIE  HOCHBLÜTE  IM  XVI.  UND  XVII.  JAHRHUNDERT. 

|.|;w^Jan  pflegt  sich  den  Spanier  der  vergangenen  Zeit  von  vornherein  als 
fanatisch  zu  denken,  spricht  von  der  Einmischung  arabischen  Blutes, 
der  Fortdauer  mittelalterlich  -  orientalischer  Tradition.  In  der  That  erscheint 
im    15.  Jh.  schon    der   Kastilianer    dem    Ausländer   formell    und   stolz.     Der 


'  Discursos  leidos  ante  la  Real  Acad.  Esp.  en  la  Recepcion  de  D.  Ediiardo  Saavedra, 
Madrid   1878.     Ahhnndlung  und  Bibliographie. 

^  Gayangos,  Poetas  ant.  al  s.  XV,  S.  413;  Morf  in  Gratulationsschrift  an  die  Uni- 
versität Zürich   1883. 

^  Herausg.  von  Lord  Stanley  in  Asiatic  Journal   1867—72, 

*  Leyendas  Moriscas  p.  p.  F.  E.  Kohles,  3  Bde,,  Madrid  1886;  I^eyendas  de  Jose 
y  de  Alejandro  Magno  von  dems. ;    Sarragossa   1888  in  Bibl.  de  escr  arag.  secc.  lit.  Bd,  5. 

*  Gedruckt  Sevilla  14Q8  (1495  bei  Panzer  ist  Fehler).  Über  6  weitere  Ausgaben 
s.  Sa  Iva  1893  und  bei  Escudero-,  über  die  Escorialhs.   Ihb.  f.  r.  u.  e.  L.  IV,  60.  X,  89 


Martinez  de  Toledo.  —  Hochblüte  im  i6.  u.   17.  Jh.  447 

Geist  der  Litteratur  aber  zeigt  tiefgehende  Verschiedenheiten  zwischen  den 
Zeiten  der  Trastamara  und  der  Habsburger.  Das  alte  Spanien  unterscheidet 
sich  in  seiner  Religiosität  nicht  auffällig  von  dem  übrigen  Europa ;  nur  dass 
der  Einfluss  der  kirchlichen  Organisationen ,  insbesondere  der  des  Prediger- 
ordens der  Dominikaner  noch  weniger  verbraucht  ist,  dass  der  grosse  Streit  um 
die  Kirchenreform  viel  kleinere  Schichten  bewegt  hat  als  anderwärts  und  als 
man  gerade  bei  starken  religiösen  Neigungen  erwarten  sollte.  Die  Klagen 
aber  über  den  Verfall  der  Zucht  in  der  Kirche  sind  so  laut  und  berechtigt 
wie  irgendwo.  Die  scherzhafte  Behandlung  religiöser  Dinge  steigert  sich  nicht 
nur  zur  Posse,  sondern  oft  genug  zu  recht  gründlicher  Frivolität.  Entscheidend 
für  die  Gestaltung  der  Dinge  und  des  Denkens  wurde  die  kraftvolle  Regierung 
Isabellas ,  welcher  es  gelungen  ist ,  die  kriegerischen  Kräfte  des  Landes  zu 
disziplinieren,  wie  sie  auch  in  einer  durchgreifenden  Ordensreform  die  Kirche 
zugleich  stärkte  und  der  Macht  des  Staates  unterordnete.  In  den  erstaunlichen 
Erfolgen  ihrer  Zeit,  der  Eroberung  von  Granada  und  der  Eröffnung  einer 
neuen  Welt,  erschien  die  Fahne  Kastiliens  zugleich  als  jene  Gottes.  Es  war 
wie  ein  Neuaufleben  der  Kreuzzüge ,  wobei  aber  über  dem  Kreuz  noch  die 
Krone  strahlte  ,  so  dass  unter  einer  Fremdherrschaft ,  wie  diejenige  Karls  V. 
CS  war,  der  alte  Geist  des  Aufruhrs  es  nur  mehr  zu  einem  ziellosen  Wider- 
stand brachte,  um  dann  für  immer  zu  erlöschen.  Königlich  -  soldatisch  ist 
denn  auch  die  Frömmigkeit  des  Spaniers,  sein  Verhältnis  zur  Kirche.  Selten 
hat  sich  die  innere  und  äussere  Politik  eines  Herrschers  so  vollkommen  in 
Übereinstimmung  mit  den  Anschauungen  der  Nation  br^funden  wie  jene 
Philipps  IL  und  auch  in  den  schlimmsten  Tagen  des  17.  Jhs.  bleibt  für  den 
Spanier  sein  König  der  erste  Herrscher  und  der  katholischste  auch  gegen  den 
Papst,  an  dessen  Herrlichkeit  jeder  einzelne  »alte  Christ«  des  Landes  seinen 
Anteil  hat. 

Auf  jenem  Boden  konnten  weder  kirchentrennende  Bestrebungen,  noch 
humanistischer  Paganismus  Samen  gewinnen.  Die  geistige  Ablösung  der 
Renaissance  vom  Mittelalter  hat  hier  nicht  stattgefunden.  Spanien  nahm  einen 
Teil  der  neuen  Anregungen  in  seine  geistige  Bewegung  auf  ohne  die  ältere 
Tradition  preiszugeben.  Die  lebhaften  Beziehungen  zu  der  italienischen  Ge- 
lehrsamkeit, die  sich  im  15.  Jh.  aufweisen  lassen,  setzen  sich  im  16.  fort. 
Eine  Reihe  von  kenntnisreichen  Männern  wirken  an  der  Universität  Salamanca 
und  der  neugegründeten  von  Alcala.  Diejenigen  Spanier  aber,  welche  zu 
jener  Zeit  stürmischster  Geistesbewegung  eigene  Wege  suchten,  wie  Vives, 
Valdes  oder  gar  Servet  lebten  im  Ausland  und  dachten  ausländisch. 

In  der  Gelehrtenrepublik  hat  Spanien  immer  nur  eine  untergeordnete 
Stellung  eingenommen  und  dafür  geht  von  ihm  die  Neubelebung  und  Neu- 
organisierung der  alten  Kirche  im  16.  Jh.  aus,  von  dem  Soldaten  Ignatius 
von  Loyola  die  Disziplinierung  der  Mystik,  von  Melchior  Cano  (gest.  1560) 
■die  Neubelebung  der  scholastischen  Methode. 

Die  Dichtkunst  lässt  unter  Karl  V.  noch  wenig  von  jener  Richtung  er- 
kennen, die  sich  in  jenen  grossen  Söhnen  der  Kirche  verkörpert,  trägt  noch 
überwiegend  heiteren  Charakter.  Die  Nachfolger  des  Archipreste  de  Fita 
dürfen  sich  einer  gelegentlich  frivolen  Leichtlebigkeit  und  auch  kleiner  Ketze- 
reien unbehelligt  erfreuen.  Die  Aufnahme  der  italienischen  Formen  berührt 
den  Inhalt  nur  wenig.  Die  Entwicklung  der  realistischen  Erzählung  vollzieht 
sich  langsam  auf  Grund  einer  angeborenen ,  scharfen  Beobachtungsgabe  und 
ohne  merklichen  Zusammenhang  mit  den  politischen  Verhältnissen,  ihr  Meister 
Cervantes  ist  unter  Philipp  II.  aufgewachsen.  Die  Ideale  der  Bevölkerung 
fanden  ihren  Ausdruck  zunächst  in  der  Romanze,  von  dort  übernahm  sie  das 
Drama,  dem  Lope  de  Vega  unter  Philipp  IL  die  feste  und  bleibende  Form 


44^       LlTTERATURGESCHlCHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.  SPAN.  LiTT. 

schuf.  Aus  der  vollkommenen  Übereinstimmung  der  religiösen  und  politischen» 
Ideale  erwächst  die  künstlerische  Einheit.  Glänzend  und  einseitig,  eine  echt 
nationale  Bühne,  die  fast  unveränderlich  auf  gleicher  Höhe  bleibt,  bis  der 
politischen  Agonie  die  künstlerische  folgt,  eine  Totenstarre,  wie  sie  kein  anderes 
Land  erlebt  hat.  Die  Ursachen  des  Zusammenbruchs  der  spanischen  Macht 
und  Kultur  hört  man  oft  auf  die  hiefür  völlig  bedeutungslose,  von  den  andern 
geschlossenen  Staaten  schon  früher  vollzogene  Ausweisung  der  Juden  zurück- 
führen,  welche  ein  Jahrhundert  vor  Lope  und  Calderon  erfolgte;  sowie 
auf  die  Ausstossung  des  feindlichen  arabischen  Fremdkörpers,  obwohl  für  diesen 
Volksverlust  bei  gesunden  Verhältnissen  voller  Ersatz  sich  leicht  gefunden 
hätte.  Eine  Reihe  verschiedenartigster ,  verfehlter  Massregeln  haben  auf  die 
Entwicklung  miteingewirkt.  Ihre  letzte  Ursache  aber  liegt  darin ,  dass  das 
Land  in  seiner  politischen  Stellung  sich  eine  Last  aufgeladen  hatte ,  der  es 
nicht  gewachsen  war.  Es  vermochte  das  Menschenmaterial  nicht  zu  ersetzen,, 
welches  durch  einen  unaufhörlichen  Kriegszustand  in  Europa,  durch  die  Aus- 
wanderung nach  den  stets  schutzbedürftigen  Kolonien  verschlungen  wurde,, 
und  hat  sich  langsam  verblutet.  Für  die  im  Innern  hervortretenden  Schäden 
zu  sorgen ,  blieb  keine  Zeit  bei  der  beständigen  Anspannung  aller  Kräfte- 
nach aussen. 

Während  in  der  vorausgehenden  Periode  dem  Altertum  und  Italien  gegen- 
über die  Lernbegierde  noch  wesentlich  in  mittelalterlicher  Weise  am  Stoff 
haftet,  wendet  sie  sich  im  i6.  Jh.  der  Form  zu;  zugleich  wirkt  sie  im  höheren 
Sinne  produktiv.  Denn  wenn  auch  die  tieferen  geistigen  Strömungen  der 
Renaissancezeit  nur  schwach  herüberdrangen,  führte  die  Anregung  von  Aussen 
zu  kraftvoller  Entfaltung  der  Eigenart.  Von  einer  scharfen  zeitlichen  Ab- 
grenzung muss  abgesehen  werden.  In  der  Celestina  allerdings  tritt  uns  schon  auf 
der  Scheide  des  Jahrhunderts  eine  weittragende  geistige  That  entgegen  ;  das 
Theater  Encinas  weist  auf  die  Zukunft,  ist  aber  noch  eng  mit  der  höfischen 
Lyrik  verbunden ;  bei  dem  Ritterroman  zeigt  sich  ein  Unterschied  gegen  das 

14.  Jh.  nur  in  der  Massenproduktion ;  die  Lyrik  endlich  bleibt  noch  bis  1526 
in  den  alten  Geleisen.  In  der  Mitte  des  Jahrhunderts  1550 — 60  gestaltet, 
sich  die  Prosaerzählung  neu  im  Lazarillo ,  der  Novelle  von  Abindarraez  und 
Jarifa ,  dem  Schäferroman ;  zugleich  tritt  das  Kunstepos  auf.  Inmitten  des 
höchsten  Erblühens  des  Dramas  und  Romans,  ungefähr  1585  — 1620,  machen 
sich  in  Gongorismus  und  Conceptismus  die  ersten  Zeichen  des  Epigonentums 
geltend;  Schäferroman  und  Kunstepos  überleben  den  Abschnitt  nicht,  und  das 
Verschwinden  des  letzteren,  mochte  es  immer  minderwertig  geblieben  sein,  ist 
doch  ein  Symptom  schwindender  Kraft.  Die  grossen  Begabungen  ,  welche 
noch  auf  Lope  und  Cervantes  folgen  ,  Calderon  und  Quevedo ,  bringen  den 
Hispanismus  zum  schärfsten ,  aber  auch  einseitigsten  Ausdruck.  Nach  dem 
Eintritt  Calderons  in  den  Priesterstand  (1651)  erhebt  sich  Nichts  mehr  zu 
selbständiger  Bedeutung,  allmählich  erlischt  auch  die  manirierte  Nachahmung 
in  absoluter  Unfruchtbarkeit,  die  fast  ein  Jahrhundert  andauert.  —  Die  Zugäng- 
lichkeit brauchbarer  Handbücher  (Ticknor,  Barrera,  Schack,  Schäfer)  erlaubt 
eine  ungleich  compendiösere  Darstellung  als  in  den  älteren  Zeiten. 

A.     DIE  POESIE  AUSSERHALB  DES  DRAMAS. 
I.      DIE    LYRIKER. 

52.    Die  Nachahmung  des  italienischen  Sonetts  durch  Santillana  war  im 

15.  Jh.  trotz  aller  Abhängigkeit  von  der  italienischen  Kultur  völlig  vereinzelt 
geblieben  und  nahezu  vergessen  worden ;  den  Theoretikern  Argote  de  Molina^ 


Poesie:  Lyeik.    Nachahmer  der  ital.  Lyrik.  449 

Herrera,  Cueva  ist  sie  um  1580  zwar  bekannt  geworden,  aber  Castillejo  (s.  u.)  weiss 
nichts  von  ihr.  Man  dachte  überhaupt  nicht  an  die  Möglichkeit  die  fremden 
Verse  zu  bilden ;  wie  seiner  Zeit  Carvajal  dichtete  Torres  Naharro  in  italienischer 
und  spanischer  Sprache  mit  vollkommen  verschiedener  Metrik.  So  ist  denn  auch, 
nicht  durch  die  Kenntnis  des  eigenen  katalanischen  Hendecasilabo,  sondern  durch 
einen  Ausländer,  den  venetianischen  Gesandten  Navagiero,  ein  Halbausländer, 
der  Katalane  Boscan  Almogaver^  im  Jahre  1526  zu  der  Neuerung  veranlasst 
worden.  Boscans  Talente  sind  bescheiden,  und  trotz  der  Anerkennung,  die 
der  Prosa  seiner  kastilischen  Übersetzung  von  Castigliones  Cortigiano  gezollt 
wird,  bleibt  bei  ihm  die  Anwendung  der  Sprache  im  Metrum  unbeholfen. 
Der  eigentliche  Meister  der  neuen  Schule  ward  der  Kastilianer  Garci  Laso 
de  la  Vega,i  der  sich  Boscan  mit  überlegenem  Talent  alsbald  anschloss. 
Dem  Inhalt  nach  ist  die  nunmehr  vorbildliche  Erotik  Petrarcas  von  jener  der 
spanischen  Hofdichtung  nicht  all  zu  verschieden;  dort  wie  hier  liegt  eine 
Fortsetzung  der  Troubadourdichtung  vor;  zur  Verinnerlichung  konnte  auch 
Horaz,2  dessen  Einfluss  sich  neben  jenen  Petrarcas  stellt,  nicht  gerade  ver- 
anlassen, und  während  alles  Italienische  in  Spanien  sofort  beachtet,  entlehnt 
und  umgedichtet  wird,  bleibt,  was  dort  Mächtiges  und  Individuelles  zu  finden 
war,  wie  Michel  Angelo  und  die  Gaspara  Stampa,  unbekannt,  weil  un- 
verstanden. Was  man  neu  erwarb  war  Klarheit  des  Gedankens,  sorgfältige 
Disposition,  freie  Wahl  des  Worts,  und  ein  genaues  Ohr  für  die  Sprachmusik; 
mit  einem  Wort  die  Form  im  höheren  Sinn,  die  mit  der  Metrik  begriffen  wurde. 
Äusserlich  besteht  der  Zuwachs  im  Hendecasilabo,  dem  verso  suelto  (zuerst 
in  Boscans  Leandro)  der  indes  nicht  recht  Wurzel  geschlagen  hat,  der  Terzine 
und  Ottava  rima,  den  Formen  der  Canzone,  welchen  Garcilaso  die  der  -»lira« 
hinzufügte,  der  Ekloge,  Elegie,  Epistel  und  Satyre.  Bei  dem  Vorwurf  der 
Abhängigkeit,  der  geringen  Originalität,  darf  nicht  übersehen  werden,  dass, 
innerhalb  der  allgemeinen  energischen  Nachahmung  der  Italiener,  die  Spanier 
die  einzigen  geniesbaren  sind.  Die  einheimischen  Versmasse,  mit  Ausnahme 
der  Arte  mayor,  blieben  dabei  besonders  für  die  leichten  Dichtungsgattungen 
durchaus  üblich,  und  es  hat  sich  wohl  jeder  Angehörige  der  neuen  Schule 
auch  in  ihnen  versucht.  Vom  einem  Kampf  der  Alten  gegen  die  Jungen 
kann  eigentlich  nicht  gesprochen  werden.  Cristöval  de  Castillejo  3  pro- 
testiert zwar  gegen  die  Geringschätzung  der  älteren  und  vermeidet  die  neuen 
Formen,  aber  er  lebte  seit  1518  im  Ausland,  und  wenn  Galvez  de  Montalvo 
um  1582  in  seinem  Hirtenroman  Filida  einmal  Vorliebe  für  die  Altspanier 
bekundet,  so  ist  das  nur  antiquarische  Spielerei.  Nur  ein  Zeitgenosse  Castillejos 
in  Spanien,  von  dem    wir  eine    grössere  Anzahl  Verse    besitzen,   bleibt  noch 


1  ca.  1493 — 1542.  1.  Ausg.  1543;  v-  Knapp,  Madr.  l875;  der  Cortegiano  1533, 
zul.  Madr.  1873.  Garcilasos  Gedichte  erschienen  von  1543  regelmässig  mit  denen  Boscans 
verbunden,  kommentiert  von  Sanchez  de  Brozas  (El  Brocense)  1574.  von  Herrera 
1580,  von  Tamayo  de  Vergas  1622;  Vida  von  Navarrete,  Document.  incd.  Bd.  16, 
vgl.  Ticknor,  Suppl.  59;  beide  Dichter  in  der  Sammlung  der  Foetas  liricos  de  los  siglos 
XVI y  XVII.  orden.  por  Adolfo  de  Castro,  Bd.  32  u.  42  der  Bibl.  de  aut.  esp.,  einer 
wichtigen,  aber  in  jeder  Hinsicht  mangelhaften  Auswahl.  Noch  heute  nicht  ganz  zu  entbehren 
sind  die  Coleccion  de poetas  espanoles,  piMicada  por  Ram.  Fernandez  (Estala)  20  Bde.  Madr. 
1789  — 1820  u.  bes.  Lopez  de  Sedano,  Parnaso  e%panol ,  9  Bde..  Madr.  1768 — 78.  Für 
die  klassische  Frühzeit  s.  auch  den  Canciotiero  general de  iSS4  hei  Morel-Fatio,  L'Espagne 
au  16^  et  au  //'?  siede,  Heilbr.   1878. 

^  S.  Menendez  y  Pelayo,  Horacio  en  Espana,  2  Bde.  Madr.  1895.  Vgl.  zu  dem 
Abschnitt  auch  desselben  Historia  de  las  Ideas  esteticas  en  Espana,  Bd.  2,  Madr.   1884. 

'  ca.  1491 — 1556,  nur  in  der  Satyre  bemerkenswert.  Obras  Madrid  1573  und  in  der 
Bibl.  aut.  esp-  32. 

Gröber,  Grnndriss.   IIb.  29 


45°  LlTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMAN.    VÖLKER.    —    5.    SpAN.    LiTT. 

ganz  in  der  alten  Manier,  mit  Einschluss  der  Arte  mayor,  Sebastian  de 
Horozco'  von  Toledo. 

Garcilaso  bleibt,  so  sorgsam  er  sich  an  seine  Vorbilder  anlehnt,  natürlich, 
flüssig  und  anmutig,  zumal  in  seinen  drei  klassischen  Eklogen.  Diego  Hurtado 
de  Mendoza,2  der  Urenkel  Santillanas,  der  dritte  hauptsächliche  Vertreter 
der  neuen  Richtung  und  Freund  Boscans,  zeigt  seine  besondere  Begabung  in 
der  auch  nach  ihm  vielfach  mit  Glück  gepflegten  Epistel.  Die  weitere  Aus- 
bildung und  letzte  Feilung  der  Verskunst  besorgten  dann  Fernando  de 
Acuna,3  Gutierre  de  Cetina,^  von  dem  man  früher  nur  einige  zarte  Verse 
kannte,  während  seine  kürzlich  vervollständigten  Werke  einigermassen  enttäuscht 
haben,  und  der  geborene  Portugiese  Gregorio  Silvestre.'^  Bei  Antonio 
de  Villegas  (1565)  zeigt  sich,   dass  sie  noch  nicht  allen  leicht  wurde. 

53.  Die  Nachfolger  Garcilasos  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.  werden 
vielfach  und  mit  einer  gewissen  Berechtigung  in  zwei  Gruppen  geschieden: 
Die  der  Sevillaner  und  die  von  Salamanca.  Eine  eigentliche  Schule^  bilden 
allerdings  nur  die  Sevillaner.  Aber  es  ist  bequem  und  auch  sachlich  berech- 
tigt, wenn  man  die  liLterarischen  Kreise  so,  wie  sie  gelebt  und  verkehrt  haben, 
zusammenfasst,  auch  wenn  der  einzelne  Zirkel  keine  besondern  charakteristischen 
Züge  aufweist.  Man  kann  neben  jenen  Gruppen  noch  die  von  Granada- 
Antequera,  von   Valencia  und  die  Aragonesen  unterscheiden. 

Dem  pedantischen  Latinismus  Juan  de  Mena's  gegenüber,  den  das 
Fremdwort  an  sich  erfreut,  sucht  Garcilaso  bei  seinen  direkten  oder  italienisch 
vermittelten  Anleihen  den  Wohlklang  und  vermeidet  in  der  Regel  das  gar  zu 
Auffällige.  Der  Meister  der  Sevillaner,  Fernando  de  Herrera,''^  sucht  da- 
gegen den  Prunk  in  den  zahlreichen  fremden,  wie  den  Worten  der  eigenen 
Sprache  und  der  ganzen  Diktion.  Die  strenge  Klarheit  des  Gedankens,  die 
entschieden  festgehalten  wird,  kleidet  sich  in  eine  schwungvolle  Rhetorik,  der 
Purismus  verbindet  sich  mit  der  Fülle  und  Überfülle.  Seine  Erotik  wird  in 
dieser  Hülle  um  so  kälter,  da  in  ihr,  neben  Petrarca,  Auzias  March  Vorbild 
ist  (II,  2,  69),  ihr  Inhalt  noch  schattenhafter  und  abstrakter  wird.  In  eine 
glänzende  Verbindung  dagegen  tritt  der  biblische  Schwung  der  Rede  mit  wirk- 
licher Begeisterung  in  seinen  Hymnen  auf  den  Sieg  von  Lepanto  und  den 
Untergang  des  portugiesischen  Königs  Sebastian.  Sein  Commentar  zu  Garcilaso 
ist  zugleich  eine  Art  persönlichen  und  künstlerischen  Manifests.  —  Als  Erben 
und  Rivalen  Herrera's  betrachtete  man  früher  Francisco  de  Rioja,^  wesentlich 
auf   Grund   zweier    ihm    falschlich    zugeschriebener    Gedichte   hin:    Rodrigo 


'  Vater  des  Seb.  de  Horozco  y  Covarrubias,  Verfassers  des  berühmten  Tesoro  de  la 
lengua  castellana.  Cancionero  de  S.  d.  H.,  Sevilla  1874.  Die  Erinnerung  H.'s  geht  bis  1530 
zuri'ick,  der  letzte  Datum  bei  ilim  ist   1577. 

^  Feldherr,  Staatsmann  und  Geschichtsschreiber,  1503 — 75.  Ausg.  von  Knapp, 
Madr.   1877-     Vgl.  Rom.  XXIII,  228. 

'  ca.   1500 — 1580.      Varias  Poesias  Madr.   1591   u.   I803. 

*  ca.  1520 — 60.  Obras  ed.  Hazanas,  2  Bde.,  Sevilla  1895.  Vgl.  Salvi  Lopez, 
Uti  Petrarchista  spagtiuolo,  Trani  1896. 

^  1520 — 70.  S.  b.  Garcia  Peres,  Catälogo  de  los  autores  portug.  que  escribieron  en 
Castellano,  Madr.   1890,  u.   Col.  de  doc.  ined.  Bd     16. 

*  Lasso  de  la  Vega,  Historia  de  la  la  Escuela  pokica  Sevillana,  Madrid  l87^.  eine 
wenig  gründliche  Arbeit.  Gleichzeitige  Quelle  ersten  Ranges  ist  des  Malers  und  Dichters 
Pacheco  Libro  de  retratos,  hrsg.  v.  Asensio,  Sevilla  1886,  Porträts  und  kurze  Biographien. 

'*  1534 — 1597.  Von  ihm  selbst  hrsg.  Algunas  Ohras,  Sevilla  lö82;  vermehrt  die  Versos 
vom  Maler  Pacheco  1619;  danach  bei  Castro.  Dazu  F.  d.  Herrera,  Controversia  sobre 
sus  anotaciones  a  las  obras  de  Garcilaso  de  la  Vega.  Poesias  ineditas,  Sevilla  1870  Vgl. 
Morel-Fatio,  L'hymne  stir  Lepante,  Paris   1893. 

*  Geb.  Sevilla  ca.  I080 — 90,  gest.  1659.  Poesias  hrsg.  v.  Barrera  für  die  Bibliöfilos, 
Madrid  1867;  Adiciones  ä  las  poesias,  Sevilla  1872.  Vgl.  Castro,  La  epistola  moral  a  Fabio, 
Cadiz   1875;  R.  Caro   Obras  ineditas,  Sevilla   1885. 


Poesie:  Lyrik.    Schule  von  Sevilla  und  Salamanca.  451 

Caro's  Ode  auf  die  Ruinen  Italica's  und  ein  poetisches  Sendschreiben  des 
Fernandez  de  Andrada  (beide  als  Dichter  sonst  wenig  bekannt).  Es  bleiben 
ihm  eine  Anzahl  von  Sonetten  und  Silvas,  in  welchen  sich  elegische  Em- 
pfindungen formvollendet  aussprechen ,  allerdings  Herrera  nahe  verwandt. 
Hervorragende  Glieder  des  Kreises  Herreras  waren  ferner:  der  geistvolle  und 
heitere  Epigrammatiker  Baltasar  de  Alcäzar;!  Juan  de  Arguijo;^  die 
Maler  Cdspedes  und  Pacheco,^  beide  Verfasser  von  Lehrgedichten  über  die 
Malerei;  Jäuregui,"*  der  Übersetzer  der  Aminta ^  dem  besonders  eine  Silva 
auf  die  badende  Geliebte  geglückt  ist;  auch  Juan  de  Salinas.^  Ziemlich 
unbedeutend  ist  die  Lyrik  des  vielseitig  fruchtbaren  Juan  de  la  Cueva.^ 
Francisco  de  Medrano'^  steht  in  seiner  intimen  Nachempfindung  und  Nach- 
dichtung des  Horaz  viel  näher  zu  Luis  de  Leon  als  zu  Herrera. 

Wo  man  von  einer  Schule  von  Salamanca  spricht,  pflegt  als  ihr  Haupt 
Fray  Luis  Ponce  de  Leon^  bezeichnet  zu  werden,  der  in  seinen  Über- 
tragungen aus  Virgil  und  Horaz  und  wenigen  eigenen  weltlichen  Gedichten  An- 
mut und  Natürlichkeit  der  Sprache  verbindet,  in  seinen  religiösen  Liedern  eine 
Tiefe  der  Empfindung  zeigt,  wie  sie  die  weltliche  Lyrik  in  Spanien  über- 
haupt nicht  aufzuweisen  hat.  Auf  gleicher  dichterischer  Höhe  steht  nur  noch 
der  tiefbewegte  San  Juan  de  la  Cruz.^  Zunächst  unter  diesen  grössten 
der  spanischen  Mystiker  stehen  die  wenigen  Gedichte  in  der  Conversion  de 
Magdalena  des  Malon  de  Chaide.^"  Auch  ausserhalb  des  Kreises  der  Mystik 
im  engeren  Sinne  aber  erfreut  die  spanische  religiöse  Dichtung  *1  dauernd 
durch  Wahrheit  und  Wärme  und  volkstümliche  Tonart,  so  vor  allem  Valdi- 
vielso's^^  Roniancero  espiritual  und  Lope  de  Vega's  Rimas  sagras.  Ihr 
Verfall  beginnt  mit  dem  Eindringen  des  Conceptismus,  des  Spieles  mit  senti- 
mentalen Klügeleien,  welche  mit  Beginn  des  17.  Jhs.  vor  allem  Alonso  de 
Ledesma,'^  ein  Dichter  von  wirklicher  Begabung,  in  Schwang  brachte. 

Unmittelbar  neben  den  weltlichen  Dichter  Luis  de  Leon  stellen  sich 
die  zarten  Verse  des  Bachiller  Francisco  de  la  Torre,  die  erst  spät  von 
Quevedo  veröffentlicht  ^^  und  längere  Zeit  diesem  zugeschrieben  worden  sind. 
Ausserlich  auch  Francisco  de  Figueroa^^  in  wohl  gefeilten  Sonetten  und 
Elegien.  Den  klassischen  Traditionen  treu  bleibt  dem  eindringenden  Gongorismus 


'    1540 — 1606;  Poesias,  Sevilla  1878. 

^  Gest.  vor  1627;  hrsg.  Sevilla  1841  v.  Coloni,  mit  Noten  von  dem  Zeitgenossen 
Fr.  de  Medina,  die  in  dem  sonst  anscheinend  besseren  Abdruck  Castro's  fehlen. 

ä  1538 — 1603  und  1571  — 1654,  von  beiden  nur  wenig  erh ilten,  s.  b.  Castro,  Bd.  I. 

*  1570  — 164O;  vgl.  Gallardo  2581. 

5   156Ö — 1643;  Poesias,  Sevilla    1869,  2  Bde. 

^  ca.  1550 — 1607.  Poemas  ineditos,  Lund  1887,  hrsg.  v.  Wulff.  Vgl.  Menendez, 
Horacio,  II,  49. 

■^  Von  dunklem  Leben.     Die   l6l7    in  Palermo    gedruckten    Gedichte  s.  b.  Castro. 

*  Geb.  1527  in  Belmonte  de  Cuenca,  s.  Gallardo  2676,  gest.  1591.  Die  einzige 
brauchbare  Ausgabe  seiner  Werke  ist  die  von  Merino,  6  Bde.,  Madrid  1804:  in  Bd.  37 
Act  Bibl.  aut.  ^j/.  nicht  benutzt.  Vgl.  Keusch,  Luis  de  Leon  und  die  spanische  Inquisition, 
Bonn,   1873;  Menendez,  De  la  poesia  niistica  in  Estudios  de  Critica  literarm  I,    1. 

9  1542 — 1591 ;  Ausgabe  der  Werke  Bibl.  Aut.  Esp.  27,  der  Gedichte  von  Storck, 
Münster  1854. 

'0  Bibl.  Aut.  Esp.  Bd.  27. 

"  S.  besonders  Bibl.  Aut.  Esp.  Bd.  35,  Komancero  y  Cancionero  sagrados. 

'2  Roinancero  espirittial,  Madrid    1880;  vgl.   Barrera,   Catcdogo  del  Teatro,  S.   412. 

^*  Ein  wenig  älter  als  Ledesma  ist  Lucas  Rodriguez,  Conceptos  de  divina  poesia., 
Alcala   1599.     Vgl.  über  die  geistlichen  Conceptisten  Salvä   197,  713  —  21. 

^*  Madrid  1631.  Die  falsche  Zuteilung  in  einem  Neuabdruck,  Madrid  1753.  von 
Velazquez.  Vgl.  Aureliano  F  ernandez-Guerra,  Discurso  Acad.  Esp.  1 857  und  Obras 
de  Quevedo  II,  489. 

1*  1540 — 162O;  Lisboa  1626,  Coleccion  Fernandez  Bd.  20.  Vgl.  Gallardo  2232  u.  bei 
Nicol.  Antonio. 

29* 


452  LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMAN.    VÖLKER.    5.    SPAN.    LiTT. 

gegenüber  auch  die  Gruppe  der  Granadiner,  welche  in  Pedro  Espinosa's 
Flores  de  poetas  ilustres  ^  und  dessen  Fortsetzer  geschmackvolle  Anthologen 
fanden.  Zu  ihnen  gehören  u.  a.  Espinosa  selbst;  Barahona  de  Soto  (s.  u.), 
Vicente  Espinel,-  einer  der  besten  unter  den  Dichtern  zweiten  Ranges; 
Luis  Martinez  de  la  Plaza;  jünger  als  die  Flores  auch  Soto  de  Rojas^ 
und  Jerönimo  de  Porras,^  die  beide  gelegentlich  auch  dem  Kultismus 
huldigen. 

In  Valencia  war  Aldana-'»  zu  Hause,  der  mit  dem  kastilischen  Ausdruck 
noch  zu  kämpfen  hat,  aber  besser  ist,  als  mancher  höher  eingeschätzte;  die  Früh- 
dramatiker Timoneda  und  Viru  es;  Gil  Polo,  der  Fortsetzer  der  Diana  Monte- 
mayor's  (s.  u.),  der  in  seinenri  Canto  del  Turia^  die  poetischen  Berühmtheiten 
der  Vaterstadt  feiert,  einige  Zeit  bevor  wir  in  der  Acadimia  de  los  Nocturnes'^ 
Namen  und  Verse  von  gegen  fünfzig  1591  —  94  dort  vereinigten  Schriftstellern 
überliefert  finden,  darunter  die  bekannten  dramatischen  Dichter  Castro, 
Tdrrega,  Aguilar,  lyrisch  am  fruchtbarsten  unter  ihnen  Rey  de  Artieda. 
In  Zaragoza  lebte  Pedro  Linan  de  Riaza;^  vor  den  beiden  Leonardo  de 
Argensola,^  den  Brüdern  Lupercio  und  Bartolomeo,  den  sorgsamsten 
unter  den  Puristen,  freilich  auch  den  nüchtersten. 

54.  Da  man  in  der  Form  das  höchste  erreicht  wusste,  geistige  Wand- 
lungen nicht  möglich  waren,  beginnt  die  Lyrik  um  1600,  zu  einer  litterarisch 
sonst  noch  kräftigen  Zeit,  der  Manier  sich  zuzueignen.  Das  Auftreten  des 
Conceptismus  ist  oben  schon  berührt;  die  Richtung  Herrera's  deutet  bereits 
auf  die  Verwechslung  der  Poesie  mit  dem  Reichtum  der  Darstellung  hin, 
welche  sich  in  dem  Kultismus  ausspricht:  einer  Parallelerscheinung  zu  dem 
italienischen  Marinismus,  die  vielmehr  auf  gleichartiger  Entwicklung  als  auf 
direkter  Beeinflussung  beruht.  Es  war  einer  der  begabtesten  Dichter,  Luis 
de  Göngora  y  Argote,^^  der  mit  Bewusstsein  den  Weg  der  Übertreibung 
einschlug.  Seine  älteren  Sonette,  seine  Romanzen,  Letrillas  und  Villancicos 
zeichnen  sich  aus  durch  Glanz  und  Energie  des  Ausdrucks  bei  einer  starken 
satirischen  Ader.  Die  späteren  (Soledades,  Firamo  y  Tisbe  u.  a.)  treiben  in 
geschraubter  Sprache  und  gesuchten  Bildern    den  Latinismus  und  die  falsche 


^  /«  parte  por  P.  Espinosa  Valladolid  1605;  //'«  parte  por  Ant.  Calderon  1611, 
hrsg.  mit  Anm.  v.  Quiros  und  Rodriguez  Marin,  Sevilla  1896.  Beide  Teile  wichtig 
auch  für  andere  zeitgenössischen  Dichter. 

^  1550 — 1624;  Rimas  Madrid  1591;  Erfinder,  wie  ziemlich  feststeht,  der  nach  ihm 
benannten  Kiinstform  der  Espinelas,  einer  Variante  der  Dezime,  und  der  fünften  Saite  der 
Guitarre. 

3  Desenganos  de  Amor,  Madrid  1623;  vgl.  Sedano,  Parnaso  4,  XXXXVI ;  Sa  Iva 
981—83. 

■*  Rimas  varias.,    Antequera   1689;  vgl.  Gallardo  3511;  Menendez,    Horacio  1  Q4. 

5  Gest.    1578.     Obras,  Madrid   1593;  vgl.  Castro  II,  LXXXIV. 

*  Sedano,  Parnaso  VllI,   265, 

"^  Salvä  156,  wo  aus  der  Hs.  ausführliche  Auszüge  gegeben  sind,  deren  Vervoll- 
ständigung immerhin  erwünscht  wäre.  Mehrere  Valenziancr  Academias  aus  der  Zeit  des 
Verfalls  in  der  ebenda  No.   157  verzeichneten  Sammlung. 

^  Bibl.  Escrit.  Arag.  Bd.   1;  ungef.    1550 — 1609. 

®  15.59 — 1612  bezw,  1562—1631 ;  Obras  sueltas,  2  Bde.,  Madrid  1889,  hrsg.  v.  Vinaza, 
die  ausser  den  beiden  Dramen  Lupercios  auch  die  kleinen  Prosaschriften  der  beiden  Brüder 
enthalten. 

^^  1561  —  1627.  Die  Beurteilung  der  Entwicklung  G.'s  ist  dadurch  erschwert,  dass 
er  selbst  die  Überlieferung  seiner  Gedichte  vernachlässigt  hat  und  die  erste  posthume  Ausgabe 
von  Lopez  de  Vicuna  (1627)  nur  nach  Abschriften  hergestellt  werden  konnte.  Ein 
zweiter,  versprochener  Band  blieb  aus.  Erweitert,  aber  sehr  inkorrekt  sind  die  von  1633, 
1654,  1659;  unzuverlässig  auch  die  Auswahl  in  Bd.  32  der  Bibl.  Aut.  Esp.  Eine  ernstliche, 
kritische  Gesamtausgabe  wäre  sehr  zu  wünschen.  Vgl.  Poesias  escogidas  de  G.  con  varias 
ineditas,  Madrid   1863;  Churton,   Göngora,  2  Bde.,  London   1862. 


Poesie:  Lyrik.    Rultismus.    Romanze.  453 

Gelehrsamkeit  aufs  äusserste.  Die  Zeitkrankheit  des  Kulteranismus  oder 
Gongorismus  wirkte  um  so  ansteckender,  da  sie  von  einem  so  bedeutenden 
Talent  ausging  und  da  sich  gleichzeitig  das  geistige  Leben  in  der  Hauptstadt 
zentralisierte,  wo  auch  G.  den  einflussreichsten  Teil  seines  Lebens  verbrachte. 
Sein  Einfluss  erstrekte  sich  auf  das  Theater  und  die  Prosa,  nachwirkend  bis 
in  das  späte  18.  Jh.  Eine  Reihe  von  Kommentatoren  verdeutlichte  und  pries 
die  Dunkelheiten  und  auch  ausgesprochene  Gegner  der  neuen  Richtung  sind 
selten  mehr  ganz  frei  von  unerfreulichen  Anklängen.  Das  ist  selbst  bei  G.'s 
grösserem  Zeitgenossen  Lope  de  Vega  gelegentlich  einmal  der  Fall,  dessen 
beste  Lyrik  in  seinen  Dramen  steckt.  Der  jüngere  Quevedo,^  der  sich  aufs 
schärfste  gegen  jenen  ausspricht,  ist  seinerseits  Conzeptist,  ein  ausserordent- 
licher Verstand,  dem  Freude  und  Schönheit  versagt  blieb;  als  satirischer  Dichter 
allerdings  fast  noch  bedeutender  als  in  seinen  Prosaschriften.  Bern,  de  Val- 
buena,  dessen  Eklogen  an  anmutiger  Natürlichkeit  allen  andern  voranstehen, 
hat  fast  sein  ganzes  Leben  ausserhalb  Spaniens  verbracht.  Ein  ziemlich 
schwacher  Klassizist  ist  Cristöval  de  Mesa.  ^  Bemerkenswert  auch  als 
Lyriker  ist  der  hervorragende  dramatische  Dichter  Mira  de  Amescua  (s.  u.) 
Der  jüngste  hervorragende  Vertreter  der  klassischen  Richtung  ist  ein  Lands- 
mann und  Schüler  Bartolome  Argensolas,  Estevan  Manuel  de  Villegas,^ 
der  geschätzte  Anakreontiker,  der  aber  auch  schon  in  früher  Jugend  fast  ganz 
verstummte.  Weiterhin  hat  das  17.  Jh.,  abgesehen  von  bissigen  Satieren  und 
einzelnem  Religiösen  nur  noch  Mittelmässiges  oder  Geschmackloses  aufzuweisen. 
Es  mögen  genannt  sein  die  Gongoristen  Carrillo  y  Sotomayor;  Salcedo 
Coronel;  Trillo  y  Figueroa;  der  Hofprediger  Paravicino;  Jacinto 
Polo,  der  wie  sein  Freund  Antonio  de  Solis  einer  Zeit  angehört,  die 
Konceptismus  und  Kultismus  gleichmässig  begünstigt;  der  Conde  de  Villa- 
media na, ^  der  seinen  Nachruhm  mehr  seinem  tragischen  Geschick  als  seiner 
bissigen  Dichtkunst  verdankt;  Jerönimo  de  Cancer,''  ein  sehr  leichtge- 
schürzter Gelegenheitsdichter;  der  meist  manierfreie,  aber  etwas  nüchterne 
Francisco  de  Borja,^  principe  de  Esquilache  und  der  ihm  nahe- 
stehende Bernardin  de  Rebolledo;"^  als  Repräsentant  des  schlechten 
spanischen  Geschmacks  im  Ausland  der  Jsraelit  Enriquez  Gomez.  Auch 
die  wenigen  erhaltenen  Gedichte  des  grossen  Calderon  sind  unbedeutend. 
In  der  Versmacherei  des  18.  Jhs.  verschwindet  der  letzte  Rest  gesunden 
Menschenverstandes. 

Eine  erste  Periode  der  spanischen  klassischen  Lyrik  schliesst  sich  an 
Garcilaso  de  la  Vega;  die  zweite  beherrschen  Herrera,  Torre,  die  Brüder  Luis 
de  Leon  und  Juan  de  la  Cruz;  der  erste  der  einflussreichere,  die  beiden  letzteren 
diejenigen,  welche  allein  heute  noch  voll  lebendig  sind;  die  dritte  Göngora 
und  Lope;  unter  ihnen  etwa  Bartolome  Argensola,  Villegas  und  Valbuena.  Der 
Verfall  tritt  ein,  während  das  Drama  am  kräftigsten  lebt. 

55.  Die  Romanze.  Erzählende  Volkslieder  echter  Art  sind,  so  viel  wir 
sehen  können,  nach  dem  15.  Jh.  nicht  mehr  entstanden,  während  die  leichte 
Poesie  der  Tanzzeilen  noch  heute  blüht.    Es  ist  mit  dem   16.  Jh.  eine  erheb- 


'  1580—1645;  Poesms,  in  Bibl.  aut.  esp.  Bd.  69,  sehr  ungenügend  von  Jan  er 
pulilicirt.  Die  nachgelassene  kritische  Ausgabe  Aureliano  Fernandez-Guerra's  wird  von 
den   Bibliöfilos  andaluzes  angekündigt. 

-   1559  bis  ca.  1630.     Vgl.  Gallardo  3058. 

»  1596 — 1669.  Erötkas,  Najera  1617;  zwei  dort  fehlende  Episteln,  die  erste  an 
Argensola  gegen  den*  Gongorismus  in  .Sedano,  Parttaso  9;  mit  biogr.  Notiz   Madrid   1797- 

*  Cotareio,  El  cotide  de    F..  Madrid   1886. 

*  Ende  des   16.  Jh.   —    1655;  vgl.  Morel-Fatio,    UEspagtie  au  16°  sücle,  passim. 

*  ca.  1581  — 1658;  vollständigste  Ausgabe  der  0(^raji?«7^i?rj-ö  Madrid  1639-,  vgl.  Barrera. 
■^   1597  —  1676.      Obras,  3  Bde.,  Madrid  1778.     S.  b.  Barrera. 


454  LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMAN.   VÖLKER.    —    5.    SPAN.    LiTT. 

liehe  Verschiebung  in  der  litterarischen  Schichtung  der  Bevölkerung  eingetreten. 
Kriegsmänner  von  der  Art  des  Cervantes,  der  unterste  soldatische  bäuerliche 
Adel,  war  früherhin  sicher  noch  oft  genug  illitterat.  Vom  i6.  Jh.  ab  nimmt 
er  überall  seinen  Anteil  an  der  litterarischen  Bewegung.  Der  eigentliche 
Nährboden  der  epischen  Poesie  aber  ist  der  wehrhafte  Teil  der  Bevölkerung. 
Sobald  sich  in  diesem  artistische  Einflüsse  verbreiten,  kann  jene  nicht  mehr 
gedeihen,  auch  wenn  sie  noch  gefällt.  Die  Buchdruckerkunst,  welche  wesentlich 
zu  dieser  Verschiebung  mit  beigetragen  hat,  dient  zugleich  aber  auch  der 
Erhaltung  des  alten  Gutes,  das  früher  nur  beiläufig  und  zufällig  einmal  auf- 
zeichnet wurde.  Eine  starke  Neigung  zu  Interpretation  und  Erweiterung,  die 
dabei  hervortritt  (S.  433)  lehnt  sich  an  die  Manier  der  religiös-volkstümlichen 
Romanze  an.  Zunächst  in  Flugblättern  (datierte  Einzeldrucke  seit  1525), 
welchen  gegen  Mitte  des  Jhs.  die  erste  besondere  Sammlung, ^  der  Ant- 
werpener Cancionero  de  Roinances  s.  a.  folgte,  auf  welchem  einerseits  eine 
erweiterte,  dann  oft  wieder  abgedruckte  Ausgabe  von  1750  beruht,  anderer- 
seits die  (ebenfalls  wiederholt  neugedruckte)  Silva  de  Romances,  3  Teile, 
Zaragoza  1750  —  51:  die  Hauptquellen  unserer  Kenntnis  der  traditionellen 
Romanzenpoesie  und  zugleich  der  vorgängigen ,  noch  ziemlich  dürftigen  Ent- 
wicklung der  artistischen  und  für  das  Volk  gedichteten  Romanze.  Die  be- 
schränkte Verwertung  der  Form  durch  die  Kunstdichter  vor  Karl  V.  ist  S.  433 
bereits  berührt.  Eine  Steigerung  konnte  in  der  Zeit  des  italienischen  Ge- 
schmacks zunächst  nicht  eintreten.  Fortdauernd  erhielt  sie  sich  erzählend- 
reflexiv in  der  religiösen  Poesie,  entsprechend  deren  Neigung  zu  volkstümlicher 
Tonart.  Gelegentlich  kommt  auch  das  Spiel  der  Contrahechura  noch  vor, 
bei  Castillejo  (Duran  1359)  satirisch  verwendet,  wie  das  später  besonders 
häufig  wird.  Unter  den  anonymen  für  das  Volk  gedichteten  sind  die  aut 
Zeitereignisse  wenig  zahlreich  und  zugleich  viel  weniger  kräftig  als  die  ver- 
wandten aus  der  Zeit  der  katholischen  Könige.  In  nichi  unerheblichem  Um- 
fang macht  siah  dagegen  die  Neigung  geltend,  den  Besitz  an  historischer 
Poesie  nach  den  gedruckten  Quellen  zu  erweitern,  bald  in  engem  Anschluss, 
bald  aber  auch  mit  ziemlich  energischer  Umgestaltung.  Gleichzeitig  mit  dem  Er- 
scheinen der  ersten  anonymen  Sammlung  bemächtigten  sich  zwei  genannte  Dichter 
der  Form,  indem  sie  nach  der  Weise  der  Ritterromane  eine  altertümelnde 
Sprache  anwenden  und  zugleich  offenbar  in  derselben  Absicht  die  Assonanz 
durchführen,  um  altspanische  Geschichte  zu  erzählen:  Alonso  de  Fuentes 
1550  und  Lorenzo  de  Sepülveda  1551.  Fuentes,  ein  Mann  von  sehr 
geringem  poetischem  Verständnis,  verleugnete  halb  die  Autorschaft  und  der 
Anstoss  zu  der  Bewegung  ist  sicher  vor  ihm  von  einer  uns  unbekannten 
Stelle  ausgegangen.  Sepülveda  zieht  seinen  Stoff  aus  der  Crönica  de  Espam 
{Cr.  General).^  hat  das  Verdienst,  ihr  treulich  zu  folgen,  ihre  Poesie  ohne  zu 
grosse  Schädigung  wieder  der  Masse  zugänglich  gemacht  zu  haben.  Er  ist 
höchst  populär  gewesen;  abgesehen  von  mehrfachen  Auflagen,  begegnet  er 
in  allen  späteren  Romanceros.  Es  folgen  mehr  oder  weniger  volkstümlich, 
zum  Teil  ausschliesslich  Eigenes  enthaltend,  neben  der  Einziehung  aller  mög- 
lichen Stofifkreise  doch  immer  wieder  der  vaterländischen  Geschichte  zuge- 
wendet, die  Sammlungen  von:  Sayago  (1555);  Timoneda  [Rosa  de  R., 
1573);  Linares  (1573);  Padilla  (1583  und  Madr.  Bibliöf.  1880);  Lucas 
Rodriguez  (Alcala  1585  und  Madrid  1875);  Maldonado  (1586);  Cueva 
(1587);  die  allgemeine  Sammlung  Flor  de  värias  Romances  (1589 — 97);  der 
Romancero  General  (Madrid  1600  u.  ö.).  Daneben  waren  feine  ganze  Reihe 
kleiner,    billiger  Auslesen   im    Umlauf.     Den  doze  Pares  de  Francia  wird  um 


^  Wolf,  Über  die  Romanzenpoesie  der  Spamer  in  Studien  305ff. ;  Kam.  yahresber.l,  539. 


Poesie:  Lyrik.    Romanze.   —  Kunstepik.  455 


1600  eine  besondere,  oft  aufgelegte  Sammlung  gewidmet.     Noch  stärker  ver- 
breitet war  Escobar's  Rotnancero  del  Cid,  zuerst  Lisboa   1605.1 

Seit  etwa  1560  ist  die  assonierende  R.  eine  geläufige  Form,  die  in 
steigendem  Mass  erzählend,  schildernd,  lyrisch,  satirisch,  burlesk,  beliebig  ver- 
wendet wird,  sich  wohl  auch  mit  italienischen  Versen  verbindet  wie  bei 
Padilla;  sie  dient  dem  Conceptismus  Ledesma's  wie  dem  Kultismus  Göngora's, 
und  auch  wo  sie  erzählt,  ist  sie  keineswegs  immer  volkstümlich.  Ihre  eigent- 
liche Aufgabe  war  indessen,  dem  Volke  zu  erzählen;  sie  ergänzte  die  Volks- 
bücher, lässt  in  allmählich  sich  ausbildender  cyklischer  Ausstattung  das  heimische 
Epos  wieder  aufleben,  giebt  der  eigenen,  sowie  auch  Ereignissen  aus  der  alten 
Geschichte  die  zugängliche  Form.  So  gewann  aus  ihr  das  Drama  nicht  nur 
ein  bequemes  Metrum,  sondern  auch  eine  breite,  stoffliche  Grundlage.  Auch 
wenn  der  dramatische  Dichter  bei  der  Verwendung  historischer  und  epischer 
Stoffe  die  Romanze  nicht  direkt  benützte ,  hatte  er  den  ausserordentlichen 
Vorteil ,  noch  bei  den  letzten  seiner  Zuhörer  Erinnerungen  und  Anklänge 
wachzurufen. 


2.    DIE    KUNSTEPIK. 

56.  Die  Bibliographie,  welche  Rosell  seiner  Auswahl  der  Poemas  Epicos'^ 
vorausschickt,  zählt  etwa  200  in  unser  Kapitel  fallende  Nummern.  Der  \\'ert 
steht  in  ungefähr  umgekehrtem  Verhältnis  zur  Zahl.  Die  wichtigste  Gruppe 
bildet  die  der  vaterländischer  Geschichte  gewidmeten,  zahlreicher  noch  sind 
die  religiösen,  verhältnismässig  weniger  die  Ritterromane.  Mit  der  Behand- 
lung kleinerer  klassischer  Stoffe  beginnt  schon  Boscan;  alles  andere  ist  jünger 
als  die  Übersetzung  des  Orlando  furioso  von   1550  und  des  Virgil  von  1557. 

Es  wäre  somit  die  Historia  Partenopea^  des  Alonso  Hernandez, 
Rom  15 16,  eine  halb  historische,  halb  allegorische  Verherrlichung  des  »grossen 
Kapitäns«  Gonzalo  de  Cördova,  füglich  noch  der  vorigen  Periooe  zuzuweisen, 
der  sie  auch  in  ihrer  Anlehnung  an  Mena's  Trecientas  und  dem  Versmass 
der  Arte  mayor  angehört.  Das  spätere  Mass  ist  die  Ottava  rima,  nur  aus- 
nahmsweise der  Blankvers  (verso  stielto).  Unter  den  historischen  Epen  voran 
stehen  eine  Anzahl  von  Schilderungen  sclbsterlebter  Kämpfe  in  Amerika, 
darunter  Alfonso  de  Ercilla's^  berühmte  Araucana.  Die  ersten  fiinfzehn 
Gesänge  sind  1555 — 63  mitunter  mit  der  Treue  eines  Tagebuchs  erzählte 
Erlebnisse,  frisch,  wahrhaft  und  anschaulich,  besonders  sympathisch  in  der  Dar- 
stellung der  indianischen  Feinde;  die  folgenden  werden  durch  allegorisches  und 
novellistisches  Beiwerk  unerfreulich  verlängert.  Die  Form  ist  rauh,  das  Interesse 
liegt  wesentlich  in  den  erzählten  Thatsachen,  aber  E.  hat  diese  mit  poetischem 
Auge  gesehen.  Ganz  anders  bei  seinem  Nachfolger  Juan  de  Castellanos, 
dessen  Elegias  de  Varones  ilustres  de  las  Indias^  eine  historisch  höchst  wichtige 
Reimchronik    sind,    deren    Versform    nur   belästigend    wirkt.      Schon    die    gut 


*  Vgl.  Rotnancero  del  Cid,  hrsg.  von  Karoline  Michaelis,  Leipzig  1881.  Ül)er  eine 
Cidsammlung  des  Katalanen  Metge  von   I626  s.  Salvä  370. 

2  Bibl.  Aut.  Esp.  17.  29.  Das  Verzeichnis  ist  natürlich  der  Revision  und  der  Er- 
gänzung bedürftig. 

*  Vgl.  Menendez,  Antol.  VI,  284,  Gal Iaido  2329.  2473. 

*  1533 — 159v^.  Der  erste  Teil  Madrid  1570,  der  zweite  1578,  der  dritte  1590,  ferner 
\a  Bibl.  Aut.  Esp.  Bd.  17,  letzte  Ausgabe  von  Ferrer  del  Rio,  Madrid  1860.  Vgl.  Salvä 
579,  584;  Royer,  Etüde  litt,  sur  l' Araucana.  Dijon  1880.  Fortsetzung  von  Santistevan 
Osorio   1597   u.   1733. 

*  1522  —  1606.  Teil  I  1589;  I— III  Bibl.  Aict.  Esp.,  Bd.  IV.;  Teil  IV  u.  d.  T. 
Historia  del  nuevu  reino  de  Granada  2  Bde.,  Madrid  1886.'  Der  Name  Elegias,  weil  die 
Geschichte  verstorbener  Helden  in  Versen  beschrieben  wird. 


456  LlTTERATURGESCHICHTE    DER   ROMAN.    VÖLKER,    —    5.    SPAN.    LiTT. 

spanische  Beurteilung  der  auszurottenden  niederen  Rasse  schliesst  bei  ihm  jede 
epische  Anteilnahme  aus.  Ebenso  kleben  an  den  Ereignissen  oder  verunstalten 
diese  durch  die  Maschinerie  Virgils  bei  zum  Teil  nicht  unerheblichem  doku- 
mentarischem Wert  Barco  Centenera's  Argentina;  Villagra's  Conquista  del 
nuevo  mundo;  Ona's  Arauco  domado  (1596,  Bibl.  Aut.  Esp.  29);  Alvarez 
de  Toledo,   Puren  inddmito  (Paris   1862). 

Den  übrigen  geschichtlichen  Heldengedichten  fehlt  grösstenteils  auch 
die  urkundliche  Bedeutung,  während  ihnen  zugleich  die  oben  schon  berührten 
Mängel  anhaften,  die  Fähigkeit  zwischen  künstlerisch  und  selbst  zwischen  rein 
historisch  Wesentlichem  und  Unwesentlichem  zu  scheiden  abgeht.  Am  nam- 
haftesten ist  die  dem  Sieger  von  Lepanto  geweihte  Austriada  des  Juan  Rufo,^ 
die  in  den  Einzelheiten  manche  Qualitäten  aufweist,  als  Ganzes  ungeniessbar 
ist.  Genannt  seien  noch  drei  Verherrlichungen  Karls,  V.,  von  Sempere 
1560;  Luis  de  Qapatai565  und  Jerön.  de  Urrea;  Cristöval  de  Mesa's 
Patron  de  Espana,  Restauracion  de  Espam^-  und  las  Navas  de  Tolosa\  Cueva's 
Conquista  de  la  Bäica\  eine  grausame  Misshandlung  des  Cid  von  Ximenez 
Ayllon  1579;  die  Übersetzung  des  Camoens  von  Gomez  de  Tapia  1580. 
Zur  Zeit  der  grössten  dramatischen  Massenproduktion,  etwa  seit  16 15,  wird 
das  historische  Heldengedicht  wenig  mehr  gepflegt;  wie  Vasconcellos  1612, 
so  feiert  Perez  de  Culla  die  Expulsion  de  los  Moriscos;  Francisco  de 
Borjas  Napoles  recuperada^  steht  1651  ziemlich  am  Schluss  der  Produktion. 
Eine  Stelle  für  sich  nehmen  des  Jacque  de  Salas  Amantes  de  Teruel  {i6i6)^ 
ein.  Das  Gedicht  verdankt  seine  Berühmtheit  dem  Umstand,  dass  sein  Autor 
die  Handlung,  die  tragische  Geschichte  der  beiden  Liebenden,  für  historisch 
ausgab,  während  sie,  ebenso  wie  in  den  Dramen  Montalvan's  und  einem 
älteren  anonymen,  dem  gleichnamigen  Schauspiel  des  Rey  de  Artieda  ent- 
nommen, allem  Ansehen  nach  von  diesem  erfunden  ist.  Dagegen  ist  Hartzen- 
busch  in  seiner  berühmten  Tragödie  (1837)  dem  Salas  gefolgt. 

57.  Die  Übersetzung  d.Qr  Eneida  des  Hernandez  de  Velasco  (1557)^ 
kannten  fast  alle  vorgenannten.  Zur  Behandlung  antiker  Stoffe  im  grossen 
Stil  hat  sie  kaum  verführt.  Auch  Romero  de  Cepeda's  Destruccion  de 
Troia  und  Robo  de  Helena^  sind  das  nicht,  sondern  jene  ein  Romanzenkranz, 
diese  eine  kurze  Popularisierung  in  Quintillas.  Dagegen  sind  im  Anschluss 
an  die  Italiener  und  Humanisten  die  mythlogischen  Episoden  gerne  behandelt 
worden,  nachdem  Boscan  mit  seiner  Fabula  de  Leandro  y  Hera  den  Anfang 
gemacht  hatte.  Es  folgten  mit  mehr  oder  weniger  Glück  Diego  Hurtado 
de  Mendoza,  Lope  de  Vega  u.  a.  Pyramus  und  Thisbe  sind  nicht  weniger 
als  viermal  gedichtet  (von  Villegas,  Silvestre,  Montemayor,  Göngora), 
so  dass  sie  schliesslich  der  Sprache  das  Zeitwort  atisbar  lieferten.  Besonders 
zahlreich  werden  die  mythologischen  Versnovellen  im  17.  Jh.,  zugleich  be- 
sonders geringwertig,   wohl  meist  der  Schule  Göngora's  angehörig. 

An  den  Orlando  furioso  des  Urrea  (1550)  schliesst  sich  1555  die 
Fortsetzung  des  Nicolas  Espin osa  und  erzählt,  wie  Karl  der  Grosse  von 
Bernardo    del    Carpio    besiegt    wurde.       Ähnlich    fühlten    sich    Garrido    de 


^  1547  bis  ca.  1600.  1.  Ausgabe  Cordova  1584.  Bibl.  Aut.  esp.  2y.  Von  dem- 
selben existieren  zwei  Sammlungen  von  Miscellaneen ,  auch  von  Gedichten  {Bibl.  Aut.  esp. 
]6   u.  42),   vgl.   Sa  Iva   21 52. 

^  Auszüge   bei  Gallardo   3059. 

ä  Bibl.  Aut.  esp.   28. 

*  ül)er  die  Fortsetzung  durch  einen  Sohn  des  Dichters  s.  bei  Latassa.  Über  die 
Fälschung  des  Salas  i.st  ein  Zweifel  nicht  möglich. 

^  Oder  noch  einige  Jahre  älter,  s.  Sa  Iva  1072.  Vorausging  lf)28  das  II.  Buch  in  Versen 
der  Arte  tnayor  von   Matas,  eiiie  neue   Übersetzung  fertigte  Cristöval   de   Mesa    I615. 

•^   1583  bezw.   1582,  vgl.  Salvcä  374,   1388. 


Poesie:  Kunstepik.  457 


Villena,  El  verdadero  Suceso  de  la  Batalla  de  Roncesvales  1555  iindAgustin 
Alonso,  Bernardo  del  Carpio  durch  die  Italiener  pariotisch-romantisch  ange- 
regt; sehr  lang,  aber  das  beste  all  dieser  Epen  ist  Valbuena's  Bernardo.^ 
An  den  Orlando  innamoraio,  übersetzt  von  Garrido  de  Villena  wahrscheinlich 
vor  1577,2  schliessen  sich  des  Martin  de  Bolea  Orlando  determinado  1578,  und 
Barahona  de  Soto,  Las  lagrimas  de  Angelica,  die  ihrer  Zeit  viel  gelobt  und 
gefeiert  wurden,  heute  vergessen  sind. 3  Mit  ihm  trat  Lope  de  Vega,  La  hermostira 
de  Angdica  1588,  in  Wettbewerb.*  Andere  Ritterromane  sind  Arbolanche, 
Las  Habidas  1566,  die  Liebschaften  einer  phantastischen  spanischen  Königs- 
tochter; Gomez  de  Luque,  Celidon  de  Iheria,  Alcalä  1583;  Geron.  de 
Huerta,  Florando  de  Castilla-^  Martinez,  Toledana  discreta  1599,  konfus- 
allegorisch; vielleicht  auch  noch  Gual,  La  Oronta,  Neapel  1637.  Die  Gruppe 
ist  beschränkt  und  es  ist  zu  bemerken,  dass  der  Amadis  wohl  in  Italien,  aber 
nicht  mehr  in  Spanien  gesungen  wird. 

Torquato  Tasso^  nachzueifern  versuchte  Lope  de  Vega  in  seiner 
Jerüsalen  conquistada  1609;  er  bleibt  hier,  wie  überhaupt  in  seiner  Epik, 
weit  hinter  seinem  Namen  zurück.  Miguel  de  Silveira,  El  Macabeo  1638; 
Lopez  de  Zärate,  Lnvencion  de  la  Cruz  1648,  sind  dunkle  Nachfolger. 
Oliviers  de  la  Mar  che  Chevalier  dilibiri  hatte  1553  Hernando  de  Acuna 
nach  einer  von  Karl  V.  gefertigten  Prosaversion  in  Oktaven  gebracht.  Die 
einzige  Nachahmung  ist  des  Juan  Hurtado  de  Mendoza  Cavallero 
cristiano  1577. 

58.  Darstellungen  aus  dem  Evangelium  war  die  schlicht  volkstümliche 
Art  der  alten  Masse  viel  günstiger  als  die  anspruchsvolle  Oktave.  Es  zeigt 
sich  das  bei  Valdivielso's  Vida  de  San  JosS'^  gegenüber  seinem  eigenen 
Romancero,  wie  bei  den  Passionsdichtungen,  verglichen  mit  der  schlichten  Art 
des  alten  Fray  liiigo  de  Mendoza.**  Die  einzige  rühmenswerte  darunter  ist  des 
Diego  de  Hojeda  Christiada,^  wenn  sie  auch  ihr  Vorbild,  die  Christias  des 
Vida,  nicht  erreicht;  vor  ihr  verschwanden  jene  des  Quiros  (1552),  Coloma 
(1578),  Giron  de  Rebolledo  (1563),  Hernandez  Blasco  (1584),  Guiral 
(1588).  Des  Alonso  de  Azevedo  Creacion  del  Mundo  (1615)1*^  ist  deshalb 
hervorzuheben,  weil  sie  die  Semaine  des  Dubartas  nachahmt,  zum  erstenmal  Be- 
ziehungen zu  Frankreich  wieder  anknüpft;  unter  den  Heiligenleben  Lope  de  Vega's 
Vida  de  San  Isidro  (in  Quintillen  1598)  wegen  des  Namens  des  Autors;  des 
Gabriel  de  Mata  Cavallero  Assisio  (1587  —  89)  als  Parodie.  Eine  besondere 
Stellung  nimmt  des  Cristöval  de  Virues  Monserrate^'^  ein,  der  hier  viel 
glücklicher  ist,  als  in  seinen  Tragödien.  Eine  interessante  Legende,  die 
freilich  nicht  bedeutend  genug  war  für  ein  Epos,  und  zahlreiche,  lebendige 
Episoden   in  guten  Versen    erheben  das  seiner  Zeit  so  sehr  beliebte  Gedicht 


*  Madrid   1624  u.  Bd.   19  der  BiM.  Aut.  esp. 

*  s.  Sa  Iva   1540. 

*  Die  einzige  Ausgabe  von  1086  ist  so  selten,  dass  sich  nicht  kontrolliren  iässt,  ob 
die  Anerkennung  bei  Cervantes,  Quijote  I,  6  so  ungerechtfertigt  ist,  wie  gewöhnlich  an- 
gegeben wird. 

*  Bruchstück  des  verlorenen  zweiten  Teils  in  den  Dlälogos  de  la  Monteria,  Madrid, 
Bibliöf.    1890. 

^  Alcala    l,^88,  Bihl.  Aut.   esp.   36. 

*  Über  Tasso  in   Spanien   vgl.  Rassegna  bibliogr.  111,   238. 
^  EM.  Aut.  /;sp.  2y. 

ä  s.o.  S.  423;  verwandt  ist  Diego  de  San  Pedro  La  Pasion,  gedr.  um  1520;  vgl. 
Salvä   186. 

9  Sevilla   16II;   Bibl.  Aut.  esp.   17. 
'0  Bibl.  Aut.  esp.   29. 
"  Madrid    1588  u.   ö.  Bibl.  Aut.  esp.    17. 


458    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.    5.    SpAN,    LiTT. 

Über  seine  Umgebung.  —  Auch  hier  wird  ein  Ermatten  der  Produktion  nach 
dem  ersten  Jahrzehnt  des   17.  Jhs.  bemerklich. 

Dem  komischen  Epos  der  Italiener  und  Griechen  schliessen  sich  an 
des  Juan  de  la  Cueva  Batalla  de  Ranas  y  Ratones;^  Cintio  Meretisso, 
La  Muerte  de  Chre Spina  Maranzvia7ia,  Gata  de  Juan  Chrespo,  Paris  1604; 
Villaviciosa's  Mosqtcea  (1615,  Biblioteca  de  autores  esp.  Bd.  17)  und  Lope 
de  Vega's  Gatomaquia  (ib.  Bd.  28),  die  von  Freunden  der  Gattung  noch  gerne 
gelesen  werden.  2 

B.  DIE  PROSAFIKTION. 

59.  In  der  Prosa  ^  schwindet  mit  dem  16.  Jh.  jener  pedantische 
Latinismus,  der  im  15.  die  Entfaltung  des  Stils  zu  bedrohen  schien.  Die 
Sprache  selbst,  Ursprung,  grammatisch-stilistische  Eigenheiten  werden,  nach 
dem  Vorbild  des  Bembo ,  zum  Gegenstand  wissenschaftlicher  Untersuchung 
gemacht  in  Juan  Valdes  Diälogo  de  la  Lengua  (um  1535).^  Die  Vor- 
herrschaft der  lateinischen  Sprache  in  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  ist 
ungebrochen,  immerhin  steht  in  der  Geschichte  neben  der  chronikartigen  Er- 
zählungsweise eines  Guevara,  Mejia,  Morales,  Zurita,  neben  den  soldati- 
schen Berichten  amerikanischer  und  flandrischer  Mitkämpfer,  die  Ausbildung 
der  schon  früher  bemerkten  künstlerischen  Anlehnung  an  Sallust ,  Livius, 
Tacitus,  die  sich  bei  Hurtado  de  Mendoza  (S.  450;  Guerra  de  Granada) 
Moncada  {Expedicion  de  los  Catalanes,  nach  Muntaner),  Manuel  de  Melo 
{Movimientos  y  Separacion  de  Cataluna,  1645)  und  noch  in  der  Zeit  des 
Absturzes  bei  Solis  (Conquisia  de  Mexico,  1684)  zu  wirklicher  Bedeutung  er- 
hebt, wenn  auch  nicht  frei  von  erkünsteltem  Beigeschmack.  Ein  vollendetes 
Kunstwerk  in  Aufbau,  Darstellung  und  Sprache  ist  Marianas  Historia  de  Espaiia 
(1601  U.Ö.),  zugleich  die  bezeichnendste  Urkunde  spezifisch  kastilischer  Geschichts- 
auffassung. Schwerfällig  gemessen  erscheint  der  politische  Briefstil  unter 
Karl  V.  in  Antonio  de  Guevaras  Mustersammlung  der  Epistolas  familiäres 
(1539),  stahlscharf  zugeschlififen  bei  Antonio  Perez,  dem  flüchtigen  Sekretär 
Philipp's  II.  Sehr  zahlreich  sind  moralische  Traktate  und  Staatslehren,  oft 
in  Dialog  und  Briefform  gekleidet,  romanhaft  nach  Art  der  Cyropädie  in 
Antonio  de  Guevara's  viel  übersetzter  Fürstenuhr  (1539);  andere  von 
Perez  de  Oliva,  Mejia,  Fernandez  de  Navarrete,  Saavedra  Fajardo, 
Quevedo.  Auch  Baltasar  Gracian's^  berühmte  Aphorismen  können  hierher 
gezählt  werden;  in  seiner  Agudeza  y  Arte  de  Inginio  hat  er  den  Codex  des 
Conceptismus  aufgestellt,  der  besonders  von  Quevedo  gepflegten  Kunst  in 
Vers  und  Prosa  scharfsinnig  mehrdeutig  zu  sein. 

So  gross  die  Einwirkung  eines  Teils  dieser  Schriften  gewesen  ist,  wird 
sie  wohl  noch  übertroffen  durch  die  der  asketisch-mystischen  Erbauungsschriften, 
der  schon  oben  unter  den  Dichtern  hoch  gestellten  Fray  Luis  de  Leon, 
San  Juan  de  la  Cruz,  Pedro  Malon  de  Chaide,  des  berühmten  Kanzel- 
redners Fray  Luis  de  Granada,^  und  vor  allen  der  ausserordentlichen  Santa 
Teresa  de  Jesus.'  Bei  ihr  fliesst  das  edelste  Castilianisch  in  natürlicher 
Fülle,  so  wie  es  in  den  Frauengemächern   des  vornehmen  Hauses  gesprochen 

'    Obras  Bd.   II.   Sevilla    1604;  s.   Gallardo    1965. 

2  s.   b.  Ticknor  II,   124. 

^  Capmany  y  de  Montpalau,  Teatro  historico-critico  de  la  elocuencia  castcllana, 
5  Bde.,  Madr.    1786;  stark  veraltet,  aber  die  einzige  derartige  zusammenfassende  Arbeit. 

■*  ca.   löOG — 1541 ;  Ausgal)e  v.  Böhmer,  Roman.  Shidien  XXJI. 

'"  ca.  1590 — 1658;  El  Crjticon  in  Romanform  1650  —  53;  Eldiscreto;  Oräculo  mamial ; 
Obras   1664  u.  öfter. 

«   1504—1488  Bibl.  aut.  esp.  6.   8.    11. 

^    1505  —  82;    Obras  Bd.  53  u.   55   der  BibL  aut.  esp. 


Prosa:  Prosafiction.    Ritterroman.    Schäferroman.  459 

wurde,  getragen  von  hohem  Ernst,  von  einem  klaren  und  freien  natürlichen 
Verstand,  der  sich  mit  der  mystischen  Hingabe  verbindet,  so  wie  das  kaum 
anders  als  im  Frauencharakter  möglich  ist.  Im  17.  Jh.  geriet  seit  Paravicino 
(1589  — 1633)  auch  die  Predigt  auf  jene  Abwege,  die  Isla  im  18.  in  seinem 
Gerundio  de  Campaza  bekämpft  hat. 

60.  Vor  Cervantes,  der  für  sich  Epoche  macht,  liegt  der  Ritterroman 
und  die  Entwicklung  des  an  jenen  anschliessenden  Schäferromans,  die  eigen- 
artige Erzählungsform  des  6<?/^^/z«ßdialogs  und  die  älteste  Schelmennovelle. 
Über  die  Umgestaltung  des  älteren  Amadis  durch  Montalvo  ist  S.  440  ge- 
sprochen. Die  Masse  der  Nachkommen  hat  Gayangos  Bd.  40  der  Bibl.  Aut. 
esp.  gruppiert  und  katalogisiert.  Dem  Amadis  selbst  wurden  neun  Bücher 
Fortsetzungen  angehängt:  die  Abenteuer  Florisandos  (von  Paez  de  Ribera; 
15 10),  Lisuartes  von  Griechenland  und  Perions  von  Gallien  {\oi\  Juan  Diaz), 
des  Amadis  von  Grichenland,  Floriselsvon  Nicäa  und  Anaxartes  (von  Feliciano 
de  Silva),  Rogers  von  Griechenland  und  Silves  de  la  Selva  (von  demselb'^n, 
und  [1546]  von  Pedro  de  Lujan),  Sphäramunds  von  Griechenland  {yow  unbe- 
kanntem Verfasser)  und  endlich  Penalvas  (verloren).  151 1  tritt  neben  den 
Amadis  eine  nicht  viel  weniger  beliebte  Nachahmung,  der  Palmerin  de  Oliva 
von  Fr.  Vazquez,  dem  als  zweites  Buch  1512  der  Primaleon  folgt  und  nebst 
einigen  andern  auch  der  Palmerin  de  Inglaterra,  dessen  Autorschaft  nunmehr 
endgiltig  dem  Portugiesen  Moraes  zugewiesen  scheint  (S.  334).  In  diesen 
und  andern  einzelstehenden  wie  des  Geron  de  Urrea  Clarisel  de  las  Flores 
(Sevilla  1879),  dem  Felix  Marie  de  Hircania,  dem  Cavalkro  de  Febo,  einem' 
der  späteren,  der  aber  1562—89  noch  vier  Fortsetzungen  erlebte,  sind  die 
Fehler  der  Gattung  dem  Amadis  gegenüber  nur  noch  verstärkt.  Eine  ganze 
Anzahl  sind  übrigens  nicht  mehr  als  den  Titeln  nach  bekannt  und  es  ist 
möglich,  dass  einzelne  unter  ihnen  noch  aus  dem  15.  Jh.  stammen  und  wert- 
volleres Material  enthalten  als  die  endlosen  Abenteuer  des  Brüderpaars,  das, 
nach  dem  Muster  von  Amadis  und  Galaor,  der  eine  fromm,  der  andere  Don 
Juan,  gewöhnlich  in  der  Mitte  steht.  Das  Wunderbare  wird  fast  vollständig  unter- 
drückt in  dem  Lepolemo  oder  Cavallero  de  la  Cruz  (1525);  zweiter  Teil 
Leandro  el  Bei  (1562J  von  Pedro  de  Lujan.  Im  Verhältnis  zur  Gesamt- 
litteratur  am  zahlreichsten  sind  die  Drucke  von  1510  —  30,  nach  Mitte  des 
Jahrhunderts  nimmt  die  Vorliebe  etwas  ab,  und  seit  1 580  kommen  nur  mehr 
einzelne  Nachzügler.  Eine  Abart  waren  die  libros  de  cavalleria  d  lo  divino, 
der  erste  des  Geronimo  de  San  Pedro  Cavalleria  celestial  (1554),  der 
letzte  der  Cavallero  Peregrino,  Cuenca  (16 10),  ungefähr  das  Datum  des  Er- 
löschens der  Gattung  überhaupt. 

Jorge  de  Montemayor  hat  den  eigentlichen  Schäferroman  geschaffen. 
Seine  Diana  beruht  auf  der  seit  1547  ins  Spanische  übertragenen  Arcadia 
des  Sannazaro,  war  aber  auch  vorbereitet  durch  die  spanische  Eklogondichtung 
und  durch  den  Ritterroman.  Denn  die  Amadise  und  diese  gebildeten  Schäfer 
sind  sich  ausserordentlich  nahe  verwandt.  Was  der  neuen  Gattung  neben 
dem  Spiel  mit  der  Natur  und  dem  Wechsel  zwischen  Prosa  und  Dichtung 
einen  besonderen  Reiz  verlieh,  für  die  Nachkommen  die  gegenteilige  Wirkung 
hat,  war  der  Umstand,  dass  die  Fiktion  regelmässig  mit  persönlichen  Be- 
ziehungen durchsetzt  ist.  Fortsetzungen  der  Diana  schrieben  Gil  Polo  (1564), 
Alonso  Perez  (1564),  Hieronimo  Texeda  (1587);  diejenige  Gil  Polo's 
ist  Montemayor  1  gleichwertig.  Es  folgen  des  Luis  Galvez  de  Montalvo 
Pastor   de  Filida    (1582);    Cervantes,    Galatea    (1585);    Lope    de    Vega's 

1  1520 — 61.  Erste  Ausgabe  Valencia  1558  oder  59,  zuletzt  mit  der  Fortsetzung 
Gil  Polo's,  Barcelona  1886.  Vgl.  Schönherr,  J.  d.  M.;  Zts  f.  vgl.  Dg.  N.  F.  II,  381; 
Revue  hispanique  II,   304. 


460     Litter ATURGESCHiCHTE  der  romanischen  Völker.  —  5.  Span.  Litt. 

Arcadia  (1598);  Bernardo  de  Valbuena'si  Siglo  de  Oro  (1608)  mit  den 
schönsten  spanischen  Eklogen;  des  Juarez  de  Figueroa  Constante  Amarilis 
(1609),  und  einige  andere;  2  als  die  letzte  1633  Los  Pastores  del  Betis  von 
Saavedra. 

61.  Die  Tragicomedia  de  Calisto  y  Melibeafi  seit  der  Antwerpener  Aus- 
gabe von  1595  nach  der  Protagonistin  La  Celestina  genannt,  erschien  1499 
zu  Burgos,  in  erweiterter  Gestalt  1500  zu  Salamanca.  Ein  junger  Jurist 
Fernando  de  Rojas  erklärt,  dass  er  den  ersten  der  21  »Akte«,  in  die  sie 
eingeteilt  ist,  anonym  vorgefunden,  die  übrigen  hinzugefügt  habe.  Die  Angabe 
ist  der  Einheitlichkeit  des  Ganzen  gegenüber  verschiedentlich  bezweifelt  worden, 
erscheint  aber  aus  inneren  Gründen  glaubwürdig.  Die  Tragikomedia  ist  ein 
dialogisierter  Roman,  bei  dem  an  die  Möglichkeit  dramatischer  Darstellung 
nicht  gedacht  und  nicht  zu  denken  ist.  Während  die  Hauptfigur  der  Kupplerin 
von  Alonso  Martinez  und  dem  Archipreste  entnommen  ist,  kommt  die  Form 
aus  der  älteren  lateinischen  Humanistenkomödie;  nur  dass  diese  an  der  Ein- 
teilung in  5  Akte  f(>st  hielt.  Nun  umfasst  der  erste  Akt  der  Celestina  that- 
sächlich  über  ein  Siebentel  des  Ganzen;  er  entspricht  in  seiner  Ausdehnung 
einer  5  aktigen  Anlage.  Rojas  kannte  diese  nicht,  es  geht  auch  dieser  letzte 
Rest  der  scenischen  Überlieferung  bei  ihm  verloren.  Aber  er  hat  mit  er- 
staunlicher Congenialität,  vielleicht  im  Anschluss  an  ein  vorgefundenes 
Argument,  Handlung  und  Dialog  weiter  geführt.  Eine  fortdauernde  Neigung 
zu  latinistischer  Wortstellung  überdeckt  nur  leicht  die  »goldene«  Sprache;  die 
Kraft  der  Charakteristik  ist  so  bewunderungswürdig  wie  der  hohe  Realismus 
der  über  der  Darstellung  auch  des  Niedrigsten  herrscht.  Das  ausserorden- 
liche  Werk  ist  die  Schöpfung  eines  Unbekannten,  nie  zu  Erratenden,  und 
eines  Mannes,  der  nichts  weiter  geschrieben  hat. 

Die  litterarische  Nachkommenschaft  der  Celestina  ist  eine  sehr  starke 
gewesen;  in  den  meisten  überwiegt  der  skabröse  Stoff  die  Handlung,  keine 
erreicht  das  Vorbild,  aber  viele  besitzen  einen  Teil  seiner  Vorzüge  und  alle 
sind  wertvoll  als  Sittenbilder;  hier  und  da  zeigen  sich  auch  Beziehungen  zu 
den  italienischen  Verwandten  (S.  IP  159).  Fortsetzungen  schrieben  Silva, 
Segunda  Comedia  de  C,  1530;^  Gasp.  Gomez  de  Toledo,  j"  Comedia  1537; 
Sancho  Munon  die  bemerkenswerte  Tragic.  de  Lisandro  y  Roselia  0  Cuarta 
Celestina.'^  Neben  verschiedenen  Bearbeitungen  in  Versen  wurde  die  erste 
für  das  Theater  eingerichtet  in  einer  Farce  und  zwar  von  Romero  de  Cepeda, 
Comedia  Seivage  1582,  mit  anderer  Handlung  freilich  nach  dem  2.  Akt.  Weitere 
Verwandte  sind  Fernandez'  Tragedia  Policiana  (1547);  Villegas's  Selvago 
Comedia  Selvagia  (1554,  Col.  de  libr,  raros^),  Hurtado's  de  la  Vera,  Comedia 
de  la  Doleria,  ein  wirres  Ehebruchstück  mit  judenspanischen  Anklängen. 
Delgado's  Lozana  Afidaluza  schildert  das  Leben  der  untersten  spanischen 
Schichten  in  Rom  (1527,  Libros  raros^);  ähnlich  skrupellos  wie  die  152 1  in 
Valencia  erschienenen  Serafina  und  Tebaida  (Libros  raros  22).  Bedeutender 
und  freier^  als  irgend  eine  der  Töchter  ist  endlich  ein  Jugendwerk  Lope 
de  Vegas,  die  Dorotea,  in  welcher  er  merkwürdig  freimütige  Selbstbekenntnisse 
niedergelegt  hat. 


^   1578-1627.     Neuaiisg.  Madr.    1821.     Vgl.  S.  453. 

^  Rennert,    Spanisli  pasloral   romances,    Baltimore    1892.      Vgl.    Salvä    1717    und 
besonders  beachtenswert  29 1. 

*  Bibl.  aut.  esp.  3.     Menendez  y  Pelayo,    Estiidios  de  Critica  II,    75.     Zts.   f.  r. 
Ph.  XXI,   32   und  405;  Romania,  XXVI,   324. 

*  Coleccion    de   libros  raros  6  curiosos  Bd.  9;   der  Verfasser   ist  bekannt  als   Schreiber 
von  Ritterromanen. 

^  el)enda  Bd.  3. 

"  Des  Velcäzquez  de  Velasco  Lena  (1602)  gehört  zum  itaiien.  Theater. 


Prosa:  Prosafiction.    Celestina.    Cervantes.  461 

Nicht  weniger  überraschend  erscheint  1554  in  Burgos  der  Lazarillo  de 
Tormes,^  an  den  sich  der  Schelmenroman  geschlossen  hat  (1555  eine  Fort- 
setzung in  Antwerpen,  die  vom  selben  Verfasser  herrühren  kann,  1600  von 
de  Lima  in  Paris).  In  einer  Reihe  von  zum  Teil  alt  anekdotischen  Zügen 
werden  hauptsächliche  Typen  der  in  unteren  Schichten  auf  der  Grenze  des 
Gesetzes  Lebenden  mit  ungemein  scharfer  Beobachtung  in  straffer  Knappheit 
dargestellt,  in  der  Form  der  Lebenserfahrung  des  Picaro,  des  Knaben  der 
auf  der  Strasse  sich  selbst  erzieht  und  erhält.  Die  Gründe,  welche  ver- 
anlasst haben  Diego  Hurtado  de  Mendoza  als  Verfasser  zu  bezeichnen 
sind  ungenügend;  wenn  Morel-Fatio  den  Autor  in  dem  Erasmianischen  Kreise 
zu  suchen  geneigt  ist,  so  trifft  das  gewiss  in  so  fern  zu,  als  bis  zur  Mitte  des 
i6.Jhs.  Capacitäten,  wie  die  hier  vorauszusetzende,  mehr  oder  minder  erasmisch 
angehaucht  zu  sein  pflegten;  aber  auf  einen  Namen  wird  man  wohl  dauernd 
verzichten  müssen. 2  Vorläufer  sind  weniger  die  allerdings  geistesverwandten 
Celestinadialoge,  als  die  Farce.  Der  bedeutendste  Nachfolger  ist  Mateo 
Aleman,3  Vida  y  hechos  del  picaro  Guzman  de  Alfarache  1599;  ein  unechter 
2.  Teil  erschien  1603  von  Luxan  de  Sayavedra,  der  authentische  1605; 
ein  versprochener  dritter  ist  nicht  erschienen.  Der  Verfasser  steht  nicht  so 
hoch  über  seinem  Helden  wie  der  des  Lazarillo,  trotz  der  eingestreuten 
Moral,  ist  bequemer  und  breiter  in  Schilderung  und  Sprache.  Der  dritte  im 
Bunde  ist  Cervantes  in  seiner  köstlichen  Skizze  Rinconete  y  Cortadillo.  Es 
folgen  Lopez  de  Ubeda,  la  Plcara  Jusiina  1605;  Geronimo  de  Alcalä, 
Alonso  nwzo  de  miichos  amos  (zwei  Teile  1624  u.  26);  Castillo  Solörzano, 
Teresa  de  Manzanares  1632,  Aventuras  del  Bachiller  Trapaza  1632,  La  Gar- 
duna  de  Sevilla  1634;  die  anonyme  Vida  de  Estevanillo  Gonzalez  164O.*  End- 
lich das  glänzende  Erzeugnis  des  Witzes  Quevedos,  die  Historia  y  Vida  del 
Gran  Tacano  Pablo  de  Segovia  (1626).  VicenteEspinel's  Vida  del  escudero 
Marcos  de  Obregon  (16 18)  gehört  kaum  mehr  hierher. 

62.  Miguel  de  Cervantes  Saavedra's^  Don  Quijote^  in  noch  höherem 
Grade  eine  Neuschöpfung  als  Celestina  und  Lazarillo,  war  ursprünglich  als 
Verhöhnung  der  Ritterromane  beabsichtigt.  Dem  Verfasser  ist  sein  Held  und 
sein  Stoff  unter  den  Händen  wert  und  lebendig  geworden.  Während  der 
spanische  Realismus  sonst  scharf  von  aussen  beobachtet ,  wächst  hier  der 
Mensch  von  innen  heraus.  Die  durch  alle  Leiden  ungetrübte  Milde  und 
Heiterkeit  der  Verstümmelten  von  Lepanto  schwebt  über  dem  Ganzen.  Be- 
kanntlich erschien  der  schon  längere  Jahre  vorher  begonnene  i.  Teil  1605; 
der  2.,  beschleunigt  durch  die  Usurpation  Avellaneda's,  1615;  1617  posthum 
der  Reiseroman  Persiles  y  Segismunda,  eine  Gattung,  in  der  Lope  de  Vega 


^  Vgl.  Morel-Fatio,  Etttdes  sur  l'Espagne  l'^.  Hl.  Keiner  der  zahllo.sen  Neudrucke 
geht  auf  die  erste  Ausgabe  zurück. 

^  Die  Heimat  ist  wahrscheinlich  Toledo.  Die  Heimat  einer  merkwürdigen  gleich- 
zeitigen Nachahmung  Lucians,  El  Crotalon  de  Christophoro  Gnophoso  (Madr.,  Bibliöf.,  1871), 
Gespräche  zwischen  Hund  und  Hahn,  ist  schwerlich  ehendort   zu  suchen. 

^  ungef.  1540 — 1610.  Neudruck  mit  dem  unedirten  2.  Teil  Bibl.  aut.  esp,  3.  Luxan 
de  Sayavedra  ist  Pseudonym  für  Juan  Marti,  einen  Valencianer  Advokaten. 

*  Die  Picara  Justina,  Gardmia  de  Sevilla,  Vida  de  Estev.  Gonzalez  in  Bd.  33  der 
Bibl.  aut.  esp.  Hierher  wohl  auch  Garcia,  La  desordetiada  Codicia  Madr.  l877;  Gabriel 
Espinosa  pastelero  de  Madrigal  in  mehreren  Hss.  der  Bibl.  Nac,  eine  von   1595- 

=  Geb.  walirsch.  9.  Okt.  1549  zu  Alcala  de  Henares,  gest.  23.  April  1616.  Einzige 
Gesamtausgabe  ist  die  von  Argamasilla.  5  Bde.,  1860.  In  Bibl.  Aut.  esp.  l  fehlt  das  Theater. 
Photographische  Reproduktion  der  ersten  Ausgabe  des  Don  Quijote,  Barcelona  1872.  Die 
kommentirte  von  Clemencin  Madr.  1834  u.  1894.  Mainez,  Vida  de  Cervantes,  Cadiz 
1876,  ist  zu  empfehlen;  gering  die  Bibliographie  von  Watts,  London  1881.  Vgl.  auch 
Morel-Fatio,  Etudes  sur  C Espagne  II 2,  V Espagne  de  Don  Quixote,  wo  indess  C.  viel  zu 
sehr  als  Satyriker  gefasst  sein  dürfte. 


462     LllTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER.    5.    SPAN.    LiTT. 

1603  mit  dem  Peregrino  en  su  patria  vorausgegangen  war;  1613  die  zum 
Teil  erheblich  älteren  Novelas  ejemplares,  zu  welchen  erst  in  unserm  Jahrhundert 
noch  eine  weitere  sich  hinzugefunden  hat:  La  tia  fingidaA  Den  Novellen 
ist  in  Spanien  nicht  viel  mehr  als  Celestina  und  Lazarillo  vorausgegangen, 
wenn  man  absieht  von  der  Geschichte  vom  Abencerajen  und  der  schönen 
Jarifa,  welche  Ant.  de  Villegas  und  Montemayor  nach  älterer  Vorlage 
ausführlicher  gestaltet  hatten  und  die  die  nächste  Vorläuferin  von  Gin  es 
Perez  de  Hita's^  historischem  Roman  Guerras  ctviles  de  Granada  ist.  Denn 
die  älteren  spanischen  Anekdotensammlungen,  mit  Einschluss  von  Timoneda's 
Patranuelo  und  Hidalgo's  Carnestolendas  de  Castilla^^  stehen  unendlich  unter 
soiner  Erzählungskunst.  Aber  auch  den  Italienern  gegenüber,  denen  er  viel 
verdankt,  hat  er  die  Aufgabe  der  Novelle  ausserordentlich  vertieft,  den  Be- 
reich erweitert. 

Zu  den  Nachfolgern  des  Cervantes  und  zugleich  der  Italiener  gehören 
dann  Suarez  de  Figueroa,  El  Pasagero  (1617);  Lope  de  Vega  im  8.  Bd. 
seiner  Obras  sueltas;  Tirso  de  Molina  in  den  Cigarrales  de  Toledo  (1621), 
darin  als  bestes  Los  tres  maridos  burlados,  mit  neuer,  ascetischer  Richtung  in 
Deleitar  aprovechando  {i(i'}>S)\  Montalvan's  Para  todos  {i6t,2)'^  der  Mariana 
de  Carbajal  Novelas  entretenidas  1638;  zwei  Sammlungen  der  Maria  de 
Zayas  1637  u.  47;  Castillo  Solörzanos  Alivios  de  Casandra  und  Quinta 
de  Laura  und  andere,  einzeln  oder  in  Rahmenform,  mehr  romantisch  oder 
mehr  der  Sittenschilderung  zugekehrt,  wie  besonders  die  zahlreichen  des  Salas 
Barbadillo.'^  Ein  phantastisches  Element  tritt  hinzu  in  dem  berühmten 
Diablo   Cojuelo  des  Velez  de  Guevara  (1641).^ 

Der  Reichtum  der  satyrischen  Produktion,  die  von  Juan  Valdes'  von 
grossen  Gesichtspunkten  ausgehendem  Diälogo  de  Mercurio  y  Caron^  bis 
über  die  Zeit  des  Verfalles  hinandauert,  kann  hier  nur  angedeutet  werden.'^ 
Fr.  Quevedo  de  Villegas^  ist  ihr  klassischer  Vertreter;  eine  starke  Phantasie 
verbindet  sich  bei  ihm  mit  durchdringendem  Verstand;  in  dem  brillanten 
Witz  seiner  Suenos,  Carlas  del  Caballero  de  la  Tenaza,  Cuento  de  Cuentos, 
Perinola  verbirgt  sich  zugleich  die  Erbitterung  einer  überlegenen  Persönlichkeit 
die  von  unerträglichen  Verhältnissen  erdrückt  wird:  sie  sind  die  Anklage 
Spaniens  gegen  Spanien  und  seine  Herren  unter  Philipp  IV. 

C.  DAS  DRAMA.» 

63.  Wenn  auch  das  geschlossene  religiöse  Schauspiel  des  13.  Jhs. 
geradezu  ausgestorben  zu   sein   scheint  (S.  401),  bot  doch  das,  was  an  seine 

^  Wahrsch.  Bruchstück  der  Semanas  de  Jardin ,  die  C  in  seinen  letzten  Tagen 
beschäftigen. 

^  1595  in  Bibl.  Aut.  esp.  3.  Von  Perez  d.  Hita  ist  dort  die  maureske  Romanze  im 
Anschluss  an  die  Romanze  aus  den  Grenzkriegen  ausgebildet. 

^  Bibl.  aut.  esp.  3   bzw.   36. 

*  Vgl.  Dos  Novelas  de  S.  B.,  Madr.  Bibliöf.    1894. 

^  Von  der  phantastischen  Satyre  Quevedos  unterscheidet  den  Diablo  die  entwickeltere 
humoristische  Handlung;  auch  von  des  Sevillaners  Rodr.  Fernandez  de  Ribera  Antojos 
de  mejor  vista,  die  ihn  angeregt  haben  mögen.  Vgl.  Hazanas  Biograf ia  de  Fern,  de  Rib., 
Sevilla  1889,  8.  47. 

®  ca.    1528;  neuster  Druck  Roman.  Studien  14,   1. 

"  Ein  Anfang    zur  Sammlung  ist  gemacht  in  Paz  y  Melia,    Sales  espanoles ,   Bd.   1. 

*  1580— 1645.  Die  Prosawerke,  welche  zumeist  nur  handschriftlich  umliefen,  sind 
gesammelt  und  grösstenteils  hrsg.  v.  Aurel.  Fernandez-Guerra,  Bibl.  aut.  esp.  23.  48. 
Vgl.   Merimee,  Essai  sur  la  vie  et  les  oeuvres  de   Qu,  Paris    I896. 

'  Hauptsächliche  Hilfsmittel:  F.  v.  Schack,  Geschichte  der  dramatischen  Literatur 
und  Runst  in  Spanien,  3  Bde.,  Berlin  1845,  Nachträge,  Frankfurt  1854.  A.  Schaeffer, 
Geschichte  des  spanischen  Nationaldramas,  Leipzig  1890,  wichtig  bes.  durch  eine  Menge  von 


Prosa:  Prosafiction.    Cervantes.  —  Drama.  463 

Stelle  getreten  war,  die  Representacion^'^  einen  Ersatz,  von  dem  aus  es  zu 
jeder  Zeit  wieder  aufleben  konnte.  Festliche  Aufzüge  und  Schaustellungen 
in  Verkleidungen,  kirchliche  und  weltliche,  haben  offenbar  fortgedauert. .  Das 
Wort  konnte  dabei  ganz  fehlen,  aber  es  lag  nahe,  neben  eingeschalteten 
Liedern  auch  die  Personen  sich  selbst  in  Versen  interpretiren  zu  lassen.  Zwei 
Schilderungen  solcher  Krönungs-Repräsentationen  in  den  Jahren  1399  und 
14 14  in  Zaragoza  sind  uns  erhalten; 2  die  allegorischen  Figuren  erklärten  sich 
singend.  Bei  kirchlichen  Schaustellungen  bringt  eigentlich  der  Gegenstand 
an  sich  ein  gewisses  Mass  von  Handlung.  Eine  solche  ist  indessen  nur  in 
leisester  Andeutung  vorhanden  in  der  Representacion  del  Nacirniento ,  welche 
Gomez  Manrique  für  ein  Nonnenkloster  in  Redondillen  dichtete;  neben  der 
heiligen  Familie,  Engeln  und  Hirten  werden  auch  die  Martern  vorgeführt. 
Von  demselben  besitzen  wir  zwei  Mummenschänze  (momos):  die  7  Tugenden 
begrüssen  einen  Verwandten  am  Geburtstag,  die  neun  Musen  den  Prinzen 
Alfonso  (1467). 3  Ebenso  wie  es  sich  iür  Katalonien  belegen  lässt,  wird  auch 
in  Kastilien ,  wo  ja  die  Voeux  du  Paon  übersetzt  waren ,  bei  Tafel  die 
Gäste  das  entremes  unterhalten  haben,  das  auch  in  einer  Mummerei  bestehen 
konnte,  belegt  aber  ist  der  Name  hier  erst  ziemlich  spät  für  das  Zwischenspiel, 
und  es  muss  dahingestellt  bleiben,  ob  er  nicht  aus  Italien  kam. 

Auf  jene  einfachsten,  halblyrischen  Auffuhrungen  folgt  das  Theater 
Juan  del  Encina's,*  der  nicht  ganz  mit  Unrecht  als  der  Vater  der  spanischen 
Theater  bezeichnet  wird.  Drei  der  sehr  einfachen  Stücke,  deren  stark  lyrische 
Form  jenen  Manriques  entspricht,  sind  als  representaciones  bezeichnet,  10  als 
Eklogen,  eines  als  Auto.  Der  Eklogenname  steht  im  Cancionero  neben  den 
Übersetzungen  der  Bukoliken  Virgils,  die  Benennung  übertrug  sich  unschwer  und 
anregend  auf  die  Hirtenscene  der  Weihnachtsschaustellung.  Der  Name  des 
Auto  allerdings  weist  auf  italienische  Einflüsse,  den  Aufenthalt  Encinas  in  Rom. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  das  possenhafte  Element,  das  sich  bei  ihm 
findet,  zum  Teil  von  dort  stammt,  ganz  ausgeschlossen  ist  aber  auch  näherer 
Zusammenhang  mit  der  französischen  Farce  nicht.  Abhängig  von  Encina  ist 
Lucas  Fernandez  (1514;  Madr.  1867),  bei  dem  sich  der  Name  der  Färse 
(u.  Comedia)  einfindet;  nicht  minder  der  viel  genialer  veranlagte  schöpferische 
Portugiese  Gil  Vicente  (s.  o.  S.  283)  und  Torres  Naharro,^  der  in  Dialog 
und  Varietät  des  Stoffes  gegenüber  Encina  merklichen  Fortschritt  zeigt,  im 
Aufbau  noch  völlig  locker  ist.  Bei  ihm  findet  sich  zuerst  die  Einteilung  in 
Akte  unter  dem  Namen  jornada,  der  wieder  eher  auf  französischen  als  auf 
italienischen  Einfluss  hinweist,  trotz  seines  Aufenthalts  in  Italien.  In  viel 
primitiveren  Verhältnissen  als  bei  einem  der  vorgenannten  —  Encinas  Stücke 
wurden  im  Palast  des  Herzogs  von  Alba  gespielt,  die  Vicentes  in  dem  des 
Königs  —  finden  wir  das  Schauspiel  bei  dem  allerdings  jüngeren  Diego 
Sanchez^  in  dem  weltfernen  Badajoz.  Seine  28  Stücke  sind  sämtlich  Fest- 
Analysen  uu7AigängIiclier  Stücke  (Kl eins  Geschichte  des  spanischen  Dramas,  Leipzig  1871, 
hat  vornehmlich  die  ästhetische  Seite  im  Auge).  La  Barrera's  Catälogo  bibtiogräfico  y 
biogräfico  del  teatro  antiguo  espanol,  Madrid  1860.  Vgl.  Morei-Fatio,  La  Comedie  du 
XVII'  siede,  Paris   1885. 

^  Das  Wort  aus  Frankreich,  wo  unter  representativtt  ebenfalls  sowohl  ein  eigentliches 
Schauspiel,  als  Schaustellungen  ohne  Worte  verstanden  wurden. 

2  Milä  y  Fontanals,   Obras  VI,  236. 

*  Obras  I.    198;  II,  30,    122. 

*  ca.  1469— 1034.  Seine  Werke,  Cancitmero,  zuerst  1496.  dann  mehrfach  vermehrt, 
zuletzt  u.  d.  T.  Teatro  completo  de  J.  de  E.,  Madr.  1893,  von  Asenjo  Barbieri.  Vgl. 
Cotarclo,  y.  d.  E.,  in  Espana  moderna   1894,  Mai. 

*  Lebte  unter  Leo  IX.  in  Rom,  15 17  in  Neapel,  wo  seine  Propaladia  erschien.  Neuausg. 
Bd.   1   Madr.   1880. 

*  Blüht  ca.  1530  —  47  posthume  Ausg.  der  Recopitacion  1554,  Neudr.,  2  Bde.,  Madr. 
18^2.  86. 


464     LirrERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN    VÖLKER.  5,    SpAN.    LiTT. 

auffiihrungen,  auch  wo  das  nicht  angedeutet  ist,  meist  auf  Weihnachten  und  Corpus. 
Der  Hirt,  der  den  Prolog  spricht,  den  Chor  und  die  komische  Figur  macht, 
kommt  aus  dem  WeihnachtsspieJ.  Der  durchweg  einheitliche  Ort  scheint  der 
Platz  vor  der  Kirche.  In  zwei  Fällen  ist  Aufführung  durch  das  Gewerk 
wahrscheinlich;  der  kirchliche  Anteil  ist  zum  Teil  die  Hauptsache,  tritt  aber 
auch  bis  zur  völligen  Schrumpfung  zurück.  Überwiegend  erhält  man  den 
Eindruck  der  Kreuzung  zwischen  Farce  und  Moralit(^.  —  Die  rudimentäre  Form 
des  Monologs  ist  in  dem  S.  46 1^  erwähnten  Crotalon  belegt  '  und  zwar  ganz 
eigentlich  als  Entremes. 

Völlig  unter  italienischem  Einfluss  steht  in  seinen  Comedias  Lope  de 
Rueda,2  einheimisch  sind  bei  ihm  eine  Farsa  in  Versen  und  die  köstlich  witzigen 
Pasos  oder  Entremeses^  welche  seine  Ruhmestitel  sind.  Später  stellt  sich  die 
Nachahmung  der  lateinischen  Tragödie  ein,  wahrscheinlich  beiMalara  1527 — 71, 
bei  GeronimoBermudez(i577),  CristöbaldeVirues,  Cueva,  Lupercio 
Argensola,  die  alle  bühnenwidrig  bleiben,  fast  alle  ungeniessbar  sind,  mit  Aus- 
nahme etwa  der  Elisa  Dido  des  Virucs  und  der  in  all  ihren  Un Vollkommenheiten 
bedeutenden  Numancia  des  Cervantes.  Geblieben  ist  von  ihnen  nur  die 
Metrik.  An  Stelle  der  sehr  unruhigen,  weil  gesungen  gedachten  Maasse 
Encinas  und  seiner  nächsten  Nachfolger  waren  später  etwas  einfachere  ge- 
treten; bei  Romero  de  Cepeda  (s.  o.  S.  460)  oder  bei  Cueva  zeigt  sich 
zuerst  die  später  herrschende  Bindung  bestimmter  altspanischer  und  italienischer 
Formen,  welchen  dann  Lope  de  Vega  bestimmte  Aufgaben  zuwies.  Die  fünf- 
fache Aktteilung  Torres  Naharro's  scheint  zuerst  Fr.  de  Avendaiio  (1533) 
zu  Gunsten  der  Dreiteilung  aufgegeben  zu  haben ,  wie  vor  Lope  Cervantes 
wieder  gethan  hat;  Vierteilung  brauchte  Cueva,  eine  Zeit  lang  auch  andere, 
so  besonders  Lope  in  seinen  ersten  Versuchen.  Der  erste  der  nationale 
Stoffe  auf  die  Bühne  brachte  war  der  vielseitige  Cueva. ^  All  das  waren 
mehr  Äusserlichkeiten:  was  dieser  ganzen  Zeit*  fehlt,  den  Latinisten  sowohl 
wie  den  italianisierenden  und  den  religiösen  Schauspielen,  ist  das  Verständnis 
für  bühnenfähige  Führung  der  Handlung,  während  die  Einakter  aller  Art 
spielbar  sind.  Bessere  Ansätze,  vi\e  A\q  Joseßna  Carvajal's'' (i  546),  bleiben 
vereinzelt.  Es  fehlte  nicht  an  Truppen  und  Zuhörern  ,  aber  es  fehlte  noch 
die  unerlässliche  Voraussetzung  einer  grossen  Tradition,   die  feste  Bühne. 

64.  Im  letzten  Drittel  des  16.  Jhs.  sind  in  Valencia,  Sevilla,  Madrid 
stehende  Bühnen^  entstanden.  In  Madrid  1579  das  Theater  de  la  Cruz,  1582 
das  del  Principe.  Und  in  ihnen  fand  das  grosse  Genie  seine  Schule,  das 
dem  spanischen  Theater  den  nationalen  Stempel  aufdrücken  sollte.  Es  mag 
sein,  dass  Lope  de  Vega  (1562 — 1635)''  seinen  Vorgängern  und  mehr  noch 
gleichstrebenden  Zeitgenossen  mehr  in  Einzelheiten  verdankt,  als  sich  direkt 
nachweisen  lässt.*^    Er  bleibt  aber  doch  der  Schöpfer  der  spanischen  Comedia. 


^  S.  330 :  «'^  <^^  aqiullos  chocarreros  que  para  semejantes  cenas  stielen  alqtiilar  .  .  . 
predico  el  sermon  que  los  portogtieses  suelen  predicar  el  dia  que  celebran  la  batalla  de  Aljubarota. 

^  Blüht  ca.  1540-66,  der  erste  beri'ihmte  Schauspieler.  Ohras  zuerst  1567  u.  76, 
dann  in  Col.  de  libr.  raros  0  curiosos  Madr.    1895,   2  Bde. 

^  Fernandez-Guerra  reklamirt  in  der  Revista  hispano-amer .  die  Initiative  für  eine 
ältere  Heiligenkomödie,  die  indessen  nur  nebenbei  historisch  ist. 

•*  Ein  Namenverzeichnis,  wenig  mehr,  bei  Ca  fiele,  Teatro  espaiiol  del  siglo  XVI, 
Madr.    1885. 

■=*  Madr.,  Bibliof.   1870;  vgl.  Rom.  XV.  462. 

^  Corrales  genannt  von  der  Entstehung  aus  gemieteten  Höfen.  Vgl,  Sepülveda, 
El  Corral  de  la  Pacheca,  Madr.  1886;  Diaz  de  Escovar,  El  Teatro en  .Mf/a;^a,  Malaga  l8y6. 

''  Gesamtausgabe  28  Bde.,  Madr.  1604— 47.  Bibl.  Aut.  esp.  24,  34.  41,  52.  Neue 
grosse  Ausgabe  der  Akademie  seit  1890.  Vgl.  Hennings,  Studien  zu  L.  d.  V.,  Göttingen 
1891;  Farinelli,   Grillparzer  mid  L.  d.    V.,  Berlin    I894. 

*  Vgl.  Miguel   Sanchez,  La  Isla  bärbar a,  p.  p.  Rennert,  Baltimore  1896,  S.  XII. 


Drama:  Lope  de  Vega.  465 


Sein  geniales  Übergewicht  verlieh  ihr  eine  feste  Abteilung,  zweckmässige  Ver- 
wendung der  (überreichen)  Versarten,  Einheit  der  Handlung  und  vor  allem 
ein  richtiges  Verständnis  für  die  Bühnenwirkung  und  den  stets  lebendigen 
Zusammenhang  mit  einer  aus  der  breiten  Masse  der  Bevölkerung  bestehenden 
Zuhörerschaft.  Ideale  und  Begriffe,  Formen  und  Inhalt  sind  die  dem  Volk 
vertrauten,  die  Bibel,  Heiligenleben,  die  Geschichte  wie  sie  in  der  Romanze 
episch  umgebildet  war,  Volksbücher,  Novellen ,  das  Leben  des  Hauses  und 
der  Strasse,  der  Stadt  und  des  Dorfes,  der  Höchsten  wie  der  Niedersten. 
Gefährlich  war  die  erstaunliche  Raschheit,  mit  welcher  er  komponierte.  Er 
dichtete  manchmal  in  24  Stunden  eine  Komödie.  Über  1500  Komödien 
hat  er  geschaffen,  unangesehen  die  Autos  (einaktige  allegorisch-religiöse  Fest- 
stücke), Loas  (Vorspiele)  und  Eniremeses ;  gegen  500  davon  sind  erhalten.  Die 
Flüchtigkeit,  die  dabei  naturgemäss  oft  zu  Tage  tritt,  entsprarg  nicht  so  sehr 
einer  allerdings  vorhandenen  relativen  Geringachtung  einer  Dichtungsgattung, 
die  so  sehr  allen  Vorschriften  der  Alten  widersprach;^  Lope  konnte  nicht 
anders  als  sich  rasch  ergiessen,  wie  seine  anderweite  schriftstellerische  Thätig- 
keit  zeigt.  Nirgends  ist  er  ganz  makellos  und  doch  ist  die  Zahl  dauernder 
Meisterwerke  eine  erstaunliche,  vor  allem  unter  seinen  historischen  Schauspielen, 
wie  Los  Tellos  de  Meneses,  Peribanez  y  el  Comendador  de  Ocana,  Fuente  Ovejuna, 
El  fnejor  Alcalde  el  rey,  die  irrig  Tirso  zugeteilte  El  Rey  Don  Pedro  en 
Madrid  y  el  Infanzon  de  Illescas.  Sein  Beispiel  war  überwältigend  für  Zeit- 
genossen und  Nachkommen.  Als  eine  kleine  Gruppe  lassen  sich  unter  ihnen 
nur  die  Valencianer  aussondern,  Gaspar  de  Aguilar  (ca.  1568  — 1623), 
Tarrrega  (bis  ca.  1620),  Guillen  de  Castro  (1569 — i63i),2  der  Dichter 
der  Mocedades  del  Cid,  und  ein  ernstliches  Abgehen  von  den  Wegen  Lope's 
lässt  sich  auch  hier  nur  bei  Castro's  Ehebruchsdrama  Los  mal  casados  de  Valencia 
konstatieren.  Um  Lope  gruppieren  sich:  Luis  Velez  de  Guevara 
(1570 — 1644),  ein  ansehnliches,  aber  etwas  weiches  Talent,  das  sich,  wie 
früher  Lope,  später  Calderon  anschmiegt;  MiradeAmescua  (ca.  1578 — 1641), 
der  Dichter  des  Esclavo  del  Demonio;  Juan  Ruiz  de  Alarcon  (1580 — 1639),^ 
eine  ernste  und  selbständige  Natur,  die  sich  in  einer  gewissen  Opposition  zu 
Lope  befand,  der  Verfasser  des  Tejedor  de  Segövia  und  der  Charakterkomödien 
Las  Paredes  oyen  und  La  Verdad  sospechosa,  des  Vorbildes  von  Corneille's 
Menteur;  bedeutend  schwächer  als  diese  drei  der  Hausgenosse  und  Schüler 
Lope's,  Juan  Perez  de  Montalvan.  Unmittelbar  neben  Lope  muss  Fray 
Gabriel  Tellez  gestellt  werden,  der  unter  dem  Namen  Tirso  de  Molina"* 
schrieb  (1570— 1648),  welchem  zwar  El  Burlador  de  Sevilla  (Don  Juan) 
kaum,  El  Condenado  por  desconfiado  gewiss  nicht  gehört,  der  aber  einer  der 
ersten  Meister  des  Lustspiels  aller  Zeiten  ist;  der  Verfasser  von  Maria  la 
piadosa,  La  Villana  de  P^allecas,  Don  Gil  de  las  Calzas  verdes.  Die  Zahl  der 
Dichter  dritten  Ranges,  welche  für  das  unersättliche  und  tägliche  Bedürfnis 
des  Publikums  sorgten,  ist  Legion. 

65.    Nach  dem  Tode  Lope's    beherrschte    Don  Pedro  Calderon  de 
la  Barca  (1600  — 1681)^  die  Bühne,  zuletzt  als  der  offizielle  Dramatiker  des 


*  S.  seine  Arte  nuevo  de  hacer  Comedias ;  Bibl.  Aut.  esp.  38. 

2  Vgl.  Schaeffer,  Ocho  Comedias  desconocidas,  Lpz.  1887;  Las  Mocedades  del  Cid,  p.  p. 
Merimee,  Toulouse  1890. 

'  Biöl.  Aut.  esp.  Bd.  20    Vgl.  Fernandez-Guerra,  Don  y.  Ruiz  d.  Alarcon,^ia.AT.  1871. 

*  Teatro  escogido,  Madr.  1839 — 42,  besser  als  in  Bibl.  Aut.  esp.  Bd.  5-  Vgl.  Cotarelo, 
Tirso  de  Molina  Madr.  1893;  Menendez,  Estudios  IV.  130.  Der  Burlador  macht  den 
Eindruck  der  noch  verworrenen  Jugenddichtung  eines  begabten  Kopfes ,  auch  nach  den 
erheblichen  Korrekturen,  die  Cotarelo  zu  dem  verderbten  Bühnendruck  beigebracht  hat, 
und  dieser  Eindruck  dürfte  sich  schwerlich  ändern,    auch  wenn    wir  das  Original  besässen. 

*  Auf  der  ersten,  höchst  mangelhaften  Ausgabe  von  Vera  Tassis,  Madr.  1683— 91, 
(3RÖBRR,  Grundriss.    Mb.  3O 


466    LiTTERATURGESCHICHTE    DER    ROMANISCHEN  VÖLKER. 5.    SpAN.    LlTl". 

Hofes  und  der  Hauptstadt.  Calderon  zeigt  ein  stärkeres  künstlerisches  Be- 
wusstsein  als  Lope  und  als  Tirso.  Er  verkörpert  in  noch  entschiednercm 
Maasse  als  seine  Vorgänger  die  Ideale  seiner  grossen  und  mächtigen  Nation, 
zugleich  aber  auch  die  ganze  Eigenartigkeit  und  geistige  Willkür  ihres  Geistes- 
lebens. Erst  bei  ihm  ist  der  Ehrenkodex  zur  Triebfeder  der  Handlung  ge- 
macht, allerdings  eine  Tendenz,  die  sich  gelegentlich  schon  in  den  Romanzen 
zeigt,  aber  bei  ihm  ihre  dogmatische  Ausbildung  erfährt.  Der  Reichtum  der 
metrischen  Formen  erscheint  vereinfacht.  Ein  technischer  Gewinn ,  aber 
ästhetischer  Nachteil  war  die  Schabionisierung  des  Gegenspiels  des  gracioso. 
Bei  grossen  Gedanken  und  grosser  poetischer  Kraft  ist  er  unfreier  und  enger 
als  sein  Vorgänger ,  zugleich  aber  durch  seine  strenge  Geschlossenheit  wirk- 
samer geblieben.  Zu  seiner  Umgebung  gehören:  Francisco  de  Rojas 
Zorrilla  (1607  bis  ca.  1660),  dessen  Del  Key  abajo  ninguno  sich  neben  die 
besten  Stücke  Calderon's  stellt,  und  Agustin  Moreto  (1618 — 1669),  ein 
geschickter  Lustspieldichter,  der  Verfasser  von  El  desden  con  el  desden  und  El 
lindo  Don  Diego.  Die  übrigen  Nachfolger  C.'s,  wie  Matos  Fragoso,  Dia- 
mante,  Antonio  Cuello,  Cubillo,  der  Geschichtsschreiber  Antonio  de 
Solis,  Salazar  y  Torres,  ahmen  seine  Mängel  nach  ohne  seinen  Geist, 
erzeugen  im  besten  Fall  Mittelmässiges,  technisch  Brauchbares.  Die  letzten 
Nachzügler  Bauces  Cändamo,  Canizares  (1676 — 1750)  und  Antonio 
de  Zamora  haben  besonders  die  comedia  de  figurön  gepflegt.  Dann  erlischt 
das  glänzende  Phänomen. 


beruhen  alle  späteren,  die  von  Keil,  4  Bde.,  Lpz,  1827,  wie  die  von  Hartzenbusch; 
Eibl.  Aut.  esp.  7,  9,  12,  14.  Die  Autos,  6  Bde.,  1715,  2.  Ausgabe  1759.  Poesias,  Cadiz 
1845;  Poesias  ineditas  M.aAi'.  1881.  S.  Schmidt,  die  Schauspiele  Calderon' s,  Elberfeld  1857. 
M o r e  1  - F a t i o ,  Calderon,  Paris  1881.  Menendez  Calderon y  su  teatro  Madr.  1 88 1 .  Günther 
C.  und  seine   Werke,  Freiburg   1888.     Menendez,  Estudios  II,    107- 


Berichtigungen. 

S.  385  Z.  32  /.  Siedlungsgebiet;  S.  406  Z.  1  /.  Ysopet;  S.  411  Z.  7  ^  dessen; 
S.  413  Z.  21  /.  nur  mehr;  S.  414  Z.  17  /.  Ceringtonia;  S.  416  Anm.  8  gehört  zu  S.  417 
Z.  7;  S.  445  Z.  28  Sanchez  Moguel;  S.  449  Z.  28  /.  allgemeinen  europäischen  Nach- 
ahmung; S.  451  Z.  44  und  die  spanische  Inquisition-,,  S.  452  Z.  30  /.  die  späteren  Gedichte; 
S.  453  Z.  h  l.  erstreckte;  S.  454  Z.  2  /.  der  Kiiegsmann;  Z.  15  l-  1550;  Z.  \t  l.  1550; 
Z.  28  l.  sich;  Z.  48  /.  varios;  Z.  ^2  füge  hinzu:  Zts.f.  r.  Phil.  16,  40;  S.  460  Z.  14  /.  Alfonso 
Martinez;  S.  461  Z.  25  l.  Sevilla;  S.  463  Z.  45  füge  hinzu:  Rom.  Jahiesb.  1  u.  III''  unter 
Span.  Theater. 


REGISTER. 


Abad,  Domingo  400. 
Abbade  Dom  Joam  206. 
ahliadessados  356. 
Ahenalfarax  399. 
Abenteurerroman.  Einflussdes 

französ.  A.'s  auf  die  span. 

Prosa  434. 
Ahiiidanaez   und  Jarifa  446. 

448.  462. 
Abiier,  Rabbi  417. 
Aboim,    Joao    d'   172.     178. 

188.   191. 
Abre,  abre  las    nrejas  (Span. 

Gedicht)  430. 
Abreu,  Antonio  de  — o  Engen- 

boso  330. 
Abreu,  Pero  d'  270. 
Abreu  Mousinho ,  Manoel  d' 

338. 
Abril,  ürraca  176.  \ 
Abril  Peres,  deLumiares  175. 

176.  188.  189.  191. 
Abul  Kassem  Khalaf  68. 
Academia    das    Conferencias 

discretas  357. 
Academia  das  Sciencias  355. 

865. 
Academia  de    los  Nocturnes 

452. 
Academia  dos  Generosos  349. 
Academia  dos  Singulares  349. 

3.50. 
Academia    Portugueza     357. 

359. 
AcademiaReal  daHi.storiaS57. 
Accort  27. 
Acompaniado   172. 
Acuna,  Fernando  de  450.  457. 
Adam  von  Arras  406. 
'Adamson,  John  314.  351. 
Adelsbücher,  Portug.  208  ff. 
Ademar,     Guillem     18.    20. 

173.   174. 
Aegidius  von  Albornoz  406. 
Aegidius  Romanus  229.  246. 

418.  419. 


Aeneas  Sylvius  248.  293. 
Aesop,    Kat.    Übers.    121  f. 

Im  Span,  verwertet  413. 
.\ffonso  de  Leoiit   190. 
Affonso  de  Leom  e  Castella 

190. 
Affonso  de  Portugal,    irmäo 

de  D.   Dinis  222. 
Affons'    Eannes    do    Cotom 

189.   191. 
Affonso    P'ernandes  ,     Cubel 

189. 
Affonso.  Gregorio  268.  271. 

303. 
x^ffonso    Henriques ,     König 

von  Portugal  231. 
Affonso    Lopes ,    de    Baiam 

188.  189.  191.  193  f.  198. 
Affonso  Mendes,  de  Besteiros 

189. 
Affonso  Paes,  de  Braga  189. 
Affonso    Sanches    152.    179. 

187  f.   189. 
Affonso  Valente   271. 
Affonso  s.  auch  Alfonso. 
.^frica  portugueza  341. 
Agnes,  Prov.  Drama  von  der 

hl.   -   13  f.  55. 
Agostinho  da  Cruz  304.  306. 
.\gostinho  Pimenta  304. 
Aguiar.  Jorge  d'  271. 
Aguilar  271.  452.  465. 
Aguilö  y  Fuster,  Mariano  72. 

73.  74.  84. 
Agusti,  Fr.  Miguel  113. 
Agustin  Alonso  457. 
Agustin,  Antonio    102.    115. 
Aigar  und  Maurin  5. 
.Vimeri  392. 

Aimeric  v.  Belenoi  18.   173. 
Aimeric  de  Pegulhan  18.   29. 

174.  176. 
Aimeric  de  Sarlat   16 
Aires,  Joam   189.   191.   196. 
Aires,  Pedro  270. 
Aires  Barbosa  300.  332. 
Aires,  Corpancho  189. 
Aires,  o  Engeitado  189. 


Aires  Moniz ,  de  Asma   189. 
Aires    Nunes    (clerigo)    152. 

166.  188.  189.  191.  200. 
Aires  Paes,  jograr  189.  191. 
Aires  Peres,   Vuiturom   177. 

189.  191. 
Aires  Soares  191. 
Aires  Vaz  189. 
Aires  Victoria,  Henrique  312. 
ajudas  279. 
Akademien,  Portug.  349.350. 

355.  357.  359.  364.  365. 
Aktteilung    im    span.  Drama 

464. 
Alain  Chartier  78.  236. 
Alarcon.  Juan  Ruiz  de  465. 
Alba,    Tagelied  26.     Geistl, 

Lieder  in  dieser  Form  35. 

Portug.  albas  193. 
Albano  Erythreo  364. 
Albeiteria  417. 
Alberic  v.  Besanqon,  Aiexan- 

derbruchstück  1 1. 
Albertano    v.    Biescia,    Kat. 

Übers.   105. 
Albertet  v.  Sesteron  18.   19. 
Albertus  Magnus,  Kat.  Übers. 

112. 
Albigenserchronik  38.  66. 
.Albornoz,  Aegidius  von  406. 
Albornoz,  Gil  de  230.  420. 
Albornoz ,    Pero    Gomez    de 

445. 
Albucasis,  Chirurgie,    Prov. 

Übers.  68. 
Albuquerque,  Affonso  de  259. 

338.  348. 
Albuquerque ,    Bras  de338. 
Alcala ,    Gesetze    der   Cortes 

von  —  417. 
Alcalä,  Geronimo  de  461. 
Alcanyis,  Luis  d'   112. 
Alcazar,  Baltasar  de  451. 
Alcino  Mycenio  363. 
Alcippe  372. 
Alcobaga-Bibliothek  211. 
Alcoforado,  Marianna  354. 
Alcoran  409. 

30* 


468 


Register. 


Alcoutim,  Graf  344. 
Aldana  452. 

Alegre,  Francesch  116.   121. 
Aleman,  Mateo  461. 
Aleniquer,  Graf  136. 
Alexander,   Span.  Lied  vom 

Tod  A.'s  433. 
Alexandre,  Roman  d'  (Prov.) 

11. 
Alexandre    des    Berceo    393. 

399.  402.  403.  404.  433. 

436. 
Alexandre    de  Guzmao    351. 

358. 
Alexandre  da  Paixao  353. 
Alexandriner   im   Span.  389. 

390.  406.  421.  422. 
Alexiuslegende,  Prov.  40. 
Alfea  349. 
Alfeno  Cynthio  364. 
Alfonso    V.    Aragon    (Enkel 

Jacobs  II.  von  Aragon)  99. 

109. 
Alfonso    II.    von    Aragonien 

120.  391. 
Alfons  III.  von  Portugal  183. 
Alfons  IV.  von  Aragon  117. 
Alfons  IV.  von  Portugal  164. 

183. 
Alfonso    V.    von    Aragonien 

96.    113.  116  f.  420.  423. 

428.  433. 
Alfons  V.  von  Portugal  250  f. 

331. 
Ahons  VI.  386. 
Alfonso   VII.    von    Castilien 

386.  387  Anm.  3.  388. 
396. 

Alfonso  Vlll.  von    Castilien 

388. 
Alfonso    IX.    von     Castilien 

407.    —    von    Leon    175. 

183. 
Alfonso  X.  von  Castilien,  der 

Weise  123.  164.  169.  173. 

178.    181  ff.    184  ff.    191. 

198.  200.   211     280.  385. 

387.  388.  389.  390.  395. 
399.  400.  401.  404.  407. 
415.  416.  418.  419.  427. 
438.  Leben;  seine  litte- 
rarische Bedeutung ;  sein 
schriftstellerisches  Wirken 
184  ff.  408.  Geistl.  u. 
weltl.  Lyrik  184.  408. 
Seine  Marienlieder  184. 
185.  389.  Port  cantares 
149.  202.  Calila  y  Dinma 
409.  413.  414.  Gran  con- 
quista  de  Ultramar  39.  211. 
271  Anm.  3.  392.  411 
Anm.  2.  415.  417  (s.  Sancho 
IV.  415.  416.  417.)Cronica 
general  oder  Historia  (Crö- 
nica)  de  Espafia  390  ff.  399. 
409.  4]0.  412.  418.    Port. 


Übers.   210.     Kat.    Ubers. 

1 1 5.       Grande    y     general 

Historia  410.  Port.  Übers. 

210.  242.    Espejo  de  todos 

losderechos409.  Formas  e 

imagines  ('e  los  cielos  408. 

Ley    de    los    Judios    409. 

Libro  de  la  Azafeha  408. 

Libro    de    la   Esfera    408. 

Septenario  408.  409.  411. 

419.     Siete    Partidas  102. 

409.    411.    415.417.418. 

419.  Port.  Ühers.  210.  211. 

Tablas  Alfonsis  408.  Seine 

Versarten    196. 
Alfonso    XI.    von     Castilien 

181.  183.  191.   205.    388 

400.  404.    405.  415.  417. 

418.  419.  422.  426.  438. 
Alfonso  ,  Juan  422  Anm.  4. 
Alfonso  de  Cartagena  254. 
Alfonso    D.    Fadrique    413. 

414. 
Alfonso  Fernandez  (Bastard- 
sohn Alfons  X.)  409. 
Alfonso     de     Madrigal     (El 

Tostado)  443.  444.  445. 
Alfonso  de  Toledo  437.  444. 
Alfonso  Martinez  de  Toledo. 

Erzpriester    von    Talas-era 

100.  437.  446.  460. 
Alfonso  von  Valladolid  (Rabbi 

Abner)  417. 
Alfonsus,    Petrus    s.    Petrus 

Alphonsus. 
Aljamia-Litteratur  445.  446. 
Aljubarrota-Brief  254. 
Allegorische        Erzählungen, 

Prov.  45.  46. 
Allegorische      Novellen      in 

Portugal  351. 
Almada,  Francisco  d'  271. 
Almansor  112. 
Almeida,  Alvaro  Fernandez  d' 

271. 
Almeida,  Joäo  Pereira  de  358. 
Almeida,  Lopo  de  254. 
Almeida,  Nicolau  Tolentino 

d'  298.  361.  364. 
Almeida ,  Theodoro  de  358. 
Almeida-Garrett ,  Joäo  Bap- 

tista  da  Silva  Leitäo.  Vis- 

conde  de    133.    138.    139. 

140.   144.    155.    163.  352. 

368.    369.    370  ff.  375  f. 
Almela,  Diego  Rodriguez  de 

437.  445. 
Almeria,  Carmen  de  391.  396. 
Almerique    de  Narbone  392. 
Almohaden  384. 
Alonso,  Agustin  457. 
Alonso  de  Cartagena  218. 
Alonso  de  Ledesma  45L  455. 
Alonso  Perez  336.  459. 
Alonso  de  San  Cristöval  445. 
Alonso  de  Toledo  487.  444. 


Alorna,  Marquise  von  372. 
Alphonsus  ,  Petrus  s.  Petrus 

Alphonsus. 
Alvarenga  Peixoto  362. 
Alvares,    Alfonso    237.  241. 

302.    307.    s.    auch  Villa- 

sandino,    Alfonso  Alvares 

de. 
Alvares,  Francisco  340. 
Alvares,  Joam  258  f. 
Alvares,  Manoel  358. 
Alvares,  Pedro  —  de  Avlloii 

334. 
Alvares.  Rodrigu'  Ennnes  d"^ 

190. 
Alvares    da  Cunha ,  Antonio 

325.  349. 
Alvares  do  Oriente,  Fernam 

306.  316.  324  f.  330.  336. 
Alvarez  de  Toledo  456. 
Alvaro    Affonso,    cantor    do 

senhor  Infante   189. 
Alvaro  Fernandes  d'x'Mmeida 

271. 
Alvaro  Gomes,  de  Sarriä  189. 
Alvaro  Paes  193.  199. 
Alvelo,  Martin    191. 
Alvites.Martim  173. 177.  191. 
alvorada  148. 
Amadis  41F.  420.  423.  438. 

439.  440.  441,  442.  457. 

459.      Der    portugiesische 

Amadis   137.   208,  216  ff. 

226.  333.  441. 
Amadis  de  Grccia  333.  459. 
Amadis  -  Sonette    165.    219. 

222. 
Amador  Arraes  343. 
Amanieu  de  Sescas  5!. 
Amantiuslegende,  Prov.  3C>. 
Amat,  Juan  Carlos   108. 
Ambroa,  Pero  de  190.  191. 
Amescua.  Mira  de  453.  465. 
Amiel,  Gausbert  29. 
Amigo,  Pedr'  — ,  de  Sevilha 

190.  191. 
Amiguet,  Antoni  112. 
Ammenlieder,  Altport.   195. 
Amorim,  Gomes  de  376. 
ampelt,  Bedeutung  des  Aus- 
druckes 78. 
Amphitrioes   136.  309. 
Anales  Toledanos  I.  II.  407. 
Anaxartes  459. 
Anchieta  307. 
Andachtsbücher,  Kat.  89. 
Andanzas   y  Viages  de  Pero 

Tafur  430  Anm.  5.  436. 
Andrada,   Fernandez  de  451. 
Andrada,    Miguel    Leitäo   de 

161  f.  164.  303.  316.  330. 

337.  343. 
Andrade,  Balthasar  de  Brito 

e  341. 
Andrade,  Diogo  de  Paiva  de 

341.  343.  353, 


Register. 


469 


Andrade,  Francisco  de  329. 
331.  338.  340. 

Andrade ,  Gonies  Freire  d' 
305.  364. 

Andrade,  Jacintho  F'reire  de 
350.  352  f. 

Andrade  -  Caminlia  ,  Pero  de 
298.  304.  305.  306.  317. 
328. 

Andrade-Corvo  375. 

Andreas ,  Prov.  Mysterium 
des   —  58. 

Andreu   von  Albalate  112. 

Anekdotensammlungen,  Span. 
462. 

Anelier,  Guilhem  38  f. 

Anequim  234. 

Angelina,  Vidadesancta  —92. 

Angelo,  Michel  449. 

Angeriano  305. 

Anuaes  de  D.  Joac  III.  340. 
352. 

Annes,  Estevara  172.  187. 
190.  191. 

Anriqne  234. 

Anriquez ,  Lui.«  268.  271. 
273.  274.  279. 

Anseis  de  Cartage  395 

Anticatastrophe,  Port.  Schrift 
353. 

Antimoria  332. 

Anton,  Bruder  96. 

Antonino   von  Florenz  95. 

Antonio  das  Chagas  347. 
353.  354. 

Antonio  da  Encarnn^ao  352. 

Antonio  de  Guevara  458. 

Antonio  de  Lisboa  307. 

Antonio  des  Reys ,    P.  351. 

Antonio  Rodrigues  Portugal 
333  f. 

Antonio  Sanchez  404. 

Antonio  de  Solis  453.  458. 
406. 

Antonius  von  Vienncs.  Prov. 
Mysterium  des  —  56  f. 

Antunes,  Gualter   166. 

Apokryphen  der  port.  Litte- 
ratur  161  —  167.  231.  234. 
247.  254.  326.  Aljubar- 
rota-Brief  254.  Ainadis- 
Sonette  165.  219.  222. 
Cava-Gedicht  163.  Conde- 
stavel-Lieder  234.  Egas- 
Moniz  Briefe  164.  Elegie 
des  Briteiros  164.  Figuei- 
redo-Romanze  165.  Ines 
de  Castro-Lieder  231.  Lob- 
lied auf  Lissabon  164.  247. 
Ouroana-Lied  162.  Übers. 
Santillana's  272  Anm. 

Apollonio,  Libre  de  —  403. 
404. 

Apolonio  389. 

Apostelge.schiciite,  Prov. 
Übers.  61.      Port.  207. 


Araber  in  Spanien  ,  Ihre 
Kunstdichtung  384.  Ein- 
fluss  der  Araber  auf  die 
span.  Litt.  384  ff.  408.  409. 
410.  411.  Verwertung 
arabischer  Verse  385. 

arabias   1 54. 

Arabismen  446. 

Aragonesen ,  Schule  der  — 
450. 

Arbalecca,  Prov.  Gedicht  49. 

Arbol  de  Batallas  435. 

Arbolanche  457. 

Arbre  de  Batailles  s.  Honore 
Bonet. 

Arcadia  299  336.  358.  459. 
460. 

Arcadia  Nova  366. 

Arcadia  Ultrainarina  365. 

Arcadia   Ulyssiponense    360. 

Archidiakonus  v.  Toro  241. 
426. 

Archipreste  de  Hita  s.  Hita. 

Arcipreste  de  Fita  s.  Hita, 
Juan  Ruiz ,  Archipreste 
de  — 

Arelhano   270. 

Aretino,  Leonardo  103.  435. 

Argensola,  Bartolomeo  Leo- 
nardo 452.  453. 

Argensola, LupercioI>eonardo 
de  452.  464. 

Argote ,  Luis  de  Gongora  y 
—  s.  Gongora    y  Argote. 

Argote  de  Molina  239.  418 
Anm.  6. 

Arguedas.  Fuero  v.   —  388. 

Arguijo,  Juan  de  431. 

.Aribau,  Carlos  Buenaventura 
72.  83.  84. 

Arimathia ,  Joseph  de  213. 
214.  215.  271. 

Ariosto  296.  299.  310.  455. 
456. 

Aristoteles  102.  435. 

.\rkadier,  in  Port.   144. 

Arlanza ,  Ein  Mönch  des 
Klosters  San  Pedro  de  A. 
Verfasser  des  Gedichtes 
«Poenia  del  Conde  Fernan 
Gonzalez"  393.  394. 

Arles,  Roman  d"  —  6  f.  69. 

Armea,  Pero  d'   190. 

Arnald  v.  Villanova   112  f. 

Arnaldo   189.  191. 

Arnaldo,  Franziskaner  92. 

Arnau  v.  Vilanova  s.  Arnald 
V.   Villanova. 

Arnaut  de  Brancaleo  35. 

Arnaut  de  Carcasses  13. 

Arnaut  Daniel   18.  27. 

Arnaut  Guilhem  v.Marsan  51. 

Arnaut  v.  Maruelh  18.  48. 

Arnaut  Vidal  v.  Ca.stelnaudary 
9  f.  36. 

Arraes,  Amador  343. 


Arras,  Adam  von  406. 

Arremedillio   172.  280. 

Arrenegos  149.  278.  303. 

.Arriaga  270 

Arte  de  furtar  353. 

Arte  de  Galanteria  302.  347. 

arte  de   trovar   78.  80.  236. 

265.  272. 
ArtemayorSO.  164.  168.196. 

235.  239.  272.  390    424. 

425    449.   450.    455.  456 

Anm.    5. 
Artes,    Mo.ssen    Pere    d'    89. 

100. 
Artieda.  Rey  de  452.  456. 
Artus    198.    210.    213.    214. 

438.  439.  440.  442. 
Arzneibuch,  Span.  417. 
.\sburnham ,    Hss.-Sammlung 

des  Lord  —  75. 
Asia  Portugueza  341. 
Assonanz  in  der  span.  Kunst- 
dichtung 424.       —  in  der 

span.  Romanze    4  51.  432. 

438.   454.   455. 
Astrologische  Werke,   Katal. 

111. 
At  V.  Mons  49  f.  173 
Athaide,  Catherina  de  315. 
Aucassin  und  Nicolette  433. 
Augustin,  Antonio   102.  115. 
Augustinus,  De  civ.  Dei,  Kat. 

Übers.  92.     Von  En    Pax 

benutzt  109.    Soliloquium, 

Port.  212. 
Aulegrapiiia  310. 
auquiera  26. 
Au.'=triada  331. 
Auto  401.  425  Anm.  3. 
Auto  da  Donzella  da  Torre 

281. 
Auto  da  Mofina  Mendes  282. 
Auto  de  D.  Luiz  e  dos  Turcos 

282. 
Auto    do    Infante    D.  Pedro 

247. 
Auto  dos  Captivos,  chamado 

de  D.  Luiz  e  dos  Turcos 

308. 
Autos   247.   281.   282.   283. 

307.  308. 
Auzias      March      s.     March, 

Auzias. 
Avangeli    de    li    Quatie    Se- 

mencz,  L'    —  52. 
Aveiro,  Pantaleäo  de  339. 
Avellaneda  461. 
Aven?,  L'  128. 
Avendano,  Fr.  de  464. 
Averso,  Luis  d'   126. 
Avila,  Alonso  de  437. 
Aviles,    Stadtrecht  von  387. 
Ayala ,  Pero  Lopez  de  114. 

180.  218.   400.   421.  422. 

426.  428.    429.  433.  434. 

435.  441.  442. 


47° 


Register. 


Ayllon  ,    Pedro    Alvares    de 

334. 
Ayllon,  Ximenez  456. 
Ayras  Nunes  152.  166  f.  ;88. 

189.  191.  200. 
Azambuja  e  Mello,  Diogo  de 

303. 
Azemar ,    Guilheni     18.    20. 

173.    174. 
Azenheiro  234. 
Azevedo,  Alonso  de  457. 
Azevedo,  Antonio  de  300. 
Azevedo,  Gomes  de  316. 
Azevedo,  Luis  de  273.  274. 
Azurara,  s.  Zurara. 

B. 

Baamonte,    Vasco    Peres    de 

239. 
Babees  Book  99. 
Bachiller  Trapaza  351. 
Badajoz,    Garci -Sanchez    de 

136.  239.    270.  283.  285. 

430. 
Baena,  Span.  Musiker  283. 
Baena,  Juan  Alfonso  de  235. 

240  f.  283.  421.  422.  423 
Bahia,  Jeronymo  de  351. 
Baiaui  ,    Affonso    Lopes    de 

188.   189.   191.  l!'3f.  198. 
bailadas   149.   153.   193. 
bailados  de  terreiro  149.  283 
Baiada ,   Heikunft    u.  BegrifT 

des  Wortes  27. 
Balaguer,  Victor  72.  84. 
Balbuena  s.   Valbuena. 
Baidinus,  Justus  250.  256. 
Ballade,  Prov.  Baiada  27. 
ballades ,    Les    cent    —    in 

Portugal  229.  236. 
Ballesteros  y  Saavedra,  Fer- 
nando de  810. 
Ballot  y  Tones,  Joseph  Pau 

72. 
Bances  Candamo  425  Anm.  3. 

466. 
Bandarra,  Goncj.  Eannes  302  f. 
Bandeira ,    Domingos    Pires 

Monteiro  364. 
Barahona  de  Soto  452.  457. 
Barbadillo,  Salas  462. 
Barbadinho  358. 
Barbosa,  Aires  300.  332. 
Barbosa ,    Domingo    Caldas 

365. 
Barbosa  Bacellar,    Ant.  350. 
Barca,  La  52. 
Barcellos ,     Pedro     Affonso, 

Graf    V.    179.    187.     200. 

206.  208.  209  f.  213.  259. 
Barcelona,    Kat.    Hss.   in    — 

74. 
Barco  Centenera  4.i6. 
Barlaam  und  Josaphat,  Prov. 

63.     Port.  212.  —  in  der 

span.  Litt.  419.  445. 


Barradas,  Manoel  339. 
Barreto,  Alvaro  268. 
Barreto,  Franco   325. 
Barreto  Fuseiro   347. 
Barrientos,  Lope  de  443.  444. 
Barros,  Andre  de  353. 
Barros,    Joao    de    (Historio- 

graph)  219.  300.  302.  303. 

318.  319    331.  333.  335  f. 

337.  341.  342. 
Barros,  Joao   de,   Dr.  342. 
Barroso,  Pero  190. 
Barroso  ,    Pero     Gomez    — 

(v.  Sevilla)  445. 
Barroso ,    Pero    Gomes    — 

(v.  Toledo)  190.  191.  193. 

411.  412. 
Bartholomäus    de     Glanvilla 

69.   111, 
Bartholomeu     dos    Martyies 

352. 
Bartomeu  de  Tresvents  111. 
Batrachomyomachie  444. 
Baveca,  Joam   189.   191. 
Bayam,  Lopez  de  391. 
Bayao  352. 
Bayao,  Pero  de  271. 
Bayer,  Perez  87. 
Bazoco,  Pero  Paes   190. 
Beatrix,  Gräfin  v.  Dia  19. 
Beatrix  von  Ornacieu  62. 
Beda,  Liher  scint.,  Provenz. 

61. 
Behetrias  417. 
Beichte    an    die  li.  Jungfrau. 

Prov.  Gedicht  47  f. 
Beichtformel,  Prov.   64. 
Belehrende  Prosa,  Span.  443. 

444. 
Beiindo,  D.  — ,  Port.  Ritter- 
roman 334. 
Bella  malmaridada,  Romanze 

157.  268. 
Bellermann,    Chr.    Fr.     139. 

140.  240. 
Bembo  168.  296.    299.  458. 
Bemvull  97. 
Benedictinerregel ,  Prov.  61. 

Port.  212. 
Benedikt,  Leben  des — ,  Prov. 

62. 
Benedikt  XIII.,  Papst  94.  98. 

445. 
Benivenius,  Antonius   112. 
Benoit  de  Sainte-More    212. 

417.  438. 
Benvengut  112. 
Berceo ,    Gonzalvo    de    150. 

180.  388.    389.  390.  391. 

392.  393.    394.  399.  400. 

402.  403.  404.  405.  408. 

417.  425.  433.  436. 
Berenguer  v.  Noya  126. 
Berenguer    de    Puigpardines 

116. 
Berger,  S.  86  f. 


Berlan  e  Josapha  445. 
Bermudez,     Geronimo     312. 

464. 
Bernaldez,  Andres  436. 
Bernal(do),  de  Bonaval  152. 

176.  189.  191. 
Bernaldus  de  Nublis  392. 
Bernard  v.  Chartres,  Epist.  ad 

quemdam     militem ,     Kat. 

Übers.   109. 
Bernard     v.     Clairvaux     95. 

212. 
Bernardes,  Diogo    136.  304. 

305.  306.  315.  316.  824  f. 

326.  328. 
Bernardes,  Manoel  353.  354. 
Bernardes     Branco,     Manoel 

355. 
Bernardin  de  Rebolledo  453. 
Bernardino  da  Silva  341. 
Bernardo  251. 
Bernardo    de     Bonaval    152. 

176.  189.  191. 
Bernardo    del    Carpio     391. 

392.  393.  395.  398.    399. 

456.  457. 
Bernardo  da  Cruz  340.  369. 
Bernardus ,      Verfasser      der 

Historia        Conipostellana 

386. 
Bernart  Arnaut  v.  Montcuc  24. 
Bernart  E.spanhol   176. 
Bernart  de  Ravenac  l73. 
Bernart  von  Ventadorn  18.20. 

66. 
Bernartz  de  Tolosa  5  f. 
Bernhard,  h.   109.  402. 
Bernhard       von      Ribagorza 

392. 
Bersuire,  Pierre  114. 
Berta  415. 
Bertolome    Zorgi     18     173. 

178.   196.  199. 
Bertran  d'Alemano  173. 
Bertran  de  Born   17.   19.  20. 

23.  24.   173.   174. 
Bertran  v.  Lamanon   18. 
Beitran  v.  Marseille  40. 
Bertran  v.  Paris  44. 
be.sta  ladrador  198. 
Bestiarius  s.  Physiologus. 
Bettelorden ,     Einfluss     der- 
selben   auf    Juan    Manuel 

417. 
Beuter,  Anton  118. 
Bibar ,    Ruy    Diaz    von    — 

395.  396. 
Bibbiena  310 
Bibelübersetzungen,  im  Prov. 

59  ff.       Im    Katal.    86  ff. 

Im  Port.  207.     Im    Span 

410.  417. 
Biblia  pequefia  417. 
Biblia  rimada  e  en  romans  87. 


Register. 


471 


Bihliotliek    des    Königs    D. 

Duaite  207    228. 
bioch,  Bedeutung  des  Wortes 

78. 
Biondo.  Flavio  230.  250. 
Bistoris  206. 
Blancli,  Jose  82. 
Blanchemiin   v.    Forcalquier 

19. 
Blandin     de     Cornoalha     et 

Guiihot  ArditdeMiramar9. 
Blankvers,  im  Port.  305.  331. 

Im  Span.  455. 
Blasco,  Hernandez  457. 
Blumenspiele     in    Toulouse 

36.  —  in  Barcelona  72.  76. 
Bluteau  206. 
Boades,  Bernat  117. 
Boaventura  349. 
böbos  268. 
Bocados    de   oro    411.    412. 

413.  415.  419. 
Bocage,  Manoel  Maria    Bar- 

bosa  du  361.  366  f. 
Bocanegra  149. 
Bocarro  338. 
Boccacio  HO.  Kat  Übers.  125. 

In  der  portug.    Litt.    229. 

254.  288.  293.  336.    Sein 

Einfluss  auf  die  span.  Litt. 

434.  435.  437.    442.  443. 

446. 
Boccalino,  Trajano  346. 

Boethius,    Kat.    Übers.    104. 

Von  En  Fax  benutzt  109. 
Boethius,      Das      provenzal. 

Gedicht  44  f. 
Bofarull.  Antonio  de  72.  84. 

116  128. 
Böhmer  94. 
Bojardo  288. 

Boil,  Mossen  Ramon    103. 
Boileau  357.  358. 
Bolea,  Martin  de  457. 
Bolseiro,  Juyam    189. 
Bonamis  172. 
Bonaval,    Bernardo   de    152. 

176.   189    191. 
Bonaventura,    Katal.    Übers. 

der  Contemplatio  seu  medi- 

tationes  vitae   D.  N.  Jesu 

Chri.sti  89.     Katal.  Übers. 

des    Stimulus    Amoris  96. 
Bonet,    Honore,  Kat.  Übers. 

114.      Span.  Übers.     435. 

In  Port.  229.      Prov.  68. 
Bonifacio  Calvo,  de  Genova 

173.   178.  181.  184.    1K9. 

191.    199.  379.  380.    389. 
Bonina,  Capitäo  347. 
Bonsenyor  108. 
bordons  appariats  80. 
Borja ,    principe    de    Esqui- 

lache.  Francisco    de    453. 

456. 
Boron,  Robert  de  214.  439. 


Borra  95. 

Boscä,  Joan  Francesch   117. 

Boscan    73.    80.    297.    449. 

450.  455.  456. 
Boteler,  Antoni  98. 
Botelho,  Francisco  357. 
Bouterwek    131.    139.    140. 
Boyl.  Bernat  93.  97. 
Brado  de  Merlim  213. 
Braga  ,     Theophilo      1 39   f. 

140    f.      160.     162.    165. 

204  f.    217.    314.    325   f. 

377. 
Braga,  Victorio  de  212. 
Branco .     Camillo      Castello 

355.  376 
Branco ,     Manuel     Bernardes 

355 
Brandäo,  Antonio  204.  205  f. 

353. 
Brandäo,    Diogo     271.    273. 

274. 
Brandao,  Fernam  271.    273 
Brandäo,  Francisco  186.203. 

206.  353.  354. 
Brandäo,  Hilariam  343. 
Brandäo.   Luis    Pereira  331. 
Brandao,  Thomas  Pinto  361. 
Braunfels  216  f. 
Bretonische  Sagea  in  Portu- 
gal 2:3. 
Breu-doble  27. 
Breviari  d'Amor  43.   104. 
Briefe,  Port.  156.    259.  339. 

354.  358.  360.     Prov.  49. 

Span.  Brietsammlungen 

437.  438.  458. 
Bristo  311. 

Briteiros,  Mem  Roiz  de  190. 
Briteiros,    Mendo   Gomes  de 

194. 
Briteiros ,     Mendo     Vasques 

de   164. 
Briteiros,  Rui  Gomes  de  188. 

190. 
Bri'isch  Museum,  Kütal.  Hss. 

in  demselben  75. 
Brito,    Alvaro    de  271.  273. 

274. 
Brito,  Balthasar  de  —  e  An- 

drade  341. 
Brito,  Bernardo  de  136. 161  ff. 

167.  186.  251.   290.   330. 

341. 
Brito.    Bernardo    Gomes    de 

339. 
Brito,  Duarte    de  271.    273. 

274. 
Brito,   JoHO  Soares    de  206. 

348. 
Brito  Aläo,  Manoel  352. 
Brochado,  Luis  302. 
Broteiro ,    Felix    de    Avellar 

364. 
Brozas ,     Sanchez      de     449 

Anm.   1. 


Bru,  Cirurgiademestre  —  1 12. 
Bruguera,  Romeu  —  oder  Sa 

Bruguera  87. 
Brunenc,  Uc  20.  29. 
Bruni,  Leonardo  116. 
Bruniquer,     Esteve   Gilabert 

121. 
Bruno  v.  Padua   112. 
Brut,  Roman  de  210. 
Buchdruckerkunst.    Ihr    Ein- 
fluss   auf    die    span.    Litt. 

454. 
Bühnen ,       Stehende     —     in 

Madrid,  Sevilla  u  Valencia 

464. 
Burgos,    Martinez    de    404. 

423. 
Burlador    de    Sevilla    (Don 

Juan),  El  —  465. 
Busquets.  Pere  96. 


Cabreros,    Staatsvertrag    von 

388. 
cabriera  26 

Cäcegas,  Luiz  de  352. 
Cäceres,    Lourenco   de    342. 
^acoma,  Joan  115. 
Cadenet  18.  20. 
^adique,  Jacob  108. 
j    Caesar  212.  434. 
1    Caesarius  413. 
i    Lairel,    Elias    18.    20.    172. 
i        174.  176. 
Caldas,  Martini  de  190. 
Caldeirom  189. 
Calderon,  Ant.   452  Anm.  1. 
Calderon  de  la  Barca,  Pedro 
270.284  292.425  Anm.  3. 
448.  453.  465.  466. 
Calha,  Albertet  20. 
Calheiros,  Fernam  Rodrigues, 
de  —  189. 
!    Calila    y    Dimna    409.    414. 

419.  435  Anm.  3- 
;    Calisto  y  Melibea  460. 
'[    Calvo,    Bonifacio    173.   178. 
181.  184.  189.   191.    199. 
379  f.  389. 
Calvo,  Pay   190. 
Camacho,   Diogo  350. 
Camanes.    Joam    Nunes  189. 
Cameros,    Rodrigo    Diaz    de 

los  177.  191. 
Camillo  Castello-Branco  355. 
376. 
;    Caminha,  Antonio  Lourenqo 
i        232.  233.  272.  330. 
I    Camoes,  Luis  de    132.    133. 
i        136.  144    147.    157.   186. 
238.  287.  290.  294.   302. 
305.  308  ff.  313  ff   318 
344.  348.  456. 
Camoes,    Vasco    Lopez    de 
238.  274.  426  Anm.  3- 


472 


Register. 


Camoes,  Vasco  Piies  de  218. 

237  f.  426  Anm.  3 
Camoes  do  Rocio  356. 
Camonistas  304.  829. 
Campina,   Martim   190. 
Campo,  Diego  do   172. 
Cainpos,  Manuel  de  352. 
Cana,  Pay  de   188. 
Canals,  Antoni    9.'>.    96.    98. 

103.  114.   125. 
can^äo  redonda  196. 
Cancer,  Jeiönimo  de  453. 
Cancion   135.  232    428. 
Cancioneiiinlio      de     Trovas 

Antigas  200. 
Cancioneiro   da    Ajuda    200. 
Cancionero    de    Baena     143. 

221.  235.  236.  240  flF.  407. 

421.422.  422  Anm.  3.  423. 

426.  428.  430.  444. 
Cancioneiro  do  Collegio  dos 

Noljres  201.  369. 
Cancioneiro    Colocci- Bran- 

cuti  201.  438. 
Cancionero  de  la  Colombina 

423. 
Cancioneiro     de     D.     Dinis 

186.  200. 
Cancioneiro    de    Evora  267. 
Cancioneiro  Fernandes  Tho- 

ma.s  326. 
Cancionero  general  265.  424. 

428    430.  442 
Cancioneiro     Geral    s.    Can- 
cioneiro de  Resende. 
Cancionero  Gomez  Manrique 

380. 
Cancionero      llaniado     guir- 

landa  esmaitad.i  de  galanes 

y    eloquentes     dezires    de 

diver.sos  autores  424 
Cancioneiro  Luis  Franco  321. 

323. 
Cancioneiro    Marialva     162. 

163.  166.  267. 
Cancionero  Martinez  de  Bur- 

gos  404. 
Cancioneiro  de  D.  Martinho 

267. 
Cancionero    musica]    de    los 

siglos  XV  y  XVI,  coment. 

per   Fr.    Asensio   Barbieri 

152.  235.  236.  241.   276. 

424.    424    Anm.    1.    430. 

432.  433. 
Cancioneiro    de  Musicas  po- 
puläres   146. 
Cancioneiro  do  Padre  Pedro 

Riheiro   289. 
Cancionero   Patrimonial  235. 

242    423. 
Cancioneiro  Portuguez    267, 
Cancionero     de     Rnnion     de 

Llavia  423. 
Cancioneiro    (Geral)    de  Re- 


sende   144.    230.    264  ff. 

267.  424  Anm.  4. 
Cancionero  de  Romances454. 
Cancionero   de  Sti'iniga  235. 

423.  432  Anm.   1. 
Cancionero     de    Yxar    423. 

428  Anm.    1. 
Cancioneiro  da  Vaticana  201. 
Cancioneiros    de    milo    200. 

351. 
Canqoner  d'amor  78. 
Candamo,  Francisco    Bances 

425  Anm.  3.  466. 
Candarei ,    Nuno    Rodrigues 

de  190. 
Candido,  Pietro   115. 
Candido  Lusitano  353. 
Cangas,  Joam  de  189. 
Cafiizares  466. 
Cano,  Melchior  447. 
Canonensammlung,  Spanische 

385. 
cantadores  147. 
cantar   das    moqas   ao    adufe 

148. 
cantarcillos  275. 
cantares   de    Cornoalha    198. 
cantares  de  gesta  390. 
cantares     velhos     149.     150. 

153. 
cantigas  146.  276. 
Cantigas  ao  Condestavel  165. 

234. 
cantigas  de  amigo  192.   197. 
cantigas    de  amor  180.    197. 

265. 
cantigas  de  atafiinda   195. 
cantigas  de  escarnho    e  mal- 

dizer  192  ff.  197.  265. 
cantigas  de  maestria  153. 
cantigas  de  maldizer  197. 
cantigas  de  refran  153.  195. 
cantigas  de  risadilha  198. 
Cantigas  de  S'^.   Maria  185. 

242. 
cantigas  de  viläo   193. 
Cantigas  en  manera  de  difa- 

macion  237. 
cantigas  grosadas  277. 
cantos  ä  desgarrada  147. 
Cantos  ao  desafio   147. 
cantos  de    ledino    149.    152. 
Cantos  de  romaria  146.   152. 
cantos  guayados   149. 
Canzone,  im  Provenzalischen 

22.     Chanson  redonda  27. 

Canzone     im     Port.     297. 

C.  im  Span.  449. 
Canzonette ,     Ital.    in    Port. 

283.  286. 
Qapaio,  Affonso  Lopes  267. 
^apata,  Luis  de  456. 
Capitiio  Bonina  347. 
Capitulo  297. 
Capmany,  Antonio  72. 
Caramurü  365. 


Carliajal,  Maiiana  de  462. 
Carbonel,  Bertran    53.    173. 
Carboneil,  Miquel  71.85.  117. 
Cardinal.    Peire  18.  22.    45. 

■iS.  66.  289. 
Cardoso,  Fernam  344. 
Cardoso ,     Jorge    206.    220. 

353. 
Carneiro,  Diogo  Gomes  352. 
Caro,  Rodrigo  451. 
Carpentras,  Katal.  Hss.  in  der 

Bibliothek    zu  C.    74.  75. 
Carpio,  Bernardo  del  s.  Car- 

pio. 
Carrero,  Puerto  430. 
Carriilo    y    Sotomayor   453. 
Carla     burlesca     de    Godoy 

444. 
Carla    de    guia    de    casados 

353. 
Cartagena,    Alfonso  de    254. 

430.  434.  435    437.    443. 

445. 
Caitagena,  Teresa  de  445. 
Carlas  de  Albuquerque  259. 
Cartas    de    centöes    (od.    de 

giröes)   156. 
Cartas  curiosas  360. 
Cartas  espirituaes  354 
Cartas  familiäres  354. 
Cartas   familiäres,    historicas, 

politicas  e  critic.is  360. 
Cartas  que    os  Padres   e  Ir- 

mäos    da    Companhia    de 

Jesus  escreveram  339. 
Cartas  sobre  a  educa9äo   da 

mocidade  358. 
Cartas  s.  auch  Briefe. 
Carvajal   149.  334.  423.  432. 

433.  449. 
Carvajal,  Miguel  de  464. 
Carvajal,  Galindez  de  436. 
Carvalho,  Jeronymo  Moreira 

de  335. 
Carvalho,     Joao     Jorge    de 

357. 
Casamento  perfeito  353. 
Casquicio,  Fernam  237. 
Casses.  Mossen  Bernat  de  113. 
Cassianus,    Collationes    pat- 

rum ,     Katal.     Übers.    90. 

Port.  Bearb.  212. 
Castanheda,    Fernam    Lopes 

de  321.  338. 
Castanheira  Turacem,    Felix 

da  351. 
Ca.stanhoso,    Miguel  de  339. 
Castellanos,  Juan  de  455. 
Castello  Branco  355.  876. 
Castellobranco,  Joam  Rodri- 
gues de  271. 
Castellosa  v.  Mairona   19. 
Castelnou,  Joan  de   126. 
Castiglione  449. 
Castilho ,    Antonio    de    305. 

338.  342. 


Register. 


473 


Castilho,    Antonio  Feliciano 

de  374  f.  377. 
Castillejo   153  Anm.  4.    269 

Anni.  4.  294  Anm.  6.  425. 

448.  449.  4r»4. 
Castillo,  Diego  Enriquez  de 

436. 
Castillo,    Hernando    de  424. 
Castillo  Solorzano  351.  461. 

462. 
Castro,    Elstevam  Rodrigues 

de  136.  293.  330. 
Castro,  Gonzalez  de  426. 
Castro.  Giiillen  de  452.  465. 
Castro,    Ines    de    135.    231. 

233.  268.  274.  312.    319. 

363. 
Castro,  Joao  de  339.  369. 
Castrotorafe,    Fuero    de    — 

387. 
Cataldus  Siculns  279. 
Catalina,    Vida    de    Sa.    — 

416. 
Catalogo    de    musica    de  D. 

Joao  IV.  349.  359. 
Catastrophe,     Port.     Schrift 

353. 
Caterina  de  Cena,  Santa  96. 

97. 
Catherina  de  Atliaide  315. 
Cato,  Disticlia  Catonis,  Katal. 

Übers.  108.  109.    Im  Span. 

413.  421. 
Cava-Gedicht  163.  231. 
Cavalca,    Domenico     —     de 

Vicopisano,  Kat.  Übers.  96. 
Cavallero,    De   un  cavallero 

Placidas  que   fue    despues 

cristiano    e    ovo    noinbre 

Eustacio  416.  439. 
Cavallero    Cifar    413.    414. 

416.  439. 
Cavallero-<le  la  Cruz  459. 
Cavallero  del  Febo  459. 
Cavallero  Peregrino  459. 
Cayado,  Henrique  280.  288. 

300.  332. 
Celestin.i    H09  f.    407.    430. 

446.  448.  459.  460.  461. 

462. 
Centenera,  Baico  456. 
Gentoes  271. 
Cento    Novelle    in   Portugal 

229.  271. 
Cepeda,     Romero     de    456. 

460.  464. 
Cercamon   18.  26.  172. 
Cerco  de  Zamora  398. 
Cerda,  Juan  de  la  426. 
Ceringtonia ,    Odo   von  414. 
Cervantes    Saavedra,    Miguel 

de  352  Anm.  3.  407.  447. 

448.    454.    457    Anm.    3. 

459.  461.  462.  464. 
Cerveira,  Affonso  de  257. 
Cervera,  Rafael   120. 


Cervera,  Ramon   113. 

Cespedes  451. 

Cetina,     Gutierre     de     294. 

450. 
Chaconas  de  Oriana   163. 
chacotas  149. 
Chagas,    Antonio    das    347. 

353.  354. 
Chaide,  Pedro  Malon  de  451. 

458. 
Chamilly,    Noel    Bouton    de 

354. 
Chancel,  B.  58. 
Chanson  de  Jerusalem  Grain- 

dor's  de  Douai  415. 
Chanson  de  Roland  in  Spanien 

387.    388.  391.  420.  439. 
chanson  redonda  27. 
chansoneta  22. 
Chansons  de  ge.ste  390. 
Chansons  de  Toile  433. 
chanzon  236. 
Charinho,  Paav  Gomes  152. 

188.   190.  191. 
Chartier,  Alam  78.  236. 
Chastel  d'Amors  46. 
Chastel  des  Pleurs  442. 
Chateaubriand  365. 
Cheltenham,  Katal.  Hss.  da- 
selbst 75. 
Chiado,  Antonio  Ribeiro  302. 

308.  344. 
Child     Rolim       de     Moura, 

Francisco  347. 
Chirurgische    Abhandlungen, 

Katal.   112.    113. 
Chistes  300. 
chocarreiros  268. 
choradeivas  149. 
Christine  de  Pisan  236.  257. 
Christoph.  Leben  des  h.  — , 

Katal.  Übers.  91. 
Christövam  Falcao  s.  Falcao. 
Chronica  abreviada  210. 
Chronica   breve    do  Archivo 

Nacional  210. 
Chronica    da    Companhia  de 

Jesus  353. 
Chronica     da    Conquista    da 

Guine  257.  337. 
Chronica    da    Conquista    do 

Algarve  211.  248. 
Chronica  de  Cister  353. 
Chronica   de    D.  Affonso  V. 

25-'. 
Chronica  de  D.  Duarte  258. 
Chronica    de    D.    Duarte   de 

Menezes  257. 
Chronica    de    D.    Fernando 

221.  255. 
Chronica  de  D.  Joao  I.  220. 

255. 
Chronica     de     D.    JoaO    II. 

340. 
Chronica    de    D.    Joao    III. 

340. 


Chronica  de  D.  Manoel  340. 
Chronica  de  D.  Pedro  255. 
Chronica    de    D.    Pedro    de 

Menezes  218.  257. 
Chronica     de    D.     Sebastiao 

340.  352. 
Chronica  de  Pero  Nino  236. 
Chronica      do      Cardeal-Rei 

Henrique  340 
Chronica  do  Condestavel218. 

258. 
Chronica    do    Infante    Santo 

255. 
Chronica  dos  reys  210. 
Chronica    dos  Vicentes  211. 
Chronica  s.  auch  Cronica. 
Chronicas  breves  e  Memorias 

avulsas    de  S'«  Cruz  211. 
Chronicas  dos  Reis  de  Portu- 
gal reformadas  341. 
Chronicon  Pinnatense  116. 
Chronik    der    Stadt    Beziers, 

Prov.  66. 
Chronik  des  Pseudoturpinus, 

Prov.   Übers.  61. 
Chronik  über  den  Albigenser- 

krieg,  Prov.  38.  66. 
Chronik  v.  Montpellier,  Prov. 

66. 
Chroniken  s.  Chronica,  Chro- 
nicon,    Chronik ,    Cronica 

u.  Geschichtsschreibung. 
Cibdareal,  Fernan  Gomez  de 

437. 
Cicero,  Kat.  Übers.  103, 

Port.  244.  245.  246.  252. 

254.      Span      Übers.   434. 

435. 
Cid,    Poema    del    Cid     132. 

156.   170  f.  386.  387.  389. 

391.  396—399.  432.  433. 

—  Hymnus    auf    den     Cid 
386.  407. 

—  Mocedades   del    Cid    von 
Guillen  de  Castro  465. 

—  Escobar's  Romancero  del 
Cid  455. 

Cigala,  Lanfranc   18. 

Cino  da  Pistoja  229.  253. 

Cintio  Mereti.sso  458. 

Cintra,  Rodrigo  de  254. 

Cio.so,  Drama  311. 

Citola   191.  202. 

Cl  reo  y  Florisea  294.  336. 

Clarimundo,  FLmperador  335. 

Claris,  Pau   128. 

Clarisel  de  Bietanha,  Portug. 

Ritterroman  335. 
Claro,  Dr.  Frei  Joäo  272.  273. 
Clavijo,     Gonzalez    de    436 

Anm.  7. 
demente    Sancliez   95.    414. 

445. 
demente  Victorino  353 
Clenardus,  Nicolaus  285.300. 

346. 


474 


Register  . 


Cleomades  335. 
Cluniacenser  in  Spanien  386. 
Cobla  capcaudada  77. 
Cohla  capfinida  77. 
cobla  croada  77.  80. 
cobla  derivativa  77. 
cobla  encadenada  77.   80. 
cobla  equivocafla  77. 
cobla    esparsa    in    der  katal 

Litt.  78. 
Coblas  esparsas,  in  der  prov. 

Litt.  53. 
Coblejador  de  Moncada  (An- 
tonio de  Bofarull)  84. 
Coblen,   Prov.  23. 
Codax,  Martim   152.  190. 
Codex   Justiniani,  Prov.  Be- 

aibeil.  68  f.     Kat.   v^bers. 

102. 
codolada  81.  83. 
Coelho.    Egas    Moniz    162. 

164.  231. 
Coelho,     ]oani    Soares    189. 

191.   199 
Coelho.  Jorge  331.  332. 
Cogominhü ,      Fernan     Fer- 

nandes  188.  189.   191. 
CoUoquios    dos   Simplices  e 

Drogas  343. 
Colocci,  Angelo  168.  201. 
Colonia  457. 
Colornines,  En  Francesch  de 

103. 
Colonna,  Agapito  230. 
Colonna ,      Aegidius,       Kat. 

Übers.  96. 
Columna,  Guido  de  115.  403. 

438  Anm.  5. 
Colonna,  Vittoria  296.    343. 
Coinedia  de  figurön  466. 
Comes,  Pere  Joan   118. 
Comjat  27. 
Connuentarios  de  Affonso  de 

Albuquerque  338. 
coniponedores   (Begriff)    440 

Anm.  3. 
Coniputus,   Proven/.   42. 
Coms  de  Tolosa,  Lo  5  f. 
Conca,    Estoria    de    — -    407 

Anm.  2. 
Conceptismus  in  Spanien  448. 

451.  452    453.  455.    458. 
Concetti  344.  345.  353. 
Conde  Claros,  Romanze  157. 
Conde  üil   Peres    189.    191. 
Condenado,   El   —  por    des- 

confiado  465. 
Condestable  de  Ca.stilla  270. 
Condestavel-Lieder  234. 
Condestavel,  Nunaivares  Pe- 

reira  213.  258. 
Condestavel    s.    auch   Pedro. 
Conesa,  Jacine   1 15. 
Conestagio,  Jeronymo  Fran- 

chi  340. 
Confession,  La  52. 


Confort,  Lo  Novel  52. 
Conomines ,     En     Francesch 

de  103. 
Conquista  de  Ultramar,  Gran 

—    s.     Alfonso     X.    und 

Sancho  IV. 
Conseyll  de  bones    doctrines 

109. 
consoante   147. 
Consolat  de  la  mar  102. 
Constantina,     Fernandez     de 

424. 
Contemptus     Mundi ,     Port. 

Gedicht  262. 
Contos  proveitosos  336. 
Contrahechura  432.  433.  454. 
Contreras  331. 
Coplas  de  la  Panadera    430. 
Coplas  del  Provincial  4H0. 
Coplas    de    Mingo    Kevulgo 

430. 
Cordeiro,  Jacinto    349.  351. 
Cordeiro,  Luciano  354. 
Cordova,  Gonzalo  de  455. 
Cordova,    Martin   Alonso  de 

443. 
Cordova,  Pero  Fernandes  de 

270 
Corella,    Joan    Roiq    de  87. 

89.  99.  121.  125. 
Corneille  465. 
Cornu  204  f.  389.  390. 
Coronel,  Salcedo  453. 
Corpus    illustrium  Poetarum 

Lusitanorum  332. 
Corral,   Pedro    de  395.  437. 
Corrales  464  Anm.  6. 
Correa  de  I^acerda,  Fernando 

353. 
Correia,  Caspar  320.  338. 
Correia,  Luis  Franco  330. 
Correia,  Manuel  314.  323. 
Correia  da  Serra,  Jose    364. 

366. 
Corte  Imperial  251. 
Corte    na  Aideia    ou    Noites 

de  Inverno  337. 
Corte     real ,     Jeronymo     de 

316.  331.  332.  338. 
Cortes  de  Amor  196. 
cos.sante  151.  242. 
Costa,  Antonio  da  360. 
Costa,  Bras  da  271. 
Costa,    Claudio    Manoel    da 

362.  365. 
Costa,  Manoel  da  332. 
Costa,    Mestre  Gil    da    281. 
Cota,  Rodrigo  422  Anm.  4. 

430. 
Cotarelo  465  Anm.  4. 
Coudel-mör  s.  Silveira,  Fer- 

nao  da  266.  273. 
Cour    d'amour,     la     (prov.) 

45  f. 
Cousas  de  folgar  279. 


Coutinho,  Gonqalo  325.  329. 

334.  340.  341. 
Coutinho,  Leonor  234. 
Coutinho,    Lopo    de    Sousa 

338. 
Couto,    Diogo  do  316.  3-29. 

337  f.  341  f. 
Couto-Guerreiro  364. 
Covarrubias,  Seb.  de  Horozco 

y  —  450  Anm.  1. 
Craesbeeck,   Antonio    —    de 

Mello  325. 
Credo,  Paraphrase  du  —  53. 
Crescas  42. 

Crescentia- Legende    in  Por- 
tugal 212. 
Crescentiasage,  Altspan.  41& 

Anm.  4. 
Crestien    de  Troyes  416. 
Crisfal  290. 
Cristöval,    Alonso     de     San 

445. 
Cristöval,  Juan  de   San  443. 
Cri.stöval     de     Virues     452. 

457.  464. 
Cronica  Alfon.so  437. 
Crönica  de  Don  Pedro  Nifio 

236.  404.  436  Anm.  4. 
Cronica  de  Hespanha  211. 
Crönica  del  Condestable  Lu- 
cas de  Iranzo  436. 
Crönica  del  Moro  Razis  21  !. 

417.  437. 
Crönica  del  Rey  Don  Rodrigo 

395. 
Crönica  del  rey  Juan  II.  43"). 
Crönica  del  rey  Rodrigo  437. 
Cronica  de  Tablante  e  Rica- 

monte  439. 
Crönica    general    432.    437. 

454. 
Crönica    general    de    Espana 

s.  Alfonso  X.,  el  Sabio. 
Crönica    particular    del    Cid 

399.     Crönica  rimada  del 

Cid  398.  404.  432. 
Crönica  Seracina  437. 
Cronica  Troiana  437. 
Crönica  troyana,  vonDelgido 

403. 
Cronica  s.  auch  Chronica.- 
Crotalon,  FA  —  de  Christo- 

phoro       Gnophoso       461 

Anm.  2.  464. 
Cruz,  Agostinho  da  304.  306. 
Cruz,  Bernardo  da  340.  369. 
Cruz,  Gaspar  da  339. 
Cruz,  Juan  de   la  153.  347. 

451.  4.53.  458. 
Cruz  e  Silva,  Antonio  Diniz 

da  358.  362. 
Cuaderna  via  400.  402.  404. 

405.  420.    421.  424.  446. 
Cubillo  392.  466. 
Cuello.  Antonio  466. 


Register. 


475 


Cuenca,  Miguel   de   lüO. 

Cuento,  El  cuento  muy  fer- 
moso  del  emperador  Otas 
de  Roma  e  de  la  infant.i 
Florencia  su  fija,  e  del  buen 
cavallero  Esniere  416. 

Cuento ,  Un  muy  fermoso 
cuento  de  una  santa  en- 
peratriz  qua  ovo  en  Roma 
e  de  SU  castidat  416. 

Cuento,  Un  noble  —  del 
enperador  Carlos  Maynes 
de  Roma  e  de  la  buena 
enperatriz  Sevilla  su  mujer 
416. 

Cuestion  de  Amor  288.443.. 

Cueva,  Juan  de  la  449.  451. 
454.  456.  458.  464. 

Culla,  Perez  de  456. 

Culteranistas  s  Kulteranismus. 

Cunha,  Ant.  Alvares  da  349. 

Cunha ,  Jose  Anastacio  da 
364.  369. 

Cunha.  Rodrigo  da  353. 

Cunha,  Troilo  de  Vascon- 
Cellos  da  360. 

Cunha ,  Vicente  Pedro  No- 
lasco  da  366. 

Curelha  270. 

Curial  e  Guelfa   123   f. 

Curiositat  catalana  82. 

curso  rimado  por  la  quadern.! 
via  389. 

Curtius,  Quintus  115.  253. 


Dalman  de  Mur  117. 
Damiette,  Einnahme  von  — . 

Prov.  66. 
Daniel,  Arnaut  18.  27. 
Dansa,  Begi  iff  des  Wortes  27. 
Dansas,  Provenzalische  385'. 

— ■  im  Span.  405. 
Dante  Alighieri ,    D.  in    der 

katal.  Litt.  82.  124.    Katal. 

Übers.      der       Commedi.' 

durch  Andreu  Febrer    74. 

78.       D.  in  Spanien  427. 

429.  430.  434. 
Dante  da  Majano  28. 
Danza  de  la  muerte  428. 
Danznprima-Romanze   154. 
Dardia,  Pero  de  190. 
Daude  de  Pradas  42.  48. 
Daurel  'und  Beton   6. 
Debat  de    la  Sorciere   et  de 

soll  confesseur  50. 
Debat  de  la  Vierge  et  de  la 

Croix  50. 
Debat    du    vin    et    de    l'eau 

401. 
Decadas  da  Asia  337. 
decimas  de  arte  mayor  275. 
decires  237. 

Dekasyllabus      im     Altport 
167.  241. 


Delgadillo,  Andres  443. 
Delgado  403.  460. 
Delphine,  Gräfin  von  Ariano, 
Leben   der  —  ,    Prov.  62. 
Demanda    del    Santo    Greal 

213.  438.  439. 
Denis,  König    von  Portugal 

s.   Dinis. 
Denis,  Ferd.   139.  140. 
descantes    146. 
Deschamps  236. 
Desclot,  Bernat  119  f. 
Descoll,  Bernat  120. 
descort  27.    149.    173.    195. 

196.  235. 
Desenganado,  O  —  336. 
desfecha  235. 
deslais  149.  236.  ^ 

Despedidas  149. 
despiques  147. 
Despreczi  del  Mont,  Lo   — 

52 
Despuig,  Cristöfol   121. 
Destruicjäo  d'  Espanha   348. 
Devinalh  28. 
Devise,    in  der  katal.  Lyrik 

77  f. 
dezidor  143.  241.  276.  302 
Dezires    de    los    reyes    422 

Anm.   4. 
Dezires  generales  422  Anm.  4. 
Dialogo  da  perfei(jao  e  partes 
necessarias  de  bom  niedico 
343. 
Dialogo     entre     dous    pere- 
grinos,  um  christao  e  outro 
turco  343. 
Dialogo  Espiritual  343. 
Dialogos  apologaes  354. 
Dialogos  da  Pintura  343. 
Dialogos  de  D.  Frei  Amador 

Arraes  343. 
Dialogos    de    Francisco    de 

Moraes  342. 
Dialogos  de  S.  Gregorio  212. 
Dialogos    de    varia    historia 

341. 
Diamante  466. 
Diana  ,     Schäferroman    303. 

336.  452.  459. 
Diario    da    Jornada    que    o 
Conde    de    Ourem    fez    ao 
Concilio    de   Basilea    254. 
Dias,  Balthasar  302.  307. 
Dias,  Henrique  339. 
Dias,  Miguel  344. 
Diätetik,  Prov.  42.  68. 
Diaz,  Juan  459. 
Diaz,  Ruy  —  von  Bibar  395. 

396. 
Diaz  de  los  Cameros,  Rodrigo 

177.  191. 
Dichtarten      der     Trobadors 

21   ff. 
Dichterschule,  Sizilische  385. 


Dichterschulen     in     Spanien 

450.  451. 
Dichtungsformen     im    Span. 

425  ff.  428.  430  ff. 
Didaktik,  Prov.  37  ff. 
Didaktische  Prosa  in  Spanien 

443.  444. 
Diego  do  Campo  172. 
Diego  Garcia  157. 
Diego  Moniz  189. 
Diego  Pezelho ,   jograr  189. 
Diego  Sanchez  463. 
Diego    de    San    Pedro    288. 
298.  442.  443.  457  Anm.  8. 
Diego  de  Valencia  de  S.  Juan 

238. 
Diez,  Fried.  139.  140. 
Diez.  Manuel  113. 
Dinis  (Dionys) ,   König    von 
Portugal    152.    Ibl.    168. 
169.  178  f.  183. 186  f.  190. 
198.  200.    264.  380.  417. 
Disciplinaclericnli.s  desPetrus 
Alphonsus  385.  386.  413. 
414.  415. 
disparates  344. 
Disputa  del  ase  contra  frare 
Enselni  Turmeda  sobre  la 
natura  e  nobleza  dels  ani- 
roals  123. 
Disputatio  Corporis  et  aniniae 

401. 
,Disticha  Catonis.Katal.Über.s. 

108. 
Dit  sur  les    etats  du  monde 

403. 
Ditos  da  Freira  343. 
Diu  349. 
dizedor  195.  202.      S.  auch 

dezidor. 
dizeres  202.  237. 
dobre  195.  235. 
Doctrina  dp  Cort  43. 
Domenech.  Jacme  115. 
Domingo,  Wunder  des  h   — 

417. 
Domingo  Abad  400. 
Domingo    de    Silos ,    San    s. 
Berceo,  Gonzalvo  de  40  ?. 
Domingues,  Gon(jalo  254. 
Dominikaner  in  Spanien  447. 
Domini.scaldo  334. 
Domneiaire  28. 
Donat  proensal,  s.  Faidit,  Uc. 
Donzella  Theodora  335.  412. 
Doucelina,  Leben  der  h.  — , 

Prov.  62. 
Doutrinal  de  Principes  342. 
Doze  Pares  210. 
Drama ,    Katal.    85.      Piov. 
53  ff.    Das  span.  400.  401. 
462—466. 
Duardos.  D.  335. 
Duarte,  König  von  Portugal 
228.  242.  244  ff.  250.  268. 
369. 


476 


Register. 


Duarte,  Port.  Infant  301. 
Duarte,  Custodio  Jose  377. 
Dubartas  457. 
Duenas,  Juan  de  442. 
Durao,  P.e   Santa  Rita  365. 


Eannes,  Fernand   189. 
Eannes,  Joani  191. 
Eannes,  Pedr'  — ,  Solaz  190. 
Eannes,  Rodrigo  204  f.  213. 
Eannes,  Sueir'  —   191. 
Eannes  d'  Alvares,  Rodrigu' 

—  190. 
Eannes  Redondo,  Rodrigu'  — 

190.   191. 
Eannes       de      Vasconcellos, 

Rodrigu'  —  190    191. 
Echo-Gedichte,  Port.  289. 
Egas  Moniz  Coelho  162.  164. 

231. 
Egiogas  297. 
Eglogas  amatorias  305. 
Einhard  391. 
Einnahme  v.  Daniiette,  Prov. 

66. 
Eixo,  Garcia  Mendes  de  176. 

181.   189.    191. 
Ekloge,  im  Span.  449. 
Elegiada  331, 
Elegie,  im  Span.  449. 
Elegien,  Portug.  297. 
Eleonore  v.  Poitou  19. 
Elias  V.  Barjol  20    28. 
Elias  Cairel  18.20.  172.  174. 

176. 
Elis  o  Baqo  198. 
Elizabeth,   Leben  der  h.  — , 

Katal.  91. 
Elmanisn)us  370. 
Elogios  dos  Reys  341. 
Elpino  Nonacriense  362. 
Elucidarius,  Katal.  111.  Pro- 

venz.    61.  69.      Im    Span. 

415. 
Elzear,  Leben  des  — ,  Prov. 

62. 
Eraanuel,  De  rebus  Enianuelis 

libri  Xll  340. 
empelt,  Bedeutung  des   Aus- 
druckes 78. 
Emperador  Clarimundo  335. 
Emperatriz  Porcina  302. 
Encadenados  168. 
Encina,  Juan  del    270    286. 

288.    292.    381.  401.  424 

Anm.    1.    425.    428.    430. 

431.  432.  463. 
endecha   161. 
Enias  438. 

Enfant  sage,  L'  —   65.   109. 
Enimialegende,  Prov.  40. 
Ennes,  Domingos  Jose   354. 
Enrique  II.  426. 
Enrique  III.   426.  434.  435. 


Enrique  IV.   423.  430.  436. 

437. 
Enrique   fijo    de    Oliva  223. 

439. 
Enriquez,  Alonso    231.  237. 
Enriquez  Gomez  453. 
Ensenhamen  ,     Gattung    von 

Gedichten  im  Prov.  44.  51. 
entencjao  (=   Tenzone)   277. 
entendimento  277. 
Enterrogatori  e   confessional 

en  quatre  parts  subtilment 

dividit  95. 
Enthusiasmus  Poeticus    351. 
Entrenies  463.  464. 
Enueg  23. 
Epheser-Brief ,   Prov.    Ü'ners. 

60.  61. 
Ersehe  Dichtung,  in  Spanien 

390  ff.  455  ff.    Prov.  2  ff. 
Epi.stel    im  Span.  449.  450. 
Epistolae  farcitae  41.  52. 
Epitome     de     las     historias 

portuguezas  341. 
Erasmus  283.  286. 
Erbauungsschriften ,       Aske- 
tisch mystische  in  Spanien 

458. 
Erbauungswerke,    Prov.   64. 

65. 
Ercilla,  Aifonso  de  331.  455. 
Ericeira ,    Francisco    Xavier 

de  Menezes,  Graf  v.  350. 

357. 
Ermengau ,    Matfre    43.    52. 

104. 
Erzpriester  von  Hita  s.  Hita, 

Juan     Ruiz  ,     Archipreste 

de  — . 
Erzpriester   von  Talavera   s. 

Aifonso  Martinez. 
Escalho,  Fernand'    191. 
Escobar,  Romancero  del  Cid 

455. 
Escobar,  Gerard o  de  352. 
Escobar.  Gonzalo  Rodrigues 

de  251. 
Escobar,  Joao  de  307. 
Escola  de  Coimbra  378. 
escolar  390. 
Escondig  27. 

Escorial,  Katal   Hss.  der  E.- 
Bibliothek 74. 
Escriba  ,  Juan  ,  Comendador 

443. 
Escurias,  Pedro  de  437. 
esparsas  276.  289. 
Espejo  de  enamoradas,  guir- 

naida  esmalt.  de  gal.  e  eloqu. 

dez.  424   Anm.  2. 
Espelho  de  Casados  342. 
Espinel,  Vicente  452.  -161. 
Espinelas  452   Anm.  2. 
Fspinosa,  Gabriel  461  Anm.  4. 
Espinosa,  Nicolas  392.  456. 
Espinosa,  Pedro  452. 


Esplandian,  Ritterroman  271. 
Esposalizi  de  nostra  dona  s. 

Maria  54. 
Esquilache  ,     Francisco     de 

Borja,    principe    de    453. 

456. 
Esquio,  Fernand  189.  237. 
Estaqo,  Balthasar  de   330 
E.stampida  28. 
Estancias  cmittidas  dos  Lu- 

siadas  323. 
Estevam  Annes  de  Valladares, 

o  Trovador  172.  187.  190. 

191. 
Estevam  Coelho  189.  191. 
Estevam  Fernandes,  Barreto 

189. 
Estevam  Fernandes,  de  Elvas 

189. 
Estevam  Froyam  189. 
Estevam  da  Guarda  188.  189. 

191.  213. 
Estevam  Peres  Froyam  189. 

191 
Estevam  Reimondo,  de  Por- 

tocarreiro   189.   191. 
Estevam  Rodrigues  de  Castro 

136.  293.  330. 
Estevam  Travanca   189. 
Estevanillo    Gonzalez  ,  Vida 

de  —  461. 
Esther,  Prov.  Übers.  60. 
Esther ,    Prov.    Gedicht    des 

Crescas  42. 
Estoria  de  Conca  407  Anm.  2 
Estorii  de  Espanha  210  211. 
Estoria  de  Galaaz  213. 
Estoria  de  huü  cavaleyro  que 

chamavä  Tungulu  212. 
Estoria     dell      romanz     de!l 

inffant   Garcia    395. 
Estoria  del  rey  Guillelme416. 
Estoria  de  Troia  210 
Estoria     do     Conde     Fernaii 

Gonzalez  210. 
Estoria  do  Condestavel  255. 

258. 
Estoria    do  Emperador  Ves- 

pasiano  214.  215  Anm.  4. 

439  Anm.   1. 
Estoria  geral  211. 
estorias   154. 

Estrangeiros,   Drama  310. 
estribilho  235. 
Estribot  28. 
estribote  235. 
Estuniga  271.      Cancioneiro 

de—  235.  423.  432  Anm.  1. 
Ethiopia  Oriental  340. 
Eufrosina,  Port.  Drama  310. 
Eugui.   Garcia   de  437. 
Euphrosina,  Leben  der  h.  — , 

Katal.  91.     Port.  212. 
Euphuismus  344. 
Europa  Portugueza  341. 
Eusebius  435. 


Register. 


477 


Eustachius,  Prov.  Mysterium 

(Moralitas)  57  f. 
Eustachiusfahel       im     Span. 

416.  439. 
Eutropius  434.  435. 
Evangelium  Johannis,  Prov. 

Übers.  60.  ßl. 
Evangeliuni  Nicodemi.  Prov. 

41.  66  f. 
Exemplos  de  Caton  421. 
Eximeniz,  Francesch  71. 98ff. 

109.   111.  435. 
Eximeniz.  Rodrigo  115. 
Eyck,  Van   —   230. 

F. 

Fabel.  Prov.  45. 

Facet,  Katal.  81. 

Fado   149.  234 

Fadrique,Duque237.239.240. 

Fajardo.Guajardo  422  Ann).2. 

Fajardo,  Saavedra  458.  460. 

Faidit,  Gaucelm   18.  29. 

Faidit,  Uc  67. 

Falcao,  Cbristövam  143.  149. 

152.  280. 287  ff.  289  f.  381. 
Falcao    de   Resende .    Andre 

304.  305.  316.  328. 
Falkenbuch,  Span.  418.  Port. 

251.  290. 
farqa  (bei  Vicente)  283. 
Farce.  Die  -    im  Span.  461. 

463. 
Faria,  Seveiim  de  314.  337. 

341. 
Faria   e   Sousa ,    Manoel   de 

136.  16t  ff  164.  186.  206. 

209.  231.    232.  282.  291. 

294.  305.   314.  319.   323. 

325  f.  331.  341.  350. 
Farinha,  Bento  Jose  de  Sousa 

342. 
Faro,  Lied  auf  den  h.  —  388. 
Faust-Frage  in  Portugal  375. 

378. 
Fazio,  Bartolomeo  443. 
Febrer,  Andreu  74.  78.  124. 
Feiern ,    Dramatische    —   in 

Spanien  400.  401. 
Feliciano  de  Silva  294.  459. 

460. 
Felix-magno  333. 
Felix  Marte  de  Hircania  459. 
Fenix  renascida'  350. 
Fenollar,  Mossen  Bernat  89. 
Fenollet,  Luis  de  115. 
Feraut,  Raimon  40.  42.  91. 
Ferdinand  I.  93. 
Ferdinand  II.  117. 
Ferdinand  III.  407.  412.  413. 
Ferdinand  IV.,   von  Spanien 

404    418. 
Ferdinand  V. ,    von    Spanien 

420.  444. 
FernaniFernandesCogominho 

188.  189.  191. 


Fernam  Figueira,  de  Lemos 

189. 
Fernam  Froyam  189. 
Fernam  Garcia,  Esgaravunha 

176.   181.    187.   189.  191. 

198. 
P'ernam  Gonqalves,  de  Seabra 

(Sanabria)  168.  189. 
Fernam  do  Lago  189. 
Fernam  Padrom  189. 
Fernam  Paes,  de  Tamalancos 

189.  191 
Fernam  Rodrigues ,  de    Cal- 

heiros  189. 
Fernam  Rodrigues   Redondo 

189.  191. 
Fernam  Soares,  de  Quinhones 

189.  191. 
Fernam   Velho  189.   191. 
Fernand  Eannes   189. 
Fernand'  Escalho  191. 
Fernand'  Esquio   189.   237. 
Fernandes ,    Diogo,    Portug. 

Romanschreiber  335. 
Fernandes,  Domingos  325. 
Fernandes ,     Joam    —  ,     de 

Ardeleiro  189    191. 
Fernandes ,  Jorge  (Paulo  da 

Cruz)  330.  332. 
Fernandes,  Nuno   190. 
Fernandes  ,  Niino  —  ,  Mira- 

peixe  190. 
Fernandes,  Nuno  — ,  Torneol 

152.   190. 
Fernandes,  Ruy  188.   190. 
Fernandes  Andeiro,  Joao230. 
Fernandes    Ferreira  ,    Diogo 

343. 
Fernandes     Pacheco  ,     Joäo 

230. 
Feinandes  Trancoso,  Gon^alo 

336. 
Fernandez.  Diogo  268.  271. 
Fernandez,  Lucas  286.  288. 

460.  463. 
Fernandez,  Sebastian  334. 
Fernandez      de     Constantina 

424. 
Fernandez- Guerra,  Aureliano 

387. 
Fernandez      de     Heredia     s. 

Heredia. 
Fernando,  Portug.  Infant  228. 
Fernando ,  König    von    Ara- 

gonien   113. 
Fernando    de  Bragan^a    218. 
Fernando ,  Principe  de  Por- 
tugal 223. 
Fernando  da  Rotea  254. 
Fernando    de    la  Tone  424. 
Fernan  Gonzalez,  Estoria  do 

Conde  210. 
Fernan  Gonzalez,  Poema  del 

conde         391.  393.  394. 

395.  399.  404. 
Ferreira,  Antonio   165.   183. 


Miguel  Leite  219. 
Diogo 
ßer- 


186.  219  f.  222.  224.  301. 

304.  305.  3U6.  311  f.  363. 
Ferreira  ,    Bartholomeu    3 1 2. 

323. 
Ferreira ,    Diogo    Fernandes 

343 
Ferreira, 

220. 
Ferreira    Figueiroa 

352. 
Ferreira    de    Lacerda, 

narda  347.  348. 
Ferreira      de     Vasconcellos, 

Jorge  157.  295.  301.  302. 

309  f.  335.  342.  344. 
Ferrer,  Bonifaz  87. 
Ferrer,  Mossen  Jaume   124. 
Ferrer,  Miguel  334. 
Ferrer.  Vincent  87.  98.  101. 

229.  254. 
Ferrus  237. 
Feruz,  Pero  426.  440. 
Festaufführungen    in  Spanien 

463. 
Fiammetta  271.  293.  442. 
Fidalgo  aprendiz  346. 
Fideslegende,  'Prov.  39. 
Fierabras  7.   439. 
Figueira,  Fernam,  de  Lemos 

189. 
Figueira,  Guilhem  20.  22.  23. 
Figueiredo,   Antonio  Pereira 

de  358. 
Figueiredo,  Manoel    de  363 
Figueiredo  -  Romanze     154. 

162.   164.  165  ff. 
Figueiroo,    Gaspar    de    271. 
Figueroa,  Francisco  de  451. 
Figueroa ,    Suarez    de    460. 

462. 
Filintismus  370. 
Filinto     Elysio     340.     354. 

363.  364. 
Filippa   de  Lencastre  249  f. 

273. 
Filodemo   136.  309. 
Filosofia    de    Principes  342. 
Fita,   Arcipreste    de  s.  Hita, 

Juan     Ruiz ,      Archipreste 

de  — . 
Flamenca,  Roman  de  10  f. 
Flaviense,      Alex.     Caetano 

Gonies  335. 
Flavio  Biondo  230.  250. 
Flickenlieder  196.  271. 
Flor    de     värios     Romances 

454. 
Flor    und    Biancaflor,    Ein- 

fluss    auf    die    port.    Litt. 

213.    —  in    Spanien    392. 

403.  439.  443  Anm.  2. 
Florando  333. 
Florence  de  Rome  416. 
Flores,  Juan  de  443. 
Flores  de  Filosofia  412.  413. 

439. 


478 


Register. 


Flores   sanctorum    im  Katal. 

90  f.   101. 
Floresta      de      apophtegmas 

354.  101. 
Florestan  223. 
Floresventos,  Port.  Romanze 

158. 
Florilegien,  Aralnsclie  411  ff. 
Florisando  459 
Florisel  333. 
Florisel  de  Niquea  459. 
Flos  mundi  116. 
Flugblätter,  Span.  454. 
Foga^a ,      Lourenqo     Annes 

230. 
Folgelied,  Portiig    197. 
folias  149.   151.  283. 
FolquerUl)eit  v.Chartres415. 
Folquet  de  Lunel  48  f    173. 
Folquet   V.  Marseille   18.  20. 

35.   174. 
Fonsalada,  Elias  18. 
Fonseca,  Andre  da  305. 
Fonseca,  Joao  da  352 
Fonseca ,     Pero    Mendes    da 

190. 
Fonseca  Soares,  Ant.  da  347. 
Fontana,  Guillem    100. 
Fontaneila,  Francisco   128. 
Fönte  frida  433. 
Fortunato  de   S.  Boaventiira 

341. 
Fournier  331. 
Foyos,  Joaquim  de  366. 
Fradinho  da  Rainha  s.  Paulo 

da  Ciuz. 
Frage-     und    Antwortspiele, 

Portug.  265. 
Fragoso,  Matos  349.  466. 
Francesch,  Joan   1 1 7. 
Franci ,     in      Spanien      386 

Anm.  2. 
Francisco   de  Jesus  348. 
Francisco     Manoel    do    Nas- 

cimento  340.  363  364  f. 
Francisco  de.  Melga90  212. 
l'^rancisco   de    Portugal  302. 

334.  347.  350. 
Francisco  de  Portugal,  Graf 

von  Vimioso  273.  291. 
Francisco  de  Rioja  127.  450. 
Francisco  Sanches  343. 
Francisco  de   la  Torre    451. 

453. 
Francisquillo  270. 
Franselm   108. 
Franz    der  Bekenner,   Lehen 

des  h.  — ,  Katal.  Übers.  91. 
Französisch,  Einwirkung  der 

frz.  Poesie   auf   die  katal. 

77. 78.   Französischer  Ein- 

fluss     auf    Portugal      l70. 

198.  283.  354.  358.   Ein- 

fluss  der  französ.  Litt,  auf 

diespan.  386  ff.  400.  401. 

403.    404.     406.    415   ff. 


434.    438    ff.    440.    442. 

457.  463. 
Frauenlieder,  Port.  180.  192. 
Freire,  Francisco    Jose  358. 
Freuden    der    Maria ,     Prov. 

Gedichte  46.    Prov.  Prosa- 

tractat  64. 
Friedrich  II.  415. 
Friedrich  von  Sicilien,  König 

112. 
Froissart  230. 
Frontinus  434. 
Froyam,  Estevam  189. 
Froyani  Fernani   189. 
Fructuoso,  Gaspar  340. 
Fuente     de    Aganippe     165. 

169.  350. 
Fuentes,  Alonso  de  454. 
Fuero  v.  Arguedas  388. 
Fuero  de  Aviles  387. 
Fuero   de    Castrotorafe  887. 
Fuero  de  Oviedo  388. 
Fuero  von  Zurita  388. 
Fuero  juzgo  407. 
Fuero  Real  409. 
Fuertes,  Soriano  166. 
Furtado  de  Mendoza,  Diego 

s.  Mendoza. 

Fuseiro,  Barreto  347. 
Fuster,  Justo  Pastor  71. 

G. 

Gabriel,  el  Müsico  270. 
Gabriel    Tellez  s.    Tirso    de 

Molina. 
Galaaz,  Livro  de  —  213. 
Galba,  Johan   de   124. 
Galceran    de    Santmenat    95. 
Galien  Correger   112. 
Galindez  de  Carvajal  436. 
Galisteu  Fernandes   189.  191. 
Gallegos,  Manoel  de  348. 
Gallizisch     134.     135.     143. 

182.  202.  203.  223.   235 

241. 
Galo,  Martini   191. 
Galvan  213. 
Galväo,  Antonio  338. 
Galvao,  Duarte  256    258 
Galvao,  Francisco  330. 
Galvez    de    Montalvo ,    Luis 

449.  459. 
Gama.  Duarte  da  271. 
Gama.  Joanna  da    303.   343. 
Gama,  Jose   Basilio  da  365. 
Gama,    Vasco    da  139.    318. 

339. 
(jamez,    Gutierre    Diaz  436. 
Gandavo,    Pedio  de    Magal- 

haes  324.  333.  339. 
Gar^ao,  Pedro  Antonio  Cor- 

rea  358.  361  f. 
Garcia,  Estoria    dell  romanz 

dell  inffant  —  395. 
Garcia,  Diego  157. 


Garcia,    Fernam    176.    181. 

187.  191.  198. 
Garcia,     Gomes     188.    189. 

191. 
Garcia,    Gon9alo    176.    188. 
Garcia,    Joani    —    de    Guil- 

hade  189.    191.   213.   419. 
Garcia,    Joam ,    soljrinho    de 

Nun'  Eannes   189. 
Garcia,  Pero   190.  191. 
Garcia,  Pero  (Burgales)  152. 

190.   191.  201. 
Garcia,  Simao  307. 
Garcia,  Vicens  82. 
Garcia  d.-  Eugui  437. 
Garcia  Martins   189. 
Garcia  de  Mascarenhas,  Braz 

348. 
Garcia  Mendes,  de  Eixo  176. 

181.  189.  191. 
Garcia   Peres   189. 
Garcia  de  Sta.  Maria,  Alvar 

421  Anm.  2.  422  Anm.  2. 

436  Anm.  1.  435.  437. 
Garcia     Soares,     irmao     de 

Martim  Soares  189. 
Gaici  Fernandez.   de  Gerena 

241.  426. 
Garci-Ordonez    de  Montalvo 

216.  217.  223.    353.  440. 

441.  442.  456.  459. 
(iarci-Sanchez  de  Badajoz  s. 

Badajoz. 
Garcilaso    de    la    Vega    80. 

136    297.  422.    449.  450. 

453. 
Gardacors,  Lo  —  de  Nostra 

Dona  Santa  Maria  41. 
Garin  der  Braune  51. 
(jarrett    s.    Almeida- Gariett. 
Garrido  de  Villena  456.  457. 
Gaspar  da  Cruz  339. 
CJato ,     Juan     Alvarez    424. 

430. 
Gaucelm  Faidit  18.  29. 
Gaudairenca    v.    Miraval    19. 
Gausbert  Amiel  29. 
Gausbert  v  Puegsibot  28.30. 
Gautier    von    Chätillon  403. 
Gautier   de  Coinci    89.  416. 
Gavaudan  der  .\lte  172.    174. 
Gaw  de  Mcndon^a,  Agostin- 

hö  de  340. 
Gay  saber,   Konsistorium  des 

—    in    Toulouse   36.     — - 

in  Barcelona  76  r  81.  125  f. 

s.  auch  Gaya  ciencia. 
Gaya,    Joam    de    187.    189. 

190.  191. 
Gaya  ciencia  67.  77.  78.  80. 

127.     143.     s.    auch    Gay 

saber. 
Gayferosromanze  433. 
Gayter     del      Llobregat     s. 

Rubiö  y  Ors. 
Gazetas  354. 


Register. 


479 


Gebete,  Prov.  35. 

Geihel  278. 

Geistliche  Lyrik.  Prov.  34  ff. 

Geistliche  Prosa,  Prov.  59  ff. 

Geistlichkeit .  üire  domi- 
nierende Stellung  in  der 
span.  Litteratur  383. 

Gelegeilheitsdichtung ,  Span. 
428. 

Geniara  409. 

Genealogia  de  los  Reyes  de 
Portugal  con  sus  elogios 
341. 

Genealooie  der  Grafen  v. 
Toulouse.  Prov.  66. 

Genealogien  der  Häuser  von 
Kastilien.  Navarra,  Frank- 
reich  u.  des  Cid  407. 

Genebreda ,    Antoni    de  l(i4. 

Genesi  de  scriptura,  Katal.  88. 

Geographia  antiga  da  Lusi- 
tnnia  841. 

Georg,  der  hl.,  in  der  katal. 
Litt.  85.  92.  ~  in  der 
prov.  Litt.  40. 

Geiena,  Garci  Fernandez  de 
241.  426. 

Geionimo  de  San  Pedro  459, 

Gerson  91.  96. 

Geschiciitsschreibung,  Neu- 
belebung der  latein.  — 
386. 

Ge-chichtsschreibung ,  Span. 
3S6  409.  410.  411.  415  ff. 
417.  41S.  434.  435  ff. 
458.  G.  in  kalal.  Sprache 
1 14  ff.  —  in  prov.  Sprache 
37  ff.  65.  66.  Port.  2l0. 
254  ff  337  ff  352.  366. 
369.  373.  / 

Geschmack ,  Gezierter  —  s. 
Kulteranismus. 

Gesetzbücher,  Katal.  102. 
Span  387.  388.  407.  409. 
417. 

Gesta  de  nialdizer  193. 

Giardino  delia  Consolazione 
212. 

Gil,   ]eröninio  90. 

Gil  d'e  Alhornoz    230.    420. 

Gil  de  Colonna  s.  Aegidius. 

Gil  Lobo  254. 

Gil  Peres,  Conde    189.  191. 

Gil  Peres  (Kapellan)  211. 

Gil  Polo  336.  4.52.  459. 

Gil  Sanches  175.  176.  188. 
189.  191. 

Gil  de  Soverosa,  Martini  176. 

Gil  Vicente  144.  148.  149. 
151.  153.  157.  164.  267. 
280  ff.  297.  300.  302.  308. 
463. 

Gilbert,  Pere  111. 

Giovio,  Paolo  296. 

Giraldes,  Affonso  203.  204 
205.  206. 


Girart  de  Rossillon  3  ff.  84. 
Giraut  de  Bornelh  18.  19  f. 

20.  22.   23.    25.   30.  174. 

176. 
Giraut  d'Espanha  176. 
Giraut    Riquier    s.    Guiraut 

Riquier. 
Giron  de  Rebolledo  457. 
Giu.stiniano  283. 
Gleichnis      vonn      verlorenen 

Sohn,  Prov.  Cbers.  61. 
Glosa,  in  der  span.  Litt.  428. 
glosadors  81. 
Glosas ,    in    der    port.    Litt. 

271.  276.  277.  289. 
Gnophoso,    El    Crotalon   de 

Christophoro  —  461  Anna. 

2.  464. 
Gobi,  Johann  122.  123. 
Godinho,  Padre  Manoel  347. 
Godoy,    Carta     burlesca    de 

—  444. 
Goes.   Damiäo  de  256.  268. 

283.  303.  33S.  340. 
Goe.sto-Ansures  231.    S.  auch 

Figueiredo-Ronianze 
goigs  76.  83. 
Goldoni  363. 
Golparro    189. 
Gonies,  Alvaro  — ,  de  Sarriä 

189. 
Goines,    Antonio    Henriquez 

349. 
Gonies,   Joao    Bapti.sta    363. 
Gonies,  Ruv  (o  Freire)   190. 
Gonies  de  Aniorim  376. 
Gonies  d'Andrade   305.  364. 
Gonies  de  Azevedo  316. 
Gomes     Barrosn ,     Pero     s. 

Goniez  Barroso. 
Gomes    de  Briteiros,  Mendo 

194. 
Gonies     de     Briteiros,     Rui 

188.   190. 
Gomes    de    Brito,    B'-rnardo 

339. 
Gomes  Carneiro,  Diogo  352. 
Gonies   Eannes   de  Zurara  s. 

Zurara. 
Gomes     Garcia.     de     Valla- 

dolid   188.  189.   191. 
Gomes  da  Gra,  Ruy  305. 
Gonies    da   11ha,    Joani  271. 
Gomes    de  Trastamar,    Rod- 

rigo   176. 
Gomez,  Alvar  428    Anm.    l. 
Gomez,  Enriquez  453. 
Gomez,  Pero  404. 
Gomez    de    Albornoz,    Pero 

445. 
Gomez    Barroso,    Pero     (v. 

Sevilla)  445. 
Gomez    I3arroso,    Pero    (v, 

To'edo)    190.    191.    193. 

411.  412. 
Gomez  de  Luque  457. 


Gomez    Manrique   s.    Manri- 

que,  Gomez. 
Göniez  Nieva,  J.  Perez  152. 

235.  423. 
Gomez  de  Tapia  456. 
Gomez    de    Toledo,    Gaspar 

460. 
Gon^aieannes  do  Vinhal  189. 

191. 
Gonqalo  Doniingues  254. 
Gonqalo     Eannes      Bandarra 

302  f. 
Gon^alo  Fernandes  Trancoso 
~    336. 

Gongalo  Garcia  176.  1~8. 
Gon^alves,    Fernani    — ,    de 

Seabra  (SanabriaJ  168. 189. 
Gonqalves,  Pero —  dePorto- 

carreiro   190. 
Goncalves,  Reiinon(do)  190. 
Gonqalves,  Rui  191. 
Göngora  y  Argote,   Luis  de 

270.  344.  452.  453.    455. 

456. 
Gongorismus  448.  451.  453. 
Gonzaga,    Thomas    Antonio 

362    3B5. 
Gonzales,  Nicolas  438. 
Gonzalez ,  Vida    de   Esteva- 

nilio  —  461. 
Gonzalez  de  Ca.stro,  Affonso 

237. 
Gonzalez  de  Lucena  434. 
Gonzalez   de  Mendoza,  Pero 

136.  149.    186.   237.  241. 

426. 
Gonzalo    de    Cordova     100. 

455. 
Gonzalo    Sanciiez    de   Uceda 

107. 
Goidon  44. 

Gottfried   von  Viterbo    410. 
Gouveia,    Antonio    de   332. 

343. 
Gower  223.  242. 
Goyos,  Manoel  de  27 L 
Graal  s.  Gralsage. 
Gracian,  Baltasar  458. 
Gracioso ,     Sp.     Komödien- 
Figur  285.  466. 
Graf  von  Barcellos  s.  Pedro 

Affonso. 
Graindor  de  Douai  415. 
Gralsage     in    Spanien     438. 

439.  440.     Graal  im  Port. 

213  ff 
Granada,  Luis  de  458. 
Granada-Antequera ,     Schule 

von  —  450.  451. 
Gran  conquista  de  Ultramar, 

La    —    s.   Aifonso    X.    u. 

Sancho  IV 
Greai,  Santo  —  s.  Gralsage. 
Gregor    der    Grosse ,    Katal. 

Übers.      der     Moral  ia     in 

Job    89.       Katal.     Übers. 


48o 


Register. 


der  Dial.  90.  Katal.  Übers. 

fier    Hoiuiliae    in     Evang. 

93.       Port.      Ül)ers.      der 

Dial.    212.      Span.   Übers. 

43.0. 
Gregor  von  Tours  383. 
Gregorio  Affonso  s.  Affonso, 

Gregorio. 
Grijö,    Martini  de  152.  190. 
Griseldis    in    Portugal    386. 
Griselidis,  Katal.   125. 
Guajardo  Fajardo  422  Anm.  2. 
Gual  457. 

Gualter  Antunes  166. 
Guarda,     Estevam    de     188. 

189.   191.  213. 
Guarinos ,      Romanze      vom 

Grafen   —  392. 
Guevara,  Antonio  458. 
Guevara,  Luis  Velez  de  425 

Anm    2.  430    462.  465. 
Guevara,  Pero  Velez  de  241. 
Gui  de  Chauliac  112. 
Gui  de  Roie  ,    Prov.  Übers. 

des  Doctrinal  61. 
Gui  V.  Ui.ssel    18    28. 
Guia,  La  vera   —    dels  con- 

fe.ssors    y    dels    confitents 

impres   en    lleti-a   lemosina 

en  Barcelona  95. 
Guido  de  Columna  115.  408. 

438  Anm.  5. 
Guido    Guinicelli    229.  253. 
Guilhade ,    Joam    Garcia    de 

—  s.  Garcia. 
Guilielme,    Estoria    del    rey 

—  416. 

Guilheni,  Arnaut  —  v.  Marsan 

51. 
Guillem  Adeniar  18.  20.  173. 

174. 
Guilhem  Anelier  38  f. 
Guilhcm  v.  Autpol  35. 
Guillem     de     Bergadan     79. 

174. 
Guilhem  v.  Cerveira  53.  109. 
Guillaume  de  Conches,  Katal. 

Übers.    104. 
Guiliielme    de    Machado     s. 

Machault  236. 
Guiihelm  Magret  20. 
Guilhem    Mulinier    36.    67. 

125  f. 
Guillem  de  Montagnagut  173. 
Guiihelm  IX.  v.  Poitiers  85. 
Guillem  de  Saint-Didier  173. 
Guilhem    de    S.  Leidier    17. 
Guilhem  de  la  Tor  29. 
Guillem  de  Torrella  81. 
Guilhem  v.  Tudela  38, 
Guillen,  Felipe  267. 
Guinicelli,    Guido  229.  258. 
Guiral  457. 
Guiraudo  lo  Ros  28. 
Guirautde  Bornelh  174.  176. 
Guiraut  de  Cabreira   5.  44. 


Guiraut   de  Calanso  48.    44. 

174. 
Guiraut  de  l'Olivier  58. 
Guiraut    Riquier    26.    27   f. 

36     43.    49    f.    170.    178. 

178.  194. 
Guterres,    Pero    190.    196  f. 
Guzman,    Fernan    Perez    de 

229.  272.  422.  425.    428. 

429.  434.    436.    437.  438. 

445. 
Guzman    de    Aifarache    461. 
Guzmäo,   Alexandre  de  351. 

358. 

H. 

Hadrian  383. 
Halbcanzone  22. 
Handschriften,  Katal    73  ff. 
Handschriften     der     Cancio- 
neros  in  der  Pariser  Natio- 
nalbibliothek,   beschrieben 
von  Morel-Fatio  423. 
Handschriften    der   Escorial- 

Bibliothek  74.  434. 
Handschriftliche  Verbreitung 

portug.  Werke  804. 
Hannibal  212. 
Haro,  Conde  de  270. 
Haitzenbusch  456. 
Heiligenleben ,    Prov.    39   ff. 
62  f.    Katal.  90  ff     Span. 
885.  457.    Por'.  207.  212. 
Heiliger  Geist,  Prov.  Gedicht 

Oiier  den  —  52. 
Heiliges     Land ,     Lat.     Ge- 
schichte   des     h.     L     ins 
Span,   übers    417. 
Heinrich  der  Seefahrer,  Prinz 

V.   Poitugal  248  f.  301. 
Heldengedichte ,     Geschicht- 
liche —  in    Spanien    456. 
Hencra  448. 

Hendecasilabo    in    der    span. 
Litt.  424.  425.  428.   449. 
Hendekasyllahus  in  Portugal    i 

297. 
Henrique,  Port.  Infant  248  f. 

301. 
Henrique  IV.  480. 
Henrique  fi  d'Oliva  223.  439. 
Henriqueida  357. 
Henriques,  Affonso  231. 
Henriquez    Gomez,    Antonio 

349. 
Heptameron  286. 
Herbarien,  Katal.   118. 
Herberay,  d'  —  217.  423. 
Herculano,  Alexandre  —  de    | 
Carvalho    e    Araujo    133.    I 
138.  162.  208.  246.    369. 
372  ff.  376.  , 

Heredia,   Fernandez    de  411. 

484. 
Heredia,  Juan  Fernandez   de 
423. 


Hermenegildo    de    Payopelle 

211.  212. 
Hermenegildo  de  Tancos212. 
Hermigius    s.    Cayado,    Hen- 
rique. 
Hermiguez,Gonqalol62.  l63. 
Hernandez,   Alonso  455. 
Heinandez    de  Velasco   456. 
Herrera,  Fernando  de  80. 316. 
449.  450.  451.  452.    453. 
Herrera,  Ptrez  de422  Anm.  2. 
Hidalgo,  Gaspar  Lucas  462. 
Hieronymo    de   Ramos    259. 
Hieronynus,    Katal.    Übers, 
der  Epist.   ad  Eustochium 
90.   104.     H.  in  der  span. 
Litt.  435. 
Higuera   161. 
Hilario  da  Lourinha  211. 
Hircania,  Felix  Matte  de  459. 
Hirtennovellen,  Poitug.  351. 
Hirtenroman,  Portug.  351. 
Hirten-  u.  Passionsspiel  (Re- 
presentacionesj  in  Spanien 
401.  462.  468. 
Hispanismen  in  portug.  Ro- 
manzen  156. 
Historia  Compostellana,  ihre 

Veifasser  386. 
Historia     da     arvore     triste 

386. 
Historia     da     Provincia    de 

Santa  Cruz  339. 
HLstoria  de  Carlomagno  83."). 
Historia    de    Espana   s.    Al- 

fonso  X.,  el  Sabio. 
Historia  de  la    filla    del    rey 

de  Hungria  123. 
Historia  de  Lancelote,  Leo- 

nel  e  Galvan  215. 
Historia  del    rey  Vespasiano 
214.     215     Anm.    4.   439 
Anm.  1. 
Historia    de     S.     Domingos 

352. 
Historia  de  sant  Latzer  91. 
Historia    de    descobrimento^ 

da  India  838. 
Historia    do    famoso     cerca 
que  o   Xarife  pos  ä  foita- 
leza  de  Mazagao  340. 
Historia  do  Infante  D.  Pedro 

247. 
Historia     dos    trabalhos    da 

sem-ventura  Leo  336. 
Historia  gothica  407. 
Historia    Pauli    descendentis 

ad   inferos,  Prov.  83. 
Historia     regum      Brittaniae 

213. 
Historia       tragico  -  maritima 

339. 
Historia  Troyana,  Port.  212. 
Hita,    Gines    Perez   de   431 
Anm.  6.  462. 


Register. 


481 


Hita.  Juan  Ruiz,  Archipreste 
de  — .  180.  229.  272. 
275.  385.  389.  390.  392. 
400.  405.  406.  407. 
414.  416.  420.  421.  422. 
424.  425.  427.  433  Anm.  1. 
438.  441.   446.  447.  460. 

Höfische  Dichtung,  in  Spa- 
nien 421  ff. 

Hohelied,  Das,  Prov.  Übers. 
61. 

Hojeda,  Diego  de  457. 

Hollanda,  Francisco  de  343. 

Hörnern,  Francisco  271. 

Homem,  Pedro  271. 

Homer  434.  435.  444. 

Honorat,  Leben  des  hl.,  im 
Kat.  91.  —  in  prov.  Sprache 

40.  62. 

Honorius   v.    Augustodunum 

41.  61.   111.  415. 
Horatius,    in   Spanien    nach- 
geahmt 429.  449.  451. 

Horosco,    Alfonso    de    445 

Anm.  2. 
Horozco,    Sebastian    de  425 

Anm.  3.  450. 
Horozco  y  Covarrubias,  Seb. 

de  450  Anm.   1. 
Hospital  das  Lettras  346. 
Hoveden,   Johannes    de  414. 
Hoch  de  Lupiä   103. 
Huerta,  Geron.  de  457. 
Hugo,  Verfasser  der  Historia 

Compostellana  386. 
Hugo  de  Bariols    97. 
Hugo  V.  Pena  18. 
Hugo  V.  Saint  -  Cher.  Katal. 

Übers,  des  Spec.  eccl.  98. 
Hugo  von  St.  Cirt;  66. 
Hugo     V.     S.    Victor,    Kat. 

Übers,  des  Soliloquium  96. 

Hugolin   V.    Forcalquier  19. 

Humanismus,     Einfluss     des 

-  aufdiespan.  Litt.  434. 

456. 
Humanistenkomoedie,  Latei- 
nische 460. 
Hunein  ben  Ischak  412. 
Hurtado  de  Mendoza,  Diego 

80.    450.   456.   458.   461. 

462. 
Hurtado    de  Mendoza,    Juan 

457. 
Hurtado  de  la  Vera  460. 
Hyginus  383. 
Hynmus,  Prov.  35. 
Hyssope  358.  362. 

I.  J. 

Jacme  de  Majorque  104, 
Jacme  March  126. 
Jacme  Mascaro  66. 
Jaco,   Waldens.  Physiologus 
68. 
Gröber,  Grundriss.     IIb. 


Jacobus,  Liber   Jacobi    386. 

387. 
Jacobus,  Ludus  Sanofi  Jacobi 

5f>. 
Jacob  von  Aragon ,   Bischof 

von  Valencia  96. 
Jakob  1.  V.  Aragon  86.  107. 

118.   119.   120. 
Jacob    II.    von    Aragon    99. 

107.   112.   120. 
Jacob    von   Cessoles,    Katal. 

Übers.   105. 
Jacob    der    Eroberer,   König 

71.   118. 
Jacob  von  Mora  67. 
Jacob,  Graf  v.  Urgel,  Chro- 
nik 120  f. 
Jacobus  de  Voragine,  Katal. 

Obers.     91.     101.      Prov. 

Übers.  61. 
Jacob  Xalabin   116. 
Jacques    de    Longuyon   404. 
Jacques  v.  Vitry  68. 
jäcras   154. 

jäcras  das  segadas  154. 
Jafuda  107  f. 
Jagdbücher.  Port.   207.  242. 

2.)1.  290.343.    Span.  417. 

418.  444. 
Jagdvögel,  Prov.  Gedicht  des 

Daude  de  Pradas  42. 
Jaime,    Infant    von  Portugal 

und  Kardinal  230.  263. 
Janguas,  Lopez  de  422  Anm.2. 
Jardinet  d'orats  80.   121. 
Jardo,  Domingos  Annes  178. 
Jaufre,    Roman  de  8  f.  439. 
Jaufre     Rudel      von      Blaia 

17.  20.  23.  24.  28. 
Jäuregui  451. 
Jean  de  Meun  246. 
Jean  de  Notredame  69. 
Jeronymo   de  Bahia  351. 
Jerönimo  de  Cancer  453. 
Jeronymo  de  Mendon^a  340. 
Jerusalem,    Zerstörung     J.'s, 

Prov.  47.  63.     Katal.  88. 

Port.  214.  Chanson   de  J. 

Graindor's   de  Douai  415. 
Ignacio    de  S.  Caetano  364. 
Jimeno  Vicente  71. 
Ildefonso,  Vida  de  S.  —  404. 
Ilizabeth,    Livro    da    Rainha 

Dona  211. 
Imitatio  Christi,  Kat.  Übers. 

97. 
Imperial  427.  428. 
Ines  de  Castro  135.  231.  363. 

268.   274.  312.  319.   233. 
Infanten    von    Lara,     Kasti- 

lische  Geschlechtersage  von 

den  Sieben    —    394.  395. 

398.  433. 
Inigo   Lopez    149    Anm.  5. 

237  Anm.   1. 
—  S.  auch  Santillana,  Inigo 


Lopez  de  Mendoza,  Mar- 
ques de  — . 

Inigo  Lopez  de  Mendoza, 
Marques  de  Santillana  s. 
Santillana. 

Inigo  de  Mendoza  423.  430. 
457. 

Innocenz  III.,  Papst ,  La 
exposiciö  dels  VII  psalms 
penitencials  ,  Katal.  Über- 
setzung 89. 

Institutio  Sebastian!  332. 

Insulana  348. 

Joam ,    morador    em    Leoai 

186.  189.   191. 

Joam,   Abbade  Dom  206. 
Joam  Aires    189.    191.    196. 
Joam  Alvares  258.  259. 
Joam  Baveca  189.  191. 
Joam  de  Cangas  189. 
Joam  Eannes  191. 
Joam    Fernandes ,    de    Arde- 

leiro  189.  191. 
Joam    (Garcia)   de   Guilhade 

189.  191.  213. 

Joam    Garcia,     sobrinho    de 

Nun'  Eannes  189. 
Joam    de    Gaya     187.    189, 

190.  191 

Joam    Lobeira    s.     Lobeira, 

Joäo. 
Joam  Lopes,  de  Ulhoa  189. 
Joarn      Martins      177.     187. 

190.  191. 

Joam    Mendes,    de  Besteiros 

189. 
Joam  Mendes  de  Sousa  176. 
Joam   Nunes    Camanes    189. 
Joam  (Peres)  de  Aboim  189. 
Joam  de  Requeixo  189. 
Joam  Romeu,  de  Lugo  189. 
Joam  Servando  189. 
Joam  Soares  187.  190. 
Joam    Soares    Coelho     189. 

191.  199.  • 
Joam  Soares,  de  Pavia  168. 

187.  189. 

Joam  Soares  Somesso  176. 
189,  191. 

Joam  Vasques  189.  191, 

Joam  Vasques,  de  Talaveira 
189. 

Joam  Velaz  190. 

Joam  Velho,  de  Pedrogaes 
178.  189. 

Joam  Zorro  152.  189. 

Joan,  En  Bernat  104. 

Joao  I.,  König  von  Portugal 
90.  210.  242.  250.  251. 
268.  381. 

Joao  IV.,  König  von  Portu- 
gal 349. 

Joäo     d'Aboim     172.     178. 

188.  191. 

Joao     Affonso     (de     Baena) 
235.  240  f.  283. 
31 


Register. 


Joao  da  Cruz  347. 

Joao     de     Deus     (Nogueira 

Ramos)  377.  378.  381. 
Joao  de  Lucena  353. 
Joao  Martins  177.  187.   190. 

191. 
Joao    das  Regras    210.    253. 
Joao  dos  Santos  340. 
Joao  Verba  245. 
Joca  monachorum  65. 
Joe  partit  25. 
Jochs    Florais   v.    Barcelona 

72.  76.  84.  128. 
Jofre  de  Foixä  126. 
Jojrlar  14.    15  ff.     Joglar   in 

Spanien  390. 
Joglar   de  Maylorcha  (Gerö- 

ninio   Rossellö)  84. 
joglaresas  385.  390. 
jograr  remedador  280. 
jograres  390. 
Joliam  Xiia  254. 
Johan  Romeu  89 
Johann  XXL,  Papst  112. 199. 

207. 
Johann   I.  von  Aragon    104. 

109.    111.   114.   120.   122. 
Johann  II.   von  Aragon   110. 
Johann  I.,  König  von  Frank- 
reich 114. 
Johann   Gobi,    Katal.   Übers. 

122  f. 
Johann    I.  von    Portugal    s. 

Joäo  I. 
Johann  v.  S.  Geminiano  250. 
Jolianna  von  Aragon   121. 
Johannes,  Drama  von  Teive 

332. 
Johannes,  Priester  68. 
Johannes    de    Hoveden    414. 
Johannes  Nostradamus  69. 
Joliannes     v.     Wales,      Kat. 

Übers.  95  f.  99.   108. 
Johannes- Evangelium,   Prov. 

Üb^s    60.  61. 
lonio  Duriense  370. 
Jordi,  Mossen  76.   79. 
Jornada  (—   Akt)  463. 
Jose,    Poema     de    —    421. 

446. 
Josef  v.  Arimathia  214.  215. 

439. 
Josephus,    Kat.   Übers.    115. 
Irland,    Geographie    von   — , 

Prov.  68. 
Isaac     de     religione ,      Kat. 

Ül)ers.  93. 
lsabel,  Santa  211.  262.  332. 
Isabel  Freyre  297. 
Isabel  de  Viilena  89. 
Isahella    von    Kastilien   420. 

423.   424.  428.  429.  430. 

437.  442.  444.  447. 
Isabella  von  Portugal,  Herz. 

V.  Burgund  230.  253. 
Iseu  438. 


Isidor    383.    384.    385.  403. 

435. 
Isla  459. 
Isla  Avalon  210. 
Isolde  196. 
Isopet  121. 

Istoriade  Jacob  Xalabin  116. 
Istoria  de  la  filla  del  empe- 

rador    Contasti,    La    123. 
Italienisch,  Nachahmung  der 

ital     Litt,    im    Katal.    74. 

78.  124.  125.     Italienische 

Einflüsse  in  Portugal  143. 

229.  230.  234.    249.  250. 

251.    253.  271.  279.  283. 

286.  287.   288.    293.  296. 

297.    299    305    310.  329. 

336.  343.  349.   352.  363. 
—   Ital.    Einflüsse    in     Spa- 
nien 420.  424.    429.    442. 

444.  447.  448.   449.    450. 

454.  455.  457.    460.  362. 

463.  464. 
Italiener,  Portugiesisch  dich- 
tende —  191.   199. 
Italianismen  im  Altport.  181. 
Itinerario  da  Tena  Santa  339. 
Itinerarium  im  Liber  Jacobi 

387. 
Juan  I.  426. 
Juan  II.  423.  424.  428.  430. 

431.  434.  435.  437.    442. 

443    444.  446. 
Juan    AIton.so   422    Anm.  4. 
Juan  de  Arguijo  451. 
Juan  de  la  Gerda  426. 
Juan  de  la    Cruz    153.    347. 

451.  453.  458. 
Juan    del    Encina  s.  Encina, 

Juan  del. 
Juan  Garcia  419. 
Juan    Lorenzo ,    natural     de 

Astorga  403. 
Juan  de  Lucena  443. 
Juan  Manuel  s.  Manuel,  Juan. 
Juan     de     Mena     s.     Mena, 

Juan  de. 
Juan  Rufo  456. 
Juan    Ruiz,    Archipreste    de 

Hita  s.   Hita. 
Juan  Ruiz    de  Alarcon   465. 
Juan  de  Salinas  451. 
Juan  de  San    Cristöval    443. 
Juan  de  Segura  443. 
Juan      de      Valladolid      422 

Anm.  4. 
Juano  190. 

Judcä  Negro  234.  380. 
Judenspanisch  445.  446. 
Juegos  por  escarnio  401. 
Juglarpoesie  390.    399.  405. 

424.  "432. 
Julian,    Leben    des  Hospita- 

liters  — ,  Katal.  92. 
Juristische      Werke ,      Prov. 

68.  69. 


Juromenha,  Visconde  de  314. 

325  f. 
Jusep  189. 

Justinianus,    Laurentius  249- 
Justinus,    Kat.    ubers.     115. 
Justinus  (Martyr)  413. 
Juvencus   383. 
Juyam  Bolseiro  189. 
Ivain  439  Anm.  9. 
Izach,  Rabbiner  94. 
Izarn  50. 

K. 

Kabala  409. 
Kalender,  Provenz.  68. 
Kalilah  und  Dinmah  106.  109. 
Karl  V.  447.  454.  456.  457. 

458. 
Karl  der  Grosse,  in  der  port. 

Litt.  335.  —  in  der  span. 

Litt.391. 392.416. 439  456. 
Katalanische     Einflü.sse     auf 

die  port.  Lyrik  143    234. 
Katalanische     Litteratur     70 

—  128. 
Katharina     v.    Siena,      Kat. 

Übers.   96  f. 
Kehrreim  im  Port.  150.  155. 

196. 
Kind,    Das  w^eise  — ,    Prov. 

65.  Kat.   109. 
Kinderniord,  Bruchstück  eines 

prov.    Dramas    über    den 

bethleemitischen     K.     54. 
Kindheit    Jesu,    in    d.    prov. 

Dichtung  40  f. 
Kirchliche  Prosa  in  Spanien 

416.  417. 
Kirchlicher  Anteil    am  span. 

Drama  464. 
Klagelieder,  Prov.  23. 
Knu.st  107.    411,    412.    413. 
Kochbücher,  Katal.    1 13. 
Kommentare  der    h.  Bücher, 

Katal.  89. 
Kreuzholz  Christi,  im  Piov. 

47.  63 
Kreuzlieder,  Prov.  22.  23.  35. 
Kulteranismus,    in    Portugal 

344.    —  in    Spanien    452. 

453.  455. 
Kunstdichtung,    Katal.  77  ff. 

Prov.  7  ff.  14  ff.  Portugie- 
sische   424.    426.      Span. 

384.    400    ff.    426.     448. 

453    455  —458. 

L. 

Lacerda,    Bernarda    Ferreira 

347.  348. 
Lacerda .     Fernando    Correa 

de  353. 
Ladron,  Luis  270. 
Lafoes,    Herzog    von    (Joäo 

Carlos  de  Bragan9a  Sousa 

e  Eigne)  355.  365. 


Register. 


483 


Lafontaine  123. 

Lais,  im  Provenz.  27. 
—   im  Portug.  lf)3. 

Lais  de  Bretanha  198. 

Lancjarote  210.  212.  213. 
439.     Vgl.  Lanz.elot. 

Lando,  Manuel  del  427. 

Lanval-Iai  439    Anm.  9. 

Lanzelot,  in  der  port.  Litt. 
198  f.  210.  212.  213.  215. 
In  der  span.  Litt.  432  Anm. 
6.  439.  440.  441.  442. 

Lapidarius,  Prov.  68 

Lara,  Kastil.  Geschlechter- 
Sage  von  den  Sieben  In- 
fanten von  —  394.  395. 
398    433. 

Larouco,  Pero   190. 

Lasa   111. 

Lateiner  iberischer  Abkunft 
383. 

Lateinisch,  Neubelebung  der 
lat.  Geschichtsschreibung 
3 "^6.  Latinismus  in  Spa- 
nien 452.  458.  Nach- 
ahmung der  lat.  Tragödie 
in  Spanien  464. 

Latini,  Brunetto,  Kat.  Obers, 
der  Ethik  102. 

La  Torre,    Alfonso    de   110. 

Latro,  Portius  383. 

Laurel  de  Apolo  351. 

Lauren^io,  S.  s.  Berceo, 
Gonzalvo  de  402. 

Laurent  61. 

Lavana,  J.  B.  209. 

Lazarillo  de  Tormes  448. 
-161.  462. 

Lazarus ,  Historia  de  sant 
Latzer  91.         s 

Leal,  Mendes  375.  376. 

Leal  Conselheiro  243. 

Leandro  el  Bei  459. 

Leäo,  Duarte  Nunes  de  168. 
186.  220.  333.  341. 

Leao,  Gaspar  de  343. 

Leqon,  La  Noble  —  52. 

Ledesma,  Alonso  de  451. 
455. 

Legenda  aurea  s.  Jacobus  de 
Voragine. 

Legenden,  Prov.  39  ff.  62  f. 
Span.  416.  445. 

Lehnworte,  Germanische  — 
im  Spanischen  384. 

—  Französische — im  Spani- 
schen 386. 

Leib  und  Seele,  Streit  zw^i- 
schen    -     s.    unter    Streit. 

Leitäo,  Joao  Lopes  329.  344. 

Leite    de  Vasconcellos    153. 

leixa-pren  147.  168.  196. 
235.  289. 

Lemos,  Luis  de  344. 

Lemos,  Pero  de  305. 

Lena,  Pere   111. 


Lenda  de  Gaya  209. 
Lendas  da  India  338. 
Leon,    Luis  Ponce    de    347. 

451.  453.  458. 
Leonardo    de    Argensola    s. 

Argensola. 
Leonoreta  221.  235.  441. 
Lepolemo  459. 
Lereno  Selinuntino  365. 
Leriano  v  Laureola  286. 
Letrilla  428. 
Lettres  d'une  religieuse  por- 

tugaise  353.  354. 
Lex  Wisigothorum  384.  385. 

407. 
Leys  d'amors.    Las    36.    45. 

67.  78.80.  125  f.  s.  auch: 

Molinier,  Guilhem. 
Liaüo,  Lope  de  392. 
Liber  Jacobi  386.  387. 
Libre  de  Apollonio  403.404. 
Libre    de    Catö ,     Katal.,    s. 

Disticha  Catonis   108. 
Libre    de    consolat    tractant 

del  fets  maritims  102. 
Libre  de  Ester  la  reyna,  Lo 

—  60. 
Libre  de  la  saviesa  107. 
Libre    de    l'estoria    e    de    la 

vida  de  Tobias,  Lo  —  60. 
Libre  dels  feyts  esdevenguts 

en    la    vida    del    rey   En 

Jacme      lo       Conqueridor 

118  f. 
Libre  dels  yssamples  65. 
Libre  del  tres   reys  d' Orient 

401    404  Anm.  2. 
Libre  de  Seneca  48. 
Libre  de  Susanna,  Lo  —  60. 
Libro  das  Confissoes  212. 
Libro  de    Cetreria    que    fizo 

Evangelista  444. 
Libro  de  Josep  ab  .Arimatia 

439. 
Libro   de    la    Monteria   417. 
Libro    de    las   consolaciones 

445. 
Libro  de  los  buenos  prover- 

bios  412.  413.  415. 
Libro  de  los  enganos    e  los 

assayamientos    de    las  mu- 

geres  413 
Libro  del  Paso  honroso  436. 
Libros    de    cavalleria    ä    lo 

divino  459. 
Liebesbriefe,  Prov.  28. 
Liebesnarrheit      der     Portu- 
giesen 287. 
Liedersammlungen,        Span. 

422  ff. 
Lily  344. 
Lima,  Alexandre  Antonio  de 

357.  361. 
Lima,  Fernando  de  300. 
Lifian  de  Riaza,  Pedro  452. 
Linares  454. 


!    Linhaure  25. 

I    Lipsius,  Justus  346. 

1    Lira  449. 

j    Lisardo  290. 

I    Lissabon ,    Loblied    auf    — 

164.  247. 
Lisuarte    von     Griechenland 

333.  459. 
Litaneien,  Prov.  35. 
Litteratura    de    cordel    234. 

356.  363. 
Liturgische  Gedichte,    Prov. 

39  ff. 
Livius,    in    der    katal.    Litt. 

114.      In    der   span.    Litt. 

434    435.  458. 
Livio  da   destruicjäo    de   Je- 
rusalem 214. 
Livro  da  Ensynan^a  de  bem 

cavalgar  244. 
Livro    da  Noa   de    S.    Cruz 

211. 
Livro  da  Rainha  Dona  Iliza- 

beth  211. 
Livro  da  Velhice    de    Tulio 

246. 
Livro    da    vktuosa    bemfei- 

toria  245. 
Livro  das  Cantigas  do  Conde 

de  Barcellos  2ü0. 
Livro  das  Trovas  303. 
Livro    das   Trovas    del    Rey 

244.  247. 
Livro  de  Cetreria  207.  251. 
Livro  de  Galaaz  213. 
Livro  de  Horas  de  D.  Duarte 

242. 
Livrn    de    Joseph   Abarima- 

thia  intitulado   a  Primeira 

Parte  do  Santo  Grial  215. 
Livro  de  Monteria  207.  242. 
Livro  de  Salamao  207. 
Livro  de  Tristan  213. 
Livro  de  las  Querellas  184. 
Livro  del  Tesoro  164.   184. 
Livro  do  Conde  209. 
Livro  dos  Martires  207. 
Livro     dos     Padres     Santos 

207. 
Livro  velho  208.  209. 
livros  de  linhagem  208.  393. 
Lizana,  Pedro  Maza  de  114. 
Llabres  y  Quintana  87 
Llibre  de  les  floretes  e  d'amo- 

retes  97. 
Llibre  de  tres  108  f. 
Lobato,  Balthasar  Gonqalves 

335. 
Lobato,  Pedro  Annes  246. 
Lobeira,  Joao  189.  191.  22  L 

222.  226.  441. 
Lobeira,  Martim  221. 
Lobeira,    Vasco     164.     165. 

217.  218  ff.  441. 
Lobo,    Francisco    Alexandre 

314.  352.  353. 

31* 


484 


Register. 


Lobo,    Francisco    Rodrigues 

157.  306.  324  f.  330.  332. 

336.  347.  348.  350.  351. 
Lobo,  Gil^254. 
Lobo-Serrao  332. 
Lobo  Soropita,  Fernam  Rod- 
rigues 303.  310.  325.  330. 

344. 
Longuyon,    Jacques    de  404. 
Lope     de     Barrientos     443. 

444. 
Lope  de  Liafio  392. 
Lope    Lias    od.     Dias     (de 

Haro)  189. 
Lope  de  Portocarreyro  241. 
Lope  de  Rueda  464. 
Lope     de     Vega     s.     Vega, 

Lope  de. 
Lopes,  Affonso  287. 
Lopes,  Affonso  — .  de  Baiarn 

188.    189.  191.   194.  198, 
Lopes,  Anriqiie  308. 
Lopes,  Estevam  325. 
Lopes,    Fernam     118.    210. 

218.  219.  220.  234.    238. 

254.  255  f.  258. 
Lopes,  Jeronimo  258.  259. 
Lopes ,  Joaiii  — ,  de  Ulhoa 

189. 
Lopes  de  Mendon^a  354. 
Lopez,  Antonio  157. 
Lopez,  Francisco  348. 
Lopez,  Francisco,  Romanzen- 
dichter  157. 
Lopez,    Ifiigo    149  Anm.  5- 

237  Anm.   1. 
Lopez  de  Bayain  391. 
Lopez  de  Janguas  422  Anm.  2. 
Lopez  de  Mendoza,  Ifiigo  — , 

Marques    de    Santillana    s. 

Santillana. 
Lopez  Pinciano  425  Anm.  3. 
Lopez  de  Ubeda  461. 
Lopez  de  Vicuna  452  Anm. 

10. 
Lopez  de  Zärate  457. 
Lopis,  Pere  115. 
Lopo,  jograr  189. 
Lopo  de  Almeida  254. 
Lorenz ,    Bruder    (Somme  le 

Roi)  61.  94.  95.  97. 
Lorenzo,    Juan    — .    natural 

de  Astorga  403. 
Lor-enzo  de  Medici  283. 
Lorris,  G.  de  241. 
Lourenqo,  jograr  189. 
Lourenqo,  Pero  190. 
Lousada   161.   168.  208. 
Loyola,  Ignatius  von  447. 
Lucanor,    Conde   229.    385. 

412.    414.    419.     s.   auch 

Manuel,  Juan. 
Lucanus  429.  434. 
Lucas,  Prov.  Übers.  61. 
Lucas  de  Iranzo,  Crönica  del 

Condestable  —  436. 


Lucas    Tudensis     391.    410. 

415. 
Lucena,  Affonso  de  253. 
Lucena,  Fernam  Vasquez  de 

253. 
Lucena,  Gonzalez  de  434. 
Lucena,  Joao  de  353. 
Lucena,    Joao  Rodrigues  de 

253.  273.  274. 
Lucena,  Juan  de  443. 
Lucena,  Juan  Ramirez  de  — 

253. 
Lucena,  Vasco  de  253. 
Lucena,  Vasco  Fernandes  de 

246.  252  f.  255. 
Lucena,    Vasco    Martins    de 

253. 
Lucian  4til  Anm.  2. 
Lucidaii  en  cathalä  110. 
Lucidario,  Span.  415. 
Lucidarius  s.  Elucidarius. 
Ludolf    V.    Sachsen,    Katal. 

Übers.  89  99.  Port.  Übers. 

244.  251. 
Ludus  Sancti  Jacobi  56. 
Ludwig,    Bischof  von    Tou- 
louse ,    Leben    des    h    — , 

Katal.  Übers.  91. 
Lujan,  Pedro  de  459. 
Luis,  Port.  Infant  301.  326. 
Luis,  Francisco  307. 
Luis,  Nicolau  363. 
Luis  de  Granada  458. 
Luis    Ponce    de    Leon    347. 

451.  453.  458. 
Lull,    Raimund    75.  76.  81. 

105  ff.  113.  251.  418. 
Lumiares ,    Abril    Peres    de 

175  f.  188.  189.  191. 
Luna,  de  461. 
Luna  (Benedikt  XIII.),  Papst 

94.  98.  445 
Luna,  Alvaro   de   428.  429. 

436.  443. 
Lunel    V.   Monteg   (Moncog) 

51. 
Lupia,  Huch  de  103. 
Luque,  Gomez  de  457. 
Lusiadas  313.  321. 
Lusitania  279. 
Lusitania  illustrata  351. 
Lusitania  transformada    336. 
Lusitanos  279.  321. 
Luxan  de  Sayavedra  461. 
Lycidas  Cinthio  363. 
Lycore ,     Hirtendrama     362. 

363. 
Lyras  de  Gonzaga  365. 
Lyrica  297. 
Lyrik,   Prov.    13  ff.     Span. 

448  ff.  452.  453. 

M. 

Macabeo  350. 
Macariuslegende  445. 
Macchiavelli  310. 


Macedo,   Jose  Agostinho  de 

361.  366.  368. 
Macer,  Kat.  Übers.  113. 
Machado,  Manoel  300. 
Machado,  Simao  349. 
Machado    de    Azevedo,    Ma- 
noel 344. 
Machauit  236. 
macho    e    femea-Reime  195. 

196.  235. 
Macias  132.  143.  239  f.  271. 
.  426. 
Madrid,    Katal.    Hss.    in    der 

Bibliot.  Nac.  zu  M.  73.  74. 
Madrid,  Stehende  Bühne  da- 
sei b.st  464. 
Madrid,  Span.  Musiker  270. 

283. 
Madrigal ,    Alfonso    de    (El 

Tostado)    443.    444,    445. 
maestria    de    arte    mayor    e 

menor    168.    235.   425.   s. 

auch  Arte  mayor. 
Mafaldo,  Pero  190 
Magalhaes    Gandavo ,    Pedro 

de  324.  333.  339. 
Magalona  335. 
Magdalenenlegende ,       Span. 

404. 
Magret,  Guilhem  20. 
Mainet  392.  393.  415. 
Mairegen,  Fabel  vom  —  289. 
Malacca  Conquistada  332. 
Malagrida  360. 
Malara  464. 
Maldiqoes  149. 
Maldizer  193. 
Maldonado  284.  454. 
Malla,  Phelip  de  93. 
Mallol,  Lorenzo  79. 
Malon  de  Chaide,  Pedro  451. 

458. 
Manelli,  Lucas  103. 
Manga-ancha,  Diego  Affonso 

228.  244.  253. 
Manoel,    loao   157.  239. 

267.    271.  273.  274.  279. 
Manoel  de  Gallegos  348. 
Manoel  de  Portugal  136.  299. 

300  f.  304.  305.  316.  320. 

352. 
Manoel  de  Santa  Thereza  348. 
Manoel  dos  Santos  353. 
Manoel    Thomas     de    Santa 

Thereza  348. 
Manriqne,  Gomez  239.  380  f. 

423.  424.  428.  429,  430. 

444.  463. 
Manrique,    Jorge    268.    271. 

429. 
mansobre  168.  196. 
mantenedores  279. 
Mantua,  Marques  de  392. 
Manuel,  Ferrand  407. 
Manuel,  Juan  106.  202,  223. 

385.  389,   390,   408.  409. 


Register. 


485 


411.  412.  413.   414.   415. 
416.  417.  418.  419.  420. 

426.  427.   435.   438.  440. 
Manuel  del   Lando  427. 
Marbod  v.  Rennes  68. 
Marca,  Erzbischof  119. 
Marcabrun    18.    20.    22.   23. 

172.  174. 
March,    Auzias    71.    76.  77. 

78.  79.  81.  82.  450. 
March,  Berenguer  89. 
March,  Jaciiie.74.  79.   126, 
March,  Pere  79. 
Marche,  Olivier  de  la  457. 
Marco  Polo,  Port.  246. 
Margaretha.  Leben  der  h.  — , 

Katal.    Übers.    91.    —    in 

prov.  Sprache  40. 
Marguerite  v.  Oyngt  62.  64. 
Maria,  Portug.  Infantin  268. 
Maria ,     Leben    der    h      — , 

Katal.  Übers.  91. 
Maria ,      Freuden      der     — , 

Prov.  64. 
Maria,      Wunderthaten     der 

Jungfrau  — ,  Prov.  63. 
Maria,  Santa  s.  Santa-Maria. 
Maria,    Gemahlin  Alfons'  V. 

von    Aragon    75.    87.    89. 

90.  91.    93.    95.    96.    97. 
100.  104.  108.  117. 

Maria  Egipciaca ,  Vida  de 
Sa.  —  212.  401.  404  Anm. 
2.  416. 

Maria  Magdalena,  Leben  der 

—  in   prov.    Sprache   40. 
62.      Prov.    Predigt    über 

—  61.     In  der  katal.  Litt. 

91.  Leben  der  —  in  der 
span.  Litt.  416.^ 

Maria  Parda  286.  302. 

Maria  v.  Ventadorn  19. 

Mariana  458. 

Marie  de  France  439  Anm.  9. 

Marienklage,  Prov.  47. 

Marienlieder  Alfonso'sX.  388. 

Marienwunder ,  Katalanisch. 
90. 

Marilia  de  Dyrceu  365. 

Marin,  Pedro  417. 

Marina,  Leben  der  h.  — , 
■Katal.  Übers.  91. 

Marinho,  Martini  Annes  189. 
190. 

Marini  344.  345.  452. 

Mariz,  Pedro  de  186.  314. 
341. 

Marot,  Clement  335. 

Marques,  Ruy  191. 

Marques  de  Mantua  302. 

Marques  de  Santillana  s.  San- 
tillana,  Ifiigo  Lopez  de 
Mendoza,  Marques  de  San- 
tillana. 

Marreca.  Oliveira  375. 

Marsilio,  Pedro  118  f. 


Marta,  Leben  der  — ,    Prov. 

62.     Span.  416. 
Marti.  Juan  461  Anm.  3. 
Martial  383. 
Martim,    Alvites    173.    177. 

191. 
Martim  Annes  Marinho   189. 

190. 
Martim  de  Caldas  190. 
Martim  Campina  190. 
Martim  Codax  152.   190. 
Martim  Galo  191. 
Martim  Gil  de  Soverosa  176. 
Martim    de  Grijo    152.    190. 
Martim  Moxa  190.  191. 
Martim  Pedrozellos  190. 
Martim  Peres  178. 
Martim  Peres  (de)  Alvim  1 90. 

191. 
Martim  Soares  190. 
Martin,  Pedro  444. 
Martin  Alvelo   191. 
Martin  I.  von  Aragon  75.  95. 
100.  102.  110.   111.    120. 
126. 
Martin  de  Bolea  457. 
Martin  von  Braga  48. 
Martin  de  Ibarra    117    Anm. 
Martin    v.    Troppau ,    Katal. 

Übers.  115. 
Martinez  457. 
Martinez,  Alonso  460. 
Martinez  de  Burgos  404. 423. 
Martinez  de  Medina  428. 
Martinez    de  la  Plaza,    Luis 

452. 
Martinez  de  Toledo,  Alfonso 

100.  437.  446.  460. 
Martins,  Garcia  189. 
Martins,  Joao  177.  187.  190. 

191. 
Martins,  Pero  190. 
Martins,    Rui    —    do    Casal 

152.- 190. 
Martins.  Vasco   190. 
Martins  d'Oliveira,  Ruy  190. 
Martins   de  Resende,    Vasco 

190. 
Martinus  Polonus  435. 
Martorell,  Johanot  124.  223. 
Mascarenhas,  Andre  da  Silva 

—  348. 
Mascarenhas ,     Braz     Garcia 

de  348. 
Mascarenhas,  Leonor  de  291. 
Mascarenhas      Netto ,      Jose 

Diogo  368. 
Mascaro,  Jacme  66. 
Mascaron,  Katal.  88. 
Masco,  Mossen  Domingo  110. 
Mata,  Gabriel  de  457. 
Matfre    Erme:!gaud    43.    52. 

104. 
Mattheus  Pisanus    250.   257. 

380. 
Mattos,  Gregorio  de  361. 


Mattos,  Joao  Xavier  de  364. 
Mattos  Fragoso  349.  466. 
Mauren ,    Litterarische   i*ro- 

duktion  der  —  446. 
Medina.  Fr.  de  451  Anm.  2. 
Medina,  Martinez  de  428. 
medio  pie  425. 
Medita^oes  da  Paixäo  250. ' 
Meditaqöes    de    S.    Bernardo 

212. 
Medizinische    Abhandlungen, 

Katal.    112.   113.      Mediz. 

Werke    in    prov.    Sprache 

42.  68. 
Medrano,  Francisco  de  451. 
Mejia  458. 

Meistergesang,  Prov.  36. 
Mello,    Antonio    Craesbeeck 

de  325. 
Mello  ,   Diogo  de  Azambuja 

e  303. 
Mello,  Francisco  Manoel  de 

157.  299.  345  f.  349.  350. 

353.  354.  380.  458. 
Mello,  Jose  Maria  de  364. 
Mello,  Jose  Pedro  de  368. 
Mello  -  Breyner,    Theresa    de 

363. 
Mello  Franco,  Francisco  de 

357. 
Melo,    Manuel    de    s.  Mello, 

Francisco  Manoel  de. 
Mem  Paes  190. 
Mem  Rodrigues  Tenoiro  190. 

191.  201. 
Mem  Roiz  de  Briteiros    190. 
Mem  Vasques,  de  Folhe(n)te 

190. 
Memorias  de  um  soldado  da 

India  342. 
Mena,  Juan  de  80.  135.  229. 

239.  247.  266.    270.  271. 

273.  424.  425.  428.  429. 

436  Anm.   1.  450.  455.    " 
Menaguerra,  Pons  de   1 14. 
Mendes,  Affonso  —  ,  de  Bes- 

teiros  189. 
Mendes,  Garcia  — ,  de  Eixo 

176.  181.   189.  191. 
Mendes,   Joam  — ,    de  Bes- 

teiros  189. 
Mendes    da    Fonseca,    Pero 

190. 
Mendes-Leal  375.  376. 
Mendes  Pinto,  Fernam  339. 

353. 
Mendes    de    Portalegre,    An- 
tonio 271. 
Mendes    da    Silva,    Rodrigo 

186. 
Mendes    de    Sousa,    Gongalo 

175.  176. 
Mendes  de  Sousa,  Joam  176. 
Mendes      de      Vasconcellos, 

Diogo  332. 
Mendinho  190. 


486 


Register. 


Mendon(;a,  Jeronymo  de  340. 
Mendoza.  Diego  de  254.  270. 
MendOza,  Diego  Fuitado  de 

(t    H05)    149.   151.   153. 

186.  237.  242. 
Mendoza,  Diego  Hurtado  de 

(t    1575)    80.    450.    456. 
'458.  461.  462. 
Mendoza,  liiigo  de  428.  430. 

457. 
Mendoza,  Inigo  Lopez  de  — , 

Marques    de    Santillana    s. 

Santillana. 
Mendoza ,    Juan  Hurtado   de 

457. 
Mendoza,  Pero  Gonzalez  de 

136.149.186.237.241.426. 
Menezes ,     Aires    Teiles     de 

267.  272.  330. 
Menezes,  Aleixo  de  342. 
Menezes ,    Antonio  Sä  e   — 

300.  305. 
Menezes,  Fernando  de  300. 
Menezes,  Francisco  de  Sä  e 

— ,  Port.  Epiker  332.  348. 
Menezes,  Francisco  de   Sä  e 

—  .Port.  Lyriker  300  305. 
Menezes ,    Francisco    Xavier 

de    ~,    Graf  v.    Ericeira 

3.50.  357. 
Menezes,  Garcia  de  279. 
Menezes,  Gonqalo  de   176. 
Menezes,  Joao  de  239.  267. 

271. 
Menezes,  Joäo  Rodrigues  de 

Sä  e    —    271.    273.   274. 

279.  300. 
Menezes,  Jorge  de  305. 
Menezes,  Luis  de  305. 
Menina  e  mo^a  293. 
Menino,  Pero  251  f. 
Meogo,  Pero  152.  190. 
Mfraugis  de  Portlesguez  214. 
Mercurios  Portuguezes    354. 
Meretrsso,  Cintio  458. 
Merlin    69.     198.    210.    213. 

438.  439. 
Mesa,  Cristöval  de  453.  456. 
Mescua  s.  Amescua. 
Metastasio  359.  363. 
Metge,     Bernat    81.     109    f. 

122.  125.  455. 
Metrik,     Katalanische    77    f. 

80  f.  84.   Port.  Reim  155. 

Metrik  der  port.  Trobador- 

Poesie  195  f.  Formen  der 

port.  Pallastdichtung  275  ff. 

Anfänge  der  span.  M.  388. 

389.  390.  428.     Versarten 

in  der  höfischen  Dichtung 

421.  424  ff.  428.     Metrik 

im  span.  Drama  464.  Metrik 

in  der  span.  Kunstepik  455. 

Metrik  in  der  span.  Lyrik 

449.    M.  in  der  span.  Ro- 
manze 430  ff. 


Meun,  Jean  de  246. 
Michel  de  la  Tor  66. 
Mickle  314 

Miguel  de  Silveira  350.  457. 
Milä  y  Fontanais  72  f-    79. 

85. 
Milicia,    Dos    officios    prin- 

cipaes    da    M.  246.     Tra- 

tado  da  M.  246. 
Millan,  San  s.  Berceo,  Gon- 

zalvo  de  394.  402. 
Mingo    Revulgo,    Coplas   de 

—  430. 
Minnedichtung,  Charakter  der 

prov.  —   28  ff. 
Minnehöfe  17. 
Mir,  Nandreu  115. 
Mira  de  Amescua  453.   465. 
Miranda ,    Affonso    de    343. 

353. 
Miranda,  Francisco  de  Sä  de 

136.  143.  144.    147.    168. 

186.  275.  280.  284.    291. 

294.   296  ff.   306.   310  f. 

342.  344.  364. 
Miranda.  Martini  Affonso  de 

342. 
Mirandistas    299.    303.    304. 

328. 
Miscellanea   (von    Garcia    de 

Resende)    266.   286.   300. 
Miscellanea    (Miguel    Leitao 

de     Andrada) '  300.    337. 

343. 
Mischna  409. 
Misterio  de  los  Reyes  Magos 

387.  388.  400. 
Modinhas  365.  376. 
Modus  bene   vivendi   ad  so- 

rorem,      Kat.      Übers,    v. 

Antoni  Canals  95. 
Molina,  Argote  de  239.  418 

Anm.  6. 
Molina,  Tirso  de   270.   390. 

462.  465.  466. 
Molinier,    Guilhem    36.    67. 

125  f. 
Mollä,  Pere  103. 
mömos  280.  463. 
Monachus  Silensis   391.  397 

Anm.  6.  398. 
Monarchia  Lusitana  341. 
Moncada  458. 
Mönch    von    Montaudon    18. 

19.  23.  25. 
Moner  82. 

Monfar,  Diego  de  120. 
Monge   de    Foissan    s.  Jofre 

de  Foixä  126. 
Moniz,    Aires    — ,    de    Asma 

189. 
Moniz,  Nuno  Alvares  Pereira 

Pato  357. 
Monstruosidades    do     tempo 

e  da  fortuna  353. 


Montalvan ,    Juan    Perez    de 

456.  462.  465. 
Montalvo,  Garci-Ordonez  de 

216.  217.  223.    353.  440. 

441.  442    456.  459. 
Montalvo ,    Luis    Galvez    de 

449.  459. 
Monteiro.  Manuel  358. 
Monteiro  Bandeira,    Domin- 
gos Pires  364 
Monteniajor,    Gaspar  Guerai» 

von  81.  * 

Montemayor,    Jorge    de    79. 

136    144.  157.  294.  303  f. 

307.  324.  331.  446.    452. 

456.  459.  462. 
Montemor,  Jorge  de  s.  Monte- 
mayor, Jorge  de  307.  324. 

331. 
Montenegro,  Manoel    Correa 

323. 
Montesino ,    Ambrosio    424. 
}        430, 

!    Montoro,    Antonio    de    271.. 
i        422  Anm.  4.  430. 
Moraes,    Francisco    de    144. 

301.  334.  342.  459. 
Moraes,  Joäo  Ayres  349. 
Morales  458. 
I    Morales,  Juan  Baptista  295. 
1        340. 

i    Moralidade  283.  285. 
Moralisierende     Erzählungen- 

u.    Abhandlungen,     Prov. 
I        44  ff.  48  ff.  64. 
Moralitas      sancti      Eustacii 

57  f. 
Morallehren,  Span.  413. 
Morante  de  la  Ventura   444. 
mnr-dobre  195.  235. 
Moreira  de  Carvalho,    Jero- 
nymo 335. 
Moreto,  Agustin  466. 
Morgado  de  Matheus  s.  Sousa 

Botelho. 
Mo.schabir    411.    412.    413. 
Moscoso,    Rodrigo    de   270> 
moto  grosado  277. 
Moura,  Francisco  de  305. 
Moura,  Miguel  de  340.  342. 
Moura,  Rolim  de    271.  348. 
Mousinho,    Manoel    d'Abreu 

338. 
Moxa,  Martini  190.  191. 
Mozaraber  384. 
Muhamet  Rabadan  446. 
Muinheiras    153. 
Mulet,  P.  Francesc  82. 
Mummenschiinze  280.  463. 
München ,  Katal.  Hss.  in  M. 

75. 
Muiio  402. 
Munon,  Sancho  460. 
Muntaner,    Ramon    71.    76. 

119.  120.  458. 
Musa  entretenida  348. 


Register. 


487 


Musa  jocosa  349. 
Musikinstrumente.  M.  d.  prov. 

Tiobadors   und    Spielleute 

16  f.      M.    bei    den    port. 
.Trobadors  202.  276.  283. 
Muwaschaha  385. 
Mysterien ,    im    Prov.    53  ff. 

Im  Katal.    85.     Im    Span. 

400.  401. 
Mysterium  des  Andreas,  Prov. 

58. 
Mysterium    des   Antonius   v. 

Viennes,  Prov.  56  f. 
Mysterium    vom    hl.    Georg, 

Katal.  84.  92. 
Mysterium    des    Petrus    und 

Paulus,  Prov.  56. 
Mysterium  des  Pontius  57. 

N. 

Naharro.    Bartolome   Torres 

268.  285.  286.  425  Anm.  3. 

449.  463.  464. 
Nasciniento,    Francisco    Ma- 

noel  do    340.  363.  364  f. 
Nat  de  Mons  49  f.   173. 
Natercia  315.  328. 
Nationale  Stoffe  auf  der  span. 

Biihne  464. 
Nau    Catherineta,  Port.  Ro- 
manze 158. 
Naufragio  de  Sepulveda  331. 

339. 
Naufragios  339. 
Navagiero  297.  449. 
Navarrete  449  Anm.   1.  458. 
Nebrija  127. 
Negro  s.  Judä  Negro. 
Neves-Pereira,  Arit.  das  366. 
Niceno  363. 

Nicolas  de  Lire.  Kat. Übers. 89. 
Nicolau  Vieyra  212. 
Nieva,  J.  Perez  Gömez  152. 

235.  423. 
Niüo ,    Crönica   de    Pero   — 

404.  436. 
Nisceno  Sutil,  Nuno  349. 
Nise  lastimosa  312 
Nise  laureada  312. 
Noa    de    S.    Cruz.    Livro  da 

—  211. 
Nobiliario    do    Collegio   dos 

Nobres  209. 
Nobiliario     do     Conde     D. 

Pedro  209. 
Nobiliarios  209. 
Nogueira,  Vicente  253.  380. 
Nogueira   Ramos  s.  Joäo  de 

Deus. 
Nonio  343. 

Noronha,  Antonio  de  329. 
Noronha,  Thomas  de  350. 
Nostradamus,  Johannes  69. 
novas,  im  Port.  278.  —  im 

Prov.  10.  12. 


Novelle,    Cento    —   in    Por- 
tugal 229.  271. 
Novellen. Kat.  123.  Prov.  Uff. 
Novellendichtung  in  Spanien 

434.  442.  443.    448.  462. 
Noves  rimades  80.  81. 
Novissimos  do  homem  332. 
Nueve  de  la  fama  333.  439. 
Nunca  278. 

Nun'  Eannes,  Cerzeo   190. 
Nunes  190. 
Nunes,  Aires (Ayras)(cIerigo) 

152.    166    188.  189.    191. 

200 
Nunes,  Pedro  343. 
Nunes  Camanes.    Joam    189. 
Nunes  de  Leao.  Duarte  168. 

186.  220.  333    341. 
Nufiez,    Comendador  Griego 

Fernan  239. 
Nufiez  de  Reinoso  294.  336. 
Nuno   Alvares    Pereira    213. 

258. 
Nuno  Fernandes  190. 
Nuno   Fernandes,    Mirapeixe 

190. 
Nuno     Fernandes.     Torneol 

152.   190. 
Nuno    Marques  Pereira  352. 
Nuno  Nisceno  Sutil  349. 
Nuno  Pereira  271. 
Nuno  Peres,  Sandeu  190. 
Nuno  Porco   190. 
Nuno    Rodrigues,    de    Can- 

darei  190. 
Nuno  Salido  395. 

O. 

obra  estrampa  78. 
Ocampo,   Florian  de  341. 
Odo  von  Ceringtonia  414. 
Odo  de  Gran.sson  236. 
ügier  de  la  Marchas  392. 
oitavas  de    arte    mayor  135 

161.   164.  273.    286.  331. 
oitavas  de  poesia  276. 
Oitavas  italianas  297. 
oiteiros  356. 

Oleza,  Francesch  de  127. 
Olid,  Juan  de  436. 
Oliva,    Perez    de   312.    458. 
Oliveira,    Fernam    de    300. 

333. 
Oliveira,  Franc.  Xav.  de  360. 
Oliveira,  Manoel  d'  300. 
Oliveira  Marreca  375. 
Oliveira     Martins,     Joaquim 

Pedro  355. 
Oliver,  Bernat  97. 
Olivier    de    la   Marche    457. 
Oller,  Narcis  128. 
Ona  456. 

Onate,  Conde  de  270. 
Onophrius,  lieben  des  h.  — , 

Katal.  91. 
Operas  do  Judeu  359. 


Oria,  Sta.  ^  s.  Berceo,  Gon- 

zalvo  de  402.  403. 
Origines  61. 
Orlando     furiose    299.    455. 

456. 
Ornellas,  Pero  d'   190. 
Orosius    383.    434    Anm.  2. 
Orta,    Garcia    da    270.    324. 

343. 
Ortiz,  Jose  Mariano  110. 
Orto  do  Sposo  212. 
Osmia  363. 
Osoir'  Eannes   190. 
Osorio.  Jeronymo  340.  342. 
Osterspiel ,    Fragment    eines 

span.  O.'s  400. 
Otas  de  Roira,    cuento  416. 
Otha  211. 

Ottava  rima   449.    455.  457. 
Ourem.     Conde    de    (Di:u"io 

da  Jornada)  254. 
Ouroana, .  Lied  des  Gonqalo 

Hermiguez  an  —  162.163. 
Ovid    121.    274.    405.    406. 

434. 
Oviedo ,    Fuero    de   —    388. 


Pablo    de   Santa   Maria  437. 

Pacheco  451. 

Pacheco  Pereira,  Duarte  381. 

Padilia  454.  455. 

Padilla,    Juan    de,    el  Cartu- 

jano  430. 
Padilla,  Pedro  de  331. 
Padrom,  Fernam   189. 
Padron.  Rodriguez    del  253. 

261.  271.  293.   426.   427. 

428.  429.  432.  433.    442. 

443. 
Paes,   Affonso  — ,  de    Braga 

189. 
Paes,  Aires    189.   191. 
Paes,  Alvaro  193.  199. 
Paes,    Fernam     — ,    de  Ta- 

malancos  189.  191. 
Paes,  Joao  268. 
Paes,  Mem   190. 
Paes  Bazoco,  Pero  190. 
Paes    de    Ribela,    Ruy    190. 

428.  459. 
Paez  de  Santa-  Maria,  Alonso 

436  Anm.  7. 
Pages,  A.  120. 
Paiva  de  Andrade,  Diogo  de 

341.  343.  353. 
Paixao ,    Alexandre    da   353. 
Palabras,    Las    —   que  dixo 

Salomon  404. 
Palaitz  de  Savieza  45. 
palavra    perduda    (od.     per- 

dida  195.  235. 
Palencia,  Alfonso  Fernandez 

de  436.  437.  444. 
Palladius  113.  435. 
Pallastdichtung,  Port.  269  ff- 


488 


Register. 


Palmeira,  Pero  Rodriguez  de 

177.  190.  191. 
Palineirin  de  Inglaterra  137. 

334  f.  351.  459. 
Palmerin  333. 

Palmerin  de  Oliva  333.  459. 
Panegirico  de  la  Poesia  232. 
Pantaleäo  de  Aveiro  339. 
Parabel,  Prov.  45. 
Parallelstrophen  -    Gedichte, 

Port.   130.  148.  150.   180. 

237.  241.  380. 
Paravicino  453.  458. 
Parda,  Maria  286.   302. 
Pardo    de    la    Cuesta,    Fran- 

cesch  Carro9  110. 
pareados    (versos)    148.  196. 

275.  303. 
Pares,    Doze  . —  de    Francia 

454. 
Paris,     Katai.    Hss.    in    der 

Pariser  National-Bibliothek 

74. 
Paris  e  Viana  439. 
Parnaso  Lusitano  369. 
Partidas ,     Siete     —     s.   Al- 

fonso    X.,    von    Kastilien. 
Partonopeus-  Roman,  Katal. 

Übers.   124. 
parvo ,    Portug.    Komödien- 
Figur  285. 
ParvoVces  302. 
Pascal!,  Joan  97. 
Paschal     (Pascual,    Pasqual), 

Pedro  (Pere)   — ,    de  Jaen 

94.  212.  417. 
Passion,  Prov.  47. 
Passions-Mysterien,  Prov.  55. 

58. 
Passionsspiel,  in  Spanien  401. 

462.     463.        Port.     284. 

307. 
Passos,  Manoel  da  Silva  369. 

371. 
Passos,  Soares  de  376. 
Pastor   193. 
Pastor  Peregrino  336. 
pastorelas,  Port.   153.  198. 
Pastourellen,  Prov.  26. 
Pathelin  286. 
Pato   Moniz,    Nuno    Alvares 

Pereira  357. 
Patrik,  Fegefeuer  des  hl.  — , 

Prov.  63.     Kat.  122. 
Pau  de  Belviure  79. 
Paula,  Leben  der  h.  — ,  Ka- 
tal.  Übers.  91. 
Paulet  de  Marselha  170.  173. 
Paulo  da  Cruz,  Fr.  330.  332. 
Paulus,  Besuch  des  Apostels 

—  in  der  Unterwelt,  Prov. 

63. 
Pax,  En   109. 
Pay  Cälvo  190. 
Pay  de  Cana,  cierigo  188. 190. 


Pay    Gomes    Charinho    152. 

188.  190.  191. 
Pay  Soares  190. 
Pay    Soares ,     de    Taveirös 

176.  177.   190. 
Pay   Velho   191. 
Payre  Eternal,  Lo   —   52. 
Pedro,  Don  420.    421.  422. 

426. 
Pedro,  Frey  253  f. 
Pedro,    Diego    de    San   288. 

293.  442.  443.  457  Anm.  8 
Pedro  j     Geronimo    de     San 

459. 
Pedro     Affonso,     Graf    von 

Barcellos    179.    187.    200. 

206.  208.  209  f.  213.  259. 
Pedro  Aires  270. 
Pedr'    Amigo ,     de     Sevilha 

190.  191. 
Pedro  de  Aragäo    188.   191. 

259. 
Pedro  del  Corral  395. 
Pedr'  Eannes,  Solaz  190. 
Pedro  Hörnern  271. 
Pedro  Juliäo  s.  Petrus  His- 

panus. 

Pedro  de  Lujan  459 

Pedro  de  Luna  94.  98.  445. 

Pedro  Marin  417. 

Pedro  de  Padilla  331. 

Pedro  Paschal  (Pascual,  Pas- 
qual) de  Jaen  94.  212.417. 

Pedro  de  Portugal,  Conde- 
stavel,  und  König  von 
Aragon  119.  135.  228. 
232.239.  247.  249.  259- 
264.  266.  267.  270.  271. 
273. 

Pedro  de  Portugal ,  Prinz- 
Regent  119.  135.  164. 
232.  244—248.  259.  268. 

Pedro  Sanches  332. 

Pedro  de  Veragua  428. 

Pedro  s.  auch  Peter. 

Pedrosa,  Sancho  de  271. 

Pedrozellos,  Martim  190. 

Peire  v.  Alvernhe  18.  20. 
22.  23.  35.   172.   174. 

Peire  Cardinal  18.  22.  45. 
48.  66.  289. 

Peire  v.  Corbiac  43. 

Peire  Espanhol  35. 

Peire  Guilhem  (Verf.  e. 
allegor.  Gedichts)  46. 

Peire  Guilhem  v.  Toulouse 
20. 

Peire  Raimon  v. Toulouse  18. 

Peire  Rogier  18.  19.  20.  30. 
174. 

Peire  Vidal  18.  20.  24.  170. 
172.  173.  174. 

Peirol  18.  23. 

Peixoto,  Alvarenga  362. 

Pelayo,  San  394.  395. 


Pelayo  y  Briz  72. 
Pellicer  484. 
Penalva  334.  459. 
Pensamientos    variables.    De 

los   — ,  Span.  Dialog  437. 
Perdigon  18.  20.   174. 
Pere  Mollä  103. 
Pere    Pasqual     v.    Jaen    94. 

212.  417. 
Pere  de  Queralt  79. 
Peregrinaqoes  339. 
Peregrino  y  Ginebra  286. 
Peregrino  de  Hungria  334. 
Pereira,   Antonio    das  Neves 

366. 
Pereira,      Duarte      Pacheco 

381. 
Pereira ,     Francisco     Lopes 

271. 
Pereira,  Nuno  271. 
Pereira,      Nunalvarez     213. 

258. 
Pereira,  Nuno  Marques  352. 
Pereira    de    Almeida,    Joäo 

358. 
Pereira   Brandäo,    Luis  331. 
Pereira    de    Castro ,    Gabriel 

332.  348. 
Pereira    de    Figueiredo,    An- 
tonio 358. 
Pereira  de  S.  Anna,   J.   165. 
Peres ,    Aires    — ,    Vuiturom 

177.  189.   191. 
Peres.  Garcia  189. 
Peres,    Gil    — ,    Conde   189. 

191. 
Peres,  Gil  (Kapellan)  211. 
Peres,  Joam    —    de    Aboim 

189. 
Peres,  Martim  178 
Peres,  Martim  —   de   Alvim 

190.  191. 
Peres,  Nuno  — ,  Sandeu  190. 
Peres,  Vasco  190. 
Peres,    Vasco    —    de    Baa- 

nionte  239. 
Peres,  Vasco  — ,  Pardal  190. 
Perestrello,    Pedro  da  Costa 

298.  316.  330.  331. 
Perez,  Alonso  336.  459. 
Peiez,  Antonio  458. 
Perez,  Fernan  437. 
Perez,  Miguel  90.  92.  97. 
Perez  de  Culla  456. 
Perez    de    Guzman,    Fernan 

229.  272.  422.   425.  428. 

429.  434.  436.    437.  438. 

445. 
Perez  de  Herrera  422  Anm.  2. 
Perez    de    Hita,    Gines    481 

Anm.  6.  462. 
Perez    de    Montalvan,    Juan 

456.  462.  465. 
Perez  de  Oliva  312.  458. 
pergunta  193. 
Perion  de  Gaula  459. 


Register. 


489 


Peio  de  Ambroa    190.    191. 
Pero  d'Armea  190. 
Pero  BaiToso  190. 
Peio  de  Bayäo  271. 
Pero  de  Dardia  190. 
Pero    Diaz    de    Toledo  444. 
Per'  Eannes  Maiinho   190. 
Pero  Garcia   190.   191. 
Pero  Garcia     Burgales    152. 

190.  19  f.  201. 
Pero  Gomez  404. 
Pero    Gomez     de    Albornoz 

445. 
Pero     Gomez     Barroso     (v. 

Sevilla)  445. 
Pero     Gomez     Barroso     (v. 

Toledo)     190.     191.     193. 

411.  412. 
Pero    Gon^alves,    de    Porto- 

carreiro  190. 
Pero  Guterres  190.  196  f. 
Pero  Larouco  190. 
Pero  de  Lemos  305. 
Pero  Lopez  de  Ayala  s.  Ayala. 
Pero  Louren^o   190. 
Pero  Mafaldo   190. 
Pero  Martins  190. 
Pero  Mendes  da  Fonseca  190. 
Pero  Menino  251  f. 
Pero  Meogo   152.   190. 
Pero  d'Ornellas  190. 
Pero  Paes  Bazoco  190. 
Pero  da  Ponte  176.  177.  190. 

-191. 
Pero  Rodrigues  de  Palmeira 

177.  190.  191. 
Pero  de  Veer  190. 
Pero  Velho,  de  Taveirös  190. 

191. 
Pero  Viviaes  190> 
Persiles   y    Sigismunda    352. 
Pertusa,  Francesch  de  93. 
Peter  I.  der  Grausame,  König 

von    Portugal     119.    135. 

164.    179.    226  f.    231  ff. 

247.  259. 
Peter    III.  von    Aragon    86. 

119.  120. 
Peter  IV.  v.  Aragon  74.  76  f. 

79.  86.  96.  97.  102.  109. 

111.   115.    117.  120.  121. 

259. 
Peter  s.  auch  Pedro. 
Petrarca,    in  der  katal.  Litt. 

82.  125.    In  der  port.  Litt. 

229.   230.   288.  299.  327. 

329.     In    der    span.    Litt. 

422.   428.  435.   449.  450. 
Petrarcliisten,     Portug.    144. 

301. 
Petrus   Alphonsus    94     385. 

386.    387.    413.  414.  415. 
Petius  Candidus  434.  435. 
Petrus    Coniestor    212.    402 

410. 


Petrus    Hispanus    112.    199. 

207. 
Petrus  und  Paulus,  Mysterium 

des  — ,  Prov.  56 
Petrus  Waldus  61. 
Phaedrus  419. 
Phelip  de  Malla  93. 
Philipp  II.  447.  458. 
Philipp  IV.  462. 
Philippe,  Frere  68. 
Philipp  V.  Cork  68. 
Philipp  der  Kühne  94.  120. 
Philipp  der  Schöne  424. 
Philippine  v.  Porcellet  62. 
Philomena,  Prov.  67. 
Physiologus,    Prov.  u.  wal- 

dens.    68.      In    der    span. 

Litt.  433. 
Piamonte,  Nicolau  335. 
Picandon  190.    199. 
Picaro  461. 

Pidal,  Marques  de  397. 
Pierre  de  la  Seppade  439. 
Pilgrinis  Progress  351. 
Pinienta,  Agostinho  304. 
Pimentel,  Alonso  270. 
Pina.  Ruy  de  246.  255.  258. 

340. 
Pina-Leitao  357. 
Pina  de  Mello,  Francisco  de 

360. 
Pinciano.  Lopez  425  Anm.  3. 
Pindarus  Thehaiuis  403. 
Pinheiro,  Antonio  342. 
Pinheiro  -  Chagas    355.    376. 

377. 
Pinto,    Femara  Mendes  339. 

353 
Pinto,  Heitnr  343. 
Pinto,  Jorge  308. 
Pinto  Brandao,  Thomas  361. 
Piranio  v  Tisbe  von  Gongora 

452.  456. 
Pires,  'Affonso  271. 
Pires,  Antonio  307. 
Pires,  Fernam  211. 
Pires  de  Sousa,  Manoel  348. 
Pisador  153. 
Pisano,  Matheus  de  250.  257. 

380. 
Pistoleta  18. 
Pitarra,  Serafi  85. 
Plagues,  Arnaldo   173. 
Plato  434. 

Plauto  Portuguez  294 
Plaza,    Luis  Martinez    de   la 

452. 
Plinius,    Der  jüngere,    Port. 

Übers.   246.  252.  342. 
Plutarch  115.  434.  435. 
Pöblet,  Al.t  von  —    119. 
Poenia  da  Batalha  do  Salado, 

s.  Giraldes,   Affonso. 
Poema  da  Cava    162.  163  f. 
Poenia    de    Alfonso    Unceno 

204  f. 


Poema  de  Jose  421.  446. 
Poema  del  Cid  s.  Cid. 
Poema     del     conde    Fernan 

Gonzalez  391.  393.  394. 

395.  399.  404. 
poetas  143.  241.  272. 
poetas  da  niedida  nova  300. 
poetas  da  medida  velha  144. 

300. 
Poetas  Palacianos.  Port.269  ff. 
Poetik,   Die  altportug.  ano- 
nyme 197  f.    Prov.  67. 
Poggio  230.  250. 
Poliziano     250.    279.     283. 

288. 
Polo,  Gaspar  Gil    336.  452. 

459. 
Polo,  Jacinto  453. 
Polo,  Marco  246. 
Pombal ,    Marques    de    360. 

361. 
Pomponius  Mela  254. 
Pons    de    Capduelh    18.    20. 

23. 
Pons  de  Copons  1 19. 
Ponte.    Pero    da    176.    177. 

190.  191. 
Pontius .    Prov.     Mysterium 

des  —  57. 
Porcel,     Francisco    Moreno 

350. 
Porcellet,  Philippine  v.  62. 
Porcina,  Emperatriz  302. 
Porco,  Nuno  190. 
Porques  149.  234.  278. 
porquiera  26. 
Porras,  Jerönimo  de  452. 
Porta  legre,    Antonio  Mendes 

de  271. 
Porter,   Pere  122. 
Portius  Latro  383. 
Portocarreyro,  Lope  de  241. 
Portugal,  Antonio  Rodrigues 

333  f. 
Poiiugal,   Francisco  de  302. 

334.  347.  350. 
Portugal,  Francisco  de.  Graf 

von  Vimioso  273.  291. 
Portugal,    Manoel    de     136. 

299.  800  f.  304.  305.  316. 

320.  352. 
Portugal,  Marcos  364. 
Portugiesen ,    Provenzalische 

Gedichte  von  —  173. 
Portugiesen,    Spanisch    dich- 
tende —    134.    135.    235. 

236.   26'.   270.  271.  282. 

299.  303.  420. 
Portugiesinnen,       Dichtende 

192    249.  269. 
Portugiesisch   dichtende   Ita- 
liener 191.   199. 
Portugiesisch  dichtende  Spa- 
nier 191.  236    380. 
Portugiesische  Gedichte  von 

Provenzalen  173. 


490 


Register. 


Portugiesische  Kunstdichtung 

424.  426. 
Portugiesische  Litteratur  129 

—382. 
Postilhao  de  Apollo  351. 
Practica  Chirurgiae,  in  prov. 

metr.  Bearbeitung  42.  43. 
Praecepta  nioralia,  Prov.  64. 
Praga  de  Sandim,  Vasco  187. 

190. 
Preambulo  340. 
Predigt,  Prov.  51.63f.  Span. 

459. 
Preguntas  y  repuestas  444. 
Presles,  Raoul  de  92. 
Preste  das  Indias,  Joao  214. 

215.  340. 
Prestes,    Antonio    287.    307. 

308. 
Prexano,   Pedro  Ximenez  de 

93  f. 
Prezicansa  28. 
Primaieon  333.  459. 
Primaveia  336.  43S. 
Principe    de    Portugal,    Fer- 
nando 223. 
Prior  de  Sta.  Cruz  271. 
Prisciliianisten  383. 
Privilegio  que  el  rey  D.  Juan 

II.  dio  a  un  Hidalgo  437. 
Provenzalen,    Portugiesische 

Gedichte  von  —  173. 
Provenzalisch ,     Einwirkung 

der  prov.  Poesie    auf   die 

katal.  77.  78.    Einwirkung 

des  P.  auf  die  span.  Litte- 
ratur 386.  388.  389.  390. 

400.  401.  415.  439. 
Provenzalisciie  Gedichte  von 

Portugiesen   173. 
Provenzalische    Litteratur    1 

—  69. 
Provenzalismen    im    Altport. 

181. 
Proverbios,     Libro    de    los 

Buenos  —  412.  413.  415. 
Proxita,  Juan  Francisco  114. 
Prudentius  383. 
Pseudoturpin   61.    387.  391. 

392.  394.  395. 
Puerto  Carrero  430. 
Pujades,  Jeronini     118.    121. 
Puigpardines,  Berenguer  116. 
Pujol,  Joan  81  f. 
Puigar,    Fern,  del  436.  437. 
Pyramus     und    Thisbe,     im 

Span.  452.  456. 


quaderna  via  s.  cuaderna  via. 
quadras  147.  154.  196.  277. 
quebrado  Tverso)    275.    422. 

425. 
Queimado,  Ruy  190.   191. 
Quental,    Anthero    de    377. 

878.  379. 


Quental,  Bartiiolome  de  358. 
Querellas,  Libro  de  las  184. 
Question  de  Amor  443. 
Quevedo,  Antonio  de  332. 
Quevedo,  Miguel  de  332. 
Quevedo       Castellobranco, 

Vasco  Mousinho  de  331  f. 
Quevedo    y  Villegas,    Fran- 
cisco 127.  345.  346.  437. 

448.  451.    453.  458.  461. 

462. 
Quils,  Nicolas  103. 
Quinet,  Edgar  369. 
Quiüones ,     Suero    de    420. 

436. 
Quintana     de    Vasconcellos, 

Manoel  352. 
quintilha  275. 
Quintilian  434. 
Quiros  457. 
Quifa,    Domingos    dos    Reis 

362  f. 

R. 

Rahadan,  Muhaniet  446. 
Rabbi     Santo    von     Carrion 

422. 
Radegunde,  Leben  der  h.  — , 

Katal.  92. 
Raimbaut  v.  Aurenga  17.  28. 
Raimbaut    de  Vaqueiras    18. 

19.  27.  28.  173.  174.  379. 

389. 
Raimon  v.  Avignon  43. 
Raimon  v.  Ca.stelnou  51.  173. 
Raimon  Feraut   40.  42.  91. 
Raimon    v.    Miraval    18.  19. 

20. 
Raimon  v.  Perilhos  63. 
Raimon  de  Tors  173. 
Raimon  ,    Peire ,    von    Tou- 
louse 18. 
Raimon  Vidal   12  f.  43.  67. 

126.  173.   174    379. 
Raimund    Lull    75.    76.    81. 

105  ff   251. 
Rainols,  Guilhem  20. 
Ramon  de  Cornet  126. 
Ramos,   Hieronymo  de   259. 
Ramos,  Nogueira  s.  Joäo  de 

Deus. 
Rams  de  flores  413. 
Raoul  de  Presles  92. 
Raphael  de  Jesus  353. 
Rasgos  metricos  361. 
Rasos    de    trobar,    Las    (s. 

Vidal,  Raimon)  43.  67. 
ratinho,  Port.  Komödien-Fi- 
gur 285. 
Razis,    Crönica    del    Moro- 

211.  417.  437. 
Razon    de    amor  y  denuesto 

del  vino  y  del  agua  402. 
Rebello,  Gaspar  Pires  351. 
Rebello,  Manoel  Coelho  349. 


Rebello    da  Silva  355.    375. 

376. 
Rebolledo,  Bernardin  de  453. 
Rebolledo,  Giron  de  457. 
Recreaqäo  fiiosofica  358. 
Recull  de  eximplis  e  miracles 

92.  96. 
Redondilhas,  Port.  147.   148. 

275.    302,    308.       R.    im 

Span.  425.  431. 
Redondo,  Conde  de  316. 
Redondo,  Fernam  Rodrigues 

189.  191. 

Redondo ,     Rodrigu'  Eannes 

190.  191. 

Refrain,  im  Span.  431. 
Refrain  -  Gedichte ,     Altport. 

195. 
refran  195.  198. 
Refranes    (anonyme),    Span. 

422  Anm.  2. 
Regein    allgemeiner    Lebens- 

klugiieit,  Prov.  48. 
Regras,  Joäo  das    210.  253. 
Reiclischroniken,  Span.  418. 

435. 
Reim,    Port.   155.     Reim    in 

der  Span.  Romanze  431  ff. 
Rei  Seleuco  309. 
Reimchroniken,  Prov.  37  ff. 
Reimon(do)    Gon^alves  190. 
Reinoso,    Alonso    Nufiez    de 

294.  336. 
Religiöse    Dichtung,    Katal. 

76.  Prov.  51  ff.  —  in  Spa- 
nien  401.  444.    445.  451. 

462.  463. 
Reliquias    fda  poesia   port.} 

161—167. 
remedilho  172.  280. 
Rengifo  427  Anm.  1. 
Rennert  433. 
Representaciones,  in  Spanien» 

401.  463. 
Resende,  Andre  de  282.  283. 

300.  331.  332.   340.   342. 
Resende,  Bras  de  307. 
Resende,  Duarte  de  271. 
Resende,  Garcia  de  143.231. 

258.  263.  265  f.  271.  273. 

274.  286.  300.   303.    340. 
Resende,  Jorge  de  271. 
Respuestas   del   filosofo   Se- 

gundo  a  las  cosas   que    ie 

pregunto      el      emper^idor 

Adriano  411.  412. 
Retiro  de  cuidados  e  vida  de 

Carlos  e  Rosaura  351. 
Retroencha  27. 
retrönx,  Bedeutung  des  Wor- 
tes 78. 
Rey  de  Artieda  452.  456. 
Rezepte,  Prov.  68. 
Rhopica  pnevma  342. 
Riaza,  Pedro  Linan  de  452. 


Register. 


491 


Ribeiro,  Antonio  302.  308. 
344. 

Ribeiro,  Bernardim  144.  280. 

287  ff.  291  ff.  340.  381. 
Ribeiro,    Capitäo  Bernardim 

292. 
Ribeiro,  Jeronymo  308. 
Ribeiro,    Joäo    Pedro    161. 

162.  165. 
Ribeiro,  Matheus  351. 
Ribeiro,  Pedro   161  f. 
Ribeiro,  Thomaz  377. 
Ribeiro  -  Sanches ,      Antonio 

Nunes  358.  364. 
Ribeiro  dos  Santos  163.  166. 

264. 
Ribera,   Rodr.  Fernandez  de 

462  Anm.  5. 
Ribera  de  Perpeja,  Pere  115 
Richard,  Marcellin  58. 
rifäo  277. 

Rimado  de  Palacio  438.  442. 
Rims  estranips  78. 
Rinaldi,  ürazio  109. 
Rioja,     Francisco    de    127. 

450. 
Riquier.    Guiraut   26.    27  f. 

36.    43.    49  f.    170.    173. 

178.   194. 
risaoelha  s.  cantigas  de  risa- 

dilha  198. 
Ritter  v.  Moncog  53. 
Ritterromane,     in     Portugal 
-333  ff.  351  f.    Span.  438. 

448.  457.  459.  461. 
Ritual,    Waldensisches     — , 

Prov.  65. 
Robert  de  Boron    214.  439. 
Roberto  o  Diabo  335. 
Rocaberti,  Dalmau  de  126. 
Rocaberti,  Fra  78. 
Rodericus     Toledanus     391. 

392.  395.  407.  410. 
Rodrigo.  Crönica  del  rey  — 

437. 
Rodrigo  de  Cintra  254. 
Rodrigo     Diaz     von     Bibar 

395.  396. 
Rodrigo  (od.  Ruy)  Diaz  de 

los  Cameros   177.   191. 
Rodrigo  Eannes   204  f.  213. 
Rodrigo    Gomes    de   Trasta- 

mar  176. 
Rodrigo  Sanches  176. 
Rodrigo     v.     Toledo,     Kat. 

Übers.  115. 
Rodrigu'    Eannes    d'Alvares 

190. 
Rodrigu'    Eannes     Redondo 

190.  191. 
Rodrigu'  Eannes  de  Vascon- 

cellos  190.  191. 
Rodrigues ,     Bernardo     330. 

346. 
Rodrigues  de  Calheiros,  Fer- 

nam  189. 


Rodrigues  de  Calvelo,  Vasco    ' 

190. 
Rodrigues  de  Candarei,  Nuno 

190. 
Rodrigues  de  Castellobranco,    ! 
Joam  271.  ' 

Rodrigues  de  Castro,  Estevam 

136.  293.  330. 
Rodrigues    Lobo     Soropita, 
Fernam     303.    310.    325- 
330.  344.  I 

Rodrigues  de  Palmeira,  Pero 
177.   190.  191. 
i    Rodrigues  Redondo,  Fernam    | 
I        189.   191. 

;    Rodrigues  da  Silveira,  Fran- 
i        cisco  342. 

Rodrigues  Tenoiro,  Mem  190. 
i  91.  201.  \ 

j    Rodriguez,  Jose  71. 
\    Rodriguez.  Lucas  451   Anm. 
^        13.  454.  I 

j    Rodriguez     del     Padron     s. 
Padron,  Rodriguez  del. 
Roger  von  Flor  120. 
Roger  de  Grecia  459. 
!    Roger  von  Parma  42  f. 

Rogier,  Peire  18.  19.  20.  30. 
I        174. 

I    Roi    qui  voloit    faire    ardoir 
1        le    filz    de    son    seneschal. 

Du  —  123. 
]    Rojas,  Fernando  de  460. 
Rojas,  Soto  de  452. 
Rojas  Zorrilla,  Francisco  de 

466. 
Roiq  de  Corella,  Joan  99. 
Roig,  Jaunie  71.  75.  81. 
Roig  y  Jalpi,  Gaspar  117. 
Roiz  de  Briteiros,  Mem  190. 
Roland,  Lokalsagen  über  ihn 
in  Südfrankreich  2.  —  im 
Port.    198.      Chanson    de    ; 
Roland    in    Spanien    387. 
388.  391.  420.  439. 
Rolim  de  Moura   271.    347. 

348. 
Roman  d'AIexandre,  Prov.  des 
Alberich  11.     R.    d'A.   in 
der  span.  Litt.  403. 
Roman  d'Arles,  Provenz.Epos 

6  f.  69. 
Roman  de  Flamenca  10  f. 
Roman  de  Jaufre  8  f. 
Roman  de  Troie   212.    417. 

438. 
romance.  remance  ou  rimance    j 
154,  ! 

Romanceiro  portuguez    160. 

371.  l 

Romancero  del  Cid  von  Es-    j 

cobar  455. 
Romancero  general  454. 
Romanceros,  Span.  424.  454. 
Romane,    Katal.     123.    124. 
Span.  416.  438  ff. 


Romaneff,  in  Spanien  384. 
Romani,  Baltasar  de  79. 
Romans    de   las  horas  de  lä 

crot  47. 
Romans  de  mondana  vida  48. 
Romantik   in   Portugal    370. 
Romanze,  im  Prov.  26.    Im 

Port.  154  ff.  193.  195.289. 

302.     Im  Span.  392.  428. 

429.  430—434.  453—455. 
Romeu,  Joam-,  de  Lugo  189. 
Roncesvalles   198. 
Rondeau.  Prov.  28. 
rondel  im  Port.   236. 
Roquetaillade,  Joh.  von  111. 
Ros,  Carlos  71. 
Ros,  Ramon  91.  97.  122. 
Rosa  fresca  433. 
Rossellö,  Gerönimo  84. 
Rotea,  Fernando  da  254. 
Roteiros  339. 
Rotgier,    Peire    18.    19.   20. 

30.  174. 
ruadas   149. 
Ruas  357. 
Rubinstein  278. 
Rubiö  y  Ors,  joaquin  72. 83  f. 
Rucellai  296. 
Rudel,    Jaufre,    v.   Biaia   17. 

20.  23.  24.  28. 
Rueda,  Lope  de  464. 
Rufinus,  Vitae  patrum,  Katal. 

^bers.  90. 
Rufo,  Juan  456. 
Rui  Martins  do  Casal   152. 
Ruiz,    Juan    — ,   Archipreste 

de  Hita  s.  Hita. 
Ruiz  de  Alarcon,  Juan  465. 
Rundcanzone  27. 
Ruy  Diaz  v.  Bibar  395.  396. 
Ruy     Fernandes     188.     190. 
Ruy  Gomes  da  Grä  305. 
Ruy  Gomes,  de  Briteiros  188. 

190. 
Ruy  Gomes,  o  Freire  190. 
Ruy  Goncalves  191. 
Ruy  Marques  191. 
Ruy  Martins,  do  Casal   152. 

190. 
Ruy  Martins  d'Oliveira  190. 
Ruy    Paes    (de  Ribela)   190. 

428.  459. 
Ruy  Queimado   190.  191. 
Ruy  Sanchez  443. 
Ruy  de  Sande  267.  269. 
rvfadores  276. 
ryfam  276. 

S. 

Sä,  Anrique  de  271.  273. 
Sä,  Francisco  de  271. 
Sä,  Rodrigueannes  de  230. 
Sä   e  Menezes ,    Antonio    de 

300.  305. 
Sä  e  Menezes,  Francisco  de, 

Port.  Epiker  332.  348. 


492 


Register. 


Sä  e  Menezes,  Francisco  de, 

Port.  Lyriker  300.  305. 
Sä  e  Menezes,    Joao    Rodri- 

gues    de    271.    273.    274. 

279.  300. 
Sä  de  Miranda,  Francisco  de 

136.  143    144.    147.  168. 

186.  275.  280.    284.  291. 

294.   296  ff.    306.    310  f. 

342.  344.  364. 
Saavedra  Fajardo  458.    460. 
Sabinus  274. 

Sabios,  Doze  —  412.  419. 
Sabios,  34—   412.  413. 
Sadoleto  296. 
Sagramor  335. 
Sala  y  Berart,  Gaspar  127. 
Salamanca,    Schule    von    — 

450.  451. 
Salamäo,  Livio  de  207. 
Salas,  Jacque  de  456. 
Salas  BarbadiUo  462. 
Salat,  Josef  72. 
Salazar  y  Torres  466. 
Saicedo  Coronel  453. 
Salgado,  Pedro  349. 
Salh  V.  Escola  18. 
Salido,  Nuno  395. 
Saunas,  Juan  de  153.  451. 
Sallu.st,     Port.    Übers.    254. 

In  der  span.  Litt.  434.  458. 
Salomo ,    Sprüche    S.'s    von 

En  Pax  benutzt  109. 
Salomon,    Las   palabras   qua 

dixo  S.  404. 
Salomon  u.  Morolf  in  Portu- 
gal 207.  209. 
Salut  28. 

Salve  regina  en  romans  64. 
Samuel,  Rabbiner  94. 
Sanazzaro  296.  299.  305.  336. 
Sanches,  Affonso    152.    179. 

187  f.  189. 
Sanches,  Francisco  343. 
Sanches,  Gil  175.   176.   188. 

189.  191. 
Sanches,  Pedro  332. 
Sanches,  Rodrigo   176. 
Sanches,  Sancho  188.  190. 
Sanchez,  Antonio  404. 
Sanchez,    demente  95.  414. 

445. 
Sanchez,  Diego  463. 
Sanchez,  Garci  s.  Badajoz. 
Sanchez,  Ruy  443. 
Sanchez  de  Brozas  449  Anm.  1 . 
Sanchez  de  Talavera,  Fernan 

s.   Talavera. 
Sanchez    de    Tovar,    Fernan 

418. 
Sanchez   de  Uceda,  Gonzalo 

251. 
Sancho  IV.  411.  412.  414  ff. 

418. 
Sancho  Murion  460. 
Sancho  Sanches   188.  190. 


San  Cristöval.  Alonso  de  445. 
Sah    Cristöval,  Juan  de  443. 
Sande,  Ruy  de  267.  269. 
San   Juan    de    la    Cruz    153. 

347.  451.  453.  458. 
Sannazaro  459. 
San-Pedro,    Diego    de    288. 

293.  442.  443.  457  Anm.  8. 
San  Pedro,  Geronimo  de  459. 
San  Pedro  Paschal,   de  Jaen 

212.      S.  auch  Paschal. 
SantaCatalina,  Vidade — 416. 
Santa-fe  242. 

Santa  Isabel  211.  262.  332. 
Santa-Maria,  Alonso  Paez  de 

436  Anm.  7- 
Santa  Maria,  Alvar  Garcia  de 

421   Anm.  2,  422  Anm.  2, 

436  Anm.   1.  435.   437. 
Santa-Maria,    Pablo    de  437. 
Santa  Maria  Egipciaca,  Vida 

de  — 401.404  Anm.  2  416. 
Santa  Maria  Magdalena  siehe 

Maria  Magdalena. 
Santa  Marta,  Vida  de  —  416. 
Santa  Teresa  deJesus  347 .  458. 
Santi,  L.  de  58. 
Santiago  de  Compostela  170. 

387. 
Santillana,    Ifiigo    Lopez  de 

Mendoza,   Marques  de  — , 

79.  80.  135.  149.  168.184. 

229.  236.  237.  239.  240  f. 

242.  247.  250.    270.  271. 

273.  389    404.    407.  411. 

413.    421    Anm.    3.    422. 

423.  424.   425.   426.  427. 

428.  429.  430.  434.  444. 
Santistevam,  Joäo  Gomes  de 

247. 
Santo  von  Carrion,  Rabbi 422. 
Santo  Greal    213.  438.  439. 
Santos,  Joao  dos  340. 
Sanxa  de  Arenos,  Gräfin  von 

Prades  100. 
Sanz,  Pedro  Luiz  422  Anm.  2. 
Saplana,  Peie  104. 
Saragossa ,    Liederbuch    von 

—  78. 
Saraiva,  Gabriel   157. 
Satira    de    felice    e    infelice 

vida  261. 
Satire,  in  Spanien  434.  449. 

453.  462. 
saudades  292. 
Saudades  da  terra  340. 
Savall ,    Agnes    und    Mossen 

Ramon   100. 
Savaric  de  Mauleon  66.  174. 
Savi,  lo  48. 
Sayago  454. 

Sayavedra,  Luxan  de  461. 
Schachgedicht ,    Span.    Bear- 
beitung 421.  446. 
Schäferroman,  Port.  336.  351. 

Span.  448.  459. 


Schauspiel,  Religiöses  —  in 

Spanien  401.  462.  463. 
Schelmenroman   in    Portugal 

351.    —    in    Spanien    459. 

461. 
Schulen,    Dichtei schulen    in 

Spanien  450.  451. 
Schölerlieder,  Span.  405. 
Scott,  Walter  128. 
Sebile  416. 
Secreta  secretorum  107.  108. 

206.  411.  415. 
Secreto  de  los  secretos  249. 
Secrets  publichs  128. 
Segorbe,  Duque  de  270. 
Segovia,  Pero  Guillen  de  430. 
segrel  195. 
Seguir,   Folgelied,    im   Port. 

197.  202. 
Segundo  Cerco  de  Diu  331. 
Segura,  Juan  de  443. 
Segura,  Juan  Loi'enzo  s.  Juan 

Lorenzo,    natural    de    As- 

torga. 
Seguro,  El  —  de  Tordesillas 

436. 
Seiscentistas  344. 
Seldiss  197. 
Sempere  456. 

SemTob411.  413.  422.  429. 
Seneca ,    Kat.    Dbers.  103  f. 

121.     S.  von  En  Pax  be- 
nutzt 109.    Port.  245.    In 

der    span.  Litt.    412.  415. 

434. 
Seneca ,  Lo  libre  de  —  48. 
Senten^as    de    Francisco    de 

Portugal  267. 
Sephardim  445. 
Seppade,  Pierre  de  la  439. 
Sepülveda,  Lorenzo  de  454. 
Sequeira,  Domingos  Antonio 

368. 
Serafi,  Pere  82. 
Serafina  460. 
Seräo  politico  351. 
Serena  26. 
Sergas,  Las  —  de  Esplandian 

440. 
Sermo  28. 

Sermon,  Lo  Novel  52. 
Seroes  265. 
Serra,  Jose  Correia    da  364, 

366. 
Serradell,  Bernat  81.   122. 
Serrana  193.  289. 
Serranilhas,    Port.  130.  149. 

151.  288.  365. 
Seiräo    de   Castro ,    Antonio 

350. 
Servando,  Joam  189. 
Serveri  50. 
Servet  447. 

Sesplanes,  Dalmau   111. 
Setanti  422  Anm.  2. 


Register. 


493 


Sete  Savis,  Katal.  80.  81. 
Severim    de  Faria  314.  337. 

341. 
Sevilla,  Katal.  Hss.daselbst  74. 
Sevilla,  Schule  von   —   450. 
Sevilla,  Stehende  Biihne  da- 
selbst 464. 
sextilha  275. 
Sextine,   von  Arnaut  Daniel 

erfunden  27.  Port.  289. 
Sibyllen  Weissagung,    Prov. 

46. 
Sieben  Schmerzen  und  sieben 

Freuden  der  Jungfrau  Maria, 

Prov.  46.  64. 
Siete  Partidas  s.  Alfonso  X. 

von  Kastilien. 
Sigea,  Luisa  332. 
Sigeo,  Diogo  300. 
Silensis  Monachus  391.  397 

Anm.  6.  398. 
Silva  de  Romances  454. 
Silva,  Antonio  de  312. 
Silva,  Antonio  Diniz  da  Cruz 

e  —  358.  362. 
Silva,  Antonio  Jose  da  359. 
Silva,  Bernardino  da  341. 
Silva,  Feliciano  de  294.  459. 

460. 
Silva,  Jorge  da  329. 
Silva,  Miguel  da  297. 
Silva,  R.  Mendes  da  186. 
Silva  -  Cabral ,     Matheus    da 

351. 
Silva  e  Horta,  Theresa  Mar- 

garida  da  358. 
Silva-Mascarenhas,  Andre  da 

348. 
Silveira,  Alvaro  da  334^ 
Silveira,  Fernam  da  266.  267. 

271.  273.  275. 
Silveira,  Fernäo  da  300. 
Silveira,  Francisco  Rodrigues 

da  342. 
Silveira,  Heitor  da  305.  329. 
Silveira,    Luis   da  273.  303. 
Silveira,  Miguel  da  350.  457. 
Silveira,  Simao  da  300.  305. 

329. 
Silveira,  Vasco  da  305. 
Silves  de  la  Selva  459. 
Silvestre,  Gregorio  157.  301. 

450.  456. 
Simeon  v.  Durham  288.  312. 
Simon  et  384. 
Sindibad  413.  414. 
Sirventes  22  ff.  197. 
Sismondi  131.   139.   140. 
Sizilische  Dichterschule  385, 
Soares,  Affonso  189. 
Soares,  Aires  191. 
Soares,  Antonio  da  Fonseca 

347. 
Soares,  Fernam  — ,  de  Quin- 

hones  189.  191. 
Soares,  Garcia  189. 


Soares,  Joam   187.   190. 
Soares,    Joam  — ,   de   Pavia 

168.   187.   189.- 
Soares,  Martini  190. 
Soares.  Pay  190. 
Soares,  Pay  — .  de  Taveirös 

176.   177.   190. 
Soares    Coelho ,    Joam    189. 

191.  199. 
Soares  de  Passos  376. 
Soares  Somesso,  Joam    176. 

189.  191. 
Soares    de    Taveiröos,    Paay 

176.   177. 
Scbregaya    companhia     dels 

VII  trobadors  de  Tholoza 

s.    Gay    saber    und    Gaya 

ciencia. 
Sociedade  Nacional  Camoni- 

ana  313. 
solau  149.  .376. 
Solaz,  Pedrannes  152.   180. 
Soldado  pratico  338.  342. 
soleares  149. 
Soler,  Federico  85. 
Soliloquium    des    h.   Augus- 
tinus 212. 
Solis,  Antonio  de  453.  458. 

466. 
Solörzano,  Castillo  351.  461. 

462. 
Som  (=  Melodie)  202. 
Somesso,  Joam    Soares  176. 

189.   191. 
Somme  le  Roi,  oder  Somme 

des    vices    et    des    vertus, 

Prov.   61.    Kat.  94  f.    (S. 

auch  Lorenz,  Bruder.) 
Sonett,   im  Prov.  28.     S.  in 

Portugal  297.    Span.  448. 

451. 
Sordel  18.  51.  174.  176.  199. 
Sordello  174.   176.   199. 
Sor.iano  Fuertes  166. 
Soropita,  Fernam  Rodrigues 

Loho  303.  310.  325.  330. 

344. 
Soror     Marianna     de    Alco- 

forado,  s  Alcoforado  354. 
Sorts  des  apotres  65. 
Soto,  Barahona  de  452.  457. 
Sotomayor,  Eloy  de  330. 351. 
Sottomayor,  Caetano  Jose  da 

Silva  356. 
Sousa,  Mnie.  de  368. 
Sousa,  Fernam  Garcia  de  181. 
Sousa,    Gonqalo    Mendes   de 

175.  176. 
Sousa,  Joam  Mendes  de  176. 
Sousa,  Luis  de  340.  352.  370. 
Sousa,  Manoel  Pires  de  348. 
Sousa,  Pedro  de  254. 
Sousa,  Simäo  de  271. 
Sousa  Botelho  (Morgado   de 

Matheus),    Jose   Maria    de 

314.  354.  368. 


Sousa  Coutinho ,  Lopo  de 
331.  338 

Sousa  Coutinho,  Manuel  de 
352. 

Sousa  Farinha,  Bento  Jose 
de  342. 

Sousa  Macedo,  Antonio  de 
348.  354. 

Sousijes   175. 

Souza,  Manuel  de  358. 

Soutomayor,  s.  Sotomayor. 

Spanier,  Portugiesisch  dich- 
tende —  191.  236.  380. 

Spanisch  dichtende  Portu- 
giesen 134.  135.  235.  236. 
261.  270.  271.  282.  299. 
303. 

Spanische  Gedichte  von  Trou- 
badours 181. 

Spanische  Lieder  in  Portugal 
270. 

Spanische  Litteratur  383  — 
466. 

Speculum  animae,  Kat.  97. 

Sphäramund  von  Griechen- 
land  459. 

SpielbOcher,  Span.  409. 

Spill  de  la  vida  religiosa  97. 

Spott-Epos  (altportug.)  357. 

Sprichwörter,  Portug.  146. 
Span.  412.  413.  415.  429. 

Stadtrecht  von  Aviies  387. 

Stampa,  Gaspara  449. 

Statuten  des  Ritterordens  de 
la  Banda  417. 

Statuten  einer  Brüderschaft 
vom  h.  Geist,  Prov.  43. 

Steinbücher,  Span.  408. 

Stephan.  Prov.  Gedichte  auf 
den  h.  —  41. 

Stephan  d'Ansa  61. 

Stephan  von  Besan^on,  Kat. 
Übers.  96. 

Storck,  Wilhelm  314.  317  f. 

Streit  zwischen  Leib  und 
Seele,  Prov.  50.  In  der 
Span.  Litt.  4Ul. 

Streitgedichte,  im  Prov.  23. 
24  ff. 

Stüniga  s.  Cancionero  de  — 
und  Estuiiiga. 

Suarez  de  Figueroa  1 08.  460. 
462. 

Suchier,  H.  88. 

Sueir'  Eannes   191. 

Suero  de  QuiSones  420.  436. 

Sulpicius  413. 

Summulae  Logicales  207. 

Susanna,  Lo  libre  de  —  60. 

Sydrac,  Prov.  69. 

Sylva,  Manuel  Teiles  da  357. 

Sylvia  de  Lisardo  167.  330. 

T. 

Tacitus  458. 

Tafur,  Pero  430  Anm.  5.  436. 


494 


Register. 


Tagarro ,    Manoel    da  Veiga 

330. 
Tagelied  26.  193. 
Taillevent   113. 
Talavera,    Alfonso    Martinez 

de  Toledo,  Erzpriester  von 

—  IdO.  446.  460. 
Talavera,  Fernan.Sanchez  de 

100.   237.   407.   428.   430 

?\nm.  3.  443.  444. 
Talmud  409. 

TainayodeVargas449  Anm.l. 
Tainerlan,  Timur  436. 
Tanzlieder,  Prov.  27. 
Tapia,  Gomez  de  456. 
Tarafa,  Francesch  118. 
Tarouca,   Conde  de  360. 
Täirega  452.  465. 
Tas^o,  B.   217. 
Tasso,  Torquato  362  Anm.  3. 

457. 
Tatian  435. 

Tavareda    d'AImira ,     Doro- 
thea Engracia  358. 
Taveiröos,    Paay    Soares    de 

176.   177.    190. 
Tavola    Redonda .    Memorial 

das  Proezas  da  seguiida  — 

335. 
Teatro  de  la  Cruz  464. 
Teatro  del  principe  464. 
Tebaida  460. 
Teive,  Diogo    de   300.  331. 

332.  338. 
Teixeira,  Alvaro  288. 

—  Luis  28«. 

—  Tristao  288. 
Teiles,  Balthasar  353. 
Teiles,  Fernam  271. 
Teiles  da  Sylva,  Manoel  357. 
Teile/.,    Gabriel    s.  Tirso   de 

Molina. 
'J'emplerregel,  in  kat.  Sprache 

102. 
Templo  da  Memoria  348.  351. 
Tempo  de  agora  342.  353. 
tencj'äo  277. 
Tenoiro.Mem  Rodrigues  190. 

191.  201. 
Teiireiro,  Antonio  339. 
Tenzone,  Prov.  24  ff. 

—  im  Port.  265.  277. 
Ter^arias,  Conselho  sobre  as 

-  249. 

Teresa  de  Jesus,  Santa  347. 

458. 
Terramagnino  v.  Pisa,  Doc- 

trina  de  Gort  12.   13.  43. 

126. 
Tersin  69. 
tertulias  350. 
Terzine,  Nachbildung  im  Ka- 

tal.  78.     Im  Span.  449. 
Tesoro.  Libro  del   164.  184. 
Testament  d'amor  122. 
Testamentos  234.  241. 


Texeda,  Hieronimo  459. 
Theatro    Comico    Portuguez 

359. 
Thederic   112. 
Theodora,  Donzella  —  335. 

412. 
Theologische  Werke,  Katal. 

92  ff.  —  in  Spanien  444. 

445. 
Theophiluslegende  185. 
Theresa  de  Jesus,  die  hl.  — 

s.  Teresa  de  Jesus,  Santa. 
Thesaurus  Pauperum  207. 
Thomas    de  Aquino    (Padre) 

325. 
Thomas  de  Aquino,  S.   104. 

244. 
Thomaz,  Manoel  348. 
Thome  de  Jesus  343. 
Tibull  274. 
Tiempo-bueno-Romanze 

268. 
Tierbücher,  Prov.  68. 
Timoneda  452.  454.  462. 
Timur  Tamerlan  436. 
Tirade ,  Assonierende  —   im 

Span.  389.  431.  432.  433. 
tiraclilhas  de  escarnir  198. 
Tirantlo  ßlanch,  Katal. Ritter- 
roman   124.     —    im   Port. 

223. 
Tirso    de  Molina    270.    390. 

462.  465.  466. 
Tnugdalus,  Prov.  63.  Kat.  122. 

Port.  212.    Im  Span.  445. 
toante  147. 
rob.    Sem   411.    413.    422. 

429. 
Tobias,  Prov.  Übers.  60. 
Toledo,  Alfonso  de  437.  444. 
Toledo,  Alfonso  Martinez  446. 
Toledo,  Alvarez  de  456. 
Toledo,   Pero  Diaz   de  444. 
Tolentino.  Nicolau  —  d'Al- 

meida  298.  361.  364. 
Tomich,  Pere   117. 
Torcy,  Mme.  334. 
Tornada    77.    78.     Ihr   Vor- 
kommen    im    Altfranzösi- 
schen 385. 
torneiamen  25. 
Torneol,  Nuno  Fernandes  1 52. 

190. 
Toro,  Archidiakonus  von  241. 
Tone,  Alfonso  de  la  110. 
Torre,  Fernando   de  la  424 
Tone,   Francisco  de  la  451. 

455. 
Torrent  of  Portugal  214. 
Torrents,  J.  Massö  74. 
Torres,  span.  Musiker  283. 
Torres,  Alvaro  de  343. 
Torres,  T^omingos  Maximiane 

364. 
Torres  Naharro  268.  285.286. 

425  Anm.  3.  449.  463.  464. 


Tostado,  El   —  s.  Madrigal, 

Alfonso  de. 
Totentanz,  Span.  428. 
Toulouse,        Meistergesang; 

Blumenspiele  36  f. 
Tovar,    Fernan    Sanchez    de 

418. 
Trabalhos  de  Jesus  343. 
Tractat    de    confessiö ,    Breu 

95. 
Tractat  dtls  noms  de  la  mayre 

de  Dieu,  Lo  —  52. 
Tractatus  de  revelatione  facta 

beato  Bernardo,  Kat.  Übers. 

88. 
Tragedia  de  la  insigne  Reyna 

D.  Isabel  263. 
Tragödie,  Erste  port.  311. 
Trancoso,  Gongalo  Fernandes 

336. 
trasladar  (Begriff)  440  Anm.  4. 
Trastamar,    Rodrigo    Gomes 
;        de  176. 

I    Tra.stamara  420.  421.  447. 
I    Tratado  da  Paixao  349. 
Tratado  da  Sphera  343. 
Tratado     da    vida     solitaria 

249. 
Tratado  das  cousas  da  China 

e  de  Ormuz  339. 
Tratado  das  cousas  do  Brazil 

339. 
Tratado  das  virtudes  qua  ao 

rei  pertencem  252. 
Tratado  de  las  armas  254. 
Tratado  dos  desvairados  ca- 

minhos  338. 
Tresvents,  Bartomeu  de  111. 
Trillo  y  Figueroa  453. 
Triomphe    des    neuf    preux 

333. 
Tristan,    in    der    port.    Litt. 

198  f.    213.    416.     T.    in 

Spanien    416.    420.     438. 

439.  440.  441.  442. 
Trobador  s    Troubadours, 
tröbos   154. 

Trogus  Pompejus  435. 
Trojanersage  210.  212.  417. 

434.  438. 
Trophimus  -  Legende,    Prov. 

40. 
Trotaconventos     406.     407. 

446. 
troteras,  im  Span.  405. 
Troubadours,  Trobador,  Tro- 

baire    15  ff.      Biographien 

der  Trobadors  65  ff.     Die 

gallizisch-portugies.  Trou- 
badour-Poesie   167—203. 

Port.  Trovadores  24 1 .  265. 

276.     Alphabetische  Liste 

der    port.    Trob.     189  ff. 

Metrik  der  port.  Trohador- 

Poesie  195  f.    Trovador  in 

Spanien  390.    Fortsetzung 


Register. 


495 


fler  Troubadourdichtung  in 
Spanien  449.  Span.  Ge- 
dichte von  Troubadours 
181. 

Trovador  de  Monserrat  (Vic- 
tor Balaguer)  84. 

trovas  147.  154.  195  234. 
272.  275.  276.   289.   301. 

Trovas  ao  modo  pastoril  de 
Franco  a  Sebasto  303. 

trovas  de  arte  mayor  272. 

trovas  de  arte  menor  274. 

Trovas  de  Crisfal  290. 

Trovas  de  Maria  Parda  302. 

Trovas  de  Maria  Pinlieiro  303. 

trovas   de   obra  grande   272. 

trovas  de  poesia  272. 

Trovas  do  Moleyro  302. 

Trovas  dos  Figueiredos  162. 

Trovas  emar  de  prophecia303. 

trovas  em  modo  de  lamen- 
taqao  274. 

Trovas  nioraes  363. 

trovas-redondilhas   135. 

Trovistäs,  Port.  301.  302. 

Tundalus ,  Tungdakis,  Tun- 
gulu   s.  Tnugdalus. 

Tunis-Gedicht  332. 

Turell,  Gabriel   117. 

Turmeda,  Anselm  108.  111. 
123. 

Turold  391. 

Turpin,  Provenz.  61. 

U. 

Ubeda,  Lopez  de  461. 
Obersetzungen,  im  Prov.  59  ff. 

—  ins  Port.  207.  211. 
212  fr.  273.  358.  —  -ins 
Span  401.  413.  414.  415. 
416  417.  434  flf.  444. 

TJbert,  Folquer  —  von  Char- 

tres  415. 
Uc  ßrunenc  20.  29. 
Uc  d'Escaura  173. 
Uc  Faidit  67. 
Uc  de  Saint  Circ  17.   18.  29. 

60.   174. 
Uceda,  Gonzalo   Sanchez  de 

2.-)l. 
Ultramar  194. 
Ultraromantiker    in  Portugal 

375. 
Uly.ssea  332.  348. 
Ulyssippo  310. 
Ui künden.    Volkssprachliche 

—  in  Spanien  387.  388. 
Urrea,  Antonio  d'  263. 
Urrea,  Jerönimo  de  456.  459. 
Urre.i,  Pedro  Manuel  de  424. 

430. 
Uruguay  (brasil.  Epos)  365. 


Vagad  437. 

Valbuena  392.  453.  457.  460. 


Valcacer,  Pedro  de  241. 
Valdes,  Juan  447.  458.  462. 
Valdivielso    270.    334.    451. 

457, 
Valencia,  Elegie  auf  —  385. 
Valencia ,    Poetische     Wett- 
spiele daselbst  81. 
Valencia,  Schule  von  —  450. 
Valencia,     Stehende     Bühne 

daselbst  464. 
Valente,  AfiFonso  271. 
Valenti,  Ferrant  103.   110. 
Valentim,  Affonso  303. 
Valera,    Mossen    Diego     de 

254.  436.  437.  443. 
Valerius      Maximus ,       Kat, 

Übers.  114.     Span.  Übers. 

435. 
Valladares  Gamboa,  Joaquim 

Fort,  de  364. 
Valladolid,     Juan     de     422 

Anm.  4. 
Vallmanva,  Antoni  78  f. 
Valls,  jöan   112. 
Van  Eyck  230. 
vaquiera  26. 
Vasco,   D.   190. 
Vasco  Gil   190. 
Vasco  da  Lagoa  254. 
Vasco  Martins  190. 
Vasco    Martins    de    Resende 

190. 
Vasco  Peres  190. 
Vasco    Peres    de    Baamonte 

239. 
Vasco  Peres,  Pardt»!   190. 
Vasco  Praga,  de  Sandim  187. 

190. 
Vasco    Rodrigues,    de    Cal- 

velo   190. 
Vasconcellos  456. 
Vascuncellos,    Antonio    186. 
Vasconcellos,  Diogo  Mendes 

de  332. 
Vasconcellos,  Jorge  Ferreira 

de    157.    295,   301.    302. 

309  f.  335.  342.  344. 
Vasconcellos,   Leite  de   153. 
Vasconcellos,    Manoel  Quin- 
tana de  .-{52. 
Vasconcellos,  Rodriga'  Ean- 

nes  de   190.  191. 
Vasconcellos  da  Cunha,Troilo 

de  360. 
Vasques,  Joam  189.  191. 
Vasques,    Joam-,    de    Tala- 

veira  189. 
Vasques,    Mem   — ,    de  Fol- 

he(n)te  190. 
Vatikan,  Katal.  Hss.  in  dem- 
selben 75. 
Vaz,  Aires   189. 
Vaz,  Francisco  307. 
Vaz,  Joanna  332. 
Vazquez  459. 


Vedel,  Guillem   126. 

Veer,  Pero  de  190. 

Vega,  Garci  Laso  de    la  80. 

136.  297.   422.  449.   450. 

453. 
Vega,    Lope    de    270.    284. 

292.   306.   345.  350.  351. 

392.  394.   447.    448.  451. 

4i3.  456.   457.  458.  459. 

460.  461.  462.  464.  465. 

466. 
Vega-Aguilo,    Liederbücher 

78. 
Vegetius,   Port.  Übers.    246. 

In    der    span.    Litt.     418. 

435. 
Veiga,  Manoel  da  306. 
Veiga   Tagarro,    Manoel    da 

330. 
Velasco,    Antonio    de    269. 

270. 
Velasco,    Hernandez  de  456. 
Velasquez    de    Portugal    (=: 

Messer  Velasco  di  Porto- 

gallo?)  230. 
Velaz,  Joam   190. 
Veläzquez    de    Velasco    460 

Anm.  6. 
Velez  de  Guevara,  Luis  425 

Anm.  2.  430.  462.  465. 
Velez  de  Guevara,  Pero  241. 
Velho,  Fernam   189.   191. 
Velho,  Joam  — .  de  Pedrogaes 

178.   189. 
Velho,  Pay  191. 
Velho,  Pero  — ,  de  Taveirös 

190.   191. 
Ventura,  Morante  de  la  444. 
Venturos  pelegri,  Lo  81.  122. 
Vera,  Hurtado  de  la  460, 
Veragua,  Pedro  de  428. 
Verba,  Joao  245. 
Verdadeiro  methodo  de  estu- 

dar  358. 
Verdaguer,  Jacinto  84. 
Vergas ,     Tamayo     de     449 

Anm.  1. 
Vergerius,    P.  P.    229.    246. 

252. 
Verney,    Luiz  Antonio    358. 

359. 
Vers,  Lyr.  Gattung  im  Prov. 

21.  22. 
versi  sciolti  78. 
Verskunst  s.  Metrik, 
verso    de    arte    mayor     164. 

196.  239.  272.  390.  424. 

425      S.  auch  Arte  mayor. 
Verso    de    redondilla    mayor 

425.  431. 
Verso    de   redondilla    menor 

425. 
Verso  suelto  449.  455. 
Vertutz  de  Taiga  ardent   68. 
Vespasian,    Historia   del  rey 


496 


Register. 


Vespasiano  214.2 15  Anm.4. 

439  Anni.  1. 
Viana,  Fürst  v,  125. 
Viana,    Carlos  de    435.  437. 
Vicente,   S.  (Gedicht)  332. 
Vicente,  Gil    144.   148.   149. 

151.  153.    1.Ö7.   164.   267. 

280  ff.     297.    300.    302. 

308.  463. 
Vicente,     Paula    282.    286. 

287. 
Viciana,  Martin   103. 
Victoiia,  Henrique  Aires  312. 
Victorino,   demente  353. 
Victorio  de  Braga  212. 
Viciina,Lopezde452Anm.l0. 
Vida  457. 
Vida  de  D.  Miguel  de  Moura 

342. 
Vida  de   D.  Paulo  de  Lima 

342. 
Vida  de  D.  Teilo  e  Noticia 

da  Fundaqao  do  Moesteiro 

de  Sta.  Cruz    de  Coimbra 

211. 
Vida  de  Estevanillo  Gonzalez 

461. 
Vida  de  Sa  de  Miranda  341. 
Vida  de  sancta  Angelina  92. 
Vida  de  Sa.  Catalina  416. 
Vida  de  S.  Francisco  Xavier 

353. 
Vida  de  S.  Ildefonso  404. 
Vida    de    Santa  Maria   Egip- 

ciaca  212.401.  404  Anm.  2. 

416. 
Vida    de   Sa.    Maria   Magda- 
lena 416.     s.    auch   Maria 

Magdalena. 
Vida  de  Sa.  Marta  416. 
Vida   do   Infante  D.  Duarte 

342. 
Vidal,  judeu  d'Elvas   190. 
Vidal,  Arnaut,  v.  Castelnau- 

dary  9  f.  36. 
Vidal,  Peire  18.  20.  24.  170. 

172.  173.   174. 
Vidal,  Raimon   12  f.  43.  67. 

126.   173.    174.  379. 
Vidal    y    Valenciano,    Caye- 

tano  128. 
Vieira,    Antonio    303.    353. 

354. 
Vieira  Lusitano  364. 
Vieira  Portuense  364. 
Vieira  Transtagano  364. 
Vieyia,  Nicolau  212. 
Vila ,    Jaume    Ramon     ]  18. 

120  f. 
vilancete  148.  276.  277. 
Vilaragut,  Anton  121. 
Vilarig,  Leonor  89. 
Vilhalpandos  310. 


Villagra  456. 

Villamediana.  Conde  de  453. 

Villancicos  385. 

Villasandino,  Alfonso  Alvares 
de  237.  241.  302.  307. 
422.  426. 

Viliaviciosa  458. 

Villegas,  Alonso  de  460. 

Viilegas,  Antonio  de  446. 
450.  456.  462. 

Villegas,  Estevan  Manuel  de 
453. 

Villena,  Enrique  de  89.  125. 
126.  237.  239.  240.  427. 
434.  443. 

Villena,  Garrido  de  456.  457. 

Villena,  Jsahel  de  89.  97. 

Viniioso,  Fiancisco  de  Portu- 
gal, Conde  de  271.  273. 
302. 

Vincentius  Bellovacensis  115. 
412.  416. 

Viola  de  Lereno  365. 

Violante  do  Ceo  347. 

Virgeu  de  Consolagao    212. 

Virgil  434.  451.  455.  456. 
463. 

Viriato  tragico  348. 

virlais  236. 

Virtuosa  Bemfeitoria  245 

Virues,  Cristöval  de  452. 
457.  464. 

Visio  Tungdali  s.  Tnugdalus. 

Vision  von  Clairvaux,  Ge- 
schichte der  —  ,  Katal. 
Übers..  91. 

Vita  aulica  332. 

Vita  Christi  251.  271. 

Vita  del  Gran  Tamerlnn  436. 

Vitae  patrum  414. 

Vives  447. 

Viviäes,  Pero   190. 

Voeux  du  Paon,  Span.  Über- 
setzung derselben  463. 

Volksepos,  Prov.  2  ff.  — -  in 
Spanien   390  ff. 

Volkslitteratur,  Portugiesi- 
sche  1 45  ff.     Span.  430  ff. 

Voltas  271.  277. 

Votos  de)  Pavon  404. 

Voz  do  amado  341. 

Vuituroiu,    Aires  Peres  177. 

Vulgärsprache  in  Spanien  387. 
388.   434.  444. 

W. 

Wahrsagebuch,  Prov.  65. 

Waldenser,  Gei.stliche  Dich- 
tungen 52  f.  Ritual  65. 
Physiologus  68. 

Waldenserbibel  60  f. 

Wallfahrts-Villancico  s.  Can- 
tos  de  romaria  289. 


Weihnachtsbrief,  Prov.  52. 

Weihnachtslied,  Prov.  35. 

Weihnachtsschaustellung  in 
Spanien  463.  464. 

Weisen,  Die  sieben  — ,  Kat. 
80.  81. 

Weisen,  Die.  12  — ,  Span. 
412.  419. 

Weisen,  Die  34  — ,  Span. 
412.  413. 

Weltchronik,  Prov.  66  f. 

Westgotenherrschaft  in  Spa- 
nien 383. 

Wieland  365. 

Wilhelm  v.  Berguedan  17. 

Wilhelm  von  Orange,  Über- 
lieferung in  Südfrank- 
reich ?  2. 

Wilhelm  VII.  v.  Poitou  (W. 
IX.  v.  Aquitanien)  17. 

Wilhelm  von.Tyrus  415. 

Wolf,  Ferd.  131.  139.  140. 
235. 


xäcaras  147.   154.   155.  376. 
Ximenaromanze  433. 
Xira,  Joham  254. 


Ysopete  historiado  12 1  f.  406. 
435  Anm.  3. 

Z. 

Zacoto,  Gon^aloMendes  271. 
Zadschal  385. 
Zamora,  Alonso  de  422. 
Zamorn,  Antonio  de  466. 
Zamora,  Cerco  de  398. 
Zärate,  Lopez  de  457. 
Zayas,  Maria  de  462. 
Zeichen  des  Weltuntergangs, 

Prov.  Gedichte  46. 
Zerstörung    Jerusalems ,     im 

Prov.  47.  63.     Katal.  88. 
Zorgi  (Zorzi),  Bartolome  18. 

173.  178.  196.  199. 
Zorrilla,  Francisco  de  Rojas 

466. 
Zorro,  Joam  152.  189. 
Zucchi,  Corano  —  von  Ster- 

leto  67. 
Zuraia,    Gomes    Eannes    de 

216.  218  f.  234.  248.  250. 

256  f.  337.  441. 
Zurita  120.  458. 
Zurita,  Fuero  von  —  388. 
Zwiegespräche,  Altport.  192. 
Zwiespaltslieder  193. 
Zwisciienessen-Spiele  (antre- 

meses)  280. 


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